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Jennifer Linn · Martin Wiesmann · Hartmut Brückmann

Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns

bearbeitet von J. Linn


Jennifer Linn · Martin Wiesmann · Hartmut Brückmann

Atlas
Klinische Neuroradiologie
des Gehirns

Mit 643 Abbildungen in 1993 Einzeldarstellungen

123
Priv.-Doz. Dr. med. Jennifer Linn
Abteilung für Neuroradiologie
Klinikum der Universität München
Marchioninistraße 15
81377 München
Jennifer.Linn@med.uni-muenchen.de

Prof. Dr. med. Martin Wiesmann


Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie
Universitätsklinikum Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen

Prof. Dr. med. Hartmut Brückmann


Abteilung für Neuroradiologie
Klinikum der Universität München
Marchioninistraße 15
81377 München

ISBN 978-3-540-89568-8 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

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Planung: Peter Bergmann, Heidelberg


Projektmanagement: Christiane Beisel, Heidelberg
Lektorat: Dipl. Med.-Päd. Ingrid Fritz, Bad Füssing
Zeichnungen: Ingrid Schobel, München
Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin
Satz, Reproduktion und digitale Bearbeitung der Abbildungen:
Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg

SPIN: 12100958

Gedruckt auf säurefreiem Papier


V

Danksagung

Wir möchten uns ganz herzlich bei Herrn Prof. Adrian Danek, Frau Dr. Stefanie Müller-Schunk, Herrn
Prof. Hans-Walter Pfister, Herrn Dr. Peter Reilich und Herrn Dr. Klaus Seelos für die kritische Korrektur
der einzelnen Kapitel bedanken.
Herrn Dr. Tobias Högen danken wir sehr für die Hilfe mit den Präparatefotos für den Anatomieteil,
Frau Prof. Jean Büttner-Ennever für Abb. 1.78, Herrn Prof. Armin Giese für die Abbildungen 1.57
und 6.23c, Frau PD Dr. Ertl-Wagner für den in Abb. 6.9 gezeigten Fall, Frau PD Dr. Esther Maier für den
in Abb. 6.6. dargestellten Fall, Herrn Prof. Hans-Walter Pfister für die Fotos (Abb. 4.6c und 4.9c) und die
Abbildungen 4.37, 4.40, 4.46 und 4.56 und Herrn Prof. Jaap Valk für Abbildung 4.39.
Unser ganz besonderer Dank gilt Frau cand. med. Katja Bochmann und unserem leitendem MTRA
Herrn Tim Wesemann für die unschätzbare Hilfe bei der Erstellung und Nachverarbeitung der Abbildun-
gen. Beide haben durch ihren Einsatz ganz wesentlich zum Gelingen dieses Buches beigetragen.

Vielen Dank!

Jennifer Linn
VII

Vorwort

Bei der Vielzahl der heute auf dem Markt verfügbaren sehr guten Radiologie- und Neuroradiologiebüchern
darf man sich fragen, ob überhaupt Bedarf für ein weiteres Buch besteht. Wir haben die Frage für uns mit
Ja beantwortet und versucht mit unserem Atlas »aus der Routine für die Routine« ein Konzept zu verwirk-
lichen, dass die verfügbare Literatur sinnvoll ergänzt.
Ein wesentlicher Aspekt unseres Ansatzes war es, der großen Bedeutung der Schnittbildanatomie für
die neuroradiologische Diagnostik durch einen umfangreichen Anatomieteil Rechnung zu tragen.
Die Nähe zum diagnostischen Alltag war uns wichtig und spiegelt sich im Umfang der einzelnen Kapitel
zu den Krankheitsbildern wider, der sich an der Häufigkeit der verschiedenen Erkrankungsgruppen
orientiert. Den vaskulären und den infektiös-entzündlichen Hirnerkrankungen sowie den Hirntumoren
haben wir einen besonders großen Stellenwert eingeräumt. Bei den neurodegenerativen Erkrankungen,
den Fehlbildungen und den metabolischen Erkrankungen haben wir uns auf häufige Entitäten fokussiert.
Um den Atlascharakter zu gewährleisten, wurde der Text knapp gehalten und auf einen Technikteil
verzichtet. Die klinischen Symptome und die typischen bildgebenden Veränderungen in den verschiedenen
Modalitäten bzw. Sequenzen werden stichpunktartig vorgestellt und mit typischen Bildbeispielen illus-
triert. Die für die Diagnose entscheidenden Befunde und mögliche Pitfalls sind hervorgehoben. Auch die
diagnostische Wertigkeit der funktionellen und metabolischen Verfahren wie Perfusions-CT und MRT,
Diffusionsbildgebung einschließlich Diffusionstensorimaging und MR-Spektroskopie für die verschiede-
nen Krankheitsbilder wird kurz erläutert. Aktuelle Literaturverweise geben hier Anregungen zur weiteren
Wissensvertiefung.
Wir haben bewusst darauf verzichtet, eine Vielzahl von Autoren mit einzubeziehen und haben das Buch
quasi »aus einer Hand« konzipiert und verfasst.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie das Konzept unseres Atlas überzeugt und hoffen, dass unser Buch
Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit hilfreich sein wird.

München, im Mai 2011

Jennifer Linn
Martin Wiesmann
Hartmut Brückmann
IX

Inhaltsverzeichnis

Anatomie

1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1 Gliederung des Gehirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2 Hirnhäute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.1 Dura mater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.2 Leptomeningen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.3 Liquorräume und Liquor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3.1 Ventrikelsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3.2 Zisternen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.4 Weiße Substanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.4.1 Fornix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.5 Telenzephalon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.6 Oberflächenanatomie des Großhirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.6.1 Frontallappen (Lobus frontalis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.6.2 Parietallappen (Lobus parietalis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.6.3 Zentralregion und Sulcus centralis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.6.4 Temporallappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
1.6.5 Okzipitallappen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.7 Limbisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.7.1 Hippocampusformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.7.2 Septalregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1.8 Amygdala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
1.9 Stammganglien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.10 Dienzephalon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.11 Transversale Schichten durch die Großhirnhemisphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.12 Koronare Schichten durch die Großhirnhemisphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.13 Sagittale Schichten durch die Großhirnhemisphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.14 Kleinhirn (Cerebellum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.15 Hirnstamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.15.1 Mesencephalon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.15.2 Pons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
1.15.3 Medulla oblongata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
1.16 Hirnnerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
1.16.1 N. olfactorius (HN I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
1.16.2 N. opticus (HN II) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.16.3 N. oculomotorius (III. Hirnnerv, HN III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.16.4 N. trochlearis (HN IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.16.5 N. trigeminus (HN V) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1.16.6 N. abducens (HN VI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
1.16.7 N. facialis (HN VII) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
1.16.8 N. vestibulocochlearis (HN VIII) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1.16.9 N. glossopharyngeus (HN IX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1.16.10 N. vagus (HN X) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
1.16.11 N. accessorius (HN XI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
1.16.12 N. hypoglossus (HN XII) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
1.17 Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
1.17.1 Arterien (vorderes Strombahngebiet) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
1.17.2 Arterien (hinteres Strombahngebiet) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
1.17.3 Sinus und Hirnvenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
1.18 Felsenbein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
X Inhaltsverzeichnis

1.19 Sellaregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
1.20 Orbita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
1.21 Foramina der Schädelbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Pathologien

2 Vaskuläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
2.1 Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
2.1.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
2.1.2 Schlaganfall allgemein: Epidemiologie, Klinik, Verlauf und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
2.1.3 Übersicht zur Bildgebung bei Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.1.4 Ischämischer Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
2.1.5 Territorialinfarkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
2.1.6 Hämodynamische Infarkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.1.7 Lakunäre Infarkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
2.2 Makroangiopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2.2.1 Arteriosklerose der extra- und intrakraniellen Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2.2.2 Gefäßwanddissektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
2.2.3 Moya-Moya-Erkrankung und Moya-Moya-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
2.2.4 Reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
2.2.5 Fibromuskuläre Dysplasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
2.2.6 Vaskulitiden der großen Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2.3 Mikroangiopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2.3.1 Chronische hypertensive Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2.3.2 CADASIL-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
2.3.3 Zerebrale Amyloidangiopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
2.3.4 Vaskulitiden der kleinen Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
2.4 Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
2.4.1 Primäre ZNS-Vaskulitis (PACNS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
2.4.2 Systemische Vaskulitiden mit ZNS-Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
2.4.3 Vaskulitiden im Rahmen systemischer Grunderkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
2.5 Intrakranielle Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
2.5.1 Einteilung nach Lokalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
2.5.2 Epidurale Blutung (EDH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
2.5.3 Subdurale Blutung (SDH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
2.5.4 Subarachnoidalblutung (SAB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
2.5.5 Schädel-Hirn-Trauma-Manifestationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
2.5.6 Superfizielle Siderose des ZNS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
2.5.7 Intraventrikuläre Blutungen (IVB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
2.5.8 Intrazerebrale Blutungen (ICB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
2.5.9 Primäre intrazerebrale Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
2.6 Gefäßmalformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
2.6.1 Aneurysmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
2.6.2 Arteriovenöse Malformationen (AVMs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
2.6.3 Durale arteriovenöse Fisteln (dAVFs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
2.6.4 Developmental venous anomaly (DVA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
2.6.5 Kavernöse Malformationen (CM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
2.6.6 Kapilläre Teleangiektasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
2.7 Andere Ursachen sekundärer ICBs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
2.7.1 Angeborene und erworbene Gerinnungsstörungen (Koagulopathien und Thrombozytopenien) . . . . . 181
2.7.2 Tumorblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
2.7.3 Infarkteinblutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
2.7.4 Sinus- und Hirnvenenthrombosen (SVT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
XI
Inhaltsverzeichnis

3 Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen . . . . . . . . . . . . . . . 193


3.1 Erhöhter intrakranieller Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
3.1.1 Generalisierte Erhöhung des intrakraniellen Drucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
3.1.2 Lokalisierte Erhöhung des intrakraniellen Drucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
3.1.3 Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks in der Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
3.2 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
3.2.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
3.2.2 Neuroepitheliale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
3.2.3 Oligodendrogliome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
3.2.4 Anaplastische Oligodendrogliome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
3.2.5 Gemischte Gliome (meist Oligoastrozytome) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
3.2.6 Ependymale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
3.2.7 Tumoren des Plexus choroideus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
3.2.8 Neuronale, gemischt glialneuronale und neurozytische Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
3.2.9 Dysembryoblastische neuroepitheliale Tumoren (DNET) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
3.2.10 Zentrales Neurozytom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
3.2.11 Pinealistumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
3.2.12 Embryonale Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
3.2.13 Tumoren der Hirnnerven und der Spinalnerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
3.2.14 Tumoren der Meningen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
3.2.15 Tumoren unklarer Histiogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
3.2.16 Lymphome und Tumoren des hämatopoetischen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
3.2.17 Keimzelltumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
3.2.18 Metastasen und Meningeosis neoplastica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
3.2.19 Tumoren der Sellaregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
3.3 Nicht neoplastische zystische intrakranielle Raumforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
3.3.1 Angeborene Einschlusszysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
3.3.2 Endo- oder ektodermale Zysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
3.3.3 Sonstige Zysten (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
3.4 Andere nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
3.4.1 Hypothalamisches Harmatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
3.4.2 Lipom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
3.5 Phakomatosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
3.5.1 Tuberöse Sklerose (TS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
3.5.2 Neurofibromatosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
3.5.3 Sturge-Weber-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
3.5.4 Von-Hippel-Lindau-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

4 Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311


4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
4.1.1 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
4.1.2 Klinik akuter ZNS-Infektionen (Leitsymptome) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
4.2 Meningitiden und Meningoenzephalitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312
4.2.1 Bakterielle Meningitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313
4.2.2 Spezielle Erreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
4.2.3 Septisch-embolische und septisch-metastatische Herdenzephalitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
4.2.4 Virale Meningitis und (Meningo-)Enzephalitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
4.3 Empyeme (epi- und subdurale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
4.4 Zerebritis und Hirnabszesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
4.5 Ventrikulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
4.6 Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
4.6.1 Virale Enzephalitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331
4.6.2 Bakterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
4.6.3 Pilze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
4.6.4 Parasiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
4.6.5 Granulomatöse Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
4.6.6 Slow-Virus-/Prionen-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374
XII Inhaltsverzeichnis

4.7 Nicht sicher einzuordnende entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375


4.7.1 Rasmussen-Enzephalitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
4.8 Entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
4.8.1 Multiple Sklerose (MS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
4.8.2 Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382
4.9 Enzephalitiden im Rahmen paraneoplastischer Syndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

5 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385


5.1 Normale Myelinisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
5.2 Enzephalozelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
5.3 Arachnoidalzysten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
5.4 Balkenfehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
5.5 Entwicklungsstörungen der Hirnrinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
5.5.1 Störungen der neuronalen Proliferation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
5.5.2 Störungen der neuronalen Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
5.5.3 Organisationsstörungen des Cortex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
5.6 Vorwiegend das Kleinhirn und die hintere Schädelgrube betreffende Fehlbildungen . . . . . . . . 411
5.6.1 Chiari-Malformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411
5.6.2 Dandy-Walker-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414

6 Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419


6.1 Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung . . . . . . 420
6.1.1 Mitochondriopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420
6.1.2 Lipidspeicherkrankheiten/Lysosomale Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
6.1.3 Peroxisomale Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
6.1.4 Andere angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
6.2 Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung . . . . . . . 433
6.2.1 Thiamin-Mangel-Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
6.2.2 (Chronische) Alkoholenzephalopathie durch direkte Ethanolneurotoxizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
6.2.3 Vitamin-B12-Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
6.2.4 Hepatische Enzephalopathie (HE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436
6.2.5 Kohlenmonoxidintoxikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
6.2.6 Drogenmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
6.2.7 Osmotisches Demyelinisationssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
6.2.8 Marchiafava-Bignami-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
6.2.9 Morbus Fahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
6.2.10 Strahlungsinduzierte Hirnschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
6.2.11 Reversible posteriore Leukenzephalopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
6.2.12 Chronische hypertensive Enzephalopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454
6.2.13 Veränderungen im Rahmen eines Status epilepticus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454
6.2.14 Hypoxische Hinschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
6.2.15 Pseudotumor cerebri (PTC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
6.2.16 Idiopathisches Liquorunterdrucksyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
6.2.17 Mesiale Hippocampussklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461
6.2.18 Hypoglykämie-bedingte Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464

7 Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 465


7.1 Der normale Alterungsprozess des Gehirns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
7.2 Behandelbare bzw. sekundäre Demenzursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
7.2.1 Differenzialdiagnose Hydrozephalus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
7.3 Vaskuläre Demenz (VD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472
7.4 Morbus Alzheimer(AD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
7.5 Frontotemporale Demenz (FTD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
7.6 Lewy-Körper-Demenz (LBD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481
7.7 Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482
7.8 Erkrankungen mit akinetisch-rigidem Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
7.8.1 Morbus Parkinson (Parkinson Disease, PD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486
XIII
Inhaltsverzeichnis

7.8.2 Multisystematrophie (MSA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488


7.8.3 Progrediente supranukleäre Blickparese (PSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491
7.8.4 Kortikobasale Degeneration (CBD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
7.8.5 Bilaterale striatopallidodentale Verkalkungen (Morbus Fahr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
7.9 Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495
7.10 Sekundär degenerative Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497
7.10.1 Wallersche Degeneration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497
7.10.2 Oliväre Hypertrophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
XV

Abkürzungsverzeichnis

ACA A. cerebri anterior fMRT Funktionelle Magnetresonanz-


ACE A. carotis externa tomographie
ACI A. carotis interna FSME Frühsommermeningoenzephalitis
AcomA A. communicans anterior FTD Frontotemporale Demenz
ACR American College of Rheumatology GBM Glioblastom
AD Alzheimer’s Disease GCS Glasgow Coma Scale
ADC Apparent Diffusion Coefficient GP Globus pallidus
ADEM Akute disseminierte Enzephalomyelitis GPI Globus pallidus internus
AICA Anterior Inferior Cerebellar Artery HAART Hochaktive antiretrovirale Therapie
AIDS Acquired Immune Deficiency HE Hepatische Enzephalopathie
Syndrome HIV Humanes Immundefizienzvirus
AKN Akustikusneurinom HLA Human Leukocyte Antigen
ANCA Anti-Neutrophile zytoplasmatische HMPAO Hexamethyl-Propylen-Amin-Oxin
Antikörper HSG Hintere Schädelgrube
AS Arteriosklerose HSV Herpes simplex Virus
AVM Arteriovenöse Malformation HSVE Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis
BHS Blut-Hirn-Schranke ICB Intrazerebrale Blutung
BSE Bovine spongiforme Enzephalopathie ICD International Statistical Classification of
CAA Zerebrale Amyloidangiopathie Diseases and Related Health Problems
CADASIL Cerebral Autosomal Dominant Ig Immunglobulin
Arteriopathy with Subcortical Infarcts IHS International Headache Society
and Leucencephalopathy IR Inversion Recovery
CBD Kortikobasale Degeneration IVB Intraventrikuläre Blutung
CBF Cerebral blood flow IVT Thrombose der inneren (tiefen) Hirnvenen
CBV Cerebral blood volume KM Kontrastmittel
CCF Carotis-Sinus-Cavernosus-Fistel Lac Laktat
Cho Cholin LBD Lewy Body Demenz
CISS Constructive Interference in Steady State L-Dopa L-Dopamin
CM Cavernous Malformation (Kavernom) M Männer
CMV Zytomegalievirus MCA Medial Cerebral Artery
Cr Creatin MCI Mild Cognitive Impairment
CRP C-reaktives Protein MDCTA Multi-Detektor-CT-Angiographie
CT Computertomographie MDMA 3,4-Methylendioxy-N-Methylamphetamin
CTA CT-Angiographie (Ecstasy)
CTX Chemotherapie MELAS Mitochondriale Enzephalopathie,
CVT Cortical Vein Thrombosis Laktat-Azidose und schlaganfalls-
3-D Dreidimensional ähnliche Symptome
dAVF Durale arterio-venöse Fistel MERFF Myoklonische Epilepsie mit Ragged Red
DD Differenzialdiagnose Fibres
DNET Dysembryoblastischer neuroepithelialer Met-Hb Methämoglobin
Tumor MI Myo-Inositol
DSA Digitale Subtraktionsangiographie MPR Multiplanare Rekonstruktionen
DTI Diffusions-Tensor-Imaging MRA Magnetresonanzangiographie
DVA Developmental Venous Anomaly MRS Magnetresonanzspektroskopie
DWI Diffusion Weighted Imaging MRT Magnetresonanztomographie
EEG Elektroenzephalogramm MS Multiple Sklerose
F Frauen MSA Multisystematrophie
FA Fraktionale Anisotropie MSA-C Multisystematrophie vom zerebellären
FDG Fluor-Desoxy-Glucose Typ
FET Fluoro-Ethyl-Tyrosin MSA-P Multisystematrophie mit prädominantem
FIESTA Fast Imaging Employing Steady State Parkinson-Syndrom
Acquisition MT Magnetization Transfer
FLAIR Fluid Attenuated Inversion Recovery MTR Magnetization Transfer Ratio
XVI Abkürzungsverzeichnis

NAA N-Acetyl-Aspartat T2w T2-gewichtete Sequenz


NF Neurofibromatose TS Tuberöse Sklerose
NIHSS National Institute of Health Stroke Scale TSC Tuberöse-Sklerose-Komplex
NPH Normal Pressure Hyrocephalus VBM Voxel-basierte Morphometrie
NPV Negative Predictive Value vMRA Venöse Magnetresonanzangiographie
NT Neurofibrilläre Tangles WE Wernicke Enzephalopathie
NUK Nuklearmedizinische Verfahren WG Wegener Granulomatose
OHT Oliväre Hypertrophie ZNS Zentrales Nervensystem
OKB Oligoklonale Banden
OPCA Olivopontozerebelläre Atrophie
OPCD Olivopontozerebelläre Degeneration
PACNS Primary Angiitis of the Central Nervous
System
PCA Posterior Cerebral Artery
PCR Polymerase Chain Reaction
PD Parkinson’s Disease
PDD Parkinson’s Disease with Dementia
PDw Protonendichtewichtung
PET Positronenemissionstomographie
PICA Posterior Inferior Cerebellar Artery
PMG Polymikrogyrie
PML Progressive multifokale Leukenzephalo-
pathie
PNET Primitiver neuroektodermaler Tumor
PPV Positive Predictive Value
PRES Posteriores reversibles Leukenzephalo-
pathie-Syndrom
PRIND Prolongiertes reversibles ischämisches
Leukenzephalopathie-Syndrom
PSP Progressive Supranuclear Palsy
PWI Perfusion Weighted Imaging
PZNSL Primäre ZNS-Lymphome
rCBF Regional cerebral blood flow
rCBV Regional cerebral blood volume
RcomP Ramus communicans posterior
RIND Reversibles ischämisches Leukenzephalo-
pathie-Syndrom
RTX Radiotherapie
SAB Subarachnoidalblutung
SAR Subarachnoidalraum
SCA Superior cerebellar artery (A. cerebellaris
superior)
SDH Subduralhämatom
SG Stammganglien
SLE Systemischer Lupus Erythematodes
SND Striatonigrale Degeneration
Sono Sonographie
SPECT Single-Photon-Emissions-Computer-
tomographie
SSPE Subakute sklerosierende Panenzephalitis
SVT Sinusthrombose
SWI Susceptibility Weighted Imaging
T1w T1-gewichtete Sequenz
T1-IR T1-Inversion-Recovery-Sequenz
T1w + KM Kontrastverstärkte T1-gewichtete
Sequenz
T2*w T2*-gewichtete Gradientenecho-Sequenz
I

Anatomie
J. Linn

Kapitel 1 Anatomie – 3
1

Anatomie

1.1 Gliederung des Gehirns –4

1.2 Hirnhäute –4

1.3 Liquorräume und Liquor – 5

1.4 Weiße Substanz – 10

1.5 Telenzephalon – 12

1.6 Oberflächenanatomie des Großhirns – 12

1.7 Limbisches System – 22

1.8 Amygdala – 25

1.9 Stammganglien – 26

1.10 Dienzephalon – 26

1.11 Transversale Schichten durch die Großhirnhemisphären – 29

1.12 Koronare Schichten durch die Großhirnhemisphären – 29

1.13 Sagittale Schichten durch die Großhirnhemisphären – 29

1.14 Kleinhirn (Cerebellum) – 29

1.15 Hirnstamm – 29

1.16 Hirnnerven – 38

1.17 Gefäße – 52

1.18 Felsenbein – 67

1.19 Sellaregion – 69

1.20 Orbita – 70

1.21 Foramina der Schädelbasis – 71

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_1,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
4 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.1 Gliederung des Gehirns


1
Das Gehirn des Menschen (Enzephalon) besteht aus den in
. Abb. 1.1 und . Abb. 1.2 dargestellten Abschnitten.

Literatur
Fatterpekar GM, Delman BN, Boonn WW, Gultekin SH, Fayad ZA, Hoff PR,
Naidich TP. MR microscopy of normal human brain. Magn Reson Imaging
Clin N Am. 2003;11:641-53.

1.2 Hirnhäute

Synonyme. Meningen (Einzahl: Meninx enzephali)


Als Hirnhäute bezeichnet man die 3 bindegewebigen Häute, die
das Gehirn und das Rückenmark umgeben (. Abb. 1.3). Unter-
. Abb. 1.1 Gliederung des ZNS. Die mit einem Stern gekennzeichneten Ab-
schieden werden:
schnitte werden zusammen auch als Metencephalon (Hinterhirn ) bezeichnet
4 Harte Hirnhaut = Pachymeninx = Dura mater
4 Weiche Hirnhäute = Leptomeningen
5 Arachnoidea mater (»Spinnenhaut«)
5 Pia mater

1.2.1 Dura mater

Die Dura mater besteht histologisch aus 2 Gewebeschichten:


4 Stratum fibrosum (außen)
4 Stratum neurotheliale (innen)

Beim Kind ist das Stratum fibrosum sehr fest mit der Innenseite
der Schädelkalotte verbunden. An Suturen, am Rand des Fora-
men magnum und am Felsenbein bleibt es lebenslang fest mit
dem Schädel verwachsen. Deshalb überqueren epidurale Häma-
tome normalerweise nicht die Suturen, wohl aber die Sinus durae
matris, während die Ausdehnung subduraler Hämatome von
den Sinus begrenzt wird (7 Kap. 2.5, . Abb. 2.82).
Das Stratum neurotheliale ist innen über Zonulae occlu-
dentes sehr fest mit der Arachnoidea verbunden. Diese Verbin-
dung trägt zur Blut-Hirn-Schranke bei.
An manchen Stellen spaltet sich die Dura in 2 Blätter auf, in
die Lamina interna und Lamina externa. . Abb. 1.2 Gliederung des Hirnstamms + Kleinhirns
Durch die Lamina interna werden folgende Strukturen ge-
bildet: Die Blutversorgung der Dura erfolgt über 3 durale Arterien:
4 Hirnwärtige Abdeckung der Sinus durae matris 4 A. meningea media (aus A. maxillaris) 7 Kap. 1.17
4 Cavum Meckeli 4 A. meningea anterior (aus A. ethmoidales anterior)
4 Diaphragma sellae (Anmerkung: die Hypophyse liegt somit 4 A. meningea posterior (aus A. pharyngea ascendens)
extradural) 7 Kap. 1.16.10
4 Falx cerebri (. Abb. 1.4)
Die Innervation der Dura erfolgt vor allem vom N. trigeminus
4 Tentorium cerebelli (. Abb. 1.4)
(7 Kap. 1.15.5) sowie vom N. vagus (7 Kap. 1.15.10).
4 Falx cerebelli

Dort wo es 2 Durablätter gibt, also an der äußeren Seite über den 1.2.2 Leptomeningen
Sinus durae matris, haftet die Lamina externa an der Schädel-
kalotte. Arachnoidea mater
Am Foramen magnum geht die Lamina interna in den Synonyme. Arachnoidea, Spinnenhaut, Spinnengewebehaut
Duralsack über, der das Rückenmark umgibt, während sich die Bei der Arachnoidea handelt sich um eine sehr zarte, gefäßlose
Lamina externa als Periost der Wirbel fortsetzt. Haut ohne sensible Innervation (. Abb. 1.6). Sie liegt dem me-
1.3 · Liquorräume und Liquor
5 1

. Abb. 1.3 Schematische Darstellung der Hirnhäute . Abb. 1.4 Schemazeichnung von Falx und Tentorium cerebelli

. Abb. 1.5 Dura mater mit eröffnetem Sinus sagittalis superior . Abb. 1.6 Arachnoidea mater
(Präparatefoto). Sie blicken von unten auf die Dura. Das Foto zeigt, dass
die Sinus eine Duraduplikatur darstellen

ningealen Blatt der Dura mater unmittelbar innen an. Mit der Pia gewebe penetrieren oder dieses verlassen. Als Robin-Virchow-
mater steht sie über dünne Bindegewebefasern (Trabeculae Raum (Synonyme: Virchow-Robin-Raum, perivaskulärer Raum,
arachnoideae) in Verbindung. Spatium perivaskulare) wird der hierbei entstehende Raum zwi-
Der Raum zwischen Arachnoidea mater und Pia mater, durch schen dem jeweiligen Gefäß und der Pia mater bezeichnet
den die Trabeculae arachnoideae ziehen, heißt Subarachnoidal- (. Abb. 1.7 und . Abb. 1.8).
raum (Spatium subarachnoideum) und entspricht dem äußeren Li-
quorraum, d.h. er ist mit Liquor cerebrospinalis gefüllt (7 Kap. 1.3).
Im Bereich der venösen Sinus wölben sich von der Arachno- 1.3 Liquorräume und Liquor
idea ausgehend die sog. Arachnoidalzotten (Pacchioni-Granula-
tionen, Granulationes arachnoidales) in die Sinus durae matris Der Subarachnoidalraum ist mit Liquor cerebrospinalis (CSF) ge-
vor (. Abb. 1.3 und 7 Kap. 1.17.3). füllt und schützt damit das Gehirn ähnlich einer Luftpolsterfolie
vor Erschütterungen. Pro Tag werden ca. 500–700 ml Liquor
Pia mater vom Plexus choroideus der Ventrikel gebildet.
Die Pia mater, die innerste Hirnhaut, besteht aus mesenchymalen Man unterscheidet die inneren Liquorräume (Ventrikel und
Zellen und liegt dem Kortex direkt auf, d.h. sie folgt auch dem Zentralkanal des Rückenmarks) von den äußeren Liquorräu-
Windungsrelief in die Sulci hinein. Es gibt somit keinen »Sub- men (Zisternen, kortikale Sulci, spinaler Subarachnoidalraum),
pialraum«. die als Subarachnoidalraum bezeichnet werden.
Die Pia mater umgibt trichterartig die Blutgefäße, die im Sub- Die inneren Liquorräume kommunizieren über die Forami-
arachnoidalraum verlaufen und von diesem aus in das Hirn- na des IV. Ventrikels mit den äußeren Liquorräumen. Hier wird
6 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

der Liquor von den Arachnoidalzotten (Pacchioni-Granulatio-


1 nen, Granulationes arachnoidales) resorbiert.

1.3.1 Ventrikelsystem

Die inneren Liquorräume werden von den 4 Ventrikeln (paarige


Seitenventrikel [Ventrikuli laterales] und unpaarer III. und
IV. Ventrikel) und dem Zentralkanal des Rückenmarks gebildet
(. Abb. 1.9 und . Abb. 1.10).

Seitenventrikel
Die Seitenventrikel bestehen jeweils aus einem Vorderhorn (Cornu
frontale bzw. anterius), einer Pars centralis, einem Hinterhorn
(Cornu occipitale bzw. posterius) und einem Temporalhorn (Cornu
temporale bzw. inferius, Unterhorn). Die Hauptachse der Seiten-
ventrikel verläuft vom Frontallappen ausgehend (Vorderhorn)
bogenförmig nach dorsolateral Richtung Temporalpol (Temporal-
horn). Das Hinterhorn stellt eine Ausziehung des Seitenventrikels
Richtung Okzipitallappen dar.
Die Form der Seitenventrikel wird im Bereich der Vorder-
hörner und der Pars centralis wesentlich vom Nucleus caudatus
bestimmt, im Bereich des Temporalhorns vom Hippocampus
. Abb. 1.7 Schematische Darstellung der Robin-Virchow-Räume und der (. Abb. 1.11).
perforierenden Arterien

a b c

. Abb. 1.8a–e MRT-Darstellung (T2w tra) von


Normvarianten der Robin-Virchow-Räume.
a Multiple Robin-Virchow-Räume als Variante,
vor allem bei 3-Tesla MRT-Aufnahmen häufig zu
beobachten. Exemplarisch sind 3 Robin-Virchow-
Räume markiert (Stern). b Mega-Robin-Virchow-
Raum in loco typico (Pfeil). c Prominente Robin-
Virchow-Räume im Hirnstamm. d,e Multiple Ro-
bin-Virchow-Räume bei asymptomatischen Pro-
banden. In der Time-of-Flight -MRA sind die
d e
Gefäße im Zentrum erkennbar (Pfeile). (e)
1.3 · Liquorräume und Liquor
7 1

. Abb. 1.9 Schematische Darstellung des Ventrikelsystems

. Abb. 1.12 Plexus choroideus im Temporal-


horn des Seitenventrikels (Pfeil)

. Abb. 1.10 Darstellung des Ventrikelsystems


im MRT, Ansicht von medial. 1 = Balken; 2 =
III. Ventrikel; 3 = Aquaeductus cerebri; 4 = IV. Ven-
trikel; 5 = Foramen interventriculare Monroi; 6 = . Abb. 1.11 Seitenventrikel, MRT im axialen
Foramen magendi; a = Recessus opticus; b = Re- Schnitt. 1 = Vorderhorn; 2 = Foramen interventri-
cessus infundibularis; c = Recessus suprapinealis; culare Monroi; 3 = Septum pellucidum; 4 = V. ce-
d = Recessus pinealis rebri interna; 5 = Hinterhorn; 6 = Fornixschenkel
8 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1 > Der Plexus choroideus findet sich lediglich am Boden


der Pars centralis und am Dach des Temporalhorns,
nicht in den Vorder- oder Hinterhörnern (. Abb. 1.12).

Die Seitenventrikel kommunizieren über die Foramina inter-


ventricularia Monroi mit dem III. Ventrikel.

III. Ventrikel
Der III. Ventrikel ist unpaar angelegt und in der Mittellinie lo-
kalisiert (. Abb. 1.13, . Abb. 1.14, . Abb. 1.15). Seine lateralen
Wände werden im oberen Anteil von den Thalami, im kaudalen
Anteil von den Hypothalami gebildet. Das Dach des III. Ventri-
kels wird von der Tela choroidea ventriculi tertii, eine gefäß-
führende Bindegewebeschicht, und den Crura fornicis gebildet. . Abb. 1.13 Präparatefoto vom III. Ventrikel, Ansicht von medial
Am Dach des III. Ventrikels befindet sich auch ein kleiner Teil 1 = Plexus choroideus am Dach des III. Ventriklens;
des Plexus choroideus. Durch den Ventrikel verläuft die Massa 2 = Massa intermedia/Adhaesio interthalamica
3 = Wand des III. Ventrikels (Thalamus)
intermedia (Adhaesio interthalamica), die die beiden Thalami 4 = Commissura anterior
verbindet (. Abb. 1.16 und 7 Kap.1.10). 5 = III. Ventrikel, Recessus opticus
Der III. Ventrikel besitzt einige Recessus (Taschen), dazu ge- 6 = III. Ventrikel, Recessus infundibularis (Hypophysenstiel ist abgerissen)
hören vorne der Recessus infundibularis über dem Hypophysen- 7 = Chiasma opticum
stiel, der Recessus supraopticus über dem Chiasma opticum und 8 = Corpora mamillaria
9 = Fornix
hinten die Recessus pinealis und suprapinealis (. Abb. 1.10). Der 10 = Corpus callosum mit Rostrum, Genu (I), Corpus (II), Splenium (III)
Aquaeductus cerebri sylvii (Aquaeductus mesencephali), der durch 11 = Glandula pinealis
das Mesenzephalon verläuft, verbindet den III. Ventrikel mit 12 = III. Ventrikel, Recessus pinealis
dem IV. Ventrikel (. Abb. 1.10). 13 = Foramen Monroi
14 = Aquaeductus cerebri
IV. Ventrikel
Der IV. Ventrikel ist zwischen Hirnstamm (Pons und Medulla
oblongata) und Kleinhirn lokalisiert. Die von Pons und Medulla
oblongata gebildete Fossa rhomboidea (Rautengrube) stellt den Liquorraums im Bereich der Schädelbasis, z.B.:
»Boden« des IV. Ventrikels dar. Die Pedunculi cerebellares supe- 4 Cisterna chiasmatis oder chiasmatica = supraselläre Zisterne:
riores, medius und inferiores bilden die Wände des IV. Ventrikels. befindet sich oberhalb der Sella. Sie enthält das Chiasma opti-
Sein zeltförmiges »Dach« wird superior vom Velum medullare cum (. Abb. 1.18 und . Abb. 1.20).
superius und inferior vom Velum medullare inferius gebildet 4 Cisterna interpeduncularis: Liegt zwischen den Hirnstie-
(s. . Abb. 1.72). Die »Spitze« dieses Zeltes wird als Fastigium be- len. Durch diese Zisterne verläuft der N. oculomotorius
zeichnet (. Abb. 1.9). (. Abb. 1.18)
Der IV. Ventrikel kommuniziert über die mediokaudal gele- 4 Cisterna ambiens: Sie ist die laterale Fortsetzung der Fossa
gene, unpaare Apertura mediana magendi (Foramen mediana interpeduncularis, Ausdehnung um das Mesenzephalon.
Magendii) und den beiden paarig angelegten Aperturae laterales Durch diese Zisterne verläuft der N. trochlearis.
Luschkae (Foramina laterales Luschkae) mit dem Subarach- 4 Cisterna cerebellomedularis posterior = Cisterna magna: Liegt
noidalraum (. Abb. 1.17). Nach kaudal setzt sich der Ventrikel in inferior des Cerebellums, dorsal der Medulla oblongata, un-
den Canalis centralis des Rückenmarks fort. mittelbar oberhalb des Foramen magnum.
Der Plexus choroideus dieses Ventrikels findet sich im inferi- 4 Präpontine Zisterne
oren Anteil seines Dachs und in den lateralen Recessus. Er reicht 4 Cisterna pontomedullaris
durch die Foramina Luschkae bis in den Subarachnoidalraum, wo 4 Cisterna fossae lateralis cerebri = Sylvische-Zisterne: im Be-
er in der Cisterna perimedullaris das sog. Bochdalek-Blumen- reich der Sylvischen Fissur, enthält Äste der A. cerebri media.
körbchen bildet. Dieses findet sich anterior des Flocculus des
Zerebellums und kann als Landmarke für den N. glossopharynge- Hinsichtlich der Zisternen muss beachtet werden, dass die No-
us herangezogen werden (. Abb. 1.17 und . Abb. 1.101). menklatur hier nicht ganz einheitlich verwendet wird. Neben
den lateinischen Begriffen, sind z.B. auch folgende deutsche Be-
griffe im Gebrauch:
1.3.2 Zisternen 4 Pentagonzisterne: Begriff, der vor allem in der Bildgebung
gebräuchlich ist; bezeichnet eine pentagonförmige Zisterne
Synonyme. Cisternae subarachnoideales an der Schädelbasis, die die supraselläre Zisterne, die präpon-
Bei den Zisternen (. Abb. 1.18) handelt es sich um umschriebe- tine Zisterne und die medialen Anteile der Sylvischen Zister-
ne Erweiterungen des Subarachnoidalraums, d.h. des äußeren nen umfasst (. Abb. 1.19)
4 Kleinhirnbrückenwinkelzisterne.
1.3 · Liquorräume und Liquor
9 1

. Abb. 1.15 III.Ventrikel und Hypothalamus,


. Abb. 1.14 Foramina Monroi (MRT, T1 FLAIR cor) MRT T1 FLAIR cor
1 = Vorderhorn des Seitenventrikels 1 = Vorderhorn des Seitenventrikels
2 = Foramen interventriculare Monroi 2 = Septum pellucidum
3 = III. Ventrikel 3 = III. Ventrikel . Abb. 1.16 Massa intermedia/Adhaesio inter-
4 = Corpora mamillaria 4 = Commissura anterior thalamica (MRT T2w tra)
5 = Nucleus caudatus 5 = Hypothalamus 1 = Seitenventrikel, Vorderhorn
2 = Foramen Monroi
3 = III. Ventrikel
4 = Adhaesio interthalamica
5 = Hinterhorn der Seitenventrikel
6 = Pinealis (mit Zyste)
7 = Plexus choroideus in Pars centralis
8 = Fornix

. Abb. 1.17a, b CE-MRA mit Darstellung des Plexus choroi- . Abb. 1.18 Schemazeichnung der Zisternen
deus im Foramen Luschkae des IV. Ventrikels (Pfeil in Abb. a) 1 Cisterna interpeduncularis 5 Cisterna cerebellaris superior
und Bochdalek-Blumenkörbchen (Kreis) 2 Supraselläre Zisterne 6 Zisterne des Velum interpositum
3 Präpontine Zisterne 7 Prämedulläre Zisterne
4 Cisterna quadrigemina 8 Cisterna magna
10 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.4 Weiße Substanz


1
Das Marklager der Großhirn- und der Kleinhirnhemisphären
wird von den Axonen der afferenten und efferenten Nervenzellen
gebildet.
Man unterscheidet prinzipiell folgende Arten von Faserver-
bindungen:
4 Kommissurenfasern: Sie verbinden einander entsprechende
Hirnareale in beiden Hemisphären miteinander. Wichtige
Kommissuren sind:
5 Corpus callosum (Balken) (. Abb. 1.21 und . Abb. 1.22)
5 Commissura anterior (. Abb. 1.23 bis . Abb. 1.26)
5 Commissura posterior (. Abb. 1.25 und . Abb. 1.26)
5 Commisura fornicis: Oberhalb des Pulvinar thalami kreu-
zen hier einige Fornixfasern zum kontralateralen Fornix.
4 Assoziationsfasern verbinden verschiedene Hirnrinden-
areale innerhalb einer Hemisphäre. Unterschieden werden:
. Abb. 1.19 »Pentagonzisterne« (Zisternographie nach lumbaler Injektion 5 Kurze Assoziationsfasern (U-Fasern, = Fibrae arcuatae),
von jodhaltigem Kontrastmittel). Hierbei handelt es sich nicht um einen die benachbarte Gyri miteinander verbinden
anatomischen, sondern um einen radiologischen Begriff. Dieser hat sich 5 Mittellange Assoziationsfasern, z.B. Fasciculus uncinatus
etabliert, weil sich bei aneurysmatischen Subarachnoidalblutungen oft eine
und Fasciculus arcuatus
Blutverteilung in diesen Abschnitten des Subarachnoidalraumes zeigt
5 Lange Assoziationsfasern, z.B. Fasciculus longitudinalis
inferior und Fasciculus longitudinalis superior
4 Projektionsfasern (. Abb. 1.27) verbinden Kortexareale mit
tiefer gelegenen Hirnarealen, z.B. den Stammganglien, dem
Hirnstamm, dem Rückenmark. Beispiel: Pyramidenbahn

1.4.1 Fornix

Bei den Fornices (fornix = Wölbung, Gewölbe, Triumphbogen)


handelt es sich um zwei kräftige Faserbündel, die als paarig an-
gelegte Crus fornici bogenartig vom posterioren Anteil des mesia-
len Temporallappens ausgehen. Die Crura fornicis verlaufen
unterhalb des Corpus callosum nach medial und rostral und
vereinigen sich im Dach des III. Ventrikels zum Corpus fornici,
bevor sie dann wieder getrennt als Columnae fornicis nach kaudal
und lateral verlaufen, um in den Corpora mamillaria zu enden
(. Abb. 1.28).

Anmerkung: Das periventrikuläre, parietale oder okzipitale


Marklager stellt sich bei vielen Patienten in T2w oder FLAIR
etwas signalreicher dar, als das restliche Marklager (. Abb. 1.29).
Dies ist in der Regel als Normvariante und nicht als pathologisch
zu werten.

Literatur
Mark LP, Daniels DL, Naidich TP. The fornix. AJNR Am J Neuroradiol.
. Abb. 1.20 Cisterna chiasmatis, bzw. supraselläre Zisterne (Präparatefoto) 1993;14:1355-8.
1.4 · Weiße Substanz
11 1

. Abb. 1.21 Schema des Corpus callosum (auf MRT gezeichnet)


1 = Rostrum
2 = Genu
3 = Corpus . Abb. 1.22 Corpus callosum, Faserbahnstel-
4 = Splenium lung (DTI)

. Abb. 1.23 Commissura anterior (Pfeil) (MRT . Abb. 1.24 Commissura anterior (Pfeil) (MRT T1
T1w nativ tra) FLAIR cor)

. Abb. 1.25 Anteriore und posteriore Kommis-


sur (MRT T2 tra)
1 = Commissura anterior
2 = Commissura posterior

a b
. Abb. 1.26 Anteriore und posteriore Kommissur
(MRT T1 FLAIR sag) . Abb. 1.27a, b Diffusion-Tensor-Imaging der Pyramidenbahnen. a Colour-coded-Map (koro-
1 = Commissura anterior narer Schnitt), die Pyramidenbahnen sind blau, der Balken ist rot kodiert. b Fibertracking der
2 = Commissura posterior Pyramidenbahnen (koronar)
12 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.5 Telenzephalon
1
Das Telenzephalon (Endhirn) besteht aus zwei Großhirnhemis-
phären, die durch Kommissurenbahnen (7 Kap. 1.4) verbunden
sind. Zwischen den beiden Hemisphären liegt der Interhemis-
phärenspalt (Fissura longitudinalis cerebri). Die Medianfläche
einer Hemisphäre wird Facies medialis genannt. Der Übergang
von der Facies medialis zur Konvexität (Facies lateralis) wird als
Mantelkante bezeichnet (. Abb. 1.30).

1.6 Oberflächenanatomie des Großhirns

Das Großhirn besteht aus folgenden Hirnlappen (Lobus):


4 Frontallappen (Lobus frontalis)
a
4 Parietallappen (Lobus parietalis)
4 Okzipitallappen (Lobus occipitalis)
4 Temporallappen (Lobus temporalis)

. Abb. 1.28a, b Fornix (Pfeile). a: MRT T2 tra; b: MRT T1 FLAIR cor

. Abb. 1.29 Signalreiche Darstellung des periventrikulären, parietalen . Abb. 1.30a, b Großhirnhemisphären. a Präparatefoto, Ansicht von ros-
Marklagers in der FLAIR als Normvariante (markierter Bereich) tral. b 3-D-Rekonstruktion eines T1w-MR-Datensatzes
1.6 · Oberflächenanatomie des Großhirns
13 1
Manche Autoren unterscheiden noch folgende Lappen: 1.6.2 Parietallappen (Lobus parietalis)
4 Insel (Lobus insularis)
4 Limbisches System (Lobus limbicus) Der Sulcus centralis stellt die Grenze zwischen Frontal- und
Parietallappen dar. Er verläuft zwischen Gyrus präcentralis und
Die Oberflächenanatomie des Gehirns ist in den . Abb. 1.31a–d Gyrus postcentralis (. Abb. 1.38 bis . Abb. 1.40).
und . Abb. 1.32 dargestellt. Der Parietallappen kann gegenüber dem Frontallappen durch
den Sulcus centralis vollständig und gegenüber dem Temporal-
lappen durch die Sylvische Fissur zumindest in seinem anteri-
1.6.1 Frontallappen (Lobus frontalis) oren Bereich gut abgegrenzt werden. Im Bereich der Facies
medialis erlaubt der Sulcus parietooccipitalis auch eine exakte
Der Frontallappen wird durch den Sulcus centralis vom Parietal- Abgrenzung des Lobus parietalis gegen den Okzipitallappen
lappen und durch den Sulcus lateralis (Sylvische Fissur) vom (. Abb. 1.32, . Abb. 1.46, . Abb. 1.53 und . Abb. 1.54). An der
Temporallappen getrennt (. Abb. 1.31b und c). Er besteht aus der Konvexität besteht die Grenze zwischen Parietal- und Okzipital-
Frontobasis, dem Gyrus präcentralis und drei weiteren parallel lappen dagegen lediglich aus einer gedachten Linie, die vom kra-
angeordneten Hauptwindungen (Gyri), die durch zwei Haupt- nialen Ende des Sulcus parietooccipitalis zur Incisura präoccipi-
furchen (Sulci) voneinander getrennt sind: talis verläuft (. Abb. 1.31c).
4 Gyrus frontalis superior: Trennung durch den Sulcus frontalis Folgende Hauptgyri zählen zum Parietallappen (. Abb. 1.36):
superior vom 4 Gyrus postcentralis → begrenzt durch Sulcus postcentralis
4 Gyrus frontalis medius: Trennung durch den Sulcus frontalis (verläuft parallel zum Sulcus centralis, kann kontinuierlich
inferior vom oder diskontinuierlich sein).
4 Gyrus frontalis inferior 4 Lobulus parietalis superior → begrenzt durch Sulcus intra-
parietalis (Synonym: Sulcus interparietalis, »M«-förmig)
Der Gyrus frontalis inferior hat von lateral aus betrachtet die 4 Lobulus parietalis inferior (LPI, »M«-förmig):
Form des Buchstabens »M«. Drei Anteile des Gyrus werden un- 5 Gyrus supramarginalis (GSM, anteriorer Anteil des LPI).
terschieden (. Abb. 1.33): Der GSM umgreift hufeisenförmig den Ramus ascendens
4 Pars orbitalis posterior der Sylvischen Fissur.
4 Pars triangularis 5 Gyrus angularis (GA, posteriorer Anteil des LPI). Der GA
4 Pars opercularis umgreift hufeisenförmig den Sulcus temporalis superior.

Die schematischen Zeichnungen in . Abb. 1.34 liefern eine Hil- Die Anteile des Parietallappens, die die Facies medialis bilden,
festellung zur Auffindung der Sulci und Gyri der Konvexität. werden als Precuneus bezeichnet (. Abb. 1.32).
Die Frontobasis einer Hemisphäre besteht aus 5 Gyri
(. Abb. 1.35): Literatur
4 Gyrus rectus Naidich TP, Valavanis AG, Kubik S. Anatomic relationships along the low-middle
convexity: Part I--Normal specimens and magnetic resonance imaging.
4 Gyrus frontoorbitalis medialis
Neurosurgery. 1995;36:517-32.
4 Gyrus frontoorbitalis lateralis Salamon G, Salamon-Murayama N, Mongkolwat P, Russell EJ. Magnetic reso-
4 Gyrus frontoorbitalis anterior nance imaging study of the parietal lobe: anatomic and radiologic cor-
4 Gyrus frontoorbitalis posterior relations. Adv Neurol. 2003;93:23-42.
Salamon N, Sicotte N, Mongkolwat P, Shattuck D, Salamon G. The human cer-
ebral cortex on MRI: value of the coronal plane. Surg Radiol Anat. 2005
Der Gyrus rectus wird medial vom Interhemisphärenspalt und
Dec;27(5):431-43.
lateral vom Sulcus olfactorius begrenzt. Die Gyri frontoorbitales
werden durch einen »H«-förmigen Sulcus orbitalis zueinander
abgegrenzt. Der Sulcus orbitofrontalis lateralis stellt die laterale
Begrenzung des Gyrus frontoorbitalis lateralis dar. 1.6.3 Zentralregion und Sulcus centralis

Literatur Als Zentralregion wird die Einheit von Gyrus präcentralis (pri-
Albrecht J, Wiesmann M. The human olfactory system. Anatomy and physiol- märer motorischer Kortex, zum Frontallappen gehörend) und
ogy. Nervenarzt. 2006;77:931-9.
Gyrus postcentralis (primärer sensorischer Kortex, zum Parietal-
Naidich TP, Valavanis AG, Kubik S. Anatomic relationships along the low-middle
convexity: Part I – Normal specimens and magnetic resonance imaging.
lappen zählend) bezeichnet. Mantelkantennah gehen die beiden
Neurosurgery. 1995;36:517-32. Gyri ineinander über. Dieser Kortexbereich wird als Lobulus
Naidich TP, Valavanis AG, Kubic S, Taber KH, Yasargil G. Anatomic relationships paracentralis bezeichnet. Auch im inferioren Anteil des Sulcus
along the low-middle convexity: Part II – Lesion Localization. Int J Neuro- centralis, d.h. nahe der Sylvische Fissur, sind Gyrus präcentralis
radiol. 1997;3:393 – 409.
und Gyrus postcentralis durch eine Gewebebrücke, den Gyrus
subcentralis, verbunden. Aufgespannt hat die Zentralregion die
Form eines langezogenen »O«.
14 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b

c d

. Abb. 1.31a–d Oberflächenanatomie des Großhirns, Präparatefotos. Ansicht von rostral und kranial (a), dorsal und kranial (b), lateral (c) und kaudal (d)
1 = Interhemisphärenspalt 14 = Gyrus temporalis superior 31 = Gyrus parahippocampalis
2 = Gyrus frontalis superior 15 = Sulcus temporalis superior 31I = Uncus/Amygdala
3 = Sulcus frontalis superior 16 = Gyrus temporalis medius 32 = Gyrus occipitotemporalis lateralis
4 = Gyrus frontalis medius 17 = Sulcus temporalis inferior (Gyrus fusiformis)
5 = Gyrus präcentralis 18 = Gyrus temporalis inferior 33 = Gyrus temporalis inferior
5I/L5 = motorisches Handareal 19 = Gyrus supramarginalis 34 = Gyrus occipitotemporalis medialis
6 = Sulcus centralis 20 = Gyrus angularis (Gyrus lingualis)
7 = Gyrus postcentralis 21 = Incisura parietooccipitalis 35 = Occipitalpol
8 = Variante mit unterbrochenem Gyrus 22 = Gyus rechts 36 = Mesencephalon
präcentralis 23 = Sulcus olfactorius 37 = Nucleus ruber
9 = Sulcus interparietalis 24 = Bulbus olfactorius 38 = Substantia nigra
10 = Lobulus parietalis superior 24I = Tractus olfactorius 39 = Corpora mamillaria
11 = Lobulus parietalis inferior 25 = Gyrus frontoorbitalis medialis 40 = Chiasma opticum
12 = Gyrus frontalis inferior 26 = Sulcus orbitalis 41 = Glandula pinealis
12I = Pars orbitalis 27 = Gyrus frontoorbitalis anterior
12II = Pars triangularis 28 = Gyrus frontoorbitalis posterior
12III = Pars opercularis 29 = Gyrus frontoorbitalis lateralis
13 = Sylvische Fissur 30 = Temporalpol
1.6 · Oberflächenanatomie des Großhirns
15 1

. Abb. 1.33 Gyrus frontalis inferior (FLAIRw sag)


1 = Pars orbitalis
2 = Pars triangularis
. Abb. 1.32 Mediale Fläche des Gehirns 3 = Pars opercularis
1 = Sulcus cinguli 5 = Gyrus cinguli 11 = Glandula pinealis
1I = Ramus marginalis Sulcus 6 = Area subcallosa 12 = Corpora mamillaria
cinguli 7 = Corpus callosum 13 = Chiasma opticum
1II = akzessorischer Gyrus 7I = Genu 14 = Precuneus
cinguli als Normvariante 7II = Corpus 15 = Cuneus
2 = Sulcus centralis 7III = Splenum 16 = Sulcus parietooccipitalis
2I = Gyrus präcentralis 8 = Fornix 17 = Sulcus calcarinus
2II = Gyrus postcentralis 9 = Commissura anterior 18 = Gyrus lingualis
3 = Gyrus frontalis superior 10 = Adhaesio 19 = Gyrus parahippocampalis
4 = Gyrus rectus interthalamica

a b c d

e f g h

. Abb. 1.34a–h Schemazeichnungen der Konvexität. Sie liefern eine Hilfe- grenzt. Der weitgehend horizontal verlaufende Sulcus frontalis inferior geht
stellung zur Auffindung der Sulci und Gyri. Die Strukturen, die jeweils in den dabei dorsal in einem annähernd rechten Winkel in den nach kaudal ver-
Teilabbildungen aufgesucht werden, sind farbig markiert. a Überblick über laufenden, inferioren Anteil des Sulcus präcentralis über. f Im nächsten
die wichtigsten Sulci und Gyri der Konvexität. b Zunächst wird die Sylvische Schritt wird der Sulcus präcentralis in seiner Gesamtheit, d.h. einschließlich
Fissur aufgesucht. Ihre Ramus anterior horizontalis (AH) und anterior ascen- seines oberen Anteils identifiziert. g Die Zweiteilung des Sulcus präcentralis
dens (AA), die gemeinsam ein V oder ein Y bilden, werden identifiziert. in einen oberen und einen unteren Anteil entsteht dadurch, dass der Gyrus
c Über diesem V- bzw. Y-förmigen Sulcus liegt der M-förmige Gyrus frontalis frontalis medius dorsal in den annähernd senkrecht dazu verlaufenden
inferior. d Der Gyrus frontalis medius (GFM) liegt kranial des Gyrus frontalis Gyrus präcentralis (GPC) übergeht. Zu beachten ist dabei der schräge Ver-
inferior und reicht weiter nach posterior als dieser. Er besitzt eine zickzack- lauf des Sulcus präcentralis von kranial dorsal nach kaudal ventral. h Iden-
artige Form. e Zwischen dem Gyrus frontalis inferior und Gyrus frontalis tifizierung des Sulcus centralis, unmittelbar dorsal des Gyrus präcentralis
medius liegt der Sulcus frontalis inferior. Nach dorsal wird der Gyrus fron- (Modifiziert nach Naidich et al. Anatomic Relationships along the low-
talis inferior durch den inferioren Anteil des Sulcus präcentralis (SPC) be- middle convexity. Int J Neuroradiol. 1997; 3(5):393-409)
16 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b

c
d

. Abb. 1.35a–d Frontobasis. a Präparatefoto, Ansicht von kaudal. b 3-D-Rekonstruktion eines T1w-MRT-Datensatzes, Ansicht von schräg kaudal. c Schema-
tische Darstellung, Ansicht von kaudal. d MR T1 FLAIR cor
1 = Gyrus rectus 4 = Gyrus frontoorbitalis posterior 7 = Sulcus orbitalis (»H«)
2 = Sulcus olfactorius 5 = Gyrus frontoorbitalis lateralis 8 = Interhemisphärenspalt
3 = Gyrus frontoorbitalis medialis 6 = Gyrus frontoorbitalis anterior 9 = Tractus olfactorius
1.6 · Oberflächenanatomie des Großhirns
17 1

. Abb. 1.37 Flussdiagramm zum Auffinden des Sulcus centralis im trans- . Abb. 1.39 Sulcus centralis mit motorischem Handareal (MR FLAIR tra)
versalen Bild

. Abb. 1.38 Sulcus centralis (MRT eines Hirnpräparats)

. Abb. 1.40 Motorisches Handareal. Der »Handknob« als


»umgedrehtes »Omega« bzw. als »Epsilon« (Normvariante;
MR T2w)

9 . Abb. 1.36a–g Schemazeichnungen der Sulci und Gyri der Konvexität des sur verläuft und den Gyrus temporalis superior (GTS) vom Gyrus temporalis
Parietallappens. Sie geben eine Hilfestellung zur Auffindung der Sulci und medius (GTM) trennt. e Der Gyrus angularis umgreift den dorsalen Anteil
Gyri des Parietalllappens an der Konvexität. a Zunächst wird der Gyrus post- des Sulcus temporalis superior U-förmig bzw. hufeisenförmig. f Gyrus supra-
centralis identifiziert. b Nach dorsal wird der Gyrus postcentralis durch den marginalis (ventral und kranial) und Gyrus angularis (dorsal und kaudal)
Sulcus postcentralis begrenzt. Der Anteil dieses Sulcus, der im Bereich der bilden gemeinsam ein »M« und werden nach kranial bzw. dorsal von dem
mittleren und unteren Konvexität liegt (also sein inferiorer Anteil: infSPC), ebenfalls M-förmigen Sulcus intraparietalis begrenzt. Dieser ist oft diskonti-
wird von manchen Autoren auch auch als aszendierender Ast des Sulcus in- nuierlich. Gyrus supramarginalis und Gyrus angularis werden zusammen
traparietalis (siehe G) bezeichnet. c Zur Identifizierung des Gyrus supramar- auch als Lobulus parietalis inferior bezeichnet. g Kranial dieses Sulcus und
ginalis verfolgt man die Sylvische Fissur nach posterior, bis sie als Ramus as- posterior des oberen Anteils des Gyrus postcentralis (GPC) findet sich
cendens posterior (AP) scharf nach oben verläuft. Der Gyrus supramarginalis der Lobulus parietalis superior (Modifiziert nach Naidich et al. Anatomic
umgreift diesen Ramus U-förmig bzw. hufeisenförmig. d Im nächsten Schritt Relationships along the low-middle convexity. Int J Neuroradiol. 1997;
wird der Sulcus temporalis superior identifiziert, der parallel zur Sylvische Fis- 3(5):393-409)
18 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.41 Flussdiagramm zum Auffindes des Sulcus centralis


im sagittalen Bild

. Abb. 1.42 Sulcus centralis im sagittalen Bild (MR T1 FLAIRsag)

. Abb. 1.45 Schemazeichnung des Temporallappens in der Ansicht von


kaudal

. Abb. 1.43 Schemazeichnung des Temporallappens


in der Ansicht von lateral

. Abb. 1.44 Temporallappen, Ansicht von lateral


(MRT T1 FLAIR)
1.6 · Oberflächenanatomie des Großhirns
19 1
Zum Auffinden des Sulcus centralis im radiologischen Bild
gibt es verschiedene systematische Ansätze, z.B.
4 Über den Sulcus präcentralis (. Abb. 1.37, . Abb. 1.38 und
. Abb. 1.39)
4 Über den »Handknob«: Das motorische Handareal (»Hand-
knob«) im Gyrus präcentralis kann bei den meisten Menschen
als »umgedrehtes Omega«, bei einigen auch als »Epsilon«
identifiziert werden (. Abb. 1.40)
4 Im sagittalen Bild (. Abb. 1.41 und . Abb. 1.42) über den
Ramus marginalis des Sulcus cinguli
Literatur
Fesl G, Moriggl B, Schmid UD, Naidich TP, Herholz K, Yousry TA. Inferior central
sulcus: variations of anatomy and function on the example of the motor
. Abb. 1.46 Präparatefoto des Temporallappens, Ansicht von schräg kaudal tongue area. Neuroimage. 2003;20:601-10.
1 = Sulcus parietooccipitalis Yousry TA, Schmid UD, Alkadhi H, Schmidt D, Peraud A, Buettner A, Winkler P.
2 = Sulcus calcarinus (Pfeile) Localization of the motor hand area to a knob on the precentral gyrus.
2I = Area calcarina (primäre Sehrinde) A new landmark. Brain. 1997;120:141-57.
3 = Gyrus lingualis ( = Gyrus occipitotemporalis medialis)
4 = Cuneus
5 = Okzipitalpol 1.6.4 Temporallappen
6 = Precuneus
7 = Temporalpol
Der Temporallappen wird durch die Sylvische Fissur im Bereich
8 = Gyrus parahippocampalis
8I = Uncus/Amygdala
der Konvexität klar gegenüber Frontal- und Parietallappen abge-
9 = Gyrus occipitotemporalis lateralis (Gyrus fusiformis) grenzt.
10 = Gyrus temporalis inferior Er besteht im Bereich der Konvexität aus drei Hauptwin-
dungen, die parallel zur Sylvischen Fissur verlaufen und durch
zwei Hauptsulci getrennt werden (. Abb. 1.43, . Abb. 1.44):
4 Gyrus temporalis superior → Sulcus temporalis superior
4 Gyrus temporalis medius → Sulcus temporalis inferior
4 Gyrus temporalis inferior

Der Gyrus temporalis inferior bildet einerseits den kaudalen


Anteil des Temporallappens im Bereich der Konvexität, anderer-
seits jedoch auch seinen lateralen Anteil in der Ansicht von kau-
dal (. Abb. 1.44, . Abb. 1.45 und . Abb. 1.46).
Spreizt man das Hirngewebe im Bereich der Sylvischen
Fissur auf, kann man nicht nur auf die Insel, sondern auch auf die
Oberfläche des Temporallappens blicken und erkennt hier neben
dem Planum temporale die Heschl-Querwindungen (Gyri tempo-
rales transversi; Brodmann Area 41) (. Abb. 1.48).

. Abb. 1.47 Temporallappen (MRT T1 FLAIR cor)


1 = Amygdala
2 = Pes hippocampi
3 = Gyrus parahippocampalis
4 = Sulcus collateralis
5 = Gyrus occipitotemporalis lateralis (Gyrus fusiformis)
6 = Sulcus occipitotemporalis
7 = Gyrus temporalis inferior
8 = Sulcus temporalis inferior
9 = Gyrus temporalis medius
10 = Sulcus temporalis superior . Abb. 1.48 Schemazeichnung des Temporallappens in der Ansicht von
11 = Gyrus temporalis superior kranial. Die Opercula, d.h. die Hirnanteile, die nomalerweise die Insel und
12 = Sylvische Fissur die Heschl-Querwindungen überdecken (7 Kap. 1.6.4.2), wurden entfernt
20 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.50 Schemazeichnung der Sylvischen Fissur

Sylvische Fissur
Synonyme. Sulcus lateralis, Fissura sylvii, Fissura lateralis
Die Sylvische Fissur bildet sich bereits in der 14. SSW aus. Sie
trennt den Frontallappen und anteriore Teile des Parietallappens
b
vom Temporallappen (. Abb. 1.50).
Es werden 5 Hauptäste der Sylvischen Fissur unterschieden:
4 Ramus horizontalis anterior und Ramus ascendens anterior:
Sie umfassen die Pars triangularis des G. frontalis inferior
4 Ramus horizontalis posterior: Hiervon gehen der Sulcus sub-
centralis anterior und der Sulcus subcentralis posterior ab, die
den Gyrus subcentralis umfassen.
4 Ramus ascendens posterior: Dieser wird vom Gyrus supra-
marginalis hufeisenförmig umfasst.
4 Ramus descendens posterior

Insel
Die Insel (Lobus insularis) liegt in der Tiefe der Sylvischen Fissur
und wird von Anteilen des Frontallappens, des Parietallappens
sowie des Temporallappens bedeckt. Diese jeweiligen Abschnitte
der genannten Lappen werden als frontales, temporales bzw. parie-
tales Operkulum (»Deckelchen«) bezeichnet (. Abb. 1.48, . 1.52).
c
Die Insel entsteht dadurch, dass die entsprechenden Rinden-
. Abb. 1.49a–c Heschl-Querwindungen. a: MRT T1 FLAIR cor; b: MRT T1 anteile während der Embryonalentwicklung in ihrem Wachstum
FLAIR sag; c: MRT T1w tra hinter den anderen Lappen zurückbleiben (. Abb. 1.51).

Literatur
Naidich TP, Kang E, Fatterpekar GM, Delman BN, Gultekin SH, Wolfe D, Ortiz O,
Yousry I, Weismann M, Yousry TA. The insula: anatomic study and MR
Im transversalen Schnittbild finden sich diese typischerweise
imaging display at 1.5 T. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:222-32.
in der Ebene der Adhäsio interthalamica (. Abb. 1.49c), im koro-
naren Bild in der Ebene des inneren Gehörgangs (. Abb. 1.49a).

Literatur 1.6.5 Okzipitallappen


Naidich TP, Kang E, Fatterpekar GM, Delman BN, Gultekin SH, Wolfe D, Ortiz O,
Yousry I, Weismann M, Yousry TA. The insula: anatomic study and MR
imaging display at 1.5 T. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:222-32.
An der Facies medialis kann der Lobus occipitalis gegenüber dem
Sindou M, Guenot M. Surgical anatomy of the temporal lobe for epilepsy Lobus parietalis durch den Sulcus parietooccipitalis exakt ab-
surgery. Adv Tech Stand Neurosurg. 2003;28:315-43. gegrenzt werden (. Abb. 1.53). Im Bereich der Konvexität ist die
1.6 · Oberflächenanatomie des Großhirns
21 1

. Abb. 1.51 Schemazeichnung zur Entstehung der Insel. Im Laufe der Ent- woche. Die Anteile die über der Insel liegen, werden jeweils als Operkulum
wicklung wachsen die anderen Anteile der Großhirnhemisphäre schneller, als bezeichnet
die Inselgyri und überdecken diese schließlich in der 40. Schwangerschafts-

. Abb. 1.53 Okzipitallappen, Ansicht von medial (Präparatefoto)


1 = Sulcus parietooccipitalis
2 = Sulcus calcarinus
2I = Area calcarina (primäre Sehrinde)
3 = Gyrus lingualis (= Gyrus occipitotemporalis medialis)
4 = Cuneus
5 = Occipitalpol
6 = Precuneus

. Abb. 1.54 Okzipitallappen, Ansicht von medial (MRT T1 FLAIR sag)

. Abb. 1.52a–c Insel. a: Sagittale Darstellung (MRT FLAIR sag); b: Transver-


sale Darstellung; (MRT T2w tra); c: Koronare Darstellung (MRT T1 FLAIR cor)
22 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

Grenze zwischen Okzipitallappen und Parietallappen einerseits 1.7 Limbisches System


1 und dem Temporallappen andererseits weniger eindeutig. Sie
besteht lediglich aus einer gedachten Verbindungslinie zwischen Lateinisch bedeutet »limbus« Saum. Der Begriff »grand lobe lim-
der Incisura präoccipitalis und dem Punkt an dem der Sulcus bique« wurde 1878 von Broca eingeführt. MacLean prägte den
parietooccipitalis die Mantelkante erreicht (. Abb. 1.54). heute umstrittenen Begriff des »limbischen Systems«.
Die Facies medialis besteht aus dem Cuneus (= »Keil«) und
dem Gyrus lingualis inferior, die durch den Sulcus calcarinus Definition. Unter dem limbischen System versteht man ring-
getrennt werden. Die unmittelbar an den Sulcus calcarinus an- förmig angeordnete, phylogenetisch ältere Hirnanteile, die un-
grenzenden Kortexareale (obere und untere »Lippe« des Sulcus tereinander wichtige funktionelle Schaltkreise bilden und u.a.
calcarinus) entsprechen der Brodmann Area 17, d.h. der primä- wesentlich zur Steuerung von Gedächtnis und Emotionen, sowie
ren Sehrinde (. Abb. 1.53). zur Affektgestaltung beitragen.
In der primären Sehrinde ist die vierte Hirnrindenschicht Phylogenetisch zählen die Kortexareale des limbischen Sys-
(Lamina IV, Stratum granulosum internum) durch ein prominen- tems zum Archikortex (Gyrus hippocampus und Gyrus denta-
tes Faserbündel gekennzeichnet, das auch makroskopisch als ein tus), zum Paläokortex (piriformer Kortex) oder zum Juxtallo-
Streifen weißer Substanz innerhalb des Kortex erkennbar ist kortex (Gyrus cinguli).
(Gennari-Streifen, Vicq-d‘Azyr-Streifen). Die Hochfeld-MRT Hinsichtlich der zum limbischen System gehörenden Anteile
ermöglicht es, diesen Streifen in vivo beim Menschen darzu- sind die Angaben in der Literatur uneinheitlich. In der Regel
stellen. werden folgende Strukturen dazu gezählt:
Im Bereich der Konvexität werden prinzipiell drei okzipitale 4 Hippocampus (Subiculum, Gyrus hippocampus, Gyrus den-
Gyri unterschieden: tatus) (7 Kap. 1.7.1)
4 Gyrus occipitalis superior 4 entorhinaler Kortex
4 Gyrus occipitalis medius 4 Septalregion (7 Kap. 1.7.2)
4 Gyrus occipitalis inferior 4 Amygdala
4 Fornix
Ihr Verlauf ist allerdings sehr variabel, ihre genaue Zuordnung 4 Indusium griseum
daher schwierig, jedoch auch nur von untergeordneter klinischer 4 Gyrus cinguli
Relevanz. In der Ansicht von kaudal folgen von medial nach la- 4 Corpora mamillaria
teral aufeinander: 4 Tractus mamillothalamicus
4 Gyrus lingualis superior → Sulcus lingualis 4 Nucleus anterior des Thalamus
4 Gyrus lingualis inferior = Gyrus occipitotemporalis medialis →
Sulcus collateralis (Sulcus occipitotemporalis medialis) Diese Strukuren bilden nicht nur einen »Ring«, sondern im
4 Gyrus occipitotemporalis lateralis (Gyrus fusiformis) → Sulcus Wesentlichen drei C-förmige »Bögen« (. Abb. 1.55).
occipitotemporalis lateralis (. Abb. 1.46) 4 Innerer Bogen:
Verlauf: basal des Corpus callosum
Literatur Bestandteile: Fimbria hippocampi (Efferenzen der Hippo-
Barbier EL, Marrett S, Danek A, Vortmeyer A, van Gelderen P, Duyn J, Bandet- campi) → Übergang in Fornix (Crus, Corpus, Columna) und
tini P, Grafman J, Koretsky AP. Imaging cortical anatomy by high-resolu-
Corpora mamillaria
tion MR at 3.0T: detection of the stripe of Gennari in visual area 17. Magn
Reson Med. 2002;48:735-8.
4 Mittlerer Bogen:
Verlauf: unmittelbar auf dem Corpus callosum
Bestandteile:
5 Hippocampus proprius
5 Gyrus dentatus
5 Indusium griseum
5 Gyrus paraterminalis
4 Äußerer Bogen:
Verlauf: oberhalb des mittleren Bogens
Bestandteile:
5 Gyrus parahippocampalis (mit Uncus; 7 Kap. 1.7.1) →
Übergang in den Isthmus des Gyrus cinguli
5 Gyrus cinguli
5 Area subcallosa

Der bekannteste und wichtigste der funktionellen Regelkreise


des limbischen Systems ist der Papez-Regelkreis: Hippocampus
→ Fornix → Corpus mamillare → Tractus mamillothalamicus →
Nuclei anteriores thalami → Tractus thalamocingularis → Gyrus
cinguli → cingulohippocampale Fasern → Hippocampus
1.7 · Limbisches System
23 1

. Abb. 1.55 Schematische Darstellung des limbischen Systems

. Abb. 1.56 Schematische Darstellung der Entwicklung des Hippocampus

Literatur Hippocampus proprius und Gyrus dentatus stellen dabei im


Hirai T, Korogi Y, Yoshizumi K, Shigematsu Y, Sugahara T, Takahashi M. Limbic Querschnitt zwei ineinander verschränkte U-förmige Kortex-
lobe of the human brain: evaluation with turbo fluid-attenuated inver-
strukturen dar. Dieser charakteristische Aufbau der Hippocam-
sion-recovery MR imaging. Radiolog. 2000;215:470-5.
Kier EL, Fulbright RK, Bronen RA. Limbic lobe embryology and anatomy: dis-
pusformation entsteht dadurch, dass sich der Gyrus parahippo-
section and MR of the medial surface of the fetal cerebral hemisphere. campalis im Laufe der Embryonalentwicklung »einrollt« (. Abb.
AJNR Am J Neuroradiol. 1995;16:1847-53. 1.56). Er geht dabei vom sechsschichtigen Isokortex in den ent-
Mark LP, Daniels DL, Naidich TP, Borne JA. Limbic system anatomy: an over- wicklungsgeschichtlich älteren Allocortex über, der lediglich ei-
view. AJNR Am J Neuroradiol. 1993;14:349-52.
nen drei- (Gyrus dentatus) bzw. vierschichtigen (Hippocampus
proprius) Aufbau aufweist. Das Subiculum stellt eine Übergangs-
zone dar (. Abb. 1.57 und . Abb. 1.58).
1.7.1 Hippocampusformation Oberhalb des Hippocampus verläuft eine dünne Schicht wei-
ßer Substanz, der Alveus, der medial in die Fimbria hippocampi
Die Hippocampusformation ist Teil des limbischen Systems und übergeht (. Abb. 1.57).
jeweils im mesialen Anteil der Temporallappen lokalisiert. Sie In der Längsachse werden folgende Anteile der Hippocam-
besteht aus folgenden Anteilen grauer Substanz: pusformation unterschieden:
4 Hippocampus proprius (= Ammonshorn, Cornu ammonis, 4 Pes hippocampi (anterior gelegen)
»Hippocampus« im engeren Sinne), bestehend aus 4 Zonen: 4 Corpus hippocampi
CA1- bis CA4-Region 4 Cauda hippocampi
4 Gyrus dentatus
4 Subiculum Literatur
Pearce JM. Ammon’s horn and the hippocampus. J Neurol Neurosurg Psych-
iatry. 2001;71:351.
24 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a a

b b

. Abb. 1.57a, b Histologische Schnitte vom inneren Aufbau des Hippo-


campus
T = Temporalhorn
CA1 = CA-1-Region
CA2 = CA-2-Region
CA3 = CA-3-Region
CA4 = CA-4-Region
1 = Fimbria
2 = Alveus
3 = Lamina
4 = Subiculum
5 = Gyrus parahippocampus
6 = Sulcus collateralis
7 = Gyrus dentatus
8 = Hippocampus proprius

. Abb. 1.58a–c MRT des Hippocampus. a: T1 FLAIR cor; b: T1 FLAIRsag;


c: T2w
A = Alveus
F = Fimbria
D = Gyrus dentatus (Pfeile in b)
S = Subiculum
P = Gyrus parahippocampalis
H = Hippocampus proprius
1 = Fissura parahippocampalis
2 = Sulcus collateralis
* kleine Zysten im Hippocampus, die häufig gefunden werden und ohne
pathologische Wertigkeit sind
1.8 · Amygdala
25 1
. Abb. 1.59 Schematische Darstellung
der Septalregion

1.7.2 Septalregion

Synonyme. Paraterminal body


Bei der Septalregion handelt es sich um eine Komponente des
limbisches Systems, die an der Facies medialis, inferior des
Rostrums des Balkens und anterior des III. Ventrikels bzw. der
Lamina terminalis lokalisiert ist (. Abb. 1.55).
Sie besteht aus zwei annähernd vertikal verlaufenden Gyri
(Area subcallosa und Gyrus paraterminalis) und Sulci. Die Area
subcallosa gehört zum äußeren Bogen des limbischen Systems,
der Gyrus paraterminalis zum mittleren Bogen. Der Gyrus para-
terminalis geht an der basalen Hirnoberfläche in das diagonale
Band von Broca über, welches die posteromediale Begrenzung
der Substantia perforata anterior darstellt (. Abb. 1.59). Die Area
subcallosa grenzt an der Frontobasis an die Stria olfactoria me- . Abb. 1.60 Amygdala
dialis (. Abb. 1.59). 1 = Ncl. accumbens 6 = Gyrus temporalis inferior
2 = Ncl. caudatus 7 = Gyrus temporalis medius
Literatur 3 = Putamen 8 = Gyrus temporalis superior
4 = Gyrus parahippocampalis * = Amygdala
Mark LP, Daniels DL, Naidich TP, Hendrix LE, Maas E. Anatomic moment. The
5 = Gyrus occipitotemporalis lateralis
septal area. AJNR Am J Neuroradiol. 1994;15:273-6.

> In FLAIR (. Abb. 1.61) und auch in DWI zeigen phyloge-


1.8 Amygdala netisch älteren Kortexabschnitte physiologischerweise
eine im Vergleich zum 6-schichtigen Neokortex höhere
Synonyme. Corpus amygdaloideum Signalintensität. Dazu zählen folgende Bereiche: Hippo-
Bei der Amygdala handelt es sich um einen großen Kernkom- campusformation, Amygdala, Gyrus cinguli, Area sub-
plex, der im mesialen Temporallappen medial des Uncus und callosa und Inselrinde.
unmittelbar ventral des Temporalhorns des Seitenventrikels
lokalisiert ist (. Abb. 1.60). Literatur
Asao C, Hirai T, Yoshimatsu S, Matsukawa T, Imuta M, Sagara K, Yamashita Y.
Human cerebral cortices: signal variation on diffusion-weighted MR
imaging. Neuroradiology. 2008;50:205-11.
Hirai T, Korogi Y, Yoshizumi K, Shigematsu Y, Sugahara T, Takahashi M. Limbic
lobe of the human brain: evaluation with turbo fluid-attenuated inver-
sion-recovery MR imaging. Radiology. 2000;215:470-5.
26 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.10 Dienzephalon
1
Synonyme. Zwischenhirn
Das Zwischenhirn verbindet das Telenzephalon mit dem Mesen-
zephalon, dem es sich rostral anschließt. Das Dienzephalon
(. Abb. 1.65) liegt jedoch nicht in der gleichen Achse wie das
Mesenzephalon, sondern ist gegen dieses nach rostral verkippt.
Bestandteile (. Abb. 1.65, . Abb. 1.66 und . Abb. 1.67):
4 Thalamus
4 Epithalamus
5 Commisura posterior
5 Commisura habenularum
5 Nuclei habenulares
5 Epiphyse (= Glandula pinealis)
4 Hypothalamus, inklusive (. Abb. 1.66)
5 Tuber cinereum
5 Corpora mamillaria
. Abb. 1.61 Phylogenetisch ältere Kortexabschnitte (Hippocampus, Gyrus
4 Subthalamus
cinguli und Insel) zeigen in der FLAIR physiologischerweise eine im Vergleich 5 Nucleus subthalamicus
zum 6-schichtigen Neokortex höhere Signalintensität (MRT FLAIR cor) 4 Hypophysenhinterlappen

Lokalisation: Das Dienzephalon dehnt sich beidseits des dritten


1.9 Stammganglien Ventrikels aus. Die rostrale Begrenzung bildet die Commissura
anterior (7 Kap. 1.4). Die lateralen Wände werden im oberen An-
Synonyme. Basalganglien teil von den Thalami und im unteren Bereich von den Hypotha-
Zu den Stammganglien im eigentlichen Sinne werden heute in lami gebildet.
der Regel folgende Strukturen gezählt (. Abb. 1.62, . Abb. 1.63 Bei den Thalami handelt es sich um zwei eiförmige Kern-
und . Abb. 1.64): komplexe, die jeweils ca. 4/5 des Zwischenhirns ausmachen und
4 Ncl. caudatus den dritten Ventrikel nach lateral begrenzen. Die Thalami selbst
4 Putamen werden nach lateral jeweils durch eine dünne Schicht weißer
5 Globus pallidus (= Pallidum) Substanz – die Lamina medullaris externa – begrenzt. Dieser La-
5 Globus pallidus externus mina liegt der Nucleus reticularis thalami außen als dünne Zell-
5 Globus pallidus internus schicht auf (. Abb. 1.68).
4 Ncl. accumbens Jeder Thalamus wird durch y-förmige Züge weißer Substanz
4 Tuberculum olfactorium (Lamina medullaris interna) in drei größere Kerngruppen auf-
4 Substantia nigra (Pars reticulata) geteilt:
4 Substantia in nominata (Pars subcommissuralis; in der Tiefe 4 Nuclei anteriores (in der Gabelung des Y)
der Substantia perforata anterior ventral der Commissura 4 Nuclei ventrolaterales (lateral)
anterior gelegen) 4 Nuclei mediales (medial)

Nucleus caudatus und Putamen sind durch Züge grauer Substanz Innerhalb der Laminae medullares internae sind mehrere kleine
(Pontes grisei lenticulostriatales) zu einer funktionellen Einheit Kerngruppen (Nuclei intralaminares) und ein größerer Kern-
verbunden (Striatum). Anterokaudal gehen beide ineinander über. komplex (Nucleus centromedianus) nachweisbar.
Dieser Bereich wird als Nucleus accumbens bezeichnet (. Abb. 1.60). Kaudal schließt sich an die genannten Kerngruppen ein wei-
Putamen und Globus pallidus werden gemeinsam auch als terer großer zum Thalamus gehörender Kernkomplex an, das
Linsenkern (Nucleus lentiformis) bezeichnet. Pulvinar thalami. Kaudal bzw. lateral des Pulvinar thalami finden
Hinweis: In der Literatur werden die zu den Stammganglien zäh- sich die Corpora geniculata mediale und laterale (. Abb. 1.62).
lenden Strukturen sehr uneinheitlich benannt.
> Der Thalamus nimmt eine zentrale Stellung in der Reiz-
Den Stammganglien funktionell assoziierte Kerngebiete sind:
verarbeitung ein, da hier außer den olfaktorischen alle
4 Ncl. subthalamicus
afferenten Bahnen auf das letzte Neuron umgeschaltet
4 Substantia nigra (Pars compacta)
werden.
4 Ncl. tegmenti pedunculopontinus

Lateral des Putamens und medial des Inselkortex befindet sich


ein schmaler Streifen subkortikaler grauer Substanz, der in
der Regel nicht zu den Stammganglien gezählt wird und dessen
Funktion bislang weitgehend unklar ist: das Claustrum.
1.10 · Dienzephalon
27 1

a b c

d e

. Abb. 1.62a–e Transversalschnitte durch die Stammganglien (MRT eines Hirnpräparates)


1 = Caput nuclei caudati 6I = Splenium corporis callosi 11 = Claustrum
2 = Putamen 7 = Plexus choroideus 12 = Tractus mamillothalamicus
3 = (medialer) Thalamus 8 = Precuneus 13 = thalamische Vene
4 = Septum pellucidum 9 = Fornix 14 = Corpus geniculatum mediale
5 = Inselcortex 10 = Globus pallidus 15 = Corpus geniculatum laterale
6 = Genu corporis callosi 10I = Globus pallidus internus

a b

. Abb. 1.63 Darstellung der Stammganglien in . Abb. 1.64a, b Stammganglien im koronaren Schnitt (MRT T1 FLAIR cor)
einer 3-D-Rekonstruktion von einem MRT-Daten- 1 = Nucleus caudatus 3I = lateraler Thalamus
satz eines Hirnpräparates 1I = Caput des Nucleus caudatus 4 = Globus pallidus externus
1 = Nucleus caudatus 1II = Cauda des Nucleus caudatus 5 = Ncl. subthalamicus
2 = Putamen 2 = Putamen 6 = Zona incerta
3 = Pontes grisei (Pfeile) 3 = Thalamus
4 = Thalamus
28 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.65 Schemazeichnung der Strukturen des Dienzephalons (Strukturen des Dienzephalons sind blau dargestellt)

. Abb. 1.66 Hypothalamus und Corpora mamil- . Abb. 1.67 MRT eines Hirnpräparates der Glan-
laria (MRT T1 FLAIR cor) dula pinealis (Schnittführung parallel zur Längs-
1 = Corpora mamillaria achse der Pinealis)
2 = Hypothalamus 1 = Glandula pinealis
3 = Tractus mamillothalamicus 2 = III. Ventrikel
4 = Thalamus 3 = Tractus mamillothalamicus . Abb. 1.68 Thalamus (MRT T1 FLAIR tra)
4 = Commissura anterior 1 = Thalamus, anteriore Kerngruppe
2 = Thalamus, laterale Kerngruppe
3 = Thalamus, mediale Kerngruppe
4 = Pulvinar thalami
5 = Fornix
6 = V. cerebri interna
7 = Caput nucleus caudati
8 = Putamen
9 = Globus pallidus
10 = Claustrum
Pfeile: = Lamina medullaris interna
1.15 · Hirnstamm
29 1
1.11 Transversale Schichten durch die 4 Paleocerebellum (Altkleinhirn = Spinocerebellum)
Großhirnhemisphären 5 Vorderlappenanteile des Kleinhirnwurms
– Culmen
Die . Abb. 1.69 zeigt T1-gewichtete transversale Schichten durch – Lobus centralis
die Großhirnhemisphären von kranial nach kaudal. 5 Anteile des Unterwurms (Vermis inferior), erhält vor allem
Bei systematischer Bildanalyse trifft man im axialen Schnitt spinale Afferenzen:
von lateral, d.h. von der Inselrinde ausgehend, nach medial, d.h. – Uvula
bis zum III. Ventrikel, auf folgende anatomischen Strukturen: – Pyramis
4 Inselkortex 5 Paraflocculus
4 Capsula extrema 4 Neocerebellum (Neukleinhirn = Pontocerebellum)
4 Claustrum 5 Kleinhirnhemisphären
4 Capsula externa 5 enge Faserbahnverbindungen zum Telenzephalon
4 Putamen
4 Globus pallidus, Pars externa In jeder Kleinhirnhemisphäre sind 4 Kerngebiete nachweisbar:
4 Globus pallidus, Pars interna 4 Nucleus dentatus: im Marklager der Kleinhirnhemisphären
4 Capsula interna (. Abb. 1.73)
4 Thalamus 4 Nucleus fastigii: medial im Dach des IV. Ventrikels
4 Nucleus globosus
4 Nucleus emboliformis: beide lateral des Nucleus fastigii
1.12 Koronare Schichten durch die
Großhirnhemisphären Das Kleinhirn ist durch 3 paarig angelegte Kleinhirnstiele mit
dem Hirnstamm verbunden (. Abb. 1.76):
Die koronaren Schichten durch die Großhirnhemisphären sind 4 Pedunculi cerebellares superiores (Synonym: Corpus restifor-
in . Abb. 1.70a–n dargestellt. mis)
4 Pedunculi cerebellares medii (Synonym: Brachium pontis)
4 Pedunculi cerebellares inferiores (Synonym: Brachium con-
1.13 Sagittale Schichten durch die junctivum)
Großhirnhemisphären

Die sagittalen Schichten durch die Großhirnhemisphären sind in 1.15 Hirnstamm


. Abb. 1.71a–e dargestellt.
Der Hirnstamm besteht aus Mesenzephalon, Pons und Medulla
oblongata (. Abb. 1.77, . Abb. 1.78).
1.14 Kleinhirn (Cerebellum)

Analog zum Großhirn (Telenzephalon) besteht das Kleinhirn 1.15.1 Mesencephalon


(Cerebellum) aus zwei Hemisphären. Deren Oberfläche besteht
– ebenfalls ähnlich wie beim Telenzephalon – aus Windungen Synonyme. Mittelhirn
und Furchen, die jedoch feiner und regelmäßiger als die Groß- Das Mittelhirn stellt den kranialsten Anteil des Hirnstamms dar
hirnwindungen ausgebildet sind und als Folia (Windungen) und und schließt sich kaudal an das Diencephalon bzw. den III. Vent-
Fissurae (Furchen) bezeichnet werden (. Abb. 1.72, . Abb. 1.74 rikel an (. Abb. 1.79, . Abb. 1.80, . Abb. 1.81, . Abb. 1.82 und
und . Abb. 1.75). . Abb. 1.83).
Zwischen den beiden Kleinhirnhemisphären findet sich ein Es besteht aus 4 Hauptbestandteilen:
weiterer Anteil des Kleinhirns, der Vermis. 4 Crura cerebri (= Pedunculi cerebri, Großhirnschenkel)
Lokalisation: Das Cerebellum liegt in der hinteren Schädelgrube 4 Substantia nigra mit Pars compacta und Pars reticularis
und wird durch das Tentorium (7 Kap. 1.2.1) vom Großhirn ge- 4 Tegmentum mesencephali (= Mittelhirnhaube) mit dem
trennt. Nucleus ruber
Anteile des Kleinhirns (phylogenetisch unterschiedlich alt): 4 Vierhügelplatte (Lamina tecti, Tectum mesencephali) mit den
4 Archicerebellum (Urkleinhirn: Lobus flocculonodularis = Ves- Colliculi superiores und inferiores
tibulocerebellum):
5 Nodulus Durch das Mittelhirn verläuft der Aqueductus cerebri, der den
5 Flocculus III. Ventrikel mit dem IV. Ventrikel verbindet.
Das Archicerebellum steht in enger Verbindung mit dem
Gleichgewichtssystem.
30 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b c

d e f

g h i

. Abb. 1.69a–i Transversale Schnitte durch die Großhirnhemisphären (MRT T1w tra)
1.15 · Hirnstamm
31 1

j k l

m n

. Abb. 1.69j–n Transversale Schnitte durch die Großhirnhemisphären (MRT T1w tra)
1 = Gyrus frontalis superior 19 = Nucleus caudatus 40 = Gyrus parahippocampalis
2 = Sulcus frontalis superior 20 = Septum pellucidum 41 = Mesencephalon
3 = Gyrus frontalis medius 21 = Insel 42 = Corpora mamillaria
4 = Gyrus präcentralis 22 = Plexus choroideus 43 = Tractus opticus
4* = motorisches Handareal 23 = Putamen 44 = Area calcarina
5 = Sulcus centralis 24 = Thalamus 45 = Uncus temporalis
6 = Gyrus postcentralis 25 = Gyrus frontalis inferior 46 = Temporalpol
7 = Sulcus präcentralis 26 = Gyrus temporalis superior 47 = Pons
8 = Ramus marginalis Sulcus cinguli 27 = Heschl-Querwindung 48 = N. trigeminus
9 = Gyrus cinguli 28 = Globus pallidus 49 = Pedunculus cerebellaris superior
10 = Precuneus 29 = Claustrum 50 = IV. Ventrikel
11 = Sinus sagittalis superior 30 = Gyrus temporalis medius 51 = Vermis superior
12 = Falx cerebri 31 = Fornix 52 = Kleinhirnhemisphäre
13 = Gyrus supramarginalis 32 = Gyrus rectus 53 = Pedunculus cerebellaris medius
14 = Sulcus parietooccipitalis 33 = Gyrus orbitofrontalis anterior 54 = 7. und 8. Hirnnerv
15 = Gyrus angularis 34 = Gyrus orbitofrontalis posterior 55 = Sinus transversus
16 = Cuneus 35 = Gyrus orbitofrontalis lateralis 56 = Flocculus
17 = Corpus callosum 36 = Gyrus orbitofrontalis medialis 57 = Kleinhirntonsille
17I = Corpus callosum: Genu 37 = Sylvische Fissur 58 = Vermis inferior
17II = Corpus callosum: Splenium 38 = Commissura anterior 59 = Medulla oblongata
18 = Seitenventrikel 39 = Commissura posterior
32 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b c

d e f

g h i

. Abb. 1.70a–i Koronare Schnitte durch die Großhirnhemisphären (MRT T1 FLAIR)


1 = Gyrus frontalis superior 19 = Nucleus caudatus 36 = Gyrus orbitofrontalis medialis 63 = Nucleus acumbens
2 = Sulcus frontalis superior 21 = Insel 37 = Sylvische Fissur 64 = Pontes grisei
3 = Gyrus frontalis medius 23 = Putamen 38 = Commissura anterior 65 = Gyrus occipitotemporalis lateralis
4 = Gyrus präcentralis 24 = Thalamus 40 = Gyrus parahippocampalis 66 = Amygdala
6 = Gyrus postcentralis 25 = Gyrus frontalis inferior 42 = Corpora mamillaria 67 = Hippocampus
9 = Gyrus cinguli 26 = Gyrus temporalis superior 44 = Area calcarina 68 = A. basilaris
10 = Precuneus 28 = Globus pallidus 51 = Vermis superior 69 = Pons
13 = Gyrus supramarginalis 30 = Gyrus temporalis medius 52 = Kleinhirnhemisphäre 72 = Gyrus occipitotemporalis medialis
15 = Gyrus angularis 31 = Fornix 57 = Kleinhirntonsille 73 = Lobulus parietalis superior
16 = Cuneus 32 = Gyrus rectus 58 = Vermis inferior 74 = Sulcus calcarinus
17 = Corpus callosum: Splenium 34 = Gyrus orbitofrontalis posterior 60 = Sulcus frontalis inferior
18 = Seitenventrikel 35 = Gyrus orbitofrontalis lateralis 62 = Gyrus temporalis inferior
1.15 · Hirnstamm
33 1

a b c

d e

. Abb. 1.71a–e Sagittale Schnitte durch die Großhirnhemisphären (MRT T1 FLAIR)


1 = Gyrus frontalis inferior: Pars orbitalis 16 = Uncus 29 = Gyrus frontoorbitalis posterior
2 = Gyrus frontalis inferior: Pars triangularis 16I = Planum temporale 30 = Uncus
3 = Gyrus frontalis inferior: Pars opercularis 17 = Heschl-Querwindung 31 = Seitenventrikel
4 = Gyrus subcentralis 18 = Inselgyri 32 = Sulcus cinguli
5 = Gyrus präcentralis 19 = Sulcus circularis insulae 32I = Ramus marginalis Sulcus cinguli
6 = Gyrus postcentralis 20 = Gyrus frontoobitalis lateralis 33 = Gyrus cinguli
7 = Sulcus frontalis inferior 21 = Gyrus frontalis medius 34 = Sulcus parietooccipitalis
8 = Sulcus centralis 22 = Sulcus intraparietalis 35 = Gyrus frontalis superior
9 = Sulcus lateralis 23 = Gyrus temporalis inferior 36 = Precuneus
10 = Gyrus supramarginalis 24 = Gyri occipitalis 37 = Cuneus
11 = Gyrus temporalis superior 25 = Sulcus occipitalis lateralis 38 = Corpora mamillaria
12 = Sulcus temporalis superior 26 = Putamen 39 = Area subcallosa
13 = Gyrus temporalis medius 27 = Lobus parietalis superior 40 = Thalamus
14 = Sulcus temporalis inferior 28 = Hippocampus 41 = Gyrus rectus
15 = Gyrus angularis 28I = Hippocampus cauda
34 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b

. Abb. 1.72a, b Kleinhirnwurm. a Mediosagittalschnitt (MRT T1 FLAIR sag); b Präparatefoto . Abb. 1.73 Nucleus dentatus (MRT SWI tra)
1 = Velum medullare superius 8 = Tuber
2 = Lingula 9 = Fissura horizontalis
3 = Lobus centralis 10 = Pyramis
4 = Culmen 11 = Uvula
5 = Fissura prima 12 = Nodulus
6 = Declive 13 = Tonsille
7 = Folium

a b c

d e

. Abb. 1.74a–e Koronare Schnitte durch das Cerebellum (MRT T1 FLAIR cor)
1 = Fissura horizontalis 6 = Vermis superior 11 = Pons
2 = Fissura posterior superior 6I = Vermis inferior 12 = Tonsille
3 = Fissura prima 7 = Vermis, Culmen (Lobus anterior) 13 = Pedunculus cerebellaris medius (Brachium pontis)
4 = Lobus anterior: Lobulus quadrangularis 8 = Vermis, Declive (Lobus posterior) 14 = Flocculus
5 = Lobus posterior: Lobulus semilunaris superior 9 = Vermis, Folium 15 = Medulla oblongata
5I = Lobus posterior: Lobulus semilunaris inferior 10 = Vermis, Tuber 16 = A. vertebralis
1.15 · Hirnstamm
35 1

a b

. Abb. 1.75a, b Transversale Schnitte durch das Cerebellum (MRT CISS tra)
1 = Flocculus 4I = Vermis inferior: Uvula
2 = Pedunculus cerebellaris medius 5 = Medulla ablongata
3 = Tonsille 6 = Lobus posterior: Lobulus semilunaris inferior
4 = Vermis inferior: Nodulus 7 = Lobus posterior: Lobulus biventer

. Abb. 1.76 Fibertracking (DTI) des Hirnstamms und der Kleinhirnstiele auf . Abb. 1.77 Gliederung des Hirnstamms (auf einem MRT eingezeichnet)
eine schräg sagittal rekonstruierte CISS-MRT projiziert 1 = Velum medullare superius
1 = Pons 2 = Velum medullare inferius
2 = Pedunculus cerebellaris medius 3 = Glandula pinealis
3 = Medulla oblongata 4 = Corpora mamillaria
4 = Mesencephalon 5 = Sulcus pontomedullaris
6 = Aquädukt
36 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.79 Schemazeichnung eines Transversalschnittes durch das Mes-


encephalon

. Abb. 1.78 Schematische Übersicht zur Entstehung und Gliederung des


Hirnstamms (Mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. Jean Büttner-
Ennever, Anatomische Anstalt der Ludwig-Maximilians-Universität München).
CS: Colliculus superior; CI: Colliculus inferior

a b

. Abb. 1.80a, b Transversalschnitt durch das Mesencephalon: MRT eines


Präparates (a) und T2w in vivo (b)
1 = Nucleus ruber 6 = Tractus mamillothalamicus
2 = Colliculus superius 7 = Fornix
3 = Corpus geniculatum mediale 8 = Substantia nigra
4 = Corpus geniculatum laterale 9 = Pedunculus cerebri
5 = III. Ventrikel
1.15 · Hirnstamm
37 1

a b

. Abb. 1.81a, b Transversalschnitt durch das Mesencephalon: MRT eines Präparates (a) und T2w in vivo (b)
1 = Nucleus ruber 6 = Substantia nigra
2 = Colliculus superius 7 = Lemniscus medialis
3 = periaquäduktales Grau 8 = Corpora mamillaria
4 = Pedunculus cerebri 9 = Fornix
5 = Faszikel des N. oculomotorius 10 = Tractus opticus

a b

. Abb. 1.82a, b Transversalschnitt durch das Mesencephalon: MRT eines Präparates (a) und T2w, in vivo (b)
1 = Nucleus ruber 5 = Fasciculus longitudinalis medialis
2 = Colliculus inferius 6 = Pedunculus cerebri
3 = Aquaeductus cerebri 7 = Fossa interpeduncularis
4 = periaquäduktales Grau

a b

. Abb. 1.83a, b Transversalschnitt durch das Mesencephalon: MRT eines Präparates (a) und T2w, in vivo (b)
1 = Pedunculus cerebri 4 = periaquäduktales Grau
2 = Decussatio pedunculorum cerebellarium 5 = Velum medullare superius
superiorum 6 = Colliculus inferius
3 = Fasciculus longitudinalis medialis 7 = Pedunculus cerebellaris superior
38 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.15.2 Pons
1
Synonyme. Brücke
Der Pons (. Abb. 1.84, . Abb. 1.85, . Abb. 1.86, . Abb. 1.87 und
. Abb. 1.88) besteht aus 2 Hauptanteilen:
4 Basis pontis (= Pars ventralis pontis, Pars basilaris pontis):
ventraler Anteil
4 Tegmentum pontis (Brückenhaube): dorsaler Anteil.

Die zahlreichen quer verlaufende Faserbündel, die von den


Hirnstammkernen in der Basis pontis ausgehen und durch die
Pedunculi cerebellares medii zum Kleinhirn ziehen werden als
Fibrae transversae pontis bezeichnet.
Die Dorsalseite des Tegmentum pontis bildet den oberen An- . Abb. 1.84 Schematische Darstellung des Pons
teil des Bodens des IV. Ventrikels.

1.15.3 Medulla oblongata


Im Bulbus olfactorius werden die Axone in den sog. Glome-
Synonyme. Verlängertes Mark, Myelencephalon, Nachhirn ruli des Bulbus auf das zweite Neuron umgeschaltet. Die Axone
Die Medulla oblongata schließt sich kaudal dem Pons an und dieser Neurone wiederum bilden den Tractus olfactorius, der im
reicht per Definition bis auf Höhe des Abgangs des ersten Spinal- Sulcus olfactorius an der Frontobasis nach dorsal in Richtung
nervenpaares, wo sie in das Halsmark übergeht (. Abb. 1.89, Septalregion (7 Kap. 1.7.2) zieht. An der rostralen Begrenzung
. Abb. 1.90 und . Abb. 1.91). der Substantia perforata anterior, dem sog. Trigonum olfactorium,
Wichtige Anteile sind: teilt sich der Tractus olfactorius in 3 Anteile (. Abb. 1.92):
4 Pyramis mit Pyramidenbahnkreuzung (Decussatio pyrami- 4 Stria olfactoria medialis: zieht nach medial zur Septalregion
dum) (7 Kap.1.7.2)
4 Nucleus olivaris 4 Stria olfactoria lateralis: zieht nach lateral zum mesialen
4 Tegmentum Temporallappen, d.h. zum piriformen Cortex, entorhinalen
Cortex und zur Amygdala (sekundäre olfaktorische Rinden-
areale)
1.16 Hirnnerven 4 Stria olfactoria intermedius: verläuft auf der Substantia perfo-
rata anterior zum Tuberculum olfactorium.
1.16.1 N. olfactorius (HN I)
Literatur
Einen »Nervus olfactorius« im eigentlichen Sinne gibt es nicht, Albrecht J, Wiesmann M. The human olfactory system. Anatomy and physiol-
sein Äquivalent stellen die Axone der olfaktorischen Neurone ogy. Nervenarzt. 2006;77:931-9.
(Filia olfactoria) dar, die in der Riechschleimhaut der Nasen- Weismann M, Yousry I, Heuberger E, Nolte A, Ilmberger J, Kobal G, Yousry TA,
haupthöhle lokalisiert sind. Diese gelangen durch die Lamina Kettenmann B, Naidich TP. Functional magnetic resonance imaging of
human olfaction. Neuroimaging Clin N Am. 2001;11:237-50.
cribrosa des Os ethmoidale in die vordere Schädelgrube wo sie in
Wiesmann M, Kopietz R, Albrecht J, Linn J, Reime U, Kara E, Pollatos O, Sakar
den Bulbi olfactorii enden. Die Bulbi olfactorii stellen also den V, Anzinger A, Fesl G, Brückmann H, Kobal G, Stephan T. Eye closure in
primären olfaktorischen Cortex dar, d.h. es handelt sich um ein darkness animates olfactory and gustatory cortical areas. Neuroimage.
Teil des Endhirns. 2006;32:293-300.
1.16 · Hirnnerven
39 1

a b c

. Abb. 1.85a–c Transversalschnitt durch den Pons auf Höhe des Aquäductus cerebri, MRT eines Präparates (a) sowie T2w (b) und PDw (c) in vivo
1= Pyramidenbahn 5 = Lemniscus medialis 9 = Nucleus reticularis
2 = Fibrae transversae pontis 6 = Tractus spinothalamicus 10 = Pedunculus cerebellaris superior
3 = Fasciculus longitudinalis medialis 7 = Velum medullare superius (Brachium conjunctivum)
4 = periaquäduktales Grau 8 = Aquäductus cerebri

a b c

. Abb. 1.86a–c Transversalschnitt durch den Pons auf Höhe des Pedunculus cerebellaris superior: MRT eines Präparates (a) sowie T2w (b) und PDw (c) in vivo
1 = Pyramidenbahn 5 = Lemniscus medialis
2 = Fibrae transversae pontis 6 = IV. Ventrikel
3 = Fasciculus longitudinalis medialis 7 = A. basilaris
4 = Pedunculus cerebellaris superior

a b c

. Abb. 1.87a–c Transversalschnitt durch den Pons auf Höhe des Abgangs des N. trigeminus: MRT eines Präparates (a) sowie T2w (b) und PDw (c) in vivo
1 = Pyramidenbahn 4 = A. basilaris 7 = Fasciculus longitudinalis medialis
2 = Pedunculus cerebellaris superior 5 = Lemniscus medialis * Artefakt durch Luftblase
3 = N. trigeminus 6 = IV. Ventrikel 8 = Pedunculus cerebellaris medius
40 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b c

. Abb. 1.88a–c Transversalschnitt durch den Pons auf Höhe des Colliculus facialis: MRT eines Präparates (a) sowie T2w (b) und PDw (c) in vivo
1 = Pyramidenbahn 6 = Fasern des Nervus facialis
2 = Pedunculus cerebellaris medius 7 = Nucleus nervi abducentis
3 = Fasciculus longitudinalis medialis 7I= Nervus abducens
4 = Colliculus facialis 8 = IV. Ventrikel
5 = Lemniscus medialis 9 = A. basilaris

. Abb. 1.89 Schematisches Schnittbild durch die Medulla oblongata

a b c

. Abb. 1.90a–c Transversalschnitt durch die Medulla oblongata, MRT eines Präparates (a) sowie T2w (b) und PDw (c) in vivo
1 = Pyramidenbahn 5 = Pedunculus cerebellaris inferior (Restiform Body)
2 = Lemniscus medialis 6 = Flocculus
3 = Fasciculus longitudinalis medialis 7 = Aquäductus cerebri
4 = Nucleus praepositus hypoglossi
1.16 · Hirnnerven
41 1

a b c

. Abb. 1.91a–c Transversalschnitt durch die Medulla oblongata, MRT eines Präparates (a) sowie T2w (b) und PDw (c) in vivo
1 = Pyramidenbahn 4 = Nucleus hypoglossi
2 = Nucleus olivaris inferior (Olive) 5 = A. vertebralis
3 = Fasciculus longitudinalis medialis 6 = Tonsille

a b

. Abb. 1.92a–d Bulbus und Tractus olfactorius:


cor (a, b), CISS-MRT sag (c) und tra (d)
1 = Gyrus rectus
2 = Sulcus olfactorius
3 = Gyrus frontoorbitalis medialis
4 = Bulbus olfactorius
5 = Tractus olfactorius
6 = Stria olfactoria lateralis
7 = Stria olfactoria medialis d
8 = Tractus opticus
9 = A. cerebri media
42 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.16.2 N. opticus (HN II) Faszikel: Sie verlaufen auf Höhe des Nucleus ruber durch das
1 Mittelhirn nach ventral (. Abb. 1.79).
Der N. opticus wird von den Axonen der retinalen Ganglien- Austrittspunkt aus dem Hirnstamm: Fossa interpeduncularis,
zellen gebildet. Er bildet sich am hinteren Pol des Bulbus oculi Innenseite der Pedunculi cerebri (Sulcus n. oculomotorii).
und zieht entlang der Orbitalängsachse nach dorsal. Durch den Zisternaler Verlauf: Durch die Cisterna interpeduncularis und
Canalis opticus verlässt er die Orbita um in die vordere Schädel- die perimesenzephale Zisterne zwischen P1-Segment der A. cere-
grube einzutreten (. Abb. 1.93). bri posterior (superior) und A. cerebellaris superior (inferior,
Intrakraniell bilden die beiden Nn. opticii in der supra- . Abb. 1.95).
sellären Zisterne das Chiasma n. optici, wo die nasalen Fasern der Eintritt in die Dura: Dach des Sinus cavernosus.
beiden Nerven zur Gegenseite kreuzen (. Abb. 1.94). Verlauf in der Dura: Kavernöses Segment des HN III in der late-
Die ipsilateralen temporalen Nervenfaserbündel und die ralen Wand des Sinus cavernosus als am weitesten kranial gele-
kontralateralen nasalen Nervenfaserbündel bilden die Tractus gener Nerv.
optici. 90% der Fasern des Tractus opticus ziehen nach dorso- Austritt aus der Dura: Durch die Fissura orbitalis superior.
lateral zu den Corpora geniculata laterale (dorsoinferolateral des Durchtritt durch die Schädelbasis: Durch Fissura orbitalis su-
Thalamus gelegen), wo sie auf das zweite Neuron umgeschaltet perior Eintritt in die Orbitaspitze.
werden.
Von den Corpora geniculata laterale verlaufen die Axone Literatur
dieser zweiten Neurone als Radiatio optica (Sehstrahlung, Gra- Adams ME, Linn J, Yousry I. Pathology of the ocular motor nerves III, IV, and VI.
Neuroimaging Clin N Am. 2008;18:261-82.
tiolet-Sehstrahlung) zur primären Sehrinde (Area 17, angren-
zend an den Sulcus calcarinus).

Literatur 1.16.4 N. trochlearis (HN IV)


Gunny R, Yousry TA. Imaging anatomy of the vestibular and visual systems.
Curr Opin Neurol. 2007;20:3-11.
Versorgungsgebiet: Motorische Versorgung des kontralateralen
Wichmann W, Müller-Forell W. Anatomy of the visual system. Eur J Radiol.
2004;49:8-30.
M. obliquus superior (Senkung des Augapfels, mit Innenrotation
und geringer Abduktion).
Kernkomplex: Nucleus nervi trochlearis, der lokalisiert ist im
Mesencephalon in Höhe des Colliculi inferiores, kaudal des
1.16.3 N. oculomotorius (III. Hirnnerv, HN III) Kernkomplexes des HN III, dorsal des Fasciculus longitudinalis
medialis and unmittelbar ventrolateral des Aquaeductus cerebri
Versorgungsgebiete: (. Abb. 1.96).
4 Motorisch: Faszikel: Die Faszikel des HN IV kreuzen im Velum medullare
5 M. rectus superior (Heben des Augapfels und Innenrota- superius zur Gegenseite.
tion) Austrittspunkt aus Hirnstamm: Der HN IV verlässt als einziger
5 M. rectus inferior (Senken des Augapfels und Außenrota- Hirnnerv den Hirnstamm dorsalseitig, unmittelbar unterhalb
tion) der Colliculi inferiores.
5 M. rectus medialis (Adduktion) Zisternaler Verlauf: Der HN IV zieht durch die Cisterna
5 M. obliquus inferior (Blick nach oben und außen) quadrigemina und die Cisterna ambiens lateral um das Mittelhirn
5 M. levator palpebrae superioris (Lidhebung) und verläuft in enger Lagebeziehung zum Tentorium cerebelli
4 Parasympathisch (über Ganglion ciliare): (. Abb. 1.96).
5 M. ciliare (Akkommodation) Eintritt in die Dura: zwischen Plica petroclinoidea anterior und
5 M. sphincter pupillae (Mydriasis) posterior.
Verlauf in der Dura (= kavernöses Segment des HN IV): in der
Dem HN III lagern sich außerdem sensible Fasern des N. naso- lateralen Wand des Sinus cavernosus inferior des HN III und
ciliaris (HN V1) und sympathische Fasern aus dem Plexus oph- kranial des 1. Asts des N. trigeminus.
thalmicus an. Austritt aus der Dura: Fissura orbitalis superior
Lokalisation des Kernkomplexes: Durchtritt durch die Schädelbasis: Er tritt durch den lateralen
4 Mesencephalon: periaquäduktales Grau, in Höhe der Colli- Anteil der Fissura orbitalis superior in die Orbitaspitze ein.
culi superiores (. Abb. 1.79), der Edinger-Westphal-Kern
liegt dabei rostralseitig Literatur
4 Nucleus nervi oculomotorii (paariger Haupt- und unpaarer Yousry I, Moriggl B, Dieterich M, Naidich TP, Schmid UD, Yousry TA. MR anato-
my of the proximal cisternal segment of the trochlear nerve: neurovas-
Nebenkern)
cular relationships and landmarks. Radiology. 2002;223:31-8.
4 Nucleus accessorius n. oculomotorii (Edinger-Westphal-
Kern): parasympathische Fasern
1.16 · Hirnnerven
43 1

. Abb. 1.94 Chiasma opticum, Fibertracking (DTI)

d c

. Abb. 1.93a–d N. opticus. a: MRT CISS tra; b-d: MRT cor . Abb. 1.95a–c N. oculomotorius. a: MRT CISS tra; b: MRT CISS sag; c: MRT
1 = N. opticus CISS cor
2 = Chiasma opticum 1 = N. oculomotorius, sagittal
3 = Tractus opticus 1I = kavernöses Segment, N III
4 = ACI 2 = N. oculomotorius, coronar
3 = PCA, P1-Segment
4 = SCA
5 = A. basilaris
44 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

– Conchae nasales superior und media


1 – Gaumen, Gaumenmandel
– Pharynxdach
5 N. mandibularius (HN V3)
– Dura mater der mittleren Schädelgrube
– Mastoidzellen
– Haut des Unterkiefers, Schläfe, Wange
– Ohrmuschel (oberer Teil), Gehörgang, Trommelfell
(außen)
– Zähne und Zahnfleisch des Unterkiefers
– vordere 2/3 der Zunge
– Kiefergelenk

Darüber hinaus lagern sich den 3 Ästen des Trigeminus parasym-


patische sekretorische Fasern an.
Kernkomplexe und Ganglien:
4 Motorisches Kerngebiet: Nucleus motorius nervi trigemini;
Lokalisation: mittlerer Pons, medial zum sensorischen
Hauptkern
4 Ganglion der sensorischen Fasern: Ganglion trigeminale
(Ganglion Gasseri, Ganglion semilunaris); pseudounipolare
. Abb. 1.96 N. trochlearis (MRT CISS tra) Ganglienzellen; Lokalisation: an der anteroinferioren Wand
1 = N. trochlearis
2 = Velum medullare superius
des Cavum Meckeli (7 Kap. 1.8.4). Die peripheren Fort-
sätze dieser Nervenzellen bilden die 3 Hauptäste des N. trige-
minus:
5 N.ophthalmicus (HN V1)
5 N. maxillaris (HN V2)
1.16.5 N. trigeminus (HN V) 5 N. mandibularis (HN V3)
Ausnahmen:
Der N. trigeminus ist ein gemischter Nerv, der aus einem größe- 5 Ganglienzellen der propriozeptiven Fasern: Sie liegen
ren sensiblen Anteil (sensorische Wurzel, Radix sensoria, Portio nicht im Ganglion trigeminale, sondern im dorsolateralen
major nervi trigemini) und einem kleineren motorischen Anteil Mesencephalon; Lokalisation: Nucleus mesencephalicus
(motorische Wurzeln, Radix motoria, Portio minor nervi trige- nervi trigemini.
mini) besteht (. Abb. 1.97). 5 die zentralen Fortsätze der pseudounipolaren Ganglien-
Versorgungsgebiete: zellen des Ganglion Gasseri: Sie enden im Nucleus spina-
4 Motorisch (HN V3): Kaumuskulatur lis nervi trigemini; Lokalisation: dorsolateral im oberen
5
M. tensor veli palatine Halsmark und der Medulla oblongata.
5
M. mylohyoideus 5 Nucleus sensorius principalis nervi trigemini: Lokalisation:
5
M. digastricus (Venter anterior) mittlerer Pons (sensorische Diskrimination).
5
M. temporalis
5
M. masseter Eintritt in bzw. Austritt aus dem Hirnstamm: Seitenrand des Pons:
5
M. pterygoideus medialis 4 Eine kaliberkräftige sensorische Wurzel tritt in den Hirn-
5
M. tensor tympani stamm ein.
4 Sensibel: Hier werden 3 Hauptäste unterschieden: 4 Bis zu drei kaliberschwächere motorische Wurzeln treten aus
5 N. ophthalmicus (HN V1): dem Hirnstamm aus, unmittelbar anterosuperomedial des
– Dura mater der vorderen Schädelgrube Eintritts der sensorischen Wurzel.
– Falx cerebri und Tentorium cerebelli
– Stirn, Oberlid, Nasenrücken Zisternaler Verlauf: Der HN V verläuft in enger Nachbarschaft
– Sklera, Kornea zur A. cerebelli superior (SCA) und der A. cerebelli inferior
– vordere Siebbeinzellen, Sinus sphenoidalis anterior (AICA) durch die präpontine Zisterne.
– Nasenhöhle (vorderer Teil) Die motorische Wurzel verläuft durch das Cavum Meckeli
5 N. maxillaris (HN V2): inferior des Ganglion trigeminale und liegt dabei distal der basa-
– Dura mater der mittleren Schädelgrube len Wand des Cavums an.
– Wange, Unterlid, Seitenfläche der Nase, Oberlippe Durchtritt durch die Dura: Vom Ganglion aus gelangen der
– Zähne und Gingiva des Oberkiefers 1. und 2. Ast in den Sinus cavernosus (kavernöses Segment der
– hintere Siebbeinzellen, Sinus sphenoidalis, Sinus maxil- HN V1 und V2), wo sie inferior des HN IV in der lateralen Wand
laris verlaufen. Der 3. Ast verläuft nicht durch den Sinus cavernosus.
1.16 · Hirnnerven
45 1

a c

. Abb. 1.97a–c N. trigeminus. a: MRT CISS tra; b: MRT CISS sag;


c: MRT CISS cor
1 = N. trigeminus, sensorische Wurzel
2 = N. trigeminus, motorische Wurzel
3 = N. trigeminus, Ganglion
4 = Cavum Meckeli
5 = sensorische Nervenfaserbündel des N. trigeminus
6 = A. basilaris
b
7 = A. vertebralis

Austritt aus der Dura und Durchtritt durch die Schädelbasis: 1.16.6 N. abducens (HN VI)
4 N. ophthalmicus (HN V1): über Fissura orbitalis superior Ein-
tritt in die Orbitaspitze Versorgungsgebiet: Motorische Versorgung des M. rectus late-
4 N. maxillaris (HN V2): über das Foramen rotundum in die ralis (Abduktion).
Fossa pterygopalatina → Verlauf nach lateral → Eintritt in die Kernkomplex: Nucleus nervi abducentis; Lokalisation: dorsal im
Orbita via Fissura orbitalis inferior → Verlauf am Orbitaboden Pons, am Boden des IV. Ventrikels, dem Fasciculus longitudinalis
als N. infraorbitalis → gelangt zum Gesicht über Foramen medialis benachbart (. Abb. 1.88).
infraorbitale Die Faszikel des N. facialis ziehen dorsalseitig um den Nucleus
4 N. mandibularis (HN V3) = inferiorer sensorischer Ast und nervi abducentis und verursachen eine Vorwölbung des Bodens
motorischer Ast: verlassen die Schädelbasis über das Fora- des IV. Ventrikels (Colliculus facialis, . Abb. 1.88).
men ovale → Verlauf durch die Fossa infratemporalis Austrittspunkt aus dem Hirnstamm: kaudaler Pons, Sulcus pon-
tomedullaris.
Literatur Zisternaler Verlauf: Der NH VI verläuft durch die präpontine
Yousry I, Moriggl B, Holtmannspoetter M, Schmid UD, Naidich TP, Yousry TA. Zisterne parallel zur Clivushinterkante nach anterior und ros-
Detailed anatomy of the motor and sensory roots of the trigeminal nerve
tral.
and their neurovascular relationships: a magnetic resonance imaging
study. J Neurosurg. 2004;101:427-34.
Eintritt in die Dura: im Dorello-Kanal (. Abb. 1.98a, c, d).
Yousry I, Moriggl B, Schmid UD, Naidich TP, Yousry TA. Trigeminal ganglion and Verlauf in der Dura (= kavernöses Segment des HN VI): Der
its divisions: detailed anatomic MR imaging with contrast-enhanced 3D NH VI verläuft als einziger Nerv frei durch den Sinus caverno-
constructive interference in the steady state sequences. AJNR Am J Neu- sus, d.h. nicht in dessen Wand, lateral der ACI.
roradiol. 2005;26:1128-35.
Austritt aus der Dura: Fissura orbitalis superior.
46 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

Durchtritt durch die Schädelbasis: Der NH VI tritt durch den Fasciculi: Sie verlaufen zwischen dem Boden des IV. Ventrikels
1 medialen Anteil der Fissura orbitalis superior in die Orbitaspitze und dem Nucleus nervi abducentis und verursachen eine Vorwöl-
ein. bung am Boden des IV. Ventrikels, die Colliculi facialis (= inneres
Fazialisknie, . Abb. 1.88).
Literatur Austritt aus bzw. Eintritt in dem Hirnstamm: Kleinhirn-
Ozveren MF, Erol FS, Alkan A, Kocak A, Onal C, Türe U. Microanatomical archi- brückenwinkel, medial des HN VIII.
tecture of Dorello’s canal and its clinical implications. Neurosurgery. 2007
Zisternaler Verlauf: Der HN VII verläuft durch die Kleinhirn-
Feb;60:2 (Suppl 1).
Yousry I, Camelio S, Wiesmann M, Schmid UD, Moriggl B, Brückmann H,
brückenzisterne zum Porus acusticus internus.
Yousry TA. Detailed magnetic resonance imaging anatomy of the cister- Durchtritt durch die Dura: Meatus acusticus internus
nal segment of the abducent nerve: Dorello’s canal and neurovascular Intrakanalikulärer Verlauf: Im Verlauf des HN VII durch den
relationships and landmarks. J Neurosurg. 1999;91:276-83. Canalis nervi facialis können 3 Abschnitte des HN VII unter-
schieden werden:
4 Labyrinthäres Segment: Beginn am Fundus meatus acustici
1.16.7 N. facialis (HN VII) interni → weiterer Verlauf senkrecht zur Längsachse des Fel-
senbeins nach anterior und lateral, am distalen Ende dieses
Der N. facialis (. Abb. 1.99) besteht aus 2 Anteilen, dem Segments liegt das Ganglion geniculi (= äußeres Fazialis-
4 »eigentlichen« N. facialis, einem rein motorischen Nerv und knie), hier gehen der N. petrosus major superficialis und der
dem N. petrosus minor superficialis ab.
4 N. intermedius, der sensorische und parasympathische Fa- 4 Tympanales Segment: Beginn am Ganglion geniculi, weiterer
sern führt. Verlauf nach dorsal und leicht kaudal, zwischen lateralem
Bogengang (superior) und dem ovalen Fenster (inferior).
Versorgungsgebiete: 4 Mastoidales Segment: Dieses verläuft senkrecht nach kau-
4 Motorisch: dal zum Foramen stylomastoideumin. Von diesem Segment
5 Gesichtsmuskulatur gehen der N. stapedius (zum M. stapedius) und die Chorda
5 Mm. auriculares tympani ab.
5 M. digastricus (Venter posterior)
5 M. stylohyoideus Die Chorda tympani verbindet den HN VII mit dem N. lingualis
5 M. stapedius (aus dem N. trigeminus), sie verläuft zwischen Malleus und
4 Sensorisch: Stapes.
5 vordere 2/3 der Zunge (über Chorda tympani, s. u.) N. petrosus major superficialis: Er verläuft zusammen mit
4 Parasympathisch: dem N. petrosus major profundus (aus HN IX). Im Ganglion
5 Glandula lacrimalis pterygopalatinum in der Fossa pterygopalatina werden die Fasern
5 Glandulae nasales auf postganglionäre Fasern umgeschaltet. Parasympathische Fa-
5 Glandulae palatinae (über Ganglion pterygopalatinum) sern gehen zur Glandula lacrimalis, zu den Glandulae nasales,
5 Glandula submandibularis und Glandula sublingualis Glandulae palatinae und den Drüsen des Epipharynx.
(über Ganglion submandibulare) N. petrosus minor superficialis: Er verläuft zusammen mit
dem N. petrosus minor profundus (aus HN IX).
Kerngebiete bzw. Ganglien: Austritt der Nerven aus der Schädelbasis:
4 Motorische Anteil: Nucleus nervi facialis; Lokalisation: infe- 4 Hauptstamm: Foramen stylomastoideum → zur Glandula
riorer Pons, anterolateral des Nucleus nervi abducentis parotis, hier Aufteilung in 5 Hauptäste
4 N. intermedius: 4 Chorda tympani: Fissura petrotympanica → zur Fossa infra-
5 Afferente Fasern: Ganglion geniculi, pseudounipolare temporalis → weiter mit den N. lingualis zum Ganglion sub-
Ganglienzellen; Lokalisation: im Felsenbein, im Canalis mandibulare
nervi facialis, zwischen erstem und zweiten kanalikulärem 4 N. petrosus major superficialis: Foramen lacerum
Segment (= äußeres Fazialisknie, s.u.) 4 N. petrosus minor superficialis: Fissura sphenopetrosa
– Distale Fortsätze dieser Ganglienzellen ziehen zu den
Rezeptoren der ersten 2/3 der Zunge und verlaufen über Literatur
die Chorda tympani bzw. distal mit dem N. lingualis Casselman JW, Kuhweide R, Deimling M, Ampe W, Dehaene I, Meeus L. Con-
structive interference in steady state-3DFT MR imaging of the inner ear
– Zentrale Fortsätze der Zellen ziehen im Nervus inter-
and cerebellopontine angle. AJNR Am J Neuroradiol. 1993;14:47-57.
medius zum Nucleus tractus solitarii Naraghi R, Tanrikulu L, Troescher-Weber R, Bischoff B, Hecht M, Buchfelder M,
5 Efferente parasympatische Fasern: Nucleus salivatorius Hastreiter P. Classification of neurovascular compression in typical hemi-
superior; Lokalisation: kaudal und medial vom motori- facial spasm: three-dimensional visualization of the facial and the vesti-
schen Fazialiskern. bulocochlear nerves. J Neurosurg. 2007;107:1154-63.
Yurtseven T, Savaş R, Koçak A, Turhan T, Aktaş EO, Işlekel S. Relationship be-
tween anterior inferior cerebellar artery and facial-vestibulocochlear
nerve complex: an anatomical and magnetic resonance images correla-
tion study. Minim Invasive Neurosurg. 2004;47:306-11.
1.16 · Hirnnerven
47 1

. Abb. 1.99a–c N. facialis. a: MRT T2w tra; b: CISS tra; c: CISS cor
1 = N. facialis
2 = N. vestibulocochlearis
3 = N. abducens
4 = Cochlea
d 5 = horizontaler Bogengang

. Abb. 1.98a–d N. abducens. a: MRT CISS tra; b: CISS cor; c: CISS sag;
d: CE MRA, sag
1 = N. abducens
1I = N. abducens im Dorello-Kanal
2 = A. basilaris
48 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.16.8 N. vestibulocochlearis (HN VIII) 1.16.9 N. glossopharyngeus (HN IX)


1
Beim HN VIII (. Abb. 1.100) handelt es sich um einen rein sen- Beim HN IX handelt es sich um einen gemischt efferenten (mo-
sorischen, d.h. um einen afferenten Nerv, der aus 2 Komponen- torisch, parasympatisch) und afferenten (sensorisch, sensibel)
ten besteht: Nerven.
4 N. cochlearis (Hörnerv): Er wird von den Axonen der bi- Versorgungsgebiete:
polaren Nervenzellen des Spiralorgans in der Cochlea gebil- 4 Motorisch:
det; die Dendriten dieser Zellen enden an den inneren Haar- 5 kraniale Anteile der Pharynxmuskulatur
zellen. 5 M. levator veli palatini (die Versorgung erfolgt jedoch
4 N. vestibularis (Gleichgewichtsnerv): Das Ganglion vesti- hauptsächlich, d.h. zu 80% durch den N. vagus aus dem
bulare liegt im Meatus acusticus internus, die Axone der Ner- Plexus pharyngeus, s.u.)
venzellen dieses Ganglions bilden den N. vestibularis superior 5 M. palatoglossus (Versorgung ebenfalls jedoch überwie-
und den N. vestibularis inferior. Die Dendriten dieser Zellen gend durch den N. vagus und kraniale Wurzeln des N. ac-
enden an den Rezeptororganen des Labyrinths. cessorius)
5 M. palatopharyngeus (Versorgung ebenfalls jedoch über-
Spinalganglien: wiegend durch den N. vagus)
4 N. cochlearis: bipolare Nervenzellen des Spiralorgans der 5 M. stylopharyngeus
Cochlea 4 Parasympathisch:
4 N. vestibularis: Zellen des Ganglion vestibulare 5 Glandula parotidea (über Ganglion oticum)
5 hintere Glandulae linguales
Intrameataler Verlauf: Die afferenten Nerven gelangen durch
den Meatus acusticus internus (MAI) nach intrakraniell zur Afferenzen:
Kleinhirnbrückenwinkelzisterne. Innerhalb des MAI verlaufen 4 Sensibel:
die Nn. cochlearis, vestibularis superior und vestibularis inferior 5 Kraniale Anteile der Pharynxschleimhaut
parallel zueinander und zum N. facialis. Hierbei liegt der N. fa- 5 Tonsilla palatina
cialis anterosuperior, der N. vestibularis superior posterosupe- 5 Hinteres Drittel der Zunge
rior, der N. cochlearis anteroinferior und der N. vestibularis in- 5 Plexus tympanicus
ferior posterioinferior (. Abb. 1.100). Sie haben hier oft Kontakt 5 Membrana tympanica (innen)
zu einer AICA-Schlinge (7 Kap. 1.17.2). 5 Sinus caroticus
Zisternaler Verlauf: Der HN VIII verläuft durch die Kleinhirn- 4 Sensorisch:
brückenwinkelzisterne, dorsal des N. facialis. 5 Hinteres Drittel der Zunge
Eintritt in den Hirnstamm: Sulcus pontomedullaris auf Höhe der
Pedunculi cerebellares inferiores Kerne:
Kerne: 4 Nucleus ambiguus (motorische Efferenzen)
4 Nuclei cochleares anterior und posterior 4 Nucleus salivatorius inferior (parasympathische Efferenzen
4 Nuclei vestibulares medialis, lateralis, superior und inferior zum Ganglion oticum)
4 Nucleus spinalis nervi trigemini (Afferenzen)
Lokalisation der Kerne: Dorsolateraler Pons am Boden des 4 Nucleus tractus solitarii (viszerale Afferenzen)
IV. Ventrikels.
Lokalisation der Kerne: Medulla oblongata
Literatur Austrittspunkt aus dem Hirnstamm: Der HN IX tritt mit 10–
Casselman JW, Kuhweide R, Deimling M, Ampe W, Dehaene I, Meeus L. Con- 20 Nervenfaserwurzeln, die das zisternale Nervenfaserbündel
structive interference in steady state-3DFT MR imaging of the inner ear
des HN IX bilden, entlang des oberen Drittels des Sulcus postoli-
and cerebellopontine angle. AJNR Am J Neuroradiol. 1993;14:47-57.
Lane JI, Ward H, Witte RJ, Bernstein MA, Driscoll CL. 3-T imaging of the coch-
varis aus der Medulla oblongata aus.
lear nerve and labyrinth in cochlear-implant candidates: 3D fast recovery Zisternaler Verlauf: Verlauf nach lateral durch die Cisterna cere-
fast spin-echo versus 3D constructive interference in the steady state bellomedullaris zum duralen Meatus n. glossopharyngei.
techniques. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:618-22. Duradurchtritt: Der HN IX gelangt über den duralen Meatus
Naganawa S, Koshikawa T, Fukatsu H, Ishigaki T, Fukuta T. MR cisternography
n. glossopharyngei ins Foramen jugulare.
of the cerebellopontine angle: comparison of three-dimensional fast
asymmetrical spin-echo and three-dimensional constructive interference
Durchtritt durch die Schädelbasis: Der HN IX tritt durch das
in the steady-state sequences. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1179-85. Foramen jugulare (Pars nervosa, anterolateral gelegen). Inner-
Yurtseven T, Savaş R, Koçak A, Turhan T, Aktaş EO, Işlekel S. Relationship be- halb des Foramen jugulare bildet der HN IX 2 Ganglien:
tween anterior inferior cerebellar artery and facial-vestibulocochlear 4 Ganglion superius: unmittelbar unter der Apertura des
nerve complex: an anatomical and magnetic resonance images correla-
Aquaeductus cochlea gelegen (. Abb. 1.102)
tion study. Minim Invasive Neurosurg. 2004;47:306-11.
4 Ganglion inferius: unmittelbar kaudal des Ganglion superius
gelegen.
1.16 · Hirnnerven
49 1

a b

. Abb. 1.100a, b N. vestibulocochlearis. a: MRT CISS schräg cor parallel zum Verlauf des HN VIII; b: MRT CISS durch den Meatus acusticus internus, senk-
recht zu dessen Verlauf
1 = N. vestibulocochlearis
2 = Nervus vestibularis superior
3 = Nervus cochlearis
4 = Nervus vestibularis inferior
5 = Nervus facialis

. Abb. 1.102 N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accessorius (MRT CISS


»halbsagittal«, parallel zum zisternalen Verlauf der Nerven gekippt)
. Abb. 1.101 N. glossopharyngeus (MRT CISS tra) 1 = N. glossopharyngeus
1 = N. glossopharyngeus 2 = Nervenfaserbündel des N. vagus
2 = Nucleus olivaris inferior 3 = kraniale Wurzel des N. accessorius
3 = Pyramide 4 = spinale Wurzel des N. accessorius
4 = Meatus duralis n. glossopharyngei 5 = Aquaeductus cochleae
5 = Flocculus 6 = Meatus duralis n. glossopharyngei
* = Bochdalek-Blumenkörbchen 7 = Meatus duralis n. vagi

1.16.10 N. vagus (HN X) 4 Sensibel:


5 Dura mater der hinteren Schädelgrube
Der N. vagus ist ein gemischter Nerv, mit motorischen, sensib- 5 Meatus acusticus internus (partiell)
len, sensorischen und parasympatischen Fasern. 5 Trommelfell (Außenseite)
Versorgungsgebiete: 4 Sensorisch:
4 Motorisch: 5 Zungengrund
5 Kaudale Anteile der Pharynxmuskulatur
5 M. levator veli palatini Kerngebiete:
5 M. palatoglossus 4 Nucleus ambiguus (motorische Fasern); Lokalisation: Me-
5 M. palatopharyngeus dulla oblongata
5 M. uvulae 4 Nucleus dorsalis nervi vagi (parasympathisch motorische prä-
5 Larynxmuskeln ganglionäre Fasern zu den verschiedenen Ganglien im Kopf-,
4 Parasympathisch: Thorax- und Abdomenbereich); Lokalisation: Medulla ob-
5 Hals-, Thorax- und Bauchorgane bis zum Cannon-Böhm- longata, bildet eine Vorwölbung am Boden des IV. Ventrikels,
Punkt (Flexura coli sinistra) das Trigonum vagale (. Abb. 1.103)
50 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

4 Nucleus spinalis nervi vagi Kernkomplexe:


1 4 Nucleus tractus solitarii (viszerale Afferenzen) 4 crHN XI:
5 Nucleus ambiguus (7 Kap. 1.16.9)
Austritt aus dem Hirnstamm: Nervenfaserwurzeln treten im 5 Nucleus dorsalis nervi vagi (7 Kap. 1.16.10)
oberen Drittel des Sulcus posterolateralis (Sulcus postolivaris), 4 spHN XI: Nucleus nervi accessorii; Lokalisation: dorsal im
dorsal der Olive aus und bilden zisternal typischerweise zwei oberen Halsmark
Nervenfaserbündel (. Abb. 1.104c).
Zisternaler Verlauf: Der HN X verläuft durch die laterale Cis- Austrittspunkt aus dem Hirnstamm:
terna cerebellomedullaris zum Meatus duralis nervi vagi (. Abb. 4 crHN XI: 6–16 Nervenwurzeln verlassen die Medulla oblon-
1.103). gata im Sulcus posterolateralis (Sulcus retroolivaris), un-
Durchtritt durch die Dura: Meatus duralis nervi vagi, unmittelbar mittelbar kaudal der Nervenfasern des N. vagus und bilden
inferior des Meatus duralis nervi glossopharyngei. zisternal mehrere Nervenfaserbündel
Durchtritt durch die Schädelbasis: Foramen jugulare (Pars ner- 4 spHN XI: 6–7 Nervenwurzeln, oberes Zervikalmark (C1–6),
vosa): ventral der Radices spinales posteriores
4 Innerhalb des Foramen jugulare liegt das Ganglion superius
nervi vagi, hier verlässt u. a. der R. auricularis (Arnold’s Zisternaler Verlauf:
nerve), der einzige Hautast, den HN X. 4 crHN XI: Verlaufen durch die laterale Cisterna cerebellome-
4 Innerhalb der Pars nervosa verläuft der HN X dorsomedial dullaris zum Meatus duralis nervi vagi
des HN IX. 4 spHN XI: Verläuft durch den spinalen Subarachnoidalraum
4 Unmittelbar unterhalb des Foramen jugulare bildet er das nach kranial, hat hier am Duraeintritt der A. vertebralis un-
Ganglion inferius nervi vagi, hier entspringt der N. laryngeus mittelbaren Kontakt zu der Arterie (kann als Landmarke ge-
superior. nutzt werden) → tritt durch das Foramen magnum in die Schä-
4 Unterhalb des Ganglion inferius verläuft der HN X mit der delbasis ein → verläuft weiter durch die perimedulläre Zisterne
A. carotis interna bzw. der A. carotis communis abwärts nach kranial zum Meatus duralis N. vagi (. Abb. 1.106).
und gelangt durch die Apertura thoracis superior nach me-
diastinal. Durchtritt durch die Dura: Der spHN XI tritt zusammen mit
dem N. vagus und dem crHN XI durch den Meatus duralis nervi
Ganglion inferius: Hier gibt der HN IX den R. tympanicus vagi nach extrakraniell.
(Jacobson’s nerve) zur Paukenhöhle ab. Im Ganglion liegen pseu- Durchtritt durch die Schädelbasis: Foramen jugulare, Pars ner-
dounipolare, viszeral afferente Ganglienzellen von Geschmacks- vosa; der spHN XI liegt hier am weitesten dorsomedial.
rezeptoren des Zungengrundes sowie von den Brust- und Bauch-
eingeweiden. Die zentralen Fortsätze diese Ganglienzellen enden Literatur
im Nucleus tractus solitarii. Linn J, Moriggl B, Schwarz F, Naidich TP, Schmid UD, Wiesmann M, Bruckmann
H, Yousry I. Cisternal segments of the glossopharyngeal, vagus, and
accessory nerves: detailed magnetic resonance imaging-demonstrated
anatomy and neurovascular relationships. J Neurosurg 2009 Jan 30.
1.16.11 N. accessorius (HN XI) [Epub ahead of print]
Linn J, Peters F, Moriggl B, Naidich TP, Brückmann H, Yousry I. The jugular
Traditionell werden kraniale (crHN XI) und spinale (spHN XI) foramen: imaging strategy and detailed anatomy at 3T. AJNR Am J Neuro-
radiol. 2009;30:34-41.
Wurzeln des HN XI unterschieden (. Abb. 1.104). Mittlerweile
werden die kranialen Wurzeln von vielen Autoren jedoch dem
N. vagus zugerechnet, da ihre Kerngebiete im kaudalen Anteil
des Nucleus ambiguus und im Nucleus dorsalis nervi vagi liegen,
d.h. rein funktionell vagale Nervenfasern darstellen. Darüber
hinaus lagern sie sich im Foramen jugulare dem N. vagus an und
können im Bereich des Ganglion superius nervi vagi nicht von
diesem getrennt werden. Man spricht demnach im Foramen
jugulare auch vom HN X/XI-Komplex (. Abb. 1.105). Die spina-
le Wurzel dagegen zieht separat durch das Foramen jugulare.
Versorgungsgebiete:
4 Motorisch
5 Spinale Wurzeln:
– M. sternocleidomastoideus
– M. trapezius
5 Kraniale Wurzeln: verlaufen mit dem N. vagus → Anteile
. Abb. 1.103 N. vagus (MRT CISS tra)
der Pharynxmuskulatur 1 = N. vagus
2 = Meatus duralis n. vagi
3 = Trigonum vagale
1.16 · Hirnnerven
51 1

. Abb. 1.104a–c N. accessorius. a Kraniale Wurzel (MRT CISS tra).


b Spinale Wurzel (MRT CISS cor). c Spinale Wurzel (MRT CISS, paral-
c
lel zum Verlauf der spinalen Wurzel gekippt)
1 = kraniale Wurzel des N. accessorius 5 = N. vestibulocochlearis
2 = spinale Wurzel des N. accessorius 6 = A. cerebelli anterior inferior (AICA)
3 = Nervenfaserbündel des N. vagus 7 = Wurzeln der Spinalnerven
4 = N. glossopharyngeus

. Abb. 1.105 Kaudale Hirnnerven im Foramen jugulare . Abb. 1.106 Durale Meati (MRT CISS cor)
1 = Sinus petrosus inferior 1 = Apertura externa des Aquaeductus cochleae
2 = A. carotis interna 2 = Meatus duralis nervi glossopharyngei
3 = N. glossopharyngeus im Foramen jugulare 3 = Meatus duralis nervi vagi
4 = HNX/XI-Komplex im Foramen jugulare 4 = Meatus acusticus internus
5 = Sinus sigmoideus
52 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1.16.12 N. hypoglossus (HN XII) Äste (. Abb. 1.109 und . Abb. 1.110):
1 4 A. thyroidea superior: erster anterior abgehender Ast der
Versorgungsgebiete: ACE; Versorgungsgebiete: Larynx, obere Anteile der Schild-
4 Motorisch: drüse
5 innere Zungenmuskeln 4 A. pharyngea ascendens: sie geht dorsal aus der ACE (oder
5 M. styloglossus aus der Karotisbifurkation) ab; Versorgungsgebiete: Naso-
5 M. hyoglossus pharynx, Oropharynx, Eustachische Röhre, Mittelohr, prä-
5 M. genioglossus vertebrale Muskulatur, Dura, Hirnnerven IX–XI; bildet
wichtige Anastomosen mit:
Kernkomplex: Nucleus nervi hypoglossi; Lokalisation: posteriore 5 A. meningea media
Medulla oblongata, er verursacht eine umschriebene Vorwöl- 5 A. meningea accessoria
bung am Boden des IV. Ventrikels (Trigonum nervi hypoglossi). 5 A. caroticotympanica
Austrittspunkt aus dem Hirnstamm: 10–15 Nervenwurzeln ver- 5 A. canalis pterygoidei Vidii
lassen die Medulla oblongata im Sulcus anterolateralis (Sulcus 4 A. lingualis: zweiter anterior abgehender Ast der ACE; Va-
praeolivaris), zwischen Olive und Pyramide und bilden zisternal riante: gemeinsamer Abgang mit A. facialis; Versorgungs-
ein oder zwei Nervenfaserbündel (. Abb. 1.107). gebiete: Zunge, Mundhöhle, Glandula submandibularis
Zisternaler Verlauf: Durch die prämedulläre Zisterne in enger 4 A. facialis: Abgang unmittelbar oberhalb der A. lingualis;
Lagebeziehung zur A. vertebralis und PICA. Versorgungsgebiete: Gesicht, Gaumen, Lippe, Kinn; bildet
Durchtritt durch die Dura: Canalis nervi hypoglossi wichtige Anastomosen mit der A. ophthalmica und anderen
Durchtritt durch die Schädelbasis: Canalis nervi hypoglossi ACE-Ästen
(kanalikuläres Segment), inferior des Foramen jugulare trifft 4 A. occipitalis: geht dorsalseitig aus der ACE ab; Versorgungs-
der HN XII auf die HN IX–XI und zieht mit ihnen gemeinsam gebiete: Kopfhaut, obere Halsmuskulatur, Hirnhaut der hin-
zwischen ACI und V. jugularis interna nach kaudal. teren Schädelgrube
4 A. auricularis posterior: geht oberhalb der A. occipitalis eben-
Literatur falls dorsalseitig aus der ACE ab; Versorgungsgebiete: Kopf-
Linn J, Moriggl B, Schwarz F, Naidich TP, Schmid UD, Wiesmann M, Bruck- haut, äußerer Gehörgang, Ohrmuschel, Chorda tympani
mann H, Yousry I. Cisternal segments of the glossopharyngeal, vagus,
4 A. temporalis superficialis: einer der beiden Endäste der
and accessory nerves: detailed magnetic resonance imaging-demon-
strated anatomy and neurovascular relationships. J Neurosurg. 2009 Jan
ACE; Versorgungsgebiete: Kopfhaut; Hauptast: A. trans-
30. [Epub ahead of print] versa faciei
Linn J, Peters F, Moriggl B, Naidich TP, Brückmann H, Yousry I. The jugular 4 A. maxillaris: größerer der beiden Endäste der ACE; Versor-
foramen: imaging strategy and detailed anatomy at 3T. AJNR Am J Neuro- gungsgebiete: Meningen, Nase, Gesicht; Hauptast: A. me-
radiol. 2009;30:34-41.
ningea media; wichtige Anastomosen mit dem Truncus infe-
Yousry I, Moriggl B, Schmid UD, Wiesman M, Fesl G, Brückmann H, Naidich TP,
Yousry TA. Detailed anatomy of the intracranial segment of the hypo-
rolateralis der ACI
glossal nerve: neurovascular relationships and landmarks on magnetic
resonance imaging sequences. J Neurosurg. 2002;96:1113-22. A. carotis interna (ACI)
Die ACI versorgt die beiden Großhirnhemisphären und wird in
7 Segmente unterteilt (. Abb. 1.111 und . Abb. 1.112):
1.17 Gefäße 4 C1-Segment: zervikales Segment
4 C2-Segment: petröses Segment, Abschnitt im Carotiskanal
1.17.1 Arterien (vorderes Strombahngebiet) im Felsenbein; kurzer vertikal verlaufender Abschnitt, länge-
rer horizontal verlaufender Abschnitt
A. carotis communis (CCA) 4 C3-Segment: Lacerum-Segment, kurz, reicht von der Felsen-
Ursprung (. Abb. 1.108): beinspitze bis zum Eintritt in den Sinus cavernosus
4 Rechte CCA: aus dem Truncus brachiocephalicus 4 C4-Segment: kavernöses Segment, Anteil der ACI, der durch
4 Linke CCA: direkt aus dem Aortenbogen den Sinus cavernosus verläuft; bildet in diesem kurzen Ab-
schnitt zwei »Knie«
Verlauf: in der Karotisloge, anteromedial der V. jugularis interna 4 C5-Segment: klinoidales Segment, sehr kurz, Abschnitt zwi-
Teilung ca. auf Höhe des 3./4. Halswirbels in die: schen Austritt aus Sinus cavernosus (proximaler Duraring)
4 A. carotis externa (ACE) und und Eintritt in den Subarachnoidalraum (distaler Duraring)
4 A. carotis interna (ACI) (. Abb. 1.110). Ab hier verläuft die ACI intradural.
4 C6-Segment: ophthalmisches Segment, erstreckt sich vom
A. carotis externa (ACE) Eintritt in den Subarachnoidalraum im Bereich des supe-
Versorgungsgebiete: rioren Clinoids bis unmittelbar unterhalb des Abgangs des
4 Überwiegende Anteile der Kopf- und Halsweichteile R. communicans posterior (RcomP)
4 Anteile des knöchernen Schädels 4 C7-Segment: terminales Segment, erstreckt sich von unmit-
4 Dura mater telbar proximal des RcomP bis zur Teilung der ACI
1.17 · Gefäße
53 1

a b c

. Abb. 1.107a–c N. hypoglossus. a: MRT CISS tra; b: MRT CISS cor; c: N. hypoglossus im Hypoglossuskanal (Pfeil), kontrastverstärkte MRA tra
1 = Nervenfaserbündel des N. hypoglossus 2 = Canalis n. hypoglossi 3 = A. vertebralis, V4-Segment

. Abb. 1.108 Schematische Darstellung der Abgänge der Halsgefäße . Abb. 1.109 Schematische Darstellung der A. carotis externa, Ansicht von
aus dem Aortenbogen lateral

. Abb. 1.110a, b DSA der A. carotis externa


1 = A. thyreoidea superior
2 = A. pharyngea ascendens
3 = A. lingualis
4 = A. facialis
5 = A. occipitalis
6 = A. auricularis posterior
7 = A. temporalis superficialis
8 = A. maxillaris
9 = A. meningea media
10 = A. carotis interna
11 = A. carotis externa
12 = A. carotis communis

a b
54 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

Die ACI teilt sich in die A. cerebri anterior und die A. cerebri
1 media. Die Teilungsstelle wird auch als Carotis-T bezeichnet
(. Abb. 1.112).
Äste der Segmente:
4 C1-Segment: keine Äste
4 C2-Segment:
5 A. canalis pterygoidei (»Vidian Artery«, A. Vidii, stellt eine
Anastomose zur ACE dar)
5 R. caroticotympanicus (zum Mittelohr)
4 C3-Segment: keine Äste
4 C4-Segment:
5 Truncus meningohypophysialis: Hypophyse, Tentorium,
Dura des Clivus
5 Truncus inferolateralis (= A. hypophysialis inferior): Dura
des Sinus cavernosus, kavernöse Segmente der Hirnnerven
4 C5-Segment: i.d.R. keine Äste, die A. ophthalmica kann hier
entspringen
4 C6-Segment:
5 A. ophthalmica: entspringt ventral aus der ACI; tritt durch
den Opticuskanal in die Orbita ein, anastomosiert mit . Abb. 1.111 Schematische Darstellung der A. carotis interna (Ansicht von
lateral)
ACE
5 A. hypophysialis superior (entspring dorsal aus der ACI):
Hypophyse, Infundibulum, N. opticus, Chiasma opticum)
4 C7-Segment: 5 Proatlantische Intersegmentalarterie: Entspringt aus dem
5 R. communicans posterior (RcomP): zieht zur A. cerebri zervikalen Teil der ACI (ca. Höhe HWK2/3) und verläuft
posterior, hier entspringen wichtige Perforatoren zum zur Vertebralarterie.
Thalamus
5 A. choroidea anterior: letzter Ast der ACI, entspringt Literatur
dorsalseitig; typischer Verlauf zunächst nach posteromedial, Gottschalk S, Gehrking E, Petersen D. Malformations of the Temporal Bone.
Diagnosis and Classification. Clin Neurorad. 2006;16:17-32.
dann zur suprasellären Zisterne, gelangt über die Fissura
Wiesmann M, Yousry I, Seelos KC, Yousry TA. Identification and anatomic
choroidea zum Plexus choroideus des Temporalhorns; Ver- description of the anterior choroidal artery by use of 3D-TOF source and
sorgungsgebiet: Plexus choroideus, mesialer Temporal- 3D-CISS MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:305-10.
lappen, Anteile des hinteren Schenkels der Capsula interna
(einschließlich Pyramidenbahn), mediale Anteile des Glo-
bus pallidus und Anteile der Cauda nuclei caudati. Circulus arteriosus Willisi
Synonyme. Circulus arteriosus cerebri
Varianten und Anomalien (Auswahl): Bei dem Circulus arteriosus Willisi handelt es sich um einen
4 Agenesie der ACI (sehr selten) Anastomosenring zwischen den Schädelbasisarterien, durch den
4 Petröses Segment: die beiden ACI und die A. basilaris miteinander verbunden sind.
5 Aberranter Verlauf der ACI: Der vertikale Anteil des pe- Der Circulus stellt also einerseits eine Anastomose zwischen dem
trösen Segments verläuft weiter posterolateral als normal, vorderen und hinteren Kreislauf dar, andererseits aber auch eine
präsentiert sich als pulsatile, posttympanal gelegene Läsion. Anastomose zwischen der Blutverorgung der rechten und der
5 Persistierende A. stapedia: Verläuft durch den vorderen linken Hemisphäre (. Abb. 1.114 und . Abb. 1.115).
unteren Abschnitt der Paukenhöhle, tritt in den hinteren Die Gefäße, die die eigentlichen Anastomosen darstellen,
Teil des tympanalen Fazialiskanals ein, ist dann auch Ur- sind
sprung der A. meningea media; das Foramen spinosum ist 4 die unpaare A. communicans anterior (AcomA) und
bei dieser Anomalie nicht angelegt. 4 die paarigen R. communicantes posteriores (RcomP).
4 Persistierende primitive Arterien:
5 Persistierende A. trigemina (A. trigemina primitiva): Häu- Variationen im Bereich des Circulus arteriosus sind keine Sel-
figste karotidobasiläre Anastomose, verläuft parallel zum tenheit, sondern stellen vielmehr die Regel dar:
zisternalen Verlauf des N. trigeminus (. Abb. 1.113). 4 In ca. 60% der Fälle ist mindestens ein beteiligtes Gefäßseg-
5 Persistierende A. hypoglossi: Von der ACI auf Höhe ment hypoplastisch oder fehlt vollständig.
HWK1/2 zur A. basilaris, verläuft durch den Canalis 4 Am häufigsten (in bis zu ca. 30% der Fälle) ist der RcomP
nervi hypoglossi. hypoplastisch oder fehlend (. Abb. 1.116a).
5 Persistierende A. otica: Geht vom petrösen Segment der 4 In bis zu 1/4 der Fälle liegt eine sog. embryonale Abgangs-
ACI aus und verläuft durch den Meatus acusticus internus variante der A. cerebri posterior (PCA) aus der ACI vor, da-
zur A. basilaris. bei besteht ein sehr kräftiger RcomP bei hypo- oder aplas-
1.17 · Gefäße
55 1

. Abb. 1.112a, b DSA der A. carotis interna, Ansicht von a.p. (a) und lateral (b)
1 = A. carotis interna
2 = »Carotis-T« = Teilung der A. carotis interna
3 = A. cerebri media
a 4 = A1-Segment der A. cerebri anterior
5 = A2-Segment der A. cerebri anterior

. Abb. 1.113a, b Zwei verschiedene Fälle einer persistierenden A. trigemina primitiva.


a: MRT T2w; b: PDw tra
1 = A. trigemina primitiva
2 = A. basilaris
a
3 = A. carotis interna
56 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

tischem P1-Segment der PCA (. Abb. 1.116b). Diese Varian- 4 A. recurrens Heuber (ein kaliberkräftiger Perforator mit cha-
1 te ist z.B. bei der Genese arterio-arteriell embolischer Infarkte rakteristischem Verlauf): Abgang vom distalen A1- oder pro-
von Bedeutung und erklärt das Auftreten eines embolischen ximalen A2-Segment; verläuft nach lateral und dorsal um
Infarkts im ipsilateralen PCA-Stromgebiet bei arterioskle- ebenfalls durch die Substantia perforata anterior zu stoßen.
rotischer ACI-Stenose.
4 In ca. 1/5 der Fälle ist ein A1-Segment hypo- oder aplastisch Territorium der ACA (. Abb. 1.124):
(. Abb. 1.116c). 4 Kortikale Äste: vordere zwei Drittel der mesialen Hirnober-
fläche; Konvexität: vordere zwei Drittel der medial gelegenen
Literatur Anteile der Konvexität
Hillen B. The variability of the circulus arteriosus (Willisi): order or anarchy? 4 Perforatoren:
Acta Anat (Basel). 1987;129:74-80.
5 Mediale Anteile der Stammganglien
5 Genu des Corpus callosum
A. cerebri anterior (ACA) 5 A. recurrens Heubneri:
Die ACA hat drei Segmente (. Abb. 1.117): – Caput nucleus caudatus
4 A1-Segment (= horizontales Segment, präkommunikales – Ventrale Anteile des Globus pallidus und des Putamens
Segment): verläuft über dem N. opticus – Vorderer Kapselschenkel
4 A2-Segment (= vertikales Segment, postkommunikales
Segment) : verläuft im Interhemisphärenspalt, anterior des Normvarianten und Anomalien:
Balkenknies nach superior; Hauptäste sind: 4 Hypo- oder aplastisches A1-Segment (häufig)
5 A. orbitofrontalis 4 »Bihemisphärische ACA«: kortikale Äste versorgen Anteile
5 A. frontopolaris der kontralateralen Hemisphäre mit (häufig)
4 A3-Segment (= distale Segmente und kortikale Äste): ver- 4 »Azygos-ACA«: Vorliegen eines einzelnen unpaaren A2-Seg-
läuft um das Genu corpus callosum und teilt sich in 2 Haupt- ments, das aus der Vereinigungsstelle der beiden A1-Seg-
äste: mente bei fehlender AcomA hervorgeht (selten)
5 A. pericallosa (verläuft unmittelbar kranial des Corpus 4 »Infraoptische« ACA: kreuzt inferior des N. opticus → ge-
callosum) häuftes Auftreten von Aneurysmen
5 A. callosomarginalis (verläuft im Sulcus cinguli)
A. cerebri media (MCA)
Perforatoren der ACA: Die meisten Autoren unterscheiden 4 Segmente der MCA:
4 Aa. lenticulostriatales mediales (Rami striatales mediales): Sie 4 M1-Segment (Mediahauptstamm, horizontales Segment):
gehen von den A1-Segmenten oder der AcomA ab und ver- reicht vom Carotis-T (lateral des Chiasma opticum) bis zur
laufen nach superior durch die Substantia perforata anterior Sylvischen Fissur; verläuft unterhalb der Substantia perforata
(. Abb. 1.118). anterior nach lateral; teilt sich in einer Bifurkation oder einer
Trifurkation unmittelbar vor Erreichen der Sylvischen Fissur

. Abb. 1.114 Schematische Darstellung des Circulus


arteriosus Willisi
1.17 · Gefäße
57 1

. Abb. 1.115a, b Circulus arteriosus Willisi (MIPs einer TOF-MRA). a Auf-


sicht, b Ansicht von lateral b
1 = A. cerebri anterior, A1-Segment (ACA)
2 = A. communicans anterior (AcomA)
3 = A. cerebri anterior, A2-Segment (ACA)
5 = A. cerebri media, M1-Segment (MCA)
8 = A. carotis interna (ACI)
9 = R. communicans posterior (RcomP)
11 = A. cerebelli superior (SCA)
12 = A. basilaris (BA)
13 = A. cerebelli anterior inferior (AICA)
14 = A. cerebelli posterior (PICA)
15 = A. vertebralis (VA)
16 = A. cerebri posterior (PCA), P1-Segment
17 = A. cerebri posterior (PCA), P2-Segment
18 = A. cerebri media, M3-Äste c
19 = PCA, P3-Äste
. Abb. 1.116a–c Varianten des Circulus arteriosus Willisi (MIP-Rekonstruk-
tionen einer TOF-MRA). a Hypoplasie der RcomP beidseits. b Beidseits über-
wiegender Abgang der PCA aus der ACI (»embryonale« Variante). c Hypo-
plastisches rechtes A1-Segment
* = bds. überwiegt der Abgang der PCA aus der PCI
1 = PCA, P2-Äste
2 = hypoplastisches P1-Segment
3 = A. basilaris
4 = ACI
5 = hypoplastisches rechtes A1-Segment
5I = kräftiges linkes A1-Segment
6 = A. communicans anterior
7 = A2-Segmente der A. cerebri anterior
58 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.117a, b Schematische Darstellung der A. cerebri anterior, Ansicht von anterior-posterior (a) und von lateral (b)

Versorgungsgebiete: Das Territorium der MCA ist das größte


der hirnversorgenden Gefäße (. Abb. 1.124).
4 Kortikale Äste versorgen den Großteil der lateralen Hirn-
oberfläche, mit Ausnahme des Gyrus temporalis inferior und
die paramedian gelegenen Anteile der Konvexität
4 Perforatoren (. Abb. 1.7):
5 Mediale Perforatoren: mediale Stammganglien, Nucleus
caudatus, Anteile der Capsula interna
5 Laterale Perforatoren: laterales Putamen, Nucleus cauda-
tus, Capsula externa

Normvarianten und Anomalien (Auswahl):


4 Frühe Teilung, d.h. Lage der Bi- bzw. Trifurkation innerhalb
von 1 cm nach dem Ursprung
. Abb. 1.118 Präparatefoto der Substantia perforata anterior
1 = A. cerebri anterior 3 = N. opticus 4 Selten: Duplikation (Abgang aus ACI) oder akzessorische
2 = Perforatoren 4 = Chiasma opticum MCA (aus ACA)

4 M2-Segmente (insuläre Segmente): hierbei handelt es sich 1.17.2 Arterien (hinteres Strombahngebiet)
um die Äste nach der Bi- bzw. der Trifurkation; diese teilen
sich weiter in insgesamt 6–8 M2-Äste; verlaufen innerhalb Aa. vertebrales (VA)
der Sylvischen Fissur nach superior und teilen sich an der Die Aa. vertebrales haben jeweils 5 Segmente:
Oberfläche der Insel; geben lange Zirkumferenzarterien zum 4 V0-Segment: Abgang der VA aus der A. subclavia
Frontal-, Parietal- und Temporallappen ab 4 V1-Segment (extraossäres Segment): vom V0-Segment bis
4 M3-Segmente (operkuläre Segmente): Äste die entlang der zum Eintreten in das Foramen transversum des HWK6; ver-
Opercula verlaufen läuft vom Abgang aus nach superoposterior
4 M4-Segmente (kortikale Segmente): Endäste an der Kon- 4 V2-Segment (intraforaminales Segment): verläuft zunächst
vexität nach superior durch die Foramina transversalia der HWK6
bis HWK3; auf Höhe des HWK2 verläuft sie zunächst nach
Äste des M1-Segments: superolateral, um durch das L-förmige Foramen transversum
4 Aa. lenticulostriatales mediales und laterales (Media-Perfo- des Axis zu treten; danach verläuft sie nach superior zum
ratoren); verlaufen nach superior durch die Substantia perfo- Foramen transversum des Atlas
rata anterior 4 V3-Segment (extraspinales Segment, Atlasschlinge): reicht
4 A. temporopolaris vom Oberrand des Foramen transversum des Atlas bis zum
4 A. temporalis anterior Durchtritt der VA durch die Dura nach intradural; ver-
1.17 · Gefäße
59 1
läuft auf dem Bogen des Atlas nach posteromedial um das
Atlantookzipitalgelenk am Hinterrand des Atlantookzipital-
gelenks
4 V4-Segment (intradurales Segment): tritt durch das Fora-
men magnum in den Schädel ein; verläuft hinter dem Clivus
nach superomedial; ca. auf Höhe des pontomedullären Über-
gangs vereinigen sich die beiden VAs zur unpaaren A. basi-
laris

Wichtige Äste:
4 V1-Segment:
5 Segmentale Halsmuskeläste
5 Spinale Äste
4 V2-Segment:
5 A. meningea anterior
5 Segmentale Muskeläste
5 Spinale Äste
4 V4-Segment:
5 A. spinalis anterior
5 Aa. spinales posteriores
5 Perforierende Äste zur Medulla oblongata . Abb. 1.119 Schematische Darstellung der A. basilaris
5 A. cerebelli posterior inferior (PICA)

Normvarianten und Anomalien: Äste:


4 Eine VA ist meist dominant (meist die linke), die andere 4 Perforierende Äste zum Pons und zum Mesenzephalon
hypoplastisch. (. Abb. 1.120)
4 In 5% der Fälle liegt ein direkter Abgang einer VA aus dem 4 A. cerebelli anterior inferior (AICA)
Aortenbogen vor. 4 A. cerebelli superior (SCA)
4 Fenestration der VA
4 »PICA-endende VA« bei hypo- oder aplastischem V4-Seg- Normvarianten und Anomalien:
ment (häufig) 4 Fenestration der BA
4 Hypoplastischer hinterer Kreislauf mit kaliberschwacher BA
A. cerebelli posterior inferior (PICA) bei beidseits embryonaler Abgangsvariante der PCA aus der
Die PICA entspringt aus dem distalen V4-Segment der VAs und ACI
verläuft um bzw. über die Kleinhirntonsillen. 4 Embryonale Anastomosen zwischen vorderem (ACI) und
Äste: hinterem (BA) Kreislauf, z.B. A. trigemina primitiva (häu-
4 Perforierende Äste zur Medulla oblongata figste karotidobasiläre Anastomose, . Abb. 1.113)
4 Äste zum Plexus choroideus
4 Tonsilläre Äste Aa. cerebelli anteriores inferiores (AICA)
4 Kleinhirnäste Die AICAs gehen von der proximalen BA ab und verlaufen in der
Kleinhirnbrückenwinkelzisterne anterior des 7. und des 8. Hirn-
Territorium: nervs. Sie bilden häufig im Meatus acusticus internus eine Gefäß-
4 Basale Anteile der Kleinhirnhemisphären, nach rostral über schlinge.
die Fissura horizontalis hinaus Territorium:
4 Tonsillen 4 7. und 8. Hirnnerv
4 Partiell Vermis 4 Mittlere Kleinhirnstiele
4 Territorium kann Mittellinie überschreiten 4 Anterolaterale Kleinhirnanteile

Normvarianten und Anomalien: Varianten:


AICA-PICA: gemeinsamer Stamm von AICA und PICA 4 Gemeinsamer Stamm von AICA und PICA

A. basilaris (BA) Aa. cerebelli superiores (SCA)


Die BA verläuft in der präpontinen Zisterne zwischen Pons Die SCAs entspringen aus der distalen BA und verlaufen in der
(dorsal) und Clivus (ventral) nach superior bis zur interpedun- perimesenzephalen Zisterne unterhalb des N. oculomotorius
kulären Zisterne. Hier teilt sie sich in ihre terminalen Äste, die nach posterolateral. Sie verlaufen oberhalb des N. trigeminus
beiden Aa. cerebri posteriores (. Abb. 1.119, . Abb. 1.120 und und weisen oft einen Gefäß-Nerv-Kontakt zum 5. Hirnnerv auf
. Abb. 1.121). (. Abb. 1.122).
60 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

Territorium (. Abb. 1.124):


1 4 Oberwurm
4 Pedunculi cerebellares superiores
4 Kraniale Anteile der Kleinhirnhemisphären
4 Lobuli quadrangulares
4 Weite Anteile der weißen Substanz einschließlich der Kern-
gebiete (auch Ncl. dentatus) des Kleinhirns
> Die Territorien der Kleinhirnarterien, vor allem der
PICA und der AICA, sind sehr variabel.

A. cerebri posterior (PCA)


Die PCAs stellen die terminalen Äste der BA dar und bestehen
a
aus 4 Segmenten:
4 P1-Segment (= mesenzephales Segment, präkommunikales
Segment): verläuft vom Teilungspunkt der BA nach lateral
durch die Cisterna interpeduncularis; reicht bis zur »Mün-
dung« des RcomP; verläuft kranial des zisternalen Segments
des N. oculomotorius (7 Kap. 1.16.3)
4 P2-Segment (= postkommunikales Segment): beginnt hinter
der Einmündung des RcomP; zieht durch die perimes-
enzephale Zisterne (Cisterna ambiens) um die Pedunculi
cerebri nach dorsal, verläuft oberhalb des Tentoriums und
oberhalb des zisternalen Segments des N. trochlearis und
weitgehend parallel zum Tractus opticus und zur V. basalis
Rosenthal
4 P3-Segment (= quadrigeminales Segment): verläuft durch
die Cisterna quadrigemina in Richtung Okzipitallappen b
4 P4-Segment (= terminales Segment): Endäste der PCA im . Abb. 1.120a, b Präparatefotos der A. basilaris. a Kräftiger P1-Perforator
Bereich des Sulcus calcarinus als Normvariante (Typ IIb nach Percheron).
b Basilarisperforatoren (A. basilaris vom Hirnstamm abgehoben)
Äste: 1 = A. basilaris
2 = P1-Segment der PCA
4 Perforierende Äste:
3 = prominenter P1-Perforator, Typ IIb nach Percheron
5 Aus dem P1-Segment: posteriore Thalamusperforatoren: 4 = Basilarisperforatoren
versorgen den inferomedialen Thalamus und das para- 5 = Pinzette
mediane Mittelhirn; nach Percheron werden 4 Abgangs-
varianten unterschieden; beim sog. Typ IIb nach Perche-
ron besteht ein gemeinsamer Hauptstamm der poste- Versorgungsgebiete:
rioren Thalamusperforatoren aus einem P1-Segment 4 Kortikale Äste:
(paramedian artery); dies ist die pathoanatomische 5 Posteriores Drittel der medialen Oberfläche der Hemis-
Grundlage des »Top of the Basilar artery«-Syndrom phären
(. Abb. 1.120, 7 Kap. 2.1) 5 Überwiegender Anteil des inferioren Temporallappens
5 Aus dem P2-Segment: 5 Überwiegender Anteil des Okzipitallappens
– 5–10 inferolaterale Arterien (thalamogeniculate arte- 4 Perforatoren:
ries); verlaufen nach posteromedial zum Mittelhirn; 5 Mittelhirn
versorgen Teile des Mittelhirns und den lateralen bzw. 5 Thalamus
kaudalen Thalamus 5 Hinterer Schenkel der Capsula interna
– Perforierende Äste zu den Pedunculi cerebri 5 Tractus opticus
4 Ventrikuläre und choroidale Äste: Sie haben typischerweise 4 Balkenäste:
im lateralen Strahlengang in der DSA jeweils die Form der 5 Hinterer Anteil des Corpus callosum einschließlich
Zahl »3« (. Abb. 1.23): Splenium
5 Abgang aus dem P2-Segment: 4 Ventrikuläre und choroidale Äste:
– A. choroidea posterior medialis in der Tela choroidea 5 Anteile des Plexus choroideus der Seitenventrikel und des
zum Dach des III. Ventrikels III. Ventrikels
– Aa. choroideae posteriores laterales zum Plexus der 5 Thalamus
Seitenventrikel 5 Pedunculi cerebri
4 Kortikale Äste 5 Commissura posterior
1.17 · Gefäße
61 1

a b

. Abb. 1.121a, b DSA der A. basilaris, Ansicht in anterior-posteriorer (a) und lateraler (b) Pro-
jektion
1 = Basilariskopf 7 = A. cerebelli posterior inferior (PICA)
2 = A. basilaris 7I = PICA-Variante mit Abgang aus der BA
3 = A. cerebri posterior, P1-Segment 8 = A. vertebralis, V4-Segment
4 = A. cerebri posterior, P2-Segment 8I = A. vertebralis, Atlasschlinge
5 = A. cerebelli superior 8II = A. vertebralis
6 = A. cerebelli anterior inferior (AICA) 9 = R. communicans posterior

. Abb. 1.122 Dreifach angelegte SCA als Normvariante . Abb. 1.123 DSA der Aa. choroideae posteriores,
(MRT T2w cor) Ansicht von lateral
1 = SCA 1 = Basilariskopf
2 = PCA 2 = A. basilaris
3 = BA 3 = A. cerebri posterior, P1-Segment
4 = AICA 4 = Aa. choroideae posteriores
5 = VA 5 = A. vertebralis
62 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

Normvarianten: Häufig kommt ein »embryonaler Abgang« der 5 In ca. 30% der Fälle drainiert der SSS direkt in einen, meist
1 PCA aus der ACI mit hypo- oder aplastischem P1-Segment vor den rechten ST, während der SR zum ST der Gegenseite
(. Abb. 1.116). drainiert.
In den Schnittbildern der . Abb. 1.124 sind die Territorien 5 Selten drainieren SSS und SR nur in einen ST, der kontra-
der hirnversorgenden Gefäße schematisch dargestellt. laterale Sinus ist aplastisch oder hypoplastisch.
5 Vorliegen eines Sinus occipitalis: Er verläuft vom Con-
Literatur fluens sinuum ausgehend in der Wurzel der Falx cerebelli
Naidich TP, Firestone MI, Blum JT, Abrams KJ. Zonal frequency analysis of the nach kaudal; teilt sich in zwei Sinus marginales, die jeweils
gyral and sulcal extent of cerebral infarcts. Part III: Middle cerebral artery
in den ipsilateralen Bulbus v. jugularis drainieren.
and watershed infarcts. Neuroradiology. 2003;45:785-92.
Naidich TP, Firestone MI, Blum JT, Abrams KJ, Zimmerman RD. Zonal frequen-
4 Inferiore Gruppe: Die Sinus der inferioren Gruppe drai-
cy analysis of infarct extent. Part II: anterior and posterior cerebral artery nieren primär die Hirnbasisstrukturen. Zu ihnen gehören
infarctions. Neuroradiology. 2003;45:601-10. folgende Sinus:
5 Sinus cavernosus: wichtige Sammelstelle der inferioren
Gruppe; bieten über den basalen Venenplexus einen alter-
1.17.3 Sinus und Hirnvenen nativen Abflussweg bei Verschluss der Vv. jugulares, inter-
nae
Sinus durae matris 5 Sinus sphenoparietalis
Die Wände der venösen Sinus wird meist vom periostalen und 5 Sinus petrosus superior
meningealen Blatt der Dura mater gebildet (. Abb. 1.5), nur beim 5 Sinus petrosus inferior
Sinus sagittalis inferior und beim Sinus rectus handelt es sich um
Duplikaturen des meningealen Durablattes. Die Innenwand der Hirnvenen
Sinus ist von Endothel ausgekleidet. Sie weitet sich an manchen Die Hirnvenen sind klappenlos und relativ dünnwandig. Man
Stellen zu den Lacunae laterales aus, wo die Liquorresorption unterscheidet 2 Gruppen:
über die sog. Arachnoidalzotten (Pacchioni-Granulationen, 4 Vv. superficiales cerebri (oberflächliche Hirnvenen)
. Abb. 1.3 und . Abb. 1.127, 7 Kap. 1.2.2) erfolgt. 4 Vv. profundae cerebri (tiefe Hirnvenen, innere Hirnvenen).
Die Sinus besitzen keine Venenklappen, so dass der venöse
Blutfluss prinzipiell je nach Druckverhältnissen in beide Rich- Innere Hirnvenen
tungen erfolgen kann. Sie besitzen jedoch Bindegewebebalken Hauptvenen:
(Chordae Willisi) und Lamellen, die die Öffnungen von entgegen 4 Vv. cerebri internae (paarig)
der Stromrichtung einmündenden Venen verdecken. 4 Vv. basales Rosenthal (paarig)
Die Sinus durae matris können in eine obere und eine unte-
re Gruppe eingeteilt werden (. Abb. 1.125 und . Abb. 1.126): Die Vv. cerebri internae und Vv. basales Rosenthal vereinigen
4 Obere Gruppe: sich dorsal des Mesencephalons zur V. cerebri magna (V. Galeni);
5 Sinus sagittalis superior: kaliberkräftigster Sinus; verläuft diese mündet in den Sinus rectus (. Abb. 1.128, . Abb. 1.129 und
im Oberrand der Falx cerebri . Abb. 1.130).
5 Sinus sagittalis inferior: verläuft im Unterrand der Falx Drainagegebiete:
cerebri 4 Hirnbasis
5 Sinus rectus: verläuft zwischen Unterrand der Falx cerebri 4 Limbisches System
und Tentorium; erhält Zuflüsse vom Sinus sagittalis in- 4 Thalami
ferior und von der V. cerebri magna (V. Galeni) 4 Mesencephalon
5 Sinus transversus (paarig angelegt): verlaufen in Hufeisen- 4 Stammganglien
form entlang der hinteren Schädelgrube nach anterolate- 4 tiefes Markalger
ral: gehen direkt in die S-förmigen Sinus sigmoideus über,
der rechtsseitige ist meist dominant In Analogie zu dem arteriellen Circulus Willisi existiert auch im
5 Sinus sigmoideus (paarig angelegt): konfluieren auf Höhe venösen System ein Ringschluss im Bereich der Schädelbasis der
des Foramen jugulare mit dem jeweiligen Sinus petrosus hauptsächlich von den Vv. basales Rosenthal und einer kleinen
inferior zu den Vv. jugulares internae V. communicans anterior gebildet wird.
Sinus rectus und Sinus sagittalis superior vereinigen sich im
Confluens sinuum (Torcular Herophili). Vom Confluens aus,
wird das venöse Blut über die paarigen Sinus transversus und
sigmoideus zu den Vv. jugulares internae geleitet.
Varianten des Confluens sinuum:
5 In ca. 50% der Fälle teilen sich sowohl Sinus sagittalis
superior (SSS) als auch Sinus rectus (SR) in die beiden
Sinus transversus (ST), wobei es in vielen Fällen zu einer
ungleichen Blutverteilung zugunsten der rechten Seite
kommt.
1.17 · Gefäße
63 1

a b c

d e

f g

. Abb. 1.124a–g Schematische Darstellung der Territorien der hirnversorgenden Gefäße. Im Einzel-
fall besteht jedoch eine deutliche Variabilität, insbesondere was die Versorgungsgebiete der Kleinhirn-
arterien betrifft
64 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b

. Abb. 1.125a, b DSA der venösen Sinus, Ansicht von lateral (a) und anterior-posterior (b)
1 = Sinus sagittalis superior 5 = V. jugularis interna 9 = V. Galeni
2 = kortikale oberflächliche Venen 6 = Sinus rectus 10 = V. cerebri interna
3 = Sinus transversus 7 = Sinus sagittalis inferior
4 = Sinus sigmoideus 8 = V. Labbé

. Abb. 1.126 Venöse Sinus, MIP-Rekonstruktion einer CE-MRA,


Ansicht von schräg dorsal
1 = Sinus sagittalis superior
2 = Sinus rectus
3 = Confluens sinuum
4 = Sinus transversus
5 = Sinus sigmoideus
6 = V. jugularis interna
7 = kortikale Vene
8 = V. Labbé

a b

. Abb. 1.127a, b Prominente Pacchioni-Granulationen CE-MRA (a) und MRT T2w tra (b)
1 = Sinus transversus 2 = große Pacchioni-Granulation
1.17 · Gefäße
65 1

b
b

. Abb. 1.128a, b Schematische Darstellung der inneren Hirnvenen, An-


sicht von rechts lateral (a) und von dorsokranial (b)

. Abb. 1.129a–c Innere Hirnvenen in tranversalen Schnitt (SWI) 7


1 = Vena anterior septi pellucidi
2 = Vena thalamostriata
3 = Vena cerebri interna
4 = Vena nuclei caudati
5 = Vena thalamica lateralis
6 = Vena basalis Rosenthal
7 = Ventrikelvenen
8 = Vv. occipitales internae
c
9 = tektale Venen
66 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.130 Innere Hirnvenen, sagittale MPR einer CTA


1 = Sinus sagittalis inferior 6 = V. anterior septi pellucidi a
2 = Sinus rectus 7 = V. cerebri magna Galeni
3 = V. cerebri interna 8 = V. nuclei caudati
4 = Confluens sinuum 9 = Sinus sagittalis superior
5 = V. thalamostriata superior

Oberflächliche Hirnvenen
Die oberflächlichen Hirnvenen draineren die äußeren 1–2 cm
des Großhirns. Sie weisen eine große inter- und auch intraindi-
viduelle Variabilität hinsichtlich ihrer Anzahl und ihrem Verlauf
auf. Die oberflächlichen Hirnvenen drainieren über die kurzen
Vv. corticales die Hirnrinde und das subkortikale Marklager, so-
wie über die längeren Vv. medullares periphere Anteile des tiefer
gelegenenen Marklagers.
4 Vv. cerebri superiores (kortikale Venen): meist 8–12 pro He-
misphäre; drainieren in Sinus sagittalis superior; hinsichtlich
Anzahl und Verlauf sehr variabel, jedoch weitgehend kon-
stantes Muster der Einmündung in den SSS (. Abb. 1.132):
5 Frontale Venen münden in Flussrichtung in den SSS.
5 Parietale und okzipitale Venen münden entgegen der
Flussrichtung.
Bevor die kortikalen Venen in den SSS einmünden können,
müssen sie das meningeale Blatt der Dura durchstoßen und
unterschiedlich lange Strecken »überbrücken«. Sie werden
b
in diesem Abschnitt daher als Brückenvenen bezeichnet
(. Abb. 1.131). . Abb. 1.131a, b Einmündung der Brückenvenen in den Sinus sagittalis
4 Vv. cerebri inferiores: Hierzu gehören Vv. temporales inferio- superior (Präparatefotos). a Ansicht von oben (kalottenseitig); b Ansicht von
unten (hirnseitig)
res, Vv. orbitae und V. uncalis. Sie drainieren in die Sinus
1 = Mündung einer Brückenvene
transversus, petrosus superior und sphenoparietalis. 2 = Wände des Sinus sagittalis
3 = Pinzette
Anastomosen 4 = Brückenvene
Zwischen dem Sinus sagittalis superior und den basalen Sinus 5 = Sinus sagittalis superior
bestehen zahlreiche Anastomosen deren Verlauf und Kaliber
allerdings sehr variabel sind. 4 V. anastomotica inferior (Labbé-Vene): Anastomose zwischen
Die beiden wichtigsten sind: den Venen der Sylvischen Fissur und dem Sinus transversus;
4 V. anastomotica superior (Trolard-Vene): verläuft vom SSS aus verläuft auf der lateralen Fläche des Temporallappens
über die Facies lateralis zur Sylvischen Fissur; dort anastomo-
siert sie meist mit der V. cerebri media superficialis (V. Sylvii) In der Regel dominiert eine dieser beiden Venen deutlich.
1.18 · Felsenbein
67 1
1.18 Felsenbein

Synonyme. Pars petrosa ossis temporalis


Das Felsenbein ist ein Teil des Os temporale, es bildet die Grenze
zwischen mittlerer und hinterer Schädelgrube (. Abb. 1.133,
. Abb. 1.134 und . Abb. 1.135).
Es enthält:
4 äußeren Gehörgang (Meatus acusticus externus)
4 Trommelfell (Membrana tympanica)
4 Mittelohr (Paukenhöhle) mit:
5 M. stapedius
5 M. tensor tympani
5 Gehörknöchelchen (Ossicula auditus):
– Hammer (Malleus)
– Amboss (Incus)
– Steigbügel (Stapes)
4 Innenohr (Auris interna) mit:
. Abb. 1.132 Oberflächliche Hirnvenen, MIP-Rekonstruktion einer CE-MRA, 5 Knöchernem Labyrinth:
Ansicht von kranial. Zu beachten ist der spitze Einmündungswinkel der Venen – Vestibulum labyrinthi
in den Sinus entgegen der Flussrichtung – Canalis semicircularis anterior (vorderer Bogengang)
1 = Sinus sagittalis superior
– Canalis semicircularis lateralis (horizontaler Bogen-
2 = kortikale Venen
gang)
– Canalis semicircularis posterior (hinterer Bogengang)
– Cochlea (Schnecke)

a b c

d e f

. Abb. 1.133a–f Transversale Schichten durch das Felsenbein (CT im Knochenkernel, von kranial nach kaudal)
1 = vorderer Bogengang 8 = Canaliculus nervi saccularis 13 = Canaliculus nervi ampullaris posterioris
2 = Mastoidzellen 9 = Meatus acusticus internus 14 = Articulatio incudomallearis
2I = Antrum des Mastoids 10 = Cochlea 15 = hinterer Bogengang
3 = Felsenbeinspitze 10I = Cochlea, apikale Windung (Canalis semicircularis posterior)
4 = Aquaeductus vestibuli mit Ductus endolymphaticus 10I = Cochlea, basale Windung 16 = Canalis caroticus
5 = horizontaler Bogengang 11 = Caput mallei (Hammer) 17 = Aquaeductus cochleae
6 = Canalis facialis 11I = Manubrium mallei
7 = Vestibulum 12 = Incus (Amboss)
68 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

a b

c d

. Abb. 1.134a–d Koronare Schichten durch das Felsenbein (CT im Knochenkernel)


1 = vorderer Bogengang (Canalis semicircularis anterior) 6 = Aquaeductus cochlea 12I = Cochlea, apikale Windung
2 = horizontaler Bogengang 7 = Foramen stylomastoideum 12II = Cochlea, basale Windung
3 = Vestibulum 8 = Foramen jugulare 13 = Tendo des Musculus tensor tympani
4 = Meatus acusticus internus 9 = ovales Fenster 14 = Ligamentum mallei laterale
4I = Pars superior nervi vestibularis 10 = rundes Fenster 15 = Articulatio incudomallearis
4II = Pars inferior nervi vestibularis 11 = Tegmen tympani 16 = Caput mallei (Hammer)
5 = Canaliculus nervi ampullaris posterioris 12 = Cochlea 17 = Canalis facialis

. Abb. 1.135 Innenohrstrukturen (MRT T2 tra) . Abb. 1.136 Knöcherne Sella (Foto eines Präparates)
1 = Meatus acusticus internus 1 = Os sphenoidale
2 = N. facialis 2 = Processus clinoideus anterior
3 = N. vestibularis superior 3 = Canalis opticus
4 = Vestibulum 4 = Tuberculum sellae
5 = lateraler (horitontaler) Bogengang 5 = Dorsum sellae
6 = hinterer Bogengang 6 = Processus clinoideus posterior
7 = Cochlea 7 = Os occipitale
8 = basale Windung der Cochlea 8 = Os temporale
9 = AICA-Schlinge
1.19 · Sellaregion
69 1
5 Häutiges Labyrinth: Seite der Rathke-Tasche. Die Neurohypophyse bleibt über
– Utriculus den Hypophysenstiel mit dem Diencephalon verbunden. Sie
– Sacculus vestibularis kann überall auf dem Weg zwischen Diencephalon und Sella
– Ductus endolymphaticus »liegen bleiben« → »ektope« Neurohypophyse.
– Ductus semicircularis anterior 4 Pars intermedia: Liegt zwischen Hypophysenvorderlappen
– Ductus semicircularis lateralis und Pars tuberalis. Sie ist jedoch beim Menschen nur vo-
– Ductus semicircularis posterior rübergehend während der Embryonalentwicklung nach-
– Ductus cochlearis weisbar.
4 Innerer Gehörgang (Meatus acusticus internus) mit:
5 N. facialis Sinus cavernosus (SC)
5 N. vestibulocochlearis Beim Sinus cavernosus handelt es sich um einen paarig an-
gelegten venösen Sinus der parasellär, d.h. rechts und links der
Zugänge zum Felsenbein: Hypophyse lokalisiert ist (. Abb. 1.138). Er erstreckt sich von der
4 Meatus acusticus internus (Eintritt von N. facialis und N. ve- Felsenbeinspitze bis zur Fissura orbitalis superior. Lateral wird er
stibulocochlearis) vom Os temporale und medial vom Keilbein begrenzt. Dorso-
4 Foramen stylomastoideum (Austritt des N. facialis) lateral grenzt er an das Cavum Meckeli. Die Wand des SC stellt
4 Canaliculus tympanicus (N. tympanicus) eine Ausstülpung der Dura mater dar, die den Sinus in einem
4 Fissura petrotympanica (Austritt der Corda tympani) mehrschichtigen Wandaufbau taschenartig umschließt.
4 Canalis musculotubarius: Kanal der Tuba auditiva zum Mit- Jeder Sinus cavernosus wird durch Septen in mehrere Kom-
telohr partimente unterteilt, wodurch er seine namensgebende retiku-
läre Struktur erhält. Die beiden Sinus cavernosus stehen über die
Sinus intercavernosus anterior und posterior miteinander in Ver-
1.19 Sellaregion bindung.
Hauptzuflüsse sind:
Sella (turcica) 4 V. ophthalmica
Die Sella selbst wird vom Os sphenoidale gebildet (. Abb. 1.136). 4 Sinus sphenoparietalis
Begrenzungen der Sella bilden:
4 Anteromedial: Tuberculum sellae Abstrom/Drainage erfolgt über:
4 Dorsal: Dorsum sellae mit Processus clinoideus posterior 4 Sinus petrosus superior → Kommunikation mit Sinus trans-
4 Lateral: Sinus cavernosus versus
4 Sinus petrosus inferior → Drainage zur V. jugularis interna
In der Sella liegt die Hypophyse. 4 Pterygoidale Venenplexus

Hypophyse (Glandula pituitaria)


Die Hypophyse liegt extradural unter dem Diaphragma sellae
(= Anteil der Dura mater, der die Sella turcica überspannt) in der
Sella und ist über den Hypophysenstiel (Infundibulum) mit dem
Hypothalamus verbunden (. Abb. 1.137). Sie besteht aus:
4 Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse): geht ent-
wicklungsgeschichtlich aus einer Ausstülpung des Rachen-
dachs, der sog. Rathke-Tasche hervor: bildet STH (Somato-
tropin), Prolactin, FSH (follikelstimulierendes Hormon), LH
(luteinisierendes Hormon), ACTH (adrenocorticotropes
Hormon) und TSH (thyroideastimulierendes Hormon)
4 Pars tuberalis: Fortsatz des Hypophysenvorderlappens ent-
lang des Hypophysenstiels
4 Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse): Ausstülpung
des Diencephalons; besteht vor allem aus Axonen von Ner-
venzellen deren Somata im Hypothalamus lokalisiert sind; . Abb. 1.137 Hypophyse (MRT T1w nativ sag)
Speicher- und Sekretionsorgan für im Hypothalamus gebil- 1 = Recessus infundibularis des III. Ventrikels 5 = Clivus
2 = Infundibulum 6 = Sinus sphenoidalis
dete Hormone, Oxytocin und ADH (antidiuretisches Hor-
3 = Adenohypophyse 7 = Sella
mon); ist im nativen T1w-Bild sehr signalreich (. Abb. 1.137). 4 = Neurohypophyse 8 = Area subcallosa
Embryologie: Die Anlage der Neurohypophyse entsteht aus
einer Ausstülpung (Tricher, »Infundibulum«) des Bodens des
Diencephalons. Das Infundibulum dringt in das darunter-
liegende Mesenchym ein, bildet ein Divertikel, das sich zur
Neurohypophyse verdickt. Dieses verklebt mit der dorsalen
70 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.139 Sinus cavernosus (MRT CISS + KM cor)


. Abb. 1.138 Schematische Darstellung des Sinus cavernosus 1 = Infundibulum 6 = N. abducens
2 = Chiasma opticum 7 = N. ophthalmicus
3 = A. carotis interna 8 = N. maxillaris
4 = N. oculomotorius 9 = Hypophyse
Inhalt: In der lateralen Wand des SC verlaufende Strukturen von 5 = N. trochlearis
kranial nach kaudal (. Abb. 1.139):
4 N. oculomotorius
4 N. trochlearis
4 N. ophthalmicus
4 N. maxillaris

Durch den Sinus selbst verlaufende Strukturen (. Abb. 1.139):


4 N. abducens
4 kavernöses Segment der A. carotis interna (s-förmiger Ver-
lauf innerhalb des SC)

Literatur
Yagi A, Sato N, Taketomi A, Nakajima T, Morita H, Koyama Y, Aoki J, Endo K.
Normal cranial nerves in the cavernous sinuses: contrast-enhanced
three-dimensional constructive interference in the steady state MR
imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2005;26:946-50.

Cavum Meckeli
Hierbei handelt es sich um eine posterolateral des Sinus caver-
. Abb. 1.140 Cavum Meckeli (MRT CISS cor)
nosus in der mittleren Schädelgrube gelegene Duraduplikatur
1 = Cavum Meckeli
(. Abb. 1.140). 2 = Nervenfaserbündel des N. trigeminus
Inhalt: 3 = Arachnoidalzyste als Normvariante
4 Liquor
4 Ganglion trigeminale (an der inferolateralen Wand)
4 Nervenfaserbündel des N. trigeminus (. Abb. 1.140) 1.20 Orbita
Literatur Die Orbita wird von folgenden Knochen gebildet (. Abb. 1.141):
Yousry I, Moriggl B, Schmid UD, Naidich TP, Yousry TA.Trigeminal ganglion and 4 Os lacrimale
its divisions: detailed anatomic MR imaging with contrast-enhanced 3D
4 Maxilla
constructive interference in the steady state sequences. AJNR Am J
Neuroradiol. 2005;26:1128-35.
4 Os frontale
Den äußeren Rand bilden:
4 Os zygomaticum
4 Os ethmoidale
4 Os temporale
4 Os palatinum
4 Os sphenoidale
1.19 · Schädelbasis
71 1
Inhalte der Orbita (. Abb. 1.142):
4 Augapfel (Bulbus oculi)
4 Äußere Augenmuskeln:
5 M. rectus superior
5 M. rectus inferior
5 M. rectus lateralis
5 M. rectus medialis
5 M. obliquus superior
5 M. obliquus inferior
5 M. retractor bulbi
5 M. levator palpebrae superioris
4 Nerven:
5 N. opticus
5 N. oculomotorius
5 N. trochlearis
5 N. ophthalmicus
. Abb. 1.141 Präparatefoto der knöchernen Orbita 5 N. abducens
N = nasal 8 = Os ethmoidale, Lamina orbitalis
5 N. zygomaticus
T = temporal 9 = Crista lacrimalis posterior
1 = Canalis opticus 10 = Foramina ethmoidalia anterior 5 N. infraorbitalis
2 = Fissura orbitalis superior et posterior 4 Gefäße:
3 = Os spenoidale 11 = Incisura supraorbitale 5 A. ophthalmica
4 = Sutur 12 = Os frontale 5 Vv. ophthalmicae
5 und 5I = Os zygomaticum 13 = Os palatinum
6 = Fissura orbitalis inferior 14 = Crista lacrimalis anterior/Maxilla
7 = Sulcus infraorbitalis
1.21 Foramina der Schädelbasis

Das Orbitadach wird gebildet: Die Schädelbasis (. Abb. 1.145) wird unterteilt in:
4 Vor allem vom Os frontale 4 Vordere Schädelgrube (Fossa cranii anterior): Sie wird gebil-
4 Os sphenoidale (Ala minor) det vom:
5 Os ethmoidale: im Bereich der Mittellinie
Den Orbitaboden bilden: 5 Os frontale: bildet den Hauptanteil
4 Maxilla 5 Os sphenoidale (ventraler Anteil des Corpus): bildet dor-
4 Os zygomaticum sale Begrenzung
4 Os palatinum (Processus orbitalis) 4 Mittlere Schädelgrube (Fossa cranii media):
5 vordere Begrenzung: Os sphenoidale, Ala major und
An der medialen Orbitawand sind beteiligt: Ala minor
4 Maxilla 5 Boden: Os temporale (Pars squamosa) und Os sphenoidale
4 Os lacrimale (Ala major und Sella turcica)
4 Os ethmoidale 5 dorsale Begrenzung:
– lateral: Os temporale (Pars petrosa)
Die laterale Orbitawand bilden: – im Bereich der Mittellinie: Dorsum sellae
4 Os zygomaticum 4 Hintere Schädelgrube (Fossa cranii posterior):
4 Os sphenoidale (Ala major) 5 wird vor allem vom Os occipitale gebildet
5 vordere Grenze: Dorsum sellae und Os temporale (Pars
Knöcherne Ein- oder Austrittspforten der Orbita sind: petrosa) (gehören jeweils schon zur mitteleren Schädel-
4 Foramen ethmoidale grube)
4 Canalis opticus
4 Fissura orbitalis superior Die Foramina der Schädelbasis und deren Inhalte sind in . Tab. 1.1
4 Fissura orbitalis inferior beschrieben.
4 Fossa sacci lacrimalis
4 Foramen lacrimale Literatur
4 Foramen maxillare → zum Canalis infraorbitalis → Foramen Linn J, Peters F, Moriggl B, Naidich TP, Brückmann H, Yousry I. The jugular
infraorbitale foramen: imaging strategy and detailed anatomy at 3T. AJNR Am J Neuro-
radiol. 2009;30:34-41.
72 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

. Abb. 1.142a, b Schematische Darstellung der Orbita, Ansicht sagittal (a)


und coronar (b)

. Abb. 1.143 MRT der Orbita (CISS sag)


1 = M. levator palpebrae superioris und M. rectus superior
2 = N. opticus
3 = Opticusscheide d
4 = M. rectus inferior
5 = M. obliquus inferior . Abb. 1.144a–d Orbita. a: MRT CISS cor; b–d: MRT T1w cor
6 = Bulbus oculi 1 = M. levator palpebrae superioris 7 = N. opticus
2 = M. rectus superior 8 = Opticusscheide
3 = M. rectus lateralis 9 = V. ophthalmica inferior
4 = M. rectus inferior 10 = V. ophthalmica superior
5 = M. rectus medialis 11 = Bulbus oculi
6 = M. obliquus superior
1.19 · Schädelbasis
73 1

. Abb. 1.145a, b Knöcherne Schädelbasis, Fotos eines Schädelpräparats, Ansicht von


kranial (a) und kaudal (b)
1 = Processus clinoideus anterior 13 = Condylus occipitalis
2 = Processus clinoideus posterior 14 = Processus styloideus
2I = Dorsum sellae 15 = Canalis caroticus
3 = Foramen rotundum 16 = Canalis condylaris
4 = Foramen ovale 17 = Vomer
5 = Foramen spinosum 18 = Maxilla, Processus zygomaticus
6 = Lingula sphenoidalis 19 = Processus pterygoideus
7 = Foramen lacerum 20 = Spina nasalis posterior
8 = Sulcus nervi petrosi minoris et majoris 21 = Maxilla, Processus palatinus
9 = Foramen jugulare 22 = Os temporale
10 = Hypoglossuskanal 23 = Os frontale
11 = Foramen magnum 24 = Os sphenoidale
a
12 = Sella turcica 25 = Os occipitale

. Tab. 1.1 Foramina der Schädelbasis und deren Inhalte

Schädelgrube Schädelbasisöffnung Hindurchziehende Strukturen

Vordere Schädelgrube Lamina cribrosa 4 Filia olfactoria


4 Aa. ethmoidales anterior und posterior
4 Vv. ethmoidales anterior und posterior
4 Nn. ethmoidales anterior und posterior

Mittlere Schädelgrube Canalis opticus 4 N. opticus


4 A. ophthalmica
4 Meningen: Optikusscheide

Fissura orbitalis superior Medial:


4 N. nasociliaris (aus N. ophthalmicus, HN V1)
4 N. oculomotorius
4 N. abducens
Lateral:
4 N. trochlearis
4 gemeinsamer Stamm von:
5 N. frontalis (aus N. ophthalmicus, HN V1)
5 N. lacrimalis (aus N. ophthalmicus, HN V1)
4 A. meningea media, R. orbitalis
4 V. ophthalmica superior
6
74 Kapitel 1 · Gehirn und Schädelbasis – Anatomie

1 . Tab. 1.1 (Fortsetzung)

Schädelgrube Schädelbasisöffnung Hindurchziehende Strukturen

Mittlere Schädelgrube Foramen rotundum N. maxillaris (HN V2)

Foramen ovale 4 N. mandibularis (HN V3)


4 A. meningea accessoria
4 venöser Plexus: Plexus venosus foraminis ovalis

Foramen spinosum 4 N. mandibularis (HN V3), R. meningeus


4 A. meningea media
4 V. meningea media

Foramen lacerum, 4 N. petrosus minor (aus N. glossopharyngeus, HN IX)


Fissura sphenopetrosa 4 N. petrosus major (aus N. facialis, HN VII)
4 N. petrosus profundus (hervorgehend aus sympathischem Nervenplexus
um die A. carotis interna)

Canalis caroticus 4 A. carotis interna, Pars petrosa


4 sympatischer Nervenplexus (Plexus caroticus internus)
4 venöser Plexus (Plexus venosus caroticus internus)

Hintere Schädelgrube Meatus acusticus internus 4 N. facialis


4 N. vestibulocochlearis
4 A. labyrinthi (aus A. basilaris)
4 Vv. labyrinthi

Foramen jugulare Drei Kompartimente:


4 Pars petrosa
5 Sinus petrosus inferior
4 Pars nervosa, mit (von anterolateral nach posteromedial):
5 N. glossopharyngeus
5 N.-vagus-/N.-accessorius-Komplex
5 N. vagus, R. meningeus
5 spinale Wurzel des N. accessorius
4 Pars sigmoidea:
5 Sinus sigmoideus
5 A. meningea posterior (aus A. pharyngea ascendens)

Canalis nervi hypoglossi 4 N. hypoglossus


4 Plexus venosus canalis nervi hypoglossi

Foramen magnum 4 Medulla oblongata


4 spinale Wurzel des N. accessorius
4 Aa. vertebrales
4 A. spinalis anterior
4 Plexus venosus vertebralis internus
4 Meningen

Canalis condylaris V. emissaria condylaris

Foramina, die nur an der Foramen incisivum N. nasopalatinus (aus N. maxillaris, HN V2)
äußeren Schädelbasis zu
Foramen palatinum majus 4 N. palatinus major (aus N. maxillaris, HN V2)
finden sind
4 A. palatina major (aus A. palatina descendens)

Foramina palatina minora 4 Nn. palatini minores (aus N. maxillaris, HN V2)


4 Aa. palatinae minores (aus A. palatina descendens)

Fissura orbitalis inferior 4 N. infraorbitalis (aus N. maxillaris, HN V2)


4 N. zygomaticus (aus N. maxillaris, HN V2)
4 A. infraorbitalis (aus A. maxillaris)
4 V. ophthalmica inferior

Foramen spinosum 4 R. meningeus (N. mandibularis, HN V3)


4 A. meningea media (aus A. maxillaris)

Canaliculus mastoideus R. auricularis n. vagi (aus N. vagus, HN X)


II

Pathologien
Kapitel 2 Vaskuläre Erkrankungen – 77

Kapitel 3 Tumoren und nichtneoplastische intrakranielle


Raumforderungen – 193

Kapitel 4 Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen – 311

Kapitel 5 Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen – 385

Kapitel 6 Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen – 419

Kapitel 7 Demenzen und andere erworbene neurodegenerative


Erkrankungen – 465
2

Vaskuläre Erkrankungen

2.1 Schlaganfall – 78

2.2 Makroangiopathien – 109

2.3 Mikroangiopathien – 120

2.4 Vaskulitiden – 124

2.5 Intrakranielle Blutungen – 134

2.6 Gefäßmalformationen – 164

2.7 Andere Ursachen sekundärer ICBs – 181

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_2,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
78 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

2.1 Schlaganfall das zuvor gesunde Hirnparenchym (Im Gegensatz dazu: Hämor-
rhagischer Hirninfarkt = sekundäre Einblutung in ein primär
Synonyme. Insult, Hirninsult, apoplektischer Insult, Stroke ischämisches Areal).
2 (engl.), die Bezeichnungen »Apoplex« oder »Hirnschlag« sind Subarachnoidalblutung (SAB): Blutung im Subarachnoidalraum.
veraltet.
Ätiopathogenetische Definitionen.
Embolischer Infarkt: Schlaganfall durch einen embolischen Ver-
2.1.1 Definitionen schluss einer hirnversorgenden Arterie.
Kardioembolischer Infarkt: Schlaganfall durch den embolischen
Definition nach WHO. Ein Schlaganfall ist ein sich rasch ent- Verschluss einer hirnversorgenden Arterie mit kardialem Ur-
wickelndes Zeichen einer fokalen oder globalen Störung der ze- sprung der Embolie.
rebralen Funktion. Die anschließenden Symptome, die 24 Stun- Arterio-arteriell-embolischer Infarkt: Schlaganfall durch den
den oder länger dauern oder gar zum Tode führen, haben außer embolischen Verschluss einer (distalen) hirnversorgenden Arte-
einer vaskulären keine weitere erkennbare Ursache. rie mit Ursprung der Embolie aus einer größeren, proximalen,
hirnversorgenden Arterie
Klinische Definition. Akutes fokal neurologisches Defizit auf- Thrombotischer Infarkt: Schlaganfall durch einen autochtho-
grund einer umschriebenen Durchblutungsstörung (Durchblu- nen, d.h. lokal entstandenen thrombotischen Verschluss einer
tungsmangel oder Blutung) des Gehirns. hirnversorgenden Arterie.
Makroangiopathischer Schlaganfall: Schlaganfall aufgrund
Ursachenbezogene Definitionen. einer Erkrankung einer oder mehrerer großer hirnversorgender
Ischämischer Schlaganfall (Synonym: Infarkt): Akut einset- Arterien, extra- oder intrakraniell (z.B. Arteriosklerose, Dissek-
zende, umschriebene Mangeldurchblutung (Ischämie) des Ge- tion, Vaskulitis der großen und mittelgroßen Gefäße).
hirns, die zu mehr oder weniger lang anhaltenden, fokal neuro- Mikroangiopathischer Schlaganfall: Schlaganfall aufgrund
logischen Defiziten führt. einer Erkrankung der kleinen, nach intrazerebral penetrierenden
Hämorrhagischer Schlaganfall: Akut einsetzendes neurolo- Arterien, z.B. hypertensive Schädigung mit Lipohyalinose, zere-
gisches Defizit aufgrund einer ebenfalls akut eingetretenen intra- brale Amyloidangiopatie, CADASIL, Vaskulitiden der kleinen
kraniellen Blutung. Gefäße.
Sinus- und Hirnvenenthrombose: Zerebrale venöse Abfluss-
Pathophysiologische und pathoanatomische Definitionen. störung infolge eines thrombotischen Verschlusses zerebraler
Territorialinfarkt: Ischämischer Hirninfarkt im Versorgungsge- Venen und/oder venöser Sinus.
biet einer großen pialen Arterie (7 Kap. 2.1.5)
Lakunärer Hirninfarkt: Kleiner, max. 1,5 cm durchmessender Definitionen in Abhängigkeit vom Zeitverlauf der Symptomatik.
ischämischer Infarkt im subkortikalen Marklager oder Hirn- Transitorisch ischämische Attacke (TIA): Flüchtiger, ischä-
stamm infolge eines Verschlusses kleiner penetrierender Arte- mischer, zerebraler Insult, dessen fokale neurologische Symp-
rien (Perforatoren) (7 Kap. 2.1.7) tome in der Regel weniger als 1 Stunde, per definitionem nicht
Endstrominfarkt: Umschriebene, ischämisch bedingte Nekrose länger als 24 Stunden, anhalten und sich vollständig zurück-
im distalen Versorgungsgebiet nicht kollateralisierter Endarte- bilden. Nach einer TIA kann bildgebend in bis zu 70% der Pa-
rien (7 Kap. 2.1.6) tienten ein strukturelles Korrelat (ischämische Läsion) nachge-
Grenzzoneninfarkt: Ischämisch bedingte Nekrose im Grenzge- wiesen werden!
biet der Versorgungsgebiete zweier oder dreier großer hirnver- Reversibles ischämisches neurologisches Defizit (RIND): Zere-
sorgender pialer Arterien (. Abb. 2.1; 7 Kap.2.1.6). braler Insult mit vollständiger Rückbildung der neurologischen
Hämorrhagischer Hirninfarkt: Diapedeseblutung innerhalb Symptomatik nach mehr als 24 Stunden.
eines primär ischämischen Hirninfarkts infolge erhöhter, ischä- Partiell reversibles ischämisches neurologisches Defizit
misch bedingter Kapillarpermeabilität. (PRIND): Zerebraler Insult mit guter Rückbildung der neurolo-
gischen Symptomatik mit nur noch minimaler, nicht behin-
> Der hämorrhagische Hirninfarkt ist nicht zu verwech-
dernder Residualsymptomatik ohne Zeitlimit.
seln mit einem primär hämorrhagischen Schlaganfall.
Progredienter Schlaganfall: Zerebraler Insult bei dem die Symp-
Venöser Infarkt: Infarkt aufgrund eines Verschlusses des ve- tomatik in der Akutphase progredient ist.
nösen Abstroms mit stauungsbedingtem Ödem. Häufig hämor- Vollendeter Schlaganfall (»Completed Stroke«): Zerebraler In-
rhagisch imbibiert. sult, der ein permanentes neurologisches Defizit unterschied-
Ischämische Penumbra: Kritisch erniedrigter Blutfluss in der lichen Schweregrades hinterlässt.
Umgebung eines ischämischen Infarkts mit konsekutivem, po-
tenziell reversiblen Ausfall der Funktion, jedoch ohne bleibende > Zu beachten ist, dass diese klassische Unterscheidung
strukturelle Schädigung. zwischen TIAs und vollendeten ischämischen Schlag-
Intrazerebrale Blutung (ICB): Synonyme sind Parenchymblu- anfällen als überholt gilt, da auch bei vielen Patienten
tung und intrazerebrales Hämatom. Unter einer ICB versteht mit flüchtiger Symptomatik morphologische Hirnschä-
man einen hämorrhagischen Schlaganfall, d.h. eine Blutung in 6
2.1 · Schlaganfall
79 2
den nachweisbar sind und sich die Rezidivrate von 4 Plötzliche Gleichgewichtsprobleme
Patienten mit persistierender Symptomatik nicht un- 4 Bewusstseinsstörung
terscheidet (siehe unten). 4 Kopfschmerzen

NIHSS (National Institute of Health Stroke Scale):


2.1.2 Schlaganfall allgemein: Epidemiologie, 4 Die NIHSS beinhaltet 13 Fragen über Bewusstseinsgrad,
Klinik, Verlauf und Prognose Augenbewegungen, Gesichtsfeld, Motorik, Ataxie, Sensibili-
tät, Sprache, Dysarthrie, Neglect.
Epidemiologie und Demographie. Der Schlaganfall ist die dritt- 4 Die NIHSS dient zur Beurteilung einer möglichen Therapie
häufigste Todesursache in den meisten Industrieländern, nach von ischämischen Insulten.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartigen Tumoren. Die 4 Die NIHSS dient als Verlaufsparameter, maximal können
jährliche Inzidenz in Deutschland beträgt 1,74/1000 Einwohner 42 Punkte erreicht werden; je höher die Punktzahl, desto
(Erlanger Schlaganfallregister). Im Jahre 2002 verstarben laut schlechter ist der klinische Score.
dem statistischen Bundesamt 39.433 Menschen in Deutschland
an einem Schlaganfall. Verlauf und Prognose.
Schlaganfall allgemein:
Ätiologie. Ursachen des Schlaganfalls sind zu 80–85% eine akute 4 Mortalität:
Mangeldurchblutung (ischämischer Schlaganfall) und zu ca. 15– 5 Innerhalb der ersten 28 Tage: 19,4%
20% intrakranielle Blutungen (hämorrhagischer Schlaganfall). 5 Innerhalb der ersten 3 Monate: 28,5%
Im Einzelnen können einem Schlaganfall eine Vielzahl un- 5 Innerhalb der ersten 12 Monate: 37%
terschiedlicher Ätiologien zugrunde liegen. Die . Abb. 2.1 gibt 4 Rezidivrisiko:
einen Überblick über die wichtigsten Ursachen. 5 Kumulative Wahrscheinlichkeit: nach 1 Jahr 12–13,5%
5 Nach 5 Jahren: 30–40%
Klinik. Ist abhängig von der Genese und vor allem von der Loka- 5 Nach 10 Jahren fast 55%
lisation. Typische Symptome sind:
4 Plötzliche Schwäche von Arm, Gesicht oder Bein Transitorische ischämische Attacke (TIA):
4 Sprachproduktionsstörung (motorische Aphasie) Das Rezidiv-Schlaganfallrisiko beträgt:
4 Verwaschene Sprache (Dysarthrie) 4 Innerhalb der ersten Woche nach TIA: 5,3%
4 Wortfindungsstörungen (sensorische Aphasie) 4 Innerhalb der ersten 6 Monate nach TIA: 10,5%
4 Sehstörungen (Gesichtsfeldausfall, plötzliches Erblinden auf 4 In den ersten 5 Jahren: 25–29%
einem Auge/Amaurosis fugax, plötzliche Doppelbilder) 4 Erhöhtes Risiko bei Patienten mit hochgradigen Carotis-
4 Schwindel stenosen: 43% innerhalb der ersten 2 Jahre)

. Abb. 2.1 Übersichtsschema zur Genese des Schlaganfalls


80 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Prädiktoren eines erhöhten Risikos für Schlaganfall nach TIA: 4 MRT:


4 Männliches Geschlecht 5 DWI: Sensitivste Methode zum frühen Ischämienachweis
4 Mehrere stattgehabte TIAs 5 T2*w: Zum Blutungsauschluss
2 4 Claudicatio intermittens 5 T2w/FLAIRw: Nachweis subakuter und alter ischämischer
4 Angina pectoris Läsionen
5 PWI: Penumbra?
Schlaganfallrisiko bei Amaurosis fugax: Amaurosis fugax + hö- 5 MRA der Hals- und Kopfgefäße: Stenosen? Verschlüsse?
hergradige Carotisstenose: Risiko für ipsilateralen Schlaganfall 4 DSA:
innerhalb von 2 Jahren: 16,6% 5 Akut nur bei geplanter intraarterieller Rekanalisation (i.a.
Man weiß heute, dass die Prognose und das Schlaganfallre- Lyse oder mechanische Rekanalisation)
zidivrisiko nicht von der Symptomdauer abhängig sind, vor allem 5 Präoperativer Goldstandard zur sicheren Quantifizierung
wenn bei einer TIA bildgebend bereits ischämische Areale er- des Stenosegrades bei ACI-Stenosen
kennbar sind. Deshalb wird die TIA heute ebenfalls als Schlag-
> Bei TIA und Amaurosis fugax unmittelbare bildgeben-
anfall angesehen, der eine identische Diagnostik und Rezidiv-
de Diagnostik des Gehirns (CT nativ oder MRT) und der
prävention erfordert.
Gefäße (MRA oder CTA der Hals- und der intrakraniel-
! Die TIA ist ein Notfall. len Gefäße) sowie Ausschluss einer kardioembolischen
Genese empfohlen.

Differenzialdiagnosen. Epileptischer Anfall, postiktale Hemi-


symptomatik, Migräne mit Aura, Hypoglykämie Literatur
Bogousslavsky J, Kaste M, Olsen TS, Hacke W. Risk Factors and Stroke Preven-
tion. Cerebrovasc Dis. 2000;10(Suppl 3): 12-21.
Bonita R. Epidemiolgy of stroke. Lancet. 1992; 339:342-344.
2.1.3 Übersicht zur Bildgebung bei Schlaganfall Culebras A, Kase CS, Masdeu JC, Fox AJ, Bryan RN, Grossman CB, Lee DH,
Adams HP, Thies W. Practice guidelines for the use of imaging in transient
Einzelheiten sind bei den jeweiligen Krankheitsbildern be- ischemic attacks and acute stroke. A report of the Stroke Council, Ameri-
schrieben. can Heart Association. Stroke. 1997;28:1480-97.
Daffertshofer M, Mielke O, Pullwitt A, et al. Transient ischemic attacks are
> Laut der Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der more than «ministrokes”. Stroke. 2004;35:2453-2458.
Neurologie gilt: Hacke W, Kaste M, Olsen TS, Orgogozo JM, Bogousslavsky J; European Stroke
Initiative (EUSI). Recommendations of the European Stroke Initiative for
4 CCT ist die wichtigste apparative Untersuchung
the management and treatment of stroke. Nervenarzt. 2001;72(10):807-
bei Schlaganfallpatienten und muss unverzüglich 19.
durchgeführt werden. Johnston SC, Gress DR, Browner WS, Sidney S. Short-term prognosis after
4 MRT kann CCT ersetzen, wenn sie rasch zur Verfü- emergency department diagnosis of TIA. JAMA. 2000;284(22):2901-6.
gung steht und eine geeignete Sequenz zum Blu- Kolominsky-Rabas P, Sarti C, Heuschmann P. et al. A prospective community-
based study of stroke in Germany - the Erlangen Stroke project (ESPro):
tungsausschluss durchgeführt wird (z.B. T2*w).
incidence and case fatality at 1,3 and 12 months. Stroke. 1998;29:2501-
4 CT: 2506.
Leitlinie Ischämischer Schlaganfall: Akuttherapie. In: Leitlinien für Diagnostik
5 CT nativ, initiale Bildgebung: Ist Voraussetzung zur
und Therapie in der Neurologie. 3. Aufl. Thieme, Stuttgart 2005.
Durchführung einer i.v. Lyse. Einsatz zur diagnostischen The Dutch TIA Trial Study Group. Predictors of major vascular events in pa-
Klärung von: tients with a transient ischemic attack or nondisabling stroke. Stroke.
– Blutung? ICB oder SAB? 1993;24(4):527-31.
– Ischämiefrühzeichen?
– Alter Schlaganfall? → Bei Diabetikern eine absolute
Kontraindikation für die i.v. Lyse 2.1.4 Ischämischer Schlaganfall
– Einsatz zur Verlaufskontrolle (Schwellung? Indikation
zur Entlastungstrepanation? Einblutung?) Definition. Als ischämischer Schlaganfall wird ein akutes fokales
5 »Schlaganfalls-CT« oder »Stroke-CT«: neurologisches Defizit aufgrund einer umschriebenen Durch-
Zusätzlich Perfusions-CT und CTA (7 siehe unten) blutungsstörung des Gehirns bezeichnet.
4 Doppler-/Duplex-Sonographie der intra- und extrakrani- Unter dem Begriff »Hirninfarkt« versteht man das morpho-
ellen Gefäße: logische Korrelat der Hirnparenchymnekrose, das heute durch
5 Einsatz wenn ohne relevanten Zeitverlust möglich zur bildgebende Verfahren auch intravital nachgewiesen werden
Optimierung der Lyseindikation kann.
5 Sensitivität Duplex: 85%, Doppler: 70%
5 Spezifität Duplex: 90%; Doppler: 95% Epidemiologie. Der ischämische Schlaganfall:
4 Zählt mit einer Inzidenz von 160–240/100.000 Einwohnern
zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland
4 Nimmt Platz 3 in der Todesursachenstatistik des statistischen
Bundesamts ein (im Jahr 2003: 9,5%)
2.1 · Schlaganfall
81 2
4 Ist die häufigste Ursache dauerhafter Behinderung, damit die
teuerste Erkrankung in Industrieländern
4 Die Inzidenz flüchtiger zerebraler Durchblutungsstörungen
in Deutschland liegt bei ca. 50/100.000 Einwohner pro Jahr

Altersverteilung:
4 Zunahme der Inzidenz mit steigendem Lebensalter
4 Etwa 50% der Schlaganfallpatienten sind >70 Jahre

Geschlechtsverteilung: Männer in fast allen Altersstufen ca.


30% öfter betroffen. Nur in der Altersgruppe >85 Jahre überwie-
gen die Frauen.

Ätiologie. Sistieren der Blut- und damit Sauerstoffversorgung im


Gehirngewebe durch Gefäßverschluss, die Folge ist zunächst ein
Funktionsverlust, anschließend kommt es zum Absterben von
Hirngewebe.

Verlauf. Sehr variabel.

Infarktmorphologie
In . Abb. 2.2 sind die verschiedenen morphologischen Typen
des ischämischen Schlaganfalls dargestellt.

Allgemeines zur Bildgebung des ischämischen


Schlaganfalls
Computertomographie
In den . Abb. 2.3 bis . Abb. 2.18 sind typische computertomo-
graphische Befunde in den verschiedenen Stadien eines ischä-
mischen Schlaganfalls dargestellt.
. Abb. 2.2a–c Schematische Darstellung der Infarktmorphologie des
ischämischen Schlaganfalls. a Zerebrale Mikroangiopathie, b Hämodyna-
misch bedingte Infarkte. c Teritorialinfarkte [Modifiziert nach: Ringelstein
EB, Zeumer H, Schneider R. Contribution of computer tomography of the
brain to differential typology and differential therapy of ischemic cerebral
infarct. Fortschr Neurol Psychiatr. 1985;53(9):315-36.]
MCA: A. cerebri media, ACA = A. cerebri anterior

. Abb. 2.3a, b Unauffälliges CT bei akut aufge-


tretener motorischer Aphasie und armbetonter
Hemiparese rechts. a Eine Stunde nach Symp-
tombeginn. b In der Verlaufsbildgebung nach
24 Stunden demarkiert sich der Infarkt links im
Gyrus frontalis inferior und im lateralen Gyrus
precentralis

a b
82 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

. Abb. 2.4a–c CT 2,5 Stunden nach Symptombeginn. Als initiales Infarktfrühzeichen ist die Mark-Rinden-Differenzierung links frontal beginnend vermin-
dert (Pfeile in b), im DWI Bild ist die Infarktausdehnung bereits besser erkennbar. a, b: CT nativ; c DWI, B1000

a b

. Abb. 2.5a, b Infarktfrühzeichen im CT (a CT nativ; b DAS, Injektion in die proximale linke ACI, ap Ansicht):
Dens-Media-Zeichen links (Pfeil in a), die DSA (b) zeigt einen frischen Verschluss des Carotis-T links

. Abb. 2.6 Infarktfrühzeichen (CT nativ): »Loss of the insular


ribbon« = Dichteausgleich zwischen Inselrinde und Capsula
externa als Infarktfrühzeichen bei Mediateilinfarkt (Pfeile)
2.1 · Schlaganfall
83 2

a b

. Abb. 2.7a, b Infarktfrühzeichen. a »Obscuration of the lentiform nucleus« = Dichteausgleich zwischen


Caput ncl. caudati (Stern) und Capsula interna links, vergleiche zur gesunden Gegenseite. b Anderer Pa-
tient: Dichteausgleich zwischen zwischen Putamen/Ncl. caudatus und Capsula interna rechts, vergleiche
zur gesunden Gegenseite. a, b: CT nativ

a b

. Abb. 2.8a, b Infarktfrühzeichen im CT: Aufhebung der Mark-Rinden-Grenze bei komplettem


MCA-Infarkt und PCA-Infarkt rechts und Verstreichen der kortikalen Sulci (a) bzw. bei MCA-Teilinfarkt
rechts (b, Pfeile)

a b c

. Abb. 2.9a–c Deutlich demarkierte MCA-Teilinfarkte bei 2 Patienten (CT nativ). a und b links frontal 15 Stunden nach Symptombeginn. c Rechts parietal
24 Stunden nach Symptombeginn
84 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 2.10a–d PCA-Infarkt links mit Schrankenstörung 6 Tage nach Symptombeginn: CT nativ (a, b)
und girlandenförmige KM-Aufnahme im kontrastverstärkten CT (c und d)

. Abb. 2.11 Infarkt rechts mit hämorrhagischer . Abb. 2.12 Bilaterale PCA-Infarkte, links mit
Imbibierung: flau hyperdense Areale im Infarkt Einblutung (CT nativ)
(CT nativ)
2.1 · Schlaganfall
85 2

a b

. Abb. 2.13a, b »Fogging-Effekt«: vorübergehend isodense Darstellung des infarzierten Areals rechts.
a 2,5 Wochen nach Symptombeginn. b Eine Woche später ist der Infarkt wieder gut demarkiert erkenn-
bar (CT nativ)

. Abb. 2.14 Raumfordernder MCA-Infarkt . Abb. 2.15 Großer raumfordernder MCA-


rechts mit Verlagerung der Mittellinie zur Gegen- und ACA-Infarkt rechts; Z.n. osteoklastischer Ent-
seite (CT nativ) lastungstrepanation (CT nativ)

. Abb. 2.16 6 Wochen alter MCA-Teilinfarkt


rechts (CT nativ)
86 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 2.17a–d 3 Stunden alter MCA-Infarkt rechts frontal, insulär und in den Stammganglien
(a, c: CT nativ »normale« Fensterung). Erleichterte Darstellung der Infarktfrühzeichen, d.h. der Aufhe-
bung der Mark-Rinden-Grenze und des Dichteausgleichs zwischen Putamen/Ncl. caudatus und Capsu-
la interna durch Verwendung eines sog. »Stroke«-Fensters«, d.h. eines »harten« Grau-Weiß-Kontrasts
(b, d: CT nativ, gleiche Schichten wie in a und c im »Stroke-Fenster«)

a b

. Abb. 2.18a, b Pitfall hoher Hämatokrit: hyperdense Darstellung aller intrakranieller Gefäße (normale
Pfeile: MCA; gebogene Pfeile: A. basilaris) bei hohem Hämatrokrit ohne Vorliegen eines Gefäßverschlusses;
arteriosklerotische Gefäßverkalkungen (Pfeilspitzen) könnten evtl. mit einem hyperdensen Gefäßzeichen
verwechselt werden (CT nativ)
2.1 · Schlaganfall
87 2
> Nach wie vor gilt: 4 Die CT-Untersuchung sollte innerhalb von 25 Minu-
4 Die native CCT ist die wichtigste apparative Unter- ten nach Eintreffen beginnen, das Ergebnis sollte
suchung bei Schlaganfallpatienten und muss 20 Minuten später vorliegen.
unverzüglich durchgeführt werden. 4 Das Dichteverhalten einer ischämischen Läsion
4 Die MRT kann die CCT nur ersetzen, wenn sie rasch hängt vom Alter der Ischämie ab (. Tab. 2.1).
zur Verfügung steht und eine geeignete Sequenz
zum Blutungsausschluss durchgeführt wird (T2*-Se-
quenz).

. Tab. 2.1 CT-Bildgebung des ischämischen Hirninfarkts in Abhängigkeit von der Zeit

Zeitintervall Befund

<1 h Unauffällig

2–6 h Unauffällig (in 50–60%) (. Abb. 2.3)


Infarktfrühzeichen (in bis zu 50% der Fälle):
1. Hyperdense Darstellung des Thrombus/Embolus im betroffenen Gefäß (»Dense Artery Sign«):
– v.a. hyperdense Darstellung der A. media (. Abb. 2.5); in ca. 30–50% aller MCA-Verschlüsse
– beschrieben, aber hinsichtlich Sensitivität/Spezifität nicht ausreichend evaluiert: »(Hyper)Dense Basilar Artery Sign«,
»Hyperdense PCA Sign«, »Hyperdense ICA Sign«, »Hyperdense Sylvian Fissure MCA Dot Sign« (periphere MCA-Äste)
2. Fokaler Dichteausgleich zwischen grauer und weißer Substanz:
– Aufhebung der Mark-Rinden-Grenzen (. Abb. 2.4, . Abb. 2.8)
– »Loss of the insular ribbon« (Dichteausgleich zwischen Inselrinde und Capsula externa) (. Abb. 2.6)
– »Obscuration of the lentiform nucleus« (Dichteausgleich zwischen Putamen/Ncl. caudatus und Capsula interna) (. Abb. 2.7)
3. Fokales Verstreichen der kortikalen Sulci (. Abb. 2.8)
Pathologisches Korrelat von 1: Thrombusmaterial im Gefäß
Pathologisches Korrelat von 2 und 3: zytotoxisches Ödem des Hirngewebes

<12 h Zunehmend hypodense Demarkierung des gesamten Infarktareals


Fokales Verstreichen der Sulci
Pathologisches Korrelat: zytotoxisches Ödem

12–24 h Weitere Dichteabnahme der grauen Substanz (Basalganglien und Cortex) (. Abb. 2.9)
Fokales Verstreichen der Sulci
Pathologisches Korrelat: zytotoxisches Ödem, Leukozyteninfiltration, beginnende Nekrose der Nerven- und Gliazellen und der
Markscheiden

1–3 Tage Homogen hypodense Darstellung des Infarktareals, sowohl der Rinde als auch des betroffenen Marklagers (nach ca. 24 h werden
Dichtewerte des Marklagers unterschritten)
Zunehmend raumfordernde Wirkung des Infarkts mit Schwellung (Ödem) (. Abb. 2.14, . Abb. 2.15)
Evtl. hämorrhagische Transformation (. Abb. 2.11, . Abb. 2.12)
Pathologisches Korrelat: zytotoxisches Ödem, Leukozyteninfiltration, Nekrose der Nerven- und Gliazellen und der Markscheiden,
ggf. Diapedeseblutung

4–7 Tage Fortbestehen von Raumforderung und Ödem mit hypodenser Darstellung des Infarktareals → Maximum: 3.–5. Tag
Nach KM-Gabe zeigt sich eine Schrankenstörung mit typischerweise girlandenförmiger (gyraler) KM-Aufnahme (. Abb. 2.10)
Pathologisches Korrelat: Resorptionsphase mit Phagozytose des nekrotischen Gewebes, Störung der Blut-Hirn-Schranke

2./3. Woche Regredientes Ödem


Weiterhin Schrankenstörung nach KM-Gabe
»Fogging Effekt« = vorübergehende Dichtezunahme bis hin zu transienter isodenser Darstellung des infarzierten Areals
(. Abb. 2.13)
Pathologisches Korrelat: Resorptionsphase mit Phagozytose des nekrotischen Gewebes, Störung der Blut-Hirn-Schranke

4.–6. Woche Zunehmend hypodense Darstellung des Infarktareals


Pathologisches Korrelat: beginnende Kolliquationsnekosen

Ab 6. Woche Zunehmend hypodense bis hin zur liquorisodensen Darstellung des scharf begrenzten Infarktareals → Entstehung eines Sub-
stanzdefekts (. Abb. 2.16)
Evtl. E-vacuo-Erweiterung der angrenzenden Anteile des Ventrikelsystems zum Defekt hin
Pathologisches Korrelat: Organisationsstadium: Nekrosen und Resorption weitgehend abgeschlossen

Monate bis Substanzdefekt (liquorgefüllt → liquorisodens = Enzephalomalazie)


Jahre Gliose im Randbereich im CT weitgehend kortexisodens und deshalb schlecht zu erkennen
Evtl. E-vacuo-Erweiterung der angrenzenden Anteile des Ventrikelsystems zum Defekt hin
Selten Verkalkungen
88 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Alberta Stroke Program Early CT Score (ASPECTS): 5 Bei einem CBF <10–15 ml/100 g/min kann auch der
4 Es handelt sich hierbei um einen 10-Punkte Score zur stan- Strukturstoffwechsel der Neuronen nicht mehr aufrecht-
dardisierten Beurteilung eines Nativ-CTs hinsichtlich des erhalten werden (= »Ischämieschwelle«).
2 Vorliegens und des Ausmaßes eines akuten MCA-Infarkts 5 Bleibt der CBF für 2–10 min unterhalb diese Schwelle →
(Infarktfrühzeichen). irreversible Zellschädigung = Infarktkern, »core«.
4 Die standardisierte Methode zeigt eine sehr gute Interobser- 4 Zerebrales Blutvolumen (CBV): Bestimmt den prozentualen
ver-Reliabilität, für den täglichen Routine- bzw. Notfallbe- Anteil der Blutgefäße in einem bestimmten Gewebevolumen,
trieb ist sie jedoch zu zeitaufwändig. d.h. stark vaskularisierte Hirnareale (Stammganglien, Cor-
tex) haben höheres CBV als Marklager.
Praxistipp 5 Penumbra: CBV steigt bei einem ischämischen Infarkt im
Zur Frühdiagnose eines ischämischen Infarkts im CT Bereich der Penumbra meist an (reaktive Weitstellung der
Die Infarktfrühzeichen sind subtil, zur Erkennung sind fol- Gefäße zum Ausgleich des sinkenden CBFs).
gende Maßnahmen hilfreich: 5 Infarktkern: CBV vermindert (keine funktionierende
4 »Stroke«-Fenster: Die Fenstereinstellung variieren, ei- Autoregulation im irreversibel geschädigten Gewebe).
nen »harten« Grau-Weiß-Kontrast wählen, z.B. Center: 32 > Areale, die eine CBV-Minderung zeigen, sind in der
HU, Width 8 HU (. Abb. 2.17) Regel irreversibel geschädigt.
4 Vergleich mit der nicht betroffenen Gegenseite: Ver-
lust an anatomischer Information im Seitenvergleich? 4 Parameter die eine zerebrale Perfusionsverzögerung an-
4 Auf den Verlauf der MCA achten: Dense Media Sign? zeigen:
4 Pitfalls mit falsch positivem Dense Media Sign: 5 Mittlere Transitzeit (MTT: »Mean Transit Time«)
5 Hoher Hämatokrit, Dehydrierung (. Abb. 2.18) 5 Time-to-Peak (TTP)
5 Gefäßwandverkalkungen Schon geringe Beeinträchtigungen der zerebralen Blutver-
5 Dilatiertes Gefäß bei langjährigen Hypertonikern sorgung führen zu einer Verlängerung von MTT und TTP,
d.h. es handelt sich um sehr sensitive Indikatoren für das
Cave: Betreffen die Infarktfrühzeichen mehr als 1/3 des Vorliegen einer fokalen Störung der Hirnperfusion, sie sind
MCA-Territoriums → Kontraindikation für eine Lysetherapie. jedoch nicht spezifisch für das Vorliegen einer Ischämie,
d.h. eine MTT, bzw. TTP-Verlängerung findet sich z. B.:
5 Im Infarktkern
5 In der Penumbra
CT-Angiographie 5 Bei einer vorgeschalteten (evtl. auch klinisch asymptoma-
Darstellung von Aortenbogen, Halsgefäßen und intrakraniellen tischen) Gefäßstenose/Gefäßverschluss
Gefäßen. Ziele sind: 5 Bei einem Vasospasmus
4 Nachweis des akuten Gefäßverschlusses (. Abb. 2.19)
4 Zusätzlich ggf. Nachweis arterio-arteriell embolischer Embo- Zwischen den Parametern besteht folgender Zusammenhang:
liequellen CBF = CBV/MTT.
4 Darstellung weiterer Stenosen und Verschlüsse, potentieller
Kollateralen Wertigkeit der CT-Perfusion:
4 CBF-Map korreliert am besten mit der endgültigen Infarkt-
Die Basisbilder der CTA sollten auch zur Infarktbeurteilung größe (sofern keine schnelle Rekanalisation erfolgt)
herangezogen werden: Die Sensitivität für Infarktdemarkie- 4 CT-Perfusion erlaubt Identifikation von Infarktkern und
rung ist innerhalb der ersten 12 Stunden höher als im Nativ-CT Penumbra mit einem signifikanten prädiktiven Wert für das
(70% versus 48%), bei 100% Spezifität beider Verfahren (. Abb. resultierende spätere Infarktausmaß und das klinische Out-
2.20). come
4 Perfusions-CT und DWI/PWI-MRT sind gleichwertig in der
CT-Perfusion Identifikation der Penumbra
Die CT-Perfusion (. Abb. 2.21) erlaubt die quantitative Bestim-
mung folgender Parameter: Bis vor kurzer Zeit bestand ein Nachteil der CT-Perfusion darin,
4 Zerebraler Blutfluss (CBF): Ist wichtigster Parameter der dass nur wenige Schichten erfasst werden konnten und damit
Hirndurchblutung; zeigt die Blutmenge an, die in einer be- nicht das gesamte Gehirn abgedeckt wurde. Mit der Einführung
stimmten Zeit durch das Hirngewebe fließt. Einheit: ml Blut/ von 128- und 265-Zeilen-Scannern wird jedoch auch mit der CT
100 g Hirngewebe/min; Normalwerte: 50–80 ml Blut/100 g die Ganzhirnperfusion möglich. Der Vorteil im Gegensatz zur
Hirngewebe/min. MRT ist die Möglichkeit einer quantitativen Aussage zur
5 Bei einem CBF <20 ml/100 g/min sistiert der Funktions- Hirnperfusion.
stoffwechsel der Neuronen (aufgrund des Energieman-
gels) → potenziell reversible neurologische Ausfälle =
Penumbra (»salvageable tissue«, »tissue-at-risk«).
2.1 · Schlaganfall
89 2

a b

. Abb. 2.19 MIP-Rekonstruktion einer CTA (Auf- . Abb. 2.20a, b 3 Stunden alter MCA-Teilinfarkt rechts. In dem Basisbild der CTA (a) sind die Infarkt-
sicht), die einen akuten thrombembolischen Ver- frühzeichen (Aufhebung der Mark-Rinden-Grenze, »Loss of the insular ribbon« und Dichteausgleich
schluss des M1-Segments der rechten MCA zeigt zwischen Putamen/Ncl. caudatus und Capsula interna leichter erkennbar als in der nativen CT-Un-
(Pfeil) tersuchung (b)

a b c

d e f

. Abb. 2.21a–f Perfusions-CT des in den Abb. 2.19 und 2.20 gezeigten frischen MCA-Verschlusses rechts. Es zeigt sich eine Verlangsamung der Time to
Peak (TTP: a, d) und eine Verminderung des zerebralen Blutflusses (CBF: b, e) im gesamten rechten MCA-Stromgebiet. Das zerebrale Blutvolumen (CBV; c, f)
ist im Vergleich dazu lediglich in den mit Pfeilen markierten Arealen erniedrigt. Diese Areale entsprechen bereits infiziertem Gewebe (»Infarktcore«), wäh-
rend die lediglich flussgeminderten Areale die sog. »Penumbra« darstellen. Es besteht ein sog. »Mismatch«, da die Ausdehnung der flussgeminderten
Areale über die der volumengeminderten Areale hinaus geht (a, d: farbkodierte Maps der Time to Peak; b, e: farbkodierte Maps des CBFs; c, f: farbkodierte
Maps des CBVs)
90 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

CT-Stroke-Protokoll Mayer TE, Hamann GF, Baranczyk J, Rosengarten B, Klotz E, Wiesmann M,


Missler U, Schulte-Altedorneburg G, Brückmann H. Dynamic CT Perfusion
Unter dem sog. CT-Stroke-Protokoll (. Abb. 2.22) versteht man Imaging of Acute Stroke. AJNR Am J Neuroradiol. 2000;21:1441-9.
eine multimodale CT-Bildgebung beim akuten ischämischen Murayama K, Katada K, Nakane M, Toyama H, Anno H, Hayakawa M, Ruiz DS,
2 Schlaganfall, die folgende Untersuchungen umfasst: Murphy KJ. Whole-brain perfusion CT performed with a prototype 256-
4 Nativ-CT detector row CT system: initial experience. Radiology. 2009;250:202-11.
Ozdemir O, Leung A, Bussiére M, Hachinski V, Pelz D. Hyperdense internal
4 CT-Perfusion
carotid artery sign: a CT sign of acute ischemia. Stroke. 2008;39:2011-6.
4 CT-Angiographie Schuknecht B, Ratzka M, Hofmann E. The »dense artery sign«-major cerebral
artery thromboembolism demonstrated by computed tomography.
Die Kombination der Methoden hat folgende Vorteile: Neuroradiology. 1990;32:98-103.
4 Sie erhöht die Nachweisrate für einen akuten ischämischen Wiesmann M, Bohner G, Klingebiel R. Cerebral perfusion imaging using mul-
tislice computed tomography. Clin Neuroradiol. 2004;14:92-107.
Infarkt verglichen zur singulären Anwendung einer der drei
Wintermark M, Bogousslavsky J. Imaging of acute ischemic brain injury: the
Methoden. return of computed tomography. Curr Opin Neurol. 2003;16:59-63.
4 Sie zeigt gleichzeitig Infarkt, Penumbra, Lokalisation des Ge- Wintermark M, Reichhart M, Cuisenaire O, Maeder P, Thiran JP, Schnyder P,
fäßverschlusses und Ausmaß der Kollateralisierung an. Bogousslavsky J, Meuli R. Comparison of admission perfusion computed
tomography and qualitative diffusion- and perfusion-weighted mag-
netic resonance imaging in acute stroke patients. Stroke. 2002;33:2025-
Das Stroke-Protokoll soll vor allem folgende Fragen beant-
31.
worten: Wintermark M, Reichhart M, Thiran JP, Maeder P, MD, Chalaron M, Schnyder P,
4 Handelt es sich um einen ischämischen oder einen hämor- Bogousslavsky J, Meuli R. Prognostic accuracy of cerebral blood flow
rhagischen Schlaganfall? → Nativ CT measurement by perfusion computed tomography, at the time of emer-
4 Liegt ein Verschluss eines großen oder mittelgroßen Gefäßes gency room admission, in acute stroke patients. Ann Neurol. 2002;51:417-
32.
vor? → CT-Angiographie
4 Gibt es einen Infarktkern und/oder eine Penumbra, und
wenn ja wie groß sind diese beiden Areale? → CT-Perfusion Magnetresonanztomographie
Die MRT ist ebenfalls sehr gut zur Bildgebung des akuten Schlag-
Der Zeitaufwand mit modernen Multidetektor-Scannern beträgt anfalls geeignet:
ca. 15 min. 4 Unter Verwendung der T2*w kann sicher zwischen Ischämie
Indikation: Vor allem zum Nachweis oder Ausschluss eines Miss- und intrazerebraler Blutung unterschieden werden.
matches zwischen Infarktkern und Penumbra, auch jenseits des 4 FLAIR und PDw erlauben auch den Nachweis oder Aus-
i.v. Lyse-Zeitfensters, eventuell zur Indizierung eines interven- schluss einer SAB (7 Kap. 2.5.4).
tionellen Rekanalisationsversuchs (durch intraarterielle Lyse-
> Die Diffusionswichtung ist das sensitivste Verfahren
therapie oder mechanische Rekanalisation).
zum frühen Nachweis einer frischen Ischämie.
Literatur 4 Analog zur multimodalen CT-Schlaganfallbildgebung bietet
Barber PA, Demchuk AM, Hudon ME, Pexman JH, Hill MD, Buchan AM. Hyper- die MRT mit DWI und PWI die Möglichkeit der Selektion
dense sylvian fissure MCA «dot” sign: A CT marker of acute ischemia.
des Patientenkollektivs mit besonderem Lysebenefit.
Stroke. 2001 Jan;32(1):84-8.
Bohner G, Forschler A, Hamm B, Lehmann R, Klingebiel R. Quantitative per-
4 Hinsichtlich ischämischer Läsionen in der hinteren Schä-
fusion imaging by multi-slice CT in stroke patients. Rofo Fortschr Geb delgrube (insbesondere Hirnstamm, aber auch Kleinhirn)
Rontgenstr Neuen Bildgeb Verfahr. 2003;175:806-13. ist die MRT der CT deutlich überlegen.
Camargo EC, Furie KL, Singhal AB, Roccatagliata L, Cunnane ME, Halpern EF,
Harris GJ, Smith WS, Gonzalez RG, Koroshetz WJ, Lev MH. Acute brain
Hauptindikation: Therapieentscheidung vor allem jenseits des
infarct: detection and delineation with CT angiographic source images
versus nonenhanced CT scans. Radiology. 2007;244:541-8.
i.v. Lyse-Zeitfensters.
Kloska SP, Nabavi DG, Gaus C, Nam EM, Klotz E, Ringelstein EB, Heindel W. Hauptvorteile:
Acute stroke assessment with CT: do we need multimodal evaluation? 4 DWI: Sensitivstes Verfahren zum frühen Ischämienachweis.
Radiology. 2004;233:79-86. 4 Überlegene Methode zum Nachweis ischämischer Läsionen
König M. Brain perfusion CT in acute stroke: current status. Eur J Radiol.
in Hirnstamm und Kleinhirn.
2003;45:S11-22.
Krings T, Noelchen D, Mull M, Willmes K, Meister IG, Reinacher P, Toepper R,
Thron AK. The hyperdense posterior cerebral artery sign: a computed Hauptnachteile:
tomography marker of acute ischemia in the posterior cerebral artery 4 Höherer zeitlicher und logistischer Aufwand bei engem Zeit-
territory. Stroke. 2006;37:399-403. fenster, d.h. sehr gute Infrastruktur vor Ort notwendig.
Kumar S. Calcified vertebral artery and »dense basilar artery sign« in a patient
4 Geringere Verbreitung der Methode.
with basilar territory infarction. Neurol India. 2005;53:125.
Lev MH, Farkas J, Gemmete JJ, Hossain ST, Hunter GJ, Koroshetz WJ, Gonzalez
RG. Acute stroke: improved nonenhanced CT detection--benefits of soft-
copy interpretation by using variable window width and center level
settings. Radiology. 1999;213:150-5.
Lutman M. Early diagnosis of cerebral infarct. Hyperdensity of the middle
cerebral artery as the first CT sign of an ischemic lesion. Radiol Med.
1989;77:171-3.
2.1 · Schlaganfall
91 2

a b c

d e f

. Abb. 2.22a–f Vollständiges Stroke-Protokoll bei frischem Thrombus im M1-Segment der rechten MCA. a, b Nativ-CT mit Dichteausgleich zwischen Ncl.
caudatus/Putamen und Capsula interna rechts; c-e Perfusions-CT: Verlängerung der Time to Peak (c) im rechten MCA-Stromgebiet; Minderung des zere-
bralen Blutfluss (d) und des zerebralen Blutvolumens (e) in den Stammganglien rechts. Das flussgeminderte Areal deckt sich mit dem volumengeminder-
ten. Es gibt keine signifikante »Penumbra«. Die kortikalen Areale, die eine darüber hinausgehende Verlängerung der TTP zeigen, sind gut kollateralisiert.
f CTA: sie stellt den thrombembolischen Verschluss des rechten M1-Segments direkt dar (Pfeil)
92 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Anwendung der MRT bei akuter Ischämie. 4 Hirnparenchym, das zwar perfusiongestört, aber noch nicht
DWI (B1000-Bild und ADC-Map): diffusionsgestört ist, wird als noch nicht irreversibel geschä-
4 Darstellung des zytotoxischen Ödems (entsteht bereits Mi- digt angesehen = Penumbra
2 nuten nach Auftreten der Ischämie) als Diffusionsrestriktion → Identifikation von Patienten, die jenseits des i.v. Lyse-Fens-
(hyperintens im B1000-Bild bei deutlich erniedrigtem ADC- ters potenziell noch von einer rekanalisierenden Therapie
Wert) (. Abb. 2.23, . Abb. 2.24, . Abb. 2.25 und . Abb. 2.28) profitieren könnten
4 Im Tierexperiment bereits Minuten nach Gefäßokklusion
4 Sensitivität für hyperakute Ischämie: 95% Probleme beim Einsatz des DWI/PWI-Mismatch-Konzeptes:
4 Diffusionsrestriktion entspricht in den meisten Fällen dem 4 Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Infarktkern und
Infarktkern, d.h. also irreversibel infarziertem Gewebe, es Penumbra ist nicht möglich.
gibt jedoch auch Fallberichte mit reversiblen DWI-positiven 4 Keine echte Quantifizierung der Perfusionseinschränkung
ischämischen Läsionen möglich.
4 Selten: Kann sehr früh auch falsch negativ sein, vor allem bei 4 Eine DWI-Störung ist in Einzelfällen doch potenziell rever-
lakunären Infarkten und Hirnstamminfarkten (besonders sibel.
Medulla oblongata → evtl. Wiederholung einer initial unauf- 4 Auch bei Patienten ohne initiales DWI/PWI-Mismatch kann
fälligen Untersuchung (evtl. auch mit dünneren Schichten die spätere Infarktausdehnung über die initiale DWI-Läsion
(z.B. 3 mm Schichtdicke) hinaus gehen, d.h. auch ein Teil dieser Patienten könnte von
einer Rekanalisation evtl. profitieren (Appositionsthrombus?).
PWI: 4 Bei Patienten mit hochgradiger proximaler ACI-Stenose
4 Darstellung der Perfusion mit o.g. Parametern (CBF, CBV, überschätzt das DWI/PWI-Mismatch das »Tissue at Risk«.
MTT; TTP) (. Abb. 2.25)
4 Im Vergleich zur CT-Perfusion erlaubt die MRT jedoch nur MR-Angiographie der extra- und intrakraniellen Gefäße (TOF-
eine semiquantitative Bestimmung dieser Parameter, und MRA und/oder CE-MRA; . Abb. 2.26):
liefert keine absoluten Werte 4 Nachweis von akuten oder vorbestehenden Gefäßverschlüs-
4 CBF-Minderung korreliert am besten mit späterem Infarkt- sen.
volumen (sofern keine schnelle Rekanalisation erfolgt) 4 Proximale Stenosen als Emboliequelle?
4 MTT überschätzt späteren Infarkt
T2*w:
DWI/PWI-Mismatch-Konzept: 4 Ausschluss einer Blutung
4 Weitgehend analog zum Konzept bei der CT-Perfusion 4 Identifikation klinisch okkulter Mikroblutungen: Deren Be-
4 DWI-Restriktion = Infarktkern (irreversibel geschädigtes deutung für das Blutungsrisiko nach Thrombolyse und für
ischämisches Gewebe) eine hämorrhagische Transformation des Infarkts ist jedoch
umstritten; zurzeit wird nicht empfohlen, eine Therapieent-
scheidung hiervon abhängig zu machen

. Tab. 2.2 MRT-Signalverhalten eines ischämischen Infarkts in Abhängigkeit von der Zeit und verwendeter Sequenz

Zeitintervall Sequenz Befund

<1 h DWI B1000: Ischämieareal zeigt Diffusionsrestriktion hyperintens (zytotoxisches Ödem) (. Abb. 2.24)
Kann so früh selten auch mal negativ sein, v.a. bei lakunären Infarkten und Hirnstamminfarkten
PWI Ggf. Hypoperfusion im Bereich der Penumbra
T2w/PDw Unauffällig hinsichtlich Infarktdemarkierung
Evtl. fehlendes Flow void im verschlossenen Gefäß
FLAIR Unauffällig hinsichtlich Infarktdemarkierung
Evtl. hyperintenses »FLAIR sign« im thrombosierten Gefäß (. Abb. 2.27)
T2*w/SWI Evtl. »gradient-echo susceptibility vessel sign« im thrombosierten Gefäß
Mikroblutungen?
MRA Darstellung des Gefäßverschlusses
<12 h alle Sequenzen Beginnende Schwellung der Gyri und Verstreichen der Sulci
DWI Ischämieareal zeigt Diffusionsrestriktion (zytotoxisches Ödem)
T2w Oft noch unauffällig bis leicht hyperintens im Infarktareal
FLAIRw Etwas früher hyperintense Darstellung des Infarktareals als T2w (. Abb. 2.25)
Hyperintenses »FLAIR sign« (. Abb. 2.27)
T1w Beginnende Schwellung der Gyri und Verstreichen der Sulci
6 T1+KM Meningeale KM-Aufnahme in Umgebung des Infarkts
2.1 · Schlaganfall
93 2

. Tab. 2.2 (Fortsetzung)

Zeitintervall Sequenz Befund

12–24 h Zunahme der Raumforderung des Ödems

T2w/PDw/FLAIR Jetzt vollständig hyperintense Demarkierung des Infarktareals (. Abb. 2.28)

1–3 Tage Weitere Zunahme der raumfordernden Wirkung des Ödems

DWI Zunehmende Diffusionsrestriktion, ADC-Minderung

T2w Infarkt dtl. hyperintens


Evtl. Einblutungen hypointens

T1w Infarkt hypointens


Evtl. Einblutungen hyperintens

T1w+KM Abnahme der meningealen KM-Aufnahme


Beginnende parenchymale (fleckige oder girlandenförmige) KM-Aufnahme im Infarktareal

T2*w Einblutungen?

4–7 Tage Beginnende Regredienz der raumfordernden Wirkung des Ödems (. Abb. 2.29, . Abb. 2.30)

DWI Mit zunehmendem Alter der Läsion nimmt Diffusionsrestriktion langsam ab, d.h. ADC-Wert im Bereich der
Läsion steigt langsam an

T1w+KM Zunehmende, kräftige parenchymale KM-Aufnahme (. Abb. 2.29)


DWI-Restriktion und KM-Aufnahme verhalten sich umgekehrt proportional, ADC-Wert nimmt proportional
zur Zunahme der KM-Aufnahme zu

T2*w In ca. 25% Einblutungen nachweisbar

PWI rCBV steigt an → reaktive Hyperperfusion

MRS Laktat erhöht, NAA erniedrigt


Laktat/Cho und NAA/Cho-Ratio korrelieren mit Outcome

1–8 Wochen DWI Ab ca. dem 10. Tag dominiert T2-Shine-Through-Effekt, langsamer Anstieg des ADC-Wertes (Infarktareal wird
auf ADC-MAP zunächst iso-später hyperintens) (. Abb. 2.31)
Hyperintenses Signal in B1000-Bild kann bis zu 50 Tage persistieren, entspricht dann aber ab ca. 10. Tag
zunehmend nicht mehr einer Diffusionsrestriktion sondern dem T2-Shine-Through-Effekt

T2w Evtl. vorübergehende Abnahme des hyperintensen Signals in 2. Woche → »MR-Fogging-Effekt«


Evtl. beginnende Wallersche Degeneration (7 Kap. 7.10.1)

T1+KM KM-Aufnahme kann bis zu 8–10 Wochen anhalten

Monate bis Substanzdefekt (Enzephalomalazie)


Jahre Evtl. e-vacuo-Erweiterung angrenzender Ventrikelabschnitte oder Sulci (. Abb. 2.32)

DWI Keine Diffusionsrestriktion


Evtl. T2-Shine through-Effekt mit hohem ADC-Wert

T2w/PDw Liquorisointenser Defekt


Wallersche-Degeneration (7 Kap. 7.10.1)

FLAIR Liquorisointenser Defekt mit hyperintensen Gliosezonen im Randbereich (. Abb. 2.32a)

T2*w Evtl. Blutungsresiduen (Hämosiderin)

T1w Liquorisointenser Defekt

T1 + KM Keine KM-Aufnahme
94 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

4 Sehr sensitiv für hämorrhagische Imbibierung des Infarkts Heidenreich JO, Hsu D, Wang G, Jesberger JA, Tarr RW, Zaidat OO, Sunshine JL.
4 Stark hypointense direkte Darstellung des Thrombusmate- Magnetic resonance imaging results can affect therapy decisions in hy-
peracute stroke care. Acta Radiol. 2008;49:550-7.
rials im Gefäß (»gradient-echo susceptibility vessel sign«,
Higashida RT, Furlan AJ, Roberts H, Tomsick T, Connors B, Barr J, Dillon W,
2 Sensitivität innerhalb der ersten 3 h: ca. 34%) Warach S, Broderick J, Tilley B, Sacks D; Technology Assessment Committee
of the American Society of Interventional and Therapeutic Neuroradiology;
SWI: Technology Assessment Committee of the Society of Interventional Radio-
4 Sensitiver als konventionelle T2*w im Nachweis von Mikro- logy. Trial design and reporting standards for intra-arterial cerebral throm-
bolysis for acute ischemic stroke. Stroke. 2003;34:e109-37.
blutungen und hämorrhagischer Imbibierung
Kim HS, Lee DH, Ryu CW, Lee JH, Choi CG, Kim SJ, Suh DC. Multiple cerebral
4 Stark hypointense direkte Darstellung des Thrombusmate- microbleeds in hyperacute ischemic stroke: impact on prevalence and
rials (»gradient-echo susceptibility vessel sign«) severity of early hemorrhagic transformation after thrombolytic treat-
4 Venen im hypoperfundierten Areal stellen sich dilatiert und ment. AJR Am J Roentgenol. 2006;186:1443-9.
stark hypointens dar (mehr Deoxyhämoglobin); betroffenes Koennecke HC. Cerebral microbleeds on MRI: prevalence, associations, and
potential clinical implications. Neurology. 2006;66:165-71.
Areal korreliert mit MTT-Minderung
Köhrmann M, Jüttler E, Fiebach JB, Huttner HB, Siebert S, Schwark C, Ringleb
PA, Schellinger PD, Hacke W. MRI versus CT-based thrombolysis treat-
T2w/PDw: ment within and beyond the 3 h time window after stroke onset: a cohort
4 In den ersten 6 Stunden meist unauffällig hinsichtlich Infark- study. Lancet Neurol. 2006;5:661-7.
demarkierung Mittal S, Wu Z, Neelavalli J, Haacke EM. Susceptibility-Weighted Imaging:
Technical Aspects and Clinical Applications, Part 2. AJNR Am J Neuro-
4 Fehlendes Flow-void in verschlossenem Gefäß
radiol. 2009;30:232-52.
Nandigam RN, Viswanathan A, Delgado P, Skehan ME, Smith EE, Rosand J,
FLAIR: Greenberg SM, Dickerson BC. MR Imaging Detection of Cerebral Micro-
4 In der Regel etwas früher auffällig als T2w bleeds: Effect of Susceptibility-Weighted Imaging, Section Thickness,
4 Hyperintense Darstellung des Thrombus (»hyperintense and Field Strength. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;30:338-43.
Neumann-Haefelin T, Steinmetz H. Time is brain: is MRI the clock? Curr Opin
FLAIR sign«, Sensitivität innerhalb der ersten 3 h: ca. 66%)
Neurol. 2007;20:410-6.
(. Abb. 2.27) Neumann-Haefelin T, Wittsack HJ, Fink GR, Wenserski F, Li TQ, Seitz RJ, Siebler M,
4 Sensitivität für HSG limitiert Mödder U, Freund HJ. Diffusion- and perfusion-weighted MRI: influence of
severe carotid artery stenosis on the DWI/PWI mismatch in acute stroke.
In . Tab. 2.2 ist das Signalverhalten eines ischämischen Infarkts Stroke 2000;31:1311-7.
Neumann-Haefelin T, Wittsack HJ, Wenserski F, Siebler M, Seitz RJ, Mödder U,
in Abhängigkeit von der Zeit und verwendeter Sequenz darge-
Freund HJ. Diffusion- and perfusion-weighted MRI. The DWI/PWI mis-
stellt. match region in acute stroke. Stroke. 1999;30:1591-7.
Nighoghossian N, Hermier M, Adeleine P, Blanc-Lasserre K, Derex L, Honnorat J,
Literatur Philippeau F, Dugor JF, Froment JC, Trouillas P. Old microbleeds are a
Assouline E, Benziane K, Reizine D, Guichard JP, Pico F, Merland JJ, Bousser MG, potential risk factor for cerebral bleeding after ischemic stroke: a gradient-
Chabriat H. Intra-arterial thrombus visualized on T2* gradient echo imag- echo T2*-weighted brain MRI study. Stroke. 2002;33:735-42.
ing in acute ischemic stroke. Cerebrovasc Dis. 2005;20:6-11. Rivers CS, Wardlaw JM, Armitage PA, Bastin ME, Carpenter TK, Cvoro V, Hand
Donnan GA, Davis SM. Neuroimaging, the ischaemic penumbra, and selec- PJ, Dennis MS. Do acute diffusion- and perfusion-weighted MRI lesions
tion of patients for acute stroke therapy. Lancet Neurol. 2002;1: identify final infarct volume in ischemic stroke? Stroke. 2006;37:98-104.
417-25. Santhosh K, Kesavadas C, Thomas B, Gupta AK, Thamburaj K, Kapilamoorthy
Fiebach JB, Schellinger PD, Gass A, Kucinski T, Siebler M, Villringer A, Olkers P, TR. Susceptibility weighted imaging: a new tool in magnetic resonance
Hirsch JG, Heiland S, Wilde P, Jansen O, Röther J, Hacke W, Sartor K; Kom- imaging of stroke. Clin Radiol. 2009;64:754-83.
petenznetzwerk Schlaganfall B5. Stroke magnetic resonance imaging is Sylaja PN, Coutts SB, Krol A, Hill MD, Demchuk AM; VISION Study Group. When
accurate in hyperacute intracerebral hemorrhage: a multicenter study on to expect negative diffusion-weighted images in stroke and transient
the validity of stroke imaging. Stroke. 2004;35:502-6. ischemic attack. Stroke. 2008;39:1898-900.

a b

. Abb. 2.23 Hyperakuter (45 min alter) MCA- . Abb. 2.24a, b Diffusionsrestriktion bei 3,5 Stunden altem MCA-Teilinfarkt rechts: a DWI, B1000;
Teilinfarkt rechts, die Diffusionsrestriktion ist erst b ADC-Map
gering ausgeprägt (DWI, B1000)
2.1 · Schlaganfall
95 2

a b c

d e f

. Abb. 2.25a–f 3 Stunden alter lentikulostriärer Infarkt rechts im Nucleus caudatus. In der FLAIRw (c) ist der Infarkt noch nicht sicher demarkiert, in der
Perfusions-MRT (d–f) zeigt sich eine Verlängerung der »Time to Peak« im gesamten MCA-Territorium rechts (d). In der rCBF-Map zeigt sich eine Minderung
des relativen zerebralen Blutflusses im Nucleus caudatus und im angrenzenden Marklager, sowie umschrieben auch kortikal (e, Pfeile). Im rCBV-Bild (f) zeigt
sich lediglich im Nucleus caudatus eine sichere Minderung des relativen zerebralen Blutvolumens als Zeichen einer vollständigen Infarzierung analog zum
DWI-Bild (a). a: DWI, B1000; b: ADC-Map; c: FLAIRw; d–f: Parameterbilder der Perfusions-MRT: d: Time to Peak-Map, e: rCBF-Map, f: rCBV-Map

a b

. Abb. 2.26a, b ACI-Verschluss rechts. Die Time-of-Flight-MRA der intrakraniellen Gefäße zeigt kein
Flusssignal in dem proximal verschlossenen Gefäß (Stern), regelrechtes Flusssignal in der linken ACI
(Pfeil), Kollateralisation der rechten MCA über den RcomA von der Gegenseite. a: MIP-Rekonstruktion;
b: Basisbild
96 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

. Abb. 2.27a, b MCA-Teilinfarkt rechts mit »Hyperintense FLAIR sign«, d.h. hyperintense Dar-
stellung der verschlossenen M3-Äste (Pfeile). a: FLAIRw; b: TOF-MRA, MIP

a b c

. Abb. 2.28a–c Akuter (1 Tag alter) MCA-Infarkt rechts mit geringer hämorrhagischer Imbibierung im Putamen (Pfeile) bei ACI-Verschluss rechts (c).
a: FLAIRw; b: DWI, B1000; c: TOF-MRA, MIP-Rekonstruktion

a b c

d e f

. Abb. 2.29a–f Subakuter, 6 Tage alter PCA-Teilinfarkt links okzipital mit hämorrhagischer Imbibierung [hyperintens in T1 nativ (d)] und deutlicher Schran-
kenstörung in T1w + KM (e, f) mit Beteiligung der Sehrinde. a: DWI, B1000; b: FLAIR; c: T2w; d: T1w nativ; e, f: T1w + KM
2.1 · Schlaganfall
97 2

a b

. Abb. 2.30a, b Bilaterale subakute PCA-Infarkte (hyperintens) mit Einblutungen (hypointens).


a: DWI, B1000; b: FLAIRw

a b

. Abb. 2.31a, b Bilaterale SCA-Infarkte (10 Tage alt); links mit hämorrhagischer Imbibierung (Pfeile).
Das Infarktareal ist auf dem B1000 Bild der DWI (a) schon wieder weitgehend isointens. a: DWI, B1000;
b: FLAIRw

a b c

. Abb. 2.32a–c Zustand nach PCA-Infarkt links. Es hat sich ein Substanzdefekt als Residualzustand ausgebildet, das Hinterhorn des linken Seitenventrikels
ist zu dem Defekt hin ausgezogen. Im FLAIR-Bild (a) angrenzende hyperintense Gliosezonen. a: FLAIRw; b: T1w nativ; c: T2w cor
98 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

2.1.5 Territorialinfarkte Perforatoren aus A1 und A2 inkl. der A. recurrens Heubner


(= mediale lentikulostriäre Arterien): Caput nuclei caudati
Definition. Bei einem Territorialinfarkt handelt es sich um einen und vorderer Schenkel der Capsula interna
kortikalen und subkortikalen ischämischen Infarkt im Versor- 4 Territorium der A. choroidea anterior: Sehr variabel:
2 gungsgebiet eines (großen) hirnversorgenden Gefäßes. 5 Anteile des hinteren Schenkels der Capsula interna (ein-
Ätiologie. Thrombembolische Genese schließlich Pyramidenbahn)
Embolische Infarkte: 5 Tractus opticus
4 Arterio-arteriell embolische Infarkte (60% aller ischämi- 5 Medialer Anteil des Globus pallidus; evtl. lateraler Thalamus
schen Infarkte) (. Abb. 2.33, . Abb. 2.34): 4 Thalamusinfarkte (. Abb. 2.42, . Abb. 2.45): Der Thalamus
5 Häufigste Ursache: Arteriosklerose der extra- oder intra- wird von Perforatoren v.a. aus dem R. communicans posterior
kraniellen hirnversorgenden Gefäße einschließlich des und aus der A. cerebri posterior (aus den P1- und den P2-Seg-
Aortenbogens menten) versorgt; auch die A. choroidea anterior kann an der
5 Seltene nichtarteriosklerotische Ursachen (Auswahl): Versorgung des Thalamus beteiligt sein. Liegt eine Variante
– Dissektionen der extra- oder intrakraniellen Gefäße mit einem unilateralen kräftigen Perforator aus einem P1-Seg-
– Teilthrombosierte (Giant-)Aneurysmen ment vor, der sich erst später teilt, kommt es bei embolischem
– Fibromuskuläre Dysplasie Verschluss dieses Perforators zum typischen Befund eines bi-
– Moya-Moya-Erkrankung lateralen paramedianen Thalamusinfarktes (. Abb. 2.45)
4 Kardioembolische Infarkte (15%) (. Abb. 2.35, . Abb. 2.36): 4 Hirnstamminfarkte:
häufigste Ursache: Vorhofflimmern 5 Vor allem paramedian in der Basis pontis (. Abb. 2.43)
5 Basilaristhrombose: Infarktareal sehr variabel, abhängig
Paradoxe Embolien: bei z.B. Vorhofseptumdefekt oder offenem vom Thrombusausmaß (. Abb. 2.45, . Abb. 2.46):
Foramen ovale und tiefer Beinvenenthrombose – Bilateral in Tegmentum und Basis pontis
Arterielle Thrombosen (Infarkte durch eine In-situ-Thrombose – Top-of the basilar -Syndrom (Basilarisspitzenembolie):
in dem betroffenen Gefäß): bilateral paramedianer Thalamus und Mittelhirn
4 Auf dem Boden arteriosklerotischer Veränderungen (. Abb. 2.45)
4 Aufgrund einer Koagulopathie/Thrombophilie (<5%), z.B.: 5 Dorsolateraler Medulla-oblongata-Infarkt (. Abb. 2.44):
5 AT-III-Mangel Verschluss der distalen, intraduralen A. vertebralis (falls
5 Protein-S-/Protein-C-Mangel zusätzlich PICA betroffen → zusätzlich Kleinhirninfarkt)
5 APC-Resistenz 4 Kleinhirninfarkte: Territorien der Kleinhirnarterien sind
5 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom sehr variabel (v.a. PICA und AICA)
5 Disseminierte intravasale Gerinnung bei Sepsis 5 PICA: Basale Anteile der Kleinhirnhemisphären, nach ros-
tral über die Fissura horizontalis hinaus, Tonsillen, partiell
Territorialinfarkte bei hämatologischen Erkrankungen (<1%),
Vermis, Territorium kann gelegentlich Mittellinie über-
wie z. B.:
schreiten (. Abb. 2.47, . Abb. 2.48, . Abb. 2.49)
4 Polyzythämia vera
5 AICA: v.a. mittlerer Kleinhirnstiel (. Abb. 2.51)
4 Leukämie
5 SCA: Oberwurm, kraniale Anteile der Kleinhirnhemis-
4 Thrombozytenfunktionsstörungen
phären, Lobuli quadrangulares, weite Anteile der weißen
Gefäßterritorien und Lokalisation. Es besteht ein gewisses Maß Substanz einschließlich der Kerngebiete (. Abb. 2.50)
an interindividueller Variabilität hinsichtlich der Ausdehnung
der Versorgungsgebiete der einzelnen Arterien (infratentoriell Klinik. Ist abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation des In-
deutlich ausgeprägter als supratentoriell). farkts. Einige typische Syndrome:
Die »Arterial Spin Labeling« (ASL) Technik erlaubt in vivo 4 A. cerebri-anterior-Syndrom: beinbetonte, vor allem moto-
die nicht invasive Darstellung der Territorien der Hirngefäße. rische Hemisymptomatik
4 Territorium der A. cerebri media (MCA): >80% der Fälle; 4 A. cerebri-media-Syndrom: sensomotorische brachiofazial
parietale und temporale Infarkte sind hierbei häufiger kardio- betonte Hemisymptomatik, Hemianopsie, Aphasie oder
embolisch, frontal gelegene Infarkte sind häufiger arterio-ar- Neglect je nach betroffener Hemisphäre
teriell-embolisch. Hierzu gehören auch Infarkte im Versor- 4 Wallenberg-Syndrom: ipsilaterales Hornersyndrom, kontra-
gungsgebiet der M1-Perforatoren (= laterale lentikulostriäre lateral dissoziierte Sensibilitätsstörung, Schwindel, Erbre-
Arterien), d.h. Infarkte der Stammganglien (Putamen, Globus chen, Kopfschmerzen
pallidus (partiell), Capsula externa, Claustrum, Teile der Cap- 4 Basilaristhrombose:
sula interna, Corpus des Nucleus caudatus), außer: Caput 5 Prodromi: Hirnstamm-TIA mit Schwindel, Dysarthrie,
nuclei caudati und vorderer Schenkel der Capsula interna: Doppelbilder bei 2/3 der Patienten innerhalb von 1–4 Wo-
ACA-Perforatoren (. Abb. 2.37, . Abb. 2.38, . Abb. 2.39) chen vor akutem Ereignis
4 Territorium der A. cerebri posterior (PCA): am zweithäufigs- 5 Oft fluktuierende Symptomatik: Kopfschmerzen, Schwin-
ten betroffen (. Abb. 2.41) del, Vigilanzstörung, Dysarthrie, Augenbewegungs- und Pu-
4 Territorium der A. cerebri anterior (ACA): <5% aller Infarkte pillenstörungen (INO = internukleäre Ophthalmoplegie),
(. Abb. 2.40): hierzu gehört auch das Versorgungsgebiet der Blickparesen, Hemi- oder Tetraparese, Locked-in-Syndrom
2.1 · Schlaganfall
99 2

a b

. Abb. 2.33a, b Arterio-arteriell embolischer MCA-Infarkt rechts bei ACI-Verschluss rechts, der in der CTA
erkennbar ist (Stern in b). a: CT nativ; b: CTA

a b c

. Abb. 2.34a–c Kleine arterio-arteriell embolische Ischämie im Gyrus frontalis inferior links bei ACI-Stenose links. a: DWI, B1000; b: ADC-Map; c: T2w

a b

. Abb. 2.35a, b Kleine kardioembolische Ischämien rechts im Gyrus precentralis, unmittelbar an-
grenzend an das motorische Handareal. Punktförmige Embolien auch im Gyrus frontalis medius und
superior (Pfeile). Ursache: Vorhofflimmern. a: FLAIRw; b: DWI, B1000
100 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

4 Top-of-the-basilar-Syndrom: Bewusstseinstrübung, symp- 4 DD eines Hirnstamminfarkts:


tomatische Psychose, Gesichtsfelddefekte, Augenbewegungs- 5 Wernicke-Enzephalopathie
und Pupillenstörungen 5 Intoxikation
2 5 Zentrale pontine Myelinolyse
Verlauf. Ausmaß der Rehabilitationsfähigkeit korreliert eng mit 5 Hirnstammenzephalitis
dem primären Schweregrad der neurologischen Defizite: 4 DD eines Top-of the-basilar-Syndroms: innere Hirnvenen-
4 Wallenberg-Syndrom: 0–2% Mortalität in 30 Tagen thrombose
4 Basilaristhrombose: ohne Lyse bzw. bei fehlender Rekanali-
sation: Mortalität 70–90% Literatur
4 Top-of-the-basilar-Syndrom: bis zu 10% Mortalität in 30 Bogousslavsky J, Van Melle G, Regli F. Middle cerebral artery pial territory infarcts:
a study of the Lausanne Stroke Registry. Ann Neurol. 1989;25:555-60.
Tagen
Cormier PJ, Long ER, Russell EJ. MR imaging of posterior fossa infarctions: vas-
4 Kleinhirninfarkte: cular territories and clinical correlates. Radiographics. 1992;12:1079-96.
5 Nichtraumfordernd: meist gute Prognose Johnson MH, Christman CW. Posterior circulation infarction: anatomy, patho-
5 Raumfordernd: ohne Entlastung schlechte Prognose physiology, and clinical correlation. Semin Ultrasound CT MR. 1995;
16:237-52.
van Laar PJ, Hendrikse J, Golay X, Lu H, van Osch MJ, van der Grond J. In vivo
Bildgebung. Siehe 7 Kap. 2.1.4 Ischämischer Schlaganfall. flow territory mapping of major brain feeding arteries. Neuroimage.
2006;29:136-44.
Differenzialdiagnosen. van Laar PJ, van der Grond J, Hendrikse J. Brain perfusion territory imaging:
methods and clinical applications of selective arterial spin-labeling MR
4 DD einer akuten Diffusionsstörung:
imaging. Radiology. 2008;246:354-64.
5 Status epilepticus Savoiardo M, Bracchi M, Passerini A, Visciani A. The vascular territories in the
5 Enzephalitis (v.a. Herpes) cerebellum and brainstem: CT and MR study. AJNR Am J Neuroradiol.
4 DD eines in T2w nachweisbaren Infarkts: 1987;8:199-209.
Tatu L, Moulin T, Bogousslavsky J, Duvernoy H. Arterial territories of the
5 Niedriggradiges Gliom
human brain: cerebral hemispheres. Neurology. 1998;50:1699-708.
5 Enzephalitis Tatu L, Moulin T, Bogousslavsky J, Duvernoy H. Arterial territories of human
5 Kontusion brain: brainstem and cerebellum. Neurology. 1996;47:1125-35.

. Abb. 2.36a, b Multiple Embolien beidseits (kardioembolisch) bei Vorhofthrombus. a, b: DWI, B1000

. Abb. 2.37a, b Subtotaler MCA-Infarkt rechts. a: DWI, 1000; b: FLAIRw cor


2.1 · Schlaganfall
101 2

a b

. Abb. 2.38 MCA-Teilinfarkt vor allem im Be- . Abb. 2.39a, b Infarkt im hinteren Anteil des MCA-Stromgebietes (lateraler Temporallappen und
reich der lentikulostriären Perforatoren (d.h. hintere Insel). a: DWI, B1000; b: FLAIRw
Corpus des Ncl. caudatus und Putamen), geringe
Mitbeteiligung des Kortex (FLAIRw)

a b

. Abb. 2.40 Kompletter ACA-Infarkt links. (DWI, . Abb. 2.41a, b Subtotaler PCA-Infarkt links; die Sehrinde ist in diesem Fall ausgespart; a: ADC-Map;
B1000) b: DWI, B1000

a b

. Abb. 2.42a, b Anterolateraler Thalamusinfarkt links im Versorgungsgebiet der anterioren Thalamus-


perforatoren aus dem RcomP. a: DWI, B1000; b: T2w
102 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

. Abb. 2.43a–c Paramedianer Ponsinfarkt rechts bei proximaler Basilarisstenose (Pfeil in c). a: T2w;
b: DWI, B1000; c: TOF-MRA, MIP-Rekonstruktion

a b

. Abb. 2.44a, b Dorsolateraler Medulla-oblongata-Infarkt bei Wallenberg-Syndrom. a: DWI, B1000; b: T2w


2.1 · Schlaganfall
103 2

a b

. Abb. 2.45a, b Bilaterale paramediane Thalamusinfarkte und dorsolateraler Thalamusinfarkt links,


bei Z.n. Basilaristhrombose. a: T2w; b: DWI, B1000

a b c

. Abb. 2.46a–c Komplette Kleinhirninfarkte beidseits sowie ausgedehnter Ponsinfarkt, der den gesamten Querschnitt des Pons betrifft, bei Basilaris-
thrombose. a: ADC-Map; b, c: DWI, B1000

a b

. Abb. 2.47a, b Embolische Infarkte im PICA-Stromgebiet links. a: DWI, B1000; b: T2w


104 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

. Abb. 2.48 Kompletter PICA-Infarkt rechts mit . Abb. 2.49 Subtotaler PICA-Infarkt links,
Beteiligung der dorsolateralen Medulla oblonga- kleinere Embolien auch im rechten PICA-Strom-
ta (T2w). Nebenbefundlich superfizielle Siderose, gebiet (T2w)
erkennbar als kräftig hypointenser Saum an der
Parenchymoberfläche (z.B. Pfeile)

a b

. Abb. 2.50a, b SCA-Teilinfarkt rechts (a, b: T2w)

. Abb. 2.51 Infarkt im AICA-Stromgebiet rechts, mittlerer Kleinhirnstiel (T2w)


2.1 · Schlaganfall
105 2
2.1.6 Hämodynamische Infarkte Klinik. Meist akuter Beginn:
4 TIA (50%)
Definition. Bei hämodynamischen Infarkten handelt es sich um 4 Manifester ischämischer Infarkt mit Fokalneurologie, z.T.
Ischämien aufgrund einer kritischen Reduktion des Perfusions- auch progrediente Insulte
druckes in den peripheren Hirnarterien.
Es besteht eine ziemliche Dynamik der Symptomatik (flukturie-
Formen. Grenzzonen-, Wasserscheiden- und Endstrominfarkte. rende Symptomatik). Die klinische Beeinträchtigung geht oft
Typischerweise sind diese Infarkte im Bereich der sog. Grenz- über das Ausmaß der sichtbaren Parenchymläsionen hinaus →
zone (= »Wasserscheide«) oder den »letzten Wiesen« lokali- größeres Perfusionsdefizit.
siert.
Grenzzone oder »Wasserscheide«: Als Grenzzone bezeichnet Verlauf und Prognose. In der frühen Phase nach Infarkt bessere
man das Gebiet, in dem benachbarte Gefäßterritorien aufeinan- Prognose als Patienten mit Terrritorialinfarkten.
dertreffen (z.B. MCA-ACA, MCA-PCA) 7 Grenzzoneninfarkte
(. Abb. 2.52, . Abb. 2.53). Bildgebung. Zur CT- und MR-Bildgebung in Abhängigkeit von
Die Definition einer solchen Grenzzone ist im individuellen Alter der Läsion siehe auch 7 Kap. 2.1.4
Fall nur unter Kenntnis der individuellen Gefäßversorgung mög- Lokalisation:
lich, da die Ausdehnung der Gefäßterritorien interindividuell 4 Wasserscheiden- bzw. Grenzzoneninfarkte: Schwerpunkt kor-
große Unterschiede zeigt. tikal, im Bereich der Grenzzone (. Abb. 2.52, . Abb. 2.53)
»Letzte Wiese«: Als »letzte Wiesen« bezeichnet man die End- 4 Endstrominfarkte: periventrikuläres (v.a. supraventrikuläres)
strecke der langen penetrierenden Marklagerarterien im peri- Marklager (. Abb. 2.54, . Abb. 2.55, . Abb. 2.56)
ventrikulären Marklager, angrenzend an das Territorium der
lentikulostriären Perforatoren 7 Endstrominfarkte) (. Abb. 2.54, Morphologie:
. Abb. 2.55). 4 Wasserscheiden- bzw. Grenzzoneninfarkte: keilförmig von
kortikal nach subkortikal reichend (. Abb. 2.52, . Abb. 2.53)
Epidemiologie und Demographie. Deutlich seltener als throm- 4 Endstrominfarkte: solitär, oder kettenförmig (»wie Perlen,
bembolische Infarkte (ca. 0,7–3% aller Infarkte). die auf einer Schnur aufgereiht sind«, »rosenkranzartig«)
Altersverteilung: Kann prinzipiell in jedem Alter auftreten, oder konfluierend (. Abb. 2.54, . Abb. 2.55, . Abb. 2.56)
Altersgipfel schwanken, je nach zugrunde liegender Ätiologie.
Geschlechtsverteilung: M = F CT:
4 CT nativ: Hypodense kortikale Läsionen bzw. Marklagerläsi-
Ätiologie. Verschieden: onen
4 Makroangiopathische Genesen, z.B. Stenosen vorgeschal- 4 CT + KM: Im subakuten Stadium Schrankenstörung
teter Arterien (häufig arteriosklerotisch) 4 MDCTA: Nachweis makroangiopathischer Läsionen (Steno-
sen der intra- und extrakraniellen Gefäße), Kollateralen?
> Ein hämodynamischer Infarkt im Bereich der »vorde-
Circulus Willisii?
ren« Grenzzone (MCA-ACA) kann beim Vorliegen einer
Gefäßstenose (einer ACC- oder ACI-Stenose) entste-
MRT:
hen. Ein Grenzzoneninfarkt im Bereich der »hinteren«
4 T1w: Läsionen hypointens
Grenzzone (MCA/PCA) entsteht dagegen lediglich bei
4 T2w/PDw/FLAIRw: Hyperintenses Signal der Läsionen
einer gleichzeitig bestehenden Perfusionsminderung
4 DWI: Frische Läsionen zeigen Diffusionsrestriktion
im vorderen (MCA) und hinteren Kreislauf (PCA) und
4 T2*w: Hämorrhagische Imbibierung?
ist daher seltener. Ausnahme: bei Vorliegen einer rein
4 T1w + KM: Im subakuten Stadium girlandenförmige Schran-
embryonalen Abgangsvariante der PCA (7 Kap. 1) aus
kenstörung
der ACI genügt eine ACI-Stenose
4 Arterielle TOF-MRA und CE-MRA: Zur Gefäßbeurteilung:
4 Systemische Hypotension Stenosen? Kollateralen? Circulus Willisii?
4 Stasephänomene 4 ASL: Zur Darstellung der Kollateralversorgung
4 Mikroembolien 4 PWI: Darstellung des Ausmaßes der Hypoperfusion, hilfreich
bei der Beurteilung der Ätiologie (hämodynamisch relevante
Heute geht man meist von einer gemischten Ätiologie aus Hypo- Stenose?)
perfusion und Mikroembolien aus. Das Vorhandensein etwaiger 4 DSA: Stenosen? Kollateralen? Circulus Willisii?
Kollateralen spielt eine große Rolle.
Von Bedeutung ist auch die Anatomie des Circulus Willisii: NUK:
reduzierte Kollateralkapazität bei nicht komplett ausgebildetem 4 (Diamox-)SPECT: Über Infarktausdehnung hinausgehende
Circulus Willisii. Hypoperfusion
Ein Risikofaktor ist das Vorliegen eines metabolischen Syn-
droms.
106 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Differenzialdiagnosen. Thrombembolischer ischämischer In- Chng SM, Petersen ET, Zimine I, Sitoh YY, Lim CC, Golay X. Territorial arterial
farkt (kardioembolisch, arterio-arteriell embolisch), posteriores spin labeling in the assessment of collateral circulation: comparison with
digital subtraction angiography. Stroke. 2008;39:3248-54.
reversibles Leukenzephalopathie-Syndrom (PRES), Vaskulitis,
Leitlinie »Ischämischer Schlaganfall: Akuttherapie«. In: Leitlinien für Diagnos-
2 Mikroangiopathie tik und Therapie in der Neurologie. 3. Aufl. Thieme, Stuttgart 2005.
Momjian-Mayor I, Baron JC. The pathophysiology of watershed infarction in
Literatur internal carotid artery disease: review of cerebral perfusion studies.
Bang OY, Lee PH, Heo KG, Joo US, Yoon SR, Kim SY. Specific DWI lesion patterns Stroke. 2005;36:567-77.
predict prognosis after acute ischaemic stroke within the MCA territory. Mull M, Schwarz M, Thron A.Cerebral hemispheric low-flow infarcts in arterial
J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2005;76:1222-8. occlusive disease. Lesion patterns and angiomorphological conditions.
Bisschops RH, Klijn CJ, Kappelle LJ, van Huffelen AC, van der Grond J. Collat- Stroke. 1997;28:118-23.
eral flow and ischemic brain lesions in patients with unilateral carotid Schomer DF, Marks MP, Steinberg GK, Johnstone IM, Boothroyd DB, Ross MR,
artery occlusion. Neurology. 2003;13;60(9):1435-41. Pelc NJ, Enzmann DR .The anatomy of the posterior communicating ar-
Caplan LR, Wong KS, Gao S, Hennerici MG.Is hypoperfusion an important tery as a risk factor for ischemic cerebral infarction. N Engl J Med.
cause of strokes? If so, how? Cerebrovasc Dis 2006;21:145-53 1994;330:1565-70.
Chaves CJ, Silver B, Schlaug G, Dashe J, Caplan LR, Warach S. Diffusion- and Yoon SR, Bang OY, Hong JM, Li WY, Lee PH, Ovbiagele B. Non-conventional
perfusion-weighted MRI patterns in borderzone infarcts. Stroke. 2000; risk factors were associated with infarct patterns in ischemic stroke. Clin
31:1090-6. Neurol Neurosurg. 2009;111:134-9.

a b

. Abb. 2.52a, b Grenzzoneninfarkt rechts (MCA-ACA-Grenzzone) bei ACI-Stenose rechts. a: DWI, B1000; b: FLAIRw cor

a b

. Abb. 2.53a, b Grenzzoneninfarkte beidseits bei Z.n. systemischem Blutdruckabfall. a: FLAIR cor; b: DWI, B1000
2.1 · Schlaganfall
107 2

a b

. Abb. 2.54a, b Hämodynamische Endstrominfarkte rechts im Marklager (Pfeile). a: T2w; b: FLAIRw cor

a b

. Abb. 2.55a, b Hämodynamische Endstrominfarkte rechts im Marklager bei ACI-Verschluss rechts (Stern in b).
a: DWI, B1000; b: TOF-MRA, Basisbild

. Abb. 2.56 Hämodynamische Endstrominfarkte


rechts im Marklager (DWI, B1000)
108 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

2.1.7 Lakunäre Infarkte Verlauf und Prognose. Abhängig von Lokalisation, meist benig-
ne, ca. 1/3 verläuft klinisch wie TIA
Definition. Kleiner, max. 1,5 cm durchmessender ischämischer Ausnahme: Strategische Infarkte, z.B. bilaterale Thalamus-
2 Infarkt im subkortikalen Marklager oder im Hirnstamm infolge läsionen
eines Verschlusses kleiner penetrierender Arterien (Perfora-
toren). Bildgebung. Signal- bzw. Dichteverhalten der Läsionen (. Abb.
2.57, . Abb. 2.58), siehe 7 Kap. 2.1.4
Epidemiologie und Demographie. Lokalisation: Subkortikal im Marklager, Stammganglien, Thala-
Altersverteilung: meist >55 Jahre mus (. Abb. 2.58), Hirnstamm, v.a. Pons.
Geschlechtsverteilung: M = F Morphologie: Rundlich bis oval (»lakunär), bis zu ca. 1,5 cm
Risikofaktoren: Hypertonus (!), Diabetes mellitus, Nikotin- Größe (max. Durchmesser variiert in Literatur)
abusus, Hypercholesterinämie, Übergewicht CT: Relativ wenig sensitiv aufgrund der geringen Größe der Lä-
sionen
Ätiologie.
4 Vor allem Arteriosklerose und Lipohyalinose der kleinen Differenzialdiagnosen. Kleine Territorialinfarkte, erweiterte
perforierenden Äste der Hirnbasisarterien (siehe auch Virchow-Robin-Räume (»Etat criblé«), MS-Plaques, CADASIL
7 Kap. 2.3.1 »Chronische hypertensive Enzephalopathie«)
4 Seltener Mikroembolien (kardialer oder arterio-arteriell em- Literatur
bolischer Genese) Gass A, Ay H, Szabo K, Koroshetz WJ. Diffusion-weighted MRI for the »small
stuff«: the details of acute cerebral ischaemia. Lancet Neurol. 2004;
3:39-45.
Klinik. »Lakunäre Syndrome«, abhängig von Lokalisation, z.B. Lee SH, Bae HJ, Ko SB, Kim H, Yoon BW, Roh JK. Comparative analysis of the
4 Capsula interna: »pure motor stroke«, rein motorische Hemi- spatial distribution and severity of cerebral microbleeds and old lacunes.
parese J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2004;75:423-7.
4 Thalamus: »pure sensory stroke«, rein sensorische Hemi- Mast H, Thompson JL, Lee SH, Mohr JP, Sacco RL. Hypertension and diabetes
mellitus as determinants of multiple lacunar infarcts. Stroke. 1995; 26:
symptomatik
30-3.
4 Demenz

a b

. Abb. 2.57a, b Frischer lakunärer Infarkt links periventrikulär (Pfeil in b); zusätzlich Nachweis . Abb. 2.58 Frischer lakunärer Infarkt im linken
einzelner, älterer mikroangiopathischer Marklagerläsionen beidseits und kleine alte kortikale embo- Thalamus (DWI, B1000)
lische Ischämie rechts parietal. a: DWI, B1000; b: FLAIRw
2.2 · Makroangiopathien
109 2
2.2 Makroangiopathien dichtes und lockeres fibröses Bindegewebe, inklusive der sog.
fibrösen Kappe, die den Fettkern und dessen Inhalt von durch-
2.2.1 Arteriosklerose der extra- strömten Gefäßlumen trennt.
und intrakraniellen Gefäße
Klinik. TIA-Symptomatik, »stotternde« Symptomatik
Definition. Die Arteriosklerose ist eine systemische, multifak-
> Es besteht die Gefahr eines thrombembolischen oder
torielle Erkrankung der arteriellen Gefäße, die zu einer um-
hämodynamischen Schlaganfalls.
schriebenen Lumeneinengung der betroffenen Arterien bis hin
zur Okklusion führt.
Verlauf und Prognose. Progredient; suffiziente medikamentöse
Epidemiologie und Demographie. Die Arteriosklerose ist die Behandlung verzögert Progredienz.
führende Ursache für Morbidität und Mortalität in den westli-
chen Industrieländern und die wichtigste Ursache intrakranieller Sonstiges.
Gefäßstenosen beim Erwachsenen. Beurteilung des Stenosegrades:
Altersverteilung: Mittleres bis höheres Lebensalter. 4 NASCET-Kriterien (»North American Symptomatic Carotid
Geschlechtsverteilung: M > F Endarterectomy Trial«): Verhältnis des Gefäßdurchmessers
Risikofaktoren (Auswahl): im Bereich der Stenose zum Durchmesser der A. carotis
4 Arterielle Hypertonie interna oberhalb der Stenose im gesunden Segment.
4 Diabetes 4 ECST-Kriterien (»European Carotid Surgery Trial«): Verhältnis
4 Fettstoffwechselstörungen (Hypercholesterinämie, Hyperli- des Gefäßdurchmessers im Bereich der Stenose zu geschätztem
pidämie) ursprünglichen Durchmesser des Bulbus caroticus.
4 Nikotin
> Bei der Messung nach den NASCET-Kriterien wird der
4 Metabolisches Syndrom
Stenosegrad oft unterschätzt.
4 Afroamerikaner haben das höchste Risiko.
Plaquemorphologie: Neben dem Stenosegrad bestimmen auch
Die Arteriosklerose (AS) der hirnversorgenden Gefäße ist oft die Zusammensetzung und die Oberflächenbeschaffenheit arte-
vergesellschaftet mit Koronarsklerose, AS der Aorta, AS der Nie- riosklerotischer Plaques die Wahrscheinlichkeit für ein arterio-
renarterien und der Beinarterien. arteriell embolisches Ereignis. Die Plaquebildgebung mittels
MRT spielt bei der Beurteilung sog. »vulnerabler Plaques« eine
Ätiologie. Man geht heute davon aus, dass es sich um eine mul- zunehmende Rolle. Durch Verwendung eines Multisequenzpro-
tifaktorielle Erkrankung handelt. Die 3 wichtigsten Hypothesen tokolls können die Zusammensetzung und die Oberflächen-
zur Ätiologie sind: beschaffenheit der arteriosklerotischen Plaques in größeren Ge-
4 Lipid-Hypothese: Ein hoher Plasma-LDL-Spiegel führt zu fäßen, wie der A. cerebri interna, gut dargestellt werden. Das
LDL-Ablagerungen in der Gefäßintima. Untersuchungsprotokoll umfasst dabei T1w, PDw, T2w und
4 »Response to injury«-Hypothese: Eine umschriebene Verlet- TOF-Sequenzen und ermöglicht die Beurteilung hinsichtlich des
zung der Intima oder fokale Endothelschädigung führt zu Vorliegens eines Fettkerns mit oder ohne Einblutungen, den
einer Plättchenaggregation und damit zur Thrombusbildung. Nachweis von Verkalkungen, sowie die Beurteilung der fibrösen
4 »Unifiying hypothesis«: Die Endothelschädigung resultiert Kappe.
in einer erhöhten Permeabilität des Endothels für LDL.
Bildgebung.
Darüber hinaus spielen die bereits genannten Risikofaktoren Lokalisation:
eine wichtige Rolle. 4 Intrakraniell: v.a. distale ACI und distale BA (. Abb. 2.59),
Stenosen: >70% sind hämodynamisch wirksam: MCA seltener (2%, . Abb. 2.60)
4 bei langsam progredienter Stenose bilden sich Kollateralen 4 Extrakraniell: v.a. Bifurkation der A. carotis communis
aus, die lange einen ausreichenden zerebralen Blutfluss/Blut- (. Abb. 2.62)
volumen sicherstellen.
4 Bei akutem Verschluss (z.B. durch adhärentes Thrombus- Morphologie der Stenose:
material) → keine suffizienten Kollateralen → akute Sympto- 4 meist umschrieben, unterschiedlicher Stenosegrad bis hin
matik zum Verschluss
4 Gefahr der arterio-arteriellen Embolie mit konsekutiv aku- 4 Evtl. Ulzeration im Bereich der Gefäßwand
tem Verschluss einer distalen Arterie → akute Schlaganfall-
symptomatik CT nativ:
4 Nachweis von verkalkten Anteilen der Plaques
Plaquemorphologie, Plaqueaufbau: In bestimmten Phasen der 4 Evtl. auch hypointense Anteile im Inneren eines Plaques
Erkrankung zeigen die Plaques verschiedene Komponenten: 4 Ausmaß der intrazerebralen Leukoaraiosis korreliert mit
einen Fettkern (mit oder ohne Einblutung), Verkalkungen, sowie Schweregrad einer vorliegenden Carotisstenose
110 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

MRT: 5 Präoperative Beurteilung vor Stentimplantation oder End-


4 MDCTA (Extra-und intrakranielle Gefäße) mit multiplanaren arteriektomie
Rekonstruktionen (. Abb. 2.61): 5 Späte Phase zum Ausschluss einer Pseudookklusion
2 5 Darstellung der Stenose, Überstrahlung durch Verkal- 5 Wird in vielen Studien als Goldstandard verwendet; bei
kungen kann problematisch sein der Quantifizierung einer Stenose ist die begrenzte An-
5 Wertigkeit der MDCTA bei der Unterscheidung zwi- zahl von Projektionen eine Limitation der Methode.
schen Okklusion und Pseudookklusion der DSA vergleich- 5 Bei hochgradigen Stenosen werden nichtinvasive Verfah-
bar ren als weitgehend gleichwertig angesehen.
4 Arterielle TOF-MRA (. Abb. 2.59, . Abb. 2.60): Tendenziell
Überschätzung des Stenosegrades durch turbulenten Fluss: Ultraschall: Hohe Wertigkeit, Screeningmethode der ersten
5 Hochgradige ACI-Stenosen (Stenosegrad 70–99%): Wahl
– Sensitivität: 91,2% 4 B-Bild: DD verkalkter versus nichtverkalkter Plaque
– Spezifität: 88,3% 4 Doppler: Flow velocity, peak systolic velocity
5 ACI-Verschluss:
– Sensitivität: 94,5% Ein mit Kontrastmittel verstärkter Ultraschall hat v.a. das Po-
– Spezifität: 99,3% tenzial zum Ausschluss einer Pseudookklusion.
5 Mittelgradige Stenosen (Stenosegrad 50%–69%):
– Sensitivität: nur 37,9% Differenzialdiagnosen. Vor allem in TOF-MRA: Flussartefakt;
– Spezifität: 92,1% Thrombus oder Embolie, postradiogene Stenose, Gefäßwand-
5 Zur Differenzialdiagnose einer Pseudookklusion versus dissektion, fibromuskuläre Dysplasie, Vaskulitis der großen oder
Okklusion nicht gut geeignet. mittelgroßen Gefäße; intrakraniell: Vasospasmus, Moya-Moya-
5 3-Tesla-TOF-MRA besonders gute Sensitivität und Spezi- Syndrom
fität zum Stenosenachweis.
4 CE-MRA (extra-und intrakranielle Gefäße): Realistischere Literatur
Einschätzung des Stenosegrades als TOF-MRA: Babiarz LS, Romero JM, Murphy EK, Brobeck B, Schaefer PW, Gonzalez RG,
5 Hochgradige ACI-Stenosen (Stenosegrad 70–99%): Lev MH. Contrast-Enhanced MR Angiography Is Not More Accurate
– Sensitivität: 94,6% Than Unenhanced 2D Time-of-Flight MR Angiography for Determining
– Spezifität: 91,9% >=70% Internal Carotid Artery Stenosis. AJNR Am J Neuroradiol. 2009;
30:761-8.
5 ACI-Verschluss:
Chaves CJ, Staroselskaya I, Linfante I, Llinas R, Caplan LR, Warach S. Patterns
– Sensitivität: 99,4% of perfusion-weighted imaging in patients with carotid artery occlusive
– Spezifität: 99,6% disease. Arch Neurol. 2003;60:237-42.
5 Mittelgradige Stenosen (Stenosegrad 50%–69%): Chen CJ, Lee TH, Hsu HL, Tseng YC, Lin SK, Wang LJ, Wong YC. Multi-Slice-CT
– Sensitivität etwas besser als TOF: 65,9% angiography in diagnosing total versus near occlusions of the internal
carotid artery: comparison with catheder angiography. Stroke. 2004;
– Spezifität: 93,5%
35:83-5.
> Bewertung der Schnittbild-Angiographie-Techniken: Choi CG, Lee DH, Lee JH, Pyun HW, Kang DW, Kwon SU, Kim JK, Kim SJ, Suh DC.
Detection of intracranial atherosclerotic steno-occlusive disease with 3D
4 Gute Wertigkeit von TOF-MRA und CE-MRA für die
time-of-flight magnetic resonance angiography with sensitivity encod-
Beurteilung hochgradiger Stenosen, jüngste Stu- ing at 3T. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:439-46.
dien zeigten hier keine signifikanten Unterschiede Debrey SM, Yu H, Lynch JK, Lövblad KO, Wright VL, Janket SJ, Baird AE. Diag-
zwischen beiden Methoden. nostic accuracy of magnetic resonance angiography for internal carotid
4 Nur geringe (TOF-MRA) bis mäßige (CE-MRA) Sensi- artery disease: a systematic review and meta-analysis. Stroke. 2008;
39:2237-48.
tivität für den Nachweis mittelgradiger Stenosen.
Hammond CJ, McPherson SJ, Patel JV, Gough MJ. Assessment of apparent
4 Kombination von CTA und MRA erreicht gleiche internal carotid occlusion on ultrasound: prospective comparison of con-
Spezifität wie DSA in 2 Ebenen. trast-enhanced ultrasound, magnetic resonance angiography and digi-
tal subtraction angiography. Eur J Vasc Endovasc Surg. 2008;35:405-12.
4 FLAIR: Zum Nachweis intrazerebraler Folgen (hämodyna- Saam T, Hatsukami TS, Takaya N, Chu B, Underhill H, Kerwin WS, Cai J, Fergu-
mische Infarkte, lakunäre Infarkte, Territorialinfarkte). son MS, Yuan C. The vulnerable, or high-risk, atherosclerotic plaque:
4 MRT und Plaquemorphologie: Siehe »Sonstiges« noninvasive MR imaging for characterization and assessment. Radiology.
4 PWI: Ausmaß der Perfusionsminderung korreliert bei höher- 2007;244:64-77.
Saam T, Schoenberg SA, Hatsukami TS, Reiser M, Yuan C, Nikolaou K. High
gradigen Stenosen mehr mit klinischer Symptomatik, als der
resolution magnetic resnoance imaging of carotid atherosclerotic
Schweregrad der Stenose plaque. Rofo. 2008;180:100-11.
4 ASL: Ggf. zur Beurteilung der Kollateralversorgung Saba L, Sanfilippo R, Pascalis L, Montisci R, Mallarini G. Carotid artery abnor-
4 DSA (. Abb. 2.62, . Abb. 2.63): malities and leukoaraiosis in elderly patients: evaluation with MDCT. AJR
5 Stenose, meist umschrieben Am J Roentgenol. 2009;192:W63-70.
Wardlaw JM, Chappell FM, Best JJ, Wartolowska K, Berry E; NHS Research and
5 Wandunregelmäßigkeiten, Plaqueulzerationen
Development Health Technology Assessment Carotid Stenosis Imaging
5 Seltener auch Ektasien, Pseudoaneurysmen Group. Non-invasive imaging compared with intra-arterial angiography
5 Gradierung extrakranieller Stenosen nach NASCET in the diagnosis of symptomatic carotid stenosis: a meta-analysis. Lancet.
5 Ggf. Nachweis von Tandemstenosen 2006;367:1503-12.
2.2 · Makroangiopathien
111 2

b c

. Abb. 2.59a–c Hochgradige midbasiläre Stenose (Pfeile). a: TOF-MRA; b, c: DSA, selektive Injektion
in die linke VA, Schrägprojektionen

a b c

. Abb. 2.60a–c Hochgradige Stenose des linken M1-Segments (Pfeil in a). Es wurde ein Stent implantiert (b, c). DSA während der Intervention vor (b)
und nach (c) Freisetzen des Stents. Im Nativbild (c) sind die Stentenden gut erkennbar; a: TOF-MRA; b, c: DSA, selektive Injektion in die linke ACI
112 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

. Abb. 2.61a, b Hochgradige extrakranielle ACI-Stenose rechts mit ulzerierendem Plaque (Pfeile).
a: MIP-Rekonstruktion (CTA); b: Volumen-Rendering-Rekonstruktion (CTA)

a b c

. Abb. 2.62a–c Filiforme extrakranielle ACI-Stenose (Pfeil in a), Einbringen eines Stents (b) und Endergebnis (c). a-c: DSA

a b

. Abb. 2.63a, b Hochgradige VA-Abgangsstenose rechts, vor (Pfeil in a) und nach (b) Stentimplantation (DSA)
2.2 · Makroangiopathien
113 2
2.2.2 Gefäßwanddissektion Verlauf und Prognose. Rezidivrate im 1. Monat 2%, danach im
Verlauf 1%/Jahr. Bei Verschlüssen Rekanalisationsrate von 85%
Definition. Bei einer Gefäßwanddissektion handelt es sich um in ersten 3 Monaten nach Ereignis.
einen Einriss der Gefäßwand mit konsekutiver Entstehung eines
falschen Lumens und einer Einblutung in die Gefäßwand. Bildgebung.
Lokalisation:
Epidemiologie und Demographie. 4 ACI: Beginn oft ca. 2 cm distal der Bifurkation bis Eintritt in
Inzidenz: Schädelbasis; bei traumatischen Dissektionen mit Schädel-
4 Spontane ACI-Dissektion: 2–3/100.000 basisfraktur auch petröses oder kavernöses Segment (. Abb.
4 Spontane VA-Dissektion: 1–2/100.000 2.64)
4 VA: Atlasschlinge, Eintritt in das Foramen transversum des
Gefäßwanddissektionen sind bei jungen Erwachsenen für ca. 30% HWK6, Duradurchtritt; ca. 10% erstrecken sich bis nach in-
der ischämischen Schlaganfälle verantwortlich. In 14% der Fälle tradural (. Abb. 2.66)
bilateral (VA-Dissektionen in 22%, ACI-Dissektionen in 4%).
Altersverteilung: Gipfel: 5. Dekade Morphologie:
Geschlechtsverteilung: Etwa M = F 4 »Intimal flap« = Intimasegel = abgehobene Intima = Dissek-
Risikofaktoren: tionsmembran (»Lefze«)
4 Trauma 4 Wandhämatom: halbmondförmige Struktur um eingeengtes
4 Chiropraktische Manipulation im Bereich der HWS Gefäßlumen auf axialen Schichten, in der Regel exzentrisch
4 Marfan-Syndrom (. Abb. 2.64, . Abb. 2.66)
4 Fibromuskuläre Dysplasie 4 Bilaterale ACI-Dissektion: »Puppy sign« (das axiale Bild auf
4 Ehlers-Danlos-Syndrom Typ IV Höhe der Dissektion sieht aus wie das Gesicht eines Hunde-
4 Vorangehende Infektion welpen, wobei die bilateralen Wandhämatome den Augen
entsprechen; . Abb. 2.65)
Ätiologie.
4 »Spontan« (2/3 der Fälle) CT:
4 Vorbestehende Bindegewebeschwäche 4 CT nativ: Meist normal, ggf. Infarkt, SAB?
4 Traumatisch (Sportunfälle, Dezelerationstrauma) 4 CT + KM: Dünner KM-aufnehmender Saum um Wandhä-
4 Einriss der Intima → falsches Lumen und Einblutung in die matom (mutmaßlich durch Anreicherung der Vasa vaso-
Gefäßwand rum)
4 Subintimale Dissektion → Stenosierung des echten Lumens
4 Subadventitiale Dissektion → Ausbildung eines Aneurysma MDCTA:
dissecans (dissezierendes Aneurysma, Pseudoaneurysma) → 4 Konisch sich verjüngendes echtes kontrastiertes Lumen
häufiger bei traumatischen Dissektionen (»string sign«)
4 Bei doppeltem Einriss der Intima → Perfusion des falschen 4 Pseudoaneurysma?
Lumens mit Reentry 4 Nachweis des Dissekatsegels
4 Im Vergleich zur MRA unabhängig von Flussphänomenen
Mögliche Komplikationen:
4 Ischämischer Infarkt durch Thromboembolie oder Gefäß- MRT:
verschluss bei »Abklemmen« des wahren Lumens 4 T1w/T2w:
4 Selten Subarachnoidalblutung bei bis nach intradural reichen- 5 Akut: Wandhämatom weitgehend isointens
den Dissektionen (VA >> ACI), disseziierende Aneurysmen 5 Subakut: Wandhämatom zuerst hyperintens in T1w, dann
in T2w
Klinik. 5 Chronisch: Bleibt über mehrere Monate hyperintens
ACI: 5 Dissekatsegel: Hypointens
4 Unilaterale Kopfschmerzen und Schmerzen im Bereich des 5 Evtl. reduziertes Flow void im »echten« Lumen
Halses (im Gefäßverlauf) 4 T1w + FS cor und tra (Schädelbasis, Hals): Besonders gut
4 Kaudale Hirnnervenausfälle zum Nachweis des Wandhämatoms geeignet, hyperintens ab
4 Ischämie (zerebral und retinal) ca. Tag 2–3 (Methämoglobin) (. Abb. 2.64, . Abb. 2.66)
4 Pulsatiler Tinnitus 4 T2w/PDw/FLAIR: Infarkte? SAB?
4 Horner-Syndrom (Ptosis, Miosis, Enophthalmus durch Lä- 4 DWI: Frischer Infarkt?
sion sympathischer Efferenzen, in <50%) 4 MRA der Hals- und intrakraniellen Gefäße (. Abb. 2.64):
5 Konisch sich verjüngendes echtes Lumen (»string sign«)
VA: 5 Basisbilder zur Beurteilung des Bezuges des Wandhäma-
4 Einseitige Nackenschmerzen toms zum echten Lumen
4 Ischämie (in 90% der Fälle: dorsolaterale Medulla oblongata 5 Nachweis der Dissekatmembran
→ Wallenbergsyndrom) 5 Pseudoaneurysma?
114 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

DSA: Konisch sich verjüngendes Gefäßlumen bei ansonsten weit- Ätiologie.


gehend glatter Gefäßwand; stehendes Kontrastmittel im falschen Moya-Moya Erkrankung:
Lumen; Pseudoaneurysma? 4 Idiopathische Form: Ätiologie ist unklar. Tritt außerhalb
2 Sonographie: Direkter Nachweis extrakranieller Wandhäma- Asiens selten auf; Abklärung möglicher Ursachen für ein se-
tome, Beurteilung des Ausmaßes der Lumeneinengung, auch kundäres Moya-Moya.
sehr gut zur Verlaufskontrolle geeignet. 4 Erbliche Form: Es sind verschiedene Genloci bekannt.

Differenzialdiagnosen. Arteriosklerotische Stenose, fibromus- Moya-Moya-Syndrom (sekundäres Moyamoya): Das Syndrom


kuläre Dysplasie, Thrombose, iatrogener Vasospasmus bei DSA ist mit einer Vielzahl von Erkrankungen assoziiert, z.B. Sichelzel-
lanämie, Neurofibromatose, Down-Syndrom, tuberöse Sklerose,
Literatur Progerie; im Prinzip mit jeder Erkrankung, die zu einer langsam
Caplan LR. Dissections of brain-supplying arteries. Nat Clin Pract Neurol. progredienten Stenosierung der intrakraniellen Gefäße führt.
2008;4:34-42.
Feddersen B, Linn J, Klopstock T. Neurological picture. »Puppy sign« indicat-
ing bilateral dissection of internal carotid artery. J Neurol Neurosurg Psy-
Klinik.
chiatry. 2007;78:1055. 4 Ischämisch bedingt: rezidivierende TIAs, Schlaganfälle, An-
Huang YC, Chen YF, Wang YH, Tu YK, Jeng JS, Liu HM. Cervicocranial arterial fälle
dissection: experience of 73 patients in a single center. Surg Neurol. 4 Bei Kindern typischerweise Schlaganfälle, bei Erwachsenen
2009;72 Suppl 2:S20-7;
eher Blutungen
Rodallec MH, Marteau V, Gerber S, Desmottes L, Zins M. Craniocervical arte-
rial dissection: spectrum of imaging findings and differential diagnosis.
4 Adulte Form in asiatischen Ländern: Manifestation in 2/3 der
Radiographics. 2008;28:1711-28. Fälle als Blutung

Verlauf und Prognose.


4 Juvenile Form: Rasch progredient, Inzidenz von Ischämien,
2.2.3 Moya-Moya-Erkrankung SABs und ICBs hoch
und Moya-Moya-Syndrom 4 Adulte Form: Langsamer progredient (ähnlich arteriosklero-
tischen Veränderungen)
Definition. Als »Moya-Moya-Syndrom« (japanisch für »Nebel, 4 Bei sekundärer Form abhängig von der Grunderkrankung
Dunstwolke«) bezeichnet man den angiographischen Nachweis 4 Hämorrhagische Form: Schlechtere Prognose
einer bilateralen, bis hin zum Verschluss progredienten Stenosie-
rung der distalen ACI (Carotis-T) mit Ausbildung eines ty- Therapieoption bei schneller Progredienz oder rezidivieren-
pischen Kollateralnetzwerks über die lentikulostriären Arterien. den Infarkten: Neurochirurgische Revaskularisation mit Bypass
Der Name bezieht sich dabei auf die Morphologie des Kollateral- (Enzephalo-duro-arterio-synangiosis, EDAS oder Enzephalo-
netzwerkes. Der Begriff »Moya-Moya« bezeichnet demnach zu- myosynangiosis mit EC-IC-Bypass)
nächst einmal lediglich einen charakteristischen angiogra-
phischen Befund. Sonstiges. Bei der Moya-Moya-Erkrankung signifikant häufiger
»Moya-Moya«-Erkrankung (= idiopathische oder erbliche Nachweis von Primitivgefäßen (z. B. A. trigemina primitiva,
Form): Ist die zugrunde liegende Ätiologie der Gefäßverände- A. hypoglossica primitiva).
rungen unbekannt, spricht man von einer »Moya-Moya«-Er- Pathologie/Histologie: Intimaverdickung, keine entzündlichen
krankung. Veränderungen, Mikroaneurysmen (→ verantwortlich für SABs)
»Moya-Moya«-Syndrom, Pseudo-Moya-Moya, atypisches und Makroaneurysmen (→ verantwortlich für ICBs)
Moya-Moya (= sekundäre Form): Hiervon spricht man, in Fällen
in denen eine Grunderkrankung nachweisbar ist, die für die cha- Bildgebung. (. Abb. 2.67, . Abb. 2.68)
rakteristischen Gefäßveränderungen verantwortlich ist. Lokalisation:
4 Gefäßstenosen v.a. der distalen ACI (Carotis-T), typischer-
Epidemiologie und Demographie. 10% der idiopathischen weise bilateral (vorderer Kreislauf deutlich häufiger betrof-
Form sind familiär; ist in Europa für ca. 1–2% der Infarkte bei fen, als hinterer Kreislauf)
Kindern und Jugendlichen verantwortlich. 4 Kollateralnetzwerke v.a. im Bereich der Stammganglien (Kol-
Inzidenz in Asien höher als im europäischen und amerika- lateration der M1-Perforatoren)
nischen Raum (1:100.000 in Japan); in Japan die häufigste zere-
brovaskuläre Erkrankung bei Kindern (3:100.000). Morphologie: »Rete mirabile« = Kollateralnetzwerk v.a. im Be-
Altersverteilung: Zweigipflig, mit erstem Peak im Kindesalter reich der Stammganglien
und zweitem Gipfel im 4. Lebensjahrzent. CT nativ:
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:1,8 4 Bei Kindern frontale Atrophie
4 Erwachsene: evtl. ICB, v.a. intraventrikulär oder SAB
Formen. Juvenile und adulte Form
2.2 · Makroangiopathien
115 2

a b c

. Abb. 2.64a–c ACI-Dissektion links mit Wandhämatom (Pfeile in a und b) und filiformer Einengung des wahren Lumens (Pfeil in c). a, b: T1 w FS nativ tra
und cor; c: kontrastverstärkte MRA der Halsgefäße, MIP-Rekonstruktion

a b

. Abb. 2.65a, b »Puppy sign« bei bilateraler ACI-Dissektion (a), hervorgerufen durch das Wandhämatom
beidseits um die ACI im axialen Schnitt (Pfeile in a). Die Medullla oblongata stellt die Nase des Welpen dar,
die Kleinhirnhemisphären die Lefzen (T1w FS + KM nativ). b Foto zur Illustration

a b

. Abb. 2.66a, b Umschriebene VA-Dissektion rechts mit Wandhämatom (Pfeile). a, b: T1w FS + KM tra und cor
116 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

CT + KM: 4 T1w + KM:


4 Multiple, KM-anreichernde, punktförmige Strukturen in den 5 Multiple, KM-anreichernde, punktförmige Strukturen in
Stammganglien (Rete mirabile) den Stammganglien (Rete mirabile)
2 4 Kollateralnetzwerk im Bereich der Schädelbasiszisternen 5 Kollateralnetzwerk im Bereich der Schädelbasiszisternen
5 Leptomeningeale KM-Anreicherung (»Contrast-enhanc-
MDCTA: Darstellung des »Rete mirabile« ed Ivy-Sign«)
MRT: 4 T2*w: Nachweis von Hämosiderinablagerungen bei Z.n. Blu-
4 T1w: Punktförmige flow-voids in Stammganglien tungen
4 T2w/PDw: 4 DWI: Ggf. Nachweis frischer Ischämien
5 Nachweis (multipler) kleiner, ischämischer Läsionen, kor- 4 PWI:
tikal und in der weißen Substanz 5 Perfusionsminderung v.a. im Bereich der tiefen weißen
5 Darstellung des Kollateralnetzwerks im Bereich der Schä- Substanz, relative Hyperperfusion im Bereich der hinteren
delbasiszisternen als hypointense, netzartige Aussparun- Zirkulation
gen im hyperintensen Liquor und in den Stammganglien 5 Ausmaß der zerebralen Hypoperfusion wesentlich für die
4 FLAIR: Hyperintense Darstellung der Sulci (»Ivy-Sign«), mut- Therapieplanung (evtl. Indikationsstellung für neuro-
maßlich aufgrund des langsamen Flusses in prall gefüllten pia- chirugischen Eingriff)
len Gefäßen und Verdickung der Arachnoidea (. Abb. 2.67) 4 MRA: Bilaterale Stenosen der distalen ACI

a b c

d e f

. Abb. 2.67a–f Moya-Moya-Erkrankung mit hochgradiger distaler ACI-Stenose rechts und ACI-Verschluss links (Pfeile in f, rechte ACI). Darstellung des
Kollateralnetzwerks im Bereich der Schädelbasiszisternen (Pfeilspitzen in a und e) und in den Stammganglien (Pfeile in d). »Ivy-Sign« (hyperintense
Darstellung der Sulci) in der nativen FLAIRw (b, c). In der TOF-MRA nur noch residuales Flusssignal im MCA-Hauptstamm beidseits (Pfeile in e). a: PDw;
d, f: TOF-MRA, Basisbilder; b, c: FLAIRw nativ; f: CE-MRA der Halsgefäße
2.2 · Makroangiopathien
117 2

a b

c d

. Abb. 2.68a–d Moya-Moya-Syndrom, sekundär bei Z.n. Ganzhirnbestrahlung mit Verschluss der distalen
rechten ACI. Ein »Rete mirabile« hat sich als Kollateralnetzwerk ausgebildet (Pfeilspitzen). Der MCA-Hauptstamm
rechts ist nicht abgrenzbar. Normale Pfeile: ACAs; gebogene Pfeile: A. ophthalmica

4 DSA:
5 Sensitivste Methode zur Darstellung der Gefäßverände- Differenzialdiagnose des »Ivy-Signs«:
rungen (distale ACI-Stenosen und Rete mirabile) (. Abb. 4 Leptomeningeale Metastasierung
4 Subarachnoidalblutung
2.68)
4 Meningitis
5 Kollateralnetzwerk sieht aus wie »Nebelwolke« (Moya- 4 Z.n. Beatmung mit 100% Sauerstoff
moya) 4 Moya-Moya-Erkrankung
5 Evtl. Nachweis von Mikro- und Makroaneurysmen
5 Spät im Verlauf Nachweis von transduralen und transos-
sären Kollateralen Literatur
5 Signifikant häufiger Nachweis von Primitivgefäßen Cerrato P, Grasso M, Lentini A, Destefanis E, Bosco G, Caprioli M, Bradac GB,
Bergui M. Atherosclerotic adult Moya-Moya disease in a patient with
4 NUK:
hyperhomocysteinaemia. Neurol Sci. 2007 Mar;28(1):45-7.
5 PET: Verminderung der hämodynamischen Reservekapa- Fujiwara H, Momoshima S, Kuribayashi S. Leptomeningeal high signal inten-
zität sity (ivy sign) on fluid-attenuated inversion-recovery (FLAIR) MR images
5 SPECT: Ausmaß der zerebralen Hypoperfusion wesentlich in moyamoya disease. Eur J Radiol. 2005;55:224-30.
für die Therapieplanung (evtl. Indikationsstellung für Fukui M, Kono S, Sueishi K, Ikezaki K. Moyamoya disease. Neuropathology.
2000;20(Suppl):S61-4.
neurochirugischen Eingriff)
Mehdorn HM. Cerebral revascularization by EC-IC bypass – present status.
Acta Neurochir. 2008;103:73-7.
Differenzialdiagnosen. Im Prinzip jede Erkrankung, die zu Rovira M, Torrent O, Ruscalleda J. Etiology of moya moya disease acquired or
einer langsam progredienten Stenosierung der intrakraniellen congenital. Acta Radiol. 1976;347:229-40.
Gefäße führt, wie Arteriosklerose, Vaskulitiden. Außerdem Z.n. Scott RM, Smith ER. Moyamoya disease and moyamoya syndrome. N Engl
J Med. 2009;360:1226-37.
Radiatio im Halsbereich; Gefäßmalformationen
Søgaard I, Jørgensen J. Familial occurrence of bilateral intracranial occlusion
of the internal carotid arteries (Moya Moya). Acta Neurochir (Wien). 1975;
31(3-4):245-52.
Yoon HK, Shin HJ, Chang YW. »Ivy sign« in childhood moyamoya disease:
depiction on FLAIR and contrast-enhanced T1-weighted MR images.
Radiology. 2002;223:384-9.
118 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

2.2.4 Reversibles zerebrales 4 Liquor nahezu normal (Proteingehalt <80 mg%, Leukozyten
Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) <10 mm3, normale Glucose)
4 Akute, schwerste Kopfschmerzen +/- neurologische Ausfälle
2 Definition. Beim reversiblen zerebralen Vasokonstriktions- 4 Reversibilität der angiographischen Veränderungen inner-
syndrom (RCVS) handelt es sich um eine Erkrankung, die durch halb von 12 Wochen nach Symptombeginn
langanhaltende, aber reversible Vasokonstriktionen der hirnver-
sorgenden Gefäße gekennzeichnet ist und sich typischerweise mit Verlauf und Prognose.
akuten, schweren, rezidivierenden Kopfschmerzen mit oder ohne Komplikation: Ischämien mit fokal-neurologischen Ausfällen
zusätzlichen neurologischen Ausfällen manifestiert. mit der Gefahr permanenter Defizite.
Begriffe, die darunter subsummiert werden bzw. Syndrome Bildgebung. (. Abb. 2.69)
bei denen ein RCVS beschrieben ist oder früher gebräuchliche
Begriffe sind: > Das RCVS ist bei SAB eine Ausschlussdiagnose. Immer
4 Call-Syndrom (oder Call-Fleming-Syndrom) aneurysmatische Ursache der SAB ausschließen!
4 Benigne Angiopathie des ZNS Lokalisation: Intrakranielle Gefäße
4 Postpartale Angiopathie Morphologie: Segmentale, multifokale Vasokonstriktionen
4 Thunderclap-Kopfschmerz mit reversiblen Vasospasmen CT nativ: SAB? ICB? Ischämie?
4 Migränöser Vasospasmus MDCTA: Evtl. segmentale, multifokale Vasokonstriktionen er-
4 Migränöse Angiitis kennbar
4 Medikamenteninduzierte zerebrale Arteriitis oder Angio- MRT: Kann unauffällig sein
pathie 4 T2w: Ischämien (vor allem im Bereich der Grenzzonen)?,
ICB?
Heute sollte einheitlich der Begriff »RCVS« verwendet werden.
4 FLAIRw/PDw: Umschriebene SAB im Bereich der kortikalen
Epidemiologie und Demographie. Furchen?
Altersverteilung: Maximum zw. 12. und 50. Lebensjahr 4 DWI: Frische Ischämie?
Geschlechtsverteilung: M < F 4 Intrakranielle TOF-MRA: Darstellung der segmentalen, mul-
tifokalen Vasokonstriktionen
Ätiologie. Die Pathophysiologie ist im Einzelnen unklar, eine 4 Serielle MRA oder CTA: Zum Nachweis der Reversibilität
Rolle spielt eine Störung der Regulation des Gefäßtonus der in- 4 DSA: Darstellung der segmentalen, multifokalen Vasokons-
trakraniellen Gefäße. Diese kann spontan auftreten oder durch triktionen; ggf. intraarterielle Nimotopgabe → Reversibilität
eine Reihe endo- und exogener Faktoren hervorgerufen werden, der Stenosen
z.B. durch:
4 Sympathomimetische und serotonerge Medikamente Transkranieller Doppler: Zum Monitoring des Ausmaßes der
4 Tumoren Vasokonstriktionen und zum Follow-up
4 Endokrine Faktoren
Differenzialdiagnosen.
4 Direktes oder indirektes Trauma
Angiographisches Bild: Vaskulitiden, Vasospasmen nach SAB,
4 Unkontrollierter Hypertonus
Dissektion
4 Spätschwangerschaft
Klinisches Bild: SAB, Migräneattacke
4 Präeklampsie und Eklampsie
4 Frühe Wechseljahre Literatur
4 Assoziation mit Kopfschmerzerkrankungen Calabrese LH, Dodick DW, Schwedt TJ, Singhal AB. Narrative review: reversible
cerebral vasoconstriction syndromes. Ann Intern Med. 2007;146:34-44.
Klinik. Rezidivierende Attacken eines »Thunderclap«-Kopf- Ducros A, Boukobza M, Porcher R, Sarov M, Valade D, Bousser MG. The clinical
schmerzes (= hyperakut auftretender, schwerer Kopfschmerz, and radiological spectrum of reversible cerebral vasoconstriction syn-
der seine maximale Intensität innerhalb von wenigen Sekunden drome. A prospective series of 67 patients. Brain. 2007;130:3091-101.
Elstner M, Linn J, Müller-Schunk S, Straube A. Reversible cerebral vasocon-
nach Beginn erreicht, »clap of thunder«). Dieser ist: striction syndrome: a foudroyant clinical course treated with intra-arte-
4 Okzipital oder diffus lokalisiert rial application of nimodipine. Cephalalgia. 2009;29:677-82.
4 Assoziiert mit Vasokonstriktion der zerebralen Gefäße Koopman K, Teune LK, Ter Laan M, Uyttenboogaart M, Vroomen PC, De Keyser
Weitere Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Photophobie, generali- J, Luijckx GJ. An often unrecognized cause of thunderclap headache:
reversible cerebral vasoconstriction syndrome. J Headache Pain. 2008;
sierte Krampfanfälle 9:389-91.
Koopman K, Uyttenboogaart M, Luijckx GJ, De Keyser J, Vroomen PC. Pitfalls in
Komplikationen: Ischämien mit fokal-neurologischen Ausfällen, the diagnosis of reversible cerebral vasoconstriction syndrome and pri-
Subarachnoidalblutung (SAB). mary angiitis of the central nervous system. Eur J Neurol. 2007;14:1085-7.
Linn J, Fesl G, Ottomeyer C, Straube A, Dichgans M, Bruckmann H, Pfefferkorn
Diagnosekriterien. T. Intra-arterial application of nimodipine in reversible vasoconstriction
4 Angiographischer Nachweis (DSA; MDCTA; MRA) multi- syndrome: A diagnostic tool in selected cases? Cephalalgia 2011 Jan 10
[Epub ahead of print].
fokaler, segmentaler Engstellungen der intrakraniellen Arte- Santos E, Zhang Y, Wilkins A, Renowden S, Scolding N. Reversible cerebral
rien vasoconstriction syndrome presenting with haemorrhage. J Neurol Sci.
4 Kein Anhalt für aneurysmatische SAB 2009;276:189-92.
2.2 · Makroangiopathien
119 2

a b c

d e f

. Abb. 2.69a–f Postpartales reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom mit frischen Ischämien. Die DSA (c, d) zeigt segmentale Engstellungen
der intrakraniellen Arterien. Nach intraarterieller Nimotopgabe (e, f) haben sich die Gefäßkaliber normalisiert. a, b: DWI, B1000; c-e: DSA der rechten ACI
vor (c, d) und nach (e, f) Therapie

2.2.5 Fibromuskuläre Dysplasie Ätiologie. Die FMD betrifft meist die Tunica media, seltener die
Intima oder Adventitia mit Umwandlung der glatten Muskel-
Definition. Bei der fibromuskulären Dysplasie (FMD) handelt es zellen in fibroblastenartige Zellen.
sich um eine nicht arteriosklerotische, nicht entzündliche Dys- Komplikation: Gefäßwanddissektion
plasie der Gefäßwände mittelgroßer Gefäße, die meist die Tunica
media betrifft. Klinik. Neurologische Symptomatik meist aufgrund einer Dis-
sektion: Kopfschmerzen, Migräne, Ischämie, Horner-Syndrom,
Epidemiologie und Demographie. Mehrzahl der Fälle tritt spo- Hörminderung
radisch auf; familiäre Fälle aber möglich.
Altersverteilung: Altersgipfel 3.–5. Lebensdekade Verlauf und Prognose. Dissektion als Komplikation.
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:3–4
Betroffene Gefäße: Bildgebung. (. Abb. 2.70)
4 Nierenarterien (70%) Lokalisation: ACI, distale VA (v.a. Höhe HWK1/2), Hirnbasis-
4 Hirnversorgende Gefäße (25%) arterien selten
4 Viszerale Gefäße (10%) Morphologie: Klassisch: »perlschnurartiger« Aspekt des betrof-
4 Extremitäten (5%) fenen Gefäßes
CT nativ: Ischämie?
Bei ca. 25% der Fälle ist mehr als 1 Territorium betroffen. MDCTA:
Die fibromuskulären Dysplasie ist assoziiert mit: 4 T2w/FLAIR: Ischämien?
4 Arteriellem Hypertonus 4 DWI: Frische Ischämie?
4 Migräne 4 zervikale T1w FS + KM tra und cor: Ggf. Nachweis eines
4 Aneurysmen der intrakraniellen Gefäße Wandhämatoms bei stattgehabter Dissektion (7 Kap. 2.2.8)
4 2-D-Phasenkontrast-MRT: Zerebraler Blutfluss hochnormal
120 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

. Abb. 2.70a, b Fibromuskuläre Dysplasie der rechten ACI mit angedeutetem »perlschnurartigem«
Aspekt des Gefäßes (Pfeile). Die DSA wurde wegen eines ACI-Aneurysmas (Pfeilspitzen) durchgeführt.
a, b: DSA der rechten ACI

MRA der Halsgefäße und der intrakraniellen Gefäße: Kaliber- 2.3 Mikroangiopathien
schwankungen, kurzstreckige Stenosen, »perlschnurartiger« As-
pekt 2.3.1 Chronische hypertensive Enzephalopathie
DSA: Ggf. bei nicht eindeutigem Befund in der nicht-invasiven
Bildgebung Synonyme. Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie
Ultraschall: (SAE), veralteter Begriff: Morbus Binswanger
4 Wandunregelmäßigkeiten und kurzstreckige Stenosen ohne
Zeichen der Arteriosklerose Ein langjähriger chronischer, arterieller Hypertonus führt zu ei-
4 Nierenarterienduplex zum Ausschluss einer Nierenarterien- ner Mikroangiopathie der zerebralen Gefäße, die sich morpho-
stenose obligat logisch mit folgenden Manifestationen präsentieren kann:
4 Leukenzephalopathie (»Leukoaraiose«)
Differenzialdiagnosen. Vaskulitiden der großen und mittelgro- 4 Mikroblutungen
ßen Gefäße (Takayasu-Arteriitis); sekundäre Vaskulitiden, 4 Lakunäre Infarkte
Moya-Moya-Erkrankung 4 Intrazerebrale Makroblutungen (hypertensive intrazerebrale
Blutung); dieses akute Krankheitsbild auf dem Boden einer
Literatur chronischen Schädigung der kleinen Gefäße durch einen
Dinter D, Buesing K, Diehl S, Neff KW. Blood volume flow quantification of the langjährigen Hypertonus wird im Kapitel »Intrazerebrale
brain-supplying circulation in fibromuscular dysplasia using 2D cine
Blutungen« besprochen (7 Kap. 2.5.8).
phase-contrast MRI. Br J Radiol. 2008;82:459-67.
Herregods N, Beckers R, Van Rattinghe R, Verstraete K. Fibromuscular dyspla-
sia of the carotid artery. JBR-BTR. 2008;91:195-7. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den beiden zuerst genannten
Ozdil M, Barýþ S, Ozyýlmaz I, Doðru O, Celkan T, Albayram S. A rare cause of Manifestationen des chronischen Hypertonus: der Leukenzepha-
ischemic stroke: fibromuscular dysplasia. Neurol Sci. 2009 30:77-9. lopathie und den Mikroblutungen, der sog. »chronischen hyper-
tensiven Enzephalopathie«. Zusätzlich wird auch im Kapitel
»Intrazerebrale Blutungen« auf hypertensive Mikroblutungen
2.2.6 Vaskulitiden der großen Gefäße eingegangen.
Außer zu mikroangiopathischen Schädigungen führt der
Siehe 7 Kap. 2.4 langjährige Hypertonus auch zu einer Elongation und Dilata-
tion der großen extra- und intrakraniellen Gefäße.
2.3 · Mikroangiopathien
121 2
Epidemiologie und Demographie. Inzidenz im Alter zuneh- Bildgebung. (. Abb. 2.71 bis . Abb. 2.75)
mend. Lokalisation:
Altersverteilung: Mittleres und höheres Lebensalter, in Abhän- 4 Hypertensive Leukenzephalopathie: Periventrikulär betont
gigkeit von Dauer einer bestehenden Hypertonie und im tiefen Marklager (»Centrum semiovale«, »Grenzzo-
Geschlechtsverteilung: M = F ne« zw. oberflächlichen und tiefen penetrierenden Marklager-
arterien), subkortikale U-fasern sind typischerweise ausges-
Ätiologie. part.
4 Arterieller Hypertonus (HT) + unbekannter konstitutioneller 4 Lakunäre Infarkte: Stammganglien, Thalamus, Pons
Faktor. 4 Mikroblutungen: Vor allem Stammganglien, Thalamus,
4 Chronischer arterieller Hypertonus → mikroangiopathische Hirnstamm, Kleinhirn (. Abb. 2.74)
Veränderungen (»Arteriolosklerose«) der langen, perfo-
rierenden Marklagerarterien (= Perforatoren aus M1-Seg- Morphologie:
menten der MCA, A1-Segmenten der ACA, RcoA, P1- und 4 Leukenzephalopathie: Je nach Ausprägung (multiple) dis-
P2-Segmenten der PCA, RcoP, BA) → Schädigung der Tunica tinkte, rundliche Läsionen, konfluierende, flächige Läsionen
media → histologisch: schwere arteriosklerotische Verände- oder diffuse, flächige Leukenzephalopathie (»Leukoaraiose«)
rungen der kleinen Arteriolen mit Verdickung der Gefäß- 4 Lakunäre Infarkte: Kleine, max. 1,5 cm durchmessende
wände, fibrinoider Nekrose (Lipohyalinose) und Pseudo- ischämische Infarkte (7 Kap. 2.1.7).
aneurysmen → Störung der Blut-Hirn-Schranke, v.a. bei hy- 4 Mikroblutungen: Petechiale »schwarze Punkte« in T2*w
pertensiver Entgleisung → perivaskuläres Ödem → histolo-
gisch: Demyelinisierung. CT nativ:
Ausmaß der Schädigung ist im Bereich der »Grenzzone« 4 Hypodense Darstellung der leukenzephalopathischen Läsio-
zwischen oberflächlichen und tiefen Marklagerarterien nen und der lakunären Infarkte (. Abb. 2.72)
am größten, dies spricht für zusätzliche hämodynamische 4 Mikroblutungen in der CT meist nicht zu sehen; frische,
Komponente. größere Mikroblutungen selten als hyperdense Pünktchen
4 In ausgeprägten Fällen werden regelhaft petechiale Mikroblu- erkennbar
tungen beobachtet.
MRT:
Klinik. Demenzielle Entwicklung vom Typ der subkortikalen De- 4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintense Darstellung der leukenze-
menz. Vaskuläre Demenz (7 Kap. 7.3) mit Verlangsamung und phalopathischen Läsionen (als einzelne oder konfluierende
Aufmerksamkeitsstörung. Affektlabilität, Gangstörung, Harn- Herde oder als diffuse Leukenzephalopathie) und der laku-
inkontinenz, TIAs, fokal-neurologische Defizite, z.T. auch nären Infarkte
Krampfanfälle. 4 T1+KM: Schrankenstörung bei subakuten ischämischen Lä-
sionen
Verlauf und Prognose. Meist stufenweise Verschlechterung, 4 T2*w:
jedoch auch Phasen scheinbarer Regredienz; z.T. wechselnde 5 Sensitiver Nachweis (multifokaler) Mikroblutungen
Symptomatik. Bei strenger RR-Einstellung und früher Diagnose- 5 V.a. in Stammganglien und Mittelhirn (. Abb. 2.74)
stellung kann Progredienz evtl. beeinflusst werden. 4 SWI: Mutmaßlich der T2*w beim Nachweis von (multifoka-
len) Mikroblutungen noch überlegen
Sonstiges. Es existieren verschiedene Ansätze, das Ausmaß von 4 DWI:
Marklager- und Stammganglienläsionen anhand visueller Skalen 5 Bei frischen Marklagerläsionen: akut Diffusionsrestrik-
zu bewerten, z.B.: tion in frischer Läsion mit ADC-Minderung
4 Marklagerläsionen: 5 Ältere Läsionen: ADC-Wert-Erhöhung
5 0: keine Läsionen 4 T1w: Hypodense Darstellung der leukenzephalopathischen
5 1: fokale Läsionen (. Abb. 2.71) Läsionen und der lakunären Infarkte
5 2: beginnend konfluierende Läsionen
5 3: diffuse Leukenzephalopathie mit oder ohne Beteiligung MRA/CTA/DSA:
der U-fasern 4 Typischerweise unauffälliger angiographischer Befund
4 Stammganglienläsionen: 4 Evtl. Elongation und Dilatation der großen extra- und intra-
5 0: keine Läsionen kraniellen Gefäße
5 1: 1 fokale Läsion 4 Evtl. zusätzlich arteriosklerotische Veränderungen der großen
5 2: mehr als 1 fokale Läsion extra- und intrakraniellen Gefäße
5 3: konfluierende Läsionen Anmerkung: Es besteht allerdings allenfalls eine lose Korre-
lation mit arteriosklerotischen Stenosen der Halsgefäße!

MTR: In Marklagerläsionen MTR niedriger als in gesunder wei-


ßer Substanz, aber höher als in infarziertem Gewebe.
122 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

. Abb. 2.71 Einzelne mikroangiopathische . Abb. 2.72 Chronische hypertensive Enze- . Abb. 2.73 Konfluierende mikroangiopathische
Marklagerläsionen als Ausdruck einer chroni- phalopathie mit periventrikulären, flächigen, Läsionen im Pons als Ausdruck einer chronischen
schen hypertensiven Enzephalopathie (FLAIRw) hypodensen leukenzephalopathischen Läsionen hypertensiven Enzephalopathie (FLAIRw)
(CT nativ)

a b

. Abb. 2.74 Mikroblutungen v.a. in den Stamm- . Abb. 2.75a, b Ausgeprägte Elongation und Dilatation der intrakraniellen Gefäße, insbesondere
ganglien und Thalami als Ausdruck einer chro- der A. basilaris (Sterne) bei chronischer hypertensiver Enzephalopathie. a: TOF-MRA, Basisbild; b: T2w
nischen hypertensiven Enzephalopathie (T2*w)
2.3 · Mikroangiopathien
123 2
Differenzialdiagnosen. »Normal aging brain« (7 Kap. 7.1); zere- Spontanmutationen sind möglich. Es handelt sich um eine Angio-
brale Amyloidangiopathie; CADASIL; multiple Sklerose, Vasku- pathie, die vor allem die langen penetrierenden Marklagerarterien
litiden, Morbus Alzheimer; Mixed dementia: gemischte vasku- betrifft; dabei bestehen weder arteriosklerotische, noch kongophi-
läre Demenz und Alzheimer Pathologie (7 Kap. 7.4); andere le Veränderungen. Ultrastrukturell sind sog. osmophile Granula
primär neurodegenerative Demenzursachen; NPH; multiple ubiquitär in den Gefäßwänden nachweisbar (auch in den Gefäßen
»schwarze Dots« in T2*w (7 Kap. 2.6.5) im Muskel, Haut, Aorta, Niere).
> Nachweis einzelner Marklagerläsionen bei 96% der
Klinik. Rezidivierende subkortikale ischämische Ereignisse
Normalbevölkerung >65 Jahre. Konfluierende Mark-
(TIAs, Schlaganfälle) beginnen meist im mittleren Erwachsenen-
lagerläsionen sind bei 2–6% der klinisch gesunden,
alter. Kognitiver Abbau. Migräne, meist mit Aura (20–40%) kann
älteren Bevölkerung nachweisbar.
ein Frühsymptom sein, das Schlaganfällen und kognitiven Ein-
bußen vorangeht. Psychiatrische Erkrankungen (z.B. Depressi-
Literatur on) treten bei 20–30% der Fälle auf, epileptische Anfälle bei 6–
Black S, Gao F, Bilbao J.Understanding White Matter Disease. Imaging-Patho- 10%.
logical Correlations in Vascular Cognitive Impairment. Stroke. 2008;
Selten Präsentation als reversible und/oder rezidivierende
40(3 Suppl):S48-52
Esiri MM. Which vascular lesions are of importance in vascular dementia?
akute Enzephalopathie mit Fieber, akuter Verwirrtheit, Koma
Ann N Y Acad Sci. 2000;903:239-43. und Anfällen. Diese Episoden dauern typischerweise 1–2 Wo-
Hachinski VC, Potter P, Merskey H. Leuko-araiosis. Arch Neurol. 1987; 44:21–23. chen und sind vollständig reversibel.
Kapeller P, Barber R, Vermeulen RJ, Adèr H, Scheltens P, Freidl W, Almkvist O,
Moretti M, del Ser T, Vaghfeldt P, Enzinger C, Barkhof F, Inzitari D, Erkinjunti
Verlauf und Prognose. Symptome beginnen meist im 3. bis
T, Schmidt R, Fazekas F; European Task Force of Age Related White Matter
Changes.Visual rating of age-related white matter changes on magnetic
4. Lebensjahrzehnt, oft zunächst mit Migräne. In der 4. bis 5. De-
resonance imaging: scale comparison, interrater agreement, and correla- kade beginnen meist die ischämischen Ereignisse, gefolgt von
tions with quantitative measurements. Stroke. 2003; 34:441-5. demenzieller Entwicklung im 6. bis 7. Lebensjahrzehnt. Tod
Longstreth WTJ, Manolio TA, Arnold AM, Burke GL, Bryan N, Jungreis CA, meist in der 70. Dekade.
Enright PL, O’Leary DH, Fried L. Clinical Correlates of White Matter Find-
ings on Cranial Magnetic Resonance Imaging of 3301 Elderly People: The
Cardiovascular Health Study. Stroke. 1996;27:1274-82.
Sonstiges.
Vermeer SE, den Heijer T, Koudstaal PJ, Oudkerk M, Hofman A, Breteler MM. Diagnostische Kriterien:
Incidence and risk factors of silent brain infarcts in the population-based 4 »Wahrscheinliches« CADASIL:
Rotterdam Scan Study. Stroke. 2003;34:392-96. 5 Alter zu Beginn <50 Jahre
Vermeer SE, Prins ND, den Heijer T, Hofman A, Koudstaal PJ, Breteler MM.
5 Mindestens 2 der folgenden Symptome: Schlaganfälle mit
Silent brain infarcts and the risk of dementia and cognitive decline.
N Engl J Med. 2003;348:1215–22.
permanenten Defiziten, Migräne, schwere affektive Stö-
rung, subkortikale Demenz
5 Keine anderen ursächlichen vaskulären Risikofaktoren
5 Positive Familienanamnese
2.3.2 CADASIL-Syndrom 5 Entsprechender MRT-Befund
4 »Sicheres« CADASIL:
Definition. CADASIL (Cerebral Autosomal Dominant Arterio- 5 Zusätzlich Mutationsnachweis +/- positive Hautbiopsie
pathy With Subcortical Infarkts and Leucencephalopathy) ist
eine autosomal dominant vererbte mikroangiopathische Erkran- Bildgebung. (. Abb. 2.76)
kung, die bereits im jungen Erwachsenenalter zu Schlaganfällen Lokalisation: Subkortikal (nicht Cortex)
führt. 4 Marklager, v.a. frontal, temporal und insulär
4 Typisch: Mitbeteiligung des temporopolaren Marklagers,
Epidemiologie und Demographie. Prävalenz der Genträger ca. Aussparung von frontoorbitalem und okzipitalem subkorti-
1/160.000 kalem Marklager
Altersverteilung: Angeborene Erkrankung, die sich in der Regel 4 Periventrikuläres ML, Centrum semiovale, Capsula interna
ab dem 30. Lebensjahr klinisch manifestiert. Komplette Pe- und externa
netranz der klinischen Symptome bei Männern bis zum ca. 4 Hirnstamm, Stammganglien
60. Lebensjahr, bei Frauen etwas später. 4 Läsionen im temporopolaren Marklager und in der Capsula
Geschlechtsverteilung: M = F externa: relativ hohe Sensitivität und Spezifität für CADASIL
Assoziierte Veränderungen: Erhöhtes frühes Herzinfarktrisiko 4 Marklagerläsionen gehen klinischer Manifestation voraus
(Gefäßveränderungen betreffen auch die Koronarien; CADASIL
ist eigentlich eine systemische Vaskulopathie, wobei sich die Morphologie: Leukenzephalopathie (progredient, einzelne
Symptomatik meist auf das ZNS beschränkt). Herde bis konfluierende flächige LE) und lakunäre Infarkte
CT:
Ätiologie. Autosomal dominanter Erbgang; Punktmutation im 4 CT nativ: Hypodense Darstellung der Marklagerläsionen und
Notch3-Gen auf Chromosom 19q13.1. Es besteht eine genetische der lakunären Infarkte
Heterogenität mit multiplen Mutationsstellen im Notch3-Gen; 4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
124 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

MRT: Stromillo ML, Dotti MT, Battaglini M, Mortilla M, Bianchi S, Plewnia K, Pantoni
4 T1w: L, Inzitari D, Federico A, De Stefano N. Structural and metabolic brain
abnormalities in preclinical cerebral autosomal dominant arteriopathy
5 Flächig-konfluierende Marklagerläsionen: isointens
with subcortical infarcts and leucoencephalopathy. J Neurol Neurosurg
2 5 Umschriebene, scharf begrenzte, hypointense Läsionen Psychiatry. 2009;80:41-7.
(v.a. in SG, Thalami, Pons, Centrum semiovale) Viswanathan A, Gschwendtner A, Guichard JP, Buffon F, Cumurciuc R,
5 T1-Läsionsvolumen korreliert mit Grad der Behinderung O’Sullivan M, Holtmannspötter M, Pachai C, Bousser MG, Dichgans M,
und der neuropsychologischen Defizite Chabriat H. Lacunar lesions are independently associated with disability
and cognitive impairment in CADASIL. Neurology. 2007;69:172-9.
4 T2w/PDw/FLAIR: Flächig-konfluierende Marklagerläsionen
und umschriebene, scharf begrenzte Läsionen: hyperintens
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
4 DWI: Frische Läsionen zeigen Diffusionsstörung 2.3.3 Zerebrale Amyloidangiopathie
4 DTI:
5 Erhöhung der »Mean diffusivity« und Verlust der Aniso- Siehe 7 Kap. 2.5.9
tropie auch schon in normal erscheinender weißer Sub-
stanz
5 DTI zum Monitoring (Progression, Therapiemonitoring) 2.3.4 Vaskulitiden der kleinen Gefäße
geeignet
4 MRS: Siehe 7 Kap. 2.4
5 NAA, Cho, Cr und »total metabolite content« signifikant
erniedrigt
5 NAA/Cr-Ratio schon vor klinischer Manifestation er- 2.4 Vaskulitiden
niedrigt
4 MRA/DSA/CTA: Unauffällig Definition. Bei den Vaskulitiden handelt es sich um eine hetero-
4 NUK: FDG-PET: Glucosemetabolismus kortikal und subkor- gene Gruppe von Erkrankungen, die sich mit entzündlichen Ver-
tikal deutlich herabgesetzt. änderungen der Gefäßwände manifestiert.
Man unterscheidet die primäre ZNS-Vaskulitis (PACNS:
Differenzialdiagnosen. Hypertensive Mikroangiopathie (SAE), primary angitis of the central nervous system) als eigenständiges
MELAS-Erkrankung (MELAS = mitochondriale Enzephalomy- Krankheitsbild unbekannter Ätiologie von den systemischen
opathie, Laktat-Azidose und schlaganfallähnliche Symptome), Vaskulitiden mit ZNS-Beteiligung (. Tab. 2.3).
PACNS (primäre Angiitis des ZNS), systemische und sekundäre In Einzelfällen kann eine systemische Vaskulitis auch iso-
Vaskulitiden (systemischer Lupus erythematodes, Morbus liert nur das ZNS befallen (»single-organ vasculitis with a known
Behςet), Multiple Sklerose etiology«).
Von der primären ZNS-Vaskulitis und den systemischen Vas-
Literatur kulitiden mit ZNS-Beteiligung müssen die sekundären Vaskuli-
Auer DP, Schirmer T, Heidenreich JO, Herzog J, Pütz B, Dichgans M. Altered tiden abgegrenzt werden, die im Rahmen einer Vielzahl ver-
white and gray matter metabolism in CADASIL: a proton MR spectros-
schiedener systemischer Grunderkrankungen auftreten können.
copy and 1H-MRSI study. Neurology. 2001 Mar 13;56(5):635-42.
Chabriat H, Pappata S, Poupon C, Clark CA, Vahedi K, Poupon F, Mangin JF,
Darüber hinaus können auch verschiedene externe Auslöser ent-
Pachot-Clouard M, Jobert A, Le Bihan D, Bousser MG. Clinical severity in zündliche Veränderungen der Gefäßwände verursachen, z.B.
CADASIL related to ultrastructural damage in white matter: in vivo study Medikamente oder Drogen, oder eine vorangegangene Bestrah-
with diffusion tensor MRI. Stroke. 1999 Dec;30(12):2637-43. lung.
Holtmannspötter M, Peters N, Opherk C, Martin D, Herzog J, Brückmann H,
Sämann P, Gschwendtner A, Dichgans M. Diffusion magnetic resonance
histograms as a surrogate marker and predictor of disease progression
Epidemiologie und Demographie. In der Altersgruppe <50 Jah-
in CADASIL: a two-year follow-up study. Stroke. 2005;36:2559-65. re sind Vaskulitiden für ca. 3–5% der zerebralen Ischämien ver-
Kusaba T, Hatta T, Kimura T, Sonomura K, Tanda S, Kishimoto N, Kameyama H, antwortlich.
Okigaki M, Mori Y, Ishigami N, Mizuno T, Nakagawa M, Matsubara H.Renal
involvement in cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcorti-
Ätiologie. Histologisch findet sich eine Entzündung der Gefäß-
cal infarcts and leukoencephalopathy (CADASIL). Clin Nephrol. 2007;
67:182-7.
wand +/- fibrinoide Nekrose, Leukozyteninfiltration, Gefäßste-
Liem MK, Lesnik Oberstein SA, Haan J, van der Neut IL, van den Boom R, nosen, Mikroaneurysmen, Thrombosen.
Ferrari MD, van Buchem MA, van der Grond J. Cerebral autosomal domi-
nant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy: Differenzialdiagnosen. Gefäßbefund: Arteriosklerose. Intra-
progression of MR abnormalities in prospective 7-year follow-up study.
zerebraler Befund: (hypertensive) Mikroangiopathie, (thromb-)
Radiology. 2008;249:964-71.
Peters N, Holtmannspötter M, Opherk C, Gschwendtner A, Herzog J, Sämann P,
embolische Infarkte, MS, ADEM
Dichgans M. Brain volume changes in CADASIL: a serial MRI study in pure
subcortical ischemic vascular disease. Neurology. 2006;66:1517-22.
Singhal S, Rich P, Markus HS.The spatial distribution of MR imaging abnor-
malities in cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical
infarcts and leukoencephalopathy and their relationship to age and
clinical features. AJNR Am J Neuroradiol. 2005;26:2481-7.
2.4 · Vaskulitiden
125 2

a b c

d e

. Abb. 2.76a–f CADASIL-Syndrom; Leukenzephalopathie (a–c) mit typischer Mitbeteiligung des temporopolaren Marklagers (c) und frischem lakunärem
Infarkt rechts periventrikulär (d, e). Die TOF-MRA (f) zeigt typischerweise einen Normalbefund, da es sich um eine mikroangiopathische Erkrankung handelt.
a-c: FLAIRw; d: DWI, B1000; e: ADC-Wert; f: TOF-MRA, MIP-Rekonstruktion
126 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

. Tab. 2.3 Klassifikation der primären Vaskulitiden (nach der Chapel Hill Consensus Conference1992)

I Vaskulitis der kleinen ANCA-assoziierte Vaskulitiden der kleinen Gefäße Wegener-Granulomatose


2 Gefäße Churg-Strauss-Vaskulitis
Mikroskopische Panarteriitis

Nicht-ANCA-assoziierte Vaskulitiden der kleinen Purpura Schönlein Henoch


Gefäße Vaskulitis bei essenzieller Kryoglobulinämie
Kutane leukozytoklastische Vaskulitis

II Vaskulitiden der Klassische Panarteriitis


mittelgroßen Gefäße Polyarteritis nodosa
Kawasaki-Erkrankung

III Vaskulitiden der großen Primäre Vaskulitis des ZNS (PACNS)


Gefäße Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis)
Takayasu-Arteritis

2.4.1 Primäre ZNS-Vaskulitis (PACNS) Liquor: Gesamtprotein erhöht, lymphozytäre Pleozytose, selten
positive oligoklonale Banden
Synonyme. Isolierte ZNS Angiitis, idiopathische granulomatöse Anmerkung: Die PACNS stellt aufgrund ihrer unspezifischen
Angiitis des ZNS, primäre Angiitis des ZNS (PACNS) Symptomatik und der unspezifischen MRT- und DSA-Befunde
eine differenzialdiagnostische Herausforderung sowohl für den
Definition. Bei der primären ZNS-Vaskulitis handelt es sich um Neurologen als auch für den Radiologen dar.
eine Vaskulitis unklarer Ätiologie, die isoliert die intrakraniellen Diagnostischer Goldstandard: Offene oder stereotaktische
Gefäße des ZNS betrifft. Biopsie
Histologie: Granulomatöse Vaskulitis der parenchymalen und
Epidemiologie und Demographie. Seltene Erkrankung, die ge- leptomeningealen Hirnarterien; selten auch nichtgranulomatöse,
naue Inzidenz ist unbekannt. lymphozytäre Vaskulitis
Altersverteilung: Unspezifisch, sowohl Kinder als auch Erwach-
sene sind betroffen, das mittlere Alter liegt bei ca. 40 Jahren. Bildgebung. (. Abb. 2.77, . Abb. 2.78)
Geschlechtsverteilung: Männer etwas mehr als Frauen Lokalisation:
4 Uni- oder bilateral, multifokal
Ätiologie. Unklar, ein Zusammenhang mit z.B. Varizella-Zoster 4 Meist supratentoriell; infratentoriell nur, wenn auch supra-
Virus oder allogener Knochenmarktransplantation wird in man- tentorielle Läsionen
chen Fällen vermutet. 4 Graue und weiße Substanz
4 Verteilung der Läsionen in der MRT korreliert mäßig mit
Klinik. Unspezifisch, Kopfschmerz oft initiales Symptom, selte- dem angiographischem Befund
ner akuter, »schlaganfallsartiger« Beginn; allgemeines Krankheits- 4 Selten auch spinaler Mitbefall möglich
gefühl; (multiple) fokal neurologische Defizite je nach Lokalisa-
tion der Läsionen; Krampfanfälle; Verwirrtheit, demenzielle Morphologie:
Entwicklung, psychiatrische Symptomatik. 4 Kaliberschwankungen der intrakraniellen Gefäße
4 Ischämische Marklagerläsionen und/oder kortikale Läsio-
Verlauf und Prognose. Deutlich variabel: benigne, intermediär nen, diffuse Marklagerläsionen
bzw. chronisch progrediente Verläufe möglich; selten rasch pro- 4 Petechiale Blutungen
gredient, innerhalb von Wochen letale Verläufe. 4 ICBs, SABs
Rezidivrate nach 12 Monaten Immunsuppression <10%.
CT nativ:
Sonstiges. 4 Wenig sensitiv, oft unauffällig
Diagnosekriterien der PACNS (nach Calabrese et al.): 4 Ggf. hypodense Darstellung (multifokaler) ischämischer Lä-
4 Erworbenes neurologisches Defizit, dessen Ätiologie durch sionen
Basisuntersuchungen nicht geklärt werden kann. 4 Selten Nachweis von Einblutungen (als umschriebene hyper-
4 Typische angiographische oder histopathologische Befunde dense Areale)
für eine PACNS.
4 Kein Hinweis für eine systemische Vaskulitis oder eine ande- CT + KM: Subakute ischämische Läsionen können eine inhomo-
re Ätiologie der angiographischen oder histopathologischen gene KM-Aufnahme zeigen
Veränderungen vorhanden.
2.4 · Vaskulitiden
127 2
MRT:
4 Sensitivität der MRT ca. 80-100% für intrazerebrale Läsionen
(. Abb. 2.77), MR-negative PACNS-Fälle beschrieben, nicht
spezifisch!
4 Unauffällige MRT zusammen mit normalem Liquorbefund:
hoher negativ prädiktiver Wert für das Vorliegen einer
PACNS
4 Klinische Besserung korreliert mit Rückgang oder Ver-
schwinden der MR-Läsionen
4 T1w: Multifokale Hypointensitäten v.a. in der tiefen grauen
Substanz und im (subkortikalen) Marklager
4 T2w/PDw/FLAIR: Multifokale Hyperintensitäten v.a. in der
tiefen grauen Substanz und im (subkortikalen) Marklager
a
4 T2*w:
5 Evtl. subkortikale, petechiale Blutungen
5 Evtl. hämorrhagische Imbibierung der Läsionen
4 T1w + KM: Läsionen können eine inhomogene KM-Aufnah-
me zeigen
4 3-mm-T1-SE + Flusskompensation + FS (»Black Blood Ima-
ging«): Wandverdickung der betroffenen Gefäße mit z.T.
kräftiger KM-Aufnahme, Einengung des Gefäßdurchmessers
4 DWI: Akute ischämische Läsionen zeigen eine Diffusions-
restriktion
4 PWI: Nachweis von poststenotischen Perfusionsdefiziten

MRA:
4 Kaliberschwankungen der intrakraniellen Gefäße b
4 Typisch: stenosierte und/oder ektatische Gefäßabschnitte
(in mehr als einem Gefäßterritorium, v.a. distale ACI, M1,
A1, M2) (»String of beads«)
4 Keine systematischen Daten zur Sensitivität
4 Wenn >2 Stenosen und 2 Territorien nachweisbar → vermut-
lich ähnlich hoher prädiktiver Wert wie DSA

DSA: (. Abb. 2.78)


4 Nachweis segmentaler Kaliberirregularitäten, d.h. stenosier-
ten und/oder ektatischen Gefäßabschnitten (»String of
beads«), Verschlüssen, unscharfer Gefäßgrenzen und/oder
Kollateralen in mehr als einem Gefäßterritorium.
4 Die normalerweise harmonische Verjüngung der Gefäße in
der Peripherie ist aufgehoben.
4 Bei der Mehrzahl der Patienten sind in DSA Veränderungen
der intrakraniellen Gefäße nachweisbar (60–100% Sensitivi-
tät), diese sind jedoch relativ unspezifisch (Spezifizität ca. c
25%). . Abb. 2.77a–c PACNS. Die TOF-MRA (a, b) zeigt disseminierte Kaliber-
4 Nachweis von Gefäßstenosen in der DSA gilt jedoch als ein irregularitäten der intrakraniellen Gefäße (exemplarisch Pfeile). Nachweis
Diagnosekriterium. frischer Ischämien beidseits parietal (c). a, b: TOF-MRA, MIP-Rekonstruk-
4 In bioptisch gesicherten PACNS-Fällen Sensitivität der DSA- tionen. c: DWI, B1000
Veränderungen 40% bei noch niedrigerer Spezifizität.

Differenzialdiagnosen.
DD des angiographischen Befundes: Arteriosklerose; Vaso-
spasmen (z. B. nach SAB), reversibles zerebrales Vasokonstrik-
tionssyndrom (RCVS)
DD der Parenchymveränderungen: zerebrale Amyloidangio-
pathie, sekundäre Vaskulitiden, Multiple Sklerose, Tumoren (z.B.
Lymphom)
128 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Literatur 4 Evtl. Diabetes insipidus


Ay H, Sahin G, Saatci I, Söylemezoðlu F, Saribaş O. Primary angiitis of the cen- 4 Evtl. sterile Meningitis
tral nervous system and silent cortical hemorrhages. AJNR Am J Neuro-
4 Patienten haben häufig eine Sattelnase und ein rotes Auge
radiol. 2002;23:1561-3.
2 Calabrese LH, Furlan AJ, Gragg LA, et al.: Primary angiitis of the central nervous
(Episkleritis)
system: diagnostic criteria and clinical approach. Cleve Clin J Med. 1992;
59:293–306. Systemische Vaskulitis:
Calabrese LH: Vasculitis of the central nervous system. Rheum Dis Clin North 4 Lungenbeteiligung
Am. 1995;21:1059–76.
4 Nierenbeteiligung: Glomerulonephritis mit oligurischem
Campi A, Benndorf G, Filippi M, Reganati P, Martinelli V, Terreni MR. Primary
angiitis of the central nervous system: serial MRI of brain and spinal cord.
Nierenversagen
Neuroradiology. 2001 Aug;43(8):599-607. 4 ZNS-Beteiligung: Ischämien, Blutungen, Enzephalopathie
Hajj-Ali R, Villa-Forte AL, Abou-Chebel A, et al.: Long term outcome of patients und Kopfschmerzen
with primary angiitis of the central nervous system (PACNS). Arthritis 4 Labor:
Rheum. 2000;43:S162.
5 Werte (inklusive Akutphasenproteine) in der Frühphase
Hajj-Ali RA, Furlan A, Abou-Chebel A, et al.: Benign angiopathy of the central
nervous system: cohort of 16 patients with clinical course and long-term
oft nicht oder nur minimal verändert
followup. Arthritis Rheum. 2002;47:662–9. 5 Spezifität der c-ANCA/PR-3-Antikörper bei Kombina-
Küker W, Gaertner S, Nagele T, Dopfer C, Schoning M, Fiehler J, Rothwell PM, tion von Immunfluoreszenz und ELISA beträgt 95% für
Herrlinger U. Vessel wall contrast enhancement: a diagnostic sign of die aktive generalisierte WG
cerebral vasculitis. Cerebrovasc Dis. 2008;26:23-9.
5 C-ANCA sind aber nur in ca. 50% der limitierten We-
Küker W. Cerebral vasculitis: imaging signs revisited. Neuroradiology. 2007;
49:471-9.
gener-Fälle nachweisbar
Moritani T, Hiwatashi A, Shrier DA, Wang HZ, Numaguchi Y, Westesson PL. CNS
vasculitis and vasculopathy: efficacy and usefulness of diffusion-weight- Diagnosesicherung der systemischen Vaskulitis: Biopsat (HNO-
ed echoplanar MR imaging. Clin Imaging. 2004 Jul-Aug;28(4):261-70. Bereich, Muskel, Haut, N. suralis oder Niere)
ACR-Kriterien für die Klassifikation der Wegener-Granuloma-
tose:
2.4.2 Systemische Vaskulitiden 4 Entzündung in Nase oder Mund
mit ZNS-Beteiligung 4 Infiltration der Lunge im Rö-Thorax (Rundherde, Kavernen,
»fixe« Infiltrationen)
Wegener-Granulomatose 4 Nephritisches Urinsediment
Definition. Bei der Wegener-Granulomatose (WG) handelt es 4 Histologisch granulomatöse Entzündung in der Gefäßwand,
sich um eine granulomatöse Entzündung des Respirationstrakts peri- und extravaskulär.
mit nekrotisierender Entzündung kleiner und mittelgroßer Ge-
fäße (auch Venen), häufig mit Ausbildung einer Glomerulo- Bei 2 dieser 4 Kriterien: Sensitivität 88%, Spezifität 92%.
nephritis.
Verlauf und Prognose. Ohne Therapie beträgt die durchschnitt-
Epidemiologie und Demographie. liche Lebenserwartung 5 Monate. Seit Einführung der Immun-
Inzidenz: 1:100 000; Beteiligung des zentralen und peripheren suppression überleben mehr als 80% im Median 6–8 Jahre. Es ist
Nervensystems in 10% bzw. 30–50% der Fälle eine lebenslange Überwachung der Patienten erforderlich; 50–
Altersverteilung: Erstmanifestation oft in der 5. Lebensdekade 70% der Patienten erleiden Rezidive innerhalb von 5 Jahren.
Geschlechtsverteilung: Männer sind häufiger als Frauen be- Auf die Nebenwirkungen der Dauertherapie ist zu achten.
troffen.
Bildgebung. (. Abb. 2.79)
Manifestationsformen. Morphologie:
4 Limitierte Form: Ausschließlicher Befall der oberen Luft- 4 Stroke-like (ischämisch oder hämorrhagisch)
wege 4 Auch Sinusthrombose
4 Generalisierte WG: Befall von oberen und unteren Luftwegen 4 Selten basale granulomatöse Meningitis mit Hirnnerven-
sowie Nieren befall (II–IV und VI–VIII)
4 Selten intrazerebrale Granuloma distant von den NNH
Diagnostik. Nachweis von c-ANCA (PR3-ANCA) ist diagnos- 4 Hirnatrophie
tisch wegweisend. 4 Duraverdickung
4 Evtl. SAB
Klinik.
Limitierte Form: Vorwiegend druckbedingte Symptome durch CT NNH:
destruierende Granulome im HNO-Bereich und an der Schädel- 4 Entzündliche Schleimhautveränderungen
basis: 4 Ossäre Destruktionen
4 Ausfälle der Hirnnerven II, VI, VII
4 Störung der Okulomotorik mit Exophthalmus
2.4 · Vaskulitiden
129 2

a b c

d e

. Abb. 2.78a–f PACNS mit frischen (a, b) und älteren (c) Ischämien. Die DSA zeigt Kaliberirregularitäten der kleinen Gefäße (exemplarisch Pfeile in d, e).
a, b: DWI, B1000; c: FLAIRw; d, e: DSA, selektive Injektion in die linke DSA, laterale Projektionen

MRT: Literatur
4 T2w/PDw/FLAIR: Seror R, Mahr A, Ramanoelina J, Pagnoux C, Cohen P, Guillevin L.Central ner-
vous system involvement in Wegener granulomatosis. Medicine (Balti-
5 Ggf. Nachweis alter Infarkte
more). 2006;85:54-65.
5 Unspezifische hyperintense Marklagerläsionen Spísek R, Kolouchová E, Jensovský J, Rusina R, Fendrych P, Plas J, Bartůnková
5 Hirnatrophie J. Combined CNS and pituitary involvement as a primary manifestation
5 Evtl. SAB of Wegener granulomatosis. Clin Rheumatol. 2006;25:739-42.
4 T1w + KM: Tumiati B, Zuccoli G, Pavone L, Buzio C.ENT Wegener’s granulomatosis can
hide severe central nervous system involvement. Clin Rheumatol.
5 KM-aufnehmende Duraverdickungen v.a. angrenzend an
2005;24:290-3.
orbitalen, nasalen oder paranasalem Befall, fokal oder dis-
seminiert
5 Evtl. vergrößerte Hypophyse mit verdicktem Infundibu- Polyarteritis nodosa (PAN)
lum Definition. Bei der PAN handelt es sich um eine seltene, syste-
5 Selten Nachweis intrazerebraler Granulome mische, nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgroßen
4 DWI: Gefäße, die wahrscheinlich immunkomplexvermittelt ist.
5 Nachweis frischer Ischämien
Epidemiologie und Demographie.
> In allen Sequenzen auch auf Zeichen der Sinusthrom-
Inzidenz: 5 bis 220 Fälle/1.000.000 Einwohner/Jahr
bose achten!
Altersverteilung: Vor allem mittleres Alter
Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1
Differenzialdiagnosen. Andere Vaskulitiden mit Befall des ZNS:
Churg-Strauss-Vaskulitis (p-ANCA), PACNS, Sarkoidose, ande- Ätiologie. Unklar, vermutlich immunkomplexvermittelt.
re septische Prozesse mit primärem Lungenbefall und sekundär- Unterschieden werden:
er Vaskulitis (z.B. Pilze, Tbc) 4 Primäre PAN und
4 PAN in Assoziation mit Viren (meist Hepatitis-B-Virus) →
Befall der Vasa nervorum → vaskulitische Infarzierung.
130 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 2.79a–f Vaskulitis der intrakraniellen Gefäße bei Wegener-Granulomatose. Die NNH sind durch granulomatöses Gewebe verlegt und zeigen z.T.
Spiegelbildungen (Sterne in a–d). Nachweis teils frischer (a), teils subakuter Ischämien (mit Schrankenstörung, Pfeile in f). a: DWI, B1000; b: FLAIRw; c:T2w,
d–f: T1w + KM tra und sag

Klinik. Hauptsächlich betroffen sind Haut, Gelenke, Nieren, Gas- Literatur


trointestinaltrakt und periphere Nerven. Bei ZNS-Beteiligung Appenzeller S, Faria AV, Zanardi VA, Fernandes SR, Costallat LT, Cendes F.
Vascular involvement of the central nervous system and systemic dis-
(in bis zu 40%, schlechter prognostischer Faktor): diffuse Enze-
eases: etiologies and MRI findings. Rheumatol Int. 2008;28:1229-37.
phalopathie, fokal neurologische Ausfälle und Anfälle, Hirnner- Guillevin L, Le Thi Huong D, Godeau P, Jais P, Wechsler B.Clinical findings and
venausfälle, Nystagmus, Gesichtsfeldausfälle bis hin zur kom- prognosis of polyarteritis nodosa and Churg-Strauss angiitis: a study in
pletten Blindheit. 165 patients. Br J Rheumatol.1988,27:258-64.
Provenzale JM, Allen NB. Neuroradiologic findings in polyarteritis nodosa.
AJNR Am J Neuroradiol. 1996;17:1119-26.
Bildgebung (ZNS).
Lokalisation: Mittlere und große intrakranielle Gefäße
Morphologie: Stenosen Takayasu-Arteriitis
MRT/CT: Ggf. Nachweis von Ischämien (kortikal und subkorti- Definition. Bei der Takayasu-Arteriitis handelt es sich um eine
kal), Marklagerläsionen, ICBs oder SABs Panarteriitis der großen (und mittelgroßen) Gefäße mit Prä-
MRA/MDCTA: Nachweis der Stenosen der mittleren und großen dilektion für den Aortenbogen und die supraaortalen Gefäße
intrakraniellen Gefäße (»aortic arch syndrome«).
DSA: Unspezifischer Befund, Sensitivität v.a. bei Befall peripherer
Gefäße deutlich höher als MRA, evtl. Nachweis von Aneurysmen Epidemiologie und Demographie. Krankheitshäufung in Asien
und Mexiko
Verlauf und Prognose. Unbehandelt 5-JÜR <15%, mit Therapie Inzidenz: 0,26/100.000
5-JÜR >60% Altersverteilung: Vor allem Frauen <40 Jahre
2.4 · Vaskulitiden
131 2
Ätiologie. Unklar; eine Infekttriggerung durch Mycobacterium- MRA:
tuberculosis-Protein wird diskutiert. Bei Asiatinnen HLA-Bw52- 4 Darstellung des kompletten Aortenbogens
assoziiert. 4 Auch Abklärung der intrakraniellen Gefäße sinnvoll
4 Gut geeignet, um typische Gefäßveränderungen früh nach-
Klinik. Im prävaskulitischen Stadium unspezifische allgemeine zuweisen
Krankheitssymptome. Hypertonus ist ein häufiges Symptom, ge- 4 Nachweis von Wandunregelmäßigkeiten, abgangsnahen Ste-
folgt von Kopfschmerzen. Weitere Symptome sind: nosen der supraaortalen Gefäße, poststenotischen Dilata-
4 »pulseless disease«: Abgeschwächter oder nicht palpierbarer tionen, eventuell Aneurysmen oder Gefäßverschlüssen und
peripherer Puls, Seitendifferenz des Blutdrucks Kollateralkreisläufen
4 Subclavian-Steal-Phänomen
4 Schlaganfälle oder TIAs in ca. 10–30% DSA: Nur in Ausnahmefällen erforderlich. Nachweis von:
4 Evtl. auch Mesenterialischämien 4 Wandunregelmäßigkeiten
4 Kardiopulmonale Manifestationen 4 Abgangsnahen Stenosen der supraaortalen Gefäße
4 Poststenotischen Dilatationen
Diagnostische Kriterien. Nach American College of Rheumato- 4 Evtl. Aneurysmen oder Gefäßverschlüssen und Kollateral-
logy, wovon 3 erfüllt sein müssen: kreisläufen
4 Alter bei Symptombeginn <40 Jahre
4 Claudicatio der Extremitäten NUK:
4 Brachialis-Puls vermindert 4 FDG-PET: Vor allem im aktiven Stadium Tracer-Anreiche-
4 Systolische RR-Differenz der Arme >10 mmHg rung in den betroffenen Gefäßwänden.
4 Strömungsgeräusch über A. subclavia oder Aorta
4 Pathologische Angiographie mit Stenosen oder Verschlüssen Differenzialdiagnosen. Arteriosklerose, Arteriitis temporalis
der Aorta und ihrer Abgänge Horton, ACI-Dissektion, Lupus erythematodes

Verlauf und Prognose. 5-JÜR unter Cortison >90% Literatur


Choe YH, Han BK, Koh EM, Kim DK, Do YS, Lee WR. Takayasu’s arteritis: assess-
ment of disease activity with contrast-enhanced MR imaging. AJR Am J
Sonstiges. Histologisch: Riesenzellarteriitis, selten auch Aneu-
Roentgenol. 2000;175:505-11.
rysmen Kissin EY, Merkel PA. Diagnostic imaging in Takayasu arteritis. Curr Opin Rheu-
matol. 2004;16:31-7.
Bildgebung. (. Abb. 2.80) de Leeuw K, Bijl M, Jager PL. Additional value of positron emission tomogra-
Lokalisation: phy in diagnosis and follow-up of patients with large vessel vasculitides.
Clin Exp Rheumatol.2004;22(6 Suppl 36):S21-6.
4 Aortenbogen und supraaortale Abgänge (A. subclavia,
Nastri MV, Baptista LP, Baroni RH, Blasbalg R, de Avila LF, Leite CC, de Castro
Aa. carotides communes bis zur Bifurkation (in 58%), Ab- CC, Cerri GG. Gadlinium-enhanced three-dimensional MR angiography
gänge der Vertebralarterien (in 35%) of Takayasu arteritis. Radiographics. 2004;24:773-86.
4 Befall meist asymmetrisch Ragab Y, Emad Y, El-Marakbi A, Gheita T.Clinical utility of magnetic resonance
4 Beteiligung der Hirnbasisarterien selten, aber möglich angiography (MRA) in the diagnosis and treatment of Takayasu’s arteritis.
Clin Rheumatol. 2007;26:1393-5.

Morphologie: Einengung des Gefäßwandlumens bei Gefäß-


wandverdickung bis hin zur Okklusion, seltener Dilatation und Kawasaki-Syndrom
Aneurysmen Häufigste Vaskulitis bei Kleinkindern: 80% der Patienten sind
CT: <5 Jahre. Betroffen sind vor allem mittelgroße Arterien. Eine
4 CT nativ: Evtl. Nachweis stattgehabter Ischämien ZNS-Beteiligung mit MR-tomographisch nachweisbaren Läsio-
4 CT+KM (obere Thoraxapertur/Hals): Wandverdickung und nen ist sehr selten, klinisch treten dann vor allem Krampfanfälle
Lumeneinengung der Gefäße, KM-aufnahme der Gefäßwän- und eine Fazialisparese auf, selten Ischämien.
de geht Stenosen voraus
4 MDCTA: Mit Darstellung des kompletten Aortenbogens zum Literatur
Nachweis der genannten Gefäßveränderungen Tabarki B, Mahdhaoui A, Selmi H, Yacoub M, Essoussi AS. Kawasaki disease
with predominant central nervous system involvement. Pediatr Neurol.
2001;25:239–241.
MRT:
4 T2w/PDw/FLAIR: Evtl. Nachweis stattgehabter Ischämien
4 T1wFS + KM: Idealerweise zusätzliche Spätaufnahme nach
KM-Injektion:
5 Gefäßwandverdickung, KM-Aufnahme der Gefäßwand
spricht für Aktivität
5 KM akkumuliert in Gefäßwand, zeigt einen verzögerten
Wash-out
132 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 2.80a–f Takayasu-Arteriitis, frischer ACA- und MCA-Teilinfarkt links (a) bei asymmetrischem Befall der linken ACI und VA mit deutlich verdickten,
entzündlich veränderten Gefäßwänden, die eine kräftige KM-Aufnahme zeigen (Pfeile in d bzw. e). In der MIP der TOF-MRA zeigt sich in der linken ACI ein
minimales Flusssignal (Pfeile in c). In der CTA ist das Restlumen etwas besser erkennbar (f). a: DWI, B1000; b, c: TOF-MRA, b: Basisbild, c: MIP-Rekonstruktion;
d: T2w FS; e: T1w FS + KM; f: CTA

2.4.3 Vaskulitiden im Rahmen systemischer


Grunderkrankungen . Tab. 2.4 ZNS-Vaskulitiden im Rahmen systemischer Grunderkran-
kungen

Vaskulitische Veränderungen der zerebralen Gefäße können im Infektionen 4 Viren: VZV, CMV, HSV, HIV, Hepatitis C,
Rahmen einer Vielzahl systemischer Erkrankungen auftreten West-Nile-Virus
(. Tab. 2.4). 4 Bakterien: Borreliose (Lyme Disease)
4 Tuberkulose
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) 4 Parasiten
4 Pilze
Als Beispiel für eine systemische Kollagenose mit möglicher se-
kundärer Vaskulitis der intrakraniellen Gefäße wird der Lupus Kollagenosen 4 Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
4 Morbus Behçet
erythematodes exemplarisch besprochen.
4 Dermatomyositis
4 Sjögren-Syndrom
Definition. Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) han-
Medikamente/ 4 Amphetamine, Kokain, Heroin
delt es sich um eine Autoimmunerkrankung aus der Gruppe der Drogen 4 Kontrazeptiva
Kollagenosen, die vorwiegend junge Frauen betrifft.
Andere 4 entzündliche Erkrankungen des Gastro-
intestinaltrakts
Epidemiologie und Demographie. Befall des Nervensystems 4 Sarkoidose
(»neuropsychiatrischer Lupus«) in ca. 50–70% der Fälle. 4 Tumoren/paraneoplastisch
Inzidenz des SLE in den USA: ca. 14–50/100.000 Einwohner 4 Graft-versus-host-Erkrankung
Altersverteilung: Alle Altersgruppen, Gipfel: 20.–45. Lebensjahr
2.4 · Vaskulitiden
133 2
Geschlechtsverteilung: Frauen >> Männer (im gebärfähigen CTA: In der Regel unauffällig.
Alter bis zu 5:1) MRT:
4 T1w: Atrophie
Ätiologie. Systemische Autoimmunerkrankung; im Bereich des 4 T2w/PDw/FLAIR: (siehe auch »Morphologie«)
ZNS sieht man selten (<10%) echte vaskulitische Veränderungen, 5 Hyperintense Darstellung der genannten Läsionen
aber oft eine nicht entzündliche Vaskulopathie der kleinen Ge- 5 Multiple, kleine, punktförmige Hyperintensitäten in o.g.
fäße. Die Veränderungen sind wahrscheinlich durch direkte An- Lokalisation
tikörperwirkung bedingt: sekundäres Antiphospholipid-Anti- 5 Ödem, Territorialinfarkte, kortikale Läsionen
körper-Syndrom → Hyperkoagulabilität; Antikörper evtl. auch 5 Abszess?
direkt neurotoxisch. 4 T1w + KM: KM-Aufnahme der Läsionen wird als Aktivitäts-
hinweis gewertet
Klinik. 5 Abszess?
Organmanifestationen: Peripheres Nervensystem (10–15%), 4 DWI: Diffusionsrestriktion bei frischen Ischämien;
Muskelsystem, Auge (Retinopathie), ZNS, eventuell Myelitis 5 Abszess?
transversa
ZNS-Symptomatik: Kopfschmerzen, Migräne, aseptische Me- MRA:
ningitis, fokal-neurologische Ausfälle, Chorea, Krampfanfälle 4 Evtl. Nachweis thrombotischer Verschlüsse
Psychiatrische Symptome: Hirnorganisches Psychosyndrom 4 Selten vaskulitische Veränderungen
4 Mykotische Aneurysmen?
Verlauf und Prognose. Es existieren keine größeren, prognosti-
schen Studien zum ZNS-Befall. Im Verlauf Besserung der Symp- MRT der HWS: bei Verdacht auf eine Myelitis transversa.
tome, stabiler Verlauf oder Verschlechterung möglich. Die Mye- DSA: Vaskulitische Veränderungen sind nur sehr selten angio-
litis transversa hat oft eine schlechte Prognose. graphisch nachweisbar.
NUK:
Sonstiges. Bis zu 2/3 der neurologischen Symptome bei SLE sind 4 PET: Parietookzipitaler Glucosehypometabolismus
sekundär bedingt durch Medikamentennebenwirkungen, Infek-
tionen, metabolischen Veränderungen oder psychosomatisch. Differenzialdiagnosen. PACNS, systemische Vaskulitiden, an-
dere sekundäre Vaskulitiden, Vaskulitis-ähnliche Bilder: Anti-
Bildgebung. Oft unauffällig bei isolierter Lupus-Psychose oder phospholipid-Antikörper-Syndrom; MS
Kopfschmerz (. Abb. 2.81)
Lokalisation: Morbus Behςet
4 Zerebral: V.a. frontoparietal, besonders subkortikal und pe- Siehe 7 Kap. 4.6.5
riventrikulär, aber auch kortikal
4 Spinal: Myelitis transversa möglich Drogeninduzierte Vaskulitis
Siehe 7 Kap. 6
Morphologie: 4 verschiedene Läsionsmuster:
4 Multiple, kleine, punktförmige Läsionen (wahrscheinlich
Mikroinfarkte)
4 Territorialinfarkte (durch Hyperkoagulopathie, bei sekun-
därem Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom)
4 Fokale Läsionen im Cortex, subkortikale Läsionen, die auf
Steroide reagieren (Ödem)
4 Atrophie
4 Eventuell sekundäre Infektion → Abszesse, mykotische Aneu-
rysmen

CT nativ:
4 Oft unauffällig
4 Zeigt nur in 30–60% Auffälligkeiten: Atrophie, größere In-
farkte, evtl. Blutungen
4 Evtl. Verkalkungen
134 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 2.81a–d Sekundäre Vaskulitis der intrakraniellen Gefäße bei systemischem Lupus erythematodes. Frische
Ischämie im PCA-Stromgebiet links (a), ältere Ischämie auch rechts im Marklager (Pfeil in b), die DSA zeigt deutliche
Kaliberschwankungen im vorderen (z.B. Pfeile in c) und im hinteren (z.B. Pfeile in d) Kreislauf. a: DWI, B100; b: FLAIRw;
c, d: DSA, c: Injektion in die linke ACI, d: Injektion in die linke VA, laterale Projektionen

2.5 Intrakranielle Blutungen Epidemiologie und Demographie. Epidurale Blutungen kom-


men bei bis zu 5% aller Schädel-Hirn-Traumata vor.
2.5.1 Einteilung nach Lokalisation
Ätiologie. In 80% der Fälle liegt eine arterielle Blutung vor, meist
Intrakranielle Blutungen können alle intrakraniellen Komparti- durch Verletzung der A. meningea media, seltener Blutungen aus
mente betreffen. Je nach betroffenem Kompartiment werden duralen Venen oder Sinus. Die Blutungen sind meist traumatisch
folgende Blutungen unterschieden (. Abb. 2.82): bedingt, häufigste Ursache ist eine Kalottenfraktur (oft temporo-
4 Epidurale Blutung: Synonyme: Epidurales Hämatom, Epidu- parietal).
ralhämatom (EDH)
4 Subdurale Blutung: Synonyme: Subdurales Hämatom, Sub-
duralhämatom (SDH)
4 Subarachnoidale Blutung: Synonym: Subarachnoidablu-
tung (SAB)
4 Parenchymblutung: Synonym: Intrazerebrale Blutung (ICB)
4 Intraventrikuläre Blutung (IVB)

2.5.2 Epidurale Blutung (EDH)

Synonyme. Epidurales Hämatom, Epiduralhämatom

Definition. Beim epiduralen Hämatom handelt es sich um eine


akute, meist traumatische und meist arterielle Blutung zwischen
Dura und Tabula interna der Schädelkalotte. . Abb. 2.82 Schematische Darstellung epi- und subduraler Hämatome
2.5 · Intrakranielle Blutungen
135 2
Klinik. Kopfschmerzen, Hemisymptomatik, Störungen der Pu- 4 FLAIR: Besonders sensitiv zum Nachweis kleiner EDHs
pillomotorik, Anfälle, schnelle Eintrübung 4 T1+KM: Kontrastmittelaustritt in EDH ist Zeichen einer ak-
tiven Blutung
! Etwa 1/3 der Patienten werden verzögert sympto-
Heterogenes Signal bei mehrzeitigen Blutungen.
matisch; Hämatom u. U. rasch progredient (arteriell!) →
Notfallindikation zur Entlastung!
Chronische EDHs: Sehr selten:
4 CT: Hypodens, können konkav sein
Verlauf und Prognose. Bei schneller Trepanation gute Prognose, 4 MRT: Überwiegend signalreich in T1w und T2w
sonst hohe Letalität.
Sonstiges. Meist traumatische Genese → Suche nach weiteren Differenzialdiagnosen. Subduralhämatom, epiduraler Abszess,
Traumamanifestationen? SDH? Kontusion? ICB? SAB? SAB
Gefahr der kontralateralen Blutung durch Unterdruck bei
operativer Entlastung. Literatur
Al-Nakshabandi NA. The swirl sign. Radiology. 2001;218:433.
Prayer D, Rametsteiner C. Acute head trauma: diagnostic imaging. Wien Med
Bildgebung.
Wochenschr. 2001;151:496-501.
Lokalisation: Provenzale J. CT and MR imaging of acute cranial trauma. Emerg Radiol.
4 Kalottennah, meist temporoparietal, i.d.R. unilateral, meist 2007;14:1-12.
supratentoriell Subramanian SK, Roszler MH, Gaudy B, Michael DB. Significance of computed
tomography mixed density in traumatic extra-axial hemorrhage. Neurol
4 Auf der Seite der direkten Gewalteinwirkung
Res. 2002;24:125-8.
4 Bilaterales EDH, das die Sagittalnaht überschreitet: meist Wiesmann M, Brückmann H. Diagnostic imaging of acute head and brain in-
durch Verletzung des Sinus sagittalis superior juries. Radiologe. 1998;38:645-58.

Morphologie: Konvex, glatt begrenzt, überschreitet nicht die


Suturen. 2.5.3 Subdurale Blutung (SDH)
CT:
4 CT nativ: Methode der Wahl. (. Abb. 2.83) Synonyme. Subdurales Hämatom, Subduralhämatom
5 Hyperdens, kalottennah, wölbt sich konvex gegen das
Hirngewebe vor. Definition. Bei einem Subduralhämatom handelt es sich um eine
5 Sehr frische Blutanteile, die noch nicht koaguliert sind, Blutung in den Subduralraum, d.h. zwischen Dura und Arach-
können evtl. auch hypodens sein. noidea.
5 Sind intermittierend hypodense Anteile (»swirled appear-
ance«, »Swirl Sign«) nachweisbar, ist das ein Zeichen für Formen. Akutes und chronisches Subduralhämatom
eine aktive Blutung; die klinische Relevanz dieses Zei-
chens ist jedoch umstritten. Epidemiologie und Demographie. Akute SDHs kommen bei ca.
10-20% aller SHTs vor, in ca. 15% Fälle bilateral.
! Bei ca. 25% der Fälle ist das initiale CT unauffällig (Ent-
stehung des EDHS im Verlauf).
Ätiologie. Typischerweise Verletzung von oberflächlichen Ve-
5 Oft deutliche Raumforderungszeichen: Mittellinienverla- nen, bzw. Brückenvenen, selten Verletzung der kortikalen Arte-
gerung, Kompression der Sulci, Herniation: Empfehlung: rien oder der Sinus (bei schwerer Gewalteinwirkung).
– »Traumafenster« mit einer Fensterweite von 100– Häufigste Ursache eines akuten SDHs ist ein Trauma. In ca.
150 HU zur besseren DD von extraaxialem Hämatom 75% der chronischen SDHs ist ebenfalls ein Trauma eruierbar.
versus Kalotte (7 auch Kap. 2.5.3) Bei der Angabe eines Traumas in der Anamnese beträgt das mitt-
4 CT Knochenkernel: Kalottenfraktur? Schädelbasisfraktur? lere Intervall zwischen Trauma und Symptombeginn ca. 50 Tage.
4 CT + KM/MDCTA: Kontrastmittelaustritt in EDH ist Zeichen Andere Ursachen des chronischen SDHs sind:
einer aktiven Blutung 4 Gerinnungsstörung, Einnahme von Antikoagulanzien
4 Bei liegendem Ventrikelshunt Überdrainage
MRT (. Abb. 2.84): Wegen erhöhtem Zeitbedarf i.d.R. keine In- 4 Cortisondauerbehandlung
dikation. Das Signalverhalten des EDHs entspricht im Wesent-
lichen dem einer ICB (7 Kap. 2.5.8), zu beachten sind jedoch Ursachen bei Kindern:
folgende Besonderheiten: 4 Geburtstrauma
4 T2w: Erhöhter pO2 extraaxial und arterielles Blut mit wenig 4 Kindesmisshandlung
Deoxyhämoglobin → verlangsamter Anstieg des Deoxyhä-
moglobins → Signalabfall in T2w verlangsamt Prädisponierende Faktoren:
4 T1w: Deoxy-Hb zu Met-Hb schneller in arteriellem Häma- 4 Höheres Alter
tom 4 Alkoholismus
4 T2w/PDw: Darstellung der Dura als lineare hypodense 4 Hirnatrophie (Zug auf Brückenvenen)
Struktur
136 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 2.83a–d Akutes epidurales Hämatom links bei Kalottenfraktur (Pfeile in a), typisch konvexbogig
gegen das Hirnparenchym vorgewölbt (b, c). Nach operativer Entlastung (d) sind noch Blutungsresiduen
und Lufteinschlüsse nachweisbar, die Mittellinienverlagerung ist jedoch deutlich rückläufig. a-d: CT nativ,
a: Knochenkernel, b–d: Weichteilkernel, d: postoperative Verlaufskontrolle

a b

. Abb. 2.84a, b Kleines subakutes epidurales Hämatom in der hinteren Schädelgrube linksseitig.
a: MRT T1w nativ tra; b: PDw tra
2.5 · Intrakranielle Blutungen
137 2
Mögliche Begleitverletzungen bei traumatischer Ursache siehe 5 Lange bestehende chronische SDHs können Verkalkungen
7 Kap. 2.5.5 zeigen
4 Mehrzeitige Blutungen: Gemischte Dichte
Klinik.
Akut (Notfall!): CT + KM:
4 Progrediente Bewusstseinsminderung 4 Mehrzeitige Blutungen zeigen evtl. Membranbildung mit
4 Störungen der Pupillenmotorik kräftiger KM-Aufnahme → erschwerte DD zum EDH
4 Anfälle 4 Kann bei hirnisodensem SDH die Darstellung aufgrund der
4 Halbseitensymptomatik Kontrastierung der kortikalen Venen, die in Richtung Mittel-
linie verlagert sind, erleichtern und ermöglicht dadurch eine
Chronisch: bessere Abgrenzung des SDHs
4 Kopfschmerzen
4 Psychische Auffälligkeiten MRT (. Abb. 2.90):
4 Fokal-neurologische Ausfälle 4 Zeigt 1–2 mm schmale SDHs sensitiver als CT
4 Seltener Anfälle 4 Signalverhalten variabel, weitgehend ähnlich dem von ICBs
4 Evtl. »Kernohan‘s Notch«-Phänomen: Ipsilaterale Hemipa- 4 Gemischtes Signalverhalten, wenn mehrzeitige Blutung
rese, aufgrund der Kompression des kontralateralen Pedun- 4 Hyperakut (< 6 h):
culus cerebri im Tentoriumschlitz bei supratentorieller 5 T1w: Isointens
Raumforderung 5 T2w: Iso- bis hyperintens
4 Akut (6 h bis 3 Tage):
Verlauf und Prognose. 5 T1w: Iso- bis leicht hypointens
Akut: Die Prognose ist bei einem Schädel-Hirn-Trauma von den 5 T2w: Hypointens
Begleitverletzungen und bei stark raumfordernder Wirkung von 4 Chronisch:
einer raschen Entlastung abhängig. 5 T1w: Iso- oder hyperintens
Chronisch: Gute Erholung in ca. 90%, Rezidive in ca. 15% der 5 T2w: Variabel, iso-bis hyperintens, hypointense Anteile →
Fälle indikativ für mehrzeitige Blutungen
5 PDw: Iso- bis hyperintens, abhängig vom Proteingehalt
Bildgebung. 4 FLAIRw:
Lokalisation: In 95% der Fälle supratentoriell, meist fronto- 5 Akut, subakut, chronisch: Hyperintens, verglichen mit
parietal, seltener auch infratentoriell oder parafalzin. Liquor
Morphologie: 5 Am sensitivsten für akute SDHs
4 Typischerweise konkav (sichelförmig), selten plankonvex 4 T2*w: Meist hypointens
4 Erstreckt sich über die Suturen hinweg 4 DWI:
4 Ausdehnung wird jedoch begrenzt von Duraduplikaturen 5 Heterogenes, unspezifisches Signal
(z.B. Falx und Tentorium) 5 Ggf. Anwendung zur DD Empyem (Empyem hat starke
Diffusionsrestriktion (7 Kap. 4.3), Blut kann jedoch auch
CT nativ: Methode der ersten Wahl für akutes SDH sehr hyperintens sein)
4 Hyperakutes SDH (<6 h): Weitgehend hypodens, da noch 4 T1 + KM:
nicht koaguliert 5 Anreicherung der nach medial verlagerten kortikalen
4 Akutes SDH (. Abb. 2.85 bis . Abb. 2.87): Venen
5 Homogen hyperdens (ca. 60%) oder hyperdens mit hy- 5 Chronisch: Anreicherung der Dura
podensen Anteilen (ca. 40%); die hypodensen Anteilen 5 In Spätaufnahmen Diffusion von KM in SDH
sind dabei entweder noch nicht koaguliertes Blut bei
aktiver Blutung, Serumexsudat oder Liquoransammlun- Differenzialdiagnosen.
gen innerhalb von geronnenem Blut bei Einriss der Arach- Subdurales Hygrom (in allen Sequenzen liquorisointens), epidu-
noidea rale Blutung, Empyem, Liquorunterdrucksyndrom, Pachyme-
5 Selten isodens bei Hb-Wert <8 mg/dl oder schwerer Koa- ningitis; Im MRT: Chemical-Shift-Artefakt (T1w) durch subku-
gulopathie tanes Fett.
5 Bei sehr schmalen SDHs kann die Identifikation aufgrund
der Nähe zur ebenfalls sehr hyperdensen Schädelkalotte Literatur
problematisch sein → Empfehlung: »Traumafenster« mit Cakirer S, Karaarslan E, Arslan A. Spontaneously T1-hyperintense lesions of the
Fensterweite von 100–150 HU zur besseren DD SDH/ brain on MRI: a pictorial review. Curr Probl Diagn Radiol. 2003;32:194-217.
Provenzale J. CT and MR imaging of acute cranial trauma. Emerg Radiol.
EDH versus Kalotte (. Abb. 2.85, . Abb. 2.86) 2007;14:1-12.
5 Dichteabnahme pro Tag um ca. 1,5 HU Wiesmann M, Brückmann H. Diagnostic imaging of acute head and brain in-
4 Chronisches SDH (. Abb. 2.88, . Abb. 2.89): juries. Radiologe. 1998;38:645-58.
Yoo WK, Kim DS, Kwon YH, Jang SH. Kernohan’s notch phenomenon demons-
5 CAVE: Je nach Alter zunächst homogen isodens (2.–3. trated by diffusion tensor imaging and transcranial magnetic stimula-
Woche), später homogen hypodens tion. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2008;79:1295-7.
138 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

. Abb. 2.85a, b Frische Subduralhämatome beidseits, typischerweise sichelförmig konfiguriert.


Die Abgrenzbarkeit von der Schädelkalotte einerseits und vom Hirnparenchym andererseits hängt
deutlich von der Fensterung ab. a, b: CT nativ, gleiche Schicht, unterschiedliche Fensterung

a b

. Abb. 2.86a, b Schmales frisches SDH rechts. Im »normalen« Weichteilfenster (a) ist es kaum von der
Kalotte abgrenzbar und sehr leicht zu übersehen, erst im sog. »Traumafenster« (b) ist es deutlich erkenn-
bar (Pfeile in b). a, b: CT nativ, gleiche Schicht, unterschiedliche Fensterung

a b

. Abb. 2.87 Frisches Subduralhämatom auf . Abb. 2.88a, b Chronisches SDH rechts (CT nativ)
dem Tentorium rechts (CT nativ)
2.5 · Intrakranielle Blutungen
139 2

a b

. Abb. 2.89a, b Schmale chronische SDHs beidseits (CT nativ)

a b c

. Abb. 2.90a–c Chronisches SDH rechts (normale Pfeile). Zusätzlich epidurales Blut (Sterne). Zustand nach osteoklastischer Entlastungstrepanation
beidseits (gebogene Pfeile). a: PDw; b, c: T1w nativ tra und cor

2.5.4 Subarachnoidalblutung (SAB) 4 Inzidenz: 6–12/100.000


4 Altersverteilung: Maximum 45.–60. Lebensjahr
Definition. Bei einer Subarachnoidalblutung handelt es sich um 4 Geschlechtsverteilung: M < F
eine Einblutung in den Subarachnoidalraum, d.h. in den Liquor- 4 Risikofaktoren:
raum zwischen Arachnoidea und der dem Cortex unmittelbar 5 Arterielle Hypertonie
anliegenden Pia mater. 5 Nikotinabusus
5 Genetische Präsdisposition (z.B. Finnen, Japaner, poly-
Formen. zystische Nierenerkrankung, Angehörige ersten Grades
4 Primäre SAB: mit SAB)
5 Aneurysmatische SAB
5 Nichtaneurysmatische SAB, häufig perimesenzephal Nichtaneurysmatische SAB: 10–20% der nichttraumatischen
(meist kein Nachweis einer Blutungsquelle) SABs; ca. 2/3 davon sind perimesenzephale SABs, die vor allem
4 Traumatische SAB im höheren Lebensalter bei Hypertonikern auftreten.
4 Sekundäre SAB
Ätiologie.
Epidemiologie und Demographie. Aneurysmatische SAB: Aneurysmaruptur
Aneurysmatische SAB: Etwa 80% der nichttraumatischen SABs; Nichtaneurysmatische SAB:
1/3 tritt bei körperlicher Anstrengung, 1/3 tagsüber und 1/3 im 4 Perimesenzephale SAB: Entität definiert durch Lokalisation
Schlaf auf. In 20–40% der Fälle zusätzlich ICB, in 15–35% zusätz- der SAB und fehlendem Nachweis einer Blutungsquelle;
lich IVB, in 2–5% zusätzlich SDH vorhanden. Pathogenese unklar, evtl. venöse Blutung
140 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

4 Sonstige nichtaneurysmatische SABs: Perimesenzephale SAB: Meist benigner Verlauf, Vasospasmen


5 Tumoren selten.
5 Zerebrale oder spinale Gefäßmalformationen: AVM, Traumatische SAB: Eigenständiger ungünstiger Prognosefaktor
2 AV-Durafistel nach SHT → 3-fach höhere Mortalität.
5 Sinus- oder Hirnvenenthrombose
5 Gefäßwandschädigungen: Dissektion intraduraler Ge- Sonstiges.
fäße Diagnostischer Goldstandard: Lumbalpunktion → Indikation
5 Mykotische Aneurysmen (durch pyogene Embolien bei bei fehlendem/uneindeutigem Blutnachweis in der Bildgebung.
Endokarditiden, meist in der MCA-Teilung) Wasserklarer Liquor schließt eine SAB innerhalb der vorange-
5 Zerebrale Amyloidangiopathie (beim alten Patienten häu- gangenen 14 Tage praktisch aus. Der Liquor ist ab ca. 12 h nach
figste Ursache nicht-traumatischer Konvexitäts-SABs) Ereignis xanthochrom, Nachweis von Ferritin und Siderophagen
im Liquor innerhalb der ersten 4 Wochen nach SAB.
Traumatische SAB: Schädel-Hirn-Trauma (SHT); computerto- SAB führt zur lokalen Erhöhung der Proteinkonzentration
mographisch in ca. 20–40% aller SHTs nachweisbar; Ursachen im Liquor → Verkürzung der T1-Zeit im MRT.
können primär (Verletzung von Arterien) oder sekundär (aus Stadieneinteilungen:
Kontusionsherden) sein. 4 Stadien nach Hunt und Hess (klinisch):
Sekundäre SABs: Primäre Parenchymblutung unterschiedlicher 4 0: asymptomatisches, unrupturiertes Aneurysma, unauffäl-
Ätiologie, die sekundär in den SAR einbricht. liger Patient
4 1: keine oder leichte Kopfschmerzen, leichter Meningismus,
Klinik. Folgende Symptomatik ist typisch: keine fokalen Ausfälle
4 Akute heftigste Kopfschmerzen, »Vernichtungskopf- 4 2: mäßige bis schwere Kopfschmerzen, Meningismus, keine
schmerz«, »Kopfschmerz wie nie zuvor« Ausfälle außer Hirnnervenparesen
4 Meningeale Reizung (Nackensteifigkeit) 4 3: Somnolenz +/- Verwirrtheit +/- fokale Ausfälle
4 Bei Blutumverteilung evtl. auch Nacken-/Schulter- oder Rü- 4 4: Sopor, mäßige bis schwere fokale Ausfälle, vegetative Symp-
ckenschmerzen tomatik
4 Bewusstseinsstörungen 4 5: Koma, Dezerebration
4 Übelkeit, Erbrechen 4 WFNS SAH Scale (World Federation of Neurological Sur-
4 Blutdruckanstieg geons Subarachnoid Hemorrhage Grading Scale; klinisch):
4 Fieber Grad I: GCS 15, kein motorisches Defizit
4 Fokal-neurologische Ausfälle, Gesichtsfelddefekte, Hirn- Grad II: GCS 13–14, kein motorisches Defizit
nervenausfälle Grad III: GCS 13–14, + motorisches Defizit
4 Krampfanfälle (in ca. 6% der Fälle Initialsymptom) Grad IV: GCS 7–12, +/– motorisches Defizit
4 Bei 30–50% der Patienten anamnestisch Hinweise auf voran- Grad V: GCS 3–6, +/– motorisches Defizit
gegangene SABs in den Stunden oder Tagen vor akutem Ereig- 4 Fisher-Skala (CT-basiert):
nis sog. »warning leaks« (minor leaks), klinisch v.a. Kopf- Grad 1: kein Blut sichtbar
schmerzen Grad 2: diffuse, weniger als 1 mm dicke SAB
4 Begleitend Glaskörperblutungen in ca. 10% der Fälle (Terson Grad 3: lokalisierter Clot und/ oder ≥1 mm dicke SAB
hemorrhage), schlechter prognostischer Faktor Grad 4: intrazerebrale oder intraventrikuläre Blutung mit
diffuser SAB
Verlauf und Prognose. Bei aneurysmatischen SABs beträgt die
30-Tages-Mortalität 46%, dabei versterben 15–20% der Patienten Bildgebung.
vor dem Erreichen des Krankenhauses. Lokalisation:
Mögliche Komplikationen sind: 4 Aneurysmatische SAB: In Abhängigkeit von Aneurysmalo-
4 Frühe Rezidivblutung (in 8–12 %, höchstes Risiko in den kalisation; v.a. basale Zisternen (präpontin, interpedunkulär,
ersten 2 Wochen nach SAB: 15–20%) suprasellär), Sylvische Fissur, Interhemisphärenspalt
4 Späte Rezidivblutung: Risiko 2% pro Jahr
4 Vasospasmen: Akute SAB:
5 Am häufigsten zwischen 3./4.–10. Tag nach SAB, z.T. bis 4 CT nativ (. Abb. 2.91, . Abb. 2.92, . Abb. 2.93, . Abb. 2.94):
40 Tage nach SAB 5 Hyperdens
5 Bei ca. 70% aller SAB-Patienten vorkommend, davon ent- 5 Sensitivität ca. 93%
wickeln 36% klinische Symptome oder einen Infarkt 5 Einbruch ins Ventrikelsystem?
5 Schwere der Vasospasmen korreliert mit dem Hunt- und 5 Beginnender Ventrikelaufstau (Aufweitung der Tempo-
Hess-Grad und mit der Blutmenge im CT (Fisher-Grad) ralhörner?) bzw. Hydrozephalus? → ggf. Anlage einer ex-
4 Hydrocephalus malresorptivus (in 15%) ternen Ventrikeldrainage (EVD)
4 Sepsis 5 Hirnödem?
4 Elektrolytstörungen (Hyponatriämie) 5 Begleitende ICB?
2.5 · Intrakranielle Blutungen
141 2
4 MRT (. Abb. 2.95, . Abb. 2.96): Differenzialdiagnosen.
5 T1w: Klinisch: Migräneattacke, Spannungskopfschmerz, ICB, Meningi-
– Gelegentlich hyperintens im Vergleich zum Liquor tis, RCVS
– Isointens zum Hirngewebe (»dirty cerebrospinal fluid«) Weitere DD: Meningeosis carcinomatosa, KM im SAR nach in-
– Nicht sensitiv für SAB-Nachweis trathekaler KM-Gabe (z.B. im Rahmen einer Myelographie) →
5 T2w: Stunden bis Tage HU-Werte >100 im SAR
– Gelegentlich hypointens, meist jedoch liquorisointens
und damit nicht zu erkennen
DD hyperintenses Signal im Subarachnoidalraum in FLAIRw:
– Nicht sensitiv für SAB-Nachweis 4 SAB
5 FLAIRw: 4 Meningitis
– Hyperintens 4 Leptomeningeale Metastasen
– Hohe Sensitivität für SAB-Nachweis (bis zu 100%) 4 Akuter, frischer arterieller Gefäßverschluss bei Ischämie
– Aber: anfällig für Pulsationsartefakte durch Liquor- 4 KM-leakage: KM-verstärkte MRT innerhalb der ersten 6 h nach
Symptombeginn bei Patienten mit arterieller Ischämie → hyper-
fluss (Ventrikel und basale Zisternen) → geringe Spezi- intenses FLAIR-Signal im SAR auf Follow-up-MRT innerhalb der
fität! nächsten 1–2 Tage
5 PDw: 4 Sinus- oder Hirnvenenthrombose → Hämostase → hoher Prote-
– Hyperintens (verkürzte T1-Zeit) ingehalt des Liquors
– Hohe Sensitivität für SAB-Nachweis (bis zu 100%) 4 Moya-Moya-Syndrom
4 Liquorflussartefakte
– Zur Beurteilung von Blut im Ventrikel sicherer als 4 Artefakt durch (Zahn-)metall
FLAIR-Sequenzen 4 Nach Sauerstoffgabe oder Propofolgabe
– Sensitiver als CT für akute SAB in basalen Zisternen
– DWI: Vasospasmusbedingte Ischämien?
4 TOF-MRA/MDCTA: Zum Aneurysmanachweis, Wertigkeit Literatur
siehe 7 Kap. 2.6.1 Broderick J.P., Brott T.G., Duldner J.E., Tomsick T. Initial and recurrent bleeding
4 DSA: are the major causes of death following subarachnoid haemorrhage.
Stroke. 1994;25:1342-47.
5 Zum Aneurysmanachweis möglichst innerhalb von 72 h Byyny RL, Mower WR, Shum N, Gabayan GZ, Fang S, Baraff LJ. Sensitivity of
nach Ereignis noncontrast cranial computed tomography for the emergency depart-
5 Immer 4-Gefäß-DSA (ACI bds., VA bds. mit PICA bds., hier ment diagnosis of subarachnoid hemorrhage. Ann Emerg Med. 2008;
51:697-703.
ggf. Injektion in dominante VA mit retrograder Darstellung Carvi y Nievas MN, Archavlis E. Atypical causes of nontraumatic intracranial
der intraduralen VA der Gegenseite inkl. PICA ausreichend) subarachnoid hemorrhage. Clin Neurol Neurosurg. 2009;111:354-8.
zum Ausschluss multipler Aneurysmen (15–20%) Edlow JA, Malek AM, Ogilvy CS. Aneurysmal subarachnoid hemorrhage:
update for emergency physicians. J Emerg Med. 2008;34:237-51.
5 Bei fehlendem Aneurysmanachweis in initialer DSA und Fiebach JB, Schellinger PD, Geletneky K, Wilde P, Meyer M, Hacke W, Sartor K.
nicht perimesenzephaler SAB: Re-DSA nach 10–14 Tagen MRI in acute subarachnoid haemorrhage; findings with a standardised
→ sekundärer Aneurysmanachweis in bis zu 15% stroke protocol. Neuroradiology. 2004;46:44-8.
van Gijn J, Kerr RS, Rinkel GJ. Subarachnoid haemorrhage. Lancet. 2007;
5 Ggf. bei fehlendem NW einer kraniellen Blutungsquelle 369:306-18.
und spinaler Symptomatik → spinale DSA van Gijn J, Rinkel GJ. Subarachnoid haemorrhage: diagnosis, causes and
5 Bei typischer perimesenzephaler SAB und unauffälliger management. Brain. 2001;124:249-78.
Molyneux AJ, Kerr RS, Birks J, Ramzi N, Yarnold J, Sneade M, Rischmiller J;
Erst-DSA keine Re-DSA notwendig for the ISAT collaborators. Risk of recurrent subarachnoid haemorrhage,
4 Transkranieller Doppler: Ab dem 3. Tag zum Nachweis von death, or dependence and standardised mortality ratios after clipping or
Vasospasmen coiling of an intracranial aneurysm in the International Subarachnoid An-
eurysm Trial (ISAT): long-term follow-up. Lancet Neurol. 2009;8:427-33.
Subakute SAB: Perry JJ, Spacek A, Forbes M, Wells GA, Mortensen M, Symington C, Fortin N,
Stiell IG. Is the combination of negative computed tomography result
4 CT: Sensitivität ab dem 3. Tag 80% and negative lumbar puncture result sufficient to rule out subarachnoid
4 MRT: Ab dem 3. Tag sind PDw und FLAIRw sensitiver als CT hemorrhage? Ann Emerg Med. 2008;51:707-13.
(63–100%) Relation of Cerebral Vasospasm to Subarachnoid Hemorrhage visualized by CT
Scanning. Fisher C.M., Kistler J.P., Davis J.M. Neurosurgery. 1980; 6:1-9.
4 TOF-MRA/MDCTA: Vasospasmen? Santhosh K, Kesavadas C, Thomas B, Gupta AK, Thamburaj K, Kapilamoorthy
4 DWI: Infarkte durch Vasospamen? TR. Susceptibility weighted imaging: a new tool in magnetic resonance
4 Perfusions-CT oder PWI: Perfusionsdefizite durch Vasospas- imaging of stroke. Clin Radiol. 2009;64:74-83.
Stuckey SL, Goh TD, Heffernan T, Rowan D. Hyperintensity in the subarachno-
men? id space on FLAIR MRI. AJR Am J Roentgenol. 2007;189:913-21.
van der Wee N, Rinkel GJ, Hasan D, van Gijn J. Detection of subarachnoid
Chronische SAB: haemorrhage on early CT: is lumbar puncture still needed after a nega-
4 CT: Sensitivität nach 1 Woche 50% tive scan? J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1995;58:357-9.
4 MRT: Wiesmann M, Brückmann H. Magnetic resonance imaging of subarachnoid
hemorrhage. Rofo. 2004;176:500-5.
5 T2*w: Wiesmann M, Mayer TE, Medele R, Brückmann H. Diagnosis of acute subarach-
– Hypointens noid hemorrhage at 1.5 Tesla using proton-density weighted FSE and
– Sehr sensitiv (bei >70% auch noch nach 3 Monaten) MRI sequences. Radiologe. 1999;39:860-5.
Wiesmann M, Mayer TE, Yousry I, Medele R, Hamann GF, Brückmann H. Detec-
4 SWI: Stark hypointense Darstellung der SAB, hat Potenzial, tion of hyperacute subarachnoid hemorrhage of the brain by using mag-
bislang nur Einzelfallberichte netic resonance imaging. J Neurosurg. 2002;96:684-9.
142 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

. Abb. 2.91 Traumatische SAB in der Sylvischen Fissur . Abb. 2.92 Aneurysmatische SAB Fisher Grad 3 in der
links bei Kalottenfraktur, erkennbar an den Stufenbildun- Pentagonzisterne und der Sylvischen Fissur beidseits
gen (Pfeile). Subgaleale Lufteinschlüsse als Hinweis auf bei RcomA-Aneurysma (CT nativ)
Fraktur (CT nativ)

a b

. Abb. 2.93a, b Schwere, aneurysmatische SAB Fisher Grad 4 mit intraventrikulären Blutclots in beiden Seiten-
ventrikeln. Beidseits sind externe Ventrikeldrainagen angelegt (Sterne) (CT nativ)

. Abb. 2.94 Präpontine SAB; kein Nachweis einer


Blutungsquelle in der DSA (CT nativ)
2.5 · Intrakranielle Blutungen
143 2

a b

c d

. Abb. 2.95a–d SAB Fisher Grad 4 im MRT in den basalen Zisternen. Blut auch im IV. Ventrikel und in
den Hinterhörnern beider Seitenventrikeln. a, b: PDw; c, d: FLAIR

a b

. Abb. 2.96a, b SAB links parietal. a: FLAIRw tra; b: FLAIRw cor


144 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

2.5.5 Schädel-Hirn-Trauma-Manifestationen Bildgebung. Traumatische ICBs zeigen ein Dichte- und Signal-
verhalten analog zu anderen ICBs (. Abb. 2.99, . Abb. 2.100)
Traumafolgen im Bereich des Schädels:
2 4 Fraktur des Gesichtsschädels Scherverletzungen, diffuser axonaler Schaden
4 Schädelbasisfraktur Definition. Verletzung der weißen Substanz, d.h. der Axone.
4 Kalottenfraktur . Abb. 2.91, . Abb. 2.99)
Epidemiologie. Häufigste primär intraaxiale Traumafolge.
Traumafolgen im Bereich des Gehirns:
4 Epidurale Hämatome (7 Kap. 2.5.2) Ätiologie. Akzelerations- oder Dezelerationstrauma mit gleich-
4 Subdurale Hämatome (7 Kap. 2.5.3) zeitiger rotatorischer Komponente, → Überdehnung oder Reißen
4 Traumatische Subarachnoidalblutungen (7 Kap. 2.5.4) der Axone.
4 Kontusionsläsionen
4 Hirnnervenverletzungen Sonstiges. Schädigung oft diffus, viele Scherverletzungen sind so
4 Traumatische Gefäßschädigung klein, dass sie auch mittels MRT nicht dargestellt werden können
4 Generalisiertes Hirnödem und nur histologisch nachgewiesen werden können. Bei strate-
gischer Lage können auch sehr kleine Läsionen eine schwere kli-
Kontusionsläsionen (Rindenprellungsherde) nische Symptomatik verursachen.
Definition. Traumatische Schädigung des Hirnparenchyms
mit fokalen Nekrosen, petechialen Blutungen und perifokalem Bildgebung. (. Abb. 2.101, . Abb. 2.102)
Ödem. Lokalisation: Vor allem an der Mark-Rinden-Grenze, im Corpus
callosum (v.a. Splenium), im oberen Hirnstammbereich, in den
Epidemiologie. Zweithäufigste primär intraaxiale Traumafolge. Stammganglien und der Capsula interna.
Morphologie:
Ätiologie. Direkte Druckschädigung (z.B. durch Knochenfrag- 4 Oft multipel, einige Millimeter groß, länglich bis oval, im
mente) oder indirekte Druckschädigung (z.B. bei Akzelerations- Faserverlauf
oder Dezelerationstrauma). 4 Hämorrhagisch oder nicht hämorrhagisch

Bildgebung. (. Abb. 2.97, . Abb. 2.98) CT: Oft unauffällig, evtl. petechiale Blutungen.
Lokalisation: MRT: Deutlich sensitiver als CT:
4 »Coup«- und »Contre coup«-Herde, d.h. Läsionen unmittel- 4 T2w/FLAIR: Hyperintens
bar angrenzend an den Ort der Gewalteinwirkung (»Coup«), 4 T2*w: Sehr sensitiv für hämorrhagische Scherblutungen.
bzw. im Bereich des der Gewalteinwirkung gegenüberlie- 4 SWI: Ist der herkömmlichen T2*w im Nachweis hämorrha-
genden Hirnparenchyms (»Contre Coup«), bedingt durch gischer Scherblutungen überlegen.
die Massenträgheit des Hirngewebes 4 DWI: Hyperintense Darstellung der Scherverletzungen.
4 Angrenzend an Unebenheiten der Schädelinnenfläche (v.a. 4 DTI: Diffuse Schädigung ist in DTI auch dann nachweisbar,
Frontobasis, Temporalpol, dorsolaterales Mittelhirn) wenn andere Sequenzen unauffällig sind.

CT nativ: Hirnnervenverletzungen
4 Hypodens, ggf. gemischt hyper- und hypodens bei Vorliegen Verletzungen von Hirnnerven treten vor allem bei Schädelbasis-
petechialer Einblutungen frakturen auf, am häufigsten ist HN VI betroffen. Ein direkter
4 Demarkierung oft verzögert im Rahmen der ersten 24 h → bildgebender Nachweis der Schädigung ist meist nicht möglich.
initiales CT häufig unauffällig
Traumatische Gefäßschädigungen
! Kleine Kontusionen können durch Partialvolumenarte-
Folgende Gefäßschädigungen können aufgrund eines Traumas
fakte im Bereich der Schädelbasis übersehen werden.
entstehen:
MRT: Der CT im Nachweis von Kontusionen überlegen, Nach- 4 Traumatische Gefäßwanddissektion
weis in sehr frühem Stadium jedoch auch mittels MRT gelegent- 4 Traumatische Aneurysmen
lich schwierig (→ Verlauf!): 4 Traumatische arteriovenöse Fistel zwischen A. carotis interna
4 FLAIR: Hyperintens und Sinus cavernosus durch Schädigung der A. carotis interna
4 T2*w: Ggf. hypointense petechiale Einblutungen im kavernösen Segment (7 Kap. 2.6.3)

Kontusionsblutungen Generalisiertes Hirnödem


Definition. Intrazerebrale Blutungen traumatischer Genese. Definition. Generalisierte Schwellung des Hirnparenchyms.

Ätiologie. Direkte Lazeration des Hirngewebes oder sekundäre Ätiologie. Als direkte Unfallfolge oder als indirekte Unfallfolge
Einblutung in ein nekrotisches Kontusionsareal. durch Hypoxie.
2.5 · Intrakranielle Blutungen
145 2

a b c

. Abb. 2.97a–c Bifrontale Kontusionsläsionen mit Gliosen (hyperintens in FLAIRw) und Blutungsresiduen (hypointens in T2*). a, b: FLAIR cor und tra; c: T2*w

a b

. Abb. 2.98a, b Ausgedehnte Kontusionen bifrontal bei schwerstem Schädelhirntrauma. Nebenbefund:


beidseitige epidurale Hämatome; Z.n. Entlastungstrepanation. a: PDw; b: FLAIR cor

a b c

. Abb. 2.99a–c Schwere Kontusionsblutungen links frontal bei Kalottenfraktur (Pfeil in c). a, b: CT nativ, c: CT nativ im Knochenkernel
146 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Bildgebung. (. Abb. 2.103) fläche oder in den oberflächlichen Cortexschichten. Es ist somit
Lokalisation: Generalisiert kein ätiologisch einheitliches Krankheitsbild, sondern es handelt
Morphologie: sich vielmehr um die gemeinsame Endstrecke einer Vielzahl zu-
2 4 Früh: Volumenzunahme, Verschmälerung der Liquorräume, grunde liegender Ätiologien.
verstrichene Sulci, unscharfe Mark-Rinden-Grenze → Sig-
nalsteigerung in T2w, Signalminderung in T1w Epidemiologie und Demographie. Eine superfizielle Siderose
4 Spät: Im CT diffuse, homogene Dichteminderung des Hirn- des ZNS ist bei ca. 0,15% aller Patienten, bei denen ein MRT
gewebes mit Dichteausgleich zwischen grauer und weißer durchgeführt wird, nachweisbar.
Substanz, keine Sulci mehr abgrenzbar Altersverteilung: Jugendalter bis hohes Alter
Geschlechtsverteilung: M:F = 3:1
Literatur
Ashwal S, Babikian T, Gardner-Nichols J, Freier MC, Tong KA, Holshouser BA. Ätiologie. Rezidivierende Einblutungen in den Subarachnoidal-
Susceptibility-weighted imaging and proton magnetic resonance spec-
raum aus sehr unterschiedlichen Ursachen:
troscopy in assessment of outcome after pediatric traumatic brain injury.
Arch Phys Med Rehabil. 2006;87(12 Suppl 2):S50-8.
4 Durale Läsion (47%): Z.n. Operation, Duraleck, Trauma
Sigmund GA, Tong KA, Nickerson JP, Wall CJ, Oyoyo U, Ashwal S. Multimodal- 4 Vaskuläre Malformation (18%): Aneurysmen, AVM, Kaver-
ity comparison of neuroimaging in pediatric traumatic brain injury. nome
Pediatr Neurol. 2007;36:217-26. 4 Blutender Tumor (35%)
4 Zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) (7 Kap. 2.5.9)
4 In ca. 45% wird keine Blutungsquelle gefunden (»idiopa-
2.5.6 Superfizielle Siderose des ZNS thisch«).

Definition. Bei der superfiziellen Siderose des ZNS kommt es Pathomechanismus. Hämosiderin ist zytotoxisch für die Neu-
aufgrund rezidivierender Einblutungen in den Subarachnoidal- ronen.
raum zu linearen Hämosiderinablagerungen auf der Hirnober-

a b c

. Abb. 2.100a–c Kontusionsblutung links frontal, zusätzlich schmales SDH (Pfeile). a: FLAIRw cor; b: T2w; c: T1w

a b c

. Abb. 2.101a–c Scherverletzungen beidseits frontal mit Hämorrhagien (Pfeile). a, b: FLAIRw; c: T2*w
2.5 · Intrakranielle Blutungen
147 2

a b

c d

. Abb. 2.102a–d Scherverletzungen. a, b: FLAIRw; c, d: DWI, B1000

a b c

. Abb. 2.103a–c Generalisiertes Hirnödem bei Z.n. schwerem Schädelhirntrauma. Von rechts frontal ist eine externe Ventrikeldrainage eingebracht; das
Tentorium stellt sich relativ hyperdens dar (CT nativ)
148 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Klinik. Bei »klassischer«, v.a. infratentorieller Lokalisation: bila- Literatur


terale Hörminderung (95%), Ataxie, Anosmie, Demenz, Kopf- Cohen-Gadol AA, Atkinson PP, Krauss WE. Central nervous system superficial
siderosis following spinal surgery. J Neurosurg Spine. 2005;2:206-8.
schmerzen Feldman HH, Maia LF, Mackenzie IR, Forster BB, Martzke J, Woolfenden A.
2 Superficial siderosis: a potential diagnostic marker of cerebral amyloid
Verlauf und Prognose. Chronisch progredient, sofern Blutungs- angiopathy in Alzheimer disease. Stroke. 2008;39:2894-7.
quelle nicht identifiziert und verschlossen wird; Hörminderung Haroun RI, Li KW, Rigamonti D. Surgical resection of a cerebral arteriovenous
malformation for treatment of superficial siderosis: case report. Surg
kann bis zur Taubheit fortschreiten. Neurol. 2000;53:554-8.
Kumar N, Cohen-Gadol AA, Wright RA, Miller GM, Piepgras DG, Ahlskog JE.
Sonstiges. Der Liquor ist oft xanthochrom Superficial siderosis. Neurology. 2006 Apr 25;66(8):1144-52.
Leussink VI, Flachenecker P, Brechtelsbauer D, Bendszus M, Sliwka U, Gold R,
Becker G. Superficial siderosis of the central nervous system: patho-
Bildgebung. (. Abb. 2.104 bis 2.106) genetic heterogeneity and therapeutic approaches. Acta Neurol Scand.
Die Ausprägung der Siderose in der MRT korreliert schlecht mit 2003;107:54-61.
der Klinik des Krankheitsbildes. Linn J, Herms J, Dichgans M, Brückmann H, Fesl G, Freilinger T, Wiesmann M.
Subarachnoid hemosiderosis and superficial cortical hemosiderosis in
Lokalisation:
cerebral amyloid angiopathy. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:184-6.
4 Ubiquitär an der Hirnoberfläche und an der Oberfläche des Spengos K, Panas M, Sameli S, Vemmos K, Sfangos K, Vassilopoulos D. Super-
Myelons ficial siderosis of the brain as a late complication of subarachnoid
4 V.a. Kleinhirn, Hirnstamm und Hirnnerven haemorrhage. Cerebrovasc Dis. 2004;17:87.
Zingler VC, Grau S, Tonn JC, Jahn K, Linn J, Brandt T, Strupp M. Superficial
4 Bei CAA: Supratentoriell
cerebral and spinal haemosiderosis caused by secondary tethered cord
syndrome after resection of a spinal lymphoma. J Neurol Neurosurg
Morphologie: Psychiatry. 2007;78:767-8.
4 Lineare bis zu 2 mm dicke Signalveränderungen an Hirn-
oberfläche
4 Verdickte Hirnnerven 2.5.7 Intraventrikuläre Blutungen (IVB)
4 Evtl. infratentoriell betonte Atrophie
Synonyme. Ventrikelblutungen
CT:
4 Nicht ausreichend sensitiv Definition. Bei einer intraventrikulären Blutung handelt es sich
4 Zeigt in der Regel höchstens die eventuelle Atrophie (in aus- um eine Einblutung in das Ventrikelsystem.
geprägten Fällen evtl. dezent linear hyperdense Darstellung
der Ablagerungen) Formen.
Primäre IVB: IVB als primäre Manifestation einer intrakraniellen
MRT: Blutung ohne begleitende ICB.
4 T1w: Sekundäre IVB: ICB, die sekundär ins Ventrikelsystem einge-
5 Nicht ausreichend sensitiv brochen ist oder SAB, die sich retrograd über die Foramina
5 In ausgeprägten Fällen evtl. dezent linear hyperintense Luschkae und Magendi ins Ventrikelsystem ausgebreitet hat.
Darstellung der Ablagerungen
4 T2w/FLAIR: Epidemiologie und Demographie.
5 Hypointense Darstellung der linearen Ablagerungen Primäre IVB: 30%
5 Hypointense Darstellung der verdickten Hirnnerven Sekundäre IVB: 70%
4 T2*w/SWI: Sensitivste Methode! Vorkommen: In ca. 3–10% aller ICBs
5 Stark hypointense Darstellung der linearen Ablage-
rungen Ätiologie.
5 Hypointense Darstellung der verdickten Hirnnerven Primäre IVB: Traumatisch
5 Residuen intrazerebraler Makro- oder Mikroblutungen Sekundäre IVB: Ventrikeleinbruch einer ICB oder SAB unter-
als Hinweis auf CAA als Ursache? schiedlicher Genese
4 T1w+KM: Keine pathologische KM-Aufnahme.
4 MRA: Suche einer Blutungsquelle (Aneurysma?) Verlauf und Prognose.
4 DSA: Ggf. zur Suche einer Blutungsquelle Primäre IVB: Relativ gute Prognose
Sekundäre IVB: Schlechtere Prognose als primäre IVB: Vorhan-
MR spinal: densein und Ausmaß stellen einen unabhängigen negativen prog-
4 T2w und GRE zum Nachweis einer spinalen Siderose (hypo- nostischen Faktor für Outcome nach ICB dar.
intenser Saum um Myelon) Komplikation: Hydrozephalus
4 Spinale Blutungsursache?

Differenzialdiagnosen. Artefakt, prominente Gefäße, Meningo-


angiomatose, neurokutane Melanose
2.5 · Intrakranielle Blutungen
149 2

a b c

. Abb. 2.104a–c Superfizielle Siderose des ZNS. a–c: T2*w

a b c

. Abb. 2.105a–c Weiteres Beispiel einer superfiziellen Siderose des ZNS. a–c: T2*w

a b c

. Abb. 2.106a–c Superfizielle Siderose des ZNS in T2-Wichtung. a–c: T2w


150 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Bildgebung. (. Abb. 2.107, . Abb. 2.108) Formen und Einteilungen.


Lokalisation: In allen 4 Ventrikeln möglich Primäre ICB: Ca. 80–85% aller ICBs, dazu zählen:
4 Hypertensive ICBs (50–60%)
! Intraventrikulär starke Verdünnung des Blutes durch
2 4 ICBs auf dem Boden einer Zerebralen Amyloidangiopathie
Liquor → korpuskuläre Blutbestandteile sedimentieren
(CAA; 30%)
in den Hinterhörnern → winzige Spiegel in Hinterhör-
nern ggf. einziger Hinweis auf IVB
Sekundäre ICB: Ca. 15–20% aller ICBs, dazu zählen:
Morphologie: Blutspiegel in Hinterhörnern der Seitenventrikel, 4 ICB durch orale Antikoagulanzien (4–20%)
bzw. Blutclots in III. oder IV. Ventrikel 4 Einblutung in Tumoren (~5%)
CT nativ: Hyperdense Darstellung des Blutes (. Abb. 2.107) 4 Vaskuläre Malformationen (1–2%)
MRT (. Abb. 2.108): 4 Seltene Ursachen (<1%, u.a. Sinus- oder Hirnvenenthrom-
4 T1w/T2w: Geringe Sensitivität und Spezifität, nicht geeignet bose, zerebrale Vaskulitis, Drogen, Eklampsie)
4 PDw: Hyperintens, sehr sensitiv
4 FLAIR: Sensitiv, aber geringe Spezifität aufgrund von Fluss- Makroblutung: Durchmesser der Blutung >10 mm
artefakten im III. und IV. Ventrikel Mikroblutung: Durchmesser der Blutung <10 mm
4 PROPELLER/BLADE-FLAIR: Potenziell bessere Spezifität im
IV. Ventrikel, da Reduktion der Flussartefakte (Studien?) Epidemiologie und Demographie. Spontane ICBs machen ca.
4 T2*w: 15–20% aller Schlaganfälle aus. Es sind alle ethnischen Gruppen
5 Hypointens, sehr sensitiv, verkalkter Plexus kann kleine betroffen, Afroamerikaner und Japaner jedoch vermehrt.
Blutmengen vortäuschen Inzidenz: 15/100.000 (versus 50/100.000 bei Afroamerikanern
5 Bei hyperakuten IVBs kann das Blutvolumen unterschätzt und 55/100.000 bei Japanern). In der EU erleiden jährlich etwa
werden 90.000 Patienten eine ICB.
4 DWI: Zur Abgrenzung von Ventrikelempyem (7 Kap. 4.5) Altersverteilung: Kommt in allen Altersgruppen vor, das Risiko
steigt jedoch mit zunehmendem Alter.
DSA/MRA/MDCTA: Ggf. zum Nachweis einer Blutungsquelle
Ätiologie. Multiple Ursachen (siehe auch schematische Über-
Differenzialdiagnosen. Flussartefakte, Verkalkungen in T2*w, sicht in . Abb. 2.1)
Bewegungsartefakte, intraventrikuläre Tumoren, intraventriku- Sogenannte »primäre« Ursachen sind:
läre Gefäßmalformation, Ventrikelempyem 4 Arterieller Hypertonus
4 Zerebrale Amyloidangiopathie
Literatur
Cianfoni A, Martin MG, Du J, Hesselink JR, Imbesi SG, Bradley WG, Bydder Zu den sog. »sekundären« Ursachen gehören:
GM.Artifact simulating subarachnoid and intraventricular hemorrhage
on single-shot, fast spin-echo fluid-attenuated inversion recovery im-
4 Koagulopathien (erworben oder angeboren)
ages caused by head movement: A trap for the unwary. AJNR Am J Neu- 4 Einnahme gerinnungshemmender Medikamente
roradiol. 2006;27:843-9. 4 »Makroangiopathische« Ursachen: Gefäßmalformationen
Cordonnier C, Al-Shahi Salman R, Bhattacharya JJ, Counsell CE, Papanastas- wie AVM, dAVF, Aneurysmen, Kavernome
siou V, Ritchie V, Roberts RC, Sellar RJ, Warlow C; SIVMS Collaborators.
Differences between intracranial vascular malformation types in the
4 Vaskulitiden
characteristics of their presenting haemorrhages: prospective, popula- 4 Sekundäre Einblutung in ischämische Infarkte
tion-based study. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2008;79:47-51. 4 Tumoreinblutung
Hernalsteen D, Dignac A, Oppenheim C, Peeters A, Hermoye L, Duprez T,
Cosnard G. Hyperacute intraventricular hemorrhage: detection and
characterization, a comparison between 5 MRI sequences. J Neuroradiol. Klinik. Abhängig v.a. von Größe und Lokalisation der ICB. Ty-
2007;34:42-8. pisch sind akute neurologische Verschlechterung, Kopfschmerz
Rincon F, Mayer SA. Clinical review: Critical care management of spontaneous und Erbrechen, Bewusstseinsstörung, Krampfanfälle, Blutdruck-
intracerebral hemorrhage. Crit Care. 2008;12:237.
anstieg.
Sohn CH, Baik SK, Lee HJ, Lee SM, Kim IM, Yim MB, Hwang JS, Lauzon ML,
Sevick RJ. MR imaging of hyperacute subarachnoid and intraventricular Risikofaktoren:
hemorrhage at 3T: a preliminary report of gradient echo T2*-weighted 4 Höheres Alter, arterieller Hypertonus, Alkoholabusus, The-
sequences. AJNR Am J Neuroradiol. 2005;26:662-5. rapie mit Antikoagulanzien, Rauchen (SAB>ICB), Diabetes
Wintersperger BJ, Runge VM, Biswas J, Nelson CB, Stemmer A, Simonetta AB,
mellitus (ICB>SAB)
Reiser MF, Naul LG, Schoenberg SO. Brain magnetic resonance imaging
at 3 Tesla using BLADE compared with standard rectilinear data sam- 4 Apolipoprotein Epsilon-4-Genotyp: Assoziation mit zere-
pling. Invest Radiol. 2006;41:586-92. braler Amyloidangiopathie 7 Kap. 2.5.9, erhöhtes Risiko für
rezidivierende ICBs
4 Drogen, wie z.B. Amphetamine und Kokain
2.5.8 Intrazerebrale Blutungen (ICB)
Verlauf und Prognose. Es besteht eine höhere Mortalität im
Definition. Unter einer ICB versteht man eine Einblutung ins Vergleich zum ischämischen Schlaganfall. Die Mortalität ist
Hirnparenchym, der eine Vielzahl von primären und sekundären von der Größe und der Lokalisation der initialen Blutung ab-
ätiologischen Faktoren zugrunde liegen können. hängig.
2.5 · Intrakranielle Blutungen
151 2

a b

. Abb. 2.107a, b Sekundäre intraventrikuläre Blutung bei Stammganglienblutung links. a, b: CT nativ

a b

c d

. Abb. 2.108a–d Intraventrikuläre Blutung mit Blutspiegeln in den Hinterhörnern beider Seitenventrikel
(Sterne in a, bzw. Pfeile in b, c). a: PDw; b: T2w; c: T1w; d: T2*w
152 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Lobäre Blutungen haben eine bessere Prognose als tief ge- Greenberg SM, Briggs ME, Hyman BT, Kokoris GJ, Takis C, Kanter DS, et al.
legene Blutungen gleicher Größe: Apolipoprotein E epsilon 4 is associated with the presence and earlier
onset of hemorrhage in cerebral amyloid angiopathy. Stroke. 1996;
4 Tief gelegene Blutung >60 ml: Mortalität 93%
27:1333-37.
2 4 Lobärblutung >60 ml: 71%. Hemphill JC, 3 rd, Bonovich DC, Besmertis L, Manley GT, Johnston SC. The ICH
score: a simple, reliable grading scale for intracerebral hemorrhage.
35 bis 52% der Patienten mit ICB versterben innerhalb eines Mo- Stroke. 2001;32:891-7.
nats, nur 20% sind nach 6 Monaten funktionell unabhängig. Leitlinie Intrazerebrale Blutung. In: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in
der Neurologie. 4. Aufl. Thieme, Stuttgart 2008.
Weitere schlechte Prognosefaktoren: niedrige GCS bei Auf-
Qureshi AI, Tuhrim S, Broderick JP, Batjer HH, Hondo H, Hanley DF. Spontane-
nahme, Alter >80 Jahre, infratentorielle Blutung, Einbruch ins ous intracerebral hemorrhage. N Engl J Med. 2001;344:1450-60.
Ventrikelsystem. Smith EE, Rosand J, Greenberg SM. Hemorrhagic stroke. Neuroimaging Clin N
Am. 2005;15:259-72.
Bildgebung intrazerebraler Blutungen van Straaten EC, Scheltens P, Barkhof F. MRI and CT in the diagnosis of vascu-
lar dementia. J Neurol Sci. 2004;226:912.
Ziele der Bildgebung bei intrazerebralen Blutungen sind:
Uysal E, Yanbuloglu B, Erturk M, Kilinc BM, Basak M. Spiral CT angiography in
4 DD hämorrhagischer versus ischämischer Schlaganfall (CT) diagnosis of cerebral aneurysms of cases with acute subarachnoid hem-
4 DD primäre versus sekundäre Blutungsursache orrhage. Diagn Interv Radiol. 2005;11:77-82.
Weimar C, Weber C, Wagner M, Busse O, Haberl RL, Lauterbach KW, et al. Man-
> CT und multimodale MRT werden heute als gleichwer- agement patterns and health care use after intracerebral hemorrhage. a
tig für den Nachweis einer akuten ICB angesehen. cost-of-illness study from a societal perspective in Germany. Cerebrova-
sc Dis. 2003;15:29-3.
Vorliegen einer ICB in typischer Lokalisation für hypertensive
Blutung (Putamen, Globus pallidum, Capsula interna, perivent-
rikuläre weiße Substanz, Pons oder Kleinhirn): Kraniale Computertomographie (CCT)
4 Älterer Patient mit bekannter Hypertonie: Bildgebendes In den meisten Kliniken ist die CCT immer noch die Methode
Verfahren zur Evaluation einer zugrunde liegenden Gefäß- der Wahl zur Notfalldiagnostik, d.h. auch zum Ausschluss oder
pathologie (CTA, MRA, DSA) ist nicht notwendig. zum Nachweis einer intrakraniellen Blutung. Die Sensitivität
4 Junger und/oder normotoner Patient: Gefäßdarstellung der CT zur Diagnose einer akuten intrazerebralen Blutung liegt
(CTA, MRA oder DSA) zum Ausschluss einer zugrunde lie- bei 100% (. Abb. 2.109).
genden Gefäßpathologie ist notwendig. Die CT-Dichtewerte von Vollblut sind von der Proteinkon-
zentration (d.h. dem Hämoglobingehalt) und dem Hämatokrit
Vorliegen einer Lappenblutung: Generell sollte eine Gefäßdar- abhängig (. Tab. 2.5). Es besteht eine lineare Beziehung zwischen
stellung (CTA, MRA oder DSA) zum Ausschluss einer zugrunde Dichtewerten und Hämatokrit. Bei einem Hämatokrit von 45%
liegenden Gefäßpathologie erfolgen. Eine Lappenblutung beim beträgt die Dichte von Vollblut ca. 56 HU. Die Dichte von gesun-
alten Patienten mit Nachweis multipler älterer kortikaler und der grauer Substanz liegt zwischen 37 und 41 HU, die von nor-
subkortikaler Mikro- oder Makroblutungen macht das Vorliegen maler weißer Substanz liegt zwischen 30 und 34 HU, d.h. frisches
einer zerebralen Amyloidangiopathie (CAA) wahrscheinlich Blutextravasat ist – bei normalem Hb-Wert des Patienten – un-
(7 Kap. 2.5.9). abhängig vom intrakraniellen Kompartiment in dem es sich be-
Die (MD)CTA ist eine schnelle und effektive Methode zum findet, in der CT hyperdens im Vergleich zu grauer und weißer
Nachweis von zugrundeliegenden Gefäßpatholologien v.a. unter Substanz.
Notfallbedingungen, z.B. bei Patienten bei denen eine notfall-
! Zu beachten ist dabei, dass ein anämischer Patient
mäßige neurochirurgische Entlastung erforderlich ist (Alterna-
(Hb-Wert <8–10 g/dl) oder eine Gerinnungsstörung
tive: MRA, unter Notfallbedingungen ist eine DSA oft nicht not-
unter Umständen eine isodense Darstellung einer
wendig).
akuten Blutung bewirken können (selten).
Literatur
Broderick JP, Brott TG, Duldner JE, Tomsick T, Huster G. Volume of intracerebral Literatur
hemorrhage. A powerful and easy-to-use predictor of 30-day mortality. Kim J, Smith A, Hemphill JC 3rd, Smith WS, Lu Y, Dillon WP, Wintermark M.
Stroke. 1993;24:987-93. Contrast extravasation on CT predicts mortality in primary intracerebral
Fiebach JB, Schellinger PD, Gass A, Kucinski T, Siebler M, Villringer A, et al. hemorrhage. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:520-5.
Stroke magnetic resonance imaging is accurate in hyperacute intracere- Parizel PM, Makkat S, van Miert E, van Goethem JW, van den Hauwe L,
bral hemorrhage: a multicenter study on the validity of stroke imaging. de Schepper AM. Intracranial hemorrhage: principles of CT and MRI
Stroke. 2004;35:502-06. interpretation. Eur Radiol. 2001;11:1770–83.
Gomori JM, Grossman RI. Mechanisms responsible for the MR appearance and Wada R, Aviv RI, Fox AJ. CT angiography »spot sign« predicts hematoma ex-
evolution of intracranial hemorrhage. Radiographics. 1988;8:427-40. pansion in acute intracerebral hemorrhage. Stroke. 2007;38:1257–62.
2.5 · Intrakranielle Blutungen
153 2

a b

. Abb. 2.109a, b Zwei Fallbeispiele für akute ICBs in den Stammganglien bei Hypertonus. . Abb. 2.110 Akute, subkortikal gelegene ICB
a, b: CT nativ bei einem Patienten mit einer Koagulopathie
(CT nativ)

. Abb. 2.111 »Spot Sign« als Zeichen der ak- . Abb. 2.112 10 Tage alte, subakute ICB mit be- . Abb. 2.113 Subakute, in Resorption befind-
tiven Blutung (Nachweis einer aktiven KM-Extra- ginnender Verkleinerung des hyperdensen Areals liche ICB mit schon deutlichem hypodensen
vasation) in der CTA (Pfeil) und Entstehung eines hypodensen Resorptions- Randsaum (Pfeile) (CT nativ)
saums (Pfeile) (CT nativ)

. Tab. 2.5 Characteristika einer ICB in Nativ-CT, KM-CT und CTA in Abhängigkeit vom Stadium der Blutung

Stadium Dichteverhalten

Akutes Stadium Hämatom hyperdens (50-70 HU) (. Abb. 2.109 bis . Abb. 2.111)
(1–6 Tage) CT + KM oder CTA: ggf. Nachweis einer aktiven KM-Extravasation (»Spot Sign«) als Zeichen der aktiven Blutung (Ein »Spot
»Sign« ist unabhängiger Prädiktor für eine Zunahme der Hämatomausdehung und für Mortalität) (. Abb. 2.111)
Entwicklung eines perifokalen, vasogenen Ödems um die Blutung (hypodens)

Subakutes Stadium Gegen Ende der ersten Woche: beginnende Verkleinerung des hyperdensen Areals, Entstehung eines hypodensen
(1–6 Wochen) Resorptionssaums (. Abb. 2.112, . Abb. 2.113)
Dichteabnahme um typischerweise 1,5–2 HU pro Tag (durch Abbau des Hämoglobins) → Hämatom wird zunächst iso-
dens, dann hypodens (innerhalb von 3–6 Wochen, in Abhängigkeit von der ursprünglichen Größe)
CT + KM: Ringförmige KM-Aufnahme im Randbereich während Resorptionsphase → Cave: DD Abszess, Tumor

Chronisches Stadium Hypodens im Nativ-CT


CT + KM: Ringenhancement kann bis zu 6 Monate lang nachweisbar sein
Variable Residuen im Nativ-CT:
4 Keine Residuen (30%)
4 Hypodense Areale (40%)
4 Schlitzförmige Substanzdefekte (25%)
4 Verkalkungen (ca. 5%)
154 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Magnetresonanztomographie (MRT) 5 Methämoglobin (Met-Hb)


Es herrscht heute Konsens darüber, dass intrazerebrale Makro- 5 Hämosiderin
blutungen mit der MRT genauso zuverlässig detektiert werden 5 Ferritin
2 können wie mit der CT. Bei der Detektion von Mikroblutungen 4 Suszeptibilitätsartefakte
ist die MRT unter Verwendung von T2*- bzw. SWI-Sequenzen 4 Proton-Elektron Dipol-Dipol-Interaktion
der CT überlegen. 4 T1-Effekt von Proteinen
Das MR-Signalverhalten einer Blutung hängt stark vom Alter 4 Magnetfeldstärke
der Blutung und von der verwendeten Sequenz ab (. Tab. 2.6).
Folgende Parameter bestimmen die Darstellung einer Blutung in Einfluss höherer Feldstärken (3 Tesla) auf das Signalverhalten
der MRT: intrazerebraler Blutungen: Bislang existieren hierzu nur wenige
4 Struktur des Hämoglobinmoleküls (d.h. der verschiedenen Studien. Diese weisen darauf hin, dass
Blutabbauprodukte): 4 die Einordnung einer ICB in akutes bis spät subakutes Sta-
5 Oxyhämoglobin (Oxy-Hb) → diamagnetisch → mit SE-Se- dium ähnlich gut möglich ist wie mit 1,5 Tesla,
quenzen nicht sicher nachweisbar 4 das Signal auf T2w und FLAIR in allen Stadien stärker hypo-
5 Deoxyhämoglobin (Deoxy-Hb) → paramagnetisch → ver- intens bei 3 T im Vergleich zu 1,5 T ist.
kürzte T2-Zeit

. Tab. 2.6 MR-Signalverhalten intrazerebraler Blutungen bei 1,5 T

Stadium Zeit Vorherrschendes Blutabbauprodukt Wichtung Signalverhalten

Hyperakute <6 h Intrazelluläres Oxy-Hb in intakten Erys T1w Iso- bis leicht hypointens
ICB . Abb. 2.114
Oxy-Hb ist diamagnetisch → mit SE-Sequen- T2w Hyperintens, evtl. mit geringem hypo-
zen nicht sicher nachweisbar intensem Randsaum

T2*w/SWI (partiell) hypointens

DWI B0: analog T2w


B1000: inhomogen, dunkel

Akute 6 h–3 d Intrazelluläres Deoxy-Hb in intakten Erys T1w Iso- bis hypointens
ICB . Abb. 2.115,
Progrediente Umwandlung des diamagne- T2w Hypointens
. Abb. 2.116
tischen Oxy-Hbs in das paramagnetische Umgebungsödem ist hyperintens
Deoxy-Hb (Dauer ca. 1–3 Tage, in Abhängig-
T2*w/SWI Deutlich hypointens
keit von Hämatomgröße) → verkürzte T2-Zeit
DWI ADC-MAP: Erhöhung des ADC-Wertes im
perifokalen Ödem korreliert mit ICB-Größe

Früh subakute 3–7 d Intrazelluläres Met-Hb T1w Hyperintens, evtl. mit hypointensem
ICB . Abb. 2.117, Zentrum
. Abb. 2.118
T2w Hypointens

T2*w/SWI Deutlich hypointens

Spät subakute 7 d–4 Wochen Extrazelluläres Met-Hb T1w Hyperintens


ICB . Abb. 2.119
T2w Hyperintens, oft mit hypointensem
Randsaum

T2*w/SWI Hypointens

Früh Monate Extrazelluläres Met-Hb + Randsaum aus T1w Hyper- bis isointens
chronische * . Abb. 2.120 Hämosiderin/Ferritin
T2w Hyperintens, mit dtl. hypointenserem
ICB
Randsaum

T2*w/SWI Hypointens, mit dtl. hypointenserem


Randsaum

Spät Monate bis Hämosiderin T1w Iso- bis hypointens


chronische * Jahre
T2w Hypointens
ICB . Abb. 2.121
T2*/SWI Hypointens

*: Einige Autoren unterscheiden nicht zwischen frühem und spätem chronischem Stadium, sondern sprechen nur von »chronischem Stadium«
2.5 · Intrakranielle Blutungen
155 2

a b c

d e f

. Abb. 2.114a–f Hyperakute Lappenblutung rechts frontal bei zerebraler Amyloidangiopathie; in T2*w (c) zusätzlich superfizielle Siderose beidseits.
a: T2w; b: T1w; c: T2*w; d: PDw; e: T1w + KM ; f: DWI, B1000

a b c

d e f

. Abb. 2.115a–f Akute ICB links temporal. a: T2w; b: PDw; c: T1w nativ; d: T1w + KM; e: T2*w; f: DWI, B1000
156 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Literatur Literatur
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Parizel PM, Makkat S, van Miert E, van Goethem JW, van den Hauwe L, de
Mikroblutungen: Durchmesser <10 mm; in 1–5% der Fälle multi-
Schepper AM. Intracranial hemorrhage: principles of CT and MRI inter-
pretation. Eur Radiol. 2001;11:1770–83.
fokal
Seidenwurm D, Meng TK, Kowalski H, Weinreb JC, Kricheff II. Intracranial hem- Makroblutungen: Durchmesser >10 mm
orrhagic lesions: evaluation with spinecho and gradient-refocused MR
imaging at 0.5 and 1.5 T. Radiology. 1989;172:189–94. Epidemiologie und Demographie.
Silvera S, Oppenheim C, Touzé E, Ducreux D, Page P, Domigo V, Mas JL, Roux
Altersverteilung: In der Altersgruppe der 40–70-Jährigen ist der
FX, Frédy D, Meder JF. Spontaneous intracerebral hematoma on diffu-
sion-weighted images: influence of T2-shine-through and T2-blackout
arterielle Hypertonus die häufigste Ursache (ca. 50%) nichttrau-
effects. AJNR Am J Neuroradiol. 2005;26:236-41. matischer ICBs.
Sohn CH, Baik SK, Lee HJ, Lee SM, Kim IM, Yim MB, Hwang JS, Lauzon ML, Geschlechtsverteilung: Ältere Männer sind am häufigsten be-
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Thulborn KR, Brady TJ. Iron in magnetic resonance imaging of cerebral hemor-
Ätiologie. Die chronische arterielle Hypertonie führt zu mikro-
rhage. Magn Reson Q. 1989;5:23–38. angiopathischen Veränderungen der kleinen penetrierenden
Vernooij MW, Ikram MA, Wielopolski PA, Krestin GP, Breteler MM, van der Lugt Arterien (50–200 μm) (Perforatoren aus M1-Segmenten der
A. Cerebral microbleeds: accelerated 3D T2*-weighted GRE MR imaging MCA, A1-Segmenten der ACA, RcoA, P1- und P2-Segmenten
versus conventional 2D T2*-weighted GRE MR imaging for detection.
der PCA, RcoP, BA (7 Kap. 1.17) mit Schädigung der Media,
Radiology. 2008;248:272–7.
Viswanathan A, Chabriat H. Cerebral microhemorrhage. Stroke. 2006; 37:
→ histologisch schwere arteriosklerotische Veränderungen der
550–5. kleinen Arteriolen mit Verdickung der Gefäßwände, fibrinoider
Wiesmann M, Mayer TE, Yousry I, Hamann GF, Brückmann H. Detection Nekrose (Lipohyalinose) und Pseudoaneurysmen. Diese Verän-
of hyperacute parenchymal hemorrhage of the brain using echo- derungen resultieren in einer herabgesetzten Compliance der
planar T2*-weighted and diffusion-weighted MRI. Eur Radiol. 2001;
Gefäßwände → Vasoreaktivität bei Blutdruckschwankungen ist
11:849-53.
beeinträchtigt → Ruptur der Gefäßwand bei Blutdrucksteigerung
→ hypertensive Makro- und Mikroblutungen.
Digitale Subtraktionsangiographie (DSA)
Die Bedeutung der DSA der Halsgefäße und der intrakraniellen Histopathologisch werden verschiedene Schweregrade der mikro-
Gefäße insgesamt hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abge- angiopathischen Veränderungen unterschieden, die mit der Dauer
nommen. Für viele Fragestellungen wurde die DSA mittlerweile und dem Schweregrad des Hypertonus korrelieren. In ausgeprägten
durch CTA und MRA weitgehend ersetzt. Auch bei der Bildge- Fällen werden regelhaft petechiale Mikroblutungen beobachtet.
bung intrakranieller Blutungen hat sie an Wichtigkeit verloren.
Dennoch bestehen weiterhin Fragestellungen und Indikationen, Klinik. Akut beginnende fokal-neurologische Ausfälle in Ab-
bei denen diese Methode auch heute noch als Goldstandard gilt, hängigkeit von Lokalisation (»Stroke«); akute Hirndrucksymp-
nämlich v.a. bei der Diagnostik und Behandlungsplanung intra- tomatik mit Erbrechen; Krampfanfälle.
kranieller Aneurysmen, arteriovenöser Malformationen und
duraler arteriovenöser Fisteln (7 Kap. 2.6). Verlauf und Prognose. Von initialem GCS abhängig: GCS <5 →
Die Durchführung einer DSA beim Vorliegen einer ICB wird 70% Letalität.
empfohlen, wenn mit nicht invasiven Methoden keine Blutungs-
ursache gefunden werden konnte, vor allem wenn es sich um
einen jungen und/oder normotensiven Patienten handelt und/
oder wenn die Blutung »atypisch«, d.h. nicht in den Stammgang-
lien/Thalamus lokalisiert ist.
2.5 · Intrakranielle Blutungen
157 2

a b

. Abb. 2.116a–d Akute ICB rechts parietal.


c d
a: T2w; b: PDw; c: T1w nativ: d: T1w + KM

a b

. Abb. 2.117a–d Thalamusblutung links im frü-


hen subakuten Stadium. a: FLAIRw; b: T1w nativ;
c d
c: T2*w; d: DWI, B1000
158 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 2.118a–f Stammganglienblutung links im frühen subakuten Stadium. a: T2w; b: PDw; c: FLAIRw; d: T1w nativ; e: T2*w; f: DWI, B1000

a b c

. Abb. 2.119a–c ICB links okzipital im späten subakuten Stadium. a: T2w; b: PDw; c: T1w nativ
2.5 · Intrakranielle Blutungen
159 2

. Abb. 2.120 Kleine ICB im lateralen rechten


Temporallappen im frühen chronischen Stadium
(deutlicher hyperintenser Randsaum) (FLAIRw)

a b

. Abb. 2.121a–c ICB rechts okzipital im späten


chronischen Stadium (normaler Pfeil in c), zusätz-
liche parenchymale (Sterne in c) und superfizielle
Siderose (Pfeilspitzen in c) bei wahrscheinlicher
zerebraler Amyloidangiopathie. a: FLAIRw;
c
b: T1w nativ; c: T2*w
160 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Sonstiges. Die arterielle Hypertonie stellt den wichtigsten beein- ! Erscheint jedoch irgendein Aspekt untypisch (z.B. Lo-
flussbaren Risikofaktor für eine ICB dar, richtige Blutdruckein- kalisation, Alter, normotoner Patient, maligne Erkran-
stellung senkt signifikant die Inzidenz einer ICB. kung in der Anamnese), sollte zum Ausschluss einer
2 Vor allem Thalamusblutungen tendieren dazu, sekundär in sekundären Blutungsursache (z.B. eines eingebluteten
das Ventrikelsystem einzubrechen, mit der Folge einer intra- Tumors) KM verabreicht werden.
ventrikulären Blutung → Risiko des Hydrozephalus durch Stö-
rung der Liquorzirkulation → Risikofaktor für ein schlechtes 4 DWI: . Tab. 2.6
Outcome.
Ponsblutungen können zu einer sekundären olivären Hyper- MRA, CTA, DSA:
trophie führen (7 Kap. 7.10). 4 Typischerweise negativ, d.h. kein Nachweis einer Blutungs-
quelle
Bildgebung der hypertensiven Makroblutungen. 4 Evtl. Gefäßelongation als Hinweis auf Makroangiopathie
Lokalisation: durch langjährigen Hypertonus
4 Vor allem in den Versorgungsgebieten der kleinen perforie- 4 Bei typischen hypertensiven Blutungen, d.h. Lokalisation in
renden Arterien, d.h. in Stammganglien (60–65%, Perfora- Stammganglien- oder Thalamus beim älteren Patienten mit
toren aus den M1-Segmenten der A. cerebri media) und Tha- langjährigem Hypertonus kann ggf. auf die Gefäßdarstellung
lamus (15–25%, Perforatoren aus RcomP, P1- und P2-Segmen- mittels einer angiographischen Technik (CTA, DSA) verzich-
ten aus der A. cerebri posterior) (. Abb. 2.122 bis 2.124) tet werden.
4 Pons: 10% (. Abb. 2.125) 4 Verlaufs-CT oder MRT können notwendig sein, v.a. bei Ein-
4 Lappenblutungen: 5–15% der hypertensiven ICBs sind lobär bruch ins Ventrikelsystem oder klinischer Verschlechte-
lokalisiert. rung.
4 Bei Einbruch in das Ventrikelsystem → Intraventrikuläre Blu- 4 Falls ein MRT durchgeführt wird sollte das Protokoll jedoch
tung der Vollständigkeit halber eine TOF-MRA umfassen → Ge-
4 Eine sekundäre Ausdehnung in den Subarachnoidalraum ist fäßelongation? Co-Morbidität mit arteriosklerotischen Ste-
nicht typisch für die hypertensive ICB nosen?
! Erscheint irgendein Aspekt untypisch (z.B. Lappen-
Morphologie:
blutung, junger, normotoner Patient), muss eine se-
4 Blutung rund bis ovalär, akut raumfordernd
kundäre Blutungsursache durch eine Gefäßdarstellung
4 Ggf. Raumforderungszeichen: Mittellinienshift, Herniation
(z.B. eine Gefäßmalformation, 7 Kap. 2.6) ausgeschlos-
4 Ggf. Hydrozephalus bei sekundärer Ventrikelblutung
sen werden. Hierfür ist die DSA immer noch der Gold-
standard.
CT:
4 CT nativ (. Abb. 2.122): Siehe auch . Tab. 2.5
5 Akut: Hyperdense Raumforderung von 60–80 HU meist Bildgebung der hypertensiven Mikroblutungen.
in Stammganglien/Thalamus, +/- Umgebungsödem Lokalisation: Vor allem Stammganglien, Thalami, Hirnstamm,
5 Selten gemischte Dichtewerte, wenn aktive Blutung zum Cerebellum (. Abb. 2.124).
Untersuchungszeitpunkt oder wenn zusätzlich gestörte Morphologie: In 1–5% der Fälle multifokale, kleine rundliche
Gerinnung Spots <10 mm.
5 Ggf. hyperdense Spiegel intraventrikulär bei Ventrikelein- CT: Oft unauffällig.
bruch MRT:
5 Ggf. Raumforderungszeichen, Hydrozephalus 4 T2*w: Oft nur in dieser Sequenz als kleine hypointense Spots
4 CT + KM: nachweisbar.
5 Akut: Keine pathologische KM-Aufnahme 4 SWI: Der T2*w beim Nachweis von Mikroblutungen hin-
sichtlich Zahl nachweisbarer Läsionen überlegen.
MRT (. Abb. 2.123): Signalverhalten in Standardsequenzen ab-
hängig vom Alter der Blutung (. Tab. 2.6) Differenzialdiagnosen.
4 T2*w: Blutung hypointens, evtl. zusätzlich Nachweis »ok- Makroblutungen: Zerebrale Amyloidangiopathie, Gefäßmal-
kulter« hypertensiver Mikroblutungen als kleine hypointense formation, Tumoreinblutung, Koaguloapathie, sekundär einge-
Spots (s.u.) (. Abb. 2.124) bluteter ischämischer Infarkt, eingebluteter venöser Stauungs-
4 T1w + KM: infarkt
5 Akut: typischerweise keine KM-Aufnahme Mikroblutungen: Siehe Exkurs »Multiple Black Dots« unter
5 Bei aktiven Blutungen evtl. Nachweis der Kontrastextra- 7 Kap. 2.6.5)
vasation
5 Bei »typischen« hypertensiven Blutungen, d.h. Lokalisa-
tion in Stammganglien- oder Thalamus bei älteren Pa-
tienten mit langjährigem Hypertonus kann ggf. auf KM-
Gabe verzichtet werden.
2.5 · Intrakranielle Blutungen
161 2

a b

. Abb. 2.122 Hypertensive Stammganglienblu-


tung rechts mit Einbruch ins Ventrikelsystem und
konsekutivem Liquoraufstau (CT nativ)

c d

. Abb. 2.123a–d Hypertensive Makroblutung in den posterioren Stammganglien rechts. a: T2w;


b: PDw; c: T1w nativ; d: T2*w

a b

. Abb. 2.124 Hypertensive Mikroblutungen in . Abb. 2.125a, b Hypertensive Ponsblutung. a, b: T1w + KM


loco typico, überwiegend in den Thalami (T2*w)
162 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

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expansion in acute intracerebral hemorrhage. Stroke. 2007;38:1257-
einer akuten Konvexitäts-SAB manifestiert.
62. 4 Chronisch: in Form einer Demenz (30%); Kopfschmerzen
sind typisch; epileptische Anfälle häufig.
Zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) Verlauf und Prognose. Führt typischerweise zu rezidivierenden
Synonyme. Kongophile Angiopathie intrazerebralen Mikro- und Makroblutungen. Im Verlauf tritt
eine zunehmende Einschränkung der Kognition auf.
Definition. Bei der CAA handelt es sich um eine mikroangio-
apathische Gefäßwandschädigung durch die Ablagerung von Sonstiges. Boston-Diagnosekriterien einer CAA-assoziierten
β-Amyloid in den Gefäßwänden vor allem der kortikalen und ICB: In Diagnosekriterien gehen klinische Angaben, die Bildgebung
leptomeningealen Gefäße. und – falls vorhanden – der histologische Befund ein (. Tab. 2.7).

. Tab. 2.7 Boston Diagnosekriterien einer CAA-assoziierten ICB

Definitive CAA-Blutung Vollständige Autopsie mit Nachweis folgender Befunde:


4 Lobär, kortikal oder kortikosubkortikal lokalisierte ICB
4 Schwere zerebrale Amyloidangiopathie mit Vaskulopathie
4 Fehlen anderer Blutungsursachen

Wahrscheinliche CAA-Blutung Klinische Befunde und pathologisches Gewebe (entlastetes Hämatom oder Biopsie) mit folgenden Befunden:
mit supportiver Pathologie 4 »lobäre, kortikal oder kortikal-subkortikal gelegene ICB
4 Nachweis von vaskulären Amyloidablagerungen im Präparat
4 Fehlen anderer Blutungsursachen

Wahrscheinliche CAA-Blutung Klinische Befunde und MRT oder CT mit folgenden Befunden:
4 Multiple ICBs, die lobär, kortikal, kortikosubkortikal oder zerebellär lokalisiert sein dürfen
4 Alter über 55 Jahre
4 Fehlen anderer Blutungsursachen

Mögliche CAA-Blutung Klinische Befunde und MRT oder CT mit folgenden Befunden:
4 Einzelne lobär, kortikal, kortikosubkortikal lokalisierte ICB
4 Alter über 55 Jahre
4 Fehlen anderer Blutungsursachen
2.5 · Intrakranielle Blutungen
163 2
Die vollständige postmortale autoptische Aufarbeitung ist 4 FLAIR:
immer noch der Goldstandard für die Diagnose einer CAA. Stu- 5 (Flächenhafte) hyperintense Leukenzephalopathie
dien zeigen gute Korrelation zwischen Diagnose »wahrschein- 4 T1w + KM:
liche« CAA anhand der Diagnosekriterien und histopatholo- 5 Keine pathologische KM-Aufnahme
gischem Ergebnis, aber Spezifität der Diagnose »mögliche« CAA 5 Selten: »Amyloidom«: wenig raumfordernd, moderat
ist relativ gering (62%). KM-aufnehmend
4 T2*w:
Bildgebung. (. Abb. 2.126 bis . Abb. 2.128) 5 Den anderen Sequenzen beim Nachweis alter Blutungen
Lokalisation der Blutungen: überlegen, v.a. beim Nachweis von Mikroblutungen (mul-
4 Lappen der Großhirnhemisphären (»lobär«, Makroblutun- tiple »schwarze Punkte«), v.a. in unmittelbar subkortika-
gen) (. Abb. 2.126) ler Lokalisation
4 Kortikal-subkortikal, Mark-Rinden-Grenze (Mikroblutun- 5 Nachweis der superfiziellen kortikalen Siderose als line-
gen) (. Abb. 2.127) are Hämosiderinablagerungen in den oberflächlichen
4 Kortikale Siderose: supratentoriell an der Konvexität Schichten der Großhirnrinde

Morphologie: DSA/MRA/CTA: Typischerweise unauffällig


4 Makro- und Mikroblutungen (petechial, multiple »schwarze NUK: PET mit Pittburgh Compound B (PiB) erlaubt den In-vivo-
Punkte«) Nachweis von vaskulärem Amyloid
4 Makroblutungen oft rel. groß, ggf. mit Sedimentationsphä- Differenzialdiagnosen. Hypertensive ICB; sekundäre Blu-
nomenen tungsursachen(s.u.); DD multipler »schwarzer Punkte« in T2*
4 Superfizielle kortikale Siderose (. Abb. 2.128) siehe Exkurs unter 7 Kap. 2.6.5
4 Leukenzephalopathie im periventrikulären Marklager
4 fokale SABs an der Konvexität Literatur
Johnson KA, Gregas M, Becker JA, Kinnecom C, Salat DH, Moran EK, Smith EE,
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5 Ggf. (Lappen-)blutung, Signalverhalten von Blutungsalter Duinen SG. Microvasculopathy is associated with the number of cerebro-
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5 bei inflammatorischer Form: dtl. Leukenzephalopathie lobär sporadic. Brain Pathol. 2006;16:30-9.

. Abb. 2.126 Multiple intrazerebrale Makroblu- . Abb. 2.127 Überwiegend subkortikal lokali- . Abb. 2.128 Superfizielle Siderose bei histolo-
tungen bei histologisch gesicherter zerebraler sierte Mikroblutungen bei CAA (T2*w) gisch gesicherter CAA (T2*w)
Amyloidangiopathie (CAA) (T2*w)
164 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

2.6 Gefäßmalformationen 4 SDH


4 Symptome, die durch die lokale Raumforderung des Aneu-
Zu den intrakraniellen Gefäßmalformationen zählen: rysmas bedingt sind:
2 4 Aneurysmen 5 Hirnnervenausfälle
4 Arteriovenöse Malformationen (AVMs) 5 Trigeminusneuralgie
4 Durale arteriovenöse Fisteln (dAVFs) 5 Krampfanfälle
4 Kavernöse Malformationen (CMs) 5 Hypothalamische Störungen
4 »Developmental venous anomalies« (DVAs) 4 Ischämie
4 Kapilläre Teleangiektasien 5 Durch Spontanthrombose mit thrombotischem Ver-
schluss des Trägergefäßes
In ihrer Gesamtheit stellen die intrakraniellen Gefäßmalforma- 5 Embolisch aufgrund von Thrombusmaterial aus dem An-
tionen die häufigste Ursache nichttraumatischer ICBs bei jungen eurysma
Erwachsenen dar.
Verlauf und Prognose. Das Blutungsrisiko bei nichtrupturierten
Aneurysmen beträgt:
2.6.1 Aneurysmen 4 Insgesamt (unselektiert): 1,9%/Jahr
4 Ohne vorangegangene Aneurysmablutung <0,05%/Jahr
Definition. Aneurysma verum: spindel- oder sackförmige, um- 4 Mit vorangegangener Aneurysmablutung 0,5%Jahr
schriebene, permanent bestehende Aussackung bzw. Erweite- 4 In Abhängigkeit von der Größe des Aneurysmas (5-Jahres-
rung einer Arterie infolge angeborener oder erworbener Wand- Risiko für erstmalige Blutung):
veränderungen, die alle Schichten der Gefäßwand (Intima, 5 Vorderer Kreislauf:
Media und Adventitia) betrifft. – <7 mm: 0%
– 7–12 mm: 2,6%
Epidemiologie und Demographie. – 13–24 mm:14,5%
Prävalenz: – >25 mm: 40%
4 Autoptisch in 4,3% der Fälle nachweisbar 5 Hinterer Kreislauf → deutlich höheres Risiko!
4 Angiographisch in 4–6% – <7 mm: 2,5%
4 Allgemeinbevölkerung: 2,3% – 7–12 mm: 14,5%
– 13–24 mm:18,4%
Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen: Polyzystische
– >25 mm: 50%
Nierenerkrankung, Arteriosklerose, Aneurysmablutung in der
Familienanamnese, NF1, fibromuskuläre Dysplasie, Marfan-
Das Blutungsrisiko korreliert außerdem mit weiblichem Ge-
Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom IV; A. trigemina primitiva
schlecht, Hypertonie, Alkoholabusus.
Altersverteilung: Im Alter zunehmend
Größenzunahme nicht rupturierter Aneurysmen im Verlauf:
Geschlechtsverteilung: F > M
Über einen Zeitraum von 47 Monaten zeigten 10% der Aneurys-
Ätiologie. men eine Größenzunahme. Das Risiko korreliert dabei mit der
4 Kombination aus angeborener Wandschwäche und erwor- Ausgangsgröße.
benem mechanischem Stress der Gefäßwand. Bei angebo-
rener Schwäche der Gefäßwand v. a. sackförmige Aneurys- Bildgebung. (. Abb. 2.129 bis . Abb. 2.132)
men der Hirnbasisarterien Lokalisation: (basale) Hirnarterien:
4 Genetische Prädisposition 4 RcoA oder ACA: 40% (. Abb. 2.129)
4 Familiäre Form: Jüngere Patienten, m = f 4 Distale ACI: 30% (. Abb. 2.131)
4 Postnatale Degeneration der Lamina elastica interna, z.B. 4 MCA: 20% (. Abb. 2.130)
arteriosklerotisch, entzündlich oder embolisch bedingt → v.a. 4 Vertebrobasilär, v.a. Basilariskopf: 10% (. Abb. 2.132)
fusiforme Aneurysmen 4 In 14–33% multiple Aneurysmen
4 Stark hämodynamisch beanspruchte Gefäßabschnitte sind
prädisponiert (Gefäßteilungen) Morphologie:
4 Fusiforme Aneurysmen: Bei Kollagenosen (SLE), angebore- 4 Sackförmig: rundlich, evtl. lobuliert, schmal- oder breit-
ner Bindegewebeschwäche (Ehlers-Danlos-Syndrom, Mar- halsig
fan-Syndrom, NF1) 4 Fusiform: spindelförmig
(»Blisteraneurysma«)
Klinik. Häufigste klinische Manifestation: SAB → Vernichtungs-
kopfschmerz CT:
Weitere klinische Manifestationen (oft in Kombination mit 4 CT nativ:
SAB) 5 Unrupturiertes Aneurysma: glatt begrenzte, leicht hyper-
4 Parenchymblutung dense RF, evtl. mit Wandverkalkungen
4 Ventrikelblutung 5 Thrombosierte Aneurysmen etwas stärker hyperdens
2.6 · Gefäßmalformationen
165 2
4 CT+KM: Differenzialdiagnosen.
5 Enhancement des durchströmten Lumens 4 Gefäßschlinge
5 thrombosiertes Aneurysma: evtl. Enhancement der 4 Infundibulärer Abgang des RcomP (. Abb. 2.133)
Wand 4 MRT: Artefakte durch Flow void
4 MDCTA: 4 TOF-MRA: Lipom, Neurohypophyse
5 Für Aneurysmen >/= 3 mm: Sensitivität = 93–99% 4 Pseudoaneurysma (= umschriebene Aufweitung der Gefäß-
5 Für Aneurysmen <3 mm: Sensitivität 35–75% wand, die jedoch nicht von Gefäßwandschichten überdeckt
5 Wird heute von manchen Autoren als primäre bildge- ist); Ätiologie: meist traumatisch oder auch entzündlich
bende Methode propagiert (mykotisches Aneurysma); In 5% ist die MCA betroffen;
5 Idealerweise mind. 64-Zeilen-CT Pseudoaneurysmen sind irregulärer konfiguriert als das
5 Detektionsrate von Postprocessing abhängig! → MIP-Re- Aneurysma verum
konstruktionen und Volume Rendering empfohlen, am 4 Arteriosklerotisch bedingtes fusiformes Aneurysma (= arte-
besten mit interaktiver Optimierung des Fensters riosklerotisch bedingte, fusiforme Gefäßwanderweiterung);
5 Im Bereich der Schädelbasis können Knochenartefakte häufiger im vertebrobasilären Stromgebiet: klinische Präsen-
ein Problem sein → Knochensuppressions- (2D transfer tation meist als TIAs
function volume rendering) oder Knochensubtraktions-
algorithmen für infraglenoidale Aneurysmen empfohlen Literatur
Burns JD, Huston J 3rd, Layton KF, Piepgras DG, Brown RD Jr. Intracranial
MRT: aneurysm enlargement on serial magnetic resonance angiography:
frequency and risk factors. Stroke. 2009;40:406-11.
4 T1w: Signal variabel, oft flow voids, heterogenes Signal; bei
Fishman EK, Ney DR, Heath DG, Corl FM, Horton KM, Johnson PT. Volume
thrombosierten Aneurysmen ist das Signal vom Alter des rendering versus maximum intensity projection in CT angiography: what
Clots abhängig works best, when, and why. Radiographics. 2006;26:905-22.
4 T2w: Hypointense flow voids; evtl. stark hypointenser Rand- Hiratsuka Y, Miki H, Kiriyama I, Kikuchi K, Takahashi S, Matsubara I, Sadamoto K,
saum Mochizuki T. Diagnosis of Unruptured Intracranial Aneurysms: 3T MR
Angiography versus 64-channel Multi-detector Row CT Angiography.
4 TOF-MRA:
Magn Reson Med Sci. 2008;7:169-78.
5 85–95% Sensitivität Lell MM, Anders K, Uder M, Klotz E, Ditt H, Vega-Higuera F, Boskamp T, Bautz
5 3 Tesla >1,5 T, (Ultrahochfeld-7T-MRT hat zusätzliches WA, Tomandl BF. New techniques in CT angiography. Radiographics.
Potenzial) 2006;26 Suppl 1:S45-62.
5 Relativ hohe Rate falsch positiver Befunde Mönninghoff C, Maderwald S, Theysohn JM, Kraff O, Ladd SC, Ladd ME,
Forsting M, Quick HH, Wanke I. Evaluation of intracranial aneurysms with
4 CE-MRA: Ähnliche Sensitivität wie MDCTA
7 T versus 1.5 T time-of-flight MR angiography - initial experience. Rofo.
2009;181:16-23.
DSA: 4-Gefäß-DSA inklusive Schrägpositionen (45°) Morhard D, Fink C, Becker C, Reiser MF, Nikolaou K. Value of automatic
4 Immer noch sensitivste Methode und gilt deshalb als Gold- bone subtraction in cranial CT angiography: comparison of bone-sub-
standard tracted vs. standard CT angiography in 100 patients. Eur Radiol.
2008;18:974-82.
4 Zwei-Ebenen-DSA, 3D-Rotations-DSA mit Rekonstruk-
Nael K, Villablanca JP, Mossaz L, Pope W, Juncosa A, Laub G, Finn JP. 3-T con-
tionen trast-enhanced MR angiography in evaluation of suspected intracranial
4 Zur Therapieplanung (Halsweite? Aus dem Aneurysma ab- aneurysm: comparison with MDCT angiography. AJR Am J Roentgenol.
gehende Gefäße?) 2008;190:389-95.

a b

. Abb. 2.129a, b Nach posterosuperior gerichtetes RcomA-Aneurysma in a.-p. Projektion (a)


und 45° Schrägprojektion (b). a, b: DSA, selektive Injektion in die linke ACI
166 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

. Abb. 2.130a, b Großes Aneurysma an der Mediabifurkation links in in a.-p. Projektion (a) und lateraler
Projektion (b). a, b: DSA, selektive Injektion in die linke ACI

a b c

. Abb. 2.131a–c ACI-Aneurysma in kavernösem Segment rechts (Sterne), auch die linke ACI ist pathologisch dilatiert (Pfeile). a: T2w; b: TOF-MRA,
Basisbild; c: T2*w

a b

. Abb. 2.132a, b DSA eines Basilariskopfaneurysmas in a.-p. (a) und seitlicher Projektion (b) . Abb. 2.133 Infundibulärer Abgang des RcomP
als Normvariante (Pfeil), der nicht mit einem
Aneurysma verwechselt werden sollte (DSA)
2.6 · Gefäßmalformationen
167 2
Romijn M, Gratama van Andel HA, van Walderveen MA, Sprengers ME, Verlauf und Prognose.
van Rijn JC, van Rooij WJ, Venema HW, Grimbergen CA, den Heeten GJ, 4 Blutungsrisiko: Bei nicht gebluteten AVMs ca. 1% pro Jahr
Majoie CB. Diagnostic accuracy of CT angiography with matched mask
4 Risikofaktoren für AVM-Blutung: Männliches Geschlecht,
bone elimination for detection of intracranial aneurysms: comparison
with digital subtraction angiography and 3D rotational angiography. Schwangerschaft, tiefe venöse Drainage, venöse Abflussbe-
AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:134-9. hinderung, hoher Druck in angiomversorgenden Gefäßen
Schwab KE, Gailloud P, Wyse G, Tamargo RJ. Limitations of magnetic reso- 4 Erhöhtes Rezidivblutungsrisiko nach stattgehabter Blutung
nance imaging and magnetic resonance angiography in the diagnosis of (Angaben variieren von ca. 6–30% im 1. Jahr)
intracranial aneurysms. Neurosurgery. 2008;63:29-34.
Tomandl BF, Köstner NC, Schempershofe M, Huk WJ, Strauss C, Anker L,
Hastreiter P. CT angiography of intracranial aneurysms: a focus on post- Sonstiges. Intranidale und flussassoziierte Aneurysmen gehen
processing. Radiographics. 2004;24:637-55. mit höherem Blutungsrisiko einher.
Yoon DY, Lim KJ, Choi CS, Cho BM, Oh SM, Chang SK. Detection and character- Behandlungsoptionen sind:
ization of intracranial aneurysms with 16-channel multidetector row CT 4 Endovaskuläre Embolisation
angiography: a prospective comparison of volume-rendered images and
4 Neurochirurgische Operation (Spetzler-Martin-Klassifika-
digital subtraction angiography. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:60-7.
tion zur Abschätzung des chirurgischen Komplikationsrisi-
kos siehe . Tab. 2.8)
Internet 4 Stereotaktische Radiochirurgie
www.hirn-aneurysma.de 4 Oft kombiniertes Vorgehen
! Blutungsrisiko einer AVM wird nur durch vollständige
Ausschaltung beseitigt. Diese muss deshalb immer das
2.6.2 Arteriovenöse Malformationen (AVMs)
Therapieziel sein. Bei Teilbehandlung wird der Patient
dem Behandlungsrisiko ausgesetzt bei bleibendem
Definition. Bei einer AVM handelt es sich um eine vaskuläre
Blutungsrisiko, das durch eine Teilbehandlung nicht
Malformation mit multiplen kleinen arteriovenösen (AV-)Shunts,
nur nicht vermindert sondern sogar verstärkt werden
ohne dazwischen liegendes Kapillarbett. Bei den zuführenden
kann. (Siehe hierzu ARUBA-Studie: Randomisierte Stu-
Arterien, d.h. den »Feedern«, handelt es sich typischerweise um
die zum Vergleich Spontanverlauf versus Behandlung
erweiterte, ausgereifte Gefäße. Die drainierenden Venen sind
bei nicht rupturierten AVMs)
ebenso deutlich erweitert und können zusätzlich umschriebene
variköse Erweiterungen oder Stenosen zeigen. Die Gesamtheit
der kleinen AV-Shunts selbst – ein Konglomerat aus dünn- Bildgebung. (. Abb. 2.134 bis . Abb. 2.137)
wandigen, dysplastischen Gefäßen – wird als »AVM-Nidus« be- Lokalisation:
zeichnet. 4 85% supratentoriell, 15% infratentoriell
4 Lokalisation AVM-assoziierter ICBs: 2/3 parenchymal; <1/3
Formen. subarachnoidal, <10% intraventrikulär
Sporadische AVMs: Sie stellen die große Mehrzahl der AVMs
dar. Morphologie:
Syndromale AVMs: Beim Vorliegen eines kraniofazialen arterio- 4 Kein oder wenig raumfordernder Effekt
venösen metamerischen Syndroms (CAMS) kommen sie in 2% 4 Größe sehr variabel
aller Fälle vor. 4 »Gefäßknäuel«

Epidemiologie und Demographie.


Prävalenz: 18/100.000. Verantwortlich für ca. 4% aller intrakrani-
eller Blutungen und für ca. 1/3 der ICBs bei Patienten <40 Jahre.
Altersverteilung: Typisches Alter bei klinischer Präsentation:
20.–40.Lebensjahr . Tab. 2.8 Klassifikation nach Spetzler und Martin zur Abschätzung
Geschlechtsverteilung: M = F des chirurgischen Komplikationsrisikos (Grad I bis V)
Assoziiert mit Aneurysmen (in ca. 10%).
Größe des Nidus Lokalisation Venöse Drainage
Ätiologie. AVMs sind meist angeboren, entstehen selten de novo;
Klein (<3 cm): Nichteloquente Ausschließlich oberfläch-
können sich aber im Verlauf des Lebens verändern → Änderung 1 Punkt Hirnregion: liche venöse Drainage:
des klinischen Beschwerdebildes und des Blutungsrisikos. 0 Punkte 0 Punkte

Mittel (3–6 cm): Eloquente Zusätzlich oder ausschließ-


Klinik. Die Mehrzahl ist asymptomatisch; wenn klinisch sympto-
2 Punkte Hirnregion: 1 lich tiefe venöse Drainage
matisch, dann: Punkt (d.h. zu den inneren Hirn-
4 ICB (50–60%) venen): 1 Punkt
4 Krampfanfälle (25%)
Groß (>6 cm):
4 Andere fokal-neurologische Ausfälle (20–25%), auch auf- 3 Punkte
grund von Ischämien durch Steal-Effekt
168 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

CT nativ: Literatur
4 Iso- bis hyperdense Darstellung dilatierter Gefäße Hadizadeh DR, von Falkenhausen M, Gieske J, Meyer B, Urbach H, Hoogeveen
R, Schild HH, Willinek WA. Cerebral arteriovenous malformation:
4 Evtl. Verkalkungen (in bis zu 30%)
Spetzler-Martin classification at subsecond-temporal-resolution four-di-
2 4 Vor allem bei großen, akuten ICBs ist die zugrunde liegende mensional MR angiography compared with that at DSA. Radiology.
AVM in der Nativ-CT oft nicht zu erkennen 2008;246:205-213.
Han PP, Ponce FA, Spetzler RF. Intention-to-treat analysis of Spetzler-Martin
MDCTA: Grades IV and V arteriovenous malformations: natural history and treat-
ment paradigm. J Neurosurg. 2003;98:3-7.
4 Darstellung der AVM-Gefäße, v.a. der drainierenden Venen
Hartmann A, Mast H, Choi JH, Stapf C, Mohr JP. Treatment of arteriovenous
4 CAVE: Kleine AVM bei großer Blutung (siehe auch unter malformations of the brain. Curr Neurol Neurosci Rep. 2007;7:28-34.
»DSA«) Krings T, Geiprasert S, Luo CB, Bhattacharya JJ, Alvarez H, Lasjaunias P. Seg-
mental neurovascular syndromes in children. Neuroimaging Clin N Am.
MRT 2007;17:245-58.
Mattle HP, Schroth G, Seler RW. Dilemmas in the management of patients with
4 T2w: Kräftig hypointense Darstellung des Flow voids in den
arteriovenous malformations. J Neurol. 2000; 247: 917-28.
dilatierten Arterien und Venen, (»Knäuel von schwarzen Miyamota S, Hashimoto N, Nagata I, Nozaki K, Morimoto M, Taki W, Kikuchi H.
Würmern«) Posttreatment sequelae of palliatively treated cerebral arteriovenous
4 FLAIR: malformations. Neurosurgery. 2000; 46:589-595.
5 Evtl. Nachweis von hyperintensen Gliosezonen im be- Spetzler RF, Martin NA: A proposed grading system for arteriovenous malfor-
mations. J Neurosurg. 1986;65:476–483.
nachbarten Hirnparenchym
Stapf C.The Rationale Behind »A Randomized Trial of Unruptured Brain AVMs«
5 Evtl. Nachweis von ischämischen Arealen (ARUBA). Acta Neurochir Suppl. 2010;107:83-5.
4 T1w + KM: Kräftige KM-Anreicherung des Nidus und der Taschner CA, Gieseke J, Le Thuc V, Rachdi H, Reyns N, Gauvrit JY, Leclerc X.
drainierenden Venen Intracranial arteriovenous malformations: time-resolved contrast-en-
4 T2*w: Evtl. Nachweis von Blutungsresiduen nach stattgehab- hanced MR angiography with combination of parallel imaging, keyhole
acquisition, and k-space sampling techniques at 1.5 T. Radiology.
ten Blutungen
2008;246:871-9.
4 TOF-MRA: Kann Nidus und dilatierte Venen nachweisen, lie- Unlu E, Temizoz O, Albayram S, Genchellac H, Hamamcioglu MK, Kurt I, Demir
fert jedoch keine ausreichenden Informationen zur Angio- MK. Contrast-enhanced MR 3D angiography in the assessment of brain
architektur der AVM AVMs. Eur J Radiol. 2006;60:367-78.

Zeitaufgelöste MRA:
4 Momentan zeitliche Auflösung von ca. 0,8–1 s möglich → 2.6.3 Durale arteriovenöse Fisteln (dAVFs)
Darstellung des AV-Shunts möglich
4 Gute Übereinstimmung mit DSA hinsichtlich Zahl der arte- Definition. Eine durale arteriovenöse Fistel ist definiert als ein
riellen Feeder, der Nidusgröße und der Darstellung der venö- im Bereich der Dura lokalisierter arteriovenöser Shunt, oft mit
sen Drainage thrombotischem Verschluss des betroffenen duralen venösen
4 Erlaubt Spetzler-Martin-Klassifikation mit 100% Überein- Sinus.
stimmung zur DSA
4 Zeitliche und räumliche Auflösung jedoch für Therapiepla- Formen.
nung bislang zu gering 4 Okzipitale Durafistel
4 Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel (CCF, 15%):
DSA: Ist noch Goldstandard! (sowohl für den Nachweis einer 5 Direkte, meist traumatisch bedingte »High-flow«-CCF
AVM als Blutungsursache als auch für die Therapieplanung) 5 Indirekte »Low-flow«-CCF
4 DSA bei V.a. AVM sollte immer selektive Darstellung beider
ICA, beider ECA (zum Ausschluss eines duralen Zuflusses) Epidemiologie und Demographie. Durale arteriovenöse Fisteln
und der hinteren Strombahn umfassen stellen ca. 10–15% aller zerebrovaskulären Malformationen mit
4 Zur Therapieplanung ggf. mit selektiver Sondierung der ein- AV-Shunt dar.
zelnen Feeder → Darstellung der AVM-Architektur, d.h. der Altersverteilung: Mittleres bis höheres Lebensalter, selten je-
Feeder, des Nidus und der drainierenden Venen doch auch frühe Manifestation.
Geschlechtsverteilung: M:F= 1:2
! Selbst die DSA kann – v.a. bei kleinen AVMs und großen,
Assoziierte Erkrankungen: Sich frühe manifestierende Fisteln
raumfordernden Blutungen – initial aufgrund der raum-
sind meist mit komplexen Fehlbildungen, Phakomatosen oder
fordernden Wirkung der Blutung negativ sein, d.h. Wie-
mit Malformation der V. Galeni assoziiert.
derholung der MRT und ggf. DSA nach Resorption der
Blutung bei Verdacht auf AVM (ca. 6–12 Wochen nach Er-
Ätiologie. Noch nicht vollständig geklärt, in der Regel erworben.
eignis).
Eine Ausnahme ist die frühe Manifestationsform (angeborene
Fisteln). Durale arteriovenöse Fisteln treten nach SHT, Sinus-
Differenzialdiagnosen. Andere primäre und sekundäre Blu- oder Hirnvenenthrombose und Operationen auf, sowie bei ve-
tungsursachen, insbesondere durale arteriovenöse Fisteln, Kaver- nöser Hypertension; sie kommen auch idiopathisch vor.
nome und stark vaskularisierte Tumoren
2.6 · Gefäßmalformationen
169 2

a b c

. Abb. 2.134a–c Linkshemisphärische, nidale AVM mit Feedern (Pfeile) aus der ACA (A. pericallosa) und der MCA und oberflächlicher venöser Drainage
über eine ektatische Vene (Pfeilspitzen) zum Sinus sagittalis superior. a–c: DSA, selektive Injektion in die linke ACI

a b c

d e f

. Abb. 2.135a–f Linkshemisphärische AVM (MRT des in . Abb. 2.134 dargestellten Falls). Die Sterne markieren die ektatische Drainagevene zum Sinus
sagittalis superior. a, b: T2w; c–f: CE-MRA
170 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

. Abb. 2.136a–c AVM mit ca. 1 cm großem assoziierten Aneurysma (Stern). Die AVM wird über die linke A. callosomarginalis (Pfeile) gespeist und drainiert
oberflächlich zum Sinus sagittalis superior (Spetzler°1). a–c: DSA; a: selektive Injektion in die rechte ACI (ap Projektion); b,c: Injektion in die linke ACI (b: ap Pro-
jektion, c: seitliche Projektion)

a b

c d

. Abb. 2.137a–d Geblutete AVM mit kräftigem ACA-Feeder und tiefer venöser Drainage zum Sinus
rectus (Pfeilspitzen). a: CT nativ; b: FLAIR tra; c, d: DSA; selektive Injektion in die linke ACI, seitliche Pro-
jektionen
2.6 · Gefäßmalformationen
171 2
Pathophysiologie. Vergrößerung physiologisch vorhandener 4 Typ V: Drainage in spinale perimedulläre Venen (. Abb.
Mikroshunts in der Dura durch Erhöhung des arteriellen oder 2.140)
venösen Drucks durch Thrombose des drainierenden Sinus.
Therapieindikationen:
Klinik. Häufige Symptome sind: 4 Typ IIb und höher, d.h. kortikale venöse Drainage
4 Okzipitale Fistel (ST oder SS) (. Abb. 2.138): 4 Großes Shuntvolumen
5Pulsatiler Tinnitus 4 Starker Leidensdruck des Patienten
5Okzipitaler, einseitig betonter Kopfschmerz 4 Progredienz der Symptome, Komplikationen
5Visusminderung
5Hirnnervenausfälle hier selten Klassifikation der CCFs nach Barrow (Barrow et al. 1985):
5Hydrocephalus malresorptivus 4 Typ A: Direkte Drainage der ACI zum Sinus cavernosus
4 Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel (. Abb. 2.141): 4 Typ B: Drainage über meningeale Äste aus der ACI zum Sinus
5 Pulsatiler Exophthalmus cavernosus
5 Hirnnervenausfälle (III–VI) 4 Typ C: Drainage über meningeale Äste aus der ACE zum Sinus
5 Progrediente Visusminderung cavernosus
5 Stauungspapille 4 Typ D: Drainage über meningeale Äste aus ACI und ACE
5 Konjunktivale Injektion zum Sinus cavernosus
5 Hydrocephalus malresorptivus
4 Selten: Enzephalopathische Symptomatik mit progressiver Bildgebung. (. Abb. 2.138 bis . Abb. 2.141)
Demenz und Parkinsonsymptomatik durch venöse Konges- Lokalisation: Am häufigsten Sinus transversus/Sinus sigmoideus
tion und Sinus cavernosus
Morphologie: Vielzahl kleinster AV-Shunts im Bereich der Wand
Komplikationen: eines Sinus
4 ICB: In der Regel in »atypischer« Lokalisation, d.h. meist kor- CT:
tikal/subkortikal gelegene Lappenblutung; Risikofaktor: Re- 4 CT nativ: Meist unauffällig hinsichtlich Fisteldarstellung, ggf.
trograde leptomeningeale venöse Drainage Nachweis der Blutung
4 SAB 4 CT + KM:
4 CCF: Thrombose der V. centralis retinae mit konsekutiver Er- 5 KM-Aussparung in thrombosiertem Sinus
blindung; bei klinischer Untersuchung Strömungsgeräusch 5 Oft hinsichtlich eigentlicher Fistel weitgehend unauffällig
4 MDCTA: Evtl. Darstellung kräftiger, geschlängelter duraler
Verlauf und Prognose. Variabler Verlauf: Feeder und erweiterter Drainagevenen
4 Stabil klinisch und angiographisch
4 Spontan regredient oder progredient MRT: Zweitmalformationen?
4 T1w: Ggf. hyperintenses Thrombusmaterial in thrombosier-
Blutungsrisiko: Abhängig vom Typ (siehe Cognard-Klassifika- tem Sinus
tion), d.h. von der venösen Drainage 4 T2w:
4 Insgesamt: ca. 1,8%/Jahr 5 Evtl. Nachweis von Flow voids, oft normal
4 Typ I, IIa: niedrig 5 Bei aggressiven Fisteln evtl. venöse Kongestion: konflu-
4 Typ IIb: 10% ierende hyperintense Marklagerläsionen (Ödem)
4 Typ IV: 65% 4 FLAIRw:
4 Typ V: in 50% der Fälle progrediente Myelopathie 5 Ggf. hyperintenses Thrombusmaterial in thrombosiertem
Sinus
Eine Flussumkehr in Sinus oder kortikalen Venen ist mit hö- 5 Bei aggressiven Fisteln evtl. venöse Kongestion: konfluie-
herem Blutungsrisiko assoziiert. rende hyperintense Marklagerläsionen (Ödem)
4 T1w + KM: Selten diffuse KM-Aufnahme der Dura
Sonstiges. 4 T2*w: Meist unauffällig, evtl. Nachweis stattgehabter, klinisch
Klassifikation duraler AVFs nach Cognard: stummer Blutungen
4 Typ I: Normale, antegrade Drainage in duralen Sinus 4 DWI: In der Regel normal, außer bei Vorliegen einer venösen
4 Typ IIa: Drainage in duralen Sinus mit Reflux in weiteren Ischämie
duralen Sinus 4 PWI: rCBV erhöht, bei erniedrigtem rCBF: Zeichen der ve-
4 Typ IIb: Retrograde Füllung kortikaler Venen (. Abb. 2.138) nösen Kongestion
4 Typ IIc: Retrograde Drainage in durale Sinus und kortikale 4 Arterielle TOF-MRA: Oft negativ hinsichtlich Darstellung des
Venen Shunts, v. a. bei kleinen oder langsamen Shunts
4 Typ III: Direkte Drainage in kortikale Venen ohne Ektasien 4 Venöse TOF-MRA: Fehlendes Flusssignal im thrombosierten
4 Typ IV: Direkte Drainage in kortikale Venen mit venöser Sinus, evtl. Nachweis von Kollateralen
Ektasie >5 mm (. Abb. 2.139)
172 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

d e

. Abb. 2.138a–e Laterale, durale AV-Fistel Typ Cognard IIb mit vorwiegender Versorgung über die linke A. occipitalis externa (Pfeil); Pfeilspitzen: Sinus
transversus bzw. sigmoideus links. Zur erleichterten Orientierung ist die linke A. carotis interna mit einem Stern gekennzeichnet. In der nicht zeitaufgelös-
ten CE-MRA (c, d) sind die multiplen winzigen Shuntgefäße im Bereich der Fistelfläche mit Pfeilen gekennzeichnet. In der T2w ist der arterielle Zufluss
als ein hypointenses Flow void erkennbar (Pfeile in e). a: DSA, laterale Projektion, Injektion in die linke A. carotis communis; b: MIP-Projektion einer frühen
(arteriellen) Phase einer zeitaufgelösten CE-MRA; c, d: nicht zeitaufgelöste, jedoch räumlich hochaufgelöste CE-MRA, tra und cor; e: T2w

a b c

. Abb. 2.139a–c Geblutete kraniale arteriovenöse Durafistel (Cognard Typ IV), die über Äste der rechten A. carotis externa, v.a. über die A. meningea media
(Pfeile), gespeist wird und über okzipitale Venenkonvolute im Interhemispärenspalt zu den inneren Hirnvenen drainiert (Pfeilspitzen). a: CT nativ; b, c: DSA,
selektive Injektion in die rechte A. carotis externa; seitliche (a) und a.-p. (b) Projektion
2.6 · Gefäßmalformationen
173 2

b c

. Abb. 2.140a–c Kraniale arteriovenöse Durafistel (Cognard Typ V) mit arteriellem Zufluss über die
rechte A. pharyngea ascendens (Pfeile in a), Fistelpunkt in der hinteren Schädelbasis rechts, ektati-
schem venösem Netzwerk im Kleinhirnbrückenwinkel rechts (gebogene Pfeile in a) und venöser Drai-
ane über spinale, perimedulläre Venen (Pfeile in b und Pfeil in c). a,b: DSA, selektive Injektion in die
rechte A. carotis externa über Envoy-Katheder, zusätzlich liegt ein Mikrokatheder (Pfeilspitze in a) in der
a
A. pharyngea ascendens; c: zeitaufgelöste CE-MRA

Zeitaufgelöste CE-MRA (TRICKS): van Rooij, Sluzewski M, Beute GN. Dural arteriovenous fistulas with cortical
4 Erste Studien zeigen großes Potenzial venous drainage: incidence, clinical presentation, and treatment. AJNR
Am J Neuroradiol. 2007;28:651-55.
4 Erlaubt verlässlich den Fistelnachweis und teilweise auch die
Waragai M, Takeuchi H, Fukushima T, Haisa T, Yonemitsu T. MRI and SPECT
Klassifikation nach Cognard studies of dural arteriovenous fistulas presenting as pure progressive
dementia with leukoencephalopathy: a cause of treatable dementia. Eur
DSA (selektive Darstellung beider ACI, ACE und VA, ggf. selektiv J Neurol. 2006;13:754-9.
A. pharyngea ascendens und A. cervicalis ascendens, inklusive
später venöser Phasen):
4 Immer noch Goldstandard, d.h. aufgrund hoher räumlicher 2.6.4 Developmental venous anomaly (DVA)
und v.a. zeitlicher Auflösung unerlässlich zum sicheren Aus-
schluss und unerlässlich zur Therapieplanung Definition. Bei einer DVA handelt es sich um eine persistierende
4 Nachweis multipler Feeder (aus duralen Ästen der ACI und embryologische Variante der normalen venösen Drainage des
tentoriellen und duralen Ästen aus der ACI oder den VA) Hirnparenchyms.
4 Drainagetyp? Anmerkung: Der Begriff »venöses Angiom« sollte nicht
mehr verwendet werden, da es sich bei der DVA um eine embryo-
Ultraschall: nale Variante der venösen Drainage und nicht um eine echte
4 CCF: arterialisierte periorbitale Venen, NW des AV-Shunts Gefäßfehlbildung handelt (DVA = Normvariante!).
4 Okzipitale dAVF: NW des AV-Shunts
Epidemiologie und Demographie.
Differenzialdiagnosen. AVM, Sinusthrombose, Lappenblutung Prävalenz: In Autopsiestudien ca. 25%, d.h. 3–4-mal häufiger als
bei CAA AVMs; in KM-verstärkten MR-Untersuchungen 2,5–9%; ca. 50%
aller intrakranieller Gefäßmalformationen.
Literatur Altersverteilung: Nachweis in jedem Alter
Barrow DL, Spector RH, Braun IF et al. Classification and treatment of sponta- Geschlechtsverteilung: M = F
neous carotid cavernous sinus fistulas. J Neurosurg. 1985;62:248–56.
Assoziiert mit:
Cognard C, Gobin YP, Pierot L, et al. Cerebral dural arteriovenous fistulas:
clinical and angiographic correlation with a revised classification of
4 Kavernomen (in ca. 15–20%)
venous drainage. Radiology. 1995;194:671–80. 4 Kapillären Teleangiektasien
Matsumura A, Oda M, Hozuki T, Imai T, Shimohama S. Dural arteriovenous 4 AVMs
fistula in a case of dementia with bithalamic MR lesions. Neurology. 4 dAVFs
2008;71:1553.
4 Sinus pericranii
Meckel S, Maier M, Ruiz DS, Yilmaz H, Scheffler K, Radue EW, Wetzel SG.
MR angiography of dural arteriovenous fistulas: diagnosis and follow-up
4 Blue-Rubber-Bleb-Nävus-Syndrom (BRBNS)
after treatment using a time-resolved 3D contrast-enhanced technique. 4 Migrationsstörungen
AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:877-84. 4 CAMS-3
174 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

d e

. Abb. 2.141a–f Bilaterale Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel: zu frühe venöse Kontrastierung des Sinus cavernosus (normale Pfeile) bei Injektion in die rech-
te ACI (Pfeilspitzen), dilatierte Vv. opthalmicae beidseits (durchgestrichene Pfeile). a–c: DSA, Injektion in die rechte ACI, laterale Projektion; d: MIP-Projektion
einer frühen venösen Phase einer zeitaufgelösten CE-MRA; e: FLAIRw; f: nichtzeitaufgelöste CE-MRA, koronare Rekonstruktion
2.6 · Gefäßmalformationen
175 2
Ätiologie. Angeboren; embryonale Variante der venösen Draina- Bildgebung. (. Abb. 2.142)
ge, d.h. DVA drainiert normales Hirngewebe: Lokalisation: ubiquitär, frontal >> parietal > zerebellär
4 Persistenz embryonal angelegter Venen bei entweder primä- Morphologie:
rer Dysplasie der Kapillaren und der transmedullären Venen 4 Typische Präsentation als »Medusa Head« = multiple Mark-
oder intrauteriner Thrombose dieser Venen. lagervenen, die auf das 10–100-fache ihres normalen Durch-
4 Histologisch zeigen die Venen einen weitgehend normalen messers erweitert sind und sternförmig in eine große Sam-
Wandaufbau und sind von unauffälligem Hirnparenchym melvene drainieren
umgeben, es werden jedoch auch verdickte und hyalinisierte 4 Sammelvene drainiert in kortikale Venen/Sinus (in 70%, = jux-
Venen gefunden. takortikale DVA), in ependymale/tiefe Venen (in 20%, = peri-
ventrikuläre DVA) oder in beide (10% = subkortikale DVA)
Klinik. Meist asymptomatischer Zufallsbefund; selten Krampf-
anfälle, fokal neurologische Defizite, Kopfschmerzen (Ursache CT:
wahrscheinlich gestörte venöse Drainage). 4 CT nativ: Unauffällig
4 CT + KM: Darstellung des »Caput medusae« und der Sammel-
Verlauf und Prognose. Das Blutungsrisiko wird in einzelnen vene
Studien mit 0,22–0,34%/Jahr angegeben. Diese Zahlen müssen 4 MDCTA: Sehr gute Darstellung des »Caput medusae« und der
kritisch gesehen werden, da z.T. in den Studien nicht immer si- Sammelvene
cher ausgeschlossen werden konnte, dass nicht die DVA selbst,
sondern ein assoziiertes Kavernom geblutet hat; d. h. es ist frag- MRT:
lich ob DVAs überhaupt bluten. 4 T1w:
Einzelfallberichte hinsichtlich venöser Infarkte durch 5 Meist unauffällig
Thrombose der Sammelvene. 5 Bei großen DVAs evtl hyperintenses Signal durch lang-
Kavernome, die mit einer DVA assoziiert sind, bluten häu- samen Fluss
figer; mutmaßlich bedingt durch latente venöse Hypertension. 5 (Einzelfälle: Thrombose der Sammelvene → hyperintenses
Signal)
Sonstiges. 5 Ggf. Met-Hb-Signal als Hinweis auf assoziiertes, geblu-
tetes Kavernom
! Die chirurgische Unterbindung der Sammelvene ist
4 T2w/PDw/FLAIRw:
bei Vorliegen einer asymptomatischen, isolierten DVA
5 Unauffällig oder hypointenses Flow void in kräftiger
kontraindiziert.
Sammelvene
Die gängige neurochirurgische Meinung ist, dass die DVA bei 5 Angrenzende umschriebene Signalanhebungen entspre-
operativer Entfernung des Kavernoms erhalten bleiben soll, da chen i.d.R. dem Liquorsignal in umgebenden Virchow-
sie gesundes Hirngewebe drainiert. Raum und nicht einer Gliose
Selten wird eine de-novo-Entstehung von Gefäßmalformati- 5 Ggf. Blutungsresiduen als Hinweis auf assoziiertes Kaver-
onen in Nachbarschaft zu einer DVA beobachtet; Mutmaßliche nom
Erklärungen: 4 T1w + KM: Sehr gute Darstellung des »Caput medusae« und
4 Venöse Hypertension in DVA → Drucksteigerung im Kapil- der Sammelvene
larbett → Mikroblutungen und Diapedese von Erythrozyten 4 T1-IR: Assoziierte Heterotopie?
ins Parenchym → lokaler Anstieg von Angiogenesefaktoren → 4 CE-MRA: Detailierte Darstellung des »Caput medusae« und
Entwicklung fragiler Gefäße der Sammelvene
4 Venöse Abflussstörung → Öffnung präexistenter arteriove- 4 Arterielle TOF-MRA: Unauffällig
nöser Shunts, die sich im Laufe der Zeit verstärken 4 Venöse TOF-MRA: Darstellung des »Caput medusae« und der
Sammelvene
Sinus pericranii (= extradurale Form einer DVA): 4 T2*: Bei isolierter DVA unauffällig, Hämosiderin bei assozi-
4 Konvolut aus dilatierten Venen, das über mehrere Venolen iertem Kavernom
mit intrakraniellen Venensystem in Verbindung steht 4 SWI: Erlaubt DVA-Nachweis ohne iv KM! (. Abb. 2.142)
4 Venöses Blut kann dabei in beide Richtungen drainieren 4 DWI: Normal
4 Am häufigsten frontal und in der Mittellinie lokalisiert
4 Klinik: Weiche Schwellung im subkutanen Gewebe, die sich DSA: Venöse Phase zeigt DVA; keine frühe venöse Drainage, kein
auf Druck entleert. Shunt!
> KM verbleibt wegen langsamem Fluss oft lange in DVA.

Differenzialdiagnosen. Mixed Malformation, d.h. DVA + Ka-


vernom, oder DVA + kapilläre Teleangiektasie; Sinusthrombose
mit venöser Stase; Sturge-Weber-Syndrom
176 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

. Abb. 2.142a–c DVA im rechts frontalen Marklager mit Drainage zu den Ventrikelvenen, in der FLAIRw (a) ist die DVA kaum erkennbar. a: FLAIRw; b: SWI;
c: CE-MRA, Basisbild

Literatur Epidemiologie und Demographie.


Abla A, Wait SD, Uschold T, Lekovic GP, Spetzler RF. Developmental venous Prävalenz: Bei sporadischen Kavernomen liegt sie in der Allge-
anomaly, cavernous malformation, and capillary telangiectasia: spec-
meinbevölkerung bei ca. 0,5–0,9%. Cirka 15% aller Gefäßmalfor-
trum of a single disease. Acta Neurochir (Wien). 2008;150:487-9.
Amemiya S, Aoki S, Takao H. Venous congestion associated with developmen- mationen sind kavernöse Malformationen. In bis zu 25% der
tal venous anomaly: findings on susceptibility weighted imaging. J Magn Fälle liegen multiple Kavernome vor. Kavernöse Malformationen
Reson Imaging. 2008;28:1506-9. treten in allen ethnischen Gruppen auf; bei Hispanoamerikanern
Cordonnier C, Al-Shahi Salman R, Bhattacharya JJ, Counsell CE, Papanastas-
gibt es jedoch häufiger familäre Kavernomsyndrome (s.u.).
siou V, Ritchie V, Roberts RC, Sellar RJ, Warlow C, SIVMS Collaborators.
Differences between intracranial vascular malformation types in the Altersverteilung: Klinische Manifestation meist zwischen dem
characteristics of their presenting haemorrhages: prospective, popula- 40. und 60. Lebensjahr (Median: 35. Lebensjahr), können jedoch
tion-based study. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2008;79:47-51. auch schon bei Kindern symptomatisch werden. Familiäre For-
Lasjaunias P, Burrows P, Planet C. Developmental venous anomalies (DVA): men werden oft früher symptomatisch.
the socalled venous angioma. Neurosurg Review. 1986;9:233–244.
Pozzati E, Marliani AF, Zucchelli M, Foschini MP, Dall’Olio M, Lanzino G.
Geschlechtsverteilung: M = F; Frauen präsentieren sich klinisch
The neurovascular triad: mixed cavernous, capillary, and venous malfor- häufiger mit einer ICB als Männer
mations of the brainstem. J Neurosurg. 2007;107:1113-9. Assoziiert mit:
Thron A, Petersen D, Voigt K. Neuroradiologie, Klinik und Pathologie der zere- 4 DVA (7 Kap. 2.6.4); gemischte Gefäßmalformationen (Mixed
bralen venösen Angiome. Radiologe. 1982;22:389–99.
Valavanis A, Wellauer M, Yasargil MG. The radiological diagnosis of cerebral
Malformation, siehe Sonstiges)
venous angioma, cerebral angiography and computed tomography. 4 Kapillären Teleangiektasien; gemischte Gefäßmalformatio-
Neuroradiology. 1983;24:193–9. nen (Mixed Malformation, siehe Sonstiges)
Wilms G, Bleus E, Demaerel P, Marachal G, Plets C, Goffin J, Baert AL. Simulta- 4 Superfizieller Siderose des ZNS
neous occurrence of developmental venous anomalies and cavernous
4 Hautveränderungen: Café-au-lait-Flecken
angiomas. AJNR Am J Neuroradiol. 1994;15:1247-54.
Zimmer A, Hagen T, Ahlhelm F, Viera J, Reith W, Schulte-Altedorneburg G.
Developmental venous anomaly (DVA). Radiologe. 2007;47:868, 870-4. Ätiologie. Genaue Pathogenese unklar. Endothelwachstums-
faktoren wie VEGF, βfGF, TGFα werden exprimiert; bestimmte
Rezeptoren sind hoch reguliert → Endothelproliferation und er-
2.6.5 Kavernöse Malformationen (CM) höhte Neoangiogenese.
Familäres Kavernomsyndrom (Familial [multiple] caver-
Synonyme. Kavernome nous malformation syndrome):
4 Autosomal dominant vererbt, mit variabler Penetranz
Definition. Ein Kavernom ist ein benignes, vakuläres Harmatom, 4 Vorkommen v.a. bei Hispanoamerikanern
dass aus einer Vielzahl unmittelbar nebeneinander liegender, un- 4 3 verschiedene Genloci sind beteiligt: Gen CCM1–3
reifer Blutgefäßen (= Kavernen) besteht, zwischen denen kein
normales Hirngewebe nachweisbar ist. Klinik.
4 Ca. 20% sind asymptomatisch (Zufallsbefund)
Formen. 4 Kopfschmerzen, Schwindel, Tinitus
4 Sporadisch 4 Anfälle (30–50%)
4 Familiär 4 (Progrediente) neurologische Ausfälle (25%) durch ICB

Bei Patienten mit multiplen Kavernomen liegt in 75% der Fälle


eine familiäre Form vor.
2.6 · Gefäßmalformationen
177 2
Verlauf und Prognose.
4 Sehr unterschiedliche Dynamik: Wachstum, spontane Rück-
bildung, de-novo-Entstehung möglich
4 Jährliches Blutungsrisiko: 0,1–0,7% für Parenchymblutungen
pro Läsion
4 Reblutungswahrscheinlichkeit: 4,5%/Jahr
4 Frauen, insbesondere Schwangere sind eher für Blutung prä-
disponiert
4 Kavernome, die mit einer DVA assoziiert sind, bluten häufi-
ger; mutmaßlich bedingt durch latente venöse Hypertension

Sonstiges.
Gemischte Gefäßmalformationen (Mixed Malformations):
Simultanes Vorliegen von zwei oder seltener drei der folgenden
Gefäßmalformationen: kavernöse Malformation, DVA oder ka-
pilläre Teleangiektasie.
. Abb. 2.143 Frisch eingeblutetes Kavernom im Caput nuclei caudati
> Das MR-Sequenzprotokoll sollte bei CM immer auch
rechts (CT nativ)
T1w + KM (oder eine SWI-Sequenz) beinhalten, um
eine Zweitmalformation, insbesondere eine DVA, aus-
zuschließen.
FLAIR: Bei akut eingebluteten Kavernomen evtl. Nachweis von
perifokalem Ödem
Bildgebung. (. Abb. 2.143, . Abb. 2.145) 4 T1w + KM:
Lokalisation: 5 Wenig bis keine KM-Anreicherung
4 Ca. 75–90% supratentoriell: Marklager, oft subkortikal oder 5 Evtl. Nachweis einer assoziierten DVA
ventrikelnah 4 T2*w:
4 Bis zu ca. 35% infratentoriell 5 Kavernome verursachen deutliche Suszeptibilitätsarte-
fakte
Morphologie: 5 Methode der Wahl zur Darstellung von Kavernomen, da
4 »Beerenartig«, »maulbeerartig« oder »popkornartig« sehr sensitiv für Hämosiderinablagerungen → Nachweis
4 Durchmesser meist <3 cm von in T2w »okkulten« Kavernomen (. Abb. 2.145)
4 SWI:
CT nativ: 5 Potenziell noch sensitiver als konventionelle T2*w im
4 In bis zu 50% der Fälle negativ Nachweis von Kavernomen
4 Alternativ: rundliche, glatt begrenzte hyperdense Läsion 5 Ermöglicht den Nachweis assoziierten DVAs auch ohne
4 In 40–60% Nachweis von Verkalkungen KM-Gabe (. Abb. 2.142)
4 MRA/DSA: Typischerweise unauffällig, außer bei assoziierter
CT + KM: DVA
4 Wenig oder keine KM-Aufnahme vom Kavernom
4 Ggf. bei Assoziation mit DVA (7 Kap. 2.6.4) Nachweis der Differenzialdiagnosen.
DVA nach KM-Gabe (. Abb. 2.144) 4 (Partiell) thrombosiertes Aneurysma
4 Hämosiderinreste bei Z.n. alter ICB anderer Ätiologie
MRT: Signalverhalten des Kavernoms von folgenden Faktoren 4 Bei »popkornartiger« Läsion:
abhängig: 5 AVM (7 Kap. 2.6.2):
4 Anteile verschieden alter Blutabbauprodukte – Auftreten einer Kavernomblutung meist in jüngerem
4 Flussphänomene in den Kavernen Lebensalter als AVM- oder dAVF-Blutung
4 Verkalkungen – Klinische Beeinträchtigung bei Kavernomblutung
4 Teilthrombosierte Anteile i.d.R. geringer, da meist kleinere Blutung
4 T1w: 5 Verkalkte Tumoren, wie z.B. Oligodendrogliome
5 Typischerweise Zentrum hyperintens (Met-Hb) oder ge- 5 Eingeblutete Tumoren
mischtes Signal 4 Bei Vorhandensein multipler »Black Dots« im T2* Bild: zur
4 T2w: Differenzialdiagnose siehe Exkurs unten)
5 Typischerweise Zentrum gemischte Signalintensität 4 Kapilläre Teleangiektasie
(»beerenartig« oder »popkornartig«), seltener komplett
hypointens
5 Hypointenser Randsaum (Hämosiderinablagerungen)
178 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

. Abb. 2.144a–c Kavernom mit kleiner assoziierter DVA (Pfeil in c) rechts temporal. a: T2w; b: T2*w; c: T1w + KM

a b c

d e f

. Abb. 2.145a–f Multiple Kavernome, z.T. mit Zeichen unterschiedlich alter Einblutungen. Die T2*w-Aufnahmen (d–f) zeigen die Kavernome am besten.
a: T2w; b: FLAIRw; c: T1w nativ, d–f: T2*w
2.6 · Gefäßmalformationen
179 2
4 AVM (7 Kap. 2.6.2)
Differenzialdiagnose multipler »Black Dots« im T2*-Bild 4 Morbus Osler-Weber-Rendu, wobei die kapillären Teleangi-
4 Multiple kleine Kavernome (. Abb. 2.145): ektasien hierbei selten sind (häufiger liegen AVMs vor,
– Ein oder mehrere größere Kavernome nachweisbar?
7 Kap. 2.6.2)
4 Diffuser axonaler Schaden, »Sheer Injuries« (. Abb. 2.101):
– Anamnese?
– Alte Kontusionsherde nachweisbar? Sehr selten sind alle drei Malformationen vorhanden (Teleangi-
4 Hypertensive Mikroblutungen (. Abb. 2.74): ektasie + DVA + CM → »Neurovascular Triad«).
– Langjähriger Hypertonus in der Anamnese?
– Zusätzliche Leukenzephalopathie?
Klinik. Meist asymtomatischer Zufallsbefund.
– Lokalisation der Mikroblutungen v.a. in den Stammganglien?
4 Zerebrale Amyloidangiopathie (. Abb. 2.127):
Einzelfallberichte: Kopfschmerzen, Tinitus, transiente Fokal-
– ICB in der Anamnese? neurologie.
– Älterer, dementer Patient?
– Zusätzliche Leukenzephalopathie? Verlauf und Prognose. In der Regel gutartiger, symptomloser
– Lokalisation der Mikroblutungen v.a. subkortikal?
Verlauf.
– Zusätzlich subarachnoidale oder lineare subkortikale Hämo-
siderinablagerungen?
Blutungsrisiko: Zahlen nicht bekannt, nur vereinzelte Fallbe-
4 Multiple eingeblutete Mikrometastasen (selten): richte
– Zusätzliche, nicht eingeblutete Herde nach KM-Gabe nach-
weisbar? Sonstiges. Histologie: Dilatierte Kapillaren, die von normalem
– Tumorerkrankung in der Anamnese?
Hirnparenchym umgeben sind.

Bildgebung. (. Abb. 2.146, . Abb. 2.147)


Literatur Lokalisation:
Abla A, Wait SD, Uschold T, Lekovic GP, Spetzler RF. Developmental venous 4 Meist Pons (Mittelhirn, Medulla oblongata, Rückenmark)
anomaly, cavernous malformation, and capillary telangiectasia: spec-
trum of a single disease. Acta Neurochir (Wien). 2008;150:487-9.
4 1/3 in anderer Lokalisation (z.B. subkortikale weiße Subs-
Cordonnier C, Al-Shahi Salman R, Bhattacharya JJ, Counsell CE, Papanastas- tanz)
siou V, Ritchie V, Roberts RC, Sellar RJ, Warlow C, SIVMS Collaborators.
Differences between intracranial vascular malformation types in the Morphologie:
characteristics of their presenting haemorrhages: prospective, popula-
tion-based study. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2008;79:47-51. 4 Meist kleiner als 1 cm
de Souza JM, Dominques RC, Cruz LC Jr, Domingues FS, Iasbeck T, Gasparetto 4 Unscharf begrenzt
EL. Susceptibility-weighted imaging for the evaluation of patients with 4 Keine raumfordernde Wirkung, kein Ödem
familial cerebral cavernous malformations: a comparison with t2-weight-
ed fast spin-echo and gradient-echo sequences. AJNR Am J Neuroradiol.
2008;29:154-58. CT nativ: Unauffällig, selten Verkalkungen
Pozzati E, Marliani AF, Zucchelli M, Foschini MP, Dall’Olio M, Lanzino G. The CT + KM: Unauffällig
neurovascular triad: mixed cavernous, capillary, and venous malforma- MRT
tions of the brainstem. J Neurosurg. 2007;107:1113-9.
Wilms G, Bleus E, Demaerel P, Marachal G, Plets C, Goffin J, Baert AL. Simulta- 4 T1w: Typischerweise unauffällig, d.h. isointens, selten hypo-
neous occurrence of developmental venous anomalies and cavernous intens
angiomas. AJNR Am J Neuroradiol. 1994;15:1247-54. 4 T2w/PDw:
5 50% Unauffällig
5 50% zeigen kleine punktförmige hyperintense Areale
2.6.6 Kapilläre Teleangiektasien 4 FLAIR: Typischerweise unauffällig, kann kleine punktför-
mige hyperintense Areale zeigen
Definition. Unter einer kapillären Teleangiektasie versteht man 4 T1w + KM:
eine Ansammlung (Cluster) von Gefäßkapillaren, mit dazwi- 5 Schwache bis mäßige fleckige oder »bürstenartige« Kon-
schen liegendem normalem Hirngewebe. trastmittelaufnahme
5 Wenn Assoziation mit einer DVA vorliegt, sieht man nach
Epidemiologie und Demographie. Cirka 15–20% aller intrakra- KM-Gabe die Sammelvene
nieller Gefäßmalformationen sind kapilläre Teleangiektasien. 4 T2*w: Mäßig, jedoch meist nicht kräftig hypointens (auf-
Altersverteilung: Sie können in jedem Alter diagnostiziert wer- grund des langsamen Blutflusses und Gehalt an Oxy- und
den, meist jedoch im 3.–4. Lebensjahrzehnt. Deoxyhämoglobin)
4 SWI: Wahrscheinlich sensitiver als Standard-T2*w
Ätiologie. Die Ätiologie der sporadischen kapillären Teleangiek- 4 DWI: Typischerweise unauffällig
tasien ist ungeklärt, in der Regel sind sie angeboren. Kapilläre 4 DSA/CTA/MRA: Angiographisch unauffällig (okkult)
Teleangiektasien können als Bestrahlungsfolge auftreten (enste-
hen in bis zu 20% aller Kinder nach Ganzhirnbestrahlung). Differenzialdiagnosen. DVA, Metastase, Kavernom, Alte Blu-
Assoziiert mit: tungsresiduen, kontrastmittelaufnehmender Plaque bei mul-
4 DVA (7 Kap. 2.6.4) tipler Sklerose
4 Kavernom → Mixed Malformation (7 Kap. 2.6.5)
180 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 2.146a–d Kapilläre Teleangiektasie im Pons, auf T2w (a) und T1 nativ (b) kaum erkennbar. a: T2w;
b: T1w nativ; c: T1w + KM; d: T2*w

a b c

. Abb. 2.147a–c Kleine kapilläre Teleangiektasie in der Medulla oblongata (Pfeile in b und c), in T2w (a) nicht erkennbar. a: T2w; b: T1w + KM, c: T2*w
2.7 · Andere Ursachen sekundärer ICBs
181 2
Literatur 4 Von-Willebrandt-Faktor-Mangel
Abla A, Wait SD, Uschold T, Lekovic GP, Spetzler RF. Developmental venous 4 Angeborene Afibrinogenämie
anomaly, cavernous malformation, and capillary telangiectasia: spec-
trum of a single disease. Acta Neurochir (Wien). 2008;150:487-9.
4 Mangel der Faktoren V, VII, XIII, oder X
Howard RS. Brainstem haematoma due to presumed cryptic telangiectasia. J
Neurol Neurosurg Psychiatry. 1986;49:1241-5. Angeborene Koagulopathien mit vermehrter Koagulationsnei-
Pozzati E, Marliani AF, Zucchelli M, Foschini MP, Dall’Olio M, Lanzino G. The gung, z.B.:
neurovascular triad: mixed cavernous, capillary, and venous malforma- 4 Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom
tions of the brainstem. J Neurosurg. 2007;107:1113-9.
Scaglione C, Salvi F, Riguzzi P, Vergelli M, Tassinari CA, Mascalchi M. Symptom-
4 Prothrombin-Mutation
atic unruptured capillary telangiectasia of the brain stem: report of three
cases and review of the literature. J Neurol Neurosurg Psychiatry. Erworbene Koagulopathien mit vermehrter Blutungsneigung,
2001;71:390-3. z.B.:
Wijdicks EFM, Schievinick WI. Perimesencephalic nonaneurysmal subarach- 4 Leberfunktionsstörung (. Abb. 2.149)
noid hemorrhage: first hint of a cause? Neurology. 1997;49:634-6.
4 Paraneoplastisch, v.a. bei Leukämie (AML)
5 Mechanismus: disseminierte intravasale Gerinnung
5 Vor allem bei Leukämie oft fulminanter Verlauf einer ICB
2.7 Andere Ursachen sekundärer ICBs
Thrombozytopenien:
2.7.1 Angeborene und erworbene 4 Thombozytenmangel aufgrund verminderter Produktion,
Gerinnungsstörungen (Koagulopathien z.B. bei radiogener Knochenmarkschädigung
und Thrombozytopenien) 4 Thombozytenmangel aufgrund erhöhtem Thrombozytenun-
tergang:
Angeborene oder erworbene Gerinnungsstörungen gehen ent- 5 Idiopathische thrombozytopene Purpura
weder mit einer vermehrten Blutungsneigung oder einer er-
höhten Thromboseneigung einher. Eine erhöhte Blutungs- Schwere Thrombozytopenien führen oft zu multiplen kleineren
neigung kann direkt zu einer ICB führen. Erkrankungen mit er- Blutungen.
höhter Thromboseneigung prädisponieren für Sinus- und Hirn- Medikamenten- und drogeninduzierte Gerinnungsstörun-
venenthrombosen, die ebenfalls zu einer ICB führen können gen: Siehe . Tab. 2.9
(7 Kap. 2.7.4). Alkoholgenuss ist ebenfalls ein Risikofaktor für ICB (Koagu-
Angeborene Koagulopathien mit vermehrter Blutungsnei- lationsstörung und direkt toxische Wirkung auf Hirngefäße).
gung, z.B.:
4 Hämophilie (angeborene Gerinnungsstörung mit der höchs- Bildgebung. Die durch Gerinnungsstörungen verursachten ICBs
ten Prävalenz); die ICB spielt bei diesen Patienten eine signi- sind oft groß, lobär lokalisiert und zeigen häufig Spiegel und un-
fante Rolle in Bezug auf Morbidität und Mortalität terschiedlich alte Blutungsanteile (. Abb. 2.148, . Abb. 2.149).

. Tab. 2.9 Einfluss gerinnungshemmender Medikamente auf das Blutungsrisiko (Auswahl)

Medikamente Auswirkungen auf ICB-Risiko

Antimalariamittel Verursachen Thrombozytopenien


Antiepileptika
Furosemid
Digoxin
Östrogene
Antikoagulanzien (Warfarin) 4 Risiko für ICB unter Marcumartherapie: 0,5–1%/Jahr
4 5–20% aller ICBs treten unter Einnahme oraler Antikoagulanzien auf
4 unter Einnahme von oralen Antikoagulanzien ist das Risiko für ICB 8- bis 11-fach erhöht
4 Antikoagulanzien erhöhen Risiko für sekundäre Einblutung in ischämische Infarkte
Thrombozytenaggregationshemmer 4 ASS erhöht ICB-Risiko, der Nutzen überwiegt jedoch
4 Kombination von ASS und Clopidogrel erhöht ICB dtl. versus ASS allein
4 Es besteht ein Zusammenhang zwischen Einnahme eines Thrombozytenaggregationshemmers und
Zunahme der Blutungsgröße in den ersten 48 Stunden
Thrombolytika 4 Risiko für ICB nach thrombolytischer Therapie eines Myokardinfarkts: 0,5–2%
4 Erhöhtes Risiko für ICB bzw. Infarkteinblutung nach thrombolytischer Therapie eines ischämischen
Schlaganfalls. Typischer Befund:
– Große ICB, lobär/subkortikal lokalisiert (70–90%)
– In ca. 30% multipel
– Nach Lyse eines ischämischen Infarkts ICB in 20% außerhalb des Ischämieareals!
– Oft mit Flüssigkeitsspiegeln und inhomogenem Binnensignal bzw. unterschiedlicher Dichte im
CT aufgrund verschieden alter Blutungsanteile
182 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

. Abb. 2.148 Große lobär/subkortikal lokalisierte ICB rechts unter . Abb. 2.149 Große Lappenblutug links frontal mit Spiegel bei Koagulopa-
Marcumar mit Arealen unterschiedlicher Dichte aufgrund verschieden alter thie aufgrund schwerer Leberfunktionsstörung (T2*w)
Blutungsanteile (CT nativ)

Literatur Ätiologie. Mögliche Pathomechanismen sind schnelle Tumor-


Diener HC, Cunha L, Forbes C, Sivenius J, Smets P, Lowenthal A. European nekrose, invasives Einwachsen der Tumorzellen in Gefäßwände
Stroke Prevention Study 2. Dipyridamole and acetylsalicylic acid in the
und Ruptur pathologischer Tumorgefäße.
secondary prevention of stroke. J Neurol Sci. 1996;143:1-13.
Graus F, Rogers LR, Posner JB. Cerebrovascular complications in patients with
cancer. Medicine (Baltimore). 1985;64:16–35. Klinik. Eine Tumoreinblutung kann entweder erste klinische
Kase CS, O’Neal AM, Fisher M, Girgis GN, Ordia JI. Intracranial hemorrhage Mainfestation eines Hirntumors bzw. einer Metastase sein, oder
after use of tissue plasminogen activator for coronary thrombolysis. Ann kann im weiteren Krankheitsverlauf auftreten. Typisch ist eine
Intern Med. 1990;112:17–21.
akute klinische Symptomatik, z.B. Kopfschmerzen, Anfälle.
Kase CS, Pessin MS, Zivin JA, del Zoppo GJ, Furlan AJ, Buckley JW, Snipes RG,
LittleJohn JK. Intracranial hemorrhage after coronary thrombolysis with
tissue plasminogen activator. Am J Med. 1992;92: 384–90. Bildgebung. (. Abb. 2.150, . Abb. 2.151)
Khatri P, Wechsler LR, Broderick JP. Intracranial hemorrhage associated with Morphologie: Bei eingebluteten Metastasen sind multiple intra-
revascularization therapies. Stroke. 2007;38:431-40. zerebrale Raumforderungen typisch, von denen eine oder meh-
Lee HJ, Hinrichs CR. Is coagulopathic liver disease a factor in spontaneous
rere im CT bzw. MRT blutisodense Dichtewerte bzw. ein blutiso-
cerebral hemorrhage? J Comput Assist Tomogr. 2002;26:69–72.
Leitlinie Intrazerebrale Blutung. In: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in
intenses Signalverhalten zeigen.
der Neurologie; 4. Aufl. Thieme, Stuttgart 2008. MRT:
Quinones-Hinojosa A, Gulati M, Singh V, Lawton MT. Spontaneous intra- 4 T2w: Im Vergleich zu ICBs anderer Genese heterogeneres
cerebral hemorrhage due to coagulation disorders. Neurosurg Focus. Binnensignal
2003;15:E3.
Steiner T, Diringer M, Rosand J. Intracerebral hemorrhage associated with oral ! Zeigt eine akute ICB unmittelbar nach Symptombeginn
anticoagulant therapy: current practices and open questions. Stroke. ein ausgeprägtes perifokales Ödem, muss der Verdacht
2006;37:256-62.
auf einen eingebluteten Tumor/Metastase gestellt wer-
Wijdicks EF, Jack CR Jr. Intracerebral hemorrhage after fibrinolytic therapy for
acute myocardial infarction. Stroke. 1993;24:554–7.
den.

4 T1 + KM: Evtl. KM-Aufnahme eines kontrastmittelaufneh-


menden Tumoranteils nachweisbar
2.7.2 Tumorblutungen 4 T2*w: Relativ wenig Hämosiderin innerhalb der Blutung
5 Blutverteilung: Streng intratumoral, über den Tumor
Definition. Als Tumorblutung bezeichnet man eine sekundäre hinausgehend intraparenchymal, oder mit sekundärem
Einblutung in einen primären Hirntumor oder eine Parenchym- Einbruch in den Subarachnoidalraum oder das Ventrikel-
metastase eines extrakraniellen Tumors. system
5 Langsamerer Abbau der Blutbestandteile verglichen mit
Epidemiologie und Demographie. Die Inzidenz von Tumorein- ICBs anderer Genese
blutungen liegt je nach Studie bei 1–15%. Metastasen bluten häu-
figer ein als primäre Hirntumoren (. Tab. 2.10).
In einer Studie an 905 Patienten mit zerebralen Tumoren
zeigten 14,6% makro- oder mikroskopische Einblutungen.
2.7 · Andere Ursachen sekundärer ICBs
183 2

a b

c d

. Abb. 2.150a–d Tumoreinblutung (Pfeile in c) bei Glioblastom rechts. Pfeilspitzen in c zeigen nicht
eingeblutete kontrastmittelaufnehmende Tumoranteile. a: T1w nativ; b: T2w; c: T1w + KM; d: T2*w

! Trotz der genannten Charakteristika kann es besonders


beim Vorliegen großer ICBs schwierig sein, einen zu- . Tab. 2.10 Metastasen und primäre Hirntumoren, die oft Ein-
grunde liegenden Tumor zu identifizieren oder aus- blutungen zeigen
zuschließen. Deshalb bei Verdacht oder atypischer Blu-
Metastasen Malignes Melanom
tung dringend Wiederholung der Untersuchung + KM
nach Resorption der Blutung empfohlen. Bronchialkarzinom

Nierenzellkarzinom
Differenzialdiagnosen. Primäre und sekundäre ICBs anderer Schilddrüsenkarzinom
Ätiologie
Chorionkarzinom
Literatur Primäre Hirntumoren Glioblastome
Atlas SW, Grossman RI, Gomori JM, Hackney DB, Goldberg HI, Zimmerman RA,
Oligodendrogliome
Bilaniuk LT. Hemorrhagic intracranial malignant neoplasms: spin-echo
MR imaging. Radiology. 1987;164:71–7. Meningeome
Destian S, Sze G, Krol G, Zimmerman RD, Deck MD. MR imaging of hemor-
rhagic intracranial neoplasms. AJR Am J Roentgnol. 1989;152: 137–44. Schwannome
Kim DG, Park CK, Paek SH, Choe GY, Gwak HS, Yoo H, Choe GY, Gwak HS,
Subependymome
Yoo H, Jung HW. Meningioma manifesting intracerebral hemorrhage:
a possible mechanism of hemorrhage. Acta Neurochir. 2000;142:165–8. Primitive neuroektodermale Tumoren
Kondziolka D, Bernstein M, Resch L, Tator CH, Ross Fleming JF, Venderlinden
RG, Schutz H. Significance of hemorrhage into brain tumors: clinicopath-
ologic study. J Neurosurg. 1987;67:852–7.
Leeds NE, Sawaya R, van Tassel P, Hayman LA. Intracranial hemorrhage in the
oncologic patient. Neuroimaging Clin N Am. 1992;2:119–36.
Lieu AS, Hwang SL, Howng SL, Chai CY. Brain tumors with hemorrhage.
J Formos Med Assoc. 1999;98:365–7.
Rogers LR. Cerebrovascular complications in cancer patients. Neurol Clin.
2003;21:167–92.
Soffietti R, Ruda R, Mutani R. Management of brain metastases. J Neurol.
2002;249:1357–69.
184 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 2.151a–d Eingeblutete Metastase eines Hodenseminoms rechts frontal, zusätzlich multiple
Lungenmetastasen (d). a, c: T2w tra und sag; b: T1w nativ; c: Thorax p.-a.

a b

. Abb. 2.152a, b Nach Lysetherapie eingebluteter ACA-Infarkt links. a: CT nativ; b: FLAIRw


2.7 · Andere Ursachen sekundärer ICBs
185 2
2.7.3 Infarkteinblutungen MRT:
4 T2*w: Besonders sensitiv für Nachweis von (auch petechi-
Synonyme. Hämorrhagischer Infarkt alen) Einblutungen (als kleine punktförmige Hypointensi-
Definition. Eine Infarkteinblutung (hemorrhagic ischemic stro- täten)
ke) ist definiert als sekundäre Mikro-oder Makroeinblutung in 4 SWI: Der T2*w beim Nachweis petechialer Einblutungen
ein primär ischämisches Infarktareal. überlegen
4 PWI: Lokale Reperfusion, ggf. innerhalb eines umgebenden
Manifestationsformen. Perfusionsdefizits
4 Hämorrhagische Imbibierung, d.h. multiple, kleine petechi-
ale Einblutungen in das Ischämieareal Differenzialdiagnosen. Andere primäre oder sekundäre ICBs
4 Sekundäre (evtl. raumfordernde) Parenchymblutung im
Ischämieareal oder darüber hinausgehend Literatur
Arnould MC, Grandin CB, Peeters A, Cosnard G, Duprez TP. Comparison of CT
and three MR sequences for detecting and categorizing early (48 hours)
Epidemiologie und Demographie. Eine Infarkteinblutung tritt
hemorrhagic transformation in hyperacute ischemic stroke. AJNR Am J
bei 20–40% aller Patienten mit ischämischem Schlaganfall inner- Neuroradiol 2004;25:939–44.
halb der ersten Woche nach Symptombeginn auf. Auftreten Berger C, Fiorelli M, Steiner T, Schabitz WR, Bozzao L, Bluhmki E, Hacke W,
spontan, jedoch gehäuft nach thrombolytischer Therapie oder Kummer R von. Hemorrhagic transformation of ischemic brain tissue:
Antikoagulation (7 Kap. 2.7.1). asymptomatic or symptomatic? Stroke. 2001;32:1330–5.
Fiehler J, Remmele Ch, Kucinski TH, Rosenkranz M, Thomalla G, Weiller C,
Zeumer H, Röther J. Reperfusion after severe local perfusion deficit
Ätiologie. Dynamischer Prozess, Kombination aus mikrovas- precedes hemorrhagic transformation. An MRI study in acute stroke
kulärer Schädigung, veränderter Gefäßpermeabilität und Reper- patients. Cerebrovasc Dis. 2005;19:117–24.
fusion. Kim HS, Lee DH, Ryu CW, Lee JH, Choi CG, Kim SJ, Suh DC. Multiple cerebral
Risikofaktoren: microbleeds in hyperacute ischemic stroke: impact on prevalence and
severity of early hemorrhagic transformation after thrombolytic treat-
4 Hypertonus
ment. AJR Am J Roentgenol. 2006;186:1443-9.
4 Embolische Genese des Infarkts Kim HS, Lee DH, Ryu CW, Lee JH, Choi CG, Kim SJ, Suh DC. Multiple cerebral
4 Antikoagulation microbleeds in hyperacute ischemic stroke: impact on prevalence and
4 Ausgangs-NIHSS severity of early hemorrhagic transformation after thrombolytic treat-
4 Dauer und Ausmaß der zerebralen Perfusionseinschränkung ment. AJR Am J Roentgenol. 2006;186:1443-9.
Mayer TE, Schulte-Altedorneburg G, Droste DW, Brückmann H. Serial CT and
4 Vorbestehende Mikroblutungen
MRI of ischemic cerebral infarcts: frequency and clinical impact of hem-
orrhagic transformation. Neuroradiology. 2000;42:233–9.
Prognose. Wenn Parenchymblutung >1/3 des Ischämieareals: Nighoghossian N, Hermier M, Adeleine P, Blanc-Lasserre K, Derex L, Honnorat J,
klinische Verschlechterung und schlechte Prognose; hämor- Philippeau F, Dugor JF, Froment JC, Trouillas P.Old microbleeds are a poten-
rhagische Imbibierung hat keinen signifikanten Einfluss auf neu- tial risk factor for cerebral bleeding after ischemic stroke: a gradient-echo
T2*-weighted brain MRI study. Stroke. 2002;33:735-42.
rologisches Outcome.

Bildgebung. (. Abb. 2.152)


Vorhersagewert der Bildgebung in T2*w für Infarkteinblu- 2.7.4 Sinus- und Hirnvenenthrombosen (SVT)
tung:
4 Es existieren widersprüchliche Daten hinsichtlich des Vor- Definitionen.
hersagewertes vorbestehender Mikroblutungen für das Auf- Sinusthrombose (ST): Thrombotischer Verschluss eines oder
treten einer Infarkteinblutung. Während einige Autoren die- mehrerer venöser Sinus
se als unabhängigen Prädiktor ansehen, konnten andere das Venenthrombose: Thrombose einer oder mehrerer Hirnvenen
nicht bestätigen. (isoliert oder kombiniert mit Sinusthrombose).
4 Aufgrund der Datenlage gilt es zurzeit nicht als gerecht- Thrombose der oberflächlichen Hirnvenen (CVT): Kommt iso-
fertigt, Mikroblutungen als Kontraindikation für eine Lyse- liert oder kombiniert mit Sinusthrombose (= kortikale Venen-
therapie zu werten. thrombose) vor, oft auch als »Brückenvenenthrombose« bezeich-
net, was meist nicht ganz korrekt ist, da die Thrombose meist
Lokalisation: nicht nur den als »Brückenvene« (7 Kap. 1.17) bezeichneten Ab-
4 Meist im Ischämieareal schnitt einer oberflächlichen Vene betrifft.
4 Nach Lyse in 20% außerhalb des Ischämieareals! Thrombose der inneren (= tiefen) Hirnvenen (IVT): Isoliert oder
kombiniert mit Sinusthrombose (+/- Thrombose der oberfläch-
Morphologie: Multiple, kleine petechiale Einblutungen oder lichen Hirnvenen) = innere Hirnvenenthrombose. Eine isolierte
Parenchymblutung Beteiligung des Sinus rectus wird oft noch als »isolierte IVT«
CT: bezeichnet.
4 Hyperdense Darstellung der Parenchymblutung Sinus- und Hirnvenenthrombose: Betrifft sowohl Sinus als auch
4 Beim Nachweis der hämorrhagischen Imbibierung der T2*w (oberflächliche und/oder tiefe) Hirnvenen. Anmerkung: Der Be-
unterlegen griff »Sinusvenenthrombose« sollte vermieden werden, da es sich
186 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

bei den Sinus um Duraduplikaturen und nicht um Venen im Lokalisation:


eigentlichen Sinne handelt, d.h. es gibt keine »Sinusvenen«. 4 Betroffene Sinus: >70% Sinus sagittalis superior und/oder
Sinus transversus
2 Epidemiologie und Demographie. SVTs sind insgesamt für ca. 4 IVT: Vv. cerebri internae, Vv. basales Rosenthal und ihre Zu-
1–2% der Schlaganfälle beim Erwachsenen verantwortlich. flüsse, V. Galeni
Jährliche Inzidenz: Beträgt bei Erwachsenen ca. 3–4/1.000.000. 4 CVT: Frontale und parietale Venen am häufigsten betroffen
In >70% der Fälle Sinus sagittalis superior oder Sinus transversi 4 Ödem +/- Stauungsblutung:
betroffen; Beteiligung der inneren Hirnvenen (IVT) in ca. 10% 5 SVT/CVT; v.a. kortikal/subkortikal
der Fälle. Isolierte IVTs sind selten, oft ist mindestens Sinus rec- 5 IVT: Thalamus (uni-, häufiger bilateral) +/- Stammgang-
tus mit involviert. Beteiligung der oberflächlichen Venen (CVT) lien +/- mesialer Temporallappen
in ca. 17% der Fälle, isolierte CVT sehr selten.
Altersverteilung: Auftreten in jedem Alter möglich. Morphologie:
Geschlechtsverteilung: F > M 4 Thrombussignal im MRT abhängig von Alter der Thrombose
(. Tab. 2.11)
Ätiologie. Eine Vielzahl prädisponierender Faktoren ist bekannt, 4 Ödem +/- Stauungsblutung (hämorrhagische Imbibierung
z.B. Infektionen, Trauma, Puerperium, Schwangerschaft, Medika- oder richtige ICB)
mente (orale Antikonzeptiva, Hormontherapie), Thrombophilien 4 Evtl. SAB
(Faktor-II- und -V-Mutation, AT-III-Mangel, Protein-C-/Pro-
tein-S-Mangel) und Antiphospholipidantikörpersyndrom. In CT nativ (. Abb. 2.153, . Abb. 2.158):
20–25% der Fälle wird jedoch kein Auslöser gefunden. 4 Evtl. direkte, hyperdense Darstellung des Thrombusmaterials
Intrazerebrale Folgen: Intrakranielle Blutabflussstörung (Kon- in der betroffenen Vene (= »dense vein sign« oder »attenuat-
gestion) → proximale Vasodilatation → Erhöhung des Veneninnen- ed vein sign«) bzw. dem betroffenen Sinus (= »cord sign«)
druckes mit Transsudatbildung → Flüssigkeit im interstitiellen 4 Darstellung der Parenchymläsionen, Ödem: hypodens, Blu-
Gewebe nimmt zu → Entwicklung eines vasogenen Ödems. Bei tung hyperdens
weiterem Anstieg des intrakapillären Druckes → Stauungsblu-
tung. CT + KM: KM-Aussparung in betroffenen Sinus und Hirnvenen
(»empty delta sign«, »empty triangle sign«) → wenig sensitiv (ca.
Klinik. Klinische Präsentation sehr variabel, abhängig von: 30%)
4 Lokalisation und Ausmaß der Thrombose (Beteiligung der MDCTA: KM-Aussparung in betroffenen Sinus und Hirnvenen,
inneren Hirnvenen? Beteiligung der oberflächlichen Hirn- sehr sensitiv für Beurteilung der Sinus (. Abb. 2.154), wenig sen-
venen?) sitiv für Thrombosen der kortikalen Venen
4 Alter des Patienten MRT (. Abb. 2.155 bis . Abb. 2.157 und . Abb. 2.159 bis . Abb.
4 Vorliegen von Parenchymveränderungen 2.162):
4 Zeitintervall zwischen Symptombeginn und Diagnosestel- 4 Fehlendes Flow void in betroffenen venösen Blutleitern
lung 4 Thrombussignal abhängig vom Alter der Thrombose und
von verwendeter Sequenz (siehe . Tab. 2.11)
Initialsymptom:
4 Bei 70% der Patienten Kopfschmerzen, im Verlauf nahezu Typisches Signalverhalten.
immer vorhanden Akut (0–5 d):
4 Epileptische Anfälle bei 30% 4 T1w: Iso- bis hyperintens (Sensitivität ca. 70%)
4 Stauungspapille in ca. 40% der Fälle 4 T2w: Hypointens (Cave: Fälschlicherweise Interpretation als
normales Flow void)
Fokal-neurologische Ausfälle in Abhängigkeit von Lokalisation 4 T2*w: Hypointens → sehr früh → sehr sensitiv (90%)!
und Parenchymläsionen; Bewusstseinstrübung bis hin zum
Koma. Subakut (6–15 d):
Häufigste Symtome: 4 T1w: Hyperintens
4 IVT: Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung 4 T2w: Hyperintens
4 CVT: Fokale oder generalisierte Anfälle, fokal-neurologische 4 T2*w: Hypointens
Ausfälle (Hemiparese, Aphasie, Hemianopsie), Hirndruck-
zeichen können fehlen. Chronisch (>15 d):
4 T1w: Meist iso- oder hyperintens
Verlauf und Prognose. Sehr variables Outcome (asymptoma- 4 T2w: Meist iso-oder hyperintens
tisch bis hin zum Tod). Die Beteiligung der inneren Hirnvenen 4 T2*w: Lange hypointens
ist ein Risikofaktor für schlechtes Outcome/Tod.
DWI: Evtl. hyperintense Darstellung des Thrombusmaterials →
Bildgebung (generell). (. Abb. 2.153 bis . Abb. 2.162) mutmaßlich schlechter prognostischer Faktor für spätere Reka-
nalisation.
2.7 · Andere Ursachen sekundärer ICBs
187 2
4 MRT:
. Tab. 2.11 Signalverhalten venöser Thromben in Abhängigkeit vom 5 T2*w: Sehr sensitiv (97%), gefolgt von T1w (67%), FLAIRw
Alter der Thrombose und verwendeter MRT-Sequenz (50%) und venöser MRA (50%)
5 T2w, PDw, DWI: Wenig sensitiv
Sequenz Signal Akut (subakut) (chronisch)
(0–5 Tage) 6–14 Tage >15 Tage 5 Zum Ausschluss einer CVT unbedingt T2*w erforderlich
→ empfohlenes Protokoll: T2*w tra + cor, T1w, FLAIR tra,
T1w Hyper 30% 71% 39% vMRA, DWI (Zytotoxisches Ödem?)
Iso 68% 29% 54%
Innere Hirnvenenthrombose (. Abb. 2.158 bis . Abb. 2.160)
Hypo 2% 0% 7%
4 CT nativ: »dense vein sign« hat hier sehr hohe Sensitivität
T2w Hyper 25% 52% 43% (100%) und Spezifität (99%)
Iso 11% 32% 45% 4 MDCTA: Noch keine größeren Fallserien zur Wertigkeit bei
Hypo 65% 16% 12%
IVT
4 MRT:
5 T2*w: Sehr sensitiv zum direkten Thrombusnachweis
5 FLAIR und DWI zum Nachweis von intrazerebralem
Ödem
Venöse TOF-MRA: Kein Flussignal in thrombosierten Sinus/
> Problem der MRT: Kenntnis des komplexen, sequenz-
Venen.
abhängigen Signalverlaufs des Thrombusmaterials zur
! Missinterpretation eines in T1w hyperintensen Clots als Beurteilung erforderlich, anfällig für technische Fehler-
Flusssignal in TOF-MRA möglich. quellen.
T2*-Sequenz: Ist sehr sensitiv für den frühen Nach-
Phasenkontrast-MRA: Vorteil: Keine Missinterpretation eines in
weis eines Thrombus, empfindlichste Methode
T1w hyperintensen Clots als Flusssignal, wenig Studiendaten zur
zum Nachweis einer Thrombose der kortikalen
Wertigkeit.
Venen.
CE-MRA: Ist der TOF-MRA überlegen, da weniger anfällig für
CTA: Ist sehr sensitiv und spezifisch für Sinusthrom-
Flussartefakte.
bose, nicht aber für kortikale Venen. Gute Methode für
Time-resolved MRA: In der Darstellung der großen venösen
Notfalldiagnostik.
Sinus der TOF-MRA überlegen, da weniger anfällig für Fluss-
Direkte Thrombosezeichen in der Nativ-CT wenig sen-
artefakte.
sitiv für Sinusthrombose, aber sehr sensitiv für Throm-
DSA: Heute nur noch Einzelfällen vorbehalten, ggf. zur Durch-
bose der inneren Hirnvenen.
führung einer mechanischen Rekanalisation bei schwersten
Fällen.
Differenzialdiagnosen.
Besonderheiten bei den einzelnen Unterformen. Pitfalls:
Sinusthrombose: 4 Sinusaplasie oder Hypoplasie (fehlender Fluss in MRA)
4 CT nativ: Nicht geeignet zum Ausschluss einer SVT; »cord 4 Hyperintenser Thrombus in T1w kann fälschlicherweise als
sign« hat niedrige Sensitivität (64%) und Spezifität (97%) Flusssignal in TOF interpretiert werden
4 MDCTA: hohe Sensitivität und Spezifität (beides 100%) für 4 Prominente Pacchioni-Granulationen (. Abb. 1.127)
SVT
4 MRT:
5 hohe Sensitivität und Spezifität Literatur
5 empfohlene Sequenzen: FLAIR tra + cor, T2*w, PDw, Boukobza M, Crassard I, Bousser MG, Chabriat H. MR Imaging Features of
Isolated Cortical Vein Thrombosis: Diagnosis and Follow-Up. AJNR Am J
(T1w), venöse MRA
Neuroradiol. 2009;30:344-8.
Fellner FA, Fellner C, Aichner FT, Mölzer G. Importance of T2*-weighted gradi-
Oberflächliche Hirnvenenthrombose/Beteiligung der ober- ent-echo MRI for diagnosis of cortical vein thrombosis. Eur J Radiol.
flächlichen Hirnvenen bei SVT (. Abb. 2.161, . Abb. 2.162): 2005;56:235–9.
4 CT nativ: Idbaih A, Boukobza M, Crassard I, Porcher R, Bousser MG, Chabriat H. MRI
of clot in cerebral venous thrombosis: high diagnostic value of suscepti-
5 Sehr selten direkte, hyperdense Darstellung des Throm-
bility-weighted images. Stroke. 2006;37:991-5.
busmaterials in der betroffenen kortikalen Vene (»dense Jacobs K, Moulin T, Bogousslavsky J et al. The stroke syndrome of cortical vein
vein sign«), hat hier sehr geringe Sensitivität, falls vorhan- thrombosis. Neurology. 1996;47:376–82.
den relativ hohe Spezifität. Klingebiel R, Bauknecht HC, Bohner G, Kirsch R, Berger J, Masuhr F. Compara-
5 Ggf. Darstellung der Parenchymläsionen, Ödem: hypo- tive evaluation of 2D time-of-flight and 3D elliptic centric contrast-
enhanced MR venography in patients with presumptive cerebral venous
dens, Blutung hyperdens
and sinus thrombosis. Eur J Neurol. 2007;14:139-43.
4 MDCTA: Wenig sensitiv und wenig spezifisch → zum NW Leach JL, Meyer K, Jones BV, Tomsick TA. Large arachnoid granulations invol-
einer Beteiligung der oberflächlichen Venen oder zum Aus- ving the dorsal superior sagittal sinus: findings on MR imaging and MR
schluss einer CVT nicht geeignet. venography: AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:1335-9.
188 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

Linn J, Ertl-Wagner B, Seelos KC, Strupp M, Reiser M, Bruckmann H, Bruning R. Linn J, Seelos KC, Brückmann H. Multidetector-row CT angiography (MDCTA)
Diagnostic value of multidetector-row CT angiography in the evaluation in the evaluation of the deep cerebral veins. Clin Neuroradiol. 2006,
of thrombosis of the cerebral venous sinuses. AJNR Am J Neuroradiol. 16:29.
2007;28:946-52. Meckel S, Glücker TM, Kretzschmar M, Scheffler K, Radü EW, Wetzel SG. Display
2 Linn J, Pfefferkorn T, Ivanicova K, Müller-Schunk S, Hartz S, Wiesmann M, of dural sinuses with time-resolved, contrast-enhanced three-dimensio-
Dichgans M, Brückmann H. Noncontrast CT in deep cerebral venous nal MR venography. Cerebrovasc Dis. 2008;25:217-24.
thrombosis and sinus thrombosis: Comparison of its diagnostic value for Selim M, Fink J, Linfante I, Kumar S, Schlaug G, Caplan LR. Diagnosis of cerebral
both entities. Neuroradiol. 2010 [in press] venous thrombosis with echo-planar T2*-weighted magnetic resonance
Linn J, Pfefferkorn T, Michl S, Wiesmann M, Hartz S, Dichgans M, Brückmann imaging. Arch Neurol. 2002;59:1021-6.
H. Multimodal diagnosis of cortical vein thrombosis. Akt Neurologie.
2007;34:54.

a b

. Abb. 2.153a, b Thrombose des rechten Sinus transversus. Hyperdense Darstellung des Thrombus
im Sinne eines direkten Zeichens, »cord sign« (Pfeile). a, b: CT nativ

a b

c d

. Abb. 2.154a–d In der CTA stellt sich die Thrombose des Sinus sagittalis superior (Pfeile) und des linken
Sinus transversus (Pfeilspitze) als KM-Aussparung dar. a–d: CTA, multiplanare Rekonstruktionen
2.7 · Andere Ursachen sekundärer ICBs
189 2

a b c

d e f

. Abb. 2.155a–f Ausgedehnte 1 Woche alte Sinusthrombose (Sinus sagittalis superior [Stern], Sinus transversus beidseits [normale Pfeile]) und der Vena
Labbé links (gebogene Pfeile). In der TOF-MRA stellt sich das Thrombusmaterial hyperintens dar, was ein normales Flusssignal vortäuschen kann. In der
T2*w zeigen sich zusätzlich Thrombosen der tentoriellen Venen (Pfeilspitzen). a, b: FLAIRw tra und cor; c: T1w ; d: T2*w; e: TOF-MRA; Basisbild; f: DWI, B1000

a b

. Abb. 2.156a–c Stauungsödem rechts parietal bei Thrombose des Sinus sagittalis superior, das
Thrombusmaterial ist in der FLAIRw (a) als hyperintenses Areal, in der T1w KM als KM-Aussparung
c
(Pfeile) erkennbar. a: FLAIRw cor; b: DWI, B1000; c: T1w + KM cor
190 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

. Abb. 2.157a–c Thrombose des Sinus transversus rechts. a: T1 nativ; b: DWI, B1000; c: venöse TOF-MRA, MIP-Rekonstruktion. Der Thrombus ist in T1 nativ
schon sehr hyperintens

a b c

. Abb. 2.158a–c Ausgedehnte Thrombose der inneren Hirnvenen einschließlich des Sinus rectus, erkennbar an der nativ hyperdensen direkten Darstel-
lung des Thrombusmaterials (»dense vein sign«). Betroffen sind linke V. thalamostriata (Pfeilspitze), Vv. cerebri internae beidseits (normale Pfeile), V. basalis
Rosenthal links (durchgestrichene Pfeile), V. galeni (Stern) und Sinus rectus (gebogene Pfeile) a–c: CT nativ
2.7 · Andere Ursachen sekundärer ICBs
191 2

a b

c d

. Abb. 2.159a–d Thrombose der inneren Hirnvenen (Vv. cerebri internae [normaler Pfeil], linke V. thalamostriata
[Pfeilspitze], V. thalamica lateralis rechts [gebogene Pfeile]) mit bilateralen Stauungsödemen in den Thalami,
links mehr als rechts, und in den Stammganglien links. a: FLAIRw; b: T2*w; c: DWI, B1000; d: ADC-Map

a b

c d

. Abb. 2.160a–d Thrombose der Vv. cerebri internae (Pfeile), des Sinus rectus (Pfeilspitzen) und des Sinus sagittalis
superior (Sterne). a: T2*w; b: FLAIRw; c: T1w nativ; d: DWI, B1000
192 Kapitel 2 · Vaskuläre Erkrankungen

a b c

d e

. Abb. 2.161a–f Ausgedehnte Sinus- und Hirnvenenthrombose mit Beteiligung der kortikalen Venen (Pfeile), am besten erkennbar in T2*w (c). Darüber
hinaus sind der Sinus sagittalis superior (Sterne), Sinus rectus (Pfeilspitzen), die Vv. basales Rosenthal beidseits (gebogene Pfeile) und der Sinus transversus
links (durchgestrichene Pfeile) betroffen. Fehlendes Flussignal in TOF-MRA (d, f). a, e: FLAIRw tra und cor; b: T1w nativ; c: T2*w; d, f: venöse TOF-MRA,
d: Basisbild, f: MIP-Rekonstruktion

a b c

. Abb. 2.162a–c Thrombose des Sinus sagittalis superior und der kortikalen Venen. a–c: T2*w
3

Tumoren und nicht neoplastische


intrakranielle Raumforderungen

3.1 Erhöhter intrakranieller Druck – 194

3.2 Tumoren – 200

3.3 Nicht neoplastische zystische intrakranielle Raumforderungen – 286

3.4 Andere nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen – 294

3.5 Phakomatosen – 297

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_3,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
194 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

3.1 Erhöhter intrakranieller Druck Formen. Siehe . Abb. 3.2; Subfalxiale Herniation (. Abb. 3.3);
Sonderform: Rein vordere subfalxiale Herniation; Vollständige
Definition. Intrakranieller Druck = der im Schädelinneren ein- subfalxiale Herniation: Herniation (von Teilen) des Gyrus cingu-
schließlich den Liquorräumen herrschende Druck. li hernieren unter die Falx, oberhalb des Corpus callosum.
Normalwert beim Erwachsenen im Liegen: 8–10 mmHg. Der Bildgebung: Im axialen Bild Hernierung des Corpus callosum
Begriff »Hirndruck« sollte vermieden werden. und des ipsilateralen Seitenventrikels unter die Falx.
3 1. Transtentorielle Herniation:
Formen. a) Laterale transtentorielle Herniation: Herniation von ante-
4 Generalisierte Erhöhung des intrakraniellen Drucks romedialen Anteilen des Temporallappens durch den Tento-
4 Lokalisierte Erhöhung des intrakraniellen Drucks riumsschlitz (Uncusherniation = einseitige transtentorielle
Herniation) (. Abb. 3.4). Sie kann uni- oder bilateral vor-
kommen und tritt typischerweise bei lateralisierter RF auf.
3.1.1 Generalisierte Erhöhung Makropathologisch: Uncusschnürfurche.
des intrakraniellen Drucks Sekundäre Veränderungen/Komplikationen:
5 Kompression der ipsilateralen A. cerebri posterior
Ursache einer generalisierten Erhöhung des intrakraniellen 5 Kompression des ipsilateralen N. oculomotorius → Ptose,
Drucks ist ein Hirnödem, das weite lichtstarre Pupillen, kontralateral erhaltene konsen-
4 intrazellulär (zytotoxisch) oder suelle Lichtreaktion
4 extrazellulär, z.B. durch Trauma, Hypoxie, physikalische 5 Kompression der kontralateralen A. cerebri posterior
Noxen (Strom/Hitze/Bestrahlung) 5 Kompression des Pedunculus cerebri: »Kernohan’s pheno-
auftreten kann. menon«:
– wenn ipsilaterale Kompression → kontralaterale Hemi-
Folgen bzw. Manifestationen eines generalisierten Anstiegs parese
des intrakraniellen Drucks, d.h. eines generalisierten Hirnödems – wenn kontralaterale Kompression → ipsilaterale Hemi-
(. Abb. 3.1) sind: parese
4 Volumenzunahme 5 Kompression des Aquädukts → Konsekutiver Hydroze-
4 Verschmälerung der Liquorräume phalus
4 Verstrichene Sulci b) Zentrale transtentorielle Herniation: Die zentrale transten-
4 Unscharfe Hirnrindenmarkgrenze torielle Herniation wird wie folgt unterteilt:
5 Zentrale aszendierende transtentorielle Herniation
(. Abb. 3.5): Verlagerung von Anteilen des Cerebellums
3.1.2 Lokalisierte Erhöhung durch den Tentoriumschlitz nach kranial; typische Ursa-
des intrakraniellen Drucks che: Raumforderung in der HSG
5 Zentrale deszendierende transtentorielle Herniation:
Ursachen einer fokalen Erhöhung des intrakraniellen Drucks
Meist aufgrund eines massiven Hirnödems oder einer
sind:
großen intra- oder extraaxialen Blutung. Im axialen Bild:
4 extrakranielle Raumforderungen
– deutliche Komprimierung der perimesenzephalen Zis-
4 intrakranielle Raumforderungen, z.B. durch Tumor, Blutung
ternen und des Aquädukts
(extrazerebral/intrazerebral/subarachnoidal), Ischämie, Li-
– Pelottierung der suprasellären und der interpedunku-
quorzirkulationsstörung.
lären Zisterne, sowie der Cisterna quadrigemina
– Kompression des ventralen Pons gegen die Clivus-
Folge bzw. Manifestation eines fokalen Anstiegs des intrakra-
hinterkante
niellen Drucks ist die Herniation (. Abb. 3.2).
– Verlagerung des Basilariskopfes nach kaudal → Verschie-
Herniation beblutung im Pons bei transtentorieller Herniation
2. Tonsilläre Herniation: Herniation der Kleinhirntonsillen
Pathogenese. Monro-Kellie-Doktrin (The total volume of intra-
cranial contents must remain constant.): Erhöhung des intrakra- durch das Foramen magnum (. Abb. 3.5). Typische Ursache
niellen Volumens durch eine fokale oder generalisierte Raumfor- ist eine Raumforderung in der hinteren Schädelgrube mit der
derung. Da der Schädel und die Dura rigide sind, Hirngewebe Folge einer Kompression der Medulla oblongata.
dagegen weniger rigide ist → weicht das Hirngewebe durch Du- Klinik. Schnelles respiratorisches Versagen, akute Parese der
ralücken (Falx oder Tentorium) oder Knochenlücken (Foramen Extremitäten, Sensibilitätsstörungen; wenn langsam progre-
magnum) aus, (»der Schwächere gibt nach«). dient entwickelt der Patient abnorme Kopfhaltung/Kopfnei-
gung.
Klinik. Oft zunächst unauffällig. 3. Äußere, »externe« Herniation: Herniation von Hirngewebe
Sekundäre Veränderungen/Komplikationen: Einblutungen in durch Knochenlücken (. Abb. 3.6).
betroffenes Gewebe und Nekrose → Gliose; Kompression der
A. cerebri anterior (A. pericallosa) → Infarkt → Sensibilitäts- und
Kraftverlust der unteren Extremität
3.1 · Erhöhter intrakranieller Druck
195 3

a b

c d

. Abb. 3.1a–d Generalisiertes Hirnödem. Die kortikalen Furchen sind nicht mehr abgrenzbar (a, b), die Mark-Rinden-
differenzierung ist nicht mehr erkennbar (a–d) und die basalen Zisternen sind nicht mehr abgrenzbar (d); a–d: CT nativ

a b
. Abb. 3.2a, b Schematische Darstellung der Formen der Herniation. a Subfalxiale Herniation, laterale transtentorielle Herniation (Uncusherniation),
tonsilläre Herniation. b Zentrale aszendierende Herniation, tonsilläre Herniation; T = Tumor/Raumforderung
196 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

. Abb. 3.3 Subfalxiale Herniation bei subduralem Hämatom links (mit eingebrachten Drainagen,
Sterne); Pfeil: anteriore Falx, Pfeilspitzen: Gyrus cinguli (CT nativ)

a b c

d e f

. Abb. 3.4a–f Laterale transtentorielle Herniation = Uncusherniation (Sterne) bei Sinus- und Hirnvenenthrombose mit großer Stauungsblutung links tem-
poral. a–f: FLAIR tra und cor
3.1 · Erhöhter intrakranieller Druck
197 3

a b

c d

. Abb. 3.5a–d Tonsilläre Herniation (a–c, Pfeile), zentrale aszendierende transtentorielle Herniation (a, d, Sterne) und tonsilläre
Herniation (b, Pfeil; c, Stern) bei malignem Kleinhirninfarkt und Ponsinfarkt bei Basilaristhrombose. a–d: T2w cor, sag und tra

a b

. Abb. 3.6a, b Äußere Herniation nach bilateraler osteoklastischer Trepanation. a, b: CT nativ


198 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

3.1.3 Zeichen des erhöhten intrakraniellen


Drucks in der Bildgebung

Zur Beantwortung der Frage nach »Zeichen eines erhöhten


intrakraniellen Drucks« müssen folgende Strukturen beurteilt
werden:
3 4 Hirngewebe:
5 Parenchym: Ödem? (. Abb. 3.1 und Abb. 3.7)
5 Mark-Rinden-Differenzierung: Erhalten – aufgebraucht?
4 Mittellinie: Mittellinienverschiebung?
4 Liquorräume, kortikale Furchen/Sulci:
5 Sind sie altersentsprechend weit? Cave: Variabilität des
Normalbefunds: Alter des Patienten? Spricht die Klinik
für einen erhöhten intrakraniellen Druck? Hat sich die
Weite der Furchen im Verlauf geändert? a
5 Sind sie gleichmäßig weit, oder fokal verschmälert?
(. Abb. 3.7)
5 Ist das Verhältnis zwischen inneren und äußeren Liquor-
räumen ausgewogen oder zu Ungunsten eines Kompart-
ments verschoben? (. Abb. 3.8)
4 Ventrikel:
5 Ist die Weite altersentsprechend? (Alter des Patienten?
Spricht die Klinik für erhöhten intrakraniellen Druck?
Hat sich die Weite der Ventrikel im Verlauf geändert?)
5 Sind sie weitgehend seitengleich? (. Abb. 3.8) Cave: Eine
gewisse Asymmetrie ist oft eine Normvariante! Nur im
Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik ver-
wertbar.
5 Missverhältnis zwischen inneren und äußeren Liquor-
räumen? (. Abb. 3.8)
5 Missverhältnis zwischen den 4 Ventrikeln? (. Abb. 3.8)
4 Basale Zisternen: Abgrenzbar – eingeengt/verstrichen? Bei b
engen basalen Zisternen oft konsekutiver Aufstau der Vent-
rikel supratentoriell (. Abb. 3.9, . Abb. 3.10).

. Abb. 3.8a–c Enge und weite Ventrikel. a Missverhältnis zwischen inneren


und äußeren Liquorräumen: Aufstau der Seitenventrikel bei Liquorabfluss-
störung aufgrund großer Hirnstamm- und Kleinhirnblutung und SAB. Die
kortikalen Furchen sind eng. b und c Missverhältnis zwischen den 4 Ventri-
keln: In b ist der rechte Seitenventrikel deutlich aufgestaut, wogegen der
linke durch ein breites chronisches Subduralhämatom komprimiert wird.
In c ist der III. Ventrikel (und auch die Seitenventrikel, nicht dargestellt) auf-
. Abb. 3.7 Beurteilung der Weite der kortikalen Furchen. Deutliche grund einer Liquorabflussstörung durch ein Ponsgliom mit Kompression des
Asymmetrie: rechts normal weite Sulci, links verstrichene Sulci bei Hirn- Aquädukts aufgestaut, während der IV. Ventrikel schmal ist. a, b: CT nativ;
ödem (CT nativ) c: CISS sagittal
3.1 · Erhöhter intrakranieller Druck
199 3

a b

. Abb. 3.9a–c Enge basale Zisternen bei Hirnstammgliom, konsekutiver Liquorauf-


stau supratentoriell, erkennbar an der deutlichen Erweiterung der Temporalhörner
c
der Seitenventrikel. a, b: FLAIRw; c: CT

. Abb. 3.10 Enge basale Zisternen bei raumforderndem Kleinhirninfarkt links. Kon-
sekutiver Liquoraufstau supratentoriell mit Erweiterung der Seitenventrikel und dem
III. Ventrikel (CT)
200 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

3.2 Tumoren (Manche Hirntumoren kommen typischerweise in bestimmten


Lokalisationen vor, z.B. das diffuse Astrozytom in der Insel.)
3.2.1 Vorbemerkungen 4 Welches Alter hat der Patient (Kind, junger Erwachsener,
älterer Mensch)? Die meisten Hirntumoren haben typische
Nach der Klassifikation der WHO (. Tab. 3.1) werden bei den Altersgipfel.
Tumoren des ZNS die primären (9 verschiedene Gruppen) von 4 Zeigt der Tumor eine Kontrastmittelaufnahme?
3 den sekundären Hirntumoren (Metastasen) unterschieden. 4 Hat der Tumor zystische oder nekrotische Anteile?
Fragestellungen zur differenzialdiagnostischen Einord- 4 Weist der Tumor Verkalkungen oder Einblutungen auf?
nung eines Hirntumors: 4 Ist der Tumor raumfordernd, d.h. führt er zu einer Mittel-
In welcher Lokalisation liegt der Tumor? linienverlagerung oder zur Herniation, oder hat er ein peri-
4 Intra- oder extraaxial? fokales Ödem?
4 Supra- oder infratentoriell? 4 Handelt es sich um eine singuläre Läsion oder um ein multi-
4 Oberflächlich/kortikal oder im tiefen Marklager/periventri- fokales Geschehen?
kulär?

. Tab. 3.1 WHO-Klassifikation der Hirntumoren

Gruppe Tumorentität

Neuroepitheliale Tumoren Astrozytäre Tumoren


Oligodendrogliome
Andere Gliome unklaren Ursprungs
Ependymale Tumoren
Tumoren des Plexus choroideus

Neuronale, gemischt glialneuronale Gangliogliome und Gangliozytome (im Cerebellum = Lhermitte-Duclos-Syndrom)


und neurozytische Tumoren Desmoplastische infantile Gangliogliome/Astrozytome
Dysembryoblastische neuroepitheliale Tumoren (DNET)
Hypothalamische Harmatome
Zentrale Neurozytome und parenchymale (extraventrikuläre) neurozytische Tumoren

Pinealistumoren Pineoblastome
Pineozytome

Embryonale Tumoren Medulloepitheliome


Ependymoblastome
Medulloblastome (= PNET-MB)
Primitive neuroektodermale Tumoren (PNET)
Atypische teratoide/rhabdoide Tumoren

Periphere neuroblastische Tumoren Neuroblastome

Tumoren der Hirnnerven, der Spinalnerven Neurofibrome


und der peripheren Nerven Schwannome
Maligne Nervenscheidentumoren

Meningeale Tumoren Tumoren der meningothelialen Zellen (z.B. Meningeome)


Mesenchymale, nicht meningotheliale Tumoren (z.B. Chondrosarkome)
Tumoren unklarer Histiogenese (z.B. Hämangioblastome)

Lymphome und Tumoren des hämatopoetischen Lymphome


Systems (primäre und sekundäre) Plasmozytome
Leukämie

Keimzelltumoren Germinome
Teratome
Embryonale Karzinome
Andere (z.B. Chorionkarzinome, gemischte Keimzelltumoren)

Metastasen und sekundäre ZNS-Veränderungen Metastasen


durch Tumoren anderer Körperregionen Parenchymmetastasen
Meningeale Metastasen
Metastasen in anderer Lokalisation (z.B. Hypophyse)
Paraneoplastische Syndrome
3.2 · Tumoren
201 3
Manche der Hirntumoren neigen typischerweise zu einer
. Tab. 3.2 Tumoren, bei denen eine ergänzende spinale Bildgebung Aussaat über den Liquorraum. Bei diesen Tumoren ist zum
empfohlen wird Staging eine Untersuchung der kompletten neuronalen Achse
unbedingt erforderlich (. Tab. 3.2) (. Abb. 3.11, . Abb. 3.12).
Spinale Bildgebung unbedingt Spinale Bildgebung
erforderlich fakultativ
Literatur
Medulloblastome (PNET-MB) Gliome aller Feiden S, Feiden W. WHO classification of tumours of the CNS: Revised edition
Supratentorielle PNET Gradierungen of 2007 with critical comments on the typing und grading of common-
Keimzelltumoren (Germinome, Teratome) type diffuse gliomas. Pathologe. 2008;29:411-21.
Anaplastische Ependymome Louis DN, Ohgaki H, Wiestler OD, Cavenee WK, Burger PC, Jouvet A, Scheit-
Plexuskarzinome hauer BW, Kleihues P. The 2007 WHO classification of tumours of the
Pineoblastome central nervous system. Acta Neuropathol. 2007;114:97-109.
Atypisch teratoid-rhabdoide Tumoren Radner H, Blümcke I, Reifenberger G, Wiestler OD. The new WHO classification
Primäre ZNS-Lymphome of tumors of the nervous system 2000. Pathology and genetics. Patholo-
ge. 2002;23:260-83.

a b c

. Abb. 3.11a–c Liquoraussaat bei Glioblastom mit meningealer und ependymaler KM-Aufnahme (Auslöschungsartefakte links bei Z.n. OP). a–c: T1w + KM
tra, sag und cor

b c

. Abb. 3.12a–c Spinale Liquoraussaat bei Glioblastom (Stern in c) mit meningealer KM-Aufnahme
a
(a, b: Pfeile). a, b: T1w+KM; c: T2 w
202 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

3.2.2 Neuroepitheliale Tumoren Jacobs AH, Kracht LW, Gossmann A, et al. Imaging in neurooncology. Neuro-
radiology. 2005;2:333-47.
Astrozytäre Tumoren Law M, Yang S, Wang H, Babb JS, Johnson G, Cha S, Knopp EA, Zagzag D.
Glioma grading: sensitivity, specificity, and predictive values of perfusion
Die astrozytären Tumoren werden nach der WHO histologisch MR imaging and proton MR spectroscopic imaging compared with con-
in 4 Malignitätsgrade eingeteilt (. Tab. 3.3). Histologische Be- ventional MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:1989-98.
funde, die dazu herangezogen werden, sind: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 4. Aufl., Thieme,
3 4 Kernatypien Stuttgart 2008.
Lemort M, Canizares-Perez AC, Van der Stappen A, Kampouridis S. Progress in
4 Mitosen
magnetic resonance imaging of brain tumours. Curr Opin Oncol.
4 Gefäßepithelproliferation 2007;19:616-22.
4 Nekrosen Sadeghi N, Salmon I, Decaestecker C, et al. Stereotactic comparison among
cerebral blood volume, methionene uptake, and histopathology in brain
glioma. Am J Neuroradiol. 2007;28: 455-61.
Allgemeines zur Wertigkeit bildgebender Methoden
für die Differenzialdiagnose hirneigener Tumoren
Pilozytische Astrozytome
Die (1)H-MR-Spektroskopie ist sowohl bei der initialen Diagnose-
stellung als auch zur Verlaufsbeurteilung hilfreich, da sie bei der
Definition. Beim pilozytischen Astrozytom handelt es sich um
Differenzierung zwischen therapiebedingten Veränderungen und einen langsam wachsenden, oft zystischen Tumor der Astroglia,
einem Tumorrezidiv hilft. der bevorzugt im Kindes- und Jugendalter auftritt, und häufig
mittelliniennah lokalisiert ist.
Diffusions- und Perfusions-MRT erleichtern die Differenzial-
diagnose gegenüber anderen hirneigenen Tumoren und weiteren
Krankheitsentitäten, z.B. Infektionen. Vor allem die Diffusions-MRT WHO-Klassifikation. WHO-Grad I
und das regionale zerebrale Blutvolumen (rCBV) eignen sich zur
Unterscheidung zwischen zystischem Tumor und Abszess. Der rCBV Epidemiologie und Demographie. Stellen ca. 5–10% aller
erlaubt auch eine verbesserte Differenzierung zwischen niedrig- und
Gliome dar.
höhergradigen Gliomen.
Darüber hinaus sind Diffusions- und Perfusions-MRT hilfreich Altersverteilung: Vor allem bei Kindern und Jugendlichen, sel-
bei der Unterscheidung zwischen Tumorgewebe und vasogenem ten sind Erwachsene betroffen. Häufigster primärer Hirntumor
Ödem: Im Tumor sind ADC-Wert vermindert und rCBV erhöht, im im Kindesalter; >80% der Patienten sind <20 Jahre.
perifokalen Ödem dagegen findet sich ein erhöhter ADC-Wert und Geschlechtsverteilung: M = F
ein erniedrigter rCBV.
Assoziiert mit: Neurofibromatose Typ 1 (von Recklinghausen;
Bei niedriggradigen Gliomen korreliert ein hoher rCBV positiv
mit schlechter Prognose (Progredienz oder Tod) und negativ mit der 7 Kap. 3.5.2.1). Pilozytische Astrozytome treten bei ca. 15% die-
Zeitdauer bis zu Progredienz (time to progression): ser Patienten im Krankheitsverlauf auf, häufig auch bilateral im
4 Medianes Zeitintervall bis zur Tumorprogredienz bei Verlauf des N. opticus, ca. 1/3 aller Patienten mit pilozytischen
rCBV >1,75 = 365 d Astrozytomen des N. opticus leiden an einer NF 1.
4 Medianes Zeitintervall bis zur Tumorprogredienz bei
rCBV <1,75 → mindestens 889 d
Klinik. Abhängig von Lokalisation, häufige Symptome:
Die funktionelle MRT (fMRT) ermöglicht die präoperative, nicht- 4 Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen (durch Begleithydroze-
invasive Identifikation eloquenter Hirnareale in unmittelbarer Nach- phalus und erhöhten intrakraniellen Druck)
barschaft zum Tumor.
4 Sehverlust bei Tumoren in der Sehbahn
4 Ataxie, Kleinhirnzeichen wenn Tumoren zerebellär lokali-
Literatur siert sind
Caseiras GB, Chheang S, Babb J, Rees JH, Pecerrelli N, Tozer DJ, Benton C, 4 Hirnnervenausfälle, Doppelbilder
Zagzag D, Johnson G, Waldman AD, Jäger R, Law M. Relative cerebral
blood volume measurements of low-grade gliomas predict patient out- Verlauf und Prognose. Langsam, häufig über Jahrzehnte wach-
come in a multi-institution setting. Eur J Radiol. 2009 Feb 5. [Epub ahead sende Tumoren; maligne Transformation extrem selten. Selten
of print]
breiten sie sich über Subarachnoidalraum aus (dennoch WHO-
Cha S, Knopp EA, Johnson G, et al. Intracranial mass lesions: dynamic contrast-
enhanced susceptibility-weighted echo-planar perfusion MR imaging. Grad I). Selten sind spontane Remissionen beschrieben.
Radiology. 1999;211:791-8.
Di Costanzo A, Pollice S, Trojsi F, Giannatempo GM, Popolizio T, Canalis L, Sonstiges. Extrem selten werden eine deutlich erhöhte Mitose-
Armillotta M, Maggialetti A, Carriero A, Tedeschi G, Scarabino T. Role of rate in Assoziation mit einer Zellpolymorphie und Tumorge-
perfusion-weighted imaging at 3 Tesla in the assessment of malignancy
websnekrosen gefunden; diese Tumoren werden als anaplas-
of cerebral gliomas. Radiol Med. 2008;113:134-43.
Essig M, Giesel F, Stieltjes B, Weber MA. Functional imaging for brain tumors tische pilozytische Astrozytome dem WHO-Grad III zuge-
(perfusion, DTI and MR spectroscopy). Radiologe. 2007;47:513-9. ordnet.
Hall WA, Kim P, Truwit CL. Functional magnetic resonance imaging-guided Sonderform: Pilomyxoides Astrozytom: Ist aggressiver als das
brain tumor resection. Top Magn Reson Imaging. 2009;19:205-12. pilozytische Astrozytom, wird in der WHO-Klassifikation als
Hall WA, Liu H, Truwit CL. Functional magnetic resonance imaging-guided
Variante geführt.
resection of low-grade gliomas. Surg Neurol. 2005;64:20-7.
Hollingworth H, Medina LS, Lenkinski RE, et al. A systematic literature review
of magnetic resonance spectroscopy for the characterization of brain
tumors. AJNR Am J Neuroradiol. 2006;27:1404-11.
3.2 · Tumoren
203 3

. Tab. 3.3 Malignitätsgrade der astrozytären Tumoren

Grad Bezeichnung Typische histologische Befunde

I Pilozytische Astrozytome Zellarmer, faserreicher astroglialer Tumor mit biphasischen Wachstumsmuster:


4 kompakte Anteile, die aus bipolaren (»piloiden«) Zellen und Rosenthal’schen Fasern bestehen
4 lockere Areale, die multipolare Zellen in mikrozystisch aufgelockerter Matrix mit eosinophilen
granulären Körperchen enthalten

Rosenthal-Fasern (korkenzieherartige eosinophile Gliafortsätze)


Eosinophile granuläre Körperchen (globuläre hyaline Einschlüsse; »protein droplets«)
Außerdem:
4 selten Mitosen
4 häufig Kernpolymorphie
4 häufig Gefäßproliferation
4 häufig Invasion des Subarachnoidalraumes

Sonderform: Stark angiozentrisch, aggressiveres Verhalten


Pilomyxoides Astrozytom

II Subependymale Riesenzell-
astrozytome

Diffuse Astrozytome 4 Hochdifferenzierte astrogliale Tumoren


4 Lockere, nicht selten mikrozystisch umgewandelte Tumorgewebsmatrix
4 Zellzahl übertrifft nur geringgradig die der nicht-neoplastischen Astroglia
4 Lediglich diskrete zelluläre Polymorphie
4 Mitosen fehlen

Pleomorphe Xanthoastro- Astroglialer Tumor:


zytome 4 deutliche Zell- und Gewebepolymorphie
4 bizarre Riesenzellen
4 xanthomatöse Veränderungen

III Anaplastische Astrozytome Diffuses Astrozytom mit fokaler oder generalisierter Anaplasie und deutlich erhöhter Proliferationstendenz

Gliomatosis cerebri Diffuse Infiltration neoplastischer, astro- oder oligodendroglial differenzierter Zellen in das umliegende
Hirngewebe

IV Glioblastome 4 Ausgeprägte Gewebe- und Zellpolymorphie


4 Strichförmige und flächenhafte Tumorgewebenekrosen
4 Gefäßproliferate
4 Diffuse Infiltration des angrenzenden Hirnparenchyms

Variante: Bizarre ein- und mehrkernige Riesenzellen dominieren


Riesenzell-Glioblastom

Gliosarkom Ausgeprägte, von Gefäßproliferaten ausgehende sarkomatöse Komponente

Bildgebung. . Abb. 3.13, . Abb. 3.14, . Abb. 3.15 Pilomyxoide Astrozytome sind solide, allenfalls minimale
Lokalisation: Meist infratentoriell: Kleinhirn > N. opticus/Chias- zystische Komponente.
ma opticum > um den 3. Ventrikel > Hirnstamm (. Abb. 3.13, CT:
. Abb. 3.14); pilomyxoide Astrozytome v.a. hypothalamisch/chi- 4 CT nativ: Solider Tumoranteil hypo- bis isodens, zystische
asmatisch (. Abb. 3.15). Anteile hypodens.
4 CT + KM: KM-Anreicherung des soliden Anteils; wenn ne-
Morphologie: Solide und zystische Komponenten. Morpholo- krotische Anteile → heterogene KM-Aufnahme.
gie durch zystischen Tumoranteil dominiert; oft zystischer Tu- 5 Zystische Areale können in Spätaufnahmen KM-Anrei-
moranteil mit wandständigem knotigem, solidem Anteil. Der cherung zeigen.
solide Anteil kann zentral nekrotisch sein. Verkalkungen in ca. 5 Pilomyxoide Astrozytome: Homogene KM-Aufnahme.
20% der Fälle; selten Einblutungen; oft Hydrozephalus. Kein bis
geringes Umgebungsödem.
204 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

MRT: Differenzialdiagnosen.
4 T1w: 4 Infratentoriell: Hämangioblastom, Medulloblastom, Epen-
5 Solide Anteile: iso- bis hypointens zur grauen Substanz dymom, atypischer teratoider-rhabdoider Tumor
5 Zysteninhalt: iso- bis leicht hyperintens zum Liquor 4 Supratentoriell: Gangliogliom, pleomorphes Xanthoastro-
4 T2w: zytom,
5 Solide Anteile: hyperintens zur grauen Substanz 4 Opticusgliome: Optikusneuritis bei MS, ADEM oder Sar-
3 5 Zysteninhalt: hyperintens zum Liquor koidose
4 FLAIR:
5 Solide Anteile: hyperintens zur grauen Substanz Literatur
5 Zysteninhalt: Signal wird nicht unterdrückt → hyperintens Hwang JH, Egnaczyk GF, Ballard E, Dunn RS, Holland SK, Ball WS Jr. Proton MR
spectroscopic characteristics of pediatric pilocytic astrocytomas. AJNR
zum Liquor
Am J Neuroradiol. 1998;19:535-40.
4 T1w + KM: Komotar RJ, Zacharia BE, Sughrue ME, Mocco J, Carson BS, Tihan T, Otten ML,
5 Solide Anteile: kräftige, aber inhomogene KM-Anreiche- Burger PC, Garvin JH, Khandji AG, Anderson RC. Magnetic resonance
rung imaging characteristics of pilomyxoid astrocytoma. Neurol Res. 2008;
5 Zystenwand kann Anreicherung zeigen 30:945-51.
Li HM, Hsu SS, Wang JS, Weng MJ, Fu JH, Chen CK, Lai PH.Cerebral pilocytic
5 Sehr selten leptomeningeale Metastasen (pilomyxoide
astrocytoma with spontaneous intracranial hemorrhage in adults.J Chin
häufiger!) Med Assoc. 2008;71:587-93.
5 Pilomyxoide Astrozytome: homogene KM-Aufnahme Linscott LL, Osborn AG, Blaser S, Castillo M, Hewlett RH, Wieselthaler N, Chin SS,
4 DWI: keine Diffusionsrestriktion Krakenes J, Hedlund GL, Sutton CL. Pilomyxoid astrocytoma: expanding
4 PWI: rCBV im Bereich des Tumorknötchens erhöht the imaging spectrum. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:1861-6.
Pascual-Castroviejo I, Pascual-Pascual SI, Velázquez-Fragua R, Viaño J, García-
4 MRS: Laktatpeaks (trotz rel. Gutartigkeit), kein Lipidpeak
Segura JM, Botella MP. Neurofibromatosis type 1 and optic pathway glio-
mas. A series of 80 patients. Rev Neurol. 2008;46:530-6.
NUK:
4 FDG-PET: In der Regel niedrigere FDG-Speicherung als der
Cortex
4 Aminosäure-PET: Höhere Speicherung des Tracers als der
Cortex

a c e

b d f

. Abb. 3.13a–f Pilozytisches Astrozytom im Hirnstamm mit zystischen (Sterne) und soliden (Pfeilspitzen) Anteilen. a, b: CISS; c, d: PDw; e, f: T1w + KM
3.2 · Tumoren
205 3

a b

c d

. Abb. 3.14a–d Pilozytisches Astrozytom. a: T2w; b–d: T1w + KM

Subependymale Riesenzellastrozytome Verlauf und Prognose. Gut, wenn vollständig reseziert; langsam
Definition. Bei den subependymalen Riesenzellastrozytomen wachsender, gutartiger Tumor. In seltenen Fällen sind massive
handelt es sich um intraventrikulär gelegene, gemischt glialneu- spontane Einblutungen beschrieben.
ronale Tumoren, die typischerweise um das Foramen Monroi
lokalisiert sind. Sonstiges. Assoziation mit tuberöser Sklerose (7 Kap. 3.5.1),
können sekundär aus den subependymalen Knötchen bei tube-
WHO-Klassifikation. WHO-Grad I röser Sklerose entstehen.
Ultraschall wird intraoperativ angewendet.
Epidemiologie und Demographie. Subependymale Riesenzell-
astrozytome kommen nahezu ausschließlich bei der tuberösen Bildgebung. . Abb. 3.16
Sklerose (7 Kap. 3.5.1) vor, und dort bei ca. 5–15% aller Patienten. Lokalisation: Typischerweise im Bereich des Foramen Monroi.
Sie treten typischerweise in den ersten beiden Lebensdekaden Morphologie: Gut abgegrenzt, oft lobuliert; Verkalkungen sind
auf, der Altersgipfel liegt <20. Lebensjahr. typisch, Einblutungen möglich; oft Hydrozephalus im Verlauf
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:1 durch Aufstau der Seitenventrikel.
CT:
Klinik. Typisch sind Zeichen des erhöhten intrakraniellen 4 CT nativ: Heterogen, manchmal stark verkalkt; nicht ver-
Drucks durch Verschlusshydrozephalus bei Foramen-Monroi- kalkte Anteile meist hypo- bis isodens
Blockade. 4 CT + KM: Heterogen, kräftige KM-Aufnahme
206 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.15a–f Pilozytisches Astrozytom. Ausbreitung hypothalamisch, in der Fossa interpeduncularis und in der Cisterna chiasmatica. a: PDw; b: T2w;
c: T1w; d, e: T1w + KM; f: CISS

MRT: Literatur
4 T1w: Iso- bis hypointens zur grauen Substanz O’Callaghan FJ, Martyn CN, Renowden S, Noakes M, Presdee D, Osborne JP.
Subependymal nodules, giant cell astrocytomas and the tuberous scle-
4 T2w: Iso- bis hyperintens zur grauen Substanz
rosis complex: a population-based study. Arch Dis Child. 2008;93:751-4.
4 FLAIR: Heterogen hyperintens; kann bei einer Liquorabfluss- Osztie E, Hanzély Z, Afra D. Lateral ventricle gliomas and central neurocyto-
störung ein periventrikuläres Ödem zeigen mas in adults diagnosis and perspectives. Eur J Radiol. 2009;69:67-73.
4 T1w + KM: Kräftige KM-Anreicherung; neu auftretende Sener RN. Diffusion MR imaging of giant cell tumors in tuberous sclerosis.
KM-Aufnahme eines subependymalen Knötchens ist Indika- J Comput Assist Tomogr. 2003;27:431-3.
Stavrinou P, Spiliotopoulos A, Patsalas I, Balogiannis I, Karkavelas G, Polyzoidis
tor für den Übergang in ein subependymales Riesenzellastro-
K, Selviaridis P. Subependymal giant cell astrocytoma with intratumoral
zytom (bei tuberöser Sklerose). hemorrhage in the absence of tuberous sclerosis. J Clin Neurosci.
4 T2*w: Verkalkungen stellen sich hypointens dar. 2008;15:704-6.
4 DWI: Keine Diffusionsrestriktion, ADC-Werte ähnlich wie
normales Hirnparenchym, niedriger als bei Harmatomen
Pleomorphe Xanthoastrozytome
MRS: Aufgrund der neuronalen Komponente im Tumor ist das Definition. Beim pleomorphen Xantroastrozytom handelt es
NAA relativ gering vermindert. sich um einen oberflächlich lokalisierten astroglialen Tumor der
Großhirnhemisphären mit Infiltration der Meningen.
Differenzialdiagnosen. Subependymale Heterotopie, Tumoren
des Plexus choroideus, Subependymome, zentrale Neurozytome, WHO-Klassifikation. WHO-Grad II.
Astrozytome, Germinome, supratentorielles PNET
Epidemiologie und Demographie. Selten (<1% aller Astrozy-
tome).
Altersverteilung: Vor allem Kinder, Jugendliche und Erwach-
sene (ca. 2/3 der Patienten <18 Jahre).
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:1
3.2 · Tumoren
207 3

a b

c d

. Abb. 3.16a–d Subependymales Riesenzellastrozytom (Pfeil). a: T1w; b: FLAIRw cor; c, d: T1w + KM tra und cor

Klinik. Anfälle, die meisten Patienten haben eine lange Epilep- CT:
sieanamnese. Weitere Symptome: Kopfschmerzen, fokal neuro- 4 CT nativ:
logische Ausfälle. 5 Zyste: Gemischte Dichtewerte
5 Solider Anteil: hypodens
Verlauf und Prognose. In der Regel langsam wachsender Tu- 5 Wenn nur solide: hypo- oder hyperdens, oder gemischte
mor, maligne Transformation selten (10–25%). Trotz deutlicher Dichtewerte
Zell- und Gewebepolymorphie relativ günstige Prognose, post- 4 CT Knochenkernel: Arrosion der Schädelkalotte?
operative 10 Jahres-Überlebenszeit: 70 %. Rezidive nach opera- 4 CT + KM: Solider Anteil zeigt kräftige, manchmal heterogene
tiver Entfernung selten. KM-Anreicherung

Sonstiges. In seltenen Fällen findet sich assoziiert eine kortikale MRT:


Dysplasie. Es gibt selten anaplastische Formen (WHO-Grad III). 4 T1w:
5 Solider Anteil: inhomogen kortexiso- oder hypointens
Bildgebung. (. Abb. 3.17) (oder gemischte Signalintensität)
Lokalisation: Nahezu immer supratentoriell (98%), typischer- 5 Zystischer Anteil: liquorisointens; assoziierte kortikale
weise hemisphäral, subkortikal lokalisiert (temporal > parietal Dysplasie nachweisbar?
> okzipital > frontal). Oft ist der Cortex beteiligt; Durabeteili- 4 T2w/PDw/FLAIR:
gung typisch → »Dural tail«. Seltene Lokalisationen: Kleinhirn, 5 Solider Anteil: inhomogen hyperintens
Retina, Sella, Myelon. 5 Zystischer Anteil: liquorisointens
Morphologie: Kann solide sein, besteht jedoch meist aus einer 5 Umgebungsödem: selten
Zyste mit einem Tumorknoten; erscheint gut abgegrenzt, in-
filtriert dennoch oft das umgebende Hirnparenchym. Verkal-
kungen und Einblutungen sind typisch. Der Tumor kann zu einer
Arrosion der Schädelkalotte führen; kaum Umgebungsödem.
208 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

4 T1w + KM:
5 Mäßige bis kräftige, oft knotige KM-Aufnahme, das kon-
trastmittelaufnehmende Knötchen weist dabei oft in Rich-
tung Pia mater.
5 »Dural tail« (KM-Aufnahme der angrenzenden Menin-
gen) typisch (70%).
3 5 Sehr selten werden Metastasen beobachtet.

NUK: PET: Variabler Glucosemetabolismus, Hypermetabolismus


könnte ein Marker für einen aggressiven Tumor sein.

Differenzialdiagnosen. Gangliogliome, pilozytische Astrozy-


tome, DNET, Oligodendrogliome

Literatur
Etzl MM Jr, Kaplan AM, Moss SD, Spataro J, Bonstelle CT, Lawson MA, Bandy DJ.
Positron emission tomography in three children with pleomorphic xan-
thoastrocytoma. J Child Neurol. 2002;17:522-7.
Marton E, Feletti A, Orvieto E, Longatti P. Malignant progression in pleomor- a
phic xanthoastrocytoma: personal experience and review of the litera-
ture. J Neurol Sci. 2007;252:144-53.
Passone E, Pizzolitto S, D’Agostini S, Skrap M, Gardiman MP, Nocerino A,
Scarzello G, Perilongo G. Non-anaplastic pleomorphic xanthoastrocy-
toma with neuroradiological evidences of leptomeningeal dissemina-
tion. Childs Nerv Syst. 2006;22:614-8.
Pierallini A, Bonamini M, Di Stefano D, Siciliano P, Bozzao L. Pleomorphic
xanthoastrocytoma with CT and MRI appearance of meningioma. Neu-
roradiology. 1999;41:30-4.
Razzaq AA, Akula M, Mathew B. Unusual recurrence of pleomorphic xantho-
astrocytoma. Br J Neurosurg. 2006;20:433-4.
Tsuyuguchi N, Matsuoka Y, Sunada I, Matsusaka Y, Haque M. Evaluation of
pleomorphic xanthoastrocytoma by use of positron emission tomogra-
phy with. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:311-3.

Diffuse Astrozytome
Definition. Beim diffusen Astrozytom handelt es sich um einen
astroglialen Tumor, mit einem hohen Maß an zellulärer Differen-
zierung, einem langsamen Wachstum und diffuser Infiltration
b
der angrenzenden Hirnstrukturen.

WHO-Klassifikation. WHO-Grad II, jedoch mit ausgeprägter


Tendenz zur malignen Progression hin zum anaplastischen As-
trozytom und zum Glioblastom.

Epidemiologie und Demographie. Circa 1,3% aller Hirntu-


moren, 25–30% aller Gliome beim Erwachsenen und ca. 10–15%
aller Astrozytome.
Inzidenz: Ca. 0,17/100.000/Jahr
Altersverteilung: Vor allem junge Erwachsene und Erwachsene
mittleren Alters (<45. Lebensjahr)
Geschlechtsverteilung: M etwas > F

Klinik. Die häufigsten Symptome sind: Anfälle und Zeichen des


erhöhten intrakraniellen Drucks. Sonstige Symptome abhängig
von Lokalisation sind: fokal neurologische Ausfälle, Verhaltens-
änderungen.

Verlauf und Prognose. Ausgeprägte Tendenz zur malignen Pro-


gression hin zum anaplastischen Astrozytom und zum Glioblas- c

tom; Rezidive und Enddifferenzierung in >50% der Fälle . Abb. 3.17a–c Pleomorphes Xanthoastrozytom (T1w + KM tra, sag
2-JÜR ca. 67%; 5-JÜR ca. 49%. und cor)
3.2 · Tumoren
209 3
Bildgebung. . Abb. 3.18, . Abb. 3.19, . Abb. 3.20 4 MRS: Hoher Cholinpeak und niedriges NAA typisch, aber
Lokalisation: nicht spezifisch; Myo-Inositol/Cr-Ratio erhöht; zeigt tatsäch-
4 2/3 supratentoriell (1/3 Frontallappen; 1/3 Temporallappen, liche Tumorausdehnung besser, als konventionelle MR-Se-
kaum okzipital) quenzen
4 1/3 infratentoriell (Hirnstamm), diffuse Astrozytome stellen 4 DWI: ADC-Wert höher als bei höhergradigen Astrozytomen,
ca. 50% aller Hirnstammgliome dar sichere DD versus Grad-III-Astrozytomen mit DWI allein
jedoch nicht möglich; beste Sensitivität (87,5%) bei gleichzei-
Sind primär Tumoren der weißen Substanz, können sich jedoch tig hoher Spezifität (79%) wird bei einem Cut-off-ADC-Wert
in den Cortex erstrecken; in 20% der Fälle ist tiefe graue Substanz von 1.055 erreicht
(Thalamus, BG) mit betroffen. 4 DTI:
Morphologie: Homogener Tumor, der zur Auftreibung der be- 5 Die sichere Bestimmung der Tumorgrenze ist wegen der
troffenen Hirnstrukturen führt. erheblichen Überlappung der Verteilung von ADC- und
FA-Werten von interstitiellem Ödem und Tumorinfiltra-
! Obwohl der Tumor oft glatt begrenzt erscheint, handelt
tion nicht möglich.
es sich um einen diffus wachsenden Prozess, d.h. Tumor-
5 Differenzialdiagnose der Verlagerung oder Durchdrin-
zellen haben sich schon jenseits der Region, die ein
gung von Faserbündeln durch den Tumor hilfreich bei
pathologisches Signalverhalten zeigt, ausgebreitet.
der präoperativen Planung
Verkalkungen sind eher untypisch (in ca. 20%), selten kommen 4 PWI: rCBV niedriger als bei Astrozytom°III oder bei Glio-
Zysten oder Einblutungen vor, meist ist kein Umgebungsödem blastom; niedrigere Permeabilitätswerte als höhergradige
vorhanden. Bei kortikaler Lage des Tumors kann es in seltenen Tumoren
Fällen zur Arrosion der Schädelkalotte kommen.
CT: NUK:
4 CT nativ: Homogen, hypo- bis isodense Raumforderung 4 FDG-PET: Ähnliche FDG-Anreicherung wie normale weiße
4 CT + KM: Keine bis minimale KM-Anreicherung Substanz
4 FDG-Uptake: Korreliert im Tumor gut mit histologischem
MRT: Tumorgrad
4 T1w: Homogen hypointens 4 FDG-PET, 18F-Cholin-PET und 11C-Cholin-PET: Sie erlau-
4 T2w/PDw/FLAIR: Homogen hyperintens, angrenzender ben, den am stärksten hypermetabolen Tumoranteil zu iden-
Cortex erscheint oft aufgetrieben tifizieren → hilfreich bei der Zielbestimmung vor stereotak-
4 DWI: In der Regel keine Diffusionsrestriktion tischer Biopsie.
4 T1w + KM: Typischerweise keine KM-Anreicherung
Differenzialdiagnosen. Anaplastisches Astrozytom WHO-
! 20% der histologisch als WHO-Grad II klassifizierten
Grad III (schwierige DD, oft nur bioptisch möglich, sie reichern
Tumoren zeigen allerdings doch eine KM-Aufnahme!
meist KM an, tun dies jedoch nicht regelhaft); Oligodendro-
Typisch ist die KM-Aufnahme jedoch für höhergradige Astro- gliom, Zerebritis, Herpes Enzephalitis, ischämischer Infarkt,
zytome; liegt eine KM-Anreicherung vor, sollte dies daher radio- Status epilepticus
logisch als verdächtig auf eine Malignisierung gewertet werden.

a b c

. Abb. 3.18a–c Diffuses Astrozytom rechts frontal ohne KM-Aufnahme. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag
210 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.19a–c Diffuses Astrozytom im linken Gyrus cinguli, keine KM-Aufnahme des Tumors. a: T2w; b, c: T1w + KM cor und sag

a b c

d e f

. Abb. 3.20a–f Diffuses Astrozytom in der Medulla oblongata. a, c: T2w sag; b, d: PDw sag; e: T1w; f: T1w + KM

Literatur
Barker FG 2nd, Chang SM, Huhn SL, Davis RL, Gutin PH, McDermott MW, Lee EJ, Lee SK, Agid R, Bae JM, Keller A, Terbrugge K. Preoperative grading of
Wilson CB, Prados MD. Age and the risk of anaplasia in magnetic resonance- presumptive low-grade astrocytomas on MR imaging: diagnostic value
nonenhancing supratentorial cerebral tumors. Cancer. 1997; 80:936-41. of minimum apparent diffusion coefficient. AJNR Am J Neuroradiol.
Cao Y, Sundgren PC,Tsien CI, Chenevert TT, Junck L. Physiologic and meta- 2008;29:1872-7.
bolic magnetic resonance imaging in gliomas. J Clin Oncol. 2006;24: Scott JN, Brasher PM, Sevick RJ, Rewcastle NB, Forsyth PA. How often are
1228-35. nonenhancing supratentorial gliomas malignant? A population study.
Catalaa I, Henry R, Dillon WP, Graves EE, McKnight TR, Lu Y, Vigneron DB, Neurology. 2002;59: 947-9.
Nelson SJ. Perfusion, diffusion and spectroscopy values in newly diag-
nosed cerebral gliomas. NMR Biomed. 2006;19: 463-75.
3.2 · Tumoren
211 3
Anaplastische Astrozytome (WHO-Grad III) 4 DWI:
Definition. Die anaplastischen Astrozytome stellen diffus infil- 5 In der Regel keine Diffusionsrestriktion, d.h. keine ADC-
trierend wachsende Gliome dar, die histologisch (fokal oder dif- Wert-Erniedrigung, der Tumor kann sich jedoch aufgrund
fus) anaplastische Anteile zeigen. des T2-Durchscheineffekts hyperintens im B1000-Bild
darstellen.
Epidemiologie und Demographie. 5 ADC-Wert jedoch niedriger als bei höhergradigen Astro-
Altersverteilung: Kommen in jeder Altersgruppe vor, jedoch am zytomen, sichere DD versus Grad-II-Astrozytomen mit
häufigsten in der 4. Lebensdekade. DWI allein jedoch nicht möglich
Geschlechtsverteilung: M:F = 1,8:1 5 Beste Sensitivität (87,5%) bei gleichzeitig hoher Spezifität
(79%) wird bei einem Cut-off-ADC-Wert von 1.055 er-
Klinik. Die Klinik ist abhängig von der Lokalisation; oft Anfälle; reicht
fokal neurologische Defizite (abhängig von Lokalisation), Kopf- 4 DTI:
schmerzen, Übelkeit (Zeichen des erhöhten intrakraniellen 5 Sichere Bestimmung der Tumorgrenze ist nicht möglich,
Drucks) und Persönlichkeitsveränderungen. da die ADC- und FA-Werte des interstitiellen Ödems und
des Tumors erheblich überlappen.
Verlauf und Prognose. Mittlere Überlebenszeit: 2–3 Jahre; oft 5 Zur Unterscheidung zwischen Verlagerung oder Durch-
Progredienz zu GBM (typischerweise nach ca. 2 Jahren). dringung von Faserbündeln durch den Tumor zur prä-
Gute prognostische Faktoren sind: jüngeres Alter, guter Kar- operativen Planung hilfreich.
nofsky-Index, vollständige Resektion, oligodendrogliale Kompo- 4 PWI: rCBV höher als bei diffusen Astrozytomen (WHO-
nente, Proliferationsindex </=5%, keine ringförmige KM-Auf- Grad II), eine höhere Korrelation mit dem Tumorgrad wird
nahme. durch Verwendung einer Leak-Correction erzielt
4 MRS: NAA erniedrigt; Cho/Cr-Ratio erhöht
Sonstiges. Anaplastische Astrozytome treten oft als Rezidive 5 Myo-inositol/Cr-Ratio niedriger als bei diffusen Astro-
nach Resektion eines diffusen Astrozytoms (WHO-Grad II) auf. zytomen (WHO-Grad II)
5 Cho/NAA-Ratio erhöht wie bei Glioblastom, Lipid/
Bildgebung. . Abb. 3.21 bis . Abb. 3.26 Cr-Ratio jedoch niedriger
Lokalisation: Supratentoriell in den Hemisphären, typischerweise
frontal oder temporal; primär in der weißen Substanz, jedoch ist Differenzialdiagnosen. Diffuses Astrozytom (WHO-Grad II),
der Cortex meist mit involviert und aufgetrieben. Hirnstamm und Glioblastom, Oligodendrogliom, Enzephalitis/Zerebritis, sub-
Myelon sind bei Erwachsenen selten betroffen. Bei Kindern ist akute Ischämie, Status epilepticus
eine Beteiligung von Pons (. Abb. 3.26) oder Thalamus häufiger.
Morphologie: Oft irregulär begrenzt, können jedoch auch gut Literatur
abgegrenzt imponieren. Verkalkungen, Einblutungen und Zys- Barker FG 2nd, Chang SM, Huhn SL, Davis RL, Gutin PH, McDermott MW,
Wilson CB, Prados MD. Age and the risk of anaplasia in magnetic reso-
ten sind selten. nance-nonenhancing supratentorial cerebral tumors. Cancer. 1997;
80:936-41.
! Tumorzellen haben sich schon jenseits der Region, die
Ginsberg LE, Fuller GN, Hashmi M, Leeds NE, Schomer DF. The significance of
ein pathologisches Signalverhalten zeigt, ausgebreitet. lack of MR contrast enhancement of supratentorial brain tumors in
adults: histopathological evaluation of a series. Surg Neurol. 1998;49:436-
CT: 40.
4 CT nativ: Hypodens Haris M, Husain N, Singh A, Husain M, Srivastava S, Srivastava C, Behari S,
4 CT + KM: Die Mehrheit zeigt eine oft fokal, heterogene KM- Rathore RK, Saksena S, Gupta RK. Dynamic contrast-enhanced derived
cerebral blood volume correlates better with leak correction than with
Anreicherung, ca. 1/3 zeigt jedoch keine KM-Aufnahme.
no correction for vascular endothelial growth factor, microvascular
! Eine ringförmige Anreicherung ist verdächtig auf eine density, and grading of astrocytoma. J Comput Assist Tomogr. 2008;
32:955-65.
maligne Progression → Glioblastom. Law M,Yang S,Wang H, Babb JS, Johnson G, Cha S, Knopp EA, Zagzag D.
Glioma Grading: Sensitivity, Specificity, and Predictive Values of Per-
MRT:
fusion MR Imaging and Proton MR Spectroscopic Imaging Compared
4 T1w: Iso- bis hypointens with Conventional MR Imaging. Am J Neuroradiol. 2003;24:1989-98.
4 T2w/PDw/FLAIR: Heterogen hyperintens; evtl. kräftige, hypo- Lee EJ, Lee SK, Agid R, Bae JM, Keller A, Terbrugge K. Preoperative grading of
intense Flow voids nachweisbar → verdächtig auf maligne presumptive low-grade astrocytomas on MR imaging: diagnostic value
of minimum apparent diffusion coefficient. AJNR Am J Neuroradiol.
Progression hin zum Glioblastom 2008;29:1872-7.
4 T1w + KM: Die Mehrzahl zeigt eine fokal, noduläre, oder ho- Ng WH, Lim T. Targeting regions with highest lipid content on MR spectros-
mogene KM-Anreicherung (. Abb. 3.21, . Abb. 3.22, . Abb. copy may improve diagnostic yield in stereotactic biopsy. J Clin Neurosci.
3.23). Etwa 1/3 der histologisch als maligne (Grad III) ein- 2008;15:502-6.
Scott JN, Brasher PM, Sevick RJ, Rewcastle NB, Forsyth PA. How often are
gestuften Tumoren, zeigt jedoch keine KM-Aufnahme nonenhancing supratentorial gliomas malignant? A population study.
(. Abb. 3.24). Neurology. 2002;59: 947-9.

! Häufig fehlt bei älteren Patienten die KM-Aufnahme


trotz Vorliegen eines höhergradigen Glioms.
212 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

g h

. Abb. 3.21a–h Anaplastisches Astrozytom mit KM-aufnehmenden Anteilen (Pfeile in d und f ). Gering hyperintense Darstellung v.a. des kontrastmittellauf-
nehmenden Tumoranteils im B1000 Bild. In der ADC-MAP zeigt sich jedoch keine signifikante ADC-Erniedrigung im Vergleich zum kontralateralen Marklager,
so dass es sich bei dem erhöhten Signal im B1000-Bild hauptsächlich um einen T2w-Durchscheineffekt handelt. Im Randbereich des kontrastmittellaufneh-
menden Anteils zeigt sich sogar eine deutliche Erhöhung des ADC-Wertes (h, Pfeile). a, b, c: FLAIRw; d, e, f: T1w + KM; g: DWI, B1000; h: ADC-MAP
3.2 · Tumoren
213 3

a b c

. Abb. 3.22a–c Anaplastisches Astrozytom mit kontrastmittelaufnehmenden Anteilen. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag

a b c

. Abb. 3.23a–c Anaplastisches Astrozytom mit kontrastmittelaufnehmendem Anteil im Lobus paracentralis. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag

Glioblastome Klinik. Abhängig von Lokalisation.


Definition. Bei den Glioblastomen handelt es sich um entdif-
ferenzierte, schnell wachsende Tumoren glialen Ursprungs, die Verlauf und Prognose. Fatale Prognose, Tod innerhalb von 9–
histologisch durch Nekrosen und Gefäßproliferation gekenn- 12 Monaten; 5-JÜR: 3%. Ausbreitung ependymal oder subpial
zeichnet sind. möglich, selten liquorgene Aussaat. Sehr selten Metastasen außer-
halb des ZNS (Lunge, Leber, Lymphknoten, Knochen).
WHO-Klassifikation. WHO-Grad IV
Sonstiges. Können primär oder sekundär (durch Malignisie-
Epidemiologie und Demographie. Häufigster primärer Hirn- rung niedriggradiger Astrozytome) entstehen. Glioblastome tre-
tumor: ca. 12–15% aller intrakraniellen Neoplasien; 22,6% der ten im Rahmen von erblichen Tumorsyndromen auf: Neuro-
hirneigenen Tumore; 50–60% aller Astrozytome. In ca. 20% tre- fibromatose Typ 1 (7 Kap. 3.5.2.1), Li-Fraumeni-Syndrom (p53-
ten Glioblastome multifokal auf. Mutation), Turcot-Syndrom u.a.
Inzidenz: 2,94/100.000/Jahr Glioblastome können multifokal oder multizentrisch sein:
Altersverteilung: Der Altersgipfel liegt zwischen dem 45.–70. Le- 4 Multifokal in bis zu 20% (. Abb. 3.32)
bensjahr, Glioblastome können jedoch in jedem Lebensalter auf- 4 Multizentrisch = mehrere von einander unabhängige Tumo-
treten. Das mittlere Alter bei Diagnose beträgt 62 Jahre. ren → betrifft 2–5% der multifokalen Manifestationen
Geschlechtsverteilung: M:F = 3:2
Sonderform: Riesenzellglioblastom (histologische Variante mit
einer Häufigkeit von ca. 5% und einer etwas besseren Prognose).
214 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.24a–f Anaplastisches Astrozytom, das keine pathologische KM-Aufnahme zeigt. Die kontrastierten Strukturen in b, c und f (Pfeile) entsprechen
Gefäßen. a, b, c: T2w; d, e, f: T1w + KM

a b

c d

. Abb. 3.25a–d Überwiegend zystisches anaplastisches Astrozytom. a: T2w; b: PDw; c: T1w; d: T1w + KM
3.2 · Tumoren
215 3

a b c

. Abb. 3.26a–c Anaplastisches Astrozytom im Pons mit fokaler KM-Aufnahme. a: PDw; b: T2w sag; c: T1w + KM

Bildgebung. . Abb. 3.27 bis . Abb. 3.33 4 PWI: Hilfreich für DD:
Lokalisation: Supratentorielle weiße Substanz, v.a. Hemisphären 5 Glioblastome versus niedriggradige Gliome: höherer
(frontal, temporal, parietal, nur selten okzipital); oft Balkenbe- rCBV bei höhergradigen Gliomen → Korrelation des
teiligung mit Ausbreitung oft über anteriore oder posteriore rCBV-Wertes mit histologischer Vaskularität und Malig-
Kommisur zur Gegenseite (»Schmetterlingsgliom«; . Abb. 3.31), nität
seltener Hirnstamm, sehr selten Kleinhirn. In ca. 20% der Fälle 5 DD Glioblastome versus Lymphome: rCBV-Wert ist bei
multifokal. höhergradigen Gliomen deutlich höher
Morphologie: Glioblastome wachsen diffus infiltrierend und 5 DD Glioblastome versus Abszesse: rCBV-Wert bei hö-
sind schlecht gegenüber umliegendem Hirngewebe abgegrenzt; hergradigen Gliomen deutlich höher
sie sind meist deutlich raumfordernd und zeigen ein ausgeprägtes 5 DD Glioblastome versus Metastasen: rCBV- und rCBF-
Umgebungsödem (»fingerförmiges« Ödem typisch); eine Unter- Werte von höhergradigen Gliomen und Metastasen un-
scheidung zwischen vasogenem Ödem und Tumorinfiltration ist terscheiden sich zwar nicht signifikant, die differential-
dabei mit konventioneller Bildgebung nicht sicher möglich. diagnostische Einordnung kann jedoch oft anhand des
Sie haben zentral oft Nekrosen, relativ häufig Zysten, Einblu- perifokalen »Ödems« vorgenommen werden: bei Glio-
tungen (. Abb. 3.30), manchmal Spiegelbildungen. Verkalkungen men handelt es sich nicht um ein reines Ödem, sondern
sind selten und sprechen für eine sekundäre Malignisierung. um eine Tumorinfiltration → rCBV-Wert ist erhöht, beim
CT: perifokalen Ödem um Metastasen ist der rCBV-Wert er-
4 CT nativ: Iso- bis hypodens mit zentraler Hypodensität niedrigt
(= Nekrose) 4 ASL: Zur Beurteilung der Tumordurchblutung geeignet
4 CT + KM: Kräftige KM-Aufnahme, meist irregulär, randstän- 4 MRS: NAA erniedrigt, Myo-Inositol erniedrigt, Cholin er-
dig betont, ringförmig höht, Laktat- und Lipid-Peaks
5 Laktatpeak korreliert nicht gut mit dem Tumorgrad
MRT: 5 Lipid/Cr-Ratio und Cho/NAA-Ratio erhöht
4 T1w: Iso- bis hypointens 5 Die Biopsie von Arealen mit hohem Lipidpeak kann die
4 T2w/PDw/FLAIR: Heterogen hyperintens; kann Flow voids diagnostische Sicherheit versus Grad-III-Astrozytomen
zeigen (Zeichen der Tumorangiogenese) erhöhen.
4 T1w + KM: Typischerweise kräftige, randständige KM-Auf-
nahme um zentrale Nekrose. KM-Anreicherung äußerst va- NUK:
riabel! 4 FDG-PET: Glucosemetabolismus deutlich erhöht; maligni-
4 T2*-GRE: Hypointense Anteile entsprechen Einblutungen tätsverdächtig ist ein Uptake-Verhältnis von Tumor zur wei-
4 DWI: In der Regel keine »echte« Diffusionsstörung, aber nied- ßen Substanz von >1,5 bzw. Tumor zum Cortex von >0,6
rigere ADC-Werte als niedriggradige Gliome (. Abb. 3.27,
. Abb. 3.28) Differenzialdiagnosen. Gliosarkom, anaplastisches Astrozytom,
4 High B-Value-DWI: Bei B-Wert von 3000 sind höhergradige Metastase, Abszess, primäres ZNS-Lymphom, »tumefactive«
Gliome hyperintens, mutmaßlich besser als B1000-Bild zur multiple Sklerose, Strahlennekrose
DD versus niedriggradige Gliome geeignet
4 DTI: Ggf. sinnvoll zur präoperativen Planung; Nachweis zer-
störter Faserbahnen
216 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.27a–f Links frontales Glioblastom. Irreguläre KM-Aufnahme, gemischte ADC-Werte. a: T2w; b: T1w; c, d: T1w + KM tra und cor; e: DWI, B1000;
f: ADC-Map

Literatur
Di Costanzo A, Scarabino T, Trojsi F, Giannatempo GM, Popolizio T, Catapano D, Ng WH, Lim T. Targeting regions with highest lipid content on MR spectros-
Bonavita S, Maggialetti N, Tosetti M, Salvolini U, d’Angelo VA, Tedeschi G. copy may improve diagnostic yield in stereotactic biopsy. J Clin Neurosci.
Multiparametric 3T MR approach to the assessment of cerebral gliomas: 2008;15:502-6.
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Haris M, Husain N, Singh A, Husain M, Srivastava S, Srivastava C, Behari S, gliomas: is evaluation of uptake kinetics superior to standard methods?
Rathore RK, Saksena S, Gupta RK. Dynamic contrast-enhanced derived J Nucl Med. 2006;47: 393-403.
cerebral blood volume correlates better with leak correction than with Seo HS, Chang KH, Na DG, Kwon BJ, Lee DH. High b-value diffusion (b = 3000
no correction for vascular endothelial growth factor, microvascular s/mm2) MR imaging in cerebral gliomas at 3T: visual and quantitative
density, and grading of astrocytoma. J Comput Assist Tomogr. 2008; comparisons with b = 1000 s/mm2. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:458-
32:955-65. 63.
Law M, Yang S, Wang H, Babb JS, Johnson G, Cha S, Knopp EA, Zagzag D. Wei CW, Guo G, Mikulis DJ. Tumor effects on cerebral white matter as charac-
Glioma grading: sensitivity, specificity, and predictive values of perfusion terized by diffusion tensor tractography. Can J Neurol Sci. 2007;34:62-8.
MR imaging and proton MR spectroscopic imaging compared with con-
ventional MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:1989-98.
3.2 · Tumoren
217 3

a b c

d e f

. Abb. 3.28a–f Glioblastom links in den Stammganglien und im Marklager. Zentral zeigt sich in diesem Fall ein Areal mit eingeschränkter Diffusion (Sterne
in e und f ). a: T2w; b: PDw; c, d: T1w + KM tra und sag; e: DWI, B1000; f: ADC-Map

Gliosarkome Bildgebung. . Abb. 3.34


Definition. Seltener maligner Hirntumor mit sowohl glialen als Lokalisation: Meist supratentoriell, in den Hemisphären (tem-
auch mesenchymalen Bestandteilen, der eine ausgeprägte, von poral>parietal>frontal>okzipital)
Gefäßproliferaten ausgehende sarkomatöse Komponente auf- Morphologie: Das Gliosarkom wächst infiltrierend, kann jedoch
weist. glatt begrenzte Anteile haben, oft ist eine zystische Komponente
vorhanden, Einblutungen sind möglich; deutliches Umgebungs-
WHO-Klassifikation. WHO-Grad IV ödem; das Gliosarkom kann die Dura und/oder die Schädelkalotte
infiltrieren. Morphologisch ist es dem Glioblastom sehr ähnlich.
Epidemiologie und Demographie. Selten CT:
Altersverteilung: Altersgipfel zwischen 6. und 7. Dekade 4 CT nativ: Heterogen hypodens
Geschlechtsverteilung: M > F 4 CT Knochenkernel: Einwachsen in die Schädelkalotte?
4 CT + KM:
Klinik. Häufiges Symptom: Kopfschmerzen durch erhöhten in- 5 Heterogene, kräftige, randständige, dickwandige KM-An-
trakraniellen Druck, ansonsten abhängig von der Lokalisation reicherung
fokal neurologische Ausfälle und Anfälle. 5 KM-Aufnahme der Dura → Hinweis auf Durabeteili-
gung!
Verlauf und Prognose. Schlechte Prognose, die mittlere Über-
lebenszeit beträgt 6 bis 12 Monate. Häufig treten Lokalrezidive MRT:
und extrakranielle Metastasen (in 15–30% der Fälle) auf. 4 T1w: Heterogen hypointens
4 T2w: Sehr heterogen aufgrund von Einblutungen und Nekro-
sen; deutliches Umgebungsödem
4 T1w + KM: Heterogene, kräftige, randständige, dickwandige
KM-Anreicherung mit zentraler Nekrose; KM-Aufnahme
der Dura → Hinweis auf Durabeteiligung!
218 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

c d

. Abb. 3.29a–d Glioblastom rechts temporal. a: T2w; b–d: T1w + KM tra, cor und sag

a b c

. Abb. 3.30a–c Großes Glioblastom, das kleinere eingeblutete Areale aufweist (Pfeile in b). a: T2w; b: T1w; c: T1w + KM
3.2 · Tumoren
219 3

a b

c d

. Abb. 3.31a–d Glioblastom im Balkensplenium, typisches »Schmetterlingsgliom«. a, c: T2w; b, d: T1w + KM

a b c

d e f

. Abb. 3.32a–f Bilaterales, multifokales Glioblastom mit einem größeren kontrastmittelaufnehmenden Anteil im Balken und Gyrus cinguli sowie einem
kleineren kontrastmittelaufnehmenden Focus im links frontalen Marklager. a, b, c: T2w; d, e, f: T1w + KM
220 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

. Abb. 3.33a, b Links temporales Glioblastom mit mehreren kontrastmittelaufnehmenden Foci. a: T2w; b: T1w + KM

a b c

d e f

. Abb. 3.34a–f Gliosarkom rechts temporal mit Infiltration der angrenzenden Dura und angrenzendem »Dural tail« (c). In dem kontrastmittelaufnehmen-
dem Anteil zeigt sich eine Diffusionsrestriktion (d) mit Minderung des ADC-Wertes (e). a: T2w; b: T1w; c, f: T1w + KM tra und cor; d: DWI, B1000; e: ADC-Map
3.2 · Tumoren
221 3
DSA: Zeigt piale und parenchymale Gefäßversorgung des Tu- Sonstiges. Da die Definition der Gliomatosis cerebri eine Infil-
mors tration von mindestens zwei Hirnlappen erfordert, kommt der
Bildgebung bei der Diagnosestellung der Gliomatosis cerebri
Differenzialdiagnosen. Glioblastom, Hämangioperizytom, eine wichtige Bedeutung zu.
maligne Melanome, Metastasen, Abszess
Bildgebung. . Abb. 3.35
Literatur Lokalisation:
Han L, Zhang X, Qiu S, Li X, Xiong W, Zhang Y, Qu H, Chang R, Chen B, Wang W, 4 Asymmetrisch hemisphäral in mindestens zwei Großhirn-
Li S. Magnetic resonance imaging of primary cerebral gliosarcoma:
lappen lokalisiert. Betrifft typischerweise die weißen Subs-
a report of 15 cases. Acta Radiol. 2008;49:1058-67.
Sanal HT, Bulakbasi N, Kocaoglu M, Onguru O, Chen L. Giant infantile gliosar-
tanz, der Cortex ist in bis zu ca. 20% der Fälle mitbeteiligt
coma: magnetic resonance imaging findings. J Child Neurol. 2008; 4 Kann über den Balken oder die Adhäsio interthalamica zur
23:926-9. Gegenseite wachsen.
4 Zusätzlich können Stammganglien und/oder Thalami (75%),
Gliomatosis cerebri Balken (50%), Hirnstamm oder Myelon (10–15%) oder das
Definition. Bei der Gliomatosis cerebri handelt es sich um eine Kleinhirn (10%) betroffen sein.
Sonderform eines malignen Glioms, die ein besonders diffuses
Infiltrationsverhalten zeigt, d.h., um einen in großen Teilen des Morphologie: Wächst infiltrierend, betroffene Strukturen/Gyri
Gehirns diffus infiltrierend wachsenden glialen Tumor aus neo- können aufgetrieben erscheinen. Die Läsion imponiert leicht
plastischen, astro- oder oligodendroglial differenzierten Zellen. raumfordernd → leichte Kompression der angrenzenden Sulci
Die Tumorzellen sind oft von niedriger Malignität, als Herdbe- bzw. der Ventrikel (selten bis hin zu Hydrozephalus).
fund können jedoch alle Kriterien hochmaligner Gliome erfüllt
sein (siehe Formen). Definitionsgemäß müssen mehr als zwei CT:
Hirnlappen vom Tumor betroffen sein. 4 CT nativ: gering hypodens; CT kann in manchen Fällen un-
Typisch für die Gliomatosis cerebri ist es, dass histologisch auffällig sein!
zwischen den Tumorzellen immer noch ortständige weiße Subs- 4 CT + KM: Typischerweise keine KM-Anreicherung; fokale
tanz mit bemarkten Axonen erhalten ist. KM-Aufnahme ist ein Hinweis auf fokale Entdifferenzierung
(Malignisierung)
Formen.
Typ 1: Klassische Gliomatosis cerebri mit diffuser Schwellung MRT:
der infiltrierten Hirnareale. 4 T1w: Homogen iso- bis hypointens
Typ 2: Zusätzliches Auftreten fokaler Raumforderungen, meist 4 T2w/PDw/FLAIR: Homogen hyperintens, FLAIR besonders
im Sinne eines anaplastischen Astrozytoms oder Glioblastoms, geeignet zum Nachweis der tatsächlichen Ausdehnung!
d.h. einer fokalen Entdifferenzierung. 4 T1w + KM: Typischerweise keine KM-Anreicherung, selten
fokale KM-Aufnahme, die fokale KM-Aufnahme ist ein Hin-
WHO-Klassifikation. Meist WHO-Grad III weis auf fokale Entdifferenzierung/Malignisierung
4 DWI: In der Regel keine Diffusionsrestriktion
Epidemiologie und Demographie. Sehr selten, bislang nur ca. 4 DTI: Es gibt Hinweise darauf, dass bei der Gliomatosis cerebri
300 Fälle beschrieben. im Gegensatz zu den anderen Gliomen die Bahnen erhalten
Altersverteilung: Altersgipfel in der 4. Dekade, kann jedoch in sind.
allen Altersgruppen vorkommen. 4 PWI: rCBV niedrig (da keine Epithelproliferation bzw. Neo-
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:1 vaskularisation)
4 MRS: NAA erniedrigt, Cholin normal oder leicht erhöht,
Klinik. Myo-Inositol deutlich erhöht; Cho/Cr ratio umgekehrt pro-
Häufige Symptome: Pyramidenbahnzeichen, demenzielle Ent- portional zur Überlebenszeit.
wicklung, Kopfschmerzen, Anfälle.
Weitere Symptome: Zeichen eines erhöhten intrakraniellen NUK:
Drucks (selten Hydrozephalus), Persönlichkeitsveränderungen. 4 FDG-PET: Deutlicher Hypometabolismus

Verlauf und Prognose. Progredient, schlechte Prognose: Differenzialdiagnosen. Anaplastische Astrozytome, Lympho-
4 50% der Patienten sterben innerhalb des ersten Jahres me, Mikroangiopathie (Morbus Binswanger), Vaskulitiden, virale
4 75% innerhalb von 3 Jahren Enzephalitiden, PML, Multiple Sklerose/ADEM, andere Leuken-
zephalopathien, Leukodystrophien, Rasmussen-Enzephalitis
Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 38 Monate.
222 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.35a–f Gliomatosis cerebri. a, d: FLAIRw; b, e: T1w + KM; c: DWI, B1000; f: ADC-Wert

Literatur Oligodendrogliome sind meist gut differenziert (WHO-


Freund M, Hähnel S, Sommer C, Martmann M, Kiessling M, Tronnier V, Sartor K. Grad II), in 20–50% der Fälle findet man jedoch auch aggressiv
CT and MRI findings in gliomatosis cerebri: a neuroradiologic and neuro-
wachsende Tumoren (= anaplastische Oligodendrogliome,
pathologic review of diffuse infiltrating brain neoplasms. Eur Radiol.
2001;11:309-16.
WHO-Grad III, siehe 7 Kap. 3.2.4). Die gut differenzierten For-
Ghostine S, Raghavan R, Michelson D, Holshouser B, Tong K. Gliomatosis cere- men wachsen zwar langsam, jedoch diffus infiltrierend.
bri mimicking Rasmussen encephalitis. Case report. J Neurosurg. 2007;
107:143-6. WHO-Klassifikation. WHO-Grad II
Guzmán-de-Villoria JA, Sánchez-González J, Muñoz L, Reig S, Benito C, García-
Barreno P, Desco M. 1H MR spectroscopy in the assessment of gliomato-
sis cerebri. AJR Am J Roentgenol. 2007;188:710-4.
Epidemiologie und Demographie. Ca. 5–25% aller Gliome und
Mohana-Borges AV, Imbesi SG, Dietrich R, Alksne J, Amjadi DK. Role of proton ca. 2,6% der hirneigenen Tumoren sind Oligodendrogliome.
magnetic resonance spectroscopy in the diagnosis of gliomatosis cerebri: Inzidenz: Ca. 0,32/100.000/Jahr
a unique pattern of normal choline but elevated Myo-inositol metabolite Altersverteilung: Altersgipfel zwischen 5. und 6. Dekade (mitt-
levels. J Comput Assist Tomogr. 2004;28:103-5.
leres Alter 43 Jahre)
Reich P, Walther EU, Liebetrau M, Seelos K, Yousry TA, Bise K, Bötzel K, Pfister HW.
Gliomatosis cerebri: two case reports with atypical clinical and neuroradio-
Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1
logic findings. Nervenarzt. 2000;71:481-4.
Saraf-Lavi E, Bowen BC, Pattany PM, Sklar EM, Murdoch JB, Petito CK. Proton MR Klinik. Epileptische Anfälle sind das häufigste Initialsymptom
spectroscopy of gliomatosis cerebri: case report of elevated myoinositol (in 70–80% der Fälle). Seltener stellen fokal neurologische Aus-
with normal choline levels. AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:946-51.
fälle oder Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks (Kopf-
schmerzen) die Initialsymptome dar.

3.2.3 Oligodendrogliome Verlauf und Prognose. Häufig Lokalrezidive, können maligne


transformieren; ungewöhnlich ist eine Ausbreitung über den
Definition. Bei den Oligodendrogliomen handelt es sich um dif- Liquorraum. Die mittlere Überlebenszeit beträgt 10 Jahre
fus infiltrierende Tumoren der Oligodendroglia mit bevorzugtem (5-JÜR: 63%).
Auftreten im Erwachsenenalter und Vorzugslokalisation in den Die Prognose ist abhängig vom Alter (jünger > älter), von der
Großhirnhemisphären. Lokalisation (Frontallappen günstig), der KM-Anreicherung
3.2 · Tumoren
223 3
(fehlende KM-Anreicherung günstig), vom Ausmaß der Resek- Davis FG, McCarthy BJ, Freels S, et al. The conditional probability of survival
tion (komplette Resektion > Teilresektion), vom histologischen of patients with primary malignant brain tumors. Surveillance, epidemio-
logy, and end results (SEER) data. Cancer. 1999;85:485-91.
Befund und vom genetischen Befund: Der Nachweis einer Dele- Emblem KE, Scheie D, Due-Tonnessen P, Nedregaard B, Nome T, Hald JK,
tion der Chromosomen 1p und 19q definiert eine Gruppe oligo- Beiske K, Meling TR, Bjornerud A. Histogram analysis of MR imaging-
dendroglial differenzierter Tumoren mit sehr guter Prognose. derived cerebral blood volume maps: combined glioma grading and
identification of low-grade oligodendroglial subtypes. AJNR Am J Neuro-
radiol. 2008 Oct;29(9):1664-70.
Bildgebung. . Abb. 3.36 McGirt MJ, Chaichana KL, Attenello FJ, Weingart JD, Than K, Burger PC, Olivi A,
Lokalisation: In der überwiegenden Zahl der Fälle supratento- Brem H, Quinoñes-Hinojosa A.Extent of surgical resection is independ-
riell; typischerweise subkortikal/kortikal lokalisiert: ently associated with survival in patients with hemispheric infiltrating
low-grade gliomas. Neurosurgery. 2008;63:700-7.
4 frontal > temporal, parietal, okzipital
Wu Z, Mittal S, Kish K, Yu Y, Hu J, Haacke EM. Identification of calcification with
4 selten: Kleinhirn, intraventrikulär MRI using susceptibility-weighted imaging: a case study. J Magn Reson
4 äußerst selten: primär leptomeningeal, Hirnstamm, Myelon Imaging. 2009;29:177-82.

Morphologie:
3.2.4 Anaplastische Oligodendrogliome
! Oligodendrogliome erscheinen gut abgegrenzt, der
Tumor wächst dennoch infiltrativ.
Definition. Unter anaplastischen Oligodendrogliomen versteht
Der beteiligte Cortex ist oft aufgetrieben; 70–90% der Oligo- man Tumoren der Oligodendroglia mit deutlichen Zeichen der
dendrogliome zeigen Verkalkungen (oft »schollig«) → das Oligo- malignen Transformation: erhöhte Kernpolymorphie, höhere
dendrogliom ist der hirneigene Tumor, der am häufigsten Ver- Zelldichte und gelegentlich Kapillarproliferate und Einzelzell-
kalkungen zeigt. Nicht selten kommen zystische Areale vor, in nekrosen. Die histologisch typische »Honigwaben«-Architektur
der Regel ist kaum ein Umgebungsödem vorhanden, in der Regel der Oligodendrogliome kann verloren gehen.
keine Einblutungen.
WHO-Klassifikation. WHO-Grad III
CT:
4 CT nativ: Hypo- bis isodens, zum Nachweis der Verkalkun- Epidemiologie und Demographie. 20–50% aller Oligodendro-
gen! gliome sind anaplastisch; 0,6% aller hirneigenen Tumoren
4 CT Knochenkernel: Ausdünnung der angrenzenden Schä- Inzidenz: 0,07/100.000/Jahr
delkalotte möglich Altersverteilung: Altersgipfel zwischen 4.–6. Lebensdekade; das
4 CT + KM: KM-Anreicherung in ca. 50% der Fälle (kann kräf- mittlere Erkrankungsalter beträgt 49 Jahre, die anaplastischen
tig sein) Oligodendrogliome können jedoch in jedem Lebensalter auftre-
ten (Patienten sind durchschnittlich etwas älter als die Patienten
MRT: mit Oligodendrogliom WHO-Grad II).
4 T1w: Hypo- bis isointens im Vergleich zum Cortex Geschlechtsverteilung: M etwas > F
4 T2w/PDw/FLAIR: Aufgrund von Verkalkungen und zysti-
Klinik. Häufige Symptome: Anfälle, Kopfschmerzen; fokal neu-
schen Anteilen heterogen hyperintenses Signal
rologische Ausfälle je nach Lokalisation.
4 T1w + KM: KM-Anreicherung in ca. 50% der Fälle, typischer-
Die Anamnese ist typischerweise kürzer als bei Grad-II-Tumo-
weise heterogen; selten leptomeningeale KM-Aufnahme
ren.
4 T2*-GRE: Verkalkungen sind kräftig hypointens
4 SWI: Sehr sensitiv im Nachweis von Verkalkungen Verlauf und Prognose. Schlechte Prognose; die mittlere Über-
4 DWI: In der Regel keine Diffusionsrestriktion lebenszeit beträgt ca. 4 Jahre, die 5-JÜR 38%. Nach Operation
4 PWI: Erhöhter rCBV korreliert mit schlechter Prognose; His- treten häufig Lokalrezidive auf.
togrammanalyse des rCBVs ermöglicht die Identifikation
von Oligodendrogliomen ohne LOH (»loss of heterozygosi- Bildgebung. . Abb. 3.37
ty« auf 1p/19q) Lokalisation: In der überwiegenden Zahl der Fälle supratentori-
4 MRS: Cholin erhöht, NAA erniedrigt ell; typischerweise subkortikal/kortikal lokalisiert; frontal > tem-
poral > parietal, okzipital
Differenzialdiagnosen. Anaplastisches Oligodendrogliom, Oli-
goastrozytom, diffuses Astrozytom, anaplastisches Astrozytom, Morphologie:
Gangliogliom, DNET, pleomorphes Xanthoastrozytom, Zere-
! Anaplastische Oligodendrogliome erscheinen gut ab-
britis/Enzephalitis, Ischämie
gegrenzt, wachsen dennoch infiltrativ (Tumorzellen
Literatur finden sich auch in nicht signalalterierten Hirnarealen.
Caseiras GB, Chheang S, Babb J, Rees JH, Pecerrelli N, Tozer DJ, Benton C, Der beteiligte Cortex wirkt oft aufgetrieben, meist treten Verkal-
Zagzag D, Johnson G, Waldman AD, Jäger R, Law M. Relative cerebral
blood volume measurements of low-grade gliomas predict patient out-
kungen (schollig, oder gyriform) auf und oft Zysten; Einblutun-
come in a multi-institution setting. Eur J Radiol. 2009 Feb 5. [Epub ahead gen oder Nekrosen sind möglich. Anaplastische Oligodendro-
of print] gliome können angrenzende Schädelkalotte arrodieren.
224 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

. Abb. 3.36a–j Oligodendrogliom WHO-Grad II


mit Verkalkungen (Pfeile in h und f) im rechten
Gyrus frontalis medius und inferior, der Tumor
zeigt keine KM-Aufnahme. a, e: T2w; b, f: T1w;
c, g: T1w + KM; d, h: T2*w; i: FLAIRw cor; j: CT

a e

b f

c g i

d h j
3.2 · Tumoren
225 3

a b c

d e f

. Abb. 3.37a–f Anaplastisches Oligodendrogliom, WHO-Grad III. a: T2w; b: FLAIRw cor; c, d: T1w tra und sag; e: DWI, B1000; f: ADC-Map, ADC-Wert sehr
inhomogen, z.T erhöht, im Randbereich z.T. erniedrigt

CT: 5 Die rCBV-Erhöhung ist allerdings nicht spezifisch für die


4 CT nativ: Gemischt hypo- und isodens anaplastischen Oliodendrogliome, da auch WHO-Grad-
4 CT Knochenkernel: Arrosion der Schädelkalotte? II-Gliome Areale mit erhöhtem rCBV zeigen können.
4 CT + KM: KM-Anreicherung variabel 4 MRS: NAA erniedrigt, Cho/Cr-Ratio erhöht, Lipid- oder
Laktatpeak möglich
MRT:
4 T1w: Heterogen hypointens Differenzialdiagnosen. Oligodendrogliom WHO-Grad II,
4 T2w/PDw/ FLAIR: Heterogen hyperintens (aufgrund von Oligoastrozytom, anaplastisches Astrozytom, Glioblastom,
Verkalkungen, zystischen Anteilen, Nekrosen und Einblu- Meningeom, Zerebritis/Enzephalitis, Ischämie
tungen); angrenzender Cortex imponiert aufgetrieben
4 T1w + KM: Anaplastische Oligodendrogliome zeigen häu-
figer eine KM-Anreicherung als WHO-Grad-II-Tumoren; Literatur
Blakeley J, Grossman S. Anaplastic oligodendroglioma. Curr Treat Options
eine neu aufgetretene KM-Anreicherung in einem WHO-
Neurol. 2008;10:295-307.
Grad-II-Tumor ist verdächtig auf Malignisierung Davis FG, McCarthy BJ, Freels S, et al. The conditional probability of survival
4 T2*-GRE: Verkalkungen sind kräftig hypointens of patients with primary malignant brain tumors. Surveillance, epide-
4 DWI: In der Regel keine Diffusionsrestriktion miology, and end results (SEER) data. Cancer. 1999;85:485-91.
4 PWI: Lev MH, Ozsunar Y, Henson JW, Rasheed AA, Barest GD, Harsh GR 4th, Fitzek MM,
Chiocca EA, Rabinov JD, Csavoy AN, Rosen BR, Hochberg FH, Schaefer PW,
5 Erhöhter rCBV-Wert korreliert mit schlechter Prognose.
Gonzalez RG. Glial tumor grading and outcome prediction using dynamic
5 Histogrammanalyse des rCBV-Wertes ermöglicht Identi- spin-echo MR susceptibility mapping compared with conventional
fikation von Oligodendrogliomen ohne LOH (»loss of contrast-enhanced MR: confounding effect of elevated rCBV of oligo-
heterozygosity« auf 1p/19q). dendrogliomas [corrected]. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:214-21.
226 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

3.2.5 Gemischte Gliome Bildgebung. . Abb. 3.40 bis . Abb. 3.44


(meist Oligoastrozytome) Lokalisation:
4 2/3 infratentoriell (. Abb. 3.40 bis . Abb. 3.42): Wachstum im
Definition. Bei gemischten Gliomen bzw. Oligoastrozytomen IV. Ventrikel, ausgehend vom Boden des IV. Ventrikels
handelt es sich um Tumoren, in denen nebeneinander neoplasti- 4 1/3 supratentoriell (. Abb. 3.43 und . Abb. 3.44): Meist im
sche Astrozyten und Oligodendrozyten nachweisbar sind. tiefen, periventrikulären Marklager
3 Die histologische Diagnose erfolgt meist etwas früher als bei Oli-
godendrogliomen. Morphologie: Die infratentoriellen Tumoren wachsen typischer-
weise ausgussartig durch die Ausflussforamina des IV. Ventrikels
Bildgebung. Keine spezifischen Befunde, die die DD gegenüber (Foramina Luschkae und Magendi).
reinen Astrozytomen oder Oligodendrogliomen ermöglichen CT:
würden (. Abb. 3.38, . Abb. 3.39). 4 CT nativ:
5 Verkalkungen in ca. 50%
5 Ependymome können Zysten und Einblutungen zeigen
3.2.6 Ependymale Tumoren 5 Bei infratentoriellen Tumoren konsekutiver Hydrozepha-
lus durch Liquorabflussstörung typisch
Ependymome 4 CT + KM: KM-Anreicherung variabel und heterogen
Definition. Bei Ependymomen handelt es sich um Tumoren des
Ventrikelependyms mit typischerweise intraventrikulären MRT:
Wachstum, die besonders im Kindes- und Jugendalter sowie bei 4 T1w:
jungen Erwachsenen auftreten. 5 Solide Anteile: Heterogenes meist iso- bis hypointenses
Binnensignal
WHO-Klassifikation. WHO-Grad II oder III (= anaplastisch) 5 Zystische Anteile: Leicht hyperintens im Vergleich zu
Liquor
Epidemiologie und Demographie. 3–5% aller intrakraniellen 4 T2w:
Tumoren; dritthäufigster Tumor der hinteren Schädelgrube bei 5 Solide Anteile: Heterogenes meist iso- bis hyperintenses
Kindern (= 15%); selten familiäre Fälle Binnensignal
Altersverteilung: Tumor des Kindes- und jungen Erwachsenen- 5 Verkalkungen und Einblutungen: hypointens
alters; am häufigsten 0.–4. Lebensjahr. 5 Zystische Anteile: Hyperintens
Geschlechtsverteilung: Etwas häufiger beim männlichen Ge- 4 FLAIR:
schlecht 5 Zystische Anteile: deutlich hyperintens im Vergleich zu
Liquor
Klinik. Vor allem bei Kindern meist klinische Zeichen eines er- 5 Zeigt sehr gut die Grenzen zwischen Tumor und Liquor
höhten intrakraniellen Drucks, verursacht durch einen Liquor- 4 T1w + KM: KM-Anreicherung variabel (gering bis mäßig)
aufstau (bei Lokalisation in der HSG): Kopfschmerzen, Übelkeit, und heterogen
Erbrechen. Bei großen Tumoren in der HSG Zeichen der chro- 4 T2*-GRE: Verkalkungen und Einblutungen: hypointens
nischen unteren Einklemmung (Singultus, Nackenschmerzen 4 DWI: Keine Diffusionsrestriktion, ADC-Werte signifikant
und Störungen der kaudalen Hirnnerven). höher als bei Medulloblastomen
4 MRS:
Verlauf und Prognose. Die Prognose ist vom Tumorgrad und 5 Laktaterhöhung, NAA erniedrigt, Cholin erhöht
von der Vollständigkeit der operativen Resektion abhängig. Eine 5 NAA/Cho-Ratio höher als bei Medulloblastom
Liquoraussaat ist ein negativer prädiktiver Faktor. Die 5-JÜR be-
! MRS erlaubt keine zuverlässige DD zwischen Epen-
trägt 60–70%.
dymomen und PNET-MB oder Astrozytomen.

Sonstiges. 4 Spinales MRT + KM: Liquoraussaat?


! Ependymome neigen zur Aussaat über den Liquorraum
NUK:
(in ca. 3–17%) → MRT + KM der gesamten Neuroachse
4 FDG-PET: erhöhtes FDG-Uptake
zum Staging erforderlich!

Auftreten in Rahmen der Neurofibromatose Typ 2 Differenzialdiagnosen.


Infratentoriell: Medulloblastom (PNET-MB), pilozytisches As-
trozytom, atypischer teratoider-rhabdoider Tumor, Plexuspa-
pillom
Supratentoriell: PNET, Glioblastom, Oligodendrogliom
3.2 · Tumoren
227 3

a b

c d

. Abb. 3.38a–d Oligoastrozytom Grad II. a: T2; b: PDw; c, d: T1w + KM tra und cor

a b c

. Abb. 3.39a–c Oligoastrozytom Grad III. a: T2w, b: T1w; c: T1w + KM


228 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

c d

. Abb. 3.40a–d Infratentorielles Ependymom vom Boden des IV. Ventrikels ausgehend mit typischer Ausdehnung in die Foramina Luschkae (Pfeile in b).
a–c: PDw; d: CISS sag

a b

c d

. Abb. 3.41a–d Infratentorielles Ependymom im IV. Ventrikel. Liquorabflussstörung mit konsekutivem


Aufstau des III. Ventrikels und der Seitenventrikel. a: PDw; b: T2w sag; c: T1w; d: T1w + KM
3.2 · Tumoren
229 3

a b

c d

e f

. Abb. 3.42a–f Infratentorielles Ependymom mit überwiegend zisternaler Ausdehnung, Pelottierung des Hirnstamms und Verlagerung der Medulla
oblongata nach links (Pfeil in a und b). a, b, e: T2w tra und sag; c, d, f: T1 + KM tra und sag
230 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

c d

. Abb. 3.43a–d Supratentorielles Ependymom links okzipital (Pfeile in a). a: T2w; b–d: T1w + KM tra, sag und cor

a b c

. Abb. 3.44a–c Bifrontales supratentorielles Ependymom. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag
3.2 · Tumoren
231 3
Literatur MRT:
Chen CJ, Tseng YC, Hsu HL, Jung SM. Imaging predictors of intracranial ependy- 4 T1w: Iso- bis hypointens, homogen
momas. J Comput Assist Tomogr. 2004;28:407-13.
4 T2w:
Choi JY, Chang KH, Yu IK, Kim KH, Kwon BJ, Han MH, Kim IO. Intracranial
and spinal ependymomas: review of MR images in 61 patients. Korean J
5 Hyperintens
Radiol. 2002;3:219-28. 5 Meist homogen
Dimopoulos VG, Fountas KN, Robinson JS. Familial intracranial ependymomas. 5 Heterogen bei Verkalkungen und Einblutungen: hypo-
Report of three cases in a family and review of the literature. Neurosurg intens
Focus. 2006;20:E8.
5 Typischerweise kein Ödem im angrenzenden Hirnpa-
Kan P, Liu JK, Hedlund G, Brockmeyer DL, Walker ML, Kestle JR. The role of dif-
fusion-weighted magnetic resonance imaging in pediatric brain tumors.
renchym
Childs Nerv Syst. 2006 Nov;22(11):1435-9. 4 FLAIR: Hyperintens
Rumboldt Z, Camacho DL, Lake D, Welsh CT, Castillo M. Apparent diffusion 4 T1w + KM: KM-Anreicherung variabel: meist fehlend bis
coefficients for differentiation of cerebellar tumors in children. AJNR Am gering, seltener kräftige KM-Aufnahme, v.a. bei Subependy-
J Neuroradiol. 2006;27:1362-9.
momen des IV. Ventrikels
Schneider JF, Confort-Gouny S, Viola A, Le Fur Y, Viout P, Bennathan M, Chapon F,
Figarella-Branger D, Cozzone P, Girard N. Multiparametric differentiation
4 T2*-GRE: Falls Verkalkungen: hypointens
of posterior fossa tumors in children using diffusion-weighted imaging 4 DWI: Iso- bis hyperintens → T2-Effekt, ADC-Werte erhöht
and short echo-time 1H-MR spectroscopy. J Magn Reson Imaging. 2007; 4 MRS: Einzelfallberichte, dass erhöhte Cho/Cr-Ratio mit Re-
26:1390-8. zidivrate korreliert
Vinchon M, Leblond P, Noudel R, Dhellemmes P. Intracranial ependymomas in
childhood: recurrence, reoperation, and outcome. Childs Nerv Syst. 2005;
21:221-6.
NUK:
4 FDG-PET: Hypometabolismus

Subependymome (WHO-Grad I) Differenzialdiagnosen. Plexuspapillome, Ependymome, zen-


Definition. Subependymome sind hochdifferenzierte, intra- trale Neurozytome, Metastasen, subependymale Riesenzellastro-
ventrikulär wachsende Tumoren, die von den subependymalen zytome
Gliazellen ausgehen.
Literatur
Epidemiologie und Demographie. Selten (0,5% aller Hirntu- Fontenele GI, Okamoto K, Ito J, et al. Symptomatic child case of subependy-
moma in the fourth ventricle without hydrocephalus. Radiat Med.
moren)
2001;19:37-42.
Altersverteilung: Altersgipfel 5. bis 6. Lebensdekade; bei Kin- Im SH, Paek SH, Choi YL, Chi JG, Kim DG, Jung HW, Cho BK. Clinicopathological
dern selten. study of seven cases of symptomatic supratentorial subependymoma.
Geschlechtsverteilung: M > F J Neurooncol. 2003;61:57-67.
Koral K, Kedzierski RM, Gimi B, Gomez A, Rollins NK. Subependymoma of the
cerebellopontine angle and prepontine cistern in a 15-year-old adoles-
Klinik. Meist asymptomatisch! Etwa 40% der Fälle werden mit
cent boy. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:190-1.
Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks symptomatisch: Maiuri F, Gangemi M, Iaconetta G, Signorelli F, Del Basso De Caro M. Sympto-
Kopfschmerzen, Anfälle. matic subependymomas of the lateral ventricles. Report of eight cases.
Clin Neurol Neurosurg. 1997;99:17-22.
Verlauf und Prognose. Gute Prognose, sehr selten Rezidive. Ragel BT, Osborn AG, Whang K, Townsend JJ, Jensen RL, Couldwell WT. Sub-
ependymomas: an analysis of clinical and imaging features. Neuro-
surgery. 2006;58:881-90.
Bildgebung. . Abb. 3.45, . Abb. 3.46
Lokalisation:
4 Intraventrikulär, v.a. infratentoriell (IV. Ventrikel) → typi-
scherweise Vorwölbung aus Foramen Magendi 3.2.7 Tumoren des Plexus choroideus
4 Seitenventrikel, III. Ventrikel, selten periventrikulär
4 Atypische Lokalisationen: Kleinhirnbrückenwinkel, präpon- Plexuspapillom
tine Zisterne Definition. Intraventrikulärer, papillärer Tumor, der vom Epi-
thel des Plexus choroideus ausgeht.
Morphologie:
4 Lobuliert, scharf begrenzt, homogen, solide WHO-Gradierung. WHO-Grad I
4 Zysten oder Verkalkungen möglich, Einblutungen selten Epidemiologie und Demographie. Bei Erwachsenen 0,5% der
4 Typischerweise kein Ödem im angrenzenden Hirnparen- Hirntumoren und 2–4% der pädiatrischen Hirntumoren. Häu-
chym figster Hirntumor bei Kindern <1 Jahr.
4 Ggf. Hydrozephalus Geschlechtsverteilung:
4 Seitenventrikel: M:F = 1:1
CT: 4 IV. Ventrikel: M:F= 3:2
4 CT nativ: Iso- bis hypodens; Können Zysten oder Verkalkun-
gen aufweisen, Einblutungen selten Klinik. Bei Kleinkindern Makrokranie, Vorwölbung der Fonta-
4 CT + KM: Keine bis geringe KM-Anreicherung nellen; Kopfschmerzen, Erbrechen, Ataxie.
232 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

c d

e f

. Abb. 3.45a–f Infratentorielles Subependymom im IV. Ventrikel im Foramen Magendi. a: PDw; b, f, e: CISS tra, sag und cor; c: T1w; d: T1w + KM

a b c

. Abb. 3.46a–c Supratentorielles Subependymom im Vorderhorn des linken Seitenventrikels. a: T2w; b, c: T1w + KM
3.2 · Tumoren
233 3
Verlauf und Prognose. Langsames Wachstum, gutartige Prog- MRT:
nose (5-JÜR: 100%). Absiedelungen sind auf dem Liquorweg 4 T1w: Iso- bis hypointens, manchmal gesprenkelte Binnen-
möglich. struktur; Einblutungen?
4 T2w/PDw: Iso- bis hyperintens, evtl. mit hypointensen Flow
Bildgebung. . Abb. 3.47, . Abb. 3.48 voids; hypointense Areale entsprechen Verkalkungen
Lokalisation: Kleinkinder und Kinder: Seitenventrikel; Erwach- 4 FLAIR: Periventrikuläre flächige Hyperintensitäten = Liquor-
sene: IV. Ventrikel diapedese bei Verschlusshydrozephalus
Morphologie: 4 T2*w: Hypointense Areale: Verkalkungen +/- Einblutungen
4 Tumor scharf begrenzt, blumenkohlartig 4 T1w + KM: kräftige, homogene Anreicherung; liquorgene,
4 Selten minimale Parenchyminvasion leptomeningeale Absiedelungen?
4 Manchmal gesprenkelte Binnenstruktur (durch »gefangenen« 4 MRS: NAA erniedrigt, Cholin und Laktat erhöht, falls nekro-
Liquor) tische Anteile
4 Kann Einblutungen aufweisen
4 Hydrozephalus Differenzialdiagnosen. Plexuskarzinom, Ependymom, Plexus-
zyste, Subependymom, Metastase, Meningeom
CT:
4 CT nativ: Meist iso- bis hyperdens, in ca. ¼ der Fälle Verkal-
kungen
4 CT + KM: Kräftige, homogene KM-Aufnahme
4 CTA: Evtl. prominente A. choroidea bei Tumoren in Seiten-
ventrikeln

a b c

d e f

. Abb. 3.47a–f Plexuspapillom im IV. Ventrikel mit Ausdehnung in das linke Foramen Luschkae. a: T2w; b: CISS; c: T1w; d–f: T1w + KM tra, sag und cor
234 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

. Abb. 3.48a–d Plexuspapillom im IV. Ventrikel, mit hämorrhagischer Imbibierung (hyperintens in nativer T1w in b).
a: PDw; b: T1w; c, d: T1w + KM

Literatur Epidemiologie und Demographie.


Akil H, Coupe NJ, Singh J. Spinal deposits of a benign choroid plexus papil- Altersverteilung: Tumor des Kleinkinds, v.a. zwischen 2. bis 4.
loma. J Clin Neurosci. 2008;15:708-12.
Lebensjahr.
Bonneville F, Savatovsky J, Chiras J. Imaging of cerebellopontine angle lesions:
an update. Part 2: intra-axial lesions, skull base lesions that may invade
Geschlechtsverteilung: M = F
the CPA region, and non-enhancing extra-axial lesions. Eur Radiol. 2007
Nov;17(11):2908-20. Klinik. Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerzen, fokal-neurolo-
Gupta N. Choroid plexus tumors in children. Neurosurg Clin N Am. 2003;14:621- gische Ausfälle
31.
Ortega-Martínez M, Cabezudo-Artero JM, Fernández-Portales I, Pimentel JJ,
Gómez de Tejada R. Diffuse leptomeningeal seeding from benign choroid
Verlauf und Prognose. Schnelles Wachstum, 5-JÜR: ca. 40%.
plexus papilloma. Acta Neurochir (Wien). 2007;149:1229-36. Parenchyminvasion und Liquoraussaat sind mit schlechter Prog-
nose assoziiert.

Plexuskarzinom Bildgebung. . Abb. 3.49


Definition. Vom Epithel des Plexus choroideus ausgehender Lokalisation: Intraventrikulär, Seitenventrikel
maligner Tumor. Morphologie: Blumenkohlartiger Tumor, Hydrozephalus; Ein-
blutungen möglich
WHO-Klassifikation. WHO-Grad III
3.2 · Tumoren
235 3

a b c

. Abb. 3.49a–c Plexuskarzinom im Trigonum des linken Seitenventrikels; das Hinterhorn ist konsekutiv erweitert. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag

CT: WHO-Klassifikation. WHO-Grad I oder II (Grad II = atypisches


4 CT nativ: Iso- bis hyperdens, Verkalkungen in ca. 20–25% der Gangliogliom), selten kommen auch anaplastische Ganglio-
Fälle gliome (WHO-Grad III) und äußerst selten entdifferenzierte
4 CT + KM: Heterogene KM-Anreicherung (versus homogener Gangliogliome (WHO-Grad IV) vor.
Anreicherung beim Plexuspapillom)
Epidemiologie und Demographie. 1% der primären Hirntumo-
MRT: ren; 1–4% der pädiatrischen Hirntumoren
4 T1w: Iso- bis hypointens Altersverteilung: Vor allem Kinder und junge Erwachsene.
4 T2w/PDw/FLAIR: Gemischtes Signal, perifokales Ödem im Geschlechtsverteilung: M etwas > F
Parenchym Assoziiert mit: Kortikaler Dysplasie (häufig), Oligodendrogliom,
4 T2*w: Verkalkungen und Einblutungen sind hypointens DNET
4 T1w + KM: heterogene KM-Anreicherung (versus homo-
gener Anreicherung beim Plexuspapillom); Liquoraussaat? Klinik. Temporallappenepilepsie (häufiger Tumor, der einer
4 MRS: NAA-Erniedrigung, Cholin und Laktaterhöhung Temporallappenepilepsie zugrunde liegt) und Zeichen des er-
4 MRA/CTA/DAS: Erweiterte A. choroidea höhten intrakraniellen Drucks, Kopfschmerzen

NUK: Verlauf und Prognose. Langsames Wachstum, maligne Entar-


4 11C-Methionin-PET: Vermehrter Uptake tung der glialen Komponente in 5–10% der Fälle. Bei kompletter
Resektion besteht gute Prognose.
Differenzialdiagnosen: Plexuspapillom, Ependymom, zentrales
Neurozytom, Metastase, Meningeom, subependymales Riesen- Bildgebung. . Abb. 3.50, . Abb. 3.51
zellastrozytom Lokalisation: Typischerweise kortikal lokalisiert, kann überall
vorkommen, v.a. Temporallappen, Großhirnhemisphären; sel-
Literatur ten Hirnstamm, Pinealisloge, Kleinhirn, intraventrikulär, Hirn-
Gupta N. Choroid plexus tumors in children. Neurosurg Clin N Am. 2003 Oct; nerven
14(4):621-31. Review
Morphologie: es gibt 3 verschiedene morphologische Präsenta-
Koeller KK, Sandberg GD; Armed Forces Institute of Pathology. From the
archives of the AFIP. Cerebral intraventricular neoplasms: radiologic-
tionen:
pathologic correlation. Radiographics. 2002;22:1473-505. 4 Zyste mit solidem, wandständigem Knötchen (v.a. bei Patien-
Waldron JS, Tihan T. Epidemiology and pathology of intraventricular tumors. ten <10 Jahre)
Neurosurg Clin N Am. 2003;14:469-82. 4 Solider Tumor, durch den der Cortex verdickt erscheint
4 Infiltrierendes Wachstum, mit schlecht abgegrenzter Struk-
tur; tritt selten auf
3.2.8 Neuronale, gemischt glialneuronale
und neurozytische Tumoren CT:
4 CT nativ: Dichte variabel, meist hypodens, solides Knötchen
Gangliogliome und Gangliozytome oft isodens, seltener Tumor auch hyperdens
5 in bis zu 50% Verkalkungen nachweisbar
Gangliogliome 4 CT + KM: Variabel, ca. 50% zeigen eine homogene, noduläre
Definition. Gut differenzierter neuroepithelialer Tumor, be- oder randständige KM-Aufnahme
stehend aus neoplastischen Nerven- und Gliazellen.
236 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.50a–f Gangliogliom im rechten Gyrus frontalis medius mit Verkalkungen (Pfeile in c und f). a: T2w; b: PDw; c: T2*w; d: T1w; e: T1w + KM; f: CT nativ

MRT: Literatur
4 T1w: Meist hypo- bis isointens im Vergleich zum Cortex, Javahery RJ, Davidson L, Fangusaro J, Finlay JL, Gonzalez-Gomez I, McComb JG.
Aggressive variant of a papillary glioneuronal tumor. Report of 2 cases.
selten hyperintens; assoziierte kortikale Dysplasie?
J Neurosurg Pediatrics. 2009;3:46-52.
4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintens, seltener heterogen Kikuchi T, Kumabe T, Higano S, Watanabe M, Tominaga T. Minimum apparent
4 T2*w: Verkalkungen hypointens diffusion coefficient for the differential diagnosis of ganglioglioma.
4 T1w + KM: Variabel, ca. 50% zeigen eine homogene, noduläre Neurol Res. 2009;31:1102-7.
oder randständige KM-Aufnahme; selten ist ein meningeales Majores M, von Lehe M, Fassunke J, Schramm J, Becker AJ, Simon M. Tumor
recurrence and malignant progression of gangliogliomas. Cancer. 2008;
Enhancement beschrieben
113:3355-63.
4 DWI: ADC-Wert signifikant höher als bei niedriggradigen Meroni A, Galli C, Bramerio M, Tassi L, Colombo N, Cossu M, Lo Russo G,
Astrozytomen Garbelli R, Spreafico R. Nodular heterotopia: a neuropathological study
4 MRS: Cholinerhöhung of 24 patients undergoing surgery for drug-resistant epilepsy. Epilepsia.
2009;50:116-24.
Tokunaga H, Sunami K, Wagai N, Murai H, Nagai Y, Tanizawa T, Nakatani Y,
NUK:
Iwadate Y. Ganglioglioma originating in the cerebellum with a large
4 FDG-PET: Typischerweise Hypometabolismus cyst – a case report and review of the literature. Clin Neuropathol.
2008;27:369-72.
Differenzialdiagnosen: DNET, pilozytisches Astrozytom, pleo-
morphes Xanthoastrozytom, Oligodendrogliom, niedriggradi-
ges Astrozytom
3.2 · Tumoren
237 3

a b c

d e f

. Abb. 3.51a–f Großes Gangliogliom. a: T2w; b: T1w; c, d: T1w + KM tra und sag; e: DWI, B1000; f: ADC-Map, der ADC-Wert im Tumor ist deutlich erhöht

Dysplastisches zerebelläres Gangliozytom Verlauf und Prognose. Langsames Wachstum; meist ist auf-
Synonyme. Lhermitte-Duclos-Erkrankung, Lhermitte-Duclos- grund des Hydrozephalus eine chirurgische Resektion notwen-
Syndrom (nach den Erstbeschreibern Lhermitte und Duclos dig. Rezidive sind nach chirurgischer Resektion möglich.
1920)
Sonstiges. Die tatsächliche Natur der Läsion wird immer noch
Definition. Zerebelläre Raumforderung unklaren Ursprungs kontrovers diskutiert (Fehlbildung, Neoplasie, Harmatom?). Es
mit gemischten Charakteristika einer Fehlbildung, eines Harma- wird diskutiert, ob alle Patienten mit Lhermitte Duclos ein
toms und einer Neoplasie. Cowden-Syndrom haben.

WHO-Klassifikation. WHO-Grad I Bildgebung. . Abb. 3.52, . Abb. 3.53


Lokalisation: Kleinhirnhemisphären, meist unilateral
Epidemiologie und Demographie. Sehr selten Morphologie:
Altersverteilung: Junge Erwachsene 4 »Zebra«: zebraartige Streifung durch Verdickung der zerebel-
Geschlechtsverteilung: M = F lären Foliae ist pathognomonisch!
Assoziiert mit: Cowden-Syndrom (Keimbahnmutation des 4 Wachstum: Infiltrativ, nicht verdrängend; raumfordernd →
PTEN-Gens) und multiplen Harmatomen, (erhöhtes Risiko für Herniation der Kleinhirntonsillen durch Foramen magnum
Schilddrüsen- und Mammakarzinom) möglich
4 Sekundäre Syrinx im zervikalen Myelon beschrieben
Klinik. Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks aufgrund
eines Hydrozephalus (okzipitale Kopfschmerzen, Übelkeit und CT:
Erbrechen, Stauungsödem der Papille) und zerebelläre Sympto- 4 CT nativ: Hypodense Läsion, seltener isodens, sehr selten
matik (Ataxie, Verschwommensehen) Verkalkungen
4 CT + KM: Typischerweise keine KM-Aufnahme, selten ist
KM-Aufnahme beschrieben
238 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.52a–f Dysplastisches zerebelläres Gangliozytom (Lhermitte-Duclos-Erkrankung) mit typischer zebraartiger Streifung des Kleinhirns. a–c: T2w;
d–f: T1w + KM tra, cor und sag

MRT: Literatur
4 T1w: Hypointens → gestreiftes Muster: abwechselnd iso- und Meltzer CC, Smirniotopoulos JG, Jones RV. The striated cerebellum: an MR
imaging sign in Lhermitte-Duclos disease (dysplastic gangliocytoma).
hypointenses Signal; selten hyperintenses Signal durch Ver-
Radiology. 1995;194:699-703.
kalkungen Moonis G, Ibrahim M, Melhem ER. Diffusion-weighted MRI in Lhermitte-
4 T2w/PDw: Hyperintens → gestreiftes Muster: abwechselnd Duclos disease: report of two cases. Neuroradiology. 2004;46:351-4.
iso- und hyperintenses Signal Nagaraja S, Powell T, Griffiths PD, Wilkinson ID. MR imaging and spectroscopy
4 DWI: Diffusionsrestriktion beschrieben in Lhermitte-Duclos disease. Neuroradiology. 2004;46:355-8.
Nowak DA, Trost HA. Lhermitte-Duclos disease (dysplastic cerebellar ganglio-
4 T2*w: Selten Verkalkungen
cytoma): a malformation, hamartoma or neoplasm? Acta Neurol Scand.
4 T1w + KM: Typischerweise keine KM-Aufnahme, selten 2002;105:137-45. Review.
KM-Aufnahme beschrieben
4 PWI: rCBV und rCBF erhöht
4 MRS: NAA, Cholin und Myo-Inositol erniedrigt, NAA/
Cho- und NAA/Cr-Ratio erniedrig; Laktat: unterschiedliche 3.2.9 Dysembryoblastische neuroepitheliale
Berichte, einige Autoren fanden Laktaterhöhung Tumoren (DNET)

NUK: Definition. Gutartiger, kortikal lokalisierter Tumor auf dem


4 FDG-PET: Erhöhter Glukoseuptake Boden einer kortikalen Dysplasie.

Differenzialdiagnosen. Kleinhirninfarkt, akute Zerebellitis, WHO-Klassifikation. WHO-Grad I


Kleinhirndysplasie Epidemiologie und Demographie: Relativ selten (<1% aller pri-
märer Hirntumoren)
Altersverteilung: Kinder und junge Erwachsene
Geschlechtsverteilung: M = F
Assoziiert mit: Fokaler kortikaler Dysplasie (30%)
3.2 · Tumoren
239 3

a b c

. Abb. 3.53a–c Dysplastisches zerebelläres Gangliozytom (Lhermitte-Duclos-Erkrankung). a: CISS; b: T1w; c: T1w + KM

a b c

d e f

. Abb. 3.54a–f DNET im Uncus des linken Temporallappens. a: T2w; b: FLAIRw; c: T1w; d, e: T1+KM tra und sag; f: DWI, B1000

Klinik. Typische klinische Präsentation: Epilepsie, oft schwer Morphologie:


medikamentös einstellbar. 4 Scharf begrenzt, pseudozystische Binnenstruktur (»blasig«)
4 Nicht bis minimal raumfordernd, kein Umgebungsödem
Verlauf und Prognose. Gutartig, in der Regel kein bis minima- 4 »Zeigt« Richtung Ventrikel, kann sich bis zum Ventrikel er-
les Wachstum. Ein Problem ist die therapierefraktäre Epilepsie. strecken
Äußerst selten kommt es zur malignen Transformation. 4 Angrenzende Tabula interna der Schädelkalotte ist oft fokal
ausgedünnt.
Bildgebung. . Abb. 3.54, . Abb. 3.55, . Abb. 3.56
Lokalisation: Kortikal/subkortikal, am häufigsten mesialer Tem-
porallappen (Amygdala, Hippocampus); weitere häufige Lokali-
sationen: Parietallappen, Ncl. caudatus
240 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.55a–f DNET im rechten G. frontalis inferior. a: FLAIRw; b: T2w; c: T1w; d: T1 + KM; e: T2*w; f: DWI, B1000

a b c

. Abb. 3.56a–c DNET im Uncus des linken Temporallappens mit nodulären kontrastmittelaufnehmenden Arealen (Pfeile in b und c). a: T2w;
b, c: T1 + KM tra und cor
3.2 · Tumoren
241 3
CT: Verlauf und Prognose. In der Regel gute Prognose, selten Lo-
4 CT nativ: Hypodens, Verkalkungen möglich (ca. 1/5 bis 1/3 kalrezidive, 5-JÜR zw. 80–100%; extraventrikuläre Tumoren ha-
der Fälle) ben etwas schlechtere Prognose. Einzelfallberichte hinsichtlich
4 CT + KM: Meist keine KM-Aufnahme, in ca. 1/5 der Fälle einer Liquoraussaat liegen vor.
noduläre bis fleckige, eher flaue KM-Aufnahme
Sonstiges. Das zentrale Neurozytom ähnelt histologisch den
MRT: Oligodendrogliomen. seltene Komplikation: intraventrikuläre
4 T1w: Hypointens Blutung; seltene Form: »extraventrikuläres zentrales Neurozy-
4 T2w: Kräftig hyperintens, multizystischer Aspekt tom« = parenchymaler Tumor.
4 PDw: Hyperintenser Randsaum
4 FLAIR: Gemischt hypo- bis isointenses Signal mit hyper- Bildgebung. . Abb. 3.57, . Abb. 3.58
intensem Randsaum (Sensitivität 82%, Spezifität 90%) Lokalisation:
4 T2*w: Sehr selten Einblutungen, Verkalkungen möglich 4 Intraventrikulär, typischerweise breiter Kontakt zum Septum
4 T1w + KM: Meist keine KM-Aufnahme, in ca. 1/5 der Fälle pellucidum
noduläre bis fleckige, eher flaue KM-Aufnahme 4 Am häufigsten in den Vorderhörnern der Seitenventrikel,
4 DWI: Keine Diffusionsrestriktion, ADC-Wert gegenüber IV. Ventrikel sehr selten
normalem Hirnparenchym erhöht 4 Extraventrikuläre, parenchymale Lokalisation äußerst selten
4 PWI: rCBV gegenüber normalem Hirnparenchym ernied-
Morphologie:
rigt
4 Glatt begrenzt, lobuliert, multizystische, blasige Binnen-
4 MRS: Myo-Inositol/Cr-Ratio leicht erhöht
struktur (»Bubbles«)
4 Verschlusshydrozephalus durch Kompression der Foramina
Differenzialdiagnosen. Fokale Dysplasie mit Ballonzellen, fo-
Monroi
kale Dysplasie ohne Ballonzellen, Gangliogliom, pleomorphes
4 Seltene Komplikation: Intraventrikuläre Blutung
Xanthoastrozytom, diffuses Astrozytom Grad II
CT:
Literatur
4 CT nativ: Gemischt iso- und hyperdens, häufig Verkal-
Bulakbasi N, Kocaoglu M, Sanal TH, Tayfun C. Dysembryoplastic neuroepithe-
lial tumors: proton MR spectroscopy, diffusion and perfusion character- kungen
istics. Neuroradiology. 2007;49:805-12. 4 CT + KM: Heterogene KM-Aufnahme
Jensen RL, Caamano E, Jensen EM, Couldwell WT.Development of contrast
enhancement after long-term observation of a dysembryoplastic neuro- MRT:
epithelial tumor. J Neurooncol. 2006;78:59-62.
4 T1w: Heterogen iso- bis hypointens, selten Einblutungen
Maton B, Jayakar P, Resnick T, Morrison G, Ragheb J, Duchowny M. Surgery for
medically intractable temporal lobe epilepsy during early life. Epilepsia. 4 T2w/PDw/FLAIR: Heterogen hyperintens, prominente Flow-
2008;49:80-7. voids möglich
O’Brien DF, Farrell M, Delanty N, Traunecker H, Perrin R, Smyth MD, Park TS; 4 T2*w: Hypointense Darstellung der Verkalkungen
Children’s Cancer and Leukaemia Group. The Children’s Cancer and 4 T1w + KM: Mäßige bis kräftige, heterogene KM-Aufnahme
Leukaemia Group guidelines for the diagnosis and management of dys-
embryoplastic neuroepithelial tumours. Br J Neurosurg. 2007;21:539-49.
4 DWI: Heterogen hyperintens im B1000-Bild, ADC-Wert er-
Parmar HA, Hawkins C, Ozelame R, Chuang S, Rutka J, Blaser S. Fluid-attenuat- niedrigt
ed inversion recovery ring sign as a marker of dysembryoplastic neuro- 4 MRS: Cho/Cr-Ratio erhöht, NAA/Cho-Ratio erniedrigt;
epithelial tumors. J Comput Assist Tomogr. 2007;31:348-53. Glycinpeak bei 3,55 ppm

Differenzialdiagnosen: Subependymom, subependymales Rie-


3.2.10 Zentrales Neurozytom senzellastrozytom, Ependymom, Meningeom, Metastase, Plexus-
papillom
Definition. Intraventrikulärer neuroepithelialer Tumor mit
neuronaler Differenzierung. Literatur
Chen CM, Chen KH, Jung SM, Hsu HC, Wang CM. Central neurocytoma: 9 case
series and review. Surg Neurol. 2008;70:204-9.
WHO-Klassifikation. WHO-Grad II, aggressivere Variante: Kocaoglu M, Ors F, Bulakbasi N, Onguru O, Ulutin C, Secer HI. Central neuro-
»atypisches« zentrales Neurozytom cytoma: proton MR spectroscopy and diffusion weighted MR imaging
findings. Magn Reson Imaging. 2009;27:434-40.
Raja AI, Yeaney GA, Jakacki RI, Hamilton RL, Pollack IF. Extraventricular neuro-
Epidemiologie und Demographie. Selten (<1% aller primärer cytoma in neurofibromatosis Type 1: case report. J Neurosurg Pediatrics.
Hirntumoren, ca. 10% aller intraventrikulärer Tumoren) 2008;2:63-7.
Altersverteilung: Meist junge Erwachsene (20.–40. Lebensjahr) Smets K, Salgado R, Simons PJ, De Clercq R, De Smedt K, Cras P. Central neuro-
cytoma presenting with intraventricular hemorrhage: case report and
Geschlechtsverteilung: M = F review of literature. Acta Neurol Belg. 2005;105:218-25.
Yeh IB, Xu M, Ng WH, Ye J, Yang D, Lim CC. Central neurocytoma: typical mag-
Klinik. Unspezifische klinische Zeichen eines erhöhten intrakra- netic resonance spectroscopy findings and atypical ventricular dissemi-
nation. Magn Reson Imaging. 2008;26:59-64.
niellen Drucks, Kopfschmerzen, Anfälle; bei einer Lokalisation
Zhang D, Wen L, Henning TD, Feng XY, Zhang YL, Zou LG, Zhang ZG. Central
im III. Ventrikel können Sehstörungen auftreten. neurocytoma: clinical, pathological and neuroradiological findings. Clin
Radiol. 2006;61:348-57.
242 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.57a–f Zentrales Neurozytom. a, c: T2w tra und sag; b: PDw; d: T1w; e, f: T1w + KM tra und sag

a b

. Abb. 3.58a, b Zentrales Neurozytom. a: T2w; b: T1w + KM


3.2 · Tumoren
243 3
3.2.11 Pinealistumoren 4 T1w + KM: Geringe bis mäßige heterogene KM-Anreiche-
rung
Pineoblastome 4 MRS: NAA erniedrigt, Cho erhöht, Glutamat-und Taurin-
Synonyme. Primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET) der peaks
Pinealis
NUK:
Definition. Hoch maligner, primitiver neuroektodermaler Tu- 4 FDG-PET: Verstärkter Glucoseuptake
mor der Pinealis, ausgehend von embryonalen Vorläuferzellen
der Pinealisparenchymzellen. Differenzialdiagnosen. Germinom, Astrozytom, Metastase,
Pineozytom, Meningeom
WHO-Klassifikation. WHO-Grad IV
Literatur
Epidemiologie und Demographie. Byrd SE, Tomita T, Palka PS, Darling CF, Norfray JP, Fan J. Magnetic resonance
spectroscopy (MRS) in the evaluation of pediatric brain tumors, Part II:
4 0,5–1% aller primärer Hirntumoren
Clinical analysis. J Natl Med Assoc. 1996;88:717-23.
4 15% aller Pinealistumoren Gasparetto EL, Cruz Jr LC, Doring TM, Araújo B, Dantas MA, Chimelli L, Domin-
gues RC.Diffusion-weighted MR images and pineoblastoma: diagnosis
Altersverteilung: Vor allem Kinder (mittleres Alter 3 Jahre), sel- and follow-up. Arq Neuropsiquiatr. 2008;66:64-8.
tener junge Erwachsene Korogi Y, Takahashi M, Ushio Y. MRI of pineal region tumors. J Neurooncol.
2001;54:251-61.
Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1

Klinik. Pineozytome
4 Beim Vorliegen eines Hydrozephalus klinische Zeichen eines Definition. Langsam wachsender Tumor aus kleinen, reifen
erhöhten intrakraniellen Drucks: Kopfschmerzen, Übelkeit, Pinealisparenchymzellen (Pineozyten) oder ihren Vorläufern.
Erbrechen
4 Parinaud-Syndrom (vertikale Blickparese und Konvergenz- WHO-Klassifikation. WHO-Grad I
lähmung)
4 Ataxie Epidemiologie und Demographie. Selten (<1% aller primärer
Hirntumoren)
Verlauf und Prognose. Liquoraussaat, selten ist auch eine häma- Altersverteilung: Kinder und junge Erwachsene am häufigsten,
togene Metastasierung beschrieben (Knochen). Die mittlere Vorkommen jedoch in jedem Alter
Überlebenszeit ab Diagnosestellung beträgt 16–25 Monate. Geschlechtsverteilung: M = F

Bildgebung. . Abb. 3.59 Klinik. Kopfschmerzen, Parinaud-Syndrom (vertikale Blick-


Lokalisation: Pinealisloge; häufig Infiltration von Balken, parese und Konvergenzlähmung); andere klinische Symptome
Hirnstamm, Thalami eines erhöhten intrakraniellen Drucks
Morphologie:
4 Große, heterogene RF, polylobuliert, irregulär, unscharf be- Verlauf und Prognose. Kaum bis minimales Wachstum; 5-JÜR:
grenzt 90–100%
4 Solide und zystische Anteile
4 Mäßiges Umgebungsödem Bildgebung. . Abb. 3.60
Lokalisation: Pinealisloge
CT: Morphologie:
4 CT nativ: Gemischte Dichte, solide Anteile oft hyperdens; oft 4 Rund oder lobuliert, glatt begrenzt
Verkalkungen in der Peripherie 4 Typisch sind randständige, schalenartige Verkalkungen
4 CT + KM: Geringe bis mäßige KM-Anreicherung 4 Verdrängend, nicht infiltrierend
4 Selten Einblutungen → Flüssigkeitsspiegel; Pineozytome kön-
MRT: nen nahezu rein zystisch sein → DD Pinealiszyste (7 Kap.
4 T1w: Heterogen, solide Anteile iso- bis hypointens 3.3.3.2)
4 T2w/PDw/FLAIR: 4 Selten Hydrozephalus
5 Heterogen, solide Anteile iso-, hypo- bis leicht hyperin-
tens im Vergleich zur grauen Substanz CT:
5 Oft Nekrosen und Einblutungen 4 CT nativ: Iso- bis hypodens, randständige, schalenartige Ver-
5 Mäßiges Umgebungsödem kalkungen typisch
4 DWI: Solide Anteile oft Diffusionsrestriktion 4 CT + KM: Heterogene KM-Aufnahme variabler Ausprägung
4 T2*w: Verkalkungen und Einblutungen hypointens
244 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

c d

. Abb. 3.59a–d Pineoblastom mit Liquoraussaat (Tumormanifestationen in den Seitenventrikeln, Sterne). a, b: FLAIRw; c, d: T1w + KM

MRT: Pinealisparenchymtumor intermediärer


4 T1w: Iso- bis hypointens Differenzierung
4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintens, hypointenser Flüssigkeits- Definition. Tumor des Pinealisparenchyms, der in seiner Diffe-
spiegel bei Einblutung möglich renzierung zwischen dem Pineozytom (gut differenziert) und
4 T2*w: Hypointense Darstellung der meist peripheren Verkal- dem Pinealoblastom (maligne, entdifferenziert) steht.
kungen
4 T1w + KM: Kräftige KM-Aufnahme homogen, oder ring- Bildgebung. Nicht spezifisch.
förmig
Literatur
Differenzialdiagnosen. Pinealiszyste, Pineoblastom, Pinea- Senft C, Raabe A, Hattingen E, Sommerlad D, Seifert V, Franz K. Pineal paren-
chymal tumor of intermediate differentiation: diagnostic pitfalls and
lisparenchymtumor intermediärer Differenzierung, Germinom,
discussion of treatment options of a rare tumor entity. Neurosurg Rev.
andere Keimzelltumoren, Meningeom 2008;31:231-6.

Literatur
Chiechi MV, Smirniotopoulos JG, Mena H. Pineal parenchymal tumors: CT and
MR features. J Comput Assist Tomogr. 1995;19:509-17.
Fakhran S, Escott EJ. Pineocytoma mimicking a pineal cyst on imaging: true
diagnostic dilemma or a case of incomplete imaging? AJNR Am J Neuro-
radiol. 2008;29:159-63.
Reis F, Faria AV, Zanardi VA, Menezes JR, Cendes F, Queiroz LS. Neuroimaging
in pineal tumors. J Neuroimaging. 2006;16:52-8.
3.2 · Tumoren
245 3

a b

c d

. Abb. 3.60a–d Pineozytom. a: T2w; b, c: T1w + KM; d: CT nativ

3.2.12 Embryonale Tumoren Verlauf und Prognose. Schnell wachsender Tumor mit unter-
schiedlichen Risikoprofilen; 5-JÜR: von 20–100% (im Mittel
Medulloblastome (PNET-MB) 80–85%); frühe Liquoraussaat (in bis zu 40% der Fälle nachweis-
Definition. Maligner, invasiv wachsender, embryonaler Tumor bar). Bei Erwachsenen ist die Prognose etwas besser.
der hinteren Schädelgrube.
Sonstiges. Unterteilung in:
WHO-Klassifikation. WHO-Grad IV 4 Klassisches Medulloblastom
4 Desmoplastisches Medulloblastom
Epidemiologie und Demographie. Bei Erwachsenen sehr sel- 4 Nodulärer Typ mit deutlich neuronaler Differenzierung
ten; 15–20% alle pädiatrischer Tumoren, bis zu 40% aller kind- 4 Großzell- Medulloblastom
lichen HSG Tumoren Medulloblastome außerhalb des IV. Ventrikels sind meistens des-
Altersverteilung: Kindlicher Tumor (3/4 der Patienten sind moplastisch.
<10 Jahre), mittleres Erkrankungsalter: 4 Jahre; 20% der Medul- Wichtig ist immer auch ein spinales MRT mit KM → Liquor-
loblastome treten nach dem 15. Lebensjahr auf. aussaat?
Geschlechtsverteilung: M: F = 2–4:1
Assoziiert mit: Verschiedenen familiären Tumorsyndromen, z.B. Bildgebung. . Abb. 3.61, . Abb. 3.62, . Abb. 3.63
Li-Fraumeni-Syndrom, Gorlin-Syndrom. Lokalisation: Hintere Schädelgrube
4 Typischerweise ausgehend vom Dach des IV. Ventrikels (Ve-
Klinik. Zeichen des erhöhten intrakraniellen Drucks, Ataxie; bei lum medullare superius)
noch offenen Suturen Makrozephalie. Typischerweise kurze 4 Bei älteren Kindern und Erwachsenen häufiger von Klein-
Anamnese. hirnhemisphären ausgehend
246 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

c d

e f

. Abb. 3.61a–f Medulloblastom (PNET-MB) mit konsekutivem Hydrozephalus. a, b: T2w; c: T1w; d–f: T1w + KM
3.2 · Tumoren
247 3
Morphologie: 5 Liquoraussaat? → Oft »zuckergussartige« KM-Aufnahme
4 Solider, rundlicher, sehr zellreicher Tumor, raumfordernd an der Hirnoberfläche (. Abb. 3.62), seltener knotige KM-
4 Einblutungen möglich aber selten Aufnahme
4 Hydrozephalus 4 MRS: NAA deutlich erniedrigt, Cholin deutlich erhöht, meist
Laktatpeak nachweisbar
CT: 4 Spinales MRT + KM: Liquoraussaat?
4 CT nativ: Meist hyperdens (zellreich), Verkalkungen in ca.
20% Differenzialdiagnosen. Ependymom, pilozytisches Astrozy-
4 CT + KM: In der Regel relativ homogene KM-Aufnahme, sel- tom, exophytisches Hirnstammgliom, atypisch teratoid/rhab-
tener fleckige KM-Aufnahme doider Tumor, Plexuspapillom

MRT: Literatur
4 T1w: Hypointens im Vergleich zum Cortex Bourgouin PM, Tampieri D, Grahovac SZ, Léger C, Del Carpio R, Melançon D.
CT and MR imaging findings in adults with cerebellar medulloblastoma:
4 T2w: Relativ signalarm, annähernd kortexisointens (auf-
comparison with findings in children. AJR Am J Roentgenol. 1992;159:
grund der hohen Zelldichte) 609-12.
4 PDw/FLAIR: Hyperintens, FLAIR gut geeignet zur Unter- Koeller KK, Rushing EJ. From the archives of the AFIP: medulloblastoma:
scheidung Tumor versus Liquor a comprehensive review with radiologic-pathologic correlation. Radio-
graphics. 2003;23:1613-37.
4 DWI: Diffusionsrestriktion (hohe Zelldichte!); ADC-Werte
Meyers SP, Wildenhain SL, Chang JK, Bourekas EC, Beattie PF, Korones DN,
signifikant niedriger als bei Ependymomen, aber nicht sig- Davis D, Pollack IF, Zimmerman RA. Postoperative evaluation for dis-
nifikant verschieden von atypisch teratoid/rhabdoiden Tu- seminated medulloblastoma involving the spine: contrast-enhanced MR
moren findings, CSF cytologic analysis, timing of disease occurrence, and pa-
tient outcomes. AJNR Am J Neuroradiol. 2000;21:1757-65.
4 T1w + KM: In der Regel heterogene KM-Aufnahme
Rumboldt Z, Camacho DL, Lake D, Welsh CT, Castillo M. Apparent diffusion
5 sagittale Bilder zum Nachweis des Ursprungs (Dach coefficients for differentiation of cerebellar tumors in children. AJNR Am
IV. Ventrikel?) J Neuroradiol. 2006;27:1362-9.

a b c

d e f

. Abb. 3.62a–f Großes Medulloblastom mit deutlichem Hydrozephalus. »Zuckergussartige« KM-Aufnahme an der Hirnoberfläche (f). a–c: T2w;
d–f: T1w + KM tra und sag
248 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.63a–f Medulloblastom mit Einblutungen (Pfeile in a–c). a: T2w; b: PDw; c: T1w; d–f: T1w + KM tra, cor und sag

Supratentorielle primitive neuroektodermale Sonstiges. Liquoraussaat häufig → zum Ausschluss von Metas-
Tumoren (PNET) tasen vor OP immer spinale MRT + KM!
Definition. Maligner, supratentorieller Tumor aus undifferen-
zierten neuroepithelialen Zellen. Bildgebung. . Abb. 3.64
Lokalisation: Supratentoriell, weiße Substanz der Hemisphären,
WHO-Klassifikation. WHO-Grad IV meist an Mark-Rinden-Grenze; Thalamus, Pinealisloge, supra-
sellär
Epidemiologie und Demographie. 1% aller kindlichen Hirn- Morphologie:
tumoren 4 Variabel: scharf begrenzt bis diffus infiltrierend, oft hetero-
Altersverteilung: Vor allem Säuglinge und Kleinkinder gen mit soliden und zystischen Anteilen
Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1 4 Hemisphäral lokalisierte PNETs sind typischerweise groß
Assoziiert mit: Familiären Tumorsyndromen, z.B. Gorlin-Syn- 4 Oft Hydrozephalus
drom und Turcot-Syndrom
CT:
Klinik. Abhängig von Lokalisation und Größe; klinische Zeichen 4 CT nativ:
eines erhöhten intrakraniellen Drucks. 5 Variabel, homogen oder heterogen, iso- bis hyperdens
4 Hemisphäral: Anfälle, fokal-neurologische Ausfälle, Vigilanz- 5 oft Verkalkungen, häufig Einblutungen und Nekrosen
minderung 4 CT + KM: Heterogene KM-Anreicherung, Liquoraussaat?
4 Suprasellär: Sehstörungen, endokrine Funktionsstörungen
4 Pinealisloge: Hydrozephalus, Parinaud-Syndrom MRT:
4 Hirnnervenausfälle bei leptomeningealer Metastasierung 4 T1w: Kortexiso- bis hypointens, homo- bis heterogen
4 T2w: Oft heterogen
Verlauf und Prognose. Schlechtere Prognose als Medulloblas- 5 solide Tumoranteile sind kortexiso- bis leicht hyperintens
tom, 5-JÜR ca. 30–35%. 5 Verkalkungen, Einblutungen = hypointense Areale
5 perifokales Ödem verhältnismäßig gering
3.2 · Tumoren
249 3

a b c

d e f

. Abb. 3.64a–f Supratentorieller primitiver neuroektodermaler Tumor (PNET). a, b, c: T2w; d, e, f: T1w + KM

4 PDw: Leicht hyperintens Yamada T, Takeuchi K, Masuda Y, Moriyama T, Kitazawa S, Maruo T. Prenatal
4 FLAIR: Solide Tumoranteile sind hyperintens imaging of congenital cerebral primitive neuroectodermal tumor. Fetal
Diagn Ther. 2003;18:137-9.
4 FLAIR + KM: Leptomeningeale Metastasen?
4 T2*w: Verkalkungen und Einblutungen hypointens
4 T1w + KM: Heterogene KM-Anreicherung; leptomeningeale Atypischer teratoid/rhabdoider Tumor
Metastasen? Definition. Seltener, hochmaligner, kindlicher Hirntumor mit
4 DWI: Oft Diffusionsrestriktion (Zellreichtum) histologisch teilweise rhabdoidem und teilweise teratoid-epithe-
4 PWI: rCBV erhöht (signifikant höher als bei niedriggradigen lialem Erscheinungsbild.
Gliomen, aber nicht signifikant verschieden von höhergra-
digen Gliomen) WHO-Klassifikation. WHO-Grad IV
4 MRS: NAA deutlich erniedrigt, Kreatinin erniedrigt, Cholin
deutlich erhöht, Lipid- und Laktatpeak Epidemiologie und Demographie. Selten, bei Kinder unter 3
4 Spinale MRT + KM: Spinale Liquoraussaat? Jahren ca. 20% aller primitiver Hirntumoren.
Altersverteilung: Kleinkinder <3 Jahre, danach sehr selten
Differenzialdiagnosen. Astrozytom, Glioblastom; Ependy- Geschlechtsverteilung: M = F
mom, atypischer teratoid/rhabdoider Tumor, Plexuskarzinom,
Oligodendrogliom Klinik. Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, Makro-
zephalie, Anfälle
Literatur
Law M, Kazmi K, Wetzel S, Wang E, Iacob C, Zagzag D, Golfinos JG, Johnson G. Verlauf und Prognose. Schlechte Prognose, mittlere Überle-
Dynamic susceptibility contrast-enhanced perfusion and conventional
benszeit: ca. 8 Monate; 1-JÜR: ca. 70%; 5-JÜR <30%; Neigung zur
MR imaging findings for adult patients with cerebral primitive neuro-
ectodermal tumors. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:997-1005.
Liquoraussaat → MRT + KM der gesamten Neuroachse!
Shi H, Kong X, Xu H, Xu L, Liu D. MRI features of intracranial primitive neuro-
ectodermal tumors in adults: comparing with histopathological findings.
J Huazhong Univ Sci Technolog Med Sci. 2004;24:99-102.
250 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.65a–f Atypischer teratoid/rhabdoider Tumor. a: T2w; b: T1w; c, d: T1w + KM tra und cor; e: DWI, B1000; f: ADC-Map

Bildgebung. . Abb. 3.65, relativ unspezifisch 4 DWI: Diffusionsrestriktion (zellreich), ADC-Werte nicht sig-
Lokalisation: >50% infratentoriell (Kleinhirn, Hirnstamm, nifikant verschieden von PNET-MB
Kleinhirnbrückenwinkel), supratentoriell (hemisphäral oder su- 4 MRS: NAA und Cr deutlich erniedrigt, Cholin erhöht, Lipid-
prasellär) und Laktatpeaks
Morphologie: Irregulär konfiguriert: 4 Spinales MRT +KM: Liquoraussaat?
4 Sehr heterogenes Binnensignal mit Zysten (ca. 35%), Einblu-
tungen, Verkalkungen Differenzialdiagnosen. Medulloblastom, pilozytisches Astro-
4 Minimal bis geringes perifokales Ödem zytom, Ependymom, Plexuskarzinom, Teratom, Gliosarkom.
4 Häufig Hydrozephalus
Literatur
CT: Lee IH, Yoo SY, Kim JH, Eo H, Kim OH, Kim IO, Cheon JE, Jung AY, Yoon BJ.
Atypical teratoid/rhabdoid tumors of the central nervous system: imag-
4 CT nativ: Heterogen hyperdens, Verkalkungen möglich, hy-
ing and clinical findings in 16 children. Clin Radiol. 2009;64:256-64.
podense zystische Anteile Meyers SP, Khademian ZP, Biegel JA, Chuang SH, Korones DN, Zimmerman RA.
4 CT + KM: Heterogene KM-Aufnahme Primary intracranial atypical teratoid/rhabdoid tumors of infancy and
childhood: MRI features and patient outcomes. AJNR Am J Neuroradiol.
MRT: 2006;27:962-71.
Parmar H, Hawkins C, Bouffet E, Rutka J, Shroff M. Imaging findings in primary
4 T1w: Heterogen: teils isointens, Einblutungen hyperintens,
intracranial atypical teratoid/rhabdoid tumors. Pediatr Radiol. 2006;
zystische Anteile leicht hyperintens im Vergleich zum Liquor 36:126-32.
4 T2w/PDw: Heterogen: solider Anteil isointens, Einblutungen Radner H, Blümcke I, Reifenberger G, Wiestler OD. The new WHO classification
hypointens, zystische Areale kräftig hyperintens of tumors of the nervous system 2000. Pathology and genetics. Pathologe.
4 FLAIR: Solide Tumoranteile iso- bis leicht hyperintens, zysti- 2002;23:260-83.
Rumboldt Z, Camacho DL, Lake D, Welsh CT, Castillo M. Apparent diffusion
sche Areale hyperintens
coefficients for differentiation of cerebellar tumors in children. AJNR Am
4 T2*w: Hypointense Areale (= Einblutungen, Verkalkungen) J Neuroradiol. 2006;27:1362-9.
4 T1w + KM: Heterogene KM-Aufnahme, Liquoraussaat mit
leptomeningealen Metastasen (nodulär oder diffus linear)?
3.2 · Tumoren
251 3
3.2.13 Tumoren der Hirnnerven 4 5% gehen vom N. trigeminus aus
und der Spinalnerven 4 1–2% liegen intrazerebral, d.h. im Parenchym
4 Histologisch werden 2 Typen unterschieden:
Schwannome 5 Antoni A: Zellreiche, längliche Zellen
Synonyme. Neurinome, Neurilemmome 5 Antoni B: Zellärmer

Definition. Gutartiger Nervenscheidentumor aus differenzier- Bildgebung.


ten, neoplastischen Schwann-Zellen. Schwannome der Hirnnerven (. Abb. 3.66 bis . Abb. 3.69):
4 Lokalisation: Alle Hirnnerven (außer HN I und II), v.a.
WHO-Klassifikation. WHO-Grad I HN VIII
4 Morphologie: Häufig Zysten (15–20%), Einblutungen mög-
Formen. lich, typischerweise nicht verkalkt
Extraaxiale Schwannome: Von den perineuronalen Schwann-
Zellen ausgehend. Akustikusneurinome (AKN):
Intrazerebrale Schwannome: Wahrscheinlich von pluripotenten 4 Rein intrameatale Akustikusneurinome: Kleine kontrast-
Zellen ausgehend; sehr selten mittelaufnehmende Raumforderung im Meatus accusticus
internus, glatt begrenzt, rundlich bis oval
Epidemiologie und Demographie. Insgesamt stellen sie ca. 5– 4 Größere AKNs haben einen intra- und extrameatalen An-
6% aller intrakranieller Tumoren dar. teil: Wie »Eistütchen«: intrameataler Anteil = »Eiswaffel«,
4 intrazerebrale Schwannome sind sehr selten Anteil im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels = »Eis-
bällchen«, . Abb. 3.66)
Altersverteilung: 4 CT:
4 Schwannome der Hirnnerven: Erwachsene mittleren Alters, 5 CT nativ: Iso- bis gering hyperdens
Gipfel: 40–60. Lebensjahr, bei Kindern meist nur im Rahmen 5 CT Knochenkernel: Evtl. Aufweitung der betroffenen
einer Neurofibromatose Typ 2 Schädelbasisforamina (Meatus acusticus internus, Fora-
4 Intrazerebrales Gorlin-Syndrom: Jüngere Erwachsene (70% men jugulare, Fazialiskanal)
<30. Lebensjahr) 5 CT + KM: Kräftige, meist homogene KM-Aufnahme
4 MRT:
Geschlechtsverteilung: M = F 5 T1w: Variabel, meist isointens, seltener gemischt iso- und
Assoziiert mit: hypointenses Signal, wenn Einblutungen vorhanden →
4 Neurofibromatose Typ 2 (multiple Schwannome), 7 Kap. hyperintense Areale
3.5.2 5 T2w: Vor allem zystische Anteile hyperintens, solider An-
4 Arachnoidalzysten teil kann isointens sein, evtl. Ödem im angrenzenden
Hirnstamm oder in den Kleinhirnschenkeln, je nach Lo-
Klinik. Je nach betroffenem Hirnnerv: kalisation
4 HN VIII: Hörminderung, Tinnitus 5 CISS: Vor allem zum Nachweis kleiner intrameataler AKNs
4 Parenchymale Schwannome: Unspezifisch, Kopfschmerzen, geeignet; stark hypointense RF, von kräftig hyperintensem
fokal-neurologische Ausfälle, Krampfanfälle Liquor umgeben (»Aussparung«) (. Abb. 3.68, . Abb. 3.69)
5 FLAIR: Erhöhte Signalintensität in ipsilateraler Cochlea
Verlauf und Prognose. Typischerweise langsames Wachstum, bei AKNs
maligne Entartung sehr selten. Circa 10% aller Akustikusneu- 5 DWI: ADC-Wert erhöht
rinome zeigen ein schnelles Wachstum von >1 cm/Jahr. Rezidive 5 T1w + KM: Kräftige KM-Aufnahme, variabel homogen bis
möglich heterogen; bei V.a. AKN oder Fazialisschwannom: 3 mm
T1 + KM cor und tra empfohlen
Sonstiges.
4 >95% aller intrakranieller Schwannome gehen von den Intrazerebrale Schwannome:
Hirnnerven aus, v.a. von afferenten (sensorischen), Ursprung 4 Lokalisation: Alle Hirnnerven (außer HN I und II), v.a.
am Übergang von zentraler (Gliazellen) zu peripherer HN VIII
(Schwann-Zellen) Nervenscheide 4 Morphologie: Zystisch mit randständigem Knötchen
4 Prinzipiell können alle Hirnnerven, die Myelinscheiden aus 4 CT:
Schwann-Zellen besitzen (d.h. alle außer N. olfaktorius und 5 CT nativ: Scharf begrenzter, hypodenser zystischer Anteil,
N. opticus), betroffen sein nodulärer, solider Anteil isodens, Verkalkungen möglich
4 90% gehen vom vestibulären Anteil des N. vestibulocochlea- 5 CT + KM: Kräftige KM-Aufnahme des nodulären, soliden
ris aus Anteils
252 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

4 MRT:
5 T1w: Meist isointens, selten Einblutungen in zystischem Vaskuläre Pathologien
4 Aneurysmen (PICA, SCA, BA)
Anteil
4 Gefäß-Nerv-Kontakte (neurovaskuläre Kompressionssyndrome)
5 T2w: Zystischer Anteil kräftig hyperintens, nodulärer, so- Definition: Anfallsartige spastische Hyperfunktion des jewei-
lider Anteil iso- bis hyperintens ligen Nervs und dadurch bedingte Symptomatik. Hirnstammna-
5 T2*w: Oft Mikroblutungen in AKN nachweisbar → hilf- he Kompression des betroffenen Hirnnervs im Bereich der
3 reich bei DD versus Meningeom »Root-Entry- oder -Exit-Zone« (REZ) durch Gefäße, meist Arte-
rien. (Die REZ wird in Literatur verschieden definiert: Die meis-
5 T1w + KM: Kräftige KM-Aufnahme des nodulären, soli-
ten Autoren bezeichnen den gesamten zisternalen Abschnitt
den Anteils eines Hirnnervs von seinem Austrittspunkt aus dem Hirnstamm
5 DWI: Keine Diffusionsrestriktion, ADC-Wert erhöht bis zum Übergang vom zentralen zum peripheren Myelin als
5 PWI: rCBV-Ratio signifikant niedriger als rCBV bei Me- REZ, andere Autoren bezeichnen lediglich diese Übergangszone
ningeomen → hilfreich bei DD als REZ.) Pathophysiologisch kommt es dadurch mutmaßlich zu
einer Entmarkung des zentralen Myelins. Die Auslösung der
Symptome erfolgt durch direkte pulsatile Kompression und/
Differenzialdiagnosen. oder durch ephaptische Fehlschlüsse, d.h. durch eine patholo-
4 Schwannome der Hirnnerven: Ependymom, Meningeom, gische Reizübertragung zwischen benachbarten, teils demye-
Metastase linisierten Axonen.
4 Intrazerebrale Schwannome: Pleomorphes Xanthoastrozy- Empfohlene Bildgebung: 3-D-CISS (Darstellung der Hirnnerven
im zisternalen Segment), TOF-MRA (zur Darstellung der Arte-
tom, Metastase, Gangliogliom, pilozytisches Astrozytom
rien), kontrastverstärkte MRA (zur Darstellung der Arterien und
der Venen)
Differenzialdiagnose: Pathologien Cave: Asymptomatische Gefäß-Nerv-Kontakte kommen auch
im Kleinhirnbrückenwinkel beim Gesunden vor → dürfen nur in klinischem Kontext als pa-
Neoplastische Raumforderungen thologisch gewertet werden!
4 Schwannom (meist Akustikusschwannom, 7 Kap. 3.2.13): z.B.:
AKN = häufigste Raumforderung im KHBW – Trigeminusneuralgie: Anfallsartige Schmerzen im Ver-
4 Meningeom (petroselläres Meningeom oder mediales Keilbein- sorgungsgebiet des HN V; meist Kontakt mit SCA (. Abb. 3.71)
flügelmeningeom, 7 Kap. 3.2.14) (. Abb. 3.70) – Glossopharyngeusneuralgie: Paroxysmale Schmerzen im
4 Metastasen Bereich des weichen Gaumens, des Rachens und des Zungen-
grundes; meist Kontakt mit AICA
Entzündliche Veränderungen – Vestibularisparoxysmie: Kurze und häufige Schwindel-
4 Ramsey-Hunt-Syndrom = Varizellen-Zoster-Virus-Infektion attacken; meist Kontakt mit AICA (. Abb. 3.72)
der sensorischen Anteile von HN VII und HN VIII und des – Hemispasmus fazialis: Unilaterale unwillkürliche Gesichts-
äußeres Ohres: spasmen; meist Kontakt mit AICA
– Klinik: Fazialisparese, brennende Schmerzen im Ohr, erythe-
matöse Schwellung im Bereich des äußeren Ohrs Angeborene Raumforderungern
– Bildgebung: Hirnnerven HNVII und HNVIII verdickt → T1wFS + 4 Epidermoid (7 Kap. 3.3.1)
KM: lineare bis fusiforme KM-Anreicherung des Meatus acus- 4 Arachnoidalzyste (7 Kap. 5.3)
ticus internus, der HN VII und HN VIII und des äußeren Ohres 4 Lipom (7 Kap. 3.4.2; . Abb. 3.73)

a b c

. Abb. 3.66a–c Akustikusneurinom rechts mit intra- und extrameatalem Anteil (»Eistütchen«-Aspekt). a: T2w; b, c: T1w + KM tra und cor (Pfeil in a–c)
3.2 · Tumoren
253 3

a b c

. Abb. 3.67a–c Akustikusneurinom links mit großem extrameatalem Anteil im Kleinhirnbrückenwinkel und kleinerem intrameatalem Anteil (Pfeile in b und c);
a: T2w; b, c; T1w + KM

a a

b b

c c

. Abb. 3.68a–c Rein intrameatales Schwannom links (Pfeile). a: CISS; . Abb. 3.69a–c Schwannom der Cochlea rechts (Pfeile). Auf der CISS-MRT
b, c: T1w + KM ist das kleine Schwannom als Liquoraussparung in der linken Cochlea er-
kennbar. a: CISS; b, c: T1w + KM tra und cor
254 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Literatur WHO-Klassifikation. WHO-Grad I


Bhadelia RA, Tedesco KL, Hwang S, Erbay SH, Lee PH, Shao W, Heilman C.
Increased cochlear fluid-attenuated inversion recovery signal in patients
Epidemiologie und Demographie.
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Hakyemez B, Erdogan C, Bolca N, Yildirim N, Gokalp G, Parlak M. Evaluation
Altersverteilung: Alle Altersstufen
of different cerebral mass lesions by perfusion-weighted MR imaging. Asssoziiert mit: Neurofibromatose Typ 1 (multiple Neurofibro-
J Magn Reson Imaging. 2006;24:817-24. me, siehe 7 Kap. 3.5.2)
3 Hüfner K, Linn J, Strupp M. Recurrent attacks of vertigo with monocular oscil-
lopsia. Neurology. 2008;71:863.
Klinik. Typischerweise schmerzlose Knötchen
Jonsson L, Tien R, Engström M, Thuomas KA. Gd-DPTA enhanced MRI in Bell’s
palsy and herpes zoster oticus: an overview and implications for future
studies. Acta Otolaryngol. 1995;115:577-84. Verlauf und Prognose. Das Entartungsrisiko der plexiformen
Linn J, Moriggl B, Schwarz F, Naidich TP, Schmid UD, Wiesmann M, Bruckmann H, Variante zum malignen peripheren Nervenscheidentumor be-
Yousry I. Cisternal segments of the glossopharyngeal, vagus, and accessory trägt 1–10%.
nerves: detailed magnetic resonance imaging-demonstrated anatomy and
neurovascular relationships.J Neurosurg. 2009.110:1026-41.
Okada K, Ito K, Yamasoba T, Ishii M, Iwasaki S, Kaga K. Benign mass lesions
Bildgebung.
deep inside the temporal bone: imaging diagnosis for proper manage- Lokalisation:
ment. Acta Otolaryngol Suppl. 2007;559:71-7. 4 Solitäre Neurofibrome: Nerven im Bereich der Kopf- oder
Springborg JB, Poulsgaard L, Thomsen J. Nonvestibular schwannoma tumors Gesichtshaut, selten bis nie Hirnnerven
in the cerebellopontine angle: a structured approach and management
4 Plexiforme Neurofibrome: Im Kopf-Hals-Bereich ist die Or-
guidelines. Skull Base. 2008;18:217-27.
Sweeney CJ, Gilden DH. Ramsay Hunt syndrome. J Neurol Neurosurg Psychia-
bita die häufigste Lokalisation (N. ophthalmicus = HN V1),
try. 2001;71:149-54. sie können sich bis in den Sinus cavernosus erstrecken;
Thamburaj K, Radhakrishnan VV, Thomas B, Nair S, Menon G. Intratumoral Parotis (HN VII)
microhemorrhages on T2*-weighted gradient-echo imaging helps diffe-
rentiate vestibular schwannoma from meningioma. AJNR Am J Neuro-
Morphologie: Gut abgrenzbares Knötchen (solitäre) oder diffus
radiol. 2008;29:552-7.
Vorasubin N, Sang U H, Mafee M, Nguyen QT. Glossopharyngeal schwannomas:
infiltrierend (plexiforme Neurofibrome); plexiforme Neuro-
a 100 year review. Laryngoscope. 2009;119:26-35. fibrome sehen aus wie subkutane »Würmer«
Zagardo MT, Castellani RJ, Rees JH, Rothman MI, Zoarski GH. Radiologic CT:
and pathologic findings of intracerebral schwannoma. AJNR Am J Neuro- 4 CT nativ: Hypodens
radiol. 1998;19:1290-3.
4 CT + KM: Mäßige bis kräftige KM-Aufnahme
4 CT Knochenkernel: Plexiforme Neurofibrome: Aufweitung
Neurofibrome der Fissura orbitalis superior
Definition. Bei einem Neurofibrom handelt es sich um einen
Nerventumor aus neoplastischen Schwann-Zellen, Fibroblasten MRT:
und perineuronalen Zellen, die von einer kollagenen Matrix um- 4 T1w: Isointens
geben sind. 4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintens
Neurofibrome können als Knötchen praktisch überall, wo 4 T1w+KM: Kräftige, etwas heterogene KM-Aufnahme
Nervengewebe vorhanden ist, auftreten, sind aber am häufigsten
auf der Haut zu finden. Differenzialdiagnosen. Maligner peripherer Nervenscheiden-
Im Vergleich zum Schwannom zeigt das Neurofibrom einen tumor, Gefäßmalformation der Kopfhaut, Metastase, Sarkom
höheren bindegewebigen Anteil (Neuro»fibrom«) und kann ope- oder Lymphom von Kopfhaut oder Schädel
rativ nicht vom betroffenen Nerv getrennt werden.

a b c

. Abb. 3.70a–c Petroselläres Meningeom im rechten Kleinhirnbrückenwinkel mit Einwachsen in das Cavum Meckeli (Stern). Der Tumor wächst entlang des
Lig. petrosellare (Pfeilspitzen). a: T2w; b, c: T1w + KM
3.2 · Tumoren
255 3

a b

. Abb. 3.71a–c Trigeminusneuralgie rechts durch Gefäß-Nerv-Kontakt zwischen rechtem N. trigeminus


(Pfeilspitzen) und rechter SCA (Pfeile) im Bereich der Root Entry Zone. a: CE-MRA; b, c: CISS tra und cor

a b c

. Abb. 3.72a–c Vestibularisparoxysmie links durch Gefäß-Nerv-Kontakt zwischen der linken AICA (Pfeile) und dem linken N. vestibulocochlearis
(Pfeilspitzen). Deutlich elongierte A. basilaris (Sterne), zusätzlich auch asymptomatischer Gefäß-Nerv-Kontakt rechts zwischen rechter AICA und rechtem
N. vestibulocochlearis. a: T1 + KM; b, c: CISS (Pfeilspitzen: rechter bzw. linker N. vestibulocochlearis; Pfeile: rechte bzw. linke AICA)
256 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Epidemiologie und Demographie. Relativ häufig bei Erwach-


senen, Prävalenz in Autopsien ca. 1%; WHO-Grad II und III
<10% aller Meningeome
Altersverteilung: Mittleres bis höheres Lebensalter
Geschlechtsverteilung: M < F
Assoziiert mit: Neurofibromatose Typ 2
3
Klinik. Die Mehrzahl der Fälle ist asymptomatisch, Symptoma-
tik von Lokalisation und raumfordernder Wirkung abhängig:
4 Mediale Keilbeinflügelmeniningeome: Gesichtsfeldausfälle
4 Konvexitätsmeningeome: Fokal-neurologische Ausfälle, An-
a fälle
4 Frontobasismeningeome: Anosmie

Verlauf und Prognose. Meist langsames Wachstum; atypische


und anaplastische neigen stark zu Rezidiven. Beim WHO-Grad-
III-Meningeom beträgt die 5-JÜR ca. 65%. Metastasen kommen
äußerst selten vor.
Komplikationen: Hineinwachsen in bzw. Verschluss eines ve-
nösen Sinus.

Sonstiges. Es gibt eine Vielzahl histologischer Subtypen (z.B.


transitionales oder meningotheliales Meningeom).
Multiple Meningeome sind assoziiert mit der Neurofibroma-
b
tose Typ 2 oder strahlenassoziiert.

Bildgebung. . Abb. 3.74 bis . Abb. 3.78


Lokalisation: Meningeal, meist supratentoriell
4 häufig: Falx (. Abb. 3.74), medialer Keilbeinflügel (. Abb.
3.76), Konvexität (. Abb. 3.75), Olfaktoriusrinne
4 selten: intraventrikulär

Morphologie: Breitbasiger Kontakt zu den Meningen


4 Oft »Dural Tail« (in bis zu 80% der Fälle): Schweifartig aus-
laufende KM-Aufnahme der angrenzenden Dura) → Cave:
nicht nur bei Meningeomen!
c 4 Grad-I-Tumor scharf gegen Hirnparenchym abgrenzbar
(Liquorsaum)
. Abb. 3.73a–c Intrameatales Lipom links (Pfeil). a: CISS; b: T1w; c: T1w + KM 4 Grad-II- und –III-Tumor: Unscharf begrenzt, infiltrativ
(. Abb. 3.75)
4 Oft angrenzende Hyperostose, intra- und transossäres
Literatur Wachstum möglich, höhergradige: Knochendestruktion
Cheng SF, Chen YI, Chang CY, Peng Y, Liao SL. Malignant peripheral nerve
4 In bis zu ¼ der Fälle Verkalkungen
sheath tumor of the orbit: malignant transformation from neurofibroma
without neurofibromatosis. Ophthal Plast Reconstr Surg. 2008;24:413-5.
4 Nekrosen, Zysten, Einblutungen sind möglich
Park WC, White WA, Woog JJ, Garrity JA, Kim YD, Lane J, Witte R, Babovic- 4 Verdrängt Hirnparenchym – Zeichen eines erhöhten intra-
Vuksanovic D. The role of high-resolution computed tomography and kraniellen Drucks? Mittellinienverschiebung
magnetic resonance imaging in the evaluation of isolated orbital neuro- 4 Mäßiges bis deutliches perifokales Ödem
fibromas. Am J Ophthalmol. 2006;142:456-63.
CT:
4 CT nativ:
3.2.14 Tumoren der Meningen 5 Variable Dichte: meist hyperdens, seltener iso- oder hypo-
dens
Meningotheliale Tumoren (Meningeome) 5 Verkalkungen variabler Morphologie
Definition. Bei einem Meningeom handelt es sich um einen ex- 5 Mäßiges bis deutliches perifokales Ödem
traaxialen Tumor, der von den Zellen der Arachnoidea ausgeht. 4 CT Knochenkernel: Hyperostose, Knochendestruktion, intra-
und transossäres Wachstum?
WHO-Klassifikation. WHO-Grad I, WHO-Grad II (atypisches 4 CT + KM: In der Regel kräftige, meist homogene KM-Aufnah-
Meningeom) oder WHO-Grad III (anaplastisches Meningeom) me, ggf. »Dura-Tail«
3.2 · Tumoren
257 3
MRT: 4 Zeitaufgelöste MRA: Exakte Darstellung der zu- und abfüh-
4 T1w: Iso- bis leicht hypointens im Vergleich zum Cortex renden Tumorgefäße
4 T2w/PDw/FLAIR: Variabel, evtl. kräftige Flow voids; mäßiges 4 DSA:
bis deutliches perifokales Ödem 5 Multipelste kleine, radiär verlaufende Gefäße mit lang-
4 CISS: Nachweis des Liquorsaums zwischen Meningeom und anhaltendem Blush bei Injektion in Externaäste
Hirnparenchym → Beurteilung hinsichtlich einer Infiltration 5 Zentrum wird typischerweise von duralen Ästen versorgt,
in Hirnparenchym → komplett erhaltener Liquorsaum spricht während die Peripherie von pialen Gefäßen versorgt wird
gegen eine Infiltration (. Abb. 3.75)
4 T2*w: Verkalkungen, Einblutungen 5 Ggf. zur Embolisation vor geplanter operativer Resektion
4 T1w + KM: In der Regel kräftige, meist homogene KM-Auf-
nahme, ggf. »Dural Tail« NUK:
4 DWI: Variabel, Ausmaß der Diffusionsrestriktion korreliert 4 PET:
nur begrenzt mit WHO-Grad 5 Grad I: Oft hypometabol im Vergleich zum Cortex
4 DTI: Mittlere FA-Werte im Bereich des perifokalen Ödems 5 Grad II und III: Hypermetabolismus
signifikant höher als bei perifokalem Ödem bei Gliomen
4 PWI: Volumen-Transfer-Konstante korreliert gut mit WHO- Differenzialdiagnosen. Hämangioperizytom, durale Metasta-
Grad sen, extramedulläre Blutbildung, Granulom bei Tbc oder Sar-
4 MRS: Alaninpeaks beschrieben koidose, meningeales Sarkom oder Osteosarkom
4 CTA/venöse MRA: Sinusinfiltration/Verschluss? (. Abb. 3.74)

a b

c d

. Abb. 3.74a–d Falxmeningeom mit Einwachsen in den distalen Sinus sagittalis superior. a: T2w; b–d: T1w + KM tra, cor und sag
258 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.75a–d Konvexitätsmeningeom. In T2w ist partiell um das Meningeom kein Liquorsaum mehr abgrenzbar (Pfeil in a). In der CE-MRA ist die durale
Blutversorgung des Zentrums gut erkennbar (Pfeil in d). a: T2w; b: T1w + KM; c, d: CE-MRA

Literatur Mesenchymale, nichtmeningotheliale Tumoren


Filippi CG, Edgar MA, Uluð AM, Prowda JC, Heier LA, Zimmerman RD.Appear- Hämangioperizytom
ance of meningiomas on diffusion-weighted images: correlating diffu-
Definition. Beim Hämangioperizytom handelt es sich um einen
sion constants with histopathologic findings. AJNR Am J Neuroradiol.
2001;22:65-72.
mesenchymalen, nichtmeningothelialen Gefäßtumor, der prin-
Guermazi A, Lafitte F, Miaux Y, Adem C, Bonneville JF, Chiras J. The dural tail zipiell in jeder Lokalisation auftreten kann.
sign-beyond meningioma. Clin Radiol. 2005;60:171-88. Früher wurden die Hämangioperizytome zu den Meningeo-
Hakyemez B, Yildirim N, Gokalp G, Erdogan C, Parlak M. The contribution of men gerechnet, heute weiß man, dass es sich um eine separate
diffusion-weighted MR imaging to distinguishing typical from atypical
Tumorentität handelt, die von den Perizyten (Zellen, die die Ka-
meningiomas. Neuroradiology. 2006;48:513-20.
Hutzelmann A, Palmié S, Buhl R, Freund M, Heller M. Dural invasion of menin-
pillaren umgeben) ausgehen.
giomas adjacent to the tumor margin on Gd-DTPA-enhanced MR images:
histopathologic correlation. Eur Radiol. 1998;8:746-8. WHO-Klassifikation. WHO-Grad II oder WHO-Grad III (ana-
Provenzale JM, McGraw P, Mhatre P, Guo AC, Delong D. Peritumoral brain re- plastisches Hämangioperizytom)
gions in gliomas and meningiomas: investigation with isotropic diffu-
sion-weighted MR imaging and diffusion-tensor MR imaging. Radiology.
2004;232:451-60.
Epidemiologie und Demographie. Ca. 2–4% der menigealen
Reinacher PC, Stracke P, Reinges MH, Hans FJ, Krings T. Contrast-enhanced Tumoren
time-resolved 3-D MRA: applications in neurosurgery and interventional Altersverteilung: Gipfel: 40.–50. Lebensjahr
neuroradiology. Neuroradiology. 2007;49 Suppl 1:S3-13. Geschlechtsverteilung: M > F
Toh CH, Castillo M, Wong AM, Wei KC, Wong HF, Ng SH, Wan YL. Differentiation
between classic and atypical meningiomas with use of diffusion tensor
imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:1630-5.
Klinik. Kopfschmerzen, fokal-neurologische Ausfälle in Abhän-
Yang S, Law M, Zagzag D, Wu HH, Cha S, Golfinos JG, Knopp EA, Johnson G. gigkeit von Lokalisation.
Dynamic contrast-enhanced perfusion MR imaging measurements of
endothelial permeability: differentiation between atypical and typical Verlauf und Prognose. Schnelleres Wachstum als Meningeome;
meningiomas. AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:1554-9.
können extrakraniell metastasieren (z.B. Lymphknoten, Leber,
Lunge, Knochen). Die 5-JÜR liegt bei >90%. Lokalrezidive nach
OP häufig.
3.2 · Tumoren
259 3

a b c

d e

. Abb. 3.76a–e Mediales Keilbeinflügelmeningeom rechts mit intraorbitalen Tumoranteilen (Stern in a und b) und ossärer Destruktion (Pfeil in e).
a: T2w; b–d: T1wFS + KM tra, cor und sag; e: CT nativ im Knochenkernel

a b c

. Abb. 3.77a–c Linksseitiges frontobasales Meningeom. a: T2w, b; c: T1w + KM tra und sag
260 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.78a–c Meningeom in der Pinealisloge. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag

Bildgebung. . Abb. 3.79, . Abb. 3.80 Literatur


Lokalisation: Extraaxial, dural, meist supratentoriell (okzipital) Akiyama M, Sakai H, Onoue H, Miyazaki Y, Abe T. Imaging intracranial haeman-
giopericytomas: study of seven cases. Neuroradiology. 2004;46:194-7.
Morphologie: Basis zur Dura hin gerichtet »dural tail« möglich
Chang CC, Kuwana N, Tanabe Y, Kitamura H. Haemangiopericytoma of
(. Abb. 3.79): occipital bone with invasion of the transverse sinus. J Clin Neurosci.
4 Breitbasig (70%) oder gestielt (30%) der Dura aufsitzend 1999;6:515-8.
4 Oft irregulär, lobuliert begrenzt Radner H, Blümcke I, Reifenberger G, Wiestler OD. The new WHO classification
4 Multiple Flow-voids of tumors of the nervous system 2000. Pathology and genetics. Patho-
loge. 2002;23:260-83.
4 Zysten und nekrotische Anteile möglich
Sibtain NA, Butt S, Connor SE. Imaging features of central nervous system
4 Verschluss venöser, duraler Sinus als Komplikation möglich haemangiopericytomas. Eur Radiol. 2007;17:1685-93.
4 Umgebungsödem im angrenzenden Parenchym
4 Evtl. Hydrozephalus
4 +/– Erosion der Schädelkalotte
4 Keine Verkalkungen, keine Hyperostose (im Gegensatz zum 3.2.15 Tumoren unklarer Histiogenese
Meningeom!)
Hämangioblastome
CT: Definition. Sehr gefäßreicher, benigner Tumor unklaren Ur-
4 CT nativ: Iso- bis hyperdens, evtl. heterogen bei Vorliegen von sprungs, der von der WHO als meningealer Tumor unklarer His-
Zysten und/oder nekrotischen Anteilen, Umgebungsödem tiogenese klassifiziert wird.
4 CT-Knochenkernel: Osteodestruktion
4 CT + KM: Kräftiges, homogenes Enhancement, inhomogen WHO-Klassifikation. WHO Grad I
wenn Zysten und/oder nekrotischen Anteile
Epidemiologie und Demographie. Circa 1–2% aller primär in-
MRT: trakranieller Tumoren, bis zu 10% aller Tumoren der HSG.
4 T1w: Heterogen, weitgehend kortexisointens Altersverteilung: sporadische Hämangioblastome im mittleren
4 T2w/PDw: Heterogen, weitgehend kortexisointens, promi- Lebensalter (40.–60. Lebensjahr)
nente Flow voids, Umgebungsödem Geschlechtsverteilung: M etwas > F
4 T1w + KM: Kräftige, homogene bis heterogene KM-Aufnah- Assoziiert mit: Von-Hippel-Lindau-Syndrom (7 Kap. 3.5.4),
me, in ca. der Hälfte der Fälle »dural tail« ca. 20–40% aller Hämangioblastome treten im Rahmen eines
4 Venöse MRA: Einwachsen in bzw. Verschluss eines duralen Von-Hippel-Lindau-Syndroms auf
Sinus
4 MRS: Myoinositolerhöhung (möglicherweise differenzial- Klinik.
diagnostisch hilfreich zur DD versus Meningeom) 4 Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel
4 meist Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks durch
NUK: Größenzunahme der Zyste
4 FDG-PET: Hypometabolismus im Vergleich zu Hirnrinde 4 Von-Hippel-Lindau-Syndrom siehe 7 Kap. 3.5.4)

Differenzialdiagnosen. Meningeom (bildgebende DD z.T. Verlauf und Prognose. Gutartig, langsames Wachstum, selten
schwierig bis unmöglich), meningeale Metastase, Lymphom, leptomeningeale Tumoraussaat; Von-Hippel-Lindau-Syndrom
Sarkoidose, Gliosarkom siehe 7 Kap. 3.5.4)
3.2 · Tumoren
261 3

a b c

. Abb. 3.79a–c Hämangioperizytom links mit »dural tail« (Pfeilspitzen in c). a: PDw; b, c: T1w + KM tra und cor

a b c

d e f

. Abb. 3.80a–f Hämangioperizytom. a: T2w; b: PDw; c: T1w; d, e: T1w + KM; f: CT


262 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Sonstiges. Zum Ausschluss weiterer Hämangioblastome zu- Epidemiologie und Demographie. Beim Erwachsenen dritt-
sätzlich MRT + KM der gesamten spinalen Achse. häufigster Hirntumor hinter Gliomen und Metastasen, in den
Zystenwand enthält nur selten Tumorzellen, besteht meist letzten Jahren zunehmende Inzidenz, v.a. bei immunsupprimier-
aus komprimiertem Tumorgewebe ten oder immunkompromittierten Patienten.
Altersverteilung: Abhängig von Immunstatus:
Bildgebung. . Abb. 3.81, . Abb. 3.82 4 Immunkompetente Patienten: Mittleres bis höheres Lebens-
3 Lokalisation: HSG (meist Kleinhirnhemispären, . Abb. 3.81), alter (Mittel: 60. Lebensjahr)
supratentoriell selten (5–10%, . Abb. 3.82) 4 Bei erworbener Immunschwäche: Jüngere Patienten (30.–
Morphologie: Meistens kleines, umschriebenes, solides Tumor- 40. Lebensjahr)
knötchen + größere Zyste, kann Einblutungen zeigen; seltener 4 Bei angeborener Immunschwäche auch Kinder und Jugend-
rein solider Tumor liche

CT: Geschlechtsverteilung: M > F


4 CT nativ: Zyste: hypodens; Knötchen: isodens
4 CT + KM: Kräftige KM-Aufnahme des Knötchens, in der Klinik.
Regel keine KM-Aufnahme der Zystenwand 4 Kognitive Einschränkungen, Vigilanzminderung
4 Fokal-neurologische Ausfälle, Anfälle
MRT: 4 Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, Kopf-
4 T1w: Zyste leicht hyperintens im Vergleich zu Liquor, Knöt- schmerzen
chen hirnisointens
4 T2w/PDw/FLAIR: Zyste und Knötchen hyperintens; in T2w Verlauf und Prognose. Trotz initial gutem Ansprechen auf Be-
prominente hypointense Flow voids möglich strahlung und Steroide schlechte Prognose; bei Immunschwäche
4 T2*w: Bei Einblutungen hypointense Areale schlechtere Prognose.
4 T1w + KM: Kräftige KM-Aufnahme des Knötchens, in der
Regel keine KM-Aufnahme der Zystenwand Sonstiges.
4 DWI: Zyste hypointens (freie Diffusion) 4 Liquor: Glucose erniedrigt, Proteinerhöhung
4 PWI: rCBV bei Hämangioblastom signifikant höher als bei 4 Leptomeningeale Aussaat möglich, aber selten, häufiger bei
pilozytischem Astrozytom systemischem Lymphom
4 DSA: Zyste avaskulär, Knötchen stark vaskularisiert (»Blush«), 4 Histologie: Meist B-Zell-Lymphom (>95%)
AV-Shunt mit früher Vene möglich
4 Spinales MRT + KM: Zum Ausschluss weiterer Hämangio- Bildgebung. . Abb. 3.83 bis . Abb. 3.86
blastome Das PZNSL ist ein Chamäleon und kann andere Krankheiten
imitieren.
Differenzialdiagnosen. Metastase, pilozytisches Astrozytom, Lokalisation:
Glioblastom, Kavernom 4 Meist supratentoriell (Frontal- und Parietallappen), infra-
tentorielle Lokalisation selten
Literatur 4 Vor allem periventrikulär, subependymal
Bing F, Kremer S, Lamalle L, Chabardes S, Ashraf A, Pasquier B, Le Bas JF, Krainik 4 Bei oberflächlicher kortikal/subkortikaler Lokalisation Kon-
A, Grand S. Value of perfusion MRI in the study of pilocytic astrocytoma and
takt zu Meningen möglich
hemangioblastoma: Preliminary findings. J Neuroradiol. 2009;36:82-7.
Kato M, Ohe N, Okumura A, Shinoda J, Nomura A, Shuin T, Sakai N. Heman-
4 Balkenbeteiligung möglich
gioblastomatosis of the central nervous system without von Hippel-
Lindau disease: a case report. J Neurooncol. 2005;72:267-70. Morphologie: Chamäleon!
Lee SR, Sanches J, Mark AS, Dillon WP, Norman D, Newton TH. Posterior fossa 4 Singuläre oder multiple (bis zu 40%) Herde, scharf begrenzt
hemangioblastomas: MR imaging. Radiology. 1989;171:463-8.
oder infiltrierend
Miyata S, Mikami T, Minamida Y, Akiyama Y, Houkin K. Suprasellar hemangio-
blastoma. J Neuroophthalmol. 2008;28:325-6.
4 Einblutungen und Nekrosen v.a. bei Patienten mit Immun-
schwäche
4 Mäßiges Umgebungsödem

3.2.16 Lymphome und Tumoren CT:


des hämatopoetischen Systems 4 CT nativ: Typischerweise hyperdens, selten isodens
4 CT + KM: Meist KM-Aufnahme, selten fehlende KM-Aufnah-
Primäres ZNS-Lymphom (PZNSL) me, Morphologie abhängig vom Immunstatus:
Definition. Bei primären ZNS-Lymphomen handelt es sich um 5 Immunsupprimierte Patienten: Meist randständig, ring-
extranodale Non-Hodgkin-Lymphome, die sich primär inner- förmig
halb des ZNS wie ein Hirntumor manifestieren. Auge bzw. Retina 5 Immunkompetente Patienten: Meist flächig homogen
können als Teil des ZNS dabei entweder initial mitbetroffen sein 5 Nach Therapie Verkalkungen möglich
oder im weiteren Verlauf befallen werden.
3.2 · Tumoren
263 3

a b c

d e f

. Abb. 3.81a–f Infratentorielles Hämangioblastom mit kontrastmittelaufnehmendem Knötchen (Pfeil in c). a: T2w; b: T1w; c–e: T1w + KM tra, sag und cor;
f: DWI; B1000

a b c

d e f

. Abb. 3.82a–f Supratentorielles Hämangioblastom mit kontrastmittelaufnehmendem Knötchen (Pfeile in c und e). a, b: T2w; c–f: T1w + KM cor, tra und sag
264 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

MRT: Literatur
4 T1w: Kortexiso- bis hypointens; bei Immunschwäche hetero- Bhagavathi S, Wilson JD. Primary central nervous system lymphoma. Arch
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Camacho DL, Smith JK, Castillo M. Differentiation of toxoplasmosis and lym-
4 T2w/PDw: Kortexiso- bis hypointens (sehr zellreich); bei Im- phoma in AIDS patients by using apparent diffusion coefficients. AJNR
munschwäche heterogener (Nekrosen, Einblutungen) Am J Neuroradiol. 2003;24:633-7.
4 FLAIR: Siehe T2w, manchmal auch hyperintens Ernst TM, Chang L, Witt MD, Aronow HA, Cornford ME, Walot I, Goldberg MA.
3 4 T2*w: Hypointense Areale bei Einblutungen Cerebral toxoplasmosis and lymphoma in AIDS: perfusion MR imaging
experience in 13 patients. Radiology. 1998;208:663-9.
4 T1w + KM: Meist KM-Aufnahme, selten fehlende KM-Auf-
Feiden W, Milutinovic S. Primary CNS lymphomas. Morphology and diagnosis.
nahme, Morphologie abhängig vom Immunstatus: Pathologe. 2002;23:284-91.
5 Immunsupprimierte Patienten: Meist randständig, ring- Fischer L, Martus P, Weller M, Klasen HA, Rohden B, Röth A, Storek B, Hummel
förmig M, Nägele T, Thiel E, Korfel A. Meningeal dissemination in primary CNS
5 Immunkompetente Patienten: Meist flächig homogen lymphoma: prospective evaluation of 282 patients. Neurology.
2008;71:1102-1108.
4 DWI: Diffusionsrestriktion mit ADC-Minderung häufig
Mohile NA, Deangelis LM, Abrey LE. Utility of Brain FDG-PET in Primary CNS
4 PWI: rCBV erhöht Lymphoma. Clin Adv Hematol Oncol. 2008;6:818-40.
4 MRS: Unspezifisch, NAA-Erniedrigung, Cholinerhöhung Schroeder PC, Post MJ, Oschatz E, Stadler A, Bruce-Gregorios J, Thurnher MM
Analysis of the utility of diffusion-weighted MRI and apparent diffusion
NUK: coefficient values in distinguishing central nervous system toxoplasmo-
sis from lymphoma. Neuroradiology. 2006;48:715-20.
4 FDG-PET: Hypermetabolimus

Seltene Manifestationsformen bzw. Varianten


des PZNSL 3.2.17 Keimzelltumoren
Primär leptomeningeales B-Zell-Lymphom
Das primäre leptomeningeales B-Zell-Lymphom ist sehr selten. Keimzelltumoren sind dysontogenetische Tumoren, die Derivate
aller drei Keimblätter enthalten können. Sie gehen von omnipo-
Diagnostik. Nachweis neoplastischer B-Blasten im Liquor. tenten primordialen Keimzellen aus, die sich in embryonale und
extraembryonale Strukturen (Dottersack- oder Choriongewebe)
Bildgebung. Leptomeningeale KM-Anreicherung entwickeln können. Die Anlage der Keimzelltumoren erfolgt
immer in der Embryonalzeit, sie können gonadal und extragona-
Intravaskuläres B-Zell-Lymphom dal lokalisiert sein.
(angiozentrisches Lymphom) Keimzelltumoren des ZNS sind vor allem bei jungen Patien-
Klinik: Oft Vaskulitis, vaskuläre Demenz, typisch ist ein gleich- ten im Bereich der Mittellinienstrukturen nachweisbar. Unter-
zeitiger Befall der Haut. schieden werden:
4 Germinome
Bildgebung. 4 Teratome
CT: 4 Embryonale Karzinome
4 CT nativ: Oft unauffällig oder asymmetrische fokale, hypo- 4 Dottersacktumoren
dense Marklagerläsionen 4 Chorionkarzinome
4 CT + KM: Flaue KM-Aufnahme möglich
Oft finden sich gemischte maligne Keimzelltumoren, die Anteile
MRT: Multifokale Marklagerläsionen in T1w hypo- in T2w hy- verschiedener dieser Tumorentitäten aufweisen.
perintens Die Bildgebung trägt nur begrenzt zur Differenzialdiagnose
4 T2w: Auch hyperintense, ischämieähnliche Läsionen im zwischen den einzelnen intrakraniellen Keimzelltumoren bei.
Cortex, Einblutungen möglich
4 DWI: Diffusionsrestriktion möglich Literatur
4 T1 + KM: Variable, inhomogene KM-Aufnahme Fujimaki T, Matsutani M, Funada N, Kirino T, Takakura K, Nakamura O, Tamura A,
Sano K. CT and MRI features of intracranial germ cell tumors. J Neurooncol.
1994;19:217-26.
Differenzialdiagnosen. Toxoplasmose (zur DD siehe auch Liang L, Korogi Y, Sugahara T, Ikushima I, Shigematsu Y, Okuda T, Takahashi M,
7 Kap. 4.6), Abszess, Glioblastom, PML, Metastase, MS, ADEM Kochi M, Ushio Y. MRI of intracranial germ-cell tumours. Neuroradiology.
2002;44:382-8.
Primär nodales, d.h. extrazerebrales Lymphom Ueno T, Tanaka YO, Nagata M, Tsunoda H, Anno I, Ishikawa S, Kawai K, Itai Y.
Spectrum of germ cell tumors: from head to toe. Radiographics.
Großzellige B-Zell-Lymphome im Stadium IV zeigen oft einen
2004;24:387-404.
meningealen Befall (Meningeosis blastomatosa).
Eine PZNSL-typische, tumorartige, intrazerebrale Manifes-
tation kann ebenfalls im Verlauf primär extrazerebraler B-Zell-
Lymphome vorkommen, ist jedoch selten (Einzelfälle).
3.2 · Tumoren
265 3

a b c

d e

f g

. Abb. 3.83a–i ZNS-Lymphom rechts frontal.


a, b: T2w; c–e: T1w + KM sag und tra;
f ,g: DWI, B1000; h, i: ADC-Map; die kontrast-
mittelaufnehmenden Tumoranteile zeigen eine
h i
Diffusionsrestriktion mit ADC-Minderung
266 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

. Abb. 3.84a, b Periventrikulär lokalisiertes ZNS-Lymphom. a: T2w; b: T1w + KM

a b c

d e

. Abb. 3.85a–e Primäres ZNS-Lymphom links frontal im Marklager mit frischer hämorrhagischer Imbibierung (Pfeil in e). a: T2w; b: FLAIRw; c: T1w;
d: T1w + KM; e: T2*w
3.2 · Tumoren
267 3

a b c

. Abb. 3.86a–c Thalamisch-mesenzephal lokalisiertes ZNS-Lymphom. a: T2w; b: T1w + KM; c: DWI, B1000

Germinome Sonstiges. Germinome exprimieren Antikörper gegen plazen-


Synonyme. Dysgerminom, früher: atypisches Teratom tare alkalische Phosphatase (PLAP).
Ist der Tumor simultan in verschiedenen Lokalisationen
Definition. Keimzelltumor, der histopathologisch einem Se- (Pinealisloge, suprasellär, Stammganglien/Thalamus) nachweis-
minom des Hodens bzw. einem Dysgerminom des Ovars ent- bar, wird das in den USA als metastatisches Wachstum, in Europa
spricht. jedoch als synchrones Wachstum gewertet.

Epidemiologie und Demographie. Selten (ca. 1% aller Hirntu- Bildgebung. . Abb. 3.87 bis . Abb. 3.89
moren), deutlich häufiger in Asien (ca. 10% aller Hirntumoren); Lokalisation: Mittelliniennah; häufigste Lokalisation: Pinealis-
häufigster intrakranieller Keimzelltumor loge; weitere Lokalisationen: suprasellär, Stammganglien, Thala-
Altersverteilung: Kinder und Jugendliche mus; andere Lokalisationen sehr selten
Geschlechtsverteilung: M:F = 1,5–2:1 (Germinome der Pinea- Morphologie: Meist scharf begrenzt; größere Tumoren können
lisloge: M:F = 10:1, supraselläre Germinome: M < F) nekrotische und/oder zystische Anteile und/oder Einblutungen
Assoziiert mit: zeigen; evtl. Hydrozephalus
4 Neurofibromatose Typ 1 CT:
4 Down-Syndrom 4 CT nativ: Umschriebene, hyperdense RF
4 Klinefelter Syndrom 4 CT + KM: Kräftige, homogene KM-Aufnahme
5 Liquoraussaat?
Klinik. Abhängig von Lokalisation: 5 Infiltration des angrenzenden Parenchyms (z.B. Ventri-
4 Pinealisregion: Parinaud-Syndrom (vertikale Blickparese kelwand)
und Konvergenzstörung)
5 Hydrozephalus → Zeichen eines erhöhten intrakraniellen MRT:
Drucks 4 T1w: Kortexiso- bis hyperintens
5 Diabetes insipidus 4 T2w: Kortexiso- bis hyperintens (zellreich), nekrotische oder
4 Supraselläre Zisterne: Gesichtsfeldausfälle, Diabetes insi- zystische Anteile kräftig hyperintens, ggf. hypointense Areale
pidus, hypothalamisch-hypophysäre Funktionsstörungen bei Einblutungen
(z.B. Amenorrhö, hypogonadotroper Hypogonadismus, Hy- 4 FLAIR: Leicht hyperintens im Vergleich zum Cortex
perprolaktinämie, Nebennierenrindeninsuffizienz, Wachs- 4 DWI: Diffusionsrestriktion (zellreich)
tumshormonmangel) 4 T2*w: Ggf. hypointense Areale bei Einblutungen
4 Stammganglien/Thalamus: Hemiparese, Diabetes insipidus 4 T1w + KM: Kräftige, homogene KM-Aufnahme
5 Liquoraussaat?
Verlauf und Prognose. Maligner Tumor, der jedoch sehr strah- 5 Infiltration des angrenzenden Parenchyms (z.B. Ventrikel-
len- und chemotherapiesensibel ist → unter Therapie: 5-JÜR wand)
ca. 90% 4 MRS: NAA erniedrigt, Cholin erhöht, Laktatpeak möglich
4 Spinales MRT + KM: Metastasenausschluss!
> Germinome neigen zum invasivem Wachstum und
zur Liquoraussaat, deshalb zum Metastasenausschluss
immer ein spinales MRT + KM anfertigen.
268 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Differenzialdiagnosen. 4 T2w/PDw: Solider Weichteilanteil ist iso- bis hyperintens,


Pinealisloge: Pinealoblastom, Pinealozytom, andere Keimzell- zystische Anteile kräftig hyperintens
tumoren, Meningeom, Retinoblastom 4 FLAIR: Gemischtes Signal, solider Weichteilanteil hyper-
Suprasellär: PNET, Metastase, Sarkoidose, Kraniopharyngeom, intens, Zysten niedriges Signal
Astrozytom, Langerhans-Zell-Histiozytose 4 T2*w: verkalkte Anteile hypointens
4 T1w + KM: KM-Anreicherung des weichteildichten Tumor-
3 Literatur anteils
Chernov MF, Kawamata T, Amano K, Ono Y, Suzuki T, Nakamura R, Muragaki Y,
Iseki H, Kubo O, Hori T, Takakura K. Possible role of single-voxel (1)H-MRS
Ultraschall: Zum intrauterinen Tumor-Nachweis
in differential diagnosis of suprasellar tumors. J Neurooncol. 2009;91:
191-8.
Haque F, Zahid M, Ahmad SA, Naseem S. Synchronous germinomas in the Differenzialdiagnosen. Embryonales Karzinom, Germinom,
pineal and suprasellar region. Indian Pediatr. 2005;42:376-9. Dermoid, Pineoblastom, PNET, Kraniopharyngeom, Astrozytom
Ueno T, Tanaka YO, Nagata M, Tsunoda H, Anno I, Ishikawa S, Kawai K, Itai Y.
Spectrum of germ cell tumors: from head to toe. Radiographics. Literatur
2004;24:387-404.
Cassart M, Bosson N, Garel C, Eurin D, Avni F. Fetal intracranial tumors: a re-
Yamana D, Tohyama J, Mike T, Fukaya N, Okano M, Mimura M, Banno T, Ohba S.
view of 27 cases. Eur Radiol. 2008;18:2060-6.
Germinoma arising in the basal ganglia in early stage: CT and MR findings.
Nejat F, Kazmi SS, Ardakani SB. Congenital brain tumors in a series of seven
Radiat Med. 1995;13:305-8.
patients. Pediatr Neurosurg. 2008;44:1-8.
Saada J, Enza-Razavi F, Delahaye S, Martinovic J, Macaleese J, Benachi A. Early
Teratome second-trimester diagnosis of intracranial teratoma. Ultrasound Obstet
Definition. Bei einem Teratom handelt es sich um einen Keim- Gynecol. 2009;33:109-11.
Woodward PJ, Sohaey R, Kennedy A, Koeller KK. From the archives of the AFIP:
zelltumor mit embryonaler Differenzierung, der Anteile aller 3
a comprehensive review of fetal tumors with pathologic correlation.
Keimblätter enthält. Radiographics. 2005;25:215-42.

Klassifikation.
4 Reifes Teratom Embryonale Karzinome
4 Unreifes Teratom Definition. Maligner Keimzelltumor aus undifferenzierten Zel-
4 Teratom mit maligner Transformation len mit epithelialem Charakter.

Epidemiologie und Demographie. Ca. 3% aller pädiatrischen Epidemiologie und Demographie. Sehr selten, in Asien häu-
Hirntumoren, in Asien häufiger figer.
Altersverteilung: Neugeborene, Säuglinge (oft Nachweis schon Altersverteilung: Kinder meist kurz vor der Pubertät, selten
in utero) Kleinkinder
Geschlechtsverteilung: M > F Geschlechtsverteilung: M > F

Klinik. Parinaud-Syndrom (vertikale Blickparese und Konver- Klinik. Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, Pa-
genzlähmung), Makrozephalus rinaud-Syndrom bei Lokalisation in der Pinealisloge, Sehstö-
rungen bei suprasellärer Lokalisation, endokrine Funktionsstö-
Verlauf und Prognose. Abhängig von der histologischen Klas- rungen
sifikation und der Größe des Tumors; insgesamt schlechte Prog-
nose bei Feten. Sonstiges. Liquoraussaat → präoperative MRT + KM der gesam-
ten spinalen Achse!
Bildgebung.
Lokalisation: Mittellinie: Chiasma opticum, Pinealisloge, meist Bildgebung. Bildgebende DD versus andere intrakranielle
supratentoriell Keimzelltumoren schwierig.
Morphologie: Kleine Tumoren sind rundlich bis lobuliert, kön- Lokalisation: Mittellinie: Pinealisloge, suprasellär
nen riesig (holozephal) sein. Morphologie: Glatt begrenzt rundlich oder lobuliert, heterogen,
CT: Zysten und Einblutungen; Hydrozephalus
4 CT nativ: »Buntes Bild«: fettige Anteile, Verkalkungen, Zys- CT:
ten und solide, weichteildichte Tumoranteile 4 CT nativ: Iso- bis hyperdens
4 CT + KM: KM-Anreicherung des weichteildichten Tumor- 4 CT + KM: Solide Anteile zeigen KM-Aufnahme; Liquoraus-
anteils saat?

MRT:
4 T1w: Inhomogene Binnenstruktur: fettige Anteile sind hy-
perintens, verkalkte Anteile zeigen variable Signalintensität,
zystische Anteile sind hypointens
4 T1w + FS: DD fettige Anteile versus Einblutungen
3.2 · Tumoren
269 3

a b c

d e f

g h i

. Abb. 3.87a–i Germinom mit Manifestation in der Pinealisloge (Sterne) und am Infundibulum (Pfeilspitzen) und spinaler Aussaat (Pfeil in h). a, b: FLAIRw tra
und cor; c: T2w; d–f: T1w + KM, tra und sag; g: DWI, B1000; h: CT nativ (Pfeil: kleine Verkalkung); i: T1 + KM sag
270 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.88a–c Germinom mit Manifestation in der Pinealisloge (Stern in a und c), suprasellär (Pfeilspitzen in c) und in der Fossa interpeduncularis (durch-
gestrichene Pfeile in b und c) sowie subependymal (gebogener Pfeil in a). a–c: T1w + KM, tra und sag

a b

. Abb. 3.89a, b Partiell verkalktes Germinom in der Pinealisloge (Pfeilspitzen in b). a: CT nativ (Pfeil: Verkalkungen); b: T1w nativ sag

a b c

. Abb. 3.90a–c Teratom in der Pinealisloge und der Cisterna quadrigemina mit größeren zystischen Anteilen. a: CT nativ, b, c: T1w + KM tra und sag
3.2 · Tumoren
271 3

a b c

d e f

. Abb. 3.91a–f Vorwiegend hypothalamisch lokalisiertes Teratom. a, b: CT nativ (Pfeil in a: kleine Verkalkungen); c: T2w; d–f: T1w + KM tra, cor und sag

MRT: 3.2.18 Metastasen und Meningeosis neoplastica


4 T1w: Solide Anteile iso- bis hypointens, eingeblutete Areale
hyperintens Metastasen
4 T2w: Kortexiso- bis leicht hyperintens Definition. Intrazerebrale Metastasen extrakranieller Tumoren
4 FLAIR: Solide Anteile hyperintens oder primärer Hirntumoren.
4 T2*w: Hypointense Foci = Einblutungen
4 T1w + KM: Heterogene KM-Aufnahme der soliden Anteile; Epidemiologie und Demographie. Metastasen stellen bis zu
Liquoraussaat? 50% aller intrazerebralen Tumoren dar. Autoptisch bei ca. ¼ aller
4 Spinales MRT + KM: Liquoraussaat? Tumorpatienten nachweisbar.
Altersverteilung: Inzidenz nimmt im Alter zu. Die Prävalenz ist
Differenzialdiagnosen. Germinom, Teratom, Chorionkarzinom, bei Patienten >65 Jahre am höchsten.
Dottersacktumor, maligner gemischter Keimzelltumor, PNET, Geschlechtsverteilung: M etwas > F
Dermoid, Plexuskarzinom
Klinik. Abhängig von Lokalisation: Anfälle, fokal neurologische
Literatur Ausfälle; »schlaganfallartige« klinische Präsentation als ICB
Fujimaki T, Matsutani M, Funada N, Kirino T, Takakura K, Nakamura O, Tamura A, möglich
Sano K. CT and MRI features of intracranial germ cell tumors. J Neurooncol.
1994;19:217-26.
Liang L, Korogi Y, Sugahara T, Ikushima I, Shigematsu Y, Okuda T, Takahashi M,
Verlauf und Prognose. Mittlere Überlebenszeit nach Ganz-
Kochi M, Ushio Y. MRI of intracranial germ-cell tumours. Neuroradiology. hirnbestrahlung: 3–6 Monate.
2002;44:382-8.
Sonstiges.
4 Häufigste Primärtumoren: Bronchialkarzinom, Mammakar-
zinom, malignes Melanom
4 In 10% unbekannter Primärtumor
4 Metastasen folgender Primärtumoren neigen zu Einblutun-
gen: Malignes Melanom, Nierenzellkarzinom, Choriokar-
zinom, Bronchialkarzinom
272 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Bildgebung. . Abb. 3.92 bis . Abb. 3.96 Altersverteilung: Inzidenz nimmt im Alter zu. Die Prävalenz ist
Lokalisation: Überall möglich; oft an der Mark-Rinden-Grenze; bei Patienten >65 Jahre am höchsten.
supratentoriell > infratentoriell; seltene extraparenchymale Loka- Geschlechtsverteilung: M etwas > F
lisationen sind: Leptomeningen, Sellaregion (. Abb. 3.96), Pinea-
lisloge, Plexus choroideus, Ventrikelependym Klinik. Abhängig von Lokalisation: Anfälle, fokal neurologische
Morphologie: In der Regel rundlich, glatt begrenzt; in ca. 50% Ausfälle; »schlaganfallartige« klinische Präsentation als ICB
3 der Fälle multipel. Variables perifokales Ödem von leicht bis aus- möglich
geprägt. Einige Metastasen neigen zu Einblutungen → initiale
Präsentation als ICB möglich. Sehr selten: Diffus infiltrierendes Verlauf und Prognose. Auftreten meist im Spätstadium einer
Wachstum mit perivaskulärer Ausbreitung (z.B. perivaskuläres Tumorerkrankung → Prognose schlecht
Lymphom) oder perineuronaler Ausbreitung.
CT: Sonstiges.
4 CT nativ: Iso- bis hypodens, hyperdens wenn eingeblutet 4 Liquorpunktion ist die Methode der Wahl zum Nachweis von
4 CT + KM: Kräftiges, noduläres oder randständiges Enhance- Tumorzellen
ment 4 Solide Tumoren, die zu einer Meningeosis neigen: Mamma-
karzinom, Bronchialkarzinom, malignes Melanom
MRT:
4 T1w: Bildgebung. . Abb. 3.97
5 Meist iso- bis hypointens, hyperintens falls subakut ein- Goldstandard zum Nachweis einer Meningeosis neoplastica ist
geblutet der Nachweis von Tumorzellen im Liquor, nicht die Bildgebung!
5 einige Metastasen sind primär T1w-hyperintens, z.B. Me- Lokalisation: Ventrikelwände, Meningen
tastasen des malignen Melanoms (. Abb. 3.95) Morphologie: kleinknotige oder rasenförmige Ausbreitung; evtl.
4 T2w/PDw/FLAIR: Variabel, meist mäßig hyperintens, mäßig Hydrozephalus
bis deutlich hyperintenses perifokales Ödem CT: Wenig sensitiv; evtl. Hydrozephalus als Hinweis
4 T2*w: Hypointens, wenn eingeblutet MRT:
4 T1w + KM:
> MRT vor einer geplanten Liquorpunktion durchführen,
5 Meist kräftige KM-Aufnahme
da sonst diagnostische Unsicherheit durch postpunk-
5 T1wFS + KM oder T1w + KM + Magnetisierungstransfer
tionelle unspezifische KM-Aufnahme!
können die Sensitivität erhöhen
5 Eine doppelte oder dreifache KM-Dosis erhöht die Sensi- 4 T2w: Hydrozephalus?
tivität für den Nachweis parenchymaler Metastasen 4 T1w + KM (zerebral und spinal): Kleinknotige oder rasenför-
5 Spätaufnahmen (nach 20–30 min): Evtl. Nachweis wei- mige KM-Aufnahme der Meningen
terer Läsionen
4 DWI: ADC-Wert meist erhöht, keine Diffusionsrestriktion Literatur
4 PWI: rCBV bei hypervaskularisierten Metastasen (Malignes Guzel A, Maciaczyk J, Dohmen-Scheufler H, Senturk S, Volk B, Ostertag CB,
Nikkhah G. Multiple intracranial melanoma metastases: case report and
Melanom, Nierenzellkarzinom) erhöht
review of the literature. J Neurooncol. 2009;93:413-20.
4 MRS: Cr-Peak fehlt in bis zu 85% der Fälle, oft Lipid- und Hollingworth W, Medina LS, Lenkinski RE, Shibata DK, Bernal B, Zurakowski D,
Laktatpeaks, deutlich Cho-Peak; geringe diagnostische Wer- Comstock B, Jarvik JG. A systematic literature review of magnetic reso-
tigkeit für DD Metastase versus High-Grade-Gliom nance spectroscopy for the characterization of brain tumors. AJNR Am J
Neuroradiol. 2006;27:1404-11.
Hsieh MJ, Lu CH, Tsai NW, Lui CC, Chuang YC, Huang CR, Chen SF, Chang CC,
Differenzialdiagnosen. Glioblastom, anaplastisches Astrozy-
Chang HW, Chang WN. Prediction, clinical characteristics and prognosis
tom, Oligodendrogliom, Abszess, MS, ADEM of intracerebral hemorrhage in hepatocellular carcinoma patients with
intracerebral metastasis. J Clin Neurosci. 2009;16:394-8.
Meningeosis neoplastica Lukas L, Devos A, Suykens JA, et al. Brain tumor classification based on long
Synonyme. in Abhängigkeit vom Primärtumor auch Menin- echo proton MRS signals. Artif Intell Med. 2004;31:73-89.
Opstad KS, Murphy MM, Wilkins PR, et al. Differentiation of metastases from
geosis carcinomatosa (bei Karzinomen), Meningeosis lympho-
high-grade gliomas using short echo time 1H spectroscopy. J Magn
matosa (bei Lymphomen), Meningeosis sarcomatosa (bei Sarko- Reson Imaging. 2004;20:187-92.
men) Yuh WT, Tali ET, Nguyen HD, Simonson TM, Mayr NA, Fisher DJ. The effect
of contrast dose, imaging time, and lesion size in the MR detection of
Definition. Ausbreitung von Tumorzellen im Liquorraum intracerebral metastasis. AJNR Am J Neuroradiol. 1995;16:373-80.

Epidemiologie und Demographie. Häufigkeit der Meningeosis


neoplastica insgesamt bei allen malignen Erkrankungen im Ver-
lauf ca. 10%.
3.2 · Tumoren
273 3

a b c

. Abb. 3.92a–c Singuläre Metastase eines Bronchialkarzinoms in der rechten Kleinhirnhemisphäre. a: T2w; b: T1w + KM; c: DWI, B 1000

a b

c d

. Abb. 3.93a–d Singuläre Metastase eines Bronchialkarzinoms links temporal. a: T2w; b, c: T1 w + KM; d: DWI, B1000
274 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.94a–c Große, überwiegend zystische Metastase rechts. a: T2w; b, c: T1w + KM, tra und sag

a b c

d e f

. Abb. 3.95a–f Multiple Melanommetastasen. a: FLAIR w; b: T1w nativ; c: T2*w; d–f: T1w + KM tra, cor und sag

a b c

. Abb. 3.96a–c Meningeale Metastasierung eines Tränengangkarzinoms. a–c: T1w + KM tra und sag
3.2 · Tumoren
275 3

a b

c d

. Abb. 3.97a–d Meningeosis carcinomatosa bei Mammakarzinom mit leptomeningealer KM-Aufnahme (b–d).
a: PDw; b-d: T1w + KM tra, sag und cor

3.2.19 Tumoren der Sellaregion Klinik. Mikroadenome sind oft asymptomatisch, sofern sie nicht
hormonaktiv sind (s. u.). Bei hormonaktiven Hypophysenadeno-
Hypophysenadenom men treten endokrine Funktionsstörungen auf:
Definitionen. Bei einem Hypophysenadenom handelt es sich 4 Prolaktin-produzierendes Adenom: Amenorrhö, Galaktorrhö
um einen gutartigen intra- und suprasellären Tumor, der von den 4 Wachstumshormon-produzierendes Adenom: Akromegalie,
Pituizyten der Adenohypophyse ausgeht. Gigantismus
Mikroadenom: Hypophysenadenom bis 10 mm Durchmesser
Makroadenom: Hypophysenadenom über 10 mm Durchmesser Bei Makroadenomen Gesichtsfeldausfälle durch Chiasmakom-
pression → bitemporale Hemianopsie.
WHO-Klassifikation. WHO-Grad I, Karzinome sind äußerst
selten. Verlauf und Prognose. Gutartig, in der Regel langsames Wachs-
tum, jedoch variabel; maligne Entartung extrem selten; manche
Epidemiologie und Demographie. Hypophysenadenome zeigen eine hohe Rezidivrate.
4 10–15% aller intrakraniellen Tumoren Komplikation: Hypophysenapoplex bei Einblutung (7 Exkurs
4 10–20% Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung und bei Aut- »Nicht neoplastische intra- und paraselläre Erkrankungen)
opsien (viele »Inzidentaloma«), dabei v.a. asymptomatische
Mikroadenome Sonstiges. Hypophysenmikro- und -makroadenome können
4 ca. 60% der symptomatischen Adenome sind Makroade- hormonaktiv sein (75%), am häufigsten produzieren sie Pro-
nome laktin, können aber auch ACTH, Wachstumshormon, TSH oder
gonadotrope Hormone sezernieren.
Altersverteilung: Jüngere Erwachsene bis Erwachsene mittleren
Alters
Geschlechtsverteilung: Prolaktiome: M < F
276 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Bildgebung. . Abb. 3.98 bis . Abb. 3.101 MRT:


Lokalisation: Intra- und suprasellär 4 T1w: Meist kortexisointens, hyperintense Areale bei Einblu-
4 Bei großen Tumoren Ausdehnung in Richtung Schädelbasis, tungen
vordere, mittlere oder hintere Schädelgrube möglich 4 T2w: Meist kortexisointens, ggf. hyperintense Zysten, hypo-
4 Einwachsen in Sinus cavernosus möglich → oft schwer zu intense Einblutungen
beurteilen, da mediale Wand des Sinus cavernosus nicht gut 4 FLAIR: hyperintens im Vergleich zum Kortex
3 abgrenzbar im MRT 4 T2*w: Hypointense Einblutungen?
4 Sehr selten ektope Adenome (III. Ventrikel, Clivus) 4 T1w + KM: Kräftige, meist heterogene KM-Aufnahme,
manchmal leichte KM-Aufnahme der angrenzenden Dura
Mikroadenome (. Abb. 3.98, . Abb. 3.99): (»Dural Tail«)
Morphologie: Rundlich, glatt begrenzt
Differenzialdiagnosen.
! Hypophysenstiel in die entgegengesetzte Richtung,
Makroadenom: Hyperplasie der Hypophyse, Kraniopharyn-
d.h. vom Adenom weg verlagert.
geom, Aneurysma der ACI, Diaphragma-sellae-Meningeom
CT nativ: Meist unauffällig, isodens, sofern nicht eingeblutet (. Abb. 3.102), Metastase, lymphozytäre Hypophysitis
MRT: Mikroadenom: Rathke-Taschenzyste, Hyperplasie der Hypo-
4 T1w: Meist isointens zur normalen Hypophyse → oft unauf- physe, Kraniopharyngeom
fällig, wenn eingeblutet: hyperintense Areale
4 T2w: Isointens zur normalen Hypophyse → oft unauffällig Literatur
4 T1w + KM: KM-Aufnahme verzögert im Vergleich zum nor- Friedman TC, Zuckerbraun E, Lee ML, Kabil MS, Shahinian H. Dynamic pitui-
tary MRI has high sensitivity and specificity for the diagnosis of mild
malem Hypophysengewebe
Cushing’s syndrome and should be part of the initial workup. Horm
> Zum Nachweis von Mikroadenomen sind dynamische Metab Res. 2007;39:451-6.
Serhal D, Weil RJ, Hamrahian AH. Evaluation and management of pituitary
T1w + KM-Aufnahmen der Sella-Region sensitiver →
incidentalomas. Cleve Clin J Med. 2008;75:793-801.
repetitive, koronare 2 oder 3 mm dicke T1w-Schichten Tomczak R, Merkle E, Fiala S, Rilinger N, Brambs HJ, Rieber A. Value of dynamic
(alle 10–15 s) über der Sellaregion während Bolus-KM- MRI in the diagnosis of hypophyseal microadenomas. Rofo. 1998;168:488-
Gabe → das Mikroadenom zeigt eine im Vergleich zur 92.
normalen Adenohypophyse verzögerte KM-Aufnahme,
d.h. das Adenom stellt sich relativ hypointens auf den Kraniopharyngeom
frühen dynamischen Aufnahmen dar und erreicht erst
Definition. Bei einem Kraniopharyngeom handelt es sich um
verzögert eine gleiche Intensität wie normales Adeno-
einen gutartigen, dysontogenetischen, epithelialen Tumor, der
hypophysengewebe.
vom Epithel der Rathke-Tasche ausgeht.

Makroadenome (. Abb. 3.100, . Abb. 3.101): WHO-Klassifikation. WHO-Grad I


Morphologie: Wenn intra- und suprasellär → Aussehen häufig in
Form der Zahl »Acht« oder »Schneemannform« (verursacht Epidemiologie und Demographie. 2–4% aller intrakraniellen
durch das Diaphragma sellae) (. Abb. 3.100) Tumoren insgesamt, bei Kindern ist der Anteil höher; >50% aller
4 Hypophyse meist nicht abgrenzbar, die in T1w hyperintense sellären/parasellären Tumoren bei Kindern.
Neurohypophyse ist, wenn erkennbar, meist nach supradia- Altersverteilung: zweigipflig, erster Gipfel Kinder- und Jugend-
phragmal verlagert alter, zweiter Gipfel >50. Lebensjahr
4 Zysten, Nekrosen möglich Geschlechtsverteilung: M = F
4 Einblutungen möglich → Flüssigkeitsspiegel
4 Verkalkungen möglich, jedoch deutlich seltener als beim Formen. Zwei histologische Formen:
Kraniopharyngeom (ca. 1%) 4 Adamantinöser Typ
4 Kavernöse Segmente der ACI werden typischerweise um- 4 Papillärer Typ
wachsen, aber nicht höhergradig eingeengt
Klinik. Sehstörungen (durch Chiasmakompression → typischer-
CT: weise bitemporale Hemianopsie), Kopfschmerzen, endokrine
4 CT nativ: Meist kortexisodens, evtl. inhomogen bei Zysten Funktionsstörungen.
und Nekrosen
4 CT + KM: Mäßige, etwas inhomogene KM-Aufnahme Verlauf und Prognose. Langsames Wachstum; Rezidivrate ab-
hängig von der initialen Tumorgröße.
Komplikation: Ventrikelaufstau/Hydrozephalus
3.2 · Tumoren
277 3

a b

c d

. Abb. 3.98a–d Mikroadenom der Hypophyse, dynamische Untersuchung; das Mikroadenom stellt sich auf
den frühen dynamischen Aufnahmen relativ hypointens im Vergleich zum normalen Hypophysengewebe dar
(Pfeile in b und c). a–d: Ausgewählte, koronare, T1-gewichtete Schichten einer dynamischen Untersuchung
während der Gabe eines KM-Bolus

a b

. Abb. 3.99a, b Mikroadenom der Hypophyse; das Mikroadenom zeigt eine im Vergleich zum normalen
Gewebe der Adenohyphyse verminderte KM-Aufnahme (Pfeil in b). a: T1w nativ cor; b: T1w + KM cor
278 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.100a–c Intra- und suprasellär wachsendes Makroadenom der Hypophyse, das das Chiasma opticum etwas pelottiert (Pfeil in c). a, b: T2w cor
und sag; c: T1w + KM cor

a b

. Abb. 3.101a–c Intra- und suprasellär wachsendes Hypophysenadenom mit beidseitigem Einwachsen in den
Sinus cavernosus und Pelottierung des Chiasmas (Pfeile in c). a: T1w + KM cor; b, c: CISS cor und tra

a b c

. Abb. 3.102a–c Planum sphenoidale Meningeom als Differentialdiagnose des Hyppophysenadenoms. a: T2w cor; b, c: T1w + KM cor und sag. Das Menin-
geom breitet sich mit breitbasigem Durakontakt entlang des Planum sphenoidale nach ventral aus (b).
3.2 · Tumoren
279 3
Bildgebung. . Abb. 3.103 bis . Abb. 3.106 4 T2w (3 mm cor + sag)/PDw/FLAIR:
Lokalisation: Intra- und suprasellär (prä- oder postchiasma- 5 Solider Anteil: Heterogen iso- bis hyperintens
tisch); Ausdehnung bis in die vordere, mittlere oder hintere Schä- 5 Zysten hyperintens, verkalkte Areale hypointens
delgrube möglich; sehr selten ektopes Wachstum (z.B. präponti- 5 Evtl. hyperintenses Signal in angrenzenden Anteilen des
ne Zisterne, Sylvische Fissur) Hirnparenchyms (Gliose, Liquordiapedese, Tumorinfil-
Morphologie: tration)
4 Adamantinöser Typ: »Buntes Bild« mit soliden Anteilen, un- 4 CISS: Anatomische Detailinformation hinsichtlich der Zys-
terschiedlich großen zystischen Anteilen, Verkalkungen ten und der Zystenwände und der anatomischen Beziehung
4 Papillärer Typ: Homogener, selten Verkalkungen zu Hirnnerven und zum Chiasma opticum
4 DWI: Variabel, abhängig vom Zysteninhalt: ADC-Wert in
CT: Zysten signifikant niedriger als ADC-Wert in Rathke-Ta-
4 CT nativ: schenzysten
5 Adamantinöser Typ: Verkalkungen, solide Anteile iso- 4 T2*w: Hypointense Areale entsprechen Verkalkungen
dens, zystische Anteile hypodens 4 T1w + KM (3 mm cor + sag): Heterogene KM-Aufnahme
5 Papillärer Typ: Weitgehend isodens des soliden Anteils und kräftige KM-Aufnahme der Zysten-
4 CT + KM: Homogene KM-Aufnahme des soliden Anteils und wände
KM-Aufnahme der Zystenwände 4 MRS: Lipide
4 MRA: Gefäße (ACI, ACA, BA) können verdrängt oder um-
MRT: wachsen werden
4 T1w (3 mm cor + sag):
5 Solide Anteile: isointens oder heterogen Differenzialdiagnosen. Rathke-Taschenzyste, Hypophysen-
5 Signal der Zysten von Zysteninhalt abhängig → oft leicht adenom, Optikusgliom, Arachnoidalzyste, Dermoidzyste, Epi-
hyperintens (proteinreicher Inhalt) dermoidzyste, thrombosiertes Riesenaneurysma der ACI

a b c

d e f

. Abb. 3.103a–f Kraniopharyngeom mit kleinem intra- und größerem suprasellären Anteil und kleiner Verkalkung (hyperdens in f). a: T2w; b: PDw;
c–e: T1w + KM tra, cor und sag; f: CT nativ
280 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

. Abb. 3.104a, b Kraniopharyngeom. a: T2w; b: T1w + KM sag

a b c

. Abb. 3.105a–c Überwiegend zystisches Kraniopharyngeom. a: T2w cor; b: T1w nativ cor; c: T1w + KM cor

a b c

. Abb. 3.106a–c Großes intra- und supraselläres Kraniopharyngeom mit Einwachsen in den Sinus cavernosus beidseits. a: T2w cor; b: T1w + KM cor; c: CISS tra
3.2 · Tumoren
281 3
Literatur Selläre Metastasen
Bikmaz K, Guerrero CA, Dammers R, Krisht AF, Husain MM. Ectopic recur- Selläre Metastasen sind eine seltene Ursache intra- und para-
rence of craniopharyngiomas: case report. Neurosurgery. 2009;64:
sellärer Raumforderungen.
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Garrè ML, Cama A. Craniopharyngioma: modern concepts in pathogenesis
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chir (Wien). 2007;149:759-69. Bildgebung. Unspezifisch, . Abb. 3.107
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adjacent structures. Eur J Radiol. 2008; Dec 17. [Epub ahead of print]. literature review.J Clin Endocrinol Metab. 2004;89:574-80.

Nichtneoplastische intra- und paraselläre 4 T2*w: Hypointens bei Einblutung


Krankheitsbilder 4 DWI: Diffusionsrestriktion bei Ischämie
Angeborene Fehlbildungen 4 T1 + KM: Oft randständige KM-Aufnahme, evtl. Enhancement
Fehlbildungen des Hypophysenstiels: der angrenzenden Dura und Verdickung der Mucosa im Sinus
4 Ektope Neurohypophyse: sphenoidalis
– fehlender oder hypoplastischer Hypophysenstiel
– ektope hyperintense Neurohypophyse im sagittalen T1-Bild Differenzialdiagnosen: Nicht eingeblutetes Hypophysenadenom,
(. Abb. 3.108, . Abb. 3.109) Rathke-Taschenzyste, Kraniopharyngeom, Hypophysenabszess, throm-
– Differenzialdiagnose: Lipom (. Abb. 3.110) bosiertes Riesenaneurysma
4 Gedoppelter Hypophysenstiel:
– Beurteilung am besten im koronaren Bild: Nachweis zweier Hypophysitis
Hypophysenstiele, zweier Hypophysen und zweier Sellae; Definition und klinische Präsentation: Idiopathische Entzündungs-
Tuber cinereum verdickt und mit Corpora mamillaria fusioniert; reaktion der Adenohypophyse unklarer Ätiologie mit Kopfschmerzen
gedoppelte A. basilaris und Sehstörungen.
– oft assoziierte Fehlbildungen: Balkendysgenesien, Hypoplasie Epidemiologie und Demographie: Selten (1% aller sellären Pathologien)
des N. olfactorius und des N. opticus, Dandy-Walker-Malformation Geschlechtsverteilung: M:F = 1:8
Ätiologie: Unklar, Infiltration mit T- und B-Lymphozyten, Plasmazellen +/-
Rathke-Taschenzyste (7 Kap. 3.3.3, . Abb. 3.125) Eosinophile
Tuber cinereum Harmatom (7 Kap. 3.4.1, . Abb. 3.126) Bildgebung (. Abb. 3.112 bis . Abb. 3.114):
Morphologie: Verdickter Hypophysenstiel +/- vergrößerte Hypophyse
Hypophysenapoplex MRT:
Definition und klinische Präsentation: Akutes Krankheitsbild mit 4 T1w: Hyperintense Neurohypophyse evtl. nicht abgrenzbar
Kopfschmerzen, Sehstörungen bzw. Ophthalmoplegie, schwere Hypo- 4 T2w/FLAIR: Iso- bis hypointens
physeninsuffizienz durch akute Einblutung oder Infarkt der Hypophyse 4 T1 + KM: Kräftiges, meist homogenes Enhancement
→ lebensbedrohlicher Notfall
Seltene Sonderform: Sheehan-Syndrom: Nach der Geburt auftreten- Differenzialdiagnosen: Hypertrophie der Hypophyse, Makroadenom,
der vollständiger oder partieller Funktionsausfall des mütterlichen Metastase, Sarkoidose
Hypophysenvorderlappens durch mangelnde Blutversorgung, kann
mit deutlicher Latenz auftreten. Normvarianten
Epidemiologie und Demographie: Oft Hypophysenadenom vor- Empty sella (. Abb. 3.115)
bestehend → Auftreten in ca. 1% aller Hypophysenadenome. Weitere Definition und klinische Präsentation: Vorwölbung von Arachnoidea
Risikofaktoren: peri-, postpartum, Antikoagulation, Trauma und Liquor in die Sella, die Hypophyse ist abgeflacht/ausgewalzt am
Altersverteilung: Mittleres Lebensalter Sellaboden nachweisbar.
Geschlechtsverteilung: M < F Differenzialdiagnosen: Empty sella bei Pseudotumor cerebri
Bildgebung (. Abb. 3.111):
Lokalisation: intra- und suprasellär Physiologische Hypertrophie der Hypophyse (. Abb. 3.116)
Morphologie: Typischerweise in Form der Zahl »Acht«, bzw. »Schnee- Definition und klinische Präsentation: Vergrößerte, homogen KM-an-
mannform«; chronisch in allen Modalitäten: »Empty Sella« mit minima- reichernde Adenohypophyse mit konvexer oberer Berandung >10 mm
lem Hypophysenrest (»Empty Sella« siehe unten unter Normvarianten); im Durchmesser.
evtl. assoziiert mit SAB Ätiologie: Schwangere oder stillende Mütter: Hypophyse bis zu 12 mm
CT nativ: Homogen bis inhomogen hyperdens, SAB? durchmessend (allgemein junge Frauen: zyklusabhängig Hypophyse
MRT: bis zu 10 mm durchmessend) oder Antwort auf Endorganversagen,
4 T1w: z.B. Hypothyroidismus.
– Hyperakut: Iso- bis hypodens Differenzialdiagnosen: Mikro- oder Makroadenom, Hypophysitis
– Akut bis subakut: Hyperintens
4 T2w/FLAIR:
– Akut: Hypointens (bei Einblutung)
– Subakut: Hyperintens (bei Ischämie)
282 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b

. Abb. 3.107a–c Intra- und suprasellär wachsende Metastase. a, b: T1w + KM cor und sag; c: CISS cor

a b

. Abb. 3.108a, b Ektope Neurohypophyse (Pfeile), als hyperintense Struktur in T1w nativ gut erkennbar. a: T1w nativ sag;
b: T2w sag
3.2 · Tumoren
283 3

a b

. Abb. 3.109a, b Ektope Neurohypophyse (Pfeile). a: T1w nativ sag; b: T2w sag

a b

. Abb. 3.110a–c Lipom (Pfeil in a und b) in der suprasellären Zisterne (am Tuber cinereum) als
Differenzialdiagnose zur ektopen Neurohypophyse. In der fettgesättigten Aufnahme (c) ist das Lipom
nicht mehr erkennbar, die hyperintens Neurohypophyse ist dagegen weiterhin gut abgrenzbar (Pfeil-
spitze in c). a: T1w nativ cor; b: T1w + KM sag; c: T1w nativ sag mit Fettsättigung (Pfeilspitze: regelhafte
c
Neurohypophyse)

a b c

. Abb. 3.111a–c Hypophysenapoplex. Einblutungen sind hypointens in T2 (a) und hyperintens in T1w (b, c). a: T2w cor; b, c: T1w nativ cor und sag
284 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.112a–f Hypophysitis. Vergrößerte, kräftig KM-anreichernde Hypophyse. a, b: T2w cor und sag; c: FLAIRw tra; d: T1w nativ; e, f: T1w + KM cor
und sag

a b c

. Abb. 3.113a–c Hypophysitis. a: T1w nativ sag; b, c: T1w + KM sag und tra
3.2 · Tumoren
285 3

a b

c d

e f

. Abb. 3.114a–f Hypophysitis mit zentraler Einschmelzung (hypointens in T1w, hyperintens in T2w). a: T2w cor; b: CISS cor; c: T1w nativ;
d–f: T1w + KM tra, cor und sag
286 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

. Abb. 3.115–c Empty Sella. Hypophyse ist ausgewalzt am Sellaboden nachweisbar (Pfeil in c). a: T2w tra; b, c: T1w + KM tra und sag

a b

. Abb. 3.116a, b Physiologische Hypertrophie der Hypophyse mit konvexer oberer Berandung bei junger Frau. a: T1w nativ sag; b: T2w sag

3.3 Nicht neoplastische zystische Verlauf und Prognose. Langsames Wachstum; sehr selten ma-
intrakranielle Raumforderungen ligne Entartung
Komplikation: Meningitis bei Leckage des Inhalts
3.3.1 Angeborene Einschlusszysten
Bildgebung. . Abb. 3.117, . Abb. 3.118
Epidermoidzyste Lokalisation: 90% intradural, am häufigsten zisternal (Klein-
Synonyme. Epidermoid hirnbrückenwinkel, Cisterna quadrigemina)
Weitere Lokalisationen:
Definition. Angeborene Einschlusszysten, die durch den Ein- 4 IV. Ventrikel, supra- oder parasellär, Sylvische Fissur, Inter-
schluss ektodermalen Gewebes in das Neuralrohr entstehen und hemisphärenspalt
typischerweise Cholesterin und Keratin enthalten. 4 Intraventrikulär im Bereich des Temporalhorns oder des
III. Ventrikels
Epidemiologie und Demographie. Häufiger als das Dermoid, 4 Sehr selten im Bereich der Diploe der Schädelkalotte → Kno-
ca. 1% aller primär intrakraniellen Tumoren. chenarrosion
Altersverteilung: Junges bis mittleres Erwachsenenalter (Alters-
gipfel: 40. Lebensjahr) Morphologie: Lobuliert, »blumenkohlartig«, umschließt Hirn-
Geschlechtsverteilung: M = F nerven, Gefäße; selten Einblutungen oder Verkalkungen
CT:
Klinik. Von der Lokalisation abhängig. Häufigstes Symptom: 4 CT nativ: Meist hypodens, weitgehend liquorisodens, selten
Kopfschmerzen; Hirnnervenausfälle (HN V, VII, VIII); selten Verkalkungen; sehr selten hyperdens
Diabetes insipidus. 4 CT-Knochenkernel: Scharf begrenzte Knochenerosion bei
Kann lange klinisch asymptomatisch sein. Epidermoid im Bereich der Diploe der Schädelkalotte
4 CT + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme, sehr selten mar-
ginale KM-Aufnahme im Randbereich
3.3 · Nicht neoplastische zystische intrakranielle Raumforderungen
287 3
MRT: 4 Bei suprasellärer Lokalisation evtl. Gesichtsfeldausfälle
4 T1w: 4 Symptome durch Kompression von Hirnnerven und/oder
5 Ca. ¾ sind liquorisointens Gefäßen
5 Bei hohem Triglyceringehalt selten hyperintens im Ver-
gleich zum Hirnparenchym Verlauf und Prognose. Gutartig; langsames Wachstum. Sehr sel-
5 Bei hohem Keratin und Cholesterolgehalt selten hypo- ten maligne Transformation. Rezidive nach Resektion möglich.
intens im Vergleich zum Liquor Komplikation: Zystenruptur → aseptische Meningitis, signifikan-
4 T2w: Liquoriso- bis leicht hyperintens te Morbidität (Anfälle, Vasospasmus, Infarkte, Vigilanzminde-
4 PDw: Meist hyperintens versus Liquor, seltener isointens mit rung bis hin zum Koma) und Mortalität. Die Rupturgefahr steigt
hyperintensem Randsaum mit Größe der Zyste.
4 FLAIR: Meist leicht hyperintens versus Liquor, sensitiver als
T1w und T2w Sonstiges. Kann Haarfollikel enthalten.
4 DWI: Diffusionsrestriktion → hohes Signal im B1000-Bild,
ADC-Wert ähnlich dem der Hirnrinde Bildgebung. . Abb. 3.119
4 T2*w: Evtl. Verkalkungen, Einblutungen Lokalisation:
4 T1w + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme, sehr selten 4 Am häufigsten Sella, supra- oder parasellär, frontobasal, sel-
marginale KM-Aufnahme im Randbereich, bei Malignisie- tener HSG: Vermis, IV. Ventrikel, intraventrikulär
rung → KM-Aufnahme 4 Falls rupturiert subarachnoidale oder intraventrikuläre Aus-
4 MRS: Laktatpeak breitung des Zysteninhalts

Differenzialdiagnosen. Arachnoidalzyste, zystischer Tumor Morphologie: Glatt begrenzt, rundlich oder lobuliert, fetthaltig;
(z.B. zystisches Schwannom), Dermoidzyste randständige Verkalkungen möglich
CT:
Literatur 4 CT nativ: Fettisodens, in ca. 20% Verkalkungen im Randbe-
Chen S, Ikawa F, Kurisu K, Arita K, Takaba J, Kanou Y. Quantitative MR evalua- reich
tion of intracranial epidermoid tumors by fast fluid-attenuated inversion
5 Ruptur: Verteilung fettisodenser Tröpfchen im Subarach-
recovery imaging and echo-planar diffusion-weighted imaging. AJNR
Am J Neuroradiol. 2001;22:1089-96.
noidalraum bzw. intraventrikulär (→ evtl. Flüssigkeits-
Hakyemez B, Aksoy U, Yildiz H, Ergin N. Intracranial epidermoid cysts: diffu- Fett-Spiegel in den Ventrikeln)
sion-weighted, FLAIR and conventional MR findings. Eur J Radiol. 2005; 5 Äußerst selten »dichtes Dermoid« mit hoher Dichte im
54:214-20. CT
Hu XY, Hu CH, Fang XM, Cui L, Zhang QH. Intraparenchymal epidermoid cysts
4 CT + KM: Keine KM-Aufnahme
in the brain: diagnostic value of MR diffusion-weighted imaging. Clin
Radiol. 2008;63:813-8.
Lai PH, Hsu SS, Ding SW, Ko CW, Fu JH, Weng MJ, Yeh LR, Wu MT, Liang HL, MRT:
Chen CK, Pan HB. Proton magnetic resonance spectroscopy and diffu- 4 T1w: Meist hyperintens (Lipide)
sion-weighted imaging in intracranial cystic mass lesions. Surg Neurol. 5 Ruptur: Kräftig hyperintense Tröpfchen im Subarachnoi-
2007; 68 Suppl 1:S25-36.
dalraum bzw. intraventrikulär
5 Das sehr seltene »dichte Dermoid« ist sehr hyperintens
Dermoidzyste 4 T1w FS: Supprimierung des hohen Fettsignals
Definition. Ektodermale, kongenitale Einschlusszyste, die außer 4 T2w: Heterogen hypo- bis hyperintens, Chemical Shift-Arte-
ektodermalen Zellelementen auch Talg- und Schweißdrüsen und fakte in Frequenzkodierrichtung
Haarfollikel enthalten kann. 5 Ruptur: Hyperintense Tröpfchen im Subarachnoidalraum
bzw. intraventrikulär
Epidemiologie und Demographie. Deutlich seltener als Epi- 5 Evtl. enthaltene Haarfollikel stellen sich als feinste lineare
dermoidzyste. hypointense Strukturen dar
Altersverteilung: Junges bis mittleres Erwachsenenalter 5 Das sehr seltene »dichte Dermoid« ist sehr hypointens
Geschlechtsverteilung: M etwas > F 4 DWI: Nicht hyperintens: Differenzialdiagnostisch wertvoll zur
Assoziiert mit: Abgrenzung gegenüber dem Epidermoid
4 Okzipitalem oder nasofrontalem Dermalsinus 4 T1w + KM: Keine KM-Aufnahme; nach Ruptur kräftiges me-
4 Goldenhar-Syndrom ningeales Enhancement wegen induzierter Meningitis
4 Lipomen 4 MRS: Kräftige Lipidpeaks
4 DSA: Evtl. deutliche Vasospasmen nach Ruptur
Klinik.
4 Häufig: Kopfschmerzen (jüngere Patienten), Anfälle (ältere Differenzialdiagnosen. Epidermoidzyste, Kraniopharyngeom,
Patienten) Teratom, Lipom
4 Selten: Diabetes insipidus, Hypopituiarismus, Hirnnerven-
ausfälle Arachnoidalzysten
Siehe 7 Kap. 5.3
288 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e

. Abb. 3.117a–e Epidermoid in der Pinealisloge. a, b: T1w + KM tra und cor; c: T2w; d: DWI, B1000; e: ADC-MAP mit ADC-Minderung im Epidermoid

a b c

. Abb. 3.118a–c Infratentoriell lokalisiertes Epidermoid. a: T2w; b: T1w nativ; c: DWI, B1000: Diffusionsrestriktion
3.3 · Nicht neoplastische zystische intrakranielle Raumforderungen
289 3

a b c

d e f

. Abb. 3.119a–f Dermoidzyste im Uncus des rechten Temporallappens mit fokaler Verkalkung im CT (Pfeil in e). a: T1w nativ; b: T1w + KM; c: T2*w;
d: FLAIRw cor; e, f: CT nativ

3.3.2 Endo- oder ektodermale Zysten Bildgebung. . Abb. 3.120, . Abb. 3.121
Lokalisation: intraventrikulär, im Bereich der Foramina Monroi
Kolloidzyste (Dach des III. Ventrikels); andere Lokalisationen sind Raritäten
Definition. Vom embryonalen Endoderm ausgehende, meist im (<1%)
III. Ventrikel lokalisierte Zyste. Morphologie: glatt begrenzt, rundlich bis oval, »walzt« typischer-
weise die anterioren Fornixschenkel aus (. Abb. 3.121); sehr sel-
Epidemiologie und Demographie. Relativ selten, Inzidenz ca. ten Einblutungen oder Verkalkungen, evtl. Hydrozephalus
3,2/1 Mio./Jahr; ca. 1% der primären Hirntumoren, ca. 1/5 der CT:
intraventrikulären Tumoren ! Kolloidzysten können manchmal im CT besser erkennbar
Altersverteilung: Mittleres Erwachsenenalter (30.–40. Lebens- sein, wenn sie im MRT in T1w und T2w isointens zum Liquor
dekade) sind.
Geschlechtsverteilung: M = F
4 CT nativ: Meist hyperdens (2/3 der Fälle), selten iso- oder
hypodens
Klinik. Bei Hydrozephalus Zeichen eines erhöhten intrakrani-
4 CT + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme
ellen Drucks: am häufigsten Kopfschmerzen, seltener Übelkeit,
Erbrechen. Asymptomatischer Zufallsbefund möglich (bis zu MRT:
50%). 4 T1w: Signalintensität vom Zysteninhalt abhängig; meist hy-
perintens (2/3 der Fälle), selten isointens zum Liquor
Verlauf und Prognose. Variabel: Bei bis zu 90% der Fälle kons- 4 T2w/PDw: Variabel, abhängig vom Wassergehalt; meist liquor-
tante Größe, v.a. bei älteren Patienten mit kleinen Zysten. Bei ca. isointens, selten Flüssigkeitsspiegel
10% der Fälle relativ rasche Größenzunahme mit der Gefahr des 4 FLAIR: Hyperintens zum Liquor, keine Unterdrückung des
akuten Hydrozephalus. Flüssigkeitssignals!
4 T1w + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme, selten ringför-
Sonstiges. Zysteninhalt mit variabler Viskosität, proteinreich, mige Anreicherung
enthält Cholesterol. 4 DWI: Keine Diffusionsrestriktion
4 MRS: Bei extraventrikulär lokalisierter Kolloidzyste Peak bei
2,0 ppm beschrieben → Glykoproteine
290 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

. Abb. 3.120 Kolloidzyste (CT nativ)

Differenzialdiagnosen. Flussartefakt, Plexuspapillom, Zyste des


Plexus choroideus, Aneurysma/Megadolichobasilaris, Subepen-
dymom, Kraniopharngeom

Literatur
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ing-pathologic correlation. AJNR Am J Neuroradiol. 2000;21:1470-7.
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sometimes more conspicuous on CT than MR. AJNR Am J Neuroradiol.
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3.3.3 Sonstige Zysten (Auswahl)

Plexus-choroideus-Zyste
Definition. Neuroepitheliale Zyste des Plexus choroideus, deren
Wand aus komprimiertem Bindegewebe besteht.

Epidemiologie und Demographie. Autoptischer Zufallsbefund


in ca. 30% aller Autopsien.
Altersverteilung: Zwei Formen:
4 Plexus-choroideus-Zyste des Erwachsenen: Zunehmende In-
zidenz mit zunehmendem Alter
4 Plexus-choroideus-Zyste des Feten: Abnehmende Inzidenz
im Laufe der Schwangerschaft (siehe auch »Sonstiges«)
c
Geschlechtsverteilung: Eine Geschlechtspräferenz ist nicht be-
. Abb. 3.121a–c Kolloidzyste. a: FLAIR; b: PDw; c: CISS sag
kannt.
Assoziiert mit: Bei Feten mit Trisomie 21 oder 18

Klinik. Beim Erwachsenen typischerweise asymptomatischer


Zufallsbefund, selten Kopfschmerzen.

Verlauf und Prognose. Beim Erwachsenen benigne, keine Pro-


gredienz, asymptomatisch.
3.3 · Nicht neoplastische zystische intrakranielle Raumforderungen
291 3

a b c

d e f

. Abb. 3.122a–f Plexus-choroideus-Zysten beidseits im Trigonum der Seitenventrikel (Sterne). a: T2w; b: FLAIRw; c, d: T1w + KM tra und cor; e: DWI, B1000;
f: ADC-Map mit ADC-Minderung

Sonstiges. Plexus Choroideus-Zyste des Feten: MRT:


4 Bei 1% aller Routineschwangerschaften 4 T1w: Liquoriso- bis leicht hyperintens
4 In der Regel Regredienz der Zyste unabhängig von assoziier- 4 T2w/PDw: Hyperintens
ten Fehlbildungen im 3. Trimester 4 FLAIR: Liquoriso- bis leicht hypointens
4 Ohne weitere Fehlbildungen: Geringes Risiko für Chromo- 4 DWI: Meist stark hyperintens (Diffusionsrestriktion!)
somenaberrationen (. Abb. 3.122)
4 Mit weiteren Fehlbildungen: Erhöhtes Risiko für Chromo- 4 T2*w: Selten Einblutungen
somenaberrationen (bis zu 50%) 4 T1w + KM: Variabel

Bildgebung. . Abb. 3.122 Ultraschall: Zur Pränataldiagnose


Lokalisation: Plexus choroideus der Hinterhörner der Seiten-
ventrikel, selten im III. Ventrikel Differenzialdiagnosen. Villöse Hyperplasie des Plexus choroi-
Morphologie: deus, Plexuspapillom, Metastase, Epidermoid, Infarkt des Plexus
4 Zystisch, oder nodulär-zystisch choroideus, Ventrikulitis
4 In der Regel bilateral, meist <2 cm
4 Bei Erwachsenen oft periphere Verkalkungen Literatur
4 Selten Einblutungen Cakir B, Karakas HM, Unlu E, Tuncbilek N. Asymptomatic choroid plexus cysts
in the lateral ventricles: an incidental finding on diffusion-weighted MRI.
4 Bei Erwachsenen sehr selten Hydrozephalus Neuroradiology. 2002;44:830-3.
Farhood AI, Morris JH, Bieber FR. Transient cysts of the fetal choroid plexus:
CT: morphology and histogenesis. Am J Med Genet. 1987;27:977-82.
Kinoshita T, Moritani T, Hiwatashi A, Numaguchi Y, Wang HZ, Westesson PL,
4 CT nativ: Liquoriso- bis leicht hyperdens
Sugihara S, Matsusue E, Fujii S, Ohama E, Ogawa T. Clinically silent choroid
4 CT + KM: Variabel plexus cyst: evaluation by diffusion-weighted MRI. Neuroradiology.
2005;47:251-5.
292 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Pinealiszyste Rathke-Taschenzyste
Definition. Nicht neoplastische, in der Pinealisloge gelegene Synonyme. Zyste der Rathke-Tasche, Rathke-Zyste
Zyste, deren Zystenwand aus glialen Zellen besteht.
Definitionen.
Epidemiologie und Demographie. Die Prävalenz in der Bildge- Rathke-Tasche: Die Rathke-Tasche ist eine Ausstülpung des Ra-
bung liegt zwischen 1,5–23%. chendaches ektodermalen Ursprungs, aus der sich beim Feten
3 Altersverteilung: Junges Erwachsenenalter der Hypophysenvorderlappen entwickelt. Diese Ausstülpung
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:3 wird in der weiteren Entwicklung abgeschnürt und verliert damit
die Verbindung zur Mundhöhle. Der entstehende Hohlraum bil-
Klinik. Meist asymptomatisch (→ inzidenteller Befund); Kopf- det sich normalerweise beim Menschen vollständig zurück.
schmerzen, Parinaud-Syndrom Rathke-Taschenzyste: Bei der Rathke-Taschenzyste handelt es
sich um eine nicht neoplastische, mit Epithel ausgekleidete Zyste
Verlauf und Prognose. Bei Männern typischerweise größen- zwischen Pars distalis und Pars intermedia der Hypophyse, die
konstant, bei Frauen im Jugendalter Größenzunahme und spä- aus Resten dieser Rathke-Tasche entsteht.
tere Regression möglich. Sehr selten »Apoplex der Pinealis« mit
Einbluten der Zyste und plötzlicher Größenzunahme. Epidemiologie und Demographie. Relativ häufiger Befund in
Autopsien
! Sichere DD Pinealiszyste versus zystisches Pineozytom
Altersverteilung: Diagnostik meist im mittleren Erwachsenen-
bildgebend nicht möglich, nur histologisch!
alter
Geschlechtsverteilung: M etwas < F
Bildgebung. . Abb. 3.123, . Abb. 3.124
Lokalisation: Pinealisloge Klinik. Meistens asymptomatisch (→ inzidenteller Befund);
Morphologie: wenn symptomatisch, dann meist:
4 Homogen, rundlich, glatt begrenzt, nicht gelappt 4 Hypophysenfunktionsstörung
4 Dünnwandig (Wanddicke <2 mm) 4 Sehstörungen
4 Sehr selten Einblutungen 4 Kopfschmerzen
4 Diabetes insipidus
CT:
4 CT nativ: Hypodens Zysten mit hohem Signal in T1w sind eher symptomatisch.
4 CT + KM: In ca. 60% ringförmige, randständige KM-Auf-
nahme Verlauf und Prognose. Meist größenkonstant, können größen-
regredient sein.
MRT:
4 T1w: Homogen, meist liquorisointens, selten leicht hyper- Bildgebung. . Abb. 3.125
intens Lokalisation: Intrasellär, zwischen Lobus anterior und Lobus in-
4 T2w: Homogen, meist liquorisointens termedius der Hypophyse, evtl. Ausdehnung nach suprasellär
4 PDw/FLAIR: Homogen, meist hyperintens im Vergleich zum Morphologie: Glatt begrenzt, rundlich bis ovalär, in 50–75% der
Liquor Fälle intrazystisches, wächsernes Knötchen; Signalverhalten bzw.
4 T1w + KM: In ca. 60% ringförmige, randständige KM-Auf- Dichte von Inhalt abhängig
nahme CT nativ: Variable Dichte, hyper- iso- oder hypodens; selten Ver-
4 DWI: Keine Diffusionsrestriktion kalkungen im Bereich der Zystenwand
MRT:
Differenzialdiagnosen. Pineozytom (DD Pinealiszyste versus
4 T1w (3 mm sag + cor): Variabel:
zystisches Pineozytom bildgebend nicht möglich), Arachnoidal-
5 Ca. 50% hyperintens, ca. 50% hypo- oder isointens
zyste, Epidermoid
5 Hyperintenses Signal durch Proteine und Mucopolysac-
charide
Literatur
5 Intrazystisches Knötchen ist hyperintens
Costa F, Fornari M, Valla P, Servello D. Symptomatic pineal cyst: case report
and review of the literature. Minim Invasive Neurosurg. 2008;51:231-3. 4 T2w (3 mm sag + cor): Variabel:
Fakhran S, Escott EJ. Pineocytoma mimicking a pineal cyst on imaging: true 5 Ca. ¾ hyperintens, Rest iso- oder hypointens
diagnostic dilemma or a case of incomplete imaging? AJNR Am J Neuro- 5 Niedrige Dichte im CT korreliert mit hohem T2w-Signal
radiol. 2008;29:159-63.
5 Intrazystisches Knötchen ist hypointens
Patel AJ, Fuller GN, Wildrick DM, Sawaya R. Pineal cyst apoplexy: case report
and review of the literature. Neurosurgery. 2005;57:E1066. 4 FLAIR: Hyperintens
Pu Y, Mahankali S, Hou J, Li J, Lancaster JL, Gao JH, Appelbaum DE, Fox PT. High 4 T2*w: Selten Verkalkungen
prevalence of pineal cysts in healthy adults demonstrated by high-resolution, 4 T1w + KM (3 mm sag + cor): In der Regel keine KM-Auf-
noncontrast brain MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2007; 28:1706-9.
Taraszewska A, Matyja E, Koszewski W, Zaczyński A, Bardadin K, Czernicki Z.
nahme der Zystenwand, selten dezente ringförmige KM-Auf-
Asymptomatic and symptomatic glial cysts of the pineal gland. Folia nahme, KM-Gabe hilft, die Adenohypophyse zu identifi-
Neuropathol. 2008;46:186-95. zieren
3.3 · Nicht neoplastische zystische intrakranielle Raumforderungen
293 3

a b

. Abb. 3.123a–c Pinealiszyste (Stern). a: T2w; b: T1w + KM; c: CISS sag

a b c

. Abb. 3.124a–c Pinealiszyste mit Pelottierung der Vierhügelplatte (Pfeile in c). a: T1w nativ; b, c: T1w + KM tra und sag

a b

. Abb. 3.125a, b Kleine Rathke-Taschenzyste zwischen Adeno- und Neurohypophyse (Pfeile). a: T1w nativ sag;
b: T1w + KM sag
294 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Differenzialdiagnosen. Zystisches Hypophysenadenom, Kranio- Bildgebung. . Abb. 3.126


pharyngeom, Arachnoidalzyste, Epidermoidzyste, Dermoidzyste Lokalisation: Hypothalamus, am Tuber cinereum, d. h. zwischen
Fornixschenkeln, Corpora mamillaria und Tractus mamillotha-
Literatur lamicus mit Kontakt zu Corpora mamillaria
Binning MJ, Gottfried ON, Osborn AG, Couldwell WT. Rathke cleft cyst intra- Morphologie: homogen, rundlich; gestielter oder breitbasiger
cystic nodule: a characteristic magnetic resonance imaging finding.
Kontakt zum Hypothalamus; selten Verkalkungen und äußerst
3 J Neurosurg. 2005;103:837-40.
selten Zysten
Bonneville F, Cattin F, Bonneville JF, Jacquet G, Viennet G, Dormont D, Chiras J.
Rathke’s cleft cyst. J Neuroradiol. 2003;30:238-48. CT:
Byun WM, Kim OL, Kim D. MR imaging findings of Rathke’s cleft cysts: signifi- 4 CT nativ: Iso- bis leicht hypodens
cance of intracystic nodules. AJNR Am J Neuroradiol. 2000;21:485-8. 4 CT + KM: Keine KM-Aufnahme
Nishioka H, Haraoka J, Izawa H, Ikeda Y. Headaches associated with Rathke’s
cleft cyst. Headache. 2006;46:1580-6.
Nishioka H, Haraoka J, Izawa H, Ikeda Y. Magnetic resonance imaging, clinical
MRT:
manifestations, and management of Rathke’s cleft cyst. Clin Endocrinol 4 T1w: Iso-bis hypointens versus Cortex
(Oxf ). 2006;64:184-8. 4 T2w/PDw/FLAIR: Iso- bis hyperintens versus Cortex; Aus-
maß des hyperintensen Signals korreliert mit Ausmaß der
glialen Komponente
3.4 Andere nicht neoplastische 4 T2*w: Selten Verkalkungen
intrakranielle Raumforderungen 4 T1w + KM: Keine KM-Aufnahme
4 MRS: NAA erniedrigt, Myo-Inositol erhöht, NAA/Cr-Ratio
3.4.1 Hypothalamisches Harmatom erniedrigt, MI/Cr-Ratio erhöht, Cho/Cr-Ratio erhöht; deut-
liche Erhöhung der MI/Cr-Ratio korreliert mit stärkerer
Synonyme. Tuber cinereum-Harmatom glialer Komponente

Definitionen. Differenzialdiagnosen. Opticusgliom, Germinom, Kranio-


Harmatom: Aberrantes, dysorganisiertes, jedoch reifes Gewebe pharyngeom
häufig mehrerer Keimblätter an untypischer Stelle.
Tuber cinereum-Harmatom: Nicht neoplastische, heterotope Literatur
graue Substanz in suprasellärer Lokalisation mit Kontakt zum Amstutz DR, Coons SW, Kerrigan JF, Rekate HL, Heiserman JE. Hypothalamic
hamartomas: Correlation of MR imaging and spectroscopic findings with
Hypothalamus; Folge einer gestörten neuronalen Migration
tumor glial content. AJNR Am J Neuroradiol. 2006;27:794-8.
während der Embryogenese. Freeman JL, Coleman LT, Wellard RM, Kean MJ, Rosenfeld JV, Jackson GD,
Berkovic SF, Harvey AS. MR imaging and spectroscopic study of epilep-
Epidemiologie und Demographie. Tritt bei ca. ⅓ aller Patien- togenic hypothalamic hamartomas: analysis of 72 cases. AJNR Am J Neu-
ten mit Pubertas praecox auf. roradiol. 2004;25:450-62.
Altersverteilung: Klinische Präsentation im Säuglings- bis
Kleinkindalter
Geschlechtsverteilung: M = F 3.4.2 Lipom
Assoziiert mit: Gesichtsanomalien, intrazerebralen Mittellinien-
fehlbildungen; tritt im Rahmen einer Vielzahl von Syndromen Definition. Lipome sind angeborene, gutartige fetthaltige Raum-
auf. forderungen, die meist mittelliniennah lokalisiert sind.

Klinik. Epilepsie (gelastische Anfälle, »Lachanfälle«); Pubertas Epidemiologie und Demographie. Selten: 0,1% aller intra-
praecox bei großen Harmatomen durch Freisetzung von LHRH. kraniellen Tumoren.
Altersverteilung: Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, bis ca.
Verlauf und Prognose. Kein Wachstum, Prognose von assozi- 40. Lebensjahr
ierten Fehlbildungen abhängig. Geschlechtsverteilung: M = F
Assoziiert mit:
Sonstiges. Ätiologie: Störung der neuronalen Migration im 4 Balkenhypogenesie
Rahmen der Embryogenese zwischen 33. und 40. Tag. 4 Schädelbasis- oder Kalottendefekten (nasoethmoidale Enze-
phalozelen)
4 Gyrierungsstörungen
3.4 · Andere nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen
295 3

a b c

d e

. Abb. 3.126a–e Hypothalamisches Harmatom (Tuber cinereum-Harmatom) (Stern in a und b). a: T2w; b: FLAIRw cor; c, d: T1w + KM tra und cor;
e: CT nativ

Klinik. Meist asymptomatisch; selten Tinnitus, Trigeminus- MRT:


neuralgie, Hörminderung beschrieben; bei Lipomen in der Sylvi- 4 T1w: Homogen hypointens
schen Fissur Epilepsie. 4 T2w: Intermediäres Signal, Chemical-Shift-Artefakte in Fre-
quenzkodierrichtung
Verlauf und Prognose. Kein Wachstum, kann an Größe zuneh- 4 FLAIR: Hyperintens
men bei Gewichtszunahme; keine raumfordernde Wirkung → in 4 T1w + KM: Primär nativ hyperintens, keine KM-Aufnahme
der Regel keine Therapieindikation. 4 T1wFS + KM: Supprimierung des Fettsignals → Diagnose-
sicherung
Bildgebung. . Abb. 3.127, . Abb. 3.128
Immer auch Ausschluss assoziierter Fehlbildungen! Differenzialdiagnosen. Dermoidzyste, Epidermoidzyste
Lokalisation: Mittelliniennah: Interhemisphärenspalt, zisternal:
Cisterna quadrigemina, Kleinhirnbrückenwinkel, suprasellär, Literatur
interpedunkulär, Sylvische Fissur Gómez-Gosálvez FA, Menor-Serrano F, Téllez de Meneses-Lorenzo M, Aleu
Pérez-Gramunt M, Sala-Sánchez AG, Rubio-Soriano A, Carbonell-Nadal J,
Morphologie: Glatt begrenzt, Fettsignal bzw. -dichte, Hirnner-
Mulas F. Intracranial lipomas in paediatrics: a retrospective study of
ven oder Gefäße können durch Lipom verlaufen 20 patients. Rev Neurol. 2003;37:515-21.
CT: Yildiz H, Hakyemez B, Koroglu M, Yesildag A, Baykal B. Intracranial lipomas:
4 CT nativ: Fettisodens (negative HU-Werte, stark hypodens) importance of localization. Neuroradiology. 2006;48:1-7.
4 CT + KM: Keine KM-Aufnahme
296 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

. Abb. 3.127a–d Lipom im Interhemisphärenspalt auf


dem Corpus callosum (Pfeile). a, b: CT nativ tra und cor;
c: FLAIRw; d: T1w

a b

c d

a b c

d e f

. Abb. 3.128a–f Lipom in der Cisterna quadrigemina (Pfeil in a und b). a: CT nativ; b: T2w; c: T1w nativ; d: T1w + KM; e: T2*w; f: FLAIRw cor
3.5 · Phakomatosen
297 3
3.5 Phakomatosen Manifestationen:
4 Gehirn:
Synonyme. Neurokutane Syndrome 5 Kortikale glioneuronale Harmatome, sog. kortikale Tuber
5 subependymale Knötchen
Definition. Sammelbegriff für Erkrankungen, mit gleichzeitig 5 Subependymale Riesenzellastrozytome (7 Kap. 3.2.2)
bestehenden Pathologien der Haut (griech. phakos = Fleck) und 4 Haut: Pigmentstörungen, weiße blattförmige Flecken am
des Nervengewebes. Körper (sog. »ash-leaf spots«); kutane Angiofibrome (= gut-
Viele Phakomatosen sind erblich, z.T. autosomal-dominant, artige Harmatome); »shagreen patches« = erhabene leder-
einige davon gelten daher als sog. familiäre Tumorsyndrome. Für artige lumbosakrale Hautläsionen; »Koenen-Tumoren« =
viele Phakomatosen konnten die molekulare Ursache und der von der Nagelfalz ausgehende Knötchen
Erbgang in den letzten Jahren geklärt werden. 4 Nieren: Angiomyofibrome; Nierenzysten
4 Herz: Rhabdomyome
4 Lunge: Lymphangioleiomyome
3.5.1 Tuberöse Sklerose (TS)
Darüber hinaus gibt es weitere Organmanifestationen.
Synonyme. Tuberöser Symptomenkomplex (TSC), tuberöse
Hirnsklerose, Bourneville-Pringle-Syndrom (nicht mehr ge- Klinik. Klassische Trias (aufgrund der Variabilität der Erkran-
bräuchlich) kung nur bei 30% aller Patienten nachweisbar):
4 Angiofibrome im Gesicht
Definition. Die tuberöse Sklerose ist eine autosomal-dominant 4 Epileptische Anfälle
vererbliche Multisystemerkrankung, die durch ausgedehnte 4 Geistige Behinderung
Hamartombildung in fast allen Organen charakterisiert ist. Die
Hamartome finden sich dabei hauptsächlich im Gehirn, Haut, Etwa 10% aller im Säuglingsalter auftretenden Blitz-Nick-Salaam-
Nieren, Leber, Augen und Herz. Ausmaß und Lokalisation der (BNS)-Krämpfen liegt ätiologisch eine tuberöse Sklerose zu-
Hamartombildung bestimmen das klinische Bild. grunde. In 95% sind schon zu diesem Zeitpunkt hypomelano-
tische Flecken als wegweisendes Symptom vorhanden.
Epidemiologie und Demographie. Häufigkeit: 1:6000 bis Weitere Symptome:
1:12000; in 70–80% der Fälle Neumutationen. 4 Schmetterlingsförmige Angiofibrome im Nasenwangen-
Altersverteilung: Die Diagnose kann in jedem Alter gestellt wer- bereich (Spätsymptom der Erkrankung)
den (mittleres Alter bei Diagnosestellung: 5 Jahre), Patienten 4 Geistige Behinderung, häufig hochgradig und progredient
können schon in den ersten Lebensmonaten mit epileptischen 4 Epileptische Anfälle, die oft schwer behandelbar sind:
Anfällen symptomatisch werden. 5 BNS-Anfälle im ersten Lebensjahr
Geschlechtsverteilung: M > F 5 Später auch tonisch-klonische, myoklonische und toni-
sche Anfälle und atypische Absencen
Ätiologie. Autosomal-dominant vererbte Multisystemerkran-
kung, ca. 30% der Fälle sind erblich bedingt, ca. 70% durch Neu- Diagnosekriterien.
mutationen entstanden. Genetisch heterogen; verursacht durch Diagnostische Merkmale (nach Tuberous Sclerosis Complex
Mutationen an 2 verschiedenen Genorten auf den Chromosomen Consensus Conference, 1998) sind:
9q34 (TSC1) und 16p13 (TSC2). Die beiden Gene kodieren für 4 Hauptmerkmale (zerebrale Befunde sind kursiv gekenn-
die Proteine Hamartin (TSC1) und Tuberin (TSC2), beide Pro- zeichnet)
teine bilden zusammen das funktionierende Genprodukt. Ein 5 Angiofibrome im Gesicht oder fibröse Plaques der Stirn
intakter Proteinkomplex ist für die zelluläre Differenzierung, Tu- 5 Fingernagel- oder Nagelbettfibrome
morsuppression und intrazelluläre Signalübertragung wichtig. 5 Hypopigmentierte blattförmige Flecken (drei oder mehr)
Bei den kortikalen Tubern handelt es sich um Entwicklungs- 5 Chagrinlederflecken (Pflasterstein-Nävi)
störungen der Hirnrinde, bedingt durch eine Störung der neuro- 5 Multiple maulbeerförmige Retinahamartome
nalen Proliferation während der Embryonalentwicklung (die 5 Subependymale nodöse Tuberome an der Wand der
fokalen kortikalen Dysplasien mit Ballonzellen werden von man- Seitenventrikel (= subependymale Knötchen, in ca. 98%
chen Autoren als eine apportive Form der tuberösen Sklerose der Fälle)
angesehen. 5 Kortextuberome (= kortikale Tubera)
Bei den subependymalen Knötchen handelt sich ebenfalls 5 Subependymale Riesenzellastrozytome (WHO-Grad I)
um eine Entwicklungsstörung der Hirnrinde mit Störung der 5 Einzelne oder multiple Rhabdomyome des Herzens
neuronalen Migration. 5 Pulmonale Lymphangiomyomatosis
5 Renale Angiomyolipome
298 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

4 Nebenmerkmale (zerebrale Befunde sind kursiv gekenn- 4 CT + KM: KM-Aufnahme eines subependymalen Knötchens
zeichnet) verdächtig auf Vorliegen eines subependymalen Riesenzell-
5 Grübchenförmige Zahnschmelzdefekte, hamartöse Rek- astrozytoms
tumpolypen; Knochenzysten oder periostale Verdickun-
gen, Pigmentdefekte der Retina, Gingivafibromatose, MRT:
nicht renale Harmatome, multiple Nierenzysten 4 T1w:
3 5 Radiäre lineare hyperintense Bänder in der weißen Subs- 5 Kortikale Tubera: Beim Kind hyperintens, später hypo-
tanz intens
5 Subependymale Knötchen: Abhängig von Myelinisie-
Diagnosestellung: rung, beim Kind hyperintens, später kortexiso- bis leicht
4 Definitives Vorliegen einer tuberösen Sklerose (TSC) bei hyperintens
Vorhandensein von zwei Hauptmerkmalen oder von einem 5 Marklagerläsionen: Bei Kindern hyperintens, abhängig
Hauptmerkmal und zwei Nebenmerkmalen. von Myelinisierung, später hypointens
4 Wahrscheinliche TSC beim Vorliegen eines Hauptmerkmals 4 T2w:
und eines Nebenmerkmals. 5 Kortikale Tubera: Variabel, beim Kind hypointens, später
4 Mögliche TSC bei einem Hauptmerkmal oder bei zwei oder hyperintens
mehr Nebenmerkmalen. 5 Subependymale Knötchen: Abhängig von Myelinisie-
rung, beim Kind hypointens, später kortexisointens
Verlauf und Prognose. Keine kausale Therapie; geistige Behin- 5 Marklagerläsionen: Bei Kindern hypointens, abhängig
derung häufig hochgradig und progredient. In 10–15% der Fälle von Myelinisierung
Entstehung von subependymalen Riesenzellastrozytomen. 4 FLAIR: Sensitiv für radiäre lineare Marklagerläsionen → hy-
perintens beim Erwachsenen
Sonstiges. Auch andere Familienmitglieder untersuchen, gene- 4 T2*w: Verkalkungen hypointens
tische Beratung. 4 T1w + KM:
5 Subependymale Riesenzellastrozytome zeigen in ca. 30–
Bildgebung. . Abb. 3.129 80% der Fälle KM-Aufnahme. Cave: Sich vergrößernde,
CT- oder MRT-Kontrollen werden ein- bis dreijährlich empfoh- anreichernde Läsion im Bereich der Foramina Monroi →
len (ca. 10% Astrozytome). suspekt für Riesenzellastrozytom
Lokalisation: 5 Ca. 10% der kortikalen und subependymalen Tubera
4 Kortikale/subkortikale Tubera: v.a. frontal und parietal reichern an
4 Subependymale Knötchen: subependymal, Wand der Seiten- 4 DWI: ADC-Werte in kortikalen Tubera und im Bereich der
ventrikel Marklagerläsionen erhöht
4 Marklagerläsionen: v.a. frontal und parietal, radiär entspre- 4 ASL-Perfusion: Perfusion der kortikalen Tubera variabel,
chend der neuronalen Migration während Embryonalent- meistens Hypoperfusion, aber auch Hyperperfusion mög-
wicklung lich; Nachweis hyperperfundierter Tubera korreliert mit epi-
4 Subepenymale Riesenzellastrozytome: intraventrikulär leptogener Aktivität
4 MRA: Selten sind Aneurysmen nachweisbar
Morphologie: 4 MRS: NAA/Cr-Ratio erniedrigt (Ausmaß korreliert mit kli-
4 Kortikale/subkortikale Tubera: pyramidenförmig nischem Schweregrad), MI/Cr-Ratio erhöht
4 Radiäre lineare hyperintense Bänder in der weißen Substanz
4 Subependymale Knötchen: nodulär, in ca. 50% der Fälle ver- Differenzialdiagnosen. Subependymale Heterotopie, kortikale
kalkt Dysplasie mit Ballonzellen, intrauterine CMV-Infektion
4 Marklagerläsionen: radiär
4 Subepenymale Riesenzellastrozytome: glatt begrenzt Literatur
4 Häufig Erweiterung des Ventrikelsystems Baron Y, Barkovich AJ. MR imaging of tuberous sclerosis in neonates and
young infants. AJNR Am J Neuroradiol. 1999;20:907-16.
Karadag D, Mentzel HJ, Güllmar D, Rating T, Löbel U, Brandl U, Reichenbach
CT: JR, Kaiser WA. Diffusion tensor imaging in children and adolescents with
4 CT nativ: tuberous sclerosis. Pediatr Radiol. 2005;35:980-3.
5 Kortikale Tubera: zunächst hypodens im Vergleich mit Matsuo N, Imamura A, Ito R, Sugawara K, Takahashi Y, Kondo N. The correlation
Cortex, werden später im Krankheitsverlauf isodens (ca. between 1H-MR spectroscopy and clinical manifestation with tuberous
sclerosis complex. Neuropediatrics. 2007;38:126-9.
50% nach 10 Jahren)
Pollock JM, Whitlow CT, Tan H, Kraft RA, Burdette JH, Maldjian JA. Pulsed Arte-
5 Subependymale Knötchen: kortexisodens, in ca. 50% der rial Spin-Labeled MR Imaging Evaluation of Tuberous Sclerosis. AJNR Am
Fälle Verkalkungen J Neuroradiol. 2009;30:815-20.
3.5 · Phakomatosen
299 3

a b

c d

e f

. Abb. 3.129a–g Tuberöse Sklerose mit kortikalen Tubera (z.B. normale Pfeile in a–c) und subepen-
dymalen Tubera (durchgestrichene Pfeile in b–d), die z.T. KM aufnehmen (gebogene Pfeile in e und f)
sowie radiären linearen Marklagerläsionen (Pfeilspitzen in b) und Verkalkungen (breite Pfeile in g);
g
a–d: FLAIRw tra und cor; e, f: T1w + KM; g: T2*w
300 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

3.5.2 Neurofibromatosen Weitere klinische Merkmale:


4 Entwicklungsverzögerung, mentale Retardierung, Lernstö-
Neurofibromatose Typ 1 (NF1) rungen
Synonyme. Morbus Recklinghausen 4 Pubertas präcox
4 Hypertonus durch Nierenarterienstenosen
Definition. Bei der Neurofibromatose Typ 1 handelt es sich um
3 eine Multiorganerkrankung mit einem weiten Spektrum von Verlauf und Prognose. Progredienz; Risiko der malignen Ent-
kutanen, ossären und neurologischen Symptomen sowie der Nei- artung der Neurofibrome und erhöhtes Risiko für andere Ma-
gung zu benignen und malignen Tumoren des Nervensystems. lignome; reduzierte Lebenserwartung.

Epidemiologie und Demographie. Häufigkeit: 30–40/100.000; Sonstiges.


50% sind Neumutationen Diagnostische Kriterien nach dem NIH-Konsensus (National
Altersverteilung: Manifestationen v.a. in der 2.–3. Lebensdeka- Institute of Health) – mindestens zwei der folgenden Kriterien
de, kutane Auffälligkeiten oft schon im ersten Lebensjahr müssen für die Diagnose erfüllt sein:
Geschlechtsverteilung: M etwas > F 4 Nachweis von sechs oder mehr Café-au-lait-Flecken über
Assoziiert mit: Kortikalen Dysplasien und der Moya-Moya-Er- 5 mm im größten Durchmesser bei präpubertären Patienten
krankung und über 15 mm im größten Durchmesser bei postpuber-
tären Patienten
Ätiologie. Autosomal-dominant vererbt; variable Expressivität 4 Zwei oder mehrere Neurofibrome jeglicher Art oder ein plexi-
und vollständige Penetranz. Derzeit sind über 100 verschiedene formes Neurofibrom
Mutationen bekannt. Der Basisdefekt wird durch eine Mutation 4 Sprenkelung (freckling) im axillären oder inguinalen Be-
eines Tumorsuppressorgens (NF1-Gen, auf Chromosom 17q11.2 reich
lokalisiert) verursacht. 4 Opticusgliom
Das normale NF1-Genprodukt ist Neurofibromin. Intaktes 4 Zwei oder mehrere Lisch-Knötchen (Iris-Hamartome)
Neurofibromin bewirkt die Aufspaltung und Hemmung des die 4 Knochenläsionen, wie Sphenoiddysplasie oder Verschmäle-
Zellteilung aktivierenden Komplexes von Produkten der RAS- rung der Corticalis der langen Röhrenknochen (mit oder
Protoonkogene. Durch Fehlen von Neurofibromin infolge einer ohne Pseudoarthrose)
Mutation werden die RAS-Proteine in ihrer die Zellteilung 4 Ein Verwandter ersten Grades mit NF1
fördernden Funktion aktiv. 4 Altersspezifische Manifestation der einzelnen Symptome
Manifestationen: (z.B. Café-au-lait-Flecken 1.–2. Lebensjahr, »freckling« ab
4 Haut: Café-au-Lait-Flecken, Neurofibrome, Lisch-Knötchen dem 3.–5. Lebensjahr)
(Iris-Hamartome)
4 ZNS: Opticusgliome, spinale Meningeome, Angiome, Harma- Bildgebung. . Abb. 3.130 bis . Abb. 3.133
tome, Glomustumoren, Syringomyelie, Hydrozephalus Lokalisation:
4 Skelett: Knochenzysten, Skoliose 4 Plexiforme Neurofibrome: Orbita, Kopfhaut, Schädelbasis,
4 Gefäßsystem: Fibromuskuläre Dysplasie → Gefäßstenosen, paraspinal
Nierenarterien, intra-und extrakranielle Gefäße, Aneu- 4 Gliome: N. opticus, alle Abschnitte der Sehbahn
rysmen 4 Weiße Substanz
4 Tiefe graue Substanz (Globus pallidus, Thalamus, Hippo-
Es besteht ein erhöhtes Risiko für Malignome: Wilms-Tumor, campus, Hirnstamm)
myeloische Leukämie, Phäochromozytom, Magenkarzinom,
Mammakarzinom. Das Risiko für eine maligne Entartung der Morphologie: Fokale Signalsteigerungen in weißer Substanz und
Neurofibrome beträgt ca. 5% → maligne Nervenscheidentu- tiefer grauer Substanz, meist nicht raumfordernd (= »UBOs« →
moren. »unidentified bright objects«); können in ca. 10% der Fälle pro-
liferieren → dann auch raumfordernder Effekt
Klinik. Morphologie der Neurofibrome siehe 7 Kap. 3.2.13; kortikale
Haut: Café-au-lait-Flecken, plexiforme Neurofibrome, Fleckung Dysplasien möglich.
in den großen Körperfalten (»Freckling«), Lisch-Knötchen (Iris-
Hamartome)
ZNS: Hydrozephalus, Makrozephalus, Entwicklungsverzögerung,
mentale Retardierung, Lernstörungen, epileptische Anfälle
Peripheres Nervensystem: Hirnnervenausfälle, Polyneuropathie
Skelett: Skoliose, Pseudoarthrosen, Frakturen
3.5 · Phakomatosen
301 3
CT: 4 T1w + KM: Selten Anreicherung der Läsionen im Marklager
4 CT nativ (Knochenkernel): und im Bereich der tiefen grauen Substanz → hinweisend auf
5 Fissura orbitalis erweitert, Foramen ovale erweitert Proliferationstendenz
5 Progrediente Dysplasie des Keilbeinflügels 4 DWI: ADC-Wert im Bereich der Läsionen erhöht
5 Defekt der Lamdanaht 4 MRS: Cholinerhöhung der Läsionen im Marklager und im
5 Durale Verkalkungen im Bereich des Vertex Bereich der tiefen grauen Substanz

MRT: Bildgebung der Neurofibrome siehe 7 Kap. 3.2.13 NUK:


4 T1w: Fokale Marklagerläsionen und Läsionen im Bereich der 4 PET: Hypometabolismus im Bereich der Marklagerläsionen
tiefen grauen Substanz: variables Signal, zunehmende Signal-
intensität mit zunehmendem Alter; assoziierte kortikale Dys- Differenzialdiagnosen. Neurofibromatose Typ 2; andere Ursa-
plasien? chen multipler Marklagerläsionen, z.B. MS; Gliomatosis cerebri
4 T2w, FLAIR: Opticusgliom (. Abb. 3.131); hyperintense Mark-
lagerläsionen und Läsionen im Bereich der tiefen grauen
Substanz

a b c

d e f

. Abb. 3.130a–e Neurofibromatose Typ 1 mit multiplen spinalen Schwannomen und subkutanen Neurofibromen. a, b, d, e: T2 FS tra, cor und sag;
c: T1 + KM cor, f: T2 tra
302 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e

. Abb. 3.131a–f Opticusgliom mit Ausbreitung entlang der Sehbahn bei Neurofibromatose Typ 1. a, b: T2w; c: DWI, B1000; d: CISS cor; e: T1w + KM sag

Literatur Epidemiologie und Demographie. Inzidenz 1:35.000


Alkan A, Sigirci A, Kutlu R, Ozcan H, Erdem G, Aslan M, Ates O, Yakinci C, Egri M. Altersverteilung: zwei Verlaufsformen:
Neurofibromatosis type 1: diffusion weighted imaging findings of brain.
4 Wishart-Phänotyp: Früher Krankheitsbeginn <20. Lebens-
Eur J Radiol. 2005;56:229-34.
De Bella K, Szudek J, Friedman JM. Use of the National Insitutes of Health
jahr; multiple zerebrale und spinale Raumforderungen mit
Criteria for Diagnosis of Neurofibromatosis 1 in Children. Pediatrics. rascher Tumorprogression
2000;105:608-14. 4 Feiling-Gardner-Phänotyp: Krankheitsbeginn >20. Lebens-
Koc F, Yerdelen D, Koc Z. Neurofibromatosis type 1 association with moyam- jahr; singuläre zentrale Tumoren mit langsamer Tumorpro-
oya disease. Int J Neurosci. 2008;118:1157-63.
gression
Matsumine A, Kusuzaki K, Nakamura T, Nakazora S, Niimi R, Matsubara T,
Uchida K, Murata T, Kudawara I, Ueda T, Naka N, Araki N, Maeda M,
Uchida A. Differentiation between neurofibromas and malignant peri- Geschlechtsverteilung: M = F
pheral nerve sheath tumors in neurofibromatosis 1 evaluated by MRI.
J Cancer Res Clin Oncol. 2009;135:891-900. Ätiologie. Autosomal dominanter Erbgang (Chromosom 22),
NIH National Institutes of Health Consensus Development Conference: Neuro-
bei ca. 50% der Fälle Neumutation
fibromatosis: Conference Statement: Arch. Neurol. 1988;45:575-8.
Tucker T, Friedman JM, Friedrich RE, Wenzel R, Fünsterer C, Mautner VF.
Manifestationen:
Longitudinal study of neurofibromatosis 1 associated plexiform neuro- 4 Schwannome der Hirnnerven (v.a. HN VIII) und der Spinal-
fibromas. J Med Genet. 2009;46:81-5. nerven
4 90% der Patienten haben bilaterale Akustikusneurinome
Internet (7 Kap. 3.2.13)
www.von-recklinghausen.org 4 Meningeome
4 Ependymome des Rückenmarks (intramedulläre) und des
Neurofibromatose Typ 2 Hirnstamms
Definition. Die Neurofibromatose Typ 2 ist eine erbliche neuro- 4 Gliome, intramedulläre Astrozytome
kutane Erkrankung, deren Hauptmerkmal das Auftreten von 4 Mikroharmatome
beidseitigen Akustikusneurinomen im jugendlichen Alter dar- 4 Haut: Neurofibrome
stellt. 4 Auge: Juveniler subkapsulärer Katarakt
3.5 · Phakomatosen
303 3

a b c

e f

. Abb. 3.132a–f Opticusgliom mit Ausbreitung entlang der Sehbahn bei Neurofibromatose Typ 1.
d
a, b, e, f: T2w tra und cor; c, d: T1w + KM

a b c

. Abb. 3.133a–c Bilaterales thalamisches Gliom bei Neurofibromatose Typ 1. a, b: T2w; c: T1w + KM
304 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

Klinik. Internet
Wishart-Phänotyp: Multiple zerebrale und spinale Tumoren http://www.nf2.de
http://www.neurofibromatose.com/
Feiling-Gardner-Phänotyp: Singuläre zentrale Tumoren
4 Schwindel, Hörminderung (durch bilaterale Akustikus-
schwannome)
4 Andere Hirnnervenausfälle 3.5.3 Sturge-Weber-Syndrom
3 4 Skoliose
4 Paraplegie oder Nackenschmerzen durch spinale Tumoren Synonyme. Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom, Angiomatosis
encephalofacialis
Verlauf und Prognose.
Wishart-Phänotyp: Rasche Tumorprogression Definition. Beim Sturge-Weber-Syndrom handelt es sich um
Feiling-Gardner-Phänotyp: Langsame Tumorprogression eine neuroektodermale Dysplasie mit Fehlentwicklung der Venen
und dadurch bedingter Hämangiombildung im Bereich des Ge-
Sonstiges. Symptomatik kann in der Schwangerschaft exazer- sichts, der Meningen und der Choroidea.
bieren.
Epidemiologie und Demographie. Prävalenz 2–4/100.000
Diagnosekriterien. Altersverteilung: Gesichtsnävus bei Geburt sichtbar, Manifesta-
4 Bilaterale Akustikusneurinome oder unilaterales AKN und tion der Anfälle meist im ersten Lebensjahr
Verwandter ersten Grades mit NF2 Geschlechtsverteilung: M = F
4 Verwandter ersten Grades mit NF2 und zwei der folgenden Assoziiert mit: Hemiplegischer Migräne
Merkmale:
5 Neurofibrom Ätiologie. Meist Spontanmutationen, nur selten familiär ge-
5 Meningeom häuft; mangelnde Differenzierung der embryonalen Gefäße (v.a.
5 Gliom Venen) → dünnwandige, erweiterte Kapillaren und Venen → pro-
5 Schwannom grediente venöse Verschlüsse, chronische venöse Ischämien →
Atrophie und Verkalkungen
Bildgebung. . Abb. 3.134, . Abb. 3.135 Manifestationen: Kapilläre und venöse Angiome im Bereich
Lokalisation: Hirnnerven (v.a .bilateral am HN VIII), Spinalner- von:
ven, Meningen (Meningeome) 4 ZNS: Leptomeningen (leptomeningeale Angiomatose)
Morphologie: Schwannome primär rundlich, passen sich in ihrer 4 Haut: Gesichtshaut iplilateral → Naevus flammeus (= kutanes
Form Knochenforamina an: Hämangiom), oder Portwein-Nävus (v.a. im Versorgungsge-
4 »Eistütchen« im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels/ biet des HN V1, der Befall des Augenlids weist auf einen
Meatus acusticus internus (zur Bildgebung der Schwannome ZNS-Befall hin
siehe 7 Kap. 3.2.13) 4 Auge: Aderhaut, ipsilateral
4 Spinal: Sanduhrförmig (Foramina intervertebralia)
Klinik. Naevus flammeus; epileptische Anfälle, die schwer medi-
Meningeome: Zur Bildgebung der Meningeome siehe 7 Kap. kamentös einstellbar sind; Einschränkung der intellektuellen
3.2.14 Entwicklung; oft Hemiparese.
Röntgen der Wirbelsäule: Erweiterte Foramina intervertebralia
CT Knochenkernel: Erweiterte Schädelbasisforamina Verlauf und Prognose. Die mittlere Lebenserwartung beträgt
MRT + KM: Gesamte Neuroachse: Schwannome? ca. 50 Jahre. Entwicklungsverzögerung, mentale Retardierung;
in ca. ⅓ progrediente Hemiparese.
Differenzialdiagnosen. Multiple Schwannome ohne andere Komplikationen: Selten SAB, kongenitales Glaukom
Stigmata (Schwannomatosis), andere RF im Kleinhirnbrücken-
winkel (siehe Exkurs »Raumforderungen im Kleinhirnbrücken- Sonstiges. Leptomeningeale Angiomatose ist progredient von
winkel«), multiple Meningeome nach Radiatio, durale Metasta- posterior nach anterior.
sen, granulomatöse Erkrankungen (Sarkoidose, Tuberkulose)

Literatur
Farrell CJ, Plotkin SR. Genetic causes of brain tumors: neurofibromatosis,
tuberous sclerosis, von Hippel-Lindau, and other syndromes. Neurol Clin.
2007;25:925-46.
Fisher LM, Doherty JK, Lev MH, Slattery WH 3rd. Distribution of nonvestibular
cranial nerve schwannomas in neurofibromatosis 2. Otol Neurotol. 2007;
28:1083-90.
Harris GJ, Plotkin SR, Maccollin M, Bhat S, Urban T, Lev MH, Slattery WH. Three-
dimensional volumetrics for tracking vestibular schwannoma growth in
neurofibromatosis type II. Neurosurgery. 2008;62:1314-9.
3.5 · Phakomatosen
305 3

a b c

d e f

g h

. Abb. 3.134a–h Neurofibromatose Typ 2 mit multiplen Meningeomen an der Konvexität und an der Falx, Akustikusneurinom rechts (Stern in d–g) und
spinalem Schwannom (Pfeil in h). Z.n. operativer Entfernung eines Akustikusneurinoms links. a–f: T1w + KM tra, cor und sag; g: T2w; f: T1w + KM sag
306 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e

. Abb. 3.135a–f Neurofibromatose Typ 2 mit beidseitigen Akustikus- (Pfeil in b, c und e) und Trigeminusneurinomen (gebogene Pfeile in a und d), sowie
en plaque wachsendem Falxmeningeom (Pfeilspitzen in e). a–c: T2w; d–f: T1w + KM FS cor
3.5 · Phakomatosen
307 3
Bildgebung. . Abb. 3.136 4 Venöse MRA: Prominente subependymale und transmedul-
Lokalisation: läre Kollateralen; fehlende/verschlossene kortikale Venen
4 Meist unilateral, selten bilateral 4 DTI: Niedrigere FA-Werte und höhere ADC-Werte im Be-
4 Meist okzipital > parietal > frontal/temporal reich der Pyramidenbahn der betroffenen Seite (bevor kli-
nisch Hemiparese auftritt)
Morphologie: 4 MRS: NAA erniedrigt, Cholin erhöht
4 Girlandenförmige, gyrale und subkortikale Verkalkungen; 4 DSA:
spät: Atrophie der Hemisphäre 5 girlandenförmige, gyrale Verkalkungen
4 Prominente transmedulläre und subependymale Venen = 5 prominente transmedulläre Venen = Kollateralen
Kollateralen
4 Vergrößerung des ipsilateralen Plexus choroideus NUK:
4 Verdickung der Diploe 4 PET: Progrediente Hypoperfusion, progredienter Hypometa-
bolismus
Röntgen-Schädel: Geschlängelte Verschattungen kalottennah
(»Tram-Track-Muster«), Verdickung der Diploe Differenzialdiagnosen.
CT: DD leptomeningeales Enhancement: Meningitis, Meningeosis
4 CT nativ: Girlandenförmige, gyrale Verkalkungen, Hemia- carcinomatosa, Leukämie
trophie DD gyrale Verkalkungen: Selten bei tuberöser Sklerose beschrie-
4 CT + KM: Girlandenförmige, leptomeningeale KM-Aufnah- ben; postentzündlich
me (= Darstellung der Angiome); starke KM-Aufnahme des
ipsilateralen Plexus choroideus Literatur
Akpinar E. The tram-track sign: cortical calcifications. Radiology. 2004;231:
515-6.
MRT:
Cakirer S, Yagmurlu B, Savas MR Sturge-Weber syndrome: diffusion magnetic
4 T1w: Progrediente Atrophie von weißer und grauer Substanz resonance imaging and proton magnetic resonance spectroscopy find-
4 T2w: ings. Acta Radiol. 2005;46:407-10.
5 Früh: »Beschleunigte« Myelinisierung durch Hyperper- Hu J, Yu Y, Juhasz C, Kou Z, Xuan Y, Latif Z, Kudo K, Chugani HT, Haacke EM.
fusion MR susceptibility weighted imaging (SWI) complements conventional
contrast enhanced T1 weighted MRI in characterizing brain abnormali-
5 Im Verlauf: Gliose im Marklager → hyperintens; verkalkter
ties of Sturge-Weber Syndrome. J Magn Reson Imaging. 2008;28:300-7.
Cortex → hypointens Juhász C, Haacke EM, Hu J, Xuan Y, Makki M, Behen ME, Maqbool M, Muzik O,
4 FLAIR: Im Verlauf: Gliose im Marklager Chugani DC, Chugani HT. Multimodality imaging of cortical and white
4 FLAIR + KM: Sehr gut zur Darstellung des leptomeningealen matter abnormalities in Sturge-Weber syndrome. AJNR Am J Neuroradiol.
Enhancements 2007 May;28(5):900-6.
Ketonen L, Koskiniemi ML. Gyriform calcification after herpes simplex virus
4 T2*w: Hypointense Darstellung der Verkalkungen mit
encephalitis. J Comput Assist Tomogr. 1983;7:1070-2.
»Tram-Track-Muster« Sivaswamy L, Rajamani K, Juhasz C, Maqbool M, Makki M, Chugani HT. The
4 T1w + KM: corticospinal tract in Sturge-Weber syndrome: a diffusion tensor tractog-
5 Girlandenförmige, leptomeningeale KM-Aufnahme (= raphy study. Brain Dev. 2008;30:447-53.
Darstellung der Angiome) Wilms G, Van Wijck E, Demaerel P, Smet MH, Plets C, Brucher JM. Gyriform
calcifications in tuberous sclerosis simulating the appearance of Sturge-
5 Starke KM-Aufnahme des ipsilateralen Plexus choroideus
Weber disease. AJNR Am J Neuroradiol. 1992;13:295-7.
5 Spät im Verlauf »ausgebranntes« Stadium mit Rückgang
der KM-Aufnahme
4 DWI: Diffusionsrestriktion möglich, wenn akute Ischämie Internet
auftritt http//:www.sturge-weber.de
4 SWI: Exzellente Darstellung der prominenten subependy-
malen und transmedullären venösen Kollateralen
308 Kapitel 3 · Tumoren und nicht neoplastische intrakranielle Raumforderungen

a b c

d e f

. Abb. 3.136a–f Sturge-Weber-Syndrom: Leptomeningeale Angiomatose links mit leichter Atrophie (Pfeile in a und c), girlandenförmigen, gyralen
Verkalkungen (Pfeile in d, e), einer Verdickung des ipsilateralen Plexus choroideus (Pfeil in b) und prominenten transmedullären (Pfeilspitzen in f) und sub-
ependymalen Venen (Kollateralen) im Sinne einer DVA (normaler Pfeil in f). a, b: FLAIRw; c: T1w; d: CT nativ, e: T2*w; f: T1w + KM

3.5.4 Von-Hippel-Lindau-Syndrom Manifestationen:


1. Auge: Angiomatosis retinae = gefäßreicher retinaler Tumor
Synonyme. Retinozerebelläre Angiomatose, zerebelloretinale (Hämangiom) = Hauptläsion 1
Hämangioblastomatose 2. ZNS:
5 Hämangioblastome in der HSG oder spinal = Hauptlä-
Definition. Beim Von-Hippel-Lindau-Syndrom handelt es sich sion 2
um ein autosomal-dominant vererbtes familiäres Tumorsyndrom 5 Endolymphatischer Sack-Tumoren
mit zerebellären und spinalen Hämangioblastomen (Lindau- 3. Nieren und Nebennieren:
Tumoren) sowie Hämangiomen der Retina und Befall weiterer 5 Nierenzysten
Organe. 5 Nierenzellkarzinome
5 Phäochromozytome
Epidemiologie und Demographie. Inzidenz 1:36.000–1:45.000 4. Pankreas:
Altersverteilung: Diagnose der retinalen Angiome meist im jun- 5 Pankreaszysten
gen Erwachsenenalter 5 Pankreaszystadenome
Geschlechtsverteilung: M = F 5. Nebenhoden: Zystadenome
Assoziiert mit: Polyzythämie (Angiome produzieren Erythro-
poetin) Organmanifestationen 3 bis 5 sind Nebenläsionen.

Ätiologie. Autosomal-dominant vererbt, Spontanmutationsrate


aber bis zu 50%; Genlokus auf Chromsosom 3 (Tumorsuppres-
sorgen).
3.5 · Phakomatosen
309 3

a b c

. Abb. 3.137a–c Von-Hippel-Lindau-Syndrom; mehrere Hämangioblastome in der hinteren Schädelgrube (Pfeile). a–c: T1w + KM sag und cor

Klinik. Bildgebung.
Angiomatosis retinae: Sehstörung → Netzhautablösung → akuter Lokalisation: Hämangioblastome → 80% in der HSG, 20% spinal,
Visusverlust/Erblindung <1% supratentoriell
ZNS: Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks (Kopf- Morphologie: Multipel, meist zystisch, können groß werden;
schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gangstörung, Schluckstörung), Verschlusshydrozephalus
ggf. spinale Symptomatik Weitere Ausführungen zur Bildgebung der Hämangioblastome
Phäochromozytom: Kopfschmerz, Schwindel, Blutdruckkrisen siehe 7 Kap. 3.2.15.1

Verlauf und Prognose. Verlauf sehr unterschiedlich, abhängig Differenzialdiagnosen. Isolierte Hämangioblastome, gefäß-
vom Auftreten und von der Metastasierung der Nierenzellkar- reiche Metastasen, pilozytisches Astrozytom, multiple AVMs bei
zinome. Bei den Hämangioblastomen wechseln sich Wachstums- anderen neurokutanen Syndromen
phasen mit stabilen Phasen ab; ca. alle 2 Jahre entsteht ein neuer
Tumor. Literatur
Komplikationen: Netzhautablösung, akute Zeichen einer Erhö- Gläsker S, Van Velthoven V. Risk of hemorrhage in hemangioblastomas of the
central nervous system. Neurosurgery. 2005;57:71-6.
hung des intrakraniellen Drucks, Blutung der Hämangioblas-
Gläsker S. Central nervous system manifestations in VHL: genetics, pathology
tome and clinical phenotypic features. Fam Cancer. 2005;4:37-42.
Shuin T, Yamasaki I, Tamura K, Okuda H, Furihata M, Ashida S. Von Hippel-
Sonstiges. Diagnosestellung bei folgenden Konstellationen: Lindau disease: molecular pathological basis, clinical criteria, genetic
4 beide Hauptläsionen vorhanden oder testing, clinical features of tumors and treatment. Jpn J Clin Oncol.
2006;36:337-43.
4 eine Haupt- und eine Nebenläsion oder
4 eine Hauptläsion + positive Familienanamnese
4

Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende


Erkrankungen

4.1 Allgemeines – 312

4.2 Meningitiden und Meningoenzephalitiden – 312

4.3 Empyeme – 322

4.4 Zerebritis und Hirnabszess – 324

4.5 Ventrikulitis – 329

4.6 Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen – 331

4.7 Nicht sicher einzuordnende entzündliche Erkrankungen – 375

4.8 Entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen – 376

4.9 Enzephalitiden im Rahmen paraneoplastischer Syndrome – 383

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_4,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
312 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4.1 Allgemeines 4.1.2 Klinik akuter ZNS-Infektionen


(Leitsymptome)
4.1.1 Begriffsbestimmungen
Leitsymptome zerebraler Infektionen sind Kopfschmerzen und
Meningitis (Hirnhautentzündung): Entzündung der Hirn- und Fieber. Je nach Lokalisation der Entzündung im ZNS können
Rückenmarkshäute, d.h. der Meningen, meist infektiöser Genese. weitere Symptome wie Meningismus und fokal-neurologische
Zu unterscheiden ist zwischen viraler Meningitis und akuter Symptome auftreten. Typische Liquorbefunde sind der . Tab. 4.1
eitriger (bakterieller) Meningitis. zu entnehmen.
4 Leptomeningitis: Entzündliche Infiltration der weichen Hirnhäu-
te, d.h. der Pia mater und der Arachnoidea, sowie des Liquors
Pachymeningitis: Entzündliche Infiltration der harten Hirn- 4.2 Meningitiden
haut, d.h. der Dura mater und Meningoenzephalitiden
Enzephalitis (altgriech. »Gehirnentzündung«): Entzündung des
Hirngewebes Definition. Siehe 7 Kap. 4.1.1
Panenzephalitis: Entzündung des gesamten Hirngewebes
Formen.
Polioenzephalitis: Entzündung der Nervenzellkörper der grauen
4 Akute virale (lymphozytäre, aseptische) Meningitis oder
Substanz
Meningoenzephalitis
Leukenzephalitis: Entzündung der Nervenfasern in der weißen
4 Akute bakterielle (pyogene, eitrige) Meningitis oder Menin-
Substanz
goenzephalitis
Meningoenzephalitis: Entzündung der Hirnhäute und des Hirn-
4 Chronische Meningitiden
gewebes
Enzephalomyelitis: Entzündung des Gehirns und des Rücken- Klinik.
marks 4 Obligat: Kopfschmerzen, Fieber
Zerebritis: eigentlich Synonym für fokale Enzephalitis (»Hirn- 4 Fakultativ: Meningeale Reizung (85%, Nackensteifigkeit,
entzündung); wird jedoch i.d.R. nur für bakterielle Infektionen Opisthotonus, Lhermitte-Zeichen), Erbrechen, Photophobie,
verwendet Bewusstseinstrübung (80%), epileptische Anfälle (30%),
Abszess: Abgekapselte Eiteransammlung in einer nicht präfor- Stauungspapille nur in 1%
mierten Körperhöhle, die durch eine entzündliche Gewebe-
einschmelzung (Nekrose) entsteht Akute virale Meningitis: Kopfschmerzen, Fieber, Lichtscheu,
Hirnabszess: Lokale Infektion des Hirngewebes, die als fokale Übelkeit, Erbrechen, Nackensteife (oft nur mäßig ausgeprägt
Enzephalitis (»Zerebritis«) beginnt und sich im weiteren Verlauf oder vereinzelt sogar fehlend)
langsam zu einer Eiteransammlung mit Bindegewebekapsel ent- Akute eitrige (bakterielle) Meningitis:
wickelt 4 Hohes Fieber, schweres Krankheitsgefühl, starke Kopf-
Empyem: Ansammlung von Eiter in einer präformierten Körper- schmerzen, Meningismus (bei Kindern, älteren Patienten
höhle oder in einem Hohlorgan und sehr früh im Krankheitsverlauf oft nur mäßig ausge-
Zerebrales subdurales Empyem: Lokale Eiteransammlung im prägt), Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Verwirrtheit (selten
Subduralraum akute Psychose), Vigilanzstörung, epileptische Anfälle; in
Zerebrales epidurales Empyem = Eiteransammlung zwischen schweren Fällen Koma
Dura und Periost

. Tab. 4.1 Synopsis typischer Liquorbefunde bei entzündlichen ZNS-Erkrankungen

Parameter Virale Meningitis und Neuroborre- Tuberkulöse Meningitis ADEM Akute bakterielle
Enzephalitis liose Meningitis

Aussehen Klar Klar Trüb oder klar Klar Trüb und eitrig

Leukozytenzahl <1000/mm3 <1000/mm 3


Mehrere100/mm 3
<300/mm 3
>1000/mm3

Zellbild Lymphomonozytär oder Mononukleär Lymphomonozytär oder Mononukleär Granulozytär


lymphogranulozytär lymphogranulozytär

Liquorglukose (in % der >50% >50% <30% >50% <50%


Serumglukose)

Laktat <3,5 mmo/l <3,5 mmol/l >3,5 mmol/l <3,5 mmol/l >3,5 mmol/l

Eiweiß <1000 mg/l >(50-)100 mg/l >1000 mg/l <1000 mg/l >1000 mg/l

Liquor/Serum- <20×103 > 20×103 >20×103 <20×103 >20×103


Quotient für Albumin
4.2 · Meningitiden und Meningoenzephalitiden
313 4
4 Fakultative Begleitsymptome: Septische Konstellation, Klinik.
hämorrhagische Exantheme unterschiedlicher Morphologie Erwachsene: Kopfschmerzen, Fieber, Nackensteife, Bewusst-
und Ausprägung, Waterhouse-Friderichsen-Syndrom (bei seinstrübung
Meningokokkeninfektionen), Herpes labialis (bei Pneumo- Kinder: Fieber, meningeale Reizung, Nackensteife
kokken-Meningitis; Differenzialdiagnose: Herpes-simplex- Kleinkinder: Fieber, meningeale Reizung, Lethargie
Enzephalitis)
Verlauf und Prognose.
Akute virale (insbesondere Herpes-simplex-)Enzephalitis: Letalität: Erregerabhängig bis zu 25% (z.B. bei Streptococcus
Kopfschmerzen, hohes Fieber, Erbrechen; akute neurologische pneumoniae ca. 20%, H. influenzae 3%).
Herdsymptomatik (z.B. Wernicke-Aphasie, fokale epileptische Defektheilungen bei ca. 10–30% der Fälle.
Anfälle, Hemiparese), Verwirrtheit, sekundär-generalisierte epi- Mögliche Komplikationen (bei Erwachsenen in bis zu 50% der
leptische Anfälle, Vigilanzstörung Fälle):
4 Hydrocephalus occlusus und malresorptivus
Akute Meningoenzephalitis: Fieber, Kopfschmerzen, Nacken- 4 Hirnödem
steife (oft nur mäßig ausgeprägt), Vigilanzstörung, Verwirrt- 4 Sinusthrombose/kortikale Venenthrombose
heitssyndrom (Psychose), Hirnnervenausfälle 4 Zerebritis/Hirnabszess
4 Zerebrale Arteriitis (v.a. bei Pneumokokken) und konseku-
> Die Menigitis ist keine bildgebende Diagnose, sondern
tive Ischämien
wird klinisch bzw. laborchemisch diagnostiziert. Die
4 Internistische Komplikationen
Bildgebung hat ihren Stellenwert in der Diagnose von
4 Selten subdurales Empyem
Komplikationen, wie z.B. einem Hydrozephalus oder
dem Nachweis von Zeichen eines erhöhten intrakra-
Liquorbefund: Pleozytose >1000/μl (im Akutstadium Granulo-
niellen Drucks.
zyten), Eiweißerhöhung (>2000 mg/l), Liquor/Serum-Glucose-
Quotient <0,5, Laktat >3,5 mval/l, lichtmikroskopischer Erreger-
nachweis (mittels Gramfärbung) gelingt in ca. 50% der Fälle
4.2.1 Bakterielle Meningitis
Sonstiges. Bei V.a. bakterielle Meningitis müssen innerhalb
Erreger. Siehe . Tab. 4.2 von 30–60 min folgende Maßnahmen durchgeführt werden:
4 Neurologische Untersuchung
Epidemiologie und Demographie. Zunahme der Inzidenz in 4 Abnahme einer Blutkultur
den letzten 30 Jahren aufgrund nosokomialer Infektionen; in 4 Lumbalpunktion (nur wenn klinisch keine Zeichen eines er-
USA ca. 3/100.000 höhten intrakraniellen Drucks, keine Bewusstseinsstörung
Altersverteilung: . Tab. 4.2 und kein fokal neurologisches Defizit)
Geschlechtsverteilung: Keine Geschlechterpräferenz 4 erste i.v. Antibiotikagabe

Ätiologie. Meist hämatogene Erregerausbreitung; Bei Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, Bewusst-
Ausbreitungswege: seinsstörung oder fokal neurologischem Defizit sollte vor der
4 Per continuitatem (z.B. bei oder nach Sinusitis, Otitis oder Liquorpunktion möglichst rasch eine CCT durchgeführt wer-
Mastoiditis) (. Abb. 4.1, . Abb. 4.2 und . Abb. 4.4) den. Um keine Zeit durch das Warten auf die CT-Untersuchung
4 Offene Liquorfistel (z.B. nach OP oder nach offenem Schädel- zu verlieren, wird in diesen Fällen nach Abnahme der Blutkultur
Hirn-Trauma) bereits mit der i.v. Antibiotikagabe begonnen. Zeigt das CT keine
Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks, erfolgt die
Liquorpunktion im Anschluss an die Bildgebung.

. Tab. 4.2 Typische Erreger der bakteriellen Meningitis

Alter Typische Erreger

Frühgeborene, Gramnegative Enterobakterien (E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Proteus)


Säuglinge <6 Wochen Streptokokken der Gruppe B (Streptococcus agalacticae), Listeria monocytogenes

Säuglinge >6 Wochen, Neisseria meningitidis (Meningokokken), Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae
Kinder, jüngere Erwachsene

Erwachsene > 50 Jahre Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis (Meningokokken), Listeria monocytogenes

Posttraumatische, postoperative Staphlococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, gramnegative Stäbchen (z.B. Pseudomonas aeruginosa)
oder Shunt-Meningitis
314 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Bildgebung. . Abb. 4.1 bis . Abb. 4.4 4.2.2 Spezielle Erreger


Die Rolle der Bildgebung besteht hier v.a. im Ausschluss von
Komplikationen: Meningokokken-Meningitis
4 Hydrocephalus occlusus? Erreger. Neisseria meningitidis (Meningokokken)
4 Hirnödem?
4 Enzephalitis, Abszess, Ventrikulitis, Empyem? Epidemiologie und Demographie. Häufigster Erreger einer
4 Zerebrovaskuläre Komplikationen, infektiöse Vaskulitis? bakteriellen Meningitis v.a. im Kindes- und Jugendalter.
Infarkte? In Deutschland:
4 4 65–70% Meningokokken Serogruppe B
Lokalisation: Meningen, Subarachnoidalraum (Sulci, Zisternen) 4 25–30% Meningokokken Serogruppe C
Morphologie: Leptomeningeale KM-Aufnahme und Exsudat im
Subarachnoidalraum (. Abb. 4.2); »Verdickung« der Meningen; Klinik und Verlaufsformen.
enge basale Zisternen und kortikale Furchen (. Abb. 4.1) 4 50%: Meningitis
CT: 4 35%: Septischer Verlauf mit Exanthem und petechialen Blu-
4 CT nativ: tungen v.a. an Extremitäten → bakterielle Embolien
5 Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Drucks? 4 15%: Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom (Verbrauchskoa-
(7 Kap. 3) gulopathie, flächige Nekrosen)
5 Evtl. Liquoraufstau mit Erweiterung der Ventrikel (Hydro-
zephalus) Verlauf und Prognose. Letalität bei Meningitis bis zu 4%, bei
5 Ggf. enge basale Zisternen und kortikale Furchen Sepsis 5–20%, bei Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom bis 50%.
4 CT + KM: Evtl. kontrastmittelanreicherndes Exsudat in Sulci
und Zisternen Pneumokokken-Meningitis
Erreger. Staphylococcus pneumoniae
MRT:
4 T1w: Exsudat isointens Epidemiologie und Demographie. Häufigste Ursache bakte-
4 T2w/PDw: Hyperintenses Exsudat, jedoch wegen hyperin- rieller Meningitiden bei Patienten >18 Jahren.
tensem Liquor nicht sehr hilfreich Prädisponierend sind schwere Grunderkrankungen, Alko-
4 FLAIR: Hyperintenses Exsudat im Subarachnoidalraum holismus, Splenomegalie und Diabetes mellitus.
4 FLAIR + KM: KM-Aufnahme des Exsudats und der verdickten
Meningen (ähnliche Sensitivität aber höhere Spezifität als T1 Ätiologie. Meist (in ca. 60%) handelt es sich um eine Durchwan-
+ KM) derungsmeningitis aufgrund eines HNO-Fokus wie z.B. einer
4 DWI: Infarkte? Mastoiditis oder Sinusitis.
4 T1w (FS) + KM: KM-Aufnahme des Exsudats in Sulci und
Zisternen und der Leptomeningen Verlauf und Prognose. Letalität 20–30%
4 MRA: Vaskulitis mit Gefäßstenosen?
Literatur
Differenzialdiagnosen. Herpes Enzephalitis (andere virale Me- Galassi W, Phuttharak W, Hesselink JR, Healy JF, Dietrich RB, Imbesi SG. Intra-
cranial meningeal disease: comparison of contrast-enhanced MR imaging
ningitiden/Meningoenzephalitiden), Meningeosis carcinoma-
with fluid-attenuated inversion recovery and fat-suppressed T1-weighted
tosa, Neurosarkoidose, Subarachnoidalblutung, Sinusthrombo- sequences. AJNR Am J Neuroradiol. 2005;26:553-9.
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Zur DD eines hyperintensen Signals im Subarachnoidalraum recovery in the diagnosis of meningitis: comparison with contrast-
im FLAIR-Bild siehe Exkurs 7 Kap. 2.5.4 enhanced magnetic resonance imaging. J Comput Assist Tomogr. 2004;
28:68-72.
Kastenbauer S, Pfister HW. Pneumococcal meningitis in adults: spectrum of
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Parmar H, Sitoh YY, Anand P, Chua V, Hui F. Contrast-enhanced flair imaging in
the evaluation of infectious leptomeningeal diseases. Eur J Radiol.
2006;58:89-95.
4.2 · Meningitiden und Meningoenzephalitiden
315 4

a b c

. Abb. 4.1a–c Bakterielle Meningitis. Relativ enge kortikale Furchen, noch kein Liquoraufstau, im Knochenfenster (c) Verschattung des Sinus sphenoidalis
bei Sinusitis (Stern) mit Ausbreitung per continuitatem. a, b: CT nativ Weichteilfenster; c: CT nativ Knochenfenster

a b c

d e f

. Abb. 4.2a–f Bakterielle Meningitis mit KM-Aufnahme der Meningen und kontrastmittelaufnehmendem Exsudat in den kortikalen Furchen, v.a. in FLAIRw
+ KM erkennbar (c, d). Ursache ist eine Sinusitis mit Spiegeln in den Sinus maxillares (f, Sterne). a, b: T1w + KM; c, d: FLAIRw + KM; e: DWI, B1000: Diffusions-
restriktion des Exsudats in den Furchen; f: CT nativ
316 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.3a–c Bakterielle Meningitis mit KM-Aufnahme der Meningen und kontrastmittelaufnehmendem Exsudat in den kortikalen Furchen. Es besteht
bereits eine Mitbeteiligung des Parenchyms (Enzephalitis) rechts frontal. a: T2w; b: DWI, B1000; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.4a–c Bakterielle Meningitis mit hyperintensem Exsudat (a) und v. a. duraler KM-Aufnahme. Begleitenzephalitis links temporal (b). Infektions-
quelle: Mastoiditis links mit Flüssigkeitsspiegel bei Z.n. OP (c, Stern). a: FLAIRw; b: T2w; c: T1w + KM

4.2.3 Septisch-embolische und septisch- Epidemiologie und Demographie. Prädisponierende Faktoren


metastatische Herdenzephalitis sind:
4 Immundefizienz
Definition. Bei den septischen Herdenzephalitiden handelt es 4 Chronische pulmonale Infekte
sich nicht um primäre ZNS-Infektionen, sondern um eine zere- 4 Drogenabusus
brale Komplikation eines peripheren septischen Prozesses. 4 Mykotische Aneurysmen (stellen ca. 0,7–6,5% aller intra-
Bei der septisch-embolischen Herdenzephalitis erfolgt der kraniellen Aneurysmen dar)
ZNS-Befall durch einen bakterientragenden Embolus, der meist
von infizierten Herzklappen ausgeht. Selten können die Embo- Ätiologie.
lien auch aus dem venösen Schenkel stammen, z.B. bei persistie- Septisch-embolische Herdenzephalitis: Subakuter, chronischer
rendem Foramen ovale. septischer Fokus (v.a. bakterielle Endokarditis, ZVK) → septische
Die septisch-metastatische Herdenzephalitis entsteht Embolien zerebral (. Abb. 4.5 bis . Abb. 4.7)
durch eine Erregerstreuung ohne gleichzeitige Embolie und geht Septisch-metastaische Herdenzephalitis: akute Sepsis in be-
von einem septischen Streuherd aus, der sich in einer beliebigen liebiger Lokalisation → zirkulierende Bakterienagglomerate →
Körperregion befinden kann. zerebrale Mikroabszesse → multifokale Enzephalitis +/- eitrige
Meningitis
Erreger (Auswahl). Staphylococcus aureus, vergrünende Strep-
tokokken, β-hämolysierende Streptokokken, Pseudomonas aeru-
ginosa
4.2 · Meningitiden und Meningoenzephalitiden
317 4

a b c

d e f

. Abb. 4.5a–f Septisch embolische Herdenzephalitis bei Endokarditis. Unterschiedlich alte embolische Ischämien, z.T. mit hämorrhagischer Imbibierung
(= hyperintens in T1w nativ, b) und Schrankenstörung (c, d). a: T2w; b: T1w; c, d: T1w + KM tra und sag; e, f: DWI, B1000

a b c

. Abb. 4.6a–c Septisch embolische Herdenzephalitis bei Endokarditis mit Staphylococcus aureus in der Blutkultur. Frische zerebrale Embolien (z.T. hämor-
rhagisch imbibiert, b), und kutane Embolien (Osler-Knötchen, c). a: DWI, B1000; b: T2*w; c: Foto der Osler-Knötchen
318 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Klinik.
Septisch-embolische Herdenzephalitis:
4 Meist apoplektiformer Beginn mit fokal neurologischer
Symptomatik (z.B. Hemiparese, Aphasie, homonyme Hemi-
anopsie)
4 Weitere Symptome: Kopfschmerzen, psychopathologische
Auffälligkeiten, epileptische Anfälle, Nackensteife, Bewusst-
seinsstörung
4 4 Oft Herzgeräusch (Endokarditis)
4 Klinische Zeichen weiterer Embolien in der Haut (Osler-
Knötchen, . Abb. 4.6; petechiale Blutungen) und im Augen-
hintergrund

Septisch-metastatische Herdenzephalitis:
4 Vor allem Allgemeinsymptome: Fieber, Krankheitsgefühl,
psychopathologische Veränderungen und Somnolenz
a
4 Epileptische Anfälle
4 Fokal neurologische Symptome

Sonstiges.
Liquor: Granulozytäre Zellzahlerhöhung, Glucoseverminde-
rung
Fokussuche → Diagnostik zur Fokussuche z.B. transösophageale
Echographie, CT Thorax/Abdomen

Bildgebung. . Abb. 4.5 bis . Abb. 4.9


Allgemeines:
4 (Meist multiple) multifokale Embolien
4 (Meist multiple) multifokale enzephalitische Herde
4 Evtl. ICBs
4 Evtl. SAB aus mykotischem Aneurysma als Komplikation
4 MRT sensitiver als CT

Empfohlenes Protokoll:
4 DWI: Frische Embolien zeigen Diffusionsrestriktion, Inhalt
b
von Abszessen zeigt DWI-Restriktion
. Abb. 4.7a, b Subakute Embolien mit Schrankenstörung bei septisch-em- 4 FLAIR/PDw: Enzephalitische Herde, SAB?
bolischer Herdenzephalitis bei Endokarditis. a: T2w; b: T1w + KM sag 4 T2*w: Mikro- oder Makroblutungen?
4 T1w + KM: KM-Aufnahme der enzephalitischen Herde, der
Mikroabszesse und der mykotischen Aneurymen
4 MRA/CTA/DSA: Mykotische Aneurysmen?
Manifestationsformen intrazerebral:
4 Septisch-embolische Herdenzephalitis: Angiographische Charakteristika mykotischer Aneurysmen:
5 Embolische Infarkte (Territorialinfarke) 4 Oft multipel
5 Enzephalitische Herde 4 Distale Lokalisation bezogen auf die intrakraniellen Gefäße
5 Mykotische Aneurysmen (. Abb. 4.8, . Abb. 4.9) 4 Oft fusiforme Morphologie
Komplikationen: 4 Rasche Größenänderung oder Neuentstehung im Verlauf
5 ICB (durch Gefäßnekrosen oder Ruptur mykotischer
Aneurysmen) Differenzialdiagnosen.
5 SAB (durch Ruptur mykotischer Aneurysmen) DD multiple Embolien: Nicht septische kardiale Embolien, Fett-
5 Meningitis oder Luftembolien, Gerinnungsstörung, z.B. disseminierte intra-
5 Zerebrale Abszesse vasale Gerinnung, primäre multifokale Enzephalitiden, z.B.
5 Retinablutungen Herpes-Enzephalitis, Vaskulitiden, Tuberkulose
4 Septisch-metastatische Herdenzephalitis: DD multifokale ICBs: Sinus- oder Hirnvenenthrombose, zere-
5 Multifokale Mikroabszesse brale Amyloidangiopathie, nichtmykotische Aneurysmen
5 Multifokale enzephalitische Herde
5 +/- Eitrige Meningitis
4.2 · Meningitiden und Meningoenzephalitiden
319 4

a b c

. Abb. 4.8a–c Geringe SAB und große ICB aus einem mykotischen Aneurysma (Pfeile) bei septisch-embolischer Herdenzephalitis. a: T2w; b: T1w nativ; c: CTA

a b c

. Abb. 4.9a–c Mykotische Aneurysmen (Pfeile) bei septisch-embolischer Herdenzephalitis aufgrund eines bakteriellen Fokus im Oberkiefer. a, b: DSA; c: Foto

Literatur 4 Mumpsvirus, Masernvirus, Rötelnvirus, HHV-6, Parvovirus


Bitsch A, Nau R, Hilgers RA, Verheggen R, Werner G, Prange HW. Focal neuro- B19
logic deficits in infective endocarditis and other septic diseases. Acta
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Chukwudelunzu FE, Brown RD Jr, Wijdicks EF, Steckelberg JM. Subarachnoid
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Kannoth S, Thomas SV, Nair S, Sarma PS. Proposed diagnostic criteria for 4 FSME-Virus und andere durch Arthropoden übertragene
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Weber W, Henkes H, Felber S, Jänisch W, Woitalla D, Kühne D. Septic-embolic
and septic metastatic brain abscess. Radiologe. 2000;40:1017-28. Krankheitsbilder.
4 »Aseptische« Meningitis (Synonyme: virale oder nichtbakte-
rielle Meningitis)
4 Akute virale (Meningo-)Enzephalitis
4.2.4 Virale Meningitis 4 Chronische virale (Meningo-)Enzephalitis
und (Meningo-)Enzephalitis
Epidemiologie und Demographie. Die Inzidenz viraler ZNS-
Synonyme. Aseptische Meningitis, seröse Meningitis Infektionen in USA beträgt 10–20/100000, d.h. sie ist deutlich
höher als die der bakteriellen Meningitis.
Erreger. Die Inzidenz ist regional unterschiedlich, der Erkrankungs-
4 Picornaviren (Coxsackie-, ECHO- und Enteroviren) gipfel liegt im Sommer; in Westeuropa ist die HSVE häufigste
4 Adenoviren, Influenzaviren, Parainfluenzaviren sporadische Enzephalitis mit 5/100000 Fällen.
4 Herpes-simplex-Virus Typ 2 (Herpes genitalis; Mollaret- Altersverteilung: Häufig Kinder <4 Jahre
Meningitis, HSVE) Geschlechtsverteilung: M > F
320 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Ätiologie. Bleibt häufig ungeklärt; Erreger erreichen das ZNS > Bei Verdacht auf Virusmeningitis CCT und Lumbal-
über virämisches Stadium: punktion durchführen.
4 Primär lokalisierte Infektionen der Haut und Schleimhäute, Beim enzephalitischen Syndrom ist die MRT-Unter-
der Geschlechtsorgane, des Respirationstraktes oder des Gas- suchung erforderlich.
trointestinaltrakts Bei enzephalitischer Symptomatik und dem Ver-
4 Primär generalisierte Infektionen (Kinderkrankheiten) dacht auf eine Herpes-Virus-Ätiologie ist die i.v. Gabe
4 Zoonosen von Aciclovir ohne Verzug einzuleiten.
4 Durch Arthropoden übertragene Infektionen Die blande Virusmeningitis ist symptomatisch anti-
4 pyretisch und analgetisch zu behandeln. Patienten mit
Klinik. akuten viralen Enzephalitiden sind auf der Intensiv-
»Aseptische« Meningitis (Synonyme: virale oder nicht bakte- station zu betreuen.
rielle Meningitis):
4 Meist gutartig und selbstlimitierend Bildgebung.
4 Kopfschmerzen, Übelkeit +/- Erbrechen, Nackensteife, Licht- Rolle der Bildgebung:
und Lärmscheu 4 Differenzialdiagnose, z.B. Tumor, Abszess, ADEM
4 Neurologische Herdzeichen und Bewusstseinsstörungen ge- 4 Ggf. Erfassung krankheitstypischer Verteilungsmuster: man-
hören nicht zum Krankheitsbild che Viren zeigen eine Topik, d.h. sie zeigen eine Prädilektion
4 Liquorzellzahl erhöht (<1000 Zellen pro μl); Liquorprotein für bestimmte Hirnregionen, z.B. Herpesvirus oder FSME
und -laktat steigen nur leicht an oder sind im Normalbe- (s.u.)
reich 4 Nachweis von Komplikationen (Hydrozephalus, Enzepha-
4 Akute Symptomatik klingt auch ohne Therapie nach Tagen litis)
bis wenigen Wochen ab
Bildgebung bei viraler Meningitis (. Abb. 4.10):
Akute virale (Meningo-)Enzephalitis: 4 Lokalisation: Meningen
4 Psychopathologische Symptomatik mit Verhaltensauffällig- 4 Morphologie: Bildgebung hier oft unauffällig, in der Regel
keiten, Verwirrtheit und v.a. Bewusstseinsstörungen keine Verdickung der Meningen
4 Häufig Fokalneurologie: Fokale oder generalisierte epilep- 4 CT nativ: Oft unauffällig
tische Anfälle, Paresen, aphasische Störungen, oft Meningis- 4 CT + KM: KM-Aufnahme der Meningen fehlt hier oft, d.h.
mus meist keine pathologische KM-Aufnahme
4 Typischerweise gehen eine Infektionserkrankung (Röteln, 4 MRT:
Masern, Mumps, Varizellen, Exanthema subitum, Ringel- 4 T2w/PDw/FLAIR: Hydrozephalus? Zeichen der Enzephalitis?
röteln), ein katarrhalisches Prodromalstadium (HSV-Enze- 4 T1w + KM: Evtl. »meningeale Gefäßinjektion«, d.h. dezent
phalitis, FSME) oder gastrointestinale Symptome (Enterovi- vermehrte KM-Aufnahme der meningealen Gefäße (. Abb.
ruserkrankungen) voraus. 4.10)

Chronische virale (Meningo-)Enzephalitis: Bildgebung bei viraler (Meningo-)Enzephalitis (. Abb. 4.11,


4 Langsamer Persönlichkeitsabbau, kognitive Funktionsstö- . Abb. 4.12): Mit Ausnahme einzelner Erreger, die eine Prädilek-
rungen, zunehmende neurologische Ausfallerscheinungen tion für bestimmte Hirnregionen zeigen (s.u.), sind die Befunde
4 Liquorpleozytose gering oder fehlend bei Virusenzephalitiden weitgehend unspezifisch und tragen
meist wenig zur Bestimmung des Erregers bei.
Verlauf und Prognose. 4 Lokalisation: Manche Viren (z.B. Herpes simplex Virus,
Virale Meningitiden: FSME-Virus, Japan-B-Enzephalitis-Virus, West Nile Virus)
4 Harmlos, fast immer spontanes Ausheilen ohne Residuen zeigen eine Topik, d.h. sie befallen bevorzugt bestimmte
4 Nicht speziell therapiebedürftig Hirnregionen, z.B.:
5 Asymmetrischer Stammganglienbefall, oft bei Arboviren
Virale Meningoenzephalitiden: (FSME, Japanische Virus-Enzephalitis, 7 Kap. 4.6.1)
4 Einige virale Enzephalitiden gehen unerkannt und unbehan- 5 Temporomesiale, periinsuläre und zinguläre kortikale
delt mit einer hohen Letalität einher, z.B. Herpes-simplex- Lokalisation bei HSVE (7 Kap. 4.6.1)
Virus-Enzephalitis (HSVE). Es bestehen jedoch gute Thera- 4 Morphologie:
piemöglichkeiten (7 Kap. 4.6.1) 5 Akut: Fokales oder diffuses Hirnödem, verschwommene
4 Einige in Europa seltene Viruskrankheiten enden auch heute Mark-Rinden-Grenze
noch in Ermangelung einer spezifischen Therapie letal; dies 5 Chronisch: Atrophie
trifft für die Tollwut (Rabies) zu. Auch die West-Nile-Enze- 4 CT nativ: Ödem hypodens, verschwommene Mark-Rinden-
phalitis und die Japanische Virusenzephalitis gehen mit einer Grenze; chronisch: Atrophie
höheren Letalität einher. 4 CT + KM: Evtl. irreguläre oder girlandenförmige KM-Auf-
nahme
4.2 · Meningitiden und Meningoenzephalitiden
321 4

a b c

. Abb. 4.10a–c Virale Meningitis mit meningealer Gefäßinjektion, d.h. dezent vermehrter KM-Aufnahme der meningealen Gefäße (z.B. Pfeile). a, b: T1w + KM;
c: FLAIRw

a b c

. Abb. 4.11a–c Virale Meningoenzephalitis mit geringer hämorrhagischer Imbibierung (Pfeil in b) und minimaler KM-Aufnahme (Pfeile in c) Als Erreger
konnte das Epstein-Barr-Virus nachgewiesen werden. a: FLAIRw; b: T1w nativ; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.12a–c Meningoenzephalitis (ohne Erregernachweis). Betroffen ist vor allem der Hirnstamm, aber auch supratentorielle Bereiche sind einbezogen
(siehe Marklagerläsionen in b). a: T2w; b: FLAIRw; c: DWI, B1000
322 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4 MRT: Klinik. Fieber, Kopfschmerzen, häufig auch Meningismus (DD


5 T1w: Hypointens, verschwommene Mark-Rinden-Gren- Meningitis); oft liegt eine Sinusitis vor. Bei großem, raumfor-
ze, bei subakuten Hämorrhagien mit meist girlandenför- derndem Empyem treten auch fokal-neurologische Ausfälle oder
migen, gyralen, hyperintensen Arealen epileptische Anfälle auf.
5 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintens, ödematös, verschwom-
mene Mark-Rinden-Grenze, chronisch: Atrophie Verlauf und Prognose. Kann fulminant verlaufen → dann neu-
5 T2*w: Ggf. hypointense Darstellung von Einblutungen rochirurgischer Notfall. Epidurale Empyeme haben weitaus bes-
bzw. hämorrhagischen Imbibierungen sere Prognose als subdurale, können auch weitgehend blande
4 5 T1w + KM: Evtl. irreguläre oder girlandenförmige KM- verlaufen, da die Dura als Barriere zwischen Infektion und Hirn-
Aufnahme gewebe fungiert.
5 DWI: Oft sensitiver als T2w für frühe Enzephalitis Mögliche Komplikationen (bei Erwachsenen in bis zu 50% der
Fälle):
Differenzialdiagnosen. 4 Zerebritis oder Hirnabszess (in ca. 5%)
Virale Meningitis: Septische, bakterielle, fungale oder tuberku- 4 Sinusthrombose oder Thrombose der kortikalen Venen
löse Meningitis, nichtinfektiöse Meningitiden aus dem rheuma- 4 Hydrocephalus malresorptivus (bei infratentoriellem subdu-
tischen Formenkreis, Sarkoidose, idiopathische Pachymeningi- ralen Empyem in über 2/3 der Fälle)
tis, Liquorunterdrucksyndrom 4 Hirnödem
Virale Enzephalitis: Bakterielle oder fungale Enzephalitis/Zereb-
ritis, subakute Ischämie, Status epilepticus, Sinusthrombose, Letalität: 10–15%
niedriggradiges Gliom
Bildgebung. . Abb. 4.13 bis . Abb. 4.15
Literatur
Falcone S, Post MJ. Encephalitis, cerebritis, and brain abscess: pathophysiol-
> Die Bildgebung hat hier einen hohen Stellenwert zum
ogy and imaging findings. Neuroimaging Clin N Am. 2000;10:333-53. Ausschluss eines erhöhten intrakraniellen Drucks vor
Maschke M, Kastrup O, Forsting M, Diener HC. Update on neuroimaging in einer Liquorpunktion.
infectious central nervous system disease. Curr Opin Neurol. 2004;17:475-
80. Lokalisation: 90% supratentoriell
Rumboldt Z. Imaging of topographic viral CNS infections. Neuroimaging Clin 4 Subdurales Empyem: <50% über Konvexität, 20% parafalzin
N Am. 2008;18:85-92. (. Abb. 4.15)
Solomon T. Exotic and emerging viral encephalitides. Curr Opin Neurol.
4 Epidurales Empyem: Oft angrenzend an Sinus frontalis
2003;16:411-8.
(. Abb. 4.13 und . Abb. 4.14)

Morphologie: extraaxial
4.3 Empyeme 4 Subdurales Empyem (. Abb. 4.15): Typischerweise halb-
mondförmig, auf koronaren Bildern manchmal linsenför-
Definition. Unter einem Empyem versteht man eine Eiteran- mig, wird von der Falx begrenzt, d.h. überschreitet die Mit-
sammlung in einer präformierten Höhle oder einem präformier- tellinie nicht
ten Raum, hier dem Sub- oder dem Epiduralraum. 4 Epidurales Empyem: Bikonvex (linsenförmig), wird von Su-
turen begrenzt, kann die Mittellinie überschreiten
Epidemiologie und Demographie. Relativ selten, ca. 30% aller
intrakraniellen Infektionsmanifestationen. CT:
Altersverteilung: Können in jedem Alter auftreten 4 CT nativ: Extraaxiale, liquoriso- bis hyperdense Raumforde-
Geschlechtsverteilung: Keine Geschlechtspräferenz rung, linsen- oder halbmondförmig
4 CT + KM: Kräftige, randständige KM-Aufnahme
Ätiologie.
Erreger: Anaerobier oder mikroaerophile Erreger, häufigste Er- MRT:
reger sind Strepokokken, Haemophilus influenzae, Staphylococ- 4 T1w: Hyperintens, bei epiduralen Empyem: Dura als nach
cus aureus, Staphylococcus epidermidis. medial verlagerte, hypointense Linie erkennbar, die sich ge-
Ursachen: gen das Hirngewebe vorwölbt
4 > 2/3 als Komplikation einer Sinusitis, entweder Ausdehnung 4 T2w/PDw: Iso- bis hyperintens
per continuitatem durch die Wand des Sinus frontalis oder 5 Beim epiduralen Empyem ist die Dura als nach medial
retrograd über klappenlose Brückenvenen verlagerte, hypointense Linie erkennbar, die sich gegen
4 In ca. 20% als Komplikation einer Mastoiditis das Hirngewebe vorwölbt.
4 Selten als Komplikation nach SHT oder neurochirurgischem 5 Evtl. hyperintenses Signal im angrenzenden Hirnparen-
Eingriff chym als Zeichen der Enzephalitis
4 Sehr selten als Komplikation einer Meningitis 4 FLAIR: Hyperintens
4.3 · Empyeme
323 4

a b

. Abb. 4.13a, b Epidurales Empyem rechts parietal. a: DWI, B1000; b: T1w + KM cor

a b c

. Abb. 4.14a–c Epidurales Empyem mit Lufteinschluss (b). Der infektiöse Fokus ist eine Sinusitis maxillaris und ethmoidalis beidseits. (Sterne in c).
a, b: CT + KM; c: CT Knochenkernel cor

a b c

. Abb. 4.15a–c Subdurales Empyem parafalxin. a: DWI, B1000; b, c: T1w + KM tra und cor
324 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4 DWI: Diffusionsrestriktion! Eiter kräftig hyperintens, mit ver- Klinik.


mindertem ADC-Wert → v.a. beim subduralen Empyem Akuter Verlauf: Fieber, Kopfschmerzen (90%), Übelkeit und Er-
(. Abb. 4.15) brechen, Meningismus, Zeichen eines erhöhten intrakraniellen
5 hoher Stellenwert zur DD zwischen subduralem Empyem Drucks, fokal neurologische Ausfälle, Krampfanfälle
und subduralem Hygrom; DD zu SDH schwieriger Chronischer Verlauf: Fieber und Entzündungszeichen fehlen
5 Signal beim epiduralen Empyem variabler oft
4 T1w + KM: Kräftige, randständige KM-Aufnahme; bei Be-
gleitenzephalitis ggf. auch KM-Aufnahme des angrenzenden Verlauf und Prognose. 10% Letalität, oft Residuen
4 Parenchyms Komplikationen: Ventrikeleinbruch (→ eitrige Ventrikulitis);
4 Venöse MRA: Vorliegen einer septischen Sinus- oder Hirn- Hirnödem; Herniation, Einklemmung
venenthrombose als Komplikation?
Sonstiges. Der Nutzen einer Liquorpunktion ist im Vergleich
Differenzialdiagnosen. Chronisches Subduralhämatom, sub- zum Risiko einer Herniation relativ gering, sie ist in bis zu 25%
durales Hygrom, durale Metastasierung. unauffällig, oft kein Erregernachweis.

Literatur ! Wichtig ist die Suche nach dem infektiösen Fokus.


Kastrup O, Wanke I, Maschke M. Neuroimaging of infections of the central Laborbefunde: Entzündungszeichen inkl. CRP können fehlen.
nervous system. Semin Neurol. 2008;28:511-22.
Die Ausbildung eines Abszesses mit einer Kapsel und Abs-
Tsuchiya K, Osawa A, Katase S, Fujikawa A, Hachiya J, Aoki S. Diffusion-weight-
ed MRI of subdural and epidural empyemas. Neuroradiology. 2003;45:220-
zesshöhle ist das Resultat der Immunantwort auf eine Zerebritis
3. (= »organisiertes Stadium«), d. h. sie erfordert ein intaktes Im-
Wong AM, Zimmerman RA, Simon EM, Pollock AN, Bilaniuk LT. Diffusion- munsystem
weighted MR imaging of subdural empyemas in children. AJNR Am J Stadien:
Neuroradiol. 2004;25:1016-21.
4 Frühe Zerebritis (3–5 d)
4 Späte Zerebritis (5 d bis zu 2 Wochen)
4 Frühes Kapselstadium (Beginn nach ca. 2 Wochen)
4.4 Zerebritis und Hirnabszess 4 Spätes Kapselstadium (Wochen bis Monate)

Definition. Bei einer Zerebritis handelt es sich um eine fokale, Kapsel (= Granulationsgewebe, Dicke 2–7 mm):
eitrige Entzündung des Hirngewebes, die typischerweise bakte- 4 Zum Ventrikel hin meist etwas schmaler, zum Cortex hin
riell, seltener durch Pilze oder Parasiten bedingt ist. Ein Abszess etwas dicker ausgebildet.
entsteht durch zentrale Einschmelzung einer Zerebritis und Aus- 4 Der dünnere, zum Ventrikel zeigende Anteil ist prädisponiert
bildung einer Kapsel. für die Ausbildung von Tochterabszessen und für den Ein-
bruch des Abszesses ins Ventrikelsystem (→ Ventrikulitis)
Erreger. Bakterien, häufig Streptokokken, z.B. Streptococcus vi-
ridans, und Anaerobier; seltener Staphylokokken, Pneumokok- Bildgebung. . Abb. 4.16 bis . Abb. 4.23
ken, Enterobakterien: Immer auch Infektionsfokus ausschließen (Sinusitis? Mastoidi-
4 Bei immunkompetenten Patienten: Sehr selten auch Pilze, tis? Zahnfokus?)
Toxoplasma gondii Lokalisation: Meist supratentoriell, v.a. frontal und parietal, oft
4 Beim Neugeborenen: Citrobacter, Proteus, Pseudomonas, an der Mark-Rinden-Grenze
Serratia, Staphylococcus aureus Morphologie: Abhängig von Stadium (siehe . Tab. 4.3)
4 Bei AIDS-Patienten: Toxoplasma gondii, Mycobakterium tu- MRT:
berculosis 4 PWI: Niedriges rCBV im Randbereich (versus hohem rCBV
4 Bei Transplantierten: Nokardien, Aspergillus, Candida im Randbereich nekrotischer Tumoren)
4 Bei Diabetikern: Klebsiella pneumoniae 4 MRS:
5 Abszesshöhle/Nekroseareal: Laktat, Azetat, Alanin, Py-
Epidemiologie und Demographie. Relativ selten ruvat, andere Aminosäuren
Altersverteilung: Kann in jedem Alter auftreten, am häufigsten 5 Bakterielle Abszesse: Aminosäuren, Azetat, Succinat
zwischen 30. und 50. Lebensjahr 5 Tuberkulöse Abszesse: Lipid, Laktat
Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1 5 Fungale Abszesse: Lipid, Laktat, Aminosäuren

Ätiologie.
4 Per continuitatem (50%): Otitis, Sinusitis, Zahninfektionen,
Osteomyelitis der Schädelbasis
4 Hämatogen (30%), z.B. Pneumonie, Endokarditis
4 Nach offenem SHT (10%), hier auch Spätabszesse möglich
4 Selten nach septischer Sinusthrombose oder eitriger Menin-
gitis
4.4 · Hirnabszess
325 4

. Tab. 4.3 Bildgebende Befunde der verschiedenen Stadien einer fokalen eitrigen Hirnentzündung

Bild- Frühe Zerebritis Späte Zerebritis Frühes Kapselstadium Spätes Kapselstadium


gebung (. Abb. 4.16 bis (. Abb. 4.19) (. Abb. 4.20 bis . Abb. 4.23)
. Abb. 4.18)

Nativ-CT Kann unauffällig sein, Zentral in der unscharf begrenzten Hypodense RF mit mäßiggradigem Gering hyperdenser Ring,
Unscharf begrenzte Hypodensität Entwicklung eines Ödem hypodenses Zentrum,
Hypodensität, oft sub- umschriebenen hypodenseren Deutliche Abnahme von
kortikal gelegen Areals, perifokalem Ödem und
Zunahme des perifokalen Ödems raumfordernder Wirkung
(hypodens) und der raumfordern-
den Wirkung

CT + KM Keine oder geringe, Unscharf begrenzte, ringförmige Sowohl zum Zentrum, als auch zum Scharf begrenzte, ring-
irreguläre KM-Auf- KM-Aufnahme, hypodenses peri- umgebenden Parenchym hin scharf förmige KM-Aufnahme
nahme fokales Ödem begrenzte, ringförmige KM-Aufnahme,
seltener sieht äußere Begrenzung der
KM-Aufnahme aus wie eine Corona
radiata
Kapsel ist ventrikelnah am schmalsten!

T1w Unscharf begrenzte, Hypointenses Zentrum, iso- bis Hyperintenses Zentrum (Abszess- Abszesshöhle schrumpft
gemischt hypo- und leicht hyperintenser Randsaum, höhle), iso- bis hyperintenser Rand bzw. kollabiert, Kapsel
isointense Läsion hypointenses perifokales Ödem (Kapsel ventrikelnah am schmalsten!) verdickt sich

T2w Unscharf begrenzte, Hyperintenses Zentrum, hypoin- Hyperintenses Zentrum (Abszess- Abszesshöhle schrumpft/
hyperintense Läsion tenser Randsaum, hyperintenses höhle), Ödem perifokal kollabiert, Kapsel (hypo-
perifokales Ödem kräftig hypointenser Randsaum, intens) verdickt sich
ventrikelnah am schmalsten!

T1 + KM Irreguläre KM-Auf- Kräftige, aber irreguläre rand- Scharf begrenzte, glatte, ringförmige Abszesshöhle schrumpft,
nahme ständige KM-Aufnahme KM-Aufnahme (= Kapsel!), ventrikel- dickwandige, kontrast-
Spätaufnahme: »Fill in« des nah am schmalsten! mittelaufnehmende
Zentrums mit KM, solange sich Kapsel
noch keine kollagenhaltige Kapsel
ausgebildet hat

DWI nicht richtungsweisend nicht richtungsweisend Abszess zeigt DWI-Restriktion mit Rückgang der
ADC-Minderung* DW-Restriktion

* Bakterielle und tuberkulöse Abszesse: Sowohl Kapsel als auch Abszesshöhle zeigen ADC-Erniedrigung
Fungale Abszesse: Nur die Wand zeigt eine ADC-Erniedrigung, innerhalb der Abszesshöhle hoher ADC

a b c

. Abb. 4.16a–c Frühe Zerebritis mit multifokalen, unscharf begrenzten Hypodensitäten (Pfeile). Die Erreger sind Pneumokokken. a–c: CT + KM
326 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.17a–c Frühe Zerebritis rechts frontal. a: T2w; b: T1w nativ; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.18a–c Frühe Zerebritis links frontal. a: T2w; b: T1w nativ; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.19a–c Späte Zerebritis rechts okzipital mit Ventrikulitis. a: FLAIRw; b: T1w nativ; c: T1w + KM
4.4 · Hirnabszess
327 4

a b

c d

. Abb. 4.20a–d Abszess im frühen Kapselstadium. a: T2w; b: T1w nativ; c: T1w + KM; d: DWI B1000

a b c

d e f

. Abb. 4.21a–f Abszess im frühen Kapselstadium rechts frontal. Verlaufsbildgebung des in Abb. 4.17 gezeigten Falls. a, d: T1w + KM cor, tra, b: T2w; c: T1w nativ;
e: DWI, B1000; f: ADC-Map
328 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 4.22a–f Multiple Hirnabszesse im frühen Kapselstadium. a: T2w; b: T1w nativ; c–f: T1w + KM tra, cor und sag

a b c

. Abb. 4.23a–c Hirnstammabszess im frühen Kapselstadium. a: T2w; b: T1w + KM; c: DWI, B1000
4.5 · Ventrikulitis
329 4
NUK: Klinik. Abhängig von Ätiologie.
4 FDG-PET: Vermehrter Glucose-Uptake
Verlaufsbildgebung unter Therapie: Verlauf und Prognose. Hohe Mortalitätsrate (40–80%); sel-
4 Hypointenser Randsaum in T2w ist unter erfolgreicher The- ten kommt es begleitend zu einer Entzündung des Plexus cho-
rapie früher rückläufig als die KM-Aufnahme roideus.
4 Kleine punkt- oder ringförmige KM-Aufnahme kann lange
persistieren Bildgebung. . Abb. 4.24 bis . Abb. 4.27
Lokalisation/Morphologie: Intraventrikuläre Spiegel
Differenzialdiagnosen: Hochgradige hirneigene Tumoren (Glio- CT:
blastom), Toxoplasmose, Tbc, Metastasen, in Resorption befind- 4 CT nativ: Hydrozephalus mit Spiegelbildung in den abhän-
liche ICB, demyelinisierender Herd gigen Abschnitten der Ventrikel; periventrikulär schmale
hypodense Säume
Literatur 4 CT + KM: Kontrastmittelaufnahme entlang der Ventrikelwände
Erdogan C, Hakyemez B, Yildirim N, Parlak M. Brain abscess and cystic brain
tumor: discrimination with dynamic susceptibility contrast perfusion-
MRT:
weighted MRI. J Comput Assist Tomogr. 2005;29:663-7.
Falcone S, Post MJ. Encephalitis, cerebritis, and brain abscess: pathophysiol-
4 T1w:
ogy and imaging findings. Neuroimaging Clin N Am. 2000;10:333-53. 5 Debris ist etwas hyperintens
Gupta RK, Vatsal DK, Husain N, Chawla S, Prasad KN, Roy R, Kumar R, Jha D, 5 Periventrikulär schmale hypointense Säume
Husain M. Differentiation of tuberculous from pyogenic brain abscesses 4 T2w/ FLAIR:
with in vivo proton MR spectroscopy and magnetization transfer MR
5 Hydrozephalus mit periventrikulären, hyperintensen
imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1503-9.
Kapsalaki EZ, Gotsis ED, Fountas KN. The role of proton magnetic resonance
Säumen
spectroscopy in the diagnosis and categorization of cerebral abscesses. 5 Eventuell hypointense Darstellung der Spiegel
Neurosurg Focus. 2008;24:E7. 4 T1w + KM:
Kastrup O, Wanke I, Maschke M. Neuroimaging of infections of the central 5 Deutliche Kontrastmittelaufnahme des Ventrikelepen-
nervous system. Semin Neurol. 2008;28:511-22
dyms
Luthra G, Parihar A, Nath K, Jaiswal S, Prasad KN, Husain N, Husain M, Singh S,
Behari S, Gupta RK. Comparative evaluation of fungal, tubercular, and
5 Falls eine begleitende Plexitis vorliegt, stellt sich der Plexus
pyogenic brain abscesses with conventional and diffusion MR imaging choroideus ödematös aufgetrieben dar
and proton MR spectroscopy. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:1332-8. 4 DWI: Der spiegelbildende Debris zeigt eine deutliche Diffu-
Smirniotopoulos JG, Murphy FM, Rushing EJ, Rees JH, Schroeder JW. Patterns sionseinschränkung mit Verminderung des ADC-Wertes;
of contrast enhancement in the brain and meninges. Radiographics.
ADC-Wert korreliert negativ mit der Zellzahl im Liquor
2007;27:525-51.
und Proteingehalt → geeignet zur Verlaufsbeurteilung unter
Therapie
4 Ultraschall:
4.5 Ventrikulitis 5 Bei Säuglingen zum Nachweis des Hydrozephalus
5 Periventrikulär zeigt das Gewebe eine erhöhte Echo-
Synonyme. Ventrikuläres Empyem, Pyozephalus genität
5 Evtl. Nachweis des intraventrikulären Debris als echogene
Definition. Bei der Ventrikulitis handelt es sich um eine Entzün- Schichten
dung des Ventrikelependyms.
Sonstiges. Im ventrikulären Liquor Nachweis einer granulo-
Erreger. zytären Pleozytose und Eiweißerhöhung.
4 Bakterien: Häufige Erreger sind Staphylokokken, Strepto-
kokken, Enterobacter Differenzialdiagnosen. Lymphom, ependymale Tumoraussaat
4 Viren (meist bei Immunkompromittierten) eines hirneigenen Tumors, ependymale Metastasierung (z.B. bei
4 Pilze (meist bei Immunkompromittierten) Mammakarzinom), intraventrikuläre Blutung, prominente epen-
4 Parasiten dymale Venen, Plexuszysten mit Diffusionsrestriktion

Epidemiologie und Demographie. Tritt bei ca. 30% aller Pati- Literatur
Fukui MB, Williams RL, Mudigonda S. CT and MR imaging features of pyo-
enten mit Meningitis auf und bei 80–90% aller Neugeborenen/
genic ventriculitis. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1510-6.
Säuglinge mit Meningitis. Han KT, Choi DS, Ryoo JW, Cho JM, Jeon KN, Bae KS, You JJ, Chung SH, Koh EH,
Altersverteilung: Kann in jedem Lebensalter auftreten. Park KJ Diffusion-weighted MR imaging of pyogenic intraventricular
Geschlechtsverteilung: M>F empyema. Neuroradiology. 2007;49:813-8.
Hong JT, Son BC, Sung JH, Kim IS, Yang SH, Lee SW, Park CK. Significance of
diffusion-weighted imaging and apparent diffusion coefficient maps for
Ätiologie. Komplikation einer Meningitis oder eines Hirnabs-
the evaluation of pyogenic ventriculitis. Clin Neurol Neurosurg. 2008;
zesses, der in das Ventrikelsystem einbricht oder Komplikation 110:137-44.
eines neurochirurgischen Eingriffs, meist der Anlage einer Vent- Pezzullo JA, Tung GA, Mudigonda S, Rogg JM. Diffusion-weighted MR imag-
rikeldrainage. ing of pyogenic ventriculitis. AJR Am J Roentgenol. 2003;180:71-5.
330 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.24a–c Ventrikulitis mit Eiterspiegeln in den Hinterhörnern der Seitenventrikel (Sterne). a: FLAIRw; b: DWI, B1000; c: CT nativ

a b c

. Abb. 4.25a–c Ventrikulitis mit Eiterspiegeln in den Hinterhörnern der Seitenventrikel (Sterne in c), begleitend Zeichen einer Meningoenzephalitis,
(Stammganglien und Insel links). a: FLAIRw; b: PDw; c: DWI, B1000

a b c

. Abb. 4.26a–c Ventrikulitis v.a. im rechten Seitenventrikel mit Enzephalitis bzw. Zerebritis im angrenzenden Parenchym. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
331 4

a b

c d

. Abb. 4.27a–d Ventrikulitis mit Liquoraufstau und deutlicher Eiteransammlung im linken Seitenventrikel. a: T2w; b: DWI, B1000;
c, d: T1w + KM tra und cor

4.6 Spezifische Erreger und granulomatöse 4 HSV-2: 2–10% der Fälle; verursacht meist eine beninge Me-
Erkrankungen ningitis, bei Neugeborenen jedoch eine diffuse, hämorrha-
gisch-nekrotisierende Enzephalitis, die nicht auf rhinenze-
4.6.1 Virale Enzephalitiden phale Strukturen begrenzt ist.

Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis Geschlechtsverteilung: M = F
Definition. Die typische Herpes-Virus-Enzephalitis wird vom > Die Herpes-Virus-Enzephalitis ist eine Erkrankung des
Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) verursacht und ist eine immunkompetenten Patienten. Sie tritt bei HIV-Infi-
akute, hämorrhagische, nekrotisierende Enzephalitis, die vor zierten selten auf. Personen mit rezidivierendem Her-
allem das limbische System betrifft. pes labialis sind nicht gehäuft betroffen.

Erreger. Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) oder Typ 2 Ätiologie. Die Primärinfektion erfolgt durch Tröpfcheninfek-
(HSV-2) = Humanes Herpesvirus Typ 1 und 2, es handelt sich tion im Oronasopharynx → transneurale, retrograde Ausbrei-
um DNA-Viren. tung des Virus via N. trigeminus → Ganglion trigeminale Gas-
seri, hier verbleibt der Virus in ca. 70% der Patienten zunächst
Epidemiologie und Demographie. In der immunkompetenten latent.
Bevölkerung beträgt die Inzidenz 1/250.000/Jahr. Die Herpes- Bei ca. 30% aller Patienten mit HSV-1-Infektion kommt es im
Virus-Enzephalitis ist die häufigste Ursache einer nicht epide- Rahmen der Primärinfektion schon zu einer Enzephalitis.
mischen viralen Meningoenzephalitis. Die Enzephalitis wird beim Erwachsenen jedoch typischer-
Altersverteilung: Jedes Alter, am häufigsten bei Jugendlichen weise durch eine Reaktivierung verursacht → weitere Ausbrei-
und jungen Erwachsenen (ca. 1/3 der Patienten ist <20 Jahre, tung des Virus über Nervenäste in vordere und mittlere Schädel-
50% der Patienten ist <50 Jahre) grube. Die HSV-1-Reaktivierung erfolgt spontan oder durch
4 HSV-1: Ca. 95% aller Fälle, bei Erwachsenen und älteren Kin- verschiedene Trigger (lokales Trauma, Immunsuppression, emo-
dern häufiger (akute nekrotisierende Enzephalitis) tionaler Stress, hormonelle Umstellungen).
332 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Die Virusreaktivierung kann selten mit einem Herpes labialis Wird die Verdachtsdiagnose früh gestellt und die antivirale
einhergehen. Therapie mit Aciclovir (Aciclovir i.v. 3×10 mg/kg für 14 Tage)
unverzüglich eingeleitet, lässt sich die Letalität auf 20% senken.
Klinik. Die HSV-1-Enzephalitis verläuft mehrphasig mit akutem Jedoch können 80% der Überlebenden ihren früheren Beruf
Beginn: nicht mehr ausüben.
4 Grippales Vorstadium: Kopfschmerz, hohes Fieber, da-
nach: Diagnostik.
4 Wernicke-Aphasie bei Befall der dominanten Hemisphäre Liquor: Lymphozytäre Pleozytose, mäßige bis deutliche Eiweiß-
4 plus Hemiparese, kurze psychotische Episoden (Verwirrt- erhöhung, leichter Anstieg des Laktats (max. 4,0 mmol/l).
heit, psychotische Situationsverkennungen, Geruchshallu- Verifizierung der Diagnose durch Liquor-PCR in den ersten
zinationen) Tagen oder durch Nachweis einer intrathekalen Herpes-simplex-
4 Epileptische Anfälle (komplex-fokal beginnend mit sekun- Virus-spezifischen Antikörpersynthese ab Ende der 2. Krank-
därer Generalisation) heitswoche.
4 Quantitative Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma
4 Fokal neurologische Ausfälle (<30%) Sonstiges. Typischer histologischer Befund: Nukleäre, eosino-
phile Cowdry-A-Einschlusskörperchen.
Bei Kindern sind die Symptome oft unspezifisch: Verhaltensauf-
fälligkeiten, Fieber, Kopfschmerzen, Anfälle. Bildgebung. . Abb. 4.28, . Abb. 4.29
Die Herpes-Virus-Enzephalitis ist die einzige virale Enzephalitis,
Verlauf und Prognose. Die Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis bei der die Bildgebung charakteristische, fast pathognomonische
kann zum Koma und Tod führen. Unbehandelt verlaufen min- Veränderungen zeigt.
destens 70% der Fälle letal, die unbehandelten Überlebenden
behalten schwere Defekte zurück.

a b c

d e f

. Abb. 4.28a–f Rechtsseitige Herpesenzephalitis. Die Frontobasis links ist beginnend mit betroffen. a, b: FLAIRw tra und cor; c: T1w nativ; d: T1w + KM;
e: DWI, B1000; f: ADC-Map
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
333 4

a b

c d

. Abb. 4.29a–d Herpesenzephalitis bilateral, links ausgedehnter als rechts. a: FLAIRw; b: T2w sag; c: DWI, B1000; d: ADC-Map

Lokalisation: MRT: Veränderungen im MRT ca. 2 Tage nach Symptombeginn


4 Limbisches System (mesialer Temporallappen, Insel, Gyrus nachweisbar
cinguli), nach frontal sich ausbreitend 4 T1w:
4 Oft bilateral, aber asymmetrisch 5 Hypointense Darstellung von Cortex und Marklager in
4 Basalganglien sind typischerweise ausgespart betroffenen Arealen, Mark-Rinden-Differenzierung auf-
4 Atypische Verteilung mit primärem Befall der Hemisphären gehoben, Schwellung des betroffenen Gewebes
wird v.a. bei Kleinkindern beobachtet 5 Evtl. hämorrhagische Imbibierung im subakuten Stadium
4 Sehr selten Mittelhirn und Pons betroffen im Sinne einer als hyperintenses Signal erkennbar
Mesenrhombenzephalitis 5 Bei chronischen Fällen Atrophie
4 T2w/PDw/FLAIR:
CT: 5 Hyperdense Darstellung von Cortex und subkortikaler
4 CT nativ: Früh im Krankheitsverlauf häufig normal weißer Substanz in den betroffenen Arealen
5 Auffälligkeiten frühestens 3 Tage nach Symptombeginn 5 Subakute hämorrhagische Imbibierung evtl. als hypo-
beschrieben intenses Signal erkennbar
5 Betroffene Areale stellen sich hypodens und geschwollen 5 Ödematös geschwollenes Gewebe
dar 4 T2*w: Sehr sensitiv für hämorrhagische Imbibierung
5 Spät im Krankheitsverlauf oft hämorrhagische Imbibie- 4 T1w + KM:
rung 5 Früh: Geringe, fleckige KM-Aufnahme
4 CT + KM: Relativ spät im Verlauf fleckige oder gyriforme KM- 5 Ca. 1 Woche nach Symptombeginn gyriforme KM-Auf-
Aufnahme im Bereich der Temporallappen nahme (. Abb. 4.28)
5 Manchmal meningeales Enhancement nachweisbar
4 DWI: oft Diffusionsrestriktion mit Verminderung des ADC-
Wertes; ADC-Wert kann jedoch auch erhöht sein.
334 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Differenzialdiagnosen. Zerebritis, beginnender Hirnabszess, Klinik.


andere virale Enzephalitiden (Enterovirus-Enzephalitis, West 4 Fieber, Verwirrtheit
Nile-Enzephalitis); Status epilepticus; Grad-II- oder -III-Gliom; 4 Übelkeit, Erbrechen
Gliomatosis cerebri; limbische Enzephalitis (paraneoplastisches 4 Eintrübung
Syndrom); Ischämie; andere Enzephalitiden (v.a. die Neurosyphi- 4 Herdsymptome und Meningismus sind ungewöhnlich
lis kann den mesialen TL betreffen und so einer Herpesenzepha- 4 Hirnnervenausfälle (z.B. Bell-Lähmung)
litis ähneln). 4 EEG-Befund ist unspezifisch

4 Literatur Diagnostik. Über Liquor-PCR; die intrathekale, spezifische An-


Baskin HJ, Hedlund G. Neuroimaging of herpesvirus infections in children. tikörperproduktion ist bei Immunsupprimierten unzuverlässig.
Pediatr Radiol. 2007;37:949-63.
Bulakbasi N, Kocaoglu M. Central nervous system infections of herpesvirus
family. Neuroimaging Clin N Am. 2008;18:53-84.
Verlauf und Prognose. Oft gutartig, fatale Fälle sind jedoch
Kleinschmidt-DeMasters BK, Gilden DH. The expanding spectrum of herpes- auch beschrieben.
virus infections of the nervous system. Brain Pathol. 2001;11:440-51.
Bildgebung. . Abb. 4.11 und . Abb. 4.30
Epstein-Barr-Virus-Enzephalitis Lokalisation: Symmetrisch, oft Stammganglien, Thalami, Cortex
Erreger. Epstein-Barr-Virus (= Humanes-Herpes-Virus 4, oder Hirnstamm; reversible Läsionen im Balkensplenium und
HHV 4) und ein doppelsträngiges DNA-Virus aus der Familie EBV-Zerebellitis sind beschrieben.
der Herpesviren CT nativ: Initiales CT bei der Mehrheit der Patienten negativ
MRT:
Epidemiologie und Demographie. Über 90% der Normalbe- 4 T1w: Hypointenses Signal in den genannten Arealen
völkerung haben bis zum 40. Lebensjahr eine EBV-Infektion 4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintenses Signal in den genannten
durchgemacht: Arealen
4 Primärinfektion oft im Kindesalter, meist symptomlos 4 T1w + KM: Enhancement variabel
4 Bei Infektion von Jugendlichen oder Erwachsenen kommt es 4 DWI: Oft Diffusionsrestiktion
in 30–60 % der Fälle zu einer infektiösen Mononukleose 4 MRS: Kann zur DD Enzephalitis versus Ischämie hilfreich
(Pfeiffersches Drüsenfieber) sein.
4 ZNS-Beteiligung bei EBV selten (<1% der Fälle)
4 EBV-Enzephalitiden kommen vorzugsweise bei immunsup- Differenzialdiagnosen. Herpesenzephalitis, Enterovirusenze-
primierten Personen, beispielsweise Organempfängern vor phalitis, Ischämie, Gliom, Status epilepticus, toxische oder meta-
bolische Veränderungen mit symmetrischen Stammganglien-
Altersverteilung: Kann in allen Altersgruppen vorkommen läsionen
Geschlechtsverteilung: M = F
Assoziiert mit: Burkitt-Lymphom, Nasopharynxkarzinom, akute DD reversible Läsionen im Balkensplenium
disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) 4 EBV-Enzephalitis
4 Andere virale Enzephalitiden
Ätiologie. 4 Hypoglykämie
4 Marchiafava-Bignami-Syndrom (Alkoholabusus) 7 Kap. 6.2
Hauptübertragungsweg: Tröpfchen- oder Kontaktinfektion
4 Mangelernährung
(v.a. Speichel, »Kissing Disease«), bzw. Schmierinfektion; selte- 4 ADEM
ner Übertragungen im Rahmen von Transplantationen oder 4 Elektrolytstörungen
Bluttransfusionen. 4 Absetzen antikonvulsiver Medikamente
Die Primärinfektion führt zur infektiösen Mononukleose → der 4 Epileptische Anfälle
Virus persistiert sowohl nach einer asymptomatischen als auch
Ätiologie der metabolisch bedingten Läsionen:
nach einer symptomatischen Infektion lebenslang und kann reak- 4 Nicht vollständig geklärt
tivieren → in der Regel wird die Reaktivierung vom Wirt unbemerkt 4 Wahrscheinlich durch Elektrolytverschiebungen aufgrund eines
durch dessen Immunsystem eingedämmt, bei Immunsupprimier- direkt toxischen Effekts auf Zellmembran verursacht → gestör-
ten kommt es jedoch zu einer unkontrollierten Virusvermehrung. ter zellulärer Flüssigkeitshaushalt
Enzephalitis und Guillain-Barré-Syndrom können sowohl
im Rahmen der Primärinfektion als auch bei Reaktivierung auf-
Literatur
treten.
Gallucci M, Limbucci N, Paonessa A, Caranci F. Reversible focal splenial lesions.
Mögliche ZNS Manifestationen: Neuroradiology. 2007;49:541-4.
4 Meningitis Hagemann G, Mentzel HJ, Weisser H, Kunze A, Terborg C. Multiple reversible
4 Enzephalitis MR signal changes caused by Epstein-Barr virus encephalitis. AJNR Am J
4 Zerebellitis Neuroradiol. 2006;27:1447-9.
Hashimoto Y, Kobayashi Z, Kotera M. Leptomeningeal enhancement in acute
4 Tranverse Myelitis
cerebellitis associated with Epstein-Barr virus. Intern Med. 2008;47:331-2.
4 Guillain-Barré-Syndrom Kim JH, Choi JY, Koh SB, Lee Y. Reversible splenial abnormality in hypoglyce-
4 Hirnnervenparesen mic encephalopathy. Neuroradiology. 2007;49:217-22.
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
335 4
Definitionen. Die Begriffe »HIV-Enzephalitis« und »HIV-Enze-
phalopathie« werden in der Literatur oft synonym gebraucht,
und bezeichnen dann ein chronisches Krankheitsbild. Davon
muss jedoch die akute HIV-(Meningo-)Enzephalitis abgegrenzt
werden.

Akute HIV-(Meningo-)Enzephalitis
Erreger. Humanes Immundefizienz-Virus (HI-Virus) = human-
pathogenes Retrovirus

Epidemiologie und Demographie. Tritt bei ca. 1% aller HIV-


Infizierten in der Frühphase der HIV-Erkrankung auf, d.h. kurz
vor oder während der HIV-Serokonversion. Der zeitliche Ab-
stand zur HIV-Infektion beträgt in der Regel ca. 3 Wochen.
a
Ätiologie. Übertragung des HI-Virus v.a. auf sexuellem Weg
bzw. durch Blutkontakt mit HIV-Infizierten.

Klinik. Die klinische Präsentation ist nicht von anderen akuten


Virusenzephalitiden zu unterscheiden. Symptome sind:
4 Fieber, Kopfschmerzen, allgemeines Krankheitsgefühl
4 Bewusstseinsstörungen
4 Zeichen der exogenen Psychose
4 Evtl. Meningismus
4 Evtl. Krampfanfälle

Verlauf und Prognose. Der Spontanverlauf ist günstig; oft kli-


nische Restitutio ad integrum innerhalb weniger Tage bis Wo-
chen. Schwerere sind Verläufe möglich. Prädisponiert nicht für
eine neurologische Spätmanifestation der HIV-Erkrankung.

b Diagnostik. Kann in der akuten Erkrankungsphase, wenn die


Enzephalitis der Serokonversion vorangeht, schwierig sein:
. Abb. 4.30a, b EBV-Enzephalitis mit Befall der ventralen Konvexität des
4 HIV-Antigennachweis in Blut und Liquor
Pons (Pfeile). a: T2 tra, b: FLAIR cor.
4 Liquor: lymphozytär entzündliche Veränderungen

Bildgebung. Sowohl CT als auch MRT sind bei der akuten HIV-
HIV-Erkrankung Enzephalitis in der Regel normal.
Im Rahmen einer HIV-Infektion können verschiedene neuro-
logische Komplikationen auftreten. Dabei werden Krankheits- Differenzialdiagnosen. Andere Virusenzephalitiden
bilder, die direkt durch das HI-Virus hervorgerufen werden, von
solchen unterschieden, die indirekt durch die induzierte Im- HIV-1-assoziierte Enzephalopathie,
munschwäche ausgelöst werden (. Tab. 4.4). AIDS-Enzephalopathie
Definition. Bei der HIV-1-assoziierten Enzephalopathie han-
delt es sich um eine durch motorische, kognitive und emotionale
. Tab. 4.4 HIV-assoziierte neurologische Erkrankungen Defizite gekennzeichnete, virusassoziierte Gehirnerkrankung,
die zu einer schweren Demenz sowie zu einer spastischen Tetra-
Direkt HIV-assoziierte 4 Akute HIV-(Meningo-)Enzephalitis =
parese mit Blasenstörungen und Mutismus führt. Sie gehört zu
Erkrankungen aseptische HIV-Enzephalitis
4 HIV-Enzephalopathie = AIDS-Demenz- den sog. AIDS-definierenden Erkrankungen. Es handelt sich
Komplex nicht um eine »gewöhnliche« chronische Enzephalitis, sondern
4 Distale, symmetrische, sensorische um eine zwar primär HIV-bedingte, aber multifaktorielle Hirn-
Polyneuropathie funktionsstörung, die auch mit einer Neurotransmitterstörung
4 HIV-assoziierte Krampfanfälle
einhergehen kann.
Indirekt HIV-assoziierte 4 Opportunistische Infektionen
Erkrankungen 4 Autoimmunphänomene Epidemiologie und Demographie. Vor Einführung hochwirk-
4 Malignome (z.B. Lymphome)
samer antiviraler Medikamente war die HIV-Enzephalopathie
4 Medikamentennebenwirkungen
die häufigste neurologische Komplikation bei HIV-Infizierten:
336 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

sie trat bei >30% der Infizierten im Spätstadium der Erkrankung Lokalisation: Periventrikuläres Marklager, Centrum semiovale,
auf. Nach Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie Stammganglien, Hirnstamm, Kleinhirn
(HAART) war diese Erkrankung zunächst deutlich seltener ge- Morphologie:
worden, neuere Berichte sprechen jedoch von einer erneuten 4 Globale kortikale Atrophie
Zunahme in den letzten Jahren. 4 Symmetrische periventrikuläre Leukenzephalopathie
4 Fokale Marklagerläsionen
Ätiologie. HIV-1-Virus-assoziierte Hirnerkrankung, die in der
sog. »immunologische Endphase« der HIV-Erkrankung auftritt. CT:
4 Sie kommt nur bei fortgeschrittenem Immundefekt (CD4-Hel- 4 CT nativ:
ferzellen <100/μl Blut) vor. 5 Progrediente Atrophie mit zunehmender Erweiterung der
inneren und äußeren Liquorräume
Klinik. Überwiegend durch psychopathologische Symptomatik 5 Hypodense Leukenzephalopathie
gekennzeichnet: 4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
4 Kognitive Defizite:
5 Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen MRT: Progrediente Atrophie mit zunehmender Erweiterung der
5 Verlangsamung von Auffassung und Reagibilität inneren und äußeren Liquorräume
4 Emotionale Defizite: 4 T1w: Nicht sehr sensitiv für Leukenzephalopathie
5 Verlust von Initiative und Antrieb 4 T2w/PDw:
5 sozialer Rückzug mit Verlust sozialer Kompetenz 5 Hyperintense, fokale Marklagerläsionen
5 Depressivität 5 Diffuse, hyperintense, periventrikuläre Leukenzephalo-
4 Verminderte emotionale Schwingungsfähigkeit pathie
4 Motorische Defizite (in ca. 30% der Fälle): 4 FLAIR: Sensitiver als T2w
5 Störung der Feinmotorik 4 T1w + KM: Leukenzephalopathie zeigt keine KM-Aufnahme
4 Spätfolgen: 4 MRS:
5 Schwere Demenz 5 Im Frühstadium: Anstieg glialer Zellmarker als Zeichen
5 Spastische Tetraparese mit Blasenstörungen und Mutis- der Gliaproliferation, späte Abnahme neuronaler Marker
mus 5 Indikation: Hochpathologische elektrophysiologische
Untersuchungsergebnisse, die sich nicht unter antiretro-
Verlauf und Prognose. Schleichend progredient. viraler Therapie bessern sowie unauffälliger Befund in der
konventionellen MRT
Diagnostik. Schwierig, es existieren keine einheitlichen Diag- 4 MTR:
nosekriterien. Richtungsweisend ist die Klinik mit langsamer 5 Erniedrigte MTR im Bereich der Leukenzephalopathie
Krankheitsentwicklung, der serologische Nachweis der HIV-In- 5 Auch leicht erniedrigt in visuell normaler weißer Substanz
fektion und die immunologische Einordnung in Spätstadium der 5 Zur DD HIV-Enzephalopathie versus PML gut geeignet:
Erkrankung. MTR bei PML deutlich stärker erniedrigt
4 DTI: Früh erniedrigte fraktionale Anisotropie
Therapie. Bei gesicherter HIV-1-assoziierter Enzephalopathie
muss die HAART-Therapie möglichst liquorgängige Substanzen NUK:
(Azidothymidin oder Stavudin) enthalten. Bei Versagen der 4 FDG-PET:
HAART bei gesicherter HIV-1-assoziierter Enzephalopathie soll 5 Initial Hyper-, dann Hypometabolismus im Bereich der
ein Breitbandvirostatikum zur Anwendung kommen. Stammganglien
5 Indikation: siehe MRS
Sonstiges. Neuropathologische Befunde:
4 Makroskopisch: Allgemeine Atrophie und Atrophie der tie- Differenzialdiagnosen. JC-Virus-Enzephalitis (PML), CMV-
fer gelegenen Kernstrukturen mit Einblutungen, Demyelini- Enzephalitis, Herpes-Enzephalitis, primäres ZNS-Lymphom
sierungsherden und Vakuolisierung
4 Histopathologisch: Multiple, disseminierte Mikrogliaherde, Literatur
Makrophagen, mehrkernige Riesenzellen, Präsenz von HIV- Descamps M, Hyare H, Stebbing J, Winston A. Magnetic resonance imaging
and spectroscopy of the brain in HIV disease. J HIV Ther. 2008;13:55-8.
Antigen oder spezifischen Nukleinsäuren, neuronaler Zell-
Ragin AB, Storey P, Cohen BA, Epstein LG, Edelman RR. Whole brain diffusion
verlust im frontalen Cortex tensor imaging in HIV-associated cognitive impairment. AJNR Am J Neu-
roradiol. 2004;25:195-200.
Unterformen: HIV-1-assoziierte Leukenzephalopathie, vakuo- von Giesen, H. J., C. Antke, H. Hefter, F. Wenserski, R. J. Seitz, G. Arendt: Poten-
läre Myelinopathie und diffuse Poliodystrophie tial time course of human immunodeficiency virus type 1-associated
minor motor deficits: electrophysiologic and positron emission tomog-
raphy findings. Arch Neurol. 2000;57:1601-1607.
Bildgebung. . Abb. 4.31, . Abb. 4.32 von Giesen, H. J., H. J. Wittsack, F. Wenserski, H. Köller, H. Hefter, G. Arendt:
Unspezifisch; Verteilung und Ausmaß der Marklagerläsionen Basal ganglia metabolite abnormalities in HIV-1 associated minor motor
korreliert nicht sehr gut mit der Klinik. deficits. Arch Neurol. 2001;58:1281-1286.
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
337 4

a b c

. Abb. 4.31a–c Leukenzephalopathie bei HIV-Enzephalopathie. a: T2w; b, c: FLAIRw cor

a b c

. Abb. 4.32a–c Marklageratrophie mit konsekutiver Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume bei HIV-Enzephalopathie. a–c: T2w

Geringfügige motorische Defizite (minor motor deficits: MMD) Klinik. Langsam progrediente spinale Symptomatik:
bei HIV 4 Beinbetonte Tetraparese, spastisch-ataktisches Gangbild,
Definition: Bei den geringfügigen motorischen Defiziten han- Hyperreflexie, positive Pyramidenbahnzeichen
delt es sich um durch spezifische Feinmotoriktests erfassbare 4 Sphinkterfunktionsstörungen, handschuh- und sockenför-
Funktionseinbußen, die – sobald der Patient sie in Form mani- mige sensible Störungen
fester Funktionsverluste (z.B. weniger Anschläge bei der Daten-
typistin, Geschicklichkeitsminderung des Feinmechanikers) Sonstiges. Tritt überwiegend in den Spätstadien der Infektion
selbst bemerkt – als »kognitiv-motorischer Komplex« bezeichnet auf, bei 60% der Patienten kommen HIV-1-assoziierte Myelo-
werden. Die »geringfügigen motorischen Defizite« sind Vorläu- pathie und Enzephalopathie gleichzeitig vor.
fersymptom der HIV-1-assoziierten Enzephalopathie und prä- Häufigstes morphologisches Korrelat der HIVM ist die sog.
diktiv für den Tod des Patienten. vakuoläre Myelopathie (VM), deren Merkmale eine Vakuolisie-
rung besonders des thorakalen und zervikalen Rückenmarks mit
HIV-1-assoziierte Myelopathie (HIVM) Betonung der Seitenstränge und das Auftreten lipidbeladener
Definition. Die HIV-1-assoziierte Myelopathie ist gekennzeich- Makrophagen sind.
net durch eine langsam progrediente spinale Symptomatik ohne
Nachweis eines abgrenzbaren sensiblen Niveaus, die sich ohne Bildgebung. Spinales MRT notwendig zum Ausschluss einer
die charakteristischen Zeichen der HIV-Enzephalopathie als iso- mechanischen Myelonkompression!
lierte Rückenmarkerkrankung entwickelt und direkt HIV-1-as- Lokalisation: Meist thorakal und/oder zervikal
soziiert ist, obwohl der Nachweis viraler Produkte nur inkonstant Morphologie: Atrophie
gelingt. MRT: T2w: Hyperintensitäten im Myelon, Myelonatrophie, meist
thorakal und/oder zervikal
338 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Opportunistische zerebrale Infektionen bei HIV 4 MRS: NAA-Erniedrigung, Cho/Cr-Ratio erhöht, Nachweis
Definition. Unter opportunistischen zerebralen Infektionen von Aminosäuren
versteht man durch Parasiten, Viren, Pilze oder Bakterien her-
Differenzialdiagnosen. Kongenitale CMV-Infektion, kongeni-
vorgerufene zerebrale Infektionen bei HIV-infizierten oder
sonstig immungeschwächten Patienten. Die opportunistischen tale Toxoplasmose
zerebralen Infektionen stellen alle AIDS-definierende Erkran- Literatur
kungen dar und treten bei CD4+-Zellzahlen <150/μl auf. Funk M, Joseph-Steiner J, Hernaiz-Driever P, Mentzer D, Göhlich-Ratmann G,
Bollinger M, Kreuz W, Kornhuber B, Jacobi G. Nervous system manifesta-
4 Erreger. Häufigste Erreger sind: tions in HIV infected children. Klin Padiatr. 1996;208:299-303.
4 Parasitien: Toxoplasma gondii (7 Kap. 4.6.4) Guillevin L. Vasculitides in the context of HIV infection. AIDS. 2008;22 Suppl
3:S27-33.
4 Viren:
5 JC-Virus (s. u.)
5 Cytomegalie-Virus (CMV) (s. u.) Cytomegalie-Virus-Enzephalitis (CMV-Enzephalitis)
4 Pilze: Kryptokokkus neoformans (7 Kap. 4.6.3) Erreger. Cytomegalie-Virus (CMV); gehört zu den Herpesviren.
4 Bakterien: Mykobakterien (Tuberkulose) (7 Kap. 4.6.2)
Epidemiologie und Demographie.
Bildgebung. Siehe in den entsprechenden Kapiteln. Altersverteilung: Vorkommen in verschiedenen Altersstufen
mit deutlich unterschiedlichen Verläufen:
Angeborene HIV-Enzephalopathie 4 Prä- oder perinatale Infektion:
Definition. Vertikal von der Mutter auf den Feten bzw. Embryo 5 Häufigste kongenitale Infektion (vor Toxoplasmose,
oder Säugling übertragene HIV-Infektion. HSV-2, Röteln)
5 In den USA sind ca. 1% aller Neugeborenen betroffen
Epidemiologie und Demographie. Weltweit waren bis 1997 2,4 5 50–80% aller Frauen im gebärfähigen Alter sind in den
Millionen Kinder mit HIV infiziert. USA seropositiv für CMV
Übertragungsrisiko: Ohne Stillen: 15–25%, mit Stillen: 25– 5 5% aller schwangeren Frauen scheiden CMV im Urin aus
40% 5 Infektionsweg: transplazentar
Altersverteilung: Symptomatik der HIV-Enzephalopathie be- 4 Infektion des Frühgeborenen
ginnt meist in der 12. Lebenswoche, manche Kinder bleiben bis 4 CMV-Infektion bei Jugendlichen oder Erwachsenen: Hierbei
zum 10. Lebensjahr unauffällig. wird unterschieden:
5 CMV-Infektion beim Immunkompetenten
Ätiologie. Übertragung in utero, perinatal oder postnatal über 5 CMV-Infektion beim Immuninkompetenten und als op-
die Muttermilch → HI-Virus in Mikroglia und Makrophagen → portunistische Infektion bei AIDS
Entzündungsreaktion.
Ätiologie. Beim Neugeborenen besteht eine deutliche Affinität
Klinik. Entwicklungsverzögerungen, Gedeihstörung, Verhaltens- des Virus zur subependymalen, germinalen Matrix → ausgedehn-
störungen, motorische Defizite te periventrikuläre Nekrosen. Histologisch sind eosinophile Ein-
schlusskörperchen nachweisbar.
Verlauf und Prognose. Von den Kindern, die im ersten Lebens-
jahr symptomatisch werden, sterben 10% in der Kindheit. The- Klinik. Abhängig vom Zeitpunkt der Infektion und vom Im-
rapie verbessert Prognose. munstatus:
4 Prä- oder perinatale Infektion: Schwere Defektsyndrome,
Bildgebung. deren Schweregrad vom Infektionszeitpunkt abhängig ist:
Lokalisation: Stammganglien 5 Neugeborene mit CMV-Infektion sind bei Geburt zu-
Morphologie: Atrophie, Verkalkungen, Leukenzephalopathie, nächst oft asymptomatisch.
spät dilatative Makroangiopathie 5 Später fallen folgende Symptome auf: Taubheit, Krampf-
CT: anfälle, mentale Retardierung, Mikrozephalie, Opticus-
4 CT nativ: Atrophie, Stammganglienverkalkungen neuritis, Innenohrschwerhörigkeit, Fehlbildungen der
4 CT + KM: Evtl. vor Auftreten der Verkalkungen flaue KM- Augen, Chorioretinitis, Hyperaktivität, gelegentlich Ataxie
Aufnahme im Bereich der Stammganglien und Hypotonie.
4 Spätere CMV-Infektion: Beim Immunkompetenten oft in-
MRT: apparent
4 T1w: Atrophie 4 Immuninkompetente Patienten: Akute oder chronische In-
4 T2w:/FLAIR: Evtl. hyperintense Leukenzephalopathie fektionen des Nervensystems:
4 T1w + KM: Initial leichte KM-Aufnahme der Stammganglien 5 Enzephalitis mit Fieber
4 T2*w: Zum Nachweis von Verkalkungen 5 Wesensänderung
4 MRA: Spät im Verlauf dilatative Makroangiopathie der intra- 5 kognitive Defizite
kraniellen Gefäße, fusiforme Aneurysmen 5 Chorioretinitis
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
339 4
Diagnostik. Manchmal ist bei der Enzephalitis eine granulo- Bildgebung bei Erwachsenenform.
zytäre Pleozytose im Liquor nachweisbar. Zur Diagnosestellung Lokalisation: Periventrikuläre weiße Substanz
wird eine Liquor-PCR gefordert. CT nativ: Periventrikuläre hypodense Läsionen
Therapie. Bei der CMV-Enzephalitis und –Retinitis Gabe von MRT:
Ganciclovir. Die Effektivität von Ganciclovir ist jedoch bei 4 T2w/PDw/FLAIR: Nachweis von Hyperintensitäten v.a. im
CMV-Enzephalitis nicht sehr hoch. periventrikulären und subependymalen Marklager; diese
sind unscharf begrenzt und leicht raumfordernd
Bildgebung bei prä- oder perinataler Infektion. Erscheinungs- 4 T1w + KM:
bild vom Schweregrad und Infektionszeitpunkt abhängig: 5 Subependymale KM-Aufnahme
4 Schwere Form bei früher Infektion: 5 Nachweis von Komplikationen: Ventrikulitis, Ependy-
5 Lissenzephalie mit deutlich ausgedünntem Rindenband mitis?
(7 Kap. 5)
5 Erweiterung der inneren Liquorräume Differenzialdiagnosen.
5 Periventrikuläre Verkalkungen Kongenitale Form: Toxoplasmose, kongenitale lymphozytäre
5 Kleinhirnhypoplasie Choriomeningitis
4 Infektion etwas später im Schwangerschaftsverlauf: Erwachsenenform: HIV-Enzephalitis, PML
5 Polymikrogyrie
5 Glianarben Literatur
5 Zerebrale Verkalkungen Cheeran MC, Lokensgard JR, Schleiss MR. Neuropathogenesis of congenital
cytomegalovirus infection: disease mechanisms and prospects for inter-
4 Perinatale Infektion:
vention. Clin Microbiol Rev. 2009;22:99-126.
5 Gyrierung normal Malm G, Engman ML. Congenital cytomegalovirus infections. Semin Fetal
5 Periventrikuläre Glianarben und Verkalkungen möglich Neonatal Med. 2007 Jun;12(3):154-9.
(. Abb. 4.33) Scatliff JH, Kwock L, Chancellor K, Bouldin TW, Kapoor CC, Castillo M. Postmor-
tem MR imaging of the brains of patients with AIDS. Neuroimaging Clin
N Am. 1997;7:297-320.
Lokalisation: Verkalkungen v.a. in der periventrikulären weißen
van der Knaap MS, Vermeulen G, Barkhof F, Hart AA, Loeber JG, Weel JF.
Substanz Pattern of white matter abnormalities at MR imaging: use of polymerase
Morphologie: chain reaction testing of Guthrie cards to link pattern with congenital
4 Schollige Verkalkungen, Gyrierungstörungen (von Agyrie cytomegalovirus infection. Radiology. 2004;230:529-36.
bis fokale kortikale Dysplasie, . Abb. 4.34)
4 E-vacuo-Hydrozephalus bei Mangel an weißer Substanz
4 Kleinhirnhypoplasie Progressive multifokale Leukenzephalopathie
(PML)
CT nativ: Definition. Bei der PML handelt es sich um eine sekundär demy-
4 Besonders geeignet zum Nachweis von Verkalkungen linisierende Erkrankung auf dem Boden einer JC-Virus-Infek-
4 Schollige Verkalkungen in überwiegend periventrikulärer tion der Oligodendrozyten.
Lage
4 Hypodense Areale im Marklager Epidemiologie und Demographie. Die Häufigkeit der Erkran-
4 E-vacuo-Hydrozephalus bei Mangel an weißer Substanz kung hat im AIDS-Zeitalter deutlich zugenommen (bei ca. 2–7%
aller AIDS-Patienten); relativ häufig auch bei an AIDS erkrank-
MRT: Besonders geeignet zum Nachweis von Gyrierungsstö- ten Kindern.
rungen
4 T1w: Periventrikuläre, subependymale Foci mit T1-Zeit Ver- Ätiologie. Voraussetzung für eine JC-Virus-Infektion ist das
kürzung (=Verkalkungen) Vorliegen einer Immunsuppression, wie z.B. bei AIDS, anderen
4 T2w/PDw: E-vacuo-Hydrozephalus bei Mangel an weißer Autoimmunerkrankungen, Krebserkrankung, immunsuppres-
Substanz siver Therapie, lymphoproliferativer Erkrankung, Morbus
5 Verzögerte Myelinisierung Whipple, nichttropischer Sprue, Tuberkulose, Sarkoidose, oder
5 Periventrikuläre Pseudozysten Z.n. Organtransplantation. Darüber hinaus tritt die Erkrankung
5 Hyperintense Marklagerläsionen, v.a. parietal (= Gliose) als Nebenwirkung einer Natalizumab-Therapie bei Multipler
4 FLAIR: Hyperintense Marklagerläsionen, v.a. parietal (= Gli- Sklerose auf.
ose)
4 T2*w: Hypointense Darstellung der Verkalkungen Klinik. Kopfschmerzen, Sehstörungen, Demenz, Hemiparese,
kognitive Einbußen, Krampfanfälle.
Ultraschall: Nachweis der Verkalkungen (echoreich), periventri-
kuläre Pseudozysten, Kleinhirnhypoplasie
340 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.33a–c Frontale und parietale Gliosezonen im Marklager, links mehr als rechts (Pfeile in a und b) und Polymikrogyrie angrenzend an den Sulcus
temporalis superior (Pfeile in c) bei konnataler CMV-Infektion. a, b: FLAIRw; c: T2w sag

a b c

. Abb. 4.34a–c Periventrikuläre Gliosezonen und Pachygyrie bei konnataler CMV-Infektion. a, b: FLAIRw; c: T1 IR cor

Verlauf und Prognose. Langsam progredient; meist fatale Er- CT:


krankung, Tod oft innerhalb von 6–12 Monaten. Es gibt Hin- 4 CT nativ: Nachweis flächiger hypodenser Marklagerläsionen
weise darauf, dass die HAART-Therapie die Prognose ver- 4 CT + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme
bessert.
MRT:
Sonstiges. Histologisch Nachweis multifokaler, demyelinisie- 4 T1w: Stark hypointenses Signal der flächigen Marklagerlä-
render Plaques mit Beteiligung der subkortikalen U-fasern und sionen (aufgrund der Demyelinisierung), welches im Krank-
Aussparung des Rindenbands und der tiefen grauen Substanz; heitsverlauf zunimmt
intranukleäre Viruseinschlüsse in Oligodendrozyten. 4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintenses Signal der flächigen Mark-
lagerläsionen
Bildgebung. . Abb. 4.35 4 T1w + KM: Meistens keine KM-Aufnahme, unter Therapie
Lokalisation: Prädisposition für parietookzipitales Marklager, KM-Aufnahme als Zeichen des Therapieansprechens
kann aber in allen Hirnregionen inkl. HSG auftreten, v.a. bei 4 DWI:
AIDS-Patienten. 5 Zentral: Hypointens im B1000 Bild, Mean Diffusivity hoch
Morphologie: 5 Randsaum: Hyperintens im B1000 Bild, Mean Diffusivity
4 Solitäre oder multifokale, flächige leukenzephalopathische niedrig
Läsionen mit Beteiligung der U-fasern 4 MTR: MT-Werte sind im Bereich der Läsion deutlich verrin-
4 Relativ schnell an Größenausdehnung zunehmend, d.h. kon- gert (um ca. 40% versus normaler grauer Substanz), erlaubt
fluierend DD zur HIV-Enzephalopathie (hier MT-Wert nur leicht ge-
4 In der Regel ohne raumfordernden Aspekt gen normales Marklager verringert)
4 Wenn bilateral, dann meist asymmetrisch
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
341 4
NUK: Läsionen im PET meist hypometabol, selten hyper- Klinik. Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 10 Tage, bei
metabol ca. 70% der Patienten zweigipfliger Fieberverlauf: Zunächst
DSA: In der DSA beobachtet man einen Parenchymblush in der Prodromalphase (3–8 d) mit allgemeinem Krankheitsgefühl,
früharteriellen Phase, der bis in die venöse Phase persistiert auf Kopfschmerzen, Fieber, Bauchschmerzen, danach vorübergehen-
dem Boden einer Neoangiogenese de Besserung. Wenige Tage später erneuter Fieberanstieg → zwei-
Atypische PML: In seltenen Fällen kann sich eine PML-Läsion te Krankheitsphase mit verschiedenen Manifestationsformen:
auch als Raumforderung präsentieren, gelegentlich auch als 4 Meningitische Verlaufsform (50%): Allgemeinbefinden
Atrophie. Die Läsion kann ein KM-Enhancement zeigen, selten häufig stark beeinträchtigt, v.a. Kopfschmerzen, Fieber und
liegt auch eine Mitbeteiligung der grauen (auch der tiefen grauen) Müdigkeit
Substanz vor. 4 Meningoenzephalitische Verlaufsform (40%): Bewusst-
seinsstörungen, Koordinationsstörungen sowie Lähmungen
Differenzialdiagnosen. HIV-Enzephalopathie, ADEM, MS, von Extremitäten und Gesichtsnerven
Lymphom 4 Meningoenzephalomyelitische Form (10%): Manifestiert
sich primär im Bereich der Vorderhörner, geht mit schlaffen
> Liegt bei einem AIDS-Patienten eine Leukenzephalo-
Lähmungen der Extremitätenmuskulatur einher; häufig in
pathie mit Beteiligung der U-fasern vor, ist die PML die
Assoziation mit einer Hirnstammenzephalitis → meist mit
erste Differenzialdiagnose.
Schluck- und Sprechstörungen, Lähmungen der Gesichts-
und Halsmuskulatur, Atemlähmungen
DD fokale/multifokale Läsionen bei AIDS Patienten
4 Lymphom
Verlauf und Prognose. Meningitis: vollständige Ausheilung; bei
4 Toxoplasmose: Meningoenzephalomyelitis: oft bleibende Paresen; Letalität: 1%
– DD zum Lymphom schwierig
– Bei Toxoplasmose häufiger multiple Herde Bildgebung. Läsionen sind meist erst 3 Tage nach Beginn der
– Beim Lymphom stärkere Diffusionsrestriktion als bei der zweiten Fieberphase nachweisbar.
Toxoplasmose
– Perfusions-MRT: Regionales Blutvolumen in Toxoplasmose-
MRT: Nur bei ca. 20% der Patienten mit Enzephalitis oder Mye-
herden erniedrigt; in Lymphomherden erhöht litis auffällig; zeigt Läsionen v.a. im Thalamus, Hirnstamm.
– Thallium-201-SPECT: Sensitivität zw. 60–100% je nach Studie Es besteht keine Korrelation zwischen den Signalauffällig-
– PET: Toxoplasmoseherde zeigen Hypometabolismus (Sensiti- keiten im MRT und der Schwere der Erkrankung → Indikation
vität und Spezifizität >90%) zur Durchführung eines MRTs nur bei diagnostischer Unsicher-
4 Tuberkulome
4 Tuberkulöser Abszess
heit.
4 Kryptokokkose
4 Bakterieller Abszess Varizella-Zoster-Virus-Enzephalitis
ZNS-Beteiligung in <1% aller VZV-Infektionen.

Eastern-Equine-Virus-Enzephalitis
Literatur
Cosottini M, Tavarelli C, Del Bono L, Doria G, Giannelli M, De Cori S, Michelassi Erreger. Togavirus
MC, Bartolozzi C, Murri L. Diffusion-weighted imaging in patients with pro-
gressive multifocal leukoencephalopathy. Eur Radiol. 2008;18:1024-30. Vorkommen. Vor allem in Nordamerika
Kappos L, Bates D, Hartung HP, Havrdova E, Miller D, Polman CH, Ravnborg M,
Hauser SL, Rudick RA, Weiner HL, O’Connor PW, King J, Radue EW, Yousry
Bildgebung. Magnetresonanztomographisch typischerweise
T, Major EO, Clifford DB. Natalizumab treatment for multiple sclerosis:
recommendations for patient selection and monitoring. Lancet Neurol. Veränderungen im Thalamus, in den Stammganglien und im
2007;6:431-41. Hirnstamm.
Weber T. Progressive multifocal leukoencephalopathy. Neurol Clin. 2008;
26:833-54, x-xi. Enterovirus-bedingte Enzephalomyelitis
Erreger. Poliovien, Coxsackieviren, ECHO-Viren (enteric cyto-
pathic human orphan), Enteroviren
Andere Virusenzephalitiden
Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) Übertragung. Fäkal-oral
Erreger. RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren
Epidemiologie und Demographie. Betroffen sind v.a. Kinder
Übertragung. Hauptsächlich durch Zecken (Ixodes ricinus und und Jugendliche; regionale und jahreszeitliche Häufung (Herbst).
Ixodes persulcatus) übertragen, in Osteuropa gelegentlich auch
durch den Genuss unpasteurisierter Schafs- oder Ziegenmilch Japanische Enzephalitis
Erreger. Virus aus der Familie der Flaviviren
Epidemiologie und Demographie. Infektionsrisiko in Ende-
miegebieten 1:100 bis 1:1000 pro Zeckenstich. Vorkommen. Vor allem in Ost- und Südostasien
342 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 4.35a–f Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) bei einem Patienten mit AIDS-Erkrankung. a, b: FLAIRw tra und cor; c: T1w nativ;
d: T1w + KM; e: DWI, B1000; f: ADC-Map

Bildgebung. Epidemiologie und Demographie. In Mitteleuropa nur Ein-


Lokalisation: Manifestiert sich typischerweise bilateral in den zelfallberichte, weltweit sterben jährlich jedoch noch 35.000–
Thalami (in über 90% der Fälle), darüber hinaus auch Verände- 100.000 Menschen an Tollwut, v.a. in Asien.
rungen in den Stammganglien, im Mittelhirn, im Pons, im Cere- Die Inkubationszeit kann sehr lang sein → Erkrankung kann
bellum, im zerebralen Cortex und in der weißen Substanz nach- z.B. bei Immigranten noch Monate nach der Einwanderung
weisbar. manifest werden.
MRT: Betroffene Areale zeigen entweder ein gemischtes Signal
oder stellen sich in T1-Wichtung hypointens bzw. in T2-Wich- Klinik. Fieber, Gliederschmerzen, Muskelzuckungen, ausge-
tung hyperintens dar. In T2*w können hämorrhagische Imbibie- prägte Wasserscheu (sehr charakteristisch!)
rungen in den Thalami nachweisbar sein.
Verlauf und Prognose. Letal, keine Therapie bekannt.
Literatur
Kalita J, Misra UK. Comparison of CT scan and MRI findings in the diagnosis of Bildgebung. . Abb. 4.36
Japanese encephalitis. J Neurol Sci. 2000;174:3-8.
Kann initial unauffällig sein.
Maschke M, Kastrup O, Forsting M, Diener HC. Update on neuroimaging in infec-
tious central nervous system disease. Curr Opin Neurol. 2004;17:475-80.
MRT:
Reppel M, Landreh L, Gottschalk S, Schunkert H, Kurowski V, Seidel G. Japanese 4 T2w/FLAIR: Bilateral symmetrische, hyperintense Läsionen
encephalitis in Western Europe. Clin Neurol Neurosurg. 2009;111:373-5. in den Stammganglien (Nucleus caudatus, Putamen) und im
Thalamus, sowie im gesamten Hirnstamm und im Myelon
Rabies-Enzephalitis (v.a. aufsteigende Bahnen)
Synonyme. Tollwut 4 T1 + KM: Vermehrte Kontrastmittelanreicherung der Lepto-
meningen
Erreger. Rabies-Virus (Lyssa-Virus)

Übertragungsweg. Meist über Speichel infizierter Tiere


(Hunde).
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
343 4
West-Nile-Virus-Enzephalitis
Erreger. Flavivirus

Bildgebung. Magnetresonanztomographisch typischerweise


Veränderungen im Thalamus, in den Stammganglien und im
Hirnstamm nachweisbar.

Literatur
Petropoulou KA, Gordon SM, Prayson RA, Ruggierri PM. West Nile virus
meningo-encephalitis: MR imaging findings. AJNR Am J Neuroradiol.
2005;26:1986-95.

4.6.2 Bakterien

Listeriose
Erreger. Listeria monocytogenes (grampositives, fakultativ anae-
a robes Stäbchen)

Epidemiologie und Demographie. Ubiquitär; 2001 in Deutsch-


land Einführung der Meldepflicht: gemeldete Fälle 2001: 213
(davon 51 mit ZNS-Beteiligung, 38 Meningitiden, 13 Enzepha-
litiden)
Altersverteilung: Jedes Alter, auch transplazentare Ansteckung
möglich.

Ätiologie. Aufnahme des Erregers v.a. durch Verzehr kontami-


nierter tierischer und pflanzlicher Lebensmittel, seltener durch
direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminiertem
Erdboden. Übertragung auch fäkal-oral von Mensch zu Mensch
oder transplazentar durch gesunde Ausscheider möglich.

Klinik. Hirnnervenausfälle (v.a. N. abducens und N. facialis, bei


Beteiligung des Mittelhirns auch N. oculomotorius)

Diagnostik.
b Liquor: Oft granulozytäre Zellzahlerhöhung nachweisbar, diese
fällt jedoch oft geringer aus als bei anderen bakteriellen Menin-
. Abb. 4.36a, b Rabies-Enzephalitis mit bilateral symmetrischen, hyperin- gitiden.
tensen Läsionen in den Stammganglien (Nucleus caudatus, Putamen), im Tha-
Blutkultur: In ca. 60–70% der Fälle positiv
lamus sowie im gesamten Hirnstamm und im Myelon. a: T2w; b: FLAIRw cor

Sonstiges. Der histologische Befund zeigt eine granulomatöse


Entzündung.
Literatur Die T-Zell-Funktion ist entscheidend für die Abwehr von
Hemachudha T, Laothamatas J, Rupprecht CE. Human rabies: a disease of Listerien → gehäufte Infektionen bei Patienten mit verminderter
complex neuropathogenetic mechanisms and diagnostic challenges.
zellulärer Immunabwehr.
Lancet Neurol. 2002;1:101-9.
Linn J, Hoffmann LA, Danek A, Bruckmann H. Differential diagnosis of bilat-
eral thalamic lesions. Rofo. 2007;179:234-45. Verlauf und Prognose. Meningitischer und menigoenzephali-
Schankin, CJ, Birnbaum T, Linn J, Brüning R, Kretschmar HA, Straube A, Krebs B. tischer Verlauf möglich:
A fetal encephalitis. Lancet. 2005;365:358. 4 Bei meningitischem Verlauf sind Residuen selten.
4 Bei meningoenzephalitischem Verlauf in 60% der Fälle Resi-
duen (meist persistierende Hirnnervenausfälle).

Die Letalität der Listerienmeningoenzephalitis beträgt 30%.


344 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Bildgebung. . Abb. 4.37, . Abb. 4.38 Hinweis: Der MR-Befund sollte sich unter antibiotischer Thera-
Sowohl CT als auch MRT können normal sein. pie innerhalb von 14 Tagen bessern.
Lokalisation:
4 Oft Rhombenzephalitis mit Befall von Medulla oblongata, Differenzialdiagnosen. Andere Virusenzephalitiden, paraneo-
Pons und Kleinhirn plastische Rhombenzephalitis
4 Hirnnervenbeteiligung
Literatur
MRT: Clauss HE, Lorber B. Central Nervous System Infection with Listeria mono-
4 4 T2w/PDw/FLAIR: cytogenes. Curr Infect Dis Rep. 2008;10:300-6.

5 Nachweis fokaler Hyperintensitäten, die raumfordernd


wirken können Morbus Whipple
5 Zusätzlich evtl. Nachweis kleiner Abszesse mit hypo- bis Definition. Beim Morbus Whipple handelt es sich um eine Sys-
isointensem Signal v.a. im Hirnstamm temerkrankung, die primär den Dünndarm betrifft und sich mit
4 T1w + KM: einem Malabsorptionssyndrom manifestiert.
5 Fokale Läsionen können eine flächige KM-Aufnahme
zeigen Erreger. Tropheryma whippeli (grampositives Bakterium)
5 Abszesse zeigen knotige Anreicherung oder ein Ringen-
hancement

a b

. Abb. 4.37a–c Listerienenzephalitis mit Schwerpunkt im Rhombenzephalon. Im rechten Thalamus zeigt sich eine
hämorrhagische Imbibierung in T1w nativ (b). a, c: T2w tra und cor; b: T1w nativ
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
345 4

a b c

d e

. Abb. 4.38a–e Listerienenzephalitis v.a. im Pons und in der Medulla oblongata. a: DWI, B1000; b, c: T2w; d, e: T1w + KM tra und sag

Epidemiologie und Demographie. Die Epidemiologie ist weit- Therapie. Optimales Antibiotikum und optimale Therapie-
gehend unklar; es handelt sich um eine sehr seltene Erkrankung. dauer nicht bekannt. Wirksam sind Doxycyclin, Penicillin,
ZNS-Beteiligung in ca. 20–40% der Fälle, tritt eher spät im Krank- Streptomycin und Ampicillin.
heitsverlauf auf.
Altersverteilung: Mittleres Alter bei Auftreten der Erkrankung: Verlauf und Prognose. Deutliche Prognoseverschlechterung
50 Jahre bei verzögerter Diagnosestellung und spätem Therapiebeginn.
Geschlechtsverteilung: Männer sind bevorzugt betroffen (> 80% Bei ca. 13% der Patienten kommt es innerhalb von 2 Jahren zu
aller Patienten sind männlich) Rezidiven.

Ätiologie. Pathogenese weitgehend unklar, molokulargenetisch Diagnostik. Diagnose wird oft erst mit Verzögerung gestellt.
ist in den befallenen Organen mittels PCR Tropheryma whippelii, 4 Dünndarmbiopsie oder Biopsie eines mesenterialen Lymph-
ein Mikroorganismus, nachweisbar. knotens; selten Hirnbiopsie
4 PCR aus Blut und Liquor
Klinik. Häufige neurologische Symptome sind: 4 Liquoruntersuchung auf PAS-positive Zellen (Färbung mit
4 Kognitive Veränderungen, Bewusstseinsstörungen, demen- periodischer Schiffsäure)
zielle Entwicklung
4 Psychiatrische Auffälligkeiten Sonstiges. Neuropathologie:
4 Hypothalamisch-hypophysäre Dysfunktion 4 Nachweis multipler ca. 2 mm großer zirkulärer, granulo-
4 Supranukleäre Blickparese matöser Herde in der grauen Substanz
4 Pathologien der oberen Motoneuronen 4 Die Herde sind histologisch durch Makrophagen gekennzeich-
4 20% der Patienten zeigen kein Malabsorptionssyndrom, son- net, die stark PAS-positiv sind und Tropheryma whippelii ent-
dern nur neurologische Manifestationen halten.

Weitere Organmanifestationen: Herz, Knochen und Gelenke


346 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

. Abb. 4.39 Typischer Morbus Whipple (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. J. Valk aus »Magnetic Resonance of Myelination and Myelin Disorders«.
Springer, Berlin 2005)

a b

. Abb. 4.40a, b Unspezifische Erweiterung der inneren Liquorräume bei gesichertem Morbus Whipple. a, b: CT nativ

Bildgebung. . Abb. 4.39, . Abb. 4.40 MRT:


Die Bildgebung inkl. MRT kann normal sein. 4 T1w: Läsionen hypointens
Lokalisation: 4 T2w/PDw/FLAIR: Läsionen hyperintens, in ca. 50% der Fälle
4 Hirnrinde, v.a. frontal, temporal und parietal, Stammgang- Hirnatrophie
lien, periventrikuläre weiße Substanz 4 T1w + KM: Läsionen können eine KM-Aufnahme zeigen, das
4 Hypothalamus, Chiasma opticum, Hypophyse ist jedoch nicht zwingend
4 Pons, Pedunculi cerebellares medius 4 DWI: Hyperintense Darstellung der Läsionen, jedoch mit er-
4 Rückenmark höhtem ADC-Wert (= T2-Shine-through-Effekt)
4 MRS: Cr und NAA erniedrigt, Cho erhöht, kein Laktat, kein
Morphologie: Läsionen sind allenfalls gering raumfordernd Lipid
CT nativ: In ca. 50% der Fälle zeigt sich eine Hirnatrophie mit
e-vacuo-Erweiterung des Ventrikelsystems (. Abb. 4.40) Differenzialdiagnosen. Zerebrales Lymphom, Morbus Behςet,
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
347 4
Eine neurologische Symptomatik entwickeln 10–15% aller Pa-
Differenzialdiagnosen bilateraler Läsionen tienten.
der Pedunculi cerebellares medius
4 Neurodegenerative Erkrankungen: Ca. 40%
Ätiologie. Die Pathogenese der Neuroborreliose ist nicht ganz
– Sporadische olivopontozerebelläre Atrophie oder spinozere-
belläre Ataxie geklärt, diskutiert werden u.a. eine Ausbreitung der Erreger über
4 Metabolische Erkrankungen: Ca. 22% nervale Strukturen, eine Vaskulitis und Autoimmunphänomene.
– Adrenoleukodystrophie
– Morbus Wilson Klinik. Vom Stadium abhängig:
– Hepatische Enzephalopathie (7 Kap. 6)
4 Stadium 1 (= frühes lokalisiertes Stadium):
4 Demyelinisierende und/oder entzündliche Erkrankungen
– Multiple Sklerose (7 Kap. 4.8.1) 5 Bei 80–90% Manifestation als lokales Erythema migrans
– ADEM (7 Kap. 4.8.2) 5 Gelegentlich wenige Tage bis Wochen nach Infektion All-
– Behçet-Erkrankung (7 Kap. 4.6.5) gemeinsymptome wie Krankheitsgefühl, Arthralgien,
4 Neoplasmen: Myalgien, subfebrile Temperaturen oder Nachtschweiß
– Meningeosis carcinomatosa (7 Kap. 3)
4 Stadium 2 (= frühes disseminiertes Stadium):
– Gliome (7 Kap. 3)
– Lymphome (7 Kap. 3) 5 Betrifft v.a. das Nervensystem, die Gelenke (Arthralgien)
und das Herz (AV-Block)
4 Stadium 3 (= Spätstadium, chronische Manifestation):
5 Selten, nach Monaten bis Jahren
Literatur 5 Beteiligung von Haut (Acrodermatitis chronica atrophi-
Anderson M. Neurology of Whipple’s disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry. cans), Nervensystem (= chronische Neuroborreliose) und
2000;68:2-5.
Gelenken (Arthritis)
Nelson JW, White ML, Zhang Y, Moritani T. Proton magnetic resonance spec-
troscopy and diffusion-weighted imaging of central nervous system
whipple disease. J Comput Assist Tomogr. 2005;29:320-2. Klinisch hat die Stadieneinteilung untergeordnete Bedeutung, da
Okamoto K, Tokiguchi S, Furusawa T, et al. MR features of diseases involving die Stadien nur selten so durchlaufen werden und der Infektions-
bilateral middle cerebellar peduncles. AJNR Am J Neuroradiol. 2003; zeitpunkt häufig unbekannt.
24:1946-1954
! Ein Erythema migrans tritt nur in etwa 50% der akuten
Lyme-Borreliose Neuroborreliosefälle auf.

Synonyme. Neuroborreliose Manifestationen mit Häufigkeiten:


4 Frühmanifestationen (Stadium 1 und 2):
Definition. Die Lyme-Borreliose ist eine entzündliche Multi- 5 89% Erythema migrans (bei weiteren 3% Erythema mig-
systemerkrankung, die durch eine Infektion mit der Spirochäte rans in Verbindung mit einer anderen Organmanifesta-
Borrelia burgdorferi verursacht wird. tion)
5 3% Neuroborreliose (Stadium 2)
Erreger. Borrellia burgdorferi (Spirochäte), übertragen durch 5 2% Borrelien-Lymphozytom
Zecken (Ixodes ricinus); in Europa zusätzlich Borrelia afzelii, 5 < 1% Karditis
Borrelia garinii und Borrellia spielmanii als humanpathogene Er- 4 Chronische Erkrankungen (Stadium 3):
reger identifiziert 5 5% Lyme-Arthritis
5 1% Acrodermatitis chronica atrophicans
Infektionsweg. Übertragung erfolgt durch den Stich der Zecke
(in Europa durch den »Holzbock«, Ixodes ricinus), sehr selten Neuroborreliose:
auch durch fliegende Insekten (Pferdebremsen, Stechmücken). 4 Klassische Trias:
In Deutschland zeigt sich nach einem Zeckenstich bei 2,6–5,6% 5 Lymphozytäre Pleozytose
der Betroffenen eine Serokonversion, bei 0,3–1,4% eine manifes- 5 Hirnnervenbeteiligung
te Erkrankung. 5 Intensive, nächtlich betonte radikuläre Schmerzen
Die Übertragung ist auch via Plazenta möglich. 4 Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom = Meningoradikulo-
neuritis: nach dem Erythema migrans häufigste Manifesta-
Epidemiologie und Demographie. In den gemäßigten Klima- tion einer akuten Borreliose bei Erwachsenen in Europa.
zonen der Nordhalbkugel endemisch; keine verlässlichen Daten Symptome:
über die Häufigkeit der Borreliose in einzelnen europäischen 5 Zuerst segmentale Schmerzen, nachts verstärkt und in
Ländern: wechselnder Lokalisation (brennend, bohrend, beißend
4 Borrelienspezifische Antikörper je nach Endemiegebiet und oder reißend)
Altersgruppe in Deutschland und Österreich bei 5–25% der 5 Beginn im Mittel 4–6 Wochen nach Zeckenstich bzw.
gesunden Personen nach Erythema migrans
4 Durchseuchungsrate von Zecken: Gebietsabhängig 10–30% 5 Bei ¾ der Patienten nach 1–4 Wochen neurologische Aus-
(USA: ca. 10.000 neue Fälle/Jahr; im Raum Würzburg: Inzi- fälle, Paresen häufiger als Sensibilitätsstörungen
denz 111/100.000/Jahr)
348 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4 Intrakranielle Manifestationen: Hirnnervenausfälle (in etwa 4 Typische Manifestation: Enzephalomyelitis mit spastisch-
60% der Neuroborreliosefälle): ataktischer Gangstörung und Blasenstörung
5 Alle Hirnnerven außer dem N. olfactorius können betei- 4 Selten Schmerzen
ligt sein
5 In >80% ist der HN VII, oft bilateral, betroffen Bildgebung.
5 Zusammen mit der lymphozytären Meningitis ist die Zerebrale Bildgebung der Neuroborreliose: . Abb. 4.41 bis
Fazialisparese die häufigste Manifestation einer Neuro- . Abb. 4.44
borreliose bei Kindern 4 CT und MRT: In >55% der Fälle unauffällig; Nachweis fokaler
4 5 Isolierte Meningitis (ohne radikuläre Symptomatik); in oder konfluierender intrazerebraler Läsionen in ca. 20–30%
Europa überwiegend bei Kindern 4 Lokalisation: Supratentoriell v.a. Marklager, Hirnstamm,
4 ZNS-Manifestationen: Die Beteiligung des zentralen Ner- Hirnnerven (. Abb. 4.43), Meningen
vensystems im Rahmen einer Neuroborreliose ist selten und 4 Morphologie:
verläuft meistens chronisch. 5 Fokale oder konfluierende, »unspezifische« Marklagerlä-
sionen, Atrophie
Häufigste ZNS-Manifestationen der Neuroborreliose: 5 Selten vaskulitisch bedingte Ischämien (. Abb. 4.44), ICB
4 Myelitis: Entwicklung der Symptomatik über Tage oder meh- oder SAB
rere Monate: 4 CT nativ: Evtl. hypodense Marklagerläsionen, Atrophie
5 Spastisch-ataktischer Gang 4 MRT:
5 Blasenstörung 5 T1w: Atrophie
5 Bei einem Teil der Patienten schwere Tetra- oder Para- 5 T2w/PDw/FLAIR: Bei Enzephalitis: fokale hyperintense
parese Marklagerläsionen supratentoriell und im Hirnstamm
5 Bei 40% der Fälle zusätzlich Hirnnervenbeteiligung (. Abb. 4.41 und 4.42)
4 Enzephalitis: 5 DWI: Bei Vaskulitis ggf. frische, vaskulitische Ischämien
5 Bei 60% der Patienten mit Myelitis zusätzlich Zeichen der 5 T1w + KM: Marklagerläsionen können KM-Aufnahme
Enzephalitis zeigen
5 Klinische Symptomatik unspezifisch – Evtl. KM-Aufnahme der Meningen
4 Vaskulitis der zerebralen Gefäße (. Abb. 4.44): – Bei Hirnnervenbeteiligung: KM-Aufnahme der Hirn-
5 Ischämie nerven (. Abb. 4.43)
5 SAB 5 MRA: Wandunregelmäßigkeiten, Stenosen als Hinweis auf
5 ICB Vaskulitis?
5 MRS:
Diagnostik. Aus der Kombination einer typischen klinischen – NAA-Verringerung, Cho-Anstieg, Lipidpeak
Symptomatik, entzündlicher Liquorveränderungen und positi- – Cho/Cr-Anstieg in normal erscheinender weißer Subs-
ver Borrelienserologie im Liquor (erhöhter Liquor-Serum-Anti- tanz
körper-Index):
4 Liquor: Pleozytose (zahlreiche aktivierte Lymphozyten, Plas- Diagnosesicherung. Erhöhter Liquor-Serum-Antikörper-In-
mazellen), Schrankenstörung, intrathekale, borrelienspezi- dex und Liquorpleozytose
fische Immunglobulinsynthese
4 Borrelienserologie; Basislabor mit Entzündungsparametern Differenzialdiagnosen. Bei Marklagerläsionen: Multiple Skle-
rose, ADEM, Vaskulitis, Mikroangiopathie. Außerdem Sarkoi-
! Bei atypischen Krankheitsbildern: Zufällige Koinzidenz
dose, Tumor, Chronic-Fatigue-Syndrom
einer früher durchgemachten Neuroborreliose und
einer aktuell anderen entzündlichen ZNS-Erkrankung Literatur
als Zufallsbefund bedenken. Greer DM, Schaefer PW, Plotkin SR, Hasserjian RP, Steere AC. Case records of
the Massachusetts General Hospital. Case 11-2007. A 59-year-old man
Verlauf und Prognose.
with neck pain, weakness in the arms, and cranial-nerve palsies. N Engl J
Akut: Symptomdauer <6 Monate (90–95% der Fälle): Med. 2007;356:1561-70.
4 Die neurologische Symptomatik tritt wenige Wochen bis ei- Kalina P, Decker A, Kornel E, Halperin JJ. Lyme disease of the brainstem. Neuro-
nige Monate nach dem Zeckenstich auf. radiology. 2005;47:903-7.
Köchling J, Freitag HJ, Bollinger T, Herz A, Sperner J. Lyme disease with lym-
4 Typische Manifestation: schmerzhafte Meningopolyradikuli-
phocytic meningitis, trigeminal palsy and silent thalamic lesion. Eur J
tis spinaler Nerven in Verbindung mit einer einseitigen oder Paediatr Neurol. 2008;12:501-4.
beidseitigen Fazialisparese (Bannwarth-Syndrom) Topakian R, Stieglbauer K, Nussbaumer K, Aichner FT. Cerebral vasculitis and
4 Häufig radikuläre Schmerzen stroke in Lyme neuroborreliosis. Two case reports and review of current
knowledge. Cerebrovasc Dis. 2008;26:455-61.
Triulzi F, Scotti G. Differential diagnosis of multiple sclerosis: contribution of
Chronisch: Symptomdauer >6 Monate (<5% der Fälle): magnetic resonance techniques. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1998;64
4 Die neurologische Symptomatik entwickelt sich schleichend Suppl 1:S6-14.
über Monate bis Jahre.
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
349 4

a b c

. Abb. 4.41a–c Einzelne Marklagerläsionen bei gesicherter Neuroborreliose. a–c: FLAIRw

a b c

. Abb. 4.42a–c Deutliche, z.T. konfluierende Marklagerläsionen bei gesicherter Neuroborreliose. a–c: FLAIRw tra und sag

a b c

. Abb. 4.43a–c Hirnnervenbeteiligung bei Neuroborreliose mit pathologischem Enhancement v.a. des N. trigeminus (a), N. abducens (b) und N. glosso-
pharyngeus (c) beidseits (jeweils Pfeile). a–c: T1w + KM
350 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.44a–c Bilaterale frische (a) und subakute Ischämien, z.T. mit hämorrhagischer Imbibierung (c) bei Vaskulitis der intrazerebralen Gefäße auf dem
Boden einer Neuroborreliose. a: DWI; b: T2w; c: T1w nativ

Neurosyphilis 5 Nur 5–10% der Erkrankten entwickeln Jahre bis Jahr-


Erreger. Treponema pallidum zehnte später eine Neurosyphilis
5 Bei Koinfektion mit HIV tritt häufiger eine Neurosyphilis
Epidemiologie und Demographie. Die Inzidenz von Neuinfek- auf
tionen mit Syphilis nimmt in Deutschland zu → mutmaßlich in 5 Symptome des Sekundärstadiums bilden sich nach 3–12
Zukunft wieder häufiger Frühkomplikationen des ZNS (z.B. sy- Wochen wieder zurück
philitische Meningitis oder Hirnnervenläsionen). Im Jahre 2003 4 Frühlatenz: Rezidiv in den folgenden 12 Monaten (bei 25%
gab es 2.932 gemeldete Neuinfektionen (= 3,6 Fälle /100.000). der unbehandelten Patienten)
Die Inzidenz der Neurosyphilis ist um den Faktor 0,07 niedriger 4 Spätlatenz: In der Regel nicht infektiös
als Inzidenz der Neuerkrankungen → derzeitige Inzidenz syphi- 4 Tertiärstadium: Späte Organmanifestation
litischer ZNS-Komplikationen maximal ca. 0,15–0,2/100.000. 5 Bei ca. 15% der Patienten gummöse Syphilis mit Affektion
Altersverteilung: Typisches Erkrankungsalter zwischen 20 und von Knochen, Haut und inneren Organen
40 Jahren 5 Bei 10%: Kardiovaskuläre Syphilis (u.a. Aortenaneurys-
Geschlechtsverteilung: M:F= 2,2:1 men!)
5 Bei 5–10%: Neurosyphilis
Ätiologie. Initiale Infektion → 6–8 Jahre Intervall → chronische
Meningitis → Schädigung großer und mittelgroßer intrakrani- Zwischen Primäraffekt und Tertiärsyphilis liegen 4-–40 Jahre.
eller Arterien → »meningovaskuläre Meningitis«: disseminierte Manifestationsformen:
Verdickung der Meningen und der periventrikulären Räume bei 4 Syphilitische Meningitis
lymphozytärer Infiltration. 4 Meningovaskuläre (Neuro-)Syphilis:
Bei HIV-Patienten ist das Intervall nach initialer Infektion 5 Als infektiöse Vaskulitis:
kürzer. Nur bei einem Drittel der Exponierten kommt es zu einer – Meningovaskuläre Meningitis (Heubnersche Arterii-
Infektion mit Primäraffekt (s.u.). tis): Arteriitis der großen und mitelgroßen intra- und
Krankheitsstadien der Syphillis: extrakraniellen Gefäße
4 Primäraffekt (Ulcus durum): – Enzephalopatische Form: Vaskulitis der kleinen Ge-
5 Nach einer Inkubationszeit von 10 Tagen bis 3 Monaten fäße (Nisslsche Endarteriitis)
(durchschnittlich 21 Tage) 4 Tabes dorsalis: Chronisch progrediente dorsale Radikulo-
5 Serokonversion 14–21 Tage nach Erregerkontakt ganglionitis
5 Ausheilung (ohne Therapie bei 10–40% der Patienten) 4 Progressive Paralyse: Chronisch-progrediente Enzepha-
litis
Oder: 4 Gummatöse Neurosyphilis: Vorliegen multipler intrazere-
4 Sekundärsyphilis: 4–16 Wochen nach Erscheinen des Ulcus braler syphilitischer Granulome
durum. Zeichen einer Generalisierung sind: 4 Asymptomatische Neurosyphilis: Positive Syphilis-Serolo-
5 Hautreaktionen (z.B. Kondylomata) gie, lymphozytäre Pleozytose und Liquorproteinerhöhung
5 Evtl. leichte Mitreaktion des ZNS (diese soll häufiger sein und/oder positiver VDRL-Test im Liquor cerebrospinalis,
als klinisch diagnostiziert) aber keine klinischen Symptome
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
351 4
Klinik. ZNS-Symptome variieren entsprechend Krankheits- 4 Synchrone Untersuchung von Liquor und Serum zur Errech-
stadium: nung der Liquor/Serum-Quotienten für Albumin, IgG, IgA,
4 Sekundärstadium: IgM und eines Antikörperindexes für Treponemenanti-
5 Leichte Meningitis, Polyradikulitis, selten vaskuläre körper
Hirnstammsyndrome
5 Syphilitische Meningitis: Meningismus, Kopfschmerz und Therapie. Die 1. Wahl ist die i.v. Gabe von Penicillin G in hoher
Hirnnervenläsionen (fakultativ N VIII, N VII und N III) Dosis.
4 Tertiärstadium: Klinik von Manifestationsform abhängig:
5 Meningovaskuläre Neurosyphilis (Syphilis cerebrospi- Bildgebung. . Abb. 4.45
nalis): Sehr uneinheitliches Bild, abhängig von Manifestationsform, z.T.
– Meningitische Variante: Kopfschmerzen, Hirnnerven- unspezifisch.
läsionen, Optikusschädigung, selten Hydrozephalus Lokalisation:
– Vaskulitische Variante: Breit gefächerte Klinik (»the 4 Vaskulitis: Große und mittelgroße Gefäße, aber auch kleine
great imitator«): Mono- oder Hemiparesen, Gesichts- Gefäße
feldausfälle, Hirnstammläsionen, Schwindel, Hörver- 4 Parenchymveränderungen: Mesialer Temporallappen
lust, spinalen Syndrome, symptomatische Epilepsie 4 Gummae: Disseminiert oder fokal
und hirnorganische Psychosyndrome
5 Tabische Neurosyphilis (Tabes dorsalis): Pathognomo- Morphologie: Gummae: Kontrastmittelaufnehmende Knötchen
nische Syndromatik: CT:
– Reflexverlust an den unteren Extremitäten, Pallanästhe- 4 CT nativ: Evtl. Hydrozephalus, geringe Atrophie
sie, Pupillenstörungen, Gangataxie, Überstreckbarkeit 4 CT + KM: Gummae stellen sich als kontrastmittelaufneh-
der Knie- und Hüftgelenke, Miktionsstörungen im mende Knötchen dar
Sinne einer deafferenzierten Blase, Optikusschädigung
– Typisch sind einschießende (lanzinierende) Schmerzen MRT:
5 Paralytische Neurosyphilis (progressive Paralyse; De- 4 T2w/PDw/FLAIR:
mentia paralytica; engl.: general paresis): Zunehmende 5 Evtl. Hyperintensitäten im mesialen Temporallappen
kognitive Defizite, Kritik- und Urteilsschwäche, psycho- 5 Evtl. Hydrozephalus, evtl. geringe Atrophie
tische Episoden, Sprechstörungen, Kopfschmerz und 5 Nachweis alter Infarkte (Gliosen) bei vaskulitischer Ver-
Schwindel, abnorme Pupillenreaktion (zumeist: reflekto- laufsform
rische Pupillenstarre), Zungentremor, epileptische Anfäl- 4 T1w + KM: Gummae stellen sich als kontrastmittelaufneh-
le, Reflexanomalien, schließlich schwere Demenz, Harn- mende Knötchen dar, oft multipel, oft ringförmige KM-Auf-
und Stuhlinkontinenz, Marasmus nahme, kann Tumor imitieren
5 Syphilitische Gummen: Je nach Lokalisation sind sie kli- 4 DWI: Evtl. Nachweis frischer Ischämien bei vaskulitischer
nisch stumm oder führen zu einer Herdsymptomatik. Bei Verlaufsform
polytopem Auftreten spricht man von einer gummatösen 4 MRA: Kaliberunregelmäßigkeiten der intrakraniellen Ge-
Neurosyphilis. fäße
5 Unklassifizierbare Neurosyphilis: Leichte, uncharakte- 4 DSA: Segmentale Gefäßeinengungen und Verschlüsse der
ristische neurologische Symptomatik bei gleichzeitig ty- distalen A. carotis interna, der proximalen Segmente der
pischem Liquorbefund ACA und der MCA, sowie der A. basilaris (Heubnersche
Arteriitis)
Verlauf und Prognose. Bei 10–40% der Patienten im Primärsta-
dium heilt die Krankheit auch ohne spezielle Therapie aus, siehe Differenzialdiagnosen.
Krankheitsstadien. Im Tertiärstadium erreicht man auch durch DD der Gummae:
hoch dosierte Antibiotikagaben zumeist nur Defektheilungen. 4 Maligne Tumoren
4 Bei Hyperintensität im mesialen Temporallappen: Herpes-
Diagnostik. Verdacht auf Neurosyphilis, wenn: enzephalitis
4 Anamnestischen Angaben über eine frühere Geschlechts- 4 Bei Hirnnervenläsionen: Komplikation durch Herpesvirus-
krankheit oder infektionen oder -reaktivierungen (HSV, VZV, CMV, EBV)
4 Positive Treponemenserologie und gleichzeitig bestehende
neurologische und/oder psychiatrische Symptome DD Meningovaskuläre Neurosyphilis:
4 Septisch-embolische Herdenzephalitis (Endokarditis aus-
Diagnostisches Vorgehen: schließen!)
4 Klinische Untersuchung mit besonderer Beachtung von 4 Zostervaskulitis (nach Zoster oticus)
Symptomen, die für eine Neurosyphilis typisch sind. 4 Borrelienvaskulitis
4 Bildgebendes Verfahren (CCT oder cMRT) 4 Vaskulitiden bei Mykoplasmen und selteneren Erregern
4 Lumbalpunktion mit Bestimmung von Zellzahl, Gesamt- 4 Vaskulitiden bei Autoimmunkrankheiten
protein, Liquorlaktat 4 Tuberkulöse Meningitis
352 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

. Abb. 4.45a–d Gesicherte Neurosyphilis bei


31-jährigem Mann mit bekannter HIV-Infektion.
Es zeigen sich ausgedehnte Parenchymverände-
rungen in FLAIR (a) und T2-Wichtung (c) sowie
disseminierte kleinste Kontrastmittel-aufneh-
mende Knötchen (Gummae, b,d). a: FLAIRw,
b,d: T1+KM cor und tra, c: T2w.

a b

c d

DD Progressive Paralyse: Nokardiose


4 Alle chronischen Enzephalitisverläufe Erreger. Nokardien (aerobe, grampositive Bakterien aus der Fa-
4 Enzephalitische Manifestationen einer MS milie der Actinomycetaceae). Es gibt eine Vielzahl verschiedener
4 Sonstige Demenzprozesse (PML; CMV-Enzephalitis, Mor- Nokardienspezies; in Deutschland sind Infektionen mit der
bus Whipple) Spezies Nocardia farcinica besonders häufig.

DD Tabes dorsalis: Epidemiologie und Demographie. Nokardien führen häufig


4 Funikuläre Myelose bei B12-Avitaminose zu pulmonalen Infektionen, eine ZNS-Beteiligung ist in ca. 20%
4 Pseudotabes diabetica, urämica, porphyrica und alcoholica der Fälle beschrieben. Nokardien sind für ca. 1–2% aller Hirn-
abszesse verantwortlich. Insgesamt zwar selten, jedoch hohe
Literatur Mortalität (>20%).
Darwish BS, Fowler A, Ong M, Swaminothan A, Abraszko R. Intracranial syphi-
litic gumma resembling malignant brain tumour. J Clin Neurosci. 2008;
Ätiologie. Der Erreger kommt weltweit ubiquitär vor, v.a. in
15:308-10.
Hama K, Ishiguchi H, Tuji T, Miwa H, Kondo T. Neurosyphilis with mesiotemporal
Erde, Sand und im Hausstaub.
magnetic resonance imaging abnormalities. Intern Med. 2008;47:1813-7.
Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 3. Aufl., Thieme, Infektionswege. Lunge (über die Atmung), Hautverletzungen,
Stuttgart 2005 nosokomial
Die Immunantwort auf eine Nokardieninfektion findet auf
zellulärer Ebene T-Zell-vermittelt statt → hohes Infektionsrisiko
bei immungeschwächten Patienten, v.a. bei HIV-Infektion. Die
Infektion führt oft zu abgekapselten Abszessen mit Nekrosen
und neutrophilen Granulozyten → hohe Neigung zu systemischer
Streuung.
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
353 4

a b c

. Abb. 4.46a–c Nokardiose mit multiplen Abszessen. a: T2w; b: T1w + KM; c: Erregernachweis in der Gramfärbung (z. B. Pfeile)

Klinik. Unspezifische Symptome zerebraler Raumforderungen: Differenzialdiagnosen. Durch andere Erreger verursachte
4 Kopfschmerz und Übelkeit Hirnabszesse, multiple Hirnmetastasen
4 Fokal neurologische Defizite, abhängig von Lokalisation der
Abszesse Literatur
Buelte D, Noth J, Mull M, Sellhaus B, Koch A, Queider M, Hünger F, Gobbelé R.
Different manifestations of the cerebral nocardiosis. Nervenarzt.
Verlauf und Prognose. Mortalität:
2008;79:1432-5.
4 Bei immunsupprimierten Patienten mit Nokardienabszessen
bis zu 55%
4 Bei nichtimmunsupprimierten Patienten ca. 20% Tuberkulose
Definition. Bei der Tuberkulose des zentralen Nervensystems
Sonstiges. Beim Auftreten einer Nokardiose immer Immun- handelt es sich um eine spezifische Organmanifestation einer
status testen! systemischen Erkrankung, nicht um eine isolierte, eigenständige
Infektionskrankheit.
Bildgebung. . Abb. 4.46 Erreger. Säurefeste Stäbchen: Mykobakterium tuberculosis (am
Unspezifisch häufigsten), Mykobakterium bovis (deutlich seltener), nicht-
Morphologie: Abszesse unterschiedlicher Morphologie von kleins- tuberkulöse Mykobakterien (seit dem Auftreten von AIDS), z.B.
ten multiplen Abszessen bis hin zu solitären großen Abszessen Mykobakterium avium intracellulare
(7 Kap. 4.4)
CT: Manifestationsformen.
4 CT nativ: Herde und Umgebungsödem stellen sich hypodens 4 Tuberkulöse (Lepto-)meningitis (Sonderform: Tuberkulöse
dar hypertrophische Pachymeningitis) (. Abb. 4.47 bis . Abb.
4 CT + KM: Herde zeigen eine randständige, ringförmige KM- 4.49)
Aufnahme 4 Tuberkulome: Konfluierende, avaskuläre, kugelförmige,
granulomatöse Ansammlungen kleiner Tuberkeln; ein Tuber-
MRT: kel besteht histologisch aus einer zentralen, verkäsenden Nek-
4 T1w: Herde und Umgebungsödem hypointens rose, die von Lymphozyten, Epitheloidzellen und Riesenzellen
4 T2w: Einzelne bis multiple abszesstypische Herde; diese sind vom Langerhans-Zell-Typ umgeben ist. Ätiologie: Reaktion
relativ signalarm mit hypointensem Randsaum und deut- im Rahmen einer Immunrekonstitution, genaue immunolo-
lichem Umgebungsödem gischen Vorgänge nicht vollständig bekannt. (. Abb. 4.50,
4 FLAIR: Gute Darstellung des Ödems . Abb. 4.51)
4 T1w + KM: Herde zeigen eine randständige, ringförmige kräf- 4 Tuberkulöse Enzephalitis
tige KM-Aufnahme 4 Tuberkulöse Vaskulitis: Ätiologie: Inflammation der Hirn-
4 DWI: Abszesstypische Diffusionsrestriktion im Zentrum der basisgefäße durch gelatinöses Exsudat → Gefäßverschlüsse
Herde 7 Kap. 4.4 durch fibrinoide Nekrose und Thrombosen → zerebrale Is-
chämien (. Abb. 4.52)
4 Spondylodiszitis (»Pott’s disease«)
354 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Seltene Manifestationsformen: (= »Rich Foci« nach Erstbeschreiber); Ruptur dieser Knöt-


4 Zerebrale Miliartuberkulose: Multiple parenchymale und chen in Subarachnoidalraum oder Ventrikelsystem → Aus-
leptomeningeale Knötchen breitung eines dichten, gelatinösen Exsudats im Bereich der
4 Tuberkulöse Pseudoabszesse (v.a. bei immunsupprimier- basalen Zisternen, der Sylvischen Fissur, des Hirnstamms
ten Patienten): eitrige Matrix aus neutrophilen Granulozyten und des Zerebellums, sowie auch des Plexus choroideus der
mit Nachweis zahlreicher säurefester Stäbchen Seitenventrikel → tuberkulöse Leptomeningitis
4 Tuberkulöse Enzephalopathie: Ausschließlich bei Kindern 4 Heranreifen von im Hirnparenchym gelegenen Knötchen
beschrieben; Komplikation einer fortschreitenden pulmona- → Tuberkulome oder tuberkulöse Abszesse
4 len Tuberkulose
5 Klinik: Diffuse zerebralen Funktionsstörung mit Koma, Klinik. Klinische Präsentation ist sehr variabel und von Manifes-
Konvulsionen, unwillkürlichen Bewegungen und Pyrami- tationsform abhängig.
denbahnzeichen Tuberkulöse Meningitis: Stadien:
5 Ätiologie: Mutmaßlich postinfektiöse allergische Enzepha- 4 Prodromalstadium (Stadium 1) (2–4 Wochen): Unspezi-
lomyelitis fische Symptome wie allgemeines Krankheitsgefühl, Appetit-
5 Bildgebung: Morphologie: Extensive zerebrale Demye- losigkeit, Fieber, Abgeschlagenheit, Myalgien und Kopf-
linisierung und diffuses Ödem der weißen Substanz; schmerzen, keine Bewusstseinstrübung, keine Fokalneuro-
Liquor: meist unauffällig logie
4 Meningitisches Stadium (Stadium 2):
Epidemiologie und Demographie. Die Prävalenz der Infek- 5 Meningeale Reizung, Photophobie, Fieber, Kopfschmer-
tion mit Mykobakterium tuberculosis wird von der WHO welt- zen, Nausea und Vomitus sowie Nackensteifigkeit
weit auf 2 Mrd. Menschen geschätzt (ca. 1/3 der Weltbevölke- 5 Leichte Fokalneurologie, keine Bewusstseinstrübung
rung); davon erkranken ca. 10% klinisch manifest. ZNS-Mani- (GCS 14–10)
festation finden sich in ca. 5–15% der extrapulmonalen Tuber- 5 In ca. 80% der Fälle kontinuierlich subfebrile Tempera-
kulosen. turen messbar
Eine ZNS-Beteiligung bei Tbc ist in entwickelten Ländern 5 Hirnnervenparesen (30–50%), meist Abduzensparesen,
meist eine Manifestation einer reaktivierten Tbc-Erkrankung. In seltener Paresen von HNII, IV, VII oder VIII
Entwicklungsländern lässt sich häufiger eine mögliche aktuelle 4 Stadium 3: Schwere Bewusstseinsstörung bis hin zum Koma,
Infektionsquelle nachweisen. schwere fokal-neurologische Ausfälle, Krampfanfälle (GCS
Die Inzidenz aller Tuberkuloseformen in Deutschland be- <10); Komplikationen: Hydrozephalus internus durch Obs-
trägt ca. 8/100.000 (in 2004: 6583 gemeldete Fälle). Bei Erwach- truktion der basalen Zisternen
senen extrapulmonale Manifestationen in ca. 20% der Fälle, Be-
teiligung der Meningen und des ZNS in ca. 1%. Sonderform: Tuberkulöse hypertrophische Pachymeningitis:
Tuberkulome entwickeln ca. 1% aller Patienten mit aktiver Klinische Manifestation:
Tuberkulose und 4,5–28% der Patienten mit tuberkulöser Me- 4 Verdickung der Meningen
ningitis. Zerebrale Tuberkulosemanifestationen kommen bei 4 Progrediente Hirnnervenparesen
HIV-positiven Patienten 5-mal häufiger vor → Krankheitsverlauf 4 Radikulomyelopathie
hier meist rascher progredient, Letalität höher.
Altersverteilung: In unterentwickelten Ländern mit hoher Tu- Tuberkulome: Klinische Manifestation oft als fokale Anfälle
berkuloseinzidenz sind typischerweise Kinder von der tuberku- oder fokal-neurologische Ausfälle.
lösen Meningitis betroffen, in hoch entwickelten Länder mit Tuberkulöse Enzephalitis: Klinische Manifestation: neuropsy-
niedriger Inzidenz erkranken meist Erwachsene. chologische und neurologische Auffälligkeiten verschiedener
Schweregrade:
Ätiologie. Infektionsweg praktisch immer hämatogen, von 4 Bewusstseinsstörungen
einem Streuherd (Lunge, Intestinum) ausgehend. 4 schwere fokal-neurologische Symptome
Risikofaktoren für die Ausbildung einer zerebralen Tuberku- 4 Evtl. auch psychiatrische Symptome (Depression, halluzina-
lose: torische Psychose)
4 Alter
4 Alkoholismus Der Verlauf ist meist subakut oder chronisch über Monate, selten
4 Diabetes mellitus akut.
4 Malignome Tuberkulöse Enzephalitis: Klinische Manifestation: Lethargie
4 HIV-Infektion und immunsuppressive Therapien, v.a. Be- und Stupor; Terminalstadium: Tiefes Koma, Dezerebrations-
handlung mit TNF-α-Antagonisten starre, Spasmen.

Entwicklung der ZNS-Tuberkulose erfolgt in 2 Stufen: Diagnostik.


4 Ausbildung kleiner meningealer und/oder intrazerebra- 4 Sichere Diagnose durch positiven Erregernachweis im Liquor
le tuberkulöser Läsionen subpial oder subependymal an (Methoden haben allerdings niedrige Sensitivität) → spezi-
der Oberfläche des Cerebrums oder des Myelons gelegen fische Liquordiagnostik:
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
355 4
5 Massiv erhöhtes Eiweiß; mäßige, überwiegend lympho- MRT:
zytäre Zellzahlerhöhung mit lymphozytär oder gemischt- 4 T1w:
zelligem Zellbild, erniedrigte Liquorglukose (Liquor/Blut 5 Basales Exsudat iso- bis hyperintens
<0,5) bei erhöhtem Liquorlaktat, intrathekale IgA-Syn- 5 Nichtverkäsendes Tuberkulom: Hypointens
these 5 Verkäsendes Tuberkulom: Hypo-bis isointens, evtl. hyper-
5 Oligoklonale IgG-Banden können nachweisbar sein, be- intenser Randsaum (Ablagerung von paramagnetischem
sonders in fortgeschrittenen Fällen. Material)
4 Nachweis von Tuberkulomen im CT und MRT oder fundos- 5 Verkäsendes Tuberkulom mit zentraler Nekrose: Hypo-
kopisch am Augenhintergrund (hier in ca. 10% der Fälle, bis isointens mit hypointensem Zentrum
überwiegend bei Miliartuberkulose). 4 T2w/PDw/FLAIR:
5 Basales Exsudat iso- oder hyperintens im Vergleich zu
! Etwa 10–40% der Fälle bleiben ohne definitiven Erre-
Liquor (v.a. FLAIR!)
gernachweis. Jedoch bereits der begründete Verdacht
5 Nichtverkäsendes Tuberkulom: Hyperintens
auf eine ZNS-Tuberkulose erfordert eine sofortige anti-
5 Verkäsendes Tuberkulom: Iso-bis hypointens mit hypo-
tuberkulöse Therapie.
intensem Randsaum (wegen freier Radikale und hoher
Zusätzliche Diagnostik: Zelldichte)
4 Nachweis bzw. Ausschluss einer systemischen Tuberkulose 5 Verkäsendes Tuberkulom mit zentraler Nekrose: Zentrum
4 Ausschluss einer Immunschwäche hyperintens mit hypointensem Randsaum
4 Interferon γ-Release-Tests (Blut und Liquor) 5 Perifokales Ödem um Tuberkulome
4 T1w + KM:
Bildgebung. 5 Tuberkulöse Meningitis: Kräftiges, basal betontes menin-
Lokalisation: geales Enhancement, evtl. nodulär, seltener Pachymenin-
4 Tuberkulöse Meningitis: Basal betont (basale Zisternen und gitis mit deutlicher Verdickung der kontrastmittelaufneh-
Sylvische Fissur; . Abb. 4.47 und . Abb. 4.48) menden Meningen
4 Tuberkulome: Bei Erwachsenen v.a. supratentoriell (v.a. pa- 5 Nichtverkäsende Tuberkulome: Nodulär homogene KM-
rietal), bei Kindern v.a. infratentoriell, Hirnstamm in ca. 8%; Aufnahme
auch durale Tuberkulome können vorkommen (. Abb. 4.50, 5 Verkäsende Tuberkulome: Ringförmige KM-Aufnahme
. Abb. 4.51) 5 Vaskulitis: Evtl. punktförmige KM-Aufnahmen im Be-
reich der Stammganglien
Morphologie: 5 Komplikationen: Ventrikulitis. Plexitis
4 Tuberkulöse Meningitis: Deutliche Verdickung und KM- 4 DWI: Diffusionsrestriktion von Zentrum und Kapsel der
Aufnahme der Meningen mit Exsudat Tuberkulome; evtl. Nachweis frischer Ischämien als Kompli-
4 Tuberkulome: Rundlich bis ovalär, evtl. gelappt; mäßiges kation
Ödem, Größe von mm bis einige Zentimeter, seltener solitär, 4 MRA/CTA/DSA: Nachweis von Gefäßveränderungen (vaskuli-
meist multipel; Vorkommen bei 16% der Patienten mit tuber- tisch oder durch mechanische Kompression durch das basale
kulöser Meningitis Exsudat bedingt): Stenosen, Kalibersprünge, Verschlüsse
4 Bei der Mehrheit der Patienten ist ein Hydrozephalus nach- 4 MRS: Tuberkulöse Abszesse: prominente Lipid- und Laktat-
weisbar, das Ausmaß korreliert mit der Dauer der Erkran- peaks, keine Aminosäurepeaks → erleichtert DD Tuberkulom
kung versus pyogener Hirnabszess
4 Im chronischen Krankheitsverlauf: Atrophie 4 MTR: Erleichtert DD Tuberkulom versus pyogener Hirnabs-
zess
CT:
4 CT nativ: Differenzialdiagnosen.
5 Früh im Verlauf oft normal DD der tuberkulösen Meninigitis: Bakterielle Meningitis (v.a.
5 Basales Exsudat iso- bis hyperdens wenn bereits antituberkulostatisch anbehandelt, Pilzmeningitis
5 Tuberkulome: Hypo- bis hyperdens + mäßiges perifoka- (Kryptokokkenmeningitis), Sarkoidose, Meningeosis carcino-
les Ödem (in ca. 20% Nachweis von Verkalkungen) matosa
5 Nachweis alter vaskulitischer Infarkte bei 20–38% der DD der tuberkulösen Enzephalitis: Vaskulitis, virale Meningo-
Patienten enzephalitis, embolische Herdenzephalitis, Neuroborreliose,
5 Hydrozephalus? Sarkoidose, Neurosyphilis, Nokardiose, Morbus Whipple
4 CT + KM: DD der Tuberkulome: Hirneigene Tumoren (v.a. bei Tuberku-
5 Tuberkulöse Meningitis: Kräftige KM-Aufnahme der lomen in der Sella- oder Pinealisregion), Metastasen , Lymphom,
basalen Meningen Abszesse, Sarkoidosegranulome, Toxoplasmose, Metastasen
5 Tuberkulome: Homogene oder ringförmige KM-Aufnah-
me; evtl. »Target«- bzw. »Schießscheibenzeichen«: Zen-
trale Verkalkung oder zentrale KM-Anreicherung umge-
ben von kontrastmittelanreicherndem Ring
356 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.47a–c Tuberkulöse Meningitis. Typischer Befund mit kräftiger KM-Aufnahme der basalen Meningen. a–c: T1w + KM tra und sag

a b c

d e f

. Abb. 4.48a–f Tuberkulöse Meningitis v.a. im Bereich der Sylvischen Fissur links mit teils nodulärer KM-Aufnahme der Meningen. a: FLAIRw; b: T2w,
c–f: T1w + KM tra und sag
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
357 4

a b c

d e f

. Abb. 4.49a–f Tuberkulöse Meningitis und Enzephalitis mit subkutaner Eiteransammlung. a: T2w; b: PDw; c: T1w nativ; d–f: T1w + KM tra, sag und cor

a b c

. Abb. 4.50a–c Tuberkulom links temporal. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag
358 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

. Abb. 4.51a–c Multiple Tuberkulome. a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag

a b c

. Abb. 4.52a–c Nachweis mehrerer Marklagerischämien bei tuberkulöser Vaskulitis. a–c: T2w

Literatur 4.6.3 Pilze


Gupta RK, Vatsal DK, Husain N, Chawla S, Prasad KN, Roy R, Kumar R, Jha D,
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Erreger.
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Janse van Rensburg P, Andronikou S, van Toorn R, Pienaar M. Magnetic reso- (Auswahl):
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children with tuberculous meningitis. Pediatr Radiol. 2008;38:1306-13. 4 Blastomykose
Luthra G, Parihar A, Nath K, Jaiswal S, Prasad KN, Husain N, Husain M, Singh S,
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Behari S, Gupta RK. Comparative evaluation of fungal, tubercular, and
pyogenic brain abscesses with conventional and diffusion MR imaging
4 Aspergillose (Aspergillus fumigatus)
and proton MR spectroscopy. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:1332-8.
Mackert BM, Conradi J, Loddenkemper C, van Landeghem FK, Loddenkem- Pilzinfektionen des ZNS bei immuninkompetenten Patienten
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4 Aspergillose (Aspergillus fumigatus)
Wasay M et al. Brain CT and MRI findings in 100 consecutive patients with
intracranial tuberculomas. J Neuroimaging. 2003;13:240-207.
4 Kandidose (Candida-Spezies)
4 Kryptokokkose (Cryptococcus neoformans)
4 Histoplasmose (Histoplasma capulatum)
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
359 4
Manifestationsformen. Aspergillom: Nicht invasive Form in Nasennebenhöhlen oder
4 Subakute bis chronische Meningitis oder Meningoenzepha- Lunge (allergische Bronchopneumopathie mit Asthma bron-
litis chiale); Osteomyelitis der Schädelbasis
4 Akute Menigitis oder Meningoenzephalitis (seltener)
4 Basale Meningitis Epidemiologie und Demographie. Zunehmende Inzidenz im
4 Intrazerebrale Abszesse Zeitalter von AIDS.

Ätiologie. Wichtige Ursachen sind offene Schädelverletzungen Ätiologie. Erreger kommt ubiquitär in Erde, Wasser und ver-
und Immunschwäche (AIDS, Langzeitbehandlung mit Antibio- schimmelten Pflanzenresten vor.
tika und Steroiden)
Haupteintrittspforte: Lunge → hämatogene Streuung → ZNS Infektionswege.
Seltenere Genese: Per continuitatem fortgeleitet aus NNH bei 4 Typisch ist die Inhalation von Sporen: Bei Immunkompe-
Sinusistis oder Otitis. tenten suffiziente Abwehrreaktion in der Lunge; bei immun-
inkompetenten Patienten kommt es zur pulmonalen Super-
Klinik. Nicht selten chronische, schleichende Verläufe, z.T. aber infektion und hämatogenen Streuung des Erregers → ZNS-
auch hoch akute Verläufe mit rascher Eintrübung: Befall.
4 Meningitische Zeichen (Kopfschmerzen, Fieber, vegetative 4 Ein anderer Infektionsweg ist die invasive rhinozerebrale
Begleiterscheinungen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit) Aspergillose: Intrakraniell können Meningen, Hirnparen-
4 Hirnnervenausfälle chym und intrakranielle Gefäße betroffen sein; Aspergillus
4 Bei zerebraler Beteiligung fokal neurologische Ausfälle und neigt zur Gefäßinvasion (angiotropisch → nekrotisierende
Krampfanfälle Angiitis → Thrombosen, Einblutung → ischämische Infarkte
→ septische Infarkte → Zerebritis → Abszesse); Ausbildung
Komplikationen: mykotischer Aneurysmen mit resultierender SAB möglich
4 Vaskulitis der basalen großen Hirngefäße
4 Sinusthrombose Verlauf und Prognose. Oft verzögerte Diagnosestellung. Un-
behandelt beträgt die Überlebenszeit vom Auftreten der ersten
Diagnostik. Symptome ca. 2–8 Monate. Vor allem die aggressive Form hat
Serologie: Kaum BSG-Erhöhung, wenig Leukozytose, vereinzelt eine extrem schlechte Prognose, besonders bei Immuninkompe-
Eosinophilie, kulturelle Anzüchtung gelingt nicht immer tenten. Bei Immunkompetenten kann die Mortalität durch ein
Liquor: Lymphomonozytäre Pleozytose (30–300 Zellen/μl), aggressives chirurgisches Vorgehen reduziert werden.
mäßige Eiweißerhöhung, Zucker erniedrigt, zeitweise positive
oligoklonale Banden Therapie. Amphotericin B + evtl. Fluorocystoin; neurochirur-
Nur selten gelingt die Darstellung der Pilze in Tuschefärbung gische Abszessentfernung.
im zytologischen Präparat.
Sonstiges. Risikogruppen für invasive Aspergillose sind:
4 HIV-Infizierte
Literatur
4 Patienten nach Organtransplantation
Luthra G, Parihar A, Nath K, Jaiswal S, Prasad KN, Husain N, Husain M, Singh S,
Behari S, Gupta RK. Comparative evaluation of fungal, tubercular, and 4 Neutropenie bei akuter Leukämie
pyogenic brain abscesses with conventional and diffusion MR imaging 4 Glioblastompatienten unter Steroidtherapie
and proton MR spectroscopy. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:1332-8.
Bildgebung. . Abb. 4.53 bis . Abb. 4.55
1. Hämatogene Infektion des ZNS: Nicht pathognomonisch
Aspergillose Lokalisation: Oft Stammganglien und Thalami beteiligt
Definition. Invasive Aspergillose: Infektion eines Gewebes Morphologie:
durch eine Aspergillus-Art; Aspergillom: Kugeliges Myzelwachs- 4 Unspezifisches Erscheinungsbild zerebraler Abszesse
tum in einer Körperhöhlung z.B. Nasennebenhöhlen. (7 Kap. 4.4)
4 Bei ca. 50% treten vaskulitisch bedingte hämorrhagische In-
Erreger. Aspergillus-Spezies, von denen mehr als 200 Arten be- farkte auf
kannt sind. Nur einige davon verursachen ZNS-Infektionen, z.B. 4 Evtl. mykotische Aneurysmen mit resultierender SAB
Aspergillus fumigatus, Aspergillus flavus, Aspergillus candidus. (7 Kap. 2.5.4)

Manifestationsformen. CT:
Invasive Aspergillose: Meist initial der Lunge, breitet sich häma- 4 CT nativ:
togen ins ZNS aus → Meningitis → Meningoenzephalitis; Gefäß- 5 Nachweis hypodenser Raumforderungen, die den Abszes-
infiltration möglich → thrombotische Verschlüsse → (hämorrha- sen mit Umgebungsödem entsprechen
gische) Infarkte. 5 Ggf. SAB-Nachweis
4 CT + KM: Eher geringes KM-Enhancement, eher flau als ring-
förmig
360 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

! Das Fehlen eines Ringenhancements ist hier ein 4 T1w + KM: KM-Enhancement möglich, muss aber nicht vor-
Zeichen der Aggressivität der vorliegenden Meningo- handen sein, muss auch nicht ringförmig sein (siehe CT)
enzephalitis. Aufgrund des rasch destruierenden Ge- 4 MRA: Ggf. Nachweis mykotischer Aneurysmen
schehens ist die Ausbildung einer »richtigen« Abszess- 4 DWI:
kapsel nicht möglich. 5 Diffusionsrestriktion in den Abszessformationen
5 Ischämietypische Diffusionsstörungen mit deutlicher
4 MDCTA: Ggf. Nachweis mykotischer Aneurysmen ADC-Minderung beim Vorliegen vaskulitisch bedingter
Ischämien
4 MRT: 2. Sinonasaler oder orbitaler Befall:
4 T1w: Läsionen können sich hyperintens darstellen, wenn 4 CT nativ: Nachweis von Verkalkungen in betroffenen NNH
subakute Einblutungen vorliegen (Met-Hb) 4 MRT:
4 T2w: 5 T2w: Hypointenses Signal in betroffenen NNH (verur-
5 Nachweis (multipler) abszesstypischer intrazerebraler Lä- sacht durch erhöhte Konzentrationen von Metallen (Cal-
sionen (7 Kap. 4.4), relativ signalarm im Zentrum, mit cium, Magnesium, Mangan, Eisen)
deutlich hypointensem Randsaum und deutlichem Um- 5 T1w + KM:
gebungsödem – Durales KM-Enhancement angrenzend an sinunasalen
5 Ödem gelegentlich eher schwach ausgeprägt (v.a. bei As- oder orbitalen Befall
pergillus fumigatus) – Randständige KM-Aufnahme in den betroffenen NNH
4 PDw/FLAIR:
5 Gute Darstellung des Ödems Differenzialdiagnosen. Durch andere Erreger bedingte zere-
5 Gut geeignet zum SAB-Nachweis beim Vorliegen myko- brale Abszesse
tischer Aneurysmen

a b c

d e f

. Abb. 4.53a–f Zerebrale Abszesse bei Aspergillose, sekundär nach Befall der Ethmoidalzellen (Sterne in b). a, b: T2w tra und cor; c: FLAIRw, d: T1w + KM;
e: DWI, B1000; f: ADC-Map
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
361 4

a b c

. Abb. 4.54a–c Aspergillenabszess im linken Gyrus rectus. a: T2w; b: DWI, B1000; c: T1w + KM

a b

. Abb. 4.55a, b Sinonasale Aspergillose im Sinus sphenoidalis (Pfeile). a: T2w; b: T1w FS + KM

Literatur Manifestationsformen. Im ZNS:


Nadkarni T, Goel A. Aspergilloma of the brain: an overview, J Postgrad Med. 4 Chronische Meningoenzephalitis
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märer Lungenbefall → hämatogene Streuung → ZNS-Befall

Histoplasmose Verlauf und Prognose. Unbehandelt ist die Letalität auch bei
Erreger. Histoplasma capsulatum jahrelang dauerndem Verlauf hoch. Rezidive trotz hochdosierter
Amphothericin-B-Therapie in >50% der Fälle.
Epidemiologie und Demographie. Seltener Erreger zerebraler
Mykosen, aber häufigste ZNS-Pilzinfektion bei Immunkompe- Diagnostik. Der mikroskopische oder kulturelle Nachweis im
tenten. Bei einer hämatogenen Streuung ist in 10–20% der Fälle Liquor gelingt nur selten.
das ZNS betroffen.
Endemiegebiete sind Nordamerika (Ohio, Mississippi). Bildgebung. Unspezifisch:
Geschlechtsverteilung: Männer sind ca. 5-mal häufiger betrof- 4 Hydrozephalus
fen als Frauen. 4 Meningeale KM-Aufnahme
4 Fokale Parenchymläsionen
4 Ischämien
362 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Differenzialdiagnosen. Andere Pilzinfektionen des ZNS, bak- 5 T1w + KM: Die multiplen Knötchen stellen sich als nodu-
terielle Infektionen, Parasiten läre parenchymale und leptomeningeale kontrastmittel-
aufnehmende Läsionen dar
Literatur 4 Diffuse Atrophie: Erweiterung der basalen Zisternen und
Saccente M. Central nervous system histoplasmosis. Curr Treat Options Neu- des Ventrikelsystems (Hydrozephalus)
rol. 2008;10:161-7.
4 Kryptokokkoma. Solide Raumforderung oder disseminierte
Läsionen
Kryptokokkose 5 Lokalisation: Vor allem im Mittelhirn und Stammgang-
4 Erreger. Cryptococcus neoformans, ein Hefepilz mit Polysaccha- lien
ridkapsel, der charakteristisch mit India-Tinte angefärbt werden 5 Kommt bei ca. 4–11% aller Patienten mit Kryptokokken-
kann. meningitis vor
4 Bei HIV-negativen Patienten kann sich eine Kryptokokken-
Epidemiologie und Demographie. Häufigste ZNS-Pilzin- infektion mit einer Vergrößerung des Plexus choroideus ma-
fektion; bei AIDS-Patienten häufigste Pilzinfektion über- nifestieren.
haupt (ZNS-Kryptokokkose bei bis zu 11% aller AIDS-Patien-
ten beschrieben). Bei AIDS-Patienten nach dem HI-Virus selbst Anmerkung: Im Gegensatz zur tuberkulösen Meningitis ist eine
und der Toxoplasmose dritthäufigste Ursache einer ZNS-In- basale leptomeningeale KM-Aufnahme für die Kryptokokkose
fektion. nicht typisch.

Ätiologie. Infektion durch Inhalation → okkulter pulmonaler Differenzialdiagnosen.


Fokus → hämatogene Ausbreitung (hauptsächlich in ZNS) Kokzidioidomykose, Candidiasis
Risikofaktoren: DD Stammganglienherde: Toxoplasmose, Lymphom, erweiterte
4 Patienten mit geschwächter zellulärer Abwehr (v.a. HIV-Pa- Virchow-Robin-Räume
tienten)
Literatur
4 Maligne Erkrankungen
Cheng YC, Ling JF, Chang FC, Wang SJ, Fuh JL, Chen SS, Teng MM, Chang CY.
4 Erkrankungen des retikuloendothelialen Systems Radiological manifestations of cryptococcal infection in central nervous
4 Sarkoidose system. J Chin Med Assoc. 2003;66:19-26.
4 Kollagenosen Tien RD, Chu PK, Hesselink JR, Duberg A, Wiley C. Intracranial cryptococcosis
4 Z.n. Organtransplantation in immunocompromised patients: CT and MR findings in 29 cases. AJNR
Am J Neuroradiol. 1991;12:283-9.
4 Kortisontherapie Wehn SM, Heinz ER, Burger PC, Boyko OB. Dilated Virchow-Robin spaces in
cryptococcal meningitis associated with AIDS: CT and MR findings.
Diagnostik. Tuschepräparat am frischen Liquor (nicht älter als J Comput Assist Tomogr. 1989;13:756-62.
eine Stunde) bzw. Latex-Antigen-Test, kultureller Nachweis

Klinik. Klinischer Befund ist durch Hydrozephalus und menin- 4.6.4 Parasiten
gealen Befall gekennzeichnet.
Neurozystizerkose (Zystizerkose)
Bildgebung. (. Abb. 4.56) Zerebrale Bildgebung kann normal Erreger. Larve des Schweinebandwurms (Taenia solium)
sein (»Krypto-»kokkose).
Infektionsweg. Meist fäkal-oral via Ingestion der Eier des
! Erweiterte Virchow-Robin-Räume bei jungen immun-
Schweinebandwurms über verseuchte Nahrung oder Wasser. Die
supprimierten Patienten können einziger Hinweis auf
Eier werden oral aufgenommen → die primäre Larvenform (On-
eine Kryptokokkenmeningitis sein!
kospheren) breitet sich vom Gastrointestinaltrakt ausgehend in
Verschiedene Präsentationen: das ZNS und die Skelettmuskeln aus → aus den primären Larven-
4 Erweiterte Virchow-Robin-Räume: formen entstehen die sekundären Larven (Zystizerken).
5 Lokalisation: Stammganglien und daran angrenzend, so-
wie an der Mark-Rinden-Grenze Inkubationszeit. Variabel, typischerweise 5 Jahre (6 Monate bis
5 T2w: Nachweis der erweiterten Virchow-Robin-Räume 30 Jahre)
5 T1w + KM: Erweiterte Virchow-Robin-Räume können sel-
ten Kontrastmittel aufnehmen! Epidemiologie und Demographie. Weltweit häufigste Parasito-
4 Multiple Knötchen: se; ZNS-Beteiligung in 60–90% der Fälle.
5 Lokalisation: Parenchymal und leptomeningeal; Mit- Endemiegebiete: Lateinamerika, Teile Asiens, Indien, Osteuro-
beteiligung des Plexus choroideus im Bereich des Tri- pa und Afrika (Cave: zunehmender Ferntourismus)
gonums, Beteiligung des Rückenmarks und der spinalen Altersverteilung: Tritt in jedem Alter auf, häufiger sind Men-
Nervenwurzeln schen im jungen bis mittleren Erwachsenenalter betroffen.
5 T2w/PDw/FLAIR: Zahlreiche, bilaterale, kleine, hyperin- Geschlechtsverteilung: Männer sind etwas häufiger betroffen.
tense Foci
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
363 4
Bildgebung. . Abb. 4.57, . Abb. 4.58
Der bildgebende Befund ist vom jeweiligen Stadium (s.o.) und
von der Immunantwort des Wirtes abhängig. Beim gleichen Pa-
tienten können dabei Läsionen in verschiedenen Stadien neben-
einander vorkommen.
Lokalisation:
4 Am häufigsten in den Subarachnoidalräumen (SAR) an der
Konvexität
4 Die Zuordnung zum SAR ist manchmal schwierig, da die Sul-
ci durch die Immunantwort des Wirts (Ödem) so verstrichen
sein können, dass die Läsion intraaxial erscheint.
4 Weitere Lokalisationen in absteigender Häufigkeit sind:
a
5 Zisternen: Läsionen in den basalen Zisternen oft trauben-
artig konfiguriert
5 Hirnparenchym: Meist in den Hemisphären, an der Mark-
Rinden-Grenze (. Abb. 4.57)
5 Ventrikelsystem: Der IV. Ventrikel ist am häufigsten be-
troffen.
4 Seltene Lokalisationen: Rückenmark, Sella, Orbita

Morphologie:
4 Rundliche bis ovaläre zystische Läsionen mit innenliegendem
randständigem Knötchen (= Skolex)
4 In 20–50% der Fälle liegt eine solitäre Zyste vor
4 Beim Vorkommen von multiplen Zysten sind es meist we-
nige; eine disseminierte (miliare) Form der Zystizerkose mit
multipelsten Läsionen ist selten.
b
4 Zystengröße ist variabel (5–20 mm), typischerweise jedoch
. Abb. 4.56a, b Nachweis mehrerer kontrastmittelaufnehmender nodulärer ca. 1 cm
Läsionen in den Stammganglien beidseits bei Kryptokokkose. a, b: T1w + KM 4 Die parenchymalen Zysten sind meist ≤1 cm groß, die sub-
arachnoidal gelegenen Zysten sind dagegen oft größer (bis zu
9 cm)
Klinik. Abhängig vom Entwicklungsstadium der Larve (s.u.) 4 Größe des Skolex: ca. 1–4 mm
und der Immunantwort des Wirts. Symptome treten auf, wenn
die Larven degenerieren (s.u.). Häufige Symptome sind Anfälle, CT:
Kopfschmerzen, Hydrozephalus. 4 CT nativ:
In Endemiegebieten ist die Neurozystizerkose die häufigste 5 Vesikuläres Stadium:
Epilepsieursache! – Glatte, dickwandige, liquorisodense Zyste
– In der Zyste innen: Hyperdenser, exzentrisch gelegener
Verlauf und Prognose. Die Dauer des Durchlaufens der ver- Punkt (Protoskolex)
schiedenen Stadien (s.u.) ist variabel (zwischen 1–9 Jahren, im – Kein Ödem
Mittel ca. 5 Jahre). Die intraventrikuläre Zystizerkose hat eine 5 Kolloidal-vesikuläres Stadium: Hyperdense Flüssigkeit in
erhöhte Morbidität und Mortalität, da sie zu einem akuten Ver- der Zyste, Umgebungsödem
schlusshydrozephalus führen kann. 5 Granulär-noduläres Stadium: Geringes Ödem
5 Nodulär-verkalktes Stadium: Kleiner, verkalkter Knoten
Sonstiges. Der Mensch ist meist Zwischenwirt des Schweine- 4 CT + KM:
bandwurms und trägt damit die Larve, er kann jedoch auch End- 5 Vesikuläres Stadium: Kein bis sehr geringes Enhancement
wirt des vollständig ausgebildeten Bandwurms sein (wenn statt der Zystenwand
der Eier die Larve über GI-Trakt aufgenommen wird). 5 Kolloidal-vesikuläres Stadium: KM-Aufnahme der dicke-
Stadien: Pathologisch werden 4 Stadien unterschieden: ren Zystenwand
4 Vesikuläres Stadium: Lebende Larve; die Parasitenlarve ist 5 Granulär-noduläres Stadium: KM-Aufnahme
als kleines Knötchen nachweisbar, das von einer mit klarer 5 Nodulär-verkalktes Stadium: Verkalktes Knötchen
Flüssigkeit gefüllten Zyste umgeben ist.
4 Kolloidal-vesikuläres Stadium: Degeneration der Larve
4 Granulär-noduläres Stadium: Beginnende Abheilung
4 Nodulär-verkalktes Stadium: Abgeheilt, Herd ist klein und
vollständig verkalkt, kein Ödem.
364 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

MRT: 4 T1w + KM: Sensitiver als CT + KM


4 T1w: Gut geeignet zum Nachweis intraventrikulärer Zysten 5 Vesikuläres Stadium: Kein bis sehr geringes Enhancement
5 Vesikuläres Stadium: Zyste liquorisointens, evtl. hyper- der Zystenwand, evtl. geringe Aufnahme des Skolex
intenser exzentrischer Skolex sichtbar 5 Andere Stadien: Siehe CT + KM
5 Kolloidal-vesikuläres Stadium: Zyste leicht hyperintens 4 T2*w: Verkalkte Knötchen gut nachweisbar
im Vergleich zum Liquor 4 DWI: Zyste liquorisointens
5 Granulär-noduläres Stadium: Verdickte Zystenwand, 4 MRS: Laktaterhöhung, Alanin, Cholinerhöhung, NAA-Er-
rückläufiges Ödem niedrigung
4 5 Nodulär-verkalktes Stadium: Verkalktes Knötchen
4 T2/PDw: Diagnosesicherung. ELISA aus Serum oder Liquor. Liquorbe-
5 Vesikuläres Stadium: Zyste liquorisointens, kein Ödem fund ist bei ca. 50% der Patienten pathologisch (lymphozytäre Ple-
5 Kolloidal-vesikuläres Stadium: Zyste hyperintens im Ver- ozytose). Serologische Kreuzreaktion mit Echinokokkus möglich.
gleich zum Liquor, deutliches Umgebungsödem
5 Granulär-noduläres Stadium, nodulär-verkalktes Sta- Differenzialdiagnosen. Bakterieller Hirnabszess , Tuberkulose,
dium: Siehe T1w Hirnmetastasen, primäre Hirntumoren, Arachnoidalzyste, er-
4 FLAIR: Intraventrikuläre Zysten hyperintens weiterte Virchow-Robin-Räume, andere ZNS-Parasitosen (Echi-
5 Vesikuläres Stadium: Zyste liquorisointens, Skolex hyper- nokokkose, Amöbenenzephalitis, Malaria etc.)
intens
5 Kolloidal-vesikuläres Stadium: Zyste hyperintens im Ver- Literatur
gleich zum Liquor, dtl. Umgebungsödem Ng SH, Tan TY, Fock KM. The value of MRI in the diagnosis and management
of neurocysticercosis. Singapore Med J. 2000;41:132-4.
Zee CS, Go JL, Kim PE, DiGiorgio CM. Imaging of neurocysticercosis. Neu-
roimaging Clin N Am. 2000;10:391-407.

a b c

. Abb. 4.57a–c Zystizerkose im vesikulären Stadium mit liquorisointenser Zyste und hyperintensem Skolex in FLAIRw (a). a: FLAIR; b: T1w nativ; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.58a–c Zisternale Manifestationsform einer Neurozystizerkose mit traubenartig konfigurierten zystischen Läsionen v. a. in den basalen Zisternen
(b) und konsekutivem Hydrozephalus (a). Die Nativ-CT zeigt kleine Verkalkungen medial des linken Temporalhorns (c). a,b: T1w + KM; c: CT nativ
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
365 4
Toxoplasmose > Früher hieß es »toxoplasmosis always enhances«. Es
Erreger. Toxoplasma gondii, obligat intrazelluläres Protozoon gibt jedoch Fallberichte von Toxoplasmoseherden,
die kein Kontrastmittel aufnehmen, d.h. eine fehlende
Epidemiologie und Demographie. Typische und häufigste op- KM-Aufnahme macht die Diagnose zwar unwahr-
portunistische ZNS-Infektion bei HIV (15%). Das Lebenszeit- scheinlicher, schließt sie aber nicht aus (. Abb. 4.62).
risiko eines HIV-Patienten eine zerebrale Toxoplasmose zu ent- Die pathologische KM-Aufnahme scheint mit dem
wickeln liegt bei ca. 28% (3–40% aller AIDS-Patienten haben CD4-Zellcount zu korrelieren, d.h. wenn dieser sehr
eine Toxoplasmose). Für immunkompetente Personen ist der niedrig ist (<50), fehlt sie oder ist nur sehr schwach aus-
Erreger nur schwach pathogen. Es besteht eine hohe Durch- gebildet.
seuchung der Normalbevölkerung.
Altersverteilung: Opportunistische Infektionen sind bei HIV- 4 DWI: Die Daten sind widersprüchlich, mutmaßlich abhängig
infizierten Kindern allgemein selten, die Toxoplasmose gehört von Stadium der Organisation des Herdes:
jedoch zu den wichtigsten konnatalen ZNS-Infektionen. 5 Einige Autoren fanden in Toxoplasmoseherden signifi-
Assoziiert mit: Immunsuppression, HIV kant höhere ADC-Werte als in normaler grauen Substanz
(Mittel: 1,63), während andere eine große Variabilität be-
Ätiologie. Meist handelt es sich um Reaktivierungen einer la- schreiben: 0,8–2,8.
tenten Infektion. 5 Es besteht ein signifikanter Overlap zu den ADC-Werten
Primäre Infektionsquellen: Katzenkot, infizierte Nahrung, aber bei Lymphomen → eine sichere DD basierend auf ADC-
auch Körpersekrete, Rohmilch, Transfusionen, transplazentar Wert ist nicht möglich
4 MRS: Unspezifische entzündliche Veränderungen
Klinik. Bei Immunkompetenten häufig klinisch stumme Infek-
tionen; Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, evtl. Chorioretinitis. Unter spezifischer Therapie können die Herde einbluten und
verkalken und damit ihr Signalverhalten in allen Sequenzen
Therapie. Sulfmethoxazol und Pyrimethamin ändern.

Verlauf und Prognose. Gutes Therapieansprechen! NUK:


Falls der Patient nicht innerhalb von 1–2 Wochen auf die The- 4 PET: Herde zeigen einen Hypometabolismus.
rapie anspricht, muss die Diagnose angezweifelt werden und
es ergibt sich die Indikation zur Hirnbiopsie! Differenzialdiagnosen. Primäres ZNS-Lymphom, Tuberkulo-
se, bakterielle Abszesse, Metastasen, Neurosyphilis, Pilzinfek-
Bildgebung. . Abb. 4.59 bis . Abb. 4.62 tionen (Kryptokokkose)
Lokalisation: 75% Stammganglien; Thalamus, Hemisphären
(hier oft Mark-Rinden-Grenze) Literatur
Morphologie: Multiple, rundliche intrazerebrale Läsionen, Camacho DL, Smith JK, Castillo M.Differentiation of toxoplasmosis and lym-
phoma in AIDS patients by using apparent diffusion coefficients. AJNR
Größe meist zwischen 1–3 cm
Am J Neuroradiol. 2003;24:633-7.
CT: Ionita C, Wasay M, Balos L, Bakshi R.MR imaging in toxoplasmosis encephalitis
4 CT nativ: after bone marrow transplantation: paucity of enhancement despite
5 Herde sind hypo- bis isodens, meist multipel, können fulminant disease. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:270-3.
nach Einblutung hyperdens sein, mit ausgeprägtem Um- Offiah CE, Turnbull IW. The imaging appearances of intracranial CNS infec-
tions in adult HIV and AIDS patients. Clin Radiol. 2006;61:393-401.
gebungsödem (kann bei Patienten ohne HIV fehlen)
Schroeder PC, Post MJ, Oschatz E, Stadler A, Bruce-Gregorios J, Thurnher MM.
5 Ältere Herde können verkalken Analysis of the utility of diffusion-weighted MRI and apparent diffusion
4 CT + KM: Herde können schmales Ringenhancement oder coefficient values in distinguishing central nervous system toxoplasmo-
solides noduläres Enhancement zeigen sis from lymphoma. Neuroradiology. 2006;48:715-20.

MRT: Kongenitale Toxoplasmose:


4 T1w: Herde hypointens Hydrozephalus mit Ependymitis, Chorioretinitis, intrakraniellen
4 T2w/PDw/FLAIR: Herde meist iso-/hyperintens, können aber Verkalkungen (CT!)
auch hypointens sein, mit ausgeprägtem Umgebungsödem
(kann bei Patienten ohne HIV fehlen)
4 T1w + KM:
5 Herde zeigen typischerweise ein Ringenhancement (we-
gen zentraler Nekrose)
5 Kontrastmittelaufnehmender Herd meist dünn und glatt
berandet, umgebend hypointenses Ödem
366 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 4.59a–d Toxoplasmoseherd rechts frontal bei einem AIDS-Patienten. a: FLAIRw; b: T1w + KM; c: DWI, B1000; d: ADC-Map

a b c

d e f

. Abb. 4.60a–f Mehrere Toxoplasmoseherde mit z.T. ausgeprägtem Umgebungsödem bei AIDS. Die ADC-Map (c) zeigt hier im Bereich der Herde gemischte
ADC-Werte. a, b: T2w; c: ADC-Map; d–f: T1w + KM
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
367 4

a b c

d e f

. Abb. 4.61a–f Multiple, z.T. winzige Toxoplasmoseherde bei AIDS. a–c: FLAIRw; d–f: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.62a–c Fehlende bzw. minimale KM-Aufnahme der Toxoplasmoseherde bei einem AIDS-Patienten mit sehr niedrigem CD4-Zellcount. a, b: T2w;
c: T1w + KM
368 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4.6.5 Granulomatöse Erkrankungen Weitere Symptome:


4 Peripheres Nervensystem: Polyneuropathie, Caudasyndrom
Tuberkulose 4 Muskulatur (selten): Proximal betonte, symmetrische Schwä-
Siehe 7 Kap. 4.6.2 che
4 Lungenbeteiligung (90%)
Sarkoidose (Morbus Boeck) 4 Auge: Orbitopathie
Definition. Bei der Sarkoidose handelt es sich um eine granulo-
matöse Systemerkrankung unklarer Ätiologie mit Ausbildung Verlauf und Prognose.
4 von mikroskopisch kleinen, nicht verkäsenden Granulomen in 4 Allgemein: 2/3 subakut monophasisch, 1/3 chronisch rezidi-
den betroffenen Organen. vierend
4 Nach Therapie sind 55% symptomfrei
Epidemiologie und Demographie. Aktuelle Daten zur Epi- 4 Bei ZNS-Symptomen zu Krankheitsbeginn schlechtere
demiologie fehlen, älteren Angaben zufolge 40–50/100.000 Ein- Prognose
wohner in Deutschland; hohe Inzidenz in Schweden und bei 4 Bei Neurosarkoidose selten Spontanremission
Afroamerikanern.
Altersverteilung: Meist zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr Diagnosestellung. Ausschlussdiagnose!
Geschlechtsverteilung: Keine Geschlechtspräferenz, außer aku- Sichere Neurosarkoidose: Histologischer Nachweis typischer
te Verlaufsform (Löfgren-Syndrom): bevorzugt Frauen Granulome in einer Hirnbiopsie und passendes klinisches Bild
! Manche Autoren geben an, dass gelegentlich auch die
Ätiologie. Die Ätiologie der Erkrankung ist bislang nicht ge-
Biopsie keine sichere Diagnose ergibt, da sie ein relativ
klärt.
unspezifisches Bild zeigt.
Organbeteiligungen: Lymphknoten (90% der Fälle), Lunge
(90%), Leber (60–90%), Augen (25%), Herz (5 %), Skelett (25– Wahrscheinliche Neurosarkoidose:
50 %), Milz (50–60 %), Haut (25–50 %), Knochenmark (15–40%), 4 Passende Klinik
ZNS (»Neurosarkoidose«) <10%, sehr selten isolierter ZNS-Be- 4 Ausschluss anderer DD
fall 4 Typische Befunde in Bildgebung
ZNS-Manifestationen: 4 Labor: Zeichen einer systemischen Sarkoidose
4 Chronische basale granulomatöse Leptomeningitis mit 4 Liquorbefunde: Lymphozytose, Zuckererniedrigung
Beteiligung von Hypothalamus, Hypophysenstiel, N. opticus
und Chiasma sowie Bildgebung. . Abb. 4.63 bis . Abb. 4.65
5 evtl. Beteiligung der Konvexitäten, Initial geringe Korrelation zwischen klinischer Symptomatik und
5 uni- oder bilaterale Hirnnervenausfälle, endokrine Funk- Bildgebung, aber gute Wertigkeit der Bildgebung bei der Ver-
tionsstörungen, laufsbeurteilung unter Therapie
5 evtl. Zeichen der menigealen Reizung, Lokalisation: Prädilektion für Schädelbasis, Hypophyse, Pons,
5 Entwicklung eines Hydrozephalus, Hypothalamus, periventrikuläre Region
5 Ausdehnung entlang der perivaskulären Räume → granu- Morphologie:
lomatöse Angiitis durch Befall der Arterien und Venen. 4 Die Neurosarkoidose ist ein großer Imitator → bunte Mor-
4 Parenchymale Form: Ausbildung von Granulomen im Hirn- phologie.
parenchym 4 Noduläre KM-Aufnahme v.a. der basalen Meningen
5 Oft begleitet von massiver Arachnoiditis 4 Bei parenchymaler Form meist wenig Raumforderungszei-
5 Granulome können obstruktiven Hydrozephalus verur- chen (Ödem) um die Granulome
sachen
5 Granulome können verkalken und/oder deutlich raumfor- CT:
dernd sein. 4 CT nativ:
5 Dichte der Granulome abhängig davon, ob Verkalkungen
Klinik. Typisches klinisches Bild der Neurosarkoidose: vorliegen, iso- bis leicht hyperdens bei parenchymaler
4 Sehstörungen (Opticusneuritis, Stauungspapille, Opticus- Form
atrophie, Uveitis) 5 Evtl. Hydrozephalus
4 Periphere Fazialisparese und andere Hirnnervenausfälle, 4 CT + KM:
4 Selten Polydypsie, Polyurie (Diabetes insipidus), Amenorrhoe, 5 Parenchymale Form: KM-Aufnahme der Granulome
Appetitstörungen durch hypothalamische Ausfälle (<5%) 5 Meningeale Form: KM-Aufnahme der Meningen

Hirnnervenbeteiligung in insgesamt ca. 70% der Fälle (HN II >


HN VII > HN VIII), spinale Symptome in ca. 30% der Fälle,
Hirnstamm-/Kleinhirnsymptome in ca. 20%, organische Psy-
chosen (<10%), epileptische Anfälle, Hemiparese (durch granu-
lomatöse Angiitis).
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
369 4

a b c

d e f

. Abb. 4.63a–f Neurosarkoidose mit nodulärer KM-Aufnahme der basalen und spinalen Meningen und flauen, flächigen Hyperintensitäten im Pons in T2w (e).
a–d und f: T1w + KM tra und sag; e: T2w tra

MRT: Literatur
4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintense Marklagerläsionen im Par- Hoitsma E, Faber CG, Drent M, Sharma OP. Neurosarcoidosis: a clinical dilem-
ma. Lancet Neurol. 2004;3:397-407.
enchym und an der Mark-Rinden-Grenze
Lury KM, Smith JK, Matheus MG, Castillo M. Neurosarcoidosis – review of
4 T1w + KM: imaging findings. Semin Roentgenol. 2004;39:495-504.
5 Parenchymale Form: KM-Aufnahme der Granulome Shah R, Roberson GH, Curé JK. Correlation of MR Imaging Findings and Clinical
möglich Manifestations in Neurosarcoidosis. AJNR. 2009;30:953-61.
5 Meningeale Form: KM-Aufnahme der basalen Meningen Walid MS, Ajjan M, Grigorian AA. Neurosarcoidosis – the great mimicker. J Natl
Med Assoc. 2008;100:859-61.
v.a. hypothalamisch und im Bereich der basalen Zisternen
(diffus, fokal nodulär oder gyriform)
5 KM-Aufnahme erstreckt sich oft bis in die Virchow- Tolosa-Hunt-Syndrom
Robin-Räume Definition. Beim Tolosa-Hunt-Syndrom handelt es sich um eine
idiopathische (granulomatöse?) entzündliche Erkrankung des
Rö-Thorax/HRCT-Thorax: Hiläre Lymphadenopathie? Sinus cavernosus und der Orbitaspitze, die sich mit einem episo-
dischen Schmerz im Bereich der Orbita und einer Lähmung des
Differenzialdiagnosen. Je nach Manifestation: Primärer Hirn- III., IV. und/oder VI. Hirnnervs manifestiert.
tumor, Meningeom, Vaskulitis, MS, Tolosa-Hunt-Syndrom, Me-
ningitis carcinomatosa, infektiöse Meninigits
370 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b

. Abb. 4.64a, b Noduläre KM-Aufnahme der basalen Meningen und des N. trigeminus (Pfeil) sowie
hyperintense Ponsläsionen in T2w (a) bei Neurosarkoidose. a: T2w; b: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.65a–c Neurosarkoidose rechts frontal mit hyperintensen Marklagerläsionen im Parenchym und an der Mark-Rindengrenze (a) sowie duraler
KM-Aufnahme (b, c). a: FLAIRw; b, c: T1w + KM tra und cor

Epidemiologie und Demographie. Selten. 4 Lähmung tritt zeitgleich mit dem Schmerzbeginn oder in-
Altersverteilung: Selten vor dem 20. Lebensjahr, Gipfel: 60. Le- nerhalb von 2 Wochen nach Schmerzbeginn auf.
bensjahr 4 Schmerz und Lähmungen verschwinden innerhalb von 72 Stun-
Geschlechtsverteilung: M = F den nach Beginn einer adäquaten Kortikosteroidtherapie.
4 Andere Ursachen konnten durch geeignete Untersuchungen
Ätiologie. Unklar, fraglich granulomatöse Verädnerungen; DD ausgeschlossen werden.
unspezifisch inflammatorische Veränderungen.
Verlauf und Prognose. In der Regel Spontanremission, jedoch
Sonstiges. Wird von der International Headache Society (IHS) Neigung zum Rezidiv
in der IHS-Klassifikation unter Kapitel 3 »Kraniale Neuralgien,
zentraler und primärer Gesichtsschmerz und andere Kopf- Bildgebung. . Abb. 4.66
schmerzen« geführt. Lokalisation:
4 Sinus cavernosus
Klinik. Diagnostische Kriterien nach IHS: 4 Evtl. Ausdehnung in die Orbitaspitze (Fissura orbitalis su-
4 Einzelne oder mehrere Episoden mit einem einseitigen perior)
Schmerz im Bereich der Orbita, die unbehandelt einige Wo-
chen andauern. Morphologie:
4 Lähmung des III., IV. und/oder VI. Hirnnervs oder mehrerer 4 Evtl. Aufweitung des Sinus cavernosus mit raumforderndem
dieser Hirnnerven und/oder Nachweis von Granulomen mit- Aspekt
tels MRT oder Biopsie. 4 Seitenasymmetrie!
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
371 4
Literatur
Haque TL, Miki Y, Kashii S, Yamamoto A, Kanagaki M, Takahashi T, Fushimi Y,
Asato R, Murase N, Shibasaki H, Konishi J. Dynamic MR imaging in Tolosa-
Hunt syndrome. Eur J Radiol. 2004;51:209-17.
Jain R, Sawhney S, Koul RL, Chand P. Tolosa-Hunt syndrome: MRI appearances.
J Med Imaging Radiat Oncol. 2008;52:447-51.
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J, Steiner TJ; International Headache Society. The International Classifica-
tion of Headache Disorders, 2nd Edition (ICHD-II) – revision of criteria for
8.2 Medication-overuse headache. Cephalalgia. 2005;25:460-5.

Morbus Wegener
Definition. Bei der Wegener-Granulomatose (WG) handelt es
sich um eine granulomatöse Entzündung des Respirationstrakts
mit nekrotisierender Entzündung kleiner und mittelgroßer Gefäße
a
(auch Venen), häufig mit Ausbildung einer Glomerulonephritis.

Epidemiologie und Demographie. Inzidenz: 1:100.000; Betei-


ligung des ZNS in 10% bzw. des peripheren Nervensystems in
30–50% der Fälle.
Altersverteilung: Erstmanifestation in der 5. Lebensdekade
Geschlechtsverteilung: M > F

Manifestationsformen.
Limitierte Form: Nur Befall der oberen Luftwege
Generalisierte Form: Befall von oberen und unteren Luftwegen
sowie Nieren

Diagnostik. Der Nachweis von c-ANCA (PR3-ANCA) ist diag-


nostisch wegweisend.
4 Die Spezifität der c-ANCA-Antikörper für eine aktive gene-
b ralisierte WG beträgt ca. 95%
. Abb. 4.66a, b Tolosa-Hunt-Syndrom links mit Seitenasymmetrie und 4 C-ANCA sind aber nur in ca. 50% der limitierten Wegener-
vermehrter KM-Aufnahme zugunsten des linken Sinus cavernosus (Pfeile). Fälle nachweisbar
a, b: T1w FS + KM tra und cor 4 Diagnosesicherung erfolgt mittels Biopsat (HNO-Bereich,
Muskel, Haut, N. suralis oder Niere)

ACR-Kriterien für die Klassifikation der Wegener-Granuloma-


CT nativ: Meist unauffällig tose:
MRT: Kann ebenfalls unauffällig sein. 4 Entzündung in Nase oder Mund
4 T1w: Muskelisointenses Signal im betroffenen Sinus caver- 4 Infiltration der Lunge im Rö-Thorax
nosus, evtl. Erweiterung des Sinus cavernosus 4 Nephritisches Urinsediment
4 T2w: Fettisointenses Signal im betroffenen Sinus cavernosus 4 Histologisch granulomatöse Entzündung
4 T1w FS + KM (3 mm cor und tra):
5 KM-Aufnahme des granulomatösen Gewebes im Sinus Bei 2 dieser 4 Kriterien: Sensitivität 88%, Spezifität 92%
cavernosus und in der Fissura orbitalis superior
5 Dynamische T1w KM-Untersuchung kann hilfreich sein Klinik.
4 MDCTA/MRA/DSA: Einengung der A. carotis interna im Limitierte Form: Vorwiegend druckbedingte Symptome durch
cavernösen Segment; in einigen Fällen ist in der DSA eine destruierende Granulome im HNO-Bereich und an der Schädel-
Thrombose der V. ophthalmica superior und/oder des Sinus basis:
cavernosus beschrieben 4 Ausfälle der Hirnnerven II, VI, VII
4 Okulomotorikstörung mit Exophthalmus
> Das Tolosa-Hunt-Syndrom ist eine Ausschlussdiagnose!
4 Evtl. Diabetes insipidus
4 Evtl. sterile Meningitis
Differenzialdiagnosen. Sarkoidose, Meningeom, Lymphom,
metastatische oder neurotrope Tumorausdehnung im Sinus ca- Patienten haben häufig eine Sattelnase und ein rotes Auge (Epis-
vernosus, Infektionen (z. B. Aktinomykose) kleritis).
372 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Systemische Form: Literatur


4 Systemische Vaskulitis Hartmann M, Siebert S, Rohde S. Cranial manifestation of Wegener’s gran-
uolomatosis: CT and MRI characteristics. Rofo. 2006;178:31-7.
4 Lungenbeteiligung
Linn J, Müller-Schunk S. CNS vasculitis in childhood. Monatsschrift Kinder-
4 Nierenbeteiligung: Glomerulonephritis mit oligurischem heilkunde. 2006;154: 886-91.
Nierenversagen Nagashima T, Maguchi S, Terayama Y, Horimoto M, Nemoto M, Nunomura M,
4 ZNS-Beteiligung: Ischämien, Blutungen, Enzephalopathie Mori M, Seki T, Matsukawa S, Itoh T, Nagashima K. P-ANCA-positive
und Kopfschmerzen Wegener’s granulomatosis presenting with hypertrophic pachymeningi-
tis and multiple cranial neuropathies: case report and review of litera-
ture. Neuropathology. 2000;20:23-30.
4 Verlauf und Prognose. Ohne Therapie beträgt die durchschnitt- Specks U, Moder KG, McDonald TJ. Meningeal involvement in Wegener gran-
liche Lebenserwartung 5 Monate. Seit Einführung einer immun- ulomatosis. Mayo Clin Proc. 2000;75:856-9.
suppressiven Therapie überleben mehr als 80% der Patienten im
Median 6–8 Jahre.
Eine lebenslange Überwachung der Patienten ist erforder- Morbus Behςet
lich. Bei 50–70% der Patienten treten innerhalb von 5 Jahren Definition. Bei der Behςet-Erkrankung handelt es sich um eine
Rezidive auf. Immunkomplexvaskulitis (Vaskulitiden 7 Kap. 2.4) unklarer Ätio-
logie.
Bildgebung. (7 Kap. 2.4.2, . Abb. 2.79)
Lokalisation: NNH, Gefäße, Hirnnerven Epidemiologie und Demographie. Vor allem in Ländern ent-
Morphologie: Vielfältig: lang der ehemaligen Seidenstraße (Mittelmeer → Türkei → Japan),
4 Stroke-like (ischämisch oder hämorrhagisch) jedoch weltweites Vorkommen; gelegentlich familiär gehäuftes
4 Evtl. Sinusthrombose Auftreten
4 Duraverdickung (hypertrophe Pachymeningitis) 4 Türkei: ca. 15–300/100.000 Einwohner (je nach Region)
4 Basale granulomatöse Meningitis mit Hirnnervenbefall (II–IV 4 Deutschland: ca. 0,6/100.000 Einwohner
und VI–VIII)
4 Selten auch intrazerebrale Granulome Altersverteilung: betrifft jedes Alter, Altersgipfel 20.–40. Lebens-
4 Hirnatrophie jahr
4 Evtl. SAB Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1

CT der NNH: Entzündliche Schleimhautveränderungen, ossäre Ätiologie. Unklar; genetische Faktoren (HLA Antigen B-51 bei
Destruktionen ca. 70% aller Patienten nachweisbar), infektiöse Trigger, Umwelt-
MRT: faktoren
4 T2w/PDw/FLAIR:
5 Granulomatöses Gewebe in den NNH ist hypointens Klinik. Prinzipiell können alle Organsysteme des Körpers be-
5 Ggf. Nachweis alter Infarkte troffen sein.
5 Unspezifische hyperintense Marklagerläsionen 4 Hauptmerkmal der Erkrankung: Orale Aphthen (häufig
5 Hirnatrophie wiederkehrende, schmerzhafte offene Stellen im Mund, z.B.
5 Evtl. SAB auf der Innenseite der Lippen und Wangen, aber auch auf der
Zunge und im Rachen)
4 T1w + KM: 4 Genitale Aphten
5 Granulomatöses Gewebe in den NNH zeigt kräftige KM- 4 Verschiedene Hautveränderungen wie z.B. Papulopusteln (ak-
Aufnahme neähnliche Veränderungen, die aber an für Akne untypischen
5 Kontrastmittelaufnehmende Duraverdickungen v.a. in Stellen auftreten), Erythema nodosum, vaskulitische Ulzera-
der Nähe von orbitalen, nasalen oder paranasalem Befall, tionen (Geschwüre = »leukozytoklastische Vaskulitis«)
fokal oder disseminiert 4 Oligoarthritis (in ca. 70%; meist Fuß- oder Kniegelenke)
5 Evtl. vergrößerte Hypophyse mit verdicktem Infundibu- 4 Augenbeteiligung (in bis zu 70% der Fälle)
lum 4 Gefäßbeteiligungen: Thrombophlebitiden, Thrombosen
5 Selten Nachweis intrazerebraler Granulome (auch Lungenembolien) und arterielle Gefäßverschlüsse so-
4 DWI: Zum Nachweis frischer Ischämien wie Aneurysmen, v.a. an Bein- oder Lungengefäßen
4 Selten betroffene Organsysteme (in max. 10% der Fälle und
In allen Sequenzen auf Zeichen der Sinusthrombose achten! im späten Krankheitsverlauf):
5 Gastrointestinale Beteiligung mit aphthösen Ulzerationen
Differenzialdiagnosen. Andere Vaskulitiden mit Befall des ähnlich wie beim Morbus Crohn
ZNS: Churg-Strauss-Vaskulitis (p-ANCA), PACNS, Sarkoidose; 5 Epididymitis
andere septische Prozesse mit primären Lungenbefall und sekun-
därer Vaskulitis (Pilze, Tbc etc.)
4.6 · Spezifische Erreger und granulomatöse Erkrankungen
373 4
In 5–10% der Fälle neurologische Beteiligung: Diagnostik. Erfüllung von verschiedenen Diagnosekriterien;
4 (Sterile) Meningitis 4 Labor: Leukozytose, Linksverschiebung, Akutphasereaktion
4 Arterielle und venöse Gefäßverschlüsse 4 Liquor: Lymphozytäre Pleozytose, Schrankenstörung, in 70%
4 Sinusthrombose erhöhter IgG-Index. Oligoklonale Banden (OKBs) oft nur
4 Arterielle ischämische Infarkte vorübergehend positiv
4 SAB (selten)
Neurologische Symptomatik: Opticusneuritis, Hirnnervenaus- Bildgebung. . Abb. 4.67
fälle, fokal-neurologsiche Ausfälle, epileptische Anfälle, hirnor- Lokalisation:
ganisches Psychosyndrom, selten spinale Symptome 4 Hirnstamm, bis nach dienzephal reichend
4 Stammganglien, Hemisphären
Extrem seltene Organbeteilungen: 4 Myelon
4 Herzbeteiligung (Herzinfarkte) 4 Selten N. opticus
4 Nierenbeteiligung (Nierenentzündung = Glomerulonephritis) 4 Subkortikale weiße Substanz, ohne Cortexbeteiligung
4 Typische Befallsmuster sind:
Manifestationsformen des Neuro-Behςet: 5 Herd im Bereich des mesencephalo-dienzephalen Über-
1. Parenchymaler Neuro-Behςet (80%) gangs mit Ödem, dass sich entlang der langen Bahnen
2. Vaskulärer Neuro-Behςet (20%) nach kranial und kaudal erstreckt
5 Herd im Bereich des pontomedullären Übergangs, asym-
Verlauf und Prognose. Ähnlich remittierende Verläufe wie metrische Verteilung
bei MS.

a b c

d e f

. Abb. 4.67a–f Morbus Behςet mit Befall von Pons und Medulla oblongata, die ödematös aufgetrieben sind und eine sehr flaue Schrankenstörung zeigen
(Pfeile in e, f). a–c: T2w; d–f: T1w + KM tra und cor
374 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

Morphologie: Oft multiple, disseminierte Herde, im Verlauf Apotose von Neuronen, Oligodendrozyten, Microglia und Lym-
Hirnstammatrophie phozyten
CT nativ: Selten zeigen die Herde Einblutungen
MRT: Klinik. Verhaltensstörungen, Demenz, Persönlichkeitsverfall,
4 T1w: Selten Zeichen der Einblutung (hyperintens, Met-Hb) myoklonische Entäußerungen
4 T2w/PDw/FLAIR: Läsionen sind hyperintens, unscharf be-
grenzt Diagnostik. Nachweis einer exzessiven intrathekalen Antikör-
4 T1w + KM: Herde zeigen in akuter Phase eine KM-Aufnah- perproduktion gegen Masernviren (bzw. SSPE-Antigen); nahezu
4 me, oft nodulär (oder ringförmig) pathognomonisches EEG-Muster (Radermecker-Komplexe)
4 Venöse MRA: Ggf. fehlendes Flusssignal beim Vorliegen einer
Thrombose Verlauf und Prognose. Protrahierte, chronisch-progrediente
4 DWI: Symptomatik, die in der Regel über Coma vigile zum Tode führt
5 Nachweis evtl. frischer Infarkte (innerhalb von meist 1–6 Monaten bis zu 2–4 Jahren). Therapeu-
5 ADC-Wert in den Marklagerherden typischerweise er- tisch nicht beeinflussbar. Die Anwendung von Interferon-β ver-
höht mag möglicherweise den Verlauf verzögern; die Studienergeb-
nisse sind widersprüchlich. Intermittierend ist eine klinische
In allen Sequenzen auf Vorliegen einer venösen Thrombose ach- Besserung möglich.
ten (7 Kap. 2.7.4); tritt in bis zu 1/3 aller Neuro-Behçet-Fälle auf!
Sonstiges. Eine weitere Slow-Virus-Erkrankung ist die progres-
Differenzialdiagnosen. Sarkoidose, andere Vaskulitiden sive Rubella-Panenzephalitis mit ebenfalls sehr langer Inkuba-
(PACNS), Hirnstammgliom, Multiple Sklerose tionszeit und fataler Prognose.
Eine Maserninfektion kann auch initial eine akute Masern-
Literatur meningoenzephalitis verursachen (vor Einführung der Masern-
Borhani Haghighi A, Pourmand R, Nikseresht AR. Neuro-Behçet disease. schutzimpfung Vorkommen in 10:100.000 Infektionen, nach
A review. Neurologist. 2005;11:80-9.
Impfung in 1,8/100.000 Fällen)
Deprez FC, Wertz M, Cosnard G. MRI features of Neuro-Behçet disease. JBR-BTR.
2008;91:221.
Eine subakute Masernmeningoenzephalitis kann bei Im-
Sener RN. Neuro-Behcet’s disease: diffusion MR imaging and proton MR spec- munsupprimierten ca. 1–10 Monate nach Maserninfektion auf-
troscopy. AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:1612-4. treten.
Siva A, Altintas A, Saip S. Behçet’s syndrome and the nervous system. Curr
Opin Neurol. 2004;17:347-57.
Bildgebung.
Lokalisation:
4 Periventrikuläre und subkortikale weiße Substanz
4.6.6 Slow-Virus-/Prionen-Erkrankungen 4 Parietallappen und Okzipitallappen
4 Selten Beteiligung von Stammganglien und Thalamus
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD)
Siehe 7 Kap. 7.7 Morphologie:
4 Läsionen sind unscharf begrenzt und meist symmetrisch
Progressive multifokale Leukenzephalopathie 4 Selten: Zystische Läsionen im Temporallappen
(PML) 4 Spät im Verlauf: Diffuse Atrophie
Siehe 7 Kap. 4.6.1
CT:
Subakut sklerosierende Panenzephalitis 4 CT nativ: Oft normal, evtl. diffuses Hirnödem
(SSPE) 4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Synonyme. Dawsons-Enzephalitis
MRT:
Definition. Bei der SSPE handelt es sich um eine seltene, durch 4 T1w: Flächige Hypointensitäten in Marklager und Balken
das Masernvirus induzierte Slow-Virus-Erkrankung, die frühes- 4 T2w/PDw/FLAIR:
tens 6 Jahre nach einer Maserninfektion auftritt. 5 Flächige, diffuse Hyperintensitäten in Marklager und
Balken, nicht raumfordernd
Epidemiologie und Demographie. Häufigkeit nimmt seit Ein- 5 Selten zystische Läsionen im Temporallappen
führung der Masernschutzimpfung rapide ab. 4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Altersverteilung: Kindes- und Jugendalter; betroffen sind v.a. 4 DWI: ADC-Wert in den Läsionen korreliert wohl mit kli-
Kinder, die vor dem 2. Lebensjahr an Masern erkrankt waren; bei nischem Zustand, erniedrigt sich bei klinischer Verschlech-
Erwachsenen sehr selten terung, erhöht sich bei intermittierender Besserung des Zu-
stands
Ätiologie. Nachgewiesene Slow-virus-Pathogenese, besonders 4 MRS: NAA deutlich erniedrigt, Cholin und Myo-inositol
lange Inkubationszeit (Monate bis Jahre). Masernvirusinduzierte normal
4.7 · Nicht sicher einzuordnende entzündliche Erkrankungen
375 4
Differenzialdiagnosen. Subakute Masernenzephalitis (akutes Morphologie: Stadienabhängig, s.u., initial ödematöse Schwel-
Krankheitsbild, kürzeres Intervall nach Infektion), ADEM, PML, lung, später Atrophie
Tumefactive Multiple Sklerose, HIV-Enzephalopathie CT:
4 CT nativ: Progrediente Atrophie
Literatur 4 CT + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme, selten girlan-
Kanemura H, Aihara M. Serial diffusion-weighted imaging in subacute denförmige Anreicherung beschrieben
sclerosing panencephalitis. Pediatr Neurol. 2008;38:430-4.

MRT:
4 T1w: Stadium 1: Mark-Rindengrenze verschwommen, später
4.7 Nicht sicher einzuordnende entzündliche Atrophie
Erkrankungen 4 T2w/PDw: Stadieneinteilung auf der Basis des T2w-Be-
fundes:
4.7.1 Rasmussen-Enzephalitis 5 Stadium 1: Ödematöse Schwellung, hyperintenses Signal
der Hirnrinde und der subkortikalen weißen Substanz
Synonyme. Rasmussen-Syndrom, chronisch fokale Enzephalitis 5 Stadium 2: Volumen normal, hyperintenses Signal der
Hirnrinde und der subkortikalen weißen Substanz
Definition. Bei der Rasmussen-Enzephalitis handelt es sich um 5 Stadium 3: Atrophie, hyperintenses Signal der Hirnrinde
eine chronisch-progrediente, nicht beeinflussbare, unilaterale und der subkortikalen weißen Substanz (. Abb. 4.68)
entzündliche ZNS-Erkrankung unklarer Ätiologie. 5 Stadium 4: Progrediente Atrophie, Normalisierung des
Signals; hyperintenses Signal und Atrophie im Caput Ncl.
Epidemiologie und Demographie. Sehr selten (<100 Einzel- caudati
fälle in Literatur). 4 FLAIR: Siehe T2w; spät: Gliotische Residuen
Altersverteilung: Beginn meist in Kindheit (6. bis 8. Lebens- 4 T1w + KM: In der Regel keine KM-Aufnahme
jahr), 85% vor dem 10. Lebensjahr 4 T2*w: Außer Atrophie unauffällig
Geschlechtsverteilung: M = F 4 MRS: NAA und Cholin erniedrigt, Myo-Inositol erhöht, Glu-
tamin/Glutamat-Ratio erhöht
Ätiologie. Unklar; in 50% der Fälle geht eine Infektion, z.B. der
oberen Luftwege voraus. Viraler Trigger bei genetischer Prädis- NUK:
position? 4 PET: Glucosehypometabolismus, erhöhter 11C-Methionin-
Autoimmuntheorie: Aktivierung von Glutamatrezeptoren (er- uptake
regender Transmitter) → Induktion von Krampfanfällen. 4 SPECT: Hypoperfusion

Klinik. Differenzialdiagnosen. Sturge-Weber-Syndrom, MELAS, Z.n.


4 Beginn oft nach einem fieberhaften Infekt hemisphäraler Ischämie perinatal
4 Initial fokale oder generalisierte Anfälle → therapierefraktäre
Epilepsie bis hin zu Epilepsia partialis continua oder Status Literatur
epilepticus Bien CG, Urbach H, Deckert M, Schramm J, Wiestler OD, Lassmann H, Elger CE.
Diagnosis and staging of Rasmussen‘s encephalitis by serial MRI and
4 Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen, Hemiparese, Dysarth-
histopathology. Neurology. 2002;58:250-7.
rie, Dysphasie Chiapparini L, Granata T, Farina L, Ciceri E, Erbetta A, Ragona F, Freri E, Fusco L,
Gobbi G, Capovilla G, Tassi L, Giordano L, Viri M, Dalla Bernardina B,
Verlauf und Prognose. Progredient, schlechte Prognose; Hemi- Spreafico R, Savoiardo M. Diagnostic imaging in 13 cases of Rasmussen’s
plegie und progrediente kognitive Einschränkungen encephalitis: can early MRI suggest the diagnosis? Neuroradiology.
2003;45:171-83.
Fiorella DJ, Provenzale JM, Coleman RE, Crain BJ, Al-Sugair AA. (18)F-fluoro-
Sonstiges. Der Liquor ist in 50% der Fälle unauffällig, ansons- deoxyglucose positron emission tomography and MR imaging findings
ten Pleozytose, Schrankenstörung, intrathekale IgG-Synthese, in Rasmussen encephalitis. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1291-9.
GluR3-Antikörper Maeda Y, Oguni H, Saitou Y, Mutoh A, Imai K, Osawa M, Fukuyama Y, Hori T,
Yamane F, Kubo O, Ishii K, Ishiwata K. Rasmussen syndrome: multifocal
spread of inflammation suggested from MRI and PET findings. Epilepsia.
Bildgebung. . Abb. 4.68
2003;44:1118-21.
Initial oft unauffällig.
Lokalisation:
4 Zunächst fokal beginnend, dann diffuse Ausbreitung
4 Großhirnhemisphären, in der Regel unilateral, meist ein Lap-
pen betroffen, gelegentlich auch ganze Hemisphäre
4 Caput nuclei caudati
376 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 4.68a–f Rasmussen-Enzephalitis im Stadium 3. Links parietookzipital zeigt sich eine Atrophie sowie ein hyperintenses Signal der Hirnrinde und des
Ncl. caudatus in der FLAIRw (d–f). a–c: T1w + KM, d–f: FLAIRw

4.8 Entzündlich-demyelinisierende Geschlechtsverteilung: M:F =1: 2–3 bei schubförmig verlau-


Erkrankungen fender MS
Assoziiert mit: HLA-Dr2, -Dw2, -B7, -A3
4.8.1 Multiple Sklerose (MS)
Ätiologie. Unklar;
4 Wahrscheinlich virus- und/oder autoimmunmoduliert bei
Synonyme. Enzephalomyelitis disseminata
genetischer Disposition
4 Multifaktorielle Krankheitsentstehung wird vermutet (Be-
Definition. Bei der Multiplen Sklerose handelt es sich um eine
teiligung von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen
chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems
als Auslöser einer immunvermittelten Schädigung)
mit unterschiedlicher Ausprägung von Demyelinisierung und
4 Aktivierte T-Zellen, die gegen myelinisierte Neuronen ge-
axonalem Schaden.
richtet sind
4 Exzitotoxische Schädigung der Oligodendrozyten
Epidemiologie und Demographie. Die Prävalenz beträgt in
Europa 3,5–5 pro 100.000/Jahr; weltweit sind ca. 1 Mio. Men- Verlaufsformen:
schen betroffen, in Deutschland ca. 100.000-120.000. 4 Schubförmig remittierende MS (zu Beginn ca. 80–85%):
Die MS ist die häufigste neurologische Erkrankung, die im Eindeutige abgrenzbare Schübe mit zwischenzeitlich (nahe-
jungen Erwachsenenalter zu bleibender Behinderung und vor- zu) vollständiger Remission
zeitiger Berentung führt. Die durchschnittliche Zeit vom Erst- 4 Schubförmig progrediente MS (<5%): Schubweise progre-
symptom bis zur Diagnosestellung beträgt 3,4 Jahre. dient
Vorkommen: Vor allem in gemäßigten Breiten nördlich und süd- 4 Sekundär progrediente MS (50–60% der initial schubförmig
lich des Äquators verlaufenden Formen): Schleichende Zunahme klinischer
Altersverteilung: Symptombeginn meist zw. 20.–40. Le- Symptome auch ohne zusätzliche Schübe
bensjahr, Gipfel um das 30. Lebensjahr; wird jedoch immer 4 Primär chronisch progrediente MS: Von Beginn an (lang-
häufiger auch bereits bei Kindern und Jugendlichen diagnosti- same) Progredienz mit kontinuierliche Zunahme der Symp-
ziert. tome über mindestens 6 Monate hinweg
4.8 · Entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen
377 4
Klinik. Häufige Frühsymptome: Sensibilitätsstörungen (30–40%), – Einzelne spinale Läsionen können zu den zerebralen
einseitige Retrobulbärneuritis (20–30%), belastungsabhängige Läsionen addiert werden, um 9 zu erreichen
Schwäche der Beine 5 oder >/= 2 MS-typische Läsionen im MRT plus positiver
Weitere Symptome: Liquorbefund (positive, im Serum nicht nachweisbare oli-
4 Motorische Ausfälle: Mono-, Hemi-, Paraparese, Reflexstei- goklonale Banden oder erhöhter IgG-Index)
gerung, pathologische Reflexe 4 Zeitliche Dissemination (1 Kriterium ausreichend):
4 Zerebelläre Symptomatik (Stand- und Gangataxie), Nystag- 5 MRT-Befund:
mus – Nachweis einer weiteren, d.h. nicht für die erste kli-
4 Augensymptome: Internukleäre Ophthalmoplegie (INO), nische Symptomatik verantwortlichen, kontrastmittel-
Augenmuskelparesen aufnehmenden Läsion >/= 3 Monate nach der ersten
4 Blasenstörungen klinischen Manifestation; bei negativem Befund evtl.
4 Chronisches Erschöpfungssyndrom (Fatigue-Syndrom) MRT-Kontrolle nach 3 Monaten
– Detektion einer neuen, in T2w hyperintensen Läsion
Verlauf und Prognose. Bei den meisten Patienten bilden sich zu einem beliebigen Zeitpunkt im Vergleich zu einem
die Symptome eines Schubes innerhalb von 6–8 Wochen zurück. Vergleichs-MRT, das mind. 30 Tage nach dem ersten
Wenn neu aufgetretene Beschwerden über 6 Monate persistieren klinischen Ereignis durchgeführt wurde
→ Rückbildungswahrscheinlichkeit kleiner als 5%. 5 Neuer klinischer Schub
Unbehandelt:
4 Schubrate: initial ca. 1,8 Schübe pro Jahr, später abneh- Diagnosestellung:
mend 4 Diagnose »Multiple Sklerose«: Beim Nachweis der zeitlichen
4 Bei ca. 40% der Patienten ist nach 10 Jahren eine sekundäre und räumlichen Dissemination.
Progredienz zu verzeichnen. 4 Diagnose »mögliche MS«: Wenn die Kriterien z.T. erfüllt,
z.T. noch nicht geprüft sind.
Primär-progredienter Verlauf: Über Jahre zunehmende spasti- 4 Diagnose »keine MS«: Die Kriterien sind vollständig geprüft
sche Gangstörung, seltener auch progredientes zerebelläres Syn- und nicht entsprechend erfüllt.
drom.
Etwa 33% der Patienten werden aufgrund ihrer Erkrankung Bildgebung. . Abb. 4.69 bis . Abb. 4.74
vorzeitig berentet. Lokalisation:
4 Vor allem periventrikuläres Marklager, Balken, bzw. in den
Sonstiges. Obwohl MS weithin primär als Erkrankung der Balken einstrahlend, aber auch subkortikal im Bereich der
weißen Substanz angesehen wird, ist mittlerweile aus mehreren U-Fasern
neuropathologischen und MRT-Studien (MTR, DTI, MRS, siehe 4 Bilaterale, asymmetrische Verteilung
unten) bekannt, dass auch die graue Substanz oft mit betroffen 4 Supra- und infratentoriell (infratentoriell ca. 10% der Lä-
ist. sionen)
Liquor: 4 Auch graue Substanz: Cortex, Thalami, Stammganglien, Hip-
4 Intrathekale Ak-Synthese, bei 95% oligoklonale Banden pocampus
4 Zellzahl in 50% der Fälle normal, sonst leicht erhöht 4 Spinale Läsionen: Oft exzentrisch gelegen, erreichen oft die
konvexe Oberfläche des Myelons
McDonald-Kriterien:
4 »Schub«: Subjektive oder objektive Symptome, von mind. Morphologie:
24 Stunden Dauer 4 Querovaläre bis rundliche, in T2w hyperintense Marklager-
4 »Räumliche Dissemination« (1 Kriterium ausreichend): läsionen, typischerweise periventrikulär, balkennah gelegen
5 MS-typische neurologische Symptome, die zweifelsfrei (»callososeptal interface«)
auf zwei räumlich getrennte Läsionen hinweisen 4 Perivenöse Verteilung, d.h. eine transmedulläre Vene zieht
5 MRT-Befund (3 von 4 Kriterien, Läsion >/= 3 mm): durch den Plaque (»Dawson‘s fingers«: sich fingerförmig vom
– 1 kontrastmittelaufnehmende Läsion, oder 9 nicht Balken aus in Richtung periventrikuläres Marklager erstre-
kontrastmittelaufnehmende Läsionen in T2w ckende Läsionen (. Abb. 4.72)
– Mindestens 1 infratentorielle Läsion 4 »Hahnenkamm«: Im sagittalen Bild strahlen die Läsionen
– Mindestens 1 juxtakortikale Läsion (im Bereich der senkrecht von der Balkenunterseite »hahnenkammartig«
subkortikalen U-Fasern) Richtung Marklager aus (. Abb. 4.70)
– Mindestens 3 periventrikuläre Läsionen 4 »Target-Läsionen« (»lesion-in-a-lesion«: Schießscheiben-
– Spinale Läsionen: artige Morphologie einzelner Plaques)
– 1 spinale Läsion = Äquivalent für 1 infratentorielle Läsion 4 Später im Verlauf konfluieren die Plaques (. Abb. 4.74)
– 1 kontrastmittelaufnehmende spinale Läsion kann 4 Im Verlauf: Atrophie der grauen und weißen Substanz →
»doppelt« gezählt werden, d.h. erstens: als Äquivalent Atrophie der grauen Substanz korreliert mit dem Ausmaß
für 1 infratentorielle Läsion, und zweitens als Äquiva- der Behinderung
lent für 1 kontrastmittelaufnehmende Läsion
378 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

a b

c d

. Abb. 4.69a–d Multiple Sklerose mit multiplen periventrikulär, aber auch subkortikal und kortikal (Pfeile in d)
gelegenen Plaques. a, d: FLAIRw; b: T1w; c: T2w sag

4 »Tumefactive MS«: Seltene Morphologie, raumfordernder, 4 T2w/PDw: Nachweis der hyperintensen MS-Plaques; emp-
tumorähnlicher Aspekt mit umgebendem Ödem und ring- fohlen: 3 mm Schichtdicke über Hirnstamm und Kleinhirn
förmiger KM-Aufnahme 4 FLAIR tra und sag: FLAIR ist T2w beim Nachweis der MS-
4 Spinale Läsionen nach Mc-Donald Kriterien: Plaques überlegen
5 Keine oder nur geringe Schwellung des Myelons 5 Sagittale FLAIR v.a. zum Nachweis der Balkenläsionen
5 T2w hyperintens geeignet
5 Gut abgrenzbar 5 Nachweis kortikaler und/oder juxtakortikaler Plaques
5 Mindestens 3 mm groß, aber in kraniokaudaler Ausdeh- 4 T1w + KM:
nung höchstens 2 Wirbelkörpersegmente lang 5 Transiente KM-Aufnahme akuter Plaques
5 Homogen bzw. nodulär in ca. 68%; ringförmig in ca. 23%;
CT: halbmond- bzw. hufeisenförmig in ca. 9%
4 CT nativ: MS-Plaques iso- bis hypodens 5 Dreifache KM-Dosis ist sensitiver
4 CT + KM: Mäßige, homogene oder ringförmige KM-Aufnah- 4 T1 FS + KM 3 mm cor und tra über Orbita: KM-Aufnahme
me einzelner Plaques des N. opticus bei Neuritis nervi optici?
4 Phasen-sensitives T1-IRw: Sehr sensitive Darstellung der
MRT: kortikalen Plaques
4 T1w: 4 SWI: Direkte Darstellung der durch die Plaques verlaufenden
5 Frische Plaques: Iso- bis leicht hypointens Venen (. Abb. 4.72)
5 Alte Plaques: Hypointenses Zentrum, evtl. leicht hyperin- 4 DWI:
tenser Randsaum 5 Frische Plaques:
5 Läsionslast in T1w korreliert mäßiggradig mit klinischer – Zentrum: meist ADC-Wert erhöht, hohes Signal im
Beeinträchtigung B1000 Bild (vasogenes Ödem)
5 T1/T2-Ratio = Anteil der in T1w hypointensen Läsionen – Randsaum: variabler, im Vergleich zum Zentrum er-
an den in T2w hyperintensen Läsionen → Parameter für niedrigter ADC-Wert
persistierendes klinisches Defizit 5 Alte Plaques: ADC-Wert mäßig erhöht, FA mäßig er-
niedrigt
4.8 · Entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen
379 4

a b c

. Abb. 4.70a–c Multiple Sklerose mit typischem Balkenbefall (b) und z.T. kontrastmittelaufnehmenden Plaques. a, b: FLAIRw tra und sag; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 4.71a–c Multiple Sklerose. Ein Plaque zeigt ein helles Signal im B1000 Bild (c). a, b: FLAIRw tra und cor; c: DWI, B1000

a b

. Abb. 4.72a, b Multiple Sklerose. Die SWI zeigt die perivenöse Verteilung der Plaques (Pfeile in b).
a: FLAIRw; b: SWI
380 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4 PWI: rCBV erniedrigt Literatur


4 MTR: In Plaques und in normal erscheinender weißer Subs- Bakshi R, Ariyaratana S, Benedict RH, Jacobs L. Fluid-attenuated inversion
recovery magnetic resonance imaging detects cortical and juxtacortical
tanz signifikant erniedrigt
multiple sclerosis lesions. Arch Neurol. 2001;58:742-8.
4 DTI: Butteriss DJ, Ismail A, Ellison DW, Birchall D. Use of serial proton magnetic
5 FA in den Plaques deutlich erniedrigt resonance spectroscopy to differentiate low grade glioma from tumefac-
5 FA auch in normal erscheinender weißer Substanz signi- tive plaque in a patient with multiple sclerosis. Br J Radiol. 2003;76:
fikant erniedrigt 662-5.
Dawson JW. The histology of disseminated sclerosis. Trans Roy Soc Edinb.
5 ADC-Wert in chronischen Plaques signifikant erhöht
1916.;50: 517.
4 4 MRS: Ernst T, Chang L, Walot I, Huff K. Physiologic MRI of a tumefactive multiple
5 Cho/Cr-Ratio erhöht (Cholin erhöht), NAA/Cr-Ratio er- sclerosis lesion. Neurology. 1998;51:1486-8.
niedrigt (NAA erniedrigt) Fisher E, Lee JC, Nakamura K, Rudick RA. Gray matter atrophy in multiple
5 Nur sekundär progrediente Form: NAA-Reduktion in sclerosis: a longitudinal study. Ann Neurol. 2008;64:255-65.
Fisniku LK, Chard DT, Jackson JS, Anderson VM, Altmann DR, Miszkiel KA,
normal erscheinender grauer Substanz → Möglichkeit der
Thompson AJ, Miller DH. Gray matter atrophy is related to long-term
frühen Differenzialdiagnose zwischen schubförmiger und disability in multiple sclerosis. Ann Neurol. 2008;64:247-54.
sekundär progredienter Form? Guo AC, MacFall JR, Provenzale JM. Multiple sclerosis: diffusion tensor MR
4 Bei primär-progredientem Verlauf deutlich weniger ent- imaging for evaluation of normal-appearing white matter. Radiology.
zündliche Veränderungen in der MRT sichtbar. 2002;222:729-36.
Karaarslan E, Altintas A, Senol U, Yeni N, Dincer A, Bayindir C, Karaagac N,
4 Einfluss der Feldstärke:
Siva A. Baló’s concentric sclerosis: clinical and radiologic features of five
5 3 T versus 1,5 T: ca. 20% mehr kontrastmittelaufnehmen- cases. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1362-7.
de Plaques, ca. 10% höheres gesamtes Läsionsvolumen Kastrup O, Stude P, Limmroth V. Balo’s concentric sclerosis. Evolution of active
5 7 Tesla: Verbesserte Darstellung der kortikalen Plaques, demyelination demonstrated by serial contrast-enhanced MRI. J Neurol.
bessere Darstellung der Binnenstruktur der Plaques 2002;249:811-4.
Khoshyomn S, Braff SP, Penar PL. Tumefactive multiple sclerosis plaque. J Neu-
rol Neurosurg Psychiatry. 2002;73:85.
NUK: Kollia K, Maderwald S, Putzki N, Schlamann M, Theysohn JM, Kraff O, Ladd ME,
4 PET: Vermehrte Glukoseutilisation Forsting M, Wanke I. First clinical study on ultra-high-field MR imaging
in patients with multiple sclerosis: Comparison of 1.5T and 7T. AJNR Am
Sonderformen bzw. Varianten (Auswahl): J Neuroradiol. 2009;30:699-702.
Leitlinie Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose. In: Leitlinien für
4 Neuromyelitis optica (Typ Dévic): Rezidivierende Opticus-
Diagnostik und Therapie in der Neurologie; 3. Auf. Thieme, Stuttgart
neuritiden + Myelitis transversa (Nachweis von Aquaporin- 2005.
Antikörpern) Mittal S, Wu Z, Neelavalli J, Haacke EM. Susceptibility-Weighted Imaging:
4 Neuromyelitis optica (Typ Schilder): Klinisches Bild: Leuk- Technical aspects and clinical applications, Part 2. AJNR Am J Neuro-
enzephalopathie mit Demenz, Psychose, Pyramidenbahn- radiol. 2009 Jan 8.
Moore GR, Berry K, Oger JJ, Prout AJ, Graeb DA, Nugent RA. Baló’s concentric
läsionen, Sehstörungen; nichtplaqueartige Form der Demye-
sclerosis: surviving normal myelin in a patient with a relapsing-remitting
linisierung dinical course. Mult Scler. 2001;7:375-82.
4 Balos konzentrische Sklerose: Mowry EM, Woo JH, Ances BM. Technology insight: can neuroimaging provide
5 Charakteristische histopathologische Veränderungen: insights into the role of ischemia in Baló’s concentric sclerosis? Nat Clin
Abwechselnde Schichten von demyelinisierten und re- Pract Neurol. 2007;3:341-8
Nelson F, Poonawalla AH, Hou P, Huang F, Wolinsky JS, Narayana PA. Improved
myelinisierten Nervenfasern
identification of intracortical lesions in multiple sclerosis with phase-
5 Vor allem junge Erwachsene sensitive inversion recovery in combination with fast double inversion
5 Verlauf: Monophasisch, schnell progredient, kann selbst- recovery MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:1645-9.
limitierend oder letal verlaufen Pike GB, De Stefano N, Narayanan S, Worsley KJ, Pelletier D, Francis GS,
5 MRT: Schießscheibenartige Läsionsmorphologie mit kon- Antel JP, Arnold DL. Multiple sclerosis: magnetization transfer MR imag-
ing of white matter before lesion appearance on T2-weighted images.
zentrischen Ringen, die abwechselnd T2w/PDw hypo-
Radiology. 2000;215:824-30.
und hypointens sind und auch entsprechende KM-Auf- Rocca MA, Iannucci G, Rovaris M, Comi G, Filippi M. Occult tissue damage
nahme zeigen in patients with primary progressive multiple sclerosis is independent
5 Heute wird zunehmend angezweifelt, dass es sich tatsäch- of T2-visible lesions – a diffusion tensor MR study. J Neurol. 2003;250:
lich um eine Variante der MS handelt. 456-60.
Rovaris M, Filippi M. Contrast enhancement and the acute lesion in multiple
sclerosis. Neuroimaging Clin N Am. 2000;10:705-16.
Differenzialdiagnosen. ADEM, mikroangiopathische Mark- Rovaris M, Filippi M. Diffusion tensor MRI in multiple sclerosis. J Neuroimag-
lagerläsionen, Vaskulitiden verschiedener Ätiologie, auch ZNS- ing. 2007;17 Suppl 1:27S-30S.
Beteiligung bei SLE, Neuroborreliose, Neurosyphilis, AIDS Yurtsever I, Hakyemez B, Taskapilioglu O, Erdogan C, Turan OF, Parlak M.
The contribution of diffusion-weighted MR imaging in multiple sclerosis
during acute attack. Eur J Radiol. 2008;65:421-6.
4.8 · Entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen
381 4

a b

c d

. Abb. 4.73a–d »Ausgebrannte« Multiple Sklerose spät im Krankheitsverlauf mit konfluierenden periventrikulären Marklager-
läsionen und Marklageratrophie mit konsekutiver Erweiterung der inneren und äußeren Liquorräume. a–d: FLAIR tra und sag

a b c

. Abb. 4.74a–c »Target Lesion« bei Multipler Sklerose mit schießscheibenartigem Aspekt. a: T2w; b: T1w nativ; c: DWI, B1000
382 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

4.8.2 Akute disseminierte Lokalisation:


Enzephalomyelitis (ADEM) 4 In erster Linie handelt es sich um eine Erkrankung der wei-
ßen Substanz, trotzdem kann auch die graue Substanz ein-
Definition. Autoimmunvermittelte, schwere akute demyelini- schließlich des Thalamus mitbetroffen sein.
sierende Erkrankung des Gehirns und/oder des Rückenmarks, 4 Während die Beteiligung der Thalami bei der MS selten ist,
die in der Regel reversibel ist. wird sie in 40% der ADEM nachgewiesen, so dass einige
Autoren vorschlagen, diesen Befund als mögliches differen-
Epidemiologie und Demographie. Selten, genaue Inzidenz/ zialdiagnostisches Kriterium heranzuziehen.
4 Prävalenz unbekannt. 4 Der Balken ist meist nicht betroffen.
Altersverteilung: Bevorzugt sind Kinder betroffen (Altersgipfel 4 Hirnstamm- und Kleinhirnbeteiligung möglich
3–5 Jahre).
Geschlechtsverteilung: Männer in einigen Fallserien vermehrt Morphologie:
betroffen 4 Größe der Läsionen kann deutlich variieren, von punktför-
Assoziiert mit: Vorangegangenen viralen Infekten; eine Variante, mig bis sehr groß
die akute hämorrhagische Leukenzephalopathie, ist assoziiert 4 Große Läsionen haben einen für ihre Größe relativ geringen
mit Colitis ulcerosa und Asthma raumfordernden Effekt
4 Bilateral, aber asymmetrisch verteilt, bis nach subkortikal
Ätiologie. Autoimmunvermittelte, akute demyelinisierende Er- reichend
krankung (zellvermittelte Immunantwort gegen Myelin); oft geht 4 Tumorähnlich imponierende Läsionen möglich, diese haben
eine unspezifische, häufig virale Infektion (meist Masern, Mumps jedoch auch einen für ihre Größe relativ geringen raumfor-
oder Windpocken) oder eine Impfung voraus; Auftreten der dernden Effekt
ADEM meist ca. 10–14 Tage nach Infekt/Impfung
Diagnostik. Diagnosekriterien sind: CT nativ: Initiales CT in ca. 40% der Fälle unauffällig; Herde
4 Monophasischer klinischer Verlauf hypodens, asymmetrisch verteilt
4 Gleiches Altersstadium der intrazerebralen Läsionen MRT:
4 T1w: Läsionen sind deutlich hypointens
Liquor: Leukozytose, Eiweißerhöhung, OKB oft fehlend 4 T2w: Hyperintense Marklagerläsionen variabler Größe, mul-
tifokal
Klinik. Meist geht eine Prodromalphase voraus (Fieber, allge- 4 FLAIR:
meines Krankheitsgefühl, Myalgien); fokal neurologische Symp- 5 Im Nachweis der Läsionen der T2w überlegen
tome (Anfälle, Hemiparese), Hirnnervenausfälle, Verhaltensauf- 5 Eignet sich gut als alleinige Sequenz zur kurzfristigen Ver-
fälligkeiten, Bewusstseinseinschränkungen. laufsbeurteilung
Die Klinik ist einem MS-Schub sehr ähnlich. 4 T1w + KM:
5 Herde zeigen in der Regel eine KM-Aufnahme, die punkt-
Verlauf und Prognose. In der Regel monophasischer, selbst- förmig, ringförmig, inkomplett ringförmig oder peripher
limitierender, reversibler Verlauf mit guter Prognose, aber va- flächig ausgeprägt sein kann
riabel: 5 Hirnnerven können eine KM-Aufnahme zeigen
4 Ca. 50–60% der Fälle: Komplette Remission innerhalb eines 5 Cave: Fehlende KM-Aufnahme schließt ADEM nicht aus!
Monats 4 DWI: variabel
4 20–30%: Neurologische Residuen (meist Krampfanfälle) 5 Im akuten Stadium Diffusionsrestriktion der Herde mit
4 10–30%: Mortalität ADC-Minderung von manchen Autoren beschrieben, die
sich im subakuten Stadium zurückbilden kann.
Rezidive sind untypisch (»relapsing DEM«) möglicherweise han- 5 Es gibt Hinweise darauf, dass Diffusionsrestriktion in den
delt es sich dabei um eine Form der MS. Herden ein negativer Prognosefaktor ist.
5 Andere Autoren finden jedoch erhöhte ADC-Werte in
Sonstiges. Varianten: den Herden.
4 Akute hämorrhagische Leukenzephalopathie (2%) 5 ADC-Wert in normal erscheinender weißer Substanz
5 Junge Patienten normal im Gegensatz zur MS (7 Kap. 4.8.1)
5 Akuter Krankheitsbeginn 4 MTR: Normal in normal erscheinende weiße Substanz im Ge-
5 Fulminanter, oft letaler Verlauf gensatz zur MS (7 Kap. 4.8.1)
4 Bilaterale Striatumnekrosen 4 MRS: NAA/Cho-Ratio im Bereich der Herde im subakuten
5 Meist bei Kindern Stadium erniedrigt (reversibel); andere Metaboliten in der
5 Unter Umständen reversibel Regel normal

Bildgebung. . Abb. 4.75 Differenzialdiagnosen. Multiple Sklerose; Autoimmunvasku-


Typischerweise besteht eine zeitliche Verzögerung zwischen litis, mikroangiopathische Marklagerläsionen, Morbus Fabry,
Symptombeginn und Auftreten der Herde in der Bildgebung. Morbus Behςet
4.9 · Enzephalitiden im Rahmen eines paraneoplastisches Syndroms
383 4

a b c

d e f

. Abb. 4.75a–f Histologisch gesicherte ADEM. a: DWI, B1000; b: ADC-Map; c: FLAIRw; d: T2w; e, f: T1w + KM tra und sag

Literatur Epidemiologie und Demographie. Selten; 0,5–2% aller Tumor-


Balasubramanya KS, Kovoor JM, Jayakumar PN, Ravishankar S, Kamble RB, patienten (z.B. 1–2% der Patienten mit bekanntem kleinzelligem
Panicker J, Nagaraja D.Diffusion-weighted imaging and proton MR
Bronchialkarzinom)
spectroscopy in the characterization of acute disseminated encephalo-
myelitis. Neuroradiology. 2007;49:177-83.
Callen DJ, Shroff MM, Branson HM, Li DK, Lotze T, Stephens D, Banwell BL. Role Ätiologie. Paraneoplastisch; T-Zell-vermittelter zytotoxischer
of MRI in the differentiation of ADEM from MS in children. Neurology. Zelltod
2009;72:968-73. Klinische Marker: Antineuronale Antikörper:
Schwarz S, Knauth M, Mohr A, Wildemann B, Sommer C, Storch-Hagenlocher B.
4 Limbische Enzephalitis: anti-Hu, anti-Ta/Ma2
Acute disseminated encephalomyelitis (ADEM). Nervenarzt. 2001;72:241-
54.
4 Rhombenzephalitis: z.B. anti-Hu, anti-Yo, anti-Ma, anti-Ri
4 Paraneoplastische Kleinhirndegeneration: z.B. anti-Yo, anti-
Hu

4.9 Enzephalitiden im Rahmen Klinik. Typischerweise subakuter Zeitverlauf der Symptome;


paraneoplastischer Syndrome die Symptome treten oft deutlich vor der Tumordiagnose auf,
d.h. zwischen dem Beginn der neurologischen Symptome und
Definition. Als paraneoplastische neurologische Syndrome be- der Tumordiagnose können bis zu 3–4 Jahre liegen.
zeichnet man alle diejenigen Komplikationen von Tumorerkran- 4 Limbische Enzephalitis: Depression, Gedächtnisstörung
kungen, die nicht durch den Tumor, seine Metastasen oder durch (Kurzzeitgedächtnis), Fieber unklarer Ätiologie, Krampfan-
vaskuläre, infektiöse, metabolische bzw. therapiebedingte Ur- fälle
sachen ausgelöst werden. 4 Rhombenzephalitis: Blickparesen, Doppelbilder, Atemde-
pression
Formen. 4 Kleinhirndegeneration: Ausgeprägte Stand-, Gang- und ge-
4 Limbische Enzephalitis ringer auch Zeigeataxie, Dysarthrie, Down-Beat-Nystagmus,
4 Rhombenzephalitis Doppelbilder
4 Paraneoplastische Kleinhirndegeneration (Cerebellitis)
384 Kapitel 4 · Infektiöse und entzündlich-demyelinisierende Erkrankungen

. Abb. 4.76 Limbische Enzephalitis (FLAIRw) . Abb. 4.77 Limbische Enzephalitis im Verlauf mit Atrophie
des Hippocampus beidseits (FLAIRw)

a b c

. Abb. 4.78a–c Paraneoplastische Kleinhirndegeneration mit Erweiterung der Kleinhirnfurchen (Pfeile). a: FLAIRw; b, c: T2w sag und cor

Verlauf und Prognose. Meist subakut progredienter Verlauf; 4 T1 + KM:


häufig irreversibel, gelegentlich initial schubförmig-remittie- 5 KM-Aufnahme möglich, aber nicht typisch
render Verlauf. 5 Paraneoplastische Kleinhirndegeneration: Kleinhirn-
atrophie
Bildgebung.
Unauffällige Bildgebung schließt paraneoplastisches Syndrom Differenzialdiagnosen.
nicht aus! 4 Limbische Enzephalitis: Infektiös (v.a. Herpesenzephalitis)
Lokalisation: autoimmunologisch, Bestrahlungsenzephalopathie, ischä-
4 Limbische Enzephalitis: Limbisches System, mesialer Tempo- misch, Hirntumor
rallappen, frontal, uni- oder bilateral (. Abb. 4.76, . Abb. 4 Rhombenzephalitis: Infektiöse Enzephalitis, z.B. Listerien,
4.77) Toxoplasmose; basale Meningitis, Miller-Fisher-Syndrom,
4 Rhombenzephalitis: Hirnstamm, v.a. Medulla oblongata, Myasthenia gravis, Hirntumor
Boden des IV. Ventrikels 4 Paraneoplastische Kleinhirndegeneration: Kleinhirnatro-
4 Paraneoplastische Kleinhirndegeneration: Kleinhirn (. Abb. phie anderer Genese
4.78)
Literatur
Morphologie: Initial ödematöse Schwellung, im Verlauf Atro- Gultekin SH, Rosenfeld MR, Voltz R, Eichen J, Posner JB, Dalmau J. Paraneo-
plastic limbic encephalitis: neurological symptoms, immunological fin-
phie
dings and tumour association in 50 patients. Brain. 2000;123:1481-94.
CT nativ: Hypodens Demaerel P, van Dessel W, van Paesschen W, Vandenberghe R, van Laere K,
MRT: Linn J. Neuroradiology 2011 Jan 27 [Epub ahead of print].
4 T2w/PDw/FLAIR: Hyperintense Darstellung der betroffenen
Areale, sensitiver als CT
5

Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5.1 Normale Myelinisierung – 386

5.2 Enzephalozelen – 386

5.3 Arachnoidalzysten – 389

5.4 Balkenfehlbildungen – 390

5.5 Entwicklungsstörungen der Hirnrinde – 393

5.6 Vorwiegend das Kleinhirn und die hintere Schädelgrube


betreffende Fehlbildungen – 411

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_5,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
386 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5.1 Normale Myelinisierung Assoziiert mit:


4 Entwicklungsstörungen der Hirnrinde (z.B. Heterotopien)
Die Myelinisierung der weißen Substanz findet überwiegend erst 4 Chiari-III-Malformation (okzipitale Meningoenzephalozelen)
nach der Geburt statt und läuft physiologischerweise nach einem 4 Gesichtsdysmorphien
festgelegten Zeitschema ab (. Tab. 5.1).
Ätiologie. Angeborene Fehlbildung, evtl. im Rahmen von Syn-
Literatur dromen.
Barkovich AJ. MR of the normal neonatal brain: assessment of deep struc-
tures. AJNR Am J Neuroradiol 1998;19:1397-1403.
Klinik.
Barkovich AJ, Kjos BO, Jackson DE Jr, Norman D. Normal maturation of the
neonatal and infant brain: MR imaging at 1.5 T. Radiology 1996;200:389-
4 Okzipitale, parietale oder frontale Zelen sind klinisch durch
5 396. die Vorwölbung auffällig.
van der Knaap MS, Vakl J. MR imaging of the varios stages of normal myelina- 4 Frontoethmoidale Zelen sind oft klinisch okkult, sie führen
tion during the first year of life. Neuroradiologie 1990;31:459-470. evtl. zu einer Behinderung der Atmung.
4 Außerdem ist die Symptomatik von der Lage und dem Zelen-
inhalt sowie von assoziierten Malformationen abhängig (z.B.
5.2 Enzephalozelen Anfälle).

Definition. Bei einer Enzephalozele handelt es sich um eine Bildgebung. . Abb. 5.1 bis . Abb. 5.4
Protrusion von intrakraniellen Strukturen durch einen knöcher- Bei okzipitaler Zele: Lagerung in Bauchlage günstig
nen Defekt der Kalotte oder der Schädelbasis. Lokalisation: Am häufigsten okzipital (Europa, USA) und fronto-
Je nach Inhalt des Zelensackes unterscheidet man: ethmoidal (Asien)
4 (Meningo-)Enzephalozele: Der Zystensack enthält Hirnge- Morphologie: Protrusion von Hirngewebe oder liquorgefülltem
webe, Meningen und Liquor. Sack durch knöchernen Defekt
4 Meningozele: Der Zystensack enthält Meningen und Liquor. CT nativ (inkl. Knochenkernel): Darstellung des knöchernen
4 Gliozele: Mit Gliazellen ausgekleidete, liquorgefüllte Zyste. Defekts
4 Atretische Zele: Lediglich Durchtritt von Dura und Binde-
! Zu beachten ist, dass beim Neugeborenen die Fronto-
gewebe
basis noch nicht verknöchert ist und auch beim Zwei-
jährigen die Verknöcherung noch nicht vollständig ab-
Epidemiologie und Demographie. Meningozelen sind seltener
geschlossen ist.
als Enzephalozelen.
Altersverteilung: Okzipitale Zelen werden meist bereits präna- 4 Meningoenzephalozele: Inhalt ist z.T. hirnisodens
tal diagnostiziert und sind bei Geburt klinisch apparent. Fronto- 4 Meningozele: Inhalt ist liquorisodens
ethmoidale Zelen werden oft erst später diagnostiziert.

. Tab. 5.1 Altersgerechtes Auftreten der Myelinisierung (nach Barkovich 1996)

Anatomische Region T1w T2w

Pedunculus cerebellaris medius Geburt Geburt bis 2. Monat

Weiße Substanz des Kleinhirns Geburt bis 4.Monat 3.–5. Monat

Capsula interna Hinterer Schenkel Anteriorer Anteil Erster Monat 4.–7. Monat

Posteriorer Anteil Geburt Geburt bis 2. Monat

Vorderer Schenkel 2.–3. Monat 7.–11. Monat

Corpus callosum Genu 4.–6. Monat 5.–8. Monat

Splenium 3.–4. Monat 4.–6. Monat

Weiße Substanz des Okzipitallappen Zentral 3.–5. Monat 9.–14. Monat


Großhirns
Peripher 4.–7. Monat 11.–15. Monat

Frontallappen Zentral 3.–6. Monat 11.–16. Monat

Peripher 7.–11. Monat 14.–18. Monat

Centrum semiovale 2.–4. Monat 7.–11. Monat


5.2 · Enzephalozelen
387 5

a b

c d

e f

. Abb. 5.1a–f Frontoethmoidale Meningoenzephalozele rechts (Pfeile). f: Zustand nach operativer Sanierung. a, c, d: T2w sag, cor und tra; b, f: T1w nativ sag;
e: CISS cor

MRT: Methode der Wahl, hochauflösende Sequenzen, idealer- Differenzialdiagnosen. Meningoenzephalozele versus Menin-
weise 3-D-Sequenzen gozele; Zelen im Rahmen von Syndromen; Frontoethmoidal:
4 T1w/T2w: »nasal glioma« (dabei handelt es sich nicht um eine Neoplasie,
5 Meningoenzephalozele: Inhalt ist in allen Sequenzen in sondern um eine angeborene Fehlbildung)
der Regel hirnisointens; seltener findet sich heterotopes
oder dysplastisches Hirngewebe im Bereich der Zele, dann Literatur
evtl. heterogeneres Signal (. Abb. 5.1 und 5.2) Hedlund G. Congenital frontonasal masses: developmental anatomy, malfor-
mations, and MR imaging. Pediatr Radiol. 2006;36:647-62.
5 Meningozele: Inhalt ist liquorisointens (. Abb. 5.3 und 5.4)
Lo BW, Kulkarni AV, Rutka JT, Jea A, Drake JM, Lamberti-Pasculli M, Dirks PB,
4 CISS/FIESTA: Darstellung der genauen anatomischen Bezie- Thabane L. Clinical predictors of developmental outcome in patients
hung zwischen Zeleninhalt, Zelenwand und Knochendefekt with cephaloceles. J Neurosurg Pediatrics. 2008;2:254-7.
4 vMRA: Bei okzipitalen Zelen zur OP-Planung wichtig (Anato-
mische Lagebeziehung zwischen Zele und venösen Sinus?)
388 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5
a b

. Abb. 5.2a, b Meningoenzephalozele in atypischer Lokalisation, ausgehend von der mittleren Schädelgrube (Pfeile).
a: T2w; b: CISS

a b c

. Abb. 5.3a–c Frontoethmoidale Meningozele (Pfeile), kein Nachweis von Hirnparenchym innerhalb der Zele. a, c: T2w sag und cor; b: T1 IR sag

a b

. Abb. 5.4a, b Frontoethmoidale Meningozele. a: T2w sag; b: T1w sag


5.3 · Arachnoidalzysten
389 5
5.3 Arachnoidalzysten CT:
4 CT nativ:
Definition. Bei einer Arachnoidalzyste handelt es sich um eine 5 Liquorisodense Raumforderung (0–20 HU)
von Arachnoidea umgebene Liquoransammlung, die eine raum- 5 Angrenzende Sulci oft komprimiert
fordernde Wirkung auf das umgebende Hirnparenchym ausüben 5 Angrenzender Knochen/Kalotte (Tabula interna) oft aus-
kann. gedünnt bzw. remodelliert
4 CT+ KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Epidemiologie und Demographie. Häufigste angeborene, zys- 4 CT nach intrathekaler KM-Gabe: Zunächst KM-Aussparung
tische Läsion; evtl. assoziiert mit hypoplastischem Temporallap- im Bereich der Zyste. Cave: Im weiteren Zeitverlauf auch KM
pen (bei Lokalisation in der mittleren Schädelgrube) in der Zyste nachweisbar.

Ätiologie. Angeboren MRT:


4 T1w: Inhalt liquorisointens
Klinik. Typischerweise asymptomatisch, inzidenteller Befund. 4 T2w: Inhalt liquorisointens
4 PDw: Inhalt evtl. etwas hyperintens im Vergleich zum umge-
Bildgebung. . Abb. 5.5 und . Abb. 5.6 benden Liquor (aufgrund der Stase des Liquors in der Zyste
Lokalisation: In absteigender Häufigkeit: im Vergleich zu den Pulsationen des »freien« Liquors)
4 Supratentoriell: Mittlere Schädelgrube > parasellär > Kon- 4 FLAIR: (Nahezu) liquorisointens, evtl. ebenfalls etwas hyper-
vexität intenser wegen fehlender Flussartefakte oder etwas höherem
4 Infratentoriell: Cisterna retrocerebellaris > Kleinhirnbrücken- Proteingehalt
winkel > Cisterna quadrigemina 4 DWI: (Nahezu) liquorisointens, keine Diffusionsrestriktion
4 Intraventrikuläre Arachnoidalzysten sind selten 4 CISS/FIESTA: Evtl. zur genauen Darstellung der Zystenwand
vor operativer Entlastung
Morphologie:
4 Prall gefüllt, kann raumfordernd sein; in den meisten Wich- Differenzialdiagnosen. Subdurales Hygrom, umschriebene Auf-
tungen liquorisointens weitung eines Sulcus (fokale Hirnatrophie, alter Substanzdefekt),
4 Extraaxiale Lage zystischer Tumor, Porenzephalie, Epidermoidzyste.

a b c

d e f

. Abb. 5.5a–f Große frontotemporale Arachnoidalzyste links. a: T2w; b: FLAIRw tra; c: T1 nativ cor; d, f: T1w + KM sag und tra; e: CISS
390 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

a b c

. Abb. 5.6a–c Große links frontale Arachnoidalzyste; nebenbefundlich unspezifische Marklagerläsionen beidseits. a, b: FLAIRw tra und cor; c: CISS

Literatur Sekundäre Schädigungen des Balkens können z. B. entste-


Awaji M, Okamoto K, Nishiyama K. Magnetic resonance cisternography for hen durch Degeneration der Kommissurenfasern bei Marklager-
preoperative evaluation of arachnoid cysts. Neuroradiology. 2007;49:
schädigung (z.B. hypoxisch oder im Rahmen angeborener Stoff-
721-6.
Gizewski ER. Epidermoid or arachnoid cyst: CISS, FLAIR and diffusion images
wechselerkrankungen) (. Abb. 5.10).
as solution of the diagnostic dilemma. Rofo. 2001;173:77-8.
Formen.
4 Isolierte bzw. sporadische Anlagestörung des Balkens
4 Anlagestörung des Balkens in Assoziation mit anderen Fehl-
5.4 Balkenfehlbildungen bildungen des ZNS (in 50–80% der Fälle)

Beispiele für assoziierte Fehlbildungen:


Normale Entwicklung des Corpus callosum 4 (Partielles) Fehlen des Gyrus cinguli (häufig)
4 Beginn: 7. SSW, Dauer bis 20. SSW 4 Lipom (7 Kap. 3)
4 Reihenfolge der Entwicklung: Der Balken wird »von vorne nach 4 Hypoplasie des Vermis inferior
hinten« gebildet, d.h. in der Reihenfolge Genu → Corpus → 4 Interhemisphärische Zysten
Splenium.
4 Ausnahme: Das Rostrum wird als letztes gebildet.
4 Augenfehlbildungen
4 Gesichtsfehlbildungen
Im gleichen Zeitraum, in dem sich der Balken entwickelt, finden 4 Entwicklungsstörungen der Hirnrinde:
auch weitere essentielle Entwicklungsschritte des Gehirns statt, 5 Heterotopie (7 Kap. 5.5.2)
weshalb eine Balkenanlagestörung oft mit anderen Hirnfehlbildun- 5 Schizenzephalie (7 Kap. 5.5.3)
gen kombiniert ist → Balken hat »Markerfunktion«.
5 Lissenzephalie (7 Kap. 5.5.2)
4 Assoziierte Syndrome (Auswahl):
5 Dandy-Walker-Syndrom (7 Kap. 5.6.2)
Definitionen. 5 Arnold-Chiari-Malformation Typ II (7 Kap. 5.6.1)
Balkenagenesie: Anlagebedingtes vollständiges Fehlen des Bal- 5 Apert-Syndrom
kens. 5 Morning-glory-Syndrom
Balkendysgenesie (= partielle Balkenagenesie, Balkenhypo-
genesie): Minderanlage des Balkens, d.h. Fehlen von Teilen des Epidemiologie und Demographie. Anlagestörungen des Bal-
Balkens. Bei einer partiellen Anlagestörung fehlen immer die kens stellen ca. 4% aller Fehlbildungen des ZNS dar.
posterioren Anteile des Balkens, da diese in der Entwicklung Inzidenz von A- und Hypogenesien: 1,8/10.000 Lebendge-
zuletzt gebildet werden. borene; höhere Prävalenz bei Frühgeborenen
Fehlen ventral gelegene Teile des Balkens (Genu oder Cor- Geschlechtsverteilung: Isolierte Form: M > F
pus) oder sind dort Läsionen nachweisbar, obwohl die weiter
posterior gelegenen Abschnitte des Balkens (Splenium) regel-
recht ausgebildet sind, handelt es sich immer um eine sekundäre
Schädigung des Balkens und nicht um eine Anlagestörung.
5.4 · Balkenfehlbildungen
391 5
Ätiologie. Unterschiedlich:
4 Fehlende Ausbildung der Axone (selten, nur bei schweren
Entwicklungsstörungen des Cortex, wie z.B. der Pflasterstein-
lissenzephalie)
4 Axone erreichen die Mittellinie nicht (Mutationen in Adhä-
sionsproteinen)
4 Axone erreichen zwar die Mittellinie, aber kreuzen nicht
(Funktionsstörungen der Proteine, die hierfür verantwort-
lich sind)
4 Toxische Schädigung (z.B. Alkohol)
4 Infektionen (z.B. intrauterine CMV-Infektion)
4 Angeborene Stoffwechselstörungen

Wenn sich die Axone vor der Mittellinie abwenden, bilden sie die
sog. »Probst-Bündel« → die Probst-Bündel verlaufen dann longi-
a
tudinal entlang der medialen Begrenzung der Seitenventrikel von
ventral nach dorsal → Eindellung der Seitenventrikel von medial
→ charakteristische »Halbmondform« der Seitenventrikel.
Probst-Bündel sind nicht bei allen Formen der Balkenage-
nesie nachweisbar.

Klinik. Abhängig davon, ob isolierte Balkenfehlbildung oder


Kombination mit anderen Fehlbildungen:
4 Anfälle
4 Entwicklungsverzögerung, kognitive Defizite
4 Hypophysäre und hypothalamische Funktionsstörungen

Verlauf und Prognose. Bei der sporadischen/isolierten Form


ist die frühkindliche Entwicklung normal oder annähernd nor-
mal. Kognitive Defizite treten im Schulalter bei komplexeren
Aufgaben hervor.
In Assoziation mit anderen Fehlbildungen: Schlechtere Pro- b
gnose

Bildgebung. (. Abb. 5.7 bis . Abb. 5.9 und . Abb. 5.11)


Lokalisation: Mittellinie, Balken
Morphologie bei Balkenagenesie:
4 In axialer Schnittführung:
5 Gerader und paralleler Verlauf der Vorderhörner und
Korpora der Seitenventrikel
5 Aufweitung der Hinterhörner der Seitenventrikel (»Kol-
pozephalie«) durch Wegfall der stabilisierenden Funk-
tion des Balkens, besonders ausgeprägt wenn zusätzlich
eine Hypogenesie der Gyrus cinguli vorliegt.
5 Im Bereich der Vorderhörner gibt der Ncl. caudatus Stabi-
lität.
5 Die Gyri der beiden Hemisphären sehen in der Mittellinie
aus wie ineinander verschränkte Finger (. Abb. 5.9). c
4 In koronarer Schnittfürung:
. Abb. 5.7a–c Balkenagenesie mit geradem und parallelem Verlauf der
5 »Stierhornform« der Seitenventrikel (. Abb. 5.7)
Vorderhörner und der Korpora der Seitenventrikel (c) und »Stierhornform«
5 Beim Vorliegen von Probst-Bündeln → »Halbmondform« der Seitenventrikel im koronaren Bild (b); »high riding« des III. Ventrikels im
der Seitenventrikel durch Eindellung von medial (auch sagittalen Bild (a). a: T2w sag; b: T1 IR cor; c: T1w nativ
»Wikingerhelmform« oder »Elchkopfform«)
5 Aufweitung der Temporalhörner der Seitenventrikel
(»Keyhole«-Aspekt)
5 Hippocampi stehen vertikal
5 »High riding« des dritten Ventrikels
392 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5
a b c

d e f

. Abb. 5.8a–f Partielle Balkendysgenesie, lediglich das Genu des Balkens (Pfeile in b, Stern in c) ist regelrecht angelegt, die weiter posterior gelegenen
Balkenabschnitte fehlen. a–e: T1 FLAIR; f: T1w nativ sag

a b

c d

. Abb. 5.9a–d Partielle Balkendysgenesie, lediglich das Genu des Balkens (Sterne in d) ist regelrecht angelegt.
Die weiter posterior gelegenen Balkenabschnitte fehlen. Die Gyri der beiden Hemisphären sehen in der Mittellinie
aus wie ineinander verschränkte Finger. a: T2w; b–d: T1 IR
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
393 5

a b c

. Abb. 5.10a–c Sekundäre Balkenschädigung. Im Bereich des Corpus ist der Balken ausgedünnt (Pfeile), das Splenium ist wieder regelrecht abgrenzbar.
a, c: T2w sag und cor; b: T1 IR cor

5.5 Entwicklungsstörungen der Hirnrinde

Entwicklung der Hirnrinde:


1. Differenzierung der Stammzellen zu Neuronen (neuronale Pro-
liferation) in der germinalen Matrixzone, die subependymal
entlang der Seitenventrikel gelegen ist. Neuronale Vorläufer-
zellen entstehen schon in der 5. Embryonalwoche.
2. Migration der Neuronen entlang radiär angeordneter Faszikel
von Gliazellen Richtung Hirnoberfläche (radiale Migration);
einzelne Neuronen migrieren auch parallel zur Seitenventrikel-
wand = tangentiale Migration.
3. Nach dem Erreichen der Hirnoberfläche findet die kortikale
Organisation statt, d.h. die Anordnung von Neuronen in Zell-
schichten und die Synapsenentstehung.

Entwicklung der Gyrierung:


Die Hirnoberfläche ist in der Embryonal- und der frühen Fetalentwick-
. Abb. 5.11 Aufgespannter Balken bei Hydrocephalus internus, zusätzlich lung zunächst vollständig glatt. Die Verdickung und Oberflächenver-
partielle Agenesie des Balkens im Bereich des Spleniums (Pfeil) (T2w sag) größerung des Cortex induziert die Gyrierung:
4 Zunächst Ausbildung der Sylvischen Fissur (im fetalen MR meist
im 4. Monat nachweisbar)
4 Ab der 22. SWS Entstehung weiterer Gyri und Sulci
4 Vertiefung der Sulci und Entstehung prominenter Gyri im Laufe
Literatur der weiteren Reifung des Fetus
Barkovich AJ, Norman D. Anomalies of the corpus callosum: correlation with
further anomalies of the brain, AJNR Am J Neuroradiol. 1988;9:493-501.
Byrd S, Radkowski M, Falnnery A, McLone D. The clinical and radiologic evalu-
ation of absence of the corpus callosum. Eur J Radiol. 1990;10:65-73.
Eine Störung der Entwicklung der Hirnrinde kann während der
Kendall BE. Dysgenesis of the corpus callosum. Neuroradiology. 1983;25: Entwicklung zu jedem Zeitpunkt auftreten, d.h. während der
239-56. neuronalen Proliferation, während der Migration und während
der kortikalen Organisation.
Entwicklungsstörungen der Hirnrinde werden daher nach
dem Zeitpunkt in der Cortexentwicklung, in dem sie aufgetreten
sind, klassifiziert (. Tab. 5.2).

Ätiologie. Eine Entwicklungsstörung der Hirnrinde kann durch


eine Vielzahl an Ursachen entstehen, z.B. durch:
4 Chromosomale Störungen
4 Intrauterine Infektionen
4 Intrauterine Ischämien
4 Toxine

Die Ursache bleibt im Einzelfall jedoch häufig unklar.


394 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

. Tab. 5.2 Einteilung der Entwicklungsstörungen der Hirnrinde (modifiziert nach Barkovich 2001)

Störungen der neuronalen Proliferation

Verminderte Proliferation und erhöhte Apoptose Mikrolissenzephalie


Andere Mikrozephalien

Erhöhte Proliferation und verminderte Apoptose Megalenzephalien

Gestörte Proliferation Hemimegalenzephalie


Kortikale Tuber bei tuberöser Sklerose (7 Kap. 3)
Kortikale Dysplasien mit Ballonzellen
Gangliogliome, Gangliozytome, DNET (7 Kap. 3)
5
Störungen der neuronalen Migration Lissenzephalien/bandförmige Heterotopien
Pflastersteinlissenzephalie
Fokale subkortikale und subependymale Heterotopien

Organisationsstörungen des Cortex Polymikrogyrie


Schizenzephalie
Kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen
Mikrodysgenesie

Andere, nicht klassifizierbare Störungen z.B. metabolische Störungen, die zu kortikalen Malformationen führen

Bildgebung. Allgemeine Aspekte: Bei den Entwicklungsstö- Epidemiologie und Demographie.


rungen der Hirnrinde kann es sich um sehr subtile Befunde han- Altersverteilung: Beginn der Anfälle in der ersten Lebensdeka-
deln. Daher werden Sequenzen mit einer hohen Auflösung de, gelegentlich schon in den ersten Lebenstagen
(1×1×1 mm) empfohlen. Die Hochfeld-MRT (3 Tesla und mehr) Geschlechtsverteilung: M = F
hat hier eine ihrer Domänen. Idealerweise sollten 3-D-Sequen-
zen zur Anwendung kommen, die multiplanare Rekonstruk- Ätiologie. Störung der neuronalen Proliferation; in ca.2/3 der Fäl-
tionen in allen Raumrichtungen erlauben. le sind es Mutationen im TSC1-Gen (Chromosom 9q34), welches
Die verwendeten MR-Sequenzen sollten sich an dem Grad für das Protein Hamartin kodiert. (Harmatin hat normalerweise
der Myelinisierung orientieren: zusammen mit Tuberin im Rahmen der Cortexentwicklung eine
4 Neugeborene und Säuglinge <10 Monate: Stark T2-ge- Tumorsuppressorfunktion auf die reifenden Neurone.)
wichtete Sequenzen (1,5–3 mm Schichtdicke)
4 Säuglinge/Kleinkinder zwischen 10 und 24 Monaten: Stark Klinik. Abhängig von der Größe und der Lokalisation der Mal-
T1-gewichtete Sequenzen formation. Bei ausgedehnter Läsion evtl. motorische oder senso-
4 Bei Kleinkindern >2 Jahre können die gleichen Protokolle rische Defizite. Nahezu alle Patienten haben fokale Anfälle.
wie beim Erwachsenen verwendet werden
Verlauf und Prognose. Abhängig von der Größe und der Loka-
lisation der Malformation.
5.5.1 Störungen der neuronalen Proliferation
Sonstiges.
Kortikale Harmatome (Tuber) bei tuberöser Histologie:
Sklerose 4 Nachweis abnormaler Zellen im Cortex und in angrenzender
Siehe 7 Kap. 3 weißer Substanz:
5 Große atypische Neuronen
Fokale kortikale Dysplasie mit Ballonzellen 5 Atypische Gliazellen, Ballonzellen, gemischt mit norma-
Synonyme. Transhemisphärische kortikale Dysplasie, Taylor’s len Nerven- und Gliazellen
fokale Dysplasie, »focal transmantle cortical dysplasia«, gelegent- 5 Gestörte Schichtung der Hirnrinde
lich auch als »form fruste« der tuberösen Sklerose bezeichnet Betroffene Areale sind hypomyelinisiert
4 In den betroffenen Cortexregionen ist die Zahl der exitato-
Definition. Bei der fokalen, kortikalen Dysplasie mit Ballonzel- rischen Neuronen erhöht, die Zahl der inhibitorischen Neu-
len handelt es sich um eine »Straße« unreifer Zellen (»Ballonzel- ronen erniedrigt → epileptogener Focus
len«), die sich vom Kortex Richtung Wand der Seitenventrikel 4 Gleicher histologischer Befund wie bei den kortikalen Tubera
(ehemalige germinale Matrixzone) erstreckt. Bei den sog. »Bal- der tuberösen Sklerose → möglicherweise handelt es sich um
lonzellen« handelt es sich mutmaßlich um undifferenzierte neu- eine abortive Form der tuberösen Sklerose → Screening der
ronale Stammzellen, die durch vermehrtes (»balloniertes«) Zyto- Patienten auf tuberöse Sklerose (Hautveränderungen, Nie-
plasma gekennzeichnet sind. ren, Herz; 7 Kap. 3)
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
395 5
Bildgebung. . Abb. 5.12 und . Abb. 5.13
Besonders kleine, fokale Dysplasien können sehr schwierig zu
diagnostizieren sein:
4 Unbedingt hochaufgelöste, dünne, idealerweise 3-D-Sequen-
zen (1×1×1 mm) mit MPR anfertigen!
4 3-Tesla-MRT ist der 1,5-Tesla-MRT überlegen
4 Die Bildgebung sollte möglichst früh (1. Lebensjahr) erfol-
gen, da die fortschreitende Myelinisierung den Nachweis
erschwert.

Lokalisation: Dysplasiestraße, die von der Ventrikelwand (ehe-


malige germinale Matrixzone) bis zum Cortex reicht; am häu-
figsten Frontallappen und Zentralregion
Morphologie:
4 Läsion, die sich trichterförmig von der Mark-Rinden-Grenze
zu Ventrikelwand verjüngt. a
4 Angrenzend an die Dysplasie zeigt sich oft eine unscharfe
Mark-Rinden-Grenze.
4 Wenn ein größeres Areal betroffen ist, zeigt sich eine ab-
normale Gyrierung mit breiten Gyri und tiefen, irregulären
Sulci.

MRT:
4 T1w: Zellstraße kortexisointens
4 T2w: Zellstraße kortexiso- bis gering hyperintens
4 FLAIR: Besonders sensitiv!
5 Im Vergleich zur weißen Substanz deutlich hyperintenser,
im Vergleich zum Cortex oft hyperintense Läsion, die sich
trichterförmig von der Mark-Rinden-Grenze bis zu Vent-
rikelwand verjüngt (. Abb. 5.12)
5 Oft deutlich hyperintenses Signal unmittelbar subkortikal
und hyperintenses Signal im betroffenen Cortexareal
5 Sensitivität kann durch voxelbasierte Auswertung erhöht b

werden . Abb. 5.12a, b Kortikale Dysplasie mit Ballonzellen, die sich trichterför-
4 MRS: NAA/Cr-Ratio signifikant reduziert mig von der Mark-Rinden-Grenze zu Ventrikelwand verjüngt; Metallartefakt
durch Stereotaxiemarker (Pfeil). a, b: FLAIRw
Differenzialdiagnosen. Andere Entwicklungsstörungen der
Hirnrinde, z.B. fokale kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen,
tuberöse Sklerose, Schizenzephalie, Gangliogliom, Ganglio-
zytom, DNET 5.5.2 Störungen der neuronalen Migration

Literatur Spektrum der Lissenzephalien einschließlich


Alvarez-Linera Prado J. 3-Tesla MRI and temporal lobe epilepsy. Semin Ultra- bandförmiger Heterotopien
sound CT MR. 2007;28:451-61.
Definitionen.
Eltze CM, Chong WK, Bhate S, Harding B, Neville BG, Cross JH. Taylor-type focal
cortical dysplasia in infants: some MRI lesions almost disappear with
Lissenzephalie (gr. lissos = glatt): Überbegriff für ein Fehlen
maturation of myelination. Epilepsia. 2005;46:1988-92. oder eine Verminderung der physiologischen Gyrierung des
Focke NK, Symms MR, Burdett JL, Duncan JS. Voxel-based analysis of whole Gehirns. Es handelt sich hierbei um eine ganze Gruppe von Er-
brain FLAIR at 3T detects focal cortical dysplasia. Epilepsia. 2008;49:786- krankungen.
93.
Agyrie (= vollständige Lissenzephalie): Vollständiges Fehlen
Hildebrandt M, Blümcke I. Focal cortical dysplasias: histological findings and
suggestions for classification. Z Epileptol. 2004;17:209–14.
der Gyrierung, die Sylvische Furche lässt sich allerdings oft ab-
Urbach H, Blümcke I, Becker A, Solymosi L Störungen der kortikalen Entwick- grenzen.
lung: Bildgebung und Klassifizierung. Clin Neuroradiol. 2003;13:163–72. Pachygyrie (gr. pachy = dick): Verdickter Cortex mit noch
rudimentärer Gyrierung mit flachen Sulci und breiten groben
Gangliogliome, Gangliozytome, DNET Gyri. Es besteht hier ein glatter Übergang zwischen weißer und
Siehe 7 Kap. 3 grauer Substanz (im Gegensatz zur Polymikrogyrie).
396 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5
a b c

d e f

. Abb. 5.13a–f Kortikale Dysplasie mit Ballonzellen links frontal (Pfeile), die sich trichterförmig von der Mark-Rinden-Grenze zur Ventrikelwand verjüngt
(Pfeilspitzen). a–c, e, f: FLAIRw tra, cor und sag; d: T1w nativ

Formen/Klassifikation.
Einteilung nach assoziierten Fehlbildungen und Ätiologie: . Tab. 5.3 Neuroradiologische Einteilung der Lissenzephalien nach
4 Klassische Lissenzephalie (und Varianten) Schweregraden

4 Subkortikale Bandheterotopie Grad 1 Vollständige Agyrie

Grad 2 Agyrie mit geringer okzipitaler oder frontaler Faltenbildung


Bei den Varianten bestehen zusätzlich extrakortikale Anomalien
(totale oder subtotale Agenesie des Corpus callosum und/oder Grad 3 Agyrie und Pachygyrie
Hypoplasie des Kleinhirns). Grad 4 Diffuse Pachygyrie oder Pachygyrie mit gröberen
oder normalen Sulci
Einteilung nach der Ätiologie:
Grad 5 Pachygyrie und subkortikale Bandheterotopie
4 Lissenzephalie mit Mutationen im LIS1-Gen (isolierte Lis-
Grad 6 Nur subkortikale Bandheterotopie
senzephalie und Miller-Dieker-Syndrom)
4 Lissenzephalien mit Mutationen in den DCX-Genen
4 Lissenzephalien mit Mutationen in den ARX-Genen
4 Lissenzephalien mit RELN- und VLDLR-Mutationen Epidemiologie und Demographie. Häufigkeitsangaben in Lite-
ratur schwanken zwischen 1:20.000 und 1:100.000.
Andere Fehlbildungen:
4 Isolierte Lissenzephalien ohne bekannte Ursache Klinik.
4 Lissenzephalien mit schwerer Mikrozephalie (Mikrolissenze- 4 Schluck- und Essstörungen
phalie) 4 Anomalien des Muskeltonus (früh Hypotonie, später Hyper-
4 Lissenzephalien im Rahmen von Fehlbildungssyndromen tonie der Extremitäten)
4 Pflasterstein-Lissenzephalie 4 Krampfanfälle (v.a. infantile Spasmen), therapierefraktäre
Epilepsie
Zur neuroradiologischen Einteilung der Lissenzephalien nach 4 Schwere psychomotorische Retardierung
Schweregraden siehe . Tab. 5.3. 4 Kinder sind oft vollständig pflegebedürftig
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
397 5
Bildgebung.
Morphologie: Siehe Unterformen
MRT: Bildgebende Methode der Wahl
4 Empfohlene Sequenzen:
5 Dünnschichtige 3-D-T1 gewichtete Sequenz (Auflösung
1×1×1 mm) mit multiplanaren Rekonstruktionen
5 T1-IR bzw. T1-FLAIR (exzellenter Grau-Weiß-Kontrast)
4 FLAIR: Zum evtl. Nachweis von Gliosezonen
4 MRS: NAA im betroffenen Cortex erniedrigt
4 Fetales MRT: Cave: Genaue Kenntnis der physiologischen
Stadien der Hirnentwicklung im Verlauf der Schwangerschaft
zur korrekten Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens von
Pathologien notwendig!

Literatur a
Abdel Razek AA, Kandell AY, Elsorogy LG, Elmongy A, Basett AA. Disorders of
cortical formation: MR imaging features. AJNR Am J Neuroradiol. 2009
Jan;30(1):4-11.
Barkovich AJ, Kuzniecky RI, Jackson GD, Guerrini R, Dobyns WB. A develop-
mental and genetic classification for malformations of cortical develop-
ment. Neurology. 2005;65:1873-87.
Barkovich AJ, Kuzniecky RI, Jackson GD, Guerrini R, Dobyns WB. Classification
system for malformations of cortical development: update 2001. Neurol-
ogy. 2001;57:2168-78.
Ertl-Wagner B, Rummeny C, Reiser MF. Congenital malformations of the cer-
ebral brain. 1: Malformations of the cerebral cortex. Radiologe. 2003;
43:915-24
Spalice A, Parisi P, Nicita F, Pizzardi G, Del Balzo F, Iannetti P. Neuronal migra-
tion disorders: clinical, neuroradiologic and genetics aspects. Acta
Paediatr. 2009;98:421-33.

Internet
http://www.lissenzephalie.de/ b
http://www.orpha.net/
. Abb. 5.14a, b Pachygyrie. a: FLAIRw; b: T1w

Klassische Lissenzephalie (Lissenzephalie Typ I)


Definition. Bei der klassischen Lissenzephalie liegt makrosko-
pisch ein verdickter Cortex (10–20 mm versus normal 2,5–4 mm) Bildgebung.
vor, der sich mikroskopisch mehr oder weniger desorganisiert Lokalisation: Oft parietal und okzipital betont.
und vierschichtig darstellt (im Gegensatz zum normalen sechs- Morphologie:
schichtigen Cortex). 4 Agyrie: Das Gehirn sieht auf transversalen Schichten aus wie
Epidemiologie und Demographie. Unvollständige Lissenze- eine »8« (»Figure-8-Lissencephaly«) oder wie eine Sanduhr
phalien mit Pachygyrie- und Agyriezonen kommen deutlich (»Hour-glass«-Konfiguration); diese Form wird durch die
häufiger vor als komplette Lissenzephalien. Eine Pachygyrie ist meist abgrenzbare Sylvische Fissur hervorgerufen
auch fokal möglich (z.B. durch fokale Schädigung in utero), an- 4 Seitenventrikel meist erweitert, v.a. Hinterhörner
grenzend meist Gliose; epileptogener Fokus.
Differenzialdiagnosen. Pachygyrie (. Abb. 5.14), Cobble-Stone-
Ätiologie. Arrest der neuronalen Migration; gehäuft chromoso- Lissenzephalie
male Aberrationen, v.a. des Chromosoms 17 und des X-Chro-
mosoms. Bandförmige (laminäre) Heterotopien
Synonyme. Subkortikale Bandheterotopie, »Double-Cortex-
Klinik. Entwicklungsverzögerung, mentale Retardierung, spas- Syndrom«.
tische Tetraparese, infantile Spasmen, epileptische Anfälle. Die bandförmigen Heterotopien werden dem Spektrum der
Lissenzephalien zugeordnet.
Sonstiges. Bei Jungen mit X-chromosomaler Lissenzephalie
findet sich bei der Mutter (heterozygote Überträgerin) oft eine Definition. Bei der bandförmigen Heterotopie ist ein Teil der
bandförmige Heterotopie. Nervenzellen bandförmig in der weißen Substanz verblieben,
wodurch der Aspekt eines gedoppelten Cortexbandes entsteht,
das komplett oder partiell ausgebildet sein kann.
398 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

Epidemiologie und Demographie. Pflastersteinlissenzephalie


Geschlechtsverteilung: M > F Synonyme. Cobblestone-Lissencephaly, Lissenzephalie Typ II

Ätiologie. Oft X-chromosomal vererbt → Söhne einer Mutter Definition. Bei der Pflastersteinlissenzephalie handelt es sich
mit Bandheterotopie können X-chromosomale klassische Liss- um eine globale Störung der Gehirnentstehung mit unregel-
enzephalie zeigen. mäßiger (»gepflasterte«) Hirnoberfläche und global desorgani-
sierter, ungeschichteter Hirnrinde.
Klinik. Sehr variabel, von geringfügig bis schwerwiegend.
Vorkommen. Die Plastersteinlissenzephalie kommt fast immer
Bildgebung. . Abb. 5.15 und . Abb. 5.16 im Rahmen folgender Syndrome vor:
5 Morphologie: 4 Walker-Warburg-Syndrom (+ Hydrozephalus und Augen-
4 Bandförmiger Streifen grauer Substanz im Marklager, zwi- fehlbildungen +/- Balken- und Kleinhirnfehlbildungen)
schen Cortex und Seitenventrikel, der unterschiedlich breit 4 Fukuyama-Syndrom (= Fukuyama-Muskeldystrophie + fron-
sein kann (»gedoppeltes Cortexband«) tale Polymikrogyrie, subkortikale Zysten, Myelinisierungs-
4 »Richtiger« Cortex oft normal dick verzögerung)
4 Muscle-Eye-Brain-Disease (+ Augenfehlbildungen)
CT: Streifen grauer Substanz in gleicher Dichte wie Hirnrinde
MRT: Die Streifen grauer Substanz zeigen in allen Wichtungen Ätiologie. Fehlen von Proteinen, u.a. der Gruppe der Laminine,
ein cortexisointenses Signalverhalten. Muskeldystrophie und Übermigration der Neuronen.
4 fMRI: Heterotopes Gewebe zumindest partiell funktionell Heute weiß man, dass diese Erkrankung eigentlich nichts mit
4 DTI: Daten sind widersprüchlich. Während einige Autoren den Lissenzephalien im eigentlichen Sinne zu tun hat, die Be-
eine dem Normalkollektiv sehr ähnliche Konnektivität fan- zeichnung ist historisch bedingt.
den, zeigen andere ein teilweises Fehlen kortiko-kortikaler
Fasern. Bildgebung.
4 MRS: Morphologie: Der Cortex hat eine irregulär und nodulär impo-
5 »Äußerer« Cortex: NAA/Cr-Ratio und Cho/Cr-Ratio nierende Oberfläche (»pflastersteinartiger« Aspekt); Myelinisie-
nicht signifikant verschieden vom Normalkollektiv rungsverzögerung
5 Inneres Cortexband: Cho/Cr-Ratio signifikant höher als
bei Normalkollektiv und als im »äußeren Cortex«; hin- Differenzialdiagnosen. Typ-I-Lissenzephalie
sichtlich NAA/Cr-Ratio zeigten sich keine signifikanten
Unterschiede Literatur
4 VBM: Kann evtl. zur Diagnostik subtiler Fälle mit schmaler, Abdel Razek AA, Kandell AY, Elsorogy LG, Elmongy A, Basett AA. Disorders of
cortical formation: MR imaging features. AJNR Am J Neuroradiol. 2009;
partieller Bandheterotopie hilfreich sein.
30:4-11.

Differenzialdiagnosen. Bei Neugeborenen Myelinisierungs-


störung Fokale subkortikale und subependymale
Heterotopien
Literatur
Definitionen. (gr. hetero: anders; topos: Ort) Bei einer fokalen
Eriksson SH, Symms MR, Rugg-Gunn FJ, Boulby PA, Wheeler-Kingshott CA,
Heterotopie handelt es sich um eine fokale Ansammlung von Neu-
Barker GJ, Duncan JS, Parker GJ. Exploring white matter tracts in band
heterotopia using diffusion tractography. Ann Neurol. 2002;52:327-34. ronen an atypischer Stelle aufgrund einer Migrationsstörung. Die
Huppertz HJ, Wellmer J, Staack AM, Altenmüller DM, Urbach H, Kröll J. Voxel- Neuronen können dabei auf der gesamten radiären Migrations-
based 3D MRI analysis helps to detect subtle forms of subcortical band strecke von der germinalen Matrixzone (periventikulär, subepen-
heterotopia. Epilepsia. 2008;49:772-85. dymal) bis zur Hirnoberfläche (subkortikal) liegen bleiben.
Lee SK, Kim DI, Kim J, Kim DJ, Kim HD, Kim DS, Mori S. Diffusion-tensor MR
imaging and fiber tractography: a new method of describing aberrant
fiber connections in developmental CNS anomalies. Radiographics. Formen.
2005;25:53-65. 4 Subependymale Heterotopie (häufigste Form der fokalen
Munakata M, Haginoya K, Soga T, Yokoyama H, Noguchi R, Nagasaka T, Heterotopien) (. Abb. 5.20, . Abb. 5.21)
Murata T, Higano S, Takahashi S, Iinuma K. Metabolic properties of band 5 Subependymal gelegene Knötchen grauer Substanz
heterotopia differ from those of other cortical dysplasias: a proton mag-
5 Uni- oder bilateral, umschrieben oder diffus angeordnet
netic resonance spectroscopy study. Epilepsia. 2003;44:366-71.
Pinard J, Feydy A, Carlier R, Perez N, Pierot L, Burnod Y. Functional MRI in 4 Fokale subkortikale Heterotopie: Subkortikal gelegene
double cortex: functionality of heterotopia. Neurology. 2000;54:1531-3. Knötchen grauer Substanz (. Abb. 5.17 bis . Abb. 5.19)
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
399 5

a b c

d e f

. Abb. 5.15a–f Bandheterotopie mit bandförmigem Streifen grauer Substanz im Marklager zwischen Cortex und Seitenventrikel (»gedoppeltes Cortex-
band«), am besten in T1 IR (c, e) erkennbar. a: T2w; b: T1w nativ; c, e: T1 IR; d: PDw; f: T1w + KM sag

a b c

. Abb. 5.16a–c Bandheterotopie mit »gedoppeltem Cortexband«. a, b: FLAIRw tra und cor; c: T1w nativ
400 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

Epidemiologie und Demographie. CT:


Prävalenz: Machen autoptisch ca. 17% aller neonatalen ZNS- 4 CT nativ:
Malformationen aus. 5 Nachweis cortexisodenser Knötchen
Altersverteilung: 5 Keine Verkalkungen (extrem selten dysplastische Verkal-
4 Schwere Fälle werden bereits im Kleinkindalter klinisch ma- kungen möglich, aber sehr untypisch)
nifest. 4 CT + KM: Keine KM-Aufnahme
4 Leichte Fälle (z.B. einfache subkortikale Knötchen) können
asymptomatisch bleiben und nur als Zufallsbefund bemerkt MRT:
werden. 4 Empfohlene Sequenzen:
5 Dünnschichtige 3-D-T1 gewichtete Sequenz (Auflösung
5 Ätiologie. Migrationsstörung der Hirnrindenneuronen; ange- 1×1×1 mm) mit multiplanaren Rekonstruktionen
boren oder intrauterin erworben (durch mütterliches Trauma, 5 T1-IR bzw. T1-FLAIR (exzellenter Grau-Weiß-Kontrast)
Infektion oder toxisch). 4 FLAIR: Zum evtl. Nachweis von Gliosezonen
4 T1w:
Klinik. Klinische Präsentation typischerweise mit Anfällen 5 Knötchen cortexisointens
(Erstmanifestation meist 1. bis 2. Lebensjahrzehnt); kognitive 5 In der Regel sehr gut abgrenzbar gegen die umliegende
Einschränkungen; motorische Dysfunktionen; oft mit anderen weiße Substanz
Fehlbildungen assoziiert. 4 T2w:
Das Ausmaß der kognitiven Einschränkungen sowie der 5 Knötchen cortexisointens
Schweregrad und das erstmalige Auftreten der Anfälle sind von 5 Bei subkortikalen Knötchen manchmal Verbindung zum
der Lokalisation und der Menge der heterotopen grauen Subs- benachbarten Cortex oder zum Ventrikel nachweisbar
tanz abhängig. 4 T1+KM: Keine KM-Aufnahme
4 FLAIR: Cortexisointens
Verlauf und Prognose. Die Lebenserwartung hängt vom Aus- 4 DTI: Heterotope graue Substanz scheint höheren Grad an
maß der Malformation ab. Bei umschriebenen Läsionen und Anisotropie als normaler Cortex zu haben
guter medikamentöser Einstellung der Anfälle besteht eine nor- 4 fMRI: Zum Nachweis funktioneller Reorganisation, heteroto-
male Lebenserwartung. pes Gewebe kann funktionell sein
4 MRS: NAA/Cr-Ratio versus Normalkollektiv erniedrigt, so-
Sonstiges. Bei ausgeprägten Heterotopien oft Ausdünnung des wohl im Bereich der Heterotopie, als auch in kontralateraler
angrenzenden Cortexareals und Abflachung der Sulci nachweis- »gesunder« weißer Substanz
bar; subkortikale Heterotopien sind relativ oft mit Balkendys-
genesien assoziiert. Differenzialdiagnosen: Tuberöse Sklerose, fokale kortikale
Dysplasie, Fehlbildungen im Rahmen von Syndromen
Bildgebung. . Abb. 5.17 bis . Abb. 5.21
Lokalisation: Typischerweise subependymal oder subkortikal in Literatur
der weißen Substanz, prinzipiell können die heterotopen Zell- Lee SK, Kim DI, Kim J, Kim DJ, Kim HD, Kim DS, Mori S. Diffusion-tensor MR
imaging and fiber tractography: a new method of describing aberrant
haufen jedoch entlang des gesamten radiären Wegs von der ger-
fiber connections in developmental CNS anomalies. Radiographics.
minalen Matrixzone zum Cortex liegen bleiben 2005;25:53-65.
Morphologie: Villani F, Vitali P, Scaioli V, Rodriguez G, Rosa M, Granata T, Avanzini G, Spreafico
4 In allen Sequenzen cortexisointens R, Angelini L. Subcortical nodular heterotopia: a functional MRI and so-
4 Diffus oder fokal; nodulär matosensory evoked potentials study. Neurol Sci. 2004;25:225-9.
4 Rundlich oder ovalär; die Längsachse ovalärer subependy-
maler Heterotopien verläuft typischerweise parallel zur Vent-
rikelwand
4 Angrenzender Cortex evtl. ausgedünnt
4 Subependymale Heterotopien: Knötchen führen zu Eindel-
lungen der Ventrikelwände (. Abb. 5.20,. Abb. 5.21)
4 Ausgeprägte subkortikale Heterotopien können tumorös im-
ponieren
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
401 5

a b c

. Abb. 5.17a–c Fokale subkortikale Heterotopien links frontal (Pfeile in a). a: T1 FLAIR cor; b: T2w cor; c: T1w nativ

a b c

. Abb. 5.18a–c Kleine fokale Heterotopie im links frontalen Marklager (Pfeile). a: T2w; b: FLAIRw; c: T1 IR cor

a b c

. Abb. 5.19a–c Ausgedehnte subkortikale Heterotopien rechts parietal (Pfeile); zusätzlich liegt hier eine Polymikrogyrie (Pfeilspitzen) vor. a: FLAIRw;
b, c: T1 IR cor
402 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5
a b c

d e

. Abb. 5.20a–e Subependymale Heterotopien (z.B. Pfeile). a, b, e: T1w nativ; c: FLAIRw; d: T1 FLAIRw

a b c

. Abb. 5.21a–c Subependymale Heterotopien (z.B. Pfeile). a, c: FLAIRw tra und sag; b: T1w nativ
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
403 5
5.5.3 Organisationsstörungen des Cortex Bildgebung. . Abb. 5.22 bis . Abb. 5.25
Lokalisation: Variabel, Insel rel. häufig betroffen
Polymikrogyrie Morphologie:
Definition. Bei der Polymikrogyrie (PMG) liegt eine Organisa- 4 Abnormale Gyrierung mit Vielzahl kleiner Gyri mit dazwi-
tionsstörung der Hirnrinde mit übermäßiger Fältelung eines aus- schenliegenden flachen Sulci
gedünnten Cortexbandes mit zu vielen und zu kleinen Gyri vor. 4 In T2w: Zwei typische Erscheinungsbilder in Abhängigkeit
vom Stadium der Myelinisierung (s.u.)
Ätiologie. Organisationsstörung des Cortex; Entstehung in der
17.–25./26. SSW (gegen Ende der neuronalen Migration und zu CT nativ:
Beginn der kortikalen Organisation). 4 Einzelne kleine Gyri oft nicht separat erkennbar, sieht oft aus
wie eine Pachygyrie
Vorkommen. Im Rahmen verschiedener genetischer Syndrome, 4 Evtl. periventrikuläre Verkalkungen, wenn sekundär nach
dann mit typischem Phänotyp (relativ spezifischen klinischen einer CMV-Infektion
Manifestationen und bilateral symmetrischer Polymikrogyrie),
z.B. MRT:
4 Bilaterale perisylvische Polymikrogyrie (BPP) (Xq28) 4 T1w (3-D, 1×1×1 mm): Irreguläre Cortexoberfläche, irregu-
4 Bilaterale parasagittale parietookzipitale PMG läre Darstellung der Rinden-Mark-Grenze
4 Bilateral frontoparietale PMG (16q12.2–21) 4 T2w: Zwei typische Erscheinungsbilder in Abhängigkeit vom
Stadium der Myelinisierung (s.u.):
Eine PMG kann auch nach intrauterinen Infektionen (CMV) 5 Säuglinge <12 Monate: Normal dünner Cortex (3–4 mm),
auftreten. der sanft gewellt erscheint
5 Säuglinge >18 Monate:
Klinik. Abhängig vom Ausmaß und von der Lokalisation des – Verdickter Cortex (5–8 mm)
Polymikrogyrie, ggf. abhängig vom vorliegenden Syndrom: v.a. – »Uneben, holprig« erscheinende Hirnoberfläche
Anfälle, Entwicklungsverzögerung, Hemiparese. – Irreguläre, »holprige« Darstellung der Rinden-Mark-
Grenze
Verlauf und Prognose. Abhängig von Ausmaß und Lokalisation 4 FLAIR: Evtl. fleckige Signalsteigerungen in der angrenzenden
der Polymikrogyrie, ggf. abhängig vom vorliegenden Syndrom. weißen Substanz
4 T1 + KM: Evtl. Darstellung erweiterter, dysplastischer lepto-
Sonstiges. meningealer Venen im Bereich der Polymikrogyrie
Histologiebefund: Cortexband abnorm dünn und abnorm ge- 4 T2*w: Ggf. Nachweis von Verkalkungen
schichtet (vierlagig), übermäßig stark gefältet, z.T. mit Fusion 4 DTI: Nachweis erniedrigter FA-Werte im Bereich der an
nebeneinanderliegender Gyri. den polymikrogyralen Cortex angrenzenden subkortikalen
Obwohl es sich bei der Polymikrogyrie (Organisationsstö- weißen Substanz als Indikator mikrostruktureller Verände-
rung des Cortex) einerseits und der A- bzw. Pachygyrie sowie der rungen (Ektope Neuronen?)
Lissenzephalie (Störungen der neuronalen Migration) anderer- 4 Fetales MRT: Pränatale Diagnostik möglich
seits um Störungen handelt, die verschiedene Stadien der Hirn-
rindenentwicklung betreffen, kommen sie nicht selten parallel Differenzialdiagnosen. Lissenzephalie/Pachygyrie, Hetero-
bei einem Patienten vor (Kontinuum). Die Erklärung hierfür ist, topien
dass die Stadien der Hirnrindenentwicklung nicht von allen Rin-
denneuronen gleichzeitig durchlaufen werden, sondern z.T. zeit- Literatur
versetzt, d.h. manche Zellen haben den Cortex schon erreicht, Brandão-Almeida IL, Hage SR, Oliveira EP, Guimarães CA, Teixeira KC, Abra-
mides DV, Montenegro MA, Santos NF, Cendes F, Lopes-Cendes I,
während andere noch migrieren.
Guerreiro MM. Congenital bilateral perisylvian syndrome: familial occur-
rence, clinical and psycholinguistic aspects correlated with MRI. Neuro-
> Hilfreich bei der bildgebenden Abgrenzung einer fo- pediatrics. 2008;39:139-45.
kalen Pachygyrie versus Polymikrogyrie sind folgende Briggs TA, Wolf NI, D’Arrigo S, Ebinger F, Harting I, Dobyns WB, Livingston JH,
Rice GI, Crooks D, Rowland-Hill CA, Squier W, Stoodley N, Pilz DT, Crow YJ.
Charakteristika:
Band-like intracranial calcification with simplified gyration and poly-
4 Bei einer fokalen Pachygyrie liegt ein glatter Über- microgyria: a distinct «pseudo-TORCH” phenotype. Am J Med Genet A.
gang von grauer zu weißer Substanz vor. 2008;146A:3173-80.
4 Bei einer Polymikrogyrie ist der Übergang von Chang BS, Piao X, Bodell A, Basel-Vanagaite L, Straussberg R, Dobyns WB,
Qasrawi B, Winter RM, Innes AM, Voit T, Grant PE, Barkovich AJ, Walsh CA.
grauer zu weißer Substanz ungleichmäßig konfi-
Bilateral frontoparietal polymicrogyria: clinical and radiological features in
guriert. 10 families with linkage to chromosome 16. Ann Neurol. 2003;53:596-606.
4 Bei der Schizenzephalie (7 Kap. 5.5.3) liegt Takanashi J, Barkovich AJ. The changing MR imaging appearance of poly-
immer auch eine Polymikrogyrie vor. microgyria: a consequence of myelination. AJNR Am J Neuroradiol.
2003;24:788-93.
Trivedi R, Gupta RK, Hasan KM, Hou P, Prasad KN, Narayana PA. Diffusion ten-
sor imaging in polymicrogyria: a report of three cases. Neuroradiology.
2006;48:422-7.
404 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

a b

c d

. Abb. 5.22a–d Polymikrogyrie links mit zu vielen und zu kleinen Gyri (Pfeile). a: T2w; b: FLAIRw; c: T1w + KM; d: T1 IR cor

. Abb. 5.23 Umschriebene Polymikrogyrie angrenzend


an den Sulcus frontalis superior rechts (Pfeile) (T1 IR)
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
405 5

a b c

. Abb. 5.24a–c Ausgedehnte Polymikrogyrie beidseits (Pfeile), die z.T. als Pachygyrie imponiert. a, c: T2w tra und sag; b: T1w nativ

a b c

d e

. Abb. 5.25a–e Bilaterale perisylvische Polymikrogyrie (Pfeile). a, b; FLAIRw tra und cor; c, d: T1 IR tra und cor; e: T1w nativ sag
406 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

Schizenzephalie CT nativ:
Definition. Bei der Schizenzephalie (»gespaltenes Gehirn«) liegt 4 Spalte, die von relativ dichter grauer Substanz begrenzt wird
eine von der Hirnoberfläche zum Ventrikelsystem reichende 4 Evtl. Hydrozephalus
»Spaltbildung« in einer Hemisphäre vor. Die »Wände« der Spalte 4 Ist die Ursache eine intrauterine Infektion evtl. Nachweis von
werden dabei immer auf ihrer gesamten Länge von (dysplasti- Verkalkungen
scher, polymikrogyraler) grauer Substanz ausgekleidet.
MRT:
Formen. 4 T1w (3-D, 1×1×1 mm):
Open-Lip-Schizenzephalie: Es liegt eine offene Spalte vor, d.h. 5 Spalte, die von pachy- bis polymikrogyral erscheinender
es besteht eine offene Verbindung zwischen äußeren und inneren grauer Substanz begrenzt wird
Liquorräumen; die Wände der Spalte berühren sich nicht (. Abb. 5 Weitere Fehlbildungen?
5 4 T1-IR/T1-FLAIR (v.a. koronar): besonders gute Darstellung
5.26 und . Abb. 5.27).
Closed-Lip-Schizenzephalie: Es liegt eine geschlossene Spalte der auskleidenden grauen Substanz
vor, d.h. die Wände der Spalte berühren sich; oft schwieriger zu 4 T2w:
diagnostizieren (. Abb. 5.28 und . Abb. 5.29). 5 Spalte, die von pachy- bis polymikrogyral erscheinender
grauer Substanz begrenzt wird.
Epidemiologie und Demographie. 5 Septum pellucidum? Fornices?
Inzidenz: Genaue Inzidenz unbekannt 5 Weitere Fehlbildungen?
Altersverteilung: Bei oligosymptomatischen Fällen, Diagnose- 5 (Rupturierte) Arachnoideamembran?
stellung in der Regel beim Auftreten von Anfällen 4 FLAIR: Der Nachweis einer Gliose spricht für einen erwor-
Assoziiert mit: Heterotopien, Hypophysenhypoplasie, Hippo- benen Substanzdefekt, nicht für eine Schizenzephalie.
campusmalformationen, Balkenfehlbildungen, usw. 4 CISS/FIESTA: Ggf. zum Nachweis von Membranen und zur
besseren Beurteilung des Septum pellucidums
Ätiologie. Genetisch oder erworben durch fokale, intrauterine 4 T1w + KM: Evtl. Darstellung erweiterter dysplastischer Venen
Schädigung, z.B. Infektion; in ca. 40–50% der Fälle bilateral! angrenzend an die Spalte
4 T2*w: Bei intrauteriner Infektion als Ätiologie evtl. Nachweis
Klinik. Epilepsie, Entwicklungsverzögerung von Verkalkungen
4 Unilaterale Closed-Lip-Schizenzephalie: Häufig relativ oligo- 4 fMRT: Funktionelle Reorganisation der intakten Hemisphäre
symptomatisch beschrieben
4 Unilaterale Open-Lip-Schizenzephalie: Oft Hemiparese 4 Sono/fetales MRT: Pränatale Diagnostik möglich
4 Bilaterale Open-Lip-Schizenzephalie: Meist schwere Symp-
tomatik: Spastik, Hydrozephalus, starke Retardierung NUK:
4 PET: Normaler oder erhöhter Glucosemetabolismus
Verlauf und Prognose. Abhängig von der Form
Differenzialdiagnosen. Späterer, sekundär erworbener Subs-
tanzdefekt, z.B. perinatale Ischämie. DD-Kriterien sind:
Sonstiges. Histologie: Auskleidender Cortex abnormal ge-
4 Schizenzephalie ist immer auf voller Länge von grauer Subs-
schichtet, oft Polymikrogyrie
tanz ausgekleidet!
4 Nachweis von Gliosezonen in FLAIR spricht für später er-
Bildgebung. . Abb. 5.26 bis . Abb. 5.29
worbenen Substanzdefekt.
Lokalisation: Oft in der Insel oder angrenzend an die Zentral-
region. Weitere DDs: Porenzephalie, Hydranenzephalie
Morphologie: Es handelt sich um eine Spalte, die von grauer
Substanz begrenzt wird. Die graue Substanz, die die Wände der Literatur
Spalte auskleidet, erscheint knotig und verdickt (pachy- bzw. Barkovich AJ, Kjos BO. Schizencephaly: correlation of clinical findings with MR
polymikrogyraler Aspekt). Die der Spalte benachbarten Gyri characteristics. AJNR Am J Neuroradiol. 1992;13:85-94.
Hung JH, Shen SH, Guo WY, Chen CY, Chao KC, Yang MJ, Hung CY. Prenatal
wölben sich radiär in die Spalte ein (»diving gyri«). Die Spalte diagnosis of schizencephaly with septo-optic dysplasia by ultrasound and
wird oft von einer Arachnoideamembran überzogen, die aller- magnetic resonance imaging. J Obstet Gynaecol Res. 2008;34:674-9.
dings häufig rupturiert ist. Das Septum pellucidum kann fehlen, Lopes CF, Cendes F, Piovesana AM, Torres F, Lopes-Cendes I, Montenegro MA,
Guerreiro MM. Epileptic features of patients with unilateral and bilateral
dann häufig Fusion der Fornices; evtl. Hydrozephalus. In ca. 50% schizencephaly. J Child Neurol. 2006;21:757-60.
der Fälle treten erweiterte Temporalhörner und Hippocampus- Morioka T, Nishio S, Sasaki M, Yoshida T, Kuwabara Y, Nagamatsu T, Fukui M.
fehlbilungen auf. Functional imaging in schizencephaly using [18F]fluoro-2-deoxy-D-glu-
cose positron emission tomography (FDG-PET) and single photon emis-
4 Open-Lip: Oft fokale Vorwölbung der Kalotte über der Spal- sion computed tomography with technetium-99m-hexamethyl-propyl-
te, vermutlich durch Liquorpulsation verursacht eneamine oxime (HMPAO-SPECT). Neurosurg Rev. 1999;22:99-101.
4 Closed-Lip: Packard AM, Miller VS, Delgado MR. Schizencephaly: correlations of clinical
5 Wände (»Lippen«) berühren sich and radiologic features. Neurology. 1997;48:1427-34.
Vandermeeren Y, De Volder A, Bastings E, Thonnard JL, Duqué J, Grandin C,
5 Ventrikel oft zur Spalte hin ausgezogen Sébire G, Olivier E. Functional relevance of abnormal fMRI activation pat-
tern after unilateral schizencephaly. Neuroreport. 2002;13:1821-4.
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
407 5

a b

c d

. Abb. 5.26a–d Open-Lip-Schizenzephalie rechts und Closed-Lip-Schizenzephalie links (Pfeilspitzen in a). a: T2w; b: FLAIRw;
c, d: T1w nativ tra und cor

a b

. Abb. 5.27a, b Open-Lip-Schizenzephalie links. a: T2w; b: T1w


408 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

a b

. Abb. 5.28a, b Closed-Lip-Schizenzephalie links (Pfeile), Open-Lip-Schizenzephalie rechts (gleicher Fall wie in . Abb. 5.26).
a, b: T1 IR tra und cor

a b c

. Abb. 5.29a–e Closed-Lip-Schizenzephalie


d e
(Pfeile). a: T1 IR cor; b–e: T2w sag
5.5 · Entwicklungsstörungen der Hirnrinde
409 5
Kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen 5 Ggf. Nachweis einer kleinen kortikalen Vertiefung mit
Definition. Hier besteht eine fokale Dysplasie der Hirnrinde, dezenter Erweiterung des angrenzenden Subarachnoidal-
der ätiologisch eine Organisationsstörung des Cortex zugrunde raums
liegt und bei der histopathologisch keine Ballonzellen nachweis- 4 fMRI: Dysplastisches Gewebe kann z.T. funktionell sein, es
bar sind. kann eine funktionelle Reorganisation vorliegen
4 DTI: Zur Beurteilung der Integrität der angrenzenden weißen
Epidemiologie und Demographie. Substanz – bei schwerer Dysplasie aberranter Faserverlauf
Inzidenz: Eine kortikale Dysplasie ist in insgesamt 11–23% der nachweisbar
OP-Präparate nach Epilepsie-OP nachweisbar. 4 MRS: NAA/Cr-Ratio versus Kontrolle vermindert

Ätiologie. Organisationsstörung des Cortex. NUK:


Histologisch: Störung der Schichtung der Hirnrinde (neokorti- 4 FDG-PET: Koregistrierung von FDG-PET und MRT erhöht
kale Architekturstörung), evtl. Nachweis dysplastischer großer Detektionsrate kortikaler Dysplasien bei Patienten mit Epi-
Neuronen im Bereich des betroffenen Cortex und in der angren- lepsie
zenden weißen Substanz (Störung der Zytoarchitektur), keine
Ballonzellen Differenzialdiagnosen. Niedriggradiger Tumor, kortikale Dys-
plasie mit Ballonzellen
Klinik. Anfälle
Literatur
Bildgebung. (. Abb. 5.30 bis . Abb. 5.32) Hildebrandt M, Blümcke I. Focal cortical dysplasias: histological findings and
suggestions for classification. Z Epileptol. 2004;17:209–214.
! Veränderungen können sehr subtil sein → hohe räum- Janszky J, Ebner A, Kruse B, Mertens M, Jokeit H, Seitz RJ, Witte OW, Tuxhorn I,
liche Auflösung, 3-D-Rekonstruktionen hilfreich! Woermann FG. Functional organization of the brain with malformations
of cortical development. Ann Neurol. 2003;53:759-67.
Lokalisation: Prinzipiell überall im Bereich des Cortex, relativ Salamon N, Kung J, Shaw SJ, Koo J, Koh S, Wu JY, Lerner JT, Sankar R, Shields WD,
häufig im anterioren Temporallappen Engel J Jr, Fried I, Miyata H, Yong WH, Vinters HV, Mathern GW. FDG-PET/
MRI coregistration improves detection of cortical dysplasia in patients with
Morphologie: Sehr subtile Veränderungen, z.B.:
epilepsy. Neurology. 2008;71:1594-601.
4 Verdickter Cortex Urbach H, Blümcke I, Becker A, Solymosi L. Störungen der kortikalen Entwick-
4 Kleine kortikale Vertiefung mit konsekutiver dezenter Erwei- lung: Bildgebung und Klassifizierung. Clin Neuroradiol. 2003;13:163–72.
terung des angrenzenden Subarachnoidalraums – als spezi- Vitali P, Minati L, D’ Incerti L, Maccagnano E, Mavilio N, Capello D, Dylgjeri S,
fisches Zeichen beschrieben, in >80% der Fälle nachweisbar Rodriguez G, Franceschetti S, Spreafico R, Villani F. Functional MRI in
malformations of cortical development: activation of dysplastic tissue
4 Verwaschene Mark-Rinden-Grenze
and functional reorganization. J Neuroimaging. 2008;18:296-305.

CT nativ: Wenig sensitiv


MRT:
4 T1w: Signal des betroffenen Cortex weitgehend normal
4 T2w/FLAIRw:
5 Homogen hyperintenses Signal in angrenzender subkor-
tikaler weißer Substanz, das sich zum Ventrikel hin ver-
jüngt (Hypomyelinisierung? Wallersche Degeneration?)

a b c

. Abb. 5.30a–c Kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen im Gyrus frontalis superior links (Pfeile). a, b: FLAIR tra und cor; c: T1 IR
410 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5
a b c

d e

. Abb. 5.31a–e Kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen links frontal (Gyrus frontalis medius; Pfeile in a und c). a, c: FLAIR tra und cor; b: T1w nativ;
d: T1 FLAIR cor; e: T2w cor

a b c

. Abb. 5.32a–c Kleine kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen (Pfeile); zusätzlich differentialdiagnostisch nicht näher einzuordnende Marklagerläsion
posterior davon (Pfeilspitze in a). a, b: FLAIRw; c: T1 FLAIR
5.6 · Vorwiegend das Kleinhirn und die hintere Schädelgrube betreffende Fehlbildungen
411 5
5.6 Vorwiegend das Kleinhirn Klinik. Einteilung in 3 Schweregrade:
und die hintere Schädelgrube 4 Schweregrad 1: Asymptomatisch (15–20%)
betreffende Fehlbildungen 4 Schweregrad 2: Hirnstammkompression
4 Schweregrad 3: Syringohydromyelie
5.6.1 Chiari-Malformationen
Häufige Symptome sind:
Die Erstbeschreibung erfolgte 1891 von H. Chiari. 4 Okzipitale Kopfschmerzen, v.a. beim Pressen oder Husten
4 Paresen der kaudalen Hirnnerven
Literatur 4 Dissoziierte Sensibilitätsstörungen der Extremitäten beim
Chiari H. Über Veränderungen des Kleinhirns infolge von Hydrocephalie des Vorliegen einer Syringohydromyelie
Großhirns. Dtsch. Med. Wochenschr. 1891:17:1172-75.
Therapie. Bei asymptomatischen und oligosymptomatischen
Patienten ist ein konservatives Vorgehen gerechtfertigt. Die Ent-
Internet
wicklung einer Syrinx wird meist auch beim asymptomatischen
http://www.deutsche-syringomyelie.de/
Patienten als OP-Indikation angesehen.
Chiari-I-Malformation Bildgebung. . Abb. 5.33 bis . Abb. 5.35
Definition. Bei der Chiari-I-Malformation handelt es sich um Lokalisation: Hintere Schädelgrube, kraniozervikaler Übergang,
einen Tiefstand der Kleinhirntonsillen um mehr als 5 mm kaudal Halsmark
des Foramen magnum. Morphologie:
4 Zu kleine hintere Schädelgrube
> Physiologischerweise reichen die Kleinhirntonsillen bis
4 Tiefstand der Kleinhirntonsillen mehr als 5–6 mm kaudal
max. 5–6 mm kaudal einer Verbindungslinie zwischen
der Verbindungslinie zwischen Basion und Opisthion
Basion und Opisthion. Bei Kindern ist auch ein etwas
4 »Zapfenform« der Tonsillen, d.h. spitz zulaufend statt abge-
tieferer Stand der Tonsillen physiologisch (ca. 6 mm
rundet, wie normalweise
in der 1. Lebensdekade), im 4. Lebensjahr stehen sie
typischerweise am tiefsten. Konventionelles Röntgen HWS/kraniozervikaler Übergang:
4 Darstellung der knöchernen Fehlbildungen des 4. okzipitalen
Epidemiologie und Demographie. Sklerotoms in >50% der Fälle
Inzidenz: 0,01% der Bevölkerung 4 Verkürzter Clivus
Altersverteilung: 3 Altersgipfel: Kleinkindalter (3 Jahre), Kin- 4 Kraniozervikale Übergangsanomalien
des- und Jugendalter (11 Jahre), Erwachsenenalter (35 Jahre) CT:
Geschlechtsverteilung: M:F = 1,1:3 4 CT nativ (Knochenkernel): Darstellung der knöchernen
Assoziiert mit: Skoliose, Klippel-Feil-Syndrom, Platybasie, Neu- Fehlbildungen der Schädelbasis
rofibromatose Typ 1 (stellen 5% der symptomatischen Chiari-I- 4 CCT nativ: »Volles« Foramen magnum
Fälle dar)
MRT: Immer mit sagittaler T2w über kraniozervikalen Über-
Ätiologie. Genetisch bedingte bzw. familiäre Formen sind mög- gang/HWS: Tonsillentiefstand? Syringomyelie?
lich, z.B. Mutation im LHX-4-Gen. Mutmaßlich verschiedene 4 T1w sagittal:
Entstehungsursachen: 5 Zapfenform der spitz zulaufenden, tiefstehenden Ton-
4 Häufig zu kleine hintere Schädelgrube aufgrund einer knö- sillen
chernen Fehlbildung der Schädelbasis 5 Clivus?
4 Fehlbildungen des kraniozervikalen Übergangs → Fehlbil- 4 T2w sagittal:
dungen des 4. okzipitalen Sklerotoms in >50% der Fälle nach- 5 Tonsillen? Ödem oder Syrinx im zervikalen Myelon?
weisbar 5 »Volle« hintere Schädelgrube
4 Häufig basiläre Invagination/Impression (zu kurzer, abge- 4 Cine-Phasenkontrast-MRT mit Beurteilung des Liquor-
flachter Clivus) → abnorme Position des Foramen magnum flusses:
4 In 8% der Fälle Nachweis von Resten des Atlasvorläufers 5 Verminderter Fluss im Bereich des Foramen magnums,
(Proatlas) vermehrte Beweglichkeit des Hirnstamms
4 Häufig Atlasassimilation 5 Hilfreich zur Unterscheidung zwischen symptomatischem
4 Processus odontoideus des Atlas weist nach dorsal → Kom- und asymptomatischem Tonsillentiefstand: Abnormer
pression der inferioren Medulla oblongata Liquorfluss ist Prädiktor für symptomatischen Tonsillen-
tiefstand
Sekundäre Folgen: Liquorzirkulationsstörung → Syringohydro- 5 Präoperative Einschätzung des Nutzens einer neurochi-
myelie rurgischen Dekompression der HSG: Ein normaler Li-
quorfluss in der HSG stellt ein unabhängiges Risiko für
den Patienten dar, dass er von einer Dekompression nicht
profitiert.
412 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

5
a b c

d e

. Abb. 5.33a–e Chiari-I-Malformation; Tiefstand der Kleinhirntonsillen im Foramen magnum (Sterne); Ödem im Halsmark (Pfeilspitzen). a–c: präoperativer
Befund; d, e: postoperativer Befund; a–e: T2w sag und tra

a b c

. Abb. 5.34a–c Chiari-I-Malformation mit Tiefstand der Kleinhirntonsillen (a, b), Z.n. OP (c). a–c: T2w tra und sag
5.6 · Vorwiegend das Kleinhirn und die hintere Schädelgrube betreffende Fehlbildungen
413 5

a b c

. Abb. 5.35a–c Chiari-I-Malformation mit Tiefstand der Kleinhirntonsillen (Pfeile) und Syrinx im Myelon (Sterne). a, b: T2w sag und tra; c: CISS cor

Differenzialdiagnosen. Erworbener Tonsillentiefstand durch: Assoziiert mit: Supratentoriellen Fehlbildungen (z.B. Balkenage-
4 Herniation bei intrakranieller Raumforderung nesie), Entwicklungsstörungen der Hirnrinde (z.B. subependy-
4 Spontanes Liquorunterdrucksyndrom male Heterotopien, Polymikrogyrie)
4 Idiopathischer Liquorunterdruck z.B. nach Lumbalpunktion
4 Erworbene basiläre Impression Ätiologie. Es bestehen verschiedene Theorien; wahrscheinlich
liegt eine fehlende Expression von Zelladhäsionsmolekülen in
Literatur der frühen embryonalen Entwicklung (Neuralrohr) zugrunde →
Hofkes SK, Iskandar BJ, Turski PA, Gentry LR, McCue JB, Haughton VM. Differ- Störung des Schlusses des posterioren Neuroporus → mangelnde
entiation between symptomatic Chiari I malformation and asympto-
Expansion des IV. Ventrikels → Störung der Entwicklung der hin-
matic tonsilar ectopia by using cerebrospinal fluid flow imaging: initial
estimate of imaging accuracy. Radiology. 2007;245:532-40.
teren Schädelgrube. (Eine regelrechte Ausbildung des Ventrikel-
McGirt MJ, Nimjee SM, Fuchs HE, George TM. Relationship of cine phase-con- systems ist für die korrekte Entwicklung der hinteren Schädel-
trast magnetic resonance imaging with outcome after decompression grube erforderlich.)
for Chiari I malformations. Neurosurgery. 2006;59:140-6. Neuere Studien implizieren, dass auch ein Gendefekt mit
Novegno F, Caldarelli M, Massa A, Chieffo D, Massimi L, Pettorini B, Tamburrini G,
Hochregulation des Proteins Vimentin in den betroffenen Hirn-
Di Rocco C. The natural history of the Chiari Type I anomaly. J Neurosurg
Pediatrics. 2008;2:179-87.
regionen eine Rolle spielt.
Tubbs RS, Wellons JC 3rd, Blount JP, Grabb PA, Oakes W. Inclination of the
odontoid process in the pediatric Chiari I malformation. J Neurosurg. Klinik. Paraparese, Sphinkterdysfunktion, bulbäre Symptomatik.
2003;98:43-9.
Verlauf und Prognose. Nach Operation der Meningomyelozele
Chiari-II-Malformation entwickelt sich oft ein Hydrozephalus. Komplikationen aufgrund
Synonyme. »Klassische« Arnold-Chiari-Malformation Hirnstammkompression und Hydrozephalus.
Sonstiges. Die Meningomyelozele sollte direkt post partum ope-
Definition. Bei der Chiari-II-Malformation handelt es sich um riert werden, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Eine Hirn-
eine komplexe Fehlbildung mit Beteiligung des Rhombencepha- stammkompression stellt ein Narkoserisiko dar.
lons und des Mesoderms der Schädelbasis und der Wirbelsäule, Die Folsäuresubstitution während der Schwangerschaft re-
häufig in Assoziation mit supratentoriellen Fehlbildungen. duziert das Risiko der Entwicklung einer Meningomyelozele.
Es liegt nahezu immer eine Meningomyelozele vor, die inner- Die Diagnosestellung erfolgt heute in der Regel in utero, er-
halb der ersten 48 Stunden operiert werden sollte. höhtes α-Fetoprotein dient zum Screening.

Epidemiologie und Demographie. Bildgebung. . Abb. 5.36 und . Abb. 5.37


Inzidenz: 0,44:1000 Geburten; eine Wiederholungsgefahr be- Lokalisation: Hintere Schädelgrube, Schädelbasis, Wirbelsäule,
steht, wenn 1 Kind betroffen ist in 4–8% der Fälle; eine höhere supratentoriell assoziierte Fehlbildungen → gesamte Neuroachse
Inzidenz besteht in Mexiko. untersuchen
Altersverteilung: Neugeborene
Geschlechtsverteilung: M < F
414 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

Morphologie: Epidemiologie und Demographie. Sehr selten, ca. 1/150 Chiari-


4 Vor allem im sagittalen Bild: Malformationen
5 Tief ansetzendes Tentorium, zu klein ausgebildete hintere Altersverteilung: Neugeborene
Schädelgrube Geschlechtsverteilung: M < F
5 Tiefstand der Kleinhirntonsillen und des Vermis
5 IV. Ventrikel oft schmal und länglich konfiguriert (»straw- Klinik. Spastik, Anfälle, Entwicklungsretardierung
like«), evtl. aber auch balloniert aufgrund der Liquorzir-
kulationsstörung Bildgebung. Diagnose meist in utero mit Sonographie (oder
5 Pons erscheint abgeflacht (da gegen Clivus gedrückt) fetalem MRT) oder bei Geburt.
5 »tectal beaking« = »schnabelartige« Konfiguration der
5 Vierhügelplatte durch Verdrängung Differenzialdiagnosen. Isolierte okzipitale Enzephalozele, okzi-
5 Medulla oblongata auch nach kaudal verlagert → »medul- pitale Enzephalozele im Rahmen anderer Syndrome (z.B. Dandy-
lary kinking« (Knickbildung am Übergang zum Zervikal- Walker-Malformation, Goldenhar-Gorlin-Syndrom, Walker-
mark) Warburg-Syndrom)
5 Fenestrierte, hypoplastische oder fehlende Falx cerebri
4 Vor allem im axialen Bild: Literatur
5 Kleinhirnhemisphären »umarmen« den Hirnstamm Castillo M, Quencer RM, Dominguez R. Chiari III malformation: imaging fea-
tures. AJNR Am J Neuroradiol. 1992;13:107-13.
5 Nahezu immer Hydrozephalus
Häberle J, Hülskamp G, Harms E, Krasemann T. Cervical encephalocele in a
5 Tentoriumsschlitz herzförmig konfiguriert newborn--Chiari III malformation. Case report and review of the litera-
5 Vorwölbung des Cerebellums durch den Tentoriumsschlitz ture. Childs Nerv Syst. 2001;17:373-5.
nach kranial
5 Relativ kaudaler Verlauf der Commisura anterior
5.6.2 Dandy-Walker-Spektrum
CT nativ: Kleine hintere Schädelgrube
Kraniale MRT: Definitionen.
4 T1w/T2w: Darstellung der o.g. morphologischen Charakte- (»Klassische«) Dandy-Walker-Malformation: Bei der Dandy-
ristika Walker-Malformation handelt es sich um eine zystische Erweite-
4 DTI: Reduzierte FA im Balken rung des IV. Ventrikels (die einen Großteil der hinteren Schädel-
4 vMRA: Confluens sinuum und Sinus transversi verlaufen sehr grube einnehmen kann) mit konsekutiv hypoplastischem oder
tief fehlendem Vermis und vergrößerter hinterer Schädelgrube.
Dandy-Walker-Variante: Hier liegen eine zystische Erweiterung
Spinale MRT: des IV. Ventrikels und eine Hypoplasie des Vermis vor, ohne das
4 In fast 100% der Fälle Spina bifida aperta und Meningo- jedoch die hintere Schädelgrube vergrößert ist (Begriff in Litera-
myelozele (lumbal häufiger als zervikal) tur umstritten).
4 Syringohydromyelie (in bis zu 90% der Fälle) Megacisterna magna: Hier liegt eine zystische Erweiterung der
4 Fehlbildungen des Atlas Cisterna magna bei vergrößerter hinterer Schädelgrube, jedoch
4 Diastematomyelie in 5% der Fälle normalen Vermis und IV. Ventrikel vor.

Differenzialdiagnosen. Kongenitaler Hydrozephalus, Chiari-I- Epidemiologie und Demographie.


oder -III-Malformation Altersverteilung: 80% der Dandy-Walker-Malformationen wer-
den im 1. Lebensjahr diagnostiziert.
Literatur Geschlechtsverteilung: M ≤ F
Ertl-Wagner B, Rummeny C, von Voss H, Reiser M. MR imaging in congenital
disorders of the brain. Radiologe. 2005;45:851-65.
Ätiologie. Der Liquorabfluss aus dem IV. Ventrikel ist durch
Herweh C, Akbar M, Wengenroth M, Blatow M, Mair-Walther J, Rehbein N,
Nennig E, Schenk JP, Heiland S, Stippich C. DTI of commissural fibers in
Obstruktion der Foramina Magendi und Luschkae behindert →
patients with Chiari II-malformation. Neuroimage. 2009;44:306-11. Ballonierung des IV. Ventrikels mit Vorwölbung des IV. Ventri-
Miller E, Widjaja E, Blaser S, Dennis M, Raybaud C. The old and the new: kels zwischen die Kleinhirnhemisphären → Verhinderung der
supratentorial MR findings in Chiari II malformation. Childs Nerv Syst. Fusionierung der Kleinhirnhemisphären und der Ausbildung
2008;24:563-75.
des Vermis → veränderte knöcherne Konfiguration der hinteren
Schädelgrube
Chiari-Malformation Typ III
Definition. Intrakranielle Typ-II-Chiari-Malformation + okzi- Klinik. Sehr heterogen, abhängig vom Ausmaß der Vermishypo-
pitale oder hochzervikale Meningoenzephalozele (7 Kap. 5.2) + plasie und von assoziierten Malformationen. In ca. 30–50% der
Hydrozephalus. klassischen Fälle normale Intelligenz.
Zeleninhalt: Meningen, Kleinhirn +/- Hirnstamm, Anteile der
Zisternen, IV. Ventrikel, Teile der venösen Sinus Verlauf und Prognose. Abhängig vom Ausmaß der Vermishy-
poplasie und von assoziierten Malformationen.
5.6 · Vorwiegend das Kleinhirn und die hintere Schädelgrube betreffende Fehlbildungen
415 5

a b c

. Abb. 5.36a–c Chiari-II-Malformation: Komplexe Fehlbildung mit ausgeprägter Syrinx, tief ansetzendem Tentorium, zu klein ausgebildeter hintere Schä-
delgrube, Tiefstand der Kleinhirntonsillen bei balloniertem IV. Ventrikel (Sterne) und abgeflachtem Pons. Z. n. operativer Sanierung einer lumbosakralen
Meningomyelozele unmittelbar nach Geburt; assoziierte supratentorielle Fehlbildungen (Balkenagenesie). a: T2w sag; b: T1w sag; c: PDw

a b c

. Abb. 5.37a–c Chiari-II-Malformation mit ausgeprägter Syrinx, die das gesamte Myelon betrifft, tief ansetzendem Tentorium, zu klein ausgebildeter hin-
tere Schädelgrube und Tiefstand der Kleinhirntonsillen. Der Pons ist stark abgeflacht, der IV. Ventrikel ist in diesem Fall schlitzförmig konfiguriert und kaum
abgrenzbar. a–c: T2w sag und tra

Bildgebung. . Abb. 5.38 bis . Abb. 5.40 5 Confluens sinuum liegt weit kranial
Dünne, sagittale Schichten sind essenziell. 5 Assoziierte Malformationen?
Lokalisation: Hintere Schädelgrube 4 Dandy-Walker-Variante (. Abb. 5.39, . Abb. 5.40):
Morphologie: 5 Aspekt des nach dorsal »offenen« IV. Ventrikels
4 Klassische Dandy-Walker-Malformation (. Abb. 5.38): 5 Hintere Schädelgrube (HSG) nicht vergrößert
5 Zystische Raumforderung in vergrößerter hinterer Schä- 5 Partielle Rotation des Vermis
delgrube, normaler IV. Ventrikel nicht abgrenzbar 4 DD Megacisterna magna (. Abb. 5.41):
5 Hypoplastischer Vermis → Vermisreste sind aufwärts ro- 5 Vermis normal ausgebildet, nicht rotiert
tiert 5 IV. Ventrikel geschlossen
5 Steilstellung des Tentoriums
416 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

a b c

d e

. Abb. 5.38a–f »Klassische« Dandy-Walker-Malformation: zystische Raumforderung in vergrößerter hinterer Schädelgrube mit Steilstellung des Ten-
toriums, der normale IV. Ventrikel ist nicht abgrenzbar, die Reste des hypoplastischen Vermis sind aufwärts rotiert (Stern in d). a–d: T1w tra und cor;
e, f: CISS tra und sag
5.6 · Vorwiegend das Kleinhirn und die hintere Schädelgrube betreffende Fehlbildungen
417 5

a b

. Abb. 5.39a, b Dandy-Walker-Variante mit zystischer Erweiterung des IV. Ventrikels, ohne das jedoch die hintere
Schädelgrube vergrößert ist. a: T2w sag, b: T1w sag

a b c

. Abb. 5.40a–c Dandy-Walker-Variante mit zystischer Erweiterung des IV. Ventrikels und Vermishypoplasie. Die hintere Schädelgrube ist jedoch normal
groß. a: T2w sag; b: T1 IR; c: FLAIRw

a b c

. Abb. 5.41a–c Etwas prominente Cisterna magna als Normvariante mit normal großer HSG, normalem Vermis und normalem IV. Ventrikel, ohne Krank-
heitswert. a: T2w; b, c: FLAIRw tra und cor
418 Kapitel 5 · Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen

Konventionelles Röntgen: Vergrößerte HSG 4 DWI: Manchmal leichte Diffusionsrestriktion des Zystenin-
CT nativ: halts
4 Vergrößerte HSG 4 vMRA: Weit kraniale Lage des Confluens sinuum
4 »torcular-lambdoid inversion«: Confluens sinuum (»Torcular
Herophili«) liegt oberhalb der Lamdanaht Differenzialdiagnosen. Megacisterna magna, Arachnoidalzyste,
kongenitale Vermishypoplasie, isolierter IV. Ventrikel
MRT:
4 T1w (3-D, 1×1×1 mm oder sagittal): Literatur
Adamsbaum C, Moutard ML, André C, Merzoug V, Ferey S, Quéré MP, Lewin F,
5 Darstellung o.g. morphologischer Veränderungen
Fallet-Bianco C. MRI of the fetal posterior fossa. Pediatr Radiol. 2005;
5 Boden des IV. Ventrikels ist nachweisbar 35:124-40.
5 5 Assoziierte Malformationen? Barkovich AJ, Kjos BO, Norman D, Edwards MS. Revised classification of pos-
4 T2w: terior fossa cysts and cystlike malformations based on the results of mul-
5 Darstellung o. g. morphologischer Veränderungen tiplanar MR imaging. AJR Am J Roentgenol. 1989;153:1289-300.
Patel S, Barkovich AJ. Analysis and classification of cerebellar malformations.
5 Assoziierte Malformationen?
AJNR Am J Neuroradiol. 2002;23:1074-87.
4 FLAIR: Evtl. Signalunterschiede zwischen Zysteninhalt und Utsunomiya H, Yamashita S, Takano K, Ueda Y, Fujii A. Midline cystic malforma-
Liquor in basalen Zisternen tions of the brain: imaging diagnosis and classification based on em-
4 CISS/FIESTA: Genauere Darstellung der Zystenwand bryologic analysis. Radiat Med. 2006;24:471-81.
6

Degenerative und metabolisch-toxische


Erkrankungen

6.1 Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen


mit ZNS-Beteiligung – 420

6.2 Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen


mit ZNS-Beteiligung – 433

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_6,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
420 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6.1 Angeborene degenerative Klinik. Klinisches Onset typischerweise zwischen 1. und 3. Le-
und metabolisch-toxische Erkrankungen bensdekade. Charakteristische Befundkonstellation beim Er-
mit ZNS-Beteiligung wachsenen:
4 Wiederholtes Auftreten sog. schlaganfallsähnlicher Episoden
Es existiert eine große Vielzahl verschiedener angeborener dege- vor dem 40. Lebensjahr; Sehstörungen (kortikale Blindheit
nerativer und metabolisch-toxischer Erkrankungen, denen gene- oder Hemianopsie) sind dabei oft erstes fokal neurologisches
tische Mutationen in sehr verschiedenen Stoffwechselsystemen Defizit
zugrunde liegen können und die unterschiedliche funktionelle 4 Muskelbioptischer Nachweis einer mitochondrialen Myopa-
Systeme betreffen können. Überwiegend sind diese Erkran- thie mit Ragged Red Fibers
kungen sehr selten, viele enden schon im Kleinkindesalter letal. 4 Laborchemischer Nachweis einer Laktatazidose
Magnetresonanztomographisch manifestieren sich die Krank-
heitsbilder zerebral oft mit einer Leukodystrophie bzw. einer Weitere Symptome:
Leukenzephalopathie. 4 Migräneartige Kopfschmerzen, Erbrechen
6 Eine detaillierte Darstellung dieser seltenen Erkrankungen 4 Passagere Bewusstseinsstörungen
würde den Rahmen dieses Atlas deutlich sprengen. Es werden 4 Epileptische Anfälle
daher nur einzelne, ausgewählte Krankheitsbilder besprochen. 4 Demenzentwicklung
4 Schwerhörigkeit
4 Kleinwuchs
6.1.1 Mitochondriopathien
Diagnostik. Muskelbiopsie
Definition. Heterogene Gruppe von Erkrankungen, bei der eine
Störung der mitochondrialen Energiegewinnung durch Punkt- Verlauf und Prognose. Progredienter Verlauf
mutationen oder Deletionen in der mitochondrialen DNA vor-
liegt. Diese manifestiert sich durch Symptome in Organen mit Sonstiges. Laktat in Serum und Liquor meist erhöht.
hoher Stoffwechselaktivität (ZNS, Myokard, Skelettmuskel).
Zu den Mitochondriopathien im eigentlichen Sinne zählen Bildgebung. . Abb. 6.1
nur die Erkrankungen, bei denen ein Defekt in der oxidativen Lokalisation:
Phosphorylierung vorliegt. 4 parietookzipital > temporoparietal, Stammganglien
4 kortikal bis subkortikal
Epidemiologie und Demographie. Inzidenz: ca. 6–13/1.000.000/ 4 Läsionen halten sich nicht an Gefäßterritorien.
Jahr.
Altersverteilung: Klinische Manifestation meist in der 1.–2. Le- Morphologie:
bensdekade, jedoch auch im späteren Lebensalter möglich. 4 Ödematöse Schwellung der Hirnrinde, angrenzendes Mark-
Die Mehrzahl der Erkrankungen hat einen maternalen Erb- lager oft ausgespart, enge Sulci
gang (Mitochondrien werden von der Mutter an Kinder weiter- 4 Typisch: »Spreading« (Erscheinen und Verschwinden von
gegeben), aber auch autosomal-dominante und -rezessive Erb- Läsionen, Wiedererscheinen an anderer Stelle)
gänge, sowie ein sporadisches Auftreten sind möglich.
CT nativ: Akut: Ödematöse Schwellung des Cortex
MELAS (Mitochondriale Enzephalomyopathie, MRT:
Laktatazidose und schlaganfallsähnliche Episoden) 4 T1w:
Ätiologie. Verschiedene Mutationen der mitochondrialen DNA. 5 Akut: Ödematös imponierende Gyri
Bei mehr als 80% der Patienten lässt sich eine A > G(mtDNA) 5 Subakut: Girlandenförmig hyperintense Darstellung des
Punktmutation an Position 3243 der mtDNA nachweisen. Cortex (»laminäre Nekrose«)
5 Chronisch: Atrophie des (parietookzipitalen) Cortex und
Pathomechanismus. Nicht vollständig geklärt. der Stammganglien
Den »schlaganfallsähnlichen Episoden« (»Stroke-like epi- 4 T2w/PDw//FLAIR:
sodes«, siehe »Klinik«) liegt mutmaßlich eine neuronale Über- 5 Akut: Hyperintense Darstellung des Cortex und des sub-
erregbarkeit und ein Defekt in der oxidativen Phosphorylierung kortikalen Marklagers, Gyri ödematös »geschwollen«
zugrunde. Die neuronale Übererregbarkeit führt zu einem stei- 5 Chronisch: Multifokale Marklager- und Stammganglien-
genden Energieverbrauch. Als Korrelat der schlaganfallsähn- hyperintensitäten
lichen Episoden findet man ein vasogenes Ödem, eine Hyper- 4 T1w + KM: Akut: Girlandenförmige KM-Aufnahme
perfusion und eine Schädigung der Nervenzellen.
6.1 · Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen
421 6

a b

. Abb. 6.1a–e MELAS. a, d: T2w; b, e: DWI; c: Spektroskopie mit


d e
Laktatpeak (Pfeil)

4 T2*w: Keine Einblutungen Literatur


4 DWI: Abe K, Yoshimura H, Tanaka H, Fujita N, Hikita T, Sakoda S. Comparison of
conventional and diffusion-weighted MRI and proton MR spectroscopy
5 Akut: Oft kräftig hyperintens in B1000, wobei ADC-Wert
in patients with mitochondrial encephalomyopathy, lactic acidosis, and
oft normal oder nur leicht vermindert ist (vasogenes stroke-like events. Neuroradiology. 2004;46:113-7.
Ödem) Finsterer J. MELAS Syndrome as a Differential Diagnosis of Ischemic Stroke.
5 Typisch: Überwiegend kortikale bis subkortikale Diffu- Fortschr Neurol Psychiatr. 2009;77:25-31.
sionsstörungen in wechselnder Lokalisation Iizuka T, Sakai F, Kan S, Suzuki N. Slowly progressive spread of the stroke-like
lesions in MELAS. Neurology. 2003;61:1238-44.
4 PWI: Hyperperfusion
Iizuka T, Sakai F. Pathogenesis of stroke-like episodes in MELAS: analysis of
4 MRA: Unauffällig neurovascular cellular mechanisms. Curr Neurovasc Res. 2005;2:29-45.
4 MRS: meist Laktatpeak (. Abb. 6.1c), dieser invertiert sich bei Ito H, Mori K, Harada M, Minato M, Naito E, Takeuchi M, Kuroda Y, Kagami S.
intermediärem TE von 144 ms Serial brain imaging analysis of stroke-like episodes in MELAS. Brain Dev.
4 DSA: Akut oft Dilatation der kortikalen Arterien, kapillärer 2008;30:483-8.
Sheerin F, Pretorius PM, Briley D, Meagher T. Differential diagnosis of restricted
Blush
diffusion confined to the cerebral cortex. Clin Radiol. 2008;63:1245-53.

NUK:
4 PET: Glucosehypometabolismus Leigh-Syndrom
Erstbeschreibung von Denis Leigh 1951.
Differenzialdiagnosen. Arterielle Ischämie, Status epilepticus,
Enzephalitis, Creutzfeld-Jakob-Erkrankung, MERFF, Morbus Synonyme. Nekrotisierende Enzephalopathie
Leigh
Zur DD von in T2w hyperintensen Stammganglienverände- Epidemiologie und Demographie. Häufigste Mitochondriopa-
rungen siehe 7 Kap. 7.7. thie bei Kindern <6 Jahre (1:32.000).
Altersverteilung: Klinische Präsentation meist im Alter von
2 Jahren, selten in später Kindheit und im Erwachsenenalter
Geschlechtsverteilung: M = F

Ätiologie. Autosomal-rezessiver, X-chromosomaler oder ma-


ternaler Erbgang möglich. Genetisch sehr heterogen, bei der
autosomal-rezessiven Form oft Mutation im SURF1 Gen → Cy-
trochrom-C-Oxidase-Mangel.
422 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Klinik. Sehr variabel. Differenzialdiagnosen. Perinatale Hypoxie, MELAS, Morbus


Säuglings- und Kleinkindalter: Wilson, Wernicke-Enzephalopathie, toxische Enzephalopathie
4 Psychomotorische Retardierung, Gedeihstörung
4 Krampfanfälle, Spastik, Ataxie Literatur
4 Evtl. extrapyramidale Symptome (Dystonie) Lee HF, Tsai CR, Chi CS, Lee HJ, Chen CC. Leigh syndrome: clinical and neuro-
imaging follow-up. Pediatr Neurol. 2009;40:88-93.
4 Evtl. andere Organmanifestationen (z.B. kardial)
Leigh D. Subacute necrotizing encephalomyelopathy in an infant. J Neurol
Neurosurg Psychiatry. 1951;14:216-21.
Jugendliche/Erwachsene: Sijens PE, Smit GP, Rödiger LA, van Spronsen FJ, Oudkerk M, Rodenburg RJ,
4 Fokale Krampfanfälle Lunsing RJ. MR spectroscopy of the brain in Leigh syndrome. Brain Dev.
4 Zentrale Atemstörungen 2008;30:579-83.
4 Sehstörungen und Augenbewegungsstörungen
4 Ataxie MERFF (Myoklonusepilepsie mit Ragged
Red Fibers)
6 Verlauf und Prognose. Oft fulminanter Verlauf mit Tod inner- Bei der MERFF liegt folgende charakteristische Befundkonstel-
halb weniger Monate nach Symptombeginn; späte Form ist lang- lation vor: Myoklonusepilepsie (Myoklonien, fokale und gene-
samer progredient. ralisierte Anfälle), überwiegend mit Nachweis von Ragged Red
Fibers in der Muskelbiopsie.
Sonstiges. Sichere Diagnosestellung nur postmortal oder durch Weitere typische Befunde sind zerebelläre Ataxie, Schwerhö-
Hirnbiopsie möglich. rigkeit, Polyneuropathie, Kleinwuchs, Opticusatrophie, Demen-
zentwicklung, kutane Lipome.
Bildgebung. . Abb. 6.2 Die Krankheit manifestiert sich typischerweise in der 2. bis
Lokalisation: 3. Lebensdekade. Es besteht eine hohe interindividuelle Variabi-
4 Mittelliniennah, Stammganglien (v.a. posteriore Anteile des lität in Bezug auf die Schwere der Erkrankung.
Putamens > Caput nuclei caudati > Globus pallidus), Thala-
mus (v.a. dorsomediale Kerngruppe), Tegmentum, peri- Ätiologie. Verschiedene Punktmutationen im mitochondrialen
aquäduktales Grau, Substantia nigra, Ncl. subthalamicus, Genom. Beschriebene intrazerebrale Befunde:
Medulla oblongata, Kleinhirn (Ncl. dentatus) 4 Bilaterale Nekrosen in Putamen und Ncl. caudatus (DD T2w-
4 Corpora mamillaria typischerweise ausgespart hyperintense Stammganglienläsionen) 7 Kap. 7.7
4 Selten ist die weiße Substanz betroffen, hier können die Läsio- 4 Ischämien
nen auch asymmetrisch sein. 4 Parenchymblutungen (Putamen)
4 Selten ist auch Cortex und Rückenmark betroffen. 4 Zerebrale und zerebelläre Atrophie
4 Hyperintense Marklagerläsionen
Cave: Die gesamte Neuroachse kann betroffen sein, atypische
Präsentationen möglich. Literatur
Morphologie: Huang CC, Wai YY, Chu NS, Liou CW, Pang CY, Shih KD, Wei YH. Mitochondrial
encephalomyopathies: CT and MRI findings and correlations with clinical
4 Bilateral symmetrisch
features. Eur Neurol. 1995;35:199-205.
4 Früh im Krankheitsverlauf: Ödem in betroffenen Arealen; Kato H, Uchigata M, Iijima M, Shimizu S, Nonaka I, Goto Y. Fatal cerebral hem-
bei starker Hirnstammbeteiligung kann sich aufgrund des orrhage in mitochondrial encephalomyopathy. Clinical and pathological
Hirnstammödems ein Hydrozephalus ausbilden data of a case. J Neurol. 2006;253:529-30.
4 Später eher Atrophie
LHON (Hereditäre Leber-Opticus-Neuropathie)
CT: Vor allem junge Männer sind betroffen. Charakteristische Symp-
4 CT nativ: Hypodens, seltener isodens tomatik: Visusminderung, progredient, zunächst unilateral, im
4 CT + KM: Selten KM-Aufnahme Verlauf von Wochen bis Monaten bilateral, schmerzlos; initial
sind die zentralen Gesichtsfelder betroffen.
MRT:
4 T1w: Hypointens; evtl. hyperintense Foci (Einblutungen oder Verlauf. Meist permanente Visusminderung, in 4–40% Partial-
Myelinabbauprodukte) remission, selten weitere neurologische Auffälligkeiten, insbe-
4 T2w/PDw/FLAIRw: sondere Bewegungsstörungen.
5 Läsionen hyperintens
5 Im chronischen Verlauf Signalnormalisierung oder zysti-
sche Umbildung möglich
4 T1w + KM: In der Regel KM-Aufnahme
4 DWI: Akut zeigt sich eine Diffusionsrestriktion
4 MRS: Laktatpeak, Cholinerhöhung, NAA-Erniedrigung
6.1 · Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen
423 6

a b c

d e f

. Abb. 6.2a–f Leigh-Syndrom. Läsionen in Stammganglien (Pfeile) und Mittelhirn (Pfeilspitzen). a, b: PDw; c: DWI; d: T1w; e, f: T1w + KM

Ätiologie. Maternaler Erbmodus mit variabler Expression und Literatur


inkompletter Penetranz. Häufig auch sporadisches Auftreten. Millar WS, Lignelli A, Hirano M. MRI of five patients with mitochondrial neuro-
gastrointestinal encephalomyopathy. AJR Am J Roentgenol. 2004;182:
Mutmaßlich mit einer MS-Form assoziiert, sog. LHON-MS
1537-41.
in wenigen Fällen beschrieben

Diagnostik. MRT der Orbita: Nachweis der Opticusatrophie


6.1.2 Lipidspeicherkrankheiten/Lysosomale
Literatur Erkrankungen
Küker W, Weir A, Quaghebeur G, Palace J.White matter changes in Leber’s
hereditary optic neuropathy: MRI findings. Eur J Neurol. 2007;14:591-3. Metachromatische Leukodystrophie(n)
Definition. Die metachromatischen Leukodystrophien (MLD)
MNGIE (Mitochondriale neurogastrointestinale stellen eine Gruppe degenerativer Erkrankungen dar, bei der es
Enzephalomyopathie) durch ein Fehlen oder ein Mangel an dem Enzym Arylsulfatase A
Befundkonstellation: Viszerale Neuropathie mit gastrointesti- zu einer Anhäufung von Sulfatiden – einer Gruppe von Myelin-
naler Motilitätsstörung und externer Ophthalmoplegie mit Ptosis lipiden – kommt.
und Leukenzephalopathie.
Manifestation meist in der 1. bis 2. Lebensdekade; autoso- Epidemiologie und Demographie. Autosomal rezessiver Erb-
mal-rezessiv (oder selten autosomal-dominant) vererbt gang.
Intrazerebrale Befunde: Vorkommen: 1:40.000 (Navajoindianer: 1:2.500)
4 Symmetrische Leukenzephalopathie Altersverteilung: Von der Form abhängig (s.u.)
4 Lokalisation: Centrum semiovale, Caput nuclei caudati und Geschlechtsverteilung: M = F
Thalami (Putamen seltener betroffen), Splenium des Balkens,
Capsula interna; die U-Fasern sind selten beteiligt Ätiologie. Fehlen oder Mangel des Enzyms Arylsulfatase A →
4 Kleinhirn- und/oder Hirnstammbeteiligung möglich systemische Speicherung von Sulfatiden, v.a. im ZNS, im peri-
pheren Nervensystem und in der Gallenblase; >40 verschiedene
Mutationen sind bekannt.
424 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Formen. 5 Im Verlauf:
4 Spät infantile Form: 1.–2. Lebensjahr (am häufigsten) – Zentrifugale Ausbreitung mit später Beteiligung der
4 Juvenile Form: 5.–10. Lebensjahr U-Fasern
4 Adulte Form – Spät zerebrale Atrophie
– Spät Beteiligung von Corpus callosum, Pyramiden-
Klinik. bahn, Capsula interna
Spät infantile Form: 4 T1w + KM: Einzelfallberichte über KM-Anreicherung der
4 Manifestation zwischen dem 1.–2. Lebensjahr, schon erlernte Hirnnerven
Fähigkeiten gehen verloren (Laufen, Sprechen etc.) 4 DWI: Im peripheren Randbereich: Diffusionsrestriktion (ak-
4 Strabismus, Gangstörungen, Ataxie, Schwäche, muskulärer tive Demyelinisierung)
Hypotonus 4 MRS:
4 Tod meist zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr 5 Cholin, Myo-Inositol erhöht
5 Laktatpeak, Lipidpeak
6 Juvenile Form: 5 NAA erniedrigt
4 Zu Beginn Verminderung der intellektuellen Fähigkeiten,
Nachlassen der schulischen Leistungen Differenzialdiagnosen. Auswahl: Periventrikuläre Leukomala-
4 Spastisches Gangbild, Ataxie, progrediente Spastik, progre- zie, TORCH, Morbus Pelizaeus-Merzbacher, Morbus Krabbe,
diente demenzielle Entwicklung, Krampfanfälle Sneddon-Syndrom
4 Lebenserwartung selten länger als bis zum 20. Lebensjahr
Literatur
Maia AC Jr, da Rocha AJ, da Silva CJ, Rosemberg S. Multiple cranial nerve
Adulte Form:
enhancement: a new MR imaging finding in metachromatic leukodystro-
4 Kann sich klinisch MS-ähnlich präsentieren phy. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:999.
4 In der 3.–5. Lebensdekade Entwicklung einer Demenz Patay Z. Diffusion-weighted MR imaging in leukodystrophies. Eur Radiol.
4 In einigen Fällen Schizophrenie 2005;15:2284-303.
4 Im Verlauf kortikobulbäre, kortikospinale und zerebelläre
Symptome Morbus Krabbe
Synonyme. Globoidzellleukodystrophie
Verlauf und Prognose. Variabel, von klinischer Präsentations- Definition. Es handelt sich um eine autosomal-rezessiv vererbte
form abhängig (s.o.) Lipidspeicherkrankheit aus der Gruppe der Sphingolipidosen,
die zu einer progredienten Leukodystrophie führt.
Sonstiges. Exzessive Ausscheidung von Sulfatiden im Urin
(→ Diagnostik) Epidemiologie und Demographie. Prävalenz: 1:100.000 in
USA und Europa
Bildgebung. . Abb. 6.3 und . Abb. 6.4 Altersverteilung: Meist vor dem 2. Lebensjahr (klassische Form),
Lokalisation: Periventrikuläre weiße Substanz; früh sind die jedoch von Form abhängig, (s.u.)
U-fasern ausgespart, spät im Verlauf zeigt sich eine Beteiligung Geschlechtsverteilung: M = F
der U-Fasern
Morphologie: »Schmetterlingsmuster« mit symmetrischer, kon- Ätiologie. Autosomal-rezessiv vererbte Lipidspeicherkrankheit
fluierender Leukenzephalopathie aus der Gruppe der Sphingolipidosen: Defekt im GALC-Gen
CT: (Chr14 q3.1), das für die Galaktocerebrosidase kodiert → Anhäu-
4 CT nativ: fung von Myelinstoffwechselprodukten (v.a. Galaktocerebrosid,
5 Früh: Hypodense Marklagerläsionen Psychosin) → toxische Wirkung auf Myelin → Leukodystrophie
5 Im Verlauf: Atrophie, Zunahme der Marklagerläsionen
4 CT + KM: Keine KM-Aufnahme Formen.
4 Klassische infantile Form: Häufigste, schwerste Form; Be-
MRT: ginn im 1. Lebensjahr, meist 3.–6. Lebensmonat
4 T1w: 4 Spät infantile-juvenile Formen: Beginn >2. Lebensjahr; ver-
5 Früh: Hypointense Marklagerläsionen schiedene Varianten
5 Im Verlauf: Atrophie, Zunahme der Marklagerläsionen 4 Adulte Form: Beginn >10. Lebensjahr; oft lange unerkannt
4 T2w/PDw/FLAIRw:
5 Früh: Klinik.
– »Schmetterlingsmuster«: Infantile Form:
– Hyperintense Darstellung der periventrikulären Leu- 4 Häufigstes Symptom: extreme Übererregbarkeit (Überemp-
kenzephalopathie, die perivaskuläre weiße Substanz ist findlichkeit gegenüber sensorischen Stimuli)
dabei ausgespart (»Tiger- oder Leopardenmuster«) 4 Fieber, Gedeihstörungen
– U-fasern sind ausgespart (. Abb. 6.3) 4 Opticusatrophie, kortikale Blindheit
6.1 · Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen
425 6

a b c

. Abb. 6.3a–c Metachromatische Leukodystrophie mit symmetrischer, v.a. periventrikulärer, konfluierender Leukenzephalopathie, die die U-Fasern
zunächst ausspart. a, b: T2w; c: T1 IR

a b

. Abb. 6.4a, b Metachromatische Leukodystrophie. a: T2w; b: T1w

Spät infantile-juvenile Formen: CT nativ:


4 Zerebelläre Ataxie, Spastik 4 Symmetrische Hyperdensitäten in Thalamus, Stammgang-
4 Sehstörungen lien, Corona radiata, Kleinhirn schon sehr früh im Verlauf,
4 Demenz, Psychose MRT kann zu dem Zeitpunkt noch unauffällig sein!
4 Tiefes Marklager hypodens
Adulte Form: 4 Später im Verlauf: Punktförmige, symmetrische Verkalkun-
4 Spastische Paraparese, Hemiparese gen der weißen Substanz, Mikrozephalie
4 Zerebelläre Ataxie
4 Intellektuelle Einschränkungen MRT:
4 T1w:
Verlauf und Prognose. 5 Hyperintensitäten in Thalamus, Stammganglien
Klassische infantile Form: Schnell progredient, Tod oft <2. Le- 5 Tiefes Marklager hypointens
bensjahr 5 Spät: Atrophie bis hin zur Mikrozephalie
Spät infantile-juvenile Formen: Langsamer progredient 4 T2w/PDw:
Adulte Form: Heterogen, langsam progredient 5 Hypointensitäten in Thalamus, Stammganglien
5 Leukenzephalopathie im tiefen Marklager, U-Fasern aus-
Bildgebung. gespart
1. Infantile Form (. Abb. 6.5) 4 FLAIR: Ist der T2w in der Läsionsdarstellung überlegen
Lokalisation: Thalamus, Stammganglien, Pyramidenbahn, wei- 4 T1w + KM:
ße Substanz 5 Kontrastmittelaufnehmender Saum zwischen leukenze-
phalopathischem Marklager und intakten U-fasern
5 KM-Aufnahme und Verdickung der Hirnnerven be-
schrieben
426 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6
a b

c d

. Abb. 6.5a–d Morbus Krabbe: Leukenzephalopathie im tiefen Marklager, die U-Fasern sind ausgespart. a, c, d: T2w tra (a) und cor (c und d); b: T1w nativ

4 DWI: Literatur
5 In der betroffenen weißen Substanz ist der ADC-Wert er- Beslow LA, Schwartz ES, Bönnemann CG. Thickening and enhancement of
multiple cranial nerves in conjunction with cystic white matter lesions in
höht
early infantile Krabbe disease. Pediatr Radiol. 2008;38:694-6.
5 DTI: verminderter Grad an Anisotropie Provenzale JM, Escolar M, Kurtzberg J. Quantitative analysis of diffusion
4 MRS: Cho, MI deutlich erhöht tensor imaging data in serial assessment of Krabbe disease. Ann N Y Acad
Sci. 2005;1064:220-9.
2. Spät infantile-juvenile Form Wang C, Melberg A, Weis J, Månsson JE, Raininko R. The earliest MR imaging
and proton MR spectroscopy abnormalities in adult-onset Krabbe dis-
Lokalisation: Keine Beteiligung der Stammganglien und des
ease. Acta Neurol Scand. 2007;116:268-72.
Cerebellums
4 MRS: NAA leicht erniedrigt, Cho und MI erhöht

3. Adulte Form
Lokalisation: Oft Beteiligung des Corpus callosum
MRS: Cho und MI leicht erhöht

Differenzialdiagnosen. Andere Speicherkrankheiten wie z.B.


GM2-Gangliosidose (Morbus Tay-Sachs)
6.1 · Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen
427 6
6.1.3 Peroxisomale Erkrankungen 4 Intermediärzone: Histologisch Inflammation nachweisbar
4 Periphere Zone: Aktive Demyelinisierung
X-chromosomal vererbte Adrenoleukodystrophie
(ALD) Bildgebung. . Abb. 6.6
Epidemiologie und Demographie. Prävalenz: 1:20.000 Männer Lokalisation:
Altersverteilung: Je nach Form (s.u.); typischerweise Jungen 4 Klassische Form: Beginn im Splenium; dann parietookzipi-
zwischen 5–12 Jahren tales Marklager, betont um Trigonum der Seitenventrikel,
Geschlechtsverteilung: Da es sich um einen X-chromosomal posteriorer Schenkel der Capsula interna (Pyramidenbahn),
rezessiver Erbgang handelt, tritt die homozygote (»klassische«) Fornix, Kommissurenfasern, Sehbahn, Hörbahn; Ausspa-
Form nur bei Jungen auf. rung der U-fasern
4 AMN: Vor allem Kleinhirn und Myelon, intrazerebral v.a.
Formen. Pyramidenbahn, kann jedoch auch klassischer Form ähneln
»Klassische« Form: Progrediente Leukodystrophie mit kortika- 4 »Adult ALD«: Eher diffuse oder frontale Leukenzephalopa-
ler Blindheit (Kinder): Jungen im Alter von 5–12 Jahren, ca. thie, weniger posterior betont
35–50%; v.a. in Nordamerika und Frankreich
»Adolescent ALD«: Ähnlich der klassischen Form, nur späterer Morphologie: In der Regel symmetrische, konfluierende Mark-
Beginn (10.–20.Lebensjahr); selten lagerläsionen, zentrifugale Ausbreitung
Zerebrale und spinale Form: Jugendliche CT:
Adrenomyeloneuropathie (AMN): Progrediente spinale Symp- 4 CT nativ: Splenium und posteriores Marklager hypodens;
tome, häufigste Form bei erwachsenen Männern im Alter von evtl. Verkalkungen der betroffenen weißen Substanz
14–60 Jahre (25%), in bis zu 50% der Fälle auch zerebrale Verän- 4 CT + KM: Lineare, kräftige KM-Aufnahme der Intermediär-
derungen zone
»Adult ALD«: Selten, kann sich bei AMN-Patienten nach ca.
10-jährigem Krankheitsverlauf entwickeln. MRT:
Sonstige: 4 T1w: Hypointense Marklagerläsionen
4 Chronische, nicht progrediente spinale Symptome bei 20– 4 T2w/PDw/FLAIRw:
50% der heterozygoten Frauen 5 Klassische Form: Hyperintense Marklagerläsionen
4 Familiärer Morbus Addison ohne neurologische Symptome, 4 T1w + KM: Lineare, kräftige KM-Aufnahme der Intermediär-
unauffällige Bildgebung (Männer) zone; KM-Aufnahme impliziert »Aktivität« bzw. Progress
4 Symptomlose Genträger (unauffällige Bildgebung, ca. 12%) 4 DWI:
5 Zentrum: Hypointens, freie Diffusion
Ätiologie. X-chromosomal rezessiv vererbt. Eine erbliche Dys- 5 Intermediärzone: Hyperintens, Diffusionsrestriktion
funktion der Peroxisomen führt zu einer gestörten β-Oxidation 5 Periphere Zone: Leicht hyperintens (T2-Shine-Through)
langkettiger Fettsäuren. 4 DTI: Erniedrigte FA auch in morphologisch regelrecht er-
scheinender weißer Substanz beschrieben, Daten jedoch
Klinik. Typische Symptome bei klassischer Form sind: etwas widersprüchlich
4 Seh- und Gangstörungen, Ataxie 4 MRS:
4 Verhaltensauffälligkeiten, demenzieller Abbau 5 Klassische Form:
4 Tetraspastik, Pseudobulbärparalyse – NAA-Erniedrigung in regelrecht erscheinender weißer
4 Kortikale Blindheit, Ertaubung Substanz ist ein Zeichen der Progredienz
4 Nebenniereninsuffizienz (bronzefarbene Haut) – Cholin, Myo-Inositol erhöht; Laktatpeak
5 »Adult ALD«: MI/Cr-Ratio korreliert mit Schweregrad der
Insgesamt besteht ein sehr unterschiedlicher klinischer Phäno- Symptome
typ.
NUK:
Verlauf und Prognose. 4 PET: Okzipitaler Hypometabolismus
4 Klassische Form: Schlechte Prognose; vegetativer Status oder
! Bei Manifestation der Erkrankung im höheren Lebens-
Tod innerhalb von ca. 2–5 Jahren.
alter ist ein untypisches Erscheinungsbild möglich,
4 »Adult ALD«: Sehr rasch progredient.
z.B. fehlende KM-Aufnahme, überwiegend frontale
Lokalisation, asymmetrisches Verteilungsmuster.
Sonstiges.
Laborchemisch: Morbus Addison: Serumnatrium und -chlorid
erniedrigt, Serumkalium erhöht Differenzialdiagnosen. Auswahl: Metachromatische Leuko-
Marklagerläsionen bestehen histologisch aus 3 Zonen, die dystrophie, Morbus Alexander, toxische Leukenzephalopathie,
sich zentrifugal ausbreiten: PRES, ADEM
4 Zentrum: Vollständig demyelinisiert, ausgebrannt, inaktiv
(»Burn-out Zone«)
428 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6
a b c

. Abb. 6.6a–c Adrenoleukodystrophie, klassische Form mit Beginn im Splenium des Balkens und Ausbreitung ins parietookzipitale Marklager, betont um
das Trigonum der Seitenventrikel beidseits, mit KM-Aufnahme der Intermediärzone (Pfeile in c). a: FLAIRw; b: T1w nativ; c: T1w + KM

Literatur Formen.
Moser HW, Mahmood A, Raymond GV. X-linked adrenoleukodystrophy. Nat 4 Juvenile Form: Erkrankungsbeginn zwischen 5.–20. Lebens-
Clin Pract Neurol. 2007;3:140-51. jahr
Patay Z. Diffusion-weighted MR imaging in leukodystrophies. Eur Radiol.
4 Adulte Form: Erkrankungsbeginn zwischen 20.–40.Lebens-
2005;15:2284-303.
Sedel F, Tourbah A, Fontaine B, Lubetzki C, Baumann N, Saudubray JM, Lyon- jahr
Caen O. Leukoencephalopathies associated with inborn errors of me-
Klinik.
tabolism in adults. J Inherit Metab Dis. 2008;31:295-307.
4 Juvenile Form: Beginn mit hepatischer und neurologischer
Symptomatik
4 Adulte Form: Zu Beginn neurologisch-psychiatrische Symp-
6.1.4 Andere angeborene degenerative tome
und metabolisch-toxische Erkrankungen
Im Verlauf:
Morbus Wilson 4 Chronische oder akute Hepatopathie
Synonyme. Hepatolentikuläre Degeneration 4 Neurologische Symptome: Dystonie, Ruhe- und Intensions-
tremor, Gangataxie, akinetisch-rigides Syndrom, Pyramiden-
Definition. Bei der hepatolentikulären Degeneration handelt es bahnzeichen, Dysarthrie
sich um eine angeborene, autosomal-rezessiv vererbte Erkran- 4 Neuropsychologische und psychiatrische Symptome: Kogni-
kung des Kupferstoffwechsels. tive Defizite, Depression, Affektlabilität
4 intravasale Hämolyse
Epidemiologie und Demographie. 4 Augensymptomatik: Kayser-Fleischer-Kornealring (nicht
Prävalenz: Heterozygote: 0,5–1/100, Homozygote: 1:30.000, hö- obligat), Katarakt
here Prävalenz in Japan
Verlauf und Prognose.
Altersverteilung: Diagnosestellung meist 2.–3. Lebensdekade,
Juvenile Form: Unbehandelt Verlauf ca. 5–7 Jahre, Tod meist
selten vor dem 6. Lebensjahr und selten nach dem 40. Lebens-
durch akutes Leberversagen oder intravasale Hämolyse
jahr; Beginn der Lebersymptome meist zwischen dem 8. und
Adulte Form: Unbehandelt chronisch progrediente Verläufe über
16. Lebensjahr; Auftreten der neurologischen Symptomatik
10–40 Jahre
meist nach dem >12. Lebensjahr.
Geschlechtsverteilung: M = F, bei Frauen häufiger fulminanter Bildgebung. . Abb. 6.7
Verlauf MRT ist in ca. 50% unauffällig.
Lokalisation:
Ätiologie. Autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung des Kupfer- 4 Putamen (v.a. äußerer Anteil), Thalamus (v.a. ventrale Kern-
stoffwechsels. Defekt im Einbau von Kuper in Coeruloplasmin gruppe), Caput nuclei caudati
und verminderte Kupferausscheidung der Leber → Akkumula- 4 Mittelhirn: v.a. Tegmentum, aber auch Substantia nigra, Nuc-
tion von Kupfer in den Hepatozyten und in extrahepatischen leus ruber und inferiores Tectum
Geweben → Leberzirrhose, sog. Kayser-Fleischer-Kornealring, 4 Pons, Kleinhirn
Degeneration der Stammganglien 4 Pontozerebelläre Bahnen, Pyramidenbahn
4 Evtl. auch Cortex
6.1 · Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen
429 6
Morphologie: Literatur
4 Symmetrische Läsionen Andersen K, Südmeyer M, Saleh A. Cerebral imaging for Wilson disease. Rofo.
2007;179:225-33.
4 »Face-of-the-giant-panda«-Zeichen« (s.u.)
Kim TJ, Kim IO, Kim WS, Cheon JE, Moon SG, Kwon JW, Seo JK, Yeon KM. MR
4 Konzentrisch-laminäre T2w-Hyperintensität im Putamen imaging of the brain in Wilson disease of childhood: findings before and
4 Globale Hirnatrophie after treatment with clinical correlation. AJNR Am J Neuroradiol. 2006;
27:1373-8.
CT: King AD, Walshe JM, Kendall BE et al. Cranial MR imaging in Wilson’s disease.
AJR Am J Roentgenol. 1996;167:1579–84.
4 CT nativ:
Prayer L, Wimberger D, Kramer J et al. Cranial MRI inWilson’s disease. Neuro-
5 Atrophie radiology. 1990;32:211–14.
5 Evtl. hypodenses Signal in Stammganglien und Thalamus Sener RN. Diffusion MR imaging changes associated with Wilson disease.
4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:965–7.

MRT: Morbus Huntington


4 T1w: Meist hypointenses Signal in betroffenen Arealen; bei Erstbeschreibung von George Huntington 1872.
unbehandelten Patienten evtl. hyperintenses Signal in
Stammganglien und Thalami durch paramagnetische Effekte Synonyme. Chorea Huntington, Chorea major (früher »Veits-
von Kupfer tanz«)
4 T2w/PDw:
5 Meist hyperintenses Signal in betroffenen Arealen, selte- Definition. Es handelt sich um eine autosomal-dominant ver-
ner gemischte Signalintensität, bei aggressivem Verlauf erbte Erkrankung mit progredientem, selektivem Neuronenver-
evtl. hypointenses Signal in Stammganglien (Metallabla- lust, betont im Striatum.
gerungen)
5 Typische Befunde: Epidemiologie und Demographie. Prävalenz: 4–8:100.000
– »Face-of-the-giant-panda«-Zeichen « auf axialen Altersverteilung: Erkrankungsbeginn meist zwischen 30. und
Schichten durch das Mesenzephalon (. Abb. 6.7c): Ver- 40. Lebensjahr, bei jedoch großer Streubreite
ursacht durch hyperintenses Signal des Tegmentums Geschlechtsverteilung: M = F
(mit Ausnahme des Ncl. ruber) und hypointenses Si-
gnal der Colliculi superiores Ätiologie. Autosomal-dominanter Erbgang mit vollständiger
– Konzentrisch-laminäre T2w-Hyperintensität im Puta- Penetranz. CAG-Expansion im Huntington-Disease-Gen; Muta-
men, aufgrund der bevorzugten Involvierung der äuße- tion → neuronaler Dysfunktion und Zelltod → selektiver Neu-
ren Anteile des Putamens ronenverlust
4 FLAIR: »Face-of-the-giant-panda«-Zeichen nicht so gut er-
kennbar wie in T2w Formen.
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme Adulte Form: Symptombeginn im Erwachsenenalter
4 DWI: Juvenile Form: Symptombeginn vor dem 20. Lebensjahr
5 Unmittelbar nach Auftreten der klinischen Symptoma-
tik zeigt sich eine Diffusionsrestriktion in den Stamm- Klinik.
ganglien Typische Präsentation:
5 Im Verlauf Anstieg des ADC-Wertes, hypointenses Signal 4 Zunächst vermehrte Reizbarkeit, depressive Stimmung
im B1000-Bild (Zelluntergang, verstärkte Diffusion) 4 Abrupte Bewegungen, die wie Verlegenheitsbewegungen im-
4 MRS: NAA/Cr- und Cho/Cr-Ratio im Globus pallidus er- ponieren, zunächst distal betont, im Verlauf generalisiert
niedrigt 4 Im Verlauf: Dystone Symptome, Bradykinesie
5 Bei Vorliegen eines portosystemischen Shunts: Myo-Ino- 4 Antriebsstörung, Affektstörungen, Denkverlangsamung
sitol/Cr-Ratio erniedrigt
Adulte Form:
NUK: 4 Psychische Störungen mit sozial auffälligem Verhalten, De-
4 PET: Hypometabolismus in Kleinhirn, Stammganglien, Cor- pressivität
tex und Thalamus 4 Choreatische Hyperkinesien: abrupt einsetzende, kurze,
unregelmäßiger Hyperkinesien, die primär distal betont sind
Differenzialdiagnosen. Hepatische Enzephalopathie, Morbus und die im Verlauf nach proximal auch auf Rumpf und Ge-
Leigh, CO-Intoxikation, Creutzfeld-Jakob-Erkrankung, Japa- sicht übergreifen
nische Enzephalitis 4 Dysphagie, Dysarthrie, Hypokinesie
4 Augenbewegungsstörungen
4 Demenz
4 Gewichtsabnahme
430 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6
a b

c d

. Abb. 6.7a–d Morbus Wilson. Hypointenses Signal im Globus pallidus beidseits durch Kupfereinlagerung (a, b, Pfeile). »Face-of-the-giant-panda«-Zeichen
im Mesenzephalon (c, d) mit hyperintensem Signal des Tegmentums, mit Ausnahme des Ncl. ruber, und hypointensem Signal der Colliculi superiores (Pfeil-
spitzen in c). a, c, d: T2w; b: T2*w

Juvenile Form: derhörner der Seitenventrikel für deren charakteristische


4 Hypokinetisch-rigides Syndrom oft mit ausgeprägter Dysto- Form verantwortlich. Durch die Atrophie kommt es zu einer
nie ohne choreatische Hyperkinesien (Westphal-Variante) Abflachung des Caput, die Vorwölbung geht verloren.
4 Kognitiver Abbau 4 Atrophie des Putamens, geringer auch des Globus pallidus
4 Evtl. Myoklonus und Krampfanfälle 4 Generalisierte, oft frontal betonte Hirnvolumenminderung

Verlauf und Prognose. Progredient; Überlebenszeit nach Diag- CT:


nosestellung im Mittel 15–20 Jahre; Tod durch sekundäre Kom- 4 CT nativ: Nachweis der Atrophie und der e-vacuo-Erweite-
plikationen. rung der Vorderhörner
4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Bildgebung. . Abb. 6.8
Lokalisation: MRT:
4 Vor allem Nucleus caudatus, Putamen 4 Ausmessung der Atrophie: auf axialem Schnitt durch die
4 Globus pallidus, Thalamus, Großhirnrinde Stammganglien in Höhe des III. Ventrikels:
4 Substantia nigra, Hirnstamm 5 Interkaudale Distanz (ID): Abstand zwischen den medials-
ten Anteilen beider Caput nuclei caudati
Morphologie: 5 Weite der Vorderhörner (VH): Abstand zwischen den la-
4 Atrophie v.a. des Caput nuclei caudati, dadurch e-vacuo-Er- teralsten Anteilen der beiden Vorderhörner
weiterung der Vorderhörner der Seitenventrikel: Das Caput 5 Abstand zwischen der Tabula interna der Schädelkalotte
ncl. caudati ist durch seine konvexe Vorwölbung in die Vor- beidseits (TI): gemessen auf gleicher Schicht, wie ID
6.1 · Angeborene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen
431 6

a b c

d e

. Abb. 6.8a–e Chorea Huntington mit generalisierter Hirnvolumenminderung. Die Atrophie betrifft betont das Caput nuclei caudati (Pfeile c–e), dadurch
e-vacuo-Erweiterung der Vorderhörner der Seitenventrikel, zusätzlich leichte Signalsteigerung im Putamen (c, d). a–c: FLAIRw; d, e: T2w tra und cor

5 Befunde: NUK:
– ID erhöht, relativ zu VH und TI 4 PET:
– VH/ID-Verhältnis erniedrigt 5 Glucosehypometabolimus in Stammganglien geht der
– ID/TI-Verhältnis erhöht → sensitivster und spezifischs- Atrophie voraus
ter Messwert 5 Evtl. Hypometabolimus im Frontallappen
4 T1w:
– Nachweis der Atrophie Differenzialdiagnosen. Auswahl: Morbus Wilson, Morbus
– In Volumetriemessungen ist das Volumen aller Stamm- Hallervorden-Spatz, Morbus Leigh
ganglienstrukturen vermindert, oft auch schon vor
Symptombeginn Literatur
4 T2w/PDw/FLAIR: Aylward EH. Change in MRI striatal volumes as a biomarker in preclinical
Huntington’s disease. Brain Res Bull. 2007;72:152-8.
– Nachweis der Atrophie
Bohanna I, Georgiou-Karistianis N, Hannan AJ, Egan GF. Magnetic resonance
– Juvenile HD: Hyperintenses Signal in Ncl. caudatus und imaging as an approach towards identifying neuropathological bio-
Putamen (Gliose) markers for Huntington’s disease. Brain Res Rev. 2008;58:209-25.
– Evtl. Signalminderung im Striatum bei Eisenablage- Montoya A, Price BH, Menear M, Lepage M. Brain imaging and cognitive dys-
rung functions in Huntington’s disease. J Psychiatry Neurosci. 2006;31:21-9.
Rosas HD, Salat DH, Lee SY, Zaleta AK, Pappu V, Fischl B, Greve D, Hevelone N,
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Hersch SM. Cerebral cortex and the clinical expression of Huntington’s
4 MRS: disease: complexity and heterogeneity. Brain. 2008;131:1057-68.
5 NAA/Cr-Ratio in Stammganglien vermindert (Neuronen-
verlust)
5 Cho/Cr-Ratio in Stammganglien erhöht
5 Laktaterhöhung im okzipitalen Cortex bei symptoma-
tischen Patienten
432 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Choreoathetotische neuroaxonale Dystrophie


Synonyme. Früher: Hallervorden-Spatz-Erkrankung, Pantothe-
nat-Kinase-assoziierte Neurodegeneration (PKAN); neuer Über-
begriff: Neurodegeneration mit Eisenablagerungen im Gehirn,
(schließt andere Stoffwechselstörungen mit Eisenablagerungen
mit ein).

Definition. Progrediente neurodegenerative Erkrankung, die


durch extrapyramidalmotorische Störungen und Eisenakkumu-
lation im Hirngewebe gekennzeichnet ist.

Epidemiologie und Demographie. Keine gesicherten epidemio-


logischen Daten.
6 Altersverteilung: Abhängig von der Form (s.u.)
Geschlechtsverteilung: M = F a

Ätiologie. Autosomal-rezessiver Erbgang oder sporadisches


Auftreten: PANK2-Mutation → Co-Enzym-A-Mangel → Energie-
und Fettstoffwechselstörung → Bildung freier Radikale → Gewe-
beschädigung.
Stammganglien sind besonders anfällig für oxidativen Stress

Formen.
4 Infantile Form: Beginn im 1. Lebensjahr
4 Spät infantile Form: Beginn zwischen 2.–6. Lebensjahr
4 Juvenile Form: Beginn zwischen 7.–19. Lebensjahr
4 Adulte Form: Beginn zwischen 20.–65. Lebensjahr

Klinik. Weites Symptomspektrum:


4 Kinder und Jugendliche:
5 In 90% der Fälle Beginn mit Gangstörung oder Beindys- b
tonie, in 10% mit psychischen Auffälligkeiten
5 Bewegungsstörung, Muskeltonuserhöhung
5 Retinits pigmentosa, Opticusatrophie
4 Erwachsene: Parkinson-Plus-Syndrom

Verlauf und Prognose. Die klassische Form verläuft schnell


progredient mit Tod im frühen Erwachsenenalter, atypische For-
men langsamer progredient.

Bildgebung. . Abb. 6.9


Lokalisation: Globus pallidus, Substantia nigra
Morphologie:
4 »Eye of the tiger-Sign« (Tigeraugen-Zeichen s.u.)
4 variable Atrophie, zerebellär betont

CT: c
4 CT nativ: Normale Dichte oder hyperdense Foci in Globus
. Abb. 6.9a–c Pantothenat-Kinase-assoziierte Neurodegeneration (PKAN,
pallidus früher Hallervorden-Spatz-Erkrankung) mit »Tigeraugen-Zeichen« im Glo-
4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme bus pallidus (Pfeilspitzen). a, c: T2w tra und cor; b: FLAIRw tra
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
433 6
MRT: Auf die einzelnen Erkrankungen wird in den entsprechenden
4 T1w: Variabel, kann hyperintens sein Unterkapiteln detailliert eingegangen.
4 T2w:
5 »Tigeraugen-Zeichen« (. Abb. 6.9) = bilateral-symmet-
rische, rundliche bis ovaläre, in T2w hyperintense Areale 6.2.1 Thiamin-Mangel-Enzephalopathie
in zentralen bzw. anteromedialen Anteilen des Globus
pallidus, umgeben von hypointensem Signal des restlichen Definition. Nicht entzündliche ZNS-Erkrankung infolge eines
Pallidums Vitamin-B1-(Thiamin-)Mangels, die im Rahmen verschiedener
5 Evtl. hypointense Darstellung der Substantia nigra Grunderkrankungen mit unzureichender Vitamin-B1-Aufnah-
4 FLAIR: »Auge« auch in FLAIR erkennbar me auftreten kann.
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
4 T2*/SWI: Formen.
5 Globus pallidus kräftig hypointens (»blooming«) Akute Formen:
5 Besonders sensitiver Nachweis der Eisenablagerungen → 4 Alkohol bedingte Thiamin-Mangel-Enzephalopathie (Syno-
Verteilungsmuster erlaubt DD zu anderen Stoffwechsel- nym: Wernicke-Enzephalopathie: WE)
störungen mit Eisenablagerungen 4 Nicht alkoholbedingte Thiamin-Mangel-Enzephalopathie
4 MRS: NAA-Minderung in Globus pallidus
Chronische Form: (Wernicke-)Korsakow-Syndrom
Differenzialdiagnosen. DD hypointenses Pallidum in T2: »Pal-
lidusspitzenkalk«, d. h. Verkalkungen im Pallidum; andere Stoff- Akute Form
wechselstörungen mit Eisenablagerungen Epidemiologie und Demographie. Prävalenz in Autopsiestu-
dien 1–2%, ca. 80% davon sind Alkoholiker.
Literatur Altersverteilung: Kann in allen Altersstufen, auch bei Kindern
Lechner C, Meisenzahl EM, Uhlemann H, Helber-Böhlen H, Fähndrich E. auftreten.
Hallervorden-Spatz syndrome. Differential diagnosis of early onset
dementia. Nervenarzt. 1999;70:471-5. ! Auftreten auch bei Nichtalkoholikern.
McNeill A, Birchall D, Hayflick SJ, Gregory A, Schenk JF, Zimmerman EA, Shang
H, Miyajima H, Chinnery PF. T2* and FSE MRI distinguishes four subtypes
of neurodegeneration with brain iron accumulation. Neurology. Ätiologie. Ein Vitamin-B1-(Thiamin-)Mangel durch Alkohol,
2008;70:1614-9. Mangel- oder auch Hyperalimentation führt zu einem Glutamat-
Vinod Desai S, Bindu PS, Ravishankar S, Jayakumar PN, Pal PK. Relaxation and
rezeptor-vermittelten intra- und extrazellulären Ödem. Thiamin
susceptibility MRI characteristics in Hallervorden-Spatz syndrome.
J Magn Reson Imaging. 2007;25:715-20.
stellt in seiner aktiver Form (als Thiaminpyrophosphat) ein Co-
enzym im Glucose- und Lipidstoffwechsel dar (Bedarf: 1,4 mg/
Tag). Vitamin-B1-Mangel kommt vor allem bei Alkoholikern vor;
da die Kalorienzufuhr vornehmlich durch Alkohol erfolgt be-
6.2 Erworbene degenerative stehen eine Malresorption sowie ein erhöhter Thiaminbedarf
und metabolisch-toxische Erkrankungen für den Alkoholmetabolismus.
mit ZNS-Beteiligung Iatrogene Auslösung einer WE durch parenterale Gabe kon-
zentrierter Glucoselösung bei Patienten mit Thiaminmangel
Alkoholinduzierte Hirnschädigungen möglich.
Definition. Direkt oder indirekt durch akuten oder chronischen Weitere Risikofaktoren:
Alkoholmissbrauch verursachte, multifaktoriell bedingte Hirn- 4 Chronisches Nierenversagen (Hämodialyse)
schädigung unterschiedlicher Manifestation. 4 Erhöhte Kohlenhydratzufuhr mit erhöhtem Thiaminbedarf,
z.B. bei Patienten auf Intensivstation (. Abb. 6.10)
Manifestationsformen. 4 Mangelernährung, v.a. bei älteren Menschen
4 (Chronische) Alkoholenzephalopathie durch direkte Etha-
nolneurotoxizität (7 Kap. 6.2.2) Klinik. Klassische klinische Trias der akuten WE:
4 Thiamin-Mangel-Enzephalopathie (7 Kap. 6.2.1) 4 Psychosyndrom mit Bewusstseinstrübung und Verwirrtheit
4 Korsakoff-Syndrom (7 Kap. 6.2.1) (in ca. 80%)
4 Hepatische Enzephalopathie (7 Kap. 6.2.4) 4 Ophthalmoplegie bzw. Augenbewegungsstörungen (in
4 Schädel-Hirn-Trauma (7 Kap. 2.5.5) ca. 30%): Nystagmus, Blickparesen, Störungen besonders der
4 Osmotisches Demyelinationssyndrom (7 Kap. 6.2.7) konjugierten Augenbewegungen oder der Abduktion, Ptose
4 Marchiafava-Bignami-Syndrom (7 Kap. 6.2.8) 4 Stand- und Gangataxie, v.a. des Rumpfes (in ca. 30%)
4 Niacin-Mangel (Vitamin-B3-Mangel, Pellagra)
4 Fetales Alkoholsyndrom ! Vollbild der Trias nur in ca. 10% der Fälle.
434 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Verlauf und Prognose. Unbehandelt in bis zu 20% der Fälle letal, 6.2.2 (Chronische) Alkoholenzephalopathie
in ca. 85% der Fälle Entwicklung eines Korsakoff-Syndroms. durch direkte Ethanolneurotoxizität

Sonstiges. Diagnosestellung erfolgt primär klinisch! Nachweis Definition. Hirnschädigung mutmaßlich durch direkte toxische
laborchemisch in der Regel nicht möglich, da kein beweisender Wirkung des Alkohols auf Nervenzellen und Myelinscheiden.
Test existiert und nur Patienten mit extrem niedrigen Thiamin-
spiegeln laborchemisch erfasst werden. Epidemiologie und Demographie.
Niedrige Verdachtsschwelle wichtig! Altersverteilung: Auftreten v.a. bei älteren Personen, jedoch in
allen Altersgruppen möglich
Bildgebung. . Abb. 6.10 und . Abb. 6.11 Geschlechtsverteilung: Schädigung nur von der Dosis abhän-
Lokalisation: Mediale Thalami (bilateral), Corpora mamillaria, gig, nicht vom Geschlecht
periaquäduktales Grau Ätiologie. Chronischer Alkoholabusus; Pathomechanismus im
Morphologie: Atrophie der Corpora mamillaria Detail unklar:
6 CT: 4 Mutmaßlich direkte toxische Wirkung des Alkohols und
4 CT nativ: Oft normal, evtl. hypodense Darstellung der o.g. seines Abbauprodukts Acetaldehyd auf Nervenzellen und
Areale Myelinscheiden → veränderte neuronale Signaltransmission
4 CT + KM: Evtl. KM-Aufnahme der o.g. Areale 4 Keine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung

MRT: Klinik. Große Bandbreite von leichtgradigen bis hin zu globalen


4 T1w: Evtl. hypointenses Signal der o.g. Areale Defiziten
4 T2w/PDw/FLAIRw: Hyperintensitäten in medialen Thalami 4 Kognitive Defizite (v.a. Frontalhirnfunktionen wie Urteils-
(angrenzend an den III. Ventrikel), Corpora mamillaria, Hy- vermögen, Arbeitsgedächtnis)
pothalamus und Mittelhirn (periaquäduktales Grau) 4 Evtl. Wahnentwicklung, Psychose, Alkoholhalluzinose
4 T1w + KM: KM-Aufnahme der Corpora mamillaria typisch, 4 Auftreten einer Demenz im eigentlichen Sinn ist umstritten
evtl. auch KM-Aufnahme der medialen Thalami und des 4 Gangstörungen, Nystagmus (Kleinhirnsymptome)
periaquäduktalen Graus
4 DWI: Diffusionsrestriktion in den betroffenen Arealen (mut- Verlauf und Prognose. Bei Alkoholabstinenz partielle bis weit-
maßlich aufgrund eines reversiblen zytotoxischen Ödems) gehende klinische Remission über Monate möglich, mit partiel-
4 MRS: Einzelfallberichte: Laktaterhöhung, NAA/Cr-Verhältnis lem Rückgang der bildgebenden Veränderungen
erniedrigt, Cho erniedrigt, Befunde nach Therapie reversibel
Sonstiges. Ethanol stellt einen Risikofaktor für einen ischämi-
! Normales MRT schließt WE nicht aus.
schen Schlaganfall dar, v.a. im Putamen und ACA-Stromgebiet.
NUK:
4 18F-FDG-PET: Hypometabolismus dienzephal, im mesialen Bildgebung. . Abb. 6.13
Temporallappen, im limbischen System und retrosplenial Lokalisation: Großhirnhemisphären, v.a. Frontallappen; Cere-
bellum
Differenzialdiagnosen. Malnutrition, Essstörungen, Hypoxie, Morphologie: Hirnvolumenminderung, frontal und zerebellär
Kohlenmonoxidvergiftung, osmotisches Demyelinisationssyn- (Vermis superior) betont mit weiten kortikalen Furchen und wei-
drom, angeborene Stoffwechselerkrankungen (z.B. Morbus Wil- ten Seitenventrikeln
son, Leigh-Syndrom). CT:
4 CT nativ: Nachweis der Hirnvolumenminderung
Chronische Form: (Wernicke-)Korsakow-Syndrom 4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Klinik. Variabel ausgeprägte, meist schwere ante- und retrograde
Amnesie; Antriebsminderung; Konfabulationen; intelektuelle MRT:
Leistungen verhältnismäßig gut erhalten (. Abb. 6.12) 4 T1w: Nachweis der Hirnvolumenminderung
4 T2w/PDw/FLAIRw: Hirnvolumenminderung; oft unspezi-
Sonstiges. Kann sich selten auch mal subakut ohne vorangegan- fische Marklagerläsionen
gene akute WE manifestieren. 4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
4 MRS: NAA/Cr und Cho/Cr-Ratio in Frontallappen und
Literatur Cerebellum erniedrigt, reversibel
Chu K, Kang DW, Kim HJ et al. Diffusion-weighted imaging abnormalities
in wernicke encephalopathy: reversible cytotoxic edema? Arch Neurol.
NUK:
2002;59:123-7.
Reed LJ et al. FDG-PET findings in Wernicke-Korsakoff syndrome. Cortex.
4 SPECT: Frontal betonte, globale Hypoperfusion
2003;39:1027-45. 4 18F-FDG-PET: Globaler Hypometabolismus
White ML, Zhang Y, Andrew LG et al. MR imaging with diffusion-weighted
imaging in acute and chronic Wernicke encephalopathy. AJNR Am J
Neuroradiol. 2005;26:2306-10.
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
435 6

a b c

. Abb. 6.10a–c Thiamin-Mangel-Enzephalopathie bei intensivpflichtigem Patienten. Bilaterale Signalsteigerungen im medialen Thalamus (Pfeile in a) und im
perimesenzephalen Grau (Pfeil in b) sowie KM-Aufnahme der Corpora mamillaria (Pfeil in c). Die KM-Aufnahme der Dura ist ein sekundärer Effekt nach Liquor-
punktion. a, b: T2w tra; c: T1w + KM cor

a b c

. Abb. 6.11a–c Thiamin-Mangel-Enzephalopathie bei Alkoholabusus. Signalsteigerung und KM-Aufnahme im perimesenzephalen Grau (Pfeile in a und c),
sowie Signalsteigerungen im medialen Thalamus bilateral (Sterne in b). a: T2w; b: FLAIRw; c: T1w + KM

a b c

. Abb. 6.12a–c Chronische Wernicke-Enzephalopathie. Atrophie und KM-Aufnahme der Corpora mammilaria (Pfeile). a: T2w; b, c: T1w + KM tra und sag
436 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

a b c
6
. Abb. 6.13a–c Chronische Alkoholenzephalopathie. Hirnvolumenminderung, betont im Bereich der Kleinhirnhemisphären und des Vermis superior mit
weiten Furchen (Pfeile in b und c) sowie unspezifische Marklagerläsionen (a). a, b: T2w tra und sag; c: T1w nativ

Differenzialdiagnosen. Andere Hirnerkrankungen mit de- Ätiologie.


menziellem Abbau und Atrophie: Grunderkrankungen:
4 Morbus Alzheimer 4 Meist Leberzirrhose (oder andere chronische Lebererkran-
4 Chronische hypertensive Enzephalopathie (7 Kap. 2.3.1, »vas- kungen mit portosystemischen Shunts)
kuläre Demenz«) (auch Koinzidenz möglich!) 4 Akutes Leberversagen (z.B. durch akute Hepatitis oder In-
toxikation mit z.B. Knollenblätterpilztoxin)
Sekundäre Alkoholfolgekrankheiten:
4 Thiaminmangel-Enzephalopathie Bei chronischen Lebererkrankungen mit latenter hepatischer
4 Hepatische Enzephalopathie Enzephalopathie evtl. Exazerbation durch verschiedene Fak-
toren, z.B.:
Sonstige DDS: 4 Medikamente
Schädel-Hirn-Trauma, (paralleler) Medikamentenabusus, hypo- 4 Störungen des Säure-Basen-Haushalts
xische Episode, hypoglykämische Episode, angeborene Klein- 4 Gastrointestinale Blutungen
hirnatrophiesyndrome (z.B. Marie-Ataxie, OPCD) 4 Infektionen
4 Erhöhte Eiweißzufuhr

6.2.3 Vitamin-B12-Mangel Die hepatische Enzephalopathie entsteht dabei durch ein Zusam-
menspiel von:
Synonyme. Funikuläre Myelose, Cobolaminmangel 4 Endogenen Toxinen, die von der geschädigten Leber nicht
Zerebrale, supraspinale Manifestation: Selten; gelegentlich De- mehr adäquat entgiftet werden können (z.B. Ammonium →
myelinisierungsherde (N. opticus, Chiasma opticus und Mark- Ammoniak)
lager); wegen konsekutiver Hyperhomozysteinämie mutmaßlich 4 Veränderungen der physiologischen Neurotransmitterkon-
Risikofaktor für zerebrale Ischämien. zentration (von z.B. GABA und Serotonin)
Hauptmanifestation des Vitamin-B12-Mangels ist die funiku- 4 Veränderungen der Rezeptoren der Transmitter
läre Myelose (= Degeneration v.a. der Hinterstränge).
Klinik. Leitsymptome: Vigilanzstörung, hirnorganisches Psy-
chosyndrom, Asterixis (»Flapping-Tremor«)
6.2.4 Hepatische Enzephalopathie (HE) Die Klinik ist stadienabhängig: Unterschieden werden Sta-
dium 0 (arterieller Ammoniakspiegel <150 μg/dl, psychischer
Synonym. Hepatogene Enzephalopathie Befund normal, kein »Flapping«-Tremor) bis Stadium 4 (arte-
rieller Ammoniakspiegel >300 μg/dl, Patient komatös).
Definition. Akute, reversible globale Hirnfunktionsstörung auf
dem Boden einer Lebererkrankung. Verlauf und Prognose.
Akute HE: Steigerung des intrakraniellen Drucks bei generali-
Epidemiologie und Demographie. Kommt bei mehr als 50% siertem Ödem mit Gefahr des letalen Ausgangs.
aller Patienten mit Leberzirrhose vor. Bei chronischer Lebererkrankung: Besserung der HE unter
Altersverteilung: Vorkommen in allen Altersstufen Therapie der Grunderkrankung.
Geschlechtsverteilung: Keine Geschlechtspräferenz
Assoziiert mit: Parkinsonoider Symptomatik Bildgebung. . Abb. 6.14
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
437 6

a b c

d e f

. Abb. 6.14a–f Hepatische Enzephalopathie. Bilateral symmetrische Signalsteigerungen im Globus pallidus und im Mesencephalon in T1w (a–c), relativ
hypointenses Signal in T2w in diesen Regionen (d–f). a–c: T1w nativ; d–f: T2w

Lokalisation: Stammganglien, v.a. Globus pallidus 4 Fast FLAIR: Signalsteigerung der weißen Substanz im Verlauf
CT: der Pyramidenbahn
4 CT nativ: 4 T1w + KM: Kein pathologisches Enhancement
5 Akute HE: Ausgeprägtes, diffuses Hirnödem 4 DWI: Akute HE: Diffusionsrestriktion im Cortex
5 Chronische HE: Hirnatrophie; keine Dichteverände- 4 MRS:
rungen der Stammganglien 5 Myo-Inositolpeak erniedrigt, Cholin erniedrigt, Gluta-
4 CT + KM: Kein pathologisches Enhancement min/Glutamat-Verhältnis erhöht
5 Erhöhung der Glutaminkonzentration korreliert bei Pa-
MRT: tienten mit chronischer Lebererkrankung direkt mit dem
4 T1w: Schweregrad der HE
5 Bilateral symmetrisch, hyperintenses Signal in den Stamm- 5 Myo-Inositol/Cr-Verhältnis erniedrigt (sensitivster Indi-
ganglien, v.a. Globus pallidus, wahrscheinlich durch Man- kator für HE)
ganakkumulation hervorgerufen 4 MTR:
5 Signalanhebungen in Hypophyse, Hypothalamus und im 5 In Globus pallidum, aber auch in Regionen, die in T1 nor-
Mesencephalon um den Ncl. ruber males Signal haben (Putamen, Thalamus, Corona radiata)
5 Hirnatrophie, v.a. zerebellär erniedrigt
5 Bei akuter HE: verwaschene Mark-Rinden-Grenze 5 Unter Therapie persistiert Stammgangliensignalerhöhung
4 T2w/PDw: ca. 3–6 Monate länger als klinische Zeichen und als Ver-
– akute HE: hohe Signalintensität in weiten Teilen des änderungen in der MRS!
Kortex, ausgenommen perirolandischer und okzipitaler
Cortex NUK:
– Nucleus dentatus: hyperintens 4 13NH3-PET: Erhöhter zerebraler Ammoniakmetabolismus
– periventrikuläre weiße Substanz hyperintens
438 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Differenzialdiagnosen. 4 40–50% CO: Kreislaufkollaps, Koma, Krämpfe, Tachypnoe


Morbus Wilson; 4 50–70% CO: Koma, Atemdepression, Bradykardie, Hypo-
DD bei hyperintenser Darstellung der Stammganglien in T1w: tonie, Cheyne-Stokes-Atmung
4 Vollständig parenterale Ernährung 4 70–80% CO: Atemstillstand, Tod
4 Hyperglykämie
4 Stammganglienverkalkungen bei endokrinen Erkrankun- Verlauf und Prognose. Es gibt 2 Outcomekategorien:
gen: 4 Unauffällig oder Mild Cognitive Impairment (MRT regel-
5 Hyper- oder Hypoparathyreoidismus recht)
5 Pseudohypoparathyreoidismus 4 Tod oder schwere Beeinträchtigung bei diffuser Hirnschädi-
5 Hypothyreoidismus gung
5 Morbus Fahr (idiopathische Stammganglienverkalkungen)
4 Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie Bildgebung. . Abb. 6.15
4 Kohlenmonoxidvergiftung Lokalisation:
6 4 Langerhanszell-Histiozytose 4 Häufigste Manifestation: Globus pallidus (GP), bilateral, ven-
4 Neurofibromatose Typ 1 tral betont
4 Zweithäufigste Manifestation: Weiße Substanz der Hemis-
DD bei symmetrischer Signalsteigerung der Pyramidenbahn: phären
ALS 4 Seltener: Putamen, Nucleus caudatus, Thalamus, Substantia
nigra, Corpus callosum, Fornix, Hippocampus
Literatur
Rovira A, Alonso J, Córdoba J. MR imaging findings in hepatic encephalo- Morphologie:
pathy. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:1612-21.
4 Typisch: Bilaterale, ovaläre Läsionen in den ventralen An-
Tarasów E, Panasiuk A, Siergiejczyk L, Orzechowska-Bobkiewicz A, Lewszuk A,
Walecki J, Prokopowicz D. MR and 1H MR spectroscopy of the brain in
teilen des Globus pallidus
patients with liver cirrhosis and early stages of hepatic encephalopathy. 4 Läsionen symmetrisch
Hepatogastroenterology. 2003;50:2149-53.
CT:
4 CT nativ:
6.2.5 Kohlenmonoxidintoxikation 5 Symmetrische Hypodensitäten im Globus pallidus beid-
seits
Definition. Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie auf dem 5 Diffuse, symmetrische Marklagerläsionen, betont im
Boden einer Kohlenmonoxidvergiftung. Centrum semiovale
4 CT + KM: KM-Aufnahme der Läsionen im Globus pallidus
Epidemiologie und Demographie. In Europa und USA häu- beschrieben
figste Ursache für akzidentielle Intoxikationen. Tritt vor allem
nach Rauchvergiftung und Brandverletzungen auf. MRT:
Inzidenz: 4 T1w:
4 Jährlich in USA ca. 600 akzidentielle CO-Vergiftungen regis- 5 Läsionen im GP können sich hypointens oder hyperin-
triert tens darstellen
4 ca. 5–10-mal mehr in suizidaler Absicht 5 Hypointenses Signal wahrscheinlich aufgrund von nekro-
4 Deutschland: ca. 1500–2000 Fälle insgesamt jährlich, wobei tischen Veränderungen
man von einer relativ hohen Dunkelziffer ausgeht. 5 Hyperintenses Signal mutmaßlich durch Met-Hb bei Hä-
morrhagien bedingt
Ätiologie. Kohlenmonoxid ist ein geruch- und farbloses Gas, 4 T2w:
das als Nebenprodukt bei der unvollständigen Verbrennung koh- 5 Bilaterale Hyperintensitäten im anterioren Globus palli-
lenstoffhaltiger Treibstoffe und Substanzen entsteht. dus, umgeben von hypointensem Randsaum
5 Evtl. auch Signalveränderungen in Nucleus caudatus und
Klinik. Symptome eine CO-Intoxikation sind von CO-Konzent- Putamen
ration abhängig: 5 Marklagerläsionen hyperintens
4 5–10% CO: Abnahme der psychomotorischen Geschicklich- 5 Selten auch kortikale Hyperintensitäten (v.a. Temporal-
keit und physischen Belastungstoleranz lappen)
4 10–20% CO: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Hallu- 4 PDw: Intermediäres Signal in GP
zinationen 4 FLAIR: Siehe T2w; evtl. zusätzlich zu T2w periventrikuläre
4 20–30% CO: Erbrechen, klopfende Kopfschmerzen, Ge- Marklagersignalsteigerungen nachweisbar
sichtsfeldeinengung, Einschränkung des Urteilsvermögens, 4 T1w + KM: KM-Aufnahme der Läsionen im GP beschrieben
pektanginöse Beschwerden
4 30–40% CO: Verwirrtheit, Bewusstseinsverlust, Kurzatmig-
keit, Herzrasen
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
439 6
6.2.6 Drogenmissbrauch

Definition. Durch Drogenmissbrauch (v.a. Kokain, Heroin,


Amphetamin) induzierte zerebrale und zerebrovaskuläre Schä-
digungen. Manifestation bzw. Art der Schädigung von Substanz
und Applikationsform abhängig (s.u.).
Wichtige Substanzen:
4 Kokain
4 Amphetamin, 3,4-Methylendioxymetamphetamin (MDMA
= »Ecstasy«)
4 Heroin

Drogeninduzierte Schlaganfälle
Manifestationsformen.
a 4 Ischämische Schlaganfälle (Kokain, Heroin, Amphetamine)
(. Abb. 6.16); Vaskulitis (Amphetamine, Kokain)
4 Hämorrhagischer Schlaganfall (v.a. Kokain, Amphetamine):
ICB, SAB, IVB
4 Mykotische Aneurysmen (v.a. Amphetamine) (. Abb. 6.17),
7 Kap. 4.2.3
4 Marklagerläsionen bei Kokainsüchtigen ohne zerebrovasku-
läre Symptome häufiger als in der Normalbevölkerung
4 Bilaterale Nekrosen des Globus pallidus (MDMA → lang-
dauernder Vasospasmus)

Epidemiologie und Demographie. 4% aller Schlaganfälle tre-


ten bei Personen unter 45 Jahren auf. Bis zu 30% aller Schlag-
anfälle bei Patienten zwischen 15 und 44 Jahren sind drogen-
induziert
Altersverteilung: Bis zu 90% der drogeninduzierten Schlag-
b anfälle treten in der 4. oder 5. Lebendekade auf. Relatives Le-
. Abb. 6.15a, b Zustand nach Kohlenmonoxidintoxikation. Bilaterale, ovaläre
benszeitrisiko für einen drogeninduzierten Schlaganfall bei Ab-
Nekrosen in den ventralen Anteilen des Globus pallidus beidseits. a: T2w; hängigen: 6,5
b: T1w nativ Geschlechtsverteilung: M = F

Ätiologie. Abhängig von der Substanz:


4 DWI: Stadienabhängig: 4 Kokain und Amphetamine:
5 Akut: 5 Führen zu einer systemischen und zerebrovaskulären Va-
– Diffuse, symmetrische Diffusionsrestriktionen in der sokonstriktion und auch zu einer Vaskulitis der zerebralen
subkortikalen weißen Substanz (zytotoxisches Ödem); Gefäße
zu diesem akuten Zeitpunkt FLAIR hier oft normal 5 Systemische Vasokonstriktion → akute arterielle Hyper-
– DWI-Veränderungen sind bis einige Wochen nach Ex- tonie → Gefahr des hämorrhagischen Schlaganfalls
position nachweisbar, werden dabei auch in T2w po- 5 Zerebrovaskuläre Vasokonstriktion oder Vaskulitis →
sitiv ischämischer Schlaganfall
5 Chronisch: Langsamer Anstieg des ADC-Wertes 4 Kokain: Zusätzlich Schlaganfälle durch:
5 Ausbildung von Thromben aufgrund einer vermehrten
NUK: Thrombozytenaggregation
4 SPECT: Zerebrale Hypoperfusion 5 Kardioembolien
4 MDMA: Untergang serotonerger Neuronen
Differenzialdiagnosen. Mikroangiopathische Läsionen, Mor-
bus Wilson, Creutzfeld-Jakob-Erkrankung, Japanische Enze-
phalitis, Morbus Leigh

Literatur
Lo CP, Chen SY, Lee KW, Chen WL, Chen CY, Hsueh CJ, Huang GS. Brain injury
after acute carbon monoxide poisoning: early and late complications.
AJR Am J Roentgenol. 2007;189:205-11.
440 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

4 Heroin:
5 Selten Vaskulitis (wahrscheinlich immunvermittelt, durch
Verunreinigungen)
5 Nephropathie → schwere arterielle Hypertonie → Risiko
hämorrhagischer Infarkte
5 i.v. Drogenabusus: → Endokarditis → zerebrale Embolien
→ ischämische Infarkte, hämorrhagische Infarkte, myko-
tische Aneurysmen, Abszesse
5 Sepsis → Abszesse
4 Kokain-HCL: In 80% der Fälle hämorrhagische Schlaganfälle
versus 20% ischämische Schlaganfälle
4 Kokainalkaloid: 50% hämorrhagische, 50% ischämische
Schlaganfälle
6 4 Amphetamine machen bevorzugt hämorrhagische Schlag-
anfälle
a

Sonstiges. Das Zeitintervall zwischen Einnahme der Droge und


Stroke kann bis zu 1 Woche betragen, das Risiko ist jedoch inner-
halb der ersten 6 Stunden nach Einnahme am höchsten.

Klinik. Typische Anamnese: Junger Erwachsener mit ischämi-


schem Schlaganfall in engem zeitlichen Zusammenhang zu Dro-
geneinnahme

Bildgebung.
Drogeninduzierter ischämischer Schlaganfall (7 Kap. 2.1)
Drogeninduzierter hämorrhagischer Schlaganfall (7 Kap. 2.5)
Drogeninduzierte Vaskulitis (7 Kap. 2.4)
Besonderheiten des drogeninduzierten ischämischen Schlag-
anfalls:
4 Lokalisation: Vor allem MCA-Territorium
4 Heroin und MDMA: Lokalisation v.a. im Globus pallidus b
4 Kokain: Lokalisation Hemisphären, Thalamus, Hirnstamm, . Abb. 6.16a, b Drogeninduzierter frischer Schlaganfall im lateralen
Kleinhirn, Retina. Auch bei Kokainsüchtigen ohne zerebro- Thalamus rechts (Pfeil in a). a: T2w; b: DWI, B 1000
vaskuläre Symptome sind häufiger als in der Normalbe-
völkerung Marklagerläsionen nachweisbar.
Klinik. Es sind 3 klinische Stadien beschrieben:
Differenzialdiagnosen. 4 Stadium 1: Überwiegend Kleinhirnsymptomatik
DD Ischämischer Schlaganfall anderer Genese (7 Kap. 2.1) 4 Stadium 2: Zusätzlich extrapyramidale Symptome
DD Hämorrhagischer Schlaganfall anderer Genese (7 Kap. 2.5) 4 Stadium 3: Akinetischer oder hypotoner Mutismus
DD Vaskulitis anderer Genese (7 Kap. 2.4)
Therapie. Coenzym-Q-Applikation
Drogeninduzierte, spongiforme
Leukenzephalopathie Bildgebung. . Abb. 6.18
Epidemiologie und Demographie. Selten; seit Anfang der 1980er Lokalisation: Marklagerveränderungen, oft im parietalen und
Jahre bekannt. Unbehandelt beträgt die Mortalität ca. 23%. okzipitalen Marklager, Kleinhirn, hinterer Schenkel der Capsula
interna
Ätiologie. »Chasing the dragon« = Inhalative Aufnahme von
> Die Kleinhirnbeteiligung ist ein wichtiges differenzial-
Heroin: Heroinpulver wird auf Aluminiumfolie auf 200–300°C
diagnostisches Merkmal.
erhitzt, der heiße Dampf wird inhaliert. Das ist eine sehr effektive
Methode mit raschem Wirkungseintritt. Morphologie: Symmetrische flächige Leukenzephalopathie
Ausbildung zytoplasmatischer Vakuolen in den Myelinschei- CT:
den, Nervenzelluntergang und Gliose → spongiforme Leukenze- 4 CT nativ: Marklagerveränderungen hypodens
phalopathie. 4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
441 6

a b c

. Abb. 6.17a–c Mykotisches Aneurysma (Pfeil in b und c) und alte lakunäre Ischämien (Pfeilspitzen in a und b) bei Drogenabusus. a, b: T2w; c: CE-MRA,
Basisbild

MRT: Hagan IG, Burney K. Radiology of recreational drug abuse. Radiographics.


4 T1w: Marklagerveränderungen hypointens 2007;27:919-40.
Keogh CF, Andrews GT, Spacey SD, Forkheim KE, Graeb DA. Neuroimaging
4 T2/PD/FLAIRw:
features of heroin inhalation toxicity: »chasing the dragon«. AJR Am J
5 Marklagerveränderungen hyperintens Roentgenol. 2003;180:847-50.
5 Subkortikale weiße Substanz und Nucleus dentatus aus-
gespart
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme der leukenze-
phalopathischen Läsionen 6.2.7 Osmotisches Demyelinisationssyndrom
4 DWI:
5 Akut: Diffusionsrestriktion mit ADC-Minderung Synonyme. Pontine oder extrapontine Myelinolyse (Bezeich-
5 Subakut: Stark hyperintense Darstellung der Marklager- nungen veraltet)
veränderungen, bei jedoch erhöhtem ADC-Wert, d.h. T2-
Shine-Through-Effekt Definition. Es handelt sich um akut auftretende Demyelinisie-
4 MRS: rungen, die durch schnelle Verschiebungen der Serumosmolali-
5 Laktaterhöhung, NAA-Erniedrigung in weißer Substanz, tät hervorgerufen werden.
NAA/Cr-Ratio erniedrigt (v.a. bei klinisch schwer betrof-
fenen Fällen), Myo-Inositol erhöht Epidemiologie und Demographie. Prävalenz in Autopsien von
5 Cholin normal, kein Lipid → kein Anhalt für Demyelini- Alkoholabhängigen: 1–10%
sierung Altersverteilung: Am häufigsten im mittleren Lebensalter, kann
5 Im Cerebellum in schweren Fällen deutliche Erhöhung jedoch in jedem Alter auftreten.
der Lac/Cr-Ratio beschrieben Geschlechtsverteilung: M > F
5 Im Gegensatz dazu wird bei Patienten mit intravenösem Assoziiert mit: Chronischem Alkoholabusus
Heroinabusus eine Erniedrigung des NAA-Peaks um ca.
7% in der grauen Substanz, nicht jedoch in der weißen Ätiologie. Der Pathomechanismus ist im Einzelnen nicht be-
Substanz beobachtet kannt.
4 Myelinolyse: Unterscheidet sich von einer Demyelinisierung
Differenzialdiagnosen. PML, andere metabolische Leukenze- bei z.B. MS und ADEM.
phalopathien, hypoxische Hirnschädigung, PRES 4 Änderungen der Serumosmolarität → Schädigung der Endo-
thelzellen → Akkumulation von natriumreicher, hypertoner
Flüssigkeit im Extrazellularraum → Toxinfreisetzung → Zell-
Literatur
schädigung.
Bartlett E, Mikulis DJ. Chasing »chasing the dragon« with MRI: leukoence-
phalopathy in drug abuse. Br J Radiol. 2005;78:997-1004.
4 Fibrae pontis transversae pontis sind am häufigsten be-
Bartzokis G, Goldstein IB, Hance DB, Beckson M, Shapiro D, Lu PH, Edwards N, troffen.
Mintz J, Bridge P. The incidence of T2-weighted MR imaging signal ab- 4 Oligodendrozyten sind sehr anfällig für osmotischen
normalities in the brain of cocaine-dependent patients is age-related Stress.
and region-specific. AJNR Am J Neuroradiol. 1999;20:1628-35.
de Win MM, Jager G, Booij J, Reneman L, Schilt T, Lavini C, Olabarriaga SD, den
Heeten GJ, van den Brink W. Sustained effects of ecstasy on the human
brain: a prospective neuroimaging study in novel users. Brain. 2008;
131:2936-45.
442 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6 a b c

d e f

. Abb. 6.18a–f Drogeninduzierte Leukenzephalopathie mit symmetrischen, flächigen Marklagerveränderungen mit Diffusionsrestriktion (a–c) und Mit-
beteiligung des zerebellären Marklagers (Stern in c und f). a, c: DWI, B1000; b: ADC-Map; d–f: T2w

> Das osmotische Demyelinisationssydrom wird häufig Verlauf und Prognose. Beim Vorliegen von Co-Morbiditäten
durch einen zu raschen Ausgleich einer Hyponatriämie (s.u.) schlechtere Prognose.
ausgelöst, der chronische Alkoholabusus steht aber an Outcome variabel:
erster Stelle der begünstigenden Faktoren, die Elektro- 4 Komplette Remission
lytentgleisungen erst an zweiter Stelle, d.h. es kann 4 Geringe Residuen (z.B. kognitive Einschränkungen)
durchaus auch bei Patienten mit normalen Serumnatri- 4 Schwere Verläufe bis zu spastischer Tetraparese, »Locked-
umspiegel auftreten. in«-Syndrom, Koma, Tod

Andere Ursachen sind Ketoazidose, Hyperglykämie, Hypokaliä- Sonstiges. Krankheiten bzw. Faktoren, die zu einer Exazerba-
mie, Azotämie. tion prädisponieren, sind:
4 Chronische Erkrankungen, Lebererkrankungen, paraneo-
Klinik. Symptome treten oft Tage (bis manchmal Wochen) nach plastisches Syndrom, Nierenerkrankungen
dem Ausgleich einer Hyponatriämie auf. Klassischerweise bi- 4 Hypophysenfunktionsstörungen
phasischer klinischer Verlauf mit initialer Besserung und sekun- 4 Alkoholmissbrauch
därer Verschlechterung der Symptomatik: 4 Fehlernährung, Erbrechen
4 Krampfanfälle 4 Verbrennungen
4 Desorientiertheit, Bewusstseinsstörungen 4 Transplantationen
4 Pontine Myelinolyse: Pseudobulbärparese, Dysphagie, Dys-
arthrie Bildgebung. . Abb. 6.19
4 Extrapontine Myelinolyse: Bewegungsstörungen Cave: Initiale Bildgebung kann unauffällig sein, ggf. wiederho-
len!
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
443 6

a b c

d e f

. Abb. 6.19a–f Osmotisches Demyelinisationssyndrom mit typisch konfigurierter Signalsteigerung im Pons. a, c: T2w; b: PDw; d: FLAIRw; e: DWI, B1000;
f: ADC-Map, der ADC-Wert hat sich in diesem Fall schon wieder annähernd normalisiert

Lokalisation: CT:
4 In ca. 50% der Fälle: Pons (= »pontine Myelinolyse«) 4 CT nativ: Betroffene Areale stellen sich hypodens dar
4 In ca. 50% extrapontine Manifestationen (= »extrapontine 4 CT + KM:
Myelinolyse«): Stammganglien, weiße Substanz der Hemis- 5 Typischerweise kein Enhancement
phären, Kleinhirn, selten: Hippocampus, Cortex, Thalamus 5 Bei schwerer, akuter Demyelinisierung KM-Anreicherung
(Corpora geniculata laterale) möglich
4 In ca. 2/5 der Fälle isoliert extrapontine Manifestationen
MRT: Cave: Konventionelle T1/T2w oft lange normal, Verände-
Morphologie: rungen treten häufig erst mit Latenz auf!
4 Typischer Befund bei der pontinen Myelinolyse: Konfluie- 4 T1w:
rende, hyperintense Veränderungen im zentralen Pons, die 5 Akut: Läsionen leicht bis mäßig hypointens, seltener iso-
die Peripherie und die kortikospinalen Bahnen aussparen, intens
diese sind oft rundlich oder triangulär konfiguriert (»trident- 5 Verlauf: Läsionen meist reversibel, selten nach 1–4 Mo-
shaped«, schmetterlingsförmig) naten hyperintenses Signal der Läsionen (bedingt durch
4 Pontine und extrapontine Manifestationen sind meist sym- Koagulationsnekrosen)
metrisch 4 T2/PD/FLAIRw:
4 In der Regel nicht raumfordernd 5 Akut: Läsionen hyperintens; im Pons sind Peripherie und
Pyramidenbahnen ausgespart!
5 Oft auch vollständig reversibel
444 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

4 T2*w: Selten Nachweis kleiner Einblutungen


4 T1w + KM: In der Regel keine Kontrastmittelanreicherung
der Läsionen
4 DWI:
5 Akut (ca. innerhalb der ersten 2 Wochen): Diffusionsres-
triktion; Wichtig: Geht der T2w-Veränderungen deut-
lich voraus → zur Frühdiagnose innerhalb der ersten
24 h geeignet!
5 Später: Immer noch hyperintens in B1000, aber ADC
normal bis leicht erhöht → T2-Shine-Through
4 MRS: Einzelfallberichte: Erhöhte Cho/Cr-Ratio und normale
NAA/Cr-Ratio beschrieben

6 NUK:
4 PET: Früh: Hypermetabolimus beschrieben
a

Differenzialdiagnosen. Basilaristhrombose, Ponsterritorialin-


farkt, Mikroangioapthie im Pons, MS, ADEM, Ponsgliom, Me-
tastase; andere metabolische Erkrankungen: Morbus Wilson,
Leigh-Syndrom, PRES

Literatur
Cramer SC, Stegbauer KC, Schneider A et al. Decreased diffusion in central
pontine myelinolysis. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1476-9.
Koci TM, Chiang F, Chow P et al. Thalamic extrapontine lesions in central
pontine myelinolysis. AJNR Am J Neuroradiol. 1990;11:1229-33.
Lampl C, Yazdi K. Central pontine myelinolysis. Eur Neurol. 2002;47:3-10.
Martin RJ.Central pontine and extrapontine myelinolysis: the osmotic de-
myelination syndromes J Neurol Neurosurg Psychiatry.2004;75,Suppl 3:
iii22-iii28
Nomoto N, Arasaki K, Tamaki M. Central pontine myelinolysis in chronic alco-
holism demonstrated by magnetic resonance imaging and spectroscopy.
Eur Neurol. 2004;51:179-80.
Ruzek KA, Campeau NG, Miller GM. Early diagnosis of central pontine mye- b
linolysis with diffusion-weighted imaging. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;
25:210-3. . Abb. 6.20a, b Akutes Machiafava-Bignami-Syndrom mit Diffusionsrestrik-
tion und Signalsteigerung im Splenium des Balkens. a: DWI, B1000; b: T2w

6.2.8 Marchiafava-Bignami-Syndrom
Verlauf und Prognose. Sehr variabel: Akute und chronische
Definition. Als Marchiafava-Bignami-Syndrom bezeichnet Verläufe, letaler Ausgang sowie auch Remissionen möglich.
man eine Demyelinisierung des Balkens, die typischerweise bei
schweren Alkoholikern auftritt. Bildgebung. . Abb. 6.20
Von manchen Autoren wird das Marchiafava-Bignami-Syn- Lokalisation:
drom als Variante der extrapontinen Myelinolyse angesehen. 4 Akute Form: Vor allem Genu und Splenium des Balkens
4 Subakute, chronische Form: Vor allem Corpus des Balkens
Ätiologie. Unbekannt; sehr häufig, jedoch nicht immer mit 4 Extrakallosale symmetrische Läsionen möglich: zentrale An-
chronischem Alkoholismus assoziiert. Nutritiver Faktor? Zu- teile der vorderen und hinteren Kommissuren, Brachium
sammenhang mit Elektrolytstörungen? pontis, seltener Hinterstränge, obere Kleinhirnstiele, Cent-
rum semiovale
Klinik. Sehr variabel: 4 Cerebellum, Corona radiata und Capsula interna sind typi-
4 Frontalhirnsyndrom, progrediente demenzielle Entwicklung scherweise ausgespart
4 Stand- und Gangstörungen, Anfälle, Inkontinenz
4 Symptomatische Psychosen, Dysarthrie, Tetraparese Morphologie:
4 Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma 4 Akute Form: Schwellung des Balkens
4 Subakute, chronische Form: Atrophie
Im Gegensatz zur Wernicke-Enzephalopathie sind Augenbewe-
gungsstörungen hier nicht typisch.
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
445 6
CT nativ: Läsion hypodens Man sollte daher diesen Begriff bei der Befundung nicht
MRT: überstrapazieren, um den Patienten durch die Verwendung des
4 T1w: Hypointens, gut in sagittalen Aufnahmen zu sehen Begriffs »Morbus« nicht unnötig »krank zu machen« (evtl. besser
4 T2/PD/FLAIRw: Hyperintens von flächigen Verkalkungen reden und deren Lokalisation und
4 T1w + KM: Oft keine KM-Aufnahme, bei der akuten Form Ausprägung benennen). Auf keinen Fall sollte man beim Vorlie-
aber möglich gen kleiner, umschriebener, bilateraler Verkalkungen im ventra-
4 T2*w: Einblutungen und Hämsoiderinablagerungen in man- len Globus pallidus (»Pallidusspitzenkalk«) von einem Morbus
chen Fällen beschrieben Fahr sprechen, da es sich hierbei in der Regel um eine harmlose
4 DWI: Akute Form: Diffusionsrestriktion Normvariante handelt.
Anderseits ist jedoch bei inzidentellem Nachweis darüber-
Differenzialdiagnosen. Wernicke Enzephalopathie, Diffusions- hinausgehender, symmetrischer (Stammganglien-)Verkalkun-
störung im Splenium anderer Ursache (siehe Exkurs) gen bei Patienten <50 Jahre eine weiterführende Diagnostik (z.B.
endokrinologische Diagnostik) zu empfehlen.
Literatur
Heinrich A, Runge U, Khaw AV. Clinicoradiologic subtypes of Marchiafava- Formen.
Bignami disease. J Neurol. 2004;251:1050-9. 4 Idiopathische, sporadische Form
Kohler CG, Ances BM, Coleman AR, Ragland JD, Lazarev M, Gur RC. Marchia-
4 Familiäre Formen (autosomal dominant oder rezessiv ver-
fava-Bignami disease: literature review and case report. Neuropsychiatry
Neuropsychol Behav Neurol. 2000;13:67-76. erbt)

Epidemiologie und Demographie. Prävalenz: selten


DD Spleniumläsionen (Auswahl) Altersverteilung: Beginn der klinischen Symptomatik typischer-
4 Ischämie weise zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr.
4 MS
Geschlechtsverteilung: M = F
4 Diffuser axonaler Schaden
4 Marchiafava-Bignami-Syndrom
4 Gliom, Gliomatosis Ätiologie. Bei der idiopathischen Form unklar. Erste Genloci
4 Enzephalitis für eine familiäre Form wurden auf Chr 14q lokalisiert.
4 Hypoglykämie
4 Transiente Spleniumläsion nach Absetzen einer antiepilep- Klinik. Circa 40% der Patienten mit Stammganglienverkal-
tischen Therapie kungen haben keine Symptome. Mögliche Symptome: L-DOPA-
4 Fokale Gliose des Spleniums:
– Mikroangiopathischer Genese
resistenter Parkinsonismus, Athetosen, Dystonie, zerebelläre
– Bei Z.n. Radiatio Symptome, evtl. demenzielle Entwicklung

Literatur Verlauf und Prognose. Progredient


Uchino A, Takase Y, Nomiyama K, Egashira R, Kudo S.Acquired lesions
of the corpus callosum: MR imaging. Eur Radiol. 2006;16:905-14. Sonstiges. Im Serum Veränderungen von Kalzium, Parat-
hormon und Phosphat wie bei Hypoparathyreoidismus; Phos-
phatausscheidung im Urin.

6.2.9 Morbus Fahr Bildgebung. . Abb. 6.21 und . Abb. 6.22


Lokalisation: Stammganglien (betont: lateraler Anteil des Globus
Synonyme. Zerebrovaskuläre Ferrokalzinose, bilaterale striato- pallidus), Putamen, Nucleus caudatus, Cerebellum (v.a. Ncl. den-
pallidodentale Verkalkungen tatus), supratentorielle tiefe weiße Substanz, einschließlich Cap-
sula interna
Definition. Unter dem Morbus Fahr versteht man eine seltene, Morphologie: Flächig, symmetrisch
degenerative neurologische Erkrankung, die durch ausgedehnte CT:
bilaterale, zerebrale Verkalkungen (v.a. der Stammganglien) cha- 4 CT nativ: Diagnosemethode der Wahl, da am besten geeignet
rakterisiert ist und sich klinisch vor allem mit parkinsonoider zur Darstellung der Verkalkungen (flächig, stark hyperdens)
Symptomatik manifestiert. 4 CT + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
Anmerkung: Der Begriff »Morbus Fahr« wird oftmals nicht für
ein einheitliches Krankheitsbild mit definierter zugrunde liegen- MRT:
der Ätiologie verwendet, sondern vielmehr zum Beschreiben 4 T1w:
eines bildgebenden Befundes, nämlich dem Nachweis symme- 5 Variable Signalintensitäten
trischer, flächiger zerebraler Verkalkungen mit typischem Vertei- 5 Verkalkungen, je nach Ausprägung hyper- oder hypo-
lungsmuster. intens (meist hyperintens)
Selbst das Vorhandensein ausgedehnter Verkalkungen impli- 5 Nicht verkalkte Anteile der weißen Substanz können
ziert nicht notwendigerweise das Vorhandensein klinischer Sym- ebenfalls hyperintenses Signal zeigen (zugrunde liegende
ptome. Ihre klinische Relevanz kann also lediglich im Kontext Ätiologie unklar; langsam progrediente metabolische
der begleitenden Symptomatik gewertet werden. oder entzündliche Veränderungen?)
446 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

a b c
6
. Abb. 6.21a–c Morbus Fahr mit bilateral symmetrischen Verkalkungen in Stammganglien und Thalami. a–c: CT nativ

a b c

d e

. Abb. 6.22a–e Morbus Fahr. Bei der Patientin sind zwischen Zeitpunkt der CT (a–c) und der MRT (d, e) bilaterale Subduralhämatome aufgetreten (Stern in
d und e), teils hypointenses Signal der verkalkten Areale in T1w nativ (d), stark hypointenses Signal in T2*w (e). a–c: CT nativ; d: T1 w nativ; e: T2*w
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
447 6
4 T2/PD/FLAIRw: 3. Späte Spätschäden: Monate bis Jahre nach Behandlung:
5 Variable Signalintensitäten 5 Nekrose, Demyelinisierung, Gliose, Vaskulopathie
5 Verkalkungen je nach Ausprägung hyper- oder hypo- 5 Schwerer ausgeprägt, oft irreversibel
intens 5 Stellen die schwerste, dosislimitierende Komplikation
5 Nicht verkalkte weiße Substanz kann ebenfalls hyperin- dar
tenses Signal zeigen (zugrunde liegende Ätiologie unklar;
langsam progrediente metabolische oder entzündliche Bei den Manifestationen unterscheidet man:
Veränderungen?) 4 Fokale Veränderungen:
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme 5 Fokales Ödem
5 Fokale Radionekrose
NUK: 4 Diffuse Veränderungen:
4 PET: Glucoseuptake in Stammganglien, frontalem und tem- 5 Periventrikulär betonte Leukenzephaloapthie
poroparietalem Cortex und Hippocampus vermindert 5 Hirnatrophie
5 Mineralisierende Mikroangiopathie
Differenzialdiagnosen. Symmetrische isolierte Stammgang-
lienverkalkungen, v.a. den ventralen Anteil des Globus pallidus Das individuelle Risiko für die Entwicklung einer Strahlennek-
betreffend (»Pallidumspitzenkalk«) als Normvarainte ohne rose wird durch viele Faktoren bestimmt, z.B.:
Krankheitswert im höheren Lebensalter. 4 Allgemeiner Gesundheitszustand
DD Stammganglienverkalkungen im Kindesalter: 4 Begleitende Chemotherapie (CTX)
4 Verkalkungen im Rahmen angeborener Stoffwechselerkran- 4 Bestrahlungsdosis
kungen 4 Fraktionierung
4 Verkalkungen nach (konnatalen) Infektionen (CMV, AIDS) 4 Art des bestrahlten Gewebes
4 Down-Syndrom
4 Phakomatosen (Neurofibromatose, tuberöse Sklerose) Ätiologie der Spätschäden. Schädigung kleiner Gefäße (Hya-
4 Mitochondriale Erkrankungen (Kearns-Sayre, MELAS, linose, fibrinoide Nekrosen, Thrombosen), evtl. auch direkte
MERFF) Schädigung der Glia, allergische Reaktionen.

Stammganglienverkalkungen bei endokriner Grunderkran- Fokale Strahlennekrose


kung: Definition. Fokale Nekrose als Spätschaden nach Strahlenthera-
4 Hyperparathyreoidismus pie, die bevorzugt (auch nach Ganzhirnbestrahlung) im ehema-
4 Hypoparathyreoidismus (hier Verkalkungen sehr diffus) ligen Tumorareal auftritt.
4 Pseudohypoparathyreoidismus
4 Z.n. Thyreoidektomie (hier Verkalkungen eher fokal) Epidemiologie und Demographie. Genaue Inzidenz nicht be-
kannt, mutmaßlich Zunahme bei vermehrter Durchführung
Andere Ursachen von Verkalkungen:
stereotaktischer Bestrahlung und Kombination mit CTX.
Traumafolge; Z.n. Kohlenmonoxidintoxikation; iatrogen (nach
Radiatio oder nach Methotrexattherapie)
Ätiologie. Vorangegangene Radiotherapie → Koagulations-
Literatur nekrose
Ogi S, Fukumitsu N, Tsuchida D, Uchiyama M, Mori Y, Matsui K. Imaging of
bilateral striopallidodentate calcinosis. Clin Nucl Med. 2002;27:721-4. Klinik. Fokal-neurologische Defizite; oft Zeichen des erhöhten
intrakraniellen Drucks.

6.2.10 Strahlungsinduzierte Hirnschädigung Verlauf und Prognose. Oft irreversibel und progredient, poten-
ziell fatal. Je jünger der Patient zum Zeitpunkt der Bestrahlung
Definition. Schädigung von gesundem Hirngewebe infolge vo- war, desto schlechter ist die Prognose.
rangegangener Strahlentherapie (RTX).
Sonstiges. DD Strahlennekrose versus Tumorrezidiv oft schwie-
Formen und Manifestationen. Man unterscheidet 3 Gruppen rig (s.u.), ggf. ist eine Hirnbiopsie erforderlich; wenn sehr raum-
radiogener Hirnschädigung: fordernd ggf. operative Entfernung.
1. Akute Schäden: 1–6 Wochen während oder nach Bestrah- Histologie: Typische Gefäßveränderungen und Veränderungen
lung: der weißen Substanz, die von Demyelinisierung bis hin zu Koa-
5 Mild und meist reversibel gulationsnekrosen reichen.
5 Vasogenes Ödem Eine fokale Strahlennekrose kann auch nach Bestrahlung von
2. Frühe Spätschäden: 3 Wochen bis einige Monate nach Ra- z.B. AVMs auftreten.
diation:
5 Vasogenes Ödem, Demyelinisierung
5 Oft reversibel
448 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Bildgebung. . Abb. 6.23 und . Abb. 6.24


Lokalisation: Im Bestrahlungsareal bzw. um Tumorresektions- 4 Thallium-201-SPECT:
höhle; es können jedoch auch multiple Läsionen vorkommen, – Uptake erhöht bei malignem Tumor, erniedrigt bei Strahlen-
nekrose
auch entfernt von der ehemaligen Resektionshöhle
4 PWI: Hilfreich bei DD;
Morphologie: Irregulär begrenzte, randständig betont irregulär Tumorrezidiv: rCBV ↑;
kontrastmittelaufnehmende Läsion. Bildgebend hat die Strah- Strahlennekrose: rCBV ↓
lennekrose den Aspekt einer intrazerebralen Raumforderung.
CT:
4 CT nativ: Läsion hypodens
4 CT + KM: Randständig betonte, ringförmige bzw. irreguläre Strahleninduzierte Leukenzephalopathie
KM-Aufnahme der Läsion Klinik. Viele Patienten sind klinisch asymptomatisch. Häufigste
klinische Manifestation: kognitive Beeinträchtigungen.
MRT:
6 4 T1w: Läsion hypointens Sonstiges. Histopathologisch ähneln sich die Befunde bei foka-
4 T2/PD/FLAIRw: ler Strahlennekrose und diffusem Strahlenschaden.
– Läsion hyperintens, evtl. mit hypointensem Randsaum
– Umgebungsödem Bildgebung. . Abb. 6.25
4 T1w + KM: Lokalisation: Betont im periventrikulären Marklager, kann je-
5 Randständig betonte, ringförmige, irreguläre KM-Auf- doch sehr ausgedehnt sein
nahme der Läsion, in der Regel um ehemalige Tumor- Morphologie: Diffuse, flächige, symmetrische Marklagerlä-
resektionshöhle sionen
5 KM-Aufnahme kann nodulär oder linear sein, typisch ist CT nativ: Hypodens
ein feinretikuläres Muster der KM-Aufnahme MRT:
4 PWI: rCBV erniedrigt 4 T1w: Hypointens
4 MRS: Siehe Exkurs 4 T2/PD/FLAIRw: Hyperintens
4 T1w + KM: Keine KM-Aufnahme
NUK: 4 DWI: Keine Diffusionsstörung
4 PET:
5 DD Strahlennekrose versus Tumorrezidiv: PPV und NPV Differenzialdiagnosen. (Konfluierende) mikroangiopathische
für Vorliegen eines Tumors: 80–90%. Marklagerläsionen bei chronischer hypertensiver Enzephalopa-
5 Umschriebener Glucosehypometabolismus nach Radiatio thie, PML, Vaskulitis
hat mutmaßlich prognostische Bedeutung für die Ent-
wicklung einer klinisch signifikanten Strahlennekrose im
Nekrotisierende Leukenzephalopathie
weiteren Verlauf. 4 Diffuse Leukenzephalopathie
4 Typischerweise Auftreten nach Chemotherapie (CTX) +/–
Differenzialdiagnosen. Wichtigste DD: Tumor-(Glioblastom-) Radiatio (RTX)
rezidiv, Metastase, Abszess, MS, Fremdkörperreaktion bei Z.n. 4 Latenzzeit zwischen Behandlung und Auftreten der nekrotisie-
operativer Manipulation renden Leukenzephalopathie nach CTX geringer, als die der
Leukenzephalopathie nach RTX
4 Gefäßschädigung weniger ausgeprägt
DD Tumorrezidiv versus Strahlennekrose (schwierig!) 4 Bildgebende Befunde und klinische Symptomatik der Leu-
Latenz des Auftretens nach Tumorentfernung und Bestrahlung bei kenzephalopathie nach CTX ähneln der durch RTX induzierten
beiden sehr ähnlich. Leukenzephalopathie.
4 MRS:
– Strahlennekrose: NAA, Cho, Cr deutlich erniedrigt, evtl.
Laktat- und Lipidpeaks nachweisbar Hirnatrophie
– Tumor: Cho erhöht, NAA erniedrigt, evtl. Laktatpeak
4 18F-FDG PET: In der Literatur sehr unterschiedliche Daten zur
Kann Groß- und Kleinhirnhemisphären betreffen.
Wertigkeit
– Ko-Registrierung mit morphologischer Bildgebung erhöht Epidemiologie und Demographie. Tritt bei bis zu 50% aller be-
Sensitivität und Spezifität strahlten Patienten auf.
– Umschriebener Glucosehypometabolismus nach Radiatio
hat mutmaßlich prognostische Bedeutung für die Entwick-
lung einer klinisch signifikanten Strahlennekrose im weiteren
Ätiologie. Wahrscheinlich Schädigung der Perforatoren.
Verlauf
4 Aminosäure-PET: Klinik. Vor allem kognitive Einschränkungen.
– Potentiell besser, da sensitiver für Tumor, bislang jedoch
wenig Daten
6 Bildgebung. Bildgebend zeigen sich eine Erweiterung der Li-
quorräume und eine Hirnvolumenminderung.
Lokalisation: Vor allem ehemaliges Bestrahlungsareal
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
449 6

a b

. Abb. 6.23a–c Histologisch gesicherte fokale Strahlennekrose. a: T2w, b: T1w + KM; c: Histologisches Präparat
(Nekrose rechts im Bild)

a b c

. Abb. 6.24a–c Histologisch gesicherte fokale Strahlennekrose (Pfeile) und zusätzlich anterior davon ein nicht- Kontrastmittel-aufnehmender Gliomrest
(Sterne in a und b). a: T2w; b: T1w; c: T1w + KM
450 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

a b c
6
. Abb. 6.25a–c Strahleninduzierte Leukenzephalopathie nach Ganzhirnbestrahlung. a–c: T2w

Mineralisierende Mikroangiopathie 5 DD zur Arteriosklerose schwierig (auch angiographisch);


Definition. Kalkablagerungen in den kleinen Gefäßen im ehema- differenzialdiagnostische Überlegungen:
ligen Bestrahlungsareal. Die Groß- und Kleinhirnhemisphären – Lage im Bestrahlungsfeld?
können betroffen sein. – Alter des Patienten?
– Bestrahlungsdosis?
Epidemiologie und Demographie. – Risikofaktoren für Arteriosklerose?
4 Oft nach RTX und CTX, aber auch nach RTX allein (Auf- – Arteriosklerotische Veränderungen der anderen Ge-
treten >/= 2 Jahre nach RTX) fäße?
4 Bei Kindern häufig nach RTX
4 Relativ hohe Prävalenz (bis zu 30% bei Z.n. nach Therapie Induktion von Zweittumoren
mit Methotrexat und RTX; Überleben >9 Monate beschrie- Eine Induktion von Zweittumoren wird in folgender Häufigkeit
ben) beobachtet:
4 Meningeome (70%)
Ätiologie. Hyalinose und fibrinoide Nekrosen der kleinen Arte- 4 Gliome (20%)
rien und Arteriolen mit Endothelproliferation und Ablagerung 4 Sarkome (10%)
von Kalzium.
Ein erhöhtes Risiko besteht bei Bestrahlung vor dem 5. Lebens-
Bildgebung. Multiple, punktförmige Verkalkungen oft in den jahr oder genetischer Disposition (z.B. bei Neurofibromatose),
Stammganglien, selten im Cortex und Hirnstamm. das Risiko beträgt ca. 3–12%.
Zweittumoren sind in der Regel aggressiv und oft therapie-
Radiogene Gefäßschädigung refraktär.
Ausbildung von Teleangiektasien und Kavernomen (vor allem
bei Kindern); Stenosen. Literatur
Chen W. Clinical applications of PET in brain tumors. J Nucl Med. 2007;48:1468-
81.
Pathomechanismus. Venöse Mikrothromben → Induktion
Herholz K, Coope D, Jackson A. Metabolic and molecular imaging in neuro-
von Kollateralen; Latenz: 5 Monate bis >20 Jahre; Induktion von oncology. Lancet Neurol. 2007;6:711-24.
Kavernomen 7 Kap. 2.6.5. Rabin BM, Meyer JR, Berlin JW, Marymount MH, Palka PS, Russell EJ. Radiation-
induced changes in the central nervous system and head and neck.
Ätiologie. Radiographics. 1996,16:1055-72.
Terakawa Y, Tsuyuguchi N, Iwai Y, Yamanaka K, Higashiyama S, Takami T,
4 Veränderungen des Gefäßendothels (besonders gut auf T2*-
Ohata K. Diagnostic accuracy of 11C-methionine PET for differentiation
gewichteten Sequenzen nachweisbar) of recurrent brain tumors from radiation necrosis after radiotherapy.
4 Vaskulopathie der großen Gefäße: J Nucl Med. 2008;49:694-9.
5 Typischerweise nach Hochdosistherapie Valk PE, Dillon WP. Radiation injury of the brain. AJNR Am J Neuroradiol.
5 Latenz: 4 Monate bis 20 Jahre 1991;12:45-62.
5 Kann bis zu einem Moya-Moya-ähnlichem Bild (7 Kap.
2.2.3) ausgeprägt sein (. Abb. 6.26)
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
451 6
4 es nicht auf die Parietookzipitalregion beschränkt (»poste-
rior«) ist, sondern prinzipiell alle Hirnregionen betreffen
kann (in der hinteren Strombahn ist jedoch aufgrund einer
geringeren sympathikotonen Gefäßinnervation die Fähigkeit
zur Autoregulation anlagebedingt vermindert → vasogenes
Ödem ist hier früher und schwerer ausgeprägt)
4 die Läsionen zwar in der Regel »reversibel« sind (vasogenes
Ödem), aber nicht immer (bei stark erhöhtem interstitiellem
Druck → Störung der Mikrozirkulation → sekundär zytoto-
xisches Ödem: irreversibel).

Epidemiologie und Demographie.


Altersverteilung: Kann in jedem Alter auftreten, jüngere Er-
wachsene sind jedoch häufiger als ältere betroffen
Geschlechtsverteilung: F> M
a

Ätiologie. Die häufigste Ursache ist eine hypertensive Enze-


phalopathie unterschiedlicher Ätiologie mit einer Vielzahl unter-
schiedlicher Auslöser:
4 Essenzieller arterieller Hypertonus
4 Hypertensive Entgleisung
4 Nierenerkrankungen: Glomerulonephritis, Vaskulitiden,
thrombotisch-thrombopenische Purpura
4 Endokrine Erkrankungen: Phäochromozytom, Hyperaldo-
steronismus, Cushing-Syndrom
4 »Carotid-baroreceptor failure syndrome« bei Z.n. bilateraler
Endarterektomie
4 Porphyrie
4 Drogenabusus
4 Eklampsie; Präeklampsie bei 5% aller Schwangerschaften
4 Medikamente: Immunsuppressiva, Immunmodulatoren;
b Zytostatika
. Abb. 6.26a, b Radiogenes Moya-Moya-ähnliches Bild mit hochgradiger
Stenose der A. carotis interna (Pfeil) und Ausbildung von Kollateralen. Die Es besteht eine gemeinsame pathophysiologische Endstrecke mit
A. cerebri media stellt sich nicht dar. a, b: DSA, selektive Injektion in die linke einer Endotheldysfunktion mit Schädigung der Blut-Hirn-
ACI (Pfeilspitzen: ACAs) Schranke und vasogenem Ödem.
Ursachen der Endotheldysfunktion:
4 Direkt zytotoxische Wirkung verschiedener Stoffwechsel-
und Wirkstoffmetabolite
6.2.11 Reversible posteriore 4 Akuter, die zerebrale Autoregulationsfähigkeit überstei-
Leukenzephalopathie gender Blutdruckanstieg.

Synonyme. Akute hypertensive Enzephalopathie, Posteriores Symptome einer hypertensiven Enzephalopathie können dabei
Reversibles Enzephalopathiesyndrom (PRES) bei sonst Normotensiven ab einem Blutdruck über 160/100 mmHg
auftreten. Bei hypertensiven Personen treten sie aufgrund adap-
Definition. Hierbei handelt es sich um eine Störung der zerebro- tiver Vorgänge erst bei Werten um 220/110 mmHg auf.
vaskulären Autoregulation, der multiple Ätiologien zugrunde
liegen können. Klinik. Kopfschmerz, neuropsychologische Auffälligkeiten, Seh-
Anmerkung: Die Bezeichnungen, insbesondere die Formulie- störungen (Verschwommensehen, visuelle Halluzinationen,
rung »reversible posteriore Leukenzephalopathie«, sind irrefüh- visueller Neglect, Hemianopsie, kortikale Blindheit), epileptische
rend, da Anfälle
4 dieses Krankheitsbild nicht auf die weiße Substanz be-
schränkt ist (»Leukenzephalopathie«), sondern auch den Verlauf und Prognose. Akuter bis subakuter Beginn, meist re-
Cortex involvieren kann (weiße Substanz allerdings weniger versibel bei rascher Diagnose und Blutdrucknormalisierung;
dicht gepackt als der Cortex → Veränderungen sind hier frü- kann lebensbedrohlich verlaufen; selten irreversible Infarkte.
her und schwerer ausgeprägt),
452 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Bildgebung. . Abb. 6.27, . Abb. 6.28 und . Abb. 6.29 5 Selten (als Zeichen der Irreversibilität bei zytotoxischem
Lokalisation: Ödem) Diffusionsrestriktion mit starker Signalerhöhung
4 Vor allem weiße Substanz einschließlich U-fasern, aber auch im B1000-Bild und »pseudonormalisiertem« ADC-Wert
Cortex 5 DWI hat somit prognostischen Wert
4 Typischerweise parietookzipital betont (hintere Strombahn) 4 PWI: Hypoperfusion beschrieben
4 In schweren Fällen ist oft auch die vordere Strombahn mit 4 MRS:
betroffen. 5 NAA normal oder leicht erniedrigt, Cho und Cr erhöht,
4 In ca. 55% der Fälle sind Kleinhirn, Hirnstamm und Thala- Laktat erhöht
mus mit betroffen. 5 Veränderungen meist auch reversibel
4 »Wasserscheiden« oft betroffen
NUK:
Es sind 3 verschiedene hemisphärale Muster beschrieben: 4 SPECT: Variabel, Hyper- und Hypoperfusion in betroffenen
4 Holohemisphärisch Arealen beschrieben
6 4 Primär parietookzipital
4 Betont im Bereich des Gyrus frontalis superior Differenzialdiagnosen. Ischämischer Infarkt, Reperfusions-
syndrom, z.B. postiktal, nach interventioneller Stentbehandlung
Morphologie: einer ACI-Stenose, Osmotisches Demyelinationssyndrom, PML,
4 Bilateral symmetrisches (Marklager-)ödem ADEM, Gliomatosis cerebri
4 Cortex jedoch in > 90% der Fälle mit involviert!
Literatur
CT: Bartynski WS. Posterior reversible encephalopathy syndrome, part 1: funda-
mental imaging and clinical features. AJNR Am J Neuroradiol. 2008;
4 CT nativ: Läsionen hypodens
29:1036-42.
4 CT + KM: Variabel; keine oder irregulär fleckige oder girlan- Bartynski WS. Posterior reversible encephalopathy syndrome, part 2: contro-
denförmige KM-Aufnahme möglich versies surrounding pathophysiology of vasogenic edema. AJNR Am J
Neuroradiol. 2008;29:1043-9.
MRT: Herberger S, Linn J, Pfefferkorn T, Feddersen B, Göhringer T, Winkler F,
Straube A, Danek A. Complexities of »reversible posterior leukoencepha-
4 T1w: Läsionen hypointens
lopathy syndrome«. Nervenarzt. 2006;77:1218-22.
4 T2/PD/FLAIRw: Läsionen hyperintens Kinoshita T, Moritani T, Shrier DA, Hiwatashi A, Wang HZ, Numaguchi Y,
4 T1w + KM: Variabel; keine oder irregulär fleckige oder girlan- Westesson PL. Diffusion-weighted MR imaging of posterior reversible
denförmige KM-Aufnahme möglich leukoencephalopathy syndrome: a pictorial essay. Clin Imaging. 2003;
4 DWI: 27:307-15.
Lamy C, Oppenheim C, Méder JF, Mas JL. Neuroimaging in posterior reversible
5 In der Regel keine Diffusionsrestriktion (da vasogenes
encephalopathy syndrome. J Neuroimaging. 2004;14:89-96.
Ödem), sondern nur T2-Shine-Through
5 ADC-Wert deutlich erhöht

a b c

. Abb. 6.27a–c PRES (a, b) mit vollständiger Rückbildung im Verlauf (c). a, b: FLAIRw; c: T2w
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
453 6

a b c

d e f

. Abb. 6.28a–f PRES. a–d: FLAIRw; e: DWI, B1000; f: ADC-Map; der ADC-Wert ist erhöht

a b c

d e f

. Abb. 6.29a–f Kortikales und subkortikales PRES (a–c) mit vollständiger Rückbildung im Verlauf (d–f). a–c: FLAIRw im Akutstadium; d–f: FLAIRw im Verlauf
454 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6.2.12 Chronische hypertensive Enzephalopathie Bildgebung. . Abb. 6.30 und . Abb. 6.31
Lokalisation:
Siehe 7 Kap. 2.3.1 4 In der Regel supratentoriell, abhängig vom epileptogenen
Fokus
4 Oft Hippocampus: v.a. bei Fieberkrämpfen
6.2.13 Veränderungen im Rahmen eines 4 Balkensplenium (s.u.)
Status epilepticus 4 Cortex und subkortikale weiße Substanz
4 Cerebellum selten
Synonyme. Transiente anfallsassoziierte MRT-Veränderungen,
Reversibles postiktales zerebrales Ödem Morphologie: Betroffene Gyri imponieren ödematös geschwol-
len, Läsionen leicht raumfordernd
Definition. Status epilepticus: Kontinuierlicher epileptischer CT:
Anfall mit Mindestdauer von 5 min bei generalisiert tonisch- 4 CT nativ:
6 klonischen Anfällen und von 20–30 min bei fokalen Anfällen 5 Läsionen hypodens
oder eine Sequenz von einzelnen epileptischen Anfällen in 5 Mark-Rindendifferenzierung in betroffenem Areal ver-
kurzen Abständen, zwischen denen klinisch oder im EEG keine waschen
vollständige Restitution erfolgt. Hierbei kann es zu reversiblen 5 Keine Einblutungen
Parenchymveränderungen kommen. 4 CT + KM: KM-Aufnahme variabel, keine bis relativ kräftige

Epidemiologie und Demographie. Hinsichtlich der bildgeben- MRT:


den Veränderungen waren 2004 ca. 100 Fälle beschrieben. 4 T1w:
Altersverteilung: Alle Altersgruppen, v.a. junge Erwachsene 5 Betroffene Gyri und Marklager hypointens
Geschlechtsverteilung: M = F 5 Betroffene Gyri imponieren ödematös geschwollen und
leicht raumfordernd
Ätiologie des Status: Vielfältig, z.B. Drogen- oder Medikamen- 5 Mark-Rinden-Differenzierung in betroffenem Areal ver-
tenentzug, Drogen- oder Medikamentenintoxikation, metabo- waschen
lische Störungen, zerebrovaskuläre Läsionen, Tumoren, Menin- 4 T2/PD/FLAIRw: Betroffene Gyri und Marklager hyperintens,
gitis, Enzephalitis, selten auch Schädel-Hirn-Trauma ödematös geschwollen
4 T1w + KM:
Pathomechanismus. 5 KM-Aufnahme variabel: keine bis relativ kräftige KM-
4 Zerebraler Hypermetabolismus mit Zunahme des zerebralen Aufnahme
Blutflusses, Veränderungen der Zellpermeablität → (vaso- 5 Bei KM-Aufnahme oft girlandenförmiges, gyrales oder
genes) Hirnödem auch leptomeningeales Enhancement
4 Exzitotoxizität: Exzessive Freisetzung erregender Neuro- 4 DWI:
transmitter → Calziumeinstrom in die Nervenzellen → Zell- 5 Akut: Diffusionsrestriktion mit ADC-Minderung
schädigung 5 Interiktal: ADC-Werte normal
4 Mischung aus vasogenem und (reversiblem) zytotoxischem 5 Bei chronischen Anfällen: ADC-Werte erhöht
Hirnödem 4 PWI: Hyperperfusion, CBF erhöht
4 MRS: Bei Patienten mit Temporallappenepilepsie innerhalb
Klinik. Krampfanfälle bzw. Status epilepticus. Je nach Lokalisa- der ersten 24 h nach einem Anfall Lipidpeak und/oder
tion andere klinische Symptomatik. Laktatpeak nachweisbar; diese normalisieren sich bei An-
fallskontrolle
Verlauf und Prognose. Bildgebende Veränderungen in der Re-
gel innerhalb von Tagen bis Wochen reversibel. Komplikation: NUK:
Ischämischer Infarkt bei Hypoxie 4 PET: Hypermetabolismus

Sonstiges. Wichtig ist die Ursachenforschung (Hirntumor, Ent- Differenzialdiagnosen. Zerebritis/Enzephalitis, v.a. Herpes-
zündung?). enzephalitis, Ischämie, MELAS, Hippocampussklerose anderer
Die Beteiligung des Hippocampus kann zu mesialer Hippo- Ätiologie, diffuses Astrozytom WHO-Grad II, Vaskulitis,
campussklerose (7 Kap. 6.2.17) führen. ADEM
Beim Status epilepticus Veränderungen besonders in vul- Sonderfall: Reversible Spleniumläsion (. Abb. 6.32)
nerablen Hirnregionen: CA1- und CA3-Region des Hippocam- Auftreten typischerweise nach schnellem Absetzen antiepi-
pus, Amygdala, piriformer Cortex, Kleinhirnrinde, Thalamus, leptischer Medikation. Mutmaßlich anderer Mechanismus als bei
Großhirnrinde den o.g. Veränderungen im Rahmen eines Status epilepticus.
Vorkommen: Selten, in einem Patientenkollektiv von >850 Patien-
ten in <1% der Fälle
Siehe auch Exkurs zur DD Spleniumläsionen (7 Kap. 6.2.8).
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
455 6

a b c

. Abb. 6.30a–c Hyperintenses Signal des Cortex links parietookzipital bei Status epilepticus. a–c: FLAIRw

a b c

. Abb. 6.31a–c Status epilepticus mit Diffusionsstörung im rechten Hippocampus (Sterne in a–c) bei beidseitiger Atrophie des Hippocampus. a, b: DWI,
B1000; c: FLAIRw

a b

. Abb. 6.32a, b Reversible Spleniumläsion, aufgetreten nach akutem Absetzen von Antiepilektika. a: FLAIRw; b: DWI, B1000
456 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Literatur Lokalisation:
Kavuk I, Hufnagel A, Agelink MW, Limmroth V, Dörfler A, Sayar K, Selekler M, 4 Geringe bis mäßige Hypoxie: Hämodynamische Infarkte
Diener HC, Koeppen S. MRI changes associated with partial status epilep-
(7 Kap. 2.1.6)
ticus. Eur J Med Res. 2005;10:243-6.
Kim JA, Chung JI, Yoon PH, Kim DI, Chung TS, Kim EJ, Jeong EK. Transient MR
4 Schwere Hypoxie: Graue Substanz: Stammganglien, Thalami,
signal changes in patients with generalized tonicoclonic seizure or status Cortex (v.a. Zentralregion und visueller Cortex), Kleinhirn,
epilepticus: periictal diffusion-weighted imaging. AJNR Am J Neuro- Hippocampi
radiol. 2001;22:1149-60.
Milligan TA, Zamani A, Bromfield E. Frequency and patterns of MRI abnor-
Morphologie: Diffuses Hirnödem: Aufheben der Mark-Rinden-
malities due to status epilepticus. Seizure. 2009;18:104-8.
Nelles M, Bien CG, Kurthen M, von Falkenhausen M, Urbach H. Transient
Grenze, verstrichene Sulci
splenium lesions in presurgical epilepsy patients: incidence and patho- CT nativ: In schwersten Fällen diffuses Hirnödem
genesis. Neuroradiology. 2006;48:443-8. 4 »Reversal sign«: Marklager hyperdenser als Cortex
4 »White cerebellum sign«: Durch relative Aussparung des
Cerebellums stellt sich dieses im Vergleich zum supratento-
6 6.2.14 Hypoxische Hinschädigung riellen Hirngewebe hyperdens dar.

Definition. Zu einer hypoxischen Hirnschädigung kommt es bei MRT:


einer Sauerstoffunterversorgung der Nervenzellen, entweder 4 T1w:
durch mangelnde Zufuhr oder erhöhten Bedarf. 5 Initial oft normal
Altersverteilung: Es werden unterschieden: 5 Chronisch: Kortikale laminäre Nekrosen: lineare kortika-
4 Hypoxie beim Frügeborenen le Hyperintensitäten
4 Hypoxie beim reifen Neugeborenen 4 T2w PD/FLAIRw:
4 Postnatale Hypoxie 5 Akut: Oft normal
4 Hypoxie bei Kindern und Jugendlichen 5 Frühe subakute Phase (24 h bis 2 Wochen): hyperintense,
4 Hypoxie beim Erwachsenen (lediglich auf diese Form soll ödematöse Darstellung der betroffenen kortikalen Struk-
hier näher eingegangen werden.) turen
5 Chronisch: Residuelle Hyperintensitäten in Stammgang-
Ätiologie. Reduzierter zerebraler Blutfluss und reduzierte lien
Oxygenierung des Blutes (Hypoxämie) unterschiedlicher Ur- 4 DWI:
sache, z.B. arterielle Hypotonie, Anstieg des intrakraniellen 5 Wird als erste Modalität positiv innerhalb der ersten Stun-
Drucks, artifizielle Hyperventilation, Herzstillstand, Herzinsuf- den
fizienz, Vasospasmus, Anämie, arterielle Hypoxie durch respira- 5 Diffusionsrestriktion in betroffenen Arealen bis Ende der
torische Insuffizienz, Ertrinken. Die Hypoxie triggert Signal- ersten Woche
kaskade → extrazelluläre Akkumulation von exzitotoxischem 4 MRS:
Glutamat. 5 Sehr sensitiv, v.a. in Frühphase deutliche Laktaterhöhung
5 Glutamin-Glutamat-Peak bei 2,3 ppm
Klinik. Abhängig von Schweregrad.
Differenzialdiagnosen. Bei kortikalen Diffusionsstörungen:
Verlauf und Prognose. Abhängig von Schweregrad; das diffuse Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung; hämodynamische Infarkte;
Hirnödem hat eine schlechte Prognose. symmetrische Stammganglienveränderungen anderer Genese
(7 Kap. 7.7)
Bildgebung. . Abb. 6.33, . Abb. 6.34 und . Abb. 6.35
Die bildgebenden Befunde sind sehr variabel und abhängig von Literatur
einer Vielzahl von Faktoren, wie z.B. dem Reifegrad des Gehirns, Arbelaez A, Castillo M, Mukherji S. Diffusion-weighted MR imaging of global
cerebral anoxia. AJNR Am J Neuroradiol. 1999;20:999–1007.
der Schwere und Dauer der Sauerstoffunterversorgung und dem
Han BK, Towbin RB, De Courten-Myers G, McLaurin R, Ball WS Jr. Reversal sign
Zeitpunkt der Untersuchung. on CT: effect of anoxic/ischemic cerebral injury in children. AJNR Am J
Früh nach Schädigung können die Veränderungen sehr sub- Neuroradiol. 1989;10:1191–8.
til sein. Bei initial unauffälligem MRT wird ggf. eine Wiederho- Huang BY, Castillo M. Hypoxic-ischemic brain injury: imaging findings from
lung der Untersuchung nach 2–4 Tagen durchgeführt. birth to adulthood. Radiographics. 2008;28:417-39.
Takahashi S, Higano S, Ishii K, et al. Hypoxic brain damage: cortical laminar
necrosis and delayed changes in white matter at sequential MR imaging.
Radiology. 1993;189:449–56.
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
457 6

a b c

d e f

. Abb. 6.33a–f Hypoxischer Hirnschaden. T2-Signalsteigerung (a) und KM-Aufnahme (e) der Stammganglien sowie kortikale laminäre Nekrosen (b–d).
a: T2w; b–d: T1w nativ; e, f: T1w + KM

a b

. Abb. 6.34a, b Hypoxischer Hirnschaden mit kortikalen laminären Nekrosen (Pfeilspitzen in b) nach Schädel-Hirn-Trauma
mit bifrontalen Kontusionen (Pfeile in b). a, b: FLAIRw
458 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

a b c
6

d e f

. Abb. 6.35a–f Hypoxischer Hirnschaden. a–c: DWI, B1000; d–f: FLAIRw cor

6.2.15 Pseudotumor cerebri (PTC) 4 Unsichere auslösende Faktoren: Diverse endokrinologische,


hämatologische und metabolische Störungen, diverse Medi-
Synonyme. Idiopathischer intrakranieller Hypertonus, benig- kamente
ner intrakranieller Hypertonus
Sekundäres PTC-Syndrom:
Definition. Erhöhter intrakranieller Druck ohne Nachweis einer 4 Liquorüberproduktion (bei Plexuspapillom)
intrakraniellen Raumforderung; gemeinsame Endstrecke unter- 4 Liquorzirkulationsstörung
schiedlicher Grunderkrankungen. 4 Liquorresorptionsstörung bei Sinusobstruktion oder venöser
Druckerhöhung
Epidemiologie und Demographie. Inzidenz: Allgemein 4 Pathologische Liquorzusammensetzung
1:100.000/Jahr; übergewichtige Frauen im gebärfähigen Alter
19:100.000/Jahr Klinik. Leitsymptome:
Altersverteilung: Vor allem Frauen im gebärfähigen Alter; Al- 4 Kopfschmerzen, meist pulsierend, meist einseitiger Beginn,
tersgipfel: 15.–40. Lebensjahr evtl. von Übelkeit und Erbrechen begleitet, verstärkt durch
Geschlechtsverteilung: F:M = 8:1 Valsalva-Manöver (75–100%)
Typischer Patient: Übergewichtige Frau im gebärfähigen Alter. 4 Fluktuierende Sehstörungen (Visusverschlechterung in ca.
50% der Fälle, episodisches Verschwommensehen, Abdu-
Formen. zenzparese mit Doppelbildern)
4 Primäres (idiopathisches) PTC-Syndrom 4 Stauungspapille beidseits (bei ca. 100% der Fälle)
4 Sekundäres PTC-Syndrom
Weitere Beschwerden: Tinnitus, Nackensteife, Hypophysen-
Ätiologie. funktionsstörungen
Primäres (idiopathisches) PTC-Syndrom:
4 Gesicherte ätiologische Faktoren: Übergewicht, Gewichtszu- Verlauf und Prognose. Gefahr des irreversiblen Visusverlustes
nahme durch Papillenödem
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
459 6
Sonstiges. Bildgebung. . Abb. 6.36
4 Empty-Sella mutmaßlich Folge eines Hypophysenapoplexes Sinusthrombose muss als Ursache bildgebend ausgeschlossen
aufgrund des erhöhten intrakraniellen Drucks. werden (7 Kap. 2.7.4).
4 In DWI-Untersuchungen konnte kein Anhalt dafür gefun- Morphologie: Partial-Empty-Sella, erweiterte Opticusscheiden,
den werden, dass dem PTC ein diffuses Hirnödem zugrunde seltener »Schlitzventrikel« (10%)
liegt. CT nativ:
4 PWI-Untersuchungen an kleinem Kollektiv fanden Hinweise 4 In der Regel normal
auf Erniedrigung des CBF und Verlängerung der MTT bei 4 In ca. 40–50% der Fälle Empty-Sella +/- erweiterte Opticus-
normalem CBV bei manchen Patienten, die Signifikanz scheiden
dieser Ergebnisse ist jedoch noch unklar. 4 Selten »Schlitzventrikel« (= sehr schmale Ventrikel)

Diagnostik. MRT:
Lumbale Liquordruckmessung in Seitenlage (diese ist trotz er- 4 T1w:
höhtem intrakraniellem Druck hier ohne Gefahr der Einklem- 5 Partial-Empty-Sella
mung möglich): 5 Erweiterte Opticusscheiden, hintere Sklera abgeflacht
4 Sicher pathologische Werte: >25 cmH2O 5 Ggf. Schlitzventrikel
4 Grenzwertige Werte: 20–25 cmH2O 4 T2/PDw:
5 Sehr gut zur Darstellung der erweiterten Opticusscheiden,
Ophthalmoskopie: Stauungspapille durch hyperintenses Flüssigkeitssignal
5 In schweren Fällen Vorwölbung der Papille des N. opticus
in den Bulbus
4 Venöse MRA: Zum Ausschluss einer Sinusthrombose

a b c

d e f

. Abb. 6.36a–f Pseudotumor cerebri mit Partial-Empty-Sella (Sterne), erweiterten Opticusscheiden (Pfeile) und relativ schmalen Seitenventrikeln (e).
a–d: T2w tra, cor und sag; e: T1w FS + KM; f: T1w + KM
460 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

Differenzialdiagnosen. Klinik.
4 DD idiopathischer versus sekundärer PTC: 4 Orthostatische Kopfschmerzen (Zunahme in aufrechter Po-
5 Sinusthrombose? sition, Besserung im Liegen)
5 Medikamente? 4 Leichter Meningismus, Übelkeit, Erbrechen, evtl. Tinnitus,
4 Atrophie des N. opticus: Schwindel
5 Idiopathisch 4 Selten Hirnnervenausfälle
5 Bei MS
4 Empty-Sella als Normvariante Verlauf und Prognose. In der Regel vollständige Remission in-
nerhalb von Wochen bis Monaten.
Literatur Mögliche Komplikationen: Entstehung eines Subduralhäma-
Bastin ME, Sinha S, Farrall AJ, Wardlaw JM, Whittle IR. Diffuse brain oedema in toms durch Einriss von Brückenvenen.
idiopathic intracranial hypertension: a quantitative magnetic resonance
imaging study. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2003;74:1693-6.
Bildgebung. . Abb. 6.37
6 Bicakci K, Bicakci S, Aksungur E. Perfusion and diffusion magnetic resonance
imaging in idiopathic intracranial hypertension. Acta Neurol Scand. Lokalisation: Dura mater supra- und infratentoriell, spinale
2006;114:193-7. Dura kann mitbetroffen sein.
Reid AC, Matheson MS, Teasdale G. Volume of the ventricles in benign intrac- Morphologie:
ranial hypertension. Lancet. 1980;2:7-8.
4 Lineare, glatte (nicht noduläre) Verdickung der Dura
4 Bilaterale subdurale Hygrome
4 Evtl. »absackendes« Mittelhirn: Mittelhirn kaudal des Dorsum
6.2.16 Idiopathisches Liquorunterdrucksyndrom sellae verlagert
4 Evtl. Tonsillentiefstand
Synonyme. Spontane intrakranielle Hypotension
4 Supraselläre Zisterne imponiert eng
Definition. Beim idiopathischen Liquorunterdrucksyndrom 4 »Venous hinge« = Reduktion des Winkels zwischen V. Galeni
handelt es sich um ein Kopfschmerzsyndrom, welches durch und V. cerebri interna
einen verminderten intrakraniellen Liquordruck verursacht wird
(Nummer 7.2.3 der IHS-Klassifikation der Kopfschmerzerkran- CT:
kungen). 4 CT nativ: Kann normal sein, wenig sensitiv; evtl. Nachweis
von subduralen Hygromen (liquorisodens)
Epidemiologie und Demographie. 4 CT+KM: Kräftige KM-Aufnahme der verdickten Dura
Altersverteilung: Altersgipfel 3. und 4. Lebensdekade
Geschlechtsverteilung: M < F MRT:
Ätiologie. Im Einzelfall ist die Pathogenese meist unklar.
4 T1w sagittal:
4 Liquorverlust durch Liquorleck (z.B. nach Liquorpunktion, 5 »Absackendes« Mittelhirn? Tonsillentiefstand?
nach leichtem Trauma, nach kräftigem Husten etc.) 5 Verdickte Dura ist isointens
4 Reduzierte Liquorproduktion wird ebenfalls diskutiert. 5 Hygrome sind liquorisointens
4 T2/PDw/FLAIR:
Sonstiges. Assoziierte Veränderungen: Dilatierter zervikaler 5 Verdickte Dura ist hyperintens
epiduraler Venenplexus, spinale Hygrome; niedriger Liquoröff- 5 Hygrome sind hyperintens
nungsdruck (<6 cm H2O), Liquorpunktion imponiert als »punc- 4 T1+KM: Kräftiges, homogenes, glattes Enhancement der ver-
tio sicca« dickten Dura mater

a b c

. Abb. 6.37a–c Idiopathisches Liquorunterdrucksyndrom mit subduralen Hygromen beidseits in T2w (a) und kräftigem, homogenem Enhancement der
verdickten Dura mater (b, c). a: T2w; b, c: T1w + KM tra und cor
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
461 6
4 T2*: Hämorrhagische Komponente im Sinne subduraler Klinik. Häufige Ursache komplex fokaler Anfälle; Anfälle kön-
Hämatome als DD? nen sekundär generalisieren.
4 CISS-Zisternographie, MR-Myelographie: Evtl. Nachweis
des Liquorlecks Verlauf und Prognose. Die Erfolgswahrscheinlichkeit eines epi-
lepsiechirurgischen Eingriffs (anteriore Lobektomie) bei MR-to-
Myelographie: Postmyelo-CT kann evtl. das Liquorleck nach- mographischen Nachweis einer Hippocampussklerose beträgt
weisen ca. 70–95%, wobei die Prognose schlechter ist, wenn die Amyg-
Cave: Verschlimmerung durch Punktion möglich. dala mit involviert ist (in ca. 12% der Fälle). Bei fehlendem bild-
NUK: Radionuklid-Zisternographie zur Lokalisationsdiagnostik gebendem Nachweis einer HC-Sklerose liegen die Erfolgschan-
geeignet cen der OP bei ca. 40–55%.

Differenzialdiagnosen. Bildgebung. . Abb. 6.38 bis . Abb. 6.41


Bildgebende DD: Meningeosis carcinomatosa, meningeale Re- Sensitivität bei 3 Tesla (. Abb. 6.38, . Abb. 6.39) ist höher als bei
aktion nach Liquorpunktion, Meningitis, granulomatöse Infil- 1,5 Tesla MRT (. Abb. 6.40, . Abb. 6.41)
tration (Sarkoidose, Tuberkulose) Lokalisation:
Klinische DD: Postpunktioneller Kopfschmerz 4 Primär: Hippocampus, v.a. CA1- und CA3-Region
4 Sekundär betroffene Regionen: Ipsilateraler Fornix, Corpus
Literatur mamillare
Förderreuther S, Yousry I, Empl M, Straube A. Dilated cervical epidural veins 4 In 20% bilateral
and extra arachnoid fluid collection in orthostatic headaches. Neurology.
2001;57:527-9.
Hyun SH, Lee KH, Lee SJ, Cho YS, Lee EJ, Choi JY, Kim BT. Potential value of
Morphologie:
radionuclide cisternography in diagnosis and management planning of 4 Atrophie, Volumenminderung und Signalsteigerung (T2w)
spontaneous intracranial hypotension. Clin Neurol Neurosurg. 2008; der o.g. Areale
110:657-61. 4 E-vacuo-Erweiterung des Temporalhorns des ipsilateralen
Shankar JJ, Chakraborty S, Lum C. The venous hinge-an objective sign for the
Seitenventrikels
diagnosis and follow-up of treatment in patients with intracranial hypo-
tension syndrome. Neuroradiology. 2009;51:453-6.
4 Am Besten in koronaren Bildern beurteilbar
Tomoda Y, Korogi Y, Aoki T, Morioka T, Takahashi H, Ohno M, Takeshita I. Detec-
tion of cerebrospinal fluid leakage: initial experience with three-dimen- CT nativ: Typischerweise normal, nur in ausgeprägten Fällen
sional fast spin-echo magnetic resonance myelography. Acta Radiol. Atrophie anhand der Erweiterung des Temporalhorns nach-
2008;49:197-203.
weisbar
Yousry I, Förderreuther S, Moriggl B, Holtmannspötter M, Naidich TP, Straube
A, Yousry TA. Cervical MR imaging in postural headache: MR signs and
MRT:
pathophysiological implications. AJNR Am J Neuroradiol. 2001;22:1239- 4 T1w:
50. 5 Atrophie in o.g. Arealen
5 Grau-Weiß-Differenzierung in Hippocampus vermindert
4 T1IR bzw. T1FLAIR (in koronarer Schichtführung, senkrecht
6.2.17 Mesiale Hippocampussklerose zur Hippocampuslängsachse; empfohlene Schichtdicke: 2–
3 mm):
Synonyme. Ammonshornsklerose, Hippocampussklerose (HC- 5 Erlaubt sehr genaue anatomische Detektion der Anteile
Sklerose), mesiale Temporallappensklerose grauer und weißer Substanz im HC und dadurch auch
gute Zuordnung der Volumenminderung
Definition. Bei der Hippocampussklerose handelt es sich um 5 Assoziierte kortikale Dysplasie?
einen Untergang der Neuronen im Hippocampus, v.a. der Pyra- 4 T2/PDw: Hyperintenses Signal im Hippocampus durch
midenzellen in der CA1- und CA3-Region mit Ausbildung einer Gliose
Gliose. 4 FLAIR: Ist der T2w im Nachweis der gliotischen Verände-
rungen überlegen; zeigt Signalsteigerung am sensitivsten
Epidemiologie und Demographie. Häufigste epilepsiechirur- 4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
gische Indikation; in ca. 15% mit Zweitpathologie assoziiert 4 DWI: ADC erhöht
(meistens kortikale Dysplasie). Oft Z.n. Fieberkrämpfen in der 4 MRS:
Kindheit; familiäres Auftreten möglich. 5 NAA erniedrigt
Altersverteilung: Alle Altersstufen 5 NAA/Cho </= 0,8 und NAA/Cr </= 1, suggestiv für HC-
Geschlechtsverteilung: M = F Sklerose
4 Hippocampusvolumetrie: Potenziell Erhöhung der Sensiti-
Ätiologie. Nicht ganz geklärt. Auftreten sekundär nach Fieber- vität v.a. in bilateralen Fällen
krämpfen, multiplen Anfällen, Status epilepticus. Die Exzitotoxi- 4 T2-Relaxometrie des Temporallappens: Potenziell Erhö-
zität scheint ein wichtiger pathomechanistischer Faktor zu sein. hung der Sensitivität
Die Assoziation mit Zweitpathologien weist jedoch auch auf an-
lagebedingte Komponente hin.
462 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

a b c
6
. Abb. 6.38a–c Hippocampussklerose rechts mit Signalsteigerung in FLAIRw cor und Volumenminderung (Pfeile). a: FLAIRw cor; b, c: T1 FLAIR cor, 3 Tesla
MRT

a b

c d

. Abb. 6.39a–d Hippocampussklerose links mit Signalsteigerung in FLAIRw (a, c) und Volumenminderung. a, c: FLAIRw cor;
b, d: T1 FLAIR cor, 3 Tesla MRT
6.2 · Erworbene degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen mit ZNS-Beteiligung
463 6

a b c

. Abb. 6.40a–c Hippocampussklerose links. a: FLAIRw cor; b: T1 IR cor; c: T2w cor; 1,5 Tesla MRT

a b c

. Abb. 6.41a–c Hippocampussklerose rechts. a–c: FLAIR cor, 1,5 Tesla MRT

NUK: Literatur
4 FDG-PET: Bartlett PA, Symms MR, Free SL, Duncan JS. T2 relaxometry of the hippocam-
pus at 3T. AJNR Am J Neuroradiol. 2007;28:1095-8.
5 Hypometabolismus
Boling WW, Lancaster M, Kraszpulski M, Palade A, Marano G, Puce A. Fluoro-
5 Kombination von PET und MRT erhöht die Sensitivität deoxyglucose-positron emission tomographic imaging for the diagnosis
4 SPECT: Hypoperfusion (iktales SPECT dabei sensitiver als of mesial temporal lobe epilepsy. Neurosurgery. 2008;63:1130-8.
interiktales SPECT) Cendes F. Febrile seizures and mesial temporal sclerosis. Curr Opin Neurol.
2004;17:161-4.
Coan AC, Bonilha L, Morgan PS, Cendes F, Li LM. T2-weighted and T2 relaxom-
! Zu beachten:
etry images in patients with medial temporal lobe epilepsy. J Neuroimag-
4 Der hippocampale Cortex ist aufgrund seines phylo- ing. 2006;16:260-5.
genetisch alten Aufbaus im FLAIR-Bild auch beim Huang CC, Chang YC. The long-term effects of febrile seizures on the hippo-
Gesunden hyperintenser im Vergleich zur normalen campal neuronal plasticity - Clinical and experimental evidence.Brain
6-schichtigen Großhirnrinde (7 Kap. 1). Dev. 2009;31:383-7.
Phal PM, Usmanov A, Nesbit GM, Anderson JC, Spencer D, Wang P, Helwig JA,
4 Eine Hippocampussklerose tritt in bis zu 20% der
Roberts C, Hamilton BE. Qualitative comparison of 3-T and 1.5-T MRI in
Fälle bilateral auf, d.h. der Vergleich zur »normalen« the evaluation of epilepsy. AJR Am J Roentgenol. 2008;191:890-5.
Gegenseite kann trügerisch sein. Simister RJ, McLean MA, Barker GJ, Duncan JS. Proton MR spectroscopy of
metabolite concentrations in temporal lobe epilepsy and effect of tem-
Differenzialdiagnosen. Status epilepticus, diffuses Astrozytom poral lobe resection. Epilepsy Res. 2009;83:168-76.
WHO-Grad II, kortikale Dysplasie (ggf. assoziiert mit Hippo-
campussklerose), Fissura-choroidalis-Zyste oder Residuum des
Sulcus hippocampalis, DNET
464 Kapitel 6 · Degenerative und metabolisch-toxische Erkrankungen

6.2.18 Hypoglykämie-bedingte Veränderungen Bildgebung.


4 Befunde können innerhalb von 1–2 Wochen nach Glucose-
Definition. Schädigung des Hirnparenchyms durch Hypogly- infusion reversibel sein
kämie. 4 Reversibilität gutes prognostisches Zeichen

Epidemiologie und Demographie. Bei Erwachsenen nur Ein- Lokalisation: Variabel:


zelfallberichte. Sonderfall: Neonatale Hypoglykämie bei Neuge- 4 Capsula interna, Corona radiata, frontoparietaler und tempo-
borenen (ca. 1:40.000 Lebendgeburten). raler Kortex, Splenium des Corpus callosum, Hippocampus
Hinweis: Auf die neonatale Hypoglykämie wird nicht eingegan- 4 Bei schwer betroffenen, hypoxischen Patienten zusätzlich
gen, die weiteren Ausführungen beziehen sich auf später erwor- Stammganglien
bene Formen.
Morphologie: Weitgehend symmetrisch
Ätiologie. Hypoglykämie durch: CT:
6 4 Überdosierung von Insulin oder oralen Antidiabetika 4 CT nativ: Hypodense Läsionen in o.g. Lokalisationen
4 Nichtdiagnostiziertes Insulinom 4 CT + KM: Keine KM-Aufnahme
4 Schwere Grunderkrankungen (Sepsis, Nieren- oder Leber-
versagen etc.) MRT:
4 T1w: Hypointense Läsionen in o.g. Lokalisationen
Folgen einer Hypoglykämie: 4 T2/PD/FLAIRw: Hyperintense Läsionen in o.g. Lokalisatio-
4 Hypoglykämie → zerebraler Glucosemangel → Neuronen- nen
untergang; bestimmte Hirnregionen scheinen besonders vul- 4 T1w + KM: Keine KM-Aufnahme
nerabel zu sein 4 DWI: Diffusionsrestriktion mit ADC-Minderung
4 Hypoglykämie → Störung der Proteinsynthese in den oberen
Cortexschichten, in Ncl. caudatus und Putamen und im Hip- Differenzialdiagnosen. Ischämie, andere erworbene metabo-
pocampus lische Erkrankungen, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, zur DD
Spleniumläsionen siehe Exkurs im 7 Kap. 6.2.8
Klinik. Neurologische Symptome der Hypoglykämie sind un-
spezifisch: Verwirrung, Desorientiertheit, Anfälle, Koma. Literatur
Aoki T, Sato T, Hasegawa K, Ishizaki R, Saiki M. Reversible hyperintensity lesion
on diffusion-weighted MRI in hypoglycemic coma. Neurology. 2004 Jul
Verlauf und Prognose. Variabel:
27;63(2):392-3.
4 Stammganglienbeteiligung ist ein Hinweis auf Hypoxie mit Jung SL, Kim BS, Lee KS, Yoon KH, Byun JY. Magnetic resonance imaging and
schlechter Prognose diffusion-weighted imaging changes after hypoglycemic coma. J Neuro-
4 Möglich sind letale Verläufe, aber auch Restitutio ad in- imaging. 2005;15:193-6.
tegrum Maekawa S, Aibiki M, Kikuchi K, Kikuchi S, Umakoshi K. Time related changes
in reversible MRI findings after prolonged hypoglycemia. Clin Neurol
Neurosurg. 2006;108:511-3.
7

Demenzen und andere erworbene


degenerative Erkrankungen

7.1 Der normale Alterungsprozess des Gehirns – 466

7.2 Behandelbare bzw. sekundäre Demenzursachen – 467

7.3 Vaskuläre Demenz – 472

7.4 Morbus Alzheimer (AD) – 476

7.5 Frontotemporale Demenz (FTD) – 478

7.6 Lewy-Körper-Demenz (LBD) – 481

7.7 Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD) – 482

7.8 Erkrankungen mit akinetisch-rigidem Syndrom – 486

7.9 Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) – 495

7.10 Sekundär degenerative Prozesse – 497

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5_7,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
466 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

7.1 Der normale Alterungsprozess sonen zeigte sich, dass Marklagerläsionen vor allem mit höherem
des Gehirns Alter, arterieller Hypertonie, eingeschränkter Lungenfunktion
und schlechtem Einkommen assoziiert sind (Longstreth et al.
Der normale Alterungsprozess des Gehirns geht mit einer ge- 1996). Patienten mit Marklagerveränderungen haben vermehrt
wissen generalisierten Hirnvolumenminderung einher. Dies kognitive Einschränkungen und Gangstörungen. Daher ist es im
äußert sich in einer zunehmenden Weite der kortikalen Furchen Einzelfall schwierig zu beurteilen, ob Marklagerveränderungen
und des Ventrikelsystems im Alter (. Abb. 7.1). Zu beurteilen, als Zufallsbefund Ausdruck des »normalen Alterns« sind oder
ob eine Hirnatrophie über die Altersnorm hinausgeht, ist im Ein- erste Zeichen einer bislang subklinischen vaskulären Demenz
zelfall schwierig. Bei der Einschätzung muss daher immer berück- (7 Kap. 7.3).
sichtigt werden, ob klinische Zeichen einer Demenz vorliegen.
Literatur
Hinweise auf eine pathologische Atrophie sind z.B. ein
Longstreth WT Jr, Manolio TA, Arnold A, Burke GL, Bryan N, Jungreis CA,
Missverhältnis zwischen der Weite der inneren und äußeren Enright PL, O’Leary D, Fried L. Clinical correlates of white matter findings
Liquorräume (7 Kap. 3.1.3) sowie das Vorliegen einer umschrie- on cranial magnetic resonance imaging of 3301 elderly people. The Car-
benen Atrophie, die überwiegend einzelne Hirnregionen be- diovascular Health Study. Stroke. 1996;27:1274-82.
trifft (. Abb. 7.2).
7 Ebenso wie die Hirnvolumenminderung ist das Auftreten Definitionen.
einzelner bisher klinisch »asymptomatischer« mikroangiopathi- Demenz (nach ICD-10): Erworbene Störung des Gedächtnisses
scher Marklagerläsionen (7 Kap. 2.3.1) im höheren Alter eher die und des Denkvermögens, die so ausgeprägt ist, dass dadurch
Regel (. Abb. 7.3). Sie sollten daher nicht überbewertet werden. (berufliche und private) Alltagsaktivitäten beeinträchtigt sind.
Allerdings muss auch Folgendes berücksichtigt werden: In der Die Störung muss seit mindestens 6 Monaten und nicht nur im
bisher größten MRT-Bevölkerungsstudie an 3.301 älteren Per- Rahmen eines Delirs bestehen.

a b c

. Abb. 7.1a–c Generalisierte Hirnvolumenminderung bei gesundem 70-jährigen Probanden. a, b: T1w; c: FLAIRw cor

a b

. Abb. 7.2 Fokale Atrophie frontal bei einem . Abb. 7.3a, b Einzelne, klinisch asymptomatische Marklagerläsionen als Zufallsbefund bei 66-jähriger
Patienten mit frontotemporaler Lobärdegenerati- Patientin. a, b: FLAIRw
on als Beispiel für eine pathologische Atrophie
(T1w + KM sag)
7.2 · Behandelbare Demenzursachen
467 7

a b c

. Abb. 7.4a–c Behandelbare Demenzursachen: a Normaldruckhydrozephalus (T2w). b Chronisches Subduralhämatom (CT). c Großes Falxmeningeom
(T1w + KM sag)

a b c

. Abb. 7.5a–c Arteriovenöse Durafistel mit venöser Kongestion (Stern in b und c) als behandelbare Demenzursache. Die pathologisch erweiterten Venen
sind als prominente Flow voids erkennbar (Pfeilspitzen in c). a, b: DWI, B1000; c: PDw

Leichte kognitive Störung (MCI): Psychometrisch feststehendes 4 Meningeom (. Abb. 7.4c, 7 Kap. 3.2.14)
kognitives Defizit, das – im Gegensatz zu einer Demenz – nicht 4 Arteriovenöse Durafistel mit venöser Kongestion (. Abb. 7.5,
zu einer Alltagsbeeinträchtigung führt. Häufig Vorstadium einer 7 Kap. 2.6.3)
Demenzerkrankung. Bei einer MCI als Vorstadium einer Alzhei-
mer-Demenz (AD) steht die Gedächtnisstörung im Vorder- Literatur
grund. S3-Leitlinie Demenzen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psycho-
therapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft
für Neurologie (DGN). 2009. (http://leitlinien.net)

7.2 Behandelbare bzw. sekundäre


Demenzursachen
7.2.1 Differenzialdiagnose Hydrozephalus
Als sekundäre Demenzursachen bezeichnet man Grunderkran-
kungen, die mit einer dementiellen Symptomatik einhergehen Definition. Bei einem Hydrocephalus (internus) handelt es sich
(. Tab. 7.1). Bei dem Vorliegen einer demenziellen Entwicklung um eine Erweiterung der inneren Liquorräume, d.h. des Ventrikel-
sollte auf jeden Fall einmal während des Krankheitsverlaufes eine systems.
kranielle Bildgebung erfolgen, um behandelbare Demenzursa-
chen auszuschließen. Idiopathischer Normaldruckhydrozephalus
Dazu gehören z.B. Definition. Bei einem Normaldruckhydrozephalus (NPH) be-
4 Normaldruckhydrozephalus (. Abb. 7.4a, 7 Kap. 7.2.1) steht ein normaler Liquordruck bei gestörter Liquorflussdy-
4 Chronisch subdurales Hämatom (. Abb. 7.4b, 7 Kap. 2.5.3) namik.
468 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

. Tab. 7.1 Differenzialdiagnose sekundärer Demenzen

Erkrankungen Typische Beispiele

Intrazerebrale Raumforderungen Tumoren


Intrazerebrale Hämatome

Hydrozephalus

Z.n. Radiatio

Funktionelle Störungen Chronische psychosoziale Stressbelastung, Depression, Angsterkrankungen

Residualsyndrom bei Psychosen

Pseudodemenz bei Depression

Vorschädigung des Gehirns, die im Alter oder Z.n. Ischämie, Z.n. SHT, Multiple Sklerose, Lösungsmittelenzephalopathie,
bei leichter sonstiger Schädigung zur Demenz führt frühkindlicher Hirnschaden

7 Stoffwechselerkrankungen Hypo- oder Hyperthyreose, Hypo- oder Hyperparathyreoidismus, Hypophysen-


erkrankungen, Elektrolytstörungen, Morbus Wilson

Enzephalopathie bei Hashimoto-Thyreoiditis

Spätmanifestierende erbliche Stoffwechelerkrankungen

Infektionskrankheiten Lues, AIDS, opportunistische Erreger, PML, ZNS-Beteiligung bei Morbus Whipple

Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung

Zerebrale Vaskulitis

Epilepsie

Vitaminmangelzustände

Organerkrankungen Diabetes mellitus, Hepatopathie, Urämie, Anämie, Hypoxie

Alkoholkrankheit Wernicke-Korsakoff-Syndrom

Intoxikationen, Medikamente Anticholinergika, Antikonvulsiva

Paraneoplastisch Limbische Enzephalitis

Epidemiologie und Demographie. Verantwortlich für bis zu Klinik. Leitsymptom-Trias: Demenz, Blasenstörung, Gangstö-
5% aller Demenzerkrankungen. rung
Prävalenz: 30:100.000; jährliche Inzidenz: 10/100.000 Fakultativ: Kopfschmerzen, Augenbewegungsstörungen
Altersverteilung: Gipfel in der 6.–7. Dekade
Geschlechtsverteilung: M:F = ca. 2:1 Verlauf und Prognose. Wiederholte Lumbalpunktionen mit
Liquorablass können zu langanhaltender Besserung führen. Ein
Ätiologie. Gehäuft bei arteriellem Hypertonus, bei zerebrovas- Ventrikelshunt führt zur Besserung von Gang-, Gedächtnis- und
kulären Erkrankungen und Diabetes mellitus Feinmotorikstörungen.

Pathogenese. Noch nicht vollständig verstanden: Bildgebung. . Abb. 7.6


4 Beim NPH liegt ein reduzierter zerebraler Blutfluss (CBF) Lokalisation: Ventrikelsystem mit relativer Aussparung des
vor IV. Ventrikels
4 Zusätzlich besteht eine Störung der Liquorresorption: alters- Morphologie:
abhängig ändert sich das Verhältnis zwischen Liquorproduk- 4 Symmetrische Erweiterung der Ventrikel, bei im Verhältnis
tion und Liquorresorption dazu eher engen Sulci (versus generalisierte Atrophie)
4 Im Alter sinkt die Compliance des Hirnparenchyms auf- 4 Frontalhörner abgerundet
grund verminderter elastischer Eigenschaften der Ventrikel- 4 Recessus infundibularis und Recessus opticus des III. Ventri-
wand: In der Systole dehnt sich das Gehirn physiologischer- kels dilatiert, Hypothalamus nach kaudal verlagert
weise aus → stärkerer Druck auf weniger elastische Ventrikel- 4 Corpus callosum kann aufgespannt erscheinen
wand (»Wasserhammer-Effekt«) → Ventrikelerweiterung 4 Periventrikuläre »Polkappen« v.a. um Vorder- und Hinter-
und transependymaler Übertritt des Liquors in das perivent- hörner der Seitenventrikel (durch transependymalen Liquor-
rikuläre Marklager (»Polkappen«) übertritt)

CT nativ: Polkappen hypodens


7.2 · Behandelbare Demenzursachen
469 7

a b

c d

. Abb. 7.6a–d Normaldruckhydrozephalus mit periventrikulären »Polkappen« (Pfeile in a), kräftigem Flow void im Aquädukt
(Pfeile in b und c) und verhältnismäßig engen kortikalen Furchen (d). a, d: FLAIRw; b: T2w; c: CISS sag

MRT: NUK:
4 T1w: Polkappen hypointens 4 PET: Generalisierter Glucosehypometabolismus
4 T2w/PDw: Polkappen hyperintens
5 Kräftiges Flow void im Aquädukt (korreliert mit gutem Differenzialdiagnosen.
Outcome nach Shuntimplantation) Bildgebend: Siehe andere Hydrozephalusformen, v.a. Hydro-
5 Im mediosagittalen Schnitt »Cingulate sulcus sign« be- cephalus e vacuo (siehe Exkurs nächste Seite)
schrieben: Ramus marginalis des Sulcus cinguli ist enger Klinische DD der Gangstörung:
als anteriore Anteile des Sulcus cinguli 4 Parkinson-Syndrom
5 In ca. 50–60% der Fälle zusätzliche Marklagerläsionen, 4 »Senile Gangstörung«, z.B. durch kardiovaskuläre Faktoren,
diese sind häufiger und stärker ausgeprägt als bei alters- nachlassendes Sehvermögen
entsprechendem Vergleichskollektiv 4 Degenerative Mikroangiopathie, u. a.
4 CISS sagittal: Kräftiges Flow void im Aquädukt
4 Phasenkontrast-CINE-MRT: Zur Bestimmung der Liquor- Literatur
flussgeschwindigkeit im Aquädukt; Ergebnisse in der Litera- Adachi M, Kawanami T, Ohshima F, Kato T. Upper midbrain profile sign and
tur widersprüchlich, daher Wertigkeit der Methode zur Diag- cingulate sulcus sign: MRI findings on sagittal images in idiopathic normal-
pressure hydrocephalus, Alzheimer’s disease, and progressive supra-
nose des NPH eingeschränkt
nuclear palsy. Radiat Med. 2006;24:568-72.
4 MRS: Intraventrikulär signifikant erhöhte Laktatkonzentra- Tarnaris A, Kitchen ND, Watkins LD. Noninvasive biomarkers in normal pres-
tion bei NPH (Lactat/Cr-Ratio 0,23) im Vergleich zu Patien- sure hydrocephalus: evidence for the role of neuroimaging. J Neurosurg.
ten mit vaskulärer oder Alzheimer Demenz 2009;110:837-51.
470 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

Andere Hydrozephalusursachen
Hydrocephalus malresorptivus (sekundärer Normaldruck-
hydrozephalus)
Die Ursache des Hydrocephalus malresorptivus liegt in einer ge-
störten Liquorrückresorption. Diese kann verschiedene Ursachen
haben, z.B.:
4 Infektiöse Meningitis
4 Meningeosis carcinomatosa
4 Z.n. Subarachnoidalblutung
4 Z.n. neurochirurgischer OP
4 Z.n. Schädel-Hirn-Trauma

Der H. malresorptivus entwickelt sich relativ rasch (innerhalb von


Tagen bis Wochen) und kann die (evtl. auch notfallmäßige) Anlage
einer externen Ventrikeldrainage erfordern.

a
Hydrocephalus e vacuo
7 Beim Hydrocephalus e vacuo (. Abb. 7.7) besteht eine sekundäre Er-
weiterung des Ventrikelsystems, die bedingt ist durch den Unter-
gang von umliegendem Gewebe, z.B. nach einem Schlaganfall,
einem Schädel-Hirn-Trauma oder einer Operation mit fokaler Aus-
ziehung eines Ventrikels zum Defekt hin.
Beim Vorliegen einer Marklageratrophie, z.B. bei ausgeprägter
Mikroangiopathie oder im Rahmen einer chronischen multiplen
Sklerose kann auch ein generalisierter Hydrocephalus e vacuo vor-
liegen.
Bei dieser Form des Hydrozephalus liegt kein erhöhter Hirn-
druck vor, um die Ventrikel sind keine »Polkappen« nachweisbar.

Verschlusshydrozephalus (Hydrocephalus occlusus)


Ein Verschlusshydrozephalus wird durch eine Liquorabfluss-
behinderung verursacht. Diese kann entweder intraventrikulär lie-
gen (z.B. intraventrikulärer Tumor, intraventrikulärer Blutclot) oder
von außen die Ventrikel komprimieren (z.B. intra- oder extraaxialer
Tumor) und den Liquorabfluss behindern.
Je nach Lokalisation der Abflussbehinderung sind nur (ein b
oder beide) Seitenventrikel und der III. Ventrikel oder alle Ventrikel
. Abb. 7.7a, b Hydrocephalus e vacuo mit weiten inneren und äußeren
betroffen.
Liquorräumen bei Marklageratrophie, keine Polkappen. a, b: T2w
Bildgebung. Erweiterung der betroffenen Ventrikel mit periventriku-
lären Druckzeichen (»Polkappen«, »Halo«) (. Abb. 7.8)

Aquäduktstenose
Definition. Bei der Aquäduktstenose handelt es sich um eine ange-
borene oder erworbene umschriebene Einengung des Aquädukts.
Darüber hinaus kann eine ganze Reihe komplexer angeborener Fehl-
bildungen mit einem Hydrozephalus einhergehen (7 Kap. 5), z.B.:
Bildgebung der Aquäduktstenose. . Abb. 7.9
4 Dysraphische Fehlbildungen (Zelen)
4 Arnold-Chiari-Malformation
Morphologie:
4 Dandy-Walker-Formenkreis
4 Unproportionale Erweiterung der Seitenventrikel und des
4 Monosomie 4p (Fehlen des kurzen Arms eines Chromosoms 4)
III. Ventrikels bei normal weitem IV. Ventrikel
4 Je nach Lokalisation der Stenose ist auch der Aquädukt proximal
Beispiele für einen ausgeprägten anlagebedingten Hydrozephalus
der Stenose erweitert
zeigen die . Abb. 7.10 und . Abb. 7.11.

Sagittale CISS, T2w/PDw, Phasenkontrast-CINE-MRT: Literatur


4 Fehlendes Flow void im Aquädukt Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie.3. Aufl.
4 CISS ermöglicht ggf. Nachweis einer Membran im Aquädukt Thieme, Stuttgart 2005.
7.2 · Behandelbare Demenzursachen
471 7

a b c

. Abb. 7.8a–c Akuter Verschlusshydrozephalus bei Abflussstörung der Seitenventrikel durch Tumor im Bereich der Foramina monroi (Pfeilspitzen) und
periventrikuläre Druckzeichen (Pfeile). a–c: CT

. Abb. 7.9 Hydrozephalus mit Erweiterung der Seitenventrikel, des III. Ventrikels
und des proximalen Aquädukts bei Membran im Aquädukt (Pfeil)

a b c

. Abb. 7.10a–c Massiver anlagebedingter Hydrozephalus. a, b: FLAIRw tra und cor; c: CISS sag
472 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

7
a b c

. Abb. 7.11a–c Massiver anlagebedingter Hydrozephalus. a, c: T2w tra und sag; b: T1w

7.3 Vaskuläre Demenz (VD) Klinik: Klassische Symptome sind Gedächtnisstörungen,


konstruktive Apraxie, Orientierungsstörungen und Störun-
Synonyme. Vascular cognitive disorder (VCD) = neuere Nomen- gen von Urteilsvermögen und Benennen.
klatur Bildgebung: Siehe 7 Kap. 2.1
Definition. Hierbei handelt es sich um eine durch zerebrovasku- 3. Multiple lakunäre Infarkte (Status lacunaris)
lär bedingte Hirnerkrankungen verursachte Demenzform. Typische Symptome sind Apathie, Denk- und psychomoto-
rische Verlangsamung, Bradykinesie, Orientierungs-, Auf-
> Bei der vaskulären Demenz handelt es sich nicht um
merksamkeits- und Gedächtnisstörungen, Perseverationen.
eine einzelne Krankheitsentität, sondern um ein kli-
Bildgebung: Siehe 7 Kap. 2.1
nisches Syndrom, das durch eine Vielzahl von Grund-
4. Leukoaraiose bei degenerativer Mikroangiopathie (sub-
erkrankungen mit unterschiedlicher Pathophysiologie
kortikale arteriosklerotische Enzephalopathie: SAE)
(s.u.) bedingt sein kann und sich dementsprechend
Definition: Diffuse, mikroangiopathische Marklagerver-
klinisch und bildmorphologisch sehr unterschiedlich
änderungen
präsentieren kann.
Bildgebung: . Abb. 7.14 und 7 Kap. 2.3
Eine Bildgebung (MRT) wird heute gefordert, um vaskuläre Lä- 5. Mischformen der o.g. Formen, z.B. Territorialinfarkte und
sionen als Grundlage der vaskulären Demenz zu definieren und lakunäre Infarkte: Gemischte kortikale und subkortikale
die Korrelation zu dem jeweiligen Ausmaß der vaskulären Lä- Demenz
sionen und der Demenz festzulegen. 6. Einzelne oder multiple intrazerebrale Hämatome
Bildgebung: Siehe 7 Kap. 2.5
Formen. Nach Loeb und Meyer (1996) werden unterschieden: 7. CADASIL-Syndrom (= Cerebral Autosomal Dominant Arte-
1. Multiinfarktdemenz (. Abb. 7.12, . Abb. 7.13) riopathy with Subcortical Infarcts and Leukoencephalo-
Definition: Mehrere territoriale Infarkte führen durch Unter- pathy)
gang einer kritischen Zahl von Neuronen zur Demenz. Genetische Erkrankung mit Migränevorgeschichte, gehäuf-
Ursachen der multiplen Hirninfarkte: Kardioembolisch, ten Hirninfarkten und Demenz
arterio-arteriell-embolisch, thrombotisch oder hämodyna- Bildgebung: Siehe 7 Kap. 2.3
misch. 8. Mixed Dementia (vaskuläre Demenz plus Alzheimer-De-
Klinik: Typischerweise können sich Aphasien, Dyslexien, Dys- menz):
graphien, Dyspraxien, Amnesien, Agnosien und Störungen AD-Patienten mit intrakraniellen Blutungen durch zerebrale
von Aufmerksamkeit und Urteilsvermögen finden. Die Symp- Amyloidangiopathie:
tomatik kann in Abhängigkeit von der Lokalisation der ischä- 5 Bildgebung siehe 7 Kap. 7.4 (Morbus Alzheimer) und
mischen Schädigungen naturgemäß sehr vielgestaltig sein. 7 Kap. 2.5.9 (zerebrale Amyloidangiopathie)
Bildgebung: . Abb. 7.12, . Abb. 7.13 und 7 Kap. 2.1 Patienten mit Alzheimer Demenz und begleitenden zere-
2. Strategische Infarkte bralen Infarkten (sehr häufige Form)
Ischämische Läsionen betreffen strategisch wichtige zerebra- 5 Bildgebung siehe 7 Kap. 7.4 (Morbus Alzheimer) und
le Schaltstellen: Thalamus, Striatum, linker Gyrus angularis. 7 Kap. 2.1 (ischämischer Schlaganfall)
7.3· Vaskuläre Demenz
473 7
Epidemiologie und Demographie.
Prävalenz: Verschiedene Angaben wegen unterschiedlichen Di- Ein Problem stellen vorbestehende, unmittelbar infarktbedingte
agnosekriterien und Studiendesigns: Einschränkungen (Aphasie, Hemiplegie, Hemianopsie, Apraxie)
4 Framingham-Studie: Prävalenz von 1,5% für VD und Mixed dar.
Dementia Typische Symptomatik:
4 Prävalenz in Autopsiestudien ca. 8–15% 4 Multiinfarktdemenz: Klinisch typischerweise Aphasie, Dys-
4 Klinische Prävalenz bei Patienten >70: 6–15/1000/Jahr lexie, Dysgraphie, Dyspraxie, Amnesie, Agnosie, Störungen
von Aufmerksamkeit und Urteilsvermögen (in Abhängigkeit
Inzidenzraten: Zwischen 6,4/1000 bis zu 28/1000 von der Lokalisation der ischämischen Läsionen)
Altersverteilung: Abhängigkeit der Prävalenz vom Alter: 4 Strategische Infarkte: Gedächtnisstörungen, konstruktive
4 1–4% bei über 65-Jährigen Apraxie, Orientierungsstörungen, Störungen von Urteilsver-
4 2–8% bei über 75-Jährigen mögen und Benennen
4 14% bei über 85-Jährigen 4 Multiple lakunäre Infarkte (Status lacunaris): Apathie,
Denk- und psychomotorische Verlangsamung, Bradykinesie,
Geschlechtsverteilung: Männer etwas häufiger als Frauen be- Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörun-
troffen; das Lebenszeitrisiko, an einer Form der VD zu erkran- gen, Perseverationen
ken, ist für Männer etwa doppelt so hoch wie für Frauen. 4 Degenerative Mikroangiopathie (SAE): Meist langjähriger
Assoziiert mit: Morbus Alzheimer Hypertonus bei nur diskreten neurologischen Ausfällen; in
schweren Fällen subkortikale Demenz mit Abulie, Inkonti-
Ätiologie. Multifaktorielle Pathogenese, je nach zerebrovas- nenz und Rigidität
kulärer Grunderkrankung; zerebrovaskuläre Läsionen unter-
schiedlicher Ätiologie (s.o., mikro- oder makroangiopatische Verlauf und Prognose.
Infarkte) liegen ursächlich der Demenz zugrunde. Multiinfarktdemenz:
Wichtige Ätiologien (multipler) ischämischer, zerebrovas- 4 Zeitlicher Zusammenhang zwischen Schlaganfall und De-
kulärer Läsionen sind z.B: menz
4 Arteriosklerotische Gefäßwandveränderungen 4 Typischerweise schrittweise oder abrupte Verschlechte-
4 Vorhofflimmern rungen
4 andere vaskuläre Risikofaktoren (7 Kap. 2.1)
SAE: Langsame Progression
Wichtige Ätiologien (multipler) hämorrhagischer, zerebro-
vaskulärer Läsionen sind z.B.: Einteilung, Klassifikation. Es existieren unterschiedliche Diag-
4 Hämorrhagische Diathesen nosesysteme und Einteilungen, wie z.B.:
4 Blutdruckerhöhungen 4 DMS IV (Diagnostic and statistical manual of mental diseases,
4 Rupturierte Aneurysmen 4. Version, 1994)
4 Arteriovenöse Malformationen 4 NINDS-AIREN (National Institute of Neurological Disorders
4 Amyloidangiopathie and Stroke-Association Internationale pour la Recherche et
l’Enseignement en Neurosciences, 1993)
Nach einem ersten klinisch auffälligen Schlaganfall sind bei ca. 4 ADDTC-Kriterien (State of California Alzheimer’s Disease
20–25% aller Patienten demenzielle Symptome nachweisbar. Diagnostic and Treatment Centers, 1992), siehe . Tab. 7.2
! Für die Diagnose einer vaskulären Demenz ist die kau-
Im Jahr 1994 wurde von einem kanadischen Konsortium der
sale oder zeitliche Verknüpfung von Symptomen einer
Versuch unternommen, die wesentlichen Punkte der NINDS-
Demenz mit dem Vorliegen einer zerebrovaskulären
AIREN und der ADDTC zusammenzufassen und in eine neue
Erkrankung Voraussetzung. Das Nebeneinanderbeste-
Skala (C5R Vascular dementia checklist) zu inkorporieren.
hen beider Symptomenkomplexe reicht nicht aus.

Bildgebung. . Abb. 7.12 bis . Abb. 7.14


Klinik. Kein einheitliches klinisches Bild. Siehe jeweiliges Kapitel zu ursächlicher zerebrovaskulärer Er-
Anamnestische Angaben: krankung.
4 Vorangegangene zerebrovaskuläre Ereignisse (frühere Hirn-
infarkte oder zumindest intermittierende neurologische Aus- Differenzialdiagnosen. Andere primäre und sekundäre De-
fälle) menzursachen, z.B. Morbus Alzheimer oder frontotemporale
4 Typische vaskuläre Risikofaktoren (Hypertonie, Rauchen, Demenz
Diabetes mellitus, Herzerkrankungen)
4 Vaskuläre und/oder kardiale Grunderkrankungen (Karotis-
stenosegeräusch, Herzvitium, absolute Arrhythmie etc.)
4 Kognitiver Abbau, depressive Verstimmungen (bei VD häufi-
ger als bei Alzheimer Demenz)
474 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

. Tab. 7.2 ADDTC-Kriterien der vaskulären Demenz

Diagnosesicherheit Kriterien/Befunde

Mögliche vaskuläre Demenz Klinisch diagnostiziertes demenzielles Syndrom (quantifizierbar und reproduzierbar durch neuro-
psychologische Tests) und mindestens eines der folgenden Kriterien:
4 Anamnestisch Hinweise auf einen einzelnen ischämischen Insult ohne eindeutige zeitliche
Beziehung zum Beginn des demenziellen Syndroms oder:
4 SAE, für die alle der folgenden Punkte erfüllt sein müssen:
– Früh einsetzende Harninkontinenz ohne hinreichende urologische Erkrankung oder Gangstörung
ohne hinreichende periphere Erkrankung
– Vaskuläre Risikofaktoren
– Ausgedehnte Veränderungen der weißen Substanz in der bildgebenden Diagnostik

Wahrscheinliche vaskuläre Demenz A) Kriterien, die erfüllt sein müssen:


1. Klinisch diagnostiziertes demenzielles Syndrom (quantifizierbar und reproduzierbar durch neuro-
psychologische Tests),
7 2. Hinweise auf zwei oder mehr ischämische Infarkte (Anamnese, neurologische Untersuchung, Bild-
gebung) oder Auftreten eines einzelnen Infarkts mit einer eindeutigen zeitlichen Beziehung zum
Auftreten des dementiellen Syndroms,
3. Hinweis auf mindestens einen Infarkt außerhalb des Kleinhirns aufgrund von CT oder T1-gewich-
tetem MRT

B) Unterstützung einer wahrscheinlichen vaskulären Demenz:


4 Hinweise für multiple Infarkte in Hirnregionen, die für das Gedächtnis verantwortlich sind
4 Anamnese für transitorisch-ischämische Attacken
4 Anamnese für vaskuläre Risikofaktoren
4 Erhöhte Hachinski-Ischämieskala

C) Klinische Hinweise, die möglicherweise mit einer vaskulären Demenz assoziiert sein könnten,
aber nicht gesichert sind:
4 Frühes Auftreten von Gangstörungen und Harninkontinenz
4 Veränderungen periventrikulär und im Marklager in der T2-gewichteten MRT, die über die Alters-
norm hinausgehen
4 Fokale Veränderungen in der Elektrophysiologie (EEG, evozierte Potenziale) oder der funktionellen
Bildgebung

D) Andere klinische Zeichen, die weder gegen noch für die Diagnose einer wahrscheinlichen
vaskulären Demenz sprechen:
4 Langsam progrediente Symptome
4 Psychosen, Halluzinationen, Wahnvorstellungen
4 Epileptische Anfälle

Sichere vaskuläre Demenz Für diese Diagnosestellung ist eine histopathologische Untersuchung des Gehirns erforderlich.
Folgende Kriterien müssen erfüllt sein:
4 Klinisch diagnostiziertes demenzielles Syndrom
4 Histopathologischer Nachweis von multiplen Infarkten, einige außerhalb des Kleinhirns

Falls sich histopathologisch Hinweise auf das Vorliegen einer Alzheimer- oder einer anderen Erkrankung
ergeben, die für das demenzielle Syndrom verantwortlich sein kann, sollte die Diagnose einer ge-
mischten vaskulären und Alzheimer-Demenz gestellt werden.

Gemischte Demenz (Mixed dementia) Die Diagnose einer gemischten Demenz sollte gestellt werden beim Vorliegen einer oder mehrerer
systemischer oder neurologischer Erkrankungen, die vermutlich der Demenz zugrunde liegen.

Literatur
Hebert R, Brayne C. Epidemiology of vascular dementia. Neuroepidemiology. Rockwood K, Parhad I, Hachinski VC, et al. Diagnosis of vascular dementia:
1995;14:240-57. consortium of canadian centers for clinical cognitive research consensus
Jellinger KA. Morphologic diagnosis of »vascular dementia« – a critical up- statement. Can. J. Neurol. Sci. 1994;21:358-64.
date. J Neurol Sci. 2008;270:1-12. S3-Leitlinie Demenzen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychothe-
Jellinger KA. The pathology of »vascular dementia«: a critical update. J Alzhei- rapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für
mers Dis. 2008;14(1):107-23. Review. Neurologie (DGN). 2009. (http://leitlinien.net)
Leitlinie »Vaskuläre Demenz«. In: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der
Neurologie. 3. Aufl. Thieme, Stuttgart 2005.
7.3· Vaskuläre Demenz
475 7

a b c

. Abb. 7.12a–c Multiinfarktdemenz bei Z.n. mehreren Infarkten im MCA-Stromgebiet rechts und im PCA-Stromgebiet beidseits. a–c: CT nativ

a b c

. Abb. 7.13a–c Multiinfarktdemenz bei Z.n. mehreren Infarkten im MCA-Stromgebiet rechts und im PCA-Stromgebiet beidseits. a, b: T1w; c: T2w

. Abb. 7.14 Degenerative Mikroangiopathie (SAE) mit flächigen Marklagerläsionen


(»Leukoaraiose«) (FLAIRw)
476 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

7.4 Morbus Alzheimer (AD) 4 Psychiatrische Symptome (Depression)


4 Variante: Posteriore kortikale Atrophie: Hier stehen kli-
Synonyme. Alzheimer Demenz nisch eine Störung der visuell-räumlichen Verarbeitung und
morphologisch eine parietookzipital betonte Atrophie im
Definition. Bei der Alzheimer-Erkrankung besteht eine Ge- Vordergrund.
dächtnisstörung plus mindestens eines der folgenden Symptome:
Aphasie, Apraxie, Agnosie oder Störung der Exekutivfunktionen, Klinische Diagnose nach McKhann et al. (1984):
wodurch es zu einer relevanten Beeinträchtigung der Alltags- 4 Klinisch mögliche AD:
funktionen kommt. Die Symptomatik beginnt schleichend, ist 5 Demenzielles Syndrom ohne alternative Ursache, aber mit
konstant nachweisbar und progredient. Andere zerebrale, extra- Abweichen vom typischen klinischen Bild der AD
zerebrale, substanzinduzierte und psychiatrische Erkrankungen 5 Vorliegen einer alternativen Ursache, die aber die Demenz
sind ausgeschlossen. nicht hinreichend erklärt
4 Klinisch wahrscheinliche AD:
Epidemiologie und Demographie. Die AD ist die häufigste 5 Progredientes kognitives Defizit
Demenzform und die häufigste Ursache einer Hirnatrophie beim 5 Aktuell Demenz mit Gedächtnisstörung plus Defizit in
7 älteren Menschen; über 30 Millionen Menschen sind weltweit anderem kognitiven Bereich
betroffen. 5 Ausschluss alternativer Ursachen
Altersverteilung: 5 Unterstützung der Diagnose durch progredientes Defizit
4 Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter an; ca. 5,7% aller speziell von Sprache, Praxis und visueller Gnosis; Defizit
Patienten über 65 Jahre sind betroffen von Alltagsaktivitäten, Verhaltensänderungen, positive
4 Obwohl sie vornehmlich eine Erkrankung des höheren Le- Familienanamnese, normaler Standard-Liquorbefund,
bensalters ist, kann sich die familiäre AD (s.o.) schon in der normales oder unspezifisch verändertes EEG, Hirnatro-
4. Dekade klinisch manifestieren. phie
4 Sichere AD:
Geschlechtsverteilung: M:F = 1:2 5 Histologisch (Autopsie oder Biopsie)
Assoziiert mit: 5 Bei autosomal-dominanter Vererbung durch Mutations-
4 Down-Syndrom (Trisomie 21) analyse
4 Zerebraler Amyloidangiopathie (7 Kap. 2.5.9)
4 Vorliegen des ApoE 4-Allels (ApoE = Lipid-Transportpro- Verlauf und Prognose. Chronisch progrediente, fortschreitende
tein) Einschränkung der intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten.
Durchschnittliche Lebenserwartung nach Diagnosestellung ca.
Ätiologie. In > 99% sporadisch; selten autosomal-dominante 8–10 Jahre.
familiäre Formen.
4 Intrazelluläre Ansammlung von pathologisch phosphory- Sonstiges. Wird die AD in einem Frühstadium diagnostiziert,
liertem Tau-Protein → Ausbildung intrazellulärer Neurofib- bieten sich heute Therapieoptionen. Eine Frühdiagnose ist je-
rillenbündel (»tangles«) doch mit herkömmlichen bildgebenden Verfahren nicht mög-
4 Gestörter Abbau des Amyloid-Precursor-Proteins → ver- lich, sondern erfordert volumetrische oder funktionelle Bild-
mehrte Bildung von β-Amyloid-Peptid (neurotoxisch) → Ab- gebung (s.u.). Ein »Alzheimer-Screening« ist daher zurzeit nicht
lagerung von aggregiertem β-Amyloid (»Amyloid-Plaques«) kosteneffizient durchführbar.
kortikal und perivaskulär: Stadieneinteilung:
→ Neuronenuntergang, Axondegeneration, Synapsenverar- 4 Transentorhinales Stadium:
mung 5 Nachweis neurofibrillärer Tangles (NTs) im Gyrus pa-
→ Zelluntergang im Ncl. basalis Meynert → »cholinerge rahippocampalis
Deafferenzierung« des Cortex 5 Klinisch asymptomatisch
4 Limbisches Stadium
Klinik. 5 Deutlicher Anstieg der NTs im Gyrus parahippocampalis
4 Gedächtnisschwierigkeiten sind ein initiales Symptom »mild 5 Nachweis von NTs im Hippocampus
cognitive impairment« → Prodromalstadium 5 Klinisch leichte kognitive Einschränkungen (»mild cogni-
4 Im Verlauf: Deutliche Einschränkung der Gedächtnisleistung tive impairment«)
und der kognitiven Fähigkeiten, sowie Persönlichkeitsver- 4 Neokortikales Stadium
änderungen, Verlust der Selbständigkeit 5 NTs zunächst im temporalen und parietalen Cortex,
4 »Kortikale Demenz« (deutliche Neugedächtnisstörung, Stö- später im gesamten Neocortex nachweisbar
rung der visuell-räumlichen Verarbeitung, phrasenhafte 5 Klinisch Demenz
Sprache)
7.4 · Morbus Alzheimer (AD)
477 7
Bildgebung. . Abb. 7.15
Kann unauffällig sein.
Lokalisation: Vor allem mesialer (= medialer) Temporallappen
(im Hippocampus: v.a. CA1-Region und Subiculum)
Morphologie:
4 Mesiotemporal betonte Atrophie (v.a. entorhinaler Cortex)
mit konsekutiver Erweiterung der Temporalhörner und
überproportionaler Erweiterung des Sulcus
4 Im Verlauf: Globale Atrophie
4 Bei der Variante der posterioren kortikalen Atrophie: Parieto-
okzipital betonte Atrophie

CT:
4 CT nativ: Ggf. Nachweis der Atrophie
4 Perfusions-CT: Messung von rCBF und rCBV erleichtert DD a
AD versus vaskuläre Demenz, ermöglicht aber keine sichere
DD zwischen AD und gemischter Demenz (mixed dementia)
bzw. vaskulärer Demenz und gemischter Demenz

MRT: Bei Durchführung koronarer Bilder ist die Darstellung der


temporomesialen Atrophie etwas besser möglich als mittels CT.
4 T1w: Koronare Schnittführung oder 3-D-Sequenzen mit
multiplanarer Rekonstruktion: Nachweis der Atrophie
4 T2w:
5 Nachweis der Atrophie
5 Evtl. zusätzlich Nachweis mikroangiopathischer Mark-
lagerläsionen; Zeichen für das Vorliegen einer gemischten
Demenz?
4 DWI:
5 Kein Stellenwert in Routinediagnostik der AD b
5 Anwendung hoher b-Werte scheint sensitiver als »low-
b-value« DWI, DTI und konventionelle MR-Sequenzen . Abb. 7.15a, b Morbus Alzheimer mit mesiotemporal betonter Atrophie
bei der DD vaskuläre Demenz (v.a. Veränderungen der und konsekutiver Erweiterung der Temporalhörner. a: FLAIRw; b: T2w

weißen Substanz) versus AD (v.a. Veränderungen der


grauen Substanz) Andere DDs:
4 PWI: rCBV temporal und parietal erniedrigt Vaskuläre Demenz (zweithäufigste Demenzursache), Lewy-Kör-
4 Hippocampus-Volumetrie: per-Demenz, Frontotemporale Lobärdegeneration (»Pick-Kom-
5 Hat bei der Diagnose AD versus Normkollektiv eine der plex«), Kortikobasale Degenereration, Creutzfeldt-Jakob-Er-
klinischen Diagnostik entsprechende Genauigkeit krankung, Parkinson-Erkrankung, Parkinson-Plus-Syndrome,
5 Reduziertes Hippocampus-Volumen hat jedoch bei Patien- Morbus Huntington
ten mit leichter kognitiver Störung keinen hohen prädik-
tiven Wert für die spätere Entwicklung einer AD Literatur
Adachi M, Kawakatsu S, Hosoya T, Otani K, Honma T, Shibata A, Sugai Y.
4 MRS:
Morphology of the inner structure of the hippocampal formation in
5 Im Temporallappen: NAA erniedrigt, Myo-Inositol er- Alzheimer disease. AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24(8):1575-81.
höht Anderson VC, Litvack ZN, Kaye JA. Magnetic resonance approaches to brain
5 31P-MRS: Phosphomonoester erhöht, Phosphokreatin aging and Alzheimer disease-associated neuropathology. Top Magn
und Adenosindiphosphat erniedrigt Reson Imaging. 2005;16:439-52.
Henry-Feugeas MC. MRI of the ‘Alzheimer syndrome’. J Neuroradiol. 2007;
34:220-7.
NUK: Kantarci K, Jack Jr, CR. Neuroimaging in Alzheimer disease: an evidence-based
4 SPECT: Hypoperfusion temporal und parietal review. Neuroimaging Clin N Am. 2003;13:197-209.
Leitlinie »Diagnostik degenerativer Demenzen (Morbus Alzheimer, Fronto-
Differenzialdiagnosen. temporale Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz). in: Leitlinien für Diag-
nostik und Therapie in der Neurologie. 3. Aufl. Thieme, Stuttgart, 2005.
4 Reversible bzw. behandelbare Demenzursachen, (7 Kap. 7.2):
Mayzel-Oreg O, Assaf Y, Gigi A, Ben-Bashat D, Verchovsky R, Mordohovitch
5 Sind in bis zu 10% der Fälle nachweisbar M, Graif M, Hendler T, Korczyn A, Cohen Y. High b-value diffusion imaging
5 Sollten immer bildgebend ausgeschlossen werden, da sie of dementia: application to vascular dementia and alzheimer disease.
(zumindest teilweise) behandelbar und reversibel sind J Neurol Sci. 2007;257:105-13.
478 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

McKhann G, Drachman D, Folstein M, Katzman R, Price D, Stadlan EM. Clinical Klinik. Bei der frontotemporalen Demenz stehen klinisch Per-
diagnosis of Alzheimer‘s disease: report of the NINCDS-ADRDA Work sönlichkeitsveränderungen und Veränderungen des sozialen
Group under the auspices of Department of Health and Human Services
Task Force on Alzheimer‘s Disease. Neurology. 1984;34:939-44.
Verhaltens (Enthemmtheit mit Esssucht und gesteigertem Sexual-
Pettegrew JW, Klunk WE, Panchalingam K, McClure RJ, Stanley JA. Magnetic trieb) im Vordergrund.
resonance spectroscopic changes in Alzheimer’s disease. Ann N Y Acad Es gibt drei klinisch definierte Prägnanztypen, die sich vor
Sci. 1997;826:282-306. allem im Frühstadium unterscheiden und im Verlauf ineinander
S3-Leitlinie Demenzen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psycho-
übergehen:
therapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft
für Neurologie (DGN). 2009. (http://leitlinien.net) 4 Frontale/frontotemporale Verlaufsform (Haupttyp): Stö-
Wengenack TM, Jack CR Jr, Garwood M, Poduslo JF. MR microimaging of amy- rungen im Sozialverhalten, Persönlichkeitsveränderungen
loid plaques in Alzheimer’s disease transgenic mice. Eur J Nucl Med Mol 4 Primär progressive Aphasie: Führende Aphasie und links-
Imaging. 2008;35,Suppl 1:S82-8.
temporale Atrophie
Zimny A, Sasiadek M, Leszek J, Czarnecka A, Trypka E, Kiejna A. Does perfusion
CT enable differentiating Alzheimer’s disease from vascular dementia and 4 Semantische Demenz (führende bitemporale Atrophie;
mixed dementia? A preliminary report. J Neurol Sci. 2007;257:114-20. Defizite im Wissen über Wortbedeutungen, im Allgemein-
wissen sowie einer visuell-gnostische Störung).

7 7.5 Frontotemporale Demenz (FTD) Verlauf und Prognose. Schleichender Beginn der Verhaltensän-
derung sowie der kognitiven Einschränkungen; Gedächtnisstö-
Synonyme. Frontotemporale Lobärdegeneration, Frontalhirn- rungen stehen eher im Hintergrund, Sprach- und Sprechstörungen
demenz, Morbus Pick eher im Vordergrund; progredient. Verlauf stets letal, der Zeit-
raum von Symptombeginn bis zum Tod dauert meist etwas
Definition. Degenerative Erkrankung des frontalen und tempo- 8–10 Jahre.
ralen Cortex mit variablem Befallsschwerpunkt, variabler Klinik Die Sonderform der isolierten temporalen oder einseitigen
und weitgehend unklarer Nosologie und Pathophysiologie. Lappenatrophie ist deutlich langsamer progredient.
Sonderformen.
4 Morbus Pick: Unterform der FTD, bei der histologisch sog. Sonstiges.
»Picksche Körper« nachgewiesen werden können. Histologie:
4 Isolierte temporale oder einseitige Lappenatrophie: Früh- 4 Verlust der Pyramidenzellen, diffuse Gliose in den betrof-
formen der FTD mit fokalem Befallsschwerpunkt, die im fenen Hirnarealen
späteren Verlauf meist in eine typische FTD übergehen. 4 Nachweis von Pick-Zellen (= geschwollene, »ballonierte«
Neuronen) in den mittleren und basalen Cortexschichten
Epidemiologie und Demographie. von Frontal- und Temporallappen
4 Ca. 5% aller Demenzen, knapp 10% der primär degenera- 4 Nachweis von Pick-Körperchen in den oberflächlichen Cor-
tiven Demenzen, dritthäufigste Form der neurodegenera- texschichten von Frontal- und Temporallappen und im Gy-
tiven Demenzen (nach AD und Lewy-Body-Demenz) rus dentatus des Hippocampus
4 In ca. 20–40% familiäre Häufung, dominanter Erbgang 4 Pick-Körperchen werden nur in ca. 20% aller Fälle mit der
4 Bei 10–30% der Patienten mit positiver Familienanamnese klinischen Diagnose einer FTD gefunden (homogene, ovaläre,
werden Mutationen im Tau-Gen (Chromosom 17) gefunden, argentophile Einschlusskörperchen, Tau-positiv und Ubiqui-
z.B. bei Patienten mit FTDP-17 (»frontotemporal dementia tin-positiv)
and parkinsonism linked to chromosome 17«)
Klinisch und pathologisch besteht eine Überlappung zwischen
Altersverteilung: Krankheitsbeginn meist vor dem 65., selten FTD und kortikobasaler Degeneration (7 Kap. 7.8.4).
nach dem 75. Lebensjahr; Patienten sind jünger als Patienten
mit AD. Bildgebung. . Abb. 7.16 bis . Abb. 7.19
Altersgipfel beim Auftreten: 55–65 Jahre, Beginn üblicherweise Lokalisation:
<70. Lebensjahr, jedoch Frühfälle (25.–40. Lebensjahr) und 4 Typischerweise anteriorer Frontallappen und Temporallap-
Spätfälle (>70. Lebensjahr) möglich. pen
Geschlechtsverteilung: M = F 4 Vor allem die Hirnrinde ist betroffen, oft jedoch zusätzlich
Assoziiert mit: frontale Marklageratrophie
Klinisch und pathologisch bestehen Überschneidungen mit an- 4 Evtl. Caput nuclei caudati
deren Tauopathien: 4 Gyrus praecentralis meist unauffällig
4 FTD und kortikobasale Degeneration 4 Gyrus postcentralis, Wernicke-Sprachareal, Okzipitallappen
4 FTD und progressive supranukleäre Blickparese (PSP) in der Regel regelrecht

Assoziation mit amyotropher Lateralsklerose (7 Kap. 7.9) Morphologie:


4 Rindenatrophie der betroffenen Lappen oft deutlich asym-
Ätiologie. Akkumulation von Tau-Protein (Tau-Protein = hyper- metrisch
phosphorylisiertes mikrotubuläres Protein) und Akkumulation 4 Erweiterung der kortikalen Furchen, typischerweise frontal
von Protein-TDP-43 und temporal betont
7.5 · Frontotemporale Demenz (FTD)
479 7
4 Erweiterung der Seitenventrikel mit deutlicher Betonung der
Vorderhörner und der Temporalhörner → »Messerrücken-
aspekt« im koronaren Bild (. Abb. 7.19)
4 Evtl. mit Atrophie des Caput nuclei caudati
4 Evtl. Marklagerläsionen

CT nativ: Nachweis der Atrophie


MRT:
4 T1w: Atrophie; betroffene Hirnregionen zeigen normales
Signal
4 T2w/PDw/FLAIR:
5 Signalsteigerung der frontotemporalen weißen Substanz
5 Evtl. Marklagerläsionen a
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
4 MRS:
5 NAA/Cr-Ratio in Frontal- und Temporallappen ernied-
rigt, im Parietallappen normal
5 MI/Cr-Ratio in Gyrus cinguli erhöht
5 In einigen Fällen Laktatpeak in Frontallappen beschrieben

NUK:
4 PET: Frontaler und/oder anterotemporaler Hypometabolis-
mus, dabei ist ein ventromedialer und frontobasaler Hypo-
metabolimus besonders charakteristisch (bei der AD ist da-
gegen v.a. ein parietotemporaler Hypometabolimus nach-
weisbar)
4 99mTc-HMPAO-SPECT: Zeigt der Atrophie vorausgehende Hy-
poperfusion frontal und anterotemporal
4 SPECT: Mäßige Sensitivität (72%) und Spezifität (76%) in der b

DD AD versus FTD

Differenzialdiagnosen. Alzheimer Demenz, kortikobasale De-


generation, vaskuläre Demenz, Lewy-Body-Demenz, sekundäre
Demenzursachen, z.B. Schädel-Hirn-Trauma

Literatur
Coulthard E, Firbank M, English P, Welch J, Birchall D, O’Brien J, Griffiths TD.
Proton magnetic resonance spectroscopy in frontotemporal dementia,
J Neurol. 2006;253:861-68.
Dougall NJ, Bruggink S, Ebmeier KP. Systematic review of the diagnostic
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2004;12:554-70.
Ibach B, Poljansky S, Marienhagen J, Sommer M, Männer P, Hajak G. Contrast-
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onset Alzheimer’s disease. Neuroimage. 2004;23:739-43.
Leitlinie »Diagnostik degenerativer Demenzen (Morbus Alzheimer, Fronto- . Abb. 7.16a–c Frontotemporale Lobärdegeneration mit frontotemporaler,
temporale Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz). in: Leitlinien für links betonter Atrophie. a, b: T1w nativ sag und cor; c: T2w
Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 3. Aufl. Thieme, Stuttgart
2005.
Neumann M, Sampathu DM, Kwong LK, Truax AC, Micsenyi MC, Chou TT, Bruce
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Mackenzie IR, Feldman H, Feiden W, Kretzschmar HA, Trojanowski JQ,
Lee VM. Ubiquitinated TDP-43 in frontotemporal lobar degeneration and
amyotrophic lateral sclerosis. Science. 2006;314:130-3.
480 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 7.17a–f Frontotemporale Lobärdegeneration mit frontotemporaler Atrophie, rechts etwas stärker ausgeprägt als links. a, b: T2w; c–f: T1w + KM sag
und cor

a b c

. Abb. 7.18a–c Frontotemporale Lobärdegeneration mit frontotemporaler Atrophie. a, b: T2w; c: T1w + KM cor
7.6 · Lewy-Körper-Demenz (LBD)
481 7

a b c

d e

. Abb. 7.19a–e Frontotemporale Lobärdegeneration mit »Messerrückenaspekt« des Temporallappens im koronaren Bild bei ausgeprägter temporopolarer
Atrophie (Pfeile in a und d). a–c, e: T2w cor und tra; d: FLAIR sag

7.6 Lewy-Körper-Demenz (LBD) Ätiologie. Bildung eosinophiler Einschlüsse (Lewy-Körperchen)


in den Neuronen; Lewy-Körperchen = zytoplasmatische Ein-
Definition. Demenzerkrankung mit Lewy-Körpern in Neuro- schlusskörperchen in den Neuronen mit dichtem, eosinophilem
nen des Neocortex, limbischem Cortex, Hirnstamm und Nucleus Zentrum und blassem Halo, bestehend aus α-Synuclein, Ubiqui-
basalis Meynert (cholinerge Deafferentierung des Cortex; ge- tin, Neurofilament und anderen Proteinablagerungen.
mischt kortikales/subkortikales Demenzsyndrom).
Klinik. Auftreten eines Parkinson-Syndroms schon zu Beginn,
Epidemiologie und Demographie. Etwa 10–15% aller De- erst im Verlauf oder gar nicht.
menzformen; zweithäufigste neurodegenerative Demenz im Al- Klinisch-diagnostische Konsensuskriterien (nach McKeith et
ter. Nach Morbus Alzheimer und vaskulären Erkrankungen ins- al. 2004):
gesamt dritthäufigste Demenzursache. 4 Progrediente Demenz (ggf. ohne besondere Gedächtnis-
Assoziiert mit: störung)
4 Morbus Alzheimer: Überlappung: Auftreten von Amyloid- 4 Zwei der folgenden Kriterien sprechen für eine »wahrschein-
Plaques bei LBD, pathogenetische Beziehung zur AD jedoch liche«, nur ein Kriterium für eine »mögliche« Demenz mit
unklar Lewy-Körperchen:
4 Morbus Parkinson: Überlappung: Nachweis von Lewy-Kör- 5 Fluktuationen, besonders von Aufmerksamkeit und
perchen und Parkinson-Syndrom, wobei der Parkinson in Wachheit
diesen Fällen wenig bis nicht DOPA-responsiv ist 5 Wiederkehrende, ausgestaltete visuelle Halluzinationen
4 Morbus Parkinson mit Demenz (PDD): Klinisch und patho- 5 Parkinson-Symptome (innerhalb eines Jahres vor oder
logisch enge, aber nicht vollständige Überlappung; noso- nach dem Auftreten der Demenz)
logische Trennung zwischen Lewy-Körperchen-Erkrankung 4 Darüber hinaus gibt es folgende unterstützende Zweitrang-
(LBD) und Morbus Parkinson mit Demenz wird zunehmend kriterien:
angezweifelt 5 HäufigeStürze,Synkopen,vorübergehendeBewusstseinsstö-
rung, Neuroleptika-Überempfindlichkeit, Wahnbildung,
nichtvisuelle Halluzinationen, Schlafstörung, Depression
482 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

4 Gegen LBD sprechen folgende Kriterien:


5 Vaskuläre Läsionen oder Symptome
5 Andere Erkrankung, die das klinische Bild zureichend er-
klären kann

Verlauf und Prognose. Progredient

Bildgebung. . Abb. 7.20


CT und MRT sind nicht richtungsweisend.
Morphologie: Relativ geringe Atrophie, im Einzelfall diagnos-
tisch nicht verwertbar.
NUK: Kortikaler Hypometabolismus, betont parieto-okzipital,
einschließlich des visuellen Primärcortex
4 Dopamin-Transporter-SPECT: Aufnahme im Striatum
a
7 Differenzialdiagnosen.
4 Morbus Alzheimer und andere primäre Demenzursachen
Cave: Geringe Sensitivität und Spezifität der DD LBD/AD, v.a.
solange ein deutliches Parkinson-Syndrom fehlt. Die bei der AD
stärker ausgeprägte globale und temporomedial betonte Atro-
phie hat im Einzelfall geringe Aussagekraft.
4 Symptomatische Demenzformen

Literatur
Braak H, Braak E, Yilmazer D, de Vos RA, Jansen EN, Bohl J. Pattern of brain
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McKeith I, Mintzer J, Aarsland D, Burn D, Chiu H, Cohen-Mansfield J, et al.
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7.7 Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD)

Synonyme. (Übertragbare) spongiforme Enzephalopathie


Formen.
4 Sporadische Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (ca. 85%)
4 Creutzfeldt-Jakob-Variante:
5 Mutmaßlich durch den Verzehr von Fleisch von Rindern
mit BSE auf den Menschen übertragen
5 Bekannt seit den 1990er Jahren

c
Familiäre Formen (ca. 15%):
4 Fatale familiäre Insomnie . Abb. 7.20a–c Lewy-Körperchen-Demenz mit dem unspezifischen MRT-
4 Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom Befund einer generalisierten Hirnvolumenminderung. a–c: T2w
7.7 · Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD)
483 7
Epidemiologie und Demographie. Weltweite Häufigkeit: 1:1 Bildgebung. . Abb. 7.21 bis . Abb. 7.23
Million; jährliche Inzidenz der sporadischen CJD in Deutsch- Lokalisation: Cortex, Stammganglien (. Abb. 7.22, . Abb. 7.23),
land: ca. 80 Fälle. Thalamus (Pulvinar), periaquäduktales Grau
Inkubationszeit (Zeit zwischen Ansteckung und Symptombe- Unterscheidung zwischen der sporadischen Form und der
ginn): Einige Monate bis Jahre Variante:
Altersverteilung: Sporadische CJD: Erkrankungsrisiko steigt 4 Sporadische Form: Häufig isolierte Veränderungen im Cor-
mit zunehmendem Alter; Altersgipfel ca. 70. Lebensjahr. Die tex (. Abb. 7.21)
Creutzfeldt-Jakob-Variante betrifft in der Regel jüngere Patien- 4 Variante: Typischerweise Pulvinar des Thalamus betroffen
ten (<50 Jahre). (»Pulvinar-Zeichen« s.u., . Abb. 7.22)
Geschlechtsverteilung: M = F
Morphologie:
Ätiologie. Pathologisches Prionprotein (PrP) 4 Signalveränderungen halten sich an anatomische Grenzen
Familiäre Formen: Genetische Veränderungen 4 Nicht raumfordernd
Sporadische Formen: Selten nachweislich durch direkte Über- 4 Fortschreitende Atrophie
tragung des Prionproteins:
4 Nach medizinischen Eingriffen mit direktem Kontakt mit Charakteristische Befunde der Variante:
infektiösem Material, z.B. unzureichend sterilisierte neurochi- 4 »Pulvinar-Zeichen«: Relative Signalsteigerungen bilateral
rurgische Instrumente, Hirnhauttransplantation, Hypophy- im Pulvinar thalami im Vergleich zum anterioren Putamen
sentransplantate, Augenhornhauttransplantate, aus Leichen- Cave: Keine 100%ige Spezifität des Pulvinar-Zeichens für die
hypophysen gewonnene Wachstumshormone Variante, es ist mittlerweile auch bei einigen sporadischen
4 Unbestätigte Hinweise, dass CJD auch durch Bluttransfusio- Fällen beschrieben.
nen übertragen werden kann 4 »Hockey-stick-Zeichen«: Bilaterale Signalsteigerungen in den
dorsomedialen Thalamuskernen und im Pulvinar thalami
Creutzfeldt-Jakob-Variante: Mutmaßlich Übertragung durch
den Verzehr von Fleisch von Rindern, die an BSE erkrankt sind. CT nativ: In der Regel unauffällig; kann rasch progrediente Atro-
Klinik. Siehe . Tab. 7.3 phie zeigen; serielle Bildgebung zeigt das Fortschreiten der Atro-
phie.
Verlauf und Prognose. In der Regel kurzer klinischer Verlauf MRT:
mit tödlichem Ausgang. 4 T1w: In der Regel normal; in manchen Fällen mit spora-
discher CJD sind Hyperintensitäten im Globus pallidus be-
Sonstiges. Nachweis von Protein 14-3-3 im Liquor schrieben
4 T2w:
5 Hyperintenses Signal in o.g. Arealen, v.a. linear im Cortex,
in den Stammganglien und/oder im Thalamus
. Tab. 7.3 Diagnosekriterien der Creutzfeld-Jakob-Erkrankung 5 Hirnatrophie
Diagnose Befunde
4 PDw: Sensitiver als T2w, hinsichtlich Stammganglien- und
Thalamusveränderungen evtl. auch sensitiver als FLAIR
Definitive CJD Histologische Sicherung 4 FLAIR: Sensitiver als T2w
Nachweis proteaseresistenter PrP mittels 4 T1w + KM: keine KM-Aufnahme
Western-Blot
4 DWI:
Wahrscheinliche CJD Progressive Demenz 5 Sensitivste Sequenz, v.a. für kortikale Läsionen
Typische EEG-Befunde 5 Es wird diskutiert, ob DWI-Läsionen ein sensitiverer diag-
≥ zwei der folgenden klinischen Befunde:
nostischer Marker für CJD sein könnten, als der Protein
4 Myoklonus
4 Sehstörungen 14-3-3-Nachweis.
4 Kleinhirnzeichen
4 Pyramidenbahnzeichen oder extra- NUK:
pyramidale Zeichen 4 PET: Hypometabolismus in betroffenen Regionen
4 Akinetischer Mutismus

Mögliche CJD Progressive Demenz Differenzialdiagnosen.


Atypische EEG-Befunde 4 Primäre neurodegenerative Demenzursachen: AD, LBD;
≥ zwei der folgenden klinischen Befunde:
FTD, kortikobasale Degeneration
4 Myoklonus
4 Sehstörungen 4 Sekundäre Demenzursachen, z.B. hypoxische Enzephalo-
4 Kleinhirnzeichen pathie
4 Pyramidenbahnzeichen oder extra- 4 Zur DD bilateraler Hyperintensitäten der Stammganglien
pyramidale Zeichen siehe Exkurs nächste Seite
4 Akinetischer Mutismus
Dauer der klinischen Symptomatik <2 Jahre
484 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

Meissner B, Kallenberg K, Sanchez-Juan P, Krasnianski A, Heinemann U,


DD bilaterale T2w Hyperintensitäten in den Stammganglien Varges D, Knauth M, Zerr I. Isolated cortical signal increase on MR imag-
4 CJD ing as a frequent lesion pattern in sporadic Creutzfeldt-Jakob disease.
4 Mikroangiopathie (lakunäre Infarkte, 7 Kap. 2.3) AJNR Am J Neuroradiol. 2008;29:1519-24.
4 Morbus Wilson (7 Kap. 6.1) Mendez OE, Shang J, Jungreis CA, Kaufer DI. Diffusion-weighted MRI in Creutz-
4 Morbus Leigh (7 Kap. 6.1) feldt-Jakob disease: a better diagnostic marker than CSF protein 14-3-3?
4 HIV-Enzephalopathie (7 Kap. 4.6) J Neuroimaging. 2003;13:147-51.
Ukisu R, Kushihashi T, Tanaka E, Baba M, Usui N, Fujisawa H, Takenaka H. Dif-
fusion-weighted MR imaging of early-stage Creutzfeldt-Jakob disease:
typical and atypical manifestations. Radiographics. 2006;26 Suppl 1:
Literatur
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Collie DA, Summers DM, Sellar RJ, Ironside JW, Cooper S, Zeidler M, Knight R, Yi SH, Park KC, Yoon SS, Kim EJ, Shin WC. Relationship between clinical course
Will RG. Diagnosing variant Creutzfeldt-Jakob disease with the pulvinar and Diffusion-weighted MRI findings in sporadic Creutzfeldt-Jakob
sign: MR imaging findings in 86 neuropathologically confirmed cases. Disease. Neurol Sci. 2008;29:251-5.
AJNR Am J Neuroradiol. 2003;24:1560-9. Young GS, Geschwind MD, Fischbein NJ, Martindale JL, Henry RG, Liu S, Lu Y,
Kallenberg K, Schulz-Schaeffer WJ, Jastrow U, Poser S, Meissner B, Tschampa HJ, Wong S, Liu H, Miller BL, Dillon WP.Diffusion-weighted and fluid-atte-
Zerr I, Knauth M. Creutzfeldt-Jakob disease: comparative analysis of MR nuated inversion recovery imaging in Creutzfeldt-Jakob disease: high
imaging sequences. AJNR Am J Neuroradiol. 2006;27:1459-62. sensitivity and specificity for diagnosis. AJNR Am J Neuroradiol. 2005;
7 Martindale J, Geschwind MD, De Armond S, Young G, Dillon WP, Henry R, Uye-
hara-Lock JH, Gaskin DA, Miller BL. Sporadic Creutzfeldt-Jakob disease mim-
26:1551-62.

icking variant Creutzfeldt-Jakob disease. Arch Neurol. 2003;60:767-70.

a b c

d e f

. Abb. 7.21a–f Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Hier ist v.a. der Cortex betroffen und stellt sich in FLAIRw und in der Diffusions-MRT hyperintens dar.
a–c: DWI, B1000; d–f: FLAIRw cor
7.7 · Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD)
485 7

a b c

d e f

. Abb. 7.22a–f Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung mit überwiegendem Befall der Stammganglien und der Thalami. a–c: DWI, B1000; d–f: FLAIR tra

a b c

. Abb. 7.23a–c Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Cortex und Stammganglien sind betroffen. Im Thalamus zeigt sich ein Pulvinarzeichen. a–c: DWI, B1000
486 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

7.8 Erkrankungen mit akinetisch-rigidem 4 PD und Parkinson-Plus-Syndrome sind jedoch Gegenstand


Syndrom zahlreicher MR-Studien, die die potenzielle Wertigkeit neuer
MR-Techniken (z.B. DTI, VBM) für diese Diagnosen unter-
7.8.1 Morbus Parkinson (Parkinson Disease, PD) suchen
4 Die MRT ist heute schon essenziell für die Planung der the-
Synonyme. Idiopathisches Parkinson-Syndrom rapeutischen Implantation von Tiefenhirnstimulationselek-
troden in den Globus pallidus oder den Ncl. subthalamicus
Definition. Beim Morbus Parkinson handelt es sich um eine kli- bei PD.
nisch-pathologisch definierte Erkrankung mit hypokinetisch-
rigider Bewegungsstörung und Tremor aufgrund des Untergangs Lokalisation: Substantia nigra
umschriebener Neuronenpopulationen, v.a. der dopaminergen CT nativ: Ist unauffällig oder zeigt unspezifische generalisierte
Neurone in der Substantia nigra. Hirnatrophie
MRT:
Epidemiologie und Demographie. Prävalenz 0,16% insgesamt, 4 T1w:
bei 60-Jährigen 1%, bei 80-Jährigen 3%. 5 Evtl. unspezifische generalisierte Hirnatrophie, muss je-
7 Altersverteilung: Mittleres Erkrankungsalter etwa 55. Lebens- doch nicht über Altersnorm hinaus gehen
jahr; bei Erkrankung <40. Lebensjahr liegt oft ein autosomal- 5 Substantia nigra nicht abgrenzbar
dominantes oder autosomal -rezessives juveniles Parkinson-Syn- 4 T2w:
drom vor. 5 Evtl. hypointense Darstellung von Putamen, Substantia
Geschlechtsverteilung: M = F nigra (Pars compacta), Nucleus dentatus und Ncl. subtha-
lamicus aufgrund vermehrter Eiseneinlagerung.
Ätiologie. 5 Die Datenlage hinsichtlich Eisenablagerungen in den
4 Untergang dopaminerger Neuronen mit Nachweis von Lewy- Stammganglien beim idiopathischen, L-DOPA sensitiven
Körperchen (hyaline eosinophile Zelleinschlusskörperchen); Morbus Parkinson ist jedoch widersprüchlich: z.T. ver-
betroffen sind v.a. Pars compacta der Substantia nigra mehrte Eiseneinlagerung im Vergleich zu Kontrolle, z.T.
4 Untergang cholinerger Neuronen (Ncl. basalis Meynert) kein signifikanter Unterschied, z.T. verminderter Eisenge-
4 Untergang serotinerger Neuronen (Raphe-Kerne) halt im Vergleich zu Kontrolle
4 Untergang noradrenerger Neuronen (Locus coeruleus) 5 Anatomische Abgrenzung der Substantia nigra beim Ge-
4 Zelluntergang im dorsalen Vaguskern, im Bulbus olfactorius sunden auf T2w nicht exakt möglich
und später auch im Cortex 4 PDw und Fast-STIR:
5 Ist der T2w bei der Darstellung der Sustantia nigra beim
Die Ursache des Zelluntergangs ist im Detail noch unklar, gene- Gesunden überlegen
tische Faktoren und neurotoxische Mechanismen spielen eine 5 Bei PD: Verschwommene Grenze zwischen Pars reticulata
Rolle. der Substantia nigra und Ncl. ruber
5 Es wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich
Klinik. Leitsymptome sind: Signalintensität und Größenausdehnung der Pars com-
4 Bewegungsverarmung und -verlangsamung (Akinese, Brady- pacta der Substantia nigra bei PD im Vergleich zu einem
kinese, Hypokinese) Normalkollektiv gefunden, tendenziell zeigt sich jedoch
4 Rigor eine Verschmälerung der Pars compacta.
4 Ruhe- und/oder Haltetremor 5 Von lateral nach medial fortschreitender Signalverlust
4 Symptome zunächst unilateral und armbetont und Größenabnahme der Pars compacta
4 T2*w: Evtl. hypointense Darstellung von Putamen, Substan-
Verlauf und Prognose. Progredient, im Mittel vergehen etwa tia nigra (Pars compacta), Nucleus dentatus und Ncl. subtha-
20 Jahre bis zur Pflegebedürftigkeit, unter L-DOPA-Therapie lamicus aufgrund vermehrter Eiseneinlagerung
wird im Mittel nach 7 Jahren der Grad an Behinderung erreicht, 4 SWI: Erlaubt bessere Quantifizierung des Eisengehaltes des
der vor Therapiebeginn bestand. Gewebes und bessere anatomische Darstellung des Mesenze-
phalons → potenzieller Nutzen für die Bildgebung bei Mor-
Bildgebung. . Abb. 7.24 und . Abb. 7.25 bus Parkinson
4 Bislang geringe Bedeutung der Schnittbildgebung für die 4 MRS: NAA/Cr-Ratio erniedrigt im Vergleich zum Normal-
Routinediagnostik der PD kollektiv, Glu/Cr-Ratio erniedrigt im Vergleich zum Normal-
4 Stellenwert zum Ausschluss anderer Ursachen des hypokine- kollektiv und im Vergleich zum M. Alzheimer
tisch-rigiden Syndroms oder einer Demenz 4 DWI: ADC-Werte im Putamen bei PD geringer als bei CBD
und PSP → differenzialdiagnostisches Merkmal gegenüber
atypischen Parkinsonsyndromen; ADC bei PD jedoch nicht
signifikant verschieden zum Normalkollektiv
7.8 · Erkrankungen mit akinetisch-rigidem Syndrom
487 7
NUK: Verwendung von PET und SPECT zur Beurteilung des nig-
rostriatalen dopaminergen Systems, Bedeutung für die klinische
Routinediagnostik zurzeit ebenfalls begrenzt
4 DAT-SPECT (DAT = präsynaptischer Dopamintransporter):
5 Hilfreich zur DD zwischen neurodegenerativen Parkin-
son-Syndromen (Morbus Parkinson, MSA-P: 7 Kap. 7.8.2;
PSP: 7 Kap. 7.8.3; CBD: 7 Kap. 7.8.4) und Erkrankungen
ohne präsynaptisches dopaminerges Defizit wie sympto-
matische Parkinsonsyndrome (z.B. medikamentenindu-
zierte, »vaskuläre« oder psychogene Parkinson-Syndro-
me), Tremorsyndrome oder Dopa-responsive Dystonie
5 Beurteilung eines präsynaptischen Defizits im Frühsta-
dium eines Morbus Parkinson
4 (18F)Fluordopa-PET: Verminderte L-Dopa-Aufnahme
a
4 FDG-PET: Glukosemetabolimus vermindert

Differenzialdiagnosen.
4 Symptomatische Parkinsonsyndrome (Intoxikation, uner-
wünschte Medikamentenwirkung, Z.n. Enzephalitiden)
4 Parkinson-Plus-Syndrome (atypische Parkinsonsyndrome):
PSP (7 Kap. 7.8.3), MSA, insbesondere MSA-P (7 Kap. 7.8.2),
Lewy-Körperchen-Demenz
4 Bei jungen Patienten: Morbus Wilson, Hallervorden-Spatz-
Erkrankung
4 Bei vorherrschender Demenz: Morbus Alzheimer, vaskuläre
Demenz, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, Multisystematro-
phie (MSA)

DD Erkrankungen, die mit vermehrter zerebraler b


Eisenablagerung einhergehen:
4 Morbus Alzheimer
4 Morbus Parkinson
4 Friedreich-Ataxie
4 Morbus Huntington
4 Morbus Wilson
4 Pantothenatkinase-assoziierte Neurodegeneration
4 Multiple Sklerose

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Haacke EM, Ayaz M, Khan A, Manova ES, Krishnamurthy B, Gollapalli L,
. Abb. 7.24a–c Idiopathisches Parkinson-Syndrom. Hypointenses Signal in
Ciulla C, Kim I, Petersen F, Kirsch W. Establishing a baseline phase behavior
den T2-gewichteten Sequenzen in Putamen/Globus pallidus (Sterne in a
in magnetic resonance imaging for determining normal versus abnormal
und b) und Substantia nigra (Pfeile in c). Zusätzlich deutliche temporal be-
iron content in the brain. J Magn Reson Imaging. 2007;26:256–64.
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2002;23:1747-56. ease. J Magn Reson Imaging. 2008;28:1061-7.
488 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 7.25 Idiopathisches Parkinson-Syndrom mit unspezifischem MRT Befund mit weitgehend normalem Signal im Putamen und in der Substantia
nigra (a–c); Lagekontrolle bei Z.n. Implantation von Tiefenhirnstimulationselektroden (c–f). Die durch die Spitzen der Elektroden verursachten Artefakte
zeigen die regelrechte Lage in den Nuclei subthalami an (Pfeile). a, b: T2w; c, d: T1w nativ; e, f: PDw tra und cor

7.8.2 Multisystematrophie (MSA) Ätiologie. Die MSA gehört zu der Erkrankungsgruppe der
»Synucleopathien«. Der Pathomechanismus ist ungeklärt; man
Definition. Bei der MSA handelt es sich um eine sporadisch auf- findet α-Synuclein-positive zytoplasmatische Einschlüsse in
tretende neurodegenerative Erkrankung unklarer Ätiologie, die Oligodendrozyten, ihre Rolle ist jedoch unklar.
das pyramidale, extrapyramidale, zerebelläre und autonome
System betrifft und sich im Erwachsenenalter manifestiert. Klinik.
MSA-P:
Formen. 4 Parkinson-Syndrom, d.h. extrapyramidale Symptomatik, do-
4 Striatonigrale Degeneration (MSA-P); Synonyme: MSA miniert; meist symmetrische Akinese und Rigidität, Halte-
vom SND-Typ, Parkinson-Typ (MSA-P) und/oder Ruhetremor
4 Olivopontozerebelläre Atrophie (MSA-C); Synonyme: MSA 4 Zusätzlich einzelne pyramidale, zerebelläre oder autonome
vom OPCA-Typ, zerebellärer MSA-Typ (MSA-C) Symptome
4 Schwache bzw. fehlende DOPA-Wirkung
Epidemiologie und Demographie. Prävalenz: ca. 1,8–5/100.000;
Inzidenz: 0,6/100.000/Jahr MSA-C:
Altersverteilung: Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 53 Jahre 4 Zerebelläres Syndrom (Ataxie, Dysarthrie, Okulomotorik-
(Altersspanne von ca. 30–75 Jahre) störungen)
Geschlechtsverteilung: M:F = 1,4:1 4 +/- Parkinson-Syndrom
4 Autonome Störung (orthostatische Dysregulation, Blasen-
und Mastdarmstörungen, Impotenz)
7.8 · Erkrankungen mit akinetisch-rigidem Syndrom
489 7
Verlauf und Prognose. Rasch progredient, nach 5 Jahren sind CT nativ: Atrophie und Erweiterung des IV. Ventrikels
>40% der Patienten deutlich behindert oder rollstuhlpflichtig. MRT:
4 T1w:
Sonstiges. Sichere Diagnosestellung ist nur autoptisch mög- 5 Atrophie in o.g. Regionen
lich. 5 Hyperintenses Signal im Putamen
5 Sagittal: Abflachung des ventralen Pons
Bildgebung. MSA-P: . Abb. 7.26; MSA-C: . Abb. 7.27 bis 4 T2w/PDw:
. Abb. 7.29 5 Vor allem MSA-C: »Hot-cross-bun«-Zeichen (. Abb. 7.27
Spezifität von 1,5 T MRT für die Diagnose relativ hoch, Sen- bis . Abb. 7.29) (so genannt aufgrund der Ähnlichkeit
sitivität 50–80%, abhängig von Stadium der Erkrankung und mit einem in England verbreiteten süßen Brötchen,
technischen Aspekten (Schichtdicke) . Abb. 7.27c): Verursacht durch selektive Degeneration
Lokalisation: der Fibres pontis transversae und der Neuronen in der
4 Vor allem MSA-P: Putamen > Ncl. Caudatus (. Abb. 7.26) Raphe pontis unter Erhalt des Tegmentum ponts und der
4 Vor allem MSA-C: Basis pontis, Pedunculi cerebellares me- kortikospinalen Bahnen → relativ spezifisch für MSA, je-
dius, Marklager des Kleinhirns (. Abb. 7.27 bis . Abb. 7.29) doch auch bei Parkinson-Symptomatik anderer Genese
4 Auch frontoparietale Großhirnrinde beschrieben; Signalhyperintensitäten in den Pedunculi
cerebellares medius
Morphologie: 5 Vor allem MSA-P: Signalveränderungen und Atrophie des
4 Atrophie in o.g. Regionen (posterioren) Putamens mit konsekutiver Erweiterung
4 Konsekutive Erweiterung des IV. Ventrikels des Abstands zwischen Putamen und Capsula externa:
4 Signalsteigerung in T2w in o.g. Regionen 3 Formen der Putamenveränderungen:
4 Vor allem MSA-C: »Hot-cross-bun«-Zeichen (s.u., . Abb. – Geringe Atrophie und isointenses Signal
7.27 bis . Abb. 7.29) – Atrophie und diffus hyperintenses Signal des Puta-
4 Vor allem MSA-P: Putamenatrophie und intrinsische mens mit hyperintensem Randsaum im Bereich des
Signalveränderungen mit »schlitzförmigem« Aspekt (s.u., posterolateralen Putamens (verursacht durch Zell-
. Abb. 7.26) degeneration; »schlitzförmiger« Aspekt, . Abb. 7.26)

a b

c d

. Abb. 7.26a–d MSA-P mit »schlitzförmigem« Aspekt des signalgesteigerten, atrophierten Putamens (Pfeile). a, c: PDw; b, d: T2w
490 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

a b c

d e f

. Abb. 7.27a–f MSA-C mit »Hot-Cross-Bun«-Zeichen im Pons (Pfeile in a, b). Der Mittelhirndurchmesser ist im Vergleich zur PSP hier weitgehend normal
(d). Deutliche Atrophie der Pedunculi cerebellares medius (Sterne in e) und des Kleinhirns, sowie deutliche Volumenminderung und ventrale Abflachung
des Pons im sagittalen Bild (Pfeil in f) bei weitgehend erhaltenem Mittelhirn. a: PDw; b, d: T2w; c: Foto eines »Hot-Cross-Bun«-Brötchens, das für das »Hot-
Cross-Bun«-Zeichen namensgebend war; e, f: T1w nativ tra und sag

– Atrophie und hypointenses Signal des Putamens 5 MSA-C versus MSA-P: FA-Werte in Pons und Zere-
(durch Eisenablagerungen) mit hyperintensem Rand- bellum in MSA-C tendenziell niedriger, Unterschied
saum; hypointenses Signal prominenter bei 3T im Ver- nicht signifikant, kein Unterschied der FA-Werte im Pu-
gleich zu 1,5 T; Putamenatrophie relativ spezifisch für tamen
MSA, Signalveränderungen (Hypointensität und hy- 5 DTI ermöglicht keine sichere DD MSA-C versus MSA-P
perintenser Rand) auch bei PD 4 MRS (bei 3T):
4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme 5 Basis pontis: NAA/Cr-Ratio signifikant reduziert bei
4 T2*w: MSA-C und MSA-P
5 Hypointenses Signal im dorsolateralen Putamen (Spezifi- 5 Putamen: NAA/Cr-Ratio nur bei MSA-P signifikant redu-
tät ca. 90%, Sensitivität ca. 60–75%) ziert
5 Häufiger bei MSA als bei PD, im Einzelfall jedoch geringe 5 Hilfreich bei DD MSA-P versus PD
Wertigkeit für DD 4 MTR:
4 DWI: ADC-Werte: 5 MSA versus PD: Signifikante Reduktion der MTR im
5 DD MSA-P versus PD und Normalkollektiv: Erhöhte Putamen bei MSA
ADC-Werte im Putamen bei MSA 4 VBM: Volumenreduktion in Stammganglien und motori-
5 Erlaubt keine DD MSA-P versus PSP (hier auch erhöhte schem und prämotorischem Cortex
ADC-Werte im Putamen)
4 DTI: NUK
5 MSA (MSA-P und MSA-C) versus PD und Normalkollek- 4 [123-I]-Iodbenzamid-(IBZM-)SPECT: MSA-P versus PD: er-
tiv: FA-Werte in Pons, Zerebellum und Putamen bei MSA niedrigte D2R-Bindung bei MSA-P
signifikant erniedrigt → DTI hilfreich bei Abgrenzung 4 PET: MSA-P versus PD: Glucosehypometabolismus im Puta-
zwischen MSA-P und PD men bei MSA-P
7.8 · Erkrankungen mit akinetisch-rigidem Syndrom
491 7

a b c

. Abb. 7.28a–c MSA-C mit »Hot-Cross-Bun«-Zeichen im axialen Schnitt und ventraler Abflachung des Pons im sagittalen Bild. a, b: PDw; c: T2w sag

a b c

. Abb. 7.29a–c MSA-C mit starker Volumenminderung des Pons und »Hot-Cross-Bun«-Zeichen (a, b). Der Mittelhirndurchmesser ist mit ca. 15 mm (versus
im Durchschnitt ca. 18 mm beim Gesunden) weniger stark vermindert als bei der PSP (Durchschnitt ca. 13 mm). a: FLAIRw; b, c: T2w

Differenzialdiagnosen. Morbus Parkinson, spinozerebelläre 7.8.3 Progrediente supranukleäre Blickparese


Ataxie, autosomal-dominante zerebelläre Ataxie, progressive (PSP)
supranukleäre Blickparese
Synonyme. Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom
Literatur
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Matsusue E, Fujii S, Kanasaki Y, Sugihara S, Miyata H, Ohama E, Ogawa T.
Putaminal lesion in multiple system atrophy: postmortem MR-patho- (Spanne ca. 40.–75. Lebensjahr)
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Muqit MM, Mort D, Miskiel KA, Shakir RA. »Hot cross bun« sign in a patient
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Ätiologie. Die PSP gehört zur Gruppe der »Tauopathien«; die
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492 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

Klinik. Leitsymptome sind: 5 Im axialen Bild: »Morning Glory Sign« = konkave Dar-
4 Krankheitsbeginn >40. Lebensjahr stellung des lateralen Rands des Tegmentum mesence-
4 Symmetrische Akinese phali (. Abb. 7.30)
4 Proximal betonter Rigor Cave: Seltener auch bei MSA-P-Patienten mit supra-
4 Stand- und Gangunsicherheit mit Fallneigung → häufige nukleärer Blickparese beschrieben.
Stürze bereits im ersten Jahr der Erkrankung 5 Hyperintenses Signal im periaquäduktalen Grau
4 Kognitive Dysfunktion 5 Hypointenses Signal im Putamen (durch Eisenablage-
4 Fehlendes Ansprechen auf L-DOPA rungen) → Putamen hypointenser als Globus pallidus
(vice versa beim Gesunden)
Augenbewegungsstörungen treten erst im Verlauf auf, v.a. ver- 4 T1w + KM: Keine pathologische KM-Aufnahme
tikale Blickparese und vertikale Sakkadenstörung (Ncl. intersti- 4 T2*w: Hypointenses Signal im Putamen (durch Eisenablage-
tialis Cajal); oft Aspekt des »erstaunten Blicks« bei retrahiertem rungen)
Oberlid. 4 DWI: ADC-Werte in Pedunculi cerebellares superiores sig-
nifikant höher als in PD und Normkollektiv
Verlauf und Prognose. Progredient, mittlere Überlebenszeit 4 MTR: Signifikante Reduktion der MTR in Substantia nigra im
7 9 Jahre Vergleich zu Normalkollektiv (jedoch auch bei MSA und PD)
4 VBM: PSP versus PD und Normalkollektiv: Signifikante
Bildgebung. . Abb. 7.30 und . Abb. 7.31 Volumenminderung im Bereich der Pedunculi cerebri und
Lokalisation: Vor allem Mesenzephalon (Tectum, Substantia des Mesenzephalons (Sensitivät 83%, Spezifität 79%)
nigra, periaquäduktales Grau)
Morphologie: NUK:
4 Mittelhirnatrophie mit Abflachung des Tectums (durch Atro- (18)F-Dopa-PET: Verminderter (18)F-Dopa-uptake in Striatum,
phie der Colliculi superiores) → verringerter Mittelhirn- orbitofrontalem Cortex und Amygdala
durchmesser (s.u.)
4 »Morning-Glory-Sign« (s.u., . Abb. 7.30); Anmerkung: bei Differenzialdiagnosen. Kortikobasale Degeneration, Morbus
»Morning glory« handelt es sich um eine Pflanze (Acker- Parkinson, MSA-P, andere neurodegenerative Erkrankungen mit
winde), deren Blüte im Profil so aussieht wie das Mittelhirn supranukleärer Blickparese, z.B. spinozerebelläre Atrophie Typ 3
bei PSP (= Machado-Joseph-Erkrankung)
4 Konsekutive Erweiterung des Aquädukts und der Cisterna
Literatur
interpeduncularis
Adachi M, Kawanami T, Ohshima F, Kato T. Upper midbrain profile sign and
4 Atrophie der Pedunculi cerebellares superior cingulate sulcus sign: MRI findings on sagittal images in idiopathic
4 Erweiterung des III. Ventrikels normal-pressure hydrocephalus, Alzheimer’s disease, and progressive
4 Spät im Verlauf auch frontale und temporale Atrophie supranuclear palsy. Radiat Med. 2006;24:568-72.
Adachi M, Kawanami T, Ohshima H, Sugai Y, Hosoya T. Morning glory sign:
a particular MR finding in progressive supranuclear palsy. Magn Reson
CT nativ: Atrophie in o.g. Regionen Med Sci. 2004;3:125-32.
MRT: Cosottini M, Ceravolo R, Faggioni L, Lazzarotti G, Michelassi MC, Bonuccelli U,
4 T1w: Murri L, Bartolozzi C. Assessment of midbrain atrophy in patients with
progressive supranuclear palsy with routine magnetic resonance imag-
5 Atrophie in o.g. Regionen ing. Acta Neurol Scand. 2007;116:37-42.
5 Im sagittalen Bild: »Upper-midbrain-profile«-Zeichen, Gröschel K, Kastrup A, Litvan I, Schulz JB. Penguins and hummingbirds: mid-
»Hummingbird«-Zeichen (= Kolibri-Zeichen) oder »Pin- brain atrophy in progressive supranuclear palsy. Neurology. 2006;66:
949-50.
guin-Zeichen« (»penguin silhouette sign«) → 3 Begriffe
Kato N, Arai K, Hattori T.Study of the rostral midbrain atrophy in progressive
für prinzipiell den gleichen Befund: supranuclear palsy. J Neurol Sci. 2003;210:57-60.
– Abgeflachte oder sogar konkave Darstellung der obe- Oba H, Yagishita A, Terada H, et al. New and reliable MRI diagnosis for progres-
ren Begrenzung des Mittelhirns im sagittalen Bild → sive supranuclear palsy. Neurology. 2005;64:2050–55.
Price S, Paviour D, Scahill R, Stevens J, Rossor M, Lees A, Fox N. Voxel-based
Aspekt des Kolibrikopfes mit Schnabel (. Abb. 7.31) morphometry detects patterns of atrophy that help differentiate pro-
– Verringertes Mittelhirn-Pons-Verhältnis aufgrund der gressive supranuclear palsy and Parkinson’s disease. Neuroimage.
Mittelhirnatrophie → Tegmentum = kleiner Kopf, Pons 2004;23:663-9.
Righini A, Antonini A, De Notaris R, Bianchini E, Meucci N, Sacilotto G, Canesi
= dicker Bauch des Pinguins (. Abb. 7.30)
M, De Gaspari D, Triulzi F, Pezzoli G. MR imaging of the superior profile of
4 T2w/PDw: the midbrain: differential diagnosis between progressive supranuclear
5 Atrophie in o.g. Regionen palsy and Parkinson disease. AJNR Am J Neuroradiol. 2004;25:927-32.
5 Verringerter Mittelhirndurchmesser, gemessen im axialen Slowinski J, Imamura A, Uitti RJ, Pooley RA, Strongosky AJ, Dickson DW,
Broderick DF, Wszolek ZK. MR imaging of brainstem atrophy in progres-
Bild (Mittelwert bei PSP = 13,4 mm versus 18,5 mm bei PD, sive supranuclear palsy. J Neurol. 2008;255:37-44.
18,2 mm beim Normalkollektiv und 16,7 mm bei MSA) Steele JC, Richardson JC, Olszewski J. Progressive supranuclear palsy. Arch
5 Anmerkung: Eine ganze Reihe von Studien konnte mit Neurol. 1964;10:333–59.
unterschiedlichen 2-D- und 3-D-Messverfahren in ver- Warmuth-Metz M, Naumann M, Csoti I, Solymosi L. Measurement of the mid-
brain diameter on routine magnetic resonance imaging: a simple and
schiedenen Ebenen zeigen, dass die Atrophie des Mesen- accurate method of differentiating between Parkinson disease and pro-
cephalons ein charakteristischer Befund bei der PSP ist. gressive supranuclear palsy. Arch Neurol. 2001;58:1076–9.
7.8 · Erkrankungen mit akinetisch-rigidem Syndrom
493 7

a b c

. Abb. 7.30a–c PSP mit vermindertem Mittelhirndurchmesser und »Morning Glory Sign« (konkave Darstellung des lateralen Rands des Tegmentum
mesencephali im axialen Schnitt, in b) links mit Pfeil gekennzeichnet, die Bezugslinie ist eingezeichnet; beim Gesunden würde sich der laterale Rand des
Tegmentum über diese Linie konvex vorwölben). Im sagittalen Bild zeigt sich deutlich die Volumenminderung des Mesencephalons, v.a. im Vergleich
zum Pons, was auch zu der Beschreibung als »Pinguin-Zeichen« im sagittalen Bild geführt hat. a: FLAIRw; b, c: T2w tra und sag

a b c

. Abb. 7.31a–c PSP mit vermindertem Mittelhirndurchmesser im axialen Bild (13 mm). b Gleiche Schicht wie a mit eingezeichneter Messlinie. c Im sagitta-
len Bild konkave Darstellung der oberen Begrenzung des Mittelhirns (= Aspekt des Kolibrikopfes mit Schnabel: »Hummingbird«-Zeichen oder auch »Upper-
midbrain-profile«-Zeichen; Pfeile in c). a–c: T2w tra und sag

7.8.4 Kortikobasale Degeneration (CBD) Klinik. Leitsymptome sind:


4 Deutlich asymmetrisches hypokinetisch-rigides Syndrom
Definition. Bei der kortikobasalen Degeneration handelt es sich mit schlechtem Ansprechen auf L-DOPA
um ein sehr asymmetrisches hypokinetisch-rigides Syndrom mit 4 Einseitige Apraxie und kortikal-sensorisches Defizit (»alien
umschriebener kortikaler Dysfunktion, das ein schlechtes An- limb«)
sprechen auf L-DOPA zeigt. 4 Pyramidenbahnzeichen
4 Im späteren Verlauf: Halt- und Aktionstremor, Beugedysto-
Epidemiologie und Demographie. Nach PSP zweithäufigstes nie des Arms, Myoklonus, supranukleäre Augenbewegungs-
atypisches Parkinson-Syndrom; selten familiäre Formen störungen
Altersverteilung: Symptombeginn zwischen 60.–65. Lebens-
jahr Verlauf und Prognose. Progredient; Immobilität bei Rigidität
nach ca. 5–7 Jahren. Der Krankheitsverlauf bis zum Tod dauert
Ätiologie. Gehört in die Gruppe der »Tauopathien« → Erkran- meist 3–13 Jahre.
kungen mit Mutationen im Tau-Gen → Funktionsverlust des Tau-
Proteins → Ablagerung von abnorm phosphoryliertem Tau-Pro- Sonstiges. Histologischer Nachweis von glialen Einschlüssen in
tein in Nerven- und Gliazellen, die genaue Pathogenese ist nicht Form von »glialen Knäueln« (»glial coils«) und astrozytischen
bekannt. Plaques, die als spezifisch für die CBD gelten.
494 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

Bildgebung. . Abb. 7.32 und . Abb. 7.33 4 MRS: Zurzeit keine sichere Wertigkeit in der DD der hyper-
Bildgebung oft zunächst unauffällig. kinetisch-rigiden Syndrome
Lokalisation: Zentralregion, paramedian betont
Morphologie: NUK:
4 Asymmetrische Atrophie im Bereich der Zentralregion mit 4 SPECT: Asymmetrische Hypoperfusion frontoparietal, ggf.
Verschmälerung der Gyri prä- und postcentrales und konse- Hypoperfusion in Stammganglien und Mittelhirn
kutiver Erweiterung des Sulcus centralis kontralateral zur
klinisch stärker betroffenen Seite (. Abb. 7.32, . Abb. 7.33) Differenzialdiagnosen. Amyotrophe Lateralsklerose, Morbus
4 Asymmetrische Atrophie der Pedunculi cerebri Parkinson, PSP, MSA-P, frontotemporale Demenz, Wallersche
4 Atrophie des Tegmentums Degeneration
4 Subkortikale Gliosen im Bereich der Zentralregion
Literatur
CT nativ: Evtl. Nachweis der asymmetrischen Atrophie Borroni B, Garibotto V, Agosti C, Brambati SM, Bellelli G, Gasparotti R, Pado-
vani A, Perani D.White matter changes in corticobasal degeneration
MRT:
syndrome and correlation with limb apraxia. Arch Neurol. 2008;65:796-
4 T1w: Nachweis der asymmetrischen Atrophie 801.
4 T2w/PDw/FLAIR:
7 5 Nachweis der asymmetrischen Atrophie
Clarke CE, Lowry M. Systematic review of proton magnetic resonance spec-
troscopy of the striatum in parkinsonian syndromes. Eur J Neurol. 2001;
5 Evtl. subkortikale hyperintense Marklagerläsionen im Be- 8:573-7.
reich der Zentralregion Koyama M, Yagishita A, Nakata Y, Hayashi M, Bandoh M, Mizutani T. Imaging
4 DWI: ADC-Wert im Putamen signifikant erhöht im Vergleich of corticobasal degeneration syndrome. Neuroradiology. 2007;49:905-
12.
zu Normalkollektiv und Patienten mit Morbus Parkinson,
Rizzo G, Martinelli P, Manners D, Scaglione C, Tonon C, Cortelli P, Malucelli E,
jedoch kein signifikanter Unterschied zu PSP Capellari S, Testa C, Parchi P, Montagna P, Barbiroli B, Lodi R. Diffusion-
4 DTI: Abnahme der fraktionalen Anisotropie in langen fronto- weighted brain imaging study of patients with clinical diagnosis of cor-
parietalen Assoziationsbahnen, intraparietalen Assoziations- ticobasal degeneration, progressive supranuclear palsy and Parkinson’s
fasern und Corpus callosum disease. Brain. 2008;131:2690-700.

a b c

. Abb. 7.32a–c Kortikobasale Degeneration mit Atrophie in der Zentralregion rechts und konsekutiver Erweiterung des Sulcus centralis rechts (Pfeile in a),
kontralateral zur klinisch stärker betroffenen Seite. a, b: CT nativ; c: FLAIRw

a b c

. Abb. 7.33a–c Kortikobasale Degeneration mit Atrophie, betont in der Zentralregion. In diesem Fall weitgehend symmetrisch, was eher untypisch ist. a–c: T2w
7.9 · Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
495 7
7.8.5 Bilaterale striatopallidodentale CT nativ: Meist unauffällig, im Verlauf Nachweis progredienter
Verkalkungen (Morbus Fahr) Atrophie
MRT: Meist Nachweis von Signalveränderungen im Bereich der
Siehe 7 Kap. 6.2.9 Gyri präcentrales und der Pyramidenbahnen, im Verlauf zuneh-
mend
4 T1w: Signalveränderungen nur im Bereich der Capsula inter-
7.9 Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) na, die sich iso- (meistens), hypo- oder leicht hyperintens
darstellt
Definition. Es handelt sich um eine Erkrankung aus der Gruppe 4 T2w:
der motorischen Systemdegenerationen mit kombinierter Dege- 5 Lineare kortikale Signalminderungen im Gyrus präcen-
neration der 1. und 2. Motoneurone. tralis (Ursache ist unklar, nicht durch Eisenablagerungen
bedingt), unspezifisch
Epidemiologie und Demographie. Prävalenz ca. 2–8/100.000 5 Hyperintenses Signal im Verlauf der Pyramidenbahn
Einwohner 4 PDw: Hyperintenses Signal im Verlauf der Pyramidenbahn,
Altersverteilung: Symptombeginn meist um das 60. Lebensjahr Signalveränderungen in hinterem Kapselschenkel in PDw
(Spanne: 20.–80. Lebensjahr) sind spezifischer für ALS als in T2w
Geschlechtsverteilung: M:F = 2:1 4 FLAIR:
5 Sensitiver, aber weniger spezifisch als T2w für Hypointen-
Ätiologie. sitäten im Gyrus präcentralis
Sporadische Form (sALS): >90% der Fälle 5 Sensitiver als T2w und PDw für Signalsteigerungen im
Familiäre Formen (fALS): 5–10% der Fälle; autosomal-dominan- Verlauf der Pyramidenbahn
te und autosomal-rezessive Erbgänge sind möglich; verschiedene 4 DTI:
Mutationen sind bekannt. 5 FA-Werte signifikant reduziert, nicht nur in der Pyrami-
Es kommt zur Degeneration des 2. Motoneurons, d.h. der denbahn, ADC-Werte erhöht
spinalen α-Motoneurone, sowie des 1. Motoneurons im Gyrus 5 ADC und FA-Werte sind unabhängige Prädiktoren für
präcentralis; verschiedene Pathomechanismen werden disku- Krankheitsdauer
tiert, z.B. glutamatvermittelte Neurotoxizität oder Entzündungs- 4 MRS: NAA-Reduktion im motorischen Cortex, NAA/Cr und
reaktionen NAA/Cho-Ratios reduziert

Klinik. NUK:
4 Fokal beginnende amyotrophe Paresen und Pyramidenbahn- 4 PET: Reduzierter Glucosemetabolismus auch in anderen Re-
zeichen gionen als dem Motorcortex
4 Im Verlauf generalisieren die Paresen
4 Hypersalivation, Schluckstörungen Differenzialdiagnosen.
4 Dysarthrie
> Normalvariante: Vor allem bei 3 Tesla kann sich die
4 Depression, Angst, Schmerzen
Pyramidenbahn auch beim Gesunden in T2w/FLAIR
4 Affektstörungen bei Pseudobulbärparalyse
hyperintens darstellen, PDw ist spezifischer.
4 Muskelkrämpfe und Faszikulationen
4 Frontale Demenz (ca. 5% der Fälle) Kortikobasale Degeneration, Waller-Degeneration, primäre
Lateralsklerose, Parkinson-Erkrankung, Parkinson-Plus-Syn-
Verlauf und Prognose. Paresen von distal nach proximal pro- drome, Morbus Huntington
gredient; 90% Mortalität innerhalb von 6 Jahren. Nach 3–5 Jah-
ren Tod durch respiratorische Insuffizienz. Manche familiäre, Literatur
Comi G, Rovaris M, Leocani L. Review neuroimaging in amyotrophic lateral
juvenile Formen zeigen ein längeres Überleben.
sclerosis. Eur J Neurol. 1999;6:629-37.
Hecht MJ, Fellner C, Schmid A, Neundörfer B, Fellner FA. Cortical T2 signal
Bildgebung. . Abb. 7.34 und . Abb. 7.35 shortening in amyotrophic lateral sclerosis is not due to iron deposits.
Lokalisation: Gyrus präcentralis, Pyramidenbahnen Neuroradiology. 2005;47:805-8.
Morphologie: Sarchielli P, Pelliccioli GP, Tarducci R, Chiarini P, Presciutti O, Gobbi G, Gallai V.
Magnetic resonance imaging and 1H-magnetic resonance spectroscopy
4 Im fortgeschrittenen Stadium Atrophie des Gyrus präcentra-
in amyotrophic lateral sclerosis. Neuroradiology. 2001;43:189-97.
lis und der Pyramidenbahn Wang S, Poptani H, Woo JH, Desiderio LM, Elman LB, McCluskey LF, Krejza J,
4 Signalveränderungen im Motocortex und der Pyramiden- Melhem ER. Amyotrophic lateral sclerosis: diffusion-tensor and chemical
bahn shift MR imaging at 3.0 T. Radiology. 2006;239:831-8.
496 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

a b c

. Abb. 7.34a–c Amyotrophe Lateralsklerose mit Signalsteigerung der Pyramidenbahn beidseits (Pfeile). a: FLAIRw cor; b, c: T2w

a b c

d e f

. Abb. 7.35a–f Amyotrophe Lateralsklerose mit Signalsteigerung der Pyramidenbahn (Pfeile). a–f: FLAIRw tra und cor
7.10 · Sekundär degenerative Prozesse
497 7
7.10 Sekundär degenerative Prozesse

7.10.1 Wallersche Degeneration

Definition. Bei der Wallerschen Degeneration handelt es sich


um eine anterograde Degeneration von Nervenfasern (Axonen
und Myelinscheiden), bedingt durch eine proximal gelegene
Schädigung der Axone oder ihrer Nervenzellkörper.

Ätiologie. Proximal gelegene Schädigung der Axone oder ihrer


Nervenzellkörper, z.B. durch:
4 Ischämisch oder hämorrhagisch bedingten Infarkt
4 Tumor
4 Operation
4 Enzephalitis
4 Schädel-Hirn-Trauma a

Klinik. Abhängig von Lokalisation; die Wallersche Degeneration


der Pyramidenbahn geht mit persistierender Hemiparese einher.

Verlauf und Prognose. Beginn ca. 1 Woche nach der ursäch-


lichen Schädigung; fortschreitende Demyelinisierung über bis zu
6 Monate

Bildgebung. . Abb. 7.36 und . Abb. 7.37


Lokalisation: In Abhängigkeit der primären Schädigung, ipsila-
teral zur Läsion; typisch: Pyramidenbahn bei MCA-Infarkt
Morphologie: Progrediente Atrophie, Signalalteration; typi-
scherweise ovalär konfiguriert in der Capsula interna und den
Pedunculi cerebri, bogenförmig im Pons
CT nativ: Atrophie, Volumenasymmetrie im Mittelhirn/Pons
MRT:
4 T1w: Signalalteration zeitabhängig:
5 Innerhalb der ersten 4 Wochen: Keine Signalalteration b
5 Zwischen 4. Woche und ca. 3. Monat: Hyperintens
5 Im späteren Verlauf: Hypointenses Signal, Atrophie
4 T2w/PDw/FLAIR: Signalalteration zeitabhängig:
5 Innerhalb der ersten 4 Wochen: Keine Signalalteration
5 Zwischen 4. Woche und ca. 3. Monat: Hypointens
5 Im späteren Verlauf: Hyperintenses Signal, Atrophie
4 DWI: ADC-Minderung
4 DTI: Verminderte Anisotropie
4 MRS: Früh schon NAA-Verminderung

Differenzialdiagnosen.

> Normalvariante: Vor allem bei 3 Tesla kann sich die


Pyramidenbahn auch beim Gesunden in T2w/FLAIR
hyperintens darstellen.

Amyotrophe Lateralsklerose, Neoplasien (Hirnstammgliome,


Lymphome), MS, ADEM, Morbus Behςet, oliväre Hypertrophie,
angeborene Stoffwechselerkrankungen (Morbus Wilson, Adreno- c

leukodystrophie) . Abb. 7.36a–c Wallersche Degeneration der Pyramidenbahn rechts (Pfeil)


bei Z.n. großem Infarkt rechts. a–c: T2w
Literatur
Kang DW, Chu K, Yoon BW, Song IC, Chang KH, Roh JK. Diffusion-weighted
imaging in Wallerian degeneration. J Neurol Sci. 2000;178:167-9.
Thomalla G, Glauche V, Weiller C, Röther J. Time course of wallerian degen-
eration after ischaemic stroke revealed by diffusion tensor imaging.
J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2005;76:266-8.
498 Kapitel 7 · Demenzen und andere erworbene degenerative Erkrankungen

Typische Lage der primären Schädigung: ipsilateraler Tractus


tegmentalis centralis oder kontralateraler Nucleus dentatus.
Eine bilaterale OHT tritt auf, wenn sich die primäre Schä-
digung auf den Tractus tegmentalis centralis und die Pedun-
culus cerebellaris superior erstreckt. Häufigste Ursache ist eine
Ponsblutung (z.B. hypertensiv, AV-Malformation); weitere Ur-
sachen sind z.B. demyelinisierende Herde, Hirnstammkaver-
nom oder Z.n. operativer Entfernung eines Hirnstammpro-
zesses.
Histologisch sieht man eine vakuoläre Degeneration des
Zytoplasmas der Nervenzellen, dadurch steigt das Volumen der
Nervenzellen. Zusätzlich besteht bei der »Hypertrophie« auch
eine Vermehrung der Astrozyten.

Klinik. Symptomatischer palataler Tremor (Gaumentremor),


7 Myoklonus, Pendelnystagmus
a
Verlauf und Prognose. Entstehung im Mittel 4–6 Monate nach
primärer Schädigung (Spanne: ca. 3 Wochen bis 11 Monate nach
Auftreten der primären Läsion). Das Maximum der Hypertro-
phie ist nach ca. 5–15 Monaten erreicht. Im weiteren Verlauf
Regredienz der Hypertrophie, Hyperintensität in T2w kann über
Jahre bestehen bleiben; spät Atrophie.

Bildgebung. . Abb. 7.39


Lokalisation:
4 Nucleus olivaris inferior
4 Uni- oder bilateral (s.o.)
4 Lage der primären Schädigung im Bereich des Guillain-Mol-
laret-Dreiecks (s.o.)

Morphologie: Zunächst Hypertrophie, im Langzeitverlauf Atro-


phie
CT nativ:
b
4 Ggf. Nachweis der primären Schädigung (v.a. intrazerebrale
. Abb. 7.37a, b Wallersche Degeneration der Pyramidenbahn rechts (Pfeil) Blutung)
bei Z.n. MCA-Teilinfarkt rechts. a, b: CT nativ 4 Typischerweise unauffällig in Hinblick auf OHT selbst

MRT:
7.10.2 Oliväre Hypertrophie 4 T1w:
5 Akut unauffällig, später Volumenvermehrung
Definition. Bei der olivären Hypertrophie (OHT) handelt es 5 Signal in Olive meist iso- bis leicht hypointens im Ver-
sich um eine sekundäre Degeneration des Nucleus olivaris infe- gleich zum Cortex, seltener leicht hyperintens
rior infolge einer Läsion im Bereich des Guillain-Mollaret-Drei- 4 T2w/PDw/FLAIR:
ecks. (Der englische Name »hypertrophic olivary degeneration« 5 Initial (ca. erste 6 Monate): Hyperintenses Signal in Olive
ist hier besser gewählt.) 5 6 Monate bis ca. 3–4 Jahre: Volumenvermehrung und
Guillain-Mollaret-Dreieck = Dento-rubro-olivärer Regel- hyperintenses Signal
kreis: Nucleus ruber → Tractus tegmentalis centralis → Olive → 5 Im Langzeitverlauf: Regredienz der Volumenvermeh-
Tractus olivocerebellaris → Cerebellum (Nucleus cerebellaris) → rung, Übergang in Atrophie, hyperintenses Signal kann
Tractus dentatorubralis → Nucleus ruber (. Abb. 7.38) über lange Zeit fortbestehen
4 T2*w: Ggf. zum Nachweis von Residuen der Primärläsion
Ätiologie. Durch eine primäre Schädigung im Bereich des Guil- (bei Blutung)
lain-Mollaret-Dreiecks (. Abb. 7.38) kommt es zu einer Unter-
brechung dieses Regelkreises, die zu einer transsynaptischen Differenzialdiagnosen. MS-Plaque, Hirnstammgliom, Waller-
Degeneration führt. sche Degeneration, Medullainfarkt, Enzephalitis
7.10 · Sekundär degenerative Prozesse
499 7
Literatur
Gerace C, Fele MR, Luna R, Piazza G. Neurological picture. Bilateral hypertro-
phic olivary degeneration.J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2006;77:83.
Hornyak M, Osborn AG, Couldwell WT. Hypertrophic olivary degeneration
after surgical removal of cavernous malformations of the brain stem:
report of four cases and review of the literature. Acta Neurochir (Wien).
2008;150:149-56.
Lim CC, Lim SA. Images in clinical medicine. Pendular nystagmus and palato-
myoclonus from hypertrophic olivary degeneration. N Engl J Med. 2009;
360:e12.

. Abb. 7.38 Schematische Darstellung des Guillain-Mollaret-Dreiecks, d.h.


des dento-rubro-olivären Regelkreises: Nucleus ruber → Tractus tegmentalis
centralis → Olive → Tractus olivocerebellaris → Cerebellum (Nucleus dentatus)
→ Tractus dentatorubralis → Nucleus ruber. Kommt es in diesem Regelkreis
zu einer Schädigung, typischerweise z. B. durch eine Ponsblutung, tritt je
nach Lokalisation des Schadens (siehe Text) eine uni- oder eine bilaterale
oliväre Hypertrophie auf

. Abb. 7.39a, b Oliväre Hypertrophie (Pfeil in a) bei Z.n. Ponsblutung (b).


a: FLAIR tra; b: T2*w
1

Stichwortverzeichnis

J. Linn et al, Atlas Klinische Neuroradiologie des Gehirns,


DOI 10.1007/978-3-540-89569-5,
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
502 Stichwortverzeichnis

A – cerebri posterior 60, 63


– choroidea anterior 54, 63
– intraventrikuläre 134, 148, 150, 151
– intrazerebrale 78, 120, 150, 152–161
Abszess – choroidea posterior 60, 61 – – akute 155, 157
– Definition 312 – communicans anterior 54 – – Ätiologie 150
– tuberkulöser 341 – fascialis 52 – – Bildgebung 152
ADDTC-Kriterien 473, 474 – hypoglossi 54 – – chronische 159
ADEM 347, 382, 383 – hypophysialis superior 54 – – digitale Subtraktionsangiographie 155
Adenohypophyse 69 – lingualis 52 – – hypertensive 156, 160, 161
Adrenoleukodystrophie 347, 427, 428 – maxillaris 52 – – Klinik 150
Agyrie 395 – meningea 52 – – kraniale Computertomographie 152, 153
AICA-Infarkt 98, 104 – occipitalis 52 – – Magnetresonanztomographie 154–157
AIDS-Enzephalopathie 335, 336 – ophthalmica 54 – – primäre 150, 155, 160, 161
Akustikusneurinom 251–253, 302 – orbitofrontalis 56 – – Risikofaktoren 150
Alkoholenzephalopathie 433–436 – otica 54 – – sekundäre 150
Alveus 23 – pericallosa 56 – – subakute 158
Alzheimer-Demenz 476, 477 – pharyngea ascendens 52 – subarachnoidale 78, 139–143, 164
Amaurosis fugax 80 – recurrens Heubneri 56 – – akute 140
Ammonshorn 23 – spinalis anterior 59 – – aneurysmatische 139, 140, 142
Ammonshornsklerose 461 – temporalis superficialis 52 – – nicht-aneurysmatische 139, 140
Amphetaminmissbrauch 439, 440 – thyroidea 52 – – perimesenzephale 139, 140
Amygdala 22, 25 – trigemina 54, 55 – – präpontine 142
Amyloidangiopathie, zerebrale 140, 150, 162, – vertebralis 58, 59, 63 – – sekundäre 139
163 Arteria-cerebri-anterior-Syndrom 98 – – Stadieneinteilung 140
Aneurysma arterial spin labeling 98 – – subakute 140
– fusiformes 164, 165 Arteriitis, Heubnersche 350 – – traumatische 139, 140, 142
– Hirngefäße 164–166 Arteriolosklerose 121 – subdurale 134, 135, 137–139
– mykotisches 140, 316, 318, 439, 441 Arteriosklerose 109–112 – – akute 135–138
– traumatisches 144 ash-leaf spot 297 – – chronische 135, 137–139
– verum 164 Aspergillom 359 Blutvolumen, zerebrales 88
Aneurysmablutung 164 Aspergillose 358–361 Bourneville-Pringle-Syndrom 297
Angiitis, migränöse 118 – invasive 359 Brücke 38–40
Angiofibrom, kutanes 297 – sinonasale 360 B-Zell-Lymphom, ZNS
Angiomatose Aspergillus fumigatus 359 – intravaskuläres 264
– leptomeningeale 304 Astrozytom 202–213 – primäres 262
– retinozerebelläre 308 – anaplastisches 211, 212, 214 – primär leptomeningeales 264
Angiomatosis – diffuses 208–210
– encephalofacialis 304 – pilomyxoides 203
– retinae 308
Angiomyofibrom 297
– pilozytisches 202
Ataxie, spinozerebelläre 347
C
Angiomyolipom, renales 297 Atrophie CADASIL-Syndrom 123–125, 472
Anitphospholipid-Antikörper-Syndrom 181 – olivopontozerebelläre 488 Café-au-lait-Flecken 300
Antikoagulanzien 181 – posteriore kortikale 476 Call-Fleming-Syndrom 118
aortic arch syndrome 130 – sporadische olivopontozerebelläre 347 Canalis
Apert-Syndrom 390 Attacke, transitorisch ischämische 78, 79 – caroticus 74
Aphasie, primär progressive 478 AV-Fistel – opticus 73
Apoplex 7 Schlaganfall – durale 168, 171–173 – semicircularis 67
Aquäduktstenose 470 – traumatische 144 Capsula
Aquaeductus cerebri 29 AV-Shunt 167 – externa 29
Arachnoidalzyste 389, 390 – extrema 29
Arachnoidea mater 4, 5 – interna 29, 386
Archicerebellum 29
Archikortex 22
B Caput medusae 175
Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel 168, 171, 174
Arnold’s Nerv 50 Balkenagenesie 390, 391 Cauda hippocampi 23
Arnold-Chiari-Malformation 390, 470 Balkendysgenesie 390, 392 Cavum Meckeli 44, 70
Arteria Balkenfehlbildungen 390–393 Cerebellum 29, 34, 35
– auricularis 52 Ballonzelle 394, 395 Chagrinlederflecken 297
– basilaris 59, 60 Bandheterotopie, subkortikale 397–399 Chiari-Malformation 411–415
– callosomarginalis 56 Basilariskopfaneurysma 166 – Chiari I 411–413
– carotis communis 52, 53 Basilaristhrombose 98 – Chiari II 413–415
– carotis externa 52, 53 Behçet-Erkrankung 347, 372–374 – Chiari-III 386, 414
– carotis interna 52, 53, 55 black dots, multiple 179 Chorda tympani 46, 46
– – Dissektion 115 Blickparese, progrediente supranukleäre Chorea
– – Stenose 112 491–493 – Huntington 429–431
– cerebelli anterior inferior 59, 63 Blisteraneurysma 164 – major 429–431
– cerebelli posterior inferior 59, 63 Blutfluss, zerebraler 88 Chorionkarzinom 264
– cerebelli superior 59, 63 Blutung Circulus arteriosus Willisi 54, 56, 57
– cerebri anterior 56, 63 – epidurale 134–136 Claustrum 29
– cerebri media 56, 63 – intrakranielle 134–163 Closed-Lip-Schizenzephalie 406, 408
Stichwortverzeichnis
503 A–G

Cobalaminmangel 436 Ehlers-Danlos-Syndrom 113 Fistel


Cochlea 48, 67 Einschlusszyste, angeborene 286–288 – durale arteriovenöse 168, 171–173
Cognard-Klassifikation 171 Eisenablagerung, zerebrale 487 – okzipitale 171
Commisura Embolie Flocculus 29
– anterior 10 – arterio-arterielle 109 Fogging-Effekt 85, 87, 93
– habenularum 26 – bakterielle 314, 318 Foramen
– posterior 26 – paradoxe 98 – jugulare 50, 51, 74
Confluens sinuum 62 embryonales Karzinom 264, 268 – palatinum 74
Contre-coup-Läsion 144 empty sella 281, 286, 459 – spinosum 74
Corpus Empyem – stylomastoideum 69
– callosum 10, 11 – Definition 312 Fornix 10, 12, 22
– hippocampi 23 – epidurales 312, 322–324 Frontalhirndemenz 478
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung 482–485 – subdurales 312, 322–324 Frontallappen 12, 13
Cryptococcus neoformans 362 – ventrikuläres 329 Frontobasis 13, 16
CT-Angiographie 88 Endarteriitis, Nisslsche 350 Frühsommermeningoenzephalitis 341
CT-Perfusion 88 Endhirn 12 FSME 341
Culmen 29 Endstrominfarkt 78, 105, 107 Fukuyama-Syndrom 398
Cuneus 22 Enzephalitis
Cytomegalie-Virus-Enzephalitis 338, 339 – akute 320
Cytomegalie-Virus-Infektion 338 – bakterielle 343–358
– chronische 320
G
– Definition 312 Gangliogliom 235, 236, 394
D – japanische 341, 342
– limbische 383
Ganglion
– Gasseri 44
Dandy-Walker-Syndrom 390, 414–418, 470 – pilzbedingte 358–362 – geniculi 46
Dawson-Finger 377 – tuberkulöse 353–355 – pterygopalatinum 46
Dawsons-Enzephalitis 374 – virale 320, 331–343 – trigeminale 70
Degeneration Enzephalomyelitis Gangliozytom, dysplastisches zerebelläres 237,
– hepatolentikuläre 428–430 – akute disseminierte 382, 383 238
– kortikobasale 493, 494 – disseminata 376 Ganzhirnbestrahlung, Strahlennekrose 447,
– striatonigrale 488 – Definition 312 448
Demenz – Enterovirus-bedingte 341 Gefäßmalformationen, intrakranielle 164–180
– Definition 466 Enzephalomyopathie, mitochondriale 420 Gefäßwanddissektion 113–115
– Differenzialdiagnose 468 – neurogastrointestinale 423 Gehirn
– frontotemporale 478–481 Enzephalopathie – Alterungsprozess 466, 467
– kortikale 476 – chronische hypertensive 120–123 – Anatomie 4–29
– sekundäre 468 – hepatische 347, 436–438 – Kontusionsblutung 144–146
– Ursachen 467 – nekrotisierende 421 – Kontusionsläsion 144, 145
– vaskuläre 472–475 – spongiforme 482 – Scherverletzung 144, 146, 147
Demylelinisationssyndrom, osmotisches 441–443 – subkortikal arteriosklerotische 120, 472 Gehörknöchelchen 67
dense artery sign 87 – tuberkulöse 354 Gennari-Streifen 22
Dermoidzyste 287, 289 Enzephalozele 386 Gerinnungsstörungen 181
Developmental venous anomaly 173, 175, 176 Ependymom 226 Germinom 264, 267, 269, 270
Diaphragma 69 – infratentorielles 228, 229 Glandula
Dienzephalon 26, 28 – supratentorielles 230, 232 – pinealis 26
diffuser axonaler Schaden 144, 179 Epidermoidzyste 286, 288 – pituitaria 69
diving gyri 406 Epiduralblutung 7 Blutung, epidurale Glioblastom 213, 215, 216, 218, 219
DNET 238–241 Epiphyse 26 Gliom
Dottersacktumor 264 Episkleritis 128 – gemischtes 226
Double-Cortex-Syndrom 397 Epithalamus 26 – thalamisches 303
Drogenmissbrauch 439–441 Epstein-Barr-Virus-Enzephalitis 334, 335 – Zweittumor 450
Druck, intrakranieller, erhöhter 194–199 Erythema migrans 347 Gliomatosis cerebri 221, 222
Dura mater 4 Eye-of-the-tiger-Zeichen 432 Gliosarkom 217, 220
Durafistel 172 Gliose, periventrikuläre 352
– okzipitale 168, 171 Gliozele 386
Dysgerminom 267
Dysplasie
F Globoidzellleukodystrophie 424
Globus pallidus 29
– fibromuskuläre 113, 119, 120, 300 Face-of-the-giant-panda-Zeichen 429 Glomustumor 300
– kortikale 394, 409, 410 Falxmeningeom 257 Glossopharyngeusneuralgie 252
– – fokale 394, 395 Feeder 167 Graft-versus-host-Erkrankung 132
Dystrophie, choreoathetotische neuroaxonale Felsenbein 67–69 Grenzzoneninfarkt 78, 105, 106
432 Ferrokalzinose, zerebrovaskuläre 445 Großhirn 12, 14, 386
Fisher-Skala 140 – Anatomie 29–33
Fissura Guillain-Mollaret-Dreieck 498
E – longitudinalis cerebri 12
– orbitalis 73, 74
Gyrus
– angularis 13
Eastern-Equine-Virus-Enzephalitis 341 – petrotympanica 69 – cinguli 18, 22
ECST-Kriterien 109 – sylvii 20 – dentatus 22, 23
504 Stichwortverzeichnis

Gyrus
– frontalis
Hirngefäße 52–67
Hirngefäßverletzungen 144
I
– – inferior 13, 15 Hirnhaut 4, 5 Imbibierung, hämorrhagische 185
– – medius 13 Hirnhautentzündung 7 Meningitis Incisura präoccipitalis 13, 22
– – superior 13 Hirninfarkt Infarkt
– frontoorbitalis – Frühzeichen 82, 83, 87 – embolischer 78, 98
– – anterior 13 – hämorrhagischer 78 – – arterio-arterieller 98, 99
– – lateralis 13 – lakunärer 78 – hämodynamischer 105–107, 184, 185
– – medialis 13 – Morphologie 81 – kardioembolischer 78, 98–101
– – posterior 13 Hirninsult 7 Schlaganfall – lakunärer 108, 121
– hippocampus 22 Hirnnerven 38, 42–52 – thrombotischer 78
– lingualis 18, 22 Hirnnervenverletzungen 144 – venöser 78
– occipitotemporalis 18 Hirnödem 194 Infarkteinblutungen 184, 185
– parahippocampalis 18 – generalisiertes 144, 146, 147 Infundibulum 69
– postcentralis 13, 18 Hirnrinde Innenohr 67, 68
– präcentralis 13 – Dysplasie 409 Insel 13, 20, 21
– rectus 13 – Entwicklungsstörungen 393–410 Inselkortex 29
– subcentralis 13 Hirnschädigung Insult, apoplektischer 7 Schlaganfall
– supramarginalis 13 – alkoholinduzierte 433, 434 Interhemisphärenspalt 12
– temporalis – hypoxische 456–458 intimal flap 113
– – inferior 18, 19 – strahlungsinduzierte 447 ivy sign 117
– – medius 19 Hirnsklerose, tuberöse 297–299
– – superior 19 Hirnstamm 29, 35, 36
Hirnstammabszess 328
Hirnstamminfarkt 98
J
H Hirntumoren 200–286
– Blutungen 182–184 Jacobson’s Nerv 50
Hallervorden-Spatz-Erkrankung 432 – ependymale 226–231 Juxtallokortex 22
Hämangioblastom 260, 262, 263 – neuroepitheliale 202
– infratentorielles 263 – WHO-Klassifikation 200
– supratentorielles 263
Hämangioblastomatose, zerebelloretinale 308
Hirnvenen 62–67
Hirnvenenthrombose 78, 185–192
K
Hämangioperizytom 258, 259, 261 Hirnventrikel 6–8
Hamartom 297 Histoplasma capsulatum 361 Kandidose 358
Hämatom 7 Blutung Histoplasmose 358, 361, 352 Karzinom, embryonales 264, 268
Hammer 67 HIV-Enzephalitis 335 Kavernom 175–179
Hämophilie 181 HIV-Enzephalopathie 335 Kavernomsyndrom, familiäres 176
Harmatom – angeborene 338 Kawasaki-Syndrom 131, 132
– hypothalamisches 294, 295 HIV-Infektion Keilbeinflügelmeningeom 259
– kortikales 394 – geringfügig motorische Defizite 337 Keimzelltumoren 264, 267–271
Hemimegalenzephalie 394 – neurologische Erkrankungen 335 Kleinhirn 29, 34, 35, 386
Hemispasmus facialis 252 – opportunistische Infektionen 335, 338 Kleinhirnbrückenwinkelzisterne 8
hepatolentikuläre Degeneration 428–430 HIV-Meningo-Enzephalitis 335 Kleinhirndegeneration 383
Herdenzephalitis Hockey-stick-Zeichen 483 Kleinhirninfarkt 98, 103
– septisch-embolische 316–318 Hodenseminom, Hirnmetastase 184 Koagulopathie
– septisch-metastatische 316, 318 Horner-Syndrom 113 – erworbene 181
Herniation 194 Hot-cross-bun-Zeichen 489 – angeborene 181
– äußere 194 Hummingbird-Zeichen 492 Koenen-Tumor 297
– tonsilläre 194 Hydrocephalus Kohlenmonoxidintoxikation 438, 439
– transtentorielle 194 – Differenzialdiagnose 467 Kokainmissbrauch 439, 440
– – laterale 194 – e vacuo 352, 470 Kolibri-Zeichen 492
– – zentrale 194 – internus 393 Kolloidzyste 289, 290
Heroinmissbrauch 440 – malresorptivus 470 Kolpozephalie 391
Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis 313, 320, – occlusus 470 Kongestion 186
331–334 Hypertonie, arterielle 121 Kontusionsblutung, intrazerebrale 144–146
Heschl-Querwindung 19, 20 Hypertrophie, oliväre 498, 499 Kontusionsläsion, intrazerebrale 144, 145
Heterotopie Hypoglykämie, Hirnschädigung 464 Konvexitätsmeningeom 258
– bandförmige 397–399 Hypophyse 69 Korsakow-Syndrom 433, 434
– fokale subkortikale 398, 400, 401 – Hypertrophie 281, 286 Kortex
– subependymale 398, 400, 402 Hypophysenadenom 275–278 – entorhinaler 22
Heubnersche Arteritiis 350 Hypophysenapoplex 275, 281, 283 – piriformer 22
Hippocampus 23, 24 Hypophysenhinterlappen 26, 69 Kortextuberom 297, 298
Hippocampussklerose, mesiale 461–463 Hypophysenstiel 69 Kraniopharyngeom 276, 279, 280
Hirn 7 a. Gehirn – gedoppelter 281 Kryptokokkose 341, 358, 362
Hirnabszess 324–329 – Fehlbildungen 281
– Definition 312 Hypophysenvorderlappen 69
Hirnarterien 52–62 Hypophysitis 281, 284, 285
Hirnatrophie 448, 466 Hypothalamus 26
Stichwortverzeichnis
505 G–N

L – extrazerebrales 264
– primär nodales 264
Mismatch-Konzept 92
Mitochondriopathien 420–423
Labbé-Vene 66 Lysetherapie 185 Mittelhirn 29, 36, 37
Labyrinth, knöchernes 67 Mittelohr 67
Lamina cribrosa 38, 73 MNGIE 423
Lappenblutung 152, 155
Lateralsklerose, amyotrophe 495, 496
M Monro-Kellie-Doktrin 194
Morbus
Leber-Opticus-Neuropathie, hereditäre 422 Makroangiopathie 109–120 – Alzheimer 476, 477
Leigh-Syndrom 421–423 Malformationen – Behçet 347, 372–374
Leptomeningen 4, 5 – arteriovenöse 167–170 – – ZNS-Vaskulitis 132
Leptomeningitis – kavernöse 176–179 – Binswanger 120
– Definition 312 Malleus 67 – Boeck 368, 369
– tuberkulöse 353, 354 Mantelkante 12 – Fahr 445–447
letzte Wiese 105 Marchiafava-Bignami-Syndrom 444, 445 – Huntington 429–431
Leukenzephalitis 312 Marfan-Syndrom 113 – Krabbe 424–426
Leukenzephalopathie 120, 337 Marklagerläsion 121, 123 – Parkinson 486–488
– drogeninduzierte, spongiforme 440 Masern-Meningoenzephalitis 374 – Pick 478
– hypertensive 121 McDonald-Kriterien 377 – Wegener 371, 372
– nekrotisierende 448 Meatus – Whipple 344–346
– posteriore reversible 451–453 – acusticus 46, 67, 69 – Wilson 347, 428–430
– progressive multifokale 339, 340, 342 – duralis nervi vagi 50 Morning-glory-Zeichen 390, 492
– strahleninduzierte 448, 449 Medulla oblongata 38, 40, 41 Moya-Moya-Erkrankung 98, 114, 116, 117, 300
Leukoaraiose 121 Medulla-oblongata-Infarkt 102 Moya-Moya-Syndrom 114, 116, 117
Leukodystrophie, metachromatische 425 Medulloblastom 244–248 Multiinfarktdemenz 472, 473, 475
Lewy-Körperchen 481 Medusa Head 175 Multiple Sklerose 347, 376–381
Lewy-Körper-Demenz 481, 482 Megacisterna magna 414 – ausgebrannte 381
Lhermitte-Zeichen 312 MELAS 420, 421 – progrediente 376
LHON 422, 423 Membrana tympanica 67 – schubförmig remittierende 376
limbisches System 13, 22, 23 Meningen, Tumoren 256–260 Multisystematrophie 488–491
Linsenkern 26 Meningeom 256–260 Muscle-Eye-Brain-Disease 398
Lipidspeicherkrankheiten 423–426 – frontobasales 259 Myelencephalon 38
Lipohyalinose 121 – petroselläres 254 Myelinisierung, normale 386
Lipom 294–296 – Zweittumor 450 Myelinolyse
– intrameatales 256 Meningeosis – extrapontine 441
– supraselläres 283 – carcinomatosa 275 – pontine 441
Liquor cerebrospinalis 5 – neoplastica 272 Myelopathie, HIV-1-assoziierte 337
Liquorbefunde, bei akuten ZNS-Erkrankungen Meningismus 312 Myelose, funikuläre 436
312 Meningitis Mykobacterium
Liquorräume 5, 6 – akute eitrige 312 – avium intracellulare 353
Liquorunterdrucksyndrom, idiopathisches 460, – akute virale 312 – bovis 353
461 – aseptische 319, 320 – tuberculosis 353, 354
Lisch-Knötchen 300 – bakterielle 313–319 Myoklonusepilepsie, mit ragged red fibers 422
Lissenzephalie 390, 395, 396 – carcinomatosa 347
– klassische 396, 397 – chronische 312
Listeria monocytogenes 343
Listerienenzephalitis 343–345
– Definition 312
– meningovaskuläre 350
N
Listerienmeningoenzephalitis 343 – seröse 319 Naevus flammeus 304
Listeriose 343 – syphilitische 350 NASCET-Kriterien 109
Lobärdegeneration, frontotemporale 478 – tuberkulöse 355–357 Neisseria meningitidis 314
Lobulus – virale 319–322 Neocerebellum 29
– paracentralis 13 Meningoenzephalitis Nervenscheidentumoren, maligne 300
– parietalis – akute virale 320 Nervus
– – inferior 13 – chronische virale 320 – abducens 45–47, 70
– – superior 13 – Definition 312 – accessorius 50, 51
Lobus Meningoenzephalozele 386–388 – cochlearis 48
– centralis 29 Meningokokkenmeningitis 314 – facialis 46, 47
– flocculonodularis 29 Meningozele 386–388 – glossopharyngeus 48, 49
– frontalis 12, 13 MERFF 422 – hypoglossus 52, 53
– insularis 20 Mesencephalon 29, 36, 37 – mandibularis 44, 45
– occipitalis 12, 20, 21 Metastasen 281, 282 – maxillaris 44, 45, 70
– parietalis 12, 13, 17 – intraselläre 282 – oculomotorius 42, 43, 70
– temporalis 12, 18–20 – intrazerebrale 271–274 – olfactorius 38
loss of the insular ribbon 87 – supraselläre 282 – ophthalmicus 44, 45, 70
Lupus erythematodes, systemischer Mikroangiopathie 120–124 – opticus 42, 43
132–134 – mineralisierende 450 – petrosus minor superficialis 46
Lyme-Borreliose 132, 347–349 Mikrolissenzephalie 394 – trigeminus 44, 45
Lymphom Miliartuberkulose 354 – trochlearis 42, 44, 70
– angiozentrisches 264 Miller-Fisher-Syndrom 384 – vagus 49, 50
506 Stichwortverzeichnis

Nervus
– vestibularis 48
Paleocerebellum 29
Pallidumspitzenkalk 447
R
– vestibulocochlearis 48, 49 Panenzephalitis Rabies-Enzephalitis 342, 343
Neuroborreliose 347–349 – Definition 312 Radionekrose 447
Neurodegeneration, Pantothenat-Kinase- – subakut sklerosierende 374 Ramsey-Hunt-Syndrom 252
assoziierte 432 Papez-Regelkreis 22 Ramus communicans posterior 54, 56, 63
Neurofibrom 254, 255 Paraflocculus 29 Rasmussen-Enzephalitis 375, 376
– plexiformes 300 paraneoplastisches Syndrom 383, 384 Rathke-Tasche 69
Neurofibromatose 300–304 Parenchymblutung 134 Rathke-Taschenzyste 281, 292, 293
– Typ 1 300–303 Parietallappen 12, 13 Rete mirabile 114, 117
– Typ 2 302–306 Parinaud-Syndrom 267, 268 Retinaharmatom 297
Neurohypophyse 69 Parkinson-Syndrom, idiopathisches 486 reversibles ischämisches neurologisches Defizit
– ektope 282, 283 Partial-Empty-Sella 459 78
Neuromyelitis optica 380 Paukenhöhle 67 Rhombenzephalitis 383
Neurosarkoidose 368–370 Pentagonzisterne 8, 10 Riesenzellastrozytom, subependymales 205,
Neurosyphilis 350–352 Penumbra 88, 92 297, 298
– asymptomatische 350 – ischämische 78 RIND 78
– gummatöse 350, 351 Pes hippocampi 23 Rindenprellungsherd 144
– meningovaskuläre 351 Pflastersteinlissenzephalie 394, 396, 398 Robin-Virchow-Räume 6
– paralytische 351 Phakomatosen 297–309 Rubella-Panenzephalitis 374
– tabische 351 Pia mater 5
neurovascular triad 179
Neurozystizerkose 362–364
PICA-Infarkt 98, 104
Pick-Körperchen 478
S
Neurozytom, zentrales 241, 242 Pinealisparenchymtumor 244 Sarkoidose 368, 369
NINDS-AIREN-Kriterien 473 Pinealistumor 243, 244 – ZNS-Vaskulitis 132
Nisslsche Endarteriitis 350 Pinealiszyste 292, 293 SCA-Infarkt 98, 104
Nodulus 29 Pineoblastom 243 Schädelbasis 71, 73
Nokardiose 352, 353 Pineozytom 243, 245 Schädelgrube 71, 73
Non-Hodgkin-Lymphom, ZNS 262, 264–267 Pinguin-Zeichen 492 Schädel-Hirn-Trauma 144–147
Normaldruckhydrozephalus 467, 470 Planum temporale 19 Schießscheibenzeichen 355, 377
– idiopathischer 467, 468 Planum-sphenoidale-Meningeom 278 Schizenzephalie 390, 394, 406–408
Nucleus Plaque Schlaganfall
– caudatus 26 – Bildgebung 109 – Ätiologie 79
– dentatus 29 – Morphologie 109 – Bildgebung 80
– emboliformis 29 Plexus choroideus 8 – Definition 78
– globosus 29 Plexus-choroideus-Zyste 290, 291 – drogeninduzierter 439, 440
– habenularum 26 Plexuskarzinom 234, 235 – Epidemiologie 79
– lentiformis 26 Plexuspapillom 231, 233, 234 – hämodynamischer 109
– ruber 29 PNET 248, 249 – hämorrhagischer 78
– subthalamicus 26 Pneumokokken-Meningitis 314 – ischämischer 78, 80–97
– tegmenti pedunculopontinus 26 Polioenzephalitis 312 – – Computertomographie 81–88
– accumbens 26 Polyarteritis nodosa 129 – – CT-Angiographie 88
– fastigii 29 Polymikrogyrie 394, 403–405 – – CT-Perfusion 88, 89
– olivaris 38 Pons 38–40 – – CT-Stroke-Protokoll 90, 91
– subthalamicus 26 Ponsblutung, hypertensive 161 – – Magnetresonanztomographie 90, 92–97
Ponsinfarkt 102 – – MR-Angiographie 92
O Pontocerebellum 29
Precuneus 13
– Klinik 79
– makroangiopathischer 78
obscuration of the lentiform nucleus 87 PRIND 78 – mikroangiopathischer 78
Ödem, zytotoxisches 92, 451 Prionen-Erkrankungen 374 – progredienter 78
Okzipitallappen 12, 20, 21 Probst-Bündel 391 – thrombembolischer 109
Oligoastrozytom 226, 227 Prolaktinom 275 – vollendeter 78
Oligodendrogliom 222–224 prolongiertes reversibles ischämisches Schwannom 251–253
– anaplastisches 223, 225 neurologisches Defizit 78 – extraaxiales 251
Open-Lip-Schizenphalie 406, 407 Pseudoaneurysma 165 – intrameatales 253
Operkulum 20 Pseudotumor cerebri 458–460 – intrazerebrales 251, 252
Opticusgliom 300, 303 Psychosyndrom, hirnorganisches 133 – spinales 305
Orbita 70–72 Pubertas praecox 294, 300 Seitenventrikel 6, 7
Pulvinar-Zeichen 483 Sella 68, 69
P puppy sign 115
pure motor stroke 108
Septalregion 25
Shunt, arteriovenöser 167
Pacchioni-Granulationen 62, 64 pure sensory stroke 108 Siderose, ZNS 146, 148, 149
Pachygyrie 395, 397 Putamen 29 Sinus
Pachymeningitis Putamenatrophie 489 – cavernosus 62, 69
– Definition 312 Pyozephalus 329 – durae matris 62
– tuberkulöse hypertrophische 353, 354 Pyramis 29, 38 – pericranii 175
PACNS 124, 126–129 – petrosus 62
Paläokortex 22 – rectus 62
Stichwortverzeichnis
507 N–Z

– sagittalis inferior 62 Teleangiektasie – mit ZNS-Beteiligung 124, 128–132


– sagittalis superior 62 – radiogene 450 – sekundäre 132, 133
– sigmoideus 62 – kapilläre 179, 180 – systemische 128–132
– sphenoparietalis 62 Telenzephalon 12 – tuberkulöse 358
Sinus- und Hirnvenenthrombose 78, 185–192 Temporallappen 12, 18–20 Vasokonstriktionssyndrom, reversibles zerebrales
Sjögren-Syndrom 132 Temporallappensklerose, mesiale 461 118, 119
Sklerose, tuberöse 297–299, 394 Tentorium 29 Vena(e)
Slow-Virus-Erkrankungen 374 Teratom 264, 268, 270, 271 – anastomotica superior 66
Spetzler-Martin-Klassifikation 167 Territorialinfarkt 78, 98–104 – basales Rosenthal 62
Spinalganglien 48 Thalamus 26, 29 – cerebri internae 62
Spinocerebellum 29 Thalamusblutung 157, 160, 161 – jugulares 62
Spleniumläsion, reversible 454, 455 Thalamusinfarkt 98, 103 – superficiales cerebri 62
Spondylodiszitis 353 Thiamin-Mangel-Enzephalopathie 433, 434 Venenthrombose 185
spot sign 153 Thrombolytika 181 Ventrikelblutung 7 Blutung, intraventrikuläre
Stammganglien 26, 27 Thrombose, arterielle 98 Ventrikelsystem 5–8
Stammganglienblutung 158, 160, 161 Thrombozytenaggregationshemmer 181 Ventrikulitis 329, 330
Stammganglienläsion 121 Thrombozytopenie 181 Vermis 29
Stapes 67 Thunderclap-Kopfschmerz 118 Vernichtungskopfschmerz 140, 164
Status Tigeraugenzeichen 432 Verschlusshydrozephalus 470, 471
– epilepticus 454, 455 tissue at risk 92 Vestibularisparoxysmie 252, 255
– lacunaris 472, 473 Tollwut 320 Vestibulocerebellum 29
Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom 491 Tolosa-Hunt-Syndrom 369, 370 Vestibulum labyrinthi 67
Steigbügel 67 Top-of-the-basilar-Syndrom 100 Vicq-d’Azyr-Streifen 22
Strahlennekrose, fokale 447–449 Toxoplasma gondii 338, 365 Vidian-Artery 54
Stratum Toxoplasmose 341, 365–367 Vierhügelplatte 29
– fibrosum 4 Tractus Virusenzephalitis, japanische 320
– neurotheliale 4 – mamillothalamicus 22 Vitamin-B12-Mangel 436
Striae olfactoria 38 – olfactorius 25, 38 Von-Hippel-Lindau-Syndrom 260, 308, 309
Striatum 26 Tram-Track-Muster 307 Von-Willebrandt-Faktor-Mangel 181
string sign 113 transitorisch ischämische Attacke 78
Stroke-Fenster 88
Sturge-Weber-Syndrom 304, 305
Traumafenster 135, 137
Treponema pallidum 340
W
Subarachnoidalblutung 7 Blutung, Trigeminusneuralgie 252, 255 Walker-Warburg-Syndrom 398
subarachnoidale Trigonum olfactorium 38 Wallenberg-Syndrom 98, 102, 113
Subarachnoidalraum 5 Trolard-Vene 66 Wallersche Degeneration 93, 497, 498
Subduralblutung 7 Blutung, subdurale Tropheryma whippeli 344 Wandhämatom 113
Subependymom 231 Truncus Wasserscheideninfarkt 105, 106
Subiculum 23 – inferolateralis 54 Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom 314
Substantia – meningohypophysialis 54 Wegener-Granulomatose 128–130, 371, 372
– inominata 26 Tuber cinereum 26 weiße Substanz 10, 386
– nigra 26, 29 Tuber-cinereum-Harmatom 294 Wernicke-Enzephalopathie 433, 434
– perforata anterior 38, 56, 58 Tuberculum West-Nile-Enzephalitis 132, 320, 343
Subthalamus 26 – olfactorium 26 WFNS SAH Scale 140
Sulcus – sellae 69
– calcarinus 21, 22
– centralis 17–19
Tuberkulom 341, 353–355, 358
Tuberkulose 353–358
X
– cinguli 18 tuberöse Sklerose 297–299, 394 Xanthoastrozytom, pleomorphes 206–208
– circularis insulae 21 Tumorblutungen, intrazerebrale 182
– lateralis 20
– olfactorius 13, 25
Tumor/en
– atypischer teratoid/rhabdoider 249, 250
Z
– orbitalis 13 – dysembryoblastischer neuroepithelialer Zele
– parietooccipitalis 13, 20 238–241 – atretische 386
– präcentralis 15 – dysontogenetische 264 – frontoethmoidale 386
Sylvische Fissur 18–20 – embryonale 244–250 – okzipitale 386
Syndrom, paraneoplastisches 383, 384 – meningotheliale 256–260 Zerebritis 324–326
Syphilis 350–352 – supratentorieller primitiver neuroekto- – Definition 312
Syringomyelie 300 dermaler 248, 249 Zisternen 8–10
systemischer Lupus erythematodes 132–134 ZNS-Angiitis, isolierte 126

U ZNS-Lymphom, primäres 262, 264–267


T Uncus 18
ZNS-Siderose, superfizielle 146, 148, 149
ZNS-Tuberkulose 353–358
Tabes dorsalis 350, 351 Upper-midbrain-profile-Zeichen 492 ZNS-Vaskulitis, primäre 124, 126–129
Takayasu-Arteriitis 130–132 Uvula 29 Zweittumoren, Induktion 450
Tangles, neurofibrilläre 476 Zwischenhirn 26
Target-Zeichen 355, 377, 381
Tectum mesencephali 29
V Zysten
– ektodermale 289, 290
Tegmentum 38 Varizella-Zoster-Virus-Enzephalitis 341 – endodermale 289, 290
– pontis 38 Vaskulitis 124, 126–133 Zystizerkose 362–364

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