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M. Liehn (Hrsg.

)
L. Steinmüller (Hrsg.)
J.R. Döhler (Hrsg.)

OP-Handbuch
Grundlagen, Instrumentarium, OP-Ablauf
5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
M. Liehn (Hrsg.)
L. Steinmüller (Hrsg.)
J.R. Döhler (Hrsg.)

OP-Handbuch
Grundlagen, Instrumentarium, OP-Ablauf

5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Mit 1060 Abbildungen

123
Margret Liehn
Zentrale Operationsabteilung
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Str. 1
22763 Hamburg

Dr. med. Lutz Steinmüller


Schön Klinik Hamburg-Eilbek
Abteilung für Visceral-, Gefäß- und Allgemeinchirurgie
Dehnhaide 120
22081 Hamburg

Prof. Dr. R. Döhler


Kiefernweg 6
25336 Elmshorn

ISBN-13 978-3-642-16844-4 5. Aufl., Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York


ISBN-13 978-3-540-72269-4 4. Aufl., Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

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anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Planung: Susanne Moritz und Barbara Lengricht, Berlin


Projektmanagement: Dr. Ulrike Niesel, Heidelberg
Lektorat und Bildredaktion: Michaela Mallwitz, Tairnbach
Zeichnungen: Adrian Cornford, Reinheim; Christiane und Dr. Michael von Solodkoff, Neckargemünd;
Albert R. Gattung u. Regine Gattung-Petith, Edingen-Neckarhausen; Peter Lübcke, Wachenheim
Layout und Einbandgestaltung: deblik Berlin
Satz und Reproduktion der Abbildungen: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg

SPIN: 12758807

Gedruckt auf säurefreiem Papier 22/2122/UN – 5 4 3 2 1 0


V

Geleitwort

Der rasante Fortschritt in der Medizin erfordert von allen beteiligten Berufsgruppen die ständige Aktua-
lisierung des vorhandenen Wissens. Dazu zählen auch neue und weiterentwickelte Operationsverfahren
sowie das dafür benötigte Instrumentarium und das medizintechnische Equipment. Darüber hinaus wird
speziell von den pflegerischen Mitarbeitenden erwartet, dass sie ihre Flexibilität weiter steigern und in
zunehmend mehr chirurgischen Fachdisziplinen eingesetzt werden können.
Um diese große Flexibilität erreichen zu können, kann ein umfassendes Handbuch für
den operativen Bereich hilfreich sein, wobei die Anforderungen an ein solches Handbuch vielfältig sind.
Es soll zum einen als Nachschlagewerk für neue und für erfahrene Mitarbeitende einsetzbar sein und zum
anderen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung Anwendung finden können. Der Einsatz im Rahmen der
Instrumentation und der Springertätigkeit in unterschiedlichen operativen Fachdisziplinen erfordert von
den Mitarbeitenden das Wissen um z. B. anatomische Grundlagen, Instrumentenkunde, Krankheitslehre,
Operationslagerungen und um Operationsabläufe. Dieses Wissen sollte in einem Handbuch übersichtlich,
kompakt und präzise dargestellt sein, damit die Mitarbeitenden die erwartete hohe Flexibilität erreichen
können und somit zur qualitativ guten Patientenbetreuung und -behandlung beitragen.
Das OP-Handbuch in der nun 5. Auflage wird diesen Anforderungen gerecht. Alle Kapitel wurden
überarbeitet und aktualisiert. Neue Themenbereiche wie beispielsweise das Riskmanagement und die
Transplantationschirurgie wurden ergänzt. Die übersichtliche inhaltliche Ausgestaltung wurde beibehal-
ten und ermöglicht auch in neuen operativen Fachdisziplinen die schnelle Orientierung für die Mitarbei-
tenden.
Herzlichen Glückwunsch den Herausgebern zur 5. überarbeiteten und erneut erweiterten Auflage.

Petra Ebbeke
Vertreterin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK)
im Board of Directors der European Operating Room Nurses Association (E.O.R.N.A.)
VII

Vorwort zur 5. Auflage

Dieses Buch erscheint nun schon das 5. Mal, und wir haben wieder versucht, mit der Entwicklung der
Chirurgie Schritt zu halten. Durch zunehmende Zentralisierung wird für die OP-Pflegekräfte das Spek-
trum immer breiter, und die Anforderungen wachsen mit kürzer werdenden Wechselzeiten, Zunahme
des Einsatzes der Technik und sich verändernden OP-Abläufen. Die Vorbereitung des Patienten, der
Materialien und der Instrumente ist ebenso wichtig wie die Durchführung der Lagerung, das Instrumen-
tieren und die Springertätigkeit. Die Anforderungen an das medizinische Assistenzpersonal hinsichtlich
der Gesamttätigkeiten im OP steigen ständig und erfordern ein hohes Maß an Kompetenz und einen
ständigen Lernprozess.
Am Konzept des Buches haben wir nichts geändert, aber wir haben vieles Neues eingefügt, Kapitel
ergänzt und alles überarbeitet. Durch neue Autoren konnten wir den Anspruch auf inhaltliche Qualität
erhalten.
In 7 Kap. 1 hat Frau Ina Welk (Zentrumsleitung Pflege, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) ein
Unterkapitel zu dem brisanten Thema des Risikomanagements geschrieben. Frau Margret Liehn aktua-
lisierte u. a. das Kapitel Nahtmaterial, das im Anschluss freundlicherweise von Frau Andrea Anbergen-
Langer (Marketing-Koordinatorin, Ethicon Medical) auf Richtigkeit überprüft wurde.
7 Kap. 2 wurde von Frau Liehn und Herrn Dr. Lutz Steinmüller in großem Umfang aktualisiert und
neu geschrieben. Das Kapitel der minimal-invasiven Chirurgie wurde erweitert, und für die Proktologie
konnte Herr Prof. Dr. Dr. Hendrik Schimmelpenning gewonnen werden. Frau Dr. Ursula Engel schrieb
das Kapitel der Schilddrüsenchirurgie neu, und Frau Sabine Bröker (Universitätsklinikum Hamburg-
Eppendorf) erweiterte den Inhalt um die Lebertransplantation.
7 Kap. 3 wurde aktualisiert und um einige pflegerische Aspekte erweitert. Hier konnte Frau Silke
Mein (Orthopädie, Schön-Klinik Eilbek) als zusätzliche Fachautorin gewonnen werden. Die Zehenchi-
rurgie wurde ausführlich von Frau Dr. Angela Simon beschrieben.
Die Handchirurgie, von Frau Gabi Walura, Herrn Dr. Rainer Thönnessen (beide Agaplesion Diako-
nieklinikum Hamburg) und Frau Margret Liehn verfasst, ist an das Kapitel der Traumatologie gekoppelt
und rundet es ab. Die Inhalte der Gefäßchirurgie und der Shunt- und Portsysteme (7 Kap. 4 und 5) wurden
wieder von Frau Annette Kormann überarbeitet und mit Herr Dr. Marc Liedke (Westküstenklinikum
Heide) abgestimmt.
In dem Kapitel der Thoraxchirurgie (7 Kap. 6) überarbeitete Herr Dr. Masaki Nakashima mit
Frau Rosa Böttger die Inhalte neu. Die Kardiochirurgie (7 Kap. 7) wurde überarbeitet und Neues von
Frau Ulla Kammin (Cardiochirurgische OP-Abt. des Albertinen-Krankenhauses Hamburg) eingefügt.
Für das Kapitel der Gynäkologie konnten mit Frau Ulrike Havemann und Frau Dr. Bazargan zwei erfah-
rene Mitarbeiterinnen gewonnen werden, die diesen Abschnitt ganz neu erstellten.
Auch 7 Kap. 9 wurde völlig neu von Frau Brigitte Knöffler und Herrn Dr. Cord Matthies (Bundes-
wehrkrankenhaus Hamburg) unter Mithilfe von Frau Margret Liehn und Frau Anke Baumgarten er-
arbeitet. Auch hier leistete Frau Sabine Bröker einen Beitrag zur Nierentransplantation. Um dem tech-
nischen Fortschritt Rechnung zu tragen, wurde die Roboterchirurgie anhand der Prostatektomie von
Frau Denise Oppermann und Herrn Dr. Alexander Haese (Martiniklinik Hamburg-Eppendorf) anschau-
lich beschrieben.
Die Neurochirurgie (7 Kap. 10) wurde erweitert und aktualisiert, ebenso die HNO-Chirurgie, die MKG-
Chirurgie, die Kinderchirurgie, die Augenchirurgie und die Verbrennungschirurgie. Für die Augenchirurgie
(7 Kap. 14) konnte Herr Dr. Florian Rüfer gewonnen werden, die Verbrennungschirurgie (7 Kap. 15) wurde
von Herrn Dr. Frank Bisgwa wieder fachlich durchgesehen.
Den Abschluss der 5. Auflage bildet neu 7 Kap. 16 der Multiorganentnahme, das von Frau Margret
Liehn erstellt wurde. Unser besonderer Dank gilt hier Herrn Dr. Helmut Kirschner von der DSO (Deut-
sche Stiftung Organspende) für die fachliche Durchsicht.
Ohne die Hilfe der Mitarbeiter des Zentral-OP’s der Asklepios Klinik Altona – hier seien insbeson-
dere Frau Annegret Nietz und Frau Heike Burzlaff genannt – wären viele Informationen nicht einge-
flossen.
VIII Vorwort zur 5. Auflage

Unser besonderer Dank gilt wieder dem Springer Verlag, dessen Mitarbeiter mit viel Engagement und
Kompetenz an der Erstellung beteiligt waren: Frau Barbara Lengricht, die gewohnt kompetent diese
Neuauflage plante, Frau Susanne Moritz, die die Planung fortführte, sowie Frau Dr. Ulrike Niesel, die das
Projektmanagement innehatte. Last not least gilt unser besonderer Dank Frau Michaela Mallwitz, die als
Lektorin dieses umfangreiche Buch von Anfang bis Ende intensiv redaktionell überarbeitete, Texte und
Abbildungen prüfte und immer wieder geduldig Fragen beantwortete.
Wir danken allen Lesern, ohne die es dieses Buch nicht gäbe, und wir freuen uns über konstruktive
Kritik, damit es eine überabeitete 6. Auflage geben kann.

Im Mai 2011

Die Herausgeber
Margret Liehn
Fachkrankenpflegekraft im Operationsdienst in einer zentralen OP-Abteilung, freiberufliche Dozentin
für OP-Pflege und Operationslehre

Dr. med. Lutz Steinmüller, MBA


Abteilung für Visceral-, Gefäß- und Allgemeinchirurgie, – Bauchzentrum –, Schön-Klinik Hamburg
Eilbek

Prof. Dr. med. Rüdiger Döhler, FRCSEd


Orthopäde und Traumatologe
IX

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
M. Liehn, J. Caselitz, L. Steinmüller, I. Welk
1.1 Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.2 Operationslagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Aspekte zur pflegerischen Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.4 Risikomanagement im OP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.5 Chirurgisches Nahtmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.6 Werkstoffe des chirurgischen Instrumentariums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.7 Grundinstrumente und ihre Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.8 Drainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.9 Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.10 Wunden und ihre Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2 Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37


M. Liehn, L. Steinmüller, S. Bröker, U. Engel, H. Schimmelpenning
2.1 Zugangswege und Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.2 Schilddrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.3 Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.4 Speiseröhre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.5 Magen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.6 Milz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
2.7 Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.8 Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.9 Bauchspeicheldrüse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
2.10 Dünndarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
2.11 Blinddarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
2.12 Dickdarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.13 Proktologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
2.14 Peritonitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
2.15 Minimal-invasive Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

3 Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161


J.R. Döhler, A. Gudat, K. Seide, Ch. Jürgens, J. Madert, A. Simon, S. Mein, G. Walura,
R. Thönnessen, M. Liehn
3.1 Anatomie und Physiologie von Knochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
3.2 Pathophysiologie von Knochen und Gelenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
3.3 Behandlung von Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
3.4 Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
3.5 Instrumente, Implantate und ihre Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
3.6 Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
3.7 Handchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

4 Gefäßchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
A. Kormann, M. Liedke
4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
4.2 Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
4.3 Lagerungen und Abdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
4.4 Erkrankungen des arteriellen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
4.5 Intraluminale Dilatation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
X Inhaltsverzeichnis

4.6 Weitere Operationsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292


4.7 Erkrankungen des venösen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

5 Shunt- und Portsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311


A. Kormann, M. Liedke, L. Steinmüller
5.1 Katheter und Shunts für die Hämodialyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
5.2 Portsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
5.3 Peritoneovenöse Shunts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

6 Thoraxchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
M. Liehn, R. Böttger, M. Nakashima
6.1 Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
6.2 Thoraxinstrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
6.3 Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in der Thoraxchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . 320
6.4 Thoraxdrainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
6.5 Präoperative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
6.6 Eingriffe an der Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
6.7 Eingriffe an der Trachea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
6.8 Eingriffe an der Pleura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
6.9 Eingriffe am Mediastinum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
6.10 Knöcherne Thoraxwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

7 Kardiochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
F.-Ch. Rieß, U. Kammin, M. Liehn, B. von Essen, A. Urbans, L. Hansen
7.1 Geschichte der Kardiochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
7.2 Kardiochirurgische Operationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
7.3 Herz-Lungen-Maschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
7.4 Chirurgische Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
7.5 Koronarchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
7.6 Linksventrikuläre Aneurysmektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
7.7 Aortenklappenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348
7.8 Mitralklappenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
7.9 Trikuspidalklappenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
7.10 Aortenaneurysmachirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
7.11 Chirurgie kongenitaler Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
7.12 Erkrankungen des Herzbeutels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
7.13 Herztumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372
7.14 Pulmonale Thrombektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
7.15 Behandlung von Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
7.16 Kreislaufunterstützungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
7.17 Herztransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

8 Gynäkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
U. Havemann, M. Bazargan
8.1 Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
8.2 Zugänge in der Gynäkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
8.3 Lagerungen und Abdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
8.4 Gynäkologisches Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
8.5 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
8.6 Operative Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391
8.7 Laparoskopie/Pelviskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
8.8 Mammachirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
XI
Inhaltsverzeichnis

9 Urologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn, D. Oppermann, A. Haese, A. Baumgarten, S. Bröker
9.1 Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
9.2 Spezielles urologisches Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
9.3 Transurethrale und perkutane Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431
9.4 Äußeres Genitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
9.5 Prostata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
9.6 Blase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
9.7 Harnleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470
9.8 Harninkontinenz der Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
9.9 Blasen-Scheiden-Fisteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
9.10 Harninkontinenz des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
9.11 Harnröhrenplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484
9.12 Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
9.13 Nierentransplantation (NTX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

10 Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497
M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog, A. Gudat
10.1 Anatomische und physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498
10.2 Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
10.3 Diagnostische Untersuchungen in der Neurochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
10.4 Intrakranielle Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517
10.5 Intrakranielle Gefäßmissbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
10.6 Entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529
10.7 Schädel-Hirn-Traumata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530
10.8 Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule . . . . . . . 536
10.9 Schädigung peripherer Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545

11 Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549
M. Liehn, G. Nehse
11.1 Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550
11.2 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
11.3 Frakturen und ihre Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
11.4 Tumor- und rekonstruktive Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559
11.5 Weichteilchirurgie des Gesichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
11.6 Mikrochirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
11.7 Chirurgische Kieferorthopädie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561

12 Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563
M. Liehn, T. Grundmann, A. Paul
12.1 Grundlagen der Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564
12.2 Diagnostisches Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565
12.3 Operationsinstrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566
12.4 Aufgaben der Operationspflegekraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568
12.5 Hals-Nasen-Ohren-Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572

13 Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583
P. Reifferscheid, M. Liehn
13.1 Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
13.2 Thorax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587
13.3 Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
13.4 Bauchwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622
13.5 Urogenitaltrakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631
XII Inhaltsverzeichnis

13.6 Zentralnervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649


13.7 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659

14 Ophthalmologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665
I. Welk, A. Bunse, F. Rüfer
14.1 Anatomie des Auges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666
14.2 Besonderheiten bei Operationen am Auge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667
14.3 Aufgaben der Operationspflegekraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669
14.4 Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 670

15 Verbrennungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
Chr. Westphal, M. Liehn
15.1 Verbrennungen und Versorgungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680
15.2 Erstversorgung Brandverletzter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680
15.3 Infektionsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681
15.4 Hautersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681
15.5 Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682
15.6 Elektrotrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685
15.7 Postakutphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685

16 Organexplantation – Multiorganentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687


M. Liehn
16.1 Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 688
16.2 Multiorganentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 689
16.3 Hornhautspende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690

Glossar und Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707

Herstellerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719
XIII

Mitarbeiterverzeichnis

Baumgarten, Anke Döhler, J. Rüdiger


Operationsabteilung Prof. Dr. med., FRCSEd
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Kiefernweg 6
Lesserstr. 180 25336 Elmshorn
22049 Hamburg
Engel, Ursula
Bazargan, Mahtab Dr. med.
Dr. med. Trenkner Weg 100a
Gynäkologie 22605 Hamburg
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Str. 1 Grundmann, Thomas
22763 Hamburg Prof. Dr. med.
HNO-Abteilung
Böttger, Rosa Asklepios Klinik Altona
Operationsabteilung Paul-Ehrlich-Str. 1
Krankenhaus Großhansdorf 22763 Hamburg
Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie
Wöhrendamm 80 Gudat, Anett
22927 Großhansdorf Zentrale Operationsabteilung
Asklepios Klinik Altona
Bröker, Sabine Paul-Ehrlich-Str. 1
Zentrale Operationsabteilung 22763 Hamburg
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52 Haese, Alexander
20246 Hamburg Priv.-Doz Dr. med.
Martiniklinik Hamburg-Eppendorf
Brunken, Martin Martinistraße 52
Dr. med. 20246 Hamburg
Neurochirurgische Abteilung
Asklepios Klinik Altona Hansen, Lorenz
Paul-Ehrlich-Str. 1 Dr. med.
22763 Hamburg Cardiochirurgische Operationsabteilung
Albertinen-Krankenhaus Hamburg
Bunse, Arndt Süntelstraße 11a
Dr. med. 22457 Hamburg
Klinik für Ophthalmologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein/ Havemann, Ulrike
Campus Kiel Zentrale Operationsabteilung
Hegewischstr. 2 Asklepios Klinik Altona
24105 Kiel Paul-Ehrlich-Str. 1
22763 Hamburg
Caselitz, Jörg
Prof. Dr. med. Jürgens, Christian
Institut für Pathologie Prof. Dr. med.
Asklepios Klinik Altona Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus
Paul-Ehrlich-Str. 1 Bergedorfer Str. 10
22763 Hamburg 21033 Hamburg
XIV Mitarbeiterverzeichnis

Kammin, Ursula Nakashima, Masaki


Cardiochirurgische OP-Abteilung Dr. med.
Albertinen-Krankenhaus Hamburg Thoraxchirurgische Abteilung
Süntelstraße 11a Asklepios Klinik Harburg
22457 Hamburg Eißendorfer Pferdeweg 52
21075 Hamburg
Kormann, Annette
Zentrale Operationsabteilung Nehse, Günter
Asklepios Klinik Altona Priv-Doz. Dr. med. Dr. med. dent.
Paul-Ehrlich-Straße 1 Heiderosenweg 9a
22763 Hamburg 22359 Hamburg

Lengersdorf, Brigitte Oppermann, Denise


OP-Abteilung OP-Abteilung
Bundeswehr-Krankenhaus Hamburg Martiniklinik Hamburg-Eppendorf
Lesserstr. 180 Martinistraße 52
22049 Hamburg 20246 Hamburg

Liedke, Marc Paul, Anna


Dr. med. Dr. med.
Westküstenklinikum Heide HNO-Abteilung
Esmarchstraße 50 Asklepios Klinik Altona
25746 Heide Paul-Ehrlich-Str. 1
22763 Hamburg
Liehn, Margret
Zentrale Operationsabteilung Reifferscheid, Peter
Asklepios Klinik Altona Dr. med.
Paul-Ehrlich-Str. 1 Blechschmidstraße 12
22763 Hamburg 22609 Hamburg

Madert, Jürgen Rieß, Friedrich-Christian


Dr. med. Priv-Doz. Dr. med.
Chirurgisch-Traumatologisches Zentrum Abt. für Herzchirurgie
Asklepios Klinik St. Georg Albertinen-Krankenhaus Hamburg
Lohmühlenstr. 5 Süntelstraße 11a
20099 Hamburg 22457 Hamburg

Matthies, Cord Rüfer, Florian


Dr. med. Dr. med.
Urologie Augenklinik
Bundeswehr-Krankenhaus Hamburg Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Lesserstr. 180 Arnold-Heller-Str. 3 (Haus 25)
22049 Hamburg 24105 Kiel

Mein, Silke Schimmelpenning, Hendrik


Orthopädische OP-Abteilung Professor Dr. Dr.
Klinikum Eilbek / Schön-Kliniken Klinik für Chirurgie und Unfallchirurgie
Dehnhaide 120 Schön Klinik Neustadt
22081 Hamburg Am Kiebitzberg 10
23730 Neustadt in Holstein
XV
Mitarbeiterverzeichnis

Seide, Klaus Welk, Ina


Priv-Doz. Dr. med. Pflegerische Leitung, Bereich 3
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Bergedorfer Str. 10 Arnold-Heller-Str. 3 (Haus 18)
21033 Hamburg 24105 Kiel

Simon, Angela Westphal, Christel


Dr. med Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus
Klinik für Orthopädie 2 Hamburg
Diakonie Klinikum Dietrich Bonhoeffer GmbH Bergedorfer Str. 10
Allendestr. 30 21033 Hamburg
17036 Neubrandenburg

Steinmüller, Lutz
Dr. med., MBA
Abteilung für Visceral-, Gefäß- und
Allgemeinchirurgie
Klinikum Eilbek / Schön-Kliniken
Dehnhaide 120
22081 Hamburg

Thönnessen, Rainer
Dr. med.
Handchirurgie
Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg
Hohe Weide 17
20259 Hamburg

Urbans, Anja
Cardiochirurgische OP-Abteilung
Albertinen-Krankenhaus Hamburg
Süntelstraße 11a
22457 Hamburg

von Essen, Birgit


Drei Eichen 6a
25368 Kiebitzreihe

Walura, Gabriele
Zentrale OP-Abteilung
Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg
Hohe Weide 17
20259 Hamburg

Weissflog, Martin
Dr. med.
Neurochirurgische Abteilung
Asklepios Klinik Altona
Paul-Ehrlich-Str. 1
22763 Hamburg
1

Grundlagen
M. Liehn, J. Caselitz, L. Steinmüller, I. Welk

1.1 Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst –2

1.2 Operationslagerungen –4

1.3 Aspekte zur pflegerischen Dokumentation –8

1.4 Risikomanagement im OP – 12

1.5 Chirurgisches Nahtmaterial – 14

1.6 Werkstoffe des chirurgischen Instrumentariums – 21

1.7 Grundinstrumente und ihre Handhabung – 21

1.8 Drainagen – 24

1.9 Operationsindikationen – 28

1.10 Wunden und ihre Versorgung – 29

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_1,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
2 Kapitel 1 · Grundlagen

1.1 Aufgaben einer Pflegekraft Schon mit dem Betreten einer Operationsabteilung kom-
1 im Operationsdienst men besondere Anforderungen auf das OP-Personal zu.
Korrektes Einschleusen setzt Wissen über die Hygiene vor-
M. Liehn aus, denn das richtige Tragen von Kleidung, Mütze und
Mundtuch resultiert aus der Einsicht in die Notwendigkeit.
Trotz steigender Anforderungen existiert kein festgelegtes Alle neuen Mitarbeiter, Schüler und Gäste müssen da-
Berufsbild einer Fachkrankenpflegekraft im Operations- hingehend eingewiesen werden.
dienst. In der folgenden 7 Übersicht werden die wichtigs- Im Saal selbst gehören ruhige Bewegungen zum »nor-
ten allgemeinen Anforderungen und operationspezifischen malen« Arbeitsablauf; Hektik darf nur im äußersten Not-
Aufgaben zusammengefasst. fall aufkommen.

jSonstige Aufgaben
Allgemeines Kenntnis- und Leistungsspektrum
Das OP-Personal lernt neue Kollegen, operationstech-
4 Aktuelle Kenntnisse der Hygienerichtlinien des nische Assistenten (OTA) oder Schüler an. Das Wissen
RKI und der Arbeitssicherheitsvorschriften über die organisatorischen Notwendigkeiten in einem OP-
4 Sicherer Umgang mit der Pflegedokumentation Betrieb ist hierfür die Voraussetzung. Die Erstellung und
4 Qualitätssicherung in der OP-Abteilung regelmäßige Überprüfung von Standards sind im Rahmen
4 Team- und Konfliktfähigkeit
der Qualitätssicherung unerlässlicher Bestandteil der Ar-
4 Gutes Kommunikationsvermögen
beit des OP-Personals.
4 Organisationsfähigkeit
Die Einhaltung der Hygienerichtlinien und der Unfall-
4 Didaktische Kenntnisse zur Vermittlung fach-
verhütungsvorschriften ist obligat.
praktischer und theoretischer Fertigkeiten
Für einen reibungslosen Tagesablauf muss die Bevor-
4 Fähigkeit zur psychischen Betreuung von Patienten
ratung ausreichend sein. Dazu muss die Bestellung von
4 Kenntnisse über pflegerische Maßnahmen, z. B.
Bedarfsartikeln und Implantaten geregelt sein.
Katheterismus
Je nach Spezialisierung und Abteilung kommen zu-
4 Kenntnisse bezüglich des Strahlenschutzes
sätzliche spezifische Anforderungen hinzu.
4 Kenntnisse der Unfallverhütungsvorschriften
4 Kenntnisse über die korrekte Vorbereitung des Pa-
jOP-Vorbereitung
tienten, z. B. für die Anwendung hochfrequenter
Elektrochirurgiegeräte Das OP-Pflegepersonal bereitet anhand bestehender Stan-
4 Kenntnisse des Medizinproduktegesetzes (MPG) dards den benötigten Operationstisch mit Lagerungshilfs-
mitteln vor. Der Patient wird eingeschleust, nach Standard
und/oder Checkliste und entsprechend der geplanten
Operation gelagert.
Operationsspezifische Aufgaben Die instrumentierende Kraft und die »Saalassistenz«
sollen kooperativ die Operation vorbereiten. Das setzt ein
4 Vorbereitung des OP-Saales mit allen medizi-
gut geplantes OP-Programm voraus, in dem auch die indi-
nischen Geräten, Instrumentarien und Ver-
viduellen Probleme des Patienten berücksichtigt werden.
brauchsmaterialien
Alle medizintechnischen Geräte werden vor der Operation
4 Vorbereitung der OP-Tische
gemäß dem Medizinproduktgesetz (MPG) geprüft. Ins-
4 Einschleusung der Patienten
trumente, Wäsche, Kittel, Textilien und Nahtmaterialien
4 Durchführung und Überwachung der operations-
spezifischen Lagerung des Patienten
werden gemeinsam zusammengestellt. Die/der Instrumen-
4 Anlegen einer Blutsperre/Blutleere tierende deckt die Tische steril ab und bereitet die Instru-
4 Situationsgerechtes, schnelles Instrumentieren mente für die geplante Operation übersichtlich vor.
4 Saalassistenz (»Springertätigkeit«) ! Die Anordnung der Instrumente auf dem Tisch
4 Durchführung der Dokumentation sollte in einer Operationsabteilung einheitlich
4 Vorbereitung und das Anlegen von Gipsen und sein. Im OP-Protokoll wird die Anzahl der Instru-
Verbänden mente und Textilien prä-, intra- und postoperativ
4 Annahme, Beschriftung und Versendung von
dokumentiert.
Präparaten für die Bakteriologie, Pathologie und
Histologie
4 Dokumentation und Kontrolle der Raumluft Tech- jOperation
nischen Anlagen (RLTA) Kenntnisse der Anatomie des menschlichen Körpers und
das Wissen um den Ablauf der geplanten Operationen sind
1.1 · Aufgaben einer Pflegekraft im Operationsdienst
3 1
für ein situationsgerechtes Instrumentieren, insbesondere jAufgaben einer operationstechnischen Assistentin
in kritischen Phasen der Operation, unerlässlich. Das An- Die Aufgaben einer OTA unterscheiden sich nicht von de-
reichen der Instrumente während der Operation in der nen der OP-Pflegekraft. Die OTA bekommt in einer von
richtigen Reihenfolge sollte ohne direkte Aufforderungen der DKG (Deutsche Krankenhausgesellschaft) geregelten
möglich sein. 3-jährigen Ausbildung das Wissen und die Fertigkeiten
Nach der Operation müssen alle Instrumente, Nadeln vermittelt, die im laufenden OP-Betrieb benötigt werden.
und Textilien noch einmal gezählt und das korrekte Ergeb- Hinzu kommen die Instrumentenaufbereitung, die Tätig-
nis im OP-Protokoll festgehalten werden. keit in der chirurgischen Ambulanz sowie einführende
Kenntnisse für die Endoskopie und Anästhesie.
jSaalassistenz Nach Ablauf der 3-jährigen Ausbildung kann die/der
Die Saalassistenz hilft bei der operationsspezifischen Lage- OTA die oben geschilderten Aufgaben übernehmen und so
rung des Patienten nach der Narkoseeinleitung. Dies erfor- in das OP-Team integriert werden.
dert neben körperlicher Kraft und technischem Verständ-
nis auch das Wissen über die Vermeidung von Lagerungs- jVorbereitung von Operations- und Biopsiematerial
schäden. für die nachfolgende histologische Untersuchung
Dekubitalgeschwüre werden durch die Lagerung des Biopsie- und Operationsmaterial werden in der Regel his-
Patienten auf Gelmatten oder Vakuummatratzen verhin- tologisch von einem Pathologen untersucht. Die feinge-
dert (7 Abschn. 1.2). webliche Untersuchung trägt maßgeblich zur Diagnostik,
Eine Thromboseprophylaxe erfolgt durch korrektes insbesondere bei der Abklärung einer möglichen Krebser-
Lagern der Beine und ggf. durch das Tragen von angepass- krankung, bei. Für die Behandlung des Gewebes und/oder
ten Antithrombosestrümpfen, die keine Falten schlagen des Biopsiematerials gibt es prinzipiell 2 Möglichkeiten:
dürfen. 4 Schnellschnitt,
Eine Wärmematte, entsprechend gewärmte Decken 4 übliche Verarbeitung nach Fixierung.
oder Isolierfolie vermindern den Wärmeverlust des Pa-
tienten. Schnellschnitt Bei der Schnellschnittdiagnostik wird
Die Saalassistenz reicht das benötigte Sterilgut an und Frischmaterial unmittelbar nach der Entnahme in der Pa-
steht hierzu immer mit dem Gesicht zum sterilen Bereich. thologie untersucht. Während des Transports darf das
Die Bedarfsartikel werden nie über den sterilen Tischen Material nicht austrocknen und wird deshalb mit einem
geöffnet, aber immer so, dass die Instrumentierende pro- Tupfer mit physiologischer Kochsalzlösung oder Ringer-
blemlos das Material abnehmen kann. Lösung abgedeckt. Das native Gewebe wird eingefroren
Nach dem sterilen Abdecken des Patienten durch das und anschließend am Gefrierschnitt untersucht. Die Dia-
operierende Team schließt der Springer die benötigten me- gnose kann nach etwa 5–10 min am Mikroskop erstellt
dizintechnischen Geräte an, u. a. den Sauger und bei Be- werden.
darf das Hochfrequenz (HF)-Gerät (7 Abschn. 1.2.3). Die Da das Material beim Schnellschnitt frisch in die Ab-
Abwurfbehältnisse werden bereitgestellt. Die Saalassistenz teilung für Pathologie gelangt, sind alle anderen metho-
verfolgt den Ablauf der Operation, um bei Bedarf unauf- dischen Aufbereitungen noch möglich und können vom
gefordert neue Materialien anzureichen. Pathologen in die Wege geleitet werden (z. B. mikrobio-
Sie versorgt anfallende Präparate, kümmert sich um logische, biochemische Untersuchungen, molekularbiolo-
die korrekte Dokumentation, zählt am Ende einer Opera- gische und genetische Analysen).
tion die abgeworfenen Textilien und bestellt den nächsten Zu beachten sind die korrekte Beschriftung des Be-
Patienten. gleitscheins und die Angabe einer Telefon- oder Fax-Num-
Nach erfolgter Hautnaht werden die neutrale Elektrode mer, damit das Untersuchungsergebnis dem Chirurgen
sowie Gurte und Lagerungshilfen vom Patienten entfernt mitgeteilt werden kann.
und zur Reinigung und Desinfektion bereitgelegt. Die
Drainagen und der Verband werden vor der Verlegung des Fixierung Für die übliche Gewebsaufbereitung ohne
Patienten in die Aufwacheinheit kontrolliert. Schnellschnitt wird das Gewebe in der Regel fixiert, d. h.
Die Abfälle und der Saugerinhalt bzw. -beutel werden konserviert. Die Fixierung hat folgende Aufgaben:
gemäß den Hygienerichtlinien entsorgt. 4 Sie härtet das Gewebe und macht es damit für die
Geräte und Instrumente, die für die Operation not- nachfolgende histologische Untersuchung geeignet.
wendig waren, werden aus dem Saal entfernt, damit das 4 Sie macht das Gewebe haltbar.
Reinigungspersonal den OP-Raum, die Möbel und die OP- 4 Sie tötet Keime (Bakterien, Viren) ab und verhindert
Lampe reinigen kann. so fast alle relevanten Infektionen.
4 Kapitel 1 · Grundlagen

Für die Fixierung gibt es zahlreiche unterschiedliche Mit- aber gleichzeitig unterliegt jede Operationslagerung den
1 tel. In der Praxis wird überwiegend 4- oder 6%iges Forma- folgenden festen Kriterien.
lin verwendet, das durch Verdünnen der ca. 40%igen wäss- Der OP-Tisch ist immer mit einer Gelmatte abgedeckt,
rigen Formaldehydstammlösung mit der entsprechenden um den Druck auf das Gewebe zu minimieren. Alternativ
Menge Leitungswasser hergestellt werden kann. Besser als stehen z. B. Vakuummatratzen zur Verfügung. Armschie-
Leitungswasser eignet sich phosphatgepufferte physiolo- ne und Beinausleger sind im Regelfall mit einer Gelmatte
gische Kochsalzlösung. Die entsprechenden Rezepte und bedeckt. Für besonders gefährdete Patienten, wie alte,
die Herstellung erfolgen in der klinikeigenen Apotheke kachektische oder gefäßkranke Personen, empfiehlt sich
oder in der Abteilung für Pathologie. Obwohl Formalin bei längeren Eingriffen eine Vakuumauflage, die sich an die
sehr lange haltbar ist, muss es in regelmäßigen Abständen Konturen des Körpers anpasst.
neu angesetzt werden, damit keine Abbauprodukte wie Die Mitarbeiter müssen in die Anwendung der OP-
Ameisensäure das Gewebe verändern. Tischauflagen eingwiesen sein.
Gepuffertes Formalin ist insbesondere bei Tumorge-
! Immer gilt, den Patienten vor Schäden jeder Art
webe angezeigt, wenn eine ungewöhnliche Differenzierung
zu schützen. Ein Wärmeverlust während der
zu erwarten ist. Für besondere Untersuchungen (z. B. am
Operation kann zu einer erheblichen Gefahr für
Elektronenmikroskop) wird gepuffertes Formalin verwen-
den Patienten werden.
det. Im Einzelfall sollte jedoch vor dem Eingriff kurz Rück-
sprache mit dem Pathologen bzw. dem Histologielabor Während der Narkose muss mit Wärmeverlust gerechnet
gehalten werden, der das Material nachbearbeitet. werden. Großflächige OP-Zugänge, kalte Spüllösungen,
Infusionen und zu geringe Raumtemperatur müssen vom
Praktische Hinweise Im OP-Raum und in der Poliklinik Patienten kompensiert werden. Die Abdeckung des Kör-
sollte die Telefonnummer der Abteilung für Pathologie pers mit vorgewärmten Tüchern, das Liegen auf einer
oder bei Bedarf die Piepernummer für entsprechende Wärmematte und angewärmte Spüllösungen sollten zum
Rückfragen hinterlegt sein. Standard gehören. Die Anwendung von energetisch betrie-
benen Wärmedecken (Warm Touch) ist unabdingbar. Sie
! Ein Tipp für die Praxis: Sollte unter Notfallbedin-
können über 3 Temperaturstufen eine konvektive Erwär-
gungen Formalin fehlen, so können ersatzweise
mung erreichen (Fa. Covidian).
Alkohol oder Lösungen wie Sterillium eingesetzt
Auskühlung des Patienten wirkt sich auf die Narkose-
werden. Diese Fixierungsart sollte aber die Ausnah-
führung aus. Die Aufwachphase wird verlängert, die Ge-
me sein und dem Pathologen mitgeteilt werden.
fahr einer Dekubitusentstehung steigt. Die Wundheilung
kann verzögert einsetzen.

1.2 Operationslagerungen Juristische Verantwortung


Nicht selten taucht die Frage auf, wer bei Lagerungsschä-
M. Liehn den verantwortlich ist. Nach einer Absprache der Berufs-
verbände der Chirurgen (BDC) und der Anästhesisten
1.2.1 Allgemeine Hinweise (BDA) wurde die Verantwortlichkeit zwischen Chirurgie
und Anästhesie in die im Folgenden aufgeführten 4 Phasen
Der regelhafte Ablauf einer Operation hängt nicht uner- gegliedert.
heblich von der richtigen Lagerung des Patienten ab, die in
den meisten Abteilungen vom OP-Personal durchgeführt
Verantwortlichkeit für die Lagerung
wird. Sie erfolgt nach Absprache mit dem Anästhesisten
und dem Chirurgen, die sich die Verantwortung über die 7 Präoperative Phase:
Kontrolle in den verschiedenen Phasen der Operation Der Anästhesist ist so lange für die Lagerung ver-
teilen (7 Abschn. »Juristische Verantwortung«). Nach der antwortlich, bis der Patient in Narkose für die
Narkoseeinleitung, die in Rückenlage auf dem geraden Operation gelagert wird.
Tisch durchgeführt wird, beginnt die eigentliche Operati- 7 Lagerung zur Operation:
onslagerung. Der Operateur entscheidet über die Art der Lage-
Intraoperative Korrekturen oder Umlagerungen ber- rung unter Berücksichtigung eventueller Ein-
gen Risiken der Verschiebung von Polstermaterial und be- wände seitens des Anästhesisten. Der Chirurg ist
schleunigen damit die Entstehung von Druckgeschwüren. verpflichtet, die Lagerung vor der Abdeckung
Fast jede Operation erfordert eine spezifische Lage- 6
rung, die für diesen Eingriff gesondert angesprochen wird,
1.2 · Operationslagerungen
5 1
meiden. Besonders bei onkologischen oder gefäßkranken
zu kontrollieren, und er ist gehalten, dieses zu Patienten ist die Entstehung von Dekubitalgeschwüren zu
dokumentieren. erwarten, wenn keine prophylaktischen Maßnahmen er-
7 Intraoperative Lageveränderungen: griffen werden.
Nach intraoperativen Lagerungsänderungen ist
der »Springer« gehalten zu kontrollieren, ob die Lagerungsmittel
Abpolsterung der gefährdeten Körperteile ge- Während der verschiedenen Operationen erleichtern La-
währleistet und der Sitz der neutralen Elektrode gerungshilfen den Eingriff. In der Kopftieflage fallen die
noch korrekt ist. Darmschlingen z. B. nach kranial und ermöglichen einen
7 Postoperative Phase: besseren Zugriff ins kleine Becken oder in den Unterbauch.
Die Aufgabe des Anästhesisten erstreckt sich auf Die Fußtieflage verbessert den Zugang zum Oberbauch.
die Beobachtung der Lagerung während der Aus- Polster oder OP-Tischelemente erhöhen den Thorax, so-
leitung und der Umlagerung ins Krankenbett. Sie dass der Zugang durch den gedehnten Zwischenrippen-
endet erst mit der Übergabe des Patienten an die raum erleichtert ist.
Station bzw. den Aufwachraum. Gelmatten müssen gemäß Herstelleranweisung ange-
wendet werden. In der Regel liegen sie direkt auf der Haut
des Patienten, denn nur so ist eine erwünschte Druckver-
teilung zu erzielen.
Schädigungsarten
Lagerungsdokumentation
! Zur professionellen Pflege gehört unbedingt die
Die Dokumentation von standardisierten Lagerungen ist
standardisierte Vorbereitung und Durchführung
einfach, da nicht mehr alle Lagerungshilfsmittel aufgezählt
einer OP-Lagerung. Aber die Kompetenz des
werden müssen.
Pflegenden zeichnet sich dadurch aus, dass er/sie
Folgende Bewandtnisse müssen dokumentiert wer-
bei Bedarf vom Standard abweicht, um optimale
den:
Bedingungen für den Patienten zu erzielen.
4 Abweichungen vom Standard und ihre Begründung,
Der Patient ist durch Narkose, Relaxation und drohen- 4 Namen des Durchführenden und des kontrollie-
den Wärmeverlust prädestiniert für Läsionen, Druck- renden Chirurgen,
schäden und Lähmungserscheinungen. 4 Platzierung der Dispersionselektrode und Lageverän-
Folgendes ist zu beachten: derungen.
4 Starker Druck und massive Dehnung aller Nerven
und Gefäße sind zu vermeiden; zu starke Flexion oder Lagerung der Arme
Beugung führen zu Schädigungen. Der für die Narkose wichtige »Infusionsarm« wird in sei-
4 Übertriebene Rotation oder Abduktion z. B. des Ar- ner gesamten Länge auf einer am Tisch fixierten Schiene
mes führt zu Dehnungen des Plexus brachialis. ausgelagert. Die Schienenpolster müssen korrekt anliegen,
4 Befestigungen müssen locker und gut gepolstert sein. um Schäden am N. radialis oder N. ulnaris zu vermeiden.
4 Zu harte oder falsch platzierte Rollen führen zu Kom- Hierzu wird der Arm in Supinationsstellung (Handfläche
pressionen. einsehbar) leicht angewinkelt fixiert. Der andere Arm kann
4 Alle Gelenke werden leicht abgewinkelt gelagert. mit 2 gepolsterten Manschetten am Narkosebügel hochge-
4 Niemand darf sich auf einem Patienten abstützen. hängt werden. Die Schulter muss dabei auf dem OP-Tisch
4 Bei intraoperativen Lagerungsveränderungen muss aufliegen.
ein Verrutschen des Patienten auf dem OP-Tisch ver-
! Kein Hautareal des Patienten darf mit dem Metall
mieden werden.
des OP-Tisches in Berührung kommen, wenn
Dekubitusprophylaxe während des Eingriffs mit dem HF-Gerät gearbei-
tet wird.
Untersuchungen haben gezeigt, dass vielfach schon im OP-
Saal die Grundlage für Dekubitalgeschwüre gelegt wird. Soll der andere Arm seitlich an den Körper angelegt wer-
Selbst bei sehr gewissenhafter Betrachtung der Haut des den, muss er in einem Polsterkissen liegen und die Hand
Patienten nach einem Eingriff sind tiefe Hautschädigungen muss gepolstert fixiert sein. Ein Kontakt von Haut zu Haut
nicht erkennbar. Erst einige Tage postoperativ rötet sich die muss vermieden werden, um Verbrennungen bei Anwen-
Haut. Die Ursache wird dann nicht mehr der OP-Lagerung dung der HF-Chirurgie zu verhindern. Während der Ope-
zugeordnet. Durch eine optimale Polsterung, Wärmeiso- ration darf sich niemand gegen die Arme des Patienten
lierung und Pflege der Haut lässt sich der Dekubitus ver- lehnen, damit die Armlagerung sich nicht verändert.
6 Kapitel 1 · Grundlagen

Lagerung des Kopfes


1 Der Kopf wird auf einem Kopfkissen oder Gelring gelagert,
wenn er nicht in einer Kopfkalotte liegt.
! Der Ring muss so liegen, dass im Schläfenbereich
oder an der Kalotte keine Druckstellen entstehen
können.

Lagerungen in der minimal-invasiven Chirurgie


Im Rahmen der minimal-invasiven Chirurgie (MIC) sind
besondere Aspekte zu bedenken.
Vielfach werden intraoperativ Lageveränderungen
vorgenommen, um die Schwerkraft ausnutzen zu können.
Hierdurch kann z. B. der Dünndarm in den Ober- oder
Unterbauch verlagert werden.
Grundsätzlich sollte das OP-Gebiet leicht erhöht lie-
. Abb. 1.1 Patientenlagerung auf einer Vakuummatratze für Ober- gen. So werden Unterbauchoperationen in der sog. Tren-
bauchoperationen in Anti-Trendelenburg-Position. (Nach Krettek u. delenburg-Lagerung durchgeführt; hier wird der Kopf des
Aschemann 2005) Patienten tiefer gelagert als die Füße und der OP-Tisch
wird zwischen 20 und 40° gekippt.
Oberbauchoperationen werden in der Anti-Trende-
lenburg-Lagerung durchgeführt, bei der der Kopf höher
liegt als die Füße. Der OP-Tisch wird häufig seitwärts ge-
kippt.
Auch bei extremen Lageveränderungen dürfen die
Polsterungen nicht verrutschen. Des Weiteren müssen z. B.
Schulter-, Fuß- und Seitenstützen angebracht werden, die
eine Positionsveränderung des gesamten Körpers des Pa-
tienten verhindern.
Laparoskopische Oberbauchoperationen erfolgen in
der Regel in Rückenlage des Patienten.
Manche Chirurgen bevorzugen die Lagerung des Pa-
tienten auf einem geraden Tisch, der in eine unterschied-
lich extreme Anti-Trendelenburg-Position (. Abb. 1.1) ge-
bracht wird.
. Abb. 1.2 Patientenlagerung für auf einer Vakuummatratze Unter-
Bei Lagerung auf einem Steinschnitttisch ist unbe-
bauchoperationen in Rückenlage mit Trendelenburg-Position. (Nach dingt auf perfekte Polsterung und Fixierung der Beine so-
Krettek u. Aschemann 2005) wie der Schultern zu achten. Durch richtige Beinlagerung
in den Göbel-Stützen können Peronäusläsionen vermie-
den werden.
Lagerung der Beine
! Die korrekte Lage des ausgelagerten Armes
Die Beine werden parallel gelagert. Eine Druckeinwirkung
muss nach jeder intraoperativen Lageverände-
auf Nerven und Gefäße, z. B. intraoperativ durch den Ins-
rung kontrolliert und ggf. korrigiert werden,
trumententisch, muss verhindert werden. Der Auflage-
um Armplexusläsionen zu verhindern.
druck verteilt sich besser, wenn die Beinplatten des OP-
Tisches im Kniebereich etwas abgeknickt werden. Bei laparoskopischen Eingriffen im Unterbauch liegt der
In Höhe der Oberschenkel, etwas oberhalb der Patellae, Patient zunächst in horizontaler Rückenlage und wird erst
wird ein breiter Gurt angelegt, der nicht zu stramm ange- nach Anlage des Pneumoperitoneums in die Trendelen-
zogen sein darf. burg-Position (. Abb. 1.2) gebracht, um das Dünndarmpa-
ket in den Oberbauch gleiten zu lassen.
! Eine Hand sollte flach zwischen Gurt und Beine
Bei diesen Extremlagerungen ist die Abstützung an
passen!
den Schultern (Trendelenburg) oder an den Füßen (Anti-
Beide Fersen werden separat abgepolstert. Trendelenburg) unerlässlich.
1.2 · Operationslagerungen
7 1
Eine Vakuummatte verhindert ebenfalls unkontrollier- Müllaufkommen und erleichtert die Operationsvorberei-
tes Verrutschen des Patienten. tung.
Eine Lagerung auf dem Steinschnitttisch ist zwingend
erforderlich, wenn eine transanale Stapleranastomose ge- Präoperative Rasur
plant ist. Hygienische Anforderungen
Die präoperative Rasur wird aus hygienischer Sicht unter-
schiedlich bewertet. Teilweise wird eine Rasur empfohlen,
1.2.2 Abdeckungskonzepte teilweise genügt die Kürzung der Haare.
Der Patient sollte nicht früher als 2 h vor dem chirur-
Die Abdeckungssystematik des OP-Gebietes ändert sich gischen Eingriff rasiert werden, um die mit evtl. entstande-
meist von Abteilung zu Abteilung. Die Art der Abdeckung nen Läsionen einhergehende Infektionsgefahr zu verrin-
hängt u. a. von den Materialien ab. gern.
Von der Rasur unmittelbar im OP-Saal ist abzuraten,
da die Unterlage des OP-Tisches nicht absolut vor Durch-
Grundsätze
feuchtung und Verschmutzung geschützt werden kann.
4 Ein modernes Abdeckungsmaterial muss Keim- Wenn in Ausnahmefällen doch im OP-Saal rasiert
barriere und Flüssigkeitsbarriere sein, z. B. um wird, muss die Unterlage des Patienten vor Durchfeuch-
Verbrennungen zu vermeiden. tung geschützt werden, und die entfernten Haare dürfen
4 Um Störungen durch elektrische Felder in opera- nicht ins OP-Feld gelangen.
tiven und diagnostischen Geräten auszuschließen,
muss die Abdeckung antistatisch sein; außerdem Rechtliche Anforderungen
ist eine ungehinderte Thermoregulation von Be- Ausgenommen von der Rasur ist immer der Gesichtsbe-
deutung. reich. Die unerlaubte Entfernung der Augenbrauen kann
4 Die flexible Fixation mit Klebestreifen erleichtert als Körperverletzung interpretiert werden. Eine Bartrasur
die Abdeckung. muss mit dem Patienten besprochen sein.
4 Abdeckungen sollen in Sets gelagert werden,
standardisiert und operationsspezifisch, mit funk- jNassrasur
tionell gefalteten Tüchern, die in der Reihenfolge Dem Patienten wird eine Einwegunterlage unter das zu
ihrer Anwendung gepackt sind. rasierende Körperteil gelegt; die Haut wird gründlich mit
4 Eine effiziente Versorgung ebenso wie die Entsor- flüssiger Seife oder Rasierschaum angefeuchtet. Die Größe
gung muss gewährleistet sein. des behandelten Feldes hängt von der Schnittführung ab,
4 Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit sind als Anhaltspunkt gilt »Schnittlänge +10–20 cm Umfeld«,
wichtige Faktoren. weil Schnitterweiterungen und Drainageaustrittstellen be-
dacht werden müssen.
Rasur-Standards für die einzelnen Operationen defi-
Materialien nieren auch für Mitarbeiter auf peripheren Stationen, wie
Gore-Tex-OP-Textilien sind aus mikroporösem Material. lang üblicherweise ein chirurgischer Zugang ist. Die Rasur
Die Partikelabgabe während des Gebrauchs ist sehr gering. reicht dann aus und muss nicht im OP-Saal erweitert wer-
Das feinporige Material stellt eine optimale Keimbarriere den. Damit können Missverständnisse und Kommunika-
dar. Es ist saugfähig und absolut wasserfest, solange es un- tionsprobleme vermindert werden.
beschädigt ist. Es ist luftundurchlässig, aber eine ungehin-
derte Thermoregulation ist möglich. Gore-Tex-Textilien jTrockenrasur
werden häufig über Leasingfirmen geliefert und aufbe- Nur im Notfall sollte die Haut ohne Rasierschaum oder
reitet. -seife rasiert werden. Besonders die Trockenrasur mit
Vliesmaterialien aus Holzpulpe sind als Einwegabde- einem Einmalrasierer birgt die Gefahr der Hautläsionen
ckungen im Handel. Sie sind wasserdicht, atmungsaktiv, und anschließenden Infektion.
weich und reißfest, haben eine geschlossene Materialstruk-
tur und sind deshalb praktisch fusselfrei in der Anwen- jChemische Depilation
dung. Sie können einzeln oder in verschiedenen Sets gelie- Statt einer Nassrasur können auch chemische, keratinlö-
fert werden. Die Entsorgung erfolgt über den Kranken- sende Substanzen verwendet werden, die eine Enthaarung
hausmüll in die Verbrennungsanlage. an der Hautoberfläche bewirken. Da sie keinerlei Haut-
In der Regel enthält das operationspezifische Abdeck- läsionen hervorrufen, können sie mehrere Stunden vor
set das benötigte Einwegmaterial. Das vermindert das dem Eingriff angewendet werden. Zur Vermeidung aller-
8 Kapitel 1 · Grundlagen

gischer Reaktionen wird die Substanz vor der Anwendung


1 z. B. in der Ellenbeuge des Patienten getestet. Regeln zur Anwendung des HF-Gerätes
Im Intimbereich ist von chemischen Mitteln abzu- 4 Die »Neutralelektrode« (Dispersionselektrode)
raten, da der Kontakt mit Schleimhäuten Reizungen ver- sollte so nah wie möglich am OP-Feld platziert
ursacht. werden, damit der Strom schnellstmöglich wieder
darüber abfließen kann. Sie sollte immer an der
zu operierenden Seite angebracht werden, damit
1.2.3 Hochfrequenzchirurgie der Strom nicht quer zur Körperachse fließen
muss. Dies gilt besonders im thorakalen Bereich.
Prinzip 4 Die »Neutralelektrode« muss ganzflächig am Kör-
Nach dem Joule-Gesetz (benannt nach dem Physiker James per des Patienten anliegen. Behaarte oder narbige
Prescot Joule) entsteht Wärme, wenn elektrischer Strom Körperteile sind daher ungeeignet. Der Stromfluss
durch einen leitfähigen Körper fließt. Hierbei gilt: Je höher ist gestört, wenn das Kabel gebrochen ist, oder
die Stromdichte ist, desto mehr Wärme entsteht. die Steckkontakte defekt sind.
Diese Tatsache wird in der Chirurgie genutzt, indem an 4 Bei Patienten mit Pacern oder Herzschrittmacher-
den Körperstellen eine hohe Stromdichte erzeugt wird, elektroden kann die Anwendung von monopola-
an denen geschnitten oder koaguliert werden soll. Dazu rem Strom zu Störungen der Pacerfunktion und
werden hochfrequente Wechselströme durch den Körper zu Kammerflimmern führen. Deshalb muss bei
des Patienten geleitet, der über die »Neutralelektrode« mit solchen Patienten mit bipolarem Strom gearbeitet
dem HF-Gerät verbunden ist. Den Gegenpol stellt der werden. Herzschrittmacher der neueren Genera-
Handgriff mit der sterilen OP-Elektrode dar, die ebenfalls tion sind von monopolarem Strom nicht mehr zu
mit dem Gerät verbunden ist. stören, dazu ist es nötig, den Herzschrittmacher-
Pass des Patienten zu beachten und zu dokumen-
Anwendung tieren.
Jedes Gerät hat eine Standardeinstellung, die vom Herstel- 4 Das instrumentierende Personal muss darauf
ler angegeben wird und dem OP-Personal bekannt sein achten, dass die sterilen Elektroden sauber sind.
muss. Verbrannte Gewebereste müssen ständig entfernt
Bei Bedienung der Handelektrode schließt sich der und Einmalelektroden bei Bedarf erneuert wer-
Stromkreis; je nach Geräteeinstellung wird das Gewebe den. Sollte die Koagulationsleistung des HF-Ge-
durch regelbare Hitzeeinwirkung koaguliert. rätes intraoperativ nachlassen, sind zunächst alle
Die Handelektrode wird unter Aufsatz der Messer- technischen Gegebenheiten zu prüfen, bevor die
oder der Stichelelektrode entweder zum Schneiden oder Stromstärke am Gerät erhöht wird.
zum Koagulieren benutzt; mit der Knopfelektrode wird der
Strom an die Pinzette geleitet, mit der ein blutendes Gefäß
gefasst wurde (monopolare Anwendung). Neben Ultraschallapplikatoren (7 Abschn. 2.15) stehen wei-
Die bipolare Anwendung erfordert keine Dispersions- tere Methoden zur Blutstillung zur Verfügung. Zum Beispiel
elektrode. Die entsprechenden Pinzetten und Scheren lei- kann mit dem Argonbeamer (monopolares »Sprayen« mit
ten den Strom von einem Arbeitsteil (Pol) zum zweiten Argon als Trägergas) kontaktfrei koaguliert werden oder mit
Arbeitsteil (Pol). dem LigaSure (Fa. Covidien) Gefäße verschweißt werden.

Gefahren und Prophylaxen


Hat der Patient während des Koagulierens Kontakt zu 1.3 Aspekte zur pflegerischen
Metallteilen des Tisches, kann an diesen Stellen hochfre- Dokumentation
quenter Strom abfließen und Verbrennungen verursachen.
Metallteile befinden sich an den seitlichen Gleitschienen I. Welk
des OP-Tisches und an Zubehörteilen wie Narkosebügel
oder Armtisch. 1.3.1 Grundlagen der Dokumentation
Zu den EKG-Elektroden muss ein Sicherheitsabstand
von 150–200 mm eingehalten werden; HF-Geräte müssen Seit 1978 besteht aufgrund der Rechtslage für den Arzt eine
gemäß MPG regelmäßig gewartet werden. Dokumentationspflicht seiner Tätigkeiten (Mehrhoff 1988;
Die falsche Bedienung oder die Nichtbeachtung der Böhme 1991). Durch Dokumentation soll Transparenz
folgenden Vorsichtsmaßnahmen kann schwerwiegende erreicht werden, die es nachbehandelnden Personen (z. B.
Zwischenfälle verursachen. Ärzte, Gutachter) ermöglichen soll die Behandlung nach-
1.3 · Aspekte zur pflegerischen Dokumentation
9 1
vollziehen und beurteilen zu können. Eine gute Dokumen- gelhaften Dokumentation das Krankenhaus die Beweislast
tation soll alle relevanten Aspekte der Behandlung und für ein Nichtverschulden seinerseits an einem aufgetre-
getroffenen Maßnahmen enthalten. tenen Schaden zu tragen hat.
Für den Pflegebereich ist mit dem Krankenpflegegesetz Es gibt bis heute keine allgemeinverbindliche Richt-
von 1985 eine Regelung beschrieben. Hier wird u. a. als linie, in welcher Weise und mit welchen Inhalten eine Do-
Ausbildungsziel von der »sach- und fachkundigen, umfas- kumentation angefertigt werden muss, um allen Ansprü-
senden und geplanten Pflege des Patienten« (Kurtenbach chen Rechnung zu tragen. Durch gesetzliche Vorgaben zur
et al. 1994) gesprochen, die nur mittels einer lückenlosen Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen
Dokumentation aller Pflegehandlungen gesichert werden ist eine Datenerfassung notwendig, die in Papierform
kann. Verschiedene Gesetze und Vorgaben (Krankenpfle- schwer zu erbringen ist, aber Auswertungen zur Qualitäts-
gegesetz, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Sozialgesetz- überprüfung zulassen muss.
buch SGB Buch V etc.) machen die Dokumentation heute Mit dem Gesetz zur Einführung des Diagnose-orien-
zwingend notwendig. Auch medikolegale Anforderungen tierten Fallpauschalengesetzes für Krankenhäuser (FPG
erfordern zunehmend den Dokumentationsnachweis, wo- 2001) stiegen die Anforderungen an den Dokumentations-
bei nicht dokumentierte Inhalte als »nicht geleistet« inter- umfang.
pretiert werden. Im Spannungsfeld zwischen Medizin, In einer Funktionsabteilung mit ihrer Vielzahl von indi-
Pflege und Ökonomie wird verstärkt Dokumentations- viduellen Behandlungsabläufen, wie sich eine Operations-
bedarf gefordert (z. B. Dokumentation DRG-relevanter abteilung darstellt, ist es schwierig die Dokumentations-
Maßnahmen etc.). inhalte und Bedarfe zu standardisieren und/oder zu syn-
chronisieren. Aus diesem Grund sind hier zunehmend fle-
Definition xible und an die jeweilige Infrastruktur des Krankenhauses
Dokumentation bedeutet eine beweiskräftige, adaptierte elektronische Dokumentationssysteme gefragt.
wahrheitsgemäße Auflistung vorgenommener In den Programmen finden sich in der Regel Doku-
Maßnahmen. mentationshilfen in Form von standardisierten Daten-
sätzen für definierte OP-Gruppen und Eingabemasken für
Operations- und Diagnoseverschlüsselung (OPS 301, ICD-
Für den Patienten bedeutet dies mehr Sicherheit durch 9, ICD 10). Diese werden auf Basis der internationalen
einen nahtlosen Informationsaustausch zwischen den ihn Standards (WHO) regelmäßig vom Deutschen Institut für
versorgenden Personen und Organisationseinheiten. Au- medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
ßerdem wird deren gegenseitige Kontrolle, sowie die Über- aktualisiert.
prüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der am Patienten vor-
genommenen Handlungen im nachhinein gewährleistet. In
der Praxis stellen sich die Auswirkungen und Vorteile der 1.3.2 Grundlagen zur Implementierung
Dokumentationspflicht sehr vielschichtig dar, z. B. durch einer EDV-gestützten
Vorgaben der Qualitätssicherung. OP-Dokumentation
Zusammengefasst sind folgende Schwerpunkte zu
nennen: Der Weg bis zur Einführung einer Software für den OP-
4 Qualitätsleistung, Qualitätskontrolle, Bereich ist nicht einfach, da unterschiedliche Zielgruppen
4 gesicherte Informationsübermittlung, an der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Zu befürwor-
4 Zeitersparnis (Vermeidung von Mehrfachmaßnah- ten ist ein System, das unterstützend die Anwendung für
men), Patientenadministration, Dokumentation, Planung, Ma-
4 Nachweis erbrachter Leistung, teriallogistik für OP und Anästhesie integriert und als Ar-
4 Sicherung der Patientenrechte als Bestandteil des beits- und Informationsinstrument für das OP-Manage-
Krankenhausvertrages, ment und alle anderen Mitarbeiter im OP genutzt wird.
4 Abrechnungsgrundlage, Der Anwender »bewertet« den Umgang mit dem EDV-
4 Beweissicherung für Krankenhausträger, Personal Tool nach folgenden Kernpunkten:
und Patienten. 4 Akzeptanz der Mitarbeiter (z. B. Anwenderfreund-
lichkeit, Zeitaufwand, selbsterklärende Maskenfüh-
Der letzt genannte Punkt muss jedem Dokumentierenden rung),
bewusst sein, denn nur ein exaktes und übersichtliches 4 Parametrierung (Konfiguration der Programmmo-
Vorgehen kann im Falle eines Rechtstreits (manchmal dule),
auch Jahre später) verhindern, dass es zu einer Umkehr der 4 Abstimmung von Prozessen und Anwendung,
Beweislast kommt. Das bedeutet, dass im Falle einer man- 4 Anwenderschulungen,
10 Kapitel 1 · Grundlagen

4 IT-Begleitung vor Ort, essant ist dabei auch die Verknüpfung zwischen Tages-
1 4 Kooperation und Kommunikation mit den Herstellern, geschäft und administrativen Anforderungen der Kran-
4 Transparenz der Projektkomplexität (auch im Hin- kenhausverwaltung. So kann z. B. nur bei vorhandener
blick auf zunehmende Arbeitsverdichtung), Fallnummer für jeden Behandlungsfall eine OP-Doku-
4 Schnittstellenintegration, mentation angelegt werden (die Fallnummer erhält der
4 Wünsche und Fehlerkultur. Patient bei Aufnahme).
Nutzerspezifische Zugangsberechtigungen ermögli-
chen den Zugang zur Dokumentation durch die Berufs-
1.3.3 Datenschutz gruppen, die an der Operation beteiligt sind. Vorausset-
zung dafür ist die Definition und personengebundene
Spezielle Anforderungen an ein EDV-gestütztes Doku- Zuordnung der Zugriffsberechtigungen (wer dokumen-
mentations- und Erfassungssystem werden auch durch das tiert wann und was).
Datenschutzgesetz vorgegeben, da es sich überwiegend um Unterstützend für die Dokumentation sind definierte
personenbezogene Daten handelt. Diese Anforderungen Prozesse, die auch in einem Qualitätsmanagement-Hand-
müssen ebenfalls durch den Software Hersteller berück- buch hinterlegt sind. Ist das Zeitfenster für die Dokumen-
sichtigt werden. So gilt z. B. die Wahrung der Vertraulich- tation aufgrund vieler kurzer Eingriffe sehr klein, können
keit von Daten. Eng verknüpft sind damit die Regelung von Standardfelder hinterlegt werden, die den Zeitaufwand für
Zugriffsberechtigungen, Freigabeverfahren und die Archi- die Dokumentation reduzieren.
vierung (Art, Dauer). Diese Vorgaben müssen mit den Die sog. ärztliche Dokumentation (z. B. Verschlüsselung
betrieblichen Abläufen gesetzeskonform harmonisiert wer- von Diagnosen und Prozeduren bezogen auf eine bestimmte
den. Weitere Regelungen ergeben sich aus dem Bundes- Operation) kann grundsätzlich durch Pflegepersonal aus-
datenschutzgesetz (BDSG regelt den Umgang mit perso- geführt werden. Diese Absprache ist in Anbetracht der orga-
nengebundenen Daten), der Datenschutzverordnung (die nisatorischen Abläufe im OP-Bereich Zeit sparend, da bereits
DSV formuliert notwendige Sicherheitsanforderungen bei während der Operation die Eingaben durchgeführt werden
der automatisierten Datenverarbeitung), sowie aus dem können. Der verantwortliche Arzt gibt die Eingaben nach
Landesdatenschutzgesetz, das aktuelle Schnittstellen zwi- Beendigung der Operation frei. Die Freigabe der gesamten
schen Datenschutzkonzepten und dem Fortschritt der In- Dokumentation kann nur erfolgen, wenn alle Pflichtfelder
formationstechnologie aufzeigt. vollständig ausgefüllt sind. Die einzelnen Schritte der Ein-
Die Zunahme der Dokumentationsanforderungen ver- gabe sind für den Anwender möglichst in selbsterklärenden
deutlicht die Komplexität der Datenschutzaspekte und die Masken im Programm hinterlegt (Bestandteil des durch den
Notwendigkeit einer Informationstransparenz im Rahmen Anwender definierten Anforderungsprofils für die Soft-
einer Prozessoptimierung im täglichen Umgang mit hoch- ware!) und führen durch die Reihenfolge der Dateneingabe-
sensiblen Daten. felder. Abschließend kann ein Papierausdruck für die Patien-
tenakte direkt mitgegeben werden. Eine Unterschrift bestä-
tigt, dass die Papierversion mit der elektronischen Datenein-
1.3.4 Was kann elektronische gabe übereinstimmt. Da auf dem Markt bereits eine Vielzahl
Dokumentation? von Systemen angeboten wird, sollen hier nur das allgemei-
ne Leistungsspektrum und die Anforderungen an solche
Schon vor Einführung elektronischer Medien zur Doku- Produkte aufgeführt werden:
mentation im Krankenhaus wurden in Papierform die 4 Qualitätssicherung nach § 137 SGB V,
wichtigsten Leistungsnachweise, bezogen auf die Maßnah- 4 Unterstützung des Operationsschlüssels nach § 301
men am Patienten dokumentiert (z. B. OP-Bücher). Ziel SGB V und Diagnoseschlüssel ICD-9 und ICD-10,
der elektronischen Dokumentationsform ist die Loslösung 4 Integration standardisierter Datensätze (z. B. ambu-
von Papier sowie im Rahmen wachsender Vernetzungen lantes Operieren nach § 115b SGB V),
Insellösungen für einzelne Bereiche zu vermeiden. Dabei 4 Schnittstellen- und Systemkompatibilitäten (z. B. SAP,
sollen individuelle Anforderungen der Berufsgruppen und SQL etc.),
Bereiche im Krankenhaus Berücksichtigung finden. Der 4 normierte Exportfunktionen für diverse Auswer-
Anbietertrend entwickelt sich verstärkt in Richtung Ge- tungsprogramme (z. B. Excel, Access),
samtpaketlösungen, die den Patienten von der Aufnahme 4 Vernetzung mit z. B. Anästhesiedokumentations-
bis zur Entlassung begleiten. Diese, in sog. Modulen aufge- systemen.
baute EDV-Lösungen gibt es für alle Krankenhausbereiche.
Planung, Dokumentation und Auswertung stehen allen Man unterscheidet in der OP-Dokumentation zwischen
berechtigten Mitarbeitern zeitaktuell zur Verfügung. Inter- geplanten und nicht geplanten Eingriffen. Die geplanten
1.3 · Aspekte zur pflegerischen Dokumentation
11 1
Eingriffe finden sich im OP-Planungsmodul (OP-Pro- 4 Drainagen (incl. verwendetem System),
gramm) wieder und können im jeweiligen Saal direkt auf- 4 Verbände/Gipsanlage,
gerufen werden. Für Notfälle muss vorab eine Fallnummer 4 Zählkontrolle der Textilien (Kompressen, Bauchtü-
vorhanden sein und eine OP angelegt werden. cher, Tupfer etc.), Instrumente und z. B. Nadeln vor
und nach der OP,
4 Implantate, Materialverbrauch (Chargendokumenta-
1.3.5 Dokumentationszeitpunkt tion, Anzahl),
4 Operation nach Operations- und Prozedurenschlüs-
Die Dokumentation soll möglichst zeitnah erfolgen. Bei sel (OPS) 301 durch Operateur (. Tab. 1.1),
Notfällen ist es aus zeitlichen Gründen erforderlich, die 4 Diagnosen nach Diagnoseschlüssel ICD-9/-10 durch
Dokumentation nachträglich durchzuführen und den Um- Operateur.
stand der zeitlichen Verzögerung zu benennen. Die meis-
ten EDV-Systeme bieten durch sog. Plausibilitätsprüfungen Beispiel Operationsschlüssel
eine Dokumentation in chronologischer Abfolge. So kann
z. B. die Hautnaht nicht vor dem Erstschnittzeitpunkt ein-
. Tab. 1.1 Beispiel Operationsschlüssel
gegeben werden und ein Dokumentationsabschluss ist
nicht möglich. Eine Änderung im System nach Freigabe ist 5–10 Operationen an den Augenmuskeln
nur mit ausgewählten Nutzerrechten möglich. Sinnvoll Hinweis: Die Angabe des Augenmuskels ist für
ist eine Einführung sog. elektronischer Archive, um die die Kodes 5–100 bis 5–109 nach folgender Liste
zu kodieren
Dokumentationsflut zu konzentrieren. Hierbei kommt zu-
nehmend eine elektronische Signatur als Unterschrift zum 0 M. rectus internus
Einsatz. 1 M. rectus externus

5 M. rectus superior

1.3.6 Ablaufbeispiel für eine EDV-gestützte x Sonstige

Dokumentation y N. n. bez (nicht näher bezeichnet)

5–100 Operationen an den Augenmuskeln: Tenotomie


Alle Eingabeschritte sind vorkonfiguriert und führen den und verwandte Eingriffe an geraden Augenmus-
Anwender durch die Dokumentation. Die erforderlichen keln
Angaben (z. B. Personal, Material, OP-Siebe), mögliche Hinweis: Die Angabe des Augenmuskels ist in
der 6. Stelle nach der Liste vor Kode 5–100 zu
Diagnosen und Diagnoseschlüssel sind vorgegeben und
kodieren
werden angeklickt. Kontrollmöglichkeiten, z. B. Zählkont-
rolle verwendeter Textilien, müssen gewährleistet sein. Der 5–100.0 Operationen an den Augenmuskeln: Tenotomie
und verwandte Eingriffe an geraden Augenmus-
Dokumentationsablauf erfolgt in Einzelschritten:
keln: Tenotomie: M. rectus externus
4 Anmeldung im System über Benutzername und Pass-
wort, 5–100.00 Operationen an den Augenmuskeln: Tenotomie
und verwandte Eingriffe an geraden Augenmus-
4 überprüfen der Patientenstammdaten,
keln: Tenotomie: M. rectus internus
4 Wahl der Dokumentationsvorlage (z. B. OP-Bericht),
4 Auswahl der Maske zur Eingabe (z. B. Operateur, An- (Quelle: Deutsches Institut f. medizinische Dokumentation
und Information – DIMDI)
ästhesie, Pflegepersonal etc.),
4 Eingabe der Personal- und Zeitdaten (z. B. wer, wann,
was, wie lange),
4 allgemeine Angaben (z. B. Lagerung, Positionierung Beispiel eines Diagnoseschlüssels nach ICD
der HF-Elektrode, Blutleere etc.), Internationale Klassifikation der Krankheiten (Verschlüs-
4 Instrumentensiebe (z. B. zur Berechnung der Folge- selung der Diagnosen; . Tab. 1.2).
kosten durch Wiederaufbereitung, Dokumentation Nur eine lückenlose und nachvollziehbare Dokumen-
von Ersatz- und Neubeschaffungsbedarf, Fehlerdoku- tation kann im Regressfall verhindern, dass es zu einer
mentation), Umkehr der Beweislast kommt, d. h. der Krankenhausträ-
4 zusätzlich erforderlicher apparativer Aufwand (z. B. ger muss im Schadensfall die Beweispflicht für ein Nicht-
Röntgen, Sonographie, intraoperative Radiotherapie, verschulden übernehmen.
Laser etc.),
4 Histologie/Pathologie (z. B. Schnellschnitt, Präpa-
rate),
12 Kapitel 1 · Grundlagen

tung minimiert. Eine modulare Versorgung ist den weit


1 . Tab. 1.2 Infektiöse Darmkrankheiten (A11–A09) verbreiteten Sammelbestellungen vorzuziehen.
A00 Cholera

A01 Typhus abdominalis und Paratyphus


1.4 Risikomanagement im OP
A01.0 Typhus abdominalis

Infektion durch Salmonella typhi I. Welk


Typhoides Fieber
Die Themen Risikomanagement und Patientensicherheit
A01.1 Paratyphus A gewinnen zunehmend an Bedeutung, da Öffentlichkeit,
A01.2 Paratyphus B Patienten und zuweisende Ärzte im Krankenhaus eine
fehler- und komplikationsfreie Behandlung erwarten. Die
A01.3 Paratyphus C
Bedeutung zeigt sich durch:
A01.4 Paratyphus, nicht näher bezeichnet 4 zunehmende Medienpräsenz zum Thema »Kunst-
Infektion durch Salmonella paratyphi o.n.A. und Behandlungsfehler«,
(Quelle: Deutsches Institut f. medizinische Dokumentation 4 wachsendes Anspruchsverhalten von Patienten und
und Information – DIMDI) deren Angehörigen,
4 medizinische Innovation und technischen Fort-
schritt,
4 strenge Auflagen der Haftpflichtversicherer,
1.3.7 Umsetzungsschwierigkeiten 4 juristische Konsequenzen bei medikolegaler Frage-
stellung.
Die Dokumentationsaufgabe findet sich im Arbeitsalltag
oftmals begleitet von Zeitdruck durch Arbeitsverdichtung OP und Anästhesie zählen aufgrund ihrer Komplexität zu
für alle Berufsgruppen. Ängste und unterschiedliche Er- den Hochrisikobereichen im Krankenhaus, da hier Feh-
fahrungen im Umgang mit dem PC, sowie nicht aus- ler schwerwiegende Auswirkungen auf den Patienten
reichende PC-Arbeitsplätze und zeitliche Kollisionen haben können. Im Fokus stehen hier v. a. neue Opera-
des Eingabezeitpunktes resultieren in Unzufriedenheit tions- und Behandlungsverfahren sowie die Personal-
»mit dem System«. Vermieden werden sollte auch eine qualifikation. Die häufigsten Fragestellungen und Scha-
Doppeldokumentation. Daher sollte vor Implementierung densmeldungen finden sich in den Bereichen:
einer EDV-Systemlösung hausintern eine Zuordnung 4 Organisation,
der Eingabeinhalte und die Freigabefunktion abgestimmt 4 Aufklärung,
werden. 4 Behandlung,
Bereits im Vorfeld ist es zielführend mit den Beteiligten 4 Arzneimittel,
ein sog. Pflichtenheft zu erstellen, um die Software am Be- 4 Personal,
darf der Anwender auszurichten. Praktikabilität (Hand- 4 Medizintechnik (durch die rasante Entwicklung).
ling), Anwenderfreundlichkeit (z. B. selbsterklärende
Menüführung), sowie technisches Know-how (z. B. Plau- In der Krankenhausorganisation können z. B. Informations-
sibilitätsprüfung, Vernetzung administrativer Funktionen, defizite, Kommunikationsmängel, eingeschränkte Aus-
Schnittstellenintegration) werden gemeinsam erarbeitet. führung wichtiger Handlungen mit fehlender Qualifika-
Schulungsbedarfe müssen ermittelt und die Implementie- tion sowie knappe Personalressourcen zu Problemen
rung vor Ort durch IT- Personal begleitet werden. führen.
Unterstützend für die Dokumentation von Verbrauchs- Bei angewendeten Materialien kann es zu Unverträg-
materialien sind standardisierte und klar strukturierte lichkeiten, Infektionen, Allergien und Verwechslungen
Materiallisten, verbunden mit sog. OP-Standards. Die Ver- kommen.
brauchsdokumentation wird zunehmend wichtiger, da Das Personal kann Wissensdefizite durch unzurei-
der Materialverbrauch über 50% der Gesamtsachkosten, chende Qualifikation aufweisen, Fehleinschätzungen vor-
bezogen auf den Fall, betragen kann, die Kostenstruktur nehmen, Erkrankungen und/oder Verletzungen übersehen
durch eine Datenerfassung transparent wird und mögliche oder als Infektionsüberträger fungieren.
Kostentreiber detektiert werden können. Eine mögliche Ein Beispiel für Fehler im OP zeigt . Tab. 1.3.
Strategie kann auch das Modell einer leistungsbezogenen
Materiallogistik mit just-in-time-Belieferung bei Bedarf
sein, die eine Kapitalbindung durch Lagerung und Vorhal-
1.4 · Risikomanagement im OP
13 1

. Tab. 1.3 Fehler – Beispiel aus dem OP

Fehler Operation an der falschen Extremität

Ursache 4 Notfalleingriff
4 Verständigungsschwierigkeiten
4 Patient unter Prämedikation
4 kurzfristiger Operateur- (Personal-)wech-
sel
4 Namensähnlichkeiten
4 Fehlende Identifikation der zu operie-
renden Seite
4 Zeitdruck

Abgeleitete 4 Patientenidentifikationssystem des Kran-


Maßnahmen kenhauses verändern (z. B. Armband
gemäß Empfehlungen des Patienten-
bündnisses Sicherheit)
4 Verwendung einer Sicherheitscheckliste
(gemäß. WHO-Empfehlung)
4 Kennzeichnung der zu operierenden
Seite vor dem Transport in den OP durch
den Operateur mit einem wasserfestem . Abb. 1.3 Eckpunkte des Risikomanagements
Marker und Unterschrift
4 festgelegte farbige Markierungen
4 Mehrfachkontrollen trachtet werden, ist ein strukturiertes Meldesystem im Sinne
eines Critical Incident Reporting System (CIRS) zielführend.
Hierbei werden nicht nur bereits geschehene Zwischenfälle,
sondern bereits sog. Beinahe-Ereignisse, die zu einem Feh-
1.4.1 Warum Risikomanagement? ler hätten führen können, aufgenommen (. Abb. 1.3).

Patientensicherheit und Risikominimierung sind führende Risikomanagement ist integraler Bestandteil


Unternehmensziele, um Patienten während eines Kran- des Qualitätsmanagements
kenhausaufenthaltes und im Rahmen notwendiger Be- Primär geht es nicht um personengebundene oder abtei-
handlungs- und Therapiemaßnahmen nicht zusätzlich zu lungsbezogene Schuldzuweisungen, sondern um die Aus-
schädigen. Ziel eines erfolgreichen Risikomanagements ist bildung einer (Unternehmens-) Fehlermeldekultur, dem
die Entwicklung einer professionellen Fehlermeldekultur Lernen aus Fehlern und der Ableitung zukünftiger Feh-
mit Implementierung klinikinterner Fehlervermeidungs- lervermeidungsstrategien. Um die Ergebnisse transparent
strategien. zu kommunizieren, bietet das CIRS eine anonymisierte
Meldemöglichkeit zu folgenden Fragestellungen:
4 Wann geschah das Ereignis?
1.4.2 Instrumente zur Erfassung von 4 Was ist passiert?
Ereignissen und Beinahe-Fehlern – 4 Welcher Fehler liegt vor?
das Critical Incident Reporting 4 Wo ist es passiert?
System (CIRS) 4 Warum gab es diesen Fehler?
4 Was wurde unternommen?
Risikomanagement als Prozess 4 Welche Auswirkungen hatte das Ereignis?
Das Risikomanagement gliedert sich in verschiedene Pro- 4 Was könnte diesen Fehler zukünftig verhindern?
zessschritte, die sich in einem definierten Ablaufzyklus ab-
bilden. Um ein effektives Risikomanagement zu etablieren Die Meldung erfolgt über einen Erhebungsbogen, z. B.
und Risiken zu minimieren, müssen diese zunächst erkannt über das klinikinterne Intranet und/oder in Papierform.
(Risikoidentifizierung), kommuniziert und nach ihrer Be- Gleichzeitig mit der Meldung können eigene Lösungsan-
deutung (Risikobewertung) analysiert werden. Abgeleitet sätze/Verbesserungen vorgeschlagen werden. Über eine
werden Fehlervermeidungsstrategien (Risikobewältigung) zentrale Annahmestelle wird die Meldung an das Team des
und eine regelmäßige Überprüfung der abgeleiteten Maß- Risikomanagements (RM-Team) weitergeleitet. Dieses
nahmen (Risikocontrolling). Da im Regelfall Fehler und RM-Team ist interdisziplinär berufsgruppenübergreifend
Konsequenzen erst rückblickend nach dem Auftreten be- besetzt, analysiert das gemeldete Ereignis sorgfältig und
14 Kapitel 1 · Grundlagen

leitet Verbesserungsmaßnahmen ab. Der Rückmeldebe- Für die Nachvollziehbarkeit von Prozessabläufen kom-
1 richt wird ebenfalls ins Intranet gestellt, um die Mitarbeiter men Standards, Handlungs- und Verfahrensanweisungen
über die Fehlermeldung, die Auswirkung und die abgelei- zur Anwendung. Ergänzend dazu finden sich Behand-
teten Maßnahmen zu informieren. Dieses Feedback ist lungspfade und SOPs als Instrumente mit Verbindlichkeit
wichtig, um den Mitarbeitern Aktivitäten und Motivati- und Transparenz.
onsanreize zu signalisieren, das CIRS interaktiv zu nutzen Patientenidentifikationshilfen (z. B. Patienenarmband,
(»es tut sich was«, »es bringt was«). Kennzeichnung der OP-Seite am wachen Patienten) ver-
mindern das Verwechslungsrisiko.
Umsetzungsschwierigkeiten Die Reproduzierbarkeit der Teilprozesse (z. B. Aufbe-
Mit welcher Intensität Inhalte gemeldet werden, hängt von reitungszyklus von Instrumenten im Sterilisationsprozess
der Akzeptanz des CIRS innerhalb der Klinik und der Auf- bis zur nächsten Anwendung am Patienten), die detaillierte
klärung der Mitarbeiter ab. Es muss deutlich werden, dass Materialerfassung (z. B. Chargendokumentation, Implan-
Meldungen keine persönlichen Konsequenzen oder ar- tatepass), das Vier-Augen-Prinzip (z. B. Zählkontrolle der
beitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Schulungen OP-Textilien) sowie Schulungs- und Qualifikationsnach-
und Aufklärung reduzieren Ängste und erhöhen die An- weise und das Führen von Gerätepässen zählen zu den
wenderakzeptanz. Ursachen einer Fehlerentstehung sind Bausteinen in der praktischen Arbeit zur Erhöhung der
in der Regel multifaktoriell, z. B.: Patienten- und Mitarbeitersicherheit.
4 erhöhte Arbeitsbelastung, Speziell für den OP- und Anästhesiebereich gilt es,
4 Qualifikationsmängel, auch Verzögerungen und Notfälle einzuplanen, um ein re-
4 Kommunikationsdefizite, alistisches Zeitmanagement durch Optimierung der Ab-
4 patientenbezogene Risikofaktoren, läufe durch ein zentrales OP-Management zu sichern.
4 restriktive Rahmenbedingungen. Interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende
Kommunikation und Kooperation sowie Harmonisierung
Das Auftreten von Fehlern wird oftmals mit personenge- der sog. Schnittstellen tragen zu einer Risikominimierung
bundenem Versagen assoziiert. Durch Angst vor Konse- bei.
quenzen bleiben Fehler unbemerkt oder werden subjektiv
als unvermeidbar passiv »hingenommen«.
1.4.3 Zusammenfassung
Umgang mit identifizierten Risiken
In den Bewältigungsstrategien sind die folgenden Elemente Risikomanagement im Krankenhaus dient der Erhöhung
zu finden: der Patientensicherheit. Voraussetzung dafür ist die Schaf-
4 Risikovermeidung (z. B wird ein Patient bei nicht aus- fung einer konstruktiven Fehlermeldekultur mit der syste-
reichender Intensivbehandlungskapazität in ein ande- mischen Fragestellung »wie kam es dazu?« und nicht »wer
res Krankenhaus verlegt). hat Schuld?«. Die Implementierung eines Critical Incident
4 Risikoreduzierung (z. B. Einhaltung von Arbeitszeit- Reporting Systems (CIRS) ermöglicht eine nachvollzieh-
gesetz, Arbeitssicherheitsbestimmungen). bare Schwachstellen- und Fehleranalyse und bietet als
4 Risikoakzeptanz (z. B. ist ein 100% Ausschluss von Feedbackinstrument Transparenz über den Umsetzungs-
Sturzereignissen im Krankenhaus nicht möglich). grad abgeleiteter Maßnahmen.
4 Risikotransfer (z. B. Erhöhung des Versicherungs- Ein Risikomanagement ist Bestandteil der Unterneh-
schutzes bei finanziellem Regress im Schadensfall). menskultur und des klinikinternen Qualitätsmanagements.
Risikomanagement erfordert die Bereitschaft aller Be-
! Auch nach klarer Identifikation anzunehmender
teiligten, sich mit dem Thema aktiv auseinanderzusetzen,
und tatsächlicher Risiken ist es ausgeschlossen,
aber:
alle Risiken dauerhaft und vollständig auszu-
Ein CIRS allein ist noch kein Risikomanagement!
schließen.

Risikomanagement im OP-Bereich 1.5 Chirurgisches Nahtmaterial


Nach Analyse der Fehlermeldungen sind alle Beteiligten
gefordert, zukünftige Vermeidungsstrategien zu entwi- M. Liehn
ckeln und Instrumente zur Risikominimierung zu erarbei-
ten. Zu diesen Instrumenten zählt z. B. der Einsatz von Unerlässlich für eine gute Operationsassistenz sind Kennt-
Checklisten für eine lückenlose Informationsweitergabe in nisse über die Beschaffenheit des chirurgischen Nahtma-
der operativen Versorgungskette. terials.
1.5 · Chirurgisches Nahtmaterial
15 1
Welche Nähte für die geplante Operation benötigt wer-
den, ist im Standard hinterlegt, aber der Instrumentant . Tab. 1.4 Europäische Pharmakopöe (Fa. Ethicon)

kennt die Beschaffenheit des Materials, die benötigte Stär- metric USP Durchmesserspanne in mm
ke des Fadens sowie die Größe und Form der Nadel, um in
unvorhergesehenen Situationen korrekt das passende 0,01 12–0 0,001-0,009
Nahtmaterial anreichen zu können. 0,1 11–0 0,010-0,019

0,2 10–0 0,020-0,029

0,3 9–0 0,030-0.039


1.5.1 Vorschriften
0,4 8–0 0,040-0,049
In dem europäischen Arzneibuch sind Definitionen und 0,5 7–0 0,050-0,069
Normierungen erstellt, die für alle Hersteller verbindlich
0,7 6–0 0,070-0,099
sind.
4 USP 1 5–0 0,100-0,149

Diese Einteilung der United States Pharmacopeia 1,5 4–0 0,150-0,199


wurde willkürlich gewählt. Es besteht kein Zusam- 2 3–0 0,200-0,249
menhang zwischen Nummerierung und Fadendurch-
2,5 2–0 0,250-0,299
messer.
Der erste hergestellte Faden erhielt die Stärkenbe- 3 2–0 0,300-0,349
zeichnung 1, dickeres Material wurde aufsteigend mit 3,5 0 0,350-0,399
2, 3 usw. bezeichnet. Dünneres Material bekam die 4 1 0,400-0,499
Bezeichnung 2–0, 3–0 usw. Je größer die Zahl vor der
5 2 0,500-0,599
Null, desto feiner ist das Nahtmaterial.
4 Metric 6 3 0,600-0,699
Der Sortierung der Europäischen Pharmakopöe liegt 7 5 0,700-0,799
das Dezimalsystem zugrunde. Die Stärkenbezeich-
8 6 0,800-0,899
nung gibt den Fadendurchmesser in 1/10 mm an und
lässt somit Rückschlüsse auf den Durchmesser zu. 9 7 0,900-0,999

Auf den Nahtmaterialverpackungen sind beide Stärkenbe-


zeichnungen angegeben (. Tab. 1.4), aber im täglichen Ge- 4 Einzelverpackungen sind in Transport- und Lagerbe-
brauch hat sich die USP-Bezeichnung durchgesetzt. hältern untergebracht, die in Nahttribünen sortiert im
OP bereitgestellt werden.
Fadenreißkraft
Es gibt Richtwerte, wann ein Faden reißen darf, dieser Um bei der Vielzahl der Nahtmaterialien ein schnelles Erken-
Wert wird in Newton [N] angegeben. Für den Anwender nen zu gewährleisten, sind die Verpackungen farblich mar-
ist die lineare Reißfestigkeit des Fadens nicht so wichtig kiert und mit Kennzeichen versehen (. Abb. 1.4), was den
wie die Reißkraft während des Knotens, da die hier auftre- schnellen Zugriff und die Unterscheidung zwischen resor-
tenden Scherkräfte die Sicherheit der Naht nicht gefährden bierbarem und nicht resorbierbarem Material erleichtert.
dürfen. Alle angegebenen Werte sind auch auf der einzelnen
Nahtmaterialfolie wiederzufinden.
Verpackung Das Nadelsymbol ist in Originalgröße abgebildet.
Es sind Einzelfäden einer maximalen Länge von 3,5 m zu-
gelassen. Sterilisation
4 Einzelverpackungen mit angegebenen Fadenlängen 4 Strahlenbeständiges Nahtmaterial wird mit energie-
enthalten einen oder mehrere Fäden oder Nadel-Fa- reichen Gammastrahlen sterilisiert.
den-Kombinationen. 4 Anderes wird mit Ethylenoxid begast und ist dement-
4 Das Nahtmaterial ist in einer Polyethylen- oder Alu- sprechend gekennzeichnet (. Abb. 1.4)
miniumfolie eingeschweißt. Bei resorbierbarem Ma- 4 Der Nahtmaterialhersteller garantiert für die Sterilität
terial verhindert die Aluminiumbeschichtung ein der Originalverpackung. Entnommenes und nicht be-
Auflösen des Fadens. nötigtes Nahtmaterial darf nicht resterilisiert werden,
4 Die sog. »Peelpackung« erleichtert dem »Springer« da die Materialeigenschaften durch einen 2. Sterilisa-
das Anreichen des Materials. tionsprozess verändert werden können.
16 Kapitel 1 · Grundlagen

. Abb. 1.4 Verpackungskennzeichen. (Fa. Ethicon)

1.5.2 Fäden Material geflochten wird (Vicryl, Safil, Dagrofil, Mer-


silene etc.).
Bei der Vielzahl der im Handel erhältlichen Produkte kön- 4 Monofiles Material: Besteht aus einem Fadenfilament
nen die hier vorgestellten Fäden nicht als repräsentativ (. Abb. 1.5; PDS, Monocryl, Mirafil etc).
gelten. 4 Pseudomonofiles/polyfiles Material: Bestehend aus
mehreren Fadenfilamenten (. Abb. 1.6). Die »Faden-
seele« ist gedreht/gezwirnt und mit einem Mantel
Anforderungen an chirurgisches Nahtmaterial
überzogen, der dem Faden einen monofilen Charak-
4 Sterilität ter verleiht.
4 Gewebeverträglichkeit
4 Glatte Oberflächenbeschaffenheit
4 Gutes Knüpfverhalten
. Tab. 1.5 Herkunft des Nahtmaterials
4 Ausreichende Festigkeit während der Wund-
heilung Grundstoff Beispiel
4 Bei Bedarf Vorbeugung gegen postoperative In-
fektionen durch antibakteriell (mit Triclosan) be- Tierische Kokon der Seide
Grundstoffe Raupen
schichtetes Nahtmaterial (Vicryl Plus, Monocryl
Plus, PDS Plus, Fa. Ethicon) Pflanzliche Flachs Zwirn
Grundstoffe

Synthetische Polyamid Vicryl, PDS, (Fa. Ethicon)


Grundstoffe Polyester Safil, Dagrofil etc.
Unterschieden wird das Nahtmaterial auch nach Herkunft Polyglactin (Fa. BBD)
(. Tab. 1.5), Verarbeitung und Resorbierbarkeit. Polyglykolsäure Prolene, Ethibond Excel
Polypropylen
Verarbeitung etc.

4 Zwirnen: Mehrere einzelne Fäden werden gedreht. Mineralische Edelstahl Drahtnähte


Grundstoffe Titan
4 Flechten: Mehrere einzelne Fäden werden gedreht,
etc.
um welche anschließend eine Hülle aus dem gleichen
1.5 · Chirurgisches Nahtmaterial
17 1

. Abb. 1.5 Aufsicht auf einen monofilen Faden. (Fa. Ethicon) . Abb. 1.6 Aufsicht auf einen polyfilen Faden. (Fa. Ethicon)

Resorbierbarkeit MRSA oder MRSE, wie auch mit E. coli und K. pneu-
Resorbierbar: Nach einer definierten Zeit werden alle syn- moniae zu verhindern.
thetischen Fäden durch Hydrolyse abgebaut. Dabei wird
das Material durch Gewebeflüssigkeit aufgespalten und Nicht resorbierbares Nahtmaterial
gleichmäßig vom Körper abgebaut. Die Fäden behalten einen Großteil ihrer Reißfestigkeit,
Die Resorptionszeit darf nicht mit dem »Reißkraftab- werden aber über einen längeren Zeitraum auch partiell
fall« gleichgesetzt werden, der angibt, wie lange der Knoten abgebaut. Sie verbleiben dauerhaft im Gewebe oder wer-
seine Funktion erfüllt. den entfernt. Sie werden dort angewendet, wo über einen
Der Faden des resorbierbaren Nahtmaterials ist noch langen Zeitraum eine konstante Fadenfestigkeit gewünscht
zu sehen, wenn er seine Reißkraft schon verloren hat. ist, z. B. bei Gefäßnähten.
4 Polyamidfäden (Ethilon, Fa. Ethicon, Premilene,
Synthetisches resorbierbares Nahtmaterial Fa. BBD)
Monofiles, geflochtenes und pseudomonofiles Nahtmate- Sie werden aus synthetischen Polyamiden (fadenbil-
rial wird unabhängig von Gewebefaktoren abgebaut dende Polymere) hergestellt. Polyamidfäden werden
(s. oben). Dabei entstehen kaum Gewebereaktionen und geflochten, gezwirnt und monofil/pseudomonofil an-
Fadengranulome. Beispiele sind im Folgenden dargestellt. geboten. Sie eignen sich aufgrund eines allmählichen
4 Vicryl (Polyglactin 910, Fa. Ethicon) Zersetzungsprozesses im Wesentlichen für Hautnähte,
Ein synthetischer polyfiler Faden, der nach 21 Tagen zeichnen sich aber durch Geschmeidigkeit, Reißfestig-
noch ca. 50% seiner Ausgangsreißkraft besitzt. Nach ca keit, Knotensitz sowie geringe Gewebereaktionen und
60–70 Tagen vollständig resorbiert. Durch Oberflä- eine wasserabweisende Eigenschaft aus.
chenbeschichtung gleitet er im Gewebe und lässt sich 4 Polyesterfäden (Mersilene, Ethilon Excel,
problemlos knoten. In sehr dünnen Stärken wird er Fa. Ethicon, Dagrofil, Fa. BBD)
monofil angeboten. Sie werden monofil, geflochten mit und ohne Umman-
4 Vicryl rapide (Polyglactin 910, Fa. Ethicon) telung hergestellt und verfügen über sehr gute Gewe-
Ein synthetischer Faden mit einer polyfilen Struktur beverträglichkeit, Geschmeidigkeit, hohe Reißkraft
und einer beschichteten Oberfläche, der sich durch und wasserabweisende Wirkung.
kurze Resorptionszeit (nach 5 Tagen Verlust von 50% 4 Polypropylenfäden (Prolene, Fa. Ethicon)
der Reißkraft, nach ca 40 Tagen resorbiert) auszeich- Sie nehmen kein Wasser auf und verändern ihre Eigen-
net. schaften im Gewebe nicht. Die Knoteneigenschaften
4 Monocryl (Poliglecapron 25, Fa. Ethicon) und die Reißfestigkeit sind gut. Eingesetzt werden sie
Ein monofiler resorbierbarer Faden, nach 7 Tagen insbesondere in der Gefäß- und Kardiochirurgie und
noch 60% der Reißkraft, nach ca. 120 Tagen vollstän- für Hautnähte.
dig abgebaut. Seide und Zwirn kommen nur noch sehr selten zum
4 Vicryl Plus, Monocryl Plus, PDS Plus Einsatz.
Diese Fäden in der oben genannte Struktur wurden mit
Triclosan beschichtet und bilden so eine bakterizide
Zone um den Faden herum, um Infektionen, z. B. mit
18 Kapitel 1 · Grundlagen

. Abb. 1.7 Fädelöhr . Abb. 1.8 Federöhr

c
d

. Abb. 1.9 Aufbau einer Nadel. (Fa. Ethicon) . Abb. 1.10 a Halbkreisnadel, b asymptotische Nadel, c J- oder An-
gelhakenform, d Ski- oder Kufenform; e gerade Nadel

1.5.3 Nadelkunde Öhrnadeln


4 Fädelöhrnadeln
Aus den Aufgaben der chirurgischen Nadeln ergeben sich Diese Art der Nadel ist wohl die älteste. Sie ähnelt her-
die Anforderungen an ihre Beschaffenheit (7 Übersicht). kömmlichen Nähnadeln und kommt nur noch sehr
selten zum Einsatz (. Abb. 1.7). Nachteile:
5 Traumatisierung des Gewebes durch den doppelt
Anforderungen an die Beschaffenheit liegenden Faden im Öhr und den kräftigen Nadel-
von chirurgischen Nadeln körper.
4 Aus korrosionsbeständigem Stahl bestehend 5 Mühsames Einfädeln.
4 Bruchfestigkeit und Biegeelastizität 5 Unsichere Befestigung des Fadens.
4 Feine polierte Oberfläche, die manchmal silikoni- 4 Federöhrnadeln
siert ist, damit das Gleitverhalten verbessert wird Diese Nadel wird auch als Patent- oder Schnappöhr-
4 Nadelspitze für den Einstich nadel bezeichnet (. Abb. 1.8). Neben der Traumatisie-
4 Nadelkörper für den Durchzug rung des Gewebes hat diese Nadel den Nachteil, dass
4 Der Nadelschaft bedingt die geringe Traumati- der Faden am Schnappöhr beschädigt wird. Auch diese
sierung Nadel wurde zu Gunsten der atraumatischen Nadel-
4 Fester Halt im Nadelhalter, ggf. durch Längsrillen Faden-Kombinationen in den meisten Abteilungen aus
im Nadelkörper dem Sortiment genommen.
1.5 · Chirurgisches Nahtmaterial
19 1

. Abb. 1.11 Chirurgische Nadeln. (Fa. Ethicon)

Atraumatische öhrlose Nadel det aber auch im Gastrointestinaltrakt und der Dentalchi-
Die atraumatische Nadel besitzt im Schaft eine axiale rurgie Anwendung. Die Schlitten- und Ski-Nadel (. Abb.
mechanische oder, bei feinen Nadeln, gelaserte Bohrung, 1.10d) ist für die laparoskopischen Eingriffe konzipiert.
in die der Faden eingebracht wird. Die Vorteile sind gra- J-Nadeln (. Abb. 1.10c) werden für den Faszienver-
vierend: schluss nach Trokarinzisionen benötigt. Gerade Nadeln
4 Geringe Gewebetraumatisierung durch den stufen- (. Abb. 1.10e) werden im arthroskopischen Bereich wie
losen Nadel-Faden-Übergang. auch im laparoskopischen Bereich als »Tabakbeutelnaht«
4 Schlankere Nadelform durch fehlendes Öhr. in Kombination mit einer Tabakbeutelklemme (7 Kap. 2)
4 Als Einmalartikel immer optimaler Zustand. benötigt.
4 Kombination mit einfacher oder doppelter Armie-
rung (eine Nadel oder an beiden Enden des Fadens Nadelspitze
eine Nadel für zirkuläre Nähte). Die Nadelspitzen im Überblick zeigt . Abb. 1.11.
4 Sonderform
Die »Abziehnadel«, bei der die Armierungsfestigkeit Nadelkode
der Nadel am Faden so gewählt wurde, dass durch Die Nadeln werden nach einem Buchstaben-Zahlen-Code
leichten Zug sich die Nadel vom Faden trennt (Control und einem Symbol-Code unterschieden. Dieser Code wur-
Release = CR, Fa. Ethicon). de teilweise willkürlich gewählt und ist nicht immer nach-
zuvollziehen. Der Code der Firma Ethicon lässt sich viel-
Biegeformen und Nadelformen fach aus dem Amerikanischen ableiten, z. B.:
Die Biegeform muss der geplanten Naht entsprechen. Je 4 RB = »round body«,
enger die Gewebeverhältnisse sind, desto gebogener muss 4 BV = »blood vessel«.
die Nadelform sein (. Abb. 1.9).

Spezielle Nadelformen
Die asymptotische Nadel (. Abb. 1.10b) ist speziell für enge
Verhältnisse in der Gefäßchirurgie entwickelt worden, fin-
20 Kapitel 1 · Grundlagen

. Abb. 1.13 Endo Stitch. (Fa. Covidien)

1.5.4 Laparoskopisches Nahtmaterial

Da in der laparoskopischen Chirurgie andere OP-Bedin-


gungen bestehen, muss das Nahtmaterial entsprechend
angepasst werden.
4 Das Knoten eines Fadens kann extra- oder intrakor-
poral erfolgen.
4 Vorgefertigte Ligaturschlingen werden mit Hilfe eines
Röhrchens eingebracht, dies schiebt den Knoten auf
das zu ligierende Gewebe.
4 Um die armierte Naht ohne Probleme durch den Tro-
b
kar zu führen, werden spezielle gerade oder Skinadeln
benötigt (. Abb. 1.10d).
. Abb. 1.12 a Ligaturschlinge-Endoloop, b extrakorporale Kno- 4 Um den Knoten extrakorporal vorzubereiten, ist eine
tung-Ethi-Endo-Naht. (Fa. Ethicon) besondere Knotentechnik erforderlich. Der Knoten
wird hier mit einem Knotenschieber in Position ge-
bracht. Erleichterung schafft ein von der Industrie
bereits vorbereiteter Knoten. Die Fäden haben eine
Länge von etwa 1 m (Endoloop = laparoskopische
Ligaturschlinge . Abb. 1.12a; Ethi-Endo-Naht =
1.7 · Grundinstrumente und ihre Handhabung
21 1
laparoskopische extrakorporale Knotung und Endo bieten. Die mattierte Oberfläche verhindert störende Licht-
Suture System . Abb. 1.12b, Ethicon). reflexionen.
4 Um das Knoten intrakorporal vorzunehmen, stehen Instrumente, die mit einem goldfarbenen Griff ge-
wesentlich kürzere Nähte (etwa 20 cm) zur Verfü- kennzeichnet sind, haben im Arbeitsteil eine Hartmetall-
gung, um das Knoten mit zwei Instrumenten zu er- einlage und damit eine längere Lebensdauer.
leichtern. Zumeist werden diese Nähte vor dem Ein-
bringen durch den Trokar noch um ca. 5 cm gekürzt.
4 Um die Problematik des intrakorporalen Knotens zu 1.7 Grundinstrumente
erleichtern, hat beispielsweise die Firma Ethicon spe- und ihre Handhabung
zielle Faden-Clip-Nähte und Fadenfixierclips entwi-
ckelt, bei denen ein PDS-Clip den Knoten ersetzt. M. Liehn
(Ethi-Endo-Clip-Naht = fortlaufende, intrakorporale
PDS-Naht mit einem vorgelegten PDS-Clip, der den ! Die Auswahl, die Prüfung des Zustandes und der
Knoten ersetzt; Lapra Ty Faden – Fixierclips für fort- Gebrauchsfähigkeit sowie die Pflege des Instru-
laufende, intrakorporale Vicryl-Nähte der Stärke USP mentariums gehören zu den Aufgaben des OP-
2–0 bis 4–0 empfohlen) Personals in Kooperation mit den Kollegen in der
4 Zum intrakorporalen Knoten werden immer zwei ZSVA und den Chirurgen.
Instrumente benötigt. Für z. B. die Manschettenanla-
ge bei der Fundoplikatio gibt es vorgefertigte Nadel- Operationsinstrumente bestehen aus einem Arbeitsteil
Faden-Kombinationen, die im Einwegapplikator ge- und einem Griff. Die verschiedenen Instrumente werden
liefert werden und kein weiteres Instrument zur in unterschiedlichen Längen und Formen sowie mit ver-
Knotenanlage benötigen (Endo Stitch, Fa. Covidien, schiedenen Zahnungen angeboten. Jede operative Diszi-
. Abb. 1.13). plin hält neben ihrem Grundinstrumentarium ihre fach-
spezifischen Instrumente vor.
Alle Instrumente sollten so angereicht werden, dass sie
1.6 Werkstoffe des chirurgischen vom Operateur sofort benutzt werden können. Perfektes
Instrumentariums Instrumentieren erfolgt schnell, sicher, in der richtigen
Reihenfolge und mit dem Instrumentengriff zum Opera-
M. Liehn teur gewandt.
Beispielhaft werden einige Instrumente aufgeführt, die
Es gibt hoch entwickelte, nichtrostende Stahlsorten, Edel- zum Grundinstrumentarium gehören.
metalle und Metalllegierungen zur Herstellung des chirur-
gischen Instrumentariums, die den besonderen Anforde-
rungen in der Medizin entsprechen. 1.7.1 Skalpell
Sie müssen großen mechanischen Ansprüchen ge-
nügen, werden ständig thermischen, chemischen und Metallskalpelle mit auswechselbaren Einmalklingen ver-
physikalischen Angriffen unterworfen und müssen trotz- schiedener Größen oder Einmalskalpelle mit Kunststoff-
dem ihre Fähigkeiten (z. B. Fassen oder Schneiden) be- griff (. Abb. 1.14).
halten.
Außer Edelstahl kommt bei manchen Spezialinstru-
menten Titan, Kunststoff, Kupfer, Messing, Neusilber, Sil- 1.7.2 Pinzetten
ber oder Zinn zur Anwendung. Der eingesetzte Werkstoff
richtet sich nach dem Verwendungszweck. Für allgemeine Es gibt anatomische, chirurgische und atraumatische Pin-
Instrumente gelten andere Anforderungen als für Implan- zetten.
tate und Implantatinstrumentarium. Welche Pinzette benötigt wird, hängt von der Schicht
Die meisten allgemeinchirurgischen Instrumente sind ab, in der operiert wird und von dem Gewebe, das gefasst
aus einer Chrom-Nickel-Molybdän-Verbindung herge- werden soll.
stellt. Titan findet als Werkstoff immer häufiger Verwen- Die Pinzetten sind unterschiedlich lang, fein oder grob,
dung. Er ist sehr gewebeverträglich und ruft im Gegen- gerade, gewinkelt oder gebogen (. Abb. 1.15).
satz zu Nickel keine Allergien hervor. Nachteilig ist der
hohe Preis. Die Oberfläche der einzelnen Instrumente
wird zusätzlich behandelt. Sie muss eben sein und darf
Schmutz, Blut oder Eiweißresten keine Haftungsfläche
22 Kapitel 1 · Grundlagen

. Abb. 1.14 Ein OP-Messer wird mit der Klinge nach unten so an- . Abb. 1.15 Pinzetten werden senkrecht angereicht, sodass die
gereicht, dass der Operateur es mit der rechten Hand greifen und Branchen nach unten zeigen
schneiden kann

. Abb. 1.16 Scheren müssen von der/dem Instrumentierenden an . Abb. 1.17 Tupferzangen werden senkrecht mit dem Tupfer nach
den Branchen so gefasst werden, dass der Daumen auf der Arbeits- unten angereicht, denn der Operateur greift hier an den Stiel und
teilbiegung liegt nicht in die Griffe
1.7 · Grundinstrumente und ihre Handhabung
23 1

. Abb. 1.18 Die gebogene Spitze der Overholt-Klemme zeigt vom . Abb. 1.19 Wundhaken werden vorn an den Blättern gefasst und
OP-Gebiet weg, wenn der Operateur das Instrument gefasst hat angereicht

1.7.3 Scheren 1.7.6 Präparierklemmen

Präparierscheren, z. B. nach Wittenstein, Metzenbaum Es gibt anatomisch gebogene Klemmen zum Präparieren
etc., werden zur Trennung verschiedener Gewebsschich- und Abklemmen, zum Anzügeln und zum Fadenführen in
ten verwendet. Form, Länge und Biegung richten sich der Tiefe (z. B. Overholt-Klemme; . Abb. 1.18).
nach dem Anwendungsgebiet und der Anwendungsart
(. Abb. 1.16).
1.7.7 Klemmen

Es werden anatomische, chirurgische und atraumatische,


1.7.4 Bipolare Schere
gebogene, gerade und gewinkelte unterschieden. Die be-
kanntesten sind anatomische Péan-Klemmen zur Blutstil-
Diese Schere (z. B. von Ethicon, Power Star) hat den Vorteil,
lung oder zum Fadenanklemmen und die chirurgischen
dass sie während des Schneidens gleichzeitig koaguliert. Die
Kocher-Klemmen zum groben Fassen von Gewebe oder
Schere wird wie eine klassische Schere angewendet; die bei-
zum Anklemmen von Zügeln.
den Schneideblätter sind gegeneinander isoliert. Dadurch
entfällt der häufige Instrumentenwechsel zur Blutstillung
während der Präparation. Zu beachten ist, dass das Schnei- 1.7.8 Haken
den geringfügig langsamer geht, damit der Koagulationsvor-
gang stattfinden kann. Die Branchen der Schere sind sauber Wundhaken gewährleisten die Übersicht über das OP-
zu halten, um die Effektivität zu erhalten. Feld. Nach dem Hautschnitt kommen die scharfen Haken
Durch den Anschluss an ein bipolares HF-Gerät ist zum Einsatz. Sie liegen immer mit den scharfen Arbeitstei-
auch bei Patienten mit Herzschrittmachern eine Elektro- len nach oben auf dem Instrumentiertisch, um den sterilen
koagulation gefahrlos möglich. Tischbezug nicht zu perforieren. Am Patienten dürfen sie
nur dann benutzt werden, wenn keine empfindlichen Or-
gane beschädigt werden können. Bei einer Bauchoperation
1.7.5 Tupferzangen müssen sie, wenn das Peritoneum eröffnet ist, gegen stump-
fe Haken ausgetauscht werden. Wundhaken werden immer
Hier werden »Kornzangen«, gerade oder gebogen, mit fest paarweise vorbereitet.
eingerolltem, eingespanntem Tupfer oder Präpariertupfer Die Haken nach Roux und nach Langenbeck sind die
eingesetzt (. Abb. 1.17). bekanntesten stumpfen Haken (. Abb. 1.19).
24 Kapitel 1 · Grundlagen

1.8.2 Materialien und ihre Eigenschaften


1
Der Einsatz der unterschiedlichen Drainagematerialien
richtet sich nach dem speziellen Verwendungszweck. Alle
Materialien haben eine gute Gewebeverträglichkeit.

Polyvinylchlorid
Polyvinylchlorid (PVC) wird fast nur für Redon-Drainagen
verwendet. Bei PVC besteht immer das Risiko, dass toxische
Weichmacher austreten. Außerdem kann es durch Eiweiß-
ablagerungen im Lumen zu Abflussstörungen kommen.
Polyvinylchlorid besticht durch seine Festigkeit, sodass
die unter Sog stehende Redon-Drainage nicht kollabieren
kann.
. Abb. 1.20 Die Nadel wird zumeist im hinteren Drittel eingespannt.
Vorbereitete Nadelhalter werden mit der Nadelspitze nach oben an-
gereicht Silikon
Silikon ist ein siliziumhaltiger Kunststoff von großer Wär-
me- und Wasserbeständigkeit. Es eignet sich als Lang-
1.7.9 Nadelhalter zeitdrainage, denn im Vergleich mit anderen Materialien
weist es die beste Gewebeverträglichkeit auf. Es werden
Sie haben meist ein mit Hartmetall beschichtetes »Maul«, keine Weichmacher und organische Zusatzstoffe hinzuge-
um die Nadel sicher fassen zu können. Es gibt sie mit oder fügt; daher finden keine Veränderungen im Körper statt.
ohne Arretierung (. Abb. 1.20). Die vorbereiteten Nadel- Silikon ist äußerst flexibel und löst keine Inkrustationen
halter werden mit der Nadel nach oben angereicht. Der aus. Da Silikon die Granulation nicht fördert, kann es nicht
Chirurg bekommt in die andere Hand immer eine Pinzet- als Gallengangdrainage (Kurzzeitdrainage) verwendet
te angereicht. werden.

Naturgummi und Latex


1.8 Drainagen Diese Stoffe eignen sich nur für Kurzzeitdrainagen. Beim
Naturgummi kommt es zu starken lokalen Gewebsreak-
M. Liehn tionen. Seine Oberflächenbeschaffenheit begünstigt ein
Ansiedeln von Bakterien. Bei längerem Verbleib im Körper
In allen chirurgischen Disziplinen werden Drainagen ge- treten Zersetzungsprozesse auf.
legt. Die Indikation wird kritisch gestellt, um Drainage- Latex, der Milchsaft einiger tropischer Pflanzen, aus
komplikationen gering zu halten und das »Fast-track-Kon- dem Kautschuk hergestellt wird, führt zu weniger heftigen
zept« nicht zu gefährden. Eine Drainage wird in der Regel Gewebsreaktionen als Gummi. Bei längerem Verbleib im
nach 24–48 h entfernt. Körper jedoch verlieren sich seine positiven Eigenschaften
Die Stärke von Drainagen wird in Charr, nach dem (Elastizität und Härte). Latex wird wegen vermehrt auftre-
französischen Instrumentenbauer Charrière, angegeben. tenden Allergien nur noch sehr selten angewendet.
Die Zahl ist ein Maß für den Querschnitt eines Katheters.
Bei kreisrundem Querschnitt entspricht 1 Charr 0,33 mm Silikonisierter Latex
Durchmesser (Beispiel: 18 Charr ‡ ≥6 mm). Durch die Benetzung mit Silikon wird ein Latexdrain reak-
tionsträge und eignet sich als Langzeitdrainage.

1.8.1 Ziele einer Drainageeinlage


1.8.3 Drainagesysteme
4 Ableitung von Blut, Sekret, Zellresten, Luft, Eiter;
4 Offenhalten einer Wunde, um die Granulation vom Funktionsprinzipien
Wundgrund aus zu sichern (nach Abszessspaltung); Schwerkraftdrainage Das Sekret wird am tiefsten Punkt
4 als Spül- und Saugdrainagen zur Therapie von Kno- der Wundhöhle abgeleitet.
cheninfekten;
4 zur Prophylaxe, um rechtzeitig Insuffizienzen zu er- Heberdrainage Es muss ein Gefälle zwischen Ableitung
kennen. und Auffanggefäß bestehen.
1.8 · Drainagen
25 1
Kapillardrainage Nutzen der Kapillarkraft von z. B. Ver-
bandmaterial.

Sogdrainagen Unkonrollierter Sog lässt Sekret in Unter-


druckflaschen ablaufen.
Gebräuchliche Drainagemodelle zeigt . Abb. 1.21.

Passive Schwerkraft-, Überlaufdrainagen


Diese Drainageform ist die häufigste. Sie existiert in allen
Ableitungssystemen. Allen gemeinsam ist:
4 Die Drainagespitze liegt am tiefsten Punkt der
Höhle.
4 Die Ausleitung der Drainage liegt tiefer als der Wund-
höhlengrund.
4 Kurze Ausleitung.
4 Ausleitung durch eine separate Inzision in einem Ab-
stand von mindestens 5 cm zum Hautschnitt.

Kurzrohrdrainagen und Laschen


als offene Systeme
Diese Ableitung wird nur selten angewendet. Sie wird kurz
über der Haut abgeschnitten und mit einer Naht befestigt. . Abb. 1.21 Gebräuchliche Drainagemodelle in Aufsicht und Quer-
schnitt. 1 T-Drainage, 2 Easy-flow-Drainage, 3 Jackson-Pratt-Draina-
Das Sekret fließt direkt in den Verband, der mehrmals täg-
ge, 4 Robinson-Drainage, 5 Blake-Drainage, 6 Salem-Drainage. (Nach
lich gewechselt werden muss. Hagel 2006)
Die Lasche soll die Wundhöhle offen halten, um die
Granulation vom Wundgrund aus zu sichern.
Beispiel: nach Abszesseröffnung. Besonderheiten Auf einen wasserdichten Verschluss des
Ductus choledochus ist zu achten. Daher wird häufig zu-
Langrohrdrainagen als halboffenes System sätzlich ein »Sicherheitsdrain« gelegt, um Insuffizienzen
mit Sekretauffangbeutel rechtzeitig erkennen zu können.
In der Regel besitzen die industriell hergestellten Rohrdrai- Bevor die Drainage entfernt wird, wird sie zeitweise
nagen abgerundete Spitzen, einige versetzte Perforationen abgeklemmt.
und eine Röntgenmarkierung. Für spezielle Einsatzgebiete Nach dem Entfernen verklebt der Choledochusdefekt
sind anstelle von Runddrainagen auch flache Drains er- spontan. Die durch das Latex/Gummi ausgelöste Fibrin-
hältlich. reaktion ist gewünscht und Voraussetzung dafür, dass
beim Ziehen der Drainage keine gallige Peritonitis auf-
T-Drainagen mit Sekretauffangbeutel tritt.
Indikation Mit Ausnahme eines durchgängigen Ductus
choledochus und dem Fehlen jeglicher Entzündungser- Thorax-/Bülau-Drainage und Wasserschloss
scheinungen wird nach einer Choledochusrevision eine ohne aktiven Sog
Weichgummi-T-Drainage als Kurzzeitableitung eingesetzt. Dieses System wird z. B. zur Prophylaxe nach Mediasti-
Diese soll die Galle vorübergehend ableiten, um die Naht num- und Thoraxoperationen eingesetzt (. Abb. 1.22).
zu schonen, und den Ductus bei postoperativer Schwel- Eine Thoraxdrainage soll Luft, Sekret, Blut oder Eiter
lung offen halten. aus dem Pleuraspalt ableiten, damit die Lunge sich voll-
Nach Tumoroperationen kommt eine Langzeitablei- ständig entfalten kann.
tung aus Silikon in Frage. Dabei wird nach einer Stichinzision beispielsweise eine
Über das Drain sind Röntgenkontrollen zum Aus- Kornzange in den Thoraxraum vorgeschoben. Die vorbe-
schluss von Steinen oder Strikturen etc. möglich. reitete Drainage wird zur Sekretableitung am tiefsten Punkt
der Höhle eingelegt und nach außen geleitet. Soll Luft ab-
Vorbereiten der Drainage Der Querschenkel wird halbiert, geleitet werden, muss das Drain am höchsten Punkt der
an den Übergangsstellen zum Langrohr werden 2 Ecken Höhle platziert werden. Eine sichere Fixierung mit einer
ausgeschnitten, die das spätere Entfernen der Drainage er- kräftigeren Naht ist notwendig. Thoraxdrainagesysteme
leichtern sollen. werden zumeist als Schwerkraftsysteme hergestellt.
26 Kapitel 1 · Grundlagen

. Abb. 1.23 Robinson-Drainage: rechts die Drainage (das perfo-


rierte Ende wird in den Situs platziert), links: Auffangbeutel. (Nach
Siewert 2010)

fixiert. An die Drainage wird ein Auffangbehältnis und an


den Venenkatheter ein Infusionssystem angeschlossen.

Langrohrdrainage als geschlossenes System


Das Drainagesystem ist steril in einer Peelpackung ver-
packt. Sie besteht aus einer 100–130 cm langen Silikon-
drainage, deren Spitze abgerundet ist. Am Ende befinden
sich 4 versetzte trichterförmige Perforationen. Das Drain
ist mit einem Röntgenkontraststreifen versehen. Die Drai-
nagen sind in unterschiedlichsten Durchmessern erhält-
. Abb. 1.22 Bülau-Drainage: In dem Standzylinder (rechts) wird ein lich. Der Auffangbeutel ist fest mit dem Langrohr ver-
Unterdruck erzeugt, der durch Verschieben der mit der freien Atmo- bunden. Durch ein Einwegventil wird der Sekretreflux
sphäre kommunizierenden zentralen Röhre (rot) eingestellt werden verhindert. Der Ablauf erfolgt ohne Sog. Der Beutel hat
kann. Zwischen Wasserschloss und Patient ist ein Sekretauffangbe-
ein Fassungsvermögen von bis zu 600 ml und kann über
hälter zwischengeschaltet. (Nach Siewert 2010)
einen Ablaufstutzen entleert werden. Ein spezielles Ein-
führungsinstrument wird angeboten. (Robinson-Drainage;
Die relativ starre PVC- oder Silikon-Drainage wird . Abb. 1.23).
über einen Verlängerungsschlauch in der einfachsten Form
mit einem Einkammersystem verbunden, in dem ein von Penrose und Easy-flow-Drainagen
außen belüftetes Steigrohr 2 cm tief in Wasser taucht. Sie stellen eine Alternative zur Schwerkraftdrainage dar.
Dieses dient als Wasserschloss bzw. Einwegventil und Durch Kapillarwirkung steigt das Sekret von der Wunde in
verhindert den Rückstrom von Luft in den Pleuraspalt. Au- den Verband oder fließt in einen sterilen Beutel, der direkt
ßerdem ist es wichtig, dass das Steigrohr des Wasser- auf die Haut geklebt wird.
schlosses zum Raum hin nie abgeklemmt und das System Nachteilig ist die offene Ableitung; vorteilhaft ist das
unterhalb des Bettniveaus befestigt wird (7 Kap. 6). weiche flexible Material.
Sie werden als Abszessdrainage oder Ableitung im
Spüldrainage Bereich empfindlicher Strukturen, wie beispielsweise an
Die Spüldrainage mit Sekretauffangbeutel kann einfach Bauchorganen oder Gefäßen, angewendet.
hergestellt werden, indem ein Drainageschlauch punktiert
und ein Venenkatheter vorgeschoben wird, dessen Spitze Penrose
kurz vor dem Drainageende zu liegen kommt. An der Diese Drainage besteht aus einem weichen Silikonschlauch,
Punktionsstelle wird der Venenkatheter durch eine Naht der einen Mullgazedocht umgibt. Durch die Dochtwir-
1.8 · Drainagen
27 1
kung (kapillare Saugkraft) wird das Sekret aus der Wunde Spül-Saug-Drainage
gesogen. Anwendung bei Osteomyelitis der Extremitäten oder in
der Pankreaschirurgie.
Easy-flow-Drainage Spülung mit Elektrolytlösung. Industriell hergestell-
Als Material wird Silikon verwendet. Diese Drainagen sind te Saug-Spül-Drainagen sind meist aus Silikon und
besonders weich und flexibel. Die Kapillarwirkung kommt dreilumig. Das mittlere Lumen ist mehrmals perforiert,
durch im Innenlumen längs verlaufende Stege zustande. auf die äußeren können Luer-Lock-Ansätze gesteckt
Es werden geschlossene Easy-flow-Drainagen angebo- werden.
ten, bei denen die Kapillardrainage fest mit einem Silikon-
schlauch verbunden und dieser wiederum an den Sekret- Thorax-/Bülau-Drainage und Wasserschloss
beutel angeschlossen ist. mit Sog
Anlage einer Thoraxsaugdrainage:
Aktive Saugdrainagen 4 Infiltration des Lokalanästhetikum an entsprechender
Punktionsstelle nach Röntgenthoraxbild.
Redon-Drainage als halboffenes System 4 Inzision der Haut über der 3. oder 6. Rippe.
4 Die Drainage besteht aus einem am Ende perforierten 4 Stumpfe Erweiterung, Eröffnung der Pleura; evtl.
PVC-Schlauch, der mit einer Vakuumflasche verbun- Vorschieben einer Kornzange und Öffnen der
den wird. Die Saugung erfolgt unkontrolliert [Unter- Branchen.
druck bis ca. 0,8 · 105 Pa1 (0,8 bar)]. 4 Platzieren der Thoraxdrainage und Fixation der Drai-
4 Die Redon-Drainage wird v. a. in das Subkutan- und nage mit einer Naht.
Subfaszialgewebe, an Osteosynthesen und Endopro- 4 Wie bei der Thoraxdrainage ohne aktiven Sog wird
thesen gelegt. die Drainage mit einem Ein- oder Mehrkammersys-
4 Das Drain hat einen Röntgenkontraststreifen. tem mit dem Wasserschloss verbunden. An das kurze
4 Durch den Sog werden die Wundflächen aneinander Rohr des Wasserschlosses wird das Wassermano-
gedrückt und Hohlräume geschlossen. Aufgrund sei- meter angeschlossen, das eine Feinsogregulierung er-
ner Härte kann der Schlauch dabei nicht kollabieren. möglicht. Dieser Sog, der üblicherweise bei 15–20 cm
4 Ausleitung mit einem Spieß; Fixierung mit Naht oder Wassersäule liegt, wird erzielt, indem das Rohr ent-
Pflaster; Anschluss des Vakuumbehälters, der nach sprechend tief in das Wasser eindringt. Das Wasser-
Bedarf gewechselt wird. manometer wird an die Absaugvorrichtung (Wand-
4 Nach etwa 1–3 Tagen sollte die Drainage entfernt anschluss) angeschlossen.
werden. 4 Anwendung z. B. beim Pneumothorax. Durch den
negativen Druck im Drainagesystem wird der Unter-
! Intraperitoneale Drainagen sollten nie unter
druck im Interpleuralspalt wiederhergestellt und die
Sog stehen, weil sonst anliegendes Gewebe ge-
Lunge entfaltet sich.
schädigt werden kann!
4 Bei den Dreikammersystemen dient die 1. Kammer
als Sammelgefäß, die 2. Kammer als Wasserschloss,
Jackson-Pratt-Drainage als geschlossenes das auf ein Niveau von 2 cm gefüllt wird, die 3. Kam-
System mer der Feinsogregulierung.
4 Die Jackson-Pratt-Drainage besteht aus einer weichen,
flexiblen Silikonflachdrainage mit einem langen per- Alle Handhabungen an der Thoraxsaugdrainage haben
forierten Ende. Durch Stege im Drainagelumen wird immer unter aseptischen Bedingungen zu erfolgen. Zu je-
ein Kollabieren verhindert. Ein Röntgenkontraststrei- dem Zeitpunkt hat das System luftdicht zu sein. Zum
fen ist vorhanden. Der 100-ml-Unterdruckbehälter Wechseln von Flaschen muss das System abgeklemmt
besitzt ein Einwegventil und ist über Handdruck kom- werden (7 Kap. 6).
primierbar (unkontrollierte Saugung). Dabei entsteht
ein Unterdruck von etwa 0,1 · 105 Pa (0,1 bar).1 Die Vakuumtherapie
Luft kann über eine zweite (verschließbare) Öffnung Eine weitere Möglichkeit, Wundsekret kontrolliert zu ent-
entweichen und Sekret abgelassen werden. fernen und den Wundverschluss zu beschleunigen, besteht
4 Anwendung: in der Anlage eines Vakuumverbandes, der in der Wunde
an empfindlichen Strukturen, z. B. in der Neurochi- einen gleichmäßigen Unterdruck erzeugt zum kontinuier-
rurgie bei subduralem Hämatom. lichen oder intermittierenden Absaugen von Wundsekret,
der Förderung der Durchblutung und Bildung von Granu-
1 Umrechnungsfaktor: 100.000; 1 bar = 105 Pa. lationsgewebe.
28 Kapitel 1 · Grundlagen

kIndikation
1 4 Vorwiegend bei akuten oder chronischen Weichteil- Vakuumverband
defekten, z. B. in der Traumatologie, Gefäßchirurgie, 7 Ausschneiden der Wundränder.
Allgemein- und Viszeralchirurgie. 7 Nekrotisches oder schlecht durchblutetes Gewe-
be im Wundbereich wird entfernt.
kKontraindikation 7 Die Wundfläche wird mit einem Skalpell und/oder
4 Allergien gegen das verwendete Material. scharfen Löffel angefrischt, danach wird die
4 Patienten mit sehr dünner, empfindlicher Haut. Wunde gründlich gespült, entweder mit Ringer-
4 Wunden durch maligne Tumoren. Lösung und/oder einem Wund- und Schleimhaut-
4 Unbehandelte Osteomyelitis. antiseptikum.
7 Der Schwamm wird in der Form und Größe der
kPrinzip Wunde zugeschnitten und auf die Wundfläche
4 Durch Einlegen eines Schwammes, luftdichtes Ver- aufgelegt; ggf. werden Hydrogel-Streifen um die
schließen mittels Folie und Anbringen eines Wunde geklebt.
Schlauch-Pumpen-Systems wird ein Unterdruck er- 7 Die transparente Folie wird über den Schwamm
zeugt, der sich gleichmäßig auf die ganze Wunde ver- und auf die gesunde Haut geklebt. Dabei ist darauf
teilt. zu achten, dass der Bereich luftdicht abgeschlossen
ist, da sonst kein Vakuum erzeugt werden kann.
kInstrumentarium 7 An der Stelle, an der das Schlauch-Pad aufgeklebt
Schwamm, Folie, Schlauchsystem, Reservoir, Pumpe, evtl. werden soll, wird ein kleines Loch in die Folie ge-
Hydrogelstreifen, evtl. reizfreier Hautschutz. schnitten, das Pad über das Loch geklebt und das
4 Den Schwamm gibt es in verschiedenen Größen und Reservoir in die Pumpe eingesetzt und mit dem
unterschiedlichen Materialien. Er besteht entweder Schlauch verbunden.
aus 7 Nachdem die gewünschte Saugleistung einge-
stellt wurde, kann die Pumpe gestartet werden.
5 Polyuretan (PU): schwarz, grob, großporig, trocken,
für stark sezernierende, infektiöse Wunden oder
aus Der Schwammwechsel erfolgt nach ca. 2 (PU-Schwamm)
5 Polyvinylalkoholschaum (PVA): weiß, kleinporig, bis 5 (PVA-Schaum) Tagen.
hydrophil für nicht verunreinigte Wunden, schützt
empfindliches Gewebe und fördert das Anwachsen Drainagekomplikationen
von Hauttransplantaten. 4 Gewebereaktionen aufgrund des Drainagematerials, -
systems,
! Der Schwamm darf keinen direkten Kontakt mit
4 schlechte Förderung durch Drainageverlegung,
Organen oder Gefäßen haben.
4 Verwachsungen,
4 Die Folie besteht aus aus Polyuretran, ist selbst- 4 Organverletzung durch die Drainagespitze,
klebend, transparent, luftdicht, bakterien- und 4 Sekretreflux bei unsachgemäßer Handhabung,
dampfdurchlässig 4 versehentliches Festnähen der Drainage bei tiefen
4 Die Hydrogel-Streifen sind doppelseitig klebend, Nähten,
haften auf der Haut und ermöglichen ein besseres 4 Infektionen.
Abdichten der aufgeklebten Folie.
4 Das Schlauchsystem besteht aus einem Schlauch mit
Konnektor und Pad zum Aufkleben. Das Reservoir 1.9 Operationsindikationen
dient dem Auffangen des Wundsekrets.
4 Die benötigte Pumpe kann vom Hersteller gemietet L. Steinmüller
werden.
4 Instrumente: Definition
5 kleines Grundinstrumentarium, Die OP-Indikation ist definiert als der Grund zur Ver-
5 scharfer Löffel ordnung eines bestimmten diagnostischen oder the-
rapeutischen Verfahrens in einem definierten Krank-
heitsfall, der seine Anwendung hinreichend rechtfer-
tigt. Grundsätzlich besteht Aufklärungspflicht gegen-
über dem Patienten.
1.10 · Wunden und ihre Versorgung
29 1
1.9.1 Absolute OP-Indikation Die Übersichten . Tab. 1.6 und . Tab. 1.7 unterscheiden
nach den Hautverhältnissen und nach der Entstehung der
4 Notfallmäßig, d. h. sofort! Wunden.
Beispiele: Blutung als Traumafolge (Milzruptur), rup-
turiertes Aortenaneurysma usw.
4 Lebensrettend akut, d. h. innerhalb weniger Stunden.
. Tab. 1.6 Unterscheidung von Wunden nach den Hautver-
Beispiele: Appendizitis, mechanischer Ileus, Peritoni- hältnissen
tis usw.
4 Subakut, d. h. innerhalb weniger Tage. Offene Wunden Geschlossene Besondere Wunden
Beispiele: blande akute Cholezystitis, Magenausgangs- Wunden
stenose.
Oberflächlich Schädel Ablederung –
Décollement

Perforierend Thorax Abtrennung


1.9.2 Relative OP-Indikationen
Kompliziert Skelettsystem Quetschung, offen
4 Diagnostische Operationen. oder geschlossen

Beispiele: Arthroskopie, Laparoskopie usw. Abdomen –


4 Sozial indizierte Operationen. »stumpfes
Bauchtrauma«
Beispiele: Schwangerschaftsabbruch (?).
4 Kombinierte Indikationsbereiche.
Beispiele: Extremitätenreplantation, Anus-praeter-
Rückverlagerung.
4 Präventive Operationen, bevor eine Symptomatik . Tab. 1.7 Unterscheidung von Wunden nach der Ent-
stehung
oder eine Verschlimmerung eines bislang
asymptomatischen Zustandes auftritt. Wunde Entstehung
Beispiele: Präarthrosen in der Orthopädie, Gefäßste-
nosen/Aneurysmen in der Gefäßchirurgie, Polyposis/ Schürfwunden Oberflächlich »gering blutend«, schmerz-
haft
Colitis ulcerosa in der Allgemeinchirurgie.
4 Kosmetische Operationen. Platzwunden Durch stumpfe Gewalt, unregelmäßige
Wundränder, schlechte Durchblutung,
Beispiele: Narbenkorrektur, Facelifts usw.
Infektionsgefahr

Jede Überlegung zur OP-Indikation muss immer die mög- Risswunden Unregelmäßige Wundränder, oft ober-
flächlich, zerklüftete Wundhöhle, Infek-
lichen Kontraindikationen miteinbeziehen! tionsgefahr
Quetschungen Unregelmäßige Wundränder, Schädigung
auch benachbarter Gewebe
1.10 Wunden und ihre Versorgung
Schnittwunden Glatte Wundränder, klaffend, evtl. stark
blutend, meist problemlose Heilung
L. Steinmüller, M. Liehn
Bisswunden Durch Tier oder Mensch; besonders in-
fektionsgefährdet, schlechte Heilungs-
Definition
tendenz
Als Wunde bezeichnet man die Durchtrennung oder
Schusswunden Ausgedehnte Gewebezerstörung in der
Zerstörung der Haut oder Schleimhaut, der tiefen Ge-
Tiefe, hohe Infektionsgefahr, schlechte
webe oder der inneren Organe. Heilung
Ablederung Abriss der Haut von der Faszie mit Aus-
bildung von Hämatomhöhlen
Skalpierung Abriss der Kopfschwarte
1.10.1 Wundarten
Verbrennung Schädigung durch chemische/thermische
Einwirkung auch im Rahmen einer Be-
Allgemeine Kennzeichen und Folgen von Wunden sind:
strahlung/Nuklearexplosion
4 Defektbildung von Gewebe, ggf. mit Oberflächenver-
letzung,
4 Austritt von Blut und Serum bis hin zum Schock,
4 Verlust der Schutzfunktion.
30 Kapitel 1 · Grundlagen

1.10.2 Wundheilung Sekundärheilung


1 Darunter versteht man einen zeitlich verzögerten, schritt-
Definition weisen Verschluss einer meist infizierten Wunde oder
Wundheilung ist die dauerhafte Wiedervereinigung Defektwunde. Nach der Granulationsgewebsbildung im
traumatisch oder operativ durchtrennter Gewebe. Wundgrund erfolgt die Epithelisierung vom Wundrand
her bei gleichzeitiger Wundkontraktion.
Dauer: Wochen bis Monate.
Die Wundheilung läuft analog zu einer bestimmten Phase
innerhalb des Entzündungsprozesses ab. Der Gewebedefekt Störungen der postoperativen Wundheilung
wird durch die Vernarbung des Stützgewebes in Verbin- Darunter versteht man alle Komplikationen, die ein Wie-
dung mit einer Epithelregeneration repariert. Zerstörtes dereröffnen einer operativ verschlossenen Wunde verursa-
Gewebes wird so stufenweise abgedichtet und durch neues chen oder notwendig machen.
ersetzt. Bindegewebe und Knochen werden durch gleichar- 4 Aseptische Erscheinungsformen: Serom, Hämatom,
tige Gewebe, alle anderen durch Bindegewebe ersetzt. Wundrandnekrose, Nahtdehiszenz.
Wichtige Erfolgsfaktoren sind die intakte Durchblu- 4 Septische Erscheinungsformen: infiziertes Serom
tung der Wunde und ein guter Ernährungszustand des oder Hämatom, Phlegmone, Abszess, Wunddehis-
Patienten. zenz.

Phasen der Wundheilung


Exsudative Phase 1.10.3 Chirurgische Wundversorgung
1.–4. Tag Ausfüllen der Gewebelücke durch Blut, Lymphe
und Fibrin. Indikation
Schutzinfektion durch Wundverschluss, begleitet von Zum Beispiel Risswunden, Schnittwunden, Platzwunden.
Hyperämie und Phagozytendiapedese. Ödemrückbildung,
Mitosen des Randepithels. kPrinzip
Übergang der Katabolie zur Anabolie. Innerhalb der ersten 6–8 h bei Bedarf keilförmige Exzision
der Wundränder, evtl. eine Anfrischung, spannungsfreie
Proliferationsphase
Nähte zum Hautverschluss. Bei komplizierten Wunden
4.–7. Tag Sie wird auch als reparative Phase bezeichnet.
»Wundtoilette« ausführen, Kontraindikationen für den
Durch Kapillar- und Fibroblasteneinsprossung in das
primären Wundverschluss beachten: Bisswunden, veralte-
Wundbett entsteht das Granulationsgewebe. Kollagenfa-
te und infizierte Wunden.
sern werden gebildet und der Defekt somit weitgehend vor
dem Eindringen von Erregern geschützt. kLagerung
Regenerationsphase Je nach Lokalisation der Wunde soll eine bequeme Lage-
7.–21. Tag bis 14 Monate Diese Phase wird auch Narben-
rung für den Patienten gefunden werden, da in der Regel
bildungsphase genannt. in Lokalanästhesie operiert wird. Bei großen und tiefen
Das Granulationsgewebe wird durch Vernetzung und Wunden kann eine Versorgung in Narkose notwendig
Aggregation der Kollagenmoleküle unter Gewebeschrump- werden
fung (bis zu 30%) in Narbengewebe umgewandelt.
kInstrumentarium
Durch die Gefäßminderung wird das Bindegewebe
weiß und straff. Einwachsen sensibler Nervenfasern, Epi- 4 Lokalanästhetikum,
thelisierung vom Rand her. Es fehlen Haare, Schweißdrü- 4 5-ml-Spritze,
sen und Pigmente. 4 kleine Kanüle,
4 Lösung zur Reinigung der Wunde,
Arten der Wundheilung 4 Skalpell,
Neben den zeitlichen Phasen kann die Wundheilung nach 4 Präparierschere,
der Heilungsart unterschieden werden. 4 chirurgische feine und etwas größere Pinzetten,
4 Nadelhalter und Nahtmaterial und/oder Hautkleber,
Primärheilung 4 Tupfer, Verbandmaterial,
Im Idealfall wird sie durch chirurgische Nähte erreicht. Es 4 Bei Bedarf Tetanusimmunisierung vorbereiten.
wird ein Wundverschluss mit minimaler Narbenbildung
bei glatten Wundrändern erzielt.
Dauer: 10–14 Tage.
1.10 · Wunden und ihre Versorgung
31 1

Wundverschluss . Tab. 1.8 Bakterielle Erreger chirurgischer Infektionen

7 Applikation des Lokalanästhetikums, Inspektion Aerobe Keime


der Wunde. Wenn eine Risswunde vorliegt, keilför-
mige Exzision der Wundränder, sonst nur eine (Vermehrung in sauerstoffreichem Milieu)
»Anfrischung« der Ränder. Bei tiefen Wunden wird Kokken Hämolysierende Streptokokken
die Subkutis mit wenigen Nähten adaptierend (insbes. Gruppe A)
verschlossen; die Hautnaht erfolgt spannungsfrei Staphylococcus aureus
mit Einzelknopfnähten. Im Idealfall ist eine allei- Enterokokken
nige Versorgung mit Pflasterzügen, Flüssigpflaster
Gramnegative Enterobacteriaceae
oder Hautkleber möglich. Bei der Versorgung von
Stäbchen
Extremitätenwunden wird eine pneumatische 4 Escherichia coli
Blutsperre angelegt. 4 Klebsiella pneumoniae
7 Der Verband dient dem Schutz der Wunde zur Se- 4 Enterobacter
kretaufnahme und ggf. zur Ruhigstellung, wenn 4 Proteus-Spezies
nötig als Schienen- oder Gipsverband.
4 u. a. m.
7 Nach Bedarf Verabreichung der Tetanusimmunisie-
Pseudomonas aeruginosa
rungsspritze(n) (7 Abschn. »Tetanus«).
Anaerobe Keime
(Vermehrung nur bei Abwesenheit von Sauerstoff )
Grampositive Sporenbildende Bakterien
1.10.4 Chirurgische Infektionen stäbchenförmige
4 Clostridium perfringens und ver-
Bakterien
wandte Arten
Definition
Entzündungsformen, die durch Eintritt von Erregern Gramnegative Bacteroides fragilis und andere
eine chirurgische (operative) Behandlung nach sich stäbchenförmige Bacteroidesarten
Bakterien
ziehen.

Erreger chirurgischer Infektionen Nosokomiale Infektionen


. Tab. 1.8 gibt einen Überblick über die verschiedenen
Keimarten und die entsprechenden Erreger. Definition
Infektionen, die in zeitlichem Zusammenhang mit
Ausbreitungswege dem Krankenhausaufenthalt entstehen.
Lokal Die Bakterienausbreitung erfolgt direkt auf dem
Wege der örtlichen Gewebestrukturen.
jEntstehungsmechanismen
Lymphogen In Form einer Lymphangitis breitet sich die 4 Bei geschwächter körpereigener Infektabwehr;
Entzündung entlang der Lymphgefäße bis hin zum nächs- 4 nach komplizierten, langwierigen Operationen;
ten Lymphknoten aus. 4 durch invasive, apparative Maßnahmen;
4 durch therapeutische Maßnahmen, die die Infekti-
Hämatogen Durch Keimeintritt in die Blutbahn kommt es onsgefahr herabsetzen.
zur Sepsis. Unterschieden werden die einfache Septikämie,
bei der durch Einschwemmung von Bakterien in die Blut- jMaßnahme zur Vermeidung von Infektionen
bahn (Bakteriämie) oder von Bakterientoxinen (Toxin- 4 Hygienische Händedesinfektion.
ämie) eine allgemeine Infektion des Organismus ausgelöst
wird. Bei der komplizierten streuenden Form, der Septiko- Lokale Formen
pyämie, treten in entfernten Körperregionen metastatische Abszess
Eiterherde auf.
Verlaufsformen eitriger Entzündungen werden wie Definition
folgt unterschieden: Eine örtlich umschriebene, durch eine Abszessmemb-
4 akut: Appendizitis, Mastitis, Cholangitis, Empyem usw. ran abgekapselte eitrige Entzündung mit Zerstörung
4 chronisch: chronische Abszesse, chronische Osteo- des örtlichen Gewebes.
myelitiden, Aktinomykosen.
32 Kapitel 1 · Grundlagen

Klinik Schmerz (Dolor), Rötung (Rubor), Überwärmung Vorkommen Als sog. infektiöses Granulom bei rheuma-
1 (Calor), Schwellung (Tumor) stellen die klassischen Ent- tischem Fieber, Tuberkulose, Lepra, Aktinomykose, Syphi-
zündungszeichen dar. Der flüssige Abszessinhalt ist durch lis, bei tiefen Mykosen und Wurminfektionen.
seine Fluktuation feststellbar. Auch bei Fremdkörpern (z. B. Talkum, Asbest, chirur-
gisches Nahtmaterial).
Vorkommen Haut, z. B. gluteal, perianal und in Organen.
Lymphangitis, Lymphadenitis, Phlebitis
Keime Überwiegend Staphylokokken, selten E. coli oder
Mischflora. Definition
Es handelt sich um meist von einem primären Infek-
Phlegmone tionsherd fortgeleitete Entzündungsformen.

Definition
Eine diffuse eitrige Entzündung ohne Kapselbildung. Klinik »Roter Strich«, häufig mit Fieber und Lymphkno-
tenschwellung einhergehend, im Volksmund als »Blutver-
giftung« bezeichnet.
Klinik In der Regel schwere allgemeine Entzündungszei-
chen. Flächenhaftes Fortschreiten mit Schmerzen. Keime Staphylokokken, Streptokokken.

Vorkommen Kutis, Subkutis, Darmwand, Mediastinum, Furunkel, Follikulitis, Karbunkel


Retroperitoneum, kleines Becken, Perineum, Mundboden.
Eine Sonderform stellt das Panaritium dar (7 Abschn. »Pa- Definition
naritium«). Umschriebene, nichtabgekapselte, auf einen Haar-
follikel beschränkte eitrige Infektion, die durch
Keime Oft Streptokokken, seltener Staphylokokken, Pro- Ausbreitung auf die Talgdrüsen und auf das be-
teusspezies. nachbarte Bindegewebe zum Furunkel wird. Meh-
rere konfluierende Furunkel bezeichnet man als
Empyem Karbunkel.

Definition
Eine Eiteransammlung in einer präformierten Körper- Vorkommen Nacken, Unterarm, Gesicht, äußerer Gehör-
höhle durch direkte oder fortgeleitete Infektion. gang, Naseneingang.

Keime Staphylococcus aureus.


Klinik Häufig septische Allgemeinreaktion, die unter allei-
niger Antibiotikagabe nicht abklingt. Erysipel

Vorkommen Zum Beispiel in Gelenken, in der Gallenblase Definition


oder der Pleura. Wund- oder Gesichtsrose; eine intrakutane, flächen-
hafte, sich lymphangisch, d. h. in den Lymphspalten,
Keime Staphylokokken, Streptokokken, faulige, übel rie- ausbreitende Infektion.
chende Erreger.

Granulom Klinik Flammende Rötung des infizierten Bereichs. Allge-


meine Infektionszeichen mit Fieber, Abgeschlagenheit,
Definition Schüttelfrost. Als Komplikation kann neben einer Sepsis
Eine geschwulstartige knötchenförmige Neubildung eine Mitbeteiligung der Hirnhäute, des Herzmuskels und
aus Granulationsgewebe als Gewebsreaktion auf aller- der Niere auftreten.
gisch-infektiöse Prozesse.
Vorkommen Eintrittspforten sind meist schlecht heilende
Wunden, banale Verletzungen, Mundwinkelrhagaden.

Keime β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A.


1.10 · Wunden und ihre Versorgung
33 1
Gangrän
. Tab. 1.9 Formen des Panaritiums

Definition Panaritium Lokalisation


Form einer Nekrose, bei der eine Gewebsverflüssi-
gung durch Einwirkung anaerober Fäulnisbakterien Panaritium subcutaneum Häufig an der Fingerkuppe
eintritt. Wir unterscheiden die trockene und die feuch- Panaritium subunguale Nagelwallentzündung
te Gangrän.
Panaritium parunguale Nagelbettentzündung
(Paronychie)

Klinik Graugrüne bis schwarze Färbung, evtl. mit Gasbil- Panaritium ossale Knöcherner Befall

dung. Charakteristisch ist der faulig-süße Geruch. Panaritium articulare Befall des Fingergelenks

Panaritium tendinosum Befall der Sehne und der Sehnen-


Vorkommen Superinfektion durchblutungsgestörter Ge- scheide
webe oder trockener Nekrosen.
Hohlhandphlegmone Auftreten bei proximaler Aus-
breitung entlang der Sehnen/
Pyozeaneusinfektion Sehnenscheiden

Definition
Es handelt sich um eine relativ häufige postoperative
Wundinfektion mit typischer Blaugrünverfärbung des recht verlaufenden Bindegewebssepten begünstigen die
Verbandes begleitet von süßlichem Fötor. Tiefenausbreitung der Entzündung.

Klinik Ausgangsort sind häufig Bagatellverletzungen.


(Hospitalismuskeim!) Therapeutisch ist ein Milieuwechsel Nach erfolgter Kontamination entwickelt sich sowohl eine
durch Verbände mit verdünnter Essigsäure wirksam. abszedierende als auch eine phlegmonöse Entzündung mit
Hyperämie, entzündlichem Ödem und stechendem oder
Keim Pyozeaneus = Pseudomonas aeruginosa. pulsierendem Schmerz.
Antibiotikatherapie mit Cephalosporinen 7 unten.
Formen Die Formen des Panaritiums sind in . Tab. 1.9
Erysipeloid (Schweinerotlauf) dargestellt.

Definition Keime Staphylokokken, Streptokokken.


Deutlich abgegrenzte juckende bläulich-rote Schwel-
lung. Aktinomykose (Strahlenpilzerkrankung)

Definition
Vorkommen Häufig sind Finger, Hände und angrenzende Sie verläuft als chronisch-eitrige Entzündung. Der
Gelenke, hauptsächlich bei Arbeitern in Fleisch-, Geflügel- Eiter ist gekennzeichnet durch drusenartige
und Fischbetrieben, befallen. Die Infektionspforten sind Körnchen, die wie kleine gelbe Schwefelkörnchen aus-
meist Bagatellwunden. sehen.

Keim Erysipelothrix insidiosa.


Vorkommen Zu 95% in der zervikofazialen Region; da-
Panaritium neben gibt es seltenere Infektionsorte wie die Lunge, den
Darm und das innere Genitale.
Definition
Es handelt sich um eine eitrige Infektion der Finger- Klinik Fistelbildungen, Darmstenosen.
oder Zehenbeugeseite sowie vom Nagelwall und
Nagelbett. Keime Actinomyces israelii.

Histologie Neutrophile Granulozyten und verfettete Ma-


Die Besonderheiten der Infektionsausbreitung sind durch krophagen, zentral Actinomycesdrusen, gekennzeichnet
die Fingeranatomie vorgegeben: Die palmarseitig senk- durch den hellen »Strahlenkranz«.
34 Kapitel 1 · Grundlagen

Bursitis Systemische Formen


1 Tetanus
Definition Tetanus ist eine meldepflichtige Weichteilinfektion, die zur
Akut- oder chronisch-verlaufende Entzündung eines generalisierten Toxinausschüttung in die Blutbahn und
Schleimbeutels. Parese der quergestreiften Muskulatur, zum sog. Wund-
starrkrampf, führt.

Klinik Prominente Schwellung mit Hautrötung und ggf. Keime Erreger ist das Clostridium tetani, ein sporenbil-
auch Fluktuation. dender, streng anaerober, grampositiver Keim mit speziel-
ler Verbreitung in gedüngter Erde und Fäzes. Die Sporen
Vorkommen Bevorzugt im Bereich der Ellenbogen, wei- sind hitzeresistent und überleben in Trockenheit bei Tem-
tere Lokalisationen im Schulterbereich (Bursa subdeltoi- peraturen von 60–150°C.
dea), im Kniescheibenbereich (Bursa praepatellaris) und
weitere. Pathogenese Während der Inkubationszeit von 1–3 Wo-
chen wandelt sich der Erreger unter Sauerstoffmangel von
Keime Meist Staphylokokken, selten Streptokokken und als der Sporen- in die Vegetativform. Die Clostridien bilden
Begleiterkrankung bei generalisierter Gonokokkeninfektion ein Neurotoxin, das Tetanospasmin. Die Folge sind to-
und bei tuberkulöser Arthritis bzw. Lymphadenitis. nisch-klonische Krampfanfälle.
! Bei allen oben aufgeführten Infektionen handelt
Klinik Nach der Inkubationszeit treten Kopf- und Muskel-
es sich um lokale Infektionen, d. h. die Eintritts-
schmerzen, Schweißausbrüche, Abdominal- und Rücken-
pforte in den Körper und der Ort der Reaktion
schmerzen auf (Prodromalstadium). Erstsymptome sind
auf den Erreger sind identisch. Lokalinfektionen
dann häufig Steifheit im Kiefergelenk, Schluckstörungen
hinterlassen keine Immunität. Die Infektionsaus-
und Hyperreflexie. Im weiteren Verlauf kommt es schließ-
breitung und Begleitreaktionen des Gesamtorga-
lich zur Lähmung der Zwerchfellmuskulatur. Hypoxisch
nismus sind jedoch möglich.
bedingtes Herzversagen führt als Folge der krampfbe-
dingten Insuffizienz der Atemmuskulatur zum Tod.

Chirurgische Handlungsprinzipien bei lokalen Prognose Je kürzer die Inkubationszeit (weniger als
Infektionen 10 Tage) und je kürzer die Anlaufzeit (Intervall zwischen
4 Versuch der lokalen Herdsanierung durch Eröff- ersten klinischen Symptomen und ersten Krampfanfällen,
nung bzw. Ausscheidung lokaler Eiteransamm- weniger als 3 Tage), desto schlechter die Prognose.
lungen, Entfernung von Fremdkörpern.
4 Falls Ersteres möglich ist, sollte immer Material Therapieregime Eine kausale Therapie nach Ausbruch der
(Abstrich/Punktat/Gewebe) für eine bakteriolo- Erkrankung gibt es nicht.
gische Untersuchung gewonnen werden. Nur da- 4 Wundexzision zur Erregereliminierung,
mit ist eine ggf. erforderliche Antibiotikatherapie 4 Immunbehandlung mit Tetanushyperimmunglobulin,
gezielt möglich. bis 35.000 IE,
4 Immer erfolgt eine Ruhigstellung, falls nötig mit 4 Krampfprophylaxe, Kupierung, ggf. Relaxation unter
Gips- oder Schienenverband; die Hochlagerung Intubation und Beatmung,
bei Extremitäteninfektionen ist obligat, ebenso 4 intensivtherapeutische Maßnahmen.
eine Kühlung der betroffenen Region mit Ausnah-
me bei Durchblutungsstörungen. Tetanusprophylaxe
4 Falls die ersten beiden Punkte nicht durchführbar 4 Vorbeugende Impfung mit Tetanustoxoid 7 unten,
sind, erfolgt neben den geschilderten allgemei- 4 frühe chirurgische Wundversorgung,
nen Maßnahmen die breit abdeckende, den wahr- 4 Immunisierung:
scheinlichen Erreger einschließende Antibiotika- 5 Passiv: Gabe von 250 IE Tetanusimmunglobulin im
therapie. Verletzungsfall, wenn kein ausreichender Impf-
4 Vakuumtherapie 7 Abschn. 1.8.3. schutz besteht. Es resultiert ein 1–4 Wochen anhal-
tender Schutz.
5 Aktiv: Gabe von 0,5 ml Tetanustoxoid. Das Immun-
system antwortet hierauf mit der Bildung eigener
Immunglobuline (daher: aktiv). Um diese Immun-
1.10 · Wunden und ihre Versorgung
35 1
antwort zur Erlangung einer langjährigen Schutz- Die Clostridienmyositis und Myonekrose stellen die
wirkung zu verstärken, erfolgen eine 2. Impfung schwersten Verlaufsformen der Infektion mit rascher zen-
nach 2–6 Wochen und eine 3. Impfung nach 6–12 tripetaler Infektionsausbreitung auf die gesunde Muskula-
Monaten. tur dar.
5 Im Verletzungsfall erfolgt die erste Impfung als Si- Dagegen verläuft die Clostridienzellulitis günstiger, da
multanimpfung von aktiver und passiver Impfung. sie auf den unmittelbaren Wundbereich beschränkt bleibt,
Die Schutzwirkung der kompletten aktiven Imp- ohne auf die gesunde Muskulatur überzugreifen. Außer-
fung beträgt (5–)10 Jahre. Eine einmalige Auffri- dem fehlen die Allgemeinsymptome (Unruhe, Schwäche-
schung nach jeweils 5 Jahren ist sinnvoll. gefühl, delirante Verwirrung, Tachykardie und leichtes
Fieber). Im Spätstadium führen akutes Nierenversagen,
Das Impfprogramm für Klein- und Schulkinder enthält toxinbedingte Hypotonie und Herz-Kreislauf-Versagen
heute die aktive Immunisierung gegen Tetanus. Daher ist die zum tödlichen Ausgang.
Bevölkerung fast lückenlos geschützt. Eine anhaltend gute
Impfdisziplin ist auch in den Unfallambulanzen wichtig. Therapie Die operative Therapie ist primär dringlich nach
Mit einem Schnelltest ist der aktuelle Tetanusim- klinischer Verdachtsdiagnose. Maßnahmen sind:
munstatus ermittelbar! 4 Die Längsspaltung durch Haut, Faszie und Muskel.
4 Die Exzision von Nekrosen, je nach Verlauf ggf.
Gasbrand frühzeitige Amputation im Gesunden, Offenlassen
der Wunden.
Definition 4 Als adjuvante Maßnahmen sind Antitoxingaben und
Zunächst lokale Weichteilinfektion exotoxinbildender evtl. die hyperbare Sauerstoffbehandlung in einer
Erreger mit gasbildender, foudroyant verlaufender Druckluftkammer anzusehen,
Gewebsnekrose und konsekutiver Toxinämie. 4 Antibiotika wie Penicillin und Metronidazol sowie
Intensivtherapie.

Keime Grampositive, obligat anaerobe, sporenbildende Prognose Die Mortalität beträgt 30–50%.
Clostridien:
! Nicht jede gasbildende Phlegmone ist ein Gas-
4 in über 80% Clostridium perfringens,
brand! Als Differenzialdiagnose kommen in Frage:
4 selten C. novyi, C. histolyticum oder C. septicum.
Streptokokkenmyositis und infizierte Gangrän.
Die Sporen der Bakterien sind Saprophyten (Fäulnisbakte- Weitere chirurgische Infektionen sind: Tuberkulose, Toll-
rien) des menschlichen und des tierischen Darmes. Ge- wut und parasitäre Infektionen wie Echinokokkose (7 Ab-
häuftes Vorkommen in gedüngtem Boden. schn. 2.8.2), chirurgische Komplikationen der Amöbiasis
(7 Abschn. 2.8) und der Askaridiasis. Diese Krankheits-
Pathogenese Folgende Faktoren begünstigen eine Gas- bilder werden hier nicht näher betrachtet.
brandinfektion:
4 ausgedehnte Weichteilkontusion mit Verschmutzung, Methicillin-/Oxacillin-resistenter Staphylococcus
4 arterielle Minderdurchblutung, aureus
4 Mischinfektionen mit anaeroben und aeroben Erregern,
4 freigesetzte Kalziumsalze (Trümmerfrakturen! Sie be- Definition
günstigen die Wirkung der teilweise kalziumabhän- Multiresistente Staphylococcus-aureus-Stämme, die in
gigen Toxine). unseren Krankenhäusern immer häufiger vorkommen.

Ablauf der Intoxikation Die Erreger bilden neben Exoto-


xinen Enzyme, die zu einer auflösenden Zerstörung der Sie sind weltweit verbreitet und gelten als Verursacher no-
Zellen führen. Die typische Gasbildung resultiert aus der sokomialer Infektionen. Durch die Multiresistenz werden
Kohlenhydratvergärung und der Eiweißzersetzung. die Therapiemöglichkeiten erheblich eingeschränkt.
Der vorrangige Übertragungsweg ist der Weg über die
Klinik Nach 1–2 Tagen Inkubationszeit kommt es unter Hände des Personals.
heftigen Wundschmerzen zur ödematösen Wundschwel- Es kann jedoch auch eine endogene Infektion statt-
lung und violett-schwarzer Wundfarbe. Das fleischwas- finden, bei der der Patient durch eigene Besiedelung mit
serfarbene Wundsekret und das Knistern des infizierten Staphylococcus aureus zum Herd seiner MRSA-Erkran-
Gewebes bei Palpation sind charakteristisch. kung wird.
36 Kapitel 1 · Grundlagen

Der MRSA-Stamm gilt als besonders umweltresistent. Der Nachweis des MRSA ist in jedem bakteriologischen
1 Er ist widerstandsfähig gegenüber Trockenheit und Wärme Labor und inzwischen auch mit einem Schnelltest leicht
und haftet stark an Instrumenten und Pflegeutensilien. möglich.
Aus den eigentlich nur bedingt pathogenen Staphylo- Bis zum Ergebnis der Tests ist eine vorsorgliche Isola-
kokken haben sich durch Mutation Stämme entwickelt, die tion des Patienten sinnvoll. Nach der Diagnose ist ein kon-
durch die Bildung eines Penicillin-bindenden Proteins ge- sequentes Hygienemanagement entscheidend.
gen Methicillin (heute bekannt unter dem Namen Oxacil-
lin) resistent sind. Planung einer Operation eines MRSA-Patienten
Davon sind besonders Stämme betroffen, die in erster 4 Die Operation an das Ende des geplanten Pro-
Linie in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vor- grammes setzen.
kommen. 4 Der Patient muss allein in der OP-Schleuse sein;
Wartezeit vermeiden.
Ursachen für die zunehmende Verbreitung 4 Die Schleuse muss danach zuverlässig mit einer
4 Die Antibiotikagabe ist teilweise zu häufig, zu kurz Scheuer-Wisch-Desinfektion für die anderen Pati-
oder zu unspezifisch. enten vorbereitet werden.
4 Hygienepläne werden nicht konsequent eingehalten. 4 Wenn möglich sollte die Operation in einem ausge-
4 Intensivmedizinische, invasive Maßnahmen, die das gliederten OP-Saal vorgenommen werden, zumindest
Risiko einer Infektion erhöhen, nehmen zu. Zudem aber in dem Saal, der der Schleuse am nächsten liegt.
haben Patienten in schlechtem Allgemeinzustand 4 Alle Gegenstände, die nicht benötigt werden, sind aus
und/oder immunsupprimierte Patienten dem MRSA dem Saal zu entfernen.
geringe Widerstände entgegenzusetzen. 4 Während der Operation ist der Saal zu isolieren.
4 Als prädisponierende Faktoren gelten außerdem der 4 Materialien, die der Aufbereitung zugeführt werden
Diabetes und die dialysepflichtige Niereninsuffizienz. müssen, sind in einem geschlossenen Behälter in
die zentrale Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA)
zu transportieren; hier reicht die zur Desinfektion
Richtlinien zur Prävention und Behandlung übliche Einwirkzeit aus.
Die Kommission für Krankenhaushygiene des Robert- 4 Wäsche flüssigkeitsdicht verpacken und verschlossen
Koch-Instituts hat Richtlinien zur MRSA-Infektion, zur der Wäschedesinfektion zuführen.
Prävention und zur Behandlung herausgegeben: 4 Abfälle ebenfalls flüssigkeitsdicht verpacken und ent-
4 Der MRSA-Stamm muss frühzeitig erkannt und sorgen.
spezifiziert werden. 4 Der Patient wird nicht über den Aufwachraum gelei-
4 Der betroffene Patient muss isoliert werden und
tet, sondern isoliert in einem Zimmer überwacht.
kann nur mit anderen MRSA-infizierten Patienten
zusammengelegt werden. Kontaktpersonen
MRSE (Methicillin-resistenter Staphylococcus
müssen jedoch nicht isoliert werden.
epidermis)-Infektion
4 Die Zahl der behandelnden Personen muss auf
ein Minimum reduziert und das Personal muss Dieser Keim ist ein patienteneigener Keim, der sich ver-
umfassend geschult werden. mehrt an Fremdkörpern und Implantaten festsetzt. Eine
4 Die konsequente Einhaltung aller hygienischen Infektion mit diesem Erreger weist alle Zeichen einer Sep-
Richtlinien, insbesondere die hygienische Hände- sis auf.
desinfektion, ist obligat. Die Antibiotikatherapie zeigt sich häufig als wirkungs-
4 Die Sanierung nasaler MRSA-Besiedelung muss los, da die anhaftenden Keime nicht erreicht werden. In der
vorrangig sein, da die Minimierung der Keime in Regel ist die Entfernung des Fremdkörpers (z. B. Dauerka-
der Nase zumeist auch eine Minimierung der
theter, zentraler Zugang) indiziert.
Keime an anderer Stelle nach sich zieht.
4 Einzelne MRSA-Erkrankungen müssen nicht dem
zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden.
Bei epidemischem Auftreten schreibt das Bundes-
seuchengesetz eine sofortige Meldung an das Ge-
sundheitsamt vor.
4 Gezieltes Eingangsscreening für Risikopatienten
bei Krankenhausaufnahme mittels Schnelltest.
2

Allgemeinchirurgie
und Viszeralchirurgie
M. Liehn, L. Steinmüller, S. Bröker, U. Engel, H. Schimmelpenning

2.1 Zugangswege und Instrumentarium – 38

2.2 Schilddrüse – 46

2.3 Hernien – 51

2.4 Speiseröhre – 58

2.5 Magen – 65

2.6 Milz – 78

2.7 Gallenblase und Gallenwege – 80

2.8 Leber – 85

2.9 Bauchspeicheldrüse – 94

2.10 Dünndarm – 100

2.11 Blinddarm – 102

2.12 Dickdarm – 105

2.13 Proktologie – 125

2.14 Peritonitis – 132

2.15 Minimal-invasive Chirurgie – 134

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_2,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
38 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.1 Zugangswege und Instrumentarium mie) bis auf die Halsfaszie durchtrennt. Um Störungen der
Hautdurchblutung zu vermeiden, sollte das Platysma auf
M. Liehn, L. Steinmüller keinen Fall von der Haut abpräpariert werden.
2 Teils stumpf mit Präpariertupfer oder Finger, teils
2.1.1 Beschreibung der Zugangswege scharf mit der Schere wird der Haut-Platysma-Lappen von
kranial bis in Höhe des oberen Schildknorpels nach kaudal
Die Schnittführung (. Abb. 2.1) hängt immer von der ge- bis zum Manubrium sterni von der Halsfaszie abgelöst.
planten Operation ab. Das OP-Gebiet muss gut einsehbar Die Längs- oder Querspaltung der Halsfaszie erfolgt
sein. Anatomische Strukturen, Wundheilung und auch mit einer Präparierschere. Zur besseren Übersicht und ge-
kosmetische Gesichtspunkte sollten berücksichtigt werden. ringeren Gefährdung der Epithelkörperchen kann die ge-
Grundsätzlich ist zu bedenken, dass große Schnitte zwar rade Halsmuskulatur in 2 Schichten durchtrennt werden.
die Übersicht erhöhen und der Radikalität nutzen können, Die spannungsfreie Hautnaht ist zumeist gut möglich.
jedoch die Hospitalisierungsdauer der Patienten erhöhen. Mit der Intrakutannaht werden günstige kosmetische Er-
gebnisse erzielt.
Kocher-Kragenschnitt
Beispiel: Schilddrüsenoperation, Epithelkörperchenentfer- Rippenbogenrandschnitt nach Kocher
nung, Zugang zum vorderen Mediastinum. oder Courvoisier
Die Spaltlinien der Haut verlaufen am Hals quer. Im Beispiele:
Hinblick auf kosmetische Aspekte sollten Schnitte mög- 4 rechts: klassische Cholezystektomie, Leberresektion,
lichst parallel zu den Spaltlinien ebenso verlaufen. 4 links: Splenektomie, subphrenischer Abszess.
Bei rekliniertem Kopf erfolgt eine bogenförmige, fast
horizontale Schnittführung 2 cm über dem Jugulum zwi- Dieser Schnitt ist kosmetisch günstig. Narbenhernien tre-
schen den beiden Mm. sternocleidomastoidei. Die Schnitt- ten kaum auf. Er bietet aber einen schlechten Zugang zum
länge richtet sich nach der Größe der Struma. Abdomen, falls eine Verlängerung erforderlich wird.
Haut, Subkutis und Platysma werden mit einem Skal- Der Schnitt verläuft vom Xiphoid bis zur vorderen
pell oder mit Hilfe von Hochfrequenzströmen (Diather- Axillarlinie, ca. 1–2 cm unterhalb des Rippenbogens, und
wird ungefähr 8–10 cm lang.
In der medialen Wundhälfte werden die vordere Rek-
tusscheide und in der lateralen Wundhälfte der M. obliquus
externus abdominis mit der Diathermie durchtrennt.
Der M. rectus wird quer durchtrennt. An seiner Hin-
terwand verlaufen 2 Äste der A. epigastrica, die ligiert oder
koaguliert werden müssen. Die einsprießenden Äste des 8.
Interkostalnervs werden durchtrennt, lateral wird der
M. obliquus internus abdominis in Faserrichtung stumpf
auseinander gedrängt.
Medial soll der Schnitt nur bis zum Ligamentum falci-
forme hepatis reichen. Lateral wird mit dem Peritoneum
gleichzeitig der M. transversus abdominis durchtrennt.
Beim Wundverschluss kann das hintere Blatt der Rektus-
scheide zusammen mit dem Peritoneum gefasst werden.

Oberbauchquerschnitt
Beispiele: Pankreasoperationen, Magenoperationen, Le-
bereingriffe.
Diese Schnittführung bietet eine gute Übersicht; die
Wundheilung ist zumeist ungefährdet. Der Hautschnitt
verläuft quer oder leicht bogenförmig. Die Länge richtet
sich nach der erforderlichen Übersicht im OP-Feld.
Die Haut wird mit dem Skalpell eröffnet; für die Sub-
kutis und die nachfolgenden Schichten wird häufig die
Diathermie verwendet. Durchtrennung der Faszie des
. Abb. 2.1 Mögliche Schnittführungen in der Viszeralchirurgie M. rectus abdominis, des M. obliquus externus abdominis
2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
39 2
und des M. transversus. Bei der Durchtrennung der Mus- Paramedianschnitt
kulatur mit der Diathermie sollte sie zum Schutz des da- Diese Schnittführung wird sowohl im Ober- als auch im
runter liegenden Peritoneums vorher mit einer Kunststoff- Unterbauch, 2–3 cm rechts oder links der Medianlinie,
rinne unterfahren werden. ausgeführt.
Das Peritoneum wird mit 2 chirurgischen Pinzetten Nach der Subkutisdurchtrennung wird die vordere
angehoben und mit dem Skalpell oder der Schere inzidiert; Rektusscheide eröffnet. Die epigastrischen Gefäße müssen
ggf. können die Inzisionsränder mit je einer Peritoneal- bei langen Inzisionen durchtrennt werden.
klemme nach Mikulicz angeklemmt werden, bevor der Stumpfes Ablösen des M. rectus abdominis, Eröffnen
Schnitt mit einer Präparierschere oder der Diathermie zu der hinteren Rektusscheide gemeinsam mit dem Perito-
beiden Seiten verlängert wird. In der Mittellinie kreuzt das neum.
Lig. teres hepatis. Es wird mit Overholt-Klemmen und Li-
gaturen durchtrennt. Transrektalschnitt
Der Hautschnitt verläuft ähnlich wie beim Paramedian-
Mediane Längslaparotomie schnitt. Die Subkutis wird durchtrennt, die Rektusscheide in
Beispiel: fast alle intraabdominellen Operationen im Ober- der Mitte längs inzidiert, der M. rectus abdominis in Faser-
und Unterbauch, insbesondere Notfalloperationen. richtung durchtrennt und beiseite gedrängt. Hinteres Rek-
Hierbei ist eine problemlose Verlängerung von der Sym- tusscheidenblatt und Peritoneum werden längs eröffnet.
physe bis zum Xiphoid möglich. Die Schnittführung erhöht
wahrscheinlich die Gefahr eines Platzbauches oder einer Pararektalschnitt/Kulissenschnitt
Narbenhernie v. a. im Oberbauchbereich. Höhe und Länge nach Lennander
des Schnittes richten sich nach dem geplanten Eingriff. Beispiel: Appendektomie.
Die Hautinzision erfolgt streng in der Mittellinie, der Dieser Schnitt kann beliebig verlängert werden. Der
Nabel wird linksseitig umschnitten. Hautschnitt verläuft parallel zum äußeren Rektusrand. Die
Oberhalb des Nabels wird im Verlauf des Linea alba Rektusscheide wird längs gespalten, der M. rectus abdomi-
inzidiert; deshalb wird die Muskulatur bei exakter Schnitt- nis stumpf ausgelöst und mit Roux-Haken nach medial
führung nicht freigelegt. gezogen. Hintere Rektusscheide und Peritoneum werden
Beim unteren Medianschnitt liegt die peritoneale Um- angehoben und inzidiert.
schlagfalte ventral der Harnblase. Hier werden nacheinan-
der die Faszia transversalis und das Peritoneum durch- Mediane Sternotomie
trennt. Die Peritoneumspaltung erfolgt 7 Abschn. 6.3.3; Pfannenstiel-Schnitt 7 Kap. 8 Gynäkologie.
4 im Unterbauch in der Mittellinie,
4 im Oberbauch bei Magen- und Milzoperationen
links, 2.1.2 Instrumentarium für
4 bei Leber- und Gallenoperationen rechts des Lig. teres die Laparotomie
hepatis.
Für abdominalchirurgische Eingriffe werden zusätzlich
Wechselschnitt nach McBurney zum Grundinstrumentarium größere und längere Haken,
Beispiel: Appendektomie. Der Schnitt ist schlecht erweiter- Scheren, Pinzetten und Klemmen, oft Organfasszangen
bar, führt aber selten zu Narbenbrüchen. und weitere Instrumente benötigt. Einige sollen beispiel-
4 Hautschnittbeginn ca. 2 cm medial der Spina iliaca haft vorgestellt werden.
superior in fast horizontaler Richtung. Subkutis-
durchtrennung. Haken und Pinzetten
4 Inzision der Aponeurose des M. obliquus externus im
! Nach der Eröffnung des Peritoneums gilt die
Faserverlauf.
Regel,dass alle scharfen Instrumente vom
4 Umsetzen der stumpfen Haken, stumpfes Ablösen des
Operateur abgegeben werden.
M. obliquus externus vom M. obliquus internus und
Spalten des M. obliquus internus in Faserrichtung mit Jetzt werden anatomische und atraumatische Dissekti-
einer Präparierschere. onspinzetten und Klemmen benutzt (. Abb. 2.2 und
4 Transversusfaszie und Peritoneum werden mit Pin- . Abb. 2.3). Als lange Haken kommen zum Einsatz:
zetten angehoben und inzidiert. 4 Bauchdeckenhaken (. Abb. 2.4).
4 Leberhaken (. Abb. 2.5). Zum Schutz des Gewebes
Die nachfolgenden Schnittführungen werden der Voll- sollten sie feucht angereicht oder mit einem feuchten
ständigkeit halber hier aufgeführt: Bauchtuch unterlegt werden.
40 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.2 2.3 2.4 2.5

2.6 2.7

. Abb. 2.2 Pinzette nach Cushing. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.6 Weiche Darmklemme nach Kocher. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 2.3 Pinzette nach de Bakey. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.7 Weiche Darmklemme nach Doyen; sie soll den Darm
. Abb. 2.4 Bauchdeckenhaken nach Fritsch. (Fa. Aesculap AG) federnd abklemmen, ohne ihn zu traumatisieren. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 2.5 Leberhaken nach Mikulicz (Fa. Aesculap AG)
2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
41 2
Klemmen richtung eingehängt, die wiederum am Befestigungsbügel
Weiche Darmklemmen eingehakt ist.
Für sie gilt ebenfalls, dass sie nur feucht mit dem Darm in Das Gestell ist zerlegbar und autoklavierbar.
Berührung kommen sollten (. Abb. 2.6 und . Abb. 2.7).
Rektum- und Sigmaklemmen haben eine 90°-Krümmung Klammernahtinstrumente (Stapler)
und eine atraumatische Riefelung. Maschinelle Klammernahtinstrumente gehen in ihrer Ent-
wicklung auf Hütl und von Petz (1924) zurück. Der Näh-
Harte Darmklemmen apparat nach von Petz setzt eine doppelte Klammerreihe.
Sie dürfen nur für die wegfallenden Anteile des Darmes Die Klammern sind aus Silber und müssen nach jedem
benutzt werden, weil sie eine anatomische quer gestreifte Gebrauch einzeln wieder aufgefüllt werden. Dieses Klam-
Riefelung haben und den Darm dicht verschließen und merinstrument kommt in der Magenchirurgie nur noch
traumatisieren. sehr selten zur Anwendung.
Friedrich entwickelte den ersten Nähapparat mit
Magenklemmen auswechselbaren Magazinen, die ebenfalls postopera-
Sie sind länger als die vorgenannten Instrumente, weil der tiv mit Silberklammern wieder aufgefüllt werden muss-
Magen in seiner gesamten Breite abgeklemmt wird, und ten.
atraumatisch, um die Anastomose nicht zu gefährden. Sie Seit ihrer Einführung haben die Klammernahtin-
werden durch den Einsatz der Klammernahttechnik nur strumente einen festen Platz in der Chirurgie eingenom-
noch selten angewendet. men. Sie bieten einen weiten Anwendungsbereich in der
Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie, sowie in der
Organfasszangen MIC.
Organfasszangen sind häufig gefenstert; einige sind an den Die Klammern werden durch das Nahtinstrument zu
Maulenden gezahnt, um derbes Gewebe besser halten zu einem B geformt. Sie liegen bei Ausführung einer End-zu-
können (. Abb. 2.8). End-Anastomose quer zur Darmlängsachse und damit
Es gibt dreieckig gefensterte Klemmen in verschie- parallel zu den intramuralen Darmgefäßen. Die Form der
densten Größen, z. B. die Gewebe- oder die Lungenfass- Klammern bewirkt eine effiziente Blutstillung, ohne dass
zange nach Duval oder Collin (. Abb. 2.8). Minderdurchblutungen resultieren.
In der Darmchirurgie werden die Lumina häufig mit Unterschiedliche Darmlumina können durch Bougie-
der Allis-Klemme (. Abb. 2.10) aufgespannt. rung vor der Anastomosierung angeglichen werden. Die
Eine weitere Organfasszange mit den verschiedensten Anastomosenregionen müssen im Bereich der Klammer-
Einsatzgebieten ist die Gewebefasszange nach Museux nahtreihe von Fettgewebe befreit sein. Eine Stapleranasto-
(. Abb. 2.11). mose wird mit Tabakbeutelnähten vorbereitet. Das Legen
einer Tabakbeutelnaht wird durch spezielle Klemmen und
Rahmen und Bauchdeckenhalter Nadel-Faden-Kombinationen vereinfacht.
Zum Offenhalten der Körperöffnung gibt es spezielle Ha- Stapler sind von verschiedenen Herstellern erhältlich
kensysteme, die in einen vorgeformten Rahmen einge- als Mehrweg- und als Einweginstrumente mit nachlad-
hängt werden. Sie haben unterschiedliche Formen und baren Magazinen. Diese sind farblich kodiert für unter-
Valven; hier einige Beispiele: schiedliche Größen. Es gibt sie mit Titanklammern wie
4 Bauchdeckenrahmen nach Kirschner (. Abb. 2.12), auch mit resorbierbaren Klammern.
4 Bauchdeckenhaken nach Rochard (. Abb. 2.13), Die bis jetzt entwickelten Instrumente lassen sich in die
4 Goligher-Rahmen (. Abb. 2.14), folgenden 4 Gruppen unterteilen.
4 diverse selbsthaltende Systeme im Baukastenprin-
zip. Lineare Klammernahtinstrumente
Dies sind reine Verschlussinstrumente, deren Klammern
Der Rahmen nach Rochard hat seinen festen Platz in der in einer geraden Linie gesetzt werden (. Abb. 2.16).
Magenchirurgie. Er setzt sich zusammen aus dem Befesti- Diese Instrumente setzen eine doppelte Klammerreihe
gungsgestell, mit dem er an den Seiten des OP-Tisches be- mit gegeneinander versetzten Klammern aus Titan oder
festigt wird (. Abb. 2.13), der Fixiervorrichtung für den resorbierbarem Material. Die Magazine unterscheiden sich
Haken (. Abb. 2.15a) und den Valven unterschiedlicher zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Klammerlän-
Größe (. Abb. 2.15b). gen in der Farbkodierung; die Länge der Magazine ist aus
Die passende Valve wird so angelegt, dass die Sicht der Gerätebezeichnung ersichtlich.
auf den OP-Situs bis zum Rippenbogenrand durch ständi-
gen Zug gewährleistet ist. Das Blatt wird in die Fixiervor-
42 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.8 2.9 2.10

2.11

2.12

. Abb. 2.8 Gallenblasenfasszange nach Glassmann. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.12 Bauchdeckenrahmen nach Kirschner. Die einzelnen
. Abb. 2.9 Organfasszange nach Collin. (Fa. Aesculap AG) Blätter des Rahmens können durch mehrere Raster in unterschied-
. Abb. 2.10 Die Allis-Klemme hat 4–6 kleine Zähnchen, die in lichen Stellungen eingehakt werden. Die breiten Valven sind für adi-
einander greifen. (Fa. Aesculap AG) pöse Patienten einsetzbar. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 2.11 Gewebefasszange nach Museux. (Fa. Aesculap AG)
2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
43 2

. Abb. 2.13 Befestigungsgestell des Rochard-Hakens. (Fa. Aescu-


lap AG)

. Abb. 2.15a, b Bauchdeckenrahmen nach Rochard. a Fixiervor-


richtung und b einhakbare Valve. (Fa. Aesculap AG)

Zirkuläre Anastomosierungsinstrumente
Diese sog. intraluminalen Stapler dienen der End-zu-End-
Anastomosierung von 2 Hohlorganen und setzen zirkulär
invertierende zweireihige Klammernähte.
Es gibt Modelle (. Abb. 2.17) mit geradem oder mit
gebogenem Schaft; der Kopf ist abnehmbar.
Das Nahtinstrument wird mit der Andruckplatte von
einer gesonderten Inzision aus in den einen Anastomosen-
schenkel eingeführt und mit einer vorher gelegten Tabak-
beutelnaht fixiert. Der andere Anastomosenschenkel, in
dem der Kopf des intraluminalen Staplers ebenfalls mit
einer Tabakbeutelnaht fixiert ist, wird durch Zusammen-
drehen des Schraub- oder Steckmechanismus mit der An-
druckplatte dem Instrument genähert. Danach wird der
Klammermechanismus ausgelöst und die zirkuläre, inver-
. Abb. 2.14 Goligher-Rahmen. (Fa. Aesculap AG) tierende Klammernahtreihe entsteht.
44 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.16 Linear Stapler TL.


(Fa. Ethicon)

. Abb. 2.17 Zirkuläres Klam-


mernahtinstrument CDH.
(Fa. Ethicon)

. Abb. 2.18 Linearer Cutter


PLC. (Fa. Ethicon)

Die zirkulären Stapler haben ein integriertes Messer, Lineare Anastomosierungsinstrumente


das gleichzeitig die Anastomosenringe exzidiert. Die Sie dienen der Herstellung von Seit-zu-Seit-Anastomosen
Ringe bleiben auf dem herausnehmbaren Dorn. Es ist zwischen 2 Hohlorganen bei gleichzeitiger Durchschnei-
zwingend erforderlich, sie auf ihre Vollständigkeit zu dung zwischen den gesetzten Klammerreihen.
überprüfen, da sie die Dichtigkeit der Anastomose doku- Beispiel: . Abb. 2.18.
mentieren. Beide Branchen des Instruments werden jeweils in die
Lumina der zu anastomosierenden Darmenden gescho-
2.1 · Zugangswege und Instrumentarium
45 2
ben. Sie werden ausgerichtet, zusammengesteckt und ver-
schlossen. Nach dem Auslösen werden die beiden Stapler-
teile wieder getrennt. Die beiden doppelten Klammerrei-
hen sind gegeneinander versetzt gelegt, und das Gewebe ist
dazwischen durchtrennt. Bei einigen Endostaplern werden
6-fache Nahtreihen gesetzt, zwischen denen das integrierte
Messer das Gewebe durchtrennt.

jContour-Stapler
Ein gebogenes Klammer- und Schneideinstrument, setzt
4 Reihen Titanklammern und ermöglicht eine Anastomo-
se auch tief im kleinen Becken (. Abb. 2.21).

Zusatzinstrumente, die die Anwendung der Anastomo- . Abb. 2.19 Tabakbeutelklemme. (Fa. Ethicon)

sierungsinstrumente erleichtern, sind:


4 Messstäbe oder auch Bougies genannt zur Aufdeh-
nung und/oder gleichzeitigen Bestimmung des Lu-
mendurchmessers: Sie werden vor Gebrauch ange-
feuchtet und behutsam in das Darmlumen eingeführt.
4 Tabakbeutelklemme (. Abb. 2.19): Die Klemme wird
mit ihren quer gestellten Branchen angelegt und bis
zum Anschlag zusammengedrückt. Dann wird durch
die beiden vorgegebenen längs verlaufenden Nadel-
rinnen eine doppelt armierte Tabakbeutelnaht gelegt.
Nun kann die Klemme langsam gelöst und die Naht
ggf. angezogen und verknüpft werden.
. Abb. 2.20 Instrumentenkopffasszange. (Fa. Ethicon)
4 Instrumentenkopffasszange (. Abb. 2.20) zur kor-
rekten Applikation des Kopfes des zirkulären Staplers.
sen 2 Klammern, zwischen denen es gleichzeitig das Ge-
Einzelklammergeräte webe durchtrennt. Eine Sicherheitsvorrichtung verhin-
Sie werden zum Klammern von Haut und Faszie oder als dert, dass weiterhin Gewebe durchtrennt wird, wenn im
Skelettierungshilfe benötigt. Beispiele sind: Magazin keine Klammern mehr vorhanden sind.
4 Einzelclipstapler mit intergriertem Messer, die gleich- 4 Hautstapler.
zeitig ligieren und schneiden. Die Hautränder werden mit 2 chirurgischen Pinzet-
Bei umfangreichen Skelettierungen spart der Einsatz ten evertiert, und jedes Auslösen des Instruments
dieses Instruments Zeit, denn es setzt bei jedem Auslö- setzt eine Klammer.

. Abb. 2.21 Contour-Stapler.


(Fa. Ethicon)
46 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

münden in den Bulbus venae jugularis inferior oder in den


Truncus brachiocephalicus. Seitliche, oft sehr kurze Venen
in die V. jugularis interna, sog. Kocher-Venen, können bei
2 Verletzung zu sehr starken Blutungen führen.

Feingeweblicher Aufbau und Funktion


Die Schilddrüsenzellen, Thyreozyten, bilden zahlreiche
Follikel, die aus dem zirkulierenden Blut Jod aufnehmen,
speichern und daraus das inaktive Thyroxin bilden, das
vom Körper in das stoffwechselaktive Trijodthyronin
umgebildet wird. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion
verhindern sog. Thyreostatika diesen Mechanismus.
Übergeordnete Organe für diesen Regelkreis sind das
Zwischenhirn und die Hypophyse, die das schilddrü-
senstimulierende Hormon, das TSH, bei Bedarf aus-
. Abb. 2.22 Ventralansicht der Schilddrüse. Die Abbildung zeigt
ein Organ mit einem (fakultativen) Pyramidenlappen, der als Rest
schüttet.
des Ductus thyreoglossus verblieben ist. Der Isthmus verbindet den
linken mit dem rechten Lappen Epithelkörperchen (Glandulae parathyreoideae)
Meist 4, seltener 3 oder 5 etwa linsengroße Drüsen dorsal
in der Nähe der Schilddrüse produzieren das Parathor-
Die meisten Staplermodelle gibt es auch als Ausführung mon, das den Kalziumstoffwechsel steuert. In seltenen Fäl-
für die minimal-invasive Chirurgie, teilweise auch als ab- len gibt es erhebliche Lagevariationen dieser Drüsen zwi-
winkelbare Instrumente. schen Unterkiefer und Zwerchfell, was bei der Operation
eines sog. Hyperparathyreoidismus, einer Vergrößerung
einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen, erhebliche
2.2 Schilddrüse Schwierigkeiten beim Auffinden der pathologischen
Drüse(n) bereiten kann.
M. Liehn, U. Engel

2.2.1 Anatomie 2.2.2 Erkrankungen der Schilddrüse

Die Schilddrüse ist ein schmetterlingsförmiges, ca. 20–30 g Struma


schweres Organ am Hals, bestehend aus rechtem und
linkem Lappen, verbunden durch eine vor der Trachea lie- Definition
gende Gewebebrücke, dem Isthmus. Von diesem kann als Als Struma oder Kropf werden Knotenbildungen so-
entwicklungsgeschichtliches Rudiment ein nach kranial wie jede Vergrößerung von Teilen des Organs oder der
gerichteter Gewebezapfen, der Lobus pyramidalis, ausge- gesamten Schilddrüse bezeichnet.
hen (. Abb. 2.22).

Gefäßversorgung Ursache
Jeder Schilddrüsenlappen wird durch zwei kräftige Arte- Exogener Nahrungsjodmangel, sog. strumigene Substan-
rien versorgt: zen und angeborener Fermentmangel können zunächst zu
4 die obere Polarterie, die A. thyreoidea superior, ent- einer Vergrößerung der einzelnen Schilddrüsenzelle und
springt als 1. Ast aus der A. carotis externa, im Verlauf dann auch zu einer Zunahme der Zahl an
4 das untere Polgefäß, die A. thyreoidea inferior, ent- Schilddrüsenzellen führen, d. h. zu einer Struma. Da sich
springt aus dem Truncus thyreocervicalis. nicht alle Zellen in gleicher Weise vergrößern, kommt es
mit der Zeit zu knotigen Veränderungen.
Letztere kreuzt in sehr variabler Weise den N. recurrens
(den Stimmbandnerv) vor seinem Eintritt in den Kehl- Formen
kopf. Unterscheidung nach der Gewebebeschaffenheit:
Der venöse Abfluss vom oberen Pol erfolgt entspre- 4 Struma diffusa,
chend den Ästen der gleichnamigen Arterien meist direkt 4 Struma uninodosa,
in die V. jugularis interna, die Venen vom kaudalen Pol 4 Struma multinodosa.
2.2 · Schilddrüse
47 2
Unterscheidung nach der Funktion: Knoten, die im Szintigramm kein entsprechendes Korrelat
4 euthyreote Struma: normale Schilddrüsenhormon- finden (kalte Knoten). Vor dieser Untersuchung muss eine
produktion, Schwangerschaft ausgeschlossen sein.
4 hyperthyreote Struma: gesteigerte Hormonproduktion,
4 hypothyreote Struma: verminderte Hormonproduktion. jPunktionszytologie
Bei in der Sonographie vom sog. echoarmen Knoten, ggf.
Die Knotenbildung entsteht durch umschriebene Gewebs- mit unscharfem Rand, sollte eine Punktionszytologie unter
degeneration, die sich in vermehrter Bindegewebsbildung, sonographischer Kontrolle durchgeführt werden. Aller-
Zysten, Einblutungen oder Verkalkungen manifestieren dings ist die Befundung aufgrund spezifischer Probleme
kann. Sogenannte Adenome können mit vermehrter, nor- bei der Schilddrüse (unterschiedliche Zellarten, Kapsel der
maler oder verminderter Hormonbildung einhergehen. Knoten) im Gegensatz zu Punktionszytologien anderer
Knoten mit vermehrter Hormonbildung werden autonome Organe sehr schwierig. Bei Karzinomverdacht ist die Ope-
Adenome genannt, sie unterliegen nicht mehr dem hypo- ration indiziert.
thalamo-hypophysär-thyreoidalen Regelkreis und geben
ungesteuert Hormon an die Blutbahn ab, was schwere Hyperthyreose
Krankheitsbilder im Sinne einer Schilddrüsenüberfunkti-
on sowie Herzrhythmusstörungen auslösen kann. Definition
Die Hyperthyreose ist durch eine starke Erhöhung der
Diagnostik Schilddrüsenhormone im Blut und ein erniedrigtes
jAnamnese TSH gekennzeichnet. Symptome: motorische Unruhe,
4 Zufallsbefund oder Beschwerdesymptomatik. verstärkte psychische Erregung, ängstliche Verstim-
4 Herkunft aus einem Endemiegebiet? mung, Affektlabilität, feinschlägiger Tremor der Hän-
4 Dauer der Schilddrüsenveränderung. de, Heißhunger, Durchfall, Gewichtabnahme. Hervor-
4 Familiäre Belastung. stehende Augen, endokrine Orbitopathie, gehört zum
Krankheitsbild des M. Basedow (s. unten).
jInspektion und Palpation
Größe, Lage, Konsistenz, Knotenbildung, Verschieblich-
keit der Schilddrüse. Abtauchen nach retrosternal, Druck- Vor einer Operation muss eine hyperthyreote Stoffwechsella-
dolenz, Lymphknotenvergrößerung am Hals? ge erkannt und behandelt werden (z. B. mit Thyreostatika).

jUltraschall Formen
Hauptdiagnostikum bei morphologischen Veränderungen Autoimmunprozess Hierzu gehört u. a. der M. Basedow,
ist der Ultraschall zur Differenzierung der Strukturen (Vo- bei dem Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor zu einer
lumenbestimmung, gleichmäßige Vergrößerung, Knoten, unkontrollierten Stimulation der Schilddrüsenzelle und
Zysten, Randbeschaffenheit der Knoten). damit zur Überfunktion führen. Ein sehr häufig anzutref-
fendes Symptom ist der Exophthalmus, bedingt durch eine
jLaboruntersuchungen Ödembildung und im Verlauf auftretende Fibrosierung
Basisuntersuchung ist die TSH-Bestimmung (TSH: thyre- des retrobulbären Gewebes in der Orbita, weshalb dieser
oideastimulierendes Hormon). Erhöhte Werte bedeuten Prozess endokrine Orbitopathie genannt wird.
eine Schilddrüsenunterfunktion, die chirurgisch nur in Zu-
sammenhang mit Knotenbildungen eine Rolle spielt. Er- Funktionelle Autonomie Hier liegt eine diffus verteilte
niedrigte Werte zeigen eine Schilddrüsenüberfunktion an (disseminierte) oder knotige (uni- oder multifokale) Auto-
und können bei diffuser Vergrößerung und bei autonomen nomie vor.
Adenomen vorkommen. Zur weiteren Differenzierung er- Im Rahmen einer Entzündung kann durch Zellunter-
folgt die Bestimmung der Schilddrüsenhormone Tetrajod- gang vorübergehend eine hyperthyreote Stoffwechsellage
thyronin (Thyroxin, T4) und Trijodthyronin (T3). auftreten.

jSzintigraphie Hyperthyreosis factitia Überdosierung von Schilddrüsen-


Diese nuklearmedizinische Untersuchung erfolgt in der hormon.
Regel nur noch bei laborchemisch nachgewiesener Über-
funktion zum Ausschluss bzw. Beweis von autonomen Struma basedowificata So nennt man das Auftreten einer
Knoten, die sich im Szintigramm kräftig rot-gelb gefärbt Schilddrüsenüberfunktion nach Jodkontamination, z. B.
darstellen (sog. heiße Knoten), im Gegensatz zu solchen durch Röntgenkontrastmittel.
48 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Thyreotoxische Krise Ein akut lebensbedrohliches Krank- wurde früher das sog. »Plummern« durchgeführt.
heitsbild. Die Symptome sind schwerste psychomotorische Durch sehr hohe intravenöse Gabe von Jod kam es zu
Unruhe, Schlaflosigkeit, allgemeine Hinfälligkeit, rascher einer akuten Blockade der Schilddrüsenhormonpro-
2 Temperaturanstieg bis zu hyperpyretischen Werten, Pulsja- duktion, was die Durchblutung der Schilddrüse redu-
gen, verwaschene Sprache, Bewusstlosigkeit und Kreislauf- zierte, die Gewebskonsistenz verbesserte und somit
kollaps. Unbehandelt führt diese Erkrankung zum Tod. die Operation erleichterte. Heute ist diese Maßnahme
in der Regel nicht mehr erforderlich, da die Patienten
Diagnostik meist bereits längere Zeit mit Thyreostatika vorbe-
Laborwerte, Ultraschall. handelt und somit euthyreot sind.
4 HNO-ärztliche Untersuchung zur Prüfung der
Konservative Therapie Stimmbandfunktion.
Medikamentös mit Thyreostatika und ggf. zusätzlicher Gabe 4 Kalziumbestimmung im Serum (zur Prüfung der Ne-
von β-Blockern wegen der kardialen Symptomatik. Radio- benschilddrüsenfunktion).
jodtherapie bei kleineren Strumen (bis maximal 50 ml). 4 Röntgenaufnahme des Thorax.

Malignome der Schilddrüse OP-Ziele


Die Karzinome der Schilddrüse sind sehr selten, ca. 1% 4 Alle Knoten müssen entfernt werden, ggf. ist auch bei
aller malignen Tumoren sind Schilddrüsenkarzinome. benigner Veränderung eine vollständige Entfernung
Man unterscheidet die differenzierten (papilläre und folli- beider Schilddrüsenlappen erforderlich (Thyreoidek-
kuläre) mit relativ guter Prognose von den medullären mit tomie).
schlechterer und den anaplastischen Karzinomen mit in 4 Bei diffuser Struma beim M. Basedow dürfen die Res-
der Regel infauster Prognose. Papilläre Tumoren können te beiderseits nicht größer als 2×1×1 cm sein (Rezi-
schon im Kindesalter beobachtet werden, im höheren Le- divhyperthyreosegefahr).
bensalter überwiegen die ungünstigeren Formen. 4 Solitäre Knoten müssen immer mit umgebendem Ge-
webe reseziert werden (der Kapselbereich der Knoten
Klinik der Schilddrüsenkarzinome ist wichtig für die histologische Untersuchung), eine
4 Rasches Wachstum eines Knotens, oft in schon lange Enukleation eines Knotens ist nicht korrekt.
bestehender Struma, 4 Der Isthmus muss bei einseitiger Operation immer
4 solitärer Knoten, mit entfernt werden.
4 derber Tastbefund, 4 Karzinome werden grundsätzlich mit einer Thyreoid-
4 keine Schluckverschieblichkeit, ektomie und je nach Tumorgröße unterschiedlicher
4 Hautinfiltration (sog. Orangenhaut). Lympknotendissektion behandelt. Ausnahmen sind
nur bei kleinen differenzierten Karzinomen ≤1 cm
Frauen haben sehr viel häufiger Schilddrüsenerkrankungen, Größe erlaubt. Eine solche Entscheidung muss jeweils
der relative Anteil der Karzinome ist bei Männern größer. individuell erfolgen.
4 Bei jeder Schilddrüsenoperation müssen die Epithel-
Diagnostik bei Verdacht auf Schilddrüsenkarzinom körperchen und der Stimmbandnerv, der N. recur-
Anamnese, körperliche Untersuchung, Ultraschall, Rönt- rens, dargestellt werden.
gen des Thorax, Punktionszytologie, Schilddrüsenhor-
monbestimmung, Bestimmung der Tumormarker CEA kLagerung
und Calcitonin. Bei Verdacht auf ausgebrochenen Tumor 4 Gerade Lagerung auf geradem Tisch, allenfalls sehr
ggf. Röntgenzielaufnahme der Trachea, Ösophagus- dünnes Kissen unter den Rücken in Höhe der Schul-
breischluck mit Bariumsulfat, CT ohne Kontrastmittel. Eine terblätter. Eine zu starke Reklination sollte auf jeden
Jodgabe muss präoperativ unbedingt verhindert werden, Fall vermieden werden, da sonst postoperativ hartnä-
da sonst postoperativ über mehrere Wochen keine Radio- ckige Verspannungen im Nacken die Folge sein kön-
jodbehandlung erfolgen kann. nen. Die Knie können durch eine Rolle unterstützt
werden, um eine Überstreckung zu vermeiden.
4 Der Schnitt muss präoperativ im Sitzen angezeichnet
2.2.3 Operationen an der Schilddrüse werden.
4 Manche Operateure bevorzugen eine halbsitzende
Präoperative Maßnahmen Position mit leicht rekliniertem Kopf.
4 Gabe von Thyreostatika bei Hyperthyreose bis zum 4 Beide Arme können angelagert werden. Es besteht
Erreichen einer Euthyreose. Bei der Basedow-Struma auch die Möglichkeit, den linken Arm auszulagern.
2.2 · Schilddrüse
49 2
4 Am Ende der Operation wird der Kopf leicht angeho-
ben, um den Wundverschluss zu erleichtern.

kInstrumentarium
Grundinstrumentarium mit zarten Péan- und Kocher-
Klemmen, Overhold (klein), feinen Pinzetten, Dissektor,
feine Präparierschere, Allis- oder Lockwood-Klemmen,
Museux, ggf. Kocher-Rinne und Deschamps, Ultraschall-
dissektion, bipolare Schere oder LigaSure (7 Abschn. 2.5.5)
wie auch der Einsatz eines Einzelclipstaplers kann er-
wünscht sein.
Bei kleinen Strumen Instrumentarium für minimal-
invasives Vorgehen (s. unten). a

Neuromonitoring
Strukturen, die geschont werden müssen, sollten bei einer
Operation immer dargestellt werden. Dies gilt nicht nur
für z. B. den Ureter bei der Sigmaresektion, auch der
Stimmbandnerv und die Nebenschilddrüsen müssen ge-
nau lokalisiert werden, damit sie nicht versehentlich ge-
schädigt werden.
Diese sog. Visualisierung wird heute bei der Schilddrü-
senoperation grundsätzlich gefordert. Als zusätzliche Hilfe
und Sicherung bei der Präparation kann das sog. Neuro-
b
monitoring dienen. Es gibt verschiedene Geräte dafür im
Handel. Bei allen Modellen wird der Nerv elektrisch stimu-
liert, die evozierte Muskelaktion kann durch Aufzeichnung
des Muskelaktionspotenzials beobachtet und/oder durch
ein akustisches Signal verdeutlicht werden (. Abb. 2.23).
Entweder werden Elektroden in den Kehlkopf einge-
stochen, oder ein spezieller, mit Elektroden versehener
Endotrachealtubus wird so in die Trachea eingeführt, dass
die Elektroden genau in Höhe der Stimmbänder im Kehl-
kopf zu liegen kommen. Bei Nervenreiz kommt es dann
durch die Nervenleitung zu Muskelaktivität, die wiederum
die Stimmbänder bewegt und über die Elektroden die Auf-
zeichnung ermöglicht.
c

Schilddrüsenresektion
7 Kocher-Kragenschnitt, die Länge richtet sich nach . Abb. 2.23 Neuromonitoring. a Monitor, b Tubus für das Neuro-
der Größe der Schilddrüse. Seitliche Begrenzung monitoring, c Darstellung des N. Vagus
ist beidseits der M. sternocleidomastoideus.
7 Ligatur der Vv. jugulares anteriores, kleinere Äste
können mit dem Elektrokauter verschorft werden.
7 Spalten der vorderen geraden Halsmuskulatur in 7 Anklemmen der Schilddrüse (z. B. mit Kocher-
Längsrichtung, bei großen Strumen auch quere Klemmen o. Ä.).
Durchtrennung. 7 Freipräparieren des oberen Pols (manche Opera-
7 Abtasten beider Schilddrüsenlappen, auch der teure beginnen am kaudalen Pol) und Durchtren-
dorsalen Anteile, damit keine Knoten übersehen nen der Polgefäße nach Ligatur bzw. anderer Blut-
werden. stillung.
6 6
50 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

bende Gewebe nach dorsokaudal abgeschoben wird. Nur


7 Freipräparieren des anderen Pols mit Durchtren- in Ausnahmefällen ist eine Sternotomie erforderlich.
nung der jeweiligen Polgefäße.
2 7 Seitliches Vorgehen und ggf. Durchtrennen der Struma endothoracica vera
Kocher-Venen. Hierbei handelt es sich um versprengtes Schilddrüsengewe-
7 Darstellung der A. thyreoidea inferior, des N. re- be im vorderen Mediastinum, das keine Verbindung zur zer-
currens. Neuromonitoring zur sicheren Differen- vikalen Schilddrüse hat. Vor einer Operation muss die Blut-
zierung (. Abb. 2.23), Darstellung der Neben- versorgung geklärt werden, denn diese Schilddrüsenanteile
schilddrüsen. Fakultativ Ligatur der A. thyreoidea werden entweder durch Äste der A. mammaria interna oder
inferior schilddrüsenfern. durch Gefäße direkt aus der Aorta versorgt. Eine Entfernung
7 Lösen des Isthmus von der Trachea, Durchtrennen vom Halsschnitt aus ist deshalb nicht möglich, operativer
desselben. Zugang ist die Sternotomie (7 Kap. 6 Thoraxchirurgie).
7 Resektion der Schilddrüsenlappen. Blutungen
werden mit Elektrokauter, Péan-Klemmen und Li- Retroviszerale Struma
gaturen, Ultracision oder LigaSure versorgt. Schilddrüsengewebe, das sich zwischen Trachea und Öso-
7 Bei größeren Schilddrüsenresten Kapselnähte, bei phagus/Wirbelsäule geschoben hat und die Trachea seit-
kleinen Resten meist nicht erforderlich. lich oder von dorsal komprimiert. Solche Schilddrüsenan-
7 Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit (auch unter teile machen sehr typische Beschwerden (z. B. Husten in
Überdruckbeatmung) abschließendes Neuromo- Rückenlage, Stridor, Schluckbeschwerden).
nitoring über den N. vagus auf jeder operierten
Seite. Aus medikolegalen Gründen gehört ein Postoperative Maßnahmen
Ausdruck in die Akte. Sollte nach der Operation Standard nach jeder Schilddrüsenoperation ist die Kontrol-
der ersten Seite kein korrektes Signal erzielt wer- le der N.-recurrens-Funktion durch HNO-ärztliche Unter-
den können, ist es sicherer, die zweite Seite nicht suchung. Eine einseitige Funktionsstörung macht sich durch
zu operieren, um nicht eine doppelseitige Recur- Heiserkeit bemerkbar, der Patient kann keinen kräftigen
rensparese zu provozieren. Hustenstoß aufbauen, weil er die Stimmritze nicht komplett
7 Auf Redon-Drainagen wird heute meist verzichtet. verschließen kann. Bei beidseitiger Störung kann die Stimm-
7 Schichtweiser Verschluss der Halswunde durch ritze nicht weit genug geöffnet werden, es kommt zu Atem-
Vernähung der Muskulatur. not, eine akute Tracheotomie kann erforderlich werden.
7 Hautverschluss intrakutan, ggf. mit resorbier- Zur Prüfung der Epithelkörperchenfunktion erfolgt an
barem Faden oder mit Klammern (Entfernung am mindestens 2 Tagen postoperativ die Bestimmung des Se-
2. postoperativen Tag), Verband. rumkalziums. Eine Erniedrigung führt zu Tetanien, eine
Substitution mit Kalzium oder Vitamin D3 ist indiziert.
Eine Substitution mit Schilddrüsenhormon ist bei aus-
Thyreoidektomie gedehnten Resektionen lebenslang notwendig, bei größe-
Die komplette Schilddrüsenentfernung ist die Standard- ren Schilddrüsenresten genügt die Gabe von Jod.
therapie bei Malignomen. Beide Lappen müssen total re- Bei Malignomen wird nach Thyreoidektomie eine Ra-
seziert werden. Das ist nur möglich, wenn der N. recurrens diojodbehandlung zu Elimination evtl. verbliebener mini-
vollständig bis zur Einmündung in den Kehlkopf darge- maler Schilddrüsengewebereste durchgeführt.
stellt wird. Das Neuromonitoring wird in dieser Phase
mehrfach wiederholt. Ebenso ist die subtile Darstellung Minimal-invasive Zugänge zur Schilddrüse
der Epithelkörperchen notwendig. Sollten sie aufgrund ei- Wie oben erwähnt, können kleinere Strumen über eine
ner ungünstigen Lage nicht in situ erhalten werden kön- endoskopische Operation therapiert werden. Dazu gibt es
nen, müssen sie in multiplen kleinsten Einzelteilen in den unterschiedliche Möglichkeiten, die nur kurz erwähnt
gleichseitigen M. sternocleidomastoideus replantiert wer- werden, da nur ca. 10–15% der Schilddrüsenoperationen
den. Um eine Minderdurchblutung der Epithelkörperchen aufgrund der Größenverhältnisse minimal-invasiv durch-
zu vermeiden, wird die A. thyreoidea inferior in der Regel geführt werden können und diese Operationen noch nicht
nicht am Stamm schilddrüsenfern unterbunden, sondern zum allgemeinen Standard gehören.
schilddrüsennah im Bereich ihrer einzelnen Äste. Für eine endoskopische Therapie eignen sich kalte
Knoten ab 1 cm bis ca. 3 cm Größe und ggf. Zysten.
Retrosternale Struma Auch der Wunsch der Patienten nach einer Operation
Viele Strumen tauchen retrosternal ein. Sie sind leicht über ohne sichtbare Narben ist u. a. ausschlaggebend für eine
den zervikalen Schnitt zu entfernen, indem das umge- MIC-OP.
2.3 · Hernien
51 2
Die Vorbereitung des Patienten sowie auch die Lage- 4 Narbenhernie, Schenkelhernie (Hernia femoralis),
rung entsprechen der oben beschriebenen. 4 epigastrische Hernie (Hernia epigastrica).
Instrumentell werden bei der minimal-invasiven Tech-
nik ein MIC-Turm, endoskopische Grundinstrumente so- Innere Hernien
wie eine 30°-Optik benötigt (7 Abschn. 2.15). Brüche innerhalb des Bauchraumes ohne äußerlich sicht-
bare Zeichen. Beispiele:
MIVAT – minimal-invasive videoassistierte 4 Zwerchfellhernien (Hiatushernie),
Thyreoidektomie 4 Ileozäkalhernien.
Über einen 2–3 cm langen Schnitt wird unter Einsatz einer
HD-Videokamera die Operation an der Schilddrüse mit Von einer Gleithernie spricht man, wenn Organe oder Or-
den gleichen Sicherheitsstandards wie beim offenen Vor- ganteile, z. B. Harnblase, Zäkum, Sigma mit ihrem Perito-
gehen durchgeführt. nealüberzug teilweise den Bruchsack bilden.
Diese Operation wird ohne CO2-Insufflation durchge- Von einer symptomatischen Hernie spricht man, wenn
führt. eine intraabdominelle Drucksteigerung, z. B. durch Tu-
morwachstum oder Aszites, für die Hernienbildung ver-
OMIT – offen minimal-invasive Thyreoidektomie antwortlich ist, die Hernie also das Symptom einer Erkran-
Über eine 2–3 cm lange minimale Inzision an der Halsvor- kung darstellt.
derseite wird unter direkter Sicht (Lupenbrille, evtl. Stirn-
lampe) ohne Einsatz einer CO2-Insufflation und ohne Op- Ätiologie
tik operiert. Hernien treten durch erhöhten abdominellen Druck auf.
Es gibt angeborene Formen mit schon vorhandenen of-
ABBA – »axillo bilateral breast approach« fenen Bruchpforten. Die erworbenen Formen sind auf
Ohne zervikalen Zugang werden 4 Trokare (5 mm) entwe- einen Verlust der Bauchwandfestigkeit zurückzuführen.
der über retroaureoläre, axilläre oder perimamilläre Zu- Sie treten meist entlang der Strukturen auf, die durch
gänge eingebracht. Über CO2-Insufflation wird der Raum die Bauchwand ziehen, z. B. entlang großer Blutgefäße
zwischen den Halsfaszien dargestellt. Über endoskopische (Schenkelhernie) oder entlang des Samenstranges (Leis-
Grundinstrumente und Bergebeutel (7 Abschn. 2.15.4) tenhernie).
wird der Schilddrüsenlappen entfernt.
Bei allen Vorgehensweisen gelten die gleichen Regeln Inkarzeration
und Operationstechniken, die bisher erwähnt wurden. Eine Inkarzeration (Einklemmung) einer Hernie besteht
dann, wenn der Bruchinhalt nicht mehr spontan durch die
Bruchpforte zurückgelangen kann. Mit der akuten Ein-
2.3 Hernien klemmung droht ganz allgemein die Ernährungsstörung
des Bruchinhalts. Eine vitale Bedrohung tritt dann ein,
M. Liehn, L. Steinmüller wenn der Bruchinhalt aus Darmschlingen oder Darm-
wandabschnitten besteht.
Definition Die unmittelbaren Folgen können zunächst eine Kot-
Eine Hernie entsteht durch ein Hervortreten von Ein-
einklemmung, später ein Ileus sein. Aus der mechanischen
geweideanteilen (Bruchinhalt) in eine Vorbuchtung
bzw. durchblutungsbedingten Ernährungsstörung der
des parietalen Peritoneums (Bruchsack) durch eine
Darmwand resultiert die Perforation mit Peritonitis.
Bauchwandlücke (Bruchpforte).
Lokal macht sich die akute Inkarzeration mit Schmer-
zen, Schwellung und Rötung bemerkbar. Durch den peri-
tonealen Reiz kann Übelkeit auftreten, durch den Ileus
2.3.1 Allgemeines Erbrechen.

Formen Reposition
Unterschieden werden äußere und innere Hernien. Der Zeitpunkt der Inkarzeration kann häufig vom Pati-
enten genau angegeben werden. Dies ist wichtig, da
Äußere Hernien die Reposition eines akuten eingeklemmten Bruches
Brüche der Bauchwand, die von außen sichtbar sind. Bei- nur innerhalb der ersten 4 h versucht werden sollte. Nur
spiele: die komplette, also gut gelungene Repositon führt zur
4 Leistenhernie (Hernia inguinalis), raschen Beschwerdefreiheit. Dagegen ist eine Reposition
4 Nabelhernie (Hernia umbilicalis), en bloc gefährlich, da bei ihr der Bruch zwar äußerlich
52 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

verschwunden ist, die wirksame Bruchpforte aber nur ge- tenkanals vorn von der Externusaponeurose und dor-
waltsam in die Tiefe verlagert wurde ohne eine echte Re- sal von der Transversalisfaszie begrenzt.
position des Bruchinhalts erzielt zu haben (sog. Pseudore-
2 position). Indirekte und direkte Hernien
Eine indirekte Hernie wird auch als schräger, äußerer oder
Indikationen zur Operation lateraler Bruch, eine direkte Hernie als senkrechter, innerer
Jede palpatorisch oder zusätzlich sonographisch diagnos- oder medialer Bruch bezeichnet.
tizierte Hernie kann als Wahleingriff zu einem beliebigen Diese beiden Formen unterscheiden sich durch die
Zeitpunkt operiert werden. Eintrittsstellen in den Leistenkanal. Indirekte Hernien tre-
ten am inneren Leistenring und damit lateral der epigas-
! Eine Notfallindikation zur Operation besteht
trischen Gefäße in den Leistenkanal ein. Direkte Hernien
immer dann, wenn die Reposition eines akut
sparen den seitlichen Umweg zum inneren Leistenring aus
inkarzerierten Bruches nicht möglich ist oder
und treten »direkt« auf halber Strecke und damit medial
wenn das Zeitintervall nach akut eingetretener
der epigastrischen Gefäße in den Leistenkanal ein.
Inkarzeration 4 h überschreitet.

Anatomie des Leistenkanals 2.3.2 Leistenhernie


Die Kenntnis der Anatomie des Leistenkanals ist die Vo-
raussetzung für die operative Versorgung. Der sog. Leis- Die Operation einer Leistenhernie lässt sich in 2 Abschnitte
tenkanal, der vom inneren Leistenring lateral intraab- untergliedern:
dominal nach medial zum äußeren Leistenring verläuft, 4 Herniotomie,
umgibt beim Mann den Samenstrang und bei der Frau das 4 Verschluss der Bruchpforte.
sehr viel dünnere Lig. teres uteri.
Der Samenstrang enthält die Gefäßversorgung des Ho- 1. OP-Schritt Bei der »Herniotomie« wird der Bruchsack
dens, die A. spermatica und die ableitenden Venen im Ple- freigelegt und operativ versorgt. Dieser Schritt ist allen
xus pampiniformis sowie den Samenleiter (Ductus defe- konventionellen OP-Techniken gemeinsam.
rens). Der Samenstrang wird von einer Muskelschicht
(M. cremaster) umhüllt. 2. OP-Schritt Beim Verschluss der Bruchpforte wird die
Der Leistenkanal ist etwa 4–6 cm lang. Bauchwand verstärkt; hierbei gibt es 2 Möglichkeiten:
4 Verstärkung der Vorderwand (Operation nach Hal-
Innerer Leistenring stedt-Ferguson), die aber nur bei Kindern durchge-
Er stellt als innerer Eingang einen Schwachpunkt der führt wird.
Bauchdecke dar. Als Lücke der muskulären Bauchdecken- 4 Verstärkung der Hinterwand des Leistenkanals bei er-
verspannung kann hier der intraperitoneale Druck zur wachsenen Patienten mit den folgenden Techniken
Bruchentwicklung führen. Direkt medial des inneren Leis- zum Verschluss der Bruchpforte:
tenrings verlaufen in Körperrichtung die epigastrischen 5 nach Bassini (Kirschner),
Gefäße. 5 nach Shouldice,
5 nach McVay oder
Äußerer Leistenring 5 nach Lichtenstein.
Diese äußere »Öffnung« wird durch eine Sehnenlücke des
M. obliquus externus abdominis gebildet. Herniotomie und Bruchpfortenverschluss
bei Männern
Wände des Leistenkanals kIndikation
4 Die Hinterwand wird von der Fascia transversalis ge- Hernia inguinalis.
bildet.
4 Das Leistenband bildet den Boden, indem es vom kPrinzip
vorderen oberen Darmbeinstachel zur Symphyse Reposition des Bruchsackinhalts, Abtragung des Bruch-
zieht. sacks, Vorbereitung der anatomiegerechten Verstärkung
4 Die Vorderwand wird von der Externusaponeurose der Bauchwand (je nach angewandter Technik).
gebildet.
4 Das Dach besteht aus dem Unterrand der Muskel- kLagerung
schicht des M. obliquus internus und transversus ab- 4 Rückenlage,
dominis. Diese Muskelschicht wird oberhalb des Leis- 4 Neutrale Elektrode am gleichseitigen Oberschenkel.
2.3 · Hernien
53 2
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium,
4 Gummizügel,
4 resorbierbares Nahtmaterial.

Herniotomie
7 Der Hautschnitt verläuft parallel und etwa 2 cm
über dem Leistenband.
7 Durchtrennung des Subkutangewebes und Ein-
setzen der scharfen Haken. Dadurch stellen sich
die Vasa epigastricae superficiales dar, die unter-
bunden werden. Darstellung der Externusaponeu-
rose inklusive des äußeren Leistenringes. Die Apo-
neurose wird, beginnend am äußeren Leistenring,
mit der Präparierschere gespalten.
7 Die Verklebungen zwischen dem M. cremaster
und dem Leistenband sowie zwischen der Hinter-
wand des Leistenkanals und dem M. obliquus
internus abdominis können mit einem feuchten . Abb. 2.24 Anlegen einer Tabakbeutelnaht an der Bruchsackbasis
Stieltupfer oder Präparierstiel gelöst werden.
7 Nach der Eröffung des Leistenkanals liegt das
Samenstranggebilde frei, umgeben vom M. cre-
master, der gespalten wird. Daraufhin kann der Bruchpfortenverschluss nach Bassini
Samenstrang mit einem Gummizügel angeschlun- Diese Reparationsform kommt nur noch sehr selten
gen werden. zur Anwendung.
7 Der Bruchsack wird dargestellt, er wird entweder 7 Voraussetzung hierfür ist die vollständige Spal-
mit 4 kleinen Klemmchen oder mit einem kleinen tung der Fascia transversalis.
Duval angeklemmt und vom Samenstrang bis zur 7 Die Nähte vereinigen durchgreifend den M. obli-
Bruchpforte mit einer Metzenbaum-Schere frei- quus internus, die Fascia transversalis und den
präpariert. Damit ist die Sicht frei auf den inneren M. transversus abdominis mit dem Leistenband.
Leistenring und die epigastrischen Gefäße, die Zur Sicherung kann die erste Naht durch das
entweder medial oder lateral der Bruchpforte Schambeinperiost gelegt werden. Wegen mög-
liegen. licher postoperativer Schmerzzustände und der
7 Der Bruchsack wird an der Spitze eröffnet, der In- erhöhten Rezidivrate kann diese Maßnahme nicht
halt inspiziert. generell empfohlen werden.
7 Wenn möglich, wird der Bruchsackinhalt stumpf
(unter Zuhilfenahme eines feuchten Stieltupfers)
in die Bauchhöhle reponiert. Der Bruchsack
Bruchpfortenverschluss nach Shouldice
wird mit einer Tabakbeutelnaht verschlossen
(. Abb. 2.24) und abgetragen. 7 Dieses Verfahren stellt durch die Doppelung der
ausgedünnten Fascia transversalis eine anatomie-
gerechte Rekonstruktion der Hinterwand des Leis-
tenkanals dar.
Der Verschluss der Bruchpforte beinhaltet als wichtigsten 7 Hat diese Faszie einen Defekt oder eine fühlbare
Arbeitsschritt die Verstärkung der Hinterwand des Leis- Schwäche, ist eine Doppelung indiziert. Dazu wird
tenkanals. Dafür gibt es u. a. die im Folgenden beschrie- sie vom inneren Leistenring an mit einer Schere
benen Methoden. gespalten. Dabei muss besonders auf die darunter
liegenden Gefäße geachtet werden.
6
54 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.25 Shouldice-Technik, anteriorer Zugang. (Nach Siewert . Abb. 2.26 Lichtenstein-Technik, anteriorer Zugang. (Nach Siewert
2010) 2010)

7 Der obere Anteil der Faszie wird von der Bruch- band und M. obliquus internus wird ein keilförmig
pforte aus mit Kocher-Klemmen gefasst, dann zugeschnittenes Polypropylennetz (z. B. Prolene,
wird die Faszie teils stumpf (mit Präpariertupfer Atrium) oder ein Titan-Kunststoffnetz (T-MESH)
oder Finger) teils scharf mit der Schere vom mit nicht resorbierbarer Naht oder Titan-Clips
präperitonealen Fett abpräpariert. Nun wird auch spannungsfrei fixiert. Seitlich wird ein Schlitz zur
der untere Faszienteil angeklemmt. Die untere Aufnahme des Samenstranges angelegt. Die bei-
Hälfte der Fascia transversalis wird unter die obere den schmalen Schenkel des Netzes werden lateral
genäht (gedoppelt; . Abb. 2.25). überkreuzt, sodass sie einen inneren Leistenring
7 Über die erste Nahtreihe wird zur Doppelung die bilden. Darüber werden die Externusaponeurose
Zweite fortlaufend gelegt. An der Oberkante kann und die übrigen Wandschichten wieder verschlos-
der M. cremaster in die Naht einbezogen werden. sen (. Abb. 2.26).
7 Danach werden der M. transversus abdominis und
der M. obliquus internus als zweite Schicht an das
Leistenband geheftet. Diese Operation wird häufig in Lokalanästhesie vorge-
7 Mit einer fortlaufenden Naht wird die Externusa- nommen.
poneurose verschlossen. Schichtweiser Wundver- Wegen der geringeren Rezidivrate kann eine Netzim-
schluss, Verband. plantation schon bei jungen Patienten erfolgen.
In der Nachbehandlung ist keine längere Schonung
nötig.
Die endoskopische Versorgung einer Leistenhernie
Bruchpfortenverschluss nach Lichtenstein nimmt ständig an Bedeutung zu (für die Varianten dieser
7 In den letzten Jahren wird zunehmend ein span- Therapie 7 Abschn. 2.15 MIC).
nungsfreier Bruchpfortenverschluss durch Im-
plantation eines nicht resorbierbaren oder teilre- Leistenbruch bei Frauen
sorbierbaren Kunststoffnetzes propagiert. Es handelt sich fast immer um eine indirekte Hernie. Der
7 Zunächst werden Bruchsack und Bruchpforte dar- Bruchsack liegt oberhalb des Leistenbandes. Der Bruch-
gestellt. sackverschluss und die Verstärkung der Hinterwand ent-
7 Die Präparation verzichtet jedoch auf die Durch- sprechen dem Vorgehen beim Mann. Das Lig. rotundum
trennung der Transversalisfazie und im Regelfall (Lig. teres uteri) wird im Leistenkanal fixiert und in die
auf die Bruchsackabtragung. Zwischen Leisten Bassini-Nähte einbezogen oder bei der Fasziendoppelung
6 im lateralen Anteil eingenäht. Eine oft gleichzeitig vorhan-
dene Hydrozele wird reseziert.
2.3 · Hernien
55 2

a b

. Abb. 2.27a, b Operative Versorgung der Femoralhernie (a). inferior, 10 Fascia transversalis. b Versorgung des Bruchsacks und
1 Externusaponeurose, 2 Lig. inguinale, 3 M. obliquus internus Bruchpfortenverschluss nach McVay. M. obliquus internus und trans-
4 M. transversus, 5 Pecten ossis pubis, 6 Lig. rotundum, 8 Femoral- versus werden an das Os pubis genäht. (Nach Siewert 2001)
hernie, 9 A. und V. femoralis mit Abgang der A. und V. epigastrica

Inkarzerierte Hernie bei Frauen und Männern kLagerung


Bei einem eingeklemmten Darm ist meist eine Herniolapa- 4 Rückenlage,
rotomie angezeigt. Die Lücke in der Externusaponeurose 4 Dispersionselektrode am gleichseitigen Oberschenkel.
wird erweitert, der M. obliquus internus eingekerbt, unter
starkem Zug weggehalten und das Peritoneum eröffnet. kInstrumentarium
Der Bruchsackinhalt kann dann beurteilt und reponiert 4 Grundinstrumentarium,
werden. Das Netz und die Darmanteile, die sich nicht erho- 4 evtl. Gummizügel für das Lig. rotundum.
len, müssen nach der Versorgung der Bruchpforte über eine
gesonderte Laparotomie reseziert werden. Manchmal ist
Herniotomie einer Schenkelhernie
jedoch die Versorgung über die Bruchpforte möglich.
Inguinaler Zugang (Lotheissen/McVay):
7 Hautschnitt wie bei der Inguinalhernie, Spalten
2.3.3 Schenkelhernie (Hernia femoralis) der Externusaponeurose.
7 Darstellen des Bruchsacks unter Berücksichtigung
Femoralhernien, die insgesamt 5–7% aller Hernien ausma- der Nähe der lateral gelegenen V. iliaca externa.
chen, betreffen sehr viel häufiger Frauen (ca. 95% der Her- 7 Fassen des Bruchsackes mit Mosquito-Klemmen
nien!) als Männer. Inkarzerationen treten häufig auf. Fe- oder kleinen Fasszangen und Eröffnung mit der
moralhernien sind immer erworben. Sie finden sich unter- Metzenbaum-Schere. Der Bruchsackinhalt wird re-
halb des Leistenbandes am häufigsten medial der A. femo- poniert, sofern er keine Durchblutungsstörungen
ralis und V. femoralis (. Abb. 2.27). Zumeist haben sie eine aufweist. Dann erfolgen eine Tabakbeutelnaht
sehr kleine Bruchpforte. oder eine Durchstechungsligatur des Bruchsackes
und die Abtragung.
kIndikation 7 Die Leistenkanalhinterwand wird durch eine Faszien-
Jede Femoralhernie (Schenkelhernie). doppelung nach McVay/Lotheissen unter Ausspa-
rung des Lig. rotundum verschlossen (. Abb. 2.28).
kPrinzip 7 Über dem Ligament wird die Externusaponeurose
Freilegung entweder wie bei der Leistenhernie von ingui- verschlossen.
nal oder von krural, Reposition des Bruchsackinhalts, Ab- 6
tragung des Bruchsackes, Verschluss der Lücke.
56 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

4 Operation ansonsten bei Beschwerden, erheblicher


Größenzunahme oder Einklemmung, bei Bedarf auch
aus kosmetischen Gründen.
2
kPrinzip
Reposition des Inhalts, Abtragung des Bruchsacks, Bruch-
pfortenverschluss durch Fasziendoppelung nach (Dick)
Mayo, bei kleinen Bruchpforten durch direkte Naht.

kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt,
4 Dispersionselektrode an einem Oberschenkel.

kInstrumentarium
Grundinstrumentarium.

. Abb. 2.28 Hernia femoralis; Reparation nach Lotheissen. (Nach


Wondzinski u. Hotz 2006)
Nabelhernienreparation
7 Halbkreisförmige Umschneidung des Nabels, je
nach der Größe des Bruchs. Günstig ist auch eine
Kruraler Zugang: quere Inzision unterhalb oder oberhalb des Na-
7 Ideal bei kleinen nicht inkarzerierten Hernien. bels als Zugang.
7 Über eine längsverlaufende oder schräge Inzision 7 Durchtrennung des Subkutangewebes bis zur
im Bereich der Leistenbeuge wird das Leisten- Darstellung der Rektusscheide.
band von seiner Unterseite her dargestellt und 7 Der Bruchsack wird an der Basis inzidiert und der
der Bruchsack mit einem feuchten Stieltupfer von Inhalt schonend, soweit möglich, reponiert. Dazu
den Femoralgefäßen abgeschoben und eröffnet muss fast immer der Schnürring eingeschnitten
oder scharf mit der Schere abgelöst. werden. Ein Finger des Operateurs schützt dabei
7 Zur Reposition des Bruchsackinhalts muss meist die darunter liegenden Darmschlingen. Der
medial die Bruchpforte erweitert werden. Dazu Bruchsack wird zunächst stumpf umfahren, bevor
wird die V. femoralis lateral auf einen Kocher-Ha- er von der Nabelhaut abgelöst wird.
ken aufgeladen. 7 Adhärente Anteile des großen Netzes werden mit
7 Der Bruchsack wird an seiner Basis über einer Ta- Overholt und Schere freipräpariert und ligiert, bis
bakbeutelnaht abgetragen. die Darmschlingen frei sind.
7 3–4 Einzelnähte (nicht resorbierbar), die die Un- 7 Der Bruchsack wird abgetragen und das Peritone-
terkante des Leistenbandes mit der Oberschen- um mit einer Durchstechungsligatur verschlossen.
kelfaszie (Fascia pectinea) und evtl. dem Cooper- Für den Verschluss bei kleiner Bruchlücke reicht
Ligament vereinigen, verschließen die Bruchpfor- ein einfacher Nahtverschluss aus.
te. Wenn möglich sollte die Fascia transversalis 7 Bei größerer Bruchpforte sollte eine Fasziendop-
mitgefasst werden. pelung nach Mayo durchgeführt werden.
7 Dazu werden die Faszienränder mit Klemmen
gefasst und flächig von der Subkutis freiprä-
pariert.
2.3.4 Nabelhernie (Hernia umbilicalis) 7 Die Fasziendoppelung wird erreicht, indem
zwischen dem unteren Rand des Bruchringes
Die Nabelhernie ist beim Erwachsenen die zweithäufigste und dem Rand der Rektusscheide U-Nähte so
Hernienform. Als Bruchpforte dient der Nabelring, der gelegt werden, dass etwa 1,5 cm Faszienrand
sich so ausweitet, dass Bauchhöhleninhalt austreten kann. übersteht. Dieser wird nach dem Knüpfen der
Fäden durch eine Z-Naht mit der Rektusscheide
kIndikation vereint (Doppelung).
4 Nabelbrüche neigen zu Komplikationen und sollten 6
deshalb frühzeitig operiert werden.
2.3 · Hernien
57 2

7 Ist die Bruchlücke zu groß oder die Faszie zu schwach,


kann der Defekt auch mit einem Streifen Fascia lata
oder mit nicht resorbierbarem Netz (PVP-Patch,
Proceedventral Patch, Fa. Ethicon) gedeckt werden.
7 Der Nabel wird refixiert, bei minderdurchbluteter
Nabelhaut jedoch reseziert (Omphalektomie).
7 Bei Bedarf Einlegen einer Redon-Drainage, Sub-
kutannähte, Hautnaht, Verband.

2.3.5 Epigastrische Hernie

Dieser Hernientyp entwickelt sich oberhalb des Nabels im


Verlauf der Linea alba.
Eine präformierte Faszienlücke in der Linea alba ent-
a b
hält zuerst nur präperitoneales Fettgewebe, später auch
Peritoneum, Netz oder seltener Magen- sowie Darmanteile
. Abb. 2.29a, b Epigastrische Hernie. a Austritt von präperitone-
(. Abb. 2.29).
alem Fettgewebe durch die Linea alba, b Austritt des Bruchsackes
Mehrere Bruchlücken können vorkommen. Häufig durch die Linea alba. (Nach Siewert 2001)
handelt es sich nicht um der Definition entsprechende
komplette Hernien, sondern nur um präperitoneale Li-
pome, die bei Einklemmung in eine Faszienlücke erheb- Eine laparoskopische Versorgung ist möglich.
liche Beschwerden verursachen können.

kIndikation 2.3.6 Narbenhernien


Beschwerden und Herniennachweis
Nach Bauchoperationen treten manchmal Narbenhernien
! Ein Ulkusleiden sollte als Beschwerdeursache
auf.
ausgeschlossen werden.
Sie werden durch die Schnittführung, durch Infekti-
kPrinzip onen und ungeeignete Nahttechniken bei der Erstoperati-
Die Freilegung des Bruchsacks, Reposition, ggf Resektion on verursacht. Vorbelastet sind Patienten mit Adipositas
des Inhalts. Für den Bruchpfortenverschluss gilt das glei- oder Stoffwechselerkrankungen. Der sichere Faszienver-
che Vorgehen wie bei der Nabelhernie (7 Abschn. 2.3.4). schluss zur Rezidivverhütung ist das Hauptproblem der
Narbenbruchversorgung.
kLagerung
4 Rückenlage, kIndikation
4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. Die Narbenhernie stellt meist eine elektive OP-Indikation
dar. Beschwerden, Größenzunahme oder Einklemmung,
kInstrumentarium sowie kosmetische Gründe bestimmen die Dringlichkeit.
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 ggf. Allis-Klemmen. kPrinzip
Präparation des Bruches, evtl. Adhäsiolyse, Reparation der
Bruchpforte durch spannungsfreien Verschluss der Fas-
Epigastrische Hernie zien- und Muskelschichten bei Bedarf mittels Netzeinlage.
7 Als OP-Zugang sollte beim solitären Bruch der queren
Schnittführung der Vorzug gegeben werden. Bei grö- kLagerung
ßeren und bei multiplen Brüchen ist der Längsschnitt 4 Rückenlage, leicht überstreckt,
geeigneter. Präperitoneale Lipome werden insbeson- 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
dere bei Einklemmung subfaszial abgetragen.
7 Bruchpfortenverschluss (7 Abschn. 2.3.4). kInstrumentarium
Grund- und Laparotomieinstrumentarium.
58 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2. OP-Schritt:
Nun erfolgt die spannungsfreie Reparation der Bruch-
2 pforte. Hierzu stehen mehrere Verfahren zur Verfügung:
7 Kleinere Narbenhernien: direkte einreihige Stoß-
auf-Stoß-Naht mit durchgreifenden Einzelknopf-
nähten.
7 Selten bei noch erkennbarer intakter Schichtung
der Bauchdecke: mehrreihiger, schichtgerechter
Wundverschluss.
7 Implantation von Fremdmaterial, falls die Adapta-
tion der Faszienränder nicht gelingt: (nicht resor-
bierbare Kunststoffnetze wie Gore-Tex, Mersilene,
Prolene, Atrium, Surgipro mesh), Vollhaut- oder
. Abb. 2.30 Narbenhernie, intraopertiver Situs. (Nach Siewert 2010)
Koriumlappen.
7 Wichtig: das implantierte Material muss breitflä-
chig (3–5 cm überlappend) an den intakten
Bruchrändern fixiert werden, um ein belastungs-
stabiles Einwachsen der Prothese zu ermöglichen.
Ein Kontakt der Netzprothese zum Darm muss
vermieden werden. Prinzipiell ist die Fixierung des
Netzes auf der Faszie oder zwischen Peritoneum
und Bauchwand möglich (»Onlay-« bzw. »Under-
lay-Technik«).
7 Als Innovation gilt die laparoskopische Versor-
gung in »Sublay-Technik« mit neuen Netzmaterali-
en, die Kontakt zum Darm haben dürfen (z. B. Pro-
ceed, Physiomesh).

! Jedes Fremdmaterial birgt wieder die Gefahr


einer Wundheilungsstörung und damit eines
. Abb. 2.31 Netzlage. a »Sublay-«, b »Onlay-Technik« (1 vorderes Hernienrezidivs.
Blatt der Rektusscheide, 2 hinteres Blatt der Rektusscheide, 3 Perito-
neum, 4 Netz). (Nach Siewert 2010)

2.4 Speiseröhre
Narbenhernie
2.4.1 Anatomie
1. OP-Schritt:
7 Exzision der Narbe; der Bruchsack und intakte Die Speiseröhre (Ösophagus) ist ein ca. 28 cm langes Mus-
nahtfähige Faszienränder müssen exakt darge-
kelhohlorgan. Sie verbindet den Schlund (Pharynx) mit
stellt werden. Die Eröffnung des Bruchsackes mit
dem Magen.
dem Lösen der Bruchsackadhäsionen erleichtert
Vom zervikalen Anteil (zwischen Halswirbelsäule und
das Vorgehen. Durch Austastung von innen kön-
nen die Bauchdeckensubstanz und die Bruchpfor- Trachea gelegen) tritt der Ösophagus in den Thorax ein.
tenränder beurteilt sowie zusätzliche Faszienlü- Hier verläuft er S-förmig im hinteren Mediastinum hinter
cken erkannt werden. Um die zur Rekonstruktion der Trachea und dem Herzen. Mit Ausnahme des Kardia-
verwendbaren Faszienränder darzustellen, wird bereichs unterhalb des Zwerchfells (erst hier gibt es einen
die gesunde Faszienvorderseite über einige Zenti- Serosaüberzug) ist die Speiseröhre relativ beweglich.
meter im gesamten Bruchbereich zirkulär vom Im Übergang des Ösophagus zum Magen befindet sich
subkutanen Fettgewebe abgetrennt. Insuffiziente der sog. His-Winkel, der zur Refluxverhinderung wichtig
Faszienanteile werden reseziert. ist (. Abb. 2.32).
6 Entsprechend der Organdrehung während der Embry-
onalentwicklung verläuft der linke Ast des N. vagus distal
2.4 · Speiseröhre
59 2
auf der Vorderseite, der rechte Ast distal auf der Hintersei-
te des Ösophagus.
Die Speiseröhre erhält ihre Blutversorgung im zervi-
kalen Abschnitt aus den Aa. thyreoideae inferiores, im tho-
rakalen Abschnitt direkt aus dem Aortenbogen bzw. aus
den der thorakalen Aorta entspringenden Ästen. Im un-
teren Drittel erfolgt die arterielle Versorgung aus der
A. phrenica und der A. gastrica sinistra. Die Gesamtblut-
versorgung ist entsprechend des relativ geringen Sauer-
stoffbedarfs spärlich.
Die Versorgung mit Lymphbahnen ist dagegen reich-
lich. Der D. thoracicus verläuft als große Lymphabfluss-
bahn parallel zur Speiseröhre. . Abb. 2.32 Ösophagus mit Übergang in den Magen

jIndikationen
Chirurgische Eingriffe am Ösophagus sollen die Nah-
rungspassage gewährleisten bzw. wiederherstellen. Behan-
delt werden Funktionsstörungen und organische Verände-
rungen, deren Krankheitswert, Diagnostik und chirur-
gische Therapie nachfolgend besprochen wird.

2.4.2 Achalasie-Ösophagospasmus

Es handelt sich um eine Innervationsstörung der Ösopha-


gusmuskulatur mit funktioneller Stenose. Ein Karzinom
muss durch Endoskopie und Biopsie ausgeschlossen
werden.
a
kIndikation
4 Segmentaler Muskelspasmus und typische Stenose-
symptomatik:
5 Dysphagie (Schluckstörung),
5 Regurgitation (Hochwürgen unverdauter Speisen),
5 Schmerz und Gewichtsabnahme.
4 Erfolglose, ggf. mehrfache Aufdehnungsbehandlung.

kPrinzip
Anteriore Myotomie nach Gottstein/Heller mit Durch-
trennung der Ösophagusmuskulatur im Stenosebereich
(. Abb. 2.33).

kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, ggf. mit rekliniertem
Kopf,
4 neutrale Elektrode an einem Oberarm. b

kInstrumentarium
. Abb. 2.33a, b Myotomie des distalen Ösophagus bei Achalasie
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, (a). Deckung der Myotomie durch Fundoplastik (b). (Nach Siewert
4 Gummizügel. 2010)
60 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

resten, in Divertikelentzündungen mit Perforation, Blu-


Achalasie-Ösophagospasmus tungen, Mediastinitis und langfristig in der malignen Ent-
7 Von einer Laparotomie aus wird der Hiatus oeso- artung.
2 phageus, die Durchtrittstelle des Ösophagus Die Kontrastmittelröntgenuntersuchung des Schluck-
durch das Zwerchfell, erweitert. aktes führt zur Diagnose.
7 Mit dem Anschlingen der Speiseröhre wird sie
nach kranial mobilisiert. kIndikation
7 Die Myotomie beginnt über der Stenose und Obstruktion, Schluckbeschwerden, Hustenreiz beim
reicht bis mindestens 2 cm nach kaudal über die Schlucken, Divertikulitis, Blutungen, Mediastinitis.
Kardia.
7 Damit wird eine dauernde Erweiterung des Seg- kPrinzip
ments erreicht und die Nahrungspassage wieder Abtragung des Divertikelsackes und ggf. die Längsdurch-
hergestellt. Die Kombination mit einer Antireflux- trennung des Muskelschlauches unterhalb des Divertikel-
plastik (7 Abschn. 2.4.4) ist möglich. halses (Krikomyotomie) über einige Zentimeter.

kLagerung
Diese Operation kann minimal-invasiv durchgeführt 4 Rückenlage, Oberkörper leicht aufgerichtet, Kopf re-
werden kliniert und nach rechts gedreht,
4 neutrale Elektrode am linken Oberarm.

2.4.3 Zervikales Ösophagusdivertikel kInstrumentarium


(Zenker) Grundinstrumentarium,
4 Allis- oder Duval-Klemme,
Die Schleimhautaussackung durch die Muskelschichten 4 dünner Zügel oder Nervhäkchen,
des zervikalen Ösophagus nach links wird ebenfalls mit 4 bei Bedarf linearer Stapler oder linearer Stapler mit
einer Innervationsstörung in Zusammenhang gebracht. integriertem Cutter (7 Abschn. 2.1.2).
Das Zenker-Divertikel gilt als typisches Pulsionsdiver-
tikel, als Folge eines erhöhten intraluminalen Druckes
(. Abb. 2.34). Resektion des Zenker-Divertikel
Die Symptomatik besteht in einem Druckgefühl des 7 Schräger Hautschnitt am Innenrand des linken
meist mit Speiseanteilen gefüllten Sackes, der auch das Lu- M. sternocleidomastoideus. Das Platysma und die
men der Speiseröhre beengen kann. Neben der Schluckstö- Halsfaszie werden zusammen mit dem Skalpell
rung bestehen weitere Risiken im Aspirieren von Speise- durchtrennt. Der M. sternocleidomastoideus wird
am vorderen Rand mobilisiert und mit Roux-Ha-
ken beiseitegehalten. Die mittlere Halsfaszie wird
durchtrennt.
7 Mit Einsetzen von schmalen Haken, z. B. nach Lan-
genbeck, wird das Divertikel dargestellt. Die A. ca-
rotis, die V. jugularis und der N. vagus werden da-
bei nach lateral und die Trachea und der Schild-
drüsenlappen nach medial weggehalten.
7 Das Divertikel wird mit einer Organfasszange nach
Allis oder Duval gefasst und bis zur Basis teils durch
scharfe, teils durch stumpfe Präparation freigelegt.
Der N. recurrens sollte möglichst identifiziert und
mit einem dünnen Gummizügel angeschlungen
oder auf ein Nervhäkchen gelegt werden.
7 Durch das Einführen einer dicken Magensonde
am Divertikel vorbei wird der Ösophagus ge-
a b schient und einer postoperativen Stenose gleich-
zeitig vorgebeugt.
. Abb. 2.34 Zenker-Divertikel: a Anatomie, b typische Lokalisation. 6
(Nach Siewert 2010)
2.4 · Speiseröhre
61 2
2.4.4 Hiatushernie
7 Stumpfes Hervorluxieren des Divertikels, ggf.
Myotomie des M. cricopharyngeus in der Mitte Definition
der Hinterwand. Hiatus bedeutet Spalt. Bei der Hiatushernie liegt ein
7 Die Myotomie erfasst die Pars transversalis des Bruch des Zwerchfells am Hiatus oesophageus vor; die
M. cricopharyngeus und die obere Ösophagus- Hiatushernie führt zur Refluxkrankheit.
muskulatur über ca. 4 cm Länge.

Ätiologie
Das Hauptkennzeichen der Refluxkrankheit ist ein ge-
Abtragen des Divertikels
störter Verschlussmechanismus des unteren Ösophagus-
7 Mit einem linearen Stapler (. Abb. 2.35). Es ist sphinkters. Fast immer liegt gleichzeitig eine axiale Hiatus-
darauf zu achten, dass kein Anteil der Ösophagus- hernie vor (s. unten).
wand mit in die Klammerreihe gelangt. Eine zu- Die Refluxösophagitis ist gekennzeichnet durch pep-
sätzliche Übernähung der Klammernahtreihe tische Epitheldefekte und ihre Folgen, verursacht durch die
kann entfallen. Nach der Abtragung sollte mit zurücklaufenden aggressiven Verdauungssäfte des Ma-
warmer Kochsalzlösung gespült werden. gens. Je nach Schwere wird die Refluxösophagitis in die
7 Geschlossene Resektion zwischen 2 weichen folgenden 4 Stadien eingeteilt.
Klemmen.
7 Offene Resektion mit Schere und Pinzette, nach- Stadien der Refluxösophagitis
dem an der Basis eine Tabakbeutelnaht gelegt . Tab. 2.1.
wurde. Nach der Resektion wird der kurze Stumpf
versenkt und mit einer zusätzlichen Naht ver-
. Tab. 2.1 Stadieneinteilung der Refluxösophagitis
schlossen.
7 Einlegen einer dünnen Drainage, Adaptation der Stadium Kennzeichen
Halsmuskeln und des Platysma, Subkutan-, Haut-
naht, Verband. I Fleckförmige entzündliche Schleimhaut-
infiltration

II Zusammenlaufende Schleimhautläsionen
Diese Operation kann als endoskopische »Schwellen- III Tiefgreifende zirkuläre Ulzerationen
durchtrennung« heute meist von HNO-Ärzten durchge-
IV Peptische Stenose
führt werden.

a b c

. Abb. 2.35 a–c Abtragung eines Zenker-Divertikels mit einem linearen Verschlussstapler. (Nach Siewert 2001)
62 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Symptome
a b
Die Symptomatik ergibt sich aus der Einklemmungsge-
fahr der Magenwand mit Blutungs- und Perforationsge-
2 fahr.

Diagnostik
Die exakte Anamnese hat zu klären, ob die Beschwerden
auf einen Reflux vom Magen in die Speiseröhre zurückzu-
führen sind.
Die Ösophagus-Magen-Röntgenuntersuchung unter
c
Provokationstest in Kopftieflage und unter Bauchpresse
des Patienten macht die Diagnose bezüglich des vorlie-
genden Hernientyps und der Kardiainsuffizienz möglich.
Insbesondere bei der axialen Hiatushernie kann die En-
doskopie klären, welches Stadium der Refluxösophagitis
vorliegt. Die Gewebeprobenentnahme zur Histologie ist
zur Klärung der malignen Entartungstendenz im Barrett-
Ösophagus wichtig. Hier liefert die Endoskopie wertvolle
Zusatzinformationen.
Die pH-Metrie und Manometrie des Ösophagus sind
. Abb. 2.36a–c Klassifikation der Hiatushernien: a axiale, b para- beurteilende Untersuchungen vor der OP-Planung.
ösophageale, c gemischte Hiatushernie. (Nach Siewert 2010) Die operative Versorgung in Form einer Fundoplicatio
erfolgt in der Regel minimal-invasiv über einen laparosko-
pischen Zugang (7 Abschn. 2.15.8).
Das Hauptsymptom ist Sodbrennen mit Verstärkung
in Rückenlage. Komplikationen sind die narbige Schrump-
fung sowohl im Durchmesser als auch in der Längsausdeh- 2.4.5 Ösophaguskarzinom
nung. Daraus folgen die narbige Stenosierung und der sog.
Endobrachyösophagus mit Verschiebung der Ösophagus- Das Karzinom ist die häufigste Erkrankung des Ösophagus
Magenschleimhaut-Grenze in den Ösophagus hinein. und kommt öfter bei Männern als bei Frauen vor. Dieser
Frühkomplikationen sind Blutung und Perforation. Tumor wächst bevorzugt submukös, also zwischen den
Für die Entartung des sog. Barrett-Ösophagus wird der Wandschichten, sodass intraoperativ die Grenzen häufig
gallige Reflux aus dem Duodenum verantwortlich ge- sehr schlecht erkennbar sind.
macht. Die Barrett-Schleimhaut hat Ähnlichkeit mit der Neben geographischen Unterschieden spielen Kanze-
Darmschleimhaut (sog. intestinale Metaplasie). rogene wie Tabak, Teerprodukte und Alkohol für die Ent-
stehung eine wesentliche Rolle. Der Schwerpunkt der The-
Formen rapie liegt in der operativen Behandlung.
Die häufigste Form der Hiatushernie ist die axiale Hiatus- Folgende präoperative Untersuchungen klären die Di-
hernie. Es handelt sich um einen Gleitbruch (7 Abschn. agnose und Operabilität ab:
2.3), der mit einer intrathorakalen Verlagerung der Kardia 4 Gastroskopie mit Biopsie,
einhergeht (Barrett-Syndrom). Ein Krankheitswert ergibt 4 Breischluckröntgenuntersuchung des Ösophagus,
sich erst aus der Kombination mit einer Sphinkterinsuffi- 4 CT-Untersuchung des Thorax, des Oberbauchs und
zienz. ggf. der Halsregion zur Abklärung der lymphogenen
Als weitere Form der Hiatushernie ist die paraöso- Metastasierungswege.
phageale Hernie anzusehen. Bei dieser Hernienform ist die 4 Endosonographie, falls verfügbar, da hier die Infiltra-
Lage der Kardia konstant, der Sphinkter ist in der Regel tionstiefe und die benachbarten Lymphknoten zuver-
nicht beeinflusst. Es wölben sich jedoch Magenanteile lässiger beurteilt werden können als bei der Compu-
neben der Speiseröhre am Zwerchfellschenkel vorbei ins tertomographie.
Mediastinum vor. Im Extremfall kann ein totaler Magen-
volvulus (»upside-down stomach«) mit kompletter Magen- Die operative Behandlung findet heute nur noch in »Zen-
verlagerung in den Thorax auftreten (. Abb. 2.36). tren« statt (Voraussetzung: 10 Eingriffe/Jahr/Klinik).
2.4 · Speiseröhre
63 2
Transmediastinale Ösophagusexstirpation
Die transmediastinale Ösophagusexstirpation erfolgt über
einen abdominalen und ggf. kollaren Zugang. Der abdo-
minothorakale Zugang sollte gewählt werden, wenn eine
stumpfe Dissektion nicht möglich ist, die Anastomose in-
trathorakal angelegt werden soll und eine radikale Lymph-
adenektomie geplant ist (. Abb. 2.37).

kIndikation
Karzinome im mittleren und unteren Abschnitt und Ma-
genkarzinome im Kardiabereich, die auf den Ösophagus
übergreifen.

kPrinzip
Subtotale Entfernung des Ösophagus inklusive der Kardia
und Wiederherstellung der Passage durch Ösophagogas-
trostomie. Eine Ösophago-Ösophagostomie ist in der Re-
gel nicht möglich, da die Anastomose aufgrund der
schlechten Durchblutung der Speiseröhre nicht heilen
würde.

. Abb. 2.37 Transmediastinale Ösophagektomie. (Nach Siewert


kLagerung
2010)
4 Rückenlage, leicht überstreckt, den Kopf nach rechts
gedreht und evtl. ein Polster unter die rechte Schulter
gelegt,
4 Dispersionselektrode am rechten Oberarm. 7 Mit Overholt, Schere und Ligaturen wird der Über-
gang vom Ösophagus zur Kardia freipräpariert
kInstrumentarium und die Speiseröhre mit einem Gummizügel an-
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, geschlungen. Nach kranial wird zunächst so weit
4 Rahmen, wie möglich unter Sicht präpariert. Dazu wird das
4 Rochard-Haken, Zwerchfell ventral inzidiert bzw. die Zwerchfell-
4 Gummizügel, schenkel werden durchtrennt.
4 Duval-Klemmen, 7 Die distale Resektionsgrenze berücksichtigt die
4 bei Bedarf lineare Stapler mit oder ohne Cutter, Prinzipien der Tumorradikalität.
4 lange schmale Spatel für die mediastinale Exploration 7 In der Regel wird die Resektion von der Fundus-
bzw. Dissektion. kuppe bis in die Mitte der kleinen Kurvatur des
Magens mit mehreren Magazinen eines linearen
Staplers unter Ausbildung eines Magenschlauchs
Ösophagusexstirpation durchgeführt (. Abb. 2.38). Die Kardia verbleibt
1. OP-Schritt: dabei am Ösophagusresektat.
7 Bogenförmige quer verlaufende Oberbauchlapa- 7 Beim Kardiakarzinom werden zusätzlich große
rotomie oder lange mediane Oberbauchlaparoto- Anteile des Fundus, zusammen mit der Milz, rese-
mie mit linksseitiger Umschneidung des Nabels. ziert. Das Kardiakarzinom kann auch durch eine
7 Nach der Exploration des Abdomens wird der Hia- Gastrektomie therapiert werden (7 Abschn. 2.5.6).
tus oesophageus freigelegt. 7 Die Ernährung des Magenschlauchs wird durch
7 Die Operation sollte nur ausgeführt werden, wenn die A. gastrica dextra und A. gastroomentalis
der Ösophagus freigelegt werden kann und keine dextra, die bei der Präparation an der kleinen und
Fernmetastasen vorliegen. Nach der Entschei- großen Kurvatur geschont wurden, gewährleistet.
dung zur Operation wird der Rochard-Haken ein- 7 Die Mobilität des Magenschlauchs nach kranial
gesetzt, der eine gute Einsicht in den Bauchraum wird durch die Duodenalmobilisation nach Ko-
bis unter das Zwerchfell ermöglicht. cher (7 Abschn. 2.5.7) erzielt.
6 6
64 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

7 Der mobilisierte Ösophagus wird aus der Hals-


wunde gezogen, danach der Restmagenschlauch
2 nach oben geführt. Der kraniale Ösophagusanteil
wird mit einer weichen Klemme gefasst und das
Resektat abgesetzt.
7 Alternativ werden Ringstripper oder Knopfsonden
eingesetzt. Sie werden nach der Durchtrennung
des Ösophagus im Halsbereich in die Speiseröhre
geschoben, um diese damit nach abdominal zu
ziehen und so zu entfernen.
a

Die hohe intrathorakale Anastomose wird vielfach bevor-


zugt, da bei kollaren Anastomosen oft Stenosen mit Durch-
blutungsstörungen im Anastomosenbereich auftreten
können.
Für die nun folgende Ösophagogastrostomie gibt es
2 Möglichkeiten.

OP-Verlauf: Handnahtanastomose
7 Die Muskulatur des Ösophagus wird mit der Serosa
des Magenfundus anastomosiert. Nach der Lumen-
eröffnung des Magenschlauches folgt eine all-
schichtige Hinterwandnaht als zweite Nahtreihe.
7 Je nach Nahttechnik können bei zweireihiger
Naht die Knoten der ersten Vorderwandnaht
lumenseitig ausgeführt werden. Darüber Anlage
einer fortlaufenden zweiten Nahtreihe. Auch eine
b
einreihige fortlaufende Naht ist möglich. Bei ma-
. Abb. 2.38a, b Speiseröhrenersatz durch Interposition eines
nuellen Anastomosennahttechniken sollten aus
Magenschlauchs. (Nach Siewert 2010) theoretischen Überlegungen doppelte Nahtrei-
hen vermieden werden, da sie zur Durchblutungs-
minderung an der Anastomose führen können.

7 Die Klammernahtreihe am Restmagen kann fort-


laufend mit einer dünnen resorbierbaren Naht
eingestülpt werden Stapleranastomose
7 Über eine kleine Inzision im distalen Anteil des
2. OP-Schritt (kollarer Zugang): Magenschlauchs wird ein zirkulärer Anastomo-
7 Hautschnitt am Hals an der Innenseite des linken senstapler geführt, am Ende des Magenschlauchs
M. sternocleidomastoideus, Durchtrennung von wird mit der Spitze des Zentraldorns perforiert,
Platysma und Halsfaszie. zuvor wird die Gegendruckplatte in den zervi-
7 Die Schilddrüse wird mit Langenbeck-Haken zur kalen Ösophagusstumpf mit einer Tabakbeutel-
Mitte gezogen, der zervikale Ösophagus von der naht eingeknotet.
Trachea abpräpariert und angeschlungen. Dabei 7 Das Klammernahtinstrument wird mit der Gegen-
muss auf den N. recurrens geachtet werden. druckplatte verbunden und nach dem Zusammen-
7 Stumpfes Auslösen der Speiseröhre aus dem Me- drehen wird der Klammermechanismus ausgelöst.
diastinum, sowohl vom zervikalen als auch vom Damit entsteht eine zirkuläre Anastomose. Die bei-
abdominalen Zugang her. den innen liegenden Anastomosenringe müssen
6 6
2.5 · Magen
65 2

auf ihre Vollständigkeit überprüft und danach zur


histologischen Untersuchung eingesendet werden.
Die kleine Inzision im Magenschlauch kann mit
einem linearen Stapler wieder verschlossen werden.
7 Zählen aller Textilien und Instrumente, Dokumen-
tation ihrer Vollzähligkeit. Bei Bedarf wird im
Halsbereich eine Redon-Drainage gelegt, schicht-
weiser Wundverschluss, Verband.

Alternativen
4 Maschinelle intrathorakale Anastomose, anwendbar
beim mittleren und distalen Ösophaguskarzinom. Da-
bei wird nach Anlage einer Tabakbeutelnaht die Ge-
gendruckplatte eines zirkulären Staplers von abdomi- a
nal in den vorbereiteten Ösophagusstumpf eingeführt.
4 Zweihöhleneingriff mit rechtsseitiger Thorakotomie,
nach Umlagerung mit Hand- oder Stapleranastomose.
4 Koloninterponat (. Abb. 2.39).

Auch beim Ösophaguskarzinom werden in spezialsierten


Zentren die Eingriffe minimal-invasiv vorgenommen.

Inoperables Ösophaguskarzinom
Wenn prä- oder intraperativ festgestellt wird, dass ein
Ösophaguskarzinom nicht mehr resezierbar ist, erfolgt die
innere Schienung im Tumorbereich. Hierbei wird durch
Tubuseinlage zumindest eine freie Passage für Flüssig-
keiten und pürierte Speisen erreicht. Dazu werden Tubus-
typen nach Häring, Celestine oder Buess sowie selbstex-
pandierende Stents aus Metallgeflecht verwendet.
Je nach Behandlungskonzept geht eine Bestrahlung des
Tumors voraus, die das Gewebe festigt und damit bei der
Dehnung durch den Tubus die Gefahr einer Schleimhaut-
zerreißung verringert.
Die Platzierung des Tubus bzw. der Stents wird zumeist
endoskopisch vorgenommen (. Abb. 2.40); eine operative b
Tubuseinlage über eine Gastrotomie erfolgt heute nur noch
selten. Nachteil der Endoprothese ist, dass sie verstopfen . Abb. 2.39a, b Speiseröhrenersatz durch Kolon (linke Kolonflexur
oder aus der Stenose rutschen kann. Außerdem kann es zur mit Colon transversum, ggf. mit rechter Kolonflexur, gestielt an der
A. colica sinistra). (Nach Siewert 2010)
Arrosion kommen. Die Buess-Endoprothese ist z. B. daher
so konstruiert, dass sie ohne großen Aufwand gewechselt
werden kann. Sie hat am proximalen Ende eine Schlaufe, 4 Fundus,
die das Fassen und Entfernen erleichtert. 4 Korpus,
4 Antrum.

2.5 Magen Der Mageneingang wird als Kardia, der Magenausgang als
Pylorus bezeichnet, kranial liegt die kleine Kurvatur, kau-
2.5.1 Anatomie dal die große Kurvatur.
Folgende 4 Wandschichten werden von innen nach au-
Der Magen ist ein muskuläres Hohlorgan, das in 3 Ab- ßen unterschieden:
schnitte unterteilt werden kann: Mukosa → Submukosa → Muskularis → Serosa.
66 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Gefäßversorgung
Bis auf das Fundusgebiet ist der Magen reichlich durch-
blutet. Sein Hauptarterienstamm ist der Truncus coelia-
2 cus. Von diesem zweigt die kräftige A. gastrica sinistra
ab, um in der Nähe der Kardia die kleine Kurvatur zu er-
reichen.
Von der A. hepatica communis entspringt die zartere
A. gastrica dextra, die durch Arkaden an der kleinen Kur-
vatur mit der A. gastrica sinistra verbunden ist.
Auch die große Kuvatur wird ähnlich von Gefäßen um-
fasst. Links verläuft die A. gastroomentalis sinistra (sie
entspringt aus der A. splenica), rechts die A. gastroomen-
talis dextra (aus der A. gastroduodenalis).
Die Aa. gastricae breves, die aus der A. gastroomentalis
sinistra bzw. aus der A. splenica entspringen, versorgen
den Fundus und einen Teil des Korpus (. Abb. 2.41).
! Die Blutversorgung der kleinen Kurvatur erfolgt
aus den Aa. gastricae sinistra et dextra, die Blut-
versorgung der großen Kurvatur aus den Aa. gas-
troomentales sinistra et dextra.

Die venöse Drainage erfolgt über die Vv. gastricae sinistra


et dextra und die Vv. gastroomentales sinistra et dextra in
die V. portae.
Der um die Kardia gelegene Venenplexus stellt eine
Verbindung zwischen dem System der Pfortader und dem
der V. cava her.
Die Lymphbahnen sammeln die Lymphe unter der Se-
. Abb. 2.40 Technik der Metallstentimplantation: Distale Freiset-
zung über den Applikator. (Nach Riemann u. Mössner 2004) rosa, hauptsächlich im Bereich der kleinen Kurvatur.

Die verschiedenen Zelltypen der Mukosa produzieren 2.5.2 Allgemeines zur Magenchirurgie
folgende Substanzen:
4 Salzsäure in den Parietal- oder Belegzellen der Kor- Indikationen
pus- und Fundusdrüsen, Es bestehen folgende Behandlungsindikationen:
4 Gastrin in der Antrumschleimhaut, 4 Ausschließlich konservativ: entzündliche Verände-
4 Schleim in den Nebenzellen, v. a. in der Pylorusregion, rungen, dyspeptisch-ulzeröse Störungen.
4 Pepsinogen in den Hauptzellen. 4 Vorwiegend konservativ: Ulkusleiden, unkompli-
zierte Ulkusblutung.
Die täglich produzierte Magensaftmenge beträgt 3.000 ml. 4 Chirurgische Therapie: komplizierte Ulkusblutung,
Dabei werden in den 9 Nachtstunden 60% der täglichen Ulkusperforation, Magenausgangstenose als Spät-
Salzsäuremenge sezerniert. Die Säureproduktion unter- komplikation, Magenkarzinom.
liegt den folgenden Einflüssen:
Vagusreiz → Magenwanddehnung → Gastrinausschüt- Etwa 10% unserer Bevölkerung entwickeln im Laufe ihres
tung → Fettresorption im Duodenum. Lebens gastroduodenale Ulzerationen. Die Ulkuskrank-
Der Magen ist im Bereich der Kardia am Zwerchfell heit verläuft chronisch, schubweise rezidivierend. Bei an-
fixiert, mit der Leber durch das Lig. hepatogastricum, mit steigender Ulkushäufigkeit sinkt die OP-Frequenz dank
der Milz durch das Lig. gastrosplenicum und zum Querko- medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten.
lon über das Lig. gastrocolicum verbunden.
Das Omentum minus (kleines Netz oder auch Lig. he- Operation
patogastricum) nimmt von der kleinen Kurvatur seinen Als Zugangsweg in der Magenchirurgie eignet sich die
Ausgang, das Omentum majus (großes Netz) von der gro- quere Oberbauchlaparotomie, aber auch die mediane
ßen Kurvatur. Oberbauchlaparotomie findet häufig Anwendung.
2.5 · Magen
67 2

. Abb. 2.41 Arterielle Gefäßversorgung des Magens

Klammernahttechniken und manuelle Nahtverfahren 4 Die wichtigste Ursache ist die Keimbesiedelung mit
werden bei Resektionen und Anastomosierungen ange- Helicobacter pylori. Die sog. Eradikationsbehandlung
wendet. dieses Keimes führt zu einer deutlichen Senkung von
In der Ulkuschirurgie werden nichtresezierende und Ulkusrezidiven.
resezierende OP-Verfahren unterschieden.
In der Notfallsituation richtet sich die Auswahl des OP- Komplikationen des gastroduodenalen Ulkus
Blutung
Verfahrens nach hausinternen Schemata und nach der Er-
fahrung des Operateurs. Mit einer Häufigkeit von 20% stellt die Blutung die häufigste
Komplikation dar. Die Endoskopie klärt, ob weiter konser-
Pathophysiologie der Ulkuskrankheit vativ behandelt werden kann. Ziele der Notfallendoskopie:
Die aggressiven Lumenfaktoren überwiegen gegenüber 4 Lokalisation der Blutungsquelle,
4 endoskopische Blutstillung durch Unterspritzung.
den defensiven Phänomenen.
4 Ziele der Kontrollendoskopie:
Aggressive Lumenfaktoren 4 Verlaufsbeurteilung der Ulkusabheilung,
4 Aussage über die Gefahr einer Rezidivblutung,
4 Säure, Pepsin,
4 ggf. durch Probeexzision Klärung der Ulkusdignität.
4 endogen zytotoxische Substanzen
4 Gallensäuren, Lezithin etc.
Kriterien zur OP-Indikation
Defensive Phänomene
4 Die endoskopische Blutstillung gelingt nicht.
4 Durchblutung, 4 Nach schwieriger endoskopischer Blutstillung ist von
4 intakte Schleimhautbarriere (adäquater Schleim, re- der Ulkusgröße her oder bei einem großen Gefäß-
gelrechte Epithelregeneration) und ausreichende Bi- stumpf kurzfristig eine neue Blutung zu erwarten.
karbonatsekretion. 4 Die Kreislaufstabilisierung erfordert in den nächsten
24 h mehr als 4 Blutkonserven (grobe Faustregel).
Zwar gilt »ohne sauren Magensaft kein peptisches Ge- 4 Zusätzlich besteht eine langjährige Ulkusanamnese
schwür«, jedoch bestehen weitere Faktoren, die zur Ulkus- mit mehreren medikamentösen Behandlungsphasen.
entstehung beitragen können.
68 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Die Operation im Blutungsstadium weist eine erhöhte pe- Klinisch anamnestisch besteht neben der langen Ulkus-
rioperative Letalität auf. Daher sollte möglichst nach endo- erkrankung eine Gewichtsabnahme mit zunehmendem
skopischer Blutstillung und nach einer kurzen Stabilisie- Erbrechen angedauter Nahrung. Die Endoskopie, ggf. er-
2 rungsphase die sog. früh-elektive Operation unter dann gänzt durch die Endosonographie, mit Gewebeentnahme
optimalen Bedingungen durchgeführt werden. zur histologischen Untersuchung klärt die Dignität der
Stenose.
Ulkusperforation Es besteht absolute OP-Indikation, jedoch mit aufge-
Die Häufigkeit beträgt 10%. Wie auch die Blutung kann schobener Dringlichkeit.
die Perforation die erste klinische Manifestation des Ulkus-
leidens darstellen. Die freie Perforation tritt klinisch als Konservative Ulkustherapie
»akutes Abdomen« mit den Zeichen der Peritonitis in Er- Die medikamentöse Therapie macht wiederholte endosko-
scheinung. Bei der Untersuchung findet man ein »brett- pische Kontrollen erforderlich. Neben säureblockierenden
hartes Abdomen«. Die Diagnose wird durch die Röntgen- Medikamenten werden mit gutem Erfolg Antibiotika im
untersuchung des Abdomens und des Thorax am stehen- Rahmen einer zeitlich befristeten Eradikationsbehandlung
den Patienten gesichert; hierbei wird freie Luft unter dem eingesetzt.
Zwerchfell nachgewiesen. Beweisend ist freie Luft rechts-
seitig zwischen Zwerchfell und Leber. Ist eine Aufnahme Operative therapeutische Verfahren
des stehenden Patienten nicht möglich, wird die Abdo- Nichtresezierende Verfahren
menaufnahme in Linksseitenlage durchgeführt. (Freie Luft Diese Verfahren wurden besonders in den 60er Jahren an-
findet sich dann zwischen Bauchdecke und Leber.) Nach gewendet, bevor die medikamentöse Therapie des Ulkus-
der Diagnosestellung besteht eine absolute OP-Indika- leidens möglich wurde. Die Bedeutung der Vagotomie für
tion. die Ulkuschirurgie ist abnehmend, deshalb hier nur kurz
erwähnt.
Magenausgangstenose
! Bei allen Vagotomieverfahren gilt, dass eine Py-
Die Häufigkeit beträgt 7–11%. Die narbige Magenaus-
loroplastik erforderlich wird, wenn das Antrum
gangstenose ist als Spätkomplikation chronisch-rezidivie-
denerviert wird oder wenn der Magenausgang
render Ulzera anzusehen. Die bindegewebig-narbige
durch Vernarbungen funktionell stenosiert ist.
Schrumpfung der Entzündungsreaktion um das Ulkus
herum führt am Duodenalrohr zur Lumeneinengung.

2.5.3 Selektive proximale Vagotomie

Vollständige Denervierung des proximalen Magens, also


der Fundus- und Korpusanteile. So kann die antrale Inner-
vation erhalten bleiben (. Abb. 2.42).
Die SPV sollte nach ihren Befürwortern mit einer sog.
Drainageoperation (Pyloroplastik) kombiniert werden, die
aber nicht erforderlich ist, wenn der Pylorus intakt und gut
durchlässig ist.
Der Vorteil liegt in der Erhaltung der normalen Ver-
dauungsfunktionen, des Magenreservoirs und der Duo-
denalpassage.
Von Nachteil ist, dass das Ulkus belassen wird.

Trunkuläre Vagotomie Durchtrennung der Vagushauptstäm-


me am distalen Ösophagus, damit Ausschaltung der extra-
gastralen Äste der Leber, zum Kolon und zum Pankreas.

Selektiv gastrische Vagotomie Die extragastralen Äste


werden isoliert präpariert und geschont. Alle zum Magen
ziehenden Äste werden durchtrennt.
Diese Operationen sind laparoskopisch durchführbar,
. Abb. 2.42 Selektiv proximale Vagotomie. (Nach Siewert 2001) verlieren aber weiter an Bedeutung.
2.5 · Magen
69 2
2.5.4 Pyloroplastik
Alternative nach Weinberg
Das Prinzip der Pyloroplastik beruht darauf, dass mit einer 7 Nach Weinberg wird einreihig genäht, mit einer
Stauchung des Duodenalrohres zwar eine Verkürzung der nach innen versenkten seromuskulären Knopf-
Rohrlänge, aber gleichzeitig eine Lumenerweiterung am nahtreihe.
Rohrquerschnitt erzielt werden kann. 7 Die Anastomose wird maschinell durchgeführt.

Pyloroplastik nach Heinecke-Miculicz


Diese Technik hat in der nichtresezierenden Ulkuschirur-
gie ihren festen Platz. Pyloroplastik nach Finney
Die Pyloroplastik nach Finney schafft eine breitere Verbin-
kIndikation dung zwischen Magen und Duodenum als die Methode
4 Als Folgeeingriff nach einer Vagotomie, um die Öff- nach Heinecke-Miculicz.
nungslähmung des Pylorus zu beseitigen. U-förmige Schnittführung an Duodenum, Pylorus
4 Bei einer Pylorusstenose durch Narbenbulbus. und Magen, zumeist verbunden mit einer Exzision des
4 Bei einem Pylorospasmus. narbigen Ulkus. Diese beiden Abschnitte werden durch
eine Seit-zu- Seit-Anastomose wieder verschlossen.
kPrinzip
Längsinzision des Pylorus und Quervernähung. Resezierende Verfahren
Magenanteile werden entfernt und die Nahrungspassage
kLagerung wird wiederhergestellt. Dies ist mit verschiedenen Anasto-
Rückenlage, leicht überstreckt, Dispersionselektrode an mosenformen möglich.
einem Oberschenkel.
Malignom
kInstrumentarium Bei inoperablen Tumoren, die zu einer Magenausgangste-
Grund- und Laparotomieinstrumentarium, nose führen, kann palliativ ein selbstexpandierender Stent
4 Allis-Klemmen, endoskopisch platziert werden.
4 bei Bedarf Rochard-Haken,
4 evtl. linearer Verschlussstapler.
2.5.5 Magenresektion
Pyloroplastik
Die Resektionsverfahren basieren auf den von Theodor
7 Obere quer verlaufende oder mediane Laparoto-
Billroth entwickelten OP-Methoden. Es werden in der Ul-
mie, Exploration, Leberhaken und/oder Rahmen
kuschirurgie unterschiedliche Resektionsausmaße unter-
einsetzen. Um den Pylorus übersichtlich darzustel-
schieden:
len, sollte das Duodenum nach Kocher aus dem
4 Wird nur das Antrum reseziert, sollte eine Kombina-
Retroperitoneum ausgelöst werden (Kocher-Ma-
tion mit der SPV erfolgen.
növer, 7 Abschn. 2.5.7).
4 Bei der »klassischen« Zweidrittelresektion des Ma-
7 Legen von Haltefäden beidseits des Pylorus. Längs-
inzision des Pylorus streng in der Vorderwandmitte
gens sollen neben der Antrumentfernung auch die
auf ca. 8–10 cm. Hierbei verläuft ein Teil des Schnittes
säurebildenden Zellen durch Verkleinerung des Ma-
ins Antrum, der andere Teil zum Duodenum. genkorpus reduziert werden.
7 Die Mukosa wird mit dem Elektrokauter durchtrennt.
7 Der in die Schnittlinie fallende hypertrophische Dieses resezierende Vorgehen wird dann erforderlich,
Teil des Pylorus oder das Vorderwandulkus wird re- wenn eine einfache Übernähung bzw. Umstechung bei Ul-
seziert. kusperforation/-blutung nicht möglich ist. Außerdem wird
7 Mit den in der Pyloruslinie angelegten Haltenähten es bei der Magenausgangstenose, häufig bei der endosko-
wird die Wunde so auseinander gezogen, dass sie pisch/konservativ nicht beherrschbaren Ulkusblutung und
eine zur Magenlängsachse quer liegende Wunde in den Fällen einer Ulkusperforation angewendet, bei de-
formt. Diese Wunde wird in der Originalschrift nach nen wegen Ulkusgröße oder entzündlicher Begleitreaktion
Heinecke zweireihig, durch eine innere Mukosa- eine Übernähung nicht möglich ist.
naht und eine äußere Serosanaht, vernäht. Schicht-
weiser Wundverschluss, Verband.
70 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt,
4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
2
kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 weiche Darmklemmen,
4 90° abgewinkelte Klemmen,
4 Rahmen,
4 Rochard-Haken,
4 im Ausnahmefall Magenklemmen (z. B. Moynihan,
Billroth),
4 langes, lineares Klammernahtinstrument, Einzelclip-
stapler,
4 LigaSure, ein Instrument, das durch den thermischen
Effekt Gefäße versiegelt, indem das Kollagen der Ge-
fäßwände verschmolzen wird (. Abb. 2.44).
4 Alternativ Ultraschalldissektionsinstrumente oder bi-
polare Schere.
. Abb. 2.43 Schematische Darstellung des Resektionsausmaßes ei-
ner Billroth-I-Operation. (Nach Siewert 2001)
Magenresektion
7 Quer verlaufende oder mediane Oberbauchlapa-
rotomie mit ggf. linksseitiger Umschneidung des
Nabels. Nach der Revision des Abdomens mit aus-
gedehnter Exploration werden Leberhaken, der
passende Rochard-Haken und bei Bedarf ein Rah-
men eingesetzt.
7 Die Magenteilresektion beginnt mit der magen-
nahen Skelettierung der großen Kurvatur unter
Erhalt der gastroomentalen Gefäße.
7 Der OP-Assistent übt unter Anspannung des
Lig. gastrocolicum Zug am Colon transversum aus.
Mit seiner Durchtrennung ist die Bursa omentalis
eröffnet; die Skelettierung wird nach proximal
bis zu den kurzen Magenarterien fortgesetzt, ent-
weder mit Rinne und Deschamps, mit Overholt-
Klemmen und Ligaturen oder mit einem Einzel-
clipstapler.
. Abb. 2.44 LigaSure-Gerät mit möglichen Instrumenten. 7 Verklebungen der Magenhinterwand mit dem
(Fa. Covidien)
Pankreas werden stumpf oder scharf gelöst.
Am Pylorus wird direkt an der Magenwand prä-
kIndikation pariert, um die A. gastroomentalis dextra zur
4 Ulcus ventriculi, Durchblutung des großen Netzes erhalten zu
4 selten Ulcus duodeni, können. Äste der A. gastroomentalis dextra wer-
4 jedoch bei komplizierter Blutung, den ligiert.
4 bei komplizierter Ulkusperforation, 7 Zur Skelettierung der kleinen Kurvatur wird in das
4 bei Magenausgangsstenose. kleine Netz eingegangen. Zum Duodenum hin
wird die A. gastrica dextra, zur Kardia hin die
kPrinzip A. gastrica sinistra unter einer doppelten Ligatur
Klassische Methode: Zweidrittelresektion des Magens, ein- abgesetzt. Circa 5 cm unterhalb der Kardia wird
schließlich des Pylorus (. Abb. 2.43) mit anschließender 6
Wiederherstellung der Nahrungspassage.
2.5 · Magen
71 2

die Skelettierung vorläufig beendet und somit die


Resektionslinie festgelegt.
7 Nach dem Absaugen und dem Zurückziehen der
Magensonde kann der Magen kranial abgesetzt
werden.
7 Er wird in der Regel mit dem linearen Verschluss-
stapler geklammert. Ebenso kann zwischen
2 Klemmen durchtrennt werden; dabei muss
am verbleibenden Magenteil eine weiche Klemme
zum Einsatz kommen. Der Restmagen wird
mit einer fortlaufenden Naht bis zur Anastomosen-
linie verschlossen. Nach dem Einsatz eines
Staplers wird der Magen abgesetzt, die doppelte
Klammernahtreihe kann serosiert werden.
7 Die Skelettierung wird über den Pylorus hinaus
vervollständigt. Zur übersichtlichen Präparation
kann der distale Magenanteil heruntergeschlagen
werden.
7 Die Absetzung des Duodenums erfolgt offen oder
a
zwischen 2 Klemmen (z. B. 90° abgewinkelte oder
weiche Darmklemmen).
7 Sie kann auch mit einem linearen Stapler erfolgen.
Bei Präparation bis dicht an das Lig. hepatoduode-
nale heran sollte offen abgesetzt werden, da dann
palpatorisch der Abstand der Papille zum Resek-
tionsrand ausgemacht werden kann.

Anastomose nach Billroth I


Diese Anastomosenform stellt die Duodenalpassage wie-
der her (. Abb. 2.45). Die Anastomosennähte können
grundsätzlich ein- oder zweireihig fortlaufend oder in Ein-
zelkopftechnik ausgeführt werden.

Billroth I
7 Nach der Resektion wird der Restmagen an den
Duodenalstumpf angenähert. Dieses sollte span-
nungsfrei möglich sein, in der Regel muss zuerst b
das Duodenum nach Kocher mobilisiert werden
(7 Abschn. 2.5.7). Ein 6–7 cm langer Streckenge-
. Abb. 2.45a, b Magenresektion mit Rekonstruktion nach Billroth I.
winn ist durch das Kocher-Manöver möglich. a Zustand nach Magenresektion und Verkleinerung des Magenquer-
Komplett ausgeführt lässt sich anschließend der schnitts, b abschließende Situtation nach Gastroduodenostomie.
Pankreaskopf dorsal umfassen, und der Einblick (Nach Siewert 2001)
auf die V. cava ist möglich.
7 Bei Staplerverschluss des Magenstumpfes und
des Duodenums müssen die Klammernahtreihen 7 Der Magenrest und das Duodenum werden mit je
am Duodenalstumpf und an der großen Kurvatur einer weichen Klemme gefasst oder mit Haltefäden
des Restmagens auf Anastomosenweite entfernt einander genähert, damit zunächst die seromusku-
werden. läre Hinterwandnaht ausgeführt werden kann.
6 6
72 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

kLagerung
7 Die beiden Eckfäden bleiben lang und dienen als Siehe Magenresektion.
Haltenähte. Die Vorderwandnaht wird wieder fort-
2 laufend oder in Einzelknopftechnik ausgeführt. kInstrumentarium
Am Schwachpunkt der Billroth-I-Anastomosen- Siehe Magenresektion und zusätzlich ein linearer Anasto-
technik, der sog. »Jammerecke«, treffen die Anas- mosenstapler.
tomosennähte mit der Nahtreihe des Magen-
stumpfverschlusses zusammen. Zur Sicherung
Billroth II
wird eine zusätzliche U-Naht gelegt.
7 Nach der Staplerresektion wird häufig erst die 7 Der OP-Zugang, die Skelettierung und die Magen-
Hinterwandnaht seromuskulär genäht, dann teilresektion erfolgen in der gleichen Weise wie bei
werden die Klammern exzidiert. Anschließend der Billroth-I-Resektion beschrieben. Nach der Ske-
wird eine zweite lumenseitige Nahtreihe ausge- lettierung über das Duodenum hinaus werden 2
führt und die Anastomose mit der Vorderwand- Haltefäden an den Übergang zwischen Magen und
naht beendet. Duodenum gelegt und angeklemmt. Danach kann
7 Vor dem Verschluss der OP-Wunde kann eine das Duodenum mit einer 90° gewinkelten Klemme
Zieldrainage gelegt werden, v. a. nach intensiver abgeklemmt und das Resektat abgesetzt werden.
Präparation in der Pankreaskopfregion. 7 Der Blindverschluss des Duodenalstumpfes er-
7 Blutstillung, Kontrolle der Textilien und der Instru- folgt meist durch eine doppelte Tabakbeutelnaht.
mente, Dokumentation der Vollzähligkeit, schicht- Bei der Anwendung von Staplern kann das Duo-
weiser Wundverschluss, Verband. denum mit einem linearen Anastomosenstapler
geklammert und durchtrennt werden. Danach
sollte der Stumpf zusätzlich übernäht werden, um
Magenresektion und Anastomose einer Nahtinsuffizienz sicher vorzubeugen. Die
nach Billroth II Duodenalstumpfinsuffizienz ist mit einer Letalität
Bei dieser Anastomosenform wird die Duodenalpassage von 50% belastet. Je nach Ulkus- oder Narbenlo-
ausgeschaltet, der Duodenalstumpf muss also verschlossen kalisation kann der Duodenalstumpfverschluss
werden. technisch schwierig sein.
Zahlreiche Modifikationen sind bekannt. Die zur Anas- 7 Die Magen-Darm-Passage wird mit einer 60– 80 cm
tomose benötigte Jejunumschlinge kann sowohl ante- langen Jejunumschlinge, ca. 40 cm hinter dem
als auch retrokolisch hochgezogen werden; dies hängt u. a. Treitz-Band, hergestellt. Am angehobenen und im
von der Mobilität der Jejunumschlinge und der Beschaffen- Gegenlicht ausgespannten Mesocolon transver-
heit des Mesocolon transversum und des großen Netzes sum wird ein gefäßfreier Abschnitt gesucht und
ab. mit Overholt-Dissektion und Ligaturen, oder
Die Gastroenterostomie nach Y-Roux ist heute eben- maschinell, eine 6–8 cm lange Öffnung gebildet,
falls weit verbreitet (s. unten). Obwohl die maschinellen durch die die Jejunumschlinge spannungsfrei bis
Techniken sich immer mehr durchsetzen, wird im Fol- an den Magen ante- oder retrokolisch hochgezo-
genden auch die Handnaht angesprochen. gen werden kann (antekolisch; . Abb. 2.47).
7 Der Nahtverschluss des Mesokolonschlitzes ist obli-
kIndikation gat, variabel ist der Zeitpunkt. Manche Chirurgen
4 Verwachsungen des Duodenums, die erhebliche ziehen es vor, diesen Schritt erst am Ende der Ope-
technische Schwierigkeiten bei der Mobilisation ver- ration zu machen. Am Scheitelpunkt der Jejunum-
ursachen (z. B. Perforation mit Peritonitis), sodass schlinge wird eine Seit-zu-Seit-Anastomose mit
eine spannungsfreie Billroth-I-Anastomose nicht dem Magenrest hergestellt, die eine Lumenweite
möglich ist; von ca. 6 cm aufweist. Dazu wird das Jejunum an
4 subtotale Resektion in der Karzinomchirurgie. die Magenhinterwand gelegt und oral der Klam-
merreihe am Magenrest mit Ecknähten fixiert, die
kPrinzip als Haltefäden dienen.
Zweidrittelresektion des Magens mit Duodenalblindver- 7 Der Magen und die Jejunumschlinge werden mit
schluss und anschließender Gastrojejunostomie mit dem Elektrokauter eröffnet, das Lumen abgesaugt
Braun-Fußpunktanastomose (. Abb. 2.46, . Abb. 2.47). oder trockengetupft.
Dabei kann die Jejunalschlinge sowohl antekolisch als auch 6
retrokolisch (wie beschrieben) hochgezogen werden.
2.5 · Magen
73 2

7 Nach der Naht der Anastomosenhinterwand werden


die Mukosa- und die Serosavorderwand vernäht.
7 Alternativ sind ein- oder zweireihige sowie Einzel-
knopf- oder fortlaufende Nahttechniken üblich.
7 Eine Braun-Fußpunktanastomose unterhalb des
Mesokolonschlitzes soll einen jejunogastrischen
Reflux verhindern. Zu- und abführender Jejunum-
schenkel werden über ca. 4–8 cm Länge eröffnet
und Seit-zu-Seit anastomosiert. Diese Naht wird
ein- oder zweireihig ausgeführt.
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und der Ins-
trumente sowie der Dokumentation der Vollstän-
digkeit beenden der schichtweise Wundver-
schluss und der Verband die Operation.

Alternative Stapleranastomose
7 Stapleranastomose mit linearem Stapler oder line-
arem Anastomosenklammernahtinstrument zur Er-
stellung einer Seit-zu-Seit-Anastomose: beide anein-
ander gelegten Jejunumschenkel werden mit je einer . Abb. 2.46 Schematische Darstellung des Resektionsausmaßes
kleinen Stichinzision versehen, nachdem die Anasto- und der antekolischen Schlingenführung einer Magenresektion
nach Billroth II. (Nach Siewert 2006)
mosenlänge mit 2 Haltefäden markiert wurde.
7 Zur Herstellung der Braun-Anastomose werden
beide Branchen des linearen Anastomosenstap-
lers in die Öffnungen eingeführt, miteinander ver-
bunden und das Instrument ausgelöst.
7 Nach Kontrolle der Anastomosenlinien auf Blut-
trockenheit können die Inzisionsöffnungen
schnell mit einem linearen Klammernahtinstru-
ment verschlossen werden.

Billroth II und Gastroenterostomie


nach Y-Roux
Diese Anastomosenform wird zumeist gewählt, wenn eine
spannungsfreie Anastomose nach Billroth I technisch
nicht möglich ist. Der gallige Reflux wird sicherer verhin-
dert als bei der klassischen Billroth-II-Magenresektion.
Daher wird die Y-Roux-Technik oft bevorzugt.
Wie beim klassischen Billroth II wird der Magen abge-
setzt und das Duodenum blind verschlossen. Die gastroin-
testinale Passage wird wiederhergestellt, indem eine aus-
reichend mobile, obere Jejunumschlinge aufgesucht und
etwa am Scheitelpunkt durchtrennt wird. Der abführende
aborale Teil dieser Schlinge wird an den Magenstumpf
hochgezogen und dort End-zu-Seit-anastomosiert.
Etwa 40 cm unterhalb der Gastrojejunostomie wird der
zuführende orale Jejunumschenkel End-zu-Seit mit dem
abführenden aboralen Jejunumschenkel verbunden. Dies . Abb. 2.47 Abschließende Situation nach antekolischer Gastroje-
kann entweder mit Handnaht (Jejuno-Jejunostomie nach junostomie mit Braun-Fußpunktanastomose. (Nach Siewert 2006)
74 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

4 Leistungsknick, Abgeschlagenheit (Anämie),


4 Teerstühle,
4 Dysphagie bei kardianaher Lokalisation,
2 4 Magenentleerungsstörung bei präpylorischer Lokali-
sation.

Diagnose
Die Diagnose muss durch Gastroskopie mit u. U. mehr-
facher Biopsieentnahme gesichert werden. Bei einer sub-
mukösen zirrhösen Ausbreitung kann die Biopsie mehrfach
negativ sein. Röntgenologisch lässt sich bei der Kontrast-
mitteluntersuchung eine Wandstarre darstellen. Die Abdo-
mensonographie dient dem Ausschluss bzw. Nachweis von
(Leber)metastasen. Der Vorhersagewert der CT-Untersu-
chung beschränkt sich auf den Nachweis von Kriterien der
a b Inoperabilität (Metastasen und Tumorinfiltration).
Die Endosonographie bietet als neue Technik zusätz-
. Abb. 2.48 a Distale Magenresektion mit Y-Roux-Anastomose, liche Beurteilungsmöglichkeiten.
b distale Magenresektion und Rekonstruktion in Y-Roux-Technik.
(Nach Siewert 2006)
Lokalisation
Das Magenkarzinom entsteht bevorzugt im Antrum, in
Y-Roux; . Abb. 2.48) oder in Staplertechnik erfolgen der kleinen Kurvatur oder im Fundus-Kardia-Bereich. In
(s. oben). 10% der Fälle wächst das Karzinom multizentrisch.
Bei der alleinigen Gastroenterostomie (GE) nach Y-
Roux (Indikation: nicht resezierbare Magenausgangsteno- Operative Therapie
se) wird ohne vorherige Magenteilresektion die dargestell-
! Als Grundsatz gilt, dass jedes Magenkarzinom,
te Jejunumableitung angelegt.
das mit kurativem Ansatz operiert werden soll,
Auch in der Magenchirurgie sind viele Eingriffe lapa-
radikal operiert wird.
roskopisch durchführbar (7 Abschn. 2.15.8).
Das bedeutet, dass die Gastrektomie mit Entfernung des
großen und des kleinen Netzes durchgeführt wird. Ob die
2.5.6 Operation des Magenkarzinoms ausgedehnte Lymphadenektomie eine Prognoseverbesse-
rung bezüglich Rezidivfreiheit und Überlebenszeit mit
Für die Entstehung des Magenkarzinoms werden ursäch- sich bringt, ist noch nicht nachgewiesen. Die Milzentfer-
lich im Rahmen der Nahrungsaufnahme entstehende Kar- nung ist nur dann indiziert, wenn durch die Karzinomlo-
zinogene verantwortlich gemacht. kalisation im oberen Magenkorpus/-fundus ein Lymph-
Die Häufigkeit des Magenkarzinoms nimmt insgesamt knotenbefall am Milzhilus wahrscheinlich wird. Bei Nach-
ab. Bei einem Überwiegen der Männer in der Geschlech- weis eines lokal fortgeschrittenen Tumors ist eine Progno-
terverteilung liegt der Häufigkeitsgipfel bei Männern im 6., severbesserung durch eine präoperative neoadjuvante
bei Frauen im 5. Lebensjahrzehnt. Nur etwa ein Drittel der Chemotherapie möglich.
Patienten mit Magenkarzinom, die in chirurgische Be- An die Magenentfernung schließt sich die Herstellung
handlung kommen, können nach intraoperativem und einer Anastomose zwischen Ösophagus und Jejunum an
histologischem Befund kurativ radikal operiert werden. (. Abb. 2.49 und . Abb. 2.50).
Hauptgrund sind nur unspezifische Symptome, die
den Patienten oft zu spät zum Arzt führen. Gastrektomie
kIndikation
Symptome 4 Kardia- und Funduskarzinom,
Folgende »Leitsymptome« können jedoch erste Hinweise 4 andere Magenmalignome,
liefern: 4 jedes Magenkarzinom, das in kurativer Hinsicht radi-
4 diffuse Oberbauchschmerzen mit gelegentlich dump- kal operiert werden soll.
fen Dauerschmerzen, 4 Auch mit palliativer Zielsetzung kann eine Gastrekto-
4 fehlende Regelhaftigkeit der Schmerzen, Druck- und mie durchgeführt werden.
Völlegefühl,
2.5 · Magen
75 2
kPrinzip
Resektion des gesamten Magens, häufig en bloc mit Milz,
großem und kleinem Netz mit Lymphknotendissektion,
Vorbereitung einer ösophagointestinalen Anastomose.

kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt,
4 Dispersionselektrode an einem Oberschenkel.

kInstrumentarium
Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 bipolare Schere,
4 weiche und harte Darmklemmen,
4 ggf. 90° abgewinkelte Klemmen,
4 Duval-Klemmen, Allis-Klemmen,
4 Rahmen,
4 Rochard-Haken,
4 Gummizügel, a
4 lineare Stapler und/oder lineare Anastomosenstapler,
4 ein zirkuläres Anastomosenklammernahtinstrument,
4 LigaSure (. Abb. 2.44),
4 alternativ: Ultraschalldissektionsinstrumente.

Gastrektomie
7 Quer verlaufende, bogenförmige Oberbauchlapa-
rotomie oder obere mediane Laparotomie.
7 Über eine ausgedehnte Exploration des Abdomens
werden die Tumorausdehnung und damit die Ope-
rabilität geprüft. Die Austastung dient gleichzeitig
der Suche nach verdächtigen Lymphknoten, die,
soweit erreichbar, entfernt und zur histologischen
Schnellschnittuntersuchung gegeben werden. Bei
einem metastasierenden Karzinom muss entschie-
den werden, ob eine palliative Gastrektomie mit
vertretbarem Risiko durchgeführt werden kann.
7 Nach der Entscheidung zur Gastrektomie wird das
große Netz mit Schere, Overholt und Ligaturen
oder mit dem Elektrokauter, alternativ maschinell
mit Einzelclipstapler oder bipolarer Schere, Li-
gaSure oder Ultraschalldissektion, vom Colon
transversum abpräpariert.
7 Danach kann der Magen hochgeschlagen und
evtl. vorhandene Verwachsungen können an der
Hinterwand gelöst werden. Das Duodenum wird
ggf. nach Kocher (7 Abschn. 2.5.7) mobilisiert. Er-
b
öffnung der Bursa omentalis an der kleinen Kurva-
tur, die Skelettierung erfolgt duodenalwärts, die . Abb. 2.49a, b Standardrekonstruktion nach Gastrektomie.
A. gastrica dextra wird ligiert und abgesetzt. a Transmediastinal erweiterte totale Gastrektomie, b totale abdo-
7 Am Magenausgang wird an der großen Kurvatur minale Gastrektomie (Ösophagojejunoplicatio mit Pouch) (Öso-
die A. gastroomentalis dextra ligiert und abgesetzt. phagojejunostomie nach Y-Roux; nach Siewert 2006)

6
76 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

gelegt (. Abb. 2.49). Bei Handanastomosierung


wird das Präparat zwischen Klemmen abgesetzt.
2 7 Die Speiseröhre wird mobiler, wenn der vordere
und der hintere Vagusast koaguliert und durch-
trennt werden.
7 Nach der Resektion ist die Dissektion der regio-
nären Lymphknoten, insbesondere am Truncus
coeliacus, im Hiatus beidseits des Ösophagus, am
Pankreasoberrand und im Lig. hepatoduodenale
leichter zu handhaben als vor der Resektion.
7 Die Rekonstruktion der Speisepassage ist auf vie-
len Wegen zu erreichen. Als häufigste und ein-
fachste Rekonstruktion wird die Ersatzmagenbil-
dung nach Y-Roux dargestellt.

Ersatzmagenbildung durch
Ösophagojejunostomie (nach Y-Roux)
Diese OP-Methode wird auch als »Krückstockanastomo-
se« bezeichnet (. Abb. 2.50).
. Abb. 2.50 Magenersatz mittels Ösophagojejunostomie. (Nach
Hansis 2000)
OP-Verlauf: Ersatzmagenbildung
7 Die Rekonstruktion beginnt mit dem Aufsuchen
einer geeigneten mobilen Jejunumschlinge ca.
7 Nach der zirkulären Präparation des Pylorus inklu- 40 cm hinter dem Treitz-Band. Diese Schlinge wird
sive 2–3 cm des Duodenums kann Letzteres abge- so skelettiert, dass sie spannungsfrei, zumeist re-
setzt werden, entweder zwischen 2 Klemmen trokolisch, an den Ösophagus geführt werden
oder mit einem linearen Klammernahtinstrument. kann. Zwischen 2 Klemmen oder mit einem line-
7 Das Absetzen mit einem Stapler zum Duodenal- aren Cutter wird die Schlinge durchtrennt.
stumpfverschluss wird bevorzugt bei vorgese- 7 Die Anastomosierung mit dem Ösophagus sollte
hener Rekonstruktion nach Y-Roux angewandt. End-zu-Seit mit Einzelknopfnähten oder besser
Die Klammernahtreihe am Duodenum sollte über- mit einem zirkulären Klammernahtinstrument er-
näht werden. folgen.
7 Die Präparation und Mobilisation des Fundus 7 In den Ösophagus wird nach Abnehmen der Ta-
führt zum Lig. gastrosplenicum, das bei vorgese- bakbeutelklemme die Andruckplatte des zirku-
hener Milzerhaltung zwischen 2 Klemmen durch- lären Staplers in die Speiseröhre eingeführt.
trennt und ligiert, ggf. umstochen wird, oder mit 7 Eine spezielle Fasszange (. Abb. 2.20) erleichtert
dem LigaSure-Gerät versorgt wird (. Abb. 2.44). das Einführmanöver. Die Tabakbeutelnaht wird
7 Der Magen wird nach kranial über den distalen angezogen und am Dorn geknüpft.
Ösophagus hinaus freipräpariert, die A. und V. ga- 7 Der Stapler wird in das offene Darmende einge-
strica sinistra möglichst nahe am Truncus coelia- führt; seitlich gegenüber dem Mesenterialansatz
cus abgesetzt. wird mit der Trokarspitze des Zentraldornes punk-
7 Nach Anzügeln des Ösophagus und Unterfahren mit tuell die Jejunalwand perforiert.
einem Overholt wird der Magen über die liegende 7 Durch die Konnektierung der Andruckplatte mit
Magensonde noch einmal abgesaugt und die Sonde dem Zentraldorn des Klammernahtgerätes und
zurückgezogen. Bei vorgesehener Stapleranastomo- die Auslösung des Klammermechanismus nach
se wird am terminalen Ösophagus eine Tabakbeu- dem Zusammendrehen wird die End-zu-Seit-
telklemme angelegt und die dazugehörende Naht Anastomose hergestellt.
6 6
2.5 · Magen
77 2
Reservoirbildung
7 Nach Entfernung des Nahtinstruments kann der Neben der technisch einfachen »Krückstockanastomose«
offene Jejunumschenkel mit einem linearen werden eine Reihe weiterer Rekonstruktionsverfahren
Stapler verschlossen werden. Die Dichtigkeit der nach Gastrektomie, z. T. mit Reservoirbildung (z. B. nach
Anastomose wird folgendermaßen geprüft: Longmire), angegeben. Bezüglich weiterer Einzelheiten
– Die Geweberinge im Stapler werden auf ihre wird auf OP-Lehren verwiesen.
Vollständigkeit kontrolliert 4 Subtotale Magenresektion (Dreiviertel- bzw. Vierfünf-
– Eine gefärbte Lösung (z. B. PVP) wird vom An- telresektion):
ästhesisten in die bereits liegende Magenson- Dieses OP-Verfahren ist bei kurativem Ansatz nur
de gegeben. selten indiziert (z. B. kleines Antrumkarzinom vom
7 Anastomosen können ggf. mit einer Jejunoplica- intestinalen Typ ohne Lymphknotenbefall, Berück-
tio gedeckt werden, d. h. der überstehende Jejun- sichtigung der allgemeinen OP-Risiken).
umteil wird wie eine Manschette um die Anasto- 4 Palliative Operationen:
mose gelegt und mit wenigen Nähten fixiert. Das operative Vorgehen richtet sich nach der lokalen
7 Die End-zu-Seit-Anastomose der zuführenden Je- Operabilität, nach tumorbedingten Komplikationen
junumschlinge an die abführende Schlinge unter- (Blutung, Stenosierung, Perforation) und nach dem
halb der Mesokolonlücke wird in der Y-Roux-Tech- Allgemeinzustand des Patienten. Neben der Gastrek-
nik vorgenommen. tomie kommen Magenteilresektionen, die Anlage ei-
7 Sowohl Handnaht als auch Staplertechnik als Seit- ner GE und in seltenen Fällen eine chirurgische oder
zu-Seit-Anastomose sind möglich. Die Stapler- endoskopische Tubuseinlage in Frage.
technik wird im Folgenden beschrieben.
! Das sog. Magenstumpfkarzinom in einem Restma-
gen wird ebenfalls durch Gastrektomie behandelt.

Staplertechnik
7 Eine Branche des linearen Anastomosenstaplers 2.5.7 Kocher-Manöver
wird über eine Zusatzinzision in den abführenden
Jejunumschenkel eingeführt, die 2. Branche kIndikation
kommt in dem offenen Teil des zuführenden Jejun- Duodenalmobilisierung von rechts bei Magenteilresekti-
umschenkels zu liegen. Beide Teile werden anein- onen, Gastrektomien, Pyloroplastiken und Pankreasope-
ander gelegt, konnektiert, und der Klammervor- rationen.
gang wird ausgelöst.
7 Nach der Fertigstellung wird die nun gemeinsame kPrinzip
Inzisionsöffnung mit einem linearen Stapler ver- Das rechtsseitig retroperitoneal fixierte Duodenum lässt
schlossen. sich mit dem Pankreas nach lateraler Durchtrennung der
7 Bei retrokolischem Jejunumhochzug wird die Me- Umschlagfalte zum parietalen Peritoneum stumpf von
sokolonlücke verschlossen, ggf. werden Draina- dorsal aus dem Retroperitonealraum herauslösen. Da-
gen in die Milzloge und subhepatisch gelegt. durch wird das Duodenum beweglicher; ein Streckenge-
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und des Ins- winn von 6–7 cm wird erreicht.
trumentariums sowie der Dokumentation der
Vollzähligkeit erfolgen der schichtweise Wundver-
schluss und Verband. Duodenalmobilisation nach Kocher
7 Die Leber wird nach oben, das Colon transversum
nach unten gehalten (. Abb. 2.51a). Das Peritone-
Alternativen um wird lateral bogenförmig im Verlauf des Duode-
Bei Vorliegen eines Kardiakarzinoms eignet sich die Gas- nums inzidiert. Mit dem Finger lässt sich dann eine
trektomie in der Regel bezüglich der Lebensqualität besser dünne gefäßfreie Gewebsschicht aufladen, die das
als die Kardiafundusresektion. Bei letzterem Verfahren Duodenum mit dem Retroperitoneum verbindet.
bleibt zwar Restmagen erhalten, aber häufig leiden die Pa- 7 Teils scharf mit der Schere, teils stumpf wird diese
tienten postoperativ an den Folgen des Magensaftrefluxes Schicht durchtrennt, bis die V. cava sichtbar wird
in den Ösophagus, zumal die Pylorusfunktion im Sinne und der Pankreaskopf unterfahren werden kann
einer Engstellung (bei trunkulärer Vagotomie) gestört sein (. Abb. 2.51b).
kann.
78 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

a b

. Abb. 2.51a, b OP-Schritte des Kocher-Manövers zur Duodenal- trennt, bis die V. cava sichtbar wird und der Pankreaskopf unterfah-
mobilisierung. a Die Leber wird nach oben, das Colon transversum ren werden kann
nach unten gehalten. b Die gefäßfreie Gewebsschicht wird durch-

2.6 Milz therapiert, weil Erkenntnisse über die Funktion und die
Folgen des Verlustes der Milz ihre physiologische Bedeu-
2.6.1 Anatomie tung belegen.
Als folgenschwere Komplikation des Milzverlustes gilt
Die Milz (Lien, Splen) liegt im linken Oberbauch vollstän- das sog. OPSI-Syndrom (»overwhelming postsplenectomy
dig intraperitoneal, ist relativ klein und wiegt ca. 150 g. infection syndrome«), Postsplenektomiesyndrom; Gesamt-
Vom Hilus ausgehend zieht eine Bauchfellduplikatur, inzidenz von 4–8%, Letalität von ca. 50%).
das Lig. gastrosplenicum, zum Magen. Es enthält die Vasa 4 Elektiv:
gastrica brevia der großen Kurvatur des Magens. Das 5 Bei hämatologisch-onkologischen Erkrankungen.
Lig. phrenicosplenicum hält die Milz in ihrer Lage durch 5 In einem Abstand von 3–4 Wochen vor der Opera-
Fixation an der dorsalen Bauchwand. Das Lig. pancreati- tion kann eine Impfung mit polyvalenten Pneumo-
cosplenicum führt die A. und V. splenica aus dem Retro- kokkenvakzinen vorausgehen. (Diese Impfung wird
peritonealraum vom Pankreasschwanz zum Milzhilus. kontrovers diskutiert.)
Die Milz ist von einer Kapsel und Serosa (Peritoneum) 5 Bei sog. Riesenmilzen kann der intraoperative
umhüllt. Alle Gefäße treten aus dem Hilus aus. Die Milz- Blutverlust durch vorherige angiographische Milz-
oberfläche ist gefäßfrei. arterienembolisation vermindert werden. Eine
perioperative Antibiotikaprophylaxe wird em-
pfohlen.
2.6.2 Splenektomie 4 Notfallmäßig:
5 Bei stumpfem Bauchtrauma mit Milzzerreißung.
kIndikation 5 Die Notfallindikation zur Splenektomie liegt dann
Die Indikation zur Splenektomie wird heute sehr differen- vor, wenn ein milzerhaltendes Vorgehen technisch
ziert gestellt. Wann immer möglich wird organerhaltend nicht möglich ist oder ein zeitlicher Verzug hin-
2.6 · Milz
79 2
sichtlich lebensbedrohlicher Begleitverletzungen
nicht toleriert werden kann. Schonung des Pankreasschwanzes präpariert,
4 Diagnostisch: hilusnah mit Hilfe der Overholt-Klemmen ab-
5 Zum Beispiel bei M. Hodgkin, bei der Gastrektomie geklemmt, doppelt ligiert und durchtrennt. Das
wegen Magenkarzinom, bei Metastasen im Lig. gas- Präparat entfällt.
trosplenicum. 7 Eine sorgfältige Blutstillung u. a. mit warmen
Tüchern ist erforderlich.
kPrinzip 7 Das Legen einer Drainage in die Milzloge wird
Frühzeitige Ligatur und Durchtrennung der Milzgefäßver- unterschiedlich diskutiert. Bei Verletzungen des
sorgung und Totalexstirpation des Organs. Pankreasschwanzes bzw. dessen Gefäßversorgung
ist die Einlage einer Spüldrainage anzuraten.
kLagerung 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instru-
4 Bei Zusatzverletzung: Rückenlage. mente sowie der Dokumentation der Vollzählig-
4 Bei gezielter Splenektomie: Rückenlage, leicht aufge- keit schichtweiser Wundverschluss und Verband.
klappt (Gallenlagerung), neutrale Elektrode am lin-
ken Oberschenkel.
Die Entwicklung laparoskopischer OP-Techniken schließt
kInstrumentarium die Splenektomie ein (7 Abschn. 2.15.8).
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 lange Overholt-Klemmen,
4 lange Schere, Einzelclipstapler, 2.6.3 Milzerhaltende Operationstechniken
4 evtl. bipolare Schere.
Der Milzerhalt ist nur sinnvoll, wenn 30–50% Parenchym-
rest erhalten werden können.
Splenektomie
Gelingt die milzerhaltende Operation nicht, muss
7 Bei stumpfen Bauchverletzungen wird eine quer splenektomiert werden. Generell muss die Milz vor der or-
verlaufende oder eine mediane Oberbauchlaparo- ganerhaltenden Versorgung komplett schonend mobili-
tomie gewählt, um auch Leber, Magen und Darm siert werden. Bei isolierten kleineren Milzverletzungen
revidieren zu können. kann bei guter Übersicht ggf. auf die komplette Mobilisati-
7 Zur alleinigen Splenektomie: linksseitiger Rippen- on verzichtet werden.
bogenrandschnitt.
7 Der operative Zugang muss in jedem Fall eine kIndikation
gute Übersicht gewährleisten. 4 Häufig bei akzidentellen Milzverletzungen im Rah-
7 Nach der Eröffnung des Bauchraumes wird die men elektiver Oberbaucheingriffe. Der Einsatz milz-
Milz freigelegt und, wenn möglich, mit der Hand erhaltender OP-Techniken bei polytraumatisierten
umfasst, um an der ventralen oder dorsalen Seite Patienten und beim stumpfen Bauchtrauma orientiert
des Hilus mit der Skelettierung beginnen zu sich u. a. am Schweregrad der Milzverletzung und an
können. Bei der Präparation muss die enge räum- der Schwere der übrigen Verletzungen.
liche Beziehung zu Magen, Pankreas, Kolon und 4 Erhaltende OP-Verfahren werden v. a. bei verletzten
Nebenniere berücksichtigt werden (Verletzungs- Kindern sowie bei seltenen isolierten benignen Milz-
gefahr). erkrankungen (Beispiel: Milzzyste) eingesetzt.
7 Die Inzision des Lig. splenorenale mit einer Schere
und das stumpfe digitale Auslösen der Milz zu- OP-Techniken
sammen mit dem Pankreasschwanz setzt die Prä- Naht und Netzplombe
paration fort. Die direkte Parenchymnaht an der Milz wurde in vielen
7 Die Milz wird vor die Bauchdecke luxiert und die technischen Varianten beschrieben. Bei Kapsel- und Par-
Milzloge zur Lagefixierung mit feuchten warmen enchymdefekten kann die Naht durch eine Netzplombe
Tüchern abgestopft. Das Lig. gastrosplenicum ergänzt werden, die wie eine Tamponade oder ein Nahtwi-
wird nahe des Milzhilus zwischen mehreren Liga- derlager funktioniert.
turen durchtrennt. Dann werden von ventral und/ Die Anwendung beschränkt sich in der Regel auf das
oder dorsal die Äste der A. und V. splenica unter Vorliegen einer nahtfesten Parenchym- und Kapselkonsis-
6 tenz. Diese Voraussetzungen werden ideal von der kind-
lichen Milz erfüllt.
80 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Lokale Hämostyptika 4 Segmentresektionen der Milz sind als anatomiege-


Die Anwendung setzt in der Regel die vorübergehende rechte OP-Verfahren anzusehen, die sich an der seg-
Bluttrockenheit oder höchstens eine Restsickerblutung mentartigen Gefäßarchitektur der Milzdurchblutung
2 der Parenchymfläche voraus. Der Einsatz ist daher häufig orientieren. Die sorgfältige Präparation und Ligatur
nur in Kombination mit anderen Blutstillungsverfahren der segmentversorgenden Hilusgefäße geht der ei-
sinnvoll. Beispiele hierfür werden im Folgenden ge- gentlichen Resektion und der anschließenden Versor-
nannt. gung der Resektionsflächen voraus. Bei besonderen
Abgangsvarianten des oberen Polgefäßes ist der Er-
jFibrinkleber halt eines ausreichend großen oberen Milzpoles auch
Hämostyptikum, das in Form von 2 Komponenten auf die nach hilusnaher Unterbrechung der Milzarterie mög-
verletzte Parenchymfläche oder Kapselläsion aufgebracht lich.
wird. Die eine Komponente besteht aus dem hochkonzen- 4 Teilresektionen der Milz ohne aufwändige Präparati-
trierten Humanfibrinogen, die andere aus seinen Aktiva- on am Milzhilus sind durch den Einsatz von Klam-
toren. Vor der Anwendung müssen die beiden Komponen- mernahtgeräten möglich geworden. Bewährt hat sich
ten aufgetaut und ggf. in Spritzen aufgezogen werden. Mit der Staplereinsatz v. a. bei der Polresektion.
Sprühaufsätzen wird eine flächenhafte, aber sparsame Ver- 4 Um erneute Kapseleinrisse beim Schließen des Klam-
teilung erreicht. mernahtmagazins zu vermeiden, muss das Paren-
Als Tachosil ist der Fibrinkleber als beschichtetes Kol- chym an der geplanten Resektionslinie die Möglich-
lagenvlies (s. unten) verfügbar. keit erhalten, in das Resektat zu entweichen. Hierzu
können Entlastungsinzisionen der Milzkapsel am Re-
jKollagenvlies sektat hilfreich sein.
Hämostyptikum, das aus resorbierbaren Kollagenfibrillen
besteht. Die blutstillende Wirkung setzt bei Blutkontakt Dosierte Organkompression mit Vicrylnetz
durch die Förderung der Thrombozytenaggregation ein, Als Hilfsmittel zur Blutstillung durch dosierte Organkom-
evtl. in Kombination mit Fibrinkleber. pression von außen eignet sich eine speziell vorgefertigte
Netztasche aus z. B. Vicryl (Fa. Ethicon). Zirkulär ange-
jTabotamp ordnete Zugfäden in verschiedenen Radien erlauben die
Dieses hämostyptisch wirkende Material besteht aus oxi- Ausübung einer situationsgerechten, individuellen Kom-
dierter, regenerierter Zellulose und führt zu einer raschen pression. Auseinander klaffende Parenchymflächen, z. B.
Bindung der Proteinbestandteile des Blutes (evtl. in Kom- bei tief greifenden Milzverletzungen können auf diese
bination mit Fibrinkleber). Weise angenähert und durch zusätzliches Einbringen von
hämostyptischem Material unter Kompression gesetzt
Saphir-Infrarot-Koagulator werden. Zu beachten ist, dass die angezogenen Zugfäden
Einsatz bei noch anhaltender Blutung von Milzparen- den Milzhilus nicht strangulieren dürfen.
chymflächen und Kapselläsionen. Deshalb wird diese
Technik in der Regel vor der Anwendung lokaler Hämos-
typtika zum Einsatz gebracht. 2.7 Gallenblase und Gallenwege
Die Wärmewirkung resultiert aus der Infrarotstrah-
lung einer Wolframhalogenlampe. 2.7.1 Anatomie, Diagnostik,
Es gibt verschieden geformte Saphirköpfe, die je nach Operation/Indikation
der Größe der Wundfläche ausgewählt werden. Durch
diese Methode kann dosierter Druck auf das Gewebe aus- Anatomie
geübt werden, ohne dass die thermische Nekrose am Sa- Die birnenförmige Gallenblase mündet seitlich über den
phirkopf haftet. Anschließend bei Bedarf Einsatz der oben Ductus cysticus als Blindsack in die ableitenden Gallenwe-
genannten Hämostyptika. ge ein. Als Anteile werden Fundus, Korpus und Infundibu-
Die Laserkoagulation und der Einsatz des Argon-Bea- lum unterschieden. Die Gallenblase ist bindegewebig mit
mers werden hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. der Leber verwachsen und außen mit Peritoneum überzo-
Bei hohem technischem Aufwand bieten diese Techniken gen. Sie speichert die Gallenflüssigkeit und dickt sie ein.
keine Vorteile gegenüber der Infrarotkoagulation. Aus der Leber kommen der Ductus hepaticus dexter
und der Ductus hepaticus sinister. Sie vereinigen sich kurz
Segment- bzw. Teilresektion nach ihrem Austritt zum Ductus hepaticus communis. In
Häufig ist die partielle Milzresektion einfacher zu handha- ihn mündet der Ductus cysticus ein. Unterhalb seiner Ein-
ben als eine aufwändige Blutstillung. mündung bezeichnet man den Hauptgallengang als Duc-
2.7 · Gallenblase und Gallenwege
81 2
tus choledochus. Variationen der Länge und der Lage die- 4 Bei Verdacht auf eine Gallengangstenose ist die ERCP
ser Strukturen können Gallenoperationen schwierig ge- zur Diagnosesicherung und evtl. zur endoskopischen
stalten. Steinbergung geeignet. Die Verfügbarkeit dieser Me-
Der Ductus choledochus verläuft im distalen Teil hin- thode führt in vielen Häusern dazu, dass auf die in-
ter dem Duodenum durch den Pankreaskopf. An der ge- traoperative Röntgendarstellung des Gallenganges
meinsamen Einmündung von Pankreas- und Gallengang und auf die Revision des Gallenganges verzichtet wird
ins Duodenum liegt die Papilla Vateri. (sog. therapeutisches Splitting).
Die Gallenblase wird arteriell über die A. cystica (ein
Ast der A. hepatica dextra) versorgt. Die enge Nachbar- Operation
schaft der Gallenwege erklärt, dass zum einen Gallengang- Da die Gallenblase in der Regel der Entstehungsort für
steine auf den Pankreasgang und zum anderen Pankreas- Steine ist, wird sie bei einer Steinerkrankung entfernt, um
kopfprozesse auf den Gallengang einwirken können. Rezidive zu vermeiden. Dazu stehen verschiedene Verfah-
Durch anatomische Varianten können diese Wechsel- ren zur Auswahl:
wirkungen unterschiedlich ausgeprägt sein. 4 Die laparoskopische Cholezystektomie (CHE; 7 Ab-
schn. 2.15.8) ist das Standardverfahren bei elektiven
Galle Eingriffen.
Die Leber sezerniert mit der Galleflüssigkeit u. a. Gallen- 4 Die klassische Cholezystektomie über den Rippenbo-
säuren, Gallenfarbstoffe und Cholesterin in das Duode- genrandschnitt, wenn eine laparoskopische CHE
num. Über den rechten und den linken Hepatikusast wird nicht möglich ist.
die Galle im Ductus hepaticus communis gesammelt.
Die Galleflüssigkeit ist ein guter Emulgator für Nah- OP-Indikation bei Cholelithiasis
rungsfette und fettlösliche Vitamine. Diese Eigenschaft 4 Absolute Indikation zur Sofort- oder Notoperation:
ermöglicht die intestinale Resorption. 5 Steinerkrankung mit Fieber, Leukozytose und Perito-
nitis (Gallenblasenempyem, -gangrän, -perforation),
Klinik des Gallensteinleidens 5 Gallensteinileus: in den Darm abgegangene Gallen-
Typisches klinisches Merkmal ist ein in der Regel kolikar- steine verursachen einen Ileus (in der Regel Ileusbe-
tiger Schmerz mit Ausstrahlung in die rechte Schulterregi- seitigung ohne Sanierung der Gallenblase und Gal-
on. Die Koliken können rezidivierend auftreten und im lenwege).
Einzelfall über Stunden anhalten. Auslöser können der Ge- 4 Dringliche Indikation:
nuss von Gebratenem, Fett und Ei sein. Bei entzündlichem 5 Akute Cholezystitis und Gallenblasenhydrops
Krankheitsverlauf treten neben Fieber Dauerschmerzen, (Operation binnen 24–72 h).
ggf. mit lokalen peritonitischen Zeichen, auf. 4 Elektive Indikation:
Einen Hinweis auf ein kompliziertes Gallensteinleiden 5 Cholelithiasis mit Symptomen (Koliken),
kann der Ikterus geben. Der Gallengangverschluss weist 5 Gallenblasenpolypen,
neben der typischen Gelbfärbung der Haut (mit Juckreiz) 5 Sanierung einer Gallenblasensalmonellose bei Dau-
und der Skleren eine Stuhlentfärbung und eine Dunkelfär- erausscheidern.
bung des Urins (»bierbraun«) auf. Gallengangsteine kön-
nen eine Pankreatitis auslösen. Asymptomatische Gallensteinträger sollten nicht routine-
Der Ikterus ohne begleitende Koliken (»schmerzloser mäßig operiert werden. Beim Gallensteinleiden zeigt die
Ikterus«) weist auf ein mögliches Pankreaskopfkarzinom frühe Cholezystektomie jedoch bessere Ergebnisse als die
hin (7 Abschn. 2.9). Im Gegensatz zum entzündlichen Gal- Operation erst bei Komplikationen.
lenblasenhydrops wäre dann ein schmerzloser Hydrops
(Courvoisier-Zeichen) tastbar.
2.7.2 Cholezystektomie
Diagnostik
Nach Erhebung der Anamnese und des klinischen Be- Nur noch in Ausnahmefällen wird die Gallenblase über
fundes führen folgende Schritte zur Diagnose: einen Rippenbogenrandschnitt entfernt. Als Standardope-
4 Differenzierte Laboruntersuchungen, Sonographie, ration gilt die laparoskopische Cholezystektomie (7 Ab-
Röntgenuntersuchung, evtl. kombiniert mit endosko- schn. 2.15.8).
pischer Kontrastmittelgabe (ERCP/endoskopisch re-
trograde Cholangiopankreatikographie) oder, falls kIndikation
verfügbar, MRCP erlauben die Eingrenzung der Diag- 4 Symptomatische Cholezystolithiasis,
nose. 4 akute Cholezystitis,
82 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

4 Gallenblasenhydrops,
4 Gallenblasenempyem, Lig. hepatoduodenale kann durch Zug am Duode-
4 Gallenblasenperforation. num angespannt werden. Hierdurch wird die Prä-
2 paration des Ductus cysticus erleichtert.
kPrinzip 7 Das viszerale Peritoneum wird am Infundibulum
Entfernung der Gallenblase. mit einer Schere inzidiert, Verwachsungen der
Gallenblase mit der Leberunterfläche werden mit
kLagerung Schere und Präpariertupfer gelöst. Die (bipolare)
4 Rückenlage: Der Patient wird so unterstützt gelagert, Schere muss dabei so angereicht werden, dass
dass sich das OP-Feld anhebt. Dabei sollte darauf ge- ihre Krümmung der Gallenblasenwand folgt.
achtet werden, dass die dadurch entstehende Kopf- 7 Die Präparation der Gallenblase kann auf retro-
tieflage aufgehoben wird. Bei geplanter Cholangiogra- gradem oder antegradem Weg erfolgen (s. unten).
phie wird ein strahlendurchlässiger OP-Tisch gewählt 7 Der »Springer« erhält das Präparat und eine Schere
und ein Gonadenschutz angelegt. mit Pinzette, schneidet damit die Gallenblase auf
4 Neutrale Elektrode an einem Oberschenkel, ggf. Be- und entnimmt aus ihrem Inhalt einen Abstrich für
reitstellung des Bildwandlers. die bakteriologische Untersuchung. Dieser Arbeits-
schritt erfolgt aus hygienischen Gründen nicht
kInstrumentarium im OP-Saal. Häufig werden die Gallensteine gesam-
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, melt und gereinigt dem Patienten mitgegeben.
4 Gallenblasenfasszange, ggf. Steinfasszangen, 7 Das Gallenblasenbett kann zur Blutstillung mit
4 bipolare Schere, einer fortlaufenden Naht verschlossen werden.
4 bei intraoperativem Röntgen: Eine Drainage wird in Abhängigkeit vom OP-Situs
5 Knopfkanüle, eingelegt.
5 50-ml-Spritze, 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instru-
5 Kontrastmittel. mente und der Dokumentation ihrer Vollzählig-
keit schichtweiser Wundverschluss und Verband.

Cholezystektomie
7 Rippenbogenrandschnitt nach Kocher oder Cour- Retrograde Cholezystektomie
voisier. Diese Schnittführung bietet eine gute 4 Am Infundibulum Inzidieren der Serosa.
Übersicht, ermöglicht die Exploration der Bauch- 4 Gallenblasennahes Identifizieren und Absetzen der
höhle und ist erweiterbar. Allerdings wird die Rek- A. cystica zwischen Ligaturen oder Clips.
tusmuskulatur rechtsseitig durchtrennt. Dies 4 Stumpfe zirkuläre gallenblasennahe Präparation des
scheint für den postoperativen Wundschmerz und Ductus cysticus, die Darstellung der Einmündung in
für die Einschränkung der Atemmechanik von Be- den Ductus choledochus ist nicht obligat.
deutung zu sein. Seltener wird eine obere media- 4 Bei Indikation zur intraoperativen Cholangiographie
ne Laparotomie als Zugang gewählt. Ligatur des Ductus cysticus gallenblasenwärts, An-
7 Nach der Eröffnung des Peritoneums erfolgt die Ex- schlingen nach distal.
ploration der Bauchhöhle. Kurze Leberhaken nach 4 Inzision des Ductus cysticus, Einführen der Angio-
Mikulicz machen das OP-Gebiet zugänglich. Hinter graphiekanüle, Einknüpfen, Dichtigkeitsprobe und
die Gallenblase wird mit Richtung auf das Foramen Röntgen (. Abb. 2.52). Das Kontrastmittelsystem
Winslowii ein feuchter Streifen eingebracht, der muss absolut luftleer angereicht werden (Luftblasen
evtl. austretende Gallenflüssigkeit aufsaugt, bevor erscheinen im Röntgenbild wie Steine), kontrastge-
sie in die freie Bauchhöhle gelangen kann. bende Textilien und Haken werden entfernt.
7 Mit einem flachen Spatel wird das Lig. hepatoduo- 4 Durchtrennung des Ductus cysticus und retrogrades,
denale nach links gezogen und so die Sicht auf die subseröses Auslösen der Gallenblase aus dem Leber-
Gallenblase freigegeben. Sie wird mit einer Fass- bett mit einer Metzenbaumschere unter fortwäh-
zange am Fundus angeklemmt, damit der Zug die render Blutstillung durch punktförmige Elektrokoa-
Präparation erleichtert. Bei Bedarf muss Gallenflüs- gulation.
sigkeit abpunktiert werden, um das Anklemmen
ohne Perforationsgefahr zu ermöglichen. Das Antegrade Cholezystektomie
6 Der antegrade Präparationsweg wird in allen Situationen
angewendet, in denen die Hilusgebilde nicht mit völliger
2.7 · Gallenblase und Gallenwege
83 2
Sicherheit identifiziert werden können (bei Entzündung
oder anatomischer Variante). Die Präparation beginnt am
Fundus und führt an der Gallenblasenwand zur A. cystica.
Bei der Minilaparotomie ist die antegrade Präparation
eine technische Notwendigkeit.

Besondere Situationen
7 Gallenblasenhydrops/Cholezystitis/Empyem:
– In dieser Situation empfiehlt sich die Punktion
des Gallenblaseninhalts ggf. mit Nahtver-
schluss der Punktionsstelle. Das Punktat wird
bakteriologisch untersucht.
7 Blutung:
– Kann die Blutungsursache nicht übersichtlich
und sicher versorgt werden, ist eine großzü-
gige Laparotomie erforderlich. Mit einer Tour-
. Abb. 2.52 Cholangiographie über den Ductus cysticus.
niquetanlage am Lig. hepatoduodenale (Nach Heberer et al. 1993)
(gefahrlos bis zu 30 min) kann die Blutung
vorübergehend gedrosselt werden.
– Die manuelle Kompression wird als Baron- Gallensteinlöffel
oder Pringle-Handgriff bezeichnet. Hiermit werden vorhandene Steine aus dem Gallenwegs-
– Die Ligatur der A. hepatica propria geht mit system entfernt (. Abb. 2.56).
einer hohen Letalität einher und muss daher
vermieden werden. Schere nach Potts de Martell
– Zu beachten sind immer die zahlreichen Vari- In den Branchen ist diese Schere um ca. 70° abgewinkelt.
anten im Verlauf und in den Aufzweigungen Deshalb nennt man sie auch »Knieschere«. Mit ihr lassen
der A. hepatica. sich englumige Strukturen (z. B. Ductus choledochus)
7 Choledocholithiasis/T-Drain-Einlage: nach einer Stichinzision längs verlängern (. Abb. 2.57).
– In Situationen, in denen die Gallengangsanie-
rung durch ERC nicht möglich ist, muss diese Gallensteinzange
chirurgisch erfolgen. Dazu kann eine Laparo- Sie wird feucht in den Ductus choledochus eingeführt und
tomie (Rippenbogenrandschnitt) erforderlich fasst dort die Steine (. Abb. 2.58).
sein, aber auch laparoskopisch sind eine Cho-
ledochusrevision und eine T-Drain-Einlage
möglich. 2.7.4 Choledochusrevision
mit T-Drain-Einlage

kIndikation
2.7.3 Zusatzinstrumentarium für 4 Choledochussteine, die während einer ERC (endo-
die Gallenwegchirurgie skopisch retrograde Cholangiographie) nicht zu ent-
fernen waren. Der Eingriff wird im Anschluss an die
Gallengangsonden Cholezystektomie durchgeführt.
Sie werden benutzt, um bei einer Revision des Ductus cho- 4 Seltener Steine, die bei einer Operation der Gallenbla-
ledochus nach Steinen zu tasten. Die Sonden werden gera- se übersehen wurden, da die ERC auch postoperativ
de und gebogen angeboten, die Spitze ist zumeist oliven- eingesetzt werden kann.
förmig (. Abb. 2.53).
kPrinzip
Gallengangdilatatoren Eröffnung des Ductus choledochus zum Entfernen der
Diese Instrumente (. Abb. 2.54 und . Abb. 2.55) weiten Steine mit speziellen Instrumenten. Gegebenenfalls kann
den Ductus choledochus, um ggf. bis zur Papilla Vateri ge- die Papilla Vateri nach der Steinbergung mit Bougies vor-
langen zu können und diese zu spalten. Deshalb werden sie sichtig geweitet werden. Verschluss der Choledochotomie
auch als »Papillotom« bezeichnet. unter Einnähen eines T-Drains.
84 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.53 Gallengangsonde nach Mayo. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.55 Gallengangdilatator nach Bakes mit verschiedenen
. Abb. 2.54 Gallengangdilatator nach Stücker. Nach der Passage Oliven. (Fa. Aesculap AG)
des Dilatators durch die Papille wird der Griff abgeschraubt und ein . Abb. 2.56 Gallensteinlöffel nach Luer-Körte. (Fa. Aesculap AG)
Konus aufgesetzt. Ein erneutes Aufsuchen der Papille wird dadurch . Abb. 2.57 Knieschere nach Potts de Martell. (Fa. Aesculap AG)
vermieden. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 2.58 Gallensteinfasszange nach Blake. (Fa. Aesculap AG)
2.8 · Leber
85 2
kLagerung
Siehe Cholezystektomie. 7 Das T-Drain wird durch Naht der Choledocho-
tomie mit feinem resorbierbarem Nahtmaterial
kInstrumentarium (4–0) lagefixiert. Über eine gesonderte Haut-
4 Siehe Cholezystektomie. inzision wird es in der rechten Flanke ausge-
4 Zusätzlich: leitet.
5 Steinfasszangen, 7 Entscheidend ist, dass sich eine fibrinöse Reaktion
5 Gallensteinlöffel, um das Drain vom Choledochus bis zur Bauchde-
5 Gallengangsonden, cke innerhalb weniger Tage abspielt, die abschlie-
5 Fogarty-Katheter, ßend das gefahrlose Herausziehen des Drains er-
5 Schere nach Potts de Martell, möglicht (ohne gallige Peritonitis durch austre-
5 T-Drain (7 Abschn. 1.7). tende Galle, daher keine Silikondrainage verwen-
den). Zusätzliche Einlage einer subhepatischen
Drainage.
Revision des Ductus choledochus 7 Kontrolle der Textilien und Instrumente, Doku-
7 Im Anschluss an die Cholezystektomie wird der mentation ihrer Vollzähligkeit, schichtweiser
Ductus choledochus nach der Spaltung des Wundverschluss und Verband.
Lig. hepatoduodenale an der Vorderseite freige-
legt. Das Duodenum wird dabei stumpf mit einem
Präpariertupfer abgeschoben.
7 Distal der Einmündung des Ductus cysticus werden 2.8 Leber
2 Haltefäden gelegt und angeklemmt. Mit einem
11er-Skalpell wird der Choledochus längs eröffnet 2.8.1 Anatomie, Diagnostik,
und die Inzision mit einer Knieschere erweitert. Zur Operationsindikationen
Steinbergung können u. a. die folgenden beiden
Instrumente zur Anwendung kommen Anatomie
– Fogarty-Katheter Die unter der rechten Zwerchfellhälfte liegende Leber
Er wird feucht ohne Blockung vorgeschoben, (Hepar) wird vorn vom Rippenbogen bedeckt; 5 Bänder
hinter den Steinen geblockt, dann zurückge- fixieren sie in ihrer Lage unter dem Zwerchfell: 1. Lig. teres
zogen und schiebt so die Steine zur Choledo- hepatis (zum Nabel); 2.+3. Ligg. triangulares sinistrum et
chotomie. Häufig muss mit Gallenlöffeln oder dextrum; 4. Lig. falciforme hepatis; 5. Lig. coronarium
einer Steinfasszange nachgeholfen werden. hepatis.
– Cholangioskop Die Leber ist zwischen 2 venöse Kreisläufe geschaltet:
Eine weitere Möglichkeit der Steinentfernung Der venöse Abfluss des Magen-Darm-Traktes, der Bauch-
bietet das Cholangioskop, das in die Choledo- speicheldrüse und der Milz bildet über die Pfortader die
chotomie vorgeschoben wird, um unter Sicht Besonderheit einer venösen Blutversorgung. Der venöse
mit einer Fasszange Steine zu bergen. Blutabstrom erfolgt über die Vv. hepaticae zur V. cava. Die
7 Der Ductus hepaticus sollte in gleicher Weise revi- arterielle Blutversorgung, die nur 20% der gesamten Blut-
diert werden. zufuhr darstellt, erfolgt über die Leberarterien. Die por-
7 Abschließend gibt es die Möglichkeit die Papille talen Gefäße werden an ihrer ersten Verzweigung als Pfort-
zu bougieren, oder – wenn sie nicht passiert wer- adertriade bezeichnet. Im intrahepatischen Verlauf werden
den kann – eine Papillotomie vorzunehmen. sie von einer bindegewebigen Scheide umhüllt. Das Blut
7 Sollte die Steinfreiheit der Gallenwege nicht verlässt die Leber über die Lebervenen, die unterhalb des
eindeutig feststellbar sein, muss noch einmal Zwerchfells in die V. cava inferior münden und nicht bin-
geröntgt werden. degewebig eingescheidet sind.
7 Nun wird ein T-Drain aus Latex oder (rotem) Gum- Äußerlich sichtbare Segmente der Leber teilen sich in
mi eingelegt, das vorher zu einem Halbrohr zuge- ihrem Inneren weiter auf; für den chirurgischen Eingriff ist
schnitten wurde. Seine Schenkel müssen so ge- die Kenntnis über die innere Segmentarchitektur bedeut-
kürzt werden, dass sie weder einseitig in einem sam (. Abb. 2.59)
Ast des Ductus hepaticus noch in der Papille plat- Äußerlich werden ein rechter und ein kleinerer lin-
ziert werden. ker Leberlappen unterschieden, die im Bereich der Fis-
6 sura principalis durch das Lig. teres hepatis und das
Lig. falciforme getrennt werden. Auf der Unterseite liegen
86 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Blutuntersuchungen erfassen zunächst global die Le-


berfunktion. Spezielle serologische Untersuchungen kön-
nen eine Amöbeninfektion als Abszessursache und die
2 Echinokokkose als Zystenursache nachweisen. Negative
Befunde gelten jedoch nicht als sicherer Ausschluss dieser
Erkrankungen. Als wichtiger Tumormarker des Leber-
zellkarzinoms muss das Alphafetoprotein (AFP) genannt
werden.

OP-Indikationen
Leberresektionen zählen heute zu den sicheren und stan-
dardisierten chirurgischen Eingriffen. Lebertransplantati-
onen dagegen werden nur in spezialisierten Zentren durch-
geführt. Wenn weniger als 50% des Leberparenchyms rese-
ziert werden, ist eine klinisch bedeutsame Leberinsuffizienz
weitgehend auszuschließen; eine gesunde Leber vermag
. Abb. 2.59 Segmentale Gliederung der Leber nach Couinaud. Le-
sogar eine bis zu 80%ige Resektion zu kompensieren. Das
bervenensystem hell, Portalvenensystem dunkel. (Nach Siewert 2006) Indikationsspektrum zur Leberresektion umfasst gutartige
und bösartige Läsionen und Traumafolgen.

der Leberhilus (Lig. hepatoduodenale, 7 Abschn. 2.7.2) Gutartige Läsionen


und rechts die Gallenblase. Beide Strukturen begrenzen 4 Hämangiome sind blutschwammähnliche Gefäßtu-
den Lobus caudatus. Innerlich werden bezüglich der moren, die bei Wachstum und Beschwerden eine OP-
Gefäß- und Gallengangverzweigungen 8 Segmente unter- Indikation darstellen.
schieden. 4 Die fokal noduläre Hyperplasie (FNH) kommt relativ
Bei dieser funktionellen anatomischen Betrachtungs- selten vor, insbesondere wird bei Frauen ein Bezug
weise werden ebenfalls ein rechter und ein linker Leberlap- zur hormonellen Empfängnisverhütung gesehen. Nur
pen unterschieden; hierbei kann die Grenze äußerlich auf bei Beschwerden und dem Verdacht auf das gleich-
die Linie zwischen V. cava und Gallenblase projiziert wer- zeitige Vorliegen eines Leberzellkarzinoms ist die Re-
den. Dies entspricht einer deutlichen Rechtsverschiebung sektion der dann meist sehr großen FNH-Knoten in-
der Lappengrenze gegenüber der vermeintlichen äußeren diziert.
Lappenbegrenzung. 4 Leberzelladenome oder Befunde, die nicht anders
eingeordnet werden können, sollten wegen der unsi-
Diagnostik cheren Abgrenzung zum Karzinom und wegen der
Herdartige Leberprozesse werden heute meist durch die Blutungs- und Entartungsgefahr generell entfernt
Sonographie entdeckt; ggf. steht zur Diagnostik auch die werden.
kontrastmittelverstärkte Sonographie zur Verfügung. 4 Große Leberzysten können durch Verdrängungser-
Die Computertomographie (CT) und das MRT erlau- scheinungen zu Oberbauchbeschwerden führen. Be-
ben in der Technik der Kontrastmittelverstärkung (Angio- sonders große Zysten (mehr als 600 ml) können zu-
Bolus-CT) u. a. eine Differenzierung von Metastasen und nächst durch mehrfache Punktionen entleert werden.
Hämangiomen. Durch die Angiographie werden Aussagen Als nächste Stufe eignet sich die Injektion eines Verö-
über die arterielle und venöse Blutversorgung der Leber dungsmittels zur dauerhaften Verklebung der Zysten-
möglich. Auch die Szintigraphie kann weitere Fragestel- wand. Die operative Zystenentdeckelung und -drai-
lungen abklären. Sowohl sonographie- als auch CT-gesteu- nage ist sowohl durch einen konventionellen Bauch-
ert sind gezielte Punktionen möglich: schnitt, als auch durch laparoskopisches Vorgehen
4 Bei Abszessen ist durch eine Kathetereinlage gleich- möglich.
zeitig die Therapie möglich. 4 Abszesse werden in erster Linie sonographie- oder
4 Zytologisches und bakteriologisches Untersuchungs- CT-gesteuert punktiert und drainiert. Nur bei Versa-
material kann entnommen werden. gen oder Nichtdurchführbarkeit dieses schonenden
Verfahrens ist die offene chirurgische Drainage ange-
Lediglich Zysten, bei denen als Ursache eine Echinokokko- zeigt. Amöbenabszesse kleineren Ausmaßes sprechen
se nicht ausgeschlossen werden kann, dürfen nicht punk- häufig auf die Gabe von Metronidazol an. Dann ist
tiert werden. weder die Punktion noch die Operation erforderlich.
2.8 · Leber
87 2
4 Echinokokkose: Man unterscheidet den Echinococcus
cysticus [Finne (Larvenstadium) des Echinococcus gra-
nulosus (Hundebandwurm)] (. Abb. 2.60), der meist
eine große Zyste ausbildet, und den Echinococcus alve-
olaris [Finne (Larvenstadium) des Echinococcus multi-
locularis (Fuchsbandwurm)], der in vielen kleinen zu-
sammenhängenden Zysten wächst. Die Eihülle löst sich
im Magen auf, und über den Darm sowie den Pfort-
aderkreislauf gelangen die Larven in die Leber. Dort
kommt es zur Entwicklung der Hydatidenzyste. Ob-
wohl eine verbesserte medikamentöse Behandlungs-
form mit Mebendazol vorliegt, ist im Einzelfall die chi-
rurgische Entfernung angezeigt. Während der Echino-
coccus alveolaris dann ein möglichst radikales opera-
tives Vorgehen erfordert, sollte beim Echinococcus
cysticus lediglich die Entdachung und die Entfernung
der eigentlichen Zyste (Zystektomie) – nicht die Resek- . Abb. 2.60 Aufbau einer Echinokokkuszyste. (Nach Siewert 2006)
tion der gesamten z. T. aus umgebendem Gewebe be-
stehenden Zystenwand (Perizystektomie) erfolgen.
2.8.2 Entfernung einer Echinokokkuszyste
Bösartige Läsionen
4 Das Leberzellkarzinom (hepatozelluläres Karzinom) kIndikation
kommt sowohl auf dem Boden einer Leberzirrhose Monolokuläre Zyste (Echinococcus cysticus).
als auch ohne diese Vorerkrankung vor.
4 Das Gallengangkarzinom (cholangiozelluläres Karzi- kPrinzip
nom) ist prognostisch besonders ungünstig. Die totale Entfernung der Zyste, Belassen der Zysten-
4 Das Hepatoblastom kommt häufiger beim Kind und wand.
bei Jugendlichen vor.
kLagerung
Da keine andere effektive Behandlungsmaßnahme für 4 Rückenlage des Patienten mit leichter Anhebung der
diese vorgenannten Malignome existiert, sollte die Resek- rechten Seite durch Aufklappen des Tisches oder
tion bei entsprechender Möglichkeit versucht werden. durch ein Polster.
Ausgedehnte Resektionen können bei einer Leberzirrhose 4 Die neutrale Elektrode wird an einem Oberschenkel
nicht durchgeführt werden. Nur im Ausnahmefall kann angeklebt.
eine Lebertransplantation erwogen werden.
4 Lebermetastasen, besonders bei kolorektalen Primär- kInstrumentarium
tumoren und Begrenzung auf einen Leberlappen, stel- 4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
len eine Indikation zur Resektion dar. Die Grenzzie- 4 Rahmen, z. B. nach Kirschner,
hung, ab welcher Metastasenanzahl und bei welcher 4 Punktionskanüle mit 20-ml-Spritze,
Lokalisation keine Resektion mehr möglich bzw. sinn- 4 20%ige NaCl-Lösung oder 50%ige Glukoselösung,
voll ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Sinn- 4 seltener Silbernitratlösung.
voll ist die Entfernung von solitären Metastasen unter
4–5 cm Größe in gut erreichbarer peripherer Lokalisa-
Echinokokkuszystektomie
tion. Weite Keilexzisionen werden als ebenso effektiv
angesehen wie anatomische Lappen- oder Segmentre- 7 An der Stelle, an der die Zyste die Leberoberfläche
sektionen (s. unten). In wenigen Fällen ist bei beidsei- überragt, wird quer laparotomiert. Die Exploration
tiger Metastasenlokalisation die Kombination von He- des Bauchraums muss unbedingt ohne Zerstö-
mihepatektomie und Keilresektion bzw. von Resekti- rung der Zyste erfolgen.
onen verschiedener Segmente sinnvoll. 7 Rund um das befallene Leberareal werden Bauch-
tücher drapiert. Diese werden zuvor mit einer hy-
In einzelnen Zentren sind interventionelle Verfahren wie pertonen parasitentötenden Lösung (z. B. 20%ige
die Radiofrequenzablation als Alternative zur Operation 6
bei erhöhtem Risiko verfügbar.
88 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

NaCl-Lösung) getränkt. Dann wird die Zyste Leberrevision


punktiert, ihr Inhalt abgesaugt und dafür die 7 Obere bogenförmige, quere oder mediane Lapa-
2 hypertone NaCl-Lösung in den Zystensack rotomie, die nach thorakal, subkostal und nach
instilliert. rechts jederzeit erweiterbar ist, und Exploration
7 Nach einer Einwirkzeit von mindestens 5 min hat des Abdomens, um Begleitverletzungen oder -er-
sich die Hydatide von der sie umgebenden Wand, krankungen auszuschließen.
der Perizyste, abgelöst. Das Punktionsloch wird 7 Beim Einsetzen des Rahmens sollte jede Manipu-
erweitert und die Zyste komplett entfernt; die lation an der Leber vermieden werden, bis seitens
Perizyste bleibt meist bestehen. der Anästhesie mehrere venöse Zugänge gelegt
7 Die Leberkapsel wird mit einem Hämostyptikum worden sind und das Autotransfusionsgerät be-
und ggf. mit Fibrinkleber versorgt. reitgestellt ist.
7 Nach der Dokumentation der Vollzähligkeit der 7 Das Blut, das sich in der Bauchhöhle gesammelt
Textilien und der Instrumente schichtweiser hat, sollte dem Patienten via »cell saver« zurück-
Wundverschluss und Verband. gegeben werden.
7 Grundsätzlich sollte nicht mehr durchblutetes
oder zerfetztes Gewebe entfernt werden, offene
Gallengänge werden umstochen. Abzulehnen
sind tief durchgreifende Parenchymdurchste-
2.8.3 Leberrevision wegen Trauma chungsnähte oder eine Leberarterienligatur.
7 Eine verletzte Gallenblase muss entfernt, ein ver-
Die Leberverletzung ist nach der Milzruptur die zweithäu- letzter Ductus hepaticus oder Ductus choledo-
figste Abdominalverletzung bei polytraumatisierten Pati- chus über einem T-Drain genäht werden.
enten. Sie kann durch massive Blutung zum letalen Aus- 7 Oberflächliche Einrisse können leicht durch eine
gang führen. Die Versorgung richtet sich nach der Ausdeh- Naht versorgt werden, zusätzlich können der In-
nung der Verletzung. frarotkoagulator, Vicrylnetz, Kollagenvlies und Fi-
brinkleber zum Einsatz kommen.
kIndikation 7 Unter manuellem Abdrücken oder Abklemmen
Stumpfes oder stich-/schussverletzungsbedingtes Ober- des Lig. hepatoduodenale (z. B. mit Satinsky-
bauch- oder Brustkorbtrauma mit Blutungsschock. Klemme oder einer Tourniquetligatur) können
größere Defekte zunächst untersucht und ggf. im
kPrinzip Bereich der Hauptblutungsstelle direkt durch
Wegen der sehr guten Gefäßversorgung der Leber erfor- Naht (monofiler Faden) versorgt werden. Häufig
dert jede verletzungs- oder operationsbedingte Wunde kann auch eine Blutstillung durch ein sog. Pa-
eine gründliche und sorgfältige Blutstillung und Versor- cking erzielt werden. Hierbei werden feuchte
gung von Galleleckagen, ggf. eine Resektion des betrof- Bauchtücher von außen auf die Leber – nicht in
fenen Lappens. die Rupturstelle – aufgebracht. Für eine wir-
kungsvolle Tamponade muss die rechte Lebersei-
kLagerung te über ihre ganze Konvexität tamponiert wer-
4 Rückenlage, leicht überstreckt, den. Als Voraussetzung ist die Mobilisierung der
4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. Leber von der lateralen/dorsalen Bauchwand
durch Inzision der peritonealen Umschlagfalte er-
kInstrumentarium forderlich. Die Tamponade darf im Bereich des
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Zwerchfells nicht den venösen Blutabstrom in die
4 evtl. Rochard-Haken und/oder Rahmen, V. cava behindern. Hält die Tamponade nach Lo-
4 bei Bedarf: ckern der Hiluskompression der Blutung stand,
5 Fibrinkleber und resorbierbares Hämostyptikum kann sie für 1–2 Tage unter passagerem Bauchde-
vorbereiten oder ckenverschluss belassen werden. Bei Belassen der
5 Infrarotkoagulator, Textilien im Abdominalraum ist eine korrekte Do-
4 heiße Kochsalzlösung zur passageren Lebertampo- kumentation der im Patienten befindlichen
nade, Bauchtücher unerlässlich.
4 Satinsky-Klemme zum Abklemmen des Lig. hepa- 6
toduodenale.
2.8 · Leber
89 2

7 Gelingt durch das Packing die Blutstillung nicht,


kann eine notfallmäßige Teilresektion zum Ziel
führen, ggf. mit erneuter Anlage einer Tam-
ponade.
7 Bei zentralen Rupturen, ggf. mit Beteiligung der
V. cava, der V. portae oder der A. hepatica propria,
kann neben der Abklemmung des Leberhilus die
Anschlingung der V. cava unter- und oberhalb der
Leber die notwendige passagere Blutstillung zur
gezielten Versorgung der Blutungsquelle herbei-
führen. Diese Maßnahme ist häufig nur schwer
durchführbar. Eine Schnitterweiterung zur Thora-
kolaparotomie muss hier häufig vorgenommen . Abb. 2.61 Typische Techniken der Leberresektion. Segmentresek-
werden. tion (II). Hemihepatektomie rechts (V+VI+VII+VIII). Erweiterte Hemi-
hepatektomie rechts (IVa+b+V+VI+VII+VIII). (Nach Siewert 2006)
7 Die Drainage der Bauchhöhle mit 1–2 weichen
Drains ist unbedingt erforderlich.
7 Nach einer Zählkontrolle der Textilien sowie des
Instrumentariums und der Dokumentation deren Bei einer anatomischen Rechts- bzw. Linkshepatekto-
Vollständigkeit schichtweiser Wundverschluss mie werden nach völliger Mobilisierung des Leberlappens
und Verband. zunächst am Hilus die entsprechenden Gefäße durch-
trennt.
Ein besonders blutsparendes Vorgehen ist möglich,
OP-Technik wenn vor der eigentlichen Resektion auch die Lebervenen
Leberresektionen der betreffenden Seite ligiert und durchtrennt werden. Da-
Unterschieden werden: bei droht allerdings die Verletzung der jeweiligen Haupt-
4 Nichtanatomische Keil-, Segment- oder atypische vene. Alternativ wird auch das Aufsuchen der Gefäßstruk-
Resektion, die sich nicht an anatomischen Grenzli- turen nach Durchtrennung des Leberparenchyms empfoh-
nien orientiert, sondern an der Lokalisation einer Lä- len. Bei den atypischen Resektionen unterbleiben die Hi-
sion (mit einem ausreichend großen Parenchymsaum luspräparation und die zentralen Gefäßunterbindungen,
bei Malignität); sie nutzt die reiche Gefäßversorgung die Blutstillung erfolgt direkt an der Resektionsfläche.
der Leber.
4 Dagegen berücksichtigen anatomiegerechte Segment-
resektionen, angefangen von der Entfernung einzel- 2.8.4 Hemihepatektomie
ner Segmente bis hin zur erweiterten Hemihepatek-
tomie (. Abb. 2.61), die bei der Durchführung häufig Als Beispiel wird die rechtsseitige Hemihepatektomie be-
schwer aufzufindenden anatomischen Segmentgren- schrieben; die Resektionslinie liegt zwischen dem Bett der
zen. Hilfreich ist hierbei die intraoperative Sonogra- Gallenblase und links der V. cava (sog. Gallenblasen-Kava-
phie. Linie).

Allgemeine technische Aspekte kIndikation


Leberresektionen gehen mit Blutverlusten einher. Zur 4 Leberzellkarzinom,
Einschränkung dient v. a. das Pringle-Manöver (. Abb. 4 große benigne Tumoren, wie z. B. Adenome (extrem
2.62), d. h. die Abklemmung des gesamten Leberhilus mit- selten),
tels Tourniquet oder Satinsky-Klemme, die bis 30 min 4 Lebermetastasen,
folgenlos und von vielen Patienten bis zu 45–60 min ohne 4 Echinokokkuszysten (E. alveolaris),
schwere Folgen für die Leberfunktion toleriert wird. Bei 4 ausgedehnte Leberverletzungen, die sich über eine
zentral sitzenden Prozessen kann als weitere Sicherheit Blutstillung nicht beherrschen lassen.
eine totale vaskuläre Isolation durch Anschlingen der
V. cava infra- und suprahepatisch zumindest vorbereitet kPrinzip
werden. Hierbei besteht allerdings die Gefahr der Verlet- Die Resektion des rechten Leberteils entlang der durch
zung der V. cava oder einmündender Leber- und Zwerch- Gefäßversorgung und Gallengänge vorgegebenen Struk-
fellvenen. turen.
90 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

a b

c d

. Abb. 2.62 a Pringle-Manöver, b »Hemi-Pringle«, c totale vaskuläre Okklusion (TVO), d TVO unter Erhalt des kavalen Blutflusses. (Nach Lang 2007)

kLagerung
Hemihepatektomie rechts
4 Rückenlage, leicht überstreckt,
4 die Dispersionselektrode klebt am rechten Ober- 7 Weiträumige Eröffnung der Bauchhöhle durch die
schenkel. bogenförmige quer verlaufende Oberbauchlapa-
rotomie, die bei Bedarf winkelförmig nach intra-
kInstrumentarium thorakal erweitert werden kann. Für eine geplante
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, Segmentresektion reicht manchmal der rechtssei-
4 Rochard-Haken, tige Rippenbogenrandschnitt.
4 Kirschner-Rahmen oder anderes Selbsthaltesystem, 7 Schrittweise werden die Strukturen innerhalb des
4 Einzelclipstapler, Lig. hepatoduodenale (Ductus choledochus,
4 Tourniquetschlingen, V. portae, A. hepatica propria) mit der Präparier-
4 Vesselloops (Gefäßschlingen), schere (z. B. nach Metzenbaum) und Overholt-
4 lange Instrumente, Klemmen dargestellt. Zuerst wird die A. hepatica
4 atraumatische Gefäßklemmen (z. B. Satinsky, De Ba- communis aufgesucht, mit einem Overholt unter-
key), fahren und mit einem Vesselloop angeschlungen;
4 Ultraschalldissektion, bei der weiteren Präparation stellen sich der
4 Infrarotkoagulationsgerät mit variablen Ansätzen, Gallengang, die V. portae und die Leberarterie
4 alternativ: Argon-Beamer. (A. hepatica propria) dar.
6
2.8 · Leber
91 2
Die linksseitige Hemihepatektomie ist wegen geringer Par-
7 Das Duodenum wird ggf. nach Kocher mobilisiert. enchymmasse und besserer Übersicht insgesamt einfacher
7 Das temporäre Anschlingen des Lig. hepatoduo- durchführbar.
denale mit einer Tourniquetligatur ist vielfach ob-
ligat, da so jederzeit eine Blutstillung über die
2.8.5 Lebertransplantation (LTX)
Drosselung möglich ist.
7 Die Entfernung der Gallenblase sollte regelhaft er- S. Bröcker
folgen.
7 Rechter und linker Gallengang werden ange- kIndikationen
schlungen. Der Ductus hepaticus communis muss 4 Cholestatische Lebererkrankungen (z. B. primäre/se-
bei schwierigen anatomischen oder präparato- kundäre biliäre Zirrhose),
rischen Verhältnissen geschient werden, um eine 4 postnekrotische Lebererkrankungen (z. B. Hepatitis
verletzungsbedingte postoperative Gallefistel zu A, B, NANB, alkoholtoxische Zirrhose),
vermeiden. 4 akutes Leberversagen (z. B. Hepatitis A, B, NANB,
7 Der rechte Gallengang wird zentral ligiert und Buddy-Chiari-Syndrom),
durchtrennt, die A. hepatica dextra so weit freige- 4 Stoffwechselerkrankungen (z. B. M. Wilson, Hämo-
legt, dass sie an ihrem Abgang unterbunden wer- chromatose),
den kann. Dadurch wird der Blick auf den darun- 4 in Einzelfällen Lebertumoren (z. B. hepatozelluläres
ter liegenden Pfortaderstamm möglich. Dieser oder zentrales Gallengangkarzinom).
wird bis zum Hilus dargestellt, wo er sich auf-
zweigt. Nach vorsichtiger Präparation mit Over- kMöglichkeiten der Transplantation
holt und Metzenbaum-Schere wird der rechte Ab- 4 Orthotope Lebertransplantation (OLTX):
gang zwischen Ligaturen durchtrennt. Der zu- Implantation einer Spenderleber (Leichenspende) an
rückbleibende Stumpf wird zusätzlich mit einer der anatomischen Position.
Durchstechungsligatur gesichert. 4 Split- oder Segmenttransplantation (SLTX):
7 Zur Darstellung des oberen Leberhilus muss die Implantation eines Leberteiles oder Segmentes an der
rechte Lebervene unterbunden werden. anatomischen Position (kann als Leichenspende oder
7 Die Mobilisation des rechten Leberlappens erfolgt Lebendspende erfolgen).
durch die Inzision der peritonealen Umschlagfalte 4 »Living related« LTX (LRLTX):
an der Rückfläche der Leber. Die V. cava inferior wird Die Lebersegmentspende erfolgt durch einen Ange-
dargestellt; alle ihre kleinen Abgänge, die in das Re- hörigen.
sektat gehen, werden sorgfältig unterbunden.
7 An der Leberoberfläche macht sich die Minder- kPrinzip
durchblutung des gefäßisolierten Abschnitts nun Entfernung der patienteneigenen Leber, ohne Erhalt der
durch bläuliche Verfärbung bemerkbar. Entlang retrohepatischen V. cava, anschließend orthotope Leber-
dieser Linie wird die Glisson-Kapsel zunächst inzi- transplantation (OLTX) eines Vollorgans mit folgenden
diert; das Lebergewebe wird mit dem Finger Anastomosen:
zerteilt (Finger-fracture-Technik), Gefäße und 4 End-zu-End-Anastomose der V. cava inferior supra-
Gallengänge werden mit Clips versorgt oder mit hepatisch und infrahepatisch,
Klemmen gefasst und durch Ligaturen versorgt. 4 End-zu-End-Anastomose der Pfortader, der A. hepa-
Alternativ wird auch die Durchtrennung des Le- tica sowie des Gallengangs.
bergewebes mit Ultraschalldissektoren empfoh-
kLagerung
len. Auch der Einsatz von Staplern ist möglich.
7 Zusätzlich kann die Resektionsfläche mit Fibrin- 4 Rückenlagerung, ggf. den rechten Arm anlagern.
kleber und/oder Kollagenvlies abgesichert wer- 4 Halterung für das Rahmensystem am OP-Tisch an-
den. Auch eine Infrarotkoagulation ist möglich. bringen.
7 Insbesondere bei atypischen Resektionen wird 4 Neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
eine fortlaufende Parenchymnaht durchgeführt. ! Beachtung der Hygienerichtlinien bei infektiösen
7 Nach dem Einlegen von 2 weichen Drainagen erfol- Patienten.
gen die obligate Zählkontrolle der Textilien und der
Instrumente sowie deren Ergebnisdokumentation, kInstrumentarium
der schichtweise Wundverschluss und der Verband. 4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 Rahmensystem, z. B. Rochard-Haken,
92 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.63 Lebertransplantation in der Standardtechnik. Die V. cava ist supra- und infrahepatisch jeweils End-zu-End anastomosiert.
(Nach Nagel u. Löhlein 2006)

4 Gefäßinstrumente: Satinsky-, Nierenarterienklemme, nüle zeigen, werden verschlossen. Abschließend Spülen


gebogene Cavaklemmen nach rechts und links, Mam- des Gallengangs mit Kochsalzlösung. Das vorbereitete
mariapinzetten, feine gummibezogene Klemmchen, Spenderorgan wird wieder in 3 sterilen Beuteln verpackt
Sonden und Knopfkanülen, 10-ml-Spritze, und bis zur Implantation auf Eis gelagert.
4 große Metallschüssel für Kochsalzlösung,
4 feiner Saugeransatz, OP-Verlauf
4 Easy-flow-Drainagen, Hautdesinfektion des gesamten Abdomens bis über die
4 Flüssigkeiten: warmes, kaltes und gefrorenes NaCl Mamillen mit einer gefärbten alkoholischen Lösung, ste-
0,9%, Heparinlösung, rile Abdeckung des Operationsgebietes. Die Operation
4 Hämostyptika, wird in 3 Phasen unterteilt (. Abb. 2.63):
4 Vorbereitung eines Beistelltisches zur Präparation 4 präanhepatische Phase,
des Spenderorgans, Schüssel für Eis, Eishammer, Eis, 4 anhepatische Phase und Reperfusion,
kaltes NaCl, evtl. kalte Konservierungslösung, textile 4 postanhepatische Phase.
Umlegungen, sterile Plastiktüten (in der Regel
3 Stück zur Wiederverpackung), grobe Schere und
Präanhepatische Phase
Klemmen zum Auspacken des Organs, feines Ge-
fäßinstrumentarium, 10-ml-Spritze, Knopfkanülen 7 Obere bogenförmige Laparotomie (transversale
und Sonden. Oberbauchinzision) mit Erweiterung zum Xiphoid.
Durchtrennen der Bauchwandschichten (Subkutis,
»Back-table-Präparation« Faszie des M. rectus abdominis, M. obliquus exter-
Siehe Nierentransplantation (7 Kap. 9). nus, M. transversus und Peritoneum). Hier können
Nach dem Auspacken wird das Spenderorgan makros- kollaterale Venen zu erheblichen Blutung führen.
kopisch beurteilt, gewogen und das Gewicht dokumen- Sie müssen umstochen oder koaguliert werden.
tiert. Erscheint das Spenderorgan transplantierbar, beginnt Das Lig. teres hepatis (Lig. umbilicale) sowie das
die Narkoseeinleitung des Empfängers. Lig. falciforme werden mit einem 2–0 Faden ligiert
An der Spenderleber werden die Leberarterien präpa- und durchtrennt.
riert und die Pfortader dargestellt. Ist die Gallenblase noch 7 Die Exploration des Abdomens wird zum Aus-
vorhanden, wird sie jetzt entfernt. schluss von vorher nicht bekannten Erkrankungen
Von den Lebervenen und der V. cava wird anhängendes (z. B. Tumoren) durchgeführt und klärt die Opera-
Binde- und Muskelgewebe entfernt. Die V. cava inferior bilität.
wird dargestellt und das Lig. cavale durchtrennt. Offene 6
Gefäßabgänge, die sich beim Sondieren mit der Knopfka-
2.8 · Leber
93 2

7 Eventuell vorhandener Aszites wird abgesaugt, Anhepatische Phase


ggf. eine Bakteriologie entnommen. Laterales 7 Jetzt beginnt die kritische Phase der Transplanta-
Anheften der beiden entstandenen Bauch- tion. Die warme Ischämiezeit (die neue Leber ist
lappen. nicht durchblutet und wird warm) sollte die Zeit
7 Umlegen des Abdomens mit Bauchtüchern zur von 60–70 min nicht überschreiten.
Schonung des Gewebes und Einsetzen eines Re- 7 Eine sorgfältige Blutstillung mit Umstechungen
traktors. unterschiedlicher Stärke gilt als Voraussetzung für
7 Anklemmen der Gallenblase mit einer Gallen- den weiteren Ablauf.
blasenfasszange. 7 Mit der Schere nach Potts werden die Gefäßenden
7 Jetzt beginnt die Dissektion des Lig. gastroduo- für die Anastomosen vorbereitet.
denale. Hierbei werden erst der D. cysticus und 7 Während der gesamten anhepatischen Phase ist
die A. cystica aufgesucht, ligiert und durchtrennt. darauf zu achten, dass nur Eiswasser (feuchte Tü-
Nach der Ligatur des D. choledochus und der cher) verwendet wird.
linken und rechten A. hepatica und werden die 7 Beginn und Ende der Anastomosenherstellung
3 Strukturen durchtrennt. werden dokumentiert.
7 Das Gewebe um die V. portae wird gelöst. 7 Die zu implantierende Leber wird auf dem Instru-
7 Die A.-hepatica-Äste werden nach zentral prä- mentiertisch noch einmal inspiziert.
pariert, sodass die A. hepatica propria und die 7 Die erste Anastomose – die der oberen V. cava –
A. gastroduodenalis freigelegt werden. Hierdurch wird mit 4–0 monofilem, nicht resorbierbarem
ist die Leberarterie für die spätere Anastomose doppelt armiertem Nahtmaterial und fortlau-
vorbereitet. fender Naht hergestellt.
7 Jetzt beginnt die Mobilisation des linken Leber- 7 Die Leber wird angehoben und die untere V.-cava-
lappens. Ein Bauchtuch wird unter den linken Anastomose ebenfalls fortlaufend genäht. Kurz
Leberlappen, d. h. zwischen den linken Leber- vor Beendigung der Anastomose werden die Näh-
lappen und die vordere Magenwand geschoben, te mit gummibezogenen Klemmchen ange-
um diese zu schützen. klemmt.
7 Das Lig. triangulare sinister (Lig. coronarium links) 7 Zur Erstellung der Pfortaderanastomose wird die
wird durchtrennt, sodass der linke Leberlappen Länge des Gefäßes der Pfortader angepasst, zu-
mobil wird. Jetzt wird auch das Lig. gastro- rechtgeschnitten und die Anastomose mit dop-
hepaticum ligiert und durchtrennt. In diesem pelt armiertem monofilem nicht resorbierbarem
Ligament kann evtl. noch eine adhärente 5–0 Nahtmaterial fortlaufend genäht.
A. hepatica liegen. 7 Die Arterie des Spenderorgans wird mit einer Bull-
7 Zur Mobilisierung der rechten Leber wird das dogklemme verschlossen.
Lig. triangulare dexter (Lig. coronarium rechts) 7 Zum Flushen der Leber wird die Nierenarterien-
monopolar durchtrennt. Dabei stellen sich die klemme entfernt, wodurch das Blut des Patienten
rechte Nebenniere und die rechte Nebennieren- durch die V. portae in die Leber und aus der un-
vene dar. teren – noch offenen – V.-cava-Anastomose aus
7 Schließlich ist von der rechten Seite aus die V. ca- der Leber wieder herausfließen kann. So werden
va hinter der Leber zu erkennen. Sie wird unter- Stoffe, die in der Konservierungsflüssigkeit enthal-
halb der Leber mit einem Overholt umfahren und ten waren, aus der Leber entfernt.
soweit freipräpariert, dass sie auch oberhalb der 7 Nach erneutem Abklemmen der V. portae wird die
Leber umfahren werden kann. Anastomose der unteren V. cava beendet.
7 Die V. portae wird lebernah mit einer Nierenarteri-
enklemme abgeklemmt und durchtrennt.
7 Die untere V. cava wird mit einer gebogenen Ge-
Reperfusion
fäßklemme, die obere V. cava mit einer (nach
rechts) gebogenen Cavaklemme am Zwerchfell 7 Der Beginn der Reperfusion sollte mit dem Anäs-
abgeklemmt. Die Gefäße werden mit der Schere thesisten abgestimmt und dokumentiert werden,
durchtrennt, nun kann die Leber inkl. der V. cava um die Kreislaufstabilität des Patienten nicht zu
entfernt werden. gefährden.
7 Die präanhepatische Phase ist beendet. 6
94 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.9 Bauchspeicheldrüse
7 Die obere V.-cava-Klemme wird entfernt. Bei Be-
darf müssen blutende Gefäße umstochen werden. M. Liehn, L. Steinmüller
2 Anschließend wird die untere V.-cava-Klemme ab-
genommen. 2.9.1 Anatomie und Physiologie
7 Die Pfortaderklemme wird langsam geöffnet
und das Gallenblasenbett mit der monopolaren Anatomie
Kugelelektrode koaguliert. Die Leber füllt sich Die 60–85 g schwere, retroperitoneal gelegene Bauchspei-
progressiv wieder mit Blut, deshalb muss die cheldrüse (Pankreas) wird in die Abschnitte Kopf, Körper
Kreislaufsituation des Patienten kritisch beobach- und Schwanz unterteilt.
tet werden. Der Pankreaskopf wird rechts vom Duodenum um-
7 Ab diesem Zeitpunkt nur noch warmes NaCl ver- schlossen. Beide haben eine gemeinsame Blutversorgung.
wenden! Das exokrine und endokrine Organ ist von zahlreichen
7 Die zuvor ligierte Arterie wird mit einer Nieren- Ausführungsgängen durchzogen.
arterienklemme abgeklemmt und mit der Gefäß- Im Duodenum mündet der Hauptausführungsgang
schere eröffnet. Üblicherweise wird die Anasto- des Pankreas, der Ductus Wirsungianus, gemeinsam mit
mose mit 6–0 doppelt armiertem, nicht resorbier- dem Ductus choledochus in die Papilla Vateri; in der sog.
barem monofilem Nahtmaterial fortlaufend oder Minorpapille mündet in der Regel ein weiterer Ausfüh-
mit Einzelknopfnähten hergestellt. Dafür nutzt rungsgang.
der Chirurg eine Lupenbrille. Die Vorderfläche des Pankreas grenzt an die Magen-
7 Die abgeklemmte A. hepatica wird freigegeben, hinterwand und ist von dieser lediglich durch die Bursa
für ggf. undichte Anastomosen liegt eine Naht omentalis getrennt. Der Pankreasschwanz steht in enger
bereit. Beziehung zum Milzhilus; A. und V. splenica verlaufen an
7 Bevor die nächste Phase der Operation beginnt, der Oberkante des Pankreas. Dabei geben sie aber viele
erfolgt eine sorgfältige Blutstillung. kleine Äste an die Bauchspeicheldrüse ab (. Abb. 2.64).
Das retroperitoneal gelegene Organ liegt ventral der
Wirbelsäule der Aorta auf.
Die arterielle Blutversorgung erfolgt aus Ästen der
Postanhepatische Phase A. gastroduodenalis (A. pancreaticoduodenalis superior),
7 Die Gallengangsanastomose wird üblicherweise aus Ästen der A. mesenterica superior (A. pancreaticodu-
durch eine End-zu-End-Anastomose mit 5–0 mo- odenalis inferior) und aus der Milzarterie.
nofilem resorbierbarem Nahtmaterial doppelt Das Pankreas bietet durch seinen anatomischen Auf-
armiert fortlaufend oder mit Einzellknopfnähten bau ungünstige Verhältnisse für einen chirurgischen Ein-
genäht. griff, weil es wenig Bindegewebe, jedoch ein außergewöhn-
7 In Ausnahmefällen, z. B. bei Erkrankungen des lich reiches Gefäßnetz enthält. Die bindegewebige Kapsel
Gallengangs, wird eine Hepatikojejunostomie der Bauchspeicheldrüse ist hauchdünn.
durchgeführt.
7 Nach einer letzten Blutstillung und dem Spülen Physiologie
des Abdomens werden durch Stichinzisionen Das Pankreas ist auf 2 verschiedenen Wegen an der Ver-
rechts und links Penrose-Drainagen eingebracht dauung und der Stoffwechselregulierung beteiligt:
(je ein langes hinter den rechten und linken Le- 4 Es hat eine exkretorische Funktion und gibt zur Nah-
berlappen und je ein kurzes von rechts und links rungsverdauung die folgenden Enzyme aus den Azini
an den Leberhilus führend). über die Ausführungsgänge in das Duodenum ab:
7 Entfernung des Retraktors und der Umlegungen. 5 Trypsin → Eiweißspaltung,
7 Zählkontrolle der Textilien sowie der Instrumente 5 Lipase → Fettspaltung,
mit anschließender Dokumentation des Zähl- 5 Amylase und Maltase → Kohlenhydratspaltung.
standes. 4 Die inkretorische Funktion beinhaltet die Regulie-
7 Aufheben der Lagerung. rung des Kohlenhydratstoffwechsels durch Hormon-
7 Schichtweiser Wundverschluss. abgabe in die Blutbahn:
7 Verband der Hautnaht und der Drainagen. 5 Langerhans-Inselzellen → Insulinabgabe → Gluka-
gonsekretion.
2.9 · Bauchspeicheldrüse
95 2
2.9.2 Krankheiten der Bauchspeicheldrüse

Akute Pankreatitis
Die akute Pankreatitis ist zunächst ein internistisches
Krankheitsbild, verursacht durch Gallengangsteine, Alko-
holismus und seltene andere Ursachen.
Die intrapankreatische Aktivierung der oben genann-
ten Verdauungsenzyme und die Verminderung der Zell-
membranstabilität führen zu einer »Selbstverdauung« des
Organs, die auch über die Organgrenzen hinaus fortschrei-
ten kann.

Symptome
Die Erkrankung beginnt mit Oberbauchschmerzen, die
charakteristischerweise gürtelförmig v. a. links in den Rü-
cken ausstrahlen.
Häufig treten Übelkeit und Erbrechen mit einem Sub-
ileusbild als Ausdruck der begleitenden Paralyse des
Darmes auf. Neben Meteorismus tritt Fieber auf. Als Zei-
chen des peritonealen Reizes kann zusätzlich zu den hef- . Abb. 2.64 Arterielle Versorgung des Pankreas. (Nach Siewert 2010)
tigen Schmerzen eine Abwehrspannung im Oberbauch
bestehen.
Operativ Nur bei kompliziertem Verlauf nach Ausschöp-
Verlauf fung der konservativen Therapie möglichst erst Wochen
Von den akuten Pankreatitiden heilen 80% über die öde- nach Krankheitsbeginn, da die frühe operative Therapie
matöse Verlaufsform aus, 20% können in die nekrotisie- mit hoher Letalität belastet ist. Nekrosektomie bei infi-
rende Verlaufsform übergehen. Bei den nekrotisierenden zierten Nekrosen, Operation bei Perforation benachbarter
Verlaufsformen gehen 50% mit einem septischen Krank- Hohlorgane im Rahmen einer nekrotisierenden Pankrea-
heitsbild einher. titis, bei Kolonstenosierung.

Komplikationen und Folgen OP-Konzept Die Nekrosektomie erfolgt einzeitig operativ,


Lokal Peripankreatische Nekrosen mit Ausbreitung im sofern endoskopische interventionelle Verfahren nicht zur
Retroperitoneum. Ausbildung von Pseudozysten, die per- Verfügung stehen. Frühzeitig werden Spüldrainagen zur
forieren können. Außerdem besteht die Möglichkeit der Ableitung des aggressiven Pankreassekrets in die Pankre-
Superinfektion und der Arrosionsblutung. Weitere Folgen asloge eingelegt.
können Abszess- und Fistelbildung sein. Bevorzugt wird die spätsekundäre Operation (nach
Wochen bzw. Monaten) mit Sanierung der Spätfolgen:
Organsystemisch Kreislaufschock und pulmonale Insuffi- Drainageoperation von Pankreaspseudozysten durch
zienz. Niereninsuffizienz, Ileus, Gerinnungsstörungen, Pseudozystojejunostomie nach Y-Roux (7 Abschn. 2.5.5).
gastrointestinale Blutungen. Ein nach Pankreaskopfpankreatitis permanent aufge-
stauter Pankreasgang kann durch eine nach Y-Roux
Therapie ausgeschaltete Jejunumschlinge ebenfalls abgeleitet
Konservativ Primär werden alle akuten Pankreatitiden werden (sog. Operation nach Puestow; . Abb. 2.65 und
konservativ, bei schweren Verläufen auch sehr aggressiv, . Abb. 2.66).
therapiert. Grundsätzlich wird nur initial orale Nahrungs-
und Flüssigkeitskarenz eingehalten, bei Bedarf mit Entlas- Chronische Pankreatitis/
tung des paralytischen Magen-Darm-Traktes mit einer Pankreaskopfkarzinom
Magensonde. Eine angepasste Schmerztherapie ist sinn- Hinweise für ein Pankreaskopfkarzinom ergeben sich bei
voll. schmerzlosem Ikterus mit schmerzlosem Gallenblasen-
Bei schwerem Verlauf werden evtl. Antibiotika ange- hydrops (Courvoisier-Zeichen). Außerdem tritt meist eine
setzt, bei Ateminsuffizienz frühzeitig Intubation und Beat- Gewichtsabnahme auf.
mung, bei Flüssigkeitseinlagerung und Nierenversagen Die chronische Pankreatitis verläuft meist über Jahre in
auch Hämofiltration. Schüben, oft mit heftigen Schmerzattacken. Mit dem »Aus-
96 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Kontrastbrei, Duodenalstenose?), evtl. PTC (perkuta-


ne, transhepatische Cholangiographie).

2 Nur bei 5–10% der Patienten stellt sich das Problem der
Differenzialdiagnose zur chronischen Pankreatitis intra-
operativ.
Die Karzinome des Pankreasschwanzes sind seltener,
ihre Klinik ist häufig erst in fortgeschrittenem Stadium er-
kennbar, da die Stenosierung der Gallenwege fehlt.

kOP-Indikation
Ein kurativer Therapieansatz für das Pankreaskopf- und
das Papillenkarzinom ergibt sich nur bei frühen Erkran-
. Abb. 2.65 Laterolaterale Pankreatikojejunostomie. (Nach Reding kungsstadien mit der partiellen Duodenopankreatektomie
1988)
nach Whipple. Verschiedene Modifikationen der Rekons-
truktionen werden beschrieben.
Operationstechnische und tumorradikale Gründe
sprechen beim Pankreaskopfkarzinom zwar für die totale
Duodenopankreatektomie (DPE). Nach totaler DPE tritt
zwangsläufig ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus auf!
Die Langzeitergebnisse sind jedoch nicht günstiger,
zumal die Lebensqualität bei der pyloruserhaltenden par-
tiellen Duodenopankreatektomie (PPPD) besser ist. Eine
Operation nach Whipple mit Resektion des distalen Ma-
gens wird vorgenommen, wenn der Tumor auch im Bulbus
duodeni zu finden ist.
Das Pankreasschwanzkarzinom wird, falls die Opera-
bilität lokal gegeben ist, durch die Linksresektion des Or-
gans therapiert.
Bei einer chronischen Kopfpankreatitis wird der Pank-
reaskopf reseziert. An das verbleibende Bauchspeicheldrü-
sengewebe wird eine Jejunumschlinge als Korpusdrainage
anastomosiert (. Abb. 2.67).

. Abb. 2.66 Fertiggestellte laterolaterale Pankreatikojejunostomie


mit Y-Anastomose nach Roux. (Nach Reding 1988) 2.9.3 Duodenumerhaltende
Pankreaskopfresektion (DEPKR)

brennen« des Organs wird es funktionslos. Es kommt zu »Operationsindikationen bei der chronischen Pankreatitis
Fettstühlen und insulinpflichtigem Diabetes mellitus. sind medikamentös schwer beherrschbare Oberbauch-
schmerzen, Stenosen des Gallen- und Pankreasganges, des
Diagnostik Duodenums und der Pfortader. Ziel der Operation ist ne-
In 90–95% der Fälle lässt sich präoperativ die Diagnose ben der Beseitigung der oben genannten Komplikationen
eines Pankreaskopfkarzinoms und die lokale Operabilität auch die andauernde Schmerzfreiheit oder Schmerzmin-
folgendermaßen sichern: derung« (Keim et al. 2009).
4 Laborwerte und Tumormarker (CA 19–9), Bei der chronischen Pankreatitis werden heute die ent-
4 Sonographie/Computertomographie, Endosonogra- zündlichen Pankreaskopftumoren zunehmend duodenum-
phie, erhaltend operiert. 2 Operationsverfahren haben sich
4 perkutan oder endosonographisch Feinnadelpunkti- durchgesetzt:
onszytologie oder Endosonographie, 4 die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion
4 ERCP, ggf. mit Gangzytologie, MRCP, nach Beger und
4 Angiographie, Splenoportogramm, MDP (Darstel- 4 die lokale Pankreaskopfresektion mit longitudinaler
lung der Magen-Darm-Passage durch Schlucken von Pankreatikojejunostomie nach Frey.
2.9 · Bauchspeicheldrüse
97 2
OP nach Beger
kPrinzip
Das Pankreas wird auf Höhe der Mesenterialvene vollstän-
dig durchtrennt und der Pankreaskopf im Anschluss »aus-
gehöhlt«.

OP nach Frey
kPrinzip
Es wird bei der partiellen Pankreaskopfresektion belassen
ohne Durchtrennung des Parenchyms, aber mit Erweite-
rung um eine longitudinale Spaltung des Pankreasganges.
a
Es gibt Modifikationen (z. B. nach Büchler), bei der
ebenfalls auf die – bei chronisch entzündlich verändertem
Pankreasparenchym – nicht unkomplizierte Organdurch-
trennung auf der V. mesenterica superior, aber auch auf die
Längsspaltung des D. Wirsungianus verzichtet wird. Der
Pankreaskopf wird unter Erhalt der dorsalen Pankreaskap-
sel partiell reseziert, wobei der D. choledochus türflügelar-
tig eröffnet und so abgeleitet werden kann.
Bei allen duodenumerhaltenden Operationsverfahren
wird mit einer antimesenterial eröffneten, nach Y-Roux
ausgeschalteten Jejunumschlinge gedeckt.
b

2.9.4 Distale Pankreasresektion


(linksseitige Pankreasresektion)

Die linksseitige subtotale Pankreasresektion entfernt 60–


80% des gesamten Drüsenparenchyms.

kIndikation
4 Multiple Pseudozysten im Pankreasschwanz,
4 das seltene Insulinom,
4 selten Pankreasschwanzkarzinome,
4 vom Schwanz ausgehende Pankreasfistel,
4 diffus sklerosierende Pankreatitis.

kPrinzip c
Resektion des Pankreasschwanzes mit einem Teil des
Pankreaskörpers mit Unterbindung der A. splenica und . Abb. 2.67 Duodenumerhaltende Resektion des Pankreaskopfes
deshalb zumeist kombiniert mit einer Splenektomie. Bei nach Beger et al. a Der Pankreaskopf ist durchtrennt. b Ein Teil des
benignen Befunden kann milzerhaltend vorgegangen Pankreaskopfes zwischen der duodenalen Seite der Portalvene und
des intrapankreatischen Ductus choledochus ist rezesiert. c Rekons-
werden.
truktion mit einer End-zu-End-Pankreatikojejunostomie mit dem
Diese Operation kann laparoskopisch durchgeführt Pankreaskorpus und einer Seit-zu-Seit-Pankreatikojejunostomie zur
werden. Resektionshöhle des Pankreaskopfes

kLagerung
4 Rückenlage, leicht überstreckt, 4 Rahmen,
4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. 4 überlange Präparationsinstrumente,
4 Zügel,
kInstrumentarium 4 Vesselloops,
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 4 bei Bedarf Einzelclipstapler und linearer Verschluss-
4 evtl. Rochard-Haken, stapler.
98 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.9.5 Partielle Duodenopankreatektomie


Linksseitige Pankreasresektion nach Whipple (rechtsseitige
7 Quer verlaufende bogenförmige Oberbauchlapa- Pankreasresektion)
2 rotomie oder große mediane Laparotomie. Explo-
ration des Bauchraums und Einsetzen des Rah- kIndikation
mens. 4 Pankreaskopfkarzinom,
7 Mit der Durchtrennung des Lig. gastrocolicum 4 Karzinom der Papilla Vateri,
zwischen Overholt-Klemmen und der Lösung der 4 evtl. chronische Kopfpankreatitis (hier wird zuneh-
Magenhinterwand vom Pankreas beginnt die Ske- mend die duodenumerhaltende Pankreaskopfresekti-
lettierung. on angewendet),
7 Die Milz wird, wenn sie nicht bei besonders güns- 4 distales Gallengangkarzinom.
tigen anatomischen Verhältnissen belassen wer-
den kann, in bekannter Weise mobilisiert (7 Ab- kPrinzip
schn. 2.6.2). Die A. splenica wird in Höhe der Re- En bloc werden der Pankreaskopf mit dem Duodenum
sektionslinie bzw. an ihrem Abgang aus dem und dem distalen Anteil des Magens reseziert. Heute ist
Truncus coeliacus präpariert, doppelt ligiert und jedoch zunehmend die pyloruserhaltende Operation üb-
durchtrennt. Die Milzvene wird kurz vor der lich. Üblich ist ebenfalls das pyloruserhaltende Vorgehen
V. mesenterica superior abgesetzt. ohne Magenteilresektion. Neben der Resektion des dista-
7 Das Peritoneum wird an der Unterkante des Pank- len Ductus choledochus wird auch die Cholezystektomie
reasschwanzes inzidiert, die Milz luxiert und nach durchgeführt. Die Rekonstruktion beinhaltet die Wieder-
rechts gezogen. Das stumpfe Abpräparieren des herstellung der Magen-Darm-Passage, die Ableitung der
Pankreasschwanzes inklusive der V. splenica vom Galle über eine biliodigestive Anastomose und die Anas-
Retroperitoneum muss schrittweise und äußerst tomosierung des Pankreaskorpus ebenfalls mit einer Je-
behutsam erfolgen, um u. a. eine Begleitverlet- junumschlinge oder alternativ durch Implantation in die
zung der Nebenniere zu vermeiden. Magenhinterwand (. Abb. 2.68).
7 Wenn die V. portae erreicht ist, müssen vor allen
weiteren OP-Schritten die kleinen Zuflüsse sorg- kLagerung
fältig ligiert werden. 4 Überstreckte Rückenlage,
7 Die A. hepatica communis wird sicher identifiziert, 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
der Pankreasober- und -unterrand vorsichtig von
der V. portae bzw. V. mesenterica superior abge- kInstrumentarium
löst, die V. gastrica dextra wird ligiert. 4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
7 Das Absetzen hinter einer doppelten Klammer- 4 Allis-Klemmen,
nahtreihe ist die einfachste Art der Resektion. 4 lange Präparationsinstrumente,
7 Der Verschluss der Resektionsfläche erfolgt durch 4 Rochard-Haken,
resorbierbare Einzelknopfnähte. 4 Kirschner-Rahmen,
7 Wurde präoperativ keine ERCP durchgeführt, wird 4 Gummizügel,
der Ductus Wirsungianus sondiert, um sicherzu- 4 Vesselloops,
stellen, dass im Kopfabschnitt keine Stenose vor- 4 Einzelclipstapler,
liegt. 4 lineares Verschluss- und/oder Anastomosen-Klam-
7 Ein Drain, am besten als Spüldrainage vorbereitet, mernahtinstrument.
wird nahe der Resektionsfläche platziert und se-
parat ausgeleitet. Indikationen zum Palliativeingriff
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und des Ins- Eine biliodigestive Anastomose wird bei Stenosierung des
trumentariums sowie der Dokumentation ihrer Ductus choledochus angelegt. Bei einer begrenzten Le-
Vollzähligkeit schichtweiser Wundverschluss und benserwartung ist meist nur die endoskopische Einlage
Verband. einer Gallengangprothese sinnvoll.
Eine Gastroenteroanastomose muss bei Infiltration
bzw. Stenosierung des Duodenums als Umgehungsanasto-
mose zur Aufrechterhaltung der Nahrungspassage ange-
legt werden.
Häufig ist es sinnvoll, beide Eingriffe miteinander zu
kombinieren. Dies gilt auch, wenn noch keine Duodenal-
2.9 · Bauchspeicheldrüse
99 2
stenose aufgetreten ist, um dem Patienten bei fortgeschrit-
tener Erkrankung weitere Operationen zu ersparen (7 Ab-
schn. 2.5).
Für beide Anastomosen eignet sich wieder die Y-Roux-
Technik.
Laparoskopisch kann auch eine biliodigestive Anasto-
mose über eine Cholezystojejunostomie hergestellt werden.

Partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple


7 Meist quer verlaufende bogenförmige Oberbauch-
laparotomie. Ausgedehnte Exploration um ggf. die
a
OP-Indikation zu revidieren. Nach dem Einsetzen
des Rochard-Hakens und eines Rahmens wird das
Lig. gastrocolicum aufgesucht und zwischen Over-
holt-Klemmen durchtrennt und ligiert.
7 Die Duodenalmobilisation nach Kocher ist zwin-
gend erforderlich, um die Beweglichkeit des Pank-
reaskopfes zu prüfen, die einen Aspekt der Opera-
bilität darstellt.
7 Das Lig. hepatogastricum wird ebenfalls zwischen
Klemmen durchtrennt, dabei wird die A. gastrica
dextra ligiert.
7 Duodenum und Pankreas müssen sich problemlos
von den Mesenterialgefäßen ablösen lassen. Die b
Identifikation der A. hepatica und der Pfortader ist
obligat. . Abb. 2.68a, b Whipple-Operation. a Resektionsausmaß: 1 Pankre-
7 Der vom Duodenum umgebene Pankreaskopf askopf, 2 Duodenum, 3 Gallenblase, 4 distaler Gallengang, 5 großes
Netz (partiell), 6 distaler Magen. b Rekonstruktion: 1 Hepatikojeju-
wird mit Overholt-Klemmen und Präparierschere
nostomie, 2 Pankreatikojejunostomie, 3 Gastroenterostomie, 4 Jeju-
freigelegt, bis dorsal die V. cava sichtbar ist. Da- no-Jejunostomie (Braun-Anastomose). (Nach Siewert 2001)
nach wird das Pankreas schonend an seiner Unter-
kante skelettiert, mit einem langen Overholt links
neben der V. mesenterica superior unterfahren
und mit einem Gummizügel angeschlungen. 7 Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Rekons-
7 Die Unterbindung der A. gastroduodenalis und truktion. Die häufigste ist wohl die Reparation in
die Durchtrennung des Ductus choledochus set- der Y-Roux-Technik.
zen die Präparation fort. Das untere Drittel des 7 Das offene Ende der an der Flexura duodenojeju-
Magens wird, wie bei der Billroth-I- oder Billroth- nalis abgesetzten Jejunumschlinge, ante- oder re-
II-Operation, skelettiert und zwischen Klemmen trokolisch hochgezogen, wird End-zu-End oder
oder mit einem linearen Stapler abgesetzt. Alter- End-zu-Seit mit dem Pankreasrest anastomosiert.
nativ wird postpylorisch abgesetzt. Die zweireihige Naht erfolgt invertierend (sog. Te-
7 Das Duodenum wird bis zur Flexura duodenojeju- leskopanastomose).
nalis skelettiert und mit dem linearen Cutter oder 7 In die gleiche oder eine zweite Y-Roux-Schlinge
auch zwischen Klemmen durchtrennt, die Gallen- wird der Ductus choledochus End-zu-Seit als bilio-
blase wird entfernt (7 Abschn. 2.7.2). digestive Anastomose eingepflanzt.
7 An der Resektionslinie wird das Pankreas offen mit 7 Etwa 40 cm unterhalb der biliodigestiven Anasto-
dem Diathermiemesser abgesetzt. mose wird das Jejunum durchtrennt und an den
7 Alternativ wird das Pankreas vorher mit einem aboralen Teil wird der Magenrest End-zu-End oder
großen Overholt unterfahren, um 2 zirkuläre Liga- zu-Seit anastomosiert. Alternativ erfolgt etwa
turen zu legen und zu knoten. 20 cm aboral der biliodigestiven Anastomose die
7 Das Gesamtpräparat entfällt. Anlage der End-zu-End-Pylorojejunostomie.
6 6
100 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Das Jejunum im linken oberen und das Ileum im rech-


7 Eine weitere wichtige Modifikation besteht in der ten unteren Teil der Bauchhöhle werden vom Omentum
Implantation des Pankreasrestes in die Magenhin- majus wie von einer Schürze bedeckt. Das Ileum endet an
2 terwand als Pankreatogastrostomie. Diese Technik der Bauhin-Klappe (= Ileozäkalklappe).
ist weniger komplikationsträchtig als die pankrea- Die Gefäßversorgung des Dünndarmes erfolgt aus Äs-
tojejunale Anastomose. ten der A. mesenterica superior.
7 Die biliodigestive Anastomose wird in diesem Falle Das Kolon umringt das Dünndarmkonvolut wie ein
wieder in der Y-Roux-Technik End-zu-Seit angelegt. Rahmen.
7 Eine weitere Anastomosierungsvariante bietet Chirurgisch bedeutsam ist ein evtl. vorhandenes Me-
die Billroth-II-Technik mit Anlage einer Braun-Fuß- ckel-Divertikel, ca. 70 cm vor der Ileozäkalklappe. Es hat
punktanastomose (. Abb. 2.68b). über ein Mesenteriolum eine eigene Gefäßversorgung.
7 1–2 weiche Drainagen werden gelegt.
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instru- Physiologie
mente sowie der Dokumentation der Vollzählig- Aufgaben des Dünndarmes sind die Resorption von ver-
keit schichtweiser Wundverschluss und Verband. schiedenen Nahrungsbestandteilen sowie die Sekretion
7 Pyloruserhaltend: BII-Technik ohne Fußpunktanas- von Amylasen und Proteinasen. Außerdem werden Gal-
tomose, End-zu-Seit-Pylorojejunostomie. lensalze rückresorbiert.

Enterotomie
Leider ist beim Pankreaskopfkarzinom häufig nur noch ein
Palliativeingriff möglich, da es meist zu spät diagnostiziert Definition
wird. Als Entscheidungskriterien gelten: Als Enterotomie bezeichnet man die zeitweilige Eröff-
4 Nachweis der Lymphknoten-/Fernmetastasierung nung des Dünndarmlumens. Nachdem die erforder-
(Schnellschnitt, CT, MRT), liche Manipulation im Lumen beendet ist, muss die
4 lokale Infiltration des Tumors in die A. mesenterica Darmwandwunde wieder verschlossen werden.
superior oder in die Pfortader bzw. in die Nachbar-
organe.
Man spricht von einer Duodenotomie, einer Jejunotomie
Fernmetastasen und Peritonealkarzinose verhindern häu- oder einer Ileotomie.
fig selbst einen Palliativeingriff. Der Darm wird mit dem Skalpell zwischen 2 Haltefä-
den quer eröffnet, der Fremdkörper, ein Polyp oder ein
Adenom wird entfernt und die quer verlaufende Öffnung
2.10 Dünndarm ein- oder zweireihig wieder verschlossen. Auf diese Art
engt man das Darmlumen, wenn überhaupt, nur geringfü-
2.10.1 Anatomie und Physiologie gig ein.

Anatomie des Duodenums, des Jejunums


und des Ileums 2.10.2 Dünndarmresektion
Als Dünndarm bezeichnet man den Darmteil vom Pylorus
bis zur Ileozäkalklappe. Er ist etwa 4–6 m lang. Man kann entweder einzelne Dünndarmsegmente oder
Hinter dem Pylorus beginnt das obere Duodenum, die längere Abschnitte resezieren. Wichtig ist hier der Konta-
sog. Pars superior, daran schließen sich die Pars descen- minationsschutz.
dens und die Pars horizontalis an. Die abschließende Pars
ascendens mündet am Treitz-Band in das Jejunum. Der kIndikation
Anfangsteil des Duodenums ist auf 2–3 cm Länge, ebenso 4 Inkarzerierte Hernie mit nekrotischem Darm-
wie das Jejunum, fast zirkulär mit Serosa bedeckt. Der grö- abschnitt,
ßere Teil des Duodenums liegt retroperitoneal. 4 Mesenterialinfarkt,
Das Duodenum umfasst hufeisenförmig den Pankre- 4 Karzinome,
askopf. Beide Organe haben eine gemeinsame Blutversor- 4 Sarkome,
gung. 4 M. Crohn,
Das Jejunum und das Ileum hängen in ganzer Länge 4 Meckel-Divertikulitis oder
frei am Mesenterium. 4 traumatische Dünndarmverletzungen.
2.10 · Dünndarm
101 2
kPrinzip
Das betroffene Dünndarmsegment wird zumeist mit
Mesenterium reseziert und End-zu-End oder Seit-zu-Seit
anastomosiert (. Abb. 2.69).

kLagerung
4 Rückenlage,
4 Dispersionselektrode an einem Oberschenkel.

kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 Rahmen,
4 Duval- und Allis-Klemmen,
4 weiche Darmklemmen,
4 90° abgewinkelte Klemmen, a
4 bei Bedarf Rinne und Deschamps,
4 Einzelclipstapler und linearer Anastomosenstapler.

Dünndarmresektion
7 Der Zugang erfolgt zumeist über eine mediane
Unterbauchlaparotomie; zuerst wird die Bauch-
höhle exploriert.
7 Nach dem Einsetzen des Rahmens oder großer
Bauchdeckenhaken (z. B. nach Fritsch) ist das große
Netz zu sehen, das hochgeschlagen wird. Die be-
troffene Schlinge wird aufgesucht und der zu die-
sem Dünndarmsegment gehörende Mesenterial-
b
bezirk V-förmig skelettiert. Dazu wird das Peritone-
um beiderseits eingeschnitten, das Fettgewebe mit . Abb. 2.69a, b Dünndarmresektion. a Onkologische Dünndarm-
Präpariertupfern abgeschoben. Mit Hilfe von Over- resektion mit weitem Sicherheitsabstand und Lymphadenektomie
holt-Klemmen werden zwischen Ligaturen seitlich durch keilförmige Skelettierung des Mesenteriums. b Knappe Resek-
die Gefäßarkaden unterbrochen und ggf. das Zen- tion einer benignen Stenose ohne Lymphadenektomie

tralgefäß durchtrennt. Alternativ kommt ein Ein-


zelclipstapler zum Einsatz oder das LigaSure.
7 Die Arterien lassen sich im OP-Gegenlicht sichtbar
machen (Diaphanoskopie). 7 Zur Rekonstruktion der Darmpassage durch eine
7 Der Darm wird an den Resektionslinien zirkulär End-zu-End-Anastomose werden die beiden
vom Fett befreit und nach beiden Seiten ausge- Darmenden über die verbliebenen weichen Klem-
strichen. Dann werden die Darmklemmen (weich men zusammengeführt und die Einzelnähte für
und hart) angesetzt. die Serosahinterwand gelegt und ungeknotet an-
7 An die verbleibenden Darmenden wird jeweils geklemmt.
eine weiche Darmklemme gesetzt und an die Re- 7 Die Klemmen können geordnet auf eine Pinzette
sektatenden je eine harte Klemme, um nach der gefädelt werden.
Durchtrennung mit dem Skalpell jede Verunreini- 7 Die weichen Darmklemmen werden parallel ne-
gung der Bauchhöhle zu vermeiden. Aus diesem beneinander gelegt, die gelegten Nähte verknotet.
Grund empfiehlt sich hier die Anwendung eines li- 7 Die Naht der Mukosahinterwand und -vorderwand
nearen Anastomosenstaplers. erfolgt häufig fortlaufend, die Serosavorderwand
7 Das Darmlumen kann nach der Durchtrennung wird invertierend genäht. Üblich ist auch die ein-
mit einem z. B. in Betaisodona-Lösung getränkten oder zweireihige fortlaufende Nahttechnik der Vor-
Stieltupfer gesäubert werden. der- und Hinterwand der Seromuskularis.
6 6
102 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Die gedeckte Perforation geht zumeist aus dem perityphli-


7 Der Verschluss des Mesenterialschlitzes und das tischen Infiltrat hervor. Dieses ist als lokale Tumorbildung
Anordnen des Darmpakets im Sinne von Noble tastbar. Hierbei tritt eine starke entzündliche Begleitreak-
2 beenden den eigentlichen Eingriff. (Hierbei wird tion ohne Eiter auf.
der gesamte Dünndarm quer zur Mesenterialwur-
zel mäanderförmig angeordnet. So werden Ver- Chronische Appendizitis
schlingungen und Abknickungen vermieden.) Bei der chronischen Appendizitis handelt es sich in der Re-
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instrumente gel um einen Folgezustand nach akuter Appendizitis mit
sowie der Dokumentation ihrer Vollzähligkeit kann Übergang in eine Vernarbung. Die hier zeitweise auftre-
die Bauchhöhle schichtweise verschlossen werden. tenden Schmerzen verschwinden mit der Appendektomie.
7 Verband.
Pathophysiologie der Appendizitis
Es wird angenommen, dass die Appendizitis die Folge ei-
ner Lumenverlegung der Appendix unterschiedlicher Ur-
2.11 Blinddarm sache ist.
Aus der fokalen Appendizitis wird die Durchblutung
2.11.1 Appendizitis durch erhöhten Binnendruck und Wandödem bei »Fesse-
lung« von außen (durch die Serosa) gedrosselt. Damit
Die vordere freie Tänie des Zäkums dient als Leitbahn zur nimmt die Wandschädigung zu. Auf dem günstigen Keim-
Appendix, die ein Anhängsel des Dickdarmes und durch- nährboden entstehen nach der eitrigen Einschmelzung die
schnittlich 7,5–10 cm lang ist. Gangrän und schließlich die Perforation.
Der Wurmfortsatz hat ein Mesenteriolum, in dem die
A. appendicularis verläuft. Am Ansatz dieses Mesenterio- Wege zur klinischen Diagnose
lums ist die Appendix vom Peritoneum überzogen. Anamnese
Die »klassische« Schmerzabfolge beginnt meist diffus im
Probleme bei Diagnose und Therapie Epigastrium oder in der Nabelregion. Dieser schlecht loka-
4 Untersuchungsverfahren zum sicheren Beweis oder lisierbare »Organschmerz« wird auch als viszeraler
Ausschluss sind Anamnese, Labor, Klinik, Sonogra- Schmerz bezeichnet.
phie und ggf. CT. Begleitet wird dieses Symptom von Inappetenz und
4 Eine akute Appendizitis muss bei jedem Patienten mit Übelkeit. Danach stellt sich meist Erbrechen ein.
abdominellen Beschwerden erwogen werden, der be- Nach Stunden bis Tagen ziehen die Schmerzen punkt-
reits geringe Symptome eines peritonealen Reizes zeigt. förmig lokalisiert in den rechten Unterbauch. Diese Form
4 Die einzige Möglichkeit die Sterblichkeit von des parietalen (somatischen) Schmerzes zeigt das Über-
0,7 : 100.000 Einwohner weiter zu senken und die greifen des Prozesses auf das parietale Peritoneum an
Schwere der Erkrankung zu mindern besteht in der (Quadrantenperitonitis).
Appendektomie vor Eintritt der Gangrän oder der Diese klassische Schmerzabfolge tritt allerdings nur in
Perforation. 55% der akuten Appendizitiden ein; andererseits kommt
sie auch bei bis zu 25% der Fälle anderer Erkrankungen
Einteilung der Appendizitisformen vor.
Akute Appendizitis
Erkennbar an der ödematösen Auftreibung, der entzünd- Körperliche Untersuchungsbefunde
lichen Rötung und dem fibrinösen Exsudat in der Umge- Prüfung des Spontan-, Druck- und Erschütterungs-
bung. schmerzes. Typisch sind:
4 Lokalisation des Spontanschmerzes punktförmig im
Akut-phlegmonöse Appendizitis rechten Unterbauch,
Sammelbegriff für alle destruktiven Formen einschließlich 4 Druckschmerz am sog. McBurney-Punkt bei der Tast-
der perforierten, gangränösen und eitrigen Appendizitis untersuchung,
und Periappendizitis. 4 Auslösung eines Erschütterungsschmerzes durch Be-
Bei der Perforation werden folgende Arten unterschie- klopfen der Bauchdecke bzw.
den: 4 Prüfung des Loslass- und kontralateralen Loslass-
4 freie Perforation, die zur Peritonitis führt; schmerzes,
4 gedeckte Perforation, die zum perityphlitischen Abs- 4 Douglas-Schmerz als Zeichen der entzündlichen Rei-
zess führt, einer lokal begrenzten Eiteransammlung. zung des Peritoneums bei der rektalen Untersuchung.
2.11 · Blinddarm
103 2
Labor- und Messbefunde
Zur weiteren Diagnostik werden die Temperaturmessung, 4 Bei unklarer Symptomatik dient eine längere Vor-
die Leukozytenzählung und CRP-Wert und die Sonogra- laufzeit der Beobachtung und der Erhebung von
phie eingesetzt. Kontrollbefunden. Mit dem Zeitpunkt der Diagno-
Kein Verfahren ist in der Lage, das Vorliegen einer Ap- sestellung gelten die oben genannten Forde-
pendizitis zu beweisen. rungen.
4 Zur Klärung und Vermeidung von zeitlichem Ver-
zug bietet sich die laparoskopische Diagnostik
Besonderheiten einzelner Patientengruppen
und ggf. Therapie an (7 Abschn. 2.15).
4 Kinder:
4 Sonderfälle:
Bei Kleinkindern verläuft die Entzündung des
Beim perityphlitischen Infiltrat bzw. Abszess wird
Wurmfortsatzes foudroyant. Die Differenzialdiag-
häufig eine Indikation für ein zunächst konserva-
nose einer Appendizitis ist umso schwieriger, je
tives Vorgehen mit initialer Antibiotikatherapie
jünger die Patienten sind.
und der Intervallappendektomie nach 2–3 Mona-
4 Junge Frauen:
ten gesehen. Obwohl dieses Vorgehen vielerorts
Die »negative Laparotomierate« (Anzahl der Pati-
praktiziert und in der Literatur angegeben wird,
enten, bei denen während der Operation keine
kann die Sofortoperation unter Antibiotikapro-
Appendizitis vorgefunden wird) ist doppelt so
phylaxe mit Fortführung als Therapie den Krank-
hoch wie bei den übrigen Patienten. Aus diesem
heitsverlauf abkürzen. Besonderer Wert in der
Grund sollte präoperativ eine gynäkologische Un-
Diagnostik kommt hier der präoperativen Sono-
tersuchung, auch mit Ultraschall, durchgeführt
graphie sowie der CT-Diagnostik zu.
werden.
4 Schwangerschaft:
Auf 2.000 Schwangerschaften entfällt eine akute
Appendizitis, und zwar am häufigsten in den ers- 2.11.2 Appendektomie bei mobilem Zäkum
ten 6 Monaten. Die Symptome unterscheiden sich
kaum gegenüber Nichtschwangeren. Lediglich im kIndikation
letzten Drittel erschweren die Lageänderung und Akute Appendizitis.
die Nachbarschaft des sich kontrahierenden Ute-
rus die Diagnose. In allen Schwangerschaftsstadi- kPrinzip
en sollte frühzeitig appendektomiert werden. Hervorluxieren des Zäkumpols, Absetzen der Appendix-
4 Hohes Alter: basis, ggf. Versenken des Appendixstumpfes, Revision des
Die Rate der perforierten Wurmfortsätze liegt mit Ileums wegen eines Meckel-Divertikels.
über 30% doppelt so hoch wie bei den übrigen
Patienten. Als Grund ist die geringer ausgeprägte kLagerung
Klinik und die größere Indolenz anzusehen. Bei ei- 4 Rückenlage,
ner häufig größeren Zahl von Begleiterkran- 4 Dispersionselektrode am rechten Oberschenkel.
kungen resultiert eine erhöhte Mortalität.
kInstrumentarium
4 Grundinstrumente,
4 evtl. längere Haken (z. B. Leberhaken nach Mikulicz),
Besonderheiten aufgrund der zeitlichen
4 Appendixquetsche, ersetzbar durch eine Overholt-
OP-Indikation
Klemme.
Mit der klinischen Diagnose »akute Appendizitis« er-
gibt sich die zeitlich dringende OP-Indikation:
4 OP-Vorbereitung und Planung sollten maximal Appendektomie
2 h in Anspruch nehmen. 7 Der häufigste Zugang führt über den Wechsel-
4 Auf die Forderung der Nüchternheit vor der schnitt im rechten Unterbauch. Obwohl kosme-
Narkoseeinleitung muss verzichtet werden. tisch ungünstig und nur schlecht erweiterbar,
4 Bei Zeichen der diffusen Peritonitis sollte die kommt bei unklarer Anamnese oder Prognose
Vorbereitungszeit aktiv genutzt werden. vielfach der Pararektalschnitt zur Anwendung.
6 6
104 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

trennt. Nach einer Stumpfdesinfektion (z. B. mit ei-


ner PVP-Lösung) ist die Appendektomie beendet.
2 7 Vielerorts ist immer noch die Stumpfversenkung
am Zäkum durch eine Tabakbeutelnaht aus dün-
nerem Nahtmaterial üblich.
7 Der Stumpf wird dann mit einer Pinzette im Zä-
kum versenkt. Die Tabakbeutelnaht wird zugezo-
gen und kann mit einer Z-Naht gesichert werden.
7 Alle Instrumente, die mit dem geöffneten Zäkum
Kontakt hatten (Messer, Pinzette, Tupfer) werden
abgeworfen.
7 Am Dünndarm sollte über eine Distanz von ca.
1 m nach einem Meckel-Divertikel gefahndet wer-
den. Nur bei fortgeschrittenen Entzündungspro-
zessen wird darauf verzichtet. Der Douglas-Raum
wird mit Stieltupfern sorgfältig ausgetupft. Lag
eine Perforation vor, wird das Abdomen mit
warmer Kochsalzlösung gespült und vorhandene
Fibrinbeläge werden komplett entfernt. Nur sel-
. Abb. 2.70 Das Mesenteriolum wurde durchtrennt, die Appendix ten ist eine Drainageeinlage gerechtfertigt.
skelettiert. Die Basis wird ligiert, die Appendix abgetragen und der
7 Schichtweiser Wundverschluss nach erfolgter
Stumpf durch eine Tabakbeutelnaht eingestülpt. (Nach Siewert 2010)
Zählkontrolle und Dokumentation, Verband.

Dagegen lässt sich der Querschnitt beliebig ver- Schwieriger gestaltet sich die Appendektomie bei retrozä-
längern und ist so bei perityphlitischen Befunden kal gelegenem Wurmfortsatz. Häufig muss auf die eben
vorteilhaft. Nach der Eröffnung des Peritoneums beschriebene antegrade Appendektomie verzichtet wer-
und dem Einsetzen der stumpfen Haken (nach den. Es wird zuerst der Zäkumpol mobilisiert, um dann die
Roux, Kocher oder Mikulicz) wird der Dünndarm Appendix an der Basis zu unterfahren und zu ligieren. Da-
abgedrängt, mit Haken beiseite gehalten und so nach wird durch dosierten Zug an sog. »Kletterligaturen«,
die Sicht auf das Zäkum ermöglicht. Wenn mög- die abschnittweise wie die Basisligatur angelegt wurden,
lich sollte auf das Verlegen des Zäkums vor die die Appendix bis zur Spitze mobilisiert und freipräpariert.
Bauchdecke verzichtet werden, weil hierdurch Nachfolgend wird die Appendix wie oben beschrieben ske-
Wandschäden entstehen können. Solche Läsionen lettiert und abgesetzt
sind wahrscheinlich die Ursache von postopera-
tiven Adhäsionen oder Darmverschlüssen. Komplikationen
7 Mit einer Klemme (nach Péan oder Kocher) wird Die Komplikationen sind:
das Mesenteriolum an der Appendixspitze ge- 4 Wundinfektion,
fasst. Der Wurmfortsatz selbst sollte so wenig wie 4 Abszessbildung (intrapelvin/subphrenisch/interente-
möglich berührt werden. Die meist im Gegenlicht risch),
sichtbare A. appendicularis wird mit einem Over- 4 Kotfistel und
holt unterfahren und doppelt ligiert. Anschlie- 4 bei 1% aller Operierten Entwicklung eines operati-
ßend wird das Mesenteriolum mit Overholt und onsbedürftigen Ileus.
Schere oder mit Rinne und Deschamps bis zur Zä-
kumbasis skelettiert (. Abb. 2.70). Das Komplikationsrisiko ist bei einer gangränösen oder
7 An der Basis wird die Quetsche angesetzt und perforierten Appendizitis erhöht. Durch den Einsatz von
vorher mehrfach zusammengedrückt. Im ge- Antibiotika als perioperative Prophylaxe lässt sich die
quetschten Bereich wird eine kräftige Ligatur ge- Wundinfektionsrate senken.
legt. Mit einem Skalpell wird der Wurmfortsatz Perforationsgefahr besteht bei weniger als 20% in den
zwischen Appendixklemme und Ligatur durch- ersten 24 h, bei mehr als 70% nach 48 h.
6 Das laparoskopische Vorgehen gilt als das Verfahren
der Wahl (7 Abschn. 2.15).
2.12 · Dickdarm
105 2
2.12 Dickdarm Rektum
Das Rektum beginnt dort, wo das Darmrohr sein Meso
2.12.1 Anatomie und Physiologie verliert (Mesocolon sigmoideum). Es hat eine Länge von
ca. 15–20 cm. Zwei Krümmungen finden sich in der Sagit-
Anatomie talebene:
Kolon 4 Flexura sacralis: durch die Kreuzbeinkrümmung be-
Als Dickdarm (Kolon) bezeichnet man den etwa 1,5 m lan- dingt,
gen Darmanteil von der Ileozäkalklappe bis zum Anus. 4 Flexura perinealis: konvex nach vorn zur Umgehung
Das Kolon wird noch einmal von rechts unten ausgehend des Steißbeins.
in die folgenden Abschnitte unterteilt:
4 Appendix: Sie entspricht einem rudimentären Zä- Das Rektum zeigt meist 3 halbmondförmige Querfalten.
kumabschnitt. Oberhalb dieser Querfalten liegt die Rektumampulle, ein
4 Zäkum: Es reicht bis zur Ileozäkalklappe (Bauhin- besonders erweiterungsfähiger Darmabschnitt, in dem
Klappe). Dies ist der weiteste Dickdarmabschnitt, all- sich der Darminhalt vor der Defäkation ansammeln kann.
seitig von Serosa umgeben und somit intraperitoneal Die Ampulle verjüngt sich analwärts trichterförmig und
frei beweglich. geht in den Analkanal über.
4 Colon ascendens.
4 Flexura coli dextra: An der Unterseite der Leber; das Arterielle Gefäßversorgung
Kolon liegt retroperitoneal, im Gegensatz zu den bei- 4 A. mesenterica superior: Sie entspringt unterhalb des
den vorherigen Abschnitten. Truncus coeliacus vor dem 1. LWK und hinter dem
4 Colon transversum: Es liegt intraperitoneal und ist Pankreas aus der Aorta und gibt folgende Äste ab:
an der dorsalen Bauchwand mittels eines Mesokolons 5 A. ileocolica,
fixiert, das Ober- und Mittelbauch abgrenzt. Das Co- 5 A. colica dextra,
lon transversum geht über in die 5 A. colica media.
4 Flexura coli sinistra.
4 Colon descendens, das retroperitoneal liegt. Die A. mesenterica superior versorgt den Darmkanal von
4 Sigma: Es liegt im linken Unterbauch intraperitoneal der unteren Duodenalhälfte bis zur linken Kolonflexur
und hat dementsprechend ein Mesosigma. (Cannon-Böhm-Punkt).
4 Rektum: Es liegt retroperitoneal und ist der unterste 4 A. mesenterica inferior: Sie entspringt gegenüber dem
Abschnitt des Dickdarmes. 3. LWK aus der Aorta und gibt folgende Äste ab:
5 A. colica sinistra,
Das Colon transversum ist mit dem Netz locker verwach- 5 Aa. sigmoideae,
sen. Auch das Zäkum liegt intraperitoneal und ist bis zu 5 A. rectalis superior.
einem gewissen Grad mobil.
Die anderen Dickdarmstrecken sind breit an der hin- Die A. mesenterica inferior versorgt das Colon descen-
teren Bauchwand fixiert. Der Dickdarm unterscheidet sich dens, das Sigmoid und den größten Teil des Rektums.
vom Dünndarm durch 4 auffallende Merkmale: 4 A. iliaca interna mit folgenden Ästen:
4 Tänien: 3 Längsstreifen aus zusammengebündelten 5 Aa. rectalis mediae
Fasern der Längsmuskulatur. 5 Aa. rectalis inferiores.
4 Haustren (Schöpfgefäße): Ausbuchtungen zwischen
den Tänien, die durch Einschnürungen gegeneinan- Venöse Gefäßversorgung
der abgesetzt sind. 4 V. mesenterica superior: Sie entspricht dem Ausbrei-
4 Appendices epiploicae: kleine, von Serosa überzo- tungsgebiet der Arterie. Sie bildet hinter dem Pank-
gene Fettläppchen längs der Tänien. reas mit der V. splenica die Pfortader.
4 Plicae semilunares coli: halbmondförmige Kontrak- 4 V. mesenterica inferior: Sie entspricht dem Ausbrei-
tionsfalten, die das Innenrelief des Dickdarmes bil- tungsgebiet der Arterie und mündet hinter dem
den. Sie entsprechen Kontraktionszuständen der Pankreas in die V. splenica (. Abb. 2.71).
Ringmuskulatur und wandern mit der Peristaltik
(sog. Fließen der Haustren). Lymphgefäße
In der Darmwand liegt ein submuköses, intermuskuläres
Der Dickdarm umgibt den Dünndarm wie ein Rahmen. und subseröses Netzwerk.
Alle Netzwerke hängen miteinander zusammen und
leiten die Lymphe von der Darmwand ab. Die Lymphkno-
106 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.71 Arterielle und venöse Blutversorgung des Dickdarmes. (Nach Siewert 2006)

ten nehmen die Lymphe des Darmes auf. Sie liegen in 3 Der Dickdarm scheidet keine Enzyme aus. Die sog.
Gruppen: Lieberkühn-Drüsen liefern ein seromuköses Sekret, das als
4 am Darmrand, Gleit- und Schmiermittel dient.
4 in der Mitte des Mesenteriums, Bei pflanzlicher Nahrung kann die Verdauung durch
4 an der Mesenterialwurzel. Dünndarmenzyme fortgesetzt werden. Ein Teil der Spalt-
produkte wird resorbiert, der andere wird durch Gärung
Die Lymphknoten münden schließlich in Lymphknoten und Fäulnis zerstört.
vor der Aorta und der V. cava inferior. Die gesamte Der Dickdarm besitzt eine physiologische Flora von
Lymphe des Darmes sammelt sich im Truncus intes- Bakterien, die Eiweiße und Kohlenhydrate zu energiear-
tinalis. men Abbauprodukten spalten. Die Eiweißabbauprodukte
werden teils aus dem Darm ausgeschieden, teils vom Dick-
Physiologie darm resorbiert, in der Leber entgiftet und als gepaarte
Die Hauptaufgaben des Kolons sind Aufnahme, Eindi- Schwefelsäuren im Harn ausgeschieden.
ckung und Weitergabe unverdauter Nahrungsreste. Der Darminhalt ist nach 3- bis 4-stündigem Aufenthalt
Wie alle übrigen Darmabschnitte besitzt auch der im Dünndarm noch relativ dünnflüssig. Er wird im Dick-
Dickdarm eine Vagusversorgung (fördert Peristaltik) und darm durch Wasserresorption auf ca. ein Viertel seines
eine Sympathikusversorgung (hemmt Peristaltik). Volumens eingedickt.
Kontraktionen und Bewegungen sind stark von den Ist das Dickdarmepithel, z. B. durch Cholerabazillen,
Funktionen des übrigen Magen-Darm-Kanals abhängig geschädigt, entstehen dünnflüssige Stühle, die zu großem,
(= gastrokolischer Reflex). lebensgefährlichem Wasserverlust führen. Der Dickdarm
2.12 · Dickdarm
107 2
ist auch Ausscheidungsorgan für Quecksilber, Wismut, Ei- Vier verschiedene makroskopische Kolonkarzinomtypen
sen, Kalzium, Magnesium und Phosphate. lassen sich unterscheiden:
Aus dem Ileum gelangen täglich ca. 1,5 l Stuhl in das 4 Blumenkohlartiges oder polypoides Karzinom: Es
Zäkum, davon werden ca. 1.000–1.200 ml Wasser rückre- wächst v. a. in das Darmlumen hinein (= exophytisch).
sorbiert. Die Rückresorption von Natrium erfolgt aktiv im 4 Ulzeriertes Karzinom: Im Zentrum liegt ein Ulkus
Austausch mit Kalium. Die Bakterien benötigen die von vor, der Tumor wächst an seinem Randwall weiter.
ihnen abgebauten Kohlenhydratreste im Wesentlichen zur 4 Ringförmig stenosierendes Karzinom.
Bestreitung ihres eigenen Stoffwechsels. 4 Diffus infiltrierendes Karzinom.
Eine größere Rolle spielt die Resorption von Wirkstof-
fen durch das Kolon. Es handelt sich dabei um Vitamine, Von den Kolonkarzinomen gehören 80% zu den Adeno-
die durch die Darmflora gebildet werden: Biotin, Folsäure, karzinomen. Die 5-jährige Heilungsquote bei kurativ rese-
Nikotinsäure und Vitamin K. zierten Patienten liegt bei 70%. Rund die Hälfte aller Pati-
Die Passagezeit des Dickdarminhalts beträgt zwischen enten haben zum OP-Zeitpunkt bereits befallene Lymph-
10 und 90 h. knoten.
Beschwerden treten in Abhängigkeit von der Lokalisa-
tion erst bei fortgeschrittenem Tumorwachstum auf durch
2.12.2 Diagnostik, Einteilung und Therapie Änderung der Stuhlgewohnheiten (Verstopfung im Wech-
kolorektaler Karzinome sel mit Diarrhöen), Blut- und Schleimabgang im Stuhl und
die sog. Spätsymptome wie Gewichtsverlust, Blutarmut
Das kolorektale Karzinom gilt bei beiden Geschlechtern und ein mechanischer Ileus. Die Diagnostik erfolgt wie
als zweithäufigstes Malignom. Der Haupterkrankungsgip- nachfolgend beschrieben.
fel findet sich im 6.–7. Lebensjahrzehnt (Durchschnittsal-
ter 65 Jahre), aber auch ein Auftreten im 2. und 3. Jahr- Diagnostik
zehnt ist möglich. Die Anamnese erfragt Schmerzen, Begleitsymptome, z. B.
Die Ursachen sind multifaktoriell. Umweltfaktoren Fieber oder Erbrechen, Änderung der Stuhlgewohnheiten,
(chronische Karzinogenexposition) und insbesondere die Blut und Schleimabgang, Gewichtsverlust, Blutarmut oder
Zusammensetzung der Nahrung spielen eine wesentliche aufgetretene Schwäche.
Rolle. Ballaststoffreiche Ernährung reduziert das Kolon- Zum klinischen Untersuchungsbefund gehören die Be-
karzinomrisiko. Ein familiär gehäuftes Auftreten ist eben- urteilung des Abdomens (Peritonitis, Ileus etc.), die rektale
falls bekannt. digitale Untersuchung sowie die Beurteilung der Gesamt-
Operationen beim Dickdarmkrebs werden im Wesent- situation des Patienten.
lichen durch die anatomischen Gegebenheiten der Gefäße, Zur endoskopischen Diagnostik gehören die Proktos-
der Lymphknoten und Faszien bestimmt. kopie, die Rektoskopie sowie die komplette Koloskopie, die
Der Schwierigkeitsgrad der Eingriffe ist bedingt durch von den gesetzlichen Krankenkassen ab dem 55. Lebens-
das fortgeschrittene Lebensalter der Patienten, durch das jahr als Vorsorgemaßnahme getragen wird. Probeentnah-
oft ausgedehnte Tumorwachstum sowie das keimbesiedel- men können bei all diesen Untersuchungen entnommen
te OP-Milieu. Auch die Tatsache, dass die Dickdarmwand werden und müssen histologisch beurteilt werden.
gegenüber dem Dünndarm weniger mechanisch belastba- Die röntgenologische Abdomenübersicht gibt Aus-
re Kollagenfasern enthält, ist von Bedeutung. kunft über freie Luft im Bauchraum, die auf Perforationen
schließen lässt und zeigt ggf. Spiegel, die auf einen Ileus
Klassifikation und Stadieneinteilung hinweisen können.
Sowohl für prognostische Aussagen als auch für den Ver- Über eine Kolonkontrastdarstellung oder/und einen
gleich verschiedener Therapiemethoden in den entspre- retrograden Gastrographineinlauf können anatomische
chenden Stadien hat man sich international auf ein einheit- Verhältnisse, Tumoren, Volvulus usw. diagnostiziert
liches Dokumentationssystem geeinigt. Die sog. TNM- werden.
(Tumor-Nodulus-Metastase-)Klassifikation wird zugrun- Die Sonographie dient der Tumordarstellung und der
de gelegt: Metastasensuche, z. B. an der Leber, des Weiteren der As-
4 T: Tiefeninfiltration des Primärtumors (z. B. ziteskontrolle und der Abszessdiagnostik. Außerdem lässt
T 4=organüberschreitende Tumorinvasion in Nach- sich ein sekundärer Harnaufstau feststellen.
barorgane). Die Computertomographie, evtl. ergänzt durch MRT
4 N: Lokalisation und Zahl der befallenen Lymph- und Endosonographie, klärt die lokale Operabilität, z. B.
knoten bei großen Tumoren im kleinen Becken, die Lymphkno-
4 M: Lokalisation der nachgewiesenen Fernmetastasen tenmetastasen oder eine Peritonealkarzinose ab.
108 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Im Labor werden Tumormarker, Blutbild, Blutkörper- Bei Handanastomosen wird synthetisches, resorbier-
chensenkungsgeschwindigkeit (BSG), Blutgasanalyse bares Nahtmaterial vom Typ Polyglykolsäure der Stärke
(BGA) usw. untersucht. 3–0 empfohlen.
2 OP-Vorbereitung
Dickdarmresektionen können auch minimal-invasiv
videoassistiert durchgeführt werden.
Voraussetzung für Operationen am Dickdarm ist eine opti-
male Vorbereitung des Patienten. Um bei dem Eingriff eine jGrundsätze zur Verhütung einer Tumorzellaussaat
möglichst bakterienarme Schleimhaut vorzufinden, wird 4 präliminäre Ligatur der versorgenden Haupt-(Blut-
der Darm präoperativ orthograd und evtl. retrograd gespült. und Lymph-) gefäße,
Hierzu wird am Vortag der Operation eine sog. orale Lavage 4 Blockade des Darmlumens an den Resektionsgren-
mit 3–4 l Kleanprep o. Ä. zur hydromechanischen Darmrei- zen: »no touch isolation«,
nigung vorgenommen. Eine Kontraindikation dafür stellt 4 Einhüllung des tumortragenden Darmanteils bei Be-
der Ileus dar. Im Rahmen der »Fast-track-Therapie« wird fall der Serosa.
heute auf die Darmvorbereitung verzichtet.
Die perioperative Antibiotikaprophylaxe (bei Narko-
Allgemeine OP-Schritte bei Kolonresektionen
seeinleitung mit einem Cephalosporin und Metronidazol)
führt zu einer drastischen Senkung der postoperativen In- 4 Festlegung der Resektionsgrenzen je nach Tumor-
fektionen. Allgemeine Vorbereitungsmaßnahmen sind ein lokalisation, Lymphknotenbefall und Metastasen-
zentraler Venenkatheter, ein Blasenverweilkatheter und bildung (TNM-Klassifikation, 7 s. oben)
evtl. eine arterielle Blutdruckmessung. 4 Mobilisierung der Darmenden zur Schaffung
spannungsfreier Nahtverbindungen (keine Span-
Allgemeine OP-Prinzipien nung auf der Anastomose).
Die chirurgische Behandlung der kolorektalen Karzinome 4 Skelettierung unter Beachtung der Gefäßversor-
hat sich durch die Einführung der Klammernahttechnik gung der Darmenden (bis 1/2 cm).
deutlich gewandelt. Kontinenzerhaltende Eingriffe mit 4 End-zu-End-Anastomose, biologisch am günstigs-
Anastomosierung im kleinen Becken verdrängten zuneh- ten, abschließender Akt eines geplanten opera-
mend die abdominosakrale Rektumamputation. tiven Vorgehens.
4 Verschluss des Mesenterialschlitzes.
4 Keine Drainage bei unkomplizierten Operationen.
4 Sphinkterdehnung als Abschluss der Kolonanas-
tomosenoperation.

2.12.3 Hemikolektomie rechts

kIndikation
Tumoren der rechten Kolonhälfte, z. B. im Zäkum, im Co-
lon ascendens oder hinter der rechten Flexur, bei Enteritis
regionalis und Mesenterialinfarkt in der Colon-ascendens-
Region.

kPrinzip
Resektion des gesamten Colon ascendens, inklusive der
rechten Flexur, Zäkum mit Appendix, der Ileozäkalklappe
bis zum Colon transversum (. Abb. 2.72). Die Darmkonti-
nuität wird durch eine Ileotransversostomie wiederher-
gestellt.

kLagerung
4 Rückenlage, den Tisch leicht nach links gekippt,
. Abb. 2.72 Ausmaß der Resektion bei Hemikolektomie rechts. 4 die neutrale Elektrode wird an einem Oberschenkel
(Nach Siewert 2006) befestigt.
2.12 · Dickdarm
109 2
kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, um der terminalen lleumschlinge sowie das Meso-
4 evtl. bipolare Schere, kolon des Zäkums, des Colon ascendens, der rech-
4 Kirschner-Rahmen oder ein anderes Selbsthaltesystem, ten Flexur und des Anfangsteils des Colon trans-
4 weiche und harte Darmklemmen, versum durchtrennt.
4 Gummizügel, 7 Bei einem Tumor der rechten Flexur muss die
4 bei Bedarf Einzelclipstapler, Operation erweitert werden. Dann wird die A. co-
4 linearer Verschlussstapler und/oder linearer Anasto- lica media ligiert und ca. zwei Drittel des Colon
mosenstapler transversum werden reseziert.
4 für die End- zu- End- Anastomose ggf. ein zirkuläres 7 Nach der Befreiung des zu resezierenden Darman-
Klammernahtinstrument. teils von seiner Netzschürze wird die übrige
Bauchhöhle mit feuchten Tüchern abgedeckt, da-
Hemikolektomie rechts mit ein Kontaminationsschutz bei unvorhergese-
henem Austritt von Darminhalt besteht.
7 Rechtsseitiger Mittelbauchquerschnitt oberhalb
7 Ileum und Kolon können zwischen Darmklemmen
des Nabels.
durchtrennt werden, alternativ erfolgt die Durch-
7 Die Exploration des Abdomens klärt bei einem
trennung ohne jegliche Abklemmung. Dazu wird
Karzinom ab, ob Metastasen vorhanden oder
an den verbleibenden Teil jeweils eine weiche
sonstige Begleiterkrankungen erkennbar sind.
Darmklemme und an das Präparat je eine harte
7 Der Dünndarm wird nach links verlagert, mit
Klemme angesetzt. Zwischen der weichen und
feuchten Bauchtüchern abgedeckt und mit Leber-
der harten Klemme wird der Darm mit dem Skal-
haken weggehalten.
pell durchtrennt, und das Resektat entfällt. Das
7 Mit dem Einsetzen des Rahmens wird ein über-
Lumen wird mit Stieltupfern, ggf. in Desinfekti-
sichtliches OP-Feld geschaffen.
onslösung getränkt, gereinigt.
7 Zuerst werden die Resektionslinien durch Haltefä-
7 Um die Kontinuität des Verdauungstraktes wie-
den, die angeklemmt werden, festgelegt.
derherzustellen, erfolgt in der Regel eine End-zu-
7 Zäkum und Colon ascendens werden nach links
End-Anastomosierung zwischen Ileum und Colon
gehalten und die peritoneale Umschlagfalte wird
transversum. Dazu werden die mit den weichen
seitlich des Dickdarmes von der rechten Flexur bis
Klemmen verschlossenen Darmenden einander
zur Resektionsgrenze am Zäkum mit einer Schere
angenähert und bei einreihiger Einzelknopfnaht
inzidiert.
zuerst die Hinterwandnähte, dann die Vorder-
7 Nach kranial spannen sich das Lig. hepatocolicum
wandnähte gelegt.
und das Lig. duodenocolicum an, die zwischen
7 Auch fortlaufende Nahttechniken haben sich be-
Klemmen durchtrennt werden. Das Lig. gastrocoli-
währt.
cum wird zwischen Klemmen magennah abge-
7 Der Lumenunterschied der Darmenden kann
setzt. Hier kann auch die bipolare Schere einge-
durch vorheriges Legen von Ecknähten und grö-
setzt werden.
ßeren Nahtabstand auf der Dickdarmseite ausge-
7 Das rechte Kolon kann stumpf vom Retroperito-
glichen werden; das Ileumende kann aber auch
neum gelöst werden. Dann werden die A. ileocoli-
angeschrägt werden.
ca und die A. colica dextra identifiziert und ab-
7 Die Mesenteriallücke wird verschlossen, d. h. das
gangsnah zwischen 2 Ligaturen durchtrennt. Bei
verbliebene Mesokolon und das Dünn-
einer Karzinomerkrankung muss evtl. auch die
darmmesenterium werden mit einigen Nähten
A. colica media ligiert werden.
vereinigt.
7 Die entsprechenden Venen werden gleichfalls
7 Das eröffnete Retroperitoneum kann offen blei-
ligiert und durchtrennt, die Lymphknoten ent-
ben. Eine Drainageeinlage ist in der Regel nicht
fernt.
erforderlich.
7 Die Durchtrennung des Mesokolons beginnt an
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und der
der terminalen Ileumschlinge etwa 10 cm vor der
Instrumente sowie der Dokumentation ihrer Voll-
Ileozäkalklappe mit der Overholt-Präparation.
zähligkeit schichtweiser Wundverschluss und
Zwischen Unterbindungen werden das Mesenteri-
Verband.
6
110 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.12.4 Hemikolektomie rechts


mit Klammernahttechnik 7 Die Kolotomie am Querkolon wird nach Kontrolle
der Anastomose auf Bluttrockenheit mit Allis-
2 kZusätzlich benötigtes Instrumentarium Klemmen gefasst und mit einem linearen Stapler
4 Einzelclipstapler, verschlossen.
4 linearer Verschlussstapler (. Abb. 2.16), 7 Maschinell ohne zirkulären Stapler ist eine funkti-
4 zirkulärer Anastomosenstapler (. Abb. 2.17), onelle End-zu-End-Anastomose in Seit-zu-Seit-
4 linearer Cutter (. Abb. 2.18), Technik mit 2 Magazinen eines linearen Anasto-
4 Tabakbeutelklemmen (. Abb. 2.19), mosenstaplers möglich. Die beiden Teile des Stap-
4 Allis-Klemmen (. Abb. 2.10), lers werden einander genähert, und nach der
4 Bougies, Konnektierung bis zur vorgegebenen Markierung
4 Instrumentenkopffasszange (. Abb. 2.20), wird der Klammervorgang ausgelöst.
4 bei Bedarf ein Contour-Stapler für tiefe Absetzung 7 Der Verschluss der Mesokolonlücke erfolgt in der
(. Abb. 2.21). zuvor dargestellten Weise, ebenso der schichtwei-
se Wundverschluss und der Verband.

Hemikolektomie rechts mit Staplertechnik


(Seit-zu-Seit) Alternativ ist eine End-zu-End-Anastomosierung (7 Ab-
7 Bis zur Resektion gleichen die OP-Schritte der be- schn. 2.12.8) »durch die Klammernahtreihe« am Colon
reits dargestellten Hemikolektomie rechts transversum möglich.
(s. oben). Die Resektion erfolgt abweichend zwi- Bei der End-zu-Seit-Ileotransversostomie wird mit
schen 2 harten Darmklemmen an den Resekta- dem Führungsdorn des zirkulären Staplers vom Kolonlu-
tenden und 2 Tabakbeutelklemmen am oralen men aus antimesenterial perforiert und das Instrument
lleumende und am Transversumstumpf. anschließend mit der Andruckplatte im Ileum konnektiert.
7 Durch die Tabakbeutelklemmen werden spezielle Nach Entfernung des Nahtgerätes wird das offene Kolon-
Nähte gelegt. Mit einer kleinen anatomischen lumen mit einem linearen Stapler verschlossen.
Klemme werden die Enden der monofilen Fäden
angeklemmt.
7 Zur Abschätzung der Magazingröße für das End- 2.12.5 Transversumresektion
zu-End-Anastomosengerät wird nach Abnahme
der Tabakbeutelklemmen der Lumendurchmesser kIndikation
mit den Messstäben festgestellt und bei Bedarf 4 Kolonkarzinom, begrenzt auf das Transversum,
bougiert. Bewährt hat sich ebenfalls die vorsich- 4 Enteritis regionalis im Transversumbereich.
tige Bougierung mit einer Kornzange.
7 Zwischen Haltefäden wird am Colon transversum kPrinzip
eine quere Kolotomie angelegt. Der Abstand von Resektion des Colon transversum zumeist mit dem bede-
der Tabakbeutelnaht sollte mindestens 8 cm betra- ckenden Netz und Passagenrekonstruktion durch End-zu-
gen. Der zirkuläre Stapler wird durch die Kolotomie End-Kolo-Kolostomie (. Abb. 2.73).
eingeführt und die erste Tabakbeutelnaht geknüpft.
7 Das Ileum wird mit 3–4 Allis-Klemmen offen ge- kLagerung
halten, um die Andruckplatte des zirkulären Stap- 4 Rückenlage, leicht überstreckt,
lers einzuführen; diese wird dann mit der ge- 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
legten Tabakbeutelnaht fixiert. Die beiden Anteile
des Klammernahtinstruments werden konnektiert kInstrumentarium
und der Klammervorgang ausgelöst. Siehe Hemikolektomie rechts.
7 Nach dem Öffnen mit 3 halben Umdrehungen
wird der Stapler nun vorsichtig unter rotierenden
Bewegungen aus dem Darm entfernt. Die zirku- Transversumresektion
läre Anastomose ist komplett, wenn am Zentral- 7 Über eine quer verlaufende Oberbauchlaparotomie
dorn des Staplers 2 vollständige Darmwandringe erfolgen die Exploration des Abdomens und die
vorhanden sind. Suche nach Metastasen bzw. Sekundärtumoren.
6 6
2.12 · Dickdarm
111 2

7 Nach dem Einsetzen des Rahmens können die Re-


sektionsgrenzen festgelegt werden, die möglichst
lateral der rechten und der linken Flexur liegen
sollten. Dazu müssen beide Flexuren mobilisiert
werden. Es werden dafür u. a. rechts das Lig. hepa-
tocolicum und links das Lig. phrenicocolicum
durchtrennt.
7 Das Lig. gastrocolicum wird zwischen Ligaturen so
durchtrennt, dass die A. und V. gastroomentalis
unverletzt bleiben. Bei ausgedehnten Befunden
kann jedoch die Mitnahme erforderlich werden.
7 Das große Netz wird von der großen Kurvatur des
Magens abpräpariert, der Abgang der A. colica
media dargestellt und doppelt unterbunden,
ebenfalls die entsprechenden Venen und Lymph-
gefäße.
7 Um eine Kotkontamination der Bauchhöhle wäh-
rend der Resektion zu vermeiden, wird der zu re-
sezierende Teil des Kolons mit feuchten Bauchtü-
chern umlegt.
7 Der verbleibende Darmteil wird mit weichen
Darmklemmen abgeklemmt, das Resektat wird
mit scharfen Klemmen verschlossen. Zwischen
diesen Klemmen wird der Darm mit einem Skal-
pell durchtrennt und das Resektat entfällt. Das Lu-
men wird mit einem trockenen Tupfer oder mit
Desinfektionsmittel (z. B. Betaisodona) gereinigt.
7 Die Anastomose muss spannungsfrei möglich . Abb. 2.73 Resektion des Colon transversum. (Nach Siewert 2001)

sein, ggf. müssen das Colon ascendens und das


Colon descendens weiter mobilisiert werden.
7 Die Naht erfolgt in gleicher Weise wie bei der He- End-zu-End-Anastomose
mikolektomie rechts.
7 Nach dem Festlegen der Resektionsgrenzen wer-
7 Nach der Wiederherstellung der Passage wird die
den an das Resektat scharfe Klemmen gelegt, an
Mesokolonlücke verschlossen.
die beiden verbleibenden Enden je eine Tabak-
7 Die Einlage eines Drains ist nicht obligat.
beutelklemme, durch die die Tabakbeutelnähte
7 Nach der Zählkontrolle und der Dokumentation
gelegt werden.
der Vollzähligkeit der Textilien und der Instrumen- 7 Nach der Durchtrennung des Darmes mit dem
te wird die Wunde schichtweise verschlossen und Skalpell wird über eine gesonderte quer verlau-
mit einem Pflasterverband versorgt. fende Kolotomie ein zirkulärer Stapler eingeführt
und mit der gelegten Tabakbeutelnaht fixiert. Die
Gegendruckplatte wird in das andere offene
Darmlumen eingeführt und ebenfalls mit der
2.12.6 Transversumresektion mit Naht verknotet.
Stapleranwendung 7 Nach dem Auslösen des Instruments ist die zirku-
läre Anastomose geklammert, der Stapler wird
kZusätzliches Instrumentarium unter rotierenden Bewegungen aus dem Darm
4 Linearer Stapler und intraluminaler, zirkulärer Anas- entfernt und die Schleimhautringe werden auf
tomosenstapler, Vollständigkeit kontrolliert.
4 Tabakbeutelklemmen, 7 Die Kolotomie kann nach erfolgter Blutstillung
4 Allis-Klemmen. mit einem linearen Verschlussstapler quer ge-
klammert werden.
112 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

7 Mobilisation der linken Kolonflexur und des links-


seitigen Querkolons.
2 7 Zentrale Ligatur der A. und V. mesenterica inferior.
Je nach Tumorlokalisation ggf. nur Ligatur der
A. colica sinistra und Aa. sigmoideae mit Erhalt
der A. rectalis superior.
7 Skelettierung und Durchtrennung des tumortra-
genden Abschnitts.
7 Transversorektostomie durch Handnaht oder in
Staplertechnik.

2.12.8 Sigmaresektion

Diese Operation kann sehr gut über eine videoassistierte


Präparation durchgeführt werden (7 Abschn. 2.15).

kIndikation
Sigmakarzinom.

kPrinzip
Resektion der Sigmaschleife. Mit Rekonstruktion durch
. Abb. 2.74 Hemikolektomie links. (Nach Siewert 2006) End-zu-End-Anastomose zwischen Rektum und Colon
descendens.

2.12.7 Hemikolektomie links kLagerung


4 Steinschnittlage mit abgesenkten Beinen,
kIndikation 4 neutrale Elektrode am linken Oberschenkel.
Karzinomlokalisation von der linken Flexur bis zum Colon
descendens. kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
kPrinzip 4 Rahmen,
Resektion der linken Flexur und des Colon descendens 4 Allis- und Duval-Klemmen,
(. Abb. 2.74). Die Kontinuität des Darmes wird durch eine 4 Gummizügel,
End-zu-End-Transversorektostomie bzw. -sigmoidosto- 4 Darmklemmen,
mie wiederhergestellt. 4 evtl. Klammernahtinstrumente und Tabakbeutel-
klemmen,
kLagerung 4 evtl. bipolare Schere.
4 Rückenlage, leicht überstreckt,
4 neutrale Elektrode am linken Oberschenkel. Bei einer Stapleranastomose von anal ist ein separater Ins-
trumentiertisch nötig mit:
kInstrumentarium 4 Darmrohr,
7 Abschn. 2.12.3. 4 Blasenspritze,
4 scharfer Klemme,
Hemikolektomie links 4 zirkulärem Klammernahtinstrument,
4 evtl. Bougies,
7 Quere Oberbauchlaparotomie.
4 Stieltupfern,
7 Mobilisierung des Colon descendens und des
4 gefärbter Spüllösung.
Sigmas.

6
2.12 · Dickdarm
113 2

Sigmaresektion 7 Von anal wird zunächst mit Darmrohr und gefärb-


7 Über eine mediane oder quer verlaufende Unter- ter Spüllösung die Klammernaht am Rektum-
bauchlaparotomie erfolgt die Exploration des Abdo- stumpf auf Dichtigkeit geprüft. Nach einer
mens. Nach dem Einsetzen des Rahmens wird das Sphinkterdehnung wird der Stapler eingeführt.
Dünndarmpaket in feuchte Tücher oder in einen In- Hierzu kann er vorher mit einem Gel gleitfähiger
testinalbeutel gelegt und nach oben abgedrängt. gemacht werden.
7 Die Resektionslinien werden festgelegt. 7 Der Dorn wird aus dem Klammernahtinstrument
7 Das Sigma wird angespannt und die peritoneale herausgedreht und durchstößt den Rektum-
Umschlagfalte an der seitlichen Bauchwand mit stumpf mittig dicht an der Klammerreihe. Nach
der Schere inzidiert. der Adaptation des Magazins zur Gegendruck-
7 Bei unübersichtlichen anatomischen Verhältnissen platte entsteht mit der Auslösung des Klammer-
kann der linke Ureter aufgesucht und ggf. mit einem vorgangs die zirkuläre Anastomose.
dünnen Gummizügel angeschlungen werden. 7 Nach Öffnen je nach Gerätetyp mit 2–4 (halben)
7 Das Sigma lässt sich stumpf nach medial abschie- Umdrehungen (abhängig vom Hersteller) wird das
ben. Die A. mesenterica inferior wird unterhalb Gerät vorsichtig entfernt. Die ausgestanzten Anasto-
des Abganges der A. colica sinistra zentral ligiert mosenringe werden auf Vollständigkeit überprüft.
und durchtrennt. 7 Zusätzlich wird von anal ein Darmrohr eingeführt
7 Das Colon descendens muss nach kranial so weit und darüber gefärbte Spüllösung in den Darm
mobilisiert werden, dass nach der Resektion die instilliert. Die Dichtigkeit gilt als gegeben, wenn
Darmenden spannungsfrei anastomosiert werden keine Flüssigkeit über die Anastomose austritt.
können.
7 Die Skelettierung des Mesosigmas erfolgt mit
Overholt-Klemmen und Ligaturen oder mit einem Erweiterte Resektionen
Einzelclipstapler. Indiziert bei Tumorlokalisationen im Grenzbereich der
7 Beidseits werden weiche Darmklemmen ange- Lymphabflussgebiete, bei großen Tumoren oder bei Mehr-
setzt und das Resektat wird zwischen scharfen fachtumoren.
Klemmen verschlossen. Dazwischen wird der Beispiel: Tumorwachstum über die linke Flexur mit In-
Darmabschnitt mit dem Skalpell abgesetzt. filtration der Milz und Lymphknotenmetastasierung.
7 Die Darmlumina werden mit trockenem oder in Es besteht die Indikation für eine subtotale Kolektomie
Desinfektionslösung getränktem Tupfer gereinigt. mit Lymphknotendissektion und Splenektomie; Anasto-
7 Dann werden die beiden Stümpfe des Colon des- mosierung als Ileorektostomie.
cendens und des Rektums aneinander gelegt und
durch Handnaht End-zu-End miteinander anasto- Kontinenzunterbrechende Koloneingriffe
mosiert (7 Abschn. 2.12.3). Auf die Anlage eines Kontinenzunterbrechende Operationen haben bei der
passageren Anus praeternaturalis kann in der Behandlung des Dickdarmkarzinoms in den letzten Jahren
Regel verzichtet werden. an Bedeutung verloren. Indikationen stellen lediglich
7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und der Instru- noch dar:
mente sowie der Dokumentation der Vollzähligkeit 4 ausgedehnte, nichtoperable Tumoren,
schichtweiser Wundverschluss und Verband. 4 eine Peritonealkarzinose,
4 eine Tumorinfiltration in den Schließmuskel oder
4 schwerste Komplikationen mit Peritonitis, z. B. nach
Tumorperforation oder nach nichtkorrigierbaren
Klammernahtanastomose Anastomosenkomplikationen.
7 Das Sigma wird distal mit einem linearen Stapler
oder mit einem linearen Anastomosenstapler ver-
schlossen und durchtrennt. 2.12.9 Anus-praeternaturalis-Kolostomie
7 Am Colon-descendens-Stumpf wird eine Tabakbeu-
telklemme mit der dazugehörenden Naht angelegt, Definition
die Gegendruckplatte des zirkulären Klammernaht- Anus praeternaturalis (AP) nennt man eine künstlich
instruments wird eingeführt und festgeknotet. angelegte Darmöffnung, durch die der gesamte Darm-
6 inhalt an die Bauchoberfläche entleert wird.
114 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Bei Colitis ulcerosa und familiärer Polyposis wird die


totale Proktokolektomie damit beendet, dass das Ende des
verbleibenden Ileums in die Haut eingenäht wird. Diese
2 Ableitung wird Ileostoma oder Enterostoma genannt. Im
Unterschied zum Colostoma wird hier die Ausleitung pro-
minent angelegt, indem der Ileumstumpf »umgestülpt«
wird (. Abb. 2.76).

Doppelläufiger Anus praeternaturalis


Der doppelläufige AP wird als vorübergehender Darmaus-
gang geplant, entweder bei einer Ileusoperation oder nach
einer Darmresektion zur Schonung der Anastomose.
Bei einer primär nichtsanierbaren Ileusursache im Be-
reich des Sigmas sollte der AP, wenn möglich, an der rech-
ten Flexur angelegt werden, um bei der später vorgese-
henen Resektion für eine spannungsfreie Anastomose die
linke Flexur mobilisieren zu können.
Ein dauerhafter AP kann auch im Bereich des Sigmas
angelegt werden.

Doppelläufiger Anus praeternaturalis nach


. Abb. 2.75 a–c Optimale AP-Positionen. a Ileostoma, b Transver- Maydl
sostoma, c Sigmaafter. (Nach Schumpelick et al. zit. nach Heberer
kIndikation
et al. 1993)
Als Notfalleingriff bei einem stenosierenden Karzinom mit
Ileuserscheinungen oder zur Schonung einer frischen
Darmanastomose.

kPrinzip
Durch eine Inzision neben der Laparotomiewunde wird
eine mobilisierte Dickdarmschlinge hervorgezogen, über
einen »Reiter« gelegt, fixiert und erst eröffnet, wenn die
Laparotomiewunde verschlossen ist.
a b
kLagerung
4 Rückenlage,
4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.

kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 Gummizügel,
4 gebogene Kornzange,
c d 4 Reiter (aus Glas, Metall, Kunststoff oder Gummi).

. Abb. 2.76 a–d Endständiges (a) und doppelläufiges (b) Ileosto- AP-Anlage
ma. c, d Bildung eines prominenten und endständigen Ileostomas. 7 Zur Anlage des AP wird meist eine mediane Lapa-
(Nach Siewert 2006)
rotomie vorgenommen. Der Anus praeternaturalis
wird durch eine zweite sparsame, zirkuläre, höchs-
Die Fistel wird immer nach dem Darmanteil benannt, der tens 2–3 cm große Inzision, z. B. im rechten Ober-
zur Bauchdecke ausgeleitet wird (. Abb. 2.75). bauch, ausgeleitet. Eine Ausleitung über eine ein-
Eine solche Darmausleitung kann doppelläufig oder zige Laparotomiewunde ist komplikationsbehaftet.
im Falle der Exstirpation des Rektums und des distalen 6
Kolonanteils als endständiger AP angelegt werden.
2.12 · Dickdarm
115 2

7 Um den Kolonabschnitt ohne Spannung vor die


Bauchdecke lagern zu können, wird der Mesokolon-
ansatz in einem gefäßfreien Areal mit einem Over-
holt gespalten, um den Darm mit einer gebogenen
Kornzange durch einen Gummizügel anzuschlingen.
7 Anschließend wird der Darmabschnitt mit 2–3 se-
romuskulären Spornungsnähten zwischen zu-
und abführendem Schenkel im Bereich der Tänie
zur »Doppelflinte« ausgebildet.
7 Dann kann die Schlinge mit dem Zügel durch die
gesonderte Inzision der Bauchdecke vorverlagert
werden. Der Zügel liegt auf der Faszie und dient
später als Reiter. Es gibt auch spezielle Glas-,
. Abb. 2.77 »Reiternaht«: U-Naht der Rektusscheide
Kunststoff- oder Metallstäbchen als Reiter.
7 Es kann eine sog. Reiternaht ausgeführt werden;
sie fasst die Rektusscheide in Form einer U-Naht
zwischen der vorverlagerten Darmschlinge (. Abb.
7 Die Verwachsungen zwischen den beiden Darm-
2.77), sodass der Darm auch nach dem Abschluss
der Operation nicht wieder in die Bauchhöhle zu- schenkeln und den Bauchwandschichten werden
rückgleiten kann. Gleichzeitig wird der zuführende teils stumpf, teils scharf gelöst.
von dem abführenden Schenkel getrennt. 7 Zwei weiche Darmklemmen werden an die zu-
7 Der AP kann mit Einzelknopfnähten der Serosa und abführende Schlinge gesetzt, die Haut und
am Peritoneum fixiert werden. das Narbengewebe aus der Umgebung des AP
7 Die Laparotomiewunde wird verschlossen. werden bis zum Serosarand abgetragen.
7 Der Reiter kann mit einer Naht an der Haut fixiert 7 Der Darmverschluss erfolgt quer mit Einzelknopf-
werden. Bei den industriell gefertigten Reitern mit nähten, die Knoten liegen im Lumen. Eine zweite,
Steckverbindung ist diese Naht überflüssig. seromuskuläre Nahtreihe beendet den Verschluss.
7 Die Eröffnung des Kunstafters erfolgt nach Ver- 7 Bei Bedarf wird eine Drainage in die Nähe des
schluss und Abdeckung der Laparotomiewunde. ehemaligen künstlichen Anus gelegt. Sollte die
7 Häufig wird der gespornte AP lediglich mit Hilfe Darmschlinge im Verschlussbereich stenosiert
des epifaszial gelegenen Gummizügels und mit sein, ist es sinnvoll, ein kurzes Stück zu resezieren
mukokutanen Nähten fixiert; alle weiteren Nähte und eine End-zu-End-Anastomose zu erstellen.
erscheinen verzichtbar. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Verband.

Häufig ist die laparoskopische AP-Anlage möglich (7 Ab- Endständiger Anus praeternaturalis
schn. 2.15). (terminaler AP)
Wird eine Rektumamputation vorgenommen oder kann
Zurückverlagerung eine Anastomose zwischen dem proximalen und dem dis-
Ist der AP nicht mehr erforderlich, kann er zurückverlagert talen Darmabschnitt nach einer Resektion nicht hergestellt
werden. Voraussetzung ist, dass die Darmpassage bis zur werden, muss das Sigma den endständigen AP bilden und
Analöffnung frei ist. nach außen abgeleitet werden (. Abb. 2.76).
Der verschlossene Darm wird durch eine Inzision der
Bauchdecke seitlich der Laparotomie ausgeleitet. Bei einer
AP-Rückverlagerung geplanten Operation sollte diese Stelle vorher am stehen-
7 Die Haut wird um den AP spindelförmig (wetz- den Patienten eingezeichnet werden, um eine optimale
steinförmig) umschnitten. postoperative Stomapflege zu gewährleisten. Auch diese
7 Mit mehreren Einzelknopfnähten werden die bei- Stomaform kann laparoskopisch angelegt werden.
den Seiten der Hautumschneidung miteinander Die Haut wird im Ausleitungsgebiet rundlich so groß-
vereinigt. Dadurch wird eine Verunreinigung flächig exzidiert, dass eine Stenose des AP unwahrschein-
durch den austretenden Darminhalt vermieden. lich ist. Mit einer stumpfen Klemme, z. B. einer Kornzange,
6 wird nach der Faszieninzision eine Bauchdeckenlücke ge-
schaffen. Die durchgezogene Darmschlinge wird durch
116 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Dabei wird die Darmpassage durch eine Seit-zu-Seit-


Anastomosierung des Ileums vor der Stenose mit dem
Dickdarmabschnitt hinter der Stenose (z. B. Quercolon)
2 am Tumor vorbeigeleitet.

2.12.10 Rektumresektion/-amputation

Karzinomlokalisation
Am Rektum werden ein oberes, ein mittleres und ein un-
teres Drittel unterschieden. Etwa 42% der Dickdarmkarzi-
nome sind im Rektum lokalisiert. Arteriell wird das Rek-
tum im oberen Drittel über die A. rectalis superior (ent-
springt aus der A. mesenterica inferior), im mittleren und
unteren Drittel über die paarigen Aa. rectales mediae und
Aa. rectales inferiores (entspringen aus der A. iliaca inter-
na) versorgt (. Abb. 2.71).
Der venöse Abfluss erfolgt über die V. rectalis superior
in die V. portae und über die V. rectalis media und inferior
zur V. cava inferior.
Tumoren der oberen zwei Drittel des Rektums können
meist kontinenzerhaltend operiert werden. Ein Sicher-
heitsabstand von mindestens 1–2 cm unterhalb des un-
. Abb. 2.78 Tiefe vordere Rektumresektion (Anastomose auf Höhe teren Tumorrandes wird als ausreichend angesehen.
des M. puborectalis oder der Linea dentata. (Nach Siewert 2006) Mit der Einführung der Klammernahttechnik bei der
Chirurgie des Rektumkarzinoms verdrängten sphinkterer-
haltende Rektumresektionen mit Anastomosierung im
mehrere Einzelknopfnähte am parietalen Peritoneum fi- kleinen Becken zunehmend die abdominosakrale Rektum-
xiert. amputation. Mit dieser Technik sind Anastomosen bis ca.
Die Lücke zwischen Mesosigma und Peritoneum 2 cm oberhalb der Anokutanlinie möglich.
sollte geschlossen werden, um eine innere Hernie zu ver- Eine Steigerung kontinenzerhaltender Operationen ist
hindern. durch die Vorschaltung einer Radiochemotherapie bei lo-
Verschluss der Laparotomiewunde in üblicher Art und kal fortgeschrittenen tiefen Rektumtumoren möglich ge-
Weise. worden (neoadjuvante Radiochemotherapie). Eine Weiter-
Eröffnen des Darmes und Vernähen der Sigmaschleim-
entwicklung auf diesem Gebiet sind die laparoskopischen
haut mit der Haut durch Einzelknopfnähte. Dabei wird die
Operationstechniken (7 Abschn. 2.15).
Darmwand geringfügig ausgestülpt.
Versorgung mit einem Kolostomabeutel. Kontinenzerhaltende anteriore
Rektumsigmoidresektion
Operation nach Hartmann kIndikation
kPrinzip Tumorbefall im Übergang vom Rektum zum Sigma.
Resektion des tumortragenden Abschnitts, Blindverschluss
des Rektumstumpfs, endständige Ausleitung des Sigmas kPrinzip
als Stoma im linken Unterbauch (Hartmann I). Resektion des tumorbefallenen Gebietes (. Abb. 2.78) und
Es besteht die Möglichkeit einer Reanastomose zur End-zu-End-Sigmoidorektostomie, selten per Handanas-
Wiederherstellung der Darmpassage (Hartmann II). tomose, zumeist unter Zuhilfenahme eines zirkulären
Staplers, der von anal eingebracht wird. In der Regel ist die
Palliative Umgehungsanastomosen Mobilisation der linken Kolonflexur erforderlich.
Im Allgemeinen sollte jeder resektionsfähige Tumor mit
palliativer Zielsetzung entfernt werden, um zumindest für kLagerung
eine gewisse Zeit eine bessere Lebensqualität zu erreichen. 4 Perineallage, d. h. abgewandelte Steinschnittlage, bei
Bei nichtresektablen Tumoren, z. B. im Zäkum oder Bedarf Trendelenburg-Lagerung (. Abb. 2.79 und
Colon ascendens oder bei Dünndarmmetastasen, sind . Abb. 2.80),
Umgehungsanastomosen indiziert. 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
2.12 · Dickdarm
117 2
kInstrumentarium
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 extra lange Präparationsinstrumente für das kleine
Becken,
4 Golligher- oder Kirschner-Rahmen,
4 Gummizügel,
4 abgewinkelte Darmklemmen z. B. nach Götze,
4 weiche Darmklemmen.

Bei Stapleranwendung:
4 Tabakbeutelklemmen,
4 Allis-Klemmen, . Abb. 2.79 Lagerung mit abgesenkten Beinhaltern und Lagerung
auf Vakuummatte. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)

und ein Zusatztisch mit


4 dem zirkulären Klammernahtinstrument,
4 Darmrohr,
4 Gleitgel,
4 gefärbter Spüllösung,
4 Stieltupfer.

Rektumresektion
7 Der Operateur steht meist an der linken Seite des
Patienten.
7 Der Zugang über die untere mediane Laparoto-
mie ermöglicht eine ausgedehnte Exploration mit
Inspektion der Leber, der Milz und des kleinen Be-
ckens.
7 Die Resektionslinien werden festgelegt und ggf.
mit Haltefäden markiert.
7 Das Sigma wird von der seitlichen Bauchwand ge-
löst, der linke Ureter dargestellt und bei Bedarf
angeschlungen. Alternativ wird präoperativ trans-
urethral geschient.
7 Das Mesenterium wird entlang der Resektionslinien
mit Overholt und Ligaturen durchtrennt, die A. und
. Abb. 2.80 Steinschnittlage in Trendelenburg mit Vakuummatte
V. mesenterica inferior an ihren Abgängen ligiert.
und Beinhaltern in Einhandbedienung; gute Dekubitus- und Ple-
7 Die Mobilisation des Colon descendens wird xusprophylaxe. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
durch bipolare Scherendissektion oder mit Over-
holt-Präparation der Bänder, die die linke Flexur
halten, erreicht.
7 Das Beckenbodenperitoneum um den Darm her- 7 Bei der Präparation ist die Schonung der auto-
um wird mit der Schere inzidiert. nomen Nervenversorgung zu beachten.
7 Die Auslösung des Rektums im Becken erfolgt im 7 Seitlich werden die Paraproktien mit den Gefäßen
Spaltraum der Grenzlamelle, ventral begrenzt unter Schonung der Harnleiter durchtrennt. Das
durch die Samenbläschen bzw. die Vaginalhinter- Rektum wird mit einer weichen Darmklemme im
wand, dorsal begrenzt durch die Kreuzbeinhöhle. verbleibenden Teil und mit einer abgewinkelten
Auf diese Weise entfällt mit dem Resektat der Klemme, z. B. nach Satinsky, im abfallenden Teil
gesamte mesorektale Fettkörper, der mögliche gequetscht und dazwischen mit dem Skalpell
Lymphknotenmetastasen enthält (proximale/ durchtrennt.
totale Mesorektumexzision). 7 Der gleiche Vorgang wird am Sigma wiederholt.
6 6
118 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

7 Bei der Anwendung von Klammernahtinstrumen- 7 Nach behutsamer Entfernung des Staplers werden
ten werden am Rektumstumpf ein lineares Klam- die Darmwandringe auf Vollständigkeit überprüft.
2 mernahtinstrument und am Sigmastumpf eine Ta- Zusätzlich wird die Anastomosendichte durch
bakbeutelklemme angesetzt. Auffüllen mit einer gefärbten Spülflüssigkeit über
7 Die Anastomose erfolgt entweder von Hand oder ein Darmrohr geprüft. Eventuell vorhandene Ana-
maschinell. stomosendefekte müssen sorgfältig übernäht
werden. Im Zweifelsfall muss die Anastomose re-
seziert und neu angelegt werden.
7 Als letzter Schritt der Operation kann eine Extra-
Tiefe Rektosigmoidostomie von Hand peritonealisierung der Anastomose erfolgen. Das
7 Um ein Abrutschen des Rektumstumpfes zu ver- in umgekehrter U-Form eröffnete Peritoneum des
hindern, sollten mehrere Haltefäden oder Allis- Beckenbodens wird so rekonstruiert, dass die
Klemmen angelegt werden. Wundränder vorn zusammengenäht und hinten
7 Die beiden Darmstümpfe werden spannungsfrei zirkulär an das Sigma angeheftet werden. So wird
einander genähert. Die Anastomose beginnt mit die Anastomose nach außerhalb des Peritoneums
vorgelegten seromuskulären Hinterwandnähten; verlagert. Wenn das gut mobilisierte Colon de-
hierbei werden am Sigma die Serosa, am Rektum scendens locker in das kleine Becken fällt, wird
bei fehlender Serosa die Muskelwand gefasst. der gleiche Effekt erzielt.
7 Danach werden die gelegten Hinterwandnähte 7 Eine Drainage kann neben dem Darm durch das
geknüpft. Die Vorderwand wird allschichtig ge- Peritoneum des Beckenbodens geführt werden.
näht; die Knoten ins Lumen versenkt. Bei unkompliziert verlaufener Operation ist dies
nicht erforderlich.
7 Nach der obligaten Zählkontrolle sowie der Doku-
mentation der Vollzähligkeit der Textilien und In-
Tiefe Kolorektalanastomose mit einem zirkulären
strumente beginnt der schichtweise Wundver-
Anastomosenstapler
schluss. Die Operation endet mit der Versorgung
7 Nach Freipräparation des Rektums wird unterhalb der Drainage und dem Verband.
des Tumors mit einem linearen Stapler abgesetzt.
Bei tiefster Absetzung erleichtert der Contour-
Stapler (. Abb. 2.81) die kontaminationslose freie Im Falle einer sehr dicht an den Schließmuskel reichenden
Absetzung mit beidseitigem Verschluss der Lumi- Anastomose sollte ein protektives Stoma angelegt werden.
na. Nach Sphinkterdehnung und Überprüfung der
Dichtigkeit der Klammernahtreihe am Rektum- Abdominoperineale Rektumamputation
stumpf wird der zirkuläre Stapler vor dem Einfüh- kIndikation
ren mit einem Gleitgel benetzt und über den Sehr nah am Anus gelegenes Rektumkarzinom ohne die
Analkanal eingeführt. Der Rektumstumpf wird mit Möglichkeit den Sphinkterapparat erhalten zu können.
dem Dorn des Klammernahtinstruments in der
Mitte perforiert. kPrinzip
7 Die zirkuläre Anastomose wird mit einem möglichst Totale Entfernung des distalen Sigmas, des Rektums und des
großen Magazin geklammert, nachdem die Gegen- Anus mit systematischer Entfernung des Lymphabflussge-
druckplatte in den oralen Kolonschenkel einge- bietes en bloc. Endständige Ausleitung des Restsigmas als
knüpft und in das Nahtmagazin eingerastet ist. AP. Die Operation kann nahezu gleichzeitig von abdominal
7 Bei exakter Ausführung kommen dadurch 2 zirku- und sakral mit 2 OP-Teams durchgeführt werden.
läre, konzentrische Klammerreihen zustande, Die abdominale Präparation kann laparoskopisch
während ein zirkuläres Messer geringeren Durch- durchgeführt werden.
messers das von den Klammern zusammenge-
drückte invertierte Gewebe im Kolon und Rektum kLagerung
durchschneidet. 4 Steinschnittlagerung,
6 4 Trendelenburg-Lagerung, Dispersionselektrode an
einem Oberschenkel.
2.12 · Dickdarm
119 2

a b c

. Abb. 2.81a–c Techniken der koloanalen Anastomosierung: a transanale Handnaht, b intersphinktäre Stapleranastomose, c Double-
stapling-Anastomose. (Nach Siewert et al. 2006)

kInstrumentarium
Abdominoperineale Rektumamputation
Abdominal:
4 Grund- und Laparotomieinstrumente, 7 Zur Vorbereitung der Operation wird ein Dauer-
4 lange Präparationsinstrumente, katheter gelegt, bei weiblichen Patientinnen kann
4 lange Haken, die Scheide austamponiert werden, um so eine
4 Kirschner– oder anderes Rahmensystem, Präparationshilfe zu bieten.
4 Götze-Klemmen, 7 Die Analöffnung wird mit einer dicken Naht
4 Duval-Klemmen, verschlossen.
4 weiche Darmklemmen, 7 Die Position des vorgesehenen AP wurde am
4 Gummizügel, stehenden Patienten präoperativ eingezeichnet.
4 bei Bedarf linearer Verschlussstapler und Einzelclip-
stapler, Abdominale Phase:
4 bei Bedarf bipolare Schere, 7 Der Operateur steht auf der linken Seite des Pa-
4 bei Bedarf laparoskopisches Equipment (7 Abschn. tienten, der erste Assistent ihm gegenüber, der
2.15). zweite zwischen den Beinen des Patienten. Die
instrumentierende Pflegekraft steht am günstigs-
kSakral: ten links neben dem Operateur, den Instrumen-
4 Grundinstrumentarium mit Diathermie, tiertisch über ein Bein des Patienten geschoben.
4 Allis-Klemmen. 7 Als Zugang kommt die untere mediane Laparo-
tomie, von der Symphyse bis zum Nabel, zur An-
! Wenn mit 2 Teams gearbeitet wird, müssen die In- wendung. Bei Bedarf lässt sich der Schnitt ver-
strumente und Textilien für den sakralen Eingriff längern.
streng separat gehalten und getrennt von denen 7 Der erkrankte Mastdarmabschnitt und die be-
des abdominalen Eingriffs gezählt werden. nachbarten Organe werden nach harten, tumor-
infiltrierten Lymphknoten abgetastet.
7 Die Präparation des Rektums und des Sigmas
ähnelt der für die anteriore Rektumresektion. Zu-
6
120 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

erst wird mit der Schere das Sigma aus der Ad- die verbliebenen Gewebebrücken zur Prostata
häsion zum linken Retroperitoneum gelöst, und bzw. Scheidenrückfläche durchtrennt werden.
2 nach rechts gezogen. 7 Sakral wird die Blutstillung vervollständigt und die
7 Das proximale Sigma wird mit einem linearen Ver- Sakralwunde primär mit einer fortlaufenden Haut-
schlussstapler geklammert und vom Resektat ab- naht verschlossen. Alternativ gibt es die Möglich-
gesetzt. Der gleiche Arbeitsschritt kann z. B. mit keit sie zugranulieren zu lassen. Hierzu wird ein
einem linearen Anastomosenstapler durchgeführt Folienbeutel mit Streifentamponaden eingelegt.
werden. Es sollte keine zu lange Sigmaschlinge 7 Nach einem Handschuh- und Instrumentenwech-
belassen werden, damit später kein Siphon ent- sel kann die abdominale Versorgung fortgesetzt
steht oder ein Prolaps des Sigmakunstafters auf- werden. Stand ein zweites Team zur Verfügung,
tritt. Rektum- und Sigmastumpf werden desinfi- kann der Operateur des abdominalen Teams bei
ziert und können mit einem Gummihandschuh Bedarf während des Sakralwundenverschlusses
bedeckt werden, um eine Kontamination der eine Netzplombe herstellen. Dazu wird das Omen-
Bauchhöhle zu vermeiden. tum majus vom Querkolon abgelöst und soweit
7 Retroperitoneal wird der linke Ureter dargestellt freipräpariert, dass es gestielt nur noch an den lin-
und ggf. mit einem dünnen Gummizügel ange- ken gastroomentalen Gefäßen hängt. So wird es
schlungen. dann in die Sakralhöhle gezogen, die es wie eine
7 Nach Inzision des Beckenbodenperitoneums er- Plombe ausfüllt.
folgt die Mobilisierung des Rektums durch dorsa- 7 In günstig gelagerten Fällen kann der nachfol-
les stumpfes Eingehen in die Sakralhöhle in Höhe gend beschriebene OP-Ablauf bereits komplett
des Promontoriums. Die A. rectalis superior sollte mit dem ersten Teil kombiniert werden.
ligiert werden, ggf. wird die A. mesenterica inferi- 7 Nach der Zählkontrolle der Textilien und Instru-
or dargestellt und doppelt ligiert. Nach der Frei- mente sowie der Dokumentation der Vollzählig-
präparation der Rektumvorderseite werden seit- keit wird das Beckenbodenperitoneum durch
lich die Paraproktien stumpf aufgeladen und Naht oder Einnähen eines resorbierbaren Netzes
zwischen Overholt-Klemmen und Ligaturen (z. B. Vicryl) verschlossen. Dies verhindert das
durchtrennt. Standardmäßig wird die totale Hineinrutschen von Dünndarmschlingen in die
Mesorektumexzision durchgeführt. Sakralhöhle und gilt als Schutz bei evtl. erforder-
7 Das zirkuläre Auslösen des Rektums wird soweit licher Bestrahlung.
wie möglich bis zur Levatormuskulatur von abdo- 7 Das Dünndarmpaket wird im Sinne von Noble
minal durchgeführt. angeordnet. Die beiden lateralen Peritoneal-
ränder von der Harnblase bis zur Wurzel des ver-
Perineale Phase: bliebenen Mesosigmaanteils können fortlaufend
7 Wenn nur ein Team zur Verfügung steht, beginnt vernäht werden.
diese Phase nach ausgiebiger Mobilisation des 7 An der angezeichneten Ausleitungsstelle des AP
Rektums von abdominal. Andernfalls beginnt wird eine Bauchdeckenlücke geschaffen, durch die
das zweite Team mit der perinealen Phase, wenn der geklammerte Sigmaschenkel gezogen wird.
das erste Team mit der abdominalen Rektumaus- 7 Eine seitliche Schnürnaht zwischen Sigma und
lösung beginnt. parietalem Peritoneum der Bauchwand verhin-
7 Der After wird spindelförmig mit dem Skalpell dert ein Durchrutschen der Dünndarmschlingen.
oder dem Diathermiemesser umschnitten und 7 Gegebenenfalls wird in den Douglas-Raum eine
mit Schere und Pinzette zirkulär freipräpariert. dicke Drainage gelegt. Die Laparotomiewunde
7 Es folgt die zylinderförmige Auslösung des Rek- wird verschlossen, wenn die Textilien und Instru-
tums mitsamt der Schließmuskulatur aus dem mente gezählt wurden und ihre Vollzähligkeit
ischiorektalen Fettgewebe. dokumentiert wurde.
7 Anschließend werden das Lig. anococcygeum 7 Nach dem Laparotomieverschluss wird die Haut-
dorsal und die Levatorenmuskulatur seitlich naht abgedeckt und der blindverschlossene Sig-
durchtrennt. maschenkel zirkulär wenige Millimeter über dem
7 Nach Hervorluxieren des blind verschlossenen Rek- Hautniveau abgetrennt. Die Darmwand wird
tumstumpfes aus der Sakralwunde heraus können leicht ausgestülpt, an der Haut fixiert und mit
6 einem Kolostomabeutel versorgt.
2.12 · Dickdarm
121 2
Vor- und Nachbehandlung 2.12.12 Divertikel und ihre Behandlung
Bei wandüberschreitend gewachsenen Rektumkarzino-
men oder bei Vorliegen von Lymphknotenmetastasen wird Definition
eine kombinierte Radiochemotherapie präoperativ neoad- Das Divertikel ist die häufigste erworbene Fehlbildung
juvant empfohlen. Eine weitere ambulante Nachsorge ist des Dickdarms. Es handelt sich dabei um Ausstül-
erforderlich, indem die Chemotherapie, je nach Tumorsta- pungen der Darmschleimhaut durch Lücken in der
dium, postoperativ fortgesetzt wird. Muskelschicht. Da die Wandung nicht aus allen
Schichten des Dickdarmes besteht, bezeichnet man
Komplikationen sie auch als Pseudodivertikel.
Komplikationen beim Kolon-Rektum-Karzinom sind:
4 Anastomoseninsuffizienz: Die Rate der Nahtinsuffizi-
enzen mit notwendiger Relaparotomie ist im Allge- Divertikulose
meinen gering. Divertikulose bedeutet lediglich das Vorhandensein von
4 Die Insuffizienzen treten häufiger bei sehr tiefen Divertikeln. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu; 40%
Anastomosen auf. Daher wird hier die protektive Sto- der über 60-jährigen und 50% der über 70-jährigen Men-
maanlage empfohlen. schen weisen eine Divertikulose auf. Nur jeder 10. davon
4 Wundinfektion: Die Wundinfektionsrate konnte von bedarf jedoch einer Therapie.
50–60% auf ca. 10% unter Durchführung einer peri-
operativen Antibiotikaprophylaxe und der Darm- Divertikulitis
lavage gesenkt werden. Diesem Krankheitsbild liegen entzündliche Verände-
4 Letalität: Die Letalität ist abhängig von den Begleiter- rungen der Divertikel zugrunde. Die Entzündung ist zu-
krankungen und der Tumorausdehnung. nächst in unmittelbarer Nähe der Divertikel lokalisiert
(Peridivertikulitis); bei einem Fortschreiten auf angren-
zende Organe liegt eine Perikolitis vor. Hier können sich
2.12.11 Vorgehen bei Analkarzinom
Abszesse bilden. Es kann zu freien Perforationen mit Peri-
tonitis kommen und ebenso können sich narbige Folgezu-
Das Analkarzinom ist selten und macht nur etwa 1–2% der
stände mit Stenose und Fistelbildung entwickeln. Auch
kolorektalen Karzinome aus. Zu unterscheiden sind:
Divertikelblutungen können auftreten.
4 das Analrandkarzinom,
4 das Analkanalkarzinom.
Pathogenese der Divertikulitis
Das Analkarzinom erscheint als flacher, derber, oft zentral In den Divertikeln, die sich im Bereich der Gefäß-Muskel-
ulzerierter Tumor. Lücken der Dickdarmwand ausbilden, entwickeln sich
Meist liegt histologisch ein Plattenepithelkarzinom vor sog. Kotsteine. Durch Drucknekrosen der Schleimhaut
(90%). In Übereinstimmung mit der regionalen Lymph- beginnt der Entzündungsprozess; aus Mikroperforatio-
drainage finden sich 3 Metastasierungswege: nen entwickeln sich peridivertikulitische Entzündungs-
4 in die Mesenteriallymphknoten (proximal gelegene infiltrate.
Analkarzinome),
4 in die Beckenlymphknoten (proximal gelegene Anal- Komplikationen
karzinome), 4 Gedeckte Perforation, Abszess,
4 in die oberflächlichen inguinalen Lymphknoten (Tu- 4 freie Perforation mit Peritonitis,
moren distal der Linea dentata). 4 Stenose bei chronischer Divertikulitis,
4 Blutung,
Das Behandlungskonzept hat sich zugunsten einer Konti- 4 Blasenfistel mit Abgang von Darmgas und Stuhlparti-
nenzerhaltung verändert. keln im Urin und andere Fisteln.
Nach Probeentnahme und histologischer Sicherung
erfolgt zunächst eine kombinierte Radiochemotherapie. Lokalisation
Nach einem Intervall von 6–8 Wochen wird eine Nachex- In 90% der Erkrankungen ist das Sigma beteiligt; hierbei ist
zision im Bereich des Tumorbettes vorgenommen. In vier es in 50% isoliert befallen.
Fünftel der Fälle ist der Tumor komplett eliminiert. Bei nur
einem Fünftel der Patienten ist dann noch Resttumor Anamnese
nachweisbar. Bei großem Resttumor oder einer Sphinkter- Patienten mit einer Divertikulitis kommen erst bei Schmer-
infiltration ist erst dann eine abdominoperineale Resekti- zen oder Entzündungszeichen in die chirurgische Behand-
on (s. oben) erforderlich. lung. Wichtig ist dann die Frage, ob schon früher ähnliche
122 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Beschwerden bestanden haben. Die Sigmadivertikulitis erfolgen und die obere Resektionsgrenze ca. 10 cm ober-
zeigt das Bild einer sog. »Linksappendizitis«: halb des Entzündungsherdes liegen. Die untere Grenze
4 Übelkeit und Erbrechen. sollte immer die sog. »Hochdruckzone« mit erfassen. Sie
2 4 Umschriebene Druckschmerzhaftigkeit und lokale wird für die Divertikelentstehung und für mögliche Re-
Abwehrspannung im linken Unterbauch. zidive verantwortlich gemacht. Sie entspricht dem rekto-
4 Sigma als walzenförmige Geschwulst tastbar. sigmoidalen Übergang in Höhe des Peritoneums.
4 Rektale Untersuchung schmerzhaft. Das Vorhandensein von weiter proximal gelegenen Di-
4 Fieber, Leukozytose. vertikeln bei sonst unauffälliger Kolonbeschaffenheit ist
bedeutungslos.
Diagnostik Die primäre Kontinenzresektion mit einer Deszen-
4 Sonographie, dorektostomie ist das Verfahren der Wahl.
4 bei entsprechender Klinik primär Computertomogra- Auch bei der perforierten Kolondivertikulitis wird seit
phie mit Einlauf von wässrigem Kontrastmittel, längerer Zeit eine primäre Anastomose angelegt, die nach-
4 Koloskopie im Intervall, folgend im Konzept der Etappenlavagetherapie kontrol-
4 evtl. Zystoskopie, Fisteldarstellung. liert werden kann (7 Abschn. 2.14). Der endgültige Bauch-
deckenverschluss erfolgt dann bei unauffälliger lokaler
jDivertikelblutung
Anastomosensituation und beherrschter Peritonitis.
! Diese Blutungen sind oft massiv und zum Schock Den Patienten bleibt damit die Anlage eines AP er-
führend, v. a. bei älteren Patienten mit Bluthoch- spart; ein Sekundäreingriff ist nicht mehr erforderlich. Nur
druck. Die Blutungsquelle ist selten durch eine im Ausnahmefall sollte eine Resektion des Sigmas mit
selektive Angiographie darstellbar und dann in Blindverschluss des Rektumstumpfes und Anlage eines
der Regel im Colon ascendens und in der linken endständigen Sigma-AP erfolgen (7 Abschn. 2.12.9).
Flexur zu finden. Gründe hierfür können ein kritischer Allgemeinzustand
des Patienten, die technische Undurchführbarkeit einer
Therapie Anastomose oder Anastomosenkomplikationen sein.
jKonservative Behandlung Eine alleinige AP-Anlage ist selten indiziert.
Die konservative Behandlung ist bei dem 1. Schub einer Bei allen kontinenzerhaltenden Notfalloperationen ist
einfachen Divertikulitis sowie bei einer passageren Blu- die intraoperative Darmspülung erforderlich.
tung angezeigt. Lässt sich das akute Entzündungsstadium konservativ
beherrschen, so wird die Sigmaresektion zunehmend lapa-
jOP-Indikationen roskopisch ausgeführt (7 Abschn. 2.15).
4 Elektive Frühresektion:
5 bei Beginn im jugendlichen Alter,
5 bei einem schweren Erstanfall, 2.12.13 Morbus Crohn
5 bei häufigen heftigen Attacken mit peritonitischen
Zeichen, Diese Krankheit wurde nach ihrem Erstbeschreiber be-
5 bei einem großen Divertikelkonglomerattumor, nannt.
5 bei gehäuften Fieberschüben,
5 bei rezidivierenden Blutungen. Definition
4 Absolute OP-Indikation: Die Enteritis regionalis Crohn ist eine chronische, ver-
5 Perforation mit und ohne Peritonitis, narbende Entzündung aller Darmwandschichten.
5 Ileus,
5 massive Blutung.
4 Operationen mit aufgeschobener Dringlichkeit: Die Entzündung kann ein oder auch mehrere Darmseg-
5 lokale Abszedierung, mente mit dazwischen liegenden gesunden Abschnitten
5 inkompletter Ileus, des gesamten Magen-Darm-Traktes betreffen.
5 Fistelung, Es können v. a. der untere Dünndarm, aber auch der
5 rezidivierende Blutung. Dickdarm, Mastdarm und Darmausgang abschnittweise
entzündlich verändert sein, seltener sind Duodenum, Ma-
jOperative Therapie gen, Ösophagus oder Mund befallen.
Das wichtigste Prinzip ist die Beseitigung des septischen Die befallenen Darmanteile neigen durch Vernar-
Herdes. Eine Resektion des sichtbar und tastbar verän- bungen und Verdickungen der Darmwand zu Stenose,
derten Sigmaabschnitts sollte über mindestens 20 cm Abszess- oder Fistelbildung.
2.12 · Dickdarm
123 2
Mikromorphologisch betrifft die Entzündung alle An- 4 Der Nachweis histologischer Veränderungen im Re-
teile der Wand und ist durch eine Granulombildung ge- sektionsrand hat keinen Einfluss auf die Komplika-
kennzeichnet. tions- und Rezidivrate.
Ursache und Krankheitsentstehung sind unbekannt. 4 Die Rezidivrate nach chirurgisch kurativer Operation
Bevorzugt sind junge Erwachsene beiderlei Geschlechts beträgt 40%.
betroffen. Eine familiäre Häufung wird beschrieben, au- 4 Eine End-zu-End-Anastomose wird zur Vermeidung
toimmunologische Prozesse werden ursächlich vermutet. eines Blindsackes empfohlen.
4 Die Antibiotikaprophylaxe erfolgt wie bei allen ande-
Symptome ren Darmeingriffen.
4 Immer wieder auftretende Bauchschmerzen,
Operative Eingriffe
4 Durchfälle,
4 Fieber, 4 Sparsame Ileozäkalresektion (7 Abschn. 2.12.3). Der
4 Gewichtsverlust, Unterschied besteht darin, dass nach der Teilresektion
4 verminderter Appetit u. V. m. des betroffenen Dünn- und Dickdarmes die Anasto-
mosierung als Ileoaszendostomie erfolgt.
Der Verlauf der Erkrankung ist chronisch mit unvorher- 4 Strikturoplastik: Hier handelt es sich um einen mini-
sehbaren spontanen Verschlimmerungen und Remissi- malen Eingriff bei kurzstreckigen Stenosen des Dünn-
onen. Auch nach operativer Entfernung befallener Darm- darmes. Der stenosierende Narbenring wird längs
teile sind Rückfälle häufig (40%). gespalten und quer mit Einzelknopfnähten vernäht.

Diagnostik Operative Techniken bei Morbus Crohn des Kolons: Ileo-


sigmoidostomie/Ileorektostomie, Proktokolektomie mit
Die Diagnostik erfordert einen erfahrenen Internisten, der
Ileostomaanlage.
das Spektrum der endoskopischen und radiologischen Un-
tersuchungen des Magen-Darm-Traktes beherrscht.
2.12.14 Colitis ulcerosa
Karzinomrisiko
Das Karzinomrisiko ist bei Befall des Kolons und des Rek- Definition
tums ca. um das 5-Fache erhöht. Meist geht ein Verlauf von Colitis ulcerosa ist eine Entzündung mit einherge-
über 10 Jahren voraus. hender Geschwürbildung des Dickdarmes.

Komplikationen
4 Fistelbildung, Die Erkrankung beschränkt sich primär auf die Schleimhaut
4 Analfissuren, des Rektums, erfasst nur in seltenen Fällen, die fulminant
4 Abszesse, verlaufen, tiefere Darmschichten. Die befallene Schleimhaut
4 Blutungen, ist diffus gerötet und zeigt oberflächliche Geschwüre. Ty-
4 Stenose, Ileus, pisch ist die von distal nach proximal gerichtete Ausdehnung
4 Perforation, der Erkrankung; hierbei ist das Rektum immer befallen.
4 toxisches Megakolon, Im Gegensatz zum Morbus Crohn bleibt die Colitis ul-
4 Karzinom u. v. a. cerosa immer auf den Dickdarm beschränkt.
Der Haupterkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20.
Therapie und 40. Lebensjahr, die Krankheit kann jedoch zu jedem
Der Morbus Crohn ist z. Z. weder mit einer medikamentösen Zeitpunkt auftreten.
noch mit einer chirurgischen Therapie heilbar. Im Vorder- Ursache und Entstehung sind bisher nicht eindeutig
grund steht nach der Sicherung der Diagnose und nach bekannt. Es werden auch hier ursächlich autoimmunolo-
Kenntnis über die Ausdehnung und Aktivität der Erkran- gische Prozesse vermutet. Psychosomatische Faktoren ge-
kung die konservative medikamentöse Behandlung. hören ebenfalls zum Krankheitsbild.
Eine OP-Indikation ist dann gegeben, wenn Komplika- Es ist von einer »colitistypischen Persönlichkeitsstruk-
tionen zu einem chirurgischen Vorgehen zwingen. tur« die Rede, die durch eine starke »Über-Ich-Zensur«
und einen schwachen Willen mit abnormer Konfliktverar-
Operative Therapie beitung gekennzeichnet ist.
4 Angestrebt wird immer die Resektion des befallenen Die Colitis ulcerosa verläuft meist schubweise. Phasen
Darmabschnitts (keine palliative Bypassoperation). geringer oder fehlender Beschwerden wechseln sich mit
Die Resektion soll sparsam erfolgen. Zeiten erhöhter Entzündungsaktivität ab.
124 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Symptome Therapie
Im Vordergrund der Beschwerden stehen blutige und In der Regel ist eine konservative medikamentöse Therapie
schleimig-eitrige Durchfälle, deren Ausmaß vom Grad des erforderlich. Erst bei einer Verschlimmerung der Krank-
2 Dickdarmbefalles abhängt. Ist das gesamte Kolon betrof- heit, beim Auftreten von Komplikationen oder Ausbleiben
fen, kann es zu schweren, sehr häufigen Diarrhöen kom- von Remissionen ist eine chirurgische Therapie in ca. 25–
men, die mit erheblichem Blutverlust, Fieber, Gewichtsab- 30% der Fälle erforderlich.
nahme und Blutarmut einhergehen. Bei langfristiger Erkrankung ist die Operation im Sinne
einer Karzinomprophylaxe indiziert.
Diagnostik
7 Abschn. 2.12.13. Operative Technik
Ziel der operativen Therapie ist die Entfernung des er-
Karzinomrisiko krankten Dickdarmes, um damit das Befinden des Pati-
Das Karzinomrisiko ist bei Patienten mit einer Colitis ul- enten zu verbessern und krankheitsspezifische oder thera-
cerosa etwa 10-mal größer als das der Normalbevölkerung. piebedingte Komplikationen zu vermeiden.
Bei ausgedehntem Kolonbefall zeigt sich nach 10-jährigem Auch bei der Colitis ulcerosa hat sich die kontinenzer-
Krankheitsverlauf eine Karzinomhäufigkeit von 5%, nach haltende Operation durchgesetzt. Etwa zwei Drittel der
25-jährigem Verlauf eine von 50%. Patienten können kontinenzerhaltend operiert werden.

Komplikationen OP-Verfahren
4 Perforation in ca. 2% der Fälle. 4 Proktokolektomie mit endständiger Ileostomie.
4 Toxisches Megakolon = Kolondilatation in ca. 10% 4 Indiziert ist dieses OP-Verfahren bei schweren ent-
der Fälle; gefährliche Komplikation mit totaler oder zündlichen Veränderungen auch im distalen Rektum,
segmentaler Weitstellung des Kolons aufgrund also dem potentiellen Anastomosenbereich.
schwerer funktioneller und morphologischer Darm- 4 Proktokolektomie mit ileorektaler Anastomose, also
wandschädigung. kontinenzerhaltend:
4 Innerhalb weniger Stunden kommt es zu schwersten 4 Hierbei verbleiben ca. 5 cm des distalen Rektums. Re-
toxischen Erscheinungen mit septischen Tempera- gelmäßige Kontrollen und Rektumbiopsien sind er-
turen, Schüttelfrost, Tachykardie, Schläfrigkeit und forderlich. Dieses Verfahren ist nur bei Patienten mit
Verwirrtheitszuständen sowie zum Kreislaufschock. geringen Entzündungszeichen im distalen Rektum
4 Massive Blutung. angezeigt.
4 Perianale Abszesse. 4 Nach der Resektion des Kolons erfolgt eine terminale
Anastomose zwischen Ileum und Rektum (Technik
7 Abschn. 2.12.10).
4 Subtotale Kolektomie mit Proktomukosektomie und
ileoanalem Pouch, also kontinenzerhaltend, dieser
Eingriff sollte nicht im Notfall erfolgen.
4 Die laparoskopische Durchführung dieses Eingriffes
ist möglich.

OP-Schritte
7 Subtotale Kolektomie.
7 Skelettierung des Dünndarmes.
7 Konstruktion des J-Reservoirs (. Abb. 2.82).

. Abb. 2.82 Kolon-J-Reservoir. (Nach Siewert 2001)


2.13 · Proktologie
125 2
2.12.15 Dickdarmileus Nur bei erheblichen Risikofaktoren oder bei inkurab-
lem, ausgedehntem Tumorleiden ist die palliative AP-An-
Definition lage oder die Diskontinuitätsresektion nach Hartmann
Der Ileus (Darmverschluss) ist eine Störung der Darm- (7 Abschn. 2.12.9) indiziert.
passage, die durch eine Verengung oder Verlegung
der Darmlichtung (mechanischer Ileus) oder durch
eine Lähmung des Darmes (paralytischer Ileus) verur- 2.12.16 Volvulus des Dickdarmes
sacht wird.
Definition
Eine Torquierung (Drehung/Krümmung) des Dickdar-
Pathophysiologie des Ileus mes um die Mesenterialachse mit Verlegung des
Darmparalyse und schwerste allgemeine Krankheitssymp- Darmlumens und evtl. Durchblutungsstörung durch
tome führen bei Überforderung der körpereigenen Regu- Strangulation bis hin zur Gangrän.
lations- und Abwehrmechanismen zur Ileuskrankheit.

Ursachen Am häufigsten ist das Sigma, seltener sind Zäkum und


4 Karzinom des Dickdarmes (häufigste Ursache), Transversum betroffen. Voraussetzung ist eine sehr lange
4 Divertikulitis, Schlinge mit einem Mesenterium, das an der Basis schmal
4 Volvulus. ist.

Besonderheiten Symptome
Der Dickdarmileus tritt meist bei älteren Menschen auf. Er 4 Akutes, einmaliges Ereignis,
entwickelt sich im Gegensatz zum Dünndarmileus lang- 4 kolikartige Schmerzen und Stuhlverhalt,
samer. 4 typisch ist ein ballonartig aufgetriebenes Abdomen,
Das Behandlungsziel besteht in der Beseitigung des me- 4 später Entwicklung einer Ileussymptomatik.
chanischen Hindernisses und der Behandlung des auslö-
senden Grundleidens, meist durch eine Tumorresektion. Therapie
Die konservative Therapie (endoskopische Absaugung)
Anamnese weist sehr hohe Rezidivraten auf. Deshalb ist eine Sigma-
Siehe Kolonkarzinom (7 Abschn. 2.12.2). resektion bzw. Hemikolektomie rechts bei einem Volvulus
des Zäkums oder des Transversums indiziert.
Lokalisationsdiagnostik
4 Röntgen-Abdomenübersicht,
4 retrograde Kolondarstellung mit wasserlöslichem 2.13 Proktologie
Kontrastmittel, ggf. mit CT,
4 Endoskopie. H. Schimmelpenning, M. Liehn

Therapie 2.13.1 Anatomie des Anorektums


Besonderheiten der operativen Therapie
Patienten mit einem Dickdarmileus weisen eine hohe Rektum und Analkanal
Krankenhausletalität auf. Ursachen sind v. a. das Alter, die Rektum, Analkanal und das abschließende Sphinktersys-
Ileuserkrankung und die notfallmäßige Operation. tem bilden eine physiologische Einheit, die in ihrem feinen
Eine präoperative Darmvorbereitung mittels Lavage ist Zusammenwirken großen Einfluss auf unsere Lebensqua-
nicht möglich. lität hat (Kontinenzleistung).
Anatomisch handelt es sich dabei um eine komplexe
OP-Technik Region unseres Körpers. Das Rektum hat eine variable Län-
Grundsätzlich werden auch hier einzeitige, kontinenzer- ge von 12–15 cm, liegt dem Os sacrum und dem Os coccy-
haltende Eingriffe mit primärer Anastomosierung an- gis an und endet 2–3 cm anterior-inferior von der Spitze
gestrebt. Eine intraoperative Darmspülung ist erforder- des Os coccygis. An dieser Stelle anguliert es 110–130° nach
lich. dorsal, tritt im Hiatus levatorius durch das Diaphragma
Bei unsicheren Lokalverhältnissen an der Darmwand pelvis hindurch und geht in den Analkanal über.
ist evtl. eine Übernahme des Patienten in das Konzept der Das Schleimhautrelief des Rektums weist meistens drei
Etappenlavage (7 Abschn. 2.14) erforderlich. quere Falten, die sog. Plicae transversae, auf. Die mittlere
126 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

a b

. Abb. 2.83 Corpus cavernosum recti. Der Schwellkörper wird termuskulärer Verlauf ), 8 intermuskulär verlaufende Vv. rectales me-
durch intermuskulär an ihn herantretende Äste der A. rectalis superi- diae, 9 Schwammwerk des Corpus cavernosum recti, 10 transsphink-
or aufgepumpt. Die natürliche Spontanaktivität des M. sphincter ani täre Hauptabflussgefäße des Schwellkörpers, 11 intersphinktäre Ge-
internus hält die transsphinkterischen Blutabflüsse des Schwellkör- fäßnetze, 12 Abfluss zur V. rectalis inferior, vermutlich auch für das
pers geschlossen. Damit trägt der erigierte Mastdarmschwellkörper ausgeschöpfte, venöse Blut des nutritiven Kreislaufs des Schwellkör-
zum Abschluss bei. Sagittalschnitt durch das anorektale Kontinenz- pers, 13 Fasern des M. corrugator ani, sich in der perianalen Haut
organ eines Mannes. 1 Rektumlängsmuskulatur, 2 Rektumringmus- verankernd, 14 Columnae rectales, 15 Analkrypte: unterhalb dieser
kulatur, 3 M. levator ani, 4 M. Sphincter ani internus, 5 M. canalis ani, Zone ist die Analkanalhaut mit der Unterlage verwachsen, 16 Prok-
6.1 M. puborectalis, 6.2 M. sphincter ani externus profundus, 6.3 todealdrüse, 17 »auf Vorrat« gefaltete Mastdarmschleimhaut,
M. sphincter ani externus superficialis, 6.4 M. sphincter ani externus 18 trockene Analkanalhaut und perianale Haut. (Nach Stelzner 2004,
subcutaneus, 7 zu- und abführende Gefäße des Schwellkörpers (in- aus Lange et al. 2006)

davon ist am konstantesten, liegt bei 9–11 cm und wird verlaufen nach außen und unten, zwei Drittel erreichen
Kohlrausch-Falte genannt. den inneren Schließmuskel, und die Hälfte endet zwischen
Die Linea dentata markiert die Grenzzone zwischen dem inneren und äußeren Schließmuskel. Bei Obstrukti-
der nichtsensiblen Rektumschleimhaut und dem aboral onen der Ausführungsgänge, meistens durch Fäzes, kön-
davon beginnenden, hochsensiblen Plattenepithel der nen Abszesse und Fisteln entstehen.
Analhaut. Operationen oberhalb der Linea dentata verur- Bis etwa 10 mm oberhalb der Linea dentata befindet
sachen daher kaum Schmerzen, Operationen unterhalb sich ferner eine Übergangszone (Transitionalzone), in der
davon können hingegen starke Schmerzen zur Folge ha- das Drüsenepithel der Rektumschleimhaut in das zunächst
ben. Knapp oberhalb der Linea dentata liegen die längsge- mehrschichtige, unverhornte Plattenepithel übergeht.
stellten Columnae anales, die unten durch quergestellte Dieser Abschnitt des Analkanals ist sehr fein sensibel in-
Valvulae anales verbunden sind. Sie entstehen durch ein nerviert und ermöglicht so die genaue Unterscheidung
darunter liegendes arteriovenöses Gefäßgeflecht, das sog. zwischen den Stuhlbeschaffenheiten gasförmig, flüssig
Corpus cavernosum recti (. Abb. 2.83). Dieses wird aus Äs- und fest. Damit kommt ihm eine erhebliche Bedeutung bei
ten der A. rectalis superior gespeist und hat Bedeutung für der Kontinenzleistung zu. Erst noch weiter aboral geht
die Feinkontinenz. dieser Abschnitt schließlich in die behaarte Haut der Kör-
Zwischen den Valvulae anales (auch Valvulae Mor- peroberfläche über (Linea anocutanea).
gagnii), die in Analpapillen enden, liegen halbmondför- Die Muskulatur des Sphinkterapparates besteht zum ei-
mige Einsenkungen, die Analsinus oder Analkrypten ge- nen aus einem glattmuskulären inneren Muskel (M. sphincter
nannt werden. Hier endet eine variable Anzahl von rudi- ani internus). Dieser ist dauernd kontrahiert. Er ist die Fort-
mentären Duftdrüsen (Proktodealdrüsen), die meisten setzung der Ringmuskelschicht der Tunica muscularis der
von ihnen dorsal. Die Ausführungsgänge dieser Drüsen Rektumwand und reicht bis auf Höhe der Linea anocutanea.
2.13 · Proktologie
127 2
Der quergestreifte M. sphincter ani externus umhüllt den Benennung weiterer anatomischer Landmarken (Bezug
inneren Sphinkter und ist bei Frauen ventral kürzer als bei zur Linea dentata, zur Linea anocutanea).
Männern. Er wird in einen subkutanen, einen oberfläch-
lichen und in einen tiefen Abschnitt unterteilt.
Inspektion
Die Linea dentata ist die Trennlinie zwischen dem En- Bei der Inspektion erfolgt eine Beurteilung der Haut (ver-
doderm und dem Ektoderm. Oberhalb dieser Linie ist der schmutzt, feucht, trocken, gerötet etc.), Behaarungstyp,
Darm sympathisch und parasympathisch innerviert (Ple- Narben, hervorspringende perianale Veränderungen wie
xus hypogastricus inferior), die arterielle Versorgung er- äußere Hämorrhoiden, Marisken (Analfalten), Fistelöff-
folgt im Wesentlichen über die A. rectalis superior, einen nungen o. Ä. Ferner kann eine dynamische Beurteilung er-
Endast der A. mesenterica inferior. Entsprechend dem folgen nach Aufforderung zum Pressen wie Absenken des
arteriellen Versorgungsgebiet erfolgt auch der venöse Beckenbodens, Hervortreten von Hämorrhoidalgewebe,
Rückstrom hauptsächlich zur V. mesenterica inferior. Die Anal- oder Rektumprolaps, Zystozele, Kolpozele, Rektozele.
Lymphe gelangt über Nll. rectales superiores zu den Nll.
Palpation
mesenterici inferiores. Lymphe des Analkanales wird über
Nll. inguinales superficiales drainiert. Die Palpation gibt Aufschluss über die Länge des Analka-
Der Beckenboden ist eine komplexe trichterförmige nals, den Sphinkterruhe- und Kneifdruck, das Hämorrho-
Struktureinheit aus Faszien und Muskeln, der verschie- idalgewebe, Veränderungen des Anoderms (Fissuren, Tu-
dene Aufgaben zukommen. Beim Geburtsvorgang, der moren), Indurationen inner- und außerhalb der Sphink-
Defäkation und der Miktion muss sie sich öffnen, ansons- termuskulatur (Fisteln, Abszesse), Veränderungen der
ten jedoch aktiv verschließen. Ferner hat der Beckenbo- Rektumschleimhaut sowie eine ventrale Rektozele und die
den stützende Funktionen für den Sphinkterapparat, die Funktionstüchtigkeit der Puborektalisschlinge.
Becken- sowie die übrigen Abdominalorgane. Das Dia- Proktoskopie
phragma pelvis besteht hauptsächlich aus dem M. levator
Mit dem Proktoskop werden die untersten Abschnitte des
ani, der sich aus den drei Anteilen M. pubococcygeus,
Rektums sowie der Analkanal untersucht. Sie kann durch
M. ileococcygeus und M. puborectalis zusammensetzt.
eine Spekulumuntersuchung ergänzt werden, bei der durch
Weiter dorsal liegt der M. coccygeus. Der ventral am knö-
den seitlichen Schlitz das Anoderm noch besser zur Darstel-
chernen Becken ansetzende M. puborectalis umschlingt
lung gelangt. Die Proktoskopie kann auch für therapeutische
dorsal auf Höhe der Flexura anorectalis den Enddarm
Zwecke eingesetzt werden, wie z. B. die Gummibandligatur
und geht hier in den tiefen Anteil des M. sphincter ani
oder Sklerosierung von vergrößerten Hämorrhoiden.
externus über.
Rektoskopie
Die starre Rektoskopie erlaubt die Untersuchung des Rek-
2.13.2 Proktologische Untersuchung tums, wobei die Höhe nach anatomischen Gegebenheiten
variabel ist. Die Schleimhaut kann beurteilt werden, und es
Anamnese
können Gewebeproben entnommen werden.
Die proktologische Untersuchung beinhaltet wie jede an-
dere Untersuchung zunächst eine gründliche Anamnese. Endosonographie
Neben allgemeinen Fragen zur Gesundheit und anderen Die sonographische Untersuchung des Anorektums wird
Erkrankungen, die einen Einfluss auf das Kontinenzorgan eingesetzt zur Beurteilung von Tumoren des Enddarms
haben können, gehören dazu eine Reihe von spezifischen (Infiltrationstiefe, Lymphknoten) sowie für die Diagnostik
Fragen: Schmerz? Blutung? Nässen? Ausfluss? Juckreiz von perianalen Fisteln (Lage, Verlauf) und auch für die
(Pruritus ani)? Schwellung? Prolaps? Defäkationsprobleme Exploration des Sphinkterapparates (Länge, Dicke, Mus-
(Obstipation, Häufigkeit, Intervall, digitales »Nachhelfen«, kellücken).
unvollständige Entleerung)? Entbindungen? Gynäkolo-
gische Operationen? Miktionsverhalten?
2.13.3 Hämorrhoiden
Klinische Untersuchung
Die Untersuchung erfolgt in Linksseiten- oder Stein- Ätiologie
schnittlage (SSL). Letztere ermöglicht eine gleichzeitige Oberhalb der Linea dentata befindet sich unter der
vaginale Untersuchung, die für viele Fragestellungen erfor- Schleimhaut ein arteriovenöses Gefäßgeflecht, der Plexus
derlich ist. Die Lokalisationsangabe eines Befundes orien- haemorrhoidalis oder Corpus cavernosum recti genannt
tiert sich am Zifferblatt einer Uhr (12 Uhr vorn, 3 Uhr wird. Prädilektionsstellen der aus den Aa. haemorrhoidales
rechts, 6 Uhr hinten, 9 Uhr links in SSL). Ferner erfolgt die superior, media und inferior gespeisten Geflechte liegen
128 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

bei 7, 3 und 11 Uhr SSL. Diese Hämorrhoidalkissen füllen Segmentale Verfahren


sich während der Kontinenzphase, weil der venöse Rück- 4 Offene Hämorrhoidektomie nach Milligan-Morgan
strom durch den kontrahierten M. sphincter ani internus (s. unten),
2 vermindert wird. Damit haben sie eine wichtige Funktion 4 geschlossenen Hämorrhoidektomie nach Ferguson
für die Feinkontinenz. Erst während der Defäkation und (s. unten),
der Relaxation des Muskels kann das Blut ungehindert ab- 4 submuköse Hämorrhoidektomie nach Parks.
fließen. Die Gefäßpolster werden durch longitudinal ange-
ordnete Muskel- und Bindegewebsfasern fixiert. Mit zu- Zirkuläre Verfahren
nehmendem Alter werden diese Strukturen schlaffer, die 4 Rekonstruktive Hämorrhoidektomie nach Fansler-
Gefäßkissen können dann prolabieren. Arnold,
4 supraanodermale Hämorrhoidektomie nach White-
Klinik head,
Bei einer Hyperplasie der Polster handelt es sich um Hä- 4 supraanodermale Hämorrhoidopexie mit einem Zir-
morrhoiden, erst bei Beschwerden liegen symptomatische kulärstapler.
Hämorrhoiden bzw. ein Hämorrhoidalleiden vor. Sympto-
matische Hämorrhoiden verursachen unterschiedliche kIndikation
Beschwerden, die auch bei anderen proktologischen Er- Hämorrhoiden Grad III sind in aller Regel nicht konserva-
krankungen vorkommen können. Das Beschwerdebild tiv zu behandeln und sollten demnach operiert werden. Bei
korreliert dabei nicht mit dem Ausmaß des Befundes. Als segmentalen Befunden gelangen Verfahren nach Milligan-
häufigstes Symptom werden Blutungen angegeben, gefolgt Morgan oder Ferguson zur Anwendung. Für zirkuläre Hä-
von Schmerzen, Pruritus ani und Prolaps. morrhoiden gilt heute die Staplerhämorrhoidopexie als
Hämorrhoiden werden dem Befund nach in vier Grade Methode der Wahl.
eingeteilt:
4 Hämorrhoiden Grad I sind nur mit dem Proktoskop kLagerung
zu erkennen. 4 Steinschnittlagerung mit leicht angehobenen Beinen,
4 Hämorrhoiden Grad II prolabieren bei der Defäkati- das Gesäß etwas vor der Kante des OP-Tisches lagern,
on durch den Analkanal und reponieren sich selbst. dabei auf geeignete Dekubitusprophylaxe achten.
Es kann sich dabei um einzelne, segmentale Anteile 4 Neutralelektrode an einem Oberschenkel platzieren.
handeln oder um einen zirkulären Befund. Wird
Anoderm außerhalb des Analkanals sichtbar, handelt kInstrumentarium
es sich um einen Analprolaps, der durch eine radiäre 4 Nur wenige Grundinstrumente (Präparier- und Fa-
Faltenbildung gekennzeichnet ist. denschere, Pinzetten, Klemmen, Nadelhalter, HF-
4 Hämorrhoiden Grad III sehen morphologisch aus wie Elektroden, ggf. bipolare Pinzette),
Hämorrhoiden Grad II, müssen aber manuell repo- 4 Analspreizer nach Parks,
niert werden. 4 ggf. Rektoskop.
4 Hämorrhoiden Grad IV sind nicht zu reponieren
(VIa in Narkose, IVb in keiner Weise). Offene Hämorrhoidektomie nach
Milligan-Morgan
Therapie Das Prinzip besteht in einer Entfernung der vergrößerten
Das Ziel einer Behandlung von symptomatischen Hämor- Hämorrhoidalpolster und der Ligatur der zugehörigen ar-
rhoiden ist nicht ihre komplette Entfernung, sondern eine teriovenösen Gefäße oberhalb der Linea dentata. Dazu
Beseitigung der Beschwerden. Anderenfalls kann die Kon- werden die vergrößerten Hämorrhoiden angeklemmt, je-
tinenz gestört sein. Konservative Therapiemaßnahmen weils genügend große kutane Drainagedreiecke präpariert
beinhalten kausale und prophylaktische Gesichtspunkte. und die Gefäßkonvolute vom M. sphincter ani internus
Dazu gehört eine physiologische Stuhlgangregulierung. abgelöst, ohne diesen dabei zu verletzen. Oberhalb der Li-
Der Stuhl sollte geformt ohne Pressen abgesetzt werden nea dentata wird das Gewebe über einer Klemme abgesetzt
können. Gegebenenfalls ist mit einer Progredienz des Be- (. Abb. 2.84). Wichtig ist bei dieser Methode, genügend
fundes und der Symptome zu rechnen. Effektive Behand- große Anodermbrücken zwischen den Resektionsflächen
lungsmethoden von Hämorrhoiden sind Sklerosierung, zu belassen!
Infrarotbehandlung, Gummibandligaturen, selektive Hä-
morrhoidalarterienligaturen sowie Operationen. Offene Hämorrhoidektomie nach Ferguson
Die Operationen werden in folgende Verfahren unter- Die Resektion ist analog zu der Technik nach Milligan-
teilt: Morgan. Es erfolgt dann jedoch eine Adaptation des Ano-
2.13 · Proktologie
129 2

a b

c d e

. Abb. 2.84 a–e Milligan-Morgan-Operation. a Fassen der Perianal- haut, d Ligatur des mobilisierten Hämorrhoidalpolsters, e Endbe-
haut mit Allis-Klemmen, b unter leichtem Zug Inzision der Perianal- fund. (Nach Lange et al. 2006)
haut und des Anoderms, c Dissektion, beginnend an der Perianal-

derms durch fortlaufende Nähte bis zum Außenrand des daher einen hohen Patientenkomfort und zeigt wenig Re-
Analkanals (. Abb. 2.85). Die Vorteile sollen in einer Re- zidive.
duktion der postoperativen Schmerzen sowie einer schnel-
leren Heilung bestehen.
2.13.4 Analfissur
Staplerhämorrhoidopexie nach Longo
Mittels eines speziellen Analdilatators werden zunächst die Ätiologie und Klinik
Hämorrhoiden reponiert. Unter Verwendung eines Naht- Es wird zwischen primären und sekundären Analfissuren
anoskops wird 3–4 cm oral der Linea dentata eine zirku- unterschieden. Klinisch präsentiert sich die akute Fissur
läre, submuköse Tabakbeutelnaht vorgelegt. Unter Scho- als ein längsverlaufender Defekt des sensiblen Anoderms
nung des Sphinkterapparates wird ein Zirkulärstapler ein- von der Linea dentata bis zur Linea anocutanea. Diese geht
geführt, die Naht um den Staplerdorn geknüpft, das Instru- über in eine chronische Fissur, bei der es zu einer Sklero-
ment geschlossen und ausgelöst (. Abb. 2.86). sierung der inneren Schichten des M. sphincter ani inter-
Es resultiert eine manschettenförmige Resektion der nus kommt. Die chronische Fissur ist nach außen häufig
Mukosa und Submukosa im aboralen Rektum mit Durch- durch eine Mariske und nach innen durch eine hypertro-
trennung der Hämorrhoidalplexus oberhalb der Linea phe Analpapille begrenzt.
dentata sowie eine Refixation des verbliebenen Hämorrho- Etwa 90% der primären Analfissuren finden sich im
idalgewebes in einer physiologischen supra- und intra- Bereich der hinteren Kommissur bei 6 Uhr SSL, nur 10–
analen Position. Dadurch kommt es in kurzer Zeit zu einer 15% bei 12 Uhr SSL. Andere Lokalisationen deuten auf
deutlichen Reduktion des verbliebenen Gewebes. Das eine sekundäre Analfissur hin, die z. B. beim M. Crohn,
schmerzempfindliche Anoderm wird nicht tangiert, es sei nach Voroperationen oder Analstenosen auftritt.
denn, die Staplerhämorrhoidopexie wird mit anderen re- Leitsymptom sind akut mit der Defäkation einsetzende
sezierenden Verfahren kombiniert. Das Verfahren bietet Schmerzen, die über Stunden anhalten können. Die Ursa-
130 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.86 Zirkuläre submuköse Tabakbeutelnaht bei der Stapler-


hämorrhoidopexie nach Longo. (Nach Lange et al. 2006)

chen sind nicht gänzlich geklärt, anale Traumata durch har-


ten Kot oder eine Überdehnung des Anoderms bei einer
Obstipation gelten aber als wahrscheinlichste Ursachen.
Belegt ist eine verminderte Durchblutung des Anoderms
im Bereich der hinteren Kommissur durch eine Substanz-
verminderung der Äste der A. haemorrhoidalis inferior
sowie durch einen erhöhten Spinkterdruck. Ein sich wie-
b
derholender Spasmus des M. sphincter ani internus wird
häufig beobachtet. Gelegentlich kommt es bei chronischen
Analfissuren zu inkompletten Fisteln, die im M. sphincter
ani internus oder im intersphinktären Spaltraum enden.

Therapie
Neben einer kausalen Therapie durch eine physiologische
Stuhlregulierung ist oberstes Therapieprinzip, den Circu-
lus vitiosus der Analfissur zur durchbrechen: Minderung
der Schmerzen, Verringerung des Sphinkterdrucks/-spas-
mus, Verbesserung der Durchblutung. Bereits warme Sitz-
bäder tragen dazu bei.
Zur Verringerung des Sphinkterdruckes finden derzeit
drei Substanzen Verwendung, nämlich Kalziumantagonis-
ten, topische Nitrate (Nitroglyzerin) sowie Botulinumto-
xin (7 Kap. 8). Die lange Zeit empfohlene Verwendung von
Analdilatatoren ist wegen der Schmerzhaftigkeit in den
Hintergrund getreten.
Erst bei Versagen der konservativen Therapie kommen
c
operative Verfahren zum Einsatz. Bei der lateralen Sphink-
. Abb. 2.85 a–c Zunächst Hämorrhoidektomie in Milligan-Morgan- terotomie werden die aboralen Anteile des M. sphincter
Technik (a), dann b Adaptation der Analmukosa mit fortlaufender ani internus inzidiert, um den Muskeltonus zu senken. Bei
Nahttechnik. c Endzustand nach Ferguson-Technik. (Nach Lange et der Operation nach Eisenhammer erfolgt die Sphinktero-
al. 2006)
tomie im Fissurgrund. Häufigere Verwendung findet heu-
te die Operation nach Gabriel, bei der chronische Verände-
rungen wie eine Vorpostenfalte, hypertrophe Analpapillen,
2.13 · Proktologie
131 2
eine Tasche oder ggf. eine inkomplette Fistel beseitigt wer-
den. (Die manuelle anale Dilatation ist heute wegen der
unkontrollierten Sphinkterschädigung mit konsekutiver
Inkontinenz obsolet).

kIndikation
Nach konservativer Therapie mit Nitroglyzerin 0,4% oder
Kalziumantagonisten 2% als Salbe, häufig in Kombination
mit Lidocain für 4–6 Wochen, ist in 50% mit einer Abhei-
lung zu rechnen. Bei Therapieversagen kommt Botulinum-
toxin zum Einsatz.
Erst bei ausbleibendem Therapieerfolg besteht eine
Operationsindikation. . Abb. 2.87 Schematische Darstellung der verschiedenen Anal-
fisteltypen: 1 intersphinktäre, 2 transsphinktäre, 3 suprasphinktäre,
kLagerung und Instrumentarium 4 extrasphinktäre Fistel. (Nach Stein 1998)
7 Abschn. 2.13.3.

Laterale subkutane Sphinkterotomie transsphinktäre Fistel (. Abb. 2.87). Bei diffuser Ausbrei-
geschlossen (nach Noteras) tung können komplexe Fistelsysteme bis hin zu Hufeisen-
Mit einer schmalen, langen Klinge wird bei 3 Uhr SSL bis fisteln entstehen.
zur gewünschten Höhe eingegangen und gegen den pal-
pierenden Finger der M. sphincter ani internus inzidiert. Klinik
Das Anoderm darf auf keinen Fall verletzt werden, weil es Männer haben 3-mal so häufig Fisteln wie Frauen.
sonst zu Fisteln kommt. Abszesse verursachen immer perianale Schmerzen, oft
verbunden mit Fieber und äußeren Entzündungszeichen
Laterale subkutane Sphinkterotomie offen (Rötung, Überwärmung, Schwellung, Perforation). Das
(nach Parks) Krankheitsbild reicht bis hin zur Sepsis. Die Diagnostik ist
Nach kurzer Hautinzision zirkulär bei 3 Uhr SSL wird der in der Regel einfach und erfolgt meist in einer sofortigen
M. sphincter ani internus identifiziert, intersphinktär frei- Untersuchung in Narkose. Nur bei einem Drittel der Fälle
gelegt und bis zur gewünschten Höhe durchtrennt. Die ist im akuten Abszedierungsstadium bereits eine innere
Inzision kann mit einer Naht verschlossen werden. Fistelöffnung vorhanden. Daher ist nach ca. 6 Wochen eine
proktologische Untersuchung erforderlich. In manchen
Fällen kann eine Endosonographie (ggf. unter Kontrastie-
2.13.5 Fisteln und Abszesse rung mit Wasserstoffperoxid) hilfreich sein. Auch eine
MRT-Untersuchung ist in einzelnen Fällen indiziert.
Ätiologie
Etwa 90% aller perianalen Fisteln gehen von den analen Therapie
Krypten auf Höhe der Linea dentata aus. Durch Stuhlreste Grundsätzliche Ziele der Therapie der perianalen Absze-
kommt es zu einer kryptoglandulären Infektion der meist dierung sind, den Abszess zu eröffnen, den Sekretabfluss
dorsal gelegenen Proktodealdrüsen. Der resultierende sicherzustellen und die Schmerzen zu beseitigen. Nur bei
Abszess breitet sich zunächst intersphinktär weiter aus und umschriebenen aboral gelegenen Fisteln gelingt beim Erst-
drainiert sich entlang des geringsten Widerstandes inter- eingriff die definitive Sanierung. Alle anderen Befunde, bei
sphinktär oder durch die externe Sphinktermuskulatur denen eine weitergehende Manipulation zu einer Beein-
nach perianal. trächtigung der Kontinenzleistung führen könnte, werden
Die innere Fistelöffnung liegt daher meist bei 6 Uhr beim Ersteingriff oder später, bei Nachweis einer Fistel,
SSL auf Höhe der Linea dentata. Sie wird auch primäre häufig zunächst mit einer Fadendrainage versorgt (Seton-
Fistelöffnung genannt, die äußere Öffnung dementspre- Technik). Die Umgebungsreaktion kann abklingen, um die
chend sekundäre Fistelöffnung. Fadendrainage (meist ein »vessel loop«) bildet sich eine
Die häufigsten Fisteln verlaufen intersphinktär mit ei- bindegewebige Narbe/Fistel.
ner sekundären Öffnung am anokutanen Übergang. Bei Fisteln können in einem späteren Stadium in bestimm-
transsphinktären Fisteln wird die äußere Sphinktermusku- ten Fällen mit Fibrinkleber oder einem konisch geformten
latur häufig auf Höhe der Linea dentata durchbrochen, je Implantat aus gereinigter Schweinemukosa (»anal fistula
nach Lokalisation entsteht eine »hohe« bzw. eine »tiefe« plug«) verschlossen werden.
132 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Die Fistulotomie (Lay-open-Technik) ist aboral gele- Sekundäre Peritonitis (ca. 80% aller Peritonitisfälle)
genen Fisteln vorbehalten. Die Rezidivraten liegen unter 4 Meist nach entzündlicher Hohlorganperforation:
10%. Kontinenzstörungen sind allenfalls gering und passa- 5 Appendizitis,
2 ger. Höher gelegene Fisteln werden mit zwei unterschied- 5 Cholezystitis,
lichen Techniken therapiert: 5 Morbus Crohn,
4 Entweder werden sie mikrochirurgisch exzidiert, die 5 Colitis ulcerosa,
innere Fistelöffnung wird vernäht und mit einem lo- 5 Divertikulitis,
kalen Verschiebelappen gedeckt. Eine unmittelbare 5 Darminfarkt,
Nahtundichtigkeit tritt in bis zu 10% der Fälle auf, 5 Dünndarm- und Ulkusperforation.
die Rezidivraten werden zwischen 5 und 30% ange- 4 Postoperative Peritonitis:
geben. Diskrete Kontinenzstörungen sind in bis zu 4 Als Folge einer Nahtinsuffizienz einer Anastomose
40% zu erwarten, höhergradige jedoch nur in Einzel- oder durch intraoperative bzw. postoperative Konta-
fällen. mination mit pathogenen Keimen.
4 Alternativ wird die Schließmuskulatur über der Fistel 4 Posttraumatische Peritonitis:
durchtrennt, das Fistelgewebe komplett entfernt und 4 Folgen eines stumpfen oder perforierenden Bauch-
die Muskulatur primär rekonstruiert. traumas, Peritonitis nach endoskopischer Perforation.

Sonderformen sind rekto- bzw. anovaginale Fisteln. Wegen Therapie


ihrer besonderen anatomischen Lage sind hier meist plas- Die Therapie der Peritonitis basiert auf folgenden Maß-
tische Verfahren erforderlich. Die Rezidivraten sind deut- nahmen:
lich höher. 4 chirurgische Herdsanierung der Infektionsquelle,
Sekundäre Fisteln bei chronisch entzündlichen Darm- 4 intensivmedizinische Maßnahmen mit dem Versuch
erkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) sind häufig der Rekompensation der im Rahmen der Sepsisfolge
komplexe perianale Fistelsysteme, die eine hohe Rezidiv- insuffizienten Organsysteme,
quote haben. 4 unterstützende gezielte antibiotische Therapie.

Ohne die Intensivmedizin mit den Möglichkeiten u. a. der


2.14 Peritonitis Langzeitbeatmung und der Hämofiltration sind die ag-
gressiven Verfahren der chirurgischen Herdsanierung
M. Liehn, L. Steinmüller nicht möglich. Die Prognose der diffusen Peritonitis ergibt
sich aus 3 wesentlichen Faktoren:
2.14.1 Einteilung und Therapie 4 Lokalisation und Beschaffenheit der Infektionsquelle,
4 Infektionsdauer,
Definition 4 Qualität der chirurgischen Arbeit.
Eine Entzündung der Bauchhöhle, die sich unbehan-
delt rasch zu einer lebensbedrohlichen Systemerkran- Ein großer Anteil von Peritonitiden (ca. 85%) kann erfolg-
kung entwickeln kann. reich mit der konsequenten Durchführung der bereits
1926 von Martin Kirschner geprägten und als Standardthe-
rapie bezeichneten Methode behandelt werden:
Diese besondere Gefahr ist durch die relativ große Ober- 4 suffiziente chirurgische Herdsanierung,
fläche des Peritoneums und durch die Funktionsverknüp- 4 intraoperative Lavage mit Nekrosektomie,
fungen zum Lymphsystem sowie u. a. zur Leber und zur 4 definitiver Bauchdeckenverschluss mit Einlegen einer
Lunge bedingt. lokalen Drainage.

Formen Der Nutzen einer lokalen Drainage muss allerdings be-


Primäre Peritonitis (eher seltene Form) zweifelt werden, zumal Drainagen durch Fibrin schnell
4 Abakteriell (ohne Keimnachweis), z. B. bei der Perito- verstopfen und durch Arrosion entstehende Darmfisteln
nealkarzinose, als schwerwiegende Komplikation anzusehen sind.
4 bakteriell (mit Keimeintritt über die Blutbahn oder Aus klinischer Erfahrung reicht die genannte Stan-
Lymphgefäße), sog. spontane Peritonitis bei Leberzir- dardtherapie für etwa 15% der schweren Peritonitisfälle
rhose, durch Keimaszension bei der Pelveoperitonitis nicht aus. Insbesondere postoperative Peritonitisfälle und
bei der Frau. hiervon nochmals schwerer betroffen die Nahtinsuffizi-
enzen weisen eine hohe Letalität (um 50%) auf.
2.14 · Peritonitis
133 2
Auf die Etappenlavagetherapie soll hier kurz eingegan- tiven intraabdominellen Sepsiskontrolle zu bieten. Neu im
gen werden. Behandlungsverlauf einer intraabdominellen Infektion
auftretende Komplikationen werden rechtzeitig erkannt
und behandelt.
2.14.2 Etappenlavage
kIndikation
Allgemeines Diffuse Peritonitis (s. oben).
Dieses Verfahren wird seit seiner Einführung 1980 erfolg-
reich eingesetzt. Die Letalität der schweren Peritonitisfälle kPrinzip
konnte gesenkt werden. Die Herdsanierung als wichtigste Nach Herdsanierung wird intraoperativ lavagiert, und ggf.
chirurgische Maßnahme dieses Konzepts wird dabei vorhandene Nekrosen werden abgetragen; temporär wird
schrittweise (in Etappen) gelöst. ein Adaptationsverschluss am parietalen Peritoneum und
Wie bei der offenen Wundbehandlung wird die Abdo- der Faszie fixiert.
minalhöhle anfangs mit in physiologischer NaCl- bzw. Rin-
ger-Lösung getränkten Streifen ausgelegt, wenn die Beläge kLagerung
sich nicht ablösen lassen. Parallel zur unverzichtbaren in- 4 Rückenlage,
tensivmedizinischen Stabilisierung des Gesamtorganismus 4 neutrale Elektrode an einen Oberschenkel.
kann die definitive chirurgische Herdsanierung häufig erst
unter den nun besseren Bedingungen ausgeführt werden. kInstrumentarium
Für das halb offene Verfahren der Etappenlavagethera- 4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
pie erfolgt ein temporärer Wundverschluss mit einem Netz 4 Bauchtücher,
(resorbierbar oder nicht resorbierbar). Es wird nach indi- 4 große und kleine Kochsalzschüssel,
viduellem Zurechtschneiden fortlaufend an Peritoneum 4 warme Ringer-Lösung, um keine Elektrolytverschie-
und Faszie fixiert. Der zunächst breite Zuschnitt hilft den bung zu forcieren,
anfangs hohen intraabdominellen Druck zu reduzieren. 4 Netzmaterial,
Die Breite des Verbandes wird im Verlauf durch Abnähte 4 eine fortlaufende, atraumatische Naht.
oder Wechsel gegen ein schmaler zugeschnittenes Netz
dem abklingenden Darmödem angepasst. Beim Wechsel ! Wichtig ist ein Dokumentationssystem, in dem
erfolgt eine Wundrandtoilette. Außerdem lässt sich die für jeden Patienten genau eingetragen werden
auseinander gewichene Bauchdecke redressieren. muss, wie viele Bauchtücher oder Streifen im
Das Reoperationsintervall liegt zunächst bei 24 h und Bauchraum belassen werden, die bei der nächs-
verlängert sich bei Befundverbesserung und -stabilisie- ten Lavage entfernt werden müssen.
rung auf 2 Tage. Das Dünndarmkonvolut wird jedes Mal
mit einer Polyethylenfolie abgedeckt, um einsetzende Ver-
klebungen zwischen Bauchdecke und Darmschlingen zu
verhindern. Außerdem verhindert die Folie den Verlust Etappenlavage
von Exsudat. 7 Relaparotomie bzw. quer verlaufende Laparoto-
Regelhaft wird der Dünndarm im Sinne von Noble, mie, Exploration, Herdsanierung und Nekrosen-
d. h. schleifenförmig angeordnet; dies stellt eine sichere abtragung. Danach wird der Bauchraum mit
Prophylaxe des mechanischen Ileus dar. Bauchdeckenhaken nach Fritsch offen gehalten
Der Verschluss der Bauchhöhle erfolgt bei sauberer und mit warmer Ringer-Lösung gespült.
Abdominalhöhle und kann in Extremfällen länger als 7 Das Peritoneum wird mit Mikulicz-Klemmen ge-
3 Monate dauern. Faszie und Peritoneum werden entwe- fasst und das Netz fortlaufend so eingenäht, dass
der fortlaufend mit resorbierbarer Schlingennaht oder mit gleichzeitig die Faszie mitgefasst wird. Aus den
durchgreifenden resorbierbaren Einzelknopfnähten adap- Wundwinkeln kann das Exsudat ungehindert ab-
tiert. In Ausnahmefällen, häufiger nach Längslaparoto- fließen.
mien, gelingt der primäre Bauchdeckenverschluss nicht. 7 Eine Polyethylenfolie bedeckt den nach Noble an-
Nach Abwarten der Granulationsbildung auf dem Dünn- geordneten Dünndarm.
darmkonvolut wird die Subkutis zum Hautverschluss mo- 7 Während der einzelnen Lavagen müssen vorhan-
bilisiert. In diesen Fällen muss später eine Revision der dene Fibrinbeläge vorsichtig mit einer breiten
Bauchdecken erfolgen. anatomischen Pinzette oder feuchten Kompres-
Die Etappenlavage erscheint gegenüber den oben ge- sen entfernt werden.
nannten Verfahren den Vorteil einer optimalen postopera-
134 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Nach wenigen Behandlungstagen ist es meist möglich, die MPG. Wichtige Zubehörteile für das Personal sind die Vi-
Naht nachzuziehen, um die Redression der Bauchdecke zu deokamera und der Monitor, denn das gesamte Team ver-
unterstützen. folgt den OP-Ablauf auf dem Monitor. Somit ist der/die In-
2 strumentierende in der Lage, situationsgerecht zu arbeiten.
Die Vorteile liegen für den Patienten in der erheblichen
2.15 Minimal-invasive Chirurgie Reduktion der postoperativen Schmerzen, durch die klei-
nen Einschnitte resultieren eine wesentlich kürzere Hei-
2.15.1 Entwicklung lungsphase, selten auftretende Wundheilungsstörungen
und damit eine verminderte Liegezeit.
Die erste Laparoskopie am Menschen wurde bereits 1910
vorgenommen. In der Gynäkologie gehörte die diagnosti-
sche Laparoskopie schon bald zum Standard. 2.15.2 Zugangsvariationen im Rahmen
Auch in die Chirurgie hat diese Technik massiv Einzug der minimal-invasiven Therapie
halten können. Die Bezeichnung als minimal-invasive Chi-
rurgie (MIC) hat sich durchgesetzt, weitere Abkürzungen Der Zugang erfolgt über eine einzelnen Trokar (»single
wie SILS, LESS und NOTES sind hinzugekommen. port«), der Zugang für Optik und Arbeitsinstrumente
Diese Art der Operation stellt an die Chirurgen und bietet:
auch an das OP-Pflegepersonal andere Anforderungen als 4 SILS: »single incision laparoskopic surgery«
die »offene« Chirurgie. (. Abb. 2.94).
Die hier benötigten Instrumente sind für die Anwen- 4 LESS: »laparo-endoscopic single-site surgery«
dung durch Trokarkanäle entwickelt, sie werden anders an- (. Abb. 2.93).
gereicht. Das technisch aufwändige Zubehör ist einfach zu
handhaben, bedarf aber einer guten Einweisung gemäß NOTES: »natural orifice translumenal endoskopic surge-
ry«. Hier wird mit flexiblen oder starren Endoskopen der
Zugang zum erkrankten Organ über eine natürliche Kör-
peröffnung gewählt.
Um zum Erfolgsorgan zu gelangen, werden Hilfs-
schnitte gesetzt, die nach Operationsende mit einer Naht
oder einem linearen Stapler verschlossen werden.
Die transvaginale Cholezystektomie wird bereits
durchgeführt, die transgastrale Kolonchirurgie z. B. befin-
det sich in der Erprobungsphase.

2.15.3 Technische Grundausstattung

Wichtig für die Bereitstellung der technischen Zusatzge-


räte ist ein fahrbarer Regalturm (. Abb. 2.88), auf dem alles
zusammen übersichtlich aufgebaut ist und der bei Bedarf
transportiert werden kann. Dieser sog. »Geräteturm« kann
komplett mit allen benötigten Zubehörteilen in den OP-
Saal gefahren werden.
Alle technischen Geräte müssen untereinander ver-
netzt sein, alle unterliegen dem MPG.
Eine Weiterentwicklung der Industrie ist ein sog. MIC-
OP-Saal, in dem alle benötigten Geräte vorgehalten wer-
den. Alle Versorgungseinheiten sind an der Decke fixiert,
sodass keine Kabel oder Schläuche am Fußboden verlegt
werden müssen.

CO2-Insufflator
. Abb. 2.88 Mobile Arbeitsstation WMSC; alle erforderlichen tech- Das elektronisch gesteuerte Gerät bringt Kohlendioxid
nischen Geräte sind hier verfügbar. (Fa. Olympus) (CO2) in die Abdominalhöhle zum Anlegen und Aufrecht-
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
135 2
erhalten des Pneumoperitoneums ein. CO2 ist ein farb-
loses, reizarmes Gas, das besonders leicht über die Lunge
abgegeben wird.
Vor Beginn einer laparoskopischen Operation muss
immer der Inhalt der Gasflasche kontrolliert werden,
sofern keine zentrale Gasversorgung zur Verfügung
steht. Ein Wechseln der Flasche ist intraoperativ zu ver-
meiden. Es ist sinnvoll, das CO2 anzuwärmen, um bei län-
ger dauernden Operationen eine Auskühlung des Pati-
enten zu vermeiden. Dazu wird ein CO2-Wärmegerät
zwischen Insufflator und Insufflationsschlauch geschaltet
bzw. ein CO2-Insufflator gewählt, in den die Gaserwär- . Abb. 2.89 Chipkamera und Kaltlichtkabel sind miteinander ver-
mung integriert ist. Es werden ca. 3–5 l/min CO2 insuffliert, bunden und autoklavierbar. (Fa. Olympus)
bis ein intraabdominaler Druck von 12–15 mm Hg er-
reicht ist.
Kohlendioxid wird als medizinisches Gas mit 96%-iger Saug-Spül-Pumpe
Reinheit angeliefert. Es soll in eine Körperhöhle gelangen Das Gerät dient zur Lavage des Abdomens. Bei Blutungen
und muss deshalb dieselben Sterilitätsanforderungen wie und am Ende einer laparoskopischen Operation wird der
das Instrumentarium erfüllen. Das Insufflationsschlauch- Bauchraum gespült und anschließend die Flüssigkeit wie-
system unterliegt den strengen Auflagen der zentralen Ste- der abgesaugt. Häufig kommt hier statt dessen ein Infusi-
rilgutversorgungsabteilung (ZSVA). Über das Insufflati- onsbeutel mit Druckschlauch zur Anwendung.
onsgerät können Partikel in das Schlauchsystem gelangen,
wie auch ein Rückfluss aus dem Patienten in das Gerät Hochfrequenzgerät
nicht ausgeschlossen werden kann. Hier kann ein Insuffla- Ein Hochfrequenzgerät (HF-Gerät) muss entweder auf
tionsgasfilter durch Filtration luftgebundener Bakterien dem Geräteturm bereitgestellt werden, oder ein separat
und Viren zwischen Gerät und Patient Abhilfe schaffen. stehendes Gerät kommt zum Einsatz. Das bedeutet, dass
Dieser Filter ist nach jedem Eingriff zu wechseln. alle Regeln der HF-Chirurgie bei der monopolaren Koagu-
lation eingehalten werden müssen (7 Kap. 1). Bipolare In-
Kamera strumente können ebenfalls angeschlossen werden.
Die Chipkamera, die mit der Optik verbunden wird, ist Bei der Anwendung der HF-Chirurgie entsteht Rauch,
über ein langes Kabel an die Stromquelle angeschlossen. der erstens eine Sichtbehinderung darstellt, zweitens aber
Die Operation kann zur Dokumentation von einem digi- beim Ablassen über die Trokare das OP-Team gefährdet.
talen Aufzeichnungsgerät aufgezeichnet werden. Die Ka- Dieser Rauch enthält potentiell schädliche Substanzen, ggf.
mera wird intraoperativ mit einem sterilen Überzug verse- sogar lebensfähige Zellen. Um eine Gefährdung der Mitar-
hen. Die Weiterentwicklung hat zu ersten brauchbaren 3- beiter zu minimieren, kann auf den Trokar ein Filtersystem
D-Kameras geführt. Diese Technik ist wünschenswert, da aufgesetzt werden, das Reizstoffe und Karzinogene heraus-
die Operationsschritte in 2-D-Darstellung Orientierungs- filtert, Geruchsbelästigungen verringert und Partikel zu-
probleme bieten. Die technische Realisierung ist möglich, rückhält.
bietet jedoch noch Probleme für den Anwender. Auch die
hochauflösende Bildverarbeitung (HD) führt zu einer prä- Innovative Präparationstechnik
ziseren Bildwiedergabe. Entweder durch Ultraschall oder durch bipolare Techniken
Neuere Entwicklungen verzichten auf eine Optik, da an sind Präparations- und Blutstillungsmöglichkeiten weiter-
der Chipkamera ein Autofokussystem angebracht ist. Ka- entwickelt worden.
mera und Lichtkabel werden als Verbund autoklavierbar Mit dem Ultraschallskalpell kann der Chirurg schnei-
eingesetzt (. Abb. 2.89). den und koagulieren, ohne dass der Patient in einen Strom-
kreis einbezogen wird. Es fließt im Patienten kein elek-
Kaltlichtquelle trischer Strom, sondern die Koagulation erfolgt mecha-
Sie sollte eine hohe Leistung aufweisen, da beim Operieren nisch durch die Schwingungen der Titanklinge.
mit Hilfe des Monitorbildes eine entsprechende Helligkeit Auch mit dem LigaSure-Gerät (. Abb. 2.44) lassen sich
benötigt wird. über bipolare Technik Gefäßlumina versiegeln oder me-
Das Kaltlichtkabel muss ausreichend lang sein, um chanisch schneiden und koagulieren. Die seitliche ther-
vom sterilen OP-Gebiet an die Lichtquelle angeschlossen mische Gewebeschädigung ist verrringert. Das EnSeal-Ge-
werden zu können. Es ist autoklavierbar. rät arbeitet ebenfalls mit bipolarer Koagulations- und
136 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Veress-Nadel
Dieses Instrument zum Anlegen eines Pneumoperitone-
ums (. Abb. 2.91) gibt es in verschiedenen Durchmessern,
2 unterschiedlichen Längen, als resterilisierbares Instrument
und als Einweginstrument. Bei Mehrwegutensilien muss
vom instrumentierenden Personal grundsätzlich die Funk-
tionsfähigkeit des Schnappmechanismus für den Nadel-
schutz und die Durchgängigkeit überprüft werden.
Die Handhabung in Form einer Blindpunktion der
Bauchhöhle, meist durch eine Hautinzision unterhalb des
Nabels, birgt die Gefahr der Organ-/Darmperforation. Da-
a her werden bei der Punktion die Bauchdecken angehoben.
Mit dem Eindringen in die Bauchhöhle wird der Schnapp-
mechanismus des Nadelschutzes hörbar ausgelöst.
Vor der Gasinsufflation werden mit einer 10-ml-Sprit-
ze diverse Sicherheitstests durchgeführt:
Lässt sich 0,9%ige NaCl-Lösung leicht einbringen und
kein Blut, sondern Luft aspirieren, kann davon ausgegan-
b
gen werden, dass die Nadelspitze regelrecht und frei im
. Abb. 2.90 EnSeal-Gerät. (Fa. Johnson & Johnson) Bauchraum liegt.
Die Gasinsufflation kann nun beginnen, ein abrupter
Druckanstieg am CO2-Insufflator weist auf eine Fehllage
der Veress-Kanüle hin und zwingt zur Korrektur.
Schneidetechnik bei minimaler thermischer Abstrahlung Viele Operateure verzichten auf die Veress-Kanüle und
(. Abb. 2.90). bevorzugen nicht nur bei voroperierten Patienten das of-
Auf dem MIC-Turm stehen außerdem Videorekorder, fene Vorgehen. Dabei wird nach der Hautinzision die Fas-
die die Operation dokumentieren. Es ist darauf zu achten, zie angeklemmt und inzidiert. Mit einem stumpfen Instru-
dass die Daten des Patienten korrekt eingelesen werden. ment wird der freie Weg unter Sicht in die Bauchhöhle
geprüft und die Trokarhülse über den Führungsstab vorge-
schoben.
2.15.4 Instrumentelle Grundausstattung
Trokare
Beispielhaft werden hier einige Instrumente vorgestellt. Trokare gibt es in verschiedenen Durchmessern (13, 12, 11,
Die Entwicklung der Instrumentarien geht gerade in die- 10 und 5 mm) und verschiedenen Längen (. Abb. 2.92).
sem Bereich so schnell voran, dass kein Anspruch auf Ak- Wichtig bei allen Trokaren ist, dass die Hähne sich leicht
tualität erhoben werden kann. öffnen und schließen lassen und dass die Trokare sich ohne
Ob Einweg- oder Mehrweginstrumente zur Anwen- Kraftaufwand aus ihren Hülsen ziehen lassen.
dung kommen, ist eine Entscheidung der Operateure. Ein- Die Einwegmodelle der verschiedenen Anbieter haben
wegmaterialien sind immer steril, funktionsfähig und den Vorteil, dass die Trokarspitze nach dem Erreichen der
technisch auf dem neuesten Stand. Mehrweginstrumente Abdominalhöhle zurückschnappt, sobald es keinen Wi-
sind dem Personal bekannt, aber aufwändig und kritisch in derstand mehr zu überwinden gilt. Die Trokarspitzen kön-
der Aufbereitung. nen rundgeschliffen oder mehrkantig ausgeformt sein.

. Abb. 2.91 Veress-Nadel. (Nach Carus 2010)


2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
137 2
Eine absolute Sicherheit gegen Verletzungsgefahren bieten
diese Trokare jedoch auch nicht.

Single Port
4 LESS (s. oben und . Abb. 2.93; Fa. Olympus) oder
4 SILS (s. oben und . Abb. 2.94; Fa. Covidien).

Um das Zugangstrauma weiter zu reduzieren, wurde ein


Trokar entwickelt, der transumbilikal positioniert wird
und drei 5-mm-Ports beinhaltet, durch die die Optik sowie
zwei Arbeitsinstrumente in die Bauchhöhle eingebracht
werden.
Es können Standard-MIC-Instrumente verwendet
werden, aber auch speziell geformte. Eine Winkeloptik ist
erforderlich.
Die Freiheit der Instrumentenbewegung ist einge-
schränkt.
Wenn zwei Arbeitsinstrumente nicht ausreichen, kann . Abb. 2.92 Trokare. Ventile verhindern, dass das CO2 wieder aus
ein drittes Instrument über eine Zusatzinzision ohne Tro- dem Bauchraum entweichen kann. (Fa. Olympus)
kar in die Bauchhöhle eingebracht werden, oder es werden
intraperitoneale Haltenähte gelegt.
Cholezystektomie und Appendektomie wie auch Sig-
moidektomie und Fundoplicatio sind über einen Single
Port durchführbar.

Optiken
Zumeist kommt eine 30°- oder 45°-Optik zum Einsatz, die
über einen passenden Trokar eingeführt wird, hier werden
neben 10-mm-Optiken auch 5-mm-Optiken verwendet.
Daran werden das Lichtleitkabel und die Kamera ange-
schlossen, entweder mit einem industriell gefertigten
Überzug steril bezogen und an der Patientenabdeckung
mit einem Klebestreifen fixiert, oder sie kommen autokla-
viert aus der ZSVA (z. B. die autoklavierbaren Videoendos-
kope wie EndoEye von der Fa. Olympus). Optiken werden
. Abb. 2.93 Single-Access-Trokar (Beispiel: Triport von Fa. Olym-
körperwarm angereicht und/oder mit einem Antibeschlag- pus). (Nach Carus 2010)
mittel betupft.

Clipapplikatoren
Die Clipzangen (. Abb. 2.95) werden zumeist über eine
10-mm-Trokarhülse eingebracht, nachdem sie mit dem
gewünschten Clip gefüllt wurden. (Diese Clips stehen aus
Titan oder aus resorbierbarem Material, z. B. PDS, zur Ver-
fügung.)
Dazu wird die Zange in geöffnetem Zustand mit den
Branchen auf das Clipmagazin gedrückt. Werden beim
Anreichen der Applikatoren versehentlich die Handgriffe
zusammengedrückt, fällt der vorbereitete Clip heraus.

! Beachten Sie, dass die Clips in die korrekte Zange


gefüllt werden! Jede Clipgröße hat ihren »eige-
nen« Applikator. Ein PDS-Clip passt nicht in die
Zange für Titanclips! . Abb. 2.94 SILS-Port (Beispiel: Covidien). (Nach Carus 2010)
138 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Scheren
Sie werden entsprechend den Trokaren mit 10 oder 5 mm
Durchmesser angeboten.
2 Die meisten Modelle, vornehmlich Einweginstrumen-
te, haben einen beweglichen Drehkopf, sodass der Opera-
teur in der Lage ist, die Schere nur in den Branchen zu
drehen, ohne den Instrumentenhandgriff umzusetzen
(. Abb. 2.96).
. Abb. 2.95 Resterilisierbarer Clipapplikator. (Fa. Olympus) Jede Schere muss vor dem Anreichen 2- bis 3-mal ge-
öffnet und geschlossen werden, um eine Hemmung auszu-
schließen.
Manche Clipzangen haben vorn am Arbeitsteil ein aus- Ein isolierter Schaft ermöglicht die Schere an das mo-
fahrbares Häkchen zur Erleichterung der Präparation. Die nopolare HF-Gerät anzuschließen, um vor dem Schneiden
Clipapplikatoren werden von vielen Anbietern als Einweg- zu koagulieren.
instrument geliefert. Hier sind die Clips in unterschied- Eine bipolare Schere steht ebenfalls zur Verfügung.
licher Anzahl im Applikator enthalten.
Gewebezange
Reduzierhülsen und -kappen Diese Zange (. Abb. 2.97) hat ein relativ großes, grobes
Diese Hülsen reduzieren den Durchmesser der schon ein- Maul und wird häufig als Zange für Präpariertupfer genutzt.
gebrachten Trokarhülsen auf den kleineren Durchmesser Der Tupfer muss fest eingespannt sein. Die Arretierung darf
der Arbeitsinstrumente. Während der Arbeitsvorgänge aber nicht bis auf die letzte Raste geschlossen werden, damit
kann also kein Gas entweichen, wenn z. B. die 5-mm-Sche- die Zange nicht durch Überspannung aufspringt.
re über eine 10-mm-Hülse eingeführt wird. Es ist darauf zu achten, dass jeder Tupfer der/dem Ins-
Anderen Trokaren werden dazu nur noch Reduzier- trumentierenden zurückgegeben wird; oder es sind Ein-
kappen aufgesetzt. Diese passen für mehrere unterschied- wegpräpariertupfer, die fest mit einem Stab verbunden
liche Instrumentenschaftdurchmesser. sind, zu benutzen.
Einwegtrokare reduzieren durch ein Ventilsystem ohne
Extrakappen. Kombinationen aus Mehrwegtrokarhülse Taststab
und Einwegkappen sind möglich. Dadurch ist die Handha- Der Taststab ist ein stumpfer, runder Metallstab, mit dem
bung von Instrumenten mit unterschiedlicher Schaftstärke sondiert, ausgetastet, ausgemessen oder auch Organe weg-
vereinfacht. gehalten werden können.

Hakenelektrode
Die Hakenelektrode ist ein langer, vorn entweder um 90°
abgewinkelter oder abgerundeter Stab, auf den Gewebe-
strukturen aufgeladen werden können. Der Stab hat einen
monopolaren HF-Anschluss (. Abb. 2.98). Das Gewebe

. Abb. 2.96 Laparoskopische Schere: a Maulteil, b offener Griff der laparoskopischen Schere (Beispiel: Karl Storz). (Nach Carus 2010)
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
139 2
wird koaguliert und ggfs. mit einer Schere durchtrennt.
Vielfach haben diese Hakenelektroden einen Spülkanal,
damit während des Koagulierens gespült und der entste-
hende Rauch abgesaugt werden kann.

Löffelzange
Die Branchen dieser Zange sind wie Löffel geformt. Sie
kommt beim Bergen von Steinen oder Biopsien zur An-
wendung.

Fasszange
Gewebefasszangen gibt es in vielen Größen und Stärken.
Sie sind arrettierbar und haben ein geriefeltes Maul, das
innen oft eine löffelartige Riefelaussparung hat, um das . Abb. 2.97 Gewebegreifzange für z. B. Magen oder Gallenblase.
Gewebe nicht zu traumatisieren. Sie eignen sich z. B. zum (Fa. Olympus)
Fassen der Gallenblase (. Abb. 2.99).
Dissektionszangen sind kleine Fasszangen mit konisch
zulaufenden Branchen mit Querriefelung. Sie eignen sich zur
Präparation von Gewebs-/Organstrukturen (. Abb. 2.100).

Overholt-Klemme (Dissektionszange)
Die Anwendung entspricht der in der »offenen Chirurgie«
üblichen Babcock-Zange
Eine atraumatische Fasszange, z. B. zum Fassen des
Magens bei der Fundoplicatio.

Nadelhalter
. Abb. 2.98 Hakenelektrode mit HF-Ansatz. (Fa. Olympus)
Das Nähen während einer laparoskopischen Operation
erfordert sicher das größte Umdenken. Die Nadelhalter
gibt es in verschiedenen Ausführungen; v. a. der Arbeits-
griff unterscheidet sich von anderen Instrumenten (. Abb.
2.101). Zum Knoten ist immer ein zweites Instrument not-
wendig, wenn kein vorgeknoteter Faden benutzt wird. Es
kann intrakorporal oder extrakorporal geknotet werden.

Bergesack
Ein Kunststoffbeutel, über eine Einführhilfe eingebracht,
wird intraabdominal ausgerollt, um z. B. die Gallenblase
oder die Appendix aufzunehmen, damit sie kontaminati-
onsfrei vor die Bauchdecke gezogen werden kann. Außer-
dem kann in dem Sack eine Steinzertrümmerung vorge-
nommen werden. Damit ist eine problemlose Bergung der
Konkremente möglich. . Abb. 2.99 Greifzange nach Manhes zum Greifen und Präparieren
von empfindlichem Gewebe. (Fa. Olympus)
Bergetrokar
Große Trokare, die die Inzision bis auf 33 mm dilatieren
können, um Resektate kontaminationsfrei zu entfernen einen Schlauch wird die Spülflüssigkeit ins Abdomen ge-
(z. B. bei Sigmaresektionen). leitet, über einen anderen Schlauch wird abgesaugt. Es fin-
den 5- und 10-mm-Saugrohre Verwendung.
Saug-Spül-Kanüle
Sofern nicht über die vorhandenen Spülkanäle der einzel- Endostapler
nen Instrumente gesaugt wird, kann eine Saug-Spül-Kanü- Die Anwendung des Endostaplers entspricht der in 7 Ab-
le an die Saug-Spül-Pumpe angeschlossen werden. Über schn. 2.1.2 beschriebenen Vorgehensweise. Für die Anwen-
140 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.15.5 Handhabung

Die Instrumente müssen während der Operation ständig


2 sauber gehalten werden, damit Blut- und Gewebereste nicht
die Handhabung erschweren, Hohlschäfte werden mit
Aqua dest. durchgespült, um ein Verkleben der Geweberes-
a
te zu verhindern, da sie die Aufbereitung erschweren.
Der Operateur schaut kontinuierlich auf den Monitor,
sodass das OP-Personal beim Einführen der langen Schäfte
in die Trokarhülsen behilflich sein muss.

Instrumentenaufbereitung
Nach Beendigung der Operation wird das Einmalmaterial
entsprechend entsorgt und das wiederverwendbare Instru-
mentarium der Aufbereitung zugeführt. Damit keine Blut-
und Eiweißreste antrocknen können, muss es unmittelbar
nach Gebrauch durchgespült werden.
Die Instrumente werden zerlegt; alle Hähne müssen
offen sein. Stark verschmutzte Hohlräume können, soweit
zugänglich, mit einer kleinen Bürste gereinigt werden. Die
b
Reinigungs- und Desinfektionsgeräte (RDG) müssen mit
. Abb. 2.100 Laparoskopischer Dissektor: a Maulteil, b offener Griff einem Einsatz versehen sein, auf den die Hohlschaftinstru-
des laparoskopischen Dissektors (Beispiel: Karl Storz). (Nach Carus mente aufgesteckt werden können, um eine Spülung, Des-
2010)
infektion und Reinigung zu gewährleisten.
Vor der Sterilisation müssen die Instrumente mit
vollentmineralisiertem Wasser gespült werden. Sie dürfen
nur trocken autoklaviert werden.
Das Metallinstrumentarium und die Lichtleitkabel
können dampfsterilisiert werden.
! Bitte berücksichtigen Sie die Auskühlzeit der Op-
tiken! (Niemals mit kaltem Wasser abschrecken.)
a
Ältere Optiken müssen gassterilisiert werden oder der um-
weltfreundlichen Plasmasterilisation zugeführt werden.
Die Aufbereitung unterliegt den definierten Kriterien
des Robert-Koch-Institutes (RKI) und muss den Herstel-
lerangaben Folge leisten

2.15.6 Patientenlagerung in der MIC


b

Gerade in der minimal-invasiven Chirurgie kommt der


Patientenlagerung eine große Bedeutung zu, da die Schwer-
. Abb. 2.101 Laparoskopischer Nadelhalter: a Maulteil, b Griffstück
kraft ausgenutzt wird.
(Beispiel: Karl Storz). (Nach Carus 2010)
Durch intraoperative Lageveränderungen müssen die
Lagerungshilfsmittel so platziert werden, dass sie ihre Po-
dung ist es essenziell zu wissen, welcher Trokardurchmes- sition behalten.
ser benötigt wird. Endostapler gibt es nur als Einwegins- Extreme Kopftieflagerungen erfordern die Anlage von
trumente. Neben geladenen Geräten werden zunehmend Schulterstützen, Fußtieflagerung erfordern Fußstützen.
Stapler und Nachlademagazine angeboten. Neben ver- Alternativ erleichtert die Anwendung von Vakuum-
schiedenen Klammerstärken für unterschiedliche Gewe- matten diese spezifischen Lagerungen.
bedicke sind neben den herkömmlichen geraden Staplern Der Operateur und sein Kameraassistent benötigen im
abwinkelbare Mechaniken erhältlich (. Abb. 2.102). Hinblick auf die extremen Lagerungspositionen viel Bewe-
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
141 2
gungsspielraum. Dazu ist die Anlagerung eines oder beider 2.15.8 Operationen
Arme mit entsprechender Abpolsterung und Absicherung
der venösen Zugänge notwendig. Laparoskopische Cholezystektomie
4 Trendelenburg-Lagerung: Nicht nur aus Gründen des Komforts für den Patienten
Die Kopftieflage erleichtert die Operationen im Un- (günstige Kosmetik, weniger Schmerzen), sondern auch
terbauch. aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht, nämlich ei-
4 Anti-Trendelenburg-Lagerung: nerseits der Abrechnung im DRG-System, andererseits
Die Fußtieflage erleichtert Operationen im Ober- Verkürzung des Krankenhausaufenthalts und der Krank-
bauch. heitsdauer, ist die endoskopische Cholezystektomie zu
einem Standardeingriff geworden.
! Pneumoperitoneum und Anti-Trendelenburg-
Die intraoperative Cholangiographie ist auch bei die-
Lagerung erhöhen die Thrombosegefahr!
ser Methode durchführbar.
4 Linksseitenkippung:
Das rechte Abdomen wird übersichtlich. kIndikation
4 Rechtsseitenkippung: 4 Cholezystolithiasis,
Das linke Abdomen ist gut erreichbar. 4 Gallenblasenhydrops,
4 chronische und akute Cholezystitis.

2.15.7 Trokarpositionierung jKontraindikationen


4 Gallige Peritonitis nach Gallenblasenperforation,
Alle im Folgenden angegebenen Positionen für Trokare 4 Gallenblasenphlegmone,
sind variabel. Zu bedenken ist eine maximale Entfernung 4 Gerinnungsstörungen,
des Optiktrokars vom Erfolgsorgan von 10–15 cm. Alle 4 akute Pankreatitis.
weiteren Trokare sollten halbkreisförmig mit ca. 10 cm Ab-
stand von der Optik platziert werden, um intraoperativ ein Stellt sich während der Inspektion und Präparation heraus,
Überkreuzen der Instrumentenschäfte zu vermeiden. dass sich der Ductus cysticus und die A. cystica nicht über-
sichtlich gegen den Ductus choledochus abgrenzen lassen,
muss auf die konventionelle Methode der Cholezystekto-
mie zurückgegriffen werden.

kPrinzip
In dem mit CO2 aufgefüllten Intraperitonealraum wird
die Gallenblase retrograd durch manchmal auch nur
3 Trokare (. Abb. 2.103) mit Schere, Clips und HF-Koa-
gulator bzw. Ultraschallskalpell entfernt, nachdem die
A. cystica und der Ductus cysticus zwischen Clips durch-
trennt wurden.

. Abb. 2.102 Klammernahtmagazin (a); Handgriff mit Auslösemechanismus (b). (Beispiel: Fa. Ethicon Endo-Surgery). (Nach Carus 2010)
142 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

kenschere, Haken- und/oder Messerelektroden für


den HF-Anschluss, Reduzierhülsen bzw. -kappen,
Fasszangen, Dissektionszangen, Löffelzange, Präpa-
2 riertupfer.
4 Bei Bedarf steriler Bezug für die Kamera.
4 Skalpell, Präparierschere z. B. nach Metzenbaum, 2
chirurgische Pinzetten und 1 Nadelhalter.

Vor der Operation wird der Magen über eine Magensonde


a b entleert, teilweise ist ein Blasenverweilkatheter indiziert.

Laparoskopische Cholezystektomie
7 Das OP-Gebiet wird desinfiziert und der Patient
abgedeckt.
7 Der Operateur und ein fakultativer zweiter Assis-
tent stehen rechts bzw. links des Patienten, der ers-
te Assistent zwischen den Beinen des Patienten. Al-
ternativ kann der Operateur zwischen den Beinen
c d
stehen, der erste Assistent links, der fakultative
zweite rechts. Die/der Instrumentierende fährt den
Tisch über das linke Bein des Patienten.
7 Um einen Raum für die endoskopische Untersu-
chung zu schaffen, muss zunächst CO2 in den In-
traperitonealraum insuffliert werden.
7 Dazu wird eine Veress-Nadel in Kopftieflage am
Nabel in den Bauchraum unter Hochziehen der
Bauchdecken eingeführt, ohne dass dabei Darm-
schlingen verletzt werden dürfen. Durch diese Ka-
nüle werden mit dem Gasinsufflator ca. 3–6 l/min
e f
CO2 in das Abdomen gefüllt. Alternativ wird offen
. Abb. 2.103 Laparoskopische Cholezystektomie, Einbringen der die 10-mm-Trokarhülse durch eine Miniinzision
Arbeitstrokare. 1 Laparoskop (10 mm), 2 rechte Fasszange (5 mm), von Faszie und Peritoneum über einen Wechsel-
3 Diathermie-Hakensonde (5 mm), 4 Spül-Saug-Vorrichtung. (Nach
stab vorgeschoben. Über diese Hülse erfolgt die
Siewert 2006)
Gasinsufflation.
7 Währenddessen ist Zeit für den Instrumentanten
kLagerung und den »Springer«, alle benötigten Kabel anzu-
4 Steinschnittlage mit abgesenkten Beinen, neutrale schließen und bei Bedarf das Kamerakabel mit
Elektrode an einem Oberschenkel (europäische Lage- einem sterilen Bezug zu versehen.
rung). 7 Bei einigen Kameras muss der sog. Weißabgleich
4 Alternativ: Rückenlage mit gespreizten Beinen (ame- erfolgen. Dabei wird vor die Optik ein weißer Tup-
rikanische Lagerung). fer gehalten, der dann auf dem Monitor weiß er-
scheinen muss. Mit einer Korrekturtaste wird die
kInstrumentarium korrekte Farbeinstellung vorgenommen.
Laparoskopische Grundausstattung: 7 Nach der Insufflation wird die Veress-Nadel ent-
4 »Geräteturm« mit CO2-Insufflator inklusive Gasfla- fernt. Durch einen kleinen Hautschnitt am Nabel
sche, Saug-Spül-Pumpe, Optikwärmer, alternativ ste- wird unter Perforation der Faszie ein 10- oder 12-
riles Antibeschlagmittel. mm-Trokar mit Hülse eingeführt. Danach wird der
4 Kaltlichtquelle, digitale Bilddokumentation, Kamera, Trokar entfernt und durch eine 30°- oder 45°-Op-
Monitor, HF-Gerät, evtl. Ultraschallskalpell. tik ersetzt und der Gasanschluss auf die Trokarhül-
4 Veress-Nadeln und 10-ml-Spritze, Trokare mit Tro- se gesetzt.
karhülsen, Optik 0°, 30° oder 45°, Taststab, Clipappli- 6
kator mit Clips (Titan- oder resorbierbare Clips), Ha-
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
143 2

7 Die Optik muss entweder vorgewärmt oder aber entweder die Inzision im Faszienniveau erweitert
mit einem »Antibeschlagmittel« betupft werden, oder über einen Bergetrokar dilatiert werden.
um klare Sicht auf das OP-Gebiet zu haben und zu 7 Während laparoskopischer chirurgischer Eingriffe
behalten. Dann wird die Inspektion des Abdo- wird bei Bedarf der Intraperitonealraum gespült,
mens vorgenommen. um z. B. Blut, Koagulationsrückstände, Gallenflüs-
7 Folgende Trokare werden zusätzlich eingeführt: sigkeit oder andere Sekrete zu entfernen. Dies
– ein 5er-Trokar im rechten Unterbauch, ein beugt Infektionen und evtl. späteren Verwach-
weiterer 5er-Trokar in der Medioklavikularlinie sungen vor.
subkostal rechts und 7 Für die Spülung wird ein Zufluss- und ein Abfluss-
– paramedian links im Epigastrium ein weiterer schlauch an die Saug-Spül-Pumpe angeschlossen,
10-mm- oder 12-mm-Trokar sodass man über einen Ansatz spülen und danach
(diese Angaben sind abteilungsspezifisch). über denselben Ansatz absaugen kann.
7 Zuerst werden evtl. vorhandene Adhäsionen zur 7 Nach der Entfernung der Gallenblase muss eine
Bauchdecke durchtrennt. Ein Rundumblick durch gründliche Inspektion des Gallenblasenbettes
die Bauchhöhle wird vorgenommen, dann die und des subhepatischen Bereiches vorgenommen
Gallenblase freipräpariert. werden.
7 Durch die eine Hülse wird der Taststab geführt, 7 Die Blutstillung erfolgt mit der HF-Elektrode, bzw.
der die Leber aus dem Sichtfeld halten soll. Durch mit der Ultraschallklinge, bei Bedarf kann Kolla-
die andere Hülse wird eine Fasszange an die Gal- genvIies oder auch Fibrinkleber eingebracht wer-
lenblase geschoben, um diese am Infundibulum den. Evtl. wird subhepatisch unter Sicht eine Drai-
zu fassen und zu spannen. Häufig wird die Gallen- nage platziert.
blase auch am Fundus angeklemmt. 7 Alle Trokarhülsen werden mit den Instrumenten
7 Durch eine dritte Hülse wird eine HF-Hakenelek- unter laparoskopischer Kontrolle entfernt, das CO2
trode platziert. Mit deren Hilfe werden der Ductus abgelassen und die Inzision mit Naht oder Pflas-
cysticus und die A. cystica freipräpariert. Diese terverband verschlossen.
Elektrode wird häufig im Wechsel mit einer Ha- 7 Alle Geräte werden ausgeschaltet, die zu- und ab-
kenschere, einem Dissektor oder einem Präparier- führenden Schläuche und Kabel diskonnektiert.
tupfer benutzt.
7 Nach der Präparation wird die Elektrode oder die
Schere durch den Clipapplikator ersetzt. Der Duc- Laparoskopische Appendektomie
tus cysticus und die A. cystica werden zentral kIndikation
doppelt und peripher einfach verschlossen. Nach 4 Phlegmonöse Form der Appendizitis,
Entfernung des Applikators werden diese beiden 4 z. T. auch die gangränöse Appendizitis.
Gebilde mit der Schere abgesetzt.
7 Bei Verdacht auf eine Läsion des Ductus choledochus jKontraindikation
oder bei unklarem anatomischem Situs kann intra- 4 Adhäsionsbauch,
operativ eine Cholangiographie durchgeführt werden. 4 Abszess,
7 Die Gallenblase wird angespannt, und mit der HF- 4 diffuse Peritonitis.
Hakenelektrode oder der Ultraschallklinge retro-
grad vollständig aus dem Leberbett gelöst. Findet sich intraoperativ ein laparoskopisch nicht abtrag-
7 Nach dem Umsetzen der laparoskopischen Optik bares Meckel-Divertikel, ist ggf. auf die konventionelle
in den zweiten großen Trokar im Oberbauch wird Methode umzusteigen.
die Gallenblase unter Sicht mit dem Infundibulum
und durch Zurückziehen des Trokars in den Na- kPrinzip
beltrokar vor die Bauchdecke gezogen. Nach Er- Laparoskopische Entfernung der Appendix mittels Abtra-
öffnung und Absaugen kann sie mitsamt kleiner gung über ein Klammernahtgerät, zwischen Clips oder
Steine entfernt werden. über eine Schlingennaht mit oder ohne Versenkung des
7 Bei Bedarf müssen Steine in dem Bergebeutel zer- Stumpfes.
trümmert werden. Ist die Gallenblase zu groß für
die Extraktion am Nabel-Trokar-Einschnitt, kann kLagerung
6 4 Steinschnittlage, neutrale Elektrode am rechten Ober-
schenkel.
144 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

tonitis wird ggf. Flüssigkeit abgesaugt und zur mi-


krobiologischen Untersuchung gegeben.
2 7 Dünndarm und Zäkum werden mit dem Taststab
beiseite gehalten. Das Mesenteriolum wird mit ei-
ner Zange gefasst und gespannt (. Abb. 2.105)
und mit der HF-Hakenelektrode oder der Ultra-
schallklinge und der Hakenschere präpariert, die
A. appendicularis doppelt geclipt oder bipolar ko-
aguliert.
7 Skelettierung entlang der Appendix zur Basis. Die
Appendix wird an der Basis mit 2 vorgefertigten
Schlingen, die über eine Trokarhülse eingebracht
werden, doppelt unterbunden und mit einer Mes-
serelektrode abgetragen, der Stumpf wird desinfi-
ziert, alternativ kann mit einem resorbierbaren
. Abb. 2.104 Trokapositionen bei der Appendektomie. T1 5 mm für Clip an der Basis abgesetzt werden.
Taststab, Fasszange, Dissektionszange, Schere. T2 12-mm-Trokar für 7 Alternativ kann die Appendix mit Mesenteriolum
Fasszange, linearen Anastomosenstapler. O Optiktrokar. (Nach Carus mit einem Endocutter in einem Arbeitsgang abge-
2010) setzt werden (. Abb. 2.106). Zum Einsatz dieser
Stapler muss ein 12-mm-Trokar eingebracht werden.
Das Herausziehen des Präparats erfolgt über ei-
4 Alternativ Rückenlage mit gespreizten Beinen. nen Bergesack oder in einem Trokar, da es hier
4 Intraoperativ Kopftieflage und Kippung des Tisches auf keinen Fall zu einer Berührung der entzünde-
nach links. ten Appendix mit den Schichten der Bauchwand
kommen darf.
Die präoperative Anlage eines transurethralen Blasenka- 7 Eine Stumpfversenkung, wie sie aus der konventi-
theters kann die Präparation erleichtern. onellen Chirurgie bekannt ist, erfolgt hier selten!
7 Bei Bedarf wird der Intraabdominalraum gespült,
kInstrumentarium ggf. eine Drainage platziert. Danach wird das CO2
Technisches und instrumentelles Grundinstrumentarium abgelassen, die Trokare werden entfernt und die
wie bei der Cholezystektomie beschrieben. Ein Bergesack Einstichstellen verschlossen.
sollte hier immer verwendet werden, ebenso laparosko-
pische Nadelhalter bzw. vorgefertigte Schlingen (z. B. Rö-
der-Schlingen), ein Clipapplikator oder ein linearer Anas- Laparoskopische Hernioplastik
tomosenstapler mit integriertem Cutter für die endosko- Neben der konventionellen offenen Methode haben sich
pische Anwendung. laparoskopische Techniken zur Leistenhernienversorgung
etabliert. Für die endoskopischen Techniken gelten die
Versorgungskriterien ähnlich wie für die »offenen« Ver-
Laparoskopische Appendektomie fahren:
7 Die Anlage des Pneumoperitoneums erfolgt wie 4 Der Bruchsack wird präpariert und abgetragen oder
bei der Cholezystektomie beschrieben. reponiert.
7 Die Platzierung der verschiedenen Trokare wird 4 Die Hinterwand des Leistenkanals wird verstärkt.
der Lokalisation des geplanten Eingriffs angepasst
(Nabel, rechter und linker Unterbauch) bzw. linker Anders als bei der konventionellen Methode erfolgt die
Mittelbauch. Hinterwandverstärkung im Bereich der Fascia transversa-
7 Zumeist 3 Trokare, 10 mm für die Optik, 12 mm für lis immer durch Implantation eines teilresorbierbaren
das Klammernahtgerät, 5 mm für die Arbeitsins- Kunststoffnetzes, das meistens mit Clips, alternativ mit Fi-
trumente (. Abb. 2.104). brinkleber fixiert wird. Als Mindestmaß werden Netzgrö-
7 Zur Diagnosesicherung erfolgt zunächst eine diag- ßen von 13 × 8 cm empfohlen, häufig werden 15 × 10 cm
nostische Laparoskopie. Bei Vorliegen einer Peri- und größer gefordert, um Hernienrezidive sicher zu ver-
6 hindern. Grundsätzlich werden zwei Zugangswege unter-
schieden:
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
145 2
4 TAPP (= transabdominale präperitoneale Netzim-
plantation):
Bei diesem Zugangsweg wird das Kunststoffnetz auf
laparoskopischem Wege, also durch die freie Bauch-
höhle, nach Durchtrennung und Präparation des Pe-
ritonealüberzugs und des Bruchsackes von innen vor
die Bruchpforte platziert.
4 TEP (= totale extraperitoneale Plastik):
Bei diesem Zugangsweg wird die Bauchhöhle nicht
eröffnet, sondern es wird am Nabel beginnend ein
präperitonealer Weg zwischen M. rectus abdominis
und hinterem Blatt der Rektusscheide bis zur Leisten-
region so weit stumpf aufgedehnt, bis der präperito-
neale Raum vor der Bruchpforte die Ausbreitung des
Kunststoffnetzes erlaubt. . Abb. 2.105 Fassen und Anspannen des Mesenteriolums. (Nach
Carus 2010)

kIndikation
Eine einheitliche Empfehlung kann aufgrund fehlender kLagerung und Vorbereitung
abschließender Studienergebnisse immer noch nicht gege- Trendelenburg-Lagerung in 20–30°-Position, Sichern des
ben werden. Als vorteilhaft wird die elektive Indikation zur Patienten mit Schulterstützen (. Abb. 2.107), ggf. mit Ab-
Versorgung von Rezidivhernien und beidseitigen Hernien spreizung der Beine, neutrale Elektrode bei einseitiger Ver-
im Erwachsenenalter angegeben. Jedoch bekommt die pri- sorgung am Oberschenkel der OP-Seite. Unmittelbar prä-
märe Versorgung einer Leistenhernie in endoskopischer operativ sollte die Entleerung der Harnblase erfolgen.
Technik einen immer größeren Stellenwert. Sowohl die
völlige Ablehnung als auch die Forderung zur Ausweitung kInstrumentarium
der Indikation auf alle Hernienversorgungen werden in Technische laparoskopische und instrumentelle Grund-
der Literatur beschrieben. ausstattung mit einer 0°- oder 30°-Optik. Neben dem 10-
mm-Optiktrokar wird bei einseitiger Versorgung für die zu
kPrinzip operierende Seite ein 10- oder 12-mm-Trokar bevorzugt,
Transperitoneale oder präperitoneale endoskopische Frei- für die andere Seite reicht ein 5-mm-Trokar. Bei beidsei-
legung des Bruchsackes, der Bruchpforte, der Fascia trans- tiger Versorgung können ggf. zwei 12-mm-Trokare einge-
versalis und der Samenstranggebilde. Verschluss der setzt werden. Der Eingriff ist aber auch mit 2×10-mm- und
Bruchpforte und Hinterwandverstärkung mit einem 1×4-mm-Trokaren ein- und beidseitig durchführbar. Das
industriell gefertigten, nicht- oder teilresorbierbaren Ultraschallschneidegerät erleichtert die sichere Präparati-
Netz. Das Netz muss alle Bruchpforten weit überlappend on der Strukturen. Zur Netzfixation wird ein Clipapplika-
abdecken. tor benötigt, vorzugsweise ein automatisch nachladendes

a b
. Abb. 2.106 Anspannen der skelettierten Appendix (a), Platzieren des Linearstaplers (b). (Nach Carus 2010)
146 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

. Abb. 2.107 Rückenlage mit gespreizten Beinen und maximal 90°


abduzierten Armen in Supinationsstellung. (Nach Krettek u. Asche-
mann 2005)

Gerät, das die benötigte Anzahl an Clips (bis 20) enthält.


Spezielle Hernienstapler (Ethicon Endo Surgery, Covidien,
Origin) geben die Clips wie Tackerklammern bzw. als spi-
ralförmige Klammern ab. Alternativ wird die Fixation mit
Fibrinkleber diskutiert.
. Abb. 2.108 Trokarpositionen bei der endoskopischen Hernien-
Vielfach wird empfohlen, vor Annahme, Zurecht-
operation auf der rechten Seite. (Nach Carus 2010)
schneiden und Implantation des Netzes die Handschuhe
zu wechseln.

Endoskopische Herniotomie (TAPP) stranggefäße, Identifizieren der Beckengefäße.


7 Der männliche Patient wird in bekannter Weise Die Präparation erfolgt mit Schere, Hakenelektrode
abgewaschen und inklusive des Hodenbereiches oder Ultraschallklinge und Dissektor. Der Peritone-
abgedeckt. Operateur und Assistenz stehen ent- alüberzug wird weit nach dorsal und schmal nach
weder beidseits des Patienten oder operieren ventral abgelöst, der Bruchsack dabei reponiert.
vom Kopfende aus. 7 Das Kunststoffnetz wird zusammengerollt über
7 Nach Anlage des Pneumoperitoneums in standar- den 12-mm-Trokar eingebracht. Es wird über der
disierter Technik Einbringen der 30°- oder 45°-Op- Bruchpforte, über den Samenstranggebilden und
tik in den 10-mm-Nabeltrokar. Die Nabelinzision über der Fascia transversalis ausgebreitet und
kann sowohl unterhalb, als auch oberhalb des Na- sparsam v. a. medial und ventral mit Clips am Coo-
bels angelegt werden. Nach der Inspektion und per-Ligament fixiert.
Exploration Herstellen der Kopftieflage und Ein- 7 Als Abwandlung wird auch das Einschneiden des
stellen der Bruchpforte. Netzes durchgeführt mit Unterfahren der Samen-
7 Einbringen von 2 weiteren Arbeitstrokaren: bei stranggebilde und der epigastrischen Gefäße. Die
einseitiger Versorgung 10- bzw. 12-mm-Trokar auf Netzvereinigung am Einschnitt erfolgt dann mit
der Hernienseite lateral des M. rectus abdominis. Clips. Lateral dorsal im OP-Gebiet sollen keine
Auf der anderen Seite reicht ein 5-mm-Trokar bei Clips wegen drohender Nervenirritationen plat-
beidseitiger Versorgung (. Abb. 2.108). ziert werden.
7 Nach Einschneiden des Peritoneums ventral der 7 Das Peritoneum muss über dem Kunststoffnetz
Bruchpfortenkante zwischen Plica umbilicalis me- durch endoskopische Naht oder mit Clips ver-
dialis bis lateral in die Nähe des Beckenkamms er- schlossen werden, um gefährliche Darmadhäsi-
folgt die sorgfältige Präparation der anatomisch onen zu vermeiden.
wichtigen Strukturen: Bruchpforte und Bruchsack, 7 Nach Entfernung der Trokare unter laparosko-
Schambein, Cooper-Band, Tractus ileopubicus, pischer Sicht werden an den10- bzw. 12-mm-Inzi-
epigastrische Gefäße, Samenleiter und Samen- sionen Fasziennähte durchgeführt. Hautnaht und
6 Pflasterverband beenden den Eingriff.
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
147 2

Endoskopische Herniotomie (TEP)


7 Nach gleichartiger Vorbereitung und Abdeckung
des Patienten wird als wesentlicher OP-Schritt ein
künstlicher präperitonealer Raum geschaffen. Hier-
zu wird auf der OP-Seite neben dem Nabel eine In-
zision von ca. 15 mm Länge unter Sicht bis auf das
vordere Blatt der Rektusscheide geführt, die Rek-
tusmuskulatur mit Langenbeck-Haken zur Seite ge-
halten und auf dem hinteren Blatt der Rektus-
scheide stumpf mit einem Babystieltupfer in Rich-
tung Symphyse eingegangen. Anschließend wird
in die gleiche Richtung ein spezieller Ballon-Dissek-
a
tions-Trokar eingeführt und bis zum Kontakt mit
dem Tuberculum pubicum unter palpatorischer
und visueller Kontrolle von außen vorgeschoben.
Je nach Trokarmodell wird die Ballonhülse entfernt
und der Ballon durch Auffüllen mit CO2 oder physi-
ologischer Kochsalzlösung entfaltet. Dieses führt
zu einer stumpfen Gewebsspaltung mit Abhebung
des Peritoneums. Langsamer und schwieriger ist
die stumpfe Präparation des präperitonealen
Raumes mit Hilfe konventioneller wie endosko-
pischer Instrumente und der Optik selbst.
7 In den geschaffenen Raum wird in der Mitte zwi-
schen Nabel und Symphyse ein 5-mm-Trokar in
die Medianlinie eingestochen. Von hier aus wird
die laterale Dissektion des Raumes ergänzt. Von b
lateral wird unter endoskopischer Sicht meist
ein10- oder 12-mm-Arbeitstrokar eingeführt. Alle
Präparationsschritte müssen eine Verletzung des
Peritoneums vermeiden, um einen Gasverlust von
präperitoneal nach intraperitoneal zu verhindern.
7 Die eigentliche Vorbereitung der Netzimplantati-
on erfordert die gleichen präparatorischen OP-
Schritte, wie sie zur TAPP erforderlich sind. Ledig-
lich der peritoneale Bruchsack wird in Richtung
Bauchraum abgedrängt. Das aufgerollt einge-
brachte Netz wird mittels Fasszange und Dissektor
ausgebreitet (. Abb. 2.109). Wird das Netz nicht
mit Clips fixiert, muss das Gas so abgelassen wer-
den, dass die korrekte Netzposition bis zum Kon- c
takt mit dem Peritoneum verfolgt werden kann.
. Abb. 2.109a–c a Einbringen des zusammengerollten Netzes über
7 Die Versorgung einer bilateralen Hernie ist in der
den Optiktrokar. b Zusammengerolltes Netzimplantat im extraperi-
Regel ohne zusätzliche Trokare möglich. Der
tonealen Raum. c Ausrollen des Netzimplantates mit Dissektor und
Präperitonealraum kann über die Mittellinie leicht Wellenzange. (Nach Carus 2010)
zur Gegenseite erweitert werden. Entweder wird
eine entsprechend breite Netzprothese mit indivi-
duellen Maßen im beidseitigen Extraperitoneal- Laparoskopische Adhäsiolyse
raum ausgebreitet oder ein zweites Kunststoff- kIndikation
netz auf der Gegenseite platziert. 4 Unklare Bauchschmerzen, vor allem bei krampfar-
7 Bei der Trokarentfernung und der Versorgung der tigen Beschwerden in Verbindung mit Erbrechen
Trokarinzisionen gelten die Regeln der TAPP-Technik. nach vorangegangenen Bauchoperationen oder Peri-
tonitiden,
148 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

4 Strangbildungen oder Verklebungen von Darm und kIndikation


Bauchwand. 4 Milzruptur bei stumpfem Bauchtrauma,
4 Zustand nach Milzinfarkt,
2 kPrinzip 4 Kugelzellanämie.
Über einen laparoskopischen Zugang werden die Ver-
wachsungen im Abdominalraum mittels Schere durch- kPrinzip
trennt. Thermische Verfahren wie HF-Chirurgie oder Ul- Entfernung der kompletten Milz über 4–5 Trokare, Entfer-
traschall sollten an Darmstrukturen vermieden werden. nung des Organs über einen ca. 4 cm langen Schnitt, Ein-
legen einer Drainage.
kLagerung
4 Rückenlage, kLagerung
4 Positionierung der neutralen Elektrode nach Vorschrift. 4 Rückenlage, alternativ Rechtsseitenlage,
4 neutrale Elektrode nach Vorschrift.
kInstrumentarium
4 Laparoskopische Grundausstattung, kInstrumentarium
4 zwei 5-mm-Trokare bzw. ein 10-mm- und ein 5-mm- 4 Laparoskopische Grundausstattung,
Trokar, 4 lineares, endoskopisches Klammernahtinstrument für
4 Bipolare Schere. die Milzvene bzw. für den Hilus,
4 Titan- oder resorbierbare Clips für die Milzarterie,
4 Bergebeutel zum Entfernen des Organs,
Adhäsiolyse
4 für möglichen Umstieg konventionelles Laparotomie-
7 Nach der Operationslagerung wird die Bauchregi- sieb bereithalten,
on des Patienten desinfiziert und abgedeckt. 4 bei Bedarf das LigaSure-, Ultraschalldissektionsgerät
7 Die Anlage des Pneumoperitoneums erfolgt zur oder EnSeal (7 Abschn. 2.15.3).
Vermeidung von Darmperforationen bevorzugt in
der offenen Technik: Nach Anlage einer Miniinzisi-
on am Nabel wird je nach Optikdurchmesser über Splenektomie
eine Faszieninzision mit Tast- oder Wechselstab 7 Nach der Operationslagerung, der Hautdesinfekti-
ein 5- bzw. 10-mm-Trokar stumpf eingebracht und on sowie der korrekten Abdeckung wird zuerst
die CO2-Insufflation durchgeführt. über eine Veress-Nadel oder durch Einbringen des
7 Ein zweiter 5-mm-Trokar dient als Arbeitsport. ersten Trokars über einen offenen Zugang per Mi-
Hierdurch können mit der Schere die Verwach- niinzision das Pneumoperitoneum mittels CO2-In-
sungen durchtrennt und die Verklebungen gelöst sufflation angelegt.
werden. In einigen Situationen muss ein zusätz- 7 Die Trokarpositionierung ist abhängig von der ge-
licher Port eingebracht werden, um beidhändig wählten Lagerung, in der Regel folgen die Inzisi-
zu arbeiten (Beispiel: Aufladen eines Verwach- onen dem Rippenbogen.
sungsstranges vor der scharfen Durchtrennung). 7 Es werden 4–5 Trokare benötigt.
7 Nach einer Inspektion der Abdominalhöhle und
7 Eine ausgiebige Spülung des Intraabdominal-
speziell des Verletzungsausmaßes und Blutverlus-
raums minimiert die Gefahr von Rezidiven.
tes bei einer Ruptur erfolgt nach Entscheidung für
die komplette Splenektomie das Herauslösen der
Milz mittels der Ultraschalldissektion oder mit dem
Durch den Einsatz der laparoskopischen Technik können LigaSure-Gerät von kaudal und dorsal her auf den
großflächige Schnitte, die wiederum Verwachsungen nach Hilus zu. Einzelne Gefäße und die Vasa gastricae
sich ziehen, vermieden werden. breves im Lig. gastrosplenicum werden bei Bedarf
mit Titan- oder resorbierbaren Clips versorgt.
Laparoskopische Splenektomie 7 Der Hilus wird stumpf mit einem Präparationsins-
Die laparoskopische Entfernung der Milz unterliegt den trument unterfahren und zumeist mit einem
gleichen Kriterien, wie schon 7 Abschn. 2.6.2 beschrieben. Klammernahtgerät mit einem (weißen) Gefäßma-
Das Gleiche gilt für die erforderliche Impfung bezüglich gazin abgesetzt. Dabei ist unbedingt auf die Scho-
des OPSI-Syndroms (7 Abschn. 2.6.2). Durch das laparos- nung des unterschiedlich weit heranreichenden
kopische Vorgehen ist die postoperative Schmerzbelastung Pankreasschwanzes zu achten.
des Patienten geringer, zumeist ist ein größerer Blutverlust 6
vermeidbar.
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
149 2
kPrinzip
7 Danach wird die Milz in einen Bergebeutel gelegt 4 Über einen laparoskopischen Zugang mit 3–4 Tro-
und bei Bedarf darin zerkleinert (Morcellement). karen wird die Nebenniere transperitoneal nach dem
Eine Trokarinzision wird erweitert und das Organ Darstellen, Klippen und Durchtrennen der Venen
im Bergebeutel vor die Bauchwand gezogen. Al- und Arterien mit einem Bergebeutel entfernt.
ternativ kann das Präparat über eine Minilaparato- 4 Bei dem retroperitonealen Zugang wird eine künstli-
mie im Unterbauch entfernt werden. che Höhle über einen Ballontrokar gebildet, 3–4 Tro-
7 Danach muss eine Kontrolle auf absolute Bluttro- kare ermöglichen das Absetzen und die Bergung des
ckenheit erfolgen, vielfach erfolgt die Einlage ei- Organs.
ner Penrose-Drainage.
7 Faszienverschluss und Hautnaht beenden den kLagerung
Eingriff. 4 Transperitonealer Zugang: Seitenlage entsprechend
der zu entfernenden Nebenniere, bei Anwendung von
HF-Chirurgie Anbringen der neutralen Elektrode am
Laparoskopische Adrenalektomie Oberschenkel der zu operierenden Seite.
Die Nebennieren liegen retroperitoneal auf den oberen Po- 4 Retroperitonealer Zugang: Seitenlage s. oben oder
len der Nieren. Sie regulieren den Hormonhaushalt hin- Bauchlage, Anbringen der neutralen Elektrode nach
sichtlich verschiedener Hormonsysteme. Über die Bildung Vorschrift.
und Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin (Ka-
techolamine) im Nebennierenmark werden kreislaufwirk- kPatientenvorbereitung
same Substanzen produziert. Die Nebennierenrinde ist mit 4 Je nach Diagnose werden ein CT und/oder ein Abdo-
den Gluko- und Mineralokortikoiden u. a. für die Steuerung menultraschall durchgeführt.
des Zucker- bzw. des Mineralhaushalts verantwortlich. 4 Die Hormonbestimmung ist Voraussetzung zur Iden-
Muss eine Nebenniere aufgrund einer Tumorbildung tifikation des Tumors und der Indikationsstellung.
mit oder ohne hormonelle Fehlsteuerung entfernt werden, Beim Phäochromozytom muss zum Schutz vor einer
übernimmt in der Regel die andere Nebenniere die Gesamt- hypertensiven Krise durch eine überschießende Ka-
funktion, müssen beide entfernt werden wird lebenslänglich techolaminwirkung mit einer medikamentösen Blo-
medikamentös Hormonsubstitution notwendig. ckade vorbehandelt werden.
Die Entfernung der Nebenniere kann transperitoneal 4 Die Hormonsubstitution mit Kortison und ggf. Mine-
wie auch retroperitoneal endoskopisch durchgeführt wer- ralokortikoiden intra- und postoperativ richtet sich
den. nach der Erkrankung und der Frage, ob die Neben-
Der transperitoneale laparoskopische Zugang birgt den niere einseitig oder beidseitig entfernt wird.
Vorteil, dass sich der Operationssitus übersichtlicher dar-
stellen lässt, aber die Präparation durch die rückwärtigen kInstrumentarium
Schichten der Bauchwand entlang der benachbarten Organe 4 Laparoskopische Grundausstattung, 0°- oder 30°-Optik,
notwendig ist. Bei beidseitiger Entfernung der Nebenniere 4 ggf. Ballontrokar,
ist der transperitoneale Zugang wegen des einen großräu- 4 Titan-, und/oder resorbierbare Clips,
migen Zugangs zu zwei Operationsgebieten vorzuziehen. 4 Bergebeutel,
Der retroperitoneale Zugang bietet geringere Kompli- 4 bei Bedarf Ultraschalldissektionsklinge,
kationsmöglichkeiten, da durch einen nur lokalen Präpa- 4 aufgrund der möglichen Blutungsgefahr sollte ein
rationsaufwand weniger Gewebe traumatisiert werden konventionelles Laparotomie- und Gefäßsieb bereit-
kann. Die räumliche Enge lässt jedoch selten die Entfer- gehalten werden.
nung größerer Tumoren über diesen Zugang zu.

kIndikation Transperitoneale Adrenalektomie


4 Hormonell aktive Nebennierentumoren, unabhängig 7 Nach der Operationslagerung in Seitenlage wird
von ihrer Größe, die gesamte Flankenregion desinfiziert und abge-
4 Nebennierenzysten, wenn sie Symptome verursachen, deckt. Anlage eines Pneumoperitoneums mit CO2
4 Nebennierenkarzinom, über eine Veress-Nadel am Rippenbogen, Einfüh-
4 Phäochromozytom (Katecholaminproduktion), ren von 3–4 Trokaren dem Rippenbogen folgend,
4 Morbus Cushing (Glukokortikoidproduktion), 5 mm, 10 mm, 5 mm. Über die Optik erfolgt eine
4 hormonell inaktive Tumoren bei einer Größe von 6
mehr als 4 cm.
150 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.15.9 Laparoskopische Magenchirurgie


Inspektion der Abdominalhöhle, dabei sind die
Nebennieren erst nach ihrer Darstellung und Mo- Viele bisher konventionell operierte Eingriffe am Magen
2 bilisation beurteilbar. können laparoskopisch durchgeführt werden. Es gelten
7 Auf der rechten Seite muss neben der rechten Ko- alle in 7 Abschn. 2.5 (Magenchirurgie) dargestellten Prin-
lonflexur der rechte Leberlappen mit der Durch- zipien.
trennung des Lig. triangulare mobilisiert werden,
die Vena cava inferior wird dadurch sichtbar, in die Vagotomie
die kleinen Nebennierenvenen einmünden. Die Wie schon beschrieben (7 Abschn. 2.5.3), gibt es nur noch
zuführenden Arterien wie auch die Nebennieren- wenige Indikationen für eine Vagotomie. Wird diese lapa-
venen werden mit Titanclips versorgt, sodass an- roskopisch durchgeführt, gelten die Prinzipien der »of-
schließend die Nebenniere aus dem Retroperito- fenen« Vagotomie.
nealraum gelöst werden kann. Die Lagerung des Patienten variiert, denn um die
7 Auf der linken Seite müssen die linke Kolonflexur, Schwerkraft nutzen zu können und die Oberbauchorgane
die Milz und die Pankreasunterkante so weit ge- zu erreichen, wird eine Fußtieflage des Patienten nötig. Die
löst werden, dass die Nebenniere erkennbar wird. Reklinierung des Oberkörpers maximiert die Erreichbar-
7 Die Nebenniere wird über einen Bergebeutel ent- keit des Magens.
fernt, bei Bedarf wird eine Trokarinzision dazu er- Die Instrumentenvorbereitung entspricht der in der
weitert. Fundoplicatio (s. unten) beschriebenen. Auch hier ist es
7 Nach der Blutstillung erfolgt der Wundverschluss, nötig, Nahtinstrumente und Einzelclips bereitzulegen. Es
im Einzelfall ist die Einlage einer weichen Draina- werden in der Regel 4–5 Trokare benötigt, die Positionie-
ge indiziert. rung entspricht derjenigen der Fundoplicatio.
7 Der transperitoneale Zugang sollte in der Regel
bei beidseitiger Adrenalektomie gewählt werden, Pyloroplastik
ebenso bei malignen Tumoren, um die Radikalität kIndikation
gewährleisten zu können. 4 Stenose,
4 Vernarbungen des Magenausgangs,
4 Zustand nach Vagotomie.

Retroperitoneale Adrenalektomie kPrinzip


7 Nach der Operationslagerung in Seitenlage oder Inzision der Pylorusvorderwand in Längsrichtung über ca.
Bauchlage wird das zu operierende Areal desinfi- 5 cm. Zur Erweiterung des Pylorus wird diese Inzision
ziert und der Patient steril abgedeckt. quer vernäht.
7 Bei Seitenlage werden die 3–4 Trokare um den
Rippenbogen platziert, bei Bauchlage über einen kLagerung
dorsalen Zugang unter der 12. Rippe. Da hier kei- 4 Rückenlage, Oberkörper leicht rekliniert (Aufklap-
ne vorgeformte Körperhöhle vorhanden ist, muss pung),
vorher mittels eines raumbildenden Ballontrokars 4 intraoperative Fußtieflage,
eine Übersicht geschaffen werden. 4 Anbringen der neutralen Elektrode an einem Ober-
7 Dazu wird der am Trokar befindliche Ballon me- schenkel.
chanisch entfaltet, nach dem Ablassen durch ei-
nen Blockungstrokar ersetzt, jetzt kann ein Pneu- kInstrumentarium
moretroperitoneum über einen Trokar und unter 4 Laparoskopische Grundausstattung inkl. 30°-Optik,
Sicht angelegt werden. 4 Ultraschalldissektionsgerät und/oder bipolare Schere,
7 Das Auslösen und Bergen der Nebenniere erfolgt 4 Babcock-Fasszangen,
analog des beschriebenen Verfahrens bei der 4 laparoskopische Nahtinstrumente,
transperitonealen Adrenalektomie. 4 laparoskopische Fadenschere nach Metzenbaum oder
Hakenschere.
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
151 2
kInstrumentarium
Pyloroplastik 4 Laparoskopische Grundausstattung mit 0°- oder 30°-
7 Desinfektion und Abdeckung des Operationsge- Optik, bipolarer Schere und/oder Ultraschalldissekti-
bietes. onsinstrumentarium,
7 Insufflation von CO2 zur Anlage des Pneumoperi- 4 linearer Endostapler,
toneums mit der Veress-Kanüle oder in der of- 4 3 Trokare 5 mm, 1 Trokar 10 mm für die Optik,
fenen Variante unter Sicht. 1 Trokar 12 mm für die Stapler, ggf. Ersatz eines 5-
7 Subumbilikales Einbringen des Optiktrokars. Links mm-Trokars durch einen 10-mm-Trokar, wenn ein
und rechts davon jeweils 1 Trokar (5 und 10 mm) Leberretraktor eingesetzt werden soll
für Fasszange und Nahtinstrumente. Ein Arbeits-
trokar wird im Epigastrium positioniert, um mit
dem Taststab den linken Leberhaken wegzuhal- Magenresektion
ten. Manche Chirurgen bevorzugen statt des Tast- 7 Desinfektion und Abdeckung des Operationsge-
hakens einen Leberretraktor, dieser benötigt ei- bietes.
nen 10-mm-Trokar. 7 Die Anlage des Pneumoperitoneums erfolgt be-
7 Die Darstellung des Pylorus ist in der Regel im vorzugt in der offenen Technik. Nach einer Miniin-
entzündungsfreien Bauch ohne Präparation zision unterhalb des Nabels wird der Optiktrokar
möglich. unter Sicht in den Intraperitonealraum einge-
7 Anspannen des Pylorus mit der Babcock-Zange. bracht und das Pneumoperitoneum aufgebaut.
7 Die Längsinzision der Pylorusvorderwand erfolgt 7 Einbringen von 2 weiteren Trokaren rechts und
mit der bipolaren oder der Ultraschallschere links des Optiktrokars sowie 2 Trokaren rechts und
Schicht für Schicht. links ins Epigastrium.
7 Magensekret wird aus dem eröffneten Magen ab- 7 Anheben des linken Leberlappens mit dem Tast-
gesaugt. Bevor die Quervernähung begonnen stab, alternativ mit dem Leberretraktor.
werden kann, erfolgt eine sorgfältige Blutstillung. 7 Durchtrennung des Lig. gastrocolicum mittels Ul-
7 Die fortlaufende Allschichtnaht mit zwei resor- traschallschere oder bipolarer Schere.
bierbaren 3–0-Fäden erweitert den Magenaus- 7 Identifikation der rechten A. gastroomentalis und
gang. Möglicherweise kann die Dichtigkeit der Absetzen zwischen 2 oder 3 Clips.
Naht geprüft werden, indem der Anästhesist ge- 7 An der kleinen Kurvatur wird das kleine Netz mit
färbte Spüllösung in die liegende Magensonde der bipolaren Schere dissektiert bis zum Lig. he-
instilliert. patoduodenale.
7 Eine Drainage ist selten erforderlich. 7 Identifikation der A. gastrica dextra und Absetzen
7 Entfernen der Trokare unter Sicht und schichtwei- zwischen 2 und 3 Clips. Alternativ kann dieses
ser Wundverschluss mit Verband. Gefäß koaguliert werden, sofern es sehr kleinka-
librig ist.
7 Mit der Babcock-Zange Fassen des Magens an der
großen Kurvatur und Anspannen, damit die Adhä-
Laparoskopische Magenresektion sionen zwischen Magenhinterwand und Pankreas
Die Magenresektion unter laparoskopischen Bedingungen gelöst werden können.
erfolgt als videoassistierte Operation. 7 Der Magen wird mit einem linearen Endostapler
Der präparatorische Anteil erfolgt unter laparosko- durchtrennt. Dazu sind 1–2 lange Magazine nötig.
pischer Sicht, die Entfernung des Resektates über eine Mi- Danach wird mit einer weiteren Babcock-Zange
nilaparotomie und die Anastomosen zur Wiederherstel- der Magen so gefasst, dass zum Pylorus hin eine
lung der Nahrungspassage vor der Bauchdecke oder wie- Präparation vorgenommen werden kann. Der Py-
der unter laparoskopischer Sicht. lorus wird ebenfalls mit einem linearen Stapler
Indikation und Operationsprinzip sind identisch mit abgesetzt.
denen in 7 Abschn. 2.5.5 besprochenen. 7 Der Trokar im linken Epigastrium wird nach Ab-
stellen des Gases entfernt und die Inzision verlän-
kLagerung gert, um das Resektat zu entfernen. Alternativ
4 Rückenlage mit gespreizten Beinen oder Steinschnitt- kann das Resektat über eine suprasymphysäre Mi-
lagerung. nilaparotomie entfernt werden.
4 Intraoperativ erfolgt eine Fußtieflage des Patienten 6
mit rekliniertem Oberkörper.
152 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Adipositaschirurgie
7 Die geplante Rekonstruktion nach Billroth I, II In vielen Kliniken ist die Adipositaschirurgie ein Bestand-
oder mit der Modifikation nach Y-Roux (7 Ab- teil der täglichen Arbeit geworden. Laparoskopisch ist hier
2 schn. 2.5.5) erfolgt vor der Bauchdecke unter die Anlage eines Magenbandes (»gastric banding«) zu er-
Sicht, die Anastomosen werden in konventioneller wähnen, das die Aufnahmekapazität des Magens verrin-
Handnahttechnik oder mittels Stapler angelegt. gert.
7 Die laparoskopische Anastomosenanlage ist Über 5–6 Trokare in angemessener Länge wird ein Si-
ebenfalls möglich. Dazu wird die Minilaparotomie likonband (. Abb. 2.110) ringförmig um die Kardia gelegt
schichtweise verschlossen, um wieder ein Pneu- und verschlossen. Über einen Katheter wird die Kammer
moperitoneum herstellen zu können. Die Jeju- des Bandes mit Flüssigkeit aufgefüllt, um den Innendurch-
numschlinge wird aufgesucht und ante- oder re- messer des Bandes zu verkleinern.
trokolisch an den Magenrest gezogen. Mit einer
! Im Vorfeld solcher Operationen ist zu klären, mit
Naht wird die Schlinge an der Magenvorderwand
welchem Gewicht die OP-Tische auf der Lafette
fixiert, erst dann wird sie eröffnet. Der Darminhalt
und der Säule belastet werden dürfen, da das
sollte sofort abgesaugt werden können.
Gewicht der Patienten dieses manchmal über-
7 Nach der Eröffnung des geklammerten Magenres-
schreitet.
tes wird der Stapler durch den 12-mm-Trokar ein-
gebracht. Eine Branche des Instrumentes wird im
Jejunum platziert, die andere im Magenrest. Nach Laparoskopische Fundoplicatio nach Nissen/
Auslösen des Klammervorgangs kann durch die Rosetti (modifiziert nach de Meester)
verbliebene Öffnung an der Klammernaht die Das Krankheitsbild der Hiatushernie mit Refluxösophagi-
Anastomose kontrolliert werden. Danach wird tis und die OP-Indikation entsprechen dem von 7 Abschn.
diese Öffnung mit einer fortlaufenden Naht ver- 2.4.4.
schlossen. Wie für die konventionelle Operation gilt auch hier,
7 Die Braun-Fußpunktanastomose oder die Y-Roux- dass das chirurgische Vorgehen erst indiziert ist, wenn bei
Fußpunktanastomose erfolgt ebenfalls mittels gesicherter funktioneller und/oder endoskopischer Dia-
eines linearen Anastomosenstaplers. gnose die medikamentöse Therapie langfristig (etwa 6 Mo-
7 Der Bauchdeckenverschluss wird durchgeführt nate) versagt. Medikamentös kann zwar die Säureaus-
nach Kontrolle der Anastomose auf Dichtigkeit schüttung des Magens wirksam verhindert werden, jedoch
und auf Bluttrockenheit nach der Zählkontrolle nicht der gallige Reflux aus dem Duodenum. Nach neuerer
der Instrumente und Textilien und der Dokumen- Auffassung ist dieser messbare Gallereflux für die Entste-
tation der Vollzähligkeit. hung der intestinalen Epithelmetaplasie im distalen Öso-
7 Die Einlage einer Drainage ist fakultativ möglich. phagus (Barrett-Schleimhaut) verantwortlich. Die Verfüg-
barkeit der laparoskopischen Fundoplicatio hat unter Be-
rücksichtigung des Gallerefluxes eine häufigere Indikati-
onsstellung zur Folge.
Besonders geeignet sind Patienten, bei denen der saure
Reflux medikamentös unterdrückt werden kann, jedoch
ein erheblicher Volumenreflux verbleibt.

kPrinzip
Reposition der Hernie, Beseitigung des Refluxes durch Bil-
dung einer Manschette aus der Funduswand, die um den
distalen Ösophagus gelegt und fixiert wird, relative Einen-
gung des Hiatus.

kLagerung
4 Rückenlagerung, ein Arm ausgelagert, Anti-Tren-
delenburg-Position, Beine gespreizt.
. Abb. 2.110 »Gastric banding«, LAP-Band AP («advanced plat- 4 Die Dispersionselektrode wird an einem Oberschen-
form«). (Beispiel: Fa. Allergan) kel angebracht.
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
153 2
kVorbereitung
Ein kräftiger Magenschlauch wird eingelegt, evtl. Blasen- 7 Die Speiseröhre kann nun zirkulär stumpf ca. 5 cm
kathetereinlage. Der Monitor steht rechts am Kopfende. hoch in das Mediastinum mobilisiert, die Hiatus-
hernie reponiert werden, dabei werden die Vagus-
kInstrumentarium äste geschont.
Außer der Laparoskopieeinheit und dem laparoskopischen 7 Die große Magenkurvatur wird vom Übergang
Grundinstrumentarium werden neben dem Optiktrokar des Korpus zum Fundus beginnend skelettiert,
meist vier weitere Arbeitstrokare benötigt (meist drei 10- dabei werden die Aa. gastricae breves und das
mm-Trokare, ggf. ein 13-mm- und ein 5-mm-Trokar, al- Lig. gastrosplenicum entweder mit der Ultra-
ternativ ein 10-mm-, drei 5-mm-Trokare), außerdem 2 schallkoagulationsschere, dem LigaSure, oder mit
große atraumatische Haltezangen für den Magen (Bab- Clips durchtrennt. Die Präparation berücksichtigt
cock-Zangen), ein Leberretraktor, monopolare Haken- die enge Nachbarschaft zum Milzhilus bzw. zum
elektrode, Schere und mehrere Multiclipzangen. Alternativ oberen Milzpol und endet am linken Zwerchfell-
kann die Anwendung des Ultraschallschneidegerätes mit schenkel mit der kompletten Mobilität des Ma-
einer Einmalkoagulationsschere empfohlen werden oder genfundus.
das LigaSure (7 Abschn. 2.5.5). Für die Naht der Manschet- 7 Vor der Fundoplicatio erfolgt nun von rechts die
te gibt es Einweginstrumente, die das intrakorporale Kno- hintere Hiatoplastik mit 2–3 nicht resorbierbaren
ten erleichtern, z. B. das Endo Stitch der Fa. Covidien endoskopisch oder extrakorporal geknüpften Ein-
(. Abb. 1.13). zelknopfnähten unter Fassen der Muskulatur des
rechten und linken Zwerchfellschenkels, alternativ
unter Anwendung des Endo Stitch (. Abb. 1.13).
Laparoskopische Fundoplicatio nach Nissen/
7 Dabei wird der Ösophagus nach ventral hochge-
de Mester
halten.
7 Der Operateur steht zwischen den Beinen des Pa- 7 Zur Fundoplicatioanlage wird der distale Ösopha-
tienten, der erste Assistent steht rechts, der zweite gus mit einer Babcock-Zange unterfahren, die
Assistent links neben dem Patienten, die instru- Funduskante im mittleren Anteil gefasst und dor-
mentierende Pflegekraft neben dem Operateur sal als Manschette durchgezogen. Diese liegt
oder gegenüber. dann locker, wenn nach Loslassen der Zange der
7 Nach der üblichen OP-Felddesinfektion und Ab- Fundusanteil liegen bleibt. Die Vereinigung mit
deckung erfolgt zunächst die Anlage des Pneu- der Fundusvorderwand (360°-Manschette) erfolgt
moperitoneums entweder in offener Technik oder spannungsfrei mit 2–3 Einzelknopfnähten aus
mit Hilfe einer Veress-Kanüle unter Berücksichti- nicht resorbierbarem Nahtmaterial. Die Knoten-
gung der Sicherheitstests. Der Optiktrokar wird ausführung erfolgt entweder endoskopisch oder
ca. 3 cm oberhalb des Nabels in der Mittellinie in extrakorporaler Technik oder mittels Endo
eingebracht. Am linken Oberbauch werden 2 wei- Stitch. Die distale Naht fasst tangential die Ösopha-
tere 10-mm-Trokare eingebracht, ein weiterer 5- gusvorderwandmuskulatur, um eine Manschet-
mm-Trokar im rechten Oberbauch, sodass alle Tro- tendislokation zu verhindern. Während der Naht
kare auf einer Kreislinie liegen. Ein 5-mm-Trokar liegt eine dicklumige Magensonde (40 Charr). Die
wird median im Epigastrium eingebracht. Manschettenweite wird durch Unterfahren mit
7 Nach der Exploration der Bauchhöhle wird die einem Präpariertupfer, einem Taststab oder auch
Kardia-Fundus-Region eingestellt. Dazu wird mit dem vorsichtigen Spreizen der Babcock-Zange auf
dem Leberretraktor der linke Leberlappen wegge- lockeren Sitz überprüft (. Abb. 2.111).
halten. Mit Schere oder Ultraschallmesser wird im 7 Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit bei Bedarf Ein-
Bereich des kleinen Netzes unter Schonung dort lage einer Drainage, Entfernen der Trokare unter
vorkommender kleinerer Leberarterienäste das laparoskopischer Sicht. Versorgen der Faszienlü-
Peritoneum parallel zur rechten Ösophaguskante cken mit Nähten. Hautnähte und Pflasterverbände
inzidiert. Die Inzision wird ventral um den Hiatus beenden die Operation.
nach links fortgeführt. Zunächst wird von rechts 7 Alternativ kann eine 270°-Manschette (nach Tou-
der rechte Zwerchfellschenkel, danach der linke pet) angelegt werden.
Zwerchfellschenkel dargestellt, dabei wird der
Ösophagus dorsal stumpf unterfahren.
6
154 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Stomaposition mit dem Zügel nach Aufweitung der Trokar-


inzision spannungsfrei vor die Bauchdecke verbracht. Die
Darmwand wird inzidiert und als Stoma eingenäht. Der
2 Zügel wird beidseits mit ca. 5cm Abstand durch die Subku-
tis als Reiter ausgeleitet und nahtfixiert. Bei endständiger
Stomaanlage laparoskopisches Durchtrennen des Darms
mit einem linearen Klammernahtgerät (12-mm-Trokar),
spannungsfreies Ausleiten des oralen Darmschenkels an
der Stomaposition und nach Absetzen der Klammer-
nahtreihe Einnähen des Stomas.

kLagerung
4 Rückenlage auf einem geraden Tisch, alternativ Stein-
schnittlage,
. Abb. 2.111 Manschettenprüfung mit dem Taststab. (Nach Carus 4 neutrale Elektrode an einem Oberschenkel.
2010)
kInstrumentarium
Laparoskopische Anus-praeter- 4 Laparoskopische Grundausstattung,
bzw. Ileostomaanlage 4 Hernienzügel oder dicklumige Redondrainage zum
Die Anlage eines Kolostomas oder Ileostomas kann zum Anzügeln des Darms,
Schutz und zur passageren Ausschaltung z. B. einer im 4 linearer Endostapler bei endständiger Stomaanlage,
nachgeschalteten Darmbereich angelegten Anastomose 4 konventionelles Laparotomiesieb für den offenen Teil
erforderlich sein. In der Palliativsituation bei inoperablem der OP oder im Notfall für einen erforderlichen Um-
Darmtumor kann die vorgeschaltete Stomaanlage eine stieg auf die offene Operation.
Ileussituation verhindern. Bei kompletter Ileussituation ist
das laparoskopische Vorgehen aufgrund überblähter
Darmschlingen nicht mehr gefahrlos möglich. Prinzipiell Laparoskopisch assistierte Anlage eines
sind endständige Anlagen mit blind verschlossenem ab- doppelläufigen Sigma-Anus praeter
führendem Darmschenkel und doppelläufige Stomata zu 7 Auf dem geraden Tisch gelagert wird der Unter-
unterscheiden (7 Abschn. 2.12.9). und Oberbauch des Patienten desinfiziert und das
Die Vorbereitung des Patienten zur Stomaanlage ist Operationsareal abgedeckt.
davon abhängig, ob der Eingriff im Rahmen einer laparos- 7 Über eine kurze Inzision, selten über eine Veress-
kopischen Kolon- oder Rektumresektion oder als geson- Nadel wird das Pneumoperitoneum angelegt.
derter Eingriff erfolgt. Prinzipiell sollte die beste Stomapo- Nacheinander werden die Trokare (3 ×10 mm, je
sition vor einem geplanten Eingriff angezeichnet werden. nach Optik auch 2 × 5 mm und 1×10 mm) ca.
10 cm entfernt vom Sigmabereich eingebracht.
kIndikation 7 Nach der Inspektion des Operationssitus wird der
4 Passagere Anlage dritte Trokar an der geplanten Stomaposition ein-
5 Zum Schutz einer nachgeschalteten Darmanasto- gebracht.
mose nach kurativer Resektion, 7 Bei Adhäsionen erfolgt das Auslösen des Darmes
5 zur Ausschaltung von Darmfisteln zur Vagina, unter Mobilisation des oralwärts gelegenen Colon-
5 zur Darmruhigstellung bei Colitis ulcerosa. descendens-Abschnittes aus den benachbarten
4 Permanent anatomischen Schichten. Mit entsprechender Kip-
5 doppelläufig bei drohendem Darmverschluss durch pung des OP-Tisches wird während der Präparation
inoperablen Tumor als Palliativeingriff, der Dünndarm und das Omentum majus passiv aus
5 endständig bei Rektumexstirpation. dem Blickfeld des OP-Gebietes verlagert.
7 Am Scheitelpunkt der Sigmaschleife wird nach
kPrinzip darmnaher Peritonealinzision der Darm mit einem
Mit Hilfe von 3 Trokaren, einer davon an der zukünftigen stumpfen Instrument unterfahren (z. B. Taststab),
Stomaposition, wird laparoskopisch nach Exploration der Ausleiten des Instruments aus der Trokarinzision
Abdominalhöhle der für die Stomabildung geeignete an der Stomaposition, und Aufstecken bzw Fixie-
Darmabschnitt dargestellt. Das Mesenterium wird darm- 6
rohrnah unterfahren, der Darm angezügelt und an der
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
155 2

ren des Zügels/Redondrains. Nun wird das Instru- den Dünndarm zu verlagern, sodass der Zugang
ment mit Zügel zurückgezogen (Fixieren des frei- zu den Gefäßen erleichtert wird. Um an die rechte
en Endes vor der Bauchdecke) durch das Mesoko- Kolonflexur zu gelangen, wird die Anti-Trendelen-
lonfenster und erneut an der Stomaposition aus- burg-Position gewählt.
geleitet, parallel zum freien Zügelende. Nach Ab- 7 Das Pneumoperitoneum wird bei jedem Kolonein-
lassen des Pneumoperitoneums wird die griff in offener Technik angelegt. Nach der Ent-
Bauchwandinzision an der Stomaposition zur scheidung der Operabilität werden die weiteren
Darmvorverlagerung geweitet. Im Abstand von Trokare eingebracht.
ca. 5 cm subkutanes Durchführen und Ausleiten 7 Über 4 Trokare (10 mm, 12 mm, 2 × 5 mm) wird
der Zügelenden als Reiter, der mit einer Naht fi- nach der Exploration das Operationsgebiet über-
xiert wird. sichtlich dargestellt.
7 Nach Trokarentfernung Wundverschluss und Ver- 7 Der Optiktrokar wird entweder links vom Nabel
band an den übrigen Inzisionen, Eröffnung des oder subumbilikal platziert, manchmal muss zur
Stomas und zirkuläres Einnähen in die Haut. Nach Erweiterung für die Resektion der Optiktrokar um-
Austasten des Stomas in beide Schenkel Aufkle- positioniert werden.
ben der Stomaplatte. 7 Die Platzierung und die Durchmesser der Trokare
richten sich nach dem geplanten Eingriff, den vor-
handenen Instrumenten, der geplanten Position
Der orale Kostaufbau ist sofort möglich. der Miniinzision für die Bergung des Resektates
und nach den Vorlieben des Operateurs.
7 Das Verfahren, die Präparation sowie das Ausmaß
2.15.10 Laparoskopisch assistierte der Resektion sind identisch mit denen in der kon-
Kolonchirurgie ventionellen Kolonchirurgie (7 Abschn. 2.12) be-
sprochenen.
Kolonresektionen werden immer häufiger mit laparosko- 7 Zu beachten ist auch bei einem laparoskopischen
pischer Technik operiert. Dabei werden nicht mehr nur Eingriff, dass ein maligner Tumor nicht mit dem
benigne Erkrankungen wie die Divertikulitis, Colitis ulce- Taststab oder der Fasszange manipuliert wird, um
rosa oder M. Crohn als Indikation genannt, sondern auch eine Zellstreuung zu vermeiden (No-touch-isolati-
karzinomatöse Erkrankungen bis zum Tumorstadium 3. on-Technik).
Über die laparoskopische Optik sind die anatomischen 7 Das Ileum wird nach der Präparation und der Ab-
Strukturen sehr gut zu erkennen, sodass die Gefäßversor- setzung der V. und A. ileocolica ca. 5 cm vor der
gung bei malignen Erkrankungen zuerst unterbunden Ileozäkalklappe mit einem linearen Klammernaht-
werden kann, um eine Streuung der Tumorzellen zu ver- instrument abgesetzt.
hindern. 7 Das Mesokolon wird präpariert und die V. und
Da das Präparat relativ groß ist, muss ein Zusatzschnitt A. colica dextra dargestellt. Beide Gefäße werden
erfolgen, durch den der Darm entfernt oder vor der of- geclippt und durchtrennt. Großkalibrige Gefäße
fenen Absetzung ausgleitet wird. Die Minilaparotomie er- können mit einem Linearcutter und einem weißen
folgt über einen kleinen Pfannenstiel-Schnitt oder im Be- Magazin sicher abgesetzt werden.
reich einer Trokarinzision. Dieses Vorgehen führt zu ak- 7 An der Resektionsstelle des Colon ascendens oder
zeptablen kosmetischen Ergebnissen. Dieser Aspekt ist an der rechten Flexur wird das Mesokolon so weit
insbesondere für jüngere Patienten mit benignen Erkran- inzidiert, dass das Kolon mit einem linearen Stap-
kungen relevant. ler unterfahren werden kann. Absetzen des Darms
und Mobilisation des rechten Kolons inkl. rechter
Flexur für die Herstellung einer spannungsfreien
Laparoskopische Hemikolektomie rechts Anastomose.
7 Der Patient liegt in Rückenlage mit gespreizten 7 Nach dem Abstellen der Gasinsufflation wird
Beinen oder auf dem Steinschnitttisch. rechts pararektal die Trokarinzision verlängert. Um
7 Intraoperativ wird die Lagerung mehrfach verän- das Präparat kontaminationsfrei vor die Bauchde-
dert. Trendelenburg-Position, um im Ileozäkalbe- cke ziehen zu können, wird eine Wundrandfolie
reich präparieren zu können, Linkskippung, um oder Ringfolie eingesetzt. Die geklammerten
6 6
156 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

Darmschenkel von Ileum und Colon transversum Laparoskopische Transversumresektion


(oder das Colon ascendens) werden vor die Bauch- 7 Die 4 Trokare (10 mm, 12 mm, 2 × 5 mm) werden
2 decke luxiert und die Anastomose vorbereitet. um den Nabel herum platziert, jeweils mit genü-
7 Die Ileotransversostomie erfolgt in der Regel per gend Abstand zueinander, um ein störungsfreies
Handnaht als End-zu-Seit-Anastomose oder als Arbeiten zu gewährleisten.
End-zu-End-Anastomose mit angeschrägtem Ile- 7 Zu Beginn der Präparation sollten deshalb die Ge-
um mit 2 resorbierbaren, monofilen 4–0-Nähten, fäßversorgung durch A. und V. colica media sowie
fortlaufend, allschichtig. Die Seit-zu-Seit-Anasto- die lymphführenden Gefäße dargestellt und ge-
mose setzt sich immer mehr durch, da die Anasto- clippt werden.
mosenheilung besser scheint, wie auch die Steno- 7 Die Mobilisation der rechten und der linken Flexur
severmeidung dadurch zumeist gelingt. sowie des aufsteigenden und absteigenden Astes
7 Nach abgeschlossener Anastomose wird der Me- des Kolons ist notwendig, um eine spannungs-
sokolonschlitz verschlossen und der Darm wieder freie Anastomose zu erreichen. Die Durchtren-
in die Bauchhöhle verlagert. Die Minilaparotomie nung des Lig. gastrocolicum erfolgt magen-
wird schichtweise verschlossen. wandnah.
7 Danach wird das Pneumoperitoneum wieder auf- 7 Das Absetzen des Resektates kann vor der Bauch-
gebaut, und so kann laparoskopisch die Anasto- decke vorgenommen werden, nachdem eine
mose auf Spannungsfreiheit kontrolliert werden. Minilaparotomie mit Einsetzen einer Ringfolie
Blutstillung und eine Peritoneallavage beenden vorgenommen wurde. Die Absetzung erfolgt
den Eingriff. entweder zwischen weichen und harten Darm-
7 Selten ist eine Drainage zur Anastomosenkontrol- klemmen oder mittels zwei linearer Stapler
le indiziert. (-magazine).
7 Das Gas wird abgelassen, die Trokare entfernt, die 7 Manche Chirurgen bevorzugen die Absetzung
größeren Inzisionen mit durchgreifenden Faszien- mittels eines linearen Endostaplers unter lapa-
nähten verschlossen. roskopischen Bedingungen.
7 Die Hautnaht kann wahlweise durch Pflaster oder 7 Die Anastomosennaht (Aszendo-Deszendostomie)
Hautkleber ersetzt werden. wird unter Sicht mit 2 fortlaufenden Allschichtnäh-
ten vor der Bauchdecke vorgenommen.
7 Nach schichtweisem Verschluss der Minilaparoto-
Laparoskopische Transversumresektion mie wird wieder das Pneumoperitoneum ange-
4 Die Patientenvorbereitung und die Instrumentenbe- legt, um die Anastomosenkontrolle, Blutstillung
reitstellung entsprechen derjenigen bei der laparos- und Peritoneallavage unter laparoskopischen Be-
kopischen Hemikolektomie (s. oben). Hier werden dingungen durchzuführen.
zusätzlich ggf. Darmklemmen für die Absetzung des 7 Der Verschluss des Mesenterialschlitzes kann vor
Resektates vor der Bauchdecke benötigt. der Bauchdecke erfolgen, alternativ ebenfalls un-
4 Die intraoperativen Lageveränderungen in Anti- ter laparoskopischer Sicht.
Trendelenburg-Lagerung und Links- wie auch
Rechtskippung sind bei der Lagerung des Patienten in
Steinschnittlage oder auf einem geraden Tisch zu be- Im Rahmen der laparoskopischen Operationstechnik re-
denken. duzieren sich die postoperativen Schmerzen. Durch den
4 Die Indikationen wie auch das Operationsprinzip fehlenden Hakenzug bleibt der Analgetikaverbrauch ge-
entsprechen denen in der konventionellen Kolon- ring. Die Magen-Darm-Tätigkeit normalisiert sich
chirurgie (7 Abschn. 2.12). schneller als bei vergleichbaren konventionell durchge-
4 Bei karzinomatöser Indikationsstellung wird auch führten Operationen, da Serosaschäden durch tamponie-
hier die No-touch-isolation-Technik angewendet, rende Bauchtücher fehlen. Die Vergrößerung des Opera-
d. h. dass das tumortragende Segment ohne ausgie- tionsbereiches im Monitor führt zu einer präzisen Gewe-
bige Manipulation isoliert wird. bedissektion.
Die Vorbereitung der Patienten ist identisch mit der
in 7 Abschn. 2.12 beschriebenen, die Radikalität der
Operation bei kurativen Tumorresektionen ist in gleicher
Weise wie beim konventionellen offenen Zugang zu er-
zielen.
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
157 2
2.15.11 Laparoskopisch assistierte
Sigmaresektion Laparoskopisch assistierte Sigmaresektion
7 Nach der Steinschnittlagerung mit herunterge-
kIndikation fahrenen Beinen wird der Unter- und Oberbauch
4 Endoskopisch nicht abtragbare Polypen und Ade- des Patienten desinfiziert und das Operationsare-
nome, al abgedeckt.
4 Frühkarzinome und kleinere Kolonkarzinome, 7 Über eine Veress-Nadel oder besser offen über
4 Kolondivertikulitis (nach Abklingen des entzünd- eine kleine Inzision wird das Pneumoperitoneum
lichen Schubes), angelegt. Danach werden 3–5 Trokare halbkreis-
4 Morbus Crohn, förmig ca. 10 cm entfernt vom zu operierenden
4 Colitis ulcerosa. Kolonabschnitt eingebracht.
7 Es findet primär eine Inspektion des Operationssi-
kPrinzip tus statt, bei maligner Erkrankung insbesondere
Unter Anlegung eines Pneumoperitoneums wird mit Hil- eine Inspektion der Lymphabflussbahnen, des ge-
fe von 3–5 Trokaren (alternativ über den Single Port; samten Peritoneums und der Leber.
7 Abschn. 2.15.4) der befallene Anteil des Dickdarmes von 7 Zuerst werden die zentralen Arterien und Venen
seiner Gefäßversorgung getrennt, der Darmanteil mittels dargestellt, mit Titan- oder resorbierbaren Clips,
mit einem laparoskopischen Klammernahtgerät,
Klammernahtinstrumenten abgesetzt und über eine Zu-
dem EnSeal oder dem LigaSure-Instrument ver-
satzinzision vor die Bauchdecke verlagert. Die Wieder-
sorgt und mit der Schere durchtrennt. Jetzt er-
herstellung der Kontinenz erfolgt zumeist mittels eines
folgt das Auslösen des Darmes unter Mobilisation
zirkulären Endostaplers. Bei einigen Karzinompatienten
der linken Kolonflexur mittels Ultraschalldissekti-
ist die Anlage eines Anus praeternaturalis zur Schonung
on, EnSeal, LigaSure-Gerät oder Schere aus den
der Anastomose vorübergehend nötig, entweder als dop- benachbarten anatomischen Schichten. Dabei ist
pelläufiges Kolostoma oder Ileostoma. Auch dieser Ope- die Schonung des linken Ureters notwendig. Nach
rationsschritt ist laparoskopisch durchführbar (s. 7 Ab- Mobilisation, ggf. unter Mitnahme der Lymphab-
schn. 2.15.9). flussbahnen, wird der Darm mit einem linearen
Anastomosenstapler (je nach Hersteller wird hier
kLagerung ein 12-mm- oder 13-mm-Trokar benötigt!) distal
4 Steinschnittlagerung mit zeitweise intraoperativer ex- am rektosigmoidalen Übergang abgesetzt. Mit
tremer Kopftieflagerung. entsprechender Kippung des OP-Tisches wird
4 Die Verwendung von Schulterstützen oder Vakuum- während der Präparation der Dünndarm und das
matte ist unerlässlich. Omentum majus passiv aus dem Blickfeld des OP-
4 Bei Bedarf werden die Beine des Patienten zur Her- Gebietes verlagert.
stellung der Anastomose hochgefahren, damit das 7 Über einen kurzen Pfannenstiel-Schnitt oder eine
Klammernahtinstrument von anal eingeführt werden Minilaparotomie am linken oder rechten Unter-
kann. bauchtrokar wird nach Einbringen einer Ringfolie
4 Neutrale Elektrode an einem Oberschenkel. zum Kontaminationsschutz das Präparat ausgelei-
tet (. Abb. 2.112) und nach Aufsetzen einer Ta-
kInstrumentarium bakbeutelklemme entfernt. In den Stumpf des Co-
4 Laparoskopische Grundausstattung inkl. 0°- oder 30°- lon descendens wird die Andruckplatte des zirku-
lären Stapler eingeführt und mit einer Tabakbeu-
Optik, Nahtinstrumente, 3–5 Trokare,
telnaht fixiert (. Abb. 2.113). Nach Reposition des
4 Ultraschalldissektionsschere, LigaSure oder EnSeal,
so vorbereiteten Darmstumpfes in die Abdominal-
4 lineare Endostapler zum Absetzen des befallenen Ko-
höhle wird die Minilaparotomie verschlossen
lonanteils,
und das Pneumoperitoneum erneut angelegt.
4 zur Bergung des resezierten Darmteils schützt eine
Der 1. Assistent sitzt nun zwischen den hochge-
Ringfolie die Bauchdecke vor Kontamination, fahrenen Beinen des Patienten und führt ein mit
4 ein zirkulärer Stapler, entweder als Endostapler bei Gleitmittel versehenes zirkuläres Klammernahtin-
hohen Anastomosen, oder ein zirkulärer Stapler, der strument anal ein. Unter (laparoskopischer) Sicht
anal eingeführt wird, werden die Anteile des Staplers konnektiert und
4 konventionelles Laparotomiesieb für den offenen Teil bei korrektem Sitz der Anastomose wird der Klam-
der OP oder im Notfall für einen erforderlichen Um- mervorgang ausgelöst.
stieg auf die offene Operation. 6
158 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

7 Unter rotierenden Bewegungen entfernt der Assi-


stent den Stapler, die Anastomose wird durch In-
2 stillation einer gefärbten Spüllösung geprüft.
Einige Operateure bevorzugen die Anlage zusätz-
licher Sicherungsnähte an der Klammernaht.
7 Bei Karzinomerkrankungen bzw. bei sehr tiefen
Anastomosen erfolgt nun bei Bedarf die Anlage
eines passageren protektiven Anus praeter, die
Einlage einer Drainage ist abhängig vom Operati-
onssitus.
7 Nach Kontrolle auf Bluttrockenheit, Zählkontrolle
der Instrumente und Textilien sowie deren Doku-
mentation erfolgen der schichtweise Wundver-
. Abb. 2.112 Hervorluxieren des Rektosigmoids. (Nach Carus 2010) schluss und Anlage des Verbandes.

Die Patienten verbleiben bei komplikationslosem Verlauf


4–6 Tage in der Klinik. Eine angepasste Schmerztherapie,
die frühe Mobilisation und ein zügiger oraler Kostaufbau
im Sinne einer »Fast-track«-Behandlung ermöglichen
dieses Vorgehen.

2.15.12 Laparoskopisch assistierte


Rektumchirurgie

Hier gilt bisher, nur kurativ zu operierende Indikationen


als Grundlage eines laparoskopischen Eingriffes zu akzep-
tieren. Vor allem die Diskontinuitätsoperation nach Hart-
a
mann (7 Abschn. 2.12.9) kann laparoskopisch durchge-
führt werden.
Die laparoskopische Präparation hat ebenfalls bei Rek-
tumeingriffen die Vorteile der sehr guten Übersicht zur
Präparation und des viel geringeren Operationstraumas
durch die kleineren Zugänge, was zu geringeren postope-
rativen Schmerzen führt und die Mobilisation des Pati-
enten beschleunigt.

Operation nach Hartmann


kIndikation
4 Rektosigmoidale Divertikulitis,
4 Rektumperforation durch entzündliche Prozesse,
4 Tumor, wenn nach der Tumorentfernung die Anasto-
b
mose nicht möglich oder zu riskant erscheint.
. Abb. 2.113 a Vorlegen der Tabakbeutelnaht. b Fixierung der
Andruckplatte des Zirkulärstaplers. (Nach Carus 2010) kPrinzip
Entfernung des betroffenen Darmanteils unter laparosko-
pischen Bedingungen, keine Wiederherstellung der Darm-
passage, sondern vorübergehende Anlage (für ca. 3 Mo-
nate) eines endständigen Anus praeter.
2.15 · Minimal-invasive Chirurgie
159 2
kInstrumentarium
4 Laparoskopische Grundausstattung mit 0°-Optik (ca. 10–12 cm ab ano), um die zu einem späteren
oder alternativ 30°-Optik, Zeitpunkt geplante Wiederherstellung der Darm-
4 3–5 Trokare (2 × 5 mm, 1 × 10 mm für die Optik, kontinuität problemlos durchführen zu können.
1× 12 mm für den Stapler), 7 Nach Durchtrennung des Rektums wird das Sigma
4 bipolare Schere und/oder Ultraschalldissektions- sowie der absteigende Kolonast bis zur linken Fle-
instrumente, Clipapplikator mit Titanclips, Ringfolie, xur freipräpariert, um das Colon descendens span-
linearer Endostapler, nungsfrei zur angezeichneten Anus-praeter-Stelle
4 Grund- und Laparotomieinstrumente mit Darmklem- ziehen zu können. Manche Operateure beginnen
men, Instrumente zum Einnähen des Anus praeter. den Eingriff mit der Präparation der linken Flexur.
7 Nach dem Abstellen der Gasinsufflation wird die
Trokarinzision links des Nabels pararektal erweitert,
Operation nach Hartmann manche Chirurgen bevorzugen die Minilaparoto-
7 Nach Desinfektion und Abdecken des Patienten mie suprasymphysär. Mit einer Fasszange wird der
wird unterhalb des Nabels, alternativ epigastrisch, geklammerte Rektumschenkel unter Sicht zur Mini-
der Optiktrokar unter Sicht eingebracht und nach laparotomie geführt, hier mit einer Kornzange ent-
CO2-Insufflation über eine ausgedehnte Explorati- gegengenommen und vor die Bauchdecke gezo-
on die Operabilität geprüft. gen. Das Kolon wird im entzündungsfreien Bereich
7 Im rechten Unterbauch wird der 12-mm-Trokar mit einer weichen Darmklemme verschlossen und
eingebracht, über den Verwachsungen gelöst scharf durchtrennt. Dabei ist darauf zu achten, dass
werden und später der Stapler eingeführt wird. die Bauchdecke nicht mit Darminhalt kontaminiert
7 1 bis 2 weitere 5-mm-Trokare werden rechts und werden kann. Dazu kann eine Wundrandfolie oder
links des Optiktrokars platziert. Sollte eine Perito- Ringfolie eingesetzt werden.
nitis vorliegen, wird vorhandenes Exsudat aspi- 7 Alternativ kann der Darm mit einem linearen
riert und zur bakteriologischen Untersuchung ge- Stapler verschlossen und durchtrennt werden.
geben. Fibrinbeläge werden stumpf unter konti- Dann muss die Klammerreihe am AP vor dem Ein-
nuierlicher Spülung entfernt. Gegebenenfalls er- nähen reseziert werden.
folgt eine Adhäsiolyse mit Schere und Taststab. 7 Das Colon descendens wird als Stoma mit 3–0 re-
7 Fassen des Mesosigmas mit einer 5-mm-Fasszan- sorbierbarem Nahtmaterial allschichtig in die
ge, um das Rektosigmoid zu skelettieren. Haut eingenäht.
7 Identifikation der A. mesenterica inferior durch Er- 7 Danach wird das Pneumoperitoneum wieder her-
öffnung des Retroperitoneums mit der bipolaren gestellt, um eine Inspektion der Bauchhöhle vor-
Schere. Absetzen der Arterie mittels 2 Titanclips zunehmen, eine ausgedehnte Spülung durchzu-
oder resorbierbaren Clips, Durchtrennung mit der führen und bei Bedarf eine Drainage am Rektum-
Schere. Alternativ ist der Einsatz eines Gefäßstap- stumpf zu platzieren.
lers möglich. Gleiches Vorgehen an der beglei- 7 Nach sorgfältiger Blutstillung werden das Gas ab-
tenden V. mesenterica inferior. gelassen, die Trokare entfernt und die Inzisionen
7 Häufig wird der linke Ureter perioperativ ge- vernäht.
schient; das erleichtert dessen Identifikation und 7 Der AP wird mit einem Stomabeutel versorgt.
gewährleistet eine sichere Schonung.
7 Der entzündete Darmanteil wird bis zum entzün-
dungsfreien Anteil präpariert. Hier wird die Resek- Anteriore Rektumresektion
tionslinie festgesetzt. Auch die tiefe Rektumresektion kann in laparoskopischer
7 Um einen Stapler am Darm ansetzen zu können, Technik durchgeführt werden. Es gelten alle in 7 Abschn.
gilt, wie schon in der offenen Chirurgie bespro- 2.12 besprochenen Kriterien.
chen, dass der Darmabschnitt fettfrei präpariert Hier besteht ebenfalls der Vorteil in der übersichtlichen
sein muss. Präparation des gesamten Mesorektums bis zum Becken-
7 Über den 12-mm-Trokar wird der Stapler einge- boden.
bracht und das Rektum mit einem langen Maga- Die Operationsvorbereitung des Patienten wie auch
zin abgesetzt. Zu bedenken ist hier, dass ein aus- des Instrumentariums ist identisch mit der für Kolonope-
reichend langer Rektumstumpf belassen wird rationen besprochenen (s. oben).
6 Die gesamte Präparation des Rektums bis zur linken
Flexur kann so über kleine Inzisionen und unter sehr guter
160 Kapitel 2 · Allgemeinchirurgie und Viszeralchirurgie

2.15.13 Ausblick

Zurzeit befinden sich weitere laparoskopische OP-Verfah-


2 ren auf dem Prüfstand der wissenschaftlichen Beurteilung.
Die Laparoskopie hat Einzug gehalten beim akuten Abdo-
men und beim Bauchtrauma. Häufig kann die Laparosko-
pie bei diesen Indikationen therapeutisch eingesetzt wer-
den. Zumindest bietet sie eine Hilfestellung für die Opti-
mierung der Schnittführung der anschließenden Laparo-
tomie. Bei umschriebenen Peritonealadhäsionen oder
beim Briden-Ileus ist ausschließlich laparoskopisches Vor-
gehen möglich.
Die Einführung der MIC bei Kolonoperationen ist Re-
alität. Resektionen am linksseitigen Pankreas wie auch
. Abb. 2.114 Oraler Darmschenkel mit der Andruckplatte für die Operationen an benignen Leberprozessen sind laparosko-
Stapleranastomose. (Nach Carus 2010) pisch möglich. Vor der Einführung als breit anzuwen-
dendes Standardverfahren müssen weitere sorgfältige Stu-
dien durchgeführt werden.
Sicht vorgenommen werden. Die Bergung des Resektates Die Entwicklung des laparoskopischen Instrumentari-
erfolgt über eine Minilaparotomie am rechten Unterbauch ums ist rasant. Die Verfechter von Einweg- und Mehrweg-
unter Einbeziehung des 12-mm-Trokars. Damit kann bei materialien, Industrie und Ärzteschaft, Krankenhäuser
geplanter Anastomosierung die ausreichende Mobilität des und Krankenkassen stehen sich im Disput mit verschie-
linken Hemikolons geprüft und sichergestellt werden. Es denen Erwartungen gegenüber. Die Zahl erfahrener lapa-
ermöglicht gleichzeitig das Einbringen der Andruckplatte roskopischer OP-Teams hat deutlich zugenommen. Eine
des zirkulären Staplers mit einer Tabakbeutelnaht vor der chirurgische Arbeitsgemeinschaft minimal-invasive Chir-
Bauchdecke (. Abb. 2.114). urgie (CAMIC) wurde gegründet und verfolgt das Ziel, die
Die Resektionshöhe bei Sigmadivertikulitis richtet Erfassung der Methoden, die Ausbildung junger Chirurgen
sich nach dem Sitz der sog. Hochdruckzone – das ist der und die Zertifizierung von Operateuren und Kranken-
divertikelfreie Darmabschnitt am oberen Rektum in Höhe hausabteilungen als Qualitätsstandard zu betreiben.
etwa der peritonealen Umschlagfalte. Beim Tumorleiden Der gegenwärtige Stand laparoskopischen Operierens
richtet sich die distale Resektionsebene nach dem einzu- kann hier insgesamt nur ausschnittweise erfasst und dar-
haltenden Sicherheitsabstand unter Mitentfernung des gestellt werden.
Mesorektums.
Die Wiederherstellung der Darmkontinuität erfolgt
über einen anal einzuführenden Zirkulärstapler. Auch hier
ist die Kontrolle der Dichtigkeit der Anastomose mittels
Luft oder einer gefärbten Spüllösung obligat.
Nach Wiederanlage des Pneumoperitoneums wird die
Andruckplatte mit dem Zirkulärstapler konnektiert und
der Klammervorgang ausgelöst. Eine Dichtigkeitsprüfung
der Anastomose ist obligat. Die vollständigen beiden
Schleimhautringe aus dem entfernten Klammernahtins-
trument werden zur histologischen Untersuchung gege-
ben.
Das Ablassen des Gases und die Entfernung der Tro-
kare mit Naht der Inzisionen beenden den Eingriff.

Rektumamputation
Auch die Rektumamputation kann in oben beschriebener
Technik mit einer laparoskopischen Präparation durchge-
führt werden, um das Operationstrauma für den Patienten
so gering wie möglich zu halten und die Sicht auf die Ge-
webestrukturen für den Operateur zu optimieren.
3

Traumatologie, Orthopädie
und Handchirurgie
J.R. Döhler, A. Gudat, K. Seide, Ch. Jürgens, J. Madert, A. Simon, S. Mein,
G. Walura, R. Thönnessen, M. Liehn

3.1 Anatomie und Physiologie von Knochen – 162

3.2 Pathophysiologie von Knochen und Gelenken – 163

3.3 Behandlung von Frakturen – 164

3.4 Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie – 167

3.5 Instrumente, Implantate und ihre Anwendung – 169

3.6 Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte – 199

3.7 Handchirurgie – 242

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_3,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
162 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Sowohl die orthopädische Chirurgie als auch die Trauma- Grundsubstanz (Osteoid), deren Hauptbestandteile Chon-
tologie befassen sich mit dem Bewegungsapparat und der droitinsulfat und Dermatansulfat sind (. Abb. 3.1). In das
Wirbelsäule. Die Orthopäden behandeln überwiegend Osteoid sind v. a. kollagene Fasern vom Typ I, weniger
chronische, die Unfallchirurgen akute, verletzungsbe- vom Typ III und zusätzlich anorganische Substanzen (35%
dingte Probleme. Da die beiden Disziplinen auch in Kalzium, 50% anorganisches Phosphat) eingelagert. Da-
Deutschland verschmelzen und das gleiche chirurgische durch verfügt der Knochen über Festigkeit und Steifigkeit,
3 Instrumentarium verwenden, werden sie in diesem Kapitel wobei aber eine gewisse Elastizität erhalten bleibt.
gemeinsam skizziert. Im Folgenden werden jedoch mehr Durch das Einlagern der anorganischen Substanzen
unfallchirurgische als orthopädische Akzente gesetzt, da dient der Knochen auch als wichtigster Speicher für Kalzi-
Knochenbrüche zum Alltag jeder OP-Abteilung gehören um und Phosphat. Sie können bei Bedarf durch knochen-
und ihre Behandlung weitgehend standardisiert ist. abbauende Zellen (Osteoklasten) mobilisiert werden. Dies
steht unter dem Einfluss von
4 Parathormon, das in den Epithelkörperchen gebildet
3.1 Anatomie und Physiologie wird und die Osteoklasten aktiviert, wodurch der
von Knochen Kalziumspiegel im Blut steigt, und
4 Kalzitonin, das in den C-Zellen der Schilddrüse gebil-
R. Döhler, A. Gudat, M. Liehn det wird und die Osteoklasten hemmt, wodurch der
Kalziumspiegel im Blut fällt.
Knochen sind ein Stützwerk aus Kollagen und Hydroxyl- 4 Wir unterscheiden 3 Knochenformen:
apatit. Sie bilden einen Teil des Bewegungsapparates und 4 Röhrenknochen (Beispiele: Femur, Humerus),
haben folgende Aufgaben: 4 platte Knochen (Beispiele: Schädelkalotte),
4 Stützfunktion und Formgebung, 4 Würfelknochen (Beispiele: Hand-, Fußwurzelkno-
4 Schutz bestimmter Organe (Lunge, Herz), chen).
4 Bewegungsapparat,
4 Mineralspeicher, Am Röhrenknochen unterscheiden wir die Epiphysen (je-
4 Blutbildung. weils am Gelenkende) von den Diaphysen. Zu beiden En-
den hin verbreitert sich der diaphysäre Schaft in den Meta-
Knochen ist eine starre Form des Bindegewebes. Er besteht physen. Die gelenkbildenden Enden eines Röhrenknochens
aus einem Grundgerüst aus Zellen (Osteozyten) und einer sind die Epiphysen. Beim Kind und Jugendlichen steuern

. Abb. 3.1 Schematische Darstellung des Remodellings. Das Remo- hypothalamischen Steuerung als auch einer lokalen parakrinen
delling bezeichnet den physiologischen Knochenumbau durch Os- Feinabstimmung. Die integrale Rolle der Osteozyten im Remodelling
teoklasten und Osteoblasten. Unterschieden werden 4 aufeinander- ist gegenwärtig noch nicht in vivo geklärt. Es wird vermutet, dass
folgende Phasen: Aktivierung von Osteoklasten, osteoklastare Re- den Osteozyten eine Funktion in der Umschaltung mechanischer
sorptionsphase, Umschaltphase und osteoblastäre Knochenneufor- Reize in biologische Signale zukommt. (Nach Priemel et al. 2006)
mation. Das Remodelling unterliegt sowohl einer zentralen,
3.2 · Pathophysiologie von Knochen und Gelenken
163 3
die knorpeligen Wachstumsfugen zwischen der Epiphyse
und der Metaphyse das Längenwachstum eines Röhren-
knochens. Das Wachstumspotenzial ist innerhalb einer
Fuge gleich, aber anteilmäßig im Hinblick auf eine ganze
Extremität verschieden: Die untere Wachstumsfuge des
Femurs und die obere Wachstumsfuge der Tibia sind
für 70% des Längenwachstums des ganzen Beins verant-
wortlich. Die Schädigung einer noch offenen Wachs-
tumsfuge bedeutet eine teilweise Beeinträchtigung des
Wachstumspotenzials und damit die Entstehung einer
Fehlform (X-Ellbogen, O-Knie).
Apophysen sind Knochenvorsprünge, die als Ursprung
oder Ansatz von Sehnen dienen, z. B. Tuberculum majus
des Humerus, Trochanter major und minor des Femurs
und Tuberositas tibiae. Sie können ausreißen und müssen
manchmal operativ refixiert werden.

3.1.1 Spongiosa . Abb. 3.2 Aufbau des distalen Teils eines Röhrenknochens. (Nach
Hartmann 2006)
Die Spongiosa (lat. spongia = Schwamm) ist ein schwammar-
tig aufgebautes System aus feinen Knochenbälkchen (Trabe-
keln). Bei den platten Knochen heißt die Spongiosa Diploë.
Die Spongiosa liegt im Inneren der Knochen und wird nach 3.2 Pathophysiologie von Knochen
außen hin von der Kortikalis umhüllt. In den Hohlräumen und Gelenken
des von den Spongiosabälkchen gebildeten »Schwammes«
befindet sich das Knochenmark (. Abb. 3.2). Die häufigsten Störungen der Knochenfunktion:
Die Spongiosa bildet ein engmaschig vernetztes Ge- 4 Brüche,
rüst, in dem die meisten Bälkchen entlang der wichtigsten 4 Entzündungen,
Belastungslinien (Trajektorien) des Knochens angeordnet 4 Gelenkverschleiß,
sind. Das Bauprinzip der Spongiosa ermöglicht die Einspa- 4 Substanzmangel (Osteoporose).
rung an Knochensubstanz bei ausreichender Stabilität und
damit ein geringeres Gewicht des Knochens. Darüber hin- Weniger häufige Störungen der Knochenfunktion:
aus ermöglicht es die dynamische Anpassung an verschie- 4 Tumoren,
dene Belastungen durch aktive Modellierung und die Un- 4 Dystrophien,
terbringung des Knochenmarks. 4 Mineralmangel (Osteomalazie, Rachitis),
4 Fehlbildungen.

3.1.2 Kompakta/Kortikalis
3.2.1 Frakturen
Die kompakte Substanz ist eine Ausprägung der Knochen-
substanz. Sie bildet die äußere Schicht der Knochen und Entstehung, Einteilung und Lokalisation
wird daher auch als Kortikalis (lat. cortex = Rinde) be-
zeichnet. Außen wird die Kortikalis von der Knochenhaut Definition
(Periost) überzogen. Ein Knochenbruch (Fraktur = lat. frangere = brechen)
Das Grundbauelement der Kompakta ist das Osteon. ist die Unterbrechung eines Knochens unter Bildung
Es besteht aus einem zentralen Havers-Kanal mit einem zweier oder mehrerer Bruchstücke (Fragmente) mit
kleinen Blutgefäß. Der Gefäßkanal ist von konzentrischen oder ohne Verschiebung (Dislokation).
Knochenzellen umgeben, die die Speziallamellen bilden.
Die einzelnen Osteone sind durch Schaltlamellen mitein-
ander verbunden. Die Havers-Kanäle der einzelnen Oste-
one sind untereinander durch gefäßhaltige Querkanäle
(Volkmann-Kanäle) verbunden.
164 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Entstehung jKindliche Frakturen


4 Direkte Gewalteinwirkung (Schlag oder Stoß), Wie bei einem jungen Ast bleibt der straffe, aber elastische
4 indirekte, frakturferne Gewalteinwirkung (Hebelwir- Periostschlauch erhalten (Grünholzbruch). Solche Brüche
kung), lassen sich meistens konservativ behandeln.
4 wiederholte Einwirkung von Mikrotraumata (Ermü-
dungsbruch), jPathologische Frakturen
3 4 inadäquates Trauma bei vorgeschädigten Knochen Bruch eines vorerkrankten Knochens ohne besondere Ge-
(pathologische Fraktur). walteinwirkung bei Tumoren, Metastasen, Osteoporose
und Osteomalazie.
Terminologie und Einteilung
Fraktur bedeutet den Integritätsschaden eines Knochens jErmüdungsfrakturen
durch Kräfte, die seine Belastbarkeit übersteigen. Rezidivierende Belastungen und Mikrotraumata schwä-
chen eigentlich gesundes Knochengewebe, das schließlich
jTraumatische Fraktur ohne eine akute Gewalteinwirkung bricht.
Der gesunde Knochen bricht durch eine plötzliche und Beispiele: Marschfrakturen von Mittelfußknochen,
unverhältnismäßige Gewalteinwirkung. Man unterschei- Schenkelhalsbrüche bei Marathonläufern.
det geschlossene und offene Brüche und, abhängig vom
begleitenden Weichteilschaden, jeweils die 3 Schwere- Lokalisation
grade: Der Bruchort eines Knochens ist für die operative Ver-
4 Geschlossene Brüche: sorgung wichtig, weil die Blutversorgung und das Ver-
5 leichte begleitende Weichteilverletzung, hältnis von kortikalem zu spongiösem Knochen unter-
5 mittelschwere begleitende Weichteilverletzung, z. B. schiedlich sind. Gelenknahe Abschnitte vom Röhrenkno-
größere Muskelzerreißungen, chen sind größer und brauchen daher weniger kortikalen
5 schwere begleitende Weichteilverletzung mit Betei- Knochen (→ Spongiosaschrauben). Am dicksten ist die
ligung einer Leitstruktur oder mit Kompart- Kortikalis dort, wo der Knochen am schlanksten ist, näm-
mentsyndrom.1 lich im mittleren Abschnitt des Schaftes (→ Kortikalis-
4 Offene Brüche: schrauben).
5 lokal begrenzte Hautverletzung ohne wesentliche
weitere Weichteilschädigung, z. B. Knochendurch-
spießung oder auch nur Schürfungen, 3.3 Behandlung von Frakturen
5 gravierende offene Weichteilschädigung ohne Ver-
letzung von Leitstrukturen oder Kompartmentsyn- R. Döhler, A. Gudat, S. Mein
drom, z. B. Hautquetschungen,
5 gravierender offener Weichteilschaden mit Beteili- Sowohl die orthopädische Chirurgie als auch die Trauma-
gung von Leitstrukturen oder mit Kompartmentsyn- tologie befassen sich mit dem Bewegungsapparat. Jede
drom. Frakturversorgung zielt darauf ab, die normale Funktion
des gebrochenen Knochens so rasch und gefahrenarm wie
In vielen Kliniken werden Ort und Art der Fraktur nach den möglich wiederherzustellen. Der Weg hängt von folgenden
Vorschlägen der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefra- Faktoren ab:
gen (AO) gekennzeichnet. In dem vierstelligen Schlüssel 4 Art der Fraktur,
bezeichnet die erste Ziffer die Extremität, die zweite die 4 Lokalisation der Fraktur,
diaphysäre oder metaphysäre Lokalisation. Mit dem an drit- 4 geschlossene/offene Fraktur,
ter Stelle stehenden Buchstaben A, B oder C bezieht sich die 4 Begleitverletzungen,
Ziffer an vierter Stelle auf die Schwere der Verletzung. So 4 Alter und Verfassung des Patienten.
bedeutet »12C3« den Bruch des Oberarmes (»1«) in Schaft-
mitte (»2«) mit einer komplexen Zertrümmerung (»C3«). Die Frakturbehandlung besteht in einer unverzüglichen
Reposition, in einer adäquaten und konsequenten Fixation
und in einer möglichst raschen Rehabilitation.
1 Beim Kompartmentsyndrom führt ein erhöhter Gewebedruck in Zur Behandlung von Knochenbrüchen kommen die in
einem geschlossenen Haut- und Weichteilmantel zur Verminde-
der 7 Übersicht genannten Prinzipien in Frage.
rung der Gewebedurchblutung. Daraus resultieren neuromusku-
läre Störungen und/oder Gewebe- und Organschädigungen. Am
häufigsten tritt das Kompartmentsyndrom am Unterschenkel,
manchmal auch am Unterarm auf.
3.3 · Behandlung von Frakturen
165 3
Definition
Prinzipien der Frakturbehandlung Eine operative Frakturbehandlung bedeutet nicht un-
4 Konservative Behandlung bedingt die Freilegung, aber immer die innere Stabili-
4 Operative Behandlung sierung des Knochenbruches mit geeignetem Fremd-
4 Misch- oder Kompromisslösungen material nach weitgehender, möglichst idealer Wie-
4 Besondere Verfahren derherstellung der normalen Anatomie.

Dazu eignen sich extra- und intramedulläre Kraftträger.


3.3.1 Konservative Frakturbehandlung Extramedulläre Kraftträger sind Platten, Schrauben,
Drähte, Cerclagen sowie Stifte und Bänder aus Kunststoff
und äußere Spanner.
Definition Intramedulläre Kraftträger sind Verriegelungsnägel
Die konservative Frakturbehandlung umfasst: für Humerus, Femur und Tibia.
4 Verbände, Intramedulläre Schienungen sind Federnägel
4 Schienungen, (Ender), Bündelnägel (Hackethal) und Rush-Pins. Sie
4 Gipse, werden kaum noch verwendet. Durchgesetzt haben sich
4 Extensionen. die vorgespannten Prévôt-Nägel. Bei dieser Osteosynthese
wird der Bruchbereich nicht freigelegt. Der Vorteil liegt in
der Erhaltung des Weichteilmantels und der Durchblu-
Extensionen sind durch Wickel- und Klebeverbände über tung. Im Vergleich mit den Plattenosteosynthesen sind die
die Haut und durch quer liegende Drähte im Knochen mög- Zugänge bei intramedullären Kraftträgern viel kleiner.
lich. Extensionen dienen heute in aller Regel nur noch als Das bedeutet eine geringere Belastung des Patienten und
Zwischenlösung bis zu einer definitiven Versorgung. Eine erlaubt meistens auch eine frühere Belastung der betrof-
Ausnahme ist die sog. Überkopfextension beim Säugling, fenen Stelle.
mit der Oberschenkelbrüche bis zur Ausheilung behandelt Die 1958 in der Schweiz gegründete Arbeitsgemein-
werden können. Bei der Überkopfextension werden das Be- schaft für Osteosynthesefragen (AO) hat sich durch die sys-
cken des Kleinkindes mit einem Tuch gehalten und die Bein- tematische Einteilung und standardisierte Behandlung von
chen mit einer Wickelbandage nach oben (an eine Gerüst- Knochenbrüchen weltweites Ansehen erworben. Ein we-
stange) gezogen. Die häufigsten Beispiele von Drahtextensi- sentliches Prinzip der sog. AO-Technik ist die interfrag-
onen gibt es bei Frakturen am suprakondylären Femur oder mentäre Kompression. Sie zielt auf eine stabile Osteosyn-
am Tibiakopf sowie bei Trümmerfrakturen des Femurs. these und eine Knochenheilung durch Kompression der
Zur Ruhigstellung von Knochen oder Gelenken eignen exakt reponierten Fraktur. Eine solche Osteosynthese kann
sich Schienen aus Metall oder Kunststoff, Gipsschalen, ge- statisch oder dynamisch realisiert werden:
spaltene zirkuläre Gipsverbände und spezielle Orthesen 4 Statische Kompression: Hierbei werden die Fragmente
(z. B. Sarmiento-Brace für die Humerusfraktur). In der dauernd und gleichmäßig zusammengedrückt; dies
Traumatologie und Orthopädie der Wirbelsäule sind kann bei Schräg- oder Spiralfrakturen von Röhren-
manchmal Gipsliegeschalen und am Kopf verankerte Fixa- knochen durch Zug- oder Gleitschrauben, vorge-
tions- und Extensionssysteme (Halo) nötig. spannte Platten und äußere Spanner (axiale Kompres-
sion) erreicht werden.
4 Dynamische Kompression durch eine Zuggurtung:
3.3.2 Operative Frakturbehandlung Hierbei wird die Zugseite des gebrochenen Knochens
durch Platten oder Cerclagen komprimiert.
Operativ behandelte Frakturen heilen nicht schneller oder
langsamer als konservativ behandelte. Die operative Be- Heute gilt das allgemeine Interesse der biologischen Osteo-
handlung ist aber besonders dann sinnvoll, wenn der be- synthese. Sie bedeutet:
treffende Patient rascher mobilisiert und die Belastungs- 4 einen möglichst kleinen Zugang,
oder Übungsstabilität der verletzten Extremität früher er- 4 eine relativ stabile Osteosynthese,
reicht werden kann als bei einer konservativen Behand- 4 den Verzicht auf die anatomische Reposition aller
lung. Idealziel jeder Behandlung ist die vollständige Fragmente.
Wiederherstellung der Funktion (Beweglichkeit, Belast-
barkeit, Schmerzfreiheit) bei Vermeidung möglichst aller Dieses Vorgehen gefährdet nicht zusätzlich die Durchblu-
Komplikationen. tung. Kallusbildung ist erwünscht. Das dafür entwickelte
166 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

. Abb. 3.6 Zugschrauben und Abstützplatte am Schienbeinkopf.


. Abb. 3.3 Bilateraler Rohrfixateur. (Nach Texhammer u. Colton 1994) (Nach Texhammer u. Colton 1994)

. Abb. 3.7 Zuggurtungsosteosynthese am Olekranon. (Nach Tex-


hammer u. Colton 1994)

Implantat ist die LC-DC-Platte, die eine geringe Auflage-


fläche am Knochen hat.
Wenn keine interfragmentäre Kompression möglich
oder erwünscht ist, z. B. bei Trümmerbrüchen, wird das
Schienungsprinzip angewendet. Man unterscheidet:
4 extramedulläre Schienungen mittels Fixateur externe
(. Abb. 3.3) oder Abstützplatte und
4 intramedulläre Schienungen mittels Mark- oder Ver-
riegelungsnagel (. Abb. 3.4).

Interfragmentäre Kompression und Schienung können


auch kombiniert werden, z. B.
4 Zugschraube und Schutzplatte (. Abb. 3.5): Können
. Abb. 3.4 Verriegelungsnagel. (Nach Texhammer u. Colton 1994) Schrauben der äußeren Belastung nicht standhalten,
werden sie durch eine zusätzliche Neutralisationsplat-
te gesichert.
4 Zugschraube und Abstützplatte (. Abb. 3.6), häufig
an Metaphysen.
4 Zugschraube und Zuggurtungsplatte.
4 Kirschner-Drähte und Cerclagedraht (. Abb. 3.7):
Die Kirschner-Drähte dienen der Schienung und Ro-
tationsstabilität; häufige Anwendung an Olekranon,
. Abb. 3.5 Zugschraube und Platte. (Nach Texhammer u. Colton 1994) Patella und Innenknöchel.
3.4 · Pflegerische Tätigkeiten in der Traumatologie
167 3
3.3.3 Besondere Frakturbehandlungen 4 Muskelatrophie,
4 Bettlägerigkeit.
Dazu gehören sog. Minimalosteosynthesen von Frakturen
mit Gelenkbeteiligung bei Osteoporose und verschiedene
Fixateurs externes (7 Abschn. 3.5.11). 3.4 Pflegerische Tätigkeiten in
An der Wirbelsäule dienen sog. Fixateurs internes der Traumatologie
(Fa. Stryker, Peter Brehm, DePuy u. a.) der dorsalen Stabi-
lisierung von Wirbelkörperfrakturen. Die beiden angren- A. Gudat, M. Liehn, S. Mein
zenden Wirbelkörper werden mit transpedikulären
Schrauben besetzt und über Gewindestangen auf beiden Kenntnisse bezüglich der Instrumente und der Implantate
Seiten winkelstabil verbunden. (7 Abschn. 3.5) gehören zu den Aufgaben der Pflegekraft/
Einen weiteren Fortschritt stellt die Ballonkyphoplastie OTA ebenso wie das Wissen um die Durchleuchtung, das
zur Reposition von Wirbelkompressionsfrakturen und die Anlegen einer Blutsperre/Blutleere und der operationsge-
Wiederherstellung der sagittalen Ausrichtung dar. Der rechten Lagerung eines Patienten.
Ballonkatheter (z. B. Fa. Kyphon) dient zur Kompaktie-
rung von Spongiosa und Reposition von Wirbelkörper-
frakturen. Der Ballonkatheter wird im Knochen positio- 3.4.1 Lagerungskriterien
niert und unter Kontrolle aufgedehnt. Wenn der Ballon
sich aufweitet, wird so der Knochen verschoben, bis die In der Traumatologie gelten für die Durchführung der
Anatomie wiederhergestellt ist (7 Kap. 10). operationsspezifischen Lagerung die gleichen Prinzipien
Zu den besonderen Verfahren gehören auch die häu- wie in 7 Kap. 1 beschrieben.
figen Endoprothesen (7 Abschn. 3.5.10) und die Verbundos- Zu beachten ist jedoch, dass Patienten mit einer Frak-
teosynthesen mit Implantaten und Zement. tur oder einer Extension immer von mindestens zwei Mit-
arbeitern der Operationsabteilung eingeschleust werden.
Es ist zu wünschen, dass ein Operateur das Einschleusen
3.3.4 Komplikationen nach begleitet.
Frakturbehandlungen Die spezifischen Lagerungen werden für die einzelnen
Operationen beschrieben.
Sowohl bei operativen als auch bei konservativen Fraktur- Die Lagerung auf dem Extensionstisch ist eine Beson-
behandlungen sind lokale oder indirekte Komplikationen derheit. Dieser Tisch wurde entwickelt, um eine frakturier-
möglich. te Extremität nach der Anlage einer Drahtextension unter
Röntgenkontrolle zu reponieren. In manchen Fällen ge-
Lokale Komplikationen nügt die Fixation des Fußes in einem »Schuh« ohne Exten-
4 Fehlstellung des Knochens und/oder des Gelenks, sion, um die Reposition durchzuführen.
4 Wachstumsstörungen bei Verletzungen der Epiphy- Bei der Lagerung der unteren Extremitäten unterstützt
senfuge, ein gepolstertes Mittelteil die Abstützung des Beckens, da-
4 Pseudarthrosen (hypertrophe, hypothrophe und avi- bei ist bei männlichen Patienten auf die freiliegenden Ge-
tale), nitalien zu achten (. Abb. 3.8).
4 Infektionen (2% bei geschlossenen und 10% bei of-
fenen Frakturen),
4 Knochennekrosen (Femurkopf), 3.4.2 Intraoperative Durchleuchtung
4 Verkürzungen,
4 Verlängerungen, Die Anwendung von Röntgenstrahlen auf Menschen wird
4 Rotationsfehler, durch die Röntgenverordnung (RöV) geregelt. Wer beruf-
4 Wundheilungsstörungen, lich mit Röntgeneinrichtungen zu tun hat, sollte daher
4 Thrombosen/Embolien, seinen Status im Rahmen der aktuellen Verordnung klä-
4 Gipsschäden. ren. Unter Röntgendurchleuchtung versteht man nach
der Röntgenverordnung die Anwendung einer Einrich-
Allgemeine/indirekte Komplikationen tung zur elektronischen Bildverstärkung mit Fernsehket-
4 Fettemboliesyndrom, te und automatischer Dosis-Leistungs-Regelung. Dabei
4 Durchblutungsstörungen/Kompartmentsyndrom, darf der Röntgenstrahler nur während der Durchleuch-
4 Nervenschädigungen (z. B. N. peronaeus, N. ulnaris), tung oder zum Anfertigen einer Aufnahme angeschaltet
4 Kontrakturen, Gelenksteife, sein.
168 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Abschirmung
Die Dosis nimmt bei γ-Strahlung mit der Dicke der Ab-
schirmschicht d exponentiell ab. Daraus folgt:
4 Gonadenschutz für den Patienten.
4 Tragen einer dicken Bleischürze.
4 Tragen eines Halsschutzes (Schilddrüse).
3
3.4.3 Blutsperre

a Viele Operationen an Arm und Bein werden leichter und


sicherer, wenn die Blutzufuhr vorübergehend unterbro-
chen ist.
Bei der Blutsperre wird die Extremität hochgehalten
und über spezielle Druckmanschetten abgebunden.
Bei der Blutleere (nach von Esmarch) wird die Extre-
mität hochgehalten und mit einer Gummibinde von distal
nach proximal ausgewickelt, bevor die pneumatische
Druckmanschette gefüllt wird.
Die Blutleere wird fast ausschließlich in der Hand- und
Fußchirurgie angewendet. Die Blutsperre genügt meistens
und eignet sich besonders für Eingriffe am Ellbogen- und
Kniegelenk.
Bei der Blutsperre und Blutleere kommt dem Pflege-
b personal im OP/OTA besondere Verantwortung zu. Die
. Abb. 3.8a, b Operationslagerfläche 1150.20. a Mit Fußplatten-
Anlage und die Überwachung der Druckmanschette erfor-
adaption; das gesunde Bein ist auf einem Beinhalter nach Göpel dern Kenntnisse bzgl. der Wirkung, besondere Sorgfalt
ausgelagert. b Mit Zugbügeladaption und Thoraxabstützung. (Aus und Gewissenhaftigkeit in der Durchführung. Folgende
Krettek u. Aschemann 2005) Materialien sind erforderlich:
4 Strumpf, z. B. Tube-Gaze,
4 Polsterwatte,
Das Personal muss regelmäßig durch einen Strahlen- 4 Spezialpflaster zum Abkleben des Manschettenrandes,
schutzbeauftragten gemäß RöV unterwiesen werden. 4 geeignete Manschetten für Arme und Beine von Er-
Weil etliche Operationen in der Traumatologie und wachsenen und Kindern,
Orthopädie unter Durchleuchtung durchgeführt werden, 4 automatische Kompressionseinheit mit Druckrege-
müssen Patient und Personal geschützt werden. Die lung und Zeitschaltuhr.
3 Grundsätze im Strahlenschutz werden im Folgenden auf-
geführt: Die Höhe des Manschettendruckes liegt ausschließlich in
der Verantwortung des Operateurs; die Überwachung ob-
Abstand liegt dem Pflegepersonal.
Die Dosis D nimmt mit dem Quadrat des Abstandes A ab. Am Arm sind Drücke von 200–250 mm Hg, am Bein
Daraus folgt: von 350–450 mm Hg üblich.
4 Ausreichenden Abstand zum Röntgengerät oder Bild- Vom Pflegepersonal müssen die Höhe und die Dauer
wandler halten. des Manschettendruckes exakt dokumentiert werden.
4 Nicht in den Strahlengang geraten.

Aufenthaltsdauer 3.4.4 Anrühren von Knochenzement


Die Dosis wächst proportional mit der Expositionszeit t.
Daraus folgt: Der Knochenzement besteht aus 2 Komponenten, einer
4 Kurze Durchleuchtungszeiten, keine »Dauerdurch- Flüssigkeit und einem Pulver. Häufig ist der Zement mit
leuchtung«. einem antibiotischen Zusatz versetzt. Das Anrühren bei-
4 Tragen eines Dosimeters. der Komponenten kann manuell oder mit einer Vakuum-
4 Dokumentieren der Durchleuchtungszeit. pumpe erfolgen.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
169 3
Die Bestandteile des Knochenzementes (Polymere,
Monomere, freie Radikale) sind i. d. R. während der Ver-
arbeitung sehr aggressiv. Daher werden während des Um-
gangs mit Knochenzement immer doppelte Handschuhe
getragen.
Die Vorbereitung und das Anrühren obliegen dem In-
strumentanten, der einen freien Blick auf eine Uhr mit
Sekundenzeiger haben sollte. Vorbereitet werden:
4 Anrührschale mit Spatel,
4 doppelte Handschuhe,
4 Zementspritze, a
4 Spüllösung gegen Hitzeentwicklung beim Aushärten,
4 vorbereitete Prothese mit entsprechendem Implan-
tierinstrument.

Während der Aushärtung erwärmt sich der Zement stark,


deshalb muss in dieser Zeit mit kalter Ringer-Lösung ge-
spült werden, um Weichteilschäden zu vermeiden.
! Die Vorbereitung muss streng nach Herstelleran-
gabe erfolgen:
b
4 1. Flüssigkeit.
4 2. Pulver o rühren o ruhen lassen o rühren . Abb. 3.9 a Sog. Zementpistole. Mit dem Ratschendrücker wird der
o abfüllen o Applikation. weiche, nicht mehr klebende Knochenzement aus der eingelegten
Genaue Zeitangaben beachten! Kartusche gepresst. b Die Lösung und das Pulver des Knochenzements
werden in den Plastikzylinder gegeben und im Vakuum (mittels Fuß-
Insbesondere für den Schaft empfiehlt sich ein Vakuuman- schalter) verrührt. Durch Lösen der Arretierung komprimiert der Stem-
rührsystem (. Abb. 3.9). pel den Zement ohne Lufteinschluss in der Kartusche. (Fa. Biomet)

3.5 Instrumente, Implantate 3.5.2 Cerclagen und provisorische


und ihre Anwendung Fixierungen

R. Döhler, A. Gudat, S. Mein, K. Seide, Die Drahtumschlingung dient zur vorläufigen Fixierung
Ch. Jürgens, R. Döhler, der Fragmente. Es gibt Platten, die mit Schrauben und spe-
ziellen Stahlkabeln festgesetzt werden können (Dall-Miles,
3.5.1 Allgemeines Fa. Stryker).
Knocheninstrumentarium Ein Draht wird mit einer Drahtführung um den repo-
nierten Knochen gelegt, die Enden werden mit einer Flach-
Zugang und Präparation zange verzwirbelt und mit einem Seitenschneider gekürzt
Das Instrumentarium für Zugang und Präparation ist in und angedrückt.
. Abb. 3.10 bis . Abb. 3.19 dargestellt.

Reposition 3.5.3 Zuggurtung


Um gebrochene Röhrenknochen zu reponieren und Osteo-
syntheseplatten zu halten, werden Repositionszangen be- Die Zuggurtung ist eine Osteosyntheseform, bei der ein-
nötigt (. Abb. 3.20 bis . Abb. 3.24). Bekannt und überall wirkende Zugkräfte in Druckkräfte umgewandelt werden,
vorhanden, aber unpraktisch sind die versetzten Verbrug- meist in Kombination mit einer Drahtspickung.
ge-Zangen mit Ratschen. Viel einfacher und effektiver sind
die rund fassenden Zangen mit schräger Gewindefeststel- kIndikationen
lung (Fa. Ulrich). Bei kleinen Knochen oder Fragmenten 4 Fraktur oder Osteotomie des Olekranons: Dislokation
sind ausladende Spitzzangen mit Ratsche (den Tuchklem- durch den Zug des M. triceps.
men ähnlich) nötig. Am unteren Femurende sind sie in 4 Patellafraktur: Dislokation durch den M. quadriceps,
Maxigröße eine überaus wichtige Hilfe. besonders bei Beugung des Kniegelenkes.
170 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.10 3.11 3.12 3.13

3.14 3.15 3.16 3.17

. Abb. 3.10 Elevatorium (Langenbeck): dient als Hebelinstrument. . Abb. 3.15 Metallhammer oder Kunststoffhammer (Ombrédanne):
(Fa. Aesculap AG) Grundsätzlich sollte mit Metall auf Metall und mit Kunststoff auf
. Abb. 3.11 Scharfer Löffel (Schede): ovale und runde Formen mit Kunststoff geschlagen werden. (Fa. Aesculap AG)
scharfen Kanten, um den Frakturspalt zu säubern. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.16 Osteotome (Lambotte) gibt es in verschiedenen Brei-
. Abb. 3.12 Raspatorium (König): Knochenschaber mit scharfen ten, von 3 mm bis 4 cm. Sie werden zur Abtragung von Osteophyten
Seitenkanten, um das Periost abzuschieben. (Fa. Aesculap AG) und überschießendem Kallus benutzt. Sinnvoll ist dabei ein kleiner,
. Abb. 3.13 Scharfer Knochenhaken (Einzinker), dient der Repositi- leichter Hammer. (Fa. Aesculap AG)
on. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.17 Hohlmeißel (Lexer) in verschiedenen Größen, Formen,
. Abb. 3.14 Hohlmeißelzange (Luer) zum Entfernen von Knochen- Wölbungen. Sie eignen sich zur Muldung oder Glättung von Röhren-
und Knorpelsplittern. (Fa. Aesculap AG) knochen. (Fa. Aesculap AG)
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
171 3

3.18 3.19 3.20 3.21

3.22 3.23 3.24

. Abb. 3.18 Flachmeißel (Lexer). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.22 Patellazange. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 3.19 Knochenhebel stumpf (Hohmann): hält Weichteile . Abb. 3.23 Knochenfasszange (groß, mittel und klein) für Frak-
zurück, hebt Knochen an und dient als Schutz beim Sägen. (Fa. Aes- turreposition und Plattenosteosynthesen von Humerus, Radius,
culap AG) Ulna, Femur und Tibia. (Fa. Ulrich)
. Abb. 3.20 Repositionszange spitz, auch mit Gewindesperre erhält- . Abb. 3.24 Periartikuläre Repositionszange. Mit dieser Zange kön-
lich. Sie reponiert ausladende Knochenfragmente. (Fa. Aesculap AG) nen reponierte perkondyläre Femurfrakturen perkutan gehalten
. Abb. 3.21 Zange mit Zahnsperre. (Fa. Aesculap AG) werden. (Fa. Johnson & Johnson)
172 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.25 3.26 3.27 3.28

3.29 3.30 3.31

. Abb. 3.25 Kirschner-Draht, ein wichtiges Hilfsmittel in der . Abb. 3.31 Titan-Cerclagebänder. a, b Umführungsnadeln (groß
Knochenchirurgie. (Fa. Aesculap AG) und klein), mit denen das Cerclageband um den Röhrenknochen
. Abb. 3.26 Weicher Cerclagedraht, auch mit Öse. (Fa. Aesculap AG) herumgezogen wird. c Cerclateur (Spanngerät). d, e Cerclagebänder;
. Abb. 3.27 Drahtumführung, Hohlnadel. (Fa. Aesculap AG) der optionale Dorn verhindert an Metaphysen das Abrutschen. Die
. Abb. 3.28 Flachzange. (Fa. Aesculap AG) Bänder werden hinter der Lasche umgebogen und mit einem Sei-
. Abb. 3.29 Spitzzange. (Fa. Aesculap AG) tenschneider gekürzt. (Fa. Smith & Nephew)
. Abb. 3.30 Seitenschneider, verschiedene Größen. (Fa. Aesculap AG)
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
173 3
4 Sprengung des Akromioklavikulargelenkes: Dislokati-
on durch den M. sternocleidomastoideus.
4 Abriss oder Osteotomie des Trochanter major: Dislo-
kation durch die kleinen Mm. glutaei.

Für die praktische Umsetzung werden 2 Kirschner-Drähte


und ein Cerclagedraht benötigt. Die beiden Kirschner-
Drähte dienen als innere Gleitschiene und Rotationssiche-
rung. Der Cerclagedraht kann bogen- oder achtförmig
angelegt werden. Die beiden Enden des herumgeführten
Cerclagedrahtes werden mit einer Flachzange oder einer
Drahtspannzange unter Zug verzwirbelt.
Am Olekranon und Trochanter major ist für die dista-
le Fixierung ein Bohrloch sinnvoll. Am Innenknöchel ist
eine Schraube mit Unterlegscheibe praktisch.
Anstelle des Cerclagedrahtes kann auch eine resorbier-
bare Kordel aus Polydioxanon verwendet werden.

Drahtinstrumentarium
Das benötigte Instrumentarium ist in den . Abb. 3.25 bis
. Abb. 3.30 dargestellt. . Abb. 3.32 Batteriebetriebene kleine Bohrmaschine. (Fa. Synthes)

kZusätzliches Instrumentarium
4 Bohrmaschine und Jakobs-Futter, res Allergierisiko als Stahl. Auch hier ist es wichtig, unter-
4 Raspatorium, schiedliche Materialien nicht zusammen zu benutzen.
4 Elevatorium,
> Eine Titanplatte sollte mit Titanschrauben
4 scharfer Löffel oder »Zahnarzthäkchen«,
besetzt werden.
4 bei Bedarf Repositionszange,
Jedes Implantat nur einmal benutzen!
4 Einzinker,
4 Hohmann-Hebel, Es werden Standard- und Kleinfragmentschrauben
4 Dreifachzielbohrbüchse, (Fa. Synthes) und die Instrumente zu ihrem Einbringen
4 2-mm-Bohrer, (. Abb. 3.32 bis . Abb. 3.47) dargestellt.
4 Hammer.
Kortikalisschraube
Titan- und Kunststoffbänder (. Abb. 3.31) sind breiter und Das Standardfragment hat einen Durchmesser (Ø) von
schneiden weniger ein als Drahtschlingen. Sehr bewährt 4,5 mm, das Kleinfragment von 3,5 mm. Wichtige Maße
haben sie sich am Femurschaft, wenn dieser bei Prothesen- der Kortikalisschraube sind in . Tab. 3.1 aufgeführt.
wechseln gefenstert werden musste.

. Tab. 3.1 Wichtige Maße der Kortikalisschraube


3.5.4 Schrauben und Unterlegscheiben
Standardfragment Kleinfragment
Instrumente Ø 4,5 mm Ø 3,5 mm
. Abb. 3.32 bis . Abb. 3.43.
Gewindedurchmesser 4,5 3,5
Schrauben [mm]

Jeder Hersteller hat Implantate und Instrumente auf- Kerndurchmesser 3,0 2,4
[mm]
einander abgestimmt. Bei einer Osteosynthese sollten da-
her niemals Sets unterschiedlicher Firmen verwendet Bohrer [mm] 3,2 2,5 (gold)
werden. Gleitlochbohrer [mm] 4,5 3,5
Instrumente und Implantate werden aus rostfreiem
Gewindeschneider 4,5 3,5 (gold)
Stahl (Chrom-Nickel-Molybdän) oder aus Titan herge-
[mm]
stellt. Titanlegierungen und Reintitan bergen ein geringe-
174 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.33
3 3.39

3.34

3.40

3.35

3.41

3.36

3.42

3.37

3.43

3.38

. Abb. 3.33 Gewindeschneider für Kortikalisschrauben, Durchmes- . Abb. 3.39 DCP-Bohrbüchse 2,7 mm für Neutral- und Kompressi-
ser 4,5 mm, Länge 135/70 mm. (Fa. Synthes) onsstellung. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.34 T-Griffstück mit Schnellkupplung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.40 LC-DCP-Bohrbüchse 3,5 mm für Neutral- und Kompres-
. Abb. 3.35 Kleiner Sechskantschraubendreher mit Haltehülse. sionsstellung. (Fa. Synthes)
(Fa. Synthes) . Abb. 3.41 Steckbohrbüchse 3,5/2,5 mm für lange Zugschrauben.
. Abb. 3.36 Tiefenmessgerät für Schrauben, Durchmesser 4,5– (Fa. Synthes)
6,5 mm. (Fa. Synthes) . Abb. 3.42 Kopfraumfräser für Kortikalisschrauben 4,5 mm.
. Abb. 3.37 Spiralbohrer, Durchmesser 4,5 mm, Länge (Fa. Synthes)
195/170 mm, zweilippig, für Schnellkupplung. (Fa. Synthes) . Abb. 3.43 Selbsthaltende Schraubenpinzette zur Entnahme der
. Abb. 3.38 Doppelbohrbüchse 3,5/2,5 mm. (Fa. Synthes) Schrauben aus den Einsätzen. (Fa. Synthes)
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
175 3
Die Kortikalisschraube wird vorwiegend im kortikalen
Knochen der Diaphyse angewendet und hat ein durchge-
hendes, enges, flaches Gewinde. Es gibt sie selbstschnei-
dend oder so, dass ein Gewindeschnitt als eigener Vorgang
in die Operation eingefügt werden muss. Durch ihren brei-
ten Kerndurchmesser ist die Stabilität im festen Knochen
erhöht. Wenn die Schraube einen Bruchspalt durchquert
und ihn als Zugschraube komprimieren soll, muss sie im
kopfnahen Fragment frei gleiten und im gegenüberlie-
genden Fragment fassen.
Beim Anziehen der Zugschraube wird interfragmen-
täre Kompression erzeugt (. Abb. 3.44).
> Das Schraubenmessgerät gibt die Länge der
Schraube einschließlich Spitze und Kopf an.

jEinbringen einer Kortikalisschraube (Ø 4,5 mm)


Bohrer (Ø 3,2 mm) mit Bohrbüchse → Schraubenmessgerät
(Schraubenlänge einschließlich Schraubenkopf in Millime-
ter) → Gewindeschneider (Ø 4,5 mm) im Handgriffstück je
nach Schraubentyp mit Schutzbüchse → großer Schrauben- . Abb. 3.44 Kortikaliszugschraube
dreher (Sechskant) mit entsprechender Schraube.

jEinbringen einer Kortikalisschraube (Ø 4,5 mm)


als Zugschraube a
Bohrer (Ø 4,5 mm) mit Bohrbüchse (1. Fragment) → Steck-
bohrbüchse (Ø 4,5/3,2 mm) → Bohrer (Ø 3,2 mm; 2. Frag-
ment) → evtl. Kopfraumfräse → Schraubenmessgerät →
b
Gewindeschneider (Ø 4,5 mm) mit Bohrbüchse → großer
Schraubendreher mit entsprechender Schraube, evtl. mit
Unterlegscheibe.
Bei der Titan-Kortikalisschaftschraube ist der Schaft- c
durchmesser gleich dem Gewindedurchmesser. Somit er-
höht sich die Widerstandsfähigkeit beim Einsatz als Zug-
3.45
schraube. Ein Gewinde muss ebenfalls geschnitten werden
(Schaft Ø 3,5/4,5 mm; Gewinde Ø 3,5/4,5 mm). Die Ein-
gangskortikalis muss mit dem 3,5- bzw. 4,5-mm-Bohrer a
erweitert werden.
Beim Eindrehen der selbstschneidenden Kortikalis-
b
schraube entsteht eine größere Wärmeentwicklung als bei
den herkömmlichen Kortikalisschrauben. 3.46

Spongiosaschraube
. Abb. 3.45 Spongiosaschraube 6,5 mm. a Gewindelänge 16 mm,
Das Standardfragment hat Ø 6,5 mm, das Kleinfragment b Gewindelänge 32 mm, c Vollgewinde. (Fa. Synthes)
Ø 4,0 mm. . Abb. 3.46 Kleinfragmentspongiosaschraube mit (a) kurzem und
Die Spongiosaschraube wird vorwiegend in der Epi- (b) langem Gewinde. (Fa. Synthes)
und Metaphyse des Knochens (= spongiöser, weicher Kno-
chen) eingesetzt. Die Spongiosaschraube besitzt einen
dünnen Kern und ein tiefes Gewinde. Neben den Schrau- durch kann die Entfernung dieser Schraube große Pro-
ben mit durchgehendem Gewinde gibt es solche mit unter- bleme bereiten.
schiedlicher Gewindelänge, sog. Schaftschrauben (. Abb. Die Verwendung eines Gewindeschneiders kann gele-
3.45 und . Abb. 3.46). Während der Knochenheilung kann gentlich in der Eingangskortikalis nötig sein. Durchquert
die Kortikalis den gewindefreien Schaft einmauern, da- die Spongiosaschraube einen Frakturspalt, sollte sie als
176 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.47

3.48 3.49

. Abb. 3.47 Kanülierte Schraube. Unter Bildwandlerkontrolle wird . Abb. 3.48 Malleolarschraube 4,5 mm mit verschiedenen Gewin-
der Führungsdraht korrekt platziert. Nach dem Überbohren und Ge- delängen. (Fa. Synthes)
windeschneiden wird die längengerechte Schraube über den Draht . Abb. 3.49 Metallunterlegscheibe. (Aus Müller et al. 1992/1997)
eingedreht. (Fa. Smith & Nephew GmbH, Marl)

Zugschraube eingesetzt werden; das Gewinde fasst nur im sären Knochens und werden bei Spongiosa- und Malleolar-
Gegenfragment. Ein besonderes Bohrmanöver ist dafür schrauben verwendet. (. Abb. 3.49).
nicht erforderlich; es muss die entsprechende Gewindelän- Verwendung:
ge ausgewählt werden. 4 Ø 7,0 mm für Kleinfragmentspongiosaschrauben,
Durchbohrte Spongiosaschrauben werden in verschie- 4 Ø 13 mm für Standardspongiosaschrauben.
denen Größen angeboten und können über einen Kirsch-
ner-Draht gezielt eingebracht werden. Mit diesen Schrau- Unterlegscheiben mit Zackenkranz ermöglichen die Fixie-
ben wird auch ein perkutanes Vorgehen ermöglicht. Die rung von Bändern und Sehnen am Knochen, ohne dabei
AO (Fa. Synthes) hat für diese Schrauben ein spezielles In- zu Drucknekrosen zu führen. Sie sind aus Kunststoff gefer-
strumentarium entwickelt (. Abb. 3.47). tigt und zur Darstellung im Röntgenbild mit einem feinen
. Tab. 3.2 zeigt die wichtigsten Maße der Spongiosa- Metallring versehen.
schraube.

jEinbringen einer Spongiosaschraube (Ø 6,5 mm) . Tab. 3.2 Wichtige Maße der Spongiosaschraube
Bohrer (Ø 3,2 mm) mit Bohrbüchse → Schraubenmessge-
Standardfragment Kleinfragment
rät → (selten Gewindeschneiden mit Ø 6,5 mm) → großer Ø 4,5 mm Ø 3,5 mm
Sechskantschraubendreher mit entsprechender Schraube.
Beim Einbringen einer Spongiosaschaftschraube soll Gewindedurchmesser 6,5 4,0
[mm]
bei harter Eingangskortikalis mit dem 4,5-mm-Bohrer
vorgebohrt werden. Kerndurchmesser 3,0 1,9
[mm]
Malleolarschraube (Ø 4,5 mm) Bohrer [mm] 3,2 2,5 (gold)
Anwendung nur im spongiösen metaphysären Knochen, Gleitlochbohrer Keiner Keiner
wenn keine große Zugbeanspruchung erwartet wird. Gewindeschneider 6,5 4,0
Ihr Gewinde entspricht dem der Kortikalisschraube [mm]
(Ø 4,5 mm). Sie besitzt eine speziell geformte Trokarspitze,
durch die sie sich im spongiösen Knochen ihr Gewinde
selbst herstellen kann. Daher wird ein Gewindeschneider . Tab. 3.3 Wichtige Maße der Malleolarschraube
selten benötigt. Die Malleolarschraube hat ein halbes Ge-
winde und einen glatten Schaft (. Abb. 3.48). Eingesetzt Standardfragment Ø 4,5 mm
wird sie v. a. am unteren Tibiaende (Innenknöchel).
Gewindedurchmesser [mm] 4,5
. Tab. 3.3 zeigt die wichtigsten Maße der Malleolar-
schraube. Kerndurchmesser [mm] 3,0
Bohrer [mm] 3,2
Unterlegscheiben Gleitlochbohrer Keiner
Die Unterlegscheiben verhindern das Einsinken des Schrau-
Gewindeschneider Selten! 4,5 mm
benkopfes in die dünne Kortikalis des meta- oder epiphy-
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
177 3
3.5.5 Platten

Jede Platte kann mehrere Funktionen erfüllen:


4 Kompression: Die Fraktur wird in Längsrichtung des
Knochens durch Spannung komprimiert.
4 Neutralisation: Die Platte soll reponierte Fragmente
halten und Biege- und Rotationskräfte neutralisieren.
Beispiel: distale Fibulafraktur (7 Abschn. 3.6.14).
4 Abstützung: Die Platte soll ein Abrutschen gelenkna-
her Frakturteile verhindern oder einer Spongiosaan-
lage Halt bieten.
Beispiel: Tibiakopffraktur (7 Abschn. 3.6.13). . Abb. 3.50 Vorwölbung der Platte zur Kompression von Querbrü-
chen. (Nach Müller et al. 1992)

Zur Kompression von Querbrüchen sollte eine Platte


vor dem Anbringen etwas vorgewölbt werden, um auch
die Gegenseite der Fraktur zusammenzudrücken
(. Abb. 3.50).
Die Instrumente zum Zurichten und Anbringen
der Platten sind in den . Abb. 3.51–. Abb. 3.56 darge-
stellt.

Spann-Gleitloch-Platten
jDCP (»dynamic compression plate«) 3.51
4 Eine axiale Kompression ist ohne Spanngerät durch
die ovalen und einseitig schrägen Plattenlöcher mög-
lich. Die schräge Unterseite des Schraubenkopfes glei-
tet dabei auf dem schrägen Rand des Plattenloches
nach unten und drückt damit die Platte zur Seite. Die
3.52
Schrauben können exzentrisch und zentrisch einge-
setzt werden. Mehrere Fragmente können einzeln
komprimiert werden.
4 Jede exzentrisch eingedrehte Schraube bringt Kom-
pression von 1 mm (pro Hauptfragment sind 2 exzen-
trische Schrauben möglich). 3.53
4 Es werden spezielle zentrische und exzentrische DCP-
Bohrbüchsen verwendet. . Abb. 3.51 Plattenspanner mit Gelenken, Spannweg 20 mm. Farb-
4 Die Kombination mit einer interfragmentären Zug- skala: gelb bis 500 N, grün bis 1000 N, rot über 1000 N. (Fa. Synthes)
schraube ist möglich. . Abb. 3.52 Kardanschlüssel 11 mm für Plattenspanner. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.53 Biegeschablone für DCP 4,5 und LC-DCP 4,5 (in 3 Län-
gen). (Fa. Synthes)
jAnwendung
DC-Platte 3,5 für Ulna und Radius (. Abb. 3.57).
Die exzentrische Bohrbüchse
jKugelgleitprinzip 4 ist gelb,
Der Schraubenkopf gleitet im ovalen und abgeschrägten 4 wird nur für Spannschrauben verwendet,
Plattenloch (. Abb. 3.58). 4 platziert die Schraube auf dem schmalen Plattenloch-
Zum korrekten Anbringen der Platte sind die DCP- zylinder, 1 mm von der Endposition entfernt.
Bohrbüchsen oder die Universalbohrbüchse notwendig.
Die neutrale oder zentrische Bohrbüchse Der maximale Spannweg einer Schraube beträgt 1 mm
4 ist grün, (50–80 kp). Der Pfeil auf der exzentrischen Bohrführung
4 wird am häufigsten verwendet, muss immer in Richtung Fraktur oder Osteotomie zeigen.
4 platziert die Schraube mit bestmöglichem Halt im Wichtig ist, dass zuerst die Spannschrauben frakturnah
Plattenloch. eingesetzt werden, da sonst die Fragmente auseinander-
weichen.
178 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

DC-Platteneinsatz bei verschiedenen


Frakturen
Vorgehen bei Querbrüchen
In neutraler Stellung wird die Platte mit einer ersten
Schraube fixiert. Es folgt die zweite Schraube, die exzent-
risch im Gegenfragment fixiert wird. Alle weiteren Schrau-
3 ben werden zentrisch eingebracht. Damit wird ein Spann-
weg von 1 mm erreicht.
Soll mehr Kompression erzielt werden, werden beide
Schrauben exzentrisch eingesetzt und dann wechselseitig
angezogen (2-mm-Spannweg).
Zusätzlich kann im selben Fragment eine zweite Spann-
3.54 schraube angebracht werden. Die erste Spannschraube
muss etwas gelöst werden, die zweite wird fest angezogen,
dann wieder die erste. Verfährt man im Gegenfragment
genauso, wird der maximale Spannweg von 4 mm er-
reicht.

Vorgehen bei Stückfrakturen


Es ist möglich, die verschiedenen Fragmente nacheinander
zu komprimieren (. Abb. 3.59).

Vorgehen bei Schrägbrüchen


3.55
DC-Platte und interfragmentäre Zugschraube: Gleitloch
(4,5 mm) vorbereiten; Platte so verschieben, dass die Bohr-
büchse exzentrisch zu liegen kommt; Anbringen einer
Neutralschraube im Gegenfragment. Im ersten oder zwei-
ten Plattenloch neben der Bohrbüchse wird eine exzent-
3.56
rische Schraube eingesetzt (. Abb. 3.59b). Platzieren der
Zugschraube (. Abb. 3.59c). Diese Schraube komprimiert
den plattenfernen Bruchspalt. Alle restlichen Schrauben
werden neutral eingebracht.

DC-Platte mit Plattenspanner


3.57 4 Anwendung, wenn stärkere Kompression erwünscht
ist (>80 kp), sehr selten nötig.
. Abb. 3.54 Biegepresse für Platten. (Fa. Synthes) 4 Verwendung der grünen, zentrischen DCP-Bohr-
. Abb. 3.55 Biegezange für Platten. (Fa. Synthes) büchse.
. Abb. 3.56 Schränkeisen für LC-DCP 4,5 und DCP 4,5. (Fa. Synthes)
4 Wenn möglich, sollte zusätzlich eine interfragmentäre
. Abb. 3.57 Schmale DC-Platte 3,5 für Ulna und Radius. (Fa. Synthes)
Zugschraube eingesetzt werden.

Die etwas überbogene Platte mit einer Schraube fraktur-


nah befestigen und gegen die Fraktur ziehen (. Abb. 3.60).
Im Gegenfragment die Distanzbohrbüchse am Plattenen-
de einsetzen; 3,2-mm-Bohrer; messen; 4,5-mm-Gewinde-
schneider; Plattenspanner in die Nut einhängen und mit
einer Kortikalisschraube befestigen; leichtes Anziehen des
Plattenspanners mit dem Kardanschlüssel (. Abb. 3.60);
restliche Schrauben im plattenspannerfernen Fragment
neutral anbringen; Spannen des Gerätes; neutrales Beset-
zen der noch freien Plattenlöcher. Entfernen des Platten-
spanners (Kortikalisschraube verwerfen!). Besetzen des
. Abb. 3.58 Kugelgleitprinzip. (Aus Müller et al. 1992/1997) letzten Plattenloches.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
179 3

a
a

. Abb. 3.60a, b Mit dem Plattenspanner kann die reponierte Frak-


tur verstärkt komprimiert werden. Nötig ist das nur mit Winkelplat-
ten bei Osteotomien. (Nach Müller et al. 1992/1997)
b

b
c

. Abb. 3.59a–c DC-Platte: Kompression durch DC-Platte; interfrag- . Abb. 3.61 a LC-DC-Platte, b schematische Darstellung. (Nach
mentäre Kompressionsschraube. (Nach Texhammar u. Colton 1994) Müller et al. 1992/1997)

LC-DC-Platte (»limited contact DCP«) ermöglicht die Bohrungen in Neutral-, Schräg- oder
4 Sie ist die Verbesserung der DCP und wird vorwie- Kompressionsstellung und den Einsatz der Bohrer/
gend angewendet. Gewindeschneider Ø 4,5–3,2 mm und Ø 3,5–2,5 mm
4 Sie besteht aus Reintitan, das weniger Allergien aus- (Kleinfragment).
löst als Stahl (s. oben). 4 Auch die neutrale LC-DCP-Bohrbüchse hat einen
4 Aussparungen an der knochenzugewandten Seite mi- Pfeil, der immer zur Fraktur zeigen muss (Ausnahme:
nimieren die Plattenauflagefläche. Durchblutungsstö- Wenn die Platte in Abstützfunktion am Tibiakopf an-
rungen des Knochens werden so verringert. gebracht werden soll, muss der Pfeil von der Fraktur
4 Außerdem besitzen die unterschnittenen Plattenlö- weg zeigen).
cher 2 schiefe Ebenen, sodass Kompression zu beiden 4 Die LC-DC-Platte verlangt Titanschrauben. Spezielle
Seiten hin möglich ist. Die Platte hat kein lochfreies Kortikalisschaftschrauben (7 Abschn. 3.5.4) eignen
Mittelteil (. Abb. 3.61). sich aufgrund ihrer Stabilität als interfragmentäre
4 Es werden spezielle LC-DCP-Bohrbüchsen oder die Zugschrauben und Kompressions- oder Spann-
Universalbohrbüchse (. Abb. 3.40) benötigt. Letztere schrauben.
180 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

4 Wie die DCP gibt es die LC-DC-Platte im Standard-


fragment in breit und schmal sowie als Kleinfrag-
mentplatte. Sie wird wie die DCP angewendet.
3.62 Drittelrohrplatten
Von den sog. Rohrplatten haben sich nur die Drittelrohr-
3 platten (. Abb. 3.62) durchgesetzt. Am Außenknöchel ha-
ben sie sich bewährt und sind kostengünstig.
3.63
Rekonstruktionsplatten
4 Dreidimensional biegbar mit 2 Schränkeisen.
4 Gerade Platten (. Abb. 3.63) sind im Standard- und
Kleinfragment enthalten, z. B. für Verletzungen im
Beckenbereich.

Spezialformen
Diese Platten sind für besondere anatomische Gegeben-
heiten entwickelt worden (. Abb. 3.64 und . Abb. 3.65). In
erster Linie dienen sie der Abstützung im gelenknahen Be-
reich, d. h. sie verhindern ein Absinken und bilden das
Widerlager für Schrauben in diesen Knochenabschnitten.
Etliche dieser Platten sind auch in Reintitan erhältlich.
Allen im Standardfragment enthaltenen Platten sind fol-
3.64a 3.64b gende Merkmale gemeinsam:
4 In den Plattenkopfbereich können Spongiosaschrau-
ben eingebracht werden.
4 Im Plattenschaft befindet sich ein längliches Loch,
durch das eine interfragmentäre Zugschraube oder
eine Kortikalisschraube zur vorläufigen Plattenfixie-
rung eingesetzt werden kann.
4 Das Einsetzen eines Plattenspanners ist möglich.
4 Die Lochangabe der Platte entspricht der Anzahl der
Schaftlöcher.
4 Ein Nachbiegen der Platten ist möglich.

Winkelplatten
4 Der Winkel wird zwischen Klinge und Schaft gemessen.
4 Die Löcher sind wie bei den geraden breiten Platten
versetzt.
4 Sie werden als Rundloch- oder als DC-Platten herge-
stellt.
3.65a 3.65b
4 Es werden die Schrauben des Standardfragments be-
nötigt.
. Abb. 3.62 Drittelrohrplatte. (Fa. Synthes) 4 Die Winkelplatten haben eine U-förmige Klinge; für
. Abb. 3.63 Rekonstruktionsplatte 3,5. Mit der Biegezange und
Kleinkinder gibt es T-förmige Profile.
den Schränkeisen kann sie gebogen und verdreht werden. Es gibt
sie auch aus Titan mit winkelstabilen Schrauben. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.64 a Vorgeformte (winkelstabile) Mayo-Klavikulaplatte. Osteotomieplatten
(Acumed, Fa. Ortho Aktiv). b Vorgeformte Platte mit winkelstabilen 4 130°-Winkelplatte (. Abb. 3.66) für intertrochantäre
Schrauben zur Versorgung von Mehrfragmentbrüchen des Hume- Valgisierung.
ruskopfes. (Fa. Oeka Medizintechnik)
4 Rechtwinkelplatte (. Abb. 3.67) für intertrochantäre
. Abb. 3.65 a Proximale Tibiaplatte mit winkelstabilen Schrauben
zur Versorgung von Tibiakopfbrüchen. b Röntgenbefund nach ope- und suprakondyläre Varisierung.
rativer Versorgung mit einer proximalen Tibiaplatte. (Fa. Oeka Medi-
zintechnik) Weiteres Instrumentarium zeigt . Abb. 3.68 bis . Abb. 3.73.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
181 3

3.70

3.71
3.66 3.67

3.68

3.72

3.69 3.73

. Abb. 3.66 130°-Winkelplatte für intertrochantäre Valgisierung. . Abb. 3.69 Schlitzhammer zum Ausschlagen der Vorschlagklinge.
(Fa. Synthes) (Fa. Synthes)
. Abb. 3.67 Sogenannte Rechtwinkel- oder Hüftplatten sind für die . Abb. 3.70 Ein- und Ausschlaginstrument mit verstellbaren
intertrochantären und suprakondylären Umstellungsosteotomien Klemmbacken für Erwachsenenwinkelplatten und Hüftplatten für
des Femurs unverzichtbar. Sie haben eine Bogentiefe von 10, 15 Jugendliche und Kinder. (Fa. Synthes)
oder 20 mm und verschiedene Klingenlängen mit U- oder T-Profil. . Abb. 3.71 Nachschlagbolzen für Winkelplatten. (Fa. Synthes)
Dazu werden immer Plattenspanner benötigt. (Fa. Synthes) . Abb. 3.72 Dreieckige Zielplatte mit verschiedenen Winkeln: 40-
. Abb. 3.68 a Plattensitzinstrument; der Winkel der aufgescho- 50-90°, 30-70-80°, 20-60-100°. Mit einer Kocher-Klemme lassen sich
benen Führungsplatte ist stufenlos verstellbar b Vorschlagklinge mit diese Plättchen gut halten. (Fa. Synthes)
U-Profil für Erwachsenenwinkelplatten. (Fa. Synthes) . Abb. 3.73 Zapfenfräser zum Aufweiten des vorgebohrten Klin-
geneinschlags. (Fa. Synthes)

3.5.6 Winkelstabile Osteosynthesesysteme Winkelstabile Osteosynthesesysteme sind seit Beginn


der 1990er-Jahre erhältlich und haben in den letzten Jahren
K. Seide, Chr. Jürgens deutlich an Bedeutung gewonnen. Vorläufer waren entspre-
chende Implantate im Wirbelsäulenbereich, bei denen Längs-
Winkelstabile Implantatsysteme sind gekennzeichnet durch träger, Stäbe oder Platten winkelstabil mit Pedikelschrauben
eine Verblockung der Schraubenköpfe im Plattenloch. verbunden sind (7 Abschn. 3.6.1). Die Idee der Winkelstabi-
182 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Eine Verbesserung der Vielseitigkeit und Vereinfa-


chung der Implantation ergab sich durch die Entwicklung
der multidirektional winkelstabilen Systeme. Während bei
den unidirektionalen Systemen der Winkel der Schraube
gegenüber der Platte durch die festen Gewindegänge vor-
gegeben ist, erlauben multidirektional winkelstabile Syste-
3 me ein Einbringen der Schrauben in die Platte in einem
variablen Winkel, wie es von herkömmlichen nicht winkel-
stabilen Plattensystemen bekannt ist (7 Abschn. 3.5.5).

Prinzip
Unidirektional winkelstabile Implantate
. Abb. 3.74 Unidirektionale Winkelstabilität (LISS für das distale Fe-
Gewindetragender Schraubenkopf und komplementäres
mur). (Fa. Synthes) Gewinde im Plattenloch.
Beispiele: LISS (»less invasive stabilisation system«;
. Abb. 3.74) für Ober- und Unterschenkel, Philosplatte für
den proximalen Oberarm, PCfix für den Unterarm, CCP
(»locked compression plate«; Fa. Synthes, AO; . Abb.
3.75), Fußsysteme (Fa. Darco), winkelstabile Platten für
distalen Radius und proximalen Humerus (Fa. Königsee).

Multidirektional winkelstabile Implantate


4 Gewinde am Schraubenkopf sowie Lippe im Schrau-
benloch der Platte (. Abb. 3.76). Durch verschiedene
Materialhärten (Schraubenkopf: hartes Titan, Platte;
weiches Titan) erfolgt beim Eindrehen des Schrau-
benkopfes eine Umformung im Plattenloch, welche
zu einer festen Verbindung führt.
. Abb. 3.75 Unidirektionale Winkelstabilität (LCP). Die eine Hälfte
des Doppellochs hat ein Gewinde. (Fa. Synthes)
Beispiele: TiFix-Implantate für nahezu alle Körperre-
gionen (Fa. Litos, . Abb. 3.77), Smartlock für Hand
und distalen Radius (Fa. Stryker Leibinger).
4 Verblockung einer Schraube ohne Gewinde im
Schraubenkopf, welche in einem beliebigen Winkel
eingebracht ist, durch ein zusätzliches Verklem-
mungselement.
Beispiel: NCB-System für den proximalen Humerus
oder das distale Femur (Fa. Zimmer).
4 Fixation einer im variablen Winkel eingebrachten
Schraube ohne Gewinde am Schraubenkopf durch
Verklemmung mit einem zusätzlich aufgebrachten
Plättchen.
Beispiel: Druckplattenfixateur (Fa. Litos).
4 Verwendung eines Gewindeschneiders oder -drän-
gers, mit dem das Gewinde im Plattenloch intraope-
. Abb. 3.76 Prinzip der multidirektionalen Winkelstabilität rativ in einer wählbaren Richtung erzeugt wird.
Beispiele: Option bei Tifix (Fa. Litos), Mayo Clinic
Congruent Elbow Plates (Fa. Acumed).
lität ist jedoch weitaus älter, so hat Reinhold (1932) in einem
Patent für eine Osteosyntheseplatte vorgeschlagen, die Biomechanik
Schraubenköpfe mit einem Gewinde zu versehen, welches Biomechanisch unterscheiden sich interne Fixateure trotz
in einem entsprechenden Gewinde der Platte verankert ist. ihrer äußerlichen Ähnlichkeit grundlegend von herkömm-
Auf diesem Prinzip beruhen viele winkelstabile Systeme, die lichen Plattenimplantaten. Mechanisch sind sie eher mit
sog. unidirektional winkelstabilen Implantate. den externen Fixateuren verwandt (daher der Name).
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
183 3
Während bei nicht winkelstabilen Systemen die Last-
übertragung vom Knochen auf die Platte durch Reibung
erreicht wird, indem die Platte durch Schrauben auf den
Knochen gepresst wird, erfolgt beim internen Fixateur die
Lastübertragung auf die Platte über die Schraube, die im
Sinne eines tragenden Balkens wirkt. Ebenso wird ein Kip-
pen der Schrauben unter Belastung, welches zu hohen
punktförmigen Belastungen im Knochen führt, vermieden.
Der biomechanische Unterschied wird besonders da-
durch deutlich, dass ein Kontakt zwischen Platte und Kno-
chen prinzipiell nicht notwendig ist; eine Abstützung der
Platte am Knochen kann jedoch die Stabilität zusätzlich
erhöhen.

Vorteile
4 Günstige Lastübertragung zwischen Knochen und a
Implantat.
4 Deutliche Erhöhung der Verankerungsfestigkeit in
kurzen gelenknahen Fragmenten. Hier findet die her-
kömmliche Platte nur eine geringe Auflagefläche zur
Übertragung der Last durch Druck.
4 Keine Störung der Knochenperfusion durch Anpress-
druck der Platte.
4 Bei mehreren Schrauben Rahmenkonstruktion mit
zusätzlicher Festigkeit.
4 Hieraus ergeben sich insbesondere Vorteile bei der
Verankerung im osteoporotischen Knochen.
4 Durch die Einführung der winkelstabilen Implantate
ergab sich die optimierte Möglichkeit zur Anwen-
dung kurzer Schnitte und der kurzstreckigen Veran-
kerung des Implantates lediglich an den Enden der
Platte (minimal-invasive Technik). Durch die sta-
bilere winkelfeste Verankerung können auch größere
Frakturbereiche überbrückt werden. Minimal-inva- b
sive Zugänge verringern den Weichteilschaden an der
Haut und führen i. d. R. zu schnellerer und sicherer
Heilung der Weichteile. Die Überbrückung bietet zu-
sätzlich den Vorteil, dass eine Perfusionsstörung
durch Freilegen der Fraktur vermieden wird.

kIndikationen
4 Proximaler Humerus: Hier wirken sich die Vorteile
der Winkelstabilität besonders aus, da i. d. R. eine
verminderte Knochenqualität mit kleinen gelenkna-
hen Fragmenten gemeinsam auftritt.
4 Distaler Radius: Winkelstabile Schrauben stützen die
Gelenkfläche besonders gut ab, sodass i. d. R. eine
Übungsstabilität erreicht werden kann. c
4 Distales Femur: Hier ermöglicht das winkelstabile
Implantat insbesondere die Rekonstruktion multi- . Abb. 3.77 Beispiele für multidirektional winkelstabile Implantate.
a Multidirektional winkelstabile Schrauben beim internen Fixateur
fragmentärer Brüche mit gelenknahen Fragmenten.
für den proximalen Humerus (Tifix). b Beispiele für verschiedene
4 Tibiakopf: Die winkelstabile Abstützung der Gelenk- Plattendesigns der internen Fixateure für den distalen Radius (Tifix,
fläche auch bei kurzen Fragmenten ist hier ebenfalls prinzipiell gleiche Platten bei den anderen Systemen). c Platte des
von Vorteil. Kalkaneus-Fixateurs interne (Tifix). (Fa. Litos)
184 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

4 Distale Tibia: Auch hier werden kurze gelenknahe


Fragmente durch die winkelstabile Verankerung opti- der Platte mit einem Gewindedränger oder
mal stabilisiert. -schneider (. Abb. 3.78).
4 Kalkaneus: Die Abstützung kleiner gelenktragender 7 In Abhängigkeit vom System: Montage von Fixati-
Fragmente ist bereits mit einer winkelstabilen Schrau- onselementen zum Erreichen der Winkelstabilität
be möglich. auf den Schraubenkopf nach dem Eindrehen der
3 4 Fußskelett: Winkelstabile Implantate finden zuneh- Schrauben.
mend wegen der auftretenden hohen Kräfte bei klei- 7 In Abhängigkeit vom System: Montage zusätzlicher
nen Dimensionen Verwendung. Plättchen zum Verblocken der Schraubenköpfe.
7 Cave: Für verschiedene Systeme ist das Eindrehen
kLagerung des Schraubenkopfes in die Platte mit einem
4 Entspricht der Lagerung bei anderen Osteosynthese- Drehmomentschraubendreher vorgeschrieben.
verfahren.
4 Bei minimal-invasivem Zugang ist auf die Möglich-
keit der Durchleuchtung zu achten. Nachbehandlung
4 Bei proximalen Humerusfrakturen in Abhängigkeit
von der Knochenqualität Übungsstabilität oder Ru-
Minimal-invasiver Zugang
higstellung im Gilchrist-Verband mit Beübung aus
7 Festlegen der Plattenlage vor dem Zugang, unter dem Verband heraus.
Durchleuchtungskontrolle. 4 Bei distalen Radiusfrakturen i. d. R. Übungsstabilität.
7 Kurze Inzisionen (ca. 3 cm) am proximalen und 4 Bei distalen Femurfrakturen sowie Tibiakopffrakturen
distalen Ende des markierten Bereiches. i. d. R. Teilbelastung 10 kg und Übungsstabilität.
7 Mit einem speziellen Raspatorium wird von einer 4 Bei distalen Tibiafrakturen Teilbelastung 10 kg und
der Wunden aus auf dem Periost ein Tunnel ge- Übungsstabilität.
schaffen, einige Implantate haben für diesen 4 Bei Kalkaneusfrakturen i. d. R. Entlastung für 3 Monate.
Zweck einen Anschliff an einem Ende.
7 Einführen der Platte subkutan bzw. submuskulär. Materialentfernung
Durchleuchtungskontrolle der Plattenlage und 4 Das Vorgehen entspricht der Materialentfernung bei
Reposition. herkömmlichen Plattensystemen.
4 Besondere Vorsicht ist geboten, da beim Herausdre-
hen der Schrauben zunächst für das Lösen der Ver-
blockung der Schraube in der Platte erhöhte Kraft
Montagetechnik aufgewendet werden muss (abhängig vom System).
7 Einbringen zunächst je einer nicht winkelstabilen
Schraube (»Montageschrauben«) proximal und
distal der Fraktur, hierdurch wird die Platte an den 3.5.7 Marknagelung
Knochen herangezogen.
7 Belegen der weiteren Schraubenlöcher mit win- R. Döhler, A. Gudat, S. Mein
kelstabilen Schrauben.
7 Auswechseln der Montageschrauben durch end- Das Prinzip der Marknagelung wurde 1940 von Gerhard
gültige winkelstabile Schrauben. Küntscher in Kiel entwickelt.
7 In Abhängigkeit vom System: Bei unidirektional
winkelstabilen Systemen wird für das Bohren der Definition
Schraubenlöcher eine Zielhülse, welche zum Boh- Der Marknagel ist ein intramedullärer Kraftträger, d. h.
ren in das mit dem Gewinde versehene Schrau- eine Schienung des gebrochenen Knochens in seiner
benloch der Platte eingedreht wird (LCP), oder ein Markhöhle.
an der Platte zu befestigender externer Zielbügel
(z. B. LISS) verwendet. Hierdurch ist ein exakter
Winkel für die Bohrung gewährleistet. Die Marknagelung ist bei vielen Brüchen des Femurs, der
7 In Abhängigkeit vom System: Nach dem Bohren in Tibia und des Humerus ein bewährtes Verfahren, das an
einem Zwischenschritt Formung des Gewindes in Bedeutung eher gewinnt als verliert. So sind die retrograden
6 Femurmarknägel und die halbelastischen Federnägel für
kindliche Schaftfrakturen interessante Neuentwicklungen.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
185 3
Vorteile der Marknägel
4 Der Bruch braucht meistens nicht freigelegt zu wer-
den, die einzelnen Fragmente bleiben in ihrem
Weichteilverbund liegen (geschlossene Marknage-
lung).
4 In komplizierten Fällen sind offene Repositionen und
zusätzliche Fragmentsicherungen mit Cerclagen
möglich (offene Marknagelung).
4 Kurze Operationsdauer.
4 Geringes OP-Trauma.
4 Geringer Blutverlust.
4 Kurze postoperative Liegedauer.
4 Keine besondere Nachbehandlung.
4 Rasche Belastungs- oder Übungsstabilität.

Formen
. Abb. 3.78 Gewindedränger zur Formung des Gewindes im Plat-
Die vielen modernen Marknägel unterscheiden sich vom
tenloch. (Tifix, Fa. Litos)
klassischen Küntscher-Nagel in 2 Prinzipien:
4 Sie lassen sich am oberen und unteren Ende mit Bol-
zenschrauben verriegeln. Retrograder Nagel
4 Man kann zwischen unaufgebohrten und aufge- Die retrograden Nägel werden von distal in den Humerus
bohrten Marknägeln wählen. oder durch das Kniegelenk in den Femurschaft eingeschla-
gen. Am Femur bedeutet das zwar eine Arthrotomie, aber
Aufgebohrter Marknagel kniegelenknahe Brüche des unteren Femurendes lassen
Der Markraum wird aufgebohrt, und der Nagel kann durch sich mit den üblichen Marknägeln weder korrekt reponie-
ein Gerät eingeschlagen und entfernt werden, das durch ren noch dauerhaft halten.
ein Gewinde im aufgeweiteten oberen Nagelende einge- Eine interessante Neuentwicklung sind die langen un-
dreht werden kann. aufgebohrten retrograden Titannägel, deren Spitze im
Der Nagel besteht aus einem längs geschlitzten Hohl- oberen Femurende sagittal verriegelt werden kann. Ob
stahl in Kleeblattform; diese Form gewährleistet eine viel sich diese Nägel als praktische Alternative in der Routine-
größere Steifigkeit als ein einfaches Rohr. Aufgebohrte versorgung von Schaftfrakturen erweisen, bleibt abzu-
Marknägel gibt es in verschiedener Länge und Stärke. warten.
4 Femurnägel sind in ihrem oberen Anteil gerade. Es
gibt rechte und linke, da die proximale Verriegelungs- Verriegelung
schraube schräg eingebracht werden muss. Ein Marknagel kann an einem Ende (dynamisch) oder an
4 Tibianägel sind in ihrem oberen Anteil abgewinkelt. beiden Enden (statisch) verriegelt werden. Dabei werden
Hierdurch wird das Einschlagen erleichtert. Es wird proximal und/oder distal der Fraktur selbstschneidende
nicht in rechts und links unterschieden. Schrauben durch den Knochen eingebracht.

Unaufgebohrter Marknagel Statische Verriegelung


Die unaufgebohrten Marknägel sind meistens aus Titan Die statische Verriegelung verhindert, dass
gefertigt. Sie werden in die nichtaufgebohrte Markhöhle 4 reponierte Trümmerbrüche an Länge verlieren,
der Tibia oder des Femurs eingeschlagen. Als Vorzüge der 4 sich ein Knochenende über dem einliegenden Mark-
unaufgebohrten Marknägel gelten: nagel verdreht.
4 der Wegfall des Bohrungstraumas,
4 der Wegfall des Totraumes beim gebohrten Nagel, kIndikationen
4 beim Titannagel das geringere Infektionsrisiko, 4 Trümmerbrüche, Knochendefekte, Etagenfrakturen,
4 die Stimulation der Knochenbildung. 4 jeder unaufgebohrte Marknagel.
4 Einige neue Systeme bieten zusätzlich eine Kompres-
sionsmöglichkeit. Dynamische Verriegelung
Bei der dynamischen Verriegelung werden nur an den Stel-
Diese Technik wird der gebohrten Marknagelung in den len Verriegelungsschrauben eingebracht, an denen keine
meisten Fällen vorgezogen. Rotationsstabilität gewährleistet ist.
186 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.5.8 Gammanagel

Dieses System (Fa. Stryker-Howmedica; . Abb. 3.79) ver-


einigt die Vorteile eines intramedullären Kraftträgers im
Femurschaft und einer Gleitlochschraube im Schenkel-
hals.
3 Ähnliche Systeme sind u. a. der proximale Femur-
nagel (PFN, Fa. Synthes) und der Gleitnagel (Fa. Endo-
care).
Subtrochantäre Femurfrakturen eignen sich besser
für den Einsatz des Gammanagels als pertrochantäre.

Aufbau des Gammanagels


4 Schenkelhalsschraube (Ø 10,5 mm): Diese Schraube
kann in verschiedenen Winkeln durch den Marknagel
eingebracht werden (120°, 125°, 130°). Die Schraube
ist an ihrer Spitze abgeflacht, um Penetrationen im
Hüftkopf zu vermeiden. In die Längsrille ihres
Schaftes passt der Verriegelungsbolzen.
4 Marknagel: Seine Standardlänge beträgt 180 bzw
200 mm. Der Nagel verbreitert sich nach proximal.
Die Nägel werden mit Ø 11, 12 und 14 mm herge-
stellt. Der proximale Durchmesser beträgt bei allen
Nägeln 15,5 mm, distal 11 mm. Der Gammanagel
kann distal mit 1–2 Schrauben verriegelt werden. Das
operative Vorgehen ähnelt der Femurnagelung (7 Ab-
schn. 3.6.6).
4 Verriegelungsbolzen: Er wird von proximal durch den
Nagel auf den Schenkelhalsschraubenschaft einge-
dreht und fasst in dessen Rillen. Dieser Bolzen wird
nicht ganz fest angezogen, damit ein laterales Gleiten
der Schenkelhalsschraube möglich ist und eine Rota-
tion verhindert wird.
4 Ein Gewindestopfen wird am proximalen Nagelende
eingedreht, um das Einwachsen von Gewebeanteilen
zu vermeiden und das Eindrehen von Instrumenten
bei der Metallentfernung zu erleichtern.
. Abb. 3.79 Gammanagel. (Fa. Stryker-Howmedica)

Für lange subtrochantäre Frakturen oder eine Kombinati-


kIndikationen on von Schaft- und Schenkelhalsfrakturen stehen längere
4 Quere oder kurze Schrägfrakturen im Metaphysenbe- Marknägel zur Verfügung, die dem Aufbau des Standard-
reich, nagels entsprechen. Wegen der Schenkelhalsschraube und
4 einfache Diaphysenfrakturen, der schrägen proximalen Verriegelung gibt es rechte und
4 diaphysäre und metaphysäre Pseudarthrosen, die linke Marknägel.
durch axiale Belastung zur Ausheilung gebracht wer- Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.5.
den sollen.

Unter Dynamisierung versteht man die Umwandlung der 3.5.9 Dynamische Hüftschraube (DHS)
statischen in die dynamische Verriegelung. Wenn einige
Wochen nach einer Marknagelung genügend Kallus zu Die DHS ermöglicht das Gleitlaschenprinzip (. Abb. 3.80).
sehen ist und der Patient das verletzte Bein belasten kann, Der Schraubenschaft gleitet im Plattenzylinder und führt
beschleunigt die Dynamisierung die Knochenbildung. somit zur dynamischen Kompression von pertrochantären
Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.6. Femurfrakturen.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
187 3

3.83

3.81 3.84

3.80
3.82
3.85

. Abb. 3.80 DHS-Platte und DHS-Schraube. Von den unterschied- . Abb. 3.83 DHS-Dreistufenbohrer mit Wendelmutter und langem
lichen Zylinderlängen, Winkeln und Plattenlängen werden meist Fräser. (Fa. Synthes)
38 mm Zylinderlänge, 130° oder 135°, 4 Löcher gewählt. (Fa. Synthes) . Abb. 3.84 DHS-Gewindeschneider mit kurzer Hülse. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.81 Führungsdraht mit Gewinde. (Fa. Synthes) . Abb. 3.85 DHS-Schlüssel zum Einbringen und Entfernen von
. Abb. 3.82 DHS-Messstab. (Fa. Synthes) DHS-Schrauben mit langer Zentrierhülse. (Fa. Synthes)

Aufbau der DHS 3.5.10 Endoprothesen


4 Breite durchbohrte Spongiosaschraube mit einem 22-
mm-Gewindeanteil. Sie wird durch die Fraktur in den Die Endoprothetik hat sich in den letzten 40 Jahren stür-
Schenkelhals eingebracht. Der Schaft ist nicht rund, misch entwickelt. An Hüfte, Knie und Schulter (und an
sondern zu zwei Seiten hin abgeflacht. Das Schaft- den Grundgelenken der Finger) hat sich der Gelenkersatz
ende hat zwei Nuten und im Inneren ein Gewinde bewährt. An Ellbogen, Handgelenk, oberem Sprunggelenk
zur Aufnahme von Instrumenten und der Kompres- und Grundgelenk der Großzehe bleibt die weitere Ent-
sionsschraube. wicklung abzuwarten.
4 DC-Platte: Deren proximales abgewinkeltes Ende
wird über den Schraubenschaft geschoben und liegt Hüftendoprothesen
dem Femurschaft an. Der Zylinderteil besitzt eben- In Deutschland werden pro Jahr etwa 120.000 Hüftendopro-
falls zwei Abflachungen, damit die Schraube rotati- thesen implantiert. Im Jahr 1996 waren es 60.000 zementierte
onsstabil gleiten kann. Die Zylinderstandardlänge be- und 40.000 zementfreie Schäfte und 35.000 zementierte und
trägt 38 mm. Der Winkel zwischen DCP und Zylin- 60.000 zementfreie Schraub- und Pressfitpfannen.
der variiert zwischen 130°, 135° und 150°. Femurhalsbrüche älterer Menschen gehören zum chi-
4 Kompressionsschraube: diese wird in die Spongiosa- rurgischen Alltag und werden i. d. R. mit einer Endopro-
schraube eingedreht und komprimiert den Fraktur- these versorgt. Degenerativer oder verletzungsbedingter
spalt (nicht obligat). Verschleiß (Koxarthrose) stellen ebenfalls eine häufige In-
dikation dar.
Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.5.
Zementierte Prothesen
kSpezialinstrumentarium jBipolare oder Duokopfendoprothese
Das benötigte Spezialinstrumentarium ist in . Abb. 3.81 Sie besteht aus einem Metallschaft, einem separaten Me-
bis . Abb. 3.91 dargestellt. tall- oder Keramikkopf und einem Aufsatz aus Polyethylen
188 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3 3.86
3.89

3.90
3.87

3.91
3.88

. Abb. 3.86 DHS-Zielgerät (130–150°). (Fa. Synthes) . Abb. 3.89 Führungsschaft zum Einsetzen der DHS-Schraube, zu-
. Abb. 3.87 DHS; T-Handgriff mit Schnellkupplung für Gewinde- sammen mit Verbindungsschraube. (Fa. Synthes)
schneider und Zielgeräte. (Fa. Synthes) . Abb. 3.90 Mit dem Einschläger kann die DHS über den liegenden
. Abb. 3.88 Verbindungsschraube zum Einsetzen der DHS-Schrau- Führungsdraht eingeklopft werden. (Fa. Synthes)
ben, zusammen mit Führungsschaft. (Fa. Synthes) . Abb. 3.91 Lange Verbindungsschraube zur Entfernung von DHS-
Schrauben, zusammen mit Schlüssel. (Fa. Synthes)

in einer sphärischen Metallkappe. Diese passt in die natür-


liche Hüftpfanne und schützt sie vor zu schneller Abnut-
zung. Diese Prothese wird bei alten, wenig mobilen Pati-
enten eingesetzt.
Dabei wird die Hüftpfanne nicht bearbeitet, was die
Dauer und Belastung der Operation im Vergleich zur To-
talendoprothese verringert.

jTotalendoprothese
Die zementierte Totalendoprothese (TEP; . Abb. 3.92) be-
steht aus einem Metallschaft, einem Metall- oder Keramik-
kopf und einer Pfanne (meist Polyethylen).
Bei der Vielzahl der Modelle sind solche zu unterschei-
den, die sich durch ihre Form der Markhöhle anpassen,
und solche, die eine spezielle Oberflächenbeschaffenheit
aufweisen. Zementfreie Pfannen werden eingedreht oder
eingeschlagen (Pressfit) und optional mit Schrauben im
Azetabulum fixiert. In die Pfanne wird ein Polyethylen-
oder Keramikinlay eingesetzt.
Für die Verankerung im Femurschaft ist es wichtig,
einen optimalen Sitz im Trochanterbereich zu erzielen. Die
Schaftprothese wird in Pressfittechnik eingeschlagen. Auf
ihren Konus wird der Keramik- oder Metallkopf aufge-
. Abb. 3.92 Zementierte Totalendoprothese (TEP) des Hüftgelenkes steckt.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
189 3
Die sog. Hybridprothese ist eine Kombination aus ze-
mentierter und zementloser TEP. Meistens wird die Pfanne
nicht zementiert und der Schaft zementiert eingesetzt.
Operationsverfahren 7 Abschn. 3.6.5.

3.5.11 Externe Fixateure

K. Seide, Chr. Jürgens

Erste externe Fixateure wurden Mitte des 19. Jahrhunderts


zur Behandlung von Pseudarthrosen eingesetzt. Trotz der
heute in großer Variation vorhandenen internen Implan-
tate umfasst das Indikationsspektrum für externe Fixateure
eine Vielzahl von Verletzungen, Verletzungsfolgen und or-
thopädischen Erkrankungen. Der Fixateur externe steht
dabei nicht in Konkurrenz zu internen Verfahren, sondern
erweitert die Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere bei
komplexen klinischen Situationen.

Prinzip
Das Prinzip des Fixateur externe beruht auf einer äußeren
Stabilisierung durch längsverlaufende Trägerelemente, die
mit Klemmbacken oder Ringsystemen transkutan mit in
den Knochen eingebrachten Schrauben, Nägeln oder
Drähten befestigt sind. Entsprechend handelt es sich um
ein typisches minimal-invasives Verfahren. Vorteile sind
somit insbesondere die geringe Gewebetraumatisierung
und das Vermeiden von Fremdkörpermaterial im unmit-
telbaren Erkrankungs- oder Verletzungsbereich.

Fixateurtypen
Die im Folgenden beschriebenen Fixateur-externe-Typen
. Abb. 3.93 Klammerfixateur. (Fa. Stryker; Zeichnung nach Müller
zeigen . Abb. 3.93 bis . Abb. 3.97.
et al. 1992/1997)

Klammerfixateur
Schanz-Schrauben werden unilateral eingebracht (am Unter- Zeltförmiger Fixateur
schenkel von ventral oder medial) und mit ein oder zwei pa- Eine Kombination aus Rahmenfixateur mit einer zusätzli-
rallel verlaufenden Längsstangen verbunden (. Abb. 3.93). chen Klammer, die über quere Trägerelemente mit dem Rah-
men verbunden ist (seltene Konstruktion; . Abb. 3.95).
Rahmenfixateur
Steinmann-Nägel (mit oder ohne mittelständiges Gewinde) Trianguläre Montage
werden so eingebracht, dass an beiden Seiten der Extremität Typischer sprunggelenkübergreifender Fixateur mit
Längsträger angebracht werden können (. Abb. 3.94). Schanz-Schrauben in der ventralen distalen Tibia sowie
quer verlaufend durch den Kalkaneus. Darüber hinaus
V-förmiger Fixateur werden Schanz-Schrauben in dem Mittelfußknochen ver-
Schanz-Schrauben werden in 2 Ebenen, die einen Winkel ankert. Von ventral ergibt der Aspekt des Fixateurs ein
zwischen 60° und 90° in der Transversalebene bilden, ein- Dreieck.
gebracht und jeweils durch eine Längsstange verbunden.
Beide Systeme werden dann durch quer verlaufende Trä- Ringfixateur
gerelemente miteinander verbunden. Hieraus resultiert Der Ringfixateur (. Abb. 3.96) besteht aus die Extremität
gegenüber dem Klammerfixateur eine erhöhte räumliche umgebenden zirkulären Ringen, welche typischerweise
Stabilität. mit Drähten, aber auch mit Schanz-Schrauben fixiert wer-
190 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

. Abb. 3.96 Ringfixateur. (Fa. Stryker)

. Abb. 3.94 Rahmenfixateur. (Fa. Stryker; Zeichnung nach Müller et


al. 1992/1997)

. Abb. 3.95 Zeltförmiger Fixateur. (Fa. Stryker; Zeichnung nach


Müller et al. 1992/1997) . Abb. 3.97 Hybridfixateur. (Fa. Stryker)
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
191 3
den können. Diese werden durch längs verlaufende Ge-
windestangen miteinander verbunden (auch als Ilisarow-
Fixateur bezeichnet).

Hybridfixateur
Ein Hybridfixateur stellt eine Kombination aus einem
Ringfixateur und einem unilateralen Fixateur dar (. Abb.
3.97). Typischerweise wird das Ringelement zur Veranke-
rung kurzer gelenknaher Fragmente, das unilaterale Sys-
tem zur Verankerung im Schaftbereich verwendet.

Fixateursysteme
Rohr-/Stabfixateure a
Diese werden von der AO/Synthes sowie von Stryker/
Howmedica (Hoffmann-Fixateur) angeboten und beste-
hen aus Stäben bzw. Rohren, die mit Schraubbacken mit-
einander und mit den Knochenschrauben verbunden wer-
den. Durch Verwendung mehrerer Stäbe und Backen sind
vielfältige Konstruktionen möglich (. Abb. 3.98).

Monolaterale (»Tube-«) Fixateure


Hier handelt es sich um monolaterale Fixateure, die aus
einem im Durchmesser ca. 3 cm dicken Körper bestehen b
und an deren Enden über Kugel- oder Scharniergelenke
Elemente für die Fixation an Schanz-Schrauben angebracht
sind (Mephisto, Fa. Synthes; De Bastiani-System, Orthofix;
Monotube, Triax/Stryker). Monotube-Systeme ermögli-
chen i. d. R. ein axiales Gleiten im Längsträger und erlau-
ben so eine einfache Dynamisierung, eine einstellbare
Kompression oder Distraktion (. Abb. 3.99).

Biomechanik c
Externe Fixateure sind durch ihren Abstand vom Knochen
relativ elastische Systeme. Das Ausmaß der Elastizität
hängt ab von:
4 Durchmesser der Längsträger (. Abb. 3.100a),
4 Anzahl der Längsträger (. Abb. 3.100b),
4 Material der Längsträger (. Abb. 3.100c),
4 Durchmesser der Schanz-Schrauben (. Abb. 3.100d),
4 Abstand zwischen den Schanz-Schrauben (. Abb.
3.100e),
4 Anzahl der Schanz-Schrauben (. Abb. 3.100f),
4 Entfernung der Schanz-Schrauben vom Frakturbe-
reich (. Abb. 3.100g),
4 Abstand Knochen – Fixateur (. Abb. 3.100h).

Ringfixateure besitzen besondere mechanische Eigen-


schaften. Die relativ dünnen Kirschner-Drähte wirken wie
gespannte Seile und lassen eine elastische Bewegung der
Knochenfragmente bevorzugt in axialer Richtung zu. Da d
die Drähte auf beiden Seiten im Ring gefasst sind, ergibt
sich eine besondere gleichmäßige Lastverteilung. Dadurch . Abb. 3.98 Rohr-/Stabfixateure. a Handgelenk, b Femur, c Sprung-
ist meist eine primäre Belastung möglich. Werden die gelenküberbrückung, d Humerus-Rohr-/Stabfixateure. (Fa. Synthes)
192 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

. Abb. 3.100 Einfluss der Montageparameter auf die Stabilität der


Osteosynthese. (Fa. Synthes)

Schanz-Schrauben jedoch asymmetrisch eingebracht, ist


nur eine Teilbelastung empfohlen, da sonst die Biegebelas-
tung des Knochens zu hoch ist. Erst nach konsolidierter
Knochenheilung ist eine Vollbelastung möglich.

Material
Fixateure bestanden in der Vergangenheit i. d. R. aus Stahl.
Zunehmend finden für den Längsträger auch Aluminium
und insbesondere kohlefaserverstärkter Kunststoff Ver-
f wendung. Die Backen neuerer Systeme sind, um ein MRT
zu ermöglichen, aus Titan.
. Abb. 3.98 (Fortsetzung). e Ellbogenüberbrückung, f Becken.
(Fa. Synthes) kIndikationen
4 Polytrauma: Rasche und sichere Stabilisierung von Ex-
tremitäten- und Beckenfrakturen bei Patienten im kri-
tischen Gesamtzustand. Verringerung des Blutverlus-
tes, Verringerung des Ausscheidens von Endotoxinen.
4 Offene Frakturen: Offene Frakturen gelten als poten-
ziell kontaminiert. Verringerung postoperativer In-
fektionen im Vergleich zu internen Implantaten.
4 Problematische Weichteilverhältnisse: Aufgrund der
minimalen zusätzlichen Weichteilschädigung optima-
les Verfahren bei Frakturen mit problematischen
Weichteilverhältnissen. Unter äußerer Stabilisierung
kann ein schneller Rückgang der Schwellungszustän-
de beobachtet werden. In der Regel kann nach Erho-
lung der Weichteilverhältnisse sekundär auf eine in-
terne Osteosynthese umgestiegen werden.
. Abb. 3.99 Monolateraler Fixateur, Monotube. (Fa. Stryker)
4 Osteomyelitis: Im Rahmen der Behandlung von bakte-
riellen Infektionen des Knochens ist eine vollständige
Entfernung des gesamten Fremdkörpermaterials aus
dem infizierten Bereich erforderlich. Die Stabilisie-
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
193 3
rung erfolgt deshalb durch externe Fixateure, welche
außerhalb des infizierten Bereiches verankert sind.
4 Arthrodese: Arthrodesen werden sowohl mit internen
Implantaten als auch mit Fixateuren durchgeführt. a
Vorteile des Fixateur externe bestehen darin, eine
sehr hohe Stabilität erreichen sowie eine von außen b
dosierbare Kompression applizieren zu können. 3.101
4 Fehlstellungskorrekturen: Diese können mit einem Fi-
xateur sukzessive, d. h. in kleinen Schritten, die über
einen Zeitraum von einigen Tagen bis zu mehreren
Monaten verteilt werden, durchgeführt werden. 3.102
4 Extremitätenverlängerung: Durch sukzessive Kallus-
distraktion mit typischerweise 1 mm pro Tag lässt
sich die Neubildung von Knochen induzieren (Dis-
traktionsosteogenese nach Ilisarow). 3.103
4 Knochendefektrekonstruktion: In gleicher Weise wie
bei der Extremitätenverlängerung lässt sich durch
Verschiebung eines Segmentes, die durch äußeren
Zug erfolgt, eine Knochenrekonstruktion bei lang- 3.104
streckigen Knochendefekten erreichen.
4 Stabilisierung bei Gelenkluxationen: Durch temporäre
Stabilisierung mit dem Fixateur externe wird eine Re-
luxation vermieden. 3.105
4 Gelenkmobilisation: Fixateure mit entsprechenden
Gelenkmechanismen ermöglichen auch eine Be- . Abb. 3.101 a Stahlrohr und b Kohlefaserstab 11 mm, 100–650 mm.
übung von Gelenken. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.102 Selbstbohrende Schanzschraube (Seldrill) 5 und
4 Repositionshilfen: Durch die temporäre Verwendung
6 mm. (Fa. Synthes)
von Elementen externer Fixateure erfolgt die Manipu- . Abb. 3.103 Schanz-Schraube 5 mm mit leicht abgerundeter Drei-
lation von Frakturfragmenten im Rahmen interner kantspitze, vorzubohren mit 3,5 mm. (Fa. Synthes)
Osteosynthesen. . Abb. 3.104 Steinmann-Nagel mit Dreikantspitze (3,5–5,0 mm
Durchmesser, 125–275 mm Länge). (Fa. Synthes)
. Abb. 3.105 Steinmann-Nagel mit mittlerem Gewinde. (Fa. Synthes)
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium,
4 allgemeines Knocheninstrumentarium (7 Abschn. 3.5.1), 4 Backen zur Verbindung Rohr–Rohr,
4 Bohrmaschine, 4 Steinmann-Nägel bei Rahmenmontage sowie zur
4 Standardschrauben und -instrumente (7 Abschn. 3.5.4). Querverbindung von Rohren.

kLagerung kFixateurelemente Ringfixateur


Die Lagerung muss auf einem für die Durchleuchtung der . Abb. 3.109.
Extremität geeigneten Operationstisch erfolgen. Für die 4 Halbringe,
Montage von Ringfixateuren ist auf ausreichende Zugäng- 4 Vollringe,
lichkeit von beiden Seiten zu achten. Am Unterschenkel ist 4 5/8-Ringe,
z. B. eine erhöhte Lagerung unter Knie und Ferse vorteilhaft. 4 Gewindestangen verschiedener Länge,
4 Schrauben und Muttern,
kAbdeckung 4 spezielle Schrauben mit Schlitz zum Verankern der
4 Gemäß Abteilungsstandard, Drähte am Ring,
4 freibewegliche Abdeckung des Unterschenkels. 4 Lochlaschen verschiedener Längen ohne und mit
endständigem Gewindeansatz,
kFixateurelemente Rohr-/Stab-/monolaterale 4 Kirschner-Drähte mit und ohne Stopper (»Oliven«),
(Tube-) Fixateure 4 ggf. Drahtzugseile und Rollen für den Segmenttrans-
. Abb. 3.101 bis . Abb. 3.108. port,
4 Schanz-Schrauben, 4 ggf. Backen zur Montage von Schanz-Schrauben an
4 Backen zur Verbindung Rohr–Schrauben, Lochringen.
194 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3
3.106

3.107

. Abb. 3.109 Elemente des Ringfixateurs. (Fa. Litos)

4 offener Druckspanner (zum intraoperativen Applizie-


ren von Kompression auf Fraktur/Pseudarthrose/Ar-
throdese),
4 (intelligenter Fixateur).

Einbringen von Schanz-Schrauben


7 Stichinzisionen von Haut, Subkutangewebe, ggf.
einer Faszie.
7 Spreizen von Muskeln und Faszien mit einer Sche-
re (ausreichend in Längsrichtung), um eine ge-
wisse Beweglichkeit der Muskulatur zuzulassen.
3.108 7 Trokar mit Bohrhülse einführen und fest auf den
Knochen drücken, Herausziehen des Trokars und
. Abb. 3.106 Einzel-Pin-Backe; verbindet Schanz-Schraube 4–6 mm Einführen des Bohrers.
mit 11-mm-Stab. (Fa. Synthes) 7 Bohren, bis die Gegenkortikalis sicher durchbohrt ist.
. Abb. 3.107 Kombinationsbacke; verbindet zwei 11-mm-Stäbe 7 Entfernen der Bohrhülse, wobei die Richtung ge-
oder 4–6 mm Schanz-Schrauben. (Fa. Synthes) merkt werden sollte.
. Abb. 3.108 Multi-Pin-Backe (ideal für Einfach- oder Doppelrah-
7 Eindrehen der Schraube, unbedingt sicher durch
menaufbau); verbindet mindestens zwei Schanz-Schrauben 4–6 mm
die Gegenkortikalis!
mit 11-mm-Stab. (Fa. Synthes)
7 Um die Schrauben dürfen keine Hautspannungen
auftreten, ggf. Nachinzision.
7 Das Eindrehen der Schrauben erfolgt i. d. R. mit
kZusätzliches Instrumentarium
dem Handgriff. Es kann auch maschinell erfolgen
. Abb. 3.110 bis . Abb. 3.115. (Cave: Hitzeentwicklung). Der Operateur verspürt
4 Bohrmaschine und Bohrer, beim Durchdringen der Kortikalis eine Kraftzu-
4 Gewebeschutzhülse mit Trokar, nahme, danach einen leichten Kraftrückgang. Es
4 Drehgriff mit Futter, ist ca. 6 halbe Umdrehungen weiterzudrehen, um
4 Schraubenschlüssel, ein vollständiges Durchdringen der Kortikalis si-
4 Hammer, cherzustellen.
4 Stichskalpell,
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
195 3

3.113
3.110

3.114

3.111

3.112
3.115

. Abb. 3.110 Dreifachtrokar für Stab- oder Rohrfixateur (AO). . Abb. 3.113 Steckschlüssel 11 mm für Stab- oder Rohrfixateur
(Fa. Synthes) (AO). (Fa. Synthes)
. Abb. 3.111 Offener Druckspanner für Stab- oder Rohrfixateur . Abb. 3.114 Ringgabelschlüssel 11 mm für Stab- oder Rohrfixa-
(AO). (Fa. Synthes) teur (AO). (Fa. Synthes)
. Abb. 3.112 Spiralbohrer 3,5, zweilippig, für Schnellkupplung, . Abb. 3.115 Universalbohrfutter mit T-Handgriff und Arretierung
Stab- oder Rohrfixateur (AO). (Fa. Synthes) des Stab- oder Rohrfixateurs (AO); zum Eindrehen von Steinmann-
Nägeln und Schanz-Schrauben. (Fa. Synthes)

Für verschiedene Systeme gibt es auch Schrauben, die


selbstbohrend und selbstschneidend ausgelegt sind. Hier klemmt werden können, werden hier bereits 4 Ba-
entfällt der Arbeitsgang des Bohrens (Seldrilschrauben, cken auf das Rohr geschoben).
Fa. Synthes; Apex-Pins, Fa. Stryker). Diese erzeugen durch 7 Fixation des Längsträgers an die 2 Schanz-Schrau-
die Knochenverdrängung zusätzlich eine radiale Vorspan- ben.
nung, sodass hier von den Herstellern empfohlen wird, auf 7 Aufbringen von 2 Backen frakturnah.
die Verspannung der Schrauben gegeneinander zu verzich- 7 Trokar und Bohrhülse werden durch diese Backen
ten. Ebenso existieren konische Schrauben (können nicht gesteckt und durch diese die Löcher für die frak-
zurückgedreht werden!). turnahen Schrauben gebohrt, sodann Einbringen
der Schrauben und Festziehen der Backen.
7 Verspannung der Schanz-Schrauben an einem
Rohr- und Stabfixateure, Standardmontage Fragment gegeneinander, erhöht die Stabilität.
(. Abb. 3.116) 7 Ggf. kann durch Verspannung der mittleren
7 Nach Reposition zunächst Einbringen je einer Schrauben gegeneinander eine Kompression auf
Schanz-Schraube frakturfern proximal und distal. die Fraktur bzw. Pseudarthrose oder Arthrodese
Bei einer Tibiafraktur werden somit zunächst eine aufgebracht werden.
Schraube kniegelenknah und eine Schraube 7 Verband mit Schlitzkompressen oder speziellen
sprunggelenknah eingebracht. Diese Schrauben Verbandmaterialien (z. B. Fixclip).
sollten parallel zueinander ausgerichtet sein. 7 Aufsetzen von Schutzkappen, ggf. Kürzen von
7 Anbringen eines Längsträgers mit 2 Backen (bei Schanz-Schrauben mit einem Bolzenschneider.
Backen, die nicht von seitlich auf das Rohr ge- 7 Nach Abschluss der Montage ist es unbedingt er-
6 forderlich, alle Schrauben fest nachzuziehen.
196 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

. Abb. 3.116 Vorgehen bei der Montage eines unilateralen Klammerfixateurs (Standardmontage). (Fa. Synthes)

Bei verschiedenen Fixateursystemen sind spezielle Kom-


pressionsbacken vorhanden. Diese werden auf den Längs- Monolaterale Fixateure
träger neben einer Fixationsbacke befestigt, diese Backen 7 Einbringung einer Schanz-Schraube im proxima-
werden gelöst und über eine Stellschraube an der Kom- len bzw. distalen Fragment. Auf diese wird eine
pressionsbacke verschoben. Entscheidend ist, dass dabei Fixationsbacke des Fixateurs gesteckt.
die Schraubverbindung zur Schanz-Schraube fest angezo- 7 Durch die Backe Einbringen von ein oder zwei (je
gen ist. nach Modell) weiteren Schanz-Schrauben.
7 Gleiches Vorgehen am anderen Fragment.
7 Bei noch lockeren Gelenken des Fixateurs erfolgt
Rohr-/Stabfixateure, modulare Montage nun die Reposition.
(. Abb. 3.117) 7 Befestigen der Kugelgelenke zwischen Fixations-
7 Die sog. modulare Montage erlaubt eine bessere backen und Body des Fixateurs.
Manipulation und Reposition der Knochenfrag- 7 Ggf. Blockierung der axialen Bewegung.
mente.
7 Einbringen je 2 paralleler Schanz-Schrauben ins
proximale, danach in das distale Knochenfrag- Ringfixateur, Einbringen der Kirschner-Drähte
ment. Das Einbringen der Kirschner-Drähte, je nach erforder-
7 Verbinden der Schrauben je Fragment mit einer licher Montage mit oder ohne Olive, erfolgt, indem der in
kurzen Längsstange. die Bohrmaschine eingespannte Draht mit einer feuchten
7 Durchführung von Repositionsmanövern und Kompresse hautnah gehalten und mit einem kurzen Ruck
manuelles Halten. auf den Knochen eingestochen wird. Bei sicherem Kno-
7 Nun wird ein drittes, zusätzliches Längsträger- chenkontakt wird der Draht mit seiner angeschliffenen
element zwischen die beiden vorhandenen Spitze durch den Knochen gebohrt. Es ist eine langsame
Fixateurteile montiert. Drehgeschwindigkeit zu bevorzugen. Genügend Pausen,
7 Dieses wird zunächst locker angebracht, sodass ggf. Kühlung des Drahtes mit Wasserspülung, um eine Ne-
noch eine Repositionskorrektur erfolgen kann. krose zu vermeiden.
Dann Festziehen der Rohr-Rohr-Verbindungs- Nach Durchbohren der zweiten Kortikalis wird der
backen und somit Erreichen der endgültigen Bohrvorgang gestoppt und der Draht mit einem Hammer
Stabilität. weitertransportiert. Nach Erreichen der Haut wird diese
über dem Draht inzidiert und der Draht mit einer Zange
herausgezogen oder mit dem Hammer weiter transportiert.
3.5 · Instrumente, Implantate und ihre Anwendung
197 3

a b c d e

. Abb. 3.117 Vorgehen bei der sog. modularen Montage, die die Reposition vereinfacht. (Fa. Synthes)

Fehler und Komplikationen


Ringfixateur, Montage Zu geringe Stabilität Eine instabile Fixateurmontage kann
7 Einbringen je eines Kirschner-Drahtes proximal und zu einer deutlichen Verzögerung der Knochenheilung füh-
distal der Fraktur/Pseudarthrose/Osteotomiebe- ren und ist unbedingt zu vermeiden (. Abb. 3.118a).
reich, frakturfern. Die Kirschner-Drähte sollen paral-
lel zueinander und senkrecht zur Knochenachse Mangelnde Reposition Da die Reposition mit dem Fixa-
eingebracht werden (sog. Orientierungsdrähte). teur externe ohne direkten Sichtkontakt geschieht, kann
7 Anpassen und Wahl der Ringgröße. Achtung: ge- eine Reposition schwierig sein. Dennoch sollte eine opti-
nügender Ringdurchmesser wegen postopera- male Reposition angestrebt werden, da große Frakturspalt-
tiver Schwellung und Verband! Am Unterschenkel weiten eine der Ursachen für die bei Fixateur-externe-Be-
ist zu beachten, dass die Weichteile dorsal liegen. handlungen beobachteten langen Frakturheilungszeiten
7 Anbringen des aus Ringen und Gewindestangen sind.
zusammengesetzten Fixateurs (ggf. im Rahmen
der Planung vormontiert, ggf. einseitig verbunde- Gelenkperforation Schanz-Schrauben oder Kirschner-
ne Halbringe, sodass der Fixateur um die Extremi- Drähte in Gelenknähe sind so zu platzieren, dass das Ge-
tät geklappt werden kann, dann Verschrauben der lenk nicht tangiert wird, da hierdurch die große Gefahr
Gegenseite). eines Gelenkinfektes resultiert.
7 Einbringen der weiteren Drähte in allen Ring-
ebenen. In der Regel werden im Schaftbereich 2, Gefäß- und Nervenverletzung Gefäß- und Nervenverlet-
gelenknah 3 Drähte verwendet. zungen lassen sich durch Beachtung von anatomischen
7 Spannen der Drähte. Dazu die Drahtbefestigungs- Verhältnissen (sog. »safe zones«, s. Lehrbücher über Ana-
schraube einseitig anziehen. Eine Spannzange tomie der Querschnitte der Extremitäten) vermeiden.
wird angebracht. Nach Spannen des Drahtes wird
die Schraube der anderen Seite festgezogen. Ungünstige Weichteilbewegung Probleme der Weichteil-
7 Nach Abschluss der Montage ist es unbedingt er- irritation durch Schanz-Schrauben/Kirschner-Drähte sind
forderlich, alle Schrauben fest nachzuziehen. bei Fixateurbehandlungen nicht immer zu vermeiden. Sie
7 Im Anschluss an die Fixateurmontage erfolgt bei lassen sich jedoch vermindern, indem genügend lange
Durchführung von Korrekturen oder Verlänge- Inzisionen durchgeführt werden und die Richtung von
rungen die Osteotomie Muskel-/Sehnenverläufen beachtet wird.
198 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Dynamisierung (Ermöglichen von Axial-


bewegungen im späteren Heilungsverlauf)
4 Zunehmende Lastübertragung auf den Kallus führt
zu schnellerer Heilung.
4 Verkleinern des Frakturspaltes, dadurch zusätzliche
Stabilisierung.
3 4 Typischer Zeitpunkt ca. 4 Wochen postoperativ.
a 4 Dynamisierung erfolgt beim monolateralen (»Tube«)
Fixateur durch Lösen einer entsprechenden Blockie-
rungsschraube, beim Rohrfixateur durch partielles
b
Lösen von Backen. Dabei müssen die Längsträger ex-
akt parallel zum Knochen ausgerichtet sein.
. Abb. 3.118 Fehler beim Einbringen von Schanz-Schrauben. a Zu
kurzes Eindrehen: Stabilitätsverlust der Gegenkortikalis. b Überhit-
zung: Stabilitätsverlust durch zirkuläre Nekrosen
Verfahrenswechsel
4 Typischerweise bei Polytraumapatienten nach initia-
ler Fixateuranlage bis zur Stabilisierung des Gesamt-
zustands oder nach Fixateuranlage wegen einer star-
ken Weichteilschädigung/-schwellung.
4 Einzeitiger Umstieg nach maximal 1–2 Wochen mög-
lich.
4 Umstieg auf Nagel, Plattenosteosynthese oder Fixa-
teur-interne-Osteosynthese.
a 4 Umstieg nach Ablauf von 1–2 Wochen erfolgt zweizei-
tig: zunächst Fixateurentfernung, Gipsanlage, nach Ab-
heilung der Pineintrittstellen interne Osteosynthese.

Weiterentwicklungen von
Fixateur-externe-Systemen
4 Material, z. B. Keramik oder Silberbeschichtung der
Pins.
4 Bewegungsfixateur (. Abb. 3.119): Hier wird in der
Position einer Gelenkachse ein Scharniergelenk in
den Fixateur integriert, sodass trotz Stabilisierung der
Frakturen eine Gelenkversteifung vermieden werden
kann.
4 Navigierter Fixateur: Kombination eines Fixateurs mit
b Navigationssystem.
4 Hexapod-Fixateur/intelligenter Fixateur (. Abb.
. Abb. 3.119 Spezielle Weiterentwicklung: Bewegungsfixateur zur
Mobilisation von Gelenken
3.120): Der Hexapod bietet die Möglichkeit von suk-
zessiven dreidimensionalen Korrekturen oder Frak-
turrepositionen durch Einstellung an 6 Einstellele-
Pinlockerung Die Lockerungen sind nicht selten Folge von menten. Einstellungen müssen mit einer Computer-
Hitzenekrosen beim Einbringen! Gelockerte Pins müssen software berechnet werden. Neuere Weiterentwick-
entfernt werden, ggf. durch neue Pins in anderer Lokalisa- lungen des Hexapod-Fixateurs betreffen die
tion ersetzt werden (. Abb. 3.118b). Integration von Motoren und Sensoren.

Pininfektion Pininfektionen können Folge ungenügender Materialentfernung


Inzision, aber auch ungenügender Pflege bei entspre- 4 Erfolgt ohne Betäubung in Lokalanästhesie oder bei
chenden ungünstigen Ausgangssituationen sein. Bei Ostei- multiplen Pins in Narkose.
tis und langer Liegedauer sind Pininfektionen auch bei 4 Bei gelockerten Pins Kürettage der Bohrlöcher in
guter Pflege nicht immer zu vermeiden. Die Behandlung Narkose erforderlich.
der Pininfektion erfolgt in Abhängigkeit vom Schweregrad 4 Bei unsicherer knöcherner Konsolidierung kann vor
durch Inzision, Antibiotikagabe oder Pinwechsel. der Metallentfernung eine probeweise Belastung nach
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
199 3

. Abb. 3.120a, b Spezielle Weiterentwicklung: Computergestützter Hexapod-Fixateur

Lockerung oder Entfernung von Längsträgern erfol-


gen. Bei Beschwerden ggf. erneute Stabilisierung an
den noch vorhandenen Schrauben.
4 Nach Entfernung des Materials ist die Kontrolle der
infektfreien Heilung der Pineintrittsstellen wichtig.
4 Nach Metallentfernung typischerweise vorüberge-
hendes Anlegen eines Gipses, bei unsicherer Hei-
lungssituation auch eines Gehapparates für 4–6 Wo-
chen bzw. bis zum endgültigen knöchernen Durchbau.

3.6 Operationsbeispiele einzelner


Skelettabschnitte

R. Döhler, A. Gudat, S. Mein

3.6.1 Wirbelsäule . Abb. 3.121 Schema Berstungsfraktur mit Hinterkantenbeteiligung

Je nach Richtung und Stärke der eingeleiteten Kraft wäh-


rend eines Unfalls resultieren verschiedenartige Verlet- Wirbelkörper und -gelenke) vorliegen. Es resultiert eine
zungsmuster, mit der die Quantität und Qualität der neuro- multidirektionale Instabilität, das Segment ist nach allen
logischen Ausfälle einhergeht. Bei Längsstauchung der Wir- Richtungen beweglich. Die am häufigsten vorkommenden
belsäule (z. B. Sturz auf das Gesäß) kommt es zu Kompres- Frakturen sind Berstungsbrüche mit Beteiligung der Hin-
sionsfrakturen und damit zu einer Instabilität in eine terkante des BWK 12 und LWK 1 (. Abb. 3.121 und . Abb.
Richtung (nur nach vorn). Bei starker Flexion oder Extensi- 3.122). Wegen der hohen Flexibilität der Halswirbelsäule
on (z. B. Beschleunigungstrauma) kommt es zur Zerreißung finden wir hier meist eine Zerreißung der Ligamente und
von Ligamenten und der Bandscheibe, evtl. begleitet von der Bandscheibe, eine sog. diskoligamentäre Instabilität.
einer Fraktur, und damit zur Instabilität in 2 Richtungen Nicht nur Frakturen, auch Tumoren oder Entzün-
(nach vorn und hinten). Bei Rasanztraumata kann eine völ- dungen können eine Instabilität oder Defekte bewirken
lige Zerstörung des Wirbelsegments (Bandscheibe, Bänder, (7 Kap.10).
200 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Stabilisierung angezeigt, da z. B. eine starke Abknickung


der Wirbelsäule die Rollstuhlfähigkeit erheblich reduziert.
Therapieziele bei einer WS-Verletzung, Tumorbefall
oder entzündungsbedingter Zerstörung sind die Wieder-
herstellung der anatomischen Konfiguration, die Dekom-
pression des Spinalkanals, um das Rückenmark zu entlas-
3 ten, und die Stabilisierung – evtl. Fusion – der Wirbelsäule
(»aus 2 Wirbelkörpern wird einer gemacht«).
Allein durch Lagerung lässt sich bei frischen Frakturen
eine gewisse Reposition erzielen, komplettiert wird sie
i. d. R. durch einen WS-Fixateur. Hierzu werden über ei-
nen dorsalen Zugang Schrauben in die Bogenwurzeln
(= Pedikel) des darüber und darunter liegenden Wirbels
unter Bildwandlerkontrolle eingebracht. Die lateral liegen-
den Schauben werden mit einem Stangen-/Backensystem
verbunden. Den meisten Fixateuren ist eine Repositions-
. Abb. 3.122 Knochenaufbau möglichkeit eigen. Der hier verwandte Fixateur hat einen
intelligenten Mechanismus, über den die in den Pedikel
gedrehte Schraube lordosierend oder kyphosierend bewegt
wird und damit die Fragmente reponiert werden können
(. Abb. 3.123 und . Abb. 3.124). Verlängerungshebel hel-
fen zusätzlich (. Abb. 3.125).
Bei Frakturen wird die Dekompression in erster Linie
über Ligamentotaxis durchgeführt. Dabei wird das hintere
Längsband durch die Lordose gestrafft und die Knochen-
fragmente in den Wirbelkörper zurückgedrückt. Gelingt
dies nicht oder liegt ein Tumor oder eine entzündungsbe-
dingte Myelonkompression vor, muss über ein Fenster,
eine (Hemi- oder komplette) Laminektomie (7 Kap.10)
oder gar Wirbelkörperentfernung das Rückenmark ent-
lastet werden. Zur Stabilisierung bietet sich die am meisten
durchgeführte alleinige dorsale (Stangen-/Stabsystem),
aber auch ventrale (Plattensystem) Instrumentierung an.
Liegt eine höhergradige Zerstörung des Wirbelkör-
pers – sei es aufgrund einer Fraktur, eines Tumors oder
einer Entzündung – vor, ist eine Fusion anzustreben. Die
zerstörte Bandscheibe, ein Teil oder der ganze Wirbel-
körper werden entfernt und durch einen Knochenspan
oder metallischen/carbonhaltigen Wirbelkörperersatz
. Abb. 3.123 Mechanismus WS-Fixateur (= Spacer, Cage; . Abb. 3.126) ersetzt. Je nach betroffener
Höhe wird der Zugang zum Wirbelkörper/Bandscheibe
gewählt; im HWS-Bereich ausschließlich von vorn, im
Behandlung thorakalen und lumbalen Bereich von dorsolateral oder
Eine absolute Indikation zur operativen Versorgung liegt dorsal (z. B. ALIF = »anterior lumbal interbody fusion«,
vor bei Auftreten neurologischer Ausfälle nach einem PLIF = »posterior lumbal interbody fusion«; d. h. vorde-
freien Intervall, Progredienz von Lähmungserschei- re bzw. hintere Fusion der Lendenwirbelkörper). Je grö-
nungen, bei hochgradigen Instabilitäten und offenen Ver- ßer das Implantat, desto eher muss der Zugang von vent-
letzungen. ral gewählt werden.
Eine relative Indikation liegt vor bei inkomplettem Der knöcherne Anteil der Wirbelsäule, der Wirbelkör-
Querschnittsyndrom, bei Nervenwurzelläsion, bei einer per, verhält sich wie jeder andere Knochen auch. Nach Re-
Kompressionsfaktur mit einem Gibbus-, also Keilwirbel- position bedarf er einer Stabilisierung und Entlastung, um
winkel >15–20°, und zur besseren Pflege und Rehabilitati- das Repositionsergebnis zu halten. Für die Ausheilung rei-
on. Selbst bei Patienten mit kompletter Lähmung ist eine chen 9–12 Monate aus.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
201 3

. Abb. 3.124 Reco-Fixateur. (Fa. Depuy Spine) . Abb. 3.125 Reposition WS-Fraktur

. Abb. 3.126 Spacer und dorsale Spondylodese . Abb. 3.127 Zementschrauben

Bei schlechter Knochenqualität aufgrund von Osteo- Bei osteoporotischen Frakturen haben sich als
porose, Tumor oder Entzündung sind der Stabilisierung weitere Verfahren die Vertebro- und die Kyphoplas-
Grenzen gesetzt. Einigermaßen belastungsfähige Stabili- tie durchgesetzt. Hier wird perkutan durch über die
sierungen lassen sich durch Einzementieren der Schrau- Pedikel eingeführte Kanülen mit (= Kyphoplastie)
ben erreichen (durch Perforationen in den Schrauben wird oder ohne Aufdehnung (= Vertebroplastie) des Wirbel-
Knochenzement in den WK gespritzt (. Abb. 3.127) und/ körpers Zement direkt in den Wirbelkörper einge-
oder durch eine Verlängerung der dorsalen Instrumentie- spritzt. Die Stabilisierung erfolgt somit von innen
rung (2 Wirbelkörper ober- und unterhalb). (7 Kap. 10).
202 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

kIndikationen 4 Spongiosa-/Spanentnahmeinstrumentarium,
4 Auftreten neurologischer Ausfälle nach einem freien 4 Bolzenschneider,
Intervall, 4 Wirbelsäulenwundspreizer, z. B. nach Caspar (. Abb.
4 Progredienz von Lähmungserscheinungen, 3.128).
4 Hochgradige Instabilität,
4 offene Verletzungen,
3 4 inkomplettes Querschnittsyndrom, Fixateur interne
4 Nervenwurzelläsion, 7 Vor der Desinfektion und der Abdeckung muss
4 Kompressionsfaktur mit einem Gibbuswinkel >15–20°, mit dem Bildwandler die betroffene Höhe mar-
4 zur besseren Pflege und Rehabilitation. kiert werden, alternativ der Bildwandler für die
seitliche Projektion in Position gebracht werden.
kPrinzip 7 Hautschnitt mit dem elektrischen oder Stahlmesser
4 Bei Frakturen werden die intakten Nachbarwirbel mit längs über den entsprechenden Dornfortsätzen.
Schrauben besetzt. Darstellung der Intervertebralgelenke durch Ab-
4 Bei Wirbelkörperdefekten werden diese mit einem schieben der Muskulatur mit dem Raspatorium/
Knochenspan, Spongiosa (entnommen aus dem Be- breiten Meißel, alternativ perkutanes Vorgehen
ckenkamm) oder metallischen/carbonhaltigen Ersatz (Haut- und Faszienschnitt etwas lateral der Pedikel).
aufgefüllt. 7 Unter Bildwandlerkontrolle werden die Pedikel
4 Der Standardzugang ist der dorsale, allerdings ist auch mit speziellen Instrumenten eröffnet:
der dorsolaterale oder ventrale Zugang (HWS) möglich. In den verschiedenen Fixateursystemen sind sie
4 Seitliche Bildwandlerkontrolle während der Operation. etwas unterschiedlich gestaltet. Der Kanal wird
entsprechend dem Pedikelverlauf, also schräg zur
kLagerung Mitte, stumpf erweitert und ausgetastet. Dann
4 Normalerweise Bauchlage auf einem geraden Durch- werden die Schrauben gesetzt. Sie dürfen nicht zu
leuchtungstisch (Cave: OP-Säule und zu operierende lang sein, um nicht die Vorderwand des Wirbel-
Höhe). körpers zu durchdringen, weil dabei die Aorta ver-
4 Eine Unterpolsterung im Thorax- und Beckenbereich letzt werden kann.
unterstützt die LWS-Lordose. Cave: Polster sollten 7 Bei der Versorgung von Frakturen sollte bereits
unter dem Apex des Thorax zu liegen kommen, da die Lagerung zu einer gewissen Reposition ge-
ansonsten Beatmungsprobleme auftreten können; au- führt haben. Die Feineinstellung der Reposition
ßerdem Polster in Höhe der Beckenkämme, da die lässt sich mit Lordosierungszangen/-mechanis-
Gefahr des Nervenschadens (N. femoralis) oder der men des Fixateurs oder Verlängerungshebeln auf
Gefäßabklemmung besteht. den Pedikelschrauben bewerkstelligen.
4 Bei HWS-Eingriffen ist eine spezielle Kopfstütze oder 7 Direktes Einbringen der Stangen in die Backen;
eine Dreipunkthalterung nach Mayfield (7 Kap. 10) beim perkutanen Vorgehen werden die Stangen
hilfreich. u. U. mit speziellen Führungsinstrumenten durch
4 Gute Polsterung von Brust, Becken und Unterschen- die Muskulatur geschoben und in die Backen ein-
kel (z. B. Gelkissen, luftgefüllte Rolle Unterschenkel) gebracht.
sowie der Arme auf Auslegern, u. a. unter Beachtung 7 Beide Längsstangen können über Querstangen
der Schultergelenke, N. ulnaris. und Backen miteinander verbunden werden.
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 7 Wird eine Fusion angestrebt bzw. ist ein Defekt
4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). aufzufüllen, kann über einen dorsolateralen Zu-
gang, angefangen von der Größe eines Fensters
kAbdeckung (ca. 1 × 1 cm) bis zur kompletten Resektion des
Eine standardisierte Abdeckung ist wichtig. Zu beachten Facettengelenkes und Querfortsatzes, ein Spongi-
ist, dass der Bildwandler intraoperativ mehrfach neu posi- osaspan oder Cage ventral positioniert werden.
tioniert werden muss. 7 Zählen der Instrumente sowie OP-Textilien und
Dokumentation der Vollzähligkeit.
kInstrumentarium 7 Im Bedarfsfall Einlage von Redon-Drainagen.
4 Spezialinstrumente und Implantate (s. unten), 7 Schichtweiser Wundverschluss.
4 Grundinstrumentarium, 7 Postoperativ Gangschulung in aktiver Lordose un-
4 evtl. neurochirurgisches Instrumentarium (Laminek- ter Vollbelastung möglich.
tomie; 7 Abschn. 10.2.3),
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
203 3
3.6.2 Becken

Frakturen
Die Einteilung von Beckenfrakturen ist schwierig und um-
stritten. Entscheidend ist die Frage, ob das Azetabulum, die
Pfanne des Hüftgelenks, beteiligt ist. Wenn der Pfannen-
boden nach innen gedrückt ist, muss er durch einen auf-
wändigen ileoinguinalen Zugang (in Rückenlage) repo-
niert und fixiert werden. Dafür eignen sich spezielle Re-
konstruktionsplatten (Fa. Synthes) und perlschnurartige
Titanbänder (Fa. DePuy). Den Mitarbeitern im Funktions-
dienst werden dabei besondere Kenntnisse abverlangt,
denn es wird nicht nur allgemeines und spezielles Kno- a
cheninstrumentarium, sondern auch Instrumentarium
aus der Bauch- und Gefäßchirurgie benötigt.
Hintere Pfeilerfrakturen lassen sich in Seitenlage meist
gut reponieren und mit einer zurechtgebogenen Platte fi-
xieren.

Symphysensprengungen
Weite Sprengungen und solche mit Frakturen anderer
Beckenteile sollten offen reponiert und fixiert werden. Es
werden große, für die Harnblase schräge Bauchhaken,
Hohmann-Hebel und Roux-Haken für die Rektusmuskeln
eingesetzt. Spongiosaschrauben halten im Schambein bes-
ser als Kortikalisschrauben. Man kann zwei Spongiosa-
schrauben mit Unterlegscheiben an den Symphysenrän- b
dern einbringen und mit einer dicken (doppelt gelegten)
Cerclage zusammenziehen. Platten brauchen mehr Platz . Abb. 3.128a, b Casparspreitzer (b in situ)

und lassen sich nur schwer unterbringen, wenn die Rektus-


muskeln nicht abgelöst werden. gänge über den hinteren Darmbeinkämmen wird die Plat-
te unter der Muskulatur eingeschoben und mit Spongio-
Sakrumfrakturen und ISG-Luxationen saschrauben an den Seiten festgesetzt.
Brüche von lumbalen Querfortsätzen können auf Sakrum-
frakturen oder gesprengte Kreuz-Darmbein-Fugen (ISG) Entnahme autologer Spongiosa
hinweisen. Das CT zeigt die Schwere solcher Verletzungen. Die Spongiosa wird im Vergleich zur Kortikalis schneller
Sie können von vorn (in Rückenlage) reponiert und mit revaskularisiert und hat eine wesentlich höhere Umbau-
kurzen Platten fixiert werden. rate. Sie kann deshalb auch im Infekt heilen, wird aber in
Zur Stabilisierung genügen manchmal lange kanülier- den meisten Kliniken erst nach Beruhigung (»Sanierung«)
te Spongiosaschrauben mit kurzem Gewinde und Unter- des Infektes eingebracht.
legscheiben. Der Eingriff ist ebenfalls in Rückenlage mög-
lich, bedeutet aber eine hohe Strahlenbelastung bei der kIndikation
Durchleuchtung und das Risiko von Nervenschäden. Die 4 Unterfütterung und Auffüllen von Defekten der ge-
Lagebeurteilung der Führungsdrähte mit dem Bildwand- lenknahen Spongiosa, z. B. bei Impressionsfrakturen
ler ist schwierig und verlangt Durchleuchtungstische, die mit Spongiosastückchen.
weit nach unten gezogen werden können. Erfahrene Be- 4 Bei kortikalen Defekten, z. B. bei Trümmerbrüchen
ckenchirurgen empfehlen deshalb die offene Verschrau- mit Chips oder Keilen.
bung. 4 Zur Aktivierung bei verzögerter Knochenheilung.
Wenn beide Ileosakralgelenke gesprengt sind, ist die Dabei wird zusätzlich zur Spongiosaanlage eine sog.
ileoiliakale Plattenosteosynthese ein einfacher, schneller Dekortikation vorgenommen.
und zuverlässiger Eingriff. Es wird dafür eine schmale 12- 4 Vordere und hintere Fusionsoperation (Verblockung)
Loch-DC-Platte benötigt, deren Enden mit drei Löchern der Wirbelsäule, z. B. bei der Operation nach Cloward
auf etwa 70° abgebogen werden. Durch zwei schräge Zu- mit einem Knochendübel.
204 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

5 Hohmann-Hebel,
5 Hammer,
5 Stößel für die spätere Spongiosaimplantation
(. Abb. 3.129),
4 oszillierende Säge für Blöcke und Keile.
a
3 kLagerung
4 Die Entnahme am vorderen Beckenkamm erfolgt in
Rückenlage auf einem geraden OP-Tisch mit Unter-
b polsterung des Beckens.
4 Die Entnahme vom hinteren Beckenkamm erfolgt in
Bauchlage.
4 Gute Abpolsterung im Brust-, Becken- und Unter-
c schenkelbereich sowie der Arme, die auf Auslegern fi-
xiert werden.
. Abb. 3.129 Spongiosastößel. a Griff mit Schnellverschluss. 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
b Spongiosastößel, 6 mm, gebogen. c Spongiosastößel, 8 mm, rund.
(Fa. Synthes) kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard.
4 Beckenkamm möglichst weit nach hinten – lateral –
freilassen, weil vorn der N. cutaneus femoris lateralis
zum Oberschenkel zieht.

Spongiosaentnahme vom vorderen Beckenkamm


7 Der Hautschnitt verläuft über dem vorderen
Darmbeinkamm, aber nicht über die Spina iliaca
anterior superior hinaus wegen der Gefahr der
Nervenverletzung. Nach stumpfem Abschieben
der Muskulatur wird der Beckenkamm freigelegt.
7 Einsetzen von Hohmann-Hebeln o. Ä.
7 Zunächst wird mit einem schmalen (quer), dann
mit einem breiten geraden Meißel (längs) ein
rechteckiger Knochendeckel aus der Crista iliaca
ausgemeißelt, der aber auf der medialen Seite
. Abb. 3.130 Spongiosaentnahme aus dem vorderen Beckenkamm durch das Periost festgehalten wird.
mit scharfem Löffel
7 Mit scharfen Löffeln und Hohlmeißeln kann nun die
Spongiosa aus dem Darmbein entnommen werden
kEntnahmestellen (. Abb. 3.130). Das entnommene Material wird in
4 Größtes Reservoir sind die vorderen und hinteren Be- einem geschlossenen Gefäß trocken gelagert.
ckenkämme. 7 Ein kortikospongiöser Span wird vom medialen
4 Trochantermassiv. Rand der Crista iliaca entnommen. Die Muskulatur
4 Tibiakopf, z. B. für die distale Tibia und den Fuß. wird von der Innenseite der Beckenschaufel abge-
4 Distale Tibia für die Knöchel und den Talus. schoben. Der Span wird so abgemeißelt, dass die
4 Lateraler Humerusepikondylus für Defekte am Radi- äußere Kortikalis des Beckenkamms intakt bleibt.
usköpfchen. Die Keilentnahme ist unter Verwendung einer os-
zillierenden Säge möglich.
kInstrumentarium 7 Es erfolgt die Blutstillung mit Einlage eines Hämo-
4 Grundinstrumentarium, styptikums. Der Knochendeckel wird zurückgeklappt
4 Knochengrundinstrumentarium: und mit resorbierbaren Periostnähten angeheftet.
5 Raspatorium, 7 Einlegen einer dicken Redon-Drainage, schicht-
5 scharfe Löffel, weiser Wundverschluss.
5 Hohl-, Flachmeißel,
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
205 3
> Bei der Entnahme von Spongiosa aus dem hin- Zuggurtung
teren Beckenkamm besteht die Gefahr der Verlet- Aus der Kombination von Drähten und Cerclagen entsteht
zung des Iliosakralgelenkes! die Zuggurtung (7 Abschn. 3.5.3). Das Prinzip ähnelt einem
Baukran, dessen Mast die Last des Auslegers nur deshalb
tragen kann, weil gegenseitige Seile die Zugkräfte des hin-
3.6.3 Schulter teren Auslegerendes aufnehmen. Bei der Zuggurtung wird
der gebrochene oder osteotomierte Knochen mit Kirsch-
Zu unterscheiden sind ner-Drähten in der richtigen Stellung gehalten. Der Zug-
4 Knöcherne Verletzungen des Schultergelenkes: Frak- gurtungseffekt entsteht durch einen Cerclagedraht, der um
turen des Schlüsselbeins und des Schulterblattes ei- die freien Drahtenden herumgeführt und jenseits der Frak-
nerseits und des Humeruskopfes andererseits. tur oder Osteotomie fixiert wird (7 Abschn. 3.6.4). Häufig
4 Weichteilverletzungen: Sprengungen des Akromiokla- angewendet wird sie beim gesprengten Akromioklavikular-
vikulargelenkes (ACG), Risse der Rotatorenman- gelenk, beim Bruch des Olekranons und der Kniescheibe
schette und Luxationen des Humeruskopfes. und am oberen Femurende (Trochanter major).

Klavikulafrakturen kInstrumentarium
Die meisten Klavikulafrakturen heilen nach konservativer 4 Grundinstrumentarium,
Behandlung mit einem Rucksackverband aus. Allerdings 4 allgemeines Knocheninstrumentarium (7 Abschn.
resultieren oft eine Hautprominenz über der geheilten 3.5.1),
Fraktur und eine seitendifferente (verschmälerte) Schul- 4 Zweispitzenrepositionszange (. Abb. 3.20) oder Ku-
terkulisse. Deshalb neigen manche Chirurgen zur pri- gelspieß,
mären Reposition und Osteosynthese mit Platten oder 4 Drahtinstrumentarium.
einem Prévôt-Nagel.
Bei Pseudarthrosen und verkürzten und schmerzhaften kLagerung
Fehlstellungen sind die offene Reposition und Osteosyn- 4 Rückenlage auf einem Durchleuchtungstisch oder
these nötig. Dafür eignen sich (winkelstabile) Rekonstruk- halbsitzende Lagerung (Beach-chair-Position: das
tionsplatten und vorgeformte Titanplatten (Mayo). Beinteil ist abgeklappt, der Tisch nach hinten gekippt
und der Oberkörper angehoben; 7 Kap. 9).
Skapulafrakturen 4 Leichte Erhöhung der betroffenen Schulter.
Auch die Skapulafrakturen heilen in aller Regel folgenlos 4 Leichte Reklination und Seitdrehung des Kopfes.
aus. Die eher seltenen Trümmerfrakturen der Gelenkpfan- 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
ne vom Schulterblatt müssen zur Wiederherstellung der 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
Gelenkfläche (Fossa glenoidalis) operativ rekonstruiert
werden. kAbdeckung
4 Nach Abteilungsstandard.
Sprengung des Akromioklavikulargelenkes 4 Die Schulter weit nach hinten freilassen und den be-
Diese Verletzungen bedeuten eine Schädigung des Kapsel- troffenen Arm steril wickeln.
Band-Apparates am lateralen Ende der Klavikula, am
Akromion und am Processus coracoideus. Je nach ihrem
Schweregrad und dem Ausmaß der Instabilität werden Zuggurtung bei Sprengung
diese Verletzungen meist nach Tossy (Grad 1–3) eingeteilt. des Akromioklavikulargelenkes
Nicht jedes »Klaviertastenphänomen« muss operiert wer- 7 Hautschnitt: S-förmig über Akromion und Klaviku-
den. Wenn das laterale Klavikulaende um mindestens la. Freipräparieren bis zum Gelenk und Darstellung
Schaftbreite oberhalb des Akromions steht, ist die opera- der Stümpfe des Lig. coracoclaviculare. Vorlegen
tive Stabilisierung sinnvoll durch: von U-Nähten (Material z. B. Polydioxanon, monofil,
4 temporäre Arthrodese mit Zuggurtung (7 Abschn. resorbierbar), die noch nicht geknotet werden.
3.5.3), 7 Eingeschlagene Kapselreste werden aus dem Ge-
4 Hakenplatte (Wolter, Balser), lenkspalt entfernt.
4 Naht der Bänder und PDS-Kordel-Verstärkung, 7 Mit dem 2-mm-Bohrer wird ein queres Loch durch
4 Verschraubung nach Bosworth (Spongiosaschraube die Klavikula gebohrt; Durchfädeln des Cerclage-
durch die Klavikula in das Korakoid) und Bandnaht. drahtes.
6
206 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

7 Reposition der Klavikula (z. B. mit Kugelspieß). schmaler Hohmann-Hebel wird unter das Akro-
7 Einbohren eines dicken (2 mm) Kirschner-Drahtes mion geführt und am dorsalen Rand verhakt.
vom Akromion in die Klavikula. Darum wird eine In ca. 45° zu diesem Hohmann-Hebel werden mit
Achtertour mit dem Cerclagedraht gelegt. einem geraden Meißel das vordere äußere Eck
7 Mit einem Drahtspanngerät oder einer Zange den und die vordere Kante des Akromions nach dorsal
3 Cerclagedraht anziehen. abgemeißelt (Akromioplastik).
7 Die Cerclageenden und Kirschner-Drähte werden 7 Jetzt wird die Rotatorenmanschette dargestellt,
mit dem Seitenschneider gekürzt und mit der mit einer Haltenaht gefasst und sowohl unter- als
Spitzzange umgebogen. Die Drahtenden werden auch oberhalb der Manschette weit nach dorsal,
dem Knochen angelegt. teils stumpf, teils scharf, mobilisiert. Lässt sich die
7 Nun Knüpfen der zuvor gelegten korakoklaviku- Sehne gut bis zum Tuberculum majus verlagern,
laren U-Nähte. wird oberhalb des Tuberkels eine Knochennut von
7 Naht der Gelenkkapsel, Einlegen einer Redon- ca. 2 cm Länge, 3 mm Breite und 5 mm Tiefe ge-
Drainage, schichtweiser Wundverschluss, Anlegen fräst. In diese Knochennut können Fadenanker
einer Gilchrist-Bandage (. Abb. 3.131). (. Abb. 3.201) implantiert werden. Mit den an
diesen Ankern angehefteten Fäden wird die ange-
frischte Rotatorenmanschette gefasst und in die
Risse der Rotatorenmanschette Knochennut gezogen.
Risse der Rotatorenmanschette betreffen, wie die meisten 7 Nach Einlage einer Redon-Drainage wird die Bursa
Sehnenschäden, degenerativ vorgeschädigtes Gewebe. Bei subacromialis genäht, der Deltoideus am Akro-
Schmerzen und Funktionsverlusten (kraftlose Abduktion mion refixiert und die Hautwunde verschlossen.
und Außenrotation des Armes) sollten sie auch bei älteren
Patienten refixiert werden. Der Nachweis von Rissen der
Rotatorenmanschette gelingt durch die klinische Untersu-
chung, eine Ultraschalluntersuchung oder eine Kernspin- Bei älteren Patienten mit noch guter aktiver Beweglichkeit
tomographie. der Schulter genügt oft eine arthroskopische Erweiterung
des subakromialen Raums.
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, Arthroskopische subakromiale
4 allgemeines Knocheninstrumentarium, Dekompression (ASD)
4 Bohrmaschine mit Fräsen. kInstrumentarium
4 Wenig Grundinstrumentarium (Stichskalpell),
kLagerung 4 arthroskopisches Spezialinstrumentarium,
4 Halbsitzende Position (Beach-chair-Position). 4 Kamerabezug,
4 Anbringen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Spül-, Saugsystem,
4 Überprüfung der Geräte auf Funktionstüchtigkeit:
kAbdeckung Kaltlichtquelle, Videoanlage, Spülsystem, Shaver etc.
4 Nach Abteilungsstandard.
4 Den Arm der betroffenen Seite steril wickeln. kLagerung
4 Der Patient befindet sich in Seitenlage oder in der
Beach-chair-Position (Strandstuhlhaltung).
Refixation der Rotorenmanschette 4 Die zu operierende Schulter muss gut freiliegen.
7 Nach Hautdesinfektion und sterilem Abdecken 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
wird ein ca. 6 cm langer Hautschnitt vom Vorder-
rand des vorderen lateralen Akromionecks nach kAbdeckung
distal geführt. 4 Nach Abteilungsstandard.
7 Stumpfes Auseinanderdrängen der Deltoideus- 4 Den Arm der betroffenen Seite steril wickeln.
muskulatur; ca. 1 cm des Deltoideusansatzes
am vorderen äußeren Akromioneck wird abgelöst.
Längsspaltung der Bursa subacromialis. Ein
6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
207 3

ASD-Operation
7 Nach Desinfektion und sterilem Abdecken erfolgt
ca. fingerbreit unterhalb und medial des hinteren
äußeren Akromionecks die Hautinzision, über die
das Arthroskop zunächst in das Schultergelenk
und nach dessen Inspektion in den Subakromial-
raum vorgeschoben wird.
7 Etwa 3–4 cm ventral des vorderen äußeren Akro-
mionecks wird eine zweite Hautinzision gesetzt,
über die mit dem Tasthaken das vordere äußere
Akromioneck lokalisiert wird. Über diesen Zugang
wird ein rotierendes Messer nach ausgiebiger . Abb. 3.131 Gilchrist-Verband. (Aus Siewert 2006)
Kauterisation (Synovialisresektor) in das Gelenk
eingeführt, mit dem die Unterfläche des Akromi-
ons von Bindegewebe gereinigt wird. 3.6.4 Ober- und Unterarm
7 Nach Darstellung des Knochens wird der Synovia-
lisresektor gegen einen »acromionizer« (rotierende Frakturen des oberen Humerusendes
Walzenfräse) ausgetauscht, mit dem die vordere Die Kopf- und Halsbrüche des oberen Humerusendes ge-
äußere Unterseite des Akromions abgeschrägt hören zu den häufigsten Verletzungen, insbesondere bei
wird. alten Menschen. Bei Trümmerbrüchen und osteoporo-
7 Nachdem über den Arthroskopieschaft eine Drai- tischen Knochen ist eine anatomiegerechte Rekonstrukti-
nage in den Subakromialraum eingeführt worden on des Kopfes oft nicht möglich. Das Behandlungsspekt-
ist, können die Stichinzisionen vernäht werden. rum reicht von der einfachen Ruhigstellung bis zum endo-
prothetischen Ersatz.
Leicht abgeknickte subkapitale Humerusfrakturen bei
Schulterluxationen Kindern und manche nicht dislozierte Frakturen bei äl-
Nach ihrer Entstehung können sie in 5 Formen eingeteilt teren Patienten lassen sich konservativ behandeln, z. B. mit
werden: einer Gilchrist-Bandage (. Abb. 3.131).
4 habituelle Luxationen aufgrund konstitutioneller Fak- Lässt sich der abgerutschte und reponierte Humerus-
toren, kopf nicht halten, bieten sich Kirschner-Drähte und perku-
4 verletzungsbedingte Luxationen, tane Schrauben an.
4 rezidivierte Luxation nach einer verletzungsbedingten Bei Trümmerbrüchen des Kopfes kommen die fol-
Luxation, genden 4 Verfahren in Frage:
4 willkürliche, d. h. vom Patienten beliebig oft hervor- 4 Operative Freilegung der Fraktur mit Entfernung der
zurufende Luxation, kleineren Fragmente; Abdeckung des Schaftes mit
4 angeborene (teratologische) Formen, äußerst selten. dem größten knorpelüberdeckten Kopfteil, der mit
Kirschner-Drähten und einer Drahtcerclage oder
Nach der Richtung der Schulterluxation unterscheidet PDS-Kordel fixiert wird.
man sog. unidirektionale von multidirektionalen Instabili- 4 Osteosynthese mit winkelstabilen Abstützplatten.
täten. Operiert werden können lediglich unidirektionale 4 Implantation einer (zementierten) Humeruskopfen-
Instabilitäten, während multidirektionale Instabilitäten doprothese.
eine Domäne der krankengymnastischen Behandlung 4 Perkutane Kirschner-Drähte oder kanülierte Schrauben.
sind. In Ausnahmen kann bei diesen Patienten ein sog.
Kapsel-Shrinking erwogen werden. Durch Kauterisation Schaftfrakturen
wird hierbei die Gelenkkapsel narbig geschrumpft. Viele extraartikuläre Schaftfrakturen des Humerus können
Operationen bei Schulterluxationen können offen oder konservativ behandelt werden, z. B. mit einem sog. Sar-
arthroskopisch durchgeführt werden. Prinzipiell erfolgt miento-Brace (7 Abschn. 3.3.1) oder mit einem Hängegips.
die Refixation des ausgerissenen Labrum glenoidale mit Bei ausbleibender Kallusbildung oder neurovaskulären
Fadenankern (Mitek u. a.) unter Raffung der meist ausge- Komplikationen sollten diese Humerusschaftbrüche ope-
walzten vorderen Gelenkkapsel. Es gibt auch verschiedene rativ stabilisiert werden.
plastische Verfahren zur Raffung der vorderen Kapsel (z. B. Wegen der Gefährdung des N. radialis eignen sich da-
Kapsel-T-Shift nach Neer). für Platten weniger als Marknägel, die von proximal oder
208 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Ellbogenluxation
Die Luxation des Ellbogens ist nicht selten. Operative »Re-
konstruktionen« sind schwierig und im Ergebnis meist
enttäuschend. Deshalb beschränken sich viele behandeln-
de Ärzte auf einen (zirkulären) Oberarmgips in 90°-Beu-
gung bei supiniertem Unterarm. Stabiler und zuverlässiger
3 ist ein Fixateur externe mit 2 × 2 dorsalen Gewindepins im
Humerus und in der Ulna. Nach 3–4 Wochen kann mit der
Übungsbehandlung begonnen werden.

Olekranonfraktur
Olekranonfrakturen der Ulna sind häufig und müssen als
Gelenkbrüche immer operiert werden. In den meisten Fäl-
len reicht eine Zuggurtungsosteosynthese ( 7 Abschn.
3.5.3). Wenn der Proc. coronoideus (das vordere Gegenla-
. Abb. 3.132 Bauchlagerung zur Versorgung einer Olekranonfrak-
ger der Kondylenrolle) in einem großen Stück frakturiert
tur. (Aus Krettek u. Aschemann 2005)
ist, lässt er sich mit einer Schraube am Ulnaschaft fixieren.
Bei instabilen Luxations- und Trümmerfrakturen vom
distal eingebracht werden können. Sie müssen proximal proximalen Unterarm mit Ellen- und Speichenbeteiligung
und distal verriegelt und drehstabil implantiert werden. sind aufwändige Rekonstruktionsversuche eher von Nach-
Beim antegraden Nagel kann die Einstellung des Bild- teil. Besser ist die rasche Stabilisierung der Ulna mit einer
wandlers in der halbsitzenden Position schwierig sein. Au- winkelstabilen Platte.
ßerdem wird die Rotatorenmanschette kompromittiert.
Der retrograde Nagel hat diese Nachteile nicht: Der Patient kInstrumentarium
wird in Bauchlage operiert, der Oberarm auf einer strah- Siehe Sprengung des Akromioklavikulargelenkes (s. oben).
lendurchlässigen Platte gelagert.
Suprakondyläre Humerusfrakturen dicht oberhalb kLagerung
vom Ellbogen (ohne Gelenkbeteiligung) lassen sich mit 4 Bauchlage: Der Oberarm wird gut gepolstert auf
(winkelstabilen) Platten stabilisieren. In Rückenlage des einem Brett oder einer Stütze gelagert; der Unterarm
Patienten wird der Arm auf dem Handtisch gelagert. Der bleibt frei beweglich (. Abb. 3.132).
Operateur kann sitzen und das untere Humerusende von 4 Wenn üblich, Blutsperre oder Blutleere (7 Abschn. 3.4.3).
medial freilegen. Der N. ulnaris kann mühelos dargestellt 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
und nach hinten weggehalten werden. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).

Epikondylenbrüche kAbdeckung
Perkondyläre Humerusfrakturen müssen wie alle Gelenk- 4 Nach Abteilungsstandard.
brüche operiert werden. In Bauchlage des Patienten wird 4 Den betroffenen Unterarm steril wickeln.
der Oberarm auf einem Armbrett oder einer strahlen-
durchlässigen Armstütze gelagert (. Abb. 3.132).
4 Zunächst muss der N. ulnaris freigelegt und ange- Zuggurtung bei Olekranonfraktur
schlungen werden. 7 Bogenförmiger Hautschnitt zur Radialseite, die
4 Um die geborstene Kondylenrolle darstellen zu kön- Olekranonspitze umfahrend.
nen, wird das Olekranon abgesägt und mit dem aus- 7 Darstellen der Frakturränder, Entfernung von Koa-
gelösten M. triceps hochgeklappt. gula und Gewebeteilen mit scharfem Löffel oder
4 Die Kondylenteile werden zusammengefügt und mit »Zahnarzthäkchen«, Ausspülen des Frakturspaltes.
Kirschner-Drähten und kanülierten Kleinfragment- 7 Reposition mit Einzinker oder Zweipunktzange.
schrauben (Titan!) stabilisiert. 7 Einbohren von 2 parallelen Kirschner-Drähten
4 Mit Rekonstruktionsplatten, besser mit vorgeformten (1,6–1,8 mm), von der Olekranonspitze in die beu-
Mayo-Platten, wird die rekonstruierte Kondylenrolle geseitige Kortikalis der proximalen Ulna.
an beiden Seiten des Humerusschafts fixiert. 7 Mit dem 2-mm-Spiralbohrer wird ein Bohrloch (ca.
3 cm distal der Fraktur) quer durch die Ulna ange-
Das Olekranon wird mit einer Zuggurtung (7 Abschn. 6
3.5.3) refixiert und übungsstabil gemacht.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
209 3

legt; Durchziehen eines Cerclagedrahtes und


Bilden einer Achtertour um die freien Kirschner-
Drahtenden unter der Trizepssehne.
7 Mit einem Drahtspanner den Cerclagedraht anzie-
hen, verzwirbeln und abkneifen. Mit der Spitzzan-
ge werden die Kirschner-Drähte umgebogen und
mit dem Seitenschneider abgekniffen. Die Kirsch-
ner-Drahthaken werden so gedreht, dass sie die
Zuggurtungsschlinge umfassen. Alle Drahtenden
sollen dem Knochen angelegt sein (. Abb. 3.133).
7 Einlegen einer Redon-Drainage, schichtweiser
Wundverschluss, Polsterverband und dorsale . Abb. 3.133 Zuggurtungsosteosynthese bei Olekranonfraktur
Gipsschiene.

Bei Erwachsenen bereiten abgekippte oder zertrüm-


Fraktur des Radiusköpfchens merte handgelenknahe Speichenfragmente manchmal er-
Manche Frakturen des Radiusköpfchenhalses können kon- hebliche Probleme. Die Trümmerzone steht einem stabilen
servativ behandelt werden, wenn das Köpfchen nicht zu Halt der Fraktur oft entgegen, auch wenn sie gut reponiert
stark abgekippt ist (CT!). Anderenfalls ist eine operative und mit Kirschner-Drähten oder einem Fixateur externe
Rekonstruktion mit Kirschner-Drähten, PDS-Stiften/Ethi- gehalten scheint. Deshalb sind die meisten Operateure auf
pins oder Miniplättchen sinnvoll. winkelstabile Platten übergegangen, die von der Beugesei-
Nichtreponible Trümmerfrakturen rechtfertigen manch- te eingebracht werden.
mal die primäre Resektion, während arthrotische und
schmerzhafte Deformierungen die sekundäre Resektion er-
fordern. Das Ringband muss erhalten werden, weil es das 3.6.5 Femur
obere Speichenende bei der Drehung um die Elle fesselt.
Am Femur werden folgende Frakturen unterschieden:
Frakturen beider Unterarmknochen 4 mediale und laterale Femurhalsfrakturen,
Komplette Unterarmfrakturen werden bei Kindern häufig 4 pertrochantäre Frakturen (durch den großen und
konservativ, bei Erwachsenen operativ behandelt. Plat- kleinen Rollhügel),
tenosteosynthesen und intramedulläre Federnägel von 4 subtrochantäre Frakturen,
Radius und Ulna sind probat. Durch den Zug der Mem- 4 Schaftfrakturen,
brana interossea als Kraftüberträger zwischen den beiden 4 distale/suprakondyläre Frakturen,
Unterarmknochen hat der Bruch eines einzelnen Unter- 4 perkondyläre Frakturen (mit Gelenkbeteiligung).
armknochens die Neigung zur Fehlstellung und sollte des-
halb operiert werden. Das gilt besonders für Frakturen des In der dreidimensionalen Stellung des oberen Femurendes
einen und Luxationen des anderen Knochens (Monteggia- gibt es viele angeborene Varianten (Hüftdysplasie). Wenn
und Galeazzi-Schäden). der Femurkopf vom Azetabulum knapp überdacht ist, Er-
Wie am Unterschenkel sind bei den engen Räumen wachsene einen ausgeprägten Innendrehgang zeigen oder
auch am Unterarm Kompartmentsyndrome möglich. Ihre eine deutliche Beinlängendifferenz besteht, kann eine Um-
Behandlung besteht in einer unverzüglichen Längsspal- stellungsosteotomie sinnvoll sein. Indikationen bei Kin-
tung der Haut und des Faszienmantels in ganzer Länge. dern sind schwere Femurkopflösungen und manche Per-
thes-Erkrankungen (eine Kinderkrankheit, die durch
Distale Radiusfraktur Durchblutungsstörungen zu Hüftkopfnekrosen führt).
Eine distale Radiusfraktur mit oder ohne Abriss vom Grif-
felfortsatz der Elle (Proc. styloideus ulnae) gehört zu den Mediale Schenkelhalsfrakturen
häufigsten Verletzungen und betrifft alle Altersgruppen, Bei den medialen Schenkelhalsfrakturen muss geklärt wer-
besonders die mittleren und höheren. den, ob die Stellung des Femurkopfes und das Alter des
Bei Kindern handelt es sich meist um sog. Grünholz- Patienten den Versuch einer kopferhaltenden Behandlung
frakturen, die allenfalls reponiert werden müssen und in rechtfertigen. Wenn der Patient noch jung oder trotz fort-
einer 3- bis 4-wöchigen Gipsbehandlung problemlos aus- geschrittenen Alters in guter Verfassung ist und der Kopf
heilen. nicht abgerutscht ist, kann manchmal die Verschraubung
210 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

leuchten der C-Bogen in die axiale Ebene geschwenkt


werden muss und dabei die Abdeckung vom Boden
hochgezogen wird.
4 Deshalb ist hier ist die Vertikaltuch-Einmalab-
deckung von Vorteil.

3
Einbringen der DHS
7 Vor der Hautdesinfektion und dem Abdecken er-
folgt das unsterile Repositionsmanöver unter
Durchleuchtung auf dem Extensionstisch.
7 Mit dem Messerrücken und dem Bildwandler wird
die Hautschnitthöhe ermittelt.
. Abb. 3.134 Lagerung für DHS. Das gesunde Bein wird auf einer
7 Präparation bis zum Knochen und Einsetzen von
Göpel-Stütze hoch gelagert. (Fa. Stryker)
Hohmann-Hebeln.
7 Mit dem DHS-Zielgerät (130–135–150°) wird der
oder sogar die konservative Behandlung ausreichen. Da Führungsdraht mit Gewinde (Ø 2,5 mm) bis unter
aber von den Femurhalsfrakturen meist ältere und in redu- den Knorpel des Femurkopfes gebohrt. Idealer-
ziertem Allgemeinzustand befindliche Patienten betroffen weise liegt er im a.-p.-Bild nahe dem Adambogen,
sind, der Femurkopf abgerutscht ist, eine Kopfnekrose im Axialbild mittig im Femurhals (. Abb. 3.135).
droht und die Patienten so rasch wie möglich mobilisiert Er muss bis zum Eindrehen der DHS-Schraube be-
werden müssen, sind oft Endoprothesen (7 Abschn. 3.5.10) lassen werden.
nötig. Dazu eignen sich besonders die sog. Duokopf- oder 7 Aufstecken des Messstabes (. Abb. 3.82) auf den
bipolare Schalenendoprothesen, die eine Erhaltung der na- Gewindedraht. Die angegebene Länge ist die Stre-
türlichen Hüftpfanne ermöglichen: Der Prothesenkopf aus cke, die der Draht im Knochen liegt (. Abb. 3.136).
Keramik oder Metall steckt im Kunststoffinlay einer frei 7 Zusammensetzen und Einstellen des Dreistufen-
beweglichen Pfannenschale aus Metall, deren Größe der bohrers. Von der ermittelten Länge müssen
natürlichen Hüftpfanne entspricht. 10 mm abgezogen werden, da der Dreistufenboh-
rer nur bis 10 mm an das Gelenk herangebohrt
Laterale und pertrochantäre Frakturen wird.
Bei lateralen und pertrochantären Frakturen muss eine 7 Beispiel: Werden auf dem Messstab 105 mm abge-
möglichst belastungsstabile Osteosynthese erreicht wer- lesen, muss der Stufenbohrer auf 95 mm einge-
den. Dafür sind Platten mit Gleitlochschrauben (DHS; stellt werden (. Abb. 3.137). Der Dreistufenboh-
7 Abschn. 3.5.9) oder spezielle Nagelsysteme (PFN, rer bereitet das Lager für die Schraube und den
Gammanagel; 7 Abschn. 3.5.8) am besten geeignet. Plattenzylinder. Oft wird beim Zurückführen des
Dreistufenbohrers der Zieldraht mit herausgezo-
Dynamische Hüftschraube (DHS) gen. Mit Hilfe der kurzen Zentrierhülse und einer
kLagerung umgekehrt eingesetzten DHS-Schraube kann der
4 Rückenlagerung auf einem Extensionstisch (. Abb. Draht dann wieder korrekt platziert werden.
3.134). 7 Bei fester Knochenstruktur kann das Gewinde vor-
4 Die Füße müssen vor der Fixation gut abgepolstert geschnitten werden. Dafür werden benötigt: T-
werden. Handgriff, Gewindeschneider, kurze Zentrierhülse.
4 Der Arm der zu operierenden Seite wird am Narkose- 7 Eindrehen der Schraube mit Führungsschaft, Ver-
bügel abgepolstert aufgehängt. bindungsschraube, DHS-Schraube, DHS-Schrau-
4 Unsterile Reposition unter Bildwandlerkontrolle. benschlüssel, lange Zentrierhülse.
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 7 Auf dem Schraubenschlüssel befindet sich eine
4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). Skala (0–15). Erreicht beim Eindrehen die 0-Marke
die laterale Kortikalis, liegt die Schraube korrekt
kAbdeckung 10 mm vom Gelenk entfernt (. Abb. 3.138). Bei
4 Nach Abteilungsstandard. osteoporotischen Knochen kann die Schraube et-
4 Die sterile Abdeckung eines auf dem Extensionstisch was weiter eingedreht werden.
gelagerten Patienten und des Röntgengerätes ist im- 6
mer problematisch, da beim intraoperativen Durch-
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
211 3

7 Wichtig ist, dass der Griff des Schlüssels am Ende Platte. Er besteht aus einem Schraubenschlüssel,
des Eindrehens parallel zum Femurschaft steht. einer langen Verbindungsschraube, einer offenen
Nur so lässt sich die Platte später in korrekter Stel- Zentrierhülse und einem entsprechenden Ein-
lung über den Schraubenschaft schieben. schlagbolzen.
7 Aufschieben der entsprechenden DHS-Platte. 7 Einbringen der Kortalisschrauben mit dem 3,2-
7 Entfernung des Führungsschaftes und des Füh- mm-Bohrer, dem 4,5-mm-Gewindeschneider, der
rungsdrahtes. Leichtes Einschlagen des Platten- zentrischen DCP-Bohrbüchse usw.
zylinders mit dem Einschlagbolzen und dem 7 Eventuell wird nun die Kompressionsschraube mit
Hammer. dem großen Sechskantschraubendreher in die
7 Ein neu entwickelter DHS-Schlüssel ermöglicht DHS-Schraube eingedreht (. Abb. 3.139).
das gleichzeitige Einbringen von Schraube und 7 Zuvor muss die Extension nachgelassen werden.
6 7 Schichtweiser Wundverschluss, Verband.

3.135 3.136

3.137

3.138

3.139

. Abb. 3.135 Implantation der dynamischen Hüftschraube: Zielge- . Abb. 3.138 Eindrehen der DHS-Schraube. (Aus Müller et al.
rät mit Führungsdraht. (Aus Müller et al. 1992/1997) 1992/1997)
. Abb. 3.136 DHS-Implantation: Schraubenlängenbestimmung. . Abb. 3.139 DHS mit Kompressionsschraube. (Aus Müller et al.
(Aus Müller et al. 1992/1997) 1992/1997)
. Abb. 3.137 DHS-Implantation: Dreistufenbohrer. (Aus Müller et
al. 1992/1997)
212 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Materialentfernung Nagelung mit Gammanagel


7 Bei der Metallentfernung wird zuerst die Kom- 7 Auf dem Extensionstisch wird zunächst unter
pressionsschraube, dann die Platte und anschlie- Durchleuchtung die Fraktur unsteril reponiert.
ßend die DHS-Schraube entfernt. Desinfektion der Haut und anschließendes Abde-
7 Zur Entfernung der DHS-Schraube wird die lange cken.
3 Verbindungsschraube benötigt, die während des 7 Um eine korrekte Schenkelhalsstellung zu erzie-
Ausdrehvorgangs Zug ausübt. Diese wird durch len, wird ggf. perkutan ein 2-mm-Kirschner-Draht
den DHS-Schraubenschlüssel geschoben und von parallel zur Achse des Femurhalses eingebracht.
hinten in die DHS-Schraube eingedreht. Dieser Schritt kann auch später, vor dem Einset-
zen der Schenkelhalsschraube, erfolgen.
7 Hautschnitt: proximal des Trochanter major.
Subtrochantäre Femurfraktur 7 Marknagelung (7 Abschn. 3.5.7): Durch die Tro-
Wie der Name sagt, sind subtrochantäre Femurfrakturen chanterspitze wird mit dem großen Pfriem die
eigentlich Schaftfrakturen; oft lassen sie sich von pertro- Kortikalis perforiert.
chantären Brüchen kaum unterscheiden. Weder die DHS 7 Einbringen des Führungsspießes mit Knopfende.
noch der im Folgenden beschriebene Gammanagel bringt Aufbohren des Markraums mit den flexiblen Bohr-
sichere Ergebnisse. wellen 2 mm weiter als der distale 11-mm-Nagel-
Wenn Trochanter major und Trochanter minor nicht durchmesser. Der Trochanterbereich muss auf
gebrochen sind, ist eine Stabilisierung am ehesten durch 15,5 mm aufgebohrt werden, alternativ steht ein
intramedulläre Kraftträger mit einer axialen Schenkelhals- Vorbohrer zur Verfügung.
schraube zu erreichen. Das obere Femurende ist bei diesem 7 Vorsichtiges Einführen des Nagels mit der Einbrin-
Verfahren belastungsstabil fixiert. Wie bei der DHS kann gungsvorrichtung von Hand. Zum Ende der Nage-
auch beim Gammanagel der verschraubte Schenkelhals lung muss der Griff dieses Gerätes parallel zum
belastet werden, ohne dass eine Perforation der Schraube Kirschner-Draht stehen.
durch den Hüftkopf droht. Bei den »Gammanägeln« ist die 7 Entfernen des Führungsspießes und Einschieben
distale Verriegelung mit 1 oder 2 Bolzschrauben sinnvoll, der entsprechenden Ziellehre in die Einbrin-
damit die Rotationsstabilität gewährleistet ist. gungsvorrichtung. Die Ziellehre gibt die Rich-
tungen für die Schenkelhalsschraube und die dis-
Gammanagel talen Verriegelungsschrauben an.
Da viele Schritte der Marknagelung (7 Abschn. 3.5.7) ähn- 7 Eindrehen der Schenkelhalsschraube:
lich sind, wird der Verlauf im Folgenden gekürzt angege- – Führungshülse mit Bohrführung im Zielgerät
ben. einsetzen; Hautinzision; Ankörnen der late-
ralen Kortikalis mit dem 4,2-mm-Bohrer.
kLagerung – Entfernen der Bohrerführungshülse und Ein-
4 Rückenlagerung auf einem Extensionstisch (. Abb. setzen der Kirschner-Draht-Führungshülse.
3.134). Über die Kirschner-Draht-Hülse Einbringen
4 Suprakondyläre Drahtextension! des Drahtes mit Gewindeanteil bis an die Ge-
4 Das Bein wird extendiert, das gesunde Bein möglichst lenkfläche des Hüftkopfes; Ermittlung der
in einer Göpel-Stütze hochgelagert, um ein problem- Schraubenlänge mit dem Längenmessgerät,
loses Durchleuchten zu gewährleisten. das dem Draht angelegt wird (Längenanga-
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. be = Spießlänge ohne Gewindeanteil).
4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). – Einstellen des Stufenbohrers auf die entspre-
chende Schraubenlänge. Der Bohrer wird
kAbdeckung über den Führungsspieß geschoben.
4 Nach Abteilungsstandard. – Maschinelles Bohren bis zum Anschlag auf die
4 Die sterile Abdeckung eines auf dem Extensionstisch Führungshülse; Montage der Schenkelhals-
gelagerten Patienten und des Bildwandlers ist immer schraube auf das Eindrehgerät.
problematisch, da beim intraoperativen Durchleuchten – Durch die Führungshülse wird die Schraube
das Gerät in die seitliche Ebene geschwenkt werden eingebracht. Die Schraube soll 5 mm länger
muss und dabei die Abdeckung hochgezogen wird. sein als der ermittelte Wert, damit sie aus der
4 Separates Abdecken des Durchleuchtungsgerätes oder 6
große Wandfolie.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
213 3
kLagerung
lateralen Kortikalis herausragt und gleiten 4 Rückenlagerung auf einem geraden Röntgentisch
kann. Am Schluss muss der Griff des Eindreh- oder auf einem Extensionstisch.
gerätes parallel oder senkrecht zur Ziellehre 4 Die zu operierende Seite zur Tischkante hin lagern.
stehen. 4 Flaches Kissen unter das Gesäß.
7 Einbringen des Verriegelungsbolzens mit dem 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
Sechskant- und Kardanschlüssel von proximal 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
durch den Nagel in eine der Längsrillen der
Schenkelhalsschraube. Nach dem Eindrehen wird kAbdeckung
er um eine Vierteldrehung gelockert. Dadurch 4 Gemäß Abteilungsstandard.
wird das Gleiten möglich, die Rotation aber ver- 4 Das betroffene Bein steril wickeln.
hindert.
7 Mit dem Sechskantschraubendreher wird, zur Ver-
meidung von Verlegungen des proximalen Nagel- Intertrochantäre Valgisierung um 20°
anteils, ein Gewindestopfen eingedreht. 7 Hautschnitt: Gerader langer Hautschnitt an der Au-
7 Ist eine distale Verriegelung erforderlich, wird ßenseite des oberen Femurdrittels. Nach Spaltung
nach Kirschner-Draht- und Führungshülsenentfer- der Fascia lata wird zunächst die vordere Hüftkapsel
nung die Rändelschraube der Ziellehre etwas ge- dargestellt und spindelförmig reseziert. Der M. vas-
löst und die distale Führungshülse mit Mandrin tus lateralis wird L-förmig vom Tuberculum innomi-
natum und vom Septum intermusculare mit Messer
im oberen Loch der Zielvorrichtung eingesetzt.
und Raspatorium abgelöst. Dabei wird er mit einem
7 Hautinzision; Mandrinentfernung.
großen Wundhaken nach vorn und unten gezogen
7 Aufbohren beider Kortikales mit dem 4,2-mm-
und dann mit Hohmann-Hebeln weggehalten.
Bohrer und entsprechender Führung; Ermitteln 7 Wenn man um 20° valgisieren und eine 130°-Plat-
der Schraubenlänge; Eindrehen der selbstschnei- te verwenden will, muss zunächst der maßgeb-
denden Verriegelungsschraube mit dem distalen liche Einschlagwinkel der Vorschlagklinge mar-
Schraubendreher. kiert werden: In einem Winkel von 130°–20°=110°
7 Gleiches Vorgehen bei der zweiten Schraube un- zum Femurschaft wird ein Kirschner-Draht in das
ter Verwendung einer zweiten distalen Führungs- obere Femurende gebohrt (. Abb. 3.140). Zur
hülse (optional). Kontrolle der Antetorsion vom Schenkelhals wird
ein freier Kirschner-Draht aufgelegt.
7 Abschließende Röntgenkontrolle. Nach Entfer-
7 Unterhalb vom Tuberculum innominatum wird
nung der Einbringvorrichtung folgt der schicht-
die Kortikalis für den Klingeneinschlag mit dem
weise Wundverschluss mit evtl. Einlegen einer Re- 3,2-mm-Bohrer eröffnet.
don-Drainage und Verband. 7 Die Führungsplatte wird auf einen Winkel von 70°
eingestellt; durch sie wird das Plattensitzinstru-
ment parallel zu den beiden Kirschner-Drähten
Valgisierende Umstellungsosteotomie mit Hammer und Schlitzhammer eingeschlagen.
mit 130°-Winkelplatte Der Einschlag der Vorschlagklinge darf in keiner
kSpezialinstrumentarium Ebene verkippt werden, denn sonst drohen die
Perforation des Schenkelhalses, Ischiadikusläsi-
Benötigt werden die in den . Abb. 3.68 bis . Abb. 3.73 dar-
onen und große Probleme bei der Reposition und
gestellten Instrumente. der Plattenmontage. Auf dem Plattensitzinstru-
ment befindet sich eine Messskala, auf der man
kZusätzliches Instrumentarium die eingeschlagene Klingenlänge ablesen kann.
4 Grundinstrumentarium, 7 Wenn das Plattensitzinstrument (Vorschlagklinge)
4 Knochengrundinstrumentarium (7 Abschn. 3.5.1), auf 50–60 mm eingeschlagen ist, können die bei-
4 Bohrmaschine, oszillierende Säge bei Umstellungsos- den Kirschner-Drähte entfernt und das obere Fe-
teotomien, murende osteotomiert werden: Hierzu wird 2 cm
4 Kirschner-Drähte (Ø 2,0 mm; 7 Abschn. 3.5.3), unterhalb und absolut parallel zur Vorschlagklin-
ge mit einer breiten oszillierenden Säge osteoto-
4 16-mm-Meißel,
miert. In 130° zum Femurschaft folgt die Resekti-
4 evtl. Repositionszange (7 Abschn. 3.5.1),
on des lateralbasigen Ganzkeils (. Abb. 3.141).
4 Standardschrauben und -instrumente, Winkel-, Kon- 7 Jetzt kann das Plattensitzinstrument mit dem
dylenplattenset. Schlitzhammer herausgeschlagen werden. Dabei
6
214 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.140 3.141

3.142 3.143

. Abb. 3.140 Aufbohren der Kortikalis und Einschlagen der Vor- . Abb. 3.142 Ausschlagen der Vorschlagklinge und Einschlagen
schlagklinge in einem Winkel von 70° zur Schaftachse des Femurs der 130°-Winkelplatte
. Abb. 3.141 Klingenparallele Osteotomie 15–20 mm unter der liegen- . Abb. 3.143 Valgisierende Schließung der Osteotomie und Fest-
den Vorschlagklinge und Resektion eines lateralbasigen Keils von 20° setzen der Platte mit 4 Kortikalisschrauben

sollte das frei bewegliche Kopf-Hals-Stück mit einer 7 Besetzung von 2 der 4 Schraubenlöcher mit 2 neut-
Zweitpunktrepositionszange gehalten werden. ral gebohrten Kortikalisschrauben. Verwendung
7 Die 130°-Platte mit 60 mm Klingenlänge wird un- der DCP-Bohrbüchse grün, dem 3,2-mm-Bohrer
terhalb des Plattenwinkels in das Einschlaggerät und dem 3,5-mm-Gewindeschneider. Abnahme
eingespannt, sodass es in gerader Verlängerung des Plattenspanners. Einbringen einer exzent-
der Winkelplattenklinge steht, die behutsam ein- rischen (DCP-Bohrbüchse gelb; . Abb. 3.39) und
schließlich einer 3. neutralen Kortikalisschraube.
gesetzt wird (. Abb. 3.142).
Das Nachspannen der Schrauben von distal nach
7 Der Femurschaft wird an die Osteotomie und die
proximal bedeutet eine dritte Kompressionskom-
Platte gebracht und mit einer großen Repositions-
ponente auf die schräge Osteotomie.
zange (Ulrich) provisorisch gehalten. Der Platten- 7 Textilien und Instrumente zählen und Dokumen-
spanner (s. . Abb. 3.51 und . Abb. 3.60b) wird tation des Zählstandes.
montiert und mit dem Kardanschlüssel maximal 7 Refixation des M. vastus lateralis am Tuberculum
gespannt. Dabei sollte die Osteotomie »wasser- innominatum. Tiefe Redon-Drainage, Faszien-,
dicht« schließen (. Abb. 3.143). Subkutan- und Hautnaht. Steriler Verband, post-
6 operative Röntgenkontrolle.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
215 3

3.149

3.150

3.151

3.144 3.145

3.152

3.146 3.147 3.148 3.153

. Abb. 3.144 Flachmeißel gebogen; sog. Pfannenrandmeißel für . Abb. 3.150 Raffelfräser für Pfannenlager im Azetabulum.
die Hüftendoprothetik. (Fa. Aesculap AG) (Fa. Plus-Orthopedics)
. Abb. 3.145 Fasszange. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.151 Setzinstrument mit Kragen für PE-Pfannen. (Fa. Plus-
. Abb. 3.146 Femurkopfauszieher (T-Extraktor). (Fa. Aesculap AG) Orthopedics)
. Abb. 3.147 Hohlmeißel, u. a. zur Eröffnung der Femurmarkhöhle. . Abb. 3.152 Geschwungener spitzer Hebel nach Hohmann-Al-
(Fa. Aesculap AG) dinger, sog. Schwanenhals. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 3.148 Femurkopf-Luxationshebel. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 3.153 Reponierstößel. (Fa. Stryker Howmedica)
. Abb. 3.149 Zwischenstück zu Raffelfräser (TEP). (Fa. Plus-Ortho-
pedics)
216 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

4 Knochenzementspritze (. Abb. 3.9),


4 ggf. Vakuumpumpe.

kSpezialinstrumentarium
4 Die Instrumente sind in ihren Einzelheiten so vielfäl-
tig wie die Implantate. . Abb. 3.144 bis . Abb. 3.156
3 zeigen einige Beispiele.
4 Jeder Hersteller bietet sein eigenes Prothesenmodell
mit dem entsprechenden Instrumentarium an. Daher
wird der folgende OP-Verlauf nur allgemein und mit
Instrumentenbeispielen beschrieben.

kZugänge und Lagerung


4 Anterolateraler Zugang nach Watson-Jones:
3.154 5 Die betroffene Seite wird etwas über die Tischkante
gelagert.
5 Der Arm wird gut abgepolstert aufgehängt.
5 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
5 Der Beingurt wird oberhalb des Knies des nicht zu
a operierenden Beines fixiert.
5 Der Hautschnitt beginnt unterhalb der Spina iliaca
anterior, umfährt von hinten den Trochanter major
b und verläuft weiter zum proximalen Drittel des
Oberschenkelschaftes.
5 Spaltung der Fascia lata.
5 Eingehen auf die Gelenkkapsel zwischen M. glutae-
c us medius und M. tensor fasciae latae.
3.155 4 Posterolateraler Zugang
5 Stabile Seitenlagerung mit sicherer Abstützung
durch seitlich am Tisch angebrachte Stützen und
Polsterkissen oder mit einer Vakuummatte (. Abb.
3.157).
5 Der Arm der zu operierenden Seite wird gut ab-
gepolstert aufgehängt oder in einer Halbschale ge-
3.156 lagert.
5 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
. Abb. 3.154 Oszillierende Knochensäge. (Fa. Aesculap AG) 5 Der Beingurt wird oberhalb des Knies des nicht zu
. Abb. 3.155a–c Sägeblätter. (Plus-Orthopedics) operierenden Beines fixiert.
. Abb. 3.156 Femurraspel für zementfreie Schaftprothesen. Mit 5 Der Hautschnitt beginnt leicht bogenförmig hinter
einem aufgesteckten Probekopf kann sie reponiert werden und er-
dem Trochanter major und endet im proximalen
möglicht eine Überprüfung der Gelenkstabilität. (Plus-Orthopedics)
Oberschenkelschaftbereich.
5 Spaltung der Fascia lata.
Für intertrochantäre Varisierungen und suprakondyläre 5 Eingehen auf die Gelenkkapsel hinter dem M. glu-
Umstellungen eignen sich Rechtwinkelplatten. Sie haben taeus maximus. Die Außenrotatoren werden an ih-
eine Unterstellung von 10, 15 oder 20 mm, 4 DCP-Löcher rem Ansatz abgelöst, später refixiert.
und eine 50 mm oder 60 mm lange Klinge. Eingebracht 4 Transglutäaler Zugang:
werden sie wie die 130°-Winkelplatten (. Abb. 3.66). 5 Rückenlage oder Seitenlage (. Abb. 3.158).

Hüft-TEP kAbdeckung
kAllgemeines Instrumentarium 4 Gemäß Abteilungsstandard.
4 Grundinstrumentarium, 4 Das betroffene Bein wird steril gewickelt.
4 allgemeines Knocheninstrumentarium,
4 große Bohrmaschine mit oszillierender Säge,
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
217 3

Implantation einer zementierten


Duokopfendoprothese
7 Liegt die Gelenkkapsel frei, wird sie T-förmig inzi-
diert. Einsetzen diverser Hohmann-Hebel (zuerst
spitze, später stumpfe Hebel).
7 Mit der oszillierenden Säge wird der Schenkelhals
an seiner Basis, proximal des Trochanter minor,
durchtrennt. Oft wird ein breiter gerader Meißel
zu Hilfe genommen.
7 Heraushebeln des Hüftkopfes mit dem T-Extraktor
(. Abb. 3.146).
7 Teilweises Entfernen der Gelenkkapsel mit Kapsel-
. Abb. 3.157 Stabile Seitenlagerung bei Hüftprothesenimplantati-
fasszange (. Abb. 3.145) und Messer.
on. (Aus Krettek u. Aschemann 2005)
7 Ausmessen des Hüftkopfes mit der Schublehre.
Nun entscheidet sich die Größe des Polyethylen-
aufsatzes mit der Metallkappe, die später die na-
türliche Pfanne auskleiden soll. Diese darf nicht
kleiner als der extrahierte Hüftkopf sein. Eventuell
wird nun eine Probeimplantation vorgenommen.
Abstopfen der Pfanne mit einer Kompresse.
7 Vorbereitung des Femurschaftes: Mit einem
scharfen Löffel wird die erste Spongiosa aus dem
Schaft entfernt und aufbewahrt. Die Femurmark-
höhle wird mit Formraspeln (passend zum jewei-
ligen Prothesentyp) erweitert. Manchmal ist es
notwendig, zuvor den Markraum mit Markraum-
bohrern zu erweitern. Die ausgesuchte Prothese
oder die Probierraspel wird in den Schaft einge-
. Abb. 3.158 Stabile Seitenlagerung bei Hüftprothesenimplantati-
bracht, um den Sitz zu prüfen. Die Markhöhle wird
on. Der Patient wird nach hinten durch eine höhere, von einem Tuch
gespült und mit einem Streifen ausgetrocknet. überzogene Stütze am Kreuzbein abgestützt. Das kranke Bein kann
7 Anrühren des Knochenzements nach Hersteller- von den Zehen bis zum abgeklebten Rippenbogen zirkulär desinfi-
vorschrift mit doppelten Handschuhen (7 Ab- ziert werden
schn. 3.4.4) oder Vorbereitung mit der Vakuum-
pumpe. In den Schaft wird ein Redon-Drain, des-
sen Perforationsende gekürzt ist, eingelegt und
(zur Schaftentlüftung) an den Sauger angeschlos- 7 Der benötigte Metall- oder Keramikkopf (die Hals-
sen. Mit einer Zementspritze wird der Knochenze- länge variiert) wird in das Polyethyleninlay mit der
ment in den Schaft eingedrückt, die Redon-Drai- Metallkappe eingebracht und auf die Schaftpro-
nage gezogen und die trockene, saubere Prothese these gesteckt.
angereicht. 7 Reposition mit dem Reponierstößel. Kontrolle der
7 Mit dem passenden Einschlaggerät und dem korrekten Lage und der Beweglichkeit sowie Bein-
Hammer wird die Prothese eingeschlagen und in längenvergleich (eine Korrektur ist möglich, in-
der richtigen Position gehalten. Hervortretender dem eine andere Halslänge des Steckkopfes ge-
überschüssiger Knochenzement wird entfernt. wählt wird).
Beim heißen Aushärten wird mit kalter Ringer-Lö- 7 Zählen der Instrumente und Textilien und Doku-
sung gespült. Nach 8–10 min ist der Knochenze- mentation des Zählstandes.
ment fest. 7 Eine Redon-Drainage wird in das Gelenk gelegt.
7 Überstehende Zementkanten werden mit einer Subfasziale und subkutane Drainagen sind oft
Luerzange oder einem Meißel abgetragen. sinnvoll.
7 Entfernen des Streifens aus der Pfanne. 7 Schichtweiser Wundverschluss, evtl. elastischer
6 Verband, postoperative Röntgenkontrolle.
218 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

kInstrumente für die Marknagelung


Bei Totalendoprothese Das hierbei eingesetzte Spezialinstrumentarium ist in
7 Entknorpelung der Gelenkpfanne mit Raffelfräsen . Abb. 3.159 bis . Abb. 3.173 dargestellt.
in steigender Größe. Entscheidung, welche Pfanne
implantiert wird. kZusätzliche Instrumente
7 Anrühren einer kleineren Menge Knochenzement, 4 Grundinstrumentarium,
3 die von Hand (doppelte Handschuhe) in die Pfan- 4 evtl. Wundspreizer,
ne eingebracht wird. Die Pfanne wird mit Hilfe des 4 große Bohrmaschine.
jeweiligen Pfanneneindrückers eingesetzt. Der
überschüssige Knochenzement wird entfernt. kLagerung
Kühlung mit Ringer-Lösung. . Abb. 3.134 und . Abb. 3.185.
7 Weiteres Vorgehen s. oben (Duokopfendoprothese). Nagelungen werden unter ständiger Röntgenkontrolle
durchgeführt. Die Einhaltung der Strahlenschutzrichtli-
nien (7 Abschn. 3.4.2) für den Patienten und das Personal
ist obligat. Ist eine Lagerung auf dem Extensionstisch nicht
3.6.6 Femurschaft möglich, kann der Patient auf einem geraden Durchleuch-
tungstisch gelagert werden, muss aber zu Repositionszwe-
Subtrochantäre Femurfrakturen betreffen das »obere Fe- cken mit einem Distraktor versorgt werden.
murende« und werden zu den hüftnahen Brüchen gerech-
net; nach anatomischen Kriterien sind sie aber Schaftbrü- kAbdeckung
che. Weder der große noch der kleine Trochanter sind 4 Nach Abteilungsstandard.
frakturiert. 4 Die sterile Abdeckung eines auf dem Extensionstisch
Schaftfrakturen des Femurs, insbesondere Etagen- und gelagerten Patienten und des Röntgengerätes ist immer
Trümmerbrüche, lassen sich am besten mit Marknägeln problematisch, da beim intraoperativen Durchleuchten
(7 Abschn. 3.5.7) stabilisieren. Das kürzere Frakturende, das Gerät in die seitliche Ebene geschwenkt werden
manchmal auch das längere, sollte durch Verriegelungs- muss und dabei die Abdeckung hochgezogen wird.
schrauben stabilisiert werden. Anderenfalls drohen ein 4 Separates Abdecken des Durchleuchtungsgeräts.
Einstauchen und Verdrehen der Fraktur, weil der Nagel in
den sich weitenden spongiösen Metaphysen ungenü- Retrograde Femurnägel
genden Halt hat. Unaufgebohrte Marknägel werden immer Bei der retrograden Nagelung wird nach Reposition unter
an beiden Enden verriegelt. Bildwandlerkontrolle ein Marknagel über eine Stichinzisi-
on durch das Kniegelenk zur Stabilisierung in den Ober-
Antegrader Marknagel schenkelschaft vorgeschoben und im peripheren und zen-
Lagerung auf einem Extensionstisch, suprakondyläre tralen Fragment durch quere Schrauben verriegelt. Dieses
Drahtextension! Verfahren bietet sich besonders bei osteoporotischen Kno-
chen an, weil der sehr weiche Femurkondylus durch spezi-
elle Verriegelungsschrauben oder eine gewundene Klinge
Gefahren und Probleme der Marknagelung mit breiter Auflage (»twisted blade«) fixiert werden kann.
4 Falscher Nagel, z. B. am Femur rechts statt links Für retrograde Femurnägel (. Abb. 3.174) kann das
4 Falsche Reihenfolge der Bohrköpfe Bein mit einer Rolle unter dem Oberschenkel wie bei einer
4 Verkanten oder Abbruch des Bohrkopfes in der arthroskopischen Meniskektomie gelagert werden.
Markhöhle
4 Erster Führungsspieß ohne Knopfspitze
4 Sprengung oder Perforation des Schafts Ungebohrte Femurmarknagelung
4 Einschlagen des Femurnagels in Rekurvation statt 7 Auf dem Extensionstisch wird vor der Desinfekti-
Antekurvation on und dem Abdecken unter Röntgenkontrolle
4 Falsche Längenwahl (a.-p. und seitlich) möglichst exakt reponiert.
4 Drehfehler durch unbemerkte Lagerungs- oder 7 Hautschnitt oberhalb der Trochanterspitze und
Repositionsfehler Freilegung derselben.
4 Mangelnder Knochenkontakt der Fraktur (Pseud- 7 Mit dem großen Pfriem (. Abb. 3.159) wird die
arthrose) nach Einschlagen des Nagels – Extensi- Trochanterspitze perforiert und der Femurmark-
on im Lagerungsgerät nachgeben! 6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
219 3

3.163

3.159

3.164

3.160

3.165

3.161

3.166
. Abb. 3.159 Pfriem zur Eröffnung der Markhöhle an der Spitze vom
Trochanter major, am Humeruskopf oder am Tibiakopf. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.160 Bohrdorn 2,5 mm. Um das Auffädeln der Fraktur zu
erleichtern, kann das Knopfende gebogen werden; es verhindert
eine unbeabsichtigte Kortikalisperforation und sichert den Bohr-
kopf. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.161 Universalbohrfutter mit T-Handgriff; damit kann der
Bohrdorn gedreht, eingeschlagen und herausgezogen werden.
(Fa. Synthes) 3.167

3.168

. Abb. 3.163 Distaler Femurnagel (DFN), Durchmesser 19 mm und


12 mm, Länge 160–420 mm. Die Nägel werden durch das eröffnete
Kniegelenk in den Femurschaft eingeschlagen und eignen sich be-
sonders für suprakondyläre Femurfrakturen. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.164 Solider Titan-Humerusnagel (UHN), verschiedene
Durchmesser und Längen. Die Nägel können antegrad vom Hume-
ruskopf und retrograd vom unteren Humerusende eingebracht wer-
den. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.165 Strahlendurchlässiges Kunststoffrohr, ermöglicht den
Wechsel von Führungsspießen. (Stryker-Howmedica)
. Abb. 3.166 Ein- und Ausschlaginstrument für ungebohrten Tibia-
und Humerusnagel. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.167 Schlitzhammer. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.168 Extraktionshaken für beschädigte Marknägel.
(Fa. Synthes)

. Abb. 3.162 Markraumbohrer (SynReam) mit schneidendem Bohrkopf


(Durchmesser 6,0–10,5 mm, Länge 385 mm, Humerus). (Fa. Synthes)
220 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

3.169
3

3.170

3.171

a b

. Abb. 3.174 Retrograder Femurnagel (a), Tibianagel (b) und retro-


grader Humerusnagel (c). (Fa. Stryker Howmedica)

3.172
7 Es gibt rechte und linke Femurmarknägel, da eine
Antekurvation eingearbeitet ist.
7 Nun wird der Marknagel mit dem jeweiligen Ein-
schlaggerät (. Abb. 3.176) über den Spieß einge-
schlagen. Proximal soll der Nagel mit der Trochan-
3.173 terspitze abschließen und distal weit in die Meta-
physe reichen.
. Abb. 3.169 Solider Titanfemurnagel (UFN), Durchmesser 9– 7 Hat der Nagel die Fraktur passiert, wird die Exten-
12 mm, Länge 300–480 mm. (Fa. Synthes) sion nachgelassen.
. Abb. 3.170 Sechskantschraubendreher 3,5 mm für Verriege- 7 Nach Entfernen des Führungsspießes und dem
lungsschrauben. (Fa. Synthes)
. Abb. 3.171 Tiefenmessgerät für Verriegelungsbolzen. (Fa. Synthes)
Wundverschluss ist die Marknagelung beendet.
. Abb. 3.172 Zielbügel für ungebohrten Femurnagel (UFN).
(Fa. Synthes)
. Abb. 3.173 Aufsatz für Standardverriegelung beim UFN.
(Fa. Synthes)
Proximale Verriegelung
7 Durch das proximale Einschlag- und Zielgerät
wird eine Zentrierhülse geschoben, die den Weg
raum eröffnet; evtl. Verwendung eines Wund-
der speziellen selbstschneidenden 130°-Verriege-
spreizers.
lungsschraube vorgibt.
7 Die Nagellänge wird bestimmt, indem das freie
7 Mit dem kleinen Pfriem wird die Kortikalis ange-
Ende des Spießes mit dem sterilen Metalllineal
körnt; der 5-mm-Spiralbohrer bohrt beide Korti-
gemessen und das Ergebnis von der Gesamtlänge
kales auf. Entfernung der Hülse; Messen der
des Führungsspießes abgezogen wird. Dazu kön-
Schraubenlänge. Durch das Zielgerät wird die
nen auch Messschablonen verwendet werden
Schraube mit dem T-Schraubendreher eingedreht.
(. Abb. 3.175).
7 Entfernung des Zielgerätes.
6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
221 3

Distale Verriegelung
7 Wichtig ist, dass die Nagellöcher im seitlichen
Strahlengang auf dem Monitor kreisrund er-
scheinen. Dazu sollte das Bein in der Extension
abgespreizt werden.
7 Stichinzision der Haut; Ankörnen der lateralen . Abb. 3.175 Strahlendurchlässige Schablone zur Längen- und
Kortikalis mit dem kleinen Pfriem. Bohren beider Dickenbestimmung des Marknagels. (Fa. Stryker Howmedica)
Kortikales mit dem 4,5-mm-Spiralbohrer; Erwei-
tern der ersten Kortikalis mit dem 6-mm-Spiral-
bohrer. Dieses Vorgehen erleichtert das Eindrehen
der Schraube, die zum Schraubenkopf hin dicker
wird. Bestimmen der Schraubenlänge; Eindrehen
der selbstschneidenden Schraube mit dem T-
Schraubendreher.
7 Gleiches Vorgehen bei der zweiten Verriegelungs-
schraube.
7 Proximaler schichtweiser Wundverschluss.
7 Distal Hautnaht der Inzisionen.
7 Verband.
7 Wenn vorhanden, Entfernen der Drahtextension.
7 Abschließende Röntgendokumentation.

Ein ungebohrter Nagel wird nach Eröffnen des Markraums


eingebracht. Die Fraktur wird mit dem Nagel aufgefädelt.
Alle anderen OP-Schritte sind mit dem Vorgehen beim
gebohrten Nagel identisch. Es entfallen also das Einbrin- . Abb. 3.176 Einbohren des Führungsdrahtes in das untere Femur-
gen des Führungsspießes, das Bohren und der Wechsel des ende für retrograden Marknagel. (Fa. Stryker Howmedica)
Führungsspießes.

Die meisten perkondylären Femurfrakturen haben


3.6.7 Unteres Femurende auch eine suprakondyläre Komponente. Deshalb ist nach
der Rekonstruktion des Kondylenmassivs die Osteosyn-
Supra- und perkondyläre Frakturen these mit einer Platte nötig. Dafür eignen sich winkelstabi-
Entscheidend ist die Frage der Gelenkbeteiligung. le Platten (unidirektional: LISS, Fa. Synthes; multidirekti-
onal: Wolter, Fa. Litos; 7 Abschn. 3.5.6).
Suprakondyläre Femurfrakturen
Unterhalb einer gewissen Entfernung vom Kniegelenk
(5–8 cm) sind distale Femurfrakturen als suprakondyläre 3.6.8 Traumatische und degenerative
Frakturen zu bezeichnen. Moderne Stabilisierungsverfah- Knieschäden
ren sind retrograde Marknägel (7 Abschn. 3.5.7) und win-
kelstabile Platten (LISS, Fa. Synthes; Wolter, Fa. Litos). Das Kniegelenk muss nicht nur im Sport, sondern auch im
Bei Kindern sind Minimalosteosynthesen mit Kirsch- Alltag erheblichen Belastungen standhalten. Ohne jede
ner-Drähten probat. knöcherne Führung muss es gestreckt und gebeugt stabil
sein. Die komplizierte Roll- und Gleitbewegung der Fe-
Perkondyläre Frakturen murkondylen auf dem Tibiaplateau und die sog. Schluss-
Bei den perkondylären Frakturen macht die Gelenkbetei- rotation des Unterschenkels bei der Streckung werden nur
ligung immer eine anatomiegerechte Rekonstruktion des von Muskeln, Sehnen und Bändern gewährleistet. Dabei
Kondylenmassivs nötig (vgl. Kondylenfraktur des Hume- sind die Muskeln aktive/dynamische und das Kapsel-
rus; 7 Abschn. 3.6.4). Diese ist mit großen Zweipunktzan- Band-System passive/statische Komponenten. Die eine
gen möglich und lässt sich mit langen Spongiosaschrauben Komponente kann Mängel der anderen zumindest zeitwei-
oder durchbohrten Schrauben fixieren (7 Abschn. 3.5.4). se und begrenzt kompensieren.
222 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Dynamische Stabilisierung kInstrumentarium


Die »dynamische« Stabilisierung obliegt v. a. folgenden Siehe Sprengung des Akromioklavikulargelenkes (7 Ab-
Muskeln und Sehnenzügen: schn. 3.6.3).
4 M. quadriceps femoris – Patella – Lig. patellae: vorn.
4 Pes anserinus (Mm. gracilis, semitendinosus und sar- kLagerung
torius): medial und vorn. 4 Rückenlagerung.
3 4 Mm. gastrocnemius und semimembranosus: 4 Leichte Beugung im Knie durch Unterschieben einer
dorsal. Polsterrolle.
4 M. popliteus: dorsal und lateral. 4 Evtl. das gesunde Bein etwas absenken.
4 Tractus iliotibialis mit seiner Insertion am Gerdy- 4 Blutsperre oder Blutleere, Dokumentation (7 Abschn.
Punkt des Tibiakopfes: lateral. 3.4.3).
4 M. biceps femoris mit seiner lateralen Insertion am 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
Fibulaköpfchen. 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).

Statische Stabilisierung kAbdeckung


Folgende Strukturen gewährleisten die »statische« Stabili- 4 Gemäß Abteilungsstandard.
sierung: 4 Der betroffene Unterschenkel wird steril gewickelt.
4 Mediale und laterale Retinacula der Kniescheibe.
4 Mediales Seitenband mit einem oberflächlichen und
einem tiefen Anteil und dem Lig. meniscofemurale Patellafraktur
und meniscotibiale. 7 Hautschnitt längs über der Patellamitte. Darstel-
4 Laterales Seitenband. len der Fraktur und Abschieben des Gewebes vom
Beide Seitenbänder sind bei gestrecktem Kniegelenk Frakturrand (Raspatorium oder Messer). Repositi-
gespannt, bei gebeugtem entspannt. on mit z. B. Patellarepositionszange (. Abb. 3.22).
4 Menisken: Faserknorpelige Puffer, Führungshilfen
und Stabilisatoren des Kniegelenkes. Ihre Basis ist mit Verschiedene Vorgehensweisen:
der Gelenkkapsel und mit dem tiefen Anteil des me- 7 1. Mit Hilfe einer dicken Kanüle wird ein dicker,
dialen Seitenbandes verwachsen. weicher Cerclagedraht hart am Knochen unter der
4 Vorderes Kreuzband. Quadrizepssehne um den oberen Patellapol ge-
4 Hinteres Kreuzband. führt, über der Patella gekreuzt und ebenfalls hart
Beide Bänder bestehen aus mehreren Hauptbündeln, am Knochen um den unteren Patellapol geführt.
sind halbschraubenförmig verdreht und in keiner
Anziehen des Drahtes mit dem Drahtspanner und
Kniegelenkstellung ganz entspannt oder ganz ge-
Abkneifen mit dem Seitenschneider.
spannt.
7 2. Dasselbe Vorgehen wie unter 1. beschrieben, je-
doch mit zwei Cerclagedrähten; hierbei wird der
erste tief durch die Sehne, der zweite oberfläch-
3.6.9 Patellafraktur und Zuggurtung
lich durch die Sehne geführt (ohne Bildung einer
Achtertour über der Patella).
Die Kniescheibe ist das größte Sesambein des Körpers. Sie
7 3. Mit dem 2-mm-Bohrer werden im proximalen
bündelt die Kraft der Quadrizepsmuskulatur und über-
trägt sie über das Lig. patellae auf den Unterschenkel. Sie Patellafragment zwei parallele Bohrungen durch-
wird von den Retinacula seitlich gehalten. Frakturen sind geführt (. Abb. 3.177a). Dann erfolgt die Reposi-
nicht selten und müssen fast immer operiert werden. Sie tion mit einer Zange. Zwei Drähte werden durch
sollten nicht mit Anlagevarianten (Patella bipartita) ver- die Bohrungen geführt und weiter nach distal vor-
wechselt werden. gebohrt (. Abb. 3.177b). Um die 4 Kirschner-
Drahtenden wird der Cerclagedraht gelegt und
kPrinzip angespannt (. Abb. 3.177c). Viele Chirurgen be-
Dislokation durch den Zug der Quadrizepssehne bzw. des vorzugen eine achtförmig gelegte Drahtcerclage.
Lig. patellae. Umknicken und Versenken der proximalen Kirsch-
4 Querfraktur → durch Zuggurtung, ner-Drahtenden. Die distalen Enden werden ge-
4 Längsfraktur → durch Verschraubung, kürzt und leicht versenkt.
4 Trümmerfraktur → kombinierte Verfahren, manch- 6
mal Entfernung der Patella.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
223 3

7 Der seitliche Reservestreckapparat wird ggf.


vernäht; Kapselnaht, Redon-Drainage, Wund-
verschluss. Evtl. dorsale Gipsschiene in leichter
Beugestellung, oder eine ROM-Schiene (»range
of motion«), die die Beweglichkeit einschränkt,
oder eine Kniestabilisierungsschiene mit vor-
gegebenen 10° ohne Einstellungsmöglichkeiten.

Insertionsausrisse am Knie
Ausrisse von Sehnenansätzen am Knochen sind weniger
häufig als Sehnenrisse. Der Ausriss des Lig. patellae oder
der Quadrizepssehnenausriss am Oberrand der Knieschei-
be muss operiert werden. Im ersten Fall werden die Nähte
durch eine sog. Rahmennaht mit Draht (McLaughlin) oder a b
autologem Sehnenmaterial gesichert. Bei dorsolateralen
Kapsel-Band-Schäden kann die Popliteussehne ausgeris-
sen sein und sollte dann reinseriert werden.

3.6.10 Bandschäden

Seitenbandrisse
Isolierte Risse des medialen Seitenbandes werden i. Allg.
konservativ behandelt. Häufiger sind sie bei komplexen
Kniebandschäden. Dann werden sie mit resorbierbarem
Nahtmaterial der Stärke 2–0 vernäht.
Reinsertionen können mit Krampen oder Schrauben
fixiert werden. Unterlegscheiben mit Zackenkranz geben
festen Halt. Zur Rekonstruktion von manchen Schäden der
dorsolateralen Kapselschale und der tiefen Schicht vom
medialen Seitenband kann es nötig sein, die knöcherne
Insertion eines Seitenbandes abzumeißeln und anschlie-
ßend zu refixieren. c

Kreuzbandrisse
. Abb. 3.177a–c Zuggurtungsosteosynthese bei Patellafraktur.
Rupturen der Kreuzbänder entstehen oft im Rahmen kom- (Nach Müller et al. 1992). Achtförmige Cerclagen können an den Sei-
plexer Band-, Kapsel- und Meniskusschäden. Meistens ist ten nicht abrutschen
das vordere Kreuzband betroffen, das dünner und verlet-
zungsanfälliger ist als das hintere. Die Behandlung von
Rupturen des hinteren Kreuzbandes ist umstritten. kZusatzinstrumentarium
Klinisch lassen sich die schwerwiegenden Verletzungen 4 Kirschner-Drähte, Drahtfänger, Drahtgabeln,
am besten in Narkose (vor einer Arthroskopie oder Ar- 4 durchbohrte Spiralbohrer oder Hohlbohrer,
throtomie) beurteilen. Zur präoperativen Diagnostik ge- 4 Zielgeräte für die transossären Bohrungen,
hört eine Magnetresonanztomographie (MRT). 4 Isometriemessgeräte, Tensiometer,
Bei der »klassischen« Ersatzoperation des vorderen 4 Nahtbänkchen,
Kreuzbandes wird ein freier Mittelstreifen aus dem Lig. pa- 4 Interferenzschrauben aus Titan oder resorbierbarem
tellae mit der knöchernen Insertion beider Enden verwen- Material,
det. Die (halboffene) arthroskopische Technik mit der Se- 4 Krampen,
mitendinosussehne, die weiter unten beschrieben wird, gilt 4 feine oszillierende Säge,
als Therapie der Wahl. 4 Meißel und Luer.
224 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Vordere Kreuzbandersatzplastik mit einem freien


Streifen aus dem Lig. patellae
7 Knapp medial der Kniescheibenspitze erfolgt die
Hautinzision von der Spitze der Kniescheibe bis
zur Tuberositas tibiae (ca. 5 cm).
3 7 Darstellung des Lig. patellae. Abmessen der Breite
von ca. 1 cm des mittleren Drittels der Knieschei-
bensehne. Heraussägen von Knochenblöckchen
von etwa 1 cm Breite und 1,5 cm Länge aus der
Patellaspitze und der Tuberositas tibiae. Vor dem
vollständigen Herausmeißeln der Knochenblöck-
chen wird in diese je eine Bohrung von 2 mm
Durchmesser eingebracht. Im Anschluss Heraus-
meißeln der Knochenblöckchen und Gewinnung
des Transplantates.
7 Mit Hilfe der Bohrhülsen können die Transplantate
a zugerichtet werden. Der Durchmesser der Boh-
rung kann für den tibialen und femoralen Kanal
bestimmt werden. Die Knochenblöckchen können
durch die eingebrachten Bohrungen mit kräftigen
Mersilenefäden oder dünnem Draht armiert wer-
den (. Abb. 3.178). Das Transplantat wird feucht
eingelegt.

3.6.11 Arthroskopische Kniechirurgie

Arthroskopische Kniegelenkoperationen
1. Operation an den Menisken
– Partielle und subtotale Meniskektomie medial
b und lateral
– Meniskusrefixationen medial und lateral
. Abb. 3.178a, b Vordere Kreuzbandplastik. a Freies Transplantat, 2. Operationen am Gelenkknorpel
b Bohrung durch den lateralen Femurkondylus über einen Kirsch- – Entfernung loser Knorpelanteile
ner-Draht – Refixationen osteochondraler Fragmente o
Kleinfragmentschraube durchbohrt, resorbier-
bares Material (Ethipin)
kLagerung – Pridiebohrungen o 1,2-mm-Kirschner-Draht
4 Rückenlagerung. – Abrasionschondroplastiken o Kugelfräse
4 Das verletzte Knie wird in Kreuzbandhalterung (»leg – Knorpel-Knochen-Plastiken o Verpflanzung ge-
holder«) gelagert, sodass das Kniegelenk um 100– sunder Knorpel- und Knochenzylinder aus
110° gebeugt werden kann. nichtbelasteten Anteilen des Kniegelenkes in
4 Eine Blutsperrenmanschette wird möglichst hoch am zerstörte Gebiete mit Hohlfräsen
Oberschenkel angelegt (7 Abschn. 3.4.3). 3. Operationen an der Gelenkinnenhaut
4 Die Neutralelektrode wird am anderen Oberschenkel – Synovialisbiopsie
nach Vorschrift fixiert. – subtotale Synovialektomie
– Resektion der Plica mediopatellaris
kAbdeckung – Zottenresektionen
4 Gemäß Abteilungsstandard. 6
4 Der Unterschenkel wird steril gewickelt.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
225 3

4. Operationen am Hoffa-Fettkörper
– Teilentfernung des Hoffa-Fettkörpers
5. Bandoperationen
– Ersatz des vorderen Kreuzbandes (Lig. patellae,
Semitendinosus)
– Hintere Kreuzbandersatzoperationen
6. Operationen im Femoropatellargelenk
– Laterale Retinakulotomie bei Patellafehlgleiten
– Naht des medialen Retinakulums in Verbindung
mit einer lateralen Retinakulotomie bei fri-
schen, rezidivierenden oder habituellen Patella-
luxationen . Abb. 3.179 Rückenlagerung, Abklappen des unteren Segmentes
7. Frakturen im Bereich des Kniegelenks der Beinplatte. Fixierung des Oberschenkels in einem Kniehalter.
– Refixation ausgesprengter osteochondraler Blutsperre als Polsterung gegen den Druck des Kniehalters. (Aus
Krettek u. Aschemann 2005)
Fragmente o durchbohrte Kleinfragment-
schraube, PDS-Stifte (Ethipin)
– Bestimmte Formen der Tibiakopfbrüche o
durchbohrte Großfragmentschraube lateral lokalisiert, betreffen Vorderhorn, Pars intermedia
oder Hinterhorn und reichen von randlichen degenera-
tiven Veränderungen bis zu kapsulären Ausrissen. Menis-
kInstrumentarium kusschäden können isoliert oder in Kombination als Korb-
4 Geringes Grundinstrumentarium (Stichskalpell), henkel-, Lappen- oder Radiärriss auftreten. Der Ruptur-
4 arthroskopisches Spezialinstrumentarium, verlauf kann horizontal sein; es können komplette oder auf
4 Kamerabezug, der Ober- oder Unterfläche inkomplett verlaufende Längs-
4 Spül-, Saugsystem, risse vorkommen. Von großer Bedeutung sind degenera-
4 Bereitstellung eines Turmes mit dem technischen tive Veränderungen der Menisken, die von randlichen
Equipment für eine Arthroskopie. Auffaserungen bis zur Zerstörung des gesamten Gewebes
reichen.
kLagerung Meniskusschäden werden fast ausschließlich arthro-
Arthroskopische Operationen können je nach Erfordernis skopisch behandelt. Grundsätzlich stehen für die Behand-
in den folgenden Positionen durchgeführt werden: lung von Meniskusläsionen die Resektion und die Refixa-
4 Rückenlage mit einer eine Handbreit oberhalb des tion zur Verfügung. Ein spezielles Instrumentarium für die
Knies angebrachten lateralen Stütze, Meniskuschirurgie ist notwendig.
4 mit hängendem Knie auf einer abgepolsterten Knie-
rolle. kInstrumentarium
4 Lagerung in einer Arthroskopiehalterung Instrumentarium für resezierende Verfahren:
(. Abb. 3.179). 4 Korbschneider,
4 Anbringen einer Blutsperre am Oberschenkel 4 Meniskotome,
(7 Abschn. 3.4.3). 4 Punches,
4 Anbringen der Neutralelektrode nach Vorschrift. 4 Shaver,
4 Bereitstellung und Überprüfung der Geräte auf Funk- 4 Arthroresektoren,
tionstüchtigkeit: Kaltlichtquelle, Videoanlage, Shaver, 4 Laser.
Spülsystem etc.
Instrumentarium für die Meniskusrefixation:
kAbdeckung 4 Nahtkanülen oder
4 Gemäß Abteilungsstandard. 4 sog. T-Fix (Fa. Smith & Nephew) in Inside-in-, Out-
4 Der Unterschenkel wird steril gewickelt. side-in- oder Inside-out-Technik.

Meniskusschäden
Meniskusschäden können traumatischer und/oder dege-
nerativer Natur sein. Sie treten akut (Blockade, Erguss)
oder chronisch auf. Meniskusschäden sind medial oder
226 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Meniskusoperation 7 Ein Ringstripper (7 Abb. 4.13) wird auf der Sehne


7 Anterolaterale Stichinzision knapp neben der weit nach proximal vorgeschoben, bis die Sehne
Kniescheibenspitze. am Muskelansatz gelöst werden kann. Am Tibia-
7 Bei um ca. 70° gebeugtem Knie wird die Schleuse kopf wird die Sehne mit einem feinen Periostlap-
unter leicht drehenden Bewegungen in Richtung pen abgelöst.
3 auf das vordere Kreuzband auf geradem Wege in 7 Die Semitendinosussehne wird möglichst vierfach
das Kniegelenk eingebracht. Nach Durchstoßen gelegt und auf einer Nahtbank fixiert. In einer
der Synovialis wird das Kniegelenk vorsichtig ge- speziellen Nahttechnik werden beide Sehnenen-
streckt und der Trokar in den oberen medialen Re- den mit beschichteten Polyesterfäden (z. B. Ethi-
zessus vorgeschoben. Entfernung des stumpfen bond, Fa. Ethicon) vernäht und die Fäden lang ge-
Trokars aus der Schleuse, Einsetzen der Kamera lassen. Ist der recht aufwändige Nahtvorgang ab-
mit Kaltlichtkabel. An den beiden Hähnen werden geschlossen, erfolgt über ca. 30 min das Vorspan-
der Zulauf für die Spülflüssigkeit und die Saugung nen des Semitendinosustransplantates auf der
angeschlossen. Nahtbank.
7 Über eine zweite suprameniskale mediale Stichin- 7 Über einen anterolateralen Zugang wird das Ar-
zision mit genauer Platzierung durch Kanülenson- throskop in das Gelenk eingeführt. Die Fossa in-
dierung wird der Tasthaken in das Gelenk einge- tercondylica wird dargestellt. Noch evtl. vorhan-
bracht. denes Narbengewebe oder Kreuzbandmaterial
7 Es folgt die diagnostische Inspektion: im oberen wird aus der Fossa intercondylica entfernt und die
Rezessus beginnend über das Femoropatellarge- Notchplastik durchgeführt, die den Innenraum
lenk, die mediale Gelenkkapsel in das mediale des Knies erweitert.
Kompartment. Bei gebeugtem Knie gelangt man 7 Unter arthroskopischer Kontrolle wird ein Zielge-
mit dem Arthroskop in den dorsomedialen Rezes- rät zur Einbringung des tibialen Kirschner-Drahtes
sus zur Beurteilung des Innenmeniskushinter- platziert. Der Kirschner-Draht wird in 45° aufstei-
horns sowie der dorsomedialen Gelenkkapsel. gendem Winkel vom Schienbeinkopf in das Zen-
Nach Inspektion und Beurteilung der Kreuzbän- trum des Ansatzes des ehemaligen vorderen
der sowie der Plica infrapatellaris erfolgt nach Kreuzbandes eingebracht. Überbohren des Kirsch-
Umlagerung des Kniegelenkes in die sog. Vierer- ner-Drahtes mit flexiblen Bohrern bis 8 mm
position die Beurteilung des lateralen Kompart- Durchmesser.
ments sowie des dorsolateralen Rezessus. Die Be- 7 Über den tibialen Bohrkanal wird eine zweite Ziel-
urteilung der lateralen Gelenkkapsel schließt die lehre in das Gelenk vorgeschoben. Platzierung
Untersuchung ab. des Zielgerätes zur Bestimmung des isomet-
7 Über den suprameniskalen medialen Zugang ist rischen Punktes. Einbringung eines Nahtankers in
der größte Teil der im Gelenk notwendigen opera- das Zentrum des isometrischen Punktes und Be-
tiven Eingriffe möglich. Dies betrifft insbesondere stimmung der Isometrie. Sind die isometrischen
Operationen am Innenmeniskus. Verhältnisse gut, wird ein 2,5-mm-Kirschner-Draht
7 Einlegen einer intraartikulären Redon-Drainage durch den tibialen Bohrkanal in das Femur einge-
nach Bedarf. Hautnähte der Stichinzisionen, ste- bohrt und perkutan anterolateral am Oberschen-
riler Verband. kel herausgeleitet. Der Kirschner-Draht wird mit
einem Spezialbohrer überbohrt, nachdem zuvor
der Durchmesser am Transplantat bestimmt wor-
Ersatz des vorderen Kreuzbandes den ist. Auch die Länge des einzubringenden
Bohrkanals muss am Transplantat und seinen Ver-
Vordere Kreuzbandersatzplastik in ankerungsnähten bestimmt werden.
Semitendinosus-Technik 7 Der proximale Sehnenanteil wird mit einem Naht-
7 Über eine etwa 2 cm lange Hautinzision finger- plättchen (Endobutton, Fa. Ethicon) versehen. Un-
breit medial der Tuberositas tibiae wird die Semi- ter arthroskopischer Sicht wird die Semitendino-
tendinosussehne aufgesucht. Nach Anschlingen susplastik über die zuvor angelegten Bohrkanäle
der Sehne wird diese von den umgebenden Seh- in das Gelenk eingezogen. Der Endobutton wird
nen, insbesondere vom Pes anserinus, gelöst. durch Zug an den beiden Fäden verkippt, sodass
6 6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
227 3

er flach auf dem Femur zu liegen kommt. Entfer-


nung der beiden Fäden. Im Anschluss wird über
ein Tensiometer eine ausreichende Spannung des
Transplantats und seiner Verankerung am Schien-
beinkopf mit einem Nahtkopf erreicht.
7 Über das Arthroskop wird eine Drainage in das
Kniegelenk eingeführt. Es erfolgt der schichtweise
Wundverschluss.

3.6.12 Knieendoprothese

Implantation
Bei der Vielzahl von Knieendoprothesen können gekop-
pelte, teilgekoppelte und ungekoppelte Modelle unter-
schieden werden, die ganz oder teilweise zementiert oder
zementfrei eingesetzt werden können. Zwar hat sich der
a
ungekoppelte und teilgekoppelte bikondyläre Oberflä-
chenersatz weltweit durchgesetzt, jedoch haben gekoppelte
Endoprothesen nach wie vor ihre Bedeutung bei rheuma-
tischen Deformitäten und instabilen Gelenken. Einige En-
doprothesen ermöglichen die sog. Schlussrotation des
Kniegelenkes, indem sie ein drehfähiges Inlay auf dem Ti-
biakopf haben.
Eine der weltweit am häufigsten eingebauten Knieen-
doprothesen zeigt . Abb. 3.180.

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium,
4 allgemeines Knocheninstrumentarium,
4 Knieendoprothesenspezialinstrumentarium (jede Fir-
ma bietet für ihr System das entsprechende Instru-
mentarium an),
4 Knieinstrumente,
4 oszillierende Säge,
4 evtl. Knochenzement (7 Abschn. 3.4.4).

kLagerung
4 Rückenlage,
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift,
4 Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3).

kAbdeckung b
4 Gemäß Abteilungsstandard.
4 Handschuhabdeckung mit Kompresse über den Ze- . Abb. 3.180 Knieendoprothese. a Eine der weltweit am häufigsten
hen; die zuverlässige Beurteilung der Tibiaachse muss eingebauten Knieendoprothesen (Sigma PFC). Bei einem solchen bi-
möglich sein. kondylären Oberflächenersatz wird wenig Knochen reseziert. In die-
ser Variante wird auch das hintere Kreuzband entfernt; das Inlay
»substituiert« es. b Das gleiche System mit modularen Ergänzungen,
die bei Wechseloperationen gebraucht werden: Zementfreie Schäfte
geben mehr Stabilität in der Markhöhle von Femur und Tibia, Aug-
mentationen gleichen Knochendefekte am unteren Femurende und
am Tibiaplateau aus. (Fa. DePuy)
228 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Implantation einer Knieendoprothese these. Fast alle Tibiaplateaus werden einzemen-


7 Streckseitiger Mittelschnitt und Arthrotomie von tiert, üblicherweise mit zweiseitigem
medial. Knochenzement auf dem Plateau und an der Un-
7 Umkippen der Kniescheibe nach lateral und maxi- terseite der Prothese.
mal mögliche Kniebeugung. Mit Fasszange und 7 Das femorale Prothesenschild kann zementfrei
3 Messer werden die Menisken und das vordere aufgeschlagen werden; besonders beim rese-
Kreuzband reseziert. zierten hinteren Kreuzband ist aber die zweisei-
7 Mit einem breiten Hohlmeißel und einem schma- tige Zementierung erforderlich. Reposition des
len geraden Meißel wird die osteophytäre Notch Gelenkes mit einem Probeinlay, dann mit einem
(Kerbe) entfernt und ein Zugang zur Markhöhle passgerechten definitiven Inlay.
des Femurs ermöglicht. 7 Wenn ein Gelenkflächenersatz der Kniescheibe
7 Die bei allen Prothesenmodellen übliche lange nötig ist, wird zunächst die Dicke der Patella be-
Ausrichtstange wird tief in das Femur eingeführt stimmt und größengerecht reseziert. Die rand-
und hält verschiedene Abkantblöcke an der Un- ständige Synovialis und die Osteophyten werden
ter- und Vorderseite der Femurkondylen (. Abb. mit Messer und Luer-Zange abgetragen. Das ent-
3.181a). Dadurch wird eine winkelgerechte Resek- sprechende PE-Implantat wird ebenfalls zweisei-
tion von der Unterseite der Femurkondylen mög- tig aufzementiert und mit einer Zange unter
lich. Auf diese Resektionsfläche werden weitere Druck gehalten.
Abkantblöcke aufgesetzt, über die größenge- 7 Öffnung der Blutsperre, 2 Redon-Drainagen, Ver-
rechte Schnittflächen für die betreffende Prothese schluss der Arthrotomie. Subkutane Redon-Drai-
exakt gesägt werden können (. Abb. 3.181b). Zur nage, Subkutan- und Hautnähte, steriler, evtl. mit
Überprüfung wird ein Probeimplantat aufgesetzt. Watte gepolsteter Verband und Wickelung des
7 Bei der Zurichtung des Tibiaplateaus kommt es Beines mit elastischer Binde.
entscheidend auf die Längsachse des Unterschen-
kels an; denn rechtwinklig zu ihr wird das Tibia-
plateau reseziert (. Abb. 3.181c). Bei den meisten
Prothesen dienen dazu externe Stangensysteme, 3.6.13 Frakturen und Deformitäten
die in der Mitte des Tibiaplateaus (in der Eminentia des Unterschenkels und
intercondylica) eingehakt und oberhalb vom des Sprunggelenkes
Sprunggelenk mit einer großen Klammer gehalten
werden. Die einsteckbaren Ausrichtstangen sollten Tibiakopffrakturen
auf die Basis des 2. Mittelfußknochens zeigen. Frakturen des Tibiakopfes betreffen fast immer das Ge-
Wenn das hintere Kreuzband erhalten werden soll, lenk. Dabei ist das mediale und/oder laterale Tibiaplateau
wird die tibiale Insertion mit einem schmalen ge- in der Mitte des Kniegelenkes in der Längsrichtung abge-
raden Meißel von vorn geschützt. Über den an der brochen, nach unten verschoben und manchmal auch in
Vorderseite des Schienbeinkopfes montierten sich gesprengt. Diese Brüche verlangen eine möglichst ex-
Sägeblock kann nun das mediale und laterale Tibia- akte und stabile Rekonstruktion, weil sonst sekundäre In-
plateau mit Säge und breitem Meißel reseziert stabilitäten und arthrotische Zerstörungen der Gelenkflä-
werden. Dabei sollte der Oberschenkel von einem chen zwangsläufig folgen.
Assistenten manuell oder mit einer Haltestange im Eine zuverlässige Beurteilung des Tibiaplateaus ist nur
Femur hochgezogen werden. Größenbestimmung auf Röntgenschichtaufnahmen (Tomographien) oder im
des tibialen Implantats und Probereposition mit CT möglich. Handelt es sich um einfache Frakturen ohne
Inlay (. Abb. 3.181d). Impressionen/Verschiebungen, genügen Verschraubungen
7 Wenn die Beinachse gerade, das Knie voll streck- mit langen Spongiosaschrauben oder durchbohrten
bar und die Seitenstabilität gut und gleich ist, Schrauben. Ansonsten muss das betreffende Tibiaplateau
werden die Probeimplantate herausgenommen, durch ein Kortikalisfenster aufgestößelt und mit körperei-
und der Tibiakopf wird zur Aufnahme des defini- genem Knochen unterfüttert werden (Spongiosaentnahme
tiven Implantats vorbereitet. Dazu dienen bei vie- 7 Abschn. 3.6.2). Dann muss das reponierte Tibiaplateau
len Prothesen großkalibrige Zapfen und Antirota- mit 1 oder 2 Abstützplatten in Form eines (T oder) L abge-
tionslamellen an der Unterseite der tibialen Pro- fangen werden.
6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
229 3

b d

. Abb. 3.181 Implantation einer Knieendoprothese. a Untere Re- und in der Höhe so platziert, dass beide Gelenkflächen des Tibiapla-
sektion der Femurkondylen über intramedullär ausgerichtete Säge- teaus reseziert werden können. d Nach der vorderen und hinteren
schablone. b Vordere und hintere Kondylenresektion mit schrägem Resektion der Femurkondylen und des Tibiaplateaus wird die Größe
Abkanten über einen Block. c Die tibiale Resektionsschablone wird des tibialen Prothesenteils mit Schablonen bestimmt. (Fa. DePuy)
(meistens extramedullär) quer zur Unterschenkelachse ausgerichtet

Versorgungen 5 medial Stabilisierung durch eine schmale DC-Plat-


4 Spaltbruch oder Meißelbruch ohne Gelenkimpression te: Doppelplattenosteosynthese.
und Plateauverbreiterung:
5 Schraubenosteosynthese mit Standardfragment- kInstrumentarium
Spongiosaschrauben (Lochschrauben). 4 Grundinstrumentarium,
4 Impressionsfraktur: 4 Knochengrundinstrumentarium,
5 Anheben der Gelenkfläche mit gebogenem Spongi- 4 evtl. Meniskusinstrumentarium, spezielle Häkchen,
osastößel, 4 Instrumente zur Spongiosaentnahme und -anlage
5 autologe Spongiosaunterfütterung oder Ersatzma- (7 Abschn. 3.6.2): Meißel, Löffel, Hammer, Stößel
terial (z. B. Endobone). (. Abb. 3.129),
5 zusätzlich Abstützplatte. 4 Standardfragment (Schrauben 7 Abschn. 3.5.4, Platten
4 Bikondyläre Fraktur: 7 Abschn. 3.5.5),
5 laterale Abstützung durch eine Platte, 4 evtl. Repositionszangen,
230 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

4 Bohrmaschine,
4 Kirschner-Drähte,
4 evtl. Schränkeisen.

kLagerung
4 Rückenlagerung,
3 4 leichte Beugung im Knie durch Unterschiebung einer
Polsterrolle/Kniestütze,
4 evtl. das gesunde Bein etwas absenken,
4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3),
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift,
4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).

kAbdeckung
4 Gemäß Abteilungsstandard.
a 4 Der betroffene Unterschenkel wird steril gewickelt.
4 Falls eine Spongiosaentnahme erforderlich ist, muss ein
vorderer Beckenkamm bei der Abdeckung frei bleiben.

kZugänge
4 Lateraler Zugang,
4 medialer Zugang,
4 bilateraler (mediale DC-Platte) Zugang.
> Der Mindestabstand zwischen den beiden para-
patellaren Zugängen muss 5–6 cm betragen, um
die Durchblutung nicht zu gefährden.

Laterale Tibiakopffraktur
7 Freilegen des lateralen Tibiakopfes: laterale para-
b
patellare Hautinzision, Spaltung der Faszie in
Längsrichtung, Inzision des Tractus iliotibialis bis
zum oberen Wundwinkel. Abschieben der Musku-
latur und Einsetzen eines Hohmann-Hebels nach
lateral. Quere Eröffnung des Gelenkes unterhalb
des Außenmeniskus. Ein Saum sollte am Tibiakopf
stehen bleiben, um den Meniskus später wieder
anheften zu können. Anheben des Meniskus mit
einem Langenbeck-Haken. Nach medial werden,
ebenfalls mit einem Haken, das Lig. patellae und
der Hoffa-Fettkörper weggehalten.
7 Bei einer Meißelfraktur mit einer abgesunkenen
Plateauhälfte werden zunächst Kirschner-Drähte
vorgebohrt, mit denen die Gelenkfläche angeho-
ben und korrekt eingestellt werden kann. Die Os-
c teosynthese erfolgt dann mit 2 Spongiosaschrau-
ben mit Unterlegscheiben oder besser mit einer
. Abb. 3.182 Tibiakopffraktur. a Erstellen des Kortikalisfensters, Abstützplatte.
b Anheben der Gelenkfläche mit Stößel, c Abstützplatte. (Nach 7 Vorbereiten eines 1 × 1 cm großen Kortikalisfens-
Müller et al. 1992/1997) ters an der Außenseite der proximalen Tibia mit
6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
231 3

einem Flachmeißel und einem Hammer (. Abb. 7


3.182).
1
7 Durch diese Öffnung wird mit einem Stößel die 8
Gelenkfläche angehoben (s. . Abb. 3.182). 2
7 Auffüllen des Tibiakopfdefektes mit der zuvor ent- 9
nommenen Spongiosa (7 Abschn. 3.6.2). 3
7 Anbringen einer Spongiosaabstützplatte. Beset- 4 10
zen der Plattenkopflöcher mit 6,5-mm-Spongio- 6
saschrauben: 3,2-mm-Spiralbohrer mit Gewebe- 5
schutz; Messen; Schraube mit entsprechend lan-
gem Gewinde. . Abb. 3.183 Instrumentarium: 1 = stumpfer Hohmann-Hebel, der
zwischen Tibiakopf und Ligamentum patellae eingesetzt wird und
7 Im Plattenschaft werden vorwiegend 4,5-mm-Kor-
den ventromedialen Tibiakopf umfährt; 2 = stumpfer Hohmann-He-
tikalisschrauben benötigt: 3,2-mm-Spiralbohrer mit bel, der an der Dorsalseite des Tibiakopfes verwendet wird; 3 = Drei-
Gewebeschutz; Messen; 4,5-mm-Gewindeschnei- kantahle zum Vorbohren der Klammereintrittspunkte; 4 = stumpfer
der mit Gewebeschutz; Schraube (. Abb. 3.182). Einzinkerhaken zum Herausziehen des Zuggurtungsfadens an der
7 Nun erfolgt, wenn erforderlich, die Rekonstrukti- Dorsalseite der Fibula; 5 = Stufenklammer; 6 = Blount´sche Epiphy-
senklammer; 7 = Universalanlegezange mit Spannvorrichtung zum
on des Kapsel-Band-Apparates, Refixation des Me-
Einschlagen der Klammer; 8 = schlanker Luer zur Entfernung des Fi-
niskus. Einlegen von Redon-Drainagen; Gelenk- bulazylinders und der dorsalen Reste des Korrekturkeils; 9 = langer
kapselverschluss; weiterer schichtweiser Wund- Trennmeißel zur Durchtrennung der medialen Tibiakopfkortikalis;
verschluss. Anlegen einer abnehmbaren Knie- 10 = Einschlaginstrument zum Nachschlagen der Klammern nach
schiene. Entfernung der Universalanlegezange. (Aus Blauth et al. 1993)

Umstellung des Tibiakopfes


Valgisierende Umstellungsosteotomie (Coventry) Valgisierende Umstellungsosteotomie
kIndikationen des Tibiakopfes
4 Varusgonarthrose, mediale Meniskopathie, 7 Hautschnitt ca. 15 cm an der Außenkante vom
4 Genu varum (O-Bein) verschiedener Ursachen bei Kniegelenk und Schienbeinkopf. Der N. peronaeus
Erwachsenen. kann hinter der lateralen Bizepssehne aufgesucht
und angeschlungen werden. Ablösung des M. ti-
kInstrumentarium bialis anterior vom Außenrand der Insertion des
4 Grundinstrumentarium, Lig. patellae über die Außenseite des Tibiakopfes
4 Knochengrundinstrumentarium bis zur Vorderseite des oberen Fibulaendes mit
4 oszillierende Säge mit großem und kleinem Säge- geradem Raspatorium.
blatt, 7 Fibulateilentnahme: Mit einem gebogenen Raspa-
4 Bohrmaschine und 2,0-mm-Bohrer, torium wird das subkapitale Fibulastück, das mit
4 Kirschner-Drähte, stumpfen Hohmann-Hebeln eingestellt ist, streng
4 Coventry-Klammern mit Fasszange und Einschlag- subperiostal umfahren. Während die Muskulatur
instrument, mit einem großen Langenbeck-Haken nach unten
4 PDS-Kordel mit Drahtenden. weggehalten wird, wird ein 3–5 mm breites Stück
aus der Fibula herausgesägt. Durch das freie obe-
kLagerung re Ende des Fibulaschaftes wird ein 2,0-mm-Loch
4 Rückenlagerung. gebohrt, durch das eine PDS-Kordel mit Drahten-
4 Gelrolle unter dem Oberschenkel, damit die Gefäße den gezogen wird.
und die Nerven der Kniekehle nicht während der OP 7 Osteotomie: Streng subperiostale Umfahrung der
an die Rückseite des Tibiakopfes gedrückt werden. Rückseite vom Tibiakopf mit gebogenem Raspato-
4 Anlagen der Neutralelektrode nach Vorschrift. rium und stumpfen Hohmann-Hebeln. Umfah-
4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3). rung der Vorderseite vom kniegelenknahen
Schienbeinkopf mit gebogenem Raspatorium, so
kAbdeckung nahe wie möglich am Oberrand der Tuberositas
4 Gemäß Abteilungsstandard. 6
4 Der betroffene Unterschenkel wird steril gewickelt.
232 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

an der Außenseite des Tibiakopfes mit einem ge-


raden Pfriem vorgebohrt werden (. Abb. 3.184).
7 Die PDS-Kordel der Fibula wird um die Ansatzstel-
le des lateralen Seitenbandes herumgeführt und
verknotet.
3 7 Redon-Drainage über dem Tibiakopf, Öffnen der
Blutsperre, Blutstillung, Refixation des abgelösten
M. tibialis anterior, Subkutan- und Hautnaht. Ste-
riler Verband. Anlage einer einfachen Orthese,
z. B. Mekronschiene.

3.6.14 Unterschenkel

Proximale Schaftfrakturen, Trümmer- und Etagenbrüche


des mittleren und manchmal auch des distalen Drittels der
Tibia lassen sich mit Verriegelungsnägeln stabilisieren. Be-
trägt der Abstand vom unteren Ende der Tibiafraktur zum
oberen Sprunggelenk weniger als 5 cm, ist die Marknage-
lung kaum noch möglich.
. Abb. 3.184 Umstellungsosteotomie des Tibiakopfes. (Nach Bei der in diesem Skelettabschnitt ohnehin kritischen
Blauth u. Schuchardt 1986) Blutversorgung sind offene Osteosynthesen problematisch,
sodass man nach Möglichkeit bei einer konservativen
Frakturbehandlung oder Marknagelung bleibt. In schwie-
rigen Fällen kann man auf äußere Spanngeräte (Fixateur
tibiae. Einsetzen eines stumpfen, evtl. geschwun- externe; 7 Abschn. 3.5.11) zurückgreifen.
genen Hohmann-Hebels. Markierung des medialen
Kniegelenkspaltes mit feinem dünnem Kirschner- Marknagelung der Tibia
Draht. 1–1,5 cm unter diesem Kirschner-Draht, aber Zu den Operationsstandards (Instrumente, Lagerung und
oberhalb der unteren Ansatzstelle des medialen Abdeckung) bei Marknagelungen bei der Tibiamarknagelung
Seitenbandes endet die leicht ansteigende Osteo- 7 Abschn. 3.6.6 (retrograde Femurnägel) und . Abb. 3.185.
tomie mit dem großen Sägeblatt. In den Osteoto-
miespalt wird ein loses Sägeblatt oder ein langer
Meißel eingelegt. Damit wird die Orientierung er- Tibiamarknagelung
leichtert und die obere Osteotomiefläche gesichert, 7 Auf dem Extensionstisch exakte Reposition in
wenn der lateralbasige Keil herausgesägt wird. Er 2 Ebenen. Eine Kalkaneusextension hat zwar Vor-
soll nur zwei Drittel bis drei Viertel der Osteoto- teile (drehstabile Reposition), erschwert aber die
miebreite betragen (mediale Aufklappung, kürzere Bildwandlerkontrolle und die distale Verriegelung
Kantenlänge). Kontrolle, ggf. Komplettierung der des Nagels.
ersten Osteotomieebene mit langem Meißel. 7 Desinfektion der Haut und anschließende Abde-
7 Valgisierendes Umstellungsmanöver: Die Fibula ckung.
wird mit der PDS-Kordel so geführt, dass das obe- 7 Hautschnitt zwischen der Tuberositas tibiae und
re Schaftende in die Unterseite des Köpfchens dem Kniescheibenunterrand medial des Lig. pa-
einstaucht. Mit einer speziellen Fasszange wird tellae.
eine stufenlose Klammer von vorn über die Osteo- 7 Einsetzen eines Wundsperrers.
tomie eingeschlagen. Eine passende Stufenklam- 7 Eröffnen des Markraums mit dem großen Pfriem.
mer wird von lateral in der Frontalebene einge- 7 Einbringen des Führungsspießes mit Knopfende.
schlagen; dabei muss an der Innenseite des Tibia- 7 Aufbohren des Markraums mit den flexiblen Bohr-
kopfes gegengehalten und die harte Kortikalis wellen.
6 6
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
233 3

7 Über das Teflonrohr wird der Führungsspieß ge-


wechselt.
7 Nagellängenbestimmung.
7 Mit Hilfe des Einschlaggerätes wird der Nagel vor-
getrieben (. Abb. 3.186).
7 Nachlassen der Extension. Entfernung des Spießes.
7 Der Nagel soll proximal mit der Tibiavorderkante
abschließen und distal ca. 1 cm über dem Sprung-
gelenk enden.

Proximale Verriegelung . Abb. 3.185 Lagerung für Tibiamarknagel. Der gebrochene Unter-
7 Proximal sollte nur quer oder schräg verriegelt schenkel kann von der Kniestütze frei herabhängen. Das gesunde Bein
werden, denn in der sagittalen Richtung droht die wird hoch gelagert und im Hüftgelenk so weit wie möglich gebeugt
Verletzung der A. poplitea (. Abb. 3.187).
7 Stichinzision der Haut; durch das Zielgerät Einbrin-
gen der Führungshülse; mit dem kleinen Pfriem
wird die Kortikalis angekörnt; beide Kortikales wer-
den mit dem 3,5-mm-Spiralbohrer durchbohrt; Er-
weitern der ersten Kortikalis mit dem 5-mm-Spiral-
bohrer (erleichtert das Schraubeneindrehen); Mes-
sen der Schraubenlänge, Einbringen der selbst-
schneidenden Schraube mit T-Schraubendreher.

Distale Verriegelung
7 Die beiden distalen Schrauben werden unter Bild-
wandlerkontrolle von medial eingebracht. Das
Vorgehen gleicht der proximalen Verriegelung:
– Hautverschluss der Inzisionsstellen,
– Verband,
– Entfernen der Drahtextension,
– abschließende Röntgendokumentation.

Pilonfrakturen
Distale Unterschenkelfrakturen mit Gelenkbeteiligung der
Tibia sind sog. Pilon-Tibial-Frakturen (. Abb. 3.188). Hin-
sichtlich des Unfallmechanismus und der Behandlung sind . Abb. 3.186 Einschlag eines Tibiamarknagels über Führungsdraht.
diese Frakturen streng von den (häufigen) Frakturen des (Fa. Stryker Howmedica)
oberen Sprunggelenkes zu unterscheiden. Da sich alle ope-
rativen Behandlungen als komplikationsträchtig erwiesen
haben, neigt man heute zu mehrschrittigen Behandlungen. 4 Besonders bei offenen und verunreinigten Frakturen
Dabei spielen die äußeren Spanner die größte Rolle. Re- sind vorsichtige Kompromisslösungen anzustreben:
konstruktionen werden i. d. R. zwei- oder dreischrittig 5 gelenkübergreifender Fixateur externe,
vollzogen, wenn durch konservative oder halbkonservative 5 perkutane Schrauben,
Maßnahmen die Weichteile konsolidiert sind. 5 Kirschner-Drähte.
4 Drittelrohrplatte an die Fibula, Pilonplatte (7 Abschn.
3.5.5 mit distalen Spongiosa- und proximalen Korti- Alternativ kann die Fraktur mit einer Platte und einem
kalisschrauben an die Tibia (. Abb. 3.189). Ringfixateur (Hybridfixateur) stabilisiert werden.
234 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Entscheidend ist die Einstellung der Fibula in die Rin-


ne an der Außenseite der Tibia (Incisura tibiae). Gelingt sie
nicht perfekt, heilt die Syndesmose (und die Membrana
interossea) nicht. Die Knöchelgabel klafft. Hier ist die
Computertomographie vor und nach der Operation sinn-
voll.
3 Die hintere Syndesmose inseriert am sog. Volkmann-
Dreieck. Wenn es nach oben disloziert und genügend groß
(über ein Fünftel der tibialen Gelenkfläche) ist, sollte es
reponiert und fixiert werden.
Die Diagnose einer Maisonneuve-Fraktur ist schwie-
rig. Auf den üblichen Röntgenaufnahmen ist die Fraktur,
wie auch die geweitete Syndesmose, nicht zu sehen. Jedoch
schmerzt dann ein Fingerdruck auf das obere Fibulaende
und weist auf die hohe, subkapitale Fibulafraktur hin.

kPrinzip
. Abb. 3.187 Proximale Verriegelung des Tibianagels mit Zielgerät.
(Fa. Stryker Howmedica) 4 Fibula:
5 Außenknöchelspitze (unter der Syndesmose): Zug-
gurtung.
5 Fibula: Drittelrohrplatte (bei sehr langen Frakturen
zwei überlappende Platten).
4 Syndesmose:
5 Stellschraube (s. unten) und
5 Naht.
4 Innenknöchel:
5 Zwei Spongiosaschrauben mit Kurzgewinde, Loch-
schrauben oder
5 Zuggurtung mit Pfeilerschraube.
5 Naht des Deltabandes, wenn der mediale Gelenk-
spalt bei Durchleuchtung aufklappbar ist.
4 Hinteres Volkmann-Dreieck:
5 Reposition von medial (Einzinker),
5 perkutane Lochschraube mit Unterlegscheibe von
vorn.
4 Maisonneuve-Fraktur:
5 nur Stellschraube.

Operationsbeispiel bei Fraktur des OSG


7 Zum Einbringen einer Stellschraube bei Syndes-
mosenverletzung wird i. Allg. eine 3,5-mm-Korti-
. Abb. 3.188 Pilon-Tibial-Fraktur. (Nach Heberer et al. 1993) kalischraube gewählt. Diese wird ca. 4–6 cm ober-
halb des Gelenkes eingebracht.
7 Mit einem Bohrer Ø 2,5 mm mit Gewebeschutz
3.6.15 Oberes Sprunggelenk werden nur die drei Kortikales durchbohrt.
7 Längenmessung o 3,5-mm-Gewindeschneider
Frakturen des OSG im Handgriff mit Gewebeschutz o Kleinfragment-
So gut wie alle Frakturen des Außen- und Innenknöchels schraubendreher mit einer 3,5-mm-Kortikalis-
werden operiert, erst recht bei Luxationen des Talus. Es schraube.
gibt keine bewährte und allgemein anerkannte Einteilung
der OSG-Frakturen. Auch die bekanntesten von Danis und
Weber haben an Geltung verloren.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
235 3

. Abb. 3.190 Typische Außen- und Innenknöchelfraktur des


oberen Sprunggelenks

. Abb. 3.189 Pilon-Tibial-Fraktur, reponiert und stabilisiert mit Einzel-


schrauben, Kirschner-Draht und Platte mit winkelstabilen Schrauben

Luxationsfraktur des OSG


kPrinzip . Abb. 3.191 Versorgung der Außen- und Innenknöchelfraktur
des OSG aus . Abb. 3.190 mit Cerclage und Drittelrohrplatte an der
Hier soll die Fibula mit einer interfragmentären Zug-
Fibula und Zuggurtung am Innenknöchel
schraube, einer Drittelrohrplatte (modern, aber überflüs-
sig und teuer sind vorgeformte und winkelstabile Fibula-
platten) und der Syndesmosennaht versorgt werden.
Der Innenknöchel wird mit einer Zuggurtung versorgt 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
(. Abb. 3.190, . Abb. 3.191). Zusätzlich ist in diesem Fall 4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2).
eine Stellschraube notwendig.
kAbdeckung
kInstrumentarium 4 Gemäß Abteilungsstandard.
4 Feines Grundinstrumentarium, 4 Den betroffenen Fuß steril wickeln.
4 Knochengrundinstrumentarium,
4 Drahtinstrumentarium,
4 Bohrmaschine, Luxationsfraktur des OSG
4 Kleinfragment, 7 Osteosynthese der Fibula: Hautschnitt leicht bo-
4 evtl. Standardfragment. genförmig hinter dem Außenknöchel.
7 Darstellung der Fraktur, Einsetzen von Hohmann-
kLagerung Hebeln.
4 Rückenlagerung, 7 Mit einem feinen scharfen Löffel eingeschlagene
4 flaches Kissen unter das Gesäß, damit der Außenknö- Gewebeanteile aus dem Bruchspalt entfernen.
chel nach vorn gedreht wird, Spülung.
4 evtl. das gesunde Bein absenken. 6
4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3).
236 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

7 Stufenfreie Reposition der Fraktur und proviso- gene Tibia. Mit dem 2,5-mm-Spiralbohrer und Ge-
rische Fixation mit Repositionszangen (z. B. Repo- webeschutz werden nur 3 Kortikales durchbohrt;
sitionszange mit Spitzen). Messen; 3,5-mm-Gewindeschneider und Gewebe-
7 Einbringen einer interfragmentären Zugschraube: schutz; 3,5-mm-Kortikalisschraube. Die Stell-
mit dem 3,5-mm-Spiralbohrer und Gewebeschutz schraube wird schon nach ca. 6 Wochen entfernt,
3 Bohren im ersten Fragment; Steckbohrbuchse; um eine knöcherne Überbrückung zwischen Tibia
2,5-mm-Spiralbohrer für das zweite Fragment und Fibula zu vermeiden.
(evtl. Kopfraumfräse); Messen; 3,5-mm-Gewinde- 7 Einlegen von Redon-Drainagen lateral und medial.
schneider und Gewebeschutz; Eindrehen einer 7 Wundverschluss: feine Gelenkkapselnaht; Subku-
3,5-mm-Kortikalisschraube. tannaht; Hautnaht.
7 Anbringen der Drittelrohrplatte: Durch Biegen mit 7 Wenn die Innenseite des OSG blutunterlaufen ist,
kleinen Schränkeisen oder Plattenhaltezangen ohne dass im Röntgenbild Frakturen des Innen-
wird eine genügend lange Drittelrohrplatte dem knöchels zu erkennen sind, wird die Stabilität in-
Knochen angepasst. traoperativ mit dem Bildwandler geprüft und ggf.
7 Anschrauben der Neutralisationsplatte im kortika- durch eine Naht des Lig. deltoideum wiederher-
len Bereich: 2,5-mm-Spiralbohrer und Gewebe- gestellt.
schutz; Messen; 3,5-mm-Gewindeschneider und
Gewebeschutz; 3,5-mm-Kortikalisschraube.
7 Im spongiösen Bereich oder bei alten, spröden Chronische laterale Instabilität des OSG
Knochen: 2,5-mm-Spiralbohrer und Gewebe- Bekannte und bewährte Stabilisierungsverfahren mit distal
schutz; Messen; 4,0-mm-Spongiosaschraube. gestielter Sehne vom M. peronaeus brevis (Watson-Jones
7 Naht der vorderen Syndesmose mit feinen, resor- oder Evans).
bierbaren U-Nähten. Bei einem knöchernen Aus- Bei Kindern und Jugendlichen wird ein Perioststreifen
riss kann die Syndesmose mit einer 4,0-mm-Spon- von der Außenseite der Fibulaspitze verwendet.
giosaschraube und Unterlegscheibe mit Spitzen
transossär fixiert werden. Arthrodese des OSG
7 Versorgung des Innenknöchels: Hautschnitt leicht Wenn die Gelenkflächen von Tibia und Talus zerstört
gebogen hinter dem Knöchel. sind – bei Rheumakranken oder nach Frakturen und Syn-
7 Die V. saphena magna wird geschont. Darstellung desmosensprengungen –, kann die Versteifungsoperation
der Fraktur und Säubern des Frakturspaltes durch (Arthrodese) mit dem Ziel einer dauerhaften knöchernen
Nach-unten-Ziehen des distalen Fragments mit Durchbauung (Ankylose) sinnvoll sein. Wenn die arthro-
einem Einzinker. Entfernen von Koageln und ein- tische Zerstörung noch nicht sehr weit fortgeschritten ist,
geschlagenen Weichteilen. kann die arthroskopische oder offene Gelenklavage hilf-
7 Reposition mit Einzinker. reich sein und den Zeitpunkt der Arthrodese hinaus-
7 Zuggurtung: schräges Einbringen von 2 parallelen schieben.
Kirschner-Drähten von der Innenknöchelspitze Endoprothesen des OSG sind auf dem Vormarsch, aber
aus. Proximal der Fraktur wird eine kurze Kortika- umstritten und weniger zuverlässig als eine Arthrodese.
lisschraube mit Unterlegscheibe eingebracht. Um
sie und die Kirschner-Drahtenden wird ein Cercla- kInstrumentarium
gedraht achtförmig herumgelegt. 4 Grundinstrumentarium,
7 Anspannen des Cerclagedrahtes mit dem Draht- 4 allgemeines Knocheninstrumentarium,
spanngerät oder Verdrillen mit der Flachzange. Mit 4 Instrumente zur Blockentnahme/-anlage,
dem Seitenschneider werden der Cerclagedraht 4 oszillierende Säge (Blockentnahme aus dem Becken-
und die Kirschner-Drähte gekürzt; Umbiegen der kamm),
Kirschner-Drahtenden mit der Spitzzange; Versen- 4 Bohrmaschine mit Jakobs-Futter,
ken der Drahtenden mit Stößel und Hammer. 4 durchbohrte Schrauben mit entsprechendem Spezial-
7 Bildwandlerkontrolle der Osteosynthese. instrumentarium:
7 Die Stellschraube wird dicht oberhalb des Ge- 5 Führungsdraht mit Gewindespitze,
lenkes eingebracht. Der Bohrkanal verläuft etwas 5 Bohrbüchsen,
schräg durch die Fibula in die weiter ventral gele- 5 Bohrer,
6 5 Gewindeschneider,
5 durchbohrter Schraubendreher etc.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
237 3
kLagerung 3.6.16 Rückfuß und unteres Sprunggelenk
4 Rückenlagerung auf einem Durchleuchtungstisch.
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. Talusfrakturen
4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3). Brüche des Sprungbeins sind eher selten, lassen sich aber
4 Bildwandler und Strahlenschutz (7 Abschn. 3.4.2). perkutan gut reponieren. Zwei Kleinfragment-Lochschrau-
ben mit kurzem Gewinde und Unterlegscheiben lassen sich
kAbdeckung leicht und sicher von hinten (in Bauchlage) einbringen.
4 Gemäß Abteilungsstandard.
4 Frei bewegliche Abdeckung des Unterschenkels; ste- Kalkaneusfrakturen
riles Wickeln oder Abkleben des Fußes. Brüche des Fersenbeins sind viel häufiger als Talusfrakturen.
4 Für die Entnahme eines trikortikalen Blocks muss
ein vorderer Beckenkamm bei der Abdeckung frei Arthrodese des unteren Sprunggelenkes
bleiben. Bei den Komplikationen und enttäuschenden Operations-
ergebnissen neigen noch heute viele Chirurgen zur konser-
vativen Behandlung von Kalkaneusfrakturen. Dafür
Arthrodese des OSG spricht, dass die Indikation von USG-Arthrodesen viel sel-
7 Längsschnitt über der Mitte des OSG. Nach Eröff- tener ist als die »zwangsläufige« Arthroseentwicklung nach
nung des Gelenkes in Längsrichtung wird der ge- Zerstörung der kalkanearen Gelenkfläche. Winkelstabile
lenknahe Knochen von Tibia und Talus mit dem Titanplatten und die Auffüllung der Frakturhöhle mit
mittelgroßen geraden Raspatorium freigelegt und Spongiosa haben die Rekonstruktionsmöglichkeiten bei
mit schmalen Hohmann-Hebeln und Langenbeck- Kalkaneusfrakturen aber deutlich verbessert.
Haken eingestellt. Außer postraumatischen Arthrosen des Subtalarge-
7 Mit einem mittelbreiten Osteotom (Lambotte- lenkes sind lähmungsbedingte Instabilitäten und Klump-
Meißel) und einem leichten Metallhammer wer- füße beim Erwachsenen die häufigsten Indikationen für
den die tibialen und talaren Gelenkflächen rese- USG-Arthrodesen.
ziert. Die Resektionsflächen sollten parallel stehen
oder ganz leicht aufeinander zulaufen. Die Resek- kInstrumentarium
tionsweite wird mit einem Messzirkel oder einem 4 Grundinstrumentarium,
Messstab bestimmt. 4 allgemeines Knocheninstrumentarium,
7 Ein oder zwei entsprechend breite trikortikale Blö- 4 Blount- oder Coventry-Klammern (. Abb. 3.183) mit
cke vom vorderen Beckenkamm derselben Seite Anlegezange.
werden passgenau in das resezierte OSG einge-
stößelt. kLagerung
7 Um den Span zu sichern und eine anhaltende 4 Seitenlage.
Kompression auf beiden Seiten zu gewährleisten, 4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
sollte die Arthrodese mit kanülierten/durch- 4 Anlegen der Blutsperre (7 Abschn. 3.4.3).
bohrten Schrauben gesichert werden: Unter Bild-
wandlerkontrolle werden die 2 oder 3 Führungs- kAbdeckung
drähte mit Gewindespitzen von der Tibia, evtl. 4 Gemäß Abteilungsstandard.
auch von der Fibula, durch den eingefalzten 4 Freibewegliche Abdeckung des Unterschenkels.
Span bis in die Unterseite des Talus vorgebohrt.
Mit dem 3,2-mm-Bohrer und Gewindeschneider
kann der ideale Sitz von kurzgewindigen Spongi- Arthrodese des USG
osaschrauben mit Unterlegscheibe gewährleistet 7 Hautschnitt von der Mitte des Fußristes an die obe-
werden. re Außenseite der Ferse.
7 Öffnung der Blutsperre, Verschluss beider Wun- 7 Mit Osteotomen (Lambotte-Meißeln von 1–3 cm
den, steriler Verband mit viel Watte und elasti- Breite) und einem leichten Hammer werden die Ge-
scher Binde. lenkflächen von Talus und Kalkaneus reseziert. Um
die Peronealsehnen nach vorn weghalten zu kön-
nen, nimmt man am besten den sog. Täger-Haken.
Als Alternative gilt die arthroskopische Entknorpelung. In den allermeisten Fällen muss diese subtalare Re-
6
238 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Bei den Kleinzehendeformitäten 2–5 handelt es sich in


sektion und Arthrodese um die vorderen Nachbar- den meisten Fällen um Fehlstellungen in der Sagittalebene
gelenke ergänzt werden, d. h. zwischen Kalkaneus nach folgenden, zunächst flexiblen, später kontrakten Ge-
und Kuboid und zwischen Talus und Naviculare. lenkdeformitäten (. Tab. 3.4).
7 Wenn sich der Vorfuß in eine plantigrade Stellung
bringen lässt und eine eventuelle Spitzfußkompo-
3 nente beseitigt ist, werden die Resektionsflächen Zielstellung der Kleinzehenchirurgie
mit Blount- oder Coventry-Klammern gesichert. 1. Bildung eines stabilen, in der Bewegungsbalance
7 Vom reichlich angefallenen Resektionsknochen stehenden Zehenstrahls.
werden die kortikalen Anteile mit einer Luer-Zan- 2. Korrektur der Deformität in eine schmerzfreie ach-
ge entfernt, und die Spongiosa wird in die Resek- sengerechte Stellung.
tionsräume eingestößelt. 3. Schonung der neurovaskulären Strukturen zur Er-
7 Öffnung der Blutsperre, Redon-Drainage, sterile haltung der Trophik.
Kompressen, Watte, elastische Binde. Breite Unter-
schenkelgipsliegeschale.
Operationsmethoden zur Therapie
des Hallux valgus
3.6.17 Zehendeformitäten Zur Therapie des Hallux valgus unterscheidet man fol-
gende Operationsmethoden nach ihrer Lokalität
A. Simon 4 Distale Osteotomien,
4 Schaftosteotomien und
In den letzten Jahren hat ein eindrucksvoller Paradigmen- 4 proximale Osteotomien bzw. Arthrodese des TMT I-
wechsel in der Therapie von Fußdeformitäten stattgefun- Gelenkes.
den. Sowohl das bessere biomechanische Verständnis für
den Fuß, speziell für die Zehendeformitäten, als auch die Distale Osteotomien
Entwicklung neuer Implantate ermöglichten differenzierte Bei den noch moderaten Hallux valgus-Deformitäten (In-
moderne Operationsverfahren, welche speziell in diesem termetatarsalewinkel unter 15° als Richtmaß) ist die dista-
Kapitel bei Zehendeformitäten zur Anwendung kommen. le V-förmige Verschiebeosteotomie des Metatarsale I-
Der Vorfuß reicht per definitionem bis zur Lisfranc- Köpfchens zu empfehlen.
Gelenkreihe, wir sprechen von 5 Zehenstrahlen. Die häu-
figste Deformität des 1. Zehenstrahls sind der Hallux valgus kIndikation
und der Hallux rigidus. Da der 1. Strahl für den physiolo- Größere Abweichungen des Metatarsale 1 (Intermetatarsale-
gischen Gangablauf die entscheidende Funktion des Ab- winkel über 15°) können durch eine Schaftosteotomie (Z-
fußens der Endphase besitzt, sollte besonderes Augenmerk förmig nach Scarf) oder proximale Osteotomien mit Entnah-
auf die Balancierung der Sehnenkräfte gelegt werden und me eines lateralbasigen Keils oder Öffnen eines medialba-
insbesondere die Funktion der Großzehenbeuger erhalten sigen Keils therapiert werden. Ist die Instabilität des Tarsome-
bleiben. In der Hallux-valgus-Chirurgie ist die Zielsetzung tatarsale (TMT) I-Gelenkes offensichtlich, so ist hier die
die orthograde Stellung des 1. Strahls, wobei das Metatar- Indikation zur Reposition des 1. Strahls in die Funktionsstel-
sale 1 wieder über die Sesambeinchen reponiert wird. lung mit anschließender Arthrodese nach Lapidus indiziert.
Für den Hallux rigidus ist die physiologische Dorsalfle-
xionsstellung des Großzehengrundgelenkes bei der Arth- kInstrumentarium
rodese zu beachten, um einen physiologischen Abroll- 4 Grundinstrumentarium kurz,
vorgang zu ermöglichen. 4 allgemeines feines Knocheninstrumentarium,
4 oszillierende Säge,
4 Sägeblätter der Breite 0,5 cm, 1,0 cm mit Länge 2 cm,
4 Sägeblätter der der Breite 1,5 cm mit Länge 4 cm,
. Tab. 3.4 Sagittale Kleinzehendeformitäten
4 Bohrmaschine mit Jakobs-Futter,
Hammerzehe Krallenzehe Klauenzehe 4 Kirschner-Drähte 1,0–1,4 mm,
4 Teilgewindeschrauben kanüliert 2,7 mm oder 2,0 mm,
MTP-Gelenk Überstreckt Überstreckt Überstreckt 4 alternativ Gewinde-Kirschner-Draht Ø 1,6 mm,
PIP-Gelenk Gebeugt Gebeugt Gerade 4 bei proximalen Osteotomien und Lapidusarthrodese
winkelstabile Platten und
DIP-Gelenk Gerade Gebeugt Gebeugt
4 Teilgewinde-Zugschraube 2,7 mm oder 3,5 mm.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
239 3
kPrinzip
Subkapitale, nach proximal offene, V-förmige, ca. 60° ge- scheidend ist. Einbringen eines 1,0 mm Kirschner-
winkelte Osteotomie, die die Korrektur der bestehenden Drahtes zentral in die nun resezierte, medialseitige
Deformität in allen drei Ebenen ermöglicht und bela- Fläche des Metatarsale-1-Köpfchens als Führungs-
stungsstabil ist. draht zur Festlegung der Osteotomieebenen.
7 Die Osteotomierichtung wird mittels kleinem Oste-
kLagerung otom angezeichnet (eingemeißelt), der V-förmige
4 Gerade Rückenlagerung. Winkel sollte 60° nicht überschreiten. Das Sägeblatt
4 Der betroffene Fuß und der Unterschenkel werden wird parallel zu dem Führungsdraht gehalten.
auf einem stabilen kastenförmigen Kissen etwas hö- Ständiges Spülen beim Durchsägen des Knochens
her gelagert. beugt einer Osteonekrose vor.
7 Unter Schutz der Hohmann- bzw. kleinen Langen-
4 Die Außenrotationstendenz des Beins wird durch ein
beck-Haken Durchführen der V-förmigen Osteoto-
Kissen unter dem gleichseitigen Gesäß oder eine Seit-
mie. Nun kann das Kopffragment nach lateral ver-
stütze am gleichseitigen Oberschenkel neutralisiert.
schoben werden, bis das Metatarsale 1 wieder or-
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift.
thograd über die Sesambeinchen reponiert ist. Eine
4 Anlegen der Oberschenkelblutsperre (meist
Lateralisierung ist bis maximal zur halben Schaft-
300 mm Hg) oder Unterschenkelblutsperre (7 Ab-
breite ohne Gefährdung der Stabilität möglich.
schn. 3.4.3).
7 Die Fixation der Osteotomie kann sowohl mit
einem 1,6 mm dicken Gewinde-Kirschner-Draht er-
kAbdeckung
folgen als auch mit 2,0- oder 2,7-mm-Schrauben
4 Gemäß Abteilungsstandard.
oder einer Doppelgewindekompressionsschraube.
4 Freibewegliche Abdeckung des Fußes. 7 Die Osteosynthese erfolgt von dorsal proximal
nach plantar distal, meist parallel zum dorsalen Os-
teotomieschnitt, wobei die Draht- oder Schrauben-
Operationstechnik der distalen Metatarsale-1-
spitze keinesfalls plantarseitig die Gelenkkonturen
Osteotomie nach Austin
des Metatarsaleköpfchens durchbohren sollte, da
7 Hautschnitt längsverlaufend dorsalseitig medial hier das Gelenk zu den Sesambeinchen unbedingt
der Strecksehnen, beginnend knapp distal des geschont werden muss. Bei Verwendung eines Ge-
Großzehengrundgelenkes und proximal bis zum winde-Kirschner-Drahtes wird dieser dorsalseitig in
distalen Metatarsaleschaft reichend. Höhe des Kortikalisniveaus gekürzt.
7 Separieren der Subkutanschicht einschließlich der 7 Danach mediale, etwas raffende Kapselnaht, die
neurovaskulären Strukturen der Gelenkkapsel Subkutannaht und die Hautnaht beenden den
durch stumpfes Spreizen mit der Schere. Infolge Eingriff.
der Lage der Hautinzision ist auch die Präparation 7 Verband mit Wattepolsterung und elastisch bis
lateral der Strecksehne bis in den Intermetatar- zum proximalen Unterschenkel wickeln, Blutsper-
saleraum 1/2 möglich. re öffnen. Die elastische Binde sollte distal die
7 Laterales Release: Darstellen der lateralen Gelenk- Großzehe nicht erneut in die valgische Position
kapsel, Querinzision in der Gelenkspalthöhe und drängen. Zu empfehlen ist hier, die Wattepolste-
Ablösen der Kapsel in Längsrichtung vom Meta- rung in den Interdigitalraum 1/2 mit einzuwickeln
tarsaleköpfchen bis nach plantar, wodurch die Se- und die elastische Binde erst in Höhe des Grund-
sambeinchen von ihrer Kapselanheftung am Me- gelenkes anzuwickeln.
tatarsale 1 gelöst werden. Ergänzend ist die Ablö-
sung der Sehnenanteile des M. adductor hallucis
erforderlich, die an der Grundgliedbasis ansetzen. Postoperative Therapie:
7 Ist nach diesem Weichteilrelease eine Varisierung 4 Hochlagerung der operierten Extremität ist entschei-
der Großzehe im Grundgelenk um 20° möglich, dend (Fuß über Herzniveau!).
dann ist das laterale Release ausreichend. 4 Sofortige Bewegungsübungen im oberen Sprungge-
7 T-förmige dorsomediale Kapselinzision und spar- lenk zur Thromboseprophylaxe und sobald wie mög-
same Resektion der medial gelegenen Pseudoexos- lich intensive Bewegungsübungen für das Großzehen-
tose unter Erhalt der medialen Rinne, welche für grundgelenk aktiv und passiv. Teilbelastung je nach
die Führung des medialen Sesambeinchens ent- Stabilität der Osteosynthese und Maßgabe des Opera-
6 teurs maximal 4 Wochen im hartsohligen Therapie-
schuh.
240 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Modifikationen dieser Osteotomie sind möglich. Bei einer


beginnenden Hallux-rigidus-Komponente (= Hallux limi- Basisosteotomien des Metatarsale 1
tus) ist eine zusätzliche Verkürzung des Metatarsale 1 7 Bei größeren Intermetatarsalewinkeln, welche
durch Dekompression des Gelenkes indiziert. Hier erfolgt durch ein distales Verfahren nicht korrigierbar
dann parallel zum dorsalen oder plantaren Sägeschnitt sind, kann ein basisnahes Verfahren gewählt wer-
eine weitere Osteotomie unter Entnahme einer Knochen- den, wenn keine Instabilität im TMT-1-Gelenk vor-
3 scheibe (OP-Technik nach Watermann-Green bzw. nach liegt. Man unterscheidet die Open- bzw. Closing-
Younswick). Liegt ein pathologischer Winkel der Gelenk- wedge-Osteotomie.
fläche zur Schaftachse des I. Metatarsale von über 10° vor – Die Closing-wedge-Osteotomie besteht in der
(proximaler Artikulations-Set-Angle; PASA) lässt sich die queren oder schrägen Osteotomie etwa
Fehlstellung mittels Entnahme eines medialbasigen Keils 1,5 cm distal der Gelenklinie des Tarsometa-
korrigieren. tarsalgelenks 1 (TMT 1) unter Entnahme eines
Belastungsstabiles und für größere Deformitäten ge- lateralbasigen Keils. Die mediale Kortikalis
eignetes Operationsverfahren infolge der nahezu den ge- wird dabei nicht durchtrennt. Die Osteotomie
samten Metatarsaleschaft beanspruchenden Osteotomie- wird langsam geschlossen und unter Verwen-
flächen. Nachteilig ist jedoch die ausgedehnte Präparation dung von Schrauben oder einer kleinen win-
und Freilegung dieser Knochenregionen. Je breiter der kelstabilen Platte fixiert.
Schaft des Metatarsale 1, umso größer ist das Korrekturpo- – Bei Durchführung der Open-wedge-Osteoto-
tenzial. mie erfolgt die Osteotomie ebenfalls 1,5 cm
Nicht geeignet bei Osteoporose. distal der Gelenklinie des TMT-1-Gelenks. Die
laterale Kortikalis wird möglichst nicht durch-
trennt, die Osteotomie wird medialseitig auf-
Z-förmige Schaftosteotomie des Metatarsale 1
gedehnt und nach Erreichen der erforder-
(Scarfosteotomie)
lichen Korrektur z. B. über eine winkelstabile
7 Der oben beschriebene operative Zugang wird Platte, ggf. zusätzlich versorgt mit einer Zug-
nach proximal bis zur Basis des Metatarsale 1 ver- schraube, Ø 2,7 mm.
längert. Nun Durchführen des lateralen Release Die Open wedge-Osteotomie birgt die Gefahr
wie oben beschrieben und sparsame Abtragung einer Verlängerung des Metarsale 1 mit Hy-
der medialen Pseudoexostose. perpression des Grundgelenkes und Verände-
7 Die Festlegung der Osteotomieebene erfolgt rung des proximalen Gelenkflächenwinkels,
ebenfalls unter Zuhilfenahme von nun zwei Füh- sodass hier oftmals noch eine zusätzliche dis-
rungsdrähten, welche von medial parallel zuein- tale Osteotomie im oben genannten Sinne zur
ander, einmal distal und einmal proximal, in den Korrektur erforderlich ist.
Schaft (s. oben) eingebracht werden. Die Z-för- 7 Eine weitere Möglichkeit ist die bogenförmige Os-
mige Osteotomie erfolgt zunächst längsverlau- teotomie (Crescentic-Osteotomie) mit der Mög-
fend, medialseitig von einem zum anderen Füh- lichkeit der Korrektur des Intermetatarsalwinkels
rungsdraht ziehend. Das Sägeblatt wird wieder ohne Keilentnahme. Daher ist dies eine nur gering
parallel zum Draht gehalten. den Knochen verkürzende, stufenlose Osteoto-
7 Anschließend Sägen der distalen Osteotomie mie. Jedoch besteht bei diesem Verfahren eine
nach dorsal ca. 90° gewinkelt zum Längsschnitt, sehr instabile Situation infolge der sagittal verlau-
und der proximalen Osteotomie nach plantar, ca. fenden Osteotomie und der Durchtrennung bei-
50° spitzgewinkelt. Lateralverschiebung des Kopf- der Kortikales. Die Osteosynthese sollte hier mit
fragmentes. Das Repositionsergebnis des Metatar- einer kleinen winkelstabilen Platte erfolgen.
sale I-Köpfchens über die Sesambeine kann mit 7 Verband und postoperative Therapie s. oben.
einer kleinen Repositionszange temporär fixiert
werden.
7 Die Osteosynthese erfolgt z. B. mit zwei 2,7-mm- Lapidusarthrodese des TMT-1-Gelenkes
Teilgewindeschrauben oder zwei Gewinde-Kirsch- Ziel der Operation ist die Reposition des instabilen Ge-
ner-Drähten der Stärke 1,6 mm oder zwei Teilge- lenkes mit dynamischer Subluxation unter Belastung v. a.
winde-2,0-mm-Schrauben (kanüliert) oder aber nach dorsal und medial.
auch mit zwei kanülierten 2,7-mm-Doppelgewin-
deschrauben.
3.6 · Operationsbeispiele einzelner Skelettabschnitte
241 3
Hallux rigidus
Lapidusarthrodese des TMT-1-Gelenkes Arthrodese des Großzehengrundgelenkes
7 Die Hautinzision erfolgt wie bei den zuvor be-
schriebenen Operationsverfahren, wobei auch
Großzehengrundgelenkarthrodese
hier das laterale Release der Sesambeine obliga-
torisch ist. Der Hautschnitt wird über das TMT-1- 7 Zugangsweg wie oben beschrieben bei den dista-
Gelenk medialseitig fortgeführt. Dabei sollten der len Osteotomien des Metatarsale 1, wobei hier
kreuzende Hautnerv und die Vene geschont das Sesambeinrelease nur im Sinne der lateralen
werden. Kapselabtrennung und nicht durch Resektion der
7 Darstellen des TMT-1-Gelenkes, Eröffnen der Ge- Adduktorenansätze durchgeführt wird.
lenkkapsel, sehr sparsame Entfernung der Ge- 7 Darstellen der Gelenkflächen durch dorsomedial-
lenkknorpel, optional Entnahme eines sparsamen seitige T-förmige Kapseleröffnung. Abtragung der
lateralbasigen Knochenkeils des Cuneiforme me- Osteophytenwülste mit dem Luer.
diale mit der oszillierenden Säge, wobei die Grö- 7 Sehr sparsame Resektion der Osteotomieflächen,
ßenverhältnisse der Basis des Metatarsale 1 und wobei hier entweder lineare Sägeschnitte unter
des Cuneiforme mediale beachtet werden sollten. Berücksichtigung der 10° Dorsalflexionsstellung
7 Bei mehr dorsal gelegenem Zugang ist die Aus- in Bezug auf die Belastungsebene (Untergrund)
dehnung des Knochens nach plantar zu berück- beachtet werden sollten. Es können auch konvex/
sichtigen. Bei eher medialem Zugangsweg sollte konkave Fräsen (auch »cup and cone« genannt)
die Keilentnahme am Cuneiforme 1 ebenfalls angewandt werden, welche oftmals eine spar-
berücksichtigt werden, indem das Metatarsale 1 samere Knochenresektion und die dreidimensio-
bereits in die Korrekturstellung gehalten wird nale Korrigierbarkeit als Vorteile zulassen.
und der Sägeschnitt am Cuneiforme mediale par- 7 Die Arthrodese erfolgt meist durch zwei gekreuzt
allel zum Sägeschnitt des Metatarsale 1 verläuft. oder parallel eingebrachte Teilgewinde-Kortikalis-
Es ist auf eine möglichst sparsame Resektion zu zugschrauben, kanüliert 2,7 mm oder 3,5 mm, oder
achten. auch nicht kanüliert. Das Release der Sesambeine
7 Die Reposition erfolgt nach plantar und lateral, sollte auch plantar und medial erfolgen, sodass
die Fixation mittels Arthrodese der Gelenkflä- hier das freie Gleiten wieder ermöglicht ist und die
chen. Vor der Arthrodese sollten die Osteotomie- Bewegung des Endgelenkes nicht behindert wird.
flächen durch multiple Bohrungen mit dem 2,0- 7 Kapselverschluss, Subkutannaht und Hautnaht in
mm-Kirschner-Draht »gelöchert« werden, um Einzelknopftechnik oder resorbierbare Intrakutan-
durch Einblutungen aus der Spongiosa die Kno- naht.
chenheilung zu unterstützen. 7 Teilbelastung wie oben beschrieben (4 Wochen
7 Die Reposition erfolgt manuell, die Arthrodese Teilbelastung sind zu empfehlen).
entweder durch zwei 3,5-mm- oder 4,0-mm-Kom-
pressionszugschrauben, welche zum einen von
proximal dorsal nach plantar distal und in der Ba- Hammer-/Krallenzehendeformitäten
sis des Metatarsale 1 von medial plantar nach Abhängig von der Ausprägung der Deformität und der
proximal dorsal in das Cuneiforme mediale und Beteiligung dynamischer oder statischer Faktoren wird
ggf. auch Cuneiforme intermedius verlaufen oder die operative Korrektur sequenziell durchgeführt. Das
aber auch durch eine Zugschraube im oben ge- Ausmaß der Korrekturschritte wird also nicht nur präope-
nannten Sinne und ergänzend durch eine winkel- rativ, sondern v. a. intraoperativ nach jedem Teilschritt
stabile Platte. Diese bewährt sich zunehmend in entschieden.
mehr plantarer Positionierung, um die Zuggur-
tung der Arthrodese unter Belastung zu berück-
sichtigen. Hammer-/Krallenzehendeformität
7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Z-Förmiger Hautschnitt über dem MTP-Gelenk,
7 In der Nachbehandlung ist ggf. eine Entlastung in dorsal längs median nach distal auslaufend bis
den ersten 4 Wochen indiziert. Durch die winkel- über das PIP-Gelenk. Die Z-Form beugt Narben-
stabilen Plattensysteme kann häufig bereits auf kontrakturen mit konsekutiver Dorsalflexionsstel-
die Teilbelastung in den ersten 4 Wochen überge- lung im MTP-Gelenk vor.
gangen werden. 6
242 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

7 Längsspaltung der Sehne des M. extensor digito- taren Zugang, genau mittig über dem Metatarsa-
rum longus für die ggf. erforderliche verlängernde leköpfchenbereich.
Z-Plastik. Eröffnen des PIP-Gelenkes unter akri- 7 Ist eine achsengerechte Stellung im Push-up-Test er-
bischer Schonung der Weichteile und Durchfüh- reicht, erfolgt die Stabilisierung des Operationser-
ren der vollständigen Kondylenresektion. gebnisses: Für die geplante Arthrodese des proxima-
3 7 Erster sog. Push-up-Test: Dieser Test imitiert die Be- len Interphalangealgelenkes (PIP-Gelenk) ist noch
lastungssituation durch Fingerdruck von plantar das Entknorpeln der Basis der Mittelphalanx sinnvoll,
gegen das Metatarsaleköpfchen. Verbleibt das MTP- um die Stabilität der Arthrodese zu gewährleisten.
Gelenk in Dorsalflexion kontrakt? Lösen der Streck- 7 Einbringen eines doppelspitzen 1,4-mm-Kirschner-
sehnen von der Streckerhaube und Kapsulotomie Drahts zunächst in die Mittelphalanx von proximal
des MTP-Gelenkes inkl. Ablösen der Seitenbänder. nach distal und Ausleitung unter Streckstellung
7 Zweiter Push-up-Test: Ist das MTP-Gelenk unver- des Endgelenkes über die Zehenspitze. Danach
ändert kontrakt? Dann Adhäsiolyse der plantaren wird von anterograd die Grundphalanx und das di-
Platte mit dem speziellen Mc Glamry-Elevatorium stale Metatarsale (wenn erforderlich) mit erfasst.
(. Abb. 3.192). Dieses wie ein rinnenförmiges Für die PIP-Arthrodese ist eine wasserdichte Kon-
Raspatorium an der Spitze scharfe Instrument taktierung der Knochenflächen wichtig. Hingegen
wird von distal dorsal um das Metatarsaleköpf- ist eine leichte Distraktion des MTP-Gelenkes von
chen nach plantar proximal vorgeschoben. Hier Vorteil, um Narbenkontrakturen vorzubeugen.
sollte die plantar weit ausladende Form des Meta- 7 Nun verlängernde Strecksehnen-Z-Plastik: Seit-zu-
tarsaleköpfchens berücksichtigt werden, um nicht Seit-Adaptation der Z-förmig gegeneinander ver-
mit diesem Elevatorium die plantare Knorpel- schobenen Sehnenenden mit resorbierbarem
schicht zu traumatisieren. Nahtmaterial mit leichter Spannung bei bereits
7 Ist im dritten Push-up-Test die Dorsalflexionsstel- durch axialen Kirschner-Draht fixiertem Strahl.
lung im MTP-Gelenk persistierend, kann ein Beu- 7 Die Hautnaht erfolgt als Einzelknopftechnik oder
gesehnentransfer durchgeführt werden. Dies als Intrakutannaht.
kann entweder als Transposition beider Beuge- 7 Der postoperative Verband sollte die Phalangen
sehnen auf die Streckseite oder als Transposition nicht zu sehr komprimieren, um die seitlich gele-
der distal abgelösten Sehne des M. flexor digito- genen Gefäße nicht zu drücken und die Durchblu-
rum longus erfolgen. Sie wird/werden nach tung der Zehen nicht zu gefährden.
Längsspaltung dorsal über der Grundphalanx wie-
der als Schlinge vernäht.
7 Ein Sehnentransfer nach Stainsby, mit Verlage- Die Nachbehandlung erfolgt unter 4-wöchiger Teilbelas-
rung der proximal abgelösten Sehne des M. ex- tung im Therapieschuh mit flacher stabiler Sohle, um
tensor digitorum longus als Interponat nach plan- einem Abrollen vorzubeugen.
tar auf die plantare Platte, ist speziell bei rheuma- Die Kirschner-Drahtentfernung wird 4–5 Wochen nach
tischen Vorfußerkrankungen sehr wirkungsvoll, der Operation ohne Lokalanästhesie durchgeführt.
wobei die Basisresektion des Grundgliedes zuvor Die verkürzende Metatarsaleosteotomie hat sich als
zusätzlich durchgeführt werden muss, um die In- subkapitale dorsalbasige Keilosteotomie bewährt, wobei
terposition zu ermöglichen. die Fixation mit einer kanülierten 2,0-mm-Teilgewinde-
7 Weist der vierte Push-up-Test eine weiterhin be- Kortikalis-Zugschraube sinnvoll ist.
stehende Dorsalflexionsstellung der Grundpha-
lanx auf, so ist ggf. nochmals eine Nachresektion
des Grundgliedes erforderlich, oder es ist bei rönt- 3.7 Handchirurgie
genologisch nachgewiesenem überlangem Meta-
tarsale eine Verkürzungsosteotomie indiziert. G. Walura, R. Thönnessen, M. Liehn
Auch die Ruptur der plantaren Platte ist als Ursa-
che sehr häufig nachweisbar. Hier luxiert das Me- Die menschliche Hand ist ein anatomisch komplexes Greif-
tatarsaleköpfchen durch die Lücke nach plantar. organ von höchster Bedeutung für die Funktionalität aller
Die Naht der plantaren Platte erfolgt am besten manuellen Tätigkeiten im täglichen Gebrauch.
durch einen separaten längsverlaufenden plan- Seit den 1960er-Jahren hat sich die Handchirurgie zu
6 einem Fachgebiet mit vielen international eigenständigen
Abteilungen entwickelt, die über die technischen und perso-
3.7 · Handchirurgie
243 3
nellen Möglichkeiten verfügen, auch mikrochirurgische Re-
konstruktionen von Nerven und Gefäßen durchzuführen.
Die Handchirurgie umfasst alle Erkrankungen, Fehlbil-
dungen und Verletzungen der Hand mit dem Ziel, die Greif-
funktion durch schmerzfreie und kraftvolle Beweglichkeit,
Sensibilität und Durchblutung der Hand wiederherzustellen
bzw. zu erhalten. Im Folgenden sollen einige für die Hand-
chirurgie typische Operationen beschrieben werden, ohne
den Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen zu wollen.
Bei vielen Operationen trägt der Operateur eine Lu-
penbrille, oder es kommt ein Operationsmikroskop zum
Einsatz (7 Kap. 11 und 12).

3.7.1 Kleine Anatomie der Hand

Knochen und Gelenke


. Abb. 3.192 Mc Glamry-Elevatorium. (Fa. Teleflex Medical)
Die menschliche Hand wird gebildet aus der Handwurzel
(Carpus), der Mittelhand (Metacarpus) und den Finger-
gliedern (Phalangen). Muskeln und Sehnen
Die Beweglichkeit der Finger wird überwiegend durch di-
Proximale Handwurzelreihe verse Muskeln im Unterarm ermöglicht, die ihre Kraft über
Die Gelenkfläche zur Speiche und Elle (Radiokarpalge- lange Sehnen auf die Finger übertragen (. Abb. 3.194). Zu-
lenk) besteht aus dem Kahnbein (Os scaphoideum), dem sätzlich finden sich in der Mittelhand kurze Muskeln und
Mondbein (Os lunatum) und dem Dreieckbein (Os trique- Sehnen, die die besondere Beweglichkeit des Daumens und
trum). Zusätzlich findet sich palmar des Os triquetrum das der Fingergrundglieder gewährleisten. An den Phalangen
Erbsenbein (Os pisiforme), das ein Hypomochlion/Sesam- selbst gibt es keine Muskeln (. Abb. 3.195).
bein für eine Handgelenksbeugesehne (M. flexor carpi ul-
naris) darstellt (. Abb. 3.193). Bänder
Sowohl die Handwurzelknochen als auch die Fingerge-
Distale Handwurzelreihe lenke werden durch Bänder im sog. Kapsel-Band-Apparat
Sie besteht aus dem großen Vieleckbein (Os trapezium), gehalten und geführt. Wegen der besonderen Wichtigkeit
dem kleinen Vieleckbein (Os trapezoideum), dem Kopf- und häufiger Verletzungen wird auf das Band zwischen
bein (Os capitatum) und dem Hakenbein (Os hamatum). Mondbein und Kahnbein (SL-Band) und auf das ulnare
Diese stellen die Gelenkflächen zu den Mittelhandkno- Seitenband am Daumengrundgelenk näher eingegangen
chen (Karpometakarpalgelenk) dar (. Abb. 3.193). Dem werden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Bändern,
Daumensattelgelenk (CM-Gelenk 1) kommt dabei we- deren Funktion es ist, Sehnen in ihrem Verlauf zu führen
sentliche Bedeutung zu durch seine besonders gute Beweg- (Retinaculum flexorum und extensorum, Ringbänder,
lichkeit in alle Ebenen, durch die dem Daumen die Oppo- Sehnenscheiden). Sie stellen durch Veränderungen an den
sition zu den Langfingern ermöglicht wird. Sehnen oft Engpässe dar und sind deshalb häufig Anlass zu
Operationen.
Mittelhand
Sie wird gebildet durch die Mittelhandknochen (Metacar- Nerven und Gefäße
palia 1–5), deren Köpfe wiederum die Gelenkflächen zu Die Hand wird von drei großen Nerven versorgt:
den Grundgelenken (Metakarpophalangealgelenke; MCP) Der N. ulnaris verläuft in der Ellenbeuge (»Musikkno-
darstellen. chen«) über den ulnarseitigen Unterarm durch die Loge de
Gyon am Handgelenk, wo er sich aufgabelt in den tiefen
Finger motorischen Ast für die Versorgung der Handbinnenmus-
Die Finger bestehen aus den Grund-, Mittel- und Endglie- kulatur und den oberflächlichen Ast für die sensible Ver-
dern, jeweils verbunden in den Mittelgelenken (proximale sorgung des ulnarseitigen Ringfingers und des gesamten
Interphalangealgelenke; PIP) bzw. Endgelenken (distales Kleinfingers.
Interphalangealgelenk; DIP). Der Daumen hat kein Mittel- Der N. medianus verläuft am beugeseitigen Unterarm
glied (. Abb. 3.193). durch den Karpaltunnel und versorgt die Finger 1–3 und
244 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

. Abb. 3.193 Blick auf den Handrücken (Dorsalansicht) der rechten Hand. (Aus Spornitz 2006)

. Abb. 3.194 Dorsalansicht des Unterarms mit den tiefen Streckern. (Aus Spornitz 1996)
3.7 · Handchirurgie
245 3

. Abb. 3.195 Muskeln der Handinnenfläche (Palmarfläche) (FD: M. flexor digitorum superficialis = oberflächlicher Fingerbeuger). (Aus Spor-
nitz 1996)

den 4. Finger radialseitig sensibel sowie die Thenarmusku- Auf Wunsch des Patienten oder bei Operationen am
latur (Daumenballen) motorisch. Ellbogengelenk, bei tiefen Infektionen oder bei Knochen-,
Der N. radialis verläuft am streckseitigen Unterarm Sehnen- oder Nervenentnahmen am Becken/Bein wird die
und versorgt mit seinem Ramus profundus die Streckmus- Allgemeinnarkose erforderlich.
kulatur motorisch. Sein Ramus superficialis läuft radialsei- In verschiedenen Höhen sind am Arm und an der
tig zur Hand für die sensible Versorgung des Handrückens Hand folgende Anästhesieverfahren möglich:
und der Fingerrücken.
Subaxilläre Plexusanästhesie
Blutversorgung Der Plexus brachialis (N. medianus, N. ulnaris und N. ra-
Die Blutversorgung der Hand wird sichergestellt durch die dialis am Oberarm) wird nach Legen eines peripheren
A. radialis und die A. ulnaris, die beide am palmaren Zugangs mit Hilfe eines Nervenstimulationsgerätes auf-
Handgelenk gut tastbar sind. Sie vereinigen sich im tiefen gesucht und mit 30–40 ml Betäubungsmittel umspritzt.
und oberflächlichen Hohlhandbogen und geben von dort Die Einwirkzeit beträgt ca. 30 min, die Wirkdauer 2–3 h.
jeweils 2 Äste für die Finger ab. Bei Verwendung lang wirkender Anästhestetika kann die
Wirkdauer bis zu 12 h anhalten. Mit der Plexusanästhesie
lassen sich nahezu alle Operationen an Hand und Unter-
3.7.2 Anästhesie arm durchführen. Sie hat den Vorteil, dass auch der
Druck durch die Blutleeremanschette am Oberarm gut
Handchirurgische Eingriffe können überwiegend in Ple- toleriert wird.
xus-, Regional-oder Lokalbetäubung erfolgen, sodass der
Patient wach bleibt. Für diesen Fall wird vom OP-Perso- Blockaden des N. medianus, N. ulnaris,
nal neben dem geordneten Ablauf der Operation auch N. radialis am Handgelenk
ein besonderes Einfühlungsvermögen und Zuwendung Im Bereich des Handgelenks können alle drei Nerven mit
zum Patienten erwartet, der immer das Gefühl vermittelt jeweils ca. 5 ml Betäubungsmittel zuverlässig infiltriert
bekommen sollte, im Mittelpunkt des Geschehens zu werden. Sie gewähren eine schnell wirkende Anästhesie in
stehen. ihrem jeweiligen Ausbreitungsgebiet, sind jedoch nur für
246 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

. Tab. 3.5 Funktionsstellung verschiedener Gelenke zur


postoperativen Ruhigstellung

Gelenk Funktionsstellung

Ellbogengelenk 90° Beugung


3
Handgelenk 30° Streckung

Unterarm Mittlere Supination

Fingergrundgelenke 60° Beugung

Fingermittel- und -endgelenke 30–40° Beugung

Daumensattelgelenk Mittlere Opposition

. Abb. 3.196 Handtisch

kurze Eingriffe geeignet, da die Blutleere am Oberarm nur 3.7.4 Vorbereitung und Lagerung
ca. 15 min toleriert wird. des Patienten zur Handoperation
Leitungsblockaden am Finger In der Regel wird der Patient zu Fuß in den OP begleitet.
(Oberst-Anästhesie) Nur wenn das aufgrund anderer Erkrankungen nicht mög-
Am proximalen Fingergrundglied lässt sich durch Infiltra- lich ist, wird er auf dem Operationstisch eingeschleust. Der
tion von je 0,5 ml Betäubungsmittel in jedem Quadranten Patient wird in Rückenlage auf einer Gelmatte auf dem OP-
eine rasch wirkende Anästhesie erreichen. Gut geeignet für Tisch gelagert. Der zu operierende Arm wird auf einem
Eingriffe am Fingermittel- und -endglied. Eine Blutleere feststehenden, röntgendurchlässigen Handtisch gelagert,
kann durch Aufrollen eines Fingerlings vom Handschuh der in gleicher Höhe wie der OP-Tisch an diesem festge-
erreicht werden schraubt wird (. Abb. 3.196).
Nahezu alle Patienten erhalten eine Blutleere, entweder
am Finger oder am Oberarm. Bei der Oberarmblutsperre
3.7.3 Verbände und Gipsruhigstellung handelt es sich um eine gut gepolsterte Manschette, die bis
230–250 mm Hg aufgepumpt wird (. Abb. 3.197). Damit
Wunden werden mit steriler Fettgaze/Salbentüll und Kom- werden alle feinen Strukturen der Hand besser sichtbar
pressen bedeckt. Zur Vermeidung von Mazerationen wer- und Blutverlust vermieden.
den Streifenkompressen in die Zwischenfingerfalten gelegt. Obligat ist die Vitalzeichenkontrolle bei allen Patienten
Zum Wickeln der Hand und der Finger eignen sich elasti- mit Plexusbetäubung.
sche Binden von 4 cm oder 6 cm Breite. Sie sollten ohne Der gesunde Arm wird in eine bequeme Lage mittels
stärkeren Zug angelegt werden, um Abschnürungen durch Armausleger gebracht. Dem Patienten wird eine Knierolle
postoperative Schwellungen zu vermeiden. Nach kleinen angeboten, um die Wirbelsäule zu entlasten, und er wird
Operationen am Finger (z. B. Drahtentfernungen) reicht mit einem angewärmten Tuch zugedeckt, um ein Ausküh-
oft auch ein Stülp-/Schlauchverband oder nur ein Pflaster. len zu vermeiden. Wenn Röntgenkontrolle nötig ist, be-
Bei der postoperativen Ruhigstellung von Gelenken ist kommt der Patient eine Bleischürze als Strahlenschutz ge-
darauf zu achten, dass deren Funktionsstellung eingehalten mäß Strahlenschutzverordnung (7 Abschn. 3.4.2).
wird, um Kontrakturen im Bereich des Kapsel-Band-Ap- Präoperativ ist eine Reinigung von stark verschmutzten
parates vorzubeugen (. Tab. 3.5). Wunden mit isotonischer Kochsalzlösung erforderlich.
Unterarmgipsschienen werden i. Allg. von dorsal an- Die Hautdesinfektion erfolgt mit farbloser alkoholischer
gelegt und müssen die Fingergrundgelenke frei beweglich Lösung, um die Hautfarbe und Durchblutung der Finger
lassen. Nach Strecksehnenverletzungen werden Gipse von intra- und postoperativ beurteilen zu können.
palmar angelegt. Nicht betroffene Finger müssen frei be-
weglich bleiben, d. h., dass Fingerausleger ausschließlich kInstrumentarium
operierte Finger ruhigstellen dürfen. Gipsschienen dürfen Das handchirurgische Instrumentarium zeichnet sich im
wegen der Gefahr postoperativer Schwellungen im OP nur Vergleich zur Allgemein- oder Unfallchirurgie durch über-
elastisch angewickelt werden. Am Folgetag sollte eine wiegend feine Instrumente aus, die ein möglichst atrauma-
Gipskontrolle und ggf. ein Verbandwechsel erfolgen. tisches Operieren sicherstellen; auch zarte Gewebestruktu-
3.7 · Handchirurgie
247 3
ren müssen ohne deren Schädigung gegriffen und gehalten
werden können.
Neben den Grundinstrumenten (. Abb. 3.198) verfügt
die Handchirurgie über diverse zusätzliche Spezialinstru-
mente, z. B. für die Mikrochirurgie von Nerven und Ge-
fäßen. Auch Knochenimplantate sind den Größenverhält-
nissen der Hand angepasst. Es werden Kirschner-Drähte
ab Stärke 0,6 mm, Cerclagedrähte ab 0,4 mm und Schrau-
ben ab 1,2 mm Durchmesser verwendet.

3.7.5 Verletzungen und deren Therapie

Frakturen
Die Grundlagen zur Behandlung von Frakturen sind in . Abb. 3.197 Anlegen einer Oberarmblutleere
7 Abschn. 3.3 beschrieben und gelten grundsätzlich auch
für die Handchirurgie. Wegen ihrer besonderen funktio-
nellen Bedeutung bestehen hohe Ansprüche an eine mög-
lichst rasche und folgenlose Wiederherstellung der betei-
ligten Knochen und der benachbarten Gelenke der Hand.
Es gibt für die Handchirurgie eine Vielzahl spezieller Im-
plantate, um den besonders feinen Strukturen der Hand
gerecht werden zu können.
Als Beispiel für häufige Knochenverletzungen an der
Hand werden hier einige typische Operationsabläufe be-
schrieben.

Distale Radiusfraktur
Die Fraktur des Radius am Handgelenk, oft kombiniert mit
einem Abriss des Processus styloideus ulnae, ist eine der
häufigsten Knochenverletzungen überhaupt und entsteht
meist durch Sturz auf die Hand. Bei direkter Gelenkbetei-
ligung (mit Stufenbildung) oder Abkippung/Verkürzung
des distalen Radius besteht die Indikation zur operativen
Korrektur, um einer bleibenden Schädigung (Bewegungs- . Abb. 3.198 Handchirurgische Grundinstrumente
einschränkung, Schmerzen, Früharthrose) an den beteilig-
ten Gelenken (Radiokarpalgelenk und distales Radio-
ulnargelenk) vorzubeugen.
Während bei Frakturen ohne Gelenkbeteiligung und 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der
mit einem großen Fragment die geschlossene Reposition Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2).
und perkutane Kirschner-Drahtfixierung möglich ist,
kommt bei allen anderen dislozierten Frakturen nur die kInstrumentarium
offene Reposition und Osteosynthese mit einer (winkelsta- 4 Handgrundsieb mit Skalpell, Pinzetten (atraumatisch
bilen) Platte, meist von palmar, in Frage. und chirurgisch), Scheren, scharfe Zweizinkerhaken,
Langenbeck-Haken, Nadelhalter, bipolare Koagulati-
jGeschlossene Reposition onspinzette,
kIndikation 4 Spezialinstrumente wie ca. 3–4 Kirschner-Drähte,
4 Bei Frakturen ohne Gelenkbeteiligung mit einem Bohrmaschine, Spülspritze.
großen Fragment.

kLagerung
4 Rückenlage, der betroffene Arm wird auf einem
Handtisch ausgelagert.
248 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

7 Eingehen durch den M. pronator quadratus mit


dem Skalpell.
7 Darstellen und Reinigung der Fraktur mittels Löf-
fel, Zahnarztspatel und Spülung.
7 Erneute Reposition der Frakturfragmente unter
3 Röntgenkontrolle.
7 Anlagerung einer passenden Platte (speziell ge-
formte Titanplatten, die anatomisch vorgeformt
sind; . Abb. 3.199).
7 Fixierung durch einen oder zwei Kirschner-Drähte,
um die richtige Position der Platte unter Röntgen-
. Abb. 3.199 Winkelstabile Aptusplatte. (Beispiel: Fa. MedArtis) kontrolle zu gewährleisten. Dann erfolgt die Fixie-
rung mit Schrauben.
7 Röntgenkontrolle und Dokumentation.
7 Blutstillung, Redon-Einlage (8 Ch), Hautnaht, An-
Geschlossene Reposition der distalen legen einer dorsalen Unterarmgipsschiene.
Radiusfraktur
7 Plexusanästhesie oder Vollnarkose, Anlegen der
Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung. Kahnbeinfraktur, Pseudarthrose
7 In Narkose erfolgt die geschlossene Reposition Bei Stürzen auf die Hand oder ähnlichen Traumata ist
der Fraktur unter Röntgenkontrolle. nicht immer der distale Radius, sondern häufig das Kahn-
7 Einbringen von 3–4 Kirschner-Drähten von ca. bein das schwächste Glied, und dieses bricht meist im mitt-
1,5 mm Stärke perkutan von radial/dorsal zur Si- leren Drittel. Kahnbeinfrakturen sind problematisch, denn
cherung des Repositionsergebnisses. sie heilen langsam oder führen oft zu einer Pseudarthrose.
Frische Kahnbeinfrakturen verursachen oft nur geringe
Beschwerden, sodass die Patienten erst spät einen Arzt auf-
jOffene Reposition suchen, zum anderen sind diese Brüche bei primären
kIndikation Röntgenaufnahmen leicht zu übersehen. Da ein instabiles
4 Alle dislozierten Frakturen, Kahnbein zu einer Lockerung und Fehlstellung der gesam-
4 Mehrfragmentfrakturen. ten Handwurzel führen kann, ist eine stabile Wiederher-
stellung des Kahnbeins in seiner anatomischen Stellung
kLagerung von großer Wichtigkeit.
4 Rückenlagerung, der betroffene Arm wird auf einem Die konservative Therapie der Kahnbeinfraktur be-
Handtisch ausgelagert. deutet eine lange Ruhigstellung von bis zu 3 Monaten, wo-
4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der bei ein hohes Risiko besteht, dass die Fraktur nicht heilt
Strahlenschutzverordnung. und sich eine Pseudarthrose ausbildet. Zur Verkürzung der
Behandlungszeit und zur sicheren Ausheilung von Kahn-
kInstrumentarium beinfrakturen wird die frühzeitige Osteosynthese empfoh-
4 Handgrundsieb. len, die mit speziellen kanülierten Schrauben (Twinfix,
4 Spezialinstrumente: Löffel, Einzinkerhaken, Zahn- Fa. Stryker/Leibinger) möglich ist, sowohl perkutan als
arztspatel, Repositionszange, Schraubenkasten mit auch offen durchgeführt.
Schrauben und Platten (winkelstabil, . Abb. 3.199), Perkutan vorgegangen wird bei frischen Frakturen, bei
Kirschner-Drähten, Bohrmaschine, Spülspritze. regelrechter Stellung der Fraktur, oder wenn es möglich ist,
die Fraktur geschlossen zu reponieren.
Die offene Versorgung wird bei dislozierten Frakturen,
Offene Reposition der distalen Radiusfraktur veralteten Frakturen oder bei Pseudarthrose durchgeführt.
7 Der Hautschnitt erfolgt am radiopalmaren Hand-
gelenk und distalen Unterarm. jPerkutane Schraubenostheosynthese
7 Die FCR-Sehne und die A. radialis werden mit Lan- mit dem Twinfix-System
genbeck-Haken beiseite gehalten. kPrinzip
6 Es handelt sich um ein Kompressionsschraubensystem zur
Versorgung von Frakturen und Pseudarthrosen, im We-
3.7 · Handchirurgie
249 3
sentlichen für das Kahnbein. Die Schraube besitzt eine jOffene Reposition und Twinfix-Schraubenosteo-
unabhängige Rotation von Kopf- und Fußgewinde und hat synthese mit Entnahme eines spongiösen oder
einen Hohlraum; durch diese Kanülierung kann ein kortikospongiösen Spans aus dem Beckenkamm
Kirschner-Draht geführt und genau platziert werden. Die kIndikation
Twinfix-Schraube ist selbstschneidend und hat einen 4 Pseudarthrose im Kahnbein.
Durchmesser von 3,2 mm. Es gibt sie in Längen von 14 mm
bis 34 mm. Der speziell benötigte Kirschner-Draht hat ei- kPrinzip
nen Durchmesser von 1 mm und muss 160 mm lang sein, Sanierung des Kahnbeins mittels eines Blockes aus dem Be-
um ein absolut korrektes Abmessen der Twinfix-Schraube ckenkamm und Stabilisierung durch eine Osteosynthese.
zu gewährleisten.
kLagerung
kLagerung 4 Rückenlage, der betroffene Arm wird auf einem
4 Rückenlage, der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausgelagert.
Handtisch ausgelagert. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der
4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2).
Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). 4 Vor der Desinfektion des Beckenkamms wird ein
Keilkissen unter das Becken geschoben, um so das
kInstrumentarium Becken anzuheben und durch bessere Dominanz des
4 Handgrundsieb und Spezialinstrumente wie Pfriem, angehobenen Beckens die Entnahme des Spans zu er-
Spülspritze, Bohrmaschine, leichtern. Das Keilkissen wird mit Feuchtigkeit auf-
4 Twinfix-Set mit allen benötigten Instrumenten und saugenden Tüchern abgedeckt. Bevorzugt wird der
Implantaten: Bohrung und Schraubenführung mit kontralaterale Beckenkamm gewählt.
Hülsenaufsatz, Bohrhülse mit Kirschner-Draht, ka-
nülierter Fräser (Bohrer) 2,4 mm, Messgerät mit kInstrumentarium
Rändelschraube, Schraubendreher mit Handgriff, Handgrundsieb und Spezialinstrumente wie Einzinkerha-
Schrauben. ken, Knochensplitterzange, Stößel, breite Flachzange, Mei-
ßel und Hammer, Knochenhaltezange, Hohmann-Haken.

Perkutane Schraubenostheosynthese
mit dem Twinfix-System Offene Reposition und Twinfix-Schraubenosteo-
7 Plexusanästhesie, Anlegen einer Oberarmblutlee- synthese mit Entnahme eines spongiösen oder
re, Desinfektion und Abdeckung des Operations- kortikospongiösen Spans aus dem Beckenkamm
gebietes. 7 Hand, Unterarm und Beckenkamm werden desin-
7 Kleine Hautinzision über dem Os trapezium am fiziert und steril abgedeckt.
radiopalmaren Handgelenk. Eingehen mit dem 7 Begonnen werden kann mit der Entnahme des
kanülierten Führungsspieß auf den distalen Kahn- Spans aus dem Beckenkamm:
beinpol. – Inzision mit dem Skalpell dorsal der Spina ilia-
ca anterior direkt über dem Beckenkamm. Da-
7 Unter Röntgenkontrolle Vorschieben eines 1 mm
durch wird eine Schädigung des N. cutaneus
dicken und 16 cm langen Kirschner-Drahtes zen-
femoris lateralis sicher vermieden. Die Narbe
tral in das Kahnbein.
liegt später weit lateral und stört nicht.
7 Abmessen der Schraubenlänge über dem vorste-
– Einsetzen von scharfen Haken, um die Haut
henden Draht, Vorschieben und dann Überbohren
wegzuhalten; mit dem Skalpell wird die Faszie
des Kirschner-Drahtes mit dem kanülierten Bohrer
bis auf den Knochen durchtrennt. Die Musku-
(Ø 2,4 mm).
latur wird nach dorsal abgeschoben.
7 Einbringen der kanülierten Schraube über den
– Mit Meißel und Hammer wird ein Kortikalisde-
Draht. Entfernen des Drahtes und Aufbringen von ckel angehoben und dann ein passender Kno-
Kompression auf die Fraktur durch Nachziehen chenspan aus der Außenseite des Becken-
nur des proximalen Schraubengewindes. kamms herausgemeißelt (spongiös oder korti-
7 Röntgenkontrolle und Dokumentation, Blutstil- kospongiös). Der Knochendeckel wird zuge-
lung, Hautnaht, Unterarmgipsschiene mit Dau- klappt und die Faszie genäht.
menausleger. 6
250 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

kPrinzip
– Wundverschluss mit Redon-Einlage (8 Ch), Rekonstruktion der Gelenkfläche des Daumensattelgelenks.
Verband.
kLagerung
Offene Reposition und Einlage des Spans bei Pseud- 4 Rückenlage,
arthrose 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge-
3 7 Je nach Frakturhöhe des Kahnbeins wird der Zu- lagert.
gang von palmar oder dorsal gewählt. 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der
7 Hautschnitt mit dem Skalpell, Darstellen des Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2).
Kahnbeins und der sklerosierten ehemaligen Ge-
lenkfläche. Mit scharfen Haken wird die Wunde of- kInstrumentarium
fen gehalten und die Fraktur durch Hohmann-He- 4 Handgrundsieb, Spülspritze,
bel (. Abb. 3.19) dargestellt. Mit einem Luer oder 4 Spezialinstrumente wie Zahnarztspatel, Dissektor,
einem kleinen Meißel wird die Pseudarthrose ab- Flachzange, Seitenschneider, Repositionszange,
getragen. Der dadurch entstehende Spalt wird Schrauben oder Kirschner-Drähte, Bohrmaschine.
mit dem Beckenkammspan oder mit der Spongio-
sa des Beckenkamms aufgefüllt, um so eine stabi-
le Frakturheilung des Kahnbeins zu ermöglichen. Operative Versorgung einer Bennett-Fraktur
Der Span wird mit der Knochensplitterzange und 7 Plexusanästhesie, Anlegen der Oberarmblutleere,
einer breiten Flachzange in die passende Form Desinfektion und Abdeckung des OP-Gebietes.
gebracht, damit er in den Frakturspalt eingepasst 7 Der Hautschnitt liegt radiopalmar an der Basis des
werden kann. Spongiosa wird mit einem Stößel 1. Mittelhandknochens und des Sattelgelenks.
oder kleinen Stopfinstrumenten (Zahnarztinstru- 7 Unter Schonung von Radialästen wird die Kapsel
mente; . Abb. 3.200) in den Frakturspalt einge- mit dem Skalpell längs gespalten.
bracht. Füllt das Transplantat den Frakturspalt aus, 7 Eingehen in das Gelenk, Spülung und Darstellung
kann mit der Fixation durch die Twinfix-Schraube der Fraktur mit Langenbeck-Haken.
begonnen werden (gleiche Verfahrensweise wie 7 Reposition der Fraktur und Rekonstruktion der
bei der geschlossenen Verschraubung, s. oben). Gelenkfläche mit einem Zahnarztspatel, kleinem
7 Kapselnaht, Blutstillung, evtl. Redon-Drainage, Löffel, evtl. kleinem Einzinkerhaken, ggf. Fixation
Wundverschluss, Anlegen des Unterarmgipses mit mit einer Repositionszange.
Daumenausleger. 7 Retrogrades Fixieren (sog. indirekte Fixierung, bei
der auf die Fraktur zu gebohrt wird) mit Kirschner-
Drähten bzw. Einbringen von Zugschrauben, un-
Bennett-Fraktur ter Röntgenkontrolle.
Als Folge einer Daumendistorsion durch Sturz oder Schlag 7 Kapselnaht, Blutstillung, Wundverschluss, Anle-
finden sich an der Basis des 1. Mittelhandknochens oft gen einer Unterarmgipsschiene mit Daumenaus-
Frakturen mit Beteiligung der Knorpelfläche zum Sattelge- leger.
lenk mit Stufenbildung, sodass fast immer Operationsbe-
dürftigkeit besteht, um bleibenden Kontrakturen, Schmer-
zen und Arthrose vorzubeugen. Mittelhandfraktur (MHK-Fraktur) subkapital
(unterhalb des Mittelhandköpfchens)
Meist als Folge von Schlageinwirkung entstehen insbeson-
dere am 5. Strahl häufig subkapitale Frakturen des Köpf-
chens mit Dislokation nach palmar. Ab einer Abkippung
von ca. 30° ist die Korrektur indiziert. Ist die Fraktur noch
frisch (maximal 2 Wochen alt), wird die im Folgenden be-
schriebene geschlossene Reposition mit intramedullärer
Kirschner-Drahtosteosynthese als innere Schienung
durchgeführt. Sie hat gegenüber der offenen Reposition die
Vorteile, dass nur ein minimales Operationstrauma eintritt
und dass das für Bewegungsstörungen empfindliche
. Abb. 3.200 Stopfinstrumente zur Spongiosaeinlage Grundgelenk nicht tangiert wird.
3.7 · Handchirurgie
251 3
jIntramedulläre Kirschner-Drahtosteosynthese 4 Titanschrauben von 1,2–2,3 mm Ø für Zugschrau-
am 5. Finger (Kleinfinger) benosteosynthesen.
kPrinzip 4 Titanplatten für die oben genannten Schraubengrö-
Geschlossene Reposition und minimales Operations- ßen, in verschiedenen, den Fingergliedern angepass-
trauma ohne Traumatisierung des Gelenkes. ten Formen, auch winkelstabil.

kLagerung Titanimplantate haben sich in den letzten Jahren bei Osteo-


4 Rückenlage, synthesen durchgesetzt. Titan ist genauso fest wie Stahl,
4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge- aber leichter. Dadurch sind die Implantate dünner. Titan
lagert. ruft keine allergischen Reaktionen hervor.
4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der Als Beispiel für eine Frakturversorgung am Finger wird
Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2). hier die Operation eines knöchernen Strecksehnenabrisses
am Endglied beschrieben. Es handelt sich um eine streck-
kInstrumentarium seitige Basisfraktur am Endglied, die wegen ihrer Gelenk-
4 Handgrundsieb, beteiligung und Dislokation i. d. R. operativ versorgt wer-
4 Spezialinstrumentarium wie Kirschner-Drähte, den muss.
Flachzange, Seitenschneider, Pfriem, kleiner Ham-
mer, manuelles Jakobs-Futter mit Schlüssel. jKnöcherner Strecksehnenabriss am Fingerendglied
kPrinzip
Rekonstruktion der Gelenkfläche und Wiederherstellung
Intramedulläre Kirschner-Drahtosteosynthese
der vollen Streckfähigkeit.
7 Plexusanästhesie und Anlegen der Oberarmblut-
leere. Desinfektion und Abdeckung des OP-Ge- kLagerung
bietes. Die Reposition der Fraktur erfolgt ge- 4 Rückenlage,
schlossen unter Röntgenkontrolle. 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge-
7 Der 1–2 cm große Hautschnitt wird am Karpome- lagert.
takarpalgelenk des 5. Fingers gesetzt. Bei der Prä- 4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Einhaltung der
paration werden der Ulnarisast und die Streckseh- Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2).
ne geschont.
7 Vorbohren in die Basis des Mittelhandknochens kInstrumentarium
mit dem Pfriem. 4 Handgrundsieb, Spülspritze,
7 Vorschieben von 1–2 stumpfen leicht vorgebo- 4 Spezialinstrumente wie Löffel, Zahnarztspatel, Seh-
genen Kirschner-Drähten (Ø 1,2 mm oder 1,5 mm) nenhaken, Flachzange, Bohrmaschine, Schrauben
unter Röntgenkontrolle bis in das Köpfchen. (Minischrauben Ø 1,2 mm) oder Cerclagedraht und
7 Umbiegen und Kürzen der Drähte (Nervenast und Kanüle (Ø 1,2 mm), um eine Drahtnaht durch das
Strecksehnen dürfen nicht bedrängt werden). Endglied anbringen zu können (Draht Ø 0,5 mm).
7 Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der Un-
terarmgipsschiene mit Ausleger für den Finger.
Osteosynthese beim knöchernen
Strecksehnenabriss
Fingerfrakturen 7 Oberst-Anästhesie, Anlegen einer Fingerblutleere.
Dislozierte Frakturen, ggf. mit Gelenkbeteiligung, erfor- Desinfektion und Abdecken des Operationsge-
dern auch an den Fingergliedern die operative Korrektur bietes.
mit Stabilisierung. Dafür stehen Kleinfragmentinstrumen- 7 H-förmiger Hautschnitt am dorsalen Endgelenk.
tarien und Miniimplantate zur Verfügung. Je nach Lokali- 7 Vorsichtiges Ablösen der Haut von der Streck-
sation und Verlauf der Fraktur bieten sich folgende Im- sehne, die nach distal als knöchernes Fragment
plantate zu den verschiedenen Möglichkeiten der Osteo- endet.
synthese an: 7 Darstellen und Reinigen der Fraktur mit einem
4 Kirschner-Drähte ab 0,6 mm Ø für die direkte Fixie- kleinen Löffel/Zahnarztspatel und Spülung.
rung von Knochenfragmenten, für die intramedulläre 7 Reposition der Fraktur und Rekonstruktion der
Schienung oder temporäre Fixierung von Gelenken. Gelenkfläche mit zwei Pinzetten.
4 Drahtcerclagen ab 0,4 mm Ø für Zuggurtungen oder 6
Arthrodesen.
252 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Beugesehnendurchtrennung, Beugesehnennaht
7 Nach der Reposition erfolgt die Osteosynthese kPrinzip
entweder mit einer oder zwei Minischrauben oder Wiederherstellung der vollen Beweglichkeit durch eine
mit einer Zuggurtung. Ist das Fragment sehr klein, Beugesehnennaht
wird die Zuggurtung bevorzugt. Dafür wird zuerst
eine Kanüle in den Bohrer eingespannt und quer kLagerung
3 durch die Endgliedbasis gebohrt. Durch das Lu- 4 Rückenlage,
men der Kanüle wird der 0,5 mm dünne Cerclage- 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge-
draht wieder zurückgeführt (= transossäre Draht- lagert.
naht).
7 Das Minifragment wird mit einem 0,6 mm starken kInstrumentarium
Kirschner-Draht aufgefädelt und somit fixiert. Die 4 Handgrundsieb, Spülspritze,
Drahtnaht kann nun vorsichtig um den Kirschner- 4 Spezialinstrumente wie Sehnenhaken, Kanüle zur
Draht geschlungen und ihre Enden miteinander Sehnenfixierung, (um die Sehne bis zur Naht vorü-
verzwirbelt werden. bergehend zu fixieren) 2 chirurgische Mosquito-
7 Röntgenkontrolle und Dokumentation, Blutstil- klemmchen, evtl. Kirschner-Drähte und Bohrmaschi-
lung, Hautnaht und Anlegen einer Fingergips- ne, Seitenschneider.
schiene.

Beugesehnennaht
7 Plexusanästhesie oder Vollnarkose, Anlegen der
Beuge- und Strecksehnenverletzungen Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung
Kommt es bei Verletzungen zur Durchtrennung von Seh- des OP-Gebietes.
nen, so ist ihre möglichst frühzeitige, d. h. primäre Naht 7 Der Hautschnitt verläuft S- oder Z-förmig; Schnitt-
erforderlich, um der Verkürzung der Sehnen durch Kon- erweiterung nach proximal und distal.
traktur der Muskulatur und narbiger Verklebung vorzu- 7 Darstellung und Schonung beider Gefäß-Nerven-
beugen. Ist eine primäre Sehnennaht nicht möglich, sollte Bündel der Finger und der Ringbänder.
sie unmittelbar nach Abschluss der Wundheilung bei blan- 7 Aufsuchen des proximalen und distalen Sehnen-
den Narbenverhältnissen erfolgen. Spätere Sehnennähte stumpfes, die in ihr anatomisches Gleitlager zu-
haben eine deutlich geringere Erfolgsaussicht in Hinblick rückgeführt werden.
auf Wiedererlangung der freien Beweglichkeit. 7 Mit den Mosquitoklemmchen werden die Sehnen-
Insbesondere im Bereich der Sehnenscheide und der enden in der Tiefe angeklemmt und mit einer Ka-
Ringbänder am Finger ist es wichtig, dass die Sehnennaht nüle fixiert. Die Naht der Sehne erfolgt in Kirch-
nicht durch Wülste auftreibt und glatt die Ringbänder pas- mayr-Technik:
sieren kann. Die Sehnennähte erfolgen deshalb in spezi- End- zu- End-Naht, mindestens 1 cm von der
eller Nahttechnik nach Kirchmayr und erhalten i. d. R. eine Durchtrennungsstelle der Sehne entfernt; quere
zusätzliche Feinadaptation. Durchstechung, der Sehnen, sodass der Knoten
Frisch genähte Beugesehnen können die Zugkraft des zwischen den Sehnenstümpfen zu liegen kommt.
Muskels unmöglich aufnehmen, sodass in den ersten Wo- Die Naht erfolgt mit einem nicht resorbierbaren,
chen der Nachbehandlung aktives Beugen strikt untersagt geflochtenen Faden der Stärke 3–0 oder 4–0, die
ist. Zur Entlastung der Sehnennähte wird postoperativ eine Feinadaptation mit einem 6–0 monofilen Faden.
sog. Kleinert-Gipsschiene (Beugung aller Grundgelenke in 7 Hautnaht und Anlegen der dorsalen Gipsschiene
60°, Beugung des Handgelenkes in 30°) angelegt mit Gum- mit Gummibandzügelung.
mibandzügelung des betroffenen Fingers in Beugestellung, 7 Krankengymnastik ab dem 1. postoperativen Tag.
aus der dann aktiv gestreckt werden darf. Diese Anord-
nung vermeidet Rupturen der Sehnennähte und gewähr-
leistet gleichzeitig, dass die genähten Sehnen ohne Belas- Nerven- und Gefäßdurchtrennung
tung gleiten können und nicht verkleben. Nervenverletzung, Nervennaht
Versorgte Strecksehnenverletzungen werden dagegen Durchtrennte Nerven sollten möglichst primär mikrochir-
durch 3-wöchige palmare Gipsschiene in Funktionsstellung urgisch genäht werden, da verspätete Nervennähte deut-
ruhig gestellt. Bei Strecksehnennähten in Höhe der Finger- lich verminderte Erfolgsaussichten auf eine Wiedererlan-
glieder ist zur Ruhigstellung auch die temporäre Fixierung gung ihrer motorischen oder sensiblen Funktion haben.
des Gelenkes mit einem Kirschner-Draht möglich. Nervennähte bedürfen einer spannungsfreien Adaptation
3.7 · Handchirurgie
253 3
und eines mikrochirurgisch versierten Teams, das über das Gefäßdurchtrennung
notwendige Mikroinstrumentarium und ein Operations- Für primäre Nähte von Gefäßen gelten ähnliche Bedin-
mikroskop verfügt (7 Kap. 10 und 11). gungen wie bei Nähten von Nerven. Sie können im Ver-
Während monofaszikuläre Fingernerven mit 3–4 epi- gleich zu Nerven mit Mikrogefäßklemmen fixiert werden,
neuralen (die Nähte fassen nur die gefäßtragende Nerven- nachdem sie angefrischt und gespült wurden (7 Kap. 4)
hülle, das Epineurium) Nähten gut adaptiert sind, bedarf Das Zusammenführen beider Stümpfe, bis sie sich berüh-
die Naht eines großen multifaszikulären oder polyfasziku- ren, kann entweder mit zwei Mikropinzetten oder mit
lären (10–15 Faszikel) Nervs (z. B. N. medianus, N. ulna- einem kleinen Spezialinstrument (Approximator) vorge-
ris) der möglichst exakten Zuordnung der Faszienbündel nommen werden.
und entsprechenden epifaszikulärer Mikronähte, was nur
unter dem Mikroskop möglich ist. Bei älteren Nervenver- Bandrupturen
letzungen kann eine spannungsfreie Naht i. d. R. nicht Grobe Krafteinwirkung auf Gelenke kann zu Rupturen am
mehr durchgeführt werden, sodass dann ggf. eine Ner- Kapsel-Band-Apparat führen. Während Rupturen der
ventransplantation erforderlich ist. Als Spendernerv kom- Bänder (Seitenbänder und palmare Platte) an Fingergelen-
men der N. cutaneus antebrachii des Unterarms oder der ken i. d. R. keiner operativen Therapie bedürfen, sollte ins-
N. suralis des Unterschenkels in Frage. besondere das ulnare Seitenband am Daumengrundgelenk
reponiert und operativ wiederhergestellt werden. Dieses
kIndikation Band am Daumengrundgelenk rupturiert meist durch
Sensibilitätsstörungen, Taubheitsgefühl, Lähmungser- Stürze beim Skifahren (sog. Skidaumen durch Hebelwir-
scheinungen oder Muskelatrophie durch eine Nervennaht kung des Skistocks) oder bei Stürzen mit dem Fahrrad oder
zu beheben oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Motorrad (Lenker).
Die Stümpfe des rupturierten Bandes legen sich durch
kLagerung die enge Kapsel nicht wieder aneinander, sodass ohne Ope-
4 Rückenlage, ration eine bleibende Instabilität entstünde. Eine chronische
4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge- Subluxation würde zu vorzeitigem Verschleiß (Arthrose)
lagert. führen. Sofern noch keine Arthrose eingetreten ist, können
alte Bandrupturen durch eine Bandplastik mit der Sehne des
kInstrumentarium M. palmaris longus ersetzt werden. Bei bereits eingetretener
4 Handgrundsieb, Arthrose ist die Arthrodese indiziert, um stabile Verhält-
4 Mikroskop, steriler Bezug für das Mikroskop, nisse am Daumengrundgelenk wiederherzustellen.
4 Mikroinstrumente.
Ruptur des ulnaren Seitenbandes am Daumen
kPrinzip
Nervennaht
Rekonstruktion des ulnaren Seitenbandes am Daumen.
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der
Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung kLagerung
des OP-Gebietes. 4 Rückenlage,
7 Schnitterweiterung der vorausgegangenen Ver- 4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge-
letzung unter Beachtung der Hautbeugefalten. lagert.
7 Präparation der Gefäß-Nerven-Bündel vom Ge-
sunden zur Durchtrennungsstelle unter Vermei- kInstrumentarium
dung jeglicher Traumatisierung der Strukturen. 4 Handgrundsieb,
7 Bei Bedarf sparsame Anfrischung der Stümpfe 4 Spezialinstrumente wie Kirschner-Draht (Ø 1,2 mm)
und ggf. Zuordnung der Faszikel. Bei großen Ner- bei direkter Naht des Seitenbandes, Seitenschneider,
ven Zuhilfenahme des Operationsmikroskops. Bohrmaschine, Zahnarztspatel, Spülung.
7 Spannungsfreie Adaptationsnähte mit Nähten der
Stärke 10–0 oder 11–0 monofil, nicht resorbierbar, Sollte nicht ausreichend Band zum Nähen zur Verfügung
mit einer runden Nadel. stehen, da es zu dicht am Knochen ausgerissen ist, kann
7 Wundverschluss und Anlegen der dorsalen Gips- mit einem Knochenanker (Fa. Linvatec) oder Fadenanker-
schiene. dübel (. Abb. 3.201) das Band am Knochen fixiert werden.
Beim Linvatec-Anker (Knochenanker) handelt es sich um
ein System zur Refixierung von Weichteilen am Knochen.
Dieser Anker verbleibt im Knochen.
254 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

ment mit dem Faden mit leichtem Druck einge-


presst. Wenn der Faden mit Anker fest sitzt, wird
mit dem Nadelhalter die am Faden befindliche
Nadel gefasst und das Seitenband an den Kno-
chen herangezogen und gut vernäht.
3 7 Kapselnaht, Wundverschluss und Anlegen einer
dorsalen Unterarmgipsschiene mit Daumenaus-
leger.

Der Knochenanker mit Ø 1,5 mm ist geeignet für Seiten-


bänder des Daumens oder Strecksehnen der Finger, der
. Abb. 3.201 Knochenanker und Einsetzinstrumente. (Beispiel: etwas größere Knochenanker mit Ø 2,5 mm zur Refixie-
Fa. Linvatec) rung z. B. der Bizepssehne am Radius.

3.7.6 Erkrankungen und ihre Behandlung


Naht des ulnaren Seitenbandes am Daumen
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Dupuytren-Erkrankung
Oberarmblutleere, Desinfektion und Abdeckung Bei der Dupuytren-Erkrankung (nach Guillaume Dupuy-
des OP-Gebietes. tren; 1777–1835) kommt es zur Ausbildung von schmerz-
7 Bogenförmiger ca. 4 cm langer Hautschnitt an der freien Knoten und Strängen (Fibromatose) in der Hohl-
ulnaren Daumenseite. hand und den Fingern, die aus der Palmaraponeurose
7 Schonung des dorsalen Radialisastes. herauswachsen und durch Verkürzungen zu Beugekon-
7 Längsspaltung der Adduktoraponeurose und der trakturen der Finger führen. Die Ursache der Erkrankung
Gelenkkapsel mit dem Skalpell. ist nicht vollständig bekannt, sie befällt überwiegend Män-
7 Einsetzen von Zweizinkerhaken, die später zur ner und meistens beide Hände. Wegen der Rezidivfreudig-
Schonung des Radialisastes durch Langenbeck- keit der Erkrankung ist erst bei Ausbildung störender Kon-
Haken ersetzt werden. trakturen die Entfernung der Knoten und Stränge (Fas-
7 Darstellen und Mobilisieren der Seitenband- ziektomie) indiziert mit dem Ziel, eine vollständige Stre-
stümpfe durch passive Bewegung des Daumens. ckung aller Finger wiederherzustellen.
7 Spülung des Gelenkes und Entfernung von
Hämatom. jSymptome
7 Naht des Seitenbandes mit geflochtenem, resor- 4 Schmerzlose Strang- und Knotenbildung oder Ein-
bierbarem Nahtmaterial der Stärke 3–0. ziehung in der Hohlhand und in den Fingerbeuge-
7 Bei Subluxationstendenz des Gelenkes temporäre seiten,
Fixierung mit 1,2-mm-Kirschner-Draht. 4 flächige Induration in der Hohlhand,
7 Naht der Gelenkkapsel und der Aponeurose. 4 langsame zunehmende Beugekontraktur (Krallen-
7 Anlegen einer dorsalen Unterarmgipsschiene mit hand) einzelner oder mehrerer Finger,
Daumenausleger für 6 Wochen, bei Kirschner- 4 Abspreizbehinderung des Daumens bei Befall der
Drahtfixierung nur für einige Tage. 1. Zwischenfingerfalte.
7 Wenn das Seitenband zu dicht am Knochen aus-
gerissen ist und eine direkte Naht beider Enden Zur operativen Behandlung stehen verschiedene Verfah-
nicht mehr möglich ist, kann das Band mit einem ren zur Verfügung:
Knochenanker refixiert werden. 4 Einfache perkutane Strangdurchtrennung (Faszioto-
Den Linvatec-Anker (. Abb. 3.201) gibt es in den mie), zumeist bei alten Patienten,
Stärken 1,5 mm oder 2,5 mm, er ist bestückt mit 4 lokale Exzision, hier ist jedoch die Rezidivwahr-
einem nicht resorbierbaren Faden der Stärke 2 auf scheinlichkeit hoch,
einem Setzinstrument. Mit Hilfe des Bohrers wird 4 partielle Entfernung der Palmaraponeurose bei Befall
der Knochen vorgebohrt, dann das Setzinstru- nur eines Strangs,
6 4 vollständige Entfernung der Palmaraponeurose, sog.
totale Fasziektomie.
3.7 · Handchirurgie
255 3
jDupuytren-Operation
kPrinzip
Durch Exzision der Stränge soll die Streckung der Finger
und die Funktion der Hand wieder hergestellt werden.

kLagerung
4 Rückenlage,
4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge-
lagert.

kInstrumentarium
4 Handgrundsieb,
4 Nervenhaken, . Abb. 3.202 Metallfixierhand
4 Metallfixierhand (. Abb. 3.202).

Dupuytren-Operation Nervenkompressionssyndrome der Hand


7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der 4 N. medianus:
Oberarmblutleere. Die Hand wird auf einer Lage- – Karpaltunnelsyndrom (KTS)
rungsschiene aus Metall mit sterilen Gummi- – Pronatorsyndrom
bändern fixiert. Der Operateur trägt eine Lupen- – Interosseus-anterior-Syndrom
brille. 4 N. ulnaris:
7 Hautschnitt längs über den Strängen von Finger – Ulnarisrinnensyndrom (URS)
und Hohlhand mit dem Skalpell. – Loge-de-Guyon-Syndrom
7 Lösen der subkutanen Verklebungen unter Scho- 4 N. radialis:
nung der Hautgefäße, entweder mit dem Skalpell – Supinatorsyndrom
oder mit einer Schere. – Wartenberg-Syndrom
7 Einsetzen von scharfen Haken.
7 Lösen und Darstellen der Nerven und Arterien
über die volle Schnittlänge. Die häufigsten Kompressionssyndrome und deren opera-
7 Komplette Resektion der Stränge und der Hohl- tive Behandlung werden hier näher beschrieben.
handaponeurose unter Erhaltung der Sehnen-
scheide und der Ringbänder (ggf. Arthrolyse bei N. medianus
noch verbliebener Kontraktur von Gelenken). Karpaltunnelsyndrom Das Karpaltunnelsyndrom (KTS)
7 Z-Plastiken im Bereich der Beugefalten zur Verlän- ist das häufigste Nervenkompressionssyndrom. Der Kar-
gerung der Haut und zur Vermeidung von spä- paltunnel im Bereich der palmaren Handwurzel wird be-
teren Narbenkontrakturen. grenzt durch das kräftige Lig. carpi transversum (Retina-
7 Bei Hautdefekten, die nicht gedeckt werden kön- culum flexorum) und ist dadurch starr begrenzt. Durch
nen, kann ein Vollhauttransplantat vom Unterarm das Lig. carpi transversum laufen 9 Beugesehnen sowie der
entnommen und zur Deckung verwendet werden. N. medianus. Durch Flüssigkeitseinlagerung in der Syno-
7 Sorgfältige Blutstillung und Einlage einer Redon- vialis der Sehnen kommt es zu einem ansteigenden Druck
Drainage, Wundverschluss, Kompressionsverband im Tunnel, der vom Nerv mit Missempfindungen, Taub-
und Unterarmgipsschiene mit Fingerausleger in heitsgefühlen, Schwäche der Daumenballenmuskulatur
Streckstellung für 5 Tage; danach Krankengym- und nächtlichen Schmerzen quittiert wird.
nastik. Frauen im mittleren Lebensalter sind überwiegend be-
troffen, aber auch in der Schwangerschaft, bei Diabetes-
mellitus- und Dialysepatienten tritt es häufig auf.
Nervenkompressionssyndrome Nach klinischer Untersuchung und neurologischer
An der oberen Extremität gibt es verschiedene anatomische Objektivierung einer Leitungsverzögerung des Nervs ist
Engstellen, in denen Nerven unter Druck geraten können die operative Dekompression und Neurolyse die Methode
und entsprechend ihrer Funktion Muskelausfälle, Sensibi- der Wahl.
litätsstörungen und Schmerzen verursachen können. Sie
lassen sich in der Übersicht gezeigt einteilen.
256 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

kPrinzip kLagerung
Druckentlastung des N. medianus. 4 Rückenlage,
4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge-
lagert.
OP-Verlauf bei Karpaltunnelsyndrom
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen einer kInstrumentarium
3 Oberarmblutleere. Handgrundsieb.
7 Hautschnitt an der palmaren Handwurzel in der
Beugefalte.
7 Darstellen und vollständige Durchtrennung des Re- Verlauf bei der URS-Operation
tinaculum flexorum und der distalen Unterarmfas- 7 Hochangelegte Blutleeremanschette am Ober-
zie entlang des ulnaren Randes des N. medianus. arm, Desinfektion der Hand und des Oberarmes
7 Einsetzen von scharfen Haken und Darstellen des und sterile Abdeckung bis hoch zum Oberarm.
N. medianus, der häufig eine sichtbare Abschnü- 7 Bogenförmige Hautinzision entlang des Sulcus ul-
rung und eine livide Gefäßinjektion als Folge des naris mit dem Skalpell.
chronischen Druckes zeigt. 7 Darstellen und Freipräparieren des N. ulnaris mit
7 Darstellen des motorischen Thenar- (Daumen-)astes. Spaltung des Septum intermusculare proximal
7 Darstellen der Beugesehnen, evtl. Entfernung von und der FCU-Muskulatur distal.
deren hypertropher Synovialis (Ganglien oder 7 Einsetzen von Langenbeck-Haken.
Thrombose). Blutstillung, bei Synovektomie Einle- 7 Bei arthrotischen Veränderungen oder Luxations-
gen einer Redon-Drainage, Wundverschluss. tendenz des Nervs aus dem Sulcus bei Beugung
7 Dorsale Unterarmgipsschiene für 10 Tage in leich- des Ellbogengelenkes über 90° erfolgt die sub-
ter Streckstellung im Handgelenk, da es bei früh- muskuläre Vorverlagerung des Nervs nach Ablö-
zeitiger Beugung des Handgelenkes zu einer Vor- sen der Muskelursprünge am Epicondylus humeri
verlagerung des N. medianus kommen kann. Der ulnaris. Schaffung eines neuen Bettes für den
Nerv würde dann in den Narben des Retinaculum Nerv, der dort harmonisch ohne Engstellen oder
flexorum fixiert und könnte eine Ursache für blei- Abknickungen zu liegen kommen muss und auch
bende postoperative Beschwerden sein. bei vollständiger Bewegung des Gelenkes keine
erneute Abschnürung zeigen darf. Refixierung der
Faszie über dem Nerv mit einer geflochtenen, re-
Pronator- und Interosseus-anterior-Syndrom Beim Prona- sorbierbaren 3–0-Naht.
tor- und Interosseus-anterior-Syndrom handelt es sich um 7 Einlegen einer Redon-Drainage, Blutstillung,
seltene Kompressionen des N. medianus am proximalen Wundverschluss, Anlegen der Oberarmgipsschie-
Unterarm, die ebenfalls sowohl motorische als auch sen- ne für 10 Tage, bei Vorverlagerung für 3 Wochen.
sible Störungen verursachen können.

N. ulnaris Loge-de-Guyon-Syndrom Eine seltenere Kompression des


Ulnarisrinnensyndrom (URS) Der N. ulnaris verläuft am N. ulnaris kann in der Loge de Guyon am ulnaren/palma-
Ellbogengelenk durch den Sulcus ulnaris (»Musikkno- ren Handgelenk oder der Handwurzel vorliegen, meist
chen«). Auch hier kommt es als Folge von chronischem ausgelöst durch ein raumforderndes Ganglion oder durch
Druck oder Knochenveränderungen durch Arthrose oder Unfallfolgen, wie einer thrombosierten Vene oder einer
als Frakturfolge sowie durch chronische Luxation des Fraktur des Hamulus ossis hamatum.
Nervs aus der Rinne durch starkes Beugen des Ellbogenge-
lenkes zu einer Schädigung des N. ulnaris. Sie äußert sich N. radialis
in einer oft sichtbaren Atrophie der Handbinnenmuskula- Supinatorsyndrom Häufig in Kombination mit einer Epi-
tur, einer Schwäche der Hand und Sensibilitätsstörungen condylitis humeri radialis (»Tennisellbogen«) kann es am
am Ring- und Kleinfinger. proximalen Unterarm zu einer Kompression des Ramus
Ist bereits eine manifeste Leitungsverzögerung des profundus des N. radialis kommen, der dort unter der Fas-
Nervs eingetreten, ist die operative Neurolyse und/oder zie des M. supinator (Arkade von Frohse) eingeschnürt
Verlagerung des Nervs indiziert. wird und dadurch Schmerzen und Schwäche bei der Stre-
ckung des Handgelenkes und der Finger verursacht. Sofern
kPrinzip konservative Maßnahmen nicht zu einem befriedigendem
Dekompression des N. ulnaris am Ellbogengelenk. Ergebnis führen, ist nach klinischer und neurologischer
3.7 · Handchirurgie
257 3
Untersuchung die operative Dekompression und Neuroly-
se erforderlich. Ringbandspaltung
7 Lokale Handgelenkbetäubung und Anlegen der
kPrinzip Oberarmblutleere.
Dekompression des Ramus profundus (N. radialis) in der 7 Kleiner palmarer Hautschnitt am betroffenen
Grundgelenk.
Supinatorloge.
7 Die Gefäß-Nerven-Bündel werden mit Langen-
beck-Haken beiseite gehalten.
kLagerung 7 Spalten des A1-Ringbandes, ggf. Synovektomie
4 Rückenlage, der Sehnen (es gibt 5 Ringbänder an den Fingern,
4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge- von A1–A5).
lagert. 7 Blutstillung, Wundverschluss, Verband.

kInstrumentarium
4 Handgrundsieb mit längeren Langenbeck-Haken. Tendovaginitis de Quervain
Ein weiteres häufiges Engpasssyndrom für Sehnen ist die
sog. Tendovaginitis de Quervain, bei der zwei Streckseh-
OP-Verlauf bei Supinatorsyndrom nen des Daumens (M. extensor pollicis brevis und M. ab-
7 Narkose, Anlegen der Oberarmblutleere, Desin- ductor pollicis longus) im 1. Streckerfach am radialseitigen
fektion, sterile Abdeckung. Handgelenk eingeengt sind und Schmerzen verursachen.
7 S-förmiger Hautschnitt am proximalen dorsalen Ist die Therapie mit Antiphlogistika erfolglos, wird die
Unterarm. Operation durchgeführt.
7 Spalten der Muskelfaszie und stumpfes Spalten
der Muskulatur mit den Fingern.
7 Darstellen des N. radialis in seinem Aufgabelungs- Spaltung des 1. Streckerfaches bei
bereich in den Ramus profundus und superficialis. Tendovaginitis de Quervain
7 Mikroskopische Präparation des Ramus profundus 7 Radialisblockade am distalen Unterarm und Anle-
und N. radialis nach distal. gen der Oberarmblutleere.
7 Spalten der Supinatorfaszie (Arkade von Frohse), 7 Hautschnitt über dem 1. Streckerfach unter Scho-
bis der Nerv einen vollständig kompressionsfreien nung der Radialisäste mit dem Skalpell.
Verlauf hat. 7 Spaltung des 1. Streckerfaches und Tendolyse der
7 Sorgfältige Blutstillung, Redon-Drainage, Wund- Sehnen , ggf. Synovektomie.
verschluss, Oberarmgipsschiene. 7 Dorsale Unterarmgipsschiene für 10 Tage.

Wartenberg-Syndrom Selten kann eine Kompression des Daumensattelgelenkarthrose (Rhizarthrose)


Ramus superficialis des N. radialis am mittleren bis distalen Die Arthrose im Daumensattelgelenk ist eine degenerative
Unterarm vorliegen, wo der Nerv unter der Faszie des Verschleißerkrankung des Knorpels, die im Gelenk zu ei-
M. brachioradialis hindurchtritt und dort insbesondere ner chronisch schmerzhaften Bewegungseinschränkung
nach Prellungen mit Hämatom unter Druck geraten kann. bis hin zu einer fortschreitenden Adduktionskontraktur
führen kann und damit die Funktion der Hand stark beein-
Tendinitis/Tendovaginitis trächtigt. Die Erkrankung befällt überwiegend Frauen im
Neben Engpässen für Nerven gibt es an der Hand auch ver- mittleren bis höheren Alter, meistens beidseitig.
schiedene Engpässe für Sehnen, die dort durch chronisches Sofern die konservativen Behandlungsmaßnahmen
Reiben Verdickungen bilden und dadurch Schmerzen bzw. nicht zu einer ausreichenden Schmerzfreiheit führen,
ein Schnappen von Fingern verursachen können. Der häu- kommt als operative Maßnahme die Resektionsarthroplas-
figste Engpass ist die sog. Tendinitis nodosa (auch Tendini- tik (FCR-Plastik) in Frage, die sich international als Me-
tis stenosans oder Schnappfinger genannt) an den Ringbän- thode der Wahl entwickelt hat. Bei dieser Operation wird
dern in Höhe der palmaren Grundgelenke aller Finger. das Os trapezium und somit die schmerzhafte Kontaktflä-
che im Sattelgelenk entfernt.
Ringbandspaltung bei Tendinitis nodosa
kPrinzip kPrinzip
Ringbandspaltung zur Beseitigung des Gleithindernisses Erreichung von Schmerzfreiheit und Erhaltung der Be-
der Beugesehne. weglichkeit im Daumensattelgelenk.
258 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

kInstrumentarium Sofern Ganglien Schmerzen, Nervenkompression oder


4 Handgrundsieb, Bewegungseinschränkungen verursachen, sollten sie ope-
4 Spezialinstrumente wie Löffel, Spülspritze, Sehnenha- rativ entfernt werden. Bei gründlicher Entfernung ist ihre
ken, scharfe Mosquitoklemmchen, Reibahlen (ein Rezidivneigung gering.
nicht konisches Instrument, das zur Aufreibung von
Bohrungen verwendet wird), kleine Meißel und Ham- kInstrumentarium
3 mer, Bohrmaschine, 2,0-mm- und 2,7-mm-Bohrer. 4 Handgrundsieb,
4 Luer,
kLagerung 4 Lidhaken,
4 Rückenlage, 4 Spülspritze,
4 der betroffene Arm wird auf einem Handtisch ausge- 4 scharfe Mosquitoklemmchen.
lagert.

Ganglionentfernung
Resektionsarthroplastik (FCR-Plastik) 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen einer
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der Blutleere.
Oberarmblutleere. 7 Hautschnitt über dem Ganglion, die Schnittfüh-
7 Gebogener Hautschnitt radiopalmar über dem rung wird nach dem Verlauf der Hautfalten ausge-
Sattelgelenk und Os trapezium. richtet.
7 Schonung der subkutan verlaufenden Radialisäste 7 Die ggf. verdrängten Nerven und Gefäße werden
durch Einsetzen von Langenbeck-Haken. dargestellt, damit sie geschont werden können.
7 Eröffnung der Gelenkkapsel und Darstellen des Os 7 Das Ganglion wird an seinem Stiel bis in die Gelenk-
trapezium. kapsel hinein freipräpariert und vollständig entfernt.
7 Vollständiges Entfernen des Os trapezium mit Hil- 7 Blutstillung, Wundverschluss, Gipsschiene für 10
fe von kleinen Meißeln und kleinem Luer unter Tage.
Schonung der freiliegenden FCR-Sehne. 7 Das Präparat geht zur histologischen Untersu-
7 Zusätzlicher Hautschnitt über der FCR-Sehne am chung.
Handgelenk. 7 Bei Entfernung von Ganglien im Bereich der Fin-
7 Abspalten der radialen Hälfte und Teilung der Seh- ger (Mukoidzysten) reicht i. d. R. die Oberst- Anäs-
ne bis zu ihrem Ansatz am 2. Mittelhandknochen. thesie und Anlegen einer Fingerblutleere aus. Bei
7 Schräges Bohrloch von 2–2,7 mm Ø durch die Ba- verbleibenden Hautdefekten, z. B. am Nagelwall,
sis des MHK 1 (Mittelhandknochen 1). erfolgt die Deckung mit einem Vollhauttransplan-
7 Durchziehen der Sehne durch das Bohrloch, die tat oder Verschiebelappen.
danach mit einem Spongiosablock aus dem ent- 7 Gleiches Vorgehen bei Weichteiltumoren anderer
fernten Os trapezium und einer Naht nach Distali- Genese.
sierung (durch Ziehen am Daumen) des Daumens
fixiert wird.
7 Redon-Drainage, Kapselnaht, Blutstillung, Wund- Läsionen des Discus triangularis
verschluss und Anlegen der dorsalen Unterarm- und unklare Handgelenkbeschwerden
gipsschiene mit Daumenausleger für 3 Wochen. Bei diagnostisch nicht vollständig geklärten Handgelenk-
schmerzen, bei Verdacht auf eine Diskusruptur oder inter-
karpale Bandverletzung besteht die Möglichkeit, für dia-
Ganglien, Tumoren gnostische und therapeutische Zwecke eine Handgelenk-
Ganglien, fälschlich auch »Überbein« genannt, sind tumor- arthroskopie durchzuführen.
ähnliche Zystenbildungen in der Nähe von Gelenken und
Sehnenscheiden (Ringbandganglien) mit gallertartigem Handgelenkarthroskopie
Inhalt. Sie treten häufig bei jüngeren Patienten auf und Bei einer Spiegelung des Handgelenkes können 4 verschie-
sind meist im Bereich des dorsalen oder palmaren Hand- dene Gelenkräume gespiegelt werden:
gelenkes zu finden, kommen aber auch an der Handwurzel 4 Das Radiokarpalgelenk, der Raum zwischen Speiche
und an Fingergelenken vor. Sie sind i. d. R. äußerlich sicht- (Radius), Mondbein (Os lunatum) und Kahnbein (Os
bar oder tastbar, können aber auch okkult auftreten und scaphoideum), das eigentliche Handgelenk (RUG).
sogar in den Knochen einwachsen (intraossäres Ganglion), 4 Das Ulnakarpalgelenk Ulna/Os triquetrum (Dreieck-
i. d. R. im Kahnbein und/oder im Mondbein. bein).
3.7 · Handchirurgie
259 3
4 Der Diskus-TFCC (= »triangular fibro cartilage com-
plex«). TFCC ist eine ligamentäre Struktur, die an der
Ulnaseite des Handgelenks zwischen Ulnakopf und
dem Os lunatum bzw. Os triquetrum gelegen ist. Er
dient als Puffer zwischen zwischen dem Ulnakopf
und dem ulnarem Abschnitt der proximalen Hand-
wurzelreihe.
4 Das mediokarpale Gelenk, der Raum zwischen kör-
pernaher und körperferner Handwurzelreihe, oder
Handwurzelgelenk (MCG).
4 Das distale Radioulnargelenk, das körperferne
Drehgelenk zwischen Radius und Ulna, fängt den
Druck zwischen Elle und Speiche ab, der von den
Handwurzelknochen ausgeht.

kIndikation
4 Entzündung der Gelenkschleimhaut (Synovialitis),
4 traumatische oder degenerative Schäden am Diskus
(Diskus-TFCC oder Triangularligament),
4 Ganglien oder Zysten,
4 Knorpelschäden,
4 Frakturen (SL-Band); es handelt sich um eine Zerrei-
ßung des Bandes zwischen dem Kahnbein (Scaphoid)
und dem Mondbein.

kZugangswege . Abb. 3.203 »Traction tower«

Die Zugangswege orientieren sich an den 6 Strecksehnen-


fächern. Insbesondere der Bereich zwischen dem 3. und letzungen der Haut, Dehnungsschäden der Hautnerven
4. Strecksehnenfach wird lokalisiert. Über ihn sind sowohl und des Kapsel-Band-Apparates der Fingergelenke auf-
radial als auch ulnar gelegene Läsionen zu inspizieren und treten.
zu therapieren. Der »traction tower« (. Abb. 3.203) ist besser geeignet
für Frauen oder kleinere Menschen mit nicht so langen
Unterarmen. Dieses System beinhaltet ein verstellbares
Operationsmethoden Kugelgelenk, das eine Beugung und Streckung im Handge-
7 Shaving = Knorpelglättung. lenk als auch eine radiale oder ulnare Abduktion möglich
7 Diskusnaht. macht. Dieses sterile System wird nach der Desinfektion
7 Bandnaht. und der sterilen Abdeckung auf den Handtisch gestellt.
7 Entfernung von Synovia, Ganglien, Zysten oder Der betroffene Arm wird mit einer Esmarch-Binde ausge-
Diskus-Knorpel-Schäden. wickelt und die Blutleere (230–250mm Hg) angelegt.
7 Pridie-Bohrung = Anbohrung von Knorpelde- Zeige- und Mittelfinger werden mit Extensionshülsen
fekten, um die darunterliegende Knochenschicht versehen, auch »Mädchenfänger« genannt. Diese Hülsen
zu durchbrechen und das Einsprossen von Blutge- sind aus Kunststoff oder Metall, sie ziehen sich beim Über-
fäßen zu erreichen. stülpen und leichtem Zug zusammen und rutschen somit
nicht von den Fingern. Es ist eine schonende Methode,
einzelne Finger zu fixieren. An einer Federwaage ist die
kLagerung Distraktionskraft abzulesen.
Der Patient wird in Rückenlage auf den OP-Tisch gela- Das Galgensystem (. Abb. 3.204) kommt bei recht
gert, der betroffene Arm wird entweder auf einem fest- großen Patienten zum Einsatz, da die Aufhängung freier
stehenden Handtisch ausgelagert, und der »traction tow- gestaltet werden kann. Noch vor der Desinfektion werden
er« (. Abb. 3.203) wird zur Überstreckung (Distraktion) die Finger in einer Aufhängung fixiert. Ein Gewicht von
des Handgelenkes angewendet, oder das bekanntere Gal- etwa 4 kg wird über die Blutleeremanschette gelegt und die
gensystem (. Abb. 3.204) kommt zum Einsatz. Bei allen Blutleere angelegt.
Lagerungstechniken ist Vorsicht geboten. Es können Ver- Desinfektion der Hand bis Mitte Unterarm.
260 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Arthroskopie des Handgelenks


7 Kanüle zum Lokalisieren des betroffenen Gelenk-
spaltes.
7 2 kleine Inzisionen mit dem Stichskalpell.
7 Spreizen mit der Schere oder einem stumpfen
3 Klemmchen.
7 Einführen der Optik und des Tasthakens und In-
spektion des Gelenkes.
7 Je nach Befund wird nun entschieden, ob Knor-
pelschäden mit einem Shaver geglättet werden
sollen oder andere Therapien nötig werden.

3.7.7 Rekonstruktionen nach Unfallfolgen

Motorische Ersatzplastiken
Als Folge von Lähmungen, Verletzungen oder Infektion
können einzelne Muskeln oder Sehnen, aber auch ganze
Muskelgruppen langfristig ausfallen, wie z. B. die Strecker
des Handgelenks und der Finger bei einer Radialisparese.
In diesen Fällen ist eine (teilweise) Wiederherstellung der
ausgefallenen Muskeln durch Umlagerung anderer Sehnen
möglich, um die Funktion der Hand aufrechtzuerhalten.
Die einfachste motorische Ersatzplastik ist die Umlage-
rung der Sehne des M. extensor indices (2. Zeigefinger-
strecksehne) auf die lange Daumenstrecksehne (EI-Umla-
gerung), die insbesondere nach Radiusfrakturen (mit und
ohne Osteosynthesematerial), aber auch durch rheuma-
tische oder arthrosebedingte Synovitis am streckseitigen
. Abb. 3.204 Galgensystem Handgelenk bevorzugt rupturiert.
Diese Operation wird hier kurz beschrieben.

EI-Umlagerung (Extensor-indicis-Umlagerung)
kInstrumentarium
4 Handgrundsieb,
4 Spülspritze,
4 Sehnendurchflechtzange (. Abb. 3.206),
4 Sehnenhaken,
4 scharfe Mosquitoklemmchen.
. Abb. 3.205 (Mini-)Optik. (Beispiel: Fa. Richard Wolf GmbH)
kLagerung
4 Rückenlage,
kInstrumentarium 4 die betroffene Hand wird auf einem Handtisch ausge-
4 Kleine Grundausstattung: Skalpell, Schere, Pinzette, lagert.
Knopfkanüle, Kanüle, Mosquitoklemmchen.
4 MIC-Turm (7 Abschn. 2.15). kPrinzip
4 Optik 1,9 mm und 30° (. Abb. 3.205), Kaltlichtkabel, Transfer der M.-extensor-indicis-Sehne auf die Extensor-
Saug-Spül-Vorrichtung, Tasthaken, Punches, Fasszan- pollicis-longus-Sehne, um die Streck- und Oppositionsfä-
ge, Kamerabezug, Minischneideblatt 2,0–2,9 mm, higkeit des Daumens wiederherzustellen.
Shaver 2,0–2,9 mm.
4 Verband: Pflaster und elastische Binde.
3.7 · Handchirurgie
261 3

M.-extensor-indicis-Umlagerung
7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der
Oberarmblutleere.
7 Hautschnitt zwischen dem 1. und 2. Mittelhand-
knochen dorsal.
7 Schonung der Radialisäste und der Gefäße.
7 Aufsuchen und Mobilisieren des distalen EPL-Seh-
nenstumpfes (Daumenstrecksehne, M. extensor
pollicis longus).
7 Hautschnitt ca. 2 cm am streckseitigen Zeigefin-
gergrundgelenk.
7 Ablösen der Sehne des M. extensor indices (2. Zei-
gefingerstrecksehne).
. Abb. 3.206 Sehnendurchflechtzange
7 Mobilisierung und Verlagerung der Sehne nach
proximal/radial unter den Gefäß-Nerven-Bündeln
zum distalen Stumpf der rupturierten langen Dau-
menstreckersehne (EPL).
Denervation des Handgelenks nach Wilhelm
7 Nach Überprüfung der physiologischen Span-
nung durch Beugung und Streckung des Handge- 7 Plexusanästhesie oder Narkose, Anlegen der
lenkes wird die Sehne mit einer Durchflechtungs- Oberarmblutleere.
naht (nach Pulvertaft) verbunden: Die Zeigefin- 7 Hautschnitt und Durchtrennung des Ramus inter-
gerstrecksehne wird in die Daumenstrecksehne osseus posterior unter der Faszie und den Streck-
eingeflochten. sehnen.
7 Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der 7 Zweiter Hautschnitt dorsal zwischen der Basis des
palmaren Unterarmgipsschiene mit Daumenaus- 1. und 2. Mittelhandknochens.
leger in Streckung über 3 Wochen. 7 Durchtrennung der Rami arterii spatii interossei.
7 Dritter Hautschnitt radiopalmar am Handgelenk.
7 Durchtrennung der Begleitnerven der A. radialis.
7 Ablösen der Weichteile vom Periost.
3.7.8 Denervation des Handgelenks 7 Blutstillung, Wundverschluss und Anlegen der
dorsalen Gipsschiene für 10 Tage.
Bei schmerzhaften Arthrosen oder Teilarthrosen des
Handgelenkes oder der Handwurzel (z. B. nach Kahnbein-
pseudarthrose) und noch erhaltener Beweglichkeit kann
die Denervation zumindest für einige Jahre durchaus 3.7.9 Arthrodesen
Schmerzlinderung herbeiführen. Dazu werden gezielt die
schmerzleitenden Nerven am Handgelenk aufgesucht und Fortgeschrittene arthrotisch zerstörte Gelenke (degenera-
durchtrennt, die nach Wilhelm in die Punkte 1–12 einge- tiv, rheumatisch, posttraumatisch oder postinfektiös) füh-
teilt wurden. Für das Handgelenk ist der wichtigste ren zu erheblichen Schmerzen und Kontrakturen. Als ope-
schmerzleitende Nerv der Ramus interosseus posterior rative Möglichkeit kommt die Versteifung des betroffenen
(Punkt 1); außerdem die Punkte 2–4 und 6, die um das Gelenks in Frage, wenn alle gelenk- und bewegungserhal-
Handgelenk radial und dorsal angeordnet sind. Sie werden tenden Maßnahmen wie Analgetika, Denervation und
isoliert durchtrennt bzw. am Periost abgelöst. künstliche Gelenke nicht zu ausreichender Schmerzfrei-
heit geführt haben. Für die Versteifung kommen die Mit-
kPrinzip tel- und Endgelenke der Langfinger (PIP und DIP), das
Schmerzlinderung für einige Jahre, bevor evtl. eine Ar- Grund- und Endgelenk des Daumens, Teile der Handwur-
throdese vorgenommen werden muss. zel (STT – Os scaphoid, Os trapezium, Os trapezoideum)
oder das Handgelenk (Radiokarpalgelenk) in Frage. Fin-
kInstrumentarium gergrundgelenke sollten aus funktionellen Gründen mög-
4 Handgrundsieb, lichst nicht versteift werden, sondern eher mit künstlichen
4 Sehnenhaken, Gelenken (Swanson-Prothese, Keramik- oder Pyrocar-
4 Nervenhaken. bonimplantat) versorgt werden.
262 Kapitel 3 · Traumatologie, Orthopädie und Handchirurgie

Obwohl Arthrodesen immer den Verlust der Restbe-


weglichkeit mit sich bringen, führen sie zu Schmerzfreiheit 7 Der Span und die Spongiosa werden bis zur Ver-
und dadurch langfristig zu einer besseren Belastbarkeit der wendung in einer kleinen Schale auf dem Instru-
Hand. mentiertisch feucht abgedeckt aufbewahrt.
7 Wundverschluss am Beckenkamm.
Arthrodese am Handgelenk 7 Zurechtschneiden des Spans mit der Knochen-
3 mit einer Titanplatte splitterzange und einer breiten Flachzange zum
kLagerung Verdichten der Spongiosa.
4 Rückenlage, 7 Einpassen des Knochenspans und der Spongiosa
4 die betroffene Hand wird auf einem Handtisch ausge- ins Handgelenk mit einem breiten Stößel.
lagert. 7 Anpassen der vorgebogenen Titanarthrodeseplat-
4 Der Bildwandler wird bereitgestellt, und alle Strah- te, die mit Schrauben von Ø 3,5 mm und 2,7 mm
lenschutzmaßnahmen (7 Abschn. 3.4.2) werden er- fixiert wird.
griffen. 7 Röntgenkontrolle, Naht der Gelenkkapsel und ggf.
des Retinakulums für die EPL-Sehne mit einem ge-
kInstrumentarium flochtenen, resorbierbaren Faden der Stärke 3–0.
4 Handgrundsieb, 7 Einlegen einer Redon-Drainage, Wundverschluss,
4 Spülspritze, Verband und Anlegen einer dorsalen Unterarm-
4 scharfe Löffel, gipsschiene.
4 Luer,
4 Knochensplitterzange, Flachzange, Repositionszange,
4 Hohmann-Hebel,
4 Einzinkerhaken, 3.7.10 Hauttransplantation, Lappenplastik
4 Zahnarztspatel,
4 Stößel, Bei Hautdefekten (z. B. nach Verletzungen, Infektionen
4 Schrauben- und Plattenkasten, o. Ä.) sind nach Abschluss der Demarkierung und Errei-
4 Bohrmaschine, chen infektfreier Wundverhältnisse die Wiederherstellung
4 Knocheninstrumente, und der Verschluss der Haut erforderlich.
4 Instrumentarium zur Spongiosaentnahme am Be- Während ein oberflächlicher Hautdefekt mit gut gra-
ckenkamm. nuliertem Wundgrund durch ein freies Transplantat Voll-
haut oder Spalthaut gedeckt werden kann, erfordern tiefe
Defekte oder gar freiliegende Sehnen die Deckung mit
Arthrodese des Handgelenks einem Lappen, der eine eigene Blutversorgung mitbringt.
7 Der Patient wird in Vollnarkose operiert. Anlegen
der Oberarmblutleere, Desinfektion und sterile Definition
Abdeckung. Vollhaut = Komplette Epidermis.
7 S-förmiger Hautschnitt vom 3. Mittelhandkno-
chen bis zum distalen Unterarm.
7 Einsetzen von Langenbeck-Haken. Definition
7 Darstellen und Schonung der EPL-Sehne (M.-ex- Spalthaut = Nur Teile der Epidermis, Lederhaut.
tensor-pollicis-longus-Sehne).
7 Resektion der ECR- Sehne (M.-extensor-carpi-radi-
alis-Sehne). Es gibt insbesondere für die Hand diverse Lappentech-
7 Darstellen des Radius, des Handgelenkes und der niken, die sich auf die betroffene Extremität beschränken
Handwurzel und Resektion aller arthrotisch skle- und keine zusätzlichen Gliedmaßen beeinträchtigen. Sel-
rosierten Gelenkflächen mit einem kleinen Meißel ten werden Fernlappen aus der Leiste, dem kontralateralen
und Hammer und einem Luer. Arm oder Bauchhautlappen angewandt.
7 Zweiter Hautschnitt am vorderen Beckenkamm, Zur Deckung an Fingerkuppen kommt der VY-Ver-
Entnahme eines kortikospongiösen Spans (ca. schiebelappen (spezielle Schnittführung) – auch bilateral
2 × 2cm) sowie zusätzlicher Spongiosa (7 Abschn. als Kutler-Plastik bekannt – zur Anwendung. Fingermittel-
3.6.2). glieder werden mit dem Cross-finger-Lappen, Daumen-
6 kuppen mit dem Moberg-Verschiebelappen gedeckt. Für
alle Finger bieten die Insellappenplastik nach Büchler/Fou-
3.7 · Handchirurgie
263 3
cher sowie diverse andere Verschiebe- und Dehnungslap- jedoch zu bedenken, dass sich Infektionen über die Seh-
pen Deckungsmöglichkeiten. Für größere Defekte am nenscheide phlegmonös ausbreiten können, ohne anfangs
Handrücken oder an der Hohlhand hat sich der Radialis- starke Schmerzen zu verursachen. Auch nach der Abhei-
lappen, ein gefäßgestielter Unterarmlappen bewährt lung von Infekten ist durch narbige Adhäsionen langfristig
(s. unten) mit bleibenden Kontrakturen zu rechnen.
Für die Infektbehandlung an der Hand gelten deshalb
Cross-finger-Lappen die in der Übersicht genannten Grundsätze.
Spezielle Form der Deckung eines Hautdefektes am streck-
seitigen Fingermittelglied durch einen Hautlappen des
beugeseitigen Mittelgliedes des Nachbarfingers. Der Lap- Grundsätze der Infektbehandlung an der Hand
pen wird in den Defekt des benachbarten Fingers einge- 4 Frühzeitige operative Intervention und Infekt-
näht, bleibt dabei aber noch für die ersten 2–3 Wochen am sanierung.
Spenderfinger fixiert. Nach Einheilung in den Defekt wird 4 Anlegen einer Blutsperre statt einer Blutleere.
der Lappen vom Spenderfinger abgetrennt. 4 Vermeidung von Verletzungen der Gefäß-Nerven-
Bündel und Hautnekrosen durch korrekte Schnitt-
Insellappen führung und atraumatische Präparation.
Im Gegensatz zu den gestielten Nah- und Fernlappen wer- 4 Abstrich zur bakteriologischen Untersuchung zur
den gestielte Insellappen an allen vier Seiten umschnitten Bestimmung der Keime für eine gezielte Antibioti-
und nur am Gefäßbündel mit der Arterie und der Vene katherapie.
bzw. am Gefäß-Nerven-Bündel belassen. 4 Radikales Débridement, notfalls auch der Sehnen
und betroffenen Knochenanteile.
Deckung eines Defektes mittels eines 4 Intraoperative Spülung.
Radialislappens 4 Einlegen einer Drainage, z. B. einer Lasche oder
Nach Planung und Anzeichnen des zu hebenden Lappens bei tiefen Infekten oder Osteolysen die Einlage
am Unterarm erfolgt vom palmaren/radialen Handgelenk von Septopalkugeln.
die Schnittführung zum Unterarm. Die A. radialis wird 4 Nur locker adaptierende Hautnähte.
mitsamt Subkutis, Begleitvenen und Muskelfaszie geho- 4 Postoperativ Ruhigstellung durch eine Gipsschiene.
ben.
Dann Abtrennen der A. radialis am Unterarm und
Schwenken des gestielten Lappens auf den zu deckenden
Defekt an der Hand. Der Hebedefekt wird mit Spalthaut
vom Oberschenkel gedeckt.

Vorteile Beschränkung auf die betroffene Extremität. Es


ist nur eine kurze postoperative Ruhigstellung notwendig.
Eine krankengymnastische Behandlung kann frühzeitig
eingeleitet werden. Bei korrekter Technik sind keine Funk-
tionsstörungen am Entnahmegebiet zu befürchten. Es sind
keine zusätzlichen Gefäßanastomosen notwendig.

Nachteil Als Nachteil gilt, dass an der Entnahmestelle ein


Narbenfeld verbleiben kann.

3.7.11 Infektionen

Jegliche Infektion (Panaritium, Paronychie, Abszess, Em-


pyem, Phlegmone, Osteitis (7 Kap. 1) an der Hand ist mög-
lichst frühzeitig zu sanieren, da unbehandelte Infektionen
zu schweren Schäden an Sehnen, Gelenken und Knochen
führen können.
Alle Grundsätze der septischen Chirurgie finden auch
in der Handchirurgie Anwendung. Speziell ist an der Hand
4

Gefäßchirurgie
A. Kormann, M. Liedke

4.1 Grundlagen – 266

4.2 Zugänge – 277

4.3 Lagerungen und Abdeckungen – 277

4.4 Erkrankungen des arteriellen Systems – 280

4.5 Intraluminale Dilatation – 285

4.6 Weitere Operationsbeispiele – 292

4.7 Erkrankungen des venösen Systems – 307

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_4,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
266 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4.1 Grundlagen Das venöse System


Venenklappen sind segelartige Ventile, die sich bei stehen-
4.1.1 Anatomie dem oder sich umkehrenden Blutstrom verschließen und
somit verhindern, dass das Blut in die Peripherie zurück-
Das Gefäßsystem besteht aus Arterien, Venen und Lymph- fließt.
gefäßen (. Abb. 4.1). Der Körperkreislauf ist von dem Lun- Verbindungsvenen (Vv. perforantes) verbinden die
genkreislauf zu unterscheiden. Im Körperkreislauf führen Hautvenen mit den tiefen Venen der unteren Extremitäten.
die Arterien das sauerstoffreiche Blut von der linken Herz- Ihre Klappen sind so angelegt, dass das Blut nur von außen
4 kammer weg in die einzelnen Körperregionen. Die Arte- nach innen fließen kann. Die Verbindungsvenen werden un-
rien verzweigen sich zu Arteriolen und weiter zu Kapilla- terteilt in Dodd-, Boyd- und Cockett-Venen (. Abb. 4.2).
ren (Haargefäßen). Auf der Ebene der Kapillaren findet der Der venöse Rücktransport des Blutes zum Herz wird
Stoff- und Gasaustausch statt, sie bilden das Bindeglied zu durch unterschiedliche Mechanismen gewährleistet:
den Venolen, die schließlich zu Venen zusammenfließen. 4 Venenklappen in der Peripherie (verringern den hy-
Die Venen führen das kohlendioxidreiche Blut aus den drostatischen Druck im Gefäß und lassen das Blut
Körperregionen zum rechten Vorhof. nur in Richtung Herz fließen),
Das venöse System wird unterschieden in das tiefe und 4 Anspannung der Muskeln, die sog. Muskelpumpe.
das oberflächliche System. In beiden Systemen gibt es Durch sie werden die in den Muskeln verlaufenden
Stammvenen und Seitenäste, beide Systeme sind über Ver- Venen komprimiert und das Blut Richtung Herz »ge-
bindungsvenen (Perforansvenen) miteinander verbunden. drückt«,
Die tiefen Stammvenen verlaufen in der Regel als Begleit- 4 Pulswelle der benachbarten Arterie. Sie hat eine ähn-
gefäß der entsprechenden Arterie, die oberflächlichen Ve- liche Transportwirkung auf die Venen wie die Mus-
nen haben keinen Bezug zu einer Arterie. Beide Systeme kelpumpe,
haben in den Extremitäten »Venenklappen«, die den Rück- 4 Saugeffekt des rechten Herzens durch das Zusam-
fluss des Blutes zum Herzen unterstützen. menspiel von Herzmuskulatur und Herzklappen,
Im Lungenkreislauf wird das kohlendioxidreiche Blut 4 Saugeffekt durch die Ausdehnung der Vena cava wäh-
durch die Pulmonalarterie von der rechten Herzkammer rend tiefer Einatmung.
zur Lunge transportiert. Von der Lunge fließt das sauer-
stoffreiche Blut schließlich über die Lungenvene zum lin-
ken Vorhof und gelangt von dort über die linke Herzkam- 4.1.2 Allgemeine Pathophysiologie
mer wieder in den Körperkreislauf.
Arterielle Erkrankungen
Der Wandaufbau und dessen Funktion Mit zunehmendem Lebensalter werden in die Intima Fett
Bei größeren Gefäßen werden drei Schichten unterschie- und Cholesterinkristalle abgelagert. Weiße Blutkörper-
den: chen wandern in die Gefäßwand, um diese Fremdstoffe zu
4 Intima: innere Gefäßauskleidung, vernichten und lösen damit eine Entzündungsreaktion
4 Media: Muskelschicht, aus. Dieser Vorgang verursacht zunächst eine Verdickung
4 Adventitia: bindegewebige Hülle und Stütze. der Arterienwand. Im fortgeschrittenen Stadium kommt
es zu starker Vermehrung des Bindegewebes (Sklerose).
Dieser Aufbau trifft im Prinzip auf alle Gefäße zu. Ledig- Die Muskelzellen der Media gehen zugrunde, Kalk wird
lich die Media ist bei Arterien und Venen unterschiedlich eingelagert. Dadurch wird das Gefäß starr und kann sich
stark ausgeprägt, da Schlagadern (Arterien) in der Lage der Pulswelle nicht mehr anpassen. Die Folge ist ein An-
sein müssen, über den Gefäßtonus (mit Hilfe des Herzmi- stieg des Blutdrucks, der letztlich die Krankheitsentwick-
nutenvolumens) den Blutdruck und damit den Blutfluss lung beschleunigt. Im Endstadium wird das Gewebe, das
auf die unterschiedlichen Körperregionen zu verteilen. von dem betroffenen Gefäß versorgt wird, so schlecht er-
Die Muskelschicht der Venen hingegen ist nicht sehr nährt, dass es untergeht (Nekrose). Durch den gestörten
stark ausgeprägt. Die Venenwände sind dünner, da der Blutfluss kann es zu Blutgerinnseln kommen, die einen
Blutdruck in ihnen erheblich niedriger ist. Die drei Schich- Schlaganfall oder einen Herzinfarkt, aber auch Infarkte an
ten sind häufig nicht klar abzugrenzen. den Verdauungsorganen oder den Nieren verursachen
Die Ausprägung der drei Schichten ist abhängig von der können. Gefördert wird die Arteriosklerose u. a. durch
Beanspruchung des jeweiligen Gefäßes. Wird z. B. ein Stück Rauchen, Fettstoffwechselstörungen, genetische Dispositi-
Vene in eine Arterie implantiert, nimmt die Muskelschicht onen oder Diabetes mellitus.
mit der Zeit an Volumen zu. Die körpereigene Vene ist so- Die Arteriosklerose ist die häufigste Ursache der peri-
mit der geeignetere Ersatz für eine geschädigte Arterie. pheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Dieser
4.1 · Grundlagen
267 4

. Abb. 4.1 Überblick über das Gefäßsystem


268 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

. Abb. 4.3 Infrarenales Bauchaortenaneurysma

lang kompensieren können. Betroffene spüren zwar eine


Bewegungseinschränkung, halten diese aber nicht für be-
drohlich. Die pAVK wird auch als »Schaufensterkrankheit«
bezeichnet, weil die Ischämieschmerzen die Erkrankten zu
einer Ruhepause zwingt, damit die Beinmuskeln wieder
mit Sauerstoff versorgt werden.
Degenerative Veränderungen führen an Arterien aber
nicht nur zu einer Sklerosierung der Gefäßwand. Durch
degenerative Prozesse können in der Gefäßwand Kollagen
und elastische Fasern abgebaut werden. Dadurch kann die
Gefäßwand dem Blutdruck im Gefäßinneren nicht mehr
standhalten. Es bildet sich ein Aneurysma, eine Gefäßaus-
sackung. Mit zunehmender Größe kann die Aneurysma-
wand einreißen (rupturieren) und den betroffenen Men-
schen sofort in eine lebensbedrohliche Situation bringen
(. Abb. 4.3). Sowohl arteriosklerotische Gefäßeinen-
b gungen als auch aneurysmatische Gefäßerweiterung kön-
nen gleichzeitig bei einem Patienten in unterschiedlichen
. Abb. 4.2 Verlauf der V. saphena magna (rot). Punkte: Perforans- Gefäßregionen vorliegen!
venen der Cockett-Gruppe am Unterschenkel sowie der Dodd-Grup-
pe am Oberschenkel. Die Boyd-Perforansvene befindet sich unter-
halb des Kniegelenks. (Nach Menodza 2007)
Venöse Erkrankungen
Thrombosen der tiefen Bein- und Beckenvenen können zu
akuten schmerzhaften Schwellungen der betroffenen Ex-
schleichende Prozess wird von den Patienten oft erst wahr- tremität führen. Ursachen der Entstehung eines venösen
genommen, wenn eindeutige Symptome auftreten. Verengt Thrombus sind (Virchow-Trias):
sich, insbesondere an den unteren Extremitäten, ein Gefäß, 4 Gerinnungsstörungen (Hyperkoagulabilität): erblich
strömt durch den erhöhten Druck mehr Blut in die Seiten- bedingt oder durch Krankheit (z. B. Karzinomleiden),
äste, die dann als sog. Kollateralarterien eine hochgradige in seltenen Fällen auch medikamentös (z. B. durch
Verengung oder einen kompletten Verschluss eine Zeit Hormonpräparate) verursachte verstärkte Blutgerin-
4.1 · Grundlagen
269 4
nung, bzw. eine verminderte Fähigkeit, Blutgerinnsel Blut versackt in der Peripherie, erhöht dadurch den Druck
aufzulösen; Schwangerschaft (Druck des Kindes auf auf die nächste Venenklappe, bis auch diese versagt. Dieser
die Beckenvenen bei hormonell bedingter erhöhter fortschreitende Prozess kann über insuffiziente Perforans-
Gerinnungsneigung); venen schließlich auch das tiefe Venensystem schädigen.
4 Stase, d. h. eine starke Verlangsamung des Blutstroms: Der gestörte Bluttransport verursacht in dem betroffenen
erweiterte Venen (Varizen), äußerer Druck (z. B. ein- Gewebe eine Schwellungsneigung und eine Ernährungs-
geklemmte Gliedmaßen), durch Bettlägerigkeit verur- störung. In Extremfällen kann es zu einem Gewebsunter-
sachte Bewegungsunfähigkeit (u. a. nach Operationen gang mit der Entwicklung von Geschwüren (Ulcera crura)
oder Ruhigstellung durch Gipsverband), langes Sitzen kommen.
mit eingeengter Bewegungsmöglichkeit (Bus- und
Flugreisen), Dehydratation (verändert die Flusseigen-
schaften des Blutes) 4.1.3 Grundausstattung
4 Schäden der inneren Gefäßwände (Intima): Schäden
traumatischer (Verletzungen, Quetschungen, OP) kInstrumentarium
oder entzündlicher Genese. Beispiele: . Abb. 4.5– . Abb. 4.42.
4 Grundinstrumente (7 Kap. 1),
Die am meisten gefürchtete Frühkomplikation einer tiefen 4 Gefäßinstrumente (feinere Grundinstrumente bis zu
Bein- oder Beckenvenenthrombose ist die Lungenembolie. Mikroinstrumenten, atraumatische Pinzetten in ver-
Als Folgeschaden im Spätverlauf ist das postthrombotische schiedenen Längen, Wundspreizer, diverse atrauma-
Syndrom (PTS) zu nennen, das durch chronische Stau- tische Klemmen in verschiedenen Größen, abgewin-
ungsbeschwerden (schmerzhafte »schwere« Beine nach kelte Scheren nach Potts 45° und 90°, Gefäßdilata-
längerem Stehen), Schwellungsneigung und die Ausbil- toren, Dissektor, Stichskalpell, Ringstripper),
dung von Ulzerationen gekennzeichnet ist. 4 Rahmen und Rückhalteinstrumente (Wundspreizer,
Die häufigste Erkrankung der oberflächlichen Venen Bookwalter-Rahmen, Finochietto-Spreizer, Balfour-
ist die Varikosis (Krampfaderbildung). Neben den kosme- Sperrer),
tischen Problemen stehen für den Patienten hier die Stau- 4 Tunnelierungsinstrumente,
ungsbeschwerden und die Ödemneigung im Vordergrund. 4 lange Grund- und Gefäßinstrumente.
Des Weiteren können Entzündungen, Blutungen und
Thrombosen der oberflächlichen Venen die Erkrankung kNähte
im Verlauf begleiten. Die Varikosis ist durch eine zumeist 4 Resorbierbares Nahtmaterial für Ligaturen und
anlagebedingte Venenwandschwäche verursacht, und wird Wundverschluss,
durch längere sitzende oder stehende Tätigkeiten geför- 4 nicht resorbierbares Nahtmaterial für definitive Um-
dert. In den erweiterten Venenabschnitten können die Ve- stechungsligaturen an Arterien,
nenklappen nicht mehr richtig schließen (. Abb. 4.4). Das 4 Gefäßnähte (sind immer doppelt armiert, d. h. je eine
Nadel an den Fadenenden, monofil, nicht resorbier-
bar). Ausreichend viele verschiedene Fadenstärken
sind vorzuhalten (i. d. R. zwischen 8–0 und 3–0 USP).
Die Nadeln haben meist eine schneidende Trokarspit-
ze, damit sie besser durch verkalktes Gewebe gleiten.
4 PTFE-Nähte.

kZügel
4 Haltebänder, z. B. aus Mersilene, sind 3–4 mm breit
und dienen zum Anschlingen der Gefäße mit größe-
rem Durchmesser.
4 Flexible Silikonbänder in verschiedenen Stärken, sog.
Loops. Mit ganz feinen Loops (Ø 1 mm) können die
feinen Seitenäste gedoppelt angezügelt werden, um
a b c die Blutzufuhr zu drosseln. Würden die feinen Seiten-
äste abgeklemmt, könnten sie nachhaltig geschädigt
. Abb. 4.4 a–c Venenklappe. a Erweiterter Venendurchmesser in
Klappenhöhe. b Antegrade Strömung bei offener Klappe. c Verhin-
werden. Durch das Anzügeln reduziert sich die Klem-
derung der retrograden Strömung durch Klappenschluss. (Nach menzahl im Anastomosengebiet, das Nähen wird er-
Frömke 2006) heblich vereinfacht. Die etwas kräftigeren Loops
270 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4.05 4.06 4.07 4.08

4.09 4.10 4.11 4.12 4.13 4.14 4.15

. Abb. 4.5 Einmalskalpell Fig. 11. (Fa. Braun) . Abb. 4.11 Cushing, Pinzette. (Fa. Martin)
. Abb. 4.6 Reynolds-Jameson, Gefäßschere. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.12 Intimaspatel (Dissektor). (Fa. Martin)
. Abb. 4.7 Metzenbaum, feine Präpararierschere. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.13 Vollmar, Ringstripper. (Fa. Martin)
. Abb. 4.8 Schere nach Potts-De Martel, 45°. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.14 Ringstrippergriff. (Fa. Martin)
. Abb. 4.9 De Bakey, Gefäßdilatator (»Olive«). (Fa. Aesculap AG) . Abb. 4.15 Adson, Saugrohr. (Fa. Martin)
. Abb. 4.10 De Bakey, atraumatische Pinzette. (Fa. Martin)
4.1 · Grundlagen
271 4

4.17 4.18

4.16

4.19 4.20 4.21

. Abb. 4.16 Intimaschere. (Fa. Martin) . Abb. 4.19 Schultersperrer mit gerundeten Branchen. (Fa. Link)
. Abb. 4.17 Entenschnabelzange. (Fa. Martin) . Abb. 4.20 Gemini, Präparier- und Ligaturklemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.18 Gelpi-Loktite, Wundsperrer. (Fa. Martin) . Abb. 4.21 Rumel, Präparier- und Ligaturklemme. (Fa. Martin)
272 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4.22 4.23 4.24 4.25

4.26 4.27

. Abb. 4.22 Clipapplikatorzange. (Fa. Pilling Weck)


. Abb. 4.23 Ryder-Vascular, Nadelhalter. (Fa. Martin)
. Abb. 4.24 Crile-Wood, Nadelhalter. (Fa. Martin)
4.28
. Abb. 4.25 Tunnelator
. Abb. 4.26 Balfour, Bauchdeckenhalter. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 4.27 Finocchietto, Rippensperrer. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 4.28 Bookwalter-Rahmensystem: Rahmen und ver-
schiedene Valven. (Fa. Codmann)
4.1 · Grundlagen
273 4

4.29 4.30 4.31

4.32 4.33 4.34 4.35

. Abb. 4.29 Bookwalter-Rahmensystem: Fixiersystem.


(Fa. Codmann)
. Abb. 4.30 Atraumatische De Bakey-Zahnung.
(Fa. Aesculap AG)
. Abb. 4.31 Atraumatische Cooley-Zahnung. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 4.32 De Bakey-Satinsky, atraumatische Gefäßklemme.
(Fa. Aesculap AG)
. Abb. 4.33 Morris, Gefäßklemme. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 4.34 De Bakey, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.35 Cooley, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.36 Cooley, atraumatische Gefäßklemme. (Fa. Martin)
4.36
274 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4.37 4.38

4.39

4.41

4.40

. Abb. 4.37 Atraumatische Bulldog-Klemme gerade. (Fa. Martin) . Abb. 4.40 Aorta-Aneurysmaklemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.38 Atraumatische Bulldog-Klemme gekrümmt. (Fa. Martin) . Abb. 4.41 Leland-Jones Peripherieklemme. (Fa. Martin)
. Abb. 4.39 De Bakey, Gefäß- und Ligaturklemme. (Fa. Martin)
4.1 · Grundlagen
275 4
4 Kontrastmittel: Jodhaltige Lösung (z. B. Imeron, Visi-
paque), die in verschiedenen Konzentrationen im
Handel ist. Menge und Konzentration ist der Belast-
barkeit des Patienten anzupassen, die sich nach Nie-
renfunktion, Kreatininwert und evtl. Allergien des
Patienten richtet. Oft ist verdünntes Kontrastmittel
ausreichend.
4 Fibrinolytikum, z. B. Actilyse, Urokinase, Streptoki-
nase: bei Bedarf.
4 Prostavasin: Stellt Arterien weit, indem es den peri-
pheren Wandwiderstand vermindert.
b 4 Lokalanästhetikum bei entsprechender Anästhe-
sieform, z. B. Xylonest, Scandicain o. ä.
! Alle Medikamente brauchen am Instrumentier-
tisch einen hausüblichen Markierungscode, damit
a
es beim Anreichen keinerlei Verwechslungen gibt.

4.1.4 Implantate

In der Gefäßchirurgie kommen die verschiedensten Im-


plantate zum Einsatz; als Flicken (Patch) für eine Erwei-
terungsplastik, als Brücke (Interponat) zwischen zwei
Gefäßenden, als Ersatz eines aneurysmatischen Gefäßes
oder als Umgehung (Bypass) für verschlossene Gefäße.
Diese Implantate werden aus verschiedenen Materialien
c gewonnen:
4 Autologes Material: Körpereigene Hautvenen, als In-
. Abb. 4.42 a Javid-Klemme (Klemme zur Shuntfixierung). b Auf- terponat oder als peripherer Bypass bei AVK oder bei
sicht auf den Arbeitsteil. c Javid-Klemme in situ Verletzungen.
5 Vorteile: Gute Einheilung, keine Abstoßungsreakti-
on, niedriges Infektrisiko, längere Durchgängigkeit
(Ø 2 mm) dienen dem Anschlingen von Nerven und/ im Vergleich zu Kunststoffen.
oder Gefäßen kleineren Kalibers. Es gibt auch 3-mm- 5 Nachteile: Nicht immer in ausreichender Menge
Loops, die evtl. die Haltebänder ersetzen können. und ausreichendem Kaliber vorhanden, Verlänge-
4 Silikonschlauch (ID 2 mm) zum Beziehen von Klem- rung der OP-Zeiten und Vergrößerung des Zu-
menbranchen oder zum Anschlingen sehr großer Ge- gangs-Traumas.
fäße. 4 Homologes Material: Venentransplantat eines ande-
4 Kräftiger, großlumiger Hartgummischlauch (ID ren Menschen (Organspendervene, Homograft).
4 mm), der als Tourniquet auf ein Halteband aufgezo- 5 Vorteile: Ähnliche Eigenschaften wie autologe Vene,
gen werden kann. In einem eröffneten Gefäß kann so geringe Abstoßungsreaktionen, wenn AB0-kompa-
ein Gegenstand (Spülkanüle, Schleuse, Carotis-Shunt tibel.
etc.) ohne Blutverlust fixiert werden. 5 Nachteile: Kostspielig, eine Zeitverzögerung muss
akzeptiert werden, unsichere Langzeitergebnisse.
kMedikamente 4 Heterologes Material: Rinder- oder Schweineperikard
4 Heparin: Immer am Instrumentiertisch vorhanden als Patch oder bovines (Rinder-) Kollagen als Be-
für die intraoperative Antikoagulation. Gemischt schichtung von Kunststoffprothesen.
werden 5000 IE auf 100 ml NaCl 0,9% oder Ringer- 5 Vorteil: In ausreichender Menge vorhanden.
Lösung. 5 Nachteile: Umstritten wegen BSE-Gefahr, Absto-
4 Orgaran bzw. Agatra: Ersatzmedikamente für Hepa- ßungsreaktionen sind möglich.
rin bei einer sog. HIT (Heparin-induzierte Thrombo- 4 Alloplastisches Material: Industriell gefertigte Im-
penie Typ II). plantate aus verschiedenen künstlichen Werkstoffen.
276 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

5 Vorteile: Immer in ausreichender Menge und Kali- Polyesterprothesen gibt es auch mit einer Silberacetat-
bern vorhanden, spezielle Anforderungen können beschichtung oder -durchwirkung, die bakterizid wirkt.
erfüllt werden (Medikamentenanbindung, Spezial- Diese Prothese kann im Einzelfall bei vorhandenen In-
material, spezieller Zuschnitt). fekten zum Einsatz kommen, in der Regel wird sie verwen-
5 Nachteile: Künstliche Prothesen können Einheilungs- det, wenn eine Infektionsprophylaxe gewünscht ist (z. B.
störungen hervorrufen (Perigraftreaktion). Der Kör- Re-Operation, nicht sicher auszuschließende Kontamina-
per bildet im Lumen einer Kunststoffprothese neue tion, Präparation am Darm). Reste dieser Prothese können
Epithelzellen, die sog. Neointima, die das Lumen ein- nicht resterilisiert werden.
4 engen kann. Die Offenheitsrate der Prothesenbypasses
ist nicht so hoch wie die der Venenbypasses, das Infek- Teflonprothesen
tionsrisiko ist höher als bei biologischem Material. Prothesen aus Polytetrafluorethylen (PTFE, Teflon) haben
im Gegensatz zu den Polyesterprothesen keine Maschen,
sondern eine glatte Oberfläche. Jeder Stich in die Prothese
4.1.5 Gefäßprothesen bedeutet ein ausgestanztes Loch. Stichkanalblutungen
sind daher ein Nachteil dieser Prothesen. Verschiedene
Polyesterprothesen Ummantelungstechniken wirken diesem Problem entge-
Polyesterprothesen gibt es ab Kaliber 4 mm für die Visze- gen. Auch diese Prothesen gibt es in allen Kalibern, sie
ralgefäße bis ca. 30 mm (für die thorakale Aorta). werden aber vorzugsweise als periphere Bypasses einge-
In der Becken- und Beinetage sind Durchmesser von setzt. Heparinisierte PTFE-Prothesen sind im Handel, die
6–8 mm gebräuchlich. einem Frühverschluss durch eine kontinuierliche Abgabe
Im Wesentlichen haben sich zwei Formen durchgesetzt, von Heparin über einen definierten Zeitraum vorbeugen
die gewebte und die geköperte (kettengewirkt) Prothese. Bei sollen.
der gewebten Form wird der Polyester mit mehreren Fäden Alle Prothesen sind in verschiedenen Kalibern mit ei-
in mehreren Schichten zu einer besonders engen Webstruk- ner Ringverstärkung erhältlich. Diese bewirkt, dass die
tur verarbeitet. Geköperte Prothesen hingegen werden mit Prothese bei gelenkübergreifenden Bypasses und bei ex-
vielen Fäden (entsprechend der Anzahl der Maschen, die traanatomischem Durchzug an Knochenvorsprüngen
die Wirkware am Ende haben soll) und mindestens ebenso nicht abknickt. Außerdem gibt es noch ringverstärkten Er-
vielen Nadeln hergestellt. Beim Kettenwirken laufen die Fä- satz für die V. cava, weil die Prothese sonst durch den ge-
den vertikal, werden von den Nadeln ergriffen und durch ringen Innendruck kollabieren würde.
die vorhergehende Maschenreihe gezogen. Damit sich eine
Fläche ergibt, greifen die Nadeln nicht nur denselben Faden, Resterilisation von Gefäßprothesen
sondern abwechselnd auch benachbarte Fäden. Die Ma- Vom technischen Aspekt her kann jede Prothese resterili-
schen laufen nicht gerade, sondern leicht schräg. siert werden. Die Herstellerangaben hierzu sind jedoch
Beide Prothesen sind elastisch, aber stabil, um in ihrer nicht eindeutig. Gemäß MPG (Medizin Produkte Gesetz)
Form zu bleiben. Gewebte Prothesen fransen aufgrund ih- darf kein Artikel resterilisiert werden, der mit einer durch-
rer Struktur nach dem Abschneiden leichter aus, aber sie gestrichenen »2« gekennzeichnet ist.
sind kostengünstiger als geköperte Prothesen.
Beide Prothesen sind sowohl unbeschichtet als auch mit ! Grundvoraussetzung für das Resterilisieren von
Kollagen beschichtet erhältlich. Unbeschichtete Prothesen Gefäßprothesen ist, dass sie nicht kontaminiert
dichten nicht so schnell ab und werden durch körpereigenes sind. Daher darf eine zu resterilisierende Prothe-
Fibrin abgedichtet (Clotting). Das kann vor der Implantati- se nur mit sauberen Pinzetten angefasst und mit
on erfolgen (= Preclotting, günstig bei längeren Prothesen) einer sauberen Schere abgeschnitten werden.
oder bei kürzeren Prothesen nach der ersten Anastomose. Danach muss sie sofort in die Verpackung zurück
Beschichtete Prothesen sind primär dicht, d. h. es dringt und diese verschlossen werden. Niemals dürfen
kein Blut durch die Maschen der Prothese. Das ist besonders die Prothesen in ihrem Originalkarton resterili-
wichtig bei Patienten mit niedrigem Hämoglobin und siert werden, da dieser nicht durchgängig für
schlechtem Allgemeinzustand, damit der Blutverlust verrin- Dampf ist. Beim Verpacken der Prothese in eine
gert und die Operationszeit verkürzt werden kann. Sterilisationsfolie müssen saubere, puderfreie
Geköperter Polyester wird auch als Patch angeboten. Handschuhe getragen werden. Auf der Folie ist
An beschichtete Prothesen können durch Eintauchen zu dokumentieren, wie oft der Prothesenab-
Medikamente angebunden werden. Das Medikament (z. B. schnitt resterilisiert wurde. Laut Herstelleranga-
ein Antibiotikum) bindet sich an das Kollagen und wird mit ben sind Polyesterprothesen 3-mal, PTFE-Prothe-
dessen Abbau freigesetzt. sen 3- bis 5-mal resterilisierbar.
4.3 · Lagerungen und Abdeckungen
277 4
4 A. subclavia, A. axillaris: infraklavikulärer Quer-
schnitt.
4 Aortenbogen, Aorta ascendens, Truncus brachioce-
phalicus, A. pulmonalis (Hauptstamm): mediane
Sternotomie (7 Kap. 6) mit oszillierender Säge, Ster-
numsäge oder Sternummeißel.
4 Aorta descendens: anteroposteriore Thorakotomie im
4. Interkostalraum links, in Rechtsseitenlagerung.
a b 4 Thorakoabdominale Aorta: thorakoabdominaler Zu-
gang durch mediane abdominale Längsinzision, über
. Abb. 4.43a, b Varianten der direkten Arterienanastomose: a kon- dem linken Rippenbogen zwischen dem 4.–6. ICR
gruente Lumina, b diskrepante Lumina. (Nach Luther 2007)
(Interkostalraum).
4 A. brachialis: S-förmige Inzision in der Ellenbeuge.
Beschichtete Prothesen können zwar resterilisiert werden, 4 Aorta abdominalis, Aa. iliacae communes, Aa. re-
die Beschichtung ist dann aber unwirksam. nales, Viszeralarterien: mediane Laparotomie (Zu-
gangswege 7 Kap. 2) mit Linksumschneidung des Na-
bels oder quer ausgeführte Oberbauchlaparotomie.
4.1.6 Anastomosentechniken Dieser Zugang ist etwas zeitaufwändiger, zieht aber
weniger Narbenbrüche nach sich als andere Laparoto-
Anastomosen an Gefäßen können unterschiedlich ausge- miezugänge und wird deshalb bei adipösen Patienten
führt werden: End-zu-Seit-, End-zu-End- und Seit-zu- bevorzugt.
Seit-Anastomosen. Die Nahttechnik ist überwiegend über- 4 A. iliaca externa (z. B. Cross-over-Bypass mit A.-ilia-
wendlich (. Abb. 4.43) fortlaufend, wobei die Knoten im- ca-Anschluss, Stentprothesenimplantation): kleine In-
mer außen liegen! Zunächst wird mit einem doppelt ar- zision oberhalb des Leistenbandes und parallel dazu.
mierten Faden (2 Nadeln) ein Ausgangspunkt (Knoten) an 4 Aorta abdominalis, A. iliaca, lumbale Sympathekto-
der Hinterwand geschaffen, von dem aus man sich zur mie: extraperitonealer Zugang in Rückenlage mit auf-
Vorderwand arbeitet. Bei langstreckigen oder anatomisch geklapptem OP-Tisch. Von der 12. Rippe schräg zur
schwer zugänglichen Anastomosen wird eine weitere Ge- Rektusmuskulatur. Wechselschnitt oder Durchtren-
fäßnaht angelegt, sodass insgesamt 4 Knoten vorliegen, die nung der Muskulatur im Schnittverlauf.
sich gleichmäßig verteilen. Damit wird dem Tabakbeutel- 4 Thorakale Symphatektomie: Thorakoskopie in Links-
effekt, der bei fortlaufenden Nähten entstehen kann, ent- seitenlage (. Abb. 4.45), Trokare werden platziert im
gegengewirkt. 2., 3. und 5. ICR.
Der eine oder die drei freien Fäden während einer 4 A. femoralis, A. profunda femoris: laterale Längsinzi-
Anastomose werden mit einem bezogenen Klemmchen sion unterhalb des Leistenbandes. Durch die laterale
angeklemmt und straff gehalten. So stören sie nicht beim Inzision sollen die Lymphknoten geschont werden.
weiteren Nähen. Die Klemmchen müssen bei Verwendung 4 A. poplitea: Inzisionen im medialen Kniebereich ent-
eines monofilen Fadens mit einem Silikonschlauch bezo- weder oberhalb des Kniegelenks (Pop.-I-Segment)
gen sein, um keine Sollbruchstelle in den Faden zu drü- oder unterhalb (Pop.-III-Segment), dann medial am
cken. Alle Wandschichten werden durchstochen. Vor der Unterschenkel, dorsal der Tibiakante verlaufend,
Anastomosenanlage wird sichergestellt, dass durch die A. tibialis posterior: wie Pop.-III mit Erweiterungs-
Ausschälung des Kalks an der Intima keine Stufe entgegen möglichkeit nach distal.
dem Blutstrom entstanden ist, die eine Dissektion verursa- 4 A. tibialis anterior, A. fibularis: laterale Inzision am
chen würde. Stufen entgegen dem Blutstrom werden mit Unterschenkel, ggf. Entfernung eines Fibulasegments.
einer Gefäßnaht fixiert. 4 A. dorsalis pedis: mediane Inzision auf dem Fußrücken.

4.2 Zugänge 4.3 Lagerungen und Abdeckungen

4 Karotisgabel, A. subclavia: Längsschnitt am Vorder- Die meisten neuen OP-Tische sind Multitalente. Wie bei
rand des M. sternocleidomastoideus, erweiterbar hin- den alten Durchleuchtungstischen kann die Position verän-
ter dem Ohr, Ohrläppchen hochkleben. dert werden, und sie sind an den meisten Stellen röntgen-
4 A. subclavia, A. carotis: supraklavikulär, erweiterbar durchlässig, sodass ein normaler gerader Tisch auch immer
nach proximal wie oben, nach distal zum Sternum. ein Durchleuchtungstisch ist. Deshalb ist dieser Begriff aus
278 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

den Erläuterungen gestrichen. Bei älteren OP-Tischen muss


bei angegebener Angiographie an den Extremitäten und
Abdomen ein Durchleuchtungstisch verwendet werden.

4.3.1 Eingriffe an den supraaortalen


Gefäßen

4 4 Rückenlage.
4 Ipsilateralen Arm anlagern.
4 Kontralateralen Arm auslagern.
4 OP-Tischeinstellungen wie folgt:
. Abb. 4.44 Lagerung für eine Karotisdesobliteration
5 Oberkörper ca. 45° hochstellen,
5 Kopfteil ca. 30° abkippen (der Kopf darf nicht
»schweben«),
5 den ganzen Tisch kopftief kippen, sodass der Ober-
körper annähernd gerade liegt.
4 Kopf auf einem speziellen Vakuumkissen oder einem
Kopfring lagern und zur kontralateralen Seite drehen,
etwas reklinieren, das Kissen anmodellieren und Va-
kuum herstellen oder Kopf auf einem Kopfring lagern
wie oben und mit z. B. festem Pflaster am OP-Tisch
fixieren (. Abb. 4.44).

Bei einer Debranching-Operation des Aortenbogens liegt


der Kopf auf einem Kopfring und darf keinesfalls fixiert wer-
den, da er intraoperativ gedreht werden muss (s. unten). . Abb. 4.45 Stabile Seitenlage mit Vakuummatte. (Nach Krettek u.
Aschemann 2005)
! Vor Beginn der Lagerung ist sicherzustellen, dass
der Hals des Patienten exakt im »Knick« des Kopf-
teils vom OP-Tisch liegt, sonst kann dieses nicht
5 Oberkörper 30° absenken,
gut abgeklappt werden. Unter Hals und Kopf
5 Beine 30° absenken,
dürfen keine Kabel liegen, da diese bei einer in-
5 OP-Tisch »kopftief« abkippen, sodass die Beine
traoperativen Angiographie stören würden.
wieder horizontal sind,
4 Neutrale Elektrode nach Standard. 5 das Kopfteil hochklappen, dass der Kopf des Pati-
4 Narkosebügel ganz oben am Tisch an der kontralate- enten wieder gerade liegt.
ralen Seite anbringen und ca. 30° nach hinten kippen. 4 Vakuummatte anmodellieren und Vakuum herstellen.
4 Das Ohr an der OP-Seite mit Pflasterstreifen hochkle-
! Den Patienten während des gesamten Lage-
ben, Haare aus dem OP-Gebiet entfernen.
rungsvorgangs mit mindestens zwei Personen
4 Den Zugang zum Sternum mit vorbereiten (Rasur,
auf jeder Seite des OP-Tisches sichern, bis die
Desinfektion).
Matte das vollständige Vakuum erreicht hat!
4 Feuchtigkeitsschutz an Hals und Axilla.
4 Bei der Abdeckung ist darauf zu achten, dass der An- 4 Neutrale Elektrode nach Standard auf den ipsilate-
satz des Ohrläppchens und das Jugulum nach dem ralen Oberschenkel des Patienten kleben.
Abdecken gut erkennbar sind. Sie dienen als Land- 4 Polstern der vorstehenden Knochenpunkte an den
marke für den Hautschnitt. Beinen (Knie, Knöchel, Hüfte).
4 Narkosebügel bei Thorakotomien an der ipsilateralen
Seite anbringen, bei Thorakoskopien ist er unnötig.
4.3.2 Eingriffe am Thorax 4 Der ipsilaterale Arm wird im 90°-Winkel oder auf ei-
ner Göbel-Stütze gelagert.
4 Stabile Seitenlage nach Standard mit Vakuummatte 4 Nach der Abdeckung müssen die Mamillen, die Hüf-
oder Seitenstützen (. Abb. 4.45) te, die Wirbelsäule und die Axilla als Orientierungs-
4 OP-Tischeinstellungen wie folgt: punkte zu sehen sein.
4.3 · Lagerungen und Abdeckungen
279 4
4.3.3 Eingriffe an der Bauchaorta
und den Beckengefäßen
Eingriffe an der A. iliaca
4 Rückenlage nach Standard.
4 Neutrale Elektrode nach Standard.
4 Ipsilateralen Arm auslagern.
4 Kontralateralen Arm anlagern.
4 OP-Tischeinstellungen wie folgt:
5 Oberkörper 10° absenken,
5 Beine 10° absenken,
5 OP-Tisch »kopftief« abkippen, sodass die Beine
wieder horizontal sind,
5 das Kopfteil hochklappen, sodass der Kopf des Pati-
. Abb. 4.46 Rückenlagerung auf einem Carbontisch. (Nach Krettek
enten wieder gerade liegt. u. Aschemann 2005)
4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs,
damit die Leisten frei sind. Nach proximal bis zu den
Mamillen nicht abdecken, damit ein evtl. nötiges Um-
steigen auf eine transabdominale OP möglich ist.
! Die Gradeinteilungen dienen nur als Richtwert!

Endovaskuläre Operationen
4 Carbontisch (. Abb. 4.46) oder Durchleuchtungs-
tisch.
4 Rückenlage nach Standard.
4 Die Arme werden an- oder ausgelagert. Bei einer tho-
rakalen Stentprothese muss der Patient auf einer Va- . Abb. 4.47 Einstellung des OP-Tisches für Operationen an der Aor-
ta und der A. iliaca
kuummatte gelagert werden, damit eine Kippung des
Tisches gefahrlos durchgeführt werden kann.
4 Beine des Patienten nicht mit einem Gurt fixieren, da 4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs,
dieser die Positionsveränderung des Tisches behin- damit die Leisten frei sind. Nach proximal muss das
dern kann. Xiphoid frei sein.
4 Neutrale Elektrode nach Standard.
4 Narkosebügel weit kopfwärts, um den C-Bogen nicht Thorakoabdominale Eingriffe
zu behindern. 4 Rückenlage und OP-Tischeinstellung s. Eingriffe an
4 Gegebenenfalls ein Stentlineal unter dem Rücken des der A. iliaca (. Abb. 4.47).
Patienten rechtsseitig und parallel zur Wirbelsäule 4 Der rechte Arm wird in Supinationsstellung und
platzieren. rechtem Winkel im Ellenbogen, nach kranial zeigend
4 Durch Drehen der Säule kann Platz geschaffen wer- (»Hände hoch«) ausgelagert.
den, wenn der OP-Saal nicht groß genug ist. 4 Der Patient liegt auf einer Vakuummatte.
4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs, 4 Gepolsterten Narkosebügel anbringen und den linken
damit die Leisten frei sind. Nach proximal muss das Arm in eine Göbel-Stütze legen.
Xiphoid frei sein. 4 Den Thorax linksseitig etwa 60° rotiert anheben und
mit der Vakuummatte unterstützen; die Hüften des Pa-
Transabdominale Eingriffe tienten bleiben gerade liegen (sog. »Schraubstellung«).
4 Rückenlage und OP-Tischeinstellungen wie für Ein- 4 Vakuum erstellen.
griffe an der A. iliaca (dort; . Abb. 4.47). 4 Neutrale Elektrode nach Standard kleben.
4 Rochard-Bügel am obersten Ende des OP-Tisches an- 4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs,
bringen und Narkosebügel direkt davor platzieren. damit die Leisten frei sind. Die seitliche Abdeckung
4 Gegebenenfalls Seitenschiene für den Bookwalter-Re- muss bei Bedarf verlängert werden. Das proximale
traktor anbringen. Quertuch wird so appliziert, dass die Axilla für eine
4 Neutrale Elektrode nach Standard fixieren. linksseitige Thorakotomie im 5. ICR frei bleibt.
280 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4.3.4 Eingriffe an den Extremitäten

Eingriffe an der A. femoralis (inkl. Bypasses),


Amputationen der unteren Extremität
4 Rückenlage nach Standard.
4 Neutrale Elektrode nach Standard.
4 Ipsilateralen Arm auslagern.
4 Kontralateralen Arm anlagern.
4 4 4-Tuch-Abdeckung, Abdecken des Schambereichs,
damit die Leisten frei sind. Den Bereich der A. iliaca
zugängig halten.
4 Bypasses/Embolektomien etc. werden einseitig mit ei-
ner Abdeckung, bei der ein Bein frei bleibt, abge-
deckt.
4 Amputationen werden mit einem Lochtuch abge-
deckt, denn die Leiste kann abgedeckt sein.

Tiefe Bein-Becken-Venenthrombose
. Abb. 4.48 Rückenlagerung mit Armtisch. (Nach Krettek u. Asche-
4 Rückenlage nach Standard. mann 2005)
4 Anti-Trendelenburg-Lagerung (7 Kap. 2, Lagerung):
5 Oberkörper ca. 40° anheben,
5 Beine ca. 10° absenken,
5 Kopfteil etwas absenken,
5 Neutrale Elektrode nach Standard.
4 4-Tuch-Abdeckung, das Fußtuch liegt unter beiden
Beinen. Abdecken des Schambereichs. Seitentücher
ab Hüfte unter die Beine kleben. Nach proximal ist
das Sternum frei für eine notfallmäßige Sternotomie
bei Lungenembolie, wenn eine Lysetherapie erfolglos
blieb.

Eingriffe am Arm (Embolektomie, AV-Shunt)


Siehe auch 7 Kap. 5. . Abb. 4.49 Bauchlagerung. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)
4 Rückenlage nach Standard (. Abb. 4.48).
4 Ipsilateralen Arm auf einem Armtisch auslagern.
4 Kontralateralen Arm auslagern. Eingriffe an der V. saphena parva
4 Den Oberkörper des Patienten so weit an die ipsilate- 4 Bauchlage (. Abb. 4.49).
rale Tischkante ziehen, dass die Axilla mit ihr ab- 4 Beide Arme auf einen Armausleger im rechten Win-
schließt. kel nach kranial.
4 Neutrale Elektrode nach Standard. 4 Gelkissen für das Gesicht.
4 Narkosebügel frontal am OP-Tisch anbringen und 90° 4 Die Abdeckung mit einem Lochtuch.
zum Armtisch ausrichten.

4.4 Erkrankungen des arteriellen Systems


Amputationen der oberen Extremität
4 Rückenlage, Oberkörper leicht erhöht (OP-Team 4.4.1 Stenosierende Erkrankungen
steht) oder (arterielle Verschlusskrankheit)
4 Rückenlage, den betroffenen Arm auf einem Arm-
tisch auslagern (OP Team sitzt). Das Lumen der betroffenen Arterien hat sich so entschei-
4 Die Beine nicht absenken. dend verengt, dass es zu Sauerstoffmangel mit dessen Fol-
4 Narkosebügel frontal am OP-Tisch anbringen und 90° gen kommt, begleitet von Ausfallerscheinungen in den
zum Arm ausrichten. Versorgungsgebieten. Bevorzugte Lokalisationen der Arte-
4 Abdeckung mit einem Lochtuch. riosklerose sind Gefäßgabelungen. Gefäße jedweden Kali-
4.4 · Erkrankungen des arteriellen Systems
281 4
bers können betroffen sein, das Verteilungsmuster der
. Tab. 4.1 Klassifikation nach Fontaine
Gefäßverkalkungen ist dabei sehr variantenreich. An den
Beinen sind die Femoralisgabel und die A. femoralis su- Stadium Kennzeichen
perficialis (AFS) am häufigsten betroffen.
I Keine Einschränkung der Gehstrecke
Symptome IIa Schmerzfreie Gehstrecke länger als 200 m
4 In den Beinen:
IIb Schmerzfreie Gehstrecke kürzer als 200 m
5 pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit):
Belastungsschmerzen, Ruheschmerzen, Gefühls- III Schmerzen in Ruhe, vor allem nachts in horizon-
taler Lage in Zehen, Ferse und Fußsohle
störungen (Hypästhesie, Anästhesie), motorische
Ausfälle (Parese, Plegie) und Gewebedefekte (Ulze- IV Absterben von Gewebe, Ausbildung von Ne-
rationen, Nekrosen). Nach dem Schweregrad der krosen (abgestorbenem Gewebe), offenen
Geschwüren (Ulzera) oder einer Gangrän;
Symptome wird die pAVK in verschiedene Stadien
das Absterben der Extremität mit drohender
eingeteilt. Die häufigste Klassifikation ist die nach Sepsis gilt als absolute Amputationsindikation
Fontaine (. Tab. 4.1) und bezieht sich auf die Geh-
strecke, die ohne Schmerzen bewältigt werden
kann.
4 Im ZNS: Bei der retrograden Desobliteration handelt es sich um
5 TIA (transitorische ischämische Attacke, z. B. vorü- eine halboffene Desobliteration, die für längerstreckige
bergehende Blindheit): Die Symptome der TIA glei- Stenosen angewandt wird. Hauptsächlich findet diese
chen denen eines Schlaganfalls. Besonders typisch Technik bei der A. iliaca externa Anwendung. Ausgehend
sind die halbseitige Lähmung von Arm und/oder von der A. femoralis comm. wird der Verschlusszylinder
Bein (Hemiplegie oder Hemiparese), Sprachstörun- abgelöst und durchtrennt. Anschließend wird ein
gen (Dysphasie) und Sehstörungen (Amaurosis fu- Ringstripper in der Größe des Gefäßes über den Zylinder
gax). Bei einer TIA bilden sich die Leitsymptome gestülpt und im Gefäß retrograd geschoben. Wenn mög-
jedoch innerhalb von 24 h vollständig zurück. lich, sollte das obliterierte Gefäß vorher mit einem Füh-
5 PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches rungsdraht (7 Abschn. 4.5) sondiert werden. Gefahren der
neurologisches Defizit): Hier dauern die Ausfaller- Desobliteration bestehen u. a. in der Gefäßdissektion und
scheinungen länger als 24 h an, bilden sich aber im Gefäßruptur. Diese werden dann endovaskulär oder offen
weiteren Verlauf vollständig zurück. rekonstruiert.
5 Insult (Schlaganfall): Vollbild eines Schlaganfalls
! Während des Eingriffs besteht immer die Gefahr
mit persistierenden neurologischen Defiziten.
einer Ruptur des Gefäßes. Der Patient muss bei
4 Am Herzen:
einer solchen OP immer so vorbereitet werden,
5 Koronare Herzkrankheit (KHK).
dass notfalls die Aorta abgeklemmt werden
5 Angina pectoris (Engegefühl im Brustraum, wird
kann.
als lebensbedrohlich wahrgenommen).
5 Herzinfarkt.
Thrombendarteriektomie (TEA)
Die AVK ist eine systemische Erkrankung mit Durchblu- 4 TEA (Thrombendarteriektomie bei kurzstreckigen
tungsstörungen in vielen unterschiedlichen Organsyste- Stenosen): Ausschälen der lokalen Kalkablagerungen
men. Dies ist in der Therapieplanung zu berücksichtigen. und Naht des Gefäßes entweder mit direkter Naht
oder einer Erweiterungsplastik.
Operationstechniken 4 Durchführung meistens an der Gabel der A. carotis
Desobliteration und der A. femoralis, gelegentlich auch an der Aorta
4 Obliteration (oblitere = lat. verstopfen) meint hier ein oder der A. iliaca.
durch Thromben und/oder Kalkablagerung ver- 4 Nach Freipräparieren, Anschlingen und Abklemmen
schlossenes Gefäß. der Gefäße erfolgt die Arteriotomie mit Stichskalpell
4 Desobliteration bedeutet, ein verstopftes Gefäß wie- und Potts-Schere in ganzer Länge der Stenose.
der durchgängig zu machen; im Speziellen meint es 4 Ablösen der Kalkablagerungen mit einem Dissektor,
die Entfernung von Kalkablagerungen, entweder di- Overholt und Pinzette (. Abb. 4.51).
rekt vor Ort als TEA (s. unten) oder als retrograde 4 Vollständiges Entfernen der Ablagerungen.
(dem Blutfluss entgegen) Desobliteration mit einem 4 Naht der Arteriotomie nach Befund mit einer Patch-
Ringstripper (. Abb. 4.50). plastik oder einer Direktnaht.
282 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

a b c

. Abb. 4.50 Retrograde TEA mit Ringstripper der linken A. iliaca ex- deln des präparierten arteriosklerotischen Verschlusszylinders in die
terna (die Sondierung mit einem Führungsdraht bzw. Ballonkatheter Öse des Ringstrippers. c Verschlusszylinder nach der Bergung. (Nach
war hier nicht möglich). a Präoperative MR-Angiographie. b Einfä- Schmedt et al. 2007)

wenn ein langstreckiger Gefäßdefekt nach einer Verlet-


zung vorliegt, ist ein Interponat indiziert. In diesen Fäl-
len wird der betroffene Gefäßabschnitt entfernt und
durch ein Venensegment oder eine Prothese ersetzt. Das
Ersatzgefäß wird zwischen die beiden Enden gesetzt.

Bypass
4 Ein Bypass stellt eine Überbrückung eines verschlos-
senen Gefäßabschnittes dar. Oberhalb des verschlos-
a
senen Gefäßsegmentes wird die Spenderarterie Seit-
zu-End mit dem Bypass anastomosiert, unterhalb des
Verschlusses wird die Empfängerarterie End-zu-Seit
angeschlossen. Das verschlossene Gefäß wird also
nicht entfernt. Ziel ist die direkte Reperfusion der
nachgeschalteten Gefäßregion.
4 Je nach Lage und Befund wird entschieden, mit welchem
Material der Bypass ausgeführt wird (s. Implantate).
4 Der Name des Bypasses richtet sich nach den An-
b schlussgefäßen. Das Spendergefäß wird zuerst genannt,
das/die Empfängergefäß(e) an zweiter Stelle. Beispiele:
. Abb. 4.51a,b Intramurale Desobliteration. a Desobliteration mit
einem Dissektor (TEA), b Desobliterat der A. carotis
5 iliakofemoraler Bypass = Bypass von der A. iliaca
auf die A. femoralis,
5 axillobifemoraler Bypass = Bypass von der A. axil-
Interponat laris auf beide Aa. femorales (rechts und links).
4 Interponat (interponere = lat. dazwischensetzen): Ge-
fäßbrücke bestehend aus Prothese oder Vene. Besonderheiten beim Venenbypass
4 Wenn bei einer Ausschälplastik die verbliebene Adven- Da die V. saphena magna Venenklappen hat, die den Blut-
titia stellenweise stark ausgedünnt ist, wenn eine sehr fluss in nur eine Richtung zulassen, muss sie vor dem Ein-
langstreckige Ausschälplastik notwendig wurde, oder satz als Bypass entsprechend vorbereitet werden.
4.4 · Erkrankungen des arteriellen Systems
283 4

. Abb. 4.52 Funktionsweise eines Venenklappenschneiders (Valvulotom)

4.4.2 Dilatative Erkrankungen


(Aneurysmen)

Unterschieden wird das echte Aneurysma (Aneurysma


verum) vom falschen Aneurysma (Aneurysma spurium).
Beim echten Aneurysma erweitert sich die gesamte kranke
Gefäßwand (7 Abschn. 4.1.2). Ein falsches Aneurysma ent-
. Abb. 4.53 Valvulotom (offen) steht durch eine Verletzung (z. B. durch Punktion) der Ge-
fäßwand. Das ausströmende Blut produziert ein pulsie-
rendes Hämatom (Bluterguss), an dessen Rand sich binnen
4 Reversed Bypass (Umkehrbypass): Die Vene wird nach weniger Wochen eine bindegewebige Kapsel bildet. Die
der Entnahme umgedreht; so sind die Klappen in Brisanz zentraler Aneurysmen (z. B. Aorta) liegt in ihrer
Flussrichtung offen. potenziellen Rupturgefahr. Diese steigt mit zunehmendem
4 In-situ-Bypass: Die Vene verbleibt in ihrem bindege- Durchmesser des Aneurysmas, da sich der Druck auf die
webigen Bett, es wird nur distal und proximal je ein Gefäßwand mit zunehmender Gefäßweite erhöht.
ausreichendes Ende mobilisiert. Nach der proxima- Aneurysmen der peripheren Gefäße bedrohen vor allem
len Anastomose werden die Venenklappen mittels durch thrombembolische Gefäßverschlüsse die Extremi-
eines Valvulotoms (. Abb. 4.52, . Abb. 4.53) zerstört. täten. In der Regel sind Aneurysmen mit wandständigen
Die Seitenäste der Vene müssen nach Bypassanlage Thrombenmassen ausgefüllt. Diese Thrombenmassen kön-
noch ligiert werden, um arteriovenöse Fisteln zu ver- nen z. B. beim Aneurysma in der Kniekehle durch Bewe-
hindern. gungen in die periphere Zirkulation abgeschwemmt wer-
4 Orthograder Bypass: In einigen Fällen ist die entnom- den. Dies führt zu peripheren, zum Teil irreversiblen embo-
mene Vene stark konisch konfiguriert, d. h. sie hat am lischen Gefäßverschlüssen mit entsprechenden Folgen.
distalen Ende ein sehr kleines Kaliber, und ist am pro-
ximalen Ende deutlich weiter. Eine solche Vene würde Formen des Aneurysmas
als Umkehrbypass eingesetzt technische Probleme so- 4 Aneurysma verum (echtes Aneurysma; . Abb. 4.54)
wohl an der oberen, als auch an der unteren Anasto- 5 Alle Wandschichten sind betroffen.
mose bereiten. Daher wird solch eine Vene zunächst 5 Das Aneurysma entsteht durch AVK (siehe Patho-
mit dem weiten proximalen Ende an der Spenderarte- physiologie)
rie angeschlossen. Anschließend werden die Venen- 4 Aneurysma dissecans (gespaltenes Aneurysma;
klappen auch hier mit einem Valvulotom zerstört. Die . Abb. 4.54)
nun durchgängige Vene kann jetzt mit ihrem dünnen 5 Dissektion der Gefäßwand durch einen Intimaein-
distalen Ende an der Empfängerarterie anastomosiert riss mit Entstehung eines falschen Kanals.
werden. 5 Es ist meistens lokal begrenzt, kann sich aber nach
distal oder proximal fortsetzen und dann die Durch-
Dilatation blutung lebenswichtiger Organe behindern.
4 Intraluminale (= im Gefäßinnenraum) Aufdehnung 5 Es kann thrombosieren und spontan verheilen oder
(= Dilatation) einer Stenose mit Hilfe eines Ballonka- rupturieren.
theters, evtl. mit Einlage einer lokalen inneren Gefäß- 4 Aneurysma spurium (falsches Aneurysma;
stütze (Stent; 7 Abschn. 4.5). . Abb. 4.54).
284 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

. Abb. 4.54 Verschiedene Aneurysmaarten: 1–3 Aneurysma verum; wand fast ausschließlich aus verdickter Intima und Aventitia besteht.
bei zunehmender Ausbuchtung (2) werden die elastischen Elemente 4 Aneurysma spurium (periarterielles Hämatom. 5 Aneurysma disse-
der Media immer spärlicher, sodass schließlich (3) die Aneurysma- cans. (Nach Eder u. Gedeck 1990)

5 Das Aneurysma bildet sich durch ein Hämatom Symptome


zwischen den Wandschichten (s. oben). 4 Verringerung der schmerzfreien Gehstrecke.
5 Es kann auch nach Anlage eines Bypasses oder eines 4 Zunehmende Blässe und Kälte der Extremität ver-
Patches entstehen (Nahtaneurysma). bunden mit Schmerzen.
4 Kein tastbarer Puls in der Peripherie.
Therapie
4 Offene Entfernung des Aneurysmas und Ersatz durch Therapie (chirurgisch)
eine Prothese (Interponat). 4 Thrombektomie des betroffenen Areals mit einem Bal-
4 Endovaskuläre Ausschaltung des Aneurysmas durch lonkatheter nach Fogarty (. Abb. 4.55, . Abb. 4.56).
eine Stentprothese (7 Abschn. 4.6). 4 Sanierung der Ursache.
4 Gegebenenfalls medikamentöse Lysetherapie (= Auf-
Bei der offenen Entfernung von Aneurysmen sind die lösung von nicht entfernbaren Thromben, Verhinde-
technischen Möglichkeiten begrenzt. So kann bei herz- rung deren Neubildung).
nahen Eingriffen eine Herz-Lungen-Maschine erforder-
lich sein. Dies findet i. d. R. in Spezialabteilungen statt Embolie
(7 Kap. 7). Bei der endovaskulären Therapie setzen sich die Eine Embolie ist der Verschluss einer Arterie, der durch
sog. Hybridoperationen (7 Abschn. 4.6.11) durch. Sie er- einen Thrombus entsteht, der sich von seinem Entste-
möglichen es, auch Patienten mit thorakoabdominalen hungsort gelöst hat und mit dem Blutfluss eingeschwemmt
Aneurysmen endovaskulär zu therapieren. Die Anwen- wurde. Ursprungsort kann der linke Herzvorhof bei Herz-
dung speziell angefertigter Stentprothesen mit Seitenab- rhythmusstörungen sein. Jedes Organ im Körper kann be-
gängen bleibt Spezialzentren vorbehalten. troffen sein und eine schwere Krise für den Patienten be-

4.4.3 Akute Erkrankungen

Arterielle Thrombose
Eine arterielle Thrombose ist der Verschluss einer Arterie,
der durch Verklumpung (Thrombenbildung) von Throm-
bozyten an der geschädigten Gefäßwand entsteht. Diese
Schädigung kann degenerativ durch Arteriosklerose oder
traumatisch bedingt sein.
Klinisch imponiert der akute Gefäßverschluss in Ab-
hängigkeit vom betroffenen Gefäß – durch den Blutmangel
mit der folgenden Ischämie.

. Abb. 4.55 Fogarty-Katheter (4 F) mit gefülltem Ballon und kleinem


Gefäßthrombus nach Thrombektomie. (Nach Kopp et al. 2003)
4.5 · Intraluminale Dilatation
285 4

. Abb. 4.56 Operativer Zugangsweg zur Thrombembolektomie der A. femoralis communis, A profunda femoris und A. femoralis superficia-
lis. (Nach Kopp et al. 2003)

deuten, bis zur Bedrohung des Lebens. Besonders betrof- tion verengter Gefäße mittels spezieller Katheter hat sich
fen sind das Gehirn, die Lunge, der Darm und die Extre- seit den 90er-Jahren als minimalinvasives Verfahren auch
mitäten. in der Gefäßchirurgie durchgesetzt. Hier wird diese Ver-
Während die Lungenembolie zumeist von einem im fahrensweise als »interventionell« bezeichnet und meint
tiefen Venensystem entstandenen Thrombus verursacht damit die Wiederherstellung der Durchblutung nicht auf
wird, ist die häufigste Ursache für die Entstehung arteriel- konventionelle Weise mittels eines Bypasses oder einer
ler Thromben eine Erkrankung des Herzens. Eine weitere TEA, sondern z. B. durch Aufdehnen des verengten Ge-
Ursache kann die Ausschwemmung von atheromatösen fäßes (Dilatation). Ist die Gefäßeinengung nach der Dila-
Ablagerungen und Thromben aus arteriosklerotischen Ge- tation noch nicht ausreichend, kann zusätzlich endovasku-
fäßen sein. lär eine Gefäßstütze, ein sog. Stent, in das aufgedehnte
Gefäßsegment eingebracht werden.
Symptome
4 Akuter Schmerz durch Verschluss der Gefäße im be- jIndikationen
troffenen Areal. 4 Risikopatienten, für die ein größerer Eingriff mit hö-
4 Kälte, Blässe und fehlender Puls an der Extremität. herem Blutverlust zu belastend wäre.
4 Kurzstreckige Stenosen an der A. iliaca, die noch
Therapie (chirurgisch) nicht zu sehr kalzifiziert sind.
4 Lokale Embolektomie (. Abb. 4.56), falls notwendig, 4 Durch retrograde Desobliteration mittels Ringstrip-
Anlage eines Bypasses. per (. Abb. 4.50) entstandene Dissektionen oder ver-
4 Antikoagulation. bliebene Reststenosen an der Absetzungsstelle des
Verschlusszylinders.
4 Stenosen der Koronararterien (perkutane translumi-
4.5 Intraluminale Dilatation nale koronare Angioplastie = PTCA).
4 Stenosen der Nierenarterien.
Die in den 1960er- und 70er-Jahren von den Radiologen 4 Stenosen an den unteren Extremitäten.
Dotter und Grüntzig entwickelte Methode der Rekanalisa- 4 Stenosen der A. carotis
286 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

jKontraindikationen jVorgehensweisen
Relative Kontraindikationen ergeben sich aus der Plaque- 4 Perkutane transluminale Angioplastie (PTA) als Sin-
morphologie (weicher plaquefreier Thrombus → Embolie- guläreingriff. Dieses Verfahren wird häufig in der Ra-
gefahr). diologie angewendet.
4 Exzentrische zirkuläre stark verkalkte Stenose → Rup- 4 Intraoperative transluminale Angioplastie (I(O)TA)
turgefahr. als Singulär- oder als Kombinationseingriff z. B. bei
4 Vollkommen kalzifizierter Gefäßverschluss. der peripheren Bypasschirurgie, um den Zufluss in
den Bypass zu verbessern.
4
4.5.1 Grundausstattung

Neben dem Grund- und Gefäßinstrumentarium (7 Ab-


schn. 4.1.3 und 7 Kap. 1) werden die im Folgenden be-
schriebenen Materialien benötigt.

Dilatationskatheter
Bei einem Dilatationskatheter (. Abb. 4.57) handelt es sich
um einen doppellumigen Katheter. Das zentrale Lumen
durchzieht den Katheter in seiner gesamten Länge und er-
möglicht das Verabreichen von Kontrastmittel, Spülflüs-
sigkeit oder Medikamenten wie Actilyse oder Heparin.
Vornehmlich dient es jedoch der Platzierung des Katheters
im Gefäß über einen Führungsdraht.
Das zweite Lumen endet in einem Spezialballon, der
aus einem nicht dehnbaren Polymer hergestellt wurde.
Wird der Ballon aufgefüllt, übt er eine Radialkraft auf das
Gefäß aus.
Die verschiedenen Katheterausführungen unterschei-
den sich nach Ballondurchmesser und -längen. Kleinere
Kaliber haben schmalere Schäfte, benötigen dünnere Füh-
rungsdrähte und kleinere Schleusendurchmesser. Größere
Kaliber hingegen brauchen vor allem größere Schleusen-
durchmesser. Hierauf ist bei der Auswahl unbedingt zu
achten.

a b

. Abb. 4.57 a, b Dilatationskatheter. a Schematische Darstellung. b Foto. (Fa. Cordis Johnson & Johnson Endovascular)
4.5 · Intraluminale Dilatation
287 4
Der an beiden Enden konisch zulaufende Ballon weist
am Anfang und am Ende der maximalen Aufdehnung je
einen röntgenundurchlässigen Marker auf. Damit er bei
der Röntgendurchleuchtung erkannt werden kann, wird er
mit Kontrastmittel (in einer 1:2-Verdünnung) gefüllt.

Führungsdraht
Führungsdrähte gibt es in vielen verschiedenen Ausfüh-
rungen, die sich je nach Anwendungsgebieten unterschei-
den. Für die erste Sondierung des Gefäßes wird ein hydro-
philer (»wasserliebender«), weicher Draht benötigt. Er
gleitet besonders in feuchtem Milieu gut. Außerdem haben
alle Drähte eine weiche Spitze, um eine Perforation der
Wandschichten des Gefäßes beim Vorschieben zu vermei-
den. Für die Platzierung von Dilatationskathetern ist ein
hydrophiler Draht ausreichend, für das Vorschieben endo-
vaskulärer Prothesen sind steifere Drähte erforderlich, die
eine stabile Schienung bieten können.

Einführungsschleuse (mit Punktionsset)


Eine Schleuse (. Abb. 4.58) ist eine Kunststoffkanüle mit
einem hämostatischen Ventil, d. h. es kann kein Blut aus
ihr entweichen. In die Kanüle ist ein konisch zulaufender
Dilatator eingeschoben, der auch über einen Zentralkanal . Abb. 4.58 Einführungsschleuse. (Fa. Terumo)
verfügt. Dies ermöglicht das Einbringen der Kanüle in Sel-
dinger-Technik (d. h. das Gefäß wird mit einer Hohlnadel
punktiert, in die Nadel wird ein Draht eingeführt, die Na- renarterien oder die supraaortalen Äste sondieren und
del wird entfernt und über den Draht wird die Schleuse in anschließend gezielt angiographieren oder dilatieren zu
das Gefäß geschoben. Anschließend werden der Draht und können (. Abb. 4.59).
der Dilatator entfernt und die Schleuse liegt funktionsbe-
reit an korrekter Stelle). Des Weiteren verfügt sie über ei- Dilatationsspritze mit Druckmesser
nen seitlichen Zugang mit Luer-Anschluss und Dreiwege- (. Abb. 4.60)
hahn, über den Medikamente, wie Kontrastmittel oder Bei der Dilatation muss über mehrere Sekunden ein gleich-
Heparin, eingebracht werden können. Um später mit mäßiger Druck im Stenosebereich gehalten werden. Hier-
Drähten und Kathetern das hämostatische Ventil überwin- zu sind die folgenden Funktionen dieses Systems hilf-
den zu können, werden Einführhilfen benötigt, die über- reich:
wiegend im Lieferumfang von Drähten, Kathetern und 4 Die Druckstärke kann abgelesen werden.
Stents enthalten sind. 4 Der Druck kann ohne Kraftaufwand gehalten werden.

Angiographiekatheter Durchleuchtungseinheit, Röntgengerät


In der Regel ist es möglich, die Beckenstrombahn retro- Ein wesentlicher Bestandteil der Angiographie ist die
grad (gegen den Blutfluss) über eine Schleuse zu angiogra- Durchleuchtungseinheit. Sie muss über eine hochauflö-
phieren, die in der A. femoralis communis (AFC) platziert sende computergestützte DSA-Anlage (digitale Subtrakti-
wurde. Ist das Ergebnis jedoch nicht befriedigend, sollte onsangiographie) verfügen, d. h. der Computer subtrahiert
eine orthograde (in Blutflussrichtung) Angiographie über alles umgebende Gewebe aus dem Bild und gibt nur die
einen Angiographiekatheter durchgeführt werden. Diese kontrastmittelgefüllten Gefäße schwarz wieder. Außerdem
einlumigen Katheter gibt es mit den verschiedensten Spit- sollte das Gerät auch über die »Roadmap«-Funktion ver-
zen, deren Form sich wieder nach dem Anwendungsgebiet fügen, die die schwarzen Gefäße auf dem Bild im Durch-
richtet. Für die orthograde Angiographie der Aorta bietet leuchtungsmodus als Landkarte hinterlegt, was z. B. die
sich die gerundete Spitze an, über die sich Kontrastmittel Überwindung sehr enger Sanduhrstenosen erheblich ver-
in mehrere Richtungen verteilt. Die anderen Spitzentypen einfachen kann.
sind in bestimmten Winkelanordnungen erhältlich, um Bei der intraoperativen Durchleuchtung sollten alle an
besonders schwer zugängliche Aortenabgänge wie die Nie- der OP beteiligten Mitarbeiter in Strahlenkunde fachkun-
288 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

dig sein und sich entsprechend der Strahlenschutzverord- Angiomat


nung verhalten. Nicht fachkundige Mitarbeiter müssen Ein Gerät, mit dem Kontrastmittel in vorher eingestellter
sich vor der OP in die speziellen Verhaltensregeln einwei- Menge und Druck in das Gefäßsystem infundiert werden
sen lassen. kann. Dies ermöglicht eine gute Darstellung der Aorta, die
für die Implantation einer endovaskulären Prothese not-
wendig ist.

4 4.5.2 Intraoperative transluminale


Angioplastie
a

Intraoperative transluminale Angioplastie (IOTA)


7 Meist wird die Femoralisgabel über einen late-
ralen, unterhalb des Leistenbandes verlaufenden
Leistenlängsschnitt aufgesucht, freipräpariert und
die einzelnen Gefäße angeschlungen.
7 Punktion der A. femoralis communis und Einbrin-
gen der Schleuse in Seldinger-Technik. Fixieren
der Schleuse an der Haut mittels einer kräftigen
b
Naht oder einer scharfen Tuchklemme.
7 Retrograde Angiographie über den seitlichen Zugang
der Schleuse. Einbringen des hydrophilen Drahtes
und bei Bedarf Vorschieben eines Katheters für eine
orthograde Angiographie. Cave: Vor der orthograden
Angiographie muss der Draht entfernt werden.
7 Vor der Entfernung des Angiographiekatheters
c
muss der Draht replatziert werden (Seldinger-Tech-
nik: Es verbleibt immer ein Platzhalter im Gefäß).
7 Anschließend Vorschieben des Ballonkatheters
zum Stenosebereich.
7 Auffüllen des Ballons und Halten eines bestimm-
ten Druckes über mehrere Sekunden. Dabei wer-
den Kalkplaques aufgebrochen und die athero-
matösen Auflagerungen in die Gefäßwand ge-
drückt. Dieses Verfahren kann wiederholt werden.
d Ist der Stenosebereich dann noch nicht ausrei-
chend durchgängig, oder besteht eine Dissektion
. Abb. 4.59 a–d Diverse Angiographiekatheter a Pigtail, b Side- wird ein Stent eingebracht (7 Abschn. 4.5.3).
winder, c Cobra, d Headhunter. (Beispiel: Fa. Cordis Johnson & John-
7 Die einzelnen Schritte erfolgen unter Durchleuch-
son Endovascular)
tung/Angiographie.
7 Naht der Punktionsstelle, Blutstillung, Entfernen
aller Instrumente und Textilien, Zählkontrolle, Do-
kumentation, Redon-Einlage, schichtweiser
Wundverschluss, Verband.

4.5.3 Stents (Gefäßstützen)

Ein Stent ist eine Gefäßstütze (Platzhalter), die innen im


. Abb. 4.60 Dilatationsspritze mit Druckmanometer. (Beispiel: Fa. Gefäß platziert wird und so ein aufgedehntes Gefäß offen
Merit Medical) hält. Ein mit dünnem Kunststoff ummantelter Stent (Stent-
4.5 · Intraluminale Dilatation
289 4

. Abb. 4.61 Ballonexpandierbarer Stent . Abb. 4.62 Selbstexpandierender Stent aus Nitinol

graft, Stentprothese) wird zur Abdichtung undichter Stel- . Tab. 4.2 zeigt verschiedene Stenttypen und ihre Ver-
len (Leckage) oder bei Aneurysmen verwendet. Die Ver- wendung.
wendungsmöglichkeiten sind vielseitig. Heute arbeiten Alle Arten von Stents werden i. d. R. über eine oder
Kardiologen, Radiologen und Gefäßchirurgen erfolgreich beide Aa. fem. comm. in den Körper eingebracht. Sind sie
mit endovaskulären Materialien, um Patienten mit einer verschlossen oder zu stark verkalkt, kann u. U. die Behand-
KHK, einer AVK oder mit Aneurysmen zu behandeln. lung scheitern.
Durchgesetzt haben sich bisher die Koronarangioplas-
tie, die Angioplastie der Becken- und Beinarterien und die Stenteinlage in die A. iliaca communis
Ausschaltung von Aorten- und Iliacaaneurysmen. Für Ein- bei stenosierender AVK
engungen in der Halsschlagader konnte für den Stent im Bei sehr massiven und harten Kalkablagerungen gelingt
Vergleich zur Operation bisher kein Vorteil nachgewiesen das Aufdehnen des Gefäßes nicht immer und die Stentein-
werden, sodass dieses Verfahren speziellen Indikationen lage wird unmöglich. Deshalb ist es in jedem Fall erforder-
vorbehalten bleibt. Zurzeit werden die Möglichkeiten bei lich, auf ein konventionelles Verfahren wie z. B. einen re-
einem ausgedehnten Aneurysma der thorakalen Aorta ge- troperitonealen Prothesenbypass ausweichen können.
prüft. Um Strecke zu gewinnen, werden vermehrt Äste des Außerdem kann ein Gefäß beim Dilatieren einreißen.
Aortenbogens sowie die Viszeralarterien transponiert Dann ist größte Eile geboten! Diese Gefahr muss jedem,
(Aortenbogen- bzw. Viszeralarterien-Debranching). der eine solche Operation instrumentiert, bewusst sein!
Stents werden aus verschiedenen Materialien herge-
stellt, wie z. B. Stahl oder Nitinol (. Abb. 4.61 und . Abb. kInstrumentarium/Materialien
4.62). Letzteres ist eine spezielle Metallverbindung, die die 4 Grund- und Gefäßinstrumentarium (7 Abschn. 4.1.3),
Eigenschaft besitzt, sich bei Körpertemperatur auf ein de- 4 Spezialinstrumentarium (7 Abschn. 4.5.1),
finiertes Maß auszudehnen. Dieses Material wurde zu- 4 DSA-Durchleuchtungseinheit und Strahlenschutzaus-
nächst bei Aortenstentprothesen benutzt, kommt aber rüstung (7 Abschn. 4.5.1),
auch in der Behandlung von Iliacastenosen zum Einsatz. 4 steriler Bildwandlerbezug.

. Tab. 4.2 Stenttypen und ihre Verwendung

Stenose der A. iliaca Stenose der A. iliaca Kurzstreckiges Iliacaaneurysma Langstreckiges Iliacaaneurysma,
communis interna oder Leckage Aortenaneurysma

Ballonexpandierbar Selbstexpandierend Ballonexpandierbar Selbstexpandierend

Nicht ummantelt = Nicht ummantelt = Draht- Ummantelt = Drahtgeflecht aus Ummantelt = Drahtgeflecht aus
Drahtgeflecht aus Stahl geflecht aus Nitinol Stahl, ummantelt mit einer dünnen Nitinol, ummantelt mit einer dünnen
Polyester- oder PTFE-Schicht Polyester- oder PTFE-Schicht

Unmontiert oder Vormontiert auf einem spe- Unmontiert oder vormontiert auf Vormontiert in einem speziellen Ent-
vormontiert auf einem ziellen Entladekatheter einem Dilatationskatheter ladesystem mit Schleusenfunktion
Dilatationskatheter
290 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

kLagerung/Abdeckung
4 Gerade Rückenlagerung auf einem Durchleuchtungs- Katheter aufgezogen und fest angedrückt; besser
tisch. ist das Anwickeln des Stents mit einem kräftigen
4 Hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu den Faden, der anschließend entfernt wird. So wird
Leisten (um ggf. auf ein konventionelles OP-Verfah- verhindert, dass der Stent im Gefäß vom Katheter
ren umsteigen zu können). abrutscht. Platzieren des Stents in den angezeich-
neten Grenzen und Freisetzen des Stents mittels
Aufdehnen des Katheters. Abschlussangiogra-
Stenteinlage in die A. iliaca communis
4 phie.
7 Perkutane Punktion oder Leistenschnitt und Dar-
stellen der A. femoralis comm.
7 Anschlingen mit 2 Haltebändern (wenn ein Implantation einer Stentprothese in
Schnitt erfolgte), das proximale mit einem Tourni- die infrarenale Bauchaorta bei Aneurysma
quet versehen. kInstrumentarium/Materialien
7 Einbringen der Schleuse in Seldinger-Technik. Klä- 4 Grund- und Gefäßinstrumentarium (7 Abschn. 4.1.3),
ren, welcher Stent zum Einsatz kommen soll; dies 4 Spezialinstrumentarium (7 Abschn. 4.5.1),
bestimmt das Kaliber der Schleuse. Bei perkuta- 4 DSA-Durchleuchtungseinheit und Strahlenschutzaus-
nem Vorgehen wird ab einem Schleusendurch- rüstung,
messer von 8 F ein endovaskuläres Verschlusssys- 4 steriler Bildwandlerbezug.
tem (z. B. Perclose, Fa. Abbot) zur Anwendung
kommen, um Nachblutungen zu vermeiden. kVorbereitung am Patienten
Durch diese Systeme bleibt den Patienten ein 4 Durchleuchtungstisch (Carbontisch).
Druckverband (6 h) mit Bettruhe erspart. 4 Unter den Rücken des Patienten kann parallel zur
7 Über den seitlichen Zugang der Schleuse retro- Wirbelsäule ein röntgendichtes Lineal gelegt werden,
grad in DSA-Technik angiographieren. Alternativ um die Orientierung und Kommunikation während
dazu kann ein Führungsdraht und anschließend der OP zu erleichtern.
ein Pigtailkatheter in die Aorta vorgeschoben und 4 Abdeckung wie zur offenen Bauchaortenoperation.
orthograd angiographiert werden. Auf dem Moni-
tor des Bildverstärkers die relevanten Orientie- kInstrumentelle Vorbereitung
rungspunkte anzeichnen: 4 Da für die langen Drähte und das Device (Entladesys-
– die Aortenbifurkation, tem für den Stent) eine entsprechend lange Ablageflä-
– die proximale und distale Grenze der Stenose, che benötigt wird, empfiehlt es sich, zwei Instrumen-
– den Abgang der A. iliaca interna, tiertische längs hintereinander zu stellen. Ein weiterer
– ggf. das Kaliber der A. iliaca communis, Beistelltisch kann ebenfalls ausreichen. Wenn nur ein
– Umschalten auf Durchleuchtungsmodus. kleiner OP-Saal zur Verfügung steht, kann der OP-
7 Den hydrophilen Draht wieder in der Aorta plat- Tisch diagonal im Raum platziert werden.
zieren, den Dilatationskatheter in der Stenose 4 Der erste Instrumentiertisch wird mit den benötigten
ausrichten und das Gefäß mit der Druckspritze Instrumenten gedeckt. Falls nicht vollständig perku-
nach Herstellerangaben unter Durchleuchtung di- tan vorgegangen wird, liegen die Gefäßklemmen zum
latieren, Kontrollangiographie. Ausklemmen der Femoralgefäße auf diesem Tisch.
7 Bei verbleibender Einengung kann ein Stent zum 4 Auf dem zweiten Tisch liegen die speziell zur Inter-
Einsatz kommen. Kaliber und Länge wurden vention benötigten Materialien und Flüssigkeiten
durch die Länge und den Durchmesser des Dila- (Heparin-Kochsalz-Lösung, Kontrastmittel pur, 50 ml
tationskatheters ermittelt. Ist der Stent vormon- Kontrastmittel 1:2 verdünnt) Spritzen, Drähte, die
tiert, werden keine weiteren Materialien benötigt. Schleuse etc.
Die Einführhilfe, um das hämostatische Ventil zu 4 Alle Katheter, Schleusen und Drähte werden mit He-
überwinden, ist im Lieferumfang eines vormon- parinlösung durchgespült.
tierten Stents enthalten. Bei unmontierten Stents
wird ein weiterer Dilatationskatheter der entspre-
chenden Größe und Länge sowie eine Einführhil-
fe benötigt. Der Stent wird in diesem Fall auf den
6
4.5 · Intraluminale Dilatation
291 4

Stenteinlage in die infrarenale Bauchaorta 7 Exaktes Positionieren anhand der Markierungs-


(am Beispiel einer Talentprothese punkte auf dem Bildschirm, Aortenstentprothese
der Fa. Medtronic; . Abb. 4.63) entladen und das Device nach Herstellerangaben
7 Zugangswege sind die Aa. iliacae ext. rechts und wieder verschließen.
links oberhalb des Leistenbandes. 7 Das Device im Gefäßsystem zurückziehen und lie-
7 Beide Arterien werden mit je einem distalen und gen lassen oder entfernen; die Arterie proximal
einem proximalen Halteband angezügelt. Das mit einer Gefäßklemme verschließen.
proximale Band wird mit je einem Tourniquet ver- 7 Einbringen der Schleuse auf der Gegenseite; mit
sehen. dem hydrophilen Draht, ggf. unter Zuhilfenahme
7 Der Operateur wechselt die Seite, sodass das OP- eines Headhunterkatheters, den kurzen Iliaca-
Team auf einer Seite des Patienten steht – auf der schenkel sondieren.
anderen Seite ist die BV-Einheit positioniert. 7 Den Draht in den Prothesenschenkel vorschieben
7 Steriles Beziehen der BV-Einheit. und in Seldinger-Technik den markierten Pigtail-
7 Einbringen einer oder zweier Schleusen in die vor- katheter aufziehen. Einen weiteren steifen Draht
bereiteten Gefäße in Seldinger-Technik und Über- einbringen und die Länge des kontralateralen
prüfen der Lage durch Ablassen von etwas Blut Beinchens ausmessen.
über den seitlichen Zugang der Schleuse. An-
schließend je 1000 IE Heparin verabreichen und
die Schleuse(n) fixieren.
7 Positionieren des Bildwandlers über dem Pati-
enten.
7 Vorschieben des hydrophilen Drahtes in die Aorta,
Platzieren eines Pigtailkatheters mit Goldmarkern
(röntgendichte Marker in Abständen von 1 cm)
oberhalb der Abgänge der Aa. renales und Draht
entfernen. Orthograde Angiographie mit einem
Angiomaten bei Atemstillstand.
7 Exakte Ermittlung und Kennzeichnung der Ab-
gänge der A. renalis rechts und links sowie der
A. iliaca intena rechts und links.
Cave: Die Stentprothese darf nur innerhalb dieser
Grenzen platziert werden, da es sonst zu Minder-
durchblutung oder Ischämie der anhängigen Or-
gane (Nieren, Colon descendens) kommt bzw. zu
einer Claudicatio glutealis!
7 Einbringen eines steifen Drahtes (Schneider Back-
up Meier, Jotec E-Wire), der die Aufgabe hat, die
Zugangswege zu begradigen und dem erhöhten
Reibungswiderstand beim Einbringen des Träger-
systems entgegenzuwirken.
7 Überprüfen der errechneten Prothesenlänge mit-
tels der Goldmarker auf dem Pigtailkatheter.
7 Das Device (Trägersystem der Prothese) nach
Herstellerangaben vorbereiten.
7 Pigtailkatheter entfernen, Draht belassen.
7 Ausklemmen der A. femoralis communis, ggf.
Arteriotomie, Schleuse entfernen, Device auf-
ziehen.
7 Entfernen der proximalen Gefäßklemme, Vor-
schieben des Device unter Durchleuchtung.
6
. Abb. 4.63 Aortenstent. (Fa. Medtronic GmbH)
292 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

! Ein guter Überblick über das gesamte in der Ab-


teilung vorhandene Equipment ist Vorausset- parin mit ihrem Kaliber entsprechenden Gefäß-
zung für den Erfolg der Intervention. Das ge- klemmen aus dem Kreislauf ausgeklemmt.
samte OP-Team muss die Auswahl an Kathetern, 7 Eröffnen des Hauptgefäßes (Querinzision mit
Drähten und Schleusen kennen. Stichskalpell und Potts-Schere der A. fem. comm.
bzw. der A. brachialis).
7 Thromben aus dem ausgeklemmten Bereich ent-
4.6 Weitere Operationsbeispiele fernen, Einstrom-Rückstrom-Kontrolle.
4 7 Die French-Größe des Embolektomiekatheters er-
4.6.1 Embolektomie/Thrombektomie an fragen, Ballon mit Ringer-Lösung auf Dichtigkeit
Extremitäten prüfen und entlüften.
7 Anschließend werden nacheinander alle Gefäße
kPrinzip in beide Richtungen (zentral und peripher) mit
Entfernung eines Thrombus oder Embolus aus einer Arte- einem ihrem Kaliber entsprechenden Katheter
rie mittels eines Embolektomiekatheters. embolektomiert:
7 Entfernen der Gefäßklemme, Vorschieben des Ka-
kIndikation theters in die Peripherie bzw. ins Zentrum
4 Arterielle Thrombose oder Embolie in einer Bein- 7 Aufblasen des Ballons und vorsichtiges Zurückzie-
und/oder Armarterie. hen des Katheters
7 Cave: Wenn Richtung Zentrum embolektomiert
kInstrumentarium wird, tritt nach vollzogener Embolektomie das
4 Grundinstrumente, Blut mit Druck aus der Arterie (der Operateur soll-
4 kurze Gefäßinstrumente, te das Gefäß sofort mit dem Finger abdrücken).
4 ggf. Mikroinstrumente, 7 Augen und Umgebung schützen!
4 Haltebänder, Loops, Clips, 7 Lokale Heparingabe.
4 Embolektomiekatheter in verschiedenen Größen, 7 Sind alle Gefäße embolektomiert und der Blut-
4 ggf. hydrophilen Draht mit einem Embolektomieka- fluss wieder hergestellt, Kontrollangiographie.
theter mit Zentralkanal (für die Lyse), 7 Ausspülen der Arterie mit Heparin-Kochsalz-Lö-
4 Bildwandler und Strahlenschutz. sung, ggf. nochmals »Flushen« (kurzzeitiges Lösen
der Gefäßklemme, um Restthromben und/oder
kMedikamente Luft aus den Gefäßen zu entfernen).
4 Heparin, 7 Naht der Arteriotomie mit einer direkten Gefäßnaht.
4 Kontrastmittel zur Kontrollangiographie, 7 War zuvor z. B. eine TEA oder Desobliteration nö-
4 ggf. Actilyse, tig, ggf. Anlage eines Patches oder eines Interpo-
4 ggf. Lokalanästhetikum. nats.
7 Entfernen aller Instrumente und Textilien, Zähl-
kLagerung/Abdeckung kontrolle, Dokumentation.
4 Rückenlage, ggf. mit Armtisch (7 Abschn. 4.3), 7 Einlage einer Redon-Drainage.
4 Hüfttuch bzw. Lochtuch und Stockinette. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Verband.

Embolektomie ! Ist die Embolektomie/Thrombektomie nicht er-


7 Hautschnitt Leiste bzw. Ellenbeuge (7 Abschn. 4.2). folgreich, kann eine lokale Lysetherapie und/
7 Freilegen des Gefäßes (Femoralisgabel, Aa. brachi- oder die Anlage eines Bypasses erforderlich sein.
alis, ulnaris et radialis).
7 Alle dargestellten Gefäße werden mit Bändern
oder Loops angezügelt und diese mit Klemmchen 4.6.2 Thrombendarteriektomie
angeklemmt. Vorsichtiges Hochziehen jedes ein- der Karotisgabel
zelnen Gefäßes und weiteres Freipräparieren von
Begleitvenen und -nerven. Anschließend werden kPrinzip
alle Gefäße nach vorheriger Substitution mit He- Offene Desobliteration der Aa. carotis communis, carotis
6 interna et carotis externa (Carotisgabel) mit (Wieder-) her-
stellung optimaler Flussbedingungen.
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
293 4
kIndikation
Hochgradige, symptomatische oder asymptomatische Ste- 7 Anschlingen evtl. kreuzender Nerven (N. vagus,
nose der Carotisgabel, besonders im Abgangsbereich der N. hypoglossus) mit kräftigeren Loops, die ange-
A. carotis interna. klemmt werden.
7 Abklemmen der ACE mit einer 120° Klemme, klein.
kInstrumentarium 7 Abklemmen der ACI mit einem gebogenem Mi-
4 Grundinstrumente, krobulldog: Beginn der zu dokumentierenden Ab-
4 kurze und feine Gefäßinstrumente, klemmzeit.
4 Mikroinstrumente, 7 Abklemmen der ACC mit einer 120° Klemme, groß.
4 Javidklemme in Bereitschaft, 7 Endgültiges Freilegen der Carotisgabel.
4 Haltebänder, Loops, Clips, 7 Inzision mit dem Stichskalpell, Erweiterung der
4 Carotisshunts in verschiedenen Kalibern (10–16 F) in Arteriotomie mit der Potts-Schere, Größe des
Shunts erfragen.
Bereitschaft,
7 Mikrobulldogklemme entfernen.
4 Carotispatch in Bereitschaft,
7 Dilatieren der ACI mit Gefäßoliven (je nach Größe
4 PTFE-Prothese in Bereitschaft,
des Shunts 3–4,5 mm in halben Schritten).
4 Bildwandler und Strahlenschutz.
7 Einbringen des Shunts in das Gefäß wie folgt
(. Abb. 4.64):
kMedikamente
– Shunt zuerst in die ACC vorschieben.
4 Heparin,
– Anziehen und Fixieren des Tourniquets.
4 Kontrastmittel zur Kontrollangiographie.
– Entlüften des Shunts, Entfernen der Olive.
– Einbringen des Shunts in die ACI (. Abb. 4.65):
kLagerung/Abdeckung
Ende der zu dokumentierenden Abklemmzeit.
4 Rückenlage (7 Abschn. 4.3.1) Oberkörper erhöht,
7 Herausschälen des Plaques aus dem Gefäß mit
Kopf rekliniert und fixiert,
Dissektor und Overholt, das distale Ende wird mit
4 4-Tuch- oder U-Tuch-Abdeckung.
der Intimaschere durchtrennt (. Abb. 4.66).
7 Spülen mit Heparinlösung, Lösen von Plaqueres-
Es stehen unterschiedliche operative Verfahren zur Be- ten mit der Mikropinzette, evtl. Stufennähte.
handlung einer Stenose der A. carotis interna zur Verfü- 7 Befeuchten des Patches in seiner Verpackung mit
gung. Eine davon ist die TEA mit Patchplastik und Shunt- Heparin-Lösung.
einlage. 7 Mit der Potts-Schere die Ecken des Patches ab-
runden.
7 Einnähen des Patches (. Abb. 4.67):
Thrombendarteriektomie mit Patchplastik und
– Vorlegen der ersten Naht in der proximalen
Shunteinlage
Patchmitte.
7 Hautschnitt entlang der Vorderkante des – Fixieren der Naht im proximalen Arteriotomie-
M. sternocleidomastoideus. winkel, Knoten, je eine armierte Klemme an
7 Mittels HF-Strom wird bis auf die Faszie präpa- die Fäden klemmen.
riert. – Kürzen des Patches auf die richtige Länge,
7 Darstellen der V. jugularis. Ecken abrunden und Vorlegen der zweiten
7 Aufsuchen der A. carotis comm. (ACC), Anschlin- Naht am distalen Arteriotomiewinkel.
gen mit einem Halteband, Anlegen eines Tourni- – Nähen der medialen Seiten jeweils vom Ende
quets, Klemme an das Halteband. zur Mitte hin.
7 Heparingabe systemisch vom Anästhesisten. Auf- – Anheben des Patches, Prüfen, ob sich Plaque-
suchen der A. carotis ext. (ACE) und A. carotis int. reste in der Naht befinden, bzw. die Naht gut
(ACI), mit je einem Halteband anschlingen und verläuft (nicht zu locker, nicht zu fest).
das Halteband anklemmen. – Nähen der lateralen Seiten wie oben, bis zur
7 Freilegen der Carotisgabel nach distal, ohne sie Mitte nur noch 2–3 Stiche fehlen.
zu sehr zu berühren (Gefahr der Ablösung von – Anklemmen der Fäden mit armierten Klemmen.
Kalkstückchen). 7 Entfernen des Shunts wie folgt:
7 Gedoppeltes Anschlingen der A. thyreoidea sup. – Shunt mit einer Peanklemme in die ACC schie-
mit feinem Loop. ben, auf die ACI eine gerade Mikrobulldog-
6 6
294 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

klemme setzen, Beginn der zu dokumentie- Besonderheiten


renden Abklemmzeit. 4 Carotisshunts gibt es als einfache PVC-Röhrchen
– Entfernen des Shunts, »Flushen«, die große oder aber mit endständigen Ballons, die der Fixie-
120°-Klemme verschließt die ACC, Spülen des rung im Gefäß dienen.
Lumens mit Heparin-Lösung.
4 Ist die ACI zu groß für den Shunt oder der Blut-
– Verschließen der Naht, Entfernen der Gefäß-
druck so hoch, dass Blut nebenher läuft, kommt
klemmen, Ende der zu dokumentierenden Ab-
die Javid-Klemme zum Einsatz. Sie fixiert den
4 klemmzeit.
Shunt in der ACI. Alternativ kann ein weiterer
7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anasto-
Tourniquet am Halteband der ACI angebracht
mose gedrückt.
werden.
7 Einlegen einer Redon-Drainage.
4 Ist die ACI elongiert (zu lang und verschlungen),
7 Einbringen der Angiographiekanüle (Abocath) in
sollte sie vor der Patchplastik begradigt werden.
die ACC, Anschließen einer Heidelberger Verlän-
Das erleichtert die Anastomose und beschleunigt
gerung gefüllt mit Kontrastmittel, Kontrollangio-
den Blutfluss.
graphie, anschließend Übernähen der Einstich-
4 In vielen Kliniken wird erst ein Shunt eingelegt,
stelle mit einer Gefäßnaht.
wenn die SEP (elektrisch abgeleitete Hirnströme)
7 Ist alles bluttrocken, Instrumente und Textilien
beim Abklemmen abflachen. Das bedeutet, dass
entfernen, Zählkontrolle, schichtweiser Wundver-
der Hirnkreislauf (Circulus Willisi; 7 Kap. 10) unter-
schluss, Dokumentation.
6

. Abb. 4.64 Carotisshunt . Abb. 4.65 Carotisshunt in situ

. Abb. 4.66 A. carotis interna nach TEA . Abb. 4.67 Anlage des Carotis-Patches
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
295 4
kMedikamente
brochen ist. Das Gehirn wäre dann in der Ab- 4 Heparin,
klemmphase auf der ipsilateralen Seite nicht 4 ggf. Kontrastmittel zur Kontrollangiographie.
durchblutet.
4 Weitere Möglichkeiten der Wiederherstellung sind kLagerung/Abdeckung
die Anlage eines Venenpatches, eines Veneninter- 4 Rückenlage,
ponats oder eines Protheseninterponats mit einer 4 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu den Leisten,
dünnwandigen PTFE-Prothese. 4 evtl. ein Bein frei zugängig abdecken – falls ein By-
4 Eine weitere Operationstechnik ist die Eversions- pass wahrscheinlich ist oder Vene für den Patch ent-
plastik. Hier wird die ACI schräg an der Gabel ab- nommen werden soll: Ein Venenpatch ist sinnvoll,
geschnitten und die Gefäße von diesem Schnitt wenn ein Infekt vorliegt, häufig bei einer Re-Operati-
aus desobliteriert. Hierfür muss die ACI umge- on. (Bei bekannter AVK ist es wahrscheinlich, dass
krempelt und die ACC ggf. etwas eingeschnitten zukünftig Venenmaterial zur Anlage eines Bypasses
werden. Anschließend wird die ACI mit einer End- benötigt wird).
zu-End-Anastomose wieder an die Gabel ange-
näht. Bei dieser Technik ist die Platzierung eines
Shunts schwierig. Profundaplastik mit Polyesterpatch und
retrograder Desobliteration mit Ringstrippern
7 Lateraler Längsschnitt unterhalb des Leisten-
bandes, präparieren von lateral nach medial, um
4.6.3 Profunda(erweiterungs)plastik die Lymphbahnen zu schonen.
7 Aufsuchen der A. femoralis comm. (AFC), An-
kPrinzip schlingen mit einem Halteband, Anlegen eines
TEA der Femoralisgabel mit evtl. retrograder Desoblite- Tourniquets.
ration (7 Abschn. 4.4.1) und anschließender Wiederher- 7 Aufsuchen der A. profunda femoris (APF) und
stellung optimaler Flussbedingungen mit einer Patchplas- A. femoralis superficialis (AFS) und mit je einem
tik von der A. profunda femoris bis zur A. femoris com- Halteband anschlingen.
munis. 7 Freipräparieren aller Gefäße von ihren Begleitve-
nen und -nerven.
kIndikation 7 Gedoppeltes Anschlingen aller Seitenäste mit fei-
4 Stenosen und/oder Verschlüsse im Bereich der Femo- nen Loops.
ralisgabel, der A. profunda femoris und der A. femo- 7 Ausklemmen der Femoralisgabel aus dem Kreislauf.
ralis superficialis, bzw. der distalen A. iliaca externa. 7 Inzision mit dem Stichskalpell, Erweiterung der
4 Die Desobliteration langstreckiger Stenosen der Arteriotomie mit der Potts-Schere.
A. fem. sup. zeigt keine guten Ergebnisse; daher wird 7 Versuch, einen hydrophilen Draht in die Aorta zu
sie eher endovaskulär interventionell behandelt. Um schieben.
die Durchblutung im Bein wiederherzustellen, wird 7 Herausschälen des Plaques aus dem Gefäß mit
die A. profunda femoris desobliteriert. Dissektor und Overholt, das distale Ende wird mit
der Schere durchschnitten.
kInstrumentarium 7 Ausmessen der ungefähr benötigten Länge des
4 Grundinstrumente, Ringstrippers und Markieren mit der Position des
4 kurze Gefäßinstrumente, Handgriffs.
4 ggf. Mikroinstrumente, 7 Aufsetzen des Ringstrippers über den Draht auf
4 Haltebänder, Loops, Clips, den Verschlusszylinder, Hochziehen des Halte-
4 in Bereitschaft: bandes, Entfernen der Femoralisklemme.
5 Ringstripper, 7 Ringstripper vorsichtig unter leichten Drehbewe-
5 Embolektomiekatheter in verschiedenen Größen, gungen nach proximal schieben, ggf. unter Bild-
5 hydrophiler Draht, wandlerkontrolle.
5 Schleuse, 7 Hat sich der Verschlusszylinder gelöst, wird er vor-
5 Embolektomiekatheter mit Zentralkanal, sichtig nach vorn gezogen, der Draht muss im Ge-
5 Gefäßprothese, fäß bleiben!
5 Polyesterpatch, 6
5 Bildwandler und Strahlenschutz.
296 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

Umständen muss der Zufluss über das Spendergefäß ver-


7 AFC mit dem Finger abdrücken, kurz »flushen«, bessert werden (z. B. retrograde Desobliteration, Dilatati-
Schleuse einbringen und mit dem Tourniquet fi- on, Stent).
xieren. Venen werden im »reversed« Umkehr- oder im In-situ-
7 Retrograde Angiographie der Beckenetage; falls Verfahren transplantiert (7 Abschn. 4.4.1).
eine Dissektion entstanden ist, Einlage eines An jeder Körperregion kann ein Venenbypass angelegt
Stents (7 Abschn. 4.5). werden. Die Begleitvene kann verwendet werden. Bei einer
7 Bildwandler entfernen, Rückfluss aus der APF und Infektion ist das oft die letzte Möglichkeit, einen Therapie-
4 der AFS prüfen, ggf. die AFS mit einer Umste- erfolg zu erzielen.
chungsligatur verschließen.
7 Spülen des Lumens mit Heparinlösung, Lösen von kPrinzip
Plaqueresten, evtl. Stufennaht. Transplantation der V. saphena magna von der A. femora-
7 Polyesterpatch an den Enden zurechtschneiden lis auf eine distal gelegene Arterie, anatomisch (z. B. auf die
und einnähen. A. poplitea oder A. tibialis posterior) oder extraanato-
7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anasto- misch (z. B. auf die A. tibialis anterior).
mose gedrückt. Die Entnahme der Vene für einen Reversed- oder
7 Einlegen einer Redon-Drainage. orthograden Bypass erfolgt über mehrere Hautabschnitte in
7 Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrol- endoskopischer Technik. Wichtig ist die Markierung der
le, Dokumentation, schichtweiser Wundver- entnommenen Vene (z. B. mit einer Bulldogklemme), um
schluss, Verband. die Venenklappen für den Bypass auszuschalten.

kIndikation
4 Verschluss eines längeren Abschnitts der arteriellen
4.6.4 Venenbypass mit endoskopischer Blutversorgung im Bein durch stenosierende AVK,
Venenentnahme Aneurysma der A. poplitea.

Mit »Venenbypass« ist i. d. R. ein Bypass an der unteren kInstrumentarium


Extremität gemeint. Er verläuft hier von der Femoralisga- 4 Grundinstrumente,
bel, der A. profunda femoris oder auch weiter distal von 4 Kurze Gefäßinstrumente,
der A. femoralis superficialis zum Pop.-I-Segment, zum 4 Mikroinstrumente,
Pop.-III-Segment, an den Truncus tibialis oder aber an 4 ggf. Instrumente für die endoskopische Venenentnah-
eines der Unterschenkelgefäße (7 Abschn. 4.4.1). Unter me (. Abb. 4.68),

. Abb. 4.68 Instrumente für die endoskopische Venenentnahme. (Fa. Storz): a »Schlitten«, b Optik (0° oder 30°), c Overholt und Schere,
d Ringsonden, e Clipapplikatorzange
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
297 4
4 Haltebänder, Loops, Clips,
4 in Bereitschaft: wird der nicht eröffnete Anteil mit den Fingern
5 Ringstripper, unterminiert.
5 Embolektomiekatheter in verschiedenen Größen, 7 Absetzen der V. saphena magna und Aufbereiten:
5 hydrophiler Draht, – Die Vene wird mit Heparin-Ringer-Lösung auf-
5 Schleuse, gefüllt und begutachtet, ob sie sich genügend
5 Embolektomiekatheter mit Zentralkanal (Fogarty- aufdehnt, somit Bypass-tauglich ist.
Thru oder Over-the-wire), – Ist sie sehr sklerotisch und unflexibel und hat
5 Gefäßprothese (falls die Vene nicht als Transplantat zudem noch einen geringen Durchmesser, ist
geeignet ist), es besser, eine Prothese zu verwenden
5 Bildwandler und Strahlenschutz. – Alle Seitenäste werden entweder mit dünnen,
nicht resorbierbaren Ligaturen (4–0 gefloch-
kMedikamente ten) oder mit sehr feinen Gefäßnähten (7–0)
4 Heparin, verschlossen. Aufbewahren in Heparin-Rin-
4 Kontrastmittel zur Kontrollangiographie, ger-Lösung.
4 ggf. Actilyse, 7 Aufsuchen der A. femoralis comm. (AFC), An-
4 ggf. Prostavasin. schlingen mit einem Halteband, ggf. Anlegen
eines Tourniquet.
kLagerung/Abdeckung 7 Aufsuchen der A. profunda femoris (APF) und
4 Rückenlage, A. femoralis superficialis (AFS) und mit je einem
4 Hüfttuch bei einseitigem Vorgehen, Halteband anschlingen.
4 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu beiden Bei- 7 Freipräparieren aller Gefäße von ihren Begleitve-
nen (falls die Vene vom kontralateralen Bein entnom- nen und -nerven.
men werden muss). 7 Gedoppeltes Anschlingen aller Seitenäste mit fei-
nen Loops.
7 Abklemmen der AFC mit einer Pilling-Klemme.
Femoropoplitealer Bypass auf das Segment III 7 Abklemmen der APF mit eine 120°-Klemme klein.
mit endoskopischer Venenentnahme 7 Abklemmen der AFS mit einer 120°-Klemme groß.
7 Hautschnitt medial am distalen Oberschenkel. 7 Inzision mit dem Stichskalpell, Erweiterung der
7 Aufsuchen der V. saphena magna, Clippen der Sei- Arteriotomie mit der Potts-Schere.
tenäste. 7 Gibt es einen proximalen Verschluss, weiteres Vor-
7 Einbringen des Operationsschlittens (inkl. Optik) gehen wie in »Profundaplastik« beschrieben, mit
und vorsichtiges Vorschieben. dem Versuch, einen hydrophilen Draht in die Aor-
7 Aufladen der Vene auf die Ringsonde und vorsich- ta zu schieben.
tiges Präparieren. 7 Ist das Gefäß bypasstauglich, die Vene in einen
7 Unter Monitorkontrolle die weiteren Seitenäste feuchten Streifen einlegen, das markierte Ende für
der Vene clippen und durchtrennen. die Anastomose vorbereiten und Nähen der obe-
7 Weiteres Vorschieben des Schlittens und der ren Anastomose End-zu-Seit oder End-zu-End (je
Ringsonde bis zur Leiste. nach Vorbehandlung des Spendergefäßes).
7 Lateromedialer Längsschnitt unterhalb des Leis- 7 Konnte die Vene nicht umgedreht werden, weil sie
tenbandes, Präparieren von lateral nach medial, sich am distalen Ende zu sehr verjüngt, werden
um die Lymphbahnen zu schonen. nach Anlage der Anastomose die Venenklappen
7 Aufsuchen der Einmündung der V. saphena magna mit einem Valvulotom zerstört.
in die V. femoralis, Absetzen mit einem Overholt, 7 Prüfen des Blutflusses und temporärer Verschluss
Durchstechungsligatur nach zentral (. Abb. 4.69). der Vene mit einer Mikrobulldogklemme.
7 Entfernen des Schlittens und der Ringsonde, 7 Temporäres Deponieren der Vene im proximalen
Durchziehen des proximalen Anteils der Vene Schnitt in einem feuchten Streifen.
nach distal. 7 Erweiterung des distalen Schnitts in die Tiefe und
7 Weiterer Hautschnitt unterhalb des Knies, Aufsu- Freipräparieren der A. poplitea, anschlingen.
chen der V. saphena magna und auch hier Präpa- 7 Vorsichtiger Durchzug der Vene unter den noch
rieren nach proximal bis zum losen Ende. Hierfür verschlossenen Hautarealen mit einem Tunnelator
6 6
298 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4.6.5 Extraanatomischer Prothesenbypass


oder einer langen Kornzange (Rotation vermei-
den! . Abb. 4.70). kPrinzip
7 Ausklemmen der A. pop. aus dem Kreislauf mit Fe- Transplantation einer Polyesterprothese extraanatomisch
moralis- und 120°-Klemme. (nichtanatomischer Verlauf).
7 Arteriotomie in üblicher Weise, Inspektion des
Empfängergefäßes, ggf. Anlage einer Haltenaht
(sie hält das Gefäß offen und erleichtert somit die Mögliche Verläufe
4 Anastomose). 4 Femorofemoraler Cross-over-Bypass
7 Zurechtschneiden der Vene und End-zu-Seit- 4 Axillofemoraler Bypass
Anastomose mit zwei Gefäßnähten in der üb- 4 Femorokruraler Bypass auf die A. tibialis anterior
lichen Vorgehensweise (siehe Einnähen eines Pat- oder A. fibularis
ches z. B. bei Carotis-OP). 4 Femorofemoraler Bypass (. Abb. 4.71) extraana-
7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anasto- tomisch von einer zur anderen Seite, Verlauf ober-
mose gedrückt. halb der Symphyse im Subkutanbereich (wichtig:
7 Einbringen der Angiographiekanüle mit Heidel- solche Patienten dürfen wegen der Keimver-
berger Verlängerung, Angiographie des kom- schleppung keinen suprapubischen Katheter be-
pletten Beins. kommen!)
7 Einlegen von Redon-Drainagen.
7 Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrol-
le, Dokumentation, schichtweiser Wundver-
schluss, Verband.
7 Bei einem In-situ-Bypass werden jeweils nur die
beiden Enden der Vene präpariert und anastomo-
siert. Anschließend werden unter Angiographie-
kontrolle alle Seitenäste gesondert aufgesucht
und geclipt.

. Abb. 4.69 Femoropoplitealer Venenbypass: Venenentnahme

. Abb. 4.71a, b Extraanatomische Bypassformen. (Nach Lüdtke-


. Abb. 4.70 Femoropoplitealer Venenbypass: Tunnelierungsmanöver Handjery 1981)
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
299 4
kIndikation
4 Verschlüsse (meist längerstreckig), 7 Rahmen entfernen, feuchtes Bauchtuch einlegen.
4 Protheseninfekt (z. B. Aorta). 7 Lateraler Längsschnitt unterhalb des Leisten-
bandes, Präparieren von lateral nach medial, um
kInstrumentarium die Lymphbahnen zu schonen.
4 Kurze und lange Grundinstrumente, 7 Freipräparieren der Femoralisgabel wie beschrie-
4 kurze und lange Gefäßinstrumente, ben.
4 Bauchhaken, 7 Aufsuchen der A. femoralis comm., der A. profun-
4 ggf. Balfour-Sperrer oder z. B. Bookwalter-Retraktor, da femoris (APF) und der A. femoralis superficialis
4 Durchzuginstrument (Tunnelator, lange Kornzange), (AFS) und mit je einem Halteband anschlingen.
4 Haltebänder, Loops, Clips, 7 Gedoppeltes Anschlingen aller Seitenäste mit fei-
4 Polyesterprothese. nen Loops.
7 Vorsichtiger Durchzug der Prothese unterhalb des
kMedikamente Leistenbandes mit Kornzange oder Tunnelator.
4 Heparin. Rotation ist zu vermeiden!!
7 Ausklemmen und Eröffnen der Femoralisgabel.
kLagerung/Abdeckung 7 Inspektion der Femoralisgabel, Überprüfen der
4 Rückenlage, OP-Tisch wie beschrieben aufgeklappt Anschlussfähigkeit.
(7 Abschn. 4.3), 7 Ist das Gefäß bypasstauglich, wird die Prothese
4 hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu bei- zurechtgeschnitten und anschließend eine End-
den Leisten. zu-Seit-Anastomose durchgeführt.
7 Kurz vor Fertigstellung der Anastomose, »Flu-
shen« von beiden Seiten und Ausspülen der Anas-
Extraperitonealer iliakofemoraler Bypass tomose mit Heparin-Ringer-Lösung.
7 Flankenschnitt von der Spitze der 12. Rippe 7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anasto-
schräg verlaufend bis zur lateralen Begrenzung mose gedrückt.
der Rektusscheide. 7 Einlegen einer Redon-Drainage in den Leisten-
7 Durchtrennen der Faszien des M. obliquus exter- schnitt.
nus, internus et transversus abdominis. Präparie- 7 Einlegen einer Kapillardrainage (z. B. Medidrain,
ren bis auf das Peritoneum. Blake).
7 Vorsichtiges stumpfes Abschieben des Bindege- 7 Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrol-
webes vom Peritoneum. Sollte es dennoch einrei- le, Dokumentation, schichtweiser Wundver-
ßen, den Riss sofort verschließen. schluss, Verband.
7 Aufsuchen der A. iliaca comm. bzw. ext. und An-
schlingen, Cave: die Vena iliaca verläuft besonders
dicht an der Arterie.
7 Eindeutiges Identifizieren des Ureters, ggf. An- Axillofemoraler Bypass
schlingen. 7 Freilegen der Femoralisgabel in üblicher Weise.
7 Zurückdrängen des Peritonealsacks nach medial 7 Freilegen der A. axillaris durch einen Querschnitt
und Einbringen einer Selbsthaltevorrichtung 1 cm unterhalb der Klavikula nach lateral.
(Rahmensystem). 7 Darstellung, Anschlingen und Ausklemmen der
7 Mobilisierung der anschlussfähigen A. iliaca. A. axillaris, Längsinzision.
7 Ausklemmen der A. iliaca aus dem Kreislauf mit 7 Inspektion des Gefäßlumens und Nähen einer
langen Gefäßklemmen. End-zu-Seit-Anastomose mit einer beringten
7 Arteriotomie in gewohnter Weise oder Durchtren- Dacronprothese.
nen des Gefäßes und Umstechungsligatur mit ei- 7 Abklemmen der Prothese und Prüfen der Anasto-
ner nicht resorbierbaren geflochtenen Naht. mose.
7 Inspektion des Gefäßes, ggf. kleinere Kalkablage- 7 Einlage eines feuchten Streifens.
rungen entfernen. 7 Vorbereiten des lateral verlaufenden Gewebe-
7 End-zu-End- oder End-zu-Seit-Anastomose mit ei- tunnels. Da es oft nicht möglich ist, in einem Ar-
ner Dacronprothese. beitsschritt mit dem Tunnelator nach distal vor-
6 6
300 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4 langes Venen- oder Nervhäkchen,


zudringen, werden quere Hilfsinzisionen der Haut 4 Clipzange.
benötigt.
7 Längsinzision der vorbereiteten Femoralisgabel, kLagerung
Inspektion des Gefäßlumens. 4 Rückenlagerung,
7 Kürzen der Prothese und Entfernen der Ringe aus 4 Gelrolle unter die Flanke der zu operierenden Seite.
dem Anastomosenbereich. 4 Der Tisch wird aufgeklappt, evtl. etwas seitlich ge-
7 Nähen einer End-zu-Seit-Anastomose auf die Fe- kippt,
4 moralisgabel. 4 Armauslagerung auf der OP-Seite,
7 Kurz vor Fertigstellung der Anastomose »Flushen« 4 Anlegen der neutralen Elektrode nach Vorschrift.
von beiden Seiten und Ausspülen der Anastomo-
se mit Heparin-Ringer-Lösung. kAbdeckung
7 Zur Blutstillung wird ein Streifen auf die Anasto- Meist erfolgt die Sympathektomie in Kombination mit
mose gedrückt. einem Gefäßeingriff, dann ist die Abdeckung entsprechend
7 Einlegen einer Redon-Drainage in den Leisten- zu erweitern.
schnitt.
7 Einlegen einer Redon-Drainage in den subklaviku- kZugang
lären Schnitt. Retroperitoneal.
7 Instrumente und Textilien entfernen, Zählkontrol-
le, Dokumentation, schichtweiser Wundver-
schluss, Verband. Lumbale Sympathektomie
7 Flankenschnitt: von der Spitze der 12. Rippe
schräg verlaufend bis zur lateralen Begrenzung
der Rektusscheide. Durch Wechselschnitt (Apo-
4.6.6 Lumbale Sympathektomie neurose des M. obliquus externus abdominis o
M. obliquus internus o M. transversus) gelangt
kPrinzip man auf das Peritoneum.
Durch die Entfernung des 2. und 3.–5. Lumbalganglions 7 Das Peritoneum wird nicht eröffnet, sondern mit
wird die sympathische Gefäßinnervation des Beines von der tiefen Haken nach medial abgedrängt.
Oberschenkelmitte nach peripher unterbrochen. Die Eng- 7 Nun ist die Wirbelsäule zu tasten. Der Grenzstrang
stellung der Gefäße (Vasokonstriktion) wird aufgehoben. verläuft retroperitoneal auf den vorderen seit-
Ein operatives Verfahren steht nicht mehr im Vorder- lichen Anteilen der Wirbelsäule.
grund, sondern CT-gestützte Lyseverfahren. Dabei werden 7 Eingehen auf die Wirbelsäule rechtsseitig zwi-
die Ganglien kontrolliert punktiert und mit einer alkohol- schen V. cava und M. psoas, linksseitig zwischen
haltigen Lösung gezielt zerstört. Aorta und M. psoas.
7 Der Grenzstrang ist gut zu tasten, seine Struktur
kIndikation ist derb. Präparation und Anheben des Stranges
4 Arterielle Gefäßverschlüsse des Unterschenkels evtl. mit dem Venenhäkchen. Absetzen und Clipmar-
in Kombination mit Verschlüssen der Becken-Ober- kierung des lumbalen Sympathikusstranges in
schenkel-Etage. Die lumbale Sympathektomie wird Höhe des Promontoriums (deutlicher Vorsprung
manchmal als zusätzliche Maßnahme bei einigen re- der Wirbelsäule am Übergang von der LWS zum
konstruktiven Gefäßeingriffen durchgeführt (Triaden- Kreuzbein, der ins Becken hineinreicht), dann wei-
operation). tere Präparation nach kranial auf einer Strecke
4 Bei AVK in der Beckenetage mit zusätzlichen Ver- von 8–10 cm. Es sollen mindestens 3 Ganglien
schlüssen von Unterschenkelarterien. Die lumbale entfernt werden.
Sympathektomie wird in Kombination mit der retro- 7 Blutstillung, Instrumente und Textilien entfernen,
peritonealen Rekonstruktion vorgenommen. Zählkontrolle, Dokumentation, evtl. Redon-Drai-
4 Mikroangiopathie. nage, schichtweiser Wundverschluss, Verband.

kInstrumentarium
4 Kurzes und langes Grundinstrumentarium, ! Das Präparat muss histologisch untersucht werden.
4 tiefe Haken (z. B. Leberhaken), Wundspreizer (z. B. nach Bei männlichen Patienten kann die beidseitige
Finocchietto, nach Balfour, s. . Abb. 4.26, . Abb. 4.27), Sympathektomie zu Potenzstörungen führen.
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
301 4
4.6.7 Thorakale Sympathektomie 4.6.8 Transperitonealer Aortenersatz

kPrinzip kPrinzip
Thorakoskopische Entfernung einiger Ganglien des Ersatz der Aorta abdominalis mit einer Polyesterprothese.
N. sympathicus im thorakalen Abschnitt. Für den Verlauf der Operation ist es erforderlich, zu wis-
sen, in welcher Höhe das Aneurysma proximal beginnt:
kIndikation 4 Infrarenales Aneurysma: Das Aneurysma beginnt un-
4 Stenosierende AVK der oberen Extremität. terhalb der Nierenarterienabgänge, die Aortenklem-
4 Hyperhidrosis (exzessive Schweißbildung an den me kann unterhalb platziert werden.
Händen). 4 Juxta- oder pararenales Aneurysma: Das Aneurysma
beginnt direkt an den Nierenarterienabgängen oder
kInstrumentarium bezieht sie mit ein. Die Gefäßwand ist kurz unterhalb
4 Thorakoskopische Instrumente (7 Kap. 6), der Abgänge der Nierenarterien noch intakt, für die
4 Optik und Lichtkabel, Aortenklemme jedoch zu kurz, sie muss oberhalb der
4 Bereitstellung des Videoturms. Abgänge platziert werden, die Prothese kann aber un-
terhalb eingenäht werden.
! Die Patienten bekommen einen Doppellumentu-
4 Suprarenales Aneurysma: Das Aneurysma beginnt ober-
bus, weil die Lunge einseitig entlüftet wird, um an
halb der Abgänge der Nierenarterien, möglicherweise
der Thoraxhinterwand den N. sympathicus zu sehen.
sind auch eine oder beide Nierenarterien aneurysma-
tisch verändert und müssen mit rekonstruiert werden.
kLagerung/Abdeckung
! Müssen die Nieren für die Zeit der Anastomose
4 Stabile Seitenlage auf einer Vakuummatte (. Abb. 4.45),
aus dem Kreislauf ausgeklemmt werden, sollten
4 den ipsilateralen Arm in einer Göbel-Stütze so tief
sie durch die Instillation von heparinisierter ge-
wie möglich lagern (damit die Optik kreisend bewegt
kühlter Ringer-Lösung (4°C) heruntergekühlt
werden kann).
werden. Eine geringere Kerntemperatur verlang-
4 4-Tuch-Abdeckung unter freiem Zugang zur Wirbel-
samt den Stoffwechsel, die Nieren können eine
säule, zur Axilla und den Mamillen.
längere Abklemmzeit tolerieren, ohne einen
funktionellen Schaden zu nehmen.
Thorakale Sympathektomie
7 Hautschnitt im 3. oder 4. ICR. kIndikation
7 Erweitern mit der Schere. 4 Aneurysma des Pars abdominalis der Aorta, mit oder
7 Die betroffene Lunge wird von der Beatmung ge- ohne Beteiligung der Gefäße im weiteren Verlauf
nommen. (Aa. renales, Aa. iliacae ext. et int.). Je nach Indika-
7 Einbringen von 2 Trokaren (ID: 10–12 mm). tion ist die Rekonstruktion mit einer Rohrprothese
7 Einbringen der Optik und eines Taststabes. oder einer Y-Prothese möglich. Für den Ersatz der
7 Inspektion der Thoraxhöhle. Nierenarterien gibt es spezielle, sehr dünnwandige
7 Einbringen eines dritten Trokars. Prothesen, für eine evtl. nötige Rekonstruktion der
7 Weghalten der Lunge (mit Taststab oder Endo- Iliacagabel reicht i. d. R. die Länge der Prothesen-
Retract). schenkel an der Y-Prothese aus.
7 Aufsuchen der ersten Rippe als Orientierungshilfe.
7 Inzision des Rippenfells mit dem Elektrohaken. kInstrumentarium
7 Aufsuchen des N. sympathicus. 4 Kurze und lange Grundinstrumente,
7 Freipräparieren des N. sympathicus nach kaudal 4 kurze und lange Gefäßinstrumente,
über eine Strecke von ca. 5–8 cm (Orientierungs- 4 Bauchhaken,
punkte sind 2 Ganglien). 4 Bauchdeckenrückhaltesystem z. B. Bookwalter-Re-
7 Absetzen des freien Stücks Sympathikus (Histologie). traktor, Rochard-Haken,
7 Ggf. Blutstillung. 4 Haltebänder, Loops, Clips,
7 Einbringen einer Thoraxdrainage. 4 Polyesterprothese,
7 Entfernen aller Trokare, Instrumente und Textilien, 4 ggf. gekühlte Ringer-Lösung für die Nierenprotektion.
Zählkontrolle, Dokumentation, evtl. Redon-Drai-
nage, schichtweiser Wundverschluss, Verband. kMedikamente
Heparin.
302 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage, OP-Tisch aufgeklappt (7 Abschn. 4.3), 7 Die A. mesenterica inferior wird geprüft: wenn ein
4 hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu bei- guter oder kein Blutrückfluss vorhanden ist, wird
den Leisten. das Gefäß unterbunden. Gibt es nur einen
schwachen Rückstrom, wird das Gefäß in die Pro-
these eingenäht.
Rekonstruktion der infrarenalen Aorta 7 Sind alle Anastomosen genäht, werden sie noch
abdominalis einmal auf Dichtigkeit kontrolliert.
4 7 Hautschnitt vom Sternum bis zur Symphyse, der 7 Zählkontrolle aller Instrumente und Textilien, Do-
Nabel wird links umschnitten, oder quere Ober- kumentation, schichtweiser Wundverschluss. Be-
bauchlaparotomie. gonnen wird mit dem Aneurysmasack, der über
7 Präparieren bis auf die Faszie mit monopolarem der Prothese verschlossen wird, um den direkten
Strom. Kontakt der Darmschlingen mit der Prothese zu
7 Zwischen zwei Pinzetten wird mit der Schere das vermeiden. Langfristig könnte es sonst zu einer
Peritoneum eröffnet. aortoduodenalen Fistel kommen.
7 Vollständige Eröffnung des Bauchraumes. 7 Ist die Indikation zur Y-Prothese nicht ein Aneu-
7 Inspektion des Bauchraumes. rysma, sondern eine Stenose (z. B. in der Bifurkati-
7 Umlegung der Schnittränder mit feuchten Bauch- on), erfolgt der Anschluss an die Aa. femorales un-
tüchern, Einsetzen des Rochardhakens und des terhalb des Leistenbandes. Die proximale Anasto-
Retraktors. mose wird dann als End-zu-Seit-Anschluss genäht.
7 Verlagern des Dünndarmkonvoluts auf einem Dadurch können die Lumbalgefäße und auch die
feuchten Bauchtuch über die rechte Bauchseite A. mesenterica inf. offen bleiben. Das Blut wird
nach außen. über den Bypass zu den Beinen umgeleitet.
7 Einsetzen von selbsthaltenden oder fixierbaren
Haken.
7 Eröffnen des Retroperitoneums.
7 Anschlingen der A. mesenterica inferior mit einem 4.6.9 Thorakaler Aortenersatz
feinen Loop.
7 Bei einer Y-Prothese werden die Aa. iliacae comm. kPrinzip
und/oder int. und ext. angeschlungen. Ersatz von Teilen der thorakalen Aorta mit einer Polyester-
7 Abklemmen der Aorta mit einer Gefäßklemme. prothese. Für den Verlauf der Operation ist es erforderlich
7 Abklemmen der Iliacalgefäße. zu wissen, in welchem Abschnitt der thorakalen Aorta sich
7 Inzision der Aorta und weiteres Eröffnen. das Aneurysma befindet:
7 Digitale Ausräumung und Entfernen der Throm- 4 Aorta ascendens: Beginnt am linken Ventrikel und
ben, weitere Kalkablagerung mit einer stumpfen endet am Truncus brachiocephalicus
Kürette entfernen. 4 Aortenbogen: Beginnt hinter dem Truncus brachioce-
7 Blutende Lumbalgefäße werden mit gefloch- phalicus und endet am Abgang der A. subclavia sinistra
tenen, nicht resorbierbaren Nähten umstochen. 4 Aorta descendens: Beginnt hinter der A. subclavia
7 Ggf. Anlegen von Haltefäden an beide Seiten der sin. und endet am Zwerchfell
Aneurysmawand.
7 Einnähen der Prothese (End-zu-End) in die vorbe- ! Ein Ersatz am Aortenbogen kann nur unter
reitete proximale Aorta. Nach Fertigstellung der Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine erfolgen
oberen Anastomose wird die Prothese etwas un- (7 Kap. 7), während eine Transposition der ab-
terhalb der Anastomose mit einer Gefäßklemme zweigenden Gefäße des Aortenbogens ohne
abgeklemmt und die Aortenklemme gelöst. Die HLM möglich ist (7 Abschn. 4.6.11).
Anastomose wird auf Dichtigkeit geprüft, ein
Streifen wird eingelegt. kIndikationen
7 Vorbereiten des unteren Anteils der Aorta, bzw. 4 Aneurysma und/oder Dissektion der thorakalen Aor-
der Iliacalgefäße für die Anastomose(n). ta. Je nach Indikation ist die Rekonstruktion offen mit
7 Nähen der unteren Anastomose bzw. der iliacalen einer Rohrprothese oder interventionell mit einer
Anschlüsse (. Abb. 4.72). Stentprothese (7 Abschn. 4.5) möglich.
6 4 Bei Implantation einer Stentprothese im Aortenbogen
müssen die abzweigenden Gefäße transponiert wer-
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
303 4

c d

. Abb. 4.72a–d Bauchaortenaneurysma. a Die Klemme ist bereits über der Prothese wieder verschlossen werden (»Graft-inclusion-
gesetzt, die gestrichelte Linie zeigt die Schnittführung zur Eröffnung Technik«). d Ersatz der Bauchaorta und der Beckengefäße mit einer
des kranken Aortenbereichs. b Ersatz der Bauchaorta durch die Y-Prothese. (Nach Bauer u. Ennker 2003)
Rohrprothese. c Die verbleibende kranke Aortenwand kann nun

den. Dafür steht das Hybridverfahren (7 Abschn. 4 Rippenspreizer (Finochietto, Balfour),


4.6.11) zur Verfügung. 4 ggf. Sternumsäge (Aorta ascendens),
4 Es werden arteriosklerotisch bedingte von trauma- 4 Haltebänder, Loops, Clips,
tisch bedingten Aneurysmen unterschieden. Die 4 primär dichte Polyesterprothesen in großen Kalibern
traumatisch bedingten Aneurysmen sind meist Folge (20–30 mm),
eines Dezellerationstraumas (der Körper schlägt mit 4 großkalibrige Thoraxdrainagen,
hoher Geschwindigkeit auf einen ruhenden Gegen- 4 ggf. auf 4°C gekühlte Ringer-Lösung.
stand auf). Durch das Trauma kommt es zu einem
Einriss der Aortenwand, ein pulsierendes Hämatom kMedikamente
kann die Folge sein. 4 Heparin,
4 Prostavasin (für die Nierenprotektion).
kInstrumentarium
4 Kurze und lange Grundinstrumente, kLagerung/Abdeckung
4 lange Gefäßinstrumente, 4 Rückenlage bei Eingriffen an der Aorta ascendens: 4-
4 Instrumente zur Thoraxeröffnung (Rippenschere, Tuch-Abdeckung oder U-Tuch-Abdeckung, proximal
Raspatorium nach Doyen, Rippenretraktor; muss das Jugulum frei sein,
7 Kap. 6), 4 Rückenlage bei Stentimplantation, 4-Tuch-Abde-
4 lange Haken, ckung, beide Leisten frei,
304 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4 stabile Seitenlage rechts bei Eingriffen an der thoraka-


len Aorta: 4-Tuch-Abdeckung,
4 die Patienten werden für offene thorakale Eingriffe in
a
Seitenlage immer mit einen Doppel-Lumen-Tubus in-
tubiert, mit dem beide Lungenflügel getrennt vonein- b
ander beatmet werden können. Ist der Thorax eröff-
net, wird der linke Lungenflügel aus der Beatmung c
genommen. Dies ist erforderlich, um an der kollabier-
d
4 ten Lunge vorbei präparieren zu können.

. Abb. 4.73 Perfusionssystem: a flexible Aortenkanüle 24 F, b Ad-


4.6.10 Thorakoabdominaler Aortenersatz apter, c Verbindungssystem, d Perfusionskatheter. (a+c Beispiele: Fa.
Edwards Lifesciences, d Beispiel: Fa. LeMaitre, b Beispiel: Fa. CallMed)

kPrinzip
Ersatz des thorakoabdominalen Aortenabschnitts, der sich 4 lange Haken,
von der zwerchfellnahen thorakalen Aorta bis zu den Nie- 4 ggf. Laparotomieinstrumente,
renarterien oder weiter nach distal erstreckt, mit einer Po- 4 ggf. Bauchdeckenrückhaltesystem z. B. Bookwalter-
lyesterprothese. Alle Veränderungen der Aorta in diesem Retraktor, Rochard-Haken,
Bereich werden über einen Zweihöhleneingriff mit Durch- 4 Haltebänder, Loops, Clips,
trennung des Zwerchfells versorgt. 4 primär dichte Polyesterprothesen in großen Kalibern
Um die Ischämiezeit (Zeit der »Nichtdurchblutung«) (20–30 mm),
so kurz wie möglich zu halten, gibt es mehrere Möglich- 4 großkalibrige Thoraxdrainagen,
keiten: 4 ggf. Aortenkanüle, Verbindungssystem und Katheter
4 Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine oder eine für die intraoperative Perfusion (. Abb. 4.73),
Bio-Pumpe (aktives Bypassverfahren), 4 Linearcutter für die Zwerchfelldurchtrennung,
4 vorherige Anlage eines großkalibrigen axillofemo- 4 ggf. auf 4°C gekühlte Ringer-Lösung.
ralen Bypasses auf der rechten Körperseite (passives
Bypassverfahren). Der Abfluss in die Kollateralen kMedikamente
während der Abklemmzeit ist nicht behindert, der lo- 4 Heparin,
kale Druck in der Aorta sinkt, retrograd bekommen 4 Prostavasin (für die Nierenprotektion).
alle Organe mehr Blut,
4 Punktieren des axillofemoralen Bypasses mit einer kLagerung/Abdeckung
Aortenkanüle und Anlage eines Schlauch- und Kathe- 4 Kombinierte Rücken-Seiten-Lage bei Eingriffen an
tersystems zur intraoperativen Perfusion der Nieren der thorakoabdominalen Aorta (7 Abschn. 4.3.2),
und der A. mesenterica superior. 4 Hohe 4-Tuch-Abdeckung mit freiem Zugang zu bei-
den Leisten und der rechtsseitigen Axilla (um den
Alle betroffenen Abgänge (Truncus coeliacus, A. mesenteri- temporären axillofemoralen Bypass am Ende der OP
ca superior, Aa. renalis sinistra et dextra) müssen anschlie- entfernen zu können,
ßend wieder in die Prothese eingenäht (reinseriert) werden. 4 Doppellumentubus (7 Abschn. 4.6.7).
Diese Operation eines TAAA (thorakoabdominales Aor-
tenaneurysma) ist durch die Hybridoperation weitestgehend
verdrängt worden, wenn die Ausschaltung des Aneurysmas 4.6.11 Hybridoperationen
mit einer Stentprothese vorher nicht möglich war.
Die Weiterentwicklung der interventionellen Techniken
kIndikation hat in den vergangenen Jahren die Gefäßchirurgie revolu-
4 Aneurysma und/oder Dissektion der thorakoabdomi- tioniert. Insbesondere die Aortenrekonstruktion hat sich
nalen Aorta. durch die Hybridoperation entscheidend verändert. Kon-
ventionelle Operation und endovaskuläre Techniken er-
kInstrumentarium gänzen sich, sodass die traumatischen und die kardiopul-
4 Kurze und lange Grundinstrumente, monalen Belastungen reduziert werden.
4 lange Gefäßinstrumente, Diese Kombinationseingriffe können ein- oder zwei-
4 Instrumente zur Thoraxeröffnung (Rippenschere, zeitig durchgeführt werden. Ein einzeitiges Vorgehen ist
Raspatorium nach Doyen, Rippenretraktor), bei der Versorgung einer peripheren AVK obligat.
4.6 · Weitere Operationsbeispiele
305 4
Ist der Zustrom aus dem Beckengefäß in die Femoral-
arterie nicht ausreichend, kann eine evtl. vorhandene Ste-
nose der A. iliaca mit einem Dilatationskatheter beseitigt
oder ein Stent appliziert werden. Dieses Verfahren hat auch
in der Aortenrekonstruktion von thorakoabdominalen
Aortenaneurysmen (TAAA) Einzug gehalten.
Sog. Debranchingoperationen (»debranch« = engl.
entasten) ermöglichen es, ohne den Einsatz einer Herz-
Lungen-Maschine und mit vergleichsweise kurzen Ab-
klemmzeiten ein TAAA zu versorgen.

Viszerales Debranching
kPrinzip
Rekonstruktion der Durchblutungssituation mittels einer
drei- oder vierschenkeligen Aortenprothese (Tripod/
Quadpod) über einen abdominalen Zugang. Die rele-
vanten Viszeralarterien (A. hepatica, A. mesenterica supe-
rior) sowie beide Nierenarterien werden in einen Bypass
eingenäht, der sie mit Blut aus der A. iliaca comm. dextra
versorgt (. Abb. 4.74).
In gleicher Sitzung kann auch – falls notwendig – der
interventionelle Zugangsweg (A. iliaca) durch die vorge- . Abb. 4.74 Hybridoperation: Rekonstruktion der Durchblutungssi-
schaltete Implantation einer konventionellen Y-Prothese tuation mit vierschenkeliger Aortenprothese
verbessert werden, wenn die Aortenwand infrarenal an-
schlussfähig ist.
Durch diese Transposition der viszeralen Durchblu- 4.6.12 Ablative Chirurgie
tung wird die Platzierung einer Stentprothese ermöglicht,
die von der Aortenbifurkation bis zum Abgang der Im Endstadium der AVK imponiert die Ischämie als Ne-
A. subclavia sinistra reicht. krose (Gangrän). Ist diese infiziert, spricht man von einer
feuchten Gangrän. Um eine Ausbreitung der Infektion zu
Aortenbogendebranching verhindern, muss das abgestorbene Gewebe entfernt, am-
kPrinzip putiert werden.
Transposition der supraaortalen Äste bei Aneurysmen des Das chirurgische Vorgehen bei Amputationen hängt
Aortenbogens bzw. zur Verlängerung der Landungszone vom Zustand der Extremität ab. Mögliche Amputationen,
für die Aortenstentprothese. von distal beginnend, sind:
4 Minoramputationen:
Subtotales Aortenbogendebranching 5 Zehenstrahlresektion(en),
Anlegen eines carotidosubclavialen Bypasses von rechts 5 sog. Spaltfußresektion (Zehenstrahl II–IV), inkl.
nach links mit Reinsertion der A. carotis communis Fußwurzelknochen,
(. Abb. 4.75). Diese Verlagerung ermöglicht eine Stentpro- 5 Vorfußamputation,
these, die vom Abgang des Tr. brachiocephalicus bis zum 5 distale Unterschenkelamputation.
Tr. coeliacus reicht oder darüber hinaus, wenn ein visze- 4 Majoramputationen:
rales Debranching vorgeschaltet war. 5 Unterschenkelamputation mit Kniegelenkexartiku-
lation,
Totales Aortenbogendebranching 5 Oberschenkelamputation,
Anlegen eines Bypasses von der Aorta ascendens 5 Oberschenkelentfernung mit Hüftgelenkexartiku-
zum Tr. brachiocephalicus und zur A. subclavia sinistra lation (sehr selten).
mit Reinsertion der A. carotis und subclavia (. Abb.
4.75b). Amputationen der oberen Extremität aufgrund von AVK
Diese Operation erfolgt über eine Sternotomie. Der sind sehr selten.
Pars ascendens wird tangential mit einer Satinsky-Klemme Wichtig bei Amputationen sind die richtige Schnitt-
ausgeklemmt (. Abb. 4.76); so ist der Einsatz einer Herz- ebene am Knochen (schräg nach proximal verlaufend), das
Lungen-Maschine auch hier nicht erforderlich. sorgfältige Feilen der Knochenränder und eine gute Pols-
306 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

a b

. Abb. 4.75a, b Partielles Bogenhybrid: a Extrathorakaler karotido- Anflanschen eines suprakoronaren aszendobrachiozephalen 10-mm-
subklavialer 8-mm-Dacron-Cross-over-Bypass prätracheal mit Re- Dacronbypasses mit jeweiliger Transposition von Subclavia und Ca-
insertion der linken A. carotis communis in den Bypass mit Über- rotis und Überstenten aller 3 supraaortischen Abgänge. (Nach Schu-
stenten der linken Subclavia und Carotis. b Komplettes Debranching macher 2009)
und totales Bogenhybrid: partielle Sternotomie, intraperikardiales

. Abb. 4.76 Tangentiale Wandausklemmung mit einer Satinsky- . Abb. 4.77 Amputationsinstrumente
Klemme. (Fa. Martin)

terung mit Muskel- und Fettgewebe, um dem Patienten das kInstrumentarium


spätere Tragen einer Prothese zu erleichtern. 4 Grundinstrumente,
4 Knochensäge (oszillierend, Handsäge oder Gigli-Säge),
kPrinzip 4 Gewebeschutz,
Entfernung des nicht durchbluteten Areals, einschließlich 4 Amputationsmesser (besonders scharf für das Aus-
des/der Knochen(s) und spezieller Wundverschluss. dünnen der Muskeln),
4 Knochenfeile (. Abb. 4.77),
kIndikationen 4 elastische Binden,
4 Irreversibler Verschluss aller zuführenden Gefäße, die 4 steriler Stift.
das Areal versorgen.
4 Nicht therapierbare aufsteigende Infektion. kLagerung/Abdeckung
4 Rückenlage (7 Abschn. 4.3),
4 Lochtuch und Stockinette.
4.7 · Erkrankungen des venösen Systems
307 4
Ursachen
Beinamputation 7 Abschn. 4.1.2.
7 Hautschnitt anzeichnen:
– Am Oberschenkel fischmaulartig medial und Risikofaktoren
lateral beginnend zur Mitte hin anlegen 4 Erbliche Vorbelastung,
– Am Unterschenkel schaufelartig anlegen; den 4 Schwangerschaft,
Strich über die vordere Tibiakante ziehen und 4 häufiges und langes Stehen,
medial wie lateral nach distal ca. 15 cm zur 4 Bewegungsmangel,
Wadenmuskulatur auslaufen lassen. 4 Übergewicht.
7 Hautschnitt entsprechend der angezeichneten Li-
nien. Komplikationen
7 Mit dem Skalpell weiter in die Tiefe präparieren. 4 Blutung,
7 Im Schnitt verlaufende Gefäße temporär abklem- 4 Ödembildung,
men und durchtrennen. 4 Entzündungen (Thrombophlebitis),
7 Gewebeschutz anlegen. 4 Ekzeme,
7 Tibia und Fibula bzw. Femur durchsägen. 4 Ulcus cruris.
7 Amputat abgeben, dies wird sorgfältig verpackt
und in die Pathologie zur histologischen Untersu- Therapie
chung gegeben. 4 Vorbeugend und lindernd Kompressions- oder Stütz-
7 Abgeklemmte Gefäße ligieren (Arterien werden strümpfe (konservative Behandlung),
umstochen). 4 Blutegelbehandlung,
7 Nerven evtl. mit Lokalanästhetikum umspritzen, 4 Sklerosierung (Varizenverödung),
um postoperative Schmerzen zu minimieren. 4 Laserbehandlung,
7 Sehnen weit kürzen. 4 chirurgisch-operativ (»Stripping« nach Babcock =
7 Muskulatur etwas ausdünnen (besonders die Wa- Stammvenenresektion inkl. Krossektomie [Venen
denmuskulatur, die sonst für den Schwenklappen nach Krosse sind Einmündungsvenen aus dem Be-
zu dick ist). reich der Leiste] und/oder Exhairese, das Herauszie-
7 Knochenkanten sorgfältig abfeilen. hen von Seitenästen),
7 Einlage zweier großkalibriger Redon-Drainagen. 4 induzierte Thermotherapie,
7 Nochmals Inspektion und Blutstillung. 4 bipolare Radiofrequenztherapie,
7 Nähen der Hautlappen mit kräftigen resorbier- 4 endoskopische Entfernung.
baren Nähten, Modellieren der Hautplastik, ggf.
Nachresezieren von Haut. Sekundäre Varikosis
7 Entfernen aller Instrumente und Textilien, Zähl- Sie entsteht meist als Folge einer Phlebothrombose (Verschluss
kontrolle, Dokumentation, Einlage einer Redon- der tiefen Beinvene). Durch den gestörten Abfluss erhöht sich
Drainage, schichtweiser Wundverschluss, Verband. der Druck im oberflächlichen System und die Hautvenen
übernehmen als Kollateralgefäße die Funktion der tiefen Ve-
nen. In diesem Fall dürfen die Venen nicht entfernt werden,
da sonst der venöse Rückfluss gänzlich zum Erliegen kommt.
4.7 Erkrankungen des venösen Systems
Therapiemöglichkeiten bei Varikosis
4.7.1 Erkrankungen der Hautvenen Varizenstripping
kPrinzip
Krampfadern (Varizen) sind knotig-erweiterte (oberfläch- Entfernung der V. saphena magna und/oder V. saphena par-
liche) Venen. Varikosis bedeutet eine ausgedehnte Krampf- va, inklusive ihrer Seitenäste mittels einer speziellen Sonde,
aderbildung. Betroffen sind vorwiegend die oberfläch- die vom Knöchel aus nach proximal im Gefäß vorgeschoben
lichen Venen der Beine (V. saphena magna et parva sowie wird. Diese Sonde wird in die Vene eingeknotet, mittels
deren Seitenäste). Die primäre wird von der sekundären eines aufgesetzten Sondenkopfes nach distal herausgezogen,
Varikosis unterschieden. Die Stadieneinteilung erfolgt um den N. saphenus zu schützen (OP nach Babcock; . Abb.
nach Hach (. Abb. 4.78). 4.79). Zuvor werden die varikösen Seitenäste gesondert ent-
fernt. Über Zusatzinzisionen werden die insuffizienten Äste
Primäre Varikosis mittels Haken oder Klemmen vor das Hautniveau gezogen
. Abb. 4.4. und unterbunden bzw. geclippt.
308 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

a b c d

. Abb. 4.78 Schematische Darstellung der 4 Stadien einer Stamm- Krankheitsbild entspricht der Seitenastvarikose der V. saphena ac-
varikose der V. saphena magna nach der topographischen Lokalisati- cessoria lateralis (Hach I). b Distaler Insuffizienzpunkt im Bereich des
on des distalen Insuffizienzpunkts. a Distaler Insuffizienzpunkt an Oberschenkels (Hach II), c am Unterschenkel (Hach III), d am Fuß
der Basis des anormal großen Mündungstrichters in der Leiste; das (Hach IV). (Aus Hach et al. 2007, mit frdl. Genehmigung)

. Abb. 4.79 Varizenoperation nach Babcock. Nach Aufsetzen des entsprechenden Extraktionssondenkopfes wird die Vene von der proxima-
len Inzision aus nach distal gezogen. (Nach Heberer et al. 1993)

Heute ist es üblich, eine stadiengerechte Therapie der kVorbereitung der Patienten
CVI (chronisch venöse Insuffizienz) vorzunehmen, bei der Die Varizen werden beim stehenden Patienten mit einem
ausschließlich die erkrankten Venenanteile entfernt werden, wasserfesten Stift angezeichnet. Perforansvenen werden
inkl. der varikösen Seitenäste. Eine sterile Blutsperre schützt gesondert gekennzeichnet (z. B. mit einem Kreis).
das umliegende Gewebe vor Einblutungen (Krossketomie).
kInstrumentarium
kIndikationen 4 Feine Grundinstrumente,
4 Symptomatische Varikosis mit Insuffizienz der Mün- 4 Hautspreizer,
dungsklappe (letzte Venenklappe der V. saphena ma- 4 Extraktionssonde (. Abb. 4.80) oder als Einmalmate-
gna vor ihrer Einmündung in die V. femoralis) und/ rial,
oder insuffizienten Vv. perforantes, 4 elastische und Babcockbinden.
4 kosmetische Gründe.
4.7 · Erkrankungen des venösen Systems
309 4
Venenthrombosen betreffen zum überwiegenden Teil die
Beine und das Becken; die Arme und der Schultergürtel
sind seltener betroffen.

Ursachen
Siehe Pathophysiologie. Außerdem kommt eine Phlegma-
sia coerulea dolens in Betracht, eine Sonderform der Phle-
bothrombose, die sehr plötzlich auftritt und alle Venen des
Beines betrifft.

Komplikationen
4 Stauungen und subfasziale Ödeme (Kompart-
mentsyndrom),
4 postthrombotisches Syndrom,
4 reflektorische arterielle Minderdurchblutung (Gewe-
beschädigung),
4 Lungenembolie.

Therapie
4 Thrombektomie,
4 Faszienspaltung,
4 Antikoagulation,
4 Lysetherapie,
4 Kompressionsverband,
4 ggf. Anlage einer arteriovenösen Fistel.

Thrombektomie einer tiefen


Bein-Becken-Venenthrombose
kPrinzip
. Abb. 4.80 Nabatoff, Varizenbesteck. (Fa. Martin) Entfernung von Thromben aus V. cava, V. iliaca, V. femo-
ralis und den tiefen Beinvenen.

kLagerung kIndikationen
4 Rückenlagerung (V. saphena magna) oder Bauchlage- 4 Thrombose der tiefen Venen (nicht älter als 14 Tage),
rung (V. saphena parva), 4 Phlegmasia coerulea dolens (eine plötzlich auftre-
4 Neutralelektrode nach Vorschrift. tende Sonderform der Phlebothrombose);
4 eine Lysetherapie ist kontraindiziert.

4.7.2 Erkrankungen der tiefen Venen kKomplikationen


4 Intraoperative Lungenembolie.
Phlebothrombose
Je nach Lage, Art und Größe der Thrombose können kVorbereitung
die Symptome sehr unterschiedlich sein. Ist das tiefe Ve- 4 Extrem vorsichtiger Umgang mit dem Patienten beim
nensystem betroffen, lautet die Bezeichnung »Phle- Überlagern auf den OP-Tisch,
bothrombose«, im oberflächlichen System »Thrombo- 4 Anti-Trendelenburg-Lagerung,
phlebitis«. 4 hyperbare Beatmung (PEEP),
Beschwerden einer Thrombose: 4 Durchleuchtungseinheit vorbereiten.
4 Schwellung und Wärmegefühl im betroffenen Kör-
perteil, kInstrumentarium
4 gerötete und gespannte Haut, eventuell Blaufär- 4 Grundinstrumente,
bung, 4 Gefäßinstrumente,
4 Spannungsgefühl und Schmerzen in Fuß, Wade und 4 Esmarch-Binden,
Kniekehle (Linderung bei Hochlagerung). 4 elastische Binden,
310 Kapitel 4 · Gefäßchirurgie

4 Fogarty- bzw. Okklusionskatheter,


4 in Bereitschaft:
5 Sternummeißel nach Lepp mit Hammer oder eine
Sternumsäge,
5 Thoraxsieb,
5 Medikamente zur Thrombolyse (z. B. Urokinase).

kLagerung/Abdeckung
4 4 Anti-Trendelenburg-Lagerung mit angehobenem
Oberkörper und leicht abgesenkten Beinen.
4 Beide Beine und der gesamte Oberkörper bis zum Ju-
gulum dürfen nicht abgedeckt werden, um ggf. eine
Sternotomie durchführen zu können.
4 Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien.

Thrombektomie einer tiefen


Bein-Becken-Venenthrombose
7 Präoperative Antikoagulation.
7 Freilegen der V. femoralis, Anschlingen und Eröff-
nen.
7 Ein großer Okklusionskatheter (Fassungsvermö-
gen 50 ml) wird als Thrombektomiekatheter in
V. cava, V. iliaca und V. femoralis comm. verwen-
det. Das Vorschieben erfolgt unter maximalem
PEEP (. Abb. 4.81a, b). . Abb. 4.81 Venöse Thrombektomie der Beckenetage (PEEP posi-
7 Heparingabe und Abklemmen der V. femoralis tiver endexspiratorischer Beatmungsdruck). (Nach Heberer et al.
1993)
nach proximal.
7 Um die Thromben aus den Beinvenen entfernen
zu können, muss das Bein mit Esmarch-Binden
(Vollgummi) stramm ausgewickelt werden
(. Abb. 4.81c).
7 Dann wird kräftig auf das Bein geschlagen, sodass
die Thromben in Flussrichtung nach oben »rut-
schen«.
7 ggf. Phlebographie.
7 Naht der Venotomie.
7 Falls nötig kann eine arteriovenöse Fistel angelegt
werden, um den Blutfluss der Venen zu beschleu-
nigen. Diese AV-Fistel ist vorübergehend und
kann nach etwa 3–6 Monaten geschlossen
werden.
7 Blutstillung, Zählkontrolle der Instrumente und
Textilien, Dokumentation.
7 Einlage einer Redon-Drainage, schichtweiser
Wundverschluss, Verband.
5

Shunt- und Portsysteme


A. Kormann, M. Liedke, L. Steinmüller

5.1 Katheter und Shunts für die Hämodialyse – 312

5.2 Portsysteme – 313

5.3 Peritoneovenöse Shunts – 315

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_5,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
312 Kapitel 5 · Shunt- und Portsysteme

5.1 Katheter und Shunts für


die Hämodialyse

Bei akutem oder chronischem Nierenversagen muss die


Nierenfunktion durch Dialyse ersetzt werden. Dazu muss
ein Zugang zum Gefäßsystem geschaffen werden. Dies
kann durch spezielle Katheter (Vorhofkatheter: z. B. De-
. Abb. 5.1 Demers-Katheter
mers-Katheter), durch die Anlage eines arteriovenösen
Shunts (nativ oder mittels Prothese) oder durch den Zu-
gang zum Bauchfell (CAPD-Katheter) erfolgen: Demers-Katheter
5 4 perkutan oder offene Anlage eines Vorhofkatheters Der Katheter besteht aus einem röntgenkontrastgebenden
(Shaldon- oder Demers-Katheter), Silikonschlauch (. Abb. 5.1) und wird in verschiedenen
4 Dialyse-/Medikamentenportsysteme, Längen hergestellt. Silikon ist elastisch und unterliegt
4 AV-Shunt: Anlage einer arteriovenösen Fistel zwi- kaum chemischen und physikalischen Veränderungen.
schen einer Arterie und einer oberflächlichen Vene Der Katheter ist ein- oder doppellumig mit einem großen
(z. B. AV-Fistel nach Brescia-Cimino), Durchstromkanal.
4 CAPD: kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse. Eine Dacronmuffe verhindert das Verrutschen des Ka-
theters und verwächst mit dem umgebenden Gewebe und
verhindert aufsteigende Infektionen. Bakterienfilter und
5.1.1 Vorhofkatheter Schlauchklemmen befinden sich direkt am Hautaustritt.
Am Katheterende ist ein Luer-Lock-Ansatz. Die Implanta-
Der zentralvenöse Demers-Katheter wird zu Dialysezwe- tion erfolgt in der Regel von rechts.
cken in Lokalanästhesie über die V. jugularis interna in den
rechten Vorhof eingebracht. Bei der perkutanen Anlage- kLagerung
technik im Seldinger-Verfahren wird die V. jugularis inter- 4 Der Patient liegt in Rückenlage auf einem Durch-
na, alternativ auch die V. subclavia punktiert. leuchtungstisch.
4 Der Kopf ist leicht rekliniert und zur linken Seite ge-
jVorteile des Katheters dreht.
4 Häufiges Kanülieren wird vermieden. 4 Der Oberkörper ist etwas aufgerichtet.
4 Weniger infektionsgefährdet als z. B. der Zugang über 4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Vorschrift.
die V. femoralis. 4 Patient und Personal tragen einen Röntgenschutz.
4 Kaum eingeschränkte Mobilität des Patienten.
4 Weiches Kathetermaterial schont die Intima.
Vorhofkatheter nach Demers und Siebold
4 Kann bis zu Monaten liegen.
7 Wenn möglich Zugang über die rechte V. jugularis.
Shaldon-Katheter 7 Nach der Hautdesinfektion und Abdeckung er-
Für die akute Dialyse wird für gewöhnlich der nach dem folgt die örtliche Betäubung.
schottischen Nephrologen Stanley Shaldon benannte Shal- 7 Punktion der V. jugularis interna mit der Nadel des
don-Katheter verwendet. Der Katheter wird meist über die Punktionssets.
rechte V. jugularis interna oder die V. subclavia in die obe- 7 Einführen des beigelegten Drahtes, Entfernen
re Hohlvene vorgeführt. Er liegt wegen der geringen Länge der Nadel. Einführen der Schleuse über den Draht,
jedoch nicht vor dem rechten Vorhof. Seltener wird auch Dilatator entfernen.
die Leistenvene als Zugangsweg gewählt. Dies ist aus hy- 7 Schnelles Einführen des Katheters (Gefahr der
gienischen Gesichtspunkten, aus Gründen der Mobilisa- Luftembolie) über den Draht. Entfernen der
tion des Patienten und wegen erhöhter Thrombosegefahr Schleuse im Peel-off-Verfahren.
problematischer und deshalb selten. 7 Lagekontrolle der Katheterspitze mit Bildwandler
Der Shaldon-Katheter wird üblicherweise von einem und Funktionskontrolle durch Aspiration mit einer
Anästhesisten gelegt. Die Liegedauer ist eingeschränkt, da Spritze. Bei korrektem Sitz wird die zentrale Liga-
der Katheter direkt über der Punktionsstelle aus der Haut tur vorsichtig geknotet.
austritt und Infektionen schon nach kurzer Zeit auftreten 7 Entfernen des Drahtes, Abklemmen des Katheters,
können. Heparin-NaCl-Gabe durch den Katheter.
Für die längere akute Hämodialyse ist daher ein De- 6
mers-Katheter besser geeignet.
5.2 · Portsysteme
313 5
werden kann. Ermöglicht wird dies durch die Verwendung
7 Aufstecken der Katheterenden auf den beige- spezieller Punktionsnadeln (z. B. Nadel nach Huber), die
fügten Spieß, Ausleiten des Katheters subkutan es in gerader und für kontinuierliche Infusionen in abge-
durch die Haut unterhalb der Punktionsstelle. winkelter Ausführung gibt. Die Nadel nach Huber hat ei-
7 Aufstecken der Klemmmuffen und der Luer-Lock nen Schliff, der das Silikonmaterial verdrängt, aber nicht
Aufsätze mit Bakterienfilter. ausstanzt.
7 Applikation von 5000 IE Heparin-Kochsalz-Lösung Die Katheter bestehen aus Silikon oder Polyurethan.
(ca. 2 ml) in den Katheter. Von den meisten Herstellern werden zur Implantation des
7 Verband. Portsystems Punktionsbestecke mitgeliefert.
! Kein Latexmaterial wegen einer möglichen unbe-
kannten Latexallergie verwenden.

5.2 Portsysteme
jVorteile des Ports
Ein Portsystem ist ein Katheter in Kombination mit einer 4 Die Portsysteme werden operativ vollständig implan-
Infusionskammer, der vollständig unter der Haut implan- tiert. Das Infektionsrisiko ist vermindert.
tiert wird. 4 Für Langzeittherapien besteht ein sicherer Gefäßzu-
Spezielle Medikamente müssen zentralvenös appliziert gang, periphere Gefäße werden geschont.
werden, da sie die Venenwand reizen und zu schweren Ent- 4 Die Krankenhausverweildauer wird verkürzt, da eine
zündungen führen könnten. Ein Port bietet höchstmög- ambulante Betreuung des Patienten möglich ist.
lichen Infektionsschutz, und wiederholte schmerzhafte
Punktionen können vermieden werden.
Die Portkammer wird subkutan verlegt und der Kathe- 5.2.1 Systemarten
ter entweder offen über die V. cephalica eingeführt oder
durch Punktion der V. subclavia in Seldinger-Technik un- Zentralvenöse Systeme
ter Durchleuchtung platziert (. Abb. 5.2). Sie bieten einen dauerhaften venösen Zugang für die Zyto-
statikabehandlung von bösartigen Tumorerkrankungen,
jMaterialien für periodische und kontinuierliche Medikamentenverab-
Die verschiedenen Systeme unterscheiden sich in den Ma- reichungen und diagnostische Blutentnahmen, bei schwie-
terialien, nicht in der Implantationstechnik. rigen Gefäßverhältnissen und hohem Insulinbedarf, bei
Die Infusionskammern werden aus Titan oder Polysul- Asthmapatienten und zur parenteralen Ernährung.
fon und in unterschiedlichen Höhen hergestellt: Bei Kin- Die üblichen Zugänge sind über die rechte V. cephalica
dern werden z. B. Flachports bevorzugt. und die rechte V. jugularis interna. Letztere wird häufig nach
Die Kammern werden durch eine Silikonmembran Seldinger-Technik punktiert, d. h. Punktion der Vene, Ge-
verschlossen, die je nach Modell bis zu 3.000-mal punktiert fäßerweiterung mit dem Dilatator, Vorschieben des Kathe-
ters über einen Führungsdraht in die obere Hohlvene. An-
schließend erfolgt die Implantation des Ports (. Abb. 5.2).

Intraarterielle Systeme
Intravenöse und intraarterielle Systeme sind ähnlich auf-
gebaut. Letztere verfügen zur Fixierung im Gefäß über ei-
nen Sicherungsring.
Sie dienen der regionalen Chemotherapie bei Primär-
tumoren und Metastasen, die nicht operiert oder bestrahlt
werden können. Meist handelt es sich um Lebertumoren.
Hierbei wird der Katheter über eine Laparotomie in die
A. gastroduodenalis so weit vorgeschoben, dass die Kathe-
terspitze etwa 2 mm in die A. hepatica propria hineinragt.
Die Infusionskammer wird in einer vorbereiteten subkuta-
nen Tasche fixiert. Außerdem wird die Gallenblase zur
Vermeidung einer späteren medikamentenbedingten Cho-
lezystitis entfernt und die A. gastrica dextra wegen der
. Abb. 5.2 Venöses Portsystem. (Beispiel: nach Fa. Ohmeda) Gastritisgefahr ligiert.
314 Kapitel 5 · Shunt- und Portsysteme

Die organbezogene intraarterielle Infusion minimiert


systemische Nebenwirkungen von Zytostatika. Der Katheter wird ausgemessen und mit dem Port
verbunden. Prüfung der Kammerfunktion mit
Intraabdominelle Systeme 0,9%-iger NaCl-Lösung. Das Durchspülen des Ka-
Die intraabdominellen Systeme sind den intravenösen und theters mit Heparin/NaCl 0,9% ist Aufgabe der ins-
intraarteriellen ähnlich. Sie werden bei mehrfacher Medi- trumentierenden Pflegekraft. Die Infusionskam-
kamentenverabreichung in eine Körperhöhle, wie Bauch- mer wird ohne Abknicken des Katheters in die Ta-
und Pleurahöhle eingesetzt. sche eingelegt und mit etwa 4 Nähten an der Pek-
toralisfaszie fixiert.
kLagerung 7 Nach dem schichtweisen Wundverschluss der

5 4 Der Patient liegt in Rückenlage auf einem Durch- Hautinzision erfolgt eine Probepunktion des Sys-
leuchtungstisch. tems mit der Spezialnadel (z. B. Huber-Nadel mit
4 Der Kopf ist leicht rekliniert und zur linken Seite ge- Extraschliff ).
dreht.
4 Der Oberkörper ist etwas aufgerichtet.
4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Vorschrift. Intraspinale Systeme
4 Patient und Personal tragen einen Röntgenschutz. Die spinalen oder periduralen Systeme unterscheiden sich
von den bisher beschriebenen Systemen im Punktionssys-
tem für den Katheter. Der Katheter wird durch einen sub-
Zentralvenöses System
kutanen Tunnel geführt und am Port angeschlossen, der
7 Nach der Hautdesinfektion und dem Abdecken gewöhnlich auf den unteren Rippen fixiert wird.
erfolgt die örtliche Betäubung. Dieses System wird zur Langzeitschmerztherapie, bei
7 Beim Zugang über die V. cephalica wird die Haut Tumorschmerzen und anderen Schmerzzuständen ein-
quer, etwa 3 cm unterhalb der rechten Klavikula gesetzt.
und bei der V. jugularis interna ca. 2 cm oberhalb
davon inzidiert.
7 Die V. cephalica wird aufgesucht, unterfahren, an- 5.2.2 Arteriovenöse Fistel nach
geschlungen und nach distal ligiert. Mit dem Sti- Brescia-Cimino
lett wird das Gefäß inzidiert und der Venenkathe-
ter vorgeschoben. Es folgt die Lagekontrolle der 1960 entwickelte Belding H. Scribner in Seattle einen
Katheterspitze mit dem Durchleuchtungsgerät, Shunt. Dabei wurde ein künstliches Blutgefäß aus Teflon in
ggf. unter Kontrastmittelgabe, ggf. mit Portfinder, den Unterarm implantiert. Auf diese Weise wurde es mög-
dann keine intraoperative Röntgenkontrolle. Nach lich, Patienten mit Nierenversagen länger am Leben zu
OP erfolgt immer eine röntgenologische Lage- erhalten. Die Weiterentwicklung ist die arteriovenöse Fis-
kontrolle im Thorax. Nach dem Knoten des nicht tel nach Brescia-Cimino: Eine arteriovenöse Fistel wird
resorbierbaren zentralen Fadens wird die Funkti- den Dialysepflichtigen, wenn möglich, am nichtdomi-
on des Systems überprüft, indem Heparin-Koch- nanten Arm zwischen der A. radialis und der V. cephalica
salz-Lösung gespritzt und anschließend Blut aspi- angelegt. Dadurch kommt es zur Erweiterung und Hyper-
riert wird. trophie der Vene. Die AV-Fistel ermöglicht einen hohen
7 Viele Systeme bieten ein Punktionsset an. Nach Blutfluss in die Vene, der ca. 600 ml/min betragen soll. Die
perkutaner oder offener Punktion der V. subclavia Shuntvene sollte möglichst oberflächlich liegen, um gut
wird unter Bildwandlerkontrolle ein Führungs- punktierbar zu sein.
draht bis in die V. cava superior vorgeschoben. Die Art der Anastomosierung kann unterschiedlich
Anschließend wird über den Führungsdraht der sein, häufig wird eine End-zu-Seit-Anastomose der Vene
Portkatheter implantiert und die Porttasche wie in die Arterie vorgenommen. Die geeigneten Gefäße kön-
im Folgenden beschrieben angelegt. Das Freile- nen präoperativ durch eine Duplexsonographie geortet
gen der V. cephalica entfällt somit. und auf der Haut markiert werden.
7 Vorbereiten der subkutanen Porttasche: Dafür
wird weiter distal erneut Lokalanästhetikum inji- ! Blutabnahme durch Punktion einer Shuntverbin-
ziert und von der gleichen Hautinzision aus eine dung ist ebenso obsolet wie die Anlage einer
entsprechend große Tasche stumpf präpariert. Manschette zur Dauerblutdruckmessung.
6
5.3 · Peritoneovenöse Shunts
315 5
kLagerung
4 Der Patient liegt auf dem Rücken.
4 Der zu operierende Arm wird auf einem seitlich am
Tisch montierten Handtisch ausgelagert.
4 Anbringen der Neutralelektrode nach Vorschrift oder
Vorbereiten der bipolaren Diathermie.

Arteriovenöse Fistel nach Brescia-Cimino


7 Nach Hautdesinfektion, Abdeckung sowie ört-
a
licher Betäubung [alternativ Plexusanästhesie; In-
tubationsnarkose (ITN)] wird die Haut bogenför-
mig inzidiert, sodass Vene und Arterie gut zu er-
reichen sind.
7 Ausreichende Präparation der Vene, um eine
spannungsfreie Anastomose durchführen zu kön-
nen. Die Vene wird angeschlungen und nach dis-
tal ligiert. Weitere Abgänge müssen unterbunden
und durchtrennt werden. Die Dehnbarkeit der
Vene wird getestet, indem die abgeklemmte Vene
mit Heparin-NaCl-Lösung gefüllt wird.
7 Die Arterie wird freipräpariert, angeschlungen
und mit feinen Gefäßklemmen (7 Abschn. 4.1.34, b
z. B. Mikrobulldogklemmen) abgeklemmt. Der
Operateur entscheidet, ob vor dem Abklemmen . Abb. 5.3a, b Anlage einer Cimino-Fistel (a). Fertiggestellter Cimi-
no-Shunt (b)
eine systemische Heparinisierung in welcher Do-
sierung erfolgen soll. Mit dem Stichskalpell wird
die Arterie längs eröffnet, die Vene mit der feinen 5.2.3 CAPD-Katheter
Potts-Schere (. Abb. 4.8) zugeschnitten und End-
zu-Seit mit einer 7–0 Gefäßnaht anastomosiert Die Behandlung der Niereninsuffienz ist ebenfalls mit ei-
(. Abb. 5.3). ner kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse mög-
7 Typischerweise kann ein »Schwirren« getastet lich. Ein Katheter wird an das Peritoneum an den tiefsten
werden. Mit dem Stethoskop ist ein typisches Punkt ohne Verbindung zum Gefäßsystem eingelegt. Die
Shuntgeräusch zu hören. Dialyse erfolgt über Diffusion, wobei das Bauchfell als se-
7 Blutstillung, schichtweiser Wundverschluss, Ver- mipermeable Membran dient. Das Dialysat wird mit einem
band. Druckgefälle in das Peritoneum geleitet und durch
Druckabfall (der Auffangbeutel hängt tiefer, als der Körper
des Patienten liegt) wieder abgelassen (. Abb. 5.4).
Ist die ursprüngliche AV-Fistel nicht mehr punktierbar,
erfolgt eine Neuanlage an anderer Stelle. Weitere Fisteln
sind in der Ellenbeuge und am Oberarm möglich. 5.3 Peritoneovenöse Shunts
Ist kein geeignetes körpereigenes Gefäßmaterial vor-
handen, ist die Gefäßverbindung auch mit Prothesenmate- Der peritoneovenöse Shunt dient der chirurgischen Aszi-
rial (PTFE, Teflon; 7 Abschn. 4.1.5) möglich. Spezielle testherapie bei Leberzirrhose und in den Fällen, in denen
Shuntprothesen, z. B. Heparin beschichte Gefäßprothesen, eine portokavale Shuntanlage nicht möglich ist.
microporös aus biobeständigem (biokompatiblem) mit Über einen Katheter wird die Aszitesflüssigkeit dem
Heparin imprägniertem Polyurethan mit unterschied- Blutkreislauf zugeführt.
lichen Durchmessern werden vom Hersteller angeboten. Alle Systeme bestehen aus 2 Schlauchanteilen, die mit
Vorteil ist die minimale Blutung aus den Stichkanälen bei einem Ventil verbunden sind. Der eine Katheter wird in
den Anastomosen. den Peritonealraum, der andere in die obere Hohlvene ein-
gebracht. Sie funktionieren durch das Druckgefälle zwi-
schen Bauchraum und Vene.
316 Kapitel 5 · Shunt- und Portsysteme

. Abb. 5.4 Verschiedene Peritonealdialysekatheter. (Nach Nowack et al. 2009)

jDenver-Shunt
Der Denver-Shunt (. Abb. 5.5) besitzt eine Pumpkammer
mit Einwegventil, mit dem der Patient das System selbst
durchspülen kann.

jLe-Veen-Shunt
Der Le-Veen-Shunt ist das ältere Kathetermodell. Er unter-
scheidet sich vom Denver-Shunt dadurch, dass er zwar ein
Ventil, aber keinen Pumpmechanismus aufweist.
Beide Systeme haben an Bedeutung verloren.

. Abb. 5.5 Denver-Shunt


6

Thoraxchirurgie
M. Liehn, R. Böttger, M. Nakashima

6.1 Anatomische Grundlagen – 318

6.2 Thoraxinstrumentarium – 318

6.3 Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in


der Thoraxchirurgie – 320

6.4 Thoraxdrainagen – 322

6.5 Präoperative Diagnostik – 323

6.6 Eingriffe an der Lunge – 324

6.7 Eingriffe an der Trachea – 329

6.8 Eingriffe an der Pleura – 329

6.9 Eingriffe am Mediastinum – 332

6.10 Knöcherne Thoraxwand – 334

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_6,


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318 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

6.1 Anatomische Grundlagen

6.1.1 Thorax (Brustkorb)

Der Thorax teilt sich in die linke und die rechte Thorax-
hälfte, in der Mitte wird er durch das Mediastinum be-
grenzt, zum Bauchraum bildet das Zwerchfell die Abgren-
zung.
Die knöcherne Thoraxwand besteht aus 12 Rippenpaa-
ren, die von muskulärem Weichgewebe umgeben sind.
Von innen unterscheidet man die Pleura,- die Peri-
kard- und die Peritonealhöhle.

6 a b

6.1.2 Pleura (Brustfell) . Abb. 6.1 a Rechte Lunge in der Ansicht von lateral. b Linke Lunge
in der Ansicht von lateral. (Nach Siewert 2001).
Die Pleura besteht aus zwei serösen Hautschichten:
4 die Pleura visceralis (Pleura pulmonalis), sie bekleidet
die Lungenflügel und geht am Hilus über in 6.1.4 Mediastinum (Mittelfellraum,
4 die Pleura parietalis (Pleura mediastinalis, P. dia- vorderer Brustraum)
phragma, P. costalis)‚ sie bildet das Rippenfell.
Als Mediastinum wird der Bereich zwischen den Lungen-
Zwischen der Pleura visceralis und parietalis befindet sich flügeln bezeichnet. Vorn (ventral) wird das Mediastinum
der Pleuraspalt, in dem ein Flüssigkeitsaustausch stattfin- durch das Sternum und seitlich (lateral) von den Rippen
det sowie Flüssigkeitsansammlungen resorbiert werden. begrenzt. Nach kranial gibt es keine besondere Begrenzung
Die Pleuraflüssigkeit verhindert eine starke Reibung der in die Halsregion. Die Pleura mediastinalis umkleidet den
Pleurablätter, wenn sich durch die Atmung die Pleura- vorderen Mediastinalraum, und das Zwerchfell begrenzt
schichten gegeneinander verschieben. den unteren Mediastinalraum.
Der physiologische negative Druck im Pleuraspalt be-
trägt 3 cm H2O und während der Einatmung –10 cm H2O.
6.2 Thoraxinstrumentarium

6.1.3 Lunge (Pulmones) Zu dem in 7 Abschn. 1.6 vorgestellten Grundinstrumen-


tarium und neben den zum Teil überlangen Klemmen
Die Lunge besteht aus zwei Lungenflügeln‚ die sich rechts [Satinsky (. Abb. 4.32), Organfasszangen (. Abb. 2.9)]
und links vom Mediastinum in einer Pleurahöhle be- sowie atraumatischen Pinzetten werden zur Thoraxeröff-
finden. nung spezielle Instrumente benötigt, von denen hier eini-
Jeder Lungenflügel wird von einem Hauptbronchus ge beispielhaft vorgestellt werden sollen (. Abb. 6.2 bis
belüftet. Zusammen bilden die beiden Bronchien den Lun- . Abb. 6.4).
genhilus. Der Lungenhilus bildet zur Körpermitte eine 4 Rippenraspatorien (z. B. nach Doyen), rechts oder
feste Verbindung, aus der die Hauptbronchien und die links gebogen, werden bei Bedarf eingesetzt, um die
Hauptäste der A. pulmonalis ein- sowie die V. pulmonalis Rippen von dem muskulären Weichgewebe der Zwi-
austreten. Des Weiteren reihen sich hier wichtige Lymph- schenräume zu befreien (. Abb. 6.2).
knotenstationen auf, die die Lymphe aus der Lunge auf- 4 Rippenschere nach Brunner, links oder rechts gebo-
nehmen. Am Lungenhilus geht die Pleura parietalis in das gen, dient der Rippendurchtrennung (. Abb. 6.3).
Lungenfell über. 4 Rippensperrer, selbsthaltend, z. B. nach Finocchietto-
Die Lungenflügel teilen sich rechts durch die Fissura Burford (. Abb. 4.27). Als Haut- oder Wundschutz
horizontalis und die Fissura obliqua in drei Lappen, den werden unter die Valven feuchte Bauchtücher gelegt.
Ober-, Mittel- und Unterlappen, den linken unterteilt die 4 Lungen- bzw. Organfasszange nach Duval (. Abb.
Fissura obliqua in den Ober- und den Unterlappen. Die 6.4) zum atraumatischen Fassen und Halten der Lun-
Lungenlappen werden in Segmente unterteilt und von 1– genlappen.
10 nummeriert (. Abb. 6.1). Diese Einteilung ist wichtig 4 Parenchymklemmen, z. B. nach Satinsky, dienen der
für Diagnostik und Therapie. Abklemmung einzelner Parenchymareale.
6.2 · Thoraxinstrumentarium
319 6

6.2 6.3 6.4

. Abb. 6.2 Raspatorium nach Doyen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 6.4 Lungenfasszange nach Duval. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 6.3 Rippenschere nach Brunner. (Fa. Aesculap AG)

6.2.1 Klammernahtinstrumente 6.2.3 Abdichtungsmaterial

Klammernahtinstrumente (7 Abschn. 2.1.2), hauptsäch- Kleine Parenchymfisteln oder diffuse oberflächliche Blu-
lich Einwegstapler mit integrierter Schneidevorrichtung, tungen können durch Anwendung verschiedener Abdich-
ersetzen den klassischen Nahtverschluss immer öfter. tungsmaterialien intraoperativ thorakoskopisch verschlos-
In der Thoraxchirurgie kommen vorzugsweise lineare sen werden.
Stapler zum Einsatz, die in verschiedenen Nahtlängen und 4 Fibrinkleber wird über Sprühkatheter appliziert.
Klammergrößen angeboten werden. Sie werden zum Ab- 4 Tachosil, ein schwammähnliches Material, das mit
setzen von Lungenparenchym und bei Keilresektionen Human-Fibrinogen und Human-Thrombin beschich-
(s. unten) angewendet. 90° abgewinkelte Stapler zum Ver- tet ist, wird aufgelegt.
schluss des Bronchus bieten einen großen Vorteil gegen-
über der herkömmlichen Methode. Sie ermöglichen auch
unter schwierigen Bedingungen einen zügigen, sicheren 6.2.4 Gewebeersatzmaterial
und luftdichten Bronchusverschluss.
Ersatzmaterialien werden nach der Entfernung von Rip-
pen, Sternum, muskulären Brustwandteilen nach Peri-
6.2.2 Laserchirurgie kard-/Zwerchfellresektionen eingebracht. Die Größe des
Defektes bestimmt die Wahl des plastischen Ersatzes. Zur
In der Thoraxchirurgie kommen alternativ ND:Yag-Laser, Rekonstuktion stehen wahlweise nicht resorbierbare
Argonlaser oder Diodenlaser zum Einsatz, um Tumorge- Kunststoffnetze oder Gore-Tex-Membranen, die 1–2 mm
webe im Lungenparenchym gezielt zu verkleinern oder zu dick sind, zur Verfügung. Als Perikardersatz eignen sich
entfernen. Tumoren der Trachea oder der Bronchien kön- Gore-Tex oder resorbierbare Netze.
nen bronchoskopisch mittels eines starren Bronchoskops
entfernt oder verkleinert werden. Im Umgang mit Laserge-
räten gelten die Herstellerhinweise und die Arbeitsschutz-
bestimmungen der TRBA 250.
320 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

6.3 Typische Zugangswege und


Lagerungstechniken in der
Thoraxchirurgie

Um die korrekte Operationslagerung zu planen und um-


zusetzen, muss bekannt sein, wo und auf welcher Seite der
zu operierende Befund ist. Die geplante Hautschnittfüh-
rung sowie die körperliche Verfassung des Patienten sind
für die Lagerung von Wichtigkeit. Es gelten alle bekannten
Lagerungskriterien sowie die Kriterien der HF-Chirurgie
(7 Kap. 1.2, 1.2.4).

6 6.3.1 Posterolaterale Thorakotomie

kLagerung a b
4 Der Patient liegt auf der nicht zu operierenden Körper-
hälfte, die zu operierende Körperhälfte ist frei zugänglich. . Abb. 6.5a, b Schnittführung bei Thorakotomie. a Anterolaterale
4 Der unten liegende Arm lagert nach ventral ausge- Thorakotomie: M. pectoralis und M. latissimus dorsi werden, wenn
überhaupt, nur am Rande gekerbt, lediglich der M. serratus anterior
streckt fixiert auf einer gepolsterten Armschiene. wird an seiner Rippeninsertion abgetrennt (muskelschonende, funk-
4 Der oben liegende Arm wird über den Kopf gestreckt tionell günstige Inzision; für alle Eingriffe an der Lunge ausreichend).
und auf einer gepolsterten Armhalterung befestigt. b Die posterolaterale Inzision durchtrennt neben dem M. serratus
4 An den seitlichen Schienen des Operationstisches si- den gesamten M. latissimus dorsi und Teile des M. subscapularis
chern befestigte, gepolsterte Halterungen die Lage- (funktionell ungünstige Inzision, nur für Eingriffe an Ösophagus und
thorakaler Aorta erforderlich. (Nach Heberer et al. 1991)
rung des Patienten. Eine Vakuummatratze stabilisiert
ab der Hüfte des Patienten die Seitenlagerung.
4 Der Kopf liegt ohne Abknickung der Halswirbelsäule 6.3.2 Anterolaterale Thorakotomie
gesichert auf einem Kissen.
Über diesen Zugang lassen sich fast alle Thoraxoperati-
kIndikation onen durchführen, zudem ist er kosmetisch wie auch funk-
Die posterolaterale Thorakotomie ist geeignet für: tionell günstig. Die anterolaterale Thorakotomie (. Abb.
4 bronchoplastische und angioplastische Eingriffe, 6.5a) eignet sich für
4 Pancoasttumoren, Apical-chest-Tumoren, 4 Standardlobektomien,
4 Pleuropneumektomien, 4 Pneumektomien,
4 Dekortikationen, 4 Lungensegment- und Keilresektionen.
4 distale Tracheateilresektionen.
kLagerung
Die Lagerung entspricht der bei der posterolateralen Tho-
Thoraxeröffnung
rakotomie beschriebenen (. Abb. 6.6). Ausnahme: Der
7 Der Hautschnitt verläuft bogenförmig nach dorsal Arm der zu operierenden Seite wird etwa im 90°-Winkel
zwischen dem 4. und 6. Interkostalraum (ICR; über dem Kopf des Patienten ohne Spannung gelagert und
. Abb. 6.5b). fixiert. Der OP-Tisch wird unterhalb des Thorax leicht ab-
7 Das subkutane Gewebe, die Brustwandmuskula- geknickt.
tur und der M. latissimus dorsi werden mittels
eines monopolaren Messers oder einer bipolaren
Schere durchtrennt. Thoraxeröffnung
7 Das Periost über der Rippe wird mit dem HF-Mes- 7 Der Hautschnitt erfolgt bogenförmig unterhalb
ser durchtrennt und der Rippenknochen bei Be- des Brustansatzes von der Axilla bis in Sternumnä-
darf mit einem Raspatorium freigelegt. he. Die Brustdrüse bei Frauen ist zu schonen.
7 Der freigelegte Interkostalraum wird durch Einset- 7 Nach der HF-chirurgischen Durchtrennung des
zen eines Thoraxsperrers langsam erweitert. Zum Subkutangewebes sowie der Spaltung des M. ser-
Schutz der Wundränder und der Haut werden ge- 6
faltete Bauchtücher unter die Valven gelegt.
6.3 · Typische Zugangswege und Lagerungstechniken in der Thoraxchirurgie
321 6
Lunge, z. B. bei Lungenmetastasen. Eine partielle obere Ster-
notomie ist für einige Eingriffe ausreichend wie z. B. für in-
trathorakale Strumektomien, Trachearekonstruktionen u. Ä.

kLagerung
4 Der Patient liegt auf dem Rücken, die Arme werden
seitlich am Körper geschützt angelagert (. Abb. 6.7).
4 Die Beine liegen parallel bequem mit Lagerungskis-
sen unter den Kniegelenken und Fersen.
4 Der Kopf des Patienten liegt leicht überstreckt mittig
auf einem Lagerungsring oder in einer gepolsterten
Kopfschale.

. Abb. 6.6 Seitenlage für laterale Thorakotomien. (Nach Krettek u.


Aschemann 2005)
6.3.4 Mediastinumeröffnung

Mediastinumeröffnung
7 Der Hautschnitt verläuft in der Sternummitte un-
terhalb des Jugulum bis zum Xiphoid.
7 Das Subkutangewebe wie auch das Sternumperiost
werden mittels HF-Chirurgiemesser durchtrennt.
7 Die Eingänge oben am Jugulum und unten am Xi-
phoid werden freigelegt, um mit einem langen
stumpfen Instrument die Sternumrückwand frei-
. Abb. 6.7 Rückenlage mit angehobener Rückenplatte und abge- zupräparieren.
senkter Kopfplatte. (Nach Krettek u. Aschemann 2005) 7 Durch eine elektrische oder druckluftbetriebene
Sternumsäge (. Abb. 6.8) wird das knöchernde
Sternum eröffnet.
7 Entstehende Blutungen aus den Schnittflächen
ratus anterior wird die Interkostalmuskulatur
der Sternumspongiosa werden koaguliert oder
stumpf freipräpariert, der M. latissimus dorsi
mit Knochenwachs versorgt.
bleibt erhalten.
7 Ein Sternumspreizer wird eingesetzt, zwei Bauch-
7 Unterhalb der 4. Rippe wird der ICR eröffnet und
tücher unter den Valven schützen die Haut- und
mit einem Thoraxsperrer langsam erweitert. Unter
Wundränder.
die Valven des Sperrers werden Bauchtücher ge-
legt, um den Haut- und Wundbereich zu schonen.

Mediastinumverschluss
7 Das durchtrennte Sternum wird mit 5–6 stabilen
Thoraxverschluss Sternumdrähten mit kräftiger Nadel und Drahtna-
7 Dichtigkeitsprobe mit körperwarmer physiolo- delhalter verschlossen.
gischer Kochsalzlösung. 7 Die Drähte werden oberhalb des Sternums ge-
7 Einlegen einer Thoraxdrainage (7 Abschn. 6.4). kreuzt und mit einer Flachzange gedrillt, dann mit
7 Schichtweiser Wundverschluss (7 Abschn. 6.4.3). einem Seitenschneider oder einer Drahtschere
gekürzt und die scharfen Enden zum Sternum hin
umgebogen und versenkt.
7 Das Periost und das Subkutangewebe werden
6.3.3 Mediane Sternotomie schichtweise mit resorbierbarem Nahtmaterial
verschlossen.
Die mediane Sternotomie ist der Standardzugang bei Tumo- 7 Der Hautverschluss erfolgt durch ein Hautklam-
ren im vorderen Mediastinum oder zur thorakalen Trachea mergerät oder einer Hautnaht.
sowie gleichzeitige Keilresektionen aus rechter und linker
322 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

6.4.1 Thoraxdrainagenanlage nach


Pneumonektomie

Bei Entfernung der gesamten Lunge (Pneumonektomie)


links oder rechts wird eine Thoraxdrainage (Ch 28) ohne
Sog zur Blut- und Sekretentlastung in den Thorax gelegt.
Verläuft die postoperative Zeit komplikationsfrei, so kann
die Drainage nach wenigen Tagen gezogen werden.

6.4.2 Thoraxdrainagenanlage nach


Sternotomie
6 Vor dem Verschluss der Pleura mediastinalis wird in jede
Thoraxhälfte eine Thoraxdrainage Ch 28 gelegt, um die
. Abb. 6.8 Sternumsäge. Der vorstehende Teil der Säge schützt die
Organe unterhalb des Sternums
Entfaltung der Lunge zu forcieren.
Über eine kleine Hautinzision am tiefsten Punkt der
Thoraxhöhle wird die Öffnung stumpf mit einer Schere
6.4 Thoraxdrainagen präpariert und vorbereitet. Die Drainage wird über eine
Klemme (Kornzange) von innen nach außen durch die
Durch die Einlage von 1–2 Thoraxdrainagen (Ch 28), die Hautöffnung gezogen und mit einer Naht fixiert.
nach dem Thoraxverschluss an einen Unterdruck zwischen Mittig unterhalb des Sternums wird eine dünnere Drai-
15 und 20 mbar angeschlossen werden, kann sich die Lun- nage (Ch 20 oder 24) gelegt und fixiert.
ge wieder passiv entfalten und durch kontinuierlichen Sog Die Drainagen werden einzeln an eine Sogvorrichtung
längerfristig mit der Brustinnenwand verbunden gehalten angeschlossen und nach Angabe des Operateurs wird der
werden. Die Verklebung der Lungenoberfläche mit der Sogdruck eingestellt.
Thoraxwand verhindert ein Kollabieren der Lunge.

6.4.3 Thorakotomieverschluss
Thoraxdrainageneinlage
7 Die Drainagen werden über 2 separate kleine Bevor die OP-Wunde verschlossen werden kann, werden
Hautschnitte durch den Rippenzwischenraum in folgende Maßnahmen durchgeführt:
die Thoraxhöhle gelegt. 4 Wasserprobe: Dazu wird körperwarme NaCl-Lösung
7 Die Subkutanschicht wird mit einer Präparier-
in den Thorax gefüllt, der Anästhesist bläht die Lunge
schere gespreizt. Durch das Einführen einer
unter Sichtkontrolle bis zu einem maximalen Druck
stumpfen Klemme (z. B. Kornzange) in den Rip-
von 40 cm H2O. Bronchopleurale Fisteln im Bereich
penzwischenraum lassen sich die Drainageenden
der Lunge, des abgelösten Interlobiums oder des ver-
greifen und durch die Hautinzisionen von innen
schlossenen Bronchusstumpfes können so erkannt
nach außen ziehen.
und ggf. übernäht werden.
7 Eine Drainage verläuft von ventral nach kranial,
entlang der Interkostalinnenwand und sorgt für
4 Kontrolle der Blutstillung ist obligat; die Drainagen
die Entlüftung.
werden gelegt (s. oben).
7 Die zweite Drainage liegt dorsal am tiefsten Punkt 4 Textilien und Instrumente werden gezählt und ihre
in der Thoraxhöhle, um Blut und Sekret abzuleiten. Vollständigkeit dokumentiert.
7 Zur Sicherung der Thoraxdrainagen an der Haut 4 Durch Infiltration eines langwirkenden Lokalanäs-
wird nicht resorbierbares, geflochtenes Nahtma- thetikums werden die Interkostalnerven betäubt. Ein
terial der Stärke 0 verwendet. Teil der Interkostalnerven kann auch rezesiert wer-
7 Die Thoraxdrainagen werden über sterile den, um postoperative Schmerzen zu minimieren.
Schlauchverlängerungen an ein Thoraxsogsystem
(Vakuum oder druckluftbetrieben) angeschlossen. Der eigentliche Verschluss der Thorakotomie beginnt mit
Der Sog ermöglicht der verbliebenen Lunge die der Aufhebung der überdehnten Lagerung des Patienten.
Ausdehnung und Anpassung an die Thoraxhöhle Der erweiterte Zwischenrippenraum wird kontrahiert. Bei
sowie die Flüssigkeitsentlastung. Bedarf kommt ein Rippenretraktor (-approximator; . Abb.
6.9) nach Bailey zum Einsatz, der durch seine Greifarme
6.5 · Präoperative Diagnostik
323 6
4 Lymphome,
4 Darstellung mediastinaler und Brustwandprozesse,
4 Darstellung des Übergreifens eines Tumors in die
Brustwand, die BWK sowie den Ösophagus.

Zur Beurteilung eines Befundes in Bezug auf die großen


Blutgefäße ist die CT-gesteuerte Kontrastmittelapplikation
notwendig.

6.5.3 Magnetresonanztomographie (MRT)

MRT ist ein bildgebendes Verfahren ohne Röntgenstrah-


lung. Zielregionen einer MRT-Untersuchung sind das
Herz, die Blutgefäße und der Brustwirbelkanal.

6.5.4 Positronenemissionstomographie
(PET-CT)

Die PET gehört zu den modernen bildgebenden Verfahren.


. Abb. 6.9 Rippenretraktor nach Bailey. (Fa. Aesculap AG)
Durch die Stoffwechselaktivität von Zucker gelingt es, eine
Krebsdiagnostik des gesamten Körpers durchzuführen.
die auseinander gedrängten Rippen wieder zusammen-
führt. Die Wunde wird schichtweise verschlossen: kIndikationen
4 Der Interkostalraum wird mit kräftigem resorbier- 4 Differenzialdignostik gutartiger und bösartiger Tu-
barem, polyfilem Nahtmaterial verschlossen. moren,
4 Die Muskulatur wird schichtweise mit resorbierbarem 4 Ausschluss von Fernmetastasen, Tumorrezidiv oder
Nahtmaterial (Stärke 0) fortlaufend oder in Einzel- Lymphknotenmetastasen,
knopftechnik adaptiert. 4 Primärtumorsuche bei CUP-Syndrom.
4 Subkutannähte.
4 Der Hautverschluss erfolgt durch ein Hautklammer-
gerät oder mit einer Naht. 6.5.5 Perfusionsszintigraphie

Eine Untersuchung zur Bestimmung der funktionellen


6.5 Präoperative Diagnostik Lungendurchblutung.

6.5.1 Thoraxröntgenaufnahme kIndikationen


4 Ausschluss regionaler Durchblutungsstörungen (z. B.
Zur Tumorlokalisation/Verlagerung thorakaler Struktu- Lungenembolie),
ren, aktuelle Hinweise auf Lungenentzündung, Stauung in 4 Präoperative Beurteilung der nach der Operation zu
der Lungenstrombahn, Pleuraerguss (maligne?), kardiale erwartenden Lungenfunktionsminderung,
Pumpstörung.

6.5.6 Bronchoskopie
6.5.2 Thorax-CT (TCT)
Die Bronchoskopie kann mit einem starren sowie mit
Die TCT ist eines der wichtigsten radiologischen Untersu- einem flexiblen Fiberendoskop durchgeführt werden.
chungsverfahren im Thoraxbereich. Der visuelle Einblick ermöglicht die Erkennung einer pa-
thologischen Veränderung der zentralen Atemwege sowie
kIndikationen die gezielte Gewinnung von Gewebe aus den Atemwegen
4 Lokalisation und Ausdehnungsbestimmung eines Tu- und dem Lungenparenchym zur histologischen Unter-
mors, suchung.
324 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

kIndikationen
4 Tumordiagnostik durch PE oder Punktion,
4 Feststellung der Tumorlokalisation für die Operati-
onsplanung,
4 Feststellung einer endobronchialen Entzündung, ggf.
mit Sekretbeseitigung,
4 Beurteilung einer Instabilität der zentralen Atemwe-
ge, ggf.Verordnung einer PEP-Maske,
4 Diagnostik der Lungenfibrose.

6.5.7 Endobronchial Ultrasound (EBUS),


. Abb. 6.10 Verschiedene Resektionsverfahren. (Nach Heberer et
Transbronchial Needle Aspiration
6 (TBNA)
al. 1993)

EBUS-TBNA ist eine ultraschallgestützte transbronchiale des geplanten Eingriffs und der zu erwartenden Kompli-
Feinnadelaspiration zur Diagnostik des Mediastinalpro- kationen durch oder für das vorgeschädigte Organsys-
zesses sowie zum Staging hilärer und mediastinaler tem.
Lymphknoten.

6.6 Eingriffe an der Lunge


6.5.8 Lungenfunktionsprüfung
Operationen an der Lunge setzen eine gute präoperative
Ziel der präoperativen Funktionsprüfung ist die Einschät- Diagnostik voraus. Dazu gehören im Bedarfsfall die Com-
zung des Operationsrisikos sowie der postoperativ verblei- putertomographie und die Bronchoskopie (s. oben). Das
benden Lungenfunktion. Ausmaß der Resektion kann häufig schon anhand der prä-
4 Messung des Lungenvolumens und der Lungenkapa- operativen Untersuchungen festgelegt werden.
zität durch eine Spirometrie oder Ganzkörperplethys- Die Wahl der Schnittführung richtet sich nach dem
mographie. geplanten Eingriff; eine gute Übersicht über das Operati-
4 Diffusionskapazität (DLCO) = globale Beurteilung onsgebiet muss gegeben sein.
des respiratorischen Gasaustausches der Lunge.
4 Ergospirometrie = Beurteilung der Leistung der Lunge.
6.6.1 Resektionen

6.5.9 Kardiale Diagnostik Die Resektionen richten sich in der Regel, mit Ausnahme
der Keilresektion, nach den vorgegebenen anatomischen
4 EKG, ggf. Langzeit-EKG bei KHK, Arrhythmie, Bra- Strukturen (. Abb. 6.10).
dykardie,
4 Echokardiographie. Lungenkeilresektion
kIndikation
4 Gutartige Lungentumoren, z. B. Hamartome, Fi-
6.5.10 Diagnostik bei Metastasierung brome, Tuberkulome, Emphysemblasen, Metastasen,
4 Bullaeresektion bei bullösem Emphysem oder Pneu-
Bei dem Vorliegen von Fernmetastasen müssen weitere mothorax,
Diagnostikmaßnahmen getroffen werden: 4 diagnostische Lungen-PE bei interstitieller Lungener-
4 Abdomensonographie: Leber/Nebennieren/abdomi- krankung oder Granulom.
nelle Lymphknoten,
4 Knochenszintigraphie bei ossären Metastasen, kPrinzip
4 ggf. Röntgenzielaufnahmen nur bei klinischem Hinweis, Über eine Keilresektion wird Lungengewebe ohne Präpa-
4 zerebrales CT (bei klinischem Hinweis). ration der zugehörigen Gefäße und Bronchien entfernt.
Die Technik der videoassistierten Thorakoskopie (VATS)
Bei Einschränkung anderer Organsysteme ggf. weiter- hat sich bei Keilresektionen als Standardverfahren etab-
führende Diagnostik unter Berücksichtigung der Größe liert.
6.6 · Eingriffe an der Lunge
325 6
kLagerung
4 Seitenlage bei posterolateraler oder anterolateraler
Thorakotomie (. Abb. 6.6),
4 Rückenlage bei medianer Sternotomie.

kInstrumentarium
4 Grund- und Thoraxinstrumentarium.
4 Lineare Stapler, die eine doppelreihige Klammernaht
setzen, die mit einem integrierten Messer durchtrennt
wird.

Lungenkeilresektion
7 Thorakotomie im 4.–7. ICR, je nach Lokalisation
des Befundes.
7 Einsetzen des Thoraxsperrers.
7 Palpation des Lungenbefundes, evtl. Adhäsionen
ablösen.
7 Der betroffene Lungenabschnitt wird mit einer
Organfasszange angehoben und mit einer atrau-
matischen Klemme abgeklemmt (. Abb. 6.11a).
Die Resektion erfolgt mit dem Skalpell über der
Satinsky-Klemme (. Abb. 6.11b). Das Parenchym
wird mit 2 resorbierbaren fortlaufenden U-Nähten
zweireihig verschlossen (. Abb. 6.11c).
. Abb. 6.12 Keilförmige atypische Lungenresektion mit einem line-
7 Der betroffene Lungenabschnitt wird ange- aren Anastomosenstapler. (Nach Durst u. Rohen 1991)
klemmt und mit einem linearen Anastomosen-
stapler geklammert. Das Resektat wird mit dem
integrierten Messer zwischen den Klammer- Diese Resektionsverfahren eignen sich für peripher gele-
nahtreihen abgetrennt. gene Herde. Mehrere Keilresektionen aus beiden Lungen-
7 Mit 2 Klammernahtmagazinen eines linearen flügeln sind über eine Sternotomie möglich.
Anastomosenstaplers wird das Lungenparenchym Bei der Indikation eines Pneumothorax wird außer
winkelförmig um den Befund geklammert und dem bullös veränderten Lungenareal die Pleura parietalis
gleichzeitig durchtrennt. Parenchymdichtigkeit von den Rippeninnenseiten und Zwischenrippenräumen
mittels Wasserprobe prüfen (. Abb. 6.12). abgelöst und reseziert (s. Pleurektomie).
7 Verschluss der Thorakotomie (s. oben) unter Einla-
ge von 1–2 Drainagen. Anschließen an einen Sog Segmentresektion
von 15–20 mbar. Eine Segmentresektion ist die Entfernung eines oder meh-
rerer Lungensegmente. Als Indikation für diesen Eingriff

a b c

. Abb. 6.11a–c Atypische Lungenresektion mit Klemme und Skalpell


326 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

gelten benigne Tumoren, Bronchiektasen, entzündliche


umschriebene Prozesse, kleine Karzinome (N0-Stadium, 7 Präparation der pulmonalarteriellen Gefäßäste
7 Abschn. 2.12.2) und Karzinom bei schlechter Lungen- unter Darstellung der zu erhaltenen Arterien.
funktion. Der Zugang richtet sich nach dem betroffenen 7 Gleiches Vorgehen bei der Präparation der pul-
Segment. monalvenösen Gefäße.
Thoraxeröffnung wie in 7 Abschn. 6.3 beschrieben. Die 7 Distale Durchtrennung der Gefäße durch Unter-
Resektion kleiner anatomischer Einheiten (Segmente) er- fahren mit einem Overholt und Anschlingen mit
folgt wie bei der Keilresektion beschrieben. einem geflochtenen resorbierbaren Faden, zen-
Hier wird zudem der zuführende Bronchus präpariert traler Gefäßverschluss durch eine nicht resorbier-
und mittels eines linearen Staplers abgesetzt. Die zufüh- bare monofile Durchstechungsligatur der Stärke
renden pulmonalen Gefäße werden freigelegt, umstochen 3–0 oder 4–0.
und durchtrennt. 7 Durchtrennung des Gefäßes mit einem langen
Die venöse Drainage wird selten separat präpariert, der Skalpell oder einer spitzen Schere.
6 Verschluss erfolgt zumeist zusammen mit der Durchtren- 7 Alternativ: Das Darstellen der Gefäße erfolgt wie
nung der Segmentparenchymgrenze zum restlichen Lun- oben beschrieben, das Absetzen mit einem Anas-
genlappen mit einem Linear Cutter. tomosenstapler bietet eine saubere Durchtren-
nung, nach zentral wird zur Sicherheit eine mono-
Lobektomie (Lungenlappenresektion) file Durchstechungsnaht gesetzt.
kIndikation 7 Die Reihenfolge des Verschlusses und Absetzen
4 Nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom (BC). der Blutgefäße kann variieren.
4 Entzündliche Veränderungen, die einen Lungenlap- 7 Präparation des Lungenlappenbronchus sowie der
pen zerstört haben wie karnifizierte Pneumonien, am Bronchus verlaufenden Bronchialarterie, die
Lungenabszesse, Tuberkulose oder Bronchiektasien. durch Koagulations- oder Clipverfahren ligiert wird.
7 Der Lappenbronchusverschluss erfolgt nahe dem
kPrinzip Abgang des Hauptbronchus mit einem 90° abge-
Über eine Thoraxeröffnung Resektion eines Lungenlap- winkelten linearen Klammernahtinstrument oder
pens unter Verschluss des Lappenbronchus und ggf. durch Einzelknopfnähte mit langsam resorbier-
Lymphknotenentfernung. barem monofilem Nahtmaterial der Stärke 3–0
oder 4–0. Bronchusleckagen müssen unbedingt
kLagerung vermieden werden.
4 Kontralaterale Seitenlage, 7 Die Bronchusstumpflänge sollte so gering wie
4 neutrale Elektrode am gleichseitigen Oberarm. möglich sein, damit sich kein Bronchialsekret
sammeln kann. Es besteht die Gefahr einer ent-
kInstrumentarium zündlichen Reaktion mit der Folge einer Bron-
4 Siehe Lungenkeilresektion (s. oben), chusstumpfinsuffizienz.
4 zusätzlich lineare Verschlussstapler und/oder lineare 7 Intraoperativ wird die Bronchusabsetzungsstelle
Stapler mit integriertem Cutter. durch den Anästhesisten bronchoskopisch kont-
rolliert.
kZugangswege 7 Das Absetzen des Lungenlappens von der verblei-
4 Antero-oder posterolaterale Thorakotomie. benden Lunge erfolgt durch einen linearen Stapler.
4 In Ausnahmefällen mediane Sternotomie. 7 Die systematische mediastinale Lymphknotenex-
stirpation bei bösartigen Tumoren ist obligat.
Sämtliche Lymphknotenstationen entlang des
Lobektomie Bronchialsystems werden dargestellt, komplett
7 Eröffnen des Thorax (typische Zugänge 7 Abschn. entfernt und zur histologischen Untersuchung ge-
6.3). geben.
7 Bei entzündlicher Vorgeschichte oder Re-Operati- 7 Die Untersuchungsergebnisse dienen der Klassifi-
onen erfolgt die Adhäsiolyse der Pleura von der zierung des Tumors und sichern den Therapie-
Brustwand. Evt. wird eine Probeexzision (PE) der verlauf.
Pleura entnommen und histologisch untersucht. 7 Einlegen zweier Thoraxdrainagen mit einem Sog
7 Exploration der Pleurahöhle. von 15–20 mbar.
6 7 Anschließend Thoraxverschluss.
6.6 · Eingriffe an der Lunge
327 6
Bilobektomie plett durchtrennt. Unterhalb der Einmündungsstelle des
Indikation, Instrumentarium, Lagerung und operative Zu- Oberlappenbronchus wird in gleicher Weise verfahren, so-
gänge wie bei Lobektomie. dass der Hauptbronchusanteil mit reseziert wird.
Das untere Hauptbronchusende und der obere Anteil
kPrinzip des Zwischenbronchus werden durch Einzelknopfnähte
Resektion zweier benachbarter Lungenlappen, der dritte anastomosiert (. Abb. 6.13).
Lappen verbleibt. Entsprechend ist dieser Eingriff nur Die Bronchusanastomose sollte endoskopisch kontrol-
rechts-pulmonal möglich. Eine linksseitige Bilobektomie liert werden. Nach dem Einlegen von 2 Thoraxdrainagen
ergibt eine komplette Lungenflügelentfernung, die Pneu- erfolgt der Thorakotomieverschluss.
monektomie.
Die Bilobektomie erfolgt nach dem gleichen Prinzip Pneumonektomie (Lungenflügelresektion)
wie die Lobektomie. Die Entfernung eines Lungenflügels wird nur durchge-
Die obere Bilobektomie schließt die Resektion des rech- führt, wenn die Radikalität es erfordert. In günstigen Fäl-
ten Lungenoberlappens und Mittellappens ein. Die untere len können die Lungengefäße ohne Eröffnung des Herz-
Bilobektomie entspricht der Resektion von Mittellappen beutels aufgesucht und versorgt werden. Bei zentralem
und Unterlappen. Tumorwachstum müssen aus Radikalitätsgründen die
Lungengefäße im eröffneten Herzbeutel präpariert wer-
den. Seltener stellen entzündliche Prozesse wie Lungen-
Bilobektomie
abszess oder karnifizierte Pneumonie eine Indikation dar.
7 Die entsprechenden Blutgefäße der zugehörigen
Lappen werden präpariert, unterbunden und
durchtrennt, ebenso wie die dazugehörigen Bron- Pneumektomie
chien. 7 Nach der Thorakotomie, dem Einsetzen des Tho-
7 Dabei muss überprüft werden, ob das verblei- raxsperrers und einer ausgedehnten Exploration
bende Lungengewebe sich im Thorax so ausdeh- wird der Hilus präpariert.
nen kann, dass es die Brustkorbhälfte vollständig 7 Der pulmonalarterielle Hauptast wird dargestellt,
ausfüllt und mit der Brustwandinnenfläche verkle- mit einem Overholt unterfahren und mit einer Ge-
ben kann, damit das Lungengewebe den Atembe- fäßschlinge (Vessel-Loop) angeschlungen.
wegungen des Brustkorbs folgen kann, sodass es 7 Die obere und untere V. pulmonalis werden in der
für die Atmung wieder nutzbar wird. Vorhofeinmündung freigelegt, durch eine Gefäß-
7 Mediastinale Lymphknotenentfernung. schlinge gesichert und mit einem Gefäßklammer-
7 Thoraxdrainageneinlage mit einem Soganschluss nahtinstrument durchtrennt.
von 15–20 mbar. 7 Eine Durchstechungsligatur mit monofilem nicht
7 Thoraxverschluss. resorbierbarem Nahtmaterial sichert die Abset-
zungsstelle.
7 Die Prinzipien des Gefäß- und Bronchusver-
schlusses entsprechen denen bei der Lobektomie
6.6.2 Bronchoplastische Eingriffe besprochenen.
7 Nach dem Absetzen des Lungenflügels sollte die
Aus Gründen der Radikalität werden Teile des Bronchial- Deckung des Bronchusstumpfes mit vitalem Ge-
systems entfernt. Der Bronchus wird über eine End-zu- webe erwogen werden, da das knorpelige Bron-
End-Anastomose rekonstruiert. chusgewebe schlecht durchblutet ist. Eine De-
Gerade bei Patienten, denen das Risiko einer Pneu- ckung kann die Heilungschancen erhöhen.
monektomie nicht zugemutet werden kann, ist die paren- 7 Zur Deckung eignet sich die von der Thoraxinnen-
chymsparende bronchoplastische Resektion die Methode wand gelöste Pleura, die gestielt auf den Bron-
der Wahl. In Zweifelsfällen sollte der Radikalität der Vor- chusstumpf gelegt und durch resorbierbare Ein-
zug vor funktionellen Erwägungen gegeben werden. zelknopfnähte fixiert wird.
Erscheint z. B. bei zentral wachsenden Tumoren eine 7 Eine weitere Deckungsmöglichkeit bietet ein frei-
Lobektomie nicht radikal genug, kann eine sog. Manschet- präparierter interkostaler Muskellappen, der von
tenresektion vorgenommen werden. ventral nach dorsal gestielt gelöst wird und mit
Beispiel: Bei einer rechtsseitigen Oberlappen-Man- intakter Blutversorgung von dorsal nach intratho-
schettenresektion wird oberhalb der Einmündung des 6
Oberlappenbronchus in den Hauptbronchus dieser kom-
328 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

a b

. Abb. 6.13 Manschettenlobektomie des rechten Oberlappens. medius mit der Trachealbifurkation durch Einzelknopfnähte wieder-
a Nach Versorgung der Gefäße und Durchtrennung der Parenchym- hergestellt (resorbierbares Nahtmaterial der Stärke 4–0). Bei isolier-
brücke zwischen Ober- und Mittellappen wird eine Bronchusman- tem Befall des Oberlappenbronchus kann eine keilförmige Exzision
schette entsprechend der Tumorinfiltration, bestehend aus Haupt- aus dem distalen Hauptbronchus bzw. proximalen Anteil des Bron-
bronchusanteil und Bronchus intermedius, mit dem Skalpell rese- chus intermedius ausreichen. Entscheidend ist die Schnellschnittun-
ziert. b Nach Lobektomie und Resektion der Bronchusmanschette tersuchung der Schnittränder. (Nach Siewert 2006)
wird die Bronchuskontinuität durch Anastomose des Bronchus inter-

6.6.3 Spezielle Resektionsverfahren


rakal geführt und auf dem Bronchusstumpf fixiert
wird. Spezielle Verfahren zur Resektion eines Lungenanteiles
7 Das Perikard mit perikardialem Fettgewebe oder stellen die Laserresektionen dar (7 Abschn. 6.2.2). Laserre-
das hochgezogene Omentum majus bieten wei- sektion und Laserkarbonisation finden in der Metastasen-
tere Möglichkeiten der Deckung. All diese Verfah- chirurgie bei zentraler oder gefäßnaher parenchymspa-
ren ermöglichen die Vermeidung einer Bronchus- render Resektion oder bei einer großen Anzahl von Metas-
stumpfinsuffizienz. tasen zur parenchymsparenden Resektion Anwendung.
7 Legen einer Thoraxdrainage ohne Sog zur Sekret-
entlastung. kZugangswege
7 Thoraxverschluss. 4 Antero- oder posterolaterale Thorakotomie.
4 Mediane Sternotomie.

Pleuropneumektomie
Laserresektion
Bei einem diffus malignen Pleuramesotheliom kann es er-
forderlich werden den Lungenflügel gemeinsam mit der 7 Thoraxeröffnung und Situsdarstellung wie bei der
umgebenden parietalen Pleura zu resezieren. Lungenkeilresektion (7 Abschn. 6.6.1) beschrieben.
Bei einem ausgedehnten Karzinom müssen manchmal 7 Technisch stehen der Nd:YAG-Laser, der Argon-
Teile des Perikards und des Zwerchfells mitreseziert wer- oder der Diodenlaser mit verschiedenen Wellen-
den. längen zur Verfügung.
Die hier entstehenden Defekte müssen plastisch ge- 7 Die zu resezierende Lunge wird durch einen mil-
deckt werden. den CPAP (»continous positive airway pressure«)
belüftet.
6
6.8 · Eingriffe an der Pleura
329 6

7 Mit dem Laserstrahl wird der Tumorherd entwe- liche Spannungsfreiheit für eine End-zu-End-
der direkt karbonisiert oder aus dem gesunden Anastomose zu erhalten.
Lungengewebe scharf trennend am Rand heraus 7 Das Absetzen des unteren Stenosenrandes erfolgt
gelöst. unter bronchoskopischer Sicht, indem gleichzeitig
7 Der Lungenoberflächendefekt verschließt sich au- der orale Tubus bis oberhalb der Verengung, unter
tomatisch durch die Karbonisation. Einsatz eines Jets zur Belüftung, zurückgezogen
7 Als Sicherheitsrand entsteht im Lungengewebe wird.
eine Karbonisationszone, die ein deutlich stärker 7 Für die freiliegende untere Trachea wird eine ste-
parenchymsparendes Resezieren ermöglicht. rile Intubation vorgenommen, bei der der sterile
Beatmungsschlauch zum Narkosegerät geleitet
7 Kleine Blutgefäße in der Tiefe der Resektionshöhle
wird (Trans-OP-Feld-Intubation).
müssen ggf. durch Umstechungsligaturen oder Ti-
7 Danach folgt die Resektion der Tracheastenose
tanclips verschlossen werden.
und Entnahme des Resektats.
7 Eine der zwei Thoraxdrainagen sollte möglichst
7 Die Tracheaanastomose erfolgt durch vorgelegte
7 Tage belassen werden und erst nach einem Ab-
Einzelknopfnähte mit resorbierbarem monofilem
klemmversuch mit anschließender Röntgenkont-
Nahtmaterial der Stärke 3–0 oder 4–0; beginnend
rolle entfernt werden. mit der Tracheahinterwand bis zum vorderen Teil
der Trachea, wobei der intraoperativ gelegte Tu-
bus einem Jet-Katheter weicht, da mit sog. »low
frequency ventilation« in dieser Phase beatmet
6.7 Eingriffe an der Trachea wird, um dann die vorderen Nähte zu legen.
7 Vor dem endgültigen Anastomosenverschluss
Als Indikation für Trachealresektionen gelten entzünd- wird der orale Tubus unter bronchoskopischer
liche Stenosen oder Tumoren. Der Zugang richtet sich Sicht und mit Hilfe des Operateurs über die Naht-
nach dem betroffenen Trachealabschnitt. Entweder kann stelle in die untere Tracheahälfte geführt.
über einen Kocher-Kragenschnitt (7 Abschn. 2.1) oder 7 In besonderen Fällen ermöglicht eine Mini-Tra-
eine mediane Sternotomie die Resektion im oberen Ab- cheostomaanlage die Unterstützung der Atmung
schnitt durchgeführt werden. Teile der distalen Trachea bei postoperativer Schwellung der Trachea.
und der Tracheabifurkation werden über die übliche 7 Schichtweiser Wundverschluss und Redoneinlage
(Ch 12–16).
rechtsseitige posterolaterale Thorakotomie zugänglich.

6.7.1 Tracheateilresektion Höchste Priorität gilt der postoperativen Lagerung des


Kopfes! Der Kopf des Patienten sollte mit dem Kinn auf der
Brust gelagert werden, um eine Überstreckung und Insta-
Tracheateilresektion
bilität der Tracheaanastomose zu vermeiden.
7 Präoperative Bronchoskopie in Narkose durch den Nach der Extubation sollte die Stimme des Patienten
Anästhesisten und den Operateur, um die Länge überprüft werden, um Schädigungen des N. recurrens aus-
und Beschaffenheit des zu resezierenden Trachea- zuschließen.
bereichs darzustellen und die Resektionsgrenzen
festzulegen. Bei ausgedehnten Stenosen ist vor
der Operation eine Bougierung erforderlich. 6.8 Eingriffe an der Pleura
7 Die Intubation erfolgt mit einem Woodbridge-Tu-
bus, wobei der Blockungs-Cuff unterhalb der Tra- 6.8.1 Pneumothorax
cheastenose platziert wird. Die Tubusgröße richtet
sich nach dem Befund. Ein Pneumothorax entsteht, wenn aus der Lunge Luft in
7 Nach dem Hautschnitt und Freilegen der Trachea die Pleurahöhle eindringt:
werden unterhalb und oberhalb der zu rese- 4 Spontan: Ruptur einer subpleural gelegenen Emphy-
zierenden Stenose Haltebänder gelegt. semblase. Bei jungen Menschen können es kleine
7 Die manuelle Mobilisation der Trachea reicht vom Bullae an der Lungenspitze sein, bei älteren Men-
Kehlkopf bis zur Hauptcarina, um eine größtmög- schen ein ausgedehntes Lungenemphysem.
6 4 Sekundär: Hier führen durchbrochene Malignome
zur Lungenruptur, wie auch bei Tbc Überdruck der
330 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

Atemwege, z. B. bei Asthma oder Lungenfibrose, nach


stumpfem Thoraxtrauma oder perforierender Tho- Resektion der viszeralen Pleura
raxverletzung. 7 Nach dem Öffnen der Brustwand und der Durch-
4 Iatrogen: Nach Pleurapunktion, Thoraxdrainagenein- trennung der Interkostalmuskulatur lässt sich der
lage, Überdruckbeatmung oder nach thoraxchirur- Interkostalraum häufig nur mittels eines Sperrers
gischen Eingriffen. aufdehnen, um die Pleuraschwarte extrapleural zu
lösen.
Therapie 7 Die fest miteinander verklebten Peurablätter
Die Anlage einer Thoraxsaugdrainage wird erforderlich. (-schwarte) fesseln die Lungenoberfläche.
Ein Sog von 15–10 mbar entlastet die Lunge. Dehnt sich 7 Die Pleuraschwarte wird mit dem Skalpell oder
die Lunge nach der Drainage nicht vollständig aus, besteht der Präparierschere eröffnet bis das Lungenparen-
eine OP-Indikation. Gleiches gilt für ein Pneumothoraxre- chym sichtbar wird.
7 Die Lungenoberfläche wird durch stumpfe
zidiv.
6 (Stieltupfer) oder scharfe Präparation (Dekortikati-
Operation onsschere) von der festen Schicht befreit.
7 Die Präparation sollte möglichst schwartennah er-
Das Ziel der Operation ist die Entfernung der bullösen Ab-
folgen, damit keine pleuralen Fisteln entstehen.
schnitte der Lunge und die Verklebung der Pleura parieta-
7 Sind Verletzungen der Lunge nicht vermeidbar,
lis mit der Pleura visceralis, um ein Rezidiv zu vermeiden. müssen sie übernäht werden oder sie verkleben
Dies kann durch eine partielle Pleurektomie oder die An- durch den postoperativen Kontakt zur Thoraxin-
rauung der Pleura parietalis mit der Elektrokoagulation nenwand.
oder Talkuminstillation erreicht werden. 7 Thoraxdrainagenanlage.
Heute ist die operative Revision eines Pneumothorax 7 Zwei Drainagen Ch 24–28 seitlich gelocht werden
über eine videoassistierte Thorakoskopie (VATS) Standard über separate Hautinzisionen möglichst knapp
(s. unten). über dem Zwerchfell bis in die Thoraxhöhlenspit-
ze geführt.
7 Nach diesem Eingriff ist es besonders wichtig, den
6.8.2 Pleuraempyem Unterdruck des Thoraxsoges bei 15–20 mbar
konstant zu halten.
Es handelt sich um eine eitrige Exsudation im Pleura- 7 Thoraxverschluss.
raum, entstanden durch (un-)spezifische Erreger
(. Tab. 6.1).
Pleurektomie – Resektion der parietalen Pleura
Dekortikation – Resektion der viszeralen kIndikation
Pleura 4 Rezidivprophylaxe bei Pneumothorax,
kIndikation 4 Pleurakarzinose/Pleuramesotheliom,
Pleuramesotheliom (bösartige Pleuraerkrankung). 4 Pleuritis (entzündliche Reizungen),
4 Erkrankungen der Pleura, die zu verstärkten Flüssig-
kZugangswege keitsabsonderungen im Pleuraspalt führen können,
Posterolaterale Thorakotomie, ggf. mit Rippenteilresek- 4 Diagnostische Eingriffe bei unklarer Pleuraver-
tion. dickung (Pleuraplaques nach Asbestexposition).

. Tab. 6.1 Pleuraempyem: Stadieneinteilung und Therapie

Stadium Kennzeichen Therapie

1 Exsudatives Stadium mit diffuser Der eitige Pleuraerguss wird über eine Drainage abgeleitet und gespült; die
Eiterung Thoraxdrainage liegt am tiefsten Punkt der Ergusshöhle

2 Es sind kleine fibrinöse Phasen mit VATS: Thorakoskopisch werden Adhäsionen gelöst, alle Eiterkammern geöffnet
Kammerungen vorhanden und eine partielle Pleurektomie sowie eine Dekortikation durchgeführt; an-
schließend Saug-Spül-Therapie über die Drainage

3 Verschwielung mit Ausbildung einer Empyemausräumung + Dekortikation über eine posterolaterale Thorakotomie
Pleuraschwarte
6.8 · Eingriffe an der Pleura
331 6
kZugangswege geschränktes Sichtfeld zu, und das Biopsiematerial ist oft
4 3-Punkt-VATS (s. unten). nicht aussagekräftig. Diese Technik wird nur selten durch-
4 Thorakotomie. geführt.
4 Mediane Sternotomie.

6.8.4 VATS (»video-assisted


Resektion der parietalen Pleura
thoracoscopic surgery«)
7 Thoraxeröffnung oder technisches Vorgehen wie
bei der VATS (s. unten) beschrieben. Die VATS gilt in der Diagnostik und in der Therapie als
7 Beim Eingehen in den Brustkorb wird die Interkos- Standardmethode. Durch die Entwicklung von Instrumen-
talmuskulatur durchtrennt. Die parietale Pleura ten und Klammernahtinstrumenten bestehen weitere
bleibt intakt und wird mit einem Stieltupfer oder Möglichkeiten, thoraxchirurgische Operationen über mi-
dem Finger stumpf vom Brustwandrand abgelöst nimal-invasive Zugänge durchzuführen. Durch Ultra-
(extrapleurales Lösen). schalldissektion ist eine schonende Gewebedurchtrennung
7 Jetzt wird die Pleura durchstoßen und weiter er- mit gleichzeitiger Blutstillung möglich.
öffnet. Alle in 7 Abschn. 2.15 dargestellten Kriterien gelten
7 Der Pleurarand wird mit einer kräftigen, langen auch hier. Das bedeutet u. a., dass bei Bedarf unverzüglich
Klemme gefasst, angespannt und durch weiteres auf eine Thorakotomie konvertiert werden kann. Die en-
stumpfes Präparieren der Pleura in der Schicht der doskopische Grundausstattung ähnelt der in 7 Kap. 2 dar-
Fascia endothoracica und dann in der Pleura bis gestellten. Im Thoraxraum ist keine CO2-Insufflation nö-
zur vorderen und hinteren Umschlagfalte am Me- tig, hier wird ein Pneumothorax erzeugt.
diastinum bzw. bis zum Zwerchfell komplett her-
ausgelöst. Hier wird die Pleura scharf abgesetzt. kInstrumentarium
7 Dieses Ausmaß der Pleuraauslösung und -resekti- 4 Grundinstrumente,
on bezeichnet man als subtotale Pleurektomie. 4 MIC-Instrumente (7 Abschn. 2.15)
7 Eine anschließende mechanische Aufrauhung des 4 30°-Optik
Rippenfells auf dem Zwerchfell sowie dem Medi- 4 Kamera,
astinum (z. B. mit einem gestielten Tupfer) ermög- 4 ventillose Trokare (10+5 mm),
licht hier eine gute Verklebung mit der Lungen- 4 Punktionskanüle,
oberfläche. 4 Bergebeutel,
7 Abschließend werden 2 Thoraxdrainagen Ch 28 in 4 endoskopische Klammernahtinstrumente,
den Thorax eingebracht. 4 HF-Elektoden,
7 Nach Thoraxverschluss wird an die Drainagen ein 4 Ultraschalldissektion,
Thoraxsog mit einem Unterdruck von minus 15– 4 Saug-Spül-Möglichkeit.
20 mbar angeschlossen.
kVorbereitung
Der Patient wird wie für eine Thorakotomie gelagert, die
Durch den kontinuierlichen Sog über mehrere Tage entfal- neutrale Elektrode nach Vorschrift platziert. Für eine si-
tet sich die Lunge passiv und findet Halt an der geschaf- chere VATS ist die Intubation mit einem Doppellumentu-
fenen Wundfläche. bus (Ein-Lungen-Ventilation) nötig.
Im Rahmen der Wundheilung verklebt die Lungen- Minimal-invasive Eingriffe am Brustkorb bedeuten
oberfläche mit der Thoraxwand und kann sich so durch eine besondere Zugangsform. Das Ausmaß der Paren-
Flüssigkeits- oder Luftaustritt in den Pleuraspalt nicht wie- chymresektion ist damit noch nicht vorgegeben. Mit dieser
der ablösen bzw. kollabieren. Technik wird routinemäßig der Pneumothorax (Lungen-
kollaps) operiert.

6.8.3 Thorakoskopie kIndikation


4 Pneumothorax,
Über eine Thorakoskopie ist es möglich, unter Sicht mit 4 Diagnostik bei Metastasen,
Hilfe einer Biopsiezange aus der Pleura Biopsien zur histo- 4 Pleurektomie sowie Dekortikation bei Pleuraerguss
logischen Bestimmung zu entnehmen. Dieser Eingriff und Empyem,
kann sowohl in Lokalanästhesie als auch in Kurznarkose 4 Bullaeresektion bei Emphysem,
durchgeführt werden. Die Thorakoskopie lässt nur ein ein- 4 Lungenvolumenreduktion
332 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

4 VATS-Lobektomie bei Bronchialkarzinom im Stadi-


um 1 (die Lymphadenektomie gelingt eher über eine 7 Ggf. wird der Thorax über einen Katheter mit einer
Thorakotomie), mit körperwarmer NaCl-Lösung gefüllten Blasen-
4 diagnostische Keilresektion bei interstitiellen Lun- spritze gespült. Nach dem Entfernen der Arbeits-
generkrankungen, trokare Einlegen zweier Thoraxdrainagen Ch 28
4 nicht maligne Rundherde oder Granulome, mit einem Sog von 15–20 mbar.
4 Ausräumung eines Hämatothorax, 7 Fixierung der Drainagen an der Haut.
4 Sympathektomie bei Hyperhidrosis, 7 Wundverschluss des Subkutangewebes und Haut-
4 Pleurodese = gezielte Verödung des Pleuraspalts naht.
durch Instillation von Medikamenten.

kOperative Zugangswege
3-Punkt-VATS = 3 Hautschnitte von 2 cm Länge: 6.9 Eingriffe am Mediastinum
6 4 im axillären muskelfreien Dreieck,
4 vordere Axillarlinie (ICR 5–6), 6.9.1 Mediastinoskopie
4 z. B. hintere Axillarlinie (ICR 6–7).
Dieser diagnostische Eingriff dient der Entnahme von
Einige Eingriffe lassen sich auch über einen 2-Punkt-Zu- Lymphknotengewebe. Der Zugang erfolgt chirurgisch über
gang durchführen. eine Inzision oberhalb des Jugulums.
Die Schnitte werden so gewählt, dass die basalen Zu-
gänge als spätere Drainageaustrittsstellen der Thoraxdrai- kIndikation
nagen genutzt werden können. Ein tiefer angesetzter api- 4 Diagnostik,
kaler Zugang ermöglicht bei Bedarf ggf. ein Umsteigen auf 4 Tumorstaging beim Bronchialkarzinom,
eine Thorakotomie, da er zu einem anterolateralen Haut- 4 Materialgewinnung bei mediastinalen Lymphomen
schnitt verlängert werden kann. (z. B. malignes Lymphon, Sarkoid).

VATS – Keilresektion Mediastinoskopie


7 Über die Hautschnitte werden die Trokare einge- 7 Der Patient wird in Rückenlage mit weit rekli-
führt, sie schaffen die Arbeitskanäle für die Optik niertem Kopf gelagert und steril abgedeckt.
und MIC-Instrumente. In der Regel wird die 30°- 7 Der Hautschnitt wird ca. 2–3 cm über dem Jugu-
Optik benutzt. lum gelegt, der gerade Halsmuskel wird mit Lan-
7 Nach dem Aufsuchen und Darstellen der geschä- genbeck- oder kleinen Roux-Haken auseinander
digten Lungenfläche sichert eine über einen Ar- gedrängt. Möglicherweise muss eine V. thyreoidea
beitstrokar eingeführte Lungenfasszange den zu inferior ligiert werden.
resezierenden Befund. 7 Die Halsfaszie wird durchtrennt, die Präparation
7 Evtl. Punktion oder Probeexzision des Befundes der Trachea erfolgt über ein Mediastinoskop.
für bakterielle oder zytologische Histologie. 7 Bis ins vordere Mediastinum unter Durchtrennung
7 Über einen der 3 Hautschnitte wird ein Klammer- der Fascia cervicalis media wird entlang der Tra-
nahtgerät (Endopath) eingeführt. Vor dem Ge- chea stumpf präpariert. Das Mediastinoskop mit
brauch wird die Funktion überprüft und der Klam- beleuchteter Optik wird in den prätrachealen und
merschutz entfernt. retrosternalen Raum eingeführt. Die paratrache-
7 Der Stapler wird in geschlossenem Zustand in die alen Lymphknoten werden bis zum Tracheobron-
Thoraxhöhle eingeführt, innen geöffnet und der zu- chialwinkel unter Saugung dargestellt (. Abb.
vor gesicherte Lungenanteil keilförmig herausge- 6.14). Lymphknoten sollten vor der Exstirpation
trennt. Es bedarf in der Regel 2–3 Nachladeeinheiten. punktiert werden, um Verletzungen von Blutge-
7 Zur Schaffung einer großen Wundfläche an der fäßen zu vermeiden.
Thoraxinnenwand wird eine Pleurektomie durch- 7 Mit einer PE-Zange erfolgt die Lymphknotenex-
geführt. Während der Heilung verklebt die Lun- stirpation. Wichtig ist hier die korrekte Beschrif-
genoberfläche breitflächig mit der Brustwand. tung der Präparate, um das Histologieergebnis
Dies dient zur Vermeidung eines erneuten Pneu- auswerten zu können.
mothorax. 7 Die sorgfältige Blutstillung und der Wundver-
6 schluss beenden diesen Eingriff.
6.9 · Eingriffe am Mediastinum
333 6

. Abb. 6.14 Einblick bei der Mediastinoskopie. (Nach Siewert 2001).

kZugangswege zum Mediastinum 4 Lipome,


Neben den angesprochenen Zugängen Sternotomie (7 Ab- 4 Perikardzyste
schn. 6.3.3) oder Thorakotomie (7 Abschn. 6.3.1 und 7 Ab- 4 Strumen.
schn. 6.3.2) gibt es hier spezielle Zugangswege:
4 Kollare Mediastinotomie: z. B. zur Entlastung ent- Tumoren im mittleren Mediastinum:
zündlicher Prozesse im Mediastinum. Der Haut- 4 Lymphome,
schnitt verläuft über dem Jugulum zwischen beiden 4 Granulome,
Mm. sternocleidomastoidei. 4 bronchogene Zysten.
4 Superiore Mediastinotomie: Der Hautschnitt ver-
läuft parallel zum Vorderrand des M. sternocleido- Tumoren im hinteren Mediastinum:
mastoideus. 4 neurogene Tumoren,
4 Anteriore parasternale Mediastinotomie: Seitlich 4 mesenchymale Tumoren.
neben dem Sternum erfolgt in Höhe der 2.–3. Rippe
der Hautschnitt, bei Bedarf müssen die Knorpelan- Der Zugang zu den Tumoren des vorderen Mediastinums
teile der oben genannten Rippen reseziert werden. erfolgt über die mediane, longitudinale Sternotomie. Er
4 Posteriore Mediastinotomie: Der Zugang liegt neben erfordert eine übersichtliche Darstellung des OP-Gebietes,
der Wirbelsäule in Höhe der Skapula. Auch hier müs- um die Resektionsgrenzen optimal festlegen zu können.
sen Rippenanteile reseziert werden.
kOperative Zugangswege
4 Mediane Sternotomie,
6.9.2 Mediastinaltumoren 4 ggf. hohe Thorakotomie (Eröffnung des Thorax un-
terhalb der 1. Rippe),
Mediastinaltumoren sind hauptsächlich im vorderen Me- 4 VATS.
diastinum zu finden.
Tumoren im vorderen Mediastinum:
4 Thymome,
4 Teratome,
4 Lymphome,
334 Kapitel 6 · Thoraxchirurgie

6.10 Knöcherne Thoraxwand


Mediastinaltumorresektion
7 In der Regel erfolgt über die mediane Sternoto- Korrekturoperationen der Trichterbrust, seltener der Hüh-
mie die Darstellung des Tumors. Damit beginnt nerbrust, wie auch Brustwandtumoroperationen können
die Ausschälung aus dem mediastinalen und peri- an der knöchernen Thoraxwand notwendig werden.
kardialen Fettgewebe.
7 Von kranial her werden die hier verlaufenden Ner-
ven- und Gefäßstrukturen dargestellt: 6.10.1 Trichterbrust
– V. anonyma mit ihrer Einmündung in die V. ca-
va superior, Indikationen zu einer operativen Behebung dieser an-
– A. carotis, geborenen Verformung der Thoraxwand sind zumeist
– A. brachiocephalica, kosmetische Gründe und/oder psychische Komponen-
– Thymusrestgewebe, ten, selten eine Funktionseinschränkung. Die Indikation
6 – Aortenbogen. muss in Abhängigkeit vom Patientenalter kritisch gestellt
7 N. phrenicus bei möglicher Eröffnung der Pleura- werden.
höhlen. Das Prinzip der meisten Operationen einer Trichter-
7 Eröffnete Pleurahöhlen müssen abschließend mit brust besteht in der Resektion des Rippenknorpels unter
einer Thoraxdrainage versorgt werden; die Pleura Belassung des umgebenden Periostschlauches.
kann an der mediastinalen Umschlagfalte mit re- 4 Soll eine Anhebung durchgeführt werden, wird der
sorbierbarem Nahtmaterial verschlossen werden. eingesunkene Rippenknorpel durchtrennt und teil-
7 Die tumorversorgenden Blutgefäße haben keinen weise reseziert. Das Sternum wird mobilisiert, ange-
einheitlichen Verlauf und werden mit resorbier- hoben und mit Kirschner-Drähten oder Spangen sta-
barem Nahtmaterial ligiert. bilisiert.
7 Blutstillung und Entnahme des Präparates. 4 Bei der sog. Umkehrung des Sternums werden Rip-
7 Substernal wird eine Wunddrainage, z. B. Redon pen und Sternum durchtrennt und umgekehrt wieder
Ch 16 oder Thoraxdrainage Ch 20, gelegt. eingesetzt, sodass eine Vorwölbung entsteht.
7 Sternumverschluss.
Trichterbrustkorrektur nach Nuss
Unter thorakoskopischer Sicht wird eine Metallplatte un-
terhalb des Sternums implantiert. Die Platte drückt bogen-
6.9.3 VATS-Thymektomie förmig das Sternum nach außen und verbleibt 2–3 Jahre im
Brustkorb.
kLagerung
Halbseitenlagerung (30°). kZugangswege
4 Posterolaterale Thorakotomie,
4 anteriore Thorakotomie,
VATS-Thymektomie
4 mediane Sternotomie.
7 Markierung der 3 Hautinzisionen für die Trokare
an der submammären Hautfalte.
7 Einführung des Thorakoskops. 6.10.2 Thoraxwandtumoren
7 Darstellung des N. phrenicus und Inzision der
Pleura mediastinalis an der Pleuraumschlagfalte. Hier kann es sich um Metastasen, invasiv wachsende
7 Freilegung des Fettgewebes mittels Ultraschall- Pleuratumoren oder von der Thoraxwand ausgehende Tu-
dissektion. moren handeln (. Tab. 6.2).
7 Freilegung der V. anonyma, ggf der V. cava superi-
or rechts. kPrinzip
7 Mobilisation des Fettgewebes und des Thymusge- Der Tumor wird im Gesunden unter kompletter Mitnah-
webes, kranial und seitlich kranial. me der Rippen entfernt. Aus Radikalitätsgründen wird
7 Sichtbar dargestellte Thymusblutgefäße werden benachbartes Lungengewebe en-bloc mitrezesiert. Der Si-
durchtrennt. En-bloc-Entfernung des Thymus und cherheitsabstand bei Benignomen beträgt 2 cm, bei Ma-
des Fettgewebes. lignomen 4 cm.
6.10 · Knöcherne Thoraxwand
335 6

. Tab. 6.2 Thoraxwandtumoren dient dem Organschutz (Herz, Lunge, Oberbauch-


organe).
Knochen- Gutartige Chondrome
7 Große Brustwand- oder Sternumdefekte können
tumoren Tumoren Osteochondrome
fibröse Dysplasie durch eine »Sandwichplastik« ergänzt werden: mit
einer anmodellierten Knochenzementplatte zwi-
Bösartige Osteosarkome
Tumoren Chondrosarkome
schen 2 Blättern einer Gore-Tex-Membran oder
Plasmozytome einem resorbierbaren Kunststoffnetz.
7 Stabilisierung mit autologem Material (Insellapen
Weichteil- Gutartige Fibrome
tumoren Tumoren Lipome des Muskels oder Omentum majus).
Neurinome 7 Die vitale Deckung durch Muskelplastiken wie
z. B. M. latissimus dorsi oder ventral durch M. pec-
Bösartige Fibro-, Lipo- und Angiosarkome
Tumoren in die Brustwand eingebro- toralis ist möglich.
chenes Bronchialkarzinom 7 Zur Befestigung werden zirkumkostale Nähte aus
nicht resorbierbarem Nahtmaterial rund um den
Defekt vorgelegt und das Ersatzmaterial zügig un-
kZugangswege ter Spannung eingenäht, während die Kno-
4 Thorakotomie postero- oder anterolateral, chenzementplatte aushärtet.
4 mediane Sternotomie. 7 Auf die Ersatzmembran wird eine Redondrainage
Ch 16 gelegt, um im Bereich des Fremdmaterials
eine Serum- und/oder Hämatombildung zu ver-
Brustwandteilresektion meiden, da dies eine Wundinfektion begünstigen
7 Eröffnung des Thorax je nach Lokalisation des Be- würde.
fundes, der präoperativ über die CT-Diagnostik 7 Thoraxdrainageneinlage je nach Operationsbe-
identifiziert wurde. fund.
7 Ober- oder unterhalb der Brustwandinfiltration 7 Schichtweiser Wundverschluss.
wird in den Interkostalraum eingegangen.
7 Vor der Rippenresektion ventral und dorsal der
Raumforderung wird mit einem Raspatorium nach
Doyen das Weichgewebe von der Rippe abge-
schoben und diese mit einer Rippenschere
reseziert.
7 Die Interkostalmuskulatur zwischen den zu rese-
zierenden Rippen wird präpariert und auf Höhe
der Rippenresektion die Gefäß- und Nervensträn-
ge mit resorbierbarem Nahtmaterial ligiert und
durchtrennt.
7 So wird bei allen tumorbefallenen Rippen ventral
und dorsal des Tumors verfahren.
7 Oberhalb der letzten betroffenen Rippe wird der
Interkostalraum in üblicher Weise durchtrennt, so-
dass der resezierte Brustwandanteil auf dem Tu-
mor bzw. dem Lungengewebe en bloc in die Tho-
raxhöhle hineinverlagert wird, um anschließend
den Lungengewebeanteil zu präparieren und die-
sen entweder als nicht anatomische oder als ana-
tomische Resektion mit zu entfernen. Bei Resekti-
onen von mehr als 2 Rippen muss zur Brustwand-
stabilisierung eine Brustwandrekonstruktion statt-
finden. Das verhindert eine Einschränkung der
Atemmechanik bzw. der Lungenbelüftung und
6
7

Kardiochirurgie
F.-Ch. Rieß, U. Kammin, M. Liehn, B. von Essen, A. Urbans, L. Hansen

7.1 Geschichte der Kardiochirurgie – 338

7.2 Kardiochirurgische Operationsverfahren – 338

7.3 Herz-Lungen-Maschine – 338

7.4 Chirurgische Zugänge – 340

7.5 Koronarchirurgie – 342

7.6 Linksventrikuläre Aneurysmektomie – 347

7.7 Aortenklappenchirurgie – 348

7.8 Mitralklappenchirurgie – 357

7.9 Trikuspidalklappenchirurgie – 360

7.10 Aortenaneurysmachirurgie – 361

7.11 Chirurgie kongenitaler Herzfehler – 365

7.12 Erkrankungen des Herzbeutels – 371

7.13 Herztumoren – 372

7.14 Pulmonale Thrombektomie – 373

7.15 Behandlung von Herzrhythmusstörungen – 374

7.16 Kreislaufunterstützungssysteme – 376

7.17 Herztransplantation – 378

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
338 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.1 Geschichte der Kardiochirurgie

Die Herzchirurgie umfasst die operative Behandlung von


angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens
sowie der großen herznahen Gefäße. Die Herzchirurgie ist
ein vergleichsweise junges Fach. Im Jahr 1896 wurde durch
Rehn in Frankfurt erstmals eine Herzverletzung erfolg-
reich operativ behandelt. Ein weiterer Meilenstein in der
Herzchirurgie ist die Einführung der Herz-Lungen-Ma-
schine (HLM) durch Gibbon im Jahr 1953, durch die ope-
rative Eingriffe am stillgestellten und blutleeren Herzen
erst möglich wurden. Hierzu zählen die koronare Bypass-
chirurgie (7 Abschn. 7.5), Herzklappenchirurgie (7 Ab-
schn. 7.7 bis 7 Abschn. 7.9), Aortenaneurysmachirurgie
(7 Abschn. 7.10), Behandlung von angeborenen Herzfeh-
7 lern (7 Abschn. 7.11), und die Herztransplantation (7 Ab-
schn. 7.17).
Auch in der Kardiochirurgie werden zunehmend sog.
minimal-invasive Operationstechniken (7 Abschn. 7.5.2,
7 Abschn. 7.5.3, 7 Abschn. 7.7.7, 7 Abschn. 7.8 und 7 Ab-
schn. 7.9) eingesetzt. Dabei wird versucht, über kleinere
chirurgische Zugänge und/oder die Vermeidung der Herz-
Lungen-Maschine den Eingriff für den Patienten scho-
nender zu gestalten.

. Abb. 7.1 Prinzip der Herz-Lungen-Maschine


7.2 Kardiochirurgische
Operationsverfahren
(. Abb. 7.1). Als Blutpumpen dienen Rollenpumpen oder
jEingriffe am schlagenden Herzen ohne Zentrifugalpumpen. Sie ersetzen die Pumpfunktion des
Herz-Lungen-Maschine Herzens. Die Perfusionsmenge wird an die Körperober-
Hierzu zählen insbesondere minimal-invasive Koronar- fläche angepasst, die sich aus dem Körpergewicht und der
operationen, Übernähungen von Herzverletzungen und Körperlänge errechnet. Der Oxygenator dient zur Sauer-
Eingriffe am Herzbeutel. stoffanreicherung des Blutes und zur Entfernung des Koh-
lendioxids (CO2). In modernen Oxygenatoren trennt eine
jOperationen mit Herz-Lungen-Maschine semipermeable (mikroporöse) Membran Blut- und Gas-
Hierzu zählen koronare Bypassoperationen, die gesamte phase voneinander. Sauerstoff (O2) diffundiert über die
Klappenchirurgie, Eingriffe an den herznahen großen Ge- Membran ins Blut, und CO2 wird über die Membran aus
fäßen, Korrekturen angeborener Herzfehler sowie Herz- dem Blut abgeatmet. Der Wärmeaustauscher ermöglicht
transplantationen. die Temperaturreduktion bzw. Wiederaufwärmung des
Blutes auf die gewünschte Temperatur.
Bestimmte Operationen, wie beispielsweise die Resek-
7.3 Herz-Lungen-Maschine tion von Aortenbogenaneurysmen, werden zum Teil in
tiefer Hypothermie (18–22 °C) durchgeführt (7 Abschn.
7.3.1 Aufbau 7.10.2). Dabei ist eine Unterbrechung der Perfusion (Kreis-
laufstillstand) für eine Zeit von 30–60 min möglich. Wäh-
Im Jahr 1953 wurde von Gibbon die HLM mit dem ersten rend des Kreislaufstillstands wird meist über die Carotis-
erfolgreichen Verschluss eines Vorhofseptumdefektes in die arterien eine antegrade oder über die obere Hohlvene eine
Klinik eingeführt. Mit der HLM oder auch extrakorporaler retrograde Kopfperfusion zur weiteren Kühlung des Ge-
Zirkulation (EKZ) bestand nun die Möglichkeit, Eingriffe hirns sowie zum Auswaschen von sauren Stoffwechselend-
am stillstehenden und blutleeren Herz vorzunehmen. produkten und zur anschließenden Entlüftung vorgenom-
Die HLM besteht aus Blutpumpen, Oxygenator mit men. So kann über eine in die obere Hohlvene eingeführte
Wärmeaustauscher sowie Normo-Hypothermiegerät und mit einer Drossel versehene Kanüle in der Regel
7.3 · Herz-Lungen-Maschine
339 7
400 ml gekühltes Blut pro Minute aus der HLM verabreicht
werden. Durch dieses Verfahren kann die tolerierte Kreis-
laufstillstandzeit verlängert werden.

7.3.2 Standardoperation mit


Herz-Lungen-Maschine

Standardoperation mit HLM


7 Anordnung im OP-Saal (. Abb. 7.3).
7 Mediane Sternotomie (. Abb. 7.16a). Herzbeu-
teleröffnung. Antikoagulation mit Heparin (400 I. . Abb. 7.2 Moderne HLM mit Hypothermiegerät. (Abb. freundli-
cherweise überlassen vom Albertinen-Krankenhaus Hamburg und
E. Heparin/kg i.v.).
RIESSmedien)
7 Anschluss an die HLM mit Kanülierung der Aorta
ascendens (. Abb. 7.1, . Abb. 7.4), ggf. nach
Leistenfreilegung (7 Abschn. 7.10) der A. femora-
lis (. Abb. 7.5). Kanülierung des rechten Vorhofs
sowie der unteren Hohlvene mit einer sog. Zwei-
stufenkanüle (. Abb. 7.6) oder beider Hohlvenen
(. Abb. 7.1) mittels einfacher venöser Kanülen
(. Abb. 7.7), die jeweils mit einem Tourniquet
(Gefäßdrossel) so abgedichtet werden können,
dass bei Eröffnung des Vorhofs keine Luft in die
venöse Linie der HLM gelangen kann. Alternativ
kann z. B. bei Reoperationen oder minimal-inva-
siven Eingriffen eine lange venöse Kanüle einge-
setzt werden (. Abb. 7.8).
7 Anfahren der HLM. Das Blut gelangt dabei passiv
. Abb. 7.3 Anordnung im OP-Saal. (Abb. freundlicherweise über-
zur HLM, wird dort mit O2 angereichert (oxygeniert)
lassen vom Albertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
und von CO2 befreit und anschließend über die arte-
rielle Linie in die Aorta ascendens bzw. A. femoralis
zurückgeführt (. Abb. 7.1). Einlegen eines sog.
Aortenwurzelkatheters (. Abb. 7.9) in die Aorta as-
cendens zur Verabreichung von Kardioplegielösung 7 Wiederbelebung des Herzens über Freigabe der
(s. unten) und zum späteren Entlüften des Herzens. Koronarzirkulation durch Öffnen der Aortenklem-
Queres Abklemmen der Aorta ascendens (. Abb. me. Spontaner Sinusrhythmus oder elektrische
7.11) mit der Fogarty-Klemme (. Abb. 7.12). Rhythmisierung durch Defibrillation (interne
7 Stillstellen des Herzens durch eine sog. kardiople- Schocklöffel; . Abb. 7.13). Einlegen von passa-
gische Lösung. Diese ist meist 4–10°C kalt und geren Schrittmacherelektroden (. Abb. 7.14) auf
enthält Kalium, das zu einer elektromechanischen den rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Abstel-
Entkoppelung des Herzmuskelgewebes führt. len der HLM.
Durch den Stillstand des Herzens und die Kühlung 7 Dekanülierung. Neutralisierung des Heparins mit
werden die Energiereserven des Herzens ge- Protaminchlorid (-sulfat). Blutstillung. Drainagen,
schont, z. B. für Eingriffe am stillstehenden und je nach Operation perikardial, pleural und retro-
blutleeren Herzen (z. B. koronare Bypassoperation sternal (7 Abschn. 1.7). Osteosynthese des Ster-
oder Klappenoperation). nums mit Drahtcerclagen und bei Risikofaktoren
7 Alternativ werden bestimmte Operationen am für eine Sternuminstabilität (Diabetes, Osteo-
schlagenden Herzen mit vorübergehender Aor- porose, Lungenerkrankungen) mit zusätz-
tenabklemmung durchgeführt. lichem Stahlband (. Abb. 7.15; s. hierzu auch
6 . Abb. 7.24).
340 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.4

7.8

7.5

7.9

7.6

7.7 7.10

. Abb. 7.4 Aorta-ascendens-Kanüle. (Fa. Jostra) . Abb. 7.8 Lange venöse Kanüle. (Fa. Medtronic)
. Abb. 7.5 Elongierte Trokarkanüle. (Fa. Medtronic) . Abb. 7.9 Aortenwurzelkatheter. (Fa. Jostra)
. Abb. 7.6 Venöse Zweistufenkanüle. (Fa. Jostra) . Abb. 7.10 Selektive Kardioplegiekatheter. (Fa. Krauth medical)
. Abb. 7.7 Hohlvenenkanülen. (Fa. Stöckert)

7.4 Chirurgische Zugänge jPartielle superiore Sternotomie


Dabei wird das Brustbein in der Mitte bis zum 3. bzw. 4.
jMediane Sternotomie Interkostalraum (ICR) rechts durchtrennt (. Abb. 7.16b).
Häufigster chirurgischer Zugang in der Herzchirurgie Dieser Zugang wird beispielsweise bei einer minimal-
(. Abb. 7.16a). Das Brustbein wird in ganzer Länge mit invasiven Aortenklappenoperation genutzt (7 Abschn.
einer Stichsäge (. Abb. 6.8) bzw. einer oszillierenden Säge 7.7.7).
durchtrennt.
7.4 · Chirurgische Zugänge
341 7

. Abb. 7.14 Passagere Schrittmacherdrähte. (Fa. Osypka)

. Abb. 7.11 Intraoperativer Situs nach Anschluss der HLM und que-
rer Aortenabklemmung. (Abb. freundlicherweise überlassen vom Al-
bertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)

. Abb. 7.15 Sternumverdrahtung mit Hilfe von Drahtcerclagen und


zusätzlichem Sternumband. (Fa. Ethicon)

. Abb. 7.12 Fogarty-Klemme. (Fa. Ulrich)

. Abb. 7.16 a–f Chirurgische Zugänge. Mediane Sternotomie (a),


partielle superiore Sternotomie (b), partielle inferiore Sternotomie (c),
links anteriore Thorakotomie (d), rechts anteriore Thorakotomie (e),
. Abb. 7.13 Interne Schocklöffel. (Fa. Medtronic) links anterolaterale Thorakotomie (f)
342 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

jPartielle inferiore Sternotomie


Das Brustbein wird in der Mittellinie bis in den 3. ICR
links eröffnet (. Abb. 7.16c). Dieser Zugang ist geeignet für
einen minimal-invasiven LIMA-LAD-Bypass (LIMA
= Left Internal Mammary Artery = linke innere Brustbein-
schlagader; LAD = Left Anterior Descending = vordere
absteigende Koronararterie) (7 Abschn. 7.5.4).

jLinksanteriore Thorakotomie
Die linksanteriore Thorakotomie wird meist im 4. oder
5. ICR angelegt (. Abb. 7.16d) und findet Verwendung bei
einem minimal-invasiven LIMA-LAD-Bypass oder bei
linksseitiger Perikardfensterung (7 Abschn. 7.12.1).

jRechtsanteriore Thorakotomie
7 Dabei wird der Thorax im 4. oder 5. ICR eröffnet (. Abb.
7.16e). Dieser Zugang wird bei minimal-invasiven Atrium-
septumdefekt- (ASD-) Operationen (7 Abschn. 7.11.1), bei
der minimal-invasiven Mitralklappenchirurgie (7 Abschn.
7.8), bei Trikuspidalklappenoperationen (7 Abschn. 7.9)
und bei rechtsseitigen Perikardfensterungen (7 Abschn.
7.12.1) benutzt. . Abb. 7.17 Prinzip der koronaren Bypass-Chirurgie (LIMA = »left
internal mammary artery« = linke innere Brustbeinschlagader; LAD
jLinksanterolaterale Thorakotomie = »left anterior descending« = vordere absteigende Koronararterie;
ACVB = Aorto Coronarer Venen-Bypass)
Dieser Zugang (. Abb. 7.16f) findet Verwendung bei der
Aortenisthmusstenosenoperation (7 Abschn. 7.11.4) und
dem Verschluss eines Ductus Botalli (7 Kap. 13). Der erste erfolgreiche aortokoronare Venenbypass
(ACVB) wurde von Garitt und Bailey 1964 durchgeführt
und der erste erfolgreiche Arteria-mammaria-Bypass ohne
7.5 Koronarchirurgie HLM von Kolessov im Jahre 1964 und mit HLM von Green
1967. Heute haben minimal-invasive Verfahren ohne Ein-
jAllgemeines satz der HLM (sog. Off-pump-Revaskularisation) und die
Die koronare Herzkrankheit ist die häufigste Erkrankung in Verwendung von arteriellen Bypasses eine immer größere
der Zivilisationsgesellschaft. Nahezu 100.000 Menschen Bedeutung. Von der Vermeidung der HLM profitieren ins-
sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen eines Herz- besondere ältere Patienten mit schweren Begleiterkran-
infarktes. Im Rahmen der koronaren Herzkrankheit kommt kungen wie Nierenfunktionsstörungen, Diabetes mellitus,
es zu Einengungen (Stenosen) oder zum Verschluss von Lungenerkrankungen, neurologischen Erkrankungen,
Herzkranzarterien und damit zu einer Mangelversorgung Verkalkungen der Aorta ascendens und Tumorpatienten,
des Herzmuskelgewebes (Myokards). Risikofaktoren für die da es nicht zum Kontakt des Blutes mit Kunststoffoberflä-
Entstehung einer koronaren Herzkrankheit sind: genetische chen der HLM und daraus resultierenden Nebenwirkungen
Disposition, Hypertonus, Fettstoffwechselstörungen, Dia- auf praktisch alle Organsysteme kommt.
betes mellitus, Nikotinabusus, Übergewicht, Bewegungs-
mangel und Stress. Ein kompletter Gefäßverschluss (totale jOperationen
Ischämie) führt häufig zu einer Zellnekrose (Herzinfarkt). Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für
Ist ein Koronargefäß nur hochgradig eingeengt und noch alle hier beschriebenen koronarchirurgischen Eingriffe.
eine Restperfusion vorhanden, so leidet der Patient in der
Regel unter bei Belastung auftretendem, anfallsweisem En- kInstrumentarium
gegefühl und Herzschmerzen (Angina pectoris). Das Prin- 4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit
zip der operativen Behandlung der koronaren Herzkrank- Sternumretraktor (. Abb. 7.18).
heit ist die Normalisierung des O2-Angebots an das Herz- 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge
muskelgewebe. Dies wird erreicht durch die Überbrückung (. Abb. 6.13).
der Koronarstenosen oder -verschlüsse mit körpereigenen 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
arteriellen oder venösen Gefäßen (. Abb. 7.17). 4 Sauger.
7.5 · Koronarchirurgie
343 7

7.20

7.18

7.21
7.19

. Abb. 7.18 Birnbaumsperrer. (Fa. Pilling Weck) . Abb. 7.21 Flexibler Stabilisationsarm für Off-pump-Koronarre-
. Abb. 7.19 Mammariasperrer. (Fa. Jostra) vaskularisation mit Koronar-Stabilisationsplattform nach Riess.
. Abb. 7.20 Aortenstanze. (Fa. Aesculap AG) (Fa. Geister)

4 Gefäßstandardinstrumentarium (7 Kap. 4). kNahtmaterial


4 Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky- (. Abb. 4.33), 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
Fogarty-Klemme (. Abb. 7.12). fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
4 Feines Koronarinstrumentarium. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
4 Bulldogklemmen (. Abb. 4.38 u. . Abb. 4.39). 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner
4 Clipzange. (. Abb. 7.15 und . Abb. 7.24).
4 Mammariasperrer (. Abb. 7.19). 4 Filzarmiertes geflochtenes Nahtmaterial (tiefe Peri-
4 Thoraxdrainage, Redon-Drainage (7 Abschn. 1.7). kardnähte zur Herzluxation; . Abb. 7.31).
4 Gummizügel.
4 Aortenstanze (. Abb. 7.20). kLagerung
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet 4 Rückenlagerung.
(7 Abschn. 4.1.3) zur Fixierung der HLM-Kanülen 4 Beide Arme angelagert.
(. Abb. 7.11). 4 Der linke Arm wird ggf. zur Entnahme der A. radialis
4 Schocklöffel (. Abb. 7.13), Schrittmacherdrähte ausgelagert.
(. Abb. 7.14). 4 Gelrolle unter beide Knie.
4 Flexibler Haltearm (. Abb. 7.21) und Stabilisations- 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
fuß (. Abb. 7.22). Schulterblatt.
4 Silikonloops mit stumpfer Nadel zur Koronarokklusi-
on (. Abb. 7.23).
344 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

kAbdeckung kRasur
4 Nach Standard. 4 Der Brustkorb (prästernal) und beide Leistenregi-
4 Zur Venenentnahme müssen beide Unterschenkel zu- onen werden rasiert.
gänglich sein. 4 Beide Beine müssen zirkulär rasiert werden, falls Ve-
4 Beide Füße steril abdecken. nenentnahme geplant.

7.5.1 Standardkoronaroperation mit


Herz-Lungen-Maschine

Standardkoronaroperation mit HLM


7 Mediane Sternotomie. Präparation der linken
A. mammaria (LIMA) mit Spezialsperrer (. Abb.
7.19) entweder als Pedikel (mit Begleitgewebe
7 und Begleitvenen) oder skelettiert (ohne Begleit-
7.22 gewebe und Begleitvenen) (. Abb. 7.25). Dabei
werden Seitenäste zwischen Titanclips durch-
trennt oder mit Diathermie oder einem Ultra-
schallskalpell verschlossen.
7 Entnahme der V. saphena magna, die an der In-
nenseite des Beines verläuft. Verschluss der Seite-
näste mit 5–0 monofilem Polypropylen und Titan-
clips.
7 Anschluss an die HLM mit der Aorta-ascendens-
Kanüle und einer venösen Zweistufenkanüle.
7 Aortenabklemmung, kardioplegischer Herzstill-
stand über Aortenwurzelkatheter. Alternativ kön-
nen die peripheren Anastomosen auch während
intermittierender Aorta-ascendens-Abklemmung
angelegt werden. Nähen der peripheren Anasto-
mosen zwischen den Bypassgefäßen und den Ko-
7.23 ronararterien (. Abb. 7.26) mit 8–0 oder 7–0 mo-
nofilem Polypropylen. Öffnen der Aortenklemme
und Wiederbeleben des Herzens. Gegebenenfalls
Rhythmisierung.
7 Nähen der zentralen Anastomosen zwischen V.
saphena magna und der Aorta ascendens mit ei-
ner fortlaufenden 6–0 monofilen Polypropylen-
naht (. Abb. 7.27) an der mit einer Satinsky-
Klemme tangential ausgeklemmten Aorta. Bei
Aorta-ascendens-Verkalkungen können die zen-
tralen Anastomosen im kardioplegischen Still-
stand genäht werden, um Kalkembolisationen
7.24
durch eine seitliche Ausklemmung zu vermei-
den. Aufnähen von Schrittmacherdrähten auf
. Abb. 7.22 Die Koronarstabilisationsplattform mit Kugelkopf er- rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Abgehen
möglicht in Kombination mit dem wiederverwendbaren flexiblen
von der HLM.
Haltearm die lokale Stabilisation aller Koronararterien. (Fa. Cardiome-
dical) 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Drai-
. Abb. 7.23 Siliconloop mit stumpfer Nadel für Koronarokklusion. nagen (pleural/perikardial/retrosternal). Thorax-
(Fa. Genzyme) verschluss.
. Abb. 7.24 Sternumband und Sternumspanner. (Fa. Ethicon)
7.5 · Koronarchirurgie
345 7
7.5.2 Komplette arterielle
Revaskularisation

Komplette arterielle Revaskularisation


7 Mediane Sternotomie (. Abb. 7.16a).
7 Präparation beider Aa. mammariae (LIMA und RIMA)
sowie evtl. zusätzlich der A. radialis, die am linken
oder rechten Unterarm entnommen wird, oder der
A. gastroomentalis (. Abb. 7.28). Seitenäste werden
zwischen Clips oder monopolar durchtrennt.
7 Nähen eines sog. T-Grafts; hierbei wird entweder die
skelettierte RIMA oder die A. radialis in einem 90°-
. Abb. 7.25 Skelettierende Präparation der inneren Brustbein-
Abgangswinkel mit einer fortlaufenden 8–0 Poly-
schlagader. (Abb. freundlicherweise überlassen vom Albertinen-
Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien) propylennaht in die LIMA implantiert (. Abb. 7.29).
Alternativ können auch beide Brustbeinschlagadern
in situ belassen werden. Anschluss an die HLM, Aor-
tenabklemmung, kardioplegischer Herzstillstand
(7 Abschn. 7.3.2). Anlegen der peripheren Anasto-
mosen jeweils mit 8–0 fortlaufender Polypropylen-
naht, dabei werden End-zu-Seit-Anastomosen oder
»jumps« (Seit-zu-Seit-Anastomosen) angelegt
(. Abb. 7.29). Außerdem können Bypassgefässe als
Y in einen anderen Bypass implantiert werden.
7 Öffnen der Aortenklemme. Reperfusion. Rhythmi-
sierung. Passagere Schrittmacherelektroden. Ab-
stellen der HLM.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Drai-
nagen. Thoraxverschluss.
7 Bei Entnahme der A. radialis wird ähnlich wie nach
Saphenektomie eine Redon-Drainage eingelegt.

. Abb. 7.26 Distale Koronaranastomose

7.5.3 Minimal-invasive
Koronarrevaskularisation des LAD
ohne Herz-Lungen-Maschine

Minimal-invasive Koronarrevaskularisation des


LAD ohne HLM
7 Partielle inferiore Sternotomie (Linksanteriore
Thorakotomie, komplette Sternotomie).
7 Präparation der linken A. mammaria interna
(LIMA). Seitenäste werden zwischen Clips oder
monopolar durchtrennt.
7 Heparingabe. Vorübergehende Koronarokklusion
mit 2 Silikonloops in Kombination mit einem Sta-
bilisator (. Abb. 7.30). Anlegen der peripheren
LIMA-LAD-Anastomose mit einer 8–0 fortlau-
fenden monofilen Polypropylennaht.
7 Protamingabe. Blutstillung. Drainagen. Thoraxver-
schluss.
. Abb. 7.27 Zentrale Bypassanastomose
346 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

. Abb. 7.28 Arterielle Bypassgefäße (LIMA = »left internal mamma-


ry artery«; RIMA = »right internal mammary artery«)

. Abb. 7.29 Komplette arterielle Revaskularisation mittels LIMA . Abb. 7.30 a–c Stabilisation der Herzmuskelwand sowie der Koro-
und RIMA als T-Graft nargefäße während minimal-invasiver Koronarchirurgie durch Kom-
pression (a), Sog (b) oder Kompression/Zug (c)
7.6 · Linksventrikuläre Aneurysmektomie
347 7
7.5.4 Komplette arterielle
Koronarrevaskularisation
ohne Herz-Lungen-Maschine

Komplette arterielle Koronarrevaskularisation


ohne HLM
7 Mediane Sternotomie.
7 Präparation beider Aa. mammariae (LIMA und
RIMA) sowie evtl. zusätzlich der A. radialis, die am
linken oder rechten Unterarm entnommen wird,
oder der A. gastroomentalis. Seitenäste werden
zwischen Clips oder monopolar durchtrennt.
7 Nähen eines sog. T-Grafts. Hierbei wird entweder
die skelettierte RIMA oder die A. radialis in einem
90°-Abgangswinkel in die LIMA mit einer fortlau- . Abb. 7.31 Luxation des Herzens während minimal-invasiver Ko-
ronarrevaskularisation durch tiefe Perikardschlingen. Koronarstabili-
fenden 8–0 Polypropylennaht implantiert. Alter-
sation mit flexiblem Haltearm und Stabilisationsplattform nach
nativ können auch beide Brustbeinschlagadern in Riess. (Beispiel: Fa. Geister). (Abb. freundlicherweise überlassen vom
situ belassen werden. Albertinen-Krankenhaus Hamburg und RIESSmedien)
7 Herzluxation mit tiefen Herzbeutelnähten oder
Herzbeutelschlingen (. Abb. 7.31) zur Einstellung
der dorsalen Koronarien. Heparingabe. Vorüber-
gehende Koronarokklusion mit 2 Silikonloops in
Kombination mit lokaler Stabilisation.
7 Anlegen der peripheren Anastomosen jeweils mit
8–0 fortlaufenden monofilen Polypropylennähten;
dabei werden End-zu-Seit-Anastomosen oder
Jumps (Seit-zu-Seit-Anastomosen) angelegt. Au-
ßerdem können Bypassgefäße als Y in einen ande-
ren Bypass implantiert werden.
7 Protamingabe. Blutstillung. Passagere Schrittma-
cherelektroden. Drainagen. Thoraxverschluss.

a
7.6 Linksventrikuläre Aneurysmektomie

kPrinzip
Das Prinzip der Aneurysmektomie ist die Verkleinerung
des Innendurchmessers der linken Herzkammer. Nach
dem LaPlace-Gesetz kommt es durch die Verringerung der
Wandspannung zur Verminderung des O2-Bedarfs des
Myokards (. Abb. 7.32)

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit
Sternumsperrer.
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. b
4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
4 Sauger.
. Abb. 7.32 a, b Prinzip der linksventrikulären Aneurysmektomie.
4 Gefäßstandardinstrumentarium. Längsschnitt durch den linken Ventrikel vor (a) und nach (b) Aneu-
4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Clipzange. rysmektomie (LV = linker Ventrikel). Die roten Pfeile zeigen die Be-
4 Thoraxdrainage. wegungen während der Systole
348 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

a b c

. Abb. 7.33 a–c Linksventrikuläre Aneurysmektomie mit Thrombus-Ausräumung (a), Legen von filzarmierten Nähten (b) und fertige Aneu-
7 rysmektomie (c)

4 Filzstreifen (Polytetrafluorethylen, PTFE) als Nahtwi-


derlager. ten oder schlagenden Herzen. Eröffnung des
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur linksventrikulären Aneurysmas mit Messer/Schere
Fixierung der HLM-Kanülen. (. Abb. 7.33a). Entfernung von Thromben. Legen
4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte. von kräftigen geflochtenen filzarmierten U-Näh-
ten, die im Randbereich der Myokardnarbe gesto-
kNahtmaterial chen werden (. Abb. 7.33b). Entlüftung und
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge- Knüpfen der Nähte (. Abb. 7.33c).
fäßnahtmaterial aus Polypropylen. 7 Gegebenenfalls Öffnen der Aortenklemme, Wie-
4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. derbelebung des Herzens. Reperfusion. Schritt-
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares geflochtenes macherdrähte auf Vorhof und Kammer. Abstellen
beschichtetes Nahtmaterial (Polyester). der HLM. Dekanülierung. Protamingabe. Blutstil-
4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner. lung. Einlegen von Perikard- und Retrosternaldrai-
nage. Thoraxverschluss.
kLagerung
4 Rückenlagerung.
4 Beide Arme angelagert.
4 Gelrolle unter beide Knie.
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
7.7 Aortenklappenchirurgie
Schulterblatt.
jAortenklappenerkrankungen
kAbdeckung Die Aortenklappe funktioniert als Ventil zwischen der lin-
Nach Standard. ken Herzkammer und der Aorta ascendens. Durch Er-
krankungen der Klappe kann es zu einer Einengung (Ste-
kRasur nose), einer Undichtigkeit (Insuffizienz) oder einer kom-
Brustkorb und beide Leistenregionen. binierten Schädigung mit teilweiser Einengung und teil-
weiser Undichtigkeit kommen. Je nach Befund der Klappe
muss diese reseziert und durch eine Klappenprothese er-
Linksventrikuläre Aneurysmektomie
setzt werden oder kann in bestimmten Fällen auch rekons-
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung und An- truiert werden.
schluss an die HLM mit einer Aorta-ascendens-Ka-
nüle sowie einer venösen Zweistufenkanüle. jAortenstenose
7 Aortenabklemmung und ggf. kardioplegischer Sie tritt gehäuft bei angeborenen bikuspidalen Aortenklap-
Herzstillstand. Aneurysmektomie am stillgestell- pen auf, bei denen anstelle der 3 Taschen nur 2 angelegt
6 sind. Auch ein rheumatisches Fieber, das bei Streptokok-
keninfektionen auftritt, kann zu einer Schädigung der
7.7 · Aortenklappenchirurgie
349 7
Herzklappen führen. Ferner kann eine degenerative Fibro-
sierung bzw. Verkalkung im höheren Lebensalter eine Aor-
tenklappenstenose mit Verklebung der Kommissuren und
ausgeprägten Verkalkungen hervorrufen.

jAortenklappeninsuffizienz
Durch eine nichtbakterielle Klappenerkrankung als Folge
einer immunologischen Reaktion im Rahmen eines rheuma-
tischen Fiebers (Alter bei Krankheitsbeginn 5–15 Jahre)
kann es ähnlich wie bei der Aortenklappenstenose auch zu
einer Undichtigkeit der Aortenklappe kommen. Dabei kön-
nen die Klappen verdickt und zusammengeschrumpft sein.
Ferner kann es im Rahmen angeborener Bindegewebsde-
fekte (z. B. Marfan-Syndrom) zu einer Ausweitung der Aor-
tenwurzel mit einer nachfolgenden Aorteninsuffizienz kom-
men (7 Abschn. 7.10). Bei einer akuten Aorta-ascendens- 7.34
Dissektion kann der Abriss der Klappenkommissuren zu
einer Aortenklappeninsuffizienz führen (7 Abschn. 7.10.1).
Die bakterielle Endokarditis durch direkte bakterielle
Besiedlung des Klappengewebes kann zu einer Zerstörung
der Klappentaschen mit nachfolgender Klappeninsuffizi-
enz führen. Meist sind die befallenen Herzklappen konge-
nital fehlgebildet. Risikofaktoren für eine bakterielle Endo-
karditis sind Drogenkonsum, Alkoholabusus, Steroidthe-
rapie, urologische Eingriffe sowie Zahnextraktionen. Im
Rahmen einer bakteriellen Endokarditis kann es zu Abs-
zessbildungen im Bereich der Aortenwurzel sowie zu arte- 7.35
riellen Embolisationen kommen.
. Abb. 7.34 Mechanische Zweiflügel-Kipp-Prothese. (Fa. St. Jude-
Medical)
. Abb. 7.35 Dacron-Conduit mit mechanischer Einscheiben-Kipp-
7.7.1 Klappenprothesen Herzklappenprothese. (Medtronic-Hall, Fa. Medtronic)

Klappen aus Kunststoff und Metall


(alloplastische Prothesen) einem Perikardschlauch bestehen, in den eine porcine
Die am häufigsten verwendete mechanische Prothese ist Klappe implantiert wird.
die Zweiflügel-Prothese (. Abb. 7.34, . Abb. 7.35). Dieser Klappentyp, den es auch als halbgestentete Aor-
Vorteil: Unbegrenzte mechanische Haltbarkeit. tenklappe gibt, ist insbesondere geeignet für Patienten mit
Nachteil: Thromboembolische Komplikationen. Le- floriden Endokarditiden, da diese Klappen frei von synthe-
benslange Antikoagulation mit oralen Antikoagulantien tischen Materialien sind, welches die Ausheilung der En-
(Marcumar) erforderlich. dokarditis begünstigt.
Vorteil: Geringe Rate an thromboembolischen Kompli-
Klappen aus biologischen Materialien kationen. Daher kann auf eine dauerhafte Antikoagulation
Heterologe Klappen sind aus Schweine-Aortenklappen mit Ausnahme eines bestehenden Vorhofflimmerns ver-
(. Abb. 7.36, . Abb. 7.37) bzw. Rinderperikard (. Abb. zichtet werden.
7.38) hergestellt. Bei gestenteten Klappen (. Abb. 7.37, Nachteil: Begrenzte Haltbarkeit (8–15 Jahre in Abhän-
. Abb. 7.38) wird die Schweineklappe bzw. das Rinderpe- gigkeit vom Implantationsort). Biologische Herzklappen
rikard in einen Stent aus Metall und Kunststoff eingenäht. halten aufgrund der unterschiedlichen mechanischen Belas-
Bei ungestenteten Klappen (. Abb. 7.36, . Abb. 7.40) wird tung in der Aortenposition länger als in der Mitralposition.
die Herzklappe nach Zurechtschneiden direkt in die Aor-
tenwurzel des Patienten eingenäht oder es wird die gesamte Homologe Aortenklappen
Aortenwurzelprothese implantiert. Bei dieser Technik Werden auch als Homografts (menschliche Klappen von
müssen beide Koronararterien reimplantiert werden. Zu Spendern) bezeichnet (. Abb. 7.40). Sie können für den
diesem Zweck finden auch Conduits Verwendung, die aus Aortenklappenersatz in subkoronarer Implantationstech-
350 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.38

7
7.36

7.39

7.37

7.40

. Abb. 7.36 Ungestentete heterologe Aortenwurzel. (Freestyle, . Abb. 7.38 Heterologe Perikardklappe. (Perimount, Fa. Edwards)
Fa. Medtronic) . Abb. 7.39 Anuloplastiering Trikuspidal. (Carpentier Classic-Ring,
. Abb. 7.37 Gestentete heterologe Bioherzklappenprothese. (Mo- Fa. Edwards)
saic, Fa. Medtronic) . Abb. 7.40 Homograft-Herzklappenprothese. (Fa. Cryolife)

nik (. Abb. 7.42) oder als Aortenwurzelersatz mit Reim- Vorteil: Längere Haltbarkeit der homologen Pulmonal-
plantation der Koronarien benutzt werden. klappe in Aortenposition als die von heterologen biolo-
Vorteil: Längere Haltbarkeit als heterologe biologische gischen Klappen.
Klappen. Nachteil: Aufwändige Operation sowie ungewisse Halt-
Nachteile: Ebenfalls begrenzte Haltbarkeit mit erneu- barkeit des Homografts, der anstelle der entnommenen
tem Auftreten von Klappenverkalkungen bzw. -insuffizi- Pulmonalklappe implantiert wird.
enzen. Begrenzte Verfügbarkeit von Homografts.
Aortenklappenrekonstruktion
Autologe Klappenersatzoperationen Bei einem Aorta-ascendens-Aneurysma kann es infolge
Bei der von Lord Ross im Jahr 1967 entwickelten OP-Tech- der Kommissuren-Kippung nach auswärts zu einer Straf-
nik wird eine körpereigene Klappe (Pulmonalklappe) in fung der freien Klappenränder und damit zu einer zentra-
Aortenposition implantiert. Die Pulmonalklappe wird in len Undichtigkeit der Aortenklappe kommen. Diese insuf-
der Regel durch einen Homograft ersetzt. fizienten Aortenklappen können im Rahmen eines prothe-
7.7 · Aortenklappenchirurgie
351 7
tischen Ersatzes der Aorta ascendens rekonstruiert werden, kImplantate
indem die eigene Aortenklappe in die Aortenrohrprothese Biologische oder mechanische Aortenklappen (. Abb. 7.34
implantiert wird (7 Abschn. 7.7.7). bis . Abb. 7.40).
Vorteile: Keine dauerhafte Antikoagulation erforder-
lich. Sehr gute Hämodynamik. kLagerung
Nachteil: Aufwändige Operation. 4 Rückenlagerung.
4 Beide Arme angelagert.
Auswahlkriterien des Klappentyps 4 Gelrolle unter beide Knie.
Alloplastische Klappen werden meist jüngeren Patienten 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
und insbesondere in der Mitralposition implantiert. Schulterblatt.
Biologische Herzklappen sind für Patienten geeignet,
bei denen eine Behandlung mit gerinnungshemmenden kAbdeckung
Medikamenten grundsätzlich problematisch ist: Frauen Nach Standard.
mit Kinderwunsch, Patienten im Alter von über 75 Jah-
ren sowie Patienten mit entsprechenden Blutungs- kRasur
risiken. Die Körperoberfläche des Patienten ist komplett zu rasie-
In den letzten Jahren ist international ein Trend hin ren, inklusive beider Leistenregionen.
zu biologischen Klappen zu verzeichnen. Gründe dafür
sind das zunehmende Lebensalter der Patienten sowie
deren Wunsch, ohne blutverdünnende Medikamente zu 7.7.2 Aortenklappenersatz mit mechanischer
leben. Biologische Klappen haben eine bessere Haltbar- oder biologischer Prothese
keit, und das Risiko einer Re-Operation ist somit herab-
gesetzt.
Klappenersatz mit mechanischer
Operationen oder biologischer Prothese
Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für 7 Mediane Sternotomie. Alternativ superiore parti-
alle hier beschriebenen operativen Eingriffe an der Aor- elle Sternotomie bis zum 4. ICR. Perikarderöff-
tenklappe. nung. Heparingabe.
7 Anschluss an die HLM mit Aorta-ascendens-Kanüle
kInstrumentarium sowie einer venösen Zweistufenkanüle. Aortenab-
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit klemmung und kardioplegischer Herzstillstand. Bei
Sternumsperrer (. Abb. 7.18). reiner Aortenstenose kann die Kardioplegie über
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. den Aortenwurzelkatheter verabreicht werden. Bei
4 Diathermie oder Ultraschallskalpell. mittelgradigen Aortenklappeninsuffizienzen ist in
4 Sauger. der Regel eine Kardioplegieapplikation mit spezi-
4 Gefäßstandardinstrumentarium. ellen Kathetern (. Abb. 7.10) erforderlich, um eine
4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme. Regurgitation von Kardioplegie in den linken Vent-
4 Clipzange, Luer (Hohlmeißelzange), Rongeur rikel mit einer nachfolgenden Überdehnung der
(. Abb. 10.23). linken Herzkammer zu vermeiden.
4 Thoraxdrainage. 7 Längseröffnung bzw. quere Aortotomie (. Abb.
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur 7.41a). Entfernung der degenerativ veränderten
Fixierung der HLM-Kanülen. bzw. verkalkten Aortenklappentaschen mit Hilfe von
4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel. Schere, Luer und Rongeur (. Abb. 7.41b). Dabei ist
4 Aortenklappensizer. sorgfältig darauf zu achten, dass es nicht zu Kalkem-
bolisationen in die Koronararterien kommt. Spülung
kNahtmaterial mit isotoner Kochsalzlösung und Absaugung.
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge- 7 Implantation der Klappenprothese je nach Lokal-
fäßnahtmaterial aus Polypropylen. befund, Klappentyp sowie Vorliebe des Operateurs
4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial. mit filzarmierten U-Nähten, die supra- oder infra-
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares geflochtenes koronar gelegt werden können (. Abb. 7.41c), Ein-
beschichtetes Nahtmaterial (grün/weiß Polyester) mit zelknopfnähten oder mehreren fortlaufenden 2–0
Teflonpatch. 6
4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
352 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

monofilen Fäden. Herunterknüpfen der Klappen-


prothese. Entfernung des Klappenhalters. Ver-
schluss der Aortotomie mit einer fortlaufenden
4–0 Blalock-Naht bzw. einer einfachen fortlaufen-
den monofilen Naht.
7 Öffnen der Aortenklemme, Wiederbelebung des
Herzens. Rhythmisierung. Entlüftung. Reperfusi- a
on. Schrittmacherdrähte auf Vorhof und Kammer.
Abstellen der HLM.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einle-
gen von Perikard- und Retrosternaldrainage. Tho-
raxverschluss.

7
7.7.3 Subkoronarer Aortenklappenersatz
mit Homograft/Heterograft
b

Subkoronarer Aortenklappenersatz mit


Homograft/Heterograft
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa-
ringabe. Anschluss an die HLM über Aorta-ascen-
dens- und venöse Zweistufenkanüle.
7 Quere Aortotomie bzw. Längsinzision der Aorta
ascendens. Entfernung der verkalkten bzw. des-
truierten Aortenklappentaschen. Ausmessen des
Aortenwurzeldurchmessers und Einnähen einer
homologen bzw. heterologen ungestenteten
Herzklappe nach entsprechender Vorbereitung
(tiefgefrorene Homografts müssen nach einem
speziellen Schema aufgetaut, glutaraldehydfi-
xierte Bioklappen in physiologischer Kochsalzlö-
sung gespült werden).
7 Zunächst wird der subvalvuläre Klappenring ent- c
weder mit einer fortlaufenden monofilen 4–0
Naht bzw. mit zahlreichen Einzelnähten eingenäht . Abb. 7.41 a–c Aortenklappenersatz mit mechanischer bzw. bio-
(. Abb. 7.42a). Bei einer fortlaufenden Nahttech- logischer Prothese. Quere Aortotomie (a), Kalkentfernung mit Ron-
nik kann es vorteilhaft sein, dass die Herzklappe geur (b) und Legen von filzarmierten Klappennähten durch Aorten-
klappenring und Klappenprothesenring (c)
mit ihren 3 Kommissuren in die linke Ausfluss-
bahn eingestülpt wird (. Abb. 7.42b und . Abb.
7.42c). Anschließend werden die 3 Kommissuren
mit monofilen Nähten (4–0) an der Empfänger- 7 Verschluss der Aortotomie mit einer fortlaufenden
Aorta ascendens an geeigneter Stelle fixiert Naht.
(. Abb. 7.42d) und die zuvor in geeigneter Weise 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben des
zurechtgeschnittenen Aortenwandreste der Spen- Herzens. Gegebenenfalls Rhythmisierung. Reper-
derklappe mit fortlaufenden monofilen Nähten fusion. Entlüftung. Aufnähen von Schrittmacher-
(4–0 oder 5–0) unterhalb beider Koronarien und elektroden auf den rechten Vorhof und die rechte
im Bereich der akoronaren Aortenwand fixiert Kammer. Abgehen von der HLM.
(. Abb. 7.42e). 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Peri-
6 kard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
7.7 · Aortenklappenchirurgie
353 7

b
e

. Abb. 7.42 a–e Subkoronarer Aortenklappenersatz mit homolo- pen der drei Kommissuren in die linke Herzkammer (c), fortlau-
ger bzw. heterologer Klappe. Vorlegen von drei monofilen 4–0 Näh- fendes Einnähen der Klappe in den Aortenklappenring sowie Fixie-
ten (LCA = Ostium der linken Koronararterie, RCA = Ostium der rung der drei Kommissuren an geeigneter Stelle an der Aorta ascen-
rechten Koronararterie) (a), Herunterziehen der Klappe (b), Einstül- dens (d), fortlaufendes Einnähen subkoronar wie akoronar (e)
354 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.7.4 Aortenwurzelersatz mit Homo-


oder Heterograft 7 Präparation der autologen Pulmonalklappe am
schlagenden Herzen; hierbei wird der Truncus der
A. pulmonalis unterhalb der Bifurkation quer
Aortenwurzelersatz mit Homo- oder Heterograft durchtrennt. Exzision der Pulmonalklappe aus der
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparin- rechten Ausflussbahn (. Abb. 7.43a).
gabe. Anschluss an die HLM mit Aorta-ascendens- 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Kardio-
Kanüle sowie venöser Zweistufenkanüle (alternativ: plegiegabe über einen Aortenwurzelkatheter bei
A.-femoralis-Kanülierung oder Trokarkanüle). kompetenter Aortenklappe bzw. bei insuffizienter
7 Legen eines Aortenwurzelkatheters. Quere Aor- Aortenklappe selektiv über beide Koronarostien
tenabklemmung. Gabe von Kardioplegielösung mit speziellem Kardioplegiekatheter. Längs- bzw.
über den Aortenwurzelkatheter bei kompetenter quere Eröffnung der Aorta ascendens (. Abb.
Aortenklappe bzw. selektiv über beide Koronarar- 7.43a) bzw. Resektion der gesamten Aorta ascen-
terien bei Aorteninsuffizienz.
dens mit Ausschneidung beider Koronarostien.
7 Quere Aortotomie bzw. Längseröffnung der Aorta
Implantation der Pulmonalklappe als subkoro-
ascendens. Ausschneiden beider Koronararterien
7 mit einem schmalen Aortenwandsaum. Resektion
narer ungestenteter Klappenersatz oder als Aor-
tenwurzelersatz (. Abb. 7.43b) mit Reimplantati-
der Aortenklappe. Gegebenenfalls Entfernung
von Verkalkungen. Einnähen der homologen bzw. on beider Koronararterien (. Abb. 7.43c).
heterologen Aorta ascendens; hierbei wird zu- 7 Öffnen der Aortenklemme. Einnähen eines Homo-
nächst der subvalvuläre Ring mit fortlaufenden grafts in Pulmonalposition mit 2 fortlaufenden
bzw. Einzelnähten in den Aortenring eingenäht. monofilen 4–0 Polypropylennähten (. Abb.
Anschließend werden nacheinander zunächst die 7.43c). Wiederbelebung, Rhythmisierung und Ent-
linke, dann die rechte Koronararterie mit fortlau- lüftung des Herzens. Aufnähen von Schrittma-
fenden monofilen 5–0 Nähten in entsprechend cherelektroden auf den rechten Vorhof und die
vorbereitete Löcher der Aortenwurzelprothese rechte Kammer. Abgehen von der HLM.
implantiert. Anschließend Naht der distalen Anas- 7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einle-
tomose zwischen heterologem bzw. homologem gen einer Perikard- sowie Retrosternaldrainage.
Aortenwurzelimplantat und der Aorta ascendens Thoraxverschluss.
des Patienten mit einer fortlaufenden monofilen
4–0 Polypropylennaht.
7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben,
Rhythmisieren und Entlüften des Herzens. Aufnä-
hen von Schrittmacherelektroden auf den rechten 7.7.6 Aortenklappenrekonstruktion
Vorhof und den rechten Ventrikel. Abgehen von
der HLM.
Aortenklappenrekonstruktion
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einle-
gen einer Perikard- sowie einer Retrosternaldrai- 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa-
nage. Thoraxverschluss. ringabe.
7 Gegebenenfalls intraoperative echokardiogra- 7 Kanülierung der Aorta ascendens, ggf. der A. fe-
phische Kontrolle der Aortenklappenkompetenz. moralis bei Aorta-ascendens-Aneurysma und ve-
nöse Kanülierung mit einer Zweistufenkanüle im
Bereich des rechten Vorhofs.
7 Quere Aortotomie bzw. Längseröffnung der Aorta
ascendens. Bei normal trikuspidal angelegter Aor-
7.7.5 Ross-Operation tenklappe ohne Klappenperforation oder Prolaps
kann eine Rekonstruktion durchgeführt werden.
7 Ausschneiden beider Koronarostien mit einem
Ross-Operation schmalen Aortenwandsaum. Ausreichende Mobili-
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa- sierung beider Koronararterien (. Abb. 7.44a). Re-
ringabe. Anschluss an die HLM über eine Aorta-as- sektion der Aorta ascendens bis auf einen 3–5 mm
cendens-Kanüle sowie eine venöse Zweistufenka- breiten Saum oberhalb des Klappenringes bzw. der
nüle, ggf. selektive Kanülierung beider Hohlve- 3 Kommissuren. Legen von ca. 12 U-Nähten 2–0 Po-
nen. Einlegen eines Aortenwurzelkatheters. lyester, die direkt unterhalb der 3 Aortenklappenta-
6 6
7.7 · Aortenklappenchirurgie
355 7

a b c

. Abb. 7.43 a–c Ross-Operation. Explantation der Pulmonalklappe rien sowie Implantation eines Homografts in Pulmonalposition (c).
(a), Aortenwurzelersatz mit Pulmonalklappe (b) und fertig implan- (PA = Pulmonalarterie, Ao = Aorta, LCA = linke Koronararterie, RCA =
tiertes Pulmonalklappen-Autograft mit reimplantierten Koronararte- rechte Koronararterie)

a b c

. Abb. 7.44 a–c Aortenklappenrekonstruktion nach David. Exzision RCA = rechte Koronararterie; a), fertige Rekonstruktion nach David mit
des Aneurysmas und Legen der Nähte (LCA = linke Koronararterie, reimplantierten Koronarien (b) und Rekonstruktion nach Yacoub (c)

schen von innen nach außen durch die Aortenwand 2 fortlaufenden 5–0 Nähten. Fertigung der distalen
gestochen werden (. Abb. 7.44a). Ausmessen des Anastomose zwischen Dacron-Prothese und Aorta
Aortenklappenringes. Wahl einer geeigneten Aorta- ascendens mit einer fortlaufenden monofilen 3–0
ascendens-Prothese. Stechen der U-Nähte durch oder 4–0 Polypropylennaht (. Abb. 7.44b).
die Aorta-ascendens-Rohrprothese. Herunterknüp- 7 Alternativ kann eine Rekonstruktion nach Yacoub
fen der Nähte. Fixation der 3 Kommissuren an ent- durchgeführt werden (. Abb. 7.44c).
sprechender Stelle mit 4–0 Polypropylennähten so- 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben,
wie fortlaufende Implantation des überstehenden Rhythmisieren und Entlüften des Herzens. Passa-
Aortenwandgewebes in die Dacron-Prothese mit gere Schrittmacherelektroden auf den rechten
fortlaufenden 5–0 monofilen Nähten. Vorhof und den rechten Ventrikel. Gegebenenfalls
7 Ausschneiden von 2 Löchern in die Dacron-Prothe- intraoperativ echokardiographische Kontrolle zur
se an geeigneter Stelle mit einem batteriebetrie- Beurteilung der Aortenklappenkompetenz. Abge-
benen Elektrocauter und Implantation zunächst hen von der HLM. Dekanülierung.
der linken, dann der rechten Kranzarterie mit 7 Protamingabe. Blutstillung. Perikard- und Retro-
6 sternaldrainage. Thoraxverschluss.
356 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.7.7 Minimal-invasiver
Aortenklappenersatz

Minimal-invasiver Aortenklappenersatz
7 J-förmige Ministernotomie bis in den 4. ICR rechts
(. Abb. 7.16b). Perikarderöffnung.
7 Anschluss an die HLM mit einer Standardaorten-
kanüle bzw. einer elongierten Trokarkanüle sowie
einer venösen Zweistufenkanüle. Verwendung
eines Spezialsperrers mit Zusatzvalve zur Umlei- a
tung der venösen Kanüle zwecks Verbesserung
der intraoperativen Sicht auf die Klappenebene
(. Abb. 7.45).
7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Gabe
7 von Kardioplegielösung über die Aortenwurzel
bzw. bei Aorteninsuffizienz getrennt über beide
Koronarostien. Quer- oder Längsinzision der Aorta
ascendens. Klappenersatz oder -rekonstruktion.
7 Vor Eröffnen der Aortenklemme wird ein ventriku-
lärer Schrittmacherdraht an der rechten Kammer
fixiert. Wiederbelebung des Herzens. Entlüftung.
Rhythmisierung, ggf. über präoperativ epikardial b
aufgeklebte Defibrillationspatches. Abgehen von
der HLM. . Abb. 7.45 a, b Minimal-invasiver Aortenklappenersatz mit Mid-
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Zu- COAST-Sperrer und Zusatzvalve zur Umleitung der venösen Kanüle
(Beispiel: Fa. Aesculap AG). Seitliche Ansicht (a) und Aufsicht (b)
sätzlicher Vorhofschrittmacherdraht. Einlegen von
Perikard- und Retrosternaldrainagen, die lateral
im Bereich des 4. ICR bzw. im Bereich des Jugu-
lums ausgeführt werden. Thoraxverschluss. Sicht unter Röntgenkontrolle im Aortenklappenanulus po-
sitioniert und entfaltet. Die Klappenprothese verhakt sich
mit ihrem Metallgerüst in den Verkalkungen der nativen
Klappe und des Anulus.
7.7.8 Transapikaler Aortenklappenersatz
(TAVI = »Transcatheter Aortic Valve
Implantation«) TAVI
7 Anterolaterale Minithorakotomie im 5. ICR links
Diese Operation wird ohne HLM am schlagenden Herzen auf Höhe des Apex.
durchgeführt und stellt für Patienten mit Verkalkungen 7 Herzbeuteleröffnung, Anlage einer filzarmierten
der Aorta (»Porzellanaorta«) sowie schweren Begleiter- Tabakbeutelnaht an der Spitze der linken Kam-
krankungen eine alternative Behandlungsoption dar. Eine mer, epikardialer Schrittmacherdraht.
orale Antikoagulation ist nicht erforderlich. 7 Vorführen eines Drahtes in die Aorta thoracalis
descendens.
kIndikation 7 Vordilatieren der Aortenklappe unter schneller
Aortenklappenstenose. Ventrikelstimulation (bewirkt kurzzeitigen Kreis-
laufstillstand).
kPrinzip 7 Wechsel auf die Schleuse für die Klappenprothese,
Beim TAVI handelt es sich um eine katheterbasierte Im- Positionieren und Freisetzen der Klappe unter
plantationstechnik über die Spitze (Apex) der linken Herz- schneller Ventrikelstimulation.
kammer. Dabei wird eine auf einem Metallgerüst mon- 7 Knüpfen der Tabakbeutelnähte.
tierte Klappenprothese aus biologischem Klappenmaterial 7 Einlage einer Pleuradrainage. Schichtweiser Tho-
auf einen Implantationsballon aufgezogen und zusam- raxverschluss.
mengefaltet (»crimping«). Dieser Ballon wird ohne direkte
7.8 · Mitralklappenchirurgie
357 7
7.8 Mitralklappenchirurgie 4 Thoraxsperrer.
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
jAllgemeines 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
Die Mitralklappe ist das Ventil zwischen linkem Vorhof 4 Sauger.
und linker Herzkammer. Funktionsstörungen der Mitral- 4 Gefäßstandardinstrumentarium.
klappe können bestehen bei einer unzureichenden Mitral- 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Chit-
klappenöffnung (Mitralklappenstenose) bzw. bei einem wood-Klemme (. Abb. 7.47).
undichten Klappenschluss (Mitralklappeninsuffizienz). 4 Clipzange, Luer (Hohlmeißelzange), Rongeur.
Außerdem gibt es sog. kombinierte Mitralklappenerkran- 4 Lange Venen- oder Nervenhäkchen (. Abb. 7.48).
kungen, bei denen sowohl eine Stenose- als auch eine In- 4 Thoraxdrainage.
suffizienzkomponente besteht. 4 Haltebänder, Gummizügel.
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur
jMitralklappenstenose Fixierung der HLM-Kanülen.
Hauptursache einer Mitralklappenstenose ist eine voran- 4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte.
gegangene rheumatische Erkrankung. Dabei kommt es zur 4 Mitralringsizer/Mitralklappensizer.
Fibrosierung und Schrumpfung des Klappenapparates (Se-
gel und Sehnenfäden) und zur Verklebung der Kommis- kNahtmaterial
suren. Schließlich verkalkt der Klappenapparat. Die Ver- 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
minderung der Klappenöffnungsfläche von normal 4– fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
6 cm2 auf 1 cm2 führt bereits in Ruhe zu Beschwerden. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
Dabei staut sich das Blut vor der eingeengten Mitralklappe, 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares geflochtenes
und es kommt zur Vorhofüberdehnung mit Entstehung beschichtetes Nahtmaterial (grün/weiß Polyester),
von Vorhofflimmern sowie Thrombenbildung im linken ggf. mit Teflonpatch für Klappenersatz.
Herzohr. Als Komplikationen können arterielle Embolien 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
entstehen. Bei Fortbestehen der Mitralstenose kann es
dann zur Lungenstauung bis hin zum Lungenödem und kImplantate
zur Widerstandserhöhung im kleinen Kreislauf kommen. 4 Anuloplastieringe (. Abb. 7.39).
4 Biologische oder mechanische Mitralklappen (. Abb.
jMitralklappeninsuffizienz 7.34 bis . Abb. 7.40).
Die Ätiologie der Mitralklappeninsuffizienz ist überwie-
gend nicht rheumatischer Genese. Eine akute Mitralklap- kLagerung
peninsuffizienz kann bei einer bakteriellen Endokarditis 4 Rückenlagerung.
(Segelperforation, Sehnenfadenruptur), bei einer degene- 4 Beide Arme angelagert.
rativen Erkrankung der Mitralklappe, bei einem akuten 4 Gelrolle unter beide Knie.
Myokardinfarkt (Papillarmuskelabriss) und bei einem 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
stumpfen Thoraxtrauma entstehen. Zur chronischen Mi- Schulterblatt.
tralklappeninsuffizienz kommt es meist im Rahmen einer
rheumatischen Endokarditis, bei Mitralklappenprolaps, kAbdeckung
z. B. beim Marfan-Syndrom, und auch beim ASD II. Nach Standard.
Bei der Mitralinsuffizienz kommt es zur Volumenbelas-
tung der linken Herzkammer. Dies resultiert in einer Druck- kRasur
belastung des linken Vorhofs, die schließlich zu Symptomen Oberkörper und beide Leistenregionen.
wie bei der Mitralstenose führt. Klinisches Leitsymptom bei
der Mitralklappeninsuffizienz ist die Luftnot.
7.8.1 Kommissurotomie
jOperationen
Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für
alle hier beschriebenen operativen Eingriffe an den Mitral- Kommissurotomie
klappen. 7 Mediane Sternotomie. Alternativ: rechtsanteriore
Thorakotomie (minimal-invasiv). Perikarderöff-
kInstrumentarium nung. Heparingabe.
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. 6
4 Sternumsperrer (. Abb. 7.46).
358 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.47

7.46 7.48

. Abb. 7.46 Cosgrove-Sperrer. (Fa. St. Jude Medical) . Abb. 7.48 Nervenhäkchen. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 7.47 Chitwood-Klemme. (Fa. Cardiomedical)

7.8.2 Mitralklappenrekonstruktion
7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendens-
Kanüle sowie eine venöse Zweistufenkanüle. Al-
ternativ getrennte Kanülierung beider Hohlvenen Mitralklappenrekonstruktion
mit Anschlingen durch Tourniquets. Legen eines 7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thora-
Aortenwurzelkatheters. Gegebenenfalls femorofe- kotomie (minimal-invasiv). Perikarderöffnung. He-
moraler Bypass nach Leistenfreilegung (. Abb. paringabe.
7.8) bei minimal-invasivem Zugang. 7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendens-
7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta as- Kanüle oder eine elongierte Trokarkanüle bei an-
cendens ggf. mit Chitwood-Klemme und Gabe teriorer Thorakotomie. Venöse Zweistufenkanüle,
von Kardioplegielösung in den Aortenwurzelka- getrennte Kanülierung beider Hohlvenen, oder
theter. langer venöser Kanüle über die V. femoralis. Einle-
7 Öffnen des linken Vorhofs ventral der rechten gen eines Aortenwurzelkatheters.
Lungenvenen. Exposition mit einem Spezialsper- 7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta.
rer (. Abb. 7.46). Klappeninspektion mit Nerven- Gabe von Kardioplegielösung über die Aorten-
häkchen. Scharfes Durchtrennen der verklebten wurzel.
Kommissuren mit einem Skalpell (. Abb. 7.49). 7 Öffnen des linken Vorhofs ventral der rechten
Gegebenenfalls Längsinzision von verklebten Lungenvenen. Exposition der Mitralklappe. Klap-
Sehnenfäden bzw. bei verkürzten Sehnenfäden peninspektion mit Hilfe von Nervenhäkchen. Bei
Spaltung des Papillarmuskels. Vorhofverschluss einem Sehnenfadenabriss im Bereich des mittle-
mit fortlaufender 3–0 monofiler Polypropylen- ren Anteils des hinteren Mitralklappensegels (ty-
naht. pische Lokalisation) ist das Klappensegel an sei-
7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbelebung, Ent- nem freien Rand nicht mehr durch einen Sehnen-
lüftung und Rhythmisierung des Herzens. Schritt- faden gehalten und prolabiert in der Systole in
macherelektroden auf den rechten Vorhof und die den Vorhof; hierdurch kommt es in diesem Be-
rechte Kammer. Abgehen von der HLM. reich zu einer Undichtigkeit der Mitralklappe. Zu
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Peri- einem Mitralklappenabriss im hinteren Segel
kard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss. 6
7.8 · Mitralklappenchirurgie
359 7

. Abb. 7.49 Mitralklappenkommissurotomie mit Spaltung der ver-


backenen Sehnenfäden sowie des Papillarmuskels

kommt es typischerweise nach vorangegangener


Erweiterung des hinteren Mitralklappenringes
(sog. Ringdilatation; . Abb. 7.50a).
7 Bei der nachfolgenden Mitralklappenrekonstrukti-
on werden zunächst die beiden intakten Sehnen-
fäden erster Ordnung im Bereich des hinteren Mi-
tralklappensegels mit Hilfe von elastischen Gum-
mizügeln angeschlungen. Anschließend wird der
Anteil des Segels, in dem der Sehnenfaden geris- b
sen ist, reseziert (quadranguläre Resektion) und
beide Klappenhälften mit einer fortlaufenden, al- . Abb. 7.50 a, b Mitralklappenrekonstruktion bei Ringdilatation
ternativ einzeln geknüpften 5–0 Polypropylen- und Sehnenfadenabriss am posterioren Segel (a). Rekonstruktions-
naht verschlossen (. Abb. 7.50b). ergebnis nach Anuloplastie und quadrangulärer Resektion am pos-
7 Implantation eines Anuloplastieringes mit 2–0 Ein- terioren Segel (b)
zel-U-Polyester-Nähten, die im Klappenringbereich
und anschließend durch den Anuloplastiering ge-
stochen werden. Herunterknüpfen des Anuloplas- 7.8.3 Mitralklappenersatz
tieringes (. Abb. 7.50b). Überprüfung der Klap-
pendichtigkeit durch Injizieren von Kochsalzlösung
Mitralklappenersatz
über die Mitralklappe in den linken Ventrikel.
7 Bei Fortbestehen eines Prolaps einzelner Klappen- 7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thora-
anteile kann dieser durch 5–0 Gore-Tex-Nähte, die kotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe.
zum einen am Papillarmuskel, zum anderen am 7 Anschluss an die HLM und Zugang in den linken
freien Klappenrand fixiert werden, beseitigt wer- Vorhof wie bei Mitralklappenrekonstruktion.
den. Vorhofverschluss mit fortlaufender 3–0 mo- 7 Resektion der nichtrekonstruierbaren, defekten
nofiler Polypropylennaht. Mitralklappe. Gegebenenfalls Entfernung von
7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben, Rhyth- Ringverkalkungen mit Luer oder Rongeur. Aus-
misieren und Entlüften des Herzens. Aufnähen von messen des Klappenringdurchmessers.
Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof 7 Einnähen der Herzklappenprothese mit filzarmier-
und den rechten Ventrikel. Abgehen von der HLM. ten U-Nähten in supravalvulärer Technik (Filznähte
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Re- unter dem Klappenring) oder in evertierender
trosternal- und Perikarddrainage. Thoraxver- Nahttechnik (Filznähte vorhofseitig). Alternativ
schluss. 6
360 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

können auch Einzelnähte, Einzel-U-Nähte oder eine 7 Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendens-
fortlaufende monofile Naht verwendet werden. Bei Kanüle sowie getrennter Kanülierung beider
Implantation einer biologischen in Glutaraldehyd Hohlvenen mit Abdichtung durch 2 Tourniquets,
fixierten Klappe ist in der Regel eine Spülung von die um die obere bzw. untere Hohlvene gelegt
3-mal 3 min in isotoner Kochsalzlösung erforder- werden. Einlegen eines Aortenwurzelkatheters in
lich, die während des Legens der Einzelnähte im die Aorta ascendens. Beginn der EKZ.
Klappenring durchgeführt werden kann. 7 Eröffnen des rechten Vorhofs am schlagenden
Herzen bei künstlich induziertem Kammerflim-
7 Herunterknüpfen der Klappe. Überprüfung der
mern oder im kardioplegischen Herzstillstand. Bei
einwandfreien Klappenfunktion von mecha-
einer reinen Ringdilatation Durchführen einer
nischen Klappenprothesen. Hierbei wird insbe-
Anuloplastie, bei der wie auch bei der Mitralklap-
sondere kontrolliert, dass subvalvuläre Filznähte
penrekonstruktion Einzel-U-Nähte im Bereich des
nicht mit dem Klappenspiel interferieren. Klappenringes gestochen werden. Auswahl eines
7 Verschluss des linken Vorhofs. Abgehen von der geeigneten Anuloplastieringes (. Abb. 7.39), der
HLM und Thoraxverschluss wie bei Mitralklappen- im Bereich des sog. Koch-Dreiecks (Reizleitungs-
7 rekonstruktion. system) unterbrochen ist, um Verletzungen der
elektrischen Überleitung durch Nähte in diesem
Bereich zu vermeiden.
Unter Verwendung der HLM kann über eine limitierte an- 7 Stechen der Nähte durch den Anuloplastiering
terolaterale Thorakotomie im 4. oder 5. ICR der Mitral- und Herunterknüpfen (. Abb. 7.51). Überprüfen
klappenersatz videoassistiert durchgeführt werden. Zur der Klappenkompetenz durch Einspritzen von
Einstellung der Mitralklappe wird ein spezieller Retraktor Kochsalzlösung über die Trikuspidalklappe in den
rechten Ventrikel.
benötigt, zur Operation ist minimal-invasives Instrumen-
7 Bei isolierter Endokarditis können die Klappenta-
tarium (7 Kap. 2.15) inkl. einer Aortenklemme nötig.
schen z. T. durch mit Glutaraldehyd-fixierte Peri-
kardpatches, die mit fortlaufenden 6–0 monofilen
Nähten implantiert werden, rekonstruiert werden.
7.9 Trikuspidalklappenchirurgie Auch ist es möglich, eines der 3 Klappensegel zu
entfernen und durch Anlegen einer Plikatur im
jAllgemeines Ringbereich des resezierten Segels eine funktio-
Isolierte Trikuspidalklappenfehler sind äußerst selten. Bei nell bikuspidale Klappe herzustellen.
Drogenabusus kann es zu Trikuspidalklappenendokarditi- 7 Verschluss des rechten Vorhofs. Abgehen von der
den kommen. Trikuspidalklappeninsuffizienzen werden HLM und Thoraxverschluss wie bei Mitralklappen-
dagegen häufiger in Kombination mit Aorten- und Mitral- rekonstruktion.
klappenfehlern gesehen. Wie auch bei der Mitralklappen-
chirurgie gelten alle operationstechnischen Bemühungen
dem Klappenerhalt, da die Komplikationsrate geringer ist
als beim mechanischen oder biologischen Klappenersatz. 7.9.2 Trikuspidalklappenersatz mit
mechanischer oder biologischer
jOperationen Prothese
Die OP-Bedingungen, Instrumentarium, Lagerung und
Abdeckung entsprechen den operativen Eingriffen an der
Mitralklappe (zusätzlich 7 Anuloplastiering, . Abb. 7.39). Trikuspidalklappenersatz mit mechanischer oder
biologischer Prothese
7 Vorgehen wie bei Trikuspidalklappenrekonstrukti-
7.9.1 Trikuspidalklappenrekonstruktion on, jedoch Klappenersatz mit mechanischer oder
biologischer Prothese. Gegebenenfalls Implantati-
on mit fortlaufender Polypropylennaht, die in der
Trikuspidalklappenrekonstruktion Nähe des Koch-Dreiecks (Reizleitungssystem)
7 Mediane Sternotomie. Alternativ: rechtsanteriore ausschließlich im fibrösen Klappenansatz gesto-
Thorakotomie (minimal-invasiv). Perikarderöff- chen werden, um Überleitungsstörungen (AV-Blo-
nung. Heparingabe. ckierungen) und die Notwendigkeit einer Schritt-
6 macherversorgung zu vermeiden.
7.10 · Aortenaneurysmachirurgie
361 7
Einriss, der in den meisten Fällen in der Aorta ascendens
liegt (Stanford-A-Aneurysma), als »entry« (. Abb. 7.52).
Gibt es im weiteren Verlauf einen weiteren Einriss, der
meist im Bereich der Aorta descendens bzw. der Bauch-
aorta liegt, bezeichnet man dieses als »reentry«. Die Zer-
reißung der Aortenwand wird auch als dissezierendes Aor-
tenaneurysma benannt. Bei einem dissezierenden Aorten-
aneurysma der Aorta ascendens bzw. des Bogens besteht
immer eine absolute notfallmäßige OP-Indikation, da bei
Zuwarten pro Stunde ca. 2% der Patienten versterben.
Bei einem dissezierenden Aortenaneurysma im Be-
reich der Aorta descendens (Stanford B) besteht eine OP-
Indikation nur bei sekundären Komplikationen wie Perfo-
ration mit Blutung in die Pleurahöhlen oder Durchblu-
tungsstörungen im Bereich der abdominellen Organe wie
Niere, Leber und Darm durch Verlegung der versorgenden
Arterien durch die Dissektion. Bei einem dissezierenden
a Aorta-descendens-Aneurysma ohne diese Komplikati-
onen wird in der Regel nicht operiert. Stattdessen wird bei
einem Hypertonus der Blutdruck konsequent gesenkt. Zu-
weilen kann ein endoluminales Stenting sinnvoll sein.

jOperationen
Die im Folgenden genannten OP-Bedingungen gelten für
alle hier beschriebenen Aneurysmaoperationen.

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung.
4 Sternumsperrer (. Abb. 7.46).
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
4 Sauger.
b 4 Gefäßstandardinstrumentarium.
4 Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky-, Fogarty-
. Abb. 7.51 a, b Trikuspidalklappenanuloplastie mit Ringimplantati- Klemme, Chitwood-Klemme.
on. Legen von Klappennähten in den dilatierten Trikuspidalklappen-
4 Clipzange.
ring (a). Fertige Anuloplastie nach Herunterknüpfen des Ringes (b)
4 Thoraxdrainage.
4 Haltebänder, Gummizügel.
7.10 Aortenaneurysmachirurgie 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur
Fixierung der HLM-Kanülen.
jAllgemeines 4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte.
Bei einer krankhaften Erweiterung der Aorta sprechen wir
von einem Aortenaneurysma. Dabei können die aufstei- kNahtmaterial
gende Aorta (Aorta ascendens), der Bogen und die abstei- 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
gende Aorta (Aorta descendens) betroffen sein. Bei einem fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
Überschreiten des Aortendurchmessers auf mehr als 5,5 cm 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
ist die Indikation zur bald möglichen Operation gegeben. 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
Ist es durch die Erweiterung der Hauptschlagader mit nach- 4 Chirurgischer Gewebekleber.
folgender Erhöhung der Wandspannung zum Einriss der
Gefäßinnenhaut (Intima) gekommen, kann sich eine Blu- kImplantate
tung zwischen den verschiedenen Schichten der Aorten- 4 Primär dichte Prothesen (7 Abschn. 4.1.5).
wand von der Aorta ascendens über den Bogen bis in die 4 Filzstreifen (Polytetrafluorethylen, PTFE) als Nahtwi-
Aorta descendens entwickeln. Dabei bezeichnet man den derlager.
362 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

a b c

. Abb. 7.52 a–c Suprakoronarer Aorta-ascendens-Ersatz durch Aorta ascendens (a), nach Resektion der Aorta ascendens (b) und
Rohrprothese. Dissezierendes Aortenaneurysma mit Entry in der nach suprakoronarem Aorta-ascendens-Ersatz (c)

kLagerung
4 Rückenlagerung oder rechte Seitenlagerung (Aorta- 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Queres
descendens-Aneurysma). oder längsförmiges Eröffnen der Aorta ascendens.
4 Beide Arme angelagert. Kardioplegiegabe über beide Koronarostien. In-
4 Gelrolle unter beide Knie. spektion der Aortenklappe sowie der Aorta ascen-
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken dens. Je nach lokalem Befund entscheidet sich
Schulterblatt. das operative Vorgehen. Meist ist ein sog. Entry
(Einriss der Aorteninnenhaut) in der Aorta ascen-
kAbdeckung dens zu finden (. Abb. 7.52a).
Nach Standard. 7 Häufig sind durch Voranschreiten der Dissektion
in Richtung Aortenklappe eine Hämatombildung
kRasur in der Wand und eine Ablösung der Aortenklap-
Brustkorb und beide Leistenregionen. penkommissuren vorhanden, die die Aortenklap-
pe insuffizient werden lassen. Wenn möglich soll-
ten durch Nähte oder die Verwendung von Gewe-
7.10.1 Aorta-ascendens-Ersatz bekleber die Gewebeschichten der Aorta ascen-
dens nach Entfernung des Hämatoms wieder
vereinigt werden. Dadurch lässt sich die Aorten-
Aorta-ascendens-Ersatz klappe erhalten. In diesem Fall wird kurz oberhalb
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa- der Koronararterien die Aorta ascendens quer
ringabe. durchtrennt, und eine Gefäßprothese geeigneten
7 Anschluss an die HLM über die Aorta ascendens, Durchmessers wird mit einer fortlaufenden, ggf.
A. subclavia oder eine A.-femoralis-Kanüle. Venöse filzarmierten Naht anastomosiert (. Abb. 7.52b).
Zweistufenkanüle. Beginn der EKZ mit ggf. Hypo- Anschließend wird bei tiefer Hypothermie (20 °C)
thermie bis 20 °C (7 Abschn. 7.3). und totalem Kreislaufstillstand die Aorta ascen-
6 6
7.10 · Aortenaneurysmachirurgie
363 7

dens distal des Entrys durchtrennt, und ggf. wird 7 Nach Aortenklappenrekonstruktion bzw. Aorta-
mit Hilfe von Gewebeklebern der Aortenbogen ascendens-Ersatz mit Reimplantation der Korona-
rekonstruiert. rien (Bentall-Operation) wird in tiefer Hypother-
7 Während des Kreislaufstillstands retrograde Kopf- mie und bei Kreislaufstillstand der kranke Aorten-
perfusion über eine Kanüle im Bereich der oberen bogen reseziert. Die 3 suprakoronaren Äste (Trun-
Hohlvene (400 ml/min) zur Kühlung des Gehirns cus brachiocephalicus, A. carotis dextra und
und zur späteren Entlüftung. Anastomosierung der A. carotis sinistra) werden meist mit einer gemein-
Gefäßprothese mit dem Beginn des Aortenbogens samen Gefäßmanschette exzidiert. Klebung der
mit fortlaufender 3–0 monofiler Polypropylennaht. Aorta descendens sowie ggf. Einbringen von
Zuvor ggf. Vereinigung der Aortenwandschichten 2 Filzstreifen außerhalb und innerhalb der Gefäß-
mit einer filzarmierten fortlaufenden Naht. Einle- wand, die durch eine monofile meandrierende 4–
gen einer Aortenkanüle in die Aszendensprothese 0 Naht fixiert werden.
mit einer 3–0 monofilen Tabakbeutelnaht mit Tour- 7 Anschließend Naht zwischen einer Dacron-Pro-
niquet und Beginn der antegraden EKZ. these geeigneter Größe und der Aorta ascendens
7 Ist die Aorta ascendens erweitert (Aneurysma) mit einer fortlaufenden 4–0 bzw. 3–0 monofilen
und zugleich die Aortenklappe verkalkt oder Polypropylennaht. Längseröffnung der Dacron-
durch Endokarditis zerstört, so wird ein Aorten- Prothese und Einnähen des Truncus brachioce-
wurzelersatz mit Reimplantation der Koronararte- phalicus, der linken A. carotis und A. subclavia
rien (Bentall-Operation) durchgeführt. Dabei wird über eine gemeinsame Gefäßmanschette mit Hilfe
eine klappentragende Dacron-Aortenprothese einer filzarmierten 4–0 monofilen Polypropylen-
(mit 2–0 filzarmierten Polyester-U-Nähten bzw. naht (. Abb. 7.53b).
mit einer fortlaufenden Naht) in den Aortenklap- 7 Während der gesamten Zeit antegrade Perfusion
penring implantiert. Anschließend werden beide der Hirnarterien (400 ml/min kaltes Blut aus der
mobilisierten Koronarostien mit fortlaufenden HLM). Entlüftung durch retrograde Kopfperfusion
4–0 oder 5–0 monofilen Polypropylennähten in über eine Kanüle (. Abb. 7.7), die in der oberen
die Dacron-Prothese implantiert. Hohlvene liegt. Beginn der EKZ ggf. über eine Ka-
7 Alternativ kann auch ein Aortenwurzelersatz mit nüle, die in die Aortenprothese eingelegt wird.
einer heterologen Aortenwurzel (. Abb. 7.36) Entlüftung des Aortenbogens sowie Setzen einer
und Reimplantation beider Koronarien durchge- Aortenklemme auf die Dacron-Prothese proximal
führt werden. der suprakraniellen Abgänge. Naht der beiden
7 Reperfusion, Entlüftung und Rhythmisierung des Gefäßprothesen mit einer fortlaufenden 3–0 mo-
Herzens. Schrittmacherdrähte. Beendigung der nofilen Polypropylennaht.
EKZ. Protamingabe. Blutstillung. Drainagen, Tho- 7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbeleben des Her-
raxverschluss. zens. Reperfusion. Entlüftung. Wiedererwärmung.
Schrittmacherelektroden. Abgehen von der HLM.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Peri-
kard- und Retrosternaldrainage. Gegebenenfalls
7.10.2 Aortenbogenersatz Wundverschluss der Leiste mit einer Redon-Drai-
nage. Thoraxverschluss.

Aortenbogenersatz
7 Chirurgischer Zugang und Anschluss an die HLM
wie in 7 Abschn. 7.10.1 beschrieben. 7.10.3 Aorta-descendens-Stent
7 Endet das Aortenaneurysma nicht im Bereich
der Aorta ascendens, sondern betrifft den Aor- Im Rahmen eines Aortenbogenersatzes (oder auch isoliert)
tenbogen oder es sind weitere Intimazerreißun- kann in tiefer Hypothermie und partiellem Kreislaufstill-
gen im Aortenbogen vorhanden, muss ein stand die Aorta descendens mittels einer Prothese gesten-
Aortenbogenersatz in tiefer Hypothermie und tet werden.
bei Kreislaufstillstand durchgeführt werden
(. Abb. 7.53a). kIndikation
6 Aneurysma verum oder dissecans der Aorta descen-
dens.
364 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.10.4 Aorta-descendens-Ersatz

Aorta-descendens-Ersatz
7 Linkslaterale/anterolaterale Thorakotomie 4. ICR.
Präparation des Aorta-descendens-Aneurysmas.
7 Femorofemoraler Bypass: Die untere Körperhälfte
wird über Kanülen in A. femoralis und V. femoralis
perfundiert (. Abb. 7.54a). Hierdurch kann das Ri-
siko der Rückenmarkschädigung (Querschnitt)
vermindert werden.
7 Abklemmen der Aorta descendens proximal und
distal des Aneurysmas. Eröffnen des Aneurysmas
und ggf. Übernähung von retrograd blutenden In-
terkostalarterien bzw. Exzision zur späteren Reim-
7 a
plantation in die Prothese. Einnähen einer
Dacron-Prothese entsprechender Größe durch
2 fortlaufende ggf. filzarmierte 4–0 oder 3–0 mo-
nofile Polypropylennähte (. Abb. 7.54b). Entfer-
nung der Aortenklemmen. Beendigung der EKZ.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Einle-
gen einer Thoraxdrainage sowie einer Redon-Drai-
nage in die Leiste. Schichtweiser Wundverschluss.

7.10.5 Hybrid-Aneurysmektomie

Bei ausgedehnten dissezierenden thorakalen Aneurysmen


unter Einbeziehung von Aorta ascendens, Aortenbogen
und Aorta descendens kann die sog. Hybrid-Aneurysmek-
tomie zum Einsatz kommen (7 Abschn. 4.6.11). Bei diesem
b
Verfahren wird der operative Aorta ascendens- und/oder
Aotenbogenersatz mit einem antegraden einzeitigen
. Abb. 7.53 a, b Dissezierendes Aortenbogenaneurysma (a) und
Stenting der Aorta descendens kombiniert.
nach Aortenbogenersatz durch eine Rohrprothese mit Reimplantati-
on der supraaortalen Äste (b)

Hybrid-Aneurysmektomie
7 Mediane Sternotomie, Heparingabe. Anschluss
der Herz-Lungen-Maschine über A. subclavia,
Aorta-descendens-Stent
A. femoralis oder ggf. Aorta ascendens.
7 Nach antegrader Einführung der Prothese in die 7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens.
Aorta descendens wird sie entfaltet und anschlie- 7 Aorta-ascendens-Ersatz mittels Dacron-Prothese
ßend die beigefügte Dacron-Prothese mittels (suprakoronarer Ersatz, David-Rekonstruktion,
eines Fadens herausgezogen. Mit dieser Prothese, Bentall-Operation).
die am Rande der Aorta descendens fixiert wird, 7 Kreislaufstillstand und Resektion des Aortenbo-
kann anschließend der Aortenklappenersatz mit gens. Antegrade Hirnperfusion über den Truncus
Implantation der supraaortalen Äste durchgeführt brachiocephalicus und A. subclavia sinistra.
werden. 7 Antegrades Einführen und Entfalten eines geco-
7 Der übrige OP-Verlauf entspricht dem beim Aor- verten Stents in die Aorta descendens. Herauszie-
tenbogenersatz beschriebenen Vorgehen (7 Ab- hen einer an dem Stent befestigten Dacron-Pro-
schn. 7.10.2). 6
7.11 · Chirurgie kongenitaler Herzfehler
365 7

a
. Abb. 7.55 Unterschiedliche Lokalisationen von Atrium-Septum-
Defekten mit Links-Rechts-Shunt. Ostium-secundum-Defekt (ASD II;
. Abb. 7.54 a, b Aorta-descendens-Ersatz mit femoro-femoralem a), Ostium-primum-Defekt (ASD I; b), Sinus-venosus-Defekt (c), parti-
Bypass und Aortenabklemmung proximal und distal des Aneurys- ell fehleinmündende Lungenvenen (d) (breite Pfeile: Links-Rechts-
mas (a). Resektion und Ersatz durch Rohrprothesen-Interponat (b) Shunt; schmaler Pfeil: Flussrichtung des Blutes)

linken Vorhofs verursacht. Meist sind die Patienten an-


these und Durchführung des Aortenbogener- fangs symptomlos. Bei großen Vorhofseptumdefekten mit
satzes mit Implantation der suprakraniellen Äste. entsprechend großem Shuntvolumen kann es zu einem
7 Der übrige Ablauf der Operation entspricht dem Leistungsabfall, zu gehäuften Bronchitiden, zu Luftnot und
in 7 Abschn. 7.10.2 beschriebenen Vorgehen. zu Vorhofrhythmusstörungen kommen. Ferner besteht bei
Patienten mit ASD das Risiko einer Endokarditis.
Ohne Operation kann im Laufe des Lebens eine reak-
tive Widerstandserhöhung im Lungenkreislauf entstehen
7.11 Chirurgie kongenitaler Herzfehler und daraus eine sog. Shuntumkehr (sog. Eisenmenger-Re-
aktion) resultieren. Nach dem 40. Lebensjahr liegt das Ri-
7.11.1 Vorhofseptumdefekt siko für eine Eisenmenger-Reaktion bei 40%. Nach Shunt-
umkehr sind die Patienten für einen ASD-Verschluss in-
jAllgemeines operabel, und nur eine Herz-Lungen-Transplantation kann
Der Vorhofseptumdefekt ist die häufigste angeborene helfen. Die OP-Indikation besteht bei einem ASD II mit
Herzfehlbildung. Es besteht ein Defekt in der Vorhofschei- einem Links-Rechts-Shunt von mehr als 30%, der nicht
dewand, der meist im Bereich des ehemaligen Foramen durch interventionelle Techniken (»Schirmchen-Ver-
ovale gelegen ist. Je nach Lokalisation wird zwischen dem schluss«) behandelt werden kann.
Ostium-secundum-Defekt (Atriumseptumdefekt II, ASD
II), dem Ostium-primum-Defekt (ASD I), einem offenen jOperation
Foramen ovale und einem Sinus-venosus-Defekt (. Abb. kInstrumentarium
7.55) unterschieden. 4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung.
Allen Septumdefekten ist gemeinsam, dass zunächst 4 Sternumretraktor/Thoraxsperrer.
ein Links-Rechts-Shunt besteht, der eine Volumenüberlas- 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
tung des rechten Herzens, der Lungenstrombahn und des 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
366 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

4 Sauger.
4 Gefäßstandardinstrumentarium. 7 Eröffnung des rechten Vorhofs. Direktverschluss
4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Chit- des ASD durch fortlaufende Naht (. Abb. 7.56)
wood-Klemme. oder mit Hilfe eines Kunststoff- oder Perikardfli-
4 Clipzange. ckens (Patchverschluss; . Abb. 7.57), der meist
4 Thoraxdrainage. fortlaufend eingenäht wird. Verschluss des rechten
4 Haltebänder. Vorhofs. Entfernung der Aortenklemme. Wiederbe-
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur lebung des Herzens, Entlüftung, Rhythmisierung.
Fixierung der HLM-Kanülen. Schrittmacherelektroden auf den rechten Vorhof
4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte. und die rechte Kammer. Beendigung der EKZ.
7 Dekanülierung. Protamin. Blutstillung. Drainagen.
kNahtmaterial Thoraxverschluss.
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
7 4 Doppelt armierte Gore-Tex-Naht.
4 PDS-Nähte (alternativ: Drahtnähte).

kImplantate
4 Kunststoff-Patches (z. B. Gore-Tex Cardiovascular
Patch; expandiertes Polytetrafluorethylen).
4 Biologische Prothesen (z. B. Rinderperikard oder auto-
loges Perikard, in 0,25%igem Glutaraldehyd verfestigt).

kLagerung
4 Rückenlagerung.
4 Beide Arme angelagert.
4 Gelrolle unter beide Knie.
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
Schulterblatt.

kAbdeckung . Abb. 7.56 ASD-II-Direktverschluss


Nach Standard.

kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.

Vorhofseptumdefekt (ASD II)-Verschluss


7 Rechtsanteriore Thorakotomie (4. ICR) oder media-
ne Sternotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe.
7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendens-
Kanüle und separate Kanülierung beider Hohlve-
nen mit jeweils einem Tourniquet.
7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta as-
cendens bei rechtsanteriorem Zugang mit der
Chitwood-Klemme (. Abb. 7.47) und Gabe von
Kardioplegielösung über die Aortenwurzel. Gege-
benenfalls keine Aortenabklemmung und künst-
lich induziertes Kammerflimmern über entspre-
chende Elektroden.
6
. Abb. 7.57 ASD-II-Patchverschluss
7.11 · Chirurgie kongenitaler Herzfehler
367 7
7.11.2 Partiell fehleinmündende
Lungenvenen

jAllgemeines
Typisch ist die Kombination von partiell fehleinmün-
denden Lungenvenen (. Abb. 7.55) mit einem ASD II
(25%). Instrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung, Abde-
ckung und Rasur (7 Abschn. 7.11.1).

Operation von partiell fehleinmündenden


a
Lungenvenen
7 Anschluss an die HLM wie beim ASD II (7 Abschn.
7.11.1). Die fehleinmündenden Lungenvenen wer-
den mit einer Patch-Tunnelungsplastik über den
ASD in den linken Vorhof drainiert (. Abb. 7.58).
7 Ist kein ASD vorhanden, wird im Bereich der Fossa
ovalis ein Vorhofseptumdefekt in entsprechender
Größe angelegt.

b
7.11.3 Ventrikelseptumdefekt

jAllgemeines
Der Ventrikelseptumdefekt (VSD) ist ein relativ häufiger
angeborener Defekt im Bereich der Herzscheidewand zwi-
schen rechter und linker Kammer. Es treten 25% aller VSD
isoliert auf sowie weitere 25% in Kombination mit anderen
kardiovaskulären Fehlbildungen; 25% der kleineren VSD
verschließen sich innerhalb der ersten 3 Lebensjahre spon-
tan. Es besteht ein Links-Rechts-Shunt und dadurch eine
Erhöhung der Druckwerte im kleinen Kreislauf. Bei ca.
25% der Patienten besteht das Risiko einer sog. Shuntum- c
kehr (Eisenmenger-Reaktion).
Eine OP-Indikation besteht bei einem Shuntvolumen . Abb. 7.58 a–c ASD II mit partiell fehleinmündenden rechten obe-
ren Lungenvenen (a). Tunnelungsplastik der fehleinmündenden
von mehr als 40% oder/und einer shuntbedingten Druck- Lungenvenen über den ASD II in den linken Vorhof (b) und Erweite-
erhöhung im kleinen Kreislauf mit der Gefahr der Ent- rungs-Patchplastik der oberen Hohlvene (c). (VCS = obere Hohlve-
wicklung einer Eisenmenger-Reaktion. Je nach Lokalisa- ne, VCI = untere Hohlvene)
tion unterscheidet man einen hochsitzenden, einen peri-
membranösen und einen muskulären VSD (. Abb. 7.59).
4 Thoraxdrainage.
jOperation 4 Haltebänder.
kInstrumentarium 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. Fixierung der HLM-Kanülen.
4 Sternumretraktor/Thoraxsperrer. 4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel.
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
4 Diathermie, Ultraschallskalpell. kNahtmaterial
4 Sauger. 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
4 Gefäßstandardinstrumentarium. fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
4 Chitwood-Klemme. 4 Doppelt armierte nicht resorbierbare Gore-Tex-Naht.
4 Clipzange. 4 PDS-Nähte (alternativ: Drahtnähte).
368 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

Eröffnung des rechten Vorhofs und Verschluss von


hochsitzenden VSD durch die Trikuspidalklappe
mit Hilfe von Patches (Kunststoffflicken bzw. Glutar-
aldehyd-fixiertes Perikard), die fortlaufend oder mit
Einzelnähten implantiert werden (. Abb. 7.60).
7 Suprakristale (subaortale) VSD können über die
Trikuspidalklappe in der Regel nicht erreicht wer-
den und werden nach Längseröffnung der rech-
ten Ausflussbahn durch einen fortlaufenden oder
mit Einzelnähten eingenähten Patch verschlossen.
Verschluss der rechten Ausflussbahn über eine
fortlaufende 4–0 Naht.
7 Alternativ kann ein VSD-Verschluss auch am flim-
mernden Herzen bei offener Aortenklemme
7 durchgeführt werden.
7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbelebung,
Rhythmisierung und Entlüftung des Herzens.
Schrittmacherelektroden. Beendigung der EKZ.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Drai-
. Abb. 7.59 Verschiedene Lokalisationen von Ventrikelseptumde- nagen. Thoraxverschluss.
fekten (VSD). Supracristaler (subaortaler) VSD (a), infracristaler (peri-
membranöser) VSD (b) und muskulärer VSD (c). (Ao = Aorta, PA =
Pulmonalarterien, RA = rechter Vorhof, RV = rechte Kammer)

7.11.4 Aortenisthmusstenose
kImplantate
Kunststoff-Patches (z. B. Gore-Tex Cardiovascular Patch; jAllgemeines
expandiertes Polytetrafluorethylen). Typisch ist die Kombination einer Aortenisthmusstenose
(Coarctatio aortae) mit einem offenen Ductus Botalli
kLagerung (. Abb. 7.61) sowie einer valvulären Aortenstenose. Man
4 Rückenlagerung. unterscheidet einen präduktalen und einen postduktalen
4 Beide Arme angelagert. Typ der Aortenisthmusstenose. Die präduktale Aorten-
4 Gelrolle unter beide Knie. isthmusstenose (sog. kindliche Form) erfordert meist eine
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken notfallmäßige Operation in der Neugeborenenperiode.
Schulterblatt. Demgegenüber ist die postduktale Aortenisthmusstenose
in der Kindheit oft asymptomatisch. Erst später entwi-
kAbdeckung ckeln sich die Folgen der Hypertonie in der oberen Kör-
Nach Standard. perhälfte mit Linksherzbelastung und frühzeitiger Zere-
bralsklerose und dem Risiko von Schlaganfällen bereits im
kRasur Jugendalter sowie einer bakteriellen Endokarditis. Die
Oberkörper und beide Leistenregionen. mittlere Lebenserwartung ohne Operation beträgt ca.
35 Jahre.

Ventrikelseptumdefekt-Verschluss jOperation
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa- kInstrumentarium
ringabe. 4 Grundinstrumentarium.
7 Anschluss an die HLM mit einer arteriellen Kanüle 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
in die Aorta ascendens sowie getrennte Kanülie- 4 Sauger.
rung und Anschlingung beider Hohlvenen. 4 Gefäßstandardinstrumentarium.
7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta as- 4 Thoraxsperrer.
cendens. Kardioplegiegabe über die Aortenwurzel. 4 Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky-, Fogarty-
6 Klemme.
4 Clipzange.
7.11 · Chirurgie kongenitaler Herzfehler
369 7

. Abb. 7.61 Aortenisthmusstenose mit offenem Ductus Botalli

4 Thoraxdrainage.
4 Haltebänder, Gummizügel.

kNahtmaterial
4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.

b kImplantate
4 Primär dichte Prothesen.
4 Filzstreifen als Nahtwiderlager.
4 Kunststoff-Patches und Rohrprothesen in verschie-
denen Durchmessern.

kLagerung
4 Rechtseitenlagerung.
4 Abstützen des Patienten durch seitlich am Tisch mon-
tierte Halterungen.
4 Den linken Arm am Narkosebügel befestigen oder auf
einer Stütze lagern.
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
Schulterblatt.

c kAbdeckung
Nach Standard.
. Abb. 7.60 a–c Transatrialer VSD-Patchverschluss. Zugang über
die Trikuspidalklappe (a), Legen von filzarmierten monofilen Nähten
(b) und fertige Patchimplantation (c). (VCI = untere Hohlvene, VCS = kRasur
obere Hohlvene, VSD = Ventrikel-Septumdefekt) Oberkörper und beide Leistenregionen.
370 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

Aortenisthmusstenose-Operation 7 Bypass mit Rohrprothese (. Abb. 7.63b).


7 Linkslaterale/anterolaterale Thorakotomie (4. ICR). 7 Patch-Erweiterung des Aortenisthmus durch
7 Freipräparieren der Aorta descendens im Bereich A. subclavia sinistra (. Abb. 7.63c).
der Aortenisthmusstenose und des Ductus Botalli 7 In der Regel wird die Operation ohne den Einsatz
bzw. Ductusbandes. der EKZ durchgeführt. Falls es jedoch nach Ab-
7 Gegebenenfalls Ligatur/Durchtrennung des Duc- klemmung der Aorta descendens vor und nach
tus Botalli. der Stenose zu einem deutlichen Druckabfall der
7 Entfernung der Stenosestelle durch verschiedene unteren Körperhälfte kommt (nichtausreichende
OP-Techniken möglich:. Kollateralisierung über die erweiterten Interkos-
7 Protheseninterposition (. Abb. 7.62a–c). talarterien), sollte der Patient unter Einsatz der
7 End-zu-End-Anastomosierung nach Resektion , HLM operiert werden, um eine Rückenmarkschä-
insbesondere bei Kindern (. Abb. 7.62d). digung mit daraus resultierender Lähmungser-
7 Patcherweiterung (Kunststoff-Patch; scheinung zu vermeiden.
. Abb. 7.63a). 7 Freigabe der Aorta descendens. Thoraxdrainage.
7 6 Blutstillung. Thoraxverschluss.

a b

c c

. Abb. 7.62 a–d OP-Techniken bei Aortenisthmusstenose. Ligatur des Ductus Botalli (a), Resektion der Aortenisthmusstenose (b), Rohrpro-
thesen-Interponat (c) oder End-zu-End-Anastomosierung (d)
7.12 · Erkrankungen des Herzbeutels
371 7
Bis zu 30% der akuten Herzbeutelentzündungen (Peri-
karditiden) können zu einem Panzerherz (konstriktive
Perikarditis) führen. Dabei kommt es zu zunehmender
Verschwielung und Verkalkung des Epi- bzw. Perikards.
Herzbeutelentzündungen können durch Bakterien, Pilze,
Viren und Urämie bei chronischer Niereninsuffizienz ent-
stehen. Auch eine Herzoperation kann in seltenen Fällen
zu einem Panzerherz führen. Klinisch beobachtet man bei
den Patienten gestaute Halsvenen und Aszites als Zeichen
der Stauung vor dem rechten Herzen. Das Herzminuten-
volumen ist reduziert und der Füllungsdruck der rechten
Herzkammer erhöht.

jOperation
a b kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung.
4 Sternumsperrer.
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
4 Sauger.
4 Gefäßstandardinstrumentarium.
4 Allis-Klemme (. Abb. 2.12).
4 Clipzange.
4 Thoraxdrainage.

kNahtmaterial
4 Nicht resorbierbares monofiles Gefäßnahtmaterial
c
aus Polypropylen.
4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
. Abb. 7.63 a–c OP-Techniken der Aortenisthmusstenose. Patcher-
4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
weiterung (a), Bypass mit Rohrprothese (b) und Patch-Erweiterung
des Aortenisthmus mit A. subclavia sinistra (»Subclavia-flap-Tech- kLagerung
nik«; c) 4 Rückenlagerung.
4 Beide Arme angelagert.
4 Gelrolle unter beide Knie.
7.12 Erkrankungen des Herzbeutels 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
Schulterblatt.
jAllgemeines
Durch Ansammlung von Blut oder seröser Flüssigkeit im kAbdeckung
Herzbeutel kommt es in Abhängigkeit vom Druck, unter Nach Standard.
dem die Flüssigkeit im Herzbeutel steht, zu einer Behinde-
rung der diastolischen Füllung der Herzkammern. Da- kRasur
durch reduziert sich das Herzschlagvolumen und es kommt Oberkörper und beide Leistenregionen.
zur Erhöhung des extravasalen Koronarwiderstandes. Dies
führt wiederum zur Durchblutungsstörung des Herzens.
Leitsymptome sind ein niedriger arterieller Druck, eine 7.12.1 Akute Herzbeuteltamponade
Tachykardie und durch schlechtere Perfusion der Nieren
eine eingeschränkte Urinproduktion.
Akute Herzbeuteltamponaden können bei Nachblu- Operation einer akuten Herzbeuteltamponade
tungen nach herzchirurgischen Eingriffen, bei Herzwand- 7 Sternotomie, ggf. Durchtrennung von Nähten und
ruptur im Rahmen eines Myokardinfarkts und bei Perfora- Drahtcerclagen. Entfernen von Thromben und fri-
tion des Herzens im Rahmen von Thoraxverletzungen ent- schem Blut. Spülung.
stehen. Auch virale und bakterielle Entzündungen können 6
über eine Perikarditis zur Herzbeuteltamponade führen.
372 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7 Suche nach frischen Blutungsquellen und Stillung


mittels Naht, Clip oder bipolarer Elektrokoagulation.
7 Bei Thoraxverletzungen mit nachfolgender Herz-
beuteltamponade wird, je nach Lokalisation der
Verletzung, eine mediane Sternotomie oder eine
anterolaterale Thorakotomie durchgeführt.
7 Penetrationsverletzungen (Stich-/Schussverlet-
zungen) oder Perforationen im Rahmen eines
Myokardinfarkts werden je nach Lokalisation
ohne oder mit Einsatz der HLM mit filzarmierten
Einzelnähten versorgt.
7 Falls Koronararterien oder Herzklappen verletzt
wurden, kann mit Hilfe der HLM eine koronare
Bypassoperation oder ein Klappeneingriff erfor-
7 derlich sein.
7 Bei Herzbeuteltamponaden auf der Grundlage . Abb. 7.64 Vorhofmyxom mit partiell reseziertem Vorhofseptum.
viraler bzw. bakterieller oder einer urämischen Pe- (Mit frdl. Genehmigung von Dr. Danne)

rikarditis kann eine linksanteriore Thorakotomie


mit anschließender Perikardfensterung durch- 4 Thoraxsperrer (minimal-invasiv) (. Abb. 7.46).
geführt werden. Dabei wird ein im Durchmesser 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
ca. 3–4 cm großer Anteil des Herzbeutels reseziert 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
und die linke Pleurahöhle drainiert. Bei gekam- 4 Sauger.
merten Ergüssen kann ggf. eine zusätzliche Peri- 4 Gefäßstandardinstrumentarium.
kardfensterung über eine rechtsseitige anteriore 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme, Chit-
Thorakotomie erforderlich sein. wood-Klemme.
4 Clipzange.
4 Thoraxdrainage.
4 Gore-Tex-Patch.
7.12.2 Panzerherz 4 Haltebänder.
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur
Der Zugang erfolgt über eine mediane Sternotomie. Ver- Fixierung der HLM-Kanülen.
kalkte bzw. bindegewebig umgewandelte Perikardanteile 4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel.
werden vom Herzen abpräpariert. Dabei muss eine Schädi-
gung der Koronararterien vermieden werden. Zuweilen ist kNahtmaterial
die komplette Entfernung aller Kalkschollen, insbesondere 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
der Verkalkungen hinter dem Herzen, nur unter Zuhilfe- fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
nahme der EKZ, jedoch am schlagenden Herzen möglich. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
4 Doppelt armierte Gore-Tex-Naht.
4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
7.13 Herztumoren
kImplantate
jAllgemeines 4 Kunststoffpatches (z. B. Gore-Tex Cardiovascular
Tumoren des Herzens sind sehr selten. Die Mehrzahl der Patch; expandiertes Polytetrafluorethylen).
Tumoren sind gutartig (ca. 75%). Der häufigste Tumor ist 4 Biologische Patches (z. B. Rinderperikard-Patch oder
das gutartige Myxom (. Abb. 7.64), das überwiegend im autologer Patch, in 0,25%igem Glutaraldehyd fixiert).
linken Vorhof, ausgehend von einem Stiel am Vorhofsep-
tum, zu finden ist. kLagerung
4 Rückenlagerung.
jOperation 4 Beide Arme angelagert.
kInstrumentarium 4 Gelrolle unter beide Knie.
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung. 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
4 Sternumsperrer (. Abb. 7.18). Schulterblatt.
7.14 · Pulmonale Thrombektomie
373 7
kAbdeckung
Nach Standard.

kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.

Operation von Herztumoren


7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thora-
kotomie. Perikarderöffnung. Heparingabe.
7 Anschluss an die HLM über eine Aorta-ascendens-
Kanüle und 2 getrennte Vorhofkanülen mit Tour-
niquets.
7 Beginn der EKZ. Queres Abklemmen der Aorta as-
cendens. Kardioplegiegabe über einen Aorten-
. Abb. 7.65 Fulminante Lungenembolie. Operationspräparat von
wurzelkatheter. Eröffnung des rechten Vorhofs. Patientin mit tiefer Beinvenenthrombose bei Heparin-induzierter
7 Eröffnung des linken Vorhofs über einen Schnitt Thrombozytopenie. (Abb. freundlicherweise überlassen von RIESS-
im Bereich der Fossa ovalis (sog. transseptaler Zu- medien)
gang). Je nach Größe des Tumors kann der Schnitt
bis ins linke Vorhofdach erweitert werden. Der
zerfließliche Tumor hat meist einen Stiel, ausge- kInstrumentarium
hend vom Vorhofseptum, der mit einem entspre- 4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung mit
chenden Sicherheitsabstand reseziert wird. Sternumsperrer.
7 Patchersatz des durch die Resektion entstande- 4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge.
nen Vorhofseptumdefektes. Verschluss des rech- 4 Diathermie oder Ultraschallskalpell.
ten Vorhofs. 4 Sauger.
7 Öffnen der Aortenklemme. Wiederbelebung, 4 Gefäßstandardinstrumentarium.
Rhythmisierung und Entlüftung des Herzens. 4 Diverse Gefäßklemmen, Fogarty-Klemme.
Schrittmacherelektroden. Beendigung des kardio- 4 Clipzange.
pulmonalen Bypasses. 4 Thoraxdrainage.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Peri- 4 Haltebänder.
kard- und Retrosternaldraiange. Thoraxverschluss. 4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur
Fixierung der HLM-Kanülen.
4 Schocklöffel, Schrittmacherkabel.

7.14 Pulmonale Thrombektomie kNahtmaterial


4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
jAllgemeines fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
Die fulminante Lungenembolie ist eine lebensbedrohliche 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
Komplikation einer tiefen Bein-/Beckenvenenthrombose, 4 Doppelt armierte Gore-Tex-Naht.
wie sie im Rahmen von Gerinnungsstörungen, einer Hepa- 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
rin-induzierten Thrombozytopenie, bzw. im postoperativen
Verlauf bei bettlägerigen Patienten vorkommen kann. Bei kLagerung
den betroffenen Patienten kommt es, bedingt durch die Ver- 4 Rückenlagerung.
legung der Lungenstrombahn mit thrombotischem Materi- 4 Beide Arme angelagert.
al (. Abb. 7.65), zu schweren Gasaustauschstörungen und 4 Gelrolle unter beide Knie.
zum Versagen des rechten Herzens. Ist eine Fibrinolyse 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
nicht möglich oder kontraindiziert, wird eine Thrombekto- Schulterblatt.
mie der Lungenarterien mit Hilfe der HLM durchgeführt.
kAbdeckung
jOperation Nach Standard.
Die im Folgenden aufgeführten OP-Bedingungen gelten
sowohl für die Operation der akuten als auch der chro- kRasur
nischen Lungenembolie. Oberkörper und beide Leistenregionen.
374 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

7.14.1 Operation bei akuter Lungenembolie ten Herzkammer gelegt. 40% aller Schrittmacherimplanta-
tionen erfolgen bei einem AV-Block III. Grades.
Bei krankhafter Verringerung des Sinus-Knoten-
Operation bei akuter Lungenembolie Rhythmus (Sick-Sinus-Syndrom) genügt die Implantation
7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa- eines sog. AAI-Schrittmachers. Hier ist bei intakter Über-
ringabe. leitung vom Vorhof auf die Kammer nur eine Vorhof-
7 Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendens- elektrode, die einen normofrequenten Impuls abgibt, er-
Kanüle sowie einer venösen Zweistufenkanüle forderlich. Bei Patienten mit chronischem Vorhofflimmern
bzw. getrennte Kanülierung beider Hohlvenen. ohne adäquate Vorhofaktion genügt die Implantation eines
Beginn der EKZ. sog. VVI-Schrittmachers, bei dem nur eine Sonde im rech-
7 Längseröffnung der A. pulmonalis evtl. bis in die ten Ventrikel positioniert wird.
rechte und linke Pulmonalarterie hinein und Aus-
räumen des thrombotischen Materials. Gegebe- jOperation
nenfalls manuelles Exprimieren beider Lungenflü- kInstrumentarium
gel zum Mobilisieren von frischen Thromben. Ver- 4 Grundinstrumentarium.
7 schluss der A. pulmonalis mit fortlaufender 4–0 Po- 4 Gefäßstandardinstrumentarium.
lypropylennaht. Entlüftung. Beendigung der EKZ. 4 Clipzange.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Schrittmacher- 4 Redon-Drainage.
elektroden. Perikard- und Retrosternaldrainage. 4 Bereitstellen des Bildwandlers; Beachtung der Strah-
Thoraxverschluss. lenschutzbestimmungen.

kNahtmaterial
4 Nicht resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial aus
7.14.2 Operation bei chronischer Polypropylen.
Lungenembolie 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.

Bei Patienten mit rezidivierenden Lungenembolien kann kImplantate


es infolge der Verlegung der Pulmonalarterien durch 4 Schrittmacherelektroden (. Abb. 7.66).
Thromben zu einer schweren pulmonalen Hypertonie 4 Schrittmacheraggregat (. Abb. 7.66).
kommen. Diese Patienten können in tiefer Ganzkörperhy-
pothermie (20 °C) mit Hilfe der HLM und mit intermittie- kLagerung
rendem Kreislaufstillstand pulmonal thrombektomiert 4 Rückenlagerung mit rekliniertem Kopf auf einem
werden. Dabei wird unter Zuhilfenahme eines Dissektors röntgentransparenten OP-Tisch.
(. Abb. 7.19) altes thrombotisches Material zusammen mit
der Gefäßintima (Thrombarteriektomie) entfernt.

7.15 Behandlung von


Herzrhythmusstörungen

7.15.1 Herzschrittmacher

jAllgemeines
Die erste Herzschrittmacherimplantation erfolgte im Jahre
1958. Zurzeit werden in Deutschland über 50.000 Pati-
enten pro Jahr mit einem dauerhaften Schrittmachersys-
tem versorgt. Dabei werden in erster Linie Patienten be-
handelt, bei der die Herzrhythmusüberleitung vom Sinus-
knoten auf beide Ventrikel nicht ordnungsgemäß funktio-
niert (AV-Blockierung). Diese Patienten werden in der
Regel mit einem physiologischen Schrittmacher (DDD-
Schrittmacher) behandelt; hierbei wird eine Elektrode im
Bereich des Vorhofs und eine weitere im Bereich der rech- . Abb. 7.66 Schrittmacherimplantation (DDD-Pacer)
7.15 · Behandlung von Herzrhythmusstörungen
375 7
4 Beide Arme angelagert. kInstrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung,
4 Gelrolle unter beide Knie. Abdeckung und Rasur
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken Siehe 7 Abschn. 7.15.1.
Schulterblatt.
jOperation
kAbdeckung Die Implantationstechnik unterscheidet sich nicht von der
4 Nach Standard. Implantation eines sog. VVI-Schrittmachers. Unter Bild-
4 Abdeckung für den Bildwandler. wandlerkontrolle wird die Sensing-Defibrillations-Elek-
trode im Bereich des rechten Ventrikels positioniert. Intra-
kRasur operativ wird getestet, ob der interne Defibrillator künst-
Rechter oder linker Hals-Thorax-Bereich. lich ausgelöstes Kammerflimmern/-flattern erfolgreich
beenden kann. Das Gerät kann von extern nach dem Prin-
zip von Induktionsschleifen eingestellt und auch abgefragt
Herzschrittmacher-Implantation
werden.
7 Hautschnitt im Bereich der Mohrenheim-Grube
links (ggf. rechts). Venae sectio der V. cephalica
bzw. Punktion der V. subclavia und Einführen der 7.15.3 Behandlung von Vorhofflimmern/
Schrittmacherelektroden, die unter Bildwandler- -flattern
kontrolle im Bereich des Vorhofs bzw. der rechten
Ventrikelspitze positioniert werden. Dabei können jAllgemeines
wahlweise Elektroden gewählt werden, die sich Im Rahmen von Mitralklappenerkrankungen, aber auch
im Trabekelwerk verhaken (Fächerelektroden) bei zunehmendem Alter kann chronisches Vorhof-
oder die ins Myokard eingeschraubt werden flimmern auftreten. Dabei kommt der Druckerhöhung
(Schraubelektroden). und gleichzeitig der Vergrößerung des linken Vorhofs
7 Durchmessen der Schrittmacherelektroden. An- eine besondere Bedeutung zu. Der amerikanische Herz-
schließen des Schrittmacheraggregats, das in ei- chirurg Jim Cox entwickelte eine OP-Technik (Maze-
ner subkutanen bzw. submuskulären Tasche unter Operation), bei der die Vorhöfe nach einem bestimmten
dem M. pectoralis mit einer nicht resorbierbaren Muster zerschnitten und anschließend wieder vernäht
Naht fixiert wird. Einlegen einer Redon-Drainage. wurden. Diese Segmentierung des Vorhofs hat zum Ziel,
Schichtweiser Wundverschluss. dass nur eine Vorhoferregung den AV-Knoten erreicht
und es damit zu einer Rhythmisierung der Herzaktionen
kommt.
In letzter Zeit sind neue Verfahren entwickelt worden,
7.15.2 Interne Defibrillatoren um eine transmurale (durch alle Wandschichten reichende)
Narbe (elektrische Leitung nicht mehr möglich) im Vorhof
jAllgemeines zu erreichen; dies geschieht durch Mikrowelle, Radiofre-
Sogenannte bösartige ventrikuläre Rhythmusstörungen quenz- (RF-)Ablation oder Kryoablation (Vereisung).
können zu Kammerflimmern/Kammerflattern führen. Auch bei dieser Methode wird der Vorhof in bestimmte
Gelingt es nicht, diese Patienten durch entsprechende An- Korridore eingeteilt (. Abb. 7.67). Bei dieser sog. unipo-
tiarrhythmika (z. B. Amiodaron) zu behandeln, besteht bei laren Vorhofablation muss eine Neutralelektrode am Rü-
Auslösbarkeit von Kammerflimmern während einer elek- cken des Patienten angebracht werden. Werden ausschließ-
trophysiologischen Untersuchung die Indikation zur Im- lich die Lungenvenen abladiert, geschieht dies am ge-
plantation eines internen Defibrillators. schlossenen Vorhof mit bipolarer Ablation.
Moderne Defibrillatoren verfügen über Sensing-
Defibrillations-Elektroden, die genau wie bei einer jOperation
Schrittmacherimplantation transvenös und endokardial kInstrumentarium
unter Bildwandlerkontrolle implantiert werden können. 4 Siehe 7 Abschn. 7.8.
Diese Sensing-Defibrillations-Elektroden können, z. T. in 4 Ablationsgenerator.
Kombination mit dem Gehäuse des Defibrillators, ein für 4 Ablationshandgriff.
eine Defibrillation ausreichendes elektromagnetisches 4 Gegebenenfalls Infusomat mit Kochsalzlösung zur
Feld aufbauen. Derzeit werden in Deutschland pro Jahr Kühlung bei RF-Ablation.
mehr als 4.500 Systeme mit steigender Frequenz im- 4 Gegebenenfalls großflächige Neutralelektrode unter
plantiert. dem Rücken des Patienten, bei unipolarer Ablation.
376 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

kNahtmaterial, Lagerung, Abdeckung und Rasur


Siehe 7 Abschn. 7.8.

Chirurgische Ablation von


Vorhofflimmern/-flattern
7 Mediane Sternotomie oder rechtsanteriore Thora-
kotomie.
7 Perikarderöffnung. Heparingabe.
7 Anschluss an die HLM mit einer Aorta-ascendens-
Kanüle und getrennter Hohlvenenkanülierung.
Beginn der EKZ.
7 Queres Abklemmen der Aorta ascendens. Gabe
von Kardioplegielösung über die Aortenwurzel.
Eröffnung des linken Vorhofs. Endokardiale Abla-
7 tion mit RF, Mikrowelle oder Kryoablation (. Abb.
7.67). Teilweise kann die Ablation auch von epi-
kardial durchgeführt werden. Bei bestimmten In-
dikationen kann zusätzlich eine rechtsatriale Abla- . Abb. 7.67 Ablationslinien im linken Vorhof bei modifizierter
tion durchgeführt werden. Vorhofverschluss. Maze-Operation. (Mit frdl. Genehmigung von RIESSmedien)
7 Öffnen der Aortenklemme. Reperfusion. Entlüf-
tung. Rhythmisierung. Aufnähen von Schrittma-
cherelektroden. Abgehen von der HLM.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Peri-
kard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.

7.16 Kreislaufunterstützungssysteme

7.16.1 Intraaortale Ballonpumpe

jAllgemeines
Die EKG-synchronisierte »Gegenpulsation« mit einem
Ballonkatheter (intraaortale Ballonpumpe, IABP), der
über die Leistenarterie (per Punktion oder Leistenfreile-
gung) bis in die Aorta descendens vorgeschoben wird, ist
ein effektives Verfahren zur Kreislaufunterstützung bei
Herzmuskelversagen. Dabei kommt es durch das aktive
Leersaugen des Ballons während der Anspannungsphase
(Systole) des Herzens zu einer Verringerung des Aorten-
a b
druckes (. Abb. 7.68a). Die linke Herzkammer kann das
Blut gegen eine verringerte Nachlast auswerfen. Beim
. Abb. 7.68 a, b Prinzip der IABP. Entleerter Ballon während der
Aufblasen des Ballons in der Entspannungsphase (Dias- Systole (a) und entfalteter Ballon während der Diastole (b)
tole) des Herzens wird durch Druckerhöhung in der Aor-
ta die Durchblutung der Herzkranzarterien verbessert
(. Abb. 7.68b). 4 Redon-Drainage.
4 Halteband.
jOperation
kInstrumentarium kNahtmaterial
4 Grundinstrumentarium. 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
4 Gefäßstandardinstrumentarium. fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
4 Clipzange. 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
7.16 · Kreislaufunterstützungssysteme
377 7
kImplantate
Intraaortaler Ballonkatheter.

kLagerung
4 Rückenlagerung.
4 Beide Arme angelagert.
4 Gelrolle unter beide Knie.
4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
Schulterblatt.

kAbdeckung
Nach Standard.

kRasur
Oberkörper und beide Leistenregionen.

Implantation einer intraaortalen Ballonpumpe


7 Bogenförmiger Schnitt im Bereich der Leiste.
Freilegen der A. femoralis communis.
7 Punktion der A. femoralis und Einführen des
Ballonkatheters mit der Seldinger-Technik.
Gegebenenfalls 5–0 Tabakbeutelnaht im Bereich . Abb. 7.69 a–c Prinzip des Linksherz-Assistsystems. Volumenent-
der Punktionsstelle. lastung des linken Ventrikels über einen apikalen (a) bzw. atrialen (b)
7 Einlegen einer Redon-Drainage. Schichtweiser Zugang. Rückführung des Blutes in die Aorta ascendens (c)
Wundverschluss. Postoperativ Röntgenkontrolle
zur Bestimmung der exakten Lage erforderlich.

Implantation von links-/rechtsventrikulären


Unterstützungssystemen
7.16.2 Links-/rechtsventrikuläre 7 Wird meist im Anschluss an eine Herzoperation
Unterstützungssysteme oder bei großem Herzinfarkt mit Low output im-
plantiert.
jAllgemeines 7 Die entsprechenden Kanülen werden über Tabak-
Das Blut wird im Bereich des linken Vorhofs bzw. der beutelnähte in linkem und rechtem Vorhof sowie
linksventrikulären Spitze entnommen und über eine Pulmonalarterie bzw. an der linksventrikulären
Pumpe in die Aorta ascendens zurückgeführt (Linksherz- Spitze über filzarmierte U-Nähte eingelegt
Assistsystem; . Abb. 7.69). Beim Rechtsherz-Unterstüt- (. Abb. 7.69). Das Pumpensystem sowie das
zungssystem wird das Blut des rechten Vorhofs drainiert Steuerungssystem können dabei intern oder ex-
und über eine Pumpe in die A. pulmonalis zurückge- tern liegen.
führt.

kInstrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung,


Abdeckungund Rasur 7.16.3 Endovaskuläre Turbinenpumpen
Siehe 7 Abschn. 7.8.
jAllgemeines
kImplantate Diese Kreislaufunterstützungssysteme basieren überwie-
Kanülen für Vorhöfe, linke Herzkammer und Pulmonalar- gend auf Miniturbinen mit hohen Umdrehungszahlen, die
terie. ein Volumen von mehr als 5 l aus der linken Herzkammer
in die Aorta ascendens pumpen können. Sie sind bei
postoperativem Herzmuskelversagen (Low output) nach
Herzoperationen, Herzinfarkt oder Kardiomyopathie in-
diziert.
378 Kapitel 7 · Kardiochirurgie

kInstrumentarium, Nahtmaterial, Lagerung,


Abdeckung und Rasur
Siehe 7 Abschn. 7.8.

kImplantate
Miniturbine.

Implantation von endovaskulären


Turbinenpumpen
7 Einlage einer Turbinenpumpe meist intraoperativ
über eine Dacron-Gefäß-Prothese oder V.-saphe-
na-magna-Implantat, die in tangentialer Ausklem-
mung mit einer fortlaufenden 4–0 bzw. 6–0 mo-
nofilen Polypropylennaht im Bereich der Aorta as-
7 cendens angebracht wird.
7 Anschließend Vorschieben der Turbinenpumpe
(. Abb. 7.70) über die Aortenklappe bis in den
linken Ventrikel. Abdichten der Dacron-Prothese
um den Pumpenkatheter mit mehreren gefloch- . Abb. 7.70 Endovaskuläre Turbinenpumpe vom Typ Impella.
tenen nicht resorbierbaren Nähten. (Fa. Impella)

4 Bereitstellung eines weiteren Instrumententisches zur


Präparation des Spenderorgans.
7.17 Herztransplantation
kNahtmaterial
jAllgemeines 4 Doppelt armiertes nicht resorbierbares monofiles Ge-
Voranschreitende endgradige Herzmuskelschwäche bei fäßnahtmaterial aus Polypropylen.
normalen Widerstandsverhältnissen im kleinen Kreislauf 4 Resorbierbares geflochtenes Nahtmaterial.
ist die Indikation für eine orthotope Herztransplanta- 4 Drahtnaht, Sternumband und Sternumspanner.
tion (HTX). Man spricht von einer orthotopen Herz-
transplantation, wenn ein menschliches Spenderherz kLagerung
am Ort des zuvor entfernten Herzens eingepflanzt wird 4 Rückenlagerung.
(. Abb. 7.71). 4 Beide Arme angelagert.
4 Gelrolle unter beide Knie.
jOperation 4 Anlegen der Neutralelektrode unter dem linken
kInstrumentarium Schulterblatt.
4 Grundinstrumentarium zur Thoraxeröffnung.
4 Sternumsperrer. kAbdeckung
4 Elektrische oder druckluftbetriebene Sternumsäge. Nach Standard.
4 Diathermie, Ultraschallskalpell.
4 Sauger. kRasur
4 Gefäßstandardinstrumentarium. Oberkörper und beide Leistenregionen.
4 Diverse Gefäßklemmen, wie Satinsky-, Fogarty-
Klemme.
Herztransplantation
4 Clipzange,
4 Thoraxdrainage, Redon-Drainage. 7 Mediane Sternotomie. Perikarderöffnung. Hepa-
4 Gummizügel. ringabe.
4 Ein etwas kräftigeres Gummirohr als Tourniquet zur 7 Kanülierung der Aorta ascendens und unterer so-
Fixierung der HLM-Kanülen. wie oberer Hohlvene über 2 Kanülen mit Tourni-
4 Schocklöffel, Schrittmacherdrähte. quets. Queres Abklemmen der Aorta ascendens.
4 Bereitstellen des Bildwandlers; Beachtung der Strah- 6
lenschutzbestimmungen.
7.17 · Herztransplantation
379 7

. Abb. 7.71 Prinzip der orthotopen Herztransplantation. (Ao = Aorta, HLM = Herz-Lungen-Maschine, LA = linker Vorhof, PA = Pulmonal-
arterie, RA = rechter Vorhof )

7 Queres Durchtrennen der Aorta ascendens und


der A. pulmonalis sowie Entfernung des Herzens
in der Art, dass jeweils der dorsale Anteil vom
rechten und linken Vorhof im Patienten verbleibt.
7 Nach der Vorbereitung des Spenderorgans an
einem gesonderten Tisch Implantation des Spen-
derherzens mit 4 fortlaufenden 4–0 monofilen Po-
lypropylennähten, beginnend mit dem linken Vor-
hof, dem rechten Vorhof und der Aorta (. Abb.
7.71). Öffnen der Aortenklemme, Wiederbeleben
und Rhythmisieren des Herzens.
7 In der Reperfusionsphase Anastomosierung der
A. pulmonalis zwischen Spender- und Empfänger-
arterie mit einer fortlaufenden 4–0 monofilen Po-
lypropylennaht. Entlüftung. Schrittmacherelektro-
den. Abgehen von der HLM.
7 Dekanülierung. Protamingabe. Blutstillung. Auf-
nähen von Schrittmacherelektroden sowohl auf
den Empfänger-Sinusknoten als auch den Spen-
der-Sinusknoten und den rechten Ventrikel. Peri-
kard- und Retrosternaldrainage. Thoraxverschluss.
8

Gynäkologie
U. Havemann, M. Bazargan

8.1 Anatomische Grundlagen – 382

8.2 Zugänge in der Gynäkologie – 385

8.3 Lagerungen und Abdeckung – 386

8.4 Gynäkologisches Instrumentarium – 388

8.5 Medikamente – 388

8.6 Operative Eingriffe – 391

8.7 Laparoskopie/Pelviskopie – 411

8.8 Mammachirurgie – 418

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_8,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
382 Kapitel 8 · Gynäkologie

8.1 Anatomische Grundlagen Die weiblichen Geschlechtsorgane sind unterteilt in


inneres und äußeres Genitale. Zu den inneren Organen
Die Gynäkologie (Frauenheilkunde) beschäftigt sich mit zählen die Eierstöcke (Ovarien), die Eileiter (Tuben), die
den Erkrankungen des inneren und äußeren Genitale Gebärmutter (Uterus) und die Scheide (Vagina). Das äu-
(. Abb. 8.1 bis . Abb. 8.2) sowie den Erkrankungen der ßere Genitale der Frau besteht aus kleinen Schamlippen
Brustdrüse der Frau. (Labia minora pudendi), großen Schamlippen (Labia ma-

. Abb. 8.1 Sagittalschnitt durch das weibliche Becken

. Abb. 8.2 Äußere Geschlechtsteile. Der tragfähige Beckenboden wird vor allem vom M. levator ani (Diaphragma pelvis) gebildet
8.1 · Anatomische Grundlagen
383 8
jora pudendi), dem Kitzler (Klitoris) und Scheidenvorhof 4 Hals (Zervix),
(Vestibulum vaginae). Das äußere Genitale wird auch als 4 Mund (Portio).
Vulva bezeichnet.
Fundus, Korpus und ein Teil der Zervix liegen intraperito-
neal und sind mit Bauchfell (Peritoneum) überzogen. Die
8.1.1 Eierstock (Ovar) untere Hälfte der Zervix liegt im Beckenbindegewebe (Pa-
rametrium), die Portio mündet in die Vagina. Durch die
Der paarig angelegte Eierstock (Ovar; . Abb. 8.3) ist der Pro- Portio wird das Scheidengewölbe in ein vorderes und ein
duktionsort und das Weiterentwicklungsorgan der Eizellen hinteres Scheidengewölbe eingeteilt. Der Uterus hat nach
und weiblicher Geschlechtshormone. Er entspricht in seiner allen Seiten einen Halteapparat, der aus 3 kranialen und
Form und Größe einer flachen Pflaume. Die Blutversorgung 3 kaudalen Bändern besteht.
erfolgt über die A. ovarica, die auf Höhe der Nierenarterien- 4 Kraniale Ligamente:
abgänge aus der Aorta entspringt (7 Abschn. 8.1.4). 5 Lig. teres uteri = Lig. rotundum; rundes Mutter-
band.
Es entspringt oberhalb der Tubenabgänge, durch-
8.1.2 Eileiter (Tuben) zieht den Leistenkanal und endet in den großen
Labien. Es besitzt Zügelfunktion, hält den Uterus in
Die Tuben entspringen seitlich am Fundus des Uterus und Anteflexions- und Anteversionsstellung.
münden in einen Fransentrichter, (Fimbrientrichter), der 5 Lig. uteroovaricum = Lig. ovarii proprium.
sich beim Eisprung auf das Ovar legt. Diese Fimbrien sind Es entspringt im Tubenwinkel und zieht zum Ovar.
12–15 cm lang und nehmen die Eizelle auf. Gelangt ein 5 Lig. suspensorium ovarii = Lig. infundibulopel-
befruchtetes Ei nicht innerhalb von 4 Tagen in die Gebär- vicum.
mutter, kommt es zu einer Einnistung in die Tube und da- Es entspringt lateral am Ovar und zieht zur Becken-
mit zu einer sog. Eileiterschwangerschaft (7 Abschn. 8.7.3). wand. In ihm verläuft die A. ovarica.
Der Eileiter rupturiert dann meist nach wenigen Tagen, 4 Kaudale Ligamente:
und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Blutung. 5 Lig. cardinale.
Es setzt mehr seitlich an der Zervix an, zieht aber
nach hinten. In ihm verlaufen die uterusversor-
8.1.3 Gebärmutter (Uterus) genden Gefäße (A. uterina).
5 Lig. sacrouterinum.
Der Uterus liegt im kleinen Becken zwischen Rektum und Es verläuft von der Zervix nach hinten – um das
Blase. Er ist üblicherweise nach vorn gewölbt (anteflek- Rektum – und bildet so eine randständige Verstär-
tiert). Die Gebärmutter wird in 4 Segmente eingeteilt: kung um die durch das Rektum entstehende Lücke.
4 Dach (Fundus), Dieses Ligament hat als einziges eine echte Halte-
4 Körper (Korpus), funktion.

. Abb. 8.3 Vorderansicht der inneren Geschlechtsorgane


384 Kapitel 8 · Gynäkologie

4 Blasenpfeiler, bestehend aus Außen ist der Uterus mit Bauchfell (Perimetrium = Tu-
5 Lig. cervicovesicale = vesicouterinum. nica serosa) überzogen. Das Muskelgewebe (Myometrium
Es zieht von der Zervix nach vorn zur Blase. = Tunica muscularis) ist in der Lage, sich während einer
5 Lig. pubovesicale. Schwangerschaft auszudehnen und am Ende der Schwan-
Es zieht von der Blase zur vorderen Beckenwand. gerschaft das Kind auszutreiben. Nachdem das Kind gebo-
4 Parametrium = Beckenbindegewebe: ren ist, zieht sich der Uterus unter der Einwirkung des
Es verläuft von der Beckenwand zur Zervix und um- Hormons Oxytozin, das die Blutgefäße in der Muskulatur
fasst diese. Das Parametrium wirkt federnd und hält komprimiert, wieder zusammen
den Uterus im kleinen Becken. Seine wichtigsten An- Innen ist der Uterus mit einer Schleimhautschicht (En-
teile sind das Lig. sacrouterinum und das Lig. cardi- dometrium = Tunica mucosa) ausgekleidet, die die Einnis-
nale auf beiden Seiten. tung eines befruchteten Eis ermöglicht. Diese Schleim-
4 Lig. latum = breites Band = Peritoneum = Mesometri- hautschicht wächst zu Beginn des weiblichen Zyklus und
um. wird am Ende des Zyklus abgestoßen, um sich nach der
Diese Bauchfellduplikatur zieht von den Uterussei- monatlichen Regelblutung wieder aufzubauen.
tenbereichen zur seitlichen Beckenwand. Sie besitzt Der Hohlraum im Uterus, der mit dem Endometrium
wenig Bindegewebe und hat keine haltende Funktion. ausgekleidet ist, wird als Cavum uteri bezeichnet.
Das Lig. latum besteht aus:
5 Mesosalpinx, eine Bauchfellduplikatur, die die Tuben
8 umgibt, gebildet aus beiden Blättern des Lig. latum. 8.1.4 Gefäßversorgung
5 Mesoovarium, eine Bauchfellduplikatur aus dem
hinteren Blatt des Lig. latum. Das Ovar liegt diesem Die A. uterina und die A. ovarica versorgen das weibliche
Blatt an. Genitale (. Abb. 8.4). Die A. uterina entspringt aus der
5 Excavatio rectouterina, der Douglas-Raum, eine A. iliaca interna, verläuft im Lig. cardinale über den Ureter
Einsenkung des Peritoneums zwischen Uterus und und teilt sich in 2 Äste:
Rektum. 4 R. descendens (cervicovaginalis), der die Zervix und
5 Excavatio vesicouterina, Einsenkung des Peritone- das obere Scheidendrittel versorgt,
ums zwischen Uterus und Blase. 4 R. ascendens (uterotubarius), der die Tube und den
Corpus uteri versorgt.
Wandschichten des Uterus
Die Wandschichten des Uterus sind nach Art ihrer Aufga- Von beiden Rami gehen Äste ab, die die Vorder- und Hin-
ben einzuordnen. terwand der Gebärmutter versorgen.

. Abb. 8.4 Peritonealverhältnisse und Gefäßversorgung von Ovar, Tuben und Uterus. Ansicht von dorsal
8.2 · Zugänge in der Gynäkologie
385 8

. Abb. 8.5 Schematische Darstellung der Gefäßversorgung des weiblichen Genitale, der Harnblase und des Rektums

Die A. ovarica entspringt aus der Aorta in Höhe der 4 Quereröffnung der Faszie zunächst in der Mitte mit
A. renalis. Sie zieht durch das Lig. suspensorium ovarii dem Skalpell, dann Erweiterung nach rechts und
zum Ovar. Zwischen dem R. ascendens und der A. ovarica links mit einer kräftigen Schere (z. B. nach Cooper).
bestehen etliche Verbindungen (. Abb. 8.5). 4 Anklemmen der Faszienränder mit Kocher-Klemmen.
Die Aa. vesicales inferiores versorgen das mittlere 4 Lösen der Faszie von der Vorderwand der Rektus-
Scheidendrittel. Die Aa. pudendalis und rectales versorgen muskulatur (dies ist weitgehend stumpf möglich); die
das untere Scheidendrittel und die Vulva. in der Mitte verlaufende Linea alba wird scharf
durchtrennt.
4 Auseinanderdrängen der Rektusbäuche und Einset-
8.2 Zugänge in der Gynäkologie zen der Roux-Haken.
4 Unterhalb der Rektusmuskulatur liegt die Fascia
8.2.1 Suprasymphysärer transversalis, die bei schlanken Patientinnen häufig
Faszienquerschnitt nach Pfannenstiel eine Einheit mit dem Peritoneum bildet. Die Fascia
transversalis wird mit zwei chirurgischen Pinzetten
4 Hautschnitt quer, leicht bogenförmig, wenn möglich gefasst und vorsichtig mit dem Skalpell gespalten.
unterhalb des suprapubischen Haaransatzes. 4 Anschließend kann das Peritoneum gefasst und eröff-
4 Durchtrennung des Subkutangewebes bis auf die Rek- net werden (Cave: Verletzungen der Blase und des
tusscheide. Darms).
386 Kapitel 8 · Gynäkologie

4 Verlängerung des Peritonealschnittes in Längsrich- mit dem Skalpell. Längserweiterung des Schnittes mit
tung nach proximal und distal mit der Schere. der Schere.
4 Einsetzen von Haken, Sperrern oder Rahmen und Ab- 4 Einsetzen von Haken oder Rahmen und Abstopfen
stopfen der Darmschlingen mit feuchten Bauchtüchern. des Darms mit Bauchtüchern.

Verschluss Verschluss
4 Anklemmen des Peritoneums mit 3–4 Peritoneal- 4 Anklemmen des Peritoneums mit 3–4 Peritoneal-
klemmen nach Mikulicz. klemmen nach Mikulicz.
4 Textilien und Instrumente werden auf Vollständigkeit 4 Textilien und Instrumente werden auf Vollständigkeit
überprüft und der Zählstand dokumentiert. überprüft und der Zählstand dokumentiert.
4 Fortlaufende Peritonealnaht im oberen Wundwinkel 4 Unterschiedliche Nahttechniken sind möglich:
beginnend. 5 Fassen aller Schichten in fortlaufender Nahttechnik
4 Fortlaufende Adaptationsnaht der Rektusmuskeln, mit einem Schlingenfaden; schichtweiser Wund-
am distalen Wundwinkel beginnend (dazu kann die verschluss in fortlaufender oder Einzelknopfnaht-
Peritonealnaht weiter genutzt werden). technik.
4 Exakte Blutstillung. 5 Stabile Rekonstruktion der Bauchdecke: Zunächst
4 Fasziennaht, entweder fortlaufend oder durch kräf- werden Rektusaponeurose, Muskulatur und Perito-
tige Einzelknopfnähte. Bei Einzelknopfnähten werden neum durchstochen. Anschließend wird unter Bil-
8 zunächst Ecknähte angelegt, die lang gelassen werden, dung einer Schlaufe mit dieser Naht mehr ober-
danach erfolgt eine Naht in der Mitte. flächlich zurückgestochen. Subkutannaht.
4 Bei Bedarf Einlage einer subfaszialen Redon-Drainage. 4 Intrakutannaht oder Hautklammerung.
4 Weiterer Faszienverschluss in fortlaufender Naht-
technik. jVorteile
4 Evtl. Subkutannaht mit Einzelknopfnähten. 4 Ist operativ größerer Raumbedarf gewünscht, wird
4 Intrakutannaht oder Hautklammerung. dieser Zugang gewählt.
4 Gute Erweiterungsmöglichkeit.
jVorteile 4 Geringere Blutungsgefahr.
4 Geringere »Platzbauchgefahr« durch den Wechsel-
schnitt. jNachteile
4 Gute kosmetische Ergebnisse durch den Hautschnitt 4 Platzbauch-, Herniengefahr.
unterhalb des Haaransatzes. 4 Das kosmetische Ergebnis ist unbefriedigender als
beim Zugang nach Pfannenstiel.
jNachteil
4 Der Schnitt bietet kaum Erweiterungsmöglichkeiten.
8.3 Lagerungen und Abdeckung

8.2.2 Medianer Unterbauchlängsschnitt 8.3.1 Gerade Rückenlagerung bei


Eingriffenin der Mammachirurgie
4 Längsschnitt im Bereich der Linea alba nach distal bis
zur Symphyse, nach proximal bis zum Nabel. 4 Rückenlage nach Standard (7 Abschn. 1.2).
4 Bei Schnittverlängerung wird der Nabel in ausrei- 4 Anbringen eines Zusatzes an die Tischplatte, damit
chendem Abstand linksseitig umschnitten, weil auf der Kopf gelagert werden kann, weil die Patientin weit
der rechten Seite das Lig. teres hepatis verläuft, ein nach oben gelagert werden muss, damit das Gesäß
verschlossener Rest der Nabelvene, der geschont wer- korrekt zu liegen kommt (s. unten).
den soll (Zugangswege 7 Abschn. 2.1).
4 Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes, dann
Längsinzision der Faszie. 8.3.2 Beach-Chair-Lagerung
4 Die Ränder der Rektusmuskeln werden stumpf aus-
einandergedrängt. 4 Der gesamte Tisch wird 20–30° kopftief gekippt.
4 Die Fascia transversalis und das präperitoneale Fett- 4 Der Oberkörper wird 60–70° angehoben, das Gesäß
gewebe liegen frei. der Patientin muss gut gepolstert im Knick des OP-
4 Eröffnung des Peritoneums durch Fassen und Anhe- Tisches liegen.
ben mit chirurgischen Pinzetten und Stichinzision 4 Die Beine werden ca. 10° abgesenkt.
8.3 · Lagerungen und Abdeckung
387 8
4 Polstern der Fersen der Patientin mit Gelkissen, Ent-
lastung der Kniegelenke ggf. durch eine Gelrolle, Fi-
xation der Patientin mit einem Gurt, der oberhalb der
Patellae angebracht wird.
4 Beide Arme werden ausgelagert.
4 Die Patientin wird an den seitlichen Rand des OP-Ti-
sches gezogen, um einen optimalen Zugang zur Axilla
zu haben.
4 Bei Mammaaufbau- oder Mammareduktionsplastiken
können beide Arme angelagert werden.
4 Der 2. Assistent steht sehr weit kranial, sodass ein
. Abb. 8.6 Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen. (Nach
Narkosebügel nicht angebracht werden kann.
Krettek u. Aschemann 2005)
4 Anbringen der neutralen Elektrode OP-Feld-nah.
4 Die EKG-Elektroden werden immer auf dem Rücken
der Patientin platziert, da bei allen Eingriffen in der
Mammachirurgie beide Seiten desinfiziert und abge-
deckt werden.
4 Die gesunde Seite ist einsehbar, um bei allen Rekons-
truktionen der betroffenen Seite eine Orientierung zu
bieten.
4 Feuchtigkeitsschutz an Hals, Axilla und Thorax.
4 Vor der 4-Tuch-Abdeckung wird entweder ein steriles
Tuch unter die Axilla geschoben und ein Beinling
über den Arm der betroffenen Seite gezogen oder der
gesamte Arm zirkulär abgedeckt.

8.3.3 Steinschnittlagerung mit


abgesenkten Beinen

Diese Lagerung wird bei allen gynäkologischen Laparoto-


mien und Laparoskopien durchgeführt (. Abb. 8.6). . Abb. 8.7 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen. (Nach
4 Rückenlage auf einem Steinschnitttisch mit einer Gel- Krettek u. Aschemann 2005)
matte, Vakuummatte oder anderen polsternden Mate-
rialien.
4 Das Gesäß der Patientin schließt mit der Tischkante ab. 8.3.4 Steinschnittlagerung mit
4 Die Unterschenkel liegen gepolstert in den Halbscha- hochgestellten Beinen
len der Göbel-Stützen in 160° Kniebeugung.
4 Bei Laparotomien werden die Oberschenkel in Ver- Diese Lagerung wird bei allen vaginalen Eingriffen durch-
längerung des Körpers gelagert, dadurch nähert sich geführt (. Abb. 8.7).
das innere Genitale mehr der OP-Wunde. 4 Rückenlage auf einem Steinschnitttisch nach Stan-
4 Bei Laparoskopien sollte der Winkel der Oberschen- dard.
kel zum Körper ca. 15–20° betragen, dadurch wird die 4 Der Rücken liegt flach auf.
Verletzungsgefahr der großen Gefäße beim Einstich 4 Das Gesäß ragt etwas über das Tischende, dabei ist
gemindert. auf die Polsterung des Steißbeins zu achten.
4 Die Beine der Patientin sind 40–45° gespreizt, dazwi- 4 Hüftbeugung knapp über 90° durch hochgestellte
schen steht der 2. Assistent. Halbschalen, die Unterschenkel in 100° Kniebeugung.
4 Auslagern der Arme. Die Unterschenkel werden gepolstert, um Druckschä-
4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Standard. den des N. peronaeus zu vermeiden.
4 Feuchtigkeitsschutz am Thorax, Abdomen und Gesäß. 4 Weites Spreizen der Beine unter Beachtung der anato-
4 Nach dem Beziehen der Beine mit den sterilen Beinlin- misch-physiologischen Möglichkeiten der Patientin.
gen erfolgt eine 4-Tuch-Abdeckung, bei Laparoskopien 4 Auslagern der Arme.
eine 1-Tuch-Abdeckung mit integrierten Beinlingen. 4 Anbringen der neutralen Elektrode nach Standard.
388 Kapitel 8 · Gynäkologie

4 Feuchtigkeitsschutz am Becken und am Gesäß. 4 Kürette nach Bumm (. Abb. 8.17).


4 Nach der Desinfektion wird ein steriles Tuch unter 4 Portiozangen/Hakenzange (. Abb. 8.18).
das Gesäß geschoben, danach die Beine mit Beinlin- 4 Hegar-Stifte (. Abb. 8.19 und . Abb. 8.20).
gen bezogen, ein großes Tuch wird suprasymphysär 4 Parametrienklemmen (. Abb. 8.11).
geklebt und nach kranial entfaltet. Das größte Tuch 4 Uterussonde (. Abb. 8.21).
des Abdecksets wird über den Anus geklebt, seitlich
um die Oberschenkel herumgeführt und mit stump-
fen Klemmen in Höhe des Beckens fixiert. 8.4.3 Instrumente für die Laparoskopie
Der Operateur sitzt auf einem steril bezogenen Stuhl.
Die Instrumente und das Equipment für laparoskopische
Operationen entsprechen denen in 7 Abschn. 2.15 be-
8.4 Gynäkologisches Instrumentarium schriebenen. Hinzu kommen spezifische Instrumente, von
denen einige vorgestellt werden:
Da es viele unterschiedliche, aber gleichwertige Instrumen- 4 Myombohrer (. Abb. 8.22).
te gibt, kann hier nur eine Auswahl dargestellt werden. 4 Morcellationsmesser (. Abb. 8.23).

8 8.4.1 Instrumente für abdominale Eingriffe 8.5 Medikamente

4 Grundinstrumente:
! Alle Medikamente auf dem OP-Tisch brauchen ei-
5 Schere,
nen Markierungscode, der für alle Mitarbeiter
5 Pinzetten,
gültig ist, um Verwechslungen auszuschließen!
5 Overholt-Klemmen,
5 Peán-Klemmen, In der Beckenbodenchirurgie wird für die Präparation
5 Kocher-Klemmen, der vorderen und hinteren Plastik ein Lokalanästhetikum
5 Langenbeck-Haken, verdünnt mit Ringer-Lösung 1:1 verwendet. Das Aufsprit-
5 Roux-Haken. zen der Vaginalhaut ermöglicht eine bessere räumliche
4 Rahmen und Rückhalteinstrumente: Darstellung, und das Adrenalin vermindert Blutungen.
5 Kirschner-Rahmen, Beispiel: Xylonest 0,5% mit Adrenalin 1:250.000.
5 Sattlerrahmensystem (7 Abschn. 2.1.1). Zur lokalen Injektion in die Stichinzisionen bei lapa-
4 Organfasszangen: roskopischen Eingriffen, um den postoperativen Schmer-
5 Duval-Klemme, zen vorzubeugen.
5 Ovarienfasszange (. Abb. 8.8), Beispiel: Scandicain 0,25%.
5 Allisklemme. Alle Bio-Meshs (Netze) werden vor der Implantation
4 Uterusscheren mit unterschiedlicher Krümmung eingelegt, um eine postoperative Infektion zu verhindern
(. Abb. 8.9 und . Abb. 8.10). und das Netz für die Implantation vorzubereiten. Das
4 Museux. Mesh besteht aus getrocknetem Schweinedarm und ist des-
4 Wertheim-Parametriumklemme (. Abb. 8.11). halb sehr hart.
4 Wertheim-Hysterektomieklemme (. Abb. 8.12). Beispiel: Gentamycin 80 mg, verdünnt mit Ringer-Lö-
4 Myomheber nach Doyen (. Abb. 8.13). sung.
Botulinumtoxin (Botox) ist ein bakterielles Neuroto-
xin, das geeignet ist zur Behandlung von Erkrankungen
8.4.2 Instrumente für vaginale Eingriffe der überaktiven Blase mit und ohne Inkontinenz.
In einer kurzen Vollnarkose werden zystoskopisch
4 Scheidenspekulum nach Breisky (. Abb. 8.14), das die 20×1 ml von Botulinustoxin gemischt mit NaCl (20 ml
Einstellung des Situs vaginal in alle Richtungen erlaubt. NaCl+100 MU Botox) über die ganze Blase verteilt in den
4 Scheidenspekulum nach Kristeller (. Abb. 8.15), das Blasenmuskel gespritzt. Dadurch kommt es zu einer Ver-
vordere Blatt (. Abb. 8.15b) hält die Vaginalwand besserung der Reizblasenbeschwerden und der Inkonti-
nach oben, das hintere Blatt (. Abb. 8.155a) stellt das nenz. Der maximale Behandlungseffekt wird meist 1–
hintere Scheidengewölbe dar. Flüssigkeiten können 2 Wochen nach der Injektion erreicht und hält über
über die Rinnenform ablaufen. 6–10 Monate an.
4 Scheidenspekulum nach Scherback (. Abb. 8.16).
Durch das Gewicht hält dieses Spekulum selbst.
8.5 · Medikamente
389 8

8.8 8.9 8.10

8.11 8.12 8.13

. Abb. 8.8 Ovarienzange nach Bonney. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.12 Wertheim-Hysterektomieklemme. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 8.9 Uterusschere nach Sims. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.13 Myomheber nach Doyen (»Myombohrer«). (Fa. Aescu-
. Abb. 8.10 Uterusschere gebogen nach Bozemann. (Fa. Aesculap AG) lap AG)
. Abb. 8.11 Wertheim-Parametriumklemme. (Fa. Aesculap AG)
390 Kapitel 8 · Gynäkologie

8.15 8.16

8..14

8.17 8.18 8.19 8.20

. Abb. 8.14 Scheidenspekulum nach Breisky. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.18 Hakenzange nach Schröder (»Kugelzange«). (Fa. Aescu-
. Abb. 8.15a, b Scheidenspekula nach Kristeller. (Fa. Aesculap AG) lap AG)
. Abb. 8.16 Scheidenspekula nach Scherback. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.19 Gebogener Uterusdilatator nach Hegar. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 8.17 Kürette nach Bumm. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.20 Gerader Uterusdilatator nach Hegar. (Fa. Aesculap AG)
8.6 · Operative Eingriffe
391 8

8.21

8.22

8.23

. Abb. 8.21 Uterussonde, biegsam, nach Mayo. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 8.23 Morcellationsmesser nach Chardonnens. (Fa. Storz)
. Abb. 8.22 Myombohrer/Myomheber. (Fa. Storz)

8.6 Operative Eingriffe 4 Bei Bedarf wird eine Lasche als Drainage eingelegt.
4 Bakteriologieabstrichröhrchen.
8.6.1 Marsupialisation
kLagerung
kIndikation 4 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen
4 Bartholin-Abszess. (. Abb. 8.7).
4 Eine aufwändige Abdeckung ist nicht zwingend erfor-
Die Bartholin-Drüsen (Glandulae vestibulares majores; derlich, ausreichend sind Beinlinge und zwei Abdeck-
. Abb. 8.2) produzieren ein Sekret, das die Scheide feucht tücher (ein Abdecktuch unter das Gesäß und eines
hält. Sie liegen im Diaphragma urogenitale. Ihre Ausfüh- suprasymphysär).
rungsgänge münden in den kleinen Labien. Verstopft der
Ausführungsgang, so entsteht zunächst eine schmerzlose Das Operationsteam trägt aus Gründen des Eigenschutzes
Retentionszyste. Bei einer eitrigen Sekundärinfektion bil- sterile Kittel.
det sich der Bartholin-Abszess. Diese Erkrankung tritt
meist einseitig auf und führt zu einer massiven Schwellung
Marsupialisation
des hinteren Drittels der kleinen Labie.
7 Desinfektion von Vulva und Scheide, Einmalkathe-
kSymptomatik terisierung, Abdeckung.
7 Hautinzision im Bereich der Mündungsstelle des
4 1. Tag: Missempfindungen.
verstopften Drüsenausgangs an der Innenseite
4 2. Tag: beginnende Schwellung und Schmerzen.
der kleinen Labie.
4 3. Tag: erhebliche Schwellung und Schmerzen.
7 Entnahme eines Abstrichs für die bakteriologische
4 4. Tag: Reifung des Abszesses bis zum 6. Tag.
Untersuchung.
7 Digitales Ausräumen des Abszesses.
kPrinzip 7 Beginn der Marsupialisation:
Marsupialisation (lat. marsupium = Beutel) zur Sanierung Die Zystenwand wird von ihrem Grund vorgezo-
eines Bartholin-Abszesses oder einer Zyste, indem die Zys- gen und an der Schleimhaut der kleinen Labie mit
te bzw. der Abszess eröffnet und entleert und ein neuer resorbierbaren Einzelknopfnähten fixiert.
Drüsenausführungsgang geschaffen wird. 7 Anschließend kann eine Lasche eingelegt werden,
um den neuen Ausführungsgang offen zu halten.
kInstrumentarium 7 Postoperativ wird die Wundheilung durch Sitzbä-
4 Grundinstrumentarium, der unterstützt.
4 evtl. Sauger.
392 Kapitel 8 · Gynäkologie

8.6.2 Abrasio und Kürettage


rette wird jedes Mal vollständig bis vor die Portio
Abrasio herausgezogen.
kIndikationen 7 Dieses Abradat muss streng vom Korpusmaterial
4 Diagnostisch: getrennt werden!
5 Klärung von Blutungsstörungen, insbesondere bei 7 Uteruslängenbestimmung mit der Uterussonde,
Postmenopausenblutungen, um eine spätere Perforation zu vermeiden.
7 Dilatation des Zervikalkanals bis auf ca. 8 mm.
5 Karzinomverdacht.
7 Korpusabrasio mit scharfen Küretten. Eingehen,
4 Therapeutisch:
bis Funduskontakt entsteht, dann werden immer
5 Entfernung von Endometriumresten,
wieder lange Kürettenstriche vorgenommen, 3–
5 Hypermenorrhö.
6–9–12 Uhr.
7 Ausschaben der Tubenecken mit einer kleineren
kPrinzip
Kürette.
Ausschabung des nichtschwangeren Uterus zu diagnosti- 7 Zur weiteren diagnostischen Differenzierung kann
schen oder therapeutischen Zwecken. Der Uterus wird mit im Vorfeld der Abrasio eine Gebärmutterspiege-
scharfen Küretten ausgekratzt, da Teile des Endometriums lung (Hysteroskopie) durchgeführt werden. Hier-
zur Diagnostik gewonnen werden sollen. Bei unklaren durch können die Schleimhautverhältnisse beur-
Blutungen ist eine Differenzierung von Zervix- und Kor-
8 pusschleimhaut notwendig, um durch die Histologie den
teilt und z. B. polypöse Veränderungen sichtbar
gemacht werden.
Sitz eines vorhandenen Karzinoms zu bestimmen. Durch 7 Nach der Abrasio kann ggf. durch erneute Hyste-
die fraktionierte Abrasio (s. unten) ist das möglich. roskopie kontrolliert werden, ob diese Verände-
rungen komplett entfernt wurden.
kInstrumentarium
4 Spekula, Hakenzangen/Kugelzangen.
4 Uterussonde, Hegar-Stifte, Abortkürettage – Saugkürettage
4 scharfe Küretten, Absaugen des Schwangerschaftsproduktes in der Früh-
4 evtl. scharfe Löffel, schwangerschaft bis zur 12.–14. Schwangerschaftswoche
4 anatomische Pinzette, (SSW). Für das Endometrium gilt dies als die schonendste
4 2 Histologiegefäße, um die Schleimhaut getrennt zur Methode, weil damit aufgrund des schnellen Vorgehens
histologischen Untersuchung zu geben. ein geringer Blutverlust einhergeht.

kLagerung kIndikationen
4 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen 4 Gestörte Schwangerschaft,
(. Abb. 8.7). 4 legaler Schwangerschaftsabbruch.
4 Ein aufwändiges Abdecken erscheint nicht unbedingt
erforderlich, ausreichend sind Beinlinge und zwei kPrinzip
Abdecktücher (ein Abdecktuch suprasymphysär und Ausschabung des schwangeren Uterus zur Entfernung von
eines unter das Gesäß). Schwangerschaftsmaterial unter Verwendung von stump-
fen Küretten oder Saugküretten. In der Schwangerschaft ist
die Uteruswand deutlich weicher als sonst, sodass wegen
Fraktionierte Abrasio
der hohen Perforationsgefahr keine scharfen Küretten ver-
7 Zu Beginn wird die narkotisierte Patientin unter- wendet werden sollten.
sucht (Narkoseuntersuchung).
7 Desinfektion von Vulva und Scheide, Einmalkathe-
terisierung, Abdeckung. Saugkürettage
7 Einstellen der Portio mit Spekula. 7 Gleiches Vorgehen wie bei der Abrasio.
7 Anklemmen der vorderen Portio mit Hakenzangen. 7 Nach der Dilatation des Zervikalkanals wird die
7 Dilatation des Zervikalkanals mit dünnen Hegar- Saugkürette wie die Kürette geführt, die Saugöff-
nung zeigt gegen die Uteruswand.
Stiften (ca. 5–6 mm).
7 Evtl. vorsichtiges Nachkürettieren mit einer
7 Zervixabrasio mit einer kleinen, scharfen Kürette. stumpfen Kürette.
Eingehen bis zum inneren Muttermund. Die Kü- 7 Das gewonnene Material wird zur histologischen
6 Untersuchung gegeben.
8.6 · Operative Eingriffe
393 8
kZiele der Konisation
Kürettage mit stumpfen Küretten 4 Exakte histologische Untersuchung.
7 Gleiches Vorgehen wie bei der Abrasio, aber lang- 4 bei nichtinvasiven Neoplasien oder schweren Dyspla-
sames Erweitern des Zervikalkanals mit Hegar- sien der Zervix endgültige Therapie durch die Entfer-
Stiften, die größer sind als die bei der Abrasio (bis nung des veränderten Gewebes im Gesunden.
etwa 12 mm).
7 Entfernen des Schwangerschaftsproduktes mit kInstrumentarium
stumpfen Küretten und Abortzange. 4 Spekula, auch seitliche Spekula, z. B. nach Breisky
7 Vorsichtiges Nachkürettieren, um ein Perforieren (. Abb. 8.14),
des weichen Uterus zu vermeiden und die basalen 4 Hakenzangen/Kugelzangen,
Schichten des Endometriums zu schonen (ggf. 4 langer Skalpellgriff, evtl. Konisationsmesser,
nach i.v.-Gabe von Oxytozin, um die Kontraktion 4 Kornzangen,
der Uterusmuskulatur zu fördern). 4 mittellange chirurgische und anatomische Pinzette,
4 mittellange Schere,
4 Nadelhalter,
4 Uterussonde,
8.6.3 Konisation 4 scharfe Küretten,
4 Hegar-Stifte,
kIndikationen 4 monopolare Handelektrode mit Kugel- und/oder
Ektopie, ein nicht krankhaftes Hervortreten des Zervixzy- Schlingenelektrode.
linderepithels auf die Portiooberfläche, auf der sich norma-
lerweise unverhorntes Plattenepithel befindet. Leiden die kLagerung
Patientinnen unter sehr starkem zervikalem Fluor, Kon- Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb.
taktblutung oder besteht die Ektopie über mehrere Jahre, 8.7).
kann eine Konisation vorgenommen werden. Verdächtige
zytologische Abstriche, (Papanicolaou-Abstrich):
Konisation
4 PAP III D: Der Nachweis von Zellen mit leichten bis
mittelschweren Zellveränderungen führt zum Ver- 7 Desinfektion von Vulva und Scheide, Einmalkathe-
dacht auf eine sich entwickelnde beginnende Entar- terisierung, anschließend Abdeckung.
tung (Dysplasie). 7 Einstellen der Portio mit Spekula.
4 PAP IV A, IV B: Eine weitergehende Krebsvorstufe ist 7 Evtl. Infiltration eines Lokalanästhetikums mit Ad-
sehr wahrscheinlich. renalin zur Vasokonstriktion oder beidseitige Um-
stechung des absteigenden zervikalen Astes der
Da die Grenze zwischen dem Zervixepithel und dem Por- A. uterina.
tioepithel – die karzinomgefährdete Zone, die bei jungen 7 Anfärben der Portio mit einem in Jodlösung
Frauen mehr auf der Portio, bei älteren Frauen mehr im (Lugol-Lösung) getränkten Tupfer.
Zervikalkanalbereich liegt – wird bei jungen Frauen ein 7 Gesundes Plattenepithel verfärbt sich bräunlich,
breiter, flacher Konus, bei älteren ein schmaler, hoher Ko- nicht gesunde Bezirke verfärben sich nicht oder
nus entnommen. werden weißlich. So können die Resektionsgren-
zen bestimmt werden.
kTechniken der Konisation 7 Seitliches Abklemmen der Portio mit Hakenzangen.
4 Mit dem Skalpell, für eine genauere histologische Un- 7 Dilatation des Zervikalkanals mit Hegar-Stiften
tersuchung zur Abklärung verdächtiger Abstriche, 8–8,5 mm.
4 mit Lasertechnik (CO2), 7 Umschneiden der Portio mit dem Skalpell, der
4 mit dem monopolaren Messer/Schlinge, um weniger Schere, dem abgewinkelten Konisationsmesser,
Blutungen (z. B. Behandlung der Ektopie) zu provo- dem Laser oder monopolar.
zieren. 7 Markierung des entnommenen Konus mit einem
Faden bei 12 Uhr.
kPrinzip 7 Nun erfolgt immer eine fraktionierte Abrasio
Entnahme eines Gewebekegels aus der Portio, dessen Spit- (7 Abschn. 8.6.2), um die Konisation im Gesunden
ze bis in den oberen Anteil des Zervikalkanals reicht. An- sicherzustellen.
schließend erfolgt eine fraktionierte Abrasio (7 Abschn. 6
8.6.2).
394 Kapitel 8 · Gynäkologie

8.6.6 Cerclage nach Shirodkar


7 Blutstillung oder ggf. Umstechung des abstei-
genden zervikalen Astes der A. uterina. Dabei be- Vorgehen wie bei Cerclage nach Mc Donald (7 Abschn.
steht die Gefahr der Zervixeinengung! 8.6.5). Die Scheidenhaut wird an der Zervix jeweils vorn
7 Ggf. Einlegen einer Streifentamponade und Legen und hinten ein wenig inzidiert. Blase und Rektum werden
eines Dauerkatheters für 24 h. mit Präpariertupfern hochgeschoben, um die Naht mög-
lichst hoch legen zu können. Ein nicht resorbierbarer Poly-
esterfaden mit stumpfer Nadel wird dicht unter der Portio-
kKomplikationen haut um die Zervix herumgeführt. Der Einstich erfolgt bei
4 Nachblutungen, 12 Uhr; es kann bei 6 Uhr einmal ausgestochen werden.
4 Zervixinsuffizienz im Fall einer Schwangerschaft. Entfernung des Fadens möglichst nicht vor der 37. SSW.

8.6.4 Operationen bei Zervixinsuffizienz 8.6.7 Totaler Muttermundverschluss nach


Szendi
kIndikationen
4 Insuffizienz des Gebärmutterhalses in der Schwanger-
schaft. Totaler Muttermundverschluss nach Szendi
8 Schon während des 2. Schwangerschaftsdrittels wird 7 Desinfektion der Scheide.
der Verschlussmechanismus geschwächt. Es kommt 7 Seitliches Anhaken der Zervix mit 2 Kugelzangen.
zur Verkürzung und Auflockerung der Zervix. Der 7 Zirkuläre Umschneidung des Portioepithels und
Muttermund öffnet sich mit der Gefahr des vorzei- Deepithelialisierung mit dem Skalpell bis zum äu-
tigen Blasensprungs. ßeren Muttermund.
4 Zur Prophylaxe bei vorausgegangenen Spätaborten. 7 Entfernung des Zervixschleims und nochmalige
4 Als Therapie bei Eröffnung des inneren Mutter- Desinfektion der Zervix.
mundes vor der 28. SSW (dabei darf keine Scheiden- 7 Zweischichtiges Aufeinandernähen der vorderen
infektion vorliegen). und der hinteren Muttermundlippe mit resorbier-
baren Einzelknopfnähten.
kInstrumentarium 7 Adaptation des hinteren und des vorderen Epi-
4 Spekula, Ovarfasszangen. thelrandes durch eine quer verlaufende nicht re-
4 Tupfer, Nadelhalter, nicht resorbierbarer Polyester- sorbierbare Intrakutannaht.
faden. 7 Entfernung der Intrakutannaht nach ca. 10 Tagen.

kLagerung
4 Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen
(. Abb. 8.7), 8.6.8 Vaginale Hysterektomie
4 maximale Beckenhochlage.
kIndikationen
kPrinzip 4 Erhöhtes allgemeines OP-Risiko oder in Kombination
Einengung des Muttermundes. mit Deszensusoperationen.
4 Uterus myomatosus, wenn dieser Faustgröße nicht
überschreitet. [Dann muss ein Morcellement (= Zerstü-
8.6.5 Cerclage nach Mc Donald ckelung) oder eine Hemisectio durchgeführt werden.]
4 Manchmal ist es nötig, die bereits narkotisierte Patien-
Desinfektion der Scheide. Anklemmen der Portio mit tin präoperativ vaginal zu untersuchen und dann die
Ovarfasszangen. Legen der nicht resorbierbaren subcuta- definitive Entscheidung über den Zugang zu treffen.
nen Naht, die 4-mal ausgestochen wird. Dabei darf sie
nicht zu stark angezogen werden, um eine gute Durchblu- kInstrumentarium
tung zu gewährleisten. Entfernung des Fadens möglichst 4 Grundinstrumentarium,
nicht vor der 37. SSW. 4 Instrumente zum vaginalen Operieren, diverse Spe-
kula (z. B. nach Scherbak, Breisky),
4 Hakenzangen/Kugelzangen,
4 kräftige Schere (Wertheim),
8.6 · Operative Eingriffe
395 8
4 Ovarienzangen,
4 Parametriumklemmen und »Gegenklemmen« (z. B. wechselnd rechts und links in nicht zu großen
Kocher-Klemmen), Schritten abgesetzt, beginnend mit dem dorsalen
4 Einmalkatheter, Blasenverweilkatheter oder suprapu- Anteil des Parametriums und den Ligg. sacrouteri-
bische Ableitung. na (. Abb. 8.27).
7 Absetzen der Ligg. sacrouterina, die in der seit-
kLagerung lichen Scheidenwand integriert verbleiben.
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). 7 Absetzen der Uterinagefäße (. Abb. 8.28) und der
Ligg. cardinalia. Sind die Parametriumanteile ab-
gesetzt, hängt der Uterus nur noch an den Ligg.
Vaginale Hysterektomie rotunda und den Adnexen (. Abb. 8.29 und
7 Narkoseuntersuchung. . Abb. 8.30).
7 Desinfektion und Spülung der Scheide und des 7 Stürzen des Uterus: Eine Hakenzange an der Por-
Unterbauchs, falls eine Eröffnung des Bauches tio wird entfernt und an die Hinterwand des Ute-
notwendig wird, anschließend Einmalkatheterisie- rus geklemmt. Der Uterus wird vorgezogen, bis
rung und Abdeckung. der Fundus zu sehen ist. Bei einer großen Gebär-
7 Einstellen und Anhaken der Portio mit Spekula mutter ist evtl. ein Morcellement (Zerstückelung
und Hakenzangen. Nach hinten z. B. Einsetzen des Uterus mit dem Messer) oder eine Hemisectio
eines Breisky-Spekulums. Die Portio kann zu- mit sagittaler Spaltung notwendig. Dabei dürfen
nächst mit einem schmalen vorderen Spekulum die Adnexgefäße nicht verletzt werden.
eingestellt werden (. Abb. 8.24). 7 Darstellung der Adnexe. Sollen diese erhalten
7 Zirkuläres Umschneiden der Portio mit dem Skal- bleiben, werden sie am Uterusansatz umstochen
pell. und abgesetzt. Getrennte Umstechungen des
7 Vorderer Scheidenschnitt. Lig. ovarii proprium, der Tube (. Abb. 8.31) und
– Vordere Kolpotomie: Präparation und Durch- des Lig. teres uteri. Die Nähte werden lang gelas-
trennung der Bindegewebsschicht zwischen sen und angeklemmt.
der Blase und der vorderen Scheidenwand 7 Entfernen des Uterus.
(Lig. cervicovesicale) mit Präpariertupfer und 7 Inspektion der Adnexe.
Schere. Weiteres Lösen meist digital möglich. 7 Verschluss des Peritoneums: Rechts und links wird
Die Blasenpfeiler werden umstochen und eine Ecknaht gelegt, die nacheinander das vorde-
durchtrennt. re Peritonealblatt, das Lig. teres uteri, den para-
– Darstellung der vorderen Peritonealumschlag- metranen Stumpf und das hintere Peritonealblatt
falte und Eröffnung (vordere Kolpozöliotomie) fasst. Verschluss der restlichen Peritonealwunde.
mit der Schere, anschließend Fadenmarkierung Die Stümpfe liegen nun extraperitoneal.
(. Abb. 8.25). Dieser Schritt kann auch später, 7 Verschluss der Scheidenwunde (. Abb. 8.32): Le-
nach der hinteren Kolpotomie, erfolgen. gen von je einer Ecknaht, ohne dass die extraperi-
7 Hinterer Scheidenschnitt. tonealen Stümpfe mitgefasst werden, dann Ein-
– Hintere Kolpotomie: Die Hakenzangen wer- zelknopfnähte.
den nach oben gezogen. Durchtrennung der 7 Abschließend Legen eines Blasenverweilkatheters
Bindegewebsplatte zwischen dem Rektum oder einer suprapubischen Ableitung.
und der hinteren Scheidenwand (Septum rec-
tovaginale), dicht an der hinteren Zervixwand.
Es ist weniger Präparation erforderlich, da das jVorteile
Douglas-Peritoneum wesentlich weiter nach 4 Geringes operatives Trauma,
unten reicht. 4 leichtere postoperative Mobilisierung der Patien-
7 Eröffnung des Douglas-Raums (hintere Kolpozöli- tinnen,
otomie; . Abb. 8.26), 4 geringeres Thromboserisiko.
7 Absetzen der Parametrien: Mit Parametrienklem-
men, einer kräftigen Schere und resorbierbaren, jNachteile
geflochtenen, kräftigen Umstechungen werden 4 Eingeschränkte Möglichkeit, an den Adnexen zu ope-
die einzelnen Ligamente und Gewebszüge ab- rieren,
6 4 technisch schwierig bei Voroperationen am Uterus
(z. B. Sectio caesarea).
396 Kapitel 8 · Gynäkologie

8
. Abb. 8.24 Anhaken und Einstellen der Portio. (Nach Hepp et al. 1991) . Abb. 8.25 Beginn der vaginalen Hysterektomie. (Nach Briese et
al. 2002) anterior und posterior

. Abb. 8.26 Eröffnung der Excavatio rectouterina (Douglas-Raum). . Abb. 8.27 Absetzen der Ligg. sacrouterina, die in der seitlichen
(Nach Briese et al. 2002) Scheidenwand integriert verbleiben. (Nach Briese et al. 2002)

8.6.9 Genitaldeszensus Die Vagina ist in ihrem unteren Anteil durch das Peri-
neum (Damm) und die Levatormuskulatur, in ihrem oberen
Der Uterus wird in seiner korrekten Lage im kleinen Be- Anteil durch das Beckenbindegewebe fixiert. Besteht hier
cken durch folgende Bänder gehalten: ein Defekt, so entsteht der Descensus vaginae. Aus der Insuf-
4 Lig. sacrouterina: Aufhängung am Sakrum. fizienz dieser Haltevorrichtung entstehen Erkrankungen:
4 Lig. cardinale: fixiert die mittelständige Lage. 4 Durch Erschlaffung der vorderen Scheidenwand:
4 Lig. teres uteri: sichert die Anteversio. 5 Zystozele.
4 Durch Erschlaffung der hinteren Scheidenwand:
Aus einem Defekt dieses Halteapparates entsteht der Des- 5 Rektozele,
census uteri. 5 Enterozele.
8.6 · Operative Eingriffe
397 8

. Abb. 8.28 Absetzen des Uterinagefäßbündels. (Nach Briese et al. . Abb. 8.30 Durchtrennung des Lig. rotundum gemeinsam mit
2002) dem viszeralen Peritoneum des Uterus. (Nach Briese et al. 2002)

. Abb. 8.29 Das Absetzen des Lig. rotundum erfolgt vor dem »Stür- . Abb. 8.31 Durchtrennung des Lig. ovarii proprium und der Tube.
zen« des Uterus. (Nach Briese et al. 2002) (Nach Briese et al. 2002)

jUrsachen
4 Primäre oder sekundäre (altersbedingte, durch Östro-
genmangel in der Menopause) Bindegewebsschwäche,
4 Überdehnung und Verletzung durch Geburten,
4 erhöhter intraabdomineller Druck, z. B. durch chro-
nischen Husten, Heben, Übergewicht.

Descensus vaginae
jOperative Therapie durch vordere und hintere
Scheidenplastik (Kolporrhaphie)
Raffung und Stützung der Scheidenwand (. Abb. 8.33).
Hier kommen bei Rezidivsituation oder bei ausgeprägter
Bindegewebsschwäche synthetische Netzte oder Bio-Me-
shes zur Deckung vorderer und hinterer Vaginalwandde-
fekte zum Einsatz. Synthetische Netze werden aufgrund
der Schrumpfung und erhöhter Erosionsraten in der Schei-
de nur bei strengster Indikation und v. a. bei Frauen ohne . Abb. 8.32 Einschichtiger Scheidenverschluss nach zirkulärer Peri-
oder mit abnehmender sexueller Aktivität eingesetzt. tonealisierung. (Nach Briese et al. 2002)
398 Kapitel 8 · Gynäkologie

Behebung der Zystourethrozele


7 Einsetzen der Spekula, Anklemmen und Vorziehen
der Portio mit Hakenzangen.
7 Hervorziehen der vorderen Scheidenwand mit Ko-
cher- oder Allis-Klemmen.
7 Evtl. Unterspritzen der Scheidenwand mit z. B. Xy-
lonest 0,5% mit Adrenalin und Ringer-Lösung, 1:1
verdünnt, um die Wandschichten zu trennen und
Blutungen zu minimieren.
7 Spalten der Vaginalhaut durch eine mittlere
Längsinzision von der Harnröhrenmündung bis
zur Portio, dabei soll das Bindegewebe noch in-
takt bleiben.
7 Anklemmen der Schnittkanten mit Kocher- oder
Allis-Klemmen und Anheben der jeweiligen Seite
zum seitlichen Abpräparieren der Scheidenhaut
8 und des Septum vesicovaginale mit Skalpell,
Schere und Präpariertupfer.
7 Darstellung der Blase.
7 Anheben der Blase mit Pinzetten und Lösen des
Gewebes zwischen Blase und vorderer Zervixwand.
7 Seitliches Abdrängen der Blasenpfeiler. Wenn die
. Abb. 8.33 Hintere Scheidenplastik, Raffung und Adaption des Sep- deszendierte Blase so weit mobilisiert ist, dass sie
tum und Vereinigung der Levatorschenkel. (Nach Hepp et al. 1991)
in ihre spätere Lage zurückgedrängt werden kann,
ist die Blasenpräparation korrekt durchgeführt.
Seitlich muss die endopelvine Faszie zu erkennen
Da eine Keimbesiedlung der eingebrachten Netze zu sein.
schwersten Infektionen mit evtl. notwendiger Netzentfer- 7 Üblicherweise beginnt die Operation mit der Hy-
nung (u. U. sehr schwierig) führen kann, werden die Bio- sterektomie, und im Anschluss daran werden die
Implantate am Instrumentiertisch vor dem Einsetzen in Scheidenplastiken vorgenommen. Am Ende der
antibiotischer Lösung gelagert (7 Abschn. 8.5). Hysterektomie ist beim Peritonealverschluss da-
rauf zu achten, dass die Peritonealisierung mög-
Descensus uteri lichst hoch durchgeführt wird.
7 Zum Anheben des Blasenbodens werden die Ko-
kPrinzip cher-Klemmen auseinander gezogen und das seit-
Vaginale Hysterektomie mit Scheidenstumpffixierung, al- liche Bindegewebslager (endopelvine Faszie) mit
ternativ sakrospinale Fixation unter Uteruserhalt, abdomi- Einzelknopfnähten in der Mittellinie vereinigt. An-
nale oder laparoskopische Uterosakropexie mit Netzinter- gefangen wird im Bereich der Blasenpfeiler, bis
ponat. hin zum paraurethralen Bindegewebe.
7 Alternativ zu den beiden letztgenannten Punk-
Descensus genitalis ten kann ein Netzinterponat spannungsfrei unter
Lagerung, Abdeckung und Vorbereitungsmaßnahmen wie der Zystozele platziert werden. Dieses Netz wird
bei der vaginalen Hysterektomie (7 Abschn. 8.6.8). teilweise an der endopelvinen Faszie mit feinen
Einzelknopfnähten fixiert. Verwendet werden
jVordere Kolporrhaphie/vordere Plastik kann z. B. ein Bio-Mesh. Vor Implantation wird es
kPrinzip in eine antibiotische Lösung gelegt, um Infekti-
Die Scheidenhaut ist in der Mittellinie gespalten und nach onen vorzubeugen und das Netz geschmeidig zu
lateral im Spatium vesicovaginale von der Blase abpräpa- machen. Das Bio-Mesh ist gut verträglich und
riert. Das paravesikale Gewebe (Blasenpfeiler) wird nun stellt postoperativ keine Probleme für die Patien-
von lateral gefasst und durch quere Nähte nach medial ver- tin dar.
lagert und vernäht. Dadurch entsteht unter der Blase eine 6
Doppelung der Faszie (. Abb. 8.34).
8.6 · Operative Eingriffe
399 8

. Abb. 8.34 Prinzip der vorderen Scheidenplastik. (Nach Scharl u.


Göhring 2006)

7 Eine andere Möglichkeit ist die Implantation eines


synthetischen Netzes, das manchmal postoperativ
zu Unverträglichkeiten führt.
7 Ggf. Resektion von überschüssiger Scheidenhaut.
7 Spannungsfreier Verschluss der Vaginalhaut mit Ein-
zelknopf- oder Z-Nähten oder fortlaufender Naht.
7 Ggf. Einlegen einer Drainage.

. Abb. 8.35 Prinzip der hinteren Scheidenplastik. (Nach Scharl u.


jHintere Kolpoperineorrhaphie/hintere Plastik Göhring 2006)
kPrinzip
Die Scheidenhaut ist in der Mittellinie gespalten und nach
lateral im Spatium rectovaginale vom Rektum abpräpa-
riert. Das pararektale Gewebe (Rektumpfeiler) wird nun wird eine Kocher-Klemme angesetzt zur Festle-
von lateral gefasst und durch quere Nähte nach medial ver- gung der Inzisionsgrenzen.
lagert und vernäht. Dadurch entsteht unter dem Rektum 7 Auch hier kann die Scheidenwand unterspritzt
eine Doppelung der Faszie (. Abb. 8.35a). Anschließend werden (s. oben).
werden die Levatorschenkel beidseits freigelegt und medi- 7 Seitliches Anspannen der Hakenzange/Halstedt-
an vereinigt. Dadurch wird der Damm verbreitert und der Klemme und Hautinzision quer zwischen beiden
Hiatus genitalis verkleinert (. Abb. 8.35b). Zangen.
7 Von der Mitte dieser Inzision aus erfolgt die medi-
ane Scheidenhautinzision bis zur Klemmen-
Behebung der Rektozele markierung (T-Inzision).
7 Beidseitiges Anklemmen mit einer Hakenzange 7 Die Wundränder werden mit scharfen Klemmen
oder Halstedt-Klemme am Übergang Damm und angeklemmt.
Scheidenhaut. 7 Trennung der Scheidenwand vom Septum recto-
7 In der Mittellinie, am höchsten Punkt der sich an- vaginale mit dem Skalpell oder der Schere. Wich-
schließenden hinteren Scheideninzisionsstelle tig ist eine ausreichende Präparation nach oben
6 6
400 Kapitel 8 · Gynäkologie

und zur Seite. Nun ist die Rektozele deutlich zu er- wird aufgrund der leichten Linkskrümmung des
kennen. Darms auf der rechten Seite durchgeführt.
7 Darstellung der Levatormuskulatur. Der Aufbau 7 Das pararektale Fettgewebe wird mitsamt dem
des Beckenbodens und damit das Versenken der Rektum nach medial gedrängt.
Rektozele beginnt mit der Raffung und Adaptati- 7 Ertasten der Spina ischiadica und des nach hinten
on des Septum rectovaginale im oberen Bereich zum Kreuzbein verlaufenden Lig. sacrospinale.
des Scheidenschnittes durch Einzelknopfnähte 7 Darstellung der präparierten Pararektalloge mit-
zweischichtig. Dabei wird streng darauf geachtet, tels Breisky-Spekula. Ein Blatt reicht etwa bis zur
dass keine M.-levator-ani-Interposition (Vereini- Spina ischiadica, ein weiteres medialisiert Rektum
gung) im Sinne einer Levatorplastik durchgeführt und pararektales Gewebe, sodass das Lig. sacro-
spinale sichtbar wird.
wird, denn eine Levatorplastik führt zu Schmerzen
7 Dieses wird etwa 2 cm medial der Spina ischiadica
beim Geschlechtsverkehr.
mit 2 nicht resorbierbaren kräftigen Fäden medial
7 Darstellung der perinealen Gruben. Die auseinan-
und lateral durchstochen. Diese Fäden werden am
dergewichenen Ansätze des M. bulbosponciosus
Scheidenende bzw. ca. 2 cm vor der Portio aus der
werden im Centrum tendineum perinei pro-
Scheide gestochen und mit Klemmchen armiert.
fundum vereinigt. Dadurch wird ein suffizienter
Die vorgelegten Fixationsnähte werden locker in
Scheidenverschluss wiederhergestellt.
8 7 Alternativ zu den beiden letztgenannten Punkten
der Tiefe geknotet. Es darf keine starke Einziehung
der Scheide Richtung des sakrospinalen Liga-
kann ein Netzinterponat spannungsfrei über der ments vorliegen.
Rektozele platziert werden (s. oben: vordere Kol- 7 Bei Bedarf Einlegen einer Drainage in die Wund-
porrhaphie). Geringfügige Resektion überschüs- höhle.
siger hinterer Scheidenhaut. 7 Verschluss der Scheidenhaut durch Einzelknopf-
7 Scheiden- und Dammhautnaht mit Einzelknopf- nähte oder fortlaufende Naht.
nähten oder fortlaufender Naht.
7 Ggf. Einlegen einer Drainage.
7 Legen eines Blasenverweilkatheters oder Auffül- Eine weitere Möglichkeit die Scheide zu fixieren, ist die
len der Blase mit Blasenspritze und Einmalkathe- Uterosakropexie (s. unten). Dieser Eingriff wird v. a. bei
ter, um den suprapubischen Blasenkatheter legen sehr jungen sexuell aktiven Frauen gewählt, denn durch
zu können. die Uterosakropexie wird die anatomisch gerechte Achse
7 Legen einer Salbentamponade (östrogenhaltige der Vagina beibehalten, was Beschwerden beim Ge-
Salbe). schlechtsverkehr verhindert.

jUterosakropexie
jVaginale Kolposakropexie kIndikation
kPrinzip Partialprolaps uteri.
Sakrospinale Scheidenstumpffixation oder sakrospinale
Fixation unter Uteruserhalt. kPrinzip
Das Netz wird vaginal eingeführt, und die Befestigung am
Promontorium wird laparoskopisch durchgeführt. Geeig-
Vaginale Kolposakropexie net ist diese Methode v. a. bei Kombination mit vorderen
7 Fixierung des Scheidenendes im kleinen Becken und hinteren Plastiken. Ein von vaginal an der Portio an-
durch Anklemmen der hinteren Scheidenhaut mit geheftetes, in den Douglas-Raum eingebrachtes Netz
Kocher-, Allis- oder Halstedt-Klemmen am Schei- (Kunststoffnetz, ggf. titanbeschichtet) wird über einen
denende sowie ca. 2 cm entfernt vom Scheiden- Einwegapplikator mit leichter Spannung mit einer Titan-
ende. spirale am Promontorium fixiert.
7 Längsinzision der Scheidenhaut zwischen den Alternativ kann die gesamte Operation laparoskopisch
Klemmen mit dem Skalpell. durchgeführt werden (s. unten).
7 Fassen der Wundränder mit Klemmen und Eröff-
nen der rechten Pararektalloge möglichst stumpf, kInstrumentarium
z. B. mit dem Finger. Die sakrospinale Fixation 4 Für den vaginalen Part:
6 5 Grundinstrumente wie Schere, Pinzette, Präparier-
klemme nach Overholt,
8.6 · Operative Eingriffe
401 8
5 Scheidenspekula nach Breisky,
5 Kugelfasszangen. Uterosakropexie
4 Für die Laparoskopie: 7 Desinfektion des Abdomens, Desinfektion des
5 endoskopische Instrumente wie Trokare, Taststab, Genitalbereichs mit Scheidenspülung.
atraumatische und traumatische Fasszangen, Na- 7 Einmalkatheterisierung und Abdeckung.
delhalter. 7 Einstellen des Vaginalgebiets, Darstellen der
Portiohinterwand.
kLagerung 7 Ggf. Unterspritzen der Scheidenwand.
4 Steinschnittlagerung. 7 Inzision der Vaginalhaut.
7 Abpräparieren der Scheidenhaut vom Mutter-
4 Während des vaginalen Eingriffs Steinschnittlagerung
mund, Eröffnen des Douglas-Raums.
mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7).
7 Hier wird das Mesh mit einer Portioanhaftungsfläche
4 Während des laparoskopischen Eingriffs Steinschnitt-
von ca. 3,0–3,5 cm an der Portio faltenfrei adaptiert
lagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb. 8.6).
(z. B. mit nicht resorbierbarem oder mit sehr lang-
sam resorbierbarem Nahtmaterial), der verbleibende
Bei diesem kombinierten Eingriff von vaginalem und lapa- Teil des Netzes wird in den Bauchraum gelegt.
roskopischem Zugang wird die Patientin für beide Ein- 7 Anschließend Verschluss der Scheide und ggf.
griffe vorbereitet: Plastiken.
4 Desinfektion des Abdomens bei abgesenkten Beinen. 7 Einlage eines Blasenverweilkatheters.
4 Hochfahren der Beine und Desinfektion und Schei- 7 Kittel- und Handschuhwechsel des operativen
denspülung des Genitalbereichs. Teams.
4 Unter das Gesäß wird ein kleines steriles Tuch ge- 7 Instrumentiertisch für die Laparoskopie vorberei-
schoben, Abdecken der Beine mit Beinlingen, Beine ten (s. oben).
wieder absenken und Seitentücher lateral ans Abdo- 7 Beine der Patientin wieder absenken.
men kleben. 7 Subumbilikale Inzision.
4 Ein großes Tuch nach kranial. 7 Eingehen mit der Veress-Nadel, Probe nach
4 Ein Abdecktuch über den Mons pubis und über die Semm, um festzustellen, dass die Nadel frei liegt.
Oberschenkel kleben und nach kranial entfalten, um 7 Insufflation von CO2.
das desinfizierte Abdomen vom Genitalbereich zu 7 Einführen des 10-mm-Trokars. Einführen der Optik.
trennen. 7 Einbringen zweier weiterer 5-mm-Trokare und
4 Die Beine werden wieder hochgefahren und ein eines 10-mm-Trokars.
großes Tuch über den Anus geklebt, seitlich herumge- 7 Auf der rechten Seite wird das Peritoneum mit einer
führt und mit stumpfen Tuchklemmen fixiert. endoskopischen Präparierschere (z. B. nach Metzen-
baum) an der Beckenwand gespalten. Der Ureter
kInstrumentarium wird vorher dargestellt. Aufspalten des Peritoneums
vom Promontorium bis zum Scheidengrund.
4 Vorbereitung der Instrumente:
7 Darstellung des Netzes.
5 Bei großen Beistelltischen können die Siebe für beide
7 Fixation des Meshs mit dem Applikator, der eine
Zugangswege gemeinsam vorbereitet werden. Bei-
oder zwei Titanspiralen (. Abb. 8.36) am Promon-
spielsweise wird die rechte Seite des Tisches für den
torium unter leichter Spannung einbringt.
vaginalen Eingriff vorbereitet (hier stehen Grund-
7 Das Netz wird im Retroperitonealraum platziert und
sieb und Vaginalsieb), die linke Seite für die Laparos-
hat keinen Kontakt zum Rektum und zum Ureter.
kopie (hier stehen die laparoskopischen Siebe). 7 Das Peritoneum wird mit verschlossen, sodass das
5 Textilien werden bei der Vorbereitung gleich aufge- Netz komplett vom Peritoneum gedeckt ist.
teilt und entsprechend dokumentiert. 7 Evtl. Blutstillung.
5 Alternativ kann mit zwei kleineren Beistelltischen 7 Zählen der Instrumente und Textilien und Doku-
gearbeitet werden. mentation des Zählstandes.
4 Vorbereitung des Instrumentiertisches: 7 Beenden der Gasinsufflation und Entfernung der
5 Die vorbereiteten laparoskopischen Instrumente Trokare.
liegen auf dem Instrumentiertisch und werden ab- 7 Verschluss der Inzisionen.
gedeckt. 7 Pflasterverband.
5 Auf der zweiten Lage werden die Instrumente für 7 Ggf. Einlegen von vaginalen Wunddrainagen.
den vaginalen Eingriff vorbereitet. 7 Einlage einer vaginalen Tamponade mit östrogen-
5 Alternativ können zwei Instrumentiertische separat haltiger Salbe.
vorbereitet werden.
402 Kapitel 8 · Gynäkologie

Laparoskopische Uterosakropexie
7 Die Operation beginnt laparoskopisch (s. oben).
7 Die Portiohinterwand wird laparoskopisch frei-
präpariert.
7 Das Netz wird über den Trokar eingeführt und mit
Hilfe eines nicht resorbierbaren Fadens an der
Portio befestigt.
7 Aufspalten des Peritoneums bis zum Promontori-
um. Darstellung der Ureter.
7 Fixation des Mesh mit der Titanspirale (. Abb. . Abb. 8.36 Titanspirale. (Beispiel: Protack, Fa. Covidien)
8.36) am Promontorium unter leichter Spannung.
7 Verschluss des Peritoneums.

8.6.10 Inkontinenzoperationen
8 Inkontinenzoperationen werden sowohl von Gynäkologen
als auch von Urologen (7 Abschn. 9.8.1) durchgeführt. Vor
jeder Operation ist eine sorgfältige, erweiterte Diagnostik
mit urodynamischer Untersuchung indiziert. Die möglichen
Befundkonstellationen haben eine hohe Relevanz für die
Differenzialdiagnostik und die therapeutische Entscheidung.
Das Ziel jeder Inkontinenzoperation ist es, die Inkontinenz
unter Vermeidung von Operationskomplikationen (Mikti-
onsbeschwerden, Organverletzungen u. a.) zu beheben.
. Abb. 8.37 Platzierung des Prolenenetzbandes bei der TVT-Plastik.
jFormen der Inkontinenz (GYNECARE, eine Division der Ethicon GmbH)
4 Belastungsinkontinenz,
4 Dranginkontinenz, überaktive Blase,
4 Belastungsinkontinenz (Urge-Inkontinenz): »Tension free vaginal tape« (TVT)
Bei der Belastungsinkontinenz handelt es sich um den kPrinzip
unfreiwilligen Harnabgang bei Belastungen, die mit Ein Prolenenetzband wird um die mittlere Urethra herum
einem Anstieg des intraabdominellen Drucks einher- durch den retropubischen Raum (Cavum Retzii) in die vor-
gehen, wie z. B. Husten, Lachen, Niesen. In schweren dere Bauchwand geführt und dort verankert (. Abb. 8.37).
Fällen kann der Harnverlust auch bei Ruhebedin- Verwendet werden kann auch bei sehr jungen Frauen
gungen auftreten. ein Bio-TVT-Band, es muss vor Implantation in eine anti-
biotische Lösung gelegt werden. Es wird mit 1–2 zarten
jUrsachen resorbierbaren Nähten fixiert. Möglich ist auch ein Durch-
4 Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur mit Des- ziehen des Bandes durch das Foramen obturatum (TVT-
zensusproblematik z. B. durch Spontangeburten, O) mit Ausleitung zur Oberschenkelinnenseite (7 Kap.
chronische Bronchitis oder Adipositas. 9.8.1). In dieses locker eingelegte Netzband sprossen Bin-
4 Verlust des Harnröhrendrucks, z. B. durch verminder- degewebszellen ein und führen so zur Verankerung.
te Durchblutung der Schleimhaut im Alter oder durch Diese Operationen sind in Lokal- bzw. Periduralanäs-
Störung der Nervenversorgung nach Verletzungen. thesie möglich. Der Erfolg der Operation kann dann intra-
operativ kontrolliert werden.
jBehandlung
4 Spannungsfreie Kunststoffschlingen [»tension free kInstrumentarium
vaginal tape« (TVT) u. a.], 4 Grundinstrumente,
4 Kolposuspensionsverfahren, 4 Spekula,
4 intra- bzw. periurethrale Injektionen, z. B. mit Bulka- 4 Allis-Klemmen,
mid. 4 chirurgische Klemmen,
8.6 · Operative Eingriffe
403 8

. Abb. 8.38 TVT-Set. (GYNECARE, eine Division der Ethicon GmbH)

4 Prolenenetzband-Set (. Abb. 8.38) bestehend aus:


5 einem mit 2 Nadeln armiertem Netzband, von einer 7 Mit Hilfe des Trokars wird die erste Nadel rechts in
Plastikhülle umzogen, die nach korrekter Positio- die Inzision vorgeschoben in Richtung Diaphrag-
nierung des Bandes entfernt wird, ma urogenitale, weiter hinter der Symphyse (stän-
5 Einführhilfe (Trokar), diger Knochenkontakt) durch den retropubischen
5 Führungsdraht zur Kathetermanipulation, Raum in die Bauchdecke.
4 Blasenkatheter. 7 Evtl. kleine Stichinzisionen suprapubisch, um das
4 ggf. Markierungsstift. Herausführen der Nadeln zu erleichtern. Gleiches
4 Blasenspritze, Vorgehen auf der linken Seite.
4 Einmalkatheter, 7 Auffüllen der Harnblase mit Blasenspritze, Ringer-
4 Zystoskop, Lösung und Einmalkatheter und Durchführen der
4 ggf. Lokalanästhetikum. Zystoskopie.
7 Ist die Blase unversehrt, Abschneiden der Nadeln
kLagerung und Bandfixierung mit Klemmen.
Steinschnittlagerung mit nur leichter Beugung der Hüftge- 7 Bei Lokalanästhesie Feinanspannung des Pro-
lenke, sodass sowohl das vaginale als auch das abdominale lenenetzbandes unter Hustenstößen der Patientin,
OP-Feld zugänglich ist. bis praktisch kein Harnverlust mehr stattfindet.
7 In Vollnarkose Feinanspannung des Prolenenetz-
bandes nach Erfahrungswerten des Operateurs.
»Tension free vaginal tape« 7 Das Band soll nicht unter Spannung stehen, son-
7 Desinfektion von Unterbauch und Scheide. Ein- dern locker um die Urethra zu liegen kommen.
malkatheterisierung. 7 Von den suprapubischen Inzisionen aus wird die
7 Ggf. Markierung der suprasymphysären Inzisionen Schutzhülse des Prolenebandes entfernt. Das Band
bzw. Ausstichstellen, beidseits der Mittellinie. wird jeweils etwas unter Hautniveau abgeschnitten.
7 (Injektion des Lokalanästhetikums zunächst su- Verschluss der Hautinzisionen durch kleine Nähte
prapubisch, retrosymphysär, dann von vaginal oder durch einen Hautkleber. (Handschuhwechsel
paraurethral). beim Übergang von vaginal nach abdominal.)
7 Einsetzen des Spekulums. 7 Verschluss des Vaginalschnittes mit feinem resor-
7 Anhaken der Vaginalhaut mit z. B. Allis- oder chi- bierbarem Nahtmaterial.
rurgischen Klemmen. 7 Legen eines Blasenkatheters für 24 h.
7 Kleine mediane Scheidenstichinzision ca. 1 cm
unterhalb der Harnröhrenöffnung.
7 Tunnelung mit der Präparierschere. Kolposuspension
7 Einsetzen des Führungsdrahtes in den 18-Charr- kPrinzip
Blasenkatheter und Einführen in die Blase. Da- Bei der Kolposuspensionsoperation (z. B. nach Burch)
durch kann die Urethra zur entsprechenden Seite wird die Scheidenfaszie am Becken fixiert und somit indi-
verlagert werden. rekt der Blasenhals angehoben und nach vorn gezogen. Bei
6 zu straffer Fixierung kommt es zu einer Überkorrektur mit
drohenden Blasenentleerungsstörungen.
404 Kapitel 8 · Gynäkologie

kInstrumentarium
4 Grundinstrumente (auch lange Instrumente),
4 Scheidenspekula nach Breisky,
4 Blasenverweilkatheter,
4 Zystoskop.

kLagerung
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen.

Kolposuspension
7 Desinfektion des Unterbauchs und des Genitalbe-
reichs, Legen des Blasenkatheters, Abdeckung.
7 Suprasymphysärer Hautquerschnitt. . Abb. 8.39 Kolposuspension. (Mod. nach Petri 2000)
7 Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes bis
zur Rektusscheide. kIndikation
7 Quereröffnung der Rektusfaszie zunächst in der Inkontinenz durch hypotone Urethra.
Mitte mit dem Skalpell, dann beidseitige Eröffnung
8 mit einer kräftigen Schere (z. B. nach Cooper). kPrinzip
7 Die beiden Rektusbäuche werden in der Mittelli- Bulkamid-Hydrogelinjektion in die Wand der Urethra.
nie getrennt und mit Roux-Haken auseinanderge-
drängt. kInstrumentarium
7 Darstellung des Cavum Retzii (extraperitonealer 4 Urethrozystoskop,
Raum zwischen Harnblase und Bauchwand): die 4 Einmalkatheter,
seitlichen Blasenanteile sowie die Urethra können 4 Bulkamid-Hydrogel-Set, bestehend aus:
meist stumpf von der Beckenwand gelöst werden. 5 2 Spritzen mit dem Hydrogel, 2 Kanülen, Zu- und
7 Mit einer Hand wird von vaginal die Scheide an- Ablauf, Einführhülse mit Arbeitskanal,
gehoben, mit der anderen werden die Verbin- 5 Infusionsbesteck,
dungsfasern zwischen Scheidenfaszie und Blasen- 4 500 ml NaCl,
hals/Urethra abgeschoben. 4 Bereitstellung des MIC-Turms.
7 Beidseits des Übergangs von der Harnblase zur
Harnröhre (Orientierung bietet der Katheterballon) kLagerung
werden je 2–3 nicht resorbierbare Fäden tief in die Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7).
Scheidenwand und dann seitlich versetzt, z. B. durch
die Cooper-Ligamente, gestochen (. Abb. 8.39). Di-
ese werden so geknotet, dass die Scheide federnd fi- Bulkamid-Hydrogelinjektion
xiert ist (Handschuhwechsel des Operateurs). 7 Desinfektion, Einmalkatheterisierung und Abde-
7 Intraoperative Zystoskopie. Ist die Blase unver- ckung.
sehrt, wird erneut ein Blasenkatheter gelegt. 7 Das Urethrozystoskop wird in die Einführhülse des
7 Nach sorgfältiger Blutstillung Einlegen einer Drai- Bulkamid-Sets geschoben und in die Urethra ein-
nage in das Cavum Retzii. gebracht, das Infusionsbesteck leitet das NaCl
7 Zählen der Instrumente und Textilien und Doku- über den Zulauf in die Urethra.
mentation des Zählstandes. 7 Konnektieren der Kamera des MIC-Turmes mit der
7 Schichtweiser Wundverschluss, Verband. Optik.
7 Unter Sicht kann nun über den Arbeitskanal des
Bulkamid-Systems die Kanüle eingebracht und
Bulkamid-Injektion das Hydrogel in drei verschiedene Depots in die
Bei der Behandlung der Belastungsinkontinenz wird Bulk- Wand der Urethra injiziert werden.
amid eingesetzt, ein Hydrogel, das paraurethral injiziert
wird. Die Bulkamid-Injektion ist ein minimal-invasives
Verfahren und besonders geeignet für Patientinnen, die Dranginkontinenz bzw. überaktive Blase
infolge anderer operativer Eingriffe an Harninkontinenz Durch eine Schädigung des Blasenmuskels oder der
leiden oder bei denen andere Eingriffe erfolglos waren. -schleimhaut, z. B. durch chronische Blaseninfektionen
8.6 · Operative Eingriffe
405 8
oder die Schädigung des Nervensystems (z. B. bei multip- schwache elektrische Impulse die für die korrekte Funktion
ler Sklerose), kommt es zu einem intensiven Harndrang, des Blasen- und des Darmschließmuskels verantwortlichen
verbunden mit der Unfähigkeit, die Blasenentleerung zu- Nerven stimuliert. Daher kann der Schrittmacher auch bei
rückzuhalten. Stuhlinkontinenz eingesetzt werden. Aufgrund der Funk-
tionsweise spricht man beim Blasenschrittmacher auch
jBehandlungen von »sakraler Neuromodulation«.
4 Botoxinjektion,
4 sakrale Neuromodulation (Blasenschrittmacher). kPrinzip
Die sakrale Neuromodulation besteht aus 2 Phasen:
jBotoxinjektion bei Urge-Inkontinenz 4 der Testphase – perkutane Neuromodulation (PNE-Test)
Botox 7 Abschn. 8.5. und
kIndikation 4 der Implantationsphase.
Harndranginkontinenz. In der Testphase werden die Sakralnerven in Narkose mit-
kPrinzip tels Elektroden über die Kreuzbeinöffnungen punktiert,
Zirkuläres Umspritzen der Blasenschleimhaut mit Botox die Elektroden werden zunächst vorübergehend über die
mittels Zystoskopie. Haut ausgeleitet und über ein Verlängerungskabel mit dem
externen Impulsgeber (Testschrittmacher) verbunden. Auf
kInstrumentarium diese Weise kann die Stromstärke individuell und seiten-
4 Arbeitszystoskop, getrennt von außen geregelt werden.
4 Einmalkatheter, Unter Durchführung eines Miktions- oder Stuhltage-
4 Blasenspritze, buches wird der Effekt der sakralen Neuromodulation
4 Botox-Injektionsnadel, anschließend über mehrere Tage sowohl stationär als auch
4 20 ml NaCl, ambulant beobachtet. Zeigt sich während der Testphase
4 20 ml Luer-Lock-Spritze, eine Besserung der Symptome von mehr als 50%, wird in
4 Ringer-Lösung, einem zweiten Eingriff die endgültige Elektrode und der
4 3-Wege-Hahn mit Schlauch, Schrittmacher im Bereich des Gesäßes unter die Haut im-
4 1 Ampulle Botox, plantiert. Bei ca. 70% der getesteten Patienten ist die Test-
4 Bereitstellung des MIC-Turms. phase positiv, sodass eine Implantation des Schrittmachers
erfolgen kann. Der Schrittmacher bleibt unter der Haut
kLagerung tastbar, führt aber zu keinerlei Bewegungseinschränkung.
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7). Ähnlich wie beim Herzschrittmacher werden nun perma-
nent schwache elektrische Impulse an die Sakralnerven
Botoxinjektion abgegeben. Dadurch kann die noch bestehende Restfunk-
tion dieser Nerven soweit gesteigert werden, dass die nor-
7 Desinfektion, Einmalkatheterisierung und Abde-
male Blasenfunktion wiederhergestellt wird.
ckung.
7 Auffüllen der Blase mit Ringer-Lösung. jPerkutane Neuromodulation, Testphase (PNE-Test)
7 Vorbereitung der Injektionsnadel und der kIndikationen
Schlauchverlängerung mit der 20-ml-Luer-Lock- Dranginkontinenz und Blasenentleerungsstörungen bei
Spritze mit dem aufgezogenen Botox. neurogener Ursache, z. B. MS-Erkrankung oder Verlet-
7 Arbeitszystoskop in die Blase einführen, Kamera zung der Blasen- und Darminnervation nach Operationen
des MIC-Turms mit der Optik konnektieren. im Bereich des kleinen Beckens.
7 Darstellen des Trigonum mit Identifikation der Os-
tien, da hier kein Botox injiziert wird. kInstrumentarium
7 Unter Sicht werden 20 ml Botox/NaCl zirkulär in 4 Bildwandlerbezug,
die Blasenschleimhaut injiziert. 4 steriler Stift,
4 mittelgroße Inzisionsfolien,
4 Stichskalpell,
jBlasenschrittmacher 4 Spezialequipment von z. B. Interstim (Fa. Medtronic):
Die Nerven, die die Blase, den Beckenboden und den Erdungselektrode, 2 Foramennadeln, Patientenkabel,
Darmschließmuskel versorgen, befinden sich im unteren 1 Teststimulationskabel und 2 temporäre Teststimula-
Rückenbereich und werden als Sakralnerven bezeichnet. tionselektroden.
Der Blasenschrittmacher ist ein Impulsgenerator, der durch 4 C-Bogen bereitstellen.
406 Kapitel 8 · Gynäkologie

kLagerung ! Solange die Testelektroden liegen, darf die


4 Bauchlagerung. Patientin weder duschen noch baden.
4 Unter Thorax, Gesäß und die Füße werden Lage-
rungshilfsmittel zur Dekubitusprophylaxe geschoben. jImplantation eines Blasenschrittmachers nach
4 Das Gesicht der Patientin liegt in einem Gelkissen. positivemPNE-Test
4 Die Arme werden auf zwei Armauslegern in physiolo- kIndikationen
gischer Haltung ausgelagert. Siehe oben (PNE-Test).
4 Beachtung der Strahlenschutzmaßnahmen.
kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, z. B. chirurgische Pinzetten,
PNE-Test
Präparierschere, Nadelhalter,
7 Das Röntgengerät steht bereit. 4 steriler Bildwandlerbezug,
7 Mit breitem Pflaster werden vor der Desinfektion 4 steriler Stift,
beide Gesäßhälften auseinandergezogen, das 4 Stichskalpell,
Pflaster wird am OP-Tisch fixiert. 4 Schrittmacher,
7 Anbringen der Erdungselektrode von Medtronic 4 Elektrode,
Interstim am linken Unterschenkel der Patientin: 4 Foramennadel,
dazu die Folie entfernen, die Elektrode kurz mit 4 C-Bogen bereitstellen.
8 Leitungswasser befeuchten und ankleben.
7 Desinfektion. kLagerung
7 Bei der sterilen Abdeckung müssen die Füße frei Bauchlagerung (s. oben, PNE-Test).
bleiben.
7 Auswahl der beiden Foramennadeln (entweder
9,0 cm oder 12,5 cm). Blasenschrittmacherimplantation
7 Ggf. kleine Stichinzisionen im Sakralbereich. 7 Das Röntgengerät wird steril abgedeckt.
7 Punktion der sakralen Spinalnerven mit den bei- 7 Beide Gesäßhälften werden vor der Desinfektion
den Foramennadeln. mit breitem Pflaster auseinandergezogen, das
7 Das Patientenkabel und das Teststimulationskabel Pflaster wird am OP-Tisch fixiert.
werden angereicht. Der rote Anschluss des Teststi- 7 Desinfektion.
mulationskabels wird vom »Springer« mit der Er- 7 Bei der sterilen Abdeckung müssen die Füße frei
dungselektrode konnektiert, die am linken Unter- bleiben.
schenkel der Patientin klebt. Der schwarze An- 7 Markierung und Punktion der erfolgreich geteste-
schluss des Teststimulationskabels wird am Pati- ten Foramina sacrale.
entenkabel angeschlossen, das andere Ende wird 7 Erneute Kontrolle der elektrischen Stimulation, bis
mit der Foramennadel verbunden. die Reaktion im Perianalbereich erneut gut sicht-
7 Das Ende des Teststimulationskabels wird vom bar ist.
»Springer« am temporären Schrittmacher ange- 7 Implantation der definitiven Elektrode einseitig in
schlossen, und das Gerät kann nun angeschaltet Seldinger-Technik.
und eingestellt werden. 7 Röntgenkontrolle des korrekten Sitzes.
7 Zwei temporäre Teststimulationselektroden wer- 7 5–6 cm langer Hautschnitt im Glutäalbereich und
den zur Stimulation der Sakralnerven in die Fora- Präparation einer Tasche für den Schrittmacher.
mennadeln eingeführt. Bei positivem Ergebnis ist 7 Die Elektroden werden unter der Haut mit Hilfe
die Muskelkontraktion im Perianalbereich gut eines Trokars in Richtung der Glutäaltasche ge-
sichtbar; zeigen die freiliegenden Füße eine zu führt und mit dem Schrittmacher konnektiert.
starke Reaktion, wird die Lage der Nadeln korri- 7 Anschließend wird der Schrittmacher in der Glutä-
giert. Ist während der Stimulation das Ergebnis altasche platziert.
nicht eindeutig, werden unter Röntgenkontrolle 7 Blutstillung, schichtweiser Wundverschluss, Ver-
die Foramennadeln neu platziert. band.
7 Nach der Entfernung der Foramennadeln werden
die platzierten Teststimulationselektroden durch
zwei Inzisionsfolien fixiert.
8.6 · Operative Eingriffe
407 8
8.6.11 Abdominale Hysterektomie
7 Sollen die Adnexe nicht entfernt werden, werden
Indikationsabhängige Verfahrensweisen: beidseits uterusnah je eine Parametrien- oder Ko-
4 einfache Uterusexstirpation: cher-Klemme gesetzt, die die Tube, das Lig. ovarii
5 mit/ohne Exstirpation der Tube/n, proprium und das Lig. teres uteri fassen.
5 mit/ohne Exstirpation der Adnexe, 7 Umstechung des Adnexbündels mit separater
4 erweiterte Uterusexstirpation nach Wertheim-Meigs. Umstechung des Lig. teres uteri. Die Fäden wer-
den lang gelassen und angeklemmt. Zur Sicher-
kIndikationen heit ist eine weitere Ligatur ratsam.
4 Großer Uterus myomatosus, 7 Spalten des Blasenperitoneums (quer) und Ab-
4 bei Zustand nach diversen abdominalen Operationen, schieben blasenwärts.
wenn keine Laparoskopie möglich ist, 7 Abpräparieren der Blase von der vorderen Zervix-
4 Korpuskarzinom, Zervixkarzinom, wand.
4 evtl. Endometriose bei fehlgeschlagener konservativer 7 Die Bindegewebsbrücken vom Uterus zur Blase
Therapie. hin werden abgeschoben. In diesem Bereich ver-
laufen die Ureteren.
kInstrumentarium 7 Beidseits stellen sich die uterinen Gefäße und Pa-
4 Grundinstrumentarium, rametrien dar, sie werden durchtrennt.
4 Laparotomieinstrumentarium, 7 Eine Parametrienklemme wird am oberen Anteil
4 Blasenhaken, des Lig. cardinale (hier verläuft die A. uterina) ute-
4 Blasenverweilkatheter. rusnah angesetzt und eine zweite dahinter.
7 Mit einer kräftigen Schere wird das Gewebe
kLagerung durchtrennt, und die angeklemmten Anteile wer-
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb. 8.6) den mit kräftigem resorbierbarem Nahtmaterial
oder Rückenlagerung. durchstochen.
7 In gleicher Weise wird das Ligament schrittweise
nach kaudal durchtrennt. Ein mehrfaches Wech-
Uterusexstirpation seln der Seiten erleichtert das Vorgehen. Der Ute-
7 Desinfektion des Abdomens und der Scheide, rus wird beweglicher.
Dauerkatheterisierung, Abdeckung. 7 Beim schrittweisen Durchtrennen des Halteappa-
7 Zugang durch den suprasymphysären Faszien- rates folgt nach den Ligg. cardinaliae das Abset-
querschnitt nach Pfannenstiel. zen der Ligg. sacrouterinae.
7 Nach dem Abstopfen des Darms mit Bauchtüchern 7 Danach hängt der Uterus nur noch am Scheiden-
und Einsetzen eines Rahmens oder mehrerer rohr. Mit einem Blasenhaken wird die Blase zu-
Bauchhaken erfolgt das Anklemmen des Uterus: rückgedrängt.
– beim Uterus myomatosus mit einer Museux- 7 Dicht unterhalb der Portio wird das Scheidenrohr
Klemme oder einem Myombohrer, schrittweise umschnitten, die Ränder werden mit
– beim Karzinom mit stumpfen Klemmen an kräftigen Klemmen gefasst.
den Ligg. rotunda oder einer Uterusfasszange 7 Entfernen des Uterus.
nach Collin. 7 Umstechen der einzelnen Klemmen.
7 So ist es möglich den Uterus hochzuziehen und 7 Desinfektion der Scheide.
die Strukturen darzustellen. 7 Vielfach ist es üblich, die Instrumente, die mit der
7 Fassen der Tube mit einer Ovarfasszange und An- Vagina in Berührung gekommen sind, abzuwerfen
spannen der Mesosalpinx. (»Schmutzbetrieb«).
7 Die Tube wird entlang der Mesosalpinx schrittwei- 7 Scheidenverschluss mit Einzelknopfnähten oder
se über Durchstechungsligaturen abgesetzt. An einer quer verlaufenden Säumung der vorderen
der Fimbrie wird begonnen, die letzte Ligatur wird und hinteren Scheidenwand.
lang gelassen und angeklemmt. Wichtig ist ein 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit.
gefäßschonendes Operieren, um die Durchblu- 7 Peritonealisierung des Wundgebietes durch
tung des Ovars nicht zu gefährden. Verschluss des Blasenperitoneums. Mitgefasst
7 Gleiches Vorgehen auf der Gegenseite. werden:
6 6
408 Kapitel 8 · Gynäkologie

und der A. iliaca communis bis hin zur Bifurkation.


– die Adnexabgänge im Mesosalpinxbereich Die Lymphknoten werden eher aus diagnostischen als
dicht unterhalb der Tube, aus therapeutischen Gründen entfernt.
– die Ligg. teres uteri,
– die Scheidenrückwand im Bereich der Ligg.-
sacrouterina-Stümpfe. Erweiterte Uterusexstirpation nach
7 Nun ist das seitliche Wundgebiet extraperitoneali- Wertheim-Meigs
siert. 7 Desinfektion des Abdomens und der Scheide, Le-
7 Kontrolle des Bauchraums auf Bluttrockenheit. gen eines Blasenkatheters, Abdeckung.
7 Zählen der Instrumente und Textilien und Doku- 7 Eröffnung des Abdomen durch einen medianen
mentation des Zählstandes. Unterbauchlängsschnitt (7 Abschn. 8.2.1).
7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband. 7 Reicht das Karzinom über das kleine Becken hin-
aus, wird die Operation nicht fortgesetzt.
7 Nach Einsetzen der Bauchhaken können die pa-
Uterusexstirpation mit Adnexexstirpation raaortalen und parakavalen Lymphknoten ent-
kIndikationen fernt werden.
Korpuskarzinom, da die Metastasierung über die Mesosal- 7 Danach werden die Bauchhaken gegen einen
pinx erfolgt. Rahmen ausgetauscht.
8 7 Der Uterus wird nicht direkt angeklemmt, sondern
kVorbereitung und OP-Verlauf es werden atraumatische Klemmen an die Ligg.
Siehe oben (Uterusexstirpation); abweichend: rotunda gesetzt.
4 Uterusnahes Anklemmen der Tube, des Lig. ovarii 7 Spaltung des Blasenperitoneums rechts und links
proprium und möglichst des Lig. teres uteri. der Mittellinie.
4 Anklemmen der Tube mit einer Ovarfasszange und 7 Durch diese getrennten Inzisionen wird stumpf
Anspannen des Lig. suspensorium ovarii. Wichtig ist bis auf den Beckenboden vorpräpariert. Dabei
die Identifikation des Harnleiters. entstehen die sog. paravesikalen Gewebsgruben,
4 Umstechung des Lig. suspensorium ovarii, in dem die durch die die spätere Isolierung der Uterinage-
A. ovarica verläuft. Weitere Umstechungen sind nicht fäße und die Ureterfreilegung erleichtert werden.
nötig, da die uterusnahe Klemme gesetzt wurde. 7 In einem Abstand von etwa 3 cm vom Uterus wer-
4 Umstechung des Lig. teres uteri uterusnah. den die Ligg. teres uteri umstochen und durch-
trennt.
Weiterer OP-Verlauf s: oben (Uterusexstirpation). 7 Sollen die Adnexe mit entfernt werden, werden
diese mit einer Organfasszange angehoben und
Erweiterte Uterusexstirpation nach die Ligg. suspensoria ovarii umstochen und
Wertheim-Meigs durchtrennt. Hier verläuft die A. ovarica. Die Fä-
kIndikationen den werden lang gelassen.
4 Zervixkarzinom. 7 Entfernung des Lymphknotenfettgewebes beidseits:
– Das Lig. latum kann nach lateral aufgespannt
Bei jungen Frauen können die Ovarien belassen und ihre werden, wenn es zuvor zwischen Lig. teres
Funktion erhalten werden. Dies ist möglich, da die Metas- uteri und Lig. suspensorium ovarii gespalten
tasierung des Zervixkarzinoms über die Parametrien und wurde. Die Beckengefäße und der Ureter wer-
nicht wie beim Korpuskarzinom über die Adnexe verläuft. den sichtbar.
– Es beginnt die Lymphknotenausräumung an
! Sorgfältige Revision des Abdomens.
der seitlichen Beckenwand, ausgehend von
der A. iliaca communis-Gabelung, entlang der
kPrinzip A. iliaca externa und der A. iliaca interna.
4 Entfernung des Uterus und der Adnexe. – Die A. uterina wird mit dem Lig. cardinale frei-
4 Uterusferne Entfernung des parametranen Becken- präpariert. Hierbei wird evtl. eine Clipzange
bindegewebes. Hierbei besteht die Schwierigkeit, die benötigt. (Die Lymphonodektomie wird mit
Ureteren herauszupräparieren. der Präparation der Lymphknoten im Bereich
4 Entfernen des oberen Scheidenanteils. der Bifurkation abgeschlossen.)
4 Entnahme von Lymphknoten im Bereich der A. iliaca 6
interna, der Obturatoriusregion, der A. iliaca externa
8.6 · Operative Eingriffe
409 8
4 große stumpfe Kürette,
7 Unterbindung der Uteringefäße unmittelbar am 4 evtl. dicke Hegar-Stifte,
Abgang der A. und V. iliaca interna. Umstechung 4 Blasenverweilkatheter.
der Ligg. cardinalia.
7 Mobilisieren des Rektums und Absetzen der Ligg. kLagerung
sacrouterina. 4 Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen (. Abb.
7 Wichtig ist die beidseitige Ureterpräparation bis 8.6) oder
zur Einmündung in die Blase. Dabei wird das 4 Rückenlagerung mit Abspreizen der Beinplatten des
Lig. vesicouterinum durchtrennt. OP-Tisches.
7 Es erfolgt die Blasenpräparation bis zu dem Be-
reich, in dem die Scheide durchtrennt werden soll. Zur Verhinderung eines V.-cava-Syndroms wird der OP-
7 Über mehrere Umstechungen wird das die Vagina Tisch leicht nach links gekippt.
umgebende Gewebe (Parakolpium) durchtrennt. (Das V.-cava-Syndrom beschreibt eine Kreislaufstö-
Die letzte Naht fasst das seitliche Scheidengewöl- rung der Mutter. Das Syndrom tritt hauptsächlich gegen
be und dient als Haltefaden. Ende der Schwangerschaft (bei entsprechendem Gewicht
7 Zum Absetzen des Uterus am Scheidenrohr wer- des Kindes) auf, wenn die Mutter sich längere Zeit in Rü-
den zwei Parametrienklemmen gesetzt und dar- ckenlage befindet. Durch Druck des Kindes auf die hinter
unter der Uterus und eine Scheidenmanschette der Gebärmutter verlaufende untere Hohlvene (V. cava
mit der Parametrienschere abgesetzt. inferior) wird der venöse Rückstrom zum Herzen behin-
7 Verschluss der Scheide. dert; es kommt zu Kreislaufproblemen (Blutdruckabfall,
7 Einlage einer Wunddrainage. Schwindel, Herzrasen) bis hin zum Schock und zur Be-
7 Es erfolgt die Peritonealisierung des OP-Gebietes. wusstlosigkeit.)
7 Zählen von Instrumenten und Textilien und Doku-
! Bei einer Notfallindikation ist die Entwicklung des
mentation des Zählstandes.
Kindes vorrangig. Abdeckung und Desinfektion
7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband.
sind zweitrangig und dürfen vernachlässigt werden.

8.6.12 Kaiserschnitt (Sectio caesarea) Kaiserschnitt (Sectio)


7 Desinfektion des Abdomens und der Scheide, Le-
kIndikationen gen eines Blasenkatheters.
4 Mütterliche Indikationen: 7 Eröffnung des Abdomens durch einen Pfannen-
5 schwere Erkrankung der Mutter, stiel-Schnitt.
5 drohende Eklampsie bei EPH-Gestose. 7 Einsetzen der Fritsch-Haken.
4 Mütterliche und kindliche Indikationen: 7 Im Bereich des unteren Uterinsegmentes – hier ist
5 relatives und absolutes Missverhältnis (bei ca. 5–6% das Peritoneum verschiebbar – wird an der Harn-
der schwangeren Frauen besteht ein Missverhältnis blasenumschlagfalte das Bauchfell quer inzidiert,
zwischen dem Durchmesser des Geburtskanals und die Blase wird abpräpariert.
dem Kopf des Kindes). 7 Mit dem Skalpell wird das untere Uterinsegment
4 Kindliche Indikationen: quer und leicht bogenförmig eröffnet. Erweite-
5 Lageanomalien, z. B. Beckenendlage, rung der Wunde mit dem Finger oder mit der
5 kindliche Asphyxie, Nabelschnurumschlingung, Cooper-Schere.
Nabelschnurvorfall, 7 Vorsichtiges Eröffnen der Fruchtblase und Ent-
5 vorzeitige Plazentalösung, wicklung des Kindes.
5 Placenta praevia, 7 Ausstreichen der Nabelschnur zum Kind hin.
5 Frühgeburtlichkeit, 7 Die Abnabelung erfolgt, indem je zwei Kocher-
5 Mehrlingsschwangerschaft (Drillinge). Klemmen zum Kind und zur Plazenta hin gesetzt
werden und zwischen diesen die Nabelschnur
kInstrumentarium durchtrennt wird.
4 Grundinstrumentarium, 7 Das Kind wird abgegeben und von der Hebamme
4 Laparotomieinstrumente, wie z. B. Fritsch-Haken, und dem Kinderarzt untersucht.
kräftige Kocher-Klemmen, 6
4 Ovarfasszangen,
410 Kapitel 8 · Gynäkologie

kPrinzip
7 Es erfolgt die manuelle Entwicklung der Plazenta, Entfernung des gesamten äußeren Genitale (Klitoris, klei-
evtl. unter Zuhilfenahme von Ovarfasszangen. ne und große Labien).
7 Manchmal ist eine Nachkürettage mit einer
großen stumpfen Kürette und die Dilatation der kInstrumentarium
Zervix mit Hegar-Stiften erforderlich. 4 Grundinstrumentarium,
7 Die Plazenta und das freie Nabelschnurstück wer- 4 Blasenverweilkatheter,
den an die Hebamme abgegeben, das freie Nabel- 4 evtl. bipolare Pinzette,
schnurstück wird für Blutuntersuchungen benötigt. 4 evtl. steriler Stift.
7 Die Geburtszeit muss exakt notiert werden, dies
geschieht meist durch die Hebamme und/oder kLagerung
den Anästhesisten. Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen (. Abb. 8.7).
7 Kräftige Klemmen werden an den »Uterotomie-
ecken« gesetzt.
7 Verschluss des Uterus fortlaufend oder mit Einzel- Einfache Vulvektomie
knopfnähten, die die Uteruswand ohne Schleim- 7 Desinfektion des Genitalbereichs und Scheiden-
haut fassen. Eine zweite Nahtreihe kann deckend spülung mit Schleimhautdesinfektionsmittel.
über die Uterotomiewunde gelegt werden. 7 Einmalkatheterisierung und sterile Abdeckung.
8 7 Verschluss des Blasenperitoneums. Die Uterus- 7 Evtl. Anzeichnen der Schnittführung.
wunde liegt nun extraperitoneal. 7 Legen eines Nélaton-Katheters zur klaren Identifi-
7 Die Blutstillung muss sorgfältig erfolgen, da zu kation der Urethramündung.
Beginn der Operation nur bedingt darauf geach- 7 Es erfolgt ein ovalärer Hautschnitt vom Schamhü-
tet werden kann. gel bis zum Damm.
7 Zählen von Instrumenten und Textilien und Doku- 7 Seitliches Präparieren mit der Schere und der mo-
mentation des Zählstandes. nopolaren Messerelektrode.
7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband. 7 Die Urethramündung und die Vaginalöffnung
werden zirkulär umschnitten, und das Präparat
kann entfernt werden.
7 Das Vulvapräparat wird auf einer Korkplatte mit
Zusätzliche Hinweise Stahlnadeln in seiner lagegerechten Anatomie fi-
4 Die Operation muss bis zur Entwicklung des Kin- xiert und erst dann in ein Histologiegefäß mit For-
des so rasch wie möglich verlaufen, um eine kurze malinlösung gegeben, damit der Pathologe die
Narkosedauer für das Kind zu gewährleisten, so- korrekte Anatomie erkennen kann.
fern der Kaiserschnitt nicht in Peridural- oder Spi- 7 Sorgfältige Blutstillung mit Elektrokoagulation
nalanästhesie erfolgt. Daher wird bei eiligen und zarten Umstechungen.
Schnittentbindungen nur das absolut Notwen- 7 Die Wundränder werden nun senkrecht mit resor-
dige an Instrumentarium vorbereitet. bierbarem Nahtmaterial vernäht.
4 Bei notfallmäßiger Indikation haben sich spezielle 7 Mit dem gleichen Nahtmaterial werden dann die
Siebe bewährt, die so vorbereitet sind, dass direkt Urethramündung und die Vaginalöffnung ein-
aus dem Sieb instrumentiert werden kann. genäht.
4 Bei einer Mehrlingssectio müssen die Kocher- 7 Evtl. Einlage einer Wunddrainage.
Klemmen zum Abnabeln gekennzeichnet werden. 7 Hautnaht.
4 Da die Patientin erst unmittelbar vor dem Haut-
schnitt narkotisiert wird oder bereits einen Peri-
duralkatheter hat, muss jegliche Unruhe bei den Radikale Vulvektomie mit Lymphono-
Vorbereitungen vermieden werden. dektomie inguinal beidseitig
kIndikationen
Vulvakarzinom.

8.6.13 Vulvektomie kPrinzip


4 Entfernung des Lymphknotenpaketes in beiden
kIndikationen Leisten.
Karzinom des äußeren Genitale. 4 Entfernung des gesamten äußeren Genitale.
8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
411 8
kInstrumentarium jDiagnostische Laparoskopie
4 Grundinstrumentarium, 4 Punktion zur Entnahme von zytologischem Material,
4 Blasenverweilkatheter, 4 Gewebeentnahmen,
4 steriler Stift, 4 bei Verdacht auf Extrauteringravidität (EUG),
4 bipolare Schere, 4 bei unklaren Unterbauchbeschwerden,
4 evtl. bipolare Pinzette. 4 zur Prüfung der Tubendurchgängigkeit (mit retrogra-
der Blauprobe).
kLagerung
4 Steinschnittlagerung. jTherapeutische Laparoskopie
4 Während der Lymphonodektomie inguinal werden 4 Tubensterilisation,
die Beine der Patientin abgesenkt. 4 Adhäsiolyse,
4 Während der Vulvektomie werden die Beine der Pati- 4 Koagulation von Endometrioseherden,
entin hochgestellt. 4 EUG,
4 Ovarialtumorentfernung,
4 Myomentfernung,
Radikale Vulvektomie
4 laparoskopisch assistierte vaginale Hysterektomie
7 Desinfektion der Leisten und der proximalen An- (LAVH),
teile der Oberschenkel bei abgesenkten Beinen. 4 totale laparoskopische Hysterektomie (TLH),
Dann werden die Beine hochgefahren für die 4 laparoskopische suprazervikale Hysterektomie
Desinfektion des Genitalbereichs mit Scheiden- (LASH),
spülung, Einmalkatheterisierung. Sterile Abde- 4 laparoskopische pelvine und paraaortale Lymphonod-
ckung. ektomie.
7 Mit Hilfe eines sterilen Stiftes wird die »Leopold-
Umschneidungsfigur« inguinal angezeichnet:
7 Hautschnitt über der einen Leiste von kranial und 8.7.1 Laparoskopie
seitlich bis über das Lig. inguinale nach unten.
7 Nach Spaltung der Faszie über den Inguinalge- kIndikation
fäßen kann das inguinale und oberflächliche fe- Diagnostisch oder therapeutisch (s. oben).
morale Fettgewebe mit den darin liegenden
Lymphknoten entfernt werden. kInstrumentarium
7 Sorgfältige Blutstillung und Einlage einer Wund- 4 Reduziertes Grundinstrumentarium,
drainage. 4 Laparoskopieinstrumente, 7 Abschn. 2.15 und
7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Abschn. 8.4.3,
7 Gleiche Vorgehensweise auf der anderen Seite. 4 ggf. Bergebeutel.
7 Verband für beide Leistenschnitte. 4 endoskopisches Nahtmaterial, evtl. Schlingen
7 Vor der Durchführung der Vulvektomie (s. oben) (7 Abschn. 1.5).
werden die Beine der Patientin hochgefahren, Kit- 4 Videooptik, Arbeitsoptik,
tel, Handschuhe und Instrumente, die unmittelbar 4 digitales Aufzeichnungsgerät,
mit den entfernten Lymphknoten in Kontakt wa- 4 evtl. Uterussonde,
ren, werden für die Vulvektomie nicht benutzt. 4 Hakenzange,
7 Vulvektomie s. oben. 4 evtl. Portioadapter/Uterusmanipulator,
4 Bereitstellung des MIC-Turms (7 Abschn. 2.15).

kLagerung
8.7 Laparoskopie/Pelviskopie 4 Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen
(. Abb. 8.6).
Zur Entfernung von Organteilen, z. B. Ovarien, unterstüt- 4 Intraoperativ verändert sich die Stellung der Beine.
zend bei der Hysterektomie und bei der extrauterinen Gra-
vidität (EUG), spielt die Laparoskopie eine große Rolle. Der Kopf der Patientin liegt tiefer als das Becken, dadurch
Das technische Equipment entspricht dem in 7 Abschn. sinkt der Darm in den Oberbauch, und das kleine Becken
2.15 dargestellten. ist besser überschaubar.
412 Kapitel 8 · Gynäkologie

8.7.2 Laparoskopische Eingriffe am Uterus


Laparoskopie
7 Untersuchung in Narkose. Myomenukleation
7 Desinfektion des Abdomens und des Genitalbe- Das Myom ist eine gutartige Geschwulst der glatten Ute-
reichs; Einlegen eines Dauerkatheters. rusmuskulatur. Die Entartungsgefahr liegt unter 0,5%. My-
7 Evtl. Einstellen der Portio mit Spekula, Anklem- ome wachsen verdrängend, sind aber zum umgebenden
men der Portio mit Hakenzangen und Einführen Gewebe scharf abgrenzbar.
der Uterussonde.
7 Die Instrumente werden mit Pflaster fixiert. Einteilung der Myome nach ihrer Lage
7 Alternativ kann ein Portioadapter oder Uterusma- jIntramurale Myome
nipulator eingesetzt werden. Mit diesen Instru- Diese häufigsten Myome liegen im Myometrium. Werden
menten kann der Uterus während der Laparosko- sie größer, lässt die Kontraktionsfähigkeit der Uterusmus-
pie bewegt werden. Für diesen Operationsschritt kulatur nach. Die Patientinnen klagen über verstärkte und
werden die Beine der Patientin hochgestellt. längere Menstruationsblutungen sowie über Schmerzen.
7 Absenken der Beine und Abdeckung. Es können einzelne, aber auch mehrere Myome auftreten,
7 Stichinzision am Nabelunterrand. die durch ihr Wachstum Symptome wie Kreuzschmerzen,
7 Beidseitiges Anheben der Bauchdecken und Ein- Entleerungsstörungen des Darms und der Blase, Anämie
und Sterilität hervorrufen.
8 stechen der Veress-Nadel. Prüfung, ob die Nadel
frei im Intraperitonealraum liegt.
7 Anschließen des Insufflationsschlauchs und Auf- jSubseröse Myome
füllen des Intraperitonealraums mit CO2, um eine Sie liegen zwischen dem Myometrium und dem peritone-
bessere Übersicht zu erzielen und Verletzungen alen Überzug. Uteruswand und -höhle werden nicht ver-
zu vermeiden. ändert, daher treten auch keine Blutungsstörungen auf. Es
7 Ist genügend CO2 insuffliert, wird die Veress-Nadel ist möglich, dass das Myom nur mit einem Gefäßstiel ver-
entfernt und der Hautschnitt auf Trokargröße er- bunden ist. Beschwerden treten dann auf, wenn die My-
weitert. ome an Größe zunehmen und Nachbarorgane verdrängen,
7 Vorsichtiges Einführen des Trokars und Wechsel oder wenn es zur Torsion des Gefäßstieles kommt; dies
des Mandrins gegen die Optik. kann eine Nekrose und damit das Beschwerdebild eines
7 Anschließen des Kaltlichtkabels und der CO2-Zu- akuten Abdomens nach sich ziehen.
fuhr, Inspektion der Bauchhöhle.
7 Kopftieflage. jSubmuköse Myome
7 Der Assistent kann über den Uterusmanipulator/ Sie liegen vornehmlich in der Uterushöhle unter dem En-
Portioadapter die Lage des Uterus verändern, in- dometrium und entwickeln sich mit oder ohne Gefäßstiel
dem er die vaginalen Führungsinstrumente be- in die Gebärmutterhöhle hinein. Es treten vermehrte oder
wegt. verstärkte Blutungen auf, wehenartige Schmerzen sind
7 Ggf. Anbringen eines oder mehrerer suprasym- möglich, da die Uterusmuskulatur durch Kontraktionen
physärer Einstiche in Höhe der oberen Scham- versucht, das Myom auszustoßen.
haargrenze. Zuvor Sicherstellung durch den intra-
abdominalen Lichtstrahl der Optik, dass sich un- kPrinzip
terhalb der geplanten Einstiche keine Bauchde- 4 Laparoskopische Myomenukleation/-abtragung.
ckengefäße befinden. 4 Uterusexstirpation.
7 Einführung der 5-mm-Arbeitstrokare (diese kön- 4 Hysteroskopische Abtragung von submukösen
nen je nach Befund im OP-Verlauf durch größere Myomen.
ersetzt werden) und Einführen der gewünschten 4 Myomentfernung.
Arbeitsinstrumente.
7 Durchführung des geplanten Eingriffs. kInstrumentarium
7 Abschließend Entfernen der Instrumente und Ab- Laparoskopisches Instrumentarium mit Myombohrer
lassen des Gases durch das Trokarventil. (. Abb. 8.22), Myommesser und Morcellator.
7 Die Stichinzisionen können mit Einzelknopfnäh-
ten verschlossen werden.
7 Verband mit kleinen Wundpflastern.
8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
413 8
! Das suprazervikale Vorgehen bedeutet für die Pati-
entin weiterhin die Notwendigkeit der Krebsvorsor-
ge zum Ausschluss eines Gebärmutterkarzinoms.

kIndikationen
4 Wenn ein vaginales Vorgehen durch einen großen
Uterus myomatosus nicht möglich ist.
4 Wenn keine vaginale Entbindung mit hohem Uterus
vorausgegangen ist.

kKontraindikationen
Bösartige Prozesse, ggf. wird im Vorfeld zur Diagnostik
eine Hysteroskopie mit Abrasio durchgeführt.

kInstrumentarium
Laparoskopisches Instrumentarium, ggf. mit Morcellator
. Abb. 8.40 Myomenukleation. (Fa. Storz; Prof. Luca Mencaglia, MD) (. Abb. 8.23 und . Abb. 8.41).

Laparoskopisch assistierte vaginale


Hysterektomie (LAVH)
Myomentfernung kPrinzip
7 Vorbereitung wie zur Laparoskopie (7 Abschn. Diese Operationstechnik wird in der Regel bei Frauen mit
8.7.1). enger Scheide, Voroperationen im kleinen Becken, zusätz-
7 Ein gestieltes subseröses Myom wird mit einer
Fasszange hochgezogen und der Stiel dargestellt.
Entfernung des Myoms mit der Schere an der
Uteruswand nach bipolarer Koagulation des
Myomstiels.
7 Bei einem intramuralen Myom werden die Serosa
und das Myometrium (sog. Kapsel) nach Oberflä-
chenkoagulation mit der Schere gespalten.
7 Mit einer Fasszange (. Abb. 8.40) oder dem lapa-
roskopischen Myombohrer wird das Myom ge-
fasst und mit der Schere oder dem elektrischen
Myommesser enukleiert. Dabei müssen Gefäße
koaguliert werden. Eine Eröffnung der Gebärmut-
terhöhle sollte vermieden werden. a
7 Kapselreste werden vollständig entfernt.
7 Blutstillung und Wundverschluss mit durchgrei-
fenden Einzelknopfnähten.
7 Das Myom wird über einen Arbeitstrokar, ggf.
nach Zerkleinerung mit dem Morcellator, entfernt.
7 Wundverschluss (bei größeren suprapubischen In-
zisionen ggf. mehrschichtig).
7 Verband mit kleinen Wundpflastern.

Laparoskopische Hysterektomie
Die laparoskopische Hysterektomie kann komplett (TLH)
oder suprazervikal (LASH) unter Belassung des unteren
b
Gebärmutterhalsanteils erfolgen. Ebenfalls kann hier eine
laparoskopisch assistierte vaginale Hysterektomie (LAVH) . Abb. 8.41 Morcellatoren (Beispiel a: Fa. Storz, Beispiel b: Wisap,
durchgeführt werden. Sauerlach). (Nach Dian et al. 2008)
414 Kapitel 8 · Gynäkologie

lichen abdominalen Erkrankungen oder geplantem Ein-


griff an den Adnexen durchgeführt. Der vaginale Zugang einem Streifen verschlossen oder mit einem Bal-
wird durch den laparoskopischen Zugang ergänzt. Die Prä- lonkatheter geblockt, damit es nicht zum Gasver-
paration erfolgt laparoskopisch, denn durch die bessere lust des Pneumoperitoneums kommt.
Sicht auf das innere Genitale ist eine schonende Entfer- 7 Zirkuläres Abtrennen der Zervix von der Scheide.
nung der Gebärmutter möglich. Die Entfernung des Prä- 7 Wenn es möglich ist, wird der Uterus über die
parates erfolgt über eine Zusatzinzision suprapubisch. Scheide entfernt, z. B. durch eine unter Sicht von
vaginal eingeführte Kugelzange.
Laparoskopische suprazervikale Hysterektomie 7 Ist dies nicht möglich, muss der Uterus per Mor-
(LASH) cellement geborgen werden, in der Regel am
kPrinzip Ende der Operation.
Nach dem Absetzen der Adnexe und der Parametrien bis 7 Fortlaufender Verschluss des Scheidenendes mit
zum isthmozervikalen Übergang wird der Korpus von der kräftigem resorbierbarem, geflochtenem Nahtma-
Zervix abgetrennt. Nach Morcellement des Korpus kann terial.
das Präparat über einen Trokar entfernt werden. Portio 7 Readaptation des Peritoneums über dem Schei-
und Zervix bleiben erhalten, sodass weiterhin die Gefahr denstumpf.
eines Zervixkarzinoms und eines Zervixmyoms bestehen 7 Evtl. Einlegen einer intraabdominalen Drainage.
bleibt. 7 Verband mit kleinen Wundpflastern.
8
Laparoskopische Hysterektomie (TLH/LASH)
7 Vorbereitung wie zur Laparoskopie (s. oben). 8.7.3 Laparoskopische Eingriffe
7 Anbringen von 3 suprasymphysären Inzisionen für an den Adnexen
die Arbeitstrokare.
7 Der Uterus wird nach Identifikation der Ureterver- kIndikationen
läufe mit einer Fasszange vom rechten oder linken 4 Tubargravidität (Extrauteringravidität; EUG).
suprasymphysären Einstich aus im Tubenabgangs-
bereich gefasst und zur Gegenseite gezogen. Jedes befruchtete Ei, das sich außerhalb der Uterushöhle
7 Mit einer stumpfen Klemme werden von der an- implantiert, führt zur Extrauteringravidität (EUG). So ent-
deren Seite aus zunächst die Adnexe gefasst. Über stehen:
den mittleren suprasymphysären Einstich werden 4 Tubargravidität,
die Adnexe nach Koagulation vom Uterus ab- 4 ampulläre Tubargravidität, evtl. mit Tubarabort,
getrennt (bipolare Koagulation oder Ultraschall- 4 selten:
skalpell). Ovarial-, Intestinalgravidität, intramurale Tubargravi-
7 Gleiches Vorgehen bei den Ligg. rotunda. dität.
7 Spalten des viszeralen Peritoneums auf der Ute-
rusvorderwand mit der Präparationsschere oder jUrsachen
mit dem Ultraschallskalpell. Störungen des Eitransportes durch Verwachsungen nach
7 Abschieben der Harnblase vom unteren Uterin- Adnexitiden, durch anatomische Defekte (angeboren oder
segment, entweder stumpf mit einer Fasszange nach Operationen), sowie Störungen im Eiaufnahmeme-
oder scharf mit dem Ultraschallskalpell. chanismus.
7 Über den mittleren Einstich werden die Paramet-
rien beidseits koaguliert und durchtrennt (jeweils jDiagnostik
Zug am Uterus zur Gegenseite). So wird die Zervix 4 Schwangerschaftstest (Bestimmung von β-HCG im
schrittweise komplett freigelegt. Urin oder im Blut; ab einem Wert von 1000 IE β-
7 Erfolgt eine suprazervikale Hysterektomie (. Abb. HCG muss intrauterin eine Fruchthöhle sichtbar
8.42), kann der Uterus nach sicherer Durchtren- sein!),
nung des uterinen Gefäßbündels von der Rest- 4 Sonographie,
zervix abgetrennt werden. 4 diagnostische Laparoskopie.
7 Bei der TLH wird nach der Eröffnung des vorderen
Scheidengewölbes die Scheide luftdicht mit jTherapie der EUG
6 4 Therapeutische Laparoskopie:
partielle Salpingektomie/Segmentresektion.
8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
415 8

a b

c d

. Abb. 8.42 Endoskopische suprazervikale Hysterektomie: a Schnitt- d Endsitus mit vereinigten Ligg. rotunda und Peritonealisierung.
führung. b Präoperativer Situs. c Nach suprazervikaler Hysterektomie. (Nach Thill et al. 2010 und Dian et al. 2008)

4 Salpingotomie,
Salpingektomie bei einem ausgedehnten Defekt
4 instrumentelle Expression (»milk-out«).
4 Salpingektomie, 7 Fassen der Tube mit einer Fasszange am Fimbrien-
4 selten Adnektomie. ende.
7 Absetzen der Tube von der Mesosalpinx. Dabei
Ziel der Operation ist, die Tubenfunktion zu erhalten, wird mit der bipolaren Koagulation bei der
unabhängig davon, ob es sich um eine Tubargravidität Fimbria ovarica begonnen.
mit oder ohne Ruptur handelt. Nach der therapeutischen 7 Es folgt das Absetzen der Mesosalpinx in kleinen
Laparoskopie kann eine Kürettage erfolgen (7 Abschn. Schritten mit der Schere dicht am unteren Tuben-
8.6.2). rand, jeweils nach vorheriger Koagulation. Dabei
sind die ovarversorgenden Gefäße zu schonen.
kPrinzip 7 Evtl. Verwachsungen werden gelöst (. Abb. 8.43).
Allen Versorgungsformen gemeinsam ist: 7 Am uterusnahen Tubenabgang wird die Tube bi-
4 Legen eines Blasenkatheters, polar koaguliert und anschließend mit der Schere
4 Laparoskopie, abgetrennt und über einen Arbeitstrokar, ggf.
4 Darstellen der EUG. nach Inzisionserweiterung, aus der Bauchhöhle
entfernt.
kInstrumentarium
4 Laparoskopisches Instrumentarium,
4 feines Nahtmaterial, Instrumentelle Expression
4 Instrumentarium für die Kürettage. Diese kann bei einer weit peripher gelegenen Tubargravi-
dität durchgeführt werden, wenn die Gravidität im Bereich
des Fimbrientrichters liegt. Die Tube wird dabei mit zwei
atraumatischen Fasszangen zum Fimbrienende hin ausge-
416 Kapitel 8 · Gynäkologie

a b

. Abb. 8.43 a, b Verwachsungen zwischen rechtsseitiger Tube und Uterus (a). Laparoskopische Adhäsiolyse (b). (Nach Gätje u. Kaufmann 2006)

streift. Anschließend ist eine ausgiebige Spülung der Tube


notwendig. Hier besteht ein erhöhtes Rezidivrisiko. Tubenkoagulation durch Laparoskopie
8
7 Laparoskopie (7 Abschn. 8.7.1).
7 Nach Darstellung der Tuben werden diese nach-
Salpingotomie
einander im mittleren Drittel mit einer bipolaren
7 Nach Darstellung der Tube wird sie über der Vor- Koagulationszange gefasst und angehoben.
wölbung mit der feinen Schere oder dem elek- Die Koagulation erfolgt im Temperaturbereich
trischen Messer über 1–2 cm längs gespalten. von 60–180 °C über eine Strecke von 2–3 cm
7 Ausräumen des Schwangerschaftsproduktes mit der (. Abb. 8.45). Auf eine anschließend ausreichen-
Fasszange oder durch Absaugung (. Abb. 8.44). de Kühlphase ist zu achten.
7 Ausgiebige Spülung des Wundgebietes und In- 7 Fakultatives Durchtrennen der Tube mit der
spektion auf Gewebereste. Schere; hierbei ist die Mesosalpinx zu schonen.
7 Nach vorsichtiger bipolarer Blutstillung erfolgt
ggf. der Verschluss der Inzisionsstelle mit einer fei-
nen Naht.
7 Um eine Blutleere zu erreichen, kann zu Beginn Tubenteilresektion nach Pomeroy
der Operation in die Tube ein Medikament mit va- 7 Mit einer Pinzette wird die Tube im mittleren Drittel
sokonstriktorischer Wirkung gespritzt werden. gefasst, sodass eine Schlaufe entsteht.
7 Im Bereich der zugehörigen Mesosalpinx wird die
Tube unterfahren und zu beiden Seiten hin unter-
bunden. Die überstehende Tubenschlaufe wird re-
8.7.4 Operationsformen zur Sterilisierung seziert.
7 Die Resektionsstelle wird mit dem Lig. teres uteri
Alle Operationen unterbrechen die Tubenpassage. gedeckt.

jLaparoskopische Operationsformen
4 Sterilisierung post partum durch Laparoskopie,
Subseröse Tubenresektion nach Labhardt
4 Tubenkoagulation durch Laparoskopie.
7 Darstellen der Tube im mittleren Drittel auf einer
jNichtlaparoskopische Operationsformen Länge von ca. 3 cm. Anschlingen oder Anklemmen
4 Sterilisierung nach Pomeroy, der Tube auf beiden Seiten der Präparationsstelle.
4 Sterilisierung nach Labhardt (u. a.). 7 Längsspaltung der Serosa und Ausschälen des Tu-
benrohrs mit der Präparierschere.
Diese Methoden finden heute ihre Anwendung anlässlich 7 Resektion eines ca. 2 cm langen Tubenanteils.
eines Kaiserschnittes oder als zusätzlicher Eingriff wäh- 7 Versenken der Stümpfe und fortlaufende Naht der
rend einer Laparotomie. Mesosalpinx.
8.7 · Laparoskopie/Pelviskopie
417 8
8.7.5 Laparoskopische Operationen
am Ovar
Voraussetzungen
Die meisten gutartigen Veränderungen des Ovars können
laparoskopisch therapiert werden. Hier sind v. a. die Ova-
rialtumoren zu nennen. Die Größe der Veränderung kann
allerdings ein limitierender Faktor für die Möglichkeit ei-
ner Laparoskopie sein.
Ovarialtumoren sind sehr häufig und bei der ge-
schlechtsreifen Frau in den meisten Fällen funktionellen
Ursprungs (z. B. Corpus-luteum-Zyste). Bei Verdacht auf
ein Ovarialkarzinom sollte nach wie vor eine Längslaparo-
tomie durchgeführt werden.
Vor der Operation erfolgt eine diagnostische Beurtei-
. Abb. 8.44 Salpingotomie: Entfernen des Schwangerschaftspro-
lung (z. B. sonographisch) des Ovarialtumors. Da viele
duktes. (Fa. Storz; Prof. Luca Mencaglia, MD) Ultraschallkriterien sowohl bei gutartigen als auch bei bös-
artigen Tumoren des Ovars auftreten können, sollten Ova-
rialtumoren, wenn sie laparoskopisch operiert werden,
immer in Bergebeuteln entfernt werden. Bei einer verse-
hentlichen Eröffnung des Tumors kann so eine Zellaussaat
(»spilling«) in den Bauchraum verhindert werden, denn
die Verteilung von Tumorzellen verschlechtert die Progno-
se. Zeigt sich direkt zu Beginn der Laparoskopie, dass es
sich um ein bösartiges Geschehen handelt, wird auf ein
abdominales Vorgehen konvertiert. Bei Frauen im ge-
schlechtsreifen Alter wird bei gutartigen Befunden darauf
geachtet, dass ausreichendes Ovarialgewebe erhalten
bleibt.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Versor-
gungsmöglichkeiten kurz vorgestellt. Für die folgenden
Operationen entsprechen die instrumentelle Vorbereitung
wie auch die Lagerung den oben besprochenen.
a

Ausschälen eines Tumors oder einer Zyste


7 Vorbereitung und Ablauf wie bei der Laparosko-
pie (7 Abschn. 8.7.1).
7 Einführen eines Bergebeutels in den Bauchraum
über einen Arbeitstrokar (die Größe richtet sich
nach den Maßen des Ovarialtumors).
7 Platzierung des Beutels mit seiner Basis im Doug-
las-Raum und Aufspannen der Öffnung.
7 Der Ovarialtumor wird in den Kunststoffbeutel
gelegt.
7 Zwischen Tumor und gesundem Gewebe wird auf
der Kapsel mit der bipolaren Zange ein Koagulati-
onsstreifen gelegt.
b 7 Mit der Präparationsschere wird die Kapsel ohne
Eröffnung des Tumors inzidiert.
. Abb. 8.45 a, b Proximaler Tubenstumpf nach Sterilisation (a).
Nach laparoskopischer Tubenanastomose (b). (Nach Gätje u. Kauf- 7 Aufspannen der Kapsel mit einer Fasszange.
mann 2006) 6
418 Kapitel 8 · Gynäkologie

7 Über den zweiten Arbeitstrokar wird dicht an der mor in den Bergebeutel gelegt, um dann über ei-
Kapsel mit einem stumpfen Instrument der Tumor nen der Arbeitstrokare bzw. dessen Bauchde-
ausgeschält. Sollte es dabei zur Eröffnung kom- ckeninzision entfernt zu werden. Hierbei können
men, wird der Inhalt abgesaugt. Es ist darauf zu eine Abpunktion im Beutel und die Verwendung
achten, dass die Flüssigkeit nur in den Bergebeu- eines Bauchdeckenhakens hilfreich sein.
tel fließt! 7 Ausgiebige Blutstillung mit der bipolaren Koagu-
7 Der Bergebeutel wird an einer Schlaufe zugezo- lation und Spülung des Bauchraums.
gen und über einen der Arbeitstrokare, ggf. nach 7 Evtl. Einlage einer abdominalen Wunddrainage.
Schnitterweiterung, geborgen. 7 Beendigung der Operation wie bei der Laparosko-
7 Ist der Tumor zur Entfernung noch zu groß, kann pie (7 Abschn. 8.7.1).
er innerhalb des Bergebeutels abpunktiert wer-
den. Dieser Schritt kann auch vor der Ausschälung
des Tumors/Zyste durch eine laparoskopische
Punktionsnadel erfolgen (Gefahr des »spilling« Stielgedrehte Ovarialzyste
beachten). 7 Die Beschwerden sind die eines »akuten Abdo-
7 Das Gewebe kann dann ggf. zur Schnellschnittun- mens« und stellen eine OP-Indikation dar.
tersuchung gegeben werden, muss aber in jedem 7 Zunächst muss die Drehung der Zyste aufgehoben
8 Fall histologisch beurteilt werden. werden, dies ist meist laparoskopisch möglich.
7 Ausgiebige Blutstillung mit der bipolaren Koagu- 7 In den Stiel einbezogen sind oft das Lig. ovarii
lation und Spülung des Bauchraums zur Entfer- proprium, die Tube, das Lig. suspensorium ovarii,
nung von Blutresten zur Adhäsionsprophylaxe. das Lig. teres und Anteile des Lig. latum.
7 Das Restovar kann mit einer oder mehreren Näh- 7 Einige Minuten müssen abgewartet werden, um
ten vernäht und rekonstruiert werden. zu beurteilen, welche Gewebeanteile wieder gut
7 Evtl. Einlage einer abdominalen Wunddrainage durchblutet werden.
über einen der Arbeitstrokare. 7 Nichtdurchblutete Gewebeanteile werden nach
7 Beendigung der OP wie (7 Abschn. 8.7.1; Lapa- bipolarer Koagulation mit der Schere reseziert
roskopie) beschrieben. und über einen der Arbeitstrokare entfernt. (Bei
jungen Frauen wird immer versucht werden, ei-
nen Ovarrest zu erhalten).

Adnexexstirpation zur Tumorentfernung


7 Vorbereitung und Ablauf wie bei der Laparosko- Bestätigt sich bei der Operation eines Ovarialtumors, dass
pie (7 Abschn. 8.7.1). es sich um einen bösartigen Tumor handelt, so muss eine
7 Darstellung des Tumors. Wegen seiner Größe kann Radikaloperation erfolgen:
die Lage des Ureters verändert sein, deshalb muss 4 Längsschnittlaparotomie,
dieser vor der Tumorexstirpation dargestellt, ggf. 4 Hysterektomie,
präoperativ geschient werden. 4 Adnektomie beidseitig,
7 Bipolare Koagulation des Lig. infundibulopel- 4 pelvine Lymphonodektomie,
vicum (Lig. suspensorium ovarii). Durchtrennung 4 Omentektomie,
mit der Schere. 4 Appendektomie (7 Abschn. 2.11),
7 Anschließende Koagulation des Peritoneums 4 ggf. Entfernung weiterer befallener Strukturen.
(Lig. latum) lateral der ovarversorgenden Gefäße
und parallel zum Tubenverlauf bis hin zum Tuben-
abgang. 8.8 Mammachirurgie
7 Koagulation und Durchtrennung von Tube und
Lig. ovarium proprium mit der Schere. 8.8.1 Anatomie, Risikofaktoren,
7 Einlegen eines Bergebeutels in angemessener Symptome
Größe über einen der Arbeitstrokare.
7 Entweder wird die Adnexe direkt im Bergebeutel Das Brustdrüsenwachstum zeigt sich durchschnittlich ab
entfernt, oder es wird der bereits abgesetzte Tu- dem 10.-11. Lebensjahr und entwickelt sich durch den Ein-
6 fluss von Östrogen und Progesteron. Dies geschieht meist
1–2 Jahre vor dem Einsetzen der ersten Regelblutung.
8.8 · Mammachirurgie
419 8
Anatomische Grundlagen
Die weibliche Brustdrüse liegt auf der Faszie des M. pecto-
ralis major und ist gegen sie verschieblich. Unterteilt wird
sie in den Drüsen- und Fettkörper sowie in das Milchgang-
system. Der Drüsenkörper besteht aus 12–20 Drüsenlap-
pen (Lobi), die wiederum durch lockeres Bindegewebe
weiter in Drüsenläppchen (Lobuli) unterteilt sind. Jeder
Drüsenlappen wird von einem Milchgang (Ductulus lac-
tiferus) durchzogen, der sich wiederum zu 12–15 Haupt-
ausführungsgängen (Ductus lactiferus) vereinigt und auf
der Brustwarze mündet.

Gefäßversorgung
Die arterielle Versorgung der Mamma entspringt aus
medialen Ästen der 2.–4. Interkostalarterien, die seitlich
des Sternums in die Mamma eintreten. Weiterhin über-
nehmen Äste der A. thoracica lateralis die laterale Gefäß-
versorgung.

Lymphabfluss
Aus chirurgischen Gesichtspunkten wird der Lymphab-
a
fluss der Brust, der axillären Lymphknoten in 3 Etagen
aufgeteilt (. Abb. 8.46):
4 Level I: untere axilläre Gruppe bis zum lateralen Rand
des M. pectoralis minor.
4 Level II: mittlere axilläre Gruppe dorsal des M. pecto-
ralis minor und unterhalb der V. subclavia.
4 Level III: obere infraklavikuläre, medial des M. pecto-
ralis minor gelegene Gruppe, oberhalb der V. subclavia.

Medial zieht das Lymphabflussgebiet durch die Interkostal-


räume hindurch zu parasternalen, interkostalen und inter- b
pektoralen Lymphknoten. Anatomische Strukturen in der
. Abb. 8.46a, b Anatomische Begrenzung der drei axillären
Axilla sind die V. und A. axillaris, das thorakodorsale Ge-
Lymphknotenstationen. (Nach Diedrich et al. 2007)
fäß-Nerven-Bündel mit dem N. thoracodorsalis (moto-
rische Innervation des M. latissimus dorsi) sowie der
N. thoracicus longus, der auf dem M. serratus anterior nach Bestimmte Risikofaktoren sind typisch für die Entwick-
kaudal zieht und diesen motorisch innerviert. Präparation lung eines Mammakarzinoms:
und Durchtrennung der von der V. axillaris abgehenden 4 familiäre Belastung (Mammakarzinom bei Mutter
Äste. Dorsal davon wird das thorakodorsale Gefäß-Ner- oder Schwester),
ven-Bündel aufgesucht, angeschlungen und geschont. 4 bösartige Erkrankung in der eigenen Anamnese, Zu-
stand nach Mammakarzinom,
Aufteilung des Brustdrüsenkörpers 4 Nichtgebärende bzw. Spätgebärende (>35. Lebens-
Der Brustdrüsenkörper kann zur genaueren Beschreibung jahr),
eines tumorösen Geschehens in 4 Quadranten und die 4 frühe erste Periode (<12. Lebensjahr), späte letzte Pe-
Brustwarze eingeteilt werden. Mammakarzinome treten riode (>52. Lebensjahr),
mit unterschiedlicher Häufigkeit in diesen Quadranten 4 genetischer Faktor (BRCA-Gene: etwa 5–10% aller
auf, am häufigsten oben außen gefolgt von oben innen, der Brustkrebsfälle sind auf vererbbare Mutationen in
Brustwarzenregion und zuletzt unten innen. einem der beiden Gene BRCA1 oder BRCA2 zurück-
zuführen),
Risikofaktoren für Mammakarzinom 4 Alter >50 Jahre,
Das Mammakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor 4 Übergewicht,
der Frau und betrifft etwa jede 10. Frau in Deutschland. 4 Mastopathie III. Grades.
420 Kapitel 8 · Gynäkologie

Symptome Zytologie
Jeder Knoten in der Brust ist abklärungsbedürftig. Häu- Ein Zellabstrich von Mamillensekret kann den Nachweis
figster Tumor der Mamma ist das gutartige Fibroadenom. von bösartigen Zellen erbringen. Sekret kann auch durch
Bestimmte Symptome können Hinweise auf das Vorliegen Feinnadelpunktion gewonnen werden.
eines bösartigen Mammatumors geben:
4 Einziehung der Haut, einseitige Mamilleneinziehung, Stanzbiopsie
4 Verdickung der Haut: Apfelsinenhaut (»peau Hierbei wird unter sonographischer Kontrolle nach einer
d’orange«), kleinen Hautinzision ein Tumor gezielt durch eine Hoch-
4 Mamillensekretion, v. a. blutige, geschwindigkeitsnadel biopsiert. Die Stanzbiopsie dient
4 Hautulkus oder Rötung der Haut, der diagnostischen Abklärung, um einerseits eine bessere
4 neu aufgetretene Größen- und Formungleichheit der OP-Planung mit der Patientin zu erzielen, andererseits
Mammae, der Patientin während der Operation verlängerte Narko-
4 Unverschieblichkeit eines Knotens unter der Haut sen durch das Warten auf das Schnellschnittergebnis zu
oder auf der Faszie. ersparen.

Markierung des Wächterlymphknotens


8.8.2 Diagnostische Möglichkeiten (»sentinel node«)
Der Wächterlymphknoten ist der erste Lymphknoten im
8 Wichtigste Grundlage aller Mammadiagnostik ist die re- Lymphabfluss eines Mammakarzinoms mit der höchsten
gelmäßige durch die Frau selbst durchgeführte Tastunter- Wahrscheinlichkeit für einen metastatischen Befall. Bei
suchung. Zusätzlich können die folgenden Untersu- kleinem Mammakarzinom kann die selektive Entfernung
chungen, entweder als Basisdiagnostik oder als Abklä- des Wächterlymphknotens ausreichend sein. Hierzu muss
rungsmöglichkeit eines schon erhobenen Befundes, der Lymphknoten vor der Operation radioaktiv markiert
durchgeführt werden. werden. Dazu wird eine radioaktive Substanz (99Techneti-
um, Tc 99) unter die Haut der betroffenen Brust (z. B. un-
Mammographie ter die Brustwarze) injiziert. Diese reichert sich im Wäch-
Röntgenuntersuchung der Brustdrüse. Empfohlen wird terlymphknoten an, sodass dieser bei der Operation mittels
eine Basismammographie zwischen dem 30. und 35. Le- Gammakamera identifiziert werden kann. Zusätzlich kann
bensjahr und auf jeden Fall zur Abklärung eines Tastbe- auf die gleiche Weise auch eine Farbmarkierung des
fundes. Bestimmte Kriterien sind hier malignitätsverdäch- Lymphknotens mit Patentblau erfolgen. Der so markierte
tig (z. B. Mikrokalk, sternförmige Verdichtungen). Mam- Wächterlymphknoten kann dann mit nur kleinem Haut-
mographisch verdächtige Bezirke, die sonst nicht sichtbar schnitt entfernt werden.
sind, können präoperativ mammographisch drahtnadel-
! Bei Einsatz von radioaktivem Technetium müssen
markiert werden, sodass eine operative Auffindung mög-
alle Histologiegefäße zusätzlich mit einem Aufkle-
lich wird. (Das entnommene Präparat kann dann noch-
ber der Nuklearmedizin gekennzeichnet werden.
mals geröntgt werden, um zu zeigen, dass die verdächtigen
Bezirke wirklich enthalten sind). Es erfolgt eine Schnellschnittuntersuchung. Ist der Lymph-
knoten frei von Tumorzellen, kann auf eine axilläre Lymph-
Sonographie adenektomie verzichtet werden. Ist er befallen oder das
Ergänzung der Mammographie mit Unterscheidungsmög- Mammakarzinom zu groß, muss die axilläre Lymphknoten-
lichkeit zwischen soliden und zystischen Prozessen. Auch entfernung erfolgen. Besonderheiten:
hier sind einige Phänomene malignitätsverdächtig (un- 4 In seltenen Fällen gibt es mehr als einen Wächter-
scharfe Tumorbegrenzung, durchblutete Binnenstruktu- lymphknoten.
ren etc.). Nicht palpable Tumoren, die aber sonographisch 4 Manchmal kann kein Wächterlymphknoten markiert
sichtbar sind, können, zur besseren Auffindung, direkt werden.
präoperativ unter sonographischer Kontrolle mit einem
Draht markiert werden. Am Ende der Operation muss ein Messprotokoll der Radio-
aktivität ausgefüllt werden:
Galaktographie Wenn die Patientin (die eigentlich radioaktive Quelle)
Bei pathologischer Sekretion aus der Mamille wird radio- den Saal verlassen hat, werden mit einem Geigerzähler fol-
logisch eine Milchgangdarstellung mit Kontrastmittel vor- gende Positionen auf Strahlung kontrolliert:
genommen. Das Kontrastmittel wird in den Milchgang 4 der Fußboden der Einleitung, des OP-Saales und der
injiziert. Ausleitung,
8.8 · Mammachirurgie
421 8
4 Wäsche- und Müllsäcke,
4 das OP-Instrumentarium.

Sollte sich die noch vorhandene Strahlung nicht im Norm-


bereich befinden, muss die Nuklearmedizin informiert
werden, und es erfolgt eine gesonderte Entsorgung aller
Materialien.

8.8.3 Operationen

Durch die Vielzahl der möglichen Mammaoperationen,


insbesondere aus dem plastischen Bereich, kann an dieser
Stelle nur auf einige wenige, häufig angewendete OP-For-
men näher eingegangen werden. Ziel der Tumoroperati-
onen ist es, den betreffenden Bezirk komplett zu entfernen,
d. h. bei bösartigen Befunden unter Einhaltung eines Si-
cherheitsabstandes im gesunden Gewebe. Zu unterschei-
den sind:
4 brusterhaltende Mammaoperationen (Tumorektomie,
Quadrantektomie) und
4 ablative Mammaoperationen (subkutane Mastekto-
mie, modifizierte radikale Mastektomie). . Abb. 8.47 Empfohlene Schnittführung zur kompletten Entfer-
nung des befallenen Gewebeareals entlang der Langer-Linien. (Nach
Ablative Mammaoperationen sind z. B. indiziert bei meh- Diedrich et al. 2007)
reren Karzinomherden der Brust, bei zu großem Karzi-
nomherd, bei ausgedehnter Tumorausbreitung über die
Lymphbahnen. Bei bösartigen Befunden erfolgt zusätzlich durchzuführende Nachresektionen und das Einhalten
die Entfernung axillärer Lymphknoten (Axilladissektion) des Sicherheitsabstandes technisch schwierig werden.
oder bei kleinem Tumor die Entfernung des Wächterlymph- 4 Zirkuläre Schnittführung:
knotens (s. oben). Hierbei wird oberhalb des Tumors ein bogenförmiger
Hautschnitt angelegt, bei bösartigen hautnahen Tu-
kInstrumentarium moren unter Mitnahme einer Hautspindel. Kosme-
4 Grundinstrumentarium, tisch ist dieser Zugang in den oberen Quadranten zu
4 gefensterte Organfasszangen, empfehlen.
4 Hautstift, 4 Radiäre Schnittführung:
4 monopolare Elektrokoagulationselektrode, Rechtwinklig zum Mamillenrand angelegter Haut-
4 evtl. bipolare Pinzette, schnitt. Kosmetisch ist diese Schnittführung in den
4 Drainagen. unteren Quadranten der Brust günstig.
4 Submammärer Bogenschnitt:
kLagerung Kosmetisch günstiger Zugang über die Submammär-
Rückenlagerung der Patientin auf dem OP-Tisch (7 Ab- falte zu Tumoren in den unteren Quadranten der
schn. 8.3.1 und 7 Abschn. 1.2). Brust.
4 Querovalärer Hautschnitt:
kSchnittführungen Hierbei wird ein querer bis leicht schräger spindelför-
Der Zugangsweg richtet sich nach Größe, Lokalisation und miger Hautschnitt vom Sternum bis zur vorderen
Dignität (Gut- oder Bösartigkeit) des zu operierenden Tu- Achsellinie, unter Einschluss der Mamille, angelegt.
mors (. Abb. 8.47). Dies ist der typische Zugang bei Mastektomie.
4 Periareolärer Bogenschnitt:
Hierbei wird die Hautinzision bogenförmig am Über-
gang Warzenhof/Haut geführt. Er ist für gutartige
mamillennahe Tumoren geeignet. Bei bösartigen Tu-
moren kann sich das Problem ergeben, dass evtl.
422 Kapitel 8 · Gynäkologie

Tumorektomie (Lumpektomie, »wide excision«) 7 Die versorgenden Gefäße werden entweder un-
7 Hautinzision mit dem Skalpell je nach Lokalisati- terbunden oder koaguliert.
on, Größe und Dignität des Tumors. 7 Von diesem Zugang ausgehend beginnt die Axil-
7 Mobilisation des Drüsenkörpers mit der Präparati- ladissektion (s. unten).
onsschere dicht unter der Haut, ohne diese selbst 7 Einlegen von Wunddrainagen (z. B. Redon-Draina-
zu verletzen (postoperative Durchblutungsstörun- gen 10 Charr) in das Mastektomiegebiet und die
gen möglich). Axilla.
7 Präparation in alle Richtungen. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit.
7 Unter Tastkontrolle wird der Tumor mit einem Si- 7 Zählen von Instrumenten und Textilien und Doku-
cherheitsabstand segmentförmig mit dem Skal- mentation des Zählstandes.
pell oder der Schere entfernt. Auf ein »Anklem- 7 Subkutannaht und fortlaufende Intrakutannaht.
men« des Tumors sollte verzichtet werden. 7 Verband mit Wundpflastern und einem Wickelver-
7 Bei tiefem Tumorsitz wird die Fascia pectoralis band mit einer großen Mammabinde und evtl.
dieses Bereichs mit entfernt. Schaumstoff.
7 Fadenmarkierung des Präparates (3 Markie-
rungen) zur Orientierung für den Pathologen. Die
Schnellschnittuntersuchung soll die Entfernung
des Tumorrandes zum Gesunden sicherstellen. Je Axilläre Lymphadenektomie
8 nach Aussage des Pathologen ist evtl. eine 7 Zugang entweder direkt über die Mastektomie-
Nachresektion erforderlich. wunde oder über einen separaten bogenförmigen
7 Ausgiebige Blutstillung. Hautschnitt ca. 2 cm dorsal des M. pectoralis ma-
7 Einlegen einer Wunddrainage. jor über ca. 6 cm Länge mit dem Skalpell (bei Tu-
7 Zählen und Dokumentation von Instrumenten morektomie muss zuvor das Mammawundgebiet
und Textilien. mit einem Tuch abgedeckt werden, die Hand-
7 Rekonstruktion des Restdrüsenkörpers durch Ein- schuhe müssen gewechselt werden).
zelknopfnähte der Stärke 3–0, mit Orientierung an 7 Eröffnung des subkutanen Fettgewebes und Dar-
stellung des Randes des M. pectoralis major. Die-
der gesunden Brust.
ser wird vom Assistenten mit dem Haken nach
7 Verschluss von Subkutis und der Haut durch eine
medial gezogen.
Intrakutannaht.
7 Aufsuchen der V. axillaris durch vorsichtiges Sprei-
7 Bei einem bösartigen Befund folgt nun die Axilla- zen mit der Präparationsschere.
dissektion über einen gesonderten axillären Zu- 7 Lymph- und Blutgefäße werden monopolar koa-
gang nach Handschuhwechsel. guliert oder mit Titanclips verschlossen.
7 Ein sicher gutartiger Tumor kann auch ohne Ein- 7 En-bloc-Resektion des axillären Lymphfettgewe-
haltung eines Sicherheitsabstandes tumornah bes lateral an der V. axillaris beginnend und auf
ausgeschält werden. der Faszie des M. latissimus dorsi nach dorsokau-
dal präparierend.
7 Möglich ist auch das Entfernen der Lymphknoten
des Levels I (. Abb. 8.46) mittels gefensterter Or-
Totale Mastektomie ganfasszangen, z. B. Ovarfasszange; dabei werden
die thorakodorsalen Gefäß-Nerven-Bündel und
7 Spindelförmige Umschneidung der Haut unter
der N. thoracicus longus dargestellt.
Einschluss der Mamille mit dem Skalpell.
7 Wenn möglich, sollten auch die Nn. intercostobra-
7 Präparation der Haut und des direkt anliegenden chiales erhalten werden, die quer durch die Axilla
Subkutangewebes mit der Präparierschere oder verlaufen und die Innenhaut des Oberarms sensi-
dem Skalpell nach medial bis zum Sternum, nach bel versorgen.
kranial bis fast zur Klavikula und nach kaudal bis 7 Nach Anheben des M. pectoralis minor können nun
zum Ansatz des M. rectus abdominis. Es muss so auch die Lymphknoten des Level II präpariert und
viel Subkutangewebe erhalten bleiben, dass eine mit dem Gesamtpräparat entfernt werden. Nicht un-
Versorgung der Haut gewährleistet ist. bedingt notwendig ist die Entfernung der Lymph-
7 Entfernung des Drüsenkörpers unter Mitnahme knoten des Levels III, die durch kräftiges Anheben
der Pektoralisfaszie mit dem Skalpell. Dies ge- des M. pectoralis minor erreicht werden können.
schieht parallel zur Muskelfaserverlaufsrichtung 7 Blutstillung und Einlage einer Wunddrainage.
von medial/kranial nach lateral/kaudal; hier wird 7 Zählen und Dokumentation von Instrumenten
das Gewebe abgesetzt. und Textilien.
6 7 Wundverschluss, Verband.
9

Urologie
B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn, D. Oppermann, A. Haese, A. Baumgarten,
S. Bröker

9.1 Anatomische Grundlagen – 424

9.2 Spezielles urologisches Instrumentarium – 428

9.3 Transurethrale und perkutane Eingriffe – 431

9.4 Äußeres Genitale – 445

9.5 Prostata – 456

9.6 Blase – 467

9.7 Harnleiter – 470

9.8 Harninkontinenz der Frau – 478

9.9 Blasen-Scheiden-Fisteln – 480

9.10 Harninkontinenz des Mannes – 481

9.11 Harnröhrenplastik – 484

9.12 Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken – 487

9.13 Nierentransplantation (NTX) – 493

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_9,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
424 Kapitel 9 · Urologie

Das Fach der Urologie beschäftigt sich mit den harnablei- Niere (Ren)
tenden Organen sowie den männlichen Geschlechtsor- Die Nieren liegen retroperitoneal, seitlich der Wirbelsäule:
ganen. 4 der obere Nierenpol in Höhe des 11. und 12. Brust-
wirbelkörpers,
4 der untere Nierenpol in Höhe des 2. und 3. Lenden-
9.1 Anatomische Grundlagen wirbelkörpers.

B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn In der Regel werden die Nieren von der 12. Rippe über-
kreuzt. Die rechte Niere liegt unterhalb der Leber und so-
. Abb. 9.1 und . Abb. 9.2 zeigen Übersichtsbilder des mit weiter kaudal als die linke Niere, die unterhalb der Milz
männlichen und weiblichen Urogenitalapparates ein- liegt. Die Niere hat die Form einer Bohne, es gibt eine Vor-
schließlich ihrer embryonalen Entwicklung. derseite (Facies anterior) und eine Hinterseite (Facies pos-
terior), die flacher ausgebildet ist. Die Nebenniere sitzt
dem oberen Pol auf. Die mediale Einstülpung der Niere
9.1.1 Harnapparat heißt Hilus renalis (. Abb. 9.3).

Die Nieren sind die Organe der Harnbereitung. Nierenbe- jNierenhilus (Hilus renalis)
cken, Nierenkelchsystem, Harnleiter, Blase und Harnröhre Im Nierenstiel befinden sich die zu- und ableitenden Blut-
dienen dem Transport und der Speicherung des Urins. gefäße der Niere sowie das Nierenbeckenkelchsystem.

. Abb. 9.1 Entwicklung des männlichen Urogenitalapparates (ge- . Abb. 9.2 Entwicklung des weiblichen Urogenitalapparates (ge-
rastert: zugrunde gehende Teile; gestrichelt: Lage vor dem Herunter- rastert: zugrunde gehende Teile; gestrichelt: Lage vor dem Deszen-
wandern der Keimdrüsen. (Nach Hofstetter u. Eisenberger 1986) sus). (Nach Hofstetter u. Eisenberger 1986)
9.1 · Anatomische Grundlagen
425 9
Nierenaufbau
Von außen nach innen (. Abb. 9.4):
4 Gerota-Faszie, sie umgibt die Niere selbst und die
Nierenfettkapsel.
4 Fettkapsel (Capsula adiposa).
4 Faserkapsel (Capsula fibrosa) des Nierenparen-
chyms.
4 Nierenparenchym, gebildet aus Rinde (Cortex renis)
und Mark (Medulla renis).
Das Mark besteht zumeist aus 14 Pyramiden, die all-
seitig von Rinde umgeben sind, sodass das Paren-
chym bis an die Nierenkelche heranreicht. Die Pyra-
midenspitzen ragen in die Kelche hinein und enden
dort als Papille. In dieser sind die Sammelrohre ent-
. Abb. 9.3 Ventralansicht der rechten Niere. Das Nierenbecken befin- halten, die wiederum mit ihrer Spitze in das Kelchsys-
det sich hinter dem Gefäßstiel und ist somit operativ gut zugänglich tem und danach in das Nierenbecken münden.
4 Nierenbecken (Pelvis). Als Beginn der harnablei-
tenden Wege münden hier die Nierenkelche, das Nie-
renbecken verjüngt sich zunehmend und geht in den
Harnleiter über.
4 Harnleiter (Ureter).
Der Harnleiter ist ein röhrenförmiges, ca. 30 cm
langes Hohlorgan. Seine Wand besteht aus einer äu-
ßeren und einer inneren Längsmuskelschicht sowie
einer ringförmigen Mittelschicht. Er ist mit Schleim-
haut ausgekleidet. Glatte Muskulatur und Eigeninner-
vation machen den Urintransport möglich. Mit peris-
taltischen Bewegungen wird der Urin in die Blase
transportiert.

Drei physiologische Engstellen bilden Prädilektionsstellen


für Konkrementobstruktionen (Steineinklemmungen):
4 Ureterabgang aus dem Nierenbecken.
4 bei der Überkreuzung der Iliakalgefäße.
4 Einmündung in die Harnblase.

Hinter der Blase wird der Harnleiter beim Mann vom Sa-
menleiter (Ductus deferens), bei der Frau von der A. uteri-
. Abb. 9.4 Längsschnitt durch die Niere. (Nach Schiebler et al. 2003)
na gekreuzt.
Die Ureteren ziehen von hinten in die Blase ein. Sie
4 Die Nierenarterie (A. renalis) entspringt der Bauch- verlaufen dort noch etwa 4 cm schräg in der Blasenwand,
aorta und teilt sich im Hilusbereich in 2 Äste auf. Häu- bevor sie spitzwinklig im Blasenboden münden. Die Ein-
fig gibt es abweichende Äste (aberrierende Gefäße), mündungsstellen, die Ostien, sind 2 Eckpunkte des Trigo-
die in den oberen oder unteren Nierenpol einmünden. num vesicae.
4 Die Nierenvene (V. renalis); beide Vv. renales mün-
den in die V. cava. Da die linke Nierenvene den Weg Harnblase (Vesica urinaria)
über die Aortenvorderwand zur V. cava nimmt, ist sie Die Harnblase sammelt den Urin zwischen den willkür-
etwas länger als die rechte Nierenvene. lichen Harnentleerungen. Sie liegt subperitoneal im klei-
4 Das Nierenbeckenkelchsystem, mit meist 7 Kelch- nen Becken hinter der Symphyse. Nur gefüllt ragt sie über
paaren. die Symphysenoberkante hinaus und schiebt so das Perito-
4 Der Harnleiter (Ureter) tritt hinter den Gefäßen aus neum nach oben (. Abb. 9.5). Ein suprapubischer Blasen-
und liegt meist außerhalb des Hilus. Er bildet die Ver- katheter sollte aus diesem Grund nur bei gefüllter Blase
längerung des Nierenbeckens. (200–300 ml) gelegt werden.
426 Kapitel 9 · Urologie

9
. Abb. 9.5 Männliche Harnblase in der Frontalebene aufgeschnit-
ten. Schraffiert: Hinter der Harnblase liegende Samenleiter und Sa-
menblasen. Die Pfeile im Bereich des Trigonum vesicae zeigen den
Verlauf der Öffnungs- (links) und Verschlussmuskeln (rechts) für die . Abb. 9.6 Schnitt durch die männliche Harnblase und den Penis.
Harnleiter an. (Nach Schiebler et al. 2003) (Nach Schiebler et al. 2003)

Aufbau 4 Wird verschlossen durch Fasern des äußeren Schließ-


4 Die Blase besteht aus einer Muskelschicht (Tunica muskels (M. sphincter urethrae externum) sowie
muscularis), die mit Schleimhaut (Urothel) ausgeklei- durch Venengeflechte, die die Schleimhaut gegen-
det ist. einander drücken.
4 Das Blasendach hat einen Scheitel (Vertex), von des-
sen Mitte eine mediane Bauchfellfalte, die das Lig. jMännliche Urethra
umbilicale enthält, zum Nabel zieht. Dies ist der Sie ist ca. 20 cm lang und zieht von der Blase (Ostium
Überrest des embryonalen Urachus. urethrae internum) bis zur Glans penis (Ostium urethrae
4 Rechte und linke Seitenwand. externum; . Abb. 9.6). Die Harnröhre besteht aus 5 Ab-
4 Blasenhinterwand. schnitten:
4 Blasengrund (Blasenboden mit dem Trigonum vesi- 4 Ostium urethrae internum; mit dem M. sphincter
cae und den beiden Ostien). urethrae internum.
4 Pars prostatica; der Abschnitt zwischen Ostium ureth-
jTrigonum vesicae rae internum und M. sphincter externus ist etwa 3–
Ein in Form eines Dreiecks am Blasenboden liegendes 4 cm lang. Am Ende der Pars prostatica befindet sich
Feld, das im Gegensatz zur übrigen Schleimhaut keine Fal- an der Urethrahinterwand der Colliculus seminalis
ten hat und sich nicht verschieben lässt. An dessen Eck- (Samenhügel), an dessen Seiten die Prostataausfüh-
punkten münden die beiden Harnleiter sowie nach kaudal rungsgänge und die Samenleiter münden. Hier treffen
die Harnröhre (Ostium urethrae internum). Harn- und Samenwege zusammen, sodass die Urethra
Der Blasenhals bezeichnet den Übergang von der Bla- auch als Harnsamenröhre bezeichnet werden kann.
se in die Harnröhre. 4 Pars membranacea; dieser Abschnitt wird vom
M. sphincter urethrae externum umschlossen und ist
Harnröhre (Urethra) etwa 1 cm lang. In diesem Bereich tritt die Urethra
jWeibliche Urethra durch das Diaphragma urogenitale, welches zusam-
4 Länge ca. 3–4 cm men mit dem M. levator ani den muskulären Ver-
4 Verläuft vor der Vagina und mündet im Scheidenvorhof. schluss des Beckenbodens bildet.
9.1 · Anatomische Grundlagen
427 9
4 Pars spongiosa; verläuft im Corpus spongiosum
(Harnröhrenschwellkörper des Penis) und ist ca.
20 cm lang.
4 Ostium urethrae externum.

9.1.2 Männlicher Urogenitaltrakt

Hoden (Testis)
Aufgabe: Produktion von Spermien und dem männlichen
Hormon Testosteron. Die Hoden liegen außerhalb der
Bauchhöhle im Hodensack (Skrotum), da die Innentempe-
ratur des Körpers für die Produktion funktionstüchtiger
Samenzellen zu hoch wäre.

Aufbau
4 Tunica albuginea: Bindegewebige Kapsel des Hoden-
parenchyms (. Abb. 9.7).
4 Hodenparenchym: Besteht aus den Hodenläppchen . Abb. 9.7 Hoden mit Nebenhoden. Die Ductuli efferentes leiten
(Lobulus testis), den Hodenkanälchen sowie den die Spermien aus dem Hoden in den Nebenhoden
Leydig-Zwischenzellen, die zwischen den Kanäl-
chen liegen und das Testosteron bilden. Im Hoden-
hilus sammeln sich die Hodenkanälchen zu einem liculus seminalis münden. Der Ductus ejaculatoris wird
Kanälchensystem (Rete testis). Dort beginnen während der Ejakulation stark komprimiert, um das Eja-
die ableitenden Samenwege (Ductuli efferentes; kulat zu beschleunigen.
. Abb. 9.7).
Hodensack (Scrotum)
Nebenhoden (Epididymis) Das Skrotum umgibt die Hoden und die unteren Anteile
Der Nebenhoden liegt dem Hoden auf und ist teilweise mit des Samenstrangs. Die beiden Hoden sind durch eine feine
der Hodenhinterwand verwachsen. Er besteht aus dem bindegewebige Zwischenwand voneinander getrennt.
breiteren Nebenhodenkopf (Caput epididymidis), dem
Nebenhodenkörper und dem schlanken Nebenhoden- Akzessorische Geschlechtsdrüsen
schwanz, der über den Nebenhodengang (Ductus epididy- Aufgabe: Produktion eines alkalischen, fruktosehaltigen
midis) zum Samenleiter (Ductus deferens) wird. Gefäße Sekrets, das die Beweglichkeit der Spermien positiv beein-
und die Hodenausführungsgänge münden in den Neben- flusst.
hoden und gelangen über den Nebenhodengang (Ductus
epididymidis) in den Samenleiter. Der Nebenhoden dient jSamenblase (Vesicula seminalis)
als Speicher- und Reifungsorgan. Sie liegt hinter der Blase am Blasengrund, seitlich der Am-
pulla ductus deferentis. Der Ausführungsgang mündet
Samenleiter (Ductus deferens) distal der Ampulle in den Ductus deferens.
Aufgabe: Aktiver Transport der Samenzellen.
Der Samenleiter verläuft hinter dem Nebenhoden auf- jProstata (Vorsteherdrüse)
wärts in den Samenstrang und zieht weiter in den Leisten- Ein kastaniengroßes, prall-elastisches, von Muskelfasern
kanal. Der Samenstrang wird gebildet aus Nerven, der durchzogenes Drüsenorgan, das in jeweils einen rechten
A. testicularis, dem Plexus pampiniformis (Venengeflecht), und linken Lappen unterteilt ist. Die Prostata umgibt die
Lymphgefäßen und dem Ductus deferens. Die Umhüllung Urethra unterhalb des Ostium urethrae internum bis hin
des Samenstrangs bilden der M. cremaster und Bindege- zum Colliculus seminalis (Pars prostatica der Harnröhre).
webe. Vom inneren Leistenring aus zieht der Samenleiter Ihre Basis liegt am Blasengrund, die Spitze (Apex) zeigt
an der Blasenhinterwand zum Blasengrund, wo er den zum Diaphragma urogenitale. Hinten liegt sie dem Rek-
Ureter überkreuzt. Dorsal der Prostata erweitert er sich zur tum an, getrennt durch die Denonvillier-Faszie.
Ampulla ductus deferentis, hinter der der Ausführungsgang Der Apex prostatae ist der kaudale Anteil der Prostata,
der Samenbläschen mündet. Gemeinsam treten sie als nahe dem Beckenboden gelegen. Die Prostata wird in
Ductus ejaculatoris durch die Prostata, wo sie auf dem Col- 3 Zonen unterteilt:
428 Kapitel 9 · Urologie

4 Periphere Zone: Sie liegt zum Rektum und zum Apex


prostatae hin. Bei jüngeren Männern umfassen ca.
75% der Prostata diesen Bereich.
4 Zentrale Zone: Unter dem Trigonum der Blase.
4 Transitionalzone: Der Innenbereich der Prostata, er
umgreift die Urethra.

Die Ausführungsgänge der Prostata (Ductus prostatici)


münden seitlich des Colliculus seminalis. Das Prostata-
sekret ist dünnflüssig, alkalisch und wird während der Eja-
kulation den Spermien beigemischt. Es wirkt bewegungs-
auslösend und schützt durch das alkalische Sekret die Sa-
menzellen vor dem sauren Scheidenmilieu.
Die gutartige Prostatahyperplasie (BPH) entsteht häu-
fig in der Transitionalzone. Das Prostatakarzinom hinge-
gen entsteht typischerweise in der peripheren Zone und ist
daher möglicherweise mit dem Finger bei der rektalen Un-
tersuchung zu tasten!

jCowper-Drüsen (Glandula bulbourethralis)


9 Sie sind paarig im Diaphragma urogenitale angelegt. Ihre
Ausführungsgänge münden in den Anfangsbereich des
Harnröhrenschwellkörpers (Bulbus penis). Vor der Ejaku-
lation sondern sie ein Sekret ab, das den pH-Wert der . Abb. 9.8 Schwellkörper des Penis. (Nach Hofstetter u. Eisenber-
ger 1986)
Harnreste neutralisiert und die Eichel befeuchtet. Sie sind
von geringer klinischer Bedeutung.

Penis 5 Gewährleistet die Durchgängigkeit der Harn-/Sa-


Aufgaben: Harnentleerung und Spermaübertragung. menröhre.
5 Vom Penisschwellkörper getrennte Blutversorgung
Aufbau (ist bei der Behandlung einer krankhaften Dauer-
Hauptbestandteile sind die beiden Penisschwellkörper versteifung (Priapismus) nützlich).
(Corpus cavernosum) sowie der Harnröhrenschwellkörper
(Corpus spongiosum). Sie werden von der Fascia penis Die Haut liegt der Fascia penis locker auf und bildet im
und der Haut umschlossen (. Abb. 9.8). vorderen Abschnitt eine Hautduplikatur, die als Vorhaut
4 Penisschwellkörper (Corpora cavernosa penis): (Präputium) bezeichnet wird, die die Eichel wie eine Hülle
5 Paarig angelegt, entspringen sie an den Schambein- bedeckt. Die Glans penis hat an der Unterseite eine Furche
ästen. mit einem Bändchen, dem Frenulum, das sie mit der Vor-
5 Hier vereinigen sie sich an der Peniswurzel und um- haut verbindet.
schließen seitlich und an der Oberseite den Harn-
röhrenschwellkörper bis zur Glans penis.
5 Sie sind von einer derben, kaum dehnbaren Tunica 9.2 Spezielles urologisches
albuginea umgeben und bewirken die Versteifung Instrumentarium
des Penis.
4 Harnröhrenschwellkörper (Corpus spongiosum): 9.2.1 Spezielle Instrumente für
5 Unpaarig, komprimierbar durch eine zarte dehn- offene Operationen
bare Tunica albuginea.
5 Verläuft in der unteren Längsfurche der Penis- 4 Codman-Rahmen (Bookwalter) (. Abb. 4.28).
schwellkörper und umschließt die Harnröhre. 4 Finochietto-Rippensperrer (. Abb. 4.27).
5 Das proximale Ende wird als Bulbus penis (Zwiebel) 4 Balfour-Sperrer (. Abb. 4.26).
bezeichnet. 4 Nierenstielklemme nach Guyon (. Abb. 9.9).
5 Das distale Ende liegt in der Glans penis (Eichel). 4 Blasenhaken (. Abb. 9.10).
5 Nimmt kaum an der Versteifung des Penis teil. 4 Kaderspatel (. Abb. 9.11).
9.2 · Spezielles urologisches Instrumentarium
429 9

9.9 9.10 9.11

. Abb. 9.9 Nierenklemme nach Guyon. (Fa. Aesculap AG)


. Abb. 9.10 Wundhaken nach Kirsch (Blasenhaken). (Fa. Aescu-
lap AG)
. Abb. 9.11 Kaderspatel (Beispiel: Fa. Aesculap). (Aus Archiv Bun-
deswehrkrankenhaus Hamburg)
9.12 . Abb. 9.12 Nierensteinzange nach Randall. (Fa. Aesculap AG)

4 Nierensteinfasszange (. Abb. 9.12). 4 PVC (Polyvinylchlorid): Hartes Material, eignet sich als
4 lange Lidhaken. Stent, es lagern sich allerdings rasch Fibrinbeläge an.
4 Allis-Klemmen (7 Kap. 2). 4 Silikon: Gewebefreundlich, große Wärme- und Was-
4 Lungenspatel nach Allis. serbeständigkeit, eignet sich v. a. bei längerer Verweil-
dauer im Körper.

9.2.2 Katheter und Schienen Die Katheter unterscheiden sich in Form und Beschaffen-
heit der Katheterspitzen (. Abb. 9.13). Die gängigsten fin-
Katheter und Schienen werden aus unterschiedlichen Ma- den hier Erwähnung:
terialien gefertigt: 4 Nélaton: Runde geschlossene Spitze, keine Krüm-
4 Latex: Ist elastisch und gleichzeitig hart, ruft mung, 2 oder 4 gegenüberliegende Augen, Anwen-
häufig Gewebereaktionen und vermehrt Allergien dung bei Frauen und Männern, meist als transure-
hervor. thraler Katheter.
430 Kapitel 9 · Urologie

. Abb. 9.14 Katheterspitze nach Couvelaire, Flötenspitz. (Fa. Rüsch)

. Abb. 9.13 Katheterspitzen: von oben nach unten: Tiemann-Ka-


theter, Nélaton-Katheter, Dufour-Katheter, Stirnlochkatheter, Neo-
blasenkatheter, längsgerillter Harnröhrenkatheter. (Aus Archiv Bun- . Abb. 9.15 Suprapubischer Katheter (Beispiel: Fa. Braun). (Aus Ar-
deswehrkrankenhaus Hamburg) chiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)

9 4 Tiemann: Konisch zulaufende geschlossene Spitze, mit größerem Blockungsvolumen als ein herkömm-
leicht gebogen, meist nur ein Auge, häufig zur Ein- licher Verweilkatheter. Außerdem ist die Wand des
malkatheterisierung ohne Blockung, wird in aller Re- Katheters verstärkt, damit sie beim Aspirieren von
gel bei Männern angewendet. Koageln mit einer Blasenspritze nicht kollabiert.
4 Couvelaire: Vorn offene Flötenspitze, seitliche große Tamponadekatheter können bei der transurethralen
Augen, häufig zum Ausspülen von Koageln (. Abb. Einlage mit einem Führungsstab leichter eingeführt
9.14). werden.
4 Dufour: Ähnlich geformt wie ein Tiemann-Katheter,
! Die Stärke von Kathetern und Schienen wird
jedoch vorn offene Flötenspitze und zwei seitliche
in Charrière (Charr) angegeben, wobei 1 Charr
Augen (. Abb. 9.15).
=1/3 mm Außendurchmesser entspricht.
4 Neo-Blasenkatheter: Stirnlochkatheter, die Strecke
vor dem Ballon ist länger und hat große Augen damit Als ideales Füllmedium zum Blocken des Ballons ist Gly-
der Schleim besser ablaufen kann. cerollösung geeignet. Hierbei handelt es sich um mit Gly-
4 Stirnlochkatheter: Mit zwei oder mehreren versetzten cerin versetztes steriles Wasser; diese Lösung hat größere
Augen, und vorn offen z. B. als suprapubische Ablei- Moleküle als reines Wasser und erschwert so die Diffusion
tung. der Blockflüssigkeit aus dem Katheter. Bei den häufig an-
4 Längsgerillter Blasenkatheter mit Nélaton Spitze: nach gewendeten Silikonkathetern geschieht das schneller als
Harnröhrenplastiken, verhindert durch verbesserten bei Latexkathetern und ist dann problematisch, wenn Ka-
Sekretabfluss ein Verkleben mit der Schleimhaut. theter einen kleinen Blockballon haben (z. B. Nephrosto-
miekatheter oder Okklusionskatheter, die im Harnleiter zu
Zudem werden Blasenkatheter unterschieden in: liegen kommen).
4 Einfache Katheter ohne Blockung zur Einmalkathete- Ureterkatheter (UK) und Schienen (J-, Doppel-J- bzw.
risierung. Pigtail-Katheter=Schweineschwänzchen; . Abb. 9.16) be-
4 Doppelläufige Katheter mit Blockung als Verweilka- stehen meist aus Silikon. Häufig sind sie mit einer hydro-
theter. philen Beschichtung versehen, die das Einführen er-
4 Suprapubische Katheter mit und ohne Blockung leichtert, v. a. bei Harnleiterengen durch Tumoren, Steno-
(. Abb. 9.15). sen, Steine oder anatomische Gegebenheiten.
4 Dreiläufige Katheter als Tamponadekatheter, auch UK und Schienen besitzen einen Mandrin zur Stre-
bezeichnet als Dauerspül-/Hämaturiekatheter. Die- ckung, ein oder mehrere Augen über eine gewisse Strecke,
ser Katheter findet Anwendung nach transurethra- eine Zentimetergraduierung und eine Röntgenmarkie-
len Operationen oder bei Blutungen in der Blase. rung. Die Spitze eines UK kann geschlossen oder offen,
Er besitzt einen Kanal zur Harnableitung, einen sepa- gerade oder leicht gebogen sein. Doppel-J-Schienen wer-
raten Spülzugang und den dritten Lauf zum Blocken den mit oder ohne Faden (der dann z. B. an einem lie-
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
431 9

. Abb. 9.16 Ureterkatheter. (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus . Abb. 9.17 Einläufiges Resektoskop mit Trokar (von oben nach un-
Hamburg) ten: Halbschaft, Trokar, Sauger, Resektionsschlitten, einläufiges Re-
sektoskop). (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)

genden transurethralen Katheter befestigt werden kann)


oder mit einem Antirefluxkörbchen geliefert. Außerdem
kommen Stents, die im Bereich des Harnleiters verdickt
sind, und Okklusionskatheter, die im Harnleiter geblockt
werden können, zur Anwendung. Sie alle dienen als »in-
nere Schiene«, d. h. sie gewährleisten den Abfluss von
Urin aus der Niere in die Blase. Mono-J-Schienen dienen
häufig der perkutanen Harnableitung, z. B. beim Ileum-
konduit.
Nephrostomiekatheter, auch Nierenfistel genannt
(»Nifi«), liegen mit ihrem Pigtail im Nierenbecken und
werden perkutan ausgeleitet (Einlage 7 Abschn. 9.3.8). Nie-
. Abb. 9.18 Doppelläufiges Resektoskop mit Resektionsschlitten.
renfisteln werden mit Blockung geliefert. Sie sollten grund- (Aus Archiv Bundeswehrkrankenhaus Hamburg)
sätzlich zur Sicherung an der Haut festgenäht werden.
Zur Entfernung von Steinen und Fremdkörpern stehen
verschiedene Fasszangen (. Abb. 9.12) und Körbchen zur Diese Eingriffe werden häufig in Spinalanästhesie
Verfügung. Es gibt diese in starrer und flexibler Ausferti- durchgeführt, deshalb ist hinsichtlich der Lagerung in Stein-
gung sowie in verschiedenen Größen. Als Einführhilfe für schnittlage u. a. die Intimsphäre der Patienten zu beachten.
die unterschiedlichen Schienen gibt es Führungsdrähte,
zumeist hydrophil beschichtet, z. B. Terumo-Draht, Lun-
derquist-Draht (7 Kap. 4). 9.3.1 Instrumente

Blasenspritze, Zystoskop, Resektoskop ein- und doppelläu-


9.3 Transurethrale und perkutane Eingriffe fig mit Trokar (. Abb. 9.17 . Abb. 9.18), unterschiedliche
Resektionsschlingen (. Abb. 9.19), Urethrotom nach Sach-
Die endoskopische Urologie erfordert ein umfassendes se (. Abb. 9.20), Ureterorenoskop (7 Abschn. 9.3.4), Otis-
Wissen über die verschiedenen Katheter, Schienen und Urethrotom (. Abb. 9.21), Steinpunch (. Abb. 9.22), Ne-
Stents. Das OP-Pflegepersonal muss die Zerlegung wie phroskop (7 Abschn. 9.3.9), Steinfasszange (. Abb. 9.12),
auch die Zusammensetzung der Instrumente schnell und Körbchen, PE-Zangen, Terumo- und Lunderquist-Draht.
korrekt durchführen können, wenn die Instrumente in
zerlegtem Zustand sterilisiert werden. Es ist wünschens-
wert, diese Eingriffe mit speziellen OP-Tischen, an denen 9.3.2 Transurethrale Resektion der Prostata
ein Ablaufsieb angebracht werden kann, in einem OP-Saal (TUR-P)
mit Bodenablauf durchführen zu können. Außerdem muss
eine Vorrichtung zum Hochziehen der Kanister vorhanden Die TUR = transurethrale Resektion ist das älteste minimal-
sein, die ca. 60 cm über Patientenniveau angebracht wer- invasive chirurgische Verfahren und gilt als Standardthera-
den sollen. pie bei Vorliegen einer BPH mit Adenomen, die nicht größer
432 Kapitel 9 · Urologie

b c d

9 e f g

. Abb. 9.19 Modernes Resektionsinstrument (a) mit verschiedenen h »Mähschlinge« für TUR-B an der Blasenhinterwand, i Resektoskop
Schlingenformen: b Resektionsschlinge, c Hakensonde, d Rollenson- mit Biopsiezange, j Maul der Biopsiezange. (Nach Hofmann 2009)
de, e Kerbsonde, f breite Schlinge, g breite Schlinge für TUR-P,

als 80 g sind. Auch vorhandene Blasensteine können auf zunehmender Blasenfüllung der Druck (und damit die Ge-
diesem Weg mittels eines Steinpunches entfernt werden. fahr der Einschwemmung) erhöht. Alternativ kann mit dem
Die Ausschälung bzw. Abhobelung erfolgt mittels eines einläufigen Resektoskop und einem suprapubisch in der
Resektoskops, das über einen Kanal für die Optik sowie Blase platzierten Trokar zur Absaugung eine »Niederdruck-
über einen Arbeitskanal verfügt. Als Spülflüssigkeit wird resektion« durchgeführt werden. Dieses Verfahren darf
wegen der Anwendung der HF-Chirurgie eine hypotone nicht bei vorhandenen Blasentumoren gewählt werden.
salzfreie Zuckerlösung, z. B. Purisole, verwendet. Die neu-
eren bipolaren Resektoskope funktionieren mit physiolo- jDiagnostik
gischer NaCl-Lösung. Damit können Komplikationen wie 4 Übliche Labordiagnostik.
das TUR-Syndrom (s. unten) vermieden werden. 4 PSA (prostataspezifisches Antigen zur Differenzial-
Bei der Hochdruckresektion wird mit dem doppelläu- diagnose des Prostatakarzinoms).
figen Resektoskop gearbeitet, wo sich wiederkehrend bei 4 Uroflowmetrie.
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
433 9

9.20

9.21

9.22

. Abb. 9.20 Urethrotom nach Sachse zur Harnröhrenschlitzung un- . Abb. 9.22 Steinpunch zur Sichtlithotrypsie von Blasensteinen.
ter Sicht. (Fa. Storz) (Nach Hohenfellner u. Zingg 1983, mit frdl. Genehmigung von
. Abb. 9.21 Otis-Urethrotom zur »blinden« Harnröhrenschlitzung. Fa. Storz)
(Fa. Storz)

4 Sonographie. 4 Kaltlichtkabel.
4 TRUS (transrektaler Ultraschall). 4 Optiken (0°, 12° und 70°).
4 einläufiges Dauerspülresektoskop (inkl. Stromkabel,
kIndikationen verschiedene Resektionsschlingen, Kugelelektroden
4 Kleine bis mittelgroße Adenome. zum Koagulieren, Hakensonde).
4 Blasensteine. 4 Pinzette, Schere.
4 rezidivierender Harnverhalt bei BPH. 4 Trokar.
4 Überlaufinkontinenz. 4 steriler Kamerabezug.
4 Blasenspritze zum Ausspülen der Resektionsspäne
kPrinzip (mit Konnektor für das Resektoskop).
Entfernen von Prostatagewebe mit Hilfe eines in die Harn- 4 große Metallschüssel für warme physiologische NaCl-
röhre eingeführten Resektionsinstruments mit einer hoch- Lösung.
frequenzführenden Schlinge unter Sichtkontrolle. 4 Spül-Kompressions-Katheter (3-Wege-Dauerkathe-
ter) 22 Charr.
kInstrumentarium 4 bei Bedarf Ablaufsystem mit einem Pumpball, um
4 Gleitmittel. postoperativ manuell Koagel zu entfernen.
4 Stichskalpell. 4 Spülsystem.
4 lange Kanüle. 4 Katheterverschlussstopfen.
4 Zu- und Ableitungssystem. 4 Stirnlochkatheter 14 Charr (zur suprapubischen Einlage).
434 Kapitel 9 · Urologie

7 Dabei werden die Harnröhre, die prostatische


Harnröhre und der Blasenauslass inspiziert.
7 Wechsel auf die »Übersichtsoptik« (70°) und In-
spektion der Blase, der Ostien (entleert sich klarer
Urin?), der Seitenwände sowie des Blasendachs.
7 Zeigt sich ein Blasentumor, wird dieser transure-
thral entfernt (7 Abschn. 9.3.3, TUR-B) und zur
histologischen Untersuchung eingeschickt.
7 Die Resektion der Prostata wird dann nicht mit
dem Trokar ausgeführt, sondern mit dem doppel-
läufigen Resektoskop (. Abb. 9.24).
7 Bei vorhandenen Blasensteinen werden diese zu-
nächst mit dem Steinpunch, alternativ mit Laser
(7 Abschn. 9.3.4) zerkleinert und danach ausge-
spült.
. Abb. 9.23 Steinschnittlage mit Vakuummatte und Beinhaltern 7 Nach Auffüllung der Blase wird von außen unter
mit Einhandbedienung. (Nach Krettek u. Aschemann 2005) Sicht eine lange Kanüle in die Blase gestochen.
Entleert sich über die Kanüle Flüssigkeit, wird an
der Einstichstelle eine Stichinzision mit dem Skal-
9 4 20-ml-Spritzen zum Blocken der Katheter. pell durchgeführt, der Trokar in die Blase einge-
4 Glycerollösung. bracht und daran die Absaugung befestigt.
4 Sieb zum Auffangen der »Prostataspäne«. 7 Die Blase wird entleert und der Transporteur mit
4 diverse 10-l-Kanister mit vorgewärmter Spüllösung. der Resektionsschlinge über das liegende Resek-
4 MIC-Turm mit Monitor, Lichtquelle, HF-Gerät, En- toskop in die Blase eingeführt.
doskopkamera und evtl. Drucker für intraoperative 7 Jetzt erst wird das Stromkabel des HF-Gerätes mit
Fotodokumentation (7 Kap. 2). (Theoretisch ist auch dem Resektoskop verbunden und von der Über-
die Direktsichtresektion ohne Videoübertragung sichts- auf die Geradeaus-Optik gewechselt. Die
möglich.) Einstellungen des HF-Gerätes sollten program-
miert und standardisiert sein.
kLagerung 7 Der exakte Resektionsbeginn wird notiert, um im
4 Steinschnittlage (. Abb. 9.23) weiteren Verlauf die Gefahr eines TUR-Syndroms
4 Anlegen der Neutralelektrode am (rasierten) Ober- besser einschätzen zu können.
schenkel des Patienten. 7 Die Resektion wird unter Sicht durchgeführt, be-
ginnend am Mittellappen, nach Blutstillung mit-
tels Schlinge oder Kugelelektrode, weitere Resek-
TUR Prostata (TUR-P) tion parakollikulär.
7 Desinfektion des OP-Gebiets mit einem Schleim- 7 Anschließend Resektion des einen, danach des
hautdesinfektionsmittel. anderen Seitenlappens.
7 Beginn oberhalb des Bauchnabels bis zur halben 7 Eine zwischenzeitliche Blutstillung ist je nach Blu-
Oberschenkelhöhe einschließlich der Anusregion. tungsintensität indiziert.
7 Anbringen des Ablaufsiebs am OP-Tisch mit 7 Während der gesamten Resektion ist darauf zu
einem Ablaufkanal in den Boden. achten, dass die Prostatakapsel und die umlie-
7 Sterile Abdeckung des OP-Gebiets. gende Muskulatur nicht verletzt werden.
7 Anschluss des Kaltlichtkabels, der Zu- und Ablauf- 7 Abschließend erfolgt die Resektion apikal unter
systeme, Beziehen der Endoskopkamera mit einem Schonung des M. sphincter externus.
sterilen Klarsichtbezug und Anschluss an die Optik. 7 Blutstillung mit der Kugelelektrode.
7 Entlüften des Spülsystems. 7 Ausspülen sämtlicher Resektionsspäne mit der Bla-
7 Instillieren eines Gleitmittels in die Urethra und senspritze. Die Späne werden in einem Sieb gesam-
Einführen des Resektoskops mit der Optik (0°/12°) melt, gewogen und zur histologischen Untersu-
unter Sicht bis in die Blase. chung gegeben. Das Gewicht gibt dem Operateur
6 6
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
435 9

Hinweise auf die Größe der produzierten Prostata-


loge, falls der Katheter dort geblockt werden soll.
7 Über den liegenden Halbschaft des Trokars Einlage
des Stirnlochkatheters und Blockung mit entspre-
chender Menge Glycerollösung. Anschluss des Spül-
systems. Die Spülung erfolgt zunächst im Schuss, um
der Bildung von Blutkoageln optimal vorzubeugen.
7 Danach Instillieren eines Gleitmittels in die Ure-
thra und Einlage des 3-Wege-Dauerspülkatheters
in die Blase, zur weiteren Blutstillung wird dieser
in der Prostataloge oder in der Blase mit Zug zum
Blasenhals hin mit bis zu 60 ml geblockt.
7 Anschluss des Ablaufsystems mit Pumpball und . Abb. 9.24 Schematische Darstellung der transurethralen Prosta-
taresektion. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
Verschluss des zweiten Zugangs des Katheters mit
einem Stopfen.
7 Versorgen der suprapubischen Kathetereintrittstel- kInstrumentarium
le mit einem Kompressen-Salben-Verband. Entfer- Siehe TUR-P (7 Abschn. 9.3.2). Abweichend:
nen der Patientenabdeckung und des Ablaufsiebs. 4 doppelläufiges Resektoskop, ggf. etwas kleinerer Spül-
7 Anbringen der Beinteile des OP-Tisches und vorsich- Kompressionskatheter mit 20 Charr.
tiges Entlagern des Patienten aus der Steinschnittla- 4 Kein Trokar!
gerung in die Rückenlage mit geraden Beinen.
kLagerung
Siehe TUR-P (7 Abschn. 9.3.2).

9.3.3 Transurethrale Resektion der Blase


TUR Blase (TUR-B)
(TUR-B)
7 Urethrozystoskopie mit dem Resektoskop wie bei
Der transurethralen Resektion von Blasentumoren liegt der TUR-P (7 Abschn. 9.3.2; hier besonders auf
sowohl eine diagnostische als auch häufig eine therapeu- Urinaustritt aus den Ostien achten, da simultan
tische Indikation zugrunde. Verdächtige Schleimhautbe- auch Tumoren der oberen Harnwege vorhanden
funde und oberflächliche Tumoren werden zur Bestim- sein können).
mung der Infiltrationstiefe und des Differenzierungsgrades 7 Abtragen der Tumoren und Biopsien aus der
abgetragen. Weitere Therapieschritte werden in Abhängig- darunterliegenden Muskulatur der Blase. Die
keit der Ergebnisse der histologischen Untersuchung ge- Resektate werden sofort mit der Blasenspritze
plant. Patienten mit kleinen nichtinvasiven Harnblasentu- ausgespült und unter genauer Lokalisations-
moren sind nach einer TUR-B ausreichend therapiert und angabe zur histologischen Untersuchung ge-
werden regelmäßig mittels Zystoskopie kontrolliert. geben.
7 Bei der Resektion sind die Ostien möglichst zu
jDiagnostik schonen, um eine Striktur mit Harnstauung oder
4 Übliche Laborparameter, einen Reflux in die Nieren zu vermeiden.
4 Zystoskopie, 7 Endgültige Blutstillung mit der Hochfrequenzku-
4 Sonographie der Blase. gelelektrode oder der Schlinge (hier muss der Ab-
lauf wasserklar sein, weil im Gegensatz zur TUR-P
kIndikationen mit der Blockung kaum eine effektive Blutstillung
4 Resektion oberflächlicher Tumoren und/oder ver- erreicht werden kann).
dächtiger Blasenschleimhaut, 7 Entfernen des Resektoskops, Instillieren eines
4 Zur Bestimmung von Histologie mit Infiltrationstiefe Gleitmittels und Einbringen des 3-Wege-Spül-
und Differenzierungsgrad. Kompressionskatheters 20 Charr in die Blase, Blo-
ckung mit 20 ml Glycerollösung.
kPrinzip 7 Anschluss an das Spülsystem und Konnektion mit
Abtragen von Tumorgewebe mittels eines Resektoskops dem Ablaufbeutel.
und einer stromführenden Schlinge.
436 Kapitel 9 · Urologie

TUR-Syndrom
Infolge Einschwemmung der hypotonen Spülflüssigkeit
durch die eröffneten Gefäße in den Blutkreislauf kann es
zu einer Hyperhydratation mit Herz-Kreislauf-Belastung
bis hin zu einer Rechtsherzinsuffizienz kommen. Deshalb
ist es wichtig, die Resektionszeit möglichst kurz zu halten.
Das TUR-Syndrom tritt v. a. bei Patienten mit Spinalanäs-
thesie und während der Aufwachphase bei Patienten mit
Vollnarkose auf.
Symptome des TUR-Syndroms sind Übelkeit, Ver-
wirrtheit, Unruhe und Erbrechen bis hin zum Schock, aku-
tem Nierenversagen und Hirn- und Lungenödem.

9.3.4 Ureterorenoskopie (URS)

Die Ureterorenoskopie ist eine diagnostische wie auch eine


therapeutische Maßnahme. Sie wird z. B. angewendet zur . Abb. 9.25 Flexibles Ureterorenoskop; hier: das 9-Charr-Ureterore-
Sicherung einer Tumorverdachtsdiagnose oder zur Entfer- noskop Wolf 7331 sowie das Handstück des Wolf 7330 (Fa. Wolf )
nung von Harnleitersteinen.
9 Neben den sog. semirigiden (nur gering biegbaren)
Geräten, die relativ weite Arbeitskanäle für Zangen, Dräh- kPrinzip
te, Körbchen oder Lasersonden besitzen, können v. a. zum Die URS wird als primäres Verfahren oder sekundär (nach
Einsehen der unteren und mittleren Kelchgruppe flexible einige Tage/Wochen zuvor eingelegter HL-Schiene) durch-
Ureterorenoskope (URS) eingesetzt werden. Sie sind ähn- geführt. Bei letzterem Vorgehen ist das Einführen des En-
lich den bekannten Endoskopen aus der Gastroenterologie doskops in das Ostium und die Sicht im Harnleiter in aller
gut steuerbar und biegsam. Bei der endoskopischen Stein- Regel besser, da der Harnleiter durch die Schiene reflekto-
therapie gibt es unterschiedliche Verfahren: risch aufgeweitet ist.
4 Elektrohydraulisch (EHL), das entspricht dem Prinzip Nach Einlage eines Sicherheits- und ggf. eines Füh-
der ESWL (Erzeugung akustischer Stoßwellen und fo- rungsdrahts in den Harnleiter wird das URS unter Sicht-
kussierte Abgabe über eine Wasservorlaufstrecke in und Durchleuchtungskontrolle in den Harnleiter einge-
den Körper des Patienten). Dieses Verfahren ist effek- führt. Der Draht kann über ein Zystoskop oder mit dem
tiv auch bei großen Blasensteinen, birgt aber die Ge- URS-Gerät eingeführt werden. Die modernen Ureterore-
fahr einer Harnleiter- bzw. Blasenwandperforation. noskope mit geringem Durchmesser lassen sich in der Re-
Die Sonden sind dünn und flexibel und daher auch gel ohne Dilatation des Ostiums einführen (. Abb. 9.25).
für die flexible URS geeignet. Aufsuchen des Steins/des Tumors, Entfernen mit
4 Unterschiedliche Laser. Ihr Einsatz ist sehr effizient, einem Dormia-Körbchen (. Abb. 9.26), einer Zange
sie haben ein geringeres Risiko einer Harnleiterverlet- (. Abb. 9.27) oder bei Steinen nach Zertrümmerung mit
zung gegenüber der EHL. Die Sonden gibt es in meh- dem Laser (. Abb. 9.28).
reren Durchmessern, sie sind auch für die flexible Bei der flexiblen URS wird eine Ureterschleuse
URS einsetzbar. verwendet. Diese verbleibt während der Operation im
4 Bei der Entfernung kleinerer Steine oder Restfrag- Harnleiter und ermöglicht dadurch wiederholte Endos-
mente kommen Greifzangen oder Körbchen mit ver- koppassagen ohne Traumatisierung von Ostium und
schiedenen Drahtkonfigurationen zum Einsatz. Harnleiter.
Die postoperative Einlage eines DJ-Katheters ist nach
Die URS gilt als effiziente Behandlung bei Harnleiter- und unkomplizierten Eingriffen nicht erforderlich, bei länge-
Nierensteinen, über 90% der Patienten bedürfen nur eines ren OP-Zeiten, ödematösem Steinbett oder bei Harnleiter-
Eingriffs. Komplikationen sind selten, leichte Schleim- perforationen kann die Einlage nötig werden.
hautblutungen sind dabei die häufigsten. Selten kommt es
zu bakteriellen Infektionen des Harntraktes oder zu Ure- jDiagnostik
terperforationen. Diese werden durch temporäre Einlage 4 Übliche Laborparameter,
eines DJ-Katheters behandelt und heilen zumeist folgenlos 4 Urinkultur (Ausschluss eines Harnwegsinfekts),
aus, narbige Strikturen sind selten zu erwarten. 4 Infusionsurogramm.
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
437 9
kPrinzip
Gewinnen von Spülzytologie oder Histologie aus dem
Harnleiter, Entfernen von Steinen über ein semirigides
oder flexibles Ureterorenoskop.

kLagerung
Steinschnittlage, bei Bedarf Absenken des Beins.
Beachtung der Strahlenschutzrichtlinien (7 Abschn. 3.4.2).

kInstrumentarium
4 Ureterorenoskop (URS; . Abb. 9.25),
9.26 4 Lichtkabel,
4 Zulaufsystem und Absaugschlauch,
4 steriler Kamerabezug,
4 NaCl-Spüllösung,
4 evtl. Zystoskop mit Optik (0°, 12° oder 70°),
4 Sterilbezug für C-Bogen,
4 1–2 Terumo-Drähte.

Bei Bedarf:
4 Ureterenkatheter,
4 Kontrastmittel,
4 Laser und Lasersonde,
4 Dormia-Körbchen,
4 Steinfasszange,
9.27 4 DJ-Schiene,
4 Fasszange,
4 Nélaton-Blasenkatheter, Ablaufbeutel und Block-
mittel,
4 diverse Spritzen für Spülzytologie und Alkohol
70%ig.

Technisches Equipment:
4 MIC-Turm mit Lichtquelle, Monitor, Kamera, Dru-
cker,
4 C-Bogen.
9.28
URS
. Abb. 9.26 Abtragung eines gestielten papillären Tumors im obe-
ren Harntrakt mittels Körbchen. Der Tumorgrund muss nach dieser 7 Lagerung, Desinfektion und Abdeckung zunächst
Maßnahme vorzugsweise mit einem Laser nachbehandelt werden. wie bei der TUR.
(Nach Hofmann 2009) 7 Anschluss aller benötigten Geräte an Lichtquelle,
. Abb. 9.27 Zangenbiopsie eines Uretertumors mit einem flexiblen Kamera, Zulauf und Absaugung. Steriles Beziehen
Ureterorenoskop. (Nach Hofmann 2009)
des C-Bogens, dieser wird über den Patienten ge-
. Abb. 9.28 Schema der Abtragung eines gestielten papillären Tu-
mors im oberen Harntrakt mittels Laser. (Nach Hofmann 2009) fahren, um den Verlauf der Harnleiter bis zum Nie-
renbecken darzustellen.
7 Nun gibt es die Möglichkeit, sofort mit dem URS
kIndikationen oder zunächst mit dem Zystoskop in die Blase ein-
4 Harnleitersteine, zugehen.
4 Abklärung einer Makrohämaturie aus dem oberen
Harntrakt,
4 Füllungsdefekte des oberen Harntrakts in der Bildge-
bung.
438 Kapitel 9 · Urologie

Vorgehen mit Zystoskop Vorgehen mit dem URS


7 Instillieren eines Gleitmittels, Einführen des Zysto- 7 Instillieren eines Gleitmittels und Einführen des
skops zunächst mit der 0°-Optik, in der Blase URS in die Blase unter Sicht. Eingehen in das Osti-
Wechsel auf die Übersichtsoptik (70°) und Inspek- um wie oben beschrieben.
tion der Blase und der Ostien. 7 Nach Passage des intramuralen Anteils des Harnlei-
7 Über den Arbeitskanal des Zystoskops wird ein UK ters Vorschieben eines Terumo-Drahtes durch den
in das Ostium eingeführt, der Mandrin des UK Arbeitskanal unter Röntgenkontrolle bis in das Nie-
wird dann ca. 1 cm zurückgezogen, um eine Per- renbecken. Liegt der Draht richtig, wird das URS
foration des Harnleiters zu vermeiden. entfernt, und der Draht bleibt als Sicherung liegen.
7 Liegt der UK sicher im Harnleiter, wird der Mandrin 7 Weiteres Vorgehen wie oben beschrieben.
komplett entfernt und ggf. ein retrogrades Pyelo-
gramm durchgeführt. Über den noch im Zystoskop
liegenden UK wird ein Terumo-Draht unter Röntgen-
kontrolle bis in das Nierenbecken vorgeschoben. Vorgehen bei liegender DJ-Schiene
7 UK und Zystoskop können nun entfernt werden, 7 Instillieren eines Gleitmittels und Einführen des
der Terumo-Draht bleibt als Sicherung im Harnlei- URS in die Blase unter Sicht. Über den Arbeitska-
ter liegen. nal wird eine geeignete Fasszange bis zur DJ-
7 Alle verwendeten Drähte und Schienen müssen Schiene geführt. Diese wird am Ende gefasst, die
angefeuchtet werden, damit sie leicht gleiten! Schiene wird nun vor den Meatus luxiert und dort
9 7 Drähte und Fassinstrumente sind sehr lang, des- festgehalten. Durch das Ende des DJ-Katheters
halb ist Vorsicht geboten hinsichtlich der Konta- wird dann der Terumo-Draht unter Röntgenkont-
mination mit unsterilen Gebieten! rolle bis in das Nierenbecken vorgeschoben (hier
7 Der Draht wird in einer aus Abdeckmaterial gebil- muss anfangs natürlich noch das proximale Ende
deten Falte am Bein des Patienten befestigt, es des DJ im Harnleiter liegen).
darf kein Klebstoff an den Draht gelangen! 7 Die Schiene wird über den liegenden Draht ent-
7 Nun wird auf das URS gewechselt, das am Draht fernt und der Draht selbst, wie oben beschrieben,
vorbei (alternativ über den Draht) unter Sicht in unter sterilen Bedingungen an der OP-Abdeckung
den Harnleiter vorgeschoben wird. Ein Drehen befestigt.
des Endoskopes um 180° kann den Zugang in das 7 Weiteres Vorgehen wie oben.
Ostium erleichtern. Vorschieben unter Sicht und 7 Sollte bei der Manipulation der DJ-Katheter aus
evtl. Röntgenkontrolle bis in das Nierenbecken. dem Harnleiter gezogen werden, ist das direkte
Dabei sollte das Lumen des Harnleiters durch ent- Verfahren anzuwenden.
sprechendes Kippen des URS immer möglichst
zentral eingestellt sein.
7 Bei Bedarf kann die Spülung abgestellt werden
und über diesen Kanal mit Kontrastmittel ein Pye- 9.3.5 Anlage einer suprapubischen
logramm durchgeführt werden, um die physiolo- Harnableitung
gischen Engstellen und/oder Steine darzustellen.
7 Vorliegende Steine können unter Sicht, über den Die Anlage einer suprapubischen Harnableitung hat ge-
Arbeitskanal des URS mit Fasszange oder Dormia- genüber der transurethralen Ableitung den Vorteil, dass
Körbchen entfernt werden. Die Steine werden eine Keimverschleppung in die Harnblase vermindert
entweder mit dem URS zusammen durch die Ure- wird. Außerdem werden Verletzungen der Urethra mit ih-
thra entfernt oder in der Blase abgelegt, von dort ren Folgen, wie z. B. Strikturen, vermieden.
werden sie abschließend ausgespült oder mit
dem Urin ausgeschieden. jDiagnostik
7 Bei sehr großen Steinen empfiehlt es sich, diese Übliche Laborparameter.
mit dem Laser zu zertrümmern und zu entfernen.
7 Abschließend nochmaliges Vorschieben des URS kIndikationen
bis in das Nierenbecken und Inspektion des Harn- 4 Harnentleerungsstörungen mit hohen Restharnmengen,
leiters auf Läsionen, ggf. Einlage eines DJ-Katheters. 4 hochgradige Harninkontinenz,
7 Einbringen eines Dauerkatheters. 4 im Rahmen von operativen/intensivmedizinischen
Maßnahmen.
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
439 9
kKontraindikation
Harnblasenkarzinom, da eine rasche Tumorinfiltration und baren geflochtenen Faden an der Bauchdecke an-
Exulzeration entlang der Katheteraustrittstelle möglich ist. genäht.
7 Der Katheter wird mit dem Ablaufsystem verbun-
kPrinzip den und die Einstichstelle mit einem Salben-Kom-
Dauerhafte Harnableitung. Ableitung des Urins über einen pressen-Verband versorgt.
Katheter, der durch die Bauchdecke in die Blase eingelegt 7 Der transurethrale Katheter wird entblockt und
wird. aus der Blase entfernt.

kInstrumentarium
4 Nélaton-Blasenkatheter 16 Charr,
4 10-ml-Spritze zum Blocken, 9.3.6 Einlage einer Doppel-J-Schiene
4 Gleitmittel,
4 Blasenspritze, Die Indikationsbreite zur Einlage einer Harnleiterschiene
4 Schüssel mit steriler NaCl-Lösung, ist groß und beinhaltet diagnostische sowie therapeutische
4 suprapubisches Katheterset (. Abb. 9.15) mit (12 und Indikationen. Eine retrograde Darstellung der ableitenden
14 Charr) und ohne (10 Charr) Ballon, Harnwege mittels Kontrastmittel unter Bildwandlerkont-
4 Glycerollösung zum Blocken, rolle ist üblich, ggf. wird auf das Röntgen verzichtet, z. B.
4 ggf. ein geflochtener atraumatischer Faden der Stär- bei schwangeren Frauen mit Harnstauung.
ke 0 zur Fixation an der Haut, Anhand der Körpergröße des Patienten und ggf. eines
4 lange Kanüle, Röntgenbildes wird die Schienenlänge ermittelt. Sie beträgt
4 Stichskalpell, in der Regel beim Erwachsenen 24–30 cm, der Durchmes-
4 Kompressen, ser beträgt zwischen 4 und 10 Charr. Zumeist werden beid-
4 ggf. Sonographiegerät zur Verbesserung der Orientie- seits zentral offene Doppel-J-Schienen (DJ) verwendet. Der
rung, dann steriler Schallkopfbezug. Patient ist durch den DJ nicht in seiner Mobilität einge-
schränkt. Der Eingriff kann sowohl in Lokalanästhesie als
kLagerung auch in Vollnarkose durchgeführt werden.
Rückenlage mit abgespreizten Beinen oder Steinschnittlage.
jDiagnostik
4 Übliche Laborparameter (Nierenwerte, Entzündungs-
Suprapubische Harnableitung
parameter),
7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbe- 4 Röntgenbild,
reichs, steriles Abdecken des OP-Gebiets. Instillie- 4 Anamnese (kolikartige Schmerzen?),
ren des Gleitmittels in die Urethra und Einlegen 4 Sonographie der Harnblase.
des Nélaton-Blasenkatheters, der mit 10 ml NaCl
geblockt wird. Auffüllen der Blase mittels Blasen- kIndikationen
spritze und 200 ml steriler NaCl-Lösung. Harnstauung der ableitenden Harnwege, z. B.:
7 Handschuhwechsel. 4 Obstruktionen im Rahmen von Konkrementen im
7 Punktion der Blase mit einer langen Kanüle in der Harnleiter,
Mitte der Bauchdecke ca. 2 Querfinger oberhalb 4 Tumoren im kleinen Becken, die den Harnleiter kom-
des Schambeins (alternativ Nutzung der Ultra- primieren.
schallortung), abtropfender Urin aus der Kanüle
zeigt die richtige Position der Nadelspitze. kPrinzip
7 Stichinzision an der Punktionsstelle und Entfernen Harnableitung zwischen Niere und Blase über eine Schiene
der Kanüle. mit einem Lumen.
7 Der Katheter wird über die Hohlnadel des Sys-
tems, die in Längsrichtung zwei gegenüberlie- kInstrumentarium
gende Sollbruchstellen hat, bis zur Markierung in 4 Zystoskop,
die Blase eingebracht. 4 Optiken,
7 Die Hohlnadel wird gebrochen und entfernt, der 4 Kaltlichtkabel,
Katheter geblockt oder mit einem nicht resorbier- 4 Ureterenkatheter (UK) (. Abb. 9.29),
6 4 Gleitmittel (evtl. mit Lokalanästhetikum, bei Eingriff
in Lokalanästhesie),
440 Kapitel 9 · Urologie

7 Jetzt kann über den liegenden Ureterkatheter


Kontrastmittel eingebracht werden, um mit Hilfe
des Bildwandlers den Harnleiter bis in das Nieren-
becken darzustellen.
7 Über den UK wird nun der Terumo-Draht mit der
flexiblen Spitze bis in das Nierenbecken vorge-
schoben und der UK entfernt.
7 Über den Draht wird eine ausgewählte DJ-Schiene
in Seldinger-Technik (7 Kap. 4) unter Röntgen-
Kontrolle bis in das Nierenbecken hochgeschoben.
7 Liegt die Schiene im Nierenbecken, wird der Draht
zurückgezogen, bis sich das kraniale Ende des DJ
im Nierenbecken zum ersten »J« einrollt.
. Abb. 9.29 Ureterenkatheter. (Nach Hautmann u. Huland 2006) 7 Dies kann manchmal auch durch Drehen der
Schiene, evtl. mit dem Pusher (Vorschieber) er-
reicht werden.
4 Kontrastmittel, 7 Wenn der DJ korrekt im Nierenbecken liegt, wird
4 DJ-Schiene, der Terumo-Draht entfernt.
4 steriler Bezug für die Kamera, 7 Unter zystoskopischer und radiologischer Kontrol-
9 4 steriler Bezug für den C-Bogen, le wird nun das kaudale Ende mit dem Pusher in
4 MIC-Turm mit Monitor, Lichtquelle, Kameraeinheit, der Harnblase abgeworfen (hier liegt das zweite J,
4 Spülsystem mit Anschluss für das Zystoskop und daher der Name Doppel-J).
Adapter für Spüllösung, 7 Durch langsames Entfernen des Zystoskops vom
4 Absaugschlauch, Ostium unter gleichzeitigem Vorschieben des Pu-
4 evtl. Nélaton-Blasenkatheter mit Ablaufbeutel, shers kann diese Manipulation erleichtert werden.
4 Beutel mit steriler NaCl-Lösung, 7 Entfernen des Zystoskops aus der Urethra.
4 Bereitstellung des Bildwandlers. 7 Bei Bedarf (bei infizierten Harnstauungsnieren
muss eine drucklose Ableitung erfolgen!) kann ein
kLagerung Nélaton-Blasenkatheter für 1–2 Tage eingelegt
Steinschnittlage unter Beachtung der Strahlenschutzricht- werden.
linien.

Einlage einer Doppel-J-Schiene


9.3.7 Urethrotomie nach Otis/Sachse
7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbe-
reichs und steriles Abdecken des OP-Gebiets. Der Strikturen entstehen u. a. infolge transurethraler Eingriffe
steril bezogene C-Bogen wird über den Patienten wie Katheterismus, Zystoskopien und Resektionen. Auch
gefahren. traumatische Ursachen nach Beckenfrakturen sind be-
7 Die Kamera, Lichtkabel sowie der Zu- und Ablauf kannt. (Bis zur Einführung der Antibiotikatherapie der
werden am Zystoskopschaft konnektiert. Gonorrhö waren über 70% der Strikturen postentzünd-
7 Nach dem Instillieren des Gleitmittels wird das licher Natur). Grundsätzlich gilt, dass nur urodynamisch
Zystoskop über die Urethra mit der 0°-Optik ein- wirksame Strikturen der Behandlung bedürfen. Die Strik-
geführt. In der Blase erfolgt der Wechsel auf die tur wird mit einem kontrollierten Längsschnitt, in der Re-
70°-Optik zur Zystoskopie. Nach der Identifikation gel bei 12 Uhr SSL, erweitert. Diese längliche Inzision
des entsprechenden Harnleiterostiums wird über epithelialisiert rasch in einer nur gering stenosierenden
den Arbeitskanal des Zystoskops unter Sicht ein Narbe.
zentral offener Ureterkatheter mit Führungsdraht
ca. 1 cm in das Ostium eingeführt. jDiagnostik
7 Der UK wird nun ein Stück weiter in den Harnleiter 4 Anamnese,
vorgeschoben und der Mandrin vorsichtig entfernt. 4 Harnstrahlmessung,
6 4 retrogrades Urethrozystogramm (RUG oder UCG),
4 Sonographie des Abdomen,
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
441 9
4 Miktionszyturetrogramm (MCU),
4 Urethroskopie mit der 0°-Optik. Otis-Urethrotomie (Urethrotomia interna)
7 Hautdesinfektion einschließlich der Genitalregion
kIndikationen und steriles Abdecken des OP-Gebiets.
Kurzstreckige Striktur der vorderen Harnröhre (Sachse) 7 Instillieren des Gleitmittels in die Urethra.
bzw. des Meatus oder der distalen Harnröhre (Otis). 7 Das Urethrotom wird in geschlossenem Zustand
vorsichtig über die Striktur geführt.
kPrinzip 7 Liegt die Spitze mit dem Messer proximal der
Erweiterung des Harnröhrenlumens durch einen kontrol- Striktur, wird das Otis-Urethrotom bis auf die ge-
lierten Längsschnitt, in der Regel bei 12 Uhr, ohne Sicht wünschte Weite geöffnet (maximal 30 Charr).
beim Verfahren nach Otis, unter Sicht beim Verfahren 7 Durch Zug am Instrument wird die Harnröhre ge-
nach Sachse. streckt und das Messer an der Striktur platziert.
Die Schnittführung erfolgt durch Ziehen des Mes-
kInstrumentarium sers nach distal bei 12 Uhr.
4 Urethrotom nach Otis (. Abb. 9.20), 7 Ggf. ist eine Wiederholung des Vorgangs erforderlich.
4 Gleitmittel,
4 evtl. Bougies,
4 längsgerillter Harnblasenkatheter, kInstrumentarium
4 Spritze und Blockungsmittel, 4 Urethrotom nach Sachse (. Abb. 9.20; zum Urethro-
4 Ablaufbeutel. tom nach Sachse gehört eine Optik, ein messerfüh-
render Instrumentenkanal sowie ein weiterer Kanal
kLagerung zum Einbringen verschiedener Arbeitssonden, z. B.
Steinschnittlage. Laser),
4 Messer mit und ohne Arbeitskanal,
4 Kaltlichtkabel,
4 0°-Optik,
4 steriler Kamerabezug,
4 Gleitmittel,
4 Zu- und Ablaufsystem mit Ablaufbeutel,
4 Beutel mit steriler Spüllösung,
4 MIC-Turm mit Lichtquelle, Monitor, Kameraeinheit,
a b 4 längsgerillter Harnblasenkatheter,
4 evtl. Laser und sterile Lasersonde.
. Abb. 9.30 Stumpfe Dehnung vs. Urethrotomia interna. Durch die
Bougierung kommt es fast immer zu multiplen Einrissen (a). Durch kLagerung
die Urethrotomia interna entsteht ein scharfer, glattrandiger Schnitt
(b). (Nach Hofmann 2009)
Steinschnittlage.

. Abb. 9.31 Schlitzung der Harnröhrenstriktur im bulbären Bereich durch Urethrotomie. (Nach Hofmann 2009)
442 Kapitel 9 · Urologie

kInstrumentarium
Sachse-Urethrotomie 4 Ultraschallgerät mit Punktionshilfe für den Schall-
7 Hautdesinfektion einschließlich der Genitalregion kopf,
und steriles Abdecken des OP-Gebiets. 4 steriler Bezug für den Schallkopf,
7 Anschließen des Urethrotoms an Lichtquelle, Ka- 4 steriler Bezug für den C-Bogen,
mera, Zu- und Ablauf. 4 2- oder 3-teilige Punktionsnadel,
7 Instillieren des Gleitmittels in die Urethra und 4 Grundinstrumentarium,
Einführen des Sachse-Urethrotoms mit eingezo- 4 Stichskalpell,
genem Messer unter Sicht, bis an die Striktur 4 Kontrastmittel mit Spritze,
heran, und Darstellen der Stenose. 4 Metall- oder Teflon-Bougies (7–30 Charr),
7 Ist dies problemlos möglich, wird die Stenose 4 Lunderquist-Draht,
überwunden und die proximale Harnröhre sowie 4 evtl. Gleitmittel und Blockungsflüssigkeit,
die Blase gespiegelt. 4 Nierenfisteln in verschiedenen Größen, mit und ohne
7 Danach erfolgt die Urethrotomie. Dabei wird das Ballon (Silikonkatheter mit Pigtail-Spitze mit und
Messer proximal der Stenose angesetzt und nach ohne Blockung, mit unterschiedlich positionierten
distal der Schnitt bei 12 Uhr in Längsrichtung »Augen«),
durchgeführt. 4 Ablaufbeutel,
7 Grundsätzlich kann der Schnitt antegrad oder re- 4 Naht zum Fixieren der Fistel (Stärke 0, geflochten,
trograd erfolgen. nicht resorbierbar),
7 Lässt sich die Stenose nicht überwinden, kann 4 Bereitstellung des Bildwandlers.
9 über den Arbeitskanal eine Lasersonde eingeführt
werden. Damit kann die Stenose so erweitert wer- kLagerung
den, dass ein Überwinden mit dem Urethrotom Bauchlage, evtl. auf Röntgenstrahlen durchlässigem Tisch,
möglich ist. evtl. muss der Bauch des Patienten unterpolstert werden
7 Dann Vorgehen wie oben beschrieben. (»Katzenbuckel«).
7 Nach Entfernen aller Geräte und Instrumente wird Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen.
ein längsgerillter Harnblasenkatheter eingelegt und
die Steinschnittlage des Patienten aufgehoben. kZugang
Infrakostal in der hinteren Axillarlinie.

Perkutane Nephrostomie
9.3.8 Perkutane Nephrostomie
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
Die perkutane Nephrostomie ist die röntgenologische bzw. Gebiets.
sonographisch geführte Einlage einer perkutanen Fistel in 7 Positionierung, Anschluss und steriles Beziehen
das Nierenbecken. Dies ist die Alternative zur retrograden des Bildwandlers und des Ultraschallgerätes.
Entlastung einer Harnstauung mittels DJ-Katheter. 7 Punktion des Nierenbeckens mit der Punktionsna-
del unter sonographischer Kontrolle, wenn mög-
kIndikationen lich durch die mittlere oder untere Kelchgruppe.
4 Obstruierender Harnleiterstein, 7 Liegt die Punktionsnadel im Nierenbecken, wird
4 Harnleitertumoren, der Mandrin entfernt.
4 iatrogene Harnleiterstrikturen, 7 Kontrastmittel wird über die Hohlnadel unter Rönt-
4 Kompression des Harnleiters durch Tumoren, genkontrolle in das Nierenbecken eingebracht. Ab-
4 Ableitung infizierter Harnstauungsnieren. laufender Urin aus der Nadel bestätigt nach Mand-
rinentfernung bereits die richtige Lage.
kPrinzip 7 Das Nierenbecken und der Harnleiter stellen sich
Harnableitung mittels eines Fistelkatheters aus dem Nie- dar.
renbecken über die Haut nach außen. Im weiteren Verlauf 7 Ein Lunderquist-Draht mit gekrümmter weicher
kann dann über die liegende Fistel die Diagnostik weiter- Spitze wird über die liegende Hohlnadel in das
geführt werden (antegrades Pyelogramm, Nierendruck- Nierenbecken eingebracht, die Nadel wird
messung). entfernt.
6
9.3 · Transurethrale und perkutane Eingriffe
443 9
4 Sonographie,
7 Über den nun liegenden Draht wird mit immer kräf- 4 Röntgenleeraufnahme,
tiger werdenden Bougies der Punktionskanal erwei- 4 evtl. Nierenszintigraphie,
tert (evtl. ist vorher eine kleine Stichinzision in der 4 evtl. retrograde Ureteropyelographie.
Haut erforderlich, um das Vorschieben zu erleich-
tern), bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist. kPrinzip
7 Die Bougierung sollte immer etwas weiter als die Entfernung bzw. Zertrümmerung von Steinen des Nieren-
gewünschte Fistel sein. beckens über ein Nephroskop.
7 Bei Nierenfisteln mit kräftigem Einlagedraht kann
eine Bougierung entfallen. kIndikationen
7 Nun wird der ausgewählte Fistelkatheter über den 4 Fehlgeschlagene ESWL/URS,
noch liegenden Lunderquist-Draht mit Gleitmittel 4 große Steine der unteren Kelchgruppe (>2 cm),
in das Nierenbecken eingebracht. Unter Röntgen- 4 besondere Steinzusammensetzung (z. B. Zystinsteine)
kontrolle wird der Draht vorsichtig zurückgezo-
gen und kontrolliert, ob sich die Fistel an der ge- kInstrumentarium
wünschten Stelle aufrollt. 4 Zystoskop,
7 Ist dies nicht der Fall, kann der Draht wieder vor- 4 Optiken 0°, 70°,
geschoben und die Position durch Drehen der Fis- 4 Kaltlichtkabel,
tel verändert werden. 4 Zu- und Ablaufsystem,
7 Sobald die Fistel optimal liegt, wird der Draht ent- 4 Beutel mit steriler NaCl-Lösung,
fernt und die Fistel an der Haut doppelt fixiert. 4 sterile Bezüge für Kamera, Bildwandler und das Ul-
7 Eine blockbare Fistel wird mit der entsprechenden traschallgerät,
Menge Glycerollösung geblockt. 4 kleines Grundinstrumentarium,
7 Konnektieren des Ablaufbeutels, Kompressen-Sal- 4 Nephroskop mit integrierter Optik 0° (. Abb. 9.32),
ben-Verband mit Fixierpflaster. 4 Faszienmesser (Korth-Messer; . Abb. 9.33),
7 Entfernen aller Materialien. 4 Stichskalpell,
4 Bougie-Set groß (nach Alken aus Metall oder Kunst-
stoff mit Amplatz-Schaft, bis 30 Charr; . Abb. 9.34),
Bei gestautem Nierenbecken ist die Punktion unproblema- 4 Punktionshilfe für das Sonographiegerät,
tisch. Sollte die Punktion bei nicht gestautem Nierenbe- 4 2- oder 3-teilige Punktionskanüle,
cken nicht gelingen, kann retrograd über einen Ureterka- 4 Ureter- oder Okklusionskatheter,
theter das Kelchsystem mit Kontrastmittel gefüllt werden, 4 Fasszange für das Nephroskop zur Steinentfernung,
damit es sich radiologisch besser darstellt und evtl. aufge- 4 Kontrastmittel mit Spritze,
weitet wird. Zusätzlich kann das Kontrastmittel mit Me- 4 Gleitmittel,
thylenblau versetzt werden. Bei der Punktion entleert sich 4 Nélaton-Blasenkatheter, Verschlussstopfen,
dann gefärbter Urin, der so die richtige Position der Punk- 4 Spritze und Glycerollösung,
tionsnadel anzeigt. 4 Zulaufsystem für Kontrastmittel,
4 Nephrostomiekatheter,
4 Lunderquist-Draht,
9.3.9 Nephroskopie = PNL 4 evtl. Methylenblau,
(perkutane Nephrolithoplaxie) 4 MIC-Turm mit Lichtquelle, Kameraeinheit, Monitor,
4 evtl. Laser, Lasersonde,
Die erste erfolgreiche perkutane Steinentfernung wurde 4 Bereitstellung des Bildwandlers und des Ultraschall-
schon 1941 beschrieben, jedoch erst 1976 hielt die PNL gerätes.
ihren Einzug in die Klinik. Die PNL als gilt als Option zur
Steinentfernung aus dem Nierenbeckenkelchsystem (ne- kLagerung
ben ESWL und URS). Die offene Steinentfernung wurde so Sollte zunächst transurethral eingegangen werden (Schie-
nahezu vollständig abgelöst. neneinlage o. Ä.), zunächst Steinschnittlagerung. Die ei-
gentliche PNL erfolgt in Bauchlage mit aufgewölbter Wir-
jDiagnostik belsäule.
4 Übliche Laborparameter (Gerinnung, Nierenwerte,
Entzündungsparameter),
4 Ausscheidungsurogramm (AUG)
444 Kapitel 9 · Urologie

. Abb. 9.32 Nephroskop. (Nach Hofmann 2009)


a

9 b

. Abb. 9.33 Faszienmesser nach Korth. (Aus Archiv Bundeswehr- . Abb. 9.34 Teleskop-Bougie-Set nach Alken (a). Kunststoff-Bou-
krankenhaus Hamburg) gies mit Amplatz-Schaft (b). (Nach Hofmann 2009)

Perkutane Nephrolithoplaxie (PNL) 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-


7 In Steinschnittlage: Primär wird die aktuelle Stein- Gebiets.
lage über eine Röntgenaufnahme ermittelt. 7 Weiteres Vorgehen zunächst wie bei der Anlage
7 Das Zystoskop wird an Zu- und Ablaufsystem so- einer Nierenfistel (7 Abschn. 9.3.8).
wie an die Lichtquelle angeschlossen, die Kamera 7 Die Punktion direkt auf eine Kelchgruppe und/
steril bezogen. oder den Stein wird röntgenologisch erleichtert
7 Nachdem das Gleitmittel in die Urethra instilliert durch das retrograd aufgefüllte Nierenbecken-
wurde, kann das Zystoskop mit der 0°-Optik in die kelchsystem über den im Harnleiter liegenden
Blase eingeführt werden. UK/Okklusionskatheter.
7 Aufsuchen des entsprechenden Ostiums und Ein- 7 Da die herkömmlichen Nephroskope einen
lage eines Ureter- oder Okklusionskatheters in Durchmesser von 20–26 Charr haben, muss die
den Harnleiter bis in das Nierenbecken, um ein Bougierung bis zur erforderlichen Weite durchge-
Einspülen von Steinfragmenten in den Harnleiter führt werden.
zu verhindern. Der Ureterkatheter wird trans- 7 Über den liegenden Lunderquist-Draht wird das Fas-
urethral ausgeleitet. zienmesser bis kurz vor das Nierenparenchym zur
7 Nach Entfernen aller gebrauchten Instrumente Erweiterung des bougierten Kanals vorgeschoben.
wird ein Nélaton-Blasenkatheter eingelegt und 7 Das Korth-Messer ist sehr scharf, Vorsicht beim
geblockt. Am Katheter wird der UK/Okklusionska- Anreichen!
theter mit einem Faden fixiert, damit er bei der 7 Ein Amplatz-Schaft wird in der Größe, die dem Au-
Umlagerung des Patienten nicht versehentlich ßendurchmesser des Nephroskops entspricht, be-
entfernt wird. Der Katheter wird zum Umlagern lassen. Die Bougies und der Lunderquist-Draht
abgestöpselt. werden entfernt. Das Nephroskop wird an Zu- und
7 Nun wird die Abdeckung entfernt und der Patient Ablauf, Lichtquelle und Kamera angeschlossen
in Bauchlage umgelagert, der Katheter an eine In- und unter Zuhilfenahme von Gleitmittel durch
fusion mit Kontrastmittel angeschlossen. den Schaft in das Nierenhohlsystem eingeführt.
6 6
9.4 · Äußeres Genitale
445 9
kInstrumentarium
7 Das Nierenbeckenkelchsystem wird orientierend 4 Feines Grundinstrumentarium,
inspiziert und der Stein aufgesucht. Dieser kann 4 gerade Schere,
mit einer Fasszange entfernt werden. 4 feines, resorbierbares, geflochtenes Nahtmaterial.
7 Ist der Stein zu groß, kann er mit einer über den
Arbeitskanal eingeführten Lasersonde zerkleinert Zirkumzision
werden, kleinere Fragmente werden abgesaugt Bei Kindern wir dieser Eingriff in der Regel unter Vollnarko-
oder ausgespült. se vorgenommen, seltener mit Lokalanästhesie (7 Kap. 13).
7 Nach der Steinentfernung wird über den Arbeits-
kanal des Nephroskops wieder der Lunderquist-
Draht vorgeschoben, und das Nephroskop sowie Zirkumzision
der Amplatz-Schaft werden entfernt. Dabei ist 7 Fassen und Anspannen des Präputiums oberhalb
darauf zu achten, den Draht nicht herauszuziehen. der Enge mit zwei Mosquitoklemmchen.
7 Ein Nephrostomiekatheter in der Größe des Au- 7 Das äußere Vorhautblatt wird mit dem Skalpell zir-
ßendurchmessers des Nephroskops wird zur Kom- kulär umschnitten und mit Hilfe einer Kompresse
pression des Nierenparenchyms und zur Harnab- oder eines Präpariertupfers zurückgestreift.
leitung eingelegt und mit Kontrastmittel ge- 7 Das äußere Blatt wird dann dorsal mit der gera-
blockt. Die richtige Lage wird röntgenologisch den Schere längs gespalten, mit Mosquitoklemm-
kontrolliert, der Draht entfernt. chen aufgespannt und zirkulär reseziert. Dabei ist
7 Die PCN kann (zur Sicherheit) zusätzlich doppelt das Frenulum möglichst zu schonen.
an der Haut fixiert werden. 7 Das innere Blatt wird bis auf 3–5 mm unterhalb
7 Kompressionsverband. des Sulcus coronarius reseziert.
7 Entfernen aller Geräte und Instrumente. 7 Nach sorgfältiger Blutstillung werden die beiden
7 Umlagern des Patienten. Vorhautblätter durch Einzelknopfnähte oder se-
7 Ob Blasenkatheter und UK entfernt werden kön- mizirkuläre, fortlaufende Nähte miteinander ver-
nen, liegt an der weiteren Therapie. bunden.
7 Kompressenverband mit desinfizierender Salbe.
7 Zur besseren Kompensation von postoperativen
Schmerzen sollte auch nach einer Vollnarkose
9.4 Äußeres Genitale eine Peniswurzelblockade mit 2%-iger Lidocainlö-
sung (ohne Adrenalin) angelegt werden.
9.4.1 Phimose

Definition
Angeborene oder erworbene Verengung der Vorhaut, 9.4.2 Paraphimose
die nicht (absolute Phimose) oder nur schwer (relative
Phimose) über die Glans zurückgezogen werden kann. Definition
Anschwellen der retrahierten Vorhaut hinter der
Glans.
kIndikationen
4 Miktionsstörungen aufgrund der Vorhautverengung,
4 rezidivierende Balanitiden (eitrige Entzündungen un- Es kommt zu einem Venenstau mit ödematöser Schwel-
ter der Vorhaut), lung des Präputiums und der Glans (»spanischer Kra-
4 Paraphimose (7 Abschn. 9.4.2). gen«; . Abb. 9.35), was eine Reposition zunehmend er-
schwert. Dieses Krankheitsbild ist extrem schmerzhaft
kPrinzip und kann bei längerer Dauer zu Nekrosebildung führen
Zirkumzision, als die klassische zirkuläre Resektion der und/oder eitrig infizieren. Diese Diagnose gilt als Notfall-
Vorhaut, oder verschiedene andere OP-Techniken unter indikation.
Belassen eines Teils der Vorhaut.

kLagerung
Rückenlage, Blutstillung erfolgt in der Regel über die bipo-
lare Koagulation.
446 Kapitel 9 · Urologie

9.4.3 Penisteilamputation

kIndikationen
4 Peniskarzinom,
4 distales Urethrakarzinom.

kPrinzip
Teilweises Absetzen des Penis sowie der Urethra.

kLagerung
Rückenlage.
Wird mit monopolarem Strom gearbeitet, wird die Disper-
sionselektrode an einem Oberschenkel platziert.
. Abb. 9.35 Paraphimose

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium,
4 Gummizügel,
4 Dauerkatheter,
4 Nahtmaterial (resorbierbar, geflochten, verschiedene
Stärken: 3–0, 4–0),
9 4 evtl. Kondom.

Penisteilamputation
7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OP-
Gebiets.
7 Der tumortragende Penisanteil wird evtl. mit Hilfe
eines Kondoms oder einer Kompresse mit Tape-
. Abb. 9.36 Manuelle Reposition
Verband abgeklebt, um eine Tumorzellstreuung
durch Manipulation zu vermeiden.
7 Herstellen einer Blutleere durch das Legen eines
Gummizügels um die Peniswurzel.
7 Zirkuläres Umschneiden der Penishaut ca. 2 cm
proximal des Tumors. Durchtrennen der Schwell-
körper.
7 Die Urethra wird ebenfalls durchtrennt und dorsal
inzidiert, die verbleibende Harnröhre sollte den
Schwellkörper um ca. 1 cm überragen.
7 Die Blutgefäße werden ligiert, der Schwellkör-
per umstochen und das entfernte Präparat übli-
cherweise zur Schnellschnittdiagnostik gege-
ben.
. Abb. 9.37 Inzision des Schnürrings
7 Nach Aufhebung der Blutleere erfolgt eine sorg-
fältige Blutstillung.
jTherapie 7 Die Haut des Penisschaftes wird distal über den
Konservativ durch Kühlung mit Eiswasser oder vorsichtige Schwellkörpern vernäht und die längsinzidierte
manuelle Kompression der Schwellung. Gelingt die manu- Harnröhre mit der Haut adaptiert.
elle Reposition (. Abb. 9.36), muss in Folge die Abschwel- 7 Einlage eines Dauerkatheters.
lung abgewartet werden und evtl. später eine Zirkumzision 7 Verband.
durchgeführt werden. Bei Nichtgelingen der Reposition
muss der Schnürring längs dorsal inzidiert werden (. Abb.
9.37). Nach Abschwellen wird in zweiter Sitzung die Zir- Durch die Operation ist der Penis verkürzt, Geschlechts-
kumzision durchgeführt. verkehr ist in aller Regel nicht mehr möglich.
9.4 · Äußeres Genitale
447 9
9.4.4 Penisamputation Nach der Operation ist kein Geschlechtsverkehr mehr
möglich, die Miktion kann nur noch im Sitzen erfolgen.
kIndikationen Durch Narbenbildung kann es zur Einengung des Neome-
Peniskarzinom und Urethrakarzinom. atus urethrae kommen.

kPrinzip
Entfernung des kompletten Penis inkl. der Urethra. 9.4.5 Penisdeviation

kLagerung Definition
Steinschnittlage. Angeborene Krümmung des Penis außerhalb der physio-
Wird mit monopolarem Strom gearbeitet, wird die Disper- logischen Norm (im Gegensatz zur erworbenen Verkrüm-
sionselektrode an einem Oberschenkel platziert. mung, der Induratio penis plastica oder M. Peyronie).

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, kIndikationen
4 Dauerkatheter, 4 Schmerzen beim Geschlechtsverkehr,
4 Nahtmaterial (resorbierbar, geflochten, unterschied- 4 Wunsch des Patienten,
liche Stärken), 4 Operation nach Nesbit.
4 evtl. Easy- flow Drainage,
4 evtl. Kondom, kPrinzip
4 bei Bedarf suprapubischer Katheter. Ellipsenförmige Exzision der Tunica albuginea der Corpo-
ra cavernosa.
Penisamputation kLagerung
7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OP- Rückenlage.
Gebiets. In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer
7 Der tumortragende Penisanteil wird evtl. mittels Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung
eines Kondoms oder eines Kompressen-Tape-Ver- der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel.
bandes abgeklebt, um eine Tumorzellstreuung
durch Manipulation zu vermeiden. kInstrumentarium
7 Zirkuläre Penisschaftinzision, Freipräparieren des
4 Grundinstrumentarium,
Schaftes und Absetzen des Lig. suspensorium.
4 Allis-Klemmen,
7 Die Schwellkörper werden proximal voneinander
4 Gummizügel,
getrennt, die beiden Schwellkörperschenkel wer-
4 Butterfly-Kanüle,
den im bulbären Harnröhrenbereich an ihren Cru-
4 Maßband,
ra mit kräftigen resorbierbaren Nähten abgesetzt.
4 Perfusorspritze,
7 Das Präparat wird zur histologischen Schnell-
4 heparinisierte physiologische Kochsalzlösung,
schnittuntersuchung gegeben.
7 Sorgfältige Blutstillung.
4 Nahtmaterial (monofil, geflochten, resorbierbar und
7 Mobilisation der Urethra. nicht resorbierbar, unterschiedliche Stärken),
7 Perineal wird mit einem Stichskalpell eine Hautin- 4 suprapubischer Katheter.
zision gesetzt.
7 Mit einer Overholt-Klemme wird die Haut von dieser Fotodokumentation prä- und postoperativ.
Inzision bis zur bulbären Absetzungsstelle getunnelt
und die Urethra nach perineal durchgezogen. Spa-
Penisdeviation
tulieren der Harnröhre (Einschneiden in Längsrich-
tung zur Vergrößerung des Lumens) und Bildung 7 Zunächst wird ein suprapubischer Katheter ge-
eines perinealen Urostomas (»Boutonniere«). legt, da postoperativ ein komprimierender Penis-
7 Evtl. Einlage einer Easy-flow-Drainage. verband gewickelt wird, der eine Miktion unmög-
7 Einlage eines Dauerkatheters oder eines suprapu- lich macht.
bischen Katheters. 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
7 Schichtweiser Wundverschluss. Gebiets.
7 Verband. 6
448 Kapitel 9 · Urologie

Nachweis der Samenleiter wird vorgenommen. Zur Siche-


7 Schnittführung zunächst wie bei der Zirkumzision rung der Histologie, z. B. bei evtl. Schadenersatzansprü-
(7 Abschn. 9.4.1). chen bei einem »Misserfolg« der Operation, sollten die
7 Lösen der Hautweichteile zirkulär bis zur Penis- Samenleiterresektate nach Seitenlokalisation getrennt zur
wurzel. pathohistologischen Untersuchung gegeben werden.
7 Sorgfältige Blutstillung mit bipolarer Koagulation.
7 Herstellen einer artifiziellen Erektion mittels hepa- kPrinzip
rinisierter Kochsalzlösung, die über die Butterfly- Durchtrennung und Teilentfernung der Ductus defe-
Kanüle direkt in die Schwellkörper injiziert wird. rentes.
Die Nadel muss optimal fixiert werden, da eine
mehrfache Punktion zur Läsion der Tunica führen kLagerung
kann. Rückenlage oder Steinschnittlagerung.
7 Ventrale und dorsale Messung der Penislänge und Bei benötigter Blutstillung wird die bipolare Koagulation
Dokumentation der Maße. Die Resektionsgröße zum Einsatz kommen.
der Ellipsen richtet sich nach dem Grad der Ab-
weichung. kInstrumentarium
7 Fassen der Tunica albuginea mit einer Allis-Klem- 4 Feines Grundinstrumentarium,
me auf der »konvexen« Seite (gegenüber) der Ver- 4 Lokalanästhetikum.
krümmung.
7 Exzision der Tunica albuginea beidseits um die Al-
9 lis-Klemme herum, der Schwellkörper ist damit er- Vasektomie
öffnet. 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OP-
7 Die Exzisionsstellen werden invertierend mit Einzel- Gebiets.
knopfnähten vernäht, dadurch kommt es zu einer 7 Zugang hochskrotal, unmittelbar in der Nähe der
Begradigung, aber auch zur Verkürzung des Penis. Peniswurzel direkt über dem Samenleiter. Ertasten
7 Um eine glatte Oberfläche zu erhalten, können die und Fixieren des Samenleiters mit zwei Fingern.
Einzelknopfnähte fortlaufend übernäht werden. 7 Die Lokalanästhesie wird entlang des Ductus de-
7 Die Begradigung und der Verschluss der Leckage ferens appliziert.
werden durch eine artifizielle Erektion überprüft 7 Fixieren des Ductus, z. B. mit Hilfe einer scharfen
und fotodokumentiert. Backhaus-Klemme.
7 Entfernen der Butterfly-Kanüle und des Gummizü- 7 Hautinzision längs über dem Ductus deferens.
gels und nochmalige Blutstillung. 7 Fassen des Samenleiters und seiner Hülle mit ei-
7 Zählkontrolle der Textilien und der Instrumente ner chirurgischen Pinzette.
sowie die Dokumentation der Vollzähligkeit. 7 Längsinzision über dem Samenleiter mit dem
7 Schichtweiser Wundverschluss mit abschließend Skalpell.
typischer »Zirkumzisionsnaht« (die Zirkumzision 7 Nachfassen mit der Pinzette und Unterfahren des
verhindert sonst auftretende Lymphabfluss- Stranges mit einem feinen Overholt- oder mit
probleme). einem gebogenen anatomischen Klemmchen.
7 Fotodokumentation des OP-Ergebnisses. 7 Nach Freipräparieren des Samenleiters werden im
7 Anlage eines zirkulären Verbands, der an der Abstand von ca. 2–3 cm zwei Klemmchen gesetzt
Glans angenäht wird. und der Ductus deferens dazwischen reseziert.
7 Einschicken des Präparats zur pathohistolo-
gischen Untersuchung.
7 Bei einer Vasoteilresektion zur Verhinderung einer
9.4.6 Vasektomie Nebenhodenentzündung reicht die einfache Liga-
tur der Samenleiterenden, bei einer Sterilisation
kIndikationen werden die Enden evtl. koaguliert, ligiert, umge-
4 Sterilisation bei abgeschlossener Familienplanung, schlagen und erneut unterbunden. Zusätzlich
4 Verhinderung einer Nebenhodenentzündung. können beide Enden oder nur das abdominale
Ende in die umliegende Muskulatur eingenäht
Die Vasektomie wird im Regelfall in Lokalanästhesie werden.
durchgeführt. Weiterführende diagnostische Maßnahmen 6
sind nicht nötig, lediglich eine klinische Untersuchung mit
9.4 · Äußeres Genitale
449 9
kInstrumentarium
7 Zur Sicherheit kann Bindegewebe zwischen die 4 Feines Grundinstrumentarium,
beiden Enden eingenäht werden. 4 Operationsmikroskop, steriler Bezug für das Mikros-
7 Blutstillung, Naht der Subkutis, Hautnaht. kop,
7 Analoges Vorgehen auf der Gegenseite. 4 Approximator (. Abb. 9.38),
7 Versorgen der Nähte mit Wundpflastern. 4 mikrochirurgische Instrumente (Nadelhalter, Pinzet-
ten – es gelten alle Regeln des Instrumentierens unter
dem Mikroskop; 7 Kap. 10),
4 Spritzen, Venenverweilkanüle,
9.4.7 Vaso-Vasostomie 4 Nahtmaterial (geflochten, monofil, resorbierbar und
nicht resorbierbar in verschiedenen Stärken).
kIndikationen
4 Erneuter Kinderwunsch nach erfolgter Sterilisation.
Vaso-Vasektomie
Die Vaso-Vasostomie wird in Vollnarkose in mikrochirur- 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung.
gischer Vorgehensweise unter dem Operationsmikroskop 7 Steriles Abdecken des OP-Mikroskops und der be-
durchgeführt. Die Erfolgsrate ist hoch, nach 3–12 Monaten reitgestellten Stühle für die Operateure.
sind bei 80–90% der Männer wieder Spermien nachweis- 7 Kleiner Hautschnitt auf dem Skrotum und Hervor-
bar. In den ersten 5 Jahren nach Sterilisation sind die Er- luxieren des Hodens aus dem Skrotum.
folgsaussichten sehr gut, nach 10 Jahren noch gut. 7 Nach Freipräparieren des Samenleiters werden
die beiden Enden »angefrischt«. Durch Massieren
kPrinzip des Nebenhodens wird aus dem distalen Anteil
Reanastomosieren der zuvor bei der Vasektomie (7 Ab- Sekret exprimiert und mit Hilfe einer Spritze (mit
schn. 9.4.6) ligierten Samenleiter. ca. 0,2 ml steriler NaCl-Lösung) aspiriert.
7 Anschließend Mikroskopie zum Nachweis von
kLagerung Spermien. Dies dient dem Nachweis der Durchläs-
Rückenlage. sigkeit des distalen Samenleiters. Indirekt kann
In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer eine orientierende Aussage zur Erfolgsaussicht
Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung getroffen werden.
der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel. 7 Das Lumen des proximalen Samenleiters kann mit
einem monofilen Faden sondiert und auf Durch-
gängigkeit überprüft werden.
7 Nach positivem Spermiennachweis wird der Sa-
menleiter unter dem Mikroskop in zweischichtiger
Nahttechnik mit einem nicht resorbierbaren, mo-
nofilen Faden (6–0 bis 10–0 doppelt armiert) re-
anastomosiert. Sorgfältige Blutstillung, subkutane
Naht, Hautnaht.
7 Analoges Vorgehen auf der Gegenseite.
7 Versorgen der Nähte mit Wundpflaster.

Sollten im hodenseitigen Samenleiterstumpf keine Sper-


mien nachgewiesen werden können, besteht die Möglich-
keit einer direkten Adaptierung des proximalen Stumpfes
mit dem Nebenhoden.

. Abb. 9.38 Spannnungsfreie Adaptation der beiden Enden der Sa-


menleiter zur Reanastomose mittels eines Approximators. (Nach
Nieschlag et al. 2009)
450 Kapitel 9 · Urologie

9.4.8 Hydrozele, Spermatozele kInstrumentarium


4 Grundinstrumente,
Definition 4 Zügel zum Anschlingen des Samenstrangs,
Eine Hydrozele (Wasserbruch) ist eine Füssigkeitsan- 4 bei Bedarf tiefe Haken.
sammlung im Periorchium. Sie kann angeboren oder
erworben sein. kLagerung
Beim Herabsteigen des Hodens in der Fetalzeit Rückenlage.
folgt der Hoden einer Ausstülpung des parietalen Pe- In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer Koa-
ritoneums, dem Processus vaginalis peritonei. Diese gulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung der
physiologische Leistenhernie schließt sich zum Ende neutralen Elektrode an einem Oberschenkel.
der Fetalzeit. Bei Ausbleiben dieser »Verklebung« kön-
nen Hydrozelen (»offener Processus«) unterschied-
Hydrozele, Spermatozele
licher Ausprägung entstehen.
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
Gebiets.
Erworbene Hydrozelen sind meist reaktiver Genese, z. B. 7 Hautschnitt inguinal.
7 Aufsuchen und Anschlingen des Samenstrangs.
nach Entzündungen, Tumoren und Traumata.
7 Vorsichtiges Hervorluxieren des Hodens mit der
Hydrozele aus dem Skrotalfach.
Definition
7 Durchtrennung des Gubernaculum testis.
Spermatozelen sind zystische Erweiterungen, die von
9 7 Feuchte Umlegung für den Hoden bereithalten.
den Samenwegen ausgehen (zumeist am Nebenho-
7 Evtl. Punktion der Hydrozele.
denkopf ) und mit ihnen in Verbindung stehen. Sie ge-
7 Eröffnen der Hydrozelenwand, Exploration und In-
hen häufig ohne Schmerzen einher und werden nur spektion des Hodens.
durch Zufall entdeckt. 7 Anklemmen der Hydrozelenwand mit Klemmchen.

Operatives Vorgehen nur bei Beschwerden oder schwie-


riger Abgrenzung zu Tumoren, da es bei ca. der Hälfte OP nach van Bergmann
der operierten Patienten zu einer Verschlechterung 7 Resektion der Hydrozelenwand bis auf einen
der Ejakulatqualität kommt, was mit einem eventuellen Saum von ca. 0,5–1 cm.
Kinderwunsch kollidiert. Die Patienten sollten dann 7 Sorgfältige Blutstillung.
auf eine mögliche Spermienasservierung hingewiesen 7 Umsäumen der Resektionsränder mit einer fort-
werden. laufenden Naht.
7 Evtl. Einlegen einer Drainage.
jDiagnostik 7 Der Hoden wird wieder in das Skrotalfach zurück-
4 Klinische Untersuchung (Inspektion, Palpation), gelegt.
4 Sonographie. 7 Erneute Kontrolle auf Bluttrockenheit.
7 Zählkontrolle aller OP-Textilien und Instrumente
kIndikationen und Dokumentation des Zählstandes.
4 Angeborene Hydrozelen wegen der Gefahr der Darm- 7 Schichtweiser Wundverschluss.
einklemmung, 7 Wundpflaster.
4 sehr große Befunde, die Beschwerden bereiten.

kPrinzip
OP nach Winkelmann
Freilegen des Hodens, Eröffnung und Resektion der Hy-
7 Das Vorgehen ist identisch bis zur Eröffnung der
drozelenwand zur Verhinderung einer erneuten Flüssig-
Hydrozelenwand, diese wird belassen, umgeschla-
keitsansammlung. Die Hodenfreilegung kann je nach In-
gen und hinter den Nebenhoden gelegt, sodass
dikation mittels skrotalem oder inguinalem Zugang erfol- die Innenfläche der Hydrozelenwand nach außen
gen. Bei der Operation werden die Hodenhüllen eröffnet zu liegen kommt.
und nur umgeschlagen und wieder vernäht (OP nach Win- 7 Adaptation der Wandränder hinter dem Hoden
kelmann), abgetragen (OP nach van Bergmann) oder über durch eine fortlaufende Naht.
den skrotalen Zugang mit der Tunica albuginea des Ho- 7 Weiteres Vorgehen wie oben.
dens verbunden (OP nach Salomon/Lord).
9.4 · Äußeres Genitale
451 9
4 laparoskopische Venenresektion,
OP nach Salomon/Lord 4 mikrochirurgische Venenresektion.
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
Gebiets. Beschrieben werden hier die hohe Ligatur nach Bernardi
7 Über einen kleinen skrotalen Zugang wird die Hy- sowie die antegrade Sklerosierung nach Tauber, die meist
drozelenwand auf ca. 5–7 cm in Höhe des Hodens ambulant durchgeführt wird.
eröffnet.
7 Fixieren der eröffneten Hydrozelenwand am sicht- jDiagnostik
baren Rand der Tunica albuginea des Hodens. 4 Untersuchung des Patienten im Liegen und im Stehen,
7 Sorgfältige Blutstillung. 4 Sonographie des Hodens und des Samenstrangs,
7 Zählkontrolle der Textilien und Instrumente und 4 sonographische Darstellung des Retroperitoneal-
Dokumentation der Vollzähligkeit. raums,
7 Schichtweiser Wundverschluss. 4 Spermiogramm,
7 Wundpflaster bzw. Kompressenverband mit Netz- 4 Dopplersonographie zur Darstellung des venösen Re-
hose. fluxes.

Hohe Ligatur nach Bernardi


kPrinzip
9.4.9 Varikozele Unterbindung/Okklusion der V. testicularis.

Definition kInstrumentarium
Eine Krampfaderbildung im Bereich des aus den Ho- 4 Grundinstrumentarium,
denvenen gebildeten Plexus pampiniformis, einem 4 bei Bedarf längere Instrumente sowie tiefere Haken,
Venengeflecht im Samenstrang. 4 Nahtmaterial (geflochten, monofil, resorbierbar und
nicht resorbierbar).

Sie tritt häufig bei jungen Männern auf und wird unter- kLagerung
schieden in: 4 Rückenlage, evtl. Anti-Trendelenburg-Lagerung (auf
4 Symptomatische Varikozele, hier liegt eine Abfluss- korrekte Fixation des Patienten achten).
behinderung im retroperitonealen Abstromgebiet der 4 Anheben der zu operierenden Seite durch Unterlegen
V. spermatica, z. B. durch einen Tumor, vor. eines Polsters.
4 Idiopatische Varikozele, die durch einen venösen
Reflux der V. spermatica in den Plexus pampinifor- kZugang
mis entsteht. Sie ist in bis zu 90% aller Fälle linkssei- Pararektal oder Wechselschnitt suprainguinal.
tig zu finden, es wird angenommen, dass dies an der
ungünstigen Einstrombahn der linken V. testicularis
Hohe Ligatur nach Bernardi
in die linke V. renalis liegt. Auf der rechten Seite
mündet die Hodenvene auf direktem Weg in die 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
V. cava inferior. Gebiets.
7 Hautschnitt.
kIndikationen 7 Längsdurchtrennung der vorderen Rektusscheide.
4 Durch den Rückstau des Blutes kommt es zu einer 7 Abdrängen des M. rectus abdominis nach medial.
Überwärmung des Hodens, was zu einer Verminde- 7 Das Peritoneum wird nicht eröffnet, sondern mit
rung der Samenqualität führen kann. tiefen Haken nach medial gezogen.
4 Schmerzen. 7 Freilegen der Vv. spermaticae, die am Peritoneal-
4 Hodenhypotrophie. sack haften (meistens verlaufen dort drei Venen).
7 Lymphgefäße sowie die Arterie sollen nach Mög-
jTherapie lichkeit erhalten bleiben.
Es gibt unterschiedliche Therapieverfahren: 7 Die Venen werden möglichst hoch mit einem
4 retrograde Sklerosierung (angiographisch), Overholt-Klemmchen angeklemmt, durchtrennt
4 skrotale antegrade Sklerosierung (nach Tauber), und doppelt ligiert.
4 hohe retroperitoneale Ligatur (nach Bernardi), 6
4 inguinale Ligatur (nach Ivanissevich),
452 Kapitel 9 · Urologie

7 Sorgfältige Blutstillung. 7 Unter Durchleuchtung wird nun Kontrastmittel in-


7 Zählkontrolle der Textilien und Instrumente sowie jiziert, um den Verlauf der Testikularvene darzu-
Dokumentation des Zählstandes. stellen.
7 Evtl. Einlage einer Drainage. 7 Bei typischem Verlauf wird nun unter Bauchpresse
7 Schichtweiser Wundverschluss und Wundpflaster. das Äthoxysklerol in Air-bloc-Technik injiziert (Luft
– Verödungsmittel – Luft).
7 Entfernen der Knopfkanüle und Ligatur nach pro-
Antegrade Sklerosierung nach Tauber ximal.
Die Operation wird üblicherweise in Lokalanästhesie 7 Durch Valsalva-Manöver (Pressen) des Patienten
durchgeführt. kann die Ligatur einfach kontrolliert werden.
7 Sorgfältige Blutstillung.
kPrinzip 7 Schichtweiser Wundverschluss.
Das Sklerosierungsmittel führt zu einer Entzündungsreakti- 7 Wundpflaster.
on des Gefäßendothels und damit zum Verschluss der Vene. 7 Anlegen eines Suspensoriums.

kInstrumentarium
4 Feines Grundinstrumentarium,
4 feine Knopfkanülen,
4 Kontrastmittel, diverse Spritzen,
9 4 Gummizügel,
4 Äthoxysklerol, physiologische Kochsalzlösung,
4 Lokalanästhetikum.

kLagerung
4 Rückenlage auf einem Durchleuchtungstisch,
4 Bereitstellung des Bildwandlers unter Beachtung des
Strahlenschutzes.

kZugang
Hohe skrotale Inzision.
a

Antegrade Sklerosierung nach Tauber


7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
Gebiets.
7 Lokalanästhesie.
7 Skrotale Inzision von ca. 3 cm Länge auf dem Sa-
menstrang.
7 Freilegen des Samenstrangs und Anschlingen mit
dem Gummizügel.
7 Eröffnen der Tunica vaginalis und Präparieren des
meist nach dorsal gelegenen Venengeflechtes.
7 Die Venen füllen sich, wenn der Patient presst.
7 Eine geeignete Vene wird mit einem feinen Over-
holt-Klemmchen unterminiert und distal ligiert. b
7 Nach proximal wird eine Ligatur vorgelegt, aber
. Abb. 9.39 OP-Technik nach Tauber: 11-jähriger Junge mit Variko-
nicht zugezogen. zele. a Nach Skrotalschnitt links Anzügeln des Samenstrangs (roter
7 Zwischen den Fäden wird das Gefäß inzidiert und Gummizügel), Isolierung einer varikös dilatierten Vene des Plexus
eine Knopfkanüle unter Einspritzung physiolo- pampiniformis. Die Vene ist zwischen den Overholt-Branchen gut er-
gischer Kochsalzlösung eingeführt (. Abb. 9.39). kennbar; distale Venenligatur vorgelegt. b Nach distaler Venenliga-
tur Vorlage einer proximalen Venenligatur (noch nicht geknoteter
6 Faden). Punktion der dilatierten Vene mittels Braunüle. (Nach Stef-
fens u. Treiyer 2008)
9.4 · Äußeres Genitale
453 9
9.4.10 Orchiektomie, Ablatio testis Blutgefäße kontrolliert werden. Der Samenstrang sollte in
Höhe des inneren Leistenringes abgesetzt werden. Die
Die Entfernung eines Hodens (Semikastration) ist obligat skrotale Verletzung und somit eine ungewollte Tumorzell-
bei Hodentumoren. Die beidseitige Hodenentfernung verschleppung wird vermieden.
(Kastration) zum Entzug der Androgene beim fortge- Die Enukleationsresektion wird z. B. bei testikulären
schrittenen Prostatakarzinom wird nur noch sehr selten Keimzelltumoren in einem Einzelhoden oder bei sus-
vorgenommen, da inzwischen eine medikamentöse Thera- pekten Befunden in beiden Hoden durchgeführt. Diese
pie möglich ist. Operationsmethode erfordert eine Hodenfreilegung über
Hodentumoren gehen zu über 90% von den Keimzel- einen inguinalen Zugang, wobei der Tumor unter sonogra-
len aus und werden in Seminome und Nichtseminome ein- phischer Kontrolle aus dem Hoden entfernt wird. Die Ent-
geteilt. Beim größten Teil der restlichen 10%, die sich aus scheidung über das weitere Vorgehen ist abhängig vom
Binde- und Stützgewebe bilden, handelt es sich um Tumo- Ergebnis der Schnellschnittuntersuchung.
ren der Leydig-Zellen, die sonst für die Androgenproduk-
tion zuständig sind. kIndikationen
Betroffen sind meist Männer im Alter zwischen 20 und Siehe oben.
40 Jahren. Als Risikogruppen gelten Patienten mit kleinem
bzw. primär nicht deszendiertem Hoden sowie Patienten jDiagnostik
mit positiver Familienanamnese. Als Erstsymptom wird 4 Klinische Untersuchung,
meist eine schmerzlose Vergrößerung einhergehend mit 4 Sonographie beider Hoden,
einem Schweregefühl beschrieben, tastbare Induration im 4 Spermiogramm,
Hoden oder an der Oberfläche, aber auch selten eine Gy- 4 spezielle Labordiagnostik (Routinelaborwerte, Ho-
näkomastie. Extratestikuläre Symptomatik, wie z. B. Rü- dentumormarker, Testosteron).
ckenschmerzen, tritt bei Metastasenbildung auf. Tumor-
marker im Blut können erhöht sein. kPrinzipien
Die Heilungschance bei lokal begrenzten Tumoren 4 Organerhaltende Entfernung des Tumors.
liegt bei über 90%, wobei Seminome durch ihre geringere 4 Entfernung von Hoden, Nebenhoden einschließlich
Metastasierungsneigung eine höhere Heilungstendenz ha- Samenstrang (bei der radikalen Ablatio testis).
ben als Nichtseminome. Das Wachstum der Hodentumo-
ren wird zunächst durch die Bindegewebshülle des Hodens kLagerung
(Tunica albuginea) begrenzt. Die Metastasierung erfolgt Rückenlage.
entlang der Hodenlymphgefäße zu den retroperitonealen In der Regel erfolgt die Blutstillung mittels bipolarer
Lymphknoten. Koagulation, bei monopolarer Koagulation Platzierung
Eine kontralaterale Biopsie wird empfohlen, um die der neutralen Elektrode an einem Oberschenkel.
sog. TIN-Zellen (testikuläre intraepitheliale Neoplasie),
die später obligat zu einem kontralateralen Tumor führen kInstrumentarium
würden, frühzeitig entdecken zu können. Evtl. wird intra- 4 Grundinstrumente,
operativ eine Schnellschnittuntersuchung des gewonnenen 4 feines Instrumentarium (Scheren, Pinzetten),
Gewebes vorgenommen. 4 Gummizügel (bei inguinalem Zugang).

kZugangswege
Einfache Orchiektomie
Skrotaler oder inguinaler Zugang.
Beschrieben wird die einfache Orchiektomie über ei- 7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
nen skrotalen Zugang bei irreversiblen, benignen Erkran- Gebiets.
kungen des Hodens (z. B. alte Torsion mit Untergang des 7 Skrotale Inzision.
Hodengewebes) sowie die subkapsuläre Orchiektomie 7 Freipräparieren und Durchtrennen aller Hüllen
nach Riba, ebenfalls über den skrotalen Zugangsweg. Sie des Samenstrangs bis auf die Tunica vaginalis.
gilt als Alternative zur medikamentösen Therapie bei fort- 7 Nach Durchtrennen der Tunica vaginalis können
geschrittenem Prostatakarzinom. Durch Belassen des Ne- Hoden und Samenstrang hervorluxiert werden.
benhodens, des Samenstrangs sowie der Tunica albuginea 7 Das Vas deferens wird von den umliegenden
bleibt kein »leeres Skrotum« zurück. Strukturen separiert, zwischen 2 Klemmchen
Die radikale inguinale Ablatio testis wird angewandt durchtrennt und ligiert.
bei allen malignen Hodentumoren. Durch den inguinalen 6
Zugang können frühzeitig die testikulären Lymph- und
454 Kapitel 9 · Urologie

7 Nun wird der testikuläre Gefäßstiel zwischen 2 7 Mobilisation des Hodens aus dem Skrotum und
Overholt-Klemmen durchtrennt und ebenfalls li- Ligatur/Koagulation des Gubernaculum testis.
giert oder umstochen. 7 Feuchte Umlegung.
7 Der Hoden kann nun entfernt werden. 7 Eröffnen der Tunica albuginea.
7 Vorbereiten und Einschicken des Präparates zur 7 Aufschneiden und Inspektion des Hodens und des
histologischen Untersuchung. Tumors, bei Bedarf Entnahme von Gewebe für die
7 Blutstillung, Wundinspektion. Schnellschnittuntersuchung, sonst Fortführen der
7 Zählkontrolle aller OP-Textilien und Instrumente, Ablatio testis.
Dokumentation des Zählstandes. 7 Weitere Eröffnung des Leistenkanals unter Ab-
7 Evtl. Einlage einer Drainage (Easy-flow-Drainage). schieben des Peritoneums.
7 Schichtweiser Wundverschluss. 7 Stumpfe zirkuläre Präparation des Samenstranges
7 Wundpflaster. bis zum inneren Leistenring und der peritonealen
Umschlagfalte.
7 Samenleiter und Gefäße werden nach kranial bis
zu ihrer Aufteilung verfolgt.
Subkapsuläre Orchiektomie nach Riba
7 Getrennte Ligatur und/oder Durchstechung von
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP- Arterie, Vene und Samenleiter.
Gebiets. 7 Blutstillung, evtl. Einlage einer Drainage.
7 Mediane, skrotale Inzision im Bereich der Raphe 7 Austupfen des Skrotalfachs, auf Patientenwunsch
9 und Eingehen in das Skrotalfach. Einlage einer Hodenprothese.
7 Aufsuchen der Tunica albuginea, Längsinzision 7 Zählkontrolle aller OP-Textilien und Instrumente
und Anklemmen der Ränder der Tunica mit 2 chi- und Dokumentation des Zählstandes.
rurgischen Klemmchen. 7 Schichtweiser Wundverschluss.
7 Stumpfes Abschieben des Hodenparenchyms von 7 Wundpflaster.
der Innenseite der Tunica albuginea.
7 Abtragen des am Rete testis noch fixierten Paren-
chyms mit monopolarer oder bipolarer Elektroko-
agulation. Kontralaterale Hodenbiopsie
7 Blutstillung, Wundinspektion. Diese wird üblicherweise als sog. Doppelbiopsie durch-
7 Verschluss der Tunica albuginea und der anderen geführt, um die Detektionsrate der TIN zu erhöhen.
subkutanen Hautschichten. 7 Handschuh- und Instrumentenwechsel.
7 Wundpflaster. 7 Den Hoden mit gespannter Haut im Skrotalfach fi-
7 Vorbereiten und Einschicken des Präparates zur xieren.
histologischen Untersuchung. 7 Kleine Inzision durch alle Hodenhüllen bis zur Tu-
7 Analoges Vorgehen auf der anderen Seite. nica albuginea.
7 Die Tunica albuginea wird am Oberpol ca. 5 mm
inzidiert, das hervorquellende Hodengewebe ab-
getragen und zur histologischen Untersuchung
Radikale, inguinale Ablatio testis gegeben.
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP- 7 Naht der Tunica albuginea.
Gebiets. 7 Anschließend gleiches Vorgehen am Unterpol.
7 Hautinzision 2 cm oberhalb und parallel zum Leis- 7 Blutstillung.
tenband (analog einer Leistenhernie). 7 Schichtweiser Wundverschluss.
7 Durchtrennen der Subkutis bis auf die Externus- 7 Wundpflaster.
faszie.
7 Inzision der Faszie im Faserverlauf.
7 Identifikation und Anschlingen des Samenstran-
ges mit Hilfe eines Zügels.
7 Okklusion des Zügels zur Vermeidung einer Tu- 9.4.11 Radikale Lymphadenektomie (RLA)
morzellverschleppung und zur Verminderung der
Durchblutung. Hodentumoren metastasieren als erstes in die Lymphkno-
6 ten retroperitoneal beidseits und unterhalb des Nierenhi-
lus. Die Behandlung der Hodentumoren wird risikoadap-
9.4 · Äußeres Genitale
455 9
tiert durchgeführt, d. h. je nach Ausbreitung des Tumors kIndikationen
und des histologischen Typs erfolgt ein differenzierter Ein- 4 Minderung des Risikos der Metastasenbildung,
satz von Chemotherapie und/oder RLA. 4 Entfernung bereits bestehender Metastasen,
Zur Reduktion der Häufigkeit der retrograden Ejaku- 4 Resttumorbergung nach Chemotherapie.
lation ist heute die nervenerhaltende modifizierte RLA
(d. h. die Ausräumung der Lymphknoten nur der ipsilate- jDiagnostik
ralen Seite unter Einhaltung festgelegter Dissektionsgren- 4 Spezielle Labordiagnostik,
zen) das Operationsverfahren der Wahl. Die sympa- 4 CT Thorax,
thischen Nervenfasern werden dabei identifiziert und 4 CT Abdomen/Becken.
geschont.
Bei positivem intraoperativem Schnellschnittergebnis kPrinzip
wird die RLA auf die kontralaterale Seite erweitert. Entfernung der retroperitonealen Lymphknoten unter
Einhaltung der vorgegebenen Dissektionsgrenzen.
jDissektionsgrenzen
Die Dissektionsgrenzen bei linksseitigem Hodentumor kLagerung
sind: 4 Rückenlage.
4 linke Grenze: Ureter, 4 Evtl. wird der OP-Tisch etwas aufgeklappt, damit der
4 nach kranial die Nierengefäße, Patient überstreckt liegt.
4 rechte Grenze – präaortal bis zum Abgang der
A. mesenterica inferior, darunter bis zur Bifurkation kInstrumentarium
(kaudale Grenze) nur links lateral der Aorta. 4 Grundinstrumentarium,
4 Interaortokavale Lymphknoten müssen nicht entfernt 4 langes Grundinstrumentarium,
werden. 4 Gefäßklemmen,
4 spezielles Rahmenrückhaltesystem, z. B. Bookwalter-
Die Dissektionsgrenzen bei rechtsseitigem Hodentumor: Rahmen (Fa. Codman; . Abb. 4.28),
4 rechte Grenze: Ureter, 4 evtl. Clipzangen,
4 nach kranial die Nierengefäße, 4 Zügel,
4 linke Grenze: präaortal bis zum Abgang der 4 evtl. Hämostyptika.
A. mesenterica inferior,
4 interaortokaval bis zu den Vasa iliacae. ! Bei bereits bestehenden, z. T. sehr großen Metas-
tasen, die auch mit den Gefäßen verwachsen
Alle interaortokavalen Lymphknoten müssen entfernt sein können, kann es zu sehr starken Blutungen
werden. Die Ausräumungsfelder zeigt . Abb. 9.40. kommen.

a b

. Abb. 9.40 Ausräumungsfelder bei der einseitigen retroperitonealen Lymphadenektomie (RLA) im Stadium I des nichtseminomatösen Ho-
dentumors. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
456 Kapitel 9 · Urologie

Radikale Lymphadenektomie (RLA)


7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
Gebiets.
7 Längs verlaufende mediane Oberbauchlaparoto-
mie mit Linksumschneidung des Nabels vom Xi-
phoid bis 5 cm unterhalb des Nabels (7 Abschn.
2.1, Zugangswege).
7 Durchtrennen des subkutanen Gewebes bis auf
die Rektusscheide.
7 Einschneiden des hinteren Blattes und Eröffnen
des Peritoneums.
7 Einsetzen des Rahmenhaltesystems. Dabei wer-
den die Darmschlingen mit feuchten Bauchtü-
chern geschützt und zur Seite abgestopft (eine
Auslagerung des Darms macht postoperativ mehr
Ileusprobleme).
7 Ständige Kontrolle des Darms auf Ischämiezei-
chen!
7 Eröffnen des Retroperitoneums.
9 7 Identifikation und Präparieren der jeweiligen
a

Dissektionsgrenzen mittels Overholt- oder Sche-


renpräparation.
7 Ausräumen der entsprechenden Lymphknoten
und Einsendung zur Schnellschnittuntersuchung,
um das Dissektionsfeld letztlich festzulegen.
7 Nach Beendigung der Lymphknotendissektion ist
die Sicht auf die präparierten großen Gefäße –
V. cava und Aorta abdominalis- (ggf. einschließlich
der Gefäßkreuzung) frei.
7 Blutstillung, evtl. Einlage eines Hämostyptikums
in das Dissektionsgebiet.
7 Einlage einer oder mehrerer Robinson-Drainagen,
die zur Flanke ausgeleitet werden.
7 Zählkontrolle aller OP-Textilien, Instrumente und
Materialien und Dokumentation des Zählstandes. b
7 Naht des Retroperitoneums.
7 Schichtweiser Wundverschluss. . Abb. 9.41 Zonale Anatomie der Prostata nach McNeal. a Sagit-
7 Wundpflaster. tale, b transversale Darstellung. (Nach Hofmann 2005)

struktiven Miktionsbeschwerden, dem BPS (benignes


9.5 Prostata Prostatasyndrom).
Streng genommen beschreibt die BPH nur das histolo-
Bei steigendem Lebensalter, ab ca. 45 Jahren, kommt es gische Bild dieser Prostatavergrößerung. Das Standard-
durch die Verschiebung im androgenen Hormonhaushalt OP-Verfahren, die TUR-P (transurethrale Resektion der
zu einer Wucherung der periurethralen Drüsen, einherge- Prostata) ist in 7 Abschn. 9.3.2 beschrieben. Die durch das
hend mit einer gutartigen Vergrößerung der epithelialen BPS bedingten Folgen können lange asymptomatisch ver-
und fibromatösen Anteile der Transitionalzone der Prosta- laufen, aber schwere Schäden am Harntrakt verursachen
ta: zur BHP (benigne Prostatahyperplasie oder Prostata- wie:
adenom) (. Abb. 9.41). Die Einengung der prostatischen 4 Hämaturie,
Harnröhre und des Blasenauslasses führt zu einer er- 4 HWI (Harnwegsinfekte),
schwerten Blasenentleerung mit irritativen und/oder ob- 4 Blasensteine,
9.5 · Prostata
457 9
4 Restharngefühl,
4 Harnverhalt,
4 Überlaufinkontinenz,
4 Flankenschmerzen bei Hydronephrose.

Als irritative Symptome gelten:


4 ständiger Harndrang,
4 Pollakisurie,
4 Nykturie,
4 schmerzhafte Miktion,
4 Dranginkontinenz.

Weitere Faktoren, die das gutartige Wachstum der Prostata


beeinflussen, sind neben der Verschiebung des Androgen-
Östrogen-Haushaltes Übergewicht, Diabetes mellitus, Le-
berzirrhose, Hypertonie und die genetische Prädisposition.
Bei Adenomen mit Volumina von mehr als 80 ml gel-
ten die retropubische extravesikale (nach Millin) sowie die
. Abb. 9.42 Prostatektomie nach Freyer. (Nach Höfer et al. 2000) suprapubische transvesikale Prostatektomie (nach Freyer)
als Therapien der Wahl.
Beide OP-Verfahren haben als Gemeinsamkeit das ma-
nuelle Ausschälen der Adenome aus ihrer chirurgischen
Kapsel sowie die zwangsläufige Entfernung der prosta-
tischen Harnröhre im Hyperplasiebereich. Die Schleim-
haut bildet sich dort neu. Zur Vermeidung aufsteigender
Infektionen kann eine beidseitige Vasoteilresektion durch-
geführt werden.
Alternative Therapien wie z. B. Laserablationen,
TUMT (transurethrale Mikrowellenthermie), TUNA
(transurethrale Nadelablation) müssen hinsichtlich ihrer
Ergebnisse mit der TUR-P oder den offenen Adenomekto-
mien verglichen werden. Sie gelten teilweise als scho-
nendere Verfahren und sind daher eher bei multimorbiden
Patienten in Erwägung zu ziehen. Die Auswahl des geeig-
neten Operationsverfahrens hängt von der Prostatagröße
und dem Allgemeinzustand des Patienten ab.

. Abb. 9.43 Prostatektomie nach Millin. (Nach Höfer et al. 2000) 9.5.1 Prostatektomie nach Millin

kIndikation
4 Blasenatonie, Adenome >60–80 g.
4 Harnrückstauung mit Hydronephrose,
4 Niereninsuffizienz. jDiagnostik
4 Übliche Labordiagnostik,
Das Ausmaß der Beschwerden steht nicht immer im Zu- 4 Urinstatus, Sedimentkultur,
sammenhang mit der Prostatagröße und dem Grad der 4 digitale rektale Untersuchung,
Obstruktion. Es wird zwischen obstruktiven und irrita- 4 Sonographie.
tiven Symptomen unterschieden. Als obstruktive Be-
schwerden seien genannt: kLagerung
4 Harnstrahlabschwächung, Rückenlage, evtl. etwas überstreckt in der Lendenwirbel-
4 Startverzögerung der Miktion, säule.
4 Nachträufeln, Neutralelektrode am Oberschenkel.
458 Kapitel 9 · Urologie

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium, 7 Vorsicht: Bei Durchstoßen der Prostatakapsel
4 evtl. längeres Instrumentarium, kommt es zur Verletzung des Rektums!
4 Balfour-Sperrer, 7 Absetzen der Schleimhaut am Blasenausgang/
4 evtl. Lungenspatel nach Allis, Prostatakapsel und Durchtrennen der Harnröhre
4 evtl. Kaderspatel, oberhalb des Schließmuskels.
4 langes Diathermiemesser oder Stichel, 7 Entfernen des Drüsengewebes.
4 Blasenspritze, 7 Während der Enukleation kommt es meist zu ei-
4 evtl. suprapubische Harnableitung, ner starken Blutung, die aber häufig nachlässt, so-
bald das Adenom entfernt ist!
4 Nélaton-Katheter (intraoperativ), Dauerspül-/Kom-
7 Das Präparat wird makroskopisch auf Vollständig-
pressionskatheter (postoperativ),
keit geprüft, danach wird es gewogen und zur his-
4 Ablaufbeutel, evtl. Überleitungssystem zur postopera-
tologischen Untersuchung eingesandt.
tiven Spülung,
7 »Retrigonisationsnaht«: Durch Hereinziehen der
4 Blockungsflüssigkeit,
Trigonumspitze in die Prostataloge und Vernähen
4 Robinson-Drainage,
mit monofilen resorbierbaren Fäden (4–0) kommt
4 Nahtmaterial (monofil, geflochten, resorbierbar und es zur ersten Blutstillung.
nicht resorbierbar, verschiedene Größen und Stärken), 7 Weitere Blutstillung mittels Koagulation und Um-
4 bei Bedarf Clipzange. stechung der Gefäße am Blasenhals mit Raffen der
Prostatakapsel, Blutstillung in der Prostataloge.
kAbdeckung 7 Legen des Dauerspülkatheters in die Loge oder in
9 Gemäß Abteilungsstandard, das Genital muss jederzeit die Blase.
durch einen »Lendenschurz« erreichbar sein. 7 Bei Bedarf Einlage einer suprapubischen Harnab-
leitung.
7 Verschluss der Prostatakapsel zunächst mit Eck-
Retropubische extravesikale Prostatektomie
nähten, dann fortlaufende Naht mit resorbier-
nach Millin
baren monofilen Fäden der Stärke 0.
7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbe- 7 Einlage einer Robinson-Drainage.
reichs und sterile Abdeckung des OP-Gebiets. 7 Kontrolle aller Instrumente und Textilien auf ihre
7 Legen des Nélaton-Katheters unter sterilen Kau- Vollzähligkeit, Dokumentation des Zählstandes.
telen. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Wundpflaster.
7 Handschuhwechsel, dann den »Lendenschurz« 7 Der Dauerspülkatheter kann mit bis zu 60 ml Gly-
ankleben zur ständigen Erreichbarkeit des Penis. cerollösung geblockt werden.
7 Pfannenstiel-Schnitt oder medianer extraperito- 7 Evtl. Anschluss an die NaCl-Spüllösung und das
nealer Unterbauchschnitt. Ablaufsystem.
7 Nach dem Hautschnitt Eröffnen des extraperitone-
alen Raumes zwischen Harnblase und Bauchwand
sowie des Spatium retropubicum (Cavum Retzii).
7 Einsetzen des Balfour-Sperrers, der auch die Blase 9.5.2 Prostatektomie nach Freyer
mit zurückhält.
7 Es wird die Vorderseite der Prostatakapsel darge- kIndikationen
stellt (ähnlich wie bei der radikalen retropu- 4 Adenome >60–80 g,
bischen Prostatektomie). Die in ihr verlaufenden 4 gleichzeitiges Vorhandensein von Blasensteinen.
Gefäße werden in 2 querverlaufenden Reihen 1–
2 cm unterhalb des Blasenauslasses mit monofilen jDiagnose
Fäden der Stärke 1 umstochen. Siehe OP nach Millin (7 Abschn. 9.5.1).
7 Mit dem langen Diathermiemesser/Stichel wird
die Prostatakapsel zwischen den vorgelegten kPrinzip
Nahtreihen eröffnet. Der Zugang erfolgt ebenfalls über einen Pfannenstiel-
7 Das Drüsengewebe wird nun teils stumpf, teils Schnitt, hierbei wird jedoch die Blase eröffnet; die Prosta-
scharf mit Overholt-Klemme, der stark gebogenen taadenome werden über die eröffnete Blase entfernt. Diese
Schere und dem Finger aus der Kapsel gelöst. Methode hat den Vorteil, dass die vorhandenen Blasenstei-
6 ne gleichzeitig mit entfernt werden können und die Pros-
tatakapsel bestehen bleibt.
9.5 · Prostata
459 9
9.5.3 Radikale Prostatektomie intraoperativen Schnellschnittuntersuchung gegeben. Bei
positivem Befund kann eine beidseitige Orchiektomie
Die Diagnose Prostatakarzinom führt zur radikalen Ent- nach Riba (7 Abschn. 9.4.10) erfolgen, ansonsten wird mit
fernung der Prostata einschließlich der Samenblasen. der Entfernung der Prostata fortgefahren.
Dieses Karzinom ist der häufigste maligne Tumor in der Die Resektionsgrenzen sind nach kranial der Blasen-
Urologie. Er tritt vorwiegend bei Männern über 50 Jahren hals, nach kaudal der Beckenboden. Vorsicht bei der Prä-
auf. Im Gegensatz zur BPH entwickelt sich das Prostata- paration zur Vermeidung einer Rektumperforation!
karzinom meist in der peripheren Zone der Drüse. Durch
seine Lage ist es durch eine rektale Untersuchung früh zu kIndikationen
ertasten. Da der Tumor somit harnröhrenfern liegt, treten 4 Auf das Organ begrenztes Prostatakarzinom,
Symptome (z. B. Miktionsbeschwerden) erst spät auf. 4 Lebenserwartung des Patienten >10 Jahre.
Bei fortgeschrittenen Tumoren mit Metastasenbildung
im Becken- und/oder Lendenwirbelbereich, bei Tumor- jDiagnostik
wachstum in die Blase und/oder die Ostien sowie in die 4 Standardmäßiges Labor einschließlich Gerinnungs-
retroperitonealen Lymphknoten kann es zur Hämaturie, status, PSA,
Impotenz, Harnstauung und zu unspezifischen Symp- 4 Blutgruppe, Bereitstellung von Konserven, evtl. mit
tomen wie Rückenschmerzen kommen. vorheriger Eigenblutspende,
Männer ohne familiäre Genese sollten ab dem 45. Le- 4 histologischer Befund der durchgeführten Stanz-
bensjahr, sonst ab dem 40. Lebensjahr die regelmäßige biopsie,
Vorsorgeuntersuchung, die eine DRU (digitale rektale Un- 4 ggf. CT Abdomen/Becken und/oder Knochenszinti-
tersuchung) beinhaltet, in Anspruch nehmen. Zudem graphie.
kann der PSA-Wert im Blut bestimmt werden, wobei bei
Erhöhung (ab 2,5–4 ng/ml) eine weitere Abklärung indi- kPrinzip
ziert sein kann. 4 Entfernung der Prostata mit den Samenblasen und
Präoperativ erfolgt eine transrektal-sonographische der Ductus deferentes.
Stanzbiopsie. 4 Entfernung der pelvinen Lymphknoten.
Das lokal begrenzte Prostatakarzinom wird kurativ 4 Anastomosierung des Blasenhalses mit dem Harn-
operativ mit der radikalen Prostatektomie, das metastasie- röhrenstumpf.
rende Karzinom palliativ mit einer Antiandrogentherapie 4 Erhalten der Nn. splanchnici pelvici (frühere Bezeich-
und/oder der Orchiektomie nach Riba (7 Abschn. 9.4.10) nung: Nn. erigentes) und Vasa erigentes.
behandelt. Außerdem gibt es noch verschiedene medika- 4 Der Operateur trägt eine Lupenbrille.
mentöse und radiologische Therapieformen.
kInstrumentarium
! Die nervschonende (zur Erhaltung der Erektions-
4 Grundinstrumentarium,
fähigkeit) radikale Prostatektomie stellt eine Be-
4 bipolare Schere,
handlung mit optimalen onkologischen und
4 langes Instrumentarium einschließlich langer Lidha-
funktionellen Resultaten bezüglich der Konti-
ken,
nenz und Potenz dar und ist somit für das organ-
4 Bookwalter-Rahmen,
begrenzte Karzinom der therapeutische Stan-
4 langes Diathermiemesser und/oder Stichel,
dard.
4 evtl. Clipzange,
Erwähnt sei noch die perineale Prostatektomie, die den 4 Nélaton-Katheter zur intraoperativen Harnableitung
Nachteil hat, dass zur Lymphadenektomie ein zweiter Zu- und zur späteren Manipulation am Apex prostatae,
gang gewählt werden muss. Sie wird nur noch selten durch- 4 Blasenspritze, Gleitmittel, 20-ml-Spritze,
geführt. Die laparoskopische Variante (7 Abschn. 9.5.4) hat 4 Sterile NaCl- oder Ringer-Lösung zum Auffüllen der
zum Nachteil, dass sie eine deutlich verlängerte Lernkurve Blase,
des OP-Teams erfordert und so die OP-Zeit verlängert. 4 Dauerspül-Kompressionskatheter zur postoperativen
Vor der Resektion der Prostata kann in gleichzeitiger Harnableitung,
Operation die pelvine Lymphadenektomie zum Ausschluss 4 Glycerollösung zum Blocken des Katheters,
einer Metastasierung durchgeführt werden (je nach Risi- 4 Robinson-Drainage,
kokonstellation kann darauf verzichtet werden). Die 4 evtl. Ureterschienen zur Identifizierung, Kennzeich-
Lymphknoten im Bereich der Fossa obturatoria und ent- nung und Schienung der Ostien,
lang der Aa. Iliaca externa und interna werden entfernt 4 evtl. Darmrohr zur Schienung des Rektums,
und nach Seitenlokalisation getrennt zur histologischen 4 Nahtmaterial (resorbierbar und nicht resorbierbar,
460 Kapitel 9 · Urologie

monofil und geflochten in verschiedenen Stärken und


Nadelgrößen; Anastomosennähte sind resorbierbar 7 Spalten der endopelvinen Faszie, die auch die Pro-
und doppelt armiert), statavorderwand umgibt und seitlich bis auf den
4 evtl. Hämostyptika. M. levator ani geht.
7 Beidseitige Durchtrennung des Lig. puboprostati-
kLagerung cum (Ligament zwischen der Symphyse und der
Rückenlage, evtl. etwas überstreckt in der Lendenwirbel- Prostata).
säule. 7 Seitliches Darstellen des Gefäß-Nerven-Bündels
Anlegen der Neutralelektrode am rechten Oberschenkel. (NVB). Das Bündel kann ggf. geschont werden, so-
dass eine Erhaltung des Nervs gelingt (Randbiop-
! Evtl. wird präoperativ ein Darmrohr zur sien unter Schnellschnittbedingungen). Dazu Inzi-
Schienung des Rektums eingelegt, intraoperativ sion der Prostatakapsel bei 10 bzw 12 Uhr (SSL)
kann dann mittels Luftinsufflation eine Leckage und sukzessive Abtrennung des NVB von der Pro-
ausgeschlossen resp. dargestellt werden. stata. Hier wird sparsam koaguliert und eher ge-
clippt, um thermische Nervenschädigungen zu
kAbdeckung vermeiden.
Gemäß Abteilungsstandard. Der Penis muss intraoperativ 7 Unter den Bändern verläuft in der Medianlinie der
jederzeit erreichbar sein, deshalb Anlage eines »Lenden- Plexus prostaticus, ein Venengeflecht, das auf der
schurzes«. Prostata über die Blase ins Becken zieht. Der Ple-
xus wird mit einem Overholt unterfahren und da-
9 nach umstochen.
Radikale Prostatektomie 7 Präparieren des Apex prostatae beidseits, nahe
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP- des Diaphragma urogenitale (Spitze der Seiten-
Gebiets einschließlich des Genitalbereichs. lappen der Prostata).
7 Legen des Nélaton-Katheters. 7 Die Urethra mit dem liegenden Katheter ist nun
7 Handschuhwechsel. tastbar und wird dargestellt. Unmittelbar hinter
7 Anlegen des »Lendenschurzes«. dem Apex prostatae wird die Urethra inzidiert.
7 Mediane Unterbauchlaparotomie von der Sym- 7 Vorlegen der beiden ventralen Anastomosennäh-
physe bis ca. 2 cm unterhalb des Nabels. Hautinzi- te von innen nach außen unter Fassen des Harn-
sion mit dem Skalpell, Durchtrennen der Rektus- röhrenendothels. Die benutzte Nadel des doppelt
muskulatur in der Mittellinie. armierten Fadens kann entfernt werden.
7 Abpräparieren des Peritoneums und der Muskel- 7 Der transurethrale Katheter wird durchtrennt, des-
faszie von der hinteren Bauchwand, mit sorgfäl- sen proximales Ende wird in die Wunde eingezo-
tiger Präparation unter der Transversalisfaszie, um gen und das distale Ende mit einer kräftigen
die Vasa epigastrica inferiores nicht zu verletzen. Klemme (nach Kocher oder Mikulicz) am Rahmen-
7 Einsetzen des Rahmens. system befestigt.
7 Eröffnen des Spatium retropubicum zum Foramen 7 Ab diesem Zeitpunkt der Operation fließt Urin mit
obturatorium der Beckenbodenfaszie und den in die Wunde! Die entsprechende Information
Beingefäßen. wird an die Anästhesie gegeben und eine Zwi-
7 Aufsuchen der obturatorischen/iliakalen Lymph- schenbilanz des bisherigen Blutverlustes vorge-
knoten bis zur Kreuzung der Aa. und Vv. Iliaca in- nommen.
terna und externa. 7 Vom Harnröhrenstumpf kann eine Probe entnom-
7 Freipräparieren, ligieren oder clippen und Entfer- men und ebenfalls zur Schnellschnittuntersu-
nen der Lymphknoten mittels Overholt- oder bi- chung gegeben werden.
polarer Scherenpräparation (. Abb. 9.44). 7 Vorlegen von zwei oder mehreren dorsalen Ana-
7 Die Lymphknoten werden korrekt beschriftet stomosennähten.
nach Seitenlokalisation getrennt zur Schnell- 7 Der Apex prostatae wird nun durch Zug am
schnittuntersuchung gegeben. durchgeschnittenen Katheter hochgezogen und
7 Freipräparieren der Prostatavorderseite, hier kann der M. rectourethralis durchtrennt.
anhaftendes Fett unter Koagulation abgezogen 7 Freipräparieren der Prostatahinterwand mit
werden. Durchtrennung der Denonvillier-Faszie, die die
6 6
9.5 · Prostata
461 9

Prostata von hinten umgibt und sie zum Rektum


abgrenzt.
7 Auslösen der Samenblasen, dann schrittweises
Unterbinden der Gefäßpfeiler der Prostata rechts
und links (ggf. unter Schonung des Gefäß-Nerven-
Bündels jeweils lateral)
7 Präparation des Blasenhalses, der direkt unterhalb
des Trigonums durchtrennt wird. Die Samenblasen,
deren Arterien, und die Ductus deferentes werden
a b
freipräpariert, ligiert und durchtrennt (. Abb.
9.44). Das Gesamtpräparat wird entfernt und vom
Operateur auf Vollständigkeit untersucht.
7 Bevor es zur histologischen Untersuchung gege- . Abb. 9.44 Radikale Prostatektomie. a Entfernen der pelvinen
ben wird, wird es gewogen und mit Tinte markiert. Lymphknoten, der Prostata mit den Samenblasen und Absetzen der
7 Evtl. Entnahme von Proben aus dem Blasenhals, Ductus deferentes. b Anastomosierung des Blasenhalses mit dem
falls Tumorinfiltration vermutet wird. Harnröhrenstumpf

7 Bei Bedarf Einengung des Blasenhalses auf Klein-


fingergröße mit resorbierbarem monofilem Naht-
9.5.4 Laparoskopische Prostatektomie
material.
7 Die Blasenschleimhaut wird mit feinen resorbier- Endoskopisch extraperitoneale radikale
baren Fäden evertiert, um eine stabile Anastomo-
Prostatektomie (EERPE),
se zu erzielen.
(nEERPE = nerverhaltende Prostatektomie)
7 Der Dauerspülkatheter wird eingelegt, mit einer
Die laparoskopische radikale Prostatektomie kann sowohl
Pinzette durch den Blasenhals in die Blase einge-
führt und mit 5–10 ml Glycerollösung vorgeblockt.
transperitoneal als auch extraperitoneal durchgeführt wer-
7 Komplettierung der Anastomosennähte durch
den. Das extraperitoneale Operationsverfahren hat sich
Einstechen der 2. Nadel an korrespondierender durchgesetzt, da die Verletzungsgefahr intraperitonealer
Position am neuen Blasenauslass. Anschließend Organe geringer ist und die Rekonvaleszenz des Patienten
kann auch die 2. Nadel entfernt werden. in der Regel schneller verläuft (u. a. anderem kann der Bla-
7 Falls der Patient überstreckt gelagert wurde, wird senverweilkatheter früher entfernt werden).
die Überstreckung vor dem Knüpfen der Anasto-
mose aufgehoben. kIndikationen
7 Die vorgelegten Anastomosennähte werden an- 4 7 Abschn. 9.5.1 und 7 Abschn. 9.5.2,
gezogen und stellen so die Verbindung zwischen 4 nicht metastasierendes Prostatakarzinom.
Urethra und Blase her. Es muss eine spannungs-
freie Anastomose entstehen. kLagerung
7 Evtl. wird zusätzlich eine suprapubische Harnab- 4 Rückenlagerung mit korrekter Fixation, um eine
leitung gelegt. Trendelenburg-Lagerung durchführen zu können.
7 Blutstillung, Einlage einer oder alternativ zweier 4 Manche Operateure bevorzugen eine Lagerung mit
Robinson-Drainage(n), evtl. Einlage eines Hämos- gespreizten Beinen.
typtikums.
7 Zur orientierenden Überprüfung der Anastomo- kInstrumentarium
sendichtigkeit kann die Blase über den liegenden 4 Grundinstrumente,
Katheter mit einer Blasenspritze gefüllt werden 4 laparoskopisches Equipment (siehe MIC; 7 Abschn.
(sterile NaCl- oder Ringer-Lösung). 2.15),
7 Eine weitere adaptierende Naht ist möglich. 4 0°-Optik,
7 Endgültige Blockung des Katheters in der Prosta- 4 5 Trokare (3×5 mm, 1×10 mm für die Optik,
taloge mit bis zu 40 ml Glycerollösung. 1×12 mm (alternativ ebenfalls 10 mm),
7 Zählkontrolle aller Textilien und Instrumente, Do- 4 Dauerkatheter mit Blockung für die Harnblase, ggf.
kumentation des Zählstandes. ein DK für das Rektum als Schienung,
7 Schichtweiser Wundverschluss. 4 bipolare oder Ultraschalldissektionsinstrumente und/
7 Wundpflaster. oder Clipstapler,
4 Präpariertupfer,
462 Kapitel 9 · Urologie

. Abb. 9.45a, b Präparation des Präperitonealraumes: a Dissektion mittels Finger. b Präparation des Präperitonealraums mittels Bal-
entlang der eingezeichneten Linie (Pfeile) bis auf die hintere Rektus- lontrokar. (Nach Stolzenberg et al. 2004)
scheide, anschließend stumpfe Präparation des Präperitonealraums

4 Bergebeutel,
4 Nahtmaterial (geflochten, resorbierbar, atraumatisch EERPE
3–0). 7 Desinfektion, sterile Abdeckung, Einbringen eines
transurethralen Dauerkatheters mit Blockung.
kPrinzip 7 Trokarpositionierung:
Stumpfe Dissektion des Präperitonealraumes (. Abb. – Paraumbilikale Minilaparotomie, Einbringen
9.45). des 10-mm-Optiktrokars.
Der Verlauf der OP entspricht der offenen radikalen 7 Insufflation des CO2 zur Anlage des Pneumoperi-
retropubischen Prostatektomie. toneums.
Durch die ca. 10- bis 15-facheVergrößerung kann das 7 Rechts und links 2 cm lateral der Mittellinie Ein-
Gefäß-Nerven-Bündel zumeist gut identifiziert und so er- bringen von jeweils einem 5-mm-Arbeitstrokar.
halten werden. 7 Rechts und links, ca. 2–3 cm von der Spina iliaca
entfernt, Einbringen von jeweils einem 5-mm-
6
9.5 · Prostata
463 9

und einem 12-mm-Trokar (alternativ 10 mm;


. Abb. 9.46).
7 Nach der Präparation des Präperitonealraums mit-
tels stumpfer Gewebetrennung wird bei entspre-
chender Indikation mit der pelvinen Lymphaden-
ektomie (7 Abschn. 9.5.3) begonnen.
7 Die weiteren Schritte der Prostatektomie entspre-
chen dem in 7 Abschn. 9.5.1 besprochenen Vor-
gehen bei der offenen retropubischen Prostatek-
tomie:
7 Präparation der Samenblasen.
7 Präparation der Denonvillier-Faszie und Inzision.
7 Präparation des Gefäß-Nerven-Bündels.
7 Präparation der Prostatapfeiler und bipolare oder . Abb. 9.46 Anordnung der Trokare für die EERPE (Platzierung in
Ultraschalldurchtrennung. der angegebenen Reihenfolge). (Grafik von Jens Mondry, moonsoft,
Jena; Abb. nach Stolzenberg et al. 2004)
7 Durchtrennung des Plexus Santorini.
7 Durchtrennung der Urethra.
7 Entblockung des Dauerkatheters.
7 Entfernung der Prostata in einem Bergebeutel
über den linken 12-mm-Trokar am Ende der OP.
7 Anlegen der Anastomose zwischen Blase und
Urethra mit Einzelknopfnähten.
7 Dichtigkeitsprüfung durch Instillierung von ca.
100 ml Aqua dest. oder Ringer-Lösung.
7 Einlegen eines Dauerkatheters.
7 Einlegen einer Silikon-Drainage.
7 Ablassen des Gases.
7 Wundverschluss und Verband.
7 Anschluss des Urinabflusssystems.

9.5.5 Da Vinci-gesteuerte radikale


Prostatektomie

D. Oppermann, A. Haese

Das Da Vinci-System dient der Steuerung endoskopischer


Instrumente bei thorakoskopischen und laparoskopischen
Eingriffen. Es muss durch geschultes Fachpersonal in
einem Operationssaal bedient werden.
Für das Equipment wird ein ausreichend großer OP-
Saal benötigt, in dem das System fest installiert wird. Bei . Abb. 9.47 Das Da Vinci-System. (Fa. Intuitive Surgical)
der Positionierung des Da Vinci-Systems und der Zube-
hörteile im Operationssaal muss auf maximale Sicherheit
und Effizienz geachtet werden. Andere Funktionen und onsfeld und gleichzeitig eine ungehinderte Kommu-
Geräte im Saal dürfen nicht behindert sein. Das Equip- nikation mit dem Assistenten.
ment besteht aus 3 Hauptkomponenten: 4 Patientenwagen mit Kameraarm und 3 Instrumenten-
4 Konsole für den Chirurgen mit 2 Master-Steuerungs- armen.
elementen und einem integrierten Stereobildbetrach- Da verschiedene Kabel an der Konsole angebracht
ter mit 3-D-Anzeige (. Abb. 9.47). werden müssen, sollte der Patientenwagen so positio-
Der Chirurg braucht bei der Positionierung dieser niert werden, dass die Kabel nicht ständig in die
Konsole im Sitzen einen freien Blick auf das Operati- Buchsen ein- und ausgesteckt werden müssen.
464 Kapitel 9 · Urologie

4 Videosystemwagen mit Kamera und bildverarbei-


tenden Geräten sowie CO2-Insufflator, Hochfre-
quenzgerät und einer Lichtquelle.
Der Videosystemwagen wird so positioniert, dass er
problemlos vom Assistenten und dem Instrumentan-
ten gesehen werden kann.
4 Optional: Ein Zusatzmonitor für den Instrumentanten.

Das »Da Vinci-System« darf nur von den Fachkräften der


Firma »Intuitive Surgical« eingewiesen werden. Das Pfle-
gepersonal bedient die Chirurgenkonsole nur beim Ein-
und Ausschalten des Systems und Kalibrieren der Optik.
Das Gerät testet sich selbst, während des Testvorgangs dür- . Abb. 9.48 Instrumente für die Roboterarme des Da Vinci-Systems
fen die Arme des Patientenwagens nicht bedient werden.
Die Instrumentenarme und der Kameraarm am Patienten-
wagen werden vom Pflegepersonal auf Funktion überprüft 4 Der Patient muss ausreichend gesichert werden, da er
und steril bezogen. Auch die Positionierung des Patienten- in eine extreme Kopftieflagerung gebracht wird.
wagens am Patienten muss geübt werden, da die Lenkung
des Wagens schwierig ist. Sämtliche Geräte auf dem Video- Eine Neutralelektrode wird am Oberschenkel angebracht.
systemwagen müssen gemäß MPG überprüft werden.
9 kInstrumentarium
kIndikationen Das Instrumentarium unterscheidet sich hinsichtlich der
Histologisch gesichertes Prostatakarzinom. Grundinstrumente nicht wesentlich von einer laparosko-
pischen Operation (7 Abschn. 2.15). Bei den MIC-Instru-
kKontraindikationen menten muss das allgemeine MIC-Instrumentarium von
Je nach Erfahrung des Operateurs mit dem Da Vinci-Sys- den Da Vinci-spezifischen Instrumenten unterschieden
tem können vermehrte Adhäsionen nach Voroperationen werden.
im Unterbauch eine Kontraindikation sein. Dies gilt auch Da Vinci-spezifisches Instrumentarium:
bei Patienten mit vorangegangener Seed-Implantation 4 Die Endoskopkamera mit 2 Optiken, Lichtleitkabel,
(über ein Koordinationssystem werden kleinste radioak- verschiedene Trokare, Roboterinstrumente und Steril-
tive Teilchen, sog. »seeds«, in die Prostata eingebracht, um adapter sowie Kanülenbefestigungen für die steril be-
dort das Prostatakarzinom radioaktiv zu bestrahlen), oder zogenen Roboterarme (. Abb. 9.48) sind von der Fir-
bei einer sehr großen (z. B. mehr als 100 cm3) Prostata. ma Intuitive Surgical Inc. für das Da Vinci-System
entwickelt worden.
kPrinzip 4 Sowohl die Roboterinstrumente als auch die Steril-
Radikale mikroinvasive, transperitoneale roboterassistier- adapter für die Roboterarme haben einen Chip inte-
te Prostatektomie. Die Prostata wird retropubisch deszen- griert. Dieser speichert die Häufigkeit der Einsätze
dierend durch in der Regel 6 Trokare operiert. Wenn das des jeweiligen Instruments. Nach ca. 10 Einsätzen ist
Tumorwachstum es zulässt, werden die Gefäß-Nerven- das Instrument funktionsunfähig.
Stränge geschont. Die sog. »restlichen Leben« dieser Instrumente wer-
den nach der Operation am Monitor angegeben und
kLagerung müssen dokumentiert werden, um zu verhindern,
4 Der OP-Tisch wird mit einer Tempur- oder Vakuum- dass Instrumente mit 0 »Leben« resterilisiert werden.
matratze abgepolstert. Eine Wärmematte ist obligat. Die Dokumentation gibt gleichzeitig einen Überblick
4 Es werden 2 Schulterstützen mit ausreichender Pols- über die vergleichsweise teuren Instrumente, damit
terung angebracht. sie rechtzeitig neu bereitgestellt werden können.
4 Die Narkoseeinleitung wird in Rückenlage auf einem
geraden Tisch durchgeführt. ! Die Steriladapter haben auch einen »Lebenszäh-
4 Nach der Narkoseeinleitung werden beide Arme des ler«. Im Gegensatz zu den Roboterinstrumenten
Patienten seitlich angelegt und entsprechend gepols- funktionieren sie nach Ablauf der vorgegebenen
tert und fixiert. Einsätze (50) weiter. Die entsprechenden Icons
4 Der Patient wird in Steinschnittlagerung mit abge- auf dem Kontrollmonitor leuchten dann rosafar-
senkten Beinen gelagert. ben und nicht blau.
9.5 · Prostata
465 9
Die Roboterinstrumente haben eine 360° Beweglichkeit,
die Branchen können um 90° in zwei Richtungen bewegt Da Vinci-gesteuerte radikale Prostatektomie
werden, sie sind wie eine Hand in allen Freiheitsgraden 7 Vorbereitung des Equipments:
intuitiv vom Operateur über die Konsole steuerbar. – Nach Einschalten des Systems an der Konsole
4 Laparoskopisches Instrumentarium: und Überprüfung der Funktionalität der Instru-
5 2 Einmaltrokare (12 mm), mentenarme werden die Instrumentenarme
5 1×5-mm-Trokar, und der Kameraarm steril bezogen.
4 2 Nadelhalter, – Danach werden die Arme eingeklappt und mit
4 Dissektor, einem sterilen Tuch abgedeckt, um zu vermei-
4 Fasszange (bei Lymphknotenausräumung), den, dass sie während der Vorbereitung des Pa-
4 Schere, tienten unsteril werden.
4 Clipzange 10 mm für resorbierbare Clips, – Anschließend beginnt die Vorbereitung der Ins-
4 Clipzange 5 mm für Titanclips, trumente und des Zubehörs.
4 Saug-Spül-System, 7 Das OP-Gebiet wird desinfiziert und der Patient
4 mono- und bipolares Kabel, abgedeckt, ein Blasenkatheter gelegt.
4 Bergebeutel, 7 Der Assistent steht rechts, der Instrumentant links
4 Roboterinstrumente: des Patienten.
5 0° Optik der Fa. Intuitive, 7 Es werden alle benötigten Kabel angeschlossen
5 Kamerakopfadapter für die Optik, und das Kamerakabel steril bezogen.
5 Lichtleitkabel, 7 Während der Operateur die Veress-Nadel in den
5 3 Da Vinci-Trokare (8 mm), Bauchraum einführt und die CO2-Insufflation be-
5 3 Reduzierkappen für die Da Vinci-Trokare, ginnt, kalibriert der Instrumentant gemeinsam
4 Nadelhalter, mit dem Springer die Optik.
4 bipolarer Maryland-Dissektor, 7 Nachdem die Insufflation beendet ist, wird die
4 monopolare Maryland-Schere mit Adapter, Veress-Nadel entfernt und der erste 12-mm-Trokar
4 Kameraarmadapter/Kamerakanüle für den Kameraarm, mit Hülse einen Fingerbreit oberhalb des Nabels
4 Adapter und Kanülenbefestigung für die steril bezo- eingeführt.
genen Instrumentenarme [in der Regel werden alle 7 Der Obturator wird entfernt und die 0° Optik einge-
4 Arme (d. h. ein Kameraarm, 3 Arme gekennzeich- setzt.
net jeweils in Rot, Grün und Gelb) für die Instrumen- 7 Der Gasanschluss wird an der Trokarhülse befestigt.
te benutzt], 7 Nach der Inspektion des Bauchraums werden die
4 Zusatzmaterialien: weiteren 5 Tokare eingeführt; ggf. müssen Ver-
5 sterile Bezüge für den Kameraarm und die Instru- wachsungen im Bauchraum gelöst werden.
mentenarme, 7 Die Platzierung der Trokare ist abhängig vom
5 Kamerabezug, Operateur und kann variieren.
5 Saugerschlauch, 7 Rechts zwischen Kameratrokar und Spina iliaca
5 Stichskalpell, anterior superior (SIAS) werden drei Trokare plat-
5 Gleitgel, ziert, der 12-mm-Trokar wird am dichtesten an der
5 Urinkatheter Silikon 18 Charr, SIAS positioniert und dient als Hilfstrokar für den
5 Urinkatheter Latex 18 Charr zur Schienung der Assistenten.
Anastomose, 7 Nabelwärts werden nun der 8-mm-Da Vinci-Trokar
5 Aqua dest. zur Blockung des Urinkatheters, und abschließend der 5-mm-Trokar, der ebenfalls
5 Urinbeutelsystem, als Hilfstrokar für den Assistenten eingesetzt wird,
5 NaCl 0,9% zum Anspülen des Katheters, platziert.
5 Blasenspritze, 7 Auf der linken Seite werden die beiden letzten
5 Robinson-Drainage 15 Charr, 2 Da Vinci-Trokare symmetrisch zwischen Kame-
5 Magazine für Clips, ratrokar und der SIAS eingebracht.
4 Nahtmaterialien: 7 Der Operateur weist den Springer ein, den Patien-
5 3–0 resorbierbar, monofil, doppelt armiert für die tenwagen exakt mittig zwischen den Beinen des
Anastomosennaht (gekürzt auf je 17 cm Länge), Patienten zu positionieren und zu fixieren.
5 2–0 resorbierbarer geflochtener Faden für die Ple- 7 Die Optik wird am Kameraarm befestigt.
xusnaht, 6
5 Nahtmaterial zum Verschluss der Wunde (s. oben).
466 Kapitel 9 · Urologie

7 Die drei Roboterinstrumente (bipolarer Dissektor, bauchdeckenwärts gezogen, um die Prostata an-
Nadelhalter, monopolare Schere) werden durch zuheben.
die Da Vinci-Trokare eingeführt und an den Instru- 7 Danach beginnt die dorsale Präparation der
mentenarmen befestigt. Prostata.
7 Cave: Um ernsthafte Verletzungen zu vermeiden, 7 Die Samenbläschen werden nacheinander mit
darf der OP-Tisch auf keinen Fall bewegt werden, dem bipolaren Maryland-Dissektor und der mo-
nachdem das Da Vinci-System in Position gebracht, nopolaren Schere freipräpariert. Dabei werden die
die Trokare im Patienten platziert und die Manipu- Gefäße, die Ductus deferentes und das umge-
lationsarme an den Kanülen befestigt wurden! bende Gewebe mittels resorbierbarer Clips ligiert
7 Durch den 5-mm-Trokar wird eine Saug-Spül-Ka- und durchtrennt.
nüle geführt, die der Assistent bedient, der andere 7 Den Clipapplikator bedient der Assistent, wäh-
12-mm-Trokar wird ebenfalls von dem Assistenten rend der Operateur das zu klippende Gewebe un-
bedient und hauptsächlich für die Titanclipzange ter leichter Spannung hält.
und die PDS-Clipzange benutzt (. Abb. 9.49). 7 Es erfolgt die Mobilisation der Prostata vom Rek-
7 Aufsuchen des Cavum Retzii. Hierzu wird das Peri- tum, dabei wird die Denonvillier-Faszie auf dem
toneum jeweils lateral der Plicae umbilicales inzi- Enddarm nach Möglichkeit belassen.
diert. 7 Je nach Befund der vorherigen Prostatabiopsien
7 Nun lässt sich die Blase von der vorderen Bauch- werden die Gefäß-Nerven-Stränge, die der Prosta-
wand lösen, und der Blick auf die anteriore Prosta- ta direkt anliegen und zur Potenz notwendig sind,
9 ta wird frei. vorsichtig von der Prostatakapsel abgeschoben.
7 Aufsuchen der puboprostatischen Bänder. Hilfestellung zur Präparation dieser Gewebe-
7 Aufsuchen und Eröffnung der endopelvinen Fas- schichten leistet die 10-fache Vergrößerung des
zie, Präparation der beiden puboprostatischen Da Vinci-Systems.
Bänder, die durchtrennt werden. 7 Kleine Blutungen am Gefäß-Nerven-Strang wer-
7 Dadurch wird die Prostata am Apex mobilisiert. den mit Titanclips (5 mm) versorgt. Hier sollte
7 Der Plexus Santorini wird freipräpariert und mit nach Möglichkeit kein Strom an das Gewebe kom-
einem resorbierbaren geflochtenen Faden umsto- men, um die Nerven nicht zu verletzen.
chen. Die Nähte werden so gelegt, dass die Harn- 7 Blutungen am verbleibenden Gewebe der Prosta-
röhre dabei nicht verletzt wird. ta können mit bipolarem Strom gestoppt werden.
7 Zur Vermeidung einer Blutung wird eine Backflow- 7 Diese »nervschonende« Methode kann je nach
Naht an die Ausläufer des Plexus Santorini an der Tumorbefall beidseitig, einseitig u. U. auch gar
Prostataseite gelegt, um Blutungen aus den Ve- nicht erfolgen.
nen der Prostata zu verhindern. 7 Nach der Präparation des Nervenbündels bis zum
7 Der oben beschriebene Ablauf kann je nach Ope- Apex an beiden Seiten wird die Harnröhre unter
rateur variieren. Schonung des Schließmuskels freipräpariert und
7 Erfahrene Da Vinci-Operateure beginnen sofort durchtrennt, der Blasenkatheter bis zum Schließ-
mit der deszendierenden Freipräparation der muskel vorsichtig zurückgezogen.
Prostata. Die Prostata wird vom Blasenhals freiprä- 7 Die nun mobile Prostata wird in einen Bergebeu-
pariert. tel gelegt.
7 Eröffnung der Blase durch Lösen der Schicht zwi- 7 Erfolgt kein Schnellschnitt, wird die Prostata im
schen Blase und Prostata bis zur Urethra. Bergebeutel verwahrt, während die Anastomose
7 Der Instrumentant manipuliert den geblockten von der Blase zum Schließmuskel genäht wird.
Blasenkatheter, um dem Operateur die Abgren- 7 Soll ein Schnellschnitt erfolgen, wird die Prostata
zung vom Blasenhals zur Prostata darzustellen. unter Sicht durch Zurückziehen des 12-er Trokars
7 Kleinere Blutungen werden geclippt oder mit dem und Vergrößerung des Schnitts geborgen.
bipolaren Dissektor koaguliert. 7 Der Operateur entnimmt dem Präparat einen Gewe-
7 Nachdem die Urethra anterior eröffnet wurde, beschnitt, während der Assistent den vergrößerten
wird der entblockte DK so weit in die Prostata ge- Schnitt schichtweise so verschließt, dass der 12-er
zogen, dass die Spitze sichtbar wird. Die DK-Spitze Trokar wieder eingebracht werden kann, aber kein
wird vom Operateur mit dem dritten Roboterarm CO2 aus dem Bauchinnenraum entweichen kann.
6 6
9.6 · Blase
467 9

7 Es erfolgt nun je nach Befund die Lymphadenek-


tomie mittels Fasszange, bipolarem Maryland-Dis-
sektor und Titanclips auf beiden Seiten.
7 Das Ergebnis des Schnellschnitts gibt vor, ob die
Gefäß-Nerven-Stränge erhalten werden können:
Die Kontaktstellen der Prostata zu den Nerven-
strängen werden mikroskopisch untersucht, um
sicherzustellen, ob die Nervenstränge belassen
werden können oder bei Tumorkontakt entfernt
werden müssen.
7 Bei befallenen Randzonen müssen die Gefäß-Ner-
ven-Stränge entfernt werden. . Abb. 9.49 Da Vinci-System in situ
7 Nun erfolgt die Anastomose der Harnröhre mit
der Harnblase. ! Konvertierung bei nicht beherrschbaren
7 Der Latexkathether wird durch einen Silikonka- Komplikationen oder mangelhafter Sicht.
thether ersetzt, der bis zum Schließmuskel vorge-
schoben wird. jNachsorge
7 Die Nähte für die Anastomose sind vorher auf Durch eine angepasste Schmerztherapie und eine frühe
17 cm gekürzt und am Ende geknotet worden. Mobilisation bleiben die Patienten bei komplikationslosem
7 Die Anastomose wird dorsal beginnend an der Verlauf 3–4 Tage in der Klinik. Der Blasenkatheter wird
Harnröhre fortlaufend zum Blasenhals genäht nach etwa 12–14 Tagen gezogen.
(van Velthoven-Technik).
7 Kurz vor Fertigstellung wird der Blasenkatheter
bis zur Blase geschoben und geblockt. 9.6 Blase
7 Nach Fertigstellung erfolgt die zweite Verknotung
durch den Operateur. B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn
7 Mittels einer Blasenspritze und NaCl-Lösung wird
die Dichtigkeit der Anastomose über den Katheter Die Blase liegt unter der Peritonealhöhle und hinter der
überprüft. Symphyse. Am Oberrand wird sie begrenzt vom Spatium
7 Einlegen der Drainage. Retzii, der Verschiebeschicht für die Harnblasenfüllung.
7 Nach gründlicher Inspektion des Bauchraums auf Die Harnblase geht nach kaudal in die Prostata über.
Blutungen werden die Instrumente und Trokare Bei der Frau liegt der Blasenhals der Scheide an, hinter
unter Sicht entfernt, das CO2 abgelassen und der der Blase liegt der Uterus. Die Harnblase ist von innen
Da Vinci-Patientenwagen zurückgeschoben. mit einer dehnbaren Schleimhaut, dem Urothel, ausge-
7 Die restlichen »Leben« der Roboterinstrumente kleidet.
werden vor Ausschalten des Monitors dokumen- Fehlbildungen der Blase sind selten. Dazu zählen u. a.
tiert. Divertikel, sehr selten entsteht der Harnblasenekstrophie-
7 Wurde ohne Schnellschnitt operiert, erfolgt die Epispadie-Komplex, der auch mit Fehlbildungen des äuße-
Bergung der Prostata über den Bauchnabel. ren Genitale einhergeht. Entleerungsstörungen können zu
7 Der schichtweise Verschluss der Inzisionen und An- Blasensteinen führen. Harninkontinenz zählt zu den Funk-
legen der Pflasterverbände beenden den Eingriff. tionsstörungen der Blase (7 Abschn. 9.8).
7 Der Patient wird wieder in die Rückenlage ge- Das Harnblasenkarzinom ist der zweithäufigste Tumor
bracht. in der Urologie und hat seinen Ursprung in 90% der Fälle
im Urothel. Malignome anderer Genese sind selten. Selbst
kleinste Tumoren können eine Makrohämaturie hervorru-
jKomplikationen fen, daher ist Blut im Urin, das nicht eindeutig von einer
4 Organ- bzw. Darmverletzungen beim Einbringen der Entzündung herrührt, immer karzinomverdächtig und so-
Veress-Nadel oder der Trokare, mit abklärungsbedürftig.
4 Verletzung benachbarter Organe, Auf die seltenen Erkrankungen und ihre Therapie wird
4 Blutungen, hier nicht näher eingegangen.
4 Insuffizienz der Anastomose zwischen Blasenhals
und Harnröhrensphinkter.
468 Kapitel 9 · Urologie

9.6.1 Sectio alta (z. B. bei Blasensteinen) kZugang


Pfannenstiel-Schnitt oder Unterbauchschnitt in der Mit-
Rezidivierende Harnwegsinfekte und Blasenentleerungs- tellinie.
störungen (z. B. bei der BPH) führen ggf. zur Entstehung
von Blasensteinen. Mädchen und Frauen erkranken weni-
Sectio alta
ger häufig an Harnblasensteinen, weil sie durch ihre kurze
Harnröhre das Urinsediment besser ausscheiden können. 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbe-
Die Zusammensetzung der Harnblasensteine ist unter- reichs und steriles Abdecken des Operationsge-
schiedlich und hat keinen Einfluss auf die Therapie. Harn- bietes inkl. Anlage eines »Lendenschurzes«.
blasensteine sind i. Allg. therapiebedürftig. Die meisten 7 Legen des Nélaton-Blasenkatheters.
Steine können aber endoskopisch, bei der BPH meist in 7 Handschuhwechsel und Anlegen des »Lenden-
Kombination mit einer TUR-P, entfernt werden. Die Aus- schurzes«.
wahl des Operationsverfahrens richtet sich nach Anato- 7 Hautinzision, Eröffnen des extraperitonealen
mie, Größe und Anzahl der Steine sowie der Prostatagrö- Raums zwischen Harnblase und Bauchwand sowie
ße, falls diese zeitgleich entfernt werden soll. des Spatium Retzii.
7 Auffüllen der Blase auf ca. 300 ml mit der Blasen-
jDiagnostik spritze und NaCl- oder Ringer-Lösung.
4 Übliche Laborparameter, 7 Stumpfe Mobilisierung der Harnblase.
4 Sonographie, 7 Einsetzen des Balfour-Sperrers, ggf. Schonung der
4 Abdomenleeraufnahme, Bauchwand mit feuchten Tüchern.
9 4 Zystogramm, 7 Vertikale Eröffnung der Blase bis ca. 1 cm an den
4 CT (ohne Kontrastmittel), Blasenhals heran.
4 Zystoskopie (Prostatagröße? Harnröhrenstriktur? Di- 7 Ab diesem Zeitpunkt fließt Urin mit in das OP-Ge-
vertikel?). biet, deshalb zeitnah ein Hinweis an die Anästhe-
sie wegen Bilanzierung und Blutverlust!
kIndikationen 7 Am Blasenhals wird eine Durchstichligatur (mono-
4 Vorliegen von Harnblasensteinen, fil, resorbierbar der Stärke 0 oder 1) zur Sicherung
4 BPH, gegen ein weiteres Einreißen der Blase gesetzt.
4 Entfernen von Fremdkörpern, 7 Die vorhandenen Steine oder Fremdkörper werden
4 endoskopisch nicht beherrschbare Blasentamponaden mit einer Pinzette oder einer Péan-Klemme entfernt.
und Blutungen. 7 Nach Kontrolle auf Steinfreiheit wird die Blase
zweischichtig mit kräftigem monofilem, resorbier-
kPrinzip barem Nahtmaterial verschlossen.
Eröffnen der Blase und Entfernen der Harnblasensteine. 7 Evtl. Einlage einer suprapubischen Harnableitung.
7 Einlage einer Robinson-Drainage.
kInstrumentarium 7 Zählkontrolle aller Textilien und Instrumente und
4 Grundinstrumentarium, Dokumentation des Zählstandes.
4 evtl. lange Instrumente, 7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband.
4 Balfour-Sperrer, 7 Der Blasenkatheter wird belassen.
4 Zügel, 7 Evtl. Anlage einer Blasendauerspülung.
4 Nélaton-Blasenkatheter zur intraoperativen Harnab-
leitung sowie einen Ablaufbeutel,
4 Blasenspritze, sterile NaCl- oder Ringer-Lösung,
4 Robinson-Drainage, 9.6.2 Radikale Zystektomie
4 Nahtmaterial nach Abteilungsstandard (monofil, re-
sorbierbar der Stärke 0 oder 1 zum Verschluss der Die komplette Entfernung der Blase, evtl. auch der Harn-
Blase), röhre, wird bei muskelinfiltrierendem Blasenkarzinom,
4 evtl. suprapubischer Blasenkatheter. das i. Allg. durch eine transurethrale Biopsie nachgewiesen
wurde, durchgeführt. Dazu gehört beim Mann die Prosta-
kLagerung tektomie und bei der Frau die vordere Exenteration.
Rückenlage, evtl. leichte Überstreckung in der Lendenwir- Nach der Zystektomie muss eine neue Harnableitung
belsäule. geschaffen werden. Die Auswahl der neuen Harnableitung
Neutralelektrode am Oberschenkel. richtet sich nach der Ausbreitung des Tumors, der Lebens-
9.6 · Blase
469 9
erwartung des Patienten und dessen Wunsch. Prinzipiell 4 Laparotomieinstrumentarium mit Organfasszangen
wird eine neue Harnableitung unterteilt in: (nach Allis, Duval, Museaux),
4 orthotope (an Stelle der Harnblase), 4 weiche Darmklemmen (7 Kap. 2),
4 heterotope (an einer anderen Stelle), 4 Rahmensperrer,
4 kontinente, 4 Zentimetermaß,
4 inkontinente (»nasse« Ableitung, der Harn wird in 4 Zügel,
einem Ablaufbeutel aufgefangen) Harnableitungen. 4 Schere nach Potts,
4 Klammernahtinstrumente für die neue Harnableitung
jDiagnostik (»linear cutter«),
4 Übliche Laborparameter, (ggf. Gerinnung), 4 evtl. Clipzange,
4 histopathologische Sicherung durch Biopsie (TUR- 4 Ureterschienen (Mono-J),
Blase; 7 Abschn. 9.3.3), 4 Nélaton-Blasenkatheter,
4 CT Thorax und Abdomen zum Ausschluss von Fern- 4 bipolare Schere,
metastasen, 4 evtl. Urostomaset (je nach geplanter Harnableitung),
4 Knochenszintigraphie zum Ausschluss von ossären 4 bei Bedarf Hämostyptika,
Metastasen, 4 Nahtmaterial nach Abteilungsstandard (monofil, ge-
4 präoperative Stomaberatung und Markierung der ge- flochten, resorbierbar, nicht resorbierbar, u. a. der
planten Harnableitungsstelle. Stärke 4–0, 5–0).

Präoperative Darmreinigung, perioperative Antibiotika- kZugang


behandlung. Unterbauchschnitt mit Linksumschneidung des Nabels.

kIndikationen
Radikale Zystektomie bei männlichen Patienten
4 Muskelinfiltrierendes Blasenkarzinom, als Palliativ-
maßnahme bei fortgeschrittenem Blasenkarzinom 7 Hautdesinfektion, einschließlich der Genital-
mit nicht mehr beherrschbaren Blutungen, region.
4 fehlende Harnblasenkapazität mit Pollakisurie, 7 Sterile Abdeckung des OP-Gebiets.
4 ggf. andere Ursachen mit erheblicher Funktionsstö- 7 Legen des Nélaton-Blasenkatheters.
rung der Blase (z. B. Schrumpfblase nach Radiatio). 7 Handschuhwechsel, Anlegen des »Lenden-
schurzes« oder Eintuchabdeckung mit inte-
kKontraindikation grierten Beinlingen bei der Steinschnittlage.
Nicht behandelte Gerinnungsstörung. 7 Hautinzision, Spalten der Rektusscheide in Längs-
richtung, Auseinanderdrängen der Rektusbäuche.
kPrinzip 7 Durchtrennen der hinteren Rektusscheide ohne
4 Beim Mann: Eröffnung des Peritoneums.
Entfernen der Blase, der Prostata, der distalen Ureter, 7 Nach distal Eröffnen des Spatium Retzii.
der Samenblasen, bei Tumorbefall evtl. der Harnröhre 7 Einsetzen des Rahmensperrers.
sowie eine Ausräumung der pelvinen Lymphknoten; 7 Beidseitige Lymphknotenentnahme im Bereich
Anlage einer neuen Harnableitung. der Aa. iliacae und der Fossa obturatoria mittels
4 Bei der Frau: Overholt- und Scherenpräparation, bipolarer
Entfernen der Blase, des Uterus samt vorderem Vagi- Schere und/oder Clipzange.
naldach, der distalen Ureteren, evtl. der Tuben, evtl. 7 Ggf. erweiterte Lymphadenektomie nach retrope-
der Urethra sowie eine Ausräumung der regionären ritoneal.
Lymphknoten; Anlage einer neuen Harnableitung. 7 Aufsuchen und Anschlingen der Ureteren, die
möglichst weit nach distal in Richtung Blase frei-
kLagerung präpariert werden. Nach dem Legen von Haltefä-
4 Rückenlage, den werden die Harnleiter blasennah durchtrennt
4 evtl. modifizierte Steinschnittlagerung mit abge- und die Absetzungsränder nach Seitenlokalisation
senkten Beinen. getrennt zur Schnellschnittuntersuchung ge-
schickt. Bei positivem Befund müssen die Ränder
kInstrumentarium nachreseziert werden.
4 Grundinstrumentarium, 6
4 lange Instrumente,
470 Kapitel 9 · Urologie

7 Einlegen von Mono-J-Schienen in beide Ureteren, 7 Absetzen der oberen Blasenpfeiler mit der A. vesi-
wobei eine Schiene schräg abgeschnitten wird zur kalis superior.
späteren Unterscheidung zwischen rechtem und 7 Schrittweises Absetzen der seitlichen Blasen-
linkem Ureter. Die Schienen werden mit Haltefä- pfeiler.
den (resorbierbar, geflochten, 4–0) an den Harn- 7 Darstellen des Douglas-Raumes und Mobilisieren
leitern befestigt. des Uterus durch schrittweise Durchtrennung der
7 Evtl. werden die Schienen mit steriler NaCl- oder Ligg. sacrouterina und Ligg. pubovesicales.
Ringer-Lösung angespült, um sicher zu gehen, 7 Dabei zunächst Inzision der dorsalen Scheiden-
dass sie korrekt im Nierenbecken positioniert wand unterhalb der Cervix uteri (hier hilft die gut
sind. palpable Scheidentamponade als Orientierung,
7 Seitliches Ausleiten der Schienen in einem Urin- um das Rektum nicht zu verletzen).
auffangbeutel (z. B. steriler Handschuh oder Plas- 7 Beidseitige lateroventrale Inzision der Scheide mit
tikbeutel). Entfernung eines ca. 2 cm weiten Segments der
7 Dann aszendierendes Vorgehen (wie bei der radi- vorderen Scheidenwand.
kalen Prostatektomie) oder alternativ zunächst 7 Inzision der endopelvinen Faszie.
deszendierend: 7 Mobilisierung der Urethra ca. 0,5 cm distal des
– Mobilisation der Blase nach hinten und An- Blasenhalses.
heben mit einer Organfasszange, Absetzen 7 Absetzen des Gesamtpräparates und Schnell-
der oberen Blasenpfeiler mit der A. vesicalis schnittuntersuchung des Harnröhrenstumpfes zur
9 superior. weiteren Planung der neuen Harnableitung
– Schrittweises Absetzen der seitlichen Blasen- (7 Abschn. 9.7.8).
pfeiler bis in Höhe der Samenblasen. 7 Vaginalrekonstruktion durch Mobilisation der
– Schrittweises Durchtrennen und Ligieren der Vaginalhinterwand und Klappen derselben nach
tiefen Blasenpfeiler mit der A. vesicalis inferior. vorn.
7 Weiteres Vorgehen wie bei der radikalen Prostat- 7 Nach Anlage der neuen Harnableitung Einlage
ektomie (7 Abschn. 9.5.3). einer oder zweier Robinson-Drainagen und evtl.
7 Der Harnröhrenabsetzungsrand wird zur Schnell- eines Hämostyptikums.
schnittuntersuchung gegeben: Bei Tumornach- 7 Schichtweiser Wundverschluss.
weis kommt eine orthotope Harnableitung nicht 7 Wundpflaster, Anschluss aller Drainageablaufbeu-
in Frage, eine Urethrektomie sollte erfolgen tel, Entfernen der Scheidentamponade!
(7 Abschn. 9.7.4).
7 Durchtrennen und Ligieren der puboprosta-
tischen Bänder, lösen der Prostata vom Rektum.
7 Entfernung des Gesamtpräparates.
7 Blutstillung und Herstellen der neuen Harnablei- 9.7 Harnleiter
tung.
7 Danach Einlage einer oder zweier Robinson-Drai- Die Harnleiter beginnen am Nierenbecken, sie bilden dort
nagen und evtl. Einlage eines Hämostyptikums. eine Art Trichter, in dem der von der Niere gefilterte Urin
7 Schichtweiser Wundverschluss. gesammelt wird. Sie verlaufen hinter dem Bauchfell (retro-
7 Wundpflaster, Anschluss der Drainageablaufbeutel. peritoneal) über die beiden Aa. iliacae communis, bevor
sie in die Blase münden. Nach dem Eintritt in die Blase
verlaufen die Harnleiter ein kurzes Stück innerhalb der
Blasenwand (intramural); dadurch wird bei Füllung der
Radikale Zystektomie bei weiblichen Patienten
Blase ein Rückfluss (Reflux) in die Nieren durch einen na-
7 Einlage einer mit Schleimhautdesinfektionsmittel türlichen Ventilmechanismus weitestgehend verhindert.
getränkten Scheidentamponade. Durch den intramuralen Verlauf entstehen zwei konver-
7 Legen des Nélaton-Blasenkatheters. gierende Falten, die das Trigonum vesicae (Harnblasen-
7 Vorgehen bis einschließlich pelviner Lymphaden- dreieck) begrenzen. Die folgenden 3 Stellen bilden die
ektomie und Präparation der Harnleiter wie beim physiologischen Ureterengen:
männlichen Patienten. 4 Abgang aus dem Nierenbecken,
6 4 Überkreuzung der großen Gefäße,
4 Eintritt in die Blase.
9.7 · Harnleiter
471 9
Fehlbildungen am Harnleiter treten relativ häufig auf. Durch kPrinzip
Störungen im Harntransport kann es als Folge zu rezidivie- Tunnelbildung zwischen Blasenschleimhaut und Blasen-
renden Harnwegsinfekten, Harnleitersteinen und zur Nie- muskulatur zur Bildung eines neuen Ventils. Es stehen ver-
reninsuffizienz kommen. Verletzungen des Harnleiters sind schiedene Verfahren zur Verfügung:
selten. Iatrogene Harnleiterverletzungen und Steine können
zu Strikturen führen. Das Urothelkarzinom des Harnleiters
Extravesikales Vorgehen nach Lich-Grégoir
hat ähnliche Entstehungsfaktoren wie das Harnblasenkarzi-
nom (z. B. Rauchen, chemische Faktoren wie Giftstoffe am 7 Bei aufgefüllter Blase wird der/die Harnleiter an
Arbeitsplatz sowie genetische Disposition). der Blasenaußenwand aufgesucht und bis zum
Grundsätzlich sind in der Erwachsenenchirurgie Ope- Eintritt in die Blase freipräpariert.
rationen am Harnleiter relativ selten geworden, da die 7 Nach Anlegen von Haltefäden wird die Blasen-
meisten Erkrankungen frühzeitig entdeckt und dann auch muskulatur nach kranial über eine Länge von 4–
im Kindesalter operiert wurden. Auch der Fortschritt in 5 cm bis auf die Mukosa durchtrennt, ohne die
der minimal-invasiven Chirurgie führt dazu, dass Verlet- Blasenschleimhaut zu eröffnen (. Abb. 9.50a, b).
zungen und Verwachsungen weniger häufig vorkommen. 7 In diesen so geschaffenen »Graben« wird der
Ureter, ausgehend von seinem Originalostium,
hineinverlagert und submukös eingenäht
9.7.1 Antirefluxplastik (4–0 geflochten, resorbierbar; . Abb. 9.50c).
Da die Muskulatur über dem Ureter wieder ver-
Die regelgerecht angelegten Harnleiter verlaufen nach ih- schlossen wird, wird der Ventileffekt durch diesen
rem Eintritt in die Blase ca. 2–3 cm schräg durch die Bla- intramuralen Verlauf wiederhergestellt.
senwand. Der Urin kann ungehindert in die Blase fließen.
Durch die zunehmende Blasenfüllung erhöht sich der In-
nendruck, und der Harnleiter wird in der Blasenmuskula-
Operation nach Politano-Leadbetter
tur zusammengedrückt. Ein Zurückströmen von Urin in
den Harnleiter und die Nieren (Reflux) unterbleibt. 7 . Abb. 9.51.
Wenn der Verlauf intramural nicht oder zu kurz ange-
legt wurde, also ein inkompetenter vesikoureteraler Über-
gang besteht, führt dieser zu Reflux von Urin bis zurück in Intravesikales Vorgehen nach Cohen
die Niere. Es können rezidivierende Harnwegsinfekte und
7 Nach Eröffnen der Blase wird das Ostium aufge-
eine chronische Pyelonephritis bis zum Verlust der Nieren-
sucht und eine Ureterschiene (Mono-J) eingelegt,
funktion entstehen. Der vesikorenale Reflux wird nach
die am Harnleiter mit Haltenähten befestigt wird
Parkulainen in eine Skala von 1–5 eingeteilt (. Tab. 9.1).
(4–0 resorbierbar, geflochten; . Abb. 9.52a).
7 Das Ostium wird umschnitten und der Harnleiter
kIndikationen
unter leichtem Zug an der Schiene aus der Blasen-
4 Erreichen von Grad 3–4 der Parkulainen-Skala
wand gelöst, bis er in die Blase gezogen werden
(. Tab. 9.1). kann.
4 Resektion des distalen Harnleiters mit anschließender 7 Die Tunnelierung der Mukosa erfolgt ausgehend
Reimplantation. vom alten Ostium in Richtung Gegenseite.
7 Der geschiente und spatulierte Harnleiter wird
durch den Tunnel gezogen und an seiner neuen
. Tab. 9.1 Einteilung des vesikorenalen Reflux nach Parkulainen Mündungsstelle mit der Blasenmuskulatur anas-
tomosiert.
Grad Kennzeichen 7 Blasenschleimhaut und Ureter werden miteinan-
der verbunden (resorbierbar, geflochten 4–0;
1 Reflux nur in den Harnleiter
. Abb. 9.52e).
2 Reflux erreicht das Nierenbecken 7 Der Mono-J-Katheter wird evtl. belassen.
3 Reflux in das Nierenbecken, Erweiterung des Hohl- 7 Zweischichtiger Blasenverschluss (monofil, resor-
raumsystems bierbar, Stärke 0).
4 Massive Erweiterung des Hohlraumsystems 7 Weiteres Vorgehen wie bei der Boari-Plastik (s. un-
ten), der Blasenkatheter muss nicht zwingend be-
5 Starke Erweiterung, die meisten Kelche sind nicht
lassen werden.
mehr erkennbar
472 Kapitel 9 · Urologie

a b c

. Abb. 9.50 Extravesikale Antirefluxplastik nach Lich-Grégoir. (Nach Kelalis et al., zit. in Hautmann u. Huland 2001/2006)

a b c

d e f

. Abb. 9.51 Transvesikale Antirefluxplastik nach Politano-Leadbetter. (Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)

a b c d e

. Abb. 9.52 Transvesikale Antirefluxplastik nach Cohen. (Nach Glassberg et.al., zit. in Hautmann u. Huland 2001/2006)
9.7 · Harnleiter
473 9
9.7.2 Ersatzplastik am distalen Harnleiter kAbdeckung
(Boari-Plastik) Nach Abteilungsstandard mit »Lendenschurz«, um jeder-
zeit den Genitalbereich erreichen zu können, bei Stein-
Bei angeborenem vesikouretralem Reflux mit rezidivie- schnittlage Eintuchabdeckung mit integrierten Beinlingen.
renden Infekten oder auch nach Verletzungen der Ostien
oder des distalen Harnleiters, z. B. nach TUR-Prostata,
Boari-Plastik
TUR-Blase, Ureterorenoskopie (URS) sowie bei Tumorin-
filtration des distalen Harnleiters, wenn auf eine Nephro- 7 Hautdesinfektion einschließlich des Genitalbe-
ureterektomie verzichtet wird, kann eine Rekonstruktion reichs und sterile Abdeckung des OP-Gebiets.
des distalen Harnleiters erfolgen. Aus der Blasenwand wird 7 Legen des Blasenkatheters.
ein Lappen gebildet, der durch submuköse Tunnelung des 7 Handschuhwechsel und Anlegen des »Lenden-
Harnleiters die Strecke des fehlenden Teils des Ureters schurzes«.
überbrückt. Voraussetzung zur Durchführung der Opera- 7 Pfannenstiel-Schnitt mit extra- oder transperito-
tion sind ein ausreichendes Fassungsvermögen der Blase nealem Zugang bei Verwachsungen.
sowie eine intakte Blasenwand. 7 Hautinzision mit dem Skalpell, Quereröffnung der
Rektusscheidenfaszie.
jDiagnostik 7 Auseinanderdrängen und stumpfes Unterfahren
4 Übliche Laborparameter, der Rektusbäuche.
4 Urinsediment, 7 Eröffnen des extraperitonealen Raumes (Spatium
4 Sonographie von Blase und Niere, retropubicum) und Abschieben des Peritoneal-
4 Miktionszysturethrographie (MCU), sacks von der Blasenvorderwand möglichst weit
4 ggf. Isotopennephrogramm (ING) bei Zweifel über nach kranial.
die Funktion der betroffenen Niere. 7 Schaffen eines möglichst großen Eingangs in den
paravesikalen Raum der zu operierenden Seite.
kIndikationen 7 Aufsuchen und Anschlingen des Harnleiters ober-
4 Ausgedehnte Verletzung oder Striktur des distalen halb der Kreuzung der Iliakalgefäße.
Harnleiters, 7 Präparation nach distal bis zum veränderten Ure-
4 wenn eine spannungsfreie Reimplantation des Harn- teranteil.
leiters in die Blase ohne Lappenbildung nicht mög- 7 Anlegen einer Haltenaht, Durchtrennen des Harn-
lich ist. leiters und Resektion des veränderten Anteils.
7 Einlegen einer Ureterschiene, die proximal bis in
kPrinzip die Niere hochgeschoben und mit einem feinen
Lappenbildung aus der Blasenwand. Neueinpflanzung des resorbierbaren Faden fixiert wird.
Restureters durch Tunnelbildung zwischen Blasenschleim- 7 Die Base wird aufgefüllt und die Blasenwand so-
haut und Blasenmuskulatur zur Bildung eines neuen Anti- weit mobilisiert, dass ein ausreichend großer Lap-
refluxventils. pen gewonnen werden kann. Dessen Basis sollte
in Richtung des ursprünglichen Ostiums liegen
kLagerung (Blasenhinterwand), um eine gute Durchblutung
4 Rückenlage, zu gewährleisten.
4 evtl. auch Steinschnittlagerung. 7 Anlegen von Markierungsnähten und Zuschnei-
den des Lappens, der etwas länger als der zu
kInstrumentarium überbrückende Defekt sein sollte und mindestens
4 Grundinstrumentarium, 2 cm breit sein muss.
4 feine Klemmen und Scheren, 7 Am Ende des Lappens wird mit einem feinen
4 bei Bedarf lange Instrumente, Overholt mittig ein submuköser Tunnel von ca.
4 ggf. Balfour- oder Rahmensperrer, 4 cm Länge gebildet, vorher ggf. Unterspritzung
4 Gummizügel, der Schleimhaut mit NaCl im Sinne einer Hydro-
4 Nélaton-Blasenkatheter, dissektion der Schichten.
4 Blasenspritze, 7 Der mit einem Faden markierte Ureter wird durch
4 Ureterschiene (Mono-J), den Tunnel gezogen und mit feinen resorbier-
4 Robinson-Drainage, baren Fäden mit der Blasenschleimhaut vernäht
4 Nahtmaterial nach Abteilungsstandard, u. a. feines re- 6
sorbierbares geflochtenes Nahtmaterial (z. B. 4–0).
474 Kapitel 9 · Urologie

9.7.3 Ureterfreilegung
(Antirefluxplastik nach Politano-Leadbetter;
. Abb. 9.51). Die Freilegung der Harnleiter kommt meist nur noch bei
7 Mukosa-Mukosa-Naht, Ureteradventitia und Bla- Harnleitertumoren, Stenosen und Verletzungen – zumeist
senmuskulatur werden zur Sicherheit miteinander nach urologisch-endoskopischen, gynäkologischen oder
vernäht. chirurgischen Eingriffen – in Frage. Harnleitersteine wer-
7 Verschluss des Boari-Lappens über dem Ureter den in aller Regel mittels endoskopischer Maßnahmen, wie
und der liegenden Schiene, ohne den Harnleiter der Ureterorenoskopie (7 Abschn. 9.3.4) oder der extrakor-
einzuengen (. Abb. 9.53). poralen Stoßwellenlithoplaxie (ESWL) entfernt.
7 Falls nötig, wird die Schiene belassen und separat Zugang und Lagerung richten sich nach dem Sitz der
transvesikal-transkutan ausgeleitet. Harnleiterveränderung. Bei Erkrankungen im oberen
7 Verschluss der Restblase mit groben resorbier- Drittel des Harnleiters wird ein extraperitonealer Zugang
baren Fäden der Stärke 0 oder 1. in Seitenlage, bei Erkrankungen im mittleren und unteren
7 Einlage einer Robinson-Drainage. Drittel wird ein extraperitonealer Zugang in Rückenlage
7 Zählkontrolle und Dokumentation aller Textilien mittels Pararektal- oder Parainguinalschnitt gewählt.
und Instrumente und Dokumentation des Zähl- Sollten in Ausnahmefällen Steine entfernt werden
standes. müssen, wird präoperativ röntgenologisch der genaue Sitz
7 Schichtweiser Wundverschluss. des Steins bestimmt.
7 Evtl. wird der Blasenkatheter belassen.
7 Wundpflaster. jDiagnostik
9 4 Übliche Laborparameter,
4 retrogrades Pyelogramm.

kIndikationen
4 Kurzstreckige Harnleiterstrikturen,
4 Verletzungen des Harnleiters,
4 Harnleitersteine,
4 Harnleitertumoren.

kPrinzip
Resektion der Stenose, des Tumors oder Entfernung der
Steine mit anschließender End-zu-End-Anastomose des
Ureters.

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium,
4 evtl. langes Instrumentarium,
4 bei Bedarf Balfour- oder Finocchietto-Sperrer,
4 feines Skalpell,
4 Schere nach Potts de Martell,
4 Ureterschiene (Doppel-J)
4 Zügel,
4 Robinson-Drainage,
4 evtl. Nélaton-Blasenkatheter, der postoperativ einge-
legt wird,
4 Nahtmaterial nach Abteilungsstandard (u. a. feine re-
sorbierbare, geflochtene Fäden der Stärke 4–0 sowie
. Abb. 9.53 Nahezu 2/3 des Harnleiters können mit Hilfe eines ge- monofile Fäden der Stärke 5–0),
stielten Boari-Blasenlappens und zusätzlicher Hörner-Blasenplastik 4 bei Bedarf spezielles Steininstrumentarium, z. B.
(sog. Psoas-Hitch-Technik) ersetzt werden. Hierbei wird der aus der
Steinfasszangen, biegbare Steinlöffel, Knopfsonde,
Harnblase gebildete sog. Boari-Lappen zu einem Rohr geformt und
der Harnleiter im Sinne einer Ureterozystoneostomie und Fixation
Dissektor,
des Blasenhornes am M. psoas implantiert. (Nach Hautmann u. Huh- 4 Spritze und Knopfkanüle, sterile NaCl- oder Ringer-
land 2006) Lösung.
9.7 · Harnleiter
475 9
kLagerung
Je nach Zugang Seitenlagerung oder Rückenlage. 7 Spatulieren des distalen und proximalen Endes
Falls der Bildwandler benötigt wird, ist an den Strahlen- des Ureters mit der Schere nach Potts; die Spatu-
schutz für Patienten und Personal zu denken. lierung nach kranial und kaudal erfolgt um 180°
Anlegen der Neutralelektrode am Oberschenkel. versetzt.
7 Einlage eines Doppel-J-Katheters.
kZugang 7 Legen von Ecknähten mit feinem monofilem
Flankenschnitt, Pararektal- oder Parainguinalschnitt. Nahtmaterial 5–0.
7 Verschluss von Vorder- und Hinterwand mit Ein-
zelknopf- oder fortlaufender Nahttechnik.
Ureterfreilegung
7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OP-
Gebiets.
7 Hautinzision. Striktur oder Harnleiterabriss
7 Stumpfes Ablösen des Peritoneums. 7 Ureteroureterostomie wie oben beschrieben.
7 Einsetzen eines entsprechenden Wundsperrers, 7 Zählkontrolle aller Textilien und Instrumente, Do-
ggf. vorherige Umlegung mit feuchten Tüchern. kumentation des Zählstandes.
7 Darstellen und Anschlingen des Ureters. 7 Einlage einer Robinson-Drainage.
7 Präparation und Aufsuchen des Befundes unter 7 Schichtweiser Wundverschluss, Wundpflaster.
Schonung der begleitenden Harnleitergefäße, 7 Evtl. Einlage eines Blasenkatheters.
sonst kann es zu einer Nekrose kommen.
7 Anlegen von Haltefäden (4–0 resorbierbar, ge-
flochten) distal und proximal der Veränderung.
9.7.4 Ureterokutaneostomie

Bei der Ureterokutaneostomie wird/werden der/die Harn-


Steinentfernung
leiter direkt in die Haut implantiert. Dieses Verfahren gilt
7 Längsinzision des Ureters. als Palliativeingriff. Er ist technisch einfach und kann mit
7 Mit Hilfe des Steininstrumentariums wird der geringem Zeitaufwand durchgeführt werden. Ein wesent-
Stein entfernt und danach der Ureter nach distal licher Nachteil ist die erhöhte Stenoserate im Haut-
und proximal mit Spritze und Knopfkanüle durch- Schleimhaut-Bereich.
gespült (NaCl- oder Ringer-Lösung).
7 Einlage einer Ureterschiene und Dauerableitung
für 7–10 Tage. Ureterokutaneostomie (»feuchte« Harnableitung)
7 Verschluss der Ureterotomie mit feinem resorbier- 7 Die geschienten Harnleiter werden mobilisiert
barem Nahtmaterial 5–0 mit Einzelknopfnähten. und nach kranial präpariert.
7 Sie werden zur Bauchwand geführt und dort aus-
geleitet.
7 Eine weitere Möglichkeit ist, einen Ureter mit End-
Tumorresektion zu-Seit-Technik in den zweiten zu implantieren
7 In aller Regel werden Karzinome des Harnleiters und diesen dann unilateral auszuleiten.
per URS gesichert. Dann sollten Niere und betrof- 7 Das Harnleiterende wird auf einer Strecke von 2–
fener Harnleiter entfernt werden. Bei schlechter 3 cm mit der Schere nach Potts gespalten und samt
Funktion der kontralateralen Niere muss ggf. der Schiene zur seitlichen Bauchwand ausgeleitet
Organerhalt angestrebt werden. (. Abb. 9.54). Im Hautstoma wird ein dreieckiger
7 Resektion des betroffenen Harnleiterabschnittes. Zipfel Haut ausgeschnitten und in die Ureterinzisi-
7 Das Resektat wird zur Schnellschnittuntersuchung on eingenäht (5–0 monofil resorbierbar), dadurch
(»Ränder frei?«) gegeben. soll die Stenosetendenz verringert werden.
7 Herstellung einer End-zu-End-Anastomose: Dazu 7 Die Versorgung erfolgt mit einem selbstkleben-
müssen beide Ureterenden frei von narbigen Verän- den Beutel.
derungen sein und locker adaptiert werden können.
6
476 Kapitel 9 · Urologie

Ileumkonduit nach Wallace


7 Die Harnleiterenden werden an den Enden mit
der Schere nach Potts spatuliert und auf ca.
1,5 cm gleich- oder gegenläufig miteinander Seit-
zu-Seit (5–0 monofil resorbierbar) verbunden, da-
durch entsteht eine »Ureterplatte«.
7 Diese wird dann in das orale, ausgeschaltete Ile-
umsegment anastomosiert und hat aufgrund der
größeren Fläche ein geringeres Risiko einer Steno-
se der ureteroilealen Anastomose.
7 Die ideale Lokalisation für das Stoma führt
durch den M. rectus abdominis und ist vor der
Operation an der Hautaustrittstelle markiert
worden.
7 Die Haut wird kreisförmig mit einem Durchmesser
von ca. 1,5 cm gespalten, der Muskel im Faserver-
lauf stumpf zur Seite gedrängt und das Peritone-
um inzidiert.
7 Das aborale Ende des Konduits wird mit einer wei-
9 chen Darmklemme oder einer Allis-Klemme durch
den Muskel bis ca. 5 cm über das Hautniveau ge-
. Abb. 9.54 Ureterokutaneostomie zogen.
7 Das Konduit wird ggf. an der Faszie fixiert
(3–0 resorbierbar, geflochten).
9.7.5 Ileumkonduit 7 Danach wird das Darmende evertierend mit
der Subdermis vernäht, sodass ein prominentes
Ileum- oder auch Kolonkonduits gelten seit mehr als Stoma entsteht (7 Abschn. 2.12.9 Anus praeter).
50 Jahren sowohl beim Urothelkarzinom als auch bei an- 7 Versorgung mit Urostomaklebebeutel.
deren Malignomen im kleinen Becken als Standardthera-
pie der supravesikalen Harnableitung. Beim Ileumkonduit
werden die Harnleiter mit einer kurzen Ileumschlinge
anastomosiert, und diese wird dann am rechten Unter- 9.7.6 Kolonkonduit
bauch aus der Haut ausgeleitet.
Die Versorgung mit einem Kolonkonduit ist alternativ
kPrinzip zum Ileumkonduit bei Bestrahlungen im kleinen Becken,
Eine etwa 15–20 cm lange Ileumschlinge wird ca. 20 cm bei fehlendem distalem oder mittlerem Harnleiter, bei zu
vor der Ileozäkalklappe ausgeschaltet. Der verbleibende kurzem Dünndarm oder beim M. Crohn des Ileums gege-
Dünndarm wird reanastomosiert (mit Naht bzw. in Stap- ben. Der ausgeschaltete Darmanteil ist das Colon transver-
lertechnik; 7 Kap. 2). Der linke Harnleiter wird unter dem sum, alternativ kann auch das Colon sigmoideum gewählt
Sigma in Höhe der Gefäßbifurkation auf die rechte Seite werden (. Abb. 9.55). Die Gefäßversorgung erfolgt beim
geführt. Die Implantation der Ureteren erfolgt entweder Colon transversum über die A. colica media, beim Sig-
nach Bricker oder nach Wallace. moideum über die A. mesenterica inferior.

Ileumkonduit nach Bricker Transversumkonduit


7 Verschluss des oralen Endes des ausgeschalteten 7 Ein ca. 20 cm langes Darmsegment (z. B. Colon
Darmsegmentes, das aborale Ende wird zur Haut transversum) wird aufgesucht, mobilisiert und aus
ausgeleitet. der Darmpassage ausgeschaltet.
7 Die Harnleiter werden einzeln seitlich in die 7 Ein Harnleiter wird retromesenterial auf die Ge-
Darmwand anastomosiert (4–0 resorbierbar, ge- genseite geführt.
flochten). 6
9.7 · Harnleiter
477 9

. Abb. 9.55 Kolonkonduit. a Isolierung eines Sigmasegments. b, c lisches Durchziehen beider Harnleiter. Antirefluxive Implantation der
Wiederherstellung der Darmkontinuität, retroperitoneales lateroko- Harnleiter. d Retroperitonisiertes Kolonkonduit. (Nach Sigel 1993)

sich dann intermittierend katheterisieren (Mainz-Pouch I,


7 Der Darm wird an einer freien Tänie ca. 4 cm längs z. B. über den Nabel), oder der Urin wird über den Anus
eröffnet. entleert.
7 Die Harnleiter werden in Antirefluxtechnik (7 Ab- Nachteile sind rezidivierende fieberhafte Harnwegsin-
schn. 9.7.2) implantiert. fekte und die Gefahr eines sekundären Adenokarzinoms
7 Danach quere Vernähung der Darmöffnung. im Bereich der ureterointestinalen Anastomose.
7 Die Technik der Anlage des Stomas entspricht der
beim Ileumkonduit beschriebenen (7 Abschn. 9.7.5).
9.7.8 Anlage einer Neoblase

Die orthotope Blasenersatzplastik bei Patienten beiderlei


9.7.7 Mainz-Pouch I und II Geschlechts ist möglich, wenn der Tumor die Harnröhre
und den M. sphincter externus nicht infiltriert hat. Die
Hier handelt es sich um eine kontinente Harnableitung. Neoblase wird in aller Regel als Ileumneoblase angelegt.
Die Harnleiter werden in entweder einen ausgeschalteten Durch die antimesenteriale Längsinzision des Darms, mit
Darmanteil (Ileum und Zäkum) oder in einen detubulari- W- oder S-förmiger Vernähung zu einer Platte, entsteht ein
sierten Sigmaanteil, der aus der direkten Stuhlpassage he- »Niederdruckreservoir«, d. h. allein die Füllung mit Urin
rausgenommen wird und sich damit in einem »Nieder- bewirkt den Harndrang, der über den funktionierenden
druckbereich« befindet, implantiert. Die Patienten müssen Sphinkter zur Harnentleerung führt.
478 Kapitel 9 · Urologie

9.8 Harninkontinenz der Frau


Neoblasenanlage
7 Ein ca. 60 cm langes Dünndarmsegment wird in Definition
ungefähr 15 cm Abstand vor der Ileozäkalklappe Harninkontinenz wird definiert als Zustand mit jegli-
ausgeschaltet. Der Darmanteil muss eine ausrei- chem unwillkürlichem Urinverlust, der ein soziales oder
chende eigene Gefäßversorgung besitzen! hygienisches Problem darstellt (Zitat aus Schmelz et al.
7 Die Darmkontinuität wird durch End-zu-End- 2006; Definition der International Continence Society;
Anastomose mittels Handnaht oder in Seit-zu- ICS).
Seit-Staplertechnik wiederhergestellt.
7 Detubalisierung durch antimesenteriale Längsin-
zision der ausgeschalteten Darmschlinge, wobei Es wird unterschieden zwischen:
an beiden Enden (bei seitengetrennter Ureterim- 4 Belastungsinkontinenz (früher: Stressinkontinenz):
plantation) oder nur am aboralen Ende (bei Ver- Unwillkürlicher Harnverlust bei körperlicher Belas-
wendung der Wallace-Platte) ca. 5 cm eröffnet tung, Niesen, Husten.
werden. 4 Dranginkontinenz:
7 Blutstillung und Säuberung des Darmsegments. Unwillkürlicher Harnverlust in Kombination mit
7 S- oder W-förmige Anordnung des Darm- plötzlich vorausgegangenem Drangempfinden.
abschnittes und Nähte der benachbarten Ränder, 4 Mischinkontinenz:
sodass eine Platte entsteht. Die Harnleiter werden Unwillkürlicher Harnverlust assoziiert mit Harndrang
seitengetrennt jeweils in das nicht tubularisierte wie auch mit körperlicher Belastung, Niesen, Husten.
9 Ende der Neoblase eingenäht. Dabei können die 4 Nächtliche Enuresis:
Ureteren mit einer Antirefluxtechnik in die Dünn- Jeglicher unwillkürlicher Harnverlust während des
darmplatte implantiert werden. Bei antirefluxiver Schlafes.
Technik kann es vermehrt zu Stenosen kommen, 4 Übrige Inkontinenzformen:
dafür ist ein besserer Schutz vor aszendierenden Situationsabhängige Inkontinenzepisoden, z. B. bei
Infekten gegeben. Die seitengetrennte Implanta- Geschlechtsverkehr.
tion der Harnleiter erspart die Verlagerung eines 4 Als Sonderform gilt die neurogene Inkontinenz, die
Harnleiters unter dem Darm hindurch auf die kon- auf einer neurologischen Grunderkrankung beruht.
tralaterale Seite.
7 Die Anlage einer Wallace-Platte (7 Abschn. 9.7.5, Als Ursache für die Belastungsinkontinenz gelten z. B. Al-
Ileumkonduit) zum Einnähen der Ureteren ist terungsvorgänge, Adipositas und eine Beckenbodensen-
ebenfalls möglich. kung, z. B. nach vaginalen Geburten.
7 Die unteren Enden der Dünndarmplatte werden Die Therapie ist abhängig von Form und Ausprägung
nach oben eingeschlagen. Die Vorderwand der der Inkontinenz. Die operative Maßnahme sollte erst bei
Neoblase wird dabei T-förmig verschlossen (3–0 Versagen der konservativen Therapie, z. B. Beckenboden-
resorbierbar, geflochten, gerade Nadel). training, in Betracht gezogen werden. Es gibt vielfältige
7 Durch die zuvor mit Anastomosennähten vorbe- Verfahren, von denen sich die unten aufgeführten Tech-
reitete Urethra (doppelt armierte Fäden 4–0, nicht niken durchgesetzt haben.
resorbierbar, monofil) wird ein 22-Charr-Blasenka- Harninkontinenzformen der Frau werden sowohl von
theter geführt. Urologen als auch von Gynäkologen therapiert (7 Kap. 8).
7 Am untersten Punkt der Neoblase wird mit einem
langen Diathermiestichel eine Öffnung für den
Katheter geschaffen und dieser dort mit 30 ml ge- 9.8.1 »Tensionfree Vaginal Tape«
blockt. (TVT, TVT-O)
7 Die Urethra wird an der Kathetereintrittstelle mit
der Neoblase vernäht (ähnlich der Anastomose Einbringen eines »tensionfree vaginal tape« (TVT = span-
der Harnröhre mit dem Blasenhals bei der radi- nungsfreies Band; 7 Abschn. 8.6.10), welches auch transob-
kalen Prostatektomie). turatorisch positioniert werden kann (TVT-O). Das TVT
ist ein synthetisches Band, das von vaginal mit einer Spe-
zialnadel um die Urethra retrosymphysär nach ventral ein-
gebracht wird. Es wird nicht fixiert (daher: »tensionfree«),
sondern verankert sich durch Gewebeeinsprossung. Da-
durch unterstützt es bei zunehmender Blasenfüllung die
9.8 · Harninkontinenz der Frau
479 9
Harnblase bzw. die Urethra wie eine »Hängematte« und
verbessert somit den Kontinenzmechanismus. Eine mög- 7 Hydrodissektion der Vaginalvorderwand und der
liche Komplikation bei Implantation des TVT ist die Bla- darunter liegenden Schichten. Dies erleichtert im
senverletzung. Die Erfolgsrate liegt bei ca. 80%. Weiteren die paraurethrale Präparation und ver-
Beim TVT-O, das ebenfalls aus synthetischem Materi- ringert das Risiko einer Urethraverletzung.
al gefertigt ist, erfolgt die Einlage des Bandes transobtura- 7 Einstellen der vorderen Scheidenwand mit Hilfe
torisch. Es besteht dadurch eine geringere Gefahr der Bla- des Spekulums mit Gewicht.
senverletzung. 7 Fassen der Vaginalhaut neben der Urethra mit z. B.
Allis-Klemmen.
kIndikationen 7 Sie wird am Übergang vom proximalen zum mitt-
Belastungsinkontinenz nach Versagen der konservativen leren Harnröhrendrittel mit dem 15-er Skalpell auf
Therapie. etwa 4 cm eröffnet.
7 Unter Schonung der Urethra wird der Beckenbo-
kLagerung den paraurethral in Richtung Hinterkante des
Steinschnittlagerung. Schambeins mit der Schere rechts und links ge-
Neutralelektrode am Oberschenkel. tunnelt.
7 Stichinzisionen suprapubisch, jeweils ca. 2–3 cm
kInstrumentarium
lateral der Medianlinie; eine lange Kanüle wird zur
4 Grundinstrumentarium mit Kocher Klemmen, Orientierung für die spätere Stichrichtung der
4 Stichskalpell, 15-er Skalpell,
Führungsnadel unter Knochenkontakt an der Hin-
4 Allis-Klemmen,
terkante des Schambeins von außen Richtung va-
4 Scheidenspekula mit Gewicht (7 Kap. 8),
ginal geführt.
4 Band-Set,
7 Dann erfolgt die Bandeinlage:
4 Nélaton-Blasenkatheter, Spritze zum Blocken, Ablauf-
– Eine Führungsnadel wird von außen nach vagi-
beutel,
4 Gleitmittel, nal durchgestoßen und das Band an der Spitze
4 östrogenhaltige Salbe, dieser Führungsnadel befestigt.
4 Streifentamponade, – Die zweite Führungsnadel wird auf der anderen
4 Lokalanästhetikum mit Adrenalin, Seite eingeführt, das Band wird um die Harn-
4 lange Kanüle zum Einspritzen der Lokalanästhetika, röhre gelegt und dann an der zweiten Nadel
4 Nahtmaterial (resorbierbar, monofil, 3–0), befestigt.
4 in Bereitschaft: Zystoskop. – Die Führungsnadeln sind für rechts und links
gekennzeichnet.
kZugang – Die Nadeln werden zurückgezogen und das
4 Vaginale Inzision. Band damit nach kranial in die retrosymphysäre
4 Kleine Inzisionen suprapubisch am Tuberculum pu- Region hochgezogen.
bicum rechts und links. – Das Band wird um die mittlere Harnröhre plat-
ziert.
– Mit zwei Kocher-Klemmen wird die Schutzhülle
TVT-Anlage
des Prolenebandes außerhalb der suprapu-
7 Desinfektion von Unterbauch, oberem Ober- bischen Stichinzisionen gefasst, und die Füh-
schenkel, Scheide und Damm mit einem gefärb- rungsnadeln werden entfernt.
ten Schleimhautantiseptikum. – Feinanspannung (spannungsfrei) des Bandes
7 Ein Abwaschtupfer wird bis OP-Beginn in der (mit ca. 1 ml Luft) um die Urethra.
Scheide belassen. 7 Hat die Patientin keine Vollnarkose, wird sie gebe-
7 Abdecken des OP-Gebiets. ten zu husten. Das Band wird solange fester um
7 Einlegen des Blasenkatheters. die Harnröhre gelegt, bis kein Urin mehr fließt.
7 Entfernen des Tupfers aus der Vagina. 7 Von außen wird die Schutzhülle des Bandes mit
7 Bei Operation in Lokalanästhesie Injektion des An- den beiden Kocher-Klemmen entfernt.
ästhetikums in die suprapubischen Austrittstellen 7 Das Band wird an beiden Inzisionsstellen unterhalb
der TVT-Nadeln, retrosymphysär und von vaginal des Hautniveaus abgeschnitten, die Einstichstellen
paraurethral. werden mit kleinen Wundpflastern versorgt.
6 6
480 Kapitel 9 · Urologie

jDiagnostik
7 Der Vaginalschnitt wird mit resorbierbaren mono- Die Diagnose wird gesichert durch eine Zystoskopie mit
filen Fäden genäht (3–0). Biopsie, Miktionszystourethrographie (MCU), CT Abdo-
7 Einlage einer mit einer östrogenhaltigen Salbe ge- men bei Tumorverdacht und durch einen »Blaunachweis«
tränkten Streifentamponade, diese wird mit ihrem (Indigocarmininjektion in die Blase → ein vaginal einge-
Halteband am Blasenkatheter befestigt und dort legter Tupfer färbt sich blau).
belassen.
7 Tamponade und Katheter können am 1. postope- kPrinzip
rativen Tag entfernt werden. Exzision der Fistelränder, Verschluss der Blase und evtl.
Decken des Defekts mittels eines Lappens aus Peritoneum.
Bei der Peritoneallappenplastik wird die Fistel ausgeschnit-
ten, die Scheide wird verschlossen und der verschlossene
9.8.2 Inkontinenzoperation nach Burch Defekt mit einem Peritoneallappen gedeckt. Bei kleineren
Fisteln wird von vaginal, bei größeren von abdominal ein-
Die Kolposuspensionsoperation nach Burch ist mit über gegangen.
70% Langzeiterfolg das Standardverfahren in der opera-
tiven Inkontinenztherapie und in 7 Abschn. 8.6.10 beschrie- kInstrumentarium
ben. Die vaginalen Operationen wie z. B. TVT (7 Abschn. 4 Grundinstrumentarium,
9.8.1 und 8.6.10), die seit ca. 10 Jahren durchgeführt werden, 4 Scheidenspekula,
haben eine postoperative Erfolgsquote von 80% und sind 4 suprapubischer Katheter,
9 deutlich weniger invasiv als die OP nach Burch, die mit ei- 4 Robinson-Drainage,
ner Eröffnung des paravesikalen Raumes einhergeht. Das 4 Nahtmaterial (resorbierbar, monofil und geflochten),
paravaginale Gewebe wird mittels Matratzennähten an das 4 Nélaton-Blasenkatheter.
Lig. ileopectineum (Cooper-Band) genäht.
kLagerung
Steinschnittlagerung mit abgesenkten Beinen.
9.9 Blasen-Scheiden-Fisteln
kZugang
Blasen-Scheiden-Fisteln entstehen z. B. nach Hysterekto- Suprasymphysärer Faszienquerschnitt nach Pfannenstiel.
mien, nach Bestrahlungen im kleinen Becken, nach ge-
burtshilflichen Operationen, durch Traumata und Tumo-
Peritoneallappenplastik
ren. Zusätzlich besteht häufig eine Harninkontinenz. Die
Lokalisationen zeigt . Abb. 9.56. 7 Desinfektion und sterile Abdeckung des
Kleinere Fisteln werden von vaginal rekonstruiert, grö- OP-Gebiets.
ßere (>2 cm) über eine Unterbauchlaparotomie. 7 Nach Eröffnen der Bauchdecke wird das Peritone-
um vom Blasendach in Richtung Fistel abpräpariert.
7 Mediane Inzision der Blase und seitliche Inzision
des Peritoneums.
7 Blasen- und Scheidenwand werden bis unter die
proximale Urethra voneinander getrennt und die
Fistelränder ausgeschnitten.
7 Die Scheide wird mit resorbierbaren Nähten ein-
schichtig verschlossen, dabei müssen die Knoten
in der Scheide liegen!
7 Ein ca. 5 cm breiter Peritoneallappen wird seitlich
der Blase gestielt in Richtung Beckenboden prä-
pariert und auf der Scheide festgenäht.
7 Dabei muss die Scheidennaht gut abgedeckt sein.
7 Die Blase wird zweischichtig verschlossen.
7 Einlage einer suprapubischen Harnableitung.
7 Blutstillung und Verschluss des Peritoneums.
. Abb. 9.56 Fisteln des unteren Harntraktes und deren Häufigkeit. 6
(Nach Hautmann u. Huland 2001/2006)
9.10 · Harninkontinenz des Mannes
481 9

7 Einlage einer Robinson-Drainage in das Cavum


Retzii.
7 Kontrolle aller Instrumente und Textilien und Do-
kumentation des Zählstandes.
7 Schichtweiser Wundverschluss.
7 Wundpflaster.

9.9.1 Technik nach Latzkow

Die Operation wird bei kleineren Fisteln, die von vaginal


aus erreichbar sind, durchgeführt.

kInstrumentarium
a
Siehe oben, zusätzlich feinere längere Scheren und Pin-
zetten.

kLagerung
Steinschnittlagerung mit hochgestellten Beinen, Oberkör-
per leicht abgesenkt.

kZugang
Von vaginal.

Latzkow-Technik
7 Desinfektion des OP-Gebiets und sterile Abde-
ckung.
7 Einstellen der Fistel mit dem Scheidenspekulum.
7 Zirkuläre Umschneidung des Fistelgangs und Mobi-
lisation der vorderen Vaginalwand. Scheiden- und b
Blasenwand werden dadurch voneinander getrennt.
7 Die Blasenwand wird dann mit einer Rückstich- . Abb. 9.57 Blasen-Scheiden-Fistel. a Schnittführung zur Bildung
naht unter Belassen des Fistelgangs mit einem re- des Peritoneallappens. b Einnähen des Peritoneallappens auf die
verschlossene Scheide. (Mod. nach Petri 2001)
sorbierbaren Faden verschlossen. Diese Nahttech-
nik ist erforderlich, damit die Nähte von Scheide
und Blase nicht aufeinander zu liegen kommen. Santorini bei Blutungen während der Operation kommen.
7 Verschluss der Scheide mit innen liegenden Knoten. Auch die TUR-P und Adenektomie können zu einer
7 Entfernen aller verwendeten Instrumente und Sphinkterschwächung führen.
Textilien und Zählkontrolle mit Dokumentation. Bei der Anamneseerhebung werden Leidensdruck des
7 Einlage eines Nélaton-Blasenkatheters. Patienten, Voroperationen, Medikamente, urologische
oder auch neurologische Erkrankungen sowie das Ausmaß
der Harninkontinenz erfragt. Dabei wird der Harnverlust
nach Stamey in 3 Stadien unterteilt (. Tab. 9.2).
9.10 Harninkontinenz des Mannes Als operative Verfahren sind die Anlage eines artifizi-
ellen Sphinkters ebenso wie die Anlage eines suburethralen
Die Ursache für die Harninkontinenz des Mannes ist häu- Bandes (AdVance) zu nennen. Für den Therapieerfolg bei
fig eine postoperative Komplikation nach Eingriffen an der der Bandanlage ist eine restliche Sphinkteraktivität die
Prostata. Bei der radikalen retropubischen Prostatektomie Voraussetzung. Langzeitergebnisse existieren lediglich für
(RRP) kann es z. B. zu einer direkten Schädigung des den artifiziellen Sphinkter, andere Verfahren müssen sich
M. spincter externus nach tiefer Umstechung des Plexus erst bewähren.
482 Kapitel 9 · Urologie

kPrinzip
. Tab. 9.2 Einteilung des Harnverlustes nach Stamey Obstruktion der Harnröhre in Bereich der membranösen/
Schweregrad Kennzeichen
bulbären Harnröhre.

1 Harnverlust bei Niesen, Husten und Lachen kLagerung


2 Harnverlust beim Gehen und Aufstehen Modifizierte Steinschnittlagerung mit abgesenkten Bei-
nen.
3 Harnverlust im Liegen

kInstrumentarium
Vorbereitung auf 2 separaten Instrumentiertischen.
9.10.1 Artifizielle Sphinkteranlage 4 Instrumentiertisch mit:
5 Grundinstrumentarium.
Es ist keine Sphinkteraktivität mehr vorhanden. Diese wird 5 evtl. längere Instrumente,
dann nach der Operation mechanisch durch einen um die 5 bei Bedarf größere Wundspreizer,
Harnröhre herum liegenden Cuff imitiert. Hinsichtlich der 5 Scott-Rahmen (. Abb. 9.58).
Kontinenz sind gute Ergebnisse zu erwarten, nachteilig ist 4 Instrumentiertisch mit:
hier allerdings die relativ häufige Revisionsrate in den ers- 5 AMS 800-Einmalset mit seinen drei Kompo-
ten 5 Jahren nach Operation (mechanische Defekte, Infek- nenten (druckregulierender Ballon, Harnröhren-
tionen des Systems, HR-Arrosionen). Zusätzlich erfordert Cuff, Kontrollpumpe) und Messstreifen (. Abb.
dieses System einiges an manuellem Geschick des Pati- 9.59),
9 enten sowie Einsicht in die Problematik. 5 antibiotische Lösung zum Einlegen des Systems
(z. B. Gentamycin),
jDiagnostik 5 mindestens 8 stumpfe Klemmchen, die mit Zü-
4 Übliche Laborparameter, geln, die im System enthalten sind, bezogen wer-
4 Urinkultur, Sediment, den.
4 Sonographie wegen Restharnbestimmung, 4 Kontrastmittel zum Füllen des Ballons,
4 Urodynamik, 4 Nahtmaterial,
4 Zystoskopie. 4 Nélaton-Blasenkatheter.

kIndikationen kZugang
4 Fehlende Sphinkteraktivität, Perineal- und Unterbauchwechselschnitt.
4 Versagen anderer Therapieoptionen.

a b

. Abb. 9.58a, b Scott-Rahmen (a Modell, b in situ). (Fa. AMS – American Medical Systems)
9.10 · Harninkontinenz des Mannes
483 9

Artifizielle Sphinkteranlage (Operation am


Beispiel Komplettset AMS 800 , Fa. American
Medical Systems)
7 Hautdesinfektion unter Beachtung der angege-
benen Kriterien und steriles Abdecken des OP-
Gebiets.
7 Zunächst ist der Patient in Steinschnittlage gela-
gert.
7 Es wird eine senkrechte mediane perineale Inzision
durchgeführt, die Harnröhre wird ohne Eröffnung
des M. bulbospongiosus freigelegt. Das Centrum
tendineum wird von der Harnröhre stumpf ge-
a trennt, bis der membranöse Anteil komplett um-
fahren werden kann, hier wird die Cufflänge mit
dem mitgelieferten Messstreifen ermittelt.
7 Das Silikonmaterial des AMS 800 wird auf dem
2. Instrumentiertisch entlüftet, mit Kontrastmittel
gefüllt und mit den bezogenen Klemmchen ver-
schlossen.
7 Das komplette Material wird in steriler Antibioti-
kalösung bis zur Implantation aufbewahrt.
7 Der Cuff wird um die membranöse Harnröhre ge-
legt und verschlossen. Das Centrum tendineum
wird über dem Cuff rekonstruiert, sodass dieser in
einem sicheren und stabilen Lager oberhalb des
Centrums liegt.
7 Die Wunde wird zunächst offen gelassen und mit
einem in Schleimhautdesinfektionsmittel ge-
tränktem Bauchtuch abgedeckt.
7 Absenken der Beine.
7 Im rechten Unterbauch wird ein Wechselschnitt
durchgeführt. Hier wird der druckregulierende
b Ballon intraperitoneal versenkt und mit der vorher
abgemessenen Menge Kontrastmittel (nach Her-
. Abb. 9.59a, b Artifizieller Sphinkter AMS 800 (a Modell, b in situ). stellerangaben) befüllt.
(Fa. AMS – American Medical Systems)
7 Das Peritoneum wird verschlossen, danach wird
die Kontrollpumpe ins rechte Skrotalfach ver-
bracht und dort zunächst mit einer Klemme von
! Die Rasur der Patienten erfolgt zeitnah in der außen fixiert. Der zuführende Schlauch vom Cuff
Einleitung oder erst im OP-Saal selbst, keinesfalls wird über einen mit dem Overholt präparierten
auf der peripheren Station, um Infektionen vor- Tunnel nach inguinal durchgezogen.
zubeugen. 7 Nun werden die Verbindungsschläuche entspre-
Desinfektion des OP-Gebiets mit einem Schleim- chend gekürzt, gespült, konnektiert und dann im
hautdesinfektionsmittel und sterilen Tüchern über subkutanen Fettgewebe versenkt.
15 min. Danach erst die übliche Desinfektion mit 7 Blutstillung, Zählkontrolle aller Instrumente und
dem gebräuchlichen alkoholischen Desinfektions- Textilien, Dokumentation des Zählstandes.
mittel unter Einhaltung der Einwirkzeit. 7 Schichtweiser Wundverschluss auch der perine-
Dieses Verfahren soll Infektionen nach der alen Wunde und Anlegen der Wundpflaster.
Implantateinlage reduzieren. 7 Der Cuff wird mit der Pumpe im Skrotalfach ent-
leert und somit deaktiviert.
6
484 Kapitel 9 · Urologie

7 Der Cuff muss bei jeglicher transurethraler Mani-


pulation deaktiviert sein!
7 Dann erst wird ein Nélaton-Blasenkatheter trans-
urethral eingelegt.

9.10.2 AdVance-Band-Einlage (Fa. AMS)

Dieses funktionelle, retrourethrale, nicht knochenveran-


kerte Band wird z. B. bei Patienten mit Belastungsinkonti-
. Abb. 9.60 AdVance-Band. (Fa. AMS – American Medical Systems)
nenz nach radikaler Prostatektomie eingelegt. Das Schlin-
gensystem für Männer wird mehr und mehr zum Standard
bei leichter bis mittelgradiger Harninkontinenz, allerdings Urethra oder auch Tumoren der Harnröhre und des um-
gibt es noch keine Langzeitergebnisse. liegenden Gewebes.
Nach der einfachen Urethrotomie (als bisher übliches
jDiagnostik Primärverfahren) kommt eine plastische Rekonstruktion
4 Übliche Laborparameter, bei Rezidiven oder bei bereits primär längeren oder kom-
4 Urodynamik. plexeren Strikturen in Frage. Die Wahl des Operationsver-
9 4 Zystoskopie, fahrens ist abhängig von der Lokalisation der Striktur. Sie
4 Patientenanamnese. können lokalisiert sein:
4 in der prostatischen Harnröhre: zwischen Harnblase
kIndikationen und Schließmuskel,
Leichte bis mittelgradige Harrninkontinenz verschiedener 4 in der membranösen Harnröhre: unterhalb der Pros-
Genese. tata, innerhalb des Schließmuskels,
4 in der bulbären Harnröhre: zwischen Schließmuskel
kLagerung und Beginn des mobilen Penis,
Steinschnittlage mit hochgestellten Beinen. 4 in der penilen Harnröhre: im mobilen Teil des Penis,
4 in der Eichel selbst.
kPrinzip
Anheben der Urethra mittels einer Schlinge aus nicht re- Hauptsymptom ist ein abgeschwächter Harnstrahl. Durch
sorbierbarem Band über einen perinealen Zugang sowie den erhöhten Druck bei der Miktion kann eine Restharn-
über eine kleine Stichinzision transobturatorisch. bildung die Folge sein, was zu rezidivierenden Blasenent-
zündungen führen kann. Ein weiteres häufiges Symptom
kInstrumentarium ist eine Mikrohämaturie. Bei länger bestehender Harnröh-
4 Grundinstrumentarium, renenge kann es aufgrund des erhöhten Auslasswider-
4 Scott-Rahmen (AMS; . Abb. 9.58), stands zu einer Verdickung der Blasenmuskulatur und
4 AdVance-Band-Set (AMS; . Abb. 9.60), somit zu einer Einschränkung der Elastizität der Blase
4 Nahtmaterial (3–0, 4–0, monofil, resorbierbar), kommen. Das führt zu einer weiteren Verschlechterung
4 Nélaton-Blasenkatheter, der Entleerungsfunktion. Im Extremfall kann ein Reflux
4 Ablaufbeutel. von Urin in Harnleiter und Niere und damit deren Schädi-
gung resultieren.

9.11 Harnröhrenplastik jDiagnostik


4 Anamnese (genaue Befragung des Patienten nach
Eine Harnröhrenplastik kann bei Strikturen der Harn- Dauer und eventuellen Infektionen oder auch Un-
röhre unterschiedlicher Genese durchgeführt werden. Es fällen),
wird unterschieden zwischen seltenen angeborenen und 4 Urinuntersuchung,
häufigeren erworbenen Strikturen. Als Ursachen für er- 4 Sonographie zur Bestimmung der Restharnmenge
worbene Strikturen gelten z. B. Mikrotraumata bei der und Zustand der Harnblase,
Einlage von Blasenkathetern, direkte Verletzungen bei- 4 Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel zur ge-
spielsweise nach Verkehrsunfällen, Infektionen der nauen Lokalisation der Striktur.
9.11 · Harnröhrenplastik
485 9
4 Bei der retrograden Urethrographie wird Kontrast- 4 Nahtmaterial (3–0, 4–0, 5–0, monofil resorbierbar,
mittel in die gestreckte Harnröhre gespritzt und 4–0 resorbierbar geflochten),
gleichzeitig durchleuchtet, so können Ort und Länge 4 Nélaton-Blasenkatheter, längsgerillter Nélaton-Bla-
der Striktur ermittelt werden. senkatheter,
4 Gleitmittel,
jTherapie 4 Ablaufbeutel.
Führt eine endoskopische Maßnahme wie die Urethroto-
mie nach Sachse oder Otis (7 Abschn. 9.3.7) nicht zum Er- kZugang
folg, muss eine Harnröhrenplastik durchgeführt werden. Längsinzision auf der Unterseite des Penis.
Zu Beginn der plastischen Verfahren wird ein Draht
über die Striktur in die Blase vorgelegt, um trotz der
Harnröhrenplastik mit End-zu-End-Anastomose
erheblich veränderten Anatomie im Bereich der Striktur
die Harnröhre sicher identifizieren zu können. Dies kann 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des OP-
ggf. mit dem Zystoskop erfolgen. Die exakte Lokalisation Gebiets. Einbringen eines Terumo-Drahts in die
des proximalen Endes der Striktur wird mittels einer Harnröhre.
Sonde dargestellt. Dabei muss beachtet werden, dass die 7 Längsinzision an der Unterseite des Penis etwas
Striktur nicht mechanisch aufgesprengt wird. Am Ende versetzt von der Mittellinie, von der Katheterspit-
des Eingriffs wird ein längsgerillter Blasenkatheter in ze bis über die zu erwartende Striktur.
die Harnröhre eingelegt. Er dient der Schienung und 7 Die Harnröhre wird dargestellt und mit einem Zü-
dem Offenhalten der Urethra, außerdem verhindern die gel angeschlungen.
Längsrillen des Katheters ein Verkleben der Schleimhaut. 7 Proximal und distal der Striktur werden Haltenäh-
Eine postoperative Dauerableitung über einen suprapu- te an dem gesunden Anteil der Harnröhre ange-
bischen Katheter für 10–14 Tage lässt die Rekonstruktion legt und angeklemmt (3–0 oder 4–0 monofil re-
abheilen. sorbierbar).
7 Die Harnröhre wird unmittelbar distal der Kathe-
terspitze mit dem Stichskalpell inzidiert und die
9.11.1 Harnröhrenplastik mit Striktur in ihrem Verlauf mit der Schere/dem Mes-
End-zu-End-Anastomose ser eröffnet.
7 Der verengte Anteil wird reseziert und das proxi-
jDiagnostik male sowie das distale Lumen inspiziert, um si-
4 Übliche Laborparameter, cher zu sein, dass alle fibrotischen Anteile entfernt
4 Urinuntersuchung, wurden.
4 Sonographie, 7 Die gesunden Harnröhrenenden werden entge-
4 retrograde Urethrographie, gengesetzt mit der Schere nach Potts spatuliert.
4 MCU. Nun wird die Harnröhre dorsal beginnend ein-
schichtig wieder verschlossen (mit Nahtmaterial
kIndikationen der Stärke 4–0 oder 5–0 monofil resorbierbar).
Kurze Strikturen der Harnröhre. 7 Nach Beendigung einer seitlichen Naht wird der
längsgerillte Nélaton-Blasenkatheter eingeführt,
kPrinzip mit einer atraumatischen Pinzette bis in die Blase
Resektion der Striktur und Reanastomose der Harnröhre. geführt und dort geblockt.
7 Nun kann die andere Seite der Anastomose auf
kLagerung die gleiche Weise genäht werden.
Rückenlage, evtl. Steinschnittlage. 7 Um die Anastomose wird zum Schutz gesundes
subkutanes Gewebe gelegt.
kInstrumentarium 7 Schichtweiser Wundverschluss. Wundpflaster. An-
4 Grundinstrumente, schluss des Urinablaufbeutels.
4 feine Scheren und Pinzetten (chirurgisch und atrau-
matisch),
4 Schere nach Potts,
4 Stichskalpell,
4 Gummizügel,
4 bipolare Koagulation,
486 Kapitel 9 · Urologie

9.11.2 Harnröhrenplastik mit Ersatz aus


der Mundschleimhaut 7 Wurde primär ein Terumo-Draht eingelegt
(s. oben), wird dieser sichtbar, wenn die Striktur
Bei Rezidiven oder bei langstreckigen Strikturen (>2 cm eröffnet ist.
Länge) kann die Harnröhre durch Einnähen eines Stückes 7 Mit einem Nasenspekulum kann die Urethra vor-
aus der Mundschleimhaut erweitert oder auch ersetzt wer- sichtig inspiziert und die Striktur über die ge-
den. Man unterscheidet hier ventrales oder dorsales On- samte Länge sichtbar gemacht werden.
lay/Inlay. 7 Die Länge der zu gewinnenden Mundschleimhaut
wird mit dem Maßband ausgemessen (Länge der
kIndikationen Striktur ×1,3, da das Graft später noch etwas
4 Langstreckige Strikturen >2 cm. schrumpft).
4 Rezidiv-OP. 7 Die Wunde wird für die Zeit der Schleimhautge-
winnung mit einem in Schleimhautdesinfektions-
kPrinzip mittel getränkten Bauchtuch abgedeckt.
Erweiterung der Urethra oder Ersatz eines Teils der Harn- 7 Der Mund wird mit einem Schleimhautdesinfekti-
röhre mittels Mundschleimhaut. onsmittel desinfiziert, die Mundschleimhaut mit
einem mit Adrenalinzusatz versehenen Lokalanäs-
kInstrumentarium thetikum (als Vasokonstringens) unterspritzt.
7 Abschn. 9.11.1. 7 Hinweis an die Anästhesie, dass ein Lokalanästhe-
4 Suprapubischer Katheter, tikum mit Adrenalinzusatz gespritzt wird!
9 4 lange Kanüle, 7 Anlegen von Haltefäden über die Länge der zu
4 zusätzlich ein feststellbares Nasenspekulum nach entnehmenden Schleimhaut.
Cottle, 7 Mit der Schere wird die Schleimhaut abpräpariert
4 bei Bedarf ein 2. Instrumentiertisch für: und entnommen.
4 Markierungsstift und Zentimetermaß, 7 Die gewonnene Schleimhaut wird in Schleimhaut-
5 Lokalanästhetikum mit Adrenalinzusatz, desinfektionsmittel eingelegt und die Wunde im
5 zusätzliches Grundinstrumentarium, Mund mit monofilem resorbierbarem Nahtmateri-
5 evtl. Scott-Rahmen (bei perinealem Vorgehen), al verschlossen (3–0).
5 Harnröhren-Bougies (Benecke-Sonden), 7 Die Mundschleimhaut wird über dem Finger des
5 evtl. Zystoskop, Operateurs vom anhaftenden Fett befreit. Sie
5 evtl. Terumo-Draht, verbleibt in einem mit Schleimhautdesinfektions-
5 Nahtmaterial (3–0 monofil, resorbierbar), mittel gefüllten Behälter auf dem Tisch für den
5 Schleimhautdesinfektionsmittel. urethralen Eingriff.
7 Kittel- und Handschuhwechsel.
kLagerung 7 Die Harnröhre wird mit dem Nasenspekulum ein-
7 Abschn. 9.11.1. gesehen und die Mundschleimhaut mit 4–0 mo-
nofilen resorbierbaren Fäden – am proximalen
kZugang ventralen Ende der Striktur beginnend – mit
Je nach Lokalisation der Striktur auf der Unterseite des Pe- durchgreifenden Nähten eingenäht.
nis oder perineal bei bulbären Strikturen. 7 Dabei erleichtert das Nasenspekulum den Zugang
zur Urethra.
7 Nach Fertigstellung einer seitlichen Naht wird der
Harnröhrenplastik mit Ersatz aus der evtl. noch liegende Draht entfernt und über die
Mundschleimhaut Harnröhre ein längsgerillter Nélaton-Blasenkathe-
7 Evtl. nasale Intubation. ter eingelegt.
7 Liegt die Striktur im bulbären Teil der Harnröhre, 7 Nun wird die zweite Seite der Anastomose ge-
wird die Urethra über eine perineale Inzision frei- näht.
gelegt. 7 Die Anastomose wird zum Schutz mit gesundem
7 Direkt distal des Bougie-Endes wird die Urethra Gewebe aus der direkten Umgebung ummantelt
mit einem Stichskalpell inzidiert und mit der (Corpus spongiosum und M. bulbospongiosum).
Schere nach Potts eröffnet. 7 Schichtweiser Wundverschluss, Wundpflaster.
6
9.12 · Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken
487 9
9.11.3 Harnröhrenplastik mit Meshgraft

Dies ist ein zweizeitiges Verfahren, das als Rezidivplastik


oder bei extrem langen Strikturen angewendet wird. Hier-
bei wird z. B. Haut aus dem Oberschenkel entnommen,
gemesht und als Ersatz für die Urethra eingenäht. Diese
Operation wird nur noch selten durchgeführt, da die Tech-
nik mit gestielten und freien Transplantaten seltener zu
Rezidiven führt.

9.12 Eingriffe an der Niere und am


Nierenbecken . Abb. 9.61 Überstreckte Seitenlagerung. Bei der Flankenlagerung
liegt das Becken auf dem höchsten Punkt der Operationslagerungs-
A. Baumgarten, B. Lengersdorf, C. Matthies, M. Liehn fläche. (Nach Krettek u. Aschemann 2005)

Neben der Tumorchirurgie bei Nierenzellkarzinomen oder


Urothelkarzinomen des Nierenbeckens kommt als relativ 4 Nahtmaterial: monofil, resorbierbarer Faden Stärke
häufiger Eingriff die Rekonstruktion bei der Nierenbe- 5–0 für die Anastomose,
ckenabgangsstenose vor. Diese Operationen sind auch la- 4 monofiler, resorbierbarer Haltefaden der Stärke 3–0
paroskopisch möglich. 4 Ligaturen, monofil, resorbierbar, Stärke 0

kLagerung
9.12.1 Nierenbeckenplastik nach Seitenlage leicht überstreckt (Flankenlagerung) (. Abb.
Anderson-Hynes 9.61).

kIndikationen kZugang
Angeborene oder erworbene Ureterabgangsstenose mit Interkostal- (. Abb. 9.62) bzw. Flankenschnitt (. Abb. 9.63).
entsprechender Abflussbehinderung, Infektion, Steinbil-
dung, Blutung.
Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes
jDiagnostik 7 Hautdesinfektion und sterile Abdeckung des Pati-
4 Übliche Laborparameter, enten.
4 Sonographie, 7 Hautschnitt, danach Durchtrennen der Zwischen-
4 Ausscheidungsurogramm, rippenmuskulatur mit dem Diathermiemesser.
4 Ggf. Isotopennephrogramm (ING). Durchtrennung der Ligg. costovertebrale, danach
lassen sich die Rippen gut spreizen.
kPrinzip 7 Laterale Eröffnung der Gerota-Faszie und der Nie-
Entfernung des zu engen Harnleitersegmentes, Verkleine- renfettkapsel.
rung des zu großen Nierenbeckens, Versorgung bzw. Verla- 7 Aufsuchen und Anschlingen des Harnleiters.
gerung abweichender (aberrierender) Gefäße, Absetzen des 7 Freipräparation des Nierenbeckens bis zum Paren-
Ureters, Anastomose zwischen Pyelon und Ureter mit/ohne chym. Aberrierende Gefäße am Übergang vom
Nephrostomiekatheter, Splint oder Doppel-J-Schiene. Nierenbecken zum Harnleiter werden zunächst
angeschlungen.
kInstrumentarium 7 Eventuelle Adhäsionen werden unter Schonung
4 Grundinstrumente, der Gefäße an der Nierenbeckenwand gelöst. Ist
4 Balfour-Sperrer, das Nierenbecken freipräpariert, erfolgt die Explo-
4 tiefe Haken, ration nach pathologischen Veränderungen (z. B.
4 Allis-Klemmen, Steinen).
4 Schere nach Potts de Martell, 7 Mit Haltefäden wird der Resektionsbereich mar-
4 Gummizügel, kiert.
4 Uretersplinte (z. B. Doppel-J-, Nephrostomiekatheter) 6
4 Robinson-Drainage,
488 Kapitel 9 · Urologie

. Abb. 9.62 Interkostalschnitt . Abb. 9.63 Flanken-/lumbaler Schrägschnitt

7 Bogenförmige Teilresektion des Nierenbeckens.


9 Dabei sollte die Fettkapsel sorgfältig geschont
werden. Absetzen des Harnleiters unterhalb der
Stenose und Längsinzision (ca. 2–3 cm) des Nie-
renbeckens bzw. des Harnleiters, um eine größere
Strecke für die Anastomose zu erreichen (und
damit eine erneute Enge zu vermeiden)
(. Abb. 9.64).
7 Dazu wird die Vorderwand des Nierenbeckens
durch resorbierbare Einzelknopfnähte mit dem
b
längsinzidierten und spatulierten restlichen Harn- a
leiter zunächst auf einer Seite vernäht.
7 Ein Harnleitersplint (oder DJ-Katheter) wird zur
. Abb. 9.64 Nierenbeckenplastik. a Resektion, b Anastomose.
Schienung in den Harnleiter vorgeschoben und (Mod. nach Alken u. Sökeland 1982)
perkutan ausgeleitet und fixiert. Dies gewährleis-
tet den problemlosen Urinabfluss.
7 Dann Restverschluss der Anastomose auf der 9.12.2 Lappenplastik nach
zweiten Seite und Verschluss des restlichen Nie- Culp-de-Weerd-Scardino
renbeckens mit resorbierbaren, monofilen Fäden
(Einzelknopf oder fortlaufend). kPrinzip
7 Nach Kontrolle der Dichtigkeit der Anastomose Diese Plastik wird zur Überbrückung einer längeren Harn-
(Wasserprobe) und der Durchgängigkeitsprüfung leiterenge durchgeführt. Die Stenose wird längs gespalten,
(fördert die Schiene Urin?) erfolgt die Einbettung aus dem zu großen Nierenbecken wird ein Lappen gebildet
der Nierenharnleiteranastomose in die Fettkapsel, und in die vorherige Stenose des Harnleiters eingenäht
um späteren Adhäsionen vorzubeugen. (. Abb. 9.65).
7 Bei Bedarf Einlegen einer Wunddrainage.
7 Zählkontrolle der OP-Textilien und des Instrumen-
tariums mit Dokumentation des Zählstandes. 9.12.3 Nierenpol- oder Teilresektion
7 Zum anschließenden Wundverschluss wird die
überstreckte Lagerung aufgehoben. kIndikationen
7 Schichtweiser Wundverschluss, Fixieren der Drai- 4 Kleiner maligner Tumor (4–5 cm),
nage. 4 gutartiger Nierentumor,
4 funktionsloser Anteil einer Doppelniere,
4 maligner Nierentumor bei Einzelniere,
9.12 · Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken
489 9
kZugang
Interkostalschnitt oder Flankenschnitt (. Abb. 9.62 und
. Abb. 9.63).

kLagerung
Seitenlage und leicht überstreckt (. Abb. 9.61).

Nierenpolresektion/Tumorenukleation
7 Hautdesinfektion und steriles Abdecken des OP-
Gebiets.
7 Nach Hautschnitt und Durchtrennung der Zwi-
schenrippenmuskulatur Darstellen der Gerota-Fas-
zie. Diese wird eröffnet, die Niere zunächst am
Psoas mobilisiert, anschließend erfolgt die Präpara-
. Abb. 9.65 Lappenplastik zur Überbrückung einer längeren Enge
tion des Unterpols mit Anschlingen des Harnleiters,
nach Culp-de-Weerd-Scardino. Der Lappen, dem rechtwinkligen
Nierenbecken angepasst, wird heruntergezogen und in den spatu- dann die des Oberpols und zuletzt des Nierenstiels.
lierten Ureter positioniert. 7 Evtl. aberrierende Gefäße werden ligiert und
durchtrennt.
7 Unter Schonung des Fettgewebes wird so die Nie-
4 Nierentrauma, re mit dem Tumor dargestellt.
4 abgekapselte tuberkulöse Prozesse. 7 Anzügeln der nierenversorgenden Gefäße durch
Tourniquets. (Die Blutversorgung kann, ohne Nie-
jDiagnostik renschäden hervorzurufen, bis zu 20 min unter-
4 Übliche Laborparameter, brochen werden. Wird diese Zeit überschritten,
4 Sonographie, kann eine Kühlung der Niere, z. B. durch Umle-
4 CT, Röntgenaufnahme Thorax, gung mit Eiswassertüchern, Schädigungen des
4 Ausscheidungsurographie, Nierengewebes vermeiden.)
4 Nierenszintigraphie. 7 Scharfe Eröffnung der Fettkapsel ca. 1 cm neben
dem Tumor, der dann mit einem Hirnspatel und/
kPrinzip oder einer Knopfsonde atraumatisch und vollstän-
Entfernen des Nierentumors mit angrenzender Pseudo- dig aus der Pseudokapsel herausgelöst wird
kapsel und/oder mit einem Anteil der Nierenfettkapsel. (Enukleation).
7 Das Präparat wird zur Schnellschnittuntersuchung
kInstrumentarium gegeben.
4 Grundinstrumente, 7 Zeigt das Untersuchungsergebnis des Pathologen,
4 Nierenzusatzinstrumente wie z. B.: dass die Schnittränder nicht tumorfrei sind, muss
5 tiefe Haken, eine Nachresektion bzw. Nephrektomie erfolgen.
5 Wundsperrer nach Balfour, 7 Umstechung einzelner größerer Blutgefäße und,
5 Lidhaken, falls notwendig, Verschluss des eröffneten Hohl-
5 evtl. Hirnspatel bzw. Myrthenblattspatel, systems.
5 bei Bedarf Knopfsonde, 7 Blutstillung im Weiteren mit Hämostyptika.
4 Gummizügel, 7 Öffnen der Tourniquets und erneute Kontrolle der
4 Tourniquet, Blutstillung.
4 Bei Bedarf resorbierbare Hämostyptika, 7 Ggf. Deckung der Wundfläche mit der mobilisier-
4 bei Bedarf steriles Eis (tiefgefrorene Ringer-Lösung ten Fettkapsel.
zur Temperatursenkung des Organs), 7 Blutstillung, Einlegen einer Drainage.
4 ggf. Ultraschallgerät zur Diagnostik tiefliegender Tu- 7 Zählkontrolle der OP-Textilien und Instrumente
moren, und Dokumentation des Zählstandes.
4 Robinson-Drainage, 7 Aufheben der überstreckten Lagerung, schicht-
4 resorbierbares monofiles und geflochtenes Nahtmate- weiser Wundverschluss.
rial der Stärke 5–0 und 0, 7 Anschluss der Drainageablaufbeutel, Wundpflaster.
4 bei Bedarf Fibrinkleber.
490 Kapitel 9 · Urologie

9.12.4 Nephrektomie

Definition
Es wird zwischen einfacher und radikaler Nephrekto-
mie unterschieden. Bei der einfachen Nephrektomie
wird lediglich die Niere unter Belassung der Fettkap-
sel und der Nebenniere entfernt. Bei der radikalen Ne-
phrektomie wird die Niere einschließlich Fettkapsel,
evtl. der Nebenniere und der regionären, paraaortalen
bzw. parakavalen Lymphknoten entfernt.

Bei einem Nierenbeckenkarzinom (Urothelkarzinom)


werden die Niere und der Ureter mitsamt einer Blasen-
manschette und die zugehörigen Lymphknoten entfernt =
Nephroureterektomie: Dabei wird zunächst in Seitenlage
die Niere entfernt, der Ureter soweit wie möglich nach
distal präpariert, danach erfolgt die Umlagerung des Pati-
enten in Rückenlage und die Entfernung des distalen
Harnleiters samt Blasenmanschette über einen Pararektal-
9 schnitt.

Einfache Nephrektomie
kIndikationen
4 Funktionslose Niere bei entzündlichen Prozessen,
4 Fehlbildungen mit Funktionseinschränkung oder
-ausfall, z. B. dysplastische Niere,
4 schwere traumatische Nierenruptur,
4 Schrumpfniere mit Komplikation wie Hypertonus.
. Abb. 9.66 Nephrektomietechnik. a Stumpfe Freipräparation
jDiagnostik der Nierenstielgefäße. b Ligatur der Gefäße nach Anklemmen durch
Stielklemmen
4 Übliche Laborparameter,
4 Sonographie der Niere,
4 CT Abdomen, kLagerung
4 Ausscheidungsurographie, Seitenlage, evtl. überstreckt (. Abb. 9.61).
4 Nierenszintigraphie.
kZugang
kPrinzip Interkostal- (. Abb. 9.62) oder Flankenschnitt (. Abb. 9.63).
Entfernung der Niere unter Belassung der Nebenniere und
der Fettkapsel (. Abb. 9.66).
Einfache Nephrektomie
kInstrumentarium 7 Operative Eröffnung (s. oben).
4 Grundinstrumentarium, 7 Der obere Nierenpol wird freigelegt, ohne die Ne-
4 Gefäßinstrumente in Bereitschaft, benniere zu verletzen.
4 Nierenstielklemmen, 7 Vorsichtige Präparation von A. und V. renalis mit
4 bei Bedarf langes Instrumentarium, einer Overholt-Klemme.
4 Gummizügel, 7 Arterie und Vene werden (wenn möglich einzeln)
4 evtl. Clipzange, mit je einer Nierenstielklemme abgeklemmt. Zur
4 evtl. bipolare Schere, Aorta hin werden die Gefäße mit kräftigen Liga-
4 Robinson-Drainage, turen doppelt ligiert, zur Niere reicht eine ein-
4 kräftige Ligaturen für den Nierenstiel, evtl. Gefäß- fache Ligatur (. Abb. 9.66).
naht, 6
4 bei Bedarf resorbierbares Hämostyptikum.
9.12 · Eingriffe an der Niere und am Nierenbecken
491 9

7 Die Niere ist jetzt nur noch am Ureter fixiert, der Radikale Nephrektomie
möglichst weit distal ligiert und durchtrennt 7 Hautdesinfektion und Abdeckung des OP-Gebiets.
wird. 7 Nach Hautschnitt und Durchtrennung bzw. Zur-
7 Nach makroskopischer Inspektion des Präparates Seite-Drängen der Muskelschichten wird das Rah-
durch den Operateur wird dieses zur histolo- menhaltesystem angebaut und die entspre-
gischen Untersuchung gegeben. chenden Haken eingesetzt.
7 Nach der Blutstillung erfolgt die Zählkontrolle al- 7 Nach Präparation der entsprechenden Kolonflexur
ler verwendeten OP-Textilien und Instrumente so- werden transperitoneal die Nierenvene und -arte-
wie die Dokumentation des Zählstandes. rie aufgesucht. Die Gefäße werden in gleicher
7 Einlage einer Robinson-Drainage, Aufheben der Weise wie oben beschrieben präpariert, durch-
Überstreckung und schichtweiser Wundver- trennt und ligiert.
schluss. 7 Die Niere wird möglichst stumpf mit der Fettkap-
7 Wundpflaster und Anschluss der Drainageablauf- sel aus ihrem Bett gelöst.
beutel. 7 Aberrierende Gefäße werden unterfahren, ligiert
oder geclippt und durchtrennt.
7 Der Ureter wird aufgesucht, möglichst weit nach
distal freipräpariert, ligiert und durchtrennt. Die
Radikale Nephrektomie Niere wird mit ihrer Fettkapsel möglichst en bloc
kIndikationen entfernt.
Maligner Nierentumor. 7 Es folgt ggf. die regionäre Lymphknotenausräu-
mung.
kPrinzip 7 Sollte die Nebenniere mit entfernt werden, wer-
Entfernen der Niere, der Fettkapsel, bei Tumoren am obe- den die sehr feinen Gefäßverzweigungen geclippt
ren Pol auch der Nebenniere. und durchtrennt.
Entfernen der regionären, paraaortalen und parakava- 7 Nach der Kontrolle und Dokumentation der OP-
len Lymphknoten (die Lymphadenektomie wird häufig Textilien und Instrumente und der Dokumentati-
nicht durchgeführt). Die Gefäße werden ggf. vor der Eröff- on des Zählstandes wird eine Robinson-Drainage
nung der Nierenloge unterbunden, um eine Aussaat von eingelegt.
Tumorzellen zu verhindern. 7 Schichtweiser Wundverschluss und Wundpflaster.
7 Bei Entfernung der linken Tumorniere wird die
kInstrumentarium V. testicularis bzw. die V. ovarica ebenfalls ligiert,
4 Wie bei der einfachen Nephrektomie (s. oben), das da diese in die V. renalis münden.
Gefäßsieb ist obligat. 7 Bei einer rechten Tumorniere können Tumoranteile
4 Bei Bedarf Einzelclipstapler, in die V. cava eingewachsen sein. Dies erfordert
4 zusätzlich Rahmensperrer z. B. Bookwalter. ein tangentiales Abklemmen der V. cava mit einer
Gefäßklemme (z. B. nach Satinsky).
kLagerung 7 Je nach Ausdehnung des Tumoranteils in der
Rückenlage. V. cava muss diese ventral freigelegt werden. Zur
Unterbrechung des Blutzustroms werden alle zu-
kZugang führenden Gefäße einschließlich der V. cava ober-
Transperitonealer Zugang (Medianschnitt, Transrektal- halb des Tumors mit einem Tourniquet versorgt.
schnitt), vom Xiphoid bis unterhalb des Nabels oder Rip- 7 Nach Verschluss der Tourniquets wird die V. cava
penbogenrandschnitt, Interkostal- oder Flankenschnitt. zwischen zwei Haltefäden längs eröffnet und der
Bei sehr großen Tumoren oder bei Verdacht auf einen Tu- Tumor entfernt. Über der Längseröffnung wird
morthrombus in der V. cava wird der transperitoneale Zu- eine Gefäßklemme gesetzt und der Blutstrom der
gang bevorzugt, da hier die Kontrolle des Gefäßstiels bes- Gegenniere freigegeben. Fortlaufende Gefäßnaht
ser ist. der Vene. Gefäßklemme und Tourniquets werden
gelockert und die Naht auf Dichtigkeit überprüft,
danach Entfernen der Klemme und der Tourni-
quets.
7 Weiteres Vorgehen wie oben.
492 Kapitel 9 · Urologie

9.12.5 Laparoskopische Nierenoperationen kZugang


Transperitonealer Zugang über eine ca. 2 cm lange Stichin-
Laparoskopisch transperitoneale zision in Nabelhöhe, unmittelbar pararektal. Weitere ca.
Nephrektomie 4 Zugänge für Trokare in halbkreisförmiger Anordnung.
kIndikation
Sämtliche Indikationen wie in 7 Abschn. 9.12.4 beschrie-
Laparoskopisch transperitoneale Nephrektomie
ben außer sehr große Tumoren und Gefäßbeteiligung.
7 Hautdesinfektion und Abdeckung des OP-Gebiets.
kKontraindikation 7 Anheben der Bauchdecke, z. B. mit zwei scharfen
Patienten mit hochgradiger obstruktiver und restriktiver Backhaus-Klemmen, Stichinzision paraumbilikal
Lungenfunktionsstörung. ca. 3 cm lateral des Nabels.
7 Punktion des Intraperitonealraums mit der Veress-
jDiagnostik Nadel, Aspirationstest und Anschluss der CO2-Zu-
4 Übliche Laborparameter, leitung.
4 CT des Abdomens, 7 Alternativ Minilaparotomie und Einbringen eines
4 Thoraxröntgenaufnahme bei Nierentumor, Trokars unter Sicht.
4 Ausscheidungsurographie. 7 Nach Erreichen des gewünschten Druckes (ca.
15 mmHg) wird die Veress-Nadel gegen einen 12-
kPrinzip mm-Trokar ausgetauscht und die Optik eingeführt.
Entfernen der Niere/Teile der Niere/Rekonstruktion des 7 Nach Inspektion der Bauchhöhle erfolgt die Anla-
9 Nierenbeckenabgangs mittels minimal-invasiver Operati- ge der nächsten 2 bzw. 3 Trokare unter Sicht.
onstechnik. Die Instrumente und die Kamera werden über 7 Die ideale Position der Trokare:
Trokare in die Bauchhöhle eingeführt. Die CO2-Insufflati- – periumbilikal am lateralen Rand des M. rectus
on dient der besseren Übersicht während der Operation. abdominis,
Die Niere wird mit Hilfe eines Bergebeutels aus dem Kör- – subkostal in der Medioklavikularlinie,
per entfernt. – oberhalb der Crista iliaca in der Mamillarlinie,
Es gelten alle Vor- und Nachteile der MIC ( 7 Abschn. – subkostal in der vorderen Axillarlinie.
2.15). 7 Die Präparationslinie richtet sich nach der Seiten-
lokalisation.
kInstrumentarium
4 Grundinstrumente,
4 MIC-Instrumentarium (7 Abschn. 2.15),
Nephrektomie
4 30°-Optik,
4 3–4 Trokare (5–15 mm), 7 Laterokolische Inzision des Peritoneums und Mo-
4 Bergebeutel, bilisation des Kolons von der Flexur bis zum Zä-
4 Päpariertupfer für die MIC, kum bzw. zum Sigma. Der Dickdarm wird dabei
4 Einzelclipzange, nach medial verlagert und somit die Nierenloge
4 Clipzange mit resorbierbaren Gefäßclips, freigelegt.
4 ggf. Ultraschalldissektion, 7 Aufsuchen des Harnleiters.
4 ggf. linearer Endostapler (mit einem weißen Maga- 7 Präparation bis zum Nierenbecken mit Schere und
zin), Overholt-Klemme und Mobilisation nach distal.
4 steriler Bezug für die Kamera, 7 Mobilisation des gesamten Unterpols.
4 ggf. Robinson-Drainage, 7 Nach erfolgter Präparation des Gefäßstiels und der
4 Faszien- und Hautnaht, Wundpflaster, Nierenvene/-arterie werden diese geclippt und
4 MIC-Turm mit Monitor, Kameraeinheit, Lichtquelle, durchtrennt, alternativ wird die Nierenvene mit
Gasinsufflator, CO2-Flasche und digitalem Aufnah- einem linearen Endostapler abgesetzt. Nun beginnt
megerät. die Präparation des Oberpols. Hier muss besonders
auf Nebenniere sowie Milz/Leber geachtet werden.
kLagerung 7 Der Harnleiter wird mit Clips abgesetzt. Die Niere
Modifizierte Seitenlagerung, evtl. Kopftieflage. wird vom Psoas abgelöst und ist dann komplett
Der Patient wird zu Beginn der Operation an der zu operie- mobilisiert.
renden Seite angehoben gelagert, nach der Anlage des Pneu- 6
moperitoneums wird die Seitenlagerung verstärkt.
9.13 · Nierentransplantation (NTX)
493 9
und seine Lebensqualität einschränkt, ist es wünschens-
7 Mit Hilfe des Bergebeutels unter Erweiterung wert, möglichst rasch eine Nierentransplantation durchzu-
eines Zugangs wird das Präparat entfernt, Perito- führen.
neum und Faszie der erweiterten Trokarinzision
werden verschlossen. Abschließende Inspektion kKontraindikationen
des Nierengefäßstiels und der Nierenloge auf Blut- Akute oder chronische Infektionserkrankungen, malignes
trockenheit. Tumorleiden sowie kardiale, respiratorische oder vasku-
7 Einlage einer Robinson-Drainage, Ablassen des läre Begleiterkrankungen.
Gases und Entfernen der Trokare unter Sicht.
Hautnaht und Wundpflaster. kPrinzip
7 Anschluss des Drainageablaufbeutels. Heterotope Transplantation einer Spenderniere in die rech-
te bzw. linke Fossa iliaca mit folgenden Anastomosen:
4 End-zu-Seit: Transplantatvene – V. iliaca externa.
Retroperitoneoskopische Nephrektomie 4 End-zu-Seit: Transplantatarterie – A. iliaca externa.
Indikation und Diagnostik entsprechen den in 7 Abschn. 4 End-zu-Seit: spenderseitiger Ureter und empfänger-
9.12.4 besprochenen. seitige Blase.
Zu den oben erwähnten Instrumenten kommt ein Di-
latationsballon. Zugang über 3–4 Trokare. Die eigene Niere des Empfängers verbleibt zumeist im Situs.
Eine rechte Spenderniere wird in der Regel in die linke
Fossa iliaca transplantiert, aber auch eine gleichseitige
Retroperitoneoskopische Nephrektomie
Transplantation wird praktiziert.
7 Der Dilatationsballon wird über einen kleinen
Schnitt unterhalb der Spitze der 12. Rippe nach kLagerung
Durchtrennung der Fascia thoracolumbalis und 4 Rückenlagerung, ggf. Anlagern des rechten Armes
stumpfer Präparation des Retroperitonealraumes unter Beachtung der Lagerungskriterien (7 Abschn.
eingebracht. 1.2). Der Arm, an dem der arteriovenöse Shunt
7 Der Ballon wird mit 600–800 ml Luft gefüllt und (7 Kap. 5) angelegt wurde, ist mit Watte zu polstern.
der Optiktrokar eingebracht. 4 Die Halterung des Bookwalter-Rahmens wird rechts
7 Die Präparation der Niere entspricht dem transpe- bzw. links am OP-Tisch befestigt.
ritonalen Vorgehen. 4 Die Blase wird über den liegenden Dauerkatheter ge-
füllt.
4 Platzierung der neutralen Elektrode an einem Ober-
schenkel.
9.13 Nierentransplantation (NTX)
! Beachtung der Hygienerichtlinien bei infektiösen
Patienten.
S. Bröker
kInstrumentarium
Die Transplantation einer Niere kann durch eine Leichen- 4 Grundinstrumentarium,
spende oder durch Lebendspende realisiert werden. Bei 4 Laparotomieinstrumentarium,
Spender und Empfänger sollte die HLA-Kompatibilität 4 Rahmensystem z. B. nach Bookwalter (. Abb. 4.28),
bestmöglich übereinstimmen, und das serologische »cross- 4 Gefäßinstrumentarium mit Knopfkanülen, Sonden,
match« muss negativ sein. Die Wartezeit für ein Organ Schere nach Potts, Löffel- und Satinsky-Klemme,
beträgt derzeit ca. 6–8 Jahre. 4 große Metallschüssel für physiologische Kochsalzlö-
sung,
kIndikationen 4 Blasenfüllsystem,
Alle Formen der irreversiblen terminalen (dialysepflichti- 4 feines bzw. Stichskalpell,
gen) Niereninsuffizienz. Die Ursachen hierfür finden sich 4 Zügel bzw. Vesselloop,
beim Erwachsenen meist in einer Glomerulo- bzw. Pyelo- 4 Aortenpunch (Aortenstanzen unterschiedlicher Grö-
nephritis, der diabetischen Nephropathie sowie anderen ßen),
Erkrankungen, die zur Nierenschädigung führen (z. B. 4 warmes und kaltes NaCl 0,9%,
Analgetikanephropathie, Zystennieren). 4 Heparinlösung,
Da die Dialysebehandlung die Nierenfunktion nur 4 ggf. Doppel-J- Katheter,
partiell ersetzt, vom Patienten sehr viel Disziplin fordert 4 Robinson-Drainage.
494 Kapitel 9 · Urologie

Vorbereitung eines Beistelltisches zur Präparation des


Spenderorgans, Schüssel für Eis, Eishammer, Eis, kaltes 7 Präparation der V. iliaca bis zum Abgang der V. ili-
NaCl, evtl. kalte Konservierungslösung, textile Umle- aca interna und Anzügeln des Gefäßes.
gungen, sterile Plastiktüten (in der Regel 3 Stück zur Wie- 7 Das Spenderorgan wird nun probeweise einge-
derverpackung), grobe Schere und Klemmen zum Auspa- bracht.
cken des Organs, feines Gefäßinstrumentarium, 10-ml- 7 Um einen übersichtlichen Situs zu erhalten sowie
Spritze, Knopfkanülen und Sonden. eine spannungsfreie Anastomosennaht zu gewähr-
leisten, kann das Organ in einer mit kaltem NaCl
getränkten Kompresse, in die mittig ein kleines
Back-table-Präparation Loch für die Gefäße geschnitten wurde, am Trans-
7 Vor Beginn der eigentlichen Transplantation wird plantationsort gelagert und fixiert werden.
das Spenderorgan auf einem separaten Tisch vor- 7 Von diesem Zeitpunkt an bis zur Reperfusion wird
bereitet. nur kaltes NaCl verwendet.
7 Das Organ wird unter sterilen Bedingungen mittels 7 Der Beginn der Anastomosennaht und deren
Kocher-Klemme und Schere (nach Mayo oder Coo- Ende werden dokumentiert.
per) aus der 3-Beutel-Verpackung (7 Kap. 16, Ex- 7 Ausklemmen der A. iliaca externa mit z. B. einer
plantation) entnommen und in eine Schüssel mit Löffel- oder Satinsky-Klemme, Eröffnen des Ge-
sterilem, zerkleinertem Eis, kalter NaCl-Lösung so- fäßes mit einem Stichskalpell und Aufstanzen der
wie Bauchtüchern gelegt. Das Organ darf keinen Inzision mit einem Aortenpunch zur Herstellung
Kontakt mit Eis haben, sonst entsteht Gefrierbrand! eines größenidentischen Lumens.
9 7 Die Spenderniere wird eingehend auf ihre Ver- 7 Spülen mit heparinisierter NaCl-Lösung.
wendungsfähigkeit untersucht. Das perirenale 7 Kontrolle der Intima auf sklerotische Verände-
Fett wird abpräpariert und die Gefäße mittels rungen.
Knopfkanüle und NaCl-Lösung auf ihre Dichtigkeit 7 Nach dem Legen der Ecknähte erfolgt eine End-
geprüft, ggf. muss ein Gefäß mit nicht resorbier- zu-Seit Anastomose in fortlaufender Nahttechnik
barem Nahtmaterial umstochen werden. mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. mo-
7 Anschließend wird das Organ wieder 3-fach steril nofil 7–0 doppelt armiert).
verpackt oder verbleibt direkt auf dem Instrumen- 7 Nach Beendigung der Anstomose wird die Nieren-
tiertisch im OP-Saal in kalter Konservierungslösung. arterie mit z. B. einer Bulldogklemme abgeklemmt
und die Anastomose freigegeben.
7 Kontrolle auf Bluttrockenheit.
7 Analog der arteriellen Vorgehensweise erfolgt
Nierentransplantation (OP-Verlauf) nun das Ausklemmen der V. iliaca externa (. Abb.
7 Hautdesinfektion des Abdomens von Mamille bis 9.67), dann Eröffnen des Gefäßes und Verlänge-
Symphyse, Abdeckung des OP-Gebiets. rung der Inzision mit einer gewinkelten Schere
7 Rechts oder links bogenförmige Hautinzision, die nach Potts.
ca. 5 cm oberhalb der Symphyse beginnt und bis 7 Legen der Ecknähte und Herstellung einer End-
oberhalb der Spina iliaca anterior superior verläuft. zu-Seit-Anastomose in fortlaufender Technik mit
7 Durchtrennung des subkutanen Fettgewebes, der nicht resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. monofil
Faszie und des M. obliquus externus mit dem Dia- 6–0 doppelt armiert).
thermiemesser. 7 Die anschließende Reperfusion erfolgt durch Frei-
7 Vorsichtiges Eingehen in den Retroperitoneal- gabe der Vene und anschließende Freigabe der
raum, der stumpf nach medial verdrängt wird. Bei Nierenarterie in Abstimmung mit dem Anästhesis-
Männern erfolgt die Präparation unter Schonung ten, um die Kreislaufsituation nicht zu gefährden.
des Ductus deferens. 7 Dokumentation der Reperfusionszeit.
7 Umlegung mit Bauchtüchern und Anbringen des 7 Ab diesem Zeitpunkt wird wieder körperwarmes
Rahmensystems. Kochsalz verwendet.
7 Exposition des Retroperitoneums. 7 Kontrolle auf Bluttrockenheit und Beginn der re-
7 Präparation der A. iliaca externa (. Abb. 9.67) un- trograden Blasenfüllung.
ter Schonung der lymphatischen Gefäße. Anzü- 7 Es werden verschiedene Methoden der Ureteranas-
geln der Arterie mit einem Vesselloop. tomose beschrieben, in der Regel wird eine Urete-
6 roneozystostomie nach Grégoir durchgeführt:
9.13 · Nierentransplantation (NTX)
495 9

7 Präparation, Kürzen sowie Schlitzen des Trans-


plantatureters am distalen Ende.
7 Nach der Durchtrennung der Harnblasenmuskula-
tur wird die Blase am geplanten Anastomosenein-
gang eröffnet und die Spülflüssigkeit abgesaugt.
7 Legen und Anklemmen der Ecknähte und Herstel-
len einer spannungsfreien End-zu-Seit-Anastomo-
se in fortlaufender Nahttechnik zwischen Ureter
und Harnblase mit einem monofilen resorbier-
baren Faden der Stärke 5–0.
7 Ggf. Schienung durch einen Doppel-J-Katheter.
7 Readaptation der Blasenmuskulatur über der
Anastomose als Antirefluxplastik.
7 Bei Bedarf wiederholtes Auffüllen der Blase zur
Dichtigkeitsprüfung, Spülen des OP-Gebiets sowie
Kontrolle auf Bluttrockenheit.
7 Evtl. Einbringen einer Drainage, z. B. Robinson.
7 Zählen von Textilien und Instrumenten sowie Do-
kumentation des Zählstandes.
7 Schichtweiser Wundverschluss und Verband. . Abb. 9.67 Operativer Situs der Nierentransplantation in die Fossa
iliaca. (Nach Siewert 2006)
10

Neurochirurgie
M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog, A. Gudat

10.1 Anatomische und physiologische Grundlagen – 498

10.2 Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal – 507

10.3 Diagnostische Untersuchungen in der Neurochirurgie – 516

10.4 Intrakranielle Tumoren – 517

10.5 Intrakranielle Gefäßmissbildungen – 525

10.6 Entzündliche Erkrankungen – 529

10.7 Schädel-Hirn-Traumata – 530

10.8 Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks,


seiner Hüllen und der Wirbelsäule – 536

10.9 Schädigung peripherer Nerven – 545

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_10,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
498 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.1 Anatomische und physiologische Hierzu gehören die Großhirnrinde und die im Inne-
Grundlagen ren des Gehirns liegenden Kerngebiete (Nuclei oder
Ganglien) – die Basalganglien.
M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog
Die Basalganglien gehören zum Hirnstamm und lassen
Unter topographischem Aspekt werden 2 Bereiche des sich in die folgenden Anteile unterscheiden:
Nervensystems unterschieden: 4 Streifenhügel oder Corpus striatum:
4 Zentrales Nervensystem (ZNS): Er besteht aus dem Nucleus caudatus (Schweifkern)
Zu diesem Teil gehören das Gehirn und das Rücken- und Putamen (Schalenkern). Eine erblich bedingte
mark. Beide Organe verarbeiten Reize und Sinnesein- Erkrankung des Streifenkerns ist der Veitstanz (Cho-
drücke aus der Umwelt oder steuern Reaktionen und rea Huntington), bei der es zum Verlust der moto-
komplexe Verhaltensabläufe. Das zentrale Nerven- rischen Kontrolle, zu Demenz und zu Wesensverän-
system besteht aus vernetzten Nervenfasern, die die derungen kommt. Der Streifenkern beeinflusst also
Gehirnzellen untereinander sowie mit den Sinnesor- die unwillkürlichen Bewegungen (Hemmungsorgan).
ganen und dem Muskelsystem verbinden. Komplexe 4 Pallidum (pallidus = blass):
Verhaltensweisen (Wut, Flucht) sind oft auf kompli- Das Pallidum gibt Anregungen u. a. zu primitiven Be-
zierte Verknüpfungsmuster der Nervenzellen zurück- wegungen. Beispiel: die »Massenbewegungen« des
zuführen. Säuglings. Die Markscheiden des Pallidum sind beim
4 Peripheres Nervensystem (PNS): Säugling bereits entwickelt. Dies führt zu weit ausge-
Es verbindet mit seinen Hirn- und Spinalnerven sowie dehnten Bewegungen und Reflexen. Der noch nicht
seinen Ganglien (Schaltstellen) die Peripherie des Kör- reife Nucleus caudatus kann seine hemmende Kon-
pers mit den zentralen Nervenbereichen. Das PNS teilt trollwirkung noch nicht ausüben.
10 sich noch einmal weiter auf in das willkürliche oder
motorische Nervensystem (von hier aus werden alle Ebenfalls dem Hirnstamm zugerechnet werden Zwischen-
willentlichen Muskelbewegungen gesteuert) und das hirn, Mittelhirn, Kleinhirn und Medulla oblongata.
unwillkürliche, auch vegetative Nervensystem. Dieser Zu Beginn der embryonalen Entwicklung ist die Oberflä-
Teil überwacht und lenkt die Funktion der inneren che des Gehirns zunächst glatt. Erst während der Entwick-
Organe mit Hilfe von 2 unterschiedlichen Systemen: lung bilden sich Windungen (Gyri) des Großhirns aus,
Während der Sympathikus anregend und mobilisie- zwischen denen dann die Furchen (Sulci) liegen.
rend wirkt, bremst und beruhigt der Parasympathikus. Wesentliche Furchen sind:
4 Zentralfurche (Sulcus centralis),
Das Nervensystem entwickelt sich aus dem embryonalen 4 Sylvi-Furche (Sulcus lateralis, Fissura Sylvii), Stirn-
äußeren Keimblatt, dem Ektoderm. Durch bestimmte Ein- Schläfenhirn-Furche.
rollungs- und Ausstülpungsvorgänge entsteht aus den
Neuralwülsten das Neuralrohr. Am Vorderende des Neu- Durch diese Furchen lassen sich 4 Lappen abgrenzen:
ralrohrs entsteht das Gehirn über zunächst 3 blasenför- 4 Stirnlappen (Lobus frontalis),
mige Erweiterungen (Vorder-, Mittel- und Nachhirn). Aus 4 Scheitellappen (Lobus parietalis),
dem Vorderhirn werden das spätere Großhirn und das 4 Schläfenlappen (Lobus temporalis),
Zwischenhirn. Aus dem Nachhirn werden Kleinhirn und 4 Hinterhauptlappen (Lobus occipitalis).
Medulla oblongata (verlängertes Mark). Die Hohlräume
der embryonalen Hirnblasen bleiben erhalten und bilden Großhirnrinde
später die 4 inneren Höhlen (Ventrikel) des Gehirns. Die Rinde oder der Kortex bildet den äußeren Rand des
Großhirns. Die Großhirnrinde ist im Bereich der Zentral-
region etwa bis zu 5 mm dick. Die Hirnrinde enthält schät-
10.1.1 Großhirn zungsweise 14 Mrd. Zellen. Das Gesamtgewicht der Zellen
beträgt 21,5 g. Das bedeutet, dass eine Nervenzelle ca.
Bei einem Anschnitt des Gehirns erkennt man 2 Bereiche. 1/25.000.000 mg schwer ist.
4 Weiße Substanz des Gehirns (Marklager): Die Rinde enthält 6 Schichten, die aus unterschied-
Hier verlaufen Nervenfasern. Die weiße Farbe ergibt lichen Nervenzellen aufgebaut sind. Die meisten Nerven-
sich aus den Markscheiden. zellen haben mehrere kurze Fortsätze (Dendriten). Außer-
4 Graue Substanz des Gehirns: dem besitzen sie einen besonderen, manchmal bis zu 1 m
Bereiche, in denen größere Mengen von nah beiei- langen Hauptfortsatz mit einem Achsenzylinder (Neurit),
nander liegenden Nervenzellkörpern zu finden sind. der von einer Markscheide als äußere weißlich-gelbe Hülle
10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
499 10
umgeben sein kann. Das aus dem Nervenzellkörper, seinen 4 Nucleus niger (schwarzer Kern) oder Substantia nigra:
Verästelungen und dem Neuriten bestehende Gebilde Bei Erkrankungen dieses Kerngebietes nach einer En-
nennt man Neuron. Neben diesen Neuronen enthält die zephalitis oder durch Atrophie im Alter kommt es zur
Rinde des Großhirns auch Zellen mit nichtnervöser Funk- Parkinson-Erkrankung.
tion: die Neuroglia, die mit unterschiedlichen Zelltypen
das Stütz- und Hüllgewebe des Nervensystems darstellt Kleinhirn
und für den Stoffwechsel der Nervenzellen wichtig ist. Das Kleinhirn koordiniert das Zusammenspiel von Mus-
kelgruppen. Dem Kleinhirn gehen aus sehr weiten Be-
Nervenleitungen und Informations- reichen des Nervensystems Erregungen zu. Besonders
übermittlung wichtig sind die engen Beziehungen zum statischen Organ.
Nervenfasern leiten die Erregung grundsätzlich nur in eine Es ist für die Koordination der Bewegungsabläufe und das
Richtung, entweder vom Gehirn zur Peripherie (efferente Gleichgewicht zuständig.
Leitung) oder von der Peripherie zum Gehirn (afferente
Leitung).
10.1.4 Hirnnerven

10.1.2 Zwischenhirn Als Hirnnerven werden die direkt vom Gehirn abgehenden
12 bzw. 13 Nerven bezeichnet, die mit Ausnahme des
Zum Zwischenhirn gehören der Thalamus (Thalamus op- X. Hirnnervs (N. vagus) zu den Organen des Kopfes und
ticus = Sehhügel) und der Hypothalamus. der Kehle führen (. Tab. 10.1). Hirnnerv I und II, der Seh-
Der Hypothalamus ist dem vegetativen Nervensystem nerv und der Riechnerv, sind Ausstülpungen des Zwi-
übergeordnet. Er bildet die zentrale Regulation vegetativer schenhirns und somit Gehirnanteile, während die übrigen
Prozesse wie Temperaturempfinden, Physiologie der Erre- Hirnnerven wie die Spinalnerven aus den frühen Anlagen
gung und des endokrinologischen Geschehens. Ferner des Zentralnervensystems herauswachsen.
wird hier die Ausschüttung von Hormonen, besonders der
Hypophyse und der Nebennieren, koordiniert. Alle Vor-
gänge des Hypothalamus stehen in engster Beziehung zum 10.1.5 Rückenmark
Thalamus und zum Großhirn.
Der Thalamus gilt als wichtige Sammel- und Um- Das Rückenmark (Medulla spinalis) liegt im Wirbelkanal
schaltstelle für Erregungen aus den Sinnesorganen und der Wirbelsäule. Es ist ein langer Strang aus Nervensub-
dem Körper. Bei unangenehmen Empfindungen (Schreck, stanz. In regelmäßigen Abständen treten zahlreiche, je-
Ekel) wird die Erregung des Thalamus auch auf den Sym- weils eine vordere und eine hintere Nervenwurzeln aus
pathikus umgeleitet, sodass Übelkeit und sogar Erbrechen (. Abb. 10.1). Am Rande des Wirbelkanals vereinigen sich
die Folge sein können. Erkrankungen und Verletzungen beide Wurzeln zu einem der insgesamt 31 Spinalnerven,
des Thalamus stören die Sensibilität (Spontanschmerzen, die zu den Muskeln und zur Haut weiterziehen. Das Rü-
Rasierschmerzen). ckenmark geht ohne festen Übergang aus der Medulla ob-
Das gesamte Zwischenhirn ist der Ursprungsort aller longata hervor und endet mit dem Conus medullaris in
Affekte wie Wut, Ärger, Freude, Wohlbehagen. Zwischen Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbels.
Thalamus und Hirnrinde bestehen zahlreiche axonale Ver- Es werden 8 Halssegmente (Zervikalsegmente),
bindungen, sodass beide Hirnregionen in ständiger Ver- 12 Brustsegmente (Thorakalsegmente), 5 Lendensegmente
bindung miteinander stehen und sich wechselseitig stimu- (Lumbalsegmente), 5 Kreuzbeinsegmente (Sakralseg-
lieren oder hemmen. Ferner bestehen engste Beziehungen mente) und 1 Steißsegment (Kokzygealsegment) unter-
vom Zwischenhirn zu den Basalganglien. schieden. Das Rückenmark ist ca. 40–50 cm lang. Da die
Wirbelsäule schneller wächst als das Rückenmark, ist
dieses schließlich kürzer als die Wirbelsäule und endet im
10.1.3 Mittel- und Kleinhirn thorakolumbalen Übergang. Daher ziehen die spinalen
Nervenfasern, insbesondere die der Lumbal- und Sakral-
Mittelhirn segmente, aus den unteren Bereichen des Rückenmarks im
Neben dem Aquaeductus cerebri Sylvii, der Verbindung Wirbelkanal noch weiter nach unten, bevor sie das für sie
zwischen dem 3. und 4. Hirnventrikel, enthält das Mittel- bestimmte Foramen intervertebrale erreichen.
hirn u. a. 2 für die Motorik sehr wichtige Kerne: Die Spinalnervenwurzeln unterhalb des Conus medul-
4 Nucleus ruber (roter Kern): laris sind zu einem dicken Faserbündel vereinigt, das wie
Er erhält v. a. Erregungen aus dem Kleinhirn. ein Pferdeschwanz aussieht und deshalb als Cauda equina
500 Kapitel 10 · Neurochirurgie

. Tab. 10.1 Hirnnerven

Nerv Ursprung Austrittsstelle Erfolgsorgan Funktion

I. N. olfactorius Zwischenhirn Stirnbasis/Zwischenhirn Nasenschleimhaut Geruchsempfindung


(fila olfactoria)
II. N. opticus Zwischenhirn Zwischenhirn Netzhaut des Auges Sehen
(fasciculus opticus)
III. N. oculomotorius Mittelhirn Mittelhirn vor der Brücke Augenmuskel Bewegung des Aug-
apfels, Pupillenspiel
IV. N. trochlearis Mittelhirn Mittelhirn vor der Brücke Augenmuskel (M. obliquus Rotation des Augapfels
superior) nach außen und unten
V. N. trigeminus Rautenhirn Brücke (Seitenrand) Gesicht, Kaumuskulatur Sensible Versorgung
der Gesichtshaut
VI. N. abducens Rautenhirn Brücke (Seitenrand) M. rectus lateralis Rotation des Augapfels
nach außen
VII. N. facialis Rautenhirn Medulla oblongata Gesichtsmuskulatur Mimik
(Kleinhirnbrückenwinkel)
VIII. N. vestibulocochlearis Rautenhirn Medulla oblongata Schnecke des Innenohres, Hören, Wahrnehmung
(Kleinhirnbrückenwinkel) Bogengänge des Innen- der Stellung des Kör-
ohres pers im Raum
IX. N. glossopharyngeus Rautenhirn Medulla oblongata Mund und Zunge Geschmack, Gaumen-
(seitlich) bewegung (Schlucken)
10 X. N. vagus Rautenhirn Medulla oblongata Ohrmuschelrückseite, Ge- Sensible Versorgung,
(seitlich) hörgang, Schlund, Zungen- motorische Versor-
grund, Herz, Lunge, Magen, gung, parasympa-
Darm thische Versorgung
XI. N. accessorius Rautenhirn Medulla oblongata M. sternocleidomastoideus, Kopfnicken, Hebung
(seitlich) M. trapezius der Schultern
XII. N. hypoglossus Rautenhirn Medulla oblongata Zungenmuskulatur Zungenbewegung
(oberes Halsmark)
XIII. N. intermedius Rautenhirn Medulla oblongata Zunge, Tränendrüse, Geschmack, Drü-
Speicheldrüse sensekretion

bezeichnet wird. Auf Querschnitten durch das Rücken-


mark erkennt man die graue Substanz innen (nicht wie
beim Gehirn außen). Dieser graue Teil des Rückenmarks
erscheint ungefähr in der Form eines Schmetterlings oder
in der eines großen lateinischen H. Die den Rand des Rü-
ckenmarks berührenden Flügel der grauen Substanz nennt
man Hinter- bzw. Vorderhörner. Die Spinalnerven verlas-
sen das Rückenmark mit einer vorderen und einer hinteren
Wurzel. Die vordere Wurzel bildet das motorische Neuron:
Nach Durchschneidung ergibt sich eine Lähmung der von
diesem Nerv versorgten Muskelgruppen. Die hintere Wur-
zel ist das sensible Neuron: Nach Durchschneidung ist ein
bestimmter Teil des Körpers gefühllos. Das Spinalganglion
(sympathische und parasympathische Nervenzellen) der
hinteren Wurzel liegt im Foramen intervertebrale.

Leitungsapparat des Rückenmarks


Der Leitungsapparat des Rückenmarks liegt in der weißen
. Abb. 10.1 Rückenmark mit 2 eingezeichneten Spinalnervenpaaren Substanz. Vollständige Durchtrennung des Rückenmarks, wie
10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
501 10
z. B. bei einem traumatischen Querschnittsyndrom, bedeutet der Erholung vom ersten Verletzungsschock keine Folgen
den totalen Ausfall der gesamten Willkürmotorik und Sensi- zu haben. Eine genauere psychologische Untersuchung von
bilität. Der Körper ist unterhalb der Läsion absolut gefühllos Menschen mit solchen Ausfällen hat aber eine durchweg
und völlig gelähmt. In den Rückenmarksegmenten unterhalb deutliche Veränderung der Persönlichkeit gezeigt. Meist ist
einer kompletten Querschnittlähmung bleiben Reflexe auf der Antrieb geschwächt, die Person hat wenig Initiative.
Rückenmarkniveau erhalten. Das erklärt, dass sich nach einer Nach einer Schädigung des Stirnhirns macht der Patient
Querschnittlähmung eine spastische Lähmung entwickeln den Eindruck einer nicht mehr sicheren Persönlichkeit.
kann oder über die Stimulierung eines erhaltenen Reflexbo- Man spricht hier auch von einem Stirnhirnsyndrom.
gens die Blase kontrolliert entleert werden kann (Reflexblase).
Die Leitungsfasern gleicher Funktion liegen in Strängen zu- Lähmungen
sammen, die bei allen Menschen gleich lokalisiert sind. Verletzungen der vorderen Zentralwindung des Gehirns
ergeben Lähmungen ganz bestimmter Muskelgruppen der
jAfferente Systeme kontralateralen Seite. Die gleiche Wirkung haben auch
Die afferenten Systeme leiten zum Hirn hin. Temperatur Schlaganfälle oder Tumoren in dieser Region.
und Schmerzempfindung, Tast- und Berührungsempfin- In der vorderen Zentralregion beginnen die Pyrami-
dung, ob grob oder fein, werden in unterschiedlichen Bah- denbahnen, die durch die Capsula interna in das verlän-
nen dem Hirn zugeleitet. gerte Mark absteigen und dort auf die Gegenseite kreuzen.
Im Rückenmark wirken sie dann auf das System der Mo-
jEfferente Systeme toneurone (motorische Vorderhornzellen und ihre Neu-
Die efferenten Systeme leiten vom Hirn zur Peripherie in riten; 7 Abschn. 10.1.1), indem Muskeln jeweils von einer
den Pyramidenbahnen. Diese entspringen in der vorderen bestimmten Stelle in der vorderen Zentralwindung ihre
Zentralwindung des Großhirns und laufen in der Capsula Anweisung erhalten. In der Rinde der vorderen Zentral-
interna (zwischen den Basalganglien und dem Zwischen- windung liegen demnach motorische Zentren.
hirn) abwärts. Im verlängerten Mark kreuzt die Hauptmas- Die Folgen ihrer Ausschaltung sind berechenbar. Gewis-
se der Pyramidenbahnen auf die Gegenseite. Nach einer sermaßen projiziert sich die Oberfläche des ganzen Körpers
Verletzung der Pyramidenbahn ist unterhalb der geschä- auf die Oberfläche der vorderen Zentralwindung. Die Größe
digten Stelle keine willkürliche Bewegung mehr möglich. dieser Projektionsflächen auf der vorderen Zentralwindung
Betrifft der Ausfall eine Rückenmarkhälfte, so kann ist von der Feinheit der von den Muskeln zu leistenden Arbeit
der Patient z. B. das Bein der gleichen Seite nicht mehr abhängig. Die Flächen für die motorischen Fasern, die zur
willkürlich bewegen. Ist die Pyramidenbahn intrazerebral Hand, zum Mund und besonders zu den Lippen führen, sind
unterbrochen, z. B. bei einem apoplektischen Insult (Blu- verhältnismäßig groß. Projiziert man den Körper proporti-
tung im Bereich der Capsula interna), so sind willkürliche onsgerecht auf die vordere Zentralwindung, so entsteht ein
Bewegungen auf der Gegenseite nicht mehr möglich. »Homunkulus« (. Abb. 10.2) mit einem sehr großen Kopf,
Die efferenten Systeme leiten auch das extrapyramidal einer geradezu riesigen Hand und einem zierlichen Bein.
motorische System. Dieses steuert die unwillkürlichen Die Zentren erfüllen ihre komplexen Aufgaben stets in
Bewegungsimpulse. Im Zusammenspiel mit dem Zwi- Zusammenwirkung mit dem ganzen Gehirn. Immer unter-
schenhirn haben diese Bahnen direkte Beziehungen zu den liegen sie Einflüssen aus den vorderen Bereichen des Stirn-
Basalganglien, dem Striatum. In den extrapyramidalen lappens und auch aus den Erregungen, die vom Zwischen-
Bahnen werden automatische »Bewegungsimpulse« gelei- hirn ausgehen. Ferner ist für den Bewegungsablauf, v. a. für
tet, wie z. B. bei geübtem Schreiben. Der Bewegungsent- geübte Bewegungen, das extrapyramidale System notwen-
wurf dazu ist in den Basalganglien gespeichert. Das bedeu- dig. Es steuert die bekannten und geläufigen Bewegungen.
tet eine Entlastung des pyramidalen Systems.
> Das pyramidale System steuert willkürliche, das
extrapyramidale System dagegen unwillkürliche
Bewegungen.
10.1.6 Zentren der Großhirnrinde
Das extrapyramidale System liefert den Bewegungsent-
Nachfolgend werden einige Konsequenzen beschrieben, wurf, das in der vorderen Zentralwindung beginnende
die durch eine Störung bzw. den Ausfall von Zentren der pyramidale System verfeinert ihn und passt ihn den vor-
Großhirnrinde verursacht sind. handenen Gegebenheiten an.

Diffuse Persönlichkeitsstörungen Sensibilitätsstörungen


Der Ausfall eines recht umfangreichen Gebietes des Stirn- Nach Verletzungen bestimmter Bereiche der Großhirnrin-
lappens und von Teilen des Schläfenlappens scheint nach de ist ein entsprechendes Gebiet der Haut gefühllos oder
502 Kapitel 10 · Neurochirurgie

a b

10 . Abb. 10.2a, b Zuordnung der verschiedenen Körperregionen zu


den motorischen und den sensiblen Hirnrindengebieten. a Projekti-
tralis. b Projektion des motorischen Homunkulus auf den Gyrus
praecentralis. (Nach Schiebler u. Schmid 2003)
on der somatosensorischen Körpergebiete auf den Gyrus postcen-

unempfindlich. Diese sensorischen Rindengebiete an der sichtsfeld, rechtes Auge: mediales Gesichtsfeld) – die ho-
hinteren Zentralwindung liegen neben den entsprechenden monyme Hemianopsie nach links.
motorischen Zentren der vorderen Zentralwindung, d. h. In der Nähe der Area striata gibt es ein schwer abgrenz-
ein sensorisches Fußzentrum befindet sich neben dem bares Gebiet, das sekundäre Sehzentrum. Nach dessen
motorischen usw. Beide Zentren greifen ineinander über. doppelseitigem Ausfall kann der Mensch einen Gegen-
Die sensiblen Fasern gelangen aus allen Abschnitten stand noch richtig wahrnehmen und benutzen, er kann
des Körpers auf die hintere Zentralwindung, sodass man ihm aber nicht seinen Namen geben. Der Patient leidet an
auch hier von einer Projektion der Körperoberfläche auf Seelenblindheit.
die Hirnrinde spricht. Auch diese ist keineswegs proporti-
onsgerecht. Der Umfang des Projektionsgebietes auf der Akustische Wahrnehmung Weiter unterscheidet man im
sensorischen Rinde hängt nicht von der Größe der Kör- Schläfenlappen 2 akustische Zentren für das Hören:
peroberfläche ab, sondern von ihrer Bedeutung. Daumen, 4 das primäre Zentrum dient der akustischen Wahr-
Lippen und Gesicht haben ein verhältnismäßig großes, nehmung,
Rumpf und Hals ein sehr kleines Areal (7 Abb. 10.2). 4 das sekundäre Zentrum dient dem Erkennen des Ge-
hörten.
Störungen des optischen und des akustischen
Wahrnehmens Diese Zentren kann man in der Rinde nicht voneinander
Optische Wahrnehmung Im Bereich des Hinterhauptlap- trennen, sie sind ineinander verzahnt. Alles spricht dafür,
pens des Großhirns in der Nähe der Fissura calcarina fin- dass der Umfang eines solchen Zentrums morphologisch
det sich ein leicht streifig erscheinendes Areal, die Area nicht festliegt, sondern je nach Beanspruchung größer
striata. Dieses Areal bildet das primäre Sehzentrum. Es oder kleiner ist.
empfängt seine Erregungen von der Netzhaut des Auges
über den Sehnerv und die Sehnervenstrahlung. Werden Sprachstörungen
diese Areale in beiden Hinterhauptlappen z. B. durch ein Sensorische Aphasie Ausfälle im Bereich des Hörzentrums
Trauma, zerstört, ist der Patient blind. Ein Tumor im rech- können zu schweren Störungen des Sprachverständnisses
ten Hinterhauptlappen bewirkt dagegen eine halbseitige führen. Der Rindenbereich, auf dessen Schädigung sie zu-
Blindheit beider Augen (Ausfall linkes Auge: laterales Ge- rückzuführen sind, lässt sich vom eigentlichen Hörzen-
10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
503 10
trum nicht genau abgrenzen; er liegt im Schläfenbereich wegt und sich dann gegen das darunter liegende Peri-
des Großhirns. Der betreffende Bereich heißt auch Werni- ost verschiebt. So kommt es, dass sich Hämatome in-
cke-Zentrum. nerhalb der Kopfschwarte kaum, im Raum zwischen
Galea und Perikranium (Periost) dagegen schnell aus-
Motorische Aphasie Das Sprachverständnis ist nur wenig breiten. Die Kopfschwarte ist außerordentlich gut
beeinträchtigt, aber der Patient kann Silben nicht zusam- durchblutet. Eine Besonderheit stellen die zahlreichen
mensetzen, keine Sätze bilden und Worte nicht finden. Anastomosen zwischen äußeren und inneren Schädel-
Verantwortlich sind Ausfälle am unteren Rand des Stirn- venen dar. Die Venen der Kopfschwarte besitzen eine
lappens, der Broca-Windung. Verbindung in das Schädelinnere. Dies ist ein Weg, auf
Die Sprachzentren befinden sich in der Regel bei dem Infektionen gelegentlich eindringen können.
Rechtshändern auf der linken Seite, bei Linkshändern 4 Lockeres Bindegewebe grenzt die Kopfschwarte ab
manchmal auf der rechten Seite des Gehirns → Dominanz gegen
der linken Hemisphäre. 4 das Periost (Perikranium).
4 Schädeldachknochen. Dieser besteht aus 3 Schichten:
5 Lamina externa,
10.1.7 Liquorräume 5 Diploe (enthält Knochenmark und ist gut durchblu-
tet),
Die Hohlräume der embryonalen Hirnblasen bleiben er- 5 Lamina interna.
halten und bilden später die 4 inneren Höhlen (Ventrikel)
des Gehirns. 1. und 2. Ventrikel liegen in der rechten und Gehirn und Rückenmark liegen im knöchernen Schädel
linken Hemisphäre des Großhirns, beide Ventrikel werden bzw. im Wirbelkanal gut geschützt gegen Verletzungen.
auch Seitenventrikel genannt und sind über die Foramina Der Schädel ist das Knochengerüst des Kopfes (. Abb.
Monroi untereinander und mit dem 3. Ventrikel im Zwi- 10.3 und . Abb. 10.4). Man unterscheidet:
schenhirn verbunden. Der 3. Ventrikel ist mit dem 4. Ven- 4 Neurokranium (Hirnschädel),
trikel im Rautenhirn über den Aquaeductus cerebri Sylvii 4 Viszerokranium, Splanchnokranium (Gesichtsschädel).
im Mittelhirn verbunden. Der 4. Ventrikel setzt sich fort in
den Zentralkanal des Rückenmarks. Gleichzeitig bestehen Der Schädel setzt sich wie ein Mosaik aus 29 Teilen (Schä-
vom 4. Ventrikel Verbindungen zu den äußeren Liquor- delbeinen) zusammen:
räumen (Foramina Luschkae und Foramen Magendii). 4 Schädeldach, Schädelkalotte: Stirnbein, die beiden
In den Ventrikeln befindet sich der Liquor cerebrospi- Scheitelbeine, die 2 Schuppen der Schläfenbeine und
nalis. Er wird von Gefäßgeflechten (Plexus chorioidei) in der größte Teil des Hinterhauptbeins.
den Hirnkammern gebildet und gelangt über die genann- 4 Schädelbasis: die zum Stirnbein gehörenden Dächer
ten Foramina schließlich an die Außenflächen des Gehirns der Augenhöhle, das Keilbein, die beiden Felsenbeine,
und des Rückenmarks. Er wird in den Pacchioni-Granula- die Teile der Schläfenbeine sind, und ein Teil des Hin-
tionen der Arachnoidea und im Bereich der Wurzelscheide terhauptbeins.
der Spinalnerven in das Blutgefäßsystem rückresorbiert.
Ist diese Liquorzirkulation an einem dieser vorgenannten Die Schädelbasis stellt die untere Rahmenkonstruktion des
Orte behindert, entwickelt sich ein Hydrozephalus. Knochengerüstes »Kranium« dar. Von Bedeutung sind:
4 Hypophysenregion (Sella turcica).
jFunktionen des Liquors 4 Kleinhirnbrückenwinkel.
4 Aufrechterhaltung eines konstanten Hirninnendrucks, 4 Vordere Schädelgrube; sie enthält Zugänge zur Na-
4 Aufrechterhaltung eines konstanten Hirnvolumens, senhöhle und zur Orbita.
4 Schutzfunktion nach Art eines Wasserkissens, 4 Mittlere Schädelgrube; sie enthält Zugänge zum Ge-
4 Ernährung der Zellen des Gehirns. sichtsschädel und zur Orbita.
4 Hintere Schädelgrube; sie enthält Zugänge zum In-
nenohr, zur Halsregion und zum Wirbelkanal.
10.1.8 Hüllen des Gehirns 4 Der Verbindungsknochen zum Gesichtsschädel ist
und des Rückenmarks das Siebbein, durch dessen löchrigen Grund die Fa-
sern der Riechnerven ziehen.
Von außen nach innen sind zu erkennen: Die Schädelknochen sind untereinander fest durch
4 Die äußere Haut ist fest verbunden mit der Schädelnähte verbunden; von diesen Nähten geht
4 Galea aponeurotica (Kopfschwarte) und der mi- das Schädelwachstum aus (desmoplastisches Wachs-
mischen Muskulatur, mit der zusammen sie sich be- tum).
504 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10

. Abb. 10.3 Schädel in der Seitenansicht. (Nach Schiebler u. Schmidt 2003)

. Abb. 10.4 Schädel in der Frontalansicht. (Nach Schiebler u. Schmidt 2003)


10.1 · Anatomische und physiologische Grundlagen
505 10
Die 3 wichtigsten Schädelnähte sind: das Hinterhauptloch in den Schädel zur A. basilaris. Beide
5 Kranznaht (Sutura coronalis), Aa. carotides internae sind mit der A. basilaris über Rr. com-
5 Pfeilnaht (Sutura sagittalis), municantes miteinander verbunden.
5 Lambdanaht (Sutura lambdoidea). Auf diese Weise entsteht an der Hirnbasis ein zusam-
4 Meningen (Hirn-, Rückenmarkhäute); sie liegen zwi- menhängendes System aller zum Gehirn führenden Arte-
schen Knochen und Hirn bzw. Rückenmark. rien, das als Circulus arteriosus Willisii bezeichnet wird.
5 An der Innenseite des Schädels fehlt ein eigenes Pe- Damit wird bei Ausfall einer der zuführenden Arterien in
riost. Dort übernimmt die Dura mater (Pachyme- den meisten Fällen die volle Blutversorgung des Gehirns
ninx, harte Hirnhaut) die Funktion. Sie liegt auch sichergestellt. Vom Circulus arteriosus Willisii entsprin-
dem Wirbelkanal innen als feste Haut an. Sie lässt gen die eigentlichen, das Hirn vorsorgenden Arterien
sich meist leicht vom Knochen lösen und haftet nur (A. cerebri anterior, A. cerebri media und A. cerebri pos-
an den Schädelnähten fester. terior).
5 Zwischen den beiden Großhirnhemisphären bildet Die aus dem Hirn das Blut abführenden Venen mün-
die Dura mater eine Duplikatur, die Falx cerebri den in die Sinus der Dura mater. Aus ihnen gelangt das
(Großhirnsichel), an deren Oberkante der Sinus sa- Blut schließlich zu der großen V. jugularis (Drosselvene).
gittalis superior (oberer Längsblutleiter) verläuft. Aus ihr strömt das Blut in die V. cava und von dort ins
Eine ähnliche Duplikatur spannt sich oberhalb der Herz.
hinteren Schädelgrube aus und trennt das Kleinhirn
von den hinteren Anteilen des Großhirns: das Ten-
torium cerebelli (Kleinhirnzeltdach), in dessen 10.1.10 Wirbelsäule
Mitte sich ein Schlitz (Tentoriumschlitz) zum
Durchtritt des Hirnstamms befindet. Diese Dura- Die Wirbelsäule (Columna vertebralis; . Abb. 10.5) be-
duplikaturen bieten der an sich weichen Konsistenz steht aus:
des Gehirns zusätzlichen Halt. 4 7 Halswirbeln,
5 Die Sinus durae matris (die in die Dura eingefügten 4 12 Brustwirbeln,
venösen Blutleiter) haben nicht den Wandaufbau 4 5 Lendenwirbeln,
der »echten« Venen, sondern sind lediglich mit En- 4 Kreuzbein und
dothel ausgekleidete Hohlräume. Bei Verletzungen 4 Steißbein.
klaffen sie, bluten daher nicht nur kräftig, sondern
stellen auch eine Luftemboliegefahr dar. Alle Wirbel, mit Ausnahme des 1. Halswirbels (Atlas), ha-
5 Arachnoidea (Spinnengewebshaut): Sie bildet mit ben einen ähnlichen Aufbau (. Abb. 10.6). Sie bestehen aus
ihrem spinnengewebsartigen Aufbau eine lockere dem Wirbelkörper, dem Wirbelbogen, dem Dorn- und
Verbindung zwischen harter und weicher Hirnhaut. dem Querfortsatz. An den Bögen der Brustwirbel befinden
Sie kleidet nicht, wie die weiche Hirnhaut, alle Win- sich außerdem Gelenkflächen für die Rippen.
kel aus, sondern überdacht sie vielmehr; die ent- Die Verbindung der Wirbel untereinander wird durch
sprechenden Räume heißen Zisternen. Die größte die Wirbelgelenke am Wirbelbogen, die Bandscheiben und
dieser Zisternen ist die Cisterna cerebellomedullaris verschiedene Bänder erreicht. Die Bandscheiben (Disci
im Winkel zwischen Kleinhirn und Medulla oblon- intervertebrales) sind an den Endflächen zweier benach-
gata. Alle Zisternen sind ebenso wie der gesamte barter Wirbelkörper befestigt und spiegeln deshalb die
Raum zwischen Spinnengewebs- und weicher Hirn- Form dieser Flächen wider. Sie sind aus Faserknorpel auf-
haut (Subarachnoidalraum) mit Liquor gefüllt (äu- gebaut, der in der Mitte zum Nucleus pulposus aufgequol-
ßerer Liquorraum). len ist. Der Nucleus pulposus wirkt wie ein Wasserkissen.
5 Pia mater (Leptomeninx, weiche Hirnhaut): Sie Damit diese weiche Masse nicht durch die Last der Wirbel-
liegt direkt dem Gehirn bzw. dem Rückenmark an; säule zwischen den Wirbelkörpern herausgequetscht wird,
in ihr verlaufen feine Venen und Arterien zur Ver- ist er von dem Faserring (Anulus fibrosus) außen umge-
sorgung von Hirn- und Rückenmark. ben, der aus straffen, kollagenen Faserzügen besteht. Der
Bandapparat besteht aus folgenden Bändern:
4 Vorderes Längsband (Lig. longitudinale anterius); es
10.1.9 Blutversorgung des Gehirns liegt an der Vorderseite aller Wirbelkörper.
4 Hinteres Längsband (Lig. longitudinale posterius); es
Die arterielle Versorgung des Gehirns geschieht über die liegt an der Hinterseite der Wirbelkörper, d. h. an der
beiden Aa. carotides internae und die beiden Aa. verte- Vorderwand des Wirbelkanals.
brales. Letztere vereinigen sich nach ihrem Eintritt durch 4 Zwischendornfortsatzbänder (Ligg. interspinalia).
506 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10

a b c

. Abb. 10.5a–c Wirbelsäule von vorn (a), hinten (b) und seitlich ten. In der Seitenansicht (c) sind die physiologischen Wirbelsäulen-
von links (c). Beachte die Größe der Wirbelkörper sowie die Stellung schwingungen zu erkennen. (Nach Appell u. Steng-Voss 2008)
der Dornfortsätze in den unterschiedlichen Wirbelsäulenabschnit-

a c e

b d f

. Abb. 10.6a–f Vergleichende Darstellung eines Hals-, (a, b), Brust- Aufnahme der Rippen am Brustwirbel hellgrau. Beachte die unter-
(c, d) und Lendenwirbels (e, f) von oben und seitlich. Die Gelenkflä- schiedliche Ausprägung der Fortsätze und die Stellung der Gelenk-
chen der kleinen Wirbelgelenke sind blau markiert, diejenigen zur flächen. (Nach Appell u. Steng-Voss 2008)
10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
507 10
4 Dornspitzenband (Lig. supraspinale); es liegt über al- deren Wurzeln in die weißen Verästelungen (Rr. com-
len Dornfortsätzen. municantes albi) zum Grenzstrang des Sympathikus.
4 Zwischenbogenbänder (Ligg. interarcuata) bzw. gelbe Er ist eine perlschnurartige Kette an beiden Seiten der
Bänder (Ligg. flava). Wirbelsäule.
4 Zu den parasympathischen Nerven gehört im We-
Die Form der menschlichen Wirbelsäule entspricht einem sentlichen der N. vagus. Er entspringt aus einem be-
lang gezogenen Doppel-S: Die Halswirbelsäule (HWS) ist sonderen Kern des Hirnstamms und erscheint als
nach vorn durchgebogen (Halslordose), die Brustwirbel- X. Hirnnerv aus der Medulla oblongata. Er sendet Äste
säule (BWS) nach hinten (Brustkyphose) und die Lenden- zu allen inneren Organen bis hinab zum Dünndarm.
wirbelsäule (LWS) wieder nach vorn (Lendenlordose). Enddarm und Urogenitalsystem werden durch para-
Dabei sind es die Bänder, die der Wirbelsäule ihren Halt sympathische Fasern aus dem Sakralmark versorgt.
geben. Längsmuskulatur und Bauchmuskulatur wirken
zusätzlich als elastisches Korsett. In ihrer Wirkung auf die inneren Organe sind Sympathi-
Zwischen dem 1. und 2. Halswirbel (Atlas und Axis) kus und Parasympathikus Antagonisten. Aus den unter-
besteht eine gelenkige Verbindung, um die Drehung des schiedlichen Funktionen (. Tab. 10.2) lässt sich ableiten,
Kopfes zu ermöglichen: Der Atlas dreht sich um den Zahn dass das sympathische System im Wesentlichen der
(Dens) des 2. Halswirbels. Leistungserhöhung dient, während das parasympathische
Durch die Aneinanderreihung der Wirbel mit ihren System im Wesentlichen Erholungseffekte bedingt.
Wirbellöchern entsteht der Wirbel- oder Spinalkanal, in
dem das Rückenmark liegt, das von den gleichen Häuten
umgeben ist wie das Gehirn (7 Abschn. 10.1.8). 10.2 Neurochirurgisches Basiswissen im
Operationssaal

10.1.11 Vegetatives Nervensystem 10.2.1 Arbeitsbedingungen im neuro-


chirurgischen Operationssaal
Das vegetative (idiotrope) Nervensystem führt eine Reihe
von Nervenbahnen, die gesondert zu den glatten Muskeln Wichtiges Arbeitshilfsmittel des Neurochirurgen ist das
(z. B. des Darms oder der Harnblase), zu den Drüsen und Operationsmikroskop. Der Umgang mit allen benötigten
zum Herzen verlaufen. Es besteht aus dem Parasympathi- hochsensiblen technischen Geräten muss erlernt werden,
kus und dem Sympathikus. denn es ist v. a. den hochauflösenden Mikroskopen, dem
4 Die sympathischen Bahnen beginnen in der grauen empfindlichen Mikroinstrumentarium, dem Laserschnitt-
Substanz des Rückenmarks und ziehen durch die vor- gerät, der intraoperativen Sonographie, dem Ultraschall-

. Tab. 10.2 Funktionen des Sympathikus und des Parasympathikus

Erfolgsorgan Sympathikus Parasympathikus

Herz Beschleunigung des Herzschlags Verlangsamung des Herzschlags

Herzkranzgefäße Erweiterung Verengung

Gefäße Verengung Erweiterung

Bronchien Erweiterung Verengung

Ösophagus Erschlaffung Krampf

Magen, Darm Hemmung der Peristaltik und der Drüsentätigkeit Anregung der Peristaltik und der Drüsentätigkeit

Blase Harnverhaltung Harnentleerung

Genitalien Gefäßverengung Gefäßerweiterung

Pupillen Erweiterung Verengung

Lidspalte Erweiterung Verengung

Speicheldrüsen Spärlicher, zähflüssiger Speichel Reichlicher, dünnflüssiger Speichel

Schweißdrüsen Spärlicher, klebriger Schweiß Reichlicher, dünner Schweiß


508 Kapitel 10 · Neurochirurgie

zertrümmerer, den High-speed-Bohrmaschinen, dem in- Kraniotomieinstrumente


traoperativen Monitoring, der Neuronavigation und über- jSchädeleröffnung
haupt der elektronischen Datenverarbeitung zu verdanken, 4 Grundinstrumentarium: Skalpell, Pinzetten, Scheren,
dass am Gehirn und am Rückenmark routinemäßig auf ho- Nadelhalter, scharfe Haken
hem Niveau operiert werden kann. Die Einweisung in diese 4 Raspatorien, schmal und breit, z. B. nach Willinger.
Geräte gemäß dem Medizin Produkte Gesetz ist obligat. 4 Elevatorium, z. B. nach Langenbeck (. Abb. 10.7).
Der Aufbau, der Anschluss, die Funktion, der Abbau 4 Dissektor, einseitig stumpf, einseitig scharf, z. B. nach
und die Pflege sowie die Wartung müssen vertraut sein. Freer (. Abb. 10.8) zum Abhebeln des Knochendeckels.
Die Instrumentation unter dem Mikroskop (7 Abschn. 4 Anatomische Dandy-Klemmen (. Abb. 10.9) zur
10.2.5) unterliegt besonderen Kriterien. Blutstillung an der Galea der Kopfhaut.
4 Eventuell Raney-Clips mit Applikationszange (. Abb.
10.10) oder Kölner Klammern. Die Clips werden an
10.2.2 Lagerung und Abdeckung den Kopfhautlappen zur Kompression und damit zur
Blutstillung gesetzt. Alternativ gibt es viele Klammern
Lang dauernde Operationen erfordern eine optimale La- mit gleichem Wirkungsmechanismus.
gerung des Patienten (7 Abschn. 1.2). Ein Wärmeverlust 4 High-speed-Bohrmaschine mit einem Trepan (. Abb.
des Patienten muss mit geeigneten Methoden verhindert 10.11), der runde Löcher in die Kalotte bohrt und
werden. stoppt, sobald er keinen Widerstand mehr hat, also
Meistens werden der Kopf und die Halswirbelsäule des wenn er an der Dura angelangt ist.
Patienten mit einem 3-Punkt-Kopfspanner nach Mayfield 4 Das Kraniotom verbindet die mit dem Trepan gesetz-
starr fixiert, um ein Verwackeln des OP-Feldes weitgehend ten Bohrlöcher. Dazu wird ein Sägeblatt in die Bohr-
zu verhindern. Dabei muss der Patient so liegen, dass das maschine eingespannt und ein Duraschutz darüber
10 OP-Team möglichst freien Zugang zum OP-Situs und die geschraubt. Dessen Schuh gleitet auf der Dura, sodass
Anästhesisten freien Zugang zu den Beatmungs-, Mess- und diese geschützt wird (. Abb. 10.12). Diese Hochge-
Überwachungsgeräten haben. Liegt der Patient bei Kopfope- schwindigkeitsbohrsysteme mit 80.000–100.000 Um-
rationen auf dem Rücken, ragt das Tubussystem oftmals, nur drehungen/min werden ebenfalls zum druckfreien
durch die Abdeckung getrennt, nahe dem Instrumententisch Fräsen von Knochenvorsprüngen oder zum Aufboh-
aus dem Mund des Patienten. Es ist deshalb beim Platzieren ren von Nervenkanälen verwandt (. Abb. 10.13).
des Instrumententisches unbedingt darauf zu achten, dass 4 Mit den Stanzen kann das Bohrloch erweitert werden.
die Arbeitsplatte so weit hochgefahren wird, dass Tubusver- Diese Stanzen gibt es nach oben oder nach unten
bindung, Infusionsschläuche, die Dopplersonde u. a. unter schneidend sowie in der schmalen und der breiten
der Abdeckung nicht verschoben werden können. Version. Die Spitze zeigt entweder 90° oder 130°
Die Abdeckung erfolgt standardisiert abteilungsspezi- (. Abb. 10.14 und . Abb. 10.15).
fisch. Der Patient muss gut wärmeisoliert gelagert und ab- 4 Mit dem Nervenhäkchen (Durahäkchen) werden die
gedeckt sein. Vorteilhaft ist ein Abdecksystem mit inte- Bohrlochränder umfahren, um adhärente Dura zu
griertem Auffangbehältnis für Spülflüssigkeiten. lösen.
4 Muss ein Bohrloch erweitert werden, aber die Stanzen
sind zu klein, eignet sich eine feine Hohlmeißelzange
10.2.3 Instrumente und Geräte nach Luer.
der Neurochirurgie
Zur Gehirnoperation kommen dann verschiedene Instru-
Zum Schutz des Patienten, der eigenen Sicherheit und zur mente hinzu:
Erleichterung des Umgangs mit den sensiblen Geräten gibt 4 Anatomische Bajonettpinzetten, z. B. nach Gruen-
es Sicherheitsrichtlinien der Hersteller und des Gesetzge- wald (. Abb. 10.16). Bajonettförmige Instrumente er-
bers (MPG), die eingehalten werden müssen. Beim Instru- möglichen das Fassen von Gewebe in den kleinen Zu-
mentarium unterscheiden wir: gängen, ohne dass die Hand des Operateurs im Mi-
4 Kraniotomieinstrumentarium für Eingriffe am Schä- kroskopausschnitt sichtbar wird.
del und am Gehirn. Dazu kommen dann bei Bedarf je 4 Duramesser, z. B. ein kleines rundes (15er), um eine
nach Operation die speziellen Instrumente wie z. B. kleine Inzision in die Dura zu legen, die dann mittels
das Mikroinstrumentarium. einer Duraschere erweitert wird. Diese Schere hat eine
4 Laminektomieinstrumentarium für alle Operationen abgeflachte Branche, die das Gehirn beim Schneiden
an der Wirbelsäule, am Rückenmark und an den Spi- der Dura vor Verletzungen schützt (z. B. nach Schmie-
nalnerven. den-Taylor oder nach Frazier; . Abb. 10.17).
10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
509 10

10.7 10.8 10.9 10.10

10.11 10.12

10.13

. Abb. 10.7 Elevatorium. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.11 Trepan. (Fa. Codman)
. Abb. 10.8 Dissektor. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.12 Kraniotom und Schutzschuh. (Fa. Codman)
. Abb. 10.9 Dandy-Klemmen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.13 High-speed-Bohrsystem. a Trepane, b Bohrer
. Abb. 10.10 Raney-Clips. (Fa. Codman) (Fa. Zeppelin)
510 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.14 10.15

. Abb. 10.14 Stanze nach Kerrison. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.15 Stanze nach Hajek-Kofler. (Fa. Aesculap AG)

jSchädelverschluss
4 Durapinzetten, Nadelhalter, Schere.
4 Zur schnellen und passgenaueren Fixierung des Kno-
chendeckels werden in verschiedenen Formen ange-
botene Verschlussplättchensysteme verwendet
10 (. Abb. 10.18).
4 Nur noch selten wird der Knochendeckel mit nicht
resorbierbaren Fäden über 2-mm-Bohrlöcher an der
Kalotte festgeknotet.
4 Zu jeder Kopfoperation gehört ein standardisierter
Zusatz (s. unten), eine Spülspritze mit Knopfkanüle,
das Mikroinstrumentarium und andere Spezialinstru-
mente.

Laminektomieinstrumente
4 Skalpell, groß für die Haut und etwas kleiner für die
10.16 10.17 Dura, Pinzetten (chirurgisch grob, chirurgisch fein
und bajonettförmig anatomisch).
. Abb. 10.16 Bajonettpinzette. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 10.17 Duraschere. (Fa. Aesculap AG)
4 Scheren, scharfe Haken, Nadelhalter.
4 Laminektomiespreizer nach Williams (. Abb. 10.19),
der durch seine spezielle Biegung nicht die Übersicht
4 Feine chirurgische Durapinzetten (z. B. nach Adson). bei dem dorsalen Zugang behindert. Zum Teil werden
4 Feine Saugeransätze. diese Wundspreizer mit gelenkigen Verbindungen zu
4 Hirnspatel, z. T. selbsthaltend: Diese Spatel werden so den Branchen angeboten.
gebogen, dass sie sich dem Hirngewebe optimal anle- 5 Für eine Laminektomie wird ein Sperrer mit 2 gleich
gen. Das Gehirn wird dabei durch einen Streifen langen Branchen bevorzugt,
feuchter Hirnwatte geschützt. Sollte ein Spatel für 5 für eine Hemilaminektomie wird ein Wundspreizer
kurze Zeit ohne Hirnwatte eingesetzt werden, muss er mit einer langen und einer kurzen Branche gewählt.
feucht angereicht werden. 4 Laminektomiestanze nach Hajek-Kofler (nach oben
offen) oder nach Smith-Kerrison (nach unten offen;
Zum Offenhalten des OP-Feldes wird ein Halteapparat mit s. oben: Kraniotomieinstrumente).
flexiblen Armen an dem Operationstisch fixiert; in diese 4 Mit geraden oder abgewinkelten Rongeuren (Tumor-
Arme werden dann die benötigten Spatel eingesetzt. exstirpationszangen) wird das zerschlissene Band-
4 Bei Bedarf: Aneurysmaclips mit Applikationszangen scheibengewebe entfernt (. Abb. 10.20).
(7 Abschn. 10.5.1). 4 Der Nervenwurzelhaken (z. B. nach Love oder nach
Krayenbühl) hält die Nervenwurzel aus dem OP-Ge-
10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
511 10

a c

b d

. Abb. 10.18a–d Craniofix-System mit Verschlussplättchen (Beispiel: Fa. Aesculap AG). Instrumentarium (a), Implantat (b), Craniofix-System
in situ (c) und implantiert (d)

Mikroinstrumentarium
Operationen unter dem Mikroskop erfordern neben dem
Standardinstrumentarium ein geeignetes Mikroinstru-
mentarium.
4 Nervenhäkchen mit und ohne Knopf (. Abb. 10.22).
4 Arachnoideascheren (. Abb. 10.23).
4 Mikroscheren, gerade oder bajonettförmig
(. Abb. 10.24).
4 Mikropinzetten, ebenfalls gerade oder bajonettförmig.
4 Mikronadelhalter, bajonettförmig (. Abb. 10.25).
4 Mikrodissektor, zur Unterstützung bei der Präparati-
on (. Abb. 10.26).
. Abb. 10.19 Laminektomiesperrer nach Williams
Die übliche bipolare Koagulationspinzette wird für Mikro-
skopoperationen gegen eine Mikropinzette ausgetauscht.
biet (. Abb. 10.21). Auch hier ist es wichtig, dass der Instrumentation 7 Abschn. 10.2.5.
Haken feucht angereicht wird.
4 Das Nerv- oder Durahäkchen löst nach der Inzision Neurochirurgische Spezialitäten
mit einem kleinen Messer die Dura vom Rückenmark. 4 Resorbierbares Hämostyptikum (Kollagenvlies, Tabo-
4 Bei Operationen an der Wirbelsäule und am Rücken- tamp) tamponiert die blutende Stelle.
mark gelten dieselben Regeln wie für die Gehirnope- 4 Für intrazerebrale Blutungen kann das Hämostypti-
ration; der Standardzusatz (s. unten) bleibt derselbe. kum zudem in Fibrinkleber getränkt werden.
512 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.20

10.21

10

10.22 10.23 10.24 10.25 10.26

. Abb. 10.20 Rongeure. a Nach Love-Gruenwald, b nach Weil- . Abb. 10.23 Arachnoideaschere. (Fa. Aesculap AG)
Blakesley. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.24 Mikroschere nach Malis. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 10.21 Nervenwurzelhaken. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.25 Mikronadelhalter nach Spetzler. (Fa. Aesculap AG)
. Abb. 10.22 Nervenhäkchen. (Fa. Aesculap AG) . Abb. 10.26 Mikrodissektor. (Fa. Aesculap AG)
10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
513 10
4 Hirnwatte wird als Tupfer oder Streifen in verschie- unverletzt bleiben. Während des Bohrens und Fräsens
denen Größen und Längen angeboten. Sie besteht aus muss mit kalter Spülung der Knochen gekühlt werden. Die
gepresster, fusselfreier Watte. Jeder Tupfer und jeder Hochgeschwindigkeitsbohrsysteme bohren mit 80.000–
Streifen ist mit einem Faden armiert. Tupfer müssen 100.000 Umdrehungen/min und ermöglichen dadurch
häufig für den Gebrauch noch zurechtgeschnitten druckfreies, exaktes Fräsen.
werden. Sie werden immer feucht angereicht, denn sie
dienen dem Schutz des Gehirns oder der Lagefixation jLasersysteme
eines Tabotamp-Streifens. Sie sind Standard in jedem neurochirurgischen OP-Saal. In
Streifen und Tupfer werden mit einer Pinzette ange- der Regel werden der CO2-Laser und der Nd:YAG-Laser
reicht. Sie werden unter das Mikroskop gehalten, da- eingesetzt. Beide Systeme erfordern besondere Erfahrung
mit der Operateur sie abnehmen kann. Dabei ist die beim Aufbau und bei der Bedienung. Sicherheitsregeln
Hand des Instrumenteurs im Mikroskopausschnitt sind deshalb festgelegt und müssen unbedingt beachtet
nicht sichtbar. werden. (Jede OP-Abteilung hat einen Laserbeauftragten!).
4 Sollte die eröffnete Dura nicht wieder zuzunähen Alle im Saal Anwesenden müssen eine Laserschutzbrille
sein, muss die Defektdeckung durch einen »Patch« tragen, da die Streustrahlung des Lasers die Netzhaut der
erfolgen. Dazu wird ein gewebefreundliches alloplas- Augen verletzen kann. Der Zugang zum OP-Saal muss mit
tisches Material, z. B. Gore-Dura, verwendet. Sie einem Laser-Hinweisschild gekennzeichnet sein.
wird in verschiedenen Größen angeboten, zurecht-
geschnitten und eingepasst. Entweder wird sie mit jIntraoperative Ultraschalldiagnostik (Sonographie)
Spezialfäden fortlaufend eingenäht oder nur aufgelegt Bei der Ultraschalldiagnostik werden die unterschied-
und/oder mit Fibrinkleber fixiert. lichen Reflexionen von ausgesandten Schallwellen durch
Eine wenig aufwändige Alternative stellt der resorbier- verschiedene Körpergewebe genutzt, um ein Bild des Kör-
bare Durapatch (z. B. Tachosil) dar, das zunehmend perinneren zu erzeugen. Da der Schädelknochen relativ
standardmäßig genutzt wird. Das synthetische Implan- schalldicht ist, spielt diese Technik in der präoperativen
tat aus Polydioxanon wird innerhalb eines Viertel- neurochirurgischen Diagnostik keine Rolle. Eine Ausnah-
jahres durch eine körpereigene Bindegewebsschicht er- me bilden Säuglinge, bei denen die offenen Schädelnähte
setzt. Dieser Durapatch hat eine poröse Grundstruktur, und die Fontanelle ausgezeichnete Schallbedingungen bie-
um die Einsprossung von Gefäßen und Gewebe zu er- ten. Intraoperativ lässt sich der Ultraschall nach Kranioto-
möglichen. Er gilt jedoch als liquordicht. mie mit geeigneten Sondenköpfen gut zum Auffinden von
4 Knochenwachs ist ein industriell gefertigtes Wachs, das anatomischen Landmarken (Falx, Ventrikel, Plexus chori-
zur Blutstillung auf blutenden spongiösen Knochen oideus), pathologischen Prozessen und zur Resektions-
mit dem Finger oder dem Dissektor aufgetragen wird. kontrolle von Tumoren einsetzen.
4 Der bipolare Koagulator löst eine fein umschriebene
Verschorfung aus. Sie ist auf das Gewebe zwischen jDopplersonographie
den Pinzettenbranchen beschränkt, weil die Restflä- Die Frequenzverschiebung sich schnell bewegender Ob-
che der Pinzette isoliert ist. Bipolare Pinzetten wirken jekte (Doppler-Effekt) ist die physikalische Grundlage die-
zweipolig, sodass eine Neutralelektrode am Patienten ser Untersuchung. Angewandt auf die fließenden korpus-
zur Stromableitung nicht benötigt wird. Zur Siche- kulären Bestandteile des Blutes (Blutkörperchen) lassen
rung der einwandfreien Koagulation müssen die Pin- sich die Flussgeschwindigkeiten und annähernd die Weite
zettenspitzen immer sauber gehalten werden. Wegen der untersuchten Gefäße beurteilen. In der Neurochirurgie
der feinen Strukturen am Gehirn und an den Nerven wird das Verfahren zur Untersuchung von Gefäßspasmen
würde jede breitflächige monopolare Koagulation ge- als Komplikation von Subarachnoidalblutungen und zur
sunde Gehirnareale zerstören. Die benötigten Pinzet- intraoperativen Kontrolle der Durchgängigkeit zu- und
ten werden bajonettförmig, gerade und gebogen an- abführender Gefäße nach Aneurysmaclipping und bei An-
geboten. giomoperationen benutzt.

Geräte der Neurochirurgie jUltraschallzertrümmerer


jHigh-speed-Bohrsysteme Mit einem starken Ultraschallsender können Tumoren,
Bohrer für die Öffnung der Kalotte und zum Fräsen an Schicht für Schicht, in kleine Gewebefetzen zertrümmert
Wirbeln, Wirbelbögen und Wirbelgelenken werden von werden. Durch ein Saug-Spül-System wird abgelöstes Tu-
Pressluftturbinen oder von Elektromotoren angetrieben. morgewebe entfernt. Weil Gefäße und gesundes Hirnge-
Bohrer und Fräsen müssen scharf sein, damit durch kon- webe elastischer und weicher sind als tumoröse Bestand-
trollierbaren Kraftaufwand Dura, Sinus und Hirngewebe teile, schädigt sie der Ultraschall nicht.
514 Kapitel 10 · Neurochirurgie

jNeuronavigation
Mit Hilfe der Neuronavigation gelingt der Transfer von
Bilddaten aus der kranialen Computertomographie (CCT)
und der Magnetresonanztomographie (MRT) in die reale
Anatomie des OP-Situs. Über Laserstrahlen werden mar-
kante Schädelstellen markiert; sie werden lasertechnisch
vermessen, und das System errechnet aus den Landmarken
die Position des Tumors.
Ist der Kopf des Patienten zur Operation fixiert, wer-
den die Marker identifiziert. Das Kamerasystem der Neu-
ronavigation erfasst die Positionen der Marker, und ein
Systemrechner stellt die Beziehung zwischen den CCT-/
MRT-Bildern und der tatsächlichen Anatomie des Pati-
enten her. Diese Kontrolle wird intra- und postoperativ
mehrfach wiederholt. Veränderungen, die intraoperativ
auftreten, können nicht real abgebildet werden.
. Abb. 10.27 Stereotaktisches Gerät nach Leksel. (Nach Siewert 2006)

Vorteile der Neuronavigation


jEndoskope 4 Der ideale Bereich für die Kraniotomie lässt sich
Auch in der Neurochirurgie werden zunehmend starre vorab bestimmen.
und flexible Optiken eingesetzt, um z. B. einen Hydroze- 4 Es lässt sich prüfen, welche Hirnareale auf dem
10 phalus oder einen Ventrikeltumor zu operieren, eine Zyste gewählten Zugangsweg berührt werden.
und die Hypophysenloge zu inspizieren oder um eine Ge- 4 Intraoperativ ist stets eine sichere Instrumenten-
webeprobe aus dem Ventrikel zu entnehmen. führung anhand der morphologischen Darstel-
lung auf dem Monitor möglich.
jStereotaktisches Instrumentarium
Mit stereotaktischen Systemen können präoperativ com-
putergestützte Zielpunktberechnungen durchgeführt wer- So ist es möglich, während einer Operation den Befund zu
den. Sie dienen zur Punktion tief im Hirn gelegener patho- lokalisieren, zu erreichen und gesundes Gewebe zu scho-
logischer Veränderungen. Hierdurch wird oftmals die nen. Zusätzlich sind navigierte Punktionen von patholo-
konventionelle, größere Öffnung des Schädels vermieden. gischen Veränderungen im Hirn möglich. Das Haltesystem
Die Rundbügel des stereotaktischen Instrumentari- und die Biopsiesonde sind mit Markern ausgestattet und
ums, die Führungssonden und Halterungen (. Abb. 10.27) können so vom Kamerasystem erfasst werden.
dürfen auf gar keinen Fall verbogen, fallen gelassen oder Mit dem gesamten Navigationsinstrumentarium muss
geworfen werden. Obwohl das Bügelsystem solide und sorgsam umgegangen werden, da hier geringe Formverän-
schwer aussieht, ist es nicht unbedingt ein besonders sta- derungen zu Fehlern in der Darstellung der Anatomie
biles Instrumentarium. Bereits wenige Zehntel Millimeter führen.
Formveränderung würden die Sondeninstrumente von
dem vorher im CT vermessenen Zielpunkt ablenken. jOperationsmikroskop
Die mikroskopisch feine, normale Anatomie und die oft
jIntraoperatives Monitoring enge Nachbarschaft pathologischer Prozesse zu lebens-
Für das Erkennen wichtiger Hirnzentren (Hirnmantel, Py- wichtigen Zentren erfordern eine räumliche Vergrößerung
ramidenbahn, Hirnstamm) sowie zur Identifizierung von und die beste Ausleuchtung, die nur durch das Mikroskop
Hirnnerven wird ein neurophysiologisches Monitoring erreicht werden kann. Entweder ist das Mikroskop ober-
verwandt. Die neurophysiologischen Untersuchungen be- halb des OP-Feldes an der Decke fixiert oder an einem
inhalten die direkte Stimulation z. B. der Gesichtsnerven fahrbaren Stativ angebracht. Der Operateur sitzt auf einem
oder der motorischen Hirnrinde, aber auch die Anwen- mit dem Mikroskop verbundenen Stuhl, damit er seine
dung evozierter Potenziale, z. B. somatosensorisch evo- Arme während der Operation ruhig ablegen kann. Alle
zierte Potenziale (SSEP), akustisch evozierte Potenziale Funktionen des Mikroskops werden über Fuß- bzw. Hand-
(AEP). Im Monitor gelingt auf diese Weise eine Aussage schaltungen gesteuert. Stuhlposition, Lichtintensität,
über den Funktionszustand wichtiger Strukturen, die un- Brennpunkt, Lichtkegel u. a. werden intraoperativ auf die-
bedingt bei einer Operation erhalten werden müssen. se Weise eingestellt. Die Okulare für den Operateur und
10.2 · Neurochirurgisches Basiswissen im Operationssaal
515 10
Während der Operation liegt das Arbeitsfeld nur in-
nerhalb des ausgeleuchteten Gesichtsfeldes. Nur diesen
Bereich übersieht der Operateur. In der um ein Vielfaches
vergrößerten Sicht auf das kleine OP-Gebiet stört fortan
alles, was der Operateur nicht selbst in das Sichtfeld ein-
führt. Die Vergrößerung des realen Bildes bewirkt, dass
Bewegungen schneller, unkontrollierter und – außerhalb
des Brennpunktes – v. a. unscharf erscheinen.
. Abb. 10.28 Mikroinstrumente auf dem Instrumentiertisch, gela- Da die Handgelenke des Operateurs beim mikrosko-
gert auf einer Gummimatte pischen Operieren aufgestützt sind (Ober- und Unterarme
ruhen auf der Armlehne des Mikroskopstuhls), kann nur
in einem kleinen, oftmals spitzen Winkel angereicht wer-
die Assistenz werden vorher auf die individuellen Sichtig- den. Ein Nachgreifen ist zwischen Mikroskop, selbsthal-
keiten eingestellt. Alle anderen Mitarbeiter verfolgen die tenden Hirnspateln und Sauger nur schwer möglich; darü-
Operation auf einem Monitor. ber hinaus muss der Operateur das »Zufassen« beim In-
Das Mikroskop wird während der Operation mit einem strumentenwechsel ohne Sicht außerhalb des Sichtfeldes
sterilen Klarsichtbezug abgedeckt. ertasten. Wird nicht sicher angereicht, muss der Operateur
aufschauen; dies strengt sein Auge durch den Wechsel der
Vergrößerung und des Lichts stark an, und die Neuadapta-
10.2.4 Arbeiten mit dem Mikroskop tion kostet Zeit.
Die ohnehin nur mit wenig Kraft gehaltenen Pinzet-
Nach der Fixierung des Patientenkopfes durch Mayfield- ten, Zangen, Dissektoren u. a., die sich schon in der an-
Spanner wird die Schädelkalotte über dem pathologischen deren Hand des Operateurs befinden, dürfen keinesfalls
Prozess eröffnet. Dies geschieht noch ohne Mikroskop. beim Anreichen berührt werden. Im trichterartigen Situs
Nach der Duraeröffnung wird das steril bezogene Mikro- kann jedes von außen vermeintlich nur leichte Anstoßen
skop über dem OP-Feld positioniert. Die perforierten zu folgenschweren Gewebs- und Gefäßverletzungen
Ausschnitte der Schutzfolien von den Okularen werden führen.
entfernt.
> Stoßen Sie deshalb nicht gegen Sauger und in
den Situs eingeführte Instrumente!

10.2.5 Instrumentieren unter dem Mikroskop Ein Stoßen von außen gegen das Standmikroskop erscheint
im Situs wie ein »Erdbeben«. Alle im Saal Anwesenden
Mikroinstrumente werden in ihren Containern auf genopp- müssen darauf hingewiesen werden.
ten Gummimatten gelagert, damit sie keinesfalls mit ihren
empfindlichen Spitzen aneinander stoßen können und die
Spitzen so zerstört würden. Auf dem Instrumentiertisch sol- 10.2.6 Ende der neurochirurgischen
len sie ebenfalls auf einer Gummimatte ohne Kontakt zu Operation
anderen Instrumenten gelagert werden (. Abb. 10.28).
Mikroinstrumente werden in der Regel ohne Ver- 4 Linsen und Okulare des Mikroskops sind nach Spritz-
schlussraster benutzt. Trotzdem werden sie geschlossen flecken, Schlieren und Schmutz zu untersuchen und
angereicht und vom Operateur so in den Situs eingeführt, ggf. mit einem feuchten Leinentuch zu säubern. Alle
um periphere Verletzungen der empfindlichen Gehirn- Standardeinstellungen des Mikroskops werden wie-
masse zu vermeiden. der hergestellt, bevor alle Öffnungen staubgeschützt
Unter dem Mikroskop mit seiner Vergrößerung wirkt zugedeckt werden. Schrauben, Schalter und Handrä-
alles Fremdmaterial extrem störend, deshalb sind die In- der dürfen nicht überdreht werden.
strumente blutfrei zu halten. Dazu werden feuchte fussel-
freie Textilien benötigt. Alle Instrumente sind dem Opera- Bei vielen Operationen wird immer wieder durchleuchtet
teur am Mikroskop deshalb sanft, aber sicher in die Hand (z. B. bei Operationen an der Wirbelsäule, bei transna-
außerhalb des Sichtfeldes anzureichen. Manche Opera- salen/transsphenoidalen Hypophysenoperationen u. a.).
teure bitten gelegentlich darum, dass ihre Hand mit dem Da es schwere körperliche Arbeit bedeutet, zum Schutz vor
Instrument in Richtung des Gesichtsfeldes geführt wird. Strahlen mit einer Bleischürze mehrere Stunden instru-
Unter dem Mikroskop ändern sich die Anforderungen mentieren zu müssen, sollten diese Operationen vorzugs-
an alle an der Operation Beteiligten: weise an den Tagesanfang gelegt werden.
516 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.3 Diagnostische Untersuchungen in wird aber bei Patienten mit einem Herzschrittmacher oder
der Neurochirurgie als Funktionsmyelographie in Kombination mit CT ange-
wendet.
Grundlage jeder neurochirurgischen Behandlung sind die
Erhebung der Krankengeschichte des Patienten und die
neurologische Untersuchung. Voraussetzung ist eine ge- 10.3.4 Angiographie (Gefäßdarstellung)
naue Kenntnis der Anatomie und Funktion des zentralen
und peripheren Nervensystems. Zur gezielten Behandlung Über eine Beinarterie (A. femoralis) wird ein Katheter in
sind spezielle Untersuchungstechniken notwendig: der Aorta bis zum Abgang der Hirngefäße vorgeschoben
4 Nativdiagnostik, und von hier aus ein Kontrastmittel in Richtung Gehirn ge-
4 Ultraschalldiagnostik, spritzt, sodass im Röntgenbild die Gefäße sichtbar werden.
4 Dopplersonographie, 4 Karotisangiographie,
4 neuroradiologische Spezialuntersuchungen, 4 Vertebralisangiographie,
4 neurophysiologische Untersuchungen, 4 Spinale Angiographie.
4 Liquordiagnostik.
Mit Hilfe der Angiographie lassen sich durch die Verlage-
rung von Arterien und Venen ausgelöste raumbeengende
10.3.1 Ultraschalldiagnostik Prozesse nachweisen und lokalisieren. Es ergeben sich art-
diagnostische Hinweise (pathologische Gefäßneubil-
Ultraschallechoimpulse werden in elektrische Impulse dungen, Tumorkreislauf). Der Angiographie allein bleibt
verwandelt und entsprechend auf einem Bildschirm dar- auch die Darstellung von pathologischen Gefäßverände-
gestellt. rungen (arteriosklerotische Wandveränderungen, Steno-
10 4 In der Neurochirurgie: Diagnostik im Säuglingsstadium sen, Verschlüsse) und von Gefäßmissbildungen (Angiome,
durch die offene Fontanelle, zum Auffinden von Tumo- Aneurysmen) vorbehalten.
ren, Fehlbildungen, Hydrozephalus, Blutansammlung.
4 Intraoperativ: zum Nachweis tief gelegener Tumoren,
Zysten, Abszesse etc. (7 Abschn. 10.4.5). 10.3.5 Interventionelle Radiologie

Gefäßmissbildungen und Aneurysmen können interventi-


10.3.2 Dopplersonographie onell versorgt werden (7 Abschn. 10.5).

Ultraschallverfahren zur Darstellung der Strömungsver-


hältnisse in den Gefäßen. Nachweis eines Gefäßspasmus. 10.3.6 Kernspintomographie

Die Kernspintomographie (»nuclear magnetic resonance«,


10.3.3 Neuroradiologische NMR), auch »Magnetresonanztomographie« (MRT) ge-
Spezialuntersuchungen nannt, ist ein computergestütztes bildgebendes tomogra-
phisches Verfahren, das keine Röntgenstrahlen benutzt,
Axiale Computertomographie sondern auf dem Prinzip der »Kernspinresonanz« beruht.
Computergesteuertes Röntgenverfahren, das die Strahlenab- Durch ein von außen angelegtes Magnetfeld richten sich
sorption des Gewebes misst, wenn es in verschiedenen Rich- die Wassermoleküle aus. Bei der Rückkehr in den ursprüng-
tungen durchstrahlt wird. Aufgrund der unterschiedlichen lichen Zustand senden sie gewebespezifische elektromag-
Strahlenabsorption der intrakraniellen Strukturen entstehen netische Wellen aus, die gemessen und in unterschiedliche
Bilder mit großer Detailgenauigkeit. Das Verfahren dient dem Grautöne in der Bildgebung übersetzt werden können.
Nachweis von Hirntumoren, traumatischen Veränderungen,
Frakturen, Hämatom, Hirnödem, Apoplex, Infarkt etc.
10.3.7 Neurophysiologische Untersuchungen
Myelographie
Darstellung des spinalen Subarachnoidalraums durch Ein- Elektroenzephalographie
bringen eines Kontrastmittels (lumbal zum Nachweis von Elektrische Vorgänge innerhalb des Gehirns machen sich
Tumoren, Bandscheibenvorfällen, Fehlbildungen). Oft in bis in die Kopfhaut hinein bemerkbar und können hier ab-
Kombination mit der Computertomographie (Myelo-CT). geleitet werden. Auf diese Weise lassen sich Auskünfte über
Diese Untersuchung hat heute viel an Bedeutung verloren, die zerebralen Funktionen erhalten und Rückschlüsse auf
10.4 · Intrakranielle Tumoren
517 10
Störungen ziehen. Die Elektroenzephalographie (EEG) ist 4 Liquordruckmessung:
eine technische Hilfsuntersuchung, die nur im Zusammen- Werte über 20 cm Wassersäule sind pathologisch.
hang mit einer klinischen Symptomatik Aussagekraft hat. 4 Liquoreiweiß:
Normal sind 20–40%. Eine Erhöhung des Liquorei-
Elektromyographie weißes findet man bei allen raumbeengenden Prozes-
Bei der Elektromyographie (EMG) wird die elektrische sen (Sperrliquor, Stoppliquor!), eine charakteristische
Aktivität der Muskeln in Ruhe und unter Kontraktion ge- Erhöhung des Liquoreiweißes bei intrakraniellen
messen und ähnlich wie beim EEG als Welle aufgezeichnet. Neurinomen. Eine schnelle orientierende Untersu-
So lassen sich Anhaltspunkte über den Grad von Läh- chung sollte bei jeder Liquorabnahme mit der Pandy-
mungen gewinnen. Es können z. B. Rückbildungsten- Reaktion durchgeführt werden, die den Gehalt an Ei-
denzen bei bestehenden Lähmungen oder deren Fort- weiß im Liquor misst.
schreiten erkannt werden. 4 Zellzahlbestimmung:
Normal sind 3/3–12/3 Zellen/μl. Die Zählkammer, in
Elektroneurographie der der Liquor gezählt wird, ist so eingerichtet, dass
Mit der Elektroneurographie (ENS) wird die Nervenleitge- die Zählung einem Zellgehalt pro 3 mm3 entspricht.
schwindigkeit gemessen; so lassen sich Nervenschädi- Die gezählte Zellzahl wird deshalb durch 3 geteilt, um
gungen lokalisieren. die Zellmenge pro mm3 festzulegen.
4 Liquorablasstest:
Evozierte Potenziale 30–40 ml werden abgelassen. Tritt daraufhin eine
Evozierte Potenziale (EP, Reizpotenziale) sind die elektro- Besserung ein, bedeutet das ein Vorliegen eines
physiologische Antwort des Gehirns auf die Reizung von Normaldruckhydrozephalus.
Sinnesorganen und von Leitungsbahnen, die sich hinsicht-
lich der Seitendifferenzen und der Ausprägung der Poten-
ziale beurteilen lassen. 10.4 Intrakranielle Tumoren
Die Stimuli sind unterschiedlich: sensibel (SEP), visuell
(VEP), akustisch (AEP). Nach transkranieller Magnetsti- 10.4.1 Allgemeines
mulation des zentralmotorischen Systems in der Peripherie
können auch Potenziale vom Muskel abgeleitet (MEP) wer- Definition
den. Auf diese Weise lassen sich Aussagen über den Funk- Unter Hirntumoren versteht man alle Neubildungen mit
tionszustand bestimmter Zentren oder Leitungsbahnen dauerndem Wachstum innerhalb der Schädelkapsel.
treffen. Bei einer Rückenmarkschädigung z. B. gelingt mit
Hilfe dieser Reizpotenziale eine Höhenlokalisation.
Man unterscheidet
4 Geschwülste der Hirnsubstanz (neuroepitheliale Tu-
10.3.8 Liquordiagnostik moren),
4 Geschwülste, die von den Hirnhäuten, den Gefäßen
Verschiedene pathologische Prozesse des Gehirns und des und den Schädelknochen ausgehen (mesodermale
Rückenmarks führen zu Veränderungen des Liquors. Des- Tumoren),
halb ist die Liquoruntersuchung für den Neurochirurgen 4 Tumoren der Hypophysenregion (ektodermale Tu-
immer von Bedeutung. moren).

Lumbalpunktion Zu den Hirntumoren im weitesten Sinne zählen auch die


Gefäßmissbildungen und die Gefäßgeschwülste, die intra-
Definition kraniellen Metastasen sowie die Granulationsgeschwülste
Punktion des lumbalen Subarachnoidalraums zwi- bei Lues (Gummen) und bei Tuberkulose (Tuberkulome).
schen den Dornfortsätzen des 3. und 4. LWK, also im- Ferner gehören hierzu auch die durch Parasiten (Zystizer-
mer unterhalb des Rückenmarks, das in Höhe des 1. ken und Echinokokken) ausgelösten Zysten.
und 2. LWK endet. Von 10.000–20.000 Menschen erkrankt einer an einem
Hirntumor. Die Entstehung solcher Tumoren ist letztlich
unbekannt. Auffallend ist jedoch, dass bestimmte Hirntu-
Die Untersuchung wird am sitzenden oder liegenden Pati- moren immer wieder an gleicher Stelle auftreten.
enten unter sterilen Bedingungen durchgeführt. Zur ei-
gentlichen Liquordiagnostik gehören:
518 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.4.2 Allgemeine Symptome


. Tab. 10.3 Symptome und Schädigungsorte von Hirntumoren

4 Stetige Progredienz der Erscheinungen. Symptom Schädigungsort


4 Vielfach Kopfschmerz.
4 Manchmal Hirndruckzeichen: Dazu gehören diffuse Psychische Veränderungen
und andauernde Kopfschmerzen, die morgendlich Antriebsstörungen Stirnhirn, Stammganglien
ausgeprägter sind, Erbrechen, Benommenheit und
Euphorie Stirnhirnbasis, Schläfenhirn,
Apathie. Brücke
4 Nimmt der Hirndruck zu, können wichtige basale
Depressionen, Angst Schläfenhirn
Zentren in dem Tentoriumschlitz bzw. in dem Hinter-
hauptloch eingeklemmt werden. Verstimmung, Reizbarkeit Schläfenhirn
4 Eine Einklemmung zeigt sich durch Streckspasmen, Neurologische Ausfälle
Atemstörungen, Pupillenstörungen.
Riechstörungen Stirnbasis
4 Am Augenhintergrund findet sich eine Stauungspa-
pille. Motorische Aphasie Stirnhirn
(Unfähigkeit zu sprechen)
4 Neuropsychiatrische Symptome.
Sensorische Aphasie Schläfenhirn, Scheitelhirn
> Hirndruckzeichen sind so lange auf einen intra- (Unfähigkeit zu verstehen)
kraniellen, raumfordernden Prozess verdächtig,
Sprachstörungen Bei Rechtshändern linkshirnig
bis ein solcher sicher ausgeschlossen ist.
Bei Linkshändern manchmal
rechtshirnig

Halbseitenlähmung Scheitelhirn, Stirnhirn


10 10.4.3 Spezielle neurologische Klinik
Gangstörung Kleinhirn

Symptome und Schädigungsorte sind in . Tab. 10.3 aufge- Orientierungsstörung Scheitelhirn, Okzipitalhirn
listet. Gesichtsfelddefekte Okzipitalhirn, Sehnervenkreu-
zung
Besonderheiten der Hirntumoren gegenüber Hirnnervenlähmung Hirnstamm, Hirnbasis
anderen Tumoren
Ataxie, Nystagmus Kleinhirn
4 Alle Geschwülste innerhalb der knöchernen Schädel-
kapsel, auch die langsam wachsenden, gutartigen, Epileptische Anfälle
sind in ihrer Wirkung bösartig, da sie durch zuneh- Häufiger generalisiert als
menden Hirndruck und fehlende Ausweichmöglich- fokal
keit des Gehirns zum Tod führen, wenn nicht chirur- In etwa 1/4 der Fälle
gisch eingegriffen wird. erstes Symptom
4 Sie bewirken gewöhnlich keine Kachexie. Lokale Symptome Die Zuordnung bestimmter
4 Sie metastasieren nicht. (Herdsymptom) Herdsymptome zu einzelnen
4 Sie bevorzugen nicht das höhere Lebensalter, sondern Hirnregionen ist z. T. recht typisch
kommen auch schon in der Kindheit vor.

Balken hindurch wachsend, auf beiden Seiten, sowie in den


10.4.4 Einteilung Stammganglien. Die Anamnese ist kurz (Wochen bis eini-
ge Monate). Neben den allgemeinen Tumorsymptomen
Nachfolgend werden einige häufigere bzw. charakteris- treten bald Paresen, Sprachstörungen und andere lokale
tische Tumorformen beschrieben entsprechend ihrer Zu- Ausfälle auf. Die Überlebenszeit beträgt auch nach Opera-
gehörigkeit zum Entstehungsort. tion und Radiochemotherapie im Mittel 1–2 Jahre.

Neuroepitheliale Tumoren (Gliome) jAstrozytom


jGlioblastoma multiforme Großhirnastrozytome treten gehäuft zwischen dem 30.
Der häufigste Hirntumor ist das sehr bösartige Glioblasto- und 40. Lebensjahr auf. Sie wachsen meist langsam, sel-
ma multiforme. Es kommt gehäuft zwischen dem 40. und tener sind sie einigermaßen abgrenzbar, meist jedoch
60. Lebensjahr vor, wächst infiltrierend und findet sich wachsen sie infiltrierend im Marklager von Stirn- und
u. a. in den Großhirnhemisphären, gelegentlich durch den Schläfenlappen. Bei ausgereiften Formen kommt es zu
10.4 · Intrakranielle Tumoren
519 10
langsam zunehmenden klinischen Symptomen (z. B. all- 4 Ependymome aus dem Ependym (Auskleidung der
mählich progredienter Hemiparese). Frühstadien können Hirnkammern),
in der neuroradiologischen Befundung gelegentlich nicht 4 Plexuspapillome aus dem Plexus choreoideus (Blut-
sicher zugeordnet werden. Bei umschriebenen Astrozy- adergeflecht in den Ventrikeln) und die
tomformen, die sich gut operieren lassen, kommen Rezi- 4 Neurinome aus den Schwann-Zellen (Hüllscheiden
dive gelegentlich erst nach Jahren vor. In einigen Fällen der Nerven).
gibt es Dauerheilungen nach Operationen.
Als Beispiel wird im Folgenden das Akustikusneurinom
jSpongioblastome des Kleinhirns beschrieben. Dies ist ein Tumor, der von den Hüllscheiden
»Kleinhirnastrozytome« sind wesentlich gutartiger als die des VIII. Gehirnnervs (N. vestibulocochlearis) ausgeht.
Großhirnastrozytome. Sie kommen gehäuft zwischen dem Die Akustikusneurinome manifestieren sich meist zwi-
5. und dem 15. Lebensjahr vor. Es sind gut abgrenzbare, oft schen dem 30. und 50. Lebensjahr und erzeugen das cha-
zystische Tumoren, die v. a. in den Kleinhirnhemisphären, rakteristische klinische Bild des Kleinhirnbrückenwin-
aber auch im Wurm und in der Brücke sitzen. Sie verursa- keltumors. Gelegentlich sind sie die Teilerscheinungen ei-
chen langsam progrediente Kleinhirnsymptome mit Ata- ner Neurofibromatosis Recklinghausen und liegen dann
xie, Gleichgewichtsstörungen, Nystagmus und später häufig beidseitig vor.
Hirndruckzeichen durch einen Verschlusshydrozephalus.
Sofern sie radikal entfernt werden können (im Bereich der Symptome Zu Beginn finden sich meist Gehörstörungen,
Brücke ist das nicht immer möglich), kann eine Dauerhei- zunehmende Taubheit sowie Gleichgewichtsstörungen.
lung erzielt werden. Später kommen Trigeminusausfälle mit Sensibilitätsstö-
rungen im Gesicht und eine periphere Fazialisparese hin-
jOligodendrogliome zu. Schließlich können Kleinhirnsymptome, Drucker-
Sie häufen sich zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Sie scheinungen auf dem Hirnstamm und Hirndruckzeichen
können sich verdrängend oder infiltrierend im Großhirn (s. oben) auftreten. Im Liquor findet sich immer eine Ei-
oder in den Stammganglien entwickeln, im Jugendalter weißerhöhung (Pandy positiv, 7 Abschn. 10.3).
auch im Thalamus. Neben den sich im Verlauf von Mona-
ten entwickelnden lokalen Tumorsymptomen kommen Therapie Ist eine radikale Entfernung möglich, ist mit
epileptische Anfälle (Jackson-Anfälle) besonders häufig Dauerheilung zu rechnen, nicht selten auf Kosten einer
vor. Auch nach radikaler Operation können Rezidive auf- Fazialis- oder Trigeminusparese.
treten, manche jedoch erst nach mehreren Jahren. Reope-
rationen sind möglich, meistens dann kombiniert mit Ra- Mesodermale Tumoren
diochemotherapie. Mesodermale Tumoren gehen von den Meningen, den Ge-
fäßen und den Schädelknochen aus. Einige werden nach-
jHirnstammgliome folgend beschrieben.
Sie sind histologisch unterschiedlich einzuordnen, bieten
aber klinisch ein charakteristisches Bild. Es handelt sich jMeningeome
stets um progrediente Symptome der Brücke (Pons) und Sie kommen meist zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr
des verlängerten Rückenmarks (Medulla oblongata). Im vor. Diese häufigsten mesodermalen, intrakraniellen Ge-
Verlauf weniger Wochen bis Monate treten Hirnnerven- schwülste wachsen langsam über Jahre, verdrängend, ver-
lähmungen, Schluckstörungen, Augenmotilitätsstörungen ursachen nicht selten epileptische Anfälle und haben eini-
Sensibilitätstörungen und Pyramidenbahnzeichen auf. ge bevorzugte Lokalisationen (. Tab. 10.4). Am häufigsten
Häufig führen diese Tumoren zu einem Verschluss des Ab- sind Meningeome an der Dura der Konvexität, am Tento-
flusses des Hirnwassers (Hydrocephalus occlusus). Der rium und an der Falx zu finden.
Abfluss des gestauten Hirnwassers durch eine operativ ver-
legte Drainage (ventrikuloperitonealer Shunt) oder eine jMedulloblastome
Ventrikulostomie (7 Abschn. 13.6.1) muss gewährleistet Medulloblastome sind maligne Geschwülste des Kindes-
werden. Da bei der Operation der Tumoren im Hirnstamm oder Jugendalters. Sie machen etwa 20% der Hirntumoren
mit schwerwiegenden neurologischen Ausfällen zu rech- bei Jugendlichen aus. Sie liegen im unteren Kleinhirn-
nen ist, kann oft nur palliativ behandelt werden. wurm, kommen aber auch in den Kleinhirnhemisphären
und in der Brücke vor. Sie wachsen infiltrierend und setzen
Paragliome Abtropfmetastasen auf dem Liquorweg in den Spinalkanal.
Paragliome sind Tumoren, die von der sog. Paraglia ausge- Dies erzeugt dann Rückenmark- und Kaudasymptome. Sie
hen. Dementsprechend unterscheidet man verursachen ähnliche Symptome wie die Spongioblastome
520 Kapitel 10 · Neurochirurgie

verkalken die Kraniopharyngeome. Obwohl sie eigentlich


. Tab. 10.4 Lokalisationen und Symptome des Meningeoms gutartig sind, lassen sie sich oft aus Lokalisationsgründen
Lokalisation Symptome
nicht radikal entfernen.

N. olfactorius 4 Anosmie, Kopfschmerz Missbildungstumoren


(Frontobasis) 4 Stirnhirnsyndrom
Zu ihnen gehören die Epidermoide und die Dermoide. Sie
4 Epileptische Anfälle
zeigen einen Altersgipfel zwischen dem 25. und dem
Kleiner 4 Hyperostosebildung 40. Lebensjahr. Ursache sind während der Embryonalzeit
Keilbeinflügel 4 Diskrete Halbseitensymptome
ausgesprengte Keime von z. B. Haut-, Zahn- oder Haaran-
4 Einseitige Optikusschädigung
lagen.
Tuberculum sellae 4 Chiasmaläsion

Sinus sagittalis und 4 Nicht selten rein motorische Läh- Metastasen


Falx mung der unteren Extremitäten Sie treten solitär oder multipel auf und entwickeln Wal-
(Mantelkanten-Syndrom)
nuss- bis Hühnereigröße. Als Ausgangspunkt finden sich
Intraventrikuläre 4 Verlegung des Foramen Monroi nach ihrer Häufigkeit Bronchialkarzinome, Mammakarzi-
Meningeome (heftige Kopfschmerzattacken und nome, Hypernephrome, Karzinome des Magen-Darm-
Erbrechen)
Traktes, Sarkome und Melanosarkome, Schilddrüsen- so-
wie Uteruskarzinome. Ist der Primärturmor bekannt, liegt
bei entsprechender Symptomatologie die Verdachtsdia-
des Kleinhirns. Selbst nach makroskopisch radikaler Ent- gnose einer Metastase nahe. Häufig führt erst die Histolo-
fernung und Bestrahlung des gesamten Zentralnervensys- gie einer exstirpierten Metastase auf die Spur der bis dahin
tems oder Zytostatikatherapie, auf die der Tumor gut an- unbekannten Primärgeschwulst.
10 spricht, stellen sich nach Monaten bis Jahren in 40–60% Ein operatives Vorgehen ist bei entsprechendem Allge-
der Fälle Rezidive ein. meinzustand immer gerechtfertigt, insbesondere wenn
Ein Teil der Medulloblastome wird heute bei den pri- sich kein Hinweis für multiple Absiedlungen ergibt. Die
mitiv neuroektodermalen Tumoren (PNET) eingeordnet. Prognose ist in erster Linie vom Primärtumor abhängig.
Es werden noch eine ganze Reihe weiterer Hirntumo-
Ektodermale Tumoren ren unterschieden, die aber aufgrund ihrer relativen Sel-
(Tumoren der Hypophysenregion) tenheit hier nicht erwähnt werden.
jHypophysenadenome
Sie kommen v. a. zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr vor.
Klinisch finden sich bei Hypophysenadenomen endokrine 10.4.5 Therapie der Hirntumoren
Störungen (beim seltenen eosinophilen Adenom die Akro-
megalie, beim chromophoben Adenom Zeichen einer Hy- Jeder Hirntumor, der nicht beseitigt werden kann, ist – ob
pophyseninsuffizienz mit dünner runzliger Haut und se- gut- oder ob bösartig – auf Dauer tödlich. Hierbei handelt
kundärem Ausfall zugeordneter Drüsen, v. a. der Schild- es sich um ein Raumproblem. Die Entfernung ist fast aus-
drüse und der Gonaden). Außerdem findet man Gesichts- schließlich über eine Operation möglich.
feldausfälle (in der Regel eine bitemporale Hemianopsie), Alle diagnostischen Maßnahmen zielen auf die Frage
Verminderung der Sehstärke und im Röntgenbild eine bal- ab, ob der Tumor operabel ist. Mit gutem Erfolg operabel
lonartig aufgetriebene Sella. sind in der Regel:
Die allermeisten Hypophysenadenome lassen sich 4 Tumoren an der Oberfläche des Gehirns,
über einen transnasal-sphenoidalen Zugang operieren. 4 Tumoren im Bereich der Pole (Stirnpol, Schläfenpol,
Die Radikalität wird dabei v. a. durch die mögliche Infiltra- Hinterhauptpol),
tion des seitlich begrenzenden Sinus cavernosus bestimmt 4 Tumoren im Bereich der Kleinhirnhemisphäre und
(7 Abschn. 10.4.5). im Dach des 4. Ventrikels.

jKraniopharyngeome Schwieriger ist die Entscheidung zur Operation bei Tumo-


Sie kommen am häufigsten im Kindes- und Jugendalter ren in der Tiefe des Gehirns. Handelt es sich, soweit dies
vor mit einem Maximum im 2. Lebensjahrzehnt. Der Tu- von den diagnostischen Methoden abgeleitet werden kann,
mor drängt stärker als das Hypophysenadenom in das Zwi- um gutartige Tumoren, d. h. heilbare, langsam wachsende,
schenhirn und in den 3. Ventrikel vor und verursacht ent- vom Hirngewebe abgegrenzte Tumoren, wird auch bei un-
sprechende klinische Symptome (Hydrozephalus, Trieb- günstiger Lage zur Operation geraten. Meist müssen an-
und Antriebsstörungen, Diabetes insipidus). Nicht selten schließend neurologische Ausfälle in Kauf genommen
10.4 · Intrakranielle Tumoren
521 10
werden. Nicht zuletzt ist aber für die Entscheidung zur 4 verschieden lange Nasenspekula (z. B. nach Killian),
Operation der Zustand des Patienten wesentlich. Ist es be- 4 Hohlmeißelzange mit doppelter Übersetzung nach
reits zu kompletten Ausfällen gekommen (Blindheit, voll- Jansen-Middleton,
ständige Lähmung, Bewusstlosigkeit), bilden sich diese 4 Hypophysenfasszangen (z. B. nach Weil-Blakesly),
Störungen durch die Operation nicht regelmäßig zurück. 4 High-speed-Bohrmaschine mit kleinen Fräsen oder
Alle Tumoren, die nicht vollständig operiert werden Rosenbohreransätzen,
können, rezidivieren. Das ist der Fall bei den meisten Gli- 4 Mikromesser mit bajonettförmigem Griff, Mikro-
omen, die diffus das Hirngewebe infiltrieren. In solchen schere,
Fällen muss es das Ziel einer Operation sein, den Tumor 4 Bajonettdissektoren (. Abb. 10.29),
möglichst vollständig zu entfernen, um so zumindest ein 4 Hypophysengabel (. Abb. 10.30) zur Fixation des Tu-
langes beschwerdefreies Intervall zu erreichen. Schwere mors während der Präparation,
neurologische Ausfälle sollten nicht riskiert werden. Rezi- 4 Enukleatoren (. Abb. 10.31) zum Auslösen des Ade-
divoperationen bei Gliomerkrankungen sind erfolgreich noms aus der Sella turcica,
und nicht ganz selten. 4 Ringküretten (. Abb. 10.32) zum abschließenden
Säubern des ehemaligen Adenomlagers,
Transnasale Hypophysenadenomektomie 4 Löffel,
kIndikation 4 Sichelmesser,
Hypophysenadenom (7 Abschn. 10.4.4). 4 Spiegel,
4 ggf. Endoskop.
kPrinzip
Vollständige Entfernung des Tumors über den transna-
Transnasale Hypophysektomie
salen Zugang durch die Keilbeinhöhle unter Bildwandler-
kontrolle. 7 Die Inzision der Schleimhaut an der Septum-
vorderkante und am Boden des Naseneingangs
kLagerung wird mit einem kleinen (15er) Skalpell vorge-
4 Der Patient befindet sich in Rückenlage, der Kopf nommen. Danach wird die Schleimhaut subperi-
wird nach rechts zum Operateur gedreht, rekliniert chondral vom Septum mit einem Raspatorium
und auf einem festen Kopfring fixiert. abgelöst.
Oder: 7 Vorhandene Knorpelwülste werden ggf. mit der
4 Der Patient befindet sich in halbsitzender Position, Hohlmeißelzange nach Jansen-Middleton ent-
der Kopf wird ganz leicht nach rechts zum Operateur fernt. Zwischen Nasenseptum und Schleimhaut
gedreht und mit der Dornenhalterung nach Mayfield wird mit Schere und Dissektor präpariert, dann
fixiert. wird das selbsthaltende Nasenspekulum (z. B.
4 Der C-Bogen wird zur seitlichen Durchleuchtung der nach Killian) eingesetzt (. Abb. 10.33).
Schädelbasis bereitgestellt, das OP-Mikroskop wird 7 Der Keilbeinboden wird unter Röntgenkontrolle
vorbereitet und steril bezogen. mit dem Raspatorium und dem Dissektor darge-
4 Alle Richtlinien des Strahlenschutzes sind einzuhalten. stellt und die Keilbeinhöhle mit dem Luer eröff-
net. Entfernung der Schleimhaut.
kInstrumentarium 7 Der Sellaboden wird dargestellt und ggf. mit einer
4 Grundinstrumentarium zur Kraniotomie (7 Abschn. Hohlmeißelzange oder mit dem Bohrer eröffnet.
10.2.3), 7 Nun ist die Sicht auf den Tumor frei. Er wird mit
4 Standardzusatz, Mikroskop und -bezug, Sauger, Kürette, Löffel, Fasszange und Enuklea-
4 feine Saugeransätze, toren entfernt: Zuerst wird der Tumor am Sellabo-
4 feine Raspatorien, den, später zur Seite in Richtung Sinus cavernosus
4 evtl. High-speed-Bohrmaschine mit kleinen Fräsen und zuletzt nach kranial zum Diaphragma sellae
oder Rosenbohreransätzen, entfernt. Die einzelnen Anteile werden zur histo-
4 schmale, gerade Lambotte-Meißel mit dem dazu ge- logischen Untersuchung gesandt.
hörenden Metallhammer, 7 Die Blutstillung erfolgt mit Bipolator und/oder
4 Langenbeck-Haken. Hämostyptika. Danach muss kontrolliert werden,
z. B. endoskopisch oder mit Hilfe eines Spiegels,
Hypophysenspezialinstrumente (das sind verschiedene ob der Tumor vollständig entfernt werden konnte.
Mikroinstrumente, die durch ihre Bajonettform die trans- 6
nasale Vorgehensweise ermöglichen):
522 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.29

10.30

10
10.31

10.32

. Abb. 10.29 Bajonettdissektor. (Fa. Codman) . Abb. 10.31 Enukleatoren. (Fa. Codman)
. Abb. 10.30 Hypophysengabel. (Fa. Codman) . Abb. 10.32 Ringküretten. (Fa. Codman)

gewählt. Der Patient liegt in Rückenlage mit leicht seit-


7 Die Lücke im Sellaboden kann mit einem perpen- wärts gedrehtem Kopf. Die osteoplastische Trepanation
dikulären Knochenstückchen (aus dem oberen erfolgt im Stirn-Schläfen-Bereich als typische Tumorent-
Teil der Nasenscheidewand) und Hämostyptikum fernung unter Zuhilfenahme des OP-Mikroskops.
abgedeckt werden.
7 Das Spekulum wird entfernt, die Schleimhaut- Tumorresektion
wunde bei Bedarf vernäht. Die Tamponade der kIndikation
Nasengänge beendet diesen Eingriff. Operabler Hirntumor, z. B. Gliom, links temporal.

kPrinzip
Eine intraoperative Liquorfistel wird mit einem Fettpatch Osteoplastische Trepanation (7 Abschn. 10.7.5), vollstän-
oder Tachosil (7 Abschn. 10.2.3) gedeckt, ggf. wird eine dige Entfernung des hirneigenen Tumors.
passagere lumbale Liquordrainage angelegt. Eine weitere
Möglichkeit der Entfernung eines Hypophysenadenoms kLagerung
bietet die Operation über den subfrontalen Zugang. Er wird 4 Rückenlage oder Seitenlage.
bei großen supra- und parasellär gewachsenen Tumoren 4 Fixation des Kopfes in der Mayfield-Dornenhalterung.
10.4 · Intrakranielle Tumoren
523 10

bert. Die Bohrlöcher werden untereinander mit


dem Kraniotom verbunden, sodass der Knochen-
deckel unter Zuhilfenahme von Elevatorium und
Dissektor entfernt werden kann.
7 Das OP-Feld wird mit sauberen Kompressen oder
mit Hirnwattestreifen umlegt. Alle Knochenspäne
werden mit körperwarmen Spülungen entfernt.
7 Die Dura wird mit einem kleinen Skalpell inzidiert
und der Schnitt mit der Duraschere erweitert.
7 Die Inzision der Hirnoberfläche wird mit der bipo-
laren Koagulationspinzette und der Mikroschere
vorgenommen. Die Präparation im Gehirn erfolgt
. Abb. 10.33 Transnasale Hypophysektomie. (Nach Siewert 2001)
mit Dissektor, Mikroschere, Bipolator, Tumorfass-
zangen und feinen Saugern unter dem Mikroskop.
4 Der Patient liegt auf einer Wärmematte, um den Wär- Das Gehirn wird dabei über eine Spülung ständig
meverlust so gering wie möglich zu halten. feucht gehalten.
7 Das freigelegte gesunde Gehirngewebe wird mit
kEinsatz der Neuronavigation feuchten Hirnwattestreifen abgedeckt, das OP-Ge-
4 Die Planung ist zuvor im CT oder im MRT erfolgt. biet mit selbsthaltenden Hirnspateln offen gehalten.
4 Nach der Operationslagerung und der Mayfield-Fi- 7 Intraoperativ kann der Tumor mittels Ultraschall-
xierung wird der Referenzstern fixiert und darf nicht diagnostik in seiner Ausdehnung dargestellt wer-
mehr verrückt werden. den. Die Ultraschalluntersuchungen dienen dann
4 Durch den Operateur erfolgt dann die Referenzie- der Resektionskontrolle.
rung des Systems, und die Neuronavigation ist ein- 7 Ein Ultraschallzertrümmerer erleichtert manchmal
satzbereit. die Abtragung tumorösen Gewebes (7 Abschn.
10.2.3).
kInstrumentarium 7 Nach der Entfernung der Geschwulst erfolgt die
4 Kraniotomieinstrumentarium, Blutstillung mit Bipolator, Hämostyptika und/oder
4 Standardzusatz, Clips.
4 Mikroinstrumente, 7 Der Duraverschluss sollte, wenn möglich, ohne
4 Mikroskop mit Klarsichtbezug, Duraersatz mit fortlaufender Naht vorgenommen
4 bei Bedarf ein Ultraschallzertrümmerer oder ein Laser, werden. Ist dies nicht möglich, benutzt man pati-
4 intraoperative Ultraschalldiagnostik, enteneigenes Periost oder synthetischen Duraer-
4 intraoperatives Monitoring. satz (Tachosil oder GoreTex-Dura).
7 Der Knochendeckel wird mittels eines Metallplat-
tensystems am Knochenrand mit der Kalotte fixiert.
Gliomexstirpation 7 Einlegen einer Redon-Drainage subgaleal je nach
7 Der gerade oder selten lappenförmige Haut-Ga- Wundgröße.
lea-Schnitt richtet sich in seiner Größe nach der 7 Die Muskel-Periost-Naht und die Haut-Galea-Naht
Ausdehnung des Tumors und nach den Vorgaben beenden die Operation. Abschließend wird ein
der Neuronavigation. zirkulärer Kopfverband angelegt.
7 Die Versorgung des Lappenrandes erfolgt entwe-
der mit Raney-Clips oder Kölner Klammern, für die
Blutstillung am Skalprand werden Dandy-Klem- Weitere therapeutische Möglichkeiten
men benutzt. jBestrahlung
7 Inzision des Periosts mit dem Skalpell, im Bereich Mit Hilfe der Bestrahlung lässt sich bei manchen intrakrani-
der Sägelinie wird es mit dem Raspatorium abge- ellen Tumorerkrankungen eine Verlängerung des beschwer-
schoben. defreien Intervalls, nicht jedoch eine Heilung erreichen.
7 Ein oder mehrere Bohrlöcher werden mit dem Tre- Hirntumoren sprechen unterschiedlich auf die Bestrahlung
pan gesetzt und mit Häkchen und Stanzen gesäu- an; Bestrahlung sollte bei Glioblastomen, bei Astrozytomen
6 und Oligodendrogliomen höherer Malignität, bei Medullo-
blastomen sowie bei Hirnmetastasen versucht werden.
524 Kapitel 10 · Neurochirurgie

Moderne radiochirurgische Verfahren wie die intersti-


tielle Radiotherapie, das Gamma-Knife und der LINAC
bieten eine Ausweitung der Therapiemöglichkeiten. Für
die Indikationsstellung zur Bestrahlung ist die Kenntnis
der Tumorhistologie notwendig. Die Entscheidung zur Be-
strahlung und Zytostatikatherapie wird in der Regel in
fachübergreifenden Tumorkonferenzen getroffen. Der
Einsatz gezielter Bestrahlung und Chemotherapie führt zu
längeren Überlebenszeiten.

jZytostatika
Zytostatische Medikamente in der Neurochirurgie sind
nur eine Möglichkeit der Behandlung. Durchgesetzt hat
a
sich die zytostatische Behandlung bislang bei den Neuro-
blastomen (Tumoren des Sympathikus, die im Wesent-
lichen im Kindes- und Jugendalter vorkommen) und bei
den Medulloblastomen. Standard ist die Radiochemothe-
rapie bei der Nachbehandlung des Glioblastoms. Nach der
Resektion eines Glioblastoms wird gelegentlich in die Re-
sektionshöhle ein Zytostatikum eingelegt.

jPalliativoperationen
10 Auch kleine Tumoren können durch ihre Lage die Liquor-
abflusswege (Foramen Monroi, 3. Ventrikel, Aquaeductus
Sylvii) behindern. Dann bleibt lediglich die Möglichkeit
einer Palliativoperation. Das Prinzip dieser Operation liegt
in der Ableitung des Liquor cerebrospinalis aus einem der
beiden Seitenventrikel in den Peritonealraum (ventrikulo- b
peritonealer Shunt, 7 Abschn. 13.6.1). . Abb. 10.34a, b Einblick in einen Ventrikel (a) mit Ballonkathe-
Die vielen, hierzu im Handel erhältlichen Systeme ha- ter (b). (Abb. freundlicherweise überlassen von Prof. Dr. Kehler, Neu-
ben alle ein Ventil im Schlauchsystem, das das Zurückflie- rochirurgie Asklepios Klinik Altona, Hamburg)
ßen des Blutes in den Ventrikel verhindert. In dem Ventri-
kel muss ein bestimmter Druck aufgebaut werden, bevor
sich das Ventil öffnet, um den Liquor abzuleiten. Dieser
Öffnungsdruck kann prä- oder intraoperativ gemessen
und entsprechend das Ventil ausgesucht werden.
Eine Alternative ohne Einbringen von Fremdmaterial
bietet die Ventrikulostomie: Mit einem starren Endoskop
gelangt man über einen Seitenventrikel zum Boden des
3. Ventrikels. Dieser wird über einen Ballonkatheter per-
foriert (. Abb. 10.34). Über das Perforationsloch kann der
Liquor dann abfließen.
Zu bevorzugen ist heute bei allen Formen des Ver-
schlusshydrozephalus diese endoskopische Ventrikulostomie
(. Abb. 10.35), bei der durch ein in den 3. Ventrikel einge-
brachtes Endoskop der Boden des Ventrikels perforiert
wird und dem aufgestauten Liquor der Weg an die Außen-
flächen des Gehirns freigegeben wird. Dieses Verfahren . Abb. 10.35a, b Ventrikulostomie. a Ort der Ventrikulostomie am
vermeidet die häufigen Shuntkomplikationen. Boden des 3. Ventrikels; b Lage und Richtung des Endoskops
10.5 · Intrakranielle Gefäßmissbildungen
525 10
10.5 Intrakranielle Gefäßmissbildungen trübung mit Schläfrigkeit, Verwirrtheit und Unruhe.
Die Kranken stürzen, z. B. nach ungewohnten An-
10.5.1 Aneurysmen strengungen, plötzlich zu Boden und sind sofort tief
bewusstlos. Zeichen einer Enthirnungsstarre mit
Definition Streckkrämpfen deuten auf einen Durchbruch der
Aneurysmen im Gefäßsystem des Gehirns sind ange- Blutung ins Ventrikelsystem hin und sind damit pro-
borene Gefäßaussackungen. Sie sind besonders häu- gnostisch sehr ungünstig zu bewerten.
fig an den Teilungsstellen der Gefäße lokalisiert, an 5 Die Diagnose liefern Angio- und 3-D-CT.
denen oft Gefäßwanddefekte im Zusammenhang mit 5 Die Lumbalpunktion mit dem Nachweis blutigen
der Gefäßentwicklung nachzuweisen sind, oder sie sit- Liquors bestätigt im Zweifelsfall die Diagnose. Nach
zen an den ursprünglichen Abgangsstellen embryo- einer abgelaufenen Subarachnoidalblutung kommt
naler, später obliterierter Arterien. es zu einer bindegewebigen Verschwartung der
Arachnoidea. Diese Verschwartung kann einer
möglichen Rezidivblutung ein unüberwindliches
Aneurysmen treten solitär und multipel im intrakraniellen Hindernis bieten. So kann es leichter zu einer Wühl-
Raum auf; sie können mit anderen Gefäßmissbildungen blutung in das Hirn kommen, häufiger mit Ein-
kombiniert sein (Angiome). Die Aneurysmen zeigen sich bruch in das Ventrikelsystem.
in sehr unterschiedlicher Größe, meist sind sie etwa kirsch- 4 Im Zusammenhang mit der Aneurysmablutung
kerngroß. In ihrer Form sind sie sack- oder beerenförmig, kommt es meist zu Kontraktionen der Gefäßwan-
gestielt (meist an den Gefäßaufteilungen) oder spindelför- dungen (Gefäßspasmen), die wiederum eine Mangel-
mig (Gefäßerweiterungen über eine größere Strecke). Ge- durchblutung der abhängigen Hirngebiete bewirken
legentlich sitzen sie auch breitbasig der Gefäßwand auf. und zum Hirninfarkt führen können. Spasmen treten
sehr häufig zwischen dem 3. und 18. Tag nach der
Lokalisation Blutung auf.
Intrakranielle Aneurysmen liegen am häufigsten an der
Hirnbasis, am Circulus arteriosus Willisii, meist im vorde- Diagnostik
ren Abschnitt (76%), seltener im hinteren Abschnitt (24%). Der Nachweis der exakten Lokalisation eines Aneurysmas
ist nur durch die Angiographie möglich. Standard ist die
Symptome »Rundumangiographie«, d. h. die Darstellung sämtlicher
Die Anlage zur Ausbildung zerebraler Aneurysmen ist in zum Hirn führenden Arterien, um die relativ häufigen,
der Regel angeboren, sie vergrößern sich in Abhängigkeit multiplen Aneurysmen auszuschließen.
von der Hämodynamik im Lauf des Lebens. Klinisch kön- Die Angiographie sollte so bald wie möglich nach der
nen sie überhaupt oder zumindest lange Zeit stumm blei- SAB durchgeführt werden, um die grundsätzliche Ent-
ben. Diagnostiziert werden sie erst, wenn sie Symptome scheidung zur Operation zu treffen. Durch die Subarach-
bewirken. noidalblutung kommt es häufig zur Hydrozephalusbil-
4 Nachbarschaftsreaktion (Aneurysmen vom paraly- dung, die dementsprechend eine externe Ventrikeldraina-
tischen Typ): genoperation nach sich zieht.
Es kommt zu Lähmungserscheinungen an den Hirn-
nerven; insbesondere die Augenmuskeln sind betrof- Therapie
fen. Die plötzlich spontan auftretenden Lähmungen Die Therapie einer Subarachnoidalblutung beginnt auf der
des III. Hirnnervs sind praktisch immer auf ein An- Intensivstation. Zunächst werden die gestörten vitalen
eurysma im supraklinoidalen (oberhalb des Klinoid- Funktionen (Atmung, Kreislauf, Temperaturregelung,
fortsatzes gelegen) Karotisabschnitt zurückzuführen. Stoffwechselvorgänge) normalisiert. Insbesondere die
4 Blutung: Senkung des meist erhöhten Blutdruckes ist notwendig.
Bei der Ruptur eines Aneurysmas kommt es plötzlich Zur Behandlung und Prophylaxe von Gefäßspasmen wird
(apoplektiform) entweder zu einer Subarachnoi- Nimodipin gegeben, das den Blutdruck senkt und die Ge-
dalblutung (SAB), zu einer intrazerebralen oder zu ei- fäße weit stellt.
ner kombinierten subarachnoidalen und intrazere- Behandlungsziel ist der sofortige und zuverlässige Aus-
bralen Blutung. Die Subarachnoidalblutung beginnt schluss aus dem arteriellen Kreislauf. Anzustreben ist die
in der Regel mit blitzartig einsetzenden unerträg- umgehende Behandlung, weil die Patienten hochgradig
lichen Kopfschmerzen. Nackensteifigkeit, Übelkeit durch eine Reblutung gefährdet sind, die meist tödlich ver-
und Erbrechen können bald folgen. In der Hälfte der läuft, mindestens jedoch mit einer Zunahme neurolo-
Fälle kommt es sehr rasch zu einer Bewusstseinsein- gischer Ausfälle verbunden ist.
526 Kapitel 10 · Neurochirurgie

. Abb. 10.36 Operative Aneurysmaausschaltung durch einen Ge-


fäßclip. (Nach Heberer et al. 1993)

In einer zunehmenden Zahl von Fällen erscheint es


sinnvoller, das Aneurysma auf endovaskulärem Weg zu . Abb. 10.37 Aneurysmaclips im geöffneten Applikator
verschließen (»coiling«), als es operativ mit einem Clip zu
verschließen. Dieses Behandlungsverfahren wird in der
Neuroradiologie durchgeführt. Mit Hilfe von Mikrokathe- 4 Dazu gibt es unterschiedlich gebogene Applikations-
10 tern, die über die A. femoralis eingebracht werden, kann zangen für diese Clips,
das Aneurysma sondiert und mit feinsten Platinspiralen 4 Intraoperativ wird mit einer Mikrosonde eine Dopp-
(»coils«) verschlossen werden. Beide Behandlungsverfah- lersonographie durchgeführt, um die Strömungsver-
ren (Clipping wie Coiling) bergen Risiken. Im Einzelfall hältnisse nach dem Clipping beurteilen zu können.
entscheiden Neuroradiologe und Neurochirurg gemein-
sam über das anzuwendende Verfahren. Benötigt wird ein Mikroskop mit Schwarzlicht-Einheit
und Videokette zur intraoperativen Fluoreszenzangiogra-
jAneurysmaclipping phie mit Indocyaningrün (ICG).
kIndikation Es werden immer 2 Saugsysteme angeschlossen, denn
Beispielsweise Karotisaneurysma rechts. im Fall einer Aneurysmaruptur blutet es sehr stark.

kPrinzip
Clipping eines Aneurysmas
Osteoplastische Kraniotomie, Aufsuchen des Aneurys-
mas, Clipping des Aneurysmasacks unter Erhaltung 7 Ein kleiner Haut-Galea-Schnitt an der rechten
der Blutzirkulation in der betroffenen Hirnarterie Schläfe als Beginn einer osteoplastischen Trepa-
(. Abb. 10.36). nation (7 Abschn. 10.4.5).
7 Präparation auf der Kalotte in üblicher Weise mit
kLagerung anschließendem Aussägen eines kleinen Kno-
4 Rückenlagerung mit Kopffixation in der Dornenhal- chendeckels. Bogenförmige Eröffnung der Dura
terung nach Mayfield. mit Messerchen und Duraschere.
4 Der Patient liegt auf einer Wärmematte und wird mit 7 Einstellen des OP-Mikroskops.
einer Wärmedecke zugedeckt. 7 Durch das Anheben des Stirnhirns mit einem
Hirnspatel und der Hirnwatte lässt sich die A. ca-
kInstrumentarium rotis interna mit Dissektor und Häkchen darstel-
4 Kraniotomieinstrumentarium, len. Der Aneurysmahals wird aufgesucht und mit
4 Standardzusatz, Häkchen, Dissektor und Bipolator präpariert, bis
4 Mikroinstrumente und Mikroskop, er völlig frei vom umliegenden Gewebe ist.
4 evtl. Fibrinkleber für ein Muskelstück, 7 Das Aneurysma wird mit einem Clip ausgeschal-
4 Aneurysmaclips, z. B. nach Sugita, Yasargil, Pernetzky tet, ggf. wird das Clipping unter passagerem Ver-
u. a. stehen in vielen Variationen zur Verfügung 6
(. Abb. 10.37),
10.5 · Intrakranielle Gefäßmissbildungen
527 10
Komplikationen
schluss des zuführenden Gefäßes durchgeführt Die Mortalität der ersten Subarachnoidalblutung liegt bei
(Vermeidung einer intraoperativen Aneurysma- etwa 25%. In mehr als der Hälfte der Fälle kommt es zu
blutung). Hirninfarkte lassen sich bei passagerem Rezidivblutungen. Die Mortalität bei der ersten Rezi-
Clipping zuführender Gefäße nur vermeiden, divblutung ist mit etwa 50% anzusetzen, das Todesrisiko
wenn diese Phase zeitlich limitiert wird (10– bei weiteren Blutungen noch höher. Mit jeder erneuten
15 min) und die Ischämietoleranz durch tiefe Nar- Blutung sinkt die Überlebenschance erheblich. Dabei sind
kose und vorherige Beatmung mit 100% Sauer- die einzelnen Lokalisationen der Aneurysmen ebenso un-
stoff erhöht wurde. Komplexe anatomische Ver- berücksichtigt wie die Ausgangslage bzw. der Zeitpunkt
hältnisse am Aneurysmahals können die Kombi- des operativen Eingriffs. (Ein kleines gestieltes Karotis-
nation mehrerer unterschiedlicher Clips aneurysma ist z. B. risikoloser zu operieren als ein breit-
notwendig machen. basig aufsitzendes oder ein Aneurysma an der A. basilaris.)
7 Manchmal gelingt ein optimales Clipping nicht, Je besser der Allgemeinzustand des Patienten ist und je
oder das Aneurysma rupturiert während oder vor geringer die vegetativen Dysregulationen (Temperatur,
dem Setzen des ausgesuchten Clips (s. unten). Kreislauf, Atmung) sind, desto besser ist der postoperative
Dann gestaltet sich die Präparation des Aneurys- Zustand des Patienten. Zu langes Warten bringt in er-
mahalses schwieriger. höhtem Maße die Gefahr einer Rezidivblutung mit sich.
7 Häufig gibt es auch nach der Clipapplikation noch
kleine Blutungen. Dann wird ein kleines Stück
Muskel aus dem Haut-Galea-Lappen präpariert 10.5.2 Angiome
und mit Fibrinkleber auf die blutende Perforation
geklebt. Definition
7 Nach dem Setzen des Clips wird die Durchgängig- Zerebrale Angiome sind angeborene Fehlbildungen,
keit zu- und abführender Gefäße mittels intraope- deren Aufbau und Differenzierung zum Zeitpunkt der
rativer Dopplersonographie oder durch eine intra- Geburt abgeschlossen ist.
operative Fluoreszenzangiographie mit Indocyanin-
grün kontrolliert. Abschließend wird der Aneurysma-
sack mit einer feinen Kanüle zur Erfolgskontrolle Zwar wird im Verlauf des Lebens eine gewisse Größenzunah-
punktiert und das OP-Gebiet gespült. me beobachtet, es handelt sich dabei aber nicht um ein auto-
7 Der Verschluss der Dura, das Einsetzen des Kno- nomes, sondern vielmehr um ein funktionell physiologisches
chendeckels erfolgen in üblicher Weise. Eine sub- Wachstum (allgemeines Körperwachstum, Aufsaugung und
galeale Redon-Drainage, der schichtweise Wund- Aufstauung des zirkulierenden Blutes infolge der veränderten
verschluss und der Kopfverband beenden diese Kreislaufsituation). Man findet bei den Angiomen eine Viel-
Operation. zahl erheblich erweiterter (ektatischer) pathologisch verän-
derter Gefäße innerhalb des normalen Gewebes:
4 Handelt es sich dabei vorwiegend um venöse Gefäße,
Geplatztes Aneurysma so spricht man von venösen Angiomen, die aber selten
Wenn ein Aneurysma rupturiert, kann das OP-Feld sehr vorkommen.
schnell mit Blut gefüllt werden. Dann kommt sofort 4 Meist handelt es sich bei den intrazerebralen Angio-
der 2. Sauger zum Einsatz, der während der gesamten men um arteriovenöse Angiome, bei denen unter Um-
Operation funktionsfähig bereit liegt. Jetzt wird ein gehung der Kapillaren ein Kurzschluss zwischen arteri-
Höchstmaß an Ruhe und Sicherheit in der Handhabung ellem und venösem Anteil der Blutversorgung besteht,
der Clipzangen und des Mikroinstrumentariums erwar- sodass Venen z. T. mit arteriellem Blut gefüllt sind.
tet. Gegebenenfalls wird ein passagerer Clip benötigt, um
die Blutung zu stillen. Das Austauschen in einen endgül- Lokalisation
tig verbleibenden Clip bedeutet noch einmal für kurze Die meisten arteriovenösen Angiome liegen oberflächlich
Zeit eine starke Blutung. Bei Bedarf wird die Rupturstelle im Bereich der Meningen und reichen in die Gehirnsub-
mit Gewebekleber und Hämostyptika zusätzlich ver- stanz hinein. Weitaus am häufigsten ist der Sitz oberhalb des
schlossen. Tentoriums im Versorgungsgebiet der A. cerebri media.
Zusätzliche Unruhe entsteht im OP-Saal mögli-
cherweise auch durch ein Abfallen der Kreislauffunkti- Symptome
onen und die dann notwendigen Stabilisierungmaß- Klinische Symptome können u. U. ganz fehlen. In ty-
nahmen. pischen Fällen finden sich mehr oder weniger ausgeprägt
528 Kapitel 10 · Neurochirurgie

und verschieden kombiniert Zeichen, die meist erstmals Therapie


zwischen dem 10. und dem 30. Lebensjahr auftreten. Ist die medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich, kom-
4 Subarachnoidale oder intrazerebrale Blutungen, evtl. men verschiedene Operationen in Betracht.
rezidivierend.
4 Epileptische Anfälle. jOperation nach Janetta
4 Kopfschmerz, häufig migräneartig. kIndikation
4 Neurologische Symptome: infolge einer intrakrani- Wenn ein Gefäß-Nerven-Kontakt im Verlauf des N. trigemi-
ellen Blutung oder aufgrund der Mangeldurchblutung nus nachgewiesen werden kann, stellt die mikrovaskuläre
des umliegenden Gewebes. Dekompression nach Janetta nach erfolgloser medikamen-
töser Therapie eine erfolgversprechende Behandlungsoption
Diagnostik dar. Bei strenger Indikationsstellung kann ein Großteil der
Die Diagnose eines zerebralen Angioms lässt sich nur si- Patienten dauerhaft von ihren Schmerzen befreit werden.
cher durch die Angiographie stellen. Dabei sind genau die
zuführenden und die abführenden Gefäße zu sehen. kPrinzip
Zur Polsterung wird zwischen Trigeminusnerv und das
Therapie begleitende Gefäß (A. cerebelli superior oder die gleichna-
Die Therapie der Angiome besteht in ihrer operativen Ent- mige Vene) nach Lösung im Verlauf vom Hirnstamm zur
fernung bzw. im Verschluss der zuführenden und der ab- Schädelbasis zur Dekompression ein Stück Teflonschwamm
führenden Gefäße. Eine zuvor durchgeführte endovasku- oder körpereigene Muskulatur eingelegt.
läre Therapie kann die Operation erheblich erleichtern.
Die Möglichkeiten des operativen Vorgehens hängen von kLagerung
der Symptomatologie, der Ausdehnung und dem Sitz des 4 Halbsitzende Position oder Rückenlage.
10 Angioms ab. Diffuse arteriovenöse Angiome sind inopera- 4 Schädelfixation in der Mayfield-Halterung.
bel, ebenso Angiome im Bereich der Stammganglien.
Operation nach Janetta
10.5.3 Trigeminusneuralgie 7 Über eine subokzipitale Kraniotomie wird der
N. trigeminus dargestellt. Daneben verläuft beim
Symptome Eintritt in den Hirnstamm häufig ein Gefäß, das
Die Trigeminusneuralgie ist gekennzeichnet durch einen den Nerv komprimiert.
typischen, attackenartigen, pulsierenden einseitigen 7 Zur Dekompression wird ein Stück Teflon zwi-
Schmerz im Versorgungsgebiet des N. trigeminus (V. Hirn- schen den Nerv und das Gefäß gelegt.
nerv). Häufig können durch sensible Reize (Berühren der 7 Wenn die Beschwerden danach wieder auftreten,
Wange, Kauen, Sprechen) Attacken ausgelöst werden. ist eine erneute Operation nicht sinnvoll, sondern
Ist der 1. Trigeminusast betroffen, werden Schmerzen die perkutane Rhizotomie des N. trigeminus.
in Stirn und Auge beschrieben. Die Konjunktiva kann ge-
rötet sein, und das Auge tränt. Der 2. Trigeminusast ver-
sorgt den Oberkiefer bis zum Nasenflügel, der 3. Trigemi- Bei Therapieversagen oder symptomatischer Trigeminus-
nusast den Unterkiefer. Meist sind der 2. und 3. Ast kombi- neuralgie (Tumor/MS) kann die perkutane Rhizotomie des
niert betroffen. Ursachen sind ein Gefäß-Nerven-Kontakt Nervs im Bereich des Ganglion Gasseri in Kurznarkose
im Bereich des oberen Kleinhirnbrückenwinkels, Tumoren durchgeführt werden.
im Bereich der Schädelbasis oder eine multiple Sklerose.

Diagnostik 10.5.4 Spontane intrazerebrale Blutungen


Auszuschließen sind zunächst entzündliche Prozesse an
Nasensennebenhöhlen, Ober- und Unterkiefer und an den Definition
Zähnen. Die Funktion der Kiefergelenke muss kieferortho- Alle nichttraumatisch entstandenen Blutungen in die
pädisch überprüft werden. Immer ist eine kraniale Kern- Hirnsubstanz.
spintomographie erforderlich, um Tumoren nachzuweisen
oder die Verdachtsdiagnose der multiplen Sklerose (MS) zu
erhärten. Zum Nachweis von Gefäß-Nerven-Kontakten ist Ursache
eine kraniale Kernspintomographie mit Dünnschichten im Häufigste Ursache ist der Bluthochdruck. Andere Ursa-
Bereich der Brücke (Pons) in T2-Gewichtung unerlässlich. chen können Gefäßmissbildungen, stark vaskularisierte
10.6 · Entzündliche Erkrankungen
529 10
Tumoren, Bluterkrankheiten, degenerative Gefäßprozesse, Verletzungen, v. a. aber bei eitrigen Entzündungen der Na-
Antikoagulationstherapie, Antikonzeptiva sowie entzünd- sennebenhöhlen. Die Gefahr liegt auch hier im Übergrei-
liche Gefäßprozesse sein. Die Blutungen treten meist plötz- fen des osteomyelitischen Prozesses auf das Endokranium.
lich als sog. Schlaganfall auf. Die hypertonische intrazere- Dann entsteht ein sog. Epiduralabszess.
brale Massenblutung ist meist im Bereich der Stammgan-
glien lokalisiert. Ihre Symptomatik ist gekennzeichnet Therapie Frühzeitiges chirurgisches Vorgehen mit radika-
durch akuten Bewusstseinsverlust bei oft gleichzeitig auf- ler Ausräumung, sowohl der erkrankten Knochen als auch
tretender Halbseitenlähmung. der sekundären Abszesse, z. B. im Epiduralraum, ist ange-
zeigt. Eine zusätzliche antibiotische Therapie ist obligat.
Therapie Eine Sonderform ist die Knochendeckelosteomyelitis
Das therapeutische Vorgehen hängt von der klinischen nach Hirnoperationen. Hier ist die Entfernung des Kno-
Symptomatologie und dem Sitz der Blutung ab. Patienten chendeckels notwendig, der später als Plastik mit Kno-
mit Stammhirnblutungen und Einbruch in das Ventrikel- chenzement nachmodelliert und der Kopfform angepasst
system haben eine ungünstige Prognose. Bei Ventrikelblu- und eingesetzt wird (7 Abschn. 10.7.5).
tungen ist es sinnvoll eine Ventrikeldrainage zu legen; oft
bleibt nur der Versuch einer intensivmedizinischen Thera-
pie. Grundsätzlich sollten aber alle raumfordernden intra- 10.6.3 Epiduraler Abszess
zerebralen und v. a. auch intrazerebellären, akuten Blu-
tungen operiert werden. Ein epiduraler Abszess (zwischen Dura und Kalotte) kann
nach Infektionen der Nasennebenhöhlen, der Warzenfort-
satzzellen oder nach einer Schädelosteomyelitis entstehen.
10.6 Entzündliche Erkrankungen Es kann zu größeren Eiteransammlungen kommen, die
mit Hirndruckerscheinungen einhergehen: Lähmungen
und Krampfanfälle können auftreten.
Entzündliche Erkrankungen
Therapie Die notwendige Therapie liegt in der Freilegung
Hier wird unterschieden zwischen entzündlichen Er-
krankungen
und der ausreichenden Drainierung nach außen.
4 der Kopfschwarte,
4 des Knochens,
4 des Gehirns und
10.6.4 Subdurales Empyem
4 seiner Hüllen.
Abszesse zwischen Dura und Subarachnoidalraum kom-
men, wenn auch selten, als Folge von traumatischen Infek-
tionen vor. Auch eitrige Hals- und Nasenentzündungen
10.6.1 Entzündungen der Kopfschwarte können zu einer subduralen Abszedierung führen. Kli-
nisch zeigen sich Hirndruckzeichen, meningitische Symp-
Eitrige Entzündungen der Kopfschwarte entstehen nach tome, Krampfanfälle, Halbseitenzeichen und Bewusst-
Verletzungen (z. B. Schnitt-, Platz- und Schürfwunden), im seinsstörungen.
Zusammenhang mit Furunkeln, Karbunkeln, infizierten
Atheromen oder fortgeleitet von infizierten Knochenher- Therapie Die einzig sinnvolle Therapie ist die baldige Trepa-
den. Sie werden, sobald eine Einschmelzung erkennbar ist, nation mit der Eröffnung der Dura, Entleerung des Empyems
inzidiert. Folge solcher zunächst umschriebenen Entzün- und anschließender Spülung mit antibiotischer Lösung.
dungen kann eine Kopfschwartenphlegmone sein.
Prognose Die Prognose ist ernst, da sich im weiteren Ver-
Therapie Antibiotika, mehrere Inzisionen, Drainagen. lauf auch nach Sanierung der Empyemhöhle noch Spät-
abszesse bilden können.
Gefahr Fortleitung der Entzündung in das Schädelinnere.

10.6.5 Meningitiden
10.6.2 Infektion der Schädelknochen
Eine Entzündung der Meningen ist nur dann eine Indika-
Die Schädelosteomyelitis ist selten. Sie entsteht meist fort- tion zu einem neurochirurgischen Vorgehen, wenn es nach
geleitet, so z. B. bei Infektionen der Kopfschwarte, nach einer Meningitis zu einer Liquorzirkulationsstörung mit
530 Kapitel 10 · Neurochirurgie

Hydrozephalus kommt (z. B. infolge eines Verschlusses des Frühphase, sondern auch über den Erfolg der anschlie-
Aquäduktes oder des Foramen Magendii) oder infolge feh- ßenden Behandlung und über das Ausmaß der bleibenden
lender Liquorresorption bei Verklebung der Zisternen und Schäden.
der Subarachnoidalräume.
Erstversorgung am Unfallort
Therapie In diesen Fällen ist eine externe Liquorableitung Zuerst sind die bekannten Maßnahmen zur Aufrechterhal-
im akuten Stadium und ein ventrikuloperitonealer Shunt tung der Vitalfunktionen erforderlich. Tritt Blut, Liquor
im chronischen Stadium notwendig (7 Abschn. 10.4.5 und oder Hirnbrei aus der Nase aus, ist für ein freies Ablaufen
7 Abschn. 13.6.1). zu sorgen, damit das Eindringen in die Luftwege verhin-
dert wird.
Jede durch ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) bedingte
10.6.6 Hirnabszess Bewusstlosigkeit bedeutet absolute Lebensgefahr und er-
fordert nach der notärztlichen Versorgung den schnellst-
Selten entsteht ein Hirnabszess traumatisch, viel häufiger möglichen und sachgemäßen Transport ins Krankenhaus.
durch Fortleitung. Die primäre Infektionsquelle ist meist Im Allgemeinen ist die optimale Lagerung für den Trans-
eine Ohraffektion, eine Entzündung der Nasennebenhöhlen port bewusstloser Hirnverletzter die 30°-Kopf-hoch-La-
oder ein eitriger Lungen oder Zahnprozess. Je nach Aktivität gerung. Nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Vorliegen eines
der Erreger (Staphylo-, Pneumo- oder Streptokokken) tritt traumatischen Querschnittes, ist die flache Rückenlage
er als Frühabszess schon innerhalb weniger Tage bis Wo- ratsamer.
chen oder auch nach Jahren als Spätabszess in Erscheinung.
Der Spätabszess ist in der Regel immer abgekapselt und Versorgung im Krankenhaus
kann verkalken. Überwiegend ist das Großhirn betroffen. Die einzelnen Maßnahmen im Krankenhaus sind nach Art
10 Klinisch finden sich meist rasch progrediente Symp- und Schwere der Verletzung unterschiedlich (7 Übersicht).
tome eines raumfordernden intrakraniellen Prozesses mit
Herdsymptomen, evtl. epileptischen Anfällen und Hirn-
Sofortmaßnahmen beim Schädel-Hirn-Trauma im
druckzeichen, sodass in erster Linie ein Hirntumor ange-
Krankenhaus
nommen wird. Hinweisend sind dann eine Leukozytose
und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit sowie in 4 Einlieferung des Verletzten: orientierende ärzt-
der Regel eine CRP-Erhöhung. liche Untersuchung der Atmung, des Kreislaufs,
Die Verdachtsdiagnose eines Hirnabszesses erfordert der Bewusstseinslage, der Verletzungen und der
ein CCT mit Kontrastdarstellung und das NMR. Hiermit Pupillen
gelingen zumeist der Nachweis und die Lokalisation. 4 Sicherstellung der Atmung: Absaugen, Intubation
4 Schockbekämpfung: venöse Zugänge, Blutent-
Therapie Die Therapie ist abhängig von der Krankheits- nahmen für die Blutgruppenbestimmung und die
phase, der Größe und der Lokalisation des Abszesses, die üblichen Routineuntersuchungen, Infusion, Blut-
mit der intraoperativen Ultraschalldiagnostik kontrolliert druckkontrolle etc.
wird. Immer besteht das Ziel in einer vollständigen Entfer- 4 Sonographie
nung. Hierbei werden die frühen raumfordernden Abs- 4 Konsiliarisches Hinzuziehen der (Neuro)chirurgen,
zesse zunächst punktiert und gespült. Eine intensive anti- Ophthalmologen, des HNO-Arztes, des Kieferchi-
biotische Therapie ist obligat. rurgen, Orthopäden, Neurologen und Internisten
4 Trauma-CT (Ganzkörper-CT)
Prognose Die Mortalität bei Hirnabszessen liegt immer 4 CCT (kraniale Computertomographie)
noch bei etwa 30%. 4 Blasenverweilkatheter
4 Magensonde
4 Tetanusprophylaxe
10.7 Schädel-Hirn-Traumata 4 Operative Versorgung
4 Intensivtherapie
10.7.1 Versorgung des Patienten 4 Hirndruckmessung

Immer noch sterben Tausende von Patienten jährlich an


einer schweren Hirnverletzung. Die Maßnahmen, die der Weiterbehandlung Für die Weiterbehandlung schwerer
erste Helfer am Unfallort trifft oder unterlässt, entscheiden Schädel-Hirn-Verletzungen gelten die Besonderheiten
bei vielen Verletzten nicht nur über Leben und Tod in der neurochirurgischer Intensivpflege.
10.7 · Schädel-Hirn-Traumata
531 10
10.7.2 Einteilung der Schädel-Hirn-Traumata noch Ansprache löst eine Gegenbewegung aus; sinnvolle,
bewusste Handlungen werden nicht ausgeführt. Jüngere
Um in der akuten Phase richtig handeln zu können, ist die neuropsychologische Untersuchungen belegen, dass es
Einteilung der verschiedenen Schädel-Hirn-Traumata sich beim apallischen Syndrom um ein Durchgangssyn-
notwendig. Wir unterscheiden: drom handelt, bei dem sich durch eine intensive qualifi-
4 gedecktes Schädel-Hirn-Trauma, zierte Behandlung auch nach längerer Zeit noch wesent-
4 offenes Schädel-Hirn-Trauma, liche Erholungen einstellen können. Dies gilt umso mehr,
4 Frakturen der Schädelbasis, je jünger die Patienten sind.
4 Hirnödem und Hirnschwellung, Zur Beurteilung der Bewusstseinslage kommt die Glas-
4 traumatische intrakranielle Hämatome. gow-Koma-Skalierung zur Anwendung.

Gedecktes Schädel-Hirn-Trauma Therapiephasen des gedeckten


Schädel-Hirn-Traumas
Definition
Die Dura ist beim gedeckten SHT von den Verlet- 4 Akute posttraumatische Phase:
zungen nicht betroffen. Schockbekämpfung, Stabilisierung des Kreislaufs,
Sicherung der Atemwege, Flüssigkeitsbilanzie-
rung und Ernährung, laufende Laboruntersu-
Eine Unterteilung der gedeckten Schädel-Hirn-Ver- chungen, Behandlung des Hirnödems,
letzungen, abhängig von der Dauer der Störung, zeigt ggf. Operation, Pflege, Gymnastik.
. Tab. 10.5. 4 Rehabilitationsphase im Krankenhaus:
Als posttraumatischer Defektzustand des Gehirns mit
Pflege, Beschäftigungstherapie, Kranken-
prolongiertem Koma gehört das apallische Syndrom an sich
gymnastik.
zu den Schädel-Hirn-Verletzungen 3. Grades. Es nimmt
4 Rehabilitationsphase der sozialen
dort jedoch eine Sonderstellung ein, da es auch nach nicht
Eingliederung:
verletzungsbedingter Schädigung des Gehirns auftreten
kann, etwa bei Vergiftungen. Dieses Zustandsbild ist durch Körperliche Wiederherstellung und soziale Wie-
erhaltende Elementarfunktionen des Stammhirns, wie At- dereingliederung in einem entsprechenden Hirn-
mung, Kreislauf und Schlaf-wach-Rhythmus bei weitge- verletztenzentrum. Geeignete Umschulungsmaß-
hendem Ausfall der Großhirnfunktionen, gekennzeichnet. nahmen sind genauso erforderlich wie eine ent-
Solche Patienten liegen wach mit offenen Augen ohne sprechende soziale Therapie.
Wahrnehmung und ohne Reaktion. Weder Berührung

. Tab. 10.5 Kriterien zur Gradeinteilung gedeckter Schädel-Hirn-Verletzungen

Schädel-Hirn-Trauma

1. Grades 2. Grades 3. Grades

Bewusstlosigkeit Bis 5 min Bis 30 min Länger

Neurologische Ausfälle Möglich Möglich Sicher

Kreislaufstörungen Möglich Möglich Wahrscheinlich

Atemstörungen Fehlend Möglich Wahrscheinlich

Vegetative Störungen Möglich Wahrscheinlich Wahrscheinlich

Temperaturregulationsstörungen Fehlend Fehlend Wahrscheinlich

Hirnschwellung, Hirnödem Fehlend Möglich Wahrscheinlich

Rückbildung neurologischer Befundabweichungen Sicher Innerhalb 30 Tagen Meist nicht vollständig

Rückbildung subjektiver Beschwerden Innerhalb von Tagen Wahrscheinlich

Dauerbeschwerden Keine Möglich Wahrscheinlich


532 Kapitel 10 · Neurochirurgie

Offenes Schädel-Hirn-Trauma Die Dura wird genäht oder bei einem größeren Defekt
durch ein Stück Periost, synthetisches Vlies oder synthe-
Definition tische Dura verschlossen. Die Knochenlücke kann entweder
Durch eine von außen einwirkende Gewalt wird Hirn- primär durch größere Knochenfragmente wieder gedeckt
gewebe zerstört. Dabei weisen Haut, Knochen und werden, oder sie wird sekundär durch Kunststoff (z. B. Pa-
Dura gleichzeitig eine durchlaufende Wunde auf. lacos) oder angepasste Implantate aus Titan verschlossen.
! Allgemein gilt die Regel, offene Hirnwunden in-
nerhalb der ersten 12 h nach der Verletzung zu
Die Verletzungen können durch stumpfe oder scharfe Ge-
versorgen.
walteinwirkungen hervorgerufen werden. Abhängig von
der Gewalteinwirkung zeigen sich umschriebene Stichver-
letzungen oder tiefgreifende Gewebezerstörungen. Ge- Frakturen der Schädelbasis
fahren, die hierdurch entstehen können, liegen in der kom- Frakturen der Schädelbasis führen nicht selten zu beglei-
plizierenden Osteomyelitis, in der Gefahr der Meningitis tenden Komplikationen:
und der Enzephalitis mit der weiteren Gefahr des Abszesses 4 Liquorfisteln,
oder des subduralen Empyems. 4 Pneumenzephalus,
4 Gefäßverletzungen.
jKlinik
Der sehr unterschiedliche Schweregrad der Hirnverlet- jLiquorfisteln
zungen ist auch ausschlaggebend für das klinische Syn- Bei sichtbarem Abfluss von Liquor aus Nase und Ohr ist
drom, sowohl hinsichtlich der Bewusstseinslage als auch die Diagnose einer Liquorfistel leicht zu stellen. Liquor
im Hinblick auf allgemeine Hirnstörungen (Atmung, muss jedoch nicht immer fließen. Bei Fisteln besteht im-
10 Kreislauf u. a.) und fokale Ausfälle. Herdförmige Stö- mer die Gefahr einer aufsteigenden Entzündung der Hirn-
rungen werden immer dann zu erwarten sein, wenn ent- häute und des Gehirns. Sie müssen deshalb operativ ver-
sprechende Hirnareale, wie die Zentralregion, die Stamm- schlossen werden. Ohrliquorfisteln, bei denen übrigens
ganglien, das Sprachzentrum und die Sehrinde mitverletzt auch ein Riss im Trommelfell und Felsenbein vorliegen
sind. Der lokale Inspektionsbefund, das Röntgenbild des muss (häufige Begleiterscheinung bei Schädelbasisfrak-
Schädels und das CCT mit Knocheneinstellung lassen im turen), verschließen sich oftmals von selbst.
Zusammenhang mit der neurologischen Situation meist
eine ausreichende Diagnose zu. jPneumenzephalus
Der Pneumenzephalus stellt eine Komplikation insbeson-
jTherapie dere der nasalen Fistel dar. Es kommt zu einem Einströmen
Alle offenen Schädel-Hirn-Traumata bedürfen der pri- von Luft in den Schädelinnenraum, die wegen eines an der
mären operativen Versorgung, einmal zur Beseitigung Liquorfistel entstehenden Ventilmechanismus nicht mehr
gleichzeitiger raumfordernder intrazerebraler Blutungen entweichen kann.
und zum anderen zur Verhütung von Infektionen, wie sie
oben besprochen wurden. jGefäßverletzungen bei Basisfrakturen
Unter den Gefäßverletzungen bei Basisfrakturen hat die
! Ziel der Therapie muss es sein, die offene Hirnwun-
Karotis-Kavernosus-Fistel eine besondere Bedeutung.
de in eine geschlossene Hirnwunde zu verwandeln.
Durch Verletzung der A. carotis im Bereich des Sinus ca-
Bei jeder Wunde der Kopfhaut mit gleichzeitiger Knochen- vernosus entsteht ein arteriovenöser Kurzschluss. Das ar-
verletzung (Trümmerbruch, Impression, Defekt) muss terielle Blut ergießt sich sofort in den venösen Schenkel.
nach der Säuberung der Hautwunde und meist einer Exzi- Klinisch charakteristisch ist der pulsierende Exophthal-
sion der Wundränder die Knochenverletzung übersicht- mus. Zusätzlich können Schädigungen des III. V. und
lich dargestellt werden. Bei den Impressionen und pene- VI. Hirnnervs auftreten, die in der Wandung des Sinus ca-
trierenden Verletzungen muss der Knochen im Verlet- vernosus verlaufen. Die Behandlung geschieht auf endo-
zungsbereich so weit entfernt werden, bis die Duraverlet- vaskulärem Wege.
zung übersichtlich freiliegt.
Die traumatisch entstandene Duralücke muss meist Hirnödem und Hirnschwellung
noch zusätzlich erweitert werden, um die darunter liegen- Hirnödem und Hirnschwellung sind Reaktionen des Ge-
de Hirnwunde einwandfrei beurteilen zu können. Vorhan- hirns auf Schädigungen verschiedenster Art. Je nach Schwe-
dene raumfordernde Blutungen werden ausgeräumt und re und Schädigung werden sie mehr oder minder schnell
eine sorgfältige Blutstillung durchgeführt. entstehen. Beide Zustände sind gekennzeichnet durch Flüs-
10.7 · Schädel-Hirn-Traumata
533 10
sigkeitseinstrom in das Gehirn selbst. Beim Hirnödem ist
der Flüssigkeitsgehalt in den Gewebsspalten des Gehirns
vermehrt, bei der Hirnschwellung im Gewebe selbst. Hie-
raus resultiert eine Erhöhung des intrakraniellen Druckes,
der sekundär wieder zur Hirnschädigung führen kann.
Praktisch jeder neurochirurgische Eingriff und alle
schweren Schädel-Hirn-Verletzungen, aber auch intraze-
rebrale Massenblutungen, Hirninfarkte, Meningitiden und
Enzephalitiden sowie Vergiftungen können ein Hirnödem
und eine Hirnschwellung zur Folge haben. Eine zuverläs-
sige Messung gelingt durch spezielle Hirndruckmessson-
den, die meist intrazerebral platziert werden.
Eine operative Therapie dieser Zustände gibt es in der
Regel nicht. Allerdings kann als allerletzte Möglichkeit un-
ter bestimmten Voraussetzungen eine großflächige opera-
tive Entlastung z. B. bei einem malignen Hirninfarkt oder
Hirnschwellung versucht werden. Insbesondere bei Kin- . Abb. 10.38 Raumfordernde Wirkung eines epiduralen Hämatoms
dern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann so auf die Hirnstrukturen (schematisierter Längsschnitt auf Höhe von
die Prognose verbessert werden. Tentoriumschlitz und Foramen occipitale magnum). 1 Lokale Wir-
kung auf die ipsilaterale Großhirnhemisphäre mit druckbedingter Is-
chämie, Verschiebung des Seitenventrikels unter die Falx cerebri zur
Gegenseite, 2 Herniation des medialen Temporallappens zwischen
10.7.3 Traumatische intrakranielle, Tentoriumrand und Mittelhirn mit Druck- und Ischämiewirkung auf
extrazerebrale Hämatome dasselbe sowie auf den gleichseitigen N. oculomotorius, 3 Tiefertre-
ten des ganzen Stammhirns durch supratentoriell stark erhöhten in-
trakraniellen Druck, Funktionsstörung und Schädigung von Mittel-
Definition
hirn; später Einklemmung des tieferen Stammhirns im Foramen oc-
Blutung innerhalb der knöchernen Schädelkapsel cipitale magnum. (Nach Heberer et al. 1993)
(außerhalb des Gehirns).

beachten sind ferner neurologische Ausfälle wie Läh-


Im Gefolge von Schädel-Hirn-Verletzungen können inner- mungen an der dem Hämatom entgegengesetzten Körper-
halb des Schädels Blutungen entstehen, die durch ihre seite. Die Überwachung Schädel-Hirn-Verletzter hinsicht-
Raumforderung und damit durch die Erhöhung des Kopf- lich der Ausbildung eines intrakraniellen Hämatoms erfor-
innendruckes lebensbedrohliche Komplikationen darstel- dert die mindestens stündlich durchzuführende Überprü-
len. Ihre schnelle Diagnose und die entsprechende Be- fung von Puls, Blutdruck, Pupillen und Bewusstseinslage.
handlung durch eine Operation sind von entscheidender Entsprechend ihrer anatomischen Ausbreitung und
Bedeutung für die Prognose. des Entstehungsmechanismus weisen die intrakraniellen
Hämatome Unterschiede auf.
Symptome
Der wichtigste Hinweis auf das Vorliegen einer intrakrani- Epidurales Hämatom
ellen Blutung ist das freie Intervall. Nach einem Unfall ist Das epidurale Hämatom liegt zwischen harter Hirnhaut
der Patient gar nicht oder nur kurz bewusstlos und wacht und Schädelknochen (. Abb. 10.38). Es ist fast ausschließ-
später wieder auf. Ein Intervall von Bewusstseinsklarheit lich auf eine Verletzung der A. meningea media zurückzu-
wird durchlaufen, und Stunden danach trübt das Bewusst- führen und damit ein arterielles, sich schnell entwickeln-
sein des Patienten wieder ein. Diese erneute Bewusstseins- des Hämatom. Dieses große Gefäß, das im Bereich der
eintrübung ist Folge der raumfordernden Blutung und der Schläfe die harte Hirnhaut versorgt, wird bei temporalen
damit verbundenen Druckerhöhung. Frakturen leicht mitverletzt. Die temporale Schläfenge-
Schwierig wird die Beurteilung bei Verletzten mit gend wird dadurch zur Hauptlokalisation dieser Häma-
einem Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades, deren primäre Be- tome.
wusstlosigkeit durch den Unfall unmerklich in die sekun- Der Verdacht auf ein epidurales Hämatom ergibt sich
däre Blutung übergeht. Ähnliche Schwierigkeiten bestehen im Wesentlichen aus etwa 3 Verlaufssituationen:
bei alkoholisierten Patienten. Ein weiteres Zeichen, das 4 Bei einem gedeckten Schädel-Hirn-Trauma kommt es
den Verdacht auf eine intrakranielle raumfordernde Blu- zu einer sofortigen Bewusstlosigkeit, die kurze Zeit
tung nahe legt, ist die einseitige Pupillenerweiterung. Zu dauert; der Verletzte wird wieder wach und ansprech-
534 Kapitel 10 · Neurochirurgie

bar. Nach einem Zeitraum von einer bis mehreren


Stunden (freies Intervall) erfolgt eine erneute Be- 7 Mit einem breiten Raspatorium wird der Schädel-
wusstseinstrübung und Bewusstlosigkeit als Zeichen knochen freigelegt. Bohrlöcher werden mit dem
der zunehmenden Raumforderung. Trepanbohrer gesetzt und mit dem Kraniotom der
4 Bei einem Schädel-Hirn-Trauma hat primär keine Knochendeckel ausgesägt. Mit einem Elevatorium
Bewusstlosigkeit vorgelegen, nach entsprechender wird dieser angehoben, meist muss adhärente Dura
Zeit setzt eine sekundäre Bewusstseinstrübung durch noch mit einem Dissektor abpräpariert werden.
das anwachsende Hämatom ein. 7 Blutungen aus der Spongiosa werden mit Kno-
4 Die primäre Bewusstlosigkeit nach einem Schädel- chenwachs gestillt. Schon beim Setzen der Bohr-
Hirn-Trauma hält an und wird in den folgenden löcher quillt das gestaute Blut hervor, wird abge-
Stunden zunehmend tiefer durch eine raumfordernde saugt und schafft so eine erste Druckentlastung.
Blutung. 7 Das Hämatom wird durch Spülung und mit dem
Dissektor entfernt. Das blutende Gefäß wird auf-
Das epidurale Hämatom erfordert rasches chirurgisches gesucht und mit bipolarer Koagulation verschorft,
Vorgehen. mit einem Clip verschlossen und/oder mit Hä-
mostyptikum tamponiert.
jEntfernung eines epiduralen Hämatoms 7 Zwischen Kalotte und Dura werden kleine Streifen
kIndikation von Fibrinschaum (Kollagenvlies o. Ä.) eingelegt,
Epidurales Hämatom. die diffuse Blutungen unter dem Trepanations-
rand stillen. Sichtbare Blutungen müssen bipolar
kPrinzip versorgt werden.
Beseitigung der Kompressionserscheinungen durch sofor- 7 Die Kalottenfixation erfolgt über vorgefertigte
10 tige Schädeleröffnung und Entfernung des Hämatoms so- Metallplättchen (. Abb. 10.18).
wie Blutstillung der verletzten Arterie. 7 Nach dem Einlegen einer subkutanen Redon-Drai-
Das erforderliche schnelle Vorgehen erfordert ggf. eine nage (10–12°Charr) werden die Raney-Clips und
Vernachlässigung der Sterilität! die Dandy-Klemmen entfernt; es beginnt der
schichtweise Wundverschluss. Ein zirkulärer Kopf-
kLagerung verband beendet die Operation.
4 Rückenlage, den Kopf auf die kontralaterale Seite ge-
dreht, in einem Kopfring oder mit den Gummipols-
tern einer Kopfhalterung fixiert. Subdurales Hämatom
4 Bei Bedarf Anlegen der Dispersionselektrode am
Oberarm Definition
Ausgedehnte, flächenhafte Blutung im Subduralraum
kInstrumentarium zwischen Dura und Arachnoidea. In diesem Spalt
Kraniotomieinstrumentarium inkl. Bohrmaschine, Stan- ist eine Ausdehnung über eine ganze Gehirnhälfte
dardzusatz. möglich.

Entfernung eines epiduralen Hämatoms


Es sind venöse oder arterielle Blutungen aus Rindenkontu-
7 Halbrunde Inzision der Kopfschwarte über dem sionen oder Einrissen von Sinus oder Brückenvenen, die
lokalisierten Hämatom. Die Blutstillung an den von der Hirnoberfläche zu den Blutleitern in der harten
Wundrändern erfolgt z. B. am Kopfschwartenrand Hirnhaut ziehen. Bei oberflächlichen Rindenprellungsher-
mit Dandy-Klemmen und am Schwartenlappen den sind die Blutungen meist arteriell-venös gemischt;
mit Raney-Clips. hierbei sorgt die arterielle Komponente für den weiteren
7 Der Haut-Galea-Lappen wird vom Periost mit akuten Verlauf. Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs unter-
dem Messer abpräpariert und ggf. in eine feuchte scheidet man die im Folgenden beschriebenen 2 Formen.
Kompresse gewickelt, damit er während der Ope-
ration nicht austrocknet. Das Periost wird, eben- jAkutes subdurales Hämatom
falls halbrund, dort durchtrennt, wo die Trepana- Es ist fast immer mit einer schweren Hirnkontusion ver-
tion geplant ist. bunden und unterscheidet sich hierin vom epiduralen Hä-
6 matom. Die primäre Bewusstlosigkeit vertieft sich oder
tritt nach Ablauf von Stunden erneut auf.
10.7 · Schädel-Hirn-Traumata
535 10
jChronisches subdurales Hämatom
Demgegenüber entwickeln sich chronische Hämatome erst 7 Besteht eine so starke Hirnschwellung, dass die
in einem längeren Zeitraum von Wochen bis Monaten, ge- Dura nicht wieder vernäht werden kann, muss
häuft bei Patienten, die unter Antikoagulationstherapie eine Duraerweiterungsplastik vorgenommen wer-
stehen. Die wechselnde Symptomatik kann dem Bild einer den. Der Knochendeckel bleibt wegen der beste-
Hirngeschwulst ebenso ähneln wie dem einer vaskulären henden oder zu erwartenden Hirnschwellung
Insuffizienz. Eine Sonderform des chronischen subduralen meist entfernt und wird verworfen. Bei weiter zu
Hämatoms ist die Pachymeningeosis haemorrhagica inter- erwartender Hirnschwellung kann die Implantati-
na, die auf einer Erkrankung der harten Hirnhaut beruht. on einer Hirndruckmesssonde sinnvoll sein.
Im Bereich der innersten Duraschicht besteht gefäßreiches 7 In Ausnahmefällen kann der Knochendeckel tief-
Granulationsgewebe, in das es spontan oder auch bereits gefroren und bis zur Reimplantation steril gela-
bei Bagatelltraumata bluten kann. Daraus können sich um- gert werden.
schriebene und meist ausgedehnte, vielfach doppelseitige 7 Nach der Entfernung der Raney- und der Dandy-
Hämatome entwickeln. Klemmen erfolgt der übliche Wundverschluss.

jEntfernung eines subduralen Hämatoms


kIndikation
Chronisches subdurales Hämatom
Subdurales Hämatom.
7 Als kleinster, häufig ausreichender Eingriff erfolgt
kPrinzip die Entleerung des Hämatoms über ein Bohrloch.
Entfernung des Hämatoms, um die Hirnkompression zu 7 Dazu wird ein gerader Hautschnitt gelegt, die
Kopfschwarte mit einem Sperrer auseinander
beseitigen. Beim akuten Hämatom muss die Blutungsquel-
gehalten, das Periost inzidiert und ein Bohrloch
le versorgt werden, beim chronischen Hämatom ist die
angelegt, das evtl. mit einem Luer erweitert
Eröffnung aller Membranen erforderlich.
werden muss.
7 Die freigelegte Dura wird mit der bipolaren Pin-
kLagerung
zette punktförmig koaguliert und dann mit einem
4 Rückenlage, Kopflagerung entsprechend der Lokalisa- kleinen Skalpell kreuzförmig inzidiert. Das unter
tion des Hämatoms seitlich auf einem Ring. Druck stehende Hämatom entleert sich.
4 Bei Bedarf Dispersionselektrode an einem Oberarm. 7 Durch das Einführen eines feuchten Nélaton-Kathe-
ters in den Subduralraum kann durch Spülung das
kInstrumentarium restliche Hämatom entfernt werden. Abschließend
4 Kraniotomieinstrumentarium, wird eine Jackson-Pratt-Drainage eingelegt, um
4 Standardzusatz, nachlaufende Hämatomflüssigkeit abzusaugen
4 Jackson-Pratt-Drainagen in unterschiedlichen Größen. 7 Besteht eine Pachymeningeosis mit dicken
Membranen und rezidivierenden Hämatomen,
erfolgt die Trepanation mit Entfernung dieser
Akutes subdurales Hämatom Membranen.
7 Die Eröffnung des Schädels erfolgt wie beim epi- 7 Der übliche Wundverschluss unter möglicher Zu-
duralen Hämatom mit einer großzügigen halb- hilfenahme eines kleinen Durapatches zum Ver-
runden Trepanation über dem computertomogra- schluss der Durainzision beendet die Operation.
phisch lokalisierten Hämatom.
7 Die Dura wird mit einem Messerchen inzidiert und
der Schnitt halbkreisförmig mit einer Duraschere
erweitert. 10.7.4 Traumatische intrakranielle,
7 Danach wird das Hämatom durch Spülung und intrazerebrale Hämatome
Saugen entfernt. Dabei muss evtl. das ge-
quetschte Hirngewebe abgesaugt werden. Eine Intrazerebrale Hämatome werden entweder durch Gefäß-
exakte Blutstillung erfolgt mit dem bipolaren Koa- zerreißung in der Hirnsubstanz oder indirekt durch Rin-
gulator. Abgerissene Brückenvenen werden koa- denprellungsherde verursacht. Meist liegen sie im Bereich
guliert, mit Clips verschlossen und/oder mit Hä- des Stirnhirns und des Schläfenhirns. Der Verlauf solcher
mostyptikum tamponiert. intrazerebralen Hämatome ist uncharakteristisch. Er hängt
6 im Wesentlichen davon ab, ob sie isoliert vorkommen oder
ob noch weitere Verletzungen des Gehirns vorliegen.
536 Kapitel 10 · Neurochirurgie

Klinisch sind akute subdurale Hämatome nicht von kLagerung


kontusionellen Schädigungen zu unterscheiden. Bei mehr 4 Rückenlagerung mit entsprechend der Lokalisation
chronischem Verlauf sind neben herdförmigen Ausfällen des Defekts gedrehtem Kopf.
eher Symptome einer allgemeinen Hirndrucksteigerung 4 Neutrale Elektrode an einem Oberarm.
vorhanden. 4 Der Patient liegt auf einer Wärmematte.
Zur Therapie genügt manchmal die Bohrlochtrepana-
tion. kInstrumentarium
Die Prognose ist abhängig von der Lokalisation und 4 Kraniotomieinstrumentarium,
Ausdehnung des Hämatoms selbst und von der zusätzlich 4 Standardzusatz,
erlittenen Hirnschädigung. 4 Refobacin-Palacos, die Menge entsprechend der Grö-
ße des Defektes,
4 4,5-mm-Spiralbohrer.
10.7.5 Schädeldefekt nach osteoklastischer
Trepanation
Schädeldachplastik
Trepanation 7 Über die Eröffnung des ursprünglichen Haut-
jOsteoplastische Trepanation schnittes wird der Haut-Galea-Lappen präpariert.
Bei geplanten Operationen im frontalen, temporalen, pa- Der Kraniotomiedefekt wird übersichtlich darge-
rietalen und okzipitalen Bereich zur Entfernung von Tu- stellt, die nach Herstelleranweisung angerührte
moren, Angiomen oder Aneurysmen wird dem Patienten Refobacin-Palacos-Masse über dem Defekt einmo-
sein eigener Knochendeckel wieder angepasst, wenn am delliert. Zum Schutz des Gehirns liegen feuchte
Ende der Operation keine Hirnschwellung auftritt. Hirnwattestreifen auf. Die Handschuhe werden
10 zum Anmodellieren angefeuchtet.
jOsteoklastische Trepanation 7 Das Aushärten des Knochenzements erfolgt au-
Bei frischem Schädel-Hirn-Trauma mit sichtbarer oder zu ßerhalb des OP-Gebietes, damit die Hitzeentwick-
erwartender postoperativer Hirnschwellung bleibt der lung nicht zu thermischen Schäden des Gehirns
Knochendeckel entfernt. führen kann (7 Kap. 3.4.4).
Nach der Trepanation wird in einer Zweitoperation 7 Nach der Aushärtungszeit werden die Ränder der
eine Schädeldachplastik vorgenommen. Die Schädel- Plastik geglättet. Anschließend erfolgt die Perfo-
dachlücken müssen aus verschiedenen Gründen verschlos- ration der gesamten Plastik mit einem 4,5-mm-
sen werden: Bohrer, die die Einsprossung von Gewebe be-
4 Jede Lücke bedeutet eine vorhandene Gefahr für das schleunigt. Die Plastik wird befestigt wie ein Kno-
Gehirn. chendeckel (s. oben).
4 Bei größeren Defekten können Schwankungen des in- 7 Bei Bedarf Einlegen einer Redon-Drainage. Da-
trakraniellen Druckes Ursache von Beschwerden sein. nach erfolgt der übliche schichtweise Wundver-
4 Eine kosmetische Indikation gibt es bei Schädelde- schluss.
fekten im Gesichtsbereich.

Schädeldachplastik
kIndikation 10.8 Erkrankungen und Verletzungen
Zustand nach osteoklastischer Trepanation. des Rückenmarks, seiner Hüllen
und der Wirbelsäule
kPrinzip
Deckung des Kalottendefekts. Entweder wird der pati- M. Liehn, M. Brunken, M. Weissflog, A. Gudat
enteneigene entfernte tiefgefrorene Knochendeckel be-
reitgehalten und reimplantiert, oder (heute die häufigere 10.8.1 Spinale Geschwülste
Möglichkeit) der Defekt wird mit einer während der
Zweitoperation hergestellten Refobacin-Palacos-Platte Definition
gedeckt. Alternativ kann mittels eines Dünnschicht-CT Alle raumfordernden Prozesse des Spinalkanals. Ent-
ein passender Titandeckel angefertigt werden, oder ein weder gehen sie vom Spinalkanal selbst aus oder drin-
PEEK-Deckel (Poly-Äther-Äther-Keton) wird mit Klein- gen sekundär in den Wirbelkanal ein.
fragmentplatten und Schrauben (7 Kap. 3) an der Kalotte
fixiert.
10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
537 10

a b c d

. Abb. 10.39a–d Lokalisation spinaler Tumoren. a Normale Verhält- rale extramedulläre Tumoren, d intradurale, intramedulläre Tumo-
nisse, b extradurale Tumoren, vom Knochen ausgehend, c intradu- ren. (Nach Siewert 2006)

Im weitesten Sinne gehören zu den spinalen Geschwülsten etc.) besteht ausschließlich die Möglichkeit einer opera-
auch nichttumoröse raumfordernde Prozesse, wie Arach- tiven Entfernung der Geschwulst. Bei den malignen Pro-
noidalzysten, Bandscheibenvorfälle u. a. m. Entsprechend zessen (Sarkomen, Karzinomen u. a.) sollen Operation,
dem Aufbau der Wirbelsäule spricht man hinsichtlich der Bestrahlung und Chemotherapie die therapeutische Wirk-
Lokalisation von zervikalen, thorakalen, lumbalen und sa- samkeit möglichst weit spannen.
kralen Tumoren. Im Allgemeinen sind die knochenzerstörenden spinalen
Spinale Geschwülste sind im Vergleich mit Hirntumo- Tumoren prognostisch ungünstiger zu beurteilen als die bi-
ren um ein Vielfaches seltener. Alle spinalen Geschwülste ologisch gutartigen Meningeome und Neurinome. Gliome,
bewirken eine Kompression (Druckschädigung, Quet- auch die biologisch gutartigen, sind hinsichtlich ihres Sitzes
schung) des Rückenmarks oder der Cauda equina. im Rückenmark prognostisch sehr zurückhaltend zu beur-
Zur Differenzierung der spinalen Geschwülste nutzt teilen. Kleine umschriebene Geschwülste können evtl. nach
man ihre Beziehung zum Rückenmark und zu seinen Häu- dorsaler Myotomie unter Einsatz des CO2-Lasers entfernt
ten (. Abb. 10.39): werden. Über mehrere Segmente reichende Gliome und die
4 extradural = außerhalb des Durasackes, meist Karzi- sog. Stiftgliome sind operativ schwer angehbar. Je nach Sitz
nommetastasen, droht auch beim Einsatz aller technischen Einrichtungen
4 intradural = innerhalb des Durasackes: eine Para- oder Tetraplegie. Manchmal kann allein eine
5 extramedullär = außerhalb des Rückenmarks: von Strahlenbehandlung eine Besserung bewirken.
den Wurzeln ausgehende Neurinome, von den Me-
ningen ausgehende Meningeome,
5 intramedullär = innerhalb des Rückenmarks, meist 10.8.2 Spinale Gefäßmissbildungen
Astrozytome oder Ependymome.
Es können Venektasien (pathologisch erweiterte Venen)
jSymptome vorliegen oder aber häufiger arteriovenöse Angiome. Meist
Alle Prozesse, die das Rückenmark von außen komprimie- liegen sie intradural, hier vornehmlich im Bereich der wei-
ren, führen zu einer zunehmenden Beeinträchtigung der chen Rückenmarkhäute. Wenn sie im Rückenmark selbst
Rückenmarkfunktionen, in erster Linie der Motorik, spä- liegen, werden die kaudalen Abschnitte bevorzugt. Sie sit-
ter der Blasenfunktion. Schließlich droht die Querschnitt- zen vornehmlich über den Dorsalseiten des Rückenmarks
lähmung. und erstrecken sich über mehrere Segmente. Männer sind
wesentlich häufiger betroffen als Frauen.
jTherapie
Je nach Geschwulstart gibt es folgende Behandlungsformen: jTherapie
4 Operation, Operation.
4 Bestrahlung und
4 Chemotherapie.
10.8.3 Entzündliche Erkrankungen
Bei einigen Karzinommetastasen (Prostata, Mamma) kön- des Spinalkanals
nen Hormonbehandlungen mit gegengeschlechtlichen
Hormonen wie auch Kastration und Ausschaltung der Hy- Unter den entzündlichen Erkrankungen des Spinalkanals,
pophyse günstig wirken. Bei den benignen Tumoren (eini- die neurochirurgisch therapiert werden, sind im Wesent-
ge Gliome, Meningeome, Neurinome, Lipome, Dermoide lichen zu erwähnen:
538 Kapitel 10 · Neurochirurgie

4 Epiduraler Abszess: ring aus dem Zwischenwirbelraum hervordrückt, spricht


Er ist sofort zu operieren und muss entsprechend an- man von einer Protrusion (Verlagerung).
tibiotisch behandelt werden. Von einem Prolaps (Vorfall) wird dann gesprochen,
4 Arachnitis spinalis: wenn Faserring und Längsband zerrissen sind und sich
Sie kann zu einer bindegewebigen Verdickung der Bandscheibengewebe durch die Öffnung in den Wirbelka-
Arachnoidea und zu Verwachsungen mit der Dura nal quetscht. Losgelöste Bandscheibenanteile, sog. Seques-
führen. ter, können durch die Lücke im Faserring in den Spinal-
kanal hineinrutschen und wirken dort raumfordernd wie
Die Diagnose stützt sich auf die Vorgeschichte (Meningitis, eine intraspinale Geschwulst.
Spondylitis, Infektionskrankheiten u. a.), den klinischen Hinsichtlich der Entstehung von Bandscheibenvorfäl-
Verlauf (z. B. wechselnde neurologische Reiz- und Ausfall- len ist bekannt, dass der Körperbau des Patienten keine
erscheinungen) und Liquoruntersuchungen (Eiweißerhö- Rolle spielt, und dass Männer gegenüber Frauen mit 2/3
hung, Zellvermehrung). am Krankheitsgeschehen beteiligt sind. Bereits im Kindes-
alter (8–15 Jahre) sind klinisch manifeste Bandscheiben-
schäden bekannt, auch noch im 7. und 8. Dezennium mit
10.8.4 Bandscheibenerkrankungen einem Gipfel während der mittleren Lebensjahre (30–
50 Jahre). Welche Rolle allgemeine und berufliche Belas-
Die Bandscheibe oder Zwischenwirbelscheibe (Discus tungen hinsichtlich der Entstehung, der Intensität und des
intervertebralis) besteht aus einem zentralen Gallertkern zeitlichen Ablaufs spielen, ist unbekannt.
(Nucleus pulposus) und einem umgebenden Faserring Im Wesentlichen ist anzunehmen, dass es sich um ein
(Anulus fibrosus). Der Nucleus pulposus besteht aus anlagebedingtes Leiden handelt. Chronische Über- und
weichem Gewebe und nimmt etwa 2/3 der Bandscheibe Fehlbelastungen der Wirbelsäule vermögen dabei einen
10 ein. Im jugendlichen Alter besitzt er einen hohen Wasser- verschlimmernden Einfluss auszuüben. Einmalige erheb-
gehalt. Vom umgebenden bindegewebigen Anulus liche Gewalteinwirkung kann ebenfalls eine Verschlechte-
fibrosus zusammengepresst, ist er mit einem kugelför- rung des Grundprozesses herbeiführen, nur im Ausnah-
migen Wasserkissen zwischen den Wirbelkörpern mefall hat sie eine lokale ursächliche Wirkung.
vergleichbar. Die Bandscheibe dient als Stoßdämpfer
und Polster, aber mehr noch als Gelenk des Achsen- Lumbaler Bandscheibenschaden
organs Wirbelsäule. jKlinik
Mit zunehmendem Alter nimmt die Elastizität der Die wesentlichsten klinischen Bilder sind im Folgenden
Bandscheibe ab, und es kommt zum Verschleiß der Band- dargestellt.
scheibe. Dabei handelt es sich um mechanische und stoff-
wechselphysiologische, altersabhängige Veränderungen in Lumbago Meist blitzartig einschießender Kreuzschmerz,
der nichtvaskularisierten Bandscheibe. Diese bilden die als Folge einer Bandscheibenverschiebung (»Hexen-
Voraussetzungen zum pathologischen Einreißen des Anu- schuss«). Mit dem Schmerz kommt es zur Verspannung
lus fibrosus und führen zur Sequestrierung (»Vorfallen«) und Verkrampfung der paravertebralen Muskulatur (Mus-
des Nucleus pulposus. kelhartspann). Diese führen wiederum zu schmerzhaft fi-
Eine Zunahme dieser degenerativen Vorgänge in der xierter Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule mit weitgehen-
Bandscheibe mit Elastizitätsverlust führt zu einer Locke- der Bewegungseinschränkung. Eine Rumpfbeugung ist
rung im entsprechenden Bewegungsapparat (Bandscheibe, nicht oder kaum möglich. Durch Husten, Niesen und Pres-
Wirbelbänder und kleine Wirbelgelenke). Die stärksten sen können die Schmerzen anfallartig verstärkt werden.
Veränderungen an den Bandscheiben mit daraus resultie-
renden Krankheitserscheinungen finden sich im Bereich Ischialgie, Lumboischialgie Liegt ein Bandscheibenvorfall
der mittleren und unteren Halswirbelsäule sowie im Be- mehr lateral, kommt es zu einer mechanischen Irritation
reich der unteren Lendenwirbelsäule. der in dieser Höhe austretenden Nervenwurzeln. Der
Für die Entstehung eines Bandscheibenvorfalls spielt Schmerz strahlt entsprechend seinem Versorgungsseg-
nicht nur die Druckbelastung des Nucleus pulposus eine ment ins Bein aus. Meist liegt gleichzeitig ein Rücken-
Rolle, sondern auch die Beweglichkeit des Wirbelsäulen- schmerz vor. Lediglich bei ganz weit lateral gelegenen
abschnitts. Im Bereich der Brustwirbelsäule, die durch die Vorfällen kann dieser Rückenschmerz fehlen. Sonst ist die
anhängenden Rippen wenig beweglich ist, kommen Band- Lendenwirbelsäule meist schmerzhaft fixiert und zeigt
scheibenvorfälle ausgesprochen selten vor. eine Entlastungsskoliose zur gesunden Seite. Am häu-
Solange der Anulus fibrosus noch intakt ist und das figsten betroffen sind die Zwischenwirbelräume L 4/5 und
Gallertgewebe des Nucleus pulposus lediglich den Faser- L 5/S 1. Beim Vorfall der 4. Lendenwirbelbandscheibe
10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
539 10
(zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel) ist die 5. Lenden- Untersuchung, die die entsprechenden Ausfallerschei-
wurzel betroffen. Diese bildet zusammen mit der 2., 3. und nungen der betroffenen Nervenwurzel zeigen soll. Der Be-
4. Lendenwurzel und der 1. Kreuzbeinwurzel den N. ischi- weis des Prolapses ist durch das MRT zu erbringen. In
adicus. Der Name Ischialgie besagt also, dass es innerhalb Zweifelsfällen kann die elektromyographische Untersu-
eines Teils des Versorgungsgebietes des N. ischiadicus, chung hilfreich sein.
nämlich des Teils, der für die 5. Lendenwurzel zuständig Differenzialdiagnostisch ist in besonderer Weise da-
ist, zu radikulären Schmerzen kommt. rauf zu achten, dass nichtentzündliche Wirbelaffektionen
Der sensible Wurzelanteil versorgt ein Hautareal an der oder andere tumoröse spinale Prozesse, Polyneuropathien
Außenseite des Beins bis zur Großzehe. Bei einer Schädi- oder auch entzündliche und tumoröse Prozesse der Be-
gung wird in diesem Dermatom einmal der mechanische ckengegend und der Hüftgelenke, die gelegentlich ähnliche
Wurzelreiz, die Schmerzen, lokalisiert, und zum anderen Symptome bewirken können, vorliegen.
kann man in diesem Hautbereich eine Gefühlsstörung
(Hypalgesie und/oder Hypästhesie) nachweisen. Eine mo- jBehandlung der lumbalen Bandscheibenvorfälle
torische Wurzelläsion zeigt sich in einer Störung der Ze-
henhebung und der Fußhebung. Definition
Beim Vorfall der untersten, der 5. Lendenbandscheibe Konservative und operative Therapie müssen sich
(zwischen dem letzten Lendenwirbel und dem Kreuzbein) beim lumbalen Bandscheibenvorfall ergänzen.
wird die 1. Sakralwurzel geschädigt. Die Schmerzen strah-
len mehr in die Hinterseite des Beins aus, über die Wade
und Ferse bis zur Kleinzehe bzw. zum lateralen Fußrand. Der »Teufelskreis« von Protrusion, Schmerz, Muskelver-
Entsprechend bestehen auch in diesem Bereich sensible spannung und Haltungsanomalie muss durchbrochen
Störungen. Der Reflexbogen für den Achillessehnenreflex werden. Dies kann durch Schmerzmittel, Bettruhe, Be-
läuft über die 1. Sakralwurzel, sodass der Reflexausfall auf strahlung, Wärmeanwendung, Einreibung und Gymnastik
eine Wurzelschädigung S 1 hinweist. Am Fuß werden die erreicht werden. Außerdem kommen lokale Injektionen
Zehensenkung und die Fußsenkung gestört, sodass der zur Anwendung (paravertebral, epidural, peridural) wie
Zehengang behindert ist oder unmöglich wird. auch Moor- und Thermalbäder und z. T. komplizierte
Wesentlich seltener kommt es zu einem Vorfall der Entspannungslagerungen. Durch eine Beseitigung des
2. Lendenwirbelscheibe mit Schädigung der 3. Lenden- Schmerzes, eine Förderung der Durchblutung und eine
wurzel oder zu einem Vorfall der 3. Lendenbandscheibe Entspannung der Muskulatur soll die Bandscheibe ihre
mit Beteiligung der 4. Wurzel. In letzterem Fall ist der Pa- normale Lage wieder einnehmen. Dies ist möglich, solange
tellarsehnenreflex abgeschwächt oder fehlt, und motorisch der Anulus fibrosus noch eine genügende Eigenelastizität
ist vornehmlich der M. quadriceps betroffen. Die Schmerz- besitzt und noch nicht völlig zerrissen ist. Chiropraktische
ausstrahlung erfolgt nur zur Vorderseite des Beins bis zum Manipulationen sollen insbesondere der Rückführung des
Schienbein ohne Fußbeteiligung. verschobenen Bandscheibengewebes dienen.
Verschwinden die Beinschmerzen bei bleibender Taub- Ist die Bandscheibe jedoch perforiert, sind konservati-
heit im entsprechenden Hautdermatom und bei einer ve Maßnahmen wirkungslos. Die Indikation zur Operati-
kompletten Parese der entsprechenden Muskulatur, weist on eines lumbalen Bandscheibenvorfalls soll dann gestellt
dies auf eine vollständige Leitungsunterbrechung der Wur- werden, wenn ein akutes, auch erstmaliges Wurzelkom-
zel hin. Eine sofortige Operation ist indiziert. pressionssyndrom mit erheblichen neurologischen Ausfäl-
Ein massiver medialer Bandscheibenvorfall oder ein sog. len, wie Fußsenker-, Fußheberparesen, Oberschenkel-
Massenprolaps kann zu einer Kompressionsschädigung der streckparesen, Gefühlsstörungen, einseitig, beidseitig oder
Cauda equina führen. Die Folgen sind ein kompletter oder kombiniert mit Blasen- und Mastdarmstörungen, als Kau-
ein partieller Ausfall aller unterhalb des Vorfalls gelegenen dasyndrom auftreten. Diese akuten Wurzelkompressions-
Nervenwurzeln mit schlaffen Lähmungen, sensiblen (Reit- syndrome (. Abb. 10.40) mit mäßigen, aber typischen
hosensensibilitätsstörung) und vegetativen Störungen (Bla- neurologischen Ausfällen, die mehrfach in kürzeren Ab-
senentleerung, Defäkation, Potenz). Das Kaudasyndrom ständen rezidivieren, bedürfen der unmittelbaren opera-
entspricht einer tiefen Querschnittlähmung und kann akut tiven Therapie. Bei der Operation wird nicht nur der sicht-
auftreten oder sich allmählich progredient oder intermittie- bare Vorfall entfernt, sondern auch zusätzlich das Innerste
rend entwickeln. Es besteht eine absolute OP-Indikation. der Bandscheibe (der defekte Nucleus pulposus) soweit wie
möglich ausgeräumt, um ein Rezidiv zu vermeiden. Ande-
jDiagnostik re operative Verfahren sind die perkutane Diskotomie, die
Die Diagnose eines Bandscheibenvorfalls stützt sich auf die Laserdiskotomie, die periradikuläre Therapie (PRT) oder
typischen radikulären Schmerzen und auf die klinische die endoskopische Bandscheibenoperation.
540 Kapitel 10 · Neurochirurgie

. Abb. 10.41 Bauchlage auf Universaloperationslagerfläche


1150.30 mit Armlagerung in maximal 90° Abduktion. (Nach Krettek
u. Aschemann 2005)

kInstrumentarium
4 Neurochirurgische Grundinstrumente für Laminek-
tomie (7 Abschn. 10.2.3),
. Abb. 10.40 Lumbale Diskushernie, die zwei Wurzeln kompri- 4 High-speed-Bohrmaschine mit Rosenbohrern und
miert. (Nach Siewert 2007) Diamantfräsen,
10 4 Standardzusatz,
4 Mikroinstrumentarium und Mikroskop oder Lupen-
jBandscheibenoperation brille.
Bei lumbalen Bandscheibenvorfällen ist der interlaminäre
Zugang zur Bandscheibe die Methode der Wahl. Nur selten
Operation eines Bandscheibenvorfalls
wird man sich zur Hemilaminektomie oder Laminektomie
entschließen müssen. In der Regel werden die interlami- 7 Nach Höhenlokalisation mit Röntgenbildwandler
näre Fensterung und die Prolapsentfernung mikrochirur- wird ein medianer Hautschnitt über der Mitte
gisch durchgeführt. zweier Dornfortsätze gelegt. Nach der Durchtren-
nung der Faszie entlang der Dornfortsätze mit
kIndikation dem Skalpell wird ein Wundspreizer eingesetzt
Diskusprolaps zwischen L 5/S 1 mit Ischialgie und Kom- und die Rückenmuskulatur mit dem Raspatorium
pressionssyndrom S 1. Sitz des Prolapses ist entweder late- an der Seite abgedrängt, auf dem der Vorfall dia-
ral, medial oder mediolateral. gnostiziert wurde.
7 Die medialen Muskelansätze werden durchtrennt.
kPrinzip Die Blutstillung erfolgt mit der bipolaren Pinzette
Nach genauer Lokalisation des Vorfalls mit MRT, ggf. CT und durch Kompression.
wird die Bandscheibe im Vorfallbereich inzidiert und der 7 Die beiden Wirbelbögen werden von der Basis der
Gallertkern vollständig ausgeräumt und so die Spinalwur- Dornfortsätze bis zum Zwischenwirbelgelenk dar-
zel entlastet. Bei Anwendung der Cross-over-Technik, d. h. gestellt.
Freilegen des Wirbels in der Mitte, gelangt der Operateur 7 Nochmalige intraoperative Höhenkontrolle unter
auf beide Seiten. Dazu wird der Patient wie auch das Mi- Durchleuchtung.
kroskop vom Operateur weggekippt. Das minimiert das 7 Evtl. muss durch das Abtragen von Anteilen der
Weichteiltrauma. Wirbelbögen nach kranial und kaudal die Fenste-
rung mit Stanzen erweitert werden, um die Über-
kLagerung sicht zu verbessern.
4 Bauchlage auf der Wilson-Bank (. Abb. 10.41) oder 7 Die Darstellung der Nervenwurzel und des Du-
Seitenlage. raschlauchs erfolgt mit dem Mikroinstrumentari-
4 Außerhalb des OP-Gebiets sollte der Patient mit vor- um und dem Mikroskop.
gewärmten Tüchern abgedeckt werden. 6
4 Beachtung des Strahlenschutzes.
10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
541 10
Zervikaler Bandscheibenschaden
7 Vorsichtig wird die betroffene Nervenwurzel mit Die klinischen Bilder bei zervikalen Bandscheibenvorfäl-
dem feuchten Wurzelhaken nach medial verlagert len sind zahlreich. Vorbedingung für den zervikalen Vor-
und der Prolaps bzw. der Sequester mit Nervenha- fall ist, wie auch in anderen Abschnitten der Wirbelsäule,
ken und Dissektor dargestellt. die Bandscheibendegeneration. Eine viel größere Rolle
7 Der Sequester kann häufig in einem Stück mit der spielen jedoch im zervikalen Abschnitt die Halswirbelver-
Tumorexstirpationszange entfernt werden. Liegt letzungen (Schleudertrauma) durch die andersartig ablau-
der Sequester subligamentär, wird das hintere fenden Bewegungsmechanismen. Je nach Höhenlokalisa-
Längsband mit feinem Skalpell inzidiert. tion, mechanischer Reizung oder Schädigung nervöser
7 Meist wird in den Zwischenwirbelraum mit Tu- Strukturen (Wurzeln, Halsmark) und Gefäße (A. vertebra-
morfasszangen und Löffeln eingegangen. Ziel ist lis) unterscheidet man die im Folgenden beschriebenen
es, alle verschlissenen, gelösten Anteile des Nucle- Bandscheibenschäden.
us auszuräumen.
7 Nach einer Spülung mit NaCl, der sorgfältigen Blut- Nacken-Hinterkopf-Schmerz (Zephalgie) Vornehmlich
stillung mit dem Bipolator, Hirnwatte und Hä- sind dabei die oberen Halsbandscheiben (Zervikalwirbel,
mostyptika werden die Faszie und die Haut genäht. C) C 2/3 und besonders C 3/4 beteiligt. Die Nackenmus-
Die Anlage des Verbandes beendet den Eingriff. kulatur ist verspannt, Kopfbewegungen sind schmerzhaft
eingeschränkt mit Druckschmerz der paravertebralen
Muskulatur.
Der ehemalige Raum des Gallertkerns wird im Verlauf der
Wundheilung zumeist bindegewebig ausgekleidet. Nacken-Arm-Schmerzen (Brachialgie) Verspannungen der
Verglichen mit der spontan auftretenden Schädigung Nackenmuskulatur mit Bewegungseinschränkung des
von Nerven und Kaudawurzeln bei abwartender Haltung Kopfes und Zwangshaltung sind kombiniert mit einem
sind die OP-Komplikationen gering. In weniger als 1% Schulterschmerz oder einer Schmerzausstrahlung, auch
kommt es postoperativ zu einer blande verlaufenden, nicht Parästhesien in den Arm bis in die Finger. Dieses Krank-
bakteriellen Spondylitis, die u. a. einer längeren Ruhigstel- heitsbild findet sich hauptsächlich bei Schädigungen der
lung bedarf. Echte Rezidive an der bereits operierten Band- Bandscheibe C 5/6 und C 6/7.
scheibe sind selten.
Besonderes Gewicht ist auf die postoperativen Rehabi- Vertebragener Schwindel Gleichgewichtsstörungen und
litierungsmaßnahmen zu legen. Es kommen v. a. kran- Schwindel sind Begleitsymptome eines zervikalen Band-
kengymnastische und Bäderbehandlung (Schwimmen scheibenschadens. Meist wird über uncharakteristische
und gezielte Bewegungsübungen) in Frage. Eine Schonzeit Schwindelsensationen geklagt oder reiner Drehschwindel
mit allmählich steigender Belastung ist einzuhalten. bei bestimmten abrupten Kopfbewegungen oder besonde-
ren Kopfhaltungen angegeben.
Extraforaminaler Bandscheibenvorfall
Es handelt sich um einen Bandscheibenvorfall innerhalb Zervikale Myelopathie Oft handelt es sich um chronische
und außerhalb des Nervenwurzelaustrittkanals aus dem Formen der sog. diskogenen Myelopathie (Rückenmark-
Wirbelkanal. Seine operative Behandlung erfolgt über den schädigung) mit langsam fortschreitenden Para- und Te-
oberen Gelenkfortsatz, der mit einem High-speed-Bohrer traparesen und Sensibilitätsstörungen. Eventuell – jedoch
aufgefräst wird. Extraforaminale Bandscheibenvorfälle keineswegs ständig – kombiniert mit Nacken-, Hinterkopf-
werden über einen transmuskulären Zugang erreicht. oder Arm- sowie Schulter-Arm-Schmerzen. Störungen
der Blasen- und Darmfunktionen können hinzukommen.
Thorakaler Bandscheibenschaden Die Markschädigung ist entweder auf eine direkte
Bandscheibenerkrankungen der Brustwirbelsäule sind mechanische Schädigung zurückzuführen oder auf eine
nicht sehr häufig. Auch der gefürchtete Massenvorfall mit Drosselung der Blutzufuhr über die vordere Spinalarterie.
medullären Ausfällen bis hin zum Querschnitt ist außeror- Vornehmlich ist die Bandscheibe C 5/6 geschädigt. Nicht
dentlich selten. Er wird wie ein sonstiger raumfordernder selten sind mehrere Bandscheiben ursächlich verant-
Prozess des thorakalen Spinalraums diagnostiziert. Je nach wortlich.
Lage zum Rückenmark wird die Operation über eine dor- Bei einer zervikalen Myelopathie ist es notwendig, an
sale Laminektomie mit partieller Rippenköpfchenresekti- weitere Erkrankungen zu denken, wie Halsmarktumoren,
on oder einen transthorakalen Zugang operiert. Fehlbildungen (basiläre Impression, Arnold-Chiari-Syn-
drom, Densanomalien), multiple Sklerose, amyotrophe
Lateralsklerose oder Syringomyelie.
542 Kapitel 10 · Neurochirurgie

jDiagnostik
Zur Sicherung der Diagnose eines zervikalen Bandschei-
benvorfalls sind unbedingt erforderlich:
4 NMR oder
4 CT.

Weitere Untersuchungen können die Diskographie oder


manchmal noch das Myelo-CT sein. Die Darstellung der
A. vertebralis dient im Wesentlichen dem Ausschluss zer-
vikaler Gefäßtumoren. Die elektromyographische Unter-
suchung hat in der zervikalen Diagnostik eher größere
Bedeutung als bei lumbalen Störungen. Sowohl in der Ab-
grenzung von Wurzelausfällen gegenüber anderen Schädi-
gungsmöglichkeiten als auch in der Höhenlokalisation
können wesentliche Informationen gewonnen werden.

jTherapie
. Abb. 10.42 Operative Zugänge zum zervikalen Rückenmark und
Erfordern nicht unerträgliche Schmerzzustände oder mas-
zu den Nervenwurzeln. (Nach Siewert 2001)
sivere neurologische Ausfälle ein schnelles chirurgisches
Handeln, so ist zunächst immer die konservative Behand-
lung angezeigt. Auch hier sind alle Maßnahmen darauf bohransatz im High-speed-Bohrer aufgefräst, die Nerven-
gerichtet, durch Schmerzlinderung, Auflockerung der wurzel wird so dekomprimiert. Von diesem Zugang gelingt
10 Muskelverspannung und Beseitigung der Haltungsanoma- es, lateral gelegene freiperforierte Bandscheibenvorfälle zu
lien die mechanischen Schädigungen der Bandscheiben- entfernen bzw. lateral gelegene Randosteophyten abzutra-
verlagerungen und sekundären Wirbelveränderungen zu gen. Diese Operation sollte immer dann durchgeführt wer-
beheben (Analgetika, lokale Wärmeanwendung, Bäder, den, wenn sichere radikuläre Ausfälle vorliegen.
Bettruhe, lokale Ruhigstellung durch Schanz-Krawatte, Bei vorwiegend medial gelegenen Bandscheibenvorfäl-
Extensionen, lokale Injektionen und chiropraktische und len oder osteochondrotischen Knochenveränderungen in
krankengymnastische Behandlungen). Führen diese Maß- einer oder allenfalls 2 Höhen, v. a. wenn der Wirbelkanal
nahmen nicht zum Erfolg, muss die Frage der Operabilität von vorn her eingeengt ist und entsprechend das Rücken-
geprüft werden. mark von vorn bedrängt ist, wählt man den Zugang von
Bei medullären Störungen und Wurzelschädigungen ventral, die ventrale Fusionsoperation.
ist die Operation immer angezeigt. Ein standardisiertes OP-Verfahren wurde 1956 von
Ralf B. Cloward entwickelt. Zahlreiche Modifizierungen
jOperationsmethoden erfolgten in den nächsten Jahren. Meistens wird heute die
Bei erheblichen osteochondrotischen Veränderungen in von Caspar modifizierte OP-Technik angewandt.
mehreren Bandscheibenhöhen hat nach wie vor die Lami- Der Zugang zur vorderen Halswirbelsäule erfolgt zwi-
nektomie (Entfernung der entsprechenden Wirbelbögen) schen dem lateral gelegenen Gefäßbündel der A. carotis
ihre Bedeutung (. Abb. 10.42). Dies gilt umso mehr, wenn und V. jugularis einerseits und der medial gelegenen Tra-
gleichzeitig über mehrere Segmente ein enger Spinalkanal chea und dem Ösophagus andererseits. Nach Zurückdrän-
vorliegt und das Rückenmark von ventral und dorsal be- gen der prävertebralen Muskulatur lässt sich dann der
drängt wird. Bei der Laminektomie werden in den entspre- Zwischenwirbelraum darstellen. Die unter Bildwandler-
chenden Höhen Wirbelbögen entfernt. Dies ist daher eine kontrolle korrekt dargestellte erkrankte Bandscheibe wird
invasive operative Maßnahme, die nur unter strenger Indi- ausgeräumt, freie Bandscheibensequester werden entfernt,
kation durchgeführt werden sollte. knöcherne Randzacken abgefräst, bis die ventrale Dura
Die instrumentelle Vorbereitung entspricht der für vollständig freiliegt und sich in den Zwischenwirbelraum
eine Diskotomie. Für die seltene Laminektomie selbst sollte vorwölbt. Bei diesem OP-Verfahren ist es notwendig, die
eine Knochenschneidezange (z. B. nach Liston) bereitlie- der Bandscheibe benachbarten Wirbel zur besseren Stabi-
gen. Ein High-speed-Fräser erleichtert die Knochenarbeit lität der Halswirbelsäule zu verblocken.
wesentlich. Heute werden in den Zwischenwirbelraum zumeist
Häufiger kommt die Foraminotomie (. Abb. 10.42) Cages aus Titan oder PEEK (Poly-Äther-Äther-Keton;
zur Anwendung. Hierbei wird die geschädigte Nervenwur- . Abb. 10.43) eingesetzt, die eine stabile Halswirbelsäule
zel dargestellt. Der Wurzelkanal wird mit einem Rosen- bereits nach kurzer Zeit gewährleisten. Verschiebungen
10.8 · Erkrankungen und Verletzungen des Rückenmarks, seiner Hüllen und der Wirbelsäule
543 10
ten, dass sie jedoch schmerzfrei Fahrrad fahren können.
Bei höhergradigen Stenosen können auch Gefühlsstörun-
gen und Paresen an der unteren Extremität auftreten. Sel-
tener sind Blasen-Mastdarm-Störungen. Am häufigsten
sind die Segmente L 3/4 und L 4/5 betroffen.
Für die Diagnose der Spinalkanalstenose ist eine Kern-
spintomographie der entsprechenden Wirbelsäulenab-
. Abb. 10.43 Zwischenwirbelscheibe mit Setzinstrument (Cage). schnitte zu fordern. Ergänzt werden kann die Diagnostik
(Fa. Intromed)
durch Funktionsaufnahmen und Computertomographie
der Wirbelsäule.
dieser Cages sind eher selten. Bei längerstreckigen Dekom- Eine zervikale Spinalkanalstenose wird dann operiert,
pressionen sollte zur Stabilisierung zusätzlich ein ventrales wenn die oben genannten Störungen auftreten und der
Platten-Schrauben-System mitbenutzt werden. MRT-Befund entsprechend ist. Wird der Spinalkanal der
Operative Eingriffe an degenerativen Knochen kön- HWS vorwiegend von dorsal eingeengt, kann er über eine
nen Instabilitäten hervorrufen, die mit Stabilisierungs- Laminotomie oder Laminektomie entlastet werden. Ist die
maßnahmen wie Osteosynthesen behandelt werden müs- Enge durch mediale Verknöcherungen und Bandscheiben-
sen (7 Kap. 3). protrusionen bedingt, werden die Bandscheibe und die
knöchernen Randzacken von ventral her entfernt und das
Segment mit einem entsprechenden Implantat versteift.
10.8.5 Spinalstenose Die Indikation zur Operation einer Lumbalstenose wird
meist wegen einer radikulären Schmerzsymptomatik
Im Rahmen von degenerativen Wirbelsäulenveränderungen (Claudicatio nervosa) gestellt, die die Lebensqualität der
kommt es an den kleinen Wirbelgelenken zu massiven knö- Patienten erheblich beeinträchtigt.
chernen Verdickungen. Gleichzeitig quillt das Bandgewebe
auf. Besonders betroffen ist das Lig. flavum. An den Zwi- Therapie
schenwirbelgelenken können sich, ausgehend vom Synovi- kPrinzip
algewebe, Zysten bilden. Auch Bandscheibenvorwölbungen Ziele der Operation sind die Dekompression und Entlas-
und knöcherne Randzacken sind häufig zu beobachten. Alle tung des Duraschlauches und der Nervenwurzeln.
diese Veränderungen führen zu einer deutlichen Verengung Die Lendenwirbelsäule wird an der Seite freigelegt, an
des Querschnitts des knöchernen Spinalkanals. der der Patient die meisten Schmerzen angibt oder an der
Nervale Strukturen wie Rückenmark oder Spinalner- die gravierendsten radiologischen Veränderungen zu er-
ven werden so komprimiert. Nicht selten entstehen Insta- kennen sind. Nach Darstellung des verdickten Zwischen-
bilitäten in Form von Wirbelkörperverschiebungen gegen- wirbelgelenks und der Halbbögen der Lendenwirbel des
einander, sodass der Engpass zusätzlich verstärkt wird. Die betroffenen Segments wird mit einem High-speed-Bohrer
Spinalstenosen treten am häufigsten im Lumbalbereich die verdickte Knochensubstanz entfernt. Das verdickte gelbe
auf, sind jedoch auch im Zervikalbereich zu finden. Band wird dann sichtbar und schrittweise reseziert. Das ver-
Eine zervikale Spinalstenose ist gekennzeichnet durch dickte Bandgewebe kann mit der Dura verklebt sein, sodass
eine zunehmende Gangunsicherheit, durch Störungen in bei der Entfernung des Bandgewebes darauf geachtet wer-
der Feinmotorik und der Tiefensensibilität. In schweren den muss, dass keine Duraverletzung entsteht.
Fällen sind starke Paresen und Sensibilitätsstörungen bis Dann wird der Patient vom Operateur weggekippt. Mit
zur Querschnittlähmung zu verzeichnen. Schmerzen im dem Operationsmikroskop ist es jetzt möglich, über die
HWS-Bereich und in den Armen sind nicht selten. Blasen- Mittellinie zur Gegenseite zu sehen. Das degenerative
störungen treten auf. Bandgewebe wird über die Mittellinie bis zur Gegenseite
Bei den lumbalen Spinalstenosen steht die Schmerz- hin reseziert. Auch die knöchernen Veränderungen am
symptomatik im Vordergrund, v. a. lumbale Schmerzen, Zwischenwirbelgelenk auf der Gegenseite werden reseziert
die oft in beide Beine einstrahlen. Sie verstärken sich unter oder weggefräst. Der Duraschlauch, der am Anfang der
Belastung, sodass die Patienten nur kurze Strecken Operation einen deutlichen Knick oder eine deutliche Fal-
schmerzfrei gehen können (Claudicatio nervosa). Wegen te zeigt, verläuft nach der Dekompression wieder glatt und
der heftigen Schmerzen müssen sie dann pausieren, um spannungsfrei.
erneut eine kurze Strecke gehen zu können. Manchmal erfordert eine Instabilität im operierten
Oft versagen oder kribbeln die Beine unter Belastung. Segment eine zusätzliche Stabilisierung durch ein Schrau-
Die Patienten sind in der Regel gut beweglich, ein Vorn- ben-Stab-System und durch die Einlage von Cages in den
überbeugen lindert die Schmerzen. Die Patienten berich- zuvor ausgeräumten Bandscheibenraum.
544 Kapitel 10 · Neurochirurgie

10.8.6 Wirbelkörperkompressionsfrakturen kInstrumentarium


4 Grundinstrumentarium,
A. Gudat 4 Hammer, Flachzange,
4 Kontrastmittel,
Zur Reposition von Wirbelkompressionsfrakturen ist die 4 steriler Hautstift,
Ballonkyphoplastie sinnvoll. Ein Ballonkatheter (z. B. 4 Stichskalpell,
Fa. Kyphon) dient zur Kompaktierung von Spongiosa und 4 Spezialinstrumentarium für Ballonkyphoplastie je
Reposition von Wirbelkörperfrakturen. Der Ballonkathe- nach Firma (z. B. Fa. Kyphon).
ter wird im Knochen positioniert und unter Kontrolle auf-
gedehnt. Wenn der Ballon sich aufweitet, wird der Kno-
Kyphoplastie
chen verschoben, bis die Anatomie wiederhergestellt ist.
7 Einrichten des oder der C-Bögen in strenger ach-
Kyphoplastie sengerechten a.-p.- und lateraler Einstellung des
kPrinzip betroffenen Wirbelkörpers.
Die Kyphoplastie ist eine minimal-invasive Methode zur 7 Desinfektion und sterile Abdeckung des OP-Ge-
Behandlung schmerzhafter und die Mobilität einschrän- biets.
kender Wirbelkörperbrüche. Der eingebrochene Wirbel 7 Markierung der Eintrittspunkte unter Röntgen-
wird durch Einspritzung eines speziellen Knochenzements kontrolle mit sterilem Hautstift.
wieder aufgerichtet. Es werden 2 Verfahren unterschieden: 7 Der Zugang erfolgt in der LWS transpedikulär, in
4 Vertebroplastie: der oberen BWS extrapedikulär.
Prophylaktische Knochenzementstabilisierung von 7 Nach Festlegung der Eintrittspunkte erfolgt eine
osteoporotischen Wirbelkörpern ohne Ballonaufrich- Stichinzision, durch diese wird die Biopsienadel in
10 tung. den Wirbelkörper unter ständiger Röntgenkon-
4 Kyphoplastie: trolle eingebracht. Hierbei ist häufig ein Hammer
Knochenzementstabilisierung von frischen osteoporo- erforderlich.
tisch bedingten Wirbelkörperfrakturen (1–4 Wochen 7 Ist die korrekte Lage erreicht, wird das Stilett der
alt) oder prophylaktisch bei drohenden osteoporo- Nadel entfernt und ein stumpfer Kirschner-Draht
tischen Wirbelkörperfrakturen mit Ballonaufrichtung. in die Kanüle und weiter in den Wirbelkörper ein-
geführt.
kIndikation 7 Anschließend Entfernung der Biopsienadel und
Versorgung von Wirbelkörperkompressionsfrakturen mit Einbringen des Arbeitstrokars mit Obturator über
folgenden Ursachen: den K-Draht in Seldinger-Technik.
4 primäre und sekundäre Osteoporose, 7 Gleiches Vorgehen auf der gegenüberliegenden
4 Knochenmetastasen, Seite.
4 multiples Myelom. 7 Entfernung des Obturators und Einbringen der
beiden mit Kontrastmittel gefüllten Ballonkathe-
kLagerung ter in den Wirbelkörper.
4 Bauchlage, mit Unterstützung der Lordose durch Un- 7 Füllen beider Ballons unter Beachtung des Druck-
terpolsterung im Thorax- und Beckenbereich des Pa- und Volumenlimits (beide sind an der Drucksprit-
tienten, auf einem Durchleuchtungstisch. ze der Ballonkatheter abzulesen).
4 Arme werden ausgelagert; bei Versorgung im hoch- 7 Ist das Repositionsergebnis erreicht, wird der Ze-
thorakalen Bereich Arme anlegen (Schulterblätter ment vorbereitet: Zuerst wird die Flüssigkeit, dann
werden dadurch abgesenkt). das Pulver in den Zementmixer gegeben und so-
4 Einhalten der Dekubitusprophylaxe. lange vermischt, bis sich eine gleichmäßige, dün-
4 Anlegen der Neutralelektrode nach Vorschrift. ne Flüssigkeit gebildet hat.
4 Bildwandler (falls möglich 2 C-Bögen). 7 Dann wird der Zement in die Applikatoren ge-
4 Strahlenschutz für den Patienten und das Personal. spritzt (ein Applikator hat ein Fassungsvermögen
von 1,5 cm3).
kAbdeckung 7 Ist die richtige Konsistenz des Zements erreicht
4 Gemäß Abteilungsstandard. (ca. 4–6 min Wartezeit nach dem Anrühren), kön-
4 Es sind lange Tücher zu verwenden, damit der C-Bo- nen beide Ballonkatheter entfernt werden.
gen bei Positionsveränderungen während des Ein- 6
griffes von der a.-p.-Richtung nach lateral steril bleibt.
10.9 · Schädigung peripherer Nerven
545 10

7 Die gefüllten Applikatoren werden simultan über . Tab. 10.6 Einteilung der Paresen nach Mumenthaler und
Schliak
beide Arbeitstrokare in den Wirbelkörper ge-
bracht und der Zement unter Verwendung eines Grad Kennzeichen
Stößels in den Wirbelkörper appliziert.
0 Keine Muskelaktivität
7 Nach korrekter Auffüllung der entstandenen Höh-
Völlige Plegie
le im Wirbelkörper ca. 10 min warten, bis der Ze-
ment vollständig ausgehärtet ist. 1 Sichtbare Muskelkontraktion ohne Bewegungseffekt

7 Alle beschriebenen Arbeitsschritte erfolgen unter 2 Aktive Bewegung mit Hilfestellung


ständiger Röntgenkontrolle in 2 Ebenen. 3 Aktive Bewegung entgegen der Schwerkraft
7 Entfernung der Arbeitstrokare.
4 Aktive Bewegung gegen Widerstand
7 Hautverschluss und Verband.
5 Normale Muskelkraft

10.8.7 Spinale Verletzungen 10.9 Schädigung peripherer Nerven

M. Liehn, M. Brunken, M. Weißflog Periphere Nerven sind meist gemischte Nerven, d. h. sie
enthalten motorische und sensible Fasern. Infolgedessen
Je nach der Ursache der Verletzung, die durch die Art der werden Ausfälle peripherer Nerven sich immer in sensiblen
Gewalteinwirkung bedingt ist, unterscheidet man ver- und motorischen Ausfällen zeigen. Sensible Störungen ma-
schiedene Verletzungsformen: chen sich als Minder-, z. T. auch als Missempfindung im
4 Meist durch direkte Gewalt verursacht ist die Wirbel- Hauptversorgungsgebiet des betroffenen Nervs bemerkbar.
säulenprellung, die Distorsion. Die dadurch ausgelösten Die Störungen von Empfindung, Schmerz, Temperatur,
Beschwerden und Funktionsstörungen klingen vielfach Tastsinn können vollständig oder teilweise sein.
schnell ab und bedürfen keiner speziellen Therapie. Motorische Ausfälle bei Schädigung peripherer Ner-
4 Durch ein Hyperflexionstrauma entsteht der klassische ven zeigen sich durch schlaffe Paresen (Schädigung des
Wirbelkörperbruch, überwiegend im Bereich der Brust- 2. Neurons) im Gegensatz zu spastischen Lähmungen bei
wirbelsäule, seltener auch im Bereich der Lendenwir- Schäden im Rückenmarkbereich (Schädigung des 1. Neu-
belsäule. Die Wirbelbögen und die Wirbelgelenke sind rons). Die Schwere der Parese wird entsprechend der Mus-
nicht beteiligt. Diese Wirbelkörperbrüche können mit kelkraft in Schweregrade eingeteilt (. Tab. 10.6). Schädi-
oder ohne Bandscheibenverletzung einhergehen. gungen peripherer Nerven betreffen neben den sensiblen
4 Bei der ausgeprägtesten Form der Wirbelsäulenverlet- und motorischen die vegetativen Fasern. Deshalb kann es
zung kommt es, neben der immer vorhandenen Wir- zu Störungen der Durchblutung und der Trophik (Ernäh-
belkörperfraktur, sowohl zu einer Mitbeteiligung der rung) im Versorgungsgebiet des Nervs kommen.
Bogen- und Gelenkfortsätze als auch der benachbar- Die klinische Diagnostik peripherer Nervenschädigung
ten Bänder und Muskeln. beruht auf der neurologischen Untersuchung mit Feststellung
4 Die folgenschwersten Wirbelsäulenverletzungen stellen motorischer, sensibler und vegetativer Ausfälle. Dazu kom-
die Luxationsbrüche dar; hierbei kommt es neben der men die Elektromyographie und die Elektroneurographie.
Frakturierung zu Verrenkungen und Verschiebungen
unterschiedlichen Ausmaßes in verschiedene Rich-
tungen. Diese Fälle sind meist kombiniert mit einer 10.9.1 Traumatische Schädigungen
Schädigung des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln.
4 Wirbelluxationen ohne Fraktur finden sich fast aus- Die häufigste Ursache für ein neurochirurgisches Eingrei-
schließlich im Bereich der Halswirbelsäule. Die Wir- fen ist die traumatische Schädigung.
belkörper und Gelenkfortsätze werden dabei aus ih-
Definition
ren Verbindungen mit den benachbarten Wirbeln ge-
Unter einer traumatischen Schädigung werden alle von
rissen. Diese Luxationen sind von einer Bandschei- außen auf den Nerv einwirkenden Kräfte verstanden,
benzerreißung begleitet. die eine mechanische, physikalische oder direkte Schä-
digung hervorrufen, z. B. Arbeits- und Verkehrsunfälle
In vielen Krankenhäusern werden die spinalen Verlet- mit vollständiger oder unvollständiger Durchtrennung
zungen zusammen mit den Unfallchirurgen behandelt eines Nervs.
(7 Kap. 3).
546 Kapitel 10 · Neurochirurgie

Teildurchtrennung von Nerven kann zu Neurombildung Therapie Die Therapie besteht in der offenen oder endo-
führen. Als therapeutische Maßnahmen sind dann die in- skopischen Durchtrennung des Lig. carpi transversum
terfaszikuläre Neurolyse und die Neuromentfernung mit (7 Abschn. 3.7).
gleichzeitiger Nervennaht (s. unten) angezeigt. Eine totale
Nervendurchtrennung führt zum vollständigen Ausfall Skalenussyndrom
der sensiblen, motorischen und vegetativen Versorgung im An der Stelle, an der der Plexus brachialis durch die Lücke
Ausbreitungsgebiet des durchtrennten Nervs. zwischen den Mm. scaleni und der I. Rippe tritt, kann er
Der Erfolg einer notwendigen Nervennaht (s. unten) infolge einer Einengung dieser Lücke, häufig durch eine
hängt entscheidend von verschiedenen Faktoren ab. Die Halsrippe, irritiert sein.
Reinnervation des distalen Abschnitts und der zuge-
hörigen Muskulatur ist zeitlich begrenzt. Sind die Wund- Therapie Wenn die konservative Therapie nicht zum Er-
verhältnisse frisch und ohne Verschmutzung, sind güns- folg führt, kann der M. scalenus anterior an seinem Ansatz
tige Verhältnisse für eine Nervennaht gegeben. Zerstö- an der I. Rippe durchtrennt und ggf. die Halsrippe entfernt
rende Umbauprozesse beginnen schon kurz nach der werden.
Verletzung nicht nur im distalen, sondern auch im proxi-
mal der Verletzungsstelle gelegenen Nervenabschnitt. Supinatortunnelsyndrom
Dies sind: Der N. radialis kann am proximalen Ende des Unterarms
4 Distaler Abschnitt → Untergang von Achsenzylinder in dem Bereich, wo er durch den M. supinator hindurch-
und Markscheide der Nervenfaser. tritt, teils durch narbige Veränderungen, teils durch Tumo-
4 Proximaler Abschnitt → Neurombildung. ren (Lipome) geschädigt werden.

Jenseits des ersten Jahres nach der Verletzung ist eine er- Therapie Die operative Therapie besteht in einer Teil-
10 folgreiche Nervennaht nur noch in 25% gegeben. Die durchtrennung des M. supinator oberhalb des N. radialis
Wachstumsgeschwindigkeit des proximalen Axons, z. B. profundus (7 Abschn. 3.7).
nach einer Nervennaht, ist unterschiedlich und beträgt ca.
1 mm/Tag. Tarsaltunnelsyndrom
Zu den traumatischen Schädigungen gehören auch Durch eine Kompression des N. tibialis im Bereich des In-
4 iatrogene Einwirkungen, wie z. B. Injektionsschäden, nenknöchels kommt es zu einem Engpasssyndrom, das zu
unsachgemäße OP-Lagerungen, Radialislähmung einer Gefühlsstörung am lateralen Fußrand führt, sowie zu
nach Frakturreposition, fehlerhafte Gipspolsterung. distalen Tibialisparesen mit Krallenzehenstellung.
4 Im weiteren Sinne auch chronische Druckläsionen.
Therapie Die Therapie besteht in der Spaltung des Retin-
akulums der Mm. flexorum (Lig. laciniatum).
10.9.2 Schädigung aufgrund degenerativer
Veränderungen
10.9.3 Tumoren des peripheren
Ulnarisrinnensyndrom Nervensystems
Schädigung des N. ulnaris im Bereich des Ellbogens,
der dort besonders oberflächlich und somit schädigungs- Bei diesen Tumoren müssen diejenigen, die von außen auf
anfällig in einer Knochenrinne (»Musikantenknochen«) den Nerv einwirken, von den echten Nerventumoren ab-
liegt. gegrenzt werden. Tumoren, die von außen einwirken, sind
v. a. Metastasen, das Boeck-Sarkoid, Lymphdrüsentumo-
Therapie Es besteht die Möglichkeit einer operativen Vor- ren, Lipome, Zysten, Fibrome und Ganglien. Zu den ei-
verlagerung des Nervs in die Ellenbeuge (7 Abschn. 3.7, gentlichen Nerventumoren gehören:
Handchirurgie). 4 mesodermale Geschwülste: Fibrome, Fibrosarkome,
Hämangiosarkome;
Karpaltunnelsyndrom 4 neuroektodermale Geschwülste: Neurinome, Neuro-
Schädigung des N. medianus im Handgelenk unterhalb fibrome, Neurofibromatosis Recklinghausen, Glomus-
des Lig. carpi transversum. Dieses Syndrom ist charakteri- tumoren.
siert durch typische Schmerzen im Ausbreitungsbereich
des Nervs an der Hand, die meist nachts auftreten. Des
Weiteren sind sensible Störungen im Versorgungsgebiet
und Atrophie des Daumenballens typisch.
10.9 · Schädigung peripherer Nerven
547 10
10.9.4 Operative Eingriffe an peripheren
Nerven
Neurolyse
Bei der Neurolyse wird ein Nerv aus seiner Umgebung ge-
löst. Dieser Eingriff wird v. a. bei indirekten Schädigungen
peripherer Nerven durchgeführt. Unter der interfasziku-
lären Neurolyse versteht man die Freipräparierung der
einzelnen Nervenfaserbündel. Sie wird angewendet, wenn
es zu Narbenbildung im Epineurium gekommen ist.

Nervennaht
Ist es zu einer vollständigen Durchtrennung des Nervs ge-
kommen, ist die Nervennaht zur Kontinuitätswiederher-
stellung und zur Aussprossung proximaler Nervenfasern
nach distal hin notwendig.
Wichtig ist, dass die Verbindung der beiden Nervenen-
den spannungsfrei erfolgt. Dazu ist meist ein autologes
Nerventransplantat, z. B. des N. suralis (Wadennerv), er-
forderlich. Die Vereinigung der verschiedenen Nerven-
stücke erfolgt unter dem OP-Mikroskop (7 Abschn. 10.2.4
und 7 Abschn. 10.2.5).
11

Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
M. Liehn, G. Nehse

11.1 Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie – 550

11.2 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten – 552

11.3 Frakturen und ihre Versorgung – 555

11.4 Tumor- und rekonstruktive Chirurgie – 559

11.5 Weichteilchirurgie des Gesichtes – 560

11.6 Mikrochirurgie – 560

11.7 Chirurgische Kieferorthopädie – 561

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_11,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
550 Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie

11.1 Besonderheiten der entweder seitlich oder von frontal so eingesetzt werden,
Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie dass sie gleichzeitig den Mund offen halten und die Zunge
herabdrücken. Der Denhart-Mundsperrer (. Abb. 11.1)
Die Mund-Kiefer-Gesichts- (MKG-)Chirurgie ist ein ei- wird seitlich in den geöffneten Mund eingeführt, mit sei-
genständiges Fachgebiet innerhalb der Chirurgie. Gerade nen Branchen auf jeweils einen Backenzahn gesetzt und
Operationen im Gesichtsbereich sind unter funktionellen langsam aufgesperrt. Der Mundsperrer nach Roser-König,
und kosmetischen Aspekten sehr anspruchsvoll. Das viel- der ebenfalls seitlich einzusetzen ist (. Abb. 11.2) hat den
fältige Spektrum der Chirurgie wird hier auf kleinstem Nachteil, dass er häufig abrutscht. Es fehlen seitliche Kan-
Raum angewandt. Weichteilchirurgie, Traumatologie, ten an den Branchen, die ein Weggleiten des Sperrers ver-
Fehlbildungschirurgie, Tumorchirurgie wie auch Mikro- hindern könnten. In der Praxis wird der Sperrer deshalb
chirurgie und die plastisch-/rekonstruktive Chirurgie sind häufig mit 2 Gummiröhrchen überzogen.
Teildisziplinen. Darüber hinaus müssen auch die häufig
! Beim Einsatz der Mundsperrer dürfen keine
auftretenden Weichteil- und Knochenentzündungen fach-
Zahnschäden provoziert werden.
spezifisch therapiert werden.
Die dentoalveoläre Chirurgie nimmt im Klinikbetrieb Ein Mundsperrer, der es erlaubt, am Gaumen und am
einen relativ kleinen Platz ein, sollte aber auf jeden Fall Rachen zu arbeiten, ist z. B. der Mundsperrer nach Kilner-
erwähnt werden. Im Folgenden werden nur die gängigsten Doughty (. Abb. 11.3). Er hat auswechselbare, unterschied-
Operationen beschrieben (Zahnchirurgie ausgenommen). lich große Spatel, die individuell für den Patienten aus-
Die Prinzipien, die in den anderen Fachgebieten bereits gesucht werden können. Die Rinne in der Valve erlaubt
besprochen wurden, wiederholen sich hier, sodass sie nicht die Platzierung und die Fixation des Tubus nach oraler In-
ausführlich behandelt werden. tubation.
Zu den schon bekannten Haken, wie z. B. nach Langen-
beck, gibt es hier die speziellen Modelle, die die Zunge iso-
11.1.1 Aufgaben der Operationspflegekraft liert weghalten können, z. B. der Zungendrücker nach To-
bold (. Abb. 11.4). Wegen seiner quer geriefelten Auflageflä-
11 Die Aufgaben und Anforderungen an die OP-Pflegekraft/ che verrutscht er auf der feuchten Zunge nicht so schnell.
OTA sind im Fachgebiet der MKG-Chirurgie sehr vielfäl- Außerdem gibt es gerade Zungenspatel (. Abb. 11.5), die
tig. Das OP-Personal benötigt Kenntnisse des umfang- aber intraoperativ ungünstig sind, da sie durch die fehlende
reichen Instrumentariums und dessen Bedeutung sowie Biegung die Sicht auf das OP-Feld behindern. Für eine kurze
Kenntnisse der Prinzipien der Allgemeinchirurgie, Gefäß- Inspektion des Situs sind sie hervorragend geeignet.
chirurgie, Traumatologie und der Neurochirurgie. Auch Die Zunge muss bei operativen Eingriffen fixiert werden,
die besonderen Aspekte der Mikrochirurgie müssen be- indem entweder eine dicke Haltenaht durch die Zungenspit-
rücksichtigt werden (7 Kap. 10). Die Abdeckungssystema- ze gezogen und vom Assistenten gehalten oder die Zungen-
tik ist schwierig, da Kopf- und Gesichtsbereich mit den fasszange nach Collin (. Abb. 11.6) eingesetzt wird.
endotrachealen Tuben problematisch abzudecken sind. Die
Kopfbehaarung sollte dabei separat abgedeckt werden. Al- Traumatologie
len Anforderungen der Asepsis gerecht zu werden, ist eine Das Grundinstrumentarium wird im Wesentlichen in
Selbstverständlichkeit, aber gerade bei kombinierten intra- 7 Kap. 3 vorgestellt. Hierzu gehören Osteosynthesemate-
und extraoralen Operationen sehr schwer zu erreichen. rialien und das entsprechende Instrumentarium zur Frak-
turversorgung.
Das Raspatorium nach Obwegeser (. Abb. 11.7) ist ein
11.1.2 Instrumentarium wichtiges Instrument. Aufgrund seiner Biegung kann der
Unterkiefer problemlos von seinem Periost befreit werden.
Neben den schon bekannten Grundinstrumentarien wer- Die Unterkieferplatten entsprechen in etwa der Größe
den in der MKG-Chirurgie Spezialinstrumente benötigt. des bekannten Kleinfragmentinstrumentariums (7 Kap. 3).
Häufig sind die Instrumente aus der Allgemeinchirurgie, Die Osteosyntheseplatten im Oberkiefer, Mittelgesicht
der Traumatologie oder der Gefäßchirurgie bekannt; z. T. oder Stirnbereich werden wegen ihrer Größe als Mini-
sind sie, dem ästhetischen Aspekt Rechnung tragend, klei- oder Mikroplatten bezeichnet. Die Schrauben haben in der
ner und zarter. Regel ein selbstschneidendes Gewinde. Die Implantate
sind ausschließlich aus Titan oder Vitallium hergestellt.
Intraorale Instrumente Solange sie keine Beschwerden bereiten, können sie im
Um in der Mundhöhle problemlos arbeiten zu können, Körper verbleiben. Eine neue Eröffnung der Gesichtsnar-
müssen selbsthaltende Sperrer bereitgelegt werden, die ben kann dadurch häufig vermieden werden.
11.1 · Besonderheiten der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie
551 11

11.1 11.2 11.4

11.3

11.5 11.6

. Abb. 11.1 Mundsperrer nach Denhart. (Fa. Martin) . Abb. 11.4 Zungendrücker nach Tobold. (Fa. Martin)
. Abb. 11.2 Mundsperrer nach Roser-König. (Fa. Martin) . Abb. 11.5 Gerader Zungenspatel. (Fa. Martin)
. Abb. 11.3 Mundsperrer nach Kilner-Doughty. (Fa. Martin) . Abb. 11.6 Zungenfasszange nach Collin. (Fa. Martin)
552 Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie

11.7 11.8 11.9

. Abb. 11.7 Raspatorium nach Obwegeser. (Fa. Martin) . Abb. 11.9 Tamponstopfer nach Luniatschek. (Fa. Martin)
. Abb. 11.8 Transbukkale Bohrhülse mit Schraubendreher.
(Fa. Mondeal)
11
In der Unterkiefertraumatologie setzt sich der operati- Knochensegmente oder ganze Kieferabschnitte mobili-
onstechnisch schwierigere, aber ästhetisch günstigere, in- siert, verschoben und in der korrigierten Position mit Os-
traorale Zugangsweg durch. Mit einer speziellen Zielbohr- teosynthesematerialien (7 Kap. 3) stabilisiert.
hülse als Gewebeschutz (. Abb. 11.8) können der Spiral- Zu einer Osteotomie benötigt man gerade oder gebo-
bohrer durch die Wange dem Unterkiefer aufgesetzt, die gene Osteotome in verschiedenen Breiten. In Kombination
Bohrlöcher angelegt und die Osteosyntheseschrauben ein- mit einem Metallhammer können sie zum Durchtrennen
gedreht werden. eines Knochens, z. B. des Unterkiefers, benutzt werden,
In geeigneten Fällen kann durch die Verwendung eines sofern nicht die Situation die Durchtrennung mittels einer
90°-Winkelbohrers und Schraubendrehers auf die transbuk- oszillierenden Säge erfordert.
kale Bohrhülse verzichtet werden. Des Weiteren kommen in
der MKG-Chirurgie alle Instrumente für Drahtnähte bzw.
Cerclagen (Flachzange, Drahtschneider, Drahtschere etc. 11.2 Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
(7 Kap. 3) zur Anwendung. Im Besonderen wird hier der kie-
ferorthopädische Tamponstopfer nach Luniatschek (. Abb. Eine der häufigsten angeborenen Fehlbildungen ist die
11.9) erwähnt. Durch seine gespaltene Spitze kann er verhin- Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (LKG-Spalte). Die chirur-
dern, dass ein Draht auf einer kleinen Kante abrutscht, bevor gische Versorgung findet möglichst frühzeitig im Säug-
er durch Anspannung endgültig fixiert werden kann. lings- oder Kindesalter statt, und die Koordinierung der
Funktionelle und ästhetische Aspekte sind in der Ge- weiterführenden Therapie liegt in der Verantwortung der
sichtschirurgie oberstes Gebot. Das bedeutet, dass Instru- MKG-Chirurgen.
mentarium und verwendetes Nahtmaterial atraumatisch und
fein sein müssen, um Korrekturoperationen zu vermeiden.
11.2.1 Ätiologie
Chirurgische Kieferorthopädie
Fehlentwicklungen oder Deformitäten der Kieferbasen mit Die LKG-Spalten haben, ebenso wie die isolierten Spaltbil-
gestörter Okklusion (z. B. Progenie) können durch Umstel- dungen, eine multifaktorielle Genese. Die angeborenen
lungsosteotomien operativ korrigiert werden. Nach Osteo- Spalten können in vielfältigen Formen in Erscheinung tre-
tomien im Unter- und/oder Oberkiefer werden einzelne ten (. Abb. 11.10):
11.2 · Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
553 11

. Abb. 11.10 Varianten der LKG-Spalten

4 Die isolierte Lippenspalte kann vollständig (Lippen- spätere Sprechentwicklung gestört. Auffällig bei den Kin-
rot und Lippenweiß) sowie unvollständig (häufig nur dern mit Gaumenspalten ist die näselnde Sprache (Rhino-
Einkerbungen im Rot-Weiß-Bereich) auftreten; sie lalia aperta). Diese Kinder leiden oft unter Mittelohrent-
kann einseitig oder zweiseitig sein. zündungen mit Ergussbildung, denn die funktionelle Tu-
4 Ein seltenes Krankheitsbild stellen die Lippen-Kiefer- benbelüftung fehlt.
Spalten dar. Hier reicht der Spalt bis in den Alveolar-
fortsatz des Oberkiefers hinein.
4 Die isolierte Gaumenspalte betrifft den weichen Gau- 11.2.3 Therapie
men, kann aber auf den harten Gaumen übergreifen.
4 Die häufigste Variante der Spaltbildungen ist die voll- Die Rehabilitation erfordert eine interdisziplinäre Behand-
ständige LKG-Spalte, die ebenso wie die Lippenspalte lung von MKG-Chirurgen, Kieferorthopäden, HNO-
ein- oder doppelseitig auftreten kann. Sie reicht von Ärzten und Logopäden.
der Lippe weiter durch den Kiefer und durch den ge- Die operative Therapie beinhaltet den funktionellen
samten Gaumen. und plastisch-rekonstruktiven Verschluss der Spalten. Kie-
ferorthopädisch wird durch die Anpassung einer Kunst-
stoffabdeckplatte an den Gaumen erreicht, dass die Zunge
11.2.2 Klinik aus der Spalte herausgehalten, die Nahrungsaufnahme ver-
bessert wird und der Kieferbogen sich günstiger ausbilden
Die Neugeborenen sind durch ihre Fehlbildung erheblich kann. Später muss die Zahnstellung korrigiert werden.
behindert. Die Nahrungsaufnahme durch Saugen ist we- Wichtig ist die Kontrolle der Ohrenfunktion durch HNO-
gen der Spalte zur Nase nicht möglich. Unbehandelt ist die Untersuchungen. Bei Entwicklungen von Otitiden und
554 Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie

Ergüssen sind die Parazentese und/oder die Einlage von kInstrumentarium


Paukenröhrchen nötig (7 Abschn. 12.5.12). Die logopä- 4 Stift zum Anzeichnen der genauen Schnittführung,
dische Behandlung unterstützt die Sprechentwicklung. Je 4 Lineal oder Zirkel zum präzisen Abmessen der Gewe-
nach Bedarf muss eine psychologische Mitbehandlung er- belängen,
wogen werden. 4 feines Grundinstrumentarium (Adson-Pinzetten,
Ein speziell aufgestellter Therapieplan sorgt dafür, dass Wittenstein-Schere, kleine Einzinkerhaken etc.),
das betroffene Kind frühzeitig rehabilitiert wird; hierbei 4 bipolare Pinzette zur Blutstillung,
wird jedoch der optimale Verschlusszeitpunkt in den ver- 4 bei Bedarf ein Diamantmesser,
schiedenen Spaltzentren kontrovers diskutiert. Im Fol- 4 OP-Mikroskop mit Bezug,
genden wird ein erster Einblick in die sehr komplexe und 4 Mikroinstrumente,
schwierige Spaltchirurgie gegeben. 4 Bei Bedarf Bereitstellung einer (angewärmten) Lu-
penbrille,
4 körperwarme Spülflüssigkeiten.
11.2.4 Operation einer Lippenspalte

kIndikation Verschluss einer Lippenspalte


Einseitige Lippenspalte. 7 Nach dem Vermessen der Spalte und der Doku-
mentation der Maße wird die genaue Schnittfüh-
kPrinzip rung eingezeichnet und ggf. fotografiert. Mit
Anatomische und funktionelle Rekonstruktion der ge- einem spitzen kleinen Skalpell oder dem Dia-
spaltenen und fehlinserierten Muskulatur mit Bildung des mantmesser wird der Hautschnitt vorgenommen.
vorderen Nasenbodens und symmetrischem Verschluss 7 Die Präparation der Muskulatur erfolgt mit einer
der Lippe innerhalb der ersten 6 Lebensmonate. feinen Schere, bei Bedarf mit einer Lupenbrille
oder unter dem OP-Mikroskop. Jede Schicht wird
kLagerung neu angeordnet und einzeln mit sehr feinem
11 4 Auf einer Wärmematte in Rückenlage; der Kopf wird atraumatischem Nahtmaterial verschlossen. Ein
in einem Gelring (Kinderkopfgröße) gelagert, die klei- Foto zur Dokumentation bildet den Abschluss der
ne neutrale Elektrode wird an einem Oberschenkel Operation (. Abb. 11.11).
platziert, sofern monopolar gearbeitet wird. In der Re- 7 Entscheidend sind eine symmetrische Oberlip-
gel wird die bipolare Blutstillung Anwendung finden. penlänge und eine korrekte Rekonstruktion der
4 Das Kind wird zusätzlich in Alufolie gewickelt oder Muskulatur, die durch verschiedene Schnittfüh-
mit Wärmedecken abgedeckt, um ein Auskühlen des rungen erreicht werden.
Körpers zu verhindern. 7 Dominierend sind hier Winkelschnittführungen
4 Das Hautdesinfektionsmittel kann angewärmt wer- oder Wellenschnitte (nach Pfeifer).
den, um weitere kalte Einflüsse zu vermeiden.

. Abb. 11.11a–c Lippenplastik nach Tennison/Randall. a Aufge- ralen Lippenstumpf. b Aufpräparierte Spalte mit erkennbarem Aus-
zeichnete Schnittführung mit dreieckigem Austauschlappen im late- tauschprinzip. c Schichtweiser Wundverschluss. (Nach Siewert 2006)
11.3 · Frakturen und ihre Versorgung
555 11
11.2.5 Verschluss des weichen
und des harten Gaumens

Voraussetzung für eine regelrechte Sprechentwicklung ist


ein geschlossener harter und weicher Gaumen.
Beim Weichgaumenverschluss wird die fehlinserierte
Muskulatur gelöst und funktionell vereinigt, damit bei be-
stimmten Lautbildungen ein velopharyngealer Verschluss
erreicht werden kann. Beim Hartgaumenverschluss wird
durch die Verschiebung der nasalen und oralen Schleim-
haut die Spalte zweischichtig verschlossen (. Abb. 11.12).
Gelegentlich müssen zu einem späteren Zeitpunkt sprech-
verbessernde Operationen angeschlossen werden.
Bei den Gaumenplastiken sind Mundsperrer, die
gleichzeitig die Zunge mundbodenwärts drücken, obliga-
ter Bestandteil des Instrumentariums.

11.2.6 Osteoplastik der Kieferspalte

Einige Spaltzentren verschließen mit der Lippe gleichzeitig


auch die Kieferspalte (primäre Osteoplastik im Alter von
ca. 6 Monaten), andere machen den Verschluss vom Zeit-
punkt der 2. Dentition (7.–10. Lebensjahr) abhängig. Der
Kieferdefekt wird mit autologer Spongiosa (Beckenkamm),
vereinzelt auch mit Rippen- oder Schädelknochen aufge-
füllt, damit kieferorthopädisch ein harmonischer Zahnbo-
gen im Oberkiefer eingestellt werden kann.
. Abb. 11.12a, b Brückenlappenplastik nach Langenbeck/Ernst/
Veau/Axhausen. a Die Brückenlappen sind umschnitten und mobili-
11.2.7 Korrekturoperationen siert. Die nasale Schicht ist unter Verwendung der Vomerschleim-
haut im Bereich beider Nasengänge gebildet. b Die Brückenlappen
sind nach medial verlagert und bilden die orale Schicht. Die seit-
Häufig sind im Erwachsenenalter noch abschließende lichen Entlastungsschnitte sind im Hamulusgebiet locker austampo-
Korrekturoperationen, z. B. an der Lippe, an der Nase oder niert. (Nach Siewert 2006)
auch am Gaumen, sinnvoll. Die Nase kann nach dem Ab-
schluss des Wachstums bei Bedarf aufgerichtet oder eine
bestehende Asymmetrie beseitigt werden. Fraktur hin. Eine Schwellung im Augenbereich kann gele-
gentlich so stark sein, dass die Lider sich nicht mehr öffnen
lassen und eine klinische Untersuchung der Augen nicht
11.3 Frakturen und ihre Versorgung mehr möglich ist.
Eine wichtige Untersuchung ist die Überprüfung der
Die MKG-Chirurgie versorgt sämtliche Frakturen des Un- Okklusion, da Störungen beim Zusammenbiss den Verdacht
terkiefers und des Gesichtsschädels. Insbesondere Kombi- einer Fraktur im Ober- und Unterkiefer nahe legen. Gleich-
nations- oder Mehrfragmentfrakturen stellen schwere Ver- zeitig werden die Kiefer auf eine abnorme Beweglichkeit
letzungen dar und bedürfen in der Regel einer primären überprüft. Obligat sind immer fachspezifische Röntgen-
Therapie. Im Kiefer- und Gesichtsbereich gelten ebenfalls und/oder CT-Aufnahmen in mindestens 2 Ebenen.
die allgemeinen Regeln der Traumatologie (7 Kap. 3). Der Bruch eines bezahnten Kiefers mit Beteiligung eines
Zahnes gilt immer als offene Fraktur. Dies gilt auch, wenn
von außen kein Zugang zum Bruchspalt erkennbar ist, da die
11.3.1 Diagnostik Fraktur durch die Zahnalveolen, im Mittelgesicht zusätzlich
durch das dünne Periost im Nasenbereich, mit der Mund-
Nach stumpfer Gewalteinwirkung weisen starke Häma- oder Nasenhöhle in Verbindung steht. Deshalb sollten Pati-
tome oder Sensibilitätsstörungen auf eine evtl. vorhandene enten mit diesen Frakturen antibiotisch abgedeckt werden.
556 Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie

11.3.2 Unterkieferfrakturen

Etwa 50% aller Frakturen im Gesichtsbereich betref-


fen den Unterkiefer. Sie haben naturgemäß unterschied-
liche Lokalisationen: im Gelenkbereich, im Kieferwinkel,
häufig mit Beteiligung des Weisheitszahnes, im Bereich
. Abb. 11.13 Zahntragender Schienenverband
des horizontalen Unterkieferastes, am Kinn. Sie tritt
als alleinige Fraktur oder als Kombinationsverletzung
auf.
Oberstes Behandlungsziel ist die primäre knöcherne
Bruchheilung mit Wiederherstellung einer ungestörten
Funktion. Die Voraussetzung hierfür ist die absolute Ru-
higstellung der Knochenfragmente, die nach konserva-
tiven oder operativen Prinzipien erfolgen kann. Die The-
rapie ist somit vom Verletzungsmuster, vom Dislokations-
grad der Knochenfragmente und vom Zahnstatus des Pa-
tienten abhängig. Aufgrund der Weiterentwicklung von
Osteosyntheseverfahren und des eingesetzten Instrumen-
tariums rückt die konservative Frakturbehandlung immer
mehr in den Hintergrund.

Versorgung von Unterkieferfrakturen . Abb. 11.14 Drahtbogenschiene am Unterkiefermodell


kIndikation
Nicht oder gering dislozierte Unterkieferfraktur ohne Mit-
beteiligung des Collums (Gelenkfortsatz). 4 Da dieser Eingriff nicht unter sterilen Kautelen erfol-
11 gen kann, ist eine großflächige Desinfektion und Ab-
kPrinzip deckung des Patienten nicht erforderlich.
Konservative Therapie: Ruhigstellung einer Unter- 4 Da jedoch mit Kunststoff gearbeitet wird, muss der
kieferfraktur durch Einbinden zahntragender Schienen- Patient mit einem wasserundurchlässigen Tuch ge-
verbände (. Abb. 11.13) im Ober- und Unterkiefer und schützt werden.
konsekutiver intermaxillärer Fixation durch Gummi- oder
Drahtschlingen (IMF). Voraussetzung dafür sind ausrei- kInstrumentarium
chend bezahnte Kiefer. Diese Schienen werden an den 4 Wangenhalter,
Kiefer angepasst und mit Drahtligaturen an den Zähnen 4 Langenbeck-Haken,
fixiert (. Abb. 11.14). Um einen sicheren Sitz zu garantie- 4 Zungenspatel,
ren und Weichteilverletzungen zu vermeiden, wird 4 2 Drahtbogenschienen, die mit Quersprossen und
die Schiene nach der Fixation mit einer Kunststoffschicht evtl. Ösen versehen sind,
bedeckt. 4 Drahtcerclagedrähte (ca. 0,3–0,4 mm),
Um eine optimale Okklusion zu erreichen, erfolgt eine 4 Seitenschneider,
intermaxilläre Fixation mit Gummischlingen, die den 4 Flachzange,
Oberkiefer mit dem Unterkiefer verbinden und die Frag- 4 Spitzzange,
mente in ihre ursprüngliche Position bzw. Okklusion zie- 4 Drahtschere,
hen. Anschließend werden die Gummischlingen durch 4 Tamponstopfer nach Luniatschek,
Drahtligaturen ersetzt. Hierdurch wird eine ausreichende 4 Draht- oder Gummischlingen zur IMF,
Ruhigstellung des Unterkiefers erreicht und abhängig vom 4 Anrührspatel,
Alter des Patienten für 4–6 Wochen belassen. Dies gilt 4 Kunststoff,
nicht für Gelenkfortsatzfrakturen (Kollumfrakturen), die 4 2 Dappengläser zum Anrühren des Kunststoffes,
einer speziellen Therapie bedürfen. 4 5-ml-Spritze.
4 Sauger.
kLagerung
4 Bei intubierten Patienten Rückenlage, bei Patienten
mit Lokalanästhesie halbsitzende Position (im Zahn-
arztbehandlungsstuhl).
11.3 · Frakturen und ihre Versorgung
557 11
Knochen angepasst, dass bei der Kompression keine Frag-
Konservative Versorgung einer Unterkieferfraktur mentdislokationen oder Verschiebungen auftreten kön-
7 Der Patient wird zum Schutz vor der Kunststoffan- nen. Die Platte wird mit Knochenhalte- bzw. Repositions-
rührflüssigkeit mit einem wasserundurchlässigen zangen passager fixiert und die Schraubenlöcher werden
Tuch abgedeckt. mit bikortikal fassenden Schrauben besetzt (zuerst die
7 Die Sprossenschienen werden derart vorgebogen, Kompressionslöcher am Bruchspalt, dann die neutralen
dass sie an der Außenfläche der Zähne, oberhalb Rundlöcher bruchspaltfern).
des Paradontiums, zu liegen kommen (labial und
! Wichtig ist, dass dabei weder der N. alveolaris in-
bukkal). Die Quersprossen, die zur Schneidezahn-
ferior (III. Trigeminusast) noch die Zahnwurzeln
kante zeigen, werden so umgebogen, dass sie auf
beschädigt werden. Der Vorteil besteht darin,
der Kaufläche der Zähne liegen und die Schiene
dass keine längerfristige intermaxilläre Fixation
nicht mehr verrutschen kann.
notwendig ist.
7 Mit 1 oder 2 Luniatschek-Tamponstopfern wird
die Schiene in ihrer Position gehalten und mit ein- Die Miniplattenosteosynthese wurde für Frakturen des Mit-
zeln um die Zähne gelegten Cerclagedrähten am telgesichtes entwickelt. Sie wird jedoch immer häufiger
ganzen Kiefer fixiert. Die verzwirbelten Drahten- auch am Unterkiefer angewendet. Die Schrauben werden
den werden mit der Drahtschere abgeschnitten, nur monokortikal platziert.
mit der Spitzzange umgebogen und der Zahnflä-
che angelegt. In einem Dappenglas (kleines An-
rührglas) wird der Kunststoff angerührt, in eine 11.3.4 Frakturen des Mittelgesichtes
Einmalspritze gefüllt und langsam auf die Schiene
mit den Drahtenden appliziert. Nach Aushärtung Zum Mittelgesicht zählen alle Knochen des Gesichtsschä-
ist der Draht eingehüllt. So erhöht der Kunststoff dels mit Ausnahme des Unterkiefers. Die verschiedenen
die Sitzfestigkeit der Schiene und schützt die Frakturen des Gesichtsschädels wurden von René Le Fort
Weichteile vor Verletzungen durch die spitzen (Chirurg, Lille, 1869–1951) im Jahr 1901 in 3 typische,
Drähte. Die auf der Kaufläche liegenden Sprossen nach ihm benannte Frakturlinien unterteilt (. Abb. 11.15
werden abgeschnitten. und . Tab. 11.1).
7 Nach der Säuberung der Mundhöhle wird noch
einmal Speichel abgesaugt. Dann erfolgt die in- Diagnostik
termaxilläre Fixation temporär mit Gummischlin- Die Röntgenuntersuchung ist obligat (eine Nasen-Neben-
gen oder sofort mit Drahtligaturen. höhlen-Aufnahme, NNH; eine Orbitaübersicht und eine
axiale Schädelaufnahme). Die Kieferhöhlen sind durch
eine Einblutung meist verschattet. Eine weiterführende
Diagnostik bietet die Computertomographie.
11.3.3 Unterkieferosteosynthese Klinisch kann meist eine abnorme Beweglichkeit des
Oberkiefers getastet werden. Bei zusätzlicher Beteiligung
Voraussetzung für eine Unterkieferosteosynthese ist im- der Schädelbasis kann gelegentlich eine Liquorrhö, bei der
mer eine dentale Schienung mit intermaxillärer Fixation Liquor über die Nase austritt, festgestellt werden.
zur optimalen Einstellung der Okklusion. Bei zahnlosen Grundsätzlich müssen die Augen bezüglich der Seh-
Patienten können vorhandene Prothesen eine Okklusions- kraft und der Bulbusmobilität untersucht werden. Bei Ver-
hilfe sein. Nach einer exakten Reposition der Fragmente
erfolgt eine Kompressionsplattenosteosynthese nach gel-
tenden Traumatologiekriterien (7 Kap. 3.3.2). Die Osteo-
. Tab. 11.1 Einteilung der Frakturen des Gesichtsschädels
synthese erfolgt vorzugsweise von intraoral, gelegentlich nach Le Fort
ist ein extraoraler Zugang notwendig. Je nach Lokalisation
muss das transbukkale Instrumentarium zur Anwendung Le Fort-Grad Kennzeichen
kommen. Damit eine funktionsstabile Osteosynthese er-
reicht werden kann, sind Kleinfragmentplatten nötig; gele- Le Fort I Basale Absprengung des Oberkiefers
gentlich ist eine Zugschraubenosteosynthese ausreichend Le Fort II Absprengung des gesamten Oberkiefers
(7 Kap. 3). Die Osteosynthese wird nach dem Prinzip der mit der knöchernen Nase
interfragmentären Kompression (DCP-Prinzip) durchge-
Le Fort III Absprengung des gesamten knöchernen
führt (7 Kap. 3.5.5). Nachdem die Fraktur dargestellt und
Mittelgesichtes
reponiert wurde, wird die ausgesuchte Platte so an den
558 Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie

. Abb. 11.15 Le Fort-Einteilung der Mittelgesichtsfrakturen. a Le Fort I, b Le Fort II, c Le Fort III. (Nach Boenninghaus u. Lenarz 2001)

dacht auf eine Visusverminderung oder eine Bulbusverlet-


zung muss eine augenärztliche Untersuchung erfolgen.

Therapie
Die Reposition der Gesichtsknochen und die Fixation des
Repositionsergebnisses stehen auch hier an erster Stelle.
Vorher müssen der Ober- und der Unterkiefer geschient
und die individuell regelrecht eingestellte Okklusion über
11 eine IMF während der Operation gesichert werden.
Die Miniplattenosteosynthese ist das Mittel der Wahl,
um eine optimale Frakturversorgung mit regelrechter Ok-
klusion zu erreichen. Wenn der Zustand des Patienten eine
zeitaufwändige Miniplattenosteosynthese nicht zulässt,
kann durch eine kraniofaziale oder zygomatikomaxilläre
Aufhängung eine ausreichende Stabilität erreicht werden.
Hierbei wird nach einer Oberkiefer-Unterkiefer-Schie-
nung mit intermaxillärer Fixation der Oberkiefer durch
eine Drahtnaht am nächstgelegenen stabilen Gesichtskno-
chen aufgehängt. Dies ist meist ist der Jochbogen oder das . Abb. 11.16 Reposition einer Jochbeinfraktur mit einem Einzin-
Os frontale. kerhaken (A), intermaxilläre Fixation (B), Miniplattenosteosynthese
am Unterkiefer (C)

11.3.5 Jochbeinfraktur/Jochbogenfraktur
Die Versorgung besteht in einer Reposition mit einem
In einem Viertel aller Mittelgesichtsfrakturen ist das Joch- starken Einzinkerhaken (. Abb. 11.16) und in der Fixation
bein betroffen. Die üblichen Frakturzeichen wie Krepitati- des Repositionsergebnisses mit Miniplatten.
on und Beweglichkeit fehlen hier oft. Dafür findet sich Der Hautschnitt sollte dann an der lateralen Seite der
häufig eine Stufe am Infraorbitalrand und eine Sensibili- Augenbraue liegen, da dieser kosmetisch kaum sichtbar
tätsstörung durch Läsion des N. infraorbitalis. Durch eine ist. Bei einer Revision des Orbitabodens liegt der Haut-
NNH lässt sich die Diagnose bestätigen. schnitt im Unterlid. Über diesen Zugang bietet sich eine
gute Übersicht über den Orbitarand und auf den Orbita-
! Da bei einer Jochbeinfraktur der Orbitaboden boden. Darüber hinaus können auch Schnittführungen
immer mitbeteiligt ist, muss eine Augenuntersu- unterhalb der Lidkante (subziliar) oder transkonjuktival
chung stattfinden. Neben einem direkten Bulbus- gewählt werden. Bei Defektfrakturen des Orbitabodens ist
trauma stehen hier Augenbewegungsstörungen eine Rekonstruktion notwendig, damit der Orbitainhalt
und Diplopien (Doppelbilder) im Vordergrund. nicht in die Kieferhöhle absackt oder Augenmuskeln in
11.4 · Tumor- und rekonstruktive Chirurgie
559 11
11.4 Tumor- und rekonstruktive Chirurgie

Einen breiten Raum nimmt die operative Versorgung von


Neoplasien der Mundhöhle und der vorderen zwei Drittel
der Zunge sowie der Gesichtshaut ein. Bei allen intraoralen
Karzinomen ist die Resektion im ausreichenden Sicher-
heitsabstand zusammen mit der partiellen (suprahyoida-
len) oder kompletten Halsausräumung (»neck dissection«)
obligat. Bei einer Primärlokalisation des Tumors in Kno-
chennähe oder bei Infiltration der Kiefer müssen Kontinu-
itätsdefekte gesetzt werden. Bei allen Tumoroperationen
entstehen somit beträchtliche Defekte mit funktionellen
Beeinträchtigungen, die insbesondere die Sprache und die
Nahrungsaufnahme betreffen.
Defektdeckungen mit gestielten Fernlappen oder mit
mikrovaskulär anastomosierten körpereigenen Transplan-
taten können funktionelle Behinderungen minimieren.
Sichere gestielte Fernlappen werden aus dem M. pectoralis
oder dem M. latissimus dorsi gebildet (Myokutanlappen,
Muskel-Haut-Lappen). Beide Myokutanlappen können
selbstverständlich auch mikrovaskulär anastomosiert wer-
den. Bei einem freien Gewebelappen haben darüber hi-
naus Unterarm-, Oberarm-, Skapula- und Paraskapulalap-
pen ihre Bedeutung. Der beste Schleimhautersatz wird
durch ein Jejunumtransplantat gewährleistet; hierbei kann
die Dünndarmschlinge zeitgleich zur Tumorresektion in-
terdisziplinär durch Chirurgen gehoben werden.
Bei Unterkieferdefekten kann die knöcherne Rekon-
struktion durch mikrovaskulär anastomosierte Knochen-
späne vom Beckenkamm, der Fibula oder vom Skapula-
. Abb. 11.17a, b Orbitabodendefektfraktur mit in die Kieferhöhle rand erfolgen, die mit oder ohne bedeckende Haut trans-
disloziertem Orbitagewebe einschließlich einzelner Frakturfrag-
plantiert werden. Der Knochen wird an beiden Seiten mit
mente sowie Anteilen des M. rectus inferior (a). Kaudalverlagerung
des Bulbus mit Abweichung der optischen Achse. b Orbitabodenre-
den aus der Traumatologie bekannten Osteosyntheseplat-
konstruktion mit autogenem Knorpel oder Polydioxanon-Folie nach ten fixiert. Zu einem späteren Zeitpunkt können auch en-
Reposition des Orbitaweichgewebes sowie teilweiser Entfernung orale Implantate zur Verbesserung der Prothesenfähigkeit
dislozierter Orbitabodenbruchstücke. Dadurch wird die korrekte in die Knochentransplantate eingesetzt werden.
Busbuslage erreicht. (Nach Siewert 2006)
Ist eine primäre Rekonstruktion nicht möglich, wird
der Knochendefekt mit stabilen Rekonstruktionsplatten
überbrückt.
ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Hierzu eignen sich Bei plastisch-/rekonstruktiven Eingriffen im Kopf- und
resorbierbare Kunststofffolien in verschiedenen Stärken im Halsbereich müssen die funktionellen und ästhetischen
(. Abb. 11.17). Besonderheiten im sichtbaren Bereich bei der OP-Planung
Bei frischen isolierten Frakturen des Jochbogens findet und -Durchführung berücksichtigt werden. Speziell bei
sich klinisch eine Einziehung über dem Jochbogen; gele- Operationen an den Augenlidern, im Bereich der Orbita,
gentlich zeigt sich zusätzlich eine mechanische Kiefer- an der Nase oder den Ohrmuscheln werden hohe Anforde-
klemme. Auch hier sind die NNH-Aufnahme sowie eine rungen gestellt, um Fehlfunktionen und ästhetische Beein-
Übersicht des axialen Schädels für die Diagnose unent- trächtigungen zu vermeiden. Im Rahmen der wiederher-
behrlich. Als Therapie genügt häufig die perkutane Einzin- stellenden Chirurgie stehen Hauttransplantate (Spalthaut,
kerreposition, bei der nur eine kleine Stichinzision für den Vollhaut), regionäre Lappenplastiken (Verschiebeplastik,
Repositionshaken gemacht wird. Eine Fixation ist dann Rotationsplastik, Transpositionsplastik, Dehnungslappen-
nicht nötig. plastik, Insellappenplastik) oder Fernlappenplastiken zur
Verfügung. Die unterschiedlichen Indikationen müssen
dem jeweiligen Krankheitsbild angepasst werden.
560 Kapitel 11 · Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie

11.5 Weichteilchirurgie des Gesichtes


7 Die Verletzung wird eingehend inspiziert. Wenn
Weichteilverletzungen im Gesicht sind ein gesonderter Be- nötig wird sie mit einer NaCl-, PVP- oder mit Was-
reich und werden anders versorgt als Weichteilverletzungen serstoffperoxidlösung weiter gesäubert und/oder
in der Allgemeinchirurgie. So gelten zwar alle bekannten mit einer sterilen Bürste von festen kleinen
Regeln der Wundversorgung (7 Abschn. 1.10.3). Die Wund- Fremdkörpern befreit. In der Wunde dürfen vor
randexzision jedoch, die sog. Anfrischung, darf im Gesichts- der endgültigen Versorgung keine Fremdkörper
bereich, wenn überhaupt, nur sehr sparsam erfolgen. Das gilt mehr zu finden sein. (Wichtig ist die Suche nach
insbesondere an den Augenbrauen, den Lidern und der Glassplittern!) Schmutzreste führen nach der Ver-
Nase, da dort besonders leicht Defekte entstehen können. heilung zu Verfärbungen der Narbe, die dann er-
Wunden müssen mit dünnem, atraumatischem Naht- neut korrigiert werden muss.
material versorgt werden. Die exakte Adaptation der Wund- 7 Die Wundrandexzision beschränkt sich auf zer-
ränder ist Grundvoraussetzung für ein gutes kosmetisches quetschtes und eindeutig nekrotisches Gewebe.
Ergebnis. Häufig muss die Versorgung mikrochirurgisch Es folgt die sorgfältige Adaptation der Weichteile
erfolgen, z. B. bei Nerv- oder Gefäßverletzungen. Die Blut- nach einer bipolaren Blutstillung.
stillung im Gesicht sollte möglichst mit dem bipolaren 7 Die einzelnen Schichten werden anatomisch kor-
Hochfrequenz- (HF-)Gerät und einer feinen Pinzette vor- rekt aneinander genäht. Stufen und Verziehungen
genommen werden. müssen vermieden werden.
7 Um die Haut nicht noch mehr zu traumatisieren,
kIndikation wird mit atraumatischen Pinzetten gearbeitet und
Weichteilverletzung. so oft wie möglich das Subkutangewebe, nicht
die Epidermis, gefasst.
kPrinzip 7 Bei Bedarf muss in einer 2. Operation eine pla-
Säuberung und Inspektion der Wunde, optimale schicht- stische Rekonstruktion vorgenommen werden.
weise Vernähung der Weichteile, ggf. interfaszikuläre Ner- 7 Bei ausgedehnten kombinierten Weichteil- und
11 vennaht unter dem OP-Mikroskop (Tetanusschutz klären). Knochenverletzungen muss der Weichteildefekt
oft plastisch gedeckt werden. Dafür kommen ge-
kLagerung stielte Nah-, Fern- oder mikrovaskulär anastomo-
4 Rückenlage, ggf. halbsitzende Position. sierte Myokutanlappen oder Osteomyokutanlap-
4 Bei Bedarf neutrale Elektrode am Oberarm. pen in Frage (7 Abschn. 11.4).
4 Bei erwarteter Nervrekonstruktion durch ein Interpo- 7 Bei Nervenverletzungen wird eine mikrochirur-
nat, z. B. mit N. suralis, wird ein Unterschenkel ra- gische Rekonstruktion mit oder ohne Nervinter-
siert, leicht abgespreizt, desinfiziert und gesondert ponat notwendig (7 Abschn. 11.6).
abgedeckt.

kInstrumentarium
4 Feines Weichteilinstrumentarium, 11.6 Mikrochirurgie
4 dünnes, ungefärbtes Nahtmaterial,
4 monofiles Nahtmaterial zur Nervmarkierung, Operationen unter dem Mikroskop sind nur mit spezi-
4 OP-Mikroskopbezug, ellem Instrumentarium möglich. Diese Instrumente be-
4 Mikroinstrumentarium, dürfen einer besonderen Behandlung, damit sie funktions-
4 ein Nervstimulationsgerät (7 Kap. 2). fähig bleiben. Sie dürfen auf keinen Fall an einen harten
Gegenstand stoßen, da ihre Spitze sofort verbiegen würde.
Deshalb müssen sie auf dem Instrumententisch auf indus-
Versorgung einer Weichteilverletzung im Gesicht
triell gefertigten Gummiunterlagen liegen. Das Instrumen-
7 Nach der Desinfektion des Gesichtes und ggf. des tarium muss immer von Blut gereinigt angereicht werden,
Unterschenkels werden als erstes der behaarte damit der Operateur unter dem Mikroskop die Instrumen-
Kopf und danach der Körper des Patienten abge- tenspitzen erkennen kann. Diese Reinigung darf nur mit
deckt. Je nach Intubation (oral oder nasal) wird fusselfreien Tüchern erfolgen. Die Mikronadelhalter haben
der Tubus nach der Desinfektion abgedeckt oder zum großen Teil keine Arretierung. Zwischen Operateur
mit einer sterilen Folie überklebt. und instrumentierender Pflegekraft wird abgesprochen,
6 ob die Nadel-Faden-Kombination eingespannt angereicht
wird oder ob zuerst der Nadelhalter und dann der Faden
11.7 · Chirurgische Kieferorthopädie
561 11
in seiner geöffneten Verpackung angegeben werden, damit 11.7 Chirurgische Kieferorthopädie
der Operateur den Faden unter dem Mikroskop selbst fas-
sen kann. Fehlstellungen oder Deformitäten der Kieferkörper mani-
Die Instrumente werden ohne den sonst wünschens- festieren sich in Bissanomalien und können zu funktio-
werten kleinen Druck angereicht. nellen Störungen der Kiefergelenkrelation führen. Neben
der klinischen Analyse werden durch Auswertung einer
seitlichen Fernröntgenaufnahme des Schädels die Stel-
! Besonders wichtig ist, dass alle Instrumente von
lungsanomalien der Kieferbasen in Bezug auf die Schädel-
der Pflegekraft nach Gebrauch wieder abgenom-
basis berechnet und die chirurgische Therapie bestimmt.
men werden, damit der Operateur nicht vom Si-
Durch Osteotomien im Ober- oder/und Unterkiefer kön-
tus wegschauen oder die Instrumente »blind« auf
nen die Kieferfragmente in die regelrechte Position ver-
den Instrumentiertisch legen muss. Dabei
schoben und mit Osteosyntheseplatten und/ oder Schrau-
könnten die Instrumente Schaden nehmen.
ben fixiert werden. Eine begleitende konservative kieferor-
Werden Instrumente auf dem Patienten abgelegt, durch- thopädische Behandlung ist unumgänglich.
stoßen sie dabei evtl. mit ihren Spitzen die Abdeckung. Abschließend wird erwähnt, dass Abszesse, dentogene
Während der Operation sollte das instrumentierende Entzündungen der Kieferhöhlen und Erkrankungen der
Personal über ein Zweitokular (Spion) oder über einen Kopfspeicheldrüsen (Glandula submandibularis, Glandula
Monitor die Operation verfolgen können, um situations- parotis) einen großen Raum in der MKG-Chirurgie ein-
gerecht instrumentieren zu können. Es gelten alle Kriterien nehmen.
der Mikrochirurgie, die in 7 Kap. 10 besprochen wurden.
Nach dem Ende der Operation wird das gebrauchte
Instrumentarium fixiert in gesonderten Containern zur
Aufbereitung in die ZSVA gegeben. Jedes Instrument muss
in einer Halterung fixiert sein, damit es nicht beim Trans-
port mit anderen Instrumenten des Instrumentensiebes
kollidiert.

11.6.1 Nervrekonstruktion

Die beiden Nervenden werden unter dem Mikroskop mit


2 Pinzetten aufgesucht, und es wird entschieden, inwieweit
die Nervläsion einer Versorgung bedarf. Bei einer vollstän-
digen Durchtrennung werden beide Enden über eine kur-
ze Strecke mit Schere und Pinzette freipräpariert. Sollte
eine spannungsfreie Reanastomosierung ohne Interpositi-
on möglich sein, wird eine End-zu-End-Naht angelegt,
d. h. die einzelnen Faszikel werden wieder miteinander
verbunden, nachdem das Epineurium an beiden Enden
angefrischt bzw. reseziert wurde.
Ist eine sofortige Anastomosierung nicht möglich, wer-
den beide Nervenden mit einem monofilen Faden mar-
kiert und im umgebenden Gewebe fixiert, damit sie in ei-
ner 2. Operation gefunden werden und sich nicht weiter
kontrahieren können.
Ist eine autologe Interposition möglich, wird die Wun-
de vorübergehend mit einem feuchten Tuch abgedeckt und
z. B. aus dem vorbereiteten Unterschenkel ein Transplantat
des N. suralis (möglich ist auch ein Stück des N. auricularis
magnus) entnommen. Das Interponat wird an beiden En-
den von seinem Epineurium befreit und dann End-zu-End
zwischengeschaltet. Benötigt wird sehr feines (6–0/10–0)
monofiles Nahtmaterial mit runder Nadel.
12

Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie
M. Liehn, T. Grundmann, A. Paul

12.1 Grundlagen der Anatomie – 564

12.2 Diagnostisches Instrumentarium – 565

12.3 Operationsinstrumentarium – 566

12.4 Aufgaben der Operationspflegekraft – 568

12.5 Hals-Nasen-Ohren-Operationen – 572

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_12,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
564 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

12.1 Grundlagen der Anatomie

12.1.1 Hals

Der M. sternocleidomastoideus grenzt das vordere Hals-


dreieck vom seitlichen ab, nach oben ist die Halsregion
durch den M. digastricus begrenzt, nach unten durch den
M. omohyoideus. Als Halseingeweide bezeichnet man das
Zungenbein, den Kehlkopf, die Trachea, die Schilddrüse,
einige Speicheldrüsen, den Rachen und den oberen Teil
des Ösophagus. Diesen Organen liegen seitlich die V. jugu-
laris und die A. carotis mit dem N. vagus an. Eine ober-
flächliche Halsfaszie bedeckt die Mm. stenocleidomasto-
idei und die Mm. trapezii. Im vorderen Bereich des Halses
befindet sich das Platysma, eine Hautmuskelplatte in der
Subkutis. Der Nerven-Gefäß-Strang, bestehend aus dem
N. vagus, der A. carotis communis und der V. jugularis in-
terna, ist eingehüllt in Bindegewebe. Er liegt im Halsbe-
. Abb. 12.1 Kehlkopf: Knorpelgerüst, Membranen, äußere Musku-
reich unter dem M. sternocleidomastoideus.
latur, Zungenbein. (Nach Boenninghaus u. Lenarz 2007)

12.1.2 Lymphabflüsse

Eine zentrale Region des Lymphabflusses am Hals ist der


»Venenwinkel«. Hier mündet die V. facialis in die V. jugu-
laris interna ein.

12
12.1.3 Rachen

Der Rachen wird in die folgenden 3 Abschnitte ein-


geteilt: . Abb. 12.2 Einblick in das Kehlkopfinnere. (Aus Boenninghaus 2001)
4 Nasopharynx (Nasen-Rachen-Raum),
4 Oropharynx (mittlerer Rachenraum),
4 Hypopharynx (unterste Schlundgegend). 12.1.4 Kehlkopf

Der mittlere Oropharynx beherbergt u. a. die paarig ange- Der Kehlkopf liegt etwa in Höhe des 5. Halswirbels, beim
legten Gaumenmandeln (Tonsillen). Sie zählen zu den Mann etwas tiefer als bei der Frau. Der Kehlkopf wird aus
Lymphorganen und befinden sich rechts und links des Ra- Schildknorpel und Ringknorpel gebildet und sitzt der Tra-
chenraumes. Ihren bindegewebigen Kapseln liegen Fasern chea auf (. Abb. 12.1). Das Zungenbein liegt oberhalb und
des M. constrictor pharyngis an. Die Rachenmandel im ist mit einer Membran am Schildknorpel fixiert.
Nasopharynx dagegen ist unpaarig und befindet sich am Die beiden Stimmbänder ziehen rechts und links von
Rachendach hinter den Nasengängen. Wird sie zu groß, den Stellknorpeln aus zur Vorderkante des Schildknorpels.
v. a. bei Kleinkindern, behindert sie die Nasenatmung so- Der Raum zwischen den Stimmbändern wird als Stimm-
wie die Belüftung des Mittelohrs durch die Ohrtrompete ritze bezeichnet. Die nervale Versorgung des Larynx über-
und muss entfernt werden. Die Tuba auditiva Eustachii nehmen der N. laryngeus inferior (genannt N. recurrens,
(Ohrtrompete) verbindet den Nasenrachen mit dem Mit- der u. a. die Stimmbandinnervation übernimmt) und der
telohr. Sie kann deshalb den Druckausgleich bei Höhen- N. laryngeus superior; beide sind Äste des N. vagus. Der
veränderungen bewirken. Der Hypopharynx beginnt hin- Kehldeckel (Epiglottis) verschließt bei Reizen reflektorisch
ter den Stellknorpeln und endet an der Einmündung in den Kehlkopfeingang. Beim Schlucken drückt die Zunge
den Ösophagus. die Epiglottis nach unten (. Abb. 12.2).
12.2 · Diagnostisches Instrumentarium
565 12
12.1.5 Nase Da sie in enger Beziehung zur Nase stehen, sind sie häufig
bei Infektionskrankheiten mitbetroffen.
Die äußere Nase besteht aus einem knorpeligen und einem
köchernen Anteil. Das knöcherne Nasenbein ist paarig an-
gelegt und schließt seitlich an den Oberkiefer und nach 12.1.6 Ohr
oben an das Stirnbein an. Der knorpelige Anteil besteht aus
dem seitlichen Dreiecksknorpel (verbunden mit dem knö- Das Hörorgan des Menschen ist in 3 Teile gegliedert
chernen Nasenbein und der Nasenscheidewand) und dem (. Abb. 12.4):
Nasenspitzenknorpel, der den Nasensteg und die Nasen- 4 Äußeres Ohr mit Ohrmuschel, dem S-förmig gebo-
flügel bildet. genen äußeren Gehörgang und dem Trommelfell als
Hinter den Nasenlöchern wird die innere Nase vom Abgrenzung zum Mittelohr.
Nasenvorhof und von der Nasenhöhle gebildet. Die Schutz- 4 Mittelohr, das aus der Paukenhöhle besteht, die über
härchen (Vibrissae) im Nasenvorhof filtern die Atemluft. die Tube mit dem Nasenrachen verbunden ist, und den
Die Nasenhöhle wird vom knöchern-knorpeligen Septum darin enthaltenen Gehörknöchelchen (. Abb. 12.4):
(Nasenscheidewand) in 2 Räume unterteilt. Oben begrenzt 5 Hammer (Malleus),
das Siebbein mit den Durchtrittstellen für den N. olfacto- 5 Amboss (Incus),
rius die beiden Höhlen, unten der harte Gaumen und seit- 5 Steigbügel (Stapes).
lich die Nasenmuscheln, 3 mit Schleimhaut überzogene
Knochenvorsprünge, die der Befeuchtung der Atemluft Sie sorgen durch ihre Bewegungen für die Schallwellen-
dienen. Hinten gehen die Nasenhöhlen in den Nasopha- übertragung.
rynx über (. Abb. 12.3). 4 Innenohr, das im Felsenbein liegt. Das Hörorgan liegt
in der Schnecke; die Bogengänge enthalten das Gleich-
Nasennebenhöhlen (Sinus paranasales) gewichtsorgan.
7 luftgefüllte Räume stehen mit der Nasenhöhle in Ver-
bindung:
4 die Stirnhöhle (Sinus frontalis, paarig), 12.2 Diagnostisches Instrumentarium
4 die Kieferhöhle (Sinus maxillaris, paarig),
4 die Keilbeinhöhle (Sinus sphenoidalis), Ein wichtiges Hilfsmittel in der HNO-Heilkunde ist die
4 das Siebbeinlabyrinth (Sinus ethmoidalis, paarig) Lichtquelle. Hier kamen früher Stirnspiegel, heute Kalt-
(. Abb. 12.3). licht-Kopflampen zur Anwendung. Durch das zur Sehach-

. Abb. 12.3 Topographische Übersicht Nase und Nasennebenhöh- Raum, Rachen und Kehlkopf. Die roten Pfeile markieren die Kreu-
len. a Schnitt durch Nase und Nasennebenhöhlen mit Etagengliede- zung von Luft- und Speisewegen
rung des Schädels (I–V). b Seitliche Nasenwand, Nasen-Rachen-
566 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

. Abb. 12.4 Anatomische Darstellung des Ohrs. (Nach Beise et al. 2009)

se koaxiale Licht können die HNO-relevanten Strukturen 4 starres Lupenlaryngoskop, 90°-Optik (transoral;
inspiziert werden. . Abb. 12.6),
4 flexibles Larynxendoskop (transnasal; . Abb. 12.5).

12.2.1 Ohruntersuchung
12.2.4 Stimmgabeluntersuchung
kInstrumentarium
12 4 Lichtquelle und Ohrtrichter, Ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel für den HNO-Arzt
4 Binokular-Mikroskop, ist die Stimmgabel. Bei dieser grob orientierenden Unter-
4 Absaugung. suchung wird festgestellt, ob eine Schwerhörigkeit besteht,
und ob sie im Innenohr oder im Mittelohr lokalisiert ist.
jMögliche Befunde
4 Cerumen oder Fremdkörper,
4 Perforation oder Rötung des Trommelfells, 12.3 Operationsinstrumentarium
4 Entzündungen des äußeren Gehörgangs.
Das Instrumentarium ist durch die Weichteil-, Knochen-
und auch Mikrochirurgie sehr vielfältig (7 Kap. 11). Zu-
12.2.2 Nasenuntersuchung sätzlich zum immer benötigten und in 7 Kap. 1 und 2 be-
schriebenen Grundinstrumentarium kommen auch hier
kInstrumentarium viele Spezialinstrumente zum Einsatz. Um eine übersicht-
4 Lichtquelle, liche Darstellung zu ermöglichen, werden die verschie-
4 Nasenspekula verschiedener Größen (. Abb. 12.7), denen Spezialinstrumente zusammen mit den entspre-
4 ggf. Bajonettpinzette (. Abb. 12.8) oder Watteträger, chenden Operationen vorgestellt.
4 Endoskop mit starrer 0°-, 30°- oder 70°-Optik (. Abb.
12.5, . Abb. 12.6).
12.3.1 Adenotomie/Tonsillektomie
(Entfernung der Rachen-/
12.2.3 Kehlkopfuntersuchung Gaumenmandeln)

kInstrumentarium Diese Operationen werden selten zusammen durchge-


4 Zungenspatel (. Abb. 12.9), führt, die instrumentelle Vorbereitung unterscheidet sich
4 abgewinkelte Spiegel (. Abb. 12.10) jedoch nur in den benötigten Abtragungsinstrumenten
4 Kaltlichtquelle, (s. unten).
12.3 · Operationsinstrumentarium
567 12

12.6

12.5

a b
12.7 12.8 12.9 12.10

. Abb. 12.5 Flexibles Laryngoskop (Fa. Storz) . Abb. 12.8 Bajonettpinzette. (Fa. Martin)
. Abb. 12.6 Lupenlaryngoskop mit Winkel (Fa. Storz) . Abb. 12.9 Zungenspatel. (Fa. Martin)
. Abb. 12.7a, b Nasenspekula. (Fa. Martin) . Abb. 12.10 Spiegel. (Fa. Martin)

4 Bei Bedarf werden lange Kanülen zur Applikation des 4 Tonsillenraspatorium nach Henke (. Abb. 12.11).
Lokalanästhetikums eingesetzt. Dies ist ein doppelseitig benutzbares, scharfes Dissek-
4 Je eine grobe, lange chirurgische und eine anato- tionsinstrument, um die Tonsille aus ihrer Kapsel zu
mische Pinzette. schälen.
4 Eine lange kniegebogene Pinzette für die bipolare Ko- 4 Eine in den breiten Branchen aufgebogene Tonsillen-
agulation. schere (. Abb. 12.12).
4 Präparierschere, z. B. nach Metzenbaum. 4 Ringmesser nach Beckmann (. Abb. 12.13).
4 Mundsperrer, z. B. nach Kilner-Doughty (7 Kap. 11). Sie müssen in verschiedenen Größen vorliegen. Da-
568 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

mit werden die Adenoide (»Polypen«) entfernt. Diese 12.3.4 Ohroperationen


Messer sind an der Innenkante des oberen Randes ge-
schliffen und schälen so die Adenoide aus ihrem Lager. Ohroperationen (ausgenommen Ohrmuscheloperationen)
4 Tonsillenschnürer (. Abb. 12.14): werden unter dem OP-Mikroskop vorgenommen. Hier
Die in diesen Schnürer eingesetzte Drahtschlinge werden daher überwiegend Mikroinstrumente verwendet,
wird über die aus ihrer Kapsel befreite Tonsille ge- die eine besondere Handhabung und Pflege zur Vermei-
führt und dann angezogen, sodass die »Mandel« an dung von Beschädigungen erfordern. Es gelten alle Hin-
der Basis abgetrennt wird. Die einzelnen Schlingen weise, die in 7 Kap. 10 und 11 für die Mikrochirurgie be-
werden für jede Operation erneuert. sprochen wurden.
4 Tonsillenfasszange nach Blohmke (. Abb. 12.15): 4 Zur Inspektion des äußeren Gehörganges bis zum
Damit können die Tonsillen während der Präparation Trommelfell reichen die Ohrtrichter.
gefasst werden. Die scharfen Zähnchen unterscheiden 4 Tast- und Kürettierinstrumente sind z. B. die Ohr-
diese Zange von den bekannten Organfasszangen schlinge (. Abb. 12.24), ein stumpfes Instrument, um
(7 Kap. 2). Über die offenen Griffe kann der Tonsil- z. B. Cerumen zu entfernen und der Ohrhebel mit
lenschnürer an die »Mandel« geführt werden. Knopf (. Abb. 12.25).
4 Korbsauger (. Abb. 12.16): 4 Die verschiedenen otologischen Fass- oder Löffelzan-
Er ist gebogen und kann durch sein Körbchen keine gen sind kniegebogen (. Abb. 12.26).
großen Gewebeteilchen absaugen. 4 Parazentesenadeln zur Inzision des Trommelfells
sind kniegebogen oder seltener bajonettförmig
(. Abb. 12.27).
12.3.2 Tracheotomie/Koniotomie 4 Rundschnittmesser (. Abb. 12.28), Lanzettmesser
(Luftröhrenschnitt) (. Abb. 12.29) oder Lappenmesser (. Abb. 12.30)
werden in der Mikrochirurgie bevorzugt.
4 Zur Tracheotomie wird neben dem Grundinstru- 4 Mikroscheren, kniegebogen, werden mit verschieden
mentarium bei Bedarf ein Dilatator benutzt gebogenen Branchen angeboten, damit problemlos
(. Abb. 12.17). in alle Richtungen geschnitten werden kann
4 Die Art der Trachealkanüle hängt von verschiedenen (. Abb. 12.31).
12 Faktoren ab. Es gibt Einmalkanülen, resterilisierbare 4 Das Gleiche gilt für die Stanzen, mit denen Knochen-
Metallkanülen, mit oder ohne Mandrin oder Sprech- gewebe entfernt wird (. Abb. 12.32).
kanülen mit Ventil. Nach einer Operation wird in der 4 Mit dem kleinen scharfen Knochenlöffel
Regel eine blockbare Trachealkanüle eingebracht. (. Abb. 12.33) kann Knochengewebe entfernt werden
(z. B. bei der Stapesplastik).
Für eine notfallmäßige Koniotomie kann das Lig. conicum 4 Zusätzlich zum erwähnten Instrumentarium benötigt
mit einem Trachealtrokar durchstoßen werden (. Abb. man bei der Ohroperation häufig eine Bohrmaschine,
12.18). wie sie Zahnärzte benutzen. Der Handgriff ist leicht ab-
gewinkelt und nach Bedarf werden Rosenbohrer, Frä-
sen o. Ä. eingesetzt. Die Bohrer können mit einer inte-
12.3.3 Nasenoperationen grierten Spülung ausgestattet sein, um den behandelten
Knochen während des Fräsens kühlen zu können.
4 Ein wichtiges Instrument ist hier das Nasenspekulum 4 In der Regel wird die instrumentierende Pflegekraft
(. Abb. 12.19 und . Abb. 12.20) mit und ohne Arre- mit einer gebogenen Knopf-Kanüle während des
tierung. Nasenspekula sollten immer in verschie- Bohrens spülen.
denen Größen vorliegen. Bei Bedarf (z. B. in der Mi-
krochirurgie) kommen selbsthaltende arretierbare
Spekula zur Anwendung. 12.4 Aufgaben der Operationspflegekraft
4 Instrumente zur Untersuchung der Nase sind knie-
gebogen oder bajonettförmig. Sie erleichtern den Auch in der HNO-Abteilung, und dort insbesondere in der
Blick auf den Situs, ohne dass die Hand des Opera- OP-Abteilung, muss sehr viel Wert auf die prä-, peri- und
teurs die Übersicht behindert (. Abb. 12.21 und postoperative Betreuung der Patienten gelegt werden, da
. Abb. 12.22). viele Eingriffe in Lokalanästhesie vorgenommen werden
4 Mit Raspatorien und Elevatorien wird die Schleim- können. Außerdem sind, z. B. durch die Rachen- und Gau-
haut vom Septum separiert. Hier ist ein beidseitig be- menmandeloperationen, ein großer Teil der Patienten Kin-
nutzbares Instrument von Vorteil (. Abb. 12.23). der, denen wir mit Zuwendung ihre Angst nehmen sollten.
12.4 · Aufgaben der Operationspflegekraft
569 12

12.11 12.12 12.13

12.14 12.15 12.16

. Abb. 12.11 Tonsillenraspatorium nach Henke. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.14 Tonsillenschnürer nach Brünings. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.12 Tonsillenschere nach Good. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.15 Tonsillenfasszange nach Blohmke. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.13 Ringmesser nach Beckmann. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.16 Korbsauger nach Yankauer. (Fa. Aesculap)
570 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

12.17 12.18 12.19 12.20

12

12.21 12.22 12.23

. Abb. 12.17 Dilatator nach Laborde . Abb. 12.21 Nasenpinzette nach Troeltsch. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.18 Koniotom nach Ueckermann-Denker . Abb. 12.22 Nasenschere nach Heymann. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.19 Nasenspekulum nach Beckmann. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.23 Elevatorium/Raspatorium nach Freer: Eine Seite ist
. Abb. 12.20 Nasenspekulum nach Killian. (Fa. Aesculap) stumpf, die andere scharf. (Fa. Aesculap)
12.4 · Aufgaben der Operationspflegekraft
571 12

12.24 12.25 12.26 12.27

12.28 12.29 12.30 12.32

12.33

12.31

. Abb. 12.24 Ohrschlinge nach Langenbeck. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.29 Lanzettmesser nach Rosen. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.25 Ohrhebel nach Lucae. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.30 Lappenmesser nach Plester. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.26 Fasszange nach Hartmann. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.31 Mikroschere. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.27 Parazentesenadel nach Lucae. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.32 Knochenstanze. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.28 Rundschnittmesser. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.33 Knochenlöffel nach House. (Fa. Aesculap)
572 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

Die Aufgaben bezüglich der unterschiedlichen Instru- 12.5.2 Tonsillektomie


mentarien und der vielfältigen Operationen gleichen den
in 7 Kap. 11 beschriebenen. kIndikation
4 Chronische Tonsillitis:
5 Erreger sind meist Streptokokken.
12.5 Hals-Nasen-Ohren-Operationen 5 Die chronische Tonsillitis führt manchmal zum Pe-
ritonsillarabszess oder durch Streuung zu Folgeer-
12.5.1 Adenotomie krankungen der Gelenke (Rheuma), der Nieren
(Glomerulonephritis) oder zu funktionellen Herz-
kIndikation erkrankungen.
4 Behinderung der Nasenatmung durch Hyperplasie 4 Tonsillenhyperplasie (THP):
der Rachenmandeln. Die betroffenen Kinder haben 5 Sollte die Hyperplasie nur einseitig aufgetreten sein,
häufig Schnupfen, schlafen durch die erschwerte Na- liegt der Verdacht einer malignen Grunderkran-
senatmung schlecht und schnarchen. kung nahe.
4 Paukenergüsse durch Verlegung der Tubenostien, 5 Bei Kindern kann die THP zum Schnarchen mit
dadurch Schallleitungsschwerhörigkeit (→ OP: Para- Aussetzen der Atmung führen.
zentese). 4 Rezidivierende Anginen.

kPrinzip kPrinzip
Die Adenotomie (AT) ist die operative Abtragung der ade- Bei der Tonsillektomie (TE) werden die gesamten Gau-
noiden Wucherungen. menmandeln aus ihrer Kapsel herausgeschält. Bei kleineren
Kindern mit Atmungsaussetzern beim Schnarchen kann
kLagerung eine »Mandelkappung«, in der Regel mit dem Laser, indi-
4 In Vollnarkose: Rückenlage mit rekliniertem Kopf. ziert sein.
4 Dieser Eingriff wird nur noch selten in Lokalanästhe-
sie durchgeführt: Dann wird das Kind von einer Pfle- kLagerung
gekraft in halbsitzender Position gehalten. 4 In Lokalanästhesie: halbsitzende Position.
12 4 In Vollnarkose: Rückenlage mit rekliniertem Kopf.
kInstrumentarium
4 Mundsperrer, kInstrumentarium
4 Zungenspatel, 4 Instrumente wie bei der AT/TE,
4 Beckmann-Ringmesser, 4 mit einem Faden armierte Tupfer zur Kompression,
4 grobe Pinzetten, 4 ggf. bipolare Koagulationspinzette,
4 bi- oder monopolare Blutstillungspinzette. 4 Umstechung.

Adenotomie Tonsillektomie
7 Nach der sterilen Abdeckung wird der Mund- 7 Für die vorgesehene Lokalanästhesie werden die
sperrer nach Kilner-Doughty eingesetzt. Er drückt Tonsillen mit einer langen dünnen Kanüle mit
die Zunge nach unten und fixiert gleichzeitig den dem Anästhetikum umspritzt. Dieses hat häufig
Tubus. einen Adrenalinzusatz, um gleichzeitig eine Ge-
7 Die adenoiden Vegetationen werden mit dem fäßverengung zu erreichen.
entsprechend großen Ringmesser an ihrer Basis 7 Nach dem Einsetzen des Mundsperrers – für Pati-
abgetragen. Das Blut wird abgesaugt, eine passa- enten mit lokaler Betäubung wird ein handgehal-
gere Blutstillung mit armierten großen Tupfern tener Zungenspatel verwendet – wird eine Tonsil-
reicht zumeist aus. le mit der groben chirurgischen Pinzette gefasst,
7 Blutende Gefäße werden mit der bipolaren Koa- der vordere Gaumenbogen wird mit der Schere
gulationspinzette koaguliert. inzidiert und die »Mandel« mit der Tonsillenschere
7 Zählen der Tupfer und Dokumentation der Voll- und dem Henke-Raspatorium im Wechsel aus ih-
zähligkeit. rer Kapsel geschält. Mit dem Tonsillenschnürer
7 Die Entfernung des Mundsperrers, Absaugen und wird sie vom Zungengrund abgetrennt.
Inspektion der Mundhöhle beenden den Eingriff. 6
12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
573 12
kInstrumentarium
7 Ein armierter Tupfer wird vorübergehend zur 4 Starre Laryngoskope in verschiedenen Durchmessern
Kompression in das Tonsillenbett geschoben; ana- und unterschiedlichen Längen mit montierbarem
loges Vorgehen auf der anderen Seite. Lichtleitstab und Kaltlichtkabel (. Abb. 12.35),
7 Erscheint die Blutstillung unzureichend, wird ab- 4 Zahnschutz für den bezahnten Oberkiefer
schließend eine Umstechung erfolgen. Die Tonsillen (. Abb. 12.36),
werden zur histologischen Untersuchung gegeben. 4 Laryngoskophalter mit Bruststütze (. Abb. 12.37).
4 Verschiedene Fasszangen:
5 Doppellöffelzange,
! Tonsillen werden immer seitengetrennt zur histo-
5 gezahnte Fasszange.
logischen Untersuchung gegeben.
4 Verschiedene Scheren (rechts gebogen, links gebogen,
Die Tonsillektomie kann auch mit alternativen Dissekti- gerade),
onstechniken wie dem CO2-Laser, dem Ultraschallskalpell 4 lange Watteträger,
oder dem Coblator durchgeführt werden. 4 Gefäß für ein adstringierendes Medikament zum Ein-
tauchen von Watteträgern für die Blutstillung,
Komplikationen 4 langer Saugeransatz,
Eine Nachblutung tritt zumeist am OP-Tag oder am 4 kleine Gefäße zum Aufnehmen der entnommenen
1. postoperativen Tag auf, kann aber noch nach 2 Wochen Präparate,
vorkommen. Leichtere Blutungen sistieren häufig spontan, 4 OP-Mikroskop mit einem Objektiv mit einer Brenn-
wenn der Patient mit einer Eiskrawatte im Nacken aufrecht weite von 400 mm,
und ruhig im Bett sitzt. Lässt sich eine aufgetretene Blu- 4 ggf. monopolare Handelektrode.
tung mit Tamponade oder Hämostyptika nicht stillen,
muss chirurgisch interveniert werden.
Stützautoskopie
7 In Intubationsnarkose wird der Kopf des Patienten
12.5.3 Stützautoskopie/Laryngoskopie rekliniert und der Zahnschutz eingesetzt. Ein
starres Laryngoskop (nach Kleinsasser oder Ne-
Die Stützautoskopie dient der direkten Untersuchung des gus) wird eingebracht und mit einer Kaltlichtquel-
Kehlkopfes, wenn die indirekte Spiegelung nicht möglich le verbunden.
oder unzureichend erscheint, kleineren operativen Eingriffen 7 Die Sicht auf den Kehlkopf wird eingestellt und das
an Kehlkopf und Pharynx sowie der Entfernung von Fremd- Laryngoskop mit der Bruststütze fixiert. Der obere
körpern, die in Lokalanästhesie nicht geborgen werden kön- Trachealanteil, die Stimmbänder und die Aryknorpel
nen. Zur besseren Übersicht wird diese Untersuchung mit (die Stellknorpel des Kehlkopfes) können betrachtet
Hilfe des OP-Mikroskops vorgenommen (. Abb. 12.34). werden. Bei Bedarf können jetzt mit Fasszange, Löf-
felzange und Schere verschiedene Proben entnom-
kIndikation men bzw. Papillome oder Polypen entfernt werden.
4 Verdacht auf Larynxpapillome, Leukoplakie, Stimm- 7 Die einzelnen Präparate müssen korrekt gekenn-
lippenpapillome, Stimmbandpolypen oder Kehlkopf- zeichnet und mit ihrer Entnahmestelle bezeichnet
karzinom. werden.
4 Verdacht auf Fremdkörper (z. B. Fischgräten).

kPrinzip
4 Direkte Betrachtung des Larynx über ein starres La- 12.5.4 Tracheotomie
ryngoskop, das auf der Brust des Patienten abgestützt
ist (deshalb Stützautoskopie) unter Verwendung des Der sog. Luftröhrenschnitt (Tracheotomie) ist häufig eine
Mikroskops. Notfallmaßnahme, daher sollten die Instrumente und das
4 Bei Bedarf mikrochirurgische Abtragung des Be- Vorgehen allen Beteiligten geläufig sein.
fundes ggf. mit einem CO2-Laser oder Probeentnah-
men zur histologischen Diagnosesicherung. kIndikation
4 Langzeitbeatmung oder eine erwartete Langzeitbeat-
kLagerung mung. Ist bei intubierten Patienten nach ca. 4–14 Ta-
4 Rückenlage mit leicht angehobenem Kopfteil. gen eine Extubation nicht möglich oder nicht zu er-
4 Eine sterile Abdeckung ist nicht nötig. warten, sollte ein Tracheostoma angelegt werden.
574 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

12

. Abb. 12.34 Prinzip einer Stützautoskopie. (Nach Boenninghaus u. Lenarz 2007)

4 Auch eine geplante Laryngektomie oder Teilresektion


des Kehlkopfes sowie Tumorinfiltration in die Tra- Tracheotomie
chea sind Indikationen zur Tracheotomie. 7 Für die Tracheotomie sind 3 verschiedene Zugän-
ge zur Luftröhre möglich:
kPrinzip
– Obere Tracheotomie, oberhalb des Isthmus
Eröffnung der Luftröhre zwecks Einsetzen einer Tracheal-
der Schilddrüse.
kanüle zur künstlichen Beatmung.
– Mittlere Tracheotomie mit der Durchtrennung
kLagerung des Isthmus der Schilddrüse. (Dieser Zugang
4 Rückenlage mit leicht überstrecktem Kopf. wird für eine elektive Tracheotomie am häu-
4 Die Dispersionselektrode wird an einem Oberarm fi- figsten benutzt.)
xiert. – Untere Tracheotomie unterhalb des Isthmus
der Schilddrüse.
kInstrumentarium 6
Siehe Instrumentarium für Tracheotomie (7 Abschn. 12.3.2).
12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
575 12

12.35
12.36

12.37

. Abb. 12.35 Operationslaryngoskop. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.37 Laryngoskophalter mit Bruststütze. (Fa. Aesculap)
. Abb. 12.36 Zahnschutz. (Fa. Aesculap)

7 Auch die Schnittführung variiert, meist wird der 7 Der orale Tubus wird entblockt und entfernt, die
kurze Kocher-Kragenschnitt (7 2.1.1) oder ein passende Trachealkanüle, deren Blockung von der
medianer Längsschnitt gewählt. Nach der Durch- OP-Pflegekraft geprüft wurde, wird eingeführt
trennung des Platysma mit dem Skalpell kann die und an die Beatmung angeschlossen.
prätracheale Muskulatur stumpf zur Seite ge- 7 Zur künstlichen Beatmung empfehlen sich block-
drängt werden. bare Tuben. Wenn keine Aspirationsgefahr mehr
7 Vielfach kann der Isthmus der Schilddrüse erhal- besteht, wird der Patient mit einer nicht blockbaren
ten werden, indem er mit 2 Langenbeck- oder Ko- Trachealkanüle (z. B. einer Sprechkanüle) versorgt.
cher-Haken so weit kopfwärts gezogen wird, dass
der 3. und 4. Trachealring freiliegt. Gelingt das
nicht, wird der Isthmus zwischen 2 Klemmen Trachealkanülen
durchtrennt und umstochen (7 2.2.3). Nach der Tracheotomie wird eine Rügheimer Kanüle mit
7 Alle Gefäße müssen unterbunden oder elektroko- blockbarer Manschette eingesetzt, um eine Aspiration aus
aguliert werden, um postoperative Blutungen dem Wundgebiet zu verhindern und den Patienten ggf. zu
und die damit verbundene Aspirationsgefahr zu beatmen. Erst später erfolgt die Versorgung mit einer Tra-
verhindern. chealkanüle. Diese besteht meist aus einem doppellumigen
7 Nun kann die Trachea eröffnet werden durch Rohr, dessen innerer Teil, die »Seele«, beliebig oft entfernt
– die X-förmige Inzision, und wieder eingesetzt werden kann. Das erleichtert die
– den Türflügelschnitt, Reinigung und die endotracheale Absaugung.
– den rundlichen Björk-Lappen. Nach der Tracheotomie wird die Kanüle täglich ge-
7 Die Eröffnung erstreckt sich immer über 2 Knorpel- wechselt. Fallen die Trachealwände in sich zusammen,
spangen. Das entstehende Fenster wird mit polyfi- wird das Tracheostoma mit einem überlangen Spekulum,
len Haltefäden an der Haut fixiert, die sog. tracheo- z. B. nach Killian, offen gehalten. Dann lässt sich die Kanü-
kutanen Nähte (»mukokutane Anastomose«). le leichter einsetzen.
6 Die Trachealkanüle hat vorn eine Platte, die die Ka-
nüle auf der Haut aufliegen lässt. An beiden Seiten
576 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

12.38 12.39

12
12.40 12.41

. Abb. 12.38 Doppelläufige Trachealkanüle. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.40 Spiral-Tracheostomiekanüle mit stufenlos justier-
. Abb. 12.39 Doppelläufige Metallkanüle mit herausnehmbarer In- barem Flansch mit Blockermanschette zur Beatmung. (Fa. Covidien)
nenkanüle. (Fa. Aesculap) . Abb. 12.41 Ventilkanüle (Sprechkanüle) mit Loch. (Fa. Aesculap)

dieser Platte wird durch vorgefertigte Ösen ein Band ge- 4 Postoperativ: Nachblutungen oder Arrosionsblu-
zogen und hinten am Hals des Patienten geknüpft. tungen, wenn die Kanüle nicht korrekt passt, Phleg-
Sprechkanülen haben in ihrer Krümmung ein Fenster, mone, Pneumonie, v. a. aufgrund einer Aspiration.
durch das die Ausatemluft nach innen in den Kehlkopf 4 Als Spätkomplikation gilt die Trachealstenose, v. a.
gelangen kann. Durch ein Rückschlagventil in der Kanü- bei Patienten mit einer Neigung zur Keloidbildung.
lenöffnung wird dem Patienten das Sprechen ermöglicht.
Die Auswahl der richtigen Kanüle (. Abb. 12.38 bis Tracheostomaverschluss
. Abb. 12.41) richtet sich danach, ob sie zur Langzeitbe- Wird die Kanüle und damit das Tracheostoma nach der
atmung oder als Dauerkanüle verwendet werden soll. Heilung oder Besserung der Grunderkrankung nicht mehr
Wichtig ist immer, dass die Kanüle dem Durchmesser benötigt, kann das Tracheostoma in Lokalanästhesie oder
der Trachea angepasst ist und weder zu kurz noch zu lang in Vollnarkose verschlossen werden.
gewählt wird.

Komplikationen 12.5.5 Koniotomie


4 Intraoperativ: heftige Blutungen, Verletzungen des
Ringknorpels (sie können zu einer Ringknorpelsteno- Eine Koniotomie ist eine »notfallmäßige Tracheotomie«
se führen), Rekurrensverletzungen mit Lähmung der als lebensrettende Maßnahme. Sie ersetzt nicht die Tra-
Stimmlippen. cheostomie, sondern zieht sie nach sich.
12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
577 12
kIndikation kIndikation
Lebensbedrohliche akute Atemnot mit Erstickungsgefahr, 4 Karzinome im Kopf- und Halsbereich,
z. B. 4 Lymphknotenmetastasen ohne Nachweis eines Primär-
4 allergiebedingte Larynxschwellungen, tumors (CUP – »carcinoma of unknown primary«).
4 Intubationshindernisse,
4 Kehlkopffrakturen, kPrinzip
4 Fremdkörper. Entfernung der Halslymphknoten. Das Ausmaß der Ope-
ration ist abhängig von der Lokalisation und der Ausdeh-
kPrinzip nung der Grunderkrankung und kann von der Schädelba-
Das Lig. cricothyreoideum (Lig. conicum) wird zwischen sis bis zur Klavikula reichen.
dem Unterrand des Schildknorpels und dem Oberrand des 4 Radikale Neck-Dissection:
Ringknorpels mit dem Koniotom durchstoßen, der Kehl- Lymphknotenausräumung mit umgebendem Fett so-
kopf eröffnet und der Patient mit einem dünnen Tubus wie Resektion von
beatmet. 5 N. accessorius,
5 M. sternocleidomastoideus,
kLagerung 5 V. jugularis interna (evtl. auch A. carotis externa),
Rückenlage mit Unterpolsterung der Schultern bei rekli- 5 Glandula submandibularis.
niertem Kopf. 4 Funktionelle Neck-Dissection:
Lymphknotenausräumung mit umgebendem Fett-
kInstrumentarium und Bindegewebe.
7 Abschn. 12.3.2. 4 Selektive modifizierte Neck-Dissektion:
Lymphknotenausräumung je nach Ausmaß der
Grunderkrankung.
Koniotomie
7 Ein 1–2 cm langer vertikaler Hautschnitt wird über kLagerung
dem Lig. conicum angelegt. Der Bogen des Ring- 4 Rückenlage, den Kopf auf die kontralaterale Seite ge-
knorpels ist tastbar, direkt darüber verläuft das Li- dreht.
gament. 4 Die neutrale Elektrode wird an einem Oberarm fixiert.
7 Die Öffnung lässt sich stumpf erweitern, in Notsi-
tuationen mit dem Finger. kInstrumentarium
7 Nach dem Hautschnitt wird das Ligament mit 4 Grundinstrumente,
einem Koniotom oder einem Skalpell und einem 4 Sauger,
Nasenspekulum nach Killian durchstoßen. Der 4 bipolare Pinzette,
Trokar des Koniotoms wird zurückgezogen und 4 ein Nervenreizgerät zur Identifikation des N. accesso-
der Kehlkopf eröffnet. rius sowie des Mundastes des N. facialis,
4 feine Gummizügel.
4 Erweiterung der Operation auf Unterkieferteilresekti-
on oder Mandibulasplitting:
12.5.6 Neck-Dissection 5 Raspatorien,
5 oszillierende Säge,
Eine Neck-Dissection ist eine Halslymphknotenausräu- 5 Luer,
mung, die, je nach Tumorstadium, einseitig oder beidseits 5 Plattenosteosynthesematerialien.
in einer Sitzung erfolgt. Eine Kombination der Operation
mit anderen Eingriffen ist je nach Ausbreitung des Primär-
Neck-Dissection
tumors möglich, z. B.:
4 Kehlkopfresektion, 7 Die Hautschnittführung variiert. Meist verläuft der
4 Unterkieferteilresektion oder Schnitt am Vorderrand des M. sternocleidomasto-
4 Zungengrundresektion mit Mandibulasplitting. ideus mit einer zusätzlichen Inzision in Richtung
der Klavikula, also T-förmig.
Bei laserchirurgischer Resektion des Primärtumors wird 7 Die Haut-Platysma-Lappen werden präpariert, der
die Neck-Dissection zweizeitig nach einem Intervall von M. sternocleidomastoideus freigelegt und bei der
ca. 2 Wochen durchgeführt. 6
578 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

radikalen Neck-Dissection zwischen 2 Klemmen Schilddrüse wird vom Larynx abpräpariert und,
mit dem Skalpell, besser mit dem Diathermiesti- wenn möglich, geschont.
chel, durchtrennt. Beide Muskelstümpfe werden 7 Präparation und Eröffnung des Kehlkopfes, Dar-
umstochen. stellung der Trachea, Tracheotomie, Umintubation
7 Der N. accessorius verläuft am Hinterrand des Mus- mit einer blockbaren Trachealkanüle.
kels und wird vorsichtig mit einer feinen Schere, 7 Resektion je nach Ausdehnung des Tumors:
z. B. nach Wittenstein, dargestellt und zunächst an- Das Hauptpräparat enthält den Neck-Dissection-
geschlungen. Je nach Ausdehnung des Tumors Block, den Kehlkopf, ggf. die Glandula submandi-
wird er später erhalten oder reseziert werden. bularis, Glandula thyreoidea und evtl. den N. ac-
7 Nach der Durchtrennung des Muskels liegt die cessorius.
sog. Gefäßnervenscheide mit der V. jugularis in- 7 Primäre Pharynxplastik durch Schlundnaht zur
terna, der A. carotis communis und dem N. vagus
Trennung von Luft- und Speiseweg mit 3–0, 4–0
sichtbar im OP-Feld. Die V. jugularis wird über eine
resorbierbarem, geflochtenem Nahtmaterial.
kurze Strecke mittels Overholt-Dissektion freiprä-
7 Bei ausgedehntem Hypopharynxkarzinom muss
pariert, distal doppelt ligiert und zusätzlich mit
der entstandene Rachendefekt evtl. durch einen
kräftigem Nahtmaterial umstochen.
myokutanen Lappen des M. pectoralis oder durch
7 Nach der Darstellung der A. carotis communis und
ein mikrovaskulär anastomosiertes Unterarminter-
des N. vagus kann der Dissektionsblock mit Sche-
ponat gedeckt werden.
re und Pinzette kopfwärts präpariert werden.
7 Die V. jugularis interna wird bis zum Foramen ju-
gulare freigelegt, dort wieder doppelt ligiert und
abgesetzt.
7 Das Tumorpräparat wird unter Ligatur der V. facia- 12.5.8 Septumkorrektur
lis oder ggf. der A. thyreoidea superior herausge-
löst, entfernt und zur histologischen Untersu- Eine Begradigung der Nasenscheidewand ist nur dann
chung gesandt. Wichtig ist eine topographisch erforderlich, wenn die Verbiegung die Nasenatmung be-
exakte Nadelmarkierung auf einer Korkplatte. hindert.
12 7 Nach der sorgfältigen Blutstillung und der Einlage
von 1 oder 2 Redon-Drainagen erfolgen der kIndikation
schichtweise Wundverschluss und der Halsverband. Septumdeviation: Sie kann durch ein Trauma, aber auch
durch gestörtes Wachstum entstehen.

kPrinzip
12.5.7 Laryngektomie Begradigung der Nasenscheidewand, oft kombiniert mit
einer Konchotomie (Muschelkappung).
kVorbereitung und Lagerung
Sie entsprechen denen für eine Neck-Dissection (7 Ab- kLagerung
schn. 12.5.6). Eine Tracheotomie ist obligat und muss vor- 4 Rückenlage mit leicht erhöhtem Oberkörper und re-
bereitet werden. kliniertem, zur kontralateralen Seite gedrehtem Kopf.
4 Wird monopolar gearbeitet, gehört die neutrale Elek-
trode an einen Oberarm.
Laryngektomie
7 Der Hautschnitt verläuft meist U-förmig am Vor- kInstrumentarium
derrand des M. sternocleidomastoideus beidseits, 4 Grundinstrumente,
2 Querfinger oberhalb des Jugulums (Gluck-Soe- 4 bipolare Koagulationspinzette,
rensen-Lappen). 4 Nasenspekula unterschiedlicher Größe,
7 Durchtrennung der prälaryngealen Muskulatur 4 Nasenschere,
mit dem Diathermiemesser zwischen 2 Klemmen, 4 Raspatorium nach Freer (. Abb. 12.23),
Durchstechungsligatur der Stümpfe. 4 ggf. schmale Meißel mit einem Metallhämmerchen
7 Die Thyreoidealappen werden dargestellt und der 4 abschwellend wirkende Lösung z. B. Privin,
Isthmus zwischen 2 Klemmen durchtrennt. Die 4 armierte Spitztupfer.
6
12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
579 12

Septumkorrektur
7 Vor dem eigentlichen Beginn der Operation wer-
den Spitztupfer mit Privin in die Nasenlöcher ge-
legt, um das Anschwellen der Schleimhaut zu mi-
nimieren.
7 Der Schnitt verläuft im Nasenvorhof als Transfixi-
ons- oder Hemitransfixionsschnitt. Mit einem klei-
nen Messer (Skalpell Nr. 15) wird an der Septum-
kante eine Inzision gelegt und das Mukoperichon-
drium mit einem Raspatorium nach Freer abgelöst.
7 Die Begradigung der Scheidewand erfolgt durch
Abmeißelung des knöchernen Spornes oder
durch gezielte Resektion des deviierten Knorpels.
Das entnommene Material, Knochen und Knorpel,
wird retransplantiert.
7 Häufig sind zusätzlich die unteren Nasenmu-
scheln hyperplastisch, die dann mit einer Nasen-
schere verkleinert werden (Konchotomie). Der He-
mitransfixionsschnitt wird mit einer dünnen mo-
nofilen Naht verschlossen. Beide Nasenhöhlen . Abb. 12.42 Nasenrepositionszange nach Cottle-Walsham.
werden tamponiert. (Fa. Aesculap).

Komplikationen schräg oben bewegt, können dabei eingeklemmt werden,


Septumhämatom, Nachblutung. sodass es zu Doppelbildern kommt. Auch der zweite Tri-
geminusast kann durch Bruchfragmente eingeklemmt
werden, was zu Sensibilitätsstörungen im Bereich der
12.5.9 Nasenbeinreposition Wange führen kann.

In der Regel brechen die verknöcherten knorpeligen An- kIndikation


teile (Fausthieb), sehr selten die knöchernen Strukturen 4 Muskuläre Einklemmung (s. oben).
(scharfkantige Verletzungen, Verkehrsunfälle). Nach einer 4 Verdacht auf Fremdkörper.
Nasenbeinfraktur mit verschobenen Fragmenten muss die 4 Dislozierte Fraktur, sodass die Gefahr des Absinkens
Nase möglichst umgehend wieder aufgerichtet werden. Bei des Orbitainhaltes besteht.
seitlichen Deformationen ist häufig die einfache Repositi- 4 Sensibilitätsstörungen im Bereich der Wange (s. oben).
on mit dem Daumen möglich. Bei Impressionsfrakturen
kommt ein Elevatorium oder die Redressment-Zange zum kPrinzip
Einsatz (. Abb. 12.42). 4 Abstützen des Orbitainhalts,
Nach dem Abschwellen der Nase wird sie beidseits in 4 Stabilisierung der Fragmente,
die Nasenöffnungen eingeführt, der frakturierte Knochen 4 Freilegung des Muskels und des Nervs,
wird reponiert. Anschließend wird die Nase zur Stützung 4 ggf. Einlegen eines Dacron-Netzes auf den Orbitabo-
häufig austamponiert, mit einem Nasengips oder einer den.
Schiene versehen.
kLagerung
4 Rückenlage.
12.5.10 Orbitabodenreposition 4 Dispersionselektrode am gleichseitigen Oberarm.

Orbitabodenfrakturen sind häufig Teil von Kombinations- kInstrumentarium


brüchen des Mittelgesichtes (7 Kap. 11). Bei der »Blow- 4 Grundinstrumente,
out-fracture« bricht der Orbitaboden (das Kieferhöhlen- 4 bipolare Koagulationspinzette,
dach). Der M. rectus inferior, der den Blick nach oben 4 feine Raspatorien,
bewegt, sowie der M. obliquus inferior, der den Blick nach 4 Einzinkerhäkchen (AO-Häkchen, Zahnarzthäkchen),
580 Kapitel 12 · Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie

4 Bereitlegen von Gore-Dura, Orbitaplättchen oder Da- schient, um ein Eindringen von pathogenen Keimen zu
cronnetz, verhindern. Dazu muss Blut abgesaugt und umgekrem-
4 Vorbereitung von Fibrinkleber. pelte Perforationsränder müssen geglättet werden. Der
Patient erhält prophylaktisch ein Antibiotikum.
Orbitabodenreposition
7 Über den transkonjunktivalen oder den subtar- 12.5.12 Parazentese
salen Zugang wird der Orbitainhalt, der durch die
Bruchlücke in die Kieferhöhle gefallen ist, sorgfältig kIndikation
reponiert. Eingeklemmte Teile des Orbitainhalts 4 Chronischer Paukenerguss,
werden mit einem feinen Häkchen und einem Ras- 4 Tubenfunktionsstörung mit chronischem Unterdruck
patorium aus dem Bruchspalt präpariert. des Mittelohrs.
7 Der Orbitaboden muss einwandfrei reponiert sein.
Kleinere Fragmente können miteinander verkeilt Therapie
werden. Im Ausnahmefall wird eine Miniplatten- Auf das Trommelfell wird ein Oberflächenanästhetikum
osteosynthese vorgenommen. aufgebracht, über den Ohrtrichter die lanzettenartige Pa-
7 Um den Orbitaboden wieder als glatte Fläche zu razentesenadel (bajonettförmig oder kniegebogen (. Abb.
gestalten, muss er nach der Reposition mit einer re- 12.27) eingeführt und ein kleiner Entlastungsschnitt in das
sorbierbaren Kunststoffscheibe abgedeckt werden. Trommelfell gelegt. Das Sekret kann sofort ablaufen. Be-
7 Ein Wundverschluss unter genauer Adaptierung sonders bei Kindern mit rezidivierender Otitis media wird
der Schichten mit feinstem Nahtmaterial beendet das Mittelohr zur Dauerbelüftung mit »Paukenröhrchen«
den Eingriff. (in Narkose) drainiert. Diese bestehen zumeist aus Titan
und haben die Form einer Spule.
Zur Parazentese wird das Trommelfell vorn unten in-
zidiert, das Sekret mit einem feinen Ohrsauger abgesaugt
12.5.11 Trommelfellperforation und ein Paukenröhrchen eingelegt. Dieses sollte minde-
stens ein halbes Jahr verbleiben und wird in der Regel
12 Die spezielle Diagnostik des Trommelfells erfolgt mit dem spontan abgestoßen.
Binokularmikroskop. Ein gesundes Trommelfell glänzt
gräulich und zeigt keine Rötung oder Sekretansammlung
im Mittelohr. Ein pathologisch verändertes Trommelfell 12.5.13 Tympanoplastik
zeigt verschiedene Bilder:
4 Eine Einziehung hat fast immer einen Unterdruck in Die gestörte Schallleitung soll wieder hergestellt werden,
der Paukenhöhle als Ursache. indem der Trommelfelldefekt mit körpereigener Tempora-
4 Eine Vorwölbung weist auf eine Flüssigkeitsansamm- lisfaszie verschlossen wird. Defekte Gehörknöchelchen
lung im Mittelohr hin. können durch Titanprothesen ersetzt werden. Ein vorhan-
4 Eine Rötung gilt als Zeichen einer Entzündung. denes Cholesteatom (chronische Knocheneiterung) muss
aufgrund der Gefahr der Knochenzerstörung oder der ent-
Ursachen zündlichen Ausbreitung ausgeräumt werden. Die Tympa-
4 Trommelfelldefekte können vielfältige Ursachen ha- noplastik wird in verschiedene Typen eingeteilt, die ge-
ben: chronische oder akute Mittelohrentzündungen, bräuchlichsten sind:
Pfählungsverletzungen oder Rupturen aufgrund eines 4 Typ I: eine einfache Trommelfellplastik (Myringo-
plötzlichen Überdruckes (z. B. eine harte Ohrfeige). plastik),
4 Cholesteatom: kleiner Defekt mit fötider Otorrhö 4 Typ III: Trommelfellverschluss und Rekonstruktion
(stinkendem Ohrfluss). der Gehörknöchelchenkette.
4 Eine traumatische Trommelfellperforation muss
meist versorgt werden; nur kleine schlitzförmige Ein- kIndikation
risse können von selbst heilen. 4 Chronische Mittelohrentzündung mit Trommelfell-
perforation,
Therapie der akuten traumatischen 4 narbige Veränderungen,
Trommelfellperforation 4 Cholesteatom,
Über einen Ohrtrichter und das Mikroskop wird die Rup- 4 Kettenunterbrechung.
tur dargestellt und mit einem kleinen Silastikläppchen ge-
12.5 · Hals-Nasen-Ohren-Operationen
581 12
kPrinzip
Wiederherstellung der Schallleitung durch Revision der
Gehörknöchelchen und/oder Trommelfellplastik.

kLagerung
4 Rückenlage, den Kopf zur kontralateralen Seite ge-
dreht. Sollte monopolar gearbeitet werden, muss die
neutrale Elektrode an dem seitengleichen Oberarm
angebracht werden.
4 Die Operation kann sowohl in Lokalanästhesie als
auch in Vollnarkose durchgeführt werden.

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium zur Eröffnung des Mittel-
ohrs,
4 Ohrinstrumente (7 Abschn. 12.3.4),
4 zusätzlich bipolare Koagulationspinzette.
4 Bei einer knöchernen Revision muss eine Bohrma-
schine zur Verfügung stehen.
4 Das steril bezogene OP-Mikroskop wird bereitgestellt.

Tympanoplastik
7 Der Hautschnitt verläuft entweder retroaurikulär
(hinter dem Ohr) oder endaural, d. h. vorn zwischen
Tragus und Ansatz der Ohrmuschel im Gehörgang
(endaurale Schnittführung nach Heermann).
7 Sollte für die Trommelfellplastik ein Stück Faszie
benötigt werden, wird ein kleines Stück Tempora-
lisfaszie hinter dem Ohr entnommen und bis zum
Gebrauch zwischen 2 Silastikscheiben gelagert.
7 Nach der Beseitigung der Grunderkrankung wird
das Trommelfell mit der Faszie unterfüttert, Sili-
konfolien dienen der zusätzlichen Schienung.
7 Der Gehörgang wird mit Tamponaden oder mit
Salbenstreifen (z. B. bei Stapesplastik) austampo-
niert. Der Zugangsweg wird schichtweise ver-
schlossen und ein Ohrdruckverband angelegt.

Plastische Operationen der Nase und den Ohren, wie auch


u. a. die Entfernung der Glandula parotis oder der Glandu-
la submandibularis, gehören ebenfalls in das Spektrum der
HNO.
13

Kinderchirurgie
P. Reifferscheid, M. Liehn

13.1 Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie – 584

13.2 Thorax – 587

13.3 Abdomen – 597

13.4 Bauchwand – 622

13.5 Urogenitaltrakt – 631

13.6 Zentralnervensystem – 649

13.7 Tumoren – 659

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_13,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
584 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

13.1 Arbeitsbedingungen in
der Kinderchirurgie . Tab. 13.1 Blutvolumen. (Nach Smith u. Rowe 1993)

Alter Volumen [ml/kg KG]


13.1.1 Allgemeine Grundlagen
Frühgeborenes 85–100
In der Kinderchirurgie gelten für die OP-Pflegekraft zusätz-
Reifes Neugeborenes 85
liche besondere Bedingungen. Die altersspezifischen anato-
mischen und physiologischen Merkmale des Kindes, insbe- >1 Monat 75
sondere bei Neugeborenen, unterscheiden sich grundlegend >3 Monate 70
von denen des Erwachsenen. Beispielhaft werden genannt:
4 Besonderheiten des Stoffwechsels des Neugeborenen
wie Neigung zu Hypoglykämie und Hypokalzämie.
4 Geringeres Blutvolumen (. Tab. 13.1).
4 Wesentlich höherer Flüssigkeitsumsatz. . Tab. 13.2 Angemessene Temperatur des OP-Saals

4 Unreife von Nieren, Leber und Lungen. Alter Optimale Umgebungs-


4 Erhöhte Blutungsneigung. temperatur [°C]
4 Vor jeder Operation an Früh- oder Neugeborenen ist
die Vitamin-K-Prophylaxe einzuhalten (1 mg wasser- Frühgeborene unter 1.000 g
lösliches Vitamin K1 i.m.).
4 In den ersten 6 Wochen 34–35
4 Unzureichende Infektabwehrmöglichkeiten.
4 Instabiler Wärmehaushalt. 4 Danach bis zur 12. Woche 31–32

Das Früh- und Neugeborene, aber auch das kranke Neugeborene mit 2–3 kg KG am 1. Tag 31–34
Kleinkind haben Mühe, die Körpertemperatur kon- 4 Danach bis zum 12. Tag 28–31
stant zu halten. Anatomisch und physiologisch hat
dies die folgenden Gründe:
5 Relativ größere Körperoberfläche im Vergleich zum
Körpergewicht. (Bei Frühgeborenen ist die Kör- Wärmeverluste können verringert werden durch:
peroberfläche pro kg KG 10-mal größer als beim 4 Angemessene Temperatur des OP-Saals (. Tab. 13.2).
Erwachsenen.) 4 Anwärmen von Desinfektions-, Infusions- und Spül-
5 Dünnes subkutanes Fettgewebe mit der Folge
13 schlechter Isolierung.
lösungen auf Körpertemperatur.
4 Einwickeln der Extremitäten, besonders der Hände
5 Relativ geringe Wärmeproduktion, die durch Medika- und der Füße (große Oberfläche) in Watte oder Folie,
mente (z. B. Muskelrelaxanzien) weiter reduziert wird. Bedecken des Kopfes mit Tuch oder Mütze aus tg-
Hinzu kommen Wärmeverluste durch Narkotika und Schlauch (anästhesiologische Erfordernisse berück-
daraus folgend eine gesteigerte Hautdurchblutung. sichtigen!).
Wärmeverluste entstehen durch: 4 Zügiges Abdecken nach der Hautdesinfektion unter
4 Verdunstung (z. B. der Desinfektionslösung auf der Berücksichtigung der Einwirkzeit.
Haut oder über nicht abgedeckte Darmschlingen). 4 Verwendung von elektronisch geregelten Wärmemat-
4 Wärmeleitung (direkter Kontakt mit einer kühleren ten als Unterlage (Vorsicht: Direkten Hautkontakt ver-
Oberfläche, z. B. Röntgenkasette). meiden wegen Verbrennungsgefahr der aufliegenden,
4 Kalte Spüllösungen. schlechter durchbluteten Körperpartien auch bei
4 Konvektion (Luftaustausch, z. B. offene Türen, raum- Wärmemattentemperatur im physiologischen Be-
lufttechnische Anlage). reich; Molton zwischen Wärmematte und Haut legen,
4 Strahlung (Wärme, die das Kind an eine kühlere Um- unter Beachtung der Herstellerhinweise, um Verbren-
gebung abgibt ohne sie direkt zu berühren). nungen und Hautschädigungen zu vermeiden).
4 Kontinuierliches Temperatur-Monitoring.
Nahezu alle Patienten, die unter Allgemeinanästhesie ope-
! »Es gibt keine andere einzelne Maßnahme, die der-
riert werden, werden intraoperativ hypotherm. Die Ab-
art wirksam Überlebensrate und -qualität kranker
kühlung verläuft in 3 Phasen:
Neugeborener verbessert, wie sorgfältige Kontrol-
4 in der 1. Stunde rascher Abfall der Körpertemperatur,
le der Umgebungstemperatur!« (Obladen 2001)
4 in den folgenden 2–3 h langsamer Abfall der Körper-
temperatur, Je unreifer und je kränker das Kind ist, umso höher ist das
4 danach konstant erniedrigte Körpertemperatur. Risiko von Infektionen, Druckschäden und Wärmever-
13.1 · Arbeitsbedingungen in der Kinderchirurgie
585 13
lust. Maßgebend sind nicht nur arbeitsrechtliche Verord- konserven). Um die Entwicklung einer Latexallergie zu
nungen über die Temperatur in OP-Räumen sondern v. a. verhindern, sollte bei Neugeborenen, bei denen voraus-
die Prognose des Patienten. sichtlich mehrere Eingriffe zur Behandlung einer ange-
Mindestens ebenso wichtig wie die anatomischen und borenen Anomalie erforderlich sind (z. B. Meningomyelo-
physiologischen Besonderheiten sind die psychischen Be- zele, anorektale Anomalien, Blasenexstrophie), latexfrei
dingungen, unter denen ein Kind Krankheit und Operati- gearbeitet werden (Handschuhe, Drainagen, Verbandma-
on erlebt. Die Trennung von den Eltern, die Ungewissheit terial).
über die bevorstehende Behandlung wird als Verlassenheit, Der Hautschnitt sollte einen optimalen Zugang bei
als essenzielle Bedrohung empfunden, besonders von Kin- einem Minimum an Gewebeschäden ermöglichen. Er
dern, die sich nicht krank fühlen (z. B. Hypospadie 7 Ab- wird entsprechend den Langer-Linien gelegt. Quere Lapa-
schn. 13.5.5) und/oder unzureichend auf den Eingriff vor- rotomiewunden sind weniger schmerzhaft und heilen
bereitet wurden. Gerade weil das Kind die erforderlichen besser als Längsschnitte. Gefäße werden gezielt koaguliert
Maßnahmen nicht immer vollständig begreifen kann, hat oder zwischen Ligaturen durchtrennt (Fadenstärke 4–0
es Anspruch auf wahrheitsgetreue Information (ohne er- und 5–0 ist ausreichend). Bei Früh- und Neugeborenen ist
schreckende Details) in einer für das Kind verständlichen die bipolare Mikrokoagulation zu bevorzugen, in der mo-
Sprache. Das Kind ist als Person zu respektieren. Ein ver- nopolaren HF-Chirurgie die feine Nadelelektrode.
trauter Gegenstand (Puppe, Tuch) darf in den Einleitungs- Darmoberflächen sind dauernd feucht zu halten; sie trock-
raum mitgenommen werden. Die Pflege im OP-Saal ist nen bei der hohen Raumtemperatur rasch aus. Vor dem
darauf ausgerichtet, eine Atmosphäre der Ruhe und Ge- Wundverschluss muss die Wunde bluttrocken sein. Beim
borgenheit zu vermitteln. Die Betreuung der Eltern beim Knüpfen der Nähte darf kein Zug auf das Gewebe übertra-
Eintreffen des Kindes in der Patientenschleuse schafft Ver- gen werden. Katheter und Drainagen sind kindgerecht zu
trauen und beruhigt beide, Eltern und Kind. fixieren.
Die großen angeborenen Anomalien (Ösophagusatre-
! Ein Kind im OP-Saal darf nie allein gelassen
sie, Zwerchfellhernie, anorektale Anomalien, Blasenex-
werden.
strophie) sowie die kindlichen Tumoren sind selten und
sollten in Zentren mit entsprechend erfahrenen Behand-
lungsteams versorgt werden.
13.1.2 Lagerung

Der OP-Tisch entspricht der Größe des Kindes. Die Aufla- 13.1.4 Minimal-invasive Chirurgie
gefläche ist schmaler als bei einem Tisch für Erwachsene.
Der Operateur muss im Sitzen arbeiten können. Der zu Minimal-invasive Techniken sind heute in den meisten
operierende Körperabschnitt wird durch Unterlegen einer kinderchirurgischen Abteilungen Standard. Sie können
Gelrolle hochgelagert. Eine Seitenlagerung kann mit un- auch bei Säuglingen unter 1500 g Körpergewicht ohne grö-
terpolsterten breiten Pflasterstreifen fixiert werden. Die ßeres Risiko angewandt werden.
Platzierung der neutralen Elektrode erfolgt nach den glei- Die Vorteile sind:
chen Kriterien wie in Kap. 1 beschrieben. Die Elektrode 4 Bessere Übersicht, besonders am Hiatus oesophagei
muss flexibel sein, vollständig und dicht anliegen, ihre und im kleinen Becken.
Größe muss der des Kindes entsprechen; es gibt im Handel 4 Geringere postoperative Morbidität.
geeignete Elektroden für Neugeborene. 4 Geringere postoperative Schmerzen, reduzierter Ver-
brauch postoperativer Analgetika.
4 Verbesserte Lebensqualität postoperativ: Die Kinder
13.1.3 Operationstechnik können früher essen, früher aufstehen, schneller ihre
gewohnten Aktivitäten wieder aufnehmen.
Die Grundsätze der Erwachsenenchirurgie gelten auch in 4 Kürzere Verweildauer.
der Kinderchirurgie. Die Zusammenarbeit der verschie- 4 Bessere kosmetische Ergebnisse.
denen Fachgruppen (Ärzte und Krankenpflegekräfte bzw. 4 Der Fortgang der Operation ist für das gesamte Team
OTA der Chirurgie und ATA der Anästhesie) sollte von besser zu erkennen.
gegenseitiger Achtung bestimmt sein. Besonderheiten des
Eingriffs und spezielle Instrumente werden im Voraus Dem stehen folgende Nachteile gegenüber
zwischen Chirurg und OP-Pflegekraft besprochen. Ein 4 Fehlendes Tastgefühl.
Eingriff wird erst dann begonnen, wenn alles vorbereitet 4 Zweidimensionales Bild.
ist (einschließlich Röntgenbildern, Laborbefunden, Blut- 4 Blutungen sind schwerer zu stillen.
586 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Längere Operationsdauer und höhere Komplikations- jGehirn


raten während der Lernphasen. Das Pneumoperitoneum führt zu einer Vasodilatation der
4 Eingeschränkte Auswahl der zur Verfügung stehen- Hirngefäße und zu einem Anstieg des intrakraniellen
den Instrumente (7 Abschn. 2.15) Druckes.

Physiologische Besonderheiten bei jIntraabdomineller Druck


Säuglingen und Kleinkindern Die Erhöhung des intraabdominellen Druckes begünstigt
Physiologische Besonderheiten, die bei Säuglingen und einen gastroösophagealen Reflux und erhöht das Risiko
Kleinkindern berücksichtigt werden müssen, sind im Fol- einer perioperativen Aspiration.
genden dargestellt. Die Auswirkungen des intraabdominellen Druckan-
stiegs auf die kardiorespiratorische Situation machen sich
jHerz-Kreislauf-Effekte in den ersten Minuten nach Anlage des Pneumoperitone-
Das Pneumoperitoneum erhöht den Cardiac Index (Herz- ums bemerkbar und können vom Anästhesisten durch
Zeit-Volumen/Körperoberfläche) und den O2-Bedarf. Die Änderung der Beatmungsparameter beeinflusst werden.
Zunahme des intraabdominellen Druckes führt durch
Kompression der V. cava zu einer Verminderung des ve- jTemperaturregulation
nösen Rückstroms zum Herzen und damit zu einem Abfall Nicht angewärmtes CO2 trägt bei Säuglingen und Klein-
des Herz-Zeit-Volumens. Der periphere Gefäßwiderstand kindern zur Hypothermie bei.
ist erhöht. Ein Volumendefizit wird schlecht toleriert. Des-
halb wird das Pneumoperitoneum beim Säugling und Lagerung
Kleinkind langsam aufgebaut [z. B. Flow 1 l/min, Druck Für abdominelle Eingriffe sollten kleinere Kinder am Fuß-
8–10 (–12) mm Hg] und nur soweit, wie dies für die Über- ende des OP-Tisches gelagert werden. Der Patient muss so
sicht erforderlich ist. fixiert werden, dass auch extreme Positionsänderungen
des OP-Tisches (Kopftieflage, Seitkippung) möglich sind
jLungenfunktion und keine Lagerungsschäden provozieren.
Der Zwerchfellhochstand hat eine Verkleinerung des Lun-
genvolumens zur Folge, ein Ungleichgewicht zwischen Pneumoperitoneum
Ventilation und Perfusion und einen veränderten Gasaus- Der erste Trokar wird in der Regel infraumbilikal nach bo-
tausch. Die funktionelle Residualkapazität der Lunge ist genförmiger Hautinzision unter Sicht eingeführt. Dazu
13 vermindert, Atemwiderstand und Atem-Minuten-Volu- wird die Faszie dargestellt und zwischen Klemmen eröff-
men sind erhöht. Es kommt zu Störungen des Säure-Ba- net. Darstellung und Eröffnung des Peritoneums, während
sen-Haushalts. Intraoperative Lageveränderungen (z. B. der Assistent die Bauchdecke mit Hilfe der Klemmen hoch
Kopftieflage) verschlechtern die respiratorischen Parame- hält. Anlage einer Tabakbeutelnaht und Einbringen des
ter weiter. Säuglinge tolerieren die Erhöhung des intraab- Trokars. Schiebt man vor Gebrauch eine kurze (3–4 cm
dominellen Druckes schlechter als Erwachsene. lange) Plastikhülse auf den Trokar, so kann man ihn mit
einer Naht an der Bauchwand fixieren und nach Bedarf
jNierenfunktion nachjustieren. Die Arbeitstrokare werden nach Stichinzi-
Das Pneumoperitoneum beeinträchtigt – wie beim Er- sion der Haut unter Sicht eingebracht. In der Kinderchirur-
wachsenen auch – passager die Nierendurchblutung. Wäh- gie werden bevorzugt Instrumente mit einem Durch-
rend beim Erwachsenen die Urinproduktion nur leicht messer von 3–3,5 mm eingesetzt, bei Säuglingen auch mit
vermindert ist, kommt es bei Säuglingen in den ersten 2 mm Durchmesser.
45 min nach Anlage des Pneumoperitoneums zu einer An- Standardisierte laparoskopische und thorakoskopische
urie. Postoperativ ist die Urinausscheidung in den ersten Eingriffe sind in den 7 Übersichten dargestellt.
Stunden kompensatorisch erhöht.

jCO2-Resorption Standardisierte laparoskopische Eingriffe


Wegen der bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen 4 Magen/Ösophagus
deutlich größeren peritonealen Oberfläche wird mehr CO2 – Kardiomyotomie
resorbiert mit der Folge einer Hyperkapnie und einer re- – Fundoplikatio
spiratorischen Azidose. Die Hyperkapnie kann bis zu 3 h – Pyloromyotomie
postoperativ andauern. – Gastrostomie
6
13.2 · Thorax
587 13
Die Aufmerksamkeit minimal-invasiver Techniken in
4 Leber, Gallenwege, Milz den Medien hat dazu geführt, dass immer mehr Eltern
– Cholezystektomie diese Technik für eine bei ihrem Kind anstehende Opera-
– Entdeckelung von Leberzysten tion verlangen. Etablierte MIC-Verfahren müssen den
– Atypische Resektion von gutartigen Tumoren Sorgeberechtigten als Behandlungsalternative angeboten
der Leber werden.
– Leberbiopsie
– Splenektomie
4 Dünndarm, Dickdarm 13.1.5 Instrumentarium
– Jejunostomie
– Segmentresektion und Anastomose
Um ein schonendes Operieren zu gewährleisten und dem
– Dünndarmatresie
kleinen Situs gerecht zu werden, kommen feine zarte In-
– Abtragung eines Meckel-Divertikels
strumente zum Einsatz. Im Prinzip entsprechen sie denen,
– Appendektomie
die auch für erwachsene Patienten verwendet werden. Als
– Wandbiopsien des Dickdarms zur Feststellung
Diathermieansatz wird eine Nadelelektrode bevorzugt.
intramuraler Ganglienzellen
Aus Platzmangel können zur Schonung der Haut und der
– Dickdarmresektion (z. B. kombiniert laparosko-
Organe häufig keine Bauchtücher benutzt werden, deshalb
pisch/transanal nach Georgeson/de la Torre bei
M. Hirschsprung)
sind die Spatel mit tg-Schlauch bezogen und werden feucht
– Präparation im kleinen Becken bei hohen ano-
angereicht. Eine Lupenbrille erleichtert das subtile Präpa-
rektalen Fehlbildungen (Blasenhalsfistel, kloa- rieren feiner Strukturen; ggf. wird der Einsatz eines OP-
kale Fehlbildungen) Mikroskopes notwendig. Für manche Operationen (z. B.
4 Urogenitaltrakt anorektale Anomalie) wird ein Muskelstimulationsgerät
– Funikulolyse, besonders bei Kryptorchismus, benötigt. Als Nahtmaterial werden monofile oder gefloch-
Fowler/Stephens-Operation tene synthetische resorbierbare Fäden mit atraumatischer
– Ligatur der Testikularvenen bei Varikozele Nadel bevorzugt. Sie erfordern entsprechend feine und
– Ovarialzystenpunktion, -detorsion leichte, der Nadelgröße angemessene Nadelhalter. Die
– Ovarbiopsie Hautnähte werden intrakutan gelegt, damit keine Fäden
– Nephrektomie/Heminephrektomie (auch retro- entfernt werden müssen.
peritoneal durchführbar) Wundheilungsstörungen und -infektionen werden
– Nierenbeckenplastik (auch retroperitoneal nicht durch High-tech-Equipment im OP und nicht durch
durchführbar) moderne Antibiotika verhindert, sondern durch Disziplin
4 Bauchwand im OP-Saal und durch eine subtile gewebeschonende
– Herniotomie OP-Technik.
– Adhäsiolyse Im Folgenden werden einige Operationen besprochen,
die nicht der Vorgehensweise in der Erwachsenenchirurgie
entsprechen. Um Überschneidungen zu vermeiden, haben
wir Krankheitsbilder und Operationen, die in anderen Ka-
Standardisierte thorakoskopische Verfahren
piteln dieses Buches bereits dargestellt sind, hier nicht wie-
4 Lungenbiopsie derholt. Wir erheben mit diesem Kapitel keinen Anspruch
4 Abtragung von Bullae auf Vollständigkeit, es soll aber helfen, sich in der Kinder-
4 Pleurodese chirurgie zu orientieren.
4 Empyemausräumung
4 Tumorbiopsie Lunge/Mediastinum
4 Duktusverschluss 13.2 Thorax
4 Perikarddrainage
13.2.1 Ösophagusatresie

Komplikationen Definition
4 Verletzung von Blutgefäßen und von Darmschlingen, Kongenitale Anomalie, bei der die Kontinuität der
v. a. bei blindem Einbringen der Veress-Kanüle. Speiseröhre vollständig unterbrochen ist. In 90% der
4 Mechanische oder thermische Verletzung von paren- Fälle liegt zusätzlich eine Fistel zwischen Speiseröhre
chymatösen und von Hohlorganen während der Prä- und Trachea vor.
paration.
588 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Häufigkeit Das Wiederholungsrisiko in einer sonst gesunden Familie


Bei der Häufigkeit von 1 : 2500-3000 sind Jungen dezent beträgt 1% und steigt auf 20%, wenn mehrere Geschwister
häufiger als Mädchen (1,26 : 1) betroffen. Unter den Pati- betroffen sind.
enten mit Ösophagusatresie sind Zwillinge 2- bis 3-mal
häufiger zu finden als im Normalkollektiv. Zusätzliche Anomalien
Mehr als 50% der Kinder haben eine oder mehrere zusätz-
Formen der Ösophagusatresie liche Anomalien (Herzfehler, urogenitale, vertebrale, gastro-
jKlassifikation nach Vogt intestinale Fehlbildungen, anorektale Anomalien). Von den
(amerikanischer Radiologe, 1929) Patienten sind 20% Frühgeborene. Eine Kombination typi-
4 Oberer Speiseröhrenblindsack, Fistel zwischen scher Anomalien ist die VACTERL-Assoziation (»vertebral,
unterem Ösophagus und Trachea (Typ IIIb, 86%; anal, cardiac, tracheo, esophageal, renal, limb anomalies«).
. Abb. 13.1c). Nach der 18. SSW ist die pränatale Diagnose durch So-
4 Fehlen eines unterschiedlich langen Speiseröhrenab- nographie möglich durch die Kombination von Polyhy-
schnitts, keine Fistel (Typ II, 8%; s.. Abb. 13.1a). dramnion der Mütter mit kleiner oder fehlender Magen-
4 tracheoösophageale Fistel ohne Atresie, sog. H-Fistel blase bei Atresie ohne Fistel und sichtbarem oberem Blind-
(Typ IV, 4%; . Abb. 13.1e). sack.
4 Fistel sowohl zwischen oberem als auch zwischen un-
terem Ösophagusblindsack und Trachea (Typ IIIc, 1– Klinische Symptome
2%; s. . Abb. 13.1d). Vermehrter teils schaumiger Speichelfluss nach der Ge-
4 Fistel zwischen oberem Ösophagusblindsack und Tra- burt, der häufig abgesaugt werden muss; der Ösophagus ist
chea (Typ IIIa, 1%; s. . Abb. 13.1b). für eine Sonde nicht durchgängig, vielmehr kommt es zu
einem Stopp nach 8–12 cm. Die Verlegung der Speiseröh-
Die Ösophagusatresie tritt sporadisch auf. Die Pathogene- renlichtung führt zu einer laryngotrachealen Aspiration:
se ist nicht bekannt, als wahrscheinlich gilt eine multifak- Der verschluckte Speichel sammelt sich im oberen Blind-
torielle Genese. Familiäre Formen sind selten (etwa 1%). sack bis zum Überlaufen und wird in die Lunge aspiriert.

13

. Abb. 13.1 a–e Ösophagusatresieformen. a Typ II: Segmentäre At- atresie mit oberer und unterer Fistel. e Typ IV: Isolierte tracheoöso-
resie ohne Fistel. b Typ IIIa: Ösophagusatresie mit oberer Fistel. phageale Fistel (sog. H-Fistel). Häufigkeit siehe Text
c Typ IIIb: Ösophagusatresie mit unterer Fistel. d Typ IIIc: Ösophagus-
13.2 · Thorax
589 13
Folge sind Zyanoseanfälle, Atemnot und zunehmende Operation
Dyspnoe. Durch die Fistel zwischen unterem Blindsack kPrinzip
und Trachea gelangt mit jedem Atemzug Luft nicht nur in 4 Extrapleurales Vorgehen, Verschluss der Fistel, Her-
die Lunge, sondern auch in den Magen. Der Magen wird stellung der Speiseröhrenkontinuität durch End-zu-
überdehnt, das Neugeborene »erbricht« sich in seine eige- End-Anastomose (primär oder sekundär)
ne Lunge mit nachfolgender »chemischer Pneumonie« 4 Bei langstreckiger Atresie zusätzliche Gastrostomie
wegen der hohen Azidität des Magensekrets im Neugebo- zur enteralen Ernährung.
renenalter.
Bei Frühgeborenen mit einer Ösophagusatresie kann kLagerung
in den Magen gelangte Luft zur Magenruptur mit Pneumo- 4 Wärmematte.
peritoneum führen. Dadurch wird die respiratorische Situ- 4 Linksseitenlage; rechter Arm liegt auf dem Kopf, Gel-
ation des Frühgeborenen weiter verschlechtert. rolle unter den Thorax und zwischen die Beine.
4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
Diagnose 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
4 Sondenprobe (10 Charr).
4 Röntgen (Thorax mit Abdomen): kInstrumentarium
5 Kontrastgebende Sonde in den oberen Blindsack 4 Grundinstrumentarium,
einführen (Kontrast durch Sonde selbst oder durch 4 Kochsalzschale,
Luftinsufflation). 4 Thoraxsperrer,
5 Luft im Magen beweist eine Fistel zwischen Trachea 4 Teflonspatel,
und dem unteren Ösophagus. 4 diverse Overholts,
5 Ausschluss weiterer Fehlbildungen (Herz, Wirbel- 4 Dissektor,
säule, Rippen). 4 Mini-Präpariertupfer,
5 Ausschluss einer Aspirationspneumonie. 4 Vessel-Loops,
4 Saugerschlauch mit kleinem Ansatz,
Erstversorgung und Transport 4 Fibrinkleber,
4 Dicke Magensonde, möglichst doppelläufig, in den 4 Spritze (5 ml), Kanüle Nr. 1 und Nr. 17,
oberen Blindsack einführen und an Dauersog [–10 bis 4 Ropivacain,
–20 Pa (–0,1 bis –0,2 mbar)]1 anschließen (Schlürf- 4 Magensonde 5 Charr,
sonde zum Ausschluss einer Aspiration). 4 Resorbierbares Nahtmaterial: 5–0 oder 6–0, lange Fä-
4 Nicht füttern! den 4–0.
4 Lagerung: Oberkörper erhöht (45°), um den Reflux
von Magensaft zu verhindern.
Ösophagusatresie
4 Keine Maskenbeatmung (führt zu Distension des Ma-
gens und zu gastroösophagealem Reflux über die Fis- 7 Dorsolaterale Thorakotomie rechts im 4. Inter-
tel in die Lunge). kostalraum (7 Kap. 6 Thoraxchirurgie).
7 Extrapleurale Darstellung des hinteren Mediasti-
Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Konse- nums.
quenzen ausführlich informiert werden. 7 Die V. azygos wird zwischen doppelten Ligaturen
durchtrennt.
Präoperative Maßnahmen 7 Der obere Ösophagusblindsack lässt sich mit
Weitere Fehlbildungen ausschließen (Echokardiographie Hilfe der präoperativ gelegten Sonde, die vom
zum Ausschluss eines Herzfehlers bzw. einer rechts des- Anästhesisten bewegt wird, leicht darstellen.
zendierenden Aorta). Infusion, Antibiotikatherapie, Säu- Er wird mit einem Haltefaden versehen
re-Basen-Haushalt ausgleichen, Vitamin-K-Gabe i.m., (. Abb. 13.2).
Körpertemperatur normalisieren. Operation innerhalb 7 Zum kaudalen Ösophagus führt der N. vagus. Der
von 12 (–48) h ist in den meisten Fällen elektiv möglich. (meist hypoplastische) untere Ösophagus wird
Einzelne Autoren befürworten eine präoperative Tracheo- mit dem Overholt unterfahren, mit einem Vessel-
skopie, da die Lokalisation der Fistel Rückschlüsse auf den Loop angeschlungen und unter Schonung seiner
Abstand zwischen oberem und unterem Ösophagusstumpf Blutversorgung und der Vagusäste bis zur Ein-
erlaubt. mündung in die Tracheahinterwand freipräpariert.
6
1 Umrechnungsfaktor: 100.000 entspricht 1 bar =105 Pa.
590 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

7 Nach Legen von Haltenähten (6–0, atraumatisch


resorbierbar) an dem kranialen und kaudalen Fis-
telrand wird die Fistel schrittweise durchtrennt.
7 Von der Fistelöffnung wird ein Abstrich zur bakte-
riologischen Untersuchung entnommen.
7 Fistelverschluss (. Abb. 13.3) durch hin- und zu-
rück fortlaufende Naht unter Verwendung der zu-
vor gelegten Haltenähte, die jeweils mit der ge-
genüberliegenden Naht verknüpft werden; die
Trachea darf weder verletzt noch eingeengt wer-
den. Der Fistelverschluss wird durch Wasserprobe
auf Luftdichtigkeit geprüft. Ein Trachealdivertikel
muss möglichst vermieden werden.
7 Oberer und unterer Ösophagusblindsack werden
sparsam mobilisiert (. Abb. 13.4). Eine evtl. vor-
handene obere Fistel wird durchtrennt und ver-
schlossen. Bei einem Abstand von weniger als
15 mm ist im Allgemeinen eine spannungsfreie
primäre Anastomose möglich.
7 Durch Exzision eines etwa glasstecknadelkopfgro-
ßen Areals an seinem kaudalen Ende wird der obere
Blindsack eröffnet. Die Ösophaguskontinuität wird
durch einreihige End-zu-End-Anastomose mit resor-
bierbaren Einzelknopfnähten (6–0) hergestellt.
7 Nach Legen der Ecknähte werden zunächst die
Hinterwandnähte gelegt und nach allmählicher
Approximation der Stümpfe geknüpft.
7 Die präoperativ gelegte Sonde wird durch eine 5-
Charr-Magensonde ersetzt und diese – transnasal
gelegte Sonde – über die Anastomose unter Sicht
13 in den unteren Ösophagus und weiter in den Ma-
gen geschoben. Naht der Vorderwand.
7 Eine Anastomose unter Spannung ist möglich, in
. Abb. 13.2a, b Operation der Ösophagusatresie: Freilegung des
diesem Fall ist eine Thoraxdrainage zu empfehlen. kranialen und kaudalen Speiseröhrensegments über einen extra-
7 Zwischen Trachea und Ösophagus kann ein etwa pleuralen Zugang. a Ablösen der Pleura vom kranialen Speiseröh-
linsengroßes Muskelstückchen aus der Brust- rensegment. b Freipräparation der Einmündung des unteren Speise-
wandmuskulatur interponiert und mit einem röhrensegments in die Trachea. Die Enden beider Segmente sind mit
Tropfen Fibrinkleber in Höhe des Fistelver- Haltefäden versehen
schlusses fixiert werden.
7 Kontrolle auf Bluttrockenheit.
Bei gleichzeitig bestehendem zyanotischem Herzfehler
7 Interkostalblock durch paravertebrale Infiltration
wird dieser meist zuerst korrigiert. Bei sehr unreifen Früh-
der an die Thorakotomie angrenzenden Interkos-
geborenen ist gelegentlich ein zweizeitiges Vorgehen not-
talnerven mit Ropivacain.
7 Zählkontrolle und Dokumentation.
wendig. In einem ersten Schritt wird die Fistel zwischen
7 Nach Legen von Perikostalnähten (4–0) wird die Ösophagus und Trachea verschlossen, die Anastomosie-
Lunge unter der intakten parietalen Pleura vor- rung folgt einige Tage später in einer 2. Sitzung.
sichtig gebläht und vollständig entfaltet. In einigen spezialisierten Zentren ist eine thorakosko-
7 Die Perikostalnähte werden so geknüpft, dass ein pische Korrektur der Ösophagusatresie möglich.
Interkostalraum erhalten bleibt. Naht der Interkos-
talmuskulatur mit 6–0-Einzelknopfnähten. Langstreckige Atresie
Schichtweise Adaptation der Brustwandmuskula- Stets ist die Anlage eines Gastrostomas notwendig, entweder
tur. Subkutannaht. nach Witzel (Chirurg, Düsseldorf, 1856–1925) oder Kader
7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannnaht (Chirurg, Breslau, 1863–1937) zur enteralen Ernährung.
mit atraumatischem resorbierbarem Faden (6–0). Es gibt keine einheitliche Definition, bei welchem Ab-
stand von einer langstreckigen Ösophagusatresie gesprochen
13.2 · Thorax
591 13
werden kann. Bei einem Abstand von mehr als 2 Wirbelkör-
pern ist eine primäre Anastomose nicht mehr möglich. Dann
ergeben sich die in . Abb. 13.5 dargestellten Optionen.

Postoperative Behandlung
4 Röntgenaufnahme des Thorax (Pneumothorax? Ate-
lektasen? Mediastinalverschiebung? Lage der Magen-
sonde?).
4 Falls eine Anastomose unter Spannung angelegt wird:
5 Lagerung des Kindes mit ventral gebeugtem Kopf.
5 Relaxation und Beatmung für etwa 5 Tage.
4 Regelmäßiges schonendes Absaugen des oberen Öso-
phagus.
4 Magensonde für 36 h offen ablaufend, nicht ziehen,
nicht wechseln.
4 Einlauf 24 h postoperativ.
4 Nahrungsaufbau nach 36 h beginnen.
4 Antazida in den ersten 7 Tagen postoperativ (wegen
gastroösophagealem Reflux).
4 Lunge optimal mobilisieren: Kind regelmäßig umla-
gern, Vibrationsmassage des Thorax.
4 Möglichst frühzeitige Extubation.
. Abb. 13.3 Verschluss der ösophagotrachealen Fistel 4 Kontrastmitteldarstellung des Ösophagus zwischen
dem 7. und 10. postoperativen Tag.

Prognose
Die Überlebenschance ohne zusätzliche lebensbedrohliche
Anomalien beträgt fast 100%.

13.2.2 Ligatur des Ductus arteriosus Botalli

Definition
Symptomatische Persistenz einer für den Fetalkreis-
lauf charakteristischen Verbindung zwischen A. pul-
monalis und deszendierender Aorta (persistierender
Ductus arteriosus, PDA). Das Blut der A. pulmonalis
fließt an der Lunge vorbei direkt in die Aorta.

Anatomie
Der Ductus arteriosus Botalli (erstmals beschrieben von
Galen, griechischer Arzt, Rom, 129–199 n. Chr.; heute be-
nannt nach Botallo, Anatom und Chirurg, 1530 – ca. 1571)
verbindet beim Fetus die Pulmonalarterie mit der Aorta
descendens, in die er distal des Abgangs der linken A. sub-
clavia einmündet.

Pathophysiologie
Im fetalen Kreislauf leitet der Ductus arteriosus das vom
. Abb. 13.4a, b Mobilisation des kranialen und kaudalen Speise-
röhrensegments. a Scharfes Abtrennen des kranialen Blindsacks von
rechten Ventrikel ausgeworfene Blut aus der Pulmonalar-
der Pars membranacea der Trachea. b Annähern der beiden Speise- terie an der nichtbelüfteten Lunge vorbei in die Aorta des-
röhrensegmente zur Uberprüfung der zu überbrückenden Distanz cendens; von dort gelangt es zum Gasaustausch in die Pla-
592 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

. Abb. 13.5 Therapieoptionen bei langstreckiger Atresie

zenta. Mit dem ersten Atemzug öffnet sich die Lungen- 4 niedriger Blutdruck,
strombahn. Die Flussrichtung des Blutes im Ductus kehrt 4 große Blutdruckamplituden (mit niedrigem diasto-
sich um, weil der systemische Gefäßwiderstand jetzt höher lischem Druck, »springender« Puls),
13 ist als der pulmonale. Der ansteigende Sauerstoffpartial- 4 präkordiale Herzaktion,
druck des jetzt durch den Ductus fließenden arteriellen 4 Systolikum,
Blutes führt über eine Kontraktion der Ductusmuskulatur 4 generalisierte Ödeme.
innerhalb von Stunden und Tagen zu einem zunächst
funktionellen Verschluss, der innerhalb von 2–3 Wochen Diagnose
bis zu 3 Monaten definitiv obliteriert. Die Diagnose kann durch Farbdopplersonographie gestellt
Je unreifer ein Neugeborenes ist, desto schwächer rea- werden, die die Flussrichtung des Blutes im Ductus fest-
giert die Ductusmuskulatur auf postnatale Kontraktions- stellen und die Flussgeschwindigkeit des Blutes in den
reize. Der dann persistierende Links-Rechts-Shunt führt großen Arterien des Gehirns, des Mesenterium und der
zur Überfüllung der Lungenarterien, zu einer Belastung Nieren messen kann. Die Indikation zur Behandlung wird
des (rechten) Herzens und schließlich zu einer Minderper- aufgrund klinischer Kriterien gestellt.
fusion der Organe des großen Kreislaufs, besonders des
Mesenterialkreislaufs (Risiko einer nekrotisierenden Ente- Therapie
rokolitis) und des Gehirns (Risiko einer Hirnblutung). Die Die Therapie obliegt i. Allg. den Kardiochirurgen
daraus resultierende Hypoxie des den Ductus durchflie- (7 Kap. 7).
ßenden Blutes unterhält seine Persistenz und etabliert so
einen Circulus vitiosus.
13.2.3 Angeborener Zwerchfelldefekt
Symptome
Klinische Hinweise auf einen PDA können sein: Definition
4 Verschlechterung der Beatmungsparameter, Angeborene Zwerchfelllücke mit Verlagerung von Ab-
4 erhöhter Sauerstoffbedarf, dominalorganen in den Thorax. Hypoplasie besonders
4 Tachykardie, der gleichseitigen Lunge.
4 Vergrößerung der Leber,
13.2 · Thorax
593 13
Die Prognose hängt wesentlich vom Grad der gleich-
zeitig bestehenden Entwicklungsstörung der Lunge ab, der
Lungenhypoplasie. Die Lunge entwickelt sich nicht über
das Stadium der 14.–16. Schwangerschaftswoche hinaus.
Das bedeutet für das Neugeborene unzureichenden Gas-
austausch (Hyperkapnie), erhöhte Empfindlichkeit für ein
Barotrauma (Pneumothoraxrisiko) sowie pulmonale Hy-
pertonie wegen der hypoplastischen Lungenstrombahn:
PPHN-Syndrom (persistierende pulmonale Hypertonie
des Neugeborenen) mit Rechts-Links-Shunt über das Fo-
ramen ovale bzw. den Ductus arteriosus und Hypoxämie.
Es entwickelt sich ein Circulus vitiosus mit Hypoxie, Hy-
perkarbie und Azidose. Zusätzlich kann die Mediastinal-
verlagerung zu einem verminderten venösen Rückstrom
zum Herzen (Volumenmangelschock) führen.

Pathogenese
Die Pathogenese ist nicht geklärt. Angeborene Zwerch-
. Abb. 13.6 Bochdalek-Hernie links. (Nach Holschneider u. Wischer- felldefekte treten sporadisch auf. Einzelne familiär ge-
mann 1993) häufte Fälle sind beschrieben. Die Entwicklung des
Zwerchfells ist am Ende der 8. SSW abgeschlossen. Die
Verlagerung von Bauchorganen in den Thorax beginnt
Häufigkeit zwischen der 10. und 12. SSW und kann wechselnde
4 1 : 2000-3000 Lebendgeburten. Ausmaße annehmen.
4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1–2 : 1.
Begleitfehlbildungen
Über 50% der pränatal diagnostizierten Feten mit angebo- Begleitfehlbildungen (bei 15–35%) betreffen das Herz und
renen Zwerchfellhernien sterben intrauterin. Auch postna- den Aortenbogen, Chromosomenanomalien, das ZNS, die
tal hat der angeborene Zwerchfelldefekt eine Mortalität Lunge (Sequestration) und die Rotationsanomalie des
von 30–60%. Darms (Nonrotation). Eine pränatale Diagnose ist möglich
und sollte die Verlegung der Schwangeren in ein entspre-
Formen chend erfahrenes Perinatalzentrum veranlassen.
Lokalisation:
4 Posterolateral: Bochdalek-Hernie (. Abb. 13.6; >85% Symptome
links, 12% rechts, <1% beidseits; in 10–20% mit Die klassischen Symptome nach der Geburt sind Zyanose,
Brucksack; benannt nach Bochdalek, Anatom, Prag, Atemnot und Verschiebung des Herzens nach rechts. Sie
1801–1883). können progredient sein, weil mit jedem Atemzug einer-
4 Anterolateral: Morgagni-Hernie (2% aller Zwerchfell- seits mehr Bauchinhalt in den Thorax gesaugt wird, ande-
hernien, häufiger rechts, 15–30% beidseits, meist mit rerseits die Hernie durch geschluckte Luft an Volumen
Bruchsack; benannt nach Morgagni, Anatom, Padua, zunimmt. Weitere Symptome sind ein kahnförmig einge-
1682–1771) sunkenes (leeres) Abdomen, ein einseitig (meist links) ver-
4 Paraösophageal: Hiatushernie (meist erworben). größerter »athletischer« Thorax, ein abgeschwächtes
Atemgeräusch links (evtl. Darmgeräusche links) und rechts
Ein Bruchsack ist nur in 10–20% der Fälle vorhanden. Nur auskultierbare Herztöne. Treten in den ersten 12–24 h kei-
dann kann von einer »Hernie« gesprochen werden. In den ne Symptome auf (5%), ist die Prognose gut. Bei älteren
meisten Fällen handelt es sich um einen Prolaps, d.h. der Kindern stehen gastrointestinale Symptome im Vorder-
Bruchsack fehlt. Praktisch alle Organe des Bauchraums grund.
können in den Thorax verlagert sein, besonders Dünn-
und Dickdarm, Milz, Magen, (linker) Leber(lappen) und Diagnose
linke Niere. Die Folgen sind eine Kompression der gleich- Die Diagnose wird durch eine Röntgenaufnahme des Tho-
seitigen und – infolge Mediastinalverschiebung – auch der rax gestellt, die luftgefüllte Darmschlingen im Thorax, eine
kontralateralen Lunge, eine Rotationsanomalie des Darms Mediastinalverschiebung sowie ggf. eine innerhalb des
(Nonrotation) und eine zu kleine Bauchhöhle. Thorax seitlich umbiegende Magensonde zeigt.
594 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Präoperative Notfallmaßnahmen
Präoperative Notfallmaßnahmen auf der neonatologischen (. Abb. 13.7a–g). Darstellung des Zwerchfellde-
Intensivstation sind: fektes. Vorhandenen Bruchsack abtragen (leicht
4 Magensonde mit Dauersog, zu übersehen o Residualzyste o Lungenkom-
4 Lagerung auf der kranken Seite, Fußtieflage, pression).
4 keine Maskenbeatmung, 7 Durch den Defekt hindurch kann man in der
4 endotracheale Intubation nach Sedierung und Rela- Pleurakuppel die linke Lunge sehen. Keine Pleura-
xation, drainage! Sie könnte das Barotrauma der gleich-
4 Volumensubstitution, seitigen Lunge verschlimmern!
4 Hyperventilation, 7 Die dorsale Zwerchfellanlage lässt sich meist erst
4 Behandlung der PPHN. nach Inzision des parietalen Peritoneums darstel-
len. (Linke Niere sicher kaudal des Zwerchfells?)
Operation Wenn die vorhandene ventrale und dorsale
kZeitpunkt Zwerchfellanlage ausreicht, wird der Defekt unter
In der Regel 12–24 h nach Stabilisierung des Kindes: stabi- Erhaltung der Zwerchfellkuppel spannungsfrei
le Lungenstrombahn, keine Zeichen eines PPHN-Syndrom mit U-Nähten verschlossen und durch zusätzliche
(d. h. im Alter von 14 h bis 6 Tagen). Einzelknopfnähte gesichert (3–0, atraumatisch re-
sorbierbar).
! Dabei ist an das Risiko der Darminkarzeration
7 Keine Zwerchfellplastik, sondern großzügiger Ge-
und -nekrose zu denken!
brauch von Zwerchfellersatz (z. B. mit einem ke-
kPrinzip gelförmigen Patch aus biologisch degradierbarem
Beseitigung des Enterothorax und Verschluss des Zwerch- Material; . Abb. 13.8); dabei allerdings erhöhte
felldefektes. Komplikationsrate: Dehiszenz, Rezidiv, persistie-
render Hydrothorax.
kLagerung 7 Revision des Dünn- und Dickdarms. Die Darm-
4 OP-Saal auf 32°C vorheizen, Wärmematte. schlingen werden – ggf. nach vorsichtiger manu-
4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). eller Dehnung der Bauchdecken – geordnet in die
4 Rückenlage mit Polster in Höhe der unteren Rippen. Bauchhöhle zurückverlagert.
4 Neutrale Elektrode am linken Oberschenkel. 7 Zählkontrolle und Dokumentation.
13 7 Die Laparotomiewunde wird schichtweise ver-
kInstrumentarium schlossen (Einzelknopf- oder fortlaufende Nähte
4 Grundinstrumente, mit resorbierbaren Fäden 5–0). (Wenn dies nicht
4 Bauchinstrumentarium, spannungsfrei möglich ist, wird nur die mobilisier-
4 Kochsalzschale, te Haut verschlossen.) Hautverschluss durch fort-
4 Saugerschlauch mit kleinem Ansatz, laufende Intracutannaht (resorbierbare Fäden 6–
4 Lidhaken, 0, atraumatisch).
4 Baby-Roux, 7 Verband.
4 Bauchtücher,
4 Spritze (10 ml),
4 Holzspatel, In einzelnen hochspezialisierten Zentren werden für aus-
4 biologisch degradierbares Gewebeimplantat bereit- gewählte Fälle intrauterine Behandlungsmethoden ange-
halten, wandt.
4 Pleuradrainage 12 Charr bereit halten
4 Nahtmaterial: 3–0, 4–0 und 5–0 resorbierbar. Postoperative Behandlung
4 Magensonde offen ablaufend.
4 Röntgenaufnahme des Thorax (Mediastinum mittel-
Verschluss des Zwerchfelldefektes
ständig?).
7 Eröffnung der Bauchhöhle durch Kausch-Schnitt 4 Beatmung mit niedrigem Druck fortsetzen.
links (Schrägschnitt im linken Oberbauch).
7 Einstellen des posterolateralen Zwerchfelldefektes Komplikationen
und vorsichtige Reposition des Enterothorax 4 chronische neonatale Lungenkrankheit,
6 4 gastroösophagealer Reflux,
4 Bridenileus (ca. 20%),
13.2 · Thorax
595 13

g
c

. Abb. 13.7 a–g Operation einer Bochdalek-Hernie links (nach Duha- dorsalen Zwerchfellanlage, e vorgelegte Nähte, f Verschluss des
mel). a Hautinzision, b Situs eventeriert, Zwerchfelldefekt mit Bauch- Defektes mit Matratzennähten, g zusätzliche Einzelknopfnähte zur
organen, c Defekt nach Reposition der Bauchorgane, d Präparation der Sicherung (nach Rickham 1969)

4 Rezidiv (5–22%), Überlebenschancen


4 Gedeihstörung, Entwicklungsretardierung, Unterstützung der Lungenfunktion durch extrakorporale
4 neurologisches Entwicklungsdefizit in 40%, Membranoxygenisation (ECMO, . Abb. 13.9) kann die
4 Thoraxdeformität (Trichterbrust, ca. 30%), Überlebenschancen um 15–20% verbessern. Risiken sind
4 Hörminderung (hörhilfebedürftig, besonders nach Hirnblutung, Lungenblutung, Blutung im OP-Gebiet, In-
ECMO). fektionen.
596 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

. Abb. 13.8 Operation einer Bochdalek-Hernie links: Verschluss des . Abb. 13.9 Schemazeichnung des ECMO-Kreislaufsystems. (Nach
Zwerchfelldefektes mit Implantat. (Nach Willital 1981) Heaton et al. 1988)

13.2.4 Trichterbrust 4 wachstumsabhängige Progredienz,


4 subjektive Beschwerden selten korrelierbar mit den
Definition objektiven Befunden.
Kongenitale oder erworbene Einziehung der vorderen
Brustwand. Sekundär nach Eingriffen an der Brust- Diagnostik
wand oder am Zwerchfell, bei schrumpfenden Pleura- 4 Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen mit Mess-
prozessen oder bei Kyphoskoliose. latte, Trichter markieren (a.-p.: Mediastinalverlage-
rung, seitlich: sternovertebraler Abstand verringert –
Verhältnis Längsdurchmesser zu Querdurchmesser
Häufigkeit pathologisch verändert).
4 1 : 1000, 4 EKG (P dextrokardiale).
13 4 genetische Disposition in ca. 30% der Fälle, 4 Lungenfunktionsprüfung.
4 Jungen bevorzugt (männlich : weiblich = 3 : 1). 4 Marfan-Syndrom ausschließen (benannt nach Mar-
fan, Pädiater, Paris, 1858–1942).
Ursachen
Die Pathogenese ist unklar; es werden im Wesentlichen Therapie
folgende Theorien diskutiert: Konservativ durch Haltungsgymnastik (prä- und postope-
4 primäre Missbildung des Knorpels am sternokostalen rativ; Schwimmen)
Übergang (sternokostale Dysplasie),
4 ein pathologischer Ansatz des Lig. substernale, des Operation
Zwerchfells und/oder der Rektusmuskulatur. kIndikation
4 Medizinische Indikation nur bei hämodynamisch
Formen wirksamer Raumforderung oder bei Beeinträchtigung
4 Tiefer Trichter des Brustbeins in Höhe 4.–5. Rippe. der Lungenfunktion (sehr selten).
4 Flacher breitbasiger Trichter, in Höhe der 1. Rippe be- 4 Kosmetische Indikation bei Beeinträchtigung des
ginnend. Selbstwertgefühls.
4 Asymmetrischer Trichter. 4 OP-Alter umstritten (Störung des Knochenwachs-
4 Trichterbrust kombiniert mit Kyphose/Kyphoskoliose tums bei Korrektur vor der Pubertät)
der BWS. 4 Nur höhergradige kardiorespiratorische Störungen kön-
nen durch die Operation positiv beeinflusst werden.
Klinik 4 Bis zu 40% Rezidive 10 Jahre postoperativ.
4 Asthenischer Körperbau,
4 Haltungsschwäche, kPrinzip
4 Kyphose, 4 Rein kosmetische Operationen beschränken sich auf
4 Skoliose (15%), den Ausgleich des Weichteilprofils.
13.3 · Abdomen
597 13
4 Knöcherne Korrekturverfahren nach Rehbein und
nach Ravitch: alle Muskel- und Bindegewebsansätze
vom knöchernen Trichter ablösen, Exzision des de-
formierten Rippenknorpels und des Xiphoids; Über-
korrektur und Schienung mit Metallimplantaten.
4 Heute hat sich das minimal-invasive Verfahren ohne
Knorpelresektion, von Nuss beschrieben, zum Stan-
dardverfahren entwickelt (auch 7 Kap. 6).

Komplikationen . Abb. 13.10 Hypertrophe Pylorusstenose. (Nach Dudgeon 1993)


4 Wundinfektion.
4 Hämoperikard.
4 Pneumothorax. mit Appetitlosigkeit einher. Der Säugling trinkt sofort nach
4 Rezidiv. dem Erbrechen gierig. Durch mangelnde Nahrungsver-
4 Wachstumstörung des knöchernen Thorax. wertung kommt es zu Gewichtsstillstand oder Gewichts-
4 Die stabilisierenden Metallspangen müssen später abnahme; durch Wasser- und Elektrolytverluste zu Exsik-
wieder entfernt werden (6 Monate bei offener Korrek- kose und zu einer hypochlorämischen Alkalose. Pseudo-
tur, 2–4 Jahre nach Nuss-Prozedur). obstipation infolge reduzierter Stuhlmenge.

Diagnose
13.3 Abdomen Die Diagnose wird aufgrund der typischen Anamnese, des
in der Regel tastbaren Pylorustumors und der »Magen-
13.3.1 Hypertrophe Pylorusstenose reste« gestellt. Sonographisch ist eine typische »Pylorus-
Kokarde« nachweisbar (Pyloruswanddicke 3 mm, Länge
Definition des Pyloruskanals 15 mm), laborchemisch hypochlorä-
Subtotaler Verschluss des Magenausgangs durch Hy- mische Alkalose.
pertrophie und Fibrosierung der präpylorischen An-
trummuskulatur. Operation
Im Folgenden werden die OP-Bedingungen und der OP-
Verlauf für die Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt
Typische Erkrankung des Säuglings im 1. Trimenon. (erstmals durchgeführt im Jahr 1911; benannt nach Weber,
Chirurg, Dresden 1872–1928, und Ramstedt, Chirurg,
Häufigkeit Münster, 1867–1963) beschrieben. In der Regel wird diese
4 1 : 100–300. Operation laparoskopisch durchgeführt.
4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 4 : 1. Präoperativ muss der Magen über eine Magensonde
entleert werden.
Ätiologie
Nicht geklärt. Genetische Faktoren gesichert, exogene Fak- kIndikation
toren wahrscheinlich, aber nicht bewiesen. 4 Nach erfolgloser konservativer Behandlung.
4 Keine Notfalloperation: Flüssigkeitsdefizit und Ver-
Pathologische Anatomie änderungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haus-
Pylorusmuskulatur (Ringmuskulatur) spindelig vergrö- haltes müssen präoperativ ausgeglichen sein.
ßert (durchschnittlich ca. 3 × 1,5 cm), knorpelhart. Aboral
reicht der Pylorustumor zapfenartig ins Duodenum, oral kPrinzip
geht er fließend in die Antrummuskulatur über. Die Pylo- Längsspaltung der Pylorusmuskulatur bis auf die Submu-
ruslichtung ist bis auf ein fadenförmiges Restlumen einge- kosa ohne Verletzung der Schleimhaut.
engt, der Magen ektatisch (. Abb. 13.10).
kLagerung
Symptome 4 Wärmematte.
Nach primär unauffälligem Verlauf explosionsartiges Er- 4 Rückenlage.
brechen »im Strahl«, in der 2.–4. Lebenswoche beginnend. 4 Unterer Thorax leicht unterpolstert.
Das Erbrochene ist nie gallig, kann aber bräunlich oder mit 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
Blutfäden durchmischt sein. Es geht weder mit Fieber noch 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
598 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

kInstrumentarium
4 Grundinstrumente, 7 Die Durchtrennung der aboralen Pylorusfasern
4 Kinderlaparotomieinstrumente, kann dadurch erleichtert werden, dass der Assistent
4 kleine Lidhäkchen, mit einem feuchten Präpariertupfer die bereits frei-
4 lange anatomische Pinzette oder Wangensteen- liegende Magensubmukosa nach oral hin wegzieht.
Pinzette, 7 Zur Entspannung der starren Schnittränder können
4 stumpfes gebogenes Klemmchen, zusätzliche kleine quere Inzisionen gelegt werden.
4 monopolare Stichelelektrode, 7 Sorgfältige Blutstillung mit der bipolaren Mikro-
4 Nahtmaterial: resorbierbar 3–0 (für Lig. umbilicale), koagulationspinzette.
5–0. 7 Rückverlagerung des Pylorus in die Bauchhöhle.
7 Zählkontrolle und Dokumentation.
7 Verschluss des Peritoneums mit Einzelknopfnäh-
Pyloromyotomie nach Weber-Ramstedt, ten (resorbierbar 5–0).
Ramstedt (offen chirurgisch) 7 Schichtweiser Wundverschluss. Subkutannaht.
7 Kleine quere Oberbauchinzision (3 cm) rechts in 7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht
der Mitte zwischen Nabel und Xiphoid. mit atraumatischem resorbierbarem Nahtmaterial
7 Längsspaltung des M. rectus abdominis. (5–0). Verband.
7 Eröffnung der Bauchhöhle. (Alternativ ist auch ein 7 Entfernen der Magensonde.
trans- oder supraumbilikaler Zugang möglich.)
7 Der zwischen Inzision und Magen gelegene Le-
berrand wird mit einem Spatel weggehalten. Der ! Die Muskulatur muss vollständig durchtrennt
Magen muss leer sein. sein, aber eine Verletzung der Duodenalschleim-
7 Das Antrum wird an der großen Kurvatur mit einer haut darf auf keinen Fall übersehen werden. Die
breiten stumpfen Pinzette gefasst. Folge wäre eine gallige Peritonitis (evtl. durch
7 Durch Aufhalten des rechten Wundwinkels mit Luftinsufflation über die Magensonde prüfen).
Gegebenenfalls ist eine quere Übernähung mit
einem Lidhäkchen kann der Pylorustumor ins
resorbierbarem (6–0 atraumatisch) Nahtmaterial
Wundgebiet vorgelagert werden (nicht mit Pin-
notwendig, die durch Einschlagen eines Netzzip-
zette!), wenn man gleichzeitig den Magen vor-
fels zusätzlich gesichert werden kann.
sichtig nach links zieht.
7 Der Operateur fixiert den Pylorus mit einer ausge-
13 zogenen feuchten Kompresse zwischen Daumen
und Zeigefinger der linken Hand. (Alternativ kann
der Pylorustumor auch in der Bauchhöhle belassen
und mit 2 parallel zur Darmachse gelegten Hal-
tenähten fixiert werden. 3–0 Naht mit atrauma-
tischem, monofilem nichtresorbierbarem Faden).
7 Die Seromuskularis des Pylorustumors wird in der
gefäßarmen Zone antimesenterial mit dem Skal-
pell bis etwa in Höhe der Pylorusvene inzidiert.
Die Inzision wird mit dem Ende des Skalpellgriffs
vertieft und durch Spreizen eines stumpfen, ge-
bogenen Klemmchens so weit erweitert, bis die
der Muskularis zugewandten Seite der Submuko-
sa freiliegt und breit in die Inzision prolabiert
(. Abb. 13.11). Die Inzision reicht oral bis 1 cm
über den Pylorustumor hinaus.
7 Am Übergang zum Duodenum ist Vorsicht gebo-
ten. Um eine versehentliche Verletzung der
Schleimhaut mit Eröffnung des Duodenums zu ver-
meiden, sollten die hier gelegenen Pylorusfasern
nur stumpf durchtrennt (oder belassen) werden.
6 . Abb. 13.11 Pyloromyotomie: extramuköse Spreizung der durch-
trennten Pylorusmuskulatur. (Nach Lobe 1995)
13.3 · Abdomen
599 13

Laparoskopische Pyloromyotomie
7 Lagerung des Kindes am Fußende des OP-Tisches
(. Abb. 13.12).
7 Bogenförmige Eröffnung der Haut infraumbilikal.
Schrittweise Darstellung und Eröffnung der Faszie
und des Peritoneums.
7 Legen einer Tabakbeutelnaht (Faszie und
Peritoneum).
7 Einbringen und Fixieren eines 5-mm-Trokars für
Optik und Kamera. Anlage des Pneumoperitone-
ums (maximaler Insufflationsdruck 8 mm Hg).
Einbringen zweier Arbeitstrokare (3,5 mm) nach
Stichinzision im rechten und linken Oberbauch
unter videoskopischer Sicht. Diese Trokare wer-
den mit einer Naht fixiert, die die Bauchwand und
den bauchwandnahen Rand einer zuvor auf den
Trokar geschobenen Silikonhülse fasst (3–0;
. Abb. 13.13). . Abb. 13.12 Ergonomisch optimale Anordnung des Operati-
onsteams bei Oberbaucheingriffen des Neugeborenen: Der Opera-
7 Fixierung des Magens oral des Pylorustumors mit teur steht am Fußende des Operationstisches (O = Operateur; A1 =
einer vom linken Oberbauch eingebrachten 1. Assistent; A2 = 2. Assistent; S = instrumentierende OP-Pflegekraft;
atraumatischen Zange und Inzision der Serosa N = Anästhesist). (Nach Ure u. Metzelder 2009)
über dem verdickten Pylorus mit dem endosko-
pischen Messer in gleicher Weise wie bei der of-
fenen Operation.
7 Schnittvertiefung stumpf z. B. mit der Hülse des
endoskopischen Messers. Einbringen des Pylorus-
spreizers von rechts, mit dem die Pyloromyotomie
vervollständigt wird. Kontrolle auf vollständige
Durchtrennung aller Muskelfasern.
7 Insufflation von Luft in den Magen durch den An-
ästhesisten über die liegende Magensonde zum
Ausschluss einer Schleimhautverletzung. Aufhe-
ben des Pneumoperitoneums und Entfernen der
Trokare.
7 Naht der Faszie (resorbierbar 4–0) und der Haut
am umbilikalen Zugang. Hautverschluss der üb-
. Abb. 13.13 Durch gekürzte 18-Charr- bzw. 27-Charr-Silikonhül-
rigen Zugänge mit Klammerpflastern. Entfernung
sen, die über gewindelose, wieder verwendbare Trokare geschoben
der Magensonde. werden, kann die Fixation der Trokare an der Bauchwandfaszie mit-
tels Naht erfolgen. (Nach Ure u. Metzelder 2009)

Hinsichtlich der OP-Dauer und der Ergebnisse unterschei- 4 Wundinfektion (Staphylococcus aureus) <5%,
det sich die minimal-invasive Pyloromyotomie nicht we- 4 Wunddehiszenz <2%,
sentlich von der offenen. Die Patienten sollen postoperativ 4 Blutung <1%,
weniger erbrechen, die Nahrung früher vertragen und we- 4 Rezidivstenose <1%.
niger Schmerzen haben. Andererseits ist die Rate sowohl
der unvollständigen Myotomie als auch der versehent- Postoperative Behandlung
lichen Schleimhauteröffnung höher. 4 Magensonde entfernen (Perforationsrisiko).
4 Mit oralem Nahrungsaufbau 4 h postoperativ be-
Komplikationen ginnen.
4 Aspirationspneumonie,
4 Verletzung der Duodenalschleimhaut 6–10%,
600 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

13.3.2 Invagination Therapie


4 i.v.-Infusion.
Definition 4 Magensonde (nach länger anhaltendem Erbrechen).
Einstülpung eines Darmabschnittes (Intussuszeptum) 4 Antibiotika, kombiniert mit Metronidazol.
in einen anderen, meist aboral gelegenen (Intussuszi-
piens), der sich durch die Darmperistaltik verlängert. jKonservativ
Bis zu 90% der Invaginationen sind konservativ in Sedie-
rung (evtl. auch in Narkose) zu reponieren, entweder durch
Die Mesenterialgefäße des eingestülpten Darms werden Einlauf oder durch rektale Applikation von Luft, beides
komprimiert, seine Durchblutung beeinträchtigt. Durch unter sonographischer Kontrolle und in Operationsbereit-
venöse Stauung kommt es erst zu Wandödem und Sekreti- schaft. Nach erfolgreicher Reposition wird das Kind min-
on blutigen Schleims, der Symptomatik eines Strangulati- destens 24 h stationär überwacht. Sonographische Kon-
onsileus und schließlich zur Darmnekrose mit Peritonitis trolle, auch bei Symptomfreiheit, vor Entlassung.
und Sepsis. Häufigste Bauchschmerzursache im Kindesal-
ter nach Obstipation. jOperativ
Nur indiziert
Häufigkeit 4 wenn wiederholte konservative Repositionsversuche
4 1 : 2000. erfolglos bleiben,
4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 2–3 : 1. 4 bei Verdacht auf Darmnekrose,
4 zur Resektion eines pathologischen Invaginations-
75% der Fälle treten in den ersten beiden Lebensjahren auf, kopfes,
über 40% der Fälle zwischen 3. und 9. Monat. In vielen 4 bei akzidenteller Perforation im Verlauf konservativer
Fällen geht ein Luftwegsinfekt oder eine Gastroenteritis Repositionsversuche.
voraus (vergrößerte Peyer-Plaques). 85% ileokolisch, 10%
ileo-ileokolisch. kInstrumentarium
4 Kochsalzschale,
Ursachen 4 Grundinstrumentarium,
Über 90% der Invaginationen sind idiopathisch (in 90% 4 Nahtmaterial: 5–0 resorbierbar atraumatisch.
vergrößerte Peyer-Plaques als Invaginatkopf), 4–8% haben
13 eine organische Ursache = pathologischer Invaginatkopf
Invaginationsreposition
(jenseits des 2. Lebensjahres über 20%), 1% treten postope-
rativ auf. Pathologischer Invaginatkopf: am häufigsten Me- 7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts. Darstellung
ckel, Wandverdickung des Dünndarms (Polyp, Tumor, Blu- des Intussuszipiens, das nach Möglichkeit vor die
tung – z. B. bei M. Purpura Schönlein-Henoch und Dünn- Laparotomiewunde verlagert wird.
darmduplikatur). In 20% der Fälle ist eine spontane Repo- 7 Vorsichtige anhaltende Kompression des Invagi-
sition möglich. Passagere kurzstreckige Invaginationen des nationstumors von aboral nach oral.
Dünndarms sind bei jeder Laparotomie zu beobachten. 7 Das Ödem der Darmwand wird verringert und das
Invaginat langsam (!) reponiert, möglichst ohne
Symptome oder mit nur geringem Zug von oral. Die Durch-
4 Plötzlich auftretende kolikartige Bauchschmerzen (feh- blutungsstörung des reponierten Darms erholt
len bei 15% der Patienten) und Schreiattacken wechselnd sich allmählich (5–10 min), der Prozess kann durch
mit symptomfreien Intervallen. Zunehmende Apathie. Auflegen warmer Kochsalzkompressen gefördert
4 Erbrechen (kann ebenfalls fehlen). werden.
4 Durch die Bauchdecken tastbarer walzenförmiger Tu- 7 Einige Autoren empfehlen eine Ileoaszendopexie
mor überwiegend im rechten Oberbauch. zur Vermeidung eines Rezidivs.
4 Blutig-schleimiger Stuhl (»Johannisbeergelee-artig«). 7 Ein Meckel-Divertikel muss immer reseziert
4 Im weiteren Verlauf Fieber, Hypovolämie und Schock. werden.
7 Eine gleichzeitige Appendektomie ist umstritten.
Diagnose 7 Ein gangränöses Darmsegment wird reseziert. In
4 Typische Anamnese. der Regel ist eine primäre End-zu-End-Anastomo-
4 Sonographie (Kokardenzeichen, meist rechts). se möglich (Ausnahme: bei Peritonitis o Auslei-
4 Evtl. Röntgen-Abdomenleeraufnahme (pathologische ten der Darmenden als passagerer Kunstafter).
Luftverteilung).
13.3 · Abdomen
601 13
Laparoskopie 4 Leicht und einfach zu legen.
Die Laparoskopie kann sowohl diagnostisch als auch the- 4 Keine Laparotomie erforderlich.
rapeutisch eingesetzt werden, insbesondere bei ileo-ilealen 4 Kurze Narkosedauer, keine Relaxation; Anlage in Lo-
Invaginationen, die einer konservativen Behandlung nicht kalanästhesie möglich (bei älteren Kindern).
zugänglich sind. Therapeutisch kann das Invaginat jedoch 4 Kurze OP-Dauer (10 vs. 60 min).
nur durch Zug reponiert werden. 4 Geringere Komplikationsrate (5–9% vs. 7–15%),
Mortalität ca.1%.
Rezidive 4 Kurze postoperative Rekonvaleszenz.
Rezidivhäufigkeit: 8–15%, nach konservativer Reposition 4 Geringere Leakage von Magensaft o Haut.
häufiger als nach operativer. Zwei Drittel der Rezidivpati- 4 Geringes Risiko im Hinblick auf intraabdominale
enten haben nur ein Rezidiv, ein Drittel hat mehr als ein Re- Verwachsungen, Briden etc.
zidiv (bis zu 8% noch während des stationären Aufenthaltes). 4 Geringere Kosten.
Bei wiederholtem Rezidiv wird ein pathologischer Invaginat- 4 Sonde kann nicht versehentlich gezogen werden.
kopf in 14% der Fälle gefunden. Die Erfolgsrate konservati- 4 Sonde muss nicht gewechselt werden.
ver Reposition bei rezidivierender Invagination beträgt etwa 4 Fistel schließt sich spontan nach Sondenentfernung.
95%. Eine Operation ist bei Rezidiv nur indiziert, wenn
4 die Invagination konservativ irreponibel ist, Nachteil der PEG
4 bei Darmperforation nach konservativem Repositi- Nachteilig ist, dass die Sonde immer liegen bleiben muss.
onsversuch,
4 bei Nachweis eines pathologischen Invaginatkopfs. Voraussetzung
4 Kinder über 2 Jahre bzw. über 2,5 kg Körpergewicht.
Mortalität 4 Ösophagus muss für das Gastroskop bzw. für die
Die Mortalität beträgt <1%. Rückhalteplatte der Sonde weit genug sein.

Operation
13.3.3 Perkutane endoskopisch geführte kIndikation
Gastrostomie (PEG) Die PEG wird zur gastralen Ernährung gelegt, wenn eine
adäquate orale Nahrungsaufnahme nicht möglich ist.
Definition
Anlage einer intubierten Fistel zwischen Magenlumen kKontraindikationen
und Bauchhaut. Absolute Kontraindikationen sind:
Eine Fistel (fistula = »Röhre«) ist ein angeborener 4 Gerinnungsstörung.
oder erworbener röhrenförmiger Gang zwischen Kör- 4 Peritonitis.
perhöhlen und/oder der äußeren oder inneren Kör- 4 Ileus.
peroberfläche. 4 Gastroösophagealer Reflux. (Ca. 30% der Kinder mit
gastroösophagealem Reflux und PEG brauchen später
eine Fundoplikatio.)
Man unterscheidet: 4 Ösophagusstenose.
4 Röhrenfistel: 4 Portaler Hypertonus.
5 Mit Granulationsgewebe ausgekleidet. 4 Megakolon.
Zum Beispiel operativ angelegt durch eine perku-
tane endoskopisch geführte Gastrostomie (PEG). Relative Kontraindikationen sind:
4 Lippenfistel: 4 Aszites.
5 Mit Epithel ausgekleidet. 4 Ventrikuloperitonealer Shunt.
Zum Beispiel operativ angelegt durch Gastrostomie. 4 Vorausgegangene Laparotomie.
Beispiele: Witzel-Fistel (1891), Stamm-Gastrosto- 4 Mikrogastrie.
mie (1894) oder Kader-Fistel (1896), Glassman, Ja-
naway/Beck-Jianu (»kontinente« Lippenfistel mit kLagerung
Nippel). Rückenlage.

Vorteile der PEG kInstrumentarium


Vorteile der PEG (Röhrenfistel) im Vergleich zu einer ope- 4 PEG-Set,
rativ angelegten Gastrostomie (Lippenfistel) sind: 4 Gastroskop mit Fremdkörperfasszange.
602 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

kPräoperativ 4 Erster Verbandwechsel nach 3 Tagen, dabei die Positi-


4 EKG-Monitor, on der Halteplatte nicht verändern.
4 O2-Sättigung, 4 Duschen und Baden nach 1 Woche.
4 perioperative Antibiotikaprophylaxe, 4 Weitere Verbandwechsel nach Bedarf (mindestens 2-
4 oropharyngeale Lokalanästhesie. mal pro Woche).
4 Elterngespräch: PEG-Pass, Anleitung, Adresse der
ambulanten Ernährungstherapeuten und Prospekt
PEG-Anlage
mit Bestellnummern für Zubehör (Überleitungs-
7 Hautdesinfektion, Abdeckung. stücke, Konnektoren etc.) mitgeben.
7 Unsteril Gastroskop einführen, Varizen, Ulzerati-
onen, Pylorusstenose ausschließen. Komplikationen
7 Lokalisation des PEG-Stoma endoskopisch: Die folgenden Komplikationen treten in 10–20% der Fälle
– Fundusvorderwand medial der großen auf:
Kurvatur. 4 Peritonitis.
– Bauchwand: ausreichender, mindestens 4 cm 4 Leckage (Therapie konservativ: häufige Verband-
langer Abstand zum Rippenbogen! (Schmerzen, wechsel, Sonde offen lassen; hört nach ca. 10 Tagen
Perichondritis!). auf).
7 Transillumination bei abgedunkeltem OP-Saal. 4 Stomainfektion (lokal: Betaisodona, systemisch: H2-
7 Sondenspitze in Wasser einlegen. Blocker, Antibiotika, Eradikation von Helicobacter
7 Handschuhwechsel. pyloris).
7 Ggf. Setzen der Lokalanästhesie, Kanüle unter ste- 4 Blutung (wenn anhaltend: revidieren!).
rilen Bedingungen bis in Magen vorschieben. 4 Pneumoperitoneum (bis über 50% der Fälle, ohne kli-
7 Hautinzision (Skalpell Gr. 11) 3 mm und Punktion des nische Bedeutung).
Magens mit einer Braunüle, unter endoskopischer 4 Verletzung des Ösophagus.
Sicht. Kanüle mit Endoskopfasszange fixieren. 4 Kolonperforation/gastrokolische Fistel (2,2%).
7 Vorbereitete Fadenschlinge aus dem Set in 4 Hautnekrose unter der Rückhalteplatte.
die Braunüle einführen, mit der Fasszange fassen 4 Fadenriss.
und zusammen mit dem Endoskop herausziehen. 4 Katheterbruch (und Dislokation der intragastralen
7 Fadenschlinge mit der PEG-Sonde verbinden, Rückhalteplatte).
13 Sonde mit Instillagel gleitfähig machen. 4 Lösung des Magens von der Bauchwand (o Peritoni-
7 Zurückziehen des Fadens und Platzieren der tis).
Sonde (o Mund o Pharynx o Ösophagus 4 Verletzung des linken Leberlappens.
o Magen). 4 Verlegung des Magenausgangs infolge Dislokation
7 Bauchdecken sind zwischen 1 und 4 cm dick, Mar- der Rückhalteplatte/des Ballons.
kierung an der Sonde beachten, Kontrollgastro- 4 Netz-Prolaps.
stomie in der Regel überflüssig. 4 Ausbleibender Spontanverschluss nach temporärer
7 Rückhalteplatte anbringen. Gastrostomie (10–18%; Therapie: Silbernitrat oder
7 Sicherungsvorrichtung (blau), Ritsch-Ratsch-Klem- elektrochirurgische Verschorfung, ggf. Laparotomie
me und Einfüllstutzen anbringen. und offene Revision).

Alternativ kann die PEG auch laparoskopisch angelegt 13.3.4 Duodenalstenose


werden. Wegen der Gefahr der Sondenverstopfung sollte und Duodenalatresie
auch bei kleinen Kindern eher eine dickere Sonde
(14 Charr) gewählt werden. Definition
Angeborener, teilweiser (Stenose) oder vollständiger
Postoperativ (Atresie) Verschluss des Duodenums.
4 Inbetriebnahme nach 24 h, bis dahin offen lassen!
4 Spannung der Rückhalteplatte für 3 Tage belassen
(bei unterernährten Patienten und bei Patienten Häufigkeit
mit Steroid- oder immunsuppressiver Behandlung 4 1 : 10.000.
5–7 Tage), aber nicht länger als 7 Tage (Cave: Druck- 4 Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen.
nekrosen am Magen und an der Bauchwand). 4 Atresien (81%) sind häufiger als Stenosen (19%).
13.3 · Abdomen
603 13
Begleitfehlbildungen
Häufig, insgesamt bis 50%:
4 Trisomie 21,
4 Malrotation,
4 Herzfehler,
4 Ösophagusatresie.
! Mekoniumabgang spricht nicht gegen
Duodenalobstruktion.
Diagnose
4 Röntgen (Abdomenübersicht im Hängen): »double
bubble« (Doppelspiegel: größerer Spiegel links = Ma-
gen, kleinerer Spiegel rechts = ektatisches prästeno-
tisches Duodenum) bei im Übrigen luftleerem Abdo-
men spricht für Duodenalatresie; zusätzliche Luft im
Darm spricht für Stenose.
4 Ausschluss assoziierter Anomalien.
4 Pränatale Diagnose möglich (ab 7.–8. Monat).

Präoperative Maßnahmen
4 Nasogastrische Ablaufsonde.
4 Intravenöser Zugang und Korrektur der Flüssigkeits-
. Abb. 13.14 Duodenalstenose/-atresie mit Pankreas anulare:
prä- und poststenotische Inzisionslinien der Duodenalwand. (Nach und Elektrolytverluste.
Menardi 1994)
OP-Voraussetzungen
Keine Notfalloperation (außer bei Malrotation mit Volvu-
Anatomie lus): Flüssigkeitsdefizit und Veränderungen des Elektrolyt-
Man unterscheidet intrinsische und extrinsische Ursachen haushalts müssen präoperativ ausgeglichen sein, Kreislauf-
(. Abb. 13.14.). verhältnisse stabil, Körpertemperatur im Normbereich.
4 Intrinsische Ursachen:
5 Atresie: vollständiger Verschluss, z. B. membranös, Operation
strangförmig oder Kontinuitätsunterbrechung mit kPrinzip
V-förmigem Mesenterialdefekt, Mehrfachatresie, Umgehung der Stenose/Atresie durch Duodeno-Duode-
Pankreas anulare mit Atresie. nostomie Seit-zu-Seit (bzw. Duodenotomie und Exzision
5 Stenose: unvollständiger Verschluss, z. B. Membran der Membran).
mit zentraler Perforation, Duodenalduplikatur,
Gewebeheterotopie. kLagerung
4 Extrinsische Ursachen: 4 Wärmematte, Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn.
5 Meist Stenose: z. B. Pankreas anulare, Ladd-Bän- 13.1.1).
der (benannt nach Ladd, Kinderchirurg, Boston, 4 Rückenlage, Gelrolle unter thorakolumbalen Über-
1880– 1967), Darmdrehungsanomalien, präduo- gang.
denale Pfortader, arteriomesenterialer Duodenal- 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
verschluss.
5 Im Allgemeinen (85%) liegt das Passagehindernis kInstrumentarium
unmittelbar aboral der Vater-Papille (benannt 4 Grundinstrumente,
nach Vater, Anatom, Wittenberg, 1684–1751). 4 Kinderlaparotomieinstrumente,
4 Mikroinstrumentarium,
Klinik 4 Kochsalzschale,
4 Hydramnion der Mutter (50%). 4 Teflonspatel,
4 Häufig dystrophe Neugeborene oder Frühgeborene. 4 Spritze (10 ml),
Galliges Erbrechen, leicht aufgetriebener Oberbauch 4 Magensonde 6 oder 8 Charr,
in den ersten Stunden nach der Geburt, bei Stenosen 4 Lupenbrille,
später; Ikterus (30%). 4 resorbierbares atraumatisches Nahtmaterial 5–0, 6–0.
604 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Duodeno-Duodenostomie
7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts ein Querfin-
ger kranial des Hautnabels.
7 Ausschluss einer Darmdrehungsanomalie.
7 Mobilisierung der rechten Kolonflexur nach medi-
al und des Duodenums nach Kocher.
7 Intrinsische oder extrinsische Stenose?
a
7 Vorschieben der Magensonde ins Duodenum. Ein
Stopp in Höhe des Lumensprungs und eine Ein-
ziehung der Duodenalwand oral davon weisen c
auf eine Duodenalmembran.
7 Nach Legen von Haltenähten und Abdecken des
Duodenums gegen die übrige Bauchhöhle wird
das Duodenum oral der Einziehung quer, aboral
längs eröffnet. b
7 Instillation steriler körperwarmer Ringer-Lösung
über eine sterile Sonde (6 oder 8 Charr) ins Duo- . Abb. 13.15 a–c Duodeno-Duodenostomie Seit-zu-Seit. (Nach Ki-
denum aboral des Verschlusses zum Ausschluss mura et al. 1990)
weiterer Atresien.
7 Legen der Ecknähte und Naht der Hinterwand der
Duodeno-Duodenostomie mit resorbierbaren Ein- Postoperativ
zelknopfnähten (6–0 atraumatisch) einreihig Magensonde offen ablaufend. Darmmotilitätsstörungen
(. Abb. 13.15a–c). durch das prästenotische Megaduodenum sowie Zottena-
7 In gleicher Weise Naht der Vorderwand, evtl.
trophie im postatretischen Dünndarm können den post-
nach Einlage einer transanastomotischen Schiene
operativen Nahrungsaufbau erschweren.
(6 oder 8 Charr).
7 Spülung des Wundgebietes und Entfernung sämt-
licher Blutkoagel.
7 Zählkontrolle und Dokumentation. 13.3.5 Mekoniumileus
7 Verschluss des Peritoneums mit resorbierbaren
13 Einzelknopfnähten (5–0 atraumatisch). Definition
7 Schichtweiser Verschluss der Bauchdecken (Ein- Mechanischer Neugeborenenileus durch Obturation
zelknopfnähte resorbierbar, 5–0 atraumatisch). des terminalen Ileums mit eingedicktem Mekonium.
Subkutannaht.
7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht
mit atraumatischem resorbierbarem Faden (6–0). Ätiologie
7 Verband. Ein Mekoniumileus ist die früheste Manifestation einer Mu-
7 Vorsicht bei der Exzision einer Duodenalmembran koviszidose (CF) und kommt bei 10–15% der Patienten mit
(Verletzungsgefahr für den Ductus choledochus, dieser Erkrankung vor. 90–95% der Kinder mit Mekonium-
der auf der Membran verlaufen kann). ileus haben eine Mukoviszidose. Hierbei handelt es sich um
7 Eine gleichzeitig vorliegende Darmdrehungsano- eine autosomal rezessive Stoffwechselerkrankung, bei der es
malie wird entweder durch eine Ladd-Operation
durch abnorme Sekretbildung u. a. der Bauchspeicheldrüse
(Durchtrennung der Bänder, Linkslagerung des
und der Becherzellen der Darmoberfläche zur Bildung eines
Dickdarmes) oder durch vollständige anatomische
besonders zähen Mekoniums kommt. Dieses Mekonium hat
Korrektur behandelt.
eine Konsistenz wie Fensterkitt oder Kaugummi, haftet an
7 Ein Pankreas anulare wird nicht durchtrennt, weil
– es häufig mit einer intrinsischen Duodenalste- der Darmwand und verlegt die Lichtung des Endileums (die
nose kombiniert ist, letzten 10–15 cm vor der Ileozäkalklappe). Die Krankheit
– es teilweise intramural liegen kann, kann bereits intrauterin beginnen.
– die Durchtrennung mit dem Risiko einer post-
operativen Pankreatitis und einer Pankreasfistel Formen
verbunden ist. 4 In zwei Drittel der Fälle liegt ein unkomplizierter Me-
7 Eventuell in gleicher Sitzung ZVK legen. koniumileus vor, der mit einem Einlauf mit N-Acetyl-
7 Eine zusätzliche Gastrostomie ist selten indiziert. cystein behandelt werden kann (evtl. Einlauf mit ver-
dünntem Gastrographin).
13.3 · Abdomen
605 13
4 In einem Drittel der Fälle ist der Mekoniumileus
kompliziert durch einen Volvulus, eine Darmperfora- Mekoniumileus
tion (Mekoniumperitonitis, Sepsis) oder eine Dünn- 7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts.
darmatresie. 7 Abdecken des OP-Feldes mit Bauchtüchern.
7 Enterotomie zwischen Haltefäden oral des mit
Klinik perlschnurartig eingedicktem Mekonium ver-
Neugeborenenileus: stopften Endileums. Der gestaute und dilatierte
4 aufgetriebenes Abdomen meist von Geburt an, orale Dünndarm wird entleert bzw. abgesaugt.
4 galliges Erbrechen, Einbringen eines dünnen Katheters mit abgerun-
4 evtl. Stuhlerbrechen (Dünndarminhalt), deter Spitze in das aborale Ileum, das mit 2%iger
4 fehlender Mekoniumabgang. N-Acetylcysteinlösung gespült wird. Damit ge-
lingt es meist, das eingedickte Mekonium zu ent-
Differenzialdiagnose fernen und die Darmpassage wiederherzustellen.
An M. Hirschsprung mit totaler Aganglionosis coli den- 7 Sparsame Skelettierung und Durchtrennung des
ken. Dünndarms in Höhe der Enterotomie. Eine Darm-
resektion ist selten erforderlich.
Diagnose 7 Der orale Dünndarm wird antimesenterial End-zu-
4 Röntgen (Abdomenübersicht im Hängen): dilatierte Seit mit dem aboralen anastomosiert (5–0 bzw. 6–
Darmschlingen, keine Spiegel, kleinblasige Areale wie 0 atraumatisch resorbierbar), etwa 4–6 cm aboral
Seifenblasen, evtl. fleckförmige Verkalkungen. der Durchtrennungslinie (. Abb. 13.16).
4 Kolonkontrasteinlauf: Mikrokolon. 7 Das aborale lleum wird als endständiges Ileosto-
ma rechts ileakal so ausgeleitet, dass das lleum
Operation die Bauchhaut 0,5–1 cm überragt (resorbierbare
kIndikation Fäden 6–0).
Beim komplizierten Mekoniumileus ist die Indikation zur 7 Zählkontrolle und Dokumentation.
Operation dringlich. 7 Verschluss der Laparotomie in Schichten (resor-
bierbare Fäden 5–0).
kPrinzip 7 Hautnaht (resorbierbare Fäden 6–0).
Bishop-Koop-Fistel (H. Bishop und E. Koop, zeitgenös- 7 Verband.
sische Kinderchirurgen, Philadelphia): Endständiges Sto- 7 Eventuell Anlage eines ZVK in gleicher Sitzung.
ma mit aboralem Ileum, mit dem das orale Ileum End-zu- 7 Bei unkompliziertem Mekoniumileus kann ein pri-
Seit anastomosiert wird o ermöglicht Spülung des End- märer Verschluss der Enterotomie erwogen werden.
ileums, funktioniert als Überlaufventil bei gleichzeitig
möglicher Darmpassage.
Das Stoma wird bei unkompliziertem Verlauf ca. 10–
kLagerung 12 Wochen nach der Erstoperation verschlossen.
4 Rückenlage; unterer Thorax leicht unterpolstert.
4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.

kInstrumentarium
4 Grundinstrumente,
4 Kinderlaparotomieinstrumente,
4 Kochsalzschale,
4 Saugkanüle,
4 5-Charr-Katheter mit abgerundeter Spitze,
4 2 Spritzen (10 ml)
4 2%ige N-Acetylcysteinlösung,
4 Nahtmaterial: 5–0 und 6–0 resorbierbar.

. Abb. 13.16 Bishop-Koop-Fistel. (Nach Rowe et al. 1995)


606 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

13.3.6 Morbus Hirschsprung Assoziierte Anomalien


Assoziierte Anomalien treten in bis zu 20% der Fälle auf:
Definition 4 Trisomie 21 (10%),
Angeborene Erkrankung (benannt nach Hirschsprung, 4 Herzfehler,
Pädiater, Kopenhagen, 1830–1916) mit mehr oder we- 4 Hydronephrose,
niger vollständiger funktioneller Dickdarmpassage- 4 Megaureter,
störung, verbunden mit 4 Waardenburg-Syndrom, Undine-Syndrom.
4 dem Fehlen intramuraler Ganglienzellen im un-
tersten (am weitesten aboral) gelegenen Ab- Pathogenese
schnitt des Verdauungstrakts und Die Pathogenese ist multifaktoriell und multigenetisch. Es
4 einem abnormen oder fehlenden Öffnungsreflex handelt sich um eine Migrationsstörung der Neuroblasten.
des M. sphincter ani internus (sog. Analsphinkter- Diese wandern zwischen der 3. und 12. Schwangerschafts-
achalasie). woche aus den pharyngealen Vaguskernen in kraniokau-
daler Richtung zunächst in den Plexus myentericus Auer-
bach (Auerbach, Neuropathologe, Breslau, 1828–1897) ein
Klassifikation und von da in den submukösen tiefen Plexus (Henle-Ple-
. Tab. 13.3. xus; benannt nach Henle, Anatom, Göttingen 1809–1885)
und oberflächlichen Plexus (Meißner-Plexus; benannt
Häufigkeit nach Meißner, Anatom und Physiologe, Basel, Göttingen,
4 1 : 3.000 bis zu 1 : 5.000. 1829–1905). Die genaue Ursache der Anomalie ist nicht
4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 4–5 : 1. bekannt.
(Bei langstreckigen Aganglionosen nähert sich das Die Besiedelung der Darmwand mit Nervenzellen wird
Geschlechterverhältnis 1 : 1) von Genen gesteuert. Eine wesentliche Bedeutung kommt
4 Familiär gehäuft in 4–20%. dabei dem RET-Gen (auf Chromosom 10; RET = »rear-
4 Wiederholungsrisiko 4% für Geschwister und Kinder, ranged during transfection«) zu, entweder allein oder in
bei totaler Aganglionosis coli mehr als10%. Kombination mit anderen Genen. RET-Mutationen wer-

. Tab. 13.3 Klassifikation des M. Hirschsprung

13 1 Aganglionose Ultrakurze Aganglionose (bis maximal 3cm oral des anocutanen Übergangs)
(ca. 50%)
Rektum (20%)

Kurze Aganglionose (klassische Form), Rektum und Rektosigmoid (60%)

Langstreckige Aganglionose (über das Sigma hinaus – 10–15%)

Totale Aganglionosis coli (Zuelzer-Wilson-Syndrom – 5–10%) Bis zum terminalen Ileum (75%)
Bis zum mittleren Ileum (20%)
Bis zum Jejunum (5%)

2 Hypogang- Isoliert
lionose
Hypoganglionäres Übergangssegment bei Aganglionose

3 Neuronale in- Hyperplasie des Plexus submucosus mit Riesenganglien (NID Typ B – 41%)
testinale Dys-
Unterform mit Ganglionzellheterotopien in der Submukosa
plasie (NID)
Unterform mit Hypoplasie oder Aplasie des Sympathikus

NID-ähnliche Läsionen bei Neurofibromatose und multiple Neoplasie (MEN IIb)

4 Unreife der (ca. 10%)


Ganglienzellen

5 Desmose (fehlendes Bindegewebsgerüst der glatten Muskelfasern des Darms;


Ganglienzellen sind vorhanden)

6 Erworbene In- (Diabetes mellitus, Chagas-Krankheit)


nervations-
störungen
13.3 · Abdomen
607 13
den bei 49% der familiären Hirschsprung-Fälle nachgewie- Klinik
sen sowie bei 35% der sporadischen und bei 76% der lang- Die Symptome des M. Hirschsprung sind je nach Lebens-
streckigen Hirschsprung-Formen. alter unterschiedlich. Über 90% der Kinder werden heute
Differenzierung und Überleben der zunächst pluripo- im Neugeborenenalter diagnostiziert. Bei gutartigem Ver-
tenten Zellen der Neuralleiste werden u. a. von dem SOX- lauf stehen verzögerter Mekoniumabgang (>48 h), aufge-
10-Gen (SOX = »sex determining region box«) gesteuert, triebenes Abdomen und Nahrungsverweigerung im Vor-
das bei bestimmten Hirschsprung-Patienten ebenfalls Mu- dergrund des klinischen Bildes.
tationen aufweist (Waardenburg-Syndrom). Die Krankheit kann aber auch als tiefer Ileus mit auf-
Die Aganglionose betrifft immer den am weitesten ab- getriebenem Abdomen und galligem (oder kotigem) Er-
oral gelegenen Teil des Rektums und reicht unterschiedlich brechen oder fulminant unter dem Bild einer schweren
weit nach oral. In 75–80% der Fälle sind Rektum und Rek- Sepsis mit Schock, Gerinnungsstörung und Nierenversa-
tosigmoid aganglionär. Ein ultrakurzes Segment findet gen verlaufen. Dann ist es schwierig herauszufinden, ob die
sich in 10–15%, eine isolierte Analsphinkterachalasie in Darmfunktionsstörung Ursache oder Folge der Sepsis ist.
5%, eine totale Aganglionosis coli in 3–12% (Zuelzer-Wil- Diese schwerste Verlaufsform geht mit einer lebensbedro-
son-Syndrom; benannt nach Zuelzer, amerikanischer Pa- henden ulzerierenden Enterokolitis einher. Vereinzelt
thologe, 1909–1987, und Wilson, zeitgenössischer US- kommt eine Peritonitis infolge Darmperforation (meist
amerikanischer Arzt). des Zäkums) vor.
Das wandhypertrophierte Megakolon geht trichterför- Der M. Hirschsprung ist eine Erkrankung des reifen
mig in das aborale normalweite aganglionäre Segment Neugeborenen. Im Kleinkindesalter sind die führenden
über. Der Übergang vom distalen aganglionären Segment Symptome schwere, weder diätetisch noch medikamentös
zum normal innervierten Darm ist histologisch charakte- zu beeinflussende Obstipation mit massiv aufgetriebenem
risiert durch eine Zone mit vermindertem Ganglienzellbe- Abdomen, fehlender Stuhldrang, Gedeihstörung und Anä-
satz, deren Länge variabel ist und weder röntgenologisch mie. In Einzelfällen wird die Diagnose erst im Erwachse-
noch intraoperativ makroskopisch beurteilt werden kann nenalter gestellt.
(. Abb. 13.17). Die Länge des aganglionären Segments korreliert nicht
mit dem klinischen Erscheinungsbild.
Pathophysiologie
Das aganglionäre Segment nimmt an der geordneten, von Diagnose
oral nach aboral gerichteten propulsiven Peristaltik nicht Typisch ist die Anamnese mit im Neugeborenenalter be-
teil und wirkt so als funktionelles Passagehindernis, vor ginnender Obstipation. Digitorektal tastet man ein leeres
dem sich der Darminhalt staut. Das Megakolon ist sekun- Rektum. In der Röntgen-Abdomenübersicht finden sich
där. Immer besteht eine Öffnungsschwäche des inneren luftgefüllte erweiterte Darmschlingen, wenig Luft im klei-
Schließmuskels (M. spincter ani internus), die Analsphink- nen Becken. Im Kontrasteinlauf (beim Neugeborenen mit
terachalasie. isomolarem wasserlöslichem Kontrastmittel) ohne vorhe-
rigen Reinigungseinlauf ist ein enggestelltes Rektum ty-
pisch, oral davon ein trichterartiges Übergangssegment, an
das sich nach oral das (symptomatische) Megakolon an-
schließt. Der Katheter für den Kontrasteinlauf darf nur in
den Analkanal eingeführt werden.
Radiologisch können nur etwa 75% der Hirschsprung-
Patienten diagnostiziert werden. Das Übergangssegment
wird nur in etwa 60% korrekt dargestellt.
Die Elektromanometrie des Enddarms zeigt »mass con-
tractions«, Abbrechen der propulsiven Wellen im agangli-
onären Segment, fehlende Adaptationsreaktion, fehlende
Internusrelaxation bei Dehnung des Rektums und ein er-
höhtes anorektales Ruhedruckprofil (zuverlässig erst nach
dem 12. Lebenstag).
Diagnostische Bedingung sine qua non ist die Rektum-
schleimhautsaugbiopsie, die ohne Narkose 2,5 und 8 cm
oral der Linea dentata entnommen und gekühlt innerhalb
. Abb. 13.17 Schematische Darstellung des Morbus Hirschsprung. von 4 h der histochemischen Untersuchung zugeführt
(Nach Nixon et al. 1992) wird. Eine kontinuierlich verstärkte Acetylcholinesterase-
608 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

aktivität in einem dichten intramukösen Nervengeflecht


gilt als beweisend. Auch hier ist eine sichere Diagnose erst
nach der 2. Lebenswoche möglich, evtl. unterstützt von
weiteren immunhistochemischen Methoden.
Laparoskopisch oder zum Zeitpunkt der Kunstafteran-
lage können offene Biopsien der Tunica muscularis des
Dickdarms entnommen werden, die eine direkte histolo-
gische Beurteilung des intramuralen Ganglienzellgehaltes
erlauben.
Eine pränatale Diagnose ist auch mit molekulargene-
tischen Methoden nicht möglich wegen der unterschied-
lichen Penetration der genetischen Veränderung und ihrer
Varianz in Abhängigkeit von Geschlecht und Länge der
aganglionären Segmente.

Differenzialdiagnose
Im Neugeborenenalter: . Abb. 13.18 Schematische Darstellung der Rehbein-Operation.
4 Mekoniumileus, (Nach Herzog 1981)
4 Mekonium-Pfropf-Syndrom,
4 nekrotisierende Enterokolitis,
4 Sepsis,
4 Hirnblutung,
4 Hypothyreose,
4 Nebennierenblutung,
4 von der Mutter eingenommene Medikamente oder
Drogen.

Im Kleinkindesalter:
4 chronische habituelle Obstipation,
13 4 Analstenose (entweder angeboren in Form einer ano-
rektalen Anomalie oder erworben bei Analfissur oder . Abb. 13.19 Schematische Darstellung der Operation nach Soave.
(Nach Herzog 1981)
nach operativer Korrektur einer anorektalen Malfor-
mation).
werden kann – entweder präoperativ laparoskopisch oder
Therapie intraoperativ durch Schnellschnittuntersuchungen. 5 ver-
Eine konservative Behandlung ist allenfalls bei milden Ver- schiedene Verfahren haben sich durchgesetzt:
laufsformen möglich (Einläufe und Darmspülungen). Ver- 4 Rektosigmoidektomie mit extraanaler Anastomose
einzelt wurde über positive Behandlungsresultate mit nach Swenson (benannt nach O. Swenson, zeitgenös-
Botulinumtoxin berichtet. Bei den meisten Kindern wird sischer US-amerkanischer Kinderchirurg).
eine ein- oder mehrzeitige Resektion des aganglionären 4 Tiefe anteriore Resektion nach Rehbein 1956 (. Abb.
Darmabschnitts – meist zwischen dem 4. und 8. Lebens- 13.18; benannt nach F. Rehbein, Kinderchirurg, Bre-
monat – vorgenommen. men, 1911–1991).
4 Retrorektaler Durchzug mit transanaler Seit-zu-Seit-
Operation Anastomose nach Duhamel und Grob (1956/1960 be-
In der Regel ist nur die operative Behandlung erfolgreich. nannt nach Duhamel, Kinderchirurg, Paris, und
Grob, Kinderchirurg, Zürich, 1901–1976).
kPrinzip 4 Durchzug durch demukosierten Rektumstumpf nach
Resektion sowohl des aganglionären als auch des hypogan- Soave (1963 . Abb. 13.19; benannt nach Soave, Kin-
glionären Segmentes mit Schwächung des M. sphincter ani derchirurg, Turin).
internus. Die anorektale Kontinenz muss erhalten bleiben. 4 Die Technik der Wahl ist heute der transanale endorek-
Entscheidend für den Erfolg der Operation ist die nach oral tale Durchzug nach de la Torre-Mondragou (Kinder-
vollständige Resektion des hypoganglionären Segmentes, chirurg, Mexiko). Dieses Verfahren kann sowohl offen
das nur durch wanddurchgreifende Biopsien bestimmt als auch laparoskopisch durchgeführt werden.
13.3 · Abdomen
609 13
Alle 5 Verfahren führen zu ähnlichen Ergebnissen, jedoch 4 10-ml-Spitze mit dünner Kanüle,
ist keines für alle Situationen geeignet. Ein alternatives 4 Adrenalin (Epinephrin) 1 : 200.000 mit physiolo-
Vorgehen ist die langstreckige extraperitoneale Myekto- gischer Kochsalzlösung verdünnt,
mie, die von einem posterioren sagittalen Zugang durch- 4 Rahmen,
geführt wird und nicht zwingend die Anlage eines Kunst- 4 Nahtmaterial: resorbierbar 4–0 und 5–0 atraumatisch;
afters erfordert. nicht resorbierbar monofil 4–0 atraumatisch.

jTransanaler endorektaler Durchzug (»transanal


endorectal pull through«; TEPT) nach de la Torre Transanaler endorektaler Durchzug
kPrinzip (»transanal endorectal pull through«; TEPT)
nach de la Torre
Einzeitiger elektiver Eingriff. Ein Enterostoma wird nur
noch in Ausnahmefällen (durch konservative Maßnahmen 7 Erneute ausgiebige Reinigung des Rektums mit
nicht ausreichend zu entlastende Passagestörung, Entero- Kompressen und physiologischer NaCl-Lösung.
kolitis, totale Aganglionosis coli) angelegt, in der Regel in Der anokutane Übergang wird mit 8 (–12) Haltefä-
den aufgespannt (. Abb. 13.20a).
Form eines doppelläufigen Kunstafters entweder im rech-
7 Infiltration der Submukosa mit 1 : 200.000 ver-
ten Querkolon oder im Endileum. Im normal innervierten
dünnter Adrenalinlösung. Zirkuläre Inzision der
Darm angelegt,
Schleimhaut 1 cm oral der Linea dentata.
4 dient es der Entlastung des Megakolons,
7 Eingehen auf die Submukosa, dorsal beginnend,
4 ermöglicht es enterale Ernährung und Gedeihen,
die stumpf von der Tunica muscularis propria ab-
4 dient es dem Schutz der späteren Enddarmanastomose, gelöst wird (. Abb. 13.20b). Dazu werden weitere
4 reduziert es das Risiko einer Enterokolitis. Haltenähte in die Mukosa oral der Inzision gelegt.
7 Nach Präparation eines etwa 7 cm langen
Operationsziele sind die Resektion des aganglionären Seg- Schleimhautzylinders wird die Muscularis propria
ments zusammen mit dem hypoganglionären Übergangs- zirkulär eröffnet (in der Regel kranial der peritone-
segment und dem Megakolon und die Anastomose gesun- alen Umschlagfalte (. Abb. 13.20c).
den, normal innervierten Darms mit dem Enddarm oral 7 Durch Zug an dem ausgelösten Schleimhautzylin-
des M. sphincter ani internus. der wird das intraperitoneale Rektum und schließ-
lich das Sigma ins anale Wundgebiet durchgezo-
kPräoperative Maßnahmen gen (. Abb. 13.20d).
Die histologische Untersuchung präoperativ laparosko- 7 Die Mesenterialgefäße werden zwischen Liga-
pisch entnommener Biopsien der Dickdarmwand erlaubt turen durchtrennt. Cave: Blutung aus retrahierten
die sichere Bestimmung der Resektionsgrenze v. a. in Ein- Gefäßstümpfen.
richtungen, in denen eine intraoperative Schnellschnittun- 7 Die Präparation wird bis 10–15 cm oral des Mega-
tersuchung der Ganglienzellen des Auerbach-Plexus nicht kolons fortgesetzt, ggf. müssen dazu A. und V. rec-
möglich ist. Ausgiebige Reinigung des Dickdarms auf der talis superior zwischen Durchstechungsligaturen
Kinderstation durch Einläufe. Perioperative Antibiotika- durchtrennt werden.
prophylaxe mit einer Kombination aus einem Breitband- 7 Die demukosierte Muskelmanschette des (agang-
lionären) Rektumstumpfes sollte nicht zu lang be-
antibiotikum (z. B. Ampicillin) mit einem Aminoglykosid
lassen werden, 4–5 cm genügen. Sie wird dorsal in
und Metronidazol. Zusätzliche Kaudalanästhesie.
der Medianlinie gespalten bis zum M. sphincter
ani internus.
kLagerung
7 Sorgfältige Blutstillung.
Nach Intubation und Kaudalanästhesie Steinschnittlage
7 Der mobilisierte Darm wird reseziert (. Abb. 13.20e),
mit angehobenem Gesäß am Fußende des OP-Tisches. nachdem die normale Innervation des Resektions-
Wenn eine gleichzeitige Laparotomie sicher ausgeschlos- randes entweder präoperativ endoskopisch oder in-
sen ist, wird die Operation in Bauchlage mit angehobenem traoperativ durch Schnellschnittuntersuchung gesi-
Gesäß und rechtwinklig gebeugten Hüftgelenken vorge- chert wurde. Koloanale Anastomose End-zu-End
nommen. Blasenkatheter fakultativ. einreihig mit Einzelknopfnähten (. Abb. 13.20f ).
7 Für die meisten Hirschsprung-Fälle ist ein aus-
kInstrumentarium schließlich transanales Vorgehen geeignet. Geht
4 Grundinstrumente, die Aganglionose nach oral über das Sigma hi-
4 Sauger mit feinem Ansatz, naus, muss das Kolon zuvor laparoskopisch oder
4 monopolares Messer mit Nadelansatz, durch Laparotomie mobilisiert werden.
4 diverse schmale Langenbeck-Haken,
610 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

. Abb. 13.20a–f Transanaler endorektaler Durchzug (»transanal en- laris abgelöst. c Dorsale Spaltung der Muskelmanschette. d Durch-
13 dorectal pull through«; TEPT) nach de la Torre. a Der anokutane
Übergang wird mit Haltefäden aufgespannt. Zirkuläre Inzision der
zug des aganglionären Segmentes. e Resektion des aganglionären
Segmentes. f Anastomose zwischen dem normal innervierten Kolon
Schleimhaut. b Die Rektumschleimhaut wird stumpf von der Musku- und der distalen Rektumwand

Postoperativ 13.3.7 Anorektale Agenesie


4 Antibiotika bis zum 3. postoperativen Tag.
4 Kalibrierung und ggf. Bougierung der koloanalen Definition
Anastomose (ab 3. Woche postoperativ). Anorektale Anomalien umfassen ein Spektrum unter-
4 Stuhlentleerung ab 1.–2. Tag postoperativ. schiedlicher Entwicklungsstörungen, deren gemein-
sames Merkmal ein angeborener, mehr oder weniger
Komplikationen vollständiger Enddarmverschluss ist. Die Analöffnung
. Tab. 13.4 kann verschlossen, zu eng sein oder an der falschen
Stelle liegen. Analkanal oder Anorektum können feh-
Ergebnisse len oder pathologisch verlaufen.
Die Lebensqualität der operativ behandelten Hirsch-
sprung-Patienten wird in über 80% der Fälle als zu-
friedenstellend bis gut beurteilt, sofern es sich um klas- Anatomie
sische Formen ohne schwerwiegende zusätzliche Anoma- Als Rektum wird der tänienfreie Dickdarmabschnitt zwi-
lien handelt. Eine mehrjährige Nachbetreuung ist er- schen rektosigmoidalem Übergang in Höhe des 2. Sakral-
forderlich. wirbelkörpers und dem Anus bezeichnet. Die für die Kon-
tinenz wichtigsten Muskeln sind die inneren und äußeren
Schließmuskeln und die Levatormuskulatur mit dem
M. puborectalis. Im Gegensatz zu anderen willkürlichen
Muskeln des Körpers ist der M. puborectalis auch im Ru-
13.3 · Abdomen
611 13
Pathogenese
. Tab. 13.4 Komplikationen nach M.-Hirschsprung-Opera- Die Pathogenese ist nicht hinreichend geklärt. Hohe For-
tionen (bezogen auf alle Operationsmethoden: Swenson,
Rehbein, Duhamel/Grob, Soave/Boley, TEPT)
men entstehen wahrscheinlich zwischen der 4. Fetalwoche
und dem 6. Fetalmonat (Scheitel-Steiß-Länge 4–200 mm)
Komplikationen Häufigkeit u. a. durch fehlerhafte Kloakenteilung. In diesem Sinne
können Fisteln zwischen Enddarm und Urogenitaltrakt als
Frühe
Septierungsstörung aufgefasst werden (umstritten). Dage-
Blutung ?
gen ist den intermediären und den tiefen Anomalien die
Cuffabszess (Ursache: Hämatom oder Schleim- 5% fehlende Dorsalverlagerung des Anus, weg vom Sinus uro-
hautrest zwischen der Rektummuskelman-
schette und dem durchgezogenen Dickdarm)
genitalis, gemeinsam.
Sphinkterspasmus der Rektummuskelman- 10–20% Häufigkeit
schette (vorsichtige Analbougierung)
4 1 : 2500.
Wundinfektion 10–15% 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1,3 : 1.
Insuffizienz der Anastomose 2–5% 4 Wiederholungsrisiko 1,4%.
Bridenileus 8–13%
Ätiologie
Häufige Stuhlentleerungen mit perianaler Der- ?
matitis (normalisiert sich nach ca. 6 Monaten)
Über die Ätiologie ist wenig bekannt. Es gibt Hinweise auf:
4 Genetische Faktoren (z. B. bei Kindern mit Morbus
Späte
Down gehäuft, gelegentlich familiäres Vorkommen).
Stuhlinkontinenz 3–8%
4 Teratogene Noxen (Schädigung des Embryos von au-
Analstenose 5–20% ßen, z. B. durch berufliche Exposition der Mutter ge-
Obstipation (Sphinkteromyektomie oder 9–30% genüber organischen Lösungsmitteln; Nikotin; Über-
Nachresektion in bis zu 5% der Fälle) gewicht der Mutter).
Enterokolitis 2–30% 4 Durchblutungsstörungen der Beckenorgane infolge
Stuhlfisteln 1–6% von Gefäßmissbildungen. (Einige der betroffenen
Blasenentleerungsstörung, Störung sehr selten
Kinder haben nur eine Nabelarterie.)
der Genitalfunktionen
Pränatale Diagnostik ist nur indirekt anhand von Symp-
tomen (erweitertes Kolon oder Rektum) sowie typischer
assoziierter Fehlbildungen möglich.
hezustand bis zu einem gewissen Grad aktiv kontrahiert,
sofern er normal innerviert ist. Fehlen mehr als 3 Sakral- Klinik
wirbel, ist die Funktion des M. puborectalis gestört. 4 Mehr oder weniger vollständiger tiefer Ileus,
Der unwillkürlich innervierte innere Schließmuskel 4 evtl. Mekoniumabgang mit Urin oder über die Vagina,
stellt eine Verdickung der inneren Ringmuskulatur des 4 aufgetriebenes Abdomen,
Enddarms dar. Er ist normalerweise tonisch kontrahiert 4 evtl. respiratorische Störungen.
und hält den Analkanal geschlossen. Auf Wanddehnung 4 Harnabflussstörung.
des Rektums reagiert der M. sphincter ani internus mit
einem Tonusverlust, der Internusrelaxation, die den Vor- Assoziierte Anomalien
gang der Stuhlentleerung einleitet. Der innere Ringmuskel 4 Assoziierte Anomalien sind häufig (bis zu 60%) und
fehlt bei den hohen Formen anorektaler Agenesien bzw. zwar bei hohen Formen häufiger als bei tiefen. Sie be-
kann mit den heute zur Verfügung stehenden OP-Verfah- treffen hauptsächlich
ren nicht sinnvoll nutzbar gemacht werden. 5 den Urogenitaltrakt (20–60%), bei Kloakenfehlbil-
Die willkürlich innervierten äußeren Schließmuskel, dung bis 80%,
die eng mit den Muskeln des Beckenbodens verflochten 5 das Skelettsystem und die Wirbelsäule (15–30%),
sind, sind mit etwa 20% an der Kontinenz beteiligt. Äußere 5 das Herz (9%) und
Schließmuskeln sind auch bei den hohen anorektalen An- 5 den übrigen Magen-Darm-Trakt (14%).
omalien in unterschiedlicher Masse vorhanden, meist 4 Kombination von Analatresie mit Ösophagusatresie:
deutlich weniger als beim Gesunden. VACTERL-Assoziation (7 Abschn. 13.2.1).
Alle diese Muskeln können nicht isoliert betrachtet 4 »Tethered spinal cord« in 25% der Fälle (7 Abschn. 13.6.1).
werden, vielmehr handelt es sich um ein System ineinan-
der verflochtener Muskelgruppen, das im Wesentlichen Nur in gut einem Drittel der Fälle liegt eine isolierte ano-
vom N. pudendus aus S2–S4 versorgt wird. rektale Malformation vor.
612 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

. Tab. 13.5 Wingspread-Klassifikation (relative Häufigkeit nach Pena 2007)

Jungen Häufigkeit Mädchen Häufigkeit

Perineale (kutane) Fistel 25% Perineale (kutane) Fistel 35%

Rektourethrale Fistel 59% Vestibuläre Fistel 31%

Bulbär ? Pesistierende Kloake 24%

Prostatisch ? davon 2/3 unter 3 cm Länge (kurz)

Rektovesikale Fistel (Blasenhals) 10% davon 1/3 über 3 cm Länge (lang)

Keine Fistel 5% Keine Fistel 5%

Rektumatresie 1% Rektumatresie 1%

Komplexe Formen <1% Komplexe Formen <1%

Klassifikation
. Tab. 13.6 Krikenbeck-Klassifikation anorektaler Fehlbil-
Die Klassifikation der verschiedenen Formen anorektaler
dungen
Anomalien ist Voraussetzung für die gegenseitige Verstän-
digung über Diagnose, Therapieplanung und für den Ver- Klinische Haupt- Perineale (kutane) Fisteln
gleich der Behandlungsergebnisse. gruppen Rektourethrale Fisteln
Nach der Lagebeziehung des fehlgebildeten Anorek- 4 zur prostatischen Urethra
4 zur bulbären Urethra
tums zum muskulären Beckenboden, d. h. der Levatorplat-
Rektovesikale Fistel
te und dem M. puborectalis, können hohe und tiefe For- Vestibuläre Fistel
men anorektaler Anomalie unterschieden werden. Bei den Kloake
hohen, supralevatorischen Formen endet der Rektum- Keine Fistel
blindsack oberhalb der Puborektalisschlinge, bei den tie- Analstenose
fen Formen durchsetzt der Enddarm die Levatorplatte und Seltene/regionale Pouch-Kolon
13 meist auch die tiefen Schichten der äußeren Schließmus- Varianten Rektumatresie/Rektumstenose
H-Fistel
kulatur. Eine dritte Gruppe ist die der intermediären Ano-
Sonstige
malien, bei denen der Rektumblindsack die Levatormus-
kulatur unvollständig oder in Form einer zur bulbären
Urethra bzw. zum Scheideneingang ziehenden Fistel
durchsetzt. Diese Einteilung war die Basis der Wingspread- Fakultativ:
Klassifikation von 1986 (. Tab. 13.5). 2005 hat man sich auf 4 Seitliche Röntgenaufnahme der Wirbelsäule in Knie-
die heute gebräuchliche Krikenbeck-Klassifikation geei- Ellbogen-Lage, 16–24 h nach der Geburt (Luft im
nigt, die auf einen Vorschlag von Pena zurückgeht und den Rektumblindsack?).
Verlauf der Fistel beschreibt (. Tab. 13.6). 4 Eventuell vorhandene Fistel darstellen durch Mikti-
Bei den relativ häufigen sog. Kloakenfehlbildungen onszysturethrogramm oder sekundär nach Anlage ei-
handelt es sich um komplexe, sehr variable Missbildungen, ner Kolostomie (Loopogramm).
bei denen der untere Anteil des Urogenitaltraktes, also 4 Endoskopie (urogenitale Anomalien?).
Harnröhre und Scheide, mit dem unteren Anteil des Darm-
traktes in einem gemeinsamen Kanal verläuft, der sog. Therapie
Kloake. jErstversorgung
Eine anorektale Malformation (ARM) ist als angeborener
Diagnostische Maßnahmen Dickdarmileus aufzufassen, d. h. dem Kind drohen Flüs-
Essenziell: sigkeits- und Elektrolytverluste durch Erbrechen und
4 Inspektion des Damms, evtl. Sondierung einer vor- durch Sequestration in den Darm. Aufgetriebenes Abdo-
handenen Öffnung. men meist erst nach 1–2 Tagen (tiefer Ileus!). Therapeu-
4 Urinstatus (Mekonium?). tische Maßnahmen sind:
4 Sonographie (»tethered spinal cord«? Zusätzliche An- 4 Offene Magensonde zur Entlastung des Magen-
omalien – Niere! Hydrokolpos!). Darm-Traktes und zur Vermeidung einer Aspiration.
13.3 · Abdomen
613 13
4 Infusion zur Substitution der Flüssigkeits- und Elek- 4 Operation in Bauchlage mit angehobenem Gesäß,
trolytverluste. Hüftgelenke rechtwinklig gebeugt.
4 Bei Neugeborenen ohne äußerlich sichtbare Fistel 4 Wärmematte.
Bauchlage mit angehobenem Gesäß. 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
4 Antibiotikatherapie (Infektionsrisiko wegen Fistel 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1)
zwischen Darm und Urogenitaltrakt).
4 i.m-Gabe von Vitamin K1 (Konakion; in den meisten kInstrumentarium
Fällen ist eine Operation im Neugeborenenalter erfor- 4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
derlich). 4 Kochsalzschale,
4 Muskelreizgerät,
Die meisten tiefen Formen können vom Damm her, meist 4 abgewinkelte bzw. abwinkelbare stumpfe Wund-
in einer einzigen Sitzung operiert werden (Analplastik, spreizer,
Analtransposition, Mini-Verfahren der posterioren sagit- 4 diverse Overholts,
talen Anorektoplastik, PSARP). (Ausnahme: vestibulärer 4 HF-Elektrode mit Nadelansatz,
Anus o Kolostomie und »limited PSARP«.) 4 Hegar-Stifte,
Bei intermediären und bei hohen Formen sowie in al- 4 Lupenbrille,
len Zweifelsfällen wird primär ein Sigmaanus mit ge- 4 Nahtmaterial: 4–0 bis 6–0 atraumatisch resorbierbar.
trennten Stomata (kurzer Abstand zur Fistel, leicht zu spü- Haltenähte monofil.
len, geringes Prolapsrisiko) angelegt:
4 Dieser Kunstafter dient als vorübergehender Darm-
Anorektale Agenesie: Posteriore sagittale
ausgang, damit das Kind ernährt werden kann.
Anorektoplastik
4 Er dient zur Umgehung der Fistel zum Harntrakt.
4 Man gewinnt Zeit die Fehlbildung genau zu diagnos- 7 Bei hohen Formen der ARM und bei Kloakenfehl-
tizieren (Loopogramm unter Druck). bildungen muss so abgedeckt werden, dass das
4 Er dient zur Umgehung des späteren OP-Gebietes. Kind intraoperativ ohne Verletzung der Asepsis
von Bauchlage in Rückenlage und zurück gedreht
Definitive Operation im Alter von 1–2(–3) Monaten, werden kann.
bei Kloake frühestens mit 6–8 Monaten. Das heute allge- 7 Stimulation der Rima ani und der mutmaßlichen
mein favorisierte definitive OP-Verfahren, das für alle Analregion mit dem Muskelreizgerät (Stromstärke
Formen der ARM anwendbar ist, ist die 1982 von de Vries zwischen 20–60 mA). Kommt es zu Kontraktionen
und Pena angegebene posteriore, sagittale Anorektoplas- der parasagittalen Fasern und des Muskelkom-
tik (PSARP). plexes? Ist ein Analgrübchen vorhanden?
Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Kon- 7 Inzision in der Medianlinie der Rima ani mit der Na-
sequenzen ausführlich informiert werden. deldiathermie von kranial der Steißbeinspitze bis
knapp 2 cm ventral der mutmaßlichen Analregion.
Operation Man sieht die parasagittalen Fasern und den Mus-
! Latexfreie Operation! kelkomplex. Markierung des zukünftigen Anus.
Schnittvertiefung streng in der Mittellinie unter
kPrinzip wiederholter Kontrolle mit dem Muskelreizgerät.
Haut und sämtliche Muskelschichten zwischen Damm 7 Verlängerung der Hautinzision nach kranial bis
und Steißbein werden streng in der Medianlinie gespalten, etwa in Sakrummitte und Darstellung des Steiß-
eine evtl. vorhandene Fistel wird transrektal versorgt, der beines, das in der Medianlinie gespalten wird.
mobilisierte Rektumblindsack, falls notwendig, verengt Über einem vor dem Steißbein eingeführten
und in den von der Levatormuskulatur gebildeten Trichter Overholt wird die Levatormuskulatur vom Steiß-
sowie in den M. sphincter ani externus gesetzt. Bei etwa bein aus in der Medianlinie gespalten.
10% der Jungen (insbesondere mit Fistel zum Blasenhals) 7 Darstellung der Hinterwand des Rektumblind-
und etwa 40% der Mädchen mit kloakaler Fehlbildung ist sackes, die aboral zwischen 2 Haltefäden in der
ein zusätzlicher abdominaler Eingriff erforderlich, entwe- Medianlinie mit der Nadeldiathermie eröffnet
der offen oder laparoskopisch. wird. Nach Legen von Haltenähten (6–0 atrauma-
tisch) in die Rektumschleimhaut oral der Fistel
kLagerung wird die Submukosa von der Hinterwand der Ure-
4 Präoperativ wird ein transurethraler Ballonkatheter 6
gelegt.
614 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Postoperative Behandlung
thra getrennt (lupenmikroskopische Präparation). 4 Meist problemlos. Keine wesentlichen Schmerzen
Weiter oral ist dann die vollständige Ablösung der (außer nach Laparotomie).
Rektumvorderwand möglich. 4 Bauchlage mit angehobenem Gesäß für mindestens
7 Zweireihiger Fistelverschluss mit Einzelknopfnäh- 2–3 Tage. Offen ablaufende Magensonde.
ten (resorbierbar, 6–0 atraumatisch). 4 I.v.-Gabe von Antibiotika für 3–5 Tage (danach je
7 Darstellung des Rektums, evtl. mit Eröffnung des nach urologischem Befund Langzeitprophylaxe gegen
Peritoneums. Wenn der Blindsack erheblich dila- Harnwegsinfekte).
tiert ist, wird eine Modellage erforderlich. Die 4 Erster Verbandwechsel nach 24 h.
Rektumwand wird mit einer zweireihigen, einstül- 4 Oraler Nahrungsaufbau, wenn die Kolostomie Stuhl
penden Naht verschlossen (6–0 resorbierbar, fördert.
atraumatisch). 4 Ballonkatheter für 5 Tage (bei kurzstreckiger Kloake
7 Rekonstruktion des anterioren Perinealkörpers für 7 Tage, langstreckige haben suprapubische
mit Einzelknopfnähten (6–0 resorbierbar, atrau- Harnableitung). Versehentlich gezogenen oder he-
matisch). rausgerutschten Katheter nicht wieder transurethral
7 Hautverschluss ventral des neu zu bildenden legen; wenn Kind nicht spontan miktioniert, suprapu-
Anus mit Einzelknopfnähten (6–0 resorbierbar, bische Harnableitung legen.
atraumatisch). Nach Legen der Levatornähte (5–0 4 Entlassung am 7.–8. postoperativen Tag.
resorbierbar, atraumatisch) wird der Rektum- 4 Postoperative Bougierung mit Hegar-Stiften beginnt
stumpf vor dem Levator durchgezogen, die Nähte zwischen dem 14. und 21. Tag. Stationäre Wiederauf-
werden geknüpft. Naht des Steißbeins (resorbier-
nahme für 1–2 Tage zur Anleitung der Eltern durch
bar, 4–0). Naht der hinteren Zirkumferenz des
den Operateur. Die Bougierung ist essenzieller Be-
standteil der Therapie! Sie dient sowohl dem Offenhal-
Muskelkomplexes, der mit Hilfe des Muskelreizge-
ten der anokutanen Anastomose, der allmählichen Di-
rätes lokalisiert werden kann. Diese Nähte fassen
latation des den Anorektalkanal umgebenden Muskel-
einen oberflächlichen Anteil der Seromuskularis
trichters als auch dem »Training« des Beckenbodens.
der Rektumhinterwand mit.
4 Bougierung zu Hause (2 -mal täglich) bis die alters-
7 Schichtweiser Wundverschluss (resorbierbare Ein-
entsprechende Weite erreicht ist (. Tab. 13.7).
zelknopfnähte 5–0 bzw. 6–0, atraumatisch).
4 Danach kann der Kunstafter reseziert werden, d. h.
7 Subkutannaht. Analplastik unter leichter Span-
13 nung, sodass sich die Analöffnung nach Abschnei-
meist 6–8 Wochen nach PSARP. Die Bougierungsfre-
quenz wird erst reduziert, wenn die Bougierung
den der Fäden retrahiert.
schmerzlos ist. Die Bougierung erfolgt z. T. unter
7 Die beiden Hälften des resezierten aboralen
Vollnarkose.
Endes des Rektumblindsackes werden zur histolo-
gischen Untersuchung abgegeben (Zusätzliche Komplikationen der posterioren sagittalen
Aganglionose?). Anorektoplastik (PSARP)
7 Die Haut der Rima ani wird mit resorbierbarem Fa- Intraoperativ:
den 5–0, atraumatisch fortlaufend verschlossen. 4 Verletzung der Urethra (o Stenose),
Kalibrierung des neu gebildeten Anus mit Hegar- 4 Verletzung eines Ureters,
Stiften. 4 Verletzung eines Samenleiters und/oder Samen-
7 Verband mit Jodoformgaze, Leukostrips und Fixo- bläschens.
mull.
7 Das Kind verbleibt in Bauchlage. Postoperativ:
4 Frühe Komplikationen:,
5 Passagere Femoralisparese (lagerungsbedingt),
Für die z. T. sehr komplexen kloakalen Fehlbildungen wird 5 Wundinfektion,
die PSARP mit vollständiger urogenitaler Mobilisation 5 Durchblutungsstörung des durchgezogenen Rek-
notwendig, d. h. gemeinsame Mobilisation von Urethra, tums (o langstreckige narbige Stenose),
Vagina und Rektum. Bei diesen Kindern ist immer das in- 5 sekundäre Atresie (bei unterlassener Bougierung),
nere Genitale zu revidieren und ggf. zu korrigieren: 5 Retraktion des durchgezogenen Rektums,
4 Tuben durchgängig? 5 Fistelrezidiv (urethrovaginal, rektovaginal, rekto-
4 Uterusdoppelanlage? urethral),
4 Vaginalatresie, -doppelung, -septum? 5 sekundäre neurogene Blasenentleerungsstörung,
13.3 · Abdomen
615 13
13.8). Praktisch alle operierten ARM-Patienten haben pri-
. Tab. 13.7 Bougiegröße in Abhängigkeit vom Lebensalter mär funktionelle Kontinenzprobleme:
Alter Hegar-Größe [H]
4 Fehlendes Stuhldranggefühl (sensorisch).
4 Ungenügende Haltefunktion (unvollständiges Konti-
1–4 Monate H 12 nenzorgan: fehlender M. sphincter ani internus, un-
4–8 Monate H 13 vollständig angelegte Externus- und Levatormuskula-
tur, fehlendes Corpus cavernosum recti u. a.).
8–12 Monate H 14
4 Ungenügende Koordination von Halte- und Entlee-
1–3 Jahre H 15 rungsfunktion.
3–12 Jahre H 16 4 Fehlendes (oder zu großes) Stuhlreservoir.
Über 12 Jahre H 17
Die Kontinenzprobleme können mit Stuhltraining oder
Biofeedbacktraining überwunden werden, wenn der Pati-
ent dazu motiviert ist (ab dem 7.–12. Lebensjahr). Ent-
. Tab. 13.8 Vollständige Kontinenz nach posteriorer sagitta- wicklung der Kontinenzfunktion zur Pubertät hin. Zusätz-
ler Anorektoplastik in Abhängigkeit vom Fisteltyp. (Nach Pena liche Maßnahmen sind »bowel management« (modifizierte
u. Levitt 2006) hohe Schwenkeinläufe) oder anterograde Dickdarmspü-
Fisteltyp Anzahl der Patienten mit
lungen nach Malone (zeitgenössischer Kinderchirurg,
vollständiger Kontinenz [%] Southampton, UK) über ein kontinentes Stoma. Hierzu
wird der Appendix nach Mitrofanoff (zeitgenössischer
Perineale Fistel 87 Kinderchirurg, Paris) oder ein in Querrichtung tubulari-
Tiefe Atresie oder Stenose 75 siertes Dünndarmsegment nach Monti verwendet. Für die
psychosoziale Anpassung sind eine intakte Familie bzw.
Vestibuläre Fistel 64
kontinuierliche elterliche und ärztliche Zuwendung not-
ARM ohne Fistel 51
wendig, evtl. ist psychotherapeutische Unterstützung er-
Bulbäre Fistel 41 forderlich.
Kloake (kurzstreckig: <3 cm) 38 Angesichts der Seltenheit und der erheblichen Konse-
Kloake (langstreckig: >3 cm) 9
quenzen für den Patienten sollten anorektale Malformati-
onen ausschließlich in entsprechend erfahrenen Zentren
Prostatische Fistel 22
operiert und nachgesorgt werden.
Blasenhalsfistel 6

13.3.8 Nekrotisierende Enterokolitis


5 erhebliche Windeldermatitis nach Kunstafterresek- der Früh- und Neugeborenen
tion, die über Monate anhalten kann (kann durch
Konditionierung der perianalen Haut durch Stuhl- Definition
kontakt vor der Kunstafterresektion verhindert Schwere Darmerkrankung der Neugeborenen mit
werden). komplexer Ätiologie, bei der es zu fleckförmigen oder
4 Späte Komplikationen: segmentalen Hämorrhagien, Ulzerationen, Nekrosen
5 Obstipation und Pseudoinkontinenz, sowie zu antimesenterial gelegenen Perforationen
5 Schleimhautektropium, des Dünn- und Dickdarms kommen kann.
5 Analprolaps (selten),
5 Analstriktur (kurzstreckig),
5 Urethradivertikel (selten), Die nekrotisierende Enterokolitis (NEC) betrifft hauptsäch-
5 echte Stuhlinkontinenz, lich Frühgeborene im ersten Trimenon. Sie tritt überwie-
5 gynäkologische Komplikationen, wenn gynäkolo- gend sporadisch, gelegentlich auch endemisch in Neuge-
gische Fehlbildungen bei der Erstoperation nicht borenen-Intensivstationen auf.
angemessen korrigiert wurden.
Häufigkeit
Ergebnisse Nicht genau bekannt; geschätzt werden:
Die Ergebnisse sind abhängig vom Typ: bei tiefen Formen 4 0,3% aller Lebendgeborenen.
günstiger, bei hohen weniger günstig. Im Durchschnitt er- 4 1–2% aller Frühgeborenen.
langen >40% der Patienten vollständige Kontinenz (. Tab. 4 10% der Frühgeborenen <1.500 g.
616 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Unter den Erkrankten sind weniger als 10% Reifge- bevorzugt im Endileum und im Kolon (zusammen in 44%
borene. befallen); bei etwa 20% Pannekrose langstreckiger Darm-
4 Geschlechterverhältnis: männlich : weiblich = 2 : 1. abschnitte.

Risikofaktoren Klinik
4 Vorzeitiger Blasensprung. Erkrankungsbeginn schleichend (selten fulminant), über-
4 Perinatale Stresssituation (erschwerte Geburt, Hypo- wiegend zwischen dem 5. und 10. Lebenstag, meist 24–
xie, Hypothermie, Schock, Hypovolämie, Azidose, 36 h nach der ersten enteralen Nahrungsaufnahme. Symp-
Hypoglykämie). tome sind:
4 Unreife. 4 Aufgetriebenes schmerzhaftes Abdomen, gallige Ma-
4 Ungenügende Infektabwehrmöglichkeiten genreste, schleimig-blutige Stühle.
(systemisch; lokal: Darmschleimhaut). 4 Trinkschwäche.
4 Atemnotsyndrom. 4 Rötung und vermehrte Venenzeichnung der Bauch-
4 Hyperviskosität des Blutes (hoher Hämatokrit). haut, Ödem der Bauchwand.
4 Austauschtransfusion über Nabelvene. 4 Lethargie, Temperaturinstabilität.
4 Nabelarterienkatheter. 4 Apnoeanfälle, Bradykardien.
4 Frühe Fütterung mit Kuhmilchpräparaten (fehlende 4 Vergrößerung von Leber und Milz.
Schutzfaktoren der Muttermilch; nichtgestillte Säug-
linge erkranken 6-mal häufiger als gestillte). Es werden die in . Tab. 13.9 genannten Stadien unterschie-
4 Hyperosmolarität der Nahrung. den (Bell 1978).
4 Drogenabusus der Mutter (Kokain).
4 Medikamente, die die Darmmotilität hemmen bzw. Diagnose
die Darmdurchblutung verringern (Methylxanthine, jLaborbefunde
Indomethacin). 4 Serumnatrium erniedrigt; Thrombozyten auf
4 Symptomatische Herzfehler (Fallot-Tetralogie, Ven- <150.000 erniedrigt, Leukopenie <6000 mit Linksver-
trikelseptumdefekt, Ductus arteriosus persistens). schiebung, C-reaktives Protein (CRP) erhöht.
4 Vorausgegangene Operationen (nach Dünndarmatre- 4 Metabolische Azidose.
sie vom Apple-peel-Typ, nach Gastroschisis). 4 Ikterus.
4 Disseminierte intravasale Gerinnung.
! Je mehr Frühgeborene infolge verbesserter Beat-
13 4 Anstieg reduzierender Substanzen im Stuhl infolge
mung und Surfactant-Gabe überleben, desto
Disaccharidase-Malabsorption (Laktasemangel).
häufiger ist eine NEC zu erwarten.
4 Blutige Stühle.

Pathophysiologie jRöntgen
Bakterielle Infektion eines anfälligen und empfindlichen Abdomenübersicht (»stehende« Schlingen, Pneumatose =
Makroorganismus. Sie wird durch die folgenden Faktoren Luft in der Darmwand; später luftleeres Abdomen; Luft in
ausgelöst: Pfortaderästen; freie Luft deutet auf eine Darmperforation
4 Darmschleimhautläsion im Zusammenhang mit Mi- hin) – Aufnahmen in 6- bis 8-stündigen Intervallen wie-
krozirkulationsstörung im mesenterialen Stromgebiet derholen.
(»Tauchreflex«, Reperfusionstrauma mit toxischen
freien O2-Radikalen, Austauschtransfusion, »diastolic jSonographie
steal phenomen« bei Ductus arteriosus persistens, er- 4 Darmmotilitätsstörung, Luft in Pfortaderästen, As-
höhter intraluminaler Druck im Darm). zites.
4 Bakterieninvasion in die Darmwand (keine spezi-
fischen Erreger; meist Erreger der eigenen Darmflora, jParazentese.
die jedoch aufgrund der äußeren Umgebung (Inten-
sivstation) und der antibiotischen Behandlung selek- Differenzialdiagnose
tioniert ist. 4 Sepsis,
4 Zeitpunkt und Art der Ernährung. 4 Rotavirusenteritis,
4 Enteritis bei Morbus Hirschsprung,
Pathologische Anatomie 4 Meningitis,
Transmurale Darmwandnekrose mit nur geringer Entzün- 4 Dünndarmileus,
dungsreaktion, überwiegend segmentär oder fleckförmig, 4 Volvulus,
13.3 · Abdomen
617 13

. Tab. 13.9 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC)

Stadium I Stadium II Stadium III

Verdacht auf NEC Nachgewiesene NEC Fortgeschrittene NEC

Anamnese Perinataler Stress und Hypoxie Perinataler Stress und Hypoxie Perinataler Stress und Hypoxie

Allgemein- Temperaturinstabilität, Lethar- Zusätzlich: Metabolische Azidose, Zusätzlich: Neutropenie, disseminierte


symptome gie, Apnoe, Bradykardie Thrombozytopenie intravasale Gerinnung, Verschlechte-
rung der Vitalzeichen, Sepsis, Schock

Gastrointes- Magenreste, Erbrechen (evtl. Zusätzlich: Blutige Stühle, aufge- Zusätzlich: Peritonitis
tinale Symp- gallig), zunehmender Bauchum- triebenes druckdolentes Abdomen,
tome fang, okkultes Blut im Stuhl Verfärbung der Bauchhaut, tastbare
Resistenz

Röntgen Erweiterte Darmschlingen Zusätzlich.: Darmwandödem, Zusätzlich: Pneumoperitoneum als


(Abdomen- »stehende« Schlingen, Aszites, Pneu- Zeichen einer Darmperforation
übersicht) matose, Luft in Portalvenen

4 Nabelveneninfektion, kLagerung
4 Pfortaderthrombose, 4 OP-Saal auf 32°C vorheizen; Wärmematte.
4 Nebenniereninsuffizienz. 4 Schutz vor Wärmeverlusten 7 Abschn. 13.1.1.
4 Ausreichende Luftfeuchtigkeit, um Flüssigkeitsverlust
Therapie durch Perspiratio insensibilis gering zu halten.
4 Nahrungskarenz. 4 Rückenlage.
4 Offen ablaufende Magensonde. 4 Unterer Thorax leicht unterpolstert.
4 Hochdosierte Antibiotikabehandlung mit breitem 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel, bei sehr kleinen
Spektrum unter Einschluss von Anaerobiern und Sta- Frühgeborenen am Rücken.
phylokokken.
4 Volumensubstitution. kInstrumentarium
4 Eventuell Transfusion. 4 Grundinstrumentarium,
4 Korrektur von Elektrolytstörungen. 4 Bauchinstrumente,
4 Sauerstoffgabe. 4 Kochsalzschale,
4 Verbesserung der mesenterialen Perfusion. 4 Sauger mit feinem Ansatz,
4 Zwei Drittel der Patienten können konservativ behan- 4 Silikondrain 8 oder 10 Charr bereithalten, ggf. Easy-
delt werden. flow oder Penrose-Drain,
4 Spritzen (10 ml),
Operation 4 2%ige N-Acetylcysteinlösung,
! In Extremfällen muss man sich zunächst auf eine 4 Nahtmaterial: 5–0 und 6–0 resorbierbar.
Peritonealdrainage in Lokalanästhesie auf der In-
tensivstation beschränken. Falls keine Besserung
Enterostomie bei NEC
eintritt o Laparotomie
7 Quere Oberbauchlaparotomie rechts.
kIndikation 7 Abstrich für bakteriologische Untersuchung.
Absolute Indikation erst bei Perforation, bei Zeichen einer 7 Das weitere Vorgehen hängt vom Befund ab.
Durchwanderungsperitonitis, bei Darmgangrän (konstant 7 Möglichst schonende Revision des Dünn- und
tastbare Resistenz). Aszites. Dickdarmes. Peritonealspülung und -drainage.
Nekrosen/Perforationen einstülpend quer übernä-
kPrinzip hen mit atraumatisch resorbierbaren Fäden 6–0.
Häufig nur doppelläufige Enterostomie oral der Darm- 7 Gegebenenfalls Spülung des Endileums mit kör-
wandläsion und/oder Peritonealspülung und -drainage perwarmer 2%iger N-Acetylcysteinlösung.
möglich. Ziel sollte sein, so viel erholungsfähigen Darm 6
wie möglich zu erhalten.
618 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

13.3.9 Extrahepatische Gallengangatresie


7 Anlage eines doppelläufigen Kunstafters oral der
Perforation(en). Definition
7 Bei ausgedehnten Darmnekrosen möglichst keine Perinatal erworbener, progressiv obliterierender, seg-
Resektion, sondern Second-look-Operation 24– mentaler oder totaler Verschluss der extrahepatischen
48 h nach primärer Operation und Anlage des En- und später auch der intrahepatischen Gallengänge.
terostomas. Die Ileozäkalklappe sollte möglichst
erhalten bleiben.
7 Vollständige Resektion unzureichend durchblu- Häufigkeit
teter Darmsegmente kann einen Kurzdarm zur 4 1:10.000–18.000.
Folge haben. Keine primäre Anastomose bei Peri- 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1 : 1,4–
tonitis und bei nicht einwandfrei durchblutetem 1,7.
Darm.
Ätiologie
Die Ätiologie ist nicht bekannt. Als mögliche Ursachen
Ein wegen NEC angelegtes Stoma wird frühestens nach werden u. a. diskutiert:
4 Wochen verschlossen. Zuvor muss die Durchgängigkeit 4 intrauterine Reovirus-Typ-3-Infektion,
der aboralen Darmabschnitte gesichert sein. Alternative 4 intrauterine Gefäßkatastrophe,
Verfahren ohne Kunstafteranlage: 4 fehlerhafte Verbindung zwischen Gallen- und Pan-
4 »Patch, drain and wait« = Übernähen der Perforation, kreasgang,
Peritonealdrainage und parenterale Ernährung. 4 Kombination einer genetischen Veranlagung mit ei-
4 »Clip and drop back« = Nekrotischen Darm vollstän- ner gestörten Immunreaktion auf eine endogene
dig entfernen, Resektionsränder des belassenen Noxe (z. B. hepatotrope Viren).
Darms mit Titanclips oder linearem Stapler verschlie-
ßen. Relaparotomie nach 48–72 h: Entfernung der Formen
Clips und Wiederherstellung der Darmkontinuität 4 6% »korrigierbare« (direkte Anastomose mit extrahe-
ohne Kunstafter. patischen Gallenwegen möglich, . Abb. 13.21a–c).
4 94% »nicht korrigierbare« (davon 11% Gallenblase
Zum Ausschluss von Strikturen und anderen patholo- mit weißer Galle, freiem Abfluss nach distal und obli-
13 gischen Befunden wird 2–3 Monate nach Abklingen der terierten Gängen proximal, s.. Abb. 13.21d–g).
entzündlichen Veränderungen ein Kontrasteinlauf aboral
des Kunstafters vorgenommen. (Frühere Untersuchung Symptome
nur ausnahmsweise bei fehlendem Gedeihen bzw. hohen Cholestase über den 14. Lebenstag hinaus:
Flüssigkeits- und Salzverlusten über das Enterostoma.)
Gegebenenfalls Wiederherstellung der Darmpassage abo-
ral des Enterostomas und Resektion des Kunstafters nach
weiterem Loopogramm in einer dritten Sitzung.

Spätfolgen
4 Strikturen, überwiegend nach konservativer Behand-
lung (meist des Kolons) in ca. 10%.
4 Sekundäre Darmatresien, Enterozelen und innere a b c
Fisteln.
4 Malabsorption.
4 Kurzdarm (Dünndarmlänge <40 cm, besonders un-
günstig, wenn mit Verlust der Ileozäkalklappe kombi-
niert).

Prognose d e f g
4 Mortalität 10–50%.
4 Von den Frühgeborenen, die eine schwere NEC über- . Abb. 13.21 a–g Formen der extrahepatischen Gallengangatresie:
leben, leiden 20–40% später an Minderwuchs und a–c »korrigierbar«, d–g »nichtkorrigierbar«. d + e sind die häufigsten
psychomotorischer Retardierung. Formen. (Nach Skandalakis et al. 1994)
13.3 · Abdomen
619 13
4 Verdin-Ikterus, Stuhl acholisch, Urin dunkel gefärbt, kLagerung
4 Hepatosplenomegalie, 4 OP-Saal auf 32°C vorheizen; Wärmematte.
4 manchmal Blutung (z. B. Hämatothorax) als Erstsymp- 4 Rückenlage.
tom (Vitamin-K-Mangel). 4 Unterer Thorax leicht unterpolstert.
4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
Diagnostik 4 Bei der Lagerung Röntgenmöglichkeit bedenken.
Problem ist die Differenzierung zwischen obstruktiv und 4 Röntgenschutz für Patient und Personal.
parenchymatös bedingtem Ikterus. Folgende Diagnosekri- 4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
terien sind hilfreich:
4 Obstruktiv-ikterische Patienten wirken im Gegensatz kInstrumentarium
zu parenchymatös-ikterischen (Hepatitis, Stoffwech- 4 Grundinstrumente,
selkrankheiten) nicht krank. 4 Kinderlaparotomieinstrumente,
4 Diagnosesicherung durch Leberbiopsie in der 4. bis 4 lange Instrumente,
5. Lebenswoche. 4 Kochsalzschale,
4 Direktes Cholangiogramm spätestens in der 6. Choles- 4 Dennis-Brown-Rahmen,
tasewoche. 4 Mikroinstrumentarium, abgewinkelte Mikroschere,
4 Lupenbrille,
jLaborbefunde 4 Vessel-Loops,
4 Anteil des konjugierten Bilirubins auf über 20% erhöht. 4 Knopfkanüle,
4 Lipoprotein X im Serum erhöht. 4 Heidelberger Verlängerungsstück,
4 Leberszintigraphie: fehlende Gallenausscheidung in 4 Spritze 5 ml, Kanüle Nr. 1,
den Darm. 4 Kontrastmittel,
4 Nahtmaterial: Resorbierbar, atraumatisch
Die Diagnose sollte bis zur 6. Lebenswoche gesichert sein. (4–0, 5–0, 6–0),
4 linearer Anastomosenstapler.
Operation
kPrinzip
Biliodigestive Anastomose, Hepato-Jejunostomie
4 Biliodigestive Anastomose, um Schädigung der Leber
und Leberzirrhose zu verhindern (spätestens in der 7 Kleine quere Oberbauchlaparotomie rechts
1 Querfinger oberhalb des Nabels.
8. Lebenswoche; nach dem 3. Lebensmonat nicht
7 Beurteilung von Größe, Farbe, Oberfläche und Kon-
mehr sinnvoll).
sistenz der Leber. Ist eine Gallenblase mit sondier-
4 Hepato-Porto-Jejunostomie mit ausgeschalteter barem Lumen vorhanden o intraoperative Cholan-
Roux-Schlinge (benannt nach Roux, Chirurg, Paris, giographie. Liegt eine nichtkorrigierbare Atresie vor,
1857–1934) als Gallengangersatz nach Kasai 1957 wird der Schnitt nach beiden Seiten hin erweitert
(japanischer Kinderchirurg, 1922–2008) retroko- und zunächst das Lig. hepatoduodenale präpariert.
lisch: Hierbei wird versucht, blind an der Leberpforte 7 Darstellung der A. hepatica communis mit ihrer
endende, von Leberparenchym bedeckte intrahepa- Aufzweigung. Das Gefäß wird mit einem feinen
tische Gallengangreste mit dem Darm zu anastomo- Gummizügel angeschlungen. Der Gallenblasen-
sieren. Der Erfolg hängt vom Gesamtquerschnitt der rest wird aus dem Leberbett herauspräpariert, die
anastomosierten Gallengänge ab, die mindestens A. cystica zwischen Ligaturen durchtrennt.
7 Der dem Ductus cysticus entsprechende Strang
200 μm weit sein sollten. Verwachsungen zwischen
und seine Fortsetzung zum Leberhilus werden un-
der Serosa des angelagerten Dünndarms und der Le-
ter Schonung der Blutgefäße des Lig. hepatoduo-
ber schaffen eine zusätzliche lymphobiliäre Galle- denale bis zur Leberpforte über die Aufzweigung
drainage in den Darm. Das Ergebnis ist letztlich eine der V. portae hinaus dargestellt. Hier verbreitert
Autoanastomose zwischen Gallengängen und sich der Bindegewebestrang zu einem Narben-
Darmepithel. feld, das dorsal und kranial der Aufzweigung der
V. portae tangential exzidiert wird (. Abb. 13.22
! Länge der Roux-Schlinge mindestens 50 cm (je
und . Abb. 13.23). Hierbei werden einzelne win-
kürzer desto größer das Cholangitisrisiko). Keine
zigste Gallengänge eröffnet. Das Wundgebiet am
Elektrokoagulation am Leberhilus! Leberhilus wird mit einer kleinen Kompresse kom-
Präoperative Gabe von Vitamin K und Breitbandanti- primiert (keine elektrische Koagulation!).
biotika. 6
620 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

7 Darstellung des oberen Jejunum, das 10 cm aboral 7 Übernähung der Klammernahtreihe des aboralen
der Flexura duodenojejunalis mit Haltefäden verse- Dünndarmschenkels. Dieser Darmanteil wird End-
hen und mit Hilfe des linearen Anastomosenstap- zu-Seit mit dem zuvor exzidierten Gallefeld im Le-
lers durchtrennt wird. Der aborale Dünndarm- berhilus anastomosiert (resorbierbar, 6–0, atrauma-
schenkel wird unter Schonung seiner Gefäßversor- tisch, einreihig) (. Abb. 13.24 und . Abb. 13.25).
gung so weit skelettiert, dass er bis zum Leberhilus 7 Evtl. zusätzlich Hepatoporto-Omentopexie.
reicht, zu dem er durch eine im Mesocolon trans- 7 Adaptation des Mesocolon transversum in der
versum geschaffene Lücke gebracht wird. Der orale Umgebung der retrokolischen Dünndarmschlin-
Dünndarmschenkel wird 60 cm distal der Enteroto- ge. Die Darmschlingen werden geordnet in die
mie End-zu-Seit in den aboralen anastomosiert. Die Bauchhöhle zurückverlagert.
Anastomose wird mit Einzelknopfnähten (resor- 7 Zählkontrolle und Dokumentation.
bierbar, 6–0 atraumatisch) zweireihig angefertigt. 7 Schichtweiser Verschluss der Bauchdecken, Sub-
6 kutannaht. Hautverschluss. Verband.

13
. Abb. 13.22 Präparation des atretischen Restes der extrahepa- . Abb. 13.24 Operation der extrahepatischen Gallengangatresie:
tischen Gallenwege bis zur Leberpforte dorsal der Pfortaderaufzwei- Präparation der nach Roux ausgeschalteten Dünndarmschlinge.
gung. (Nach Kimura et al. 1979) (Nach Howard 1995)

. Abb. 13.23 Operation der extrahepatischen Gallengangatresie: . Abb. 13.25 Hepato-Porto-Enterostomie mit einer nach Roux aus-
Exzision der Gallenblase und des atretischen Restes der extrahepa- geschalteten retrokolischen Dünndarmschlinge. (Nach Howard 1995)
tischen Gallenwege, Eröffnung der Leberpforte. (Nach Howard 1995)
13.3 · Abdomen
621 13
Postoperativ
4 Langzeitantbiotikaprophylaxe. . Tab. 13.10 Prognose nach biliodigestiver Anastomose, He-
pato-Porto-Jejunostomie
4 Substitution fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K).
4 Ernährung mit mittelkettigen Triglyzeriden. Gruppe Kennzeichen
4 Medikamentöse Verbesserung des Galleflusses, z. B.
mit Ursodesoxycholsäure. I 30% Guter Gallefluss
Vollständige Rückbildung des Ikterus
Gute Langzeitprognose mit annähernd
Die postoperative Gabe von Steroiden ist umstritten. normaler Leberfunktion

Komplikationen II 30% Mäßiger Gallefluss


Anhaltender Ikterus
Cholangitis, sekundärer Verschluss der Anastomose (Re- Stabile Leberfunktion
operation nur indiziert, wenn postoperativ vorhandener Gute Langzeitprognose, jedoch Leber-
eindeutiger und guter Gallefluss plötzlich versiegt). Man- transplantation in einigen Jahren erforder-
gel an fettlöslichen Vitaminen. lich

III 30% Ausbleibender Gallefluss und progre-


Prognose diente Leberschädigung erfordern eine
Unbehandelt entwickeln Kinder mit einer Gallengangatre- Lebertransplantation innerhalb der ersten
12–16 Lebensmonate (65–88% 5-Jahres-
sie eine Leberzirrhose, an der sie innerhalb der ersten bei- Überlebenszeit nach Transplantation)
den Lebensjahre sterben.
Die Operation kann bei einem Teil der Kinder den Gal-
leabfluss aus der Leber verbessern und so den weiteren Ver-
lauf günstig beeinflussen. Die Prognose ist abhängig von
4 dem Alter bei Operation,
4 dem Zustand der Leber bei Operation,
4 dem Vorhandensein von Galleductuli am Leberhilus,
4 der OP-Technik,
4 dem postoperativem Gallefluss.

Die in . Tab. 13.10 genannten 3 prognostischen Gruppen


lassen sich 4–6 Wochen postoperativ bilden.

. Abb. 13.26 Normale (= getrennte) Mündung von Ductus chole-


13.3.10 Choledochuszyste dochus und Ductus pancreaticus (links), gemeinsame Mündung
(»long common channel«) rechts. (Nach Rowe et al. 1995)
Definition
Embryonal entstandene zystische oder fusiforme Er-
weiterung des Ductus choledochus proximal einer Symptome
röntgenologisch oder im ERCP (endoskopische retro- 4 Oberbauchkoliken,
grade Choledochopankreatikographie) nachweis- 4 rezidivierende oder persistierende Cholestase mit/
baren gemeinsamen Endstrecke zusammen mit dem ohne Pankreatitis,
Pankreasgang. 4 palpabler Oberbauchtumor,
4 Fieber,
4 Cholangitis.
Von den verschiedenen Formen ist die mit konzentrischer
Dilatation des Ductus choledochus (Typ 1) mit Abstand Diagnostik
der häufigste Typ im Kindesalter (>90%). 4 Sonographie.
4 Cholestaseparameter, Serumamylase und -lipase er-
Ätiologie höht.
Ätiologisch nimmt man eine intrauterine Wandschädigung 4 MR-Cholangiogramm.
des Ductus choledochus durch Pankreasenzyme an, die in- 4 endoskopische retrograde Choledochopankreatiko-
folge der anomalen gemeinsamen Mündung in den Ductus graphie (ERCP).
choledochus gelangen können, evtl. begünstigt durch eine 4 pränatale Diagnostik ab Schwangerschaftsmitte
Stenose der gemeinsamen Mündung (. Abb. 13.26). möglich.
622 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Operation 13.4 Bauchwand


4 Intraoperative Cholangiographie über Gallenblase,
falls nicht bereits über präoperative Bildgebung dar- 13.4.1 Omphalozele
gestellt.
4 Vollständige Resektion der Choledochuszyste. Definition
4 Hepatiko-Jejunostomie mit einer retrokolischen Bauchwanddefekt im Bereich des Nabelschnuransatzes.
Roux-Schlinge (. Abb. 13.27). Es handelt sich um eine Bauchwandhernie in die Basis
4 Laparoskopische Operation bei größeren Zysten nicht des Nabelschnuransatzes hinein. Bruchinhalt ist neben
sinnvoll Dünn- und Dickdarmschlingen immer auch ein Teil der
4 Langzeitüberwachung notwendig. Leber. Der Bruchinhalt ist von einem durchsichtigen
Bruchsack aus Amnion und Peritoneum umgeben.
Prognose
Sehr gut, wenn zum Zeitpunkt der Operation keine Le-
berzirrhose besteht. Bei unvollständiger Resektion der Häufigkeit
Zyste besteht ein hohes Risiko eines Cholangiokarzi- 4 1 : 5000.
noms. 4 Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

13

. Abb. 13.27 Operation der Choledochuszyste: Ausschälung bzw. Exzision der Zyste und Hepatiko-Enterostomie mit einer nach Roux aus-
geschalteten retrokolischen Dünndarmschlinge. (Nach Rowe et al. 1995)
13.4 · Bauchwand
623 13
4 Komplexe Fehlbildungen, die mit einer supraumbili-
kalen Omphalozele einhergehen können, sind die
Cantrell-Pentalogie (nach Cantrell, amerikanischer
Kinderchirurg 1922–1983, benannter Symptomen-
komplex mit epigastrischer Omphalozele, Sternum-
spalte, zentralem Zwerchfelldefekt, Perikarddefekt
und Herzfehler) und die vesikointestinale Fissur oder
Kloakenextrophie bei infraumbilikaler Omphalozele
(Omphalozele; anorektale Agenesie; exstrophiertes
Blasenfeld, das durch ein ebenfalls exstrophiertes
Darmfeld in 2 Hälften geteilt wird; Meningozele und
kaudale Dysplasie der Wirbelsäule).
. Abb. 13.28 Omphalozele Konservative Behandlung
In Ausnahmefällen als passagere Maßnahme bei sehr gro-
Embryologie ßer Omphalozele oder bei inoperablen Kindern (Vitium):
Unvollständige Rückbildung des physiologischen Na- wiederholte lokale Applikation desinfizierender und ad-
belbruchs, die normalerweise in der 10. SSW abge- stringierender Lösungen; 0,5%iges Silbernitrat oder Sulfa-
schlossen ist. diazin-Silber-Creme). Nachteile dieser Behandlung sind:
4 lokale Infektion,
Anatomie 4 Sepsis,
Der Bauchwanddefekt hat einen Durchmesser von 4– 4 Ruptur der Zele,
12 cm. Die Bauchmuskulatur ist normal angelegt, die 4 langer Krankenhausaufenthalt,
Mm. recti abdomis setzen allerdings weiter lateral am Rip- 4 große ventrale Hernie, die später korrigiert werden
penbogen an. Häufig besteht ein Missverhältnis zwischen muss,
der Größe der Bauchhöhle und dem Volumen des vorgela- 4 dauerhaftes Missverhältnis zwischen Zeleninhalt und
gerten Bruchinhaltes (. Abb. 13.28). Größe der Bauchhöhle.
Die prolabierten Baucheingeweide sind von einer gefäß-
losen Membran bedeckt, die innen aus Peritoneum und Präoperative Maßnahmen
außen aus Amnion besteht. Unbehandelt beginnt die Zelen- 4 Plastikbeutel: Das Neugeborene wird mit den Füßen
wand nach der Geburt auszutrocknen, sie wird trübe und voran in einen handelsüblichen sterilen Plastikbeutel
nach etwa 12 h nekrotisch. Eine Ruptur der Zelenwand, die gebracht, sodass nur der Kopf und die Arme frei blei-
in ca. 10% der Fälle vorkommt, muss unter allen Umständen ben. Auf diese Weise werden Austrocknung und Rup-
vermieden werden. Bei großen Omphalozelen wird deshalb tur der Zelenwand sowie bakterielle Kontamination
eine Entbindung per Sectio empfohlen, obwohl bei vagi- vermieden. Der Plastikbeutel wird erst bei der Opera-
naler Entbindung eine Ruptur nur selten beobachtet wird. tion geöffnet.
Die Diagnose in der Frühschwangerschaft (ab 12. SSW) 4 Magensonde: ca. 8–10 Charr, um eine Volumenzu-
ist sonographisch möglich und sollte die Geburt in einem nahme des Zeleninhalts durch verschluckte Luft zu
entsprechend erfahrenen Perinatalzentrum veranlassen. verhindern.
4 Seitenlage: Zur Zwerchfellentlastung.
Assoziierte Anomalien 4 Venöser Zugang: Zur Volumensubstitution.
4 Nonrotation, Mesenterium commune. 4 Blutzuckerkontrollen: Wiedemann-Beckwith-Syn-
4 Etwa 30–60% der Kinder weisen weitere – z. T. lebens- drom (EMG-Syndrom: Omphalozele, Makroglossie
bedrohende – Fehlbildungen auf. Diese können Herz, und Gigantismus): diese Neugeborenen neigen zu
Urogenitalsystem, ZNS, Zwerchfell, Skelettsystem und schweren Hypoglykämien.
den Gastrointestinaltrakt betreffen wie Duplikaturen, 4 Ausschluss weiterer Fehlbildungen bzw. Syndrome
Atresie oder ein Meckel-Divertikel (benannt nach Me- (Chromosomenanalyse veranlassen).
ckel, Anatom und Chirurg, Halle, 1781–1833). Zur Narkose wird das Kind intubiert.
4 Nicht seltene Chromosomenanomalien sind die Tri-
somie 13 und 18 und das Wiedemann-Beckwith-Syn- ! Maskenbeatmung und Lachgas vermeiden, weil
drom (benannt nach Wiedemann, Pädiater, Kiel, dadurch das Volumen der einen Teil des Zelenin-
1915–2006, und Beckwith, zeitgenössischer Kinder- halts bildenden Darmschlingen vergrößert und ein
pathologe, Denver, geb. 1933). primärer Bauchwandverschluss erschwert wird.
624 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Operation
kIndikation 7 Wenn die Bauchhöhle groß genug ist, um den In-
Notfallindikation nur bei rupturierter Omphalozele; sonst halt der Omphalozele aufzunehmen, können die
elektiv. Bauchdecken durch Adaptation der medialen Rän-
der der vorderen Rektusscheide primär verschlos-
kPrinzip sen werden, evtl. unter Verwendung von Fremdma-
4 Kleine und mittelgroße Omphalozele: primärer terial (Patch aus biologisch degradierbarem Mate-
Bauchwandverschluss, einzeitig. rial, resorbierbare Fäden 3–0 oder 4–0).
4 Große Omphalozele: entweder primär konservativ 7 Anderenfalls kann man an die medialen Ränder
mit sekundärem Bauchwandverschluss oder primär der Mm. recti je eine Silastikfolie annähen (mög-
operativ mehrzeitig mit Bildung einer passageren lichst dünne Folie nehmen; unmittelbar präopera-
Hernie aus Silastikfolien und sekundärem Bauch- tiv sterilisieren; resorbierbares Nahtmaterial). Die
wandverschluss. Ein primär operatives Vorgehen er- Folie wird so gefaltet, dass ein nach lateral gerich-
laubt die Inspektion der Bauchorgane auf zusätzliche teter Saum auf der Rektusscheide zu liegen
Missbildungen und vermeidet die Gefahr einer Ze- kommt, der durch eine zusätzliche Nahtreihe am
lenruptur. vorderen Blatt der Rektusscheide fixiert wird (re-
sorbierbares Nahtmaterial).
kLagerung 7 Zählkontrolle und Dokumentation.
4 OP-Saal auf 32–34°C vorheizen. 7 Nach Zuschneiden werden beide Folienblätter
4 Wärmematte. über der Omphalozele verschlossen (linearer Ana-
4 Rückenlage. stomosenstapler). Die Bauchhaut wird rings um
den so konstruierten Silastikbehälter auf die Foli-
kInstrumentarium enoberfläche fixiert.
4 Grundinstrumentarium, 7 Verband mit Jodoformgaze.
4 Kinderlaparotomieinstrumentarium,
4 Kochsalzschale,
4 2 Einmalspritzen (20 ml); 2%ige N-Acethylcystein- Die künstliche Bauchwand kann in der Folgezeit in 1- bis
lösung zur Darmspülung, 3-tägigem Abstand durch Nähte verkleinert werden. Dazu
4 Nahtmaterial: Resorbierbare Fäden (3–0, 4–0, 5–0), ist in der Regel keine Narkose nötig. Mit der Verkleine-
13 4 linearer Anastomosenstapler, rung der Hernie geht eine allmähliche Vergrößerung der
4 sterile Silastikfolien bereithalten. Bauchhöhle einher, die nach 7–10 Tagen groß genug sein
sollte, um einen endgültigen Verschluss der Bauchdecken
über dem vollständig reponierten Zeleninhalt zu ermög-
Verschluss einer Omphalozele
lichen.
7 Beim primären Bauchwandverschluss wird
erst das Darmvolumen durch Darmspülung Risiken
verkleinert und dann die Bauchdecke ver- Sepsis, besonders bei mehrzeitigem Verschluss unter Ver-
schlossen. wendung von Fremdmaterial; gastroösophagealer Reflux;
7 Umschneidung der Omphalozele unter Belassung Leistenbrüche.
eines 1–2 mm breiten Hautstreifens an der Basis.
Die zelenfernen Wundränder werden allseits mo- Mortalität
bilisiert, bis der mediale Rand der Mm. recti beid- Hängt von Art und Umfang zusätzlicher Anomalien ab, bei
seits dargestellt ist. großen Omphalozelen zwischen 30 und 60%.
7 Die Nabelgefäße werden nahe der Bauchwand
unterbunden. Man kann nun versuchen, den Om- ! Von der Omphalozele zu unterscheiden ist der Na-
phalozeleninhalt in die Bauchhöhle zu reponie- belschnurbruch mit einem kleinen Bauchwandde-
ren; dabei sind Anstieg des Beatmungsdruckes, fekt (<4 cm Durchmesser). Bruchinhalt sind Dünn-
Kompression der V. cava mit unterer Einflussstau- darmschlingen, die leicht reponiert werden kön-
ung, Abknickung der V. cava zwischen Leber und nen. Der Defekt ist immer primär zu verschließen
rechtem Vorhof zu vermeiden (abdominelles (. Abb. 13.28).
Kompartmentsyndrom). Cave: Persistierender Ductus omphaloentericus.

6
13.4 · Bauchwand
625 13
13.4.2 Gastroschisis

Definition
Die Gastroschisis (besser Laparoschisis) ist ein Prolaps
von Baucheingeweiden, meist des Darmes, durch
einen angeborenen Defekt der vorderen Bauchwand,
in der Regel rechts des Nabelschnuransatzes
(. Abb. 13.29). Ein Bruchsack fehlt. Häufig sind
Frühgeborene betroffen.

Häufigkeit
4 1 : 2500.
4 Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

Embryologie
Ursächlich angenommen wird eine unzureichende
Entwicklung des extraembryonalen Coeloms, das zu
klein ist, den wachsenden Darm aufzunehmen. Infolge-
dessen kommt es zu einer Ruptur der Bauchwand rechts
des Nabelschnuransatzes. Wegen der Rückbildung der
rechten (ursprünglich paarig angelegten) Nabelvene in
der 4. SSW ist die Bauchwand dort weniger widerstands-
fähig. . Abb. 13.29 Gastroschisis – prolabiert sind Dünn- und Dickdarm
sowie ein Teil des Magens durch den rechts des Nabelschnuran-
satzes gelegenen Bauchwanddefekt
Anatomie
Der Bauchwanddefekt hat im Allgemeinen einen Durch-
messer von 2–3 cm. Prolabiert sind große Teile des Dünn- Begleitfehlbildungen
und Dickdarmes, gelegentlich auch des Magens, der Harn- 4 Darmatresie und -perforation;
blase und – beim Mädchen – der Adnexe. Der intrauterine 4 Nonrotation, Mesenterium commune.
Kontakt der Darmserosa mit der Amnionflüssigkeit gilt
als Ursache für eine »chemische Peritonitis«: Die Darm- Präoperative Behandlung
schlingen sind gestaut; die Darmwand ist ödematös ver- 4 Plastikbeutel: Das Neugeborene wird mit den Füßen
dickt und starr. Die proliferativ verdickte Serosa kann den voran in einen handelsüblichen sterilen Plastikbeutel
Darm wie ein dicker Schleier umhüllen und eine Darm- gebracht, sodass nur der Kopf und die Arme frei blei-
verkürzung vortäuschen. Kontaminations- und Verlet- ben. Auf diese Weise werden sowohl weitere Flüssig-
zungsrisiko der prolabierten Organe begründen die elek- keits- und Wärmeverluste als auch eine bakterielle
tive Entbindung per Sectio, deren Vorteile jedoch nicht Kontamination vermieden. Der Plastikbeutel wird
bewiesen sind. erst bei der Operation wieder geöffnet.
Postnatal führt die große Oberfläche der prolabierten 4 Magensonde: ca. 8–10 Charr, um eine Aspiration und
Eingeweide zu einem exzessiven Flüssigkeits- und Wärme- die Volumenzunahme der prolabierten Darmschlin-
verlust und damit rasch zu einem hypovolämischen Schock gen durch verschluckte Luft zu verhindern. Je größer
und zur Unterkühlung. Eine bakterielle Besiedelung der das Volumen des prolabierten Bauchinhalts desto
ungeschützten Darmoberfläche kann eine Sepsis verursa- schwieriger der operative Verschluss des Bauchwand-
chen. Die Abknickung des prolabierten Darms am Rand defektes.
eines (kleinen) Bauchwanddefektes kann zu Durchblu- 4 Rechtsseitenlage: um eine Abknickung des Mesenteri-
tungsstörungen und Atresie des Darms führen, besonders ums am Rand des – manchmal sehr engen – Bauch-
wenn der Defekt bereits vor der Geburt eine Tendenz zur wanddefektes und damit eine Durchblutungsstörung
Verkleinerung hatte. mit Gangrän des vorgefallenen Darms zu vermeiden.
Durch Ultraschall ist eine pränatale Diagnose ab dem 4 Venöser Zugang: zur Volumensubstitution.
3. Monat möglich. Die pränatale Diagnose sollte die Ent- 4 Antibiotikaprophylaxe: Unmittelbar nach der Geburt
bindung in einem entsprechend erfahrenen Perinatalzen- beginnend.
trum veranlassen. Zur Narkose wird das Kind intubiert.
626 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

! Maskenbeatmung und Lachgas vermeiden, weil


dadurch das Prolapsvolumen vergrößert und ein tion mit konzentriertem Polyvidon-Jod verzichtet
primärer Bauchwandverschluss erschwert wird. und der Darm sorgfältig mit körperwarmer steriler
Ringer-Lösung gereinigt. Dabei werden Fibrinbelä-
Operation ge und Käseschmiere – soweit ohne Darmverlet-
kIndikation zung möglich – entfernt. Die Verwendung alkoho-
lischer Desinfektionslösungen ist kontraindiziert.
Keine Notfallindikation. Voraussetzungen sind:
7 Der Bauchwanddefekt wird quer erweitert (1–2 cm).
4 normothermes Kind,
7 Die prolabierten Darmschlingen werden sorgfäl-
4 Elektrolyte, Blutgasanalyse und Flüssigkeitsdefizite
tig nach einer Atresie oder Perforation inspiziert.
ausgeglichen, Verklebungen werden nur gelöst, wenn dies ohne
4 stabiler Kreislauf, Darmverletzung oder Blutung möglich ist.
4 beginnende Urinausscheidung. 7 Briden zwischen dem Rand des Defektes und dem
Dünndarmmesenterium werden reseziert.
kLagerung 7 Ein Meckel-Divertikel wird belassen, muss aber im
4 OP-Saal auf 32–34°C vorheizen. OP-Bericht erwähnt werden.
4 Für ausreichende Luftfeuchtigkeit sorgen, um Flüssig- 7 Eine Darmperforation wird als Stoma vorgelagert;
keitsverlust durch Perspiratio insensibilis (Flüssig- eine Darmatresie wird reseziert. Gleichzeitig wird
keitsverlust über exponierte Darmschlingen 5 ml/ ein doppelläufiges Stoma angelegt. Primäre Anas-
kg KG/h) gering zu halten. tomosen bei entzündlich veränderter Darmwand
4 Wärmematte. und zu erwartender Darmmotilitätstörung stellen
4 Rückenlage. ein unvertretbares Risiko dar.
7 Die prolabierten Damschlingen werden geordnet
kInstrumentarium in die Bauchhöhle verlagert.
7 Nach Zählkontrolle und Dokumentation werden
4 Grundinstrumentarium,
Peritoneum und Faszie über dem reponierten
4 Kinderlaparotomieinstrumentarium,
Darm mit durchgreifenden U-Nähten aus resor-
4 Kochsalzschale, bierbarem Nahtmaterial (3–0) verschlossen, evtl.
4 Einmalfrauenkatheter 10 Charr, mit Hilfe einer Bauchwanderweiterungsplastik mit
4 2 Einmalspritzen (20 ml), einem Patch aus biodegradierbarem Material.
4 2%ige N-Acethylcysteinlösung zur Darmspülung, 7 Cave: Abdominelles Kompartmentsyndrom!
13 4 Nahtmaterial: Resorbierbare Fäden 3–0, 4–0, 5–0, 7 Ist die Bauchhöhle zu klein (10–15% der Fälle), kann
4 sterile Silastikfolien bereithalten, man die Darmschlingen vorübergehend in einer
4 linearer Anastomosenstapler. künstlichen ventralen Hernie aus Silastikfolien unter-
bringen (Schuster-Plastik). Dacron-verstärkte Silastik-
folien (0,5–0,8 mm dick) werden am Faszienrand des
Gastroschisis dazu ringsum freipräparierten Bauchwanddefektes
7 Der Plastikbeutel wird im OP-Saal geöffnet. mit Einzelknopfnähten (3–0 resorbierbar) fixiert.
7 Mit Hilfe des Frauenkatheters wird 2%ige N-Ace- 7 Die Folien werden entsprechend der benötigten
thylcysteinlösung transanal in den Darm instilliert Größe zurechtgeschnitten und über den nicht in die
und der Gastrointestinaltrakt vorsichtig entweder Bauchhöhle passenden Darmschlingen in der Medi-
transanal oder über die Magensonde so vollstän- anlinie verschlossen (linearer Anastomosenstapler).
dig wie möglich entleert, um das Missverhältnis 7 Eine sichere Fixierung der Folie kann man da-
durch erreichen, dass man den Folienrand am De-
zwischen dem Volumen der prolabierten Darm-
fekt faltet, die Falte selbst am Faszienrand und
schlingen und dem Fassungsvermögen der
den lateralen Rand der Folie auf der Vorderwand
Bauchhöhle zu verringern.
der Rektusscheide annäht.
7 Serosaverletzungen sind dabei unbedingt zu ver-
7 Um das Risiko einer Wundinfektion am Übergang
meiden. Danach wird das Kind aus dem Plastik- von körpereigenem Gewebe zum Fremdmaterial
beutel herausgenommen, auf eine mit einer tro- gering zu halten, wird die Haut ohne übermäßige
ckenen Unterlage bedeckte Wärmematte gelegt, Spannung an der Folie angeheftet (6–0 atrauma-
abgetrocknet und mit sterilen Tüchern abgedeckt. tisch) und ein trockener Verband angelegt.
7 Wegen des Risikos einer Schilddrüsenfunktionsstö- 7 Wegen der zu erwartenden Darmpassagestörung
rung durch resorbiertes Jod wird auf eine Desinfek- wird ein ZVK bereits bei der Erstoperation ange-
6 legt. Offene Magensonde belassen.
13.4 · Bauchwand
627 13
Bei täglichen Verbandwechseln auf der Intensivstation
wird die künstliche Hernie durch Nähte schrittweise ver- . Tab. 13.11 Leistenbruch mit bzw. ohne Inkarzeration

kleinert. In der Regel hat die Bauchhöhle innerhalb von Leistenbruch Leistenbruch mit Inkarze-
7 Tagen so an Größe zugenommen, dass der inzwischen ohne Inkarzerati- ration
deutlich weniger geschwollene Darm ausreichend Platz on
findet und der Bauchwanddefekt sekundär verschlossen
Klinik Meist symptom- Plötzlicher Krankheitsbe-
werden kann. Alternativ kann eine temporäre Defektde-
lose Schwellung in ginn mit erheblichen
ckung mit der Nabelschnur erfolgen. Dazu muss der Säug- der Leiste Schmerzen,
ling lang abgenabelt werden. Zum Schutz wird eine durch- Unruhe, Symptomen einer
sichtige Klebefolie aufgebracht. peritonealen Reizung

Befund Weiche, reponible Prall-elastische, druckdo-


Komplikationen Schwellung medial lente, wenig verschiebliche
4 Subileusartiger Zustand wegen gelegentlich lang an- des Leistenbandes Schwellung inguinal oder
haltender Darmmotilitätsstörung, (Hernia inguinalis), inguinoskrotal
die bis ins Skrotum
4 Hypothyreose (nach Anwendung jodhaltiger Desin-
reichen kann
fektionsmittel), (Skrotalhernie)
4 Sepsis,
Reposi- Meist spontan Nicht selten spontan
4 Aspirationspneumonie,
tion Aktive Reposition (in
4 Sklerödem der unteren Körperhälfte, Sedierung) nur bei Inkar-
4 nekrotisierende Enterokolitis, zerationsdauer von weni-
4 Cholestase infolge langfristiger parenteraler Ernäh- ger als 4–6 h und fehlender
rung, Schock-Symptomatik!
Fast immer möglich
4 gastroösophagealer Reflux,
4 Leistenhernien, Nabel- und Narbenhernie. OP-Indi- Baldmöglichst Bei erfolglosem Reposi-
kation elektiv, sofern tionsversuch ist die sofor-
Prognose nicht zusätzliche tige Operation indiziert
Erkrankungen das Eine reponierte Hernie wird
Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt bei über 90%. Narkoserisiko er- elektiv operiert, z. B. in 48 h
höhen

13.4.3 Leistenbruch

Definition Anatomie
Verlagerung von Eingeweideanteilen (Bruchinhalt) Im 3. Fetalmonat bildet sich eine fingerförmige Ausstül-
aus der Bauchhöhle durch eine angeborene oder er- pung des Peritoneums durch den Leistenkanal in Richtung
worbene Öffnung (Bruchpforte) in eine Ausbuchtung Skrotum (bzw. Labium majus). Wenn der Hoden den Lei-
des parietalen Peritoneums (Bruchsack), umgeben stenkanal Richtung Skrotum passiert hat (7.-9. SSW),
von Subkutangewebe, Haut und/oder Skrotalwand schließt sich der Processus vaginalis. Offen bleibt nur der
(Bruchhüllen). Kindliche Leistenbrüche sind ganz distale Anteil (Cavum serosum testis). Der ausbleibende,
überwiegend indirekte Leistenbrüche; sie entwickeln bzw. unvollständige Verschluss führt einerseits zu den ver-
sich entlang des Leistenkanals. Die Bruchpforte liegt schiedenen Formen des indirekten Leistenbruchs (diverti-
lateral der Vasa epigastrica. kuläre Persistenz), andererseits zu Hydrozele und Funiku-
Wegen des Inkarzerationsrisikos handelt es sich lozele (zystische Persistenz) sowie zu Kombinationen von
um einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand Leistenbruch und Hydrozele.
(Darmverschluss und Peritonitis, Verlust eines Ho- Wann genau sich der offene Processus vaginalis
dens/Ovars oder eines Darmabschnitts). schließt, ist nicht bekannt. Bei Mädchen schließt er sich in
den meisten Fällen im 7. Schwangerschaftsmonat. Bei Jun-
gen ist er in 80–90% der Fälle bei Geburt noch offen und
Inkarzeration obliteriert in den ersten 6 Monaten bis ca. zum 2. Lebens-
Inkarzerationen in etwa 12% der Fälle; 70% der Inkarzera- jahr (links früher als rechts) nach dem Hodendeszensus.
tionen treten im 1. Lebensjahr auf (. Tab. 13.11). Sie erfor- Bei 20% der Jungen bleibt er lebenslang offen, ohne Symp-
dern grundsätzlich eine notfallmäßige Operation. tome zu verursachen.
Angeboren ist nicht der Leistenbruch, sondern der
Bruchsack. Bruchinhalt sind meist Dünndarmschlingen,
628 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

a b c d e

. Abb. 13.30 a–e Verschiedene Leistenbruchformen: a kurzer of- drocele testis, d Skrotalhernie, e Leistenhernie mit Hydrocele testis
fener Processus vaginalis; b Leistenhernie, c Leistenhernie mit Hy- et funiculi. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)

Zäkum (Gleithernie), Appendix, Harnblase (Gleithernie!); Operation


beim Mädchen Ovar mit oder ohne Eileiter (Gleithernie!; Ist die Diagnose gestellt, sollte ein nicht inkarzerierter Leis-
. Abb. 13.30a–e). tenbruch elektiv operiert werden, in der Regel innerhalb
eines Monats, bei Frühgeborenen vor der Entlassung aus
Häufigkeit stationärer Behandlung. Der Eingriff wird ambulant vor-
4 1–5% aller Kinder, bis über 30% der Frühgeborenen. genommen. Wegen des erhöhten Risikos postoperativer
4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 9 : 1. Apnoen werden Frühgeborene in den ersten 6 Monaten
4 60% rechts, 30% links, 10% beidseits. nicht ambulant herniotomiert.

kPrinzip
Ursachen für einen ausbleibenden Verschluss
des Processus vaginalis testis Verschluss eines offenen Processus vaginalis peritonei in
Höhe des inneren Leistenringes; bei Maldeszensus Funiku-
4 Maldescensus testis
lolyse und Orchidopexie in gleicher Sitzung.
4 Blasenexstrophie
13 4 Vermehrte Flüssigkeit intraperitoneal: Aszites, kLagerung
ventrikuloperitonealer Shunt, Peritonealdialyse
4 Rückenlage, ggf. Polsterung unter das Gesäß, um die
4 Erhöhter interperitonealer Druck, z. B. bei zys-
Leistengegend anzuheben.
tischer Fibrose (chronischer Husten)
4 Wärmematte bei Frühgeborenen und dystrophen
4 Postoperativ: nach Omphalozele, Laparoschisis,
Säuglingen.
Zwerchfellhernie
4 Bindegewebserkrankungen: kInstrumentarium
– Marfan-Sydrom
4 Grundinstrumente,
– Ehlers-Danlos-Syndrom
4 Bipolare Koagulationspinzette,
4 Nahtmaterial: atraumatisch resorbierbar, Fadenstärke
je nach Größe des Kindes (4–0) 5–0 (6–0),
Diagnose 4 5-ml-Spritze mit Ropivacain.
Die Diagnose ergibt sich aus Anamnese und Befund.

Differenzialdiagnose Verschluss einer Leistenhernie beim Jungen


4 Leistenhoden, 7 Bei der Desinfektion und Abdeckung darauf achten,
4 Lymphadenitis, dass eine Orchidopexie erforderlich werden kann.
4 Hydrocele testis, Skrotum desinfizieren und nicht mit abdecken.
4 Hydrocele funiculi, 7 2–3 cm langer Schnitt in einer Hautfalte paraingu-
4 Torsion eines Leistenhodens, inal. Durchtrennung der Subkutanfaszie. Darstel-
4 Varikozele. lung der Externusaponeurose und des äußeren
6
13.4 · Bauchwand
629 13
Die laparoskopische Herniotomie im Säuglings- und Kin-
Leistenringes. Einsetzen von kleinen Roux- oder desalter ist umstritten, da sie einen extraabdominalen Ein-
Lidhaken und Eröffnung des Leistenkanals durch griff in einen intraabdominalen umwandelt. Die Rezidiv-
Längsinzision der Faszie vom äußeren Leistenring rate scheint etwas höher zu sein. Langzeitergebnisse stehen
nach lateral in Faserrichtung. noch aus.
7 Zur Darstellung des Bruchsackes wird die Kremas-
termuskulatur in Faserrichtung gespalten. An- Komplikationen
klemmen und Eröffnen des Bruchsackes. Bei der 4 Narbig fixierter Leistenhoden (2%),
Darstellung des Bruchsackes hält man sich mög- 4 Hodenatrophie (<1%),
lichst nahe an der Bruchsackwand. 4 Rezidiv (1–4%, v. a. nach vorausgegangener Inkarze-
7 Ein offener Processus vaginalis wird unter Scho- ration),
nung der Gebilde des Samenstranges quer durch- 4 Wundinfektion (<1%),
trennt. Der proximale Anteil des Bruchsackes wird 4 Verletzung des Samenleiters (0–1%).
bis zur Höhe des inneren Leistenringes allseits
freipräpariert und mit einer Tabakbeutelnaht/
Durchstechungsligatur verschlossen (resorbier- 13.4.4 Hydrozele
barer Faden, atraumatisch, je nach Größe des Kin-
des). Der distale Bruchsackanteil wird belassen. Definition
Adaptation der Kremastermuskulatur. Flüssigkeitsgefüllte Zyste im Bereich des Samen-
7 Eine Einengung der Bruchpforte durch Naht des stranges infolge unvollständiger Obliteration des Pro-
M. obliquus internus an das Leistenband ist nur in cessus vaginalis peritonei, über den Flüssigkeit aus
Ausnahmefällen sinnvoll. Eine Bassini-Naht ver- der Bauchhöhle in die Zele gelangt.
bietet sich beim Kind wegen des damit verbun-
denen Risikos einer Hodendurchblutungsstörung.
Kontrolle auf regelrechte Lage des Hodens im Formen
Skrotum; liegt der Hoden nicht im Skrotum, muss . Abb. 13.31a–g.
in gleicher Sitzung eine Funikulolyse und Orchi-
dopexie vorgenommen werden. jAngeboren
7 Naht der Externusaponeurose und Rekonstruktion 4 Hydrocele funiculi: flüssigkeitsgefüllte Zyste im Be-
des äußeren Leistenrings. Cave: Funikulus nicht reich des Samenstranges.
einengen. 4 Hydrocele testis: Flüssigkeitsansammlung innerhalb
7 Wundrandinfiltration mit einem langanhaltenden des unvollständig obliterierten Processus vaginalis
Lokalanästhetikum. peritonei in der Umgebung des Hodens.
7 Subkutannaht. Hautverschluss durch fortlaufende 4 Kombinationsmöglichkeiten: Hydrocele testis et funi-
Intrakutannaht, alternativ mit Gewebekleber. culi mit oder ohne indirekte Leistenhernie.
7 Alternative Methoden zur Schmerzausschaltung 4 Bei Mädchen: Nuck-Zyste (benannt nach Nuck, Ana-
sind Blockierung des N. ilioinguinalis oder die tom und Internist, Leyden, 1650–1692); zystische
Kaudalanästhesie. Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Lig. rotun-
dum außerhalb des Leistenkanales.

jErworben
Verschluss einer Leistenhernie beim Mädchen
Symptomatische Hydrocele testis: pathologische Flüssig-
7 Der Zugang ist identisch zum Jungen (s. oben). keitsansammlung in der Umgebung des Hodens nach
7 Nach der Darstellung des Bruchsackes wird das Trauma, Torsion, Entzündung oder bei Hodentumor.
Lig. rotundum ligiert und durchtrennt. Der
Bruchsack wird dargestellt, eröffnet und ggf. ab- Klinik
getragen. Unterschiedlich ausgeprägte, meist symptomlose Flüssig-
7 Bruchsackverschluss durch eine Tabakbeutelnaht. keitsansammlung in der Umgebung des Hodens oder ent-
Der Bruchsackstumpf wird unter der Internusmus- lang des Samenstranges, die sich im Verlauf der ersten
kulatur fixiert. Pfeilernaht zwischen Internusmus- 2 Jahre spontan zurückbilden kann.
kulatur und Leistenband.
7 Wundverschluss wie oben beschrieben.
630 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

a b c d

e f g

. Abb. 13.31 a–g Verschiedene Hydrozelenformen: a Hydrocele te- tis et funiculi; f Leistenhernie mit Hydrocele testis; g abdominoskro-
stis; b Hydrocele funiculi; c Hydrocele testis et funiculi; d gekam- tale Hydrozele. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)
merte Hydrocele testis et funiculi; e Leistenhernie mit Hydrocele tes-

Befund 4 bei prall-elastischer bzw. extrem großer Hydrozele im


Hydrocele funiculi: Oliven- bis pflaumengroße indolente, Alter von 4–6 Monaten,
13 meist prall-elastische umschriebene verschiebliche Zyste 4 bei abdominoskrotaler Hydrozele nach Diagnosestel-
im Verlauf des Samenstranges. lung.
Hydrocele testis: Teils schlaffe, teils prall-elastische zys-
tische Flüssigkeitsansammlung in der Umgebung des Ho- kPrinzip
dens, der von dorsomedial in die Zyste hineinragt. Verschluss des unvollständig obliterierten Processus vagi-
Hydrozelen sind gegen den Leistenkanal gut abgrenz- nalis peritonei in Höhe des inneren Leistenrings. Bei abdo-
bar. Der Zeleninhalt ist nicht wegdrückbar (Ausnahme: minoskrotaler Hydrozele zusätzlich möglichst vollständige
abdominoskrotale Hydrozele). Die Diaphanoskopie ist Exzision des Zelensackes.
keine sichere Maßnahme zur Unterscheidung einer Hy-
drozele von einer inkarzerierten Leistenhernie. Punktion OP-Technik
der Zele ist nicht indiziert (Risiken: Rezidiv, Darmperfora- Wie bei Herniotomie.
tion, Infektion, Verletzung des Samenstranges).
! Nicht zu empfehlen: Operation nach Winkel-
Operation mann. Hierdurch wird die Hodendurchblutung
gefährdet.
kIndikation
4 Bei Persistenz der Hydrozele über das 2. Lebensjahr
hinaus Komplikationen
4 bei Verdacht auf begleitende Leistenhernie, 4 Wie bei Herniotomie;
4 bei extremer Größe, 4 postoperative Skrotalschwellung ausgeprägter als
4 bei abdominoskrotaler Hydrozele. nach Herniotomie wegen Leistenbruch;
4 bei großen Hydrozelen nicht selten Skrotalhämatom.
kOP-Zeitpunkt
4 Bei schlaffer Hydrozele jenseits des ersten Lebens-
jahres,
13.5 · Urogenitaltrakt
631 13
13.5 Urogenitaltrakt beckens erschöpft ist, kommt es zu einer Überdehnung
und damit zu einem Ungleichgewicht. Die resultierende
13.5.1 Hydronephrose Funktionsminderung der Niere muss nicht progredient
sein.
Definition
Harnabflussstörung aus dem Nierenbecken mit Weit- Ursache
stellung des Nierenbecken-Kelch-Systems, die unbe- Anatomische Ursachen der Hydronephrosen werden in
handelt zu einer Nierenfunktionsstörung führt. intrinsische (z. B. Wandanomalien des pyeloureteralen
Übergangs wie Muskeldefizit, Fibrose, Urothelfalten) und
extrinsische [»kreuzende« Gefäße – aberrierende oder ak-
Häufigkeit zessorische Nierengefäße (sehr umstritten)] eingeteilt. Bei
4 1 : 1250. der Operation findet sich selten eine klare Stenoseursache,
4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 2 : 1. meist ein mehr oder weniger langes subpelvines adyna-
misches Segment, das von der Peristaltik des Nierenbe-
Pathophysiologie ckens nur unzureichend überwunden werden kann, oder
Die Pathophysiologie der angeborenen Hydronephrose eine Abknickung des Harnleiterabgangs aus dem Nieren-
unterscheidet sich grundsätzlich von der der erworbenen becken. Niemals liegt ein kompletter Verschluss vor.
Hydronephrose des älteren Kindes und des Erwachsenen.
Die kongenitale Hydronephrose hat erhebliche Konse- Assoziierte Anomalien
quenzen für die Entwicklung nicht nur der betroffenen 4 Anorektale Malformation,
sondern auch der kontralateralen nicht hydronephro- 4 multizystische Nierendysplasie der kontralateralen
tischen Niere. Niere,
Die glomerulären und tubulären Oberflächen der Neu- 4 vesikoureterorenaler Reflux,
geborenenniere betragen nur 10% der Erwachsenenniere, 4 Doppelbildungen (Hydronephrose überwiegend in
die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) entspricht 20–30% der unteren Anlage).
des Erwachsenenwertes. Sie nimmt in den ersten 10 Le-
benstagen rasch zu und erreicht den Erwachsenenwert im Klinik
Alter von 2 Jahren. Während die Hydronephrose des älteren Kindes und des
Die am Ende der Schwangerschaft relativ hohe Urin- Erwachsenen durch Symptome wie Bauchschmerzen mit
ausscheidung ist postpartal deutlich erniedrigt und stabi- oder ohne Erbrechen, Hämaturie (spontan oder posttrau-
lisiert sich erst einige Tage nach der Geburt auf Werte zwi- matisch), Harnwegsinfekte, Pyelonephritis, Konkremente,
schen 1–2 ml/kg KG/h. Diese physiologischen Schwan- tastbarer Tumor, Anämie, Gedeihstörung und Hypertonus
kungen der Urinproduktion peripartal erklären die Dis- auffällig werden kann, ist die prä- bzw. postnatal diagnos-
krepanz zwischen prä- und postnatalen Befunden. tizierte Hydronephrose in der Regel symptomlos. Über
Eine pränatale Hydronephrose kann allein durch die 60% der Fälle treten links, 5–10% treten beidseitig auf.
relativ hohe Urinproduktion im letzten Trimenon vorge-
täuscht werden. Das ist bei etwa 4% der pränatal diagnos- Diagnose
tizierten Hydronephrosen der Fall. Andererseits kann eine 4 Klinische Untersuchung mit Messung von Körperge-
klinisch relevante Hydronephrose dadurch übersehen wer- wicht, Körperlänge und Blutdruck; Urinstatus und
den, dass das Neugeborene zu früh postnatal sonographiert Bestimmung der Retentionswerte im Serum.
wird, nämlich in der Phase der relativen Dehydratation mit 4 Sonographie: Die Hydronephrose ist die pränatal am
nur geringer Urinausscheidung. häufigsten diagnostizierte Anomalie. Beurteilt wer-
Das Missverhältnis zwischen Urinproduktion und Ab- den die Weite des Nierenbeckens und der Kelche
transport in den Harnleiter führt zu einer Erweiterung des sowie die Parenchymdicke (Gradeinteilung der ame-
Nierenbeckens im Sinne einer Akkommodation. Nieren- rikanischen Society for Fetal Urology; Maizels et al.
durchblutung und Urinproduktion passen sich den einge- 1992). Wegen der postpartalen Phase einer relativen
schränkten Abflussmöglichkeiten durch Autoregulation Dehydratation soll die erste sonographische Kontrolle
an. Renale Durchblutung und GFR nehmen ab, sodass sich einer pränatal diagnostizierten Hydronephrose nicht
ein Gleichgewicht zwischen Urinproduktion und -abfluss vor dem 7. Lebenstag erfolgen.
einstellt. 4 Miktionszysturethrogramm zum Nachweis bzw. Aus-
Der Druck im Nierenbecken ist bei länger bestehender schluss eines vesikoureteralen Refluxes, der eine Hy-
Dilatation in der Regel nicht erhöht (zwischen 5 und dronephrose vortäuschen kann (Kombination beider
25 cm H2O). Erst wenn die Reservekapazität des Nieren- Krankheitsbilder in bis zu 10% der Fälle).
632 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Ein Ausscheidungsurogramm macht anatomische Zeitpunkt der Diagnose haben 34–46% der Neugeborenen,
Details sichtbar, die für die OP-Planung wichtig sein aber nur 25% der Kinder und 23% der Erwachsenen bereits
können. Dies gilt besonders für Doppelnieren und eine eingeschränkte Funktion der betroffenen Niere, d. h.
Doppelureter. Für den Nachweis gestörter Abflussver- bei mindestens einem Drittel der Neugeborenen kommt es
hältnisse sind Spätaufnahmen notwendig. zu einer spontanen Besserung der Nierenfunktion. Ande-
4 Die retrograde Pyelographie zur Darstellung des rerseits ist aus klinischen Studien bekannt, dass es bei etwa
Ureters ist nur bei dorsalem Zugang präoperativ er- 25% der pränatal diagnostizierten Hydronephrosen zu einer
forderlich. Verschlechterung der Nierenfunktion kommt, die schließ-
4 Nuklearmedizinische Nierenuntersuchung: Die ein- lich eine operative Korrektur erfordert. In dieser Gruppe
gesetzten Radiopharmaka DTPA (Technetium-99m- mit operierter Hydronephrose sind auch Kinder mit primär
Diethylentriaminpentaessigsäure) und MAG3 (Tech- guter Nierenfunktion: Bei 15–20% der Neugeborenen, de-
netium-99m-Mercaptoacetyltriglycin) erlauben ren hydronephrotische Niere primär eine anteilige Nieren-
Rückschlüsse auf die anteilige Funktion beider Nieren funktion von über 40% hatte, verschlechtert sich die Funk-
und auf die Abflussverhältnisse, letzteres unterstützt tion so, dass schließlich doch operiert wird.
durch Flussbelastung mit einem Diuretikum (Furose- Etwa 10% der obstruierten Nieren haben eine so hoch-
mid 1 mg/kg). Halbwertzeiten für die Aktivität über gradig eingeschränkte Funktion (<10% der Gesamtfunkti-
dem Nierenbecken von weniger als 10 min schließen on), dass ein organerhaltender Eingriff nicht mehr sinnvoll
eine Obstruktion aus, solche von mehr als 20 min gel- ist (o Nephrektomie). Die Indikation zur operativen Kor-
ten als Hinweis auf eine Obstruktion. Voraussetzung rektur kann sich bei einem symptomlosen Patienten erst
ist eine konstante Hydratation des Kindes. Bei ekto- aus der Verlaufsbeobachtung ergeben. Sie sollte innerhalb
per Niere und bei nachgewiesenem vesikoureteralem des ersten Lebensjahres gestellt werden.
Reflux Untersuchung mit liegendem Blasenkatheter. Meistens wird eine medikamentöse Harnwegsinfektpro-
4 Markersubstanzen im Urin: u. a. NAG (N-Acetyl-β- phylaxe mindestens im ersten Lebenshalbjahr befürwortet.
D-Glukosaminidase, ein lysosomales Enzym der Tu-
buluszellen) und α2-Mikroglobulin. Operation
4 Perkutane Druck-Fluss-Studien (Whitaker-Test): in- 4 Elektiveingriff.
vasive Methode mit unzuverlässigen Ergebnissen. 4 Ausnahme: bilaterale Hydronephrose mit erhöhten
4 Funktionsfähige Nierenmasse: Die Bestimmung des Retentionswerten, tastbarer Nierentumor [o perku-
Hohlsystemvolumens in Korrelation zur Nierenpar- tane transrenale Katheterpyelostomie; perkutane Ka-
13 enchymmasse scheint eine Aussage für die Entschei- theternephrostomie (PCN), passager].
dung konservatives vs. operatives Vorgehen zu er-
möglichen. kIndikation
Die Indikation zur Nierenbeckenplastik ist gegeben bei
Differenzialdiagnose 4 beidseitiger Hydronephrose (Pyelonweite >12 mm ap),
4 Multizystische Nierendysplasie Potter IIA, 4 tastbarem »Nierentumor« (Druck im Nierenbecken
4 vesikoureterorenaler Reflux, erhöht),
4 Megaureter, 4 Abnahme der anteiligen Nierenfunktion um mehr
4 zystischer Tumor der Niere oder der Nebenniere, als 10%,
4 solitäre Nierenzyste. 4 fehlendem Nuklidabfluss im Diurese-Szintigramm,
4 zunehmender Nierenbeckenektasie (mit oder ohne
Therapie stabile Nierenfunktion),
Eine pränatale Hydronephrose ist kein Notfall, solange 4 persistierender Hydronephrose Grad 4,
nicht gleichzeitig ein Oligohydramnion vorliegt. Das Kind 4 symptomatischer Hydronephrose:
kann postpartal bei der Mutter bleiben. 5 Pyelonephritis,
5 Konkremente,
! Dilatation ist nicht gleichbedeutend mit
5 Hypertonie,
Obstruktion.
5 Gedeihstörung,
Das Dilemma bei der Behandlung der Hydronephrose be- 5 beginnender kompensatorischer Hypertrophie der
steht in der Unmöglichkeit, eine obstruktiv bedingte Nie- kontralateralen Niere,
renschädigung sicher und rechtzeitig, d. h. vor Eintritt ei- 4 Hydronephrose kombiniert mit vesikoureteralem
ner progredienten Nierenfunktionsstörung und morpho- Reflux mindestens 3. Grades
logischer Läsionen (Tubulusdilatation und -atrophie, Glo- 4 Einzelniere,
merulosklerose, interstitielle Fibrose) zu erkennen. Zum 4 mangelhafter Compliance der Eltern.
13.5 · Urogenitaltrakt
633 13

. Abb. 13.32 Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes. (Nach Sigel 2001)

kPrinzip
Hydronephrose
Nierenbeckenplastik nach Anderson-Hynes (benannt
nach J.C. Anderson und W. Hynes, 1949, Sheffield, UK) 7 Quere Oberbauchinzision und extraperitoneale
durch Resektion des subpelvinen adynamischen Seg- Darstellung der Niere nach Längseröffnung der
mentes: lange trichterförmige Anastomose zwischen dem Gerota-Kapsel.
tiefsten Punkt des Nierenbeckens und dem Harnleiter 7 Die Adventitia des extrarenal erweiterten Nieren-
(. Abb. 13.32). Bei älteren Kindern wird ein sehr großes beckens wird medial längs inzidiert und unter
Nierenbecken verkleinert. Schonung besonders der in Richtung auf den Ure-
terabgang verlaufenden Gefäße ventral und dor-
kLagerung sal nach lateral abpräpariert. Dabei stellt sich der
4 Für die Nierenbeckenplastik sind Zugangswege von Ureterabgang an der Vorderwand des Nierenbe-
abdominal, lumbal und dorsal möglich, jeweils extra- ckens dar. Er liegt meist kranial des tiefsten
peritoneal, bei minimal-invasivem Vorgehen auch Punktes des Nierenbeckens.
transperitoneal. 7 Die Nierengefäße können mit einem Overholt un-
4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel. terfahren und mit einem Vessel-Loop angeschlun-
4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1). gen werden. Aberrierende oder akzessorische
Nierengefäße dürfen nicht unterbunden und
kInstrumentarium durchtrennt werden (Hypertonierisiko!).
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium, 7 Nach Legen einer Haltenaht (6–0 atraumatisch
4 Rahmen, monofil) an den pyeloureteralen Übergang wird
4 Spatel, der proximale Harnleiter unter sorgfältiger Scho-
4 diverse Overholts, nung seiner Blutversorgung dargestellt. Nach Le-
4 Vessel-Loops, gen einer weiteren Haltenaht an den proximalen
4 Redon-Drainage, Ureter wird dieser unmittelbar distal des pye-
4 Nahtmaterial: 5–0, 6–0 atraumatisch monofil resorbier- loureteralen Übergangs schräg von kranial medial
bar, evtl. 8–0 atraumatisch, resorbierbar, geflochten, nach kaudal lateral durchtrennt. Der laterale
4 Doppel-J-Katheter (7 Kap. 9). Wundwinkel des Ureters wird – wiederum unter
Schonung der Gefäßversorgung – einige Millime-
jVoraussetzungen ter lang längs gespalten.
Soll die Anastomose geschient werden, kann präoperativ 7 Falls nicht zuvor durch Legen des Double-pigtail-
transurethral ein Double-pigtail-Katheter (Double-J-Ka- Katheters geschehen, wird die Durchgängigkeit
theter) eingebracht werden (bei Neugeborenen und Säug- 6
lingen meist 3 Charr, 12 cm lang).
634 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Komplikationen
des Harnleiters mit einem 3-Charr-Katheter ge- 4 Blutung,
prüft, der sich ohne Anhalt für eine Stenose bis in 4 Restenosierung und Urinextravasation kommen in
die Harnblase vorschieben lassen sollte. 2–3% der operierten Fälle vor.
7 Nach Legen entsprechender Haltenähte wird das 4 Die Zahl der Rezidivoperationen liegt unter 2%, die
Nierenbecken so reseziert, dass ein an seinem der sekundären Nephrektomie <1%.
tiefsten Punkt abgehender, dreizipfliger Lappen
entsteht.
7 Ausspülen des Nierenbeckens. Verschluss des Nie- 13.5.2 Leistenhoden
renbeckens mit Einzelknopfnähten (atrauma-
tisches monofiles resorbierbares Nahtmaterial 6– Definition
0), extramukös gestochen, Knoten nach außen (lu- Der Hoden ist außerhalb des Skrotums lokalisiert und
penmikroskopische Präparation). kann nicht spannungsfrei bis zum Boden des Skrotal-
7 Lange, schräg verlaufende, trichterförmige Ana- fachs verschoben werden.
stomose zwischen Nierenbecken und Ureter mit
Einzelknopfnähten (atraumatisches resorbierbares
Nahtmaterial, monofil 6–0 oder geflochten 8–0), Häufigkeit
extramukös gestochen. Bei 30% der männlichen Frühgeborenen und bei 3–5% der
7 Die Wundränder dürfen nicht mit der Pinzette ge- Reifgeborenen haben zum Zeitpunkt der Geburt ein oder
fasst werden, die Knoten liegen nach außen. beide Hoden das Skrotum nicht erreicht. Die meisten dieser
7 Sorgfältige Kontrolle auf Bluttrockenheit. kongenital dystopen Hoden deszendieren innerhalb der
7 Lockere Adaptation der Adventitia über der Nie- ersten 3–6 Lebensmonate, sodass am Ende des 1. Lebens-
renbeckennaht. Naht der Gerota-Kapsel über ei- jahres 1,5% der Jungen eine Hodendystopie aufweisen.
ner Redon-Drainage.
! Nach Vollendung des 1. Lebensjahres stellt jeder
7 Zählkontrolle und Dokumentation.
nicht im Skrotum befindliche Hoden einen pa-
7 Schichtweiser Verschluss der Bauchdecken (5–0
thologischen Zustand dar.
atraumatisches resorbierbares Nahtmaterial). Sub-
kutannaht. Hautverschluss durch versenkt ge- Erwachsene mit beidseitigem Kryptorchismus sind über-
knüpfte intrakutane Einzelknopfnähte. Verband. wiegend infertil. Für die einseitige Hodendystopie werden
13 7 Alternative Drainagemöglichkeiten sind die Schie- Infertilitätsraten von 30–60% angegeben. Nach Verlage-
nung der Anastomose mit einem transrenalen rung des Hodens ins Skrotum liegt die Fertilitätsrate bei
Ureterkatheter und eine gleichzeitige transrenale Patienten mit beidseitiger Hodendystopie zwischen 0 und
Nierenbeckendrainage. 68%, bei Patienten mit einseitiger Hodendystopie zwischen
70 und 95%.

Der Eingriff kann auch mit minimal-invasiver Technik Pathogenese


durchgeführt werden, in der Regel transabdominal. Bei Der physiologische Deszensus verläuft in 2 Phasen: der
retroperitonealem Vorgehen steht nur wenig Platz zur Ver- abdominellen (10.–15. SSW) und der inguinoskrotalen
fügung, die Aktion der Instrumente ist sehr eingeschränkt. (28.–35. SSW), die nur teilweise von Androgenen gesteu-
Eine Drainage ist nicht in allen Fällen erforderlich. Der ert sind. Daneben werden zahlreiche andere Faktoren dis-
Double-pigtail-Katheter muss postoperativ (meist nach kutiert. Der Maldeszensus wird heute als Folge einer intra-
3–6 Wochen) zystoskopisch entfernt werden. uterinen Insuffizienz der Hypothalamus-Hypophysen-
Gonaden-Achse, mithin als Endokrinopathie angesehen.
Ergebnisse Es wird ein Primärschaden (Einschränkung der Ferti-
Die postoperative Ergebniskontrolle findet frühestens nach lität, erhöhtes Malignitätsrisiko) des retinierten Hodens
6 Monaten statt. Der Urinabfluss ist postoperativ in über 95% unterschieden von sekundären Veränderungen, die Folge
der Fälle verbessert. Präoperativ vorhandene Symptome bil- der erhöhten Temperatur sind. Die Temperatur des skrota-
den sich zurück. Die Nierenfunktion erholt sich nicht in al- len Hodens liegt bei 33°C, die des abdominalen Hodens
len Fällen, besonders dann nicht, wenn die Operation wegen entspricht der Körperkerntemperatur.
einer progredienten Funktionsverschlechterung erfolgte.
Die Aussicht auf eine Erholung der Nierenfunktion scheint Assoziierte Fehlbildungen
umso größer zu sein, je jünger das Kind zum Zeitpunkt der 4 Offener Processus vaginalis peritonei,
Operation ist (Optimum im Alter von 3–6 Monaten). 4 Anomalien des Nebenhodens.
13.5 · Urogenitaltrakt
635 13
pin (HCG) oder Gonadotropin releasing hormone (GnRH)
bzw. die Kombinationsbehandlung mit beiden Hormonen
und die Operation.

kIndikation
Indikationen zur Behandlung sind:
4 Verbesserung der Fertilität.
4 Verringerung der Torsionsrisikos (Torsion in dysto-
pen Hoden 22-mal häufiger).
4 Beseitigung der in über 40% der Fälle vorhandenen
Begleithernie.
4 Verringerung des Verletzungsrisikos.
4 Die Diagnose eines Hodentumors wird erleichtert
(umstritten). (Hodentumoren sind insgesamt selten:
Von 100.000 Männern erkranken pro Jahr 1,8 an
einem malignen Hodentumor (0,0018%); aber mehr
. Abb. 13.33 Verschiedene Formen des Maldeszensus: 1 orthoper
Hoden; 2–4 Retentionen: 2 Retentio testis praescrotalis; 3 Retentio als 10% aller Keimzelltumoren des Hodens entstehen
testis inguinalis; 4 Retentio testis abdominalis. A–C Ektopien: A epi- in dystopen Hoden (Risiko 5- bis 10-mal größer).
fasziale Ektopie; B femorale Ektopie; C perineale Ektopie. (Nach Köl-
lermann 1971) Die Behandlung sollte im 7. Lebensmonat begonnen und
am Ende des 1. Lebensjahres abgeschlossen sein.
Ziel ist es, durch rechtzeitige Verlagerung des Hodens
Formen Sekundärschäden zu verhindern und eine klinische Unter-
Der Deszensus kann ganz ausbleiben, unvollständig ablaufen suchung des Hodens durch Palpation zu ermöglichen. In
oder eine falsche Richtung nehmen. Entsprechend werden den Leitlinien wird eine präoperative Hormonbehandlung
Retentionen von Ektopien unterschieden (. Abb. 13.33). mit LHRH (»luteinizing hormone-releasing hormone«;
Als Kryptorchismus wird ein nichttastbarer Hoden be- Gonadotropin freisetzendes Hormon) und HCG (humanes
zeichnet (Ursachen können eine Retentio testis abdomina- Choriongonadotropin) für die Dauer von 7 Wochen emp-
lis, eine Anorchie oder eine Hodenaplasie sein. Bei 3–4% fohlen (nur im 1. Lebensjahr). Sie soll einerseits den De-
der Leistenhodenpatienten fehlt der Hoden). szensus anregen und so eine Operation evtl. vermeiden,
Nach topographisch-anatomischen Gesichtspunkten andererseits die Fertilitätschancen des retinierten Hodens
unterscheidet man bei der Retentio, also beim unvollstän- verbessern.
digen Deszensus, die Retentio testis abdominalis, inguina- Die konservative Behandlung führt bei 20% der Pati-
lis und präskrotalis. enten zu einem Deszensus, der allerdings bei jedem 4. Pa-
Die häufigste Form einer Ektopie ist der epifasziale Leis- tienten nicht von Dauer ist.
tenhoden. Seltene Ektopien sind die krurale und die peri-
neale Ektopie. Die Hodenektopie kommt zweimal häufiger Operation
als die Retentio testis vor. Die Operation wird ambulant in Allgemeinnarkose durch-
Beim Pendelhoden ist der Samenstrang normal lang, geführt, in der Regel offen chirurgisch. Ein primär laparo-
sodass der Hoden bei der Untersuchung problemlos ins skopisches Vorgehen empfiehlt sich für die Retentio testis
Skrotum verlagert werden kann; hier verbleibt er je nach abdominalis und für den Kryptorchismus. Im Folgenden
den Untersuchungsbedingungen eine Zeit lang. Durch werden die OP-Bedingungen und der -Verlauf für die Ope-
Kontraktion des im Kindesalter hyperaktiven Kremaster- ration nach Shoemaker (Chirurg, Den Haag, 1871–1940)
muskels kann der Pendelhoden jedoch zeitweilig wieder in beschrieben.
den Leistenkanal zurückgezogen werden.
kIndikation
Diagnose Absolut gegeben, wenn eines der folgenden mechanischen
4 Klinische Untersuchung! Deszensushindernisse vorliegt:
4 Bei nichttastbarem Hoden: Sonographie, Laparoskopie. 4 Narbige Fixation des Hodens nach Herniotomie.
4 Gleichzeitig bestehende Leistenhernie (>40%).
Therapie 4 Ektopie (70%).
Als Behandlungsverfahren stehen zur Verfügung: die kon- 4 Sekundärer Aszensus.
servative Behandlung mit humanem Choriongonadotro- 4 Leistenhoden in und nach der Pubertät.
636 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

kPrinzip
4 Ausreichende Mobilisierung des Funikulus, rings. Hierbei darf der Funikulus nicht eingeengt
4 Durchtrennung der Kremastermuskulatur, werden. Subkutannaht.
4 vollständige Isolierung und Abtragung eines offenen 7 Inguinalblock mit Ropivacain.
Processus vaginalis peritonei, 7 Hautverschluss durch fortlaufende Intrakutannaht
4 adäquate Fixierung des Hodens im Skrotum in einer oder versenkt geknüpfte intrakutane Einzelknopf-
zwischen Haut und Tunica dartos gebildeten Tasche. nähte, alternativ mit Gewebekleber. Verband
(. Abb. 13.34a–f ).
kLagerung
Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und unterpol-
stertem Gesäß. Blind endende Hodengefäße mit fehlenden oder hochgra-
dig atrophierten Hoden sind wahrscheinlich das Ergebnis
kInstrumentarium einer intrauterinen Hodentorsion (»vanishing testis«).
4 Grundinstrumentarium,
4 feine Kornzange, Spezielle Verfahren
4 bipolare Koagulationspinzette, 4 Das Verfahren nach Fowler-Stephens besteht in der
4 5-ml-Spritze mit Ropivacain ein- oder mehrzeitigen laparoskopischen Operation
4 Nahtmaterial resorbierbar monofil oder geflochten mit Durchtrennung der Vasa spermatica (Risiko der
4–0 oder 5–0. Hodenatrophie) und offen chirurgischer Autotrans-
plantation des Hodens mit mikrovaskulärer Anasto-
mose der A. testicularis mit der A. epigastrica inferior.
Leistenhoden, Fixation des Hodens im Skrotum
4 Orchiektomie wegen Malignitätsrisiko bei Operation
7 Parainguinalschnitt. in und nach der Pubertät.
7 Darstellung und Längsspaltung der Externusapo-
neurose vom äußeren Leistenring aus nach kranial Komplikationen
in Faserrichtung. Der Hoden wird allseits mobili- 4 Skrotalhämatom und/oder Wundinfektion 1–2%,
siert, das Gubernaculum testis zwischen Ligaturen 4 Rezidiv 2%,
durchtrennt. Quere Durchtrennung der Kremas- 4 Ductusverletzung 1–2%,
termuskulatur. 4 Hodenatrophie 2–5%.
7 Ein offener Processus vaginalis wird unter sorgfäl-
13 tiger Schonung der Gebilde des Samenstranges Prognose
quer durchtrennt. Der proximale Bruchsackanteil 4 Normales Wachstum in 80%.
wird bis in Höhe des inneren Leistenringes allseits 4 Fertilität:
dargestellt und das Peritoneum hier mit einer 5 bei einseitiger Orchidopexie 75–80% (12–100%),
atraumatischen Tabakbeutelnaht/Durchste- 5 bei beidseitiger Orchidopexie 20% (0–68%).
chungsligatur verschlossen.
7 Das überschüssige Peritoneum wird abgetragen.
Der distale Bruchsackanteil wird der Länge nach 13.5.3 Hodentorsion
eröffnet. Eine evtl. vorhandene Hydatide wird
nach Koagulation der Basis abgetragen. Weitere Definition
Funikulolyse und quere Durchtrennung der Fa- Drehung des Hodens um seine Längsachse, d. h. um
sern der Fascia cremasterica, sodass der Samen- den Samenstrang, mit konsekutiver Drosselung der
strang schließlich nur noch aus Gefäßbündel und Hodendurchblutung und Gefahr der hämorrha-
Ductus deferens besteht. gischen Nekrose und des Organverlustes.
7 Der Hoden lässt sich nun spannungsfrei ins
Skrotum verlagern; hier wird er in einer zwischen
Haut und Tunica dartos gebildeten Tasche Anatomie
(nach Lieblein) pexiert (resorbierbares Naht- Als Ursache werden eine angeborene anatomische Ano-
material). malie der Hodenfixation und ein hyperaktiver bzw. patho-
7 Naht der Skrotalwunde. Naht der Externusapo- logisch verlaufender Kremastermuskel diskutiert. Norma-
neurose und Rekonstruktion des äußeren Leisten- lerweise ist der Hoden über den Nebenhoden durch das
6 Mesorchium dorsomedian an der Wand des Processus va-
ginalis fixiert. Fehlt diese Fixierung, wird der Hoden all-
13.5 · Urogenitaltrakt
637 13

e
b

c f

. Abb. 13.34 a–f Leistenhodenoperation. a Hautinzision, b Skrotale e Fixierung des Hodens an der Tunica dartos. (Nach Hutson 1995).
Inzision, c Bildung einer Tasche zwischen Haut und Tunica dartos, f Situs vor Abschluss des Eingriffes. (Nach Hadziselimovic u. Herzog
d Durchziehen des mobilisierten Hodens durch die Skrotalwunde, 1990)
638 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Differenzialdiagnose
4 Torsion von Anhangsgebilden des Hodens (Hydati-
dentorsion; 3- bis 4-mal häufiger als Hodentorsion)
oder des Nebenhodens. Der Häufigkeitsgipfel liegt
präpubertär. Die hämorrhagisch infarzierte Hydatide
kann gelegentlich als blauer Punkt durch die Hoden-
hüllen hindurch schimmern. Die Hydatidentorsion
muss nicht operiert werden. Eine Operation hat je-
doch den Vorteil, dass das Kind sofort beschwerdefrei
ist und der Krankheitsverlauf abgekürzt wird. Gele-
gentlich ist die Unterscheidung Hodentorsion/Hyda-
tidentorsion nur operativ möglich.
4 Hoden- und Nebenhodenentzündungen sind im
Kindesalter – im Gegensatz zum Erwachsenen – sel-
ten. Die Mumpsorchitis wird meist nach der Pubertät
beobachtet. Ursache einer Epididymitis ist entweder
. Abb. 13.35 a, b Formen der Hodentorsion: a supravaginal, b in-
travaginal. (Nach Holschneider u. Wischermann 1993)
eine hämatogene oder eine intrakanalikulär aszen-
dierende, von den Harnwegen ausgehende Infektion
(transurethraler Dauerkatheter, neurogene Blasen-
seitig von der Tunica vaginalis testis umgeben. Er kann entleerungsstörung, anorektale Anomalie, Blasen-
sich dann innerhalb der Tunica vaginalis um seine Längs- exstrophie).
achse – den Samenstrang – drehen: intravaginale Hoden- 4 Idiopathisches Skrotalödem.
torsion (. Abb. 13.35b). Dies führt zu einer Drosselung des 4 Die Hodentorsion kann auch beim Leistenhoden vor-
venösen Abflusses, schließlich auch der arteriellen Blutzu- kommen und ist dann differenzialdiagnostisch
fuhr. schwer von einer inkarzerierten Leistenhernie zu un-
Die Durchblutungsstörung des Hodens hat, wenn sie terscheiden.
länger als 4 h anhält, den teilweisen oder vollständigen Or-
ganverlust zur Folge. Dies geschieht auch bei der suprava- Operation
ginalen Torsion (s. . Abb. 13.35a), die praktisch nur im kIndikation
13 Neugeborenen- und Säuglingsalter vorkommt. Dabei dreht Notfallindikation; je länger die Torsion andauert, desto
sich der Samenstrang oberhalb der Tunica vaginalis. Die vollständiger der Organverlust (. Tab. 13.12).
Häufigkeitsgipfel der Hodentorsion liegen im Neugebore-
nenalter und präpubertär zwischen dem 12. und 15. Le- kLagerung
bensjahr. Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und unterpol-
stertem Gesäß.
Klinik
Im Neugeborenenalter können die Symptome einer Ho- kInstrumentarium
dentorsion unspezifisch sein. Beschwerden jenseits des 4 Grundinstrumentarium,
Säuglingsalters sind meist plötzlich einsetzende heftige 4 feine Kornzange,
Schmerzen im betroffenen Hoden, Übelkeit und Erbre- 4 bipolare Koagulationspinzette,
chen gefolgt von einer Rötung und Schwellung der Hoden- 4 Kochsalzschale,
hüllen. Warnsymptome in Form passagerer, spontan ab-
klingender torsionsähnlicher Beschwerden lassen sich bei
jedem 3. Patienten anamnestisch eruieren (wird durch in-
. Tab. 13.12 Prognose nach Hodentorsion. (Nach Nosewor-
termittierende inkomplette Torsion erklärt). thy 1993)

Diagnose Torsionsdauer [h] Organerhaltung [%]


4 Klinischer Befund: Schwellung und Rötung der be-
<6 85–97
troffenen Skrotalhälfte, erhebliche Druckdolenz des
vergrößerten, meist höher stehenden Hodens. Feh- 6–12 55–85
lender Kremasterreflex. 12–24 20–80
4 Dopplersonographie.
>24 <10
4 Hodenszintigraphie, wenn ohne Zeitverlust möglich.
13.5 · Urogenitaltrakt
639 13
4 Nahtmaterial: Resorbierbar monofil oder geflochten retrahieren, führen zu Hauteinrissen. Es resultiert eine
4–0 oder 5–0. Monofiler nichtresorbierbarer Faden ringförmige Narbe der Vorhautöffnung, mithin eine er-
für Orchidopexie. worbene pathologische Phimose. Vorsichtige Retraktions-
manöver aus hygienischen Gründen sind frühestens im
Alter von 12–18 Monaten sinnvoll.
Operation der Hodentorsion
7 Bei der geringsten Unsicherheit in der Diagnostik Beschneidung
des akuten Skrotums muss die sofortige operative Die Beschneidung gehört zu den ältesten bekannten Ope-
Exploration vorgenommen werden – im rationen und – zumindest teilweise – in den Bereich der
Kindesalter von einem Inguinalschnitt aus. Ritualchirurgie.
7 Dabei wird die Torsion rückgängig gemacht und
der Hoden mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial Operation
an 4 Punkten im Skrotum pexiert. Die Tunica kIndikation
vaginalis testis wird offen gelassen. Entfernung des 4 Medizinische Indikation: narbige (=sekundäre) Phi-
Hodens nur bei sicher vollständiger Infarzierung. mose, rezidivierende Balanoposthitis, Balanitis xero-
7 Keine Probeexzision!. ticans (Lichen sklerosus).
7 Da die anatomische Prädisposition zur 4 Relative Indikation: rezidivierende Posthitis, rezidi-
Hodentorsion immer doppelseitig ist, muss in vierende Paraphimose; rezidivierende Harnwegsin-
(gleicher oder) späterer Sitzung der kontralaterale fekte beim Säugling.
Hoden ebenfalls pexiert werden. Die neonatale Zirkumzision verhütet Harnwegsinfek-
tionen. Harnwegsinfektionen bei Säuglingen sind sel-
ten, treten aber bei nichtzirkumzidierten Säuglin-
Prognose gen (!) 10-mal häufiger auf als bei zirkumzidierten.
. Tab. 13.12. 4 Karzinomprophylaxe (Penis- bzw. Portiokarzinom) ist
allenfalls in tropischen Ländern eine OP-Indikation.
Bei normalen anatomischen Verhältnissen kann der
13.5.4 Phimose gleiche vorbeugende Effekt durch Sauberkeit und Ge-
nitalhygiene erzielt werden.
Definition 4 Rituelle Indikation: immer vollständige Zirkumzisi-
Missverhältnis zwischen der Größe der Glans penis on; möglichst jenseits des Windelalters. Im Allgemei-
und der dehnbaren Weite der Vorhautöffnung; die nen nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft.
Vorhaut kann nicht über die Glans retrahiert werden.
Die meisten Eltern sind erleichtert, wenn ihr Sohn nicht an
der Vorhaut operiert werden muss. Andere insistieren
Physiologie trotz der notwendigen Narkose und trotz möglicher Kom-
Die Verklebung zwischen innerem Vorhautblatt und Glans plikationen auf der Operation, im Wesentlichen aus sozi-
ist beim Neugeborenen physiologisch. Die Separation be- alen oder religiösen Gründen.
ginnt bei Geburt und setzt sich während der Kindheit fort
(durch Smegmabildung, Erektionen und durch Wachstum kKontraindikation
der Glans). Smegmazysten sind ein normaler Prozess und 4 Lokale Infektion (floride Balanoposthitis).
sind nicht als Entzündung zu werten. Physiologische Ver- 4 Hypospadie und andere angeborene Penisanomalien
klebungen sind altersabhängig: (Zirkumzision erst nach Abschluss der Hypospadie-
4 Neugeborenes: Vorhaut kann nur bei 5% vollständig korrektur).
retrahiert werden. 4 Keine neonatale Zirkumzision bei Frühgeborenen.
4 12 Monate altes Kind: Vorhaut kann nur bei 50% voll- 4 Vorsicht bei Gerinnungsstörungen (Hämophilie).
ständig retrahiert werden.
4 3 Jahre altes Kind: Vorhaut kann bei 90% retrahiert kOP-Zeitpunkt
werden. Im 5. Lebensjahr. Zu einem früheren Zeitpunkt nur bei
spezieller Indikation.
Eine relativ enge Vorhautöffnung besteht bei 8% der 6- bis
7-Jährigen und nur bei 1% der 16- bis 18-Jährigen. Diese kPrinzip
»physiologische« Phimose macht keine Miktionsbeschwer- 4 Ambulante Operation in Allgemeinnarkose, evtl. mit
den. Zu frühe und gewaltsame Versuche, die Vorhaut zu zusätzlicher Kaudalanästhesie oder mit Penisblock.
640 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut Komplikationen


nach Lösung präputialer Verklebungen. Es gibt zahl- 4 Nachblutung in ca. 1% der Fälle. (Präoperativ sollte
reiche Methoden. Die Beste ist die mit möglichst wenig anamnestisch eine Gerinnungsstörung ausgeschlos-
Komplikationen und gutem kosmetischen Ergebnis. sen werden.)
4 Radikale Zirkumzision (zwingend bei Diabetes melli- 4 Wundinfektion (0,2–0,4%).
tus, bei dermatologischen Präputialerkrankungen, bei 4 Phimoserezidiv (im Extrem unter dem Bild des »ver-
Trägern eines Kondom-Urinals wegen Inkontinenz). grabenen Penis«).
4 Die plastische Operation (z. B. nach Schloffer) er- 4 Kosmetisch unbefriedigendes Ergebnis, Asymmetrie:
reicht bei teilweisem Erhalt der Vorhaut eine Erweite- meist durch zu lang belassenes inneres Vorhautblatt
rung der Vorhautöffnung und eine vollständige Re- oder durch chronisches Wundödem.
trahierbarkeit. Gleichzeitig werden Synechien mit ei- 4 Passagerer Harnverhalt (besonders nach zusätzlicher
ner Knopfsonde gelöst und ein Frenulum breve durch Kaudalanästhesie).
Frenulotomie und/oder Frenulumplastik korrigiert. 4 Ulzeration (postoperative Hämaturie) und/oder Ste-
4 Die alleinige dorsale Inzision ist kosmetisch oft nicht nose des Meatus urethrae externus (Balanitis xeroti-
befriedigend. kans, Lichen sclerosus et atrophicus; 8–31%).
4 Glansverletzung.
kLagerung 4 Denudierung des Penisschaftes.
Rückenlage mit unterpolstertem Gesäß. 4 Urethrokutane Fistel (Vorsicht bei der Frenuloto-
mie!).
kInstrumentarium 4 Penisnekrose (nach Verwendung einer monopolaren
4 Grundinstrumentarium, HF-Elektrode: Koagulationsnekrose durch zu hohe
4 feine bipolare Koagulationspinzette, Stromdichte aufgrund des geringen Gewebedurch-
4 Nahtmaterial: atraumatisch resorbierbar, monofil, Fa- messers des Penis).
denstärke 6–0.
Konservative Therapie der Phimose
Sofern keine Narben bestehen, kann ein konservativer Be-
Phimose
handlungsversuch mit lokal applizierter Testosteron-hal-
7 Ovalärer Hautschnitt am äußeren Präputialblatt in tiger Creme (Andractin; kann nur über das Ausland bezo-
Höhe des Sulcus coronarius oder distal davon. gen werden, da in der BRD nicht zugelassen) unternom-
7 Mobilisierung der Haut nach distal unter Erhal-
13 tung hier verlaufender Venen. Dorsale Inzision der
men werden. Ähnliche Ergebnisse sind mit der lokalen
Anwendung einer Bethamethason-haltigen Creme (0,05%)
Präputialöffnung und Reposition der Vorhaut. 2-mal täglich über 4 Wochen zu erreichen.
7 Desinfektion der Glans und des inneren Blattes.
Präputiale Verklebungen werden mit einer Knopf- Risiken der konservativen Therapie
sonde vorsichtig gelöst. mit Erhaltung der Vorhaut
7 Durchtrennung des Frenulum. Zirkumzision des 4 Phimose.
inneren Vorhautblattes 3 mm proximal des Sulcus 4 Paraphimose (Abschnürung der Glans und des inne-
coronarius. Die so umschnittene Hautmanschette ren Vorhautblattes durch den proximal der Glans re-
wird exzidiert. trahierten, verengten Präputialring).
7 Sorgfältige Blutstillung mit der bipolaren Mikro- Therapie: Reposition – meist ohne dorsale Inzision
koagulationspinzette. des Schnürringes möglich, später elektive Zirkum-
7 Frenulumplastik. Adaptation des inneren mit dem zision.
äußeren Blatt mit 6–0 atraumatischen Einzel- 4 Persistierende Synechien.
knopfnähten (monofiler resorbierbarer Faden). 4 Balanoposthitis (Häufigkeitsgipfel 6. Lebensmonat).
4 Aszendierende Harnwegsinfekte (bei Jungen mit an-
geborenen Harntraktanomalien).
Postoperativ
4 Verband mit Fettgaze-Läppchen und locker kompri- Bei 1(–5)% der primär nicht zirkumzidierten Jungen wird
mierender elastischer Mullbinde. Nachbehandlung später eine Zirkumzision aus medizinischer Indikation
mit Salbenverbänden und Sitzbädern (z. B. mit erforderlich. Die medizinisch nicht – indizierte Zirkumzi-
Kamille). sion bei Minderjährigen gilt heute als Körperverletzung,
4 Eng anliegende Kleidung vermeiden (mechanische auch wenn die Eltern in die OP eingewilligt haben!
Irritation der Glans).
13.5 · Urogenitaltrakt
641 13
13.5.5 Hypospadie nach distal fortschreitenden Prozess zur definitiven
Harnröhre.
Definition Normalerweise durchdringt die Harnröhre die Glans
Angeborene Penisanomalie infolge einer insuffizienten und findet dort Anschluss an die Fossa navicularis. Diese
Entwicklung der distalen Harnröhre, gekennzeichnet entsteht getrennt durch Einwachsen von Ektoderm von der
durch die Kombination von 3 anatomischen Anomalien: Glansoberfläche her. Deshalb scheint bei manchen Kin-
4 ventral dystoper Meatus urethrae externus (Mün- dern mit Hypospadie ein doppelter Meatus urethrae exter-
dung nicht auf der Spitze der Glans, sondern wei- nus vorzuliegen: im Bereich der Glans, der blind endet und
ter proximal zwischen Glans und Perineum auf der der Fossa navicularis entspricht, und auf der Ventralseite
Ventralseite des Penis), des Penis, weiter proximal, durch den der Urin entleert
4 ventral gespaltenes Präputium, wird. Die Chorda wird als Rudiment des distalen atre-
4 mehr oder weniger ausgeprägte Krümmung des tischen Corpus spongiosum aufgefasst.
Penisschaftes nach ventral.
Assoziierte Anomalien
Je weiter proximal der Meatus externus mündet, desto häu-
Häufigkeit figer sind zusätzliche Anomalien wie Leistenhoden (10%)
Die Hypospadie ist mit 1 : 125–1 : 300 (8–3 von 1.000) le- und Leistenhernie. Eine zusätzliche Diagnostik (Sonogra-
bendgeborenen Jungen eine häufige Anomalie, die in 14% phie, Miktionszysturethrogramm) ist erforderlich bei:
familiär vorkommt. 4 Posterioren Hypospadieformen,
4 Hypospadiepatienten mit zusätzlicher Fehlbildung
Ätiologie eines anderen Organsystems (z. B. Meningomyeloze-
Unklar. Androgenmangel und/oder verminderte Andro- le, anorektale Agenesie),
gensensitivität werden vermutet. Genetische Faktoren, 4 Hypospadie mit einem Harnwegsinfekt in der Anamne-
Umweltfaktoren. se (Ausschluss eines vesikoureteralen Reflux, 10–17%).
4 Utrikulus prostaticus (bei 57% der Hypospadia peri-
Klassifikation nealis, 10% der Hypospadia penoscrotalis),
. Tab. 13.13. 4 Bei posterioren Hypospadien und bei Hypospadien
mit Kryptorchismus beidseits sind chromosomale
Embryologie Anomalien (Intersexformen) auszuschließen.
Die an der Kaudalseite des Genitalhöckers gelegenen 4 Keine zusätzliche Diagnostik bei peripherer Hypospa-
Genitalfalten begrenzen die entodermale Urethralrinne, die allein bzw. mit Leistenhoden oder Leistenhernie.
die dem vorderen Anteil der Kloakenmembran ent-
spricht. Beim männlichen Embryo verschmelzen die Lokalbefund
Genitalfalten unter dem Einfluss von Testosteron in 4 Position und Kaliber des Meatus urethrae externus?
der 8.–10. Woche in der Mittellinie und verschließen so 4 Krümmung des Penisschaftes? (Chorda vorhanden in
die Urethralrinne in einem proximal beginnenden und ca. 35% der Fälle.)

. Tab. 13.13 Klassifikation der Hypospadie (nach der Position des Meatus externus)

Vor Chordektomie Nach Chordektomie Therapie (z. B.)

Anteriore Formen H. glandis MAGPI


(80%) MATHIEU, Urethra-Verlängerungs-
H. koronaria 65%
1. Grades plastik
H. subkoronaria

Mittlere Formen distales Drittel Island only flap


(15%) Island only flap
H. penilis mittleres Drittel 15%
2. Grades Gestielter tubulärer Vorhautlappen
proximales Drittel

Posteriore Formen H. penoskrotalis Gestielter tubulärer Vorhautlappen


(5%) CECIL-MICHALOWSKI
H. skrotalis 20%
3. Grades CECIL-MICHALOWSKI
H. perinealis

Nach Barcat 1973


642 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Beschaffenheit der Urethralplatte und des Corpus 4 Mehrzeitige Eingriffe in mindestens 6 Monate langen
spongiosum (Urethralplatte = Hautstreifen am ven- Intervallen.
tralen Penisschaft zwischen Meatus und Fossa navi- 4 Keine Zirkumzision vor Abschluss der Hypospadie-
cularis)? korrektur.
4 Mikrophallus? (Bei proximalen Hypospadieformen – 4 Transparenter haftender Silastikverband.
evtl. hormonelle Vorbehandlung.)
4 Hoden deszendiert? Komplikationen
4 Urethrokutane Fistel (5–20%),
Therapie 4 Chordapersistenz (25%),
Therapieziele sind: 4 Urethrastriktur (5%),
4 Normale Miktion (nach vorn gerichteter gebündelter 4 Meatusstenose (2%),
Harnstrahl). 4 Urethradivertikel (selten).
4 Spätere Kohabitations- und Inseminationsfähigkeit
(Penisschaft gerade, Urethra tubulär mit adäquatem Meatotomie
Kaliber, Meatus mindestens in Höhe des Sulcus coro- Dorsal/ventral; . Abb. 13.36.
narius).
4 Behandlung sollte bis Schuleintritt abgeschlossen sein. kLagerung
Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und unterpols-
Eine Schaftverkrümmung ist immer behandlungsbedürftig, tertem Gesäß.
auch wenn sie nicht mit einer Hypospadie kombiniert ist
(»Chorda sine Hypospadia«). Die Chordektomie ermöglicht kInstrumentarium
ein normales Längenwachstum des Penis und ist im Falle 4 Grundinstrumentarium,
einer Schaftverkrümmung unabdingbare Voraussetzung für 4 Mikroinstrumente,
eine Urethraplastik. Durch die Aufrichtung des Penis wird 4 Skalpell Gr. 11,
der Meatus urethrae externus notwendigerweise weiter 4 Hegar-Stifte,
nach proximal verlagert, d. h. der Grad der Hypospadie im 4 Gleitmittel,
Hinblick auf die Lage des Meatus wird verschlimmert. 4 Nahtmaterial: Monofil resorbierbar 6–0 bzw. 8–0,
4 Silikonsplint der Größe der Urethra entsprechend.
OP-Zeitpunkt
13 4 Meatusstenose (selten): jederzeit.
Meatotomie
4 Übrige: im Alter von mindestens 6–18 Monaten.
7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit
Allgemeine Richtlinien Hegar-Stiften.
»Die Hypospadie ist eine nicht schematisierbare Anoma- 7 Längsinzision der dorsalen Zirkumferenz des Mea-
lie … Das Operationsverfahren muss individuell … ange- tus in Richtung auf die Fossa navicularis mit voll-
passt werden« (Westenfelder 1993). ständiger Durchtrennung des Weichteilseptums
4 Lupenbrille. zwischen Meatus und Fossa.
4 Penible Blutstillung (kein oder nur intermittierender 7 Hautnaht quer mit Einzelknopfnähten.
Tourniquet, Kompression mit warmen Kochsalzkom- 7 Erneute Kalibrierung des Meatus.
pressen, sparsame bipolare Mikrokoagulation). 7 Eventuell Einlegen eines Splints für einige Stunden.
4 Vollständige Chordektomie (Kontrolle durch artifizi-
elle Erektion).
4 Auf gute Durchblutung der Hautlappen achten Distale Urethraplastik (nach Mathieu)
(Wundränder nicht mit Pinzette anfassen – besser jVoraussetzung
Haltenähte. Spannungsfreie Nähte). Distale Hypospadie ohne echte Chorda: Hypospadia coro-
4 Monofile fortlaufende Naht bevorzugen. naria und subcoronaria; ausreichend dicke Haut ventral
4 Genaue Hautadaptation (»Stoß auf Stoß«). der distalen Urethra.
4 Übereinander liegende Nahtreihen vermeiden (Fistel-
bildung). kLagerung und Instrumentarium
4 Extravesikale Silikonsplints (für 5–7–10 Tage) für di- Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/
stale Korrekturen. Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich:
4 Suprapubische Harnableitung (für 7–10 Tage) für 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnablei-
mittlere und proximale Korrekturen. tung.
13.5 · Urogenitaltrakt
643 13

a b c d

. Abb. 13.36 a,b Dorsale Meatotomie. a Inzision und Wundverschluss im Längsschnitt. (Nach Kelalis 1977). b–d Inzision und Wundver-
schluss in Aufsicht. (Nach Duckett 1988)

Distale Urethraplastik
7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit
Hegar-Stiften.
7 Einbringen eines suprapubischen Katheters.
7 Umschneidung eines 6–8 mm breiten Hautstrei-
fens proximal des Meatus externus. Die Länge des
Hautstreifens entspricht dem Abstand des Meatus
urethrae externus von der Glansspitze. Die paral- b
lelen Hautinzisionen werden nach distal entlang
a
der Fossa navicularis bis zur Glansspitze verlängert
und hier durch Deepithelisation der medialen An-
teile der lateralen »Glansflügel« verbreitert.
7 Der umschnittene Hautlappen proximal des Mea-
tus wird zusammen mit dem Subkutangewebe
unter sorgfältiger Schonung seiner Blutversor-
gung mobilisiert und nach distal umgeschlagen.
Die seitlichen Ränder des Hautläppchens werden
mit den medialen Rändern der Glansinzision ver-
näht (8–0 resorbierbar, extraepithelial gestochen).
7 Adaptation der mobilisierten Glansflügel ventral c d
der Neourethra mit Matratzennähten.
7 Hautverschluss proximal der Glans. . Abb. 13.37 a–d Operation nach Matthieu. a Hautinzision, b Läpp-
7 Einbringen eines perforierten Silikonsplints in die chen nach distal einschlagen, c Mobilisierung der Penishaut, d Post-
operativer Zustand. (Nach Duckett 1988)
Urethra, der z. B. durch Naht oder durch epikutane
Fixierung gesichert wird (. Abb. 13.37a–d).
7 Der suprapubische Katheter wird mit dem sterilen
Glansspitze geführten Rinne, die in einer zweiten Sitzung
geschlossenen Auffangsystem verbunden.
tubulär verschlossen wird. Als Material für die neu zu bil-
dende Harnröhre dient ein gestielter Lappen aus dem in-
neren Blatt der dorsalen Präputialschürze.
Chordektomie (bei zweizeitigem Vorgehen)
kPrinzip kLagerung und Instrumentarium
Aufrichtung des Penisschaftes (»Orthoplastik«) durch Ent- Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/
fernung des Chordagewebes und Bildung einer bis auf die Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich:
644 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Vessel-loop, kLagerung und Instrumentarium


4 Butterfly-Kanüle, Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/
4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich:
4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnablei-
tung,
Chordektomie
4 Vessel-loop,
7 Haltenaht in die Glans (monofil 4–0), von dorsal 4 Butterfly-Kanüle,
her eingestochen. 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion).
7 Die Ausstichstelle markiert die dorsale Zirkumfe-
renz des neu zu bildenden Meatus urethrae ex-
ternus. Die Glans wird von ventral in der Median- Urethraplastik
linie eingespalten, die Inzision nach proximal 7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit
bis an den Meatus urethrae externus verlängert. Hegar-Stiften.
Der Meatus wird nach proximal U-förmig um- 7 Einbringen eines suprapubischen Katheters.
schnitten. 7 Umschneidung der seitlichen Ränder der bei der
7 Einbringen des Ballonkatheters transurethral, der Voroperation rinnenförmig angelegten Urethra,
geblockt wird. Entfernung der Chorda von distal im Bereich der Glans durch Deepithelisation eines
nach proximal so weit, bis man an eine von Cor- 2 mm breiten Hautstreifens lateral. Die Inzisionen
pus spongiosum umgebene Harnröhre gelangt vereinigen sich proximal des Meatus in der Mit-
und die Faszie der Corpora cavernosa freiliegt. tellinie.
7 Die Vollständigkeit der Chordektomie kann mit ei- 7 Asymmetrische Mobilisierung der Wundränder
ner artifiziellen Erektion geprüft werden. nach medial und lateral. Die medialen Wundrän-
7 Umschneidung eines gestielten Hautläppchens der werden über einem Silikonsplint mit atrauma-
aus dem inneren Blatt des dorsalen Vorhautüber- tischer, fortlaufender Naht (monofil resorbierbar,
schusses (4 Haltefäden mit 5–0 monofil). Mobili- 6–0 extraepithelial gestochen) adaptiert. Die
sierung des Läppchens und Verschluss des Vor- Nahtreihe wird durch Einzelknopfnähte gesichert
hautdefektes in Längsrichtung mit Einzelknopf- (resorbierbar, 6–0 atraumatisch).
nähten (6–0 resorbierbar). 7 Sorgfältige Blutstillung mit der bipolaren Mikro-
7 In den durch die Chordektomie entstandenen koagulationspinzette.
Hautdefekt wird der gestielte Präputiallappen ein- 7 In einer zweiten Nahtreihe wird ortsständiges Bin-
13 geschlagen und mit seinem peripheren Ende mit degewebe über der neu gebildeten Harnröhre
der hinteren Zirkumferenz der Harnröhre vernäht vereinigt (8–0, resorbierbar, atraumatisch, Einzel-
(Einzelknopfnähte mit 8–0 resorbierbar). knopfnähte oder fortlaufend).
7 Die seitlichen Wundfäden (Einzelknopfnähte, 6–0 7 Hautverschluss. Durchtrennung des gestielten
resorbierbar) werden lang gelassen und über dem Vorhautläppchens glansnah. Die Wundränder am
in diesem Abschnitt mit Fettgaze muffförmig um- Meatus externus und am inneren Vorhautblatt
wickelten Ballonkatheter miteinander verknüpft, werden mit Einzelknopfnähten (6–0, resorbierbar,
sodass die Wundfläche im Bereich der Chordekto- atraumatisch) verschlossen.
mie komprimiert wird. 7 Sicherung des Splints. Verband.
7 Zusätzliche Blutstillung wird durch einen zirku- 7 Der suprapubische Katheter wird mit einem ste-
lären, locker komprimierenden Verband des Pe- rilen geschlossenen Auffangsystem verbunden.
nisschafts erreicht (sterile elastische Mullbinde,
4 cm breit).
Urethraverlängerungsplastik nach Beck
(modifiziert)
Urethraplastik (nach Chordektomie) jVoraussetzungen
jVoraussetzungen 4 Distale Hypospadie,
4 Penisschaft gerade, 4 Penisschaft gerade oder nur distal (Glans gegen
4 Meatus urethrae externus ausreichend weit. Schaft) verkrümmt.

kPrinzip kPrinzip
Bildung einer auf der Glans mündenden tubulären Neo- 4 Mobilisierung der distalen Urethra,
urethra aus ortsständiger Haut. 4 Ventralspaltung der Glans,
13.5 · Urogenitaltrakt
645 13
4 Verlagerung des Meatus externus auf die Glansspitze
und Einscheiden der distalen Urethra durch die 7 Hautverschluss mit dem gleichen Nahtmaterial
Glansflügel. (Einzelknopfnähte).
7 Fixierung des Katheters mit der Glanshaltenaht.
kLagerung und Instrumentarium 7 Zusätzliche Blutstillung durch zirkuläre, locker
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ komprimierende elastische Mullbinde.
Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: 7 Sicherung des Katheters, der mit einem sterilen
4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung, geschlossenen Auffangsystem verbunden wird.
4 Vessel-loop,
4 Butterfly-Kanüle,
4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Hypospadieplastik nach Snodgrass
jVoraussetzung
Anteriore und mittlere Hypospadieformen mit geradem
Urethraverlängerungsplastik
Penisschaft.
7 Legen einer Haltenaht (4–0 monofil, nichtresor-
bierbar) durch die Glans. kPrinzip
7 Einbringen eines Silikonsplints transurethral. Lu- Tubularisierte inzidierte Urethraplastik (TIP). Tubularisie-
penmikroskopische Präparation. rung der Neourethra über einem liegenden Stent nach tie-
7 U-förmige Hautinzision, die den Meatus externus fer Inzision der Urethralplatte.
proximal umfährt. Legen einer Haltenaht an den
proximalen Meatusrand. kLagerung und Instrumentarium
7 Darstellung der ventralen Urethra nach proximal, Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/
hierbei wird möglichst viel Zwischengewebe auf Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich:
der Urethra belassen. Die vorhandene Hautinzisi- 4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnablei-
on wird nach distal verlängert, bis der Meatus tung,
ovalär umschnitten ist. Legen einer 2. Haltenaht 4 Vessel-loop,
an den distalen Meatusrand. 4 Butterfly-Kanüle,
7 Die Harnröhre wird dorsal vollständig von den 4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion).
Corpora cavernosa abpräpariert. Hierdurch wird
eine Verlängerung der Harnröhre erreicht, die mit
dem Meatus spannungsfrei bis über die Glansspit- Hypospadieplastik nach Snodgrass
ze nach distal reicht. 7 Legen eines suprapubischen Katheters.
7 Blutstillung mit der bipolaren Mikrokoagulati- 7 Haltenaht an die Glans.
onspinzette. 7 Parallele Umschneidung der Fossa navicularis bis
7 Die Glans wird ventral in der Medianlinie bis über zur Penisspitze. Inzision des so umschnittenen
die Fossa navicularis hinaus eingespalten. Bildung Glansareals in der Medianlinie.
je eines »Glansflügels« zu beiden Seiten der Mit- 7 Mobilisierung der dabei entstehenden längs verlau-
tellinie. Deepithelisierung eines gut 1 mm breiten fenden Hautläppchen, sodass sie sich spannungs-
Areals beidseits der Medianinzision der Glans. frei über einem Splint 10 Charr vereinigen lassen
7 Vollständige Exzision des Chordagewebe zwischen (fortlaufende monofile resorbierbare Naht, 6–0).
Glans und Schaft. Nachdem man sich vergewissert 7 Sicherung der Naht durch Subkutangewebe aus
hat, dass der Penisschaft gerade ist (ggf. durch arti- dem Präputium.
fizielle Erektion), wird die Harnröhre in die Glansin- 7 Rekonstruktion der Glans.
zision hinein verlagert. Die Glansflügel werden ven- 7 Hautverschluss.
tral der Urethra mit 3 Matratzennähten spannungs- 7 Splint und suprapubische Harnableitung sollten
frei adaptiert (4–0, resorbierbar, atraumatisch). frühestens nach 10 Tagen entfernt werden.
7 Fixierung des Meatus in der Glansspitze mit Ein-
zelknopfnähten (resorbierbar, 6–0, atraumatisch).
7 Sorgfältige Blutstillung. Adaptation ortsständigen Urinfistelverschluss
Bindegewebes ventral der Uretha proximal der jVoraussetzung
Glans (resorbierbar, 6–0, atraumatisch). Mindestens 6 Monate Abstand zur Voroperation.
6
646 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

kLagerung und Instrumentarium aszendierender Infektionen über die fast ausnahmslos reflu-
Lagerung und Instrumentarium sind bei Hypospadie/ xiven Ureteren. Durch Metaplasie infolge chronisch-ent-
Meatotomie beschrieben (s. oben). Zusätzlich: zündlicher Reaktion der Blasenschleimhaut mit Ödem, poly-
4 Set für die Anlage einer suprapubischen Harnableitung, pöser Verdickung und Fibrose kommt es schließlich zur
4 Vessel-loop, Stenose der Ureterenmündungen mit konsekutiven Mega-
4 Butterfly-Kanüle, ureteren und Hydronephrose. Die erhöhte Inzidenz eines
4 10-ml-Spritze (für artifizielle Erektion). Blasenkarzinoms, typischerweise Adeno-, seltener Plattenepi-
thelkarzinom, besteht unabhängig von einer Therapie fort.
Urinfistelverschluss Häufigkeit
7 Kalibrierung des Meatus urethrae externus mit 4 1 : 37.000–70.000.
Hegar-Stiften.
4 Geschlechterverteilung männlich : weiblich = 5 : 1.
7 Einbringen eines suprapubischen Katheters.
7 Exzision der Fistel.
Pathogenese
7 Mehrschichtiger Verschluss des Defektes, z. B. mit
Verschiebelappen oder mit deepithelisiertem Die Pathogenese ist weitgehend ungeklärt. Vermutet wird die
Lappen. unzureichende Einsprossung von embryonalem Mesoderm
7 Wichtig sind die gute Durchblutung des Hautläpp- in den abnorm persistierenden vorderen Anteil der Kloaken-
chens, ein mehrschichtiger Verschluss und die Ver- membran – etwa zwischen 3./4. und 10. SSW. Dadurch wird
meidung übereinander liegender Nahtreihen. die Fusion der am Aufbau der vorderen Bauchwand beteilig-
7 Splint in die distale Urethra. ten Strukturen in der Mittellinie verhindert. Eher multifakto-
riell als genetisch bedingt. Wiederholungsrisiko: 1 : 100–275;
wenn ein Elternteil eine Blasenexstrophie hat: 1 : 70.
Blasenexstrophie
Die Blasenexstrophie ist die häufigste Anomalie des EEC- Pränatale Diagnose
Komplexes (»exstrophy-epispadia-complex«). Dazu zäh- Eine pränatale Diagnose ist theoretisch ab ca. der 20. SSW
len die Epispadieformen, die klassische Blasenexstrophie, möglich (fehlende Harnblase bei normal aussehenden Nie-
die Exstrophievarianten und die Kloakenexstrophie. ren, tiefer Nabelschnuransatz, Unterbauchvorwölbung,
Diastase der Symphyse). Sie wird aber nur in der Hälfte der
Definition Fälle gestellt und führt dann in 80% zu einem Schwanger-
13 Angeborener Bauchwanddefekt mit Fehlbildung der schaftsabbruch.
Harnblase, des Blasenhalses und der Harnröhre.
Begleitfehlbildungen
4 Leistenhernie (bei bis zu 80% der Jungen, 10% der
Bei der klassischen Blasenexstrophie liegt die Harnblase als Mädchen),
offen ausgebreitetes Blasenfeld über einem zwischen dem 4 vesikoureteraler Reflux.
Nabelschnuransatz und der Symphyse gelegenen Bauch-
wanddefekt (»wie ein aufgeschlagenes Buch«). Das Blasen- Erstversorgung
feld setzt sich nach kaudal fort in die dorsal gespaltene 4 Abdeckung des Blasenfeldes mit Hydrogel oder mit
Urethra, die ventral der bandartigen Struktur verläuft, die haushaltsüblicher »Frischhaltefolie«.
die verkürzten Schambeinenden miteinander verbindet – 4 Nabelschnurrest mit Ligatur statt mit Klemme ver-
nicht wie im Normalfall dorsal der Symphyse. Der Nabel sorgen
ist kaudal verlagert, und die Rami superiores ossis pubis 4 Prophylaktische antibiotische Therapie.
liegen ebenso wie die Mm. recti abdominis in der Mittelli- 4 Konakion i.m.
nie weit auseinander. Das kleine Becken ist flach, die Hüft-
gelenke sind nach außen rotiert. Der Damm ist verkürzt, Diagnostik
der Anus nach ventral verlagert. 4 Sonographie der Nieren.
Bei Jungen besteht gleichzeitig eine komplette Epispa- 4 Blutgruppenbestimmung.
die mit nach kranial gerichtetem kurzem breitem Penis
(verkürzte Distanz zwischen Glans und Verumontanum). Operation
Bei Mädchen fehlt der Mons pubis, die Klitoris ist ge- Behandlungsziele sind
spalten, der Introitus nach ventral verlagert und verengt. 4 Schutz der Nieren und der oberen Harnwege,
Unbehandelt bestehen bei der klassischen Blasenexstro- 4 Urinkontinenz und
phie eine totale Urininkontinenz und die Gefahr retrograder 4 Rekonstruktion des äußeren Genitale.
13.5 · Urogenitaltrakt
647 13
Zur funktionellen Rekonstruktion des äußeren Genitale 5 die vollständige Korrektur mit »complete penile di-
und zum Schutz der Nieren, sowie der oberen Harnwege sassemby« im Neugeborenenalter vorgenommen,
bestehen 2 Behandlungsstrategien: wodurch die Epispadie in eine Hypospadie umge-
4 Funktionelle Rekonstruktion des unteren Harn- wandelt wird (Mitchell), oder
traktes, ein- oder mehrzeitig 5 der Verschluss der Blase zusammen mit Ureterneu-
5 der Verschluss der Blase mit einer Epispadieplastik einpflanzung beidseits, Blasenhalsplastik und Epi-
kombiniert oder spadieplastik im Säuglingsalter vorgenommen (OP
nach Schrott; . Abb. 13.38).

. Abb. 13.38 a Umschneidung des Blasenfeldes und des Nabel- Tubularisierung der Urethralplatte über einem Silikon-Splint 10 Charr.
schnuransatzes, Schnittverlängerung nach kaudal beidseits der Ure- Ureterkatheter beidseits. e Die Harnblase ist zweireihig verschlossen.
thralplatte bis in Höhe des Verumontanum. b Vollständige Mobilisa- Suprapubischer Blasenkatheter und Ureterkatheter sind über den
tion der Harnblase, die Nabelarterien dienen als Leitstruktur. c Die zukünftigen Bauchnabel ausgeleitet. Das intersymphysäre Band ist
Beckenbodenmuskulatur wird subperiostal von den Schambeinästen vor dem Blasenhals adaptiert, die Schambeinäste durch horizontale
abgelöst. d Verschluss der Harnblase über einem Casper-Katheter und Matratzennaht vereinigt (f) (Gearhart 1999, Belman et al. 2002)
648 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Bei mehrzeitiger Operation wird primär die Exstro-


phie in eine (inkontinente) Epispadia penopubica Blasenverschluss (Turn-in-Operation)
umgewandelt mit oder ohne Beckenringosteotomie 7 Hautdesinfektion vom Thorax bis zu den Knien.
(»turn-in«). Nach 3 (Kelly 2005) bzw. 6–12 Monaten Untere Extremitäten einzeln abdecken, damit sie
(Gearhart 2003) Rekonstruktion des äußeren Genita- beweglich bleiben für die Femurinnenrotation
les und Epispadieplastik. Blasenhalsplastik meist beim Symphysenverschluss.
kombiniert mit einer Ureterozystoneostomie beidseits 7 Durchmesser des Blasenfeldes ermitteln.
im Alter von 3–5 Jahren (abhängig von der bis dahin 7 Diastase der Symphyse bestimmen; Penislänge?
erreichten Blasenkapazität). Testes im Skrotum? Leistenhernien vorhanden?
Misslingt die funktionelle Rekonstruktion, kann sekundär 7 Ureterkatheter in beiden Ureterostien mit Naht
eine harnableitende Operation notwendig werden. fixieren.
Exzision des Blasenfeldes und primär harnableitende 7 Haltenaht in die Glans.
Operation. 7 Hautinzision markieren, zukünftige Nabelposition
markieren (Mitte zwischen Rippenwinkel und
Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Kon-
Symphysenregion).
sequenzen ausführlich informiert und in die Planung der
7 Umschneidung des Blasenfeldes, erst scharf, dann
Behandlungsschritte einbezogen werden.
mit Diathermie (keine Bauchhaut am Blasenfeld
Blasenverschluss (Turn-in-Operation) belassen, mukokutane Übergangszone exzidie-
ren) – nach kaudal beidseits lateral der Urethral-
jPräoperativ
platte bis distal des Verumontanum.
4 Kaudalanästhesie prä- und postoperativ.
7 Nabelschnuransatz umschneiden, Gefäße unter-
4 Erythrozytenkonzentrat muss bereitgehalten
binden. Die Nabelarterien dienen als Leitstruktur
werden.
für die extraperitoneale Präparation der Blasen-
hinterwand – dorsal der Rektusmuskulatur und
kOP-Zeitpunkt
ventral der Ureteren.
Bei Therapie innerhalb der ersten 2 (–3) Lebenstage 7 Mediale Ränder der Rektusmuskulatur darstellen.
kann wegen des noch weichen Beckenrings eine Adapta- 7 Das Peritoneum wird von der Blasenhinterwand
tion der Symphyse ohne Beckenringosteotomie versucht abgelöst. Vollständige Mobilisation der Harnblase
werden. unter Erhaltung ihrer Blutversorgung. Die Harnbla-
se muss sich tief ins kleine Becken verlagern lassen.
13 kPrinzip 7 Beidseits wird die Inzision zwischen Blasenrand
Umwandlung der Exstrophie in eine inkontinente Epispa- und Rektusscheide nach kaudal vertieft über dem
die; Verschluss des Bauchwanddefektes. hinter der Bauchwand eingeführten Zeigefinger.
7 Die Beckenboden- und Levatormuskulatur wird
kInstrumentarium subperiostal von beiden Schambeinästen abgelöst.
4 Grundinstrumente, 7 Ablösen der Corpora cavernosa vom unteren Scham-
4 Kochsalzschale, beinast (Cave: Gefäß-Nerven-Bündel liegt lateral).
4 Sauger mit feinem Ansatz, 7 Vereinigung der Corpora cavernosa mit einigen
4 Miniraspatorium bzw. Dissektor scharf, Nähten in der Medianlinie zur Penisverlängerung,
4 kleine Einzinker scharf, evtl. vorher umschnittene Paraexstrophielappen in
4 weiche Ureterkatheter 3 oder 4 Charr bzw. Nabelarte- der Mittellinie vereinigen und distal des Verumon-
rienkatheter 3,5 Charr, tanum interponieren zur Urethraverlängerung
4 Silikondrain 10 Charr, (Cave: Striktur bei unzureichender Durchblutung).
4 Casper-Katheter 10 Charr, 7 Blasenverschluss über einem Casper-Katheter (der
4 Patch aus biodegradierbarem Material, am Blasenscheitel eingebracht und am zukünf-
4 Markierungsstift, tigen Hautnabel ausgeleitet wird) mit 3–0 atrau-
4 Nahtmaterial: resorbierbar, atraumatisch (0 oder1, 3– matisch, geflochten resorbierbar zweireihig.
0, 4–0, 5–0 und 6–0). 7 Uretersplints durch gesonderte Perforation der
Blasenwand ebenfalls am Nabel ausleiten.
! Latexfreie Operation. 7 Nähte am Blasenhals mit 5–0 monofil resorbierbar
über einem Silikonkatheter 10 Charr, Katheter da-
nach entfernen.
6
13.6 · Zentralnervensystem
649 13
Komplikationen
7 Ablösung des intersymphysären »Bandes« subpe- 4 Wundinfektion.
riostal. 4 Wunddehiszenz: Die Harnblase und Bauchwand öff-
7 Das intersymphysäre »Band« wird vor dem Blasen- nen sich erneut.
hals durch Einzelknopfnähte (5–0 monofil, resor- 4 Penisnekrose.
bierbar) vereinigt. 4 Urethrastenose.
7 Annäherung der Schambeinenden: Der Assistent 4 Blasensteine.
hält beide Femura innenrotiert und drückt gleich- 4 Epididymitis.
zeitig die Trochanteren nach medial.
7 Naht der Symphyse mit resorbierbarem (nicht re- Prognose
sorbierbar ist ebenfalls möglich) Faden der Stärke Entscheidend für die postoperative Kontinenzrate ist die
1, der Knoten muss urethrafern, also ventral der Blasenkapazität. Bei persistierender Inkontinenz kommen
Symphyse liegen. Zum Schutz der Naht am Bla- eine operative Harnblasenaugmentation oder die Schaf-
senhals kann ein Patch aus biodegradierbarem fung einer katheterisierbaren kontinenten Ersatzblase aus
Material retrosymphysär fixiert werden. einem Ileozäkalsegment (z. B. »Mainz-Pouch«; 7 Kap. 9) in
7 Vereinigung der Rektusmuskulatur in kraniokau- Frage.
daler Richtung: Matratzennähte 3–0 oder 2–0 re- Die früher angewandte Ureterosigmoidostomie (»Cof-
sorbierbar – rechtwinklig gestochen. fey-Operation«) wird wegen des Risikos eines zusätzlichen
7 Aufbau eines Mons pubis. Dickdarmkarzinoms heute nur selten vorgenommen. In
7 Subkutannaht, Hautnaht. bis zu 80% der Fälle gelingt die Schaffung eines suffizienten
7 Sichere (!) Fixierung der Katheter an der Auslei-
Kontinenzorgans.
tungsstelle am Bauchnabel. Hier kann zur Verbes-
Die laterodorsale Hüftachsenfehlstellung korrigiert
sich im zeitlichen Verlauf spontan und bedarf keiner
serung des kosmetischen Ergebnisses eine Nabel-
Therapie.
plastik nach Hanna (1984) vorgenommen werden
Die Sexualfunktion ist bei beiden Geschlechtern in der
(normale Nabellokalisation in der Mitte zwischen
Regel nicht beeinträchtigt.
Xiphoid und Symphyse).
Angesichts der unterschiedlichen klinischen Ausprä-
7 Evtl. vorhandenen Leistenbruch oder Leistenho-
gung und der Vielzahl der operativen Verfahren ist die
den zum Zeitpunkt des Turn-in versorgen.
optimale Therapie ein bisher ungelöstes Problem. Mehrere
Korrektureingriffe können erforderlich werden, sodass
durch latexfreies Arbeiten die Entstehung einer Latexaller-
Postoperativ gie konsequent vermieden werden muss.
4 Overhead-Extension für die Dauer von 4 Wochen. Wegen der Seltenheit und der erheblichen Konse-
4 Magensonde offen ablaufend. quenzen für die Betroffenen sollte die Blasenexstrophie
4 Schmerztherapie. ausschließlich in wenigen Zentren mit entsprechender Er-
4 Reichliche Flüssigkeitszufuhr. fahrung operiert und nachgesorgt werden.
4 Uretersplints müssen durchgängig bleiben (evtl. an-
spülen). Ergebnisse
4 Antibiotika für mindestens 7–10 Tage. Urinkontinenz wird bei bis zu >70% der Patienten er-
4 Bei zufriedenstellender Wundheilung Uretersplints reicht.
nach 14 Tagen entfernen.
4 Zystoskopie und Urethrakalibrierung 4–6 Wochen
postoperativ. 13.6 Zentralnervensystem
4 Suprapubischen Katheter nach 4–6 Wochen entfer-
nen, vorher abklemmen (Zystographie o Blasenka- 13.6.1 Ventrikuloperitonealer Shunt
pazität? Urethra durchgängig? Restharn?).
4 Sonographie der Nieren vor der Entlassung (mindes- Definition
tens halbjährlich wiederholen). Als Hydrozephalus bezeichnet man eine pathologische
4 Restharnbestimmung (Urethrastenose ausschließen, Vergrößerung der Hirnventrikel auf Kosten der Hirn-
ggf. Urethra bougieren). substanz, verursacht durch einen erhöhten Druck des
4 Medikamentöse Harnwegsinfektprophylaxe (vesiko- Liquor cerebrospinalis. Ursache hierfür ist ein Missver-
ureteraler Reflux!). hältnis zwischen Liquorproduktion und -resorption.
4 i.v. Pyelographie im Alter von 3 Monaten.
650 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Liquorbeschaffenheit 4 eine ungenügende bzw. fehlende Resorption (Hydro-


. Abb. 13.39 (s. hierzu auch 7 Kap. 10; Bea). cephalus nonresorptivus; Hauptursache),
Etwas mehr als die Hälfte des Liquors umgibt das Rü- 4 oder durch eine Kombination dieser Ursachen.
ckenmark, der Rest ist in den Ventrikeln, ein kleinerer Teil
im Subarachnoidalraum. Die Liquormenge wird innerhalb jBeispiele für Liquorüberproduktion
von 1–2 Tagen erneuert, d. h. es werden normalerweise 4 Fieber,
0,37–0,8 ml/min/kg KG Liquor gebildet. . Tab. 13.14 stellt 4 Entzündung,
Liquormenge, -produktion und -druck in Abhängigkeit 4 tumorartige Vergrößerung der liquorbildenden
zur Altersgruppe dar. Strukturen (Plexus chorioideus).

Ursachen des Hydrozephalus jBeispiele für die Blockierung der Liquorzirkulation


Normalerweise stehen Liquorbildung und Liquorresorpti- 4 Kongenitale Aquäduktstenose, also die Verengung
on in einem ausgewogenen Verhältnis. Eine Erweiterung der Verbindung zwischen III. und IV. Ventrikel.
der Liquorräume kann verursacht sein durch 4 Kongenitale Verlegung der Öffnungen, über die das
4 eine Überproduktion von Liquor (Hydrocephalus hy- Ventrikelsystem mit dem Subarachnoidalraum in
persecretorius), Verbindung steht wie z. B. bei der Arnold-Chiari-
4 eine Blockade der Liquorzirkulation (Hydrocephalus Malformation (benannt nach Arnold, Pathologe, Hei-
occlusus), delberg, 1803–1890 und Chiari, Pathologe, Prag,
1851– 1916; . Abb. 13.40) bei Meningomyelozele
(7 Abschn. 13.6.2) oder bei entzündlichen Verkle-
bungen nach Hirnhautentzündung.
4 Raumfordernde Prozesse in der hinteren Schädelgru-
be wie z. B. bei Tumoren und bei der Dandy-Walker-
Zyste (benannt nach Dandy, Neurochirurg, Baltimo-
re, 1886–1946, und Walker, Neurochirurg, Baltimore,
1942; . Abb. 13.41); eine zystische Erweiterung des
IV. Ventrikels, die auf einem angeborenen Verschluss
der Foramina Magendii und Luschkae beruht (Ma-
gendie, Pathologe, Paris, 1783–1855; Luschka, Ana-
13 tom, Tübingen, 1820–1875). Selbstständiges Krank-
heitsbild, das eine Zusatzbehandlung z. B. in Form
eines Doppelshunts erfordert.

jBeispiel einer fehlenden Resorption


Verlegung der Resorptionsorte durch meningitische Nar-
ben oder durch Koagel nach einer Blutung.

Klassifikation
. Abb. 13.39 Hydrozephalus. Rechter und linker Seitenventrikel
sind jeweils über ein Foramen interventriculare Monroi mit dem
4 Anatomisch:
3. Ventrikel verbunden. Der Aquädukt verbindet den 3. mit dem 5 Hydrocephalus internus: Erweiterung des Ventri-
4. Ventrikel. Dieser setzt sich in den Rückenmarkkanal fort kelsystems.

. Tab. 13.14 Liquormenge, -produktion und -druck in Abhängigkeit zur Altersgruppe

Altersgruppe Liquormenge Liquorproduktion Liquordruck

[ml] [ml/Tag] [ml/h] [cmH2O]

Erwachsener 135 (120–200) 500 20 8

Klein- und Schulkind 100 (60–120) 250 10


Säugling 50 (40–60) 100 5

Neugeborenes 20–50 25 1 2–3–4,5


13.6 · Zentralnervensystem
651 13
Der Hydrozephalus kann angeboren sein (in ca. 25% der
Fälle). In der Regel entwickelt er sich jedoch erst nach der
Geburt.
Mehr als 80% der Fälle eines Hydrozephalus im Kin-
desalter sind durch die Arnold-Chiari-Malformation
(. Abb. 13.40) in Verbindung mit einer Meningomyelozele
bedingt. Dabei handelt es sich um eine Fehlbildung, bei der
die hintere Schädelgrube klein ist und ein Teil des fehlge-
bildeten Hirns und Hirnstammes in den Wirbelkanal der
Halswirbelsäule verlagert ist. Die Folge ist, dass der aus den
Ventrikeln abfließende Liquor nicht in den Subarachnoi-
dalraum hineingelangen kann. Meist ist diese Anomalie
kombiniert mit einer Aquäduktstenose, also einer Liquor-
zirkulationsbehinderung zwischen dem III. und IV. Ven-
trikel. Infolge des abnormen Verlaufes der hinteren Hirn-
nerven kann ein selbständiges Krankheitsbild mit Stridor,
Schluckstörungen und Apnoeanfällen resultieren – unab-
hängig von einer Liquorableitung.
Zweithäufigste Ursache für einen Hydrozephalus im
. Abb. 13.40 Arnold-Chiari-Malformation Kindesalter ist die Hirnblutung, die insbesondere bei sehr
unreifen Frühgeborenen auftreten kann.

Häufigkeit
4 Als isolierte Anomalie: 1:1000.
4 In Kombination mit Spina bifida: 1 : 1000 bis
3 : 1000.

Folgen des Hydrozephalus


4 Vergrößerung des Hirnschädels.
4 Vorwölbung der Stirn (»Balkon-Stirn«).
4 Erweiterte Schädelvenen.
4 »Sonnenuntergangsphänomen« (beide Pupillen sind
so weit nach unten gerichtet, dass die Iris teilweise
unter dem Unterlid verschwindet.)
4 Klaffende Schädelnähte.

Klinik
. Abb. 13.41 Dandy-Walker-Zyste. Der Wurm des Kleinhirns ist hy-
poplastisch nach vorn-oben verlagert. Der IV. Ventrikel ist zystisch jHirndruckzeichen bei Säuglingen
erweitert, zusätzlich besteht ein Hydrozephalus (Schädelnähte offen)
4 vorgewölbte Fontanelle,
4 klaffende Schädelnähte,
5 Hydrocephalus externus: Erweiterung der Sub- 4 Erweiterung der subkutanen Schädelvenen,
arachnoidalräume. 4 progredientes Kopfwachstum,
5 Hydrocephalus e vacuo. Folge hirnatrophischer 4 Krampfneigung,
Prozesse (»Normaldruckhydrozephalus«) – keine 4 Opisthotonus,
Makrozephalie. 4 Bradykardie,
4 Funktionell: 4 Trinkunlust/Spucken/Erbrechen,
4 Kommunizierender Hydrozephalus (Liquorzirkulati- 4 Unruhezustände,
on intakt, Liquorüberproduktion oder gestörte Re- 4 schrilles Schreien,
sorption). 4 Schläfrigkeit, Apathie,
4 Hydrocephalus occlusus – Verschlusshydrozephalus 4 Störungen des Wach-Schlaf-Rhythmus,
oder »nichtkommunizierender Hydrozephalus« (Li- 4 Augensymptome:
quorzirkulation behindert oder blockiert). 5 Sonnenuntergangsphänom,
652 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

5 Protrusio bulbi, men). Medikamentös durch Reduzierung der Liquorpro-


5 Nystagmus, duktion (Diamox, Furosemid, Sorbit; Wirkung unzuver-
5 Strabismus, lässig und nicht anhaltend; erhebliche Nebenwirkungen).
4 im fortgeschrittenen Stadium unregelmäßige At- Payr (Chirurg, Leipzig, 1871–1946) hat bereits 1919
mung, Apnoeanfälle, Atemstillstand. eine ventrikulovenöse Drainage, also eine Verbindung zwi-
schen den Liquorventrikeln im Gehirn und einer Körper-
jHirndruckzeichen bei Klein- und Schulkindern vene vorgeschlagen und angewendet. Im Jahr 1914 wies der
4 Erbrechen, Chirurg Heile auf die Möglichkeit einer Liquordrainage in
4 Kopfschmerzen (häufig morgens, betont in Stirnmit- die Bauchhöhle hin. Diese Shuntmöglichkeiten wurden
te, im Liegen zunehmend), jedoch erst realisiert, als es unter Verwendung moderner
4 Änderung der Gemütslage, Werkstoffe gelang, Systeme zu konstruieren, die vom Kör-
4 Konzentrations- oder Koordinationsstörungen, per des Patienten vertragen wurden und über längere Zeit
4 vermehrte Ablenkbarkeit, zuverlässig funktionierten. Der Durchbruch gelang 1949
4 geistige Verlangsamung, dem Techniker John Holter, der für sein eigenes Kind mit
4 rasche Ermüdbarkeit bei Spiel und Sport, Spina bifida und Hydrozephalus ein Ventil konstruiert hat-
4 diskrete Verhaltensänderungen, te, das der Neurochirurg Spitz implantierte. Ende der 50er
4 Krampfneigung, Jahre entwarf Holter das Spitz-Holter-Ventil (Schlitzven-
4 Augensymptome: til), das bis heute praktisch unverändert gebaut wird.
5 Protrusio bulbi, Pudenz hatte unabhängig von Holter ein eigenes Ventil
5 Nystagmus, (Membranventil) konstruiert, das 1958 zum ersten Mal
5 Strabismus, veröffentlicht wurde. Heute gibt es auf dem deutschen
5 Stauungspapille. Markt viele verschiedene Ventilkonstruktionen mit ver-
4 Sehstörungen: schiedenen Konfigurationen und Druckstufen. Keine die-
5 Visusveränderung, ser Kombinationen oder Konstruktionen kann Shuntprob-
5 Verschwommensehen, leme sicher vermeiden.
5 Doppelbilder, Das ideale Shuntsystem gibt es nicht.
5 Gesichtsfeldeinengung.
4 Bewusstlosigkeit nur bei abrupter Hirndrucksteige- Operation
rung (z. B. bei vollständig shuntabhängigem Hydro- jVoraussetzungen
13 zephalus). Wegen des hohen Infektionsrisikos sollte eine liquorablei-
tende Operation an erster Stelle des OP-Planes stehen. Der
Diagnose Liquor sollte steril sein, nicht blutig, der Eiweißgehalt nicht
4 Großer Kopf im Vergleich zum Körper. Hirnschädel über 1.000 mg/dl liegen. Zur Operation muss ein aktuelles
größer als Gesichtsschädel. Kopfumfangdiagramm: CT oder eine Sonographie vorliegen. Perioperative Antibi-
Kopfumfang über den altersentsprechenden Normal- otikaprophylaxe mit Flucloxacillin oder Vancomycin (erste
werten. i.v.-Gabe bei Prämedikation). Rasur des OP-Feldes unmit-
4 Sonographie (bei offener Fontanelle), beim größeren telbar präoperativ. Reinigung der Haut mit Betaisodona-
Kind CT oder MRT. Flüssigseife.
4 Ophtalmoskopisch: Stauungspapille (auch sonogra-
! Latexfreie Operation.
phisch messbar).
4 Röntgen: Leistenlückenschädel.
kPrinzip
Behandlungsziele Liquorableitung aus einem Seitenventrikel über ein im-
4 Normalisierung der Ventrikelweite und des Schädel- plantierbares Shuntsystem in die Bauchhöhle oder in den
wachstums. rechten Vorhof. Jedes Liquorableitungssystem besteht aus
4 Verhinderung einer Hirnschädigung. 4 einem zentralen Katheter, dem Ventrikelkatheter
4 Vermeidung bzw. Aufheben neurologischer Ausfaller- (»Hirnschlauch«), der durch ein Bohrloch im Schä-
scheinungen. delknochen und durch den Hirnmantel hindurch in
einen Seitenventrikel eingeführt wird, und
Behandlungsmöglichkeiten 4 einem peripheren Katheter (»Bauchschlauch«, . Abb.
Weder medikamentöse noch operative Maßnahmen kön- 13.42a oder »Herzschlauch«, . Abb. 13.42b), der ent-
nen die Hydrozephalusursache beseitigen. Man kann nur weder in die Bauchhöhle oder in den rechten Vorhof
die Ventrikelerweiterung verhindern (Palliativmaßnah- des Herzens eingebracht wird,
13.6 · Zentralnervensystem
653 13
kLagerung
4 Rückenlage am Kopfende des OP-Tisches.
4 Nackenrolle.
4 Kopf auf einem Gelring endgradig nach links gedreht
und leicht abgesenkt. (Bei asymmetrischem Hydroze-
phalus leitet man aus dem weiteren Ventrikel ab.)
4 Temporalregion – Hals und Oberbauch liegen in ei-
ner Ebene.

kInstrumentarium
4 Grundinstrumentarium,
4 Borhmaschine mit Trepan oder Kugelfräse,
4 Skalpell Größe 11,
4 Ventrikelpunktionskanüle,
4 Tunnellierungsinstrument,
4 NaCl-Spüllösung mit einem Antibiotikum zum
Durchspülen des Ventilsystems,
4 Nahtmaterial: 3–0 geflochten, nicht resorbierbar, 4–0
monofil, nicht resorbierbar, 5–0 für die Hautnaht,
a 4 Knochenwachs,
4 Ventilsystem in Absprache mit dem Operateur.
! Das Shuntsystem wird erst kurz vor der Implanta-
tion aus der sterilen Verpackung entnommen.
Das Ventilsystem darf nur mit Instrumenten
angefasst werden.
Textilien werden ausschließlich feucht ange-
reicht.

Anlage eines ventrikuloperitonealen Shunts


7 Sorgfältige Hautdesinfektion. Standardisierte Ab-
deckung.
7 Ca. 3 cm langer bogenförmiger Hautschnitt ober-
halb und hinter dem Ohr. Haut und Subkutange-
b webe werden nach frontal mobilisiert. Kreuzför-
mige Inzision des Periosts und Aufbohren der Ka-
. Abb. 13.42a, b Liquorableitende Systeme. a Ventrikuloperitone- lotte z. B. mit der Kugelfräse je 3 cm kranial und
aler Shunt, b Ventrikuloatrialer Shunt dorsal des Ohres.
7 Darstellung der Dura, die sich in den Knochen-
defekt vorwölbt und kreuzförmig inzidiert wird.
4 einem Einwegventil, das ein Leerlaufen der Ventrikel
Bilden einer subkutanen Tasche nach kaudal zur
(Überdrainage) verhindert und dafür sorgt, dass der
späteren Platzierung des Ventils.
Liquor nur vom Ventrikel entweder in den Vorhof
7 Quere Hautinzision im rechten Oberbauch oder
oder in die Bauchhöhle fließt und nicht umgekehrt.
2 Querfinger kaudal des Xiphoid. Durchtrennung
4 Zusätzlich wird gelegentlich ein Reservoir eingebaut,
z. B. das Salmon-Rickham-Reservoir, über das entwe- des Subkutangewebes und quere Inzision der Ex-
der Liquor aus dem System entnommen oder Druck- ternusaponeurose unter Schonung der Mm. recti.
messungen vorgenommen werden können. Darstellung des Peritoneums, das zwischen Klem-
4 Ein Anti-Siphon-Device (ASD) verhindert eine exzes- men eröffnet wird. Subkutanes Tunnellieren von
sive Liquor-Drainage in aufrechter Position des Pati- der Kopf- bis zur Bauchwunde.
enten durch die Schwerkraft der im System enthal- 6
tenen Flüssigkeitsmenge (Heberdrainage-Effekt).
654 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

durch Bildung einer intraperitonealen Pseudozyste aus


7 Hindurchziehen des Peritonealkatheters. Ca. Fibrin (Hinweis auf eine Infektion) verstopfen.
20 cm der Katheterlänge werden für die freie Wachstumsbedingt kann entweder der Hirn- oder der
Bauchhöhle belassen. Das proximale Ende des Pe- Bauchschlauch zu kurz werden. Der Bauchschlauch kann
ritonealkatheters wird mit dem Ventil konnektiert ganz aus der Bauchhöhle herausrutschen, sodass kein Li-
(ggf. unter Zwischenschalten eines ASD). quor mehr in die Bauchhöhle gelangt. Er kann in sich rei-
7 Einritzen der Dura und Eingehen mit der Ventri- ßen oder er rutscht von dem Ventil ab. In diesen Fällen ist
kelpunktionskanüle in Richtung auf die Glabella. eine Shuntrevision mit Bauchschlauchwechsel notwendig.
7 Nach Anschluss an das Ventrikelsystem – kennt-
lich an pulsierendem Liquoraustritt – wird die jWeitere Shuntkomplikationen
Punktionskanüle entfernt und ein bei 4 cm umge- Beim ventrikuloperitonealen Shunt:
bogener Ventrikelkatheter eingebracht. 4 subdurale Hämatome,
7 Messung des Liquordruckes und Entnahme einer 4 Synostose der Schädelnähte,
Probe zur bakteriologischen Untersuchung. 4 Dislokation des Katheters in die freie Bauchhöhle,
7 Der Ventrikelkatheter wird mit dem Ventil konnek- 4 Perforation von Hohlorganen, z. B. des Darms oder
tiert, das Ventil in der retroaurikulären Tasche sub- der Harnblase,
kutan platziert. 4 Hydrocele testis beim (männlichen) Säugling.
7 Beide Konnektionsstellen werden mit Ligaturen
aus geflochtenem nichtresorbierbarem Nahtma- Beim ventrikuloatrialen Shunt:
terial gesichert. 4 subdurale Hämatome,
7 Einbringen des Peritonealkatheters in die freie 4 Synostose der Schädelnähte,
Bauchhöhle. 4 Thromboembolie,
7 Schichtweiser Verschluss sämtlicher Wunden. 4 Herzperforation,
Hautnaht mit monofilem nichtresorbierbarem 4 Abgleiten von Shuntteilen in den kleinen Kreislauf,
Nahtmaterial. 4 Shuntnephritis.

Endoskopische Ventrikulostomie
Eiweißreicher, nicht steriler oder noch blutiger Liquor wird Ein alternatives Verfahren zur Behandlung bestimmter For-
für die Dauer von 7–10 Tagen passager extern abgeleitet. men des Hydrocephalus occlusus ist die endoskopische Ven-
13 Komplikationen
trikulostomie zwischen III. Ventrikel und der Cisterna inter-
peduncularis. Auf diese Weise werden bis zu 70% der älteren
Bei fast zwei Drittel der Shuntpatienten werden Revisionen Kinder und Erwachsenen shuntunabhängig (7 Kap. 10). Bei
notwendig, am häufigsten im 1. Lebensjahr. Kindern unter 3 Jahren liegt die Erfolgsrate unter 50%.

jShuntinfektion Nachsorge
Die Bakterien einer Shuntinfektion (8–10%) stammen von Wegen der Komplikationsmöglichkeiten ist es unerläss-
der Haut und gelangen während der Operation in das Sys- lich, die mit einem Shuntsystem versorgten Kinder regel-
tem. Die Infektion tritt meistens schleichend auf mit nur mäßig zu überwachen. Die Shuntfunktion kann klinisch
leichtem Fieber, Anämie, Milzvergrößerung und allgemei- durch Messung des Kopfumfangs und Vergleich mit Norm-
ner Abgeschlagenheit. Behandlungsalternativen: werten überprüft werden. Bei einer offenen Fontanelle
4 Belassung des Systems und antibiotische Behandlung. kann der Hirndruck entweder indirekt gemessen oder tas-
4 Entfernen des Systems und gleichzeitiger Einbau tend abgeschätzt werden.
eines neuen Systems unter antibiotischem Schutz. Durch Kompression der Prüfblase des Ventils kann
4 Entfernen des Systems, vorübergehende externe Ab- festgestellt werden, ob das System offen ist. Lässt sich das
leitung des Liquors unter antibiotischer Behandlung Ventil leicht eindrücken, ist der Bauchschlauch in der
und Einbauen eines neuen Systems, wenn der Liquor Regel offen. Füllt es sich sofort wieder, kann man davon
wieder steril ist. ausgehen, dass der Ventrikelkatheter offen ist. Über ein
zwischen Ventrikelkatheter und Ventil eingebautes Rick-
jBlockierung eines Drainagesystems ham-Reservoir kann entweder Liquor zur Untersuchung
Meistens ist nicht das Ventil, sondern das Schlauchsystem entnommen oder der Hirndruck gemessen werden, voraus-
(am häufigsten der Hirnschlauch) verstopft (durch Plexus- gesetzt, der Hirnschlauch ist offen. Eine Diskonnektion
gewebe, Eiweiß, Zelldetritus oder Blutkoagel). Der Bauch- des Systems kann palpatorisch – gelegentlich erst röntgeno-
schlauch kann durch Einwachsen des Omentum oder logisch – festgestellt werden.
13.6 · Zentralnervensystem
655 13
Bei jeder Insuffizienz des Shuntsystems werden sich
Hirndruckzeichen einstellen. Sie machen zusätzliche Unter-
suchungen wie Röntgenaufnahmen oder CCT erforderlich.

Prognose
Bei guter Überwachung haben mehr als zwei Drittel der
Kinder mit isoliertem Hydrozephalus die Chance, sich
später körperlich und geistig weitgehend normal zu ent-
wickeln, sofern der Shunt frühzeitig, d. h. innerhalb der
ersten 3 Lebensmonate angelegt wurde.

13.6.2 Myelomeningozele

Definition . Abb. 13.43 Zystische Myelomeningozele. Plakode (1). Ventrale (2)


Die Myelomeningozele (MMC) – auch als Meningomy- und dorsale (3) Wurzeln. Arachnoidea, Dura und Epithel verschmel-
zen am lateralen Rand der Plakode (4)
elozele bezeichnet – zählt zu den angeborenen Neu-
ralrohrdefekten (. Abb. 13.43).
nea), die sich zum Zentrum hin ausdünnt (Zona epitheli-
oserosa) und in die Neuralplatte (Nervengewebe, graue
Jede Form einer Bogenschlussstörung der Wirbelbögen Substanz) übergeht, die von der durchsichtigen Pia bedeckt
über dem Rückenmark wird als Spina bifida bezeichnet. ist (Zona medullovasculosa). Liquor tritt aus, entweder aus
Es handelt sich um eine dysraphische Störung (Raphe = dem offenen Zentralkanal des Rückenmarks am kranialen
Naht), deren schwerste und häufigste Form die Myelome- Ende der Neuralplatte oder über eine Ruptur der Hirnhäu-
ningozele (Spina bifida aperta, »offener Rücken«) ist. Hier te aus dem Subarachnoidalraum.
wölben sich durch eine umschriebene Spaltbildung meist Die Zelenregion liegt meist lumbosakral (75%) entwe-
mehrerer Wirbelbögen und der Rückenweichteile (Musku- der im Niveau der Haut, oder sie wölbt sich infolge der Li-
latur, Fettgewebe, Haut) nicht nur Anteile der Rücken- quoransammlung ventral der Neuralplatte zystenartig über
markhäute vor, sondern auch Anteile des fehlgebildeten das Hautniveau vor (zystische Myelomeningozele). An der
Rückenmarks selbst in Form der Neuralplatte. Neurolo- Ventralseite der Neuralplatte ziehen Nervenstränge, beid-
gische Ausfälle sind die Regel. seits paramedian die motorischen Bahnen, lateral die senso-
Bei der wesentlich selteneren Meningozele ist das Rü- rischen, durch den liquorgefüllten Subarachnoidalraum.
ckenmark normal ausgebildet, lediglich die Hirnhäute
(Dura und Arachnoidea) stülpen sich zystenförmig durch Embryologie
die Spaltbildung der offenen Wirbelbögen. Der Sack ist in Über der Chorda dorsalis erscheint am 16. Schwanger-
der Regel mit normaler Haut bedeckt. schaftstag die ektodermale Neuralplatte und schließt sich
nach Ausbildung bestimmter Längsfalten zwischen dem
Häufigkeit 25. und 27. Tag zum Neuralrohr. Am Rückenmark läuft
4 1 : 1.000, regional unterschiedlich (in Großbritannien dieser Prozess überwiegend in kraniokaudaler Richtung
und Irland 3- bis 4-mal häufiger). ab. Um das Neuralrohr herum entstehen aus dem von der
4 Mädchen sind etwas häufiger betroffen als Jungen (Ge- Seite her einwachsenden Mesoderm die Urwirbel und die
schlechterverteilung: männlich : weiblich = 1 : 1,1). Wirbelsäule sowie die Hirnhäute und die Muskulatur.
Wodurch genau dieser Prozess gestört wird, ist nicht
Die Myelomeningozele gehört zu den häufigsten angebo- bekannt. Wahrscheinlich sind verschiedene Faktoren betei-
renen Anomalien. Aufgrund der Prophylaxe mit Folsäure ligt. Bekannt sind die teratogene Wirkung von Carbamaze-
(s. unten) und der pränatalen Diagnostik, die bei der Di- pin, Valproinsäure (Antiepileptika) und Folsäuremangel.
agnose MMC mit Hydrozephalus häufig zu einem Schwan-
gerschaftsabbruch führt, werden zunehmend weniger Kin- Assoziierte Anomalien
der mit Myelomeningozele geboren. 4 Chiari-II-Fehlbildung (Anteile des unteren Hirn-
stamms und des Kleinhirns sind nach kaudal in das
Anatomie Foramen magnum und in den oberen Rückenmark-
Die Zele liegt am Rücken, immer in der Mittellinie, unter- kanal verlagert) >90%.
schiedlich groß, von normaler Haut umgeben (Zona cuta- 4 Hydrozephalus (15%).
656 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

4 Stammhirnanomalien, Balkenagenesie. Unter »tethered spinal cord« versteht man die Anhef-
4 Syringomyelie. tung des kaudalen Endes des Rückenmarks an der Wand
4 Zusätzliche Fehlbildungen der Wirbelkörper (Keil- des Rückenmarkkanals entweder primär im Sinne einer
wirbel, Halbwirbel, Fusionen). Fehlbildung oder sekundär durch Narben nach operativen
4 Fehlbildungen der Nieren und der ableitenden Harn- Maßnahmen. Beide Formen kommen bei mindestens 20%
wege (4%). der Kinder mit einer Myelomeningozele vor. Die mit dem
Wachstum auftretende Aszension des Conus medullaris
Diagnose (= kaudales Ende des Rückenmarks) ist dadurch gestört.
Pränatal kann die Diagnose durch die Bestimmung eines Zugkräfte am Conus medullaris haben eine zunehmende
erhöhten AFP-Spiegels (AFP = α-Fetoprotein) im mütter- Aggravierung neurologischer Ausfälle zur Folge, beson-
lichen Serum zwischen der 15. und 20. SSW gestellt werden. ders in Phasen raschen Körperwachstums: Gangstörungen,
In Zweifelsfällen kann zusätzlich der Amnion-AFP-Spiegel Rückenschmerzen, Atrophie oder Asymmetrie der Beine,
gemessen werden, der mit 98%-iger Sicherheit auf einen of- neu auftretende Sensibilitätsstörungen, Verschlechterung
fenen Neuralrohrdefekt hinweist. Sonographisch kann ein der Blasenfunktion u. a.
Neuralrohrdefekt etwa ab der 20. SSW festgestellt werden. Orthopädische Probleme wie Kyphose, Gibbus, Lordo-
se, Skoliose, angeborene komplette oder inkomplette Läh-
Klinik mungen der unteren Extremitäten mit Fehlstellungen,
Ausdehnung und Grad der neurologischen Störungen sind Muskelungleichgewichten und Beugekontrakturen im Be-
abhängig von der Lokalisation der MMC. reich von Hüft-, Knie- und Fußgelenken, Hüftgelenkluxa-
Eine tief sakral gelegene MMC hat »nur« Inkontinenz tion (bei 80% der Patienten mit Läsion in Höhe von L5, bei
für Stuhl und für Urin zur Folge sowie einen Sensibilitäts- 26% der Patienten mit Läsion in Höhe von S1).
verlust der Dammregion, jedoch keine motorischen Aus- Beeinträchtigt ist nicht nur die motorische, sondern
fälle der unteren Extremitäten. Fast alle Patienten mit auch die sensible und autonome Innervation; der Sensibi-
MMC leiden an einer neurogenen Blasenentleerungsstö- litätsverlust der Haut begünstigt die Entwicklung von
rung. Die schlaffe Blasenlähmung (»Durchlaufblase«) ist Druckulzera (präsakral, Gesäß, perineal, Füße).
für den oberen Harntrakt ungefährlich. Etwa 70% der Patienten sind normal intelligent. 10%
Dagegen stellt die bei mehr als der Hälfte der Patienten leiden an fokalen oder generalisierten Krampfanfällen.
(63%) vorhandene Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (»Re- 30% zeigen zentrale Bewegungsstörungen (Spastik
tentionsblase«) mit hyperaktiver Beckenbodenmuskulatur oder Ataxie). Unbehandelt überleben nur 20% der Pati-
13 ein hohes Risiko dar für eine frühzeitige Beeinträchtigung enten das 1. Lebensjahr. Das Wiederholungsrisiko liegt
der Nierenfunktion. Hier werden hohe Drücke innerhalb bei etwa 4%.
der Harnblase aufgebaut, die in Kombination mit Rest-
harn, Harnwegsinfektionen, vesikoureteralem Reflux (in Prophylaxe
fast 50% der Fälle) und Megaureteren (bei 5% der Fälle) zu Die Anzahl der mit Neuralrohrdefekten geborenen Kinder
einem frühen Verlust von Nierenparenchym führen. kann durch prophylaktische Gabe von Folsäure, einem
Ein Hydrozephalus (7 Abschn. 13.6.1) tritt bei vielen wasserlöslichen B-Vitamin, um 50–70% verringert wer-
Kindern mit MMC schon pränatal in Erscheinung. Mindes- den (USA, Schweiz). Deshalb sollten alle Frauen mit Kin-
tens zwei Drittel der MMC-Patienten entwickeln einen derwunsch täglich 0,4 mg Folsäure einnehmen bzw. mit
shuntpflichtigen Hydrozephalus. Wiederholte Hirndruck- Folsäure angereicherte Lebensmittel nutzen – präkonzep-
krisen infolge Shuntblockade oder -infektion haben funk- tionell und im 1. Trimenon. Die Dosis sollte auf 4 mg/Tag
tionelle und strukturelle Schädigungen des Hirngewebes erhöht werden bei Frauen, bei denen bei früheren Schwan-
zur Folge und können Ursache geistiger Behinderung sein. gerschaften ein Neuralrohrdefekt aufgetreten ist oder in
Sie können aber auch zu umschriebenen neurologischen deren Familien Neuralrohrdefekte bekannt sind.
Störungen führen, z. B. zu einem Visusverlust durch Atro-
phie des N. opticus. Erstversorgung
90% der Kinder mit MMC haben eine Arnold-Chiari- Das Neugeborene wird in einen handelsüblichen sterilen
II-Fehlbildung, die anatomisch u. a. durch Einklemmung transparenten Plastikbeutel gesteckt, sodass nur der Kopf
der Kleinhirntonsillen und von Anteilen des Hirnstamms und die Arme frei bleiben. Auf diese Weise werden Aus-
durch das Foramen magnum in den Spinalkanal charakte- trocknung, Verletzung und bakterielle Kontamination der
risiert ist. Klinische Symptome (bei fast jedem dritten Pa- Zele vermieden. Der Plastikbeutel wird erst bei der Opera-
tienten) sind inspiratorischer Stridor, Apnoe, Schluckstö- tion geöffnet. Alternativ kann die Zele mit einer folienbe-
rungen, Schwäche oder Spastik der oberen und/oder un- schichteten, nicht haftenden Kompresse oder mit Hirnwat-
teren Extremitäten und Opisthotonus. te bedeckt werden.
13.6 · Zentralnervensystem
657 13
Lagerung in Seitenlage oder Bauchlage. Intravenöser
Zugang und Gabe von Antibiotika zur Vermeidung einer Operative Versorgung der Myelomeningozele
aufsteigenden Meningitis und Enzephalitis. 7 Die Hautdesinfektion spart die Zelenoberfläche aus;
diese kann mit Ringer-Lösung abgespült werden.
Präoperative Behandlung 7 Abstrich von der Neuralplatte zur bakteriolo-
4 Dokumentation von Lage, Durchmesser und Aus- gischen Untersuchung.
buchtungsgrad der Zele. 7 Die Zele wird in der gesunden Haut nahe dem
4 Vollständige körperliche und neurologische Untersu- Übergang zur Zona epithelioserosa umschnitten.
chung mit Dokumentation des Lähmungsausmaßes Umschneidung der Neuralplatte unter Schonung
(untere Extremitäten, Beckenboden: Anus klaffend? des Nervengewebes und vollständige Resektion
Urin ausdrückbar?). Messung des Kopfumfangs. der Zona epithelioserosa.
4 Sonographie des Schädels und des Rückenmarks kra- 7 Verschluss der Medullarplatte zu einem Rohr – so-
nial und kaudal der Zele, evtl. MRT, wenn sonogra- weit spannungsfrei möglich – mit 8–0 atrauma-
phisch Anomalien festgestellt wurden. tischen Einzelknopfnähten, die in die angren-
zende Subarachnoidea gelegt werden, von kranial
4 Röntgenaufnahme der Wirbelsäule.
nach kaudal. Es dürfen keine Reste der Zona epi-
4 Sonographie der Nieren und der ableitenden Harnwege.
thelioserosa an der Neuralplatte belassen werden.
4 Dokumentation evtl. orthopädischer Anomalien
7 Verwachsungen zwischen Neuralplatte bzw. Co-
(z. B. Klumpfuß).
nus medullaris und dem kaudalen Ende des Du-
4 Konakion i.m.
ralsackes werden durchtrennt. Ein Nervreizgerät
4 Erythrozytenkonzentrat bereit halten.
verringert das Risiko, dabei funktionsfähige Bah-
nen zu durchtrennen.
Die Eltern müssen über die Fehlbildung und ihre Konse-
7 Inzision des Grenze zwischen Haut, paraspinöser Fas-
quenzen ausführlich informiert und in die Planung der
zie und Dura am kranialen Rand des Defektes. Dabei
Behandlungsschritte einbezogen werden.
sollte die Arachnoidea möglichst intakt bleiben.
7 Die Dura wird von den Wirbelbögen an den Rän-
Operation
dern des Defektes abgelöst und nach medial so
kOP-Zeitpunkt
weit dargestellt, dass ein wasserdichter Duraver-
Kein Notfall. Operation dringlich in den ersten 6 (–24) h. schluss über dem Rückenmark möglich wird (fort-
laufende Naht, 6–0 atraumatisch). Die Naht darf
kPrinzip
das Rückenmark nicht einengen. Sie kann mit einer
Verschluss der Neuralplatte zu einem Neuralrohr (wenn dünnen Schicht Fibrinkleber abgedichtet werden.
spannungsfrei möglich). Wasserdichter Verschluss der 7 Umschneidung median gestielter, halbkreisför-
Dura und der bedeckenden Weichteile. miger paramedianer Faszienlappen beidseits, die
nach Resektion einzelner vorstehender Wirbelbo-
kLagerung genhälften türflügelartig über dem Rückenmark-
4 Bauchlage. kanal mit Einzelknopfnähten (5–0 atraumatisch)
4 Der Kopf muss so gelagert werden, dass eine übermäßi- so adaptiert werden, dass das Rückenmark nicht
ge Beugung oder Streckung der HWS vermieden wird. komprimiert wird.
4 Thorax und Becken unterpolstern, sodass der Bauch 7 Sorgfältige Kontrolle auf Bluttrockenheit. Nach
nicht aufliegt. ausgiebiger Mobilisation und lumbalen Entlas-
tungsschnitten beidseits können Haut und Subku-
kInstrumentarium tis in Form von Visierlappen nach medial verscho-
4 Grundinstrumentarium, ben werden.
4 Mikroinstrumente, 7 Falls ein ausgeprägter Gibbus einen spannungs-
4 Operationsmikroskop (Lupenbrille), freien Hautverschluss verhindert, wird eine Ky-
4 bipolare Mikrokoagulationspinzette, phektomie erforderlich.
4 Nervenreizgerät, 7 Naht der Subkutanfaszie längs in der Mittellinie.
4 Fibrinkleber, Spannungsfreier Hautverschluss (Matratzennaht
4 synthetischer Duraersatz, 5–0).
4 Nahtmaterial: resorbierbar geflochten atraumatisch 7 Verband mit Gaze und selbstklebendem Pflaster.
5–0, 6–0, 8–0. Zur Analöffnung hin wird der Verband mit einer
wasserdichten transparenten Folie abgedichtet.
! Latexfreie Operation!
658 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

Postoperativ Im Langzeitverlauf (10–30 Jahre) haben 86% der Pa-


4 Bauchlage mit angehobenem Gesäß. tienten einen Liquorshunt, der bei fast allen (95%) min-
4 Antibiotika. destens einmal revidiert wurde. 23% erlitten mindestens
4 Dekubitus- und Kontrakturprophylaxe. einen Krampfanfall. Fast jeder Dritte wurde wegen eines
4 Auf Blasen- und Darmentleerung achten. »tethered cord« operiert; der Eingriff führte nicht immer
4 Regelmäßige Verbandwechsel, Hautfäden 10–14 Tage zu einer Besserung der Symptomatik.
belassen. Bis zu >70% der 30-Jährigen nutzen einen Rollstuhl,
4 Auf Hirndruckzeichen achten. In fast allen Fällen mehr als 10% können sich nicht ohne Rollstuhl fortbe-
wird die Ventrikelweite postoperativ zunehmen. Ein wegen. Der Verlust an Mobilität begünstigt Adipositas,
shuntpflichtiger Hydrozephalus entwickelt sich aller- Arteriosklerose, Einschränkung der Lungenfunktion
dings nicht in allen Fällen. Deshalb – und wegen des und Inaktivitätsosteoporose (erhöhtes Frakturrisiko nach
deutlich höheren Infektionsrisikos eines gleichzeitig Bagatelltrauma). Jeder zweite Betroffene hat eine Skolio-
oder früh postoperativ implantierten Shunts – sollte se, die in knapp der Hälfte der Fälle operativ korrigiert
der Liquor, falls notwendig, zunächst extern abgeleitet wurde.
werden. Mit der Anlage eines ventrikuloperitonealen 85% entleeren ihre Blase durch intermittierende Ka-
Shunts sollte mindestens bis zum Abschluss der theterisierung und erreichen damit mindestens eine sozi-
Wundheilung am Rücken gewartet werden. ale Kontinenz für Urin (mindestens 4 h trocken). Jeder
4 Redressierende Gipsverbände zur Behandlung von Dritte hat sich dazu Eingriffen am unteren Harntrakt un-
Extremitätenfehlbildungen (Klumpfuß, Spitzfuß, Ha- terziehen müssen (z. B. Appendikovesikostomie, Blasen-
ckenfuß). augmentation). Eine Einschränkung der Nierenfunktion
4 Miktionszysturethrographie (MCU): vesikoureteraler besteht bei bis zu 30% der jungen Erwachsenen. Kontinenz
Reflux? Restharn? für Stuhl wird ebenfalls von über 80% der Patienten er-
4 Bei Blasenentleerungsstörung frühzeitig mit intermit- reicht, allerdings sind 30–60% auf regelmäßige Einläufe
tierendem Katheterisieren der Harnblase beginnen. angewiesen.
Nicht wenige Patienten müssen wegen Druckulzera
Komplikationen stationär behandelt werden, die auch Anlass einer Sepsis
4 Wundheilungsstörung. werden können. Weitere Probleme können Diabetes mel-
4 Liquorfistel. litus und Pubertas praecox sein. Bei 60% der MMC-Pati-
4 Meningitis, Ventrikulitis. enten ist eine Latexallergie bekannt, die in Einzelfällen zu
13 4 »Tethered spinal cord« (s. oben). lebensbedrohlichen Situationen führen kann (Broncho-
spasmus, anaphylaktischer Schock). Obwohl mehr als
Ergebnisse 80% eine abgeschlossene Schulbildung haben, ist die
Mit der operativen Behandlung im Neugeborenen- und Mehrheit ohne festes Arbeitsverhältnis. Etwa 2% sind
Säuglingsalter haben sich die Überlebenschancen von körperlich und geistig so schwer behindert, dass sie nicht
Patienten mit MMC wesentlich verbessert. Allerdings schulfähig sind. Nur 40% der erwachsenen MMC-Pati-
sterben immer noch 20–50% innerhalb der ersten 5 Le- enten leben selbstständig und sind nicht auf fremde Hilfe
bensjahre (Todesursache: Niereninsuffizienz, Hydroze- angewiesen.
phalus, Ventrikulitis, Aspiration). Das Überleben ist mit Die Prognose wird bestimmt im Wesentlichen vom
z. T. erheblichen Gesundheitsrisiken und Behinderungen Lähmungsniveau und vom Vorhandensein eines Hydroze-
belastet. phalus. Voraussagen sind dennoch kaum möglich, u. a.
Entscheidend für die weitere Entwicklung des Kindes weil sich das Lähmungsmuster im Langzeitverlauf ändern
ist die langfristige kontinuierliche, koordinierte und koo- kann sowie Häufigkeit und Dauer von Shuntinfektionen
perative Überwachung und Behandlung durch ein inter- sich nachteilig auf die Hirnfunktion auswirken.
disziplinäres Behandlungsteam aus Kinderärzten, (Kin- Die zunehmende Anzahl von Menschen, die mit Be-
der-) Neurochirurgen, Neurologen, Chirurgen, Urologen, hinderungen infolge einer Myelomeningozele leben, führt
Orthopäden, Psychotherapeuten, Physiotherapeuten u. a., nicht nur zu medizinischen, sondern mehr noch zu sozi-
die eng mit dem Kind, den Eltern und Betreuern zusam- alen Problemen. Dabei fallen nach Aussage der Betrof-
menarbeiten. fenen selbst die physischen Behinderungen weniger ins
Eine frühzeitige aggressive Behandlung v. a. der urolo- Gewicht als die Behinderungen durch Diskriminierung
gischen und orthopädischen Handicaps ist technisch ein- innerhalb der Gesellschaft.
facher und erfolgreicher. Risikoreichere Eingriffe im Er-
wachsenalter können so vermieden werden. Der Aufwand
für die Eltern und Betreuer ist allerdings erheblich.
13.7 · Tumoren
659 13
13.7 Tumoren
. Tab. 13.15 Stadieneinteilung des Wilms-Tumors nach der
Societé Internationale d’Oncologie Pédiatrique (SIOP)
13.7.1 Wilms-Tumor
Stadium
Definition
Embryonaler Tumor renalen Ursprungs, vom primi- I Der Tumor ist auf die Niere beschränkt und
tiven metanephrogenen Blastem ausgehend. Benannt kann vollständig entfernt werden

nach dem deutschen Pathologen und Chirurgen Max II Tumorausdehnung über die Niere hinaus, je-
Wilms, Köln 1867–1918, der 1899 eine Monographie doch vollständig entfernt
Zusätzlich histologisch bestätigte Lymphkno-
über Mischgeschwülste der Niere schrieb.
tenmetastasen am Nierenhilus oder paraaortal

III Unvollständige Tumorentfernung bei Fehlen


Häufigkeit hämatogener Metastasen
Tumorruptur
4 6–7 : 1 Mio. Kinder <15 Jahren. Infiltration abdomineller Lymphknoten jenseits
4 In der BRD jährlich mehr als 100 Neuerkrankungen. der regionalen Lymphknoten
4 6% aller kindlichen Tumoren sind Wilms-Tumoren.
IV Fernmetastasen (insbesondere Lunge, Leber,
4 Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei Knochen und Gehirn)
3 Jahren (3 Monate bis 8 Jahre). 75% der Wilms-Tu-
V Bilaterales Nephroblastom (gleichzeitig oder
moren werden vor dem 5. Geburtstag diagnostiziert.
nacheinander: 2–7%)
4 Familiäres Vorkommen findet sich in 1–2% der Fälle.

Pathogenese
Die Pathogenese ist unklar. Morphologisch spielen sog. . Tab. 13.16 Einteilung des Wilms-Tumors nach Tumorhisto-
nephrogene Reste (über die 36. SSW persistierendes em- logie
bryonales Nierengewebe) eine Rolle. Sowohl den heredi-
Histologie Anteil
tären als auch den sporadischen Wilms-Tumoren liegen
genetische Veränderungen eines oder mehrerer Gene zu- Niedrig-maligne ca. 10%
grunde (z. B. Deletion am kurzen Arm von Chromo-
Intermediär-maligne 75–80%
som 11).
Hoch-maligne 10–15%
Assoziierte Anomalien
Wilms-Tumoren können gehäuft in Kombination mit fol-
genden Anomalien auftreten:
4 Aniridie, Stadien
4 WAGR-Syndrom (Wilms-Tumor, Aniridie, urogeni- Die Stadieneinteilung der Societé Internationale
tale Fehlbildungen, geistige Retardierung), d’Oncologie Pédiatrique (SIOP; Beckwith 2002) berück-
4 Hemihypertrophie, sichtigt Größe und Ausdehnung des Tumors, seine Opera-
4 urogenitale Anomalien wie Kryptorchismus und Hy- bilität, den Befall regionärer Lymphknoten, das Einwach-
pospadie, sen in Nachbarstrukturen (Leber, Zwerchfell, Mesenteri-
4 Wiedemann-Beckwith-Syndrom, um), Fernmetastasen (Lunge) und die Beteiligung der
4 Drash-Syndrom (Pseudohermaphroditismus mascu- kontralateralen Niere (. Tab. 13.15).
linus, Wilms-Tumor und Glomerulopathie). Nach der Tumorhistologie unterscheidet man Wilms-
Tumoren gemäß . Tab. 13.16.
Symptome
4 Meist zufällig entdeckter, sichtbarer und tastbarer, Diagnose
großer, rundlicher, nichtschmerzhafter Bauchtumor Folgende Fragen sind zu beantworten:
mit glatter Oberfläche und von fester Konsistenz 4 Konsistenz des Tumors (solide/zystisch)?
(62%). 4 Ausgangsorgan des Tumors (Niere, Nebenniere, Leber)?
4 Makrohämaturie in 10–15% der Fälle. 4 Funktionsfähiges Nierenparenchym auf der Gegen-
4 Mikrohämaturie in ca. 20%. seite?
4 Appetitlosigkeit, Fieber und Gewichtsverlust nur in 4 Tumorthromben in der V. cava inferior oder in der
10–15%. Nierenvene?
4 Erhöhter Blutdruck in bis zu 20%. 4 Fernmetastasen?
660 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

jUntersuchungen Operation
4 Sonographie jPräoperativ
Solider Tumor; Tumorvolumenbestimmung; Ein- Präoperative Chemotherapie bei Kindern über 6 Monaten
wachsen in V. renalis oder V. cava inferior. mit Zytostatikakombination (Vincristin und Aktomycin D,
4 Röntgen evtl. Doxorubicin) zur Verkleinerung des Tumors (Tumor-
5 Abdomenübersicht o Verdrängung der Bauchein- reduktion), Verbesserung der Operabilität, Verringerung
geweide; selten schalige Tumorverkalkungen peri- des Risikos der unbeabsichtigten Tumoraussaat durch in-
pher <10%. traoperative Tumorruptur und damit der Notwendigkeit
5 Thorax o Fernmetastasen; ggf. CT. einer postoperativen Strahlentherapie. Nachteil: Bei falsch-
4 Laboruntersuchungen positiver Diagnostik werden einzelne Kinder unnötiger-
Blutbild (Anämie/Polyglobulie), Leberwerte, Nieren- weise zytostatisch behandelt, die präoperative Stadienein-
retentionswerte, Urinstatus, evtl. Bestimmung von teilung wird unscharf.
Katecholamin-Metaboliten im 24-h-Sammelurin
und im Serum zum Ausschluss eines Neuroblas- kPrinzip
toms. Sorgfältig geplante, ausreichend vorbereitete und gut do-
4 MRT mit Kontrastmittel kumentierte Tumornephrektomie transperitoneal. Ziel der
Tumorzuordnung zur Niere, Verdrängung der Niere, Operation ist sowohl die vollständige Entfernung des vi-
Deformierung des Hohlsystems, vergrößerte Lymph- talen Tumorgewebes als auch eine präzise Dokumentation
knoten pararenal und/oder paraaortal. Bilaterales Tu- des Tumorstadiums als Voraussetzung für eine angemes-
morwachstum? sene adjuvante Therapie.

Differenzialdiagnose kLagerung
4 Neuroblastom, 4 Rückenlage.
4 Klarzelltumor, 4 Thorakolumbalen Übergang unterpolstern.
4 Rhabdoidtumor, 4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
4 andere Nierentumoren (Lymphom, Nephroblastoma-
tose, zystisches Adenom), kInstrumentarium
4 Teratom, 4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 Hamartom, 4 Kochsalzschale,
13 4 Nierenkarbunkel, 4 Rahmen,
4 xanthogranulomatöse Pyelonephritis, 4 diverse Langenbeck-Haken,
4 Hydronephrose, 4 Spatel,
4 Hepatoblastom. 4 Nierenstielklemme,
4 diverse Overholts,
Therapie 4 Gefäßklemmen,
Ohne Behandlung ist die Prognose infaust. »Standardthe- 4 Vessel-Loops,
rapieelemente sind Tumornephrektomie, systemische 4 Robinson-Drainage 12 Charr,
Chemotherapie und Radiotherapie. Durch eine Kombi- 4 Nahtmaterial: 3–0, 4–0, 5–0 resorbierbar; Gefäßnähte
nation dieser Therapieelemente sind die höchsten Hei- bereithalten.
lungsraten zu erreichen. Im Rahmen der SIOP und der
GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hä-
Wilms-Tumor
matologie) wird das Prinzip einer 4- bis 6-wöchigen prä-
operativen Chemotherapie bei Kindern, die älter als 7 Großzügige quere Oberbauchlaparotomie su-
6 Monate und jünger als 16 Jahre sind, verfolgt. Eine prä- praumbilikal. Die Inzision muss groß genug sein,
operative Chemotherapie erhöht den Anteil der Patienten um eine Entfernung des Tumors ohne Ruptur und
mit einem postoperativen Tumorstadium I und verrin- ohne Verschleppung von Tumorzellen sowie eine
gert die Rate der Tumorrupturen.« (Leitlinien der Gesell- vollständige Revision der kontralateralen Niere zu
schaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie erlauben.
GPOH, 2010). 7 Primäre Darstellung und Unterbindung der Hilus-
Die Behandlung erfolgt interdisziplinär im Rahmen gefäße, beginnend mit der Arterie.
prospektiver randomisierter Multizenterstudien (GPOH, 7 Entfernung regionärer Lymphknoten.
SIOP, s. oben; National Wilms’ Tumor Study – NWTS) in 6
entsprechend spezialisierten Zentren.
13.7 · Tumoren
661 13
13.7.2 Steißbeinteratom
7 Subtotale Resektion des zugehörigen Harnleiters
zur Vermeidung einer urothelialen Metastasie- Definition
rung. Extragonadaler Keimzelltumor, der nicht unbedingt
7 Wächst der Tumor in die Leber ein, wird er auch Komponenten aller 3 Keimblätter enthält, von der
hier en bloc reseziert. Steißbeinvorderfläche (Hensen-Knoten; benannt nach
7 Ist der Tumor nahe der Nebenniere lokalisiert, Hensen, Physiologe, Kiel, 1835–1924) ausgeht, über-
wird diese en bloc mitentfernt. wiegend exophytisch zwischen Analöffnung und
7 Bei Stadium V ist ein individuelles Vorgehen erfor- Steißbein wachsend.
derlich, z. B. Tumornephrektomie auf der Seite des Klinisch bedeutsam ist das Steißbeinteratom des-
größeren Tumors und Nierenteilresektion auf der halb, weil es – nicht rechtzeitig oder nicht vollständig
Gegenseite. reseziert – zu einem bösartigen Tumor werden kann.
7 Eventuell Second-look-Operation nach Polyche-
motherapie primär nicht oder nicht vollständig re-
sezierbarer Tumoren. Häufigkeit
7 Eine Tumorbiopsie ist bei resezierbaren Tumoren 4 1 : 35.000 bis 1 : 40.000 Lebendgeburten.
wegen des Risikos der Aussaat von Tumorzellen 4 Geschlechterverhältnis männlich : weiblich = 1 : 3.
nicht indiziert.
Wachstumsformen
Einteilung nach Altman et al. (1974); . Abb. 13.44 und
Postoperativ . Tab. 13.17.
Die Art und Dauer der postoperativen Behandlung Sehr große Steißbeinteratome prädisponieren zur
(multimodale Chemotherapie, Bestrahlung) hängen ab Frühgeburtlichkeit und zur Tumorruptur (o Blutung).
vom Stadium des Tumors, seinem Malignitätsgrad in der
Histologie, der Größe des Tumors, seinem Ansprechen Dignität
(»response«) auf die präoperative Chemotherapie, Über 90% der im Neugeborenenalter operierten Steißbein-
von molekulargenetischen Faktoren und dem Alter des teratome sind benigne. Von den nach dem 2. Lebensmonat
Kindes. entfernten Tumoren sind über 50% maligne, nach dem 5.
Monat bis zu 90%.
Komplikationen
4 Blutung (intraoperativ und/oder postoperativ),
4 postoperative Darmparalyse, insbesondere unter zy-
tostatischer Behandlung,
4 Lebervenenverschlusserkrankung,
4 andere toxische Nebenwirkungen der Chemotherapie
auf Herz, Nieren und Lungen.

Prognose
Die Prognose ist relativ gut. Sie hängt vom Tumorstadium
und von der Tumorhistologie, vom Alter des Kindes, von
der Größe des Tumors und von der Art der Behandlung ab.
Ohne Berücksichtigung der Prognosefaktoren werden ca.
90% der Patienten langfristig geheilt.

Spätfolgen
Zur Erkennung und Behandlung von Rezidiven und Spät-
folgen ist eine mehrjährige Nachsorge erforderlich. Sie
sollte, wie die Behandlung selbst, in Zentren erfolgen, die
über ausreichende Erfahrung mit malignen Erkrankungen
im Kindesalter verfügen. Die meisten Tumorrezidive tre-
ten in den ersten beiden Jahren nach Abschluss der Be-
handlung auf. Zweittumoren können nach 5–10 Jahren . Abb. 13.44 Wachstumsformen des Steißbeinteratoms. (Nach Alt-
auftreten. man et al. 1974)
662 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

minurie – »mirror« deshalb, weil die Symptome der


. Tab. 13.17 Steißbeinteratom – Einteilung der Wachstums- Mutter denen des Kindes ähneln.
formen nach Altman et al. (1974)
4 Herzversagen (»high output cardiac failure«) wegen
Typ Anteil Kennzeichen der erhöhten Tumordurchblutung.
4 Harntransportstörung infolge Drucknekrose der
1 47% Überwiegend postsakral mit nur mini-
Harnleitermündungen bzw. des Blasenhalses bei Tu-
malem präsakralem Anteil
morwachstum im kleinen Becken.
2 34% Postsakral mit erheblichem intrapel-
vinem Anteil
Diese Symptome können eine pränatale endoskopische
3 9% Äußerlich sichtbar, jedoch überwie- Intervention erforderlich machen.
gend präsakral gelegen und bis in die Die Mortalität pränatal vor der 33. SSW diagnostizierter
Bauchhöhle reichend
Steißbeinteratome ist mit nahezu 50% 10-mal höher als die
4 10% Vollständig präsakral ohne erkenn- postnataler. Bei Tumoren von >5 cm Durchmesser wird
baren postsakralen Anteil eine Entbindung durch Kaiserschnitt empfohlen wegen des
Risikos von Tumorruptur und Blutung. Postnatale Symp-
tome sind Blutung, Herzinsuffizienz, Hyperkaliämie.
. Tab. 13.18 Steißbeinteratom – histologisches Grading
Assoziierte Anomalien
Grad Kennzeichen Begleitfehlbildungen kommen in 10–20% der Fälle vor:
Zwillingsschwangerschaft in der Familienanamnese, tra-
0 Ausschließlich reifes, ausdifferenziertes Gewebe cheoösophageale Fistel, anorektale Anomalien, Spina bifi-
In der Regel gutartig
Keine Metastasierung
da und urogenitale Fehlbildungen bzw. Funktionsstö-
rungen.
1 Unreif
Vereinzelt atypische Neuroblasten
Diagnose
2 Unreif 4 Klinische Untersuchung: exophytisches Wachstum;
Mäßig viel embryonales Gewebe
Analöffnung nach ventral verdrängt.
Vorwiegend Neuroektoderm
4 Digitorektale Untersuchung: mit dem zum Kreuzbein
3 »Malignes Teratom« hin gewendeten Finger (präsakrale Tumorausdeh-
(Meist Dottersacktumor)
13 nung?).
4 Labor: α-Fetoprotein (AFP), β-HCG, Blutgerinnung.
4 Bei Verdacht auf intraabdominales Tumorwachstum
Histologisches Grading zusätzlich:
Am häufigsten ist das reife Teratom: Grad 0 (60%; . Tab. 5 Sonographie (Nieren und ableitende Harnwege):
13.18; Gonzales-Crussi et al. 1978). Harnabflussstörung?
4 MRT.
Klinik 4 Bei Verdacht auf primär malignes Steißbeinteratom:
Der Tumor tritt sporadisch auf. Er entwickelt sich in der nach dem Studienprotokoll für maligne, nichttestiku-
Regel pränatal und ist fast immer bei Geburt vorhanden, läre Keimzelltumoren (MAKEI-Studie; Göbel et al.
im Neugeborenenalter in 90% der Fälle äußerlich sichtbar. 1998) der GPOH:
Er ist von sehr variabler Größe (bis über kindskopfgroß), 5 Sonographie,
teils solide, teils zystisch und von Haut bedeckt, die manch- 5 i.v.-Pyelogramm,
mal hämangiomatös verändert ist. Der Tumor enthält he- 5 Miktionszystourethrogramm,
terotopes Gewebe (= Gewebe, das üblicherweise in dieser 5 Computertomographie,
Lokalisation nicht vorkommt), z. B. Pankreas, Nierenge- 5 Kolonkontrasteinlauf,
webe, Knochen, Zähne. Er kann symptomlos sein oder 5 Thoraxröntgen,
bereits pränatal klinisch in Erscheinung treten: 5 Dokumentation der Blasen- und Mastdarm-
4 Durch seine Größe: Vergrößerung des Uterus, Pla- funktion.
zentomegalie, Geburtshindernis (Dystokie), Frühge-
burtsbestrebungen. Differenzialdiagnose
4 Nicht immunologisch bedingter Hydrops fetalis. 4 Überhäutete Myelomeningozele (MMC) oder Lipo-
4 Mirror-Syndrom der Mutter: Präklampsie mit Erbre- meningozele,
chen, peripheren Ödemen, Bluthochdruck, Albu- 4 Lipom,
13.7 · Tumoren
663 13
4 zystische Rektumduplikatur,
4 Hämangiom, 7 Ablösung des Tumors von der Rektumhinterwand,
4 Lymphangiom, von der Sphinktermuskulatur und vom M. levator
4 Chordom, ani. Die rekonstruierte Levatormuskulatur wird
4 schwanzähnliche Hautanhängsel. mit atraumatischem resorbierbarem Nahtmaterial
(5–0) an der Fascia präsacralis fixiert, die Glutaeus-
Operation muskulatur in der Mittellinie adaptiert.
kPrinzip 7 Sorgfältige Kontrolle auf Bluttrockenheit.
4 Frühzeitige und vollständige Tumorentfernung im 7 Zählkontrolle und Dokumentation.
Neugeborenenalter en bloc zusammen mit dem Steiß- 7 Resektion überschüssiger Haut. Subkutannaht,
bein und den unteren Sakralwirbeln. Ohne Steißbeinre- Hautnaht (jeweils atraumatisch resorbierbar, 5–0;
sektion lokale Rezidivrate von über 30%! Levatormus- . Abb. 13.45 und . Abb. 13.46).
kulatur in der Mittellinie vereinigen und am kaudalsten
Sakralwirbel bzw. an der präsakralen Faszie fixieren.
4 Kein Notfalleingriff, außer bei Blutungen (die jedoch Komplikationen
auch mit einem Tourniquet versorgt werden können). 4 Intraoperativ: Blutung, Verletzung des Rektums.
4 Eine zusätzliche Laparotomie ist nur bei Typ 3 und 4 4 Postoperativ: Nachblutung, Wundinfektion, Fistelbil-
(und bei primär malignem Teratom) erforderlich. dung (zusammen ca. 20%).
4 Pränatale intrauterine Eingriffe erscheinen derzeit aus 5 Funktionsstörungen der Harnblase und des End-
mehreren Gründen nur in Ausnahmefällen ratsam: darms (in bis zu 40–70%; neurogen?).
Blutungsrisiko, unvollständige Resektion (insbeson-
dere bei präsakraler Lokalisation). Steißbeinresektion
nicht möglich (erhöhtes Malignitätsrisiko), Levator-
rekonstruktion nicht möglich.

kLagerung
4 Präoperativ wird ein transurethraler Ballonkatheter
gelegt.
4 Operation in Bauchlage mit angehobenem Gesäß,
Hüftgelenke rechtwinklig gebeugt.
4 Neutrale Elektrode am Oberschenkel.
4 Anorektalkanal mit Polyvidon-Jod-getränkten Kom-
pressen reinigen und tamponieren.
4 Schutz vor Wärmeverlusten (7 Abschn. 13.1.1).
. Abb. 13.45 Resektion des Steißbeinteratoms: Resektion des
kInstrumentarium Steißbeins in Kontinuität mit dem Tumor. (Nach Doody u. Kim 1995)
4 Grund- und Laparotomieinstrumentarium,
4 Kochsalzschale,
4 Nahtmaterial: 5–0, resorbierbar, atraumatisch.

Steißbeinteratom
7 Hautinzision in Form eines umgekehrten »V« mit
Spitze über dem Kreuzbein.
7 Darstellung und Durchtrennung des sakrokokzy-
gealen Übergangs (Vorsicht: paarige mediane Sa-
kralgefäße sicher ligieren).
7 Der meist gut abgekapselte Tumor lässt sich leicht
von der Muskulatur der Mm. glutaei maximi ab-
präparieren; Kollateralgefäße werden zwischen Li-
gaturen durchtrennt.
6 . Abb. 13.46 Rekonstruktion des Beckenbodens nach Resektion
des Steißbeinteratoms. (Nach Doody u. Kim 1995)
664 Kapitel 13 · Kinderchirurgie

. Tab. 13.19 Steißbeinteratom – Nachsorgeschema nach MAKEI-Protokoll (1985)

Untersuchungen 1. Jahr nach Therapie 2. Jahr nach Therapie 3.–5. Jahr nach Therapie

AFP, β-HCG, LDH Monatlich Alle 2 Monate Alle 6 Monate

Abdomensonographie Monatlich Alle 2 Monate Alle 6 Monate

Thoraxröntgen Monatlich Alle 2 Monate Alle 6 Monate

CT des Primärtumorsitzes (außer Alle 3 Monate


bei maturem Steißbeinteratom)

Rektale Untersuchung Monatlich Alle 2 Monate Alle 6 Monate

AFP = α-Fetoprotein, β-HCG = humanes Choriongonadotropin, LDH = Laktatdehydrogenase.

5 Stuhlinkontinenz.
5 Hartnäckige, über Jahre anhaltende Obstipation (in
ca. 25% der Fälle).

Nachsorge
Lokales Rezidiv – auch nach vollständiger Tumorentfer-
nung mit Steißbeinresektion – in ca. 4% (kann histologisch
maligne sein). Die Prognose bleibt günstig nach operativer
Entfernung und ggf. Chemotherapie des Rezidivs. AFP
und β-HCG kontrollieren (Tumormarker).

Malignes Steißbeinteratom
Etwa 20% der Steißbeinteratome sind primär maligne. Das
Malignitätsrisiko ist umso höher,
13 4 je älter der Säugling ist,
4 je größer der präsakrale Tumoranteil ist,
4 je solider der Tumor ist,
4 bei unvollständig oder mehrfach operierten Tumoren,
4 wenn das Steißbein nicht mitreseziert wurde.

Etwa 5% der Patienten haben zu Therapiebeginn Metasta-


sen (in der Bauchhöhle, in Leber, Lunge, Gehirn oder Ske-
lett).
4 Diagnose: nach MAKEI-Protokoll (s. oben).
4 Therapie: nach Sicherung der Diagnose durch Biopsie
sollte primär chemotherapiert werden, um eine voll-
ständige (abdominosakrale) Tumorresektion en bloc
zu ermöglichen.
4 Nachsorge: nach MAKEI-Protokoll (. Tab. 13.19).
4 Prognose: 5-Jahres-Überlebensrate etwa 50%.
14

Ophthalmologie
I. Welk, A. Bunse, F. Rüfer

14.1 Anatomie des Auges – 666

14.2 Besonderheiten bei Operationen am Auge – 667

14.3 Aufgaben der Operationspflegekraft – 669

14.4 Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge – 670

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_14,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
666 Kapitel 14 · Ophthalmologie

14.1 Anatomie des Auges Augenlinse Schutz und Begrenzung. Die Aderhaut (Choro-
idea) ist von zahlreichen Blutgefäßen durchzogen. Ihr vor-
14.1.1 Wie funktioniert das Sehen? derer Anteil wird als Regenbogenhaut (Iris) bezeichnet
und liegt zwischen Hornhaut und Linse. Über Muskel-
Das von außen einfallende und von der Linse gebündelte stränge kann die Iris, je nach Lichteinfall, die Pupillenöff-
Licht trifft auf lichtempfindliche Rezeptoren auf der Netz- nung verkleinern oder vergrößern. Die Irisfarbe ist unter-
haut. Dort werden die Lichtreize durch Nervenimpulse schiedlich und definiert die Augenfarbe.
und Sehnerv an das Gehirn weiter geleitet und zu einem
Bild verarbeitet (s. Netzhaut).
14.1.3 Tränenapparat

14.1.2 Augapfel Die Augen werden durch Ober- und Unterlider geschützt.
Im Oberlid befindet sich die Tränendrüse, die eine wässrige
Die Augen liegen geschützt in einer von den Schädelkno- Flüssigkeit produziert. Durch den Lidschlag wird die Trä-
chen gebildeten Höhle (Orbita; . Abb. 14.1). Der Augapfel nenflüssigkeit verteilt und die Oberfläche kontinuierlich
(Bulbus oculi) ist von runder Form und ca. 22 mm im benetzt. Bei Fremdkörpern auf der Oberfläche wird reflek-
Durchmesser. torisch mehr Tränenflüssigkeit produziert, um den Fremd-
Die äußere Haut bezeichnet man als Lederhaut (Skle- körper auszuwaschen. Beim Weinen wird ebenfalls über die
ra). Sie ist von derber Konsistenz und bietet zusätzlichen Tränendrüse die Tränenflüssigkeit produziert. Ein Fehlen
Schutz. Im vorderen Anteil geht die Sklera in die Hornhaut des Lidschlusses führt zu einer gestörten kontinuierlichen
(Kornea) über. Die Hornhaut bietet der darunter liegenden Befeuchtung und damit zum Austrocknen der Hornhaut.

14

. Abb. 14.1 Anatomischer Aufbau des Auges. Der Schnitt führt sern in ihrer Lage befestigt. Die Iris unterteilt den Raum vor der Linse
durch die Region des blinden Flecks (Austritt der Fasern des N. opti- in eine vordere und eine hintere Augenkammer. (Nach Spornitz 2004)
cus). Im vorderen Teil des Augapfels ist die Linse durch die Zonulafa-
14.2 · Besonderheiten bei Operationen am Auge
667 14
14.1.4 Linse 4 Aus Sicherheitsgründen und bei Eingriffen in Lokal-
anästhesie werden EKG-Überwachung, Anlage eines
Die Linse liegt hinter der Pupillenöffnung. Durch Muskel- venösen Zugangs und Messung der Sauerstoffsätti-
fasern, die Linse und Sklera verbinden, kann die Form der gung empfohlen. Gegebenenfalls wird eine kontinu-
Linse verändert werden und dient der besseren Anpassung ierliche Blutdruckmessung durchgeführt. Nur in Aus-
an das Scharfsehen von Gegenständen in der Ferne (Akko- nahmefällen wird dem Patienten bei Bedarf per Na-
modation). sensonde Sauerstoff insuffliert (Cave: Gefahr einer
Knallgasexplosion bei O2-Gabe und Einsatz von Elek-
trokautern!).
14.1.5 Netzhaut 4 Ab Eintreffen des Patienten in den Verantwortungs-
bereich »OP« gelten die besondere Aufsichtspflicht
Die innere Auskleidung des Bulbus ist die Netzhaut (Reti- und die Prävention gegen Herunterfallen vom fahr-
na). Sie besteht aus lichtempfindlichen Sinneszellen (Pho- baren OP-Tisch oder Bett.
torezeptoren) und Nervenzellen, die die eintreffenden
Lichtreize verarbeiten. Desinfektion des OP-Bereiches
4 Vor der Lokalanästhesie wird die Umgebungshaut des
OP-Feldes desinfiziert. Folgende Reihenfolge bei der
14.1.6 Glaskörper Hautdesinfektion ist zu beachten: Oberlid, Unterlid,
Nasenwand, Augenbraue.
Der Glaskörper im Inneren ist eine gallertige Masse, die 4 Die Wimpern werden intraoperativ durch eine Inzisi-
den Lichteinfall ebenfalls bündelt und die prallelastische onsfolie und/oder Lidsperrer zurückgehalten. Kein
Formgebung der Bulbi vorgibt. Abschneiden der Wimpern!

14.2 Besonderheiten bei Operationen 14.2.2 OP-Vorbereitung


am Auge
Pupillenvorbereitung
14.2.1 Arbeitsbedingungen im Augen-OP 4 Eine maximale Weitstellung (Mydriasis) ist notwen-
dig für z. B. Operationen an der Netzhaut. Zu beach-
Vorbereitung des Patienten ten ist die erhöhte Blendempfindlichkeit bei weit ge-
Nach dem Einschleusen in den OP-Bereich wird wieder- stellten Pupillen und die eingeschränkte Fahrtüchtig-
holt die Operationsseite überprüft. Häufig wird die zu ope- keit (bei ambulanten Eingriffen). Vor Einbringen der
rierende Seite bereits auf der Station durch Kennzeichnung Tropfen ist eine Anamnese in Bezug auf Allergien
R/L auf der Stirn durch den Operateur markiert. Die allei- und ein bestehendes Glaukom zu erheben, da z. B. die
nige mündliche Befragung des Patienten ist nicht ausrei- Weitstellung der Pupille einen akuten Glaukomanfall
chend. Da die meisten Patienten aufgrund ihrer Operati- auslösen kann. Die Entlassung erfolgt in Begleitung.
onsindikation, der fehlenden Sehhilfen oder der medika- 4 Eine Engstellung (Miosis) durch kurz wirkende Trop-
mentösen Vorbereitung der Pupille (Weitstellung) in der fen ist in einigen Fällen nötig, bei z. B. fistelbildenden
Sehfähigkeit eingeschränkt sind, ist es wichtig, alle Mani- Operationen und perforierenden Keratoplastiken.
pulationen zu erklären.
Abdeckung
Lagerung Ein selbstklebendes Lochtuch und eine Inzisionsfolie wer-
4 Lagerung des Patienten (Hilfsmittel zur Lagerung den für die Abdeckung des Auges verwendet (. Abb. 14.2).
einsetzen!) und Überprüfung der Kopfpositionie- Die Folie wird aufgeschnitten, hält nach Einsetzen eines
rung. Eine für den Patienten angenehme Lagerung er- Lidsperrers die Lider zurück und verhindert somit ein Vor-
höht den Patientenkomfort und unterstützt das Still- stehen der nicht desinfizierbaren Wimpern in das Opera-
liegen bei Eingriffen in Lokalanästhesie. tionsfeld.
4 Der Kopf liegt in einer gepolsterten Kopfschale die Bevorzugt wird meist die sterile Ganzkörperabde-
verstellbarer Bestandteil des OP-Tisches ist. ckung, da für einige Operationen der Patient in Privatklei-
4 Eine Knierolle dient zur Entlastung der Kniegelenke dung in den OP-Bereich gebracht wird. Für den Kopfbe-
in Rückenlage. reich finden auch Lochtücher Anwendung. Zum Einsatz
4 Die Arme werden seitlich vom Körper gelagert und kommt zumeist eine Einmalabdeckung mit integrierter
gegen Spontanbewegungen leicht fixiert. Inzisionsfolie.
668 Kapitel 14 · Ophthalmologie

Durch das begrenzte Operationsfeld kann der Opera-


tionsablauf oftmals nur über eine zusätzliche Optik am
Mikroskop oder über ein Monitorsystem von der instru-
mentierenden Pflegekraft beobachtet werden. Da der Ope-
rateur mit Blick durch das Mikroskop arbeitet und die
Raumbeleuchtung bei zahlreichen Eingriffen abgedunkelt
ist, liegt die Herausforderung in der zeitnahen und abfol-
georientierten Instrumentierung.

14.2.4 Wundverband am Auge

Postoperativ wird bei intraokularen Eingriffen subkonjunk-


tival ein Kortisonpräparat und ein Antibiotikum injiziert.
. Abb. 14.2 Abkleben des Operationsbereiches mit einer Inzisions- Nach Säuberung des OP-Gebietes erhalten die Patienten
folie. (Fa. Lohmann & Rauscher) eine antibiotische/steroidhaltige Salbe und einen sterilen
Augenverband. Je nach Operation kann zusätzlich ein Hart-
schalenverband zum Schutz aufgelegt werden. Bei einer
Anschließen der medizintechnischen Geräte Enucleatio bulbi wird ein Kompressionsverband angelegt.
Das Anschließen der medizintechnischen Geräte erfolgt
unter sterilen Kautelen. Dazu gehören auch Verbindungs-
kabel und Schlauchsysteme, das Einstellen und Bestücken 14.2.5 Anästhesie
des Mikroskops mit sterilen Handgriffen.
Ein ruhiges Operationsfeld ist Voraussetzung für Eingriffe
Implantate am Auge. Besonders unter dem Operationsmikroskop
Verpackungen der Kunst- und Intraokularlinsen (IOL) zur können Bewegungsartefakte den Operationserfolg gefähr-
Implantation werden erst unmittelbar vor dem Einsatz ge- den und zu Schädigungen führen. Daher gilt auch die be-
öffnet und angereicht. Vor dem Einsetzen erfolgt eine In- sondere Beachtung, dass sich jegliches Anstoßen an den
spektion auf Verunreinigungen oder Materialdefekte. Das Patienten bzw. OP-Tisch negativ auswirken können. Die
implantierte Modell wird dokumentiert und eine Karte mit Ruhigstellung des Bulbus wird durch verschiedene For-
den IOL-Daten dem Patienten mit gegeben. men der Lokalanästhesie oder Allgemeinanästhesie mit
Intubation erreicht.
14
14.2.3 Instrumente Lokalanästhesie
Vor der Leitungsanästhesie (LA) erfolgt eine Oberflächen-
Bei den benötigten Instrumenten handelt es sich überwie- betäubung durch Einbringen eines Oberflächenanästheti-
gend um Mikroinstrumentarium (7 Kap. 10). In der Regel kums (z. B. Novesine-Tropfen). Idealerweise erfolgt das
werden die Instrumente für eine Operation in Containern Einbringen der Anästhesielösung unter Retraktion des Un-
aufbewahrt. Silikoneinlagen in den Containern fixieren die terlides mit Blickwendung nach oben und umgekehrt
feinen Instrumente und schützen sie vor Beschädigungen durch Hochziehen des Oberlides mit Blickwendung nach
beim Reinigungs- und Aufbereitungsprozess. unten. Bei der Leitungsanästhesie wird das Lokalanästhe-
Die inhaltliche Zusammenstellung variiert je nach tikum in das Ganglion ciliare hinter den Augapfel (Bulbus)
Haus und Operateur. Ergänzend dazu werden Einwegarti- injiziert, die sog. Retrobulbäranästhesie. Die LA kommt
kel, z. B. Saugkeile, Kanülen, Spritzen, eingesetzt. auch bei ambulanten Eingriffen zum Einsatz.
Zur Vorbereitung gehören neben der Kontrolle
des Sterilisationsergebnisses (Indikatorumschlag), der Intubationsnarkose
Vollständigkeit und Unversehrtheit der Verpackung Vorteile: Im Gegensatz zur Lokalanästhesie liegt der Pati-
auch die Überprüfung der Funktionstüchtigkeit und ent völlig entspannt, und der Operateur hat ein ruhiges
(Leicht-)Gängigkeit der Instrumente. Endoskopische OP-Gebiet. Auch kann durch eine Allgemeinanästhesie
Zuleitungen und Schlauchverbindungen werden über- der intraokulare Druck optimal kontrolliert werden (Sen-
prüft, so muss z. B. die Spülzuleitung für Eingriffe am kungseffekt durch Narkose). Weitere Vorteile sind die Si-
Glaskörper zwingend luftblasenfrei sein, um Artefakte cherung der Atemwege, eine adäquate Oxygenierung und
zu vermeiden. Überwachung von Risikopatienten.
14.3 · Aufgaben der Operationspflegekraft
669 14
Nachteile: Die Operationen in Intubationsnarkose be- Verschiebung des Kaliumhaushaltes begleitet werden.
anspruchen durch Vor- und Nachbereitungszeit einen hö- Bei längerer Gabe besteht die Gefahr der Bildung von
heren Material- und Zeitaufwand. Nierensteinen und Auftreten von gastrointestinalen
Für die Anästhesie sind die räumlichen Rahmenbedin- Beschwerden. Hinweis der Medikation wichtig für
gungen nicht unwesentlich, da das Operationsgebiet in Anästhesisten!
unmittelbarer Nähe zu den Atemwegen liegt.
Perforierende Augenverletzungen sind immer oph-
thalmologische Notfälle, die zeitnah operativ versorgt wer- 14.3 Aufgaben der Operationspflegekraft
den müssen. Da diese Patienten oftmals nicht nüchtern
und das Ausmaß der Verletzung nicht klar definiert ist, Die Aufgaben des Pflegepersonals im Augen-OP-Saal sind
wird die Versorgung meist in Narkose durchgeführt. ähnlich komplex wie in anderen operativen Bereichen. Wich-
tig ist die sorgfältige und fachkundige Vor- und Nachbe-
! Um den Operationserfolg nicht zu gefährden ist
reitung der mikrochirurgischen Instrumente (. Abb. 14.3
es wichtig, Erbrechen und Hustenattacken zu
und 14.4), sofern dies nicht in der zentralen Sterilgutver-
vermeiden, da sich hierdurch der intraokulare
sorgung stattfindet. Ein besonderes Augenmerk gilt der
Druck erhöhen kann, mit Austritt von Glaskörper
Platzierung der Oberarmelektrode bei Elektrolysepunkti-
und expulsiven Aderhautblutungen.
onen in der Netzhautchirurgie (Cave: Patienten mit Herz-
schrittmacher!).
Für die Aufbereitung von chirurgischen Instrumenten
14.2.6 Okulokardialer Reflex und damit auch für augenärztliche Instrumente existieren
definierte Aufbereitungsschritte (s. a. RKI-Richtlinie).
Durch Druck auf den Bulbus und Zug an den Augenmus- In Anbetracht der Infektionsthematik mit Prionen
keln (z. B. bei Netzhaut- und Schieloperationen, Enuklea- (z. B. Creutzfeld-Jakob-Erkrankung) sollen Instrumente in
tion), aber auch bei der Retrobulbärinjektion kann es
durch den sog. okulokardialen Reflex (OCR) zu ausge-
prägten Bradykardien und Rhythmusstörungen kommen
(vagale Reflexreaktion). Therapie: Manipulation abbre-
chen, ggf. Gabe von Atropin i.v. (venöser Zugang!).

14.2.7 Systemische Reaktionen


auf Ophthalmika

Auch durch lokal applizierte Medikamente kann durch Re-


sorption über Schleimhäute und Konjunktiven eine syste-
mische Reaktion induziert werden. Auch intraoperativ
werden die Wirkstoffe schnell resorbiert, v. a. bei Spüllö-
sungen mit Zusätzen, z. B.: . Abb. 14.3 Vorbereitung der chirurgischen Instrumente
4 Neosynephrine: Augentropfen zur Weitstellung der
Pupille, können zu Blutdruckanstieg führen.
4 Suprarenin: Kann ebenfalls zu Blutdruckanstieg und
Erweiterung der Pupillen führen, es können ggf.
Übelkeit und Erbrechen auftreten (Cave: Extreme
Unruhe der Patienten bei Nebenwirkungen mög-
lich!).
4 Atropin: Kann v. a. bei Kindern zu Erregungszustän-
den und Tachykardien führen.
4 Azetylcholin: Zur Engstellung der Pupille, kann zu
Bradykardien, Blutdruckabfällen und selten Bron-
chospasmus führen.
4 Acetazolamid (Diamox): Zur Senkung der Kammer-
wasserproduktion; wird oftmals als Dauermedikation
eingesetzt und kann ggf. von einer Dehydratation mit . Abb. 14.4 Sterile Instrumentation
670 Kapitel 14 · Ophthalmologie

der Ophthalmologie grundsätzlich einer maschinellen al- Hordeolum (Gerstenkorn)


kalischen Reinigung unterzogen werden, da Augengewebe Das Hordeolum ist eine eitrige Entzündung der Schweiß-
und Tränenflüssigkeit als Risikomaterial zählen. Da aber und Talgdrüsen an den Augenlidrändern (Moll-Drüsen,
evtl. alkalische Rückstände an und insbesondere in Instru- Zeiss-Drüsen). Tritt als Hordeolum internum oder exter-
menten verbleiben, die zu Reizungen und damit zu einer num auf.
Patientengefährdung beitragen können, kann alternativ
eine pH-neutrale maschinelle oder standardisierte manu-
Inzision eines Hordeolums
elle Aufbereitung erfolgen. Vor jedem Einsatz von Sterilgut
sind der Indikator und die Unversehrtheit der Verpackung 7 Inzision des Hordeolum mit einem spitzen Skal-
zu prüfen. pell wodurch sich der Eiter entleeren kann.
Die operativen Eingriffe am Auge stellen besondere 7 Verband.
Anforderungen an das Nahtmaterial. Verträglichkeit und
atraumatische Handhabung sollen das Operationsergebnis
unterstützen. Selbst bei kleinsten Nadelgrößen und Faden-
stärken sind die Spitzen detailliert ausgeprägt, um bei den 14.4.2 Operationen an den Tränenwegen
jeweiligen Indikationen das bestmögliche Stichverhalten
durch unterschiedlichste Gewebestrukturen zu realisie- . Abb. 14.5.
ren. Die Entwicklung der Durchgängigkeit des Tränenna-
Um Flüssigkeiten im OP-Feld absaugen zu können, senganges (Ductus nasolacrimalis) ist erst gegen Ende der
werden sog. Saugkeile (z. B. Keilethik aus Zellulose) einge- Schwangerschaft abgeschlossen. Oftmals ist der Abfluss-
setzt. Durch die extreme Saugfähigkeit nimmt der Keil das gang nach der Geburt noch durch eine Membran ver-
10- bis 15-fache seines Eigengewichtes an Flüssigkeit mit schlossen (Hasner-Membran), die sich im Laufe des ersten
hoher Sauggeschwindigkeit auf. Das Material ist formbe- Lebensjahres spontan öffnet.
ständig und fusselfrei.
Tränenwegspülung (TWS)
Fehlende Durchgängigkeit der Tränenwege bei persistie-
14.4 Beispiele für die häufigsten Eingriffe render Membran mit Retention der Tränenflüssigkeit.
am Auge
kAnästhesie
14.4.1 Operationen am Augenlid 4 Bei Kindern Sondierung in Maskennarkose, bei Spü-
lung der Tränenwege mit Intubation, da Spülflüssig-
Chalazion (Hagelkorn) keit in den Nasen-Rachen-Raum gelangt. Cave: Aspi-
14 ration und Laryngospasmus.
Definition 4 Bei Erwachsenen Oberflächenanästhesie möglich.
Chronische Entzündung der sog. Meibom-Drüsen mit
Verstopfung des Ausführungsgangs unterhalb der
Lidkante.

Entfernung eines Chalazions


7 Anlage einer Chalazionklemme.
7 Eröffnung mit Skalpell und Ausräumung mit Cha-
lazionlöffel.
7 Entfernung der Chalazionwand mitttels Pinzette
und Schere.
7 Verband.
7 Histologische Untersuchung des entfernten Ge-
webes (Ausschluss Meibom-Karzinom).

. Abb. 14.5 Tränenwegsystem des Auges


Besonderheiten
4 Evtl. Lupenbrille.
14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
671 14
Abrasio der Hornhaut
Tränenwegspülung kIndikation
7 Zunächst Erweiterung der oberen und unteren 4 Keratitis,
Tränenpünktchen mit einer Tränenwegssonde 4 rezidivierende Erosio corneae,
(Sonde nach Wilder). 4 Fremdkörpereinsprengungen u. a.
7 Einführung einer Tränenwegskanüle und Spülung
mit NaCl 0,9%. kAnästhesie
7 Die Flüssigkeit läuft über Nase und Rachen ab. 4 Oberflächentropfanästhesie.

Tränenwegrekonstruktion Abrasio der Hornhaut


(Dakryozystorhinostomie nach Toti) 7 Einsetzen Lidsperrer.
Diese Operation wird zunehmend auf endonasalem Weg 7 Abschaben (Abrasio) des Hornhautepithels mit
von HNO-Ärzten durchgeführt. Hockeymesser.
7 Ggf. therapeutische Kontaktlinse zur Schmerz-
kIndikation linderung.
Persistierender Verschluss des Tränennasengangs (Ductus 7 Verband.
nasolacrimalis).

kBesonderheiten
Dakryozystorhinostomie nach Toti
4 Gegebenenfalls Operation unter Einsatz des Operati-
7 Externer Zugang mittels Hautschnitt. onsmikroskops.
7 Blutstillung und Unterminierung der Haut mit Prä-
parierschere. Keratoplastik
7 Spreizen der Wunde mittels stumpfen und Eine Keratoplastik ist eine Operation der Hornhaut (Kor-
scharfen Haken. nea), bei der erkranktes Gewebe durch Spendermaterial
7 Abschieben des Periost. ersetzt wird (Hornhauttransplantation). Man unterschei-
7 Trepanation der Knochenstruktur mit Bohrtrepan det folgende Formen der Keratoplastik:
oder Meißel und Erweiterung des Zugangs durch 4 Perforierende Keratoplastik (mittels Trepan Entfer-
Knochenzangen. nen erkrankter Hornhaut und Transplantation von
7 Schlitzung der Nasenschleimhaut und kontinuier- Spenderhornhaut),
liche Blutsstillung. 4 Lamelläre Keratoplastik (isolierte Transplantation von
7 Inzision des Tränensackes. einzelnen Hornhautschichten).
7 Naht der Tränensackwand mit der Nasenschleim-
haut. kIndikation
7 Schichtweiser Wundverschluss. 4 Trübungen der Hornhaut,
7 Kompressionsverband. 4 Keratokonus,
4 perforiertes Hornhautulkus,
4 Herpes u.a.
kBesonderheiten
4 Lupenbrille, kPupillenvorbereitung
4 feiner Sauger, 4 Neutralstellung der Pupille.
4 Bipolarkauter,
4 Bohrtrepan.
Keratoplastik
7 Entnahme der ausgemessenen Spenderhornhaut
14.4.3 Operationen an der Hornhaut mittels Trepan oder Stanze.
7 Okulopression des Empfängerauges.
Eine intakte Hornhaut (Kornea) ist Bedingung für scharfes 7 Einsetzen eines Lidsperrers.
Sehen, da sie als Hauptfunktion die Lichtbrechung zur 7 Gegebenenfalls Anschlingen des M. rectus superi-
Bildfokussierung innehat. or, M. rectus inferior.
6
672 Kapitel 14 · Ophthalmologie

zustellen. Medikamente sind bei der Therapie der Katarakt


7 Punktion der Vorderkammer am Limbus mit der nicht wirksam. Um die Linsenfunktion zu ersetzen, wer-
sog. Parazenteselanze. den Kunstlinsen implantiert. Dabei werden unterschied-
7 Auffüllen der Vorderkammer mittels einer visko- liche Techniken angewandt.
elastischen Substanz (z. B. Healon).
7 Entnahme der ausgemessenen Empfängerhorn- Intrakapsuläre Kataraktextraktion mit
haut mittels Trepan und Keratoplastikschere. von-Graefe-Schnitt (ICCE)
7 Auflegen der Spenderhornhaut und Legen von Fi- kIndikation
xierungsnähten (Einzelknopfnähte). Fortlaufende 4 Mature (ausgereifte) Katarakt.
Hornhautnaht.
7 Entfernung der viskoelastischen Substanz und Er- kPupillenvorbereitung
gänzung durch BSS (Balanced Salt Solution). 4 Weitstellung.
7 Abschließend subkonjunktivale Applikation von
Kortison und Antibiotikum.
7 Verband. Intrakapsuläre Kataraktextraktion
7 Okulopression.
7 Einsetzen Lidsperrer.
kBesonderheiten 7 Eröffnung der Bindehaut.
4 Einsatz Operationsmikroskop, 7 Eröffnen der Vorderkammer.
4 Trepansysteme. 7 Anlage Sicherungsnähte.
7 Basale Iridektomie mit Irispinzette und Iridekto-
mieschere (z. B. nach Wecker).
14.4.4 Kataraktoperationen 7 Zur Extraktion wird mit einer Kolibripinzette
die Hornhaut gefasst und mit einem Keiltupfer
Definition das Kammerwasser aufgesogen, um das An-
Die Katarakt (grauer Star) bezeichnet eine zuneh- frieren der Linse (Kryokoagulation) zu ermögli-
mende Trübung der Augenlinse mit Verschlechterung chen.
der Sehschärfe, Abblassen des Farbsehens und Ver- 7 Die Iris wird mit einem Retraktor zurückge-
minderung des Kontrastes sowie erhöhte Blendemp- halten.
findlichkeit. 7 Extraktion der Linse mit einem Kryoextraktor.
7 Knüpfen der vorgelegten Fäden.
7 Fortlaufende Kornealnaht.
14 Die häufigste Störung ist die altersbedingte Katarakt durch 7 Auffüllen der Vorderkammer mit BSS.
das natürliche lebenslange Weiterwachsen der Linse. Im 7 Wundverband.
ausgeprägten Stadium ist die Trübung in der Pupille von
außen zu erkennen.
kBesonderheiten
Ursachen 4 Operationsmikroskop,
4 Altersbedingt (Cataracta senilis), 4 Kauter,
4 Verletzungen (Cataracta traumatica), 4 Kryochirurgieeinheit.
4 Stoffwechselstörungen, z. B. Diabetes mellitus (Cata-
racta diabetica), Extrakapsuläre Kataraktextraktion mit
4 Entzündungen (Cataracta complicata), Kornealschnitt (ECCE), Phakoemulsifikation,
4 Schädigungen durch UV-Licht. Clear-cornea-Technik
kIndikation
Untersuchung 4 Grauer Star.
Am Untersuchungsmikroskop (Spaltlampe) wird die
Ausbreitung der Trübung in den einzelnen Schichten be- kPupillenvorbereitung
trachtet. 4 Weitstellung.

Therapie
Die Katarakt-OP gehört zu den am häufigsten durchge-
führten Operationen am Auge um die Sehkraft wieder her-
14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
673 14
4 Goniotomie/Trabekulektomie/Trabekulotomie/Vis-
Extrakapsuläre Kataraktextraktion mit kokanalostomie:
Kornealschnitt Anlage einer Abflussfistel aus der vorderen Augen-
7 Okulopression. kammer unter die Bindehaut. Eröffnung des Trabe-
7 Einsetzen Lidsperrer. kelwerkes und Verbindung des Schlemm-Kanals mit
7 Präparation des Tunnels mit Phakolanze/Diamant- der Vorderkammer, um das Abfließen des Augenwas-
messer. sers zu ermöglichen.
7 Eröffnen der Linsenkapsel (Kapsulorrhexis) mit
Zum Einsatz kommen auch Glaukomimplantate zur
Drainage.
gebogener Kanüle oder Rhexispinzette.
4 Iridektomie/Iridotomie:
7 Hydrodissektion und Expression des Linsenkerns
Anlage eines peripheren Irisdefektes bei Engwinkel-
oder Phakoemulsifikation.
glaukom.
7 Anlage von Sicherungsnähten.
4 Laserzyklo- und Kryodestruktion:
7 Absaugen und Spülen von Rindenteilchen.
Verödung des Ziliarkörpers der das Kammerwasser
7 Applikation von viskoelastischer Substanz.
bildet.
7 Implantation der IOL in den Kapselsack (Shooter- 4 Lasertrabekuloplastik:
Faltlinsen). Verbesserung des Abflusses durch Lasereinsatz am
7 Absaugen des Viskoelastikums. Kammerwinkel (Nachteil: wirkt nur zeitlich be-
7 Hornhautnaht. grenzt).
7 Kortison/Antibiotikum Salbenverband.
Die angeborene Form der Augeninnendruckerhöhung
wird verursacht durch eine Störung in der Embryonalent-
kBesonderheiten wicklung mit Abflussstörung des Kammerwassers. Die
4 Operationsmikroskop, Symptome zeigen sich in einer Vergrößerung des Bulbus
4 Gerät für die Phakoemulsifikation (mittels Ultraschall (Buphthalmus). Die Behandlung, meist operativ, muss
wird das Linsenmaterial zerkleinert, gespült und ab- frühzeitig erfolgen, um dauerhafte Sehschädigungen zu
gesaugt). minimieren.

Iridektomie
14.4.5 Glaukomoperationen kIndikation
4 Chronisches Engwinkelglaukom.
Beim Glaukom (grüner Star) findet sich ein erhöhter Au- 4 Glaukomanfall mit extremen Druckwerten.
geninnendruck. Die Ursachen können angeboren oder
erworben sein. Der normale Augeninnendruck liegt zwi- kPupillenvorbereitung
schen 10 und 21 mmHg und ist tageszeitlichen Schwan- 4 Engstellung.
kungen unterlegen. Ein Glaukom entsteht durch eine Stö-
rung des Abflusses von Kammerwasser.
Iridektomie
Eine Durchblutungsstörung im Sehnerv (N. opticus)
kann zusätzlich negative Auswirkungen haben. 7 Einsetzen Lidsperrer.
Im Ziliarkörper (Corpus ciliare) wird das Kammer- 7 Mittels Luftlanze Anlegen einer Parazentese.
wasser produziert und an die hintere Augenkammer abge- 7 Greifen der Iris mit Irispinzette.
geben. Durch die Pupille gelangt es in die vordere Augen- 7 Anlage Iridektomie mittels Schere nach Wecker
kammer und fließt durch das Trabekelwerk im Kammer- oder nach Vannas.
winkel über den Schlemm-Kanal ab. 7 Verband.
Werden Schädigungen festgestellt, muss der Augen-
druck dauerhaft gesenkt und engmaschig kontrolliert wer-
den. Zunächst erfolgt eine medikamentöse Augendruck-
senkung mit Augentropfen und gelegentlich durch orale 14.4.6 Fistulierende Operationen
oder intravenöse Gabe von Azetazolamid (Diamox). Rei-
chen konservative Maßnahmen nicht mehr aus, können Drainageimplantate werden zur Senkung des Augeninnen-
augendrucksenkende Operationen durchgeführt werden, drucks eingesetzt. Ein kleines »Schläuchlein« wird in die
wobei zunehmend die operativen Laserverfahren einge- Vorderkammer des Auges eingesetzt; dieses Schläuchlein
setzt werden: ist mit einem Hohlraum verbunden, in den die Flüssigkeit
674 Kapitel 14 · Ophthalmologie

abfließt. Von dort gelangt die Flüssigkeit unter die Binde- Eine feste Verbindung der Netzhaut mit der Unterlage
haut, wo sie resorbiert wird. Um Verklebungen/Vernar- (retinales Pigmentepithel, RPE) gibt es nur im Bereich des
bungen zu vermeiden, wird Mitomycin C eingesetzt. Sehnervs (Papille) und an der Ora serrata, dem peri-
Selten erfolgt die Trabekulotomie/Goniotrepanation pheren Übergang der Netzhaut am Ziliarkörper. Hieraus
(nach Fronimopoulus oder nach Elliott), in der Regel wer- erklärt sich die rasche Progredienz einer beginnenden
den Glaukomimplantate zur Drainage verwendet. Netzhautablösung. Die Stelle des schärfsten Sehens be-
zeichnet man als Makula oder Sehgrube mit einem Zen-
kIndikation trum (Fovea).
4 Chronisches Glaukom. Als Netzhautablösung (Amotio oder Ablatio retinae)
wird die Abhebung der Netzhaut (Retina) des Auges von
kPupillenvorbereitung ihrer Versorgungsschicht (RPE) bezeichnet. In der Regel
4 Engstellung. entstehen Netzhautablösungen durch Löcher/Risse in den
peripheren Anteilen der Retina. Sie können ebenfalls durch
Zug bedingt sein (sog. Traktionsamotio), bei Diabetes mel-
Trabekulotomie/Goniotrepanation
litus auftreten oder bei Tumoren serös sein. Symptome
7 Einsetzen Lidsperrer. sind das Sehen von Blitzen (Photopsien) und schwarzen
7 Anschlingen des M. rectus sup. »Mücken« (»mouches volantes«) oder auch Rußregen, so-
7 Bindehauteröffnung. wie vorhangartige Gesichtsfeldeinschränkung, in Form
7 Freilegen und Koagulation des chirurgischen von grauem Schatten.
Limbus.
7 Einbringen eines Schwämmchens mit Mitomy- Laseroperation
cin C, das die Narbenbildung und damit den Wie- Die Laserbehandlung kann das Entstehen einer Netzhaut-
derverschluss der Abflussöffnung verhindern soll. ablösung aus einem Loch zwar aufhalten, aber nicht die
7 Präparation eines Skleralappens mit Kolibripinzet- abgehobene Netzhaut wieder an die Versorgungsschicht
te und Messer. anheften. Dies ist nur z. B. mit speziellen Plomben und
7 Eröffnung der Vorderkammer mit Messer. Ringbändern (Cerclagen) möglich, die von außen den
7 Ausschneidung eines Fensters im Trabekelwerk Augapfel eindellen und u. U. mit Punktion der subreti-
mit Kolibri und Schere nach Vannas (durch diese nalen Flüssigkeit den Kontakt wieder herstellen. Ggf. ist
Methode kann das Kammerwasser über epi- eine Glaskörperoperation (Vitrektomie) zusätzlich erfor-
sklerale Venen und Lymphgefäße aus dem Intra- derlich.
skleralspalt abfließen).
7 Periphere Iridektomie. kPupillenvorbereitung
14 7 Die Fistelstelle wird mit der Skleralamelle be- 4 Weitstellung.
deckt.
7 Wundverschluss.
7 Verband. Laserbehandlung
7 Einsetzen Lidsperrer.
7 Aufsetzen Spiegelkontaktglas/Weitwinkelglas.
kBesonderheiten 7 Setzen der Laserherde.
4 Operationsmikroskop,
4 bipolarer Kauter,
4 Mitomycin C (Zellgift). kBesonderheiten
4 Lasergerät unter Beachtung der Schutzvorschriften
für den Umgang mit Lasergeräten (z. B. Schutz-
14.4.7 Operationen an der Netzhaut brille).

Die Netzhaut (Retina) ist eine lichtempfindliche Schicht, Kryokoagulation


die dem Pigmentepithel an der hinteren Innenseite des Indikation zur Kryokoagulation sind kleine Netzhautlö-
Auges aufliegt. Hier wird das einfallende Licht (Weg cher in der äußeren Peripherie der Netzhaut, die mit Laser-
von außen nach innen: Hornhaut, Linse, Glaskörper) in strahlen nicht mehr erreicht werden können.
Nervenimpulse umgewandelt. Der Glaskörper (Corpus
vitreum) liegt der hinteren Glaskörpermembran der kPupillenvorbereitung
Netzhaut auf. 4 Weitstellung.
14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
675 14

Kryokoagulation Cerclage
7 Einsetzen Lidsperrer. 7 Einsetzen Lidsperrer.
7 Setzen der Kryoherde unter Kontrolle mittels Lupe 7 Eröffnung der Bindehaut.
und Augenspiegel. 7 Befeuchten der Hornhaut mit BSS.
7 Cave: Lösen des Kryostiftes mit Spülflüssigkeit 7 Anlegen von Haltefäden an den 4 geraden Augen-
notwendig, um durch die Kälteadhäsion keine muskeln (Zügelfäden).
Zerreißung zu provozieren. 7 Lokalisation des Netzhautdefektes mittels Kopf-
ophthalmoskop.
7 Kryokoagulation punktuell.
kBesonderheiten 7 Einzug eines Silikonbandes unter den Augenmus-
4 Kryochirurgiegerät, keln hindurch.
4 Kopfophthalmoskop, 7 Annähen des Bandes an der Sklera (u. U. vor Ein-
4 Lupe, zug des Silikonbandes).
4 Spüllösung. 7 Verbindung der beiden Enden des Silikonbandes.
7 Ablassen der subretinalen Flüssigkeit durch Punk-
Netzhautplombe tion und Diathermie.
kIndikation 7 Netzhautkontrolle mit Kopfophthalmoskop.
4 Netzhautablösung mit Lochbildung/Rissbildung. 7 Verschluss der Bindehaut.
7 Evtl. Gabe von Luft/Gas als innere Tamponade.
kPupillenvorbereitung 7 Verband.
4 Maximale Weitstellung.

Netzhautplombe
14.4.8 Pars-plana-Vitrektomie (ppV)
7 Einsetzen Lidsperrer.
7 Eröffnen der Bindehaut. Der operative Zugangsweg zum Glaskörper erfolgt durch
7 Anschlingen der geraden Augenmuskeln mit Hal- die Sklera auf Höhe der sog. Pars plana, einem flachen Teil
tefäden. des Ziliarkörpers.
7 Kontinuierliche Befeuchtung der Hornhaut mit Das Operationsinstrumentarium besteht aus einem
Spüllösung. geschlossenen Spül-Saug-System mit Lichtquelle, Infusi-
7 Lokalisation des Netzhautloches mittels Kopf- onszuleitung und chirurgischen Mikroinstrumenten. Für
ophthalmoskop. jeden der drei Arbeitskanäle wird eine Inzision benötigt.
7 Kryokoagulation des Netzhautdefektes durch die Die Infusion erhält den Druck im Auge, damit die Struk-
Sklera unter Augenspiegelsicht. turen nicht kollabieren. Um die abgelöste Netzhaut wieder
7 Vorlegen von Nähten zur Plombenfixierung. anzulegen, kann der Glaskörperraum am Ende der Opera-
7 Positionieren der ausgemessenen Plombe und tion mit Gas, Luft oder Silikon aufgefüllt werden.
Lagekontrolle.
7 Gegebenenfalls Ablassen der subretinalen Flüs- kIndikation
sigkeit durch Mikroinzision und Diathermie. 4 Proliferative diabetische Retinopathie: Hier kommt es
7 Bindehautverschluss. zu Blutungen aus fragilen Blutgefäßen die den Glas-
7 Verband. körper trüben. An der Grenze zur Netzhaut entstehen
fibrotische Traktionsmembranen, die unter Zug eine
Ablösung der Netzhaut bewirken.
Ringbandeinlage (Cerclage) 4 Komplizierte Netzhautablösungen.
kIndikation 4 Traumatische Netzhautablösung, z. B bei perforie-
4 Netzhautablösung. renden Verletzungen, Bulbusruptur.

kPupillenvorbereitung kPupillenvorbereitung
4 Maximale Weitstellung. 4 Maximale Weitstellung.
676 Kapitel 14 · Ophthalmologie

14.4.9 Augenmuskeloperationen beim


Pars-plana-Vitrektomie Schielen (Strabismus)
7 Bindehauteröffnung.
7 Ggf. Anschlingen der 4 geraden Augenmuskeln Definition
zum Legen der Silikoncerclage (s. oben). Unter Schielen versteht man das Abweichen eines
7 Präparieren der Zugangswege (3 Sklerotomien) Augapfels bei Bewegung, sodass es u. U. zu Doppelbil-
für die Saug-Spül-Einheit (Infusion, Licht, Instru- dern kommt. Es gibt unterschiedliche Formen des
mente). Durch die Höhe der Infusion kann intra- Schielens, z. B.:
operativ der Augendruck beeinflusst werden. 4 Strabismus convergens: Einwärtsschielen,
7 Inspektion der Netzhaut und des Glaskörpers mit- 4 Strabismus divergens: Auswärtsschielen.
tels Operationsmikroskop.
7 Entfernung von getrübtem Glaskörpergewebe
und Traktionsmembranen. Sind konservative Korrekturmaßnahmen (z. B. Prismen-
7 Injektion von schweren Flüssigkeiten in den Glas- brille, Okklusionsverband) nicht erfolgreich, wird eine
körper (z. B. Perfluorcarbon) zur Entfaltung der operative Korrektur vorgenommen. Bei der Schielopera-
Netzhaut. tion wird der Schielwinkel des erkrankten Auges korri-
7 Entfernung des Perfluorcarbon. giert, bis die Augenachse parallel zum gesunden Auge
7 Gas- oder Silikonölinjektion als innere Tamponade. gerichtet ist. Zu stark ziehende Augenmuskeln werden
7 Kontrolle des Augeninnendruckes. am Augapfel zurückgelagert, zu schwache Muskeln ge-
7 Wundverschluss. strafft.
7 Verband mit Mydriatikum/Antibiotikum und
Kortison.

14

. Abb. 14.6 Äußere Augenmuskeln. (Nach Spornitz 2004)


14.4 · Beispiele für die häufigsten Eingriffe am Auge
677 14

Schieloperation Enukleation
7 Eröffnung der Bindehaut. 7 Gewissenhafte Überprüfung der zu operierenden
7 Freilegen der Muskeln mit anatomischer Pinzette Seite.
und Schielhäkchen. 7 Eröffnung der Bindehaut parallel zum Limbus.
7 Vorlage von Muskelfäden. 7 Anheben der 4 geraden Augenmuskeln mit
7 Je nach Indikation erfolgt eine Rück- oder Vor- Schielhaken.
lagerung des Muskels mit/ohne Resektion von 7 Naht an alle 4 geraden Augenmuskeln.
Muskelanteilen. 7 Durchtrennen der Muskelstränge.
7 Verband. 7 Fassen des Bulbus mit einer Fixierpinzette (nach
Jess).
7 Durchtrennung des N. opticus mit der Enukleati-
kBesonderheiten onsschere.
4 Kauter, 7 Bulbusextraktion.
4 ggf. Lupenbrille. 7 Ggf. Einsetzen einer Guthoff-Plombe (später bes-
4 Cave: Durch Zug am Muskel Auslösen des okulokar- sere kosmetische Ergebnisse bei der prothe-
dialen Reflex möglich! tischen Versorgung).
7 Kreuzweises Verknoten der Augenmuskelnähte
über der Plombe.
14.4.10 Entfernung des Augapfels 7 Schichtweiser Wundverschluss.
(Enucleatio bulbi, Enukleation) 7 Ggf. Einlage eines Hämostyptikums.
7 Kompressionsverband.
kIndikation
4 Intraokulare Tumoren.
4 Augapfelschrumpfung (Phtisis).
4 Nicht beherrschbare Glaukomschmerzen.
15

Verbrennungen
Chr. Westphal, M. Liehn

15.1 Verbrennungen und Versorgungsbedarf – 680

15.2 Erstversorgung Brandverletzter – 680

15.3 Infektionsrisiko – 681

15.4 Hautersatz – 681

15.5 Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter – 682

15.6 Elektrotrauma – 685

15.7 Postakutphase – 685

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_15,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
680 Kapitel 15 · Verbrennungen

15.1 Verbrennungen 15.2 Erstversorgung Brandverletzter


und Versorgungsbedarf
Nach dem Entfernen der Hitzequelle kann eine Brandver-
Wird bei einer Verbrennung durch Feuer oder Flüssig- letzung bis zu 30% KOF mit kühlem Leitungswasser (20°)
keiten Körpergewebe zerstört, entsteht eine toxisch ent- behandelt werden. Diese Maßnahme dient v. a. der
zündliche Reaktion, die zum Kreislaufversagen, zur Sepsis Schmerzlinderung und sollte nicht länger als 5 min dau-
und bei mehr als 25% zerstörter Körperoberfläche (KOF) ern, um eine Unterkühlung zu vermeiden. Nach der Küh-
zum Versagen lebenswichtiger Organe führen kann. Durch lung werden die Wunden steril abgedeckt. Gegebenenfalls
den Verlust größere Hautareale kommt es zu Störungen erfolgt die Sicherung der Atmungs- und Kreislaufsituation
der Temperaturregulation. noch am Unfallort.
Um das Ausmaß einer Verbrennung zu beurteilen, In der Klinik wird ein Erstversorgungsbad durchge-
kann die einfache und sichere Handflächenregel zur An- führt, um den Verletzten mit milden Seifen zu säubern.
wendung kommen: Die Handinnenfläche inkl. der Finger Außerdem werden alle Blasen und losen Nekrosen mit
eines Verletzten, gleichgültig ob Erwachsener oder Kind, Bürsten, Schere und Pinzette abgetragen. Falls nötig, wer-
entspricht ungefähr 1% seiner Körperoberfläche. Diese den die verbliebenen Haare abrasiert. Das Bad dient der
Faustregel erleichtert schon am Unfallort die Einschätzung genauen Diagnosestellung und der Planung der weiteren
des Verbrennungstraumas. Therapie.
Die Verbrennungstiefe wird in 4 Grade eingeteilt Bei Bedarf müssen bei einem ausgedehnten Verbren-
(. Tab. 15.1). Die endgültige Diagnose der Verbren- nungsödem Entlastungsschnitte (sog. Escharotomie) der
nungstiefe kann erst nach 3–5 Tagen gestellt werden, Haut durchgeführt werden. An den Extremitäten wird
dann hat sich die Schädigung manifestiert. Die Diagnos- dadurch die Durchblutung sichergestellt. Am Thorax er-
tik erfolgt durch den Spatel- und Nadelstichtest, um die folgen die Entlastungsschnitte, um die Beatmung zu er-
Durchblutung der zweitgradig verbrannten Haut festzu- leichtern. Bei einer starken Schwellung der oberen Luft-
stellen. wege ist eine Tracheotomie indiziert. Begleitverletzungen
Patienten mit Verbrennungen ab 10% KOF sollten in müssen versorgt werden, dabei hat die sofortige Versor-
Spezialkliniken versorgt werden. Neben der speziellen gung von Schädel-Hirn-Verletzungen sowie die lage-
räumlichen und apparativen Ausstattung (s. unten) stehen rungsstabile Versorgung der Frakturen, z. B. mit Fixateur
hier hochspezialisierte Behandlungsteams bereit. Brand- externe, Vorrang.
verletzte Patienten benötigen u. U. jahrelang medizinische Durch die großflächigen Verletzungen verliert der Pa-
und psychologische Betreuung, die ebenfalls in diesen Spe- tient sehr viel Volumen. Dadurch kommt es zu Störungen
zialkliniken zur Verfügung stehen. der Kreislauffunktion, dem sog. Verbrennungsschock.

. Tab. 15.1 Die verschiedenen Verbrennungsgrade


15
Verbrennungstiefe Symptome Prognose Operation

Verbrennung Grad 1 Verbrennung der Epidermis mit Rö- Heilt ohne Narben aus Keine
tung und Schwellung, Schmerzen

Verbrennung Grad 2a Verbrennung der Epidermis und der Spontanheilung innerhalb von Keine
oberflächlichen Dermis. Blasenbildung 14 Tagen ohne Narben
und Rötung, starke Schmerzen

Verbrennung Grad 2b Verbrennung von Epidermis und tiefer Verzögerte Wundheilung mit Tangentiale Nekrektomie und
Dermis. Blasenbildung ohne Rötung, Bildung von Granulations- Spalthautdeckung
starke Schmerzen gewebe und starken Narben

Verbrennung Grad 3 Vollständige Verbrennung von Epider- Eine spontane Abheilung ist Frühzeitige Spalthautdeckung
mis und Dermis inklusive der Hautan- nicht möglich oder zweizeitiges Vorgehen:
hangsgebilde. Aussehen weißlich und temporäre Wundversorgung
schmerzunempfindlich und spätere Spalthautdeckung

Verbrennung Grad 4 Verbrennung der Epidermis und Der- Keine Spontanheilung möglich Bei Bedarf Nekrektomie oder
mis sowie tieferer Strukturen wie Mus- Amputation
keln und Knochen – sog. Verkohlung
15.4 · Hautersatz
681 15
Schwerstbrandverletzte Patienten werden auf der Intensiv-
station nach einem speziellen Schema zur Kreislaufstabili- Ziele des Débridements
sierung mit Plasmaersatzlösungen in Anlehnung an die 4 Eine Infektion zu vermeiden.
Parkland-Formel therapiert: 4 Ein gutes funktionelles und ästhetisches Ergebnis
4 4 ml Ringer-Laktat-Lösung × verbrannter Körper- zu erzielen.
oberfläche × kg Körpergewicht in 24 h. 4 Die Dauer und die Kosten der Behandlung zu
senken.
Ein zusätzlich erlittenes Inhalationstrauma wird ebenfalls
intensivmedizinisch therapiert.

15.4 Hautersatz
15.3 Infektionsrisiko
Um die verbrannten Areale abzudecken, muss die Haut
Das Risiko der Wundinfektion ist abhängig von der Ver- ersetzt werden. Die Aufgabe des frühzeitigen Hautersatzes
brennungstiefe, der prozentualen Ausdehnung der Ver- ist es,
brennung zur KOF sowie dem Lebensalter des Patienten 4 eine Infektion zu vermeiden,
und seinen Vorerkrankungen und Begleitverletzungen. 4 den Flüssigkeitsverlust über die Wunde zu vermeiden,
4 Die verbrannte Haut kann keine Schutzfunktion 4 ein gutes funktionelles und ästhetisches Ergebnis zu
mehr übernehmen! erreichen.
4 Die Immunabwehr des Patienten ist herabgesetzt
durch freiwerdende Toxine. Zur Abdeckung der von Nekrosen befreiten Ver-
4 Nekrotisches Gewebe und Wundschorf sind ideale brennungswunde bis zur Abheilung oder endgültigen
Nährböden für Wundinfektionen. Versorgung kann unterschiedlicher Hautersatz zum Ein-
4 Aufgrund der gestörten Durchblutung der ver- satz kommen.
brannten Haut können i.v. verabreichte Antibiotika
nicht ausreichend wirken.
15.4.1 Temporärer Hautersatz
Das Infektionsrisiko wird durch eine gezielte mikrobielle
Diagnostik (Abstrichdiagnostik und Erstellung eines An- Verwendet wird glyzerolkonservierte Haut (Leichenhaut),
tibiogramms) und Antibiotikagabe herabgesetzt. Gleich- aber auch allogene, d. h. von einem anderen Menschen
zeitig minimiert eine möglichst frühzeitig durchgeführte stammende Haut, die Spalthaut genannt wird.
operative Versorgung der Verbrennungswunden mit Ent- 4 Verbleibt bis zu 14 Tage auf der Verbrennungswunde.
fernung der Nekrosen die Gefahr der Keimbesiedelung. 4 Vermindert als Hautbarriere das Infektionsrisiko für
Die Verbandwechsel erfolgen auf der Intensivstation unter die Verbrennungswunde.
sterilen Bedingungen. 4 Die Konservierung mit Glyzerol (ein Abbauprodukt
alkoholischer Gärung) minimiert das vom Spender
jKeime auf Verbrennungswunden drohende Infektionsrisiko (HIV, Hepatitis).
In der Frühphase der Verbrennung treten zumeist gram- 4 Nachteil sind die hohen Kosten.
positive Keime auf, z. B. Staphylococcus aureus und Sta- 4 Cave: Die Haut muss vor der Anwendung sorgfältig
phylococcus epidermidis (7 Kap. 1), es besteht eine er- gewässert werden, da das Glyzerol die Verbrennungs-
höhte Gefahr einer MRSA-Infektion. 1–2 Wochen nach wunde austrocknet.
der Verbrennung treten besonders gramnegative Keime
auf, z. B. Pseudomonas aeroginosa. Aufgrund der sehr
großen Infektionsgefahr wird abgestorbenes Gewebe chi- 15.4.2 Synthetischer Hautersatz
rurgisch entfernt (Débridement); die nekrotische, ver-
brannte Haut gilt als Ursache für eine auftretende Sepsis Zur Abdeckung großflächiger Verbrennungen eignet sich
und ein mögliches Organversagen. In den Leitlinien zur synthetischer Ersatz, der steril in verschiedenen, zu-
Behandlung Brandverletzter der Arbeitsgemeinschaft für schneidbaren Größen im Handel ist.
Verbrennungen wird das frühzeitige Débridement der Epigard (ein zweischichtiges Material aus Teflon und
Verbrennungswunde ab dem 3. Tag nach dem Unfall Polyuretran: Teflon als luftundurchlässige Schicht nach
empfohlen. außen, und Polyuretran als weiche Bedeckung der Wunde)
reinigt die Wunde und erhält das feuchte Milieu für eine
spätere Hauttransplantation aufrecht.
682 Kapitel 15 · Verbrennungen

Hydrokolloidverbände nehmen das Wundsekret auf Beide Anzuchtformen können in frischer oder kryokon-
und sorgen für ein ideales Wundmilieu. Sie können bis zu servierter (mit Hilfe von Stickstoff tiefgefrorener) Form
ca. 7 Tage auf den Wunden belassen werden und eignen vorliegen. Die Züchtung der Haut ist immer noch ein sehr
sich für kleinere Verbrennungswunden und Hautentnah- kostenintensives Verfahren. Sie dauert 3–4 Wochen, in de-
mestellen. nen auf einer Trägergaze eine mehrlagige Epithelschicht
entsteht. Eine ausschließliche Deckung mit KET erfolgt auf
Wunden, die keinen hohen Belastungen ausgesetzt sind.
15.4.3 Permanenter Hautersatz Die KET eignen sich besonders zur Anwendung in
Kombination mit großflächig transplantierter Spalthaut,
Autologe Spalthauttransplantate um einen raschen Wundverschluss zwischen den Gitterma-
Autologe Spalthauttransplantate sind vom Patienten ent- schen zu erzielen. Das kosmetische Ergebnis dieser Anwen-
nommene Hautareale von gesunden Körperregionen. Die dung ist wesentlich erfolgreicher als die alleinige Anwen-
Haut wird mit einem Dermatom unter sterilen Kautelen dung von großflächig transplantierter Spalthaut, die häufig
entnommen und über ein Mesh-Instrument zu einem git- zu Narbenwucherungen und Keloidbildungen führt.
terförmigen Transplantat aufbereitet und auf die Verbren-
nungswunde aufgelegt. Durch das Gitter der Spalthaut-
transplantate können die Wundsekrete abfließen. 15.4.5 Versorgung der Hautentnahmestelle
Vorteile: Die autologe Spalthauttransplantation ist kos-
tengünstig und für den Patienten biologisch sicher (keine
Abstoßungsreaktion). Es können schnell große Wundbe- Ziele der Versorgung
reiche versorgt werden. 4 Verringerung der Schmerzen für den Patienten
Nachteile: Spalthaut neigt zur Schrumpfung. Dadurch 4 Vermeidung einer Wundinfektion durch so wenig
können komplexe Narbenwucherungen und Kontrakturen Manipulation wie möglich
entstehen. Durch die Entnahme der Spalthaut entstehen 4 Sicherstellung von idealen Wundverhältnissen
neue Wunden, die sich infizieren können. durch die Verwendung von Hydrokolloidverbän-
den, biosynthetischen Folien und anderen Wund-
Vollhauttransplantate auflagen
Vollhauttransplantate werden wegen ihrer geringen
Schrumpfungsneigung besonders nach plastisch-chirur-
gischen Gesichtspunkten zur Versorgung von Gesichtsver- Eine rasche komplikationslose Abheilung ermöglicht eine
brennungen eingesetzt. Vollhaut besteht aus Epidermis 2. oder 3. Spalthautentnahme. Diese erfolgt nach Abhei-
und Dermis ohne Unterhautfettgewebe, sie wird mit dem lung an der gleichen Entnahmestelle. Darum besteht das
Skalpell entnommen und nur leicht gestichelt, um den Se- Ziel, dass diese Entnahmestellen ohne Infekt abheilen, da
kretabfluss sicher zu stellen. Um die perfekte Einheilung zu Schwerstbrandverletzte über zu wenig intakte Haut für die
15 unterstützen, wird die Vollhaut durch Überknüpfung auf Spalthautentnahme verfügen. Eine hypertrophe Narben-
die Wunde gepresst. Weil die Haut nicht gemesht wird, bildung kann durch eine entsprechend dünne Entnahme-
neigt sie im Gegensatz zur Spalthaut nicht zum Schrump- technik vermieden werden.
fen, und die Gesichtsstrukturen wie Lider und Mundöff-
nungen behalten ihre normale Größe.
15.5 Operative Versorgung Schwerst-
brandverletzter
15.4.4 Hautzüchtungen
15.5.1 Spalthautentnahme
Kultivierte epitheliale Transplantate (KET) stellen den
Oberbegriff für gezüchtete Haut dar. Dabei werden dem kVorbereitung des OP-Saals
Patienten oder einem Spender ca. 5–10 cm Spalt- oder Die Versorgung eines brandverletzten Patienten gehört in
Vollhaut entnommen, die Keratinozyten separiert und im die Kategorie der septischen Eingriffe. Die räumliche Aus-
Labor kultiviert. stattung der Eingriffssäle ist in den Richtlinien des Robert-
4 Autologe Keratinozytentransplantate: Koch-Institutes vorgegeben. Die raumlufttechnische Aus-
Spender ist der Patient, seine entnommene Haut wird stattung wird durch die DIN Norm 1946 zur Betreibung
weiter gezüchtet. dieser Anlagen bestimmt. Besonders praktisch ist die di-
4 Allogene Keratinozytentransplantate: rekte Anbindung des Brandverletzten-OP-Saals an die In-
Die Anzuchthaut kommt von einem Fremdspender. tensivstation, um lange Patiententransporte zu vermeiden.
15.5 · Operative Versorgung Schwerstbrandverletzter
683 15
Durch die großflächige Verbrennung ist die Tempera-
turregulation als Schutzfunktion der Haut aufgehoben,
wodurch der Patient nicht in der Lage ist, seine normale
Körpertemperatur selbstständig zu halten. Deshalb muss
die Raumtemperatur im OP-Saal nach Rücksprache mit
der Intensivstation erhöht werden, um eine Hypothermie
des Patienten zu vermeiden.
Der OP-Saal wird auf die gleiche Temperatur aufgeheizt,
die in der patienteneigenen Brandverletzten-Einheit herrscht.
In der Einheit kann die individuelle Temperaturregulation
der Patienten beobachtet werden, die Umgebungstempera-
. Abb. 15.1 Akku-Dermatom zur Spalthautentnahme. (Beispiel:
tur wird diesem Verhalten angepasst. Somit kann die Raum-
Fa. Aesculap)
temperatur im OP-Saal durchaus über 30°C betragen.
Es gelten die hauseigenen Hygienevorschriften, die auf
den Regeln des RKI basieren und von der Krankenhaus-
Hygienekommission erstellt wurden; sie müssen jedem
Mitarbeiter bekannt sein.

kLagerung
4 Schwer brandverletzte Patienten gelten aufgrund der
schlechten Gewebedurchblutung als stark Dekubitus
gefährdet. Deshalb ist der OP-Tisch grundsätzlich mit
Gelauflagen zu versehen (7 Kap. 1).
4 Durch die häufig stark unterschiedliche Lokalisation
von Verbrennungswunden und Spenderarealen wird
evtl. intraoperativ eine Umlagerung notwendig. Dazu . Abb. 15.2 Humby-Messer, rechts und links schneidend. (Beispiel:
müssen ausreichend Lagerungshilfsmittel bereit liegen. Fa. Link).
4 Vorrangig finden Schaumstoffauflagen Anwendung,
mit denen die Lagerung individuell angepasst werden
kann. 4 Schüssel mit heißer (45–50°C) Ringer-Lösung,
4 sterile Blutleeremanschette,
kAbdeckung 4 Nahtmaterial zur Gefäßumstechung, zum Einnähen
4 Die Abdeckung ist durch die individuellen Verbren- der Transplantate, zumeist monofiles Material der
nungsareale und Entnahmestellen nicht standardi- Stärke 4–0,
sierbar. Deshalb wird die sterile OP-Abdeckung des 4 Hautklammmergeräte zur Fixation der Spalthaut,
Patienten in Absprache mit dem Operateur erfolgen. 4 Fettgaze und antimikrobielle Salben für die Trans-
Eventuell kann intraoperativ eine 2. Abdeckung not- plantate,
wendig werden, falls eine Umlagerung des Patienten 4 Wundauflagen für die Entnahmestellen,
geplant ist. 4 Verbandmaterial.
4 Zur Schaffung sauberer und trockener Arbeitsflächen
kann intraoperativ eine Ergänzung der Abdeckung
Spalthautentnahme
durch neue Materialien erforderlich werden.
7 Die Operation erfolgt nach genauer Absprache
kInstrumentarium mit dem Operateur, evtl. muss vorher ein Ver-
4 Grund- und Weichteilinstrumentarium, bandwechsel der schon transplantierten Haut un-
4 HF-Chirurgiegerät, bestenfalls mit bipolarer Koagula- ter sterilen Bedingungen erfolgen. So bleibt dem
tion, da die Platzierung der neutralen Elektrode Patienten eine weitere Narkose zum Verband-
Probleme bereiten kann, wechsel erspart.
4 Dermatom zur Entnahme von Haut (. Abb. 15.1), 7 Aus hygienischen Gründen erfolgt die Spalt-
4 Mesh-Gerät zur Herstellung eines Gitternetzes der hautentnahme vor der Entfernung der Nekrosen,
Haut mit unterschiedlichen Trägerplatten, um eine Keimverschleppung zu vermeiden.
4 Humby-Messer, Weck-Messer und Klingen 6
(. Abb. 15.2),
684 Kapitel 15 · Verbrennungen

7 Die Entnahmestelle wird vor der Spalthautge-


winnung eingefettet, eine weitere Möglichkeit
ist die Nutzung des Abdeckpapiers der Fettgaze
(. Abb. 15.3).
7 Zur Entnahme muss die Haut unter Spannung
gehalten werden.
7 Die Blutstillung der Entnahmestelle erfolgt durch
Auflage von heißen Kompressen und das Anlegen
von Kompressionsverbänden.
7 Der endgültige Verband mit Wundauflagen, Kom-
pressen und elastischen Binden wird zum Ende
der Operation vorgenommen.
7 Die Spenderhaut wird unter Assistenz der instru-
mentierenden Pflegekraft vom Chirurgen ge- . Abb. 15.3 Spalthautentnahme am Thorax
mesht (zum Gitter geschnitten) und nach ihrer
Qualität sortiert. Wichtigstes Kriterium ist die Län-
ge der entnommenen Hautstreifen (. Abb. 15.4).
7 Die Haut muss immer feucht gehalten werden,
damit ein guter Kontakt zwischen der Spalthaut
und dem zu deckenden Bereich entsteht. Ange-
trocknete Spalthaut lässt sich schlechter anmo-
dellieren, und die Chance der Einheilung ist
herabgesetzt. Durch die hohe Raumtemperatur
trocknet die Spalthaut schnell aus.
7 Sollte versehentlich zuviel Spalthaut entnommen
worden sein, wird diese steril und feucht verpackt,
mit Namen und Entnahmedatum versehen. Sie
kann bis zu 10 Tagen im Kühlschrank bei ca. 3°C
gelagert werden.
. Abb. 15.4 Die entnommene Spalthaut wird gemesht

15.5.2 Tangentiale Nekrektomie 15.5.3 Spalthauttransplantation


15
Definition
Das schichtweise Abtragen der Nekrosen, bis auf der Spalthauttransplantation
Wunde kapillare Blutungen auftreten.
7 Nach dem Entfernen der Kompression wird die
Blutstillung noch einmal kontrolliert.
7 Die Spalthaut wird auf die Wunde aufgelegt und
Vorteil: Die Abtragung kann sehr differenziert durchge-
mit Hautklammern befestigt (. Abb. 15.6).
führt werden – je tiefer die Verbrennung, desto tiefer die
7 Damit es nicht zu Verklebungen zwischen Ver-
Nekrektomie.
band und Spalthaut kommt, werden Fettgaze auf-
Nachteil: Ein höherer Blutverlust, da die diffusen Blu-
gelegt und antimikrobielle Salben aufgebracht.
tungen nur schwer zu stillen sind; in Ausnahmefällen wird
7 Der endgültige Verband muss jegliche Scherkräfte
mit einer (sterilen) Blutsperre gearbeitet.
vermeiden, um ein Verschieben des Transplan-
Mit Humby-Messer und Weckmesser werden die Ne-
tates zu verhindern.
krosen bis zur Faszie abgetragen. Wichtig ist eine sorgfäl-
7 Nicht transplantierte, nekrektomierte Areale wer-
tige Blutstillung, um die Kreislaufsituation des Patienten
den mit einem temporären Hautersatz (z. B. Epi-
nicht zu verschlechtern und die Einheilung der Spalthaut
gard) versorgt.
nicht zu gefährden (. Abb. 15.5).
6
15.7 · Postakutphase
685 15

. Abb. 15.5 Tangentiale Nekrosenabtragung am Unterschenkel . Abb. 15.6 Transplantation und Fixation der gemeshten Spalthaut

15.7 Postakutphase
7 Interoperativer Blutverlust verstärkt die intensiv-
medizinische Problematik. Im weiteren Verlauf der Therapie werden Second-look-
7 Erfahrungen haben gezeigt, dass die Operations- Operationen durchgeführt, um ein weiteres Débridement
zeit auf ca. 4 h begrenzt werden sollte, um inten- durchzuführen. Hier besteht eine besondere Schwierigkeit
sivmedizinische Komplikationen zu vermeiden. darin, dass sich die Nekrosen in tiefen, äußerlich gesunden
Bei Bedarf erfolgt die Transplantation in mehreren Muskelschichten befinden können.
aufeinander folgenden Eingriffen. Rekonstruktive Eingriffe sowie eine gute ästhetische
und prothetische Versorgung erfolgen nach Ausheilung
der Verletzungen.
Zur Behandlung brandverletzter Patienten gehört die
15.6 Elektrotrauma psychologische Betreuung, die auch das Pflegepersonal
betrifft. Der geschulte Umgang mit Entstellungen und Be-
Das Elektrotrauma ist eine besondere Art der Schädigung hinderungen durch Verbrennungsnarben kann den Pati-
in der Verbrennungsmedizin. Durch den Kontakt mit einer enten den Zugang zu ihrem veränderten Aussehen erleich-
hohen Stromleistung kommt es zu einer thermischen Ge- tern, um sie zur aktiven Mitarbeit bei der Behandlung zu
webeschädigung und Nekrosenbildung, da der Strom durch motivieren.
den Körper wandert und es entlang dieses Weges zu Nekro-
senbildung kommt. Betroffen sind alle Strukturen wie
Haut, Muskulatur, Sehnen, Nerven, Gefäße und Knochen.
Zur umfassenden Erstversorgung einer Starkstromver-
letzung wird der Verletzte in ein Brandverletztenzentrum
verlegt. Dort sind eine zielgerichtete intensivmedizinische
Versorgung, sowie eine sofortige chirurgische Behandlung
mit folgenden Schwerpunkten möglich:
4 Im Vordergrund steht die Muskelschädigung, da-
durch kommt es zur Ausschüttung von Hämoglobin
und Myoglobin, was die Nierenfunktion gefährdet.
4 Um dieses Risiko zu vermindern, sind u. U. eine früh-
zeitige offene Amputation der betroffenen Extremität
und ein umfassendes Débridement notwendig.
4 An den Extremitäten besteht durch Schwellung ein
hohes Risiko der Kompartementausbildung, was eine
Fasziotomie nach sich zieht.
4 Begleitverletzungen wie Knochenbrüche und Schä-
del-Hirn-Traumata werden adäquat versorgt.
16

Organexplantation –
Multiorganentnahme
M. Liehn

16.1 Ablauf – 688

16.2 Multiorganentnahme – 689

16.3 Hornhautspende – 690

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1_16,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
688 Kapitel 16 · Organexplantation – Multiorganentnahme

Im deutschen Transplantationsgesetz wird erklärt, dass es


zur Aufgabe aller Krankenhäuser gehört, mit der Koordi-
nierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation
(DSO) zusammenzuarbeiten. Deshalb kann es in allen
Operationseinheiten zu einer Explantation von Spender-
organen kommen.
Die pflegerische Assistenz bei einer Multiorganent-
nahme konfrontiert uns immer wieder mit dem Aspekt der
Operation an Hirntoten und allen ethischen und mora-
lischen Überlegungen, auf die in diesem Rahmen nicht
eingegangen werden kann. Es sei nur darauf hingewiesen,
dass die Teilnahme an solch einer Operation freiwillig sein
sollte. Der Umgang mit einem Organspender muss genau
so die Würde des Menschen respektieren, wie es bei einem
Patienten, der im Anschluss an die Operation den OP wach
verlässt, die Regel ist.
Wenn ein Mensch zu Lebzeiten mittels eines Organ-
spendeausweises einer Organentnahme zugestimmt hat
oder wenn die Angehörigen gemäß des vermuteten Willens
des Patienten einer Organentnahme zustimmen, wird nach
. Abb. 16.1 Hirntodalgorithmus. Algorithmus zum Vorgehen bei
der Feststellung des Hirntodes der Patient auf der Intensiv- schweren Hirnschädigungen, bei denen ein Erlöschen der Hirnfunk-
station so weit betreut, dass die Organe weiter funktionie- tionen vermutet wird. (Nach Bein 2011)
ren, bis die Multiorganentnahme beginnen kann.

Definition Intraoperativ wird die Gabe von Heparin nötig, wenn


Hirntod bedeutet einen endgültigen Ausfall aller Hirn- die Vorbereitung der Organe für die Perfusion beginnt.
funktionen. Nach Beendigung der Organentnahme wird der Pati-
Zwei voneinander unabhängige Ärzte, die am Pro- ent extubiert, und alle Zugänge werden entfernt. (Ausnah-
zess der Organspende und der Transplantation nicht me: Wenn ein staatsanwaltliches Verfahren ansteht, wer-
beteiligt sind, müssen den Hirntod festgestellt haben. den alle Zugänge belassen.)
Zumeist sind diese Ärzte Neurologen, Internisten oder
Intensivmediziner und damit erfahren in der Hirntod- jEntnehmende Operateure
diagnostik (. Abb. 16.1). Die Operateure, die die abdominalen Organe (Leber, Nie-
ren, Pankreas, Dünndarm) entnehmen, werden von der
DSO entsandt und sind in der Regel Chirurgen des nächst-
gelegenen Zentrums für Transplantationschirurgie. Für
16 16.1 Ablauf die Entnahme von Lunge und Herz kommen die Chirurgen
des Empfängerzentrums. Für jedes Organ kann ein eigenes
Die Gesamtorganisation einer Organexplantation bezüg- Explantationsteam zur Verfügung stehen, dadurch kann es
lich des Spenders und des Explantationsteams sowie des sein, dass bis zu 3 Explantationsteams nacheinander zur
Transportes der Organe obliegt dem DSO-Koordinator. Entnahme kommen.
Der Zeitpunkt der Entnahme wird mit dem OP-Manager Immer jedoch ist ein Koordinator der DSO anwesend,
und/oder dem Anästhesisten vereinbart. Die Zuteilung des der die Abläufe begleitet (. Abb. 16.2).
Spenderorgans obliegt Eurotransplant (ET) in Leiden.
Während des operativen Eingriffes ist eine Narkose jMaterialien
nicht nötig, da das Gehirn keine Schmerzreize mehr emp- Das DSO-Team bringt spezielle Materialien mit, so die be-
fangen kann. Um unwillkürliche Spontanbewegungen auf nötigten Spezialinstrumente zur Sternotomie, Thorax- wie
Rückenmarkebene (»Lazarusphänomen«) auszuschließen, auch abdominale Sperrer, das Eis für die Kühlung der Or-
wird ein Relaxans verabreicht. Das Team der Anästhesie gane und ggf. gekühlte Perfusionslösung zum Durchspü-
sorgt während der Operation für eine Beatmung, eine aus- len der Organe, sowie die Perfusionssysteme für die intra-
reichende Versorgung der Organe mit sauerstoffangerei- operative Konservierung. Die sterilen Beutel für den Or-
chertem Blut sowie eine optimale Kreislaufsituation, damit gantransport werden ebenfalls vom DSO-Team gestellt. Für
die benötigten Organe keinen Schaden nehmen. jedes Organ werden 3 Beutel benötigt, in diesen Beuteln
16.2 · Multiorganentnahme
689 16

. Abb. 16.2 Multidisziplinarität der Transplantationsmedizin. (Nach Lichtenstern et al. 2011)

werden die Organe in den Transportboxen verpackt und kLagerung


weitergeleitet. Rückenlagerung mit ausgelagerten Armen, die Hautdesin-
fektion und Abdeckung resultiert aus dem Umfang der zu
jOrgantransport entnehmenden Organe, in der Regel vom Jugulum bis zur
Die schnellstmögliche Weiterleitung obliegt dem DSO- Symphyse.
Koordinator.
kInstrumentarium
jIschämiezeiten 4 Grund- und Laparotomieinstrumente,
Die Organe ertragen unterschiedlich lange Ischämiezeiten: 4 selbsthaltende Rahmensysteme (werden vom Explan-
4 Herz und Lunge müssen innerhalb von 4–6 h trans- tationsteam mitgebracht),
plantiert werden, 4 Gefäßinstrumente mit ausreichenden Gefäßklem-
4 Leber und Pankreas innerhalb von ca. 12 h, men, v. a. mehrere Aortenklemmen,
4 nur die Nieren tolerieren eine Ischämiezeit von über 4 Thoraxsperrer und Sternummeißel (nach Lepp;
24 h. 7 Kap. 6, Thoraxchirurgie) (werden vom DSO-Team
mitgebracht),
4 große Metallschüsseln, je eine pro entnommenem
16.2 Multiorganentnahme Organ; diese werden mit zerstoßenem Eis und ge-
kühltem NaCl gefüllt,
kPrinzip 4 lineare Klammernahtinstrumente (werden vom DSO-
Entnahme der Spenderorgane mit deren versorgenden Ge- Team mitgebracht),
fäßen. Konservierung der Organe und Vorbereitung zum 4 Gummizügel/Vesselloops oder kräftiges nicht resor-
Transport mit dem Ziel der schnellstmöglichen Transplan- bierbares Nahtmaterial.
tation.
690 Kapitel 16 · Organexplantation – Multiorganentnahme

kMaterialien
4 10–12 l gekühlte Ringer-Lösung, 7 Nach der Perfusion der Organe ist eine Unterstüt-
4 steriles Eis, zung der Kreislaufsituation nicht mehr nötig, und
4 2 Saugsysteme, mit genügend Möglichkeiten zum Beatmung und Infusion werden abgestellt.
Wechseln der Auffangsysteme. 7 Nach Präparation und Entnahme der Organe wer-
den diese in die vorgesehenen Beutel und dann in
die mit Crusheis gefüllten Transportboxen gelegt
Multiorganentnahme und weitergeleitet.
7 Der Zugangsweg richtet sich nach dem zu ent- 7 Die Beschriftung mit der Adresse des Empfänger-
nehmenden Organ. Für die Entnahme von Leber, zentrums und dem Inhalt übernimmt der DSO-Ko-
Pankreas oder Herz und Lunge wird in der Regel ordinator, der auch für den Transport an die vor-
eine mediane Laparotomie und eine mediane gesehenen Empfänger sorgt.
Sternotomie gewählt. Eine Ausnahme bildet die 7 Beigelegt wird ebenfalls vom Koordinator der sog.
isolierte Nierenentnahme, für die ausschließlich Organ-Report mit allen relevanten Daten.
die Laparotomie benötigt wird. 7 Um das Gewebe des Spenders mit dem des Emp-
7 Die Reihenfolge der Entnahme ist standardisiert. fängers vergleichen zu können, wird die Milz ent-
7 Es wird mit der Entnahme des Herzens begonnen, nommen und separat verpackt um den »Cross-
danach erfolgt die Entnahme der Lunge, anschlie- Match-Test« durchführen zu können.
ßend die der Leber, des Pankreas und der Nieren, 7 Nach der Entnahme erfolgt der Sternumver-
ggf. des Dünndarms. schluss und nach dem Wundverschluss die Anlage
7 Wenn die Leber aufgeteilt werden soll, ist dies so- eines Verbandes.
wohl im Körper des Spenders (in situ) machbar 7 Der Leichnam wird gesäubert und kann den An-
wie auch außerhalb (ex situ) am Beistelltisch. Ent- gehörigen übergeben werden.
sprechend ihrer Segmentierung (7 Kap. 2) wird
die Leber in 2 Anteile aufgeteilt (Lebersplitting),
um an 2 Empfänger verteilt werden zu können, in jDokumentation
der Regel an einen Erwachsenen und an ein Kind. Die Dokumentation dieses Eingriffes wird häufig nicht
7 Um eine gute Perfusion der Organe vornehmen über die OP-EDV geleistet, sondern über eine handschrift-
zu können, wird zuerst die Aorta abdominalis dis- liche Dokumentation. Hier ist zu bedenken, dass die Chi-
tal und unterhalb des Zwerchfells dargestellt und rurgen aus fremden Abteilungen kommen und nach ihren
angeschlungen, ebenso die Aa. iliaca interna und vollen Namen gefragt werden müssen. Hilfreich ist hier ein
externa. entsprechend vom DSO-Koordinator ausgefülltes Formu-
7 Der Darstellung und Anzügelung der V. cava infe- lar mit relevanten Daten, das vor Ort verbleibt.
rior folgt eine Stichinzision, aus der das Perfusat
ablaufen kann und dann abgesaugt wird. ! Der Spender bleibt für den Empfänger anonym.
7 Alle Organe, die entnommen werden sollen, müs-
sen mit 2–3°C kalter Lösung durchgespült wer-
16 den, um alle Blutbestandteile des Spenders zu 16.3 Hornhautspende
entfernen. Dazu wird das arterielle Gefäßsystem
kanüliert und mit einer gekühlten Lösung perfun- Da die Entfernung der Kornea durch einen Augenarzt er-
diert, die die Aufgabe der Konservierung des Or- folgen muss, wird die Entnahme in der Pathologie durch-
gans bis zur Transplantation übernimmt. geführt, wenn eine Einwilligung in die Gewebespende
7 Die Perfusionslösung wird mit 2 Saugsystemen vorliegt. Danach bekommt der Leichnam spezielle Prothe-
abgesaugt. Der »Springer« muss die bereitgestell- sen, um eine Entstellung des Gesichtes zu vermeiden.
ten Auffangbehältnisse nutzen und die vollen Be-
hälter zügig wechseln.
7 Durch die Oberflächenabkühlung mit Eis und die
Perfusion mit gekühlter Lösung wird der Sauer-
stoffverbrauch der Organe minimiert und die
Funktionserhaltung bis zur Transplantation mög-
lich gemacht.
6
Glossar und
Abkürzungsverzeichnis

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
692 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

ABBA (engl.) »axillo bilateral breast approach«, Zugang Adrenalektomie Entfernung der Nebenniere
bei einer Schilddrüsenoperation
AEP akustisch evozierte Potenziale
Ablatio Ablösung, Abtrennung; (operative) Entfernung,
Abtragung, Amputation aerobe Bakterien; auch Aerobier Bakterien, die Sauerstoff
benötigen, s. a. anaerobe Bakterien
Ablatio mammae s. Mastektomie
AFC A. femoralis communis
Ablatio testis Entfernung eines Hodens
AFP α-Fetoprotein; Glykoproteid, das v. a. in fetalem Ge-
Abrasio (uteri) auch Kürettage; Gebärmutterausschabung; webe gebildet wird; erhöhte Blutspiegel finden sich u. a. bei
Ausschabung der nicht schwangeren Gebärmutter zu di-
Leberzirrhose und Tumoren
agnostischen oder therapeutischen Zwecken; fraktio-
nierte A.: zur Differenzierung von Zervix- und Korpus-
AFS A. femoralis superficialis
schleimhaut, getrennte Gewebeentnahmen aus beiden
Bereichen; zur Entfernung von Schwangerschaftsmaterial
Agenesie vollständiges Fehlen eines Organs
erfolgt die Ausschabung der Gebärmutter mit stumpfem
Instrumentarium
alloplastisch körperfremdes Gewebe
abszedieren (lat.) weggehen, sich absondern; med.: eitern,
einen Abszess bilden Amaurosis Blindheit

ACC A. carotis interna AMIC Österreichische Arbeitsgemeinschaft minimal inva-


siver Chirurgie (s. a. CAMIC)
ACE A. carotis externa
Anabolie Aufbaustoffwechsel
ACG Akromioklavikulargelenk
anaerobe Bakterien; auch Anaerobier Bakterien, die nur
Achondroplasie häufigste angeborene Ursache für dispro- ohne Sauerstoff überleben können
portionierten Minderwuchs, 3 Fälle auf 100.000 Geburten;
die unübliche Knorpelbildung verhindert eine regelge- Analatresie angeborene Fehlbildung; die Öffnung des
rechte Entwicklung der Röhrenknochen und führt zu ver- Rektums bzw. Anus ist nicht vorhanden
kürzten und plumpen Extremitäten
Analfistel vom Anus ausgehende Fistel, die in andere
ACI A. carotis interna Darmteile oder Organe mündet (innere A.) oder nach au-
ßen führt (äußere A.); entwickelt sich fast immer aus einem
Actilyse Medikament zur Fibrinolyse
vorangegangenen Abszess
ACVB Aorto-Coronarer-Venen-Bypass; operativ angelegter
Aneurysma (griech.) Wanderweiterung; Aussackung einer
Umgehungskreislauf zwischen der aufsteigenden Haupt-
Arterie
schlagader und einem Koronargefäß mit einem Venenin-
terponat (meistens aus dem Unterschenkel entnommen)
antekolisch (lat.) ante = vor; vor dem Kolon liegend
Adenotomie Entfernung der Rachenmandeln, s. a. Ton-
sillektomie Anus praeter Kunstafter, Stoma; künstlich angelegte Aus-
leitung eines Darmabschnittes aus der Bauchwand
Adhäsiolyse Lösung, Durchtrennung von Verwachsungen,
v. a. im Bauchraum AO Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen

adjuvant (lat.) verstärkend, unterstützend AP hier: Anus praeter naturalis (s. Anus praeter)

Adnexe Anhängsel; bei der Frau Eileiter, Eierstöcke, Epo- Apex (lat.) Spitze
ophoron, Bänder; beim Mann Prostata, Samenblase, Ho-
den, Nebenhoden und Samenleiter APF A. profunda femoris
693
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

apical chest Tumor »apical« = Spitze, »chest« = Brust; Tu- Barrett, Norman Rupert engl. Chirurg, beschrieb 1957 den
mor im Apexbereich Endobrachyösophagus (= Barrett-Ösophagus, s. dort)

Arachnoidea Spinngewebshaut; mittlere Hirnhaut; bildet Bartholin-Abszess durch den Verschluss des Ausführungs-
zusammen mit der Pia mater die weiche Hirn- und Rü- ganges einer Bartholin-Drüse (Mündung in der kleinen
ckenmarkshaut Labie) kann es zu einer Retentionszyste, bei Infektion zu
einem Abszess kommen
Argon Edelgas; wird als reaktionsträges Schutzgas eingesetzt
BC hier: Bronchialkarzinom
ARM hier: anorektale Malformation; After und Mastdarm
betreffende Fehlbildung BDA Berufsverband Deutscher Anästhesisten

Arrosion Annagen/Anfressen von Gewebe durch Entzün- BDC Berufsverband Deutscher Chirurgen
dungen, Geschwüre
BGA Blutgasanalyse
Arrosionsblutung Blutung, die aufgrund einer Arrosion
entsteht BH hier: Bindehaut

arteriovenös Verbindung von Arterie zur Vene biliodigestiv die Gallenblase und den Verdauungskanal
betreffend oder verbindend
Arthrodese Operation zur Versteifung eines Gelenkes;
meistens Knochen auf Knochen (Finger, Hand- und bipolarer Strom hochfrequenter Strom; fließt zwischen
Sprunggelenk), am Knie auch ohne Knochenkontakt mit
beiden Polen der sterilen Handelektrode und muss nicht
Verriegelungsschäften
über eine Klebeelektrode abgeleitet werden
Arthroskopie Gelenkspiegelung; Untersuchung von Ge-
Blasenekstrophie Spaltblase; angeborener Defekt der Bla-
lenken mit einem Spezialendoskop, dem Arthroskop.
se mit fehlendem Verschluss der Blasenvorderwand
ASD hier: Atriumseptumdefekt; Loch in der Herzscheide-
BPH benigne Prostatahyperplasie
wand zwischen den Herzvorhöfen
BPS benignes Prostatasyndrom
ASD arthroskopische subakromiale Dekompression

BRCA-1/BRCA-2 (engl.) »breast cancer-1/2-gene«


ASS Azetylsalizylsäure, z. B. Aspirin

BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit, auch BSR = B.reakti-


AT hier: Adenotomie, s. dort
on; Labortest bei Verdacht auf entzündliche Erkran-
Atelektase Lungenabschnitt, der durch fehlenden oder kungen
mangelnden Luftgehalt zusammengefallen ist
BSS hier: (engl.) »balanced salt solution«; sterile physiolo-
Atresie (griech.) ohne Öffnung; angeborenes Fehlen oder gische ausgeglichene Salzlösung
Verschluss einer natürlichen Körperöffnung oder eines
Hohlorgans Bulla (lat.) Bläschen

ASD Hier: Anti Siphon Device; Hydrocephalus Shunt BV-Einheit Bildverstärkungseinheit, Röntgeneinheit mit
C-Bogen
Autolog von derselben Person stammend; betrifft meist
körpereigenes Gewebe BWS hier: Brustwirbelsäule

AVK arterielle Verschlusskrankheit Bypass Umgehungsplastik; operativ angelegte Umgehung


von Gefäßen
β-Blocker β-Rezeptoren blockierendes Arzneimittel; redu-
ziert u. a. Herzfrequenz, -kontraktilität und Erregungslei- CAMIC Chirurgische Arbeitsgemeinschaft minimal-inva-
tungsgeschwindigkeit sive Chirurgie
694 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

CAPD kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse CRP Capsel-reaktives Protein; unspezifischer Entzün-


dungsparameter u. a. zur Beurteilung des Schweregrades
Carina keilförmiges Knorpelstück entzündlicher Erkrankungen

carnifizierend auch karnifizierend; tumorbedingter Ge- CT Computertomographie


webeumbau, der wie Muskelgewebe erscheint
CUP Carcinoma of unknown primary, Primärtumor un-
Cavum Retzii veraltet: Spatium praevesikale; bindegewe- bekannt
biger Spalt zwischen vorderer Bauchwand und Oberkante
des Schambeins, in welchen sich die gefüllte Harnblase CVI chronisch venöse Insuffizienz
drängt; dies ermöglicht die suprapubische Harnableitung
ohne Peritonealeröffnung CW hier: Cervicalwirbel

CCT Craniale Computer Tomographie Dartos-Faszie Muskelhaut des Hodensackes

CF hier: zystische Fibrose, Mukoviszidose DCP (engl.) »dynamic compression plate«, Osteosynthese-
platte
CHE hier: Cholestinerase; im Pankreas gebildetes Enzym,
das Cholesterinester in Cholesterin und Fettsäuren spaltet Debridement Ausschneiden von entzündetem oder abge-
und damit resorbierbar macht storbenem Weichgewebe in Wunden oder Gelenken

CHE hier: Cholezystektomie Defibrillation elektrische Stimulation des Herzens bei


Kammerflimmern und -flattern
Cholesteatom Perlgeschwulst; Einwucherung von verhor-
nendem Plattenepithel in das Mittelohr; die fortschreiten- Dekortikation operative Entfernung einer (Organ-) Rinde;
de Knochenzerstörung und Entzündung führt zu einer
hier: Resektion der viszeralen Pleura
Vielzahl von Komplikationen
Denonvillier Faszie Bindegewebe, das die Blase vom Rek-
Circulus arteriosus Willisi zusammenhängendes System
tum abgrenzt
aller zum Gehirn führenden Arterien an der Hirnbasis
Dens Zahn, zahnähnlicher Fortsatz; hier: Zahn am 2.
CIRS (engl.) Critical Incident Reporting System, das dem
Halswirbel
Fehlermanagement dient
DEPKR Duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion
CIS Carcinoma in situ = »Krebs an Ort und Stelle«; Früh-
stadium eines epithelialen Tumors ohne invasives Tumor-
Descensus uteri auch Gebärmuttersenkung; Erschlaffung
wachstum
oder Defekt des bindegewebigen Halteapparates mit
clotting (engl.) gerinnen; mit körpereigenem Fibrin ab-
Absenken der Gebärmutter, meist mit einer Zystozele
dichten (s. dort), seltener mit einer Rektozele (s. dort) durch Er-
schlaffung der vorderen, bzw. hinteren Scheidenwand
CM-Gelenk 1 Daumensattelgelenk
Device (engl.) Gerät, Vorrichtung; hier: Entladesystem für
Coblator Instrument zur Entfernung von Gewebe mittels Stent
hochenergetischer elektrischer Plasmafelder, der Gewebe-
abbau erfolgt über den molekularen Zerfall Diaphyse langes schlankes Mittelstück eines Röhren-
knochens
Columna vertebralis Wirbelsäule
Dignität Gut- oder Bösartigkeit eines z. B. Tumors
Conduit hier: schlauchförmiger Ersatz eines Hohlorgans
Dilatation (lat.) ausbreiten, dehnen; Aufdehnung
CPAP Contineous Positive Airway Pressure; Beatmungs-
form unter kontinuierlichem positiven Beatmungsdruck DIP-Gelenk distales Interphalangealgelenk
695
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Discus intervertebralis Bandscheibe EERPE endoskopisch extraperitoneale radikale Prosta-


tektomie
Distraktor Repositionshilfe bei Femurfrakturen über zwei
mit einer Gewindestange verbundenen Pins; wird über der EI-Transposition Umlagerung des M. extensor indicis
Fraktur auseinandergezogen, bis sie sich anatomiegerecht
reponieren lässt EKZ hier: extrakorporaler Kreislauf; Blutumleitung außer-
halb des Körpers zur zeitweiligen Ausschaltung des Her-
DK hier: Dauerkatheter zens oder eines Kreislauf-, Gefäßabschnittes

DKG Deutsche Krankenhausgesellschaft EMG Elektromyelographie; Aufzeichnung der Aktions-


potenziale von Muskeln
DLCO Diffusionskapazität
Endemie Ausbruch einer Krankheit in einem begrenzten
DPE Duodenopankreatektomie; operative Entfernung von Gebiet
Duodenum, Teilen des Magens und des Pankreas bei Tu-
moren des Duodenums oder des Pankreas Endobrachyösophagus auch Barrett-Ösophagus; durch
Narben oder Stenosen verursachte Schleimhautschrump-
DRU digitale rektale Untersuchung fung im unteren Ösophagus

DSA hier: digitale Subtraktionsangiographie; Röntgen- Endokarditis Entzündung der Herzinnenhaut, des Endo-
technik kards

DSO Deutsche Stiftung Organtransplantation, koordiniert


ENS hier: Elektroneurographie; Messung der Nervenlei-
Post-mortem-Transplantatspende und -empfang tungsgeschwindigkeit

Ductus arteriosus Botalli im fetalen Blutkreislauf eine Ver-


Entry (engl.) Eingang; hier: Einriss der Intima eines Ge-
bindung zwischen Aorta descendens und Arteria pulmo-
fäßes, in das es einblutet
nalis (Lungenschlagader); schließt sich in den ersten 3
Lebensmonaten
EP evozierte Potenziale

Ductus deferens Samenleiter


EPH-Gestose schwangerschaftsspezifische Erkrankung
mit den folgenden Symptomen:
Duodenum Zwölffingerdarm
(engl.) »edema« = Ödem (Wassereinlagerung im Gewebe),
Proteinurie = Eiweißausscheidung im Urin,
Dura mater harte, äußerste Hirnhaut
Hypertonie = Bluthochdruck
e.c. hier: extrakapsulär
Epidermis oberste Hautschicht
EBUS (engl.) »endobronchial ultrasound«
Epidurales Hämatom Bluterguss zwischen Dura mater
ECMO extrakorporale Membranoxygenierung; intensiv- (s. dort) und Schädelknochen
medizinische Technik, zur Oxygenierung von Patienten
mit schwersten Lungenschädigungen; die Lunge hat Zeit Epiglottis Kehldeckel
zu heilen, da eine aggressive Beatmung vermieden wird
Epithelisierung im Bereich der Wundränder sich bildende
ECR M. extensor carpi radialis neue Zellverbände, die die Wunde verschließen

EEC-Komplex (engl.) »exstrophy-epispadia-complex«; dazu EPL M. extensor pollicis longus


zählen die Epispadieformen, die klassische Blasenekstro-
phie, die Ekstrophievarianten und die Kloakenekstrophie ERCP endoskopisch retrograde Cholangio- und Pank-
reatikographie; kombinierte endoskopische und Rönt-
EEG Elektroenzephalographie; Messung der elektrischen genuntersuchung der Gallenwege und der Bauchspeichel-
Aktivität des Gehirns drüse
696 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Escharotomie Anbringen von Entlastungsschnitten mit- geköpert s. Köper


tels Durchtrennung oberflächlicher Hautschichten; vor
allem bei Brandverletzten angewendet, zur Vorbeugung GERD gastroösophageale Refluxkrankheit
eines Kompartmentsyndroms (s. dort)
Gerota-Faszie auch Nierenfaszie; aus Fasern und Fettge-
ESWL Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie; Zertrüm- webe bestehende Hülle, die die Niere und das Retroperito-
mern von Harnsteinen durch Stoßwellen neum bedeckt

ET Eurotransplant, Sitz in Leiden, Niederlande GFR glomeruläre Filtrationsrate; Gesamtvolumen des Pri-
märharns, das von beiden Nieren in einer definierten Zeit-
EUG Extrauteringravidität einheit gefiltert wird; bei normalen Blutdruckwerten sind
dies ca. 0,12 Liter pro Minute bzw. ca.170 Liter pro Tag
Exenteratio Herausnehmen von Eingeweiden
GK Glaskörper; liegt zwischen Linse und Netzhaut
Extrauteringravidität Einnistung der befruchteten Eizelle
außerhalb der Gebärmutterhöhle Glans (penis) Eichel; vorderes Ende des Harnröhren-
schwellkörpers
Fast track-Behandlung (engl.) schnelle Spur, beschleunigt;
Methode, die Therapie und Nachsorge so schnell und un- Glaukom Gruppe von Augenkrankheiten mit Schädigung
belastend wie möglich für den Patienten gestaltet der Papille und des Gesichtsfeldes mit Augeninnen-
druckerhöhung
Faszie gering dehnbare Hülle um Organe und Muskeln
Glycerol (auch Glycerin) 3-wertiger Alkohol; vielseitig ver-
FCR M. flexor carpi radialis wendbare Substanz, u. a. als Feuchtigkeitsspender in Kos-
metika
FCU M. flexor carpi ulnaris
GPOH Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Häma-
Fibrin Endprodukt der Blutgerinnung; nicht wasserlös- tologie
liches Protein
gramnegativ Gram, dänischer Pharmakologe (1853–
Fibrinolyse Fibrinspaltung; Auflösung eines Thrombus 1938), erfand eine Methode, bestimmte Bakterien durch
Färbung zu identifizieren; Färbung erscheint rot und weist
FNH fokale noduläre Hyperplasie; gutartige Raumforde- auf E. coli hin
rung in der Leber
grampositiv s. a. gramnegativ; Färbung erscheint blau und
follikulär hier: knötchenförmig weist auf Staphylokokken hin

foudroyant plötzlich einsetzend Hämangiom Blutschwamm; gutartiger Gefäßtumor

Fundoplicatio Methode zur Behandlung der Refluxkrank- Hämodialyse auch »Blutwäsche«; künstliche Entfernung
heit; dabei wird der Magenfundus als Manschette um den harnpflichtiger Substanzen aus dem Blut bei Nierenfunk-
Mageneingang gelegt und mit einzelnen Nähten fixiert; tionsstörung
dient der Refluxverhinderung
Hämorrhoiden krampfaderähnliche Erweiterung einzel-
Galea aponeurotica derbe Sehnenplatte, die mit der Kopf- ner Abschnitte des Schwellkörpers im Übergang vom Rek-
haut fest verwachsen ist und dem mimischen Ausdruck tum zum Anus
hilft (Hebung der Brauen etc.)
Hämostase, hämostatisch Blutstillung, blutungsstillend
Gastrin in der Antrumschleimhaut gebildetes Hormon;
reguliert die Salzsäureausschüttung im Magen Hämostyptikum Mittel zur Blutstillung (lokale Applikation)

GE hier: Gastroenterostomie; Anastomosierung zwischen HCG humanes Choriongonadotropin; auch Schwanger-


Magen und Dünndarm unter Umgehung des Duodenums schaftshormon; in der Plazenta gebildetes Hormon, das
697
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

die Umbildung des Gelbkörpers in den Schwangerschafts- I(O)TA hier: intraoperative transluminale Angioplastie;
gelbkörper bewirkt Verfahren zur Erweiterung oder Wiedereröffnung von ver-
engten oder verschlossenen Blutgefäßen mittels Ballondi-
HD (engl.) »high definition«; hochauflösende Bildver- latation oder anderer Verfahren
arbeitung
i.c. hier: intrakapsulär
HDI hier: Harnleiter-Darm-Implantation
ICR Interkostalraum, Zwischenrippenraum
heterolog biologisch artfremdes Gewebe; s. a. homolog
ICS International Continence Society
HF hier: Hochfrequenz
ID hier: Innendurchmesser
HH hier: Hornhaut
Ileum Krummdarm, zwischen Jejunum und Caecum
Hilum renale auch Nierenpforte; Ein- und Austrittspforte
für Nierengefäße und Harnleiter IMF hier: intermaxilläre Fixation

HIT Heparin-induzierte Thrombopenie Typ II Incus auch Amboss; Gehörknöchelchen

HLA (engl.) »human leukocyte antigen« ING hier: Isotopennephrogramm; bei der Nierense-
quenzszintigraphie erhaltene Aufnahme
HLM hier: Herz-Lungen-Maschine
inguinal Leiste oder Leistengegend betreffend
homolog biologisch artgleiches Gewebe; s. a. heterolog
Inkarzeration Einklemmung eines Organs oder Körperteils

Homunkulus (lat.) »Menschlein«, künstlich geschaffener


Insufflation Einbringen, Einblasen von Gas oder pulver-
Mensch
förmigen Stoffen in Körperhöhlen, Gewebespalten etc.,
z. B. Durchblasen der Eileiter zur Überprüfung der Durch-
HR-Arrosion Harnröhrenarrosion
gängigkeit
HTX Herztransplantation
Interponat interponieren = eingeschoben, zwischenge-
setzt; Brücke
HWI Harnwegsinfekt
intraokular im Augapfel liegend
HWS Halswirbelsäule
IOL (engl.) »intraocular lens«; intraokulare Linse
hydrophil (griech.) wasserliebend
IOP (engl.) »intraocular pressure«; intraokularer Druck
Hydrozele Wasser-/Exsudatansammlung in einer se-
rösen, d. h. mit Serosa ausgekleideten Körperhöhle, z. B. ITN Intubationsnarkose
H. testis
IVP intravenöses Pyelogramm; Röntgenaufnahmen von
Hyperämie besonders starke Durchblutung eines Organs Nieren, Ureter und Harnblase nach Injektion eines Kon-
oder Gewebes trastmittels

hyperbar unter/mit Überdruck Jejunum Leerdarm, zwischen Duodenum und Ileum

Hypopharynx unterste Schlundgegend über und hinter Jet hier: schneller Luftstrahl zur Beatmung eines Pati-
dem Kehlkopf enten

Hysterektomie (griech.) hystera = Gebärmutter; Uterusex- Jugulum auch Drosselgrube; Grube zwischen beiden
stirpation; Entfernung der Gebärmutter Schlüsselbeinen
698 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

kalzifizieren verkalken, Kalke ablagern Korium Lederhaut

Katabolie Abbaustoffwechsel in der Zelle, insbesondere krural (lat.) am Oberschenkel, den Oberschenkel betreffend
des Eiweißes
kryokonserviert Konservierung von biologischem Materi-
Katarakt auch »grauer Star«; angeborene oder erworbene al durch Tieffrieren, meist mit Hilfe von Stickstoff
Linsentrübung
KTS Karpaltunnelsyndrom
K-Draht Kirschner-Draht
Kugelspieß auch »gebremste Ahle«; Repositionshilfe mit
KET hier: kultivierte epitheliale Transplantation; einem Kugel dicht oberhalb der Spitze
Spender oder dem Patienten entnommene Spalthaut, die
im Labor präpariert wird; separierte Hautzellen werden LA hier: Lokalanästhesie, auch Leitungsanästhesie
gezüchtet, um als Transplantat zu dienen
LAD hier: left anterior descending artery, vordere abstei-
KG hier: Körpergewicht gende Koronararterie

KHK koronare Herzkrankheit Laminektomie operative Entfernung eines Wirbelbogens


samt Dornfortsatz.
Kocher Emil Theoder K. (1841–1917); Schweizer Chirurg,
Nobelpreis für Medizin (Pathologie und Chirurgie der Laparoskopie Bauchspiegelung; minimal invasives Ver-
Schilddrüse) fahren, bei dem mit Hilfe eines optischen Instruments Ein-
griffe innerhalb der Bauchhöhle vorgenommen werden
KOF hier: Körperoberfläche
Laparotomie Eröffnung der Bauchhöhle
Kollagen Strukturprotein des Bindegewebes, dient als
Stützgewebe Laryngektomie Kehlkopfentfernung

Kolpokleisis operativer Scheidenverschluss, bei älteren, Laserkarbonisation Umbau von Eiweiß zu Kohlenstoff
sexuell nicht mehr aktiven Frauen mit Descensus genitalis durch Hitze des Lasers
(Descensus uteri und Descensus vaginae; s. dort)
LASH hier: laparoskopisch assistierte suprazervikale Hys-
Kompartmentsyndrom Überdrucksyndrom in vorge- terektomie, bei der die Zervix belassen wird
formten Muskellogen, die von unnachgiebigen Faszien
umhüllt sind; geschlossene und offene Frakturen können LAVH hier: laparoskopisch assistierte vaginale Hysterek-
bei besonderer Gewalteinwirkung zu einem drohenden tomie
oder manifesten K. führen; durch örtlichen Gewebedruck
und Störungen in der Blutzirkulation können Nerven und LC-DCP (engl.) »low contact dynamic compression plate«,
Muskeln rasch geschädigt werden; am häufigsten ist der eine Form der Osteosyntheseplatte
Unterschenkel betroffen. Haut und Faszien müssen unver-
züglich eröffnet werden LDH Laktatdehydrogenase; der Serumspiegel steigt in den
ersten 24 h nach Myokardinfarkt stark an und fällt dann
Konchotomie Nasenmuschelkappung; Teilentfernung Na- wieder ab
senmuschel
LESS (engl.) »laparo-endoscopic single-site surgery«, la-
kongenital angeboren, bei der Geburt vorhanden paroskopischer Zugang über einen einzigen Trokar mit
zumeist 3 Ports
Konisation Entnahme eines Gewebekegels aus der Portio
uteri zur histologischen Untersuchung oder zur Therapie LHRH (engl.) »luteinizing hormone-releasing hormone«
von nichtinvasiven Neoplasien (Gonadotropin freisetzendes Hormon)

Köper spezielle Webtechnik Ligamentum Band aus straffem Bindegewebe


699
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Ligamentum gastrocolicum Aufhängeband zwischen Ma- MAKEI hier: MAligne KEImzelltumoren


gen und Kolon
Malleus Hammer, mit dem Trommelfell verbundenes Ge-
Ligamentum gastrosplenicum Aufhängeband zwischen hörknöchelchen
Magen und Milz
Marfan-Syndrom genetisch bedingtes Syndrom mit ske-
Ligamentum hepatogastricum Aufhängeband zwischen lettalen, okulären und kardiovaskulären Fehlbildungen,
Magen und Leber u. a. auffällig lange schlanke Gliedmaßen, Bindegewebs-
schwäche
Ligamentum latum eine Bauchfellduplikatur, die von
den Gebärmutterseitenbereichen zur seitlichen Becken- Marisken auch Analfalten; Hautzipfel der Perianalhaut,
wand zieht entsteht durch chronische Reizzustände

LIMA hier: linke innere Brustbeinschlagader, A. mamma- Marsupialisation operative Technik zur Behandlung
ria interna (engl. left internal Mammary Artery) von Zysten, die schlecht entfernt werden können, z. B.
bei Bartholin-Abszess oder -Zyste; nach Eröffnung
LINAC hier: Linear accelerator, Linearbeschleuniger in der werden die Zysteninnen- bzw. Hohlraumränder an die
Radiotherapie Scheidenhaut genäht; es entsteht ein neuer Drüsenaus-
führungsgang
Linea alba (lat.) weiße Linie; verläuft vom Xiphoid bis zur
Symphyse, durch Verflechtung der Muskelaponeurosen Mastektomie operative Entfernung der Brustdrüse und
angrenzender Gewebe
Liquor cerebrospinalis Gehirn- und Rückenmarkflüssig-
keit MCG Metakarpalgelenk, Handwurzelgelenk

LISS (engl.) »less invasive stabilisation system«, eine Form MCP-Gelenk Metakarpophalangealgelenk
der Osteosynthese
MCU Miktionszysturethrographie
Lithotripsie medizinisches Verfahren zur Steinzertrüm-
merung MCV hier: Miktionscystourethrogramm; Röntgenkon-
trastdarstellung der ableitenden Harnwege nach intrave-
LKG hier: Lippen Kiefer Gaumen nöser Kontrastmittelgabe

Lobektomie Entfernung eines (Lungen-)Lappens MDP hier: Magen-Darm Passage

LRLTX »living related« Lebertransplantation; ein kleiner Meckel Johann Friedrich Meckel von Helmsbach, Anatom
Teil der Leber eines lebenden Spenders wird entnommen aus Halle (1781–1833), beschrieb die Ausstülpung am
und sogleich transplantiert Dünndarm, ein Überbleibsel aus der Embryonalzeit, das
M. Divertikel
LTX Lebertransplantation
Mediastinum vorderer Brustraum, Mittelfellraum
Lumpektomie (s. »wide excision«)
Medulla spinalis Rückenmark, Teil des zentralen Nerven-
LW hier: Lumbalwirbel systems

LWK Lendenwirbelkörper Mekonium auch »Kindspech«; erster Stuhlgang des Neu-


geborenen
LWS Lendenwirbelsäule
MEN hier: multiple endokrine Neoplasie; seltene, angebo-
Lymphadenitis Entzündung/Schwellung der Lymphknoten rene Erkrankungen mit Überfunktion mehrerer endokri-
ner Organe
Lymphangitis Entzündung der Lymphbahnen, meist
durch Bakterien hervorgerufen Meningen Hirnhäute
700 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Meningomyelozele angeborener Defekt des Neuralrohrs MRT Magnetresonanztomografie; bildgebendes Verfah-


und der Wirbelsäule, bei der das Rückenmark in die Me- ren zur Darstellung von Strukturen im Inneren des Kör-
ningen eingehüllt aus der Haut ragt pers durch magnetische Felder

MEP muskulär evozierte Potenziale MS multiple Sklerose

Mesokolon Gekröse, mit dem der Dickdarm an der hin- MTP-Gelenk Metatarsophalangealgelenk
teren Bauchwand befestigt ist
Mukosa (lat.) Schleimhaut; Schutzschicht, die das Innere
Metaphyse Übergang eines Röhrenkochens von der Dia- von Hohlorganen auskleidet
physe zur gelenkbildenden Epiphyse
Mydriasis Weitstellung der Pupille, z. B. in der Dämme-
MHK hier: Mittelhandknochen rung, bei seelischer Erregung oder Schmerzen

MIC hier: Minimal Invasive Chirurgie Myom hier: gutartige Geschwulst der glatten Gebärmut-
termuskulatur
Miktion (lat.) das Wasserlassen
NANB Non-A-non-B-Hepatitis
Miosis Verengung der Pupille
Nasopharynx Nasenrachenraum; oberer Teil der Rachen-
Mitralklappe Klappe (Ventil) zwischen Vorhof und Herz- höhle hinter der Nasenhöhle
kammer links
Nates beide Gesäßhälften
MIVAT minimal-invasive videoassistierte Thyreoidektomie
Nd:YAG-Laser Neodym-dotierter Yttrium-Aluminium-
MKG hier: Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Granat-Laser

MMC Myelomeningozele, s. a. Meningomyelozele Nd-Yag Neodym-Yttrium-Aluminium-Granat; Kristall, das


als aktives Medium in einem Nd:YAG-Laser verwendet wird
monopolarer Strom hochfrequenter Strom; wird über
eine sterile Handelektrode angewendet und über eine un- NEC nekrotisierende Enterokolitis; entzündliche Erkran-
sterile Dispersionselektrode abgeleitet kung des Gastrointestinaltraktes von Frühgeborenen
(meist mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm), be-
Morbus Ollier auch Ollier Erkrankung; angeborene Ske- trifft typischerweise das Ileum, das Coecum und das Co-
letterkrankung mit zahlreichen Enchondromen (vom lon; Ursache evtl. aerobe, anaerobe Bakterien sowie Viren
Knorpel ausgehende Tumoren); befallen die Enden langer
Röhrenknochen und zerstören die Wachstumsfugen, da- Neck dissection Ausräumung der Halslymphknoten und
raus resultieren große Längendifferenzen der betroffenen Entfernung von Muskel- und Gefäßstrukturen
Extremitäten
nEERPE nerverhaltende endoskopisch extraperitoneale ra-
Morcellement operatives Zerstückeln von Gewebe oder dikale Prostatektomie
eines Organs, z. B. Gebärmutter, das zum Entfernen als
Ganzes zu groß ist Nekrotomie Entfernung von abgestorbenem Gewebe,
eigentlich: Ausscheidung eines abgestorbenen Knochen-
morphologisch (griech.) die Gestalt betreffend stücks

MPG Medizinproduktegesetz Neoplasie Neubildung von Körpergewebe

MRCP Magnetresonanzcholangio- und pankreatiko- Neurocranium; Neurokranium Gehirnschädel; Teil des


graphie; nichtinvasive Methode zur Darstellung des Schädels, der das Gehirn bedeckt
Gallengangsystems und des Ductus pankreaticus, über-
lagerungsfrei und ohne Anwendung von Röntgen- Neurotoxin Gift, das speziell auf Nervenzellen bzw. Ner-
strahlen vengewebe einwirkt
701
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

NH hier: Netzhaut Ösophagojejunostomie Anastomose, d. h. operativ herge-


stellte Verbindung, zwischen Ösophagus und Jejunum
NID auch IND, hier: neuronale intestinale Dysplasie; Stö-
rung der neuronalen Strukturen der Darmwand Osteomalazie Knochenerweichung, unzureichende Mi-
neralisierung der Knochengrundsubstanz; ist als Stoff-
NMR nuclear magnetic resonance = kernmagnetische Re- wechselstörung im Erwachsenenalter das Gegenstück zur
sonanz; Kernresonanzspektroskopie; findet medizinisch kindlichen Rachitis
Verwendung in der Kernspintomografie
Osteopenie Minderung der Knochendichte, Vorstufe der
NOTES (engl.) »natural orifice translumenal endoscopic Osteoporose
surgery«; endoskopischer Zugang zum Erfolgsorgan über
natürliche Körperöffnungen Ostium (lat.) Öffnung, Mündung

NPL Neoplasma; Neubildung, Tumor; können jede Art OTA Operationstechnischer Assistent
von Gewebe betreffen, benigne oder maligne sein
Oxygenator medizinisches Gerät, um Blut mit Sauerstoff
NWTS National Wilms Tumor Study; nordamerikanische anzureichern und Kohlendioxid aus dem Blut zu entfernen;
Studie zum Wilms-Tumor bzw. Nephroblastom in der Herzchirurgie Teil der Herz-Lungen-Maschine

OAT-Syndrom Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom; palliativ (lat.) mildernd, lindernd; therapeutische Maß-


verminderte Spermienzahl, mit verändertem Aussehen und nahmen, die nicht der Heilung der Krankheit dienen, son-
verlangsamt; häufigste Fertilitätsstörung beim Mann dern lindernd wirken

OCR hier: okulokardialer Reflex; Vagusreaktion auf Bul- Pankreatitis Entzündung der Bauchspeicheldrüse, akut
busdruck oder Zug am Muskel mit Bradykardie und/oder oder chronisch
Rhythmusstörungen
Papille kleine Erhebung; auch: Austrittstelle des Seh-
Okklusion (lat.) Verschluss; hier: das Verhältnis der Zähne nerven aus dem Augapfel
zueinander bei geschlossenem Kiefer
Parametrium unterhalb des Peritoneum gelegenes Be-
OLTX orthotope Lebertransplantation ckenbindegewebe, welches von der Beckenwand zur Zer-
vix zieht und diese seitlich umschließt; in ihm verlaufen
Omentum majus auch: großes Netz; Bauchfellfalte, die wie u. a. die Harnleiter, Blut- und Lymphgefäße
eine Schürze den Darm schützt
Parazentese auch: Myringotomie; Inzision des Trommel-
Omentum minus auch: kleines Netz; schützt die kleine fells
Kurvatur des Magens und die Leber
PASA proximaler Artikulations-Set-Angle
OMIT offen minimal-invasive Thyreoidektomie
Patch (engl.) Flicken
OPSI (engl.) »overwhelming postsplenectomy infection
syndrome« pAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit

Oropharynx Mundrachenraum; Rachenraum direkt hin- PCN hier: perkutane Katheter-Nephrostomie, auch:
ter dem Schlund perkutane Nephrostomie; perkutane Ableitung des Urins
aus dem Nierenbecken durch einen Nephrostomie-
orthograd in physiologischer Richtung verlaufend durch- Katheter
geführt
PDA hier: persistierender Ductus arteriosus; postpartale
OSG oberes Sprunggelenk fehlerhafte Verbindung von Hauptschlagader mit Lungen-
schlagader
Ösophagogastrostomie Anastomose, d. h. operativ herge-
stellte Verbindung, zwischen Ösophagus und Magen PDS Polydioxanon
702 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

PE hier: Prostatektomie; Entfernung der Prostata; auch PPHN persistierende pulmonale Hypertonie des Neu-
Probeexzision; Ausschneiden einer Gewebeprobe zu diag- geborenen; Lungenhochdruck bei Neugeborenen auf-
nostischen Zwecken grund einer starken Verengung der pulmonalen Blut-
gefäße
Pedikel anatomisch: Füßchen, Stiel, stielartige Struktur,
gestielter Anhang PPPD (engl.) »pylorus preserving pancreaticoduodenecto-
my«; partielle Duodenopankreatektomie
PEEP Positive Endexpiratory Pressure; positiver Ausat-
mungsdruck, u. a. zur Beseitigung von Sekretstau bei Pati- ppV pars-plana-Vitrektomie; operative Entfernung des
enten Glaskörpers aus dem Augeninneren

PEG perkutane endoskopische Gastrostomie; endosko- Präputium Vorhaut


pisch angelegter direkter Zugang zum Magen durch die
Bauchwand PRIND prolongiertes reversibles ischämisches Defizit

Perforation Einriss oder Durchbruch eines Organs Prodromalstadium Vorläuferstadium, in dem die ersten
Frühsymptome einer Erkrankung auftreten
Perikard Herzbeutel
Prolaps Vorfall eines Organs oder Gewebes durch eine na-
PFN proximaler Femurnagel türliche Körperöffnung

Phagozyten Fresszellen; nehmen belebte oder unbelebte Protrusion Vorstehen, Vortreten, Herausragen
Gewebs- oder andere Teile auf und verdauen sie
PRT periradikuläre Therapie
Phakoemulsifikation Ultraschallzertrümmerung und Ab-
saugung des Linsenkerns PSA prostataspezifisches Antigen; Tumormarker für die
Diagnose des Prostatakarzinoms
Phlebitis Venenentzündung
PSARP posteriore sagittale Anorektoplastik; operative Be-
Phlegmone sich diffus ausbreitende eitrige Entzündung handlungsmöglichkeit bei Analatresie (s. dort)
des interstitiellen Bindegewebes
Pseudarthrose Scheingelenk; wenn die Fraktur oder Oste-
Pia mater weiche Hirnhaut; innerste Schicht, bedeckt Ge- otomie nach sechs Monaten nicht verheilt ist
hirn und Rückenmark
Pseudozyste sog. Scheinzyste, nicht mit Epithel ausgeklei-
PIP-Gelenk proximales Interphalangealgelenk dete Zyste

Platysma (lat.) Hautmuskel des Halses PTA perkutane transluminale Angioplastie; Verfahren zur
Erweiterung oder Wiedereröffnung verengter oder ver-
Pleura Brustfell schlossener Blutgefäße mittels Ballondilatation oder ande-
rer Verfahren:
PNET primitiv neuroektodermale Tumoren
PTC perkutane transhepatische Cholangiographie; bildge-
Pneumonektomie operative Entfernung eines Lungen- bendes Verfahren, bei dem durch Punktion der Leber
flügels Röntgenkontrastmittel in das Gallenwegsystem einge-
bracht wird
Pneumoperitoneum Luft-/Gasansammlung in der Bauch-
höhle; pathologisch nach Perforation im Magen-Darm- PTCA perkutane transluminale koronare Angioplastie;
Trakt; diagnostisch im Rahmen einer Laparoskopie Verfahren zur Erweiterung verengter Koronararterien:

PNS hier: peripheres Nervensystem PTFE Polytetrafluorethylen (Teflon)

Port Reservoir aus Kunststoff oder Titan PVC Polyvinylchlorid


703
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Pyloroplastik operative Erweiterung des Magenausganges RRP radikale retropubische Prostatektomie

Pylorus Magenausgang s.c. hier: subkonjunktival; auch; subkutan

Radialkraft auch: Fliehkraft; physikalische Kraft, die an SAB Subarachnoidalblutung


einem Körper angreift, der sich auf einer kreisförmigen
Bahn bewegt Schleuse hier: Kunststoffkanüle mit hämostatischem Ventil

Raphe Naht, Verwachsungsnaht; entwicklungsbedingte Sectio caesarea Schnittentbindung, Kaiserschnitt


Naht am Skrotum
Sentinel-Node-Biopsie (SNB) auch: Wächterlymphknoten-
RDG Reinigungs- und Desinfektionsgerät biopsie; Biopsie des ersten Lymphknoten im Lymphabfluss
eines Mammakarzinoms; wird er selektiv entfernt und ist
Reflux Rückfluss er tumorfrei, kann ggf. auf die axilläre Lymphonodektomie
verzichtet werden
Rektozele Absenken des Enddarms in die Scheide durch
Erschlaffung der hinteren Scheidenwand SEP somatisch evozierte Potenziale, auch: sensibel evo-
zierte Potenziale
REO-Virus respiratory enteric orphan virus; verursacht
v. a. Infektionen des Respirations- und Intestinaltrakts Serom Ansammlung von Blutserum oder Lymphflüssig-
keit im Gewebe
RET (engl.) »rearranged during transfection«; ein Gen, das
für die Entstehung des M. Hirschsprung mit verantwort-
Shaver hier: arthroskopisches Fräsgerät zur Glättung un-
lich ist
ebener Knorpel und Knochen
retrograd von hinten her, örtlich/zeitlich zurückliegend,
SHT Schädel-Hirn-Trauma
rückläufig
Shunt Verbindung zwischen zwei üblicherweise ge-
retrokolisch hinter dem Kolon gelegen
trennten Hohlräumen
RF Radiofrequenz
SIAS Spina iliaca anterior superior
RIMA right internal mammary artery, rechte innere Brust-
beinschlagader SILS (engl.) »single incision laparoscopic surgery«; laparo-
skopischer Zugang über einen einzelnen Trokar, der min-
Ringstripper ringförmiges Metallinstrument zum Entfer- destens 3 Ports enthält
nen der Vena saphena magna und zur TEA (s. dort)
Sinus paranasales Nasennebenhöhlen
RKI Robert Koch Institut
Sinus pilonidalis auch: Steißbeinfistel; durch eingewach-
RLA radikale Lymphadenektomie sene Haare verursachte Entzündung in der Gesäßfalte

RLTA Raumluft Technische Anlagen; Klimaanlage SL-Band Band zwischen Mondbein (Os lunatum) und
Kahnbein (Os scaphoideum)
RM Risikomanagement
SLTX Split- oder Segmenttransplantation, Teiltransplanta-
ROM (engl.) »range of motion«; eine Schiene, bei der die tion einer Leber
Grenzen der Beweglichkeit eines Gelenkes eingestellt wer-
den. Passives Training nach einer Gelenkoperation. SOP (engl.) »standard operating procedure«; eine schrift-
liche Arbeitsanweisung, die einen Arbeitsablauf definiert
RöV Röntgenverordnung
SOX (engl.) »sex determining region box«; ein Gen, das
RPE retinales Pigmentepithel; enthält Melanosomen, die mit für die Geschlechtsbestimmung eines Embryos verant-
als Lichtfilter wirken wortlich ist
704 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

SPV Selektive proximale Vagotomie; operative Maßnahme TEP totale extraperitoneale Patchplastik; Einbringen eines
bei chronischen Zwölffingerdarmgeschwüren; Nervenfa- Kunststoffnetzes über minimalinvasive Zugänge ohne Er-
sern werden so durchtrennt, dass Magenfundus und Ma- öffnung des Peritoneums zur Hernienreparatur
genkorpus denerviert sind
TEP totale extraperitoneale Plastik bzw. Totalendoprthese
SSEP somatosensorisch evozierte Potenziale (je nach Zusammenhang)

SSL Steinschnittlage TEPT »transanal endorectal pull through«

SSW Schwangerschaftswoche Testis Hoden

Stapes Steigbügel; ein Gehörknöchelchen TFCC (engl.) »triangular fibro cartilage complex«

Stent (engl.) ursprünglich Abstützung im Bergbau; hier Thorakotomie Eröffnung des Brustraumes
medizinisches Implantat, um Gefäße abzustützen; Gefäß-
stütze THP Tonsillenhyperplasie

Sternotomie Durchtrennung des Brustbeines Thrombozytenaggregation Zusammenballung der Throm-


bozyten
Strabismus Schielen
Thyreostatika Substanzen, die die Sekretion der Schild-
STT Os scaphoid, Os trapezium, Os trapezoideum drüsenhormone hemmen

Subdurales Hämatom Bluterguss unter der harten Hirn- TIA transitorisch ischämische Attacke
haut zwischen Dura mater und Arachnoidea
TIN testikuläre intraepitheliale Neoplasie
Superinfektion bakterielle Infektion auf dem Boden eines
TIP Tubularisierte (median) inzidierte Urethraplastik
viralen Infekts

TLH totale laparoskopische Hysterektomie; Entfernung


SW hier: Sakralwirbel
der Gebärmutter mittels Laparoskop
T3 Trijodthyronin
TMT-Gelenk Tarsometatarsalgelenk

T4 Thyroxin
TNM Stadiumeinteilung maligner Tumoren; T= Tumor,
N= Nodus (Lymphknoten), M=Metastase
TAAA thorakoabdominales Aortenaneurysma

Tonsillektomie Entfernung der Gaumenmandeln; s. a.


TAPP transabdominale präperitioneale Patchimplantation
Adenotomie
zur Versorgung einer Leistenhernie
Tracheotomie Eröffnung der Luftröhre zur Beatmung
TAVI (engl.) »transcatheter aortic valve implantation«
(transapikaler Aortenklappenersatz) TRBA 250 eine Verordnung der Berufsgenossenschaft für
Gesundheitswesen und Wohlfahrtspflege bezüglich biolo-
TBNA (engl.) »transbronchial needle aspiration« gischer Arbeitsstoffe

TCT Thorax-CT Treitz-Band bindegewebiges Halteband, das die Flexura


duodenojejunalis in ihrer Form hält
TE hier: Tonsillektomie; s. dort
Trepanation Eröffnung des knöchernen Schädels mittels
TEA hier: Thrombendarteriektomie; operative Entfernung Schädelbohrer (Trepan)
eines arteriellen Thrombus mit Ausschälung der Gefäßin-
nenwand Trigonum Dreieck
705
Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Trikuspidalklappe aus drei Segelklappen bestehende Herz- Varisierung operative Verkleinerung eines zu großen
klappe zwischen rechtem Vorhof und rechter Kammer Schenkelhalswinkels (CCD) oder Korrektur einer schrägen
(valgischen) Kniebasislinie im suprakondylären Femur
Trokar Instrument zum Punktieren oder Perforieren eines
Körpers; ein dreikantiger scharfer oder rund-spitzer Man- VATS video assisted thoracoscopic surgery, Video-assi-
drin in einer passenden runden Hülle; nach Einstechen in stierte thorakoskopische Sympathektomie, d. h. der opera-
den Körper wird der Mandrin entfernt tiven Durchtrennung einzelner Ganglien des sympa-
thischen Nervensystems
TSH thyreoideastimulierendes Hormon
VCI Vena cava inferior
TUMT transurethrale Mikrowellenthermie
VCS Vena cava superior
TUNA transurethrale Nadelablation
Ventrikel Hohlraum; hier: im Gehirn zur Sammlung des
Tunica albuginea derbe weiße Haut, die dem Hodenpar- Liquor
enchym direkt aufliegt
VEP visuell evozierte Potenziale
TUR–B Transurethrale Resektion der Blase
Vertex Scheitel, der höchste Punkt des Schädels
TUR–P Transurethrale Resektion der Prostata
Vibrissae Schutzhärchen im Nasenvorhof
TVO totale vaskuläre Okklusion
Visus Sehschärfe
TVT (engl.) »tension free vaginal tape«; operative Möglich-
keit bei Inkontinenz mit einem locker eingelegten Netz- Viszerokranium Gesichtsschädel
band den Harnblasenhals anzuheben, um so den Ver-
schlussmechanismus der Harnröhre wiederherzustellen; VSD Ventrikel-Septum Defekt; Loch in der Herzscheide-
eine weitere Methode ist die TVTO, bei der das Netzband wand
durch das Foramen obturatum geführt wird
WAGR-Syndrom
Tympanoplastik Deckung eines Trommelfelldefektes Wilms-Tumor,
Aniridie,
UFN ungebohrter Femurnagel urogenitale Fehlbildungen,
geistige Retardierung
Ultraschall für den Menschen nicht hörbare Schallwellen
im Bereich zwischen 20KHz und 1GHz Wertheim-Meigs-Operation Radikaloperation bei operablem
Zervixkarzinom; Entfernung des Uterus und der Adnexe mit
URS Ulnarisrinnensyndrom dem parametranen Bindegewebe, dem oberen Scheidenan-
teil und des regionären Lymphknotenfettgewebes
USG unteres Sprunggelenk
wide excision auch Lumpektomie; brusterhaltende Opera-
USP United States Pharmacopeia tion beim Mammakarzinom; Entfernung des Tumors, des
umgebenden Fettgewebes sowie der darüber liegenden
VACTERL V. fasst die möglichen Fehlbildungen eines Symp- Haut
toms zusammen: »vertebral, anal, cardial, tracheal, esopha-
geal, renal, limb« Anomalien; weist ein Kind mindestens Xiphoid, Processus xiphoideus Schwertfortsatz des Ster-
3 dieser Fehlbildungen auf, zählt es zur Gruppe der Kinder nums (Brustbein)
mit V.-Assoziation
zervikofazial vom Hals bis zum Bereich des vom N. facia-
Valgisierung operative Korrektur eines zu kleinen Schenkel- lis innervierten Areals
halswinkels (CCD) oder eines O-Knies im Schienbeinkopf
Zisterne Flüssigkeitsreservoir; im Zentralnervensystem
Varikozele krankhafte Erweiterung einer Vene, Varize eine lokale Erweiterung, die mit Liquor gefüllt ist
706 Glossar und Abkürzungsverzeichnis

ZNS zentrales Nervensystem

ZSVA zentrale Sterilgutversorgungsabteilung

ZVK zentraler Venenkatheter; wird in das Venensystem


eingeführt und liegt in der oberen oder unteren Hohlvene
vor dem rechten Vorhof

Zystozele durch Erschlaffung der vorderen Scheidenwand


kommt es zum Absenken der Harnblase in die Scheide
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
714 Herstellerverzeichnis

Aesculap AG Ethicon GmbH


Am Aesculap-Platz Endo Surgery Deutschland
78532 Tuttlingen Hummelsbütteler Steindamm 71
22851 Norderstedt
Pharm Allergan GmbH
Pforzheimer Str. 160 Ethicon GmbH
76275 Ettlingen Abt. Codman
Oststr. 1
AMS – American Medical Systems 22844 Norderstedt
10700 Bren Road West
Minnetonka, MN. 55343, USA Ethicon GmbH
Gynecare Division
CalMed Oststr. 1
California Medical Laboratories 22844 Norderstedt
1570 Sunland Lane
Costa Mesa, CA 92626, USA Fa. Geister Medizintechnik GmbH
Föhrenstr. 2
Cardiomedical GmbH 78532 Tuttlingen
Industriestr. 3
30855 Langenhagen Genzyme GmbH
Siemensstr. 5b
Covidien Deutschland GmbH 63263 Neu-Isenburg
Gewerbepark 1
93333 Neustadt Impella Cardiotechnik AG
Neuenhoferweg 3
Cordis Johnson & Johnson 52074 Aachen
Endovascular
Elisabeth-Selbert-Str. 4a Intromed Medizintechnik GmbH
40244 Langenfeld Bahnhofstr. 1
15745 Wildau
CryoLife Europa Ltd
Standard Way Intuitive Surgical, Inc.
Fareham 1266 Kifer Road, Building 101
Hampshire PO16 8XT Sunnyvale, CA 94086-5304, USA
United Kingdom
Jostra AG
DePuy Orthopädie GmbH Hechinger Str. 38
Konrad-Zuse-Str. 19 72145 Hirrlingen
66459 Kirkel-Limbach
Krauth medical KG
DePuy spine Wandsbeker Königstr. 27–29
Konrad-Zuse-Str. 19 22041 Hamburg
66459 Kirkel-Limbach
LeMaitre Vascular GmbH
Edwards Lifesciences Germany Otto-Volger-Str. 5
GmbH 65843 Sulzbach
Edisonstr. 3–4
85716 Unterschleißheim Waldemar Link GmbH & Co
Postfach 630552
Ethicon GmbH 22315 Hamburg
Robert-Koch-Str. 1
22851 Norderstedt
715
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Linvatec Deutschland GmbH Pilling Weck GmbH


Frankfurter Str. 74 Oberer Röderweg 13
64521 Groß-Gerau 63791 Karlstein

Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG Plus Orthopedics GmbH


Irlicher Str. 55 s. Smith & Nephew
56567 Neuwied
Rüsch GmbH
Gebr. Martin GmbH Willy-Rüsch-Str. 4–10
Ludwigstaler Str. 132 71835 Kernen-Rommelshausen
78532 Tuttlingen
Smith & Nephew
Mathys Osteosynthese GmbH Mainstr. 2
Am Bergbaumuseum 31 45768 Marl
44791 Bochum
St. Jude Medical GmbH
MedArtis GmbH Marienbergstr. 82
Im Gansacker 10 90411 Nürnberg
79224 Umkrich
Stöckert
Medtronic GmbH Lindberghstr. 25
Am Seestern 3 80939 München
40547 Düsseldorf
Karl Storz GmbH & Co. KG
Mondeal Medical Systems GmbH Mittelstr. 8
Molkestr. 39 78532 Tuttlingen
78532 Tuttlingen
Stryker Howmedica GmbH
oeka medizintechnik GmbH & Co. KG Gewerbe-Allee 17
Dellwendung 3 45478 Mülheim
28844 Weyhe
Stryker GmbH & Co. KG
Olympus Deutschland GmbH Dr.-Homer-Stryker-Platz 1
Kühnstr. 61 47228 Duisburg
22045 Hamburg
Synthes GmbH & Co. KG
Ohmeda Im Kirchenhürstle 4–6
GE Healthcare 79224 Umkirch
Oskar-Schlemmer-Str. 11
80807 München Teleflex Medical Tuttlingen GmbH
Gänsäcker 36
Ortho-Aktiv 78532 Tuttlingen
s. Smith & Nephew
Terumo Europe
Panoview Siemensstr. 1
Postbus 297 46325 Borken
2700 AG Zoetermeer
Niederlande Ulrich GmbH & Co. KG
Buchbrunnenweg 12
Dr. Osypka GmbH Medizintechnik 89081 Ulm
Gottlieb-Daimler-Str. 5
79618 Rheinfelden-Herten
716 Herstellerverzeichnis

WISAP GmbH
Rudolf Diesel Ring 20
82054 Sauerland

Richard Wolf GmbH


Pforzheimer Str. 32
75438 Knittlingen

Zeppelin Medical Instruments Ltd.


Gartenstr. 17
82049 Pullach
Stichwortverzeichnis

M. Liehn et al.(Hrsg.), OP-Handbuch, DOI 10.1007/978-3-642-16845-1,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
720 Stichwortverzeichnis

A – Neurochirurgie 516, 528


– retrograde 288
– A. hepatica communis 619
– A. iliaca 279
Abdeckung Angiom, zerebrales 525, 527 – A. iliaca externa 295
– Brandverletzung 683 Anomalie – A. iliaca interna 105
– Material 7 – angeborene (Kinderchirurgie) 585 – A. mammaria 344
– Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 550 – anorektale 610 – A. mesenterica inferior 105, 302
– Neurochirurgie 508 Anorektoplastik 613 – A. mesenterica superior 105
– Ophthalmologie 667 Anti-Trendelenburg-Lagerung 6, 141, 156, – A. ovarica 383, 385
Abkürzungen 692 280, 310, 451 – A. poplitea 296
Ablatio testis 453 Antirefluxplastik – A. profunda femoris 295
Abortkürettage 392 – extravesikale 472 – A. pulmonalis 354, 377
Abrasio 392 – transvesikale 472 – A. thyreoidea inferior 46
– fraktionierte 392 Anuloplastiering 359 – A. thyreoidea superior 46
Abszess Anus praeternaturalis Arteriosklerose 266
– epiduraler 529, 538 – doppelläufiger 114 Arteriotomie 281, 291
– Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 561 – endständiger 115 Arthrodese
Abziehnadel 19 – Rückverlagerung 115 – Handgelenk 262
ACG (Akromioklavikulargelenk) 205 AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese- – OSG (oberes Sprunggelenk) 236, 237
ACVB (aortokoronarer Venenbypass) 342 fragen) 164 – PIP-Gelenk (proximales Interphalangeal-
Adenotomie 566, 572 Aorta gelenk) 242
Adhäsiolyse, laparoskopische 147 – abdominalis 301 Arthrose, Handgelenk 261
Adipositaschirurgie 152 – ascendens 302, 339, 350, 361 Arthroskopie
Adnexe 407 – descendens 302, 361, 363 – Handgelenk 258, 260
Adnexexstirpation 418 – thorakale 289 – Knie 225, 226
Adrenalektomie Aortenaneurysma 361 Aryknorpel 573
– laparoskopische 149 Aortenbogen 302, 363 Astrozytom 518
– retroperitoneale 150 Aortenisthmusstenose 368 Atresie 603
– transperitoneale 149 Aortenklappe 348 Augapfel 666
AdVance-Band 484 – gestentete 349 Auge (7 auch Ophthalmologie)
Adventitia 282 – Homograft 349 – Anatomie 666
Aganglionose 606, 614 – Materialien 349 – Hornhautspende 690
Agenesie, anorektale 611 – Rekonstruktion 350 – Jochbeinfraktur 558
Akromioklavikulargelenk (ACG) 205 Aortenklappenersatz 352 – Operationen 667, 670
Akustikusneurinom 519 Aortenklappenstenose 349 Augeninnendruck 673
Alveolarfortsatz 553 Aortenklemme 302 Augentropfen 669
Amnion Aortenrohrprothese 351 AV-Block 374
– Amnionflüssigkeit 625 Aortenwurzelkatheter 339 AV-Fistel 315
– Omphalozele 623 Aortotomie 354 AV-Shunt 312
Amputation 305 Apex prostatae 460
Analfissur 129
Analkarzinom 121
Aphasie
– Hirntumor 518
B
Anastomose – motorische 503 Ballonkyphoplastie 544
– Anlage, laparoskopische 152 – sensorische 502 Ballonpumpe, intraaortale 376
– biliodigestive 98, 619 Apoplex 281, 525, 529 Bänderausriss 254
– Instrumentarium 43 Appendektomie 103 Bandruptur 253
– Insuffizienz 121 – laparoskopische 143 Bandscheibe 199
– Krückstockanastomose 76 Appendix 102 – Anatomie 505
– Stapler 118 Appendizitis 102 – Erkrankungen 538
Aneurysma 268 Approximator 253 – Instrumentarium 510
– Clipping 510, 526 Arachnitis spinalis 538 – Vorfall 538, 540
– Coiling 526 Arachnoidea 503 Barrett-Ösophagus 62
– dissecans 283 Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese- Bartholin-Abszess 391
– infrarenales 301 fragen (AO) 164 Bauchaorta 290
– intrakranielles 516, 525 ARM (Malformation, anorektale) 612 Bauchdeckenrahmen, Kirschner 41
– pararenales 301 Arnold-Chiari-Malformation 650 Bauchspeicheldrüse 7 Pankreas
– spurium 283 Arterie 266 Bauchwanddefekt 625, 646
– suprarenales 301 – A. carotis 285 Bauhin-Klappe 100
– verum 283 – A. cerebri media. 527 Beach-Chair-Lagerung 386
Aneurysmablutung, intrakranielle 525 – A. femoralis 280, 354 Beckenboden 127
Aneurysmawand 302 – A. femoralis communis 287 Beckenbodenchirurgie 388
Aneurysmektomie 347 – A. femoralis superficialis 281, 295 Beckenfraktur 203
Angina pectoris 281 – A. gastrica dextra 66 Beckenkammspan 555
Angiographie 278 – A. gastrica sinistra 66 Beckenvenenthrombose 373
Stichwortverzeichnis
721 A–D

Beinahe-Ereignis 13 Bypass 275, 282 Descensus genitalis 397


Belastungsinkontinenz 402, 478 – axillofemoraler 299 Deutsche Stiftung Organtransplantation
Bergesack 144 – Bypassoperation 372 (DSO) 688
Beschneidung 639 – in situ 298 DHS (dynamische Hüftschraube) 186, 210
β-HCG 414 Diagnoseschlüssel 11
Beugesehnentrauma 252
Billroth I 70
C Dialyse 312
Diamantmesser 554
Billroth II 72, 100 Carbontisch 279 Diaphanoskopie 101, 630
Bilobektomie 327 Cardiac Index 586 Diaphyse 162
Bissanomalie 561 Carotisshunt 294 Diastole 376
Bizepssehne 231 Cauda equina 499 Dickdarm 105
Blase 435, 467 Cavum Retzii 404, 458 Dickdarmpassagestörung 606
– Reizblase 388, 404 Cerclage 394 Dilatation 283, 285
– Schrittmacher 405 Cerclagedraht 173, 209, 222 Dilatationskatheter 286
– Tumor 434 Charrière 24, 430 Discus intervertebralis
Blasen-Scheiden-Fistel 480 Chemotherapie, Shuntchirurgie 313 – Anatomie 505
Blasenekstrophie 646 Chipkamera 135 – Erkrankungen 538
Blasenersatzplastik 477 Cholangiographie 83, 619 – Instrumentarium 510
Blasenhals 467 Choledochusrevision 83 – Vorfall 538, 540
Blasenkarzinom 468 Cholelithiasis 81 Dissektion 277
Blasenkatheter, suprapubischer 425 Cholesteatom 580 Dissektionszange 139
Blasenperitoneum 408 Cholezystektomie Dissektor 281
Blasensteine 456, 468 – klassische 81 Divertikel 121
Blasenverschluss 648 – laparoskopische 81, 141 Divertikulitis 121
Bleischürze 168 Chordektomie 642, 644 Divertikulose 121
Blinddarm 7 Appendix Circulus arteriosus Willisii 294, 505, 525 DJ-Schiene 438, 439
Blow-out-fracture 579 CIRS (Critical Incident Reporting System) Dokumentation
Blutleere 168, 246 13 – ärztliche 10
Blutsperre 168 Clipapplikator 138 – elektronische 9
Blutvolumen, Kind 584 Clipzange 137 – Grundlagen 8
Boari-Plastik 471, 473 CO2 7 Kohlendioxid – Lagerung 5
Bochdalek-Hernie 593 Colitis ulcerosa 114, 123 – Organentnahme zur Transplantation
Bohrbüchse 177 Colon transversum, Resektion 110 690
Bohrer 175 Computertomographie, Neurochirurgie – Systeme 9
Bohrlochtrepanation 535, 536 516 Doppel-J-Schiene 430, 438, 439
Bohrmaschine 173 Contour-Stapler 45 Dopplersonographie 513
Botox 405 Critical Incident Reporting System (CIRS) Douglas-Raum 395, 417
– Harnblase 388 13 Drahtextension 165
BPH (benigne Prostatahyperplasie) 428, Cross-Match-Test 690 Drainage 24
431, 456 CT, Neurochirurgie 516 – Formen 24
Brachialgie 541 – Komplikationen 28
Brandverletzung 680
– Operationen 683
D – Kurzzeitdrainage 24
– Materialien 24
– Schweregrade 680 Dakryozystorhinostomie 671 Dranginkontinenz 405
– Verlauf 685 Darmklemme 41 Drehschwindel 541
Braun-Fußpunktanastomose 72, 100 Darmwandnekrose 616 Drittelrohrplatte 180
Bronchialsystem 326 Datenschutzgesetz 10 DSO (Deutsche Stiftung Organtransplanta-
Bronchoskopie 323, 329 Dauerspülkatheter 435, 458 tion) 688
Bronchus 326 Daumendistorsion 250 Ductus arteriosus Botalli 368, 591
Bronchusstumpf 327 Da Vinci-System 463 Ductus choledochus 81, 621
Bruchinhalt 627 Da Vinci-Trokar 465 Ductus cysticus 80
Bruchpforte 627 DCP (dynamic compression plate) 177, 179 Ductus deferens 425, 448, 636
Bruchpfortenverschluss 52 Debranching 305 Ductus hepaticus communis 81
– Bassini, Verfahren nach 53 Débridement, Brandverletzung 681, 685 Ductus nasolacrimalis 671
– Lichtenstein, Verfahren nach 54 Defibrillator 375 Ductus Wirsungianus 94
– Shouldice, Verfahren nach 53 Dekortikation 330 Dünndarmresektion 101
Bruchsack 627 Dekubitusprophylaxe 5 Duodenalblindverschluss 72
Brustdrüse 7 Mamma 419 Demers-Katheter 312 Duodenalstumpf 71
Bülau-Drainage 26 Denonvillier-Faszie 460 Duodeno-Duodenostomie 604
– Wasserschloss 27 de Quervain, Tendovaginitis 257 Duodeno-Pankreatektomie 96
Bulbusextraktion 677 Dermatom 682, 683 Duodenotomie 603
Bulkamid 404 Dermoid 520 Duokopfendoprothese 187, 217
Burch-Operation 403 Desobliteration 281 Dupuytren-Erkrankung 254
722 Stichwortverzeichnis

Dura 513
– Eröffnung 515
F Gastroskop 601
Gastrostoma 590
– Ersatz 523 Faden 7 Nahtmaterial Gaumenmandel 572
– Erweiterungsplastik 535 Fadenanker 207 Gebärmutter 7 Uterus
– Verletzung 532 Fascia transversalis 52 Gefäßchirurgie 266
Durahäkchen 508 Fast-track-Therapie, Darmoperation 108 – Aneurysma 525
Durchleuchtungstisch 277 Femoralhernie 55 – Arterien 280
dynamic compression plate (DCP) 177, 179 Femoralisgabel 288 – Dilatation, intraluminale 285
Dynamisierung 198 Femurraspel 216 – Instrumentarium 269
Fersenbein 237 – Lagerung 277
E Fibrinkleber 511
Fibroadenom 420
– Missbildung, intrakranielle 525
– Venen 307
Easy-flow-Drainage 27 Fimbrie 407 – Zugangsweg 277
Echinococcus granulosus 87 Fingerglieder 243 Gefäßerkrankung 266
Echinococcus multilocularis 87 Fistel Gefäßprothese 276, 362
ECMO (extrakorporale Membran- – arteriovenöse 314 Gegenpulsation, intraaortale 376
oxygenierung) 595 – bronchopleurale 322 Gehirn (7 auch Hirn)
EEG 517 – perianale 131 – Apoplex 281, 529
Eichel 428 Fixateur – Anatomie 498
Eierstöcke 382 – externe 166, 182, 189 – Neurochirurgie 507
Eileiter 383 – Hybridfixateur 191 – OP-Instrumentarium 508
Eileiterschwangerschaft 383, 414 – intelligenter 198 – Ventrikelsystem 529
Einzelclipstapler 45 – interne 182, 202 Gehirnschlag 281, 525, 529
Eisenmenger-Reaktion 365 Fixation, intermaxilläre 556 Gehörknöchelchen 565
EKZ (extrakorporale Zirkulation) 338 Flachmeißel 171 Gelmatte 4
Elektroenzephalographie 517 Flachzange 172 Genitaldeszensus 396
Elektromyographie 517 Flankenlagerung 487 Genitale
Elektroneurographie 517 Flankenschnitt 488 – Frau 382
Elektrotrauma 685 Foramen jugulare 578 – Mann 427
Elevatorium 170 Foramen ovale 365 Gerota-Kapsel 633
Elle 243 Foramen Winslowii 82 Gerstenkorn 670
Embolektomie 292 Foraminotomie 542 Geschlechtsorgane 7 Genitale
Embolektomiekatheter 292 Formalin 4 Gesicht
Embolie 284 Fraktur 163 – Orbitabodenfraktur 579
EMG 517 – Ermüdungsfraktur 164 – Weichteiltrauma 560
Endokarditis 349 – Jochbein 558 Gesichtschirurgie 550
Endometriose 407 – kindliche 164 Gesichtsschädel 557
Endometrium 384 – Mittelgesicht 557 Gewebefasszange 139
Endoprothetik 187 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) Gewebespende 690
Endostapler 139 555 Gewindeschneider 175
ENS (Elektroneurographie) 517 – pathologische 164 Gilchrist-Bandage 207
Enteritis regionalis Crohn 122 – traumatische 164 Glandula submandibularis 561
Enterokolitis, nekrotisierende (NEC) Früh-/ Frenulum 428, 640 Glans penis 639
Neugeborenes 615 Frenulumplastik 640 Glaskörper 675
Enterotomie 100, 605 Frühgeborenes 584 Glaukom 673
Enthaarung, präoperative 7 – Gastroschisis 625 – Anfall 673
Enucleatio bulbi 668 Fundoplicatio 62 – Implantat 674
Enzephalitis, SHT 532 – laparoskopische 153 Gleithernie 51
Ependymom 519 Funikulozele 627 Glioblastoma multiforme 518
Epidermoid 520 Fußdeformität 238 Gliom 518, 521
Epiduralabszess 529 – Exstirpation 523
Epiglottis 564
Epilepsie 518
G Glisson-Kapsel 91
grauer Star 672
Epiphyse 162 Gallenblasenfasszange 42 Großhirnrinde 498
Epithelkörperchen 46 Gallengangatresie 618 Großzehengrundgelenk 239
Ersatzmagenbildung 76 Gallenstein 81 Grundinstrumentarium 21
Etappenlavage 125, 133 Gammanagel 186 grüner Star 673
EUG (Extrauteringravidität) 411, 414 Ganglion 258 Grünholzfraktur 209
Extension 165 Gasinsufflation 136 Gynäkologie 382
Extensionstisch 167, 210, 232 Gastrektomie 74 – Mammachirurgie 418
Externusaponeurose 52 gastric banding 152
extrapyramidal motorisches System 501 Gastroenterostomie 73
Extrauteringravidität 411, 414 Gastroschisis 625
Stichwortverzeichnis
723 D–I

H Hemikolektomie
– laparoskopische 155
– Torsion 638
– Tumor 453, 454, 455, 635
Haarentfernung, präoperative 7 – links 112 Hohlmeißel 170
Haken 23 – rechts 108 Hohlschaftinstrument 140
Hakenelektrode 138 Heparin 275 Homunkulus 501
Hallux rigidus 241 Hepato-Jejunostomie 621 Hornhaut
Hallux valgus 238 Hepato-Porto-Jejunostomie 619 – Abrasio 671
Hals Hernie 51 – Organspende 690
– Anatomie 564 – epigastrische 57 – Transplantation 671
– Neck-Dissection 577 – Femoralhernie 55 HTX (Herztransplantation) 378
– OP-Instrumentarium 566 – Hiatushernie 61, 152 Hüftschraube, dynamische (DHS) 186, 210
– Operationen 568 – Narbenhernie 57 Humerusfraktur 208
– Untersuchung 566 – Zwerchfell 592 Humeruskopf 207
Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie 564, 572 Hernienchirurgie 52 Hybrid-Aneurysmektomie 364
Halslymphknotenausräumung 577 – Hernioplastik, laparoskopische 144 Hybridfixateur 191
Halswirbelsäule 507, 542 – Herniotomie, Kind 629 Hybridoperation 284, 304
Hämangiom 86 Herz (7 auch Kardiochirurgie) Hybridprothese 189
Hämatom – Ischämiezeit 689 Hydramnion 603
– epidurales 533 – Reflex, okulokardialer 669 Hydrozele 450, 627
– subdurales 534 – Spenderorgan (Ablauf der Entnahme) 688 Hydrozephalus 503, 514, 519, 649, 656
Hämodialyse 312 – Transplantation 378 Hygienerichtlinien 2
Hämorrhoidektomie Herz-Lungen-Maschine (HLM) 338 Hyperplasie, fokal noduläre 86
– Ferguson, Verfahren nach 128 – Aortenbogen 302 Hyperthyreose 47
– Milligan-Morgan, Verfahren nach Herzchirurgie 338 Hypopharynx 564
128 Herzkammer 356 Hypophysektomie, transnasale 521
– Parks, Verfahren nach 128 Herzklappe 349 Hypophysenadenom 520, 521
Hämorrhoiden 128 – alloplastische 351 Hypospadie 639, 641
Hämostyptikum 80 – biologische 351 – Hypospadieplastik 645
– resorbierbares 511 – Materialien 349 Hypothalamus 499
Handchirurgie 242 Herzklappeninsuffizienz 348 Hypothermie 338, 363
Handflächenregel 680 Herzklappenprothese 350 – Brandverletzung 683
Handtisch 246 Herzklappenstenose 348 Hysterektomie 398
Handwurzel 243 Herzrhythmusstörung 374 – abdominale 407
Harnableitung 442, 468 Herzschrittmacher 374, 375 – laparoskopische 413
– kontinente 477 Herztransplantation 378 – suprazervikale 414
– suprapubische 438 – Organentnahme 688 – vaginale 394, 398
– supravesikale 476 – Spenderorgan (Ablauf der Entnahme) 688 Hysterektomieklemme 388
Harnblasenkatheter 442 HF-Chirurgie, monopolare/bipolare Hysteroskopie 392
Harnblasensteine 456, 468 Anwendung 8
Harninkontinenz 402, 405, 467
– Frau 402, 478
Hiatushernie 61, 152, 593
Hilus renalis 424
I
– Mann 481 Hirn (7 auch Gehirn) Ileoaszendopexie 600
– Sphinkter, artifizieller 483 Hirnblutung 651 Ileostoma, laparoskopische Anlage 154
Harnleiter 425, 436, 470 Hirninfarkt 525 Ileozäkalklappe 100
– Antirefluxplastik 471 Hirnkompression 535 Ileozäkalresektion 123
– Freilegung 474 Hirnnerven 499 Ileumkonduit 476
– Ruptur 475 – Trigeminusneuralgie 528 Ileus 125, 600
Harnleiterenge 488 Hirnödem 533 Implantate 173
Harnleitersteine 474 Hirnschlag 281 Infektion
Harnröhre 426, 441 Hirnschlauch 652 – Brandverletzung 681
Harnröhrenplastik 484 Hirnschwellung 532 – lokale 31
Harnwegsinfekt 468 Hirnspatel 510 – Neurochirurgie 529
Hartgaumenverschluss 555 Hirntod 688 – nosokomiale 31
Hartmann, Verfahren nach 116 Hirntumor 516 – systemische 34
– laparoskopisch 159 Hirnventrikel 499 Inkarzeration 51, 627
Haut, Sensibilitätsstörung 501 Hirnwatte 513 Inkontinenz
Hautdefekt 262 HLM (Herz-Lungen-Maschine) 228 – Fehlbildung, anoraktale 605, 615
Hautersatz 684 – Aortenbogen 302 – Urin (7 auch Harninkontinenz) 402, 405,
– Verbrennung 681 HNO-Chirurgie 564, 572 467, 478, 481
Hebedefekt (Spalthautentnahme) 682 Hochfrequenzchirurgie (HF-Chirurgie) 8 Innenohr 565
Hegar-Uterusdilatator 390 Hoden 427, 450, 634 Instrumentarium
Helicobacter pylori 67 – Biopsie 454 – Kinderchirurgie 587
Hemihepatektomie, rechts 89 – Freilegung 450 – Werkstoffe 21
724 Stichwortverzeichnis

Instrumentenkopffasszange 45 Kleinhirn 499 Küntscher-Nagel 185


Instrumentiertisch 515 Kleinkind 584 Kürettage 392
Insult, zerebraler 7 Apoplex Klemme 23 Kürette 392
Interkostalschnitt 488 Kloakenfehlbildung 612 Kurzzeitdrainage 24
Interponat 275, 282 Knieendoprothese 227 Kyphoskoliose 596
Intima 266, 361 Kniegelenk 221
Intraokularlinse 668
Iridektomie 673
Kniescheibe 222
Knochenanker 253
L
Ischämiezeit (Organspende) 689 Knochenbruch 7 Fraktur Lagerung 4
Ischialgie 538 Knochenmetastase 544 – Beach-Chair-Lagerung 386
Isthmus 48 Knochenwachs 534 – Brandverletzung 683
Knochenzement 168, 201, 217 – Dokumentation 5
J – Schädeldachplastik 536
Koagulation, monopolare 135
– Flankenlagerung 487
– Gefäßchirurgie 277
Jackson-Pratt-Drainage 27 Kocher-Kragenschnitt 38, 49 – Gynäkologie 386
Jammerecke 72 Kocher-Manöver 69, 77 – Kind 585
Jejunumtransplantat 559 Kohlendioxid 134 – Lagerungshilfen 5
Jochbein 558 – CO2-Insufflator 134 – minimal-invasive Chirurgie (MIC) 6, 140
Jugulum 321 Kolon 105 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 550
– Resektion, laparoskopische 155 – Neurochirurgie 508
K Kolonkarzinom 107
Kolonkonduit 476
– Organentnahme zur Transplantation 689
– Rückenlage 386
Kahnbein, Fraktur 248 Koloskopie 107 – Steinschnittlagerung 387
Kaiserschnitt 409 Kolostoma, laparoskopische Anlage 154 – Traumachirurgie 167
Kalottendefekt 536 Kolpoperineorrhaphie 399 – Wärmeverlust 584
Kaltlichtkabel 135 Kolporrhaphie 398 Lagerungshilfsmittel 140
Kalzitonin 162 Kolposakropexie 400 Lagerungsschäden 4
Kardiochirurgie 338 Kolposuspensionsoperation, Technik nach Lähmung
– Zugangsweg 340 Burch 403, 480 – schlaffe 545
Kardioplegie 351 Kolpotomie, hintere/vordere 395 – spastische 545
Karotisdesobliteration 278 Kompartmentsyndrom 164 Laminektomie 200, 541, 542
Karpaltunnelsyndrom 255, 546 Kompression (Frakturversorgung) 178 – Instrumentarium 508, 510
Karzinom, intraorales 559 – dynamische 165 Langer-Linien 421
Kastration 453 – interfragmentäre 165, 166 Langerhans-Inselzellen 94
Katarakt 672 – statische 165 Längslaparotomie, mediane 39
Kataraktextraktion 673 Konduit 476 Laparoschisis 625
Kaudasyndrom 539 Koniotomie 568, 576 Laparoskopie 134
Kehlkopf Konisation 393 Lappenplastik 262
– Anatomie 564 Kontrastmittel 275 Laryngektomie 574, 578
– Laryngoskopie, Stützautoskopie 573 Kopfraumfräser 174 Laryngoskop 567, 573
– Untersuchung 566 Kopfschwarte 529 Larynx 578
Keimzelltumor 661 Kornea 7 Hornhaut Latex, Drainage 24
Keratoplastik 671 Kornzange 23 latexfrei 585
Kernspintomographie 516 Koronarchirurgie 342 Leber
Kieferdefekt 555 Körperkreislauf 266 – Ischämiezeit 689
Kieferhöhle 557 Körpertemperatur – Resektion 86, 89
Kieferorthopädie 552, 561 – Kind 584, 586 – Revision 88
Kind(erchirurgie) 585 – Wärmeverlust 584 – Spenderorgan (Ablauf der Entnahme)
– Blutvolumen 584 Korpuskarzinom 408 688
– Instrumentarium 587 Kortikalis 163 – Spenderorgan (Präparation) 92
– Kieferorthopädie 552, 561 Kortikalisschraube 173 – Transplantation 91
– Kleinkind 584 Kraftträger – Verletzung 88
– Körpertemperatur 584, 586 – extramedullär 165 Leberhilus 86
– Lagerung 585 – intramedullär 165 Lebermetastase 87
– Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte 552 Krampfadern 307 Lebersegmentspende 91
– Liquor 650 Kraniotom 508, 509, 523 Lebertransplantation 91
– pädiatrische Chirurgie 584 Kraniotomieinstrumentarium 508 – Organentnahme 688
– physiologische Grundlagen 584, 586 Krebs 7 Tumorchirurgie – orthotope 91
– Zugang 585 Kreuzband 226, 228 – Spenderorgan (Präparation) 92
Kirschner-Draht 172, 197 – Ruptur 223 Leberzelladenom 86
Klammernahtinstrument 7 Stapler Krückstockanastomose 76 Leberzellkarzinom 87
Klappenprothese 356 Kryokoagulation 674 Le Fort 557
Klavikulaplatte 180 Kryptorchismus 634 Leistenbruch 627
Stichwortverzeichnis
725 I–M

Leistenhernie 52
Leistenhoden 634
M MIC 7 minimal-invasive Chirurgie
MIC-Turm 492
– Hodentorsion 638 Magenausgang 597 Mikroinstrumentarium 507, 511
Leistenkanal 52, 627 Magenausgangsstenose 68 Mikroskop 514
LESS (laparo-endoscopic single-site surgery) Magenkarzinom 74 – Ophthalmologie 668
134 Magenklemme 41 Miktion (7 auch Harnblase)
less invasive stabilisation system (LISS) 182 Magenresektion 69 – Blasenersatzplastik 477
Leukoplakie 573 – laparoskopische 151 – Hypospadie 642
Lidsperrer 667 Magnetresonanztomographie 516 – Inkontinenz Frau 402, 467, 478
Ligament Mainz-Pouch 649 – Inkontinenz Mann 467, 481
– Lig. cardinale 383, 396 Maldeszensus 635 – Mann 447
– Lig. conicum 577 Malformation, anorektale 612 Milligan-Morgan 128
– Lig. infundibulopelvicum 383 Malleolarschraube 176 Milz
– Lig. latum 384 Mammachirurgie 418 – Erhalt 79
– Lig. ovarii proprium 383 – ablative 421 – Resektion, partielle 80
– Lig. patellae 222 – brusterhaltende 421 – Ruptur 148
– Lig. rotundum 383 – Lagerung 387 minimal-invasive Chirurgie (MIC) 134
– Lig. sacrouterina 383, 395, 396 Mammakarzinom 419, 421 – Adhäsiolyse 147
– Lig. teres uteri 396 Mammographie 420 – Adnexe 414
Linea alba 386 Marknagel(ung) 184, 212, 218, 220 – Adrenalektomie 149
Linea dentata 126 – aufgebohrter 185 – Anus praeter/Ileostoma 154
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte 552 – unaufgebohrter 185 – Appendektomie 143
Lippenspalte 554 Markraumbohrer 219 – Cholezystektomie 141
Liquor 650, 652 Marsupialisation 391 – Gynäkologie 388, 411, 414
– cerebrospinalis 503 Mastektomie 422 – Handgelenk 260
– Druck 650, 654 Materialentfernung (Frakturversorgung) – Hernioplastik 144
– Produktion 650 184 – Instrumentarium 134
– Untersuchung 517 McBurney 102 – Kinderchirurgie 585
Liquorfistel 522, 532 Meatotomie 643 – Knie 224, 225
Liquorrhö 557 Meatusstenose 642 – Kolonchirurgie 155
LISS (less invasive stabilisation system) 182 Meckel-Divertikel 100, 104, 600 – Lagerung 6, 140
LKG-Spalte 552 Media 266 – Magenchirurgie 150
Lobektomie 326, 327 Mediastinoskopie 332 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 560
Lobus pyramidalis 46 Mediastinotomie – Nahtmaterial, laparoskopisches 20
Loge de Guyon 256 – anteriore 333 – Nierenoperation 492
LTX (Lebertransplantation) 91 – kollare 333 – Ovarien 417
Luer 170 – posteriore 333 – Prostatektomie 461
Luftröhrenschnitt 568, 573 – superiore 333 – Rektumchirurgie 158
Lumbago 538 Mediastinum 318, 321, 332 – Schulter 206
Lunge 324 Medizin Produkte Gesetz (MPG) 134, 276 – Splenektomie 148
– Ischämiezeit 689 – EKG-Gerät 8 – Uterus 400, 412
Lungenembolie 269, 285, 373, 374 Medulla oblongata 499 – video-assisted thoracoscopic surgery
Lungenemphysem 329 Medulloblastom 519 (VATS) 331
Lungenfasszange 41 Megakolon 607 – Zugang 134
Lungenflügel 318 Mekonium 604 Miosis 667
Lungenkeilresektion 324 – Abgang 603, 607 Mitralklappe 357
Lungenkreislauf 266 Membranoxygenisation, extrakorporale Mitralklappeninsuffizienz 357
Lungenlappen 327 (ECMO) 595 Mitralklappenstenose 357
Lungenparenchym 319, 323 Meningen 505 Mittelgesicht 550, 555
Lungenstrombahn 592 Meningeom 519 Mittelhand 243
Lungenvenen 367 Meningitis 529 Mittelhandfraktur 250
Lupenbrille 587 – Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 532 Mittelhandknochen 243
Lymphadenektomie Meningomyelozele 655 Mittelohr 565, 580
– axilläre 422 Meningozele 655 MKG 7 Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
– Blasenkarzinom 469 Meniskusrefixation 225 Morbus Basedow 47
– Hodentumor 455 Metaphyse 162 Morcellement 394, 414
– Prostatakarzinom 459 Metastase, Neurochirurgie 520 Morgagni-Hernie 593
Lymphgefäß 266 Metatarsale 238 MPG (Medizin Produkte Gesetz) 134, 276
Lymphknoten 106 Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – EKG-Gerät 8
– axilläre 419 (MRSA) 35 MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus
– Sentinel 420 Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) 35
epidermis (MRSE) 36 MRSE (Methicillin-resistenter Staphylococcus
Metric (Nahtmaterial) 15 epidermis) 36
726 Stichwortverzeichnis

MRT 516 Nasenbeinfraktur 579 Netzimplantation


Mukoviszidose 604 Nasenmuschel 579 – totale extraperitoneale 145
Multiorganentnahme 688 Nasennebenhöhle 565 – transabdominale präperitoneale 145
Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie (MKG) 550 Nasenscheidewand 578 Neugeborenenileus 604
– Fraktur 555 Nasenspekulum 521, 568 Neugeborenes
– Kieferorthopädie 552, 561 Nasopharynx 564 – Liquor 650
– Nervenläsion 561 Nassrasur 7 – Spina bifida 655
– Spaltbildung 552 Nebenhoden 427, 634, 636 Neurinom 519, 546
– Weichteiltrauma 560 Nebenniere 149, 490 Neuroblast 606
Mundschleimhaut, Ersatz bei Harnröhren- NEC (Enterokolitis, nekrotisierende), Früh-/ Neurochirurgie 507
plastik 486 Neugeborenes 615 – Aneurysma 525
Mundsperrer 550, 567 Neck-Dissection 577, 578 – Diagnostik 516
Musikantenknochen 546 – Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie (MKG) – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG)
Muskel 559 561
– M. obliquus internus 629 – radikale/funktionelle/selektive modifzierte Neurolyse 546, 547
– M. pectoralis 559 577 Neuromodulation, sakrale 405
– M. puborectalis 610 Nekrose 305 Neuromonitoring 49
– M. sphincter ani externus 127 – Abtragung 685 Neuronavigation 514
– M. sphincter ani internus 126, 607 Nélaton-Katheter 429 Neutralelektrode 8
Muskelstimulationsgerät 587 Neoblase 478 Neutralisationsplatte 236
Mydriasis 667 Neourethra 644 Niere 424
Myelo-CT 516 Nephrektomie – Spenderorgan 493, 494, 688
Myelomeningozele 655 – laparoskopische 492 – Transplantation 493
Myokutanlappen 559 – Technik 490 – Tumorniere 491
Myom 412 Nephrolithoplaxie 443 Nierenbecken 425, 442, 470, 487
Myombohrer 391 Nephroskop 444 Nierenbecken-Kelch-System 631
Myometrium 412 Nephrostomie, perkutane 442 Nierenbeckenabgangsstenose 487
Myotomie 599 Nephrostomiekatheter 445, 487 Nierenbeckenkarzinom 490
– anteriore 59 Nerv (7 auch Neurochirurgie) 498 Nierenbeckenplastik 487, 633
Myringoplastik 580 – N. alveolaris inferior 557 Nierenersatzverfahren, Shuntchirurgie 312
Myxom 372 – N. auricularis magnus 561 Nierenfistel 431, 443
– N. infraorbitalis 558 Niereninsuffizienz 471, 493
N – N. medianus 243
– N. peronaeus 387
Nierenparenchym 444
Nierenpolresektion 489
Nabelbruch 623 – N. radialis 245 Nierenruptur 490
Nabelgefäße 624 – N. recurrens 46, 564 Nierenstielklemme 490
Nabelhernie 56 – N. suralis 561 Nierentransplantation
Nadel – N. sympathicus 301 – Spenderorgan 493, 494, 688
– atraumatische 19 – N. trigeminus 528 – Organentnahme 688
– Beschaffenheit 18 – N. ulnaris 243, 256 – Transplantation 493
– Formen 19 – N. vagus 499 Nierentumor 488
Nadelhalter 24 – Hirnnerven 499 Nierenversagen 314
– laparoskopischer 139 – Naht 253, 546, 547, 561 NOTES (natural orifice translumenal
Nadel-Code 19 – peripherer 545 endoscopic surgery) 134
Nahtmaterial 14 – Schädigung 545 no touch isolation 108
– Fäden 16 – Spendernerv 253 NTX (Nierentransplantation) 493
– Fadenreißkraft 15 – Transplantation, autologe 353, 547 Nuck-Zyste 629
– Fadenstärke 15 – Trauma 252, 545
– Kinderchirurgie 585
– laparoskopisches 20
– Trigeminusneuralgie 528
Nervenkompressionssyndrom 255
O
– Nadelhalter 24 Nervennaht 253, 546, 547 Oberbauchquerschnitt 38
– Nadel-Code 19 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) 561 Ohr
– Nadeln 18 Nervensystem – Anatomie 565
– Resorbierbarkeit 17 – peripheres 498 – Operationen 568
– Verpackungskennzeichen 16 – vegetatives 507 – Parazentese 580
Narbenhernie 57 – zentrales 498 – Paukenerguss, chronischer 580
Narkoseuntersuchung 392 Nerventransplantation 253, 547 – Trommelfellperforation 580
Nase Nervenwurzelhaken 512 – Untersuchung 566
– Anatomie 565 Nervenzelle 498 Ohrmuschel 565
– Gips 579 Netzhaut Ohrtrichter 568
– Operationen 568 – Ablösung 674, 675 Okklusion 552, 555
– Septumkorrektur 578 – Anatomie 666 Okklusionskatheter 444
– Untersuchung 566 – Operationen 669, 674 Operationsindikation, absolute/relative 28
Stichwortverzeichnis
727 M–R

Operationsmikroskop 507 Panzerherz 372 Pneumothorax 324, 329


– Ophthalmologie 668 Papilla Vateri 94 Polyamidfaden 17
operationstechnischer Assistent (OTA) 3 Paragliom 519 Polyesterfaden 17
Ophthalmologie 666 Paramedianschnitt 39 Polypropylenfaden 17
OPSI-Syndrom 78 Parametrium 383 Polytetrafluorethylen 276
Optik 137 Paraphimose 640 Polytrauma 192
Orbitaboden 558, 580 Parasympathikus 507 Polyvinylchlorid 24, 429
– Fraktur 579 Parathormon 162 Portio 393
Orchidopexie 628 Parazentese 580 Portsystem 313
Orchiektomie 453, 459 Parazentesenadel 568 Porzellanaorta 356
Organ-Report (Organspende) 690 Parese 545 Potenziale, evozierte 517
Organfasszangen 41 Pars-plana-Vitrektomie 676 Pränataldiagnose 588
Organspende 688 Patch, Gefäßchirurgie 275 – Bauchwanddefekt 625
– Haut 681 Patientensicherheit 12 Präparation, laparoskopische 158
– Ischämiezeit 689 Paukenerguss, chronischer 580 Präparierschere 23
Organtransport 688 Paukenhöhle 580 Primärheilung 30
Oropharynx 564 Paukenröhrchen 580 Pringle-Manöver 89
OSG (oberes Sprunggelenk) 234 pAVK (periphere arterielle Verschluss- Processus vaginalis 627
Ösophago-Jejunostomie 76 krankheit) 266, 281 Profundaplastik 295, 297
Ösophagus 58 Peelpackung 15 Progesteron 418
– Speiseröhrenersatz 64 Penis Proktoskopie 107, 127
Ösophagusatresie 587 – Amputation 447 Promontorium 400
– Formen 588 – Anatomie 426, 428 Prostata 427, 456
– OP 590 – Anomalie 641 Prostataadenom 456
Ösophagusblindsack 589 – Schwellkörper 428 Prostatahyperplasie, benigne (BPH) 428,
Ösophagusexstirpation 63 Peniskarzinom 446 431, 456
– transmediastinale 63 Perforation 361 Prostatakapsel 458, 460
Ösophaguskarzinom 63 Perikard 328, 371 Prostatakarzinom 459, 464
– inoperables 65 Perikarditis 371 Prostataloge 435, 461
– Speiseröhrenersatz 64 periphere arterielle Verschlusskrankheit Prostatektomie 457, 460
Osteitis 198 (pAVK) 266, 281 – laparoskopische 461
Osteoklasten 162 peripheres Nervensystem 498 – radikale 459
Osteomyelitis 192 Peritonealdialyse 315 – roboterassistierte 464
Osteomyokutanlappen 560 Peritonealdrainage 617 Pseudarthrose 250
Osteoporose 167 Peritonealkatheter 654 PTFE (Teflon) 276
Osteosynthese(system) 165, 181, 252 Pfannenstiel-Schnitt 385, 458, 468, 473 Pupille 667
Osteotom 239 – Prostatektomie 458 – Erweiterung 533
Osteotomie 231, 240 Pfortader 85 PVC (Polyvinylchlorid) 24, 429
Osteozyten 162 Pfriem 220 Pyelographie 632
Ostium 436, 471 Pharynxplastik 578 Pyelonephritis 471
Östrogen 418 Phimose 445 Pyloromyotomie 597
OTA (operationstechnischer Assistent) 3 Phlebographie 310 – laparoskopische 599
Ovar 382, 383 Phlebothrombose 309 – Weber-Ramstedt 598
Ovarialkarzinom 417 Pigtail-Katheter 290, 442 Pyloroplastik 69
Ovarialtumor 417 Pinzette 21 – laparoskopische 151
Ovarialzyste, stielgedrehte 418 Placenta praevia 409 Pylorus 100
Ovarienfasszange 388 Plattenspanner 177 Pylorusstenose, hypertrophe 597
Overholt-Klemme 23 Platysma 564, 575 Pylorustumor 597
Oxytozin 384 Pleura Pyramidenbahn 501
– Schwangerschaftsabbruch 393 – parietalis 318
– visceralis 318
Q
P Pleurakuppe 594
Pleurektomie 330–332 Qualitätsmanagement
Pädiatrie 7 Kind(erchirurgie) Pleuropneumektomie 328 – Qualitätssicherung 9
Pancreas anulare 604 Plexusanästhesie 248 – Risikomanagement 13
Pankreas 94 Plexus Querschnittlähmung 537
– Ischämiezeit 689 – brachialis 245, 546 Querschnittsyndrom 200, 501
– Organentnahme zur Transplantation 689 – myentericus Auerbach 606
Pankreaskopfkarzinom 95
Pankreaspseudozyste 95
– Santorini 466
Plexuspapillom 519
R
Pankreasresektion 97 Pneumonektomie 327 Rachen
Pankreasschwanz 96 Pneumonie 327 – Anatomie 564
Pankreatitis 95 Pneumoperitoneum 6, 135, 157, 586 – Mandeln 572
728 Stichwortverzeichnis

Radiusfraktur 209 – physiologische Grundlagen 586 Sick-Sinus-Syndrom 374


Raspatorium 170 Schädel 503 Sigmadivertikulitis 122
Rasur, präoperative 7 Schädel-Hirn-Trauma 530 Sigmakarzinom 112
Redon-Drainage 27 Schädelbasis 503 Sigmaresektion 113
Reduzierkappe 138 Schädeldachplastik 536 – laparoskopisch assistierte 157
Reflux, gastroösophagealer 586 Schädeleröffnung 534 Sigmoidorektostomie 116
Refluxkrankheit 61 Schädelosteomyelitis 529 Silikon 24, 429
Refluxösophagitis 61 Schanz-Schraube 189, 198 SILS (single incision laparoskopic surgery) 134
Reiternaht 115 Scheidenplastik single port 134
Reizblase 388, 404 – hintere 397 Skalenussyndrom 546
Rekonstruktionsplatte 180 – vordere 397 Skalpell 21
Rektosigmoidektomie 608 Scheidenspekulum 388 Sklera 666
Rektoskopie 127 Scheidenverschluss 397 Sklerose 266
Rektozele 399 Schenkelhalsfraktur 209 Skrotum 427, 449, 450
Rektum 105, 116 Schenkelhalsschraube 186 – Hodenbiopsie 454
Rektumamputation 115, 118 Schenkelhernie 55 – Hodentumor 454
– laparoskopisch assistierte 160 Schere Sonnenuntergangsphänomen 651
Rektumblindsack 613 – bipolare 138 Sonographie 513
Rektumkarzinom 116 – laparoskopische 138 Spaltbildung 552
Rektumresektion 117 – Präparierschere 23 Spalthaut 263, 681
– laparoskopische 159 Schilddrüse 46 – Entnahme 683
Rektumschleimhautsaugbiopsie 607 Schilddrüsenkarzinom 48 – Transplantation 682, 684
Reperfusion 93 Schildknorpel 577 Speiche 243
– geschlossene 247 Schlaganfall 281, 525, 529 Speiseröhre 7 Ösophagus
Repositionszange 169 Schleudertrauma 541 Spendernerv 253
Resektoskop Schleuse 287 Spenderorgan
– doppelläufiges 431 Schlitzhammer 181 – Herz 379, 688
– einläufiges 431 Schnellschnittdiagnostik 3, 418 – Leber 91, 688
Restharnbildung 484 Schnittführung – Multiorganentnahme 688, 689
Rete testis 454 – Allgemeinchirurgie 38 – Niere 493, 494, 688
Retinopathie 675 – Viszeralchirurgie 38 Spermatozele 450
Ringfixateur 189 Schraube, exzentrische 178 Spermien 427
Ringknorpel 577 Schraubendreher 175 Sphinkter, artifizieller (Harninkontinenz) 483
Ringstripper 281, 295 Schraubenmessgerät 175 Sphinkterotomie 131
Rippenbogenrandschnitt 38, 79, 81, 90 Schulterluxation 207 Sphinkterspasmus 611
Rippenretraktor 322 Schwangerschaft Spina bifida 655
Rippensperrer 318 – Abbruch 392 Spinalkanal 507, 536
Risikomanagement 12, 13 – Extrauteringravidität 414 Spinalnervenwurzeln 499
Robinson-Drainage 26 – Sectio caesarea 409 Spinalstenose 543
Roboterarme 464 – Zervixinsuffizienz 394 Spiralbohrer 174
Roboterinstrumente 465 Schwellkörper (Penis) 447 Spitzzange 172
Rochard 41 Schwindel, vertebragener 541 Splenektomie 78
Rochard-Bügel 279 Sectio caesarea 409 – laparoskopische 148
Röder-Schlinge 144 Seed-Implantation 464 Spongiosa 163
Röhrenknochen 162 Segmentresektion 325 – Entnahme 203, 204
Rohrfixateur 166 Sehfähigkeit 667 Spongiosaschraube 175
Röntgenverordnung 167 Sehnenscheide, Trauma 252 Sprachstörung 502
Rotatorenmanschette 206 Sehnerv 502 Sprechentwicklung 555
Rückenlage 386 Seitenband 223 Sprechkanüle 575
Rückenmark 200, 499, 537 Seitenschneider 172 Sprungbein 237
Sekundärheilung 30 Sprunggelenk, oberes (OSG) 234
S Seldinger, Technik nach 287
Semikastration 453
Spüldrainage 26
Stapler 41, 118
Saalassistenz 3 Sensibilitätsstörung 501 – Contour-Stapler 45
SAB (Subarachnoidalblutung) 525 Sesambein 241 – Einzelclipstapler 45
Salpingektomie 415 Shaldon-Katheter 312 – intraluminaler 43
Salpingotomie 417 SHT (Schädel-Hirn-Trauma) 530 – Krückstockanastomose 76
Samenblasen 461 Shunt 293 – linearer 41
Samenleiter 425, 449 – Nierenersatzverfahren 312 Staplerhämorrhoidopexie 128
Samenstrang 427, 629, 636 – peritoneovenöser 315 – Longo, Verfahren nach 130
Saugkürettage 392 – ventrikuloatrialer 653 Star
Säugling – ventrikuloperitonealer 519, 524, 653 – grauer 672
– Liquor 650 Shuntinfektion 654 – grüner 673
Stichwortverzeichnis
729 R–T

Starkstromverletzung 685 Teratom 662 Tränenwegsystem 670


Steinmann-Nagel 189 Testosteron 427 transitorische ischämische Attacke (TIA) 281
Steinschnittlage(rung) 116, 387, 434 Tetanus 34 Transplantation
Steißbeinresektion 663 Thalamus 499 – Haut 262
Steißbeinteratom 661 Thorakotomie 320 – Herz 378
Stenose 603 – anterolaterale 320 – Hornhaut 671
Stent 285, 288, 431 – linksanteriore 342 – Hornhautspende 690
Stentprothese 284, 289 – linksanterolaterale 342 – Ischämiezeit 689
Sterilisierung, post partum 416 – Ösophagusatresie 589 – Leber 91, 92, 688
Sternotomie 39, 305, 344, 351 – posterolaterale 320 – Multiorganentnahme 689
– mediane 321, 340 – rechtsanteriore 342 – Niere 493
– partielle 342 Thoraskopie, videoassistierte (VATS) 324, – Organtransport 688
– superiore 340 330, 331 – Spalthaut 684
Sternumsäge 303 Thorax 318 – Transplantationsgesetz 688
Stimmband 564 Thoraxchirurgie 318 Transrektalschnitt 39
– Polyp 573 – Herz 7 Kardiochirurgie transurethrale Resektion
Stimmgabel 566 – Instrumentarium 318 – Blase 435
Stirnhirnsyndrom 501 – Kind 587 – Prostata 431
Strangulationsileus 600 – Lunge 324 Transversumresektion, laparoskopische 156
Strecksehnentrauma 251, 252 – Mediastinum 332 Traumachirurgie
Struma 46 – Ösophagusatresie 587 – Arm 207
– endothoracica vera 50 – Pleura 329 – Becken 203
– euthyreote 47 – Thoraxdrainage 25, 322, 367 – Bein 209
– hyperthyreote 47 – Thoraxwand 334 – Fraktur 164
– hypothyreote 47 – Trachea 329 – Fuß 234
– retrosternale 50 – Zugangsweg 320 – Gesicht 560
Stuhlinkontinenz, Fehlbildung, anoraktale Thoraxdrainage 25, 322, 367 – Instrumentarium 169
605, 615 – Ösophagusatresie 590 – Materialentfernung 198
Subarachnoidalblutung (SAB) 525 Thoraxsperrer 320 – Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG)
Subarachnoidalraum 517 Thrombarteriektomie 374 550, 555
Subduralraum 535 Thrombektomie 284, 292 – Nerv, peripherer 545
Supinatortunnelsyndrom 546 – pulmonale 373 – Schädel-Hirn-Trauma 530
Suspensorium 452 Thrombendarteriektomie (TEA) 281 – Schulter 205
Sympathektomie Thrombophlebitis 309 – Verbrennung 680
– lumbale 300 Thrombose 268, 284 – Wirbelsäule 199, 544
– thorakale 301 Thymektomie 334 Treitz-Band 76
Sympathikus 507 Thyreoidealappen 578 Trendelenburg-Lagerung 6, 116, 141
Syndesmose 234 Thyreoidektomie 48, 51 Trepanation 522
Systole 376 – minimal invasive 51 – osteoklastische 536
Szintigraphie 47 TIA (transitorisch ischämische Attacke) 281 – osteoplastische 536
Tibiakopf 228 Trichterbrust 334
T – Fraktur 230
Tibiamarknagelung 232
Trigeminusneuralgie 528
Trigonum vesicae 470
T-Drainage 25, 83 Tibiaplateau 228 Trikuspidalklappe 360, 368
Tabakbeutelklemme 45 Tibiaplatte 180 Trockenrasur 7
TAPP (transabdominale präperitoneale Tiemann-Katheter 430 Trokar 136, 586
Netzimplantation) 145 Titan 21 Trommelfell 568
Tarsaltunnelsyndrom 546 TNM-(Tumor-Nodulus-Metastase-)Klassifika- – Perforation 580
Taststab 138 tion 107 – Tympanoplastik 580
TEA (Thrombendarteriektomie) 281 Tonsillektomie 566, 572 Tubargravidität 414
Teflon 276 Tonsillen 573 Tuben 383
Teleskopanastomose 99 Tonsillenraspatorium 567 Tumor, spinaler 537
Temperaturregulation, nach Verbrennungs- Tonsillitis 572 Tumorchirurgie
verletzung 680 Tossy 205 – Augapfelentfernung 677
TEN (totale extraperitoneale Netzimplanta- Totalendoprothese (TEP), zementierte – Blase(nkarzinom) 434, 468
tion) 145 (Hüfte) 188 – Ganglion 258
Tendinitis 257 Trachea 329 – Herz 372
Tendovaginitis 257 Trachealkanüle 568, 575, 576 – Hirntumor 516, 522
– de Quervain 257 Trachealstenose 576 – Hodentumor 453, 454
Tennisellbogen 256 Tracheostoma 573 – Knochenmetastase 544
tension free vaginal tape (TVT) 402, 478 Tracheotomie 568, 573 – Korpuskarzinom 408
TEP (Totalendoprothese) Hüfte 188 Tränenflüssigkeit 666, 670 – Mammakarzinom 421
– zementierte 188 Tränenwegspülung 670 – Mediastinum 333
730 Stichwortverzeichnis

Tumorchirurgie Urethrotomie 441, 484 Verriegelung 234


– Metastase 520 Urethrozystoskopie 435 – dynamische 185
– Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) Urge-Inkontinenz 402 – statische 185
559 Urininkontinenz (7 Harninkontinenz, Verriegelungsnagel 166
– Neck-Dissection 559, 577 7 Miktion) Verschlusshydrozephalus 519
– Niere 489 Urologie 424 Verschlusskrankheit, periphere arterielle
– Nierenbeckenkarzinom 490 Urothelkarzinom 471 (pAVK) 266, 281
– Ovarialkarzinom 417 URS (Ulnarisrinnensyndrom) 436, 437 Volkmann-Dreieck 234
– Prostatakarzinom 459, 464 USP (United States Pharmacopeia), Vollhauttransplantat 682
– Thoraxwand 334 Nahtmaterial 15 Vorfuß 238
– Tumor, spinaler 537 Uterosakropexie 400 Vorhaut 428, 445
– Urethrakarzinom 447 Uterus 382, 383 Vorhofflimmern 357, 374
– Vulvakarzinom 410 – Abrasio 392 Vorhofkatheter, Demers-Katheter 312
– Wirbelsäule 200 – Hysterektomie, vaginale 395 Vorhofseptumdefekt (VSD) 365, 367
– Zervixkarzinom 407 – Hysteroskopie 392 Vulvakarzinom 410
Tunica albuginea 454 – myomatosus 394, 407 Vulvektomie 410
Tunica vaginalis 452, 453 – Sectio caesarea 409
Tupferzange 23
TUR (transurethrale Resektion)
– Wertheim-Meigs-Operation 408
W
– Blase 435
– Prostata 431
V Wächterlymphknoten 420
Wahrnehmungsstörung 502
TUR-Syndrom 432, 436 VACTERL-Assoziation 588, 611 Wärmeverlust 4, 508, 584
TVT (tension free vaginal tape) 402, Vagina 382 Wechselschnitt 39, 103
478 – Scheidenplastik 397 Weichgaumenverschluss 555
Tympanoplastik 580, 581 Vagotomie 68 Wertheim-Meigs, Operation nach 408
– laparoskopische 150 Whipple, Operation nach 96
U Vakuummatratze 4
Vakuumverband 27
Wilms-Tumor 659
Winkelplatte 180
UK (Ureterkatheter) 430, 440, 634 Valvulotom 283 Winkelstabilität 182
Ulkuskrankheit 67 Varikosis 269, 307 Wirbelkörper 505
Ulkusperforation 68 Varizen 307 – Fraktur 544, 545
Ulnarisrinnensyndrom 546 Vasektomie 448, 449 Wirbelluxation 545
Ultraschall 513 Vaso-Vasostomie 449 Wirbelsäule 162, 199, 505
Ultraschalldissektion, Thyreoidektomie 49 Vasokonstriktion 300 – Wirbelkörperfraktur 545
Ultraschallzertrümmerer 523 Vasoteilresektion 448 – Wirbelluxation 545
Umkehrbypass 283 VATS (videoassistierte Thorakoskopie) 324, Witzel-Fistel 601
Umstellungsosteotomie 231 330, 331 Wundarten 29
Unfallverhütungsvorschriften 2 Vene 266 Wundheilung 30
United States Pharmacopeia (USP), – V.-cava-Syndrom 409 Wundversorgung 30
Nahtmaterial 15 – V. cephalica 314 Wurmfortsatz 7 Appendix
Unterarmgipsschiene 246 – V. portae 66, 85, 619 Wurzelkompressionssyndrom 539
Unterbauchlängsschnitt, medianer 386 – V. saphena magna 268, 297
Unterkieferfraktur 556
Unterkieferplatte 550
– V. spermatica 451
– V. subclavia 313
X
Unterlegscheibe 176 – Entnahme, endoskopische 296 Xiphoid 321
upside-down stomach 62 Venenbypass 296
Ureter 425, 436, 470
– Antirefluxplastik 471
– aortokoronarer 342
Venenklappe 266
Y
– Freilegung 474 Venenpatch 295 Y-Prothese 302
– Harnleiterenge 488 Venotomie 310 Y-Roux, Operation nach 73, 76, 99
– Ruptur 475 Ventrikel 503
Ureterkatheter 430, 440, 634
Ureterokutaneostomie 475
Ventrikelkatheter 652
Ventrikelseptumdefekt (VSD) 367
Z
Ureterorenoskop/Ureterorenoskopie 436 Ventrikulostomie 524 Zahnstatus 556
Ureterschiene 475 – endoskopische 524, 654 Zehendeformität 238
Urethra 426, 441 Verband/Vakuumverband 27 Zenker-Divertikel 60
– Harnröhrenplastik 484 Verbrennung 680 – Resektion 60
Urethrakarzinom 447 – Operationen 683 Zentralfurche 498
Urethraplastik 643, 644 – Schweregrade 680 Zentralnervensystem 498
Urethraverlängerungsplastik 645 – Verlauf 685 Zervixabrasio 392
Urethrotom Verbrennungsschock 680 Zervixinsuffizienz 394
– Otis 433 Verbrennungstiefe 680, 681 Zervixkarzinom 407
– Sachse 433, 441 Veress-Nadel 136, 401, 465 Zielgerät 188
Stichwortverzeichnis
731 T–Z

Zirkulation, extrakorporale (EKZ) 338


Zirkumzision 639
ZNS 498
Zugangsweg
– Allgemeinchirurgie 38
– Flankenschnitt 488
– Gefäßchirurgie 277
– Gynäkologie 385
– Interkostalschnitt 488
– Kardiochirurgie 340
– Kinderchirurgie 585
– Langer-Linien 421
– Mammachirurgie 421
– Pfannenstiel-Schnitt 385
– Thoraxchirurgie 320, 332
– Unterbauchlängsschnitt, medianer 386
– Urologie 488
– Viszeralchirurgie 38
Zuggurtung(sosteosynthese) 166, 169, 205
Zugschraube(nosteosynthese) 166, 175
– Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 557
Zungenfasszange 551
Zungenspatel 550
Zwerchfelllücke, angeborene 592
Zwerchfellplastik 594
Zystektomie 468
– radikale 469
Zystitis 468
Zystoskop 438
Zystoskopie 480
Zystourethrozele 398
Zytostatika 313, 524

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