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Herausgeber:
Jürgen Freyschmidt, Bremen
D. Hahn (Hrsg.)
Handbuch
diagnostische Radiologie
Kardiovaskuläres
System
123
Professor Dr. med. D. Hahn ISBN 978-3-540-41420-9
Institut für Röntgendiagnostik Springer Berlin Heidelberg New York
Universität Würzburg
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Josef-Schneider-Straße 2 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
97080 Würzburg Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar
springer.de
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007
21/3180 YL – 5 4 3 2 1 0
Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort
Ein Handbuch ist der Definition nach ein zusam- Untersuchungsstrategien erfordern (z. B. mit Hilfe
menfassendes, in der Regel mehrbändiges Werk über der Projektionsradiographie, CT, MRT, Ultraschall,
eine Wissenschaft oder ein spezielles wissenschaft- ggf. Szintigraphie).
liches Gebiet. Kann ein solches Werk noch Bestand In den jeweiligen Hauptkapiteln findet sich zu-
haben in einer Zeit, in der sich wissenschaftliche nächst eine Darstellung der Normalanatomie und
Erkenntnisse mit nahezu unvorstellbarer Geschwin- ihrer wesentlichen Varianten – bezogen auf die ein-
digkeit entwickeln und wandeln? zelnen Darstellungsmodalitäten; dann folgt ein Ka-
Die Herausgeber und Autoren dieses Handbuchs pitel über die systematische Bildanalyse. Die Kapitel
bejahen diese Frage; sie halten es geradezu für not- über die einzelnen Krankheitsentitäten (Fehlbildun-
wendig, eine fundierte Standortbestimmung über gen, traumatische und entzündliche Veränderungen,
die diagnostische Radiologie in einem Rahmen ab- Tumoren und sonstige Störungen) sind einheitlich
zugeben, der für die praktischen Belange dieses – nach folgenden Themen aufgebaut:
neben der klinischen Pathologie – wichtigsten
diagnostischen Schlüsselfachs prinzipiell einen – pathologisch-anatomische Grundlagen
Wertbestand von etwa 8–10 Jahren besitzen soll. (zum Verständnis der radiologischen Befunde),
Dieser Zeitraum bezieht sich selbstverständlich nur – klinische Symptomatik,
auf die einzelnen Bände, deren jeweiliges Erscheinen – charakteristische radiologische Symptome
sich zwar durch die verschiedensten Umstände seit und ihre Differentialdiagnose.
dem Start des Gesamtprojektes verzögert hat, die – Jedes Kapitel schließt mit Empfehlungen zur
sich aber zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung jeweils Untersuchungsstrategie und zusammenfassenden
auf dem aktuellen Erkenntnisstand befanden bzw. Merksätzen.
befinden. Bei der Erstellung der einzelnen organbe-
zogenen Bände wurde bedacht, dass sich im oben an- Der rote Faden, der sich durch das gesamte Werk
gegebenen Zeitraum zwar untersuchungstechnische zieht, ist die synoptische Betrachtungsweise von klini-
Modalitäten, wie z. B. Sequenzen in der MRT, durch- schen und mit Hilfe der Radiologie erkennbaren pa-
aus ändern werden, dass aber das Prinzip der Dar- thologisch-anatomischen und funktionellen Verän-
stellungsmöglichkeiten von krankhaften Verände- derungen. Eine dem Patienten nützliche Diagnostik
rungen bestimmter Organe oder Organsysteme weit- kann im Übrigen nur aus der Fusion von technischer
gehend unverändert bleibt; denn die den Krankhei- Entwicklung und einem angepassten medizinischen
ten zugrunde liegenden pathologischanatomischen Wissen um das Wesen und die Vielfalt von Krankhei-
Veränderungen selbst ändern sich ja kaum! ten gelingen.
Die rasche Entwicklung und den Wandel von ätio- Frau Dr. U. Heilmann vom Springer-Verlag danken
logischen, pathogenetischen und therapeutischen wir für die Anregung zu diesem Handbuchprojekt.
Erkenntnissen kann und muss man in wissen- Ein ganz besonderer Dank gilt Frau D. Mennecke-
schaftlichen Zeitschriften und ggf. aktuellen Mono- Bühler, ohne deren gekonntes Management dieses
graphien verfolgen; doch wird man das Neue nur neunbändige Werk sicherlich nicht zum Abschluss
dann verstehen und nutzen können, wenn man durch gekommen wäre.
einen soliden Wissensfundus darauf vorbereitet ist.
Dazu soll dieses Handbuch mit seinem besonderen Im Frühjahr 2007
Konzept der Wissensvermittlung beitragen. Es orien-
tiert sich an Organen oder Organsystemen mit ihren Für die Herausgeber und Autoren
Erkrankungen, die jeweils bestimmte radiologische J. Freyschmidt, Bremen
Vorwort
Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen trotz aller nen sich nun neue Indikationen zur nichtinvasiven
medizinischen Fortschritte die häufigste Todesursa- Diagnostik der koronaren Herzkrankheit, die lang-
che in der westlichen Welt dar. Die kardiale und vas- fristig sicherlich zu einer Reduktion der invasiven
kuläre Diagnostik haben in den vergangenen Jahren Koronarangiographie führen werden. Ein weites Feld
eine völlig unterschiedliche Entwicklung genommen. der modernen Herzdiagnostik, das bisher nur ex-
Während die invasive Gefäßdiagnostik und die sich perimentell eingesetzt wird, stellt die metabolische
daraus entwickelnde interventionelle radiologische Bildgebung mit der MR-Spektroskopie (MRS) dar.
Therapie, vor allem nach Einführung der digitalen Hier steht die MRS in Konkurrenz zu neuen nuklear-
Subtraktionsangiographie (DSA), ständig an Bedeu- medizinischen Techniken.
tung gewonnen haben, hat die kardiale radiologische Durch die schnelle technische Weiterentwicklung
Bildgebung ständig an Bedeutung verloren. Zugleich von CT und MRT, aber auch der farbkodierten Du-
kam es zu einem Aufschwung der invasiven Herz- plexsonographie, hat die nichtinvasive Gefäßdiag-
diagnostik, vor allem der invasiven Koronarangio- nostik deutlich an Bedeutung gewonnen. Bis auf spe-
graphie, und der Einführung nuklearmedizinischer zielle Fragestellungen wird die invasive Gefäßdia-
Untersuchungsverfahren zur Herzfunktionsdiagno- gnostik heute überwiegend nur noch bei interven-
stik. tionellen Behandlungen eingesetzt. Die Weiterent-
Bis zur Einführung von Computertomographie wicklung der minimal-invasiven radiologischen The-
(CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) war rapie hat durch neue Gefäßprothesen und andere
die kardiale radiologische Diagnostik auf Thorax- Techniken in den letzten Jahren ihr Indikationsspek-
übersichtsaufnahmen und konventionelle Schicht- trum ebenfalls massiv erweitert. Die Kombination
aufnahmen beschränkt. Trotz der neuen Möglichkei- von nichtinvasiver Gefäßdiagnostik und anschlie-
ten, Herz und große Gefäße mit CT und MRT nicht- ßender minimal invasiver interventioneller radiolo-
invasiv darzustellen, war der klinische Einsatz über gischer Therapie ist ein erfolgreiches Konzept, das
viele Jahre auf spezielle Fragestellungen begrenzt. beispielhaft für die Innovation in der Radiologie
Erst mit der Einführung der Spiral-CT und der funk- steht.
tionellen MR-Herzbildgebung mit sehr schnellen Se- Die rasante Weiterentwicklung der nichtinvasiven
quenzen begann eine erfolgversprechende Renais- Herz- und Gefäßdiagnostik stellt eine große Heraus-
sance der nichtinvasiven Herz- und Gefäßdiagnostik. forderung und Chance zugleich dar, neue Unter-
Die rasante technische Weiterentwicklung sowohl suchungsstrategien und Leitlinien für die Herz- und
der Mehrzeilen-CT (MSCT) als auch der MRT hat zu Gefäßdiagnostik zu entwickeln. Es wurden bewusst
einem fruchtbaren Wettstreit zwischen diesen beiden die Untersuchungstechniken des kardiovaskulären
Verfahren um die Bedeutung für die Herzdiagnostik Systems mit der MSCT und MRT in den Mittelpunkt
geführt. Beide Verfahren haben mittlerweile auch gestellt. Hauptanliegen war es, die modernen Mög-
eine lebhafte Diskussion über Indikationen für die lichkeiten der morphologischen Darstellung, funk-
invasive Koronarangiographie und nuklearmedizi- tionelle Untersuchungsverfahren und die interven-
nische Herzdiagnostik ausgelöst. Die funktionelle tionelle Radiologie in einem klinischen Kontext
MR-Herzdiagnostik stellt aufgrund der hohen zeit- möglichst umfassend darzustellen.
lichen Auflösung heute den Goldstandard für die Be-
rechnung der Herzfunktionsparameter dar und hat
darin Echokardiographie, Linksherzkatheter und Würzburg im Mai 2007
Nuklearmedizin abgelöst. Wegen der exzellenten
Darstellung der Koronararterien mit der MSCT eröff- Prof. Dr. D. Hahn
Inhalt
Hahn, D., Prof. Dr. med. Landwehr, Peter, Priv.-Doz. Dr. med.
Institut für Röntgendiagnostik Klinik für Diagnostische
Universität Würzburg und Interventionelle Radiologie
Josef-Schneider-Straße 2 KH Henriettenstift
97080 Würzburg Marienstraße 72–90
30171 Hannover
Heinrich, Marc, Dr. med.
Institut für Diagnostische Radiologie Luska, Günter, Prof. em. Dr. med.
der Universität Erlangen-Nürnberg Hindenburgstraße 12
Maximiliansplatz 1 31319 Sehnde
91054 Erlangen
Mohrs, Oliver K., Dr. med.
Kenn, Werner, Dr. med. Radiologie Darmstadt
Institut für Röntgendiagnostik Abteilung für Kardiovaskuläre Bildgebung
Universität Würzburg am Alice-Hospital
Josef-Schneider-Straße 2 Dieburger Straße 29 – 31
97080 Würzburg 64287 Darmstadt
Kirchhoff, Timm D., Dr. med. Pabst, Thomas, Dr. rer. nat.
Abteilung Diagnostische Radiologie Institut für Röntgendiagnostik
OE 8220 Universität Würzburg
Medizinische Hochschule Hannover Josef-Schneider-Straße 2
Carl-Neuberg-Straße 1 97080 Würzburg
30625 Hannover
Reimer, Peter, Prof. Dr. med.
Köhler, Michael, Dr. med. Zentralinstitut für bildgebende Diagnostik
Universitätsklinikum Münster Städtisches Klinikum
Institut für Klinische Radiologie Moltkestraße 90
Albert-Schweitzer-Straße 33 76133 Karlsruhe
48149 Münster
Rosenthal, Herbert, Dr. med.
Kovacs, Peter, Dr. med. Abteilung Diagnostische Radiologie
Klinische Abteilung für Radiodiagnostik I OE 8220
Universitäts-Klinik für Radiodiagnostik Medizinische Hochschule Hannover
Medizinische Universität Innsbruck Carl-Neuberg-Straße 1
Anichstraße 35 30625 Hannover
6020 Innsbruck
Österreich Sandstede, Jörn, Priv.-Doz. Dr. med.
Röntgenzentrum Schäferkampsallee
Schäferkampsallee 5–7
20357 Hamburg
XIV Autorenverzeichnis
Schürmann, Karl, Prof. Dr. med. Völk, Markus, Priv.-Doz. Dr. med.
Institut für Diagnostische Ärztlicher Leiter
und Interventionelle Radiologie MVZ Theresientor
St.-Johannes-Hospital Stadtgraben 10
Johannesstraße 9–17 94315 Straubing
44137 Dortmund
Vorwerk, Dierk, Prof. Dr. med.
Staub, Jens-Peter, Dr. med. Institut für Diagnostische
FA für Innere Medizin und Interventionelle Radiologie
und Diagnostische Radiologie Klinikum Ingolstadt GmbH
Abteilung VIII (Radiologie) Krumenauerstraße 25
Bundeswehrkrankenhaus 85049 Ingolstadt
Oberer Eselsberg 40
89081 Ulm Vosshenrich, R., Prof. Dr. med.
Radiologen-Gemeinschaftspraxis
Strotzer, Michael, Prof. Dr. med. Magnetresonanztherapie im Friederikenstift
Abteilung Radiologie Humboldtstraße 5
Chefarzt-Klinik Hohe Warte 30169 Hannover
Hohe Warte 8
95445 Bayreuth Wittenberg, G., Priv.-Doz. Dr. med.
Institut für Röntgendiagnostik
Uder, Michael, Prof. Dr. med. Universität Würzburg
Institut für Diagnostische Radiologie Josef-Schneider-Straße 2
Universität Erlangen-Nürnberg 97080 Würzburg
Maximiliansplatz 1
91054 Erlangen Zorger, Niels, Priv.-Doz. Dr. med.
Institut für Röntgendiagnostik
Voigtländer, Thomas, Priv.-Doz. Dr. med.. Universität Regensburg
Cardioangiologisches Centrum Bethanien Franz-Josef-Strauß-Allee 11
Im Prüfling 23 93042 Regensburg
60389 Frankfurt
1 Gefäßsystem
Herz 1
J. Sandstede, Th. Voigtländer, Th. Pabst, O. Mohrs
rende Strahlenexposition, da bei höherem Pitch der 2. Rekonstruktion der Bilddaten aus mehreren
Röhrenstrom automatisch erhöht wird, um eine kon- Herzzyklen (Multisegmentrekonstruktion; Flohr
stante Bildqualität zu erreichen. Ein hoher Pitch dient u. Ohnesorge 2001). Hierdurch kommt es zu einer
daher hauptsächlich der schnellen Volumenabde- besseren zeitlichen Auflösung, die direkt propor-
ckung. In der Herzdiagnostik wird dagegen ein Pitch tional zur Anzahl der verwendeten Herzzyklen
<1 verwendet, da die überlappende Datenakquisition (Segmente) ist. So kann durch die Rekonstruktion
die Bildqualität verbessert. Die Schichtdicke gibt die von Bildern aus 2 Segmenten die zeitliche Auflö-
Dicke der berechneten Einzelschicht an, das Inkre- sung z. B. verdoppelt werden. Heute werden bis zu
ment den Schichtabstand. Aufgrund der Rekonstruk- 4 Segmente verwendet. Allerdings kann es bei Ar-
tionen in anderen Ebenen empfiehlt sich eine über- rhythmien oder Frequenzschwankungen zu Ar-
lappende Rekonstruktion mit einem Inkrement von tefakten kommen.
20–50% der Schichtdicke. 3. Einsatz von je 2 Röntgenröhren und Detektoren
Wie auch bei der EBT werden alle Herzuntersu- („Dual-source-“ oder „Zwei-Röhren-CT“): Durch
chungen EKG-getriggert durchgeführt. Allerdings ist die Anordnung von 2 Röhren-Detektor-Paaren,
nicht nur eine prospektive Triggerung (EKG-gesteu- die um 90° versetzt sind, kann die effektive zeitli-
erte Scan-Auslösung) sondern auch ein retrospekti- che Auflösung der Aufnahme einer vollständigen
ves Gating (EKG-korrelierte Bilddatenberechnung) Schicht auf ein Viertel der Rotationszeit erhöht
möglich. Während bei der prospektiven Triggerung werden (Johnson et al. 2006). Damit wird die zeit-
nur ein fester Zeitpunkt der Datenakquisition vor der liche Auflösung verdoppelt. Die erste derartige CT
Untersuchung wählbar ist, können beim retrospekti- erreicht so bei einer Röhrenrotationszeit von
ven Gating die Rohdaten zu unterschiedlichen Zeit- 330 ms eine zeitliche Auflösung von 83 ms.
punkten im Herzzyklus rekonstruiert werden.
Grundsätzlich lässt sich der Rekonstruktionszeit- Beim retrospektiven Gating kann die Strahlenexposi-
punkt auf 3 verschiedene Arten angeben: tion durch den Einsatz einer EKG-gesteuerten Re-
duktion des Röhrenstroms vermindert werden.
1. als relative Verzögerung in Prozent des Herzzy-
Grundlage des Dosismodulation ist, dass bei der CT-
klus nach der vorausgegangenen R-Zacke,
Koronarangiographie für die Bildrekonstruktion nur
2. als absolute Verzögerung in Millisekunden nach
die während einer bestimmten Herzphase akquirier-
der vorausgegangenen R-Zacke,
ten Daten verwendet werden, während die zu ande-
3. als reverse Verzögerung in Millisekunden in ei-
ren Zeitpunkten im Herzzyklus akquirierten Daten
nem definierten Abstand vor der nachfolgenden
verworfen oder nur für die Funktionsanalyse ver-
R-Zacke.
wendet werden (s. unten,Abschn.„CT-Koronarangio-
Im klinischen Alltag hat sich bei gleichmäßigem graphie“). Hierfür ist eine reduzierte Bildqualität bei
Herzrhythmus die relative Verzögerung in Prozent reduziertem Röhrenstrom ausreichend. Deshalb
des Herzzyklus durchgesetzt, bei Arrhythmien wird kann der Röhrenstrom während der Herzphase redu-
jedoch vermehrt die absolute Verzögerung in Millise- ziert werden, die nicht zur Rekonstruktion der koro-
kunden eingesetzt. narangiographischen Daten verwendet wird, ohne
Die ersten 4-Zeilen-Geräte hatten eine Rotations- dass dadurch die Bildqualität der CT-Koronarangio-
zeit von 500 ms. In Abhängigkeit von Hersteller und graphie abnimmt.
Gerätegeneration liegt die Rotationsgeschwindigkei- Zumeist findet die Datenrekonstruktion in der Di-
ten derzeit zwischen 330 und 500 ms. Mit einem auf astole (etwa 55–75% des Herzzyklus) statt, weshalb
dem Halfscan-Verfahren beruhenden Rekonstruk- der Röhrenstrom in der Systole vermindert wird. Bei
tionsalgorithmus muss die Röhre für die Aufnahme schnelleren Herzfrequenzen kann jedoch der opti-
eines Bildes eine halbe Rotation beschreiben. Damit male Rekonstruktionszeitpunkt sowohl in der Systo-
wird die effektive zeitliche Auflösung auf die Hälfte le (bei etwa 30%) als auch in der Diastole liegen, wes-
der Rotationszeit erhöht. Somit können mittlerweile halb dann der Röhrenstrom nicht zwischen 30-75%
zeitliche Auflösungen zwischen 165 und 250 ms er- des RR-Intervalls, sondern nur in den übrigen Ab-
zielt werden. Dies gilt sowohl für die prospektive schnitten der Herzzyklus reduziert wird. Die Dosisre-
Triggerung als auch für das retrospektive Gating. duktion kann bis zu etwa 50% betragen.
Eine höhere zeitliche Auflösung lässt sich auf 3 We-
gen erreichen: 1.1.2.2
Durchführung der Untersuchungen und Auswertung
1. Schnellere Röhrenrotationszeiten: Hier besteht
Für die Mehrzahl der kardialen CT-Untersuchungen
eine physikalische Grenze durch die Fliehkräfte,
umfasst das Untersuchungsvolumen das gesamte
die bei immer schnellerer Rotation exponentiell
Herz von der Trachealbifurkation bzw. dem Unter-
zunehmen.
rand der linken Pulmonalarterie bis zur Herzspitze
6 Kapitel 1 Herz
bzw. dem inneren Zwerchfellwinkel. Mit Ausnahme (Becker et al. 1998 a). Das Herz wird im Cine-Modus
der Koronarkalkdetektion werden CT-Herzuntersu- in einer Atemanhaltephase in 12 Schichten mit einer
chungen unter Gabe eines jodhaltigen Kontrastmit- Schichtdicke von 8 mm untersucht. Dabei werden
tels durchgeführt. Hierfür ist ein automatischer In- maximal 13 Scans pro Schicht und Herzzyklus aufge-
jektor notwendig, der Flussgeschwindigkeiten zeichnet. Die Akquisitionszeit der Einzelschichten
>3 ml/s ermöglicht. Wenn möglich sollte bei doppel- und damit die zeitliche Auflösung betragen 50 ms.
läufigem Injektor ein NaCl-Bolus zur Reduktion der Nach Bestimmung der Kontrastmitteltransitzeit mit
Kontrastmittelmenge angeschlossen werden. Der einem Testbolus werden 90–100 ml Kontrastmittel
Zeitpunkt der Kontrastmittelinjektion sollte durch mit einer Flussgeschwindigkeit von 3 ml/s injiziert.
eine Testbolusmessung oder durch automatische Bo- Der Bildausschnitt der rekonstruierten Bilder beträgt
luserkennung optimiert werden. 18 bzw. 21 cm, die Matrix 256×256. Daraus resultiert
Der Patient wird in Rückenlage wie für eine Tho- eine Pixelgröße von 0,49 bzw. 0,67 mm2.
rax-CT positioniert. Die EKG-Elektroden werden bi- Mit der MSCT können die im Rahmen der CT-Ko-
lateral infraklavikulär und an der linkslateralen Tho- ronarangiographie mit retrospektivem Gating ge-
raxwand außerhalb des Scan-Volumens platziert. Die wonnenen Daten entlang der kurzen Herzachse über
Untersuchungen finden in Inspiration statt. Die Un- den Herzzyklus multiplanar reformatiert werden.
tersuchung wird meist in kraniokaudaler Richtung Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob die zeitliche
zur sicheren Erfassung der Koronararterienabgänge Auflösung der CT des Herzens für eine valide Funk-
durchgeführt, kann aber abhängig von der Fragestel- tionsanalyse ausreichend ist. In Abhängigkeit von
lung auch kaudokranial geplant werden. Hersteller und Gerätegeneration liegt die Rotations-
geschwindigkeit zwischen 330–500 ms. Mit einem auf
Morphologie dem Halfscan-Verfahren beruhenden Rekonstruk-
Zur Darstellung der Morphologie ist eine zeitliche tionsalgorithmus können bei Ein-Röhren-Geräten
Auflösung von ≤250 ms notwendig, die Datenakqui- somit zeitliche Auflösungen von 165–250 ms erzielt
sition wird in die Diastole gelegt. Bei höheren Herz- werden.
frequenzen können Bewegungsartefakte entstehen, Ein anderer Ansatz zur Verbesserung der zeitli-
eine Auswertung ist jedoch zumeist möglich. Die Un- chen Auflösung ist der Einsatz eines Multisegment-
tersuchung erfolgt analog zur CT-Koronarangiogra- Rekonstruktionsalgorithmus. Hierbei können auf-
phie. grund des „Oversamplings“ bei der Datenakquisition
für die Rekonstruktion einer Schicht Daten aus meh-
Funktion reren Herzphasen verwendet werden. Hierdurch
Die Funktionsdiagnostik des Herzens ist sowohl mit kommt es zu einer besseren zeitlichen Auflösung auf
der EBT als auch der MSCT möglich. Die Auswertung Kosten einer gewissen Unschärfe, wenn nicht jeder
der CT-Funktionsanalyse erfolgt analog der Auswer- Herzschlag exakt gleich ist. Dies erscheint jedoch für
tung der Cine-MRT. CT-spezifische Normalwerte die Funktionsanalyse nicht von so großer Bedeutung
sind aufgrund der Strahlenexposition für gesunde wie für die Koronarangiographie, da die MRT auch
Probanden nicht bestimmt worden. In der Literatur über mehrere Herzschläge mittelt. Allerdings konnte
konnten für alle Parameter signifikante Korrelatio- für die MRT gezeigt werden, dass für eine valide
nen zwischen MRT und EBT sowie etwas ungenauer Funktionsanalyse eine zeitliche Auflösung ≤ 50 ms
auch zwischen MRT und MSCT gezeigt werden, so- pro Herzphase notwendig ist, da bei schlechterer
dass sich die CT bei bestehenden Kontraindikationen zeitlicher Auflösung mit konsekutiv schlechterer Ab-
als Alternativmethode für den Goldstandard MRT grenzbarkeit der Endsystole das endsystolische Volu-
anbietet (Kivelitz et al. 2000). Allerdings sollten we- men überschätzt und die Ejektionsfraktion unter-
gen der vorhandenen systematischen Unterschiede schätzt werden.
Verlaufskontrollen unter Therapie nur mit einer Un- Trotz dieser methodischen Problematik wurden
tersuchungstechnik durchgeführt werden. jedoch immer wieder gute Ergebnisse der CT-Funk-
Bei der EBT wird durch Auslenkung des Untersu- tionsanalyse publiziert (Heuschmid et al. 2005;
chungstisches nach rechts (25°) und nach unten (19° Hundt et al. 2005; Yamamuro et al. 2005). Somit kön-
Neigung) annähernd eine Darstellung in der kurzen nen die im Rahmen der CT-Koronarangiographie er-
Herzachse erreicht. Eine Auslenkung nach links (21°) hobenen Daten für die globale Funktionsanalyse aus-
und unten versucht, den links- bzw. rechtsventrikulä- gewertet werden mit klinisch einsetzbaren Ergebnis-
ren Zweikammerblick darzustellen. Da die Herzach- sen. Hierbei ist der Multisegment-Rekonstruktions-
se bei jedem Patienten anatomisch unterschiedlich algorithmus aufgrund der höheren, wenn auch
ist und die Freiheitsgrade des Untersuchungstisches gemittelten zeitlichen Auflösung dem Halfscan-Ver-
begrenzt sind, gelingt die Einstellung von definierten fahren überlegen. Ein Einsatz der MSCT zur Funk-
Herzachsen jedoch nur in beschränktem Umfang tionsanalyse allein ist weiterhin kaum als sinnvoll an-
1.1 Untersuchungstechnik 7
zusehen, zumal bisher noch nicht gezeigt werden ten anderen Anwendungen der CT in der kardialen
konnte, dass eine regionale Funktionsanalyse mit der Diagnostik erfolgt diese Untersuchung ohne Verab-
CT zuverlässig möglich ist. reichung von Kontrastmittel. Die Strahlenexposition
liegt zwischen 0,5–0,8 mSv (Becker et al. 1999).
Koronarkalkbestimmung
Mittlere und größere Verkalkungen der Koronararte- 쐍 MSCT. Die Koronarkalkbestimmung mit der
rien lassen sich auch in der konventionellen Durch- MSCT kann entweder mit prospektiver Triggerung
leuchtung nachweisen. Allerdings lassen sich die Lä- wie bei der EBT oder mit retrospektivem Gating wie
sionen nicht quantifizieren. Kleinere Läsionen entge- bei der CT-Koronarangiographie durchgeführt wer-
hen dem Nachweis, und die Methode ist deutlich von den. Bei der prospektiven Triggerung werden im In-
der Erfahrung des Untersuchers abhängig (Becker et krementalmodus gleichzeitig mehrere Schichten ak-
al. 1998 b). Auch mit der konventionellen CT kann quiriert, dann erfolgt der aus Schichtanzahl und
Koronarkalk detektiert werden. Probleme der kon- Schichtdicke resultierende Tischvorschub. Bei der
ventionellen CT basieren jedoch auf der langen Ak- 4-Zeilen-CT sind dies 4×2,5 mm dicke Schichten mit
quisitionszeit. Es resultieren Bewegungsartefakte, 10 mm-Tischvorschub. Die Triggerung wurde zu-
Partialvolumeneffekte, Fehlmessungen durch Atem- nächst analog zur EBT bei 80% des RR-Intervalls
verschieblichkeit und folglich eine niedrige Reprodu- durchgeführt, mittlerweile hat sich 60% als die
zierbarkeit und geringe Sensitivität im Nachweis durchschnittliche beste Herzphase für die CT-Koro-
kleiner Läsionen (Stanford u. Thompson 1999). Die narkalkmessung herausgestellt. Die Strahlenexposi-
im Vergleich zum Herzschlag lange Akquisitionszeit tion liegt bei 1–3 mSv.
ist auch der Nachteil der Einzelschicht-Spiral-CT. Die Nachteil der 4-Zeilen-Technik ist, dass aufgrund
Einführung von EKG-getriggerten Subsekunden- der Detektorkonfiguration nur Schichtdicken von
Scannern ermöglichte zwar eine der EBT vergleich- 2,5 mm und nicht wie für die EBT standardisiert von
bare Koronarkalkquantifizierung, die Verbreitung 3 mm gemessen werden können. Bei CT-Geräten mit
der MSCT hat jedoch diese Entwicklung überholt. mehr – und damit auch dünneren – Schichten dage-
Für eine valide Koronarkalkquantifizierung ist auf- gen können die Detektoren so zusammen geschaltet
grund der Bewegung der Koronararterien eine zeitli- werden, dass wieder die zur EBT identische Schicht-
che Auflösung ≤ 250 ms zu fordern. dicke von 3 mm gemessen wird (Tabelle 1.1).
Die Koronarkalkmessung mit retrospektivem
쐍 EBT. Für den Nachweis von Koronarverkalkungen Gating wird analog zur CT-Koronarangiographie
wird das gesamte Herz mit etwa 40 kontinuierlichen durchgeführt, allerdings mit niedrigerem Röhren-
Schichten mit einer Schichtdicke und einem Tisch- strom und höherer Schichtkollimation (Tabelle 1.2).
vorschub von jeweils 3 mm bei 130 kV und 630 mA Die Datenrekonstruktion kann analog zur EBT mit
im Einzelschichtmodus abgebildet. Hierfür sind ab- einer Schichtdicke von 3 mm bei einem Inkrement
hängig von der Gerätegeneration ein oder 2 Ateman- von 3 mm erfolgen. Sinnvoller ist aber die überlap-
haltephasen notwendig. Die Aufnahmen werden pro- pende Rekonstruktion mit einem Inkrement von
spektiv EKG-getriggert. Die Datenakquisition erfolgt 1,5 mm, die zu einer Verringerung der Variabilität
in der Diastole mit einem Abstand von 80% des RR- und damit einer verbesserten Reproduzierbarkeit
Intervalls zur vorangehenden R-Zacke. Die Exposi- führt. Ursache hierfür ist die Verminderung von Par-
tionszeit beträgt 100 ms. Im Gegensatz zu den meis- tialvolumeneffekten.
Bei einer Schichtdicke von 3 mm und
Bei einer Schichtdicke von 3 mm und einer Akquisi- Zur Berechnung wird zunächst für jeden Kalkpla-
tion Schicht-bei-Schicht kann ein Kalkplaque mit que die verkalkte Fläche nebeneinander liegender Pi-
einem kraniokaudalen Durchmesser von 3 mm exakt xel mit einem Wichtungsfaktor zwischen 1 und 4 ab-
in der Schicht lokalisiert und damit gut detektierbar hängig von der maximalem CT-Dichte der Läsion
sein. multipliziert (131–200 HE=1, 201–300 HE=2, 301–
Im schlechtesten Fall dagegen liegt der Plaque ge- 400 HE=3, ≥ 401 HE=4).
nau zwischen 2 Schichten und wird nicht detektiert
aufgrund von Partialvolumeneffekten, die durch
überlappende Rekonstruktion vermindert werden. Merke ! Der Grenzwert, ab dem eine Läsion als
verkalkt angesehen wird, liegt bei
Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der Datenre- 130 HE.
konstruktion zu verschiedenen Zeitpunkten aus
demselben Rohdatensatz. Nachteil ist die im Ver- Dieser Wert ist empirisch gewählt, da keine spezifi-
gleich zur prospektiven Triggerung mit 1–3,5 mSv sche CT-Dichte existiert, ab der eine Läsion eindeutig
(Männer) bzw. 1,4–4,1 mSv (Frauen) deutlich höhere verkalkt ist. Da die CT-Dichte von Weichteilgewebe
Strahlenexposition (Jakobs et al. 2002; Mahnken et al. jedoch im Mittel 50 HE beträgt, kann ab einer Dichte
2001). von 130 HE mit ausreichender Sicherheit davon aus-
gegangen werden, dass eine Läsion Kalzium enthält.
쐍 Auswertung. Die am häufigsten eingesetzte Me- Der Wichtungsfaktor berücksichtigt die Menge des
thode der Koronarkalkquantifizierung ist die Be- vorhandenen Kalziums zur Errechnung des Scores.
stimmung des Agatston-Scores. Hierfür werden alle Als Mindestgröße einer Läsion wird 1 mm2 Fläche ge-
4 Koronararterienhauptäste in ihrem Verlauf ma- fordert, typischerweise 2 Pixeln entsprechend. Da-
nuell mit groben Konturen segmentiert. Das Auswer- durch wird erreicht, dass eine Läsion sicher einer ver-
teprogramm detektiert innerhalb der Markierung al- kalkten Plaque entspricht und vom Bildrauschen dif-
le Strukturen mit Dichtewerten ≥130 HE. Alternativ ferenziert werden kann. Der Gesamt-Score entspricht
kann die Software auch erst alle Pixel ≥130 HE detek- dann der Summe aller Einzel-Scores der nachgewie-
tieren, die dann vom Untersucher manuell den senen Läsionen.
einzelnen Koronararterien zugeordnet werden Insgesamt besteht zwischen EBT und MSCT eine
(Abb. 1.1). Mehrere „Pitfalls“ können zu einer falsch- gute Korrelation. Allerdings ergibt die MSCT jedoch
hohen Bestimmung des Koronarkalk-Scores führen. systematisch höhere Werte für Agatston-Score und
Dies sind Verkalkungen des Anulus fibrosus mitralis Anzahl der Läsionen aufgrund des höheren Signal-
und der Aortenwurzel, die bei der manuellen Seg- zu-Rausch-Verhältnisses und der geringeren
mentierung ausgeschlossen werden müssen. Die Ein- Schichtdicke (Becker et al. 2001). Die Vergleichbar-
beziehung von Stents kann durch die spezielle Mor- keit in der Größenordung – wenn auch nicht im exak-
phologie und eine sorgfältige Anamnese verhindert ten Messwert – ist jedoch für den klinischen Einsatz
werden. Probleme können auch Bewegungsartefakte ausreichend.
vor allem der rechten Kranzarterie bereiten. Aller- Andere Quantifizierungsmöglichkeiten für die
dings sollten die Artefakte mit gemessen werden. MSCT sind das Volumen (Fläche×Inkrement) und
Hierdurch wird der Score zwar verfälscht, die Inter- vor allem die Masse in Milligramm. Diese wird be-
observer-Variabilität aber verringert. rechnet aus Fläche×Inkrement×mittlere Dichte×
1.1 Untersuchungstechnik 9
Abb. 1.1. Koronarkalkmessung. 3 repräsentative transversale Schichten von kranial nach kaudal. LM linker Hauptstamm, LAD
R. interventricularis anterior, RCX R. circumflexus, RCA rechte Koronararterie
Kalibrierungsfaktor. Vorteil ist die Vergleichbarkeit le 1.3). Die Datenakquisition erfolgt unter kontinu-
der Messwerte unterschiedlicher CT-Geräte, weshalb ierlicher EKG-Registrierung mit retrospektivem Ga-
diese Messmethode für Verlaufskontrollen eingesetzt ting. Die Untersuchung beginnt an der Aortenwurzel
werden sollte. Leider gibt es derzeit noch keine alters- in Höhe der Trachealbifurkation und endet unterhalb
und geschlechtsangepassten Vergleichskollektive zur des Herzens, die Scan-Richtung ist also kraniokau-
Abschätzung des kardiovaskulären Risikos mittels dal.Wurde zuvor eine Koronarkalkmessung durchge-
Kalkmasse analog zum Agatston-Score. Deshalb soll- führt, kann sich das Akquisitionsvolumen an der am
ten derzeit beide Parameter der Kalklast angegeben weitesten kranialen bzw. kaudalen Abbildung der Ko-
werden. Eine gemeinsame Durchführung von Koro- ronararterien mit einem Sicherheitsabstand von et-
narkalkmessung und CT-Koronarangiographie in ei- wa 1 cm orientieren. Die Atemanhaltezeit beträgt et-
ner Untersuchung ist nicht möglich. wa 30–40 s für den 4-Zeiler, etwa 20 s für den 16-Zei-
ler und zwischen 5–10 s für 40- und 64-Zeiler. Das
CT-Koronarangiographie Kontrastmittel wird mit einer automatischen Pumpe
injiziert, die Injektionsgeschwindigkeit beträgt min-
쐍 EBT. Bei der CT-Koronarangiographie wird das destens 3 ml/s, besser aber 5 ml/s.
gesamte Herz mit 30–40 überlappenden Schichten Die Startverzögerung nach Beginn der Kontrast-
mit einer Schichtdicke von 3 mm und einem Tisch- mittelinjektion kann entweder mittels Testbolus oder
vorschub von 2 mm bei 130 kV und 630 mA im Ein- Bolustriggerung bestimmt werden. Bei der Testbo-
zelschichtmodus abgebildet. Die Aufnahmen werden lusmethode werden zunächst 10–20 ml mit der glei-
prospektiv EKG-getriggert. Die Datenakquisition er- chen Injektionsgeschwindigkeit wie zur eigentlichen
folgt in der Diastole mit einem Abstand von 80% des CT-Koronarangiographie injiziert mit Messung in
RR-Intervalls zur vorangehenden R-Zacke. Die Expo- der Aorta ascendens alle 2 s über 30 s. Die Startverzö-
sitionszeit beträgt 100 ms. Nach Bestimmung der gerung ergibt sich aus der Zeitverzögerung der Spit-
Kontrastmitteltransitzeit mit einem Testbolus von ze des Testbolus (höchste Dichte) plus einer zusätzli-
10 ml werden 120–160 ml Kontrastmittel mit einer chen Startverzögerung von meist 5 s. Bei der Bolus-
Flussgeschwindigkeit von 3–4 ml/s injiziert. Abhän- triggerung wird während der Injektion der gesamten
gig von der Herzfrequenz des Patienten beträgt die Kontrastmittelmenge die Dichte in der Aorta ascen-
Messdauer etwa 30–50 s, wobei die Akquisition von dens kontinuierlich gemessen. Die CT-Koronaran-
einem Bild pro Herzschlag bis zu einer Frequenz von giographie wird dann mit einer zusätzlichen Start-
120/min möglich ist. Der Bildausschnitt der rekon- verzögerung von ebenfalls meist 5 s nach Erreichen
struierten Bilder beträgt 15 cm, die Matrix 512×512. der Triggerschwelle (100–200 HE) gestartet.
Daraus resultiert eine Pixelgröße von 0,29×0,29 mm2. Die Kontrastmittelmenge orientiert sich an der
Die Strahlenexposition beträgt etwa 10 mSv (Achen- Scan-Dauer einschließlich zusätzlichen Startverzö-
bach et al. 1998). gerung nach Triggerung/Spitze des Testbolus und der
Injektionsgeschwindigkeit:
쐍 MSCT. In der CT-Koronarangiographie in Multi-
schichttechnik wird das gesamte Herz nach i. v. Kon- Kontrastmittelmenge (ml) = [Scan-Dauer (s) +
trastmittelgabe in transversaler Schichtführung mit StartverzögerungTrigger/Testbolus (s)]×
der geringsten Schichtkollimation untersucht (Tabel- Injektionsgeschwindigkeit (ml/s).
10 Kapitel 1 Herz
Die Kontrastmittelkonzentration sollte mindestens nen. Ist dies jedoch nicht der Fall, muss das Akquisi-
300 mg Jod/ml betragen. Letztlich ist der Gefäßkon- tionsvolumen den Abgang der A. thoracica (mamma-
trast jedoch nicht von der Kontrastmittelkonzentra- ria) interna aus der A. subclavia einbeziehen, da die-
tion alleine, sondern von der Jodapplikationsrate pro ses Gefäß am häufigsten als arterielles Bypass-Gefäß
Zeiteinheit (Jodflux) abhängig. Daher bieten sich hö- verwendet wird (s. unten, Abschn. „Klappenöff-
here Jodkonzentrationen von 350–400 mg Jod/ml für nungsfläche“). Dies bedeutet, dass die Untersuchung
die CT-Koronarangiographie an, die bei einer klini- etwa 1 cm oberhalb der linken Lungenspitze begin-
sche vertretbaren Injektionsgeschwindigkeit von bis nen muss. Ist zumindest bekannt, dass nur aortoko-
zu 5 ml/s zu einem verbesserten Jodflux führen. Hier- ronare Bypass-Gefäße implantiert wurden, so kann
bei ist jedoch die erhöhte Viskosität zu beachten, wes- das Akquisitionsvolumen kranial auf den Oberrand
halb die höher konzentrierten Kontrastmittel auf je- des Arcus aortae begrenzt werden. Kaudal wird wie
den Fall angewärmt werden sollten. bei der CT-Koronarangiographie stets der untere
Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen Herzrand abgebildet. Die Atemanhaltezeit erhöht
für die Kontrastmittelgabe sind identisch zu allen an- sich entsprechend. Das Vorhandensein von Stents hat
deren CT-Untersuchungen mit Kontrastmittel und auf die Untersuchungsdurchführung keinen Einfluss.
werden daher hier nicht aufgeführt. Von entscheidender Bedeutung für den techni-
schen Erfolg und die Beurteilbarkeit einer CT-Koro-
CAVE !Zu beachten ist jedoch für kardiologi-
sche Patienten, dass es durch das ap-
narangiographie sind die Herzfrequenz des Patien-
ten, der Zeitpunkt der Datenrekonstruktion und die
plizierte Volumen von bis zu 150 ml bei einge- Ausprägung der Koronarverkalkungen.
schränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (<30–
40%) aufgrund der Volumenbelastung zu einem aku- 쐍 Herzfrequenz. Die relative Länge des Datenakqui-
ten Linksherzversagen kommen kann. sitionsfensters im Herzzyklus bestimmt aufgrund
der hohen Eigenbewegung der Koronararterien die
Daher sollte bei Verdacht auf bzw. manifester Herzin- Bildqualität. Da die Rotationszeit nicht verändert
suffizienz vor der CT-Koronarangiographie eine kar- werden kann, sinkt bei höheren Herzfrequenzen und
diologische Abklärung erfolgen mit der Frage, ob die damit geringerer Dauer des Herzzyklus die Bildqua-
Volumenbelastung für den Patienten tolerabel ist. lität. Deshalb sollte die Herzfrequenz immer mög-
Bei Zustand nach Bypass-Operation muss das Un- lichst niedrig liegen, auch wenn die neuesten CT-Ge-
tersuchungsvolumen entsprechend angepasst wer- räte mit einer zeitlichen Auflösung <100 ms auch bei
den. Idealerweise sollten vor der Untersuchung Art, Herzfrequenzen >75/min eine ausreichende Bildqua-
Anzahl und Verlauf der Bypass-Gefäße bekannt sein, lität erzielen.
um die Untersuchung entsprechend planen zu kön-
1.1 Untersuchungstechnik 11
Rekonstruktionen a
Für Rekonstruktionen aus CT-Datensätzen ist eine
20–50% überlappende Rekonstruktion der Rohdaten
notwendig, d. h. das Inkrement beträgt 50–80% der
Schichtdicke. Dies führt vor allem zu einer Vermei-
dung von Stufenartefakten am Bildrand. Mittlerweile
sind MIP- und multiplanare Rekonstruktionen
(MPR) auch direkt aus den Rohdaten möglich, ohne
dass zunächst die überlappende Rekonstruktion der
transversalen Schichten erfolgen muss.Alle beschrie-
benen Rekonstruktionsverfahren sind analog natür-
lich auch mit der MRT einsetzbar.
b
1.1 Untersuchungstechnik 15
Herzzyklus aufzuzeichnen. Die meisten Sequenz- Signal wird durch das Hauptmagnetfeld gestört
techniken benötigen hierzu eine Datenaufnahme in (magnetohydrodynamischer Effekt), d. h. die physio-
mehreren Herzzyklen. Durch die EKG-Triggerung logische Form kann verändert werden. Weitere Stö-
wird sichergestellt, dass alle Messdaten zur gleichen rungen des EKGs können durch das Schalten der
Zeit im Herzzyklus aufgezeichnet werden, wodurch Magnetfeldgradienten während einer Messung erfol-
Artefakte durch die Herzbewegung weitgehend ver- gen, wodurch die Triggerung aber nicht beeinflusst
mieden werden können. werden sollte. Die Triggerung funktioniert im Allge-
Spezielle, nicht-ferromagnetische EKG-Elektro- meinen trotz der Störungen zuverlässig, solange der
den erlauben die Ableitung eines EKG-Signals vom Magnetresonanztomograph im EKG-Signal einen
Patienten in einem Magnetfeld zur Triggerung einer wiederkehrenden Peak registriert, der in Korrelation
MRT-Aufnahme. Das vom Patienten abgeleitete EKG- zur R-Zacke steht.
1.1 Untersuchungstechnik 17
Abb. 1.7 a, b. EKG-Triggerung. Bei der prospektiven Trigge- leistet, dass in jedem Herzzyklus eine Datenaufnahme erfolgt
rung (a) erfolgt nach der R-Zacke der Beginn der Datenauf- und keiner übersprungen wird. Aufnahmen in der späten Dia-
nahme, die in der Abbildung durch die grauen Rechtecke dar- stole werden dadurch im Gegensatz zur retrospektiven Trigge-
gestellt werden soll. Ein Rechteck soll z. B. im Fall einer GRE- rung (b) nicht möglich. Bei der retrospektiven Triggerung er-
Sequenz die Aufnahme einer k-Raum-Linie symbolisieren, folgt die Aufnahme von k-Raum-Linien kontinuierlich (EKG-
d. h. es werden 9 k-Raum-Linien einer Schicht pro RR-Intervall unabhängig) bei einer gleichzeitigen EKG-Registrierung. Nach
aufgezeichnet. Bedingt durch normale Schwankungen des der Messung erfolgt vor der Bildrekonstruktion eine Korrela-
Herzzyklus können nur etwa 90% der mittleren RR-Zeit für tion der k-Raum-Linien mit ihrem Aufnahmezeitpunkt im
die Datenaufnahme verwendet werden. Dadurch ist gewähr- Herzzyklus
können. Ein großer Teil der Artefakte entsteht durch Tabelle 1.5. Messparameter Morphologie
das helle Fettsignal der vorderen (anterioren) Tho-
Sequenzen SE, TSE, TIRM, HASTE, FSE, RARE, ...
raxwand. Dieses Artefakt wird durch die Verwendung
der obligatorischen Oberflächenspulen noch ver- Wichtung T1, T2, IR
stärkt. Pixelgröße ≤1,5 mm×2,1 mm
Für die Reduktion der Atemartefakte stehen Matrix ≥256×180
grundsätzlich 3 Methoden zur Verfügung: FoV ≤380 mm
∑ die Datenaufnahme in Atemanhaltetechnik, Schichtdicke 5–8 mm
∑ die Triggerung auf die Atembewegung oder
∑ eine Datenaufnahme mit einer entsprechende An-
zahl von Signalmittelungen.
쐍 Spin-Echo. Die SE-Pulssequenz ist die am häufig-
Die Atemanhaltetechnik liefert bei einem kooperati- sten benutzte Pulssequenz in der MRT (Stark u. Brad-
ven Patienten sehr gute Resultate. Sie ist mit nahezu ley 1992). Die Ursache dafür ist sicherlich zum einen
allen Bildgebungsmethoden kombinierbar, da die der einfache Zusammenhang zwischen den Messpa-
Messzeiten aller Methoden in der Größenordnung rametern (TR, TE) und dem entstehenden Bildkon-
von etwa 15–25 s liegen. Für die Atemtriggerung ist trast und zum anderen die Verfügbarkeit auf allen
eine Detektion der Atembewegung erforderlich, wie Magnetresonanztomographen. Die SE-Sequenz be-
sie z. B. mit einem Atemgürtel erfolgen kann. Eine steht aus 2 Hochfrequenzpulsen, einem 90°-Puls ge-
modernere Methode ist die so genannte Navigator- folgt von einem 180°-Puls im zeitlichen Abstand der
technik, die mit Hilfe von meist eindimensionalen halben Echozeit (TE). Auf den 180°-Puls folgt nach
MRT-Bildern die Bewegung des Herzens direkt oder nochmaligem Ablauf der gleichen Zeitspanne (TE/2)
über die Diaphragmabewegung aufzeichnet. Mit die- ein MRT-Signal in der Empfangsspule, das Echosig-
ser Technik kann z. B. eine Atemtriggerung der EKG- nal. Dieses Echosignal hat den Vorteil, nicht mehr
getriggerten Aufnahme in der bewegungsarmen end- von externen Magnetfeldinhomogenitäten abzuhän-
exspiratorischen Atmungsphase erfolgen. Ein we- gen. Die Sequenz, bestehend aus 90°-Puls, 180°-Puls
sentlicher Nachteil dieses Verfahrens ist die erhebli- und Echosignal wird mit der Reptitionszeit TR für
che Verlängerung der Messzeit. Die Methode der unterschiedliche Phasenkodiergradienten wieder-
Signalmittelungen scheidet bei den meisten Anwen- holt, um die für die Bildrekonstruktion benötigten
dungen durch die sehr lange Untersuchungszeit bei Rohdaten zu akquirieren.
einer nur mäßigen Bildqualität aus. Bei der SE-Sequenz kann sehr einfach durch die
Wahl der Messparameter Repetitionszeit (TR) und
1.1.3.2 Echozeit (TE) eine T1-, T2- oder Protonendichte-
Sequenzbeschreibung (PD-)gewichtete Aufnahme erzeugt werden:
Morphologie
∑ TR kurz (200–800 ms), TE kurz (<20 ms) ergibt
Für die kardiovaskuläre MRT-Bildgebung steht eine
ein T1-Bild,
fast unendliche große Anzahl von Sequenztechniken
∑ TR lang (2000–6000 ms), TE kurz (<20 ms) ein
zur Verfügung, die sich primär durch einen unter-
PD-Bild und
schiedlichen Bildkontrast, die Länge der Bildaufnah-
∑ TR lang (2000–6000 ms) und TE lang (>80 ms)
mezeit und die räumliche und zeitliche Auflösung
eine T2-gewichtete Aufnahme.
unterscheiden. Alle Sequenztechniken lassen sich
aber grundsätzlich auf 2 Basissequenzen, die Spin- Die Parameterkombination TR kurz (200–800 ms),
Echo- (SE-)Sequenz und die Gradientenecho- (GRE-) TE lang (>20 ms) liefert einen Mischkontrast aus T1-
Sequenz zurückführen. , T2- und PD-Wichtung, der in der Diagnostik nicht
In diesem Abschnitt sollen die Funktionsweisen verwendet wird.
dieser Basissequenzen beschrieben und ihr grund- MRT-Aufnahmen des Herzens erfolgen in der Re-
sätzlich unterschiedlicher Bildkontrast bei der kar- gel mit EKG-Triggerung. Die EKG-Triggerung erfolgt
diovaskulären Bildgebung insbesondere in der mor- auf die R-Zacke, wodurch ein neuer SE-Pulszyklus
phologischen Darstellung erläutert werden. Variatio- (90-180-Echosignal) ausgelöst wird (Abb. 1.8). Dem-
nen und Kombinationen dieser Sequenzen werden zufolge wird die Repetitionszeit durch die Herzfre-
im weiteren Verlauf unter dem Aspekt einer speziel- quenz bestimmt, woraus die Abhängigkeit des Bild-
len Anwendung im kardiovaskulären Bereich (z. B. kontrasts und der Gesamtmesszeit von der Herzfre-
der Perfusionsuntersuchung) vorgestellt. Einige quenz resultiert (vgl. Abb. 1.8). Zur Erzeugung einer
wichtige Messparameter, die bei der morphologi- T1-gewichteten SE-Aufnahme erfolgt die Triggerung
schen Untersuchung zu beachten sind, sind in Tabel- auf jede R-Zacke des Herzzyklus, wodurch sich eine
le 1.5 aufgeführt. Repetitionszeit von etwa 600–1000 ms ergibt. Um die
1.1 Untersuchungstechnik 19
a b c
Abb. 1.9 a–c. Prinzip Dark-blood. a Bei der Dark-blood-Mag- durch einen zweiten, diesmal schichtselektiven 180°-HF-Puls
netisierungspräparation erfolgt als erstes eine Invertierung zurückinvertiert. c Wartet man nun solange, bis invertiertes
der Magnetisierung des gesamten Untersuchungsvolumens Blut in die Untersuchungsschicht eingeflossen ist und dessen
durch einen nicht-schichtselektiven 180°-HF-Puls. b Die Mag- Magnetisierung durch Null geht, so kann ein Bild gemessen
netisierung der Untersuchungsschicht wird direkt danach werden, in dem Blut kein Signal liefert
Die TSE-Technik beruht auf einer Multi-Echo-SE-Se- 쐍 Gradientenecho. Die GRE-Pulssequenz basiert auf
quenz, bei der nach einem 90°-Puls mehrfach ein dem Effekt der Dephasierung und Rephasierung der
180°-Puls geschaltet wird, um einen Zug aus Echos zu Spins durch einen Magnetfeldgradienten (Edelstein
erhalten. Der Phasenkodiergradient wird von Echo et al. 1980). Nach der Anregung des Spin-Systems
zu Echo variiert, wodurch in einem Echozug mehre- durch einen Hochfrequenzpuls erfolgt eine schnelle
re k-Raum-Linien pro Repetitionszeit gemessen wer- Dephasierung des MRT-Signals durch das Anlegen
den. Die Echozuglänge (Turbofaktor) gibt die Zahl eines Magnetfeldgradienten. Die Rephasierung der
der gemessenen Echos, bzw. k-Raum-Linien pro Re- Spins wird durch einen Magnetfeldgradienten umge-
petitionszeit an und ist ein Maß für den Geschwin- kehrter Polarität, aber mit gleichem Produkt aus Am-
digkeitsgewinn gegenüber der Standard SE-Technik. plitude und Anschaltzeit bewirkt. In der Empfangs-
Obwohl alle Echos in einem Zug zu unterschiedli- spule entsteht das so genannte GRE-Signal. Als Echo-
chen Echozeiten gemessen werden, kann eine effekti- zeit wird die Zeit zwischen der Anregung des Spin-
ve, den Bildkontrast beschreibende Echozeit TEeff an- Systems und dem Auftreten des Echosignals
gegeben werden. Die effektive Echozeit ist diejenige bezeichnet. Durch das Fehlen des 180°-Refokussie-
Echozeit, bei der die zentralen k-Raum-Linien akqui- rungspulses im Vergleich zur SE-Sequenz ist die Sig-
riert werden. nalamplitude des Echosignals nicht nur von der T2-
Die RARE- (Hennig et al. 1986),„Single-shot-FSE-“ Relaxation, sondern auch vom Signalzerfall durch
oder HASTE- („Half-acquisition-with-TSE-“) Tech- Magnetfeldinhomogenitäten abhängig. Der kombi-
nik sind die schnellsten Varianten der TSE-Technik. nierte, schnellere Signalzerfall wird durch die T2*-
Hier kann pro Repetitionszeit TR z. B. die Auslesung Relaxationszeit beschrieben. Die GRE-Sequenz kann
aller für eine Schicht benötigten Echos bzw. Phasen- mit einer sehr viel kleineren Repetitionszeit TR als
kodierzeilen erfolgen. In Kombination mit dem Half- die SE-Sequenz wiederholt werden, da u. a. der 180°-
Fourier-Verfahren kann die Akquisitionszeit zusätz- Hochfrequenz- (HF-)Puls fehlt und ein anderer Kon-
lich reduziert werden. trastaufbau stattfindet. Aus der kleinen Repetitions-
Die schnellen Varianten der SE-Technik ermögli- zeit resultiert der große Vorteil einer erheblich ver-
chen die Aufnahme von einer (TSE) bzw. mehrerer kürzten Messzeit gegenüber der SE-Sequenz.
(HASTE) Schichten in einer Atemanhaltezeit. So ist Der Weichteilkontrast ist bei der GRE-Sequenz
z. B. bei einer Auflösung von 150 2D-Phasenkodier- grundsätzlich geringer ausgeprägt als bei der SE-Se-
schritten mit einer TSE-Sequenz bei einem Turbo- quenz. Er entspricht einem PD-Kontrast mit leichter
faktor 10 nur eine Messzeit von etwa 15 s (bzw. 15 TR T1-Wichtung (Stark u. Bradley 1992). Den Bildkon-
oder 15 RR Intervallen) für die Aufnahme einer trast der GRE-Sequenz bestimmt nicht nur die Repe-
Schicht erforderlich. Die HASTE-Technik ermöglicht titionszeit TR und die Echozeit TE, sondern auch der
sogar die Akquisition von einer kompletten Schicht HF-Anregungswinkel (Flip-Winkel). Typische Mes-
in einer Repetitionszeit, d. h innerhalb eines Herz- sparameter für eine EKG-getriggerte GRE-Aufnahme
schlags. mit der Akquisition von einer Rohdatenzeile (k-
Die TSE- und HASTE-Technik wird am Herzen Raum-Zeile) pro Herzschlag sind z. B. TR=13 ms,
üblicherweise mit einer Dark-blood-Präparation TE=6 ms und Flip-Winkel-α=40°. Durch die im Ver-
eingesetzt. Das primäre Einsatzgebiet liegt in der gleich zur SE-Sequenz und der T1-Relaxationszeit im
Darstellung der Morphologie. menschlichen Körper sehr kurzen Repetitionszeit TR
bei der GRE-Sequenz baut sich bei der wiederholten
1.1 Untersuchungstechnik 21
Anregung zur Messung der Rohdaten (im Besonde- Tabelle 1.6. Messparameter Herzfunktion (Kinotechnik)
ren, wenn mehrere Rohdatenzeilen pro Herzzyklus
Sequenz Cine-Sequenzen (GRE, FLASH,
aufgenommen werden) eine so genannte Gleichge- TrueFSIP, FIESTA, BFFE, ...)
wichtsmagnetisierung auf. Durch diese steht bei jeder Pixelgröße ≤1,5 mm×3,0 mm
erneuten Anregung der Spins nur ein Bruchteil der
Matrix ≥256×128
Gesamtmagnetisierung zur Verfügung mit dem Re-
sultat einer im Vergleich zur SE-Sequenz verringer- FoV ≤380 mm
ten Signalamplitude. Die Höhe des Signals wird be- Schichtdicke ≤10 mm (Schichtlücke ≤3 mm)
stimmt durch die T1-Relaxationszeit, die Repeti- Zeitl. Auflösung ≤50 ms
tionszeit TR und den Flip-Winkel α.
Bei der SE-Sequenz treten bei schnellem Blutfluss
in den Gefäßen Signalverluste auf. Die GRE-Sequenz dass eine anatomische Schicht mehrfach während ei-
dagegen liefert auch bei schnellem Blutfluss ein ho- nes Herzzyklus aufgezeichnet und dann in einer
hes Signal in den Gefäßen. Die Ursache dafür liegt im schnellen Abfolge dargestellt wird, wodurch der
unterschiedlichen Prinzip der Sequenzen, die Spins Herzmuskel bewegt erscheint (Tabelle 1.6). Eine lü-
zu refokussieren und ein Signalecho zu erzeugen: Bei ckenlose Darstellung der Bewegung des gesamten
der SE-Technik müssen die Blutspins solange in der Herzmuskels gestattet mit einer entsprechenden Aus-
Schicht bleiben, bis die beiden HF-Pulse eingestrahlt wertesoftware die Bestimmung der bekannten Herz-
wurden, um ein helles Signal zu erzeugen. Bei der funktionsparameter.
GRE-Technik dagegen gibt es nur einen HF-Puls, und
es wird eine kurze Echozeit benutzt, sodass auch 쐍 Gradientenecho und Spin-Echo. Die SE-Technik
schnell fließende Blutspins ein Echosignal liefern. kann grundsätzlich für die Messung von Kinoauf-
Zusätzlich führt der Einstromeffekt (ToF-Effekt) zu nahmen verwendet werden. Die Aufnahme der Bild-
einem sehr hohen Blutsignal im Vergleich zum um- daten zur Visualisierung der Herzbewegung erfolgt
liegenden Gewebe. dabei im so genannten rotierenden Mehrschichtmo-
Bildartefakte durch Metall (z. B. durch Operations- dus (Crooks et al. 1984). Dieses Verfahren zeichnet
Clips, Herzklappen mit Metallanteil) sind bei der sich durch eine schlechte zeitliche Auflösung und ei-
GRE-Sequenz stärker ausgeprägt als bei der SE-Se- ne sehr lange Messzeit aus. Unter der zeitlichen Auf-
quenz, d. h. der Bereich der Signalauslöschung ist lösung wird der zeitliche Abstand im Herzzyklus ver-
größer. Die Ursache dafür liegt im Fehlen des refo- standen, in dem die einzelnen Bilder (Phasen) aufge-
kussierenden 180°-HF-Pulses. zeichnet werden. Diese Nachteile konnten durch die
Basierend auf der GRE-Sequenz gibt es eine fast Verwendung anderer Bildgebungsverfahren in der
unendlich große Anzahl von schnellen Bildgebungs- Kinotechnik ausgeräumt werden, wodurch die SE-Ki-
sequenzen, von denen einige für kardiovaskuläre Un- notechnik heute nur noch einen historischen Char-
tersuchungen verwendet werden können. An erster akter besitzt.
Stelle sind hier die schnelle 2D- oder 3D-GRE- oder Die GRE-Technik besitzt im Vergleich zur SE-
FLASH-Sequenz zu nennen, die unter Verwendung Technik den enormen Vorteil, dass eine sehr kleine
der k-Raum-Segmentierung für eine erhebliche Re- Repetitionszeit TR gewählt werden kann. Dadurch ist
duktion der Akquisitionszeit der EKG-getriggerten es möglich, in einem Herzzyklus eine Schicht mehr-
Messungen geführt haben. Die Turbo-FLASH-Se- fach anzuregen, d. h. es werden mehrere k-Raum-Zei-
quenz und die EPI- („Echo-planar-imaging-“) Se- len (Anzahl n) der gleichen Schicht pro Herzzyklus
quenzen werden mit und ohne k-Raum-Segmentie- gemessen. Die Messungen erfolgen direkt hinterein-
rung eingesetzt. Diese Sequenzen können mit unter- ander, also zu unterschiedlichen Phasen des Herzzy-
schiedlichen Kontrasten, erzeugt durch verschiedene klus. Im darauffolgenden Herzzyklus werden von der
Magnetisierungspräparationen, für verschiedene gleichen Schicht zu denselben Zeitpunkten die näch-
Anwendungen eingesetzt werden. Die schnellen sten k-Raum-Linien gemessen. Führt man dies über
GRE-Sequenzen werden im weiteren Verlauf des Ka- so viele Herzzyklen fort, wie 2D-Phasenkodierschrit-
pitels bei den verschiedenen Anwendungen im Detail te benötigt werden, so erhält man „n“ Aufnahmen der
vorgestellt. gleichen Schicht zu unterschiedlichen Herzphasen.
Mit allen heute zur Verfügung stehenden gängigen
Funktion Gradientensystemen ist eine zeitliche Auflösung der
Die Visualisierung der Bewegung des Herzmuskels Herzphasenbilder von <20 ms erreichbar. Die Ge-
stellt auch heute noch eine große Herausforderung samtzahl (n) der Herzphasenbilder ergibt sich aus der
an die MRT-Bildgebungstechniken dar. Das Verfah- Länge des Herzzyklus dividiert durch die verwendete
ren zur Darstellung bewegter Abläufe wird Kinotech- Repetitionszeit TR, z. B.: RR=880 ms (davon effektiv
nik oder Cine-Technik genannt und basiert darauf, nutzbar 90%), TR=20 ms ergibt 40 Herzphasenbilder.
22 Kapitel 1 Herz
Abb. 1.10. k-Raum-Segmentation. In der Abbildung wird die worden sind. Der Hintergrund für die Sortierung der Rohda-
k-Raum-Segmentation in Verbindung mit der Kinotechnik ten in den segmentierten k-Raum ist, dass k-Raum-Linien, die
dargestellt. Der k-Raum jedes einzelnen Herzphasenbildes ist zu einem bestimmten Zeitpunkt im Herzzyklus gemessen wer-
exemplarisch in 7 gleich große Segmente unterteilt. Nach der den, immer in das gleiche Segment gelangen sollen. Da der
ersten R-Zacke beginnt die Datenakquisition mit der Aufnah- Bildkontrast primär durch die k-Raum-Linien im Zentrum,
me von 7 k-Raum-Linien für das 1. Herzphasenbild, gefolgt hier also durch die Daten im Segment Nr. 4, bestimmt wird,
von der Aufnahme von 7 k-Raum-Linien für das 2. Herzpha- kann dem zugehörigen Bild zum einen eine effektive Akquisi-
senbild usw. Die jeweils für ein Herzphasenbild gemessenen tionszeit (der Messzeitpunkt der 4. k-Raum-Linie) im Herzzy-
k-Raum-Linien werden in den in der Abbildung dargestellten klus zugewiesen werden, zum anderen werden die Bewegungs-
Segmenten des zugehörigen k-Raums gespeichert. Die Daten- artefakte durch die Bewegung des Herzens während der Zeit-
akquisition erfolgt über so viele Herzzyklen hinweg, bis alle spanne der Akquisition der 7 k-Raum-Linien reduziert
2D-Phasenkodierschritte für alle Herzphasenbilder gemessen
Aufgrund der kurzen Repetitionszeit ist es auch lange für die Durchführung in Atemanhaltetechnik.
möglich, mehrere Schichten wiederholt in einem Atemartefakte können somit nur durch Signalmitte-
Herzzyklus zu messen (Glover u. Pelc 1988). Aller- lungen reduziert werden, wodurch die Gesamtmess-
dings wird dadurch die zeitliche Auflösung, d. h. die zeit pro Schicht auf einige Minuten ansteigt.
Anzahl der Herzphasenbilder reduziert. Es ist eben-
falls möglich, mit der rotierenden Mehrschichtme- 쐍 k-Raum-Segmentation. Magnetresonanztomogra-
thode große Volumina durch eine hohe Anzahl von phen der heutigen Generation erlauben in Verbin-
Schichten in einer Messung abzudecken. Trotz der dung mit der GRE-Technik durch die zur Verfügung
verbesserten zeitlichen Auflösung der GRE-Technik stehende Leistung des Gradientensystems eine ex-
gegenüber der SE-Technik bleibt ein entscheidender trem kurze Repetitionszeit TR (<10 ms) und Echozeit
Nachteil: Die Gesamtmesszeit für eine Schicht ist zu TE. Bei der so genannten segmentierten k-Raum-
1.1 Untersuchungstechnik 23
Methode (Atkinson u. Edelman 1991) wird der k- wendet das Echo-sharing, um bei gleichbleibender
Raum in Segmente von jeweils mehreren 2D-Phasen- Gesamtmesszeit (und k-Raum-Segmentierung) die
kodierzeilen unterteilt. Wird der k-Raum z. B. in zeitliche Auflösung oder die Bildrate zu erhöhen, in-
7 Segmente unterteilt, so werden immer 7 Phasenko- dem eine höhere Zahl von Phasenbildern aus den ge-
dierzeilen hintereinander (je eine Zeile für ein Seg- messenen k-Raum-Linien berechnet wird.
ment) akquiriert und für die spätere Rekonstruktion
eines Herzphasenbildes gespeichert. Bei einer Repe- 쐍 Neue Techniken. Neben der GRE- und SE-Technik
titionszeit TR von z. B. 8 ms würden dafür 56 ms Ak- gibt es noch eine Reihe anderer Bildgebungstechni-
quisitionszeit benötig. Dieses Zeitfenster würde so- ken, die für Kinoaufnahmen verwendet werden kön-
mit der zeitlichen Auflösung der Kinoaufnahme nen, wie z. B. die EPI- oder TrueFISP-Technik.
entsprechen (Abb. 1.10). Im nächsten Herzzyklus Die EPI-Technik ist die derzeit schnellste Methode
werden dann wieder je 7 Zeilen für alle Herzphasen- zur Messung eines MRT-Bildes (Mansfield 1977).
bilder aufgezeichnet. Werden z. B. insgesamt 140 2D- Nach der HF-Anregung eines Spin-Systems werden
Phasenkodierschritte benötigt, so sind hierfür multiple Gradientenechos erzeugt, wobei jedes Echo
20 Herzzyklen notwendig. Bei einer RR-Zeit von etwa mit einer anderen Phase kodiert wird.Werden so vie-
800 ms ergibt dies eine Gesamtmesszeit von 16 s, die le Echos erzeugt, wie 2D-Phasenkodierschritte benö-
in der Regel in Atemanhaltetechnik zu bewältigen ist. tigt werden, so wird nur eine HF-Anregung pro Bild
Durch die Wahl der Segmentgröße und der Repeti- benötigt und man spricht von einer „Single-shot-
tionszeit TR wird die zeitliche Auflösung der Kino- Aufnahme“. Die Aufnahmezeit für ein komplettes
aufnahme bestimmt. Die Messzeit pro Schicht wird Bild liegt unter 30–40 ms. Bedingt durch den T2*-
bestimmt durch die räumliche Auflösung in der 2D- Zerfall und das kleine Signal-zu-Rausch-Verhältnis
Phasenkodierrichtung, die Segmentgröße und natür- können in der Regel nur 128 Echos aufgezeichnet
lich die RR-Zeit. werden. Den EPI-Bildern kann durch eine entspre-
Mit der k-Raum-Segmentation steht eine Methode chende Magnetisierungpräparation ein bestimmter
zur Verfügung, mit der in einer Atemanhaltephase ei- Bildkontrast auferlegt werden [z. B. SE- (T2-) oder
ne Schicht im Kinomodus aufgezeichnet werden GRE- (T1-)Kontrast]. Der Vorteil der Methode liegt
kann (typische Messparameter vgl. Tabelle 1.6). darin, dass im Prinzip in nur einem Herzschlag eine
Kinoaufnahme einer Schicht erstellt werden kann.
Merke ! Mit der k-Raum-Segmentation ist es
möglich, in einer für die klinische
Wegen des schlechten Signal-zu-Rausch-Verhältnis-
ses und der schlechten räumlichen Auflösung (128er
Routineuntersuchung akzeptablen Untersuchungs- Matrix) der Single-shot-EPI-Aufnahmen wird auch
zeit von 5–15 min eine lückenlose Darstellung des hier die segmentierte k-Raum-Akquisition einge-
gesamten Herzens im Kinomodus zu erhalten, wie sie setzt. Das Ergebnis ist die Multi-shot-EPI-Aufnahme,
für die Bestimmung der Herzfunktionsparameter be- bei der zur Messung aller Rohdaten das Spin-System
nötigt wird. mehrfach angeregt wird. Die Anzahl der gemessenen
k-Raum-Linien pro Herzzyklus und pro Herzphase
Die „Echo-sharing-Technik“ (oder „Phase-sharing- wird durch die Segmentierung festgelegt und be-
Technik“) stellt eine Erweiterung der segmentierten stimmt die zeitliche Auflösung und die Gesamtmess-
Kinotechnik dar, wodurch die zeitliche Auflösung zeit pro Schicht. Die Multi-shot-EPI-Technik besitzt
(Bildrate) erhöht bzw. die Datenakquisitionszeit re- im Vergleich zur Single-shot-EPI ein verbessertes
duziert werden kann (Abb. 1.11 a–c). Die Echo-sha- Signal-zu-Rausch-Verhältnis und ermöglicht eine
ring-Technik akquiriert die Rohdaten in gleicher Art höhere räumliche Auflösung.
und Weise wie die segmentierte Kinotechnik. Der
Unterschied liegt darin, dass immer einige k-Raum-
Linien, nämlich die nichtzentralen k-Raum-Linien, Merke ! Durch die kurze Aufnahmezeit eines
kompletten Bildes mit der Single-
für die Bildrekonstruktion aufeinanderfolgender shot-EPI-Technik wird die Bewegung des Herzens
Phasen verwendet werden. Diese werden also bei ein- und die Atembewegung „eingefroren“. Daraus resul-
maliger Messung doppelt verwendet, worin der ei- tiert die Möglichkeit der Echtzeitbildgebung des Her-
gentliche Zeitgewinn liegt. Die zentralen k-Raum-Li- zens ohne EKG-Triggerung und in freier Atmung.
nien jedes Herzphasenbildes werden in der Regel für
jedes Bild separat gemessen. Durch dieses Verfahren In den letzten Jahren konnten sich in der Abdomen-
reduziert sich für eine bestimmte zeitliche Auflösung bildgebung refokussierte GRE-Techniken (TrueFISP:
die Anzahl der effektiv benötigten und gemessenen Bezeichnung der Fa. Siemens, BFFE: Philips oder
k-Raum-Linien, wodurch die Messzeit unter Verwen- FIESTA: GE) für T2-gewichtete Aufnahmen durch die
dung einer damit möglichen, höheren k-Raum-Seg- Kombination aus sehr gutem Signal-zu-Rausch-Ver-
mentierung verringert werden kann. Oder man ver- hältnis und sehr kurzer Akquisitionszeit durchset-
24 Kapitel 1 Herz
Abb. 1.11 a–c. Echo-sharing. a k-Raum Segmentation in der auch die Gesamtmesszeit unverändert, da weiterhin nur 5 k-
Kinotechnik dargestellt. Es werden 5 k-Raum-Linien pro Herz- Raum-Linien pro Herzphasenbild pro Herzzyklus gemessen
phasenbild pro Herzzyklus gemessen. Unter dem Echo- werden. c Das Echo-sharing kann auch verwendet werden, um
sharing-Verfahren versteht man die mehrfache Verwendung bei einer gleichbleibenden Anzahl der Herzphasenbilder und
gemessener k-Raum-Linien für die Rekonstruktion verschie- gleichbleibender räumlicher Auflösung die Anzahl der benö-
dener Herzphasenbilder. Werden z. B. je 2 k-Raum-Linien der tigten Herzzyklen zu reduzieren, indem z. B. die Segmentie-
2 benachbarten Herzphasenbilder mehrfach verwendet und rung von 5 auf 7 erhöht wird und 3 (statt 2) benachbarte
nur die zentrale k-Raum-Linie für jedes Herzphasenbild er- k-Raum-Linien pro Bild verwendet werden. Nachteilig kann
neut gemessen (b), so ergibt sich durch die erhöhte Zahl der sich hierbei eine erhöhte Bewegungsunschärfe auswirken, da
Herzphasenbilder eine höhere zeitliche Auflösung. Ist in die- das effektive Akquisitionsfenster im Herzzyklus verlängert ist
sem Fall die räumliche Auflösung konstant geblieben, so bleibt
zen. Diese werden auch „Balanced-SSFP-Sequenzen“ dadurch minimiert werden. Daraus resultiert ein
(„steady state free precession“) genannt (Scheffler u. Gleichgewichtszustand („steady-state“) mit einer
Lehnhardt 2003). Diese Techniken gehen aus der maximal möglichen Längsmagnetisierung und dar-
FISP- oder GRASS-Technik hervor, indem sie statt ei- aus ein sehr hohes Signal-zu-Rausch-Verhältnis. Die
ner teilweisen eine vollständige Refokussierung der refokussierte GRE-Sequenz kann in analoger Weise
Phasenverschiebung der Spins besitzen, die durch wie die GRE-Sequenz mit der k-Raum-Segmentie-
das Schalten der räumlichen Kodiergradienten er- rung kombiniert und zur Kinotechnik eingesetzt
zeugt wurde. Signalverluste durch eine kleinere werden. Im Vergleich zur GRE- (FLASH-)Technik
Längsmagnetisierung, erzeugt durch eine Phasendis- zeigt sich ein verbessertes Signal-zu-Rausch-Verhält-
persion aufgrund von Magnetfeldgradienten, können nis, das in eine höhere räumliche Auflösung umge-
1.1 Untersuchungstechnik 25
setzt werden kann. Die refokussierte GRE-Sequenz achtet und quantitativ erfasst werden. Die Landmar-
kann ähnlich wie eine schnelle GRE-Sequenz (Turbo ken bestehen aus räumlich symmetrisch angeordne-
FLASH, TFE, FSPGR) mit einer Magnetisierungsprä- ten Sättigungsstreifen der Magnetisierung auf der
paration, z. B. zur Erzeugung eines IR-Kontrasts, Untersuchungsschicht. Ursprünglich wurden die Sät-
kombiniert werden. Dadurch ergibt sich die Möglich- tigungsstreifen radial mit einem Zentrum im linken
keit, das hohe Signal-zu-Rausch-Verhältnis auch bei Ventrikel (Kurzachsenschnitt) und gleichem Winkel-
einer Perfusionsuntersuchung, einer Spätaufnahme- abstand erzeugt (Zerhouni et al. 1988). Heute stehen
technik oder der Koronarangiographie nutzen zu noch weitere Taggingverfahren wie Sättigungsgitter
können. oder parallele Sättigungsstreifen zur Verfügung. Die
Erzeugung der Sättigungsgitter gehen auf die
왔 Die parallele Bildgebung ist eine Me- SPAMM-Methode („spatially modulating the magne-
Definition
thode, die prinzipiell mit allen Bildge- tization“; Axel u. Dougherty 1989 a,b) zurück, bei der
bungstechniken kombinierbar ist und zu einer Re- ein Gitter mit äquidistanten Linien auf der zu unter-
duktion der Akquisitionszeit führt. suchenden Schicht erzeugt wird. Bei einer Magnet-
feldstärke von 1,5 T zeigt sich in der Diastole ein „fa-
Technische Voraussetzung für diese Methode ist die ding“ der Sättigungslinien, das unter Umständen zu
Verwendung eines Systems aus mehreren Oberflä- einem Verlust der Sichtbarkeit des Sättigungsgitters
chenspulen (Spulen-Array), wobei die Signale jedes führen kann. Die Ursache für dieses Problem liegt in
einzelnen Spulenelements über einen separaten der merklichen Relaxation der Magnetisierung des
Hochfrequenzkanal empfangen und verstärkt wer- Sättigungsgitters. Dieser Effekt ist bei einer Magnet-
den müssen. Die Messzeitreduktion beruht darauf, feldstärke von 3,0 T, bedingt durch die größeren T1-
dass nur noch ein Bruchteil der für die Bildrekon- Relaxationszeiten, deutlich schwächer ausgeprägt
struktion benötigten k-Raum-Linien tatsächlich ge- (Kramer et al. 2006).
messen wird. Die verbleibende Information zur Bei allen Vorteilen des Tagging-Verfahrens gilt es
räumlichen Kodierung wird aus den gemessenen, aber zu bedenken, dass das Verfahren „nur“ Informa-
räumlich inhomogenen Spulensensitivitäten und tionen aus der Bewegung der Gitterkreuzungspunkte
den tatsächlich gemessenen k-Raum-Linien mittels liefert, d. h. die räumliche Auflösung wird durch die
spezieller Bilddrekonstruktionsalgorithmen errech- Abstände im Sättigungsgitter bestimmt.
net. Die Bildrekonstruktionsalgorithmen arbeiten Ein anderer Ansatz zur quantitativen Bestimmung
entweder im Rohdatenraum (z. B. Grappa, SMASH) der Herzbewegung stellt die Phasenkontrasttechnik
oder im Bildraum (z. B. SENSE). dar, die gegenüber dem Tagging-Verfahren den Vor-
teil der besseren räumlichen Auflösung besitzt. Bei
Merke ! Die parallele Bildgebung erlaubt eine
Reduktion der Bildakquisitionszeit
der Phasenkontrasttechnik erfolgt in Analogie zu
den Flussmessungstechniken eine pixelweise Mes-
oder bei gleichbleibender Zeit eine Verbesserung der sung der Geschwindigkeit über die Phasendifferenz
zeitlichen und/oder der räumlichen Auflösung. einer bewegungskompensierten und einer bewe-
gungssensitiven Aufnahme einer Schicht (Hennig
Die Anwendung der parallelen Bildgebung ist, be- et al. 1998) in verschiedenen Herzphasen (Cine-
dingt durch das Verfahren, immer verbunden mit ei- Phasenkontrasttechnik).
ner Verringerung des Signal-zu-Rausch-Verhältnis-
ses, wobei die Verringerung umso größer ist, je grö- Kontrastmitteltechniken
ßer die Messzeitreduktion ist. Bedingt durch die Ver- 쐍 Perfusion. In der MRT stellt die „First-pass-Tech-
ringerung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses darf nik“ die am häufigsten verwendete Methode zur
die parallele Bildgebung nur bei ausreichendem Sig- Messung der Perfusion dar. Ein T1-Zeit-verkürzen-
nal eingesetzt werden. Sie ist mit sehr guten Resulta- des Kontrastmittel (z. B. Gadolinium-DTPA) wird in-
ten bei der Funktionsuntersuchung in Kombination travenös als Bolus appliziert und führt im perfun-
mit den refokussierten GRE-Techniken (TrueFISP, dierten Gewebe zu einem Signalanstieg in einer T1-
BFFE, FIESTA) mit ihrem hohen Signal-zu-Rausch- gewichteten Aufnahme. Nicht oder minder perfun-
Verhältnis einsetzbar. diertes Gewebe zeigt keinen oder einen verspäteten
und verringerten Signalanstieg. Zur Messung des
쐍 Tagging. Die „Tagging-Technik“ ermöglicht eine Signalanstiegs im perfundierten Gewebe wird eine
direkte Messung der Herzwandbewegung durch das zeitliche Auflösung von einem Herzschlag benötigt,
Setzen so genannter „tags“ zu Beginn des Herzzyklus d. h. bei jedem Herzschlag soll im Idealfall das kom-
auf der Herzwand (bzw. auf der gesamten Untersu- plette Herz mit mehreren Schichten aufgezeichnet
chungsschicht). Die Bewegung dieser Landmarken werden.
im Herzzyklus kann mit Hilfe der Kinotechnik beob-
26 Kapitel 1 Herz
Tabelle 1.7. Messparameter Perfusionsuntersuchung jeder einzelnen Schicht im Herzzyklus gesendet. Da-
durch wird gewährleistet, dass der Signalanstieg
Sequenz Schnelle GRE-Technik
durch das Kontrastmittel bei allen Schichten gleich
Wichtung T1 groß ist und Schwankungen des Herzschlags keinen
Pixelgröße ≤3 mm×5 mm Einfluss auf die Signalintensitäten besitzen.
Matrix ≥128×76 Mit dieser Technik kann der Signalanstieg in meh-
FoV ≤380 mm reren Schichten unter Gabe eines Kontrastmittelbo-
Schichtdicke ≤10 mm lus gemessen werden. Ein Nachteil der Technik ist,
Zeitliche Auflösung ≥3 Schichten pro Herzschlag
dass die Schichten in unterschiedlichen Herzphasen
gemessen werden. Die Bestimmung von Signalinten-
Messdauer 30–40 Herzzyklen
sitäts-Zeit-Verläufen für interessierende Areale des
Myokards ermöglicht eine objektive Beurteilung des
Signalanstiegs. Die EKG-Triggerung muss bei dieser
Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Se- Methode frei von Störungen durch das Gradienten-
quenztechniken und der Hardware ist es möglich, bei system arbeiten, da es sonst zu Verfälschungen der
einer zeitlichen Auflösung von einem Herzschlag et- Signalintensitäts-Zeit-Verläufe kommt.
wa 3–5 Schichten mit einer Bildmatrix von etwa Mit der First-pass-Methode ist bei der Verwen-
128 Punkten aufzunehmen (typische Messparameter dung von Gadolinium-DTPA keine absolute Messung
s. Tabelle 1.7). der Perfusion möglich, da auch eine Diffusion des
Für die First-pass-Technik können 3 Akquisitions- Kontrastmittels in den Extrazellulärraum bei nicht-
methoden eingesetzt werden: bekanntem Verteilungsverhältnis stattfindet.
Das für die ultraschnelle GRE-Technik vorgestell-
∑ die ultraschnelle GRE-Technik (TurboFLASH/
te Akquisitionsschema wird analoger Weise bei der
TFE),
refokussierten GRE-Technik oder der EPI-Technik
∑ die refokussierten GRE-Techniken (TrueFISP, BFFE,
angewandt, es erfolgt nur der Austausch des jeweili-
FIESTA) oder
gen Bildaufnahmemoduls.
∑ die EPI-Technik (Single-shot- oder Multi-shot-
Einen kontrastmittelunabhängigen Ansatz zur
Verfahren).
Perfusionsmessung stellt die „Spin-labeling-Tech-
Die GRE-Technik und die refokussierten GRE-Tech- nik“ dar, die die Perfusion über eine Änderung der
niken sind zwar langsamer als die EPI-Technik, besit- T1-Relaxationszeit bestimmt. Eine Änderung kann
zen aber den Vorteil, dass sie auf nahezu allen 1,5 T- bewirkt werden, indem in die Untersuchungsschicht
Magnetresonanztomographen zur Verfügung stehen, Blut einfließt (z. B. durch Perfusion), das eine andere
da keine spezielle Gradienten-Hardware benötigt Magnetisierungspräparation als die Untersuchungs-
wird. Die refokussierten GRE-Techniken besitzen im schicht besitzt, d. h. die Spins des einfließenden Blu-
Vergleich zu den ultraschnellen GRE-Techniken, für tes wurden über die Magnetisierung markiert („labe-
die heute die größten Erfahrungen vorliegen, den ling“). Der Vorteil dieser Methode liegt in der beliebi-
Vorteil eines höheres Signal-zu-Rausch-Verhältnis- gen Wiederholbarkeit der Messung, d. h. es können
ses (Abb. 1.12). beliebig viele Schichten untersucht werden, der
Die ultraschnelle GRE-Technik wird bei der Perfu- Nachteil in einem sehr kleinen Signal-zu-Rausch-
sionsuntersuchung ohne k-Raum-Segmentierung Verhältnis (Wacker et al. 1999; Waller et at. 2000,
eingesetzt (Abb. 1.12). Mit den üblichen Aufnahme- 2001).
parametern, wie Repetitionszeit TR=1,9 ms, Echozeit Eine gänzlich andere Methode zur Bestimmung
TE=1,0 ms und einer Bildmatrix von 90×128 Bild- der Perfusion oder besser der Evaluierung der Funk-
punkten entsteht eine Bildaufnahmezeit von etwa tionstüchtigkeit eines geschädigten Myokardareals
170 ms, womit bei einer RR-Zeit von 800 ms 4 Schich- stellt die Bestimmung der T2*-Zeit dar (Wacker et al.
ten pro Herzschlag aufgezeichnet werden können. 1999). Die magnetische Suszeptibilität – ein Parame-
Der Bildkontrast wird primär durch eine Magnetisie- ter, der die T2*-Zeit stark beeinflusst – von Blut wird
rungspräparation bestehend aus Vorpulsen [HF-Puls durch die Konzentration von Deoxyhämoglobin be-
mit 90°- („saturation recovery“, SR-) oder 180°- („in- einflusst. Ein höherer Blutfluss führt zu einer verrin-
version recovery“, IR-)Anregungswinkel] und einer gerten Konzentration von Deoxyhämoglobin. Dies
einstellbaren Verzögerungszeit bestimmt. In der kli- erzeugt ein höheres MRT-Signal durch die Erhöhung
nischen Routine hat sich die SR-Präparation auf- der T2*-Zeit. Auch bei dieser Technik ist die Anzahl
grund der kürzeren Messzeit pro Schicht durchge- der Untersuchungsschichten nicht limitiert. Die Aus-
setzt, da dadurch die Aufnahme einer größeren Zahl sagekraft der beiden Methoden für den Einsatz am
von Schichten pro Herzzyklus ermöglicht wird. Die Menschen muss noch in klinischen Studien evaluiert
Magnetisierungspulse werden vor der Akquisition werden.
1.1 Untersuchungstechnik 27
Abb. 1.12. Perfusion-TurboFLASH. Die KM-Perfusionsunter- Schema dargestellt. Direkt nach der R-Zacke erfolgt die kom-
suchung benötigt eine zeitliche Auflösung von einem Bild pro plette Messung mehrerer Schichten pro Herzzyklus. Die SR-
Herzschlag. Gleichzeitig sollen mehrere Schichten pro Herz- Magnetisierungspräparation („saturation recovery“) erfolgt
schlag aufgezeichnet werden, damit ein möglichst großer Be- durch einen 90°-HF-Puls mit einer einstellbaren Verzöge-
reich des Herzens mit einer Kontrastmittelgabe untersucht rungszeit TI. Bei einer Gesamtmesszeit TAQ pro Schicht von
werden kann. Diesen Anforderungen genügt z. B. eine ultra- etwa 170 ms, können etwa 3–5 Schichten pro Herzzyklus ge-
schnelle GRE-Technik. Die Bildakquisition ist im obigem messen werden
쐍 Gadolinium-Spätaufnahmetechnik. Durch eine hoch- k-Raum-Linien gemessen. Die gesamte Messung er-
auflösende T1- oder IR-Bildgebung des Herzens in folgt über so viele Herzzyklen hinweg, bis alle 2D-k-
Atemanhaltetechnik ist es möglich, auch kleine Raum-Linien akquiriert wurden (Gesamtzahl der
Regionen bzw. die transmurale Ausdehnung einer 2D-k-Raum-Linien/n k-Raum-Linien pro Herzzy-
Kontrastmittelanreicherung zu identifizieren, die klus). Die wichtigsten Messparameter der Gadolini-
exakt den Narbenarealen nach Infarkt entsprechen. um-Spätaufnahmetechnik sind in Tabelle 1.8 aufge-
Als Ursache werden beim akuten Infarkt ein Ein- führt.
strom von Kontrastmittel in die infarzierte Zelle und Die Inversionszeit sollte individuell für jeden Pa-
die Änderungen der Kontrastmittelkinetik („wash- tienten eingestellt werden, da sie von der Kontrast-
in“/“wash-out“) angesehen. Zusätzlich führt beim mitteldosis und dem Zeitpunkt der Messung nach
akuten und auch beim chronischen Infarkt die Ver- Gabe des Kontrastmittels abhängt. Für die Wahl der
größerung des Extrazellulärraums zu einem erhöh- richtigen Inversionszeit stehen 3 verschiedene Mög-
ten Kontrastmittelverteilungsvolumen. Das späte En- lichkeiten zur Verfügung:
hancement zeigt nicht nur die Lokalisation und die
∑ Zum einen kann über mehrmalige Testaufnah-
Größe des betroffenen Myokardareals an, sondern
men mit unterschiedlichen Inversionszeiten die
erlaubt auch eine transmurale Differenzierung des
optimale Inversionszeit zur Signalunterdrückung
Infarktausmaßes und damit eine bildliche Unter-
von gesundem Myokard ermittelt werden.
scheidung zwischen transmuralen und nichttrans-
∑ Oder es kann zum anderen eine spezielle „Such-
muralen Infarkten.
sequenz“ verwendet werden, bei der die gleiche
Die am häufigsten eingesetzten Untersuchungs-
Testschicht mehrfach mit unterschiedlichen In-
techniken sind die segmentierten IR-TurboFLASH/
versionszeiten in einem Atemanhaltezug aufge-
TFE- oder IR-TrueFISP-/Balanced-FFE-Sequenzen
nommen wird. Die richtige Inversionszeit kann
(Abb. 1.13). Die Sequenzabfolge beginnt nach der R-
anschließend aus der Bildserie ausgewählt wer-
Zacke mit einer einstellbaren Delay-Zeit, gefolgt von
den.
einem 180°-Inversionspuls und einer einstellbaren
∑ Die dritte Möglichkeit besteht aus der Verwen-
Inversionszeit. Diese wird derart eingestellt, dass ge-
dung der phasensensitiven Inversionstechnik
sundes Myokard schwarz erscheint, woraus ein deut-
(Kellman et al. 2002), bei der über die Berechnung
licher Kontrastgewinn resultiert. Nach der Inver-
eines phasenkorrigierten Realbildes (anstatt des
sionszeit TI werden während der Datenakquisition n
28 Kapitel 1 Herz
Abb. 1.13. LE-TurboFLASH. Bei der Gadolinium-Spätaufnah- besitzt, verbessert wird. Die gemessenen n k-Raum-Linien pro
metechnik wird eine segmentierte schnelle GRE-Technik (Tur- Herzzyklus werden im k-Raum derart in die Segmente einsor-
boFLASH, TFE, TrueFISP, BFFE) mit einem Inversionspuls zur tiert, dass bei der Inversionszeit die zentralen k-Raum-Linien
Magnetisierungpräparation verwendet. Die Inversionszeit akquiriert werden. Die Datenakquisition erfolgt in der End-
wird individuell für jeden Patienten so eingestellt, sodass das diastole und über so viele Herzzyklen, bis alle benötigten 2D-
gesunde Myokard keine Signalintensität besitzt, wodurch der k-Raum-Linien gemessen wurden
Bildkontrast zum Infarktareal, das eine höhere Signalintensität
Tabelle 1.8. Messparameter Gadolinium-Spätaufnahmetechnik einem Bereich von 22–109 mm/s. Diese Geschwindig-
keit ist neben der Messposition vor allem vom Zeit-
Sequenz Schnelle GRE-Technik
punkt im Herzzyklus abhängig (Achenbach et al.
Wichtung IR 2000). Insgesamt lässt sich auch in der frühen bis
Pixelgröße ≤1,5 mm×1,9 mm mittleren Diastole eine Bewegung in der Größenord-
Matrix ≥256×204 nung von einigen Millimetern pro 100 ms abschät-
FoV ≤380 mm zen. Das Akquisitionsfenster einer Messung sollte da-
Schichtdicke ≤8 mm her <100 ms betragen. Dies wird mit den derzeit zur
Verfügung stehenden Techniken nicht immer er-
reicht, und durch das im Vergleich zur Herzbewe-
gung relativ lange Akquisitionsfenster entstehen im-
üblicherweise berechneten Magnitudenbildes) mer noch deutliche Unschärfen durch die Bewegung.
der Kontrast zwischen Infarkt und gesundem My- Zur Beseitigung bzw. Reduktion von Bildartefak-
okard in einem großen Bereich um eine mittlere ten durch die Atembewegung kommen nur 2 Verfah-
Inversionszeit herum unabhängig von der Inver- ren in Betracht:
sionszeit ist. Bei dieser Technik entfällt das Ein-
stellen der Inversionszeit, es kann die gleiche ∑ die Atemanhaltetechnik oder
„mittlere“ Inversionszeit für jeden Patienten ver- ∑ die Atemtriggerung.
wendet werden. Die Atemanhaltetechnik besitzt den Vorteil, dass bei
einem kooperativen Patienten die Aufnahmen völlig
Koronarangiographie frei von Atmungsartefakten sind. Nachteilig wirkt
Für die MR-Koronarangiographie stehen eine Reihe sich allerdings aus, dass bei mehreren Schichten ei-
von Untersuchungstechniken zur Verfügung, auf die nes 2D-Schichtstapels immer die gleiche reprodu-
im weiteren Verlauf detaillierter eingegangen wird. zierbare Atemlage benötigt wird. Die Aufnahme von
An dieser Stelle sollen zuerst die anatomischen und 3D-Datensätzen in Atemanhaltetechnik ist mit ultra-
physiologischen Schwierigkeiten angesprochen wer- schnellen Techniken möglich geworden. Die Ausdeh-
den, mit denen sich diese Techniken auseinanderset- nung des Datensatzes in der 3. Dimension ist aller-
zen müssen. dings beschränkt, bedingt durch die benötigte hohe
Das an erster Stelle stehende und schwierigste räumliche Auflösung und der relativ kurzen zur Ver-
Problem der MR-Koronarangiographie stellt die Be- fügung stehenden Atemanhaltezeit.
wegung des Gefäßbaums durch den Herzschlag und Für 3D-Messungen bietet sich aufgrund dessen die
die Atmung dar. Die Bewegung durch den Herzschlag Atemtriggerung an, bei der auf die Bewegung der
lässt sich prinzipiell sehr einfach durch eine EKG- Herzwand oder des Diaphragmas getriggert wird.
Triggerung bewältigen. Allerdings zeigen die Herz- Auf die Funktionsweise der Atemtriggerung wird im
kranzgefäße eine hohe Bewegung im Herzzyklus mit weiteren Verlauf des Kapitels detaillierter eingegan-
einer mittleren Geschwindigkeit von 47 mm/s in gen. Auch hier erfolgt die Messung in einem end-
1.1 Untersuchungstechnik 29
Abb. 1.14. Segmentierte 2D-GRE-Sequenz. Bei der segmen- das Fettsignals durch einen Fettsättigungspuls unterdrückt.
tierten 2D-GRE-Sequenz zur Darstellung der Koronararterien Anschließend werden n k-Raum-Linien pro Herzzyklus akqui-
erfolgt durch die Einstellung der Verzögerungszeit TDelay die riert. Die Messung erfolgt wieder über so viele Herzzyklen, bis
Datenaufnahme in der Ruhephase der Koronararterien. Nach der komplette k-Raum gefüllt ist
Ablauf der Verzögerungszeit wird zur Kontrastverbesserung
lichen „Zeitfenster“ der Atembewegung, wodurch Die k-Raum-Linien werden segmentiert aufgezeich-
trotz Triggerung eine Bewegungsunschärfe auftritt. net, d. h. pro Herzzyklus wird in einer Ruhephase ein
Der Nachteil der Atemtriggerung liegt in der relativ Segment aus n k-Raum-Linien aufgenommen (Edel-
langen Messzeit. Von Vorteil ist, dass auch unkoope- man et al. 1991; Abb. 1.14). Das dafür benötigte Ak-
rative Patienten untersucht werden können und ein quisitionsfenster im Herzzyklus ergibt sich aus der
längeres Datenakquisitionsfenster als bei der Atem- verwendeten Repetitionszeit TR (u. a. abhängig vom
anhaltetechnik zur Verfügung steht. Gradientensystem) und der Zahl „n“ der gemessenen
Trotz EKG- und Atemtriggerung können noch k-Raum-Linien. Aus der Segmentierungszahl „n“
weitere Bewegungsunschärfen, z. B. durch einen irre- und den insgesamt benötigten k-Raum-Linien ergibt
gulären Herzschlag oder durch eine Driftbewegung sich in gleicher Weise wie bei den segmentierten
des Herzens während des Atemanhaltens (Poncelet et Kinosequenzen die Anzahl der benötigten Herzzy-
al. 1993) auftreten. klen und damit die Atemanhaltezeit pro Schicht. Für
Die Anatomie des Koronargefäßbaums stellt das 180 2D-Phasenkodierschritte ergibt sich z. B. bei der
zweite Problem der Untersuchungstechniken dar. Die Akquisition von 9 k-Raum-Linien pro Herzschlag
Koronargefäße besitzen einen Durchmesser von ma- (RR=800 ms) eine Atemanhaltezeit von 16 s.
ximal 5 mm und haben einen geschlängelten Verlauf. Die Gefäße werden in der GRE-Sequenz durch fri-
Dadurch gestaltet sich die Darstellung mit 2D-Einzel- sche ungesättigte Blutspins hell dargestellt. Da die
schichten schwierig, da die Gefäße immer wieder aus Koronararterien häufig im Fettgewebe eingelagert
den Schichten herauslaufen. Abhilfe ist durch die sind, wird bei der GRE-Sequenz üblicherweise eine
Messung von 2D-Schichtstapeln oder durch unter- Sättigung des Fettsignals vorgenommen (z. B. durch
schiedliche Angulationen möglich. 3D-Verfahren Sättigungspulse in jedem Herzzyklus vor der Akqui-
bieten hier eindeutige Vorteile, da der Datensatz z. B. sition der k-Raum-Linien, vgl. Abb. 1.14), wodurch
in einfacher transversaler Orientierung aufgezeich- eine Verbesserung des Bildkontrasts erreicht wird.
net und mit 3D-Nachverarbeitungsmethoden (MIP, Die 2D-GRE-Sequenz bietet gegenüber den 2D-SE-
MPR) bearbeitet werden kann. Ein weiterer Vorteil Techniken den Vorteil eines kleineren Datenakquisi-
liegt im besseren Signal-zu-Rausch-Verhältnis als bei tionsfensters und einer besseren Auflösung, besitzt
den 2D-Verfahren, ein möglicher Nachteil allerdings aber auch alle beschriebenen Nachteile der 2D-Ver-
in der möglichen Sättigung einfließender Blutspins. fahren.
Abb. 1.16. Segmentierte 3D-GRE-Sequenz. Eine 3D-Sequenz der Ruhephase der Koronararterien. Der Unterschied zur 2D-
besitzt einen 3D-k-Raum, der in der Regel durch den Durch- Sequenz liegt darin, dass in jedem Herzzyklus alle 2D-k-
lauf von 2 Datenakquisitionsschleifen mit Rohdaten gefüllt Raum-Linien die zu einer 3D-k-Raum-Linie (hier: die Linie m)
wird. Eine EKG-getriggerte, segmentierte 3D-GRE-Sequenz gehören, gemessen werden. Im nächsten Herzzyklus werden
kann wie oben dargestellt die Rohdaten akquirieren (es gibt dann alle 2D-k-Raum-Linien zur nächsten 3D-k-Raum-Linie
verschiedene Möglichkeiten, dargestellt ist eine einfache Vari- (hier: m+1) aquiriert usw. Die Messung dauert solange, bis all
ante). In einem Herzzyklus erfolgt wie bei der 2D-GRE-Se- 3D-k-Raum-Linien durchlaufen wurden
quenz (vgl. Abb.1.14) die Aufnahme von n k-Raum-Linien in
Kontrast) oder einen T2-Puls zur Verbesserung des Da es mit einem derart dünnen 3D-Volumen in
Kontrasts zwischen Koronararterien und Myokard Normalfall nicht möglich ist, den kompletten Koro-
eingesetzt werden. nargefäßbaum abzubilden, wurde ein Verfahren mit
Mit den 3D-Techniken in Verbindung mit der der Bezeichnung VCATS („volume coronary angio-
Atemtriggerung gelingt es, eine räumliche Auflösung graphy with targeted scans“) entwickelt (Wielopolski
von 1×1×1 mm und besser zu erreichen. Das Daten- et al. 1998). Bei dieser Technik erfolgt die Aufnahme
akquisitionsfenster im Herzzyklus liegt bei etwa der Hauptstämme durch mehrere unterschiedlich
100 ms. Eine Verringerung des Zeitfensters und da- orientierte 3D-Datensätze in mehreren Atemanhalte-
mit der Bewegungsartefakte ist über eine kleinere zyklen bzw. Messungen. Das VCATS-Verfahren kann
Segmentierung zu erreichen, wodurch aber immer mit allen schnellen 3D-Sequenztechniken kombi-
die Gesamtmesszeit ansteigt. Eine weitere Verbesse- niert werden. Die räumliche Auflösung ist im Ver-
rung der räumlichen Auflösung ist auch möglich, sie gleich zu den Techniken mit Atemtriggerung
führt aber ebenfalls zu einer Verlängerung der Ge- schlechter, sie liegt bei etwa 1,5×1 mm in der Schicht
samtmesszeit. und einer Schichtdicke von etwa 1,5 mm.
Die 3D-GRE-Techniken in Atemanhaltetechnik
쐍 3D-Technik in Atemanhaltetechnik. Die 3D-Bildak- können in Analogie zur kontrastmittelgestützten
quisition in Atemanhaltetechnik erfolgt ebenfalls mit MRA mit der Gabe eines Kontrastmittels zur Verbes-
segmentierten 3D-GRE- oder Balanced-SSFP-Se- serung des Kontrast-zu-Rausch-Verhältnisses kom-
quenzen (Abb. 1.16). Bei der Verwendung dieser biniert werden. Bei der Verwendung von extrazellulä-
schnellen Techniken in Kombination mit einem leis- rem Kontrastmittel ist eine Abstimmung der Rohda-
tungsstarken Gradientensystem ist es möglich, ein tenakquisition (zentrale k-Raum-Linien) mit der
3D-Volumen mit ausreichender Dicke in einem Transitzeit des Kontrastmittels erforderlich. Der Ein-
Atemanhaltezyklus zu untersuchen. Da durch die satz des extrazellulären Kontrastmittels besitzt den
EKG-Triggerung eine deutlich kleinere Zeit als die entscheidenden Nachteil, dass die Kontrastmittelga-
Atemanhaltezeit für die Datenakquisition zur Verfü- be und damit die Messung nicht beliebig oft wieder-
gung steht, muss im Vergleich zu einer in Atemanhal- holt werden kann und von Messung zu Messung der
tetechnik durchgeführten 3D-CE- (kontrastverstärk- Kontrastgewinn durch den Verbleib von Kontrast-
te-)MRA ohne EKG-Triggerung die Dicke des 3D- mittel im Körper verkleinert wird.
Blocks verkleinert (auf etwa 2–3 cm), bzw. die räum-
liche Auflösung verringert werden.
32 Kapitel 1 Herz
raten bestimmen zu können. Die retrospektive EKG- nisses vorwiegend 3D-Sequenzen verwendet werden.
Triggerung besitzt bei den Flussmessungen im Ver- Atem- und Herzbewegungen werden üblicherweise
gleich zur prospektiven Triggerung den Vorteil, dass durch Signalmittelungen reduziert. Hierbei ist die
der für die quantitative Erfassung des Flusses wichti- Verwendung einer EKG-Triggerung möglich und
ge enddiastolische Anteil ebenfalls bestimmt werden führt zu einer Verbesserung der Bildqualität, aber
kann. auch zu einer Verlängerung der Messzeit. Bedingt
Die zeitliche Auflösung beschreibt wie bei der Ki- durch das niedrige Signal-zu-Rausch-Verhältnis wer-
notechnik das Zeitfenster für die Messung eines Bil- den Voxelgrößen in der Größenordnung von 400 ml
des im Herzzyklus, bzw. hier den zeitlichen Abstand, benutzt.
in dem Flussmessungen vorgenommen werden. Soll Das Isotop 31P wird vorwiegend in der MRT-Spek-
aus den Flussmessungen quantitativ die Flussrate troskopie des Herzmuskels zur Beurteilung der ener-
oder die maximale Flussgeschwindigkeit ermittelt giereichen Phosphate Adenosintriphosphat (ATP)
werden, so muss aus den einzelnen Messungen eine und Phosphorcreatin (PCr) eingesetzt. In der MR-
Flusskurve erstellt werden. Eine schlechte zeitliche Spektroskopie werden spezielle Pulssequenzen und
Auflösung führt hierbei zu einem erhöhten Fehler Signalverarbeitungsmethoden angewendet, die das
der quantitativen Werte, vor allem die maximale MRT-Signal hinsichtlich der spektralen Komponen-
Flussgeschwindigkeit kann bei einem zu großen Zeit- ten untersuchen. Es können neben 2D- auch 3D-Vo-
fenster nicht exakt bestimmt werden. lumenselektionsmethoden eingesetzt werden, sodass
Eine deutliche Verbesserung der zeitlichen Auflö- der gesamte Herzmuskel in einer Untersuchung er-
sung gelingt durch die Verwendung der Phase-sha- fasst werden kann. Die Untersuchungsvoxel liegen in
ring-Technik und/oder der parallelen Bildgebung in einer Größenordnung von etwa 25 ml. Ein sehr gro-
gleicher Weise wie bei der Kinotechnik. Bei den ßer Vorteil der Phosphorspektroskopie stellt die in
Flussmessungen ist es wichtig, hinsichtlich der Wahl den letzten Jahren etablierte Technik zur Absolut-
der beiden Verfahren die zeitliche Auflösung zu be- quantifizierung der Phosphorverbindungen dar.
rücksichtigen.
1.1.3.3
Metabolische Bildgebung Durchführung der Untersuchungen
Das Element Natrium (Na) mit dem Isotop 23Na (Spin Herzachsen
3/2) und das Element Phosphor (P) mit dem Isotop Die Untersuchung des Herzens in der MRT erfolgt in
31P (Spin 1/2) ist mit dem MRT-Verfahren durch den
den meisten Fällen doppelt anguliert entlang der
ungeradzahligen Spin nachweisbar. Im Vergleich zu anatomischen Herzachsen (Tabelle 1.9). Nur in Ein-
Wasserstoff besitzen diese beiden Elemente eine ge- zelfällen ist die Darstellung in den Standardebenen
ringere In-vivo-Konzentration und MRT-Empfind- (transversal, frontal, sagittal) ausreichend.
lichkeit, woraus ein stark verringertes MRT-Signal Zunächst werden transversale „scouts“ akquiriert,
resultiert. Phosphor und Natrium besitzen zudem ein auf denen die Herzspitze und die Mitte der Mitral-
anderes gyromagnetisches Verhältnis als Wasser- klappe lokalisiert werden. Anschließend wird eine
stoff, also andere Larmor- oder Anregungsfrequen- Ebene durch diese beiden Punkte gelegt zur Darstel-
zen: 25,9 MHz für Phosphor und 16,8 MHz für Natri- lung des orientierenden linksventrikulären Zwei-
um bei einer Magnetfeldstärke von 1,5 T. kammerblicks (Abb. 1.17 a). Dieselben Landmarken
Technische Vorraussetzungen für die Durchfüh- (Mitte der Mitralklappe und Herzspitze) werden auf
rung der 31P- und 23Na-MRT-Untersuchung sind zum dieser Schichtebene zur Erzeugung des orientieren-
einen ein entsprechender Hochfrequenzsender und den Vierkammerblicks benutzt (Abb. 1.17 b). Die
eine spezielle auf die verwendete Anregungsfrequenz orientierende kurze Herzachse (biventrikulärer
abgestimmte Sende- und Empfangsspule. Da sowohl Zweikammerblick) wird auf dieser Planungsebene
die Natriumbildgebung als auch die Phosphorspek- durch eine Schicht entlang der Klappenebene abge-
troskopie aufgrund der speziellen Geräteausstattung bildet mit Schichtführung durch die ventrale Inser-
und der erforderlichen Kenntnis der Verfahren der- tion der Trikuspidalklappe und die dorsale Insertion
zeit nur in klinischen Studien angewendet werden, der Mitralklappe (Abb. 1.17 c).
soll hier nur eine kurze orientierende Darstellung ge-
geben werden.
Die 23Na-MRT-Bildgebung ist ein relativ neues
Merke ! Die exakte Ausrichtung parallel zur
Klappenebene ist Grundlage der ver-
Verfahren zum Nachweis und zur Größenbestim- gleichenden Quantifizierung der rechts- und links-
mung eines Myokardinfarkts (Sandstede et al. 2001, ventrikulären Volumina.
2004). Die Untersuchung erfolgt in analoger Weise
zur Protonenbildgebung mit GRE-Sequenzen, wobei Der tatsächliche Vierkammerblick (lange Herzachse)
aufgrund des niedrigen Signal-zu-Rausch-Verhält- wird auf einer mittleren Schicht der kurzen Herzach-
34 Kapitel 1 Herz
se mit Achsenführung durch das Zentrum des linken der Vorhöfe und die letzte Schicht außerhalb des Ven-
Ventrikels und die laterale Spitze des rechten Ventri- trikellumens liegen. Zur Beurteilung der Herzspitze
kels geplant (Abb. 1.17 d). Anschließend können auf schließt sich jeweils mindestens eine Schicht in der
dem Vierkammerblick der linksventrikuläre Zwei- langen Herzachse und im links- bzw. rechtsventriku-
kammerblick (Abb. 1.17 e) durch Schichtführung lären Zweikammerblick an. Mit dieser Technik lassen
durch die Mitte der Mitralklappe und die Herzspitze sich sowohl die globale Herzfunktion als auch die re-
sowie der rechtsventrikuläre Zweikammerblick gionale Wandfunktion beider Ventrikel beurteilen.
(Abb. 1.17 f) durch Schichtführung durch die Mitte Eine weiterführende Untersuchung ist mit der
der Trikuspidalklappe und die Spitze des rechten Tagging-Technik möglich. Zur Quantifizierung re-
Ventrikels geplant werden. gionaler Wandbewegungsstörungen können einzelne
Die linksventrikuläre Ausflussbahn wird auf Schichten mit der Tagging-MRT wiederholt werden.
transversalen Schichten geplant. Es wird eine para- Auf diesen Schichten können Rotation, radiäre Kon-
frontale Achse zwischen Bulbus aortae und der be- traktion und Umfangsverkürzung global und re-
reits in dieser Ebene sichtbaren aortalen Ausfluss- gional bestimmt werden. Zur Beurteilung der Tor-
bahn gezogen (Abb. 1.17 g). Der rechtsventrikuläre sionsbewegung des Herzens werden eine basale und
Ausflusstrakt wird auf 2 transversalen Schichten be- eine apikale Schicht mit der Tagging-Technik unter-
stimmt, auf denen die Pulmonalklappe und die Auf- sucht.
zweigung des Truncus pulmonalis in die Pulmonal-
arterien zu sehen sind. Anschließend wird eine Ach- 왔 Als basale Schicht wird die erste
Definition
se durch die Mitte der Pulmonalklappe und der Pul- Schicht definiert, in der die gesamte
monalarterienaufzweigung gelegt (Abb. 1.17 h). Zirkumferenz des linken Ventrikels in Diastole und
Der Dreikammerblick stellt den linken Vorhof und Systole abgebildet ist. Als die am weitesten an der
den linken Ventrikel mit aortalem Ausflusstrakt und Herzspitze gelegene Schicht wird die letzte Schicht
Beginn der Aorta ascendens dar. Die Planung erfolgt definiert, in der noch ein endsystolisches Volumen
auf einem basalen Kurzachsenschnitt in Höhe des abgrenzbar ist.
aortalen Ausflusstrakts mit einer Achse durch das
Zentrum des linken Vorhofs und der Aorta ascendens Noch in der Erprobung befindet sich die Phasenkon-
(Abb. 1.17 i). trasttechnik mit höherer räumlicher Auflösung, bei
der analog der Flussmessung die Myokardbewegung
Globale und regionale Funktionsanalyse über die Phasenverschiebung der einzelnen Pixel ge-
Für die Funktionsanalyse des Herzens wird das ge- messen wird.
samte Herz mit der Cine-MRT in aufeinanderfolgen-
den Schichten von der Herzbasis bis zur Herzspitze in 쐍 Auswertung – globale Funktionsanalyse. Die biven-
der kurzen Herzachse untersucht. Hierbei muss si- trikuläre Massen- und Funktionsanalyse erfolgt übli-
chergestellt werden, dass die erste Schicht im Bereich cherweise in der kurzen Herzachse. Vor Beginn der
1.1 Untersuchungstechnik 35
d
36 Kapitel 1 Herz
h
1.1 Untersuchungstechnik 37
왔 Die enddiastolische Phase ist das Bild, Die Intra- und Interobserver-Variabilitäten dieser
Definition
das als erstes Bild nach der Trigge- Auswertungen liegen zwischen 5–6% und 4,5–11,5%
rung auf die R-Zacke akquiriert wird, die endsystoli- (Lorenz et al. 1999; Rominger et al. 1999; Sandstede et
sche Phase ist das Bild mit dem geringsten Ventrikel- al. 2000 a). Durch eine Segmentierung aller Herzpha-
volumen. sen lassen sich die linksventrikulären systolischen
Auswurf- und diastolischen Füllungsparameter be-
Als Herzbasis wird getrennt für Diastole und Sys- stimmen. Dies kann entweder für alle Schichten oder
tole jeweils die Schicht definiert, in der mindestens auch auf einer repräsentativen mittventrikulären
50% der Zirkumferenz des linken Ventrikels abgebil- Schicht erfolgen (Rominger et al. 1999 b). Die maxi-
det sind. malen linksventrikulären Auswurf- (MAR) und Fül-
lungsraten (MFR) werden durch Interpolation der
Als die am weitesten an der Herzspitze gelegene Zeit-Volumen-Kurven durch Polynome dritter Ord-
Schicht wird die letzte Schicht ausgewertet, in der nung berechnet und in ml/s angegeben bzw. auf das
noch ein endsystolisches Volumen abgrenzbar ist. EDV normalisiert und als LV EDV/s beschrieben
Anschließend werden in der enddiastolischen und (Bonow et al. 1988). Die Zeitpunkte der maximalen
der endsystolischen Phase die endokardialen und Auswurfrate (Z-MAR) bzw. der maximalen Füllrate
epikardialen Konturen beider Herzventrikel mit Hil- (Z-MFR) werden relativ zum enddiastolischen bzw.
fe einer Auswertesoftware manuell eingezeichnet. endsystolischen Phasenbild gemessen.
Die Papillarmuskeln und die Trabekulierung werden Aus der Untersuchung von gesunden Probanden
dem Ventrikelvolumen zugerechnet. in einer weiten Altersspanne ergibt sich, dass die
Parameter der globalen Funktionsanalyse sind für Analyse von Volumina und Massen bei Patienten un-
den rechten (RV) und den linken Ventrikel (LV) end- ter Berücksichtigung entweder alters- oder ge-
diastolisches Volumen (EDV), endsystolisches Volu- schlechtskorrigierter Vergleichswerte erfolgen sollte.
men (ESV), Ejektionsfraktion (EF), Herzzeitvolumen Während mit zunehmendem Alter die Herzmasse
(HZV) und Masse (M), jeweils in absoluten Werten konstant bleibt, nehmen die Volumina signifikant ab.
und in normalisierten Werten als Index bezogen auf Die Verwendung eines Index, bezogen auf die Kör-
1 m2 Körperoberfläche (EDVI, ESVI, Herzindex/HI, peroberfläche, beseitigt die linksventrikulären ge-
MI). Die Körperoberfläche wird nach der Du-Bois- schlechtsabhängigen Volumenunterschiede, die
Formel berechnet: linksventrikuläre Masse bleibt jedoch auch als Index
signifikant unterschiedlich.
Körperoberfläche (cm2)=[Körperlänge (cm)0,725] Alters- oder geschlechtsunabhängig sind Herz-
×[Körpergewicht (kg)0,425]×71,84. zeitvolumen und Ejektionsfraktion. Für die Beurtei-
lung des linken Ventrikels im klinischen Alltag be-
38 Kapitel 1 Herz
Tabelle 1.10. Normwerte der biventrikulären Funktions- und Massenuntersuchung. (Aflakih et al. 2003; Sandstede et al. 2000 a)
Männer Frauen
LV RV LV RV
LV linker Ventrikel; RV rechter Ventrikel; SD Standardabweichung; EDV enddiastolisches Volumen; ESV endsystolisches Volumen;
EF Ejektionsfraktion.
deutet dies, dass für die Herzmasse eine Geschlechts- zen. Verlaufsuntersuchungen müssen deshalb immer
korrektur, für die Volumina eine Alterskorrektur und mit derselben Sequenz durchgeführt werden.
für Herzzeitvolumen und Ejektionsfraktion keine
Korrekturen notwendig sind. Die rechtsventrikulä- 쐍 Auswertung – regionale Funktionsanalyse. Die Be-
ren Parameter sind deutlicheren Schwankungen un- funderhebung der regionalen Funktionsanalyse er-
terworfen mit geschlechts- und altersabhängigen Un- folgt entweder anhand einer globalen Einteilung in
terschieden. Aus Gründen der Praktikabilität er- Vorder-, Seiten-, Hinterwand und Septum oder an-
scheint jedoch der Bezug auf die Gesamtmittelwerte hand einer Einteilung in Segmente. In der Routine
als gerechtfertigt (Alfakih et al. 2003; Sandstede et al. hat sich das 17-Segment-Modell der AHA („Ameri-
2000 a; Tabelle 1.10). can Heart Association“) etabliert, das ursprünglich
Für die kardiale Funktionsanalyse stehen 2 ver- für die Echokardiographie entwickelt wurde (Cer-
schiedene Sequenztypen zur Verfügung: die GRE-Se- queira et al. 2002; Abb. 1.18 a, b). Der Referenzsektor
quenz und die Balanced-SSFP-Sequenz. Während die wird an der vorderen Septuminsertion der freien
GRE-Sequenz weniger artefaktanfällig ist, wird bei Wand des rechten Ventrikels platziert. Der basale und
der Balanced-SSFP-Sequenz ein Signalgewinn durch der mittlere Kurzachsenschnitt werden in jeweils
Refokussierung und damit Nutzung der angeregten 6 und der apikale Kurzachsenschnitt in 4 Segmente
Transversalmagnetisierung erzielt. Damit ist bei die- unterteilt, das 17. Segment ist die Herzspitze. Das Mo-
ser Sequenz das Blutsignal höher und das Myokard- dell bietet neben der Vergleichbarkeit auch unter-
signal niedriger bei zusätzlich noch geringeren sub- schiedlicher Bildgebungsmethoden außerdem den
endokardialen Flussartefakten. Dies führt u. a. zu ei- Vorteil, dass die einzelnen Segmente den jeweiligen
ner verbesserten Endokardkonturdefinition und da- koronararteriellen Stromgebieten zugeordnet wer-
mit im Vergleich zur GRE-Sequenz zu höheren den können (R. interventricularis anterior: Segment
Werten für das enddiastolische und das endsystoli- 1, 2, 7, 8, 13, 14, 17; R. circumflexus: Segment 5, 6, 11,
sche Volumen. Daraus ergeben sich etwas niedrigere 12, 16; rechte Koronararterie: Segment 3, 4, 9, 10, 15).
Werte für die Ejektionsfraktion und auch die myo- Bei der visuellen Analyse wird der Kontraktions-
kardiale Masse wird niedriger gemessen. Daher gel- ablauf entweder durch die Betrachtung der Einzelbil-
ten unterschiedliche Normwerte für beide Sequen- der auf dem Film oder im Cine-Modus am Monitor
1.1 Untersuchungstechnik 39
Abb. 1.18 a, b. Segmenteinteilung des Herzens der „American ventrikuläre Hinterwand, 11 mittventrikuläre inferiore Seiten-
Heart Association“. a Sektoreneinteilung des linksventrikulä- wand (Inferolateralwand), 12 mittventrikuläre anteriore Sei-
ren Myokards: 1 basale Vorderwand, 2 basales anteriores tenwand (Anterolateralwand), 13 apikale Vorderwand, 14 api-
Septum (Anteroseptalwand), 3 basales inferiores Septum kales Septum, 15 apikale Hinterwand, 16 apikale Seitenwand,
(Inferoseptalwand), 4 basale Hinterwand, 5 basale inferiore 17 Apex (Herzspitze). b Die großen Koronargefäße und ihre
Seitenwand (Inferolateralwand), 6 basale anteriore Seitenwand linksventrikulären Versorgungsgebiete: hellgrau R. interven-
(Anterolateralwand), 7 mittventrikuläre Vorderwand, 8 mitt- tricularis anterior (RIVA), dunkelgrau rechte Koronararterie
ventrikuläres anteriores Septum (Anteroseptalwand), 9 mitt- (RCA), weiß Ramus circumflexus (RCX)
ventrikuläres inferiores Septum (Inferoseptalwand), 10 mitt-
beurteilt. Hierbei wird die Wandbewegung in 4 Gra- nächst mit Hilfe eines Nachverarbeitungsprogramms
de eingeteilt: die Kreuzungspunkte für alle Herzphasen von der
Enddiastole bis zur Endsystole detektiert und ggf.
1. normokinetisch – normale Wandbewegung,
manuell korrigiert werden. Anschließend wird mit
2. hypokinetisch – eingeschränkte, jedoch noch vor-
der Software für jede Herzphase das Zentrum neu
handene Wandbewegung,
berechnet, sodass die Bewegung der Tags jeweils in
3. akinetisch – keine Wandbewegung,
Relation zum aktuellen Mittelpunkt der untersuch-
4. dyskinetisch – irreguläre Wandbewegung, häufig
ten Schicht analysiert wird.
systolische Auswärtsbewegung des Myokards.
Die Gesamtbewegung der Tags während der Kon-
Die Wanddickenanalyse erfolgt analog zur globa- traktion wird zumeist in einem Diagramm darge-
len Funktionsanalyse nach Segmentierung der en- stellt. Die Ausgabe der Werte erfolgt als Grad (°) und
do- und epikardialen Konturen. Anschließend Richtung der Rotation, Strecke (mm) der radialen
werden die enddiastolische (EDWD) und endsystoli- Kontraktion und prozentuale (%) Umfangsverkür-
sche Wanddicke (ESWD) sowie die absolute (SWDZ) zung von der Enddiastole bis zur Endsystole. Die Tor-
und prozentuale [(ESWD–EDWD)/EDWD×100%= sion wird aus der gegenläufigen Bewegung der maxi-
%SWDZ] systolische Wanddickenzunahme gemes- malen Rotation der Herzspitze (gegen den Uhrzei-
sen. Die Ergebnisse der Wanddickenanalyse sollten gersinn) im Vergleich zur Herzbasis (im Uhrzeiger-
mit Normwerten getrennt für Vorder-, Seiten-, Hin- sinn) zum gleichen Zeitpunkt berechnet. Der
terwand und Septum verglichen werden; eine Unter- Normalwert für die Torsion beträgt 14,5°±3,7°. Die
teilung nach Basis, Mitte und Spitze ist nicht notwen- anderen Werte sind in Tabelle 1.12 aufgetragen.
dig (Sandstede et al. 2002 a; Tabelle 1.11). Die Werte für die prozentuale Umfangsverkür-
Zur Quantifizierung von Kontraktion und Torsion zung steigen von der Herzbasis bis zur Herzspitze an.
des Herzens mit der Tagging-Technik müssen zu- Daher ist bei der Orientierung an Normalwerten eine
40 Kapitel 1 Herz
Tabelle 1.11. Normwerte der linksventrikulären Wanddickenanalyse (GRE). (Sandtstede et al. 2000 b)
Zirkumferenzielle Umfangsverkürzung
Differenzierung nach Herzbasis, -mitte und -spitze 쐍 Auswertung. Perfusionsstudien können entweder
notwendig, während eine Differenzierung der einzel- visuell, semiquantitativ oder quantitativ ausgewertet
nen Wandabschnitte nicht nötig ist (Sandstede et al. werden. Bei der visuellen Auswertung wird das Sig-
2002 b). nalverhalten während der maximalen Kontrastie-
rung des Myokards beurteilt, wobei eine Hypointen-
Perfusionsstudien sität einen Perfusionsdefekt nachweist. Es kann hier-
Perfusionsuntersuchungen werden nach Möglichkeit bei zwischen subendokardialen und transmuralen
in der kurzen und langen Herzachse durchgeführt. Perfusionsdefekten unterschieden werden. Aller-
Meistens stehen bei Multischichtsequenzen 3– dings gibt es einige Fallstricke, die bei der Beurtei-
4 Schichten zur Verfügung. Drei Kurzachsenschich- lung beachtet werden müssen:
ten sollten stets orientierend den gesamten linken
∑ Beim Einströmen des Kontrastmittels in den lin-
Ventrikel abdecken, die 4. Schicht wird in der langen
ken Ventrikel kommt es häufig zu einer subendo-
Herzachse zur Beurteilung der Herzspitze platziert.
kardialen Hypointensität, die häufig zirkulär auf-
Wenn aufgrund der Herzfrequenz nur 3 Schichten
tritt, aber auch regional begrenzt und dann vor al-
pro Herzschlag akquiriert werden können, kann am
lem im Septum lokalisiert sein kann. Dieser Sus-
ehesten auf die lange Herzachse verzichtet werden.
zeptibilitätsartefakt kann von einer echten
Das Kontrastmittel wird mit einer Flussrate von 3–
Minderperfusion auf 2 Arten unterschieden wer-
5 ml/s gegeben. Die Datenakquisition mit einem Bild
den:
pro Herzschlag und die Injektion werden gleichzeitig
왔 Vergleich von Ruhe- und Stressuntersuchung:
gestartet. Nach der ersten Kontrastmittelgabe ist vor
Ein Artefakt ist auch in der Ruheuntersuchung
der Wiederholung (z. B. bei Untersuchungen unter
nachweisbar.
pharmakologischem Stress) ein Intervall von 10 min
왔 Ein echtes Perfusionsdefizit ist auch noch
notwendig, in dem das Kontrastmittel aus dem Myo-
sichtbar, wenn das Kontrastmittel aus dem Lu-
kard ausgewaschen wird. Die Kontrastmitteldosis
men des linken Ventrikels bereits wieder aus-
sollte für eine semiquantitative Auswertung mit
gewaschen ist. Der Artefakt nimmt im Gegen-
0,025–0,05 mmol/kg KG möglichst niedrig sein. Hier-
satz hierzu gleichmäßig mit der Signalintensi-
durch können zum einen Artefakte in den Ventrikel-
tät des linken Ventrikels ab.
lumina durch eine zu hohe Kontrastmittelkonzentra-
∑ Myokardiale Narben können hämodynamisch
tion vermieden werden. Zum anderen besteht nur bei
verursachte Perfusionsdefekte vortäuschen. Auch
dieser niedrigen Dosierung ein linearer Zusammen-
hier hilft der Vergleich von Ruhe- und Stressun-
hang zwischen der Kontrastmittelkonzentration und
tersuchungen, da eine narbig bedingte Minderp-
der gemessenen Signalintensität. Wird allein eine vi-
erfusion auch in Ruhe nachweisbar ist. Zum ande-
suelle Auswertung durchgeführt, kann die Dosis auf
ren sollte die Perfusionsuntersuchung immer mit
0,05–0,1 mmol/kg KG gesteigert werden.
1.1 Untersuchungstechnik 41
Spätaufnahmen nach der Kontrastmittelgabe ver- ∑ Die Dauer vom Beginn der Myokardkontrastie-
bunden werden. Hier lassen sich dann myokardi- rung bis zu ihrem Maximum („time to peak“) ist
ale Narben durch das späte Enhancement eindeu- ein Maß für die Vaskularisierung.
tig identifizieren. ∑ Die maximale Kontrastierung („peak“) ist ein
∑ Ein nicht untersuchungstechnisch, sondern pa- Marker des myokardialen Blutvolumens.
thophysiologisch bedingter Fallstrick ist die dif- ∑ Am wichtigsten ist die maximale Steigung der
fuse oder fleckige Hypoperfusion bei mikroan- Kurve (Anstiegsgeschwindigkeit, „slope“), die als
giopathischen Veränderungen, z. B. bei Diabetes Parameter für die Perfusion gilt.
mellitus oder arteriellem Hypertonus. Diese kann
durch die fehlende Zuordnung zu einem koronar- Leider sind vor der Bestimmung dieser Parameter
arteriellen Versorgungsgebiet von einer makro- verschiedene mathematische Nachverarbeitungen
angiopathisch bedingten Minderperfusion unter- notwendig: Aufgrund des Spulenintensitätsprofils ha-
schieden werden. ben nicht alle Segmente vor der Anflutung des Kon-
∑ Die Auswertung der Myokardperfusion ist immer trastmittels dieselbe Signalintensität. Dies wird mit
auf einen intrinsischen Vergleich angewiesen, durch die Anpassung der Basislinien aller Segmente,
d. h. minderperfundierte Areale werden durch die so genannte Basislinienkorrektur, ausgeglichen.
den Vergleich mit normal perfundierten Arealen Des Weiteren ist die Anflutung des Kontrastmittel-
identifiziert. Eine schwere „Drei-Gefäß-KHK“ bolus von der Herzfunktion abhängig, die durch die
kann somit dem Nachweis entgehen, da kein nor- arterielle Input-Funktion angezeigt wird. Hierfür
mal perfundiertes Myokardsegment für den in- wird auch im linken Ventrikel eine Signalintensitäts-
trinsischen Vergleich der Myokardperfusion der Zeit-Kurve gemessen. Da sich die Herzfunktion und
einzelnen koronararteriellen Versorgungsgebiete damit auch die arterielle Input-Funktion durch eine
zur Verfügung steht. pharmakologische Belastung ändert, ist eine Korrek-
tur auf die arterielle Input-Funktion für den Vergleich
Die semiquantitative Auswertung beruht auf der von Ruhe- und Stressuntersuchungen notwendig.
Messung von Signalintensitäten, die als indirekte Eine dritte Korrekturmöglichkeit besteht im Aus-
Marker für die myokardiale Perfusion dienen. Hier- gleich von Partialvolumeneffekten im Myokard, die
für werden zunächst die Endokard- und Epikardkon- durch den kräftigen Signalanstieg erst im rechten und
turen in jeder Herzphase eingezeichnet. Anschlie- dann im linken Ventrikellumen entstehen. Diese kön-
ßend wird die Myokardzirkumferenz wie oben, unter nen mit der so genannten Kontaminationskorrektur,
Abschn. „Globale und regionale Funktionsanalyse“, einem iterativen Verfahren, ausgeglichen werden.
beschrieben in Sektoren eingeteilt. Für jeden Sektor Abschließend muss noch die aus Einzelpunkten be-
wird eine Signalintensitäts-Zeit-Kurve (Abb. 1.19) er- stehende Kurve mit einem mathematischen Verfahren
stellt, der sich die folgenden Parameter entnehmen „gefittet“, d. h. geglättet werden. Ein weiteres Problem
lassen: einer (semi-)quantitativen Auswertung sind Artefakte
durch ungenügenden Atemstopp des Patienten.
42 Kapitel 1 Herz
temischer Hypotension (systolisch <90 mmHg), mit talparameter (Herzfrequenz und Blutdruck) und das
schwerer Mitralklappenerkrankung oder anamnes- Auftreten oder Fehlen von Symptomen einer Myo-
tisch bekannter Hypersensitivität gegenüber Adeno- kardischämie sind in regelmäßigen Intervallen wäh-
sin sollten einer vasodilatatorischen Stimulation mit rend der Belastungs- und Erholungsphase zu erhe-
Adenosin nicht unterzogen werden. Patienten mit ben.
fortgeschrittenem atrioventrikulärem Block (II oder Gegenmaßnahmen sind der Abbruch der Infusion
III) oder mit „Sick-Sinus-Syndrom“ sollten ebenfalls (führt bei Adenosin zum Aussetzen der Wirkung
nicht mit Adenosin untersucht werden, wegen dessen nach 10–20 s), ansonsten bei vasodilatierenden Sub-
negativ-dromotropen Effekts (SA- und AV-Knoten). stanzen die Gabe von Aminophyllin oder Theophyl-
Weitere Kontraindikationen für vasodilatatori- lin (50–125 mg) langsam intravenöse und bei positiv
sche Substanzen sind abgelaufener Myokardinfarkt inotropen Substanzen die Gabe von Betablockern
(≤ 3 Tage), instabile Angina, schwere Aortenstenose und/oder Nitroglyzerin.
und schwere obstruktive hypertrophische Kardiomy- Abbruchkriterien sind Patientenwunsch, progre-
opathie. Der Einsatz von Adenosin wird während der diente oder schwere Angina pectoris, Atemnot, Abfall
Schwangerschaft und in der Laktationsphase nicht des systolischen Blutdrucks um mehr als 40 mmHg,
empfohlen. Ino- bzw. chronotrop wirksame Substan- Bluthochdruck (≥240/120 mmHg), schwere Arrhyth-
zen sind bei Patienten mit ventrikulärer Tachyar- mien und andere schwere Nebenwirkungen.
rhythmie kontraindiziert. Sie sind nur mit größter
Vorsicht bei Patienten mit obstruktiver oder hyper- Spätes Enhancement
trophischer Kardiomyopathie oder in der frühen Bei der Beurteilung des späten Enhancements muss
Post-Infarktphase einzusetzen. zwischen ischämischem und nichtischämischem
Die Patienten müssen mindestens 48 Stunden lang späten Enhancement unterschieden werden. Sowohl
hämodynamisch und klinisch stabil sein, bevor eine akute als auch chronische Infarkte, d. h. fibrotisch
Belastungsuntersuchung durchgeführt wird. Vor der umgebaute Infarktnarben, zeigen ein spätes Enhan-
pharmakologischen Belastung sollten die Patienten cement. Allerdings ist dieses Phänomen sowohl bei
mindestens 4 Stunden lang nüchtern bleiben. Bei infiltrativen Herzerkrankungen wie der Myokarditis
Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus und der Sarkoidose als auch bei primären und sekun-
sollte am Tag der Untersuchung eine optimale dären Kardiomyopathien nachweisbar. Bei diesen Er-
Einstellung des Blutzuckers vorliegen. Falls medi- krankungen handelt es sich entweder um entzündli-
zinisch nicht kontrainidiziert, sollten im Rahmen che Veränderungen oder um eine Myokardfibrose,
der Vorfelddiagnostik Medikamente, die Herzfre- die das späte Enhancement verursacht.
quenz- und Blutdruckveränderungen unter Belas- Neben der Anamnese und anderen klinischen Un-
tung modifizieren können (z. B. Betablocker), für die tersuchungsergebnissen sind vor allem die Lokalisa-
diagnostischen Tests abgesetzt werden. Koffeinhalti- tion sowie das Ausmaß und das Verteilungsmuster
ge Getränke und Methylxanthin-enthaltende Medi- der Areale späten Enhancements für die Differenzial-
kamente müssen mindestens 24 Stunden vor phar- diagnose wichtig. Die Ischämie führt aufgrund der
makologischer Belastung mit Vasodilatatoren (für Blutversorgung des Myokards von subepikardial
langwirksame Methylxanthin-Präparate entspre- nach subendokardial immer zuerst zu einer subend-
chend länger) abgesetzt werden, da diese die Auslö- okardialen Nekrose, die sich dann in Form des „Wel-
sung einer koronaren Hyperämie verhindern kön- lenfrontphänomens“ nach epikardial ausbreitet. Ein
nen. ischämisch verursachtes spätes Enhancement be-
Alle Formen der Belastung müssen während der zieht also immer die subendokardialen Regionen ein.
Belastungs- und Erholungsphase von einem qualifi- Nichtischämisch bedingtes spätes Enhancement da-
zierten Arzt überwacht werden. Für die Überwa- gegen kann auch die subendokardialen Regionen be-
chung während der Untersuchung müssen MRT- treffen, aber auch die mittmyokardialen und subepi-
kompatible EKG-Registrierung, Blutdruckmessung kardialen Abschnitte. Des Weiteren sind ischämisch
und ggf. Pulsoxymetrie zur Verfügung stehen. Für die bedingte Areale späten Enhancements flächig und ei-
Applikation der Pharmaka und eines Kontrastmittels nem koronararteriellen Versorgungsgebiet zuzuord-
müssen sichere intravenöse Zugänge gewährleistet nen, nichtischämisch bedingtes spätes Enhancement
sein. Für die genaue Dosierung der Pharmaka sind kann dagegen auch fleckig oder diffus verteilt sein.
automatische Injektoren notwendig. Instrumentie- Somit kann das späte Enhancement nichtischämi-
rung und Medikamente für den kardialen Notfall scher Genese einen Myokardinfarkt zwar simulieren,
müssen in unmittelbarer Nachbarschaft des Magne- in den meisten Fällen lässt es sich jedoch eindeutig
tresonanztomographen zur Verfügung stehen. Das differenzieren.
EKG muss kontinuierlich während der Belastung und Bei ischämisch bedingtem späten Enhancement
während der Erholungsphase registriert werden. Vi- wird für die Vitalitätsdiagnostik das transmurale In-
44 Kapitel 1 Herz
farktausmaß gemessen. Für eine exakte Vitalitätsvor- 쐍 Auswertung. Mit einer Auswerte-Software wird in
hersage mit Angabe der Erholungswahrscheinlich- der ersten Herzphase eine „region of interest“ (ROI)
keit wird das Ausmaß späten Enhancements in auf den Gefäßrand gelegt und in den folgenden Herz-
5 Gruppen eingeteilt: phasen entsprechend der Positionsänderung lage-
korrigiert. Die Auswertung ergibt Werte für die mitt-
∑ 0%,
lere und die maximale Flussgeschwindigkeit sowie
∑ 1–25%,
das Flussvolumen (mittlerer Fluss×Querschnitt). Zur
∑ 26–50%,
Vermeidung einer Unterschätzung des Flussvolu-
∑ 51–75%,
mens sollte die ROI eher etwas größer als das Gefäß
∑ 76–100%
gewählt werden. Bei zu groß gemessenem Quer-
(Kim et al. 2000; s. unten, Abschn. „Vitalitätsdiagnos- schnitt wirkt sich die Flächenüberschätzung durch
tik“). den fehlenden Fluss im Randbereich nicht aus, wäh-
Klinisch hat sich für die Aussage „Funktionserho- rend bei zu klein gewähltem Querschnitt der Fluss im
lung wahrscheinlich: ja/nein“ die Unterscheidung in Randbereich fehlt und somit das Flussvolumen un-
≤50%- und >50%-Ausmaß des transmuralen Enhan- terschätzt wird.
cements etabliert. Die Quantifizierung erfolgt zu-
meist visuell oder mittels Planimetrie. Dann ist eine 쐍 Quantifizierung von Stenosen. Die Quantifizierung
exakte Angabe der transmuralen Ausdehnung in Pro- eines Stenosegrads erfolgt über die Flussmessung
zent der Myokarddicke bzw. der Gesamtmasse des mit Bestimmung der maximalen Flussgeschwindig-
späten Enhancements als Prozent der linksventriku- keit. Mit Hilfe der modifizierten Bernoulli-Formel:
lären Masse möglich.
ΔP(mmHg) ≅ 4×[Vmax(m/s)]2
Flussmessungen
쐍 Klappenebene und herznahe große Gefäße. Fluss- kann hierdurch der Druckabfall quantifiziert wer-
messungen über die Mitralklappe und der Trikus- den. Hierfür ist es wichtig, tatsächlich den maxima-
pidalklappe werden auf dem Vierkammerblick ent- len Fluss zu messen, der nicht immer unmittelbar in
lang der anterioren und posterioren Klappeninser- der Stenose vorherrscht. Deshalb sollte die Flussmes-
tion geplant. Im Abgangsbereich der herznahen sung entweder „in-plane“ entlang des Druckgradien-
großen Gefäße erfolgt die Untersuchung in senk- ten oder an mehreren Stellen „through-plane“ im Be-
rechter Schichtführung zum Gefäßverlauf („through- reich der Stenose erfolgen.
plane“). Die Aorta ascendens wird zunächst mit
Schichtführung durch Aorta ascendens und Aorta 쐍 Quantifizierung von Insuffizienzen. Regurgitations-
descendens auf einer transversalen Planungsschicht volumina können mit 2 Methoden quantifiziert wer-
dargestellt. Die Flussmessung erfolgt entweder den. Die genaueste Methode ist die Messung des Re-
in Höhe der Aortenklappe vor Abgang der Koronar- gurgitationsvolumens mit der Phasenkontrastse-
arterien oder deutlich kranial der Aortenklappe quenz, mit der der systolische Vorwärtsfluss (Vsys)
vor Abgang des Truncus brachiocephalicus (Abb. und der diastolische Rückwärtsfluss (Vdia) gemessen
1.20 a, b). Die erste Methode vermeidet den werden. Aus dem Vergleich dieser beiden Parameter
systematischen Fehler, der durch die fehlende Erfas- wird dann die Regurgitationsfraktion (Vdia/Vsys) be-
sung der koronararteriellen Durchblutung bei weiter stimmt.
kranial gelegener Messung entsteht. Aufgrund der Die zweite Methode ist der Vergleich der Schlagvo-
Vermeidung der Turbulenzen in der Klappenebene lumina des rechten und des linken Ventrikels (z. B.
ist jedoch die kranialer gelegene Messung zu bevor- Aorteninsuffizienz: Regurgitationsfraktion=SVLV–
zugen. SVRV/SVLV). Diese Methode ist jedoch nur bei Erkran-
Die Untersuchung des pulmonalen Stromgebiets kung einer einzelnen Klappe valide.
erfolgt zumeist im Truncus pulmonalis; möglich ist
auch die Messung in beiden Aa. pulmonales. Die Un- 쐍 Quantifizierung von Shuntvitien. Zur Quantifizie-
tersuchung des Truncus pulmonalis wird auf dem rung von Shuntvitien müssen das pulmonale (Qp)
rechtsventrikulären Ausflusstrakt geplant, die und das systemische (Qs) Flussvolumen bestimmt
Schichtführung erfolgt möglichst weit distal der Pul- werden. Die genaueste Methode ist die Flussmessung
monalklappe vor Aufteilung in die Aa. pulmonales in Aorta ascendens und Truncus pulmonalis. Es kön-
(vgl.Abb. 1.20 a, b). Zur Untersuchung der Aa. pulmo- nen jedoch auch die Schlagvolumina des rechten und
nales werden auf transversalen Schichten jeweils ein- des linken Ventrikels eingesetzt werden. Hiermit las-
fach angulierte Schichten senkrecht zum Gefäßver- sen sich ein Links-rechts-Shunt bzw. seltener ein
lauf geplant (vgl. Abb. 1.20 a, b). Rechts-links-Shunt (Qs–Qp/Qs) quantifizieren.Wich-
tig ist, dass bei intrakardialen Shuntvitien Qp im
1.1 Untersuchungstechnik 45
Truncus pulmonalis bzw. rechten Ventrikel und Qs in Verlaufs der arteriellen Bypass-Gefäße besser mög-
der Aorta ascendens bzw. im linken Ventrikel gemes- lich.
sen werden. Bei extrakardialen Shuntvitien (z. B. per-
sistierender Ductus arteriosus Botalli) dagegen wer- 쐍 Sinus coronarius. Der venöse Rückfluss im Sinus
den Qp in der Aorta ascendens bzw. im linken Ventri- coronarius repräsentiert den überwiegenden Teil der
kel und Qs im Truncus pulmonalis bzw. rechten Ven- myokardialen Durchblutung. Der Sinus coronarius
trikel bestimmt. Im Vergleich zur invasiven Messung wird zunächst auf einer transversalen Schicht lokali-
ist diese Methode ausreichend validiert. Die direkte siert. Anschließend wird für die Flussmessung eine
Messung im Vorhofseptumdefekt dagegen über- senkrechte Ebene 1–2 cm vor der Einmündung in
schätzt das Shuntvolumen mit zusätzlich deutlicher den rechten Vorhof gelegt. Durch Normierung des
Messvariabilität und sollte daher nicht eingesetzt Flussvolumens auf die kardiale Masse kann damit die
werden. Myokardperfusion auch in Absolutwerten (ml×min–
1
×g–1) angegeben werden, eine regionale Differenzie-
쐍 Koronararterien und Bypass-Gefäße. Flussmessun- rung der Durchblutung ist jedoch nicht möglich.
gen in Koronararterien werden ebenfalls senkrecht
zum Gefäßverlauf durchgeführt. Aufgrund des klei- Klappenöffnungsfläche
neren Durchmessers ist jedoch vor allem die Mes- Die Bestimmung der Klappenöffnungsfläche dient
sung der Flussvolumina mit Unsicherheiten behaftet, zur Indikationsstellung für den operativen Klappen-
da bei der räumlichen Auflösung der derzeitigen Se- ersatz bei Patienten mit Aortenklappen- bzw. Mitral-
quenzen nur 1–4 Pixel im Gefäßlumen liegen. Relativ klappenstenose. Die Operationsindikation wird an-
valide ist aber die Bestimmung der maximalen Fluss- hand des Druckgradienten und der Klappenöff-
geschwindigkeit möglich. Die Flussmessung in By- nungsfläche (KÖF) gefällt. Neben dem Einsatz von
pass-Gefäßen ist dagegen aufgrund des größeren Ge- Flussmessungen zur Beurteilung der hämodynami-
fäßkalibers der venösen bzw. des oberflächlicheren schen Relevanz einer Klappenstenose kann mit der
46 Kapitel 1 Herz
a b c
Abb. 1.21 a–c. Messung der Klappenöffnungsfläche (Aortenklappenbioprothese). a Diastole, b Systole, c Systole mit Planimetrie:
Klappenöffnungsfläche 1,3 cm2
MRT auch analog zur Echokardiographie die Klappe- gerer Überschätzung der Klappenöffnungsfläche. Al-
nöffnungsfläche planimetriert werden. lerdings wird auch hier für die MRT ein höherer
Grenzwert (1,65 cm2) als für den Katheter (1,5 cm2)
Merke ! Als invasiver Goldstandard gilt die
Messung der Klappenöffnungsfläche
für den Nachweis einer Mitralklappenstenose defi-
niert. Unter Verwendung dieser Werte betragen Sen-
im Herzkatheter nach der Gorlin-Formel durch die sitivität und Spezifität der MRT 89 und 75%.
Bestimmung von 2 Geschwindigkeits-Zeit-Integralen
vor und nach der Klappe und der Fläche des links- Koronarangiographie und Bypass-Darstellung
ventrikulären Ausflusstrakts. Die Untersuchung der Koronararterien mit 2D-Tech-
niken erfolgt entlang ihres anatomischen Verlaufs.
Die Planimetrie der Aortenklappe erfolgt in der sys- Hierzu werden zunächst in transversaler Schichtfüh-
tolischen Phase einer Cine-Sequenz orthogonal zur rung die Abgänge der rechten und der linken Koro-
Aortenklappe, die auf der Darstellung des aortalen nararterie und deren Aufzweigung in R. circumflexus
Ausflusstrakts geplant wird. Es werden mindestens und R. interventricularis anterior dargestellt. Die
4 konsekutive Schichten mit 5 mm Dicke ohne weitere Untersuchung erfolgt dann für jeden Koro-
Schichtlücke akquiriert. Von diesen wird die Schicht nararterienhauptast separat durch jeweils neue Win-
mit der maximalen Klappenöffnungsfläche ausge- kelung der Schichtführung auf der zuvor akquirier-
wählt, auf der dann in der frühen Systole die Klappe- ten Schicht. 3D-Techniken mit der Möglichkeit zur
nöffnungsfläche planimetriert wird (Abb. 1.21 a–c). Abbildung des gesamten Herzens können in trans-
Es besteht eine ausgezeichnete Korrelation sowohl versaler Schichtführung eingesetzt werden, begin-
zwischen MRT und TEE als auch zwischen MRT und nend unterhalb der Pulmonalarterienaufzweigung
Katheter, jedoch wird die KÖF in der MRT leicht bis zur Herzspitze. Besser ist die Winkelung der 3D-
überschätzt. Daher ist es notwendig, unterschiedliche Akquisition entlang des Koronararterienverlaufs. Bei
Grenzwerte für die Operationsindikation für MRT der vereinfachten Planung wird ein Schichtstapel
und Katheter zu definieren. Stellt man die Opera- entlang der rechten Koronararterie positioniert. Er
tionsindikation bei einer Klappenöffnungsfläche dient auch zur Abbildung des R. circumflexus. Der
<1,3 cm2 in der MRT im Vergleich zu einer Klappe- andere Schichtstapel wird entlang des linken Haupt-
nöffnungsfläche <1 cm2 im Herzkatheter, so betragen stamms und des R. interventricularis anterior ausge-
Sensitivität und Spezifität der MRT 96 und 100%. richtet.
Die Untersuchung der Mitralklappe erfolgt in Die Planung der Schichtstapel erfolgt am genaues-
gleicher Weise. Auf der langen Herzachse wird eine ten auf transversalen Scouts mit der 3-Punkt-Metho-
Schichtebene orthogonal zur Mitralklappe definiert. de: Zur Darstellung von rechter Koronararterie und
Auch werden mindestens 4 konsekutive Schichten R. circumflexus werden der Ursprung der R. circum-
ohne Schichtlücke mit einer Dicke von 5 mm akqui- flexus aus dem linken Hauptstamm, der Ursprung
riert, auf denen die maximale Klappenöffnungsflä- der rechten Koronararterie aus der Aorta und die
che ausgewählt und planimetriert wird.Auch hier be- Mitte des rechten arteriovenösen Sulcus markiert.
steht eine gute Korrelation zwischen MRT und TEE Zur Darstellung des linken Hauptstamms und der
sowie MRT und Katheter bei vergleichsweise gerin- R. interventricularis anterior werden der Ursprung
1.1 Untersuchungstechnik 47
kann, ist 304 V Stahl gering ferromagnetisch. Deshalb chen erreicht werden, die eine größere Distanz zur
sollten nach der Implantation 6 Wochen zur Endo- Ultraschallquelle haben (z. B. posteriore Hinter-
thelialisierung der Implantate abgewartet werden. wand). Von diesen Grenzflächen werden entspre-
chende Anteile der ursprünglichen Ultraschallener-
쐍 Herzschrittmacher und automatische Defibrillatoren. gie reflektiert. Für die Ultraschallbildgebung werden
Galt die Untersuchung von Patienten mit Herz- die unterschiedlichen Laufzeiten der reflektierten
schrittmachern noch bis vor kurzem als absolute Ultraschallstrahlen und die Stärke des reflektierten
Kontraindikation, so mehren sich in jüngerer Zeit die Ultraschallsignals verwendet.
Berichte, dass eine Untersuchung im Niederfeldgerät Bei der zweidimensionalen Echokardiographie
und auch bei 1,5 T unter bestimmten Bedingungen werden Ultraschallimpulse auf 120 Bildzeilen in ei-
möglich ist. nem Sektor von 90° 20- bis 30-mal pro Sekunde abge-
geben. Im Gegensatz dazu wird bei der M-Mode-
CAVE ! Mögliche Gefahren einer MRT-Unter-
suchung bei Herzschrittmachern oder
Echokardiographie ein Ultraschallimpuls auf nur ei-
ner Zeile gesendet und der reflektierte Anteil wieder
automatischen Defibrillatoren sind Bewegung des empfangen. Diese M-Mode-Darstellung wird mit Hil-
Implantats oder der Kabel, eine Gerätedysfunktion fe eines zweidimensionalen Bildes geplant und hat
und vor allem die Erwärmung der Kabel und der den Vorteil, dass zeitliche Abläufe visualisiert werden
Sondenspitze. können und kardiale Dimensionen gemessen werden
können.
Diese ist abhängig von der spezifischen Absorptions-
rate (SAR) und der Sondenposition relativ zum Spu- 1.1.4.2
lenzentrum. Daher ist die Untersuchung des Schä- Dopplerechokardiographie
dels, des Beckens und der unteren Extremität noch Der Dopplereffekt kommt dadurch zustande, dass die
eher durchführbar als diejenige von Herz, Thorax Distanz zwischen Ultraschallquelle und Reflexionse-
oder Brustwirbelsäule. bene nicht konstant ist. Dies geschieht bei Schallrefle-
Schrittmacherdysfunktionen können durch ein xionen an sich bewegenden Blutzellen. Bewegen sich
Umschalten in den asynchronen Modus vermieden die Blutzellen auf die Schallquelle zu, kommt es zur
werden, obwohl weiterhin das geringe Risiko einer Verkürzung der Wellenlänge und damit zur Fre-
ausgeprägten Tachykardie besteht. Die Untersuchung quenzerhöhung. Man spricht vom positiven Dop-
sollte daher nur nach strenger Indikationsstellung plershift. Bewegen sich die Blutkörperchen von der
unter Überwachung von Blutdruck, EKG und O2-Sät- Schallquelle weg, kommt es zur Verlängerung der
tigung und unter Beachtung der SAR-Limits erfol- Wellenlänge, zu einer niedrigeren Frequenz und man
gen. Möglicherweise sind in Zukunft neue Systeme spricht von einem negativen Dopplershift.
eher für MRT-Untersuchungen geeignet. Für die Un- Zur weiteren Analyse ist die Dopplergleichung we-
tersuchung des Herzens bei Patienten mit Herz- sentlich:
schrittmachern und automatischen Defibrillatoren
stehen ansonsten die alternativen echokardiographi- fd=2×f0×V×cosθ×c–1.
schen, nuklearmedizinischen und vor allem compu-
tertomographischen Methoden zur Verfügung. Sie beschreibt die Beziehung des Dopplershiftes (fd)
zur Frequenz der Schallsonde (f0), zur Blutströ-
mungsgeschwindigkeit (V) und -richtung und zur
1.1.4 Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schallwellen in
Echokardiographie Blut (c=1560m/s). Cos× ist der Cosinus des Winkels
zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Ausb-
1.1.4.1 reitungsrichtung des Blutstroms. Wird diese Glei-
Zweidimensionale und M-Mode-Echokardiographie chung nach der Geschwindigkeit aufgelöst, kann die
Bei Ultraschall handelt es sich um Schallwellen von Strömungsgeschwindigkeit der Blutkörperchen, die
50–20.000 Hz. Im Rahmen einer Ultraschalluntersu- den Ultraschallstrahl passieren, bestimmt werden.
chung wird durch Piezokristalle ein gerichteter Mit dem Ergebnis der Berechnung der Blutströ-
Ultraschallimpuls (2–5 MHz) generiert. Ein großer mungsgeschwindigkeit lassen sich dann mit Hilfe
Teil der abgegebenen Schallenergie wird im Körper der Bernoulli-Formel Druckgradienten über den
absorbiert und ist für die Bildgebung nicht nutzbar. Herzklappen berechnen. Proportional zur Anzahl
Ein Teil der Ultraschallenergie wird jedoch an Grenz- der erfassten Blutkörperchen ist die Amplitude des
flächen (z. B. freie rechtsventrikuläre Wand, interven- Dopplersignals. Dies ist eine densitometrische Kom-
trikuläres Septum) reflektiert. In Abhängigkeit vom ponente und wird mit Hilfe einer Grauskala darge-
gewählten Frequenzbereich können auch Grenzflä- stellt.
50 Kapitel 1 Herz
Myokardperfusion. Hierzu wird ein Radiopharma- Aktivität im Bereich von Herzbasis und -spitze oder
kon injiziert, das sich proportional zum regionalen durch Strahlenabsorption. Diese kann physiologisch
Blutfluss im Herzmuskel anreichert. Seit Mitte der durch das Zwerchfell im Bereich der Hinterwand
1970er Jahre wird hierzu das Kalium-Analogon bzw. der Mamma im Bereich von Vorderwand und
201Thallium- (Tl-)Chlorid eingesetzt, das sich über Septum erfolgen oder auch durch implantierte Defi-
die Na+/K+-ATPase im Myokard anreichert. Seit An- brillator-Patches. Speicherdefekte, die eine hämody-
fang der 1990er Jahre wird 201Tl-Chlorid zunehmend namisch relevante KHK vortäuschen, können auch
durch 99mTc-markierte Pharmaka (99mTc-Sestamibi bei Mikroangiopathien, Koronarspasmen, Kardio-
oder 99mTc-Tetrofosmin) ersetzt. myopathien oder asymmetrischer Hypertrophie,
201Tl reichert sich nach der Injektion zunächst im
kleinnarbigen oder infiltrativen Herzerkrankungen
Herzmuskel an, verlässt diesen dann wieder und ver- und bei arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus
teilt sich in anderen Organen (Muskulatur, Nieren, entstehen. Bei bis zu 90% der Patienten mit Links-
Leber, Magen-Darm-Trakt). Nach etwa 3–4 Stunden schenkelblock wird eine Minderbelegung des Sep-
kommt es zu einer Redistribution ins Herz. Dadurch tums unter Belastung beobachtet, die zwar einer tat-
sind Untersuchungen unter Stress- und Ruhebedin- sächlichen Durchblutungsminderung entspricht, al-
gungen nach nur einer Injektion möglich: Zunächst lerdings nicht durch eine KHK verursacht ist (Richter
wird die Perfusion unter Stress dargestellt, die Akti- et al. 1998).
vität 3–4 Stunden später entspricht dann der Ruhe- Falsch-negative Befunde sind durch zu kleine
perfusion. Speicherdefekte oder Überlagerung mit anderen
Neben der Perfusionsmessung kann die 201Tl- Myokardabschnitten bzw. Organen (Galle, Darm)
SPECT auch zur Vitalitätsdiagnostik eingesetzt wer- verursacht. Speicherdefekte können nicht nachge-
den. Hierzu wird in hypoperfundierten Arealen ent- wiesen werden bei unzureichender Belastung, nicht
weder die Redistribution oder die Aufnahme von abgesetzter antianginöser Therapie, guter Kollatera-
201Tl nach Reinjektion beurteilt. 99mTc dagegen wird
lisierung oder hämodynamisch nicht relevanten Ste-
in den myokardialen Mitochondrien angereichert nosen.
und verbleibt dort. Daher müssen für den Vergleich
von Ruhe- und Stressuntersuchungen 2 separate Un- 1.1.5.3
tersuchungen mit 2 Injektionen durchgeführt wer- Positronenemissionstomographie
den. Vorteile von 99mTc gegenüber 201Tl sind jedoch Die PET ermöglicht die Untersuchung der Perfusion,
die geringere Strahlenexposition (7 mSv vs. 17 mSv) des myokardialen Stoffwechsels und der autonomen
und die geringere physikalische Halbwertszeit (6 h neuronalen Innervation des Herzens. Grundlage der
vs. 73 h), die ständige Verfügbarkeit und die höhere PET ist der Nachweis der Positronenemission der lo-
applizierbare Aktivität und damit die bessere Abbil- kal angereicherten Tracer. Das vom Tracer abgegebe-
dungsqualität. ne Positron zerfällt im Gewebe in 2 Photonen, die
In der Regel wird die Myokardperfusionsszinti- vom Detektor aufgefangen werden. Die verwendete
graphie mit einer körperlichen Belastung auf dem Ringdetektor-PET-Technologie ermöglicht die drei-
Laufband oder Ergometer kombiniert. Ist dies jedoch dimensionale Datenakquisition mit Quantifizierung
aufgrund des klinischen Zustands des Patienten (pe- lokaler Tracer-Konzentrationen. Die räumliche Auf-
riphere AVK, Gelenkerkrankungen, körperliche Er- lösung beträgt bei der derzeitigen Gerätegeneration
schöpfung) nicht möglich, wird als Alternative ana- 5–7 mm bei einer zeitlichen Auflösung von einigen
log zur Perfusionsmessung mit der MRT eine phar- Sekunden pro Bild. Durch EKG-Triggerung der Auf-
makologische Belastung eingesetzt. nahmen können die Einflüsse von Wandbewegung
und Wanddickenänderung auf die Bildqualität redu-
Auswertung ziert werden.
Die szintigraphischen Aufnahmen werden zunächst
visuell ausgewertet. Hierzu wird die regionale Tracer- Perfusion
Verteilung in allen 3 Herzachsen bezüglich Lokalisa- Die Untersuchung der Perfusion mit der PET beruht
tion, Auswertung, Intensität und ggf. Reversibilität analog zur SPECT ebenfalls auch auf der Gabe eines
beurteilt. Für eine quantitative Auswertung werden Tracers, der sich proportional zum Blutfluss im Myo-
entweder verschiedene Areale wie z. B. Vorderwand kard anreichert. Hierfür werden N-13-Ammoniak
und Hinterwand miteinander verglichen oder die (13NH3), O-15-Wasser (H215O) und Rubidium-82 ein-
Aktivität der Segmente in Relation zu dem Segment gesetzt. N-13-Ammoniak und O-15-Wasser erfordern
mit der höchsten Aktivitätsanreicherung (=100%) wegen ihrer kurzen Halbwertzeiten die Nähe eines Zy-
gesetzt. klotrons, Rubidium-82 ist derzeit in Deutschland nicht
Falsch-positive Befunde durch Fehlinterpretatio- kommerziell erhältlich. Die primäre Auswertung er-
nen entstehen durch die physiologisch verminderte folgt visuell; möglich ist auch eine semiquantitative
52 Kapitel 1 Herz
Auswertung. Mit volumetrischen Methoden anhand Kranzarterie sondiert. Das Kranzarteriensystem wird
schwächungskorrigierter PET-Aufnahmen – mit zu- dann in verschiedenen Projektionsebenen dargestellt.
nehmendem Blutfluss kommt es zu einer relativen Ab-
nahme der Tracer-Retention – kann der myokardiale
Blutfluss in ml/g/min quantifiziert werden. 1.2
Normalanatomie und wesentliche Varianten
Metabolismus
Die beiden Hauptsubstrate des myokardialen Stoff- J. Sandstede, Th. Voigtländer
wechsels sind Glukose und Fettsäuren. Durch die ra-
dioaktive Markierung von deren Analoga kann der
Herzmetabolismus untersucht werden.Vor allem Un- 1.2.1
tersuchungen des regionalen Glukosestoffwechsels Anatomie des Herzens und der Koronararterien
sind in der Vitalitätsdiagnostik etabliert. Der Positro-
nenemitter 18F-Deoxyglukose (FDG) wird über Glu-
kosetransporter in das Myokard aufgenommen und Das Herz hat die Form eines abgerundeten Kegels.
anschließend durch die Hexokinase phosphoryliert. Die Herzspitze zeigt nach vorne links unten, die
Das entstehende FDG-6-Phosphat kann nur einge- Herzbasis nach hinten rechts oben. Die Unterfläche,
schränkt glykolisiert werden und wird deshalb intra- Facies diaphragmatica, liegt dem Zwerchfell auf. Das
zellulär gespeichert. Die lokale Tracer-Konzentration Herz ist zweigeteilt in ein „rechtes“ und ein „linkes“
ist dadurch ein Maß für den lokalen Energiestoff- Herz, jeder Teil besteht aus einem Vorhof (Atrium)
wechsel und damit für die Anzahl vitaler Zellen. und einer Kammer (Ventriculus oder Ventrikel). Die
Grenze zwischen dem rechten und dem linken Herz
Autonome nervale Innervation wird durch das Vorhof- und das Ventrikelseptum ge-
Die Beurteilung der Funktion des autonomen Ner- bildet, Grenze zwischen Vorhöfen und Kammern ist
vensystems befindet sich derzeit noch in der Ent- die Klappenebene. Der rechte Vorhof ist dreieckför-
wicklung. Die verschiedenen Tracer setzen entweder mig mit breiter Verbindung zum rechten Ventrikel.
an den präsynaptischen Nervenendigungen oder den Kranial und kaudal münden die V. cava superior
postsynaptischen Rezeptoren im Herzen an. Damit und V. cava inferior ein. Zusätzlich mündet kaudal
kann z. B. der kontinuierliche Prozess der sympathi- der Sinus coronarius. Diese Einmündung des Sinus
schen Reinnervation nach orthotoper Herztrans- coronarius bildet die Grenze zwischen V. cava inferior
plantation beurteilt werden oder die Down-Regula- und rechten Vorhof, wobei sich der rechte Vorhof
tion kardialer b1-Rezeptoren bei Herzinsuffizienz häufig lateral der V. cava inferior nach kaudal vor-
nachgewiesen werden. wölbt. Üblicherweise findet sich eine noduläre Verdi-
ckung an der Hinterwand des rechten Vorhofs, die die
Einmündung von V. cava superior und inferior ver-
1.1.6 bindet. Diese Crista terminalis entspricht der embry-
Herzkatheteruntersuchung onalen Grenze zwischen dem Anteil des rechten Vor-
hofs, der aus dem Sinus venosus entsteht, und dem
Die Herzkatheteruntersuchung beinhaltet die so ge- aus dem embryonalen Vorhof entstehenden Anteil.
nannte Einschwemmkatheteruntersuchung mit Be- Mediale Begrenzung des Vorhofs ist das Septum in-
stimmung von hämodynamischen Parametern (Herz- teratriale, in dem zentral als Rest des Fetalkreislaufs
zeitvolumen, Oxymetrie, Druckmessung im rechten die Fossa ovalis liegt. Nach ventral setzt sich der rech-
Vorhof, im rechten Ventrikel, Pulmonalarterie und Er- te Vorhof in das rechte Herzohr fort.
mittlung des pulmonalkapillären Wedge-Drucks). Die Trikuspidalklappe hat 3 Segel, Cuspis septalis,
Wesentlicher Bestandteil der Herzkatheterunter- anterior und posterior. Diese Klappensegel sind durch
suchung ist die so genannte Linksherzkatheterunter- Chordae tendineae an den 3 Papillarmuskeln, M. pa-
suchung, wobei neben der Lävokardiographie und pillaris anterior, posterior und septalis befestigt.
Druckmessung im linken Ventrikel sowie in der Aor- Der rechte Ventrikel hat auf axialen Schichten eine
ta ascendens die Koronarangiographie große Bedeu- Dreieckform. Die Wand ist deutlich dünner als die
tung erlangt hat. Zugang für die diagnostische Koro- des linken Ventrikels. An der Innenseite besteht sie
narangiographie ist die A. femoralis, seltener die aus vielen einzelnen Muskelbälkchen. Diese Trabeku-
A. radialis oder die A. brachialis. Speziell vorgeformte lierung ist vor allem im Bereich der medialen Be-
Katheter, die auch atypischen anatomischen Gege- grenzung, des Septum interventriculare, deutlich
benheiten der Lage der Ostien für die rechte und lin- ausgeprägt. Eine Besonderheit ist das Moderator-
ke Kranzarterie genügen, werden in die Aorta ascen- band, das von der Mitte des Septums zur Spitze zieht
dens vorgebracht, danach das Ostium der jeweiligen und nahe der Basis des vorderen Papillarmuskels an
1.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten 53
der freien Wand des rechten Ventrikels inseriert. Die Der Sinus coronarius ist das Sammelgefäß des ve-
rechtsventrikuläre Ausflussbahn setzt sich in den Co- nösen Rückstroms. Er verläuft an der Facies sterno-
nus arteriosus fort und wird durch die aus 3 Taschen- costalis cordis an der Unterseite des linken Vorhofs
klappen bestehende Pulmonalklappe vom Truncus vor der Einmündung in den rechten Vorhof. Größere
pulmonalis getrennt. Der Austritt des Truncus pul- Herzvenen, die sich im Sinus coronarius vereinigen,
monalis liegt ventral der Aorta. sind die V. cordis magna und die V. cordis media. Die
In den linken Vorhof münden beiderseits die V. cordis magna verläuft bogenförmig zunächst im
Vv. pulmonales ein. Nach ventral endet der linke Vor- Sulcus interventricularis anterior parallel zum R. in-
hof im linken Herzohr. Die Verbindung zum linken terventricularis anterior und dann im Sulcus corona-
Ventrikel ist die Mitralklappe. Diese besteht nur aus rius sinistra entlang dem R. circumflexus. Die V.
2 Segeln, dem Cuspis anterior und posterior, die cordis media verläuft im Sulcus interventricularis
ebenfalls durch Chordae tendineae am M. papillaris posterior parallel zum R. interventricularis posterior
anterior und posterior befestigt sind. Der linke Ven- der rechten Koronararterie. Zusätzlich münden noch
trikel ist muskelstark und hat normalerweise nur ei- die V. posterior ventriculi sinstri und die V. cordis par-
ne gering ausgeprägte Trabekulierung. Die aortale va in den Sinus coronarius,außerdem gelangen kleine-
Ausflussbahn wird durch die aus 3 Taschenklappen re Venen direkt aus der Herzwand in den rechten Vor-
bestehende Aortenklappe vom Bulbus aortae ge- hof.
trennt, von dem die Koronararterien abgehen. Das Epikard bedeckt das Myokard, die Herzkranz-
Die linke Koronararterie (LCA, A. coronaria sinis- gefäße und das Baufett der Herzoberfläche. Die Um-
tra) entspringt im linken Sinus aortae (Valsalvae). schlagsfalte zum Perikard liegt oberhalb und hinter
Der linke Hauptstamm zieht zunächst nach lateral der Herzbasis, relativ herznah auf der Wand von V. ca-
zwischen linkem Herzohr und Truncus pulmonalis va inferior und Vv. pulmonales, relativ herzfern (we-
und teilt sich dann auf in den R. circumflexus (RCX) nige Zentimeter oberhalb des Herzens) dagegen auf
und den R. interventricularis anterior (RIVA). Der der Wand von Aorta ascendens, Truncus pulmonalis
R. interventricularis anterior zieht im Sulcus inter- und V. cava superior.
ventricularis anterior bis zur Herzspitze; die Abgän-
ge werden im klinischen Sprachgebrauch Diagonal-
äste genannt. Der R. circumflexus verläuft im Sulcus 1.2.2
coronarius sinister nach dorsal bis zur Facies dia- Konventionelle Röntgendiagnostik
phragmatica; die Abgänge werden als Marginaläste
bezeichnet. Der R. intermedius ist ein inkonstanter 1.2.2.1
Ast der linken Koronararterie, der zwischen R. inter- Herzschatten
ventricularis anterior und R. circumflexus abgeht Im p.-a.-Bild sind von kranial nach kaudal folgende
und die Vorderwand versorgt. Strukturen randbildend (Abb. 1.24 a):
Die rechte Kranzarterie (RCA,A. coronaria dextra)
∑ Rechtsseitig:
entspringt im rechten Sinus aortae (Valsalvae). Sie
왔 V. cava superior,
verläuft zunächst auf der Vorderseite fast senkrecht
왔 rechter Vorhof.
nach unten im Sulcus coronarius dexter und biegt
∑ Linksseitig:
dann im Bereich der Crux cordis in den Sulcus inter-
왔 distaler Abschnitt des Aortenbogens,
ventricularis posterior ab. Hier verläuft sie als R. in-
왔 Truncus pulmonalis (Pulmonalsegment),
terventricularis posterior an der Facies diaphragma-
왔 linker Vorhof (linkes Herzohr),
tica bis zur Herzspitze.
왔 linker Ventrikel.
1.2.3
Computertomographie
und Magnetresonanztomographie
1.2.4
Echokardiographie
Abb. 1.25 a. Normalanatomie des Herzens in transversaler pe, MK Mitralklappe, TK Trikuspidalklappe, A Aorta, P Pulmo-
(a), frontaler (b) und sagittaler (c) Schichtführung. LV linker nalarterie, Inf Infundibulum (rechtsventrikulärer Ausfluss-
Ventrikel, RV rechter Ventrikel, LA linker Vorhof (Atrium), RA trakt), VCS V. cava superior, VCI V. cava inferior
rechter Vorhof (Atrium), AK Aortenklappe, PK Pulmonalklap-
56 Kapitel 1 Herz
Abb. 1.25 b. . Normalanatomie des Herzens in transversaler pe, MK Mitralklappe, TK Trikuspidalklappe, A Aorta, P Pulmo-
(a), frontaler (b) und sagittaler (c) Schichtführung. LV linker nalarterie, Inf Infundibulum (rechtsventrikulärer Ausfluss
Ventrikel, RV rechter Ventrikel, LA linker Vorhof (Atrium), RA trakt), VCS V. cava superior, VCI V. cava inferior
rechter Vorhof (Atrium), AK Aortenklappe, PK Pulmonalklap-
1.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten 57
Abb. 1.25 c. . Normalanatomie des Herzens in transversaler pe, MK Mitralklappe, TK Trikuspidalklappe, A Aorta, P Pulmo-
(a), frontaler (b) und sagittaler (c) Schichtführung. LV linker nalarterie, Inf Infundibulum (rechtsventrikulärer Ausfluss-
Ventrikel, RV rechter Ventrikel, LA linker Vorhof (Atrium), RA trakt), VCS V. cava superior, VCI V. cava inferior
rechter Vorhof (Atrium), AK Aortenklappe, PK Pulmonalklap-
58 Kapitel 1 Herz
Thoraxtransversaldurchmesser gesetzt, der vom In- kontur liegt >1/3 der Sternumrückfläche an)
nenrand der Rippen in Höhe des linken Zwerchfells
gemessen wird. Das Verhältnis von Herz- zu Thorax- Verkalkungen des Herzens entstehen durch entzünd-
transversaldurchmesser darf höchstens 1:2 betragen. liche, degenerative, postinfarzielle und arteriosklero-
Zu beachten ist hierbei jedoch auch die Herzkonfigu- tische Prozesse. Durch ihre Lokalisation und Konfi-
ration im Seitbild, da z. B. bei einem Sternum recur- guration unterscheidet man:
vatum eine Herzvergrößerung im p.-a.-Bild vorge-
∑ Verkalkungen des Anulus fibrosus der Mitral-
täuscht werden kann.
oder Aortenklappe,
Die Beurteilung der Herzgröße auf Liegendauf-
∑ Verkalkungen der Mitral- oder Aortenklappense-
nahmen ist aus mehreren Gründen erschwert: Die
gel,
Aufnahmen werden in Rückenlage angefertigt mit
∑ Koronarkalk,
somit größerem Objekt-(Herz-)Film-Abstand und
∑ Perikardverkalkungen (bei der Pericarditis con-
außerdem mit einem im Verhältnis zur Stehendauf-
strictiva),
nahme geringeren Film-Fokus-Abstand. Beides führt
∑ Herzwandverkalkungen (z. B. verkalktes Herz-
aufgrund der Abbildungsgeometrie zu einer Vergrö-
wandaneurysma).
ßerung des Herzschattens. Zusätzlich ist das Herz im
Liegen durch den höheren Zwerchfellstand bei gerin- Zur Herzdiagnostik im Summationsbild gehört
gerer Inspiration quergelagert, und der vermehrte auch die Analyse von Veränderungen der herznahen
venöse Rückstrom führt auch zu einer tatsächlichen Gefäße und der pulmonalen Gefäßzeichnung
Herzvergrößerung. Daher sind Stehend- und Lie-
gendaufnahmen nicht vergleichbar, die Beurteilung Veränderungen der herznahen Gefäße
der Herzgröße kann im Liegen nur im Verlauf erfol- und der pulmonalen Gefäßzeichnung
gen. ∑ Aorta ascendens:
In der Thoraxübersichtsaufnahme lässt sich nicht 왔 Dilatation
nur die globale Herzgröße beurteilen, sondern die – Aorta ascendens rechts randbildend mit rechts-
Vergrößerung einzelner Herzkammern führt auch konvexem Verlauf über den rechten Wirbelsäulenrand
zu charakteristischen Veränderungen der Herzsil- hinaus
houette: – Einengung des Retrosternalraums im Seitbild bei
anterokonvexem Verlauf
왔 Elongation
Abstand Aortenbogen-Klavikula <2 cm
∑ Truncus pulmonalis:
왔 Dilatation
– Prominentes Pulmonalsegment
1.3 Systematische Bildanalyse und Auswertung 59
der Analyse der Binnenraumparameter von linkem 왔 Bei der stabilen Angina pectoris be-
Definition
und rechtem Ventrikel, linkem und rechtem Vorhof steht eine in aller Regel eine stabile
erfolgt bei dieser Anlotung die Bestimmung der re- Plaquemorphologie mit einem hohen Anteil an fibrö-
gionären systolischen linksventrikulären Funktion. sen und kalzifizierenden Plaquestrukturen. Die in-
In einem weiteren Untersuchungsabschnitt erfolgt stabile Angina pectoris wird durch eine so genannte
die Farbdopplerechokardiographie mit Untersu- instabile Plaquemorphologie verursacht. Hierbei
chung aller Klappen und mit der Bestimmung des kommt es zur Ruptur der so genannten „fibrous cap“.
Mitraleinflussprofiles. Diese häufig sehr dünne Membran bedeckt cholest-
erinhaltige Plaquestrukturen.
und Größe des Infarkts können Infarktkomplikatio- die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer KHK
nen wie kardiogener Schock, Perikarditis, Papillar- bereits eingeschätzt werden (Tabelle 1.15).
muskelsyndrom, Ventrikelseptumdefekt, Ventrikel- Eine zusätzliche Diagnostik ist nach den Vorschlä-
ruptur, Myokardinfarkt mit Rechtsherzbeteiligung gen der Autoren der nationalen Versorgungsleitlinie
und die Entwicklung eines linksventrikulären Aneu- nicht erforderlich, wenn die Vortestwahrscheinlich-
rysmas auftreten. keit <10% ist.
Wenn die Vortestwahrscheinlichkeit >90% beträgt,
Differenzialdiagnosen ist eine weitere nichtinvasive Diagnostik nicht erfor-
Beim Thoraxschmerz, dem typischen Leitsymptom derlich, da durch die nichtinvasive Diagnostik keine
der KHK, müssen eine Reihe von Differenzialdiagno- weitere Steigerung der Vortestwahrscheinlichkeit er-
sen berücksichtigt werden. reicht werden kann. Das Krankheitsbild muss invasiv
Neben kardialen Differenzialdiagnosen wie Peri- durch die Koronarangiographie abgeklärt werden. So
myokarditis, Aortendissektion, Aortenklappensteno- hat z. B. ein 70-jähriger Mann mit typischer Angina
se und hypertroph-obstruktiver Kardiomyopathie pectoris und Risikofaktoren eine Vortestwahrschein-
müssen auch extrakardiale Erkrankungen differenzi- lichkeit von 94%. In dieser Situation bringen weitere
aldiagnostisch berücksichtigt werden. Häufig sind nichtinvasive Tests keine zusätzliche Information und
Nerven- und Skeletterkrankungen mit ursächlich für nur die invasive Abklärung ist sinnvoll.
den Thoraxschmerz. Insbesondere Hals- und Brust- Es bleibt die Gruppe mit einer mittleren Vortest-
wirbelsäulenveränderungen müssen berücksichtigt wahrscheinlichkeit zwischen 10 und 90%. Für diese
werden. Auch pulmonale Erkrankungen wie eine Gruppe wird als nächster Diagnostikschritt eine Er-
Lungenembolie, eine Pleuritis, ein Pneumothorax, ei- gometrie empfohlen. Bei geeigneten Patienten kann
ne Pleuropneumonie oder selten Mediastinaltumo- (vgl. Tabelle 1.15) kann mit Hilfe des Belastungs-
ren können thorakale Beschwerden auslösen. EKGs unter kontrollierten Bedingungen überprüft
Häufig sind gastrointestinale Erkrankungen diffe- werden, ob eine typische Angina-pectoris-Sympto-
renzialdiagnostisch zu berücksichtigen. Insbesondere matik auftritt. Des Weiteren können EKG-Verände-
die Refluxösophagitis ist eine wesentliche Differenzi- rungen während der Belastung einen Hinweis für ei-
aldiagnose, bei der auch häufig über ein retrosternales ne Myokardischämie ergeben. Treten bei einer Belas-
Brennen geklagt wird. Weitere Ösophaguserkrankun- tungsuntersuchung keine Angina pectoris und keine
gen sowie Erkrankungen des ösophagogastralen wesentliche Luftnot auf und liegen keine EKG-Verän-
Übergangs, Ulkuserkrankungen, Erkrankungen der derungen im Belastungs-EKG vor, ist die Prognose
Gallenblase und des Gallengangssystems sowie Pan- gut, und es muss keine weitere Abklärung erfolgen.
kreatitiden müssen differenzialdiagnostisch berück- Kommt es während des Belastungs-EKGs zum Auf-
sichtigt werden. treten von Angina-pectoris-Beschwerden, die nicht
über eine hypertensive Entgleisung erklärbar sind,
1.4.1.1 und kommt es zusätzlich zu klaren ischämiebedingten
Primärdiagnostik der koronaren Herzerkrankung ST-Strecken-Veränderungen, besteht die Indikation
(chronische KHK) zur weiteren invasiven Abklärung mittels Koronaran-
Der erste Schritt der Diagnostik bei Verdacht auf ei- giographie. Es muss aber kritisch berücksichtigt wer-
ne KHK ist die Bestimmung der Vortestwahrschein- den, dass in der Gruppe mit mittlerer Vortestwahr-
lichkeit. In Abhängigkeit von der Art der Symptoma- scheinlichkeit für eine KHK die Sensitivität des Belas-
tik (typische Angina pectoris vs. atypische Angina tungs-EKGs nur bei 45–68% und die Spezifität nur bei
pectoris), Geschlecht, Alter und Risikofaktoren kann 77–85% (AHA/ACC Guidelines Update 2002) liegen.
Tabelle 1.15. Vortestwahrscheinlichkeit in Prozent. (Mod. nach nationaler Versorgungsleitlinie chronische KHK, 2006)
Die erste Zahl steht für das Risiko für Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren, die zweite Zahl für Hochrisikopatienten
mit Diabetes, Hyperlipoproteinämie und Nikotinabusus.
62 Kapitel 1 Herz
Darüber hinaus sind eine Reihe von Bedingungen (Vasodilatatorreserve) gesteigert werden. Dies ist die
zu beachten, bei denen ein Belastungs-EKG nicht Antwort der myokardialen Mikrovaskulatur auf ei-
durchgeführt werden kann oder bei denen das Er- nen erhöhten Sauerstoffbedarf bei Belastung. Liegt
gebnis der Belastungs-EKG-Untersuchung keine ab- eine Stenose in einem Segment des epikardialen
schließende Einschätzung zum myokardialen Ischä- Herzkranzgefäßsystems vor, hat das abhängig ver-
miestatus zulässt (Tabelle 1.16). sorgte Myokardareal eine eingeschränkte Vasodilata-
Für die Fälle, bei denen ein Belastungs-EKG nicht torreserve. Der zugrunde liegende pathophysiologi-
möglich ist oder bei denen das Ergebnis des Belas- sche Mechanismus bedingt bereits in Ruhe eine In-
tungs-EKGs nicht eindeutig ist, werden weitere nicht- anspruchnahme der Vasodilatatorreserve, um eine
invasive Verfahren für den Nachweis einer Myokardi- adäquate Durchblutung des Myokardareals zu errei-
schämie erforderlich. chen. Eine zusätzliche Steigerung der Durchblutung
Entsprechende methodische Ansätze sind die während der Adenosingabe ist dann nur einge-
Stressechokardiographie, bei der unter Belastung schränkt möglich.
(physikalisch oder medikamentös mittels Dobutamin Die Analyse der Myokardpersusion mittels MRT
und ggf. Atropin) analysiert wird, ob sich eine Wand- wird entweder visuell, d. h. qualitativ (Abb. 1.26 a, b),
bewegungsstörung entwickelt als Hinweis auf eine re- oder semiquantitativ durchgeführt. Für die semi-
gionäre Ischämie. Häufig ist die Stressechokardiogra- quantitative Analyse hat sich eine Berechnung der
phie durch eine eingeschränkte Bildqualität limitiert. Anstiegsgeschwindigkeit in Ruhe und unter Adeno-
Die Stress-MRT-Untersuchung arbeitet mit medi- sin (so genannte „Slope-Reserve“) durchgesetzt. Aus
kamentösem Stress (ebenfalls Dobutamin und unter Gründen der Praktikabilität wird an vielen Zentren
Umständen Atropin) und kann hierbei vergleichbar die visuelle Analyse mit guten Erfolgen eingesetzt,
mit der Stressechokardiographie nur mit wesentlich obwohl sich in einer Vergleichsstudie die semiquan-
besserer Bildqualität ischämiebedingte Hypokine- titative der rein visuellen Analyse mit Bestimmung
sien des linksventrikulären Myokards detektieren. der Slope-Reserve überlegen zeigt. Die Sensitivität
Hierzu gibt es Vergleichsstudien, bei denen die Über- und Spezifität für die semiquantitative Analyse liegt
legenheit hinsichtlich Sensitivität und Spezifität der bei einer mittleren Vortestwahrscheinlichkeit von
Stress-MRT-Untersuchung im Vergleich zur Stress- 51% für eine KHK bei etwa 88 bzw. 90% und bei der
echokardiographischen-Untersuchung insbesondere visuellen Analyse bei etwa 70 bzw. 78% (Nagel et al.
bei eingeschränkter Bildqualität nachgewiesen wer- 2003).
den konnte (Hundley et al. 1999; Nagel et al. 1999). Zur obligaten Abklärung gehört die Echokardio-
Die Myokardperfusion kann mit szintigraphi- graphie. Mit dieser Methode können regionäre Kon-
schen Methoden nachgewiesen werden. Bei einer ne- traktionsstörungen als Hinweis auf abgelaufene In-
gativen Myokardszintigraphie ist die Prognose des farkte oder eine chronische Ischämie festgestellt wer-
Patienten gut und das Auftreten eines koronaren Er- de. Auch wesentliche kardiale Differenzialdiagnosen
eignisses liegt <0,4%/Jahr (Groutars et al. 2000). können mit dieser Methode abgeklärt werden.
Eine Weiterentwicklung der Ischämiediagnostik Erhebliche Anstrengungen werden unternom-
hinsichtlich der Myokardperfusion stellt die Perfu- men, um mittels MRT-Technologie das Herzkranzge-
sionsanalyse mittels MRT dar, die bei fehlender Strah- fäßsystem nichtinvasiv darzustellen. Die MRT-Tech-
lenexposition eine bessere Ortsauflösung als die My- nologien sind erheblich weiter entwickelt worden
okardszintigraphie aufweist. Durch den Einsatz eines und haben Bedeutung erlangt bei der Diagnose von
Vasodilatators (Adenosin) wird die so genannte Va- Koronaranomalien. Die zuverlässige Darstellung der
sodilatatorreserve bestimmt. Beim Gesunden kann Herzkranzgefäße und die Bestimmung von Gefäß-
die myokardiale Durchblutung auf das etwa 3-Fache wandveränderungen sowie Stenosierungen im Herz-
1.4 Erkrankungen des Herzens 63
b
c
Abb. 1.26 a,b. Transmuraler umschriebener Perfusionsdefekt
(Pfeil) der Hinterwand in der First-pass-MR-Perfusion unter Abb. 1.27 a–c. CT-Koronarangiographie mit multiplanarer
Adenosin-Stress (b), der in Ruhe (a) nicht sichtbar ist Reformation (MRP, a) und Volume-Rendering-Technik
(VRT, b) in Korrelation zur invasiven Koronarangiographie
(c): hochgradige komplexe Stenose des proximalen R. inter-
ventricularis anterior bei einem gemischten, überwiegend
kranzgefäßsystem gelingen jedoch nicht. In einer nichtverkalktem Plaque (Pfeil)
2001 publizierten Studie (Kim et al. 2001) zeigte sich,
dass zwar relativ hohe Sensibilitäten und Spezifitäten
für das Erkennen einer koronaren Dreigefäßerkran- Die CT-Diagnostik hat mit dem Einsatz der neuen
kung bestehen, Ein- und Zweigefäßerkrankungen je- Mehrzeilengeräte eine wesentliche Verbesserung er-
doch nur unzureichend nachgewiesen werden konn- fahren. Die Indikation zur CT-Angiographie (CTA)
ten. Auch Studien mit Einsatz von intravasalem besteht bei Patienten, bei denen eine mittlere Vortest-
Kontrastmittel konnten noch keine ausreichende wahrscheinlichkeit vorliegt und bei denen durch an-
Zuverlässigkeit bei der Darstellung von Koronarer- dere nichtinvasive Verfahren kein eindeutiges Ergeb-
krankungen nachweisen. nis zu erzielen ist (Abb. 1.27 a–c). Es können, wie neu-
64 Kapitel 1 Herz
Tabelle 1.17. Koronares Risiko asymptomatischer Patienten in Abhängigkeit vom Ausmaß der Koronarkalzifizierungen
Tabelle 1.18. Abklärung Thoraxschmerz und Verdacht auf allen symptomatischen Patienten und bei Patienten
KHK – etablierte Diagnose und neue Verfahren mit Nachweis einer Myokardischämie erfolgt die in-
Etablierte Diagnostik vasive Koronarangiographie. Liegt eine stenosieren-
1. Anamnese de KHK vor, erfolgt in aller Regel die unmittelbare in-
2. Risikofaktorenanalyse terventionelle Therapie oder, wenn sich keine inter-
3. Untersuchungsbefund ventionelle Therapieoptionen ergeben, die koronare
4. EKG
5. Transthorakale Echokardiographie Bypass-Operation.
6. Konventionelle Belastungs-EKG-Untersuchung
7. Stressechokardiographie 1.4.1.2
8. Myokardszintigraphie Akutes Koronarsyndrom
9. Invasive Koronarangiographie
Das akute Koronarsyndrom umfasst die 3 Entitäten
Neue Verfahren
1. Dobutamin-Stress-Cine-MRT ∑ instabile Angina pectoris,
2. Adenosin-Stress-Perfusions-MRT ∑ den Nicht-ST-Hebungsinfarkt und
3. MR-Koronarangiographie
4. CT-Koronarangiographie ∑ den ST-Hebungsinfarkt.
5. CT-Koronarkalkmessung
Bei der instabilen Angina pectoris ist der Troponin-
spiegel negativ, beim Nicht-ST-Hebungsinfarkt und
beim ST-Hebungsinfarkt ist Troponin definitionsge-
ere Studien gezeigt haben, auch Wandveränderungen mäß als Ausdruck einer Myokardnekrose positiv. Es
und beginnend auch deren Zusammensetzung analy- muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Tropo-
siert werden. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass ninspiegel erst 2–4 Stunden nach Symptombeginn
die Ausschlussdiagnostik bei guter Bildqualität mit positiv wird, und insbesondere die Unterscheidung
einem negativen Vorhersagewert von nahezu 100% instabile Angina pectoris vs. Nicht-ST-Hebungsin-
zuverlässig möglich ist (Ropers et al. 2006 b; Schmer- farkt häufig erst dann möglich ist. Patienten mit po-
mund u. Erbel 2005). sitivem Troponin haben eine schlechtere Prognose
Mittels CT-Technik kann die Verkalkung der Wand als Patienten mit negativem Troponin, Patienten mit
des Koronararteriensystems sicher nachgewiesen einem akuten Koronasyndrom haben eine schlechte-
werden. Dies kann quantifiziert werden, und es wer- re Prognose als Patienten mit chronischer KHK. Eine
den hierzu validierte Scores eingesetzt (Tabelle 1.17). Übersicht der Abklärungsdiagnostik bei Verdacht auf
Bei einem symptomatischen Patienten mit klarer An- akutes Koronarsyndrom gibt Tabelle 1.19.
gina pectoris ist diese Untersuchungsmodalität nicht
indiziert. Wenn bei Patienten mit unklaren Thorax-
schmerzen die Herzkranzgefäße keine Verkalkungen
Merke ! Bei nachgewiesenem akuten Koronar-
syndroms oder dringendem Verdacht
aufweisen, kann eine stabile Koronarläsion mit ei- auf akutes Koronarsyndrom müssen wegen der kriti-
nem negativen Vorhersagewert von >90% ausge- schen prognostischen Implikationen die sofortige
schlossen werden kann. Dennoch muss diese Unter- Monitorüberwachung und eine sehr zeitnahe invasi-
suchung immer im Kontext mit den oben genannten ve Abklärung mittels Koronarangiographie durchge-
übrigen Diagnostikverfahren gesehen werden. Insbe- führt werden.
sondere bei instabilen Koronarläsionen kann eine
Verkalkung fehlen. Die Echokardiographie hat im Rahmen der Diagnos-
Eine Übersicht über die Diagnostik bei Thorax- tik eines akuten Koronarsyndroms einen wesentli-
schmerz und Verdacht auf KHK gibt Tabelle 1.18. Bei chen Stellenwert. Es kann festgestellt werden, ob be-
1.4 Erkrankungen des Herzens 65
b c
d e
Abb. 1.28. Lange Herzachse (a,d,e), linksventrikulärer Zwei- apikalen Hinterwand und mit nichttransmuraler angrenzen-
kammerblick (b) und Kurzachenschnitt (c) bei Zustand nach der Infarzierung der apikalen Anterseptalwand (a–c). Akinesie
Myokardinfarkt. Transmuraler Infarkt der Herzspitze und der der Herzspitze in der Cine-MRT (d Diastole, e Systole)
Die Arbeitsgruppe von Kim und Judd (Kim et al. muralität des Infarkts eintritt (Abb. 1.29 a–e). Diese
2000; Kwong et al. 2003) konnte mittels der „Late-en- sehr robuste Methode hat rasch klinische Bedeutung
hancement-Technik“ zeigen, dass eine Besserung der erreicht, und die PET-Diagnostik ist häufig nicht
Kontraktilität nach interventioneller oder operativer mehr erforderlich.
Therapie in Abhängigkeit vom Ausmaß der Trans-
1.4 Erkrankungen des Herzens 67
a b c
a b c
Abb. 1.30 a–c. Rekonstruktionen einer KM-verstärkten MR- ren Venengrafts zum R. circumflexus (ACVB-RCX). c Langstre-
angiographischen Darstellung von Bypass-Gefäßen. a A.- ckiger Verlauf des A.-mammaria-interna-Grafts zum R. inter-
mammaria-interna-Graft zum R. interventricularis anterior ventricularis anterior (LIMA-RIVA). (LV linker Ventrikel, RV
(LIMA-RIVA) und aortokoronarer Venengraft zum R. circum- rechter Ventrikel)
flexus (ACVB-RCX). b Aortale Anastomose des aortokorona-
68 Kapitel 1 Herz
a b
Abb. 1.31 a–c. Flussmessung im A.-mammaria-interna-Graft na-Graft zum R. interventricularis anterior (LIMA-RIVA). Es
zum R. interventricularis anterior (LIMA-RIVA) mittels Pha- zeigt sich unter Adenosingabe eine deutliche Steigerung der
senkontrasttechnik. a Anatomisches Magnitudenbild mit or- mittleren Flussgeschwindigkeit (gestrichelte Kurve) im Ver-
thograd getroffenem Gefäßquerschnitt in anguliert transver- gleich zur Ruhemessung (durchgezogene Kurve). Die Flussre-
saler Schnittführung. b Korrespondierendes flusskodierendes serve beträgt 3,7 (Norm >1,5) und repräsentiert damit ein
Bild. c Mittlere Flussgeschwindigkeit im A.-mammaria-inter- kompetentes Bypass-Gefäß
1.4 Erkrankungen des Herzens 69
a b
Abb. 1.32 a, b. CT-Koronarangiographie in Volume-Rendering-Technik (VRT): Frei durchgängiger arterieller LIMA-Bypass auf
den R. interventricularis anterior mit unauffälliger distaler Anastomose und regelrechtem Abstrom
a b
Abb. 1.34. a,b. CT-Koronarangiographie mit multiplanarer Venengraft (ACVB) auf die rechte Koronararterie, ein durch-
Reformation (MRP, a) und Volume-Rendering-Technik (VRT, gängiger ACVB auf den ersten Marginalast, ein durchgängiger
b) in LAO-Projektion: Ein verschlossener aortokoronarer arterieller LIMA-Bypass
a b d
Abb. 1.35 a–d. CT-Koronarangiographie in Volume-Rendering-Technik (VRT, a,b) und mit multiplanarer Reformation (MRP,
c,d): frei durchgängiger Stent im proximalen R. interventricularis anterior
Mittels CTA kann ebenfalls die Offenheit von arte- sen der Bypass-Gefäße (Ropers et al. 2006 a). Auch
riellen und venösen koronaren Bypass-Gefäßen si- koronararterielle Stents können mit der CTA beur-
cher bestimmt werden (Abb. 1.32 a,b, Abb. 1.33, teilt werden, allerdings derzeit nur ab 3 mm Lumen-
Abb. 1.34 a, b). Mit den neuen CT-Systemen gelingt weite und bei geeignetem Stentmaterial (Abb. 1.35 a–
eine zunehmend sichere Erkennung auch von Steno- d, Abb. 1.36 a–d).
1.4 Erkrankungen des Herzens 71
a b c
1.4.2
Merke ! Die invasive Abklärung ist zur genau-
en Bestimmung der Koronarmorpho- Kardiomyopathie
logie und wegen der Möglichkeit der direkten inter-
ventionellen Therapie bei allen Patienten nach In- Die Formen der Kardiomyopathien sind
farkt indiziert.
∑ die hypertrophe Kardiomyopathie mit Obstruk-
tion (HOCM) und
Auch im Falle des Nachweises von Vitalität wird die
∑ ohne Obstruktion (HNCM),
weitere invasive Abklärung mittels Koronarangiogra-
∑ die dilatative Kardiomyopathie (DCM) und
phie bzw. eine interventionelle Therapie oder By-
∑ die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomy-
pass-Operation erforderlich. Sollten sich bei den
opathie (ARVCM).
nichtinvasiven Untersuchungen zur Bypass-Funk-
tion Hinweise auf eine Bypass-Dysfunktion ergeben,
besteht ebenfalls die Indikation zur weiteren invasi- 1.4.2.1
ven angiographischen Abklärung. Hypertrophe Kardiomyopathie
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Hypertrophe Kardiomyopathien haben eine Präva-
lenz von 0,2%. Sie zählen zu den häufigen Erbkrank-
heiten. Die Manifestation der hypertrophen Kardio-
myopathie ist facettenreich. Die Hypertrophie kann
regionär sein, aber auch diffus. Hämodynamisches
Kriterium des Vorliegens einer bedeutsamen hyper-
trophen Kardiomyopathie ist die eingeschränkte dia-
stolische linksventrikuläre Funktion.
72 Kapitel 1 Herz
a b c
Abb. 1.37 a–c. Nichtobstruktive, hypertrophe Kardiomyopa- teroseptalen Wandabschnitte (*). c In den KM-Spätaufnahmen
thie im Kurzachsenschnitt. Im Vergleich von enddiastolischem findet sich eine anteroseptal irregulär konfigurierte Myokard-
(a) zum endsystolischen Zeitpunkt (b) zeigt sich in der Cine- fibrose. (LV linker Ventrikel, RV rechter Ventrikel)
Darstellung eine deutliche Hypertrophie insbesondere der an-
Diagnostik
Anamnese und Untersuchungsbefund sind die
2 Grundsäulen, auf denen sich weitere Untersu-
chungsmodalitäten aufbauen. Der Röntgenthorax
zeigt die ausgeprägte Herzvergrößerung (Abb. 1.38).
Dem EKG kommt in dieser Situation eine wichtige
Bedeutung zu, um eine Mehrgefäßerkrankung mit
möglicherweise stattgehabten Infarkten abzugren-
zen, indem chronische Infarktzeichen ein- oder aus-
geschlossen werden können. Die transthorakale
Echokardiographie hat eine diagnostische Schlüssel-
funktion. Auch bei schlechten Schallbedingungen
kann in aller Regel eine Einschränkung der systoli-
schen linksventrikulären Funktion gut erfasst wer-
den. Die Diagnose der DCM ist eine Ausschlussdiag-
nose und beinhaltet als ersten Schritt den Ausschluss
einer hypertensiven Herzerkrankung oder einer
KHK als Ursache der linksventrikulären Funktions-
störung. Die beiden letztgenannten sind die häufig-
sten Ursachen einer linksventrikulären Funktions-
Abb. 1.38. Dilatative Kardiomyopathie p.-a. mit Vergrößerung störung.
beider Vorhöfe und Ventrikel
a b
1.4 Erkrankungen des Herzens 75
a b
c d
e f
Abb. 1.40 a–f. Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie intensität der rechtsventrikulären Herzspitze (Pfeil) sowohl in
(ARVD). Cine-MRT in der langen Herzachse mit Akinesie der der T1-gewichteten TSE-Sequenz (a,c,e) als auch in der IR-Se-
rechtsventrikulären Herzspitze (Pfeil) sowie je 3 aufeinander quenz nach KM-Gabe (spätes Enhancement, b,d,f) als Korrelat
folgende Schichten in der langen Herzachse mit heller Signal- einer fibrös-fettigen Dysplasie
1.4.3 Pathologisch-anatomische
Myokarditis und ätiologische Grundlagen
왔 Die Myokarditis ist definiert als ein Bei einer chronischen Myokarditis sind die histologi-
Definition
entzündlicher Prozess mit inflamma- schen Zeichen einer Nekrose nicht obligat, bestim-
torischem Infiltrat des Myokards. Ein Kennzeichen mend ist das histologische Bild einer Fibrose. Davon
der akuten Myokarditis ist das Auftreten von Nekro- wird weiter abgegrenzt das Bild einer so genannten
sen und Degenerationen im Myozytenverbund. inflammatorischen Kardiomyopathie.
76 Kapitel 1 Herz
Klinische Symptomatik
Die Myokarditis ist häufig gekennzeichnet durch eine
Infektanamnese und eine verzögerte Rekonvaleszenz.
Abb. 1.41. Kurze Achse bei akuter Myokarditis. Regionäres,
Das klinische Bild ist jedoch,auch in Abhängigkeit vom anteroseptales inflammatorisches Myokardödem (#) im Ver-
Ausmaß der begleitenden linksventrikulären Funk- gleich zum übrigen Myokard (*) bei viraler Myokarditis in der
tionsschädigung, sehr facettenreich. Häufig besteht T2-Wichtung (LV linker Ventrikel, RV rechter Ventrikel). (Mit
eine unterschiedlich stark eingeschränkte Leistungs- freundlicher Genehmigung von Prof. M. Thelen, Mainz)
a b c
d e f
Abb. 1.42 a–f. Kurze Achse bei akuter Myokarditis. Teils fleckförmiges (a,b), teils supepikardiales flächiges (c) spätes Enhance-
ment der Hinterwand mit korrespondierendem Ödemnachweis in der T2-Wichtung (d–f)
1.4 Erkrankungen des Herzens 77
b
a
c d
1.4.4
Perikarditis
1.4.4.1
Akute Perikarditis Abb. 1.44. Perikarditis. Umschriebener, nichtphysiologischer
Pathologisch-anatomische und ätiologische Grund- Perikarderguss im Bereich der Herzspitze (Pfeile) im Vierkam-
merblick (LA linker Vorhof, RA rechter Vorhof, LV linker Ven-
lagen trikel, RV rechter Ventrikel)
Ursache einer Perikarditis ist häufig eine virale Infek-
tion. Aber auch Begleitperikarditiden im Rahmen ei-
nes Postkardiotomiesyndroms oder als Pericarditis
epistenocardiaca nach Infarkt treten auf. 1.4.4.2
Pericarditis constrictiva
Klinische Symptomatik
Die Perikarditis hat häufig einen Thoraxschmerz als 왔 Die konstriktiven perikardialen Er-
Definition
Hauptsymptom. Im Gegensatz zur Angina pectoris krankungen weisen eine chronisch-fi-
ist dieser eher stechend und lage- und atemabhängig. bröse Verbreiterung des Epikards und Perikards auf.
Liegt eine zusätzliche effusive Komponente mit be- Gelegentlich geht diese Verbreiterung mit einer Kal-
deutsamem Perikarderguss vor, kommen die Symp- zifizierung einher.
tome Luftnot und Leistungseinschränkung hinzu.
Diagnostik Pathologisch-anatomische
Sehr häufig kann die Perikarditis im EKG-Bild bereits und ätiologische Grundlagen
vermutet werden. Wie bei der Myokarditis können Die Fibrosierung und Kalzifizierung bewirken eine
ST-Strecken-Veränderungen auftreten. Liegt ein be- Abnahme der Compliance des Perikards. Dadurch
deutsamer Perikarderguss vor, besteht eine so ge- kommt es zu einem Dehnbarkeitsverlust und zu einer
nannte Niedervoltage. nichtmyokardialen, restriktiven Ventrikelfunktions-
Zielführend ist die Echokardiographie. Sie kann ei- störung. Die diastolische Bewegung ist einge-
nen begleitenden Perikarderguss sicher detektieren. schränkt, und die Füllungsvolumina des rechten und
Auch eine mögliche Kompression des rechtsventri- linken Ventrikels sind reduziert. Konsekutiv kommt
kulären Binnenraums bei hämodynamisch bedeutsa- es zur Erhöhung der Drücke im rechten und im lin-
mem Perikarderguss kann die Echokardiographie si- ken Vorhof mit der Folge der Pulmonalvenenstauung
cher nachweisen („swinging heart“, paradoxe Sep- und der oberen und unteren Einflussstauung. Die
tumbewegung). Vorhöfe sind typischerweise beide dilatiert. Bei sehr
Die MRT kann kleine, insbesondere herzspitzen- fortgeschrittenen Formen des Krankheitsbildes kann
nahe Perikardergüsse im Vergleich zur Echokar- es bis hin zur Cirrhose cardiaque aufgrund der chro-
diographie sensitiver nachweisen (Abb. 1.44, Abb. nischen Leberstauung kommen.
1.45 a–f).
Klinische Symptomatik
Beim Untersuchungsbefund imponieren Halsvenen-
stauung und massive Beinödeme. Zusätzlich können
Zeichen der Linksherzinsuffizienz auftreten.
1.4 Erkrankungen des Herzens 79
a b
c
d
e f
Abb. 1.45 a–f. Perikarditis, lange und kurze Herzachse sowie linksventrikulärer Zweikammerblick. Perikardiales Enhancements
nach KM-Gabe (IR-Sequenz, a,c,e) sowie Perikarderguss, der sich in der T2-Wichtung (b,d,f) hell darstellt
80 Kapitel 1 Herz
1.4.5
Erworbene Herzklappenerkrankungen
Definition, pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die erworbenen Herzklappenfehler werden abge-
grenzt von den kongenitalen kardiovaskulären Ano-
malien.
Heutzutage ist die durch degenerative Umbaupro-
zesse bedingte Aortenklappenstenose der häufigste
erworbene Herzklappenfehler.
Die Aortenklappeninsuffizienz tritt als relative
Aortenklappeninsuffizienz auf, wenn es zu einer Ek-
tasie der Aorta ascendens kommt. Auch im Rahmen
von Endokarditiden ist eine Aortenklappeninsuffi-
zienz häufig.
Die rheumatisch bedingte Mitralklappenstenose
ist durch die frühzeitige Antibiotikabehandlung sel-
Abb. 1.46. Pericarditis constrictiva. Kurzachsendarstellung tener geworden.
einer zirkulären, rechtsventrikulär betonten Perikardver-
dickung bis zu 8 mm (Pfeile; LV linker Ventrikel, RV rechter Mitralinsuffizienzen können als Folge eines Mit-
Ventrikel) ralklappenprolapssyndroms oder als so genannte
ischämische Mitralklappeninsuffizienz nach Infarkt
oder durch Teilabriss des Mitralhalteapparats auftre-
Differenzialdiagnose ten. Auch im Rahmen einer Endokarditis kann sich
Die schwierige Differenzialdiagnose der Pericarditis durch Destruktion des Mitralklappenapparats eine
constrictiva ist die restriktive Ventrikelfunktionsstö- schwere Mitralinsuffizienz entwickeln.
rung auf dem Boden eines myokardialen Problems. Die erworbenen Herzklappenfehler der Pulmo-
Hierzu gehören neben der hypertensiven Herzer- nalklappe und der Trikuspidalklappe sind selten.
krankung hypertrophe Kardiomyopathien, aber auch Diese treten nur bei Infektionen im Rahmen von in-
seltene Erkrankungen, wie die Endokardfibrose. travenösem Drogenabusus oder bei Patienten mit in-
fizierten Schrittmachersystemen auf.
Diagnostik
Im EKG zeigt sich eine Niedervoltage, die Röntgen- Klinische Symptomatik
thoraxaufnahme kann in Projektion auf das Perikard In Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Vitium tre-
eine Verkalkung aufweisen. ten unterschiedliche Leitsymptome auf. Bei der be-
Die Echokardiographie zeigt das typische Bild der deutsamen Aortenklappenstenose beispielsweise
sehr großen Vorhöfe mit kleinem linken und rechten sind die Leitsymptome Dyspnoe, Angina pectoris
Ventrikel und einem veränderten Mitraleinstrom- und Synkopen. Bei den Mitralvitien bestehen häufig
profil. Echokardiographisch kann in einigen Fällen als erstes Symptom Dyspnoe und eine deutlich einge-
bereits ein verdicktes Perikard diagnostiziert wer- schränkte Belastbarkeit.
den. Liegt ein begleitender Perikarderguss vor, kann
dieser mittels Echokardiographie sicher diagnosti- Differenzialdiagnose
ziert werden. Insbesondere das Symptom Dyspnoe erfordert die
Mit der MRT gelingt in aller Regel eine sichere Ab- Berücksichtigung einer Reihe von extrakardialen
grenzung des Perikards und eine sichere Dickenbe- und kardialen Differenzialdiagnosen. Bei Vitien mit
stimmung. Diameter von >4 mm sind pathologisch linksventrikulärer Dilatation muss insbesondere
und beweisen eine Perikarderkrankung (Abb. 1.46). ausgeschlossen werden, ob die Hauptursache nicht
Die Perikarddickenbestimmung kann gleichermaßen doch eine hypertensive Herzerkrankung oder eine
mit der CT durchgeführt werden. Sowohl die MRT als KHK ist. Auch die Gewichtung einzelner Komponen-
auch die CT sind in der Lage, die Perikardstrukturen ten bei Vorliegen einer kardialen Problematik, die
sicher vom Myokard abzugrenzen. Dies ist im Echo- nicht auf eine Klappenerkrankung zurückzuführen
kardiogramm im Einzelfall schwierig. Mit der CT ist, aber von einer Klappenerkrankung begleitet
können wesentlich genauer als mit dem konventionel- wird, erfordert eine sehr intensive diagnostische Eva-
len Röntgenthorax Verkalkungen als Ursache einer luierung (z. B. KHK und ischämische Mitralklappe-
Pericarditis constrictiva sicher nachgewiesen werden. ninsuffizienz).
1.4 Erkrankungen des Herzens 81
a b
b
Konfiguration; Abb. 1.52 a, b). Erst bei einer Dekom-
pensation zeigen sich auch eine Vergrößerung des Abb. 1.51 a, b. Aortenstenose p.-a. und seitlich mit vergrößer-
linken Herzvorhofs und eine Lungenstauung. Die tem linken Ventrikel bei abgerundeter Herzspitze sowie elon-
gierter und sklerosierter Aorta
Aorta ascendens und descendens ist aufgrund des er-
höhten Schlagvolumens erweitert.
Bei der Mitralstenose ist der linke Herzvorhof ver-
größert mit verstrichener Herztaille, Ausbildung ei- können sich als Zeichen eines interstitiellen Ödems
nes Kernschattens und eingeengtem Retrokardial- auch Kerley-B-Linien ausbilden. Bei rezidivierenden
raum, der so genannten Mitralkonfiguration. Der lin- kleinen Lungenblutungen kann als Zeichen der Si-
ke Ventrikel und die Aorta ascendens sind aufgrund derose eine kleinfleckige interstitielle Zeichnungs-
der niedrigen Volumenbelastung dagegen schmal. vermehrung sichtbar sein.
Kommt es zu einer Erhöhung des Pulmonalarterien- Die Mitralklappeninsuffizienz führt aufgrund der
drucks, führt dies auch zu einer Vergrößerung des Volumenbelastung zu einer Vergrößerung des linken
rechten Herzventrikels und zu einer Dilatation des Herzventrikels und betont des linken Herzvorhofs.
Pulmonalsegments. Pulmonal zeigt sich eine ver- Erst in einem späten Stadium kommen eine pulmo-
mehrte Lungengefäßzeichnung mit Erweiterung vor nale Stauung und eine Rechtsherzvergrößerung hin-
allem der Oberlappengefäße. Im weiteren Verlauf zu. Die Aorta ist aufgrund des geringen linksventri-
84 Kapitel 1 Herz
kulären Auswurfvolumens schmal. Beide Vitien lie- Abb. 1.53 a, b. Kombiniertes Mitralvitium p.-a. und seitlich
gen öfter auch kombiniert vor (Abb. 1.53 a, b). mit Vergrößerung des linken Vorhofs (Vorbuckelung der Herz-
Die Pulmonalstenose führt zur Ausbildung eines taille durch das prominente Herzohr, Carina aufgespreizt,Vor-
prominenten Pulmonalsegments und einer Einen- hofkernschatten) sowie prominentem Pulmonalsegment und
Vergrößerung des rechten Ventrikels
gung des Retrosternalraums im Seitbild durch die
Elongation des rechtsventrikulären Ausflusstrakts
aufgrund der poststenotischen Dilatation des Trun-
cus pulmonalis. Bei einer hochgradigen Pulmonal- tende Dilatation des Pulmonalissegments. Eine Tri-
stenose zeigt sich eine verminderte Lungendurchblu- kuspidalklappeninsuffizienz führt zu einer noch aus-
tung. geprägteren Dilatation des rechten Herzvorhofs. Ins-
Bei der Trikuspidalklappenstenose zeigt sich eine gesamt zeigt sich eine verminderte Lungendurchblu-
Vergrößerung des rechten Herzvorhofs ohne beglei- tung.
1.4 Erkrankungen des Herzens 85
a b c d
Abb. 1.54 a–d. Ausgeprägtes Jetphänomen (Pfeil) im Truncus pulmonalis bei Pulmonalklappenstenose (Cine-MRT, a–d: Diasto-
le bis Systole)
a b
Abb. 1.55 a,b. Cine-MRT des aortalen Ausflusstrakts (a Diastole, b Systole) bei einem umschriebenen subvalvulären Aortenan-
eurysma (Pfeil) bei Aorteninsuffizienz mit nachweisbarem Jetphänomen (Pfeilkopf)
Die CT gibt Informationen über die Herzdilatation Operationsnotwendigkeit durch die Echokardiogra-
und -hypertrophie, wird jedoch im klinischen Alltag phie nicht eindeutig festgelegt werden kann. Eine
bei diesen Erkrankungen kaum eingesetzt. Mit der orientierende Einordnung des Schweregrads von
retrospektiv „gegateten“ Multischicht-CT können Stenosen und Insuffizienzen ist durch die Beurtei-
wie in der Echokardiographie die Klappenmorpho- lung der durch Turbulenzen entstehenden Signalaus-
logie, das Ausmaß der Verkalkungen und der Durch- löschung in der Cine-MRT möglich (Abb. 1.54 a–d,
messer des Klappenrings verlässlich bestimmt wer- Abb. 1.55 a, b). Allerdings ist diese Methode lediglich
den. Die Untersuchung mit Kontrastmittelgabe ist semiquantitativ und außerdem von technischen Pa-
hierbei überlegen. rametern wie Schichtebene und Echozeit abhängig
Bei den erworbenen Vitien kann die MRT ergän- (Kupfahl et al. 2004).
zende diagnostische Aussagen treffen, wenn die
86 Kapitel 1 Herz
a b
Abb. 1.56 a, b. Morphologische Darstellung und flussquantifi- gerichteten Insuffizienzjets (*) der Aortenklappe (LA linker Vor-
zierende Bestimmung der Aortenklappeninsuffizienz. a Cine- hof, LV linker Ventrikel). b Flusskurve der Flussmessung in Pha-
LVOT-Darstellung des exzentrisch gegen das vordere Mitralsegel senkontrasttechnik mit einer Regurgitationsfraktion von 54%
1. Systemvenen
Einmündung von V. cava superior und V. cava inferior
Persistierende linke obere Hohlvene?
2. Lungenvenen
Fehleinmündung?
3. Anatomische Zuordnung der Vorhöfe
Rechter Vorhof:
Dreieckige Form
Breite Verbindung zum Ventrikel
Meist Verbindung zur V. cava inferior
Linker Vorhof:
Schlauchform
Schmale Verbindung zum Ventrikel
4. Atrialer Situs
Situs solitus: normale rechtsseitige Position des anatomisch rechten Vorhofs und normale linksseitige Position
des anatomisch linken Vorhofs.
Leber, V. cava inferior und der kurze Hauptbronchus liegen rechts, die rechte Pulmonalarterie verläuft ventral
des rechten Hauptbronchus.
Magen, Milz und Aorta abdominalis liegen links, die linke Pulmonalarterie kreuzt den linken Hauptbronchus
Situs inversus: spiegelverkehrte Anordnung, meist kombiniert mit abdominellem Situs inversus
Situs ambiguus, ggf. mit rechtem oder linkem Isomerismus: Die Zuordnung des atrialen und/oder abdominellen Situs
ist unklar oder nicht möglich, Hauptbronchien und Pulmonalarterien sind symmetrisch ausgebildet. Es können
auch beide Äste nach einer Seite lateralisiert sein (linker bzw. rechter Isomerismus)
5. Vorhofseptum
Dicke
Defekt
6. Atrio-ventrikuläre Verbindung
Konkordant, diskonkordant, ambiguös
7. Anatomische Zuordnung der Ventrikel
Rechts:
Moderatorband
Grobe Trabekulierung (vor allem Septumoberfläche)
Muskuläres Infundibulum
Trikuspidalklappe inseriert näher zur Herzspitze als die Mitralklappe
Links:
Kräftige Papillarmuskeln
Feine Trabekulierung (vor allem Septumoberfläche)
Mitralklappe inseriert näher zur Herzspitze als die Trikuspidalklappe
8. Ventrikuloarterielle Verbindung
Aorta und Pulmonalarterie lassen sich aufgrund ihrer typischen Aufzweigungen differenzieren
9. Extrakardiale Shunts
Die Gruppe derer, bei denen im Kindesalter eine stellt. Kongenitale Anomalien, die eine intrakardiale
definitive Korrektur des angeborenen Herzfehlers Raumforderung vortäuschen können, werden unter
durchgeführt wurde, bleibt auch im Erwachsenenal- Abschn. 1.4.7.1, „Anatomische Varianten“, beschrie-
ter oft symptomlos und bedarf lediglich Kontrollun- ben.
tersuchungen.
Eine dritte Gruppe beinhaltet Patienten, bei denen Klinische Symptomatik
im Kindesalter eine Palliativoperation durchgeführt In Abhängigkeit von den oben aufgeführten unter-
wurde und die im Erwachsenenalter wegen der nicht schiedlichen Vitien kann diese sehr unterschiedlich
vollständigen Korrekturoperation weiterbestehende sein. Häufig sind auch bei diesen Patienten die Symp-
kardiologische Probleme haben. tome Dyspnoe und eingeschränkte Belastbarkeit
Eine detaillierte Beschreibung seltener Anomalien führend. Mit zu berücksichtigen ist, dass ein Teil die-
(Häufigkeit <1%) würde den Rahmen dieses Buches ser Krankheitsbilder zu einer Degeneration des Reiz-
überschreiten, hierfür sei auf weiterführende Lehr- leitungssystems führt. Die Folge sind tachykarde und
bücher verwiesen. Aus diesem Grund werden nur die bradykarde Herzrhythmusstörungen mit den Symp-
häufigeren kongenitalen Herzerkrankungen vorge- tomen Schwindel und Synkopen.
88 Kapitel 1 Herz
Diagnostik
Neben der sorgfältigen Anamnese und dem körperli- Symptomatik
chen Untersuchungsbefund gibt die konventionelle Die Symptomatik ähnelt dann, wenn die Stenosie-
Röntgendiagnostik über die Form der Herzsilhouet- rung hämodynamisch relevant ist, der erworbenen
te, den Verlauf der großen Gefäße und den Füllungs- Aortenklappenstenose mit Dyspnoe, Angina pectoris
zustand der Lungenstrombahn einen ersten Über- und Synkopen.
blick über die Formveränderung und die Hämodyna-
mik der kongenitalen Herzerkrankung. Dem EKG Differenzialdiagnose
kommt eine zentrale Stellung zu. Häufig ist jedoch, Erworbene Herzklappenfehler, KHK (u. a.).
insbesondere bei den sehr komplexen angeborenen
Vitien, die Echokardiographie sinnvoll mit der MRT Diagnostik
zu ergänzen. Diese erlaubt eine vollständige Analyse Mittels Auskultation und Echokardiographie kann
der kardialen Struktur in Zusammenhang mit den die Diagnose in aller Regel gestellt werden. Die MRT-
großen herznahen Gefäßen. Ist die Morphologie ei- Diagnostik kann insbesondere bei den subvalvulären
ner kongenitalen Herzerkrankung bei der Erstunter- und supravalvulären Aortenstenosen zusätzliche In-
suchung noch unklar, sollte die anatomische Beurtei- formation geben und die Abgrenzung gegenüber der
lung des Herzens und der herznahen großen Gefäße Aortenklappe erleichtern.
in der MRT anhand eines Schema erfolgen (Tabel-
le 1.21). In der MRT gelingt es insbesondere durch die Aortenisthmusstenose
morphologische Darstellung von Shunts und die Be- Die Häufigkeit der Aortenisthmusstenose liegt bei 5–
stimmung von deren hämodynamischer Bedeutsam- 8% aller kongenitalen Herz- und Gefäßmissbildun-
keit, ein Vitium – auch komplexer Natur – nahezu gen. Männliche Kinder sind 4-mal häufiger betroffen
vollständig zu evaluieren. als weibliche.
Eine Lücke der magnetresonanztomographischen
Diagnostik ist die Druckbestimmung im kleinen 왔 Es handelt sich um eine Verengung
Definition
Kreislauf. Diese kann mit der MRT bisher nicht zu- der Aorta descendens, distal des Ab-
verlässig durchgeführt werden. Hierzu ist eine Ein- gangs der A. subclavia sinistra.
schwemmkatheteruntersuchung mit Bestimmung
des pulmonalkapillaren Wedge-Drucks und des pul- Diese wird als so genannter Erwachsenentyp einer
monalarteriellen Drucks erforderlich. Dies hat häufig Aortenisthmusstenose bezeichnet. Die kindliche, so
Konsequenzen für die weitere Therapie, da operative genannte präduktale Aortenisthmusstenose ist im Er-
Schritte meist nur bei noch normalem pulmonalarte- wachsenenalter extrem selten und häufig mit einem
riellen Druck durchgeführt werden können. offenen Ductus arteriosus Botalli verbunden.
Pulmonalstenose
Es wird zwischen
∑ einer valvulären,
∑ einer subvalvulären infundibulären und
∑ einer supravalvulären Stenose
unterschieden. Die valvuläre Form ist die häufigste
Ursache der so genannten Obstruktion des rechts-
a ventrikulären Ausflusstrakts.
1.4.6.2
Shuntvitien
Vorhofseptumdefekt
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen:
Der Vorhofseptumdefekt (ASD) ist neben der bikus-
piden Aortenklappe das häufigste kongenitale Viti-
um im Erwachsenenalter. Es werden 3 Formen unter-
schieden.
Klinische Symptomatik
Hämodynamisch nicht bedeutsame Shuntvitien sind
häufig bis an das Lebensende asymptomatisch. In
Abhängigkeit von der Größe des Shunts kommt es
b
zur Volumenbelastung des rechten Ventrikels und zu
den Zeichen der rechtsventrikulären Belastung. Abb. 1.58. a Vorhofseptumdefekt (ASD) p.-a. mit erweitertem
Durch die Belastung der Lungenstrombahn kann Pulmonalsegment, vergrößertem linken Vorhof und Ventrikel
sich eine sekundäre pulmonale Hypertonie mit dem sowie erweiterten zentralen und peripheren Lungengefäßen in
Bild einer schweren Rechtsherzinsuffizienz und bei den Ober- und Unterfeldern. b Nach Verschluss des ASD sind
Herzgröße und Lungengefäßdilatation regredient
ausgeprägten Verlaufsformen einer Eisenmenger-Re-
aktion ausbilden. Symptomatisch im Vordergrund
stehen die Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz sowie
bei Vorliegen eines Eisenmenger-Syndroms die Zya- Diagnostik
nose. Nur in ausgeprägten Varianten ist die Klinik wegwei-
send. Das EKG weist bei einem ASD vom Secundum-
Differenzialdiagnose typ in 95% der Fälle einen inkompletten Rechts-
Andere Formen der Shuntvitien. Differenzialdiagno- schenkelblock auf. Diagnostisch entscheidend ist
se der Zyanose. neben der transthorakalen Echokardiographie bei be-
1.4 Erkrankungen des Herzens 91
a b
Diagnostik
Neben Anamnese und Auskultation kommt auch hier
der Echokardiographie eine wichtige Bedeutung zu.
Dennoch ist bei der Fallot-Tetralogie wie auch bei an-
deren komplexen kongenitalen Vitien die MRT häu-
fig die entscheidende diagnostische Modalität zur
Erfassung der komplexen Vitien. Bereits mit einer
zeitaufgelösten MRA können Shuntverbindungen
und Shuntrichtungen orientierend erfasst werden
(Mohrs et al. 2006).
Neben der genauen morphologischen Darstellung
kann mit den Shuntbestimmungen eine zusätzliche
Evaluierung des Vitiums erfolgen.
Die Herzkatheteruntersuchung ist ergänzend er-
forderlich, um den pulmonalarteriellen Druck zu be-
stimmen.
Kongenitale Transpositionen
a
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
kann bei diesen Patienten auch eine Reizleitungspro- monalis und Aorta ascendens. In dieser Situation ent-
blematik mit Entwicklung eines Syndroms des kran- springt die linke Kranzarterie aus dem rechten Sinus
ken Sinusknotens beobachtet werden. Valsalvae. Bei Patienten, die diese Koronaranomalie
Zu der Gruppe dieser Anomalien muss auch der aufweisen, ist beschrieben, dass eine erhöhte Inzi-
„double outlet right“ und „left ventricle“ gezählt wer- denz des plötzlichen Herztodes besteht. Man erklärt
den. Dies ist eine Gruppe sehr komplexer Anomalien, sich dies dadurch, dass es zu einer Kompression des
bei denen beide großen Gefäße vollständig oder ei- linken Hauptstamms kommt. In Einzelfällen besteht
nes der großen Gefäße und 50% des Diameters des die Indikation zur operativen Versetzung des LCA-
anderen aus einem Ventrikel entspringen. Ostiums.
Eine weitere klinisch relevante Koronaranomalie
Klinische Symptomatik ist das Bland-White-Garland-Syndrom. Hier liegt der
In Abhängigkeit von der vorliegenden Form der An- Ursprung der linken Kranzarterie im pulmonalarte-
omalie kommt es zu Symptomen der Rechtsherzin- riellen Gefäßsystem, in aller Regel aus der linken
suffizienz (z. B. pulmonale Hypertonie bei chroni- A. pulmonalis. Diese Patienten sind nur überlebens-
scher Druckbelastung des kleinen Kreislaufs bei fähig, wenn ein dominantes rechtes Kranzgefäß be-
„double outlet right ventricle“) oder auch zu Sympto- steht und eine sehr gute retrograde Kollateralisie-
men der Linksherzinsuffizienz (Transposition der rung des R.-interventricularis-anterior- und R.-cir-
großen Gefäße). Nicht selten steht auch eine Rhyth- cumflexus-Systems vorliegt. Patienten, die das Er-
musproblematik im Vordergrund, und es kommt zu wachsenenalter erreicht haben, haben aufgrund der
den Symptomen Palpitation, Herzrasen, Schwindel bestehenden chronischen Ischämie des linken Ven-
und Synkopen. trikels eine Vorderwandbewegungsstörung und fal-
len häufig klinisch durch ein pathologisches Belas-
Diagnostik tungs-EKG oder eine Vergrößerung des linken Ven-
Die exakte Anamnese und bei den operierten Er- trikels auf.
wachsenen die genaue Analyse der häufig palliativen
operativen Korrekturoperationen ist Grundlage der Symptomatik
weitergehenden Diagnostik. Die EKG-Diagnostik Dyspnoe, Angina pectoris.
wird zur Rhythmusanalyse verwandt und kann häu-
fig durch ausgeprägte Rechtsherzhypertrophiezei- Differenzialdiagnose
chen Hinweise auf das zugrunde liegende Krank- KHK.
heitsbild geben. Mit der Echokardiographie kann zu-
meist die Diagnose gestellt werden. Die MRT hat je- Diagnostik
doch, insbesondere um die Verbindung zu den Diese Anomalien fallen häufig während einer kon-
großen herznahen Gefäßen darzustellen, einen festen ventionellen Herzkatheteruntersuchungen auf. Die
Stellenwert in der Diagnostik dieser Anomalien meisten Koronaranomalien können im Rahmen der
(Abb. 1.61 a, b). Die häufigen Shuntverbindungen invasiven Koronaruntersuchung geklärt werden. In
können morphologisch mittels MRT dargestellt wer- Einzelfällen kann es schwierig sein, den Verlauf des
den und das Shuntvolumen kann durch MRT-Fluss- linken Hauptstamms zwischen Truncus pulmonalis
messungen quantifiziert werden. und Aorta ascendens sicher darzustellen. Dann ist die
ergänzende Diagnostik mittels MRT oder CT
1.4.6.4 (Abb. 1.62 a–d) zielführend (Post et al. 1995). Beim
Koronaranomalien Bland-White-Garland-Syndrom kann in Einzelfällen
Pathologisch-anatomische mittels MRT und CT eine ergänzende Diagnostik
und ätiologische Grundlagen durchgeführt werden. Dies ist insbesondere dann
Die Koronaranomalien sind in ihrer Mehrzahl kli- sinnvoll, um das Ostium im Bereich des pulmonalar-
nisch nicht relevant. Wichtig ist allerdings, insbeson- teriellen Systems für die Operationsplanung genauer
dere beim jungen Patienten, der Nachweis des Ver- darzustellen.
laufs des linken Hauptstamms zwischen Truncus pul-
1.4 Erkrankungen des Herzens 95
a b c
Lokalisation
Vorhof Ventrikel Herzklappen Perikard/Epikard
Myxom Rhabdomyom Papilläres Fibroelastom Lipom
Thrombus Mitbeteiligung: Sarkome Hämangiom
Sarkome Lymphangiom
Liposarkom
Lymphom
Mesotheliom
Wachstum
Intramural Intrakavitär breitbasig Intrakavitär gestielt
Rhabdomyom Lipom Myxom
Rhabdomyosarkom Paragangliom Papilläres Fibroelastom
Vorhofseptumlipom Sarkome
Fibrom
KM-Aufnahme
Keine Inhomogen Kräftig
Thrombus (oder randständig) Myxom Paragangliom
Lipom Fibrom
Zysten Sarkome
Rhabdomyom (wie Myokard)
Binnenstruktur
Homogen Nekrosen, Zysten, Einblutungen Verkalkungen
Lipom Myxom Myxom
Rhabdomyom Paragangliom Fibrom
Fibrom Sarkom Paragangliom
Osteosarkom
Alter
Neugeborene/Kinder Jugendliche/junge Erwachsene Erwachsene
Rhabdomyom Lipom Myxom
Fibrom Paragangliom Papilläres Fibroelastom
Hämangiom Angiosarkom
Lymphangiom
Rhabdomyosarkom
ren und bei extrakardialem Wachstum. Allerdings oder TSE-Technik ergibt nur ein einzelnes, diastoli-
kann eine Herzvergrößerung auch aufgrund einer sches Bild des Herzens. Hierfür werden die Signale
Herzinsuffizienz oder eines Perikardergusses entste- für die Bilderzeugung über den gesamten Herzzyklus
hen, ggf. mit Zeichen der Lungenstauung. Bei malig- gemittelt. Dies hat den Nachteil einer geringeren zeit-
nen Tumoren kann eine pulmonale Metastasierung lichen Auflösung, durch die bewegte Tumoren dem
nachweisbar sein. Die Primärdetektion einer kardia- Nachweis entgehen können. Eine Kontrastmittelgabe
len Raumforderung erfolgt in den meisten Fällen mit ist für die Detektion intrakavitärer, wandständiger
einer Schnittbilddiagnostik, hierbei ist die zeitliche oder klappenständiger Raumforderungen nicht not-
Auflösung der Methode entscheidend. wendig. Sie ist allerdings bei Verdacht auf eine intra-
Neben der transthorakalen Echokardiographie murale Raumforderung sinnvoll. Nach erfolgter De-
kommt der transösophagealen Echokardiographie ei- tektion einer Raumforderung dagegen sind die Kon-
ne wichtige Bedeutung zu. Häufig kann durch das trastmittelgabe sowie Einsatz von T1- und T2-ge-
Echomuster und die Lokalisation eine Verdachtsdi- wichteten und GRE-Sequenzen zur Differenzial-
agnose gestellt werden. diagnose von kardialen Raumforderungen obligat
Die CT kann heutzutage durch die hohe zeitliche (Semelka et al. 1992). Zudem kann in der T2-Wich-
Auflösung der Multischicht-CT ebenfalls zur Primär- tung auch ein peritumorales Ödem nachgewiesen
detektion auch kleiner Raumforderungen eingesetzt werden. Des Weiteren ermöglicht die Tagging-Tech-
werden. Bereits für die Detektion ist die Kontrastmit- nik die Unterscheidung einer fokalen Hypertrophie
telgabe obligat. Der Nachweis von Verkalkungen und von einer intrakardialen Raumforderung.
das Kontrastmittel-Enhancement geben differenzial- Beide Verfahren, MRT und CT, geben zusätzliche
diagnostische Hinweise. Information bezüglich der kardialen und parakardi-
In der MRT ist für die Primärdetektion kleiner alen Morphologie. Eine Zusammenfassung der Cha-
Raumforderungen der Einsatz einer Cine-Sequenz rakteristika kardialer Raumforderungen findet sich
mit hoher zeitlicher Auflösung notwendig. Die SE- in Tabelle 1.22
1.4 Erkrankungen des Herzens 97
1.4.7.1 1.4.7.2
Anatomische Varianten Nichttumoröse Raumforderungen
Für die Primärdetektion von Raumforderungen ist
die Kenntnis von normalen intrakardialen Struktu- Thromben
ren und Anomalien, die eine Raumforderung vortäu- Häufigste Lokalisationen von Thromben sind das
schen können, von großer Bedeutung (Tabelle 1.23). Herzohr des linken Vorhofs sowie der linke Ventrikel
Im rechten Vorhof können sowohl die Crista termi- bei meist post-ischämischen regionalen linksventri-
nalis als knotige Struktur an der Hinterwand als auch kulären Wandbewegungsstörungen. Zumeist sind die
das Chiari-Netzwerk, ein lineares Gebilde aufgrund Thromben homogen, sie können jedoch auch verkal-
des variablen Regressionsgrades des Chiari-Netz- ken und werden dann in der Thoraxübersichtsauf-
werks, zu finden sein. Im linken Vorhof hat das linke nahme sichtbar.
Herzohr häufig muskuläre wandständige Bänder, die Die CT zeigt Thromben zumeist als wandständi-
von Thromben unterschieden werden müssen. Eben- ge, hypodense Raumforderungen, ggf. mit Verkal-
falls mit einer Raumforderung verwechselt werden kungen. In der MRT sind die Thromben in der
können Aneurysmen des interatrialen Septums oder T1-Wichtung und im GRE hypointens und im T2-
des Sinus Valsalvae. Im rechten Ventrikel kann das gewichteten Bild gering hyperintens (Abb. 1.63).
hypertrophierte Moderatorband eine Raumforde- Kleinere, bewegte Thromben lassen sich nur in der
rung vortäuschen, im linken Ventrikel sind manch- Cine-MRT mit hoher zeitlicher Auflösung nach-
mal falsche Chordae tendineae mit Verlauf von End- weisen. Obwohl im Allgemeinen die fehlende Kon-
okard zu Endokard statt von Papillarmuskel zu Mit- trastmittelaufnahme eines Thrombus als differen-
ralklappe zu finden. zialdiagnostisches Kriterium zur Unterscheidung
Echokardiographisch können extrakardiale Befun- von einer tumorösen Raumforderung gilt, können
de wie Hiatushernie, Ösophaguskarzinom, broncho- im Rahmen der Organisation des Thrombus rand-
gene Zyste oder eine elongierte und dilatierte Aorta ständig Gefäße einsprossen und dadurch ein rand-
descendens eine intraatriale Raumforderung simu- ständiges Enhancement nach Kontrastmittelgabe
lieren. Eine Differenzierung ist mit CT und MRT ein- verursachen. Diese Thrombusorganisation kann
fach möglich. Auch kongenitale Anomalien können auch zu einem Verlust des Wassergehalts und damit
bei der Primärdiagnose eine Raumforderung vortäu- der Signalhyperintensität im T2-Bild, zu Bildung
schen. Eine seltene Anomalie ist der unterteilte linke paramagnetischer Eisenkomplexe mit konsekutiven
Vorhof. In den meisten Fällen führt diese Anomalie Suszeptibilitätsartefakten und zu Verkalkungen füh-
in den ersten Lebensjahren zu einer Obstruktion des ren.
pulmonalvenösen Rückflusses. In wenigen Fällen
bleibt das interatriale Septum jedoch asymptoma-
tisch und kann als Zufallsbefund mit einem intraatri-
alen Tumor verwechselt werden.
Rechter Vorhof:
Crista terminalis
Chiari-Netzwerk
Rechter Ventrikel:
Moderatorband
Linker Vorhof:
Muskuläre wandständige Bänder
Aneurysma des Septum interatriale
Intraatriales Septum
Linker Ventrikel:
Falsche Chordae tendineae
Rhabdomyom
Rhabdomyome sind die häufigsten Herztumoren bei
Neugeborenen. In allen bildgebenden Verfahren kön-
nen multiple kleine Rhabdomyome nur als diffuse
Abb. 1.64. Myxom in linken Vorhof (*, lange Herzachse)
Wandverdickung nachweisbar sein. In der CT sind
die Rhabdomyome isodens zum Myokard und lassen
sich daher nur bei Vorwölbungen der Kontur der
den. In GRE-Sequenzen stellt sich ein Myxom deut- Ventrikelmuskulatur nachweisen. In der MRT sind
lich hypointens dar, möglicherweise aufgrund von die Rhabdomyome im T1-gewichteten Bild isointens
Suszeptibilitätsartefakten wegen des hohen Eisenge- zur Muskulatur. Im T2-gewichteten Bild zeigen sie je-
halts oder bedingt durch Mikrokalzifikationen. doch eine etwas höhere Signalintensität. Die Kon-
trastmittelaufnahme entspricht dem Myokard. Insge-
Lipom samt können mit der MRT nachweisbare Rhabdomy-
Lipome sind glattbegrenzte homogene Raumforde- ome in der Echokardiographie nicht darstellbar sein
rungen, die meist breitbasig vom Epikard ausgehen und umgekehrt, weshalb beide Untersuchungen als
und sich im Epi-/Perikardzwischenraum ausbreiten. komplementär zu betrachten sind.
Ursprung kann aber auch das Endokard sein, hier
auch das interatriale Septum, mit einem intrakavitä- Fibrom
ren Wachstum. Selten sind Septierungen nachweis- Fibrome sind solitäre intramurale Tumoren, die fast
bar. Im Unterschied zur lipomatösen Hypertrophie ausschließlich in der Ventrikelmuskulatur entstehen,
des interatrialen Septums handelt es sich jedoch um zumeist im Septum oder in der freien linksventrikulä-
eine umschriebene echte Neoplasie des Fettgewebes. ren Wand. Im Gegensatz zu anderen Tumoren sind Fi-
Die Thoraxübersichtsaufnahme kann bei kardia- brome meist homogen ohne Zonen mit Nekrosen,Ein-
len Lipomen eine Herzvergrößerung zeigen. In der blutungen oder Zysten, allerdings finden sich häufig
CT sind die Lipome homogen hypodens mit negati- Verkalkungen. Üblicherweise sind die Tumoren sehr
ven Dichtewerten, sie können jedoch auch feine Sep- groß mit einem mittleren Durchmesser von 5 cm.
tierungen aufweisen. Es zeigt sich eine intrakavitäre Der häufigste Befund bei Patienten mit kardialen
oder subperikardiale Lage. In der MRT sind die Lipo- Fibromen in der Thoraxübersichtsaufnahme ist eine
me sowohl im T1- als auch im T2-gewichteten Bild Herzvergrößerung, ggf. mit Vorwölbung der Herz-
hyperintens ohne Kontrastmittelaufnahme. Durch kontur. In 25% der Fälle sind Verkalkungen nach-
Sequenzen mit Fettunterdrückung lässt sich durch weisbar (Grebenc et al. 2000). In der CT zeigen sich
die Signalminderung das Fettgewebe sicher nachwei- Fibrome als eine homogene, weichteildichte Raum-
sen. forderung mit entweder scharfer oder infiltrativer
Begrenzung, ggf. mit kleinen Verkalkungen. In der
Papilläres Fibroelastom MRT sind die Fibrome im T1-gewichteten Bild isoin-
Papilläre Fibroelastome sind gestielte Tumoren mit tens oder gering hyperintens zur Muskulatur, im T2-
dem Aussehen einer Seeanemone. Über 90% gehen gewichteten Bild eher hypointens vergleichbar mit
von den Herzklappen aus. Damit ist dies der häufig- fibrotischem Gewebe anderer Lokalisation. Nach
ste Tumor der Herzklappen. Der Sitz im linken Her- Kontrastmittelgabe zeigt sich meist kein bis minima-
zen an der Aortenklappe (29%) und der Mitralklap- les Enhancement. Es sind allerdings auch Fälle mit
100 Kapitel 1 Herz
homogenem bzw. inhomogenem Enhancement be- Vorhofwand und das Perikard. Dies führt zu einem
schrieben worden. hämorrhagischen Perikarderguss, in dem auch ne-
Häufigste Differenzialdiagnose ist das Rhabdomy- krotische Tumoranteile vorhanden sein können. Kli-
om, wobei ein solitärer, ventrikulärer, kalzifizierter nisch entwickeln sich Zeichen der Rechtsherzinsuffi-
und ansonsten homogener Tumor mit hoher Sicher- zienz und der Einflussstauung.
heit ein Fibrom ist. Die konventionelle Thoraxübersichtsaufnahme
kann nur sekundäre Veränderungen wie Lungenme-
Hämangiom tastasen, Zeichen einer Herzinsuffizienz oder eine
Hämangiome sind inhomogene Raumforderungen Herzvergrößerung aufgrund eines Perikardergusses
zumeist im Epi-/Perikardzwischenraum. In der CT zeigen. Am häufigsten sind Angiosarkome, die zu-
sind Hämangiome heterogen mit kräftigem inhomo- meist umschriebene, jedoch irregulär oder nodulär
genen Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Auf- begrenzte und infiltrativ wachsende Raumforderun-
grund der Vaskularisierung und des Fettanteils stel- gen aufweisen. Typische Lokalisation ist der rechte
len sich die Hämangiome in der MRT im T1-gewich- Vorhof.
teten Bild gering und im T2-gewichteten Bild deut- In der CT zeigt sich eine unscharf begrenzte hypo-
lich hyperintens dar mit ebenfalls kräftiger, in– dense Raumforderung im rechten Vorhof mit zentra-
homogener Kontrastmittelaufnahme. len Einblutung und Nekrosen sowie einem begleiten-
den Perikarderguss.
Lymphangiom In der MRT sind gemischte Signalintensitäten in
Lymphangiome entstehen am häufigsten im Epi-/Pe- allen Sequenzen nachweisbar, wobei in T1-gewichte-
rikardzwischenraum. Berichte über die CT-Diagnos- ten Bildern die hyperintensen Anteile Einblutungen
tik von Lymphangiomen fehlen in der Literatur. Auf- entsprechen. In T2-gewichteten Sequenzen lässt sich
grund des spongiösen Aufbaus mit Fettanteilen im der Tumor besser vom Myokard differenzieren. In
Stroma und Lymphe in den Zwischenräumen stellen GRE-Sequenzen überwiegen die hypointensen Antei-
sich Lymphangiome in der MRT im T1- und T2-ge- le. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich ein inhomoge-
wichteten Bild hyperintens und zeigen ein kräftiges nes kräftiges Enhancement.
Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Rhabdomyosarkome sind die zweithäufigsten ma-
lignen Tumoren. Diese treten häufiger bei Neugebo-
Paragangliom renen und Kindern auf. Die Tumoren haben ein vari-
Paragangliome gehen meist von der Hinterwand ables Erscheinungsbild, das von homogen bis zys-
oder dem Dach des linken Vorhofs aus. Sie können al- tisch mit zentralen Nekrosen reicht, gelegentlich sind
lerdings auch am interatrialen Septum inserieren. auch Einblutungen sichtbar. Andere, seltenere Sar-
Die Tumoren sind relativ groß mit 3–8 cm Durch- kome sind das Osteosarkom, häufig mit Verkalkun-
messer und weisen häufig Nekrosen, selten auch Ver- gen, Leiomyosarkome, Fibrosarkome und Liposar-
kalkungen auf. Meist haben die Paragangliome eine kome. Letztere enthalten kaum oder nur wenig Fett
Kapsel, sie können jedoch auch infiltrativ wachsen. und sind mit gutartigen Lipomen kaum zu ver-
Aufgrund der Lage am Dach des linken Vorhofs wechseln. Eine exakte differenzialdiagnostische Ein-
zeigt die Thoraxübersichtsaufnahme häufig eine me- ordnung dieser Tumoren ist jedoch aufgrund des
diastinale Raumforderung mit Aufspreizung der Ca- heterogenen Erscheinungsbildes zumeist kaum mög-
rina, die eine Vorhofvergrößerung simuliert. In der lich.
CT stellen sich Paragangliome als umschriebene hy-
podense heterogene Raumforderungen mit zentralen 쐍 Andere primäre Herztumoren. Primäre Lymphome
Nekrosen dar, allerdings können auch unscharfe Be- entstehen am häufigsten im rechten Herzen, vor al-
grenzungen und Umgebungsinfiltrationen nachweis- lem im rechten Vorhof, können jedoch alle Herzkam-
bar sein. In der MRT sind die Paragangliome deutlich mern betreffen. Die Morphologie reicht von homo-
hyperintens im T2- und hypo- bis isointens im T1-ge- gen bis inhomogen. In der MRT sind Lymphome häu-
wichteten Bild mit kräftiger Kontrastmittelaufnah- fig hypointens im T1-gewichteten Bild und hyperin-
me. Das Enhancement ist jedoch häufig heterogen, tens im T2-gewichteten Bild mit variabler Kontrast-
ggf. unter Aussparung der zentralen Nekrosen. mittelaufnahme. Die Raumforderung kann aber auch
iso- bis hypodens zum Muskelgewebe sein.
1.4.7.4 Bösartige Neubildungen Das primäre perikardiale Mesotheliom kann das
Primäre Herztumoren Herz einmauern, infiltriert die Muskulatur jedoch im
Allgemeinen nicht. Im Gegensatz zu den pleuralen
쐍 Sarkome. Die häufigsten malignen Herztumoren Mesotheliomen ist die Entstehung nicht Asbest-asso-
sind Sarkome. Primärlokalisation sind zumeist die ziiert. Das Erscheinungsbild ist heterogen mit jedoch
Vorhöfe. Die Tumoren infiltrieren jedoch rasch die zumeist kräftiger Kontrastmittelaufnahme.
1.4 Erkrankungen des Herzens 101
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Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße 2
W. Kenn
Die Auswertung beruht auf der Bildanalyse der und mit EKG-Triggerung zu empfehlen, da EKG-ge-
axialen Schichten, multiplanare Sekundärrekon- triggerte Aufnahmen ohne Atemstillstand oft erheb-
struktionen (MPR), 3D-Oberflächenrekonstruktio- liche Artefakte zeigen. Die Schichtdicke sollte – in
nen (SSD), Maximum-Intensitäts-Projektionen Abhängigkeit vom Befund – 5–8 mm (evtl. darunter)
(MIP), 3D-Volume-Rendering (3D-VR-)Techniken nicht überschreiten.
oder virtuelle Angioskopie sind hilfreich bei der Dar- Als Schichtebene sind eine transversale und eine
stellung pathologischer Befunde. die Aorta in ihrem gesamten Verlauf darstellende, an-
Artefakte können durch Bewegung (Pulsation, At- guliert parasagittale Schichtorientierung obligat.
mung), die Wahl der Scan-Parameter, die Kontrast- Weitere Ebenen ergeben sich in Abhängigkeit vom
mittelinjektion oder durch die Bilddarstellung (MPR, pathologischen Befund. T1- und T2-gewichtete Se-
MIP usw.) verursacht werden. Pulsationsartefakte quenzen (mit „Dark-blood-Präparationsimpuls“) ge-
treten besonders im Bulbusbereich auf und können ben wichtige Informationen in der Differenzialdiag-
unter Umständen eine Dissektion vortäuschen. Pul- nose von Wandveränderungen (Aortitis, IMH, Plaque
sationsartefakte gehen oft über die Aortenkontur und/oder chronischer Abscheidethrombus, Aorten-
hinaus und sind klassischerweise bei 12/1 Uhr bzw. tumor). In diesem Zusammenhang ist die fehlende
6/7 Uhr lokalisiert. Sensitivtät der MRT für intimale Verkalkungen kein
diagnostischer Nachteil, da die Signalcharakteristik
Merke ! Die Methode der Wahl zur Vermei-
dung von Pulsationsartefakten ist die
der Läsionen hier direkt zur Diagnose führen kann.
Eine Kontrastmittelgabe ist sinnvoll für die Diffe-
Durchführung einer Spiral-CT mit EKG-Triggerung. renzialdiagnose Abgrenzung eines Aortenwandtu-
mors und/oder von entzündlich bedingten Wandver-
Mit Hilfe einer EKG-Triggerung sind auch der Bulbus dickung im Rahmen einer Aortitis. Einzelne Arbeits-
und die Koronararterien beurteilbar. gruppen beschreiben in diesem Kontext die Kon-
Hochkontrastartefakte (Schrittmacherkabel, Clips, trastmittelaufnahme der Aortenwand als Parameter
fehlende Abduktion der Arme, hohe Kontrastmittel- der Krankheitsaktivität (Choe et al. 1999).
konzentration in der V. brachiocephalica) können in- Flussmessungen als Phasenkontrastangiographie
timale Flaps vortäuschen. Aufhärtungsbedingte Ar- mit einer hohen Sensitivität auch für geringe Flüsse
tefakte sind streng linear, verlaufen über die Aorten- (beachte: niedrige Venc-Werte einstellen!) klären die
wand und sind nicht durchgängig auf allen Schichten Differenzialdiagnose einer komplett thrombosier-
zu sehen. Eine Bildbetrachtung in einem weiteren ten/teilthrombosierten Dissektion, das Signalver-
Fenster kann in vielen Fällen zur Klärung beitragen. halten die Differenzialdiagnose zum chronischen
Die CTA ist ein nichtinvasives, schnelles und ro- Abscheidethrombus. Im diesem Kontext ergibt
bustes Verfahren mit hoher Sensitivität und Spezifität sich möglicherweise ein weiterer Indikationsbereich
(95–100%) in der Abklärung aortaler Pathologien. für Flussmessungen als Verlaufsbeurteilung, da
Nachteile bestehen neben der Strahlenexposition vor diskutiert wird, ob spezifische Flussmuster (Reflux,
allem in der Verwendung eines potenziell allergenen Turbulenzen) im falschen Lumen zur aneurysmati-
und nephrotoxischen Kontrastmittels. schen Erweiterung prädisponieren (Strotzer et al.
2000).
Magnetresonanztomographie Die kontrastmittelverstärkte MRA kann als Bolus-
Die MRT hat als multiplanares Schnittbildverfahren getimete 3D-MRA oder als zeitaufgelöste 3D-MRA
die Möglichkeiten der angiographischen Darstellung durchgeführt werden. Vorteil der zeitaufgelösten
als kontrastmittelunterstützte MR-Angiographie MRA ist die dynamische Information (bessere „Ent-
(MRA), der Flussmessung sowie einer hochaufgelös- ry-“ und „Reentry-Detektion“ bei akuter Dissektion)
ten Darstellung der Morphologie. Sie ist daher, eine und das Fehlen eines Bolus-Timings, Nachteil die re-
gute bis optimale Bildqualität vorausgesetzt, die Me- duzierte Ortsauflösung. Vorteil der Bolus-getrigger-
thode der Wahl in der Abklärung der thorakalen Aor- ten 3D-Kontrastmittel-MRA ist die hohe Ortsauflö-
ta. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der instabile sung mit einem Angiographie-ähnlichem Bild der
und/oder nichtkooperative Patient kein geeigneter gesamten Aorta und deren Abgänge (maximales
Kandidat für eine suffiziente MRT-Diagnostik ist. „field of view“/FOV 450 mm). Dabei ist die Akquisi-
Von Geräteseite ist eine durchgängige diagnostische tion eines 3D-Blocks in Atemanhaltetechnik mit der
Bildqualität nur unter Hochfeldbedingungen mit geforderten Schichtdicke von 1,5–2 mm nur unter
Hochleistungsgradientensystemen zu erzielen. Eine Hochfeldbedingungen mit einem Hochleistungsgra-
suffiziente EKG-Triggerung ist für die Beurteilung dientensystem zu realisieren. Bezüglich der Wand-
des Bulbus sowie der bulbusnahen Aorta obligat. beurteilung ist die MRA der Bildgebung naturgemäß
Für die Darstellung der Morphologie sind Turbo- unterlegen (Tabelle 2.1).
Spin-Echo- (TSE-)Sequenzen in Atemanhaltetechnik
2.1 Aorta 107
Abb. 2.3. Rechtsseitiger Aortenbogen mit spiegelbildlicher Abb. 2.5. Linksseitiger Aortenbogen mit aberrierender rech-
Anordnung der supraaortalen Äste. (Mit freundlicher Geneh- ter A. subclavia. (Mit freundlicher Genehmigung, aus: Shuford
migung, aus: Shuford u. Sybers 1974) u. Sybers 1974)
Linksseitiger Aortenbogen
und rechts deszendierende Aorta
In dieser Kombination sind Gefäßringe häufig. Der
Abb. 2.4. Rechtsseitiger Aortenbogen mit retroösophageal linke Bogen kreuzt hinter den Ösophagus. In Kombi-
verlaufender linksseitiger A. subclavia und linksseitigem Duc-
tus bzw. Lig. Botalli. (Mit freundlicher Genehmigung, aus: Shu- nation mit einem offenen rechtsseitigen Ductus oder
ford u. Sybers 1974) einem Ursprung der linken A. subclavia aus dem
rechtsseitigen embryonalen Aortenbogen entsteht ei-
ne Gefäßschlinge. Diese Fälle sind als Teil des zervi-
ben worden (Shuford u. Sybers 1974). Die wichtigsten kalen Aortenbogenkomplexes häufig assoziiert mit
Formen sind: einer zervikalen Position des Aortenbogenapex.
1. Rechtsseitiger Aortenbogen mit spiegelbildlicher
Linksseitiger Aortenbogen
Anordnung der supraaortalen Äste (Abb. 2.3). Bei
mit aberrierender rechter A. subclavia
dieser häufigsten Form nimmt man an, dass der
Bei dieser in 0,5–1% der Patienten vorkommenden
embryonale linksseitige Aortenbogen distal des
Anomalie des Aortenbogens entspringt die rechte
Ductus arteriosus obliteriert. Somit entsteht als
A. subclavia distal des Abgangs der linken und ver-
erster Ast eine linksseitige A. brachiocephalica,
läuft in 80% der Fälle hinter, in 15% zwischen Öso-
bevor die A. carotis communis rechts und A. sub-
phagus und Trachea und in 5% ventral von Trachea
clavia dextra folgen. 98% der Patienten haben
oder Hauptbronchus schräg aufwärts zur rechten Sei-
gleichzeitig kongenitale zyanotische Herzfehler
te (Abb. 2.5). Dysphagie tritt selten auf. Meistens han-
(Fallot-Tetralogie, Truncus arteriosus, „double
delt es sich um einen Zufallsbefund. Assoziierte kon-
outlet“ rechter Ventrikel usw.).
genitale Vitien kommen in etwa 10% der Fälle vor.
110 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
Dabei kann als Rarität die aberrierende A.subclavia aus 5. Abgrenzbarkeit der Aortenschattens: unscharfe
einem Kommerell-Divertikel entspringen, einem em- aortale Konturen in Zusammenhang mit der Kli-
bryonalen Rest der rechtseitigen dorsalen Aortenanla- nik eines akuten thorakalen Schmerzereignisses
ge. Über lebensbedrohliche Blutungen aus einer durch (z. B. akute Dissektion, ein PAU und/oder gedeck-
eine Duodenalsonde bedingten Arrosion der A. lusoria te Aortenruptur, IMH usw.).
existieren Einzelfallberichte (Kuffer et al. 1992). 6. Weite der Aorta: in Abhängigkeit vom Alter bis
3 cm, Graubereich zwischen 3 und 5 cm im Sinne
Zervikaler Aortenbogen einer aneurysmatischen Erweiterung, Aneurysma
Der zervikale Aortenbogen ist eine seltene (weniger bei einem Durchmesser >5 cm (Operationsindi-
als 50 Fälle in der internationalen Literatur) Anoma- kation ab 5,5–6 cm).
lie unklarer Ätiologie, bei sich der Aortenbogen bis in Cave: Durchmesser oft nicht zuverlässig im Rönt-
die zervikalen Weichteile ausdehnt. Dabei werden genbild bestimmbar.
2 Formen unterschieden: Bei der ersten Form befin- 7. Form und Lage von Verkalkungen: Eine >1 cm be-
det sich der Zervix kontralateral zur Aorta descen- tragende Distanz zwischen einer Intimaverkal-
dens mit aberrierender A. subclavia, bei der zweiten kung und dem äußeren Aortenrand als Zeichen
Variante liegt eine ipsilateral deszendierende Aorta einer Dissektion (niedrige Spezifität mit 7%).
und eine spiegelbildliche Anordnung der supraaorta- Cave: Projektionsbedingt durch geschlängelte
len Äste vor (Kazuma et al. 1997). Dabei ist eine Asso- Aorta mit verkalkten, arteriosklerotischen Pla-
ziation mit einer Chromosomendeletion 22q11.2 ques.
(Catch 22) und schwerem Herzfehler (Fallot-Tetralo- 8. Verdichtung retrotracheal: als möglicher Hinweis
gie, Ventrikelseptumdefekt/VSD, Pulmonalatresie) auf eine aberrierende A. subclavia oder einer zir-
beschrieben worden. Die meisten Patienten sind je- kumflexen, transversal verlaufenden rechten Aor-
doch asymptomatisch, oder es werden Gefäßringe tenbogens bei links deszendierender Aorta.
mit konsekutiver Dyspnoe oder Dysphagie auffällig. 9. Sekundärphänomene: Pleura-, Perikarderguss,
Eine zusätzliche aneurysmatische Erweiterung findet Mediastinalverbreiterung, Trachealverlagerung.
sich in 20%. In nahezu allen Fällen ist klinisch eine
pulsierende zervikale Raumforderung tastbar. Computertomographie
1. Durchmesser der Aorta:
Es gilt, dass ab einem Durchmesser von 5,5–6 cm
2.1.3
– unter Berücksichtigung von Ätiologie und Zeit-
Systematische Bildanalyse
faktor – die Operationsindikation gegeben ist. In
Röntgenthorax
diesem Kontext geben Lokalisation und Form des
1. Position des Aortenknopfes: Aneurysmas entscheidende Hinweise auf die Ge-
Liegt er rechts oder links paratracheal? nese (s. Abschn. „Aneurysma“). Unabhängig da-
Liegt er rechtsseitig, so ist auf die Herzposition zu von ist auf die Mitbeteiligung des Bulbus und der
achten. Koronararterienabgänge zu achten (wichtig für
Besteht gleichzeitig eine Dextrokardie bei links- das operative Vorgehen: klappentragendes Kon-
seitiger Lage der Leber, so liegt ein Situs inversus duit mit Reinsertion der Koronarien vs. klappen-
totalis vor. erhaltendes Vorgehen ohne Reinsertion der Koro-
Liegt eine Lävokardie vor, so ist an eine der zahl- narien). Dabei ist die Miteinbeziehung der supra-
reichen Varianten zu denken, häufig assoziiert mit aortalen Äste zu berücksichtigen (unter Umstän-
einem schweren Herzfehler (s. oben). den Aszendens- und Bogenersatz) und dazu
2. Liegt ein doppelter Aortenbogen vor? Stellung zu nehmen, wann sich das aortale Lumen
Position und Lage der deszendierenden Aorta wieder normalisiert hat. Eine ganz andere Bedeu-
(rechts/links deszendierend). tung hat der aortale Durchmesser bei einem adä-
3. Höhe des Aortenknopfes: Liegt der Aortenbogen- quaten Dezelerationstrauma. Zeigt sich eine ab-
scheitel in der p.-a.-Aufnahme in Höhe des rupte Lumenzunahme (von einer Schicht zur
Schlüsselbeins oder darüber als Zeichen der Aor- nächsten), so ist dies Ausdruck einer Aortenrup-
tenelongation. Zervikale Lage beim so genannten tur (zusätzliche Sekundärphänomene sind in die-
zervikalen Aortenbogen. sem Fall Hämatom oder intraluminaler Flap).
4. Doppelkontur des Aortenknopfes bei akuter Dis- 2. Wandverdickung:
sektion. In diesem Zusammenhang ist die Anamnese des
Cave: Überlagerungseffekte von aszendierender Patienten entscheidend: Bei einem akuten thora-
und deszendierender Aorta. kalen Schmerzereignis ist an eine IMH zu denken.
2.1 Aorta 111
a b d
3. Membranstrukturen:
In diesem Zusammenhang ist zuverlässig zu klä-
ren, ob eine Dissektion vorliegt oder nicht. Be-
steht ein zweites, perfundiertes Lumen kontinu-
ierlich über mehrere Schichten, so ist die Diagno-
se eindeutig. Dabei sind als Differenzialdiagnosen
vor allem Artefakte abzugrenzen: Pulsationsarte-
fakte, Hochkontrastartefakte sowie kleine, sichel-
förmige periaortale Atelektasen oder die inferio-
re linke Pulmonalvene. Bei nachgewiesener Dis-
sektion ist auf die Abgänge der Aortenäste und
Zeichen der Minderperfusion zu achten. Ist zu-
sätzlich ein Hämatothorax oder ein Hämatom
nachweisbar, so ist dies Ausdruck einer bereits er-
folgten Ruptur (Operationsindikation auch beim
Typ-B-Aneurysma). Ein völlig andere Bedeutung
kommt dem Nachweis von Membranstrukturen
Abb. 2.9 Situs inversus mit rechts deszendierender Aorta bei einem schweren Dezelerationstrauma zu. Hier
sind sie Ausdruck einer Intima- und/oder Media-
leftze.
2.1 Aorta 113
Magnetresonanztomographie
Für die MRT gelten dieselben Bildbetrachtungskrite-
rien wie für die CT. Bezüglich der aortalen Wandver-
dickung ist neben der Lokalisation die intravenöse
Kontrastmittelgabe entscheidend. Sie ist im Falle
einer Aortitis überwiegend positiv, negativ bei einem
intramuralen Hämatom im Rahmen einer IMH oder
eines PAU sowie beim exzentrischen Plaque oder
beim chronischen Abscheidethrombus. Im Falle ei-
ner intramuralen Hämorrhagie kann das charakte-
ristische Signalverhalten der Blutung (hyperintens
im T1-gewichteten Bild bei Methämoglobinbildung)
differenzialdiagnostisch weiterhelfen. In der Abgren-
zung einer IMH von einem PAU ist auf den Nachweis a
eines Ulkuskraters bei PAU zu achten. Obwohl die
MRT der MRA in der Beurteilung der Aortenwand
überlegen ist, kann auch eine hochaufgelöste MRA
mit Schichtdicken von 1,5–2 mm den Nachweis eines
kleinen Aortenulkus erbringen.
Membranstrukturen sollten eindeutig von Pulsa-
tionsartefakten abgegrenzt werden: Dabei ist der
Nachweis in mindestens einer weiteren 2. Ebene zu
fordern. Differenzialdiagnostisch hilfreich ist in die-
sem Fall eine Veränderung der Präparationsrichtung.
Bekannte Ursache falsch-negativer Befunde ist die
fehlende Darstellung der Intima-Media-Membran in
der MIP. Eine Betrachtung aller Einzelbilder lässt die-
sen Pitfall vermeiden helfen. Vollständig thrombo-
sierte Anteile einer Aortendissektion lassen sich dif- b
ferenzialdiagnostisch von einem geringen Rest-Flow
im falschen Lumen mit ergänzender Phasenkontrast-
angiographie und/oder einer Tagging-Sequenz ein-
deutig abgrenzen.
a b c
d e f
2.1.4
Krankheitsbilder
2.1.4.1
Aortenisthmusstenose (Coarctatio aortae)
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die Stenose wird durch eine Einbuchtung der latera-
len, ventralen und dorsalen Gefäßwand und einen in
das Lumen vorspringenden Mediawulst hervorgeru-
fen. Das stenotische Segment kann fokal (juxtadukta-
g i le Koarktation), diffus (hypoplastischer Isthmus)
oder in etwa 25% der Fälle komplett (Atresie) sein. In
Abb. 2.11 a–i. 60-jährige Patientin mit zunehmenden Schluck-
störungen. Die Breischluckuntersuchung zeigt eine Verlage-
der Regel entspringt die A. subclavia sinistra proxi-
rung des Ösophagus. Ursächlich ist ein großes, teilthrombo- mal der Stenose, kann aber auch mit in sie einbezo-
siertes Aneurysma mit aberrierender A. subclavia, aus dem gen sein. Etwa 80% der Isthmusstenosen liegen distal
Kommerell-Divertikel entspringend, einem embryonalen Rest der Mündung des Ductus arteriosus (Erwachsenen-
der rechtsseitigen dorsalen Aortenanlage
typ), 20% proximal (infantiler Typ) mit einem offe-
2.1 Aorta 115
nen Ductus in nahezu 100% der Fälle. Infolge der wegen der poststenotischen Turbulenzen einge-
Aortenisthmusstenose muss der linke Ventrikel ge- schränkt.
gen Widerstand auswerfen, was langfristig zu einer Die MRT hat die Angiographie weitgehend ersetzt
konzentrischen Hypertrophie führt. Zur Umgehung und ermöglicht eine exaktere Bestimmung des Ste-
der Stenose bildet sich ein Kollateralkreislauf aus Äs- nosegrades, der Kollateralverhältnisse sowie eine
ten der A. subclavia (A. thoracica interna, A. axillaris bessere Abschätzung des Druckgradienten als die
und A. vertrebralis) und der Aa. intercostales, spina- Echokardiographie. Das Ausmaß der Stenose wird
les und epigastricae. besonders auf Spin-Echo (SE-) oder TSE-Bildern, die
Kollateralverhältnisse mit einer kontrastmittelunter-
Klinische Symptomatik stützten 3D-MRA und die Druckverhältnisse mit Hil-
Die klinische Symptomatik und das Alter des Patien- fe einer Phasenkontrastangiographie deutlich (Ri-
ten zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation hän- quelme et al. 1999).Aus diesem Grund gilt die MRT in
gen stark von Ausmaß der assoziierten kardialen Fehl- der Primärdiagnostik und vor allem in der Verlaufs-
bildungen ab. Die bei der präduktalen (infantilen) beurteilung postoperativer Verhältnisse als Methode
Form häufig assoziierten Fehlbildungen (Koarktation der Wahl. Auch wenn die CTA vor allem in den Zeiten
als Teil des so genannten hypoplastischen Linksherz- der Multidetektorgeneration mit nahezu isotropen
syndroms, VSD, arteriovenöser Kanal) führen schon 2D-Rekonstruktionen eine Darstellung der Stenose
im Neugeborenen- und frühen Säuglingsalter zu ra- ermöglicht, ist sie aus strahlenhygienischen Ge-
scher kardialer Dekompensation,und diese Form wird sichtspunkten eher die Schnittbildmethode der zwei-
dementsprechend auch als kritische Aortenisthmus- ten Wahl, zumal die MRT hinsichtlich der Möglich-
stenose bezeichnet. Im Unterschied dazu kann die keit einer ergänzenden Flussmessung mit Abschät-
postduktale Form lange asymptomatisch bleiben. zung der Druckverhältnisse sowie der Darstellung
der Kollateralsituation überlegen ist.
Merke ! Nahezu alle Patienten zeigen eine Hy-
pertonie der oberen Körperhälfte mit Differenzialdiagnose, operative
einem deutlichen Druckgradienten zwischen Armen und interventionelle Aspekte
und Beinen. Dabei gilt eine Blutdruckdifferenz von Assoziierte Herzfehler mit kardialer Dekompensa-
20 mmHg und mehr als ein starker Prädiktor für das tion erfordern schon im frühen Säuglingsalter eine
Vorhandensein einer Aortenisthmusstenose. operative Korrektur. Ohne Operation sterben etwa
80–100% der Säuglinge im ersten Jahr. Dabei be-
Ein Systolikum (links parasternal und auf dem Rü- stimmt das Ausmaß der assoziierten Fehlbildungen
cken) war in einer Fallstudie von Pees et al. (1999) in die Prognose und Mortalität (z. T. bis 60%).
51 von 53 Fällen nachzuweisen. Bei isolierter Aortenisthmusstenose und kardialer
Dekompensation wie auch bei der Atresie ist die Ope-
Radiologische Symptomatik rationsindikation sofort gegeben, nachdem mit einer
In der Nativröntgendiagnostik erscheint die Konfigu- intravenösen Prostaglandin-Infusion (künstlich of-
ration des Herzens bei der isolierten, juxta- und post- fen gehaltener Ductus Botalli) in 80% der Fälle eine
duktalen Aortenisthmusstenose in den meisten Fäl- Stabilisierung der hämodynamischen Verhältnisse
len uncharakteristisch, die Herzgröße normal, bei äl- erreicht werden kann. Besteht keine kardiale Dekom-
teren Kindern etwas nach links ausladend. Gelegent- pensation, verzögert man den Zeitpunkt des operati-
lich kann in der p.-a.-Aufnahme eine prästenotische ven Eingriffs um 3–6 Monate, da vorher das Risiko ei-
Dilatation der Aorta ascendens auffällig sein. Häufi- ner Reststenose/Rezidivrate höher ist. Bei einer mil-
ger ist eine Einkerbung am linken oberen Mediasti- der Aortenisthmusstenose kann die Operation bis ins
nalrand als Lian-Zeichen zu finden. Diese Einker- frühe Vorschulalter verschoben werden, da dann das
bung stellt nicht die eigentliche Aortenisthmussteno- Operationsrisiko sehr gering ist (<1%) und eine dau-
se dar, sondern ist vielmehr durch die prästenotisch erhafte Beseitigung der Stenose garantiert werden
entspringende A. subclavia bedingt. Die früher viel kann und auch nicht mit dem Auftreten von Spät-
zitierten Rippenusuren als Zeichen einer über Jahre schäden zu rechnen ist. Insgesamt bewegt sich die
bestehenden Kollateralisierung sind heute seltener Operationsletalität bei isolierter Aortenisthmusste-
zu finden, da Diagnostik und Therapie schon im Vor- nose zwischen 2–6%. Die Paraplegierate lag in einem
schulalter stattfinden. großen Kollektiv mit 12.532 eingeschlossenen Koark-
Mit der zweidimensionalen Echokardiographie ge- tektomien von Brewer et al. (1972) bei 0,4%.
lingt über einen suprasternalen, subxiphoidalen oder
parasternalen Zugang der direkte Nachweis der Ste-
nosierung im Isthmusbereich, wobei sich die Schall- Merke ! Operationsverfahren der Wahl ist die
Resektion des krankhaft veränderten
bedingungen mit zunehmendem Alter verschlech- Isthmusgewebes und die End-zu-End-Anastomose
tern. Eine Abschätzung des Druckgradienten ist oft mit der geringsten Rezidivquote (<5%).
116 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
a b c
Abb. 2.12 a–c. 40-jähriger blinder Patient, der über eine Clau- MRA demonstriert eindrucksvoll die segmentale Agenesie der
dicatio-ähnliche Symptomatik klagt. Subclavian-steal-Symp- Aorta, die ausgedehnte Kollateralisierung über die A. thoracica
tomatik. Das Röntgenbild zeigt das Bild einer konzentrischen, interna, die Interkostalarterien sowie vor allem über eine dis-
linksventrikulären Hypertrophie, eine glatt begrenzte, konvexe tal des aplastischen Aortensegments abgehende A. subclavia
Vorwölbung oberhalb des Aortenknopfes (der dilatierten mit einer retrograden Flussrichtung (in der farbkodierten
A. subclavia entsprechend) sowie Rippenusuren (Pfeil). Die Duplexsonographie nachgewiesen)
a b
Abb. 2.13 a, b. Ähnlicher Fall einer erst im Erwachsenenalter Dilatation eines hypertrophierten, linksventrikulären Myo-
diagnostizierten Koarktation. 22-jährige Mutter (160 cm, kards. b Die MRA zeigt eine proximal entspringende, dilatier-
100 kg) von 2 Kindern, die seit ihrem 16. Lebensjahr an einem te A. subclavia sinistra sowie ausgedehnte Kollateralkreisläufe
Hypertonus leidet und unter einem Dreimedikamentenregime über die A. thoracica internae und die durch den hohen Fluss
normotom ist! Berichtet seit ihrer Kindheit von kalten Beinen korkenzieherähnlich deformierten Interkostalarterien
(RR untere Extremität 50 mmHg). a MRT-Bild: beginnende
2.1 Aorta 117
Die Rezidivwahrscheinlichkeit der „Subclavian-flap- Dabei spricht man in den ersten 14 Tagen nach
Technik“, bei der die A. subclavia am Abgang der Trauma von einer akuten, danach von einer chroni-
A. vertrebralis abgesetzt, der Isthmus längs eröffnet schen Aortenruptur.
und nach Resektion des intraluminalen Wulstes die
längs inzidierte Subklavia aufgenäht wird, ist deut- Pathologisch-anatomische
lich höher (5–15%). Eine Dakron-Interposition führt und ätiologische Grundlagen
in bis zu 27% der Fälle (Kontrollzeitraum 2–14 Jahre; Die akute Aortenruptur wurde 1557 erstmals von Ve-
Ala-Kulju et al. 1983) zur Aneurysmabildung. salius beschrieben, ehe Strassmann (1947) 72 autop-
Galt in den letzten Jahren die Ballondilatation tisch gesicherte Fälle beschrieb. Ursächlich ist ein
beim Auftreten einer Rest-/Rezidivstenose sowie von akutes Dezelerationstrauma (z. B. Auffahrunfall bei
milden Stenosen im Kindes- und Erwachsenenalter Verkehrsunfällen). Dabei wirken das Lig. arteriosum
als eine mögliche Therapieoption, so hat sie in neue- und die Interkostalarterien für die Aorta descendens
rer Zeit eine Erweiterung der Indikationsstellung als wie ein Anker, während das Herz mit Aorta ascen-
primäres Therapieverfahren für Säuglinge (>1 Mo- dens und Aortenbogen ungebremst nach vorne be-
nat) und Kleinkinder erfahren, begrenzt auf mäßige, schleunigt werden (so genannter Wasser-Hammer-
juxtaduktale Stenosen bei einem sonst normal entwi- Effekt). Dieser Mechanismus erklärt, warum 80–90%
ckeltem Aortenbogen (Patel et al. 2001). Diese Indika- der akuten Aortenrupturen im Isthmusbereich loka-
tionsstellung ist durchaus umstritten, so wird in ei- lisiert sind. In 5–9% liegt die Rupturstelle in der Aor-
ner vergleichenden Studie (Johnson et al. 1993) die ta ascendens, in 1–3% in Bereich der Pars diaphrag-
Rest-/Rezidivstenosenrate mit 57 vs. 14% deutlich matica. In immerhin 6–10% muss mit mehreren
höher angegeben. Rupturlokalisationen gerechnet werden. Dabei treten
enorme Kräfte auf, die einer intravasalen Druckerhö-
왔 Die Pseudokoarktation ist eine selte- hung auf 2500 mmHg entsprechen.
Definition
ne, angeborene Anomalie der thora- Nur 10% der Unfallopfer überleben dieses Trau-
kalen Aorta mit einer Elongation des Bogens und der ma. Betrifft die Ruptur alle Wandschichten ein-
proximalen Aorta descendens mit einem „kinking“ schließlich der umgebenden mediastinalen Pleura,
in Höhe des Lig. arteriosum. so kann sich die Blutung ungehindert ausbreiten, und
der Tod ist die Folge. Bleibt die mediastinale Pleura
Eine Pseudokoarktation entsteht bei einer Ver- intakt, so breiten sich großen Blutmengen nach ret-
schmelzungsstörung der 3. bis 7.Aortensegmente. Sie ropleural aus mit der Folge eines hämorrhagischen
bleibt in der Regel asymptomatisch, da sich daraus Schocks. Unter solchen Umständen kann Blut die
keine hämodynamisch wirksame Stenosierung ent- mediastinale Pleura penetrieren, und es entsteht ein
wickelt. Die Pseudokoarktation unterscheidet sich Pleuraerguss. Ist die sehr widerstandsfähige Adventi-
von der Koarktation durch das Fehlen einer Stenosie- tia intakt – dies ist in der Regel der Fall, wenn die
rung und durch den hochstehenden, elongierten Ruptur nicht die ganze Zirkumferenz betrifft –, so ist
Aortenbogen (Abb. 2.12 a–c, Abb. 2.13 a, b). das periaortale und mediastinale Hämatom unter
Umständen nicht sehr ausgedehnt.
2.1.4.2 Wird eine akute Aortenruptur nicht erkannt und
Traumatische Veränderungen sofort operiert, so sterben 30% innerhalb der ersten
6, 40–50% innerhalb von 24 Stunden und 90% inner-
Aortenruptur halb von 4 Monaten. Dabei kann sich an der Ruptur-
stelle ein Pseudoaneurysma ausbilden. Dies kann un-
왔 Die akute Aortenruptur ist die trau- ter Umständen jahre- und jahrzehntelang stabil blei-
Definition
matisch bedingte Zerreißung von Tei- ben und schließlich größer werden und rupturieren.
len oder sämtlichen aortalen Wandschichten. Nach
Parmley et al. (1958) werden Klinische Symptomatik
Patienten mit einer akuten Aortenruptur sind oft po-
∑ der intimale Typ mit Wandhämorrhagie ohne
lytraumatisiert. Begleitverletzungen wie Leber- und
oder mit intimalem Flap bis zur Lamina interna,
Milzruptur, schwere Schädel-/Hirnverletzungen sind
∑ der mediale Typ mit Einriss von Intima und Media
häufig. Oft steht der hämorrhagische Schock im Vor-
sowie
dergrund, wenngleich einige Patienten hämodyna-
∑ der adventitiale Typ mit Beteiligung aller Wand-
misch stabil sind. Bei solchen Patienten kann sich so-
schichten
gar eine hypertensive Blutdrucksituation der oberen
unterschieden. Extremität bei schlechten Pulsen der unteren Extre-
mität (akutes Koarktationssyndrom) entwickeln.
118 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
be obligat.
ist eine intravenöse Kontrastmittelga-
CAVE ! Auf eine vorsichtige Passage der mut-
maßlichen Rupturstelle bzw. des Pseu-
doaneurysmas mit Führungsdraht und Katheter ist
Eine vorher durchgeführte native Serie bietet keinen zu achten, da Einzelfallberichte eines letalen Aus-
belegten Vorteil. Dabei ist die CT in Spiraltechnik mit gangs bei direkter Kontrastmittelinjektion in das
dünnen Schichtdicken (3 mm) bei einem maximalen Pseudoaneurysma beschrieben sind (LaBerge u. Jef-
Pich-Faktor von 1,5 und einem engen Rekonstruk- frey 1987).
tionsintervall von Vorteil, um auch kleine intramura-
le Einblutungen nachweisen und die Differenzialdi- Angiographische Zeichen einer Aortenruptur kön-
agnose eines kleinen Ductusdivertikels zweifelsfrei nen sein:
klären zu können. Dabei ist die Differenzierung zwi-
∑ der direkte Kontrastmittelaustritt bei transmura-
schen subtilen, nichtpolypoiden intimalen Einblu-
len Zerreißungen,
tungen und arteriosklerotisch bedingten Wandver-
∑ das Pseudoaneurysma oder
dickungen unter Umständen nicht zu klären. Dies
∑ eine unter Umständen sehr diskrete lineare Auf-
trifft jedoch für alle bildgebenden Modalitäten zu.
hellungslinie als angiographisches Korrelat eines
Sagittale oder koronare Rekonstruktionen bieten ge-
Intimaeinrisses.
genüber den axialen Bildern keinen Vorteil (Parker et
al. 2001). CT-Studien, die an Spiralscannern durchge- Intramurale Verletzungen wie das Wandhämatom
führt wurden, belegen eine Sensitivität von 100% bei verursachen z. T. subtile Verdickungen oder Wandun-
einer Spezifität zwischen 80 und 100% (Dyer et al. regelmäßigkeiten. Wird diese Region nicht tangential
2000; Gavant et al. 1995). abgebildet, so können sich diskrete Veränderungen
Direkte Zeichen einer Aortenruptur sind der inti- dem Nachweis entziehen. Als angiographisches Spät-
male Flap, der Kalibersprung, das Pseudoaneurysma, zeichen eines intramuralen Hämatoms lässt sich in
die Pseudokoarktation, das intramurale Hämatom, der Spätphase (d. h. beim Auswaschen des Kontrast-
die Dissektion sowie in seltenen Fällen der direkte mittels) eine feine Zähnelung der Intima feststellen.
Kontrastmittelaustritt. Obwohl falsch-negative Befunde beschrieben sind
(Kearney et al. 1993; Smith et al. 1995), beträgt die
2.1 Aorta 119
a b
c d
Abb. 2.14 a–d. 21-jähriger Patient mit Polytrauma (Auffahr- Aorta in Richtung Ductus ziehend. Intraoperativ waren Intima
unfall gegen einen Baum mit etwa 100 km/h). Die Thorax-Lie- und Media in Richtung innerer Aortenkonkavität komplett se-
gendaufnahme zeigt eine diskrete, linksbetonte Mediastinal- mizirkumferenziell zerrissen bei intakter Adventitia. Die DSA
verbreiterung und eine fehlende Abgrenzbarkeit des Aorten- mit dem typischen Befund des so genannten Pseudoaneurys-
knopfes. In der CT Nachweis eines geringen rechts-betonten mas. Therapie: Adaptation der zerrissenen Wandanteile durch
Hämatoms sowie eines geringen rechtsseitigen hämorrhagi- direkte Naht
schen Ergusses. So genanntes Pseudoaneurysma mit Flap der
Sensitivität der Angiographie nahezu 100% (Kirsh et 쐍 Transösophageale Echokardiographie. Erste optimis-
al. 1976; Sturm et al. 1990) bei einer Spezifität von tische Studien berichten von einer 100%igen Sensiti-
98%. Falsch-positive Befunde entstehen durch anato- vität und einer Spezifität von fast 100% (Buckmaster
mische Varianten (Ductusdivertikel, erweiteres In- et al. 1994), während prospektive Studien diese Er-
fundibulum des Truncus bronchiointercostalis), gebnisse mit einer Sensitivität von 60% bei einer Spe-
atheromatöse Plaques oder Ulzera oder durch Pulsa- zifität um 90% relativieren (Minard et al. 1996). Eine
tions- und/oder Subtraktionsartefakte. Diese Fehler- vergleichende Studie bei 17 gesicherten Aortenrup-
quellen können durch multiple Schrägprojektionen turen sieht die transösophageale Echokardiographie
(„steep oblique views“) vermieden werden. der CT bei intimalen und medialen Läsionen überle-
Die Angiographie in der Hand des Erfahrenen ist gen (Vignon et al. 2001).Vorteil der Methode ist, dass
ein zuverlässiges diagnostisches Verfahren bei Ver- sie direkt im Schockraum durchgeführt werden
dacht auf Aortenverletzungen, das jedoch bei primä- kann, Nachteil ist die Untersucherabhängigkeit bei
rer CT-Diagnostik allenfalls noch bei fraglichen CT- dieser Methode, da eine entsprechende Erfahrung
Befunden zum Einsatz kommt wird. des Untersuchers Voraussetzung ist. Im klinischen
120 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
Differenzialdiagnose, operative
und interventionelle Aspekte
Die Diagnose einer Aortenruptur und ihrer Lokalisa-
tion sollte zweifelsfrei gestellt werden, da sie sofort
operativ versorgt werden muss. Bei einer Rupturlo-
kalisation im Bereich der Aorta ascendens verläuft
der Zugangsweg über eine mediane Sterniotomie, bei b
der typischen Lokalisation distal des Abgangs der
A. subclavia über eine links laterale Thorakotomie.
Bei einer Rupturlokalisation im Bereich der Aorta as-
cendens ist der Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine
erforderlich, bei Verletzungen der deszendierenden
Aorta in jedem Fall dann, wenn die voraussichtliche
Abklemmzeit >30 min beträgt. Dies hängt vom Aus-
maß der Aortenverletzung ab. So sollte der Radiologe
zur kraniokaudalen Befundausdehnung, z. B. wieviel
von der Gefäßwandzirkumferenz noch erhalten ist
oder ob Hinweise für eine komplette Dehiszens
(Abb. 2.14 a–d,Abb. 2.15 a–c) vorliegen, Stellung neh- c
men.
Die Diagnose einer Aortenruptur sollte bereits Abb. 2.15 a–c. Dezelerationstrauma eines 25-jährigen Motor-
nach der CT-Untersuchung gestellt werden. Sie ist vor radfahrers mit ausgedehnten linksseitigen Lungenkontusio-
nen, Rippenserienfrakturen, Pneumothorax, Weichteilemphy-
allem bei ausgedehnteren Befunden eindeutig. Pulsa- sem und mediastinalem Hämatom. In der CT Kalibersprung
tions-, Bewegungs- oder Aufhärtungsartefakte kön- der Aorta auf Höhe des Ductus
nen zarte intimale Flaps vortäuschen. Hier empfiehlt
sich, die Untersuchung unter Verwendung anderer
Parameter (Schichtdicke, Pitch, Rekonstruktioninter-
vall, verdünnter Kontrastmittelbolus usw.) zu wie-
derholen. Bleibt der Befund unklar, so kann ein Ab-
gleichen des CT-Befundes mit der transösophagealen
2.1 Aorta 121
a b
a b c
Aortendissektion
Traumatisch bedingte Dissektionen (Stanford A und
B) sind eine Rarität und in der Literatur nur anekdo-
tisch beschrieben (Goverde et al. 1996; Uematsu et al.
1995). Typischerweise führt ein schweres Dezelera-
tionstrauma zu einer Aortenruptur.
Aortenwandhämatom
Von dieser traumaassoziierten Form (im Unterschied
zur spontanen IMH, s. unten) liegen mehr als 3/4 am
Abgang der A. subclavia. Aortenwandhämatome ent-
sprechen ihrem anatomischen Profil nach dem der
traumatischen Aortenruptur, sie werden aber im Un-
terschied zur Transsektion aufgrund des benignen
Verlaufs primär konservativ behandelt.
2.1.4.3
Entzündliche Veränderungen
In der Literatur existiert eine Vielzahl von häufig un-
übersichtlichen Klassifikationen aus den verschiede-
nen Bereichen der Medizin (Pathologie, Dermatolo-
gie, klinische Immunologie usw.).
Bewährt hat sich eine ätiologische Einteilung,
Abb. 2.19. Differenzialdiagnose: Ductusdivertikel. Das Duc-
tusdivertikel stellt ein Residuum des distalen embryonalen wobei Angiitiden (Befall von Arterien und Venen)
rechten Aortenbogens dar und ist nicht auf eine Traktion mit bestimmter Ätiologie, bei denen die Pathogenese
durch den Ductus zurückzuführen (gerader Pfeil: Lig. arterio- bekannt ist, von den Angiitiden mit unbestimmter
sum, gebogener Pfeil: Ductusdivertikel)
2.1 Aorta 123
Tabelle 2.2. Mögliche Ursachen einer Aortitis Viele Vaskulitiden zeigen ein Befallsmuster mit Be-
teiligung kleiner und mittelgroßer Gefäße. Tabel-
Bestimmte Ätiologie
Viral le 2.2 gibt eine Übersicht (ohne Anspruch auf Voll-
Zytomegalievirus ständigkeit) der die Aorta involvierenden in der Lite-
Bakteriell ratur beschriebenen Aortitiden.
TBC
Lues Empfehlung zur Untersuchungsstrategie
Clostridien
Salmonellen
Bildgebende Methode der Wahl ist die MRT mit einer
Staphylococcus aureus überlegenen Darstellung von Aortenwand und aorta-
betahämolysierende Streptokokken len Lumen als MRA. Vor allem in der Darstellung des
Kryptokokken Aortenbogens ist sie aufgrund ihrer Multiplanarität
Mykotisch die Methode der Wahl. Einzelne Arbeitsgruppen be-
Aspergillus schreiben die Kontrastmittelaufnahme der Aorten-
Candida
Myceliophthora thermophila wand als Parameter der Krankheitsaktivität (Choe et
al. 1999). Dies ist noch anhand von größeren klini-
Parasitär
Trypanosoma cruzei schen Studien zu korrelieren. Unbestritten ist die
(Chagas-Krankheit; tierexperimentell) Rolle der MRT zur nichtinvasiven Verlaufsbeurtei-
Physikalische und chemische Noxen lung von Wandverdickungen, Stenosen oder Aneu-
Radiatio, Hitze- oder Kälteschäden rysmen auf dem Boden von Vaskulitiden. Eine Indi-
Unbestimmte Ätiologie kation zur Angiographie ist nicht gegeben. Die CT
„Large vessel disease“ zeigt analog zur MRT Wandverdickungen, Stenosen
Riesenzellarteriittis und aneurysmatische Veränderungen, und die Se-
Takayasu Arteriitis
Morbus Horton kundärrekonstruktionen sind im Zeitalter der Mehr-
zeilendetektoren bei engen Rekonstruktionsinterval-
„Medium-sized vessel disease“
Panarteriitis nodosa len der MRT vergleichbar, sie dürften aber aus strah-
„Small vessel disease“
lenhygienischen Aspekten und aufgrund kontrast-
SLE mittelassoziierter Risiken die Methode zweiten Wahl
Morbus Behçet sein.
Rheumatoide Arthritis Erste optimistische Berichte über den Einsatz der
Sklerodermie
Rezidivierende Polychondritis PET in der Aktivitätsbeurteilung liegen vor (Derde-
Colitis ulcerosa linckx et al. 2000).
Morbus Bechterew
Klinische Symptomatik
Die klinische Symptomatik wird durch die zugrunde
liegende Erkrankung dominiert und variiert stark –
Ätiologie unterschieden werden. Die Mehrzahl der in von unspezifischen Allgemeinsymptomen wie
dieser Gruppe zusammengefassten Vaskulitisformen Schwäche, Appetitlosigkeit oder Fieber bis hin zum
sind wahrscheinlich allergisch-hyperergischer Natur. septischen Krankheitsbild bei bakteriell bedingter
Es besteht darüber hinaus eine Unterscheidung zwi- Aortitis mit thromboembolischen Ereignissen, fou-
schen primärer Angiitis, bei der die entzündlichen Ge- droyant verlaufender Aneurysmabildung bis zur Aor-
fäßveränderungen im Vordergrund stehen mit sekun- tenruptur.
dären Organveränderungen, und einer sekundären
Angiitis mit Gefäßwandveränderungen im Rahmen Takayasu-Aortitis
einer anderweitigen Grunderkrankung. Prävalenz und Inzidenz sind nur ansatzweise be-
kannt. Die Prävalenzraten liegen in der westlichen
Pathologisch-anatomische Hemisphäre bei 2,5 pro 1.000.000 Einwohner. Zuerst
und ätiologische Grundlagen in Japan beschrieben, ist sie weltweit verbreitet mit
Die Angiitis kann Arterien (Arteriitis) und Venen jedoch höherer Prävalenz in Japan und Korea. Die Pa-
(Phlebitis) betreffen. Dabei unterscheidet man nach thogenese ist unklar, und es wird eine genetische Dis-
Lokalisation und Ausdehnung position, eine Beziehung zur Tuberkulose wie auch
aufgrund der rheumatoiden Beschwerden ein Bezug
∑ Endangiitis (innere Gefäßwandanteile),
zu den Kollagenosen hergestellt.
∑ Mesangiitis (entzündliche Prozesse der Media),
Die Takayasu-Aortitis befällt vorwiegend junge
∑ Periangiitis (Entzündung von der Adventitia aus-
Frauen mit einem Krankheitsbeginn zwischen 15
gehend) sowie
und 20 Jahren. Nach der Lokalisation unterscheidet
∑ Panangiitis, bei der alle Wandschichten mit ein-
man folgende Typen (Lupi et al. 1975):
bezogen sind.
124 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
a c
Abb. 2.20 a–c. 5-jährige Patientin mit Typ-IV-Takayasu-Arte- deutlicher Wandverdickung der A. carotis communis beidseits
riitis. a TSE-Sequenz in Dark-blood-Technik: wandverdickter rechts hämodynamisch wirksam (Pfeil), keine neurologische
Aortenbogen, Truncus pulmonalis sowie abgehende supraaor- Symptomatik
tale Äste. b 2D-TOF und c T1-gewichtete TSE-Sequenz mit
∑ Takayasu-Arteriitis des Arcus aortae und der su- Histologisch handelt es sich um eine granuloma-
praaortalen Äste (Typ 1), töse Entzündung, die in der Adventitia beginnt und
∑ Takayasu-Arteriitis der Aorta descendens und der sich auf die Media ausbreitet. Unbehandelt führt die
Aorta abdominalis einschließlich der großen Ab- Erkrankung zum Tod. Bei Fehlen einer Kausalthera-
gänge (Typ 2), pie ist die Prognose unter Therapie mit Glukokorti-
∑ Mischform aus Typ 1 und 2 (Typ 3), koiden und Zytostatika (Methotrexat) relativ gut.
∑ Typ 1, 2 oder 3 mit zusätzlicher Beteiligung der In einer Studie von Yamato et al. (1986) mit 59 Pa-
A. pulmonalis (Typ 4). tienten zeigte in 68% bereits das Übersichtsbild Auf-
fälligkeiten mit Veränderungen der Aortenkontur
Die klinische Symptomatik hängt vom Gefäßbefalls- und Kalzifikationen, Kaliberunregelmäßigkeiten der
muster ab. 90% aller Fälle zeigen Pulsdefizite („pulse- großen pulmonalen Gefäße oder hilärer Lypmphade-
less women“), wobei Symptome z. B. der Armminder- nopathie.
durchblutung aufgrund ausreichender Kollateralisie- Das wichtigste Röntgenzeichen ist eine inwendig
rung oft in den Hintergrund treten. Im späteren okklu- verlagerte segmentale Kalzifikation im Bereich einer
siven Stadium treten Zeichen der okulären und segmentalen Stenose der Aorta. Die CT zeigt eine
kranialen Minderdurchblutung wie Gesichtsfelddaus- Wandverdickung mit/ohne Stenosierungen von
fälle,Amaurose oder die typischen lageabhängigen Seh- Aorta, supraaortalen Abgängen oder zentralen pul-
störungen,die beim Aufrichten aus der Horizontalen als monalen Gefäßen. Für die Beurteilung der Lokalisa-
herabsinkender Vorhang geschildert werden, auf. tion, der Ausdehnung sowie zur Therapiekontrolle
2.1 Aorta 125
b
Riesenzellarteriitis
Abb. 2.21 a, b. 45-jährige Patientin mit Typ-I-Takayasu Arteri- Synonym: Arteriitis temporalis Horton.
itis. a Bis auf eine Ektasie der aszendierenden Aorta unauffäl-
lige MRA. b Die T1-gewichtete TSE-Sequenz nach i. v. KM
(Fettsaturierung) und Dark-blood-Magnetisierungspräpara- 왔 Es handelt sich um eine systemische,
Definition
tion zeigt eine KM-Aufnahme der Aortenwand riesenzellige Arteriitis der mittleren
und großen Arterien mit vorzugsweiser Beteiligung
der A. temporalis oder anderer Äste der A. carotis.
ist die MRT die Methode der Wahl. Sie zeigt als Eine Beteilung der thorakalen Aorta liegt in etwa
MRA umschriebene Stenosen sowie aneurysmati- 10% der Fälle vor. Die Prävalenz liegt bei 2–3 pro
sche Erweiterungen, während die Bildgebung (idea- 100.000 Einwohner pro Jahr. Die meisten Patienten
lerweise „dark-blood imaging“) die entzündliche sind älter als 50 Jahre, Frauen sind geringfügig weni-
Wandveränderung aufzeigt. Eine Angiographie ist ger betroffen als Männer. Die Ätiologie ist unbe-
vor allem in frühen Stadien nicht indiziert, da hier kannt, diskutiert wird neben einer Autoimmungene-
noch keine Stenosen, wohl aber entzündliche Wand- se eine zusätzliche exogen-antigene Komponente.
verdickungen vorliegen. Dabei korrlierten Wandver- Typisch für die Riesenzellarteriitis ist der segmen-
dickung und Kontrastmittelaufnahme der Wand tale, multifokale Befall bei streckenweiser völlig un-
in einer Studie von (Choe et al. 2000) in 80% der Fäl- veränderter Arterie. Charakteristisch ist die floride
le mit den klinischen Verlaufsparametern wie BSG Panarteriitis mit lymphohistiozytären Infiltraten
und C-reaktives Protein. Diesen Studie zufolge stellt und Riesenzellen sowie okkludierenden Thrombosen
die Signalintensität im T2-gewichteten Bild einen im befallenen Segment („skip lesions“). Blande Ver-
schlechteren Parameter dar. Die Duplexsonographie läufe mit Spontanheilungen stehen einem – wenn
ist die ideale Ergänzung für die Beurteilung der Hals- auch extrem seltenen – letalen Verlauf gegenüber. Bei
gefäße. Therapie mit Glukokortikoiden kommt es meist zur
126 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
kompletten Remission. Rezidive sind nach Absetzen symptomatik, okuläre Symptomatik, hohe BSG) oder
der Medikation häufig, weshalb eine mehrjährige durch eine bitemporale Biopsie der A. temporalis. Ty-
niedrig dosierte Medikamentengabe empfohlen pisch für die Riesenzellartiitis ist der segmentale Be-
wird. fall, weshalb eine Biopsie auch falsch-negativ ausfal-
Wie bei jedem Aortitissyndrom kann die Krank- len kann.
heit mit uncharakteristischen Allgemeinsymptomen
wie Schwäche, Schweißausbrüche, Fieber, Appetitlo-
sigkeit oder Kopfschmerzen beginnen. 50 –70% der 2.1.4.4
Patienten entwickeln eine schultergürtelbetonte Po- Mykotische (infektiöse) Aortitiden
lymyalgie (Polymyalgia arteriitica). Typische Lokal- Syphylitische Mesaortitis
symptome sind heftige Schläfenkopfschmerzen. Seh-
störungen (bis hin zur Erblindung) durch einen Be- 왔 Die syphylitische Mesaortitis stellt ei-
Definition
fall der A. ophtalmica sind häufig. In der Regel folgt ne schwer vernarbende und destruie-
beim Befall des einen Auges einige Tage später das rende Schädigung der thorakalen Aortenmedia im
zweite. Rahmen einer tertiären Lues dar.
Die duplexsonographische Untersuchung der
A. temporalis zeigt eine hohe Sensitivität (70–90%) Besaß sie im 19. Jahrhundert in Autopsiestudien
mit Verschlüssen und/oder Stenosen sowie einem pe- noch eine Prävalenz von bis zu 6,9%, ist diese Er-
riartiellen echoarmen Saum und ist eine wichtige Er- krankung heute extrem selten.
gänzung zur klinischen Untersuchung, sowie einer Im Rahmen der tertiären Lues führt eine Vaskuli-
stark beschleunigten BSG (Schmidt et al. 1997). tis der Vasa vasorum zu einer zunehmenden Oblite-
Für die Beurteilung des Aortenbefalls und seiner ration dieser Gefäße. In der Media bilden sich multi-
Äste ist die MRT die Modalität der Wahl, da Lumen ple ischämische Nekrosen mit Zerstörung der elasti-
und Wand gleichzeitig beurteilt werden können. Für schen Lamellen mit konsekutivem Elastizitätsverlust
die Beurteilung der der Duplexsonographie zugäng- und zunehmender Wandschwäche. Dies führt zu ei-
lichen Gefäßabschnitte von A. subclavia, A. axillaris nem fast immer in der Pars ascendens lokalisierten
und A. brachialis ist die Duplexsonographie die Me- Aortenaneurysma, wobei syphylitische Aneurysmen
thode der Wahl. Bei einem Befall der Aorta oder ihrer z. T. Kopfgröße erreichen, benachbarte Strukturen
Äste (beschrieben in bis zu 15%) ist in gut 3/4 der Pa- komprimieren bzw. arrondieren und rupturieren mit
tienten die obere Extremität befallen, in etwa der akut letalem Ausgang (Abb. 2.22).
Hälfte der weiteren Patienten liegt ein isolierter Be-
fall der unteren Extremität vor und in knapp 10% ein Tuberkulöse Aortitis
Befall von obererer und unterer Extremität mit seg- Das Mycobakterium tuberculosis führt in der Nach-
mentalen, bilateralen Stenosen oder Okklusionen. barschaft von morphologisch fassbaren Veränderun-
Aneurysmen sind selten anzutreffen. gen der Tuberkulose zu vaskulären Begleitent-
In der differenzialdiagnostischen Abgrenzung zu zündungen, die zunächst im Bereich der Adventi-
anderen Arteriitiden ist vor allem der segmentale Be- tia auftreten und sekundär eine Endangiitis mit
fall mit Okklusionen typisch. Dies ist auch ein Grund oder ohne Thromben auslösen. Durch die Destruk-
dafür, warum selbst die bitemporale Biopsie nur eine tion der Wand im Bereich größerer Blutgefäße
Sensitivität von etwa 75% besitzt. können Aneurysmen enstehen, die durch Ruptur zu
Die Diagnose ist überwiegend klinisch zustellen der gefürchteten Massenblutung bei Lungentuberku-
(Alter des Patienten, Polymyalgiesymptomatik, oku- lose führen können. Eine isolierte Organtuberkulose
läre Symptomatik, hohe BSG usw.). Zu beachten ist, mit Granulomatose der Intima ist eine Rarität. Auch
dass im Ausheilungsstadium im Rahmen der narbi- die tuberkuloseassoziierten mykotischen Aneurys-
gen Regeneration die morphologischen Veränderun- men sind selten und in weniger als 100 Fällen be-
gen oft nicht von einer Arteriosklerose zu unterschei- schrieben.
den sind.
Sonstige Aortitiden
Merke ! Die Arteriitis temporalis Horton ist
eine systemische, riesenzellige Arteri-
Im Rahmen einer Bakteriämie, einer Septikopyä-
mie/Sepsis oder einer Pilzinfektion können eitrig-
itis der mittleren und großen Arterien mit vorzugs- embolische Angiitiden mit Destruktion der Gefäß-
weiser Beteiligung der A. temporalis oder anderer wand und mit Komplikationen wie Thromben,Aneu-
Äste der A. carotis. Ein Befall von Aorta und supraa- rysmen oder Rupturen entstehen. Prädisponierende
ortalen Ästen kommt in etwa 10% der Fälle vor. Die Faktoren sind immunologische Inkompetenz, konge-
meisten Patienten sind älter als 50 Jahre. Die Diagno- nitale Herzfehler, arteriosklerotische Plaques und
se wird überwiegend klinisch gestellt (Polymyalgie- Gefäßanastomosen. Häufige bakterielle Erreger sind
2.1 Aorta 127
Abb. 2.22. Typisches luetisches Aszendensaneuryma, welches die ventrale Thoraxwand hineinwölbt. (Mit freundlicher Ge-
sich durch Zerstörung der elastischen Lamellen mit konseku- nehmigung von Herrn PD Dr. Engelke)
tivem Elastizitätsverlust und zunehmender Wandschwäche in
a b
Bei Diagnosestellung schwankt in der Literatur die Aortale Tumoren mit großen extraaortalen Tu-
Tumorgröße von 2 cm bis zu einer kraniokaudalen moranteilen und fehlenden intraluminalen Anteilen
Befundausdehnung von 20 cm. Das Durchschnittsal- sind in Einzelfallberichten initial fälschlicherweise
ter der in der Literatur beschriebenen Fälle liegt bei als teilthrombosierte Aortenaneurysmen beschrie-
etwa 60 Jahren. Die Prognose ist schlecht mit einem ben worden (Schipper et al. 1989). In diesem Fall ei-
durchschnittlichen mittleren Überleben von knapp nes aortalen Leiomyosarkoms zeigte die CT eine ex-
6 Monaten. traaortale Raumforderung, die homogen mehr als die
Hälfte der Aortenkonvexität umschloss.
Radiologische Symptomatik In einem anderen von Glock et al. (1997) publi-
und Untersuchungsstrategie zierten Fall ist eine akute Hämorrhagie eines aorta-
Bei großen extraluminalen Tumoranteilen zeigt be- len Leiomyosarkoms unter dem Bild einer akuten
reits die Röntgenübersicht eine periaortale Gewebs- Aortendissektion operiert worden.
vermehrung. Bei einem intraluminalen Tumoranteil, In der CT müssen Verkalkungen oder eine Kon-
einer polypoiden Konfiguration der Läsion sowie der trastmittelaufnahme in der periaortalen Gewebs-
Obliteration des Lumens ist die Diagnose in der wei- vermehrung an eine tumoröse Genese denken lassen.
terführenden CT eindeutig. Schwierig wird die Dia- Die MRT sollte in allen Fällen durch Signalintensität
gnose bei einem glatt begrenzten en-plaque-ähnli- und Kontrastmittelaufnahme zu einer Klärung füh-
chen Tumorwachstum. Solche Fälle sind oft fälschli- ren.
cherweise als Thrombus diagnostiziert worden (Hig-
gins et al. 1991). In diesen Fällen ergeben sich in der
MRT durch Signalcharakteristik und die Kontrast-
Merke ! Primäre Tumoren der Aortenwand
sind eine Rarität. Histologisch handelt
mittelaufnahme Hinweise auf einen aortalen Tumor es sich in der Mehrzahl um undifferenzierte Sarkome
(Abb. 2.23 a, b). mit schlechter Prognose. Der intimale Typ wird kli-
nisch durch periphere Tumorthrombembolien oder
Differenzialdiagnose Pulsabschwächung durch luminale Tumoroblitera-
Ein Aortenwandhämatom ist sichelförmig konfigu- tion auffällig, der seltenere murale Typ mit etwas bes-
riert und lässt sich durch eine vermehrte Signalinten- serer Prognose bleibt klinisch länger inapparent und
sität im T1-gewichteten Bild abgrenzen, ein arterios- wird oft als große extraaortale Raumforderung ma-
klerotische Plaque durch die fehlende Kontrastmittel- nifest.
aufnahme sowie die fehlende tumortypische Konfi- Die MRT ist die Methode der Wahl, da Signalcha-
guration. In der Abgrenzung gegenüber einer ent- rakteristik und Kontrastmittelaufnahme die infrage
zündlichen Aortenwandverdickung im Rahmen ei- kommenden Differenzialdiagnosen wie z. B. eines
ner Aortitis helfen Lokalisation sowie die typische teilthrombosierten Aortenaneurysmas beim mura-
Einbeziehung und Stenosierung der Abgänge. Anam- len Typ bzw. eines Thrombus beim intimalen Typ
nese und klinischer Befund geben hier weitere diffe- weitgehend ausschließen (Abb. 2.24 a–f).
renzialdiagnostische Hinweise.
2.1 Aorta 129
a b c
d e f
Abb. 2.24 a–f. 43-jähriger Patient mit akutem Verschluss der Cine-Sequenz Nachweis von flottierenden Thrombusanteilen.
rechten A. brachialis. Echokardiographisch kein Thrombus- 2 Tage später erleidet der Patient unter suffizienter Antikoagu-
nachweis. In der CT und MRT Nachweis eines reitenden lation eine TIA. Bei unauffälliger zerebraler MRT Verschluss
Thrombus am Abgang des Truncus brachiocephalicus. In der der rechten A. carotis interna
Noch kontrovers wird diskutiert, ob eine Ruptur der kann Blut durch schwache Wandanteile der Media
Vasa vasorum das initiale Ereignis ist und zuerst eine und der Adventitia extravasieren und ein diskretes
intramediale Hämorrhagie entsteht, aus der sich bis ausgedehntes Mediastinal- und perikardiales
dann die Dissektion entwickelt oder ob eine intimale Hämatom nach sich ziehen. Bei einigen Patienten
Läsion das primäre Ereignis ist. Larson u. Edwards entwickelt sich im Laufe der Zeit eine aneurysma-
(1984) stützen mit einer Untersuchung von 161 Au- tische Aussackung, bei der ein hohes Rupturrisiko
topsiefällen letztere Hypothese, indem sie in 158 von gegeben ist. Gelegentlich kann es zu einer partiellen
161 Fällen eine intimale Läsion nachweisen konnten. oder vollständigen Thrombosierung des falschen
Liegt das Ereignis 14 Tage zurück, spricht man von ei- Lumens kommen.
ner chronischen Dissektion.
Klassifikation
Pathologisch-anatomische und ätiologische Von Seiten der Klinik hat sich die Stanford Klassifika-
Grundlagen tion durchgesetzt. Man unterscheidet man
Dissektionen erfolgen entlang der physiologischen ∑ den Typ A (50–60%) mit Beteiligung der Aorta as-
Schwachstelle zwischen mittlerem und äußerem Me- cendens und/oder des Aortenbogens und
diadrittel. Pathogenetisch werden degenerative Ver- ∑ den Typ B mit dem Beginn der Dissektion distal
änderungen in der Aortenwand diskutiert, auch des Abgangs der A. subclavia.
wenn man bei vielen Patienten keine über die norma-
le Gefäßalterung hinausgehenden Veränderungen
findet. Merke ! Diese Klassifikation hat sich insofern
bewährt, als Typ A sofort operiert
Zu den prädisponiernden Faktoren zählen: werden sollte und Typ B beim Fehlen von Organkom-
plikationen durch okkludierte aortale Abgänge kon-
∑ zystische Medianekrose Erdheim-Gsell, die in 20%
servativ behandelt wird.
der Patienten mit akuter Aortendissektion gefun-
den wird,
Nach DeBakey werden Aortendissektionen in 3 Ty-
∑ Marfan-Syndrom, hierbei entwickeln die Patien-
pen unterteilt:
ten mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen 20 und
40% eine akute Aortendissektion, ∑ Typ 1: Die Dissektion beginnt in der Aorta ascen-
∑ Anuloektasie ohne Marfan-Syndrom, die bikuspi- dens und setzt sich über den Bogen bis in die des-
de Aortenklappe, die Koarktation und die Arte- zendierende Aorta fort.
riosklerose, wobei auch die Schwangerschaft als ∑ Typ 2: Die Dissektion beschränkt sich auf die Aor-
prädisponierender Faktor und eine gewisse Gynä- ta ascendens.
kotropie, der zufolge ältere Frauen mit fortge- ∑ Typ 3: Die Dissektion beginnt im Isthmus, d. h.
schrittener Arteriosklerose ein deutlich höheres distal der A. subclavia.
Risiko einer Aortendissektion tragen, noch diku-
tiert werden.
Empfehlung zur Untersuchungsstrategie
Ein stumpfes Thoraxtrauma sowie die Kanülierungs- Die akute Aortendissektion ist ein Notfall, der einer
stelle für den kardiopulmonalen Bypass oder eine schnellen Diagnose und im Falle einer Stanford-A-
Aortitis sind als Ursache einer akuten Aortendissek- Dissektion einer sofortigen Operation bedarf.
tion beschrieben. Besteht der Verdacht auf eine akute Aortendissek-
Bei den akuten Aortendissektionen liegt der inti- tion, werden heute folgende diagnostische Verfahren
male Einriss in knapp 50% in der aszendierenden eingesetzt: Transösophageale Echokardiographie,
Aorta und in knapp 40% der Fälle im Abgangsbe- CTA und MRT. Vorteil der transösophagealen Echo-
reich der A. subclavia sinistra. kardiographie ist, dass sie als ein mobiles, kostengün-
Wenige Sekunden nach Beginn der Dissektion stiges und weit verbreitetes, semiinvasives und sensi-
breitet sich die Dissektion nach proximal (38%) bzw. tives Verfahren direkt in der Notaufnahme eingesetzt
nach distal aus. Dabei können die Abgänge abge- werden kann. Nachteil der transösophagealen Echo-
schert, verschlossen oder direkt Anschluss an das fal- kardiographie ist die höhere Rate falsch-positiver Be-
sche Lumen gewinnen oder nicht mit einbezogen funde, sodass bei konsekutiver Operationskonse-
werden. Dabei ergibt sich die klinische Symptomatik quenz bei der Typ-A-Dissektion eine zweite bildge-
aus Lokalisation und Ausmaß der beteiligten Gefäße. bende Modalität nach Meinung vieler Herzchirugen
In den meisten Fällen kommt es distal zu einer Re- erforderlich ist. Im Falle eines instabilen Patienten ist
perforation („re-entry“) ins wahre Aortenlumen. Der dies die CTA, bei einer stabilen Situation sind dies –
falsche Kanal liegt in der äußeren Hälfte der aortalen in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit – die MRT
Media, und infolgedessen ist seine äußere Wand dün- oder die CTA.
ner. Auch wenn eine initiale Ruptur nicht eintritt,
2.1 Aorta 131
Kontrastierung einer Niere oder eine Beteiligung der 쐍 Magnetresonanztomographie. Die MRT ist das Ver-
proximalen Abschnitte des mesenterialen Stromge- fahren mit der höchsten Sensitivität und Spezifität
biets sowie wichtige Nebenbefunde wie Hämatome- bei akuten Aortendissektionen in der klinisch stabi-
diastinum, Hämatoperikard, Hämatothorax sind ein- len Situation. Instabile und beatmetete Patienten sind
deutig zu diagnostizieren. Die folgende Übersicht primär eine Indikation für die CTA, falls die Opera-
zeigt Pitfalls, die zu beachten sind. tionsindikation in Zusammenhang mit der klini-
schen Situation nicht direkt aus der transösophagea-
Pitfalls len Echokardiographie gestellt wird. Vorteil der MRT
1. Schlechte Kontrastierung der Intima-Media-Membran bei ist Multiplanarität des Verfahrens. Dabei sind die T1-
schlechter Gefäßkontrastierung (zu spät, geringe Injektions- gewichteten SE- oder TSE-Sequenzen (als „Non-
rate usw.) oder bei zu starker Kontrastierung (zu früh,zu hohe breathhold-Sequenzen“ mit EKG-Triggerung), aber
Kontrastmittelkonzentration usw.; hier kann unter Umstän- vor allem T1-gewichtete TSE-Breathhold-Sequenzen
den die Bildbetrachtung in einem weiteren Fenster hilfreich mit „Dark-blood-Präparationsimpulsen“ die Kernse-
sein). quenzen für die Darstellung der zarten Intima-Me-
2. Streifenartefakte (Schrittmacherkabel, Clips, fehlende dia-Membran (Schichtdicke 5 mm). Ist der Befund in
Abduktion der Arme, hohe Kontrastmittelkonzentration in
einer Ebene nicht eindeutig, empfiehlt sich eine zwei-
der V. brachiocephalica). Während die Intima-Media-Mem-
bran als zarte Membran leicht gebogen ist und streng auf
te Ebene orthogonal dazu. Eine kontrastverstärkte
das aortale Lumen begrenzt ist, verlaufen die Artefakte MRA ist der Bildgebung vor allem im Hinblick auf
streng linear über die Aortenwand und sind in der Regel die Wandbeurteilung (intramurales Hämatom) un-
nicht durchgängig auf allen Schichten zu sehen. Eine Bild- terlegen (Krinsky et al. 1997). Eine ergänzende Pha-
betrachtung in einem weiteren Fenster kann in vielen Fäl- senkontrastsequenz (idealerweise in Breathhold-
len zur Klärung beitragen. Schwieriger in der Abgrenzung Technik) kann den Befund von 2 durchströmten
sind die aortalen Pulsationsartefakte, die aber häufig nicht Lumina bestätigen, wobei das Lumen mit dem lang-
durchgängig auf mehreren Schichten nachweisbar sind und sameren Fluss dem falschen Lumen entspricht. Eine
klassischerweiser in der Aortenwurzelnähe zwischen 12 und Evaluierung spezifischer Flussmuster im falschen Lu-
1 Uhr bzw. zwischen 6 und 7 Uhr lokalisiert sind. men wird eher im Hinblick auf seine prognostische
3. Periaortale Strukturen (V. intercostalis superior, die inferiore Bedeutung bei der Entwicklung einer aneurysmati-
linke Pulmonalvene, der superiore perikardiale Rezessus, schen Erweiterung des falschen Lumens bei chroni-
periaortale Gewebsvermehrungen bei Lymphomen oder
scher Dissektion diskutiert (s. dort). In der Übersicht
Aortitis, eine periaortale Atelektase (Lungenfenster!)).
4. Ductusdivertikel: Falsch-positive Befunde können bei einem sind die zu beachtenden Pitfalls aufgeführt.
spitzen Winkel des Divertikels mit der Aortenwand entste-
hen. Pitfalls
1. Fehlende Darstellung der Intima-Media-Membran in der MIP
hilft, bei kontrastmittelverstärkter MRA (eine Betrachtung
쐍 Transösophageale Echokardiographie. Die transöso- aller Einzelbilder diesen Pitfall zu vermeiden).
phageale Echokardiographie ist eine mobiles, kosten- 2. Pseudodissektion durch eine anliegende, kontrastmittelauf-
günstiges und weit verbreitetes, semiinvasives Ver- nehmende Atelektase oder durch eine parallel verlaufende
fahren, das im Bett oder auch intraoperativ eingesetzt V. azygos bei rechts-deszendierender Aorta (Einzelbilder!).
werden kann. Mit den neueren bi- bzw. multiplana- 3. Pulsationsartefakte, vor allem bei SE- oder TSE-Sequenzen
(ein Verändern der Präparationsrichtung und eine 2. oder
ren TEE-Methoden werden Sensitiviäten von nahezu
3. Ebene ist hilfreich, diesen Pitfall zu vermeiden).
von nahezu 100% bei tendenziell geringerer Spezifi-
tät erzielt. Ein Vorteil liegt in der Beurteilung der
Klappenfunktion, umstritten ist die Beurteilbarkeit Differenzialdiagnose, operative
der Koronarien. Nicht ausreichend beurteilbar sind und interventionelle Aspekte
in der transösophagealen Echokardiographie die su- Die Diagnose einer akuten Aortendissektion sollte
praaortalen Abgänge und abdominelle Aortenäste. zweifelsfrei gestellt werden. Sie führt im Falle einer
Vergleichende Studien belegen eine sehr hohe Sensi- Stanford-A-Dissektion zwingend zur sofortigen
tivität von transösophagealer Echokardiographie im Operation, während die Stanford-B-Dissektionen
Vergleich zur CT und MRT bzw. von transösophage- beim Fehlen von Organkomplikationen primär kon-
ale Echokardiographier zur MRT bei schlechterer servativ behandelt werden. Dabei wird im Falle einer
Spezifität (Nienaber et al. 1992; Sommer et al. 1996). Stanford-A-Dissektion in Abhängigkeit der Klappen-
Die Komplikationsrate der transösophagealen Echo- beteiligung ein klappentragendes Konduit mit Rein-
kardiographie liegt in einer Größenordnung von et- sertion der Koronarien oder ein klappenfreies Kon-
wa 2% und umfasst Aspiration, Arrhythmien, Blut- duit implantiert, was für den Patienten den Vorteil
druckschwankungen, Ösophagusverletzungen und hat, dass auf eine lebenslange Markumarisierung
Blutungen. verzichtet werden kann. Die distale Anastomose liegt
2.1 Aorta 133
a c
Abb. 2.26 a–c. 70-jährige Patientin mit akutem Schmerzereig- mig um das falsche Lumen (a: dunkel) wickelnd. Viszeralarte-
nis vor einer Woche. Typ-B-Dissektion bis nach iliakal rien und linke Nierenarterie aus dem wahren Lumen abge-
reichend, keine Organkomplikationen. Das wahre Lumen hend. Konservative Therapie mit Antihypertensiva
(a: VRT-Modus) in der Aortenbogenkonkavität, sich spiralför-
einer thrombosierten Dissektion eine IMH (s. unten) netrierende Ulkus – häufig umgeben von einer
abgegrenzt werden. In der Differenzialdiagnose zu Wandverdickung, die in 75% der Fälle durch intra-
chronischen Abscheidethromben mit Septierungen murale Einblutungen bedingt ist. Das Potenzial des
kann hier die Multiplanarität der MRT-Technik helfen. PAU zur Ausbildung einer Aortendissektion ist mit
Die penetrierende Aortenulzeration (PAU) wird 16% beobachteter Dissekate eher gering (s. unten).
als Differenzialdiagnose und Ursache klassischer Zur Differenzialdiagnostik zum periaortalen Lym-
Aortendissektionen diskutiert. Charkterischer Be- phom bzw. Aortentumor s. oben, Abschn. Tumoren.
fund ist eine kontrastmittelgefüllte Nische – das pe-
2.1 Aorta 135
a b c
d e
Abb. 2.27 a–e. 40-jährige Patientin mit Typ-B-Dissektion und Ischämie des rechten Beins durch Kompression der rechten
A. iliaca externa (Pfeil) Bei Zustand nach Stentimplantation regelrechte Perfusionsverhältnisse
Penetrierendes Aortenulkus der Arteriosklerose befinden sich nur 12% der PAU
in der Aorta ascendens, die überwiegende Mehrzahl
왔 Das penetrierende Aortenulkus (PAU) ist im mittleren und distalen Drittel der Aorta lokali-
Definition
bezeichnet ein die Lamina elastica siert.
interna penetrierendes arteriosklerotisches Inti- Ihre Ausdehnung kann sehr variabel sein und wird
maulkus. im Schnitt mit 5–25 mm bei einer Tiefe von 3–30 mm
angegeben. Das Überschreiten der Lamina scheint
Pathologisch-anatomische nahezu obligat zu Arrosionsblutungen der Media mit
und ätiologische Grundlagen Ausbildung eines Mediahämatoms zu führen. Dabei
Das Risikoprofil entspricht dem von Patienten mit kann das Hämatom lokalisiert sein, es kann sich aber
ausgeprägter Arteriosklerose, und die Patienten be- auch auf die gesamte Aorta descendens erstrecken.
finden sich fast ausnahmslos jenseits der 6./7. Le- Im Unterschied zu der IMH als Vorstufe der Aorten-
bensdekade. Entsprechend dem Verteilungsmuster dissektion scheinen die Mediahämatome beim PAU
136 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
nur ein geringeres Potenzial zur Entwicklung einer sonders die hohe Letalität der Typ-A-Ulzera mit fast
klassischen Dissektion zu haben. So werden Disseka- 50% zu beachten (Kodolitsch u. Nienaber 1998 a),
te nur in 16% der PAU beschrieben. Meist handelt es während sie bei Typ-B-Ulzera deutlich niedriger liegt
sich dabei um atypische Dissekate mit einer verdick- (14%). Entsprechend wird für den Typ-A-Ulkus eine
ten und kalzifizierten Intima. Möglicherweise ver- sofortige operative Sanierung empfohlen (Coady et
hindert Fibrosierung durch die ausgeprägte Arterio- al. 1999). Die perioperative Komplikationsrate ist auf-
sklerose ein Fortschreiten der Dissektion. grund der Multimorbidität mit etwa 20–30% so
Häufige Komplikationen sind die Ruptur (meist hoch, dass von einigen Autoren in einer klinisch sta-
inkomplett) und die Ausbildung eines Pseudoaneu- bilen Situation mit einem bewandeten Ulkuskrater
rysmas. und einem direkten Ansprechen auf eine Analgesie
ein primär konservatives Vorgehen propagiert wird
Klinische Symptomatik (Movsowitz et al. 1994).
Bei 70% der Patienten stellen akute thorakale Für die prognostisch günstigere Typ-B-Situation
Schmerzen die initiale Symptomatik dar. Dabei wird vermehrt über Stentinterventionen berichtet.
ist das PAU in nur 3% Ursache eines akuten Aorten- Erste erfolgversprechende Ergebnisse mit Mortali-
bogensyndroms (Dissektion etwa 80%, IMH etwa tätsraten <1% bei einer Paraplegiewahrscheinlich-
17%). Periphere Ischämiezeichen oder neurologi- keit von 0–2% liegen vor (Dake 2001; Sailer et al.
sche Komplikationen sind selten. 2001). Dabei wird das Ulkus mit einem Stent über-
brückt. Die Frage, ob und wann bei einem Typ-B-Ul-
Radiologische Symptomatik kus eine Stentintervention erfolgen sollte und ob ein
In knapp 50% der Fälle ist im Röntgenbild eine Medi- kurzfristiges Follow-up ausreichend ist, kann noch
astinalverbreiterung nachweisbar, in gut 1/3 der Fälle nicht abschließend beantwortet werden. Persistie-
ein Hämatothorax oder Pleuraerguss. rende Klinik und die Größenzunahme des Ulkus
Die Bezeichnung PAU entstand in der Ära der An- oder die Entwicklung eines Pseudoaneurysmas gel-
giographie. Heute haben CT und MRT die Angiogra- ten als prognostisch ungünstige Zeichen und sollten
phie in der Diagnostik der PAU ersetzt. In der Nativ- Anlass einer operativen oder interventionell-radio-
CT zeigt sich ein Wandhämatom, das sich gegenüber logischen Maßnahme sein (Abb. 2.28 a,b, Abb. 2.29
der normalen Wand abhebt. Lumenwärts verlagerte, a–c).
verkalkte Intimaplaques sind ein weiteres Kriterium.
Nach Kontrastmittelgabe demarkiert sich eine kon- Intramurale Hämorrhagie
trastmittelgefüllte Nische, wobei das Ulkus nach ei-
ner Literaturzusammenfassung von Kodolitsch u. 왔 Die IMH ist eine intramurale Hämor-
Definition
Nienaber (1998 a) in 30% der Fälle nicht nachweisbar rhagie infolge einer Rhexisblutung
war. aus den Vasa vasorum.
Die MRT zeigt das subakute Wandhämatom als
Signalerhöhung im T1- und T2-gewichteten Bild und Da dieser Befund auch bei der klassischen Aortendis-
soll in der Differenzialdiagnose „Abgrenzung zum sektion anzutreffen ist, wird sie von vielen Autoren
arteriosklerotischen Plaque und dem chronischen als deren Vorstufe angesehen. Im Unterschied zur
intraluminalen Thrombus“ der CT überlegen sein Aortendissektion finden sich aber weder ein Riss der
(Yucel et al. 1990), während Baur et al. (1998) in 3 von Intima noch ein falsches Lumen.
3 Fällen das Ulkus nicht nachweisen konnten.
Pathologisch-anatomische
Differenzialdiagnose, operative und ätiologische Grundlagen
und interventionelle Aspekte IMH entstehen spontan (etwa 70% der Fälle), im
Der Nachweis eines Ulkus mit Wandhämatom be- Rahmen eines stumpfen Thoraxtraumas oder wer-
weist ein PAU. Kann der Nachweis nicht erfolgen, so den in Assoziation mit schweren arteriosklerotischen
gelingt unter Umständen eine Detektion des Ulkus Wandveränderungen beschrieben. Bei der traumaas-
durch Reduktion der Schichtdicke. Bei fehlendem Ul- soziierten Form entsteht die Blutung in gut 3/4 der
kus und alleinigem Wandhämatom ist dann bei ähn- Fälle distal des Abgangs der A. subcavia und wird bei
licher klinischer Symptomatik eine IMH anzuneh- benignem Verlauf primär konservativ behandelt (Vi-
men (s. dort). Die Abgrenzung einer Aortendissek- lacosta et al. 1997). Die spontanen IMH sind in 90%
tion ist bei fehlendem 2. Lumen in der Regel unpro- der Fälle mit einem Hypertonus assoziiert, und die-
blematisch. ser wird übereinstimmend als prädisponierender
Die Frühletalität (Ruptur) ist mit der der klassi- Faktor angesehen. Das Durchschnittsalter liegt zwi-
schen Aortendissektion vergleichbar. Dabei ist be- schen 55 und 65 Jahren.
2.1 Aorta 137
a b
a c
Klinische Symptomatik
Ähnlich dem PAU stellt bei der IMH bei etwa 90% der
Patienten das thorakale Schmerzereignis das primä-
re Symptom dar. Eine neurologische oder peripher
ischämische Symptomatik tritt bei 12 bzw. 5% der
Fälle auf, in 26% entwickelt sich eine akute Aorten-
klappeninsuffizienz (Kodolitsch u. Nienaber 1998 b).
Radiologische Symptomatik
Über eine Verbreiterung des Mediastinums und/oder
der Aortenkontur wird in gut 3/4 der Fälle berichtet.
Weitere Röntgenzeichen sind Pleuraerguss und/oder
Perikarderguss (20–30%).
Die Diagnose wird in der Mehrzahl der Fälle durch
die CT gestellt. Typischerweise lässt sich in der nati-
ven CT ein zirkulärer, hyperdenser Randsaum ohne
Kontrastmittel-Enhancement nachweisen. Dabei ist –
falls vorhanden – intimaler Kalk lumenwärts verla-
gert. In der transösophagealen Echokardiographie ist
eine Wandauftreibung nachweisbar, die unter Um-
ständen schwer vom Wandödem oder arteriosklero- Abb. 2.30. Typ A (analog zur Einteilung der dissezierenden
Aortenaneurysmen) IMH einer 45-jährigen Patientin mit
tischen Auflagerungen zu unterscheiden ist. Angio- plötzlichem thorakalem Schmerzereignis. In der T1-gewichte-
graphisch kann nur aufgrund von längerstreckigen, ten SE-Sequenz typisches, hyperintenses Signal im Sinne einer
glattwandigen Lumeneinengungen die Verdachtsdi- Hämorrhagie. Zur Differenzialdiagnose vgl. Abb. 2.31
agnose einer IMH geäußert werden.
Im akuten Stadium zeigt sich in der MRT bei iso-
intensem Signal im T1-gewichteten Bild eine Hyper-
intensität der Wand im T2-gewichteten Bild, während
die subakute Blutung sowohl im T1- als auch im T2-
gewichteten Bild hyperintens ist (Bluemke 1997).
Differenzialdiagnose, operative
und interventionelle Aspekte
In der Differenzialdiagnose sind der chronische Ab-
scheidethrombus und die thrombosierte Dissektion
zu erwähnen.Abscheidethrombus oder arteriosklero-
tische Plaques sind z. T. exzentrisch konfiguriert und
– falls vorhanden – liegt der Intimakalk zur Wand hin.
In der MRT kann der Nachweis von Methämoglobin
den entscheidenen differenzialdiagnostischen Hin-
weis geben. Dabei kann eine Abgrenzung gegenüber
der vollständig thrombosierten Dissektion unmög-
lich sein, da Form und Signalintensität denen der
Abb. 2.31. Differenzialdiagnose: Abgrenzung zur Atheromato-
IMH entsprechen können. Hilfreich können die TOF- se: Im Unterschied zur IMH liegt der die Intima markierende
Technik oder eine Phasenkontrastangiographie sein, Kalk außen
die auch ganz geringen Fluss detektieren. Die Diffe-
renzialdiagnose bleibt letztendlich ohne klinische Be-
deutung, da die IMH wie eine Dissektion behandelt 2.1.4.7
wird: Die Typ-A-IMH stellt eine dringliche Opera- Chronische thorakale Aneurysmen
tionsindikation dar. Bei der stabileren Typ-B-Situa-
tion (8% Todesfälle unter medikamentöser Therapie) 왔 Darunter werden alle echten Aneurys-
Definition
wird ein primär konservatives Vorgehen (antihyper- men (alle Wandschichten betreffend),
tensive Therapie) angestrebt, wenn nicht Instabilität alle falsche Aneurysmen, die als Folge einer Ruptur al-
und/oder Größenprogredienz zu einem operativen ler Wandschichten auftreten, Pseudoaneurysmen, wo-
Eingriff zwingen, der allerdings mit einer 33%igen bei ein Teil der Wandschichten intakt ist inklusive al-
Operationsletalität behaftet ist. ler chronisch dissezierenden Aneurysmen subsumiert.
2.1 Aorta 139
Ab 5 cm im Querdurchmesser wird von einem An- te aller chronischen Aortenaneurysmen. Eine Trache-
eurysma gesprochen, ein Graubereich besteht zwi- alverlagerung ist in knapp 2/3 der Fälle zu beobach-
schen 3 und 5 cm. Nach der makroskopischen Form ten. Die Verdrängung der verkalkten Intima von der
unterscheidet man im Wesentlichen das fusiforme Aortenwand in der p.-a.-Aufnahme um >10 mm (s.
(falls die Gefäßwand zirkulär eingezogen ist) und das oben) ist als Zeichen einer Dissektion wenig spezi-
sackförmige Aneurysma, bei dem nur ein umschrie- fisch, da es auch projektionsbedingt durch eine elon-
bener Bezirk der Wand betroffen ist. Wahre Aneurys- gierte Aorta mit verkalkten, arteriosklerotischen Pla-
men sind in der Regel fusiform, falsche Aneurysmen ques postiv sein kann.
und Pseudoaneurysmen dagegen vorwiegend sack- Die CT oder die MRT als weiterführende Diagnos-
förmig. tik klären Lokalisation, Größe und Ausdehnung und
machen die Angiographie entbehrlich.
Pathologisch-anatomische und ätiologische
Grundlagen Arteriosklerotisches Aneurysma
Je nach Pathogenese unterscheidet man Das arteriosklerotische Aneursma macht die Mehr-
zahl aller thorakalen Aneurysmen aus. Der arterielle
∑ kongenitale,
Hypertonus gilt als prädisponierender Faktor. Patho-
∑ arteriosklerotische,
genetisch führt die subintimale Plaquebildung zu ei-
∑ mykotische (infektiöse),
ner verschlechterten Versorgung der Media und ei-
∑ Arteriitis-assoziierte,
ner Fibrosierung unterversorgter Wandanteile.
∑ posttraumatische und
Durch den Verlust an elastischen Fasern wird die Ge-
∑ das chronische disseziierende Aortenaneurysma.
fäßwand starrer und weiter. Mit zunehmendem Radi-
Am häufigsten sind die arteriosklerotischen (65%), us wächst die tangentiale Wandspannung, sodass das
gefolgt von den chronisch dissezierenden und den dilatierte unelastische Gefäß wesentlich höheren
kongenitalen Aneurysmen. Während man 1956 noch Wandspannungen ausgesetzt ist, was den Prozess
in bis zu 50% der Aneurysmen eine luetische Genese weiter beschleunigt. Typischerweise sind arterioskle-
fand, ist diese Ursache heute selten. Die Häufigkeit rotisch bedingte Aneurysmen fusiform.
mykotischer Aneurysmen soll sich auf 3–10% belau- Mit zunehmender Größe steigt das Risiko der Dis-
fen. sektion und Ruptur. Die Frage, wann die Indikation
In einem unselektionierten Kollektiv thorakaler zum operativen Eingriff gestellt werden soll, wird
Aortenaneurysmen betrafen 45% die Aorta ascen- kontrovers diskutiert. Weitgehende Einigkeit besteht
dens, 10% den Aortenbogen, 35% die deszendieren- darüber, dass die Größe des Aneurysmas der ent-
de Aorta und etwa 10% die thorakoabdominelle Aor- scheidende Faktor ist. So liegt – einer multivarianten
ta (Bickerstaff et al. 1982). Regressionsanalyse nach – die Wahrscheinlichkeit ei-
ner akuten Ruptur bei einer Größe zwischen 6,0 und
Klinische Symptomatik 6,9 cm bei 37% (Aorta ascendens), für Deszendens-
Gut 50% der Aneurysmen sind asymptomatisch und aneurysmen >7 cm bei 43% (Coady et al. 1999).
werden durch Zufall auf der Röntgenübersicht ent-
deckt. Wenn Symptome auftreten, dann gehen sie in
der Regel bereits von sehr großen Aneurysmen aus,
Merke ! Eine Operationsindikation wird – un-
ter Berücksichtigung der Komorbidi-
die mit benachbarten Organstrukturen in Beziehung tät – zwischen 5,5 und 6 cm für die Aorta ascendens
treten. Hauptsymptom ist der retrosternale Schmerz. und 6,5–6,9 cm für die Aorta descendens gesehen.
Je nach Lokalisation kann es zu Dysphagie, Dyspnoe,
Heiserkeit (linksseitiger Phrenikus) oder zur oberen Umschriebene sakkuläre Aneurysmen stellen eine
Einflussstauung bei Kompression der V. cava kom- gute Indikation für eine Stentintervention bei deut-
men. Hauptkomplikation ist die Ruptur, die in alle lich niedrigerer Mortalität und Morbidität dar (Won
benachbarten Strukturen erfolgen kann (Herzbeutel, et al. 2001.
Ösophagus, V. cava, Mediastinum, Bronchialsystem)
und meist tödlich endet. Die klinische Untersuchung Chronisch dissezierendes Aneurysma
ist meist unergiebig. Einzig die Zeichen einer Aorten- Das chronische dissezierende Aneurysma stellt nach
klappeninsuffizienz oder Strömungsgeräusche kön- dem arteriosklerotischen Aneurysma die zweithäu-
nen auf ein thorakales Aneurysma hindeuten. figste Ätiolögie thorakaler Aortenaneurysmen dar.
a b
c d e
Abb. 2.32 a–e. Arteriosklerotisches thorakoabdominelles Aneurysma. c–e Arteriosklerotisches Aneurysma der Aorta descendens
und abdominalis. Aneurysma mit exzentrischer Atheromatose und umschriebener sackförmiger Ausweitung proximal davon
Dabei wird die asymptomatische chronische Dissek- weis einer Perfusion des falschen Lumens und in der
tion ohne Organkomplikationen konservativ behan- Beurteilung der Aortenabgänge. Diesbezüglich sind
delt. Die Berechtigung für dieses Behandlungskon- die Angio-CT und die MRT als gleichwertig zu be-
zept liegt in der Gleichwertigkeit der Langzeitergeb- trachten.
nisse zwischen operativem und konservativem Vor- Die Zunahme der Lumenweite des falschen Lu-
gehen. Die Rolle der Bildgebung besteht bisher in der mens gilt als ein wichtiger prognostischer Parameter.
kurzfristigen Kontrolle von Lumenweite, dem Nach- Im diesem Kontext wird diskutiert, ob spezifische
2.1 Aorta 141
a b
c d
Abb. 2.33 a–d. 52-jähriger Patient mit bekannter arterieller MIP und der GRE-Sequenz Nachweis einer Typ-B-Dissektion
Hypertonie bei chronischer Typ-B-Dissektion (kleine Niere mit Ursprung der rechten Nierenarterie aus dem wahren, kom-
rechts als Hinweis auf eine chronische Dissektion). MRA zur primierten Lumen und Abgang der linken Nierenarteie aus
Abklärung einer renovaskulären Ursache des Hypertonus. Da- dem falschen Lumen. Therapie: Etablierung eines Aortenstents
bei zeigt sich in der MIP lediglich ein Kontrastsprung zwi- distal des Abgangs der linken A. subclavia
schen thorakaler und abdomineller Aorta. In der transversalen
a b
c d
Abb. 2.34 a–d. 60-jähriger Patient mit bislang stabiler Typ-B- Verlegung des Truncus coeliacus und der A. mesenterica su-
Dissektion. Aktuell abdominelle Schmerzen und Anstieg der perior durch das falsche Lumen (dorsal gelegen). Therapie:
Ischämieparameter (Laktat: 25 mmol/l, Transaminasen aortozöliakaler und mesenterialer Bypass
>10.000 U/l). So genannte „True-lumen-Kollapssituation“ mit
a b
c d
Kongenitales Aneurysma einer Reduktion der elastischen Fasern und einer Ab-
lagerung von mukoiden Substanzen in den mittleren
왔 Im Rahmen von angeborenen, gene- und äußeren Mediawandschichten.
Definition
ralisierten Bindegewebsstörungen wie
des Marfan- oder des Ehlers-Danlos-Syndroms Das Durchschnittsalter der Patienten liegt zwischen
kommt es durch den Verlust elastischer Fasern zur 40 und 70 Jahren. Erdheim-Gsell-assoziierte Aneu-
Schwächung der Aortenwand und zur progredienten rysmen betreffen vorwiegend die Aorta ascendens
Dilatation und Aneurysmabildung. und den Aortenbogen und machen etwa 8–10% aller
thorakalen Aortenaneurysmen aus. Die idiopathi-
Mit Beteiligung des Anulus kommt es in fast 90% der sche Medianekrose (Erdheim/Gsell) prädisponiert
Fälle zur Aortenklappeninsuffizienz (anuloaortale zur Ausbildung dissezierender Aneurysmen (s. dort;
Ektasie). Dissektion und Aortenruptur sind die le- Abb. 2.37 a–d).
bensbedrohlichen Komplikationen der Erkrankung
und für etwa 60% der Todesfälle bei diesen Patienten Posttraumatische Aneurysmen
verantwortlich. Eine Dissektion entwickelt sich in et- Wird ein schweres Dezelerationstrauma überlebt
wa 20–30% der Fälle. Dabei kamen in einer Fallstudie und die Aortenruptur nicht diagnostiziert und ope-
von 101 Patienten (Niinami et al. 1999) Typ A und B riert, so kann das periaortale Hämatom resorbiert
jeweils zu gleichen Teilen vor. werden und es entwickelt sich ein falsches Aneurys-
Eine Indikation zu einem operativen Eingriff ma (Pseudoaneurysma), das über Jahre stabil blei-
(mit/ohne Klappenersatz) wird bei Patienten mit ben, sich aber auch schnell vergrößern und rupturie-
Marfan-Syndrom ab einer Lumenweite von 5,5 cm ge- ren kann. Typischerweise sind diese Aneurysmen
sehen, da danach das Risiko von Dissektion und Rup- distal des Lig. arteriosum lokalisiert.
tur deutlich ansteigt.
Entzündliche Aneurysmen
Infektiöses (mykotisches) Aneurysma Im Rahmen einer Arteriitis (s. oben) kann es zur Aus-
Der Begriff geht auf eine Einzelfallbeschreibung ei- bildung von Aortenwandaneurysmen kommen. Die-
nes Patienten mit einer Endokarditis, septischer Em- se überwiegend im Bogen lokalisierten Aneurysmen
bolie und einem sekundär entstandenem Aortenan- haben eine schnelle Wachstumstendenz mit hoher
eurysma zurück. Man nahm an, es gehe von einer Rupturgefahr. Typischerweise zeigen sie eine Verdi-
Pilzinfektion aus und prägte den Ausdruck „mykoti- ckung der Aortenwand und eine Stenosierung der
sches Aneurysma“. Heute wird der Begriff auf alle aortalen Äste.
durch mikrobielle Infektionen entstandene Aneurys- Eine besondere und morphologisch seltsame
men ausgedehnt. Form ist das so genannte inflammatorische Aneurys-
Pathogenetisch wird neben dem hämatogen Infek- ma, wobei trotz der Bezeichnung „inflammatorisch“
tionsweg über die Vasa vasorum oder vom Gefäßlu- dieses nicht mit einem durch Mikroorganismen ent-
men transmural, der den überwiegenden Anteil aus- standenen Aneurysma verwechselt werden darf. Ty-
macht, auch der per continuitatem von einem be- pischerweise ist diese Aneurysmaentität infrarenal
nachbarten Entzündungsherd ausgehende disku- lokalisiert. Es sind bisher weniger als 10 Fälle in der
tiert. Mykotische Aneurysmen (s. Abschn. Literatur beschrieben worden, davon mit zusätzli-
„Aortitiden“) werden vorwiegend bakteriell verur- cher Beteiligung der Aorta descendens 5 Fälle und
sacht. Häufige bakterielle Erreger sind Staphylococ- der Aorta ascendens 2 Fälle (Girardi u. Coselli 1997).
cus aureus, betahämolysierende Streptokokken, Sal- Diese Aneurysmaart zeigt intraoperativ eine sehr
monellen oder Pseudomonasvarianten, in selteneren derbe fibröse Aortenwand mit einer Dicke von bis zu
Fällen sind es Infektionen mit Pilzen wie Candida mehreren Zentimetern. Nachbarstrukturen können
oder Aspergillus. Mykotische Aneurysmen sind am mit der Aneurysmawand derbe verbacken sein. His-
häufigsten in der Aorta ascendens anzutreffen und tologisch zeigen sich entzündliche Infiltrate mit his-
zeigen oft eine schnelle Größenzunahme. tiozytären Riesenzellen, Lymphozyten und Plasma-
zellen mit fokalen Medianekrosen. Eine Hyperim-
Idiopathische (zystische) Mediadegeneration munantwort auf arteriosklerotische Plaques wird
kontrovers diskutiert, da inflammatorische Aneurys-
왔 Die idiopathische Medianekrose (Erd- men auch ohne arteriosklerotische Veränderungen
Definition
heim/Gsell) ist eine wahrscheinlich gefunden wurden.
genetisch bedingte Strukturstörung der Media mit
2.1 Aorta 145
a b
c d
Abb. 2.37 a–d. Zufallsbefund im Rahmen einer betriebsärzt- Dark-blood-Technik) großes (7,5 cm) Aszendensaneurysma.
lich durchgeführten Thoarxübersichtsaufnahme eines 35-jäh- Indikation zur Anlage eines Aortenkonduits. Histologie: zys-
rigen Dachdeckermeisters. Aortendilatation und linksventri- tische Medianekrose Erdheim-Gsell
kuläre Herzvergrößerung. c,d In der MRT (TSE-Sequenz,
146 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
2.2 Magnetresonanztomographie
Pulmonale Gefäße Erste Versuche einer magnetresonanzangiographi-
schen Darstellung der Pulmonalgefäße mit Black-
2.2.1 blood- oder TOF-Techniken erwiesen sich aufgrund
Radiologische Untersuchungstechnik der langen Akquisitionzeiten und der dadurch be-
dingten Artefaktanfälligkeit als wenig erfolgverspre-
chend.
Konventionelle Röntgendiagnostik Mit der kontrastmittelverstärkten MRA konnte
Der Röntgenthorax im p.-a.- und lateralen Strahlen- der entscheidene Durchbruch erzielt werden. So ist
gang oder – wenn eine Stehendaufnahme nicht mög- mit den MR-Scannern der neuesten Generation eine
lich ist – die a.-p.-Liegendaufnahme, stellt die Basis- Darstellung der Pulmonalgefäße in der Größenord-
diagnostik in der Beurteilung der pulmonalen Gefä- nung von 5–7 s möglich. Dadurch kann auf ein Bolus-
ße dar. Timing verzichtet werden, wie es bei Akquisitionszei-
ten eines 3D-Datenblocks von bisher um die 20 s not-
Computertomographie wendig war, und es ermöglicht eine angiographie-
Die CT gilt als das Standardverfahren nach der Über- ähnliche Darstellung von pulmonalarteriellem
sichtsaufnahme in der Beurteilung der Pulmonalge- Einstrom und venöser Phase. Dabei können mit
fäße. Dabei wird in der überwiegenden Mehrzahl al- Schichtinterpolation Schichtdicken von 2 mm erzielt
ler Fälle die Untersuchung primär mit Kontrastmittel werden. Dies ermöglicht eine Darstellung bis zur
durchgeführt, wenngleich Verkalkungen (z. B. ver- Subsegmentarterienebene.Von Vorteil gegenüber der
kalkte Lymphknoten oder Thromben) bei primärer CT ist die Möglichkeit der primären Datenaquisition
Kontrastmittelgabe maskiert werden können und bei in der frontalen Ebene, nachteilig ist die im Vergleich
bestimmten Fragestellungen (z. B. Embolie: Differen- zur MSCT-Generation deutlich schlechtere Ortsauf-
zialdiagnose intravasaler Tumor) eine Aussage über lösung und die überlegene Darstellung des Lungen-
die Kontrastmittelaufnahme nicht möglich ist. In sol- parenchyms in der CT.
chen Fällen kann eine Nativuntersuchung in einem Mit Hilfe von Phasenkontrastangiographiese-
zeitlichen Intervall von 2–4 Stunden nach intravenö- quenzen können Flussgeschwindigkeiten in den zen-
ser Kontrastmittelgabe ergänzend durchgeführt wer- tralen Pulmonalarterien bestimmt werden und wert-
den. volle Informationen über die Hämodynamik gewon-
Dabei ist eine ausreichende und gleichmäßige nen werden (z. B. im Rahmen einer nichtinvasiven
Kontrastierung der Gefäße entscheidend. Es existie- Shuntvolumenbestimmung z. B. bei fehleinmünden-
ren in der Literatur eine Vielzahl verschiedener Pro- den Lungenvenen oder bei arteriovenösen Malfor-
tokolle, von einem „Low-concentration- (150– mationen, als Verlaufskontrolle bei pulmonalarteriel-
240 mg/ml) high-flow- (4–5 ml/s)“ bis zu einem ler Hypertonie oder als postoperative Verlaufskon-
„High-concentration- (300–350 mg/ml) low-flow- trolle nach Lungentransplantationen).
(2–3 ml/s) Protokoll“. Ein „Scan-delay“ von 15–20 s Erste Ansätze, mit „Blood-pool-Kontrastmitteln“
bietet in den meisten Fällen eine ausreichende Kon- und einem navigatorunterstützten „Atem-Gating“
trastierung der Gefäße (bzw. Triggerung des Bolus über eine Verlängerung des Akquisitionsfensters eine
auf dem Truncus pulmonalis) bei einem Kontrast- deutliche Verbesserung der Ortsauflösung zu erzie-
mittelvolumen von 80–120 ml plus etwa 60 ml NaCl. len sind erfolgversprechend, wenngleich hiermit eine
Zur Beurteilung der segmentalen und subsegmen- Überlagerung pulmonalarterieller und -venöser Ge-
talen Gefäßanatomie sollte die Schichtdicke bei der fäße in Kauf genommen werden muss.
Einzeldetektortechnik 2–3 mm nicht überschreiten
(Pitch 5 mm, Rekonstruktionsintervall 3 mm). Bei Pulmonalisangiographie
der MSCT empfiehlt sich eine Kollimation von Die Pulmonalisangiographie stellt den Goldstandard
<1 mm und ein Pitch-Faktor von <1,5. Multiplanare in der Beurteilung der pulmonalen Gefäße dar. Sie
Rekonstruktionen (in der Regel sagittale und fronta- wird normalerweise als DSA mit selektiver Darstel-
le Sekundärrekonstruktionen) erleichtern Befun- lung der rechten und linken Pulmonalarterie in min-
dung, diagnostische Sicherheit und Dokumentation. destens 2 Projektionen (a.-p. und eine Schrägprojek-
MIP und 3D-Oberflächenrekonstruktionen (SSD) tion von 45°) durchgeführt. Der Zugang erfolgt femo-
vermitteln einen dreidimensionalen Eindruck und ral oder über eine Kubitalvene. 20–30 ml eines jod-
sind eher für die Demonstrabilität von Befunden als haltigen Kontrastmittels mit einer Konzentration von
für die eigentliche Befunderstellung geeignet. 300 mg/ml und einer Injektionsgeschwindigkeit von
etwa 10–15 ml/s sind zur Erzielung eines guten Ge-
fäßkontrasts ausreichend. Katheterbedingte Kompli-
kationen sind iatrogene pulmonale Thrombembo-
2.2 Pulmonale Gefäße 147
lien und Verletzungen des Papillarmuskels oder des der rechte Oberlappen aber von 3 isoliert abgehen-
Trikuspidalklappenapparats. den Arterien versorgt (R. apicalis, R. posterior und
In einer großen Serie von 1350 Pulmonalisangio- R. anterior). Zum rechten Mittellappen führen in
graphien (Mills et al. 1980) kam es in 0,2% zu einem 50% der Fälle eine (R. lobi medii), in 50% 2 Arterien
tödlichen Ausgang (bei vorliegender pulmonalarte- (R. lateralis und R. medialis). Sie entspringen vom
rieller Hypertonie), in 3,2% der Patienten wurden Truncus interlobaris. Die Blutversorgung des rechten
größere Komplikationen wie Verletzungen des Endo- Unterlappens erfolgt aus dem abwärts gehenden
myokards oder schwere Arrythmien beobachtet. Schenkel der A. pulmonalis dextra. Dabei entspringt
Nachteil der Pulmonalisangiographie ist – neben den in 80% der Fälle die A6-Arterie solitär und meist hö-
bei sorgfältiger Technik und guter Patientselektion her als die Mittellappenarterie. Die Pars basalis gibt
(RVED Druck <20 mmHg) extrem seltenen Kompli- Äste zu den Unterlappensegmenten ab, wobei zahl-
kationen – die im Vergleich zu den Schnittbildverfah- reiche Varianten beschrieben sind (Hornykiewytsch
ren CT und MRT nur indirekte Beurteilung der Ge- u. Stender 1955).
fäßwand, was in der Diagnositik von Vaskulitiden Im Allgemeinen münden auf beiden Seiten je
nachteilig sein kann. 2 Vv. pulmonales in den linken Vorhof. Diese Venen
entstehen in den Hili aus dem Zusammenfluss der in-
trapulmonalen Segmentalgefäße. Auf der linken Sei-
2.2.2 te bilden die 3 Oberlappensegmentvenen die krania-
Normalanatomie und wesentliche Varianten le Lungenvene. Die 2 Hauptunterlappenvenen bilden
die linksseitige kaudale Lungenvene. Rechtseitig ver-
Anatomie einigt sich die Mittellappenvene mit den Oberlap-
Der Pulmonalarterienhauptstamm entspringt aus penvenen zur rechten kranialen Lungenvene.
dem rechten Ventrikel und verläuft ventral der aszen- Dabei sind zahlreiche Einmündungsvarianten be-
dierenden Aorta. Sein Anfangsabschnitt ist vom Peri- schrieben. Klinisch relevant sind jedoch nur die, bei
kard bedeckt, das sich vor der Aufteilung in die rech- denen es zur Fehleinmündung in den venösen Kreis-
te und linke Pulmonalarterie zurückwendet. Er zieht lauf gekommen ist (rechter Vorhof, V. cava; s. dort).
zur linken Seite und teilt sich unterhalb des Aorten-
bogens in die rechte und linke Pulmonalarterie.
Die linke Pulmonalarterie ist kürzer als die rechte 2.2.3
und verläuft schräg nach links oben und hinten, Systematische Bildanalyse
kreuzt den linken Hauptbrochus und verläuft ober-
halb desselben. Im weiteren Verlauf gibt sie Zweige Die folgende Übersicht stellt die Befunde aus Rönt-
an den Oberlappen ab. Die Zahl der Gefäße variiert genthoraxaufnahmen zusammen.
zwischen 4 und 8. Die große Verschiedenheit lässt
sich auf 3 anatomische Gegebenheiten zurückführen. Röntgenthorax
Die Segmente S3, S1 und S5 werden von Gefäßen ver- ∑ I. Globale Veränderungen der Gefäßarchitektur:
sorgt, die gleichzeitig von der mediastinalen und in- 왔 1. Schmale periphere Gefäße bei normaler Größe und
terlobären Seite ausgehen können. Zweitens können Konfiguration der zentralen Gefäße – z. B. kongenitale
die Segmente S1 und S2 geteilte Arterien enthalten, Vitien mit Pulmonalstenose
und/oder es können zusätzliche Gefäße angelegt 왔 2. Schmale periphere Gefäße bei dilatierten zentralen
sein. Nach Abgabe der zum Oberlappen verlaufenden Gefäßen: primäre pulmonalarterielle Hypertonie,
Zweige läuft die A. pulmonalis sinistra dann als Inter- chronisch thomboembolische Erkrankung
왔 3. Schmale periphere Gefäße bei dilatierten zentralen
lobärarterie im großen Lappenspalt und teilt sich in
Gefäßen und vermehrter Strahlentransparenz der
die Segmentäste für den Unterlappen. Nach dem Ur- Lunge: Emphysem, spastisches Asthma
sprung von der Segmentarterie A6 nennt sich der Ge- 왔 4. Dilatierte periphere Gefäße (arteriell und venös) und
fäßstamm Pars basalis. Dieser teilt sich in 2 Äste, wel- normale bis gering dilatierte zentrale Gefäße:
che die mediobasale (A7, A8) bzw. die laterobasale Mitralstenose, Linksherzinsuffizienz, Cor triatriatum,
(A9, A10) Gefäßgruppe ergeben. Dabei sind zahlrei- Vorhoftumor/-thrombus oder primären Veränderun-
che Variationen beschrieben worden (Hornykie- gen der Pulmonalven wie im Rahmen einer fibrosie-
wytsch u. Stender 1955). renden Mediastinitis, kongenitaler Pulmonalvenenste-
Die rechte Pulmonalarterie verläuft hinter der nosen und -anomalien,„venous-occlusive disease“
aszendierenden Aorta, der V. cava und der rechten (VOD), Thrombus oder Tumor usw.
Oberlappenvene. Sie liegt ventral des Ösophagus und 왔 5. Dilatierte periphere Gefäße bei deutlich dilatierten
des rechten Oberlappenbronchus. Der erste Ast zentralen Gefäßen: Hyperzirkulationsvitien mit Links-
(Truncus superior) kann in einer kleinen Zahl der rechts-Shunt, arteriovenöse Malformationen
∑ II. Regionale Veränderungen der Gefäßarchitektur:
Fälle den ganzen Lappen versorgen. Meistens wird
148 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
a b
c d
Abb. 2.38 a–d. „Pulmonary-sling-Syndrom“ (Pfeil) mit retro- rechtsventrikulärer Hypertrophie und linksbetonter pulmo-
tracheal verlaufender linksseitiger A. pulmonalis bei offenem, nalarterieller Hypertonie. In der sagittalen Rekonstruktion
verkalktem Ductus arteriosus (Stern) bei einer 36-jährigen, wird durch die primäre Kontrastierung der postduktalen Aor-
geistig behinderten Patientin mit zentraler Zyanose (Eisen- ta die Shuntumkehr deutlich
menger-Komplex). Dextropositioniertes Herz mit erheblicher
der intralobären Form ist das nichtfunktionstüchtige Vordergrund stehen. Beim älteren Kind sind es meist
Lungenparenchym von der allgemeinen viszeralen chronische, rezidivierende Pneumonien, die zur Dia-
Pleura umgeben, während die extralobäre Form sei- gnose führen. Im Unterschied zur extralobären Form
ne eigene viszerale Pleura besitzt. Beide erhalten ih- wird die intralobäre Variante oft erst im Erwachse-
ren arteriellen Zufluss direkt aus der thorakalen oder nenalter durch chronisch rezidivierende Pneumo-
abdominalen Aorta oder deren Äste (z. B. Interkostal- nien klinisch manifest. Komplikationen können sich
arterien, Bronchialarterien). In 15–20% sind mehre- durch eine Superinfektion mit Aspergillus, Tuberku-
re arterielle Zuflüsse nachweisbar. Bei der intralo- lose, Hämoptysen oder in seltenen Fällen durch die
bären Form ist die zuführende Arterie im Unter- Entwicklung eines Hämatothorax (Avishai et al.
schied zur extralobären Form oft kaliberstark. In 1996) ergeben. Bisher ist in der Literatur ein Fall eines
sehr seltenen Fällen kann die arterielle Versorgung malignen Tumors in einem intralobären Sequester
aus den Koronarien erfolgen oder aus einer „A. inno- beschrieben worden (Gatzinsky u. Olling 1988).
minata“ (Bertsch et al. 1999; Grigoryants et al. 2000).
Unterschiedlich ist die venöse Drainage. Bei der Radiologische Symptomatik
intralobären Form erfolgt die venöse Drainage über- Der Röntgenthorax bietet ein weites Spektrum: Das
wiegend über das pulmonal-venöse System in den unkomplizierte intralobäre Sequester imponiert als
linken Vorhof, bei der extralobären Form system- gut abgrenzbare homogene Verschattung des vorwie-
venös über die V. azygos oder hemiazygos, direkt gend linken Unterlappens, kann aber auch rundlich
in die V. cava oder über die Pfortader in die V. cava oder lobuliert erscheinen und einen malignen Tumor
inferior. vortäuschen. Im Falle einer Infektion erscheint der
60–70% der intralobären Sequester sind im poste- Sequester pneumonieähnlich unscharf, und in 20–
rolateralen Abschnitt des linken Unterlappens lokali- 30% der Fälle ist durch einen Anschluss an das Tra-
siert. In 90% der Fälle einer extralobären Form sind cheobronchialsystem ein Luft-Flüssigkeits-Spiegel
die zwerchfellnahen Abschnitte des linken Unterlap- nachweisbar. Ein Pneumothorax kann durch die Rup-
pens betroffen, in der überwiegenden Mehrzahl zwi- tur einer Zyste entstehen, ein Hämatothorax durch
schen dem linken Unterlappen und dem Zwerchfell. eine Hämorrhagie des Sequesters. Im Randbereich
Die extralobäre Sequestration kann in seltenen Fäl- oder auch zentral im intralobären Sequester finden
len auch perikardial, mediastinal oder retroperitone- sich gelegentlich emphysematös überblähte Lungen-
al lokalisiert sein. Assoziierte Malformationen wie abschnitte, möglicherweise bedingt durch ein so ge-
kongenitale Zwerchfellhernien, Paralyse, andere ske- nanntes „air trapping“ über die Kohn-Poren aus dem
lettale (Rippen- und Wirbelanomalien) oder kardiale umgebenden ventilierten Parenchym (Suga et al.
Fehlbildungen (ASD, Dextrokardie, Fallot-Tetralogie) 2001).
sowie assoziierte intestinale Duplikaturen und ano- Der extralobäre Sequester manifestiert sich rönt-
rektale Fehlbildungen sind mit 30–60% bei der extra- genologisch als glatt begrenzte homogene Raumfor-
lobären Form häufig, mit etwa 10% bei der intralo- derung zwischen Diaphragma und Unterlappen oder
bären seltener. In seltenen Fällen einer extralobären als eine dem posterior-medialen Diaphragma aufsit-
Sequestration bestehen Fisteln zum Ösophagus und zende Vorwölbung. Atypische Lokalisationen sind
zum Magen. perikardial, mediastinal und retroperitoneal. Obwohl
Bei der intralobären Form ist das Geschlechtsver- der extralobäre Sequester von einer eigenen Pleura
hältnis ausgeglichen, bei der extralobären Form ist umgeben wird, wird auch hier das Phänomen der
das männliche Geschlecht etwa 3- bis 4-mal so häufig emphysematösen Überblähung beobachtet. In selte-
betroffen. nen Fällen können extralobäre Sequester luftgefüllt
Das histopathologische Bild zeigt unterentwickel- sein, bedingt durch eine Kommunikation mit Öso-
tes Parenchym mit einzelnen oder multiplen Zysten, phagus und Magen. Hier ist eine Breischluckuntersu-
die Mukus oder im Falle einer Infektion Eiter enthal- chung zum Nachweis entsprechender Fisteln indi-
ten können. Mikroskopisch ähneln die Zysten dila- ziert.
tierten Bronchien, die respiratorisches Epithel und Die Sonographie hat sich vor allem in der pädiatri-
gelegentlich Knorpel enthalten können. schen Diagnostik als wertvolle, nichtinvasive Zusatz-
diagnostik etabliert. Das Sequester zeigt sich in der
Klinische Symptomatik Regel als solide echogene, diaphragmal oder epi-
Die extralobäre Variante wird oft pränatal, direkt diaphragmal lokalisierte Raumforderung. Der zu-
postnatal oder in den ersten Lebensjahren diagnosti- sätzliche Einsatz der farbkodierten Duplexsonogra-
ziert (<10% im Erwachsenenalter). Die meisten Pa- phie mit dem Nachweis eines kräftigen, arteriellen
tienten fallen durch respiratorische Symptome auf, Feeders erleichtert die differenzialdiagnostische Ein-
die sich beim Füttern verstärken. Besteht ein signifi- ordnung als bronchopulmonale Sequestration. Die
kanter arteriovenöser Shunt, kann die Zyanose im Differenzialdiagnose zum Neuroblastom, zur adeno-
2.2 Pulmonale Gefäße 153
id-zystischen Malformation oder zur arteriovenöse Vorgehen (Resektion, Lobektomie). Zur Prophylaxe
nMalformation kann unter Umständen extrem der oben bereits erwähnten Komplikationen wird im
schwierig oder unmöglich sein und eine weiterfüh- chirurgischen Schriftum auch bei asymptomatischen
rende Diagnostik erforderlich machen. Fällen die operative Sanierung empfohlen. Als Alter-
Die invasive Bronchographie spielt in Zeiten der CT- native zum chirurgischen Vorgehen liegen bei assozi-
Diagnostik keine Rolle, Sie zeigt lediglich ein durch ierten schweren kardialen Fehlbildungen Einzelfall-
das Sequester verlagertes unauffälliges Tracheobron- berichte über erfolgreiche Coil-Embolisationen vor
chialsystem, und selbst die seltenen winzigen Verbin- (Tokel et al. 2000; Abb. 2.42 a–e).
dungen zum Bronchialsystem bei intralobären
Sequestern lassen sich bronchographisch fast nie Arteriovenöse Malformation
darstellen.
Computertomographisch kann das Spektrum un- 왔 Eine
arteriovenöse Malformation
Definition
terschiedlicher Befunde außerordentlich weit sein: (AVM) ist eine angeborene (häufig)
Die bronchopulmonale Sequestration kann als ho- oder erworbene (posttraumatisch, infektiös oder
mogener oder inhomogener solider Tumor mit oder iatrogen) abnorme Shuntverbindung zwischen
ohne zystische Veränderungen imponieren. Es kön- Pulmonalarterien und Pulmonalvenen seltener
nen multiple multilobulierte zystische Veränderun- auch zwischen Bronchial- und Pulmonalarterien
gen oder auch isolierte kavernenähnliche Höhlen mit oder zwischen Bronchialarterien und Pulmonal-
Spiegelbildung vorliegen. Von entscheidener diffe- venen.
renzialdiagnostischer Bedeutung ist die Identifika-
tion einer aberranten systemischen Gefäßversor-
gung, die mit konventioneller CT-Technik nicht im- Pathologisch-anatomische
mer nachweisbar sein muss. So sind im Zeitalter der und ätiologische Grundlagen
Spiral-CT- und MSCT-Technik selbst kleine, oft nur Pathogenetisch liegt der angeborenen AVM eine Per-
1–2 mm große Feeder nachweisbar. Die venöse Drai- sistenz fetaler kapillärer Anastomosen zugrunde. In
nage muss nicht immer nachweisbar sein (vor allem etwa 70% der Fälle sind sie mit der hereditären (au-
beim intralobären Sequester mit einem Abfluss über tosomal-dominant) hämorrhagischen Teleangiekta-
die Pulmonalvenen). sie (HHT, Morbus-Rendu-Osler-Weber) assoziiert.
Im Unterschied dazu haben nur etwa 15–35% aller
Merke ! Indirekte Zeichen in der CT wie eine
Erweiterung des Azygos- oder Hemia-
Patienten mit AVM eine HHT. In etwa 1/3 der Fälle
liegen multiple AVM vor. Eine Sonderform mit multi-
zygossystems auf >10 mm müssen zusammen mit plen kleinen AVM ist als seltene diffuse pulmonale
der posterobasalen Lungenveränderung an eine Teleangiektasie beschrieben, die Dilatationen kleiner
bronchopulmonale Sequestration denken lassen. präkapillärer Gefäße aufweist. Diese Form wird bei
der HHT gefunden, aber auch in Verbindung mit ei-
Auch wenn die CT die pulmonalen Veränderungen ner Leberzirrhose.
besser darstellt, ist die MRT als kontrastmittelunter- Alle Lokalisationen sind möglich, 70% aller AVM
stützte MRA die Methode der Wahl in der Darstellung sind jedoch im Unterlappen lokalisiert.
der aberrierenden Arterien und des venösen Abflus- Erworbene AVM sind oft Kurzschlussverbindun-
ses und macht die invasive Angiographie in den gen zwischen Bronchialarterien und Pulmonalarte-
meisten Fällen entbehrlich. rien oder -venen und werden bei chronischen Infek-
tionen, bei pulmonaler Schistosomiasis, posttrauma-
Differenzialdiagnose, operative tisch oder infolge eines rupturierten Aneurysmas ge-
und interventionelle Aspekte funden. Da in diesen Fällen keine hereditäre
Die adenoid-zystische Malformation lässt die aber- Komponente vorliegt und eine Kurzschlussverbin-
rante systemarterielle Gefäßversorgung vermissen. dung systemarteriell und pulmonalarteriell/-venös
Die arteriovenöse Malformation manifestiert sich als vorliegt, empfehlen einige Autoren auch eine begriff-
solitäre/multiple runde oder lobulierte Raumforde- liche Trennung und subsumieren diese Entität unter
rung mit zu- und abführenden Feedern und ist als dem Begriff „vaskuläre Shunts“.
Rendu-Osler-Weber-Syndrom (90%) häufig mit tele-
angiektatischen Veränderungen von Haut und Muko- Klinische Symptomatik
sa assoziiert. Auch die Pneumonie und der Lungen- Isolierte AVM unter einer Größe von 2 cm sind in der
abszess bereiten durch das Fehlen pathologischer Regel asymptomatisch, wohingegen Läsionen >2 cm
Gefäße differenzialdiagnostisch keine Probleme. oder multiple AVM klinisch symptomatisch werden.
Therapie der Wahl ist bei symptomatischen bron- Man schätzt, dass etwa 10% der AVM im Kleinkind-
chopulmonalen Sequestrationen das chirurgische und Kindesalter klinisch manifest werden, die Mehr-
154 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
a b
c d
zahl der AVM aber klinsch stumm bleibt. Dabei kor- darf die klinische Relevanz kontrovers diskutiert
relieren Ausmaß und Größe der AVM mit der Symp- werden, da die Indikation für eine Embolisation erst
tomatik. Etwa 30% der symptomatischen AVM haben ab einem Durchmesser des zuführenden Gefäßes von
eine neurologische Ischämiesymptomatik, etwa 10% 3 mm und mehr gesehen wird (White et al. 1988).
entwickeln Hirnabszesse und 10% werden klinisch Die Bedeutung der Kontrastechokardiographie be-
durch Blutungskomplikationen wie Hämoptysen steht im primären Screening von HHT-Patienten und
oder Hämatothorax manifest. In Abhängigkeit vom bei klinischen Verdacht einer AVM (paradoxe Embo-
Shuntvolumen stehen Symptome wie Dyspnoe und lie, klinische Zeichen eines Rechts-links-Shunts). Im
Zyanose im Vordergrund. Unterschied zum Shunt auf kardialer Ebene zeigen
Oberflächliche Teleangiektasien sind im Falle ei- sich die Mikrobläschen („bubbles“) erst mit einer
ner HHT oft das einzige klinische Zeichen. Auskulta- zeiltlichen Verzögerung im linken Vorhof. Dabei hat
torisch lässt sich in gut 1/3 der Fälle ein Strömungs- die Kontrastechokardiographie eine nahezu 100%ige
geräusch über der betroffenen Thoraxhälfte ausma- Sensitivität im Erfassen klinisch relevanter AVM.
chen. Die Perfusionsszintigraphie mit 99mTc markierten
Mikrosphären oder Makroaggregaten von humanem
Radiologische Symptomatik Serumalbumin beweist mit der Aktivitätsanreiche-
Im Röntgenthoraxbild zeigen sich die AVM als ovale rung in den Nieren einen Rechts-links-Shunt, der
oder runde gelappte Raumforderungen. Oft können auch bei Vitien auf Vorhof- oder Ventrikelebene posi-
schon im Übersichtsbild die zuführende Arterie und tiv ist. Dabei kann der Shuntanteil aus dem Verhältnis
Vene identifiziert werden. Dabei ist die Angiographie von Nieren- zur Lungenaktivität verlässlich be-
der Goldstandard, sowohl im Hinblick auf die exakte stimmt werden. Eine direkte Darstellung der AVM ist
Darstellung der Gefäßarchitektur, sytemarterieller durch den Nachweis einer sequenziellen Akkumula-
Kollateralzuflüsse über Bronchialarterien als auch tion der Aktivität und einem rapiden „washout“
auf die Detektion kleinster AVM. So werden angio- ebenfalls möglich. Wegen der fehlenden Darstellung
graphisch 2 Typen unterschieden: der Angioarchitektur ist die Perfusionsszintigraphie
nicht Methode der Wahl.
1. Der einfache Typ (80% der AVM) ist durch eine
direkte Verbindung von Arterien und Venen ge-
Differenzialdiagnose, operative
kennzeichnet. Dieser Typ prädisponiert zu para-
und interventionelle Aspekte
doxen Embolien. Der venöse Schenkel, aus dem
Die Verdachtsdiagnose einer AVM ergibt sich in vie-
ein fusiformes oder sakkuläres venöses Aneurys-
len Fällen schon aus dem Übersichtsbild und wird
ma entspringt, ist dilatiert. Mehr als 90% dieser
durch eine weiterführende Schnittbilddiagnostik
AVM erhalten ihren arteriellen Zufluss pulmonal-
(CT/MRT) bestätigt. Der pulmonale Varixknoten als
arteriell, in den anderen Fällen kommt die arte-
dilatierte und/oder geschlängelte Pulmonalvene liegt
rielle Versorgung aus den Bronchialarterien.
in der direkt in Nachbarschaft zum linken Vorhof.
2. Komplexer Typ: Dieser Typ ist durch eine oder
Auf Verwechselungsmöglichkeiten einer extrem ge-
mehrere zuführende Arterien und prominente
schlängelten und anomal verlaufenden Pulmonalve-
drainierende Venen gekennzeichnet. Zwischen
ne mit einer AVM sei an dieser Stelle hingewiesen
Arterien und Venen ist ein Netzwerk von ge-
(Engelke et al. 2001). Differenzialdiagnostisch sind
schlängelten, dilatierten Gefäßkanälen vorhan-
hypervaskularisierte Metastasen (Chorionkarzinom,
den.
Adenokarzinom, Schilddrüse, Karzinoid) zu nennen
Auch wenn die Angoiographie den Goldstandard (Cirimelli et al. 1988; Halbsguth et al. 1983), die com-
darstellt, ist zwischen der Verdachtsdiagnose einer putertomographisch wie AVM imponieren können.
AVM und der exakten angiographischen Darstellung Dies gilt vor allem für kleine Läsionen. In diesen Fäl-
vor Embolisation die CT oder mit zunehmender Be- len sind die Klinik, die Kontrastechokardiographie
deutung die MRT in der prätherapeutischen Planung und/oder eine Perfusionsszintigraphie hilfreich. Be-
vorgeschaltet. Dabei ist die hohe Sensitivität der CT stehen Zweifel, so führt eine Angiographie zur ent-
von 98% in einer vergleichenden Studie an 109 AVM gültigen Klärung.
belegt (Remy et al. 1992) mit einer hohen Überein- In aktuellen Verlaufsstudien unbehandelter AVM
stimmung (75%) bezüglich ihrer Angioarchitektur liegt die Gesamtmorbidität und -mortalität bedingt
(Remy et al. 1994). Erste Erfahrungen (Maki et al. durch Hirnabszedierung, zerebral ischämische
2001; Ohno et al. 2002) mit der kontrastmittelunter- Komplikation, Hämoptysen oder Hämatothorax in
stützten MRA belegen eine hohe Treffsicherheit einer Größenordnung von etwa 20%. Therapie
(90%) in der Detektion, Lokalisation und Charakteri- der Wahl ist die Embolisation mit einer im Vergleich
sierung der Angioarchitektur. Limitationen bestehen zum chirurgischen Vorgehen deutlich niedrigeren
bezüglich der Detektion kleiner AVM <5 mm. Dabei Komplikations- und Rezidivrate (0–2% vs. 0–10%;
156 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
b c
Abb. 2.43 a–c. Im Röntgenthorax rundliche Verdichtung im Pfeile) sowie der drainierenden Vene (weiße Pfeile). Therapie.
linken Mittelfeld. b Die CT zeigt die große aneurysmatische Embolisation. (Bilder mit freundlicher Genehmigung von Frau
Aussackung der PAVM in der inferioren Lingula (Stern). c An- Prof. M. Remy-Jardin)
giographisch Darstellung der arteriellen Feeders (schwarze
Lee et al. 1997; White et al. 1996). Dabei gilt die Indi- Pathologisch-anatomische
kation zur Embolisation ab einem Durchmesser der und ätiologische Grundlagen
zuführenden Arterie von >3 mm als gegeben, da die Traumatische Verletzungen der Pulmonalarterie sind
AVM-assoziierten Komplikationen bei einer Größe extrem selten. In einer autoptischen Studie von 585
der zuführenden Arterie <3 mm als als gering anzu- Fällen eines letalen Thoraxtraumas fanden Kemme-
sehen sind (White et al. 1983; Abb. 2.43 a–c). rer et al. (1961) nur 4 Zerreißungen der Pulmonalar-
terie. Über Patienten, die eine akute komplette oder
2.2.4.2 inkomplette Zerreißung des Truncus oder des Pul-
Traumatische Veränderungen monalarterienhauptstamms überlebt haben, liegen
Pulmonalarterien in der Literatur nur vereinzelte Fallberichte vor (Col-
lins u. Robinson 1989; Daon u. Gorton 1997; Hawkins
왔 Die akute Ruptur ist die traumatisch et al. 1988; Katz u. Groskin 1993). Dabei soll die Über-
Definition
bedingte Zerreißung von Teilen oder lebenswahrscheinlichkeit einer kompletten Zerrei-
sämtlicher Wandschichten des Truncus oder des Pul- ßung <30% liegen (Daon u. Gorton 1997). Ist sie in-
monalarterienhauptstamms. komplett, so kann sich ein Pseudoaneurysma (bisher
etwa 3 Fälle nach stumpfen Thoraxtrauma beschrie-
ben; Savage et al. 2001) entwickeln, das über Jahre kli-
nisch stumm bleiben kann. Es kann Ursache von Em-
2.2 Pulmonale Gefäße 157
bolien sein oder sich klinisch durch Hämoptysen neswegs aus. In den bisher beschriebenen Fällen
oder thorakale Schmerzen manifestieren. wurde die Diagnose durch eine mediane Sternioto-
mie oder durch eine laterale Thorakotomie gestellt.
Klinische Symptomatik Ein klinisch wichtiges Zeichen kann der Druckabfall
Die klinische Präsentation kann variieren. Am häu- nach Thoraxdrainage sein. Der Hämatothorax stellt
figsten liegt ein massiver Hämatothorax vor, der die in diesem Fall eine Erweiterung des linksatrialen Sys-
sofortige Thorakotomie erfordert. tems dar, und die Entlastung führt über die Reduk-
tion der linksatrialen „preloads“ zu einem systemar-
CAVE ! Bei einem Spannungshämotothorax
kann das Einlegen einer Entlastungs-
teriellen Druckabfall.
Diagnose und Therapieeinleitung ist deshalb von Pleuraergüssen (23%), einem Zwerchfellhochstand
entscheidener Bedeutung. (20%) und einer Dilatation der zentralen Pulmonal-
gefäße (Fleischner-Zeichen) in 19% der Patienten
Klinische Symptomatik mit Lungenembolie. Atelektasen/Infiltrate fanden
Es wird geschätzt, dass etwa 10% aller Patienten mit sich 17% der Fälle. Typisch, aber nicht häufig, ist der
pulmonaler Embolie hämodynamisch instabil (sys- so genannte Hampton-Höcker. Der Infarkt (5% der
tolisch <90 mmHg) sind; in diesen Fällen ist die Dia- Lungenembolien) sieht aus wie ein Kegelstupf, der
gnose oft eindeutig zu stellen. Die Diagnose einer mit seiner Basis der Pleura visceralis anliegt. Charak-
Lungenembolie bei einem klinisch stabilen Patienten teristischerweise wird ein in Rückbildung begriffe-
kann schwierig sein. So liegen bei etwa 60% der Pa- ner Infarkt nach und nach kleiner, behält aber seine
tienten mit dem klinischen Verdacht einer Lunge- ursprüngliche Gestalt (Zeichen des schmelzenden
nembolie keine pulmonale Embolie vor. Häufigstes Eiswürfels). Die lokale Oligämie (Westermark-Zei-
Symptom einer pulmonalen Embolie ist die Dyspnoe chen) fand sich in 8% der Fälle.
(80%), gefolgt vom Thoraxschmerz (50%), Engege- In der Ventilations-/Perfusionsszintigraphie zeigen
fühl, Husten und Hämoptysen (30–50%). EKG-Ver- sich segmentale Perfusionsausfälle bei normaler Ven-
änderungen werden bei etwa 80% der Patienten be- tilation. Diese Methode gilt in vielen Zentren als das
obachtet und sind meist unspezifisch. Mit typischen Screening-Verfahren bei klinisch vermuteter Lungen-
EKG-Veränderungen wie Rechtsschenkelblock, Vor- embolie. Dabei schließt ein Normalbefund eine Lun-
hofflimmern oder Veränderungen des QRS-Komple- genembolie mit an Sicherheit grenzender Wahr-
xes (S1Q3-Typ) oder negatives T über der Vorder- scheinlichkeit aus. Ein so genannter „High-probabilty-
wand ist in etwa 15% der Fälle zu rechnen. V/Q-Scan“ korrelierte in einer großen prospektiven
Die arterielle Blutgasanalyse ist ebenfalls nicht Studie (The PIOPED Investigators 1990) in 88% mit
wegweisend, da der arterielle pO2-Wert in Abhängig- einer angiographisch nachgewiesenen Lungenembo-
keit von zugrunde liegenden kardiopulmonalen Er- lie,wohingegen nur 33% der Kategorie einer „interme-
krankungen stark variieren kann und ein normaler diate probality“ eine Lungenembolie aufwiesen.
pO2 eine Lungenembolie nicht ausschließt (etwa 10– Mit Hilfe der SPECT-Technik ist zwar in neuerer
20% der Patienten mit pulmonaler Embolie haben ei- Zeit eine Reduktion der unsicheren Befunde auf 4%
nen normalen pO2). (Corbus et al. 1997) beschrieben worden, jedoch lag
Berichteten erste Studien über den Einsatz von D- nur in 4% der Fälle ein angiographischer Goldstan-
Dimeren von einer Ausschlusswahrscheinlichkeit dard vor.
von 98–100%, so weiß man heute, dass der fehlende Die selektive Pulmonalisangiographie ist der Gold-
Nachweis von D-Dimeren eine segmentale und/oder standard in der Diagnostik der Lungenembolie.
massive Lungenembolie ausschließt, nicht jedoch die Nachteil des Verfahrens ist die Invasivität mit einer
subsegmentale Lungenembolie. Morbidität von 4% und einer Mortalität von 0,2%.
Mit der Echokardiographie gelingt in etwa 5% Spezifisches Zeichen ist der intraluminale Füllungs-
(transthorakal) bzw. 14% (transösophageal) der Fäl- defekt. Andere angiographische Befunde wie Oligä-
le der direkte Thrombusnachweis im rechten Vorhof, mie, Fehlen einer Drainagevene oder Kollateralgefä-
Ventrikel oder zentral pulmonal. Indirekte Zeichen ße sind weniger spezifisch. Ursache falsch-positiver
sind die rechtsventrikuläre Hypo-/Akinesie, eine pa- Befunde können Strömungsartefakte oder überlap-
radoxe Septumbewegung und/oder die Dilatation pende oder parallele Gefäße sein.
von Ventrikel und Pulmonalarterie. In der ICOPER- Die CTA hat als minimal-invasives Verfahren die
Studie (Elliott et al. 2000) zeigten 40% der Patienten Pulmonalisangiographie weitgehend ersetzt. Die
mit Lungenembolie rechtsventrikuläre Hypokine- Einführung der Spiral-CT hat zu einer wesentlichen
sien, ein Thrombus war in 4% der Fälle nachweisbar. Verbesserung der diagnostischen Treffsicherheit bis
Dabei scheint einer Multivarianzanalyse zufolge der zur Ebene der Segmentarterien mit Sensitivitäten
Nachweis von rechtsventrikulären Hypokinesien ein zwischen 75 und 100% bei Spezifitäten zwischen 75
prognostischer Parameter zu sein. So war das Risko und 100% geführt.
eines letalen Ausgangs einer Lungenembolie bei die- In einer großen europäischen Multicenterstudie
sen Patienten etwa doppelt so hoch wie bei Patienten mit 401 Fällen (Herold et al. 1998) ereichte die CTA
ohne Hypokinesien. eine durchschnittliche Sensitivität von 85% (gegenü-
ber 50% in der Ventilations-/Perfusionsszintigra-
Radiologische Symptomatik phie). Schwäche der CTA in den publizierten Studien
Röntgenbildveränderungen wurden in der ICOPER- ist die geringere Sensitivität in der Detektion subseg-
Studie (2322 Lungenembolien) bei etwa 76% der Pa- mentaler Embolien. Mit Einführung der MSCT liegt
tienten beobachtet (Elliott et al. 2000). Am häufigsten die Sensitiviät und Spezifität in der Größenordnung
fand sich eine Kardiomegalie (27%), gefolgt von von etwa 95%.
2.2 Pulmonale Gefäße 163
∑ bei einer Kardiomegalie der Perikarderguss und und pulmonaler Erkrankungen, die hier im Einzel-
die Kardiomyopathie mit ihren zahllosen Ursa- nen nicht aufgeführt werden können.
che, Computertomographisch ist der intraluminale
∑ bei infiltrativen Veränderungen das pulmonale Füllungsdefekt von kleinen benachbarten Lymph-
Infiltrat, das bronchoalveoläre Karzinom, das knoten abzugrenzen. Dabei sind Sekundärrekon-
Lymphom, granulomatöse Erkrankungen (z. B. struktionen oder – falls die Rohdaten noch vorhan-
Morbus Wegener) usw. den sind – eine Rekonstruktion mit kleinerem Inkre-
ment hilfreich. Wichtig ist, darauf zu achten, ob die
Die Liste der Differenzialdiagnosen eines Pleuraer- Kontrastmittelaussparung über die Gefäßkontur hin-
gusses umfasst eine Vielzahl abdomineller, kardialer ausgeht, was den anliegenden Lymphknoten vom
Embolus unterscheidet.
Eine eher seltene Differenzialdiagnose ist das Pul-
monalarteriensarkom (s. oben). Die vielleicht wich-
tigste Differenzialdiagnose besteht in der Abgren-
zung gegenüber einem Artefakt aufgrund des Gefäß-
verlaufs und/oder einer unzureichenden Kontrastie-
rung (s. oben).
Der diagnostische Algorithmus beim klinischen
Verdacht auf eine Lungenembolie wird uneinheitlich
angegeben, und diagnostische Leitlinien von Seiten
der Fachverbände liegen nicht vor.
Der instabile Patient (etwa 10% der Fälle) wird –
wenn eine Bildgebung möglich ist und nicht schon
primär die Therapie eingeleitet wird – zunächst der
CT zugeführt, um in Abhängigkeit vom Ausmaß des
embolischen Geschehens die Indikation zur Lyse, zur
operativen Embolektomie (40% Operationsletalität!)
und/oder der interventionellen Thrombusfraktionie-
rung zu stellen.
Abb. 2.46. Paraneoplastische Lungenembolie einer 65-jähri- Beim klinisch stabilen Patienten mit Verdacht auf
gen Patientin mit TBVT und geringer Dyspnoe. Thrombembo-
lisches Material links zentral und beidseits der unteren Lun- Lungenembolie ist die Untersuchung der tiefen Be-
genarterien. Röntgenthorax unauffällig cken-Bein-Venen (nach Echo, Blutgasanalyse, LDH-
a b
2.2 Pulmonale Gefäße 165
a a
a b
왔 Die primäre pulmonale Hypertonie stanzen durch die Leber kommt. In letzter Zeit ist
Definition
als klinisches Syndrom ist charakteri- häufiger die Assoziation mit einer HIV-Infektion be-
siert durch das Fehlen einer erkennbaren Ursache. obachtet worden. Mutmaßlich wird die pulmonale
Hypertonie durch eine direkte endotheliale Infektion
Die klinische Diagnose basiert auf 3 Kriterien: und/oder über die Freisetzung von Mediatorsubstan-
zen getriggert.
1. klinische, radiologische und echokardiographi-
Das histologische Bild ist vielfältig und kann eine
sche Zeichen einer pulmonale Hypertonie,
Mediahypertrophie, eine intimale Fibrose, eine ple-
2. ein erhöhter pulmonalarterieller Druck im
xogene oder thromboembolische Arteriopathie oder
Rechtsherzkatheter bei normalen Wedge-Druck,
das Bild einer Arteriitis zeigen. Die Prognose der Er-
3. das Fehlen einer kardiologischen und pulmona-
krankung ist schlecht, und das mediane Überleben
len Ursache oder einer Systemerkrankung.
liegt bei 2–3 Jahren.
Die primäre pulmonale Hypertonie ist eine seltene Therapeutisch versucht man, die Erkrankung mit
Erkrankung, die vorwiegend Frauen (5:1) im Alter Vasodilatanzien und Antikoagulation aufzuhalten,
zwischen 30 und 40 Jahren betrifft. Die Ätiologie ist wenngleich nur etwa ein 1/3 der Patienten auf die
ungeklärt. Neuere Erkenntnisse geben Hinweise dar- Therapie ansprechen und die systemarteriellen Ne-
auf, dass es sich um ein Ungleichgewicht zwischen benwirkungen überwiegen. In vielen Fällen ist die
Produktion und Abbau vasoaktiver Substanzen, kombinierte Herz-Lungen-Transplantation die Ulti-
Thromboxane und Prostaglandine handelt, zusam- ma Ratio.
men mit der lokalen Produktion von Endothelin, ei- Radiologisch zeigt sich das Bild einer Dilatation
ner von den Endothelien produzierten vasokonstrik- der zentralen Pulmonalarterien mit einer Rarefizie-
tiven Substanz. Interessanterweise wurde diese Er- rung des peripheren Gefäßbildes mit/ohne Rechts-
krankung in den 1960er Jahren häufiger beobachtet herzvergrößerung. Die pumonalen Venen zeigen kei-
und war assoziiert mit der Einnahme des Appetitzüg- ne Auffälligkeiten. Bis auf die Oligämie ist das Lun-
lers Aminorex-fumarat. Auch geben Tierversuche, genbild unauffällig (Abb. 2.51).
die eine pulmonale Hypertonie durch bestimmte Al-
kaloide provozieren konnten, Hinweise auf eine hu- Pulmonale kapilläre Angiomatose
morale Komponente. Die pulmonale kapilläre Angiomatose ist eine extrem
In diesem Zusammenhang wird auch die 5- bis 6- seltene Ursache einer pulmonalen Hypertonie. Bisher
mal so häufige Assoziation der pulmonale Hyperto- sind etwa 30 Fälle beschrieben worden (Umezu et al.
nie mit einer portalen Hypertension unterschiedlich- 2001). Die Erkrankung betrifft vorwiegend das frühe
ster Ätiologie diskutiert. Man vermutet, dass es zu ei- Erwachsenenalter ohne erkennbare Geschlechtsprädi-
ner verringerten Produktion vasodilatierender Sub- lektion. Die Ätiologie ist ungeklärt. Pathologisch-ana-
170 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
a b
c d
Abb. 2.52 a–d. Zufallsbefund bei einer 65-jährigen asympto- scheint eine Erweiterung der aszendierenden Aorta vorzulie-
matischen Patientin mit einem großen Aneurysma des Trun- gen. c, d In der MRA Nachweis eines knapp 8 cm großen Pul-
cus pulmonalis. a In der p.-a.-Aufnahme des Thorax deutlich monalarterienaneurysma (in der seitlichen Thoraxaufnahme
dilatiertes Pulmonalissegment. b In der seitlichen Aufnahme randbildend)
1. durch den direkten Kontakt mit dem infektiösen Prädisponierender Faktor in der Entstehung eines
Prozess (z. B. die Tuberkulose mit Entstehung des Pulmonalarterienaneurysmas ist die sekundäre (sel-
so genannten Rasmussen-Aneurysmas in der tener im Rahmen einer primären) pulmonalarteriel-
Nachbarschaft einer tuberkulösen Kaverne), le Hypertonie, meist auf dem Boden einer kongenita-
2. im Rahmen einer Bakteriämie über die Vasa vaso- len kardiovaskulären Fehlbildung (am häufigsten of-
rum (z. B. Syphilis), fener Ductus) oder eines Marfan-Syndroms (zysti-
3. über die direkte Ausbreitung eines septischen sche Medianekrose). In diesen Fällen kann es zu
Thromembolus (häufigste Ursache). dissezierenden Pulmonalarterienaneurysmen kom-
172 Kapitel 2 Thorakale Aorta und pulmonale Gefäße
men, von denen bisher etwa 50 Fälle in der interna- Das Hughes-Stovin-Syndrom bezeichnet die Trias
tionalen Literatur beschrieben sind (Inayama et al. „multiple Pulmonalarterienaneurysmen, Throm-
2001). bophlebitis und tiefe Venenthrombosen“. Betroffen
Multiple Aneurysmen der segmentalen Pulmonal- sind fast ausschließlich junge Männer im Alter von
arterien werden beim Hughes-Stovin-Syndrom be- 14–40 Jahren. Die Ätiologie ist ungeklärt. Einige Au-
obachtet (s. unten). Das gehäufte Auftreten von arte- toren fassen dieses Syndrom als Variante des Mobus
riellen Aneurysmen ovarieller, endometrialer, sub- Behçet auf, wenngleich rezidivierende orale und ge-
chorionidaler, splenischer, renaler, brachialer, spina- nitale Ulzera in den meisten Fällen eines Hughes-Sto-
ler und pankreatikoduodenaler Gefäße während der vin-Syndroms nicht beobachtet wurden. Die Erkran-
Schwangerschaft ist ein bekanntes Phänomen. In der kung ist sehr selten mit insgesamt etwa 20 weltweit
Literatur gibt es eine Kasuistik über ein Pulmonalar- beschriebenen Fällen (Balci et al. 1998). Neben
terienaneurysma während der Schwangerschaft bei Thrombosierungen tiefer peripherer Venen sind
einer vorher gesunden 23-jährigen (Gruber et al. thrombotische Verschlüsse der V. cava inferior und
2001). superior sowie pulmonale Thromembolien häufig.
Eine frühe Diagnose mit Resektion der befallenen
Klinische Symptomatik Lungensegmente ist entscheidend, da die Rupturge-
Pulmonalarterienaneurysmen sind in der Regel fahr mit letalem Ausgang als hoch einzuschätzen ist
asymptomatisch. Unspezifische Symptome sind Hus- (Kopp u. Green 1962). Erste Berichte über den erfol-
ten, parasternaler oder präkordialer Schmerz, (bei greichen Einsatz einer immunsuppressiven Therapie
Dissektionen) Dyspnoe und Hämoptysen in einigen liegen vor (Ali-Munive et al. 2001).
Fällen. Gefürchtet ist die Aneurysmaruptur mit einer
hohen Mortalität zwischen 50 und 100%.
Literatur
Radiologische Symptomatik
Das röntgenologische Erscheinungsbild variiert in Ab- Ahlström KH, Johansson LO, Rodenburg JB, Ragnarsson AS,
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re, glatt begrenzte, solitäre oder multiple Rundherde a blood pool agent and a navigator echo for respiratory gat-
mit Durchmessern von wenigen Millimetern bis ing: Pilot study. Radiology 211: 865–869
mehreren Zentimentern wie auch unscharf begrenz- Ala-Kulju K, Jarvinen A, Maamies T, Mattila S, Merikallio E
(1983) Late aneurysms after patch aortoplasty for coarcta-
te, infiltratähnliche Verdichtungen (z. B. bei Einblu- tion of the aorta in adults. Thorac Cardiovasc Surg 31: 301–
tungen) sowie eine Mediastinalverbreiterung können 306
röntgenologisches Korrelat sein. In diesem Zusam- Ali-Munive A, Varon H, Maldonado D, Torres-Duque C (2001)
menhang kommt dem klinischen Befund eine ent- Giant aneurysms of the pulmonary artery and peripheral
venous thrombosis (Hughes-Stovin syndrome): regression
scheidende Rolle zu (Hämoptysen, septisches Krank- with immunosuppressant therapy. Arch Bronconeumol 37:
heitsbild, bekannte kongenitale kardiale Fehlbildun- 508–510
gen, Vaskulitis, Tuberkulose, Thoraxtrauma usw.). Ambrose G, Barrett LO, Angus GL, Absi T, Shaftan GW (2000)
Die kontrastverstärkte CT führt als weiterführen- Main pulmonary artery laceration after blunt trauma: accu-
rate preoperative diagnosis. Ann Thorac Surg 70: 955–957
des bildgebendes Verfahren zur Diagnose und hat als Auger WR, Fedullo PF, Moser KM, Buchbinder M, Peterson KL
CTA in der prätherapeutischen Planung (Operation, (1992) Chronic major-vessel thromboembolic pulmonary
Intervention) die Angiographie (zusammen mit der artery obstruction: appearance at angiography. Radiology
MRA) weitgehend ersetzt. Das Pulmonalarterienan- 182: 393–398
Avishai V, Dolev E, Weissberg D, Zajdel L, Priel IE (1996) Ex-
eurysma zeigt sich als kontrastmittelaufnehmende, tralobar sequestration presenting as massive hemothorax.
Truncus-pulmonalis-isodense Raumforderung mit Chest 109: 843–845
unter Umständen randständigen Thrombosierungen Balci C, Semelka RC, Noone TC, Worawattanakul S (1998) Mul-
(Abb. 2.52 a–d). tiple pulmonary aneurysms secondary to Hughes-Stovin
syndrome: demonstration by MR angiography. J Magn Re-
son Imaging 8: 1323–1325
Differenzialdiagnose Baum d, Khoury G, Ongley P, Swan HJC, Kincaid OW (1964)
In den meisten Fällen ist in der CT die Diagnose ein- Congenital stenosis of the pulmonary artery branches. Cir-
culation 29: 680–687
deutig. Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist die Baur A, Stabler A, Bittmann I, Marmarakis G, Reiser M (1998)
arteriovenöse Malformation (vor allem bei periphe- Die penetrierende Aortenulzeration: Eine Sonderform der
ren kleinen Befunden). Dabei kommt der Detektion Aortendissektion. Röfo 168: 550–556
einer abführenden Vene bei der arteriovenösen Mal- Bergin CJ, Rios G, King MA, Belezzuoli E, Luna J, Auger WR
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formation als Unterscheidungskriterium die ent- chronic pulmonary thromboembolic disease. AJR Am J
scheidene Rolle zu. In fraglichen Fällen bringt die Roentgenol 166: 1371–1377
Angiographie als Goldstandard die differenzialdiag-
nostische Klärung.
2.2 Pulmonale Gefäße 173
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Gefäße im Abdomen 3
M. Völk, J.-P. Staub, M. Strotzer
3.1.1
Ultraschalldiagnostik
Um optimale Untersuchungsbedingen durch Verrin-
gerung von Darmgasüberlagerungen zu erhalten, er-
folgt die sonographische Untersuchung der abdomi-
nellen Gefäße am nüchternen Patienten. Üblicher-
weise werden „Curved-array-Schallköpfe“ mit einer
Frequenz von 3,5–5,0 MHz verwendet. Mit linearen
Schallköpfen und Frequenzen von >5,0 MHz wird
bei schlanken Patienten eine höhere Auflösung und
Detailerkennbarkeit erreicht. Durch Angulation des
Farbfensters kann die FKDS außerdem deutlich er-
leichtert werden. Abb. 3.1. Deutliche Flussbeschleunigung im Truncus coelia-
Die Untersuchung beginnt mit der Darstellung der cus bei einer Patientin mit Lig.-arcuatum-medianum-Syn-
abdominellen Aorta und Iliakalgefäße zunächst in drom.
der transversalen, dann in sagittaler Schnittführung.
Bei jugendlichen Patienten und guten Schallbedin-
gungen kann die typische Dreischichtung der Wand Schnittführung erfasst werden. Die rechte Nieren-
abgeleitet werden. Kalkplaques stellen sich als dichte arterie entspringt dabei etwas weiter ventral als die
Wandauflagerungen mit Schallauslöschungen dar. linke Arterie. Durch den leicht gebogenen Verlauf
Zur FKDS wird der Schallkopf von 90° auf 60° nach wird oft eine Signaländerung in der FKDS beobach-
kaudal gekippt, um eine homogene, pulssynchrone tet, die nicht als Flussbeschleunigung fehlgedeutet
Ausfüllung des Lumens zu erreichen. Während die werden darf. Die oft proximal liegenden Nierenarte-
Untersuchung des Truncus coeliacus in der angulier- rienstenosen lassen sich durch das Aliasing gut er-
ten transversalen Schnittführung erfolgt, wird die kennen. Die Flussbeschleunigung wird durch die
A. mesenterica superior parallel zum Verlauf der Dopplermessung quantifiziert und mit der Aorta ver-
Aorta dargestellt. Das Auffinden des Abganges der glichen.
A. mesenterica inferior wird durch axiale Bilder in der
FKDS vereinfacht. Die Untersuchung erfolgt im An-
schluss parallel zum Gefäßverlauf.
Merke ! Als pathologisch gilt eine maxima-
le systolische Geschwindigkeit von
Stenosen, die aufgrund von Luftüberlagerungen >180 cm/s oder ein Verhältnis zwischen maxima-
häufig nur im Abgangsbereich erkannt werden kön- ler renaler und aortaler Geschwindigkeit VmaxNiere/
nen, führen durch die Strömungsbeschleunigung zu VmaxAorta von >3,5.
einem „aliasing“ mit Farbumschlägen. Die maximale
systolische und diastolische Flussgeschwindigkeit Während die weiter lateral liegenden Gefäßabschnit-
wird im Doppler quantifiziert (Abb. 3.1). Wichtige te durch Darmgasüberlagerungen oft schwer darzu-
Stenosekriterien des Truncus coeliacus und der stellen sind, gelingt die Ableitung der intrarenalen
A. mesenterica superior sind in Tabelle 3.1 aufge- Gefäßabschnitte in der parakoronaren Schnittfüh-
führt. rung zuverlässig. Zur Bestimmung des „Resistance
Die Nierenarterien gehen auf Höhe des 1. oder Index“ (RI=1–VmaxEnddiastolisch/VmaxEndsystolisch) wird je-
2. Lendenwirbelkörpers (LWK) rechtwinklig aus der weils eine Interlobararterie im kranialen, mittleren
Aorta ab und können am besten in der transversalen und kaudalen Drittel an der Parenchym-Pyelon-
Tabelle 3.1. Dopplersonographische Kriterien einer hämodynamisch wirksamen Stenose oder Verschluss von Truncus coeliacus
und A. mesenterica superior. (Nach Zwolak et al. 1998)
Maximale diastolische Geschwindigkeit (PDV) ≥55 cm/s oder fehlendes Flusssignal ≥45 cm/s
Maximale systolische Geschwindigkeit (PSV) ≥200 cm/s oder fehlendes Flusssignal ≥ 300 cm/s (Sensitivität 60%)
Weitere Kriterien Retrograder Fluss in der A. hepatica
communis als Hinweis für eine
hochgradige Stenose oder Verschluss
des Truncus coeliacus
3.1 Radiologische Untersuchungstechniken 179
3.1.4 3.2
Digitale Subtraktionsangiographie Normalanatomie und wesentliche Varianten
Abb. 3.6. Aorta abdominalis und ihre Äste. Lage und Ursprünge der viszeralen und parietalen Äste. (Nach Lanz u. Wachsmuth
2004, S. 446, Abb. 429)
3.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten 183
Abb. 3.7. Arterien der Nieren und Nebennieren, Ansicht von vorn. (Aus Tillmann 2005, S. 341, Abb. 5.166)
184 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
Bedingt durch die Embryologie der Niere können Die größte Variationsbreite unter den Gefäßen der
häufig Polarterien und mehrere Nierenarterien be- A. mesenterica superior weist die A. ileocolica auf.
obachtet werden. Drei und mehr Nierenarterien wer- Von besonderer klinischer Bedeutung sind mögliche
den nur in etwa 4% der Fälle beobachtet. Atypische akzessorische Gefäße der A. colica media, da ihr Ver-
Ursprünge der Nierenarterien finden sich gehäuft bei sorgungsgebiet bis zur linken Kolonflexur und sogar
ektopem Nierengewebe und Hufeisennieren z. B. aus bis zum Colon descendes reichen kann. Die Gefäß-
der A. mediana sacralis, der A. iliaca interna und verbindung zwischen A. mesenterica superior und
externa, der A. mesenterica superior und inferior, inferior wird über anastomosierende Endäste der
dem Truncus coeliacus sowie kranial davon direkt A. colica media und sinistra gebildet und nach ihrem
aus der Aorta (Graves 1957). Erstbeschreiber Riolan-Anastomose genannte. Diese
bildet z. B. bei einem arteriellen Mesenterialgefäß-
verschluss einen wichtigen Kollateralkreislauf aus.
3.2.4 Nach Deiler (1983) wird die Riolan-Anastomose in
Arteria mesenterica superior und inferior etwa 53% der Fälle zwischen A. mesenterica superior
und inferior im Bereich des linken Colon transver-
Die ventralen Abgänge sind ursprünglich paarig sum durch Marginalarterien, R. sinistra der A. colica
angelegte Gefäße zur Versorgung des Dottersacks. Sie media und R. ascendens der A. colica sinister, gebildet
verschmelzen allmählich und bilden die Arterien im (Abb. 3.9). Eine mit etwa 19% relativ häufige Varian-
dorsalen Mesenterium des Darms. Beim Erwach- te der Riolan-Anastomose ist ein R. ascendens bei
senen sind dies der Truncus coeliacus und die horizontal verlaufender A. colica sinistra und A. coli-
A. mesenterica superior und inferior. ca media (Deiler 1983).
Die Umbilikalarterien sind ebenfalls ventrale Äste
der Aorta und im Embryo wesentlich kaliberstärker Arteria mesenterica inferior
als alle anderen ventralen Gefäße. Die Umbilikalarte- Die A. mesenterica inferior ist ein konstanter direkter
rien verschmelzen nicht. Aus ihnen entwickeln sich Abgang aus der abdominellen Aorta. Sie entspringt
longitudinale Anastomosen zu der Segmentarterie etwa 6–7 cm kaudal der A. mesenterica superior,
auf Höhe des 5. LWK, und ihr ursprünglicher aortaler der Abang der A. mesenterica inferior liegt etwa auf
Ursprung bildet sich zurück. Nach der Geburt sind Höhe des 3. LWK. In etwa 90% der Fälle teilt sie sich
diese Gefäße nicht länger notwendig, und die dista- in die A. colica sinistra, die Aa. sigmoideae und die
len Anteile bilden das Lig. umbilicale laterale. A. rectalis superior. Sie versorgt über die A. colica
sinistra und die Aa. sigmoideae das linke Drittel des
Arteria mesenterica superior Colon transversum, des Colon descendens und des
Die A. mesenterica superior entspringt etwa 1–2 cm Colon sigmoideum (Abb. 3.10). Wie oben beschrie-
kaudal des Truncus coeliacus aus der ventralen ben, ist die A. colica sinistra ein wichtiger Bestandteil
Aorta abdominalis etwa auf Höhe des 1. LWK. Der der Riolan-Anastomose. In etwa 10% der Fälle hat
Truncus coeliacus entspringt entweder unmittelbar die A. colica media ihren Ursprung in der A. mesent-
subdiaphragmal oder noch im Hiatus aorticus. Er erica inferior.
teilt sich in 3 Hauptäste (Haller-Tripus), die A. hepa- Die A. rectalis superior ist der wichtigste Endast
tica communis, die A. gastrica sinistra und die der A. mesenterica inferior. Diese anastomosiert mit
A. splenica. Ästen aus der A. iliaca interna und versorgt das Rek-
Die A. mesenterica superior versorgt das Jejunum, tum. Diese rektalen Anastomosen können bei Ver-
das Ileum und das Kolon bis vor die linke Kolon- schluss der A. iliaca externa von klinischer Relevanz
flexur. Ursprungsnah zweigt von ihr in etwa 13% der sein. In diesen Fällen findet die kollaterale Blutver-
Fälle entweder eine akzessorische Leberarterie oder sorgung des Beins über die A. mesenterica inferior,
die A. gastroduodenalis ab. In etwa 2/3 der Fälle teilt die A. rectalis superior, die A. iliaca interna oder
sich die A. mesenterica superior in mehrere Gefäße, A. femoralis statt. Da die A. rectalis superior das
die das Jejunum und das Ileum sowie 3 Hauptäste, die Hauptversorgungsgefäß des Rektums ist, kann eine
das Kolon versorgen. Dies sind die Aa. ileocolica, Ligatur distal der letzten Anastomose mit einer
colica dextra und colica media (Abb. 3.8). A. sigmoidea gefährlich sein (Sudeck-Punkt).
3.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten 185
Abb. 3.8. Verzweigung der A. mesenterica superior. (Aus Lanz u. Wachsmuth, S. 348, Abb. 340)
186 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
Abb. 3.9. Arterielle Versorgung des Kolons. (Nach Lanz u. Wachsmuth 2004, S. 381, Abb. 376)
3.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten 187
Eine weitere Fehlentwicklung stellt die vollständi- 왔 Bei einem Venenring besteht ein Ring
Definition
ge und unvollständige linksseitige V. cava inferior dar. der linken Nierenvene um die Aorta.
Hierbei handelt es sich aus entwicklungsgeschicht- Der venöse Abfluss der linken Niere erfolgt über
licher Sicht um die Persistenz der linken unteren Kar- 2 kommunizierende Venen, die vor und hinter der
dinalvene. Die Länge des linksseitigen Verlaufs kann Aorta verlaufen.
dabei sehr unterschiedlich sein. Im Fall der unvoll-
ständigen Linkslage der V. cava inferior verläuft diese Die retroaortale Nierenvene verläuft zuerst einige
nur eine kurze Strecke auf der linken Seite nach kra- Zentimeter parallel zur Aorta nach kaudal, bevor sie
nial. Etwa in Höhe des 1. oder 2. LWK, nach Aufnah- hinter der Aorta zur V. cava inferior zieht (Royal u.
me der linken V. renalis, kreuzt sie nach schräg rechts Callen 1979).
und zieht dann zum rechten Vorhof (Buurmann u.
Bücheler 1976). Bei der vollständigen Linkslage läuft
die linke V. cava inferior in der Regel bis zur linken 3.2.7
V. jugularis und V. subclavia durch. Der linksseitige Vena mesenterica superior und inferior
Abfluss kann aber auch in den linken Vorhof oder
über eine persistierende linke V. cava superior erfol- Die V. mesenterica superior nimmt das venöse Blut
gen (Boldt u. Thelen 1977). des gesamten Dünndarms (Vv. jejunales und ileales)
Die 3. Fehlentwicklung ist die Aplasie oder Hypo- und des Dickdarms bis zur linken Flexur (Vv. ileoco-
plasie der V. cava inferior. Diese sind nur in Ausnah- lica, colica dextra und media) auf. Die V. mesenterica
mefällen klinisch auffällig. Ein ausgeprägtes Kollater- inferior sammelt über die V. rectalis superior, die
alsystem über die Lumbalvenen und die Azygos- und Vv. sigmoideae und die V. colica sinistra das Blut des
Hemiazygosvenen gewährleisten einen ausreichen- restlichen aboralen Dickdarms (Abb. 3.13). Beide
den Abstrom des venösen Blutes aus der unteren Kör- Venen bilden zusammen mit der V. splenica und der
perhälfte. Klinische Symptome im Sinne einer unte- V. gastrica sinistra die Hauptzuflüsse zur V. portae.
ren Einflussstauung oder eine tiefe Becken-/Bein- Am häufigsten mündet die V. mesenterica inferior in
venenthrombose werden nur selten beobachtet. die V. splenica oder V. mesenterica superior. Sie kann
aber auch in seltenen Fällen in beide Gefäße gleich-
zeitig münden. Varianten können in den Ursprung
3.2.6 der V. portae münden.
Venae renales
Abb. 3.13. Hauptzuflüsse zur V. portae. (Aus Lanz u. Wachsmuth 2004, S. 398, Abb. 389)
Es stehen verschiedene Untersuchungstechniken Der FKDS und der pw-Doppler sind hilfreich bei der
zur Differenzierung verdächtiger Strukturen zur Detektion von Stenosen, da sich hier eine Beschleuni-
Verfügung. So erfolgt die Beurteilung parenchyma- gung des normalerweise nahezu laminaren Flusses
töser Veränderungen der abdominellen Organe (z. B. zeigt (s. Abschn. 3.1.1).
Nieren, Darm) im so genannten B-Modus. Hierbei,
wie auch in der FKDS oder pw-Doppler, können Luft- Computertomographie
überlagerungen die Beurteilung erschweren. Grund- und Magnetresonanztomographie
sätzlich ist die Gefäß- und Organbeschaffenheit zu Bei der Analyse von CT- oder MRT-Bildern darf nicht
beurteilen und reproduzierbar zu dokumentieren. eine Schicht für sich alleine betrachtet werden – viel-
Im B-Modus sollte auf die Echogenität von etwaigen mehr muss sie im Kontext mit den angrenzenden
Gefäß- oder Organveränderungen geachtet werden. Schichten interpretiert werden. Es muss auch die ge-
192 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
eignete Untersuchungsmodalität bzw. die geeignete Die MRA bietet insgesamt ähnliche Möglichkeiten
Untersuchungstechnik/-strategie für das entspre- wie die CTA: In beiden Modalitäten lassen sich die Ge-
chende Krankheitsbild gewählt werden. Im Folgen- fäßverläufe im Hinblick auf Stenosen und Verschlüsse
den wird insbesondere auf die CTA und MRA einge- gut beurteilen. Auch in der MRA sollten neben den
gangen. möglichen Rekonstruktionen zwingend auch die
So stellt die CTA die Methode der Wahl bei Verän- Quelldaten analysiert werden. Gefäßwandpathologien
derungen der Bauchaorta dar. Dies gilt insbesondere lassen sich ebenfalls beurteilen – z. B. Hämatome, wo-
bei Verfügbarkeit eines Mehrzeilensystems (MSCT). bei Verkalkungen besser in der CTA erfasst werden.
Die MSCT ist der MRA hinsichtlich Ortsauflösung Die MRA ist im Vergleich zur CTA anfälliger für At-
und Schnelligkeit überlegen. Anwendung findet mungsartefakte, Pulsationsartefakte und Suszeptibili-
die CTA auch bei der Beurteilung der großen abdomi- tätsartefakte. Als Vorteile der MRA gelten die fehlen-
nellen Gefäße wie den Mesenterialgefäßen und des de Strahlenbelastung und die geringere Nephrotoxizi-
Truncus coeliacus sowie des Pfortaderkomplexes. tät der verwendeten Kontrastmittel.
Mit Hilfe der MSCT können insbesondere Stenosen
und Verschlüsse in diesen Bereichen nachgewiesen Diagnostische Katheterangiographie
und quantifiziert werden. Die diagnostische Katheterangiographie hat nach
Des Weiteren bietet diese Methode die Möglichkeit Einführung der CTA und MRA an Bedeutung einge-
der Bildnachverarbeitung mittels MPR (multipla- büßt. Sie hat jedoch ihren Stellenwert als dynamische
narer Rekonstruktion), MIP und VRT, wobei hier Untersuchungsmodalität, die mit unterschiedlichen
stets die Originaldatensätze hinzugezogen werden Bildfrequenzen an die Geschwindigkeit des Kontrast-
müssen. Zusätzlich liefert diese Methode ein detail- mittelflusses angepasst werden kann. In der Beurtei-
liertes Bild der Organe des Abdomens sowie be- lung der Flussdynamik und der selektiven Darstel-
gleitender Veränderungen von Gefäßerkrankungen lung einzelner Gefäßprovinzen liegen die wichtigsten
wie z. B. Hämatome, Infektionen, Infarkten und Ver- Vorteile der diagnostischen Katheterangiographie.
kalkungen. Sie liefert ein Bild des Gefäßlumens. Eine Beurteilung
In der MRT lassen sich in den axialen, kontrast- der Gefäßwand ist nicht hinreichend möglich. Auch
mittelgestützten Sequenzen entzündliche Gefäßwand- hier kann eine Stenosequantifizierung nach oben ge-
infiltrationen gut abgrenzen, Hämatome hingegen nannter Formel erfolgen. Es lassen sich gut mögliche
vor allem in nativen Sequenzen. Kollateralgefäße bei Stenosen oder Verschlüssen
Verkalkungen lassen sich in der CT auf nichtkon- nachweisen. Diese sollten immer in 2 Ebenen darge-
trastmittelgestützten Bildern besser beurteilen, wäh- stellt werden.
rend die vorgenannten Entitäten besser in kontrast- Nachteile dieses Verfahrens sind die Verwendung
mittelgestützten Untersuchungen nachgewiesen wer- jodhaltiger Kontrastmittel sowie die Invasivität mit
den können. den assoziierten Komplikationen wie z. B. Perforatio-
nen, Infektionen, Blutungen und Infarkte.
Merke ! Generell ist auf eine suffiziente Kon-
trastierung des interessierenden Ge-
fäßabschnittes zu achten (arterielle, venöse oder 3.4
portalvenöse Phase). Dies gelingt insbesondere bei Erkrankungen der abdominellen Gefäße
Arterien durch Bolus-getriggerte Kontrastmittel-
injektionen. 3.4.1
Abdominelle Aorta
Des Weiteren können detaillierte Messungen z. B. für
die Planung einer Aortenprothese vorgenommen 3.4.1.1
werden. Abdominelles Aortenaneurysma
Der Nachweis und die Quantifizierung von Steno-
sen der abdominellen Gefäße gelingen auch in der 왔 Als Aneurysma wird die umschriebe-
Definition
CTA. Auch für diese Technik sei exemplarisch die ne Ausweitung eines Blutgefäßes in-
Quantifizierung der Nierenarterienstenose darge- folge angeborener oder erworbener Wandverände-
stellt. Der Grad der Stenose ist definiert durch das rungen bezeichnet.
Verhältnis zwischen dem engsten Durchmesser in
der Stenose (A) und dem nächsten distal gelegen Pathologisch-anatomische
unbetroffenen Gefäßdurchmesser der Nierenarterie und ätiologische Grundlagen
(B): 100×(1–A/B). Diese Quantifizierungsmethode Das abdominelle Aortenaneurysma stellt mit Ab-
kann auch auf die MRA und die Katheterangiogra- stand die wichtigste Erkrankung der Bauchaorta dar
phie angewendet werden. (Abb. 3.14). Mit etwa 90% ist die Arteriosklerose
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 193
Klinische Symptomatik
Aortenaneurysmen können sich lange Zeit klinisch
stumm verhalten. Die Beschwerden können aller-
dings mit zunehmender Raumforderung progredient
sein. Oft handelt es sich um Zufallsbefunde im Rah-
men von körperlichen Untersuchungen als tastbare
Raumforderung oder bei technischen Untersuchun-
gen (Ultraschall, CT, MRT). Eine Aneurysmaruptur
oder eine drohende Ruptur manifestiert sich meis-
tens in Form von Schmerzen.
a b
sigkeit 20 HE übersteigt. Zu beachten ist, dass die plikationen oder Hinweisen auf eine drohende
Dichtewerte innerhalb des Hämatoms vom Hämato- Ruptur. Zur Operationsplanung ist hauptsächlich
krit abhängen. Normalerweise beträgt die Dichte des die Ausdehnung des Aneurysmas von Bedeutung
Hämatoms um 60–70 HE. Fehlinterpretationen sind (Abb. 3.16 a, b). Essenziell sind dabei
jedoch bei Anämie und nach der Gabe von Plasma-
∑ die Frage nach der Einbeziehung der Viszeralarte-
expandern möglich.
rien,
Manche Autoren empfehlen eine Nativunter-
∑ die Länge des Aneurysmahalses (Abstand zwi-
suchung der Aorta bei Verdacht auf drohende bzw.
schen Nierenarterienabgängen und kranialem
gedeckte Aortenruptur. Diese Untersuchungstechnik
Aneurysmaende) und
ist bei differenzialdiagnostischen Überlegungen
∑ die kaudale Aneurysmaausdehnung (Einbezie-
(z. B. Nephrolithiasis) ebenso hilfreich wie beim
hung der Aortenbifurkation bzw. der Iliakalarte-
Nachweis eines intramuralen Hämatoms, muss je-
rien).
doch nicht als obligater Untersuchungsbestandteil
angesehen werden. Anomalien der Nieren (z. B. Hufeisen- oder Becken-
niere) sind ebenso von Bedeutung wie akzessorische
Merke ! Die MSCT ist die Methode der Wahl
bei akuten Erkrankungen der Aorta
Nierenarterien, eine retroaortal verlaufende Nieren-
vene oder eine persistierende linke untere Hohlvene.
sowie zur Verlaufskontrolle, vor allem nach endovas- Bei einer suprarenalen Ausdehnung ergibt sich
kulärer Therapie. die Problematik der spinalen Ischämie infolge der
Aneurysmaausschaltung. In immerhin 10% soll die
Prä- und postoperative Bildgebung A. radicularis magna (Adamkiewicz-Arterie) aus
Die erste erfolgreiche abdominelle Aneurysmaresek- einer Lumbalarterie (meistens L1) entspringen. Die
tion erfolgte 1951 durch Dubost. Die Aneurysma- Schonung dieses Gefäßes verhindert eine mögliche
operation soll die Fünfjahresüberlebenswahrschein- Querschnittslähmung, die vor allem bei der Behand-
lichkeit eines Patienten von 40% bei konservativer lung thorakaler Aneurysmen gefürchtet wird. Auch
Behandlung auf bis zu 70% erhöhen. im Zeitalter der MSCT stellt die verlässliche Darstel-
Entscheidend für die Therapieindikation sind lung der Adamkiewicz-Arterie eine Herausforderung
einerseits der Aneurysmadurchmesser sowie dessen dar. Ihre Darstellbarkeit wird mit 70–90% angege-
Form und andererseits das Vorhandensein von Kom- ben. Diese hohe Erfolgsrate setzt jedoch eine gezielte
196 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
a b c
Abb. 3.18 a–c. Infrarenales Bauchaortenaneurysma. DSA nach Implantation eines modularen Stent-grafts mit erhaltener
A. iliaca interna beidseits (gleicher Patient wie in Abb. 3.17)
a b
Abb. 3.19 a, b. Endoleak Typ I nach Stent-graft-Implantation vor 6 Monaten (CTA). a KM-Übertritt aus der Andockstelle in das
teilthrombosierte Aneurysmalumen (Pfeil). b Darstellung des Stent-grafts sowie des Endoleaks in sagittaler Reformation (Pfeil)
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 199
a c
Abb. 3.21 a–c. Thorakoabdominelle Aortendissektion mit dalem Blutfluss im falschen Lumen (FL, weiß) und Reflux im
Blindsack. a MRA der Bauchaorta (MIP) mit Darstellung des komprimierten wahren Lumen (schwarz). c Phasenkontrast-
blind endenden falschen Lumens im Bereich der A. iliaca com- darstellung in der Diastole mit Reflux im falschen Lumen
munis links (Pfeilspitze) sowie der Dissektionsmembran (Pfei- (schwarz) und orthogradem Fluss im deutlich besser entfalte-
le). b Phasenkontrastdarstellung in der Systole mit kraniokau- ten wahren Lumen (WL, weiß)
2. Durch die Ablösung der intimomedialen Mem- weise, die eine Differenzierung zwischen wahrem und
bran kommt es zu einer Schwächung der Aorten- falschem Lumen ermöglichen (Le Page et al. 2001).
wand, die nicht in der Lage ist, dem erhöhten in- Gerade bei chronischen Dissektionen ist praktisch
traluminalen Druck dauerhaft standzuhalten. immer das falsche Lumen weiter als das wahre Lu-
men (Abb. 3.22). Dies kann u. a. mit dem hydrodyna-
Wahres und falsches Lumen mischen Paradoxon erklärt werden: Der Gesamt-
Sofern kein Malperfusionssyndrom und keine Rup- druck im Gefäß sinkt mit Erhöhung der Flussge-
turgefahr bestehen, wird die Typ-B-Dissektion kon- schwindigkeit und umgekehrt. Da im wahren Lumen
servativ behandelt. Im Rahmen einer abdominellen der Blutfluss in die Peripherie im Gegensatz zum fal-
CT-Untersuchung ist eine Aortendissektion als Zu- schen Lumen meistens weitgehend unbehindert ist,
fallsbefund durchaus denkbar. Hierbei kann zwi- liegen dort deutlich höhere Flussgeschwindigkeiten
schen wahrem und falschem Lumen nicht durch die mit entsprechender Sogwirkung vor. Andererseits
Verfolgung der Lumina bis zu ihrem Ursprung diffe- besteht im falschen Lumen häufig ein Pendelfluss mit
renziert werden. Allerdings gibt es zuverlässige Hin- langsamer Flussgeschwindigkeit und einer systoli-
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 203
Komplikationen
Der Kollaps bzw. die Kompression des wahren Lu-
mens ist eine wichtige Ursache für ein Malperfu-
sionssyndrom (so genannte „dynamische Obstruk-
tion“). Die Therapie der Wahl besteht hierbei in einer
Stentimplantation zur Aufrechterhaltung des wahren
Lumens. Dadurch wird auch die Verlegung der Vis-
zeralarterienabgänge durch die angesaugte Dissek-
tionsmembran verhindert.
Trotz des meist größeren Querschnitts des fal-
schen Lumens entspringen die Viszeralarterien meis-
tens aus dem wahren Lumen. Es kommt nicht selten
vor, dass ein Intimaschlauch quer durch das falsche
Lumen verläuft und das wahre Lumen z. B. mit der
Abb. 3.22. Dissektion der thorakoabdominellen Aorta mit linken Nierenarterie verbindet. Diese kann allerdings
proximal und distal blind endendem falschen Lumen. DSA vor infolge der Dissektion stenosiert sein. Die intimome-
endovaskulärer Versorgung mit Entry (Pfeil) und Kompres- diale Membran kann sich auch in die Nierenarterie
sion des stenosierten wahren Lumens
fortsetzen. Das Resultat ist eine so genannte „stati-
sche Obstruktion“.
Von diagnostischem Interesse bei der chronischen
schen Kompression des wahren Lumens. Beide Effek- Dissektion der abdominellen Aorta sind also einer-
te können zum Kollaps des wahren Lumens führen. seits Stenosen der abgehenden Gefäße (Viszeralarte-
rien, Beckenarterien) und dynamische Kompres-
Merke ! Ein sehr verlässliches Zeichen sowohl
bei akuter als auch bei chronischer
sionsphänomene (Kollaps des wahren Aortenlumens
und Verlegung der Viszeralarterienabgänge). Ande-
Dissektion ist das so genannte „beak sign“. Hierbei rerseits ist für die mögliche Therapieindikation die
besteht im falschen Lumen ein spitzer Winkel zwi- Ausbildung eines Aneurysmas von Bedeutung. Hier-
schen Aortenwand und intimomedialer Membran. bei ist neben dem absoluten Aneurysmadurchmesser
auch dessen Wachstumsgeschwindigkeit relevant.
Das falsche Lumen ist wesentlich häufiger thrombo-
siert bzw. teilthrombosiert als das wahre Lumen.
Hauptgrund hierfür ist die Flussstörung im falschen Merke ! Typische Komplikationen einer chro-
nischen Aortendissektion sind eine
Lumen, bedingt durch eine ungenügende Größe des Aneurysmaentwicklung mit entsprechendem Rup-
Reentrys bzw. durch die Ausbildung eines Blindsacks. turrisiko und Malperfusionssyndrome („dynami-
Das „cobweb sign“ ist selten. Hierbei kann man sche“ und „statische“ Obstruktion).
wandadhärente, lineare, spinnwebartige Aussparun-
gen im falschen Lumen nachweisen. Dabei handelt es Befunde nach interventioneller Therapie
sich um filigrane, netzartig angeordnete fibromusku- Therapeutische Bemühungen zielen auf eine Verbes-
läre Bänder. serung der Durchblutung des wahren Lumens und
Im chronischen Stadium weniger verlässlich sind die Offenhaltung der Viszeralarterienostien ab (z. B.
Zeichen, die auf dem Nachweis von Verkalkungen der durch Stenting des herzzyklusabhängig kollabieren-
Aortenwand bzw. der intimomedialen Membran ba- den wahren Aortenlumens). Ein ebenfalls viel ver-
sieren. sprechender Therapieansatz besteht in der Perfora-
Während bei einer akuten Dissektion die intimo- tion der Dissektionsmembran (z. B. mit Hilfe eines
mediale Membran noch sehr mobil ist und in Abhän- TIPS-Punktionssets) und der anschließenden Bal-
gigkeit vom Herzzyklus im Lumen flottiert, verdickt londilatation mit dem Ziel, den Abstrom im falschen
diese mit der Zeit und wird starr. Durch die zu- Lumen zu erleichtern, damit den intraluminalen
204 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
3.4.1.4
Penetrierendes Aortenulkus
a b
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 205
a b
a b
der Dissektion und die Entstehung eines Reentrys (Hayashi et al. 2000). In einer einzelnen Serie wurde
verhindert. Es ist sogar möglich, dass ein großer Teil ein Rupturrisiko von 40% festgestellt (Coady at al.
der chronischen Dissektionen bei älteren Patienten 1998). Damit läge das Rupturrisiko deutlich über dem
auf dem Boden eines penetrierenden Aortenulkus einer chronischen Typ-B-Aortendissektion.
entsteht. Andere Autoren berichten von benignen Verläu-
Ein penetrierendes Aortenulkus kann auf der Basis fen, sodass sicher nicht in jedem Fall eine Opera-
eines arteriosklerotischen Ulkus im Verlauf der ge- tionsindikation besteht.
samten Aorta auftreten. CT- und MRT-morphologisch Aufgrund der meist kurzstreckigen Veränderun-
erscheint es gelegentlich wie eine lokale Dissektion gen und der häufigen Komorbidität der betroffenen
mit thrombosiertem falschem Lumen. Es wird vermu- Patienten eignen sich diese Läsionen gut für eine
tet, dass die meisten spontanen Aortenrupturen auf endovaskuläre Versorgung mit einer Rohrprothese
ein penetrierendes Aortenulkus zurückzuführen sind (Abb. 3.26 a, b), sofern nicht die Abgänge der Vis-
206 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
3.4.1.5
Intramurales Hämatom
3.4.1.6
b
Inflammatorisches Bauchaortenaneurysma
Abb. 3.27 a, b. Inflammatorisches Bauchaortenaneurysma.Axi-
왔 Hierbei handelt es sich um eine Va- ale CT mit Darstellung a des durchströmten Aneurysma-
Definition
riante des Aortenaneurysmas mit ex- lumens und des thrombotischen Randsaums (Pfeil), b der ent-
tensiver perianeurysmatischer Fibrose und Wand- zündlichen Umgebungsreaktion (Pfeil)
verdickung.
Etwa 3–10% der Aneurysmen fallen in diese Kategorie. iert. In den ersten 2 Jahren nach der Operation wird ei-
Das inflammatorische Bauchaortenaneurysma stellt ne engmaschige Kontrolle dieser Patienten empfohlen.
erhöhte operationstechnische Anforderungen und ist Die Ätiologie des inflammatorischen Bauchaorten-
mit einer höheren Morbidität und Mortalität assozi- aneurysmas ist unbekannt. Eine Verbindung mit dem
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 207
3.4.1.9
Posttraumatische Veränderungen
der abdominellen Aorta
a b
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen CAVE ! Nach Lebertransplantationen können
tödliche Komplikationen durch die
Das Lig. arcuatum medianum ist die tendinöse Ver- mangelnde Versorgung über die A. hepatica commu-
bindung zwischen rechtem und linkem Zwerchfell- nis auftreten. Die Durchtrennung der A. gastroduo-
schenkel, der die anterosuperiore Begrenzung des denalis im Rahmen einer Whipple-Operation kann
Hiatus aorticus bildet. In Bezug auf Verlauf und Aus- ebenfalls zu fatalen Ischämien führen.
prägung weist das Band eine hohe Variabilität auf.
Normalerweise verläuft es oberhalb des Abgangs des Klinische Symptomatik
Truncus coeliacus.Autoptische Studien ergaben, dass Typischerweise tritt das Lig.-arcuatum-medianum-
in 33% der Fälle der Abgang auf gleicher Höhe oder Syndrom bei jungen, schlanken Frauen im Alter zwi-
oberhalb des Bandes lag (Lindner u. Kemprud 1971). schen 20 und 40 Jahren auf. Neben krampfartigen,
Eine trunkale Kompression durch ligamentäre epigastrischen Schmerzen, die durch Nahrungsauf-
Strukturen kann so unter Umständen den Blutfluss nahme ausgelöst werden und zu einer ausgeprägten
deutlich reduzieren und symptomatisch werden Gewichtsabnahme führen können, wird auch Übel-
(Abb. 3.30 a, b). Die Einengung wird durch die Auf- keit und Erbrechen beklagt. Bei der körperlichen Un-
wärtsbewegung des Truncus während der Exspira- tersuchung kann ein systolisches Strömungsge-
tion verstärkt und stellt ein nicht selten beobachtetes räusch im Oberbauch auskultiert werden.
Phänomen in angiographischen Untersuchungen Therapie der Wahl ist die laparoskopische Dekom-
dar. Von klinischer Relevanz ist allein die in allen pression, Durchtrennung des Lig. arcuatum media-
Atemphasen anhaltende hämodynamisch wirksame num und Exzision des Plexus coeliacus mit intra-
Stenose. operativer Doppleruntersuchung zur Bestätigung der
Als Ursache der postprandial auftretenden Be- besseren Flussverhältnisse (Carbonell et al. 2005; Ro-
schwerden wird nicht nur ein „Steal-Effekt“ aus ayaie et al. 2000). Da der Operationserfolg nicht
Kollateralen der A. mesenterica superior (A. pancre- sichergestellt ist, sollte die Indikation nur gestellt
aticoduodenalis → A. gastroduodenalis → A. hepati- werden, wenn neben harten klinischen Kriterien
ca communis) mit der Folge einer funktionellen in- (postprandiale, epigastrische Angina abdominalis
testinalen Ischämie, sondern auch eine Affektion des mit Gewichtsverlust) eine auch über die Exspiration
Plexus coeliacus diskutiert, der eine enge räumliche fortbestehende hämodynamisch relevante Stenose
Beziehung zum Truncus coeliacus und dem Lig. arcu- des Truncus coeliacus und ein „steal“ aus dem Strom-
atum medianum aufweist (Vlasova 2000). gebiet der A. mesenterica superior nachgewiesen
Das Lig.-arcuatum-medianum-Syndrom besitzt werden kann.
nicht nur als mögliche Ursache für eine Angina abdo-
minalis Bedeutung.
210 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
mit Kokardenzeichen
± Kokardenzeichen
systolischen Geschwindigkeit in Exspiration, Inspira-
tion und Atemmittellage. Als zusätzliches bildgeben-
des Verfahren kann eine MRA oder CTA durchgeführt
Dickdarm
werden. Mit zunehmender Ortsauflösung und den
zeichen)
zeichen)
Möglichkeiten der multiplanaren und dreidimensio-
nalen Rekonstruktion erscheint die DSA verzichtbar.
oder Reperfusion
oder Reperfusion
erhöhten Flussgeschwindigkeit im Truncus coeliacus
Dünndarm
vor allem in Inspiration und Atemmittellage. Bei
sorgfältiger Indikationsstellung kann eine laparosko-
pische Operation zur Symptomfreiheit führen.
der Mesenterialvenenthrombose.
Mesenterialvenenthrombose
3.4.3.1
Mesenteriale Ischämie
Mesenterium
Merke
2–10%
60–70%
20–25%
Mesenterialvenen-
Arterielle Embolie
Arterielle Mesenterialthrombose
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
In etwa 20–25% der Fälle sind arteriosklerotische b
Wandveränderungen für die Entstehung einer aku-
ten mesenterialen Ischämie verantwortlich. Die obli- Abb. 3.35 a, b. Abgangsnahe Einengung der A. mesenterica
terierende Arteriopathie begünstigt das Auftreten superior durch partiell verkalkten Thrombus. a Axiale MPR,
b gekrümmte sagittale MPR
von Sekundärthromben, die zu einem akuten Gefäß-
verschluss führen können. Wie bei der akuten arte-
riellen Embolie treten ischämische Ereignisse erst
auf, wenn die Kollateralversorgung gestört ist. In der FKDS stellen sich abgangsnahe Gefäßabbrü-
che, Kalkplaques oder eine Flussumkehr dar.
Klinische Symptomatik Die CTA zeigt kissenartige, hypodense thromboti-
Da vorbestehende Stenosen die Ausbildung von sche Wandauflagerungen und arteriosklerotische
Kollateralgefäßen begünstigen, ist die Klinik der Plaques. Die Veränderungen finden sich bevorzugt
arteriellen Thrombose oft weniger akut als bei der im proximalen Teil der A. mesenterica superior und
Embolie. Die Patienten beklagen auch hier abdomi- der A. mesenterica inferior oder des Truncus coelia-
nelle Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Im Labor cus (Abb. 3.35 a, b). Bei beiden Formen der arterio-
ist das Laktat erhöht, D-Dimere und Leukozyten lie- okklusiven Mesenterialischämie sind die Verände-
gen außerhalb des Normbereichs. rungen der Darmwand (vgl. Tabelle 3.3) identisch
Das Risikoprofil unterschiedet sich nicht von dem (Abb. 3.36). Auch bei der arteriellen Thrombose soll-
anderer Manifestationen der Arteriosklerose. Män- te auf ausgedünnte Dünndarmwände mit verringer-
ner und Frauen sind von akuten Ereignissen gleich ter oder fehlender Kontrastmittelanreicherung und
häufig betroffen, das Durchschnittsalter beträgt einer Infiltration des umgebenden Fettgewebes ge-
73 Jahre. Im Vordergrund der Therapie steht bei Zei- achtet werden.
chen der Darmwandnekrose auch hier die chirurgi- Arteriosklerotische Plaques imponieren in der
sche Behandlung vor interventionellen Maßnahmen. DSA als zirkuläre oder asymmetrische Einengungen
des Gefäßlumens mit poststenotischer Dilatation.
Radiologische Symptomatik Verschlüsse bilden sich als Abbruch der Kontrastie-
Wie bei der Mesenterialarterienembolie können die rung ab. Oft können ausgeprägte Kollateralen darge-
Wandveränderungen sonographisch erfasst werden. stellt werden.
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 215
len Äste, Unregelmäßigkeiten der Gefäßlumina, Spas- koagulopathie durch Mangel an Protein C, Protein S
mus der intestinalen Arkaden und eine reduzierte oder Antithrombin III, medikamentös bedingt
Füllung intramuraler Gefäße (Siegelman et al. 1974). durch Einnahme von Kontrazeptiva oder durch eine
Schwangerschaft können auch chronisch-entzünd-
Differenzialdiagnose liche Darmerkrankungen, eine Pankreatitis, Diver-
Bei den arteriookklusiven Formen der Mesenterial- tikulitis oder eine Sepsis eine Mesenterialve-
ischämie können in der CTA Thromben oder Embo- nenthrombose auslösen. Weitere Ursachen sind Sys-
lien nachgewiesen werden, hier sind auch prozentual temvaskulitiden, vorangegangene abdominalchirur-
häufiger Dünndarmanteile betroffen. Die nicht- gische Eingriffe oder die Kompression von Mesente-
okklusive Darmischämie bevorzugt dagegen einen rialvenen durch raumfordernde Prozesse.
Befall des Kolons. Gegenüber der Mesenterialvenen-
thrombose und entzündlichen Darmerkrankungen Klinische Symptomatik
lässt sie sich durch das typische angiographische Bild Mit einem Alter von durchschnittlich 44 Jahren sind
mit ausgeprägten Gefäßspasmen abgrenzen. die Patienten deutlich jünger als bei anderen Formen
der Mesenterialischämie (Warshauer et al. 2001).
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Die Klinik ist oft subakut und kann über mehrere
Bei klinischem Verdacht auf eine Mesenterialischä- Wochen bis zur Diagnosestellung anhalten. Im Vor-
mie und fehlenden Hinweisen für eine arterio- dergrund der Beschwerden stehen krampfartige
okklusive oder venöse Genese in der CTA muss eine Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Durchfälle
selektive DSA der Mesenterialgefäße durchgeführt und peranale Blutabgänge. Im Vergleich zu der
werden, um die Diagnose einer nichtokklusiven arteriookklusiven und nichtokklusiven Mesenterial-
Darmischämie zu sichern und die interventionelle ischämie ist die Letalität deutlich geringer.
Therapie mit Vasodilatanzien einleiten zu können. Gangränöse Darmabschnitte werden reseziert. In-
traoperativ kann ein Katheter in eine periphere Me-
Merke ! Die nichtokklusive Darmischämie wird
durch einen ausgeprägten mesenteri-
senterialvene eingebracht werden, über den eine re-
gionale Lyse appliziert wird. Bei fehlenden Zeichen
alen Vasospasmus ausgelöst, bevorzugt das Kolon, einer Peritonitis wird über einen transjugulären in-
zeigt charakteristische angiographische Zeichen und trahepatischen portosystemischen Shunt (TIPS)
wird durch intraarterielle Applikation von Papaverin oder perkutan transhepatisch ein interventioneller
oder Prostaglandin E1 behandelt. Zugang zum portomesenterialen Venensystem er-
reicht, über den der Thrombus fragmentiert, aspiriert
Mesenterialvenenthrombose und lysiert wird (Goldberg u. Kim 2003; Uflacker
2003).
왔 Subtotale Stenose oder Verschluss
Definition
portomesenterialer Venen durch Radiologische Symptomatik
thrombotisches Material. Im Ultraschall stellt sich der Thrombus als intralumi-
nale, echoreiche Struktur dar, betroffene Darmwände
Pathologisch-anatomische sind verdickt, das mesenteriale Fettgewebe ist infil-
und ätiologische Grundlagen triert, und es findet sich freie intraperitoneale Flüs-
Die Beeinträchtigung des venösen Rückstroms durch sigkeit. Der portomesenteriale Blutfluss ist reduziert
portalvenöse oder mesenteriale Thromben ist bei oder aufgehoben. Die kontrastmittelgestützte Sono-
etwa 10% der Patienten Ursache für eine Darmischä- graphie ist der FKDS in Bezug auf die Detektion von
mie. In Abhängigkeit von der Ätiologie können die Thromben überlegen (Rossi et al. 2006).
Thromben zentrifugal vom Leberhilus aus fort- Die in der portalvenösen Phase durchgeführte CT
schreiten oder in den distalen Anteilen der V. mesent- zeigt ödematös verdickte Darmwände, die eine ver-
erica superior, mit 6% deutlich seltener in der V. me- stärkte Kontrastmittelanreicherung der inneren und
senterica inferior, entstehen. Aufgrund der venösen äußeren Schichten aufweisen können (Abb. 3.37 a).
Kollateralkreisläufe bleiben Thrombosen der zentra- Das mesenteriale Fettgewebe ist deutlich häufiger als
len Abschnitte häufig lange klinisch inapparent. Peri- bei den arteriookklusiven Formen infiltriert („wet
phere Verschlüsse können dagegen ausgeprägte ischemia“). In Zusammenhang mit der verdickten
Ischämien mit hämorrhagischer Infarzierung aus- Darmwand und einem Thrombusnachweis in der
lösen. V. mesenterica superior gilt freie intraperitoneale
Etwa 20% der akuten Mesenterialvenenthrombo- Flüssigkeit als Zeichen der fortgeschrittenen Darm-
sen bleiben ätiologisch ungeklärt und werden der ischämie und sollte ein chirurgisches Vorgehen favo-
primären Form zugeordnet. Die Ursachen der sekun- risieren (Bradbury et al. 2002). Portomesenteriale
dären Formen sind vielfältig: Neben einer Hyper- Thromben können direkt als scharf begrenzte intra-
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 217
Differenzialdiagnose
Im Vergleich zu den arteriookklusiven Formen zeigt
die Mesenterialvenenthrombose oft eine deutlich
ausgeprägtere Infiltration des perienteralen Fettge-
webes und verdickt imponierende Dünndarmwände.
b Der direkte Thrombusnachweis in portomesenteria-
len Venen durch CT und MRT erlaubt die Abgren-
zung auch gegenüber der nichtokklusiven Darm-
ischämie.
Chronische Mesenterialischämie
luminale Defekte nachgewiesen werden, die von ei- 왔 Episodisch auftretende mesenteriale
Definition
ner ringförmig Kontrastmittel anreichernden Gefäß- Ischämie bei Stenosen des Truncus
wand umgeben sind. Üblicherweise sind mehrere coeliacus und der Mesenterialgefäße, die durch Nah-
mesenteriale Venen betroffen, und es können ge- rungsaufnahme provoziert wird.
218 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
3.4.3.2
Fibromuskuläre Dysplasie
왔 Nichtarteriosklerotische, nichtentzünd-
Definition
liche Arteriopathie vorwiegend der
mittleren bis kleinen Arterien mit fibrotischer seg-
mentaler Wandverdickung.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die Ätiologie der fibromuskulären Dysplasie ist
unklar. Neben genetischen und humoralen Faktoren
werden auch mechanische Ursachen diskutiert,
Abb. 3.39. Abgangsnahe Einengung der A. mesenterica super- die zu einer pathologischen fibroproliferativen Reak-
ior bei chronischer Mesenterialischämie tion der Gefäßwand mit Ablagerung von Kolla-
gen oder einer Hyperplasie der glatten Muskulatur
führen. In Abhängigkeit vom Befallsort werden
unterschiedliche Formen der fibromuskulären Dys-
plasie unterschieden, wovon die mediale Fibroplasie
Angesicht der proximal liegenden Gefäßverände- mit >80% am häufigsten vorkommt. Sie zeichnet sich
rungen, die in Schnittbildverfahren gut erkannt wer- histopathologisch durch alternierend verdickt bzw.
den können, ist die Durchführung einer diagnosti- ausgedünnt imponierende Mediaanteile aus, die durch
schen DSA nicht notwendig. Hier würden sich zirku- aneurysmatische Aufweitungen das typische, perl-
läre, abgangsnahe Einengungen mit poststenotischer schnurartige Bild in der Gefäßdarstellung ergeben.
Dilatation und Kollateralkreisläufen darstellen.
Klinische Symptomatik
Differenzialdiagnose Von der fibromuskulären Dysplasie sind doppelt so
Die akuten Formen der Mesenterialischämie präsen- häufig Frauen wie Männer betroffen. Das Manifesta-
tieren eine andere Klinik und zeigen begleitende Ver- tionsalter liegt in der Regel unter 50 Jahren (Mettin-
änderungen der Darmwand, ein mesenteriales Ödem ger u. Ericson 1982). Mit etwa 70% ist die Nierenarte-
und ggf. freie intraperitoneale Flüssigkeit. Maligno- rie am häufigsten involviert, höhergradige Stenosen
me wie etwa ein Pankreaskarzinom als Ursache der können eine renovaskuläre Hypertonie auslösen. Der
postprandialen Schmerzen und der Gewichtsabnah- zweithäufigste Manifestationsort ist mit 25–30% die
me können durch eine ergänzende Untersuchung in A. carotis. Die extrakraniellen Stenosen sind oft mit
der parenchym- oder portalvenösen Phase der CT intrakraniellen Aneurysmen assoziiert, sodass die
und MRT ausgeschlossen werden. Patienten durch subarachnoidale Blutungen sympto-
matisch werden können. Bei etwas weniger als 1/3 der
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Patienten mit fibromuskulärer Dysplasie ist mehr als
Als nichtinvasives Verfahren ohne Risiko von Kon- eine Gefäßregion betroffen. Der Befall der A. mesent-
trastmittelreaktionen sollte bei Verdacht auf das erica superior und des Truncus coeliacus ist mit etwa
Vorliegen einer chronischen Mesenterialischämie 2% selten, kann jedoch zu mesenterialen Ischämien
zunächst eine FKDS des Truncus coeliacus und der mit letalem Ausgang führen (Horie et al. 2002).
Mesenterialarterien angestrebt werden. Die Siche- Symptomatische Stenosen werden interventionell
rung der Diagnose erfolgt in der CTA und MRA, die durch Ballondilatation, ggf. in Kombination mit Stent-
Durchführung einer DSA ist nur im Rahmen inter- implantation behandelt, Aneurysmen werden gecoilt
ventioneller Maßnahmen notwendig. oder embolisiert. Alternative chirurgische Verfah-
220 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
In der CTA imponiert die Dissektion als erweiter- oder bei Arbeitsunfällen mit Einklemmungen im
ter Gefäßabschnitt mit Dichteanhebung des umge- Vordergrund. Etwa 5% der Patienten mit stumpfem
benden Fettgewebes und exzentrischer Lumeneinen- Bauchtrauma weisen laparoskopisch Verletzungen
gung mit Nachweis eines intramuralen Hämatoms des Dünn- und Dickdarms oder des Mesenteriums
oder des Intimalappens (Suzuki et al. 2004). Native, auf, Ursachen sind Dezelerationen oder direkte
fettgesättigte T1-gewichtete Sequenzen können in stumpfe Gewalteinwirkung (Rizzo et al. 1989). Am
der subakuten Phase das Wandhämatom in der MRT häufigsten sind die fixierten Darmabschnitte wie das
zeigen. Die MRA eignet sich zur Darstellung der proximale Jejunum, das Duodenum, das Zökum und
hypointensen Dissektionsmembran. das aszendierende Kolon betroffen.
Angiographisch zeigt sich eine langsam nach distal
zunehmende Gefäßeinengung mit Dissektionsmem- Klinische Symptomatik
bran und möglicherweise einem Wiedereintritt des Die Patienten beklagen abdominelle Schmerzen und
Kontrastmittels in das wahre Lumen. Ein Vorteil der Abwehrspannung als Ausdruck der peritonealen
DSA ist die höhere räumliche Auflösung mit Darstel- Reizung. Ein zunehmender Bauchumfang ist Zeichen
lung des Bezugs zu Seitenästen, Das Wandhämatom einer massiven, intraabdominellen Einblutung und
entgeht der direkten Darstellung. geht mit einem hämorrhagischen Schock und Be-
wusstseinseintrübung einher. Die möglichst frühe
Differenzialdiagnose Diagnosestellung ist zur Einleitung einer adäquaten
Bei fehlender Darstellung der Dissektionsmembran Therapie und Vermeidung von Komplikationen ent-
kann die Dissektion in den Schnittbildverfahren wie scheidend, eine verzögerte Behandlung geht mit
eine arterielle Embolie oder Thrombose imponieren. einer deutlich erhöhten Mortalität einher.
Wandveränderungen auch in anderen Gefäßregionen
können wichtige Hinweise für das Vorliegen einer Radiologische Symptomatik
Arteriosklerose sein. Bei zweifelhaften Befunden soll- Sonographisch kann die traumatische mesenteriale
te die Dissektion angiographisch dargestellt werden. Blutung durch echofreie Flüssigkeitsansammlungen
in den Pouches und zwischen Darmschlingen nach-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie gewiesen werden. Das mesenteriale Hämatom impo-
Die FKDS wird als primäre bildgebende Methode niert im Ultraschall als echoreiches Areal im Verlauf
eingesetzt und bei negativem Befund durch die CTA der Mesenterialwurzel. Intramurale Hämatome stel-
oder MRA ergänzt, die sich beide zur Darstellung len sich als eine echoreiche Verdickung der Darm-
eines Wandhämatoms und der Dissektionsmembran wand dar, die im Powerdoppler ein reduziertes Signal
eignen. Bei zweifelhaften Befunden und zur Planung als Ausdruck der verminderten Perfusion aufweisen
der Therapie wird die DSA eingesetzt. (Frisoli et al. 2000).
Kleinere Einblutungen mesenterialer Gefäße äu-
Merke ! Dissektionen der A. mesenterica
superior und des Truncus coeliacus
ßern sich in der CT als streifige Infiltration des um-
gebenden Fettgewebes und umschriebene Flüssig-
können spontan auftreten und stellen eine wichtige keitsansammlungen zwischen Darmschlingen oder
Differenzialdiagnose in der Ursachenabklärung der der Mesenterialwurzel. Bei ausgedehnten Mengen
Mesenterialischämie dar. freier Flüssigkeit im Sinne eines Hämatoperitoneums
liegt die Dichte zwischen 35 und 50 HE. Mesenteriale
Hämatome sind die häufigsten Zeichen einer Blu-
3.4.3.4 tung, sie imponieren als umschriebene Dichtean-
Traumatische mesenteriale Blutung hebungen entlang des Gefäßverlaufs mit Werten
von 60–100 HE und erfordern nicht zwingend eine
왔 Intraperitoneale, intramurale oder in- chirurgische Intervention (Abb. 3.40 a, b). Zirkuläre
Definition
traluminale Blutung als Folge eines Wandverdickungen >3 mm mit oder ohne Kontrast-
stumpfen oder penetrierenden abdominellen Trau- mittelanreicherung können Zeichen eines intramu-
mas. ralen Hämatoms, einer vaskulären Affektion oder
einer entzündlichen Reaktion sein. Im Zusammen-
Pathologisch-anatomische hang mit perifokalen Flüssigkeitsansammlungen
und ätiologische Grundlagen oder einem mesenterialen Hämatom liegt mit hoher
In Europa ist das stumpfe Bauchtrauma 8- bis 10-mal Wahrscheinlichkeit eine Perforation oder Gefäß-
häufiger als penetrierende Verletzungen. Bei Kindern verletzung vor, die eine chirurgische Exploration
und Jugendlichen stehen Gurt- und Fahrradlenker- notwendig macht (Dowe et al. 1997).
verletzungen, bei Erwachsenen vor allem Hoch- Die arterielle Gefäßverletzung imponiert in der
rasanztraumen, insbesondere bei Motorradunfällen CT als umschriebene oder schlierenförmige Dichte-
222 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
a b
Abb. 3.40 a, b. Mesenteriales Hämatom nach stumpfem Bauchtrauma mit aktiver Blutung (Pfeil). a Axiale, b koronare MPR
Freie Flüssigkeit Serös <35 HE, Blut 35–50 HE In Abhängigkeit von Klinik
Mesenteriale Infiltration – Kontroll-CT
Mesenteriale Flüssigkeit – Kontroll-CT
Mesenteriales Hämatom Dichte 60–100 HE Kontroll-CT
Verdickung der Darmwand >3 mm bei ausreichender Distension Kontroll-CT
Aktive Blutung Dichte >91 HE DSA, Laparatomie
Verdickte Darmwand Dringender Verdacht auf Perforation Laparatomie
+ mesenteriale Flüssigkeit
und/oder Hämatom
anhebung mit isodensen Werten im Vergleich zu be- darmschlingen mit verstärktem Kontrastmittel-
nachbarten arteriellen Gefäßen und ist von einem enhancement können auch Folge eines reversib-
Hämatom oder von nichtkontrastiertem Blut umge- len Schockdarms bei Kreislaufversagen oder einer
ben (Abb. 3.41 a). Die Rate arterieller Blutungen ist mesenterialen Ischämie sein.
beim mesenterialen Trauma höher als bei jeder ande-
ren Verletzung im Bauchraum und erfordert die Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
sofortige Intervention (Yao et al. 2002). Die Ultraschalluntersuchung im Schockraum dient
Die DSA weist die mesenteriale Blutung als Kon- zum Nachweis freier intraabdomineller Flüssigkeit.
trastmittelextravasat in die Bauchhöhle oder intra- Der kreislaufstabile Patient wird danach ohne vor-
luminal in Dünn- und Dickdarmschlingen nach herige orale Kontrastmittelgabe in der CT nach intra-
(Abb. 3.41 b). Da die Höhenlokalisation bereits in der venöser Kontrastmittelapplikation untersucht. Akti-
CT erfolgt ist, wird die Untersuchung selektiv durch- ve arterielle Blutungen, Perforationen der Hohlor-
geführt, um im Anschluss an die Darstellung die In- gane und Wandverdickungen von Darmschlingen
tervention planen zu können. mit umgebender Flüssigkeit oder benachbartem
mesenterialem Hämatom erfordern eine DSA mit In-
Differenzialdiagnose tervention oder chirurgischer Exploration (Tabel-
Unter Berücksichtigung der Unfallanamnese mit le 3.4). Bei einem isolierten mesenterialen Hämatom,
adäquatem Trauma ergeben sich bei Nachweis freier einer Wandverdickung oder einer Infiltration des
abdomineller Flüssigkeit mit erhöhter Dichte, eines mesenterialen Fettgewebes kann eine engmaschige
mesenterialen Hämatoms oder eines aktiven Kon- klinische Überwachung und eine Kontroll-CT nach
trastmittelaustritts keine differenzialdiagnostischen einem Intervall von 6–12 Stunden erfolgen (Stuhlfaut
Schwierigkeiten. Wandverdickte Dünn- und Dick- et al. 2004).
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 223
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die untere gastrointestinale Blutung tritt wesentlich
seltener auf als Blutungen oberhalb des Treitz-Ban-
des auf und betrifft in bis zu 70% der Fälle den Ko-
lonrahmen und das Rektum. Während bei jungen
Patienten vorwiegend chronisch-entzündliche Darm-
erkrankungen oder Meckel-Divertikel im Vorder-
grund stehen, stellen Divertikelblutungen bei älteren
Patienten die Hauptursache dar. Trotz des deutlich
häufigeren Auftretens von Divertikeln im linken
Hemikolon ist die Blutung häufiger im proximalen
Kolon und Zökum anzutreffen. Die Blutungen sistie-
ren in etwa 90% der Fälle spontan, neigen jedoch zu
Rezidiven (Zuckerman et al. 1993).
a Angiodysplasien stehen bei älteren Patienten an
zweiter Stelle der Ursachen für eine untere gastro-
intestinale Blutung. Sie stellen submuköse arterio-
venöse Malformationen mit dilatierten Gefäßen un-
ter ausgedünnter Mukosa dar und sind am häufigsten
im Zökum und Colon ascendens anzutreffen. Etwa
10% der Angiodysplasien bluten episodisch, 90%
terminieren spontan, bei bis zu 50% zeigen die Blu-
tungen jedoch innerhalb von 3 Jahren Rezidive
(Foutch 1997).
Weitere Ursachen gastrointestinaler Blutungen
sind neben anorektalen Erkrankungen wie Hämor-
rhoiden oder Analfissuren Polypen und Malignome.
Klinische Symptomatik
Die untere gastrointestinale Blutung betrifft vor al-
lem ältere Menschen. Risikofaktoren sind die Ein-
b nahme nichtsteroidaler Antirheumatika und Antiko-
agulanzien. Das Spektrum der Symptome reicht von
Abb. 3.41 a, b. Traumatische intraluminale Blutung in Dünn- Schwächegefühl und Müdigkeit aufgrund des ernie-
darmschlingen (Pfeil) nach stumpfem Bauchtrauma. a Schräg drigten Hämatokrits bei okkulten Blutungen bis zum
axiale VRT, b selektive DSA vor Intervention
hämorrhagischen Schock mit Absetzen massiver
Blutstühle (Hämatochezie). Teerstühle weisen auf ei-
ne Blutung hin, die proximal der rechten Kolonflexur
liegt, und erfordern die gastroskopische Abklärung.
Merke !
Traumatische mesenteriale Blutungen
sind selten, bei verzögerter Diagnose-
In 11% der Fälle ist eine obere gastrointestinale Blu-
tung Ursache des peranalen Blutabgangs (Jensen u.
stellung und Therapie jedoch mit hoher Letalität ver- Machicado 1988).
bunden. Die CT nach Kontrastmittelinjektion ist die Die Behandlung der unteren gastrointestinalen
Modalität der Wahl, um Verletzungen des Mesenteri- Blutung erfolgt in Abhängigkeit von Klinik, Ursache
ums, des Dünn- und Dickdarms zu erkennen und und Lokalisation endoskopisch (Thermo-, Elektro-
einer adäquaten Therapie zuzuführen. und Laserkoagulation, Sklerosierung, Bandligatur,
Clips), interventionell (Vasopressin, Embolisation)
oder chirurgisch. Die Mortalität liegt bei <5% (Zu-
3.4.3.5 ckerman u. Prakash 1999).
Untere gastrointestinale Blutung
Radiologische Symptomatik
왔 Akute oder chronische intestinale In der nativen CT kann sich ein intraluminales Hä-
Definition
Blutung distal des Treitz-Bandes in matom als globuläre Dichteanhebung („sentinel
Darmstrukturen von der Flexura duodenojejunalis clot“) mit Werten von >60 HE darstellen (Orwig u.
bis zum Rektum. Federle 1989). Die kontrastmittelgestützte CT wird in
224 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
a b
der arteriellen Phase durchgeführt und zeigt einen Nuklearmedizinisch werden 99mTc-markierte rote
jetförmigen, linearen, wirbelartigen oder ovalären Blutkörperchen oder Schwefelkolloide eingesetzt,
Kontrastmittelaustritt (Tew et al. 2004; Abb. 3.42 a). die gastrointestinale Blutungen ab einer Rate von
Durch Dichtemessungen kann zwischen Hämatom 0,1–0,2 ml/min nachweisen können. Die aktive Blu-
und Kontrastmittel unterschieden werden: Während tung stellt sich hier als intraluminales, in Aktivität
koaguliertes Blut Werte zwischen 28–82 HE aufweist, über die Zeit hin zunehmendes Signal dar, das sich
erreicht das Extravasat Werte von 91 bis >274 HE mit der Peristaltik nach distal bewegt (Holder 2000).
(Willmann et al. 2002).
Bei der akuten massiven gastrointestinalen Blu- Differenzialdiagnose
tung (>4 Bluttransfusionen, systemischer Blutdruck Nachgewiesene Kontrastmittelextravasate ergeben
<90 mmHg) besitzt die arterielle CT eine Sensitivität keine differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten.
von 91% und eine Spezifität von 99% (Yoon et al. Die angiographische Darstellung vaskulärer Malfor-
2006). Die CTA nach Positionierung eines Pigtail-Ka- mationen wie etwa einer Angiodysplasie ist nicht als
theters in die abdominelle Aorta oder selektiver Son- sicherer Nachweis einer Blutungsquelle zu interpre-
dierung der A. mesenterica superior kann angiogra- tieren, da diese auch bei 0,8–1% der Patienten über
phisch okkulte Blutungen nachweisen (Ettore et al. 60 Jahre ohne gastrointestinale Blutung diagnosti-
1997; Schürmann et al. 2002). ziert werden kann (Lewis 2000).
Falls keine vorherige Höhenlokalisation erfolgt
ist, wird angiographisch zunächst die A. mesenterica Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
inferior, dann die A. mesenterica superior und der Hämodynamisch instabile Patienten mit unterer gas-
Truncus coeliacus dargestellt. Bei vollständig erfas- trointestinaler Blutung werden angiographiert, inter-
stem Stromgebiet und ausreichender Aufnahme- ventionell behandelt oder der chirurgischen Thera-
dauer können Blutungen ab 0,5–1,0 ml/min erkannt pie zugeführt. Nach erfolgloser endoskopischer Ab-
werden. Kontrastmittelextravasate persistieren über klärung erfolgt bei stabilen Patienten eine nuklear-
die venöse Phase und zeigen ein Negativbild des medizinische Untersuchung oder eine CT nativ und
Schleimhautreliefs (Abb. 3.42 b, c). arteriell ohne vorherige orale Kontrastmittelapplika-
tion.
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 225
Tabelle 3.6. MRT-Untersuchungsprotokoll bei Vaskulitiden Während die Lebenserwartung nicht wesentlich re-
der großen Gefäße. (Nach Nastri et al. 2004) duziert wird, müssen häufig Amputationen von Fin-
Sequenz Typische Befunde
gern und Zehen durchgeführt werden.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Der segmentale, panmurale Befall kleiner viszeraler
Arterien mit mukoider Degeneration und fibrinoider
Nekrose führt zur Desintegration der Zellwand und
Ausbildung multipler, für die Erkrankung charakte-
ristischer Mikroaneurysmen. Als Auslöser der Er-
krankung werden Infektionen mit Hepatitis-B- und
Zytomegalieviren angesehen, die eine Immunkom-
plexreaktion initiieren. Histopathologisch stellen
sich polymorphkernige Zellinfiltrate in allen Wand-
schichten und im perivaskulären Bindegewebe dar.
Intimaproliferation und fibrinoide Nekrose führen
zu einer weiteren Einengung des Lumens.
Klinische Symptomatik
Die Erkrankung bevorzugt das männliche Ge-
a
schlecht. Das Durchschnittsalter beträgt 45 Jahre. Bei
Patienten mit Hepatitis B wird eine erhöhte Inzidenz
beobachtet.Alle Organe des Körpers können beteiligt
sein, bevorzugt werden die Niere (80–90%), der Gas-
trointestinaltrakt (50–70%), die Leber (50–60%) und
die Milz (45%).
Neben Allgemeinsymptomen wie Fieber und Ge-
wichtsverlust stehen die durch den jeweiligen Organ-
befall ausgelösten Beschwerden im Vordergrund. Die
renale Beteiligung äußert sich in erhöhten Blut-
druckwerten und ansteigenden Retentionsparame-
tern, der Befall von Arterien des Gastrointestinal-
trakts in abdominellen Schmerzen, Übelkeit und
Erbrechen. Gastrointestinale Blutungen und Perfora-
tionen von Hohlorganen treten in etwa 5%, mesent-
eriale Infarkte in <2% der Fälle auf.
Während die Prognose der unbehandelten Poly-
arteriitis nodosa mit einer Fünfjahresüberlebensrate
b
von 10–20% schlecht ist, kann sie durch eine Thera-
pie mit Glukokortikoiden, ggf. in Kombination mit Abb. 3.43 a, b. Polyarteriitis nodosa, multiple Stenosen und
Cyclophosphamid, auf 80–90% erhöht werden. aneurysmatische Gefäßaufweitungen. a MRA, späte Phase,
b selektive DSA der A. mesenterica superior
Radiologische Symptomatik
In der DSA lassen sich multiple, oft perlschnurartig
angeordnete Aneurysmen in der Organperipherie desfolge. CT und MRT können häufig nur größere
nachweisen. Die großen Gefäße sind von den be- Aneurysmen und Gefäßveränderungen in fortge-
schriebenen Veränderungen ausgespart. Die Größe schrittenen Stadien darstellen. Sie dienen vor allem
der Aneurysmen liegt <10 mm, häufig zwischen der Visualisierung von Organveränderungen.Als Fol-
1 und 5 mm (Hagspiel et al. 1999). Im Gastrointesti- ge der Ischämie stellen sich die segmental betroffe-
naltrakt ist vorwiegend der Dünndarm, in absteigen- nen Dünn- und Dickdarmanteile dilatiert dar. Die
der Häufigkeit auch Mediastinum und Dickdarm be- Darmwand ist verdickt und weist ein ringförmiges
troffen (Abb. 3.43 a, b). Kontrastmittelenhancement auf (Target sign), das
Die Mikroaneurysmen sind häufig, aber nicht im- mesenteriale Ödem im angrenzenden Fettgewebe
mer anzutreffen. Gefäßunregelmäßigkeiten und Ste- führt zur Bildung von Aszites.
nosen können die einzigen Zeichen eines abdominel-
len Befalls darstellen.
Gastrointestinale Blutungen als Folge rupturierter Merke !
Für die Diagnosestellung der Poly-
arteriitis nodosa ist der Nachweis von
Aneurysmen und ischämische Kolitiden mit Darm- Mikroaneurysmen nicht spezifisch und keine Vor-
perforation sind selten, verlaufen aber häufig mit To- aussetzung. Die Erkrankung zeigt in der Biopsie
230 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
charakteristische histologische Befunde. Aufgrund den. Im weiteren Verlauf entwickeln die Patienten
des segmentalen Verteilungsmusters können die be- ausgeprägte Befunde mit Schmerzen durch Befall der
fallenen Abschnitte jedoch verfehlt werden. Kieferhöhlen und setzen blutig-eitriges Nasensekret
ab. Während pulmonale Infiltrate (70% der Patien-
Differenzialdiagnose ten) oft diagnostisch wegweisend sind, wird die Pro-
Als Differenzialdiagnose müssen andere Vaskuliti- gnose der Erkrankung durch den Nierenbefall mit
den beachtet werden, die mittelgroße bis kleine Ge- Ausbildung einer fokal nekrotisierenden Glomerulo-
fäßabschnitte befallen. Vaskulitiden bei rheumatoi- nephritis bestimmt.
der Arthritis, systemischem Lupus erythematodes, Der Gastrointestinaltrakt ist klinisch in 10% der
Churg-Strauss-Syndrom und Drogenabusus können Fälle betroffen, die Patienten beklagen abdominelle
ebenfalls Mikroaneurysmen aufweisen, lassen sich Schmerzen und Durchfälle (Haworth u. Pusey 1984).
jedoch oft durch die Klinik ausschließen. Mehrere Fälle von Darmperforationen wurden be-
schrieben, sie scheinen die häufigste Ursache für ein
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie akutes Abdomen zu sein.
Der Nachweis von Organveränderungen und Kom- Unbehandelt endet die Erkrankung innerhalb we-
plikationen erfolgt im Ultraschall oder mit der CT. niger Monate tödlich im Nierenversagen. Durch eine
Die MRT kann insbesondere bei allergischer Disposi- Medikation mit Cyclophosphamid in Kombination
tion eingesetzt werden. Da die Aneurysmen oft nur mit Glukokortikoiden konnte die Prognose mit einer
eine Größe von 1–5 mm aufweisen, sollte eine DSA Fünfjahresüberlebenszeit von 85% deutlich verbes-
der Viszeralarterien durchgeführt werden. sert werden.
Andere Vaskulitiden der kleinen Gefäße wie Zeroid diskutiert wird (Jois et al. 2004). Bei
der sekundären retroperitonealen Fibrose kann die
쐍 Rheumatoide Vaskulitis. Die rheumatoide Vaskulitis Erkrankung auf Medikamente wie Methysergid, auf
ist eine leukozytoklastische Vaskulitis vorwiegend Tumorerkrankungen oder Vaskulitiden zurückge-
der Venolen, die durch Ablagerung von Immunkom- führt werden, die eine desmoplastische Reaktion
plexen zustande kommt und sich meist kutan mani- initiieren. Histologisch zeigt sich eine chronisch-
festiert. Der Befall abdomineller Gefäße kann zu me- entzündliche Infiltration der Adventitia großer Ge-
senterialen Ischämien führen, die bildmorphologisch fäße, eine Ausdünnung der Media und eine peri-
in der CT als verdickte Darmwände mit pathologi- vaskuläre Fibrose mit Infiltration umgebender
scher Kontrastmittelaufnahme imponieren. Strukturen.
Die Erkrankung befällt vor allem die infrarenale
쐍 Churg-Strauss-Syndrom. Die granulomatöse Vasku- Aorta, ummauert die V. cava und die Ureteren, in-
litis manifestiert sich vorwiegend pulmonal und filtriert per continuitatem andere Organe, kann
kutan. In 20% der Fälle ist der Gastrointestinaltrakt aber in seltenen Fällen auch diskontinuierlich andere
befallen und führt zu Ulzerationen, Blutungen und Regionen wie Abschnitte der A. mesenterica superior,
Perforationen. Neben einer Vaskulitis der Mesente- den Truncus coeliacus und den Ductus hepatochole-
rialgefäße wird auch eine Infiltration der Darmwand dochus erfassen (Tamura et al. 2003; Vivas et al. 2000).
durch eosinophile Zellen beobachtet.
Klinische Symptomatik
쐍 Mikroskopische Polyangiitis. Als nekrotisierende Die Patienten weisen durchschnittlich ein Alter von
Vaskulitis der kleinen Gefäße zeigt die mikroskopi- 50 Jahren auf. Bei der idiopathischen Form wird das
sche Polyangiitis keine charakteristischen Zeichen männliche Geschlecht im Verhältnis 2:1 bevorzugt.
wie Mikroaneurysmen. Mit 80% sind vorwiegend die Zu Beginn der Erkrankung sind die Symptome un-
Nieren betroffen, bei einem Befall des Gastrointesti- spezifisch. Beklagt werden Fieber, Gewichtsverlust,
naltraktes imponiert die Darmwand verdickt und Müdigkeit und Flanken- oder Rückenschmerzen. Mit
zeigt wie bei anderen Vaskulitiden der kleinen Ge- fortschreitender Organmanifestation werden die Be-
fäße ein pathologisches Enhancement der inneren funde spezifischer. Die mesenteriale Infiltration kann
und äußeren Schichten im Sinne einer Kokarde. sich in kolikartigen abdominellen Schmerzen oder
Diarrhö äußern. Im Vordergrund steht jedoch häufig
쐍 Purpura Henoch-Schönlein. Die Purpura Henoch- die Obstruktion der V. cava inferior und die fort-
Schönlein tritt gewöhnlich bei Kindern auf. Bis zu schreitende Niereninsuffizienz.
70% weisen eine gastrointestinale Beteiligung mit Die Prognose der Erkrankung ist gut, sie spricht
kolikartigen Schmerzen, Übelkeit, Diarrhö oder Ob- auf die Behandlung mit Kortikosteroiden und ande-
stipation auf. Bildmorphologisch ist auch diese Vas- ren Immunsuppressiva an.
kulitis der kleinen Gefäße neben Aszites durch ver-
dickte Darmschlingen mit pathologischem Kontrast- Radiologische Symptomatik
mittelverhalten gekennzeichnet. Die Veränderungen Die CTA kann die Verlagerung, Einengung und prä-
betreffen vorwiegend die Mukosa und Submukosa stenotische Dilatation der Gefäße mit umgebender
und sind oft selbstlimitierend. Weichteilinfiltration nachweisen (Abb. 3.44 a). In der
portalvenösen Phase kann zwischen nicht anrei-
cherndem Bindegewebe und einem aktiv entzündli-
3.4.3.7 chen Prozess mit deutlichem Enhancement unter-
Retroperitoneale Fibrose schieden werden (Moroni et al. 2005).
In der MRT imponiert die perivaskuläre Infiltra-
왔 Chronisch-entzündlicher Prozess un- tion in frühen Stadien der Erkrankung in T2-ge-
Definition
klarer Ätiologie, der vorwiegend das wichteten Sequenzen hyperintens. Mit zunehmender
lumbale Retroperitoneum befällt. Fibrose zeigt sich eine niedrigere Signalintensität.
Das Ödem kann gegenüber dem Fettgewebe am be-
Pathologisch-anatomische sten in fettgesättigten T2-gewichteten Sequenzen ab-
und ätiologische Grundlagen gegrenzt werden (Abb. 3.44 b). In Abhängigkeit von
Die Ätiologie der retroperitonealen Fibrose ist nicht der entzündlichen Aktivität zeigen fettgesättigte T1-
vollständig geklärt. In etwa 2/3 der Fälle liegt die idio- gewichtete Sequenzen nach Gabe von Kontrastmittel
pathische, auch als Morbus Ormond bezeichnete einen deutlichen Signalanstieg (Abb. 3.44 c). Die
Form vor, bei der eine Autoimmunreaktion als Ant- MRA stellt die Einengungen des Lumens, Stenosen,
wort auf Bestandteile arteriosklerotischer Plaques Verschlüsse und Kollateralkreisläufe dar (Abb. 3.45).
234 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
Differenzialdiagnose
b Konfluierende, perivaskuläre Lymphome und malig-
ne mesenchymale Tumoren wie das Fibrosarkom,
aber auch Vaskulitiden können gegenüber atypi-
schen Manifestationen der retroperitonealen Fibrose
oft nicht sicher abgegrenzt werden. Bei unklaren Fäl-
len muss eine bioptische Abklärung erfolgen.
Tabelle 3.7. Indikationen zur Angioplastie und Stentimplanta- Bei vergleichbaren Werten für den klinischen Ver-
tion nach den Leitlinien der ACC und AHA bei Nierenarterien- lauf und den technischen Erfolg liegt die Komplika-
stenosen (NAST). (Nach Hirsch et al. 2006)
tionsrate der operativen Revaskularisation höher,
Symptom Indikation sodass diese Methode der Behandlung einer Nieren-
arterienstenose bei gleichzeitig vorliegendem Aor-
Asymptomatische Bilaterale NAST, unilaterale ten- oder Nierenarterienaneurysma und technisch
Patientena NAST oder Einzelniere mit
hämodynamisch wirksamer NAST nicht durchführbarer oder nicht beherrschbarer
(50–70% mit Druckgradient Komplikationen nach Interventionen vorbehalten
20 mmHg oder >70%) bleibt.
Hypertonieb Maligne Hypertonie
Therapieresistente Hypertonie Radiologische Symptomatik
Verschlechterung einer
vorbestehenden Hypertonie
Im Vergleich zur DSA besitzt die Dopplersonographie
Hypertonie bei Medikamenten- eine Sensitivität von 84–98% bei einer Spezifität von
unverträglichkeit 62–99% (Carman et al. 2001). Aufgrund mangelnder
Hypertonie bei unilateraler Erfahrung oder Darmgasüberlagerung kann jedoch
kleiner Niere
in 4% der Untersuchungen keine sichere Aussage ge-
Niereninsuffizienz Verschlechterung der Nierenfunk- troffen werden (Hansen et al. 1990). Die Fluss-
tion bei bilateralen NAST
oder Einzelniere mit Nieren- beschleunigung imponiert in der FKDS durch ein
arterienstenose Aliasing und poststenotische Turbulenzen. Die intra-
Niereninsuffizienz stenotisch abgeleitete, maximale systolische Flussge-
bei unilateraler NASTc schwindigkeit liegt nach Winkelkorrektur >180 cm/s,
Kardiale Symptome Nicht-kardial bedingte Herz- das Verhältnis zwischen maximaler renaler und
insuffizienz oder rezidivierend aortaler Flussgeschwindigkeit >3,5. Poststenotisch
auftretendes Lungenödem
Instabile Angina pectoris fällt die systolische Flussgeschwindigkeit ab, und die
Dopplerkurve weist einen abgeflachten systolischen
a
Klasse-IIb-Empfehlung, bei unilateraler NAST oder Einzel- Anstieg mit einer verlängerten Akzeleration von
niere Nierengröße >7 cm.
b
Maligne Hypertonie: Endorganschäden; therapieresistente
>0,05–0,08 s sowie einer Verringerung des Akzelera-
Hypertonie: keine ausreichende Blutdruckkontrolle unter tionsindex auf <370–470 cm/s2 auf. Ein im Vergleich
Dreierkombination. zur kontralateralen Niere um >5% erniedrigter RI ist
c
Klasse-IIb-Empfehlung, Niereninsuffizienz: hochsensitiv für das Vorliegen einer hämodynamisch
GFR <60 ml/min/1,73m2 über 3 Monate.
relevanten Nierenarterienstenose. In einer prospekti-
ven Studie mit 191 Patienten, die einer Stentimplan-
tation bei Nierenarterienstenose unterzogen wurden,
Therapieversagern, einer raschen Verschlechterung konnte nicht bestätigt werden, dass bei einem RI von
der renalen Funktion, instabiler Angina pectoris oder >0,8 keine Verbesserung der Hypertonie oder Nie-
rezidivierend auftretendem Lungenödem bei hämo- renfunktion zu erwarten ist (Zeller et al. 2003).
dynamisch relevanter Nierenarterienstenose gestellt Die CTA erreicht eine hohe Sensitivität und Spezi-
werden sollte (Hirsch et al. 2006). Die Empfehlung fität (Fraioli et al. 2006). Bei einem positiven Vorher-
des American College of Cardiology (ACC) und der sagewert von 95% schließt eine in der CTA unauffäl-
American Heart Association (AHA) sind in Tabel- lig imponierende Nierenarterie zudem eine renovas-
le 3.7 aufgeführt. kuläre Hypertonie mit hoher Sicherheit aus und bie-
Eine Metaanalyse von 14 Studien mit insgesamt tet sich als Screening-Verfahren an (Prokop 1999).
678 Patienten, die einer Stentimplantation unterzogen Aufgrund des zur Scan-Ebene parallelen oder schrä-
worden waren, zeigte bei einer hohen technischen Er- gen Gefäßverlaufs ist mit axialen Schichten allein kei-
folgsrate eine Verbesserung der Hypertonie bei 69%, ne ausreichende Beurteilung möglich. Schräge oder
bei 38% eine Stabilisierung und bei 20% eine Verbes- zum Gefäßverlauf gekrümmte Dünnschicht-MIP in
serung der renalen Funktion (Leertouwer et al. 2000). 2 Ebenen erlauben die Darstellung exzentrischer
Bei vergleichbaren klinischen Ergebnissen war die oder konzentrischer abgangsnaher Plaques. Insbe-
Restenoserate (26 vs. 17%) in Studien mit alleiniger sondere bei Verkalkungen erwiesen sich interaktive
PTA höher, die primäre technische Erfolgsrate mit 77 VRT-Rekonstruktionen als hilfreich (Johnson et al.
vs. 98% geringer. Insbesondere bei ostialen Stenosen 1999). Zur weiteren Beurteilung und Graduierung
weist die primäre Stentimplantation in Bezug auf die sollten zum Gefäßverlauf orthogonale Schichten an-
technische Erfolgsrate und Offenheitsrate bessere gefertigt werden. Die Möglichkeiten der MPR erlau-
Werte auf (Baumgartner et al. 2000). Eine ausführ- ben eine genauere Quantifizierung von Stenosen als
liche Darstellung zur interventionellen Behandlung mit der DSA. Während die Detektion ostialer Steno-
der Nierenarterienstenose findet sich in Kap. 8.1.
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 237
Abb. 3.46. Hochgradige beidseitige Nierenarterienstenosen in Abb. 3.47. Hochgradige infundibuläre Stenose der rechten
der MRA Nierenarterie in der Übersichts-DSA vor Intervention
sen leichter ist, entgehen peripher liegende Gefäßver- MPR und zusätzlichen Beurteilung der Gefäßwand
änderungen jedoch oft der Darstellung. bleibt die DSA unklaren Befunden oder der Bildge-
Wichtige Kollateralphänomene sind die post- bung im Rahmen interventioneller Maßnahmen vor-
stenotische Gefäßdilatation sowie eine verzögerte behalten (Abb. 3.47). Bei der selektiven Sondierung
Kontrastierung und Ausscheidung bei verkleinerter können unmittelbar ostial liegende Stenosen über-
Niere mit verschmälertem Parenchymsaum. Ange- sehen werden. Bei der Detektion peripher liegender
sichts der geringen Artefaktanfälligkeit eignet sich Stenosen von intrarenalen Ästen, die allerdings selten
die CTA außerdem hervorragend zur Nachbeobach- isoliert auftreten, besitzt die DSA jedoch klare dia-
tung von Patienten, die einer Stentimplantation un- gnostische Vorteile.
terzogen wurden. In-Stent-Stenosen können mit Bei der Captopril-Szintigraphie wird die seitenge-
VRT-Rekonstruktionen sicherer als mit MIP erkannt trennte Veränderung der glomerulären Filtrations-
werden (Mallouhi et al. 2003). rate nach Applikation eines ACE-Hemmers gemes-
Im Vergleich zur CTA ergeben sich bei der kon- sen. In ausgewählten Kollektiven konnte dabei eine
trastmittelgestützten 3D-MRA keine statistischen Sensitivität von 51–96% in Bezug auf die Erkennung
Unterschiede in Bezug auf die Erkennung hämo- hämodynamisch relevanter Nierenarterienstenosen
dynamisch wirksamer Nierenarterienstenosen (Will- erreicht werden (Prigent 1993). Im Vergleich zur Ba-
mann et al. 2003), sodass sich diese Modalität insbe- sisrenographie mit 99mTc-markierten Radiopharma-
sondere bei Patienten mit allergischer Disposition ka induziert der ACE-Hemmer einen Druckabfall in
anbietet. Tendenziell wird der Stenosegrad über- den Vas efferens und senkt die glomeruläre Filtra-
schätzt. In die Beurteilung müssen neben den MIP tionsrate in der betroffenen Niere. In der Folge stellen
(Abb. 3.46) die Quellschichten mit einbezogen wer- sich ein reduzierter Uptake, eine parenchymale Re-
den. Zum Gefäßverlauf orthogonale Projektionen tention und eine verzögerte Exkretion in das Nieren-
führen zu einer deutlich zuverlässigeren Bestim- becken dar (Abb. 3.48 a, b). Bedeutung besitzt das
mung des Stenosegrades (Schoenberg et al. 2005). Verfahren auch zur Detektion akzessorischer, steno-
Aufgrund der niedrigen Ortsauflösung können Ste- sierter Nierenarterien, die anderen, nichtinvasiven
nosen der intrarenalen Arterien der Beurteilung ent- bildgebenden Verfahren entgehen können. Der prä-
gehen. diktive Wert zur Vorhersage einer Verbesserung von
Angesichts der Qualität der durch CTA und MRA Blutdruck und renaler Funktion nach Angioplastie
erhobenen 3D-Datensätze mit der Möglichkeit der konnte in einer Studie mit 74 Patienten nicht be-
238 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
stätigt werden (Soulez et al. 2003). Da die Sensitivität Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
bei Patienten mit Niereninsuffizienz unzureichend Bei klinischem Verdacht auf eine Nierenarterienste-
ist und beidseitige Nierenarterienstenosen nicht er- nose erfolgt die Bildgebung mit den konkurrieren-
kannt werden, eignet sich die Modalität nicht als den und gleichwertigen Modalitäten Dopplersono-
Screening-Verfahren. graphie, CTA und MRA. Bei unklaren Befunden wird
auf eine andere Modalität ausgewichen oder eine
Differenzialdiagnose DSA angestrebt. Ist die Indikation (vgl. Tabelle 3.7)
Im Gegensatz zur arteriosklerotischen Nierenarte- gesichert, erfolgt die Intervention. Zur nichtinvasiven
rienstenose, die die proximalen 2 cm des Gefäßver- Verlaufsbeobachtung nach Stentimplantation eignen
laufs befällt, bevorzugt die fibromuskuläre Dysplasie sich Dopplersonographie und CTA.
insbesondere das mittlere Drittel der Nierenarterie.
Hier zeigen sich die charakteristischen, länger-
streckigen perlenkettenförmigen Schwankungen des Merke ! Die mit 90% weitaus häufigste Ursa-
che der Nierenarterienstenose sind
Gefäßlumens. Wie bei Vaskulitiden der großen und arteriosklerotische Wandveränderungen, die in den
mittleren Arterien (Takayasu-Arteriitis, Polyarteri- proximalen 2 cm nachgewiesen werden können.
itis nodosa), die ebenfalls Ursache einer Nierenarte- Hämodynamisch relevante Stenosen können durch
rienstenose sein können, sind vorwiegend jüngere nichtinvasive bildgebende Verfahren nachgewiesen
Patienten betroffen. oder ausgeschlossen werden. Aufgrund des systemi-
Aus der Aorta fortgeleitete Dissektionen der Nie- schen Charakters der Erkrankung erfolgt die Be-
renarterien können eine weitere Ursache einer Nie- handlung primär medikamentös. Bei gesicherter In-
renarterienstenose darstellen. In der FKDS, der CTA, dikation profitiert ein Teil der betroffenen Patienten
der MRA und der DSA stellt sich hier eine intralumi- von der Intervention in Bezug auf Hypertonie und
nale Bandstruktur als Ausdruck des Intimalappens Nierenfunktion.
dar. Die Klinik ist deutlich akuter als bei arterioskle-
rotischen Veränderungen.
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 239
3.4.4.3
Nierenarterienembolie
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Abb. 3.49. Fibromuskuläre Dysplasie: hochgradige Stenose Die weitaus meisten Niereninfarkte werden durch
am Übergang zum distalen Drittel mit poststenotischer Dilata- kardiale Embolien hervorgerufen. Ursachen sind
tion
Vorhofflimmern, akinetische Myokardanteile mit in-
trakardialen Thromben nach Herzinfarkt, Herzklap-
penfehler oder Endokarditiden. Daneben können
Differenzialdiagnose auch arterioarterielle Embolien auf dem Boden einer
Arteriosklerotische Nierenarterienstenosen betref- vorbestehenden Arteriosklerose auftreten, die spon-
fen die proximalen Gefäßabschnitte, die bei der fibro- tan oder im Rahmen von Katheteruntersuchungen
muskulären Dysplasie in 98% der Fälle ausgespart oder Interventionen abgeschilfert werden.
bleiben. Die Patienten sind zudem älter. Beide Er- Innerhalb einer Stunde nach Verschluss einer
krankungen können jedoch simultan auftreten. Vas- A. arcuata oder Interlobararterie bildet sich ein keil-
kulitiden der großen bis mittleren Arterien führen förmiges Infarktareal aus, dessen Spitze in Richtung
nicht zum typischen angiographischen Bild der Nierenhilus zeigt. Aufgrund der Kollateralversor-
fibromuskulären Dysplasie mit perlschnurartigen gung aus den Kapselarterien bleibt ein subkapsulärer
Lumenschwankungen, sollten jedoch als Differen- Saum vital. Die narbige Umwandlung führt ab der er-
zialdiagnose in Betracht gezogen werden. sten Woche zur Schrumpfung des Gewebes, Einsin-
Die Dissektion ist eine Komplikation der fibro- ken der Oberfläche und Ausbildung einer unregel-
muskulären Dysplasie, insbesondere des perimedia- mäßigen Kontur. Die Veränderungen treten oft mul-
len und intimalen Subtyps. Aus der Aorta fortgeleite- tipel oder bilateral auf. Begleitend können Milz- oder
te Dissektionen können durch die unterschiedlichen andere Organinfarkte beobachtet werden.
Modalitäten davon sicher unterschieden werden.
Klinische Symptomatik
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Die Patienten sind oft über 60 Jahre. Männer und
Angesichts des jungen Patientenkollektivs sollte bei Frauen sind gleich häufig betroffen. Kleinere Embo-
klinischem Verdacht primär eine kontrastmittelge- lien sind asymptomatisch und werden als Zufalls-
stützte 3D-MRA als Screening-Untersuchung durch- befund diagnostiziert. Größere Infarkte äußern sich
geführt werden.Aufgrund der Beteiligung peripherer durch akut einsetzende Flankenschmerzen, Fieber,
Äste bleibt die DSA der diagnostische Goldstandard Übelkeit und Erbrechen. In der Laboranalyse zeigt
zur Beurteilung der fibromuskulären Dysplasie.Auch sich eine deutlich erhöhte LDH als Ausdruck der
bei angiographisch gering imponierenden Wandun- Gewebsnekrose, erhöhte D-Dimere und eine Hämat-
regelmäßigkeiten können dünne membranartige Ste- urie.
nosen vorliegen, die durch invasive Druckmessung In Abhängigkeit von der Ausdehnung des infar-
erkannt und erfolgreich mit PTA behandelt werden zierten Areals erfolgt die Behandlung durch Antikoa-
können. gulation. Eine zugrunde liegende Nierenarterienste-
nose wird interventionell angegangen. Intraarterielle
Merke ! Die fibromuskuläre Dysplasie ist für
etwa 10% der Nierenarterienstenosen
Thrombolyse oder Thrombektomie sind weitere in-
terventionelle Verfahren bei größeren Infarkten. Bei
verantwortlich und tritt vorwiegend bei jüngeren irreversibler Schädigung muss die Niere operativ ent-
Frauen auf. Von den perlschnurartigen Gefäßverän- fernt werden.
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 241
Radiologische Symptomatik
Proximale Embolien können als echoreiche intralu-
minale Strukturen mit Abbruch des Flusssignals in
der FKDS erkannt werden. Die B-Mode-Untersuchung
der Niere ergibt keine spezifischen Befunde. Nach
Gabe von Kontrastverstärkern demarkiert sich das
minderperfundierte Areal im Powerdoppler deutlich
besser, sodass Infarkte zuverlässig erkannt werden
können (Yucel et al. 2001).
Segmentale Infarkte können sich in der Ausschei-
dungsurographie durch Aussparungen im Nephro-
gramm darstellen. Globale Infarkte weisen ein feh-
lendes Nephrogramm und eine fehlende Ausschei-
dung auf der betroffenen Seite auf.
In der CTA zeigt sich ein Abbruch der größe-
ren Gefäßabschnitte in der MIP-Rekonstruktion Abb. 3.50. Embolischer Verschluss (Pfeil) der oberen Seg-
(Abb. 3.50). In der portalvenösen Phase finden sich mentarterie mit keilförmigem Perfusionsdefizit. CTA, ge-
keilförmige Perfusionsdefekte bei erhaltener Kontra- krümmte MIP, transversale Schnittführung (gleicher Patient
wie in Abb. 3.2)
stierung der subkapsulären Rinde als Ausdruck der
Kollateralisierung über Kapselarterien (Abb. 3.51 a).
Das „cortical rim sign“ tritt innerhalb von mehreren
Stunden nach dem Infarktereignis auf, wird bei etwa
50% der Patienten beobachtet und gilt als spezifisch Effekt auf. Das perirenale Fettgewebe kann infiltriert
(Wong et al. 1984). Die hypodensen Infarktareale wei- sein, gelegentlich zeigen sich subkapsuläre Flüssig-
sen in der Frühphase häufig einen raumfordernden keitsansammlungen (Suzer et al. 2002).
b
242 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
Die MRT zeigt in der akuten Phase ein in T2-ge- phien werden in dem vorselektierten Krankengut in
wichteten Sequenzen hyperintenses Signal, das sich bis zu 2,5% der Untersuchungen Nierenarterienan-
nach Kontrastmittelinjektion in T1-gewichteten Se- eurysmen nachgewiesen (Schorn et al. 1997). Häufig-
quenzen scharf durch die fehlende Anreicherung de- ste Ursache ist die Arteriosklerose. Vaskulitiden wie
markiert. In der selektiven DSA findet sich ein Ab- etwa die Polyarteriitis nodosa, die fibromuskuläre
bruch der Kontrastierung oder ein umspülter Embo- Dysplasie, das Ehlers-Danlos-Syndrom, Infektionen,
lus. Das nachgeschaltete Infarktareal zeigt einen keil- Traumen und Schwangerschaften sind seltenere Ur-
förmigen Perfusionsdefekt. Bei größeren Infarkten sachen für ein Aneurysma.
ist die Ausscheidung gestört. Angesichts der hohen Die Lokalisation ist am häufigsten extrarenal an
Ortsauflösung bleibt die DSA der Goldstandard zur der Gefäßgabelung. Es wird zwischen
Beurteilung embolischer Gefäßverschlüsse der Nie-
∑ sakkulären (Arteriosklerose, fibromuskuläre Dys-
renarterien.
plasie),
Nuklearmedizinisch können Niereninfarkte nach
∑ fusiformen (fibromuskuläre Dysplasie, keine Ver-
Injektion von 99mTechnetium-markiertem DTPA oder
kalkung),
MAG3 durch Parenchymdefekte und verminderte Tra-
∑ dissezierenden (traumatisch, iatrogen, perimedia-
cer-Aufnahme diagnostiziert werden (Abb. 3.51 b).
le und intimale fibromuskuläre Dysplasie) und
∑ intrarenalen (Polyarteriitis nodosa)
Differenzialdiagnose
Arteriosklerotische Nierenarterienstenosen stellen Formen unterschieden. Während das Rupturrisiko
sich durch kalkhaltige Plaques mit luminaler Einen- gering ist, können Thromben rezidivierende Embo-
gung im Abgangsbereich der Nierenarterien dar. lien mit zunehmender Funktionseinschränkung der
Pyelonephritiden können in der portalvenösen Pha- Nieren auslösen.
se der CT ebenfalls als keilförmige Perfusionsdefekte
imponieren, hier fehlt jedoch die subkapsuläre Kon- Klinische Symptomatik
trastmittelanreicherung, das perirenale Fettgewebe Renale Aneurysmen sind häufig asymptomatisch
ist zudem deutlicher infiltriert. und werden im Alter von 40–70 Jahren als Zufalls-
befund entdeckt. Etwa 70% der Patienten weisen er-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie höhte Blutdruckwerte auf. Embolien oder Blutungen
In Abhängigkeit von Verfügbarkeit und renalen Re- können sich durch akut einsetzende Flankenschmer-
tentionsparametern sollte zunächst eine FKDS mit zen äußern.
Kontrastverstärkern angestrebt werden. In der CT Kalzifizierte Aneurysmen <2 cm werden nicht be-
imponieren Infarktareale als keilförmige Perfusions- handelt. Die Indikation zur Therapie ergibt sich bei
defekte mit erhaltener Kontrastierung der subkapsu- Größenzunahme, dem Auftreten von Niereninfark-
lären Rinde. Die Sicherung der Diagnose mit Lokali- ten, bei gebärfähigen Frauen oder bei einer Ruptur.
sation des Embolus und ggf. Intervention erfolgt mit Neben der operativen Resektion können auch inter-
der selektiven DSA. ventionelle Verfahren (Coiling, Embolisation) zum
Einsatz kommen.
Merke ! Der Nierenarterienembolie liegt häu-
fig eine kardiale Erkrankung als Em- Radiologische Symptomatik
boliequelle zugrunde. Während abgelaufene Infarkte Sonographisch stellt sich eine echoarme, pulsierende
in den Schnittbildverfahren charakteristische Befun- Raumforderung im Nierenhilus, ggf. mit thromboti-
de ergeben, erfolgt die Sicherung der Diagnose durch schen Wandauflagerungen, und Fluss in der FKDS dar.
die selektive DSA. In der CT können randständige Verkalkungen er-
kannt werden (Abb. 3.52 a). Nach Gabe von Kontrast-
mittel demarkieren sich intramurale Thromben,
3.4.4.4 gleichzeitig können embolisch bedingte Infarkte als
Nierenarterienaneurysma keilförmige Parenchymdefekte visualisiert werden.
Einblutungen, häufig bedingt durch die Ruptur eines
왔 Angeborene oder erworbene um- intrarenalen Aneurysmas bei Polyarteriitis nodosa,
Definition
schriebene Erweiterung des Gefäßlu- äußern sich durch ein subkapsuläres, intraparenchy-
mens der Nierenarterie oder ihrer Äste. males oder perirenales Hämatom.
MPR in unterschiedlicher Angulation, MIP und
Pathologisch-anatomische VRT erlauben bei der CTA und MRA, die Ausdeh-
und ätiologische Grundlagen nung des Aneurysmas mit Bezug zu den vaskulären
Die Prävalenz renaler Aneurysmen liegt in der Bevöl- Strukturen darzustellen und geben wichtige Hinwei-
kerung bei 0,01–0,1%. Im Rahmen von Angiogra- se für die operative Planung (Abb. 3.52 b).
3.4 Erkrankungen der abdominellen Gefäße 243
Differenzialdiagnose
Lokalisation, Form und Zahl der Aneurysmen erlau-
ben Rückschlüsse auf die Ätiologie: Singuläre, ver-
kalkte Aneurysmen an der Gefäßaufzweigung sind
häufig arteriosklerotisch bedingt. Perlschnurartig
angeordnete Aneurysmen im mittleren bis distalen
Drittel oder der Segmentarterien werden bei der
fibromuskulären Dysplasie, multiple intrarenale An-
eurysmen bei Vaskulitiden wie der Polyarteriitis
nodosa beobachtet.
3.4.4.5
Arteriovenöse Malformationen der Nierenarterien
Pathologisch-anatomische
c
und ätiologische Grundlagen
Abb. 3.52 a–c. Randständig verkalktes, partiell thrombosier-
Renale arteriovenöse (AV-) Malformationen sind sel-
tes Nierenarterienaneurysma in der Gefäßaufzweigung. a VRT tene Befunde mit einer Prävalenz von 0,04% (Cho u.
transversal, b VRT koronar, c Übersichtsangiographie Stanley 1978). Etwa 1/3 sind angeboren und können
klassifiziert werden in:
∑ cirsoide AV-Malformationen mit multiplen arte-
riovenösen Verbindungen, die traubenförmig an-
einandergelagert neben dem Sammelsystem loka-
Als dynamisches Verfahren kann die DSA nicht
lisiert sind, oder
nur das Füllungsverhalten des Aneurysmas zeigen,
∑ als kavernöse AV-Malformationen, die von einer
sondern erlaubt auch Aussagen über eine Kompres-
einzelnen Arterie gespeist werden.
sion der Segmentarterien mit zeitverzögerter Kon-
trastierung des Nierenparenchyms (Abb. 3.52 c). Die Erworbene AV-Fisteln lassen sich häufig auf Trau-
DSA ist der Goldstandard vor der operativen oder in- men oder Nierenbiopsien zurückführen. Weitere Ur-
terventionellen Behandlung des Nierenarterienaneu- sachen sind onkologische oder entzündliche Erkran-
rysmas. Sie sollte jedoch mit Schnittbildverfahren kungen. Aufgrund der verstärkten Volumenbelas-
kombiniert werden, auch um thrombosierte Aneu- tung können AV-Fisteln zur Kardiomegalie führen.
rysmen nicht zu übersehen. Die Minderperfusion des distal der Fistel gelegenen
244 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
Die Thrombose verläuft häufig asymptomatisch, später zunehmend abfällt. Dynamische 3D-MRA-Se-
kann sich jedoch in akut einsetzenden Flanken- quenzen erlauben eine sichere Differenzierung des
schmerzen, Hämaturie und einer Verschlechterung Thrombus, ergänzende transversale und koronare
der Nierenfunktion mit Ausbildung generalisierter Schichten nach Gabe von Kontrastmittel zeigen eine
Ödeme äußern. Thromboembolische Ereignisse sind im Vergleich zur kontralateralen Seite vergrößerte
häufig: Etwa 50% der Patienten erleiden eine Lun- Niere mit verzögerter Anreicherung des Nieren-
genembolie. marks (Kanagasundaram et al. 1998).
In Abhängigkeit von Klinik, Ausdehnung, Nieren- Bei der selektiven angiographischen Darstellung
funktion und Ätiologie erfolgt die Behandlung medi- der Nierenvene stellt sich ein kompletter Verschluss
kamentös oder interventionell durch Thrombekto- oder teilumspülter Thrombus mit venöser Kollatera-
mie mit oder ohne Thrombolyse und Angioplastie lisierung dar. Da die Diagnose mit der FKDS, der CT
(Kim et al. 2006) oder MRT sicher gestellt werden kann, erfolgt die
invasive Diagnostik nur im Rahmen einer geplanten
Radiologische Symptomatik Intervention.
In der Ultraschalluntersuchung findet sich eine ver-
größerte Niere mit fehlender kortikomedullärer Dif- Differenzialdiagnose
ferenzierung und echoreichen Arealen als Ausdruck Pyelonephritiden können ein ähnliches nephrogra-
der Einblutung. Der echoarme Thrombus kann phisches Bild wie eine Nierenvenenthrombose auf-
durch den Einsatz der FKDS besser differenziert und weisen, hier fehlt jedoch der direkte Thrombusnach-
direkt dargestellt werden. In der Doppleruntersu- weis. Bei einer Abflussbehinderung der Ureteren ist
chung ist die Pulsatilität des venösen Flusses verrin- die Kontrastierung des Nierenmarks ebenfalls zeit-
gert und der RI im Vergleich zur Gegenseite erhöht. verzögert, die Ursache der Harnleiterstaus kann hier
In der akuten Phase der Erkrankung stellt sich der dargestellt werden. Tumorthromben weisen in der
Thrombus in der CT als hypodenser Füllungsdefekt CT und MRT eine Anreicherung nach Gabe von Kon-
in einer erweiterten Nierenvene dar (Abb. 3.53). Die trastmittel auf.
Niere ist vergrößert, die kortikomedulläre Phase hält
im Vergleich zur Gegenseite länger an, die Ausschei- Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
dung ist verzögert und das perirenale Fettgewebe Die FKDS lässt eine sichere Darstellung der Nieren-
imponiert infiltriert. Mit fortschreitender Erkran- venenthrombose zu und ist insbesondere bei Kin-
kungsdauer bilden sich venöse Kollateralen aus, die dern die Modalität der Wahl. Alternative Verfahren
sich als geschlängelte Gefäße im Bereich des proxi- sind die dynamische MRA in Kombination mit nati-
malen Ureters und des Nierenlagers darstellen (Gate- ven Sequenzen und die biphasische CT in der korti-
wood et al. 1986). komedullären und späten Phase, um die Ausdehnung
In der MRT besitzt der Thrombus in der subaku- des Thrombus in die untere Hohlvene dokumentie-
ten Phase in nativen, fettgesättigten T1- und T2-ge- ren zu können.
wichteten Sequenzen ein hyperintenses Signal, das
Merke ! Die Nierenvenenthrombose tritt bei
Kindern unter 2 Jahren oder bei Er-
wachsenen, hier oft als Komplikation eines nephroti-
schen Syndroms, auf und kann in der FKDS, der CT
und der MRT sicher diagnostiziert werden.
3.4.4.7
Vaskulitiden
Polyarteriitis nodosa
왔 Nekrotisierende Vaskulitis der mittle-
Definition
ren bis kleinen Gefäße ohne histologi-
sche Zeichen einer Glomerulonephritis oder Beteili-
gung der Arteriolen, Kapillaren und Venolen.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Als Auslöser der Polyarteriitis nodosa werden Infek-
tionen mit Hepatitis-B- und Zytomegalieviren ange- Abb. 3.54. Polyarteriitis nodosa mit multiplen Mikroaneurys-
sehen, die eine Immunkomplexreaktion initiieren. men
Der segmentale, panmurale Befall kleiner Arterien
mit mukoider Degeneration und fibrinoider Nekrose
führt zur Desintegration der Zellwand und Ausbil-
dung multipler, für die Erkrankung charakteristi- sierung von Organveränderungen. Hier zeigen sich
scher Mikroaneurysmen. Histopathologisch stellen multiple Niereninfarkte unterschiedlichen Alters mit
sich polymorphkernige Zellinfiltrate in allen Wand- Perfusionsdefekten und Einziehungen der Oberflä-
schichten und im perivaskulären Bindegewebe dar. che. Die Rupturhäufigkeit liegt bei 9%. In den
Intimaproliferation und fibrinoide Nekrose führen Schnittbildverfahren finden sich dann subkapsuläre,
zu einer weiteren Einengung des Lumens mit Ausbil- intraparenchymale oder perirenale Hämatome (Jee
dung multipler Stenosen und Gefäßverschlüsse. et al. 2000).
In der DSA lassen sich multiple, oft perlschnurar-
Klinische Symptomatik tig angeordnete Aneurysmen an der Aufzweigung
Die Erkrankung bevorzugt das männliche Geschlecht. der Interlobararterien und der Aa. arcuatae nachwei-
Das Durchschnittsalter beträgt 45 Jahre. Bei Patienten sen. Die großen Gefäßstämme sind von den beschrie-
mit Hepatitis B wird eine erhöhte Inzidenz beobach- benen Veränderungen ausgespart. Die Größe der
tet.Alle Organe des Körpers können beteiligt sein, be- Aneurysmen liegt <10 mm, häufig zwischen 1 und
vorzugt wird die Niere (80–100%), das Herz (bis zu 5 mm (Abb. 3.54). Mikroaneurysmen sind häufig,
70%), der Gastrointestinaltrakt (50–70%), die Leber aber nicht immer anzutreffen. Angiographische Un-
(50–60%) und die Milz (45%, Travers et al. 1979). tersuchungen von 56 Patienten zeigten bei 61% an-
Neben Allgemeinsymptomen wie Fieber und Ge- eurysmatische Gefäßaufweitungen und bei 98% Ste-
wichtsverlust stehen die durch den jeweiligen Organ- nosen oder Gefäßverschlüsse. 39% der Patienten
befall ausgelösten Beschwerden im Vordergrund. Die wiesen als einziges Zeichen der Polyarteriitis nodosa
renale Beteiligung äußert sich in erhöhten Blut- luminale Einengungen ohne Aneurysmen auf (Stan-
druckwerten, schmerzloser Hämaturie und anstei- son et al. 2001).
genden Retentionsparametern. Die Ruptur intrare-
naler Aneurysmen oder Niereninfarkte stellen Kom- Differenzialdiagnose
plikationen dar und führen zu akut einsetzenden Vaskulitiden bei rheumatoider Arthritis, systemi-
Flankenschmerzen. schem Lupus erythematodes, Churg-Strauss-Syn-
Während die Prognose der unbehandelten Poly- drom oder Drogenabusus können ebenfalls Mikroa-
arteriitis nodosa mit einer Fünfjahresüberlebensrate neurysmen aufweisen und müssen als Differenzialdi-
von 10–20% schlecht ist, kann sie durch eine Thera- agnose durch klinische Parameter ausgeschlossen
pie mit Glukokortikoiden, ggf. in Kombination mit werden.
Cyclophosphamid, auf 80–90% erhöht werden. Rup-
turierte Nierenaneurysmen werden interventionell Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
durch Coiling behandelt. Schnittbildverfahren wie CT und MRT dienen zur
Darstellung von Komplikationen wie Nierenin-
Radiologische Symptomatik farkten oder Einblutungen. Zur Visualisierung von
CT und MRT können häufig nur größere Aneurys- Mikroaneurysmen und segmentalen Stenosen sowie
men und Gefäßveränderungen in fortgeschrittenen Verschlüssen peripherer Arterien muss eine selektive
Stadien darstellen, sie dienen vor allem der Visuali- DSA der Nierenarterien durchgeführt werden.
248 Kapitel 3 Gefäße im Abdomen
chen und dem Nachweis von Autoantikörpern (ANA, Cho KJ, Stanley JC (1978) Non-neoplastic congenital and
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Peripheres Gefäßsystem 4
P. Reimer, R. Vosshenrich, P. Landwehr
4.1 Radiologische Untersuchungstechnik 253 Abb. 4.2 a–f). Obwohl die modernen Angiographie-
4.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten, techniken generell als sicher gelten, verbleiben je-
Radiometrie 269 doch gewisse Risiken. Dazu zählen sowohl punk-
4.2.1 Anomalien und Varianten 272
tionsbedingte Komplikationen als auch kontrast-
4.3 Systematische Bildanalyse 274 mittelinduzierte Zwischenfälle und Organschäden
4.4 Erkrankungen der peripheren Gefäße 282 (Waugh u. Sacharias 1992). Hinzu kommen mediko-
4.4.1 Arteriosklerose 282 legale Probleme im Hinblick auf die Aufklärung des
4.4.2 Aneurysmen 289
4.4.3 Diabetische Angiopathie 292 Patienten mit dem Hinweis auf alternative Verfahren
4.4.4 Vaskulitiden 293 und Aspekte im Rahmen der Nachsorge sowie öko-
4.4.5 Thrombangiitis obliterans 296 nomische Überlegungen (Yin et al. 1995).
4.4.6 Morbus Raynaud und sekundäres Aus diesen Gründen beinhalteten moderne Unter-
Raynaud-Phänomen 298
4.4.7 Fibromuskuläre Dysplasie 300 suchungskonzepte in Abhängigkeit vom Schwere-
4.4.8 Zystische Erkrankung der Adventitia 301 grad einer peripheren arteriellen Gefäßerkrankung
4.4.9 Popliteales arterielles Entrapment-Syndrom 302 neben angiologischen, nichtapparativen und appara-
4.4.10 Thoracic-outlet-Syndrom 305 tiven Funktionstests (klinische Untersuchung, Be-
4.4.11 Trauma 307
stimmung der standardisierten beschwerdefreien
Literatur 311
Gehstrecke mittels Laufbandtest, Dopplerverschluss-
druckmessung, Arm-Knöchel-Index-Bestimmung,
Belastungstests, Oszillographie) auch verschiedene
4.1 nichtinvasive bildgebende Verfahren wie die Ultra-
Radiologische Untersuchungstechnik schalldiagnostik [B-Sonographie, Farbduplexsono-
graphie], die CT-Angiographie oder die Magnet-
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), resonanzangiographie (MR-Angiographie).
zunehmend häufig in Kombination mit dem Diabetes
mellitus, ist in den Industrienationen eine vermehrt Ultraschalldiagnostik
auftretende Erkrankung der immer älter werdenden Für die sonographische Diagnostik des peripheren
Bevölkerung. In Deutschland sind etwa 3,3 Mio. Men- Gefäßsystems stehen in der klinischen Routine die
schen betroffen. In 80–90% der Fälle wird die Er- folgenden Verfahren zur Verfügung:
krankung durch eine Arteriosklerose verursacht
∑ Dopplersonographie (ohne Bildgebung, zur Dopp-
(Dormandy et al. 1999). Gegenwärtig werden auf-
lerverschlussdruckmessung),
grund einer pAVK in Deutschland jährlich etwa
∑ B-Sonographie,
22.000 Amputationen durchgeführt. An den direkten
∑ Farbduplexsonographie,
Krankheitsfolgen versterben etwa 18.000 Patienten.
∑ Spezialverfahren wie Panorama- und 3D-Bildge-
Für Leistungen wegen arteriosklerotischer Gefäß-
bung, Phaseninversionstechniken, durch Echosig-
erkrankungen entstehen Kosten von insgesamt
nalverstärker unterstützte Techniken und Power-
2,2 Mrd. Euro pro Jahr. Statistische Schätzungen ha-
Doppler-Techniken.
ben ergeben, dass jedes Jahr etwa 100.000 Neuerkran-
kungen zu erwarten sind (Gesundheitsbericht für Die nichtbildgebende Dopplersonographie ist ein
Deutschland 1998). Untersuchungsverfahren zur Funktionsbestimmung
Für die Diagnostik der Erkrankung war die invasi- (Hämodynamik), wohingegen die B-Sonographie le-
ve Arteriographie mit intraarterieller Kontrastmittel- diglich morphologische Informationen liefert (Ge-
applikation zunächst als Blattfilm-Angiographie, fäßtopographie, Gefäßumgebung, Gefäßwand). Erst
dann als digitale Subtraktionsangiographie (DSA) die Kombination aus gepulster Dopplersonographie
für Jahrzehnte die Methode der Wahl (Abb. 4.1 a–l, und B-Bildsonographie (z. B. in Form der Farbdu-
254 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b c
d e f
g h i
Abb. 4.1 a–l. Retrograde DSA bei pAVK. Die retrograde DSA lungsphasen (a, b, f–k) abgebildet sind. Die Beckenetage wurde
mit einem 3-French-Katheter zeigt bei pAVK Stadium II B eine in 3 Projektionen aufgenommen (c–e). Für den distalen Unter-
generalisierte pAVK mit einem Verschluss der A. femoralis su- schenkel und die Füße wurde zusätzlich ein Summationsbild
perficialis links (Pfeile). Der Verschluss bewirkt eine Flussver- der verschiedenen Füllungsphasen angefertigt (l).
zögerung in das linke Bein, sodass von den Aufnahmen 2 Fül- j–l siehe nächste Seite
4.1 Radiologische Untersuchungstechnik 255
j k l
plexsonographie) erlaubt gleichzeitig Aussagen über ren systolischen Wert der A. brachialis beider Arme
die Gefäßtopographie, die Gefäßwand und den Blut- wird als Dopplerverschlussdruckquotient (auch Dop-
fluss. plerverschlussdruckindex oder bei Einsatz an der un-
Zur sonographischen Untersuchung der periphe- teren Extremität Knöchel-Arm-Index genannt; eng-
ren Arterien nimmt der Patient eine bequeme Rü- lisch: ABI/„ankle brachial index“) bezeichnet.
ckenlage ein. Zur Darstellung der A. poplitea sowie
der A. tibialis posterior und der A. fibularis ist die
Bauchlage günstiger. Der Untersucher sitzt neben der Merke ! Der Dopplerverschlussdruckquotient
ist ein einfacher und robuster Para-
rechten Patientenseite. meter für die hämodynamische Integrität der Extre-
Die alleinige Dopplersonographie, die noch im- mitätenarterien, zudem ist er ein guter Marker für
mer unverzichtbare Basis jeder apparativen Diagnos- das allgemeine kardiovaskuläre Risiko (Diehm et al.
tik der peripheren Arterien ist, kann mit einfachen, 2004; Lange et al. 2005).
tragbaren und kostengünstigen Geräten durchge-
führt werden. Mittels Stiftsonden (z. B. 5 MHz-Sende- Die Untersuchung sollte zwecks Standardisierung
frequenz) und kontinuierlicher Schallaussendung nach etwa 15-minütiger Ruhepause des Patienten er-
[„Continous-wave- (CW-) Dopplersonographie“] folgen. Das dopplersonographisch detektierte Wie-
kann der Blutfluss in den peripheren Arterien sensi- derauftreten des Flusses bei langsamer Reduktion
tiv nachgewiesen werden. Hierdurch wird es mög- des Manschettendrucks markiert die Höhe des systo-
lich, eine nichtinvasive systolische Blutdruckmes- lischen Blutdrucks auf Höhe der Blutdruckman-
sung in den distalen Unterschenkelarterien unter Zu- schette. Bei Grenzbefunden in Ruhe (z. B. subnorma-
hilfenahme einer einfachen Blutdruckmanschette le oder normale, nichtkonklusive Werte) kann die
vorzunehmen. Hierbei übernimmt der Ultraschall- Untersuchung nach definierter Belastung wiederholt
kopf die Funktion des tastenden Fingers bzw. des Ste- werden, um die Sensitivität zu erhöhen. Zum Beispiel
thoskops, um bei schrittweisem Ablassen des Drucks wird bei vermuteter pAVK vom Oberschenkeltyp
in der Blutdruckmanschette bei Unterschreiten des durch 40 Zehenstände, bei vermuteter pAVK vom Be-
systolischen Drucks die Reperfusion zu detektieren. ckentyp durch 20 Kniebeugen eine Belastungssitua-
Die Messung des Dopplerverschlussdrucks an den tion geschaffen, die zu einem passageren Absinken
Unterschenkelarterien im Vergleich mit dem höhe- des Index führt. Das Ausmaß der Reduktion des In-
256 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
d e f
Abb. 4.2 a–f. Transbrachiale DSA bei pAVK. Die transbrachiale DSA mit einem 4-French-Katheter zeigt eine generalisierte
pAVK bei Z. n. kurzem femoropoplitealem Bypass rechts (Pfeile)
dex unter Belastung sowie die Dauer der Erholungs- wertbares Dopplersignal aus den zu untersuchenden
phase gehen in die Auswertung ein. Arterien zu erhalten, ist es – außer bei der Darstel-
Limitationen des Verfahrens bestehen bei Patien- lung abdomineller Arterien von Erwachsenen – bei
ten mit schwerer Mediasklerose (Diabetes, dialyse- der Diagnostik der peripheren Arterien essenziell,
pflichtige Niereninsuffizienz) aufgrund der reduzier- Linearschallköpfe einzusetzen (Abb. 4.4).
ten Kompressibilität der Arterien sowie bei Patienten Die Sonographie ergibt nur einen kleinen Bildaus-
mit ausgedehnten Ulzerationen und lokalen Infektio- schnitt („field of view“/FOV) im Vergleich z. B. mit
nen, die ein Anlegen der Blutdruckmanschette unmit- der MR-Angiographie. Dieser Nachteil kann durch
telbar proximal der Knöchelregion nicht zulassen. die Möglichkeiten des dynamischen und schnellen
Die Wahl des Schallkopfes für die B-Sonographie Wechsels der Schallkopfposition ausgeglichen wer-
und die Farbduplexsonographie richtet sich nach der den. Prinzipiell kann auch mit der Sonographie eine
zu untersuchenden anatomischen Region. Für die ab- nahezu vollständige Abbildung aller peripheren Ar-
dominellen Arterien (Abb. 4.3 a–c) sind im Allgemei- terien erreicht werden, diese ist jedoch insbesondere
nen Konvexschallköpfe von 3- bis 5 MHz-Sendefre- bei bilateraler Untersuchung zeitaufwändig. Bei der
quenz einzusetzen. Je nach Dicke des Weichteilman- farbduplexsonographischen Untersuchung der peri-
tels kommen für die Extremitätenarterien Schallköp- pheren Arterien kommt es vielmehr darauf an, auf-
fe mit einer Sendefrequenz von 5 bis etwa 10 MHz zur bauend auf den Resultaten der klinischen Untersu-
Anwendung, wobei Breitbandschallköpfe moderner chung und der Dopplerverschlussdruckmessung die
Ultraschallgeräte einen großen Einsatzbereich bie- relevanten Läsionen nachzuweisen und im Schwere-
ten. Um ein gutes und in der vollen Bildbreite ver- grad einzuschätzen.
4.1 Radiologische Untersuchungstechnik 257
a c
Abb. 4.3 a–c. Infrarenale Aortenstenose. a DSA. b Farbduplexsonographie. c Poststenotisches Dopplerfrequenzspektrum in der
A. femoralis communis
Ist bei der Erstdiagnostik der AVK aufgrund der Das Auffinden der Läsionen wird durch die Flussdar-
Klinik und der Dopplerverschlussdruckmessung ei- stellung in Farbe erheblich erleichtert. Zu achten ist
ne pAVK wahrscheinlich, werden zunächst strate- etwa auf erhöhte Flussgeschwindigkeiten und Turbu-
gisch wichtige, repräsentative Gefäßabschnitte im lenzen im Rahmen von Stenosen (Abb. 4.5), auf feh-
Längsschnitt unter Darstellung in Farbe sowie mit lende intraluminäre Flusssignale bei Verschlüssen
Ableitung von Dopplerfrequenzspektren untersucht. (Abb. 4.6 a–c) sowie auf Kollateralgefäße.
Diese ersten Ableitungspunkte sind insbesondere Die Bestimmung der maximalen systolischen
Flussgeschwindigkeit wird zur Quantifizierung von
∑ die A. iliaca communis,
Stenosen genutzt. Die Analyse der Wandbeschaffen-
∑ die Femoralisgabel (mit A. femoralis communis,
heit mittels der B-Bild-Information ergänzt die farb-
Hauptstamm der A. profunda femoris sowie pro-
duplexsonographische Untersuchung.
ximaler A. femoralis superficialis),
Bei der Farbduplexsonographie ist eine Fülle von
∑ die A. femoralis superficialis im mittleren und
Parametern einzustellen, um eine Optimierung von
distalen Drittel,
B-Bild, Farbbild und Spektrum zu erreichen. Hierzu
∑ die A. tibialis anterior und posterior zunächst auf
gehören neben der Sendefrequenz, und damit der
Sprunggelenkhöhe sowie
Schallkopfwahl, vor allem
∑ die A. poplitea im mittleren Drittel.
∑ die Sendeleistung (Power),
Wesentlich hierbei ist die morphologische Analyse
∑ die Empfangsverstärkung („gain“ und tiefenab-
der Dopplerfrequenzspektren. Es ist darauf zu ach-
hängige Verstärkung),
ten, ob für den jeweiligen Ableitungsort typische
∑ die Pulswiederholfrequenz (PRF),
Spektren vorliegen oder ob spektrale Formverände-
∑ die Größe und Ausrichtung des Farbfensters,
rungen bestehen, die z. B. auf einen poststenotischen,
∑ die Lage, Größe und Ausrichtung des Messfensters
postokklusiven oder für eine arteriovenöse (AV-)
für die gepulste Dopplersonographie sowie
Fistel typischen Fluss hinweisen. Bei Änderung der
∑ die Lage der Nulllinie bei der Darstellung des
Spektralform zwischen 2 Ableitungspunkten muss
Spektrums.
zwischen diesen Messpunkten detailliert nach der
zugrunde liegenden Pathologie gefahndet werden. Bei der Auswertung der Dopplerfrequenzspektren
muss auf eine korrekte Lage der tatsächlichen Längs-
Merke ! Eine besonders rationelle untersu-
chungstechnische Vorgehensweise
achse des Gefäßes (Winkelkorrektur) geachtet wer-
den, damit eine Berechnung von Strömungsge-
kann darin bestehen, zunächst Spektren von je einem schwindigkeiten aus den gemessenen Dopplerfre-
sehr weit proximalen (z. B. A. femoralis communis) quenzverschiebungen erfolgen kann.
und einem weit distalen (z. B. A. tibialis anterior auf Die Dokumentation der Bilder und Spektren muss
Höhe des Sprunggelenks) Messpunkt abzuleiten und alle repräsentativen Untersuchungsregionen und re-
je nach morphologischer Änderung der Spektral- levanten Pathologien einbeziehen. Dabei ist auf eine
morphologie von proximal nach distal die Läsions- exakte Beschriftung zu achten. Bei Dokumentation
eingrenzung vorzunehmen. longitudinaler Schnittbilder ist der proximale Kör-
perabschnitt links im Bild darzustellen.
4.1 Radiologische Untersuchungstechnik 259
a c
Abb. 4.6 a–c. Verschluss der A. femoralis superficialis. a DSA. b Farbduplexsonographie proximal des Verschlusses (Pfeil Throm-
bus, K Kollaterale. c Farbduplexsonographie distal des Verschlusses (Stern Wiederanschluss, K Kollaterale)
Magnetresonanztomographie
Die MR-Angiographie der peripheren Gefäße ist fest
im klinischen Ablauf etabliert. Die Einstrommethode
(TOF) und die Phasenkontrastmethode (Phasenkon-
trastangiographie) sind durch MR-Angiographie
nach Kontrastmittelinjektion (KM-MR-Angiogra-
phie) mit technischer Durchführung analog zur DSA
oder CT-Angiographie abgelöst worden. Für die un-
tere Extremität wird zumeist eine Schrittverschiebe-
technik mit Verschiebung des Patienten auf der Un-
tersuchungsliege („moving table“) oder ein Konzept b
mit gekoppelten Spulen angewendet. Im Bereich der
oberen Extremität werden häufiger Messungen mit
definierten Spulenpositionen durchgeführt. Die Ent-
wicklung einer kontinuierlichen Tischbewegung
analog zur CT ist absehbar.
Eine spezielle Patientenvorbereitung ist für die
KM-MR-Angiographie nicht notwendig. Nach Anla-
ge eines intravenösen Zugangs ist es für die Unter-
suchung in Atemstillstand sinnvoll, vor dem Start der
eigentlichen Messung mit dem Patienten „Atem-
übungen“ während der Aufklärung und im Magnet- c
resonanztomographen durchzuführen. Wird die
Atemübung als Nativmessung verwendet, können Abb. 4.10 a–c. Normalbefund einer KM-MR-Angiographie
der Becken-Bein-Arterien bei Untersuchung in 3 Etagen mit
Subtraktionsfehler auftreten. Spulenüberlappung
Nach durchgeführter Atemübung wird ein Daten-
satz als Nativaufnahme aufgenommen, der von dem
nachfolgenden Kontrastmitteldatensatz optional sub-
trahiert werden kann.Auch alle Lokalisationssequen- werden gegenwärtig für diese Anwendung zugelasse-
zen („scout“) sollten möglichst in Atemstillstand ne extrazelluläre niedermolekulare (0,5 molare) Ga-
durchgeführt werden. Über den bevorstehenden dolinium-Chelate oder ein 1-molares Gadolinium-
Start der KM-MR-Angiographie sollten die Patienten Chelat verwendet. Die Zulassung eines spezielles
informiert werden und präzise Anweisungen erhal- Kontrastmittels mit einem prolongierten Enhance-
ten. Die Messung bei Untersuchung des Körper- ment (Blut-Pool-Kontrastmittel) ist aktuell erfolgt
stamms (Schulter, Becken) wird bei mäßiger Inspira- (Abb. 4.11 a, b). Bei Anwendung stark T1-gewichteter
tion gestartet. In dieser Atemlage können die Patien- ultraschneller Gradientenecho- (GRE-) Sequenzen
ten im Allgemeinen die Zwerchfellposition am läng- kommt es zu einem sehr hohen Gefäßkontrast. Wahl-
sten in konstanter Position halten. Zur Darstellung weise wird nur der Kontrastmitteldatensatz nachver-
der Hand- und Fußarterien können verschiedene arbeitet, oder es wird in Analogie zur DSA eine Sub-
flexible Spulen wie die Kopfspule oder die Extremi- traktion zuvor gemessenen nativen Datensatz vorge-
tätenspule angewendet werden. nommen. Der zu bearbeitende Datensatz kann mit
Die KM-MR-Angiographie basiert auf dem Prin- den bekannten Algorithmen, wie der MPR und der
zip der Reduktion der T1-Zeit durch die Injektion MIP, nachverarbeitet werden, um verschiedene Pro-
paramagnetischer Kontrastmittel mit Messung der jektionen des Gefäßbaums oder transversale Schich-
Daten im so genannten „first pass“ durch das zu ten (Gefäßquerschnitte) zu berechnen. Basis der Aus-
untersuchende Gefäßsystem (Abb. 4.10 a–c). Dazu wertung sind unverzichtbar immer die Rohdaten,
4.1 Radiologische Untersuchungstechnik 263
a b
die zur Qualitätskontrolle und Beurteilung zu be- fäße (vgl. Abb. 4.14 a–c). Deshalb wird entweder mit
trachten sind. hoher Zeitauflösung (z. B. Datensätze mit einer Mess-
Für die KM-MR-Angiographie existieren Sequen- zeit von jeweils 2–8 s) bei entsprechend niedrigerer
zen mit k-Raum-Abdeckung. Die Kenntnis des Auf- räumlicher Auflösung gemessen oder für eine Mes-
nahmeschemas ist für die Planung der Untersuchung sung mit hoher räumlicher Auflösung ein Bolus-Ti-
relevant. Bei Sequenzen mit symmetrischer k-Raum- ming vorgenommen. Die Anflutung des Kontrastmit-
Abdeckung beginnt die Aufnahme mit der äußeren telbolus sollte etwa 10% vor der k-Raum-Mitte er-
k-Raum-Zeile, und die zentrale k-Raum-Zeile wird folgen, d. h. nach Aufnahme von 40% der k-Raum-
bei 50% der Messzeit ausgelesen. Anschließend wird Zeilen einer symmetrischen Sequenz. Der venöse
vom Zentrum nach außen gehend wiederum die Rückstrom sollte frühestens nach Aufnahme von
zweite Hälfte der Zeilen aufgenommen. Die äußeren 60% des k-Raums einer symmetrischen Sequenz
k-Raum-Zeilen bestimmen über die höheren Fre- beginnen.
quenzen die Ortsauflösung. Die zentralen Zeilen Wegen der fehlenden Atmungs- und Bewegungs-
bestimmen über die tieferen Frequenzen (zentrale anfälligkeit sind bei KM-MR-Angiographie-Messun-
k-Raum-Linien) den Bildkontrast. Bei Sequenzen mit gen der peripheren Arterien (z. B. Beinarterien) län-
asymmetrischer k-Raum-Abdeckung stimmt die gere Messzeiten mit höherer Auflösung möglich.
Mitte der Messzeit nicht mit der Aufnahme der zen- Limitationen ergeben sich durch einen schnelleren
tralen Zeilen überein. arteriovenösen Transit in den distalen peripheren
Da das Maximum der Kontrastierung zur Mitte Gefäßen, z. B. den Hand- oder Fußarterien.
der k-Raums erfolgen soll, ist es unbedingt erforder- Die Sequenzparameter sollten sich nach der not-
lich, dies zu berücksichtigen. Das Kontrastmittel soll- wendigen Größe des Bildfeldes und der klinisch er-
te die zu untersuchenden Arterien oder Venen errei- forderlichen Auflösung richten. Im Prinzip sollen die
chen, bevor die zentralen (etwa 20%) k-Raum-Zeilen TR (Repetitionszeit) und die TE (Echozeit) so einge-
gemessen werden. Der Grad der Randschärfe der stellt sein, dass möglichst kurze Messzeiten (z. B.
Gefäße und der Auflösung hängt davon ab, ob beim für Messungen in Atemstillstand) erreicht und auf
First pass zum Zeitpunkt der Messung der äußeren diese Weise Fluss- und Suszeptibilitätsartefakte (z. B.
k-Raum-Zeilen (hohe Frequenzen) noch Kontrast- Darmgas usw.) minimiert werden. Andererseits er-
mittel durch das Gefäß strömt. lauben sehr kurze TE keine kleinen FOV im Sinne
Theoretisch wird durch eine Kontrastierung über einer Auflösungsverbesserung (es wird eine längere
die gesamte Messzeit eine optimale Bildqualität er- Bandbreite notwendig). Höhere Auflösung bedeutet
reicht. In Abhängigkeit von der Gefäßregion kommt mehr Phasenkodierschritte. Dies wiederum erfor-
es jedoch zu einem unterschiedlich schnellen venö- dert längere Akquisitionszeiten. Grundsätzlich sollte
sen Rückstrom mit Überlagerung der arteriellen Ge- zwar für ein möglichst exaktes Stenose-Grading die
264 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b
verwendet werden. Anhand einer Signalintensität- bleme aufgrund venöser Überlagerung, unzurei-
Zeit-Kurve wird die Zeit bis zum Anfluten des Kon- chender Kontrastierung oder zu geringer räumlicher
trastmittels im Gefäß bestimmt. Auflösung (Abb. 4.14 a–c).
Je nach Geräteausstattung können auch automati- Deshalb besteht ein Ansatz darin, die Messung
sche oder fluoroskopische Bolusdetektionstechniken distal zu beginnen mit Abbildung vom Knie bis
eingesetzt werden. zum Fuß. Danach erfolgt die Messung der proxima-
len Etagen. Die Qualität der distalen Abschnitte
KM-MR-Angiographie der Extremitätenarterien wird hier zu Ungunsten der vorgeschalteten Gefäße-
Die am häufigsten angewandte Technik besteht in ei- tagen verbessert. Proximal kann es insbesondere
ner Tischverschiebung in 2–3 Positionen von der ab- bei Anwendung des höher konzentrierten Gadolini-
dominellen Aorta bis zu den distalen Unterschenkel- ums durch kontrastierende Darmwände zu stören-
arterien (vgl. Abb. 4.10 a–c). Sollen die Nierenarte- den Überlagerungen kommen, die nicht immer
rien und der Arcus plantaris mit abgebildet werden, subtrahiert werden können. Neuere Entwicklungen
sind je nach FOV und Patientengröße 3–4 Positionen tragen dieser Problematik Rechnung. Es wird wahl-
erforderlich (vgl. Abb. 4.12). Im Bereich der Unter- weise pro Etage, vorzugsweise im Unterschenkel,
schenkel- und Fußarterien bestehen die größten Pro- räumlich und zeitlich hochaufgelöst untersucht.
266 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b c
Abb. 4.14 a–c. KM-MR-Angiographie der Becken-Bein-Arte- Unterschenkelarterien. c In der Abbildung der distaleren Unter-
rien mit Venenfüllung im linken Unterschenkel. a,b Die KM- schenkelarterien kommt es links bedingt durch einen Weichteil-
MR-Angiographie zeigt einen Normalbefund des Beckens, der infekt bei Diabetes mellitus zu einer die Beurteilung beeinträch-
Oberschenkelarterien, der Kniearterien und der proximalen tigenden Venenüberlagerung durch die reaktive Hyperämie
a b c
Abb. 4.15 a–c. Selektive retrograde DSA. Die retrograde DSA gen Jahren zur Darstellung. Die Aufnahmen b der Knieetage
mit einem 4-French-Dilatator wurde aufgrund einer nichtaus- und c des Unterschenkels zeigen ein filiformes Restlumen der
sagefähigen KM-MR-Angiographie vorgenommen. a In der distalen A. poplitea (Pfeil) und einen limitierten Ausstrom bei
Oberschenkeletage kommt neben Stenosen der A. femoralis verschlossener A. tibialis posterior
superficialis ein umschriebens Aneurysma nach PTA vor eini-
einen frühen Abgang der A. radialis zu achten. Dieser Obwohl sich einige Indikationen für eine Kathe-
kann nicht selten schon auf Höhe des proximalen terangiographie zu den nichtinvasiven Techniken
Oberarms liegen. verschoben haben, bleibt die Katheterangiographie
Eine komplette Untersuchung der unteren Extre- ein fester Bestandteil diagnostischer Gefäßuntersu-
mität beginnt proximal mit der Darstellung der Nie- chungen. Nach internationalen Qualitätsrichtlinien
renarterien und schließt distal die Fußarterien mit sollten sich etwa 95% der Indikationen aus den in der
Abbildung des Arcus plantaris ein (vgl. Abb. 4.1 a–l, folgenden Übersicht angegebenen Bereichen rekru-
Abb. 4.2 a–f). Dazu werden zumeist transfemoral tieren.
oder transbrachial platzierte Übersichtskatheter
(z. B. Pigtail-Katheter) eingesetzt (vgl. Abb. 4.2 a–f). Indikationen für die Katheterangiographie
Für die Darstellung eines einzelnen Beines kann es ∑ Beckenangiographie (Kadir 1987):
vorteilhaft sein, selektiv vorzugehen, und zwar von 왔 Aortoiliakale Arteriosklerose
kontralateral in „Cross-over-Technik“ oder von ipsi- 왔 Gastrointestinale, gynäkologische oder urologische
lateral mit retrograder Punktion (Abb. 4.15 a–c). Blutungen
Bei offener Oberschenkelstrombahn kann auch ante- 왔 Trauma
grad punktiert werden (Abb. 4.16 a–c). Für die ipsi- 왔 Primäre Gefäßanomalien wie Aneurysmen, Gefäß-
a b c
a b c
Abb. 4.17 a–c. Partiell subintimale Drahtposition. a Primär rechts. c Nach Entfernung des Drahtes, Kompression der Punk-
subintimale Drahtposition mit b Schleifenbildung des Drahtes tionsstelle und Durchführung einer KM-MR-Angiographie
(Pfeil) an einer Stenose in der proximalen A. iliaca externa zeigt sich keine resultierende Gefäßkomplikation
Katheterassoziierte Komplikationen mit einer datensatzes an einer Workstation jede beliebige An-
Häufigkeit von <0,5–2% beinhalten die unbeabsich- sicht im Rahmen der Bildnachverarbeitung (z. B. als
tigte subintimale Passage von Führungsdrähten oder MIP) zu rekonstruieren. Bei der Katheterangiogra-
Kathetern und Dissektionen oder Embolien durch phie sind hierfür zusätzliche Aufnahmeserien mit
das Kathetermaterial oder die Kontrastmittel (Singh konsekutiver Erhöhung der Strahlen- und Kontrast-
et al. 2003). mittelbelastung erforderlich.
Durch eine kontinuierliche Verbesserung von Ka- Mit der Farbduplexsonographie gelingt bei Ver-
thetermaterialien hat sich die Komplikationsrate wendung hochfrequenter Schallköpfe eine zeitlich
fortwährend verbessert. Die intensive Schulung des und räumlich hochaufgelöste, segmentale Darstel-
die Angiographie durchführenden Personals sowie lung der Gefäße. Anders als bei den angiographi-
die Spezialisierung in interventioneller Radiologie schen Methoden gehen sowohl die Sonomorphologie
haben hieran ebenso Anteil. als auch die Hämodynamik (z. B. Nachweis stenose-
bedingter Flussbeschleunigungen oder Turbulenzen,
Änderungen des Flussmusters distal von Gefäß-
4.2 obstuktionen) in die Beurteilung der Gefäßverände-
Normalanatomie und wesentliche Varianten, rungen ein. Durch dynamische Veränderung der
Radiometrie Schallkopfposition in Längsrichtung der Gefäße und
durch kontinuierliche Korrelation zwischen Gefäß
Mit der CT- und MR-Angiographie können Gefäße und anatomischer Lagebeziehung des Schallkopfes
analog zur intraarteriellen DSA dargestellt werden. entsteht beim Untersucher ein topographischer und
Dabei bestehen mehrere wesentliche Unterschiede dreidimensionaler, zusammenhängender Eindruck
zwischen Katheterangiographie und schichtbildba- des Gefäßstatus. Mittels neuerer Techniken (Panora-
sierter Angiographie. mabildgebung) ist eine weit über die Größe des Bild-
Die DSA liefert mit einer Bildfrequenz von 0,5 bis feldes des Schallkopfes hinausgehende, zusammen-
>6 Bilder/s einen dynamischen Aspekt, den die CT- hängende Demonstration größerer Gefäßabschnitte
und MR-Angiographie derzeit nicht bieten können. möglich (Abb. 4.18).
Diese fehlende dynamische Betrachtung wird in Zu- Bei der technisch am wenigsten aufwändigen,
kunft partiell durch aktuelle Entwicklungen der zeit- nichtbildgebenden Dopplersonographie werden, wie
lich aufgelösten MR-Angiographie kompensiert wer- unter Abschn. 4.1 beschrieben, systolische Druck-
den. messungen an den Extremitätenarterien durchge-
Eine selektive arterielle DSA erreicht eine höhere führt. Dabei gilt in Ruhe ein systolischer Dopplerver-
räumliche Auflösung. Mit der CT- und MR-Angio- schlussdruck an den distalen Unterschenkelarterien
graphie ist es im Gegensatz zur intraarteriellen DSA als normal, wenn er über demjenigen an den oberen
möglich, auf der Basis des einmal gewonnenen Bild- Exterimäten liegt. Der Quotient aus den beiden Ver-
270 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b
schlussdrucken (Knöchel-Arm-Index) liegt damit liegt in Ruhe in der Becken- und Oberschenkeletage
>1. Nach Belastung der unteren Extremitäten (z. B. bis etwa 100 cm/s, im Bereich von Knie- und Unter-
20 Kniebeugen bei Verdacht auf AVK vom Beckentyp, schenkelarterien bis etwa 50 cm/s (Luska et al. 1990).
40 Zehenstände bei Verdacht auf AVK vom Ober- Die physiologische Schwankungsbreite ist jedoch
schenkel- oder Unterschenkeltyp) sinkt im Gegen- sehr groß (>50% des Mittelwertes). Ursache der er-
satz zum Gesunden der Verschlussdruckindex für heblichen Schwankungsbreite ist die wechselnde pe-
mehr als 60 s auf <1 ab. Es ist darauf zu achten, dass riphere Widerstandslage, die sich in Ruhe in einem
nach Belastung auch an der oberen Extremität ge- physiologischen Schwankungsbereich des Pulsatili-
messen werden muss (Steigerung des systolischen tätsindex von 3 bis >30 ausdrückt.
Blutdrucks bei Belastung). Die Dopplerspektren der Extremitätenarterien
sind in Ruhe aufgrund des hohen peripheren Gefäß-
Merke !Absolute Verschlussdruckwerte von
>80–100 mmHg kennzeichnen eine
widerstandes mindestens bi-, meist sogar triphasisch
(Abb. 4.19 a, b). Bei Belastung formen sich die Spek-
ausreichende bis gute Durchblutungsreserve, Werte tren monophasisch um, da durch Eröffnung der Arte-
<50 mmHg kennzeichnen eine kritische Ischämie. riolen der periphere Widerstand z. T. drastisch ab-
sinkt und infolgedessen der diastolische Flussanteil
Die Beurteilungskriterien bei der Bildanalyse der stark zunimmt.
Farbduplexsonographie sind in Abschn. 4.3 beschrie- Die 3 Schnittbildverfahren sind auf unterschied-
ben. liche Weise in der Lage, auch die Gefäßwand und das
Der Stellenwert absoluter Strömungsgeschwindig- extravasale Gewebe darzustellen. Dies gelingt mit der
keiten in der Diagnostik pathologischer Veränderun- intraarteriellen DSA, die eine reine Luminographie
gen der Beinarterien ist gering, sodass die Kenntnis ist, nicht. Die folgenden Abbildungen zeigen anato-
der Normalwerte nicht unbedingt erforderlich ist. mische Normalbefunde und Varianten (Abb. 4.20,
Die maximale systolische Vorwärtsgeschwindigkeit Abb. 4.21, Abb. 4.22, Abb. 4.23, Abb. 4.24).
4.2 Normalanatomie und wesentliche Varianten, Radiometrie 271
a b
c
274 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
∑ der Homogenität der Flussrichtung (gleiche Far- Liegen keine wesentlichen Verkalkungen vor und ist
be in definierter Flussphase: lokal gerichteter, das Gefäßsystem qualitativ ausreichend kontrastiert,
homogener Fluss; unterschiedliche, evtl. sogar sollten zunächst die Originaldaten überlappend re-
mosaikartig verteilte Farben: inhomogener, ggf. konstruiert und ebenso betrachtet werden. Auf den
sogar turbulenter Fluss), Originaldaten werden Artefakte erkannt und bewer-
∑ der umschriebenen Erhöhung („je heller, desto tet.Anschließend kommen die Auswertung unterstüt-
schneller“) oder Erniedrigung der Flussge- zende Bildnachverarbeitungstechniken MPR, MIP
schwindigkeit (semiquantitative Analyse). oder VRT zur Anwendung (vgl. Abb. 4.7 a,b, Abb. 4.8).
Zusätzlich sind spezielle Programme mit Berech-
Dabei erleichtert die Farbe das Auffinden insbeson- nung der Mitte des Gefäßlumens inklusive Rückpro-
dere auch kleinerer Gefäße (Unterschenkelarterien, jektion,eine automatisierte Berechnung des Gefäßver-
Kollateralen) sowie pathologischer Gefäßläsionen. laufs mit isolierter Projektion oder eine automatisier-
Die Dopplerfrequenzspektren werden nach den te Entfernung störender Strukturen wie Knochen (so
folgenden, grundsätzlichen Kriterien beurteilt: genanntes „automatic bone removal“) in der Entwick-
lung oder bereits verfügbar. Die aufgenommenen Da-
∑ Morphologie des Spektrums (monophasisch,
ten werden im Hinblick auf das Vorhandensein und
biphasisch, triphasisch; Form des systolischen
das Ausmaß von Gefäßpathologien analysiert.
Peaks; Bandbreite der spektralen Geschwindig-
keitsverteilung; vgl. Abb. 4.27 a, b),
∑ maximale systolische Strömungsgeschwindigkeit Merke ! Der besondere Vorteil der CT-Angio-
graphie liegt in der exakten Stenose-
(Messung nach Winkelkorrektur im „post-proces-
quantifizierung anhand der Querschnittsbilder
sing“).
transversal zum Gefäßverlauf.
Die Messung der Strömungsgeschwindigkeiten ist
wichtig für die Stenosegradbestimmung (Abb. Gefäßverschlüsse werden hinsichtlich ihrer Länge
4.28 a–c), wobei weniger die absolute Geschwindig- präzise eingeschätzt, weil der ggf. vorliegende retro-
keit als vielmehr die Geschwindigkeitsrelation zwi- grade Fluss distaler Gefäßsegmente die Gefäße aus-
schen stenosierten und nichtstenosierten Gefäßab- reichend kontrastiert. Die Kontrastierung der Gefäß-
schnitten relevant ist (Ota et al. 2005). wand ist bedeutsam für das Erkennen und die Bewer-
Die CT-Angiographie kann mit verbesserter Qua- tung entzündlicher Gefäßerkrankungen.
lität durch die MS-CT auch langstreckige Gefäßab- Die Analyse von MR-Angiographien, optional mit
schnitte abbilden (Abb. 4.29). zusätzlichen Bildsequenzen zur Beurteilung der Ge-
fäßwand und der Gefäßumgebung, basiert ebenfalls
Merke ! Gefäßwandverkalkungen können bei
der CTA zu einer erheblichen Ein-
auf der initialen und obligatorischen Betrachtung
der Originaldaten. In den Originaldaten wird die dia-
schränkung der Beurteilbarkeit führen, da in diesem gnostische Kontrastierung des Gefäßsystems verifi-
Fall die Gefäßlumina nicht mehr ausreichend abge- ziert, und Artefakte können erkannt und bewertet
grenzt und Stenosen nicht mehr hinreichend quan- werden. Anschließend erfolgt die Auswertung mit
tifiziert werden können.
276 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
c
4.3 Systematische Bildanalyse 277
Abb. 4.29. AVK vom Becken- und Oberschenkeltyp rechts. CT-Angiographie (MIP-Rekonstruktion). Verschluss der A. iliaca ex-
terna, der A. femoralis communis und der proximalen Abschnitte der A. femoralis superficialis rechts (D. Fleischmann, Stanford)
b
chend, eine >50%ige Durchmessereinengung ab ei-
Abb. 4.32 a, b. Thrombosiertes Aneurysma der A. poplitea
nem systolischen Geschwindigkeitsindex von >2,5 links. a Die koronare MIP der KM-MR-Angiographie zeigt ei-
anzunehmen. nen Verschluss der linken A. poplitea. b Es sind Thromben
(Pfeile) in den axialen Aufnahmen ursächlich erkennbar, die
dem Nachweis in der MIP (a) entgehen
Merke !Als einzige Methode bietet die Sono-
graphie in der klinischen Routine
auch die Möglichkeit der indirekten Abschätzung des
Ausmaßes von Obstruktionen durch die Betrachtung spektren nicht verändert. Distal der Stenose oder des
des Flussverhaltens distal der Läsion. Verschlusses wird die Flusskurve aufgrund der par-
tiellen Umleitung des Flusses über Kollateralen, des
Bis zu einem Diameterstenosegrad von 50–60% wer- Absinken des peripheren Widerstandes sowie der
den die distal der Läsion abgeleiteten Ruhe-Doppler- Dämpfung der Pulskurve durch die Stenose verän-
280 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b
dert. Bei zunehmendem Stenosegrad kommt es zu die besten Ergebnisse erzielt werden. Die Plaqueana-
einer Reduktion der systolischen Amplitudenhöhe lyse (Lal et al. 2006; Takaya et al. 2006) und Wand-
und der Anstiegssteilheit sowie zu einer Umformung dickenbestimmung (Mackinnon et al. 2004) in der
im Sinne eines monophasischen Flussmusters (Abb. A. carotis hat bei bestimmten konservativen Thera-
4.35 a,b, vgl. Abb. 4.27 a, b). pieansätzen (Soares et al. 2005) einen hohen wissen-
Die Analyse der Plaquezusammensetzung spielt vor schaftlichen, jedoch immer noch begrenzten klini-
allem wissenschaftlich, in manchen Bereichen auch schen Stellenwert (Sztajzel 2005).Auch bei peripheren
klinisch eine zunehmende Rolle. Während mit der Arterien ist die sonographische Plaqueanalyse mög-
DSA als Ursache der Lumeneinengung allenfalls Kal- lich. Sie ist jedoch neben der Bestimmung der Gefäß-
zifikationen direkt beobachtet werden, können mit wandelastizität (Roman et al. 2005) und der endothe-
den Schnittbildverfahren differenzierte Aussagen zur lialen Dysfunktion (Jarvisalo et al. 2004) bisher nahe-
Plaquezusammensetzung und zur Gefäßwand getrof- zu ausschließlich von wissenschaftlichem Interesse
fen werden. Die Analyse der Gefäßwand sowie der (Gyongyosi et al. 2004), zunehmend auch im Rahmen
Plaqueausdehnung und -zusammensetzung ist mit der Primärprävention sowie der Therapiekontrolle.
der Sonographie in hoher räumlicher Auflösung Mit der CT und der MRT können die weichen
möglich, wobei mit der intravaskulären Sonographie Plaqueanteile zunehmend präziser erfasst werden.
4.3 Systematische Bildanalyse 281
a b
Abb. 4.34 a, b. Thoracic outlet. a Die i. v. DSA bei einer jugendlichen Patienten in stehender Position zeigt einen Verschluss der
linken A. subclavia in Armelevation (Pfeil) bei unauffälligem Bild in Neutralposition (b)
Durch die bessere räumliche Auflösung der CT vor- wichtete Sequenzen) herangezogen. Die zusätzliche
teilhaft, wird die Plaqueanalyse bereits zur Beurtei- Analyse der Plaquemorphologie kann Informationen
lung von Koronararterien hinzugezogen. Magnet- zur Einschätzung der Plaques als vulnerabel und da-
resonanztomographisch werden transversal zum Ge- mit „rupturgefährdet“ und somit therapiebedürftig
fäßlumen angulierte Messsequenzen ohne und mit oder intakt und nicht gefährdet liefern (Chen u. Was-
Fettsättigung (z. B. T1-gewichtete und protonenge- serman 2005; Mitsumori et al. 2003).
282 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b c
Abb. 4.36 a–c. Beckenstenosen. KM-MR-Angiographie der Darstellung eines kurzstreckigen, kollateralisierten Verschlus-
Becken- und Beinarterien mit automatischer Tischver- ses der linken A. femoralis superficialis (Pfeil) sowie einer
schiebung nach einmaliger KM-Gabe. a Nachweis einer hoch- Atheromatose der linken A. poplitea im I. Segment. c Am rech-
gradigen Stenose der A. iliaca communis rechts (Pfeil) und ten Unterschenkel Abbildung einer Hypoplasie der A. tibialis
einer zirkulären Stenose der A. iliaca communis links mit post- posterior
stenotischer Dilatation (Pfeil). b In der Oberschenkeletage
a b c
Abb. 4.37 a–c. Aortenverschluss und Beckenarterienver- Bauchaorta und der Beckenarterien. Über Kollateralen Wie-
schluss. In der KM-MR-Angiographie der Becken- und Bein- derauffüllung der A. femoralis communis beidseits. Regel-
arterien mit automatischer Tischverschiebung nach einmali- rechte Kontrastierung der Oberschenkel-, Knie- und Unter-
ger KM-Gabe Nachweis eines Verschlusses der infrarenalen schenkelarterien
284 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b c
Abb. 4.39 a–c. Multisegmentale pAVK. KM-MR-Angiogra- Verschluss im distalen Anteil und kaliberstarker Kollateralisa-
phie der Becken- und Beinarterien mit automatischer Tisch- tion über die A. profunda femoris (Pfeile). Nachweis einer
verschiebung nach einmaliger KM-Gabe. a Homogene Kontra- Atheromatose der linken A. femoralis superficialis im distalen
stierung der infrarenalen Bauchaorta und der Beckenarterien. Anteil. c Am rechten Unterschenkel Nachweis einer Hypoplasie
b In der Oberschenkeletage Dokumentation einer langstreckig der A. tibialis anterior
hochgradig eingeengten rechten A. femoralis superficialis mit
4.4 Erkrankungen der peripheren Gefäße 285
a b
c d
Abb. 4.40 a–d. Becken- und Beingefäße bei pAVK, i. a. DSA. Knieetage (c) und der Unterschenkeletage (d) kommen peri-
a,b Die DSA zeigt eine dilatative proximale Arteriopathie ohne pher betonte Stenosen und Unterschenkelverschlüsse zur Dar-
wesentliche atherosklerotische Lumeneinengungen. In der stellung
Nach Lokalisation der Gefäßpathologie ergibt sich Als Sonderformen der pAVK gelten:
ein klinisches Enteilungsprinzip:
∑ juvenile Form: die pAVK der jungen Menschen
∑ Beckentyp: Lokalisation in den Beckenarterien mit vermehrtem Wachstum der Intimazellen,
oder der distalen Aorta abdominalis (Abb. 4.36 a– ∑ Mönckeberg-Krankheit: Verkalkung der Media; die
c, Abb. 4.37 a–c, Abb. 4.38, vgl. Abb. 4.3 a–c). Intima ist nicht betroffen, und das Gefäßlumen ist
∑ Oberschenkeltyp: Lokalisation in den Oberschen- offen,
kelarterien (Abb. 4.39 a–c, Abb. 4.40 a–d, vgl. ∑ Raynaud-Krankheit: Gefäßverschlüsse infolge
Abb. 4.6 a–c, Abb. 4.7 a,b, Abb. 4.8, Abb. 4.28 a–c, entzündlicher Prozesse,
Abb. 4.29), ∑ Thrombangiitis obliterans (Winiwarter-Buerger-
∑ peripherer Typ: Lokalisation in den Unterschen- Krankheit): entzündliche und degenerative Ver-
kel- oder Fußarterien (Abb. 4.41, vgl. Abb. 4.1 a–l, änderungen der kleineren Gefäße (Abb. 4.42 a, b),
Abb. 4.2 a–f, Abb. 4.13 a–c, Abb. 4.16 a–c). ∑ diabetische Gefäßkrankheit: kleine und mittlere
Gefäße inklusive der blutversorgenden Gefäße
der Nerven (Polyneuropathie).
286 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
Diagnostik
Die körperliche Untersuchung gibt Hinweise auf im Nachweis bzw. Ausschluss >50%iger Obstruktio-
eventuelle Hautveränderungen wie Blässe, Nekrosen nen die KM-MR-Angiographie der Duplexsonogra-
oder Wundheilungsstörungen. Der Pulsstatus, die phie überlegen (Leiner et al. 2005; Visser u. Hunink
Auskultation der großen Gefäße sowie einfache klini- 2000). Alle 3 Verfahren können ambulant durchge-
sche Tests wie die Ratschow-Lagerungsprobe geben führt werden.
wichtige Hinweise auf das Vorhandensein sowie die Bei der DSA als 3- oder 4-French-Angiographie
grobe Lokalisation der Läsionen. Beim Diabetes mel- wird eine Liegezeit von 1–4 Stunden erforderlich (vgl.
litus kann allerdings trotz tastbarer Pulse eine schwe- Abb. 4.1 a–l, Abb. 4.2 a–f). Hierbei sollten alle Etagen
re pAVK vorliegen. dargestellt werden, um die Gefäßverhältnisse proxi-
mal der Pathologie und den Zustand der Ausflussbahn
쐍 Apparative und bildgebende Diagnostik. Zur Objekti- bis in die pedalen Gefäße überschauen zu können.
vierung der beschwerdefreien Gehstrecke ist eine Ein invasiver Eingriff macht ggf. eine Risikoabklä-
standardisierte Laufbanduntersuchung mit einer Ge- rung eventueller Gefäßveränderungen im Bereich
schwindigkeit von 3,0 km/h und 12% Steigung geeig- des Herzens, des Gehirns und der Niere erforderlich,
net. Die dopplersonographische Messung der Ver- da es sich bei der Arteriosklerose um eine systemi-
schlussdrucke an den Fußarterien in Relation zum sche Erkrankung handelt. Im Stadium IV mit Nekro-
Verschlussdruck der A. brachialis nach 15-minütiger sen und Weichteilinfekten gehört zur präoperativen
Ruhephase stellt den nächsten Schritt dar. Liegt der Abklärung auch die Anfertigung von Röntgenbildern
Knöchel-Arm-Index <1, liegt mit hoher Wahrschein- der Knochen. Hiermit kann eine knöcherne Beteili-
lichkeit eine pAVK vor. Die Sensitivität im Nachweis gung im Bereich der Nekrosestellen ausgeschlossen
einer pAVK beträgt bei Berücksichtigung der Aus- werden (Vollmar 1996).
schlusskriterien (schwere Mediasklerose bei Diabe-
tes mellitus oder Niereninsuffizienz mit falsch-hohen Therapie
Verschlussdruckwerten von z. T. >300 mmHg) bis zu Die Therapie der pAVK orientiert sich an verschiede-
100%, die Spezifität >90% (Baxter u. Polak 1993). nen Faktoren: Das klinische Stadium, der Befallstyp,
Absolute Verschlussdruckwerte von >80–100 mmHg der Zeitverlauf der Entwicklung der Beschwerden,
kennzeichnen eine ausreichende bis gute Durchblu- das individuelle Risikoprofil sowie die Lebenssitua-
tungsreserve, Werte <50 mmHg kennzeichnen eine tion des Patienten spielen bei der Entscheidung für
kritische Ischämie. eine bestimmte Behandlungsform eine entscheiden-
Subnormale oder normale Verschlussdruckwerte de Rolle.
trotz AVK-typischer Klinik erfordern eine Wieder- Folgende grundlegenden Therapieformen stehen
holung der Verschlussdruckmessung nach einfachen zur Verfügung:
Belastungstests (s. oben).
∑ endovaskulär (Ballon-PTA, Stent-PTA, Katheter-
Mit der Dopplerverschlussdruckmessung ist auch
lyse, Katheterthrombektomie, Kombinationen),
bei Einsatz der segmentalen Technik eine für eine
∑ offen-chirurgisch (Thrombendarteriektomie, Ve-
Therapieentscheidung hinreichende Lokalisierung
nen-Bypass-Rekonstruktion, Kunststoff-Bypass-
sowie Charakterisierung (Stenose, Verschluss) der
Rekonstruktion, Thrombektomie),
Läsion nicht erreichbar, wohingegen dies mit der
∑ Hybridrevaskularisation (endovaskulär plus offen-
Farbduplexsonographie in >90% möglich ist (Baxter
chirurgisch),
u. Polak 1993). Ebenso kann die Farbduplexsonogra-
∑ konservative Therapie (Training, Medikamente),
phie bei der Entscheidung, ob der Patient eine angio-
∑ CT-gesteuerte Sympathikolyse.
graphische Bildgebung (mit DSA, MR- oder CT-An-
giographie) benötigt, oder hinsichtlich einer Thera- Bei der symptomatischen Makroangiopathie im Sta-
pie (konservativ, Katheterintervention, Operation) dium IIa oder IIb kann je nach Gefäßsituation ein
hilfreich sein. Eine korrekte Entscheidung für eine gezieltes Gefäßtraining wieder zu einer deutlichen
interventionelle Therapie ist allein auf Basis einer Steigerung der schmerzfreien Gehstrecke führen. Die
qualifiziert durchgeführten Farbduplexsonographie Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern und
in >90% der Fälle erreichbar (Elsman et al. 1996; ggf. vasoaktiven Substanzen sowie die konsequente
Abb. 4.43 a,b, vgl. Abb. 4.3 a–c ). Behandlung der Risikofaktoren sind wichtige Ele-
Wenn ausreichende Hinweise auf eine therapeu- mente einer medikamentösen Therapie.
tisch relevante Pathologie vorliegen, eine invasive Ein gefäßchirurgischer Eingriff kommt, sofern tech-
Revaskularisation grundsätzlich in Frage kommt, die nisch möglich und sinnvoll, erst in Frage, wenn keine
Farbduplexsonographie jedoch zur Entscheidung sinnvolle endovaskuläre Behandlungsoption besteht.
bzw. Planung nicht ausreicht oder nicht verfügbar ist, In der aortoiliakalen Etage ist zur Erzielung eines pro-
erfolgt eine bildgebende Diagnostik mittels KM-MR- gnoserelevanten Primärergebnisses neben der PTA
Angiographie, CT-Angiographie oder DSA. Dabei ist die fakultative Einlage eines Stents fest etabliert. In der
288 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
femoropoplitealen Etage wurde bisher vorrangig mit noch wird bei einem Teil der Kranken eine Gefäßwie-
einer PTA therapiert. Aktuell werden hier verschiede- derherstellung vorgenommen, weil die Beseitigung
ne Stentdesigns und Beschichtungen erprobt. Die der- der Pathologie meist eine Wiedererlangung der Ak-
zeitigen Ergebnisse lassen die Implantation eines tions- und Berufsfähigkeit auf Jahre hinaus bedeutet.
selbstexpandierbaren Stents in den extraartikulären Die Wiederherstellung der Durchblutung ist nur
Gefäßsegmenten bei unzureichendem PTA-Ergebnis dann sinnvoll, wenn der Kranke hierdurch ein ent-
sinnvoll erscheinen. Die PTA wird bedingt durch ver- sprechendes Maß an Aktivität und Leistungsfähig-
bessertes Kathetermaterial auch in der kruralen und keit zurückgewinnt.
pedalen Etage angewendet (vgl.Abb. 4.16 a–c).Speziel- Die Gefäßrekonstruktion als präventiver Eingriff
le Stents für diese Region werden derzeit entwickelt, im Stadium I ist seltenen Sonderfällen vorbehalten.
wobei schon heute Koronarstents für die Unterschen- Bei einem fortgeschrittenen Stadium (III oder IV)
kelarterien verwendet werden können. besteht eine absolute Indikation zur Wiederherstel-
Ziel der endovaskulären oder operativen Inter- lung der Durchblutung. Sollte auch im Stadium II ei-
vention ist die Wiederherstellung des Lumens bzw. ne schnelle Abnahme der Gehstrecke mit Beeinträch-
die Wiederherstellung der Durchblutung distal der tigung des Patienten in seiner beruflichen und per-
Pathologie. Der Eingriff bleibt im Allgemeinen ohne sönlichen Aktivität vorliegen, ist auch in diesem Fall
Einfluss auf den Verlauf der Grundkrankheit. Den- eine Gefäßrevaskularisation anzuraten.
4.4 Erkrankungen der peripheren Gefäße 289
Abb. 4.44. Panoramaultraschall (B-Bild) bei Aneurysmose der A. femoralis superficialis und der A. poplitea. Subtotale Poplitea-
thrombose.
290 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
Klinik
Klinisch kann man 3 Stadien unterscheiden.
∑ Stadium I (asymptomatisches Stadium): Hierbei
wird ein Aneurysma, das keinerlei Beschwerden
verursacht, zufällig festgestellt. Dies ist beim BAA
der weitaus häufigste Fall. Poplitealaneurysmen
sind in 45% der Fälle zum Zeitpunkt der Diagno-
sestellung asymptomatisch.
∑ Stadium II (symptomatisches Stadium): Die Be-
schwerden werden durch Expansion des Aneurys-
mas und/oder durch Druck auf die umgebenden
Organe hervorgerufen.
∑ Stadium III (rupturiertes Stadium): Beim BAA er-
folgt die Ruptur im Regelfall nach retroperitoneal.
b
Klassische Zeichen sind ein starker Dauer-
schmerz und ein hämorrhagischer Schock. Abb. 4.46 a, b. Thrombin-Therapie bei Aneurysma spurium.
Falsches Aneurysma der A. femoralis superficialis nach arte-
Diagnostik riellem Zugang für eine PTA. a Persistierendes, durch die
Punktion bedingtes Gefäßleck (Pfeil, AFC A. femoralis com-
munis). Perfusion in den extravaskulären Weichteilen. b Nach
쐍 Klinische Untersuchung. Ein asymptomatisches An- sonographisch gezielter Injektion von 50 IE Thrombin voll-
eurysma kann im Rahmen der klinischen Untersu- ständige Thrombose des Aneurysma spurium
chung durch Palpation und Auskultation entdeckt
werden.
eurysma, zu Gefäßwandveränderungen, zu den grö-
쐍 Apparative und bildgebende Diagnostik. Die klinische ßeren aus dem aneurysmatisch erkrankten Gefäß-
Verdachtsdiagnose auf das Vorliegen eines Aneurys- abschnitt abgehenden Gefäßen sowie zu thromb-
mas kann sehr einfach mit der B-Sonographie verifi- embolischen Komplikationen. Ein Aneurysma kann
ziert werden. Ferner ist die Quantifizierung der Aneu- beispielsweise aufgrund des Flussnachweises in der
rysmagröße hiermit gut möglich. Bei der Darstellung Farbduplexsonographie von einer poplitealen Zyste
der Lagebeziehung eines intraabdominellen Aneurys- abgegrenzt werden. Die Sonographie ist das Verfahren
mas in Relation zu abgehenden Gefäßen (z. B. Nieren- der Wahl in der Verlaufskontrolle von Aneurysmen. In
arterien) hat die Sonographie eine schlechtere Aussa- der Akutphase ist bei Verdacht auf Ruptur eines BAA
gekraft als CT- und MR-Angiographie. die Sonographie der CT unterlegen, da sie zwar meist
Die farbkodierte Duplexsonographie gestattet so- das Aneurysma nachweist, jedoch häufig das Ausmaß
wohl Aussagen zu den Blutflussverhältnissen im An- z. B. eines retroperitonealen Hämatoms unterschätzt.
4.4 Erkrankungen der peripheren Gefäße 291
b c
a d e
Abb. 4.47 a–e. Vollständig thrombosierte Aneurysmen der führung bilden den thrombotischen Anteil als solide impo-
A. poplitea beidseits. a Die KM-MR-Angiographie zeigt beid- nierende Raumforderungen (Thromben) im Verlauf der A.
seitige Verschlüsse der A. poplitea (Pfeile) mit guter Kollatera- poplitea ab, die in den axialen T1-gewichteten Aufnahmen
lisierung. b,c T2-gewichtete Sequenzen in sagittaler Schicht- (d,e) nicht erkennbar sind (Pfeile)
Bei intraabdominell und -pelvin gelegen Befun- ca, A. poplitea) ausgeschlossen werden, dies gilt um-
den sind die CT und die MRT der Sonographie in der gekehrt auch für den BAA-Ausschluss bei Erstdiag-
Bildgebung überlegen, wenn es um die Darstellung nose eines peripheren Aneurysmas.
der exakten Lagebeziehung zu anderen Strukturen
(z. B. Gefäßabgängen) geht. Beide Verfahren erlauben Therapie
eine exakte Bestimmung von Größe und Längsaus- Die Behandlung der Aneurysmen ist abhängig von
dehnung. Ferner können die umgebenden Struktu- deren Lokalisation.
ren überlagerungsfrei abgebildet werden. Darüber Im Bereich von Gelenken (Hüft- und Kniegelenk)
hinaus ist eine präzise Erfassung der erforderlichen ist ein gefäßchirurgischer Eingriff mit protheti-
Daten vor einem interventionellen oder chirurgi- schem Ersatz Methode der Wahl. So genannte „geco-
schen Eingriff möglich. Mit beiden Verfahren gelingt verte Stents“ (Endoprothesen,„stent-grafts“), die mit
eine Gefäßdarstellung in Form von übersichtlichen Prothesenmaterial überdeckt sind, können in extra-
Rekonstruktionen, sodass die diagnostische Arterio- artikulären Gefäßsegmenten wie der Aorta (Abb.
graphie in den Hintergrund getreten ist. 4.48 a, b), den Aa. iliacae communes und externae so-
wie der A. femoralis superficialis eingesetzt werden.
Merke ! In Notfallsituationen (Stadium III)
gilt heute die CT-Diagnostik als Ver-
Aneurysmen der A. iliaca interna werden zumindest
initial embolisiert und ggf. sekundär mit einer
fahren der ersten Wahl, da sie in kürzester Zeit alle Endoprothese überdeckt. Im Bereich von Gelenken
relevanten Informationen liefert und die schwer- wie der Hüfte oder dem Knie sind Endopothesen
kranken Patienten adäquat überwacht und ggf. sofort kontraindiziert. Bei thrombembolischen Komplika-
behandelt werden können. tionen eines PAA sind kombinierte Verfahren mit
Katheterlyse des thrombembolisch verschlossenen
Bei peripheren Aneurysmen (z. B. der A. poplitea) ist Gefäßsegments (z. B. III. Poplitealsegement, Unter-
es wichtig, eventuelle thrombembolische Komplika- schenkelarterientrifurkation) und anschließender
tionen vollständig zu erfassen. Bei Erstdiagnose eines Ausschaltung des Aneurysmas durch Bypassverfah-
BAA sollten gleichzeitig weitere Aneurysmen (A. ilia- ren indiziert.
292 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
Klinik
Der klinische Verlauf der diabetischen Makroangio-
pathie wird häufig unterschätzt. Die Kombination
von fehlendem Belastungsschmerz, geringer Infek-
tionsresistenz und fortgeschrittener Arteriosklerose
führt zu schwerwiegenden Krankheitsbildern z. B. in
Form des diabetischen Fußes, wobei neben den an-
giopathischen Ursachen neuropathische Komponen-
ten eine wesentliche Rolle spielen. Akut lebensbe-
drohlich sind vorrangig die Folgen einer Koronar-
b oder ein Zerebralsklerose. Zu den wichtigsten Kom-
plikationen der diabetischen Mikroangiopathie ge-
Abb. 4.48 a, b. Kontroll-Power-Dopplersonographie nach trans- hören die Retino-, die Nephro- (Kimmelstiel-Wilson-
luminalem Stentgraft bei Bauchaortenaneurysma. Die iliaka- Glomerulonephritis) und die Neuropathie.
len Prothesenschenkel sind regelrecht perfundiert, das Aneu-
rysma ist ausgeschaltet. Querschnitt (a), Längsschnitt (b)
Diagnostik
Ätiologie und Pathogenese 쐍 Apparative und bildgebende Diagnostik. Für die ap-
Bei der diabetischen Makroangiopathie werden ne- parative und bildgebende Diagnostik der Makro-
ben den Koronar- und Zerebralarterien bevorzugt angiopathie kommen die gleichen Verfahren wie für
die peripheren Extremitäten betroffen. Das Gefäß- die pAVK zur Anwendung. Bereits anhand einer
system altert um etwa 10–15 Jahre schneller als das Röntgenaufnahme des Vorfußes sind typische Verkal-
von Nichtdiabetikern. Man geht heute davon aus, kungen der kleinen Fußarterien infolge der Media-
dass es sich um eine frühe, besonders schwere Ver- sklerose nachweisbar. Ferner kann man in Abgängig-
laufsform der Arteriosklerose handelt. Ursächlich keit vom Lokalbefund Zeichen einer Osteoporose,
übt die Hyperinsulinämie einen proliferationsstei- einer Osteomyelitis oder Osteolysen erkennen. Bei
gernden Einfluss auf die glatten Muskelzellen der Ge- der angiographischen Darstellung zeigen sich für die
fäßwand aus. Zudem steigert Insulin die Synthese diabetische Makroangiopathie typische Veränderun-
4.4 Erkrankungen der peripheren Gefäße 293
gen. Diese betreffen nicht die Morphologie der Läsio- Thrombozytenaggregationshemmer und vaso-
nen, sondern deren Lokalisation.Auffällig ist eine an- aktive Substanzen sind wichtige Elemente einer me-
giographisch nachweisbare Betonung der Verschluss- dikamentösen Therapie.
lokalisationen in der Peripherie, hierbei vor allem Eine Indikation zur radiologischen Intervention
der Unterschenkel- und Fußarterien. Während bei besteht grundsätzlich nur dann, wenn zusätzlich zur
Nichtdiabetikern Veränderungen im femoropoplitea- diabetischen Mikroangiopathie und/oder Neuropa-
len Abschnitt lediglich in 56% der Fälle gefunden thie (z. B. beim diabetischen Fußsyndrom) eine ma-
wurden, zeigten sich diese bei Diabetikern mit AVK kroskopische Komponente vorliegt (Arlart 1992).
in 85% (Arlart 1992). Die Beckenstrombahn ist bei In der aortoiliakalen Etage ist zur Erzielung eines
Patienten mit Diabetes mellitus in 15% der Fälle, bei für die Prognose relevanten Primärergebnisses ne-
Patienten ohne Diabetes mellitus in 44% betroffen. ben der PTA die fakultative Einlage eines Stents eta-
Insbesondere bei einer eingeschränkten Nieren- bliert. In der femoropoplitealen Etage wurde bisher
funktion ist die KM-MR-Angiographie heute das vorrangig mit einer Ballon-PTA therapiert. Aktuell
angiographische Verfahren der Wahl (vgl. Abb. werden hier verschiedene Stentdesigns und Stent-
4.14 a–c). beschichtungen erprobt. Die derzeitigen Ergebnisse
lassen die Implantation eines selbstexpandierbaren
CAVE ! Vorsicht ist bei dopplersonographi-
schen Druckmessungen geboten, da
Stents in den extraartikulären Gefäßsegmenten bei
unzureichendem PTA-Ergebnis sinnvoll erscheinen.
diese infolge der durch die Mediasklerose einge- Die PTA wird bedingt durch verbessertes Katheter-
schränkten Kompressibilität der Gefäße nur einge- material zunehmend insbesondere bei Diabetikern
schränkt oder gar nicht zu verwerten sind. Häufig auch in der kruralen und pedalen Etage angewendet.
werden bei langjährig bestehendem Diabetes falsch- Spezielle Stents für diese Region wurden noch nicht
hohe Druckwerte >300 mmHg gemessen. entwickelt. Wie schon bei der Therapie der pAVK
ausgeführt, sind spezielle Stents für diese Region
Die zur Verfügung stehenden Methoden zur Dia- in Entwicklung. Ein gefäßchirurgischer Eingriff mit
gnostik der Mikrozirkulationsstörung sind entweder Implantation eines kruralen oder pedalen Bypasses
sehr aufwändig (Videokapillarmikroskopie) oder kommt, sofern technisch möglich und sinnvoll, erst
wenig spezifisch (transkutane Sauerstoffdruckmes- in Frage, wenn endovaskulär keine Option besteht.
sung, laborchemische Messung rheologischer Para-
meter). Lediglich für die an der Nagelfalz durchge-
führte Kapillarmikroskopie wurde bisher eine sinn- 4.4.4
volle Klassifikation zur Risikoabschätzung entwi- Vaskulitiden
ckelt. Die Laser-Dopplerfluxmetrie als einfach
durchführbare Methode scheint sich in der Beurtei- Die systemischen Vaskulitiden umfassen eine Grup-
lung der Mikrozirkulation zu bewähren. Bei Diabetes pe unterschiedlicher Erkrankungen, deren gemein-
mellitus Typ I wird in jüngsten experimentellen Stu- sames histologisches Kennzeichen eine Entzündung
dien auch der Dicke von Intima und Media (IMT/„in- der Gefäßwand ist. Unterschieden werden primäre
timal-medial thickness“) – ohne Patientenbelastung von sekundären Vaskulitiden.
sonographisch an der A. carotis communis gemessen Die Ursache ist bei den primären Gefäßentzün-
– ein prädiktiver Wert zuerkannt (Jarvisalo et al. dungen unbekannt. Bei den sekundären Erkrankun-
2004). Wegen der großen individuellen Unterschiede gen sind die Ursachen entweder bekannt (z. B. Zyto-
eignen sich alle diese Verfahren allerdings eher zur megalievirusinfektion) oder sie treten im Rahmen
Kontrolle der Effektivität therapeutischer Maßnah- anderer Erkrankungen (z. B. Kollagenosen) auf.
men als zur Frühdiagnostik. Die primären systemischen Vaskulitiden können
entsprechend ihres Befallsmusters und der Größe der
Therapie beteiligten Gefäße klassifiziert werden. Die großen
Oberstes Gebot muss die sorgfältig überprüfte und und mittelgroßen Gefäße sind bei der Riesenzell- und
immer wieder hinterfragte Einstellung der Blutzuck- der Takayasu-Arteriitis betroffen. Aufgrund ihrer
erwerte sein. Auf die Bedeutung und Wichtigkeit der Prädilektionsstellen können bei beiden Erkrankun-
Therapie einer Hypertonie und zusätzlicher Risiko- gen die peripheren Gefäße betroffen sein (Reuter et
faktoren (Nikotin, Übergewicht, Fettstoffwechselstö- al. 2003).
rung) soll hier nicht eingegangen werden.
Ferner konnte nachgewiesen werden, dass bei der Riesenzellarteriitis
symptomatischen Makroangiopathie ein gezieltes Die Riesenzellarteriitis gehört zu den Vaskulitiden,
Gefäßtraining zu einer deutlichen Steigerung der die den rheumatischen Erkrankungen zugeordnet
schmerzfreien Gehstrecke führen kann. werden. Sie ist die häufigste Form der systemischen
294 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Im- Betroffen sind meist junge Frauen <40 Jahren, wobei
munsuppressiva wurden ebenfalls verwandt. Zu nen- der Erkrankungsgipfel zwischen dem 15. und 30. Le-
nen sind Methotrexat und Azathioprin. Sie können bensjahr liegt (Abb. 4.49 a–d). Geographisch wird ein
zusätzlich zur Einsparung von Kortikosteroiden her- gehäuftes Auftreten in Japan, Indien und Südostasien
angezogen werden. beobachtet (Diehm et al. 1999).
a b c
Ätiologie und Pathogenese Projektion auf die originäre Strombahn (Abb. 4.42,
Die Ätiologie ist bis heute unbekannt. Als mögliche Abb. 4.50, Abb. 4.51 a, b).
Ursachen werden autoimmune, hämatoserologische Als Alternative zu einer Katheterangiographie
und -rheologische sowie infektiöse Faktoren ge- kommt bei Niereninsuffizienz eine KM-MR-Angio-
nannt. Der maßgebliche Einfluss des Nikotinabusus graphie in Betracht (vgl. Abb. 4.50).
ist unbestritten. Als zugrunde liegender Pathome- Differenzialdiagnostisch sind die segmentalen
chanismus wird eine Vaskulitits mit Proliferation von Verschlüsse nicht immer eindeutig von peripheren
Endothelzellen, entzündlichen Infiltrationen der Ge- Embolien oder fixierten funktionellen Gefäßver-
fäßwand und das Lumen okkludierenden zellreichen schlüssen abzugrenzen (Liermann u. Kirchner 1997).
Thromben beschrieben. Auch mit der Farbduplexsonographie ist die Darstel-
lung korkenzieherartiger Kollateralen möglich (vgl.
Klinik Abb. 4.42 a, b).
Zu Beginn klagen die Patienten über Kälte, Brennen
oder Taubheitsgefühl an den oft gemeinsam betroffe- Therapie
nen oberen und unteren Extremitäten. Ein begleiten- Als oberstes Gebot gilt absolute Nikotinkarenz. Die
des Raynaud-Phänomen ist häufig. Bei etwa 40% der Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern,
Patienten lässt sich anamnestisch eine Phlebitis mi- Kalziumantagonisten, Immunsuppressiva und Vaso-
grans eruieren. Ischämische Ulzerationen der Hände aktiva ist umstritten (Olin 2000). In Einzelfällen wird
treten bei mehr als der Hälfte der Patienten mit Befall die Sympathektomie als effektive Behandlungsop-
der oberen Extremitäten auf. Belastungsabhängige tion bei Ruheschmerz und Gangrän der Finger sowie
Schmerzen der Hohlhand und des Fußgewölbes („in- Versagen der medikamentösen Therapie beschrieben
step-claudicatio“) gelten als charakteristisch (Kyriss (Kyriss et al. 2004).
et al. 2004). Eine gefäßchirurgische oder endovaskuläre Inter-
Eine intestinale Manifestation ist untypisch. Die vention scheiden in der Regel aus, da die großen und
zerebrale Form wird nach ihren Erstbeschreibern mittleren Arterien ohne fokale Stenosen betroffen
Spatz-Lindenberg benannt (Lindenberg u. Spatz sind und periphere Insertionsmöglichkeiten für eine
1939). Bypasschirurgie fehlen.
Diagnostik
4.4.6
Morbus Raynaud und sekundäres Raynaud-Phänomen
Die Erstbeschreibung erfolgte durch den französi-
schen Arzt Maurice Raynaud, der 1862 eine kältein-
duzierte, phasenhaft ablaufende Durchblutungsstö-
rung der Finger beschrieb.
왔
Die primäre Raynaud-Krankheit ist
Definition
eine funktionelle Störung mit anfalls-
artig auftretenden Vasospasmen der Finger- und Ze-
henarterien ohne pathologisch-anatomisches Substrat.
Das sekundäre Raynaud-Phänomen beruht auf
organischen Veränderungen der Gefäßwände bei
zugrunde liegenden anderen Erkrankungen (Zeitler
1997).
Klinik
Bei der primären Raynaud-Krankheit findet man
vorwiegend eine symmetrische, intermittierende,
meist kurz dauernde (15–30 min) Ischämie bzw. Hy-
pozirkulation der Finger, oft unter Aussparung des
Daumens. Initial zeigt sich eine Leichenblässe beglei-
tet von Parästhesien und evtl. schmerzhaften Miss-
empfindungen. Anschließend treten eine Zyanose
und eine terminale Rötung auf (Tricolorsyndrom). In
Einzelfällen ist lediglich die Vorphase mit „Totenfin-
gern“ oder die zyanotische Phase ausgeprägt. Trophi-
sche Hautstörungen sind nicht nachweisbar.
Das sekundäre Raynaud-Phänomen zeigt in Ab-
hängigkeit von der Grunderkrankung häufig lang
persistierende, asymmetrisch ausgebildete oder nur
auf einzelne Finger beschränkte Ischämien. Akrale
trophische Störungen mit Rhagaden, Fingerkuppen-
Abb. 4.52. Die KM-MR-Angiographie der Handarterien bei
nekrosen oder einer Gangrän treten mehr oder weni- klinischem Bild eines Morbus Raynaud zeigt multiple Gefäß-
ger häufig auf. verschlüsse der Digitalarterien II bis V
Diagnostik
4.4.7 Diagnostik
Fibromuskuläre Dysplasie
쐍 Klinische Untersuchung. Die Anamnese kann im
Die fibromuskuläre Dysplasie (FMD) zählt zu den Einzelfall hilfreich sein, da die FMD familiär gehäuft
Gefäßwandfibrosen. Hierbei wird die Gefäßwand vorkommt. Die wesentlichen Befunde werden durch
ohne Verfettung der Media durch Kollagenfasermate- die Bildgebung erhoben.
rial verdickt.
쐍 Apparative und bildgebende Diagnostik. Der Nach-
왔 Hierbei handelt es sich um eine nicht- weis eines Hypertonus erfolgt mittels Blutdruckmes-
Definition
entzündliche fibrotische Verdichtung sung, ggf. mit Erstellung eines 24-Stunden-Blut-
der Arterienwand, die bereits bei Kindern auftritt druckprofils. In der Bildgebung findet man am
und Durchblutungsstörungen hervorruft (Riede u. häufigsten multifokale Stenosen, ringförmige Ein-
Schaefer 1995). kerbungen oder das Bild einer „Perlenkette“ des be-
troffenen Gefäßabschnitts. Weitere Erscheinungsbil-
Ätiologie und Pathogenese der sind einzelne fokale Stenosen oder lang gestreck-
Die Ursache dieser als Fehlbildung aufgefassten Ge- te konische Stenosen.
fäßveränderung ist unbekannt. Diskutiert werden Mit einer hochaufgelösten Sonographie können
eine embryonale Virusinfektion (Rubeolen) oder Einkerbungen oder Verdickungen der Arterienwand
eine angeborene Mediamyozytenstörung. Durch mit und ohne Stenose dargestellt werden. Auch eine
zu starkes Wachstum von glatten Muskelzellen und erhöhte Blutflussgeschwindigkeit und ein gestörtes
kollagenreichem Fasergewebe in der Arterienwand Flussprofil im stenosierten Segment sind nachweis-
kommt es zu einer Fibroplasie der einzelnen Wand- bar. Diese Befunde können jedoch lediglich in den
schichten. Man unterscheidet einsehbaren Gefäßabschnitten bei guten Untersu-
chungsbedingungen (Kinder, schlanke Patienten)
∑ die Intimafibroplasie,
von erfahrenen Untersuchern erhoben werden.
∑ die Mediafibroplasie und
Mit der KM-MR-Angiographie sind die extrapel-
∑ die Adventitiafibroplasie.
vin gelegenen Hauptäste der Nierenarterien orientie-
Überwiegend ist die A. renalis betroffen, am zweit- rend beurteilbar (Abb. 4.53). Für die Darstellung der
bzw. dritthäufigsten die A. carotis und die Iliakalarte- hilären Äste der A. renalis bleibt weiterhin die intra-
rien. Andere mittelgroße abdominelle oder peri- arterielle DSA der „Goldstandard“ der bildgebenden
phere Arterien können ebenfalls verändert sein. Verfahren. Komplikationen wie Verschlüsse, Aneu-
Durch alternierende Abschnitte mit Hyperplasie und
Schwächung der Gefäßwand kommt es zu Einengun-
gen oder Erweiterungen mit dem Bild einer „Perl-
schnurkette“. In den wandschwachen Bezirken kön-
nen sich Aneurysmen oder Dissektionen ausbilden.
Bei Befall der A. renalis sind überwiegend Frauen be-
troffen (90% aller erwachsenen Patienten). In 70%
zeigt sich ein bilateraler Befund. Unilateral ist fast
immer die rechte A. renalis beeinträchtigt (Bradley
2002).
Klinik
Die Symptome resultieren aus einer Arterienstenose
oder einem arteriellen Verschluss. Hypertonie durch
Befall der A. renalis und eine zerebrale Ischämie sind
die häufigsten klinischen Bilder. Bei Kindern oder
Jugendlichen mit Hypertonus sollte an eine FMD
gedacht werden.
rysmen, Dissektionen oder distale Embolien können Betroffen sind überwiegend Männer im Alter von 20–
auch in der KM-MR-Angiographie gesehen werden, 50 Jahren ohne Risikofaktoren für eine Arterioskle-
sind jedoch präziser mit der intraarteriellen DSA rose. Die geschätzte Prävalenz beträgt 0,1% aller Ge-
nachweisbar (Browne et al. 2004). fäßerkrankungen.
Differenzialdiagnostisch müssen im Einzelfall ei-
ne Arteriosklerose oder eine Arteriitis ausgeschlos- Ätiologie und Pathogenese
sen werden. Die Ursache der Erkrankung ist noch nicht vollstän-
dig geklärt. Aktuell werden verschiedene Hypothe-
Therapie sen diskutiert. Aus pathologischer Sicht wird derzeit
Die – unter Umständen wiederholte – Ballondilata- eine Veränderung in der Zusammensetzung der Glu-
tion ohne Einlage eines Stents ist die Therapie der kosaminoglykane favorisiert. Als Folge davon er-
Wahl. Eine Stentimplantation sollte vermieden wer- scheint die Interzellularsubstanz der Gewebe schlei-
den. Ein chirurgischer Eingriff mit Anlage eines mig umgewandelt, was der mukoiden Degeneration
Bypasses ist selten erforderlich. entspricht (Riede u. Schaefer 1995).
Klinik
4.4.8 Die Erkrankung zeigt einen relativ plötzlichen Be-
Zystische Erkrankung der Adventitia ginn mit Wadenschmerzen und Claudicatio.
a
302 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
Die exzentrisch in der Gefäßwand liegenden Zysten (Bouhoutsos u. Daskalakis 1981). Bei Sektionen fand
weisen einen wechselnden Füllungszustand auf und man ein popliteales Entrapment in 3,5% der Fälle
stellen sich echoarm bis echofrei sowie ohne Fluss- (Gibson et al. 1977). Ein bilaterales Auftreten wird in
signale dar. Die Gefäßwandzysten können zu einer 22–67% der Fälle beschrieben (Collins et al. 1989).
glatt begrenzten, hämodynamisch relevanten Gefäß-
lumeneinengung oder einem Verschluss führen. Ätiologie und Pathogenese
In der MRT findet man eine Signalanhebung des Ursächlich für die Kompression der A. poplitea sind
Zysteninhaltes auf T2-gewichteten Aufnahmen. Auf- anatomische Variationen des Gefäßverlaufs oder
grund der muzinösen Konsistenz kann auf T1-ge- von Muskelansätzen. Hierbei werden verschiedene
wichteten Bildern das Binnensignal ebenfalls hyper- Typen (I bis VI) unterschieden (Elias et al. 2003;
intens sein, sodass eine Verwechslung mit einem Abb. 4.55 a–f):
Pseudoaneurysma möglich ist. In der KM-MR-Angio-
∑ Beim Typ I findet man einen aberranten Verlauf
graphie in Neutralposition der Beine zeigt sich eine
der A. poplitea medial um den medialen Kopf des
exzentrische, extrinsische Einengung der A. poplitea
M. gastrocnemius, der regelrecht entspringt.
(Abb. 4.54 a, b). Einige Autoren beschreiben diesen
∑ Beim Typ II entspringt der mediale Kopf des
Befund als sanduhrartige Einschnürung, andere als
M. gastrocnemius abweichend von der Norm late-
klassisches „Scimitar-Zeichen“ (Peterson et al. 2003).
ral (z. B. vom interkondylären Notch). Die A. po-
Eine Angiographie in DSA-Technik ist nicht erfor-
plitea hat einen regulären Verlauf. Sie wird jedoch
derlich.
durch den Muskel komprimiert.
∑ Beim Typ III wird der Verlauf der A. poplitea
Therapie
durch einen zusätzlichen Muskelfaserzug des
Da es sich bei der zystischen Erkrankung der Adven-
M. gastrocemius medialis beinträchtigt.
titia um ein seltenes Krankheitsbild handelt, gibt es
∑ Beim Typ IV erfolgt die Kompression der A. popli-
verschiedene Einzelfallbeschreibungen. Die ersten
tea durch ein tiefliegendes fibröses Band oder den
therapeutischen Ansätze mit Punktion der Zysten
M. popliteus.
oder Ballondilatation der A. poplitea waren nicht er-
∑ Unter Typ V werden alle weiteren Varianten zu-
folgreich (Deutsch et al. 1985; Fox et al. 1985). Heute
sammengefasst, die auch die V. poplitea betreffen.
ist die chirurgische Evakuation der Zyste unter Erhal-
∑ Beim Typ VI liegt bei normaler Anatomie ein
tung der Gefäßwand das Verfahren der Wahl. Im Ein-
funktionelles Entrapment vor. Ursächlich hierfür
zelfall kann ein Veneninterponat erforderlich sein.
ist eine Muskelhypertrophie z. B. bei Leistungs-
sportlern.
4.4.9 Die Durchblutungsstörung entwickelt sich aufgrund
Popliteales arterielles Entrapment-Syndrom des Druckes, den der tendinöse Insertionsanteil des
medialen Gastroknemiuskopfes oder der interkon-
Die erste Beschreibung einer ungewöhnlichen Lage- dylären Bänder auf die A. poplitea ausübt. Durch wie-
beziehung von A. poplitea und dem medialen Kopf derholte Traumen werden Arterienwand und Intima
des M. gastrocnemius erfolgte 1879 durch den Medi- geschädigt (Abb. 4.56 a, b). Die Folge sind eine lokale
zinstudenten T.P. Anderson Stuart. Der Begriff popli- Stenose oder ein Verschluss. Im fortgeschrittenen
teales arterielles Entrapment-Syndrom wurde 1965 Stadium ist eine Unterscheidung von einer Arterio-
von Love u. Whelan erstmals verwendet. sklerose nicht möglich.
a b
c d
Abb. 4.55 a–f. Formen des Entrapments. Darstellung verschiedener Formen des Entrapments. (Nach Wright et al. 2004). e,f siehe
nächste Seite
304 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
e f
Hierfür eignen sich T1- und T2- gewichtete Sequen- das Pectoralis-minor-Syndrom und das Klippel-
zen ggf. in „Dark-blood-Technik“. Im Anschluss wird Feil-Syndrom mit kongenitalen Blockwirbelbil-
eine KM-MR-Angiographie in Neutralstellung der dungen.
Füße zur Beurteilung des Gefäßverlaufs und von 2. Traumen im Hals- und Schulterbereich wie z. B.
Gefäßwandveränderungen durchgeführt. Eine sich das HWS-Schleudertrauma, Sportunfälle und die
anschließende KM-MR-Angiographie bei längerer fehlerhafte Armlagerung bei Operationen.
Plantarflexion ermöglicht den Nachweis von Gefäß- 3. Haltungsanomalien durch berufliche bedingte
stenosen oder -verschlüssen. Armfehlhaltung.
Differenzialdiagnostisch kommen die zystische
Erkrankung der Adventitia, ein Aneurysma oder eine Klinik
Embolie der A. poplitea in Betracht. Spezifische Krankheitszeichen sind rasche Ermüd-
barkeit und Belastungsschmerz (Claudicatio brachii)
Merke ! Bei allen bildgebenden Verfahren
muss im Rahmen eines Entrapment-
der betroffenen Extremität bei Überkopfarbeiten.
Unspezifisch sind Kopf- und Nackenschmerzen,
Syndroms der A. poplitea die gesamte Ausstrombahn Muskelatrophien, Kälte- und Taubheitsgefühl der
suffizient abgebildet werden, um eventuelle emboli- Hand und Finger sowie embolische Verschlüsse der
sche Komplikationen der Erkrankung darzustellen. Fingerarterien.
Bei den Kompressionstypen können verschiedene
Leitsymptome unterschieden werden. Der neurologi-
Therapie sche Typ zeichnet sich durch Schmerzen, Hyp- und
Die chirurgische Sanierung mit Durchtrennung des Parästhesien, motorische Ausfälle wechselnder Loka-
Muskels oder des fibrösen Bandes und Mobilisation lisation sowie eine Thenaratrophie aus. Beim arte-
der A. poplitea ist das therapeutische Verfahren der riellen Typ dominiert das Halsrippensyndrom. Die-
Wahl. Dabei bestimmt der Zustand der A. poplitea ses kann man in Abhängigkeit von der Halsrippenbil-
die Notwendigkeit eines Gefäßeingriffs. Im Einzelfall dung in 3 Schweregrade einteilen:
kann eine Intervention mit Thrombolyse vor der
∑ Grad 1: kleiner Halsrippenstumpf,
chirurgischen Korrektur sinnvoll sein.
∑ Grad 2: längere Halsrippe mit bindegewebiger
Verbindung zur 1. Rippe,
∑ Grad 3: Halsrippe inseriert direkt an der 1. Rippe.
4.4.10
Thoracic-outlet-Syndrom Meist zeigt sich ein Raynaud-Phänomen durch em-
bolische Unterarm- und Fingerarterienverschlüsse
Der angloamerikanische Begriff „Thoracic-outlet- mit Fingerkuppennekrosen sowie Nekrosen einzel-
Syndrom“ (TOS) subsummiert das Halsrippen-, das ner Finger oder der ganzen Hand. Gelegentlich sind
Skalenus- und das kostoklavikuläre Syndrom. Prinzi- die embolischen Komplikationen die klinische Erst-
piell kann ein neurologischer Typ des TOS von einem manifestation des TOS, sodass bei distalen Embolien
arteriellen und einem venösen Typ unterschieden der oberen Extremitäten auch an ein TOS als Ursache
werden. Kombinationen aus den 3 Typen sind häufig. gedacht werden muss. Beim venösen Typ kommt es
zu wiederholten venösen Stauungen mit Thrombo-
왔 Es handelt sich um eine zeitweise oder sen der V. subclavia und/oder der V. axillaris (Paget-
Definition
permanente Kompression der A. sub- von-Schroetter-Syndrom).
clavia und/oder des Plexus brachialis mit arteriellen
oder venösen Durchblutungsstörungen sowie neuro- Diagnostik
logischen Reizerscheinungen am betroffenen Arm,
der Hand und an den Fingern. 쐍 Klinische Untersuchung. Zu einer klinisch-angiolo-
gischen Untersuchung gehören neben Inspektion
und Palpation spezielle Provokationstests wie der Al-
Ätiologie und Pathogenese len-Test II, der Adson-Test und der EAS- („Elevated
Kompressionssyndrome des Gefäß-Nerven-Bündels arm stress-“) Test nach Roos.
an der oberen Extremität werden durch 3 angebore- Bei einer wesentlichen Einengung des Gefäß-Ner-
ne oder erworbene Engen verursacht: ven-Bündels verschwindet beim Allen-Test II der Ra-
1. Anatomische Fehlbildungen der knöchernen dialispuls am abduzierten, erhoben und supinierten
Strukturen und des fibromuskulären Bandappa- Arm, wenn gleichzeitig der Kopf von der Seite des
rates der oberen Thoraxapertur. Hierzu zählen erhobenen Arms abgewendet wird.
das Halsrippensyndrom, das Syndrom der 1. Rip- Beim Adson-Test kommt es am herabhängenden
pe, das Skalenus- und Kostoklavikularsyndrom, Arm und Kopfwendung zur Gegenseite durch eine
306 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b
c
4.4 Erkrankungen der peripheren Gefäße 307
Diagnostik
쐍 Klinische Untersuchung. Im Rahmen der klinischen
Untersuchung werden Prellmarken, schmerzbeding-
te Funktionseinschränkungen und pathologische
Skelettbeweglichkeiten registriert. Offene Wunden
und möglicherweise expandierende Hämatome deu-
ten auf ein akutes gewaltsames Trauma hin. Ferner
können Veränderungen der Hautfarbe, Temperatur-
differenz, sensible Störungen und motorische Ausfäl-
le auftreten. Hinweisend auf ein Pseudoaneurysma ist
ein pulsierender Tumor. Ein palpables Schwirren fin-
det man bei einer AV-Fistel. Die peripheren Pulse kön-
nen abgeschwächt sein. Eine kalte, blasse Extremität
ist verdächtig auf den Verschluss eines größeren Gefä-
ßes. Hörbare Strömungsgeräusche treten bei Steno-
sen, Intimaflaps, Dissektionen und AV-Fisteln auf.
Weichteilverletzungen ist die Aussagekraft der Sono- tervention als Therapie der ersten Wahl (Abb. 4.61
graphie limitiert (Bynoe et al. 1991). a–d; Anderson et al. 1990; Görich et al. 1993).
Bei intraabdominell und pelvin oder supraaortal In akuten Notfallsituationen hat sich diese dia-
gelegenen Befunden sind die MS-CT und die MRT gnostische Rolle heute zur CT-Angiographie mit MS-
der Sonographie überlegen. Ferner können die um- CT-Geräten in Notfallaufnahmen verschoben, da in
gebenden Strukturen überlagerungsfrei abgebildet kürzester Zeit alle zumeist relevanten Informationen
werden. Darüber hinaus ist eine präzise Erfassung zur Verfügung stehen und die Akutpatienten adäquat
der erforderlichen Daten vor einem chirurgischen überwacht werden können (Bogdan et al. 2004; Rie-
oder interventionellen Eingriff möglich. Dabei bietet ger et al. 2002). Dabei werden nicht nur die Gefäße,
die CT-Angiographie bei komplexen Verletzungen sondern auch die umgebenden Weichteile sowie die
aufgrund der guten Darstellung sowohl der Kno- Knochenstrukturen mit hoher Ortsauflösung exakt
chen- als auch der Gefäßstrukturen gerade bei dargestellt. Hiermit können auch relevante Begleit-
schwer verletzten Patienten den schnellsten Über- verletzungen nachgewiesen werden, die im Einzelfall
blick über den Verletzungsumfang. Mit beiden Ver- das weitere therapeutische Prozedere bestimmen
fahren gelingt eine Gefäßdarstellung in Form von (Soto et al. 2001).
übersichtlichen Rekonstruktionen, sodass die dia- Durch die Kombination von MR-Angiographie mit
gnostische Arteriographie in den Hintergrund getre- konventionellen MR-Sequenzen sind prinzipiell
ten ist und eher anschließend in therapeutischer Ab- gleichartige Aussagen wie durch die MS-CT möglich.
sicht durchgeführt wird. Die längeren Untersuchungszeiten und die schwieri-
Die intraarterielle DSA galt lange als „Goldstan- geren Überwachungsmodalitäten schränken deren
dard“ zur Darstellung traumatisierter Gefäße sowie Anwendung in der Akutdiagnostik ein (vgl. Abb.
bei instabilen Patienten mit der Möglichkeit der In- 4.61 a–d).
310 Kapitel 4 Peripheres Gefäßsystem
a b d
Abb. 4.61 a–d. Messerstichverletzung am Unterschenkel. Die T1- (c) und T2-gewichteten Bild (d) sind ventral eine um-
Katheterangiographie (a) und die koronare MIP der KM-MR- schriebene und dorsal eine diffuse Einblutung erkennbar
Angiographie (b) zeigen eine arterielle Gefäßverletzung mit (Pfeile)
Blutung aus dem Truncus tibiofibularis (Pfeile). Im axialen
Bei stabilen Patienten mit einer akuten Gefäßver- werden (Steinkamp et al. 2001). Embolische oder
letzung kommen CT-Angiographie und/oder Ultra- thrombotische Gefäßverschlüsse können unter Um-
schall zur Anwendung. Bei subakuten oder chroni- ständen interventionell behandelt werden. Rupturen
schen Verletzungen kann alternativ zur CT-Angio- kleiner Gefäße mit konsekutiver Blutung lassen sich oft
graphie und zum Ultraschall auch eine MR-Angio- mittels perkutanen Embolisationstechniken beherr-
graphie durchgeführt werden (Abb. 4.62 a–c). schen, sodass ein großes Operationstrauma vermieden
werden kann. Das postpunktionelle Aneurysma spuri-
Therapie um kann in fast allen Fällen unter sonographischer
Die Therapie ist abhängig vom Verletzungsmuster, der Kontrolle verschlossen werden, entweder durch eine
Lokalisation und der Klinik. Bei Kombinationsverlet- gezielte Injektion von Thrombin (vgl. Abb. 4.46 a, b)
zungen mit Weichteilschäden oder Frakturen steht ein oder durch eine gezielte Kompressionstherapie.
chirurgisches Vorgehen im Vordergrund. In Abhängig- Radiologische Interventionen werden heute ge-
keit von der Lokalisation und dem Zeitfenster kann ei- genüber den operativen Rekonstruktionen bevor-
ne perkutane Endoprothese in extraartikuläre Gefäß- zugt, weil sie weniger traumatisch und kostengünsti-
segmente z.B. der A. iliaca communis und der A. iliaca ger sind. Ferner wird eine raschere Erholung be-
externa sowie der A. femoralis superficialis eingesetzt schrieben (Bradley 2002).
Literatur 311
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Venen 5
P. Kovacs
a b c
Abb. 5.1 a–c. Aszendierende Pressphlebographie. a A.-p.- V. femoralis. c A.-p.-Aufnahmen der proximalen V. femoralis
Aufnahme und Innenrotationsaufnahme der Unterschenkel- und der Beckenvenen
venen. b A.-p.-Aufnahmen der V. poplitea und der distalen
gedehnten Beinödemen empfiehlt es sich, einen ab- tromedial aufgesetzten Schallkopf drückt. Die Knie-
dominellen Sektorschallkopf mit 2–5 MHz zu ver- kehle wird von dorsal bei leichter Flexion im Kniege-
wenden, ebenso zur Beurteilung der abdominellen lenk untersucht. Insbesondere bei älteren Patienten
Venen. empfiehlt sich der Gegendruck mit der zweiten Hand
Die Beurteilung des Flusses und der Venenklap- gegen die Patella. Die Vv. tibiales posteriores werden
pen erfolgt im Longitudinalschnitt unter Verwen- von ventromedial der Tibiavorderkante eingeschallt,
dung der farbkodierten Dopplersonographie und der die Vv. fibulares sind in dieser Position ebenso oft-
flusssensitiven Dopplerableitungen. Dabei ist darauf mals einschallbar (vgl. Abb. 5.2 d). In jedem Fall fin-
zu achten, dass das Gerät auf langsame Flüsse einge- det man sie jedoch von laterodorsal (vgl. Abb. 5.2 e).
stellt wird. Weiterhin sollen die Venen in der blauen Dabei ist zu beachten, dass das Gewebe von latero-
Farbe kodiert werden, um die Dokumentation besser dorsal gegen die Fibula gepresst wird. Da isolierte
nachvollziehbar zu machen. Thrombosen der Vv. tibiales anteriores nicht vor-
Zum Ausschluss einer Thrombose werden die Ex- kommen, kann routinemäßig auf einen Kompres-
tremitäten in Rückenlage im Kompressionstest unter- sionstest verzichtet werden. Andererseits sollten
sucht: Im Longitudinalschnitt ist nicht gewährleistet, die Muskelvenen der Mm. gastrocnemici und des
dass wirklich über der Vene komprimiert wird. Des- M. soleus mit beurteilt werden (vgl. Abb. 5.2 f, g).
halb empfiehlt sich der Transversalschnitt, um von Am Hals und im Abdomen sollte der Kompres-
proximal nach distal das gesamte Venensystem in sionstest unterlassen werden und der Fluss in der
Zentimeterschritten zu untersuchen. Dafür wird die farbkodierten Dopplersonographie dargestellt wer-
Vene mit dem Schallkopf vollständig komprimiert den (vgl. Abb. 5.13 a–c bzw. Abb. 5.21 a, b).
und am besten in Gegenüberstellung zu den nicht-
komprimierten Verhältnissen (Doppelbildmodus) in CT-Venographie
mehreren Höhen dokumentiert (Abb. 5.2 a–g). Die CT-Untersuchung hat große Bedeutung in der
Am Arm kann direkt über der Vene komprimiert Diagnostik des Körperstammes und erlaubt ohne
werden.Am Bein gelingt dies nicht in allen Regionen: spezielle Untersuchungsprotokolle einen Überblick
Im Adduktorenkanal fehlt das Widerlager zur Kom- über das obere und untere Hohlvenensystem mit ein-
pression, sodass der Untersucher am besten mit der mündenden Stammvenen, sofern die Untersuchung
zweiten Hand das Gewebe von dorsal gegen den ven- in der venösen Kontrastmittelphase durchgeführt
5.1 Radiologische Untersuchungstechnik 317
c
318 Kapitel 5 Venen
f
5.1 Radiologische Untersuchungstechnik 319
wird. So werden Fehlbildungen oder Pathologien in Wichtige Fortschritte brachten die Tischverschie-
diesen Venensystemen oftmals zufällig entdeckt betechnik und die Möglichkeit, den Kontrastmittel-
(Abb. 5.3 a). bolus zu verfolgen (Testbolus und Bolus-Tracking).
Große Bedeutung kommt der CT-Untersuchung Die Untersuchung erfolgt in Rückenlage und in Ab-
auch in der Abklärung der pulmonalarteriellen hängigkeit von MR-Gerät und Spulensystemen fuß-
Thromboembolie zu. Dabei empfiehlt es sich, die wärts und/oder kopfwärts zum Gerät positioniert.
bereits applizierte Kontrastmittelmenge auszunut- Der Kontrastmittelbolus sollte in einer Dosierung
zen und einige Minuten nach der Untersuchung des von 0,25 mmol/kg Körpergewicht Gadolinium-DTPA
Thorax auch die Becken- und Beinstrombahn bis in (3–4 ml/s) und nachfolgendem NaCl-Bolus verab-
die Kniekehle zu schichten, um die mögliche Quelle reicht werden.
der Thromboembolie zu finden. Um Strahlendosis Bei vorangehender MR-Angiographie der Pulmo-
einzusparen sind 5- bis 10 mm-Schichten in 10 mm- nalarterien sollte die erste Hälfte des Bolus zur Ab-
Abständen ausreichend (Abb. 5.3 b). klärung der Pulmonalarterien verwendet werden.
Bei venösen Malformationen mit komplizierten Die zweite Hälfte wird direkt anschließend appliziert,
Verläufen der Venen kann die CT-Untersuchung nach damit sich das gesamte Kontrastmittel während des
direkter oder indirekter Kontrastierung der Venen- Umlagerns ins venöse System verteilen kann. Obwohl
abschnitte überlagerungsfreie Darstellungen der topo- aus diesem Grund die Untersuchung der Beinvenen
graphischen Verhältnisse in zwei- und dreidimensio- nicht zum Zeitpunkt des Maximums der Kontrast-
nalen Reformatierungen liefern (vgl. Abb. 5.15 a–d mittelanreicherung durchgeführt werden kann, wer-
und Abb. 5.16 a–f). den im Vergleich zur konventionellen Phlebographie
gleiche oder bessere Ergebnisse erzielt, da immer
MR-Venographie überlagerungsfreie Bilder entstehen.
Die jüngste unter den Untersuchungsmethoden wird Subtraktionen oder Maximum-Intensity-Projek-
derzeit wegen des Zeitaufwandes und der anfallen- tionen (MIP) der Datensätze liefern anschauliche
den Kosten noch kontrovers diskutiert. Sie wird aber Bilder, sind aber bei der Beurteilung nicht hilfreich.
in den nächsten Jahren sicher an Bedeutung gewin- Die Untersuchungszeit der MR-Venographie alleine
nen. Der Vorteil der fehlenden Strahlenexposition beträgt zwischen 5 und 15 min. Die Intervallzeit nach
wird durch Faktoren wie Verfügbarkeit, Toleranz der der MR-Angiographie der Pulmonalarterien beträgt
Untersuchung durch den Patienten, Zeit und Kosten zwischen 5 und 10 min (Kluge et al. 2004).
aufgehoben. Die Ergebnisse sind jedoch vielverspre- Generell gilt für beide Schnittbildverfahren die
chend. Empfehlung, dass diese Verfahren wegen des großen
Im Vergleich zur konventionellen Pressphlebogra- apparativen Aufwandes nur bei Verdacht auf eine
phie weist sowohl die direkte MR-Venographie nach pulmonalarterielle Embolie eingesetzt und dann mit
Punktion der Fußvenen als auch die indirekte MR- einer Untersuchung der Beinvenen kombiniert wer-
Venographie nach Kontrastmittelapplikation in eine den sollten.
Armvene eine sehr gute Sensitivität und Spezifität in
der Thrombosediagnostik auf (Abb. 5.4).
320 Kapitel 5 Venen
b
5.1 Radiologische Untersuchungstechnik 321
Abb. 5.5 a–e. Anatomie des Venensystems (die oberflächlichen Venen sind kursiv geschrieben). a Hohlvenensystem
324 Kapitel 5 Venen
CT- und MR-Venographie sich nacheinander und parallel zueinander und bil-
Das wichtigste Kriterium ist eine homogene Kontrast- den sowohl untereinander als auch mit der Gegen-
mittelfüllung. Bei Thrombosen zeigt sich eine von seite Verbindungen aus (Abb. 5.7). Am Ende steht
Kontrastmittel umflossene intraluminale Raumforde- das asymmetrische Endstadium der V. cava superior
rung. Restthromben nach rekanalisierten Thrombo- und inferior.
sen sind entweder wandständig oder schwammartig Von den oberen Kardinalvenen bleibt im Regel-
strukturiert. fall die rechte als V. cava superior bestehen. Die
Vv. azygos und hemiazygos gehen aus dem oberen
Abschnitt der suprakardinalen Venen hervor. Die
5.4 V. cava inferior wird aus 5 embryonalen Elementen
Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems gebildet: Die Vv. iliacae und deren Confluens gehen
aus den hinteren Kardinalvenen hervor. Die infra-
5.4.1 renale und suprarenale V. cava bilden sich aus der
Veränderungen im Hohlvenensystem rechten suprakardinalen und der rechten subkar-
dinalen Vene. Dazwischen münden die Vv. renales in
Embryologie den Anastomosenbereich der fetalen Vorläufer. Der
Das Hohlvenensystem entwickelt sich vollständig intrahepatische Abschnitt entsteht aus dem hepato-
symmetrisch aus paarig angeordneten kardinalen, kardialen Kanal.
supra- und subkardinalen Venen. Diese entwickeln
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 327
Fehlbildungen Vena-cava-superior-Syndrom
Diese Entwicklungsschritte führen zu zahlreichen
Fehlbildungsvarianten. Generell verlaufen die Fehl- 왔 Dieses Syndrom ist definiert durch
Definition
bildungsvarianten meist asymptomatisch, wenn kei- die Obstruktion der V. cava superior
ne Drainage in den linken Vorhof besteht. Deshalb mit Ausbildung von Umgehungskreisläufen.
werden sie oftmals nur zufällig diagnostiziert.
Zu den wichtigsten Varianten im oberen Hohl- Diese Umgehungskreisläufe können den ösophagea-
venensystem zählen die linksseitig persistierende len Venenplexus, das Azygos-Hemiazygos-System,
V. cava superior und die gedoppelte V. cava superior subkutane thorakale und paravertebrale Venen ein-
(Abb. 5.8 a–c).Während die linksseitig persistierende schließen. In bis zu 90% sind dafür maligne Neopla-
V. cava superior in der Mehrzahl der Fälle in den sien und davon in über 50% das Bronchialkarzinom
Sinus coronarius drainiert und deshalb asymptoma- verantwortlich. Zu den seltenen benignen Ursachen
tisch bleibt, kann bei der gedoppelten V. cava superior zählen mediastinale Veränderungen durch Sarkoido-
die linke Vene in den linken Vorhof münden und se oder Tuberkulose, retrosternale Struma, Aneurys-
stellt somit einen Shunt mit Mischblutbildung dar. ma der Aorta ascendens und zentralvenöse Zugänge
Ein Fehlen der V. azygos ist eine weitere, sehr seltene oder Schrittmacherelektroden. Je jünger der Patient
Fehlbildung. Dabei fließt das Blut über das Hemia- und je langsamer die Symptome auftreten, desto
zygossystem ab. wahrscheinlicher sind benigne Ursachen. Als Symp-
Die Fehlbildungen der V. cava inferior können das tome werden Kopf- und Halsödeme, Kopfschmerzen
infrarenale, renale, suprarenale oder intrahepatische und Schwindelgefühl, Dyspnoe und Hämatemesis
Segment betreffen: Da infrarenal ursprünglich je beschrieben.
2 supra- und subkardinale Venen parallel bestehen, Als radiologisches Zeichen besteht in 2/3 der Fälle
können verschiedenste Varianten als einfaches oder ein verbreitertes oberes Mediastinum. Zur Detektion
gedoppeltes Hauptgefäß auftreten. Dabei kann es zu der Ursache empfiehlt sich die CT (Abb. 5.11).
einer Lateralverschiebung des Gefäßes mit Verlage-
rung des Ureters nach retrokaval kommen. Obstruktion der Vena cava inferior
Eine prä- oder kurz postnatale Thrombose des In derselben Art wie bei der V. cava superior kann
infrarenalen Abschnitts führt zum Fehlen des gesam- auch die V. cava inferior obstruiert oder komprimiert
ten Abschnitts und zur Ausbildung von Kollateralen. werden.
Persistierende intersupra- und intersubkardinale Zahlreiche Faktoren können das Gefüge in der
Anastomosen führen zur retroaortalen Einmündung Gerinnungskaskade stören. Am häufigsten liegen
der linken V. renalis oder zur Ausbildung eines zir- paraneoplastische Ursachen vor (s. auch Trous-
kumaortalen, venösen Rings. Diese Fehlbildungs- seau-Syndrom): Tumoren wie Nierenzellkarzinome,
variante wird am häufigsten gefunden und entsteht Wilms-Tumoren, Nebennierentumoren, Pankreas-
dadurch, dass sich das suprakardinale Venensystem karzinome, Leberzelladenokarzinome, aber auch
in Relation zur Aorta weiter dorsal entwickelt (Abb. retroperitoneale Lymphknotenmetastasen können
5.9 a, b). zudem in das Lumen einwachsen und den Blutstrom
Im suprarenalen und intrahepatischen Segment behindern. Weiterhin kann das Lumen im Rahmen
kann eine Kontinuation der V. azygos entstehen. von systemischen Erkrankungen wie Koagulopathie,
Durch Agenesie des intrahepatischen Systems bleibt Infektion, Sepsis, oder Budd-Chiari-Syndrom, durch
die Verbindung zur rechten suprakardinalen Vene posttraumatische oder -operative Veränderungen
bestehen. Diese Fehlbildung tritt evtl. in Kombina- oder durch eine aszendierende Becken- oder Bein-
tion mit dem Polyspleniesyndrom auf. Die linksseiti- venenthrombose verlegt werden. Daneben gibt es die
ge V. cava inferior mit Hemiazygoskontinuation stellt idiopathische Obstruktion.
dieselbe Situation jedoch mit Drainage nach links Intrakavale Veränderungen führen von intramural
durch Bestehenbleiben der linken Venenabschnitte zur Obstruktion des Venenlumens: Neben Tumoren
dar (Abb. 5.10 a–c). der Venenwand wie Leiomyom, Leiomyosarkom und
Als weitere Fehlbildung kann eine transversale, Endotheliom kann dies auch durch eine angeborene
membranöse Septierung die V. cava inferior ob- Membran im intrahepatischen Venenabschnitt be-
struieren und vom hepatokardialen Kanal trennen. dingt sein.
Komplexe Kombinationen der genannten Fehl- Extrinsische Faktoren komprimieren die V. cava
bildungen mit Beteiligung des oberen und unteren inferior von außen. Dazu zählen Tumoren und tu-
Hohlvenensystems kommen selten vor. Dabei kön- morartige Raumforderungen wie ein Hämatom,
nen einfache und gedoppelte Venenabschnitte beste- Aszites, Hepatomegalie oder ein Aortenaneuryma
hen bleiben. und schließlich die retroperitoneale Fibrose.
328 Kapitel 5 Venen
c
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 329
b
330 Kapitel 5 Venen
c
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 331
Zur funktionellen Obstruktion kann es im Rah- 쐍 Leiomyom. Benigne Tumoren der glatten Musku-
men der Schwangerschaft, durch ein Valsalva-Manö- latur der Hohlvenenwand sind selten und meist
ver oder bei Kindern durch Schreien kommen. suprarenal zu finden. Die intraluminale Tumor-
Wie beim V.-cava-superior-Syndrom kommt es masse lässt differenzialdiagnostisch primär an einen
zur Kollateralenbildung über paravertebrale und pa- Thrombus denken. Oft wird erst nach Monaten der
raspinale Venen in die V. (hemi-)azygos, über peri- erfolglosen Antikoagulanzientherapie, wobei weder
ureterale und gonadale Venen, über subkutane thora- Progression noch Regression eintritt, an einen Tu-
koabdominelle Venen und sogar in das Pfortadersys- mor gedacht. In zweifelhaften Fällen ist eine trans-
tem. Dabei strömt das venöse Blut durch retrograden femorale Biopsie möglich.
Fluss in der V. iliaca interna über den hämorrhoida- Im Rahmen der Leiomyomatose kann es ebenfalls
len Venenplexus in das Stromgebiet der V. mesenteri- zum Befall der intraabdominellen Venen kommen.
ca inferior. Bei Patientinnen, die in jungen Jahren an Leiomyo-
men des Uterus erkranken, kann es selbst Jahre nach
Verletzungen Entfernung des Uterus im Sinne einer Metastasie-
Es werden traumatische von iatrogenen Venenverlet- rung eines primär benignen Tumors zu einer Absied-
zungen unterschieden. Traumatische Verletzungen lung in die untere Hohlvene kommen. Neben Progre-
treten wegen der geschützten Lage in der Tiefe selten dienz in die Hohlräume des Herzens sind in Einzel-
isoliert auf. Meist sind Verletzungen der V. cava su- fällen auch Lungenmetastasen beschrieben.
perior oder inferior als Begleitverletzungen im Rah-
men schwerer Thorax- oder Abdominaltraumen ne- 쐍 Leiomyosarkom. Etwa 40% der retroperitonealen
ben anderen Organverletzungen zu finden, oftmals Leiomyosarkome nehmen ihren Ursprung von der
in der Bildgebung sogar von den anderen Verletzun- V. cava inferior. Die 3 Wachstumsformen teilen sich
gen überlagert und deshalb nicht diagnostizierbar. wie folgt auf:
Iatrogene Verletzungen treten im Rahmen dia-
∑ Der Großteil wächst transmural,
gnostischer oder therapeutischer Interventionen in
∑ seltener findet sich nur ein intravaskulärer Tumor-
zunehmendem Maße auf. Ihr Anteil an den Gefäßver-
abschnitt,
letzungen wird mit etwa 10% beziffert, wobei diese
∑ extrem selten bildet sich der Tumor nur intramu-
Angabe sicher den wahren Prozentsatz unterschätzt.
ral aus.
Tumoren Charakteristisch ist ein polypoider, intravaskulärer
Zu den direkt in der V. cava entstehenden Tumoren Anteil mit irregulärer Kontrastmittelaufnahme in der
zählen das Leiomyom, das Leiomyosarkom und das CT und der MRT und nachweisbarer Tumorvaskula-
Endotheliom. risation in der Dopplersonographie. Meist ist der Tu-
332 Kapitel 5 Venen
5.4.2
Veränderungen der Armvenen a
Thrombose
Die Inzidenz der tiefen Venenthrombose der oberen
Extremität wird mit 3:100.000 pro Jahr geschätzt, was
bis zu 4% aller Fälle der tiefen Venenthrombose ent-
spricht. Am häufigsten ist die V. subclavia vor der
V. axillaris und der V. brachialis betroffen.
Als wichtigster exogener Risikofaktor wird ein
zentralvenöser Zugang in der Hälfte bis 2/3 der
Fälle als Ursache angesehen, vermutlich weil lokale
Hämostase und entzündliche Veränderungen die
Thromboseentstehung begünstigen. Weitere exogene
Risikofaktoren sind maligne Tumoren, eine tiefe
Beinvenenthrombose, orale Kontrazeptiva, schwere
traumatische Verletzungen und selten eine Bestrah- b
lungstherapie. Auch Muskelkompression durch
Über-Kopf-Arbeiten kann zu Flussverlangsamung
und Stase mit nachfolgender Thrombose führen.
Die aszendierende Thrombophlebitis – etwa nach
intravenöser Therapie oder Drogenmissbrauch –
kann ebenfalls zur tiefen Venenthrombose führen.
Die tiefe Armvenenthrombose kann ohne Symp-
tome ablaufen. Ein geschwollener, schmerzhafter
Arm mit Schwäche, Schweregefühl und Kraftlosigkeit
sollte in jedem Fall zur Abklärung einer Thrombose
führen. Manchmal sind erweiterte, oberflächliche
Kollateralvenen erkennbar.
Als Goldstandard gilt die direkte Venographie. Zu-
nehmend setzen sich jedoch nichtinvasive Metho-
c
den, wie die Sonographie durch. Gerade in der Detek-
tion der Thrombose stellen sich beide Methoden als Abb. 5.12 a–c. Thrombose der V. axillaris. a Direkte Phlebo-
gleichwertig dar (Abb. 5.12 a–c). graphie: Kontrastmittelstopp in der V. axillaris (Pfeil) und
Bei Progression der Thrombose und Übergreifen Abfluss über Kollateralen in die V. cephalica (Stern). b,c Sono-
auf die V. brachiocephalica kann auch die V. jugularis graphische Darstellung des gemischt echoreichen und echo-
armen Thrombus in der teilweise gedoppelt angelegten V. axil-
interna thrombosieren (Abb. 5.13 a–c). laris (Stern), b im Longitudinalschnitt und c im Transversal-
schnitt
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 333
a b
durch Einengung der Nerven bedingt. Nur bei 5% nachweisen (Abb. 5.14 a, b). Muskuloskelettale Ursa-
sorgen vaskuläre Kompressionen für die Symptoma- chen lassen sich sonographisch oder mittels MRT
tik. ausschließen.
Diagnostische Untersuchungen sollten bei nach Zusätzliche Informationen über die Kompression
hinten und unten gezogenen Schultern durchgeführt von Arterien und Venen können auch MR-angio-
werden. Da die Dynamik der Symptome während graphisch erlangt werden. Dabei lässt sich mittels
90°-Abduktion und Elevation sowie in anamnestisch mehrphasiger 3D-Kontrastmittel MR-Angiographie
erhebbaren Positionen stärkster Symptomatik unter- im Vergleich zur 2D-TOF- („time of flight“-) Angio-
sucht werden muss, empfiehlt sich die farbkodierte graphie eine bessere Aussage über die Ursache der
Dopplersonographie als Methode der Wahl. Ein Kompression und venöse Mitbeteiligung treffen
Sistieren des arteriellen Pulses bzw. venösen Rück- (Charon et al. 2004). Auch diese Untersuchung
flusses gilt als diagnostisch für ein Thoracic-outlet- sollte bei eleviertem Arm durchgeführt werden.
bzw. -inlet-Syndrom. Die venösen Dopplerableitun- Nebenbefundliche Gefäßveränderungen wie Ste-
gen zeigen eine abgeflachte, lineare Kurve. Fortge- nosen oder Aneurysmen lassen sich angiographisch
leitete Wellen, die durch die Atmung und die Vor- verifizieren.
hofkontraktionen entstehen, lassen sich nicht mehr
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 335
Zu den Gefäßanomalien zählen auch tumoröse bedürfen deshalb keiner Therapie. Zum Unterschied
Veränderungen. Hämangiome und Phlebangiome dazu können kavernöse Hämangiome an Größe zu-
sind aber funktionell von vaskulären Malformatio- nehmen. Besonders dramatisch kann dies unter Hor-
nen abzugrenzen, obwohl eine pathohistologische moneinwirkung, wie während der Schwangerschaft,
Abgrenzung nicht möglich ist. Die Phlebangiome erfolgen. Hämangiome zeigen zusätzliche Tumor-
stellen Hamartome dar, da sie aus einer embryonalen komponenten aus Binde-, Fettgewebe und glatten
Fehlanlage hervorgehen. Muskelzellen und sind intraossär, intramuskulär und
Kapilläre Hämangiome bilden sich in der Mehr- selten synovial zu finden. Typischerweise handelt es
zahl der Fälle selbst zurück, insbesondere wenn es sich um Low-flow-Veränderungen mit amorphen
sich um (sub-)kutane, juvenile Formen handelt, und Verkalkungen und in 1/3 der Fälle Phlebolithen.
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 337
Abb. 5.15 d Bei einem anderen Patienten mit komplexerer Aus- bindungsvenen transkutan CT-gezielt sklerosiert wurden
formung und Schmerzsymptomatik (linke Reihe) verschaffte (mittlere Reihe unten). Bei deutlich reduzierter Restperfusion
das chirurgische „clipping“ extraossärer Abschnitte keine (rechte Reihe) ist der Patient nun beschwerdefrei (Abb. von
Erleichterung (mittlere Reihe oben), sodass restliche Ver- Prof. J. Freyschmidt, Klinikum Bremen-Mitte)
Arteriovenöse Hämangiome zeigen stark gewun- Eine typische Stelle für eine Intimaverletzung ist an
dene zuführende Arterien und arteriovenöse Shunt- der linken V. iliaca communis an der Überkreuzungs-
verbindungen. Dadurch werden sie zu High-flow- stelle der rechten A. iliaca communis. Kompression
Veränderungen. Große, weit verzweigte Hämangio- der Vene und nachfolgende bindegewebige Reaktio-
me werden symptomatisch, sind aber inoperabel nen führen zur Ausbildung von Intimasegeln und
und können dann ebenso wie ausgedehnte, einfache -septen bis hin zur subtotalen Obliteration. Diese
venöse Malformationen embolisiert oder sklerosiert Veränderungen werden als May-Thurner-Syndrom
werden. oder Beckenvenensporn bezeichnet (May u. Thurner
1957) und sind bei etwa 20% der Erwachsenen zu
Thrombose finden (Abb. 5.18).
a b c
d e f
Abb. 5.16 a–f. Einfache venöse Malformation. a Nativröntgen Darstellung vor Embolisation. f Anderer Patient: transversale
seitlich: Ventral des distalen Femurs zeigt sich eine deutliche MRT (T1-Gewichtung mit Fettunterdrückung nach Kontrast-
Weichteilvermehrung (Stern). b–d Kontrastmittelaufnahme mittelgabe): Im M. vastus lateralis zeigt sich eine ausgedehnte,
in dysplastischen Venengeflechten im M. vastus intermedius. polygonal begrenzte, kontrastmittelaufnehmende Raumfor-
b Transversale und sagittal reformatierte CT-Venographie. derung mit ossärer Beteiligung (Pfeil), die einer venösen Mal-
c Transversale und sagittale MRT (T1-Gewichtung mit Fettun- formation entspricht. (Abb. von Prof. J. Freyschmidt, Klinikum
terdrückung nach Kontrastmittelgabe). d Sagittale Ansicht der Bremen-Mitte)
MR-Venographie. e Direkte Punktion der Malformation zur
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 339
Die häufigsten Lokalisationen sind: Aus dem oben genannten topographischen Grund
mit Kompression der linken Beckenvene durch das
1. dorsaler Unterschenkel mit aszendierender Throm-
Überkreuzen der rechten Beckenarterie sind 70%
bose,
der Beinvenenthrombosen linksseitig zu finden.
2. iliofemoral mit deszendierender Thrombose,
Zwei Drittel der Thrombosen verlaufen still. Über-
3. Unterschenkelvenen und iliofemoral simultan.
wärmung und Schwellung, zyanotische Verfärbung
Die tiefen Beckenvenen alleine sind nur selten betrof- und Schmerzen stellen typische Symptome dar.
fen. Schmerzen treten insbesondere bei Dorsalflexion im
340 Kapitel 5 Venen
bus in 2 Ebenen hilft bei der Unterscheidung von ∑ fehlende Aufweitung der Vene,
Strömungsphänomenen und zur besseren Beurtei- ∑ partielle Komprimierbarkeit und Rekanalisierung
lung bei Überlagerungen. sowie
Die Sonographie weist in der Thrombosediagnos- ∑ Verkalkungen im Thrombus.
tik eine Sensitivität von 88–100% und eine Spezifität
von 92–100% auf. Intraluminal gelegenes, hypere- CT- und MR-Venographien sollten aufgrund der auf-
chogenes Material, fehlende oder inkomplette Kom- wändigen Untersuchung nur bei Verdacht auf eine
primierbarkeit sind die sichersten Anzeichen im pulmonal-arterielle Thrombembolie durchgeführt
B-Bild (Abb. 5.21 a). Bei Thrombose der V. cava in- werden.
ferior oder der Iliakalvenen fehlt das Flusssignal in Die häufigsten Differenzialdiagnosen zur Throm-
der farbkodierten Dopplersonographie, und in der bose stellen die Baker-Zyste und ein Muskelfaserriss,
V. femoralis zeigt sich ein kontinuierlicher und nicht seltener die Achillodynie, ein Hämatom, Lymph-
atemabhängiger Fluss in den Dopplerableitungen ödem, Erysipel, Tumoren und tumoröse Veränderun-
(Abb. 5.21 b). gen dar.
Die pulmonal-arterielle Embolie ist mit 50% die
Merke !Die Echogenität des Thrombus wird
durch die Zusammensetzung und
häufigste und zugleich wichtigste Komplikation.
90% der Thrombembolien entstammen dem unteren
nicht durch das Alter der Thrombose bestimmt. Hohlvenensystem, davon knapp 50% aus den Bein-
venen. Dem gegenüber stehen 2% der Embolien aus
Eine Altersbestimmung der Thrombose anhand der den Armvenen. Anders gesprochen führen 3/4 aller
Echogenität des thrombotischen Materials ist gene- Beckenvenenthrombosen, 1/3 bis 2/3 aller femoro-
rell nicht möglich. Sichere Hinweise für eine nicht poplitealen Thrombosen und bis zur Hälfte aller Un-
mehr ganz frische Thrombose sind: terschenkelvenenthrombosen zur Embolie.
342 Kapitel 5 Venen
a b
c d
Abb. 5.22 a–d. Thrombophlebitis. Die varikös erweiterten entzündliche Hypervaskularisierung (b). Manchmal lässt sich
oberflächlichen Venen sind mit schichtweise angeordnetem, ein Kragenknopfthrombus (Stern) im B-Bild-Modus (c) oder in
thrombotischem Material ausgefüllt (a) und zeigen in der Wand der farbkodierten Dopplersonographie nachweisen (d)
Bei der primären Stammvarikose wird eine kom- Tabelle 5.2. Gradeinteilung der Varikositas an der unteren
plette von einer inkompletten Form unterschieden. Extremität
Bei der kompletten Stammvarikose sind die Venen-
V. saphena magna
klappen im Mündungsbereich der oberflächlichen Grad I Nur proximaler Oberschenkel,
Venenstämme insuffizient. Bei der inkompletten entspricht Mündungsbereich mit Venenklappen
Stammvarikose mündet die Stammvene mit suffi- Grad II Bis distaler Oberschenkel
zienten Klappen, und die Varikose ist durch insuffi- Grad III Bis proximaler Unterschenkel
Grad IV Bis Sprunggelenke
ziente Venenklappen der Perforansvenen bedingt.
Von der Stammvarikose ist die isolierte Seitenastvari- V. saphena parva
Grad I Nur wenige Klappen im Mündungsbereich
kose zu unterscheiden. Grad II Bis Mitte des Unterschenkels
Als ursächlich für eine primäre Varikose gelten ge- Grad III Bis Sprunggelenke
netische Faktoren, Adipositas, Schwangerschaft und
stehender Beruf. Vermehrte Dehnbarkeit der Venen-
wand führt zum insuffizienten Schluss der Venen-
klappen und somit zur Beeinträchtigung des venösen Merke ! Das Valsalva-Manöver ist nur bei
kooperativen Patienten zur Abklä-
Rückflusses. rung der Klappeninsuffizienz der proximalen V. fe-
Als sekundäre Varikose wird der Zustand nach tie- moralis und der Einmündung der V. saphena magna
fer Beinvenenthrombose bezeichnet, wobei vermehr- geeignet.
ter Blutabstrom und Überlastung des oberflächlichen
Venensystems zur Ausbildung der Varikose führen. Die V. poplitea mit einmündender V. saphena parva
Je nach Ausdehnung des varikösen Areals unter- sowie die Perforansvenen des Unterschenkels sind
scheidet man bei den Vv. saphenae verschiedene durch manuelle Kompression zu überprüfen. Bei
Grade der Varikose (Tabelle 5.2). gesunden Probanden zeigte sich, dass Flussgeschwin-
digkeiten von 30 cm/s notwendig sind, um in Rü-
Fragen zur Beurteilung einer Varikose ckenlage die Venenklappen schließen zu lassen. Um
Bei der Beurteilung der Varikose sind folgende Fragen des falsch-negative Ergebnisse auszuschließen, empfiehlt
Chirurgen von Bedeutung für die Therapie und deshalb vom sich die Verifizierung mittels Kompression durch ei-
Untersucher zu klären: ne Druckmanschette.
1. Bestehen Behinderungen der Durchgängigkeit des tiefen
Venensystems? Falls das oberflächliche Venensystem zur
Kompensation eines postthrombotischen Syndroms dient, CAVE ! Lagebedingt können im Stehen insuf-
fiziente Venenklappen in Rückenlage
darf dieses auf keinen Fall operativ entfernt werden. suffizient erscheinen!
2. Was kann über die Schlussfähigkeit der Klappen ausgesagt
werden? Suffiziente Klappen der Stammvenen stellen eine
Kontraindikation zur Operation dar.Eine prophylaktische Ent-
Mit Hilfe der farbkodierten Dopplersonographie
fernung der V. saphena magna stellt im Zeitalter der aorto- und/oder Dopplerableitungen kann während des
koronaren Bypasschirurgie einen schweren Verlust an Trans- Valsalva-Versuchs eine Regurgitation in die V. saphe-
plantationsmaterial dar. na magna in Dauer und Menge bestimmt werden
3. Wo sind Venenabschnitte und/oder Perforansvenen mit (Abb. 5.24 a, b). Die Graduierung erfolgt anhand der
insuffizienten Venenklappen lokalisiert? Dies hilft zur Pla- Ausbreitung des Rückflusses nach distal. Prinzipiell
nung des Eingriffs und bestimmt, ob und welche Perforans- ist zu beachten, dass eine Regurgitation <0,5 s Dauer
venen mitentfernt werden sollten. während des Klappenschlusses als normal anzusehen
4. Gibt es Mündungsvarianten und/oder Varianten in Anzahl ist. Selbst Zeiten von bis zu 2 s sind nicht zwingend
und Verlauf der Venenstämme? Hierbei ist besonderes als pathologisch zu werten.
Augenmerk auf die Mündungsvarianten der V. saphena An der V. saphena parva und den Perforansvenen
parva zu legen.Nur in etwa 1/3 der Patienten findet sich eine lässt sich eine Klappeninsuffizienz in der farbkodier-
Verbindung zur V. poplitea auf Höhe des Kniegelenkspalts.
ten Dopplersonographie durch Farbumschlag – und
In 20% mündet die Vene deutlich proximal des Gelenkspalts
und in über 40% mündet sie erst am proximalen Ober- somit Flussumkehr – in der Vene während Kompres-
schenkel. sion und Dekompression der Extremität proximal
der Venenmündung erkennen (Abb. 5.25 a–c). Indi-
rekt hinweisend ist eine Erweiterung des Venen-
Initial wird die Sonographie zur Abklärung einer lumens im B-Bild-Modus.
Varikose durchgeführt. Dabei erfolgt eine Reflux- Die beste Treffsicherheit wird durch Kombination
provokation durch Valsalva-Manöver, manuelle von Sonographie mit aszendierender Phlebographie
Kompression oder Kompression durch eine Druck- erreicht. Auch in unklaren Fällen wird die aszendie-
manschette mit 80 mmHg. rende Phlebographie eingesetzt. Die deszendierende
Phlebographie ist nur in Ausnahmefällen nötig. Die
5.4 Fehlbildungen und Erkrankungen des Venensystems 345
a b
Abb. 5.24 a, b. Insuffiziente Venenklappen an der Mündung V. saphena magna zurück. b Die Dopplerableitung zeigt einen
der V. saphena magna. a Farbkodierte Dopplersonographie: lange andauernden, insuffizienten Klappenschluss als Zeichen
Im Valsalva-Pressversuch strömt das Blut turbulent in die einer höhergradigen Varikose
Zeichen der insuffizienten Venenklappe sind eine tion der Klappen oder um eine postthrombotische
Aufweitung der Vene distal der Venenklappe und ein Klappeninsuffizienz nach Destruktion des Klappen-
retrograder Kontrastmittelabstrom im Valsalva-Ver- apparates mit verdickten und vernarbten Klappen
such. (Abb. 5.26). Letztere kann wiederum Bestandteil des
postthrombotischen Syndroms sein.
Chronisch venöse Insuffizienz Besonders Veränderungen in den oberen und
Die Insuffizienz der Venenklappen im tiefen Venen- mittleren Cockett-Venen spielen bei zusätzlichen
system der unteren Extremität wird als chronisch Veränderungen im tiefen Venensystem eine bedeu-
venöse Insuffizienz, chronische Veneninsuffizienz tende Rolle in der Entstehung der chronisch venösen
oder chronisch venöses Stauungssyndrom bezeich- Insuffizienz. Die Klappeninsuffizienz führt zu Öde-
net. men, Induration durch Flüssigkeitsexudation bei er-
Dabei handelt es sich entweder um eine primäre höhtem Kapillardruck, Ulzerationen, Hyperpigmen-
Klappeninsuffizienz durch anlagebedingte Elonga- tierung und Schmerzen.
346 Kapitel 5 Venen
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2 Interventionen am Gefäßsystem
Supraaortale Gefäße 6
N. Zorger
6.1 Allgemeine periinterventionelle Maßnahmen 351 len Antikoagulation eine aktivierte Gerinnungszeit
6.2 Arteria subclavia 352 (ACT) von 300 s angestrebt. Bis zum heutigen Zeit-
6.3 Truncus brachiocephalicus 354 punkt konnte dafür allerdings kein optimaler Wert
6.4 Arteria vertebralis 355 ermittelt werden. Zunehmend finden in der Koronar-
intervention niedermolekulare Heparine Verwen-
6.5 Arteria carotis 356
dung, für die keine ACT-Bestimmung notwendig ist
6.6 Intrakranielle Gefäße 360
und die damit von Vorteil sind (Curran u. Grines
Literatur 361 2000).
Tabelle 6.1. Periinterventionelle Medikation bei der Stentan- gen. Bei Verschluss der A. subclavia sollte die Schleu-
gioplastie der supraaortalen Äste se über den Verschluss platziert werden, um ein Ab-
Basistherapie streifen des ballonexpandierbaren Stent vom Ballon
ASS 100–325 mg/Tag zu verhindern.
≥ 3 Tage vor Intervention
Dauer: unbegrenzt
Clopidogrel oder Merke ! Bei Misslingen einer Rekanalisation
der Läsion vom Aortenbogen aus,
Ticlopidin 75 mg/Tag
2-mal 250 mg/Tag
kann eine retrograde Sondierung/Rekanalisation von
≥ 3 Tage vor Intervention der A. brachialis des betroffenen Armes erfolgen.
Behandlungsdauer 6 Wochen
Periinterventionelle Therapie Ist dabei der Puls der A. brachialis nicht tastbar,
Heparin 5000–7500 IE Bolus i. a. kann die Punktion ultraschallgesteuert oder in Over-
lay-/Road-map-Technik nach vorangegangener Dar-
stellung der A. brachialis über den Aortenbogen er-
CAVE ! Bei der Angioplastie der A. carotis
kann es, ausgelöst durch die Manipu-
folgen. Der Draht kann nach Passage der Läsion mit
einem Lassokatheter im Aortenbogen gefangen und
lation im Bereich des Karotissinus, durch den Vagus- femoral ausgeführt werden. Die Intervention wird
reiz zu einer Bradykardie des Patienten kommen. darauf über den femoralen Zugang fortgesetzt. Falls
kleinere Stentdurchmesser benötigt werden, kann
Hier sollte eine prophylaktische Gabe von 0,5 mg die Angioplastie auch allein über den brachialen
Atropin intravenös kurz vor der Dilatation erfolgen Zugang erfolgen.
und weitere 0,5 mg Atropin in einer Spritze aufgezo- Je nach Konfiguration der Läsion erfolgt die Stent-
gen bereitliegen. auswahl. Bei Stenosen in Bewegungssegmenten soll-
ten selbstexpandierbare Stents verwendet werden,
da es bei ballonexpandierbaren Edelstahlstents zu
6.2 Stentbrüchen kommen kann. Ist eine exakte Stent-
Arteria subclavia platzierung (Läsion reicht bis zum Abgang der A. ver-
tebralis, Läsion ist direkt am Ostium der A. subclavia
Spezielle technische Voraussetzungen lokalisiert) notwendig, empfiehlt sich wegen der
exakteren Platzierbarkeit die Verwendung ballon-
쐍 Verschluss/Stenose. Bei Stenose oder Verschluss expandierbarer Stents (Abb. 6.1 a, b). Selbstexpan-
der A. subclavia wird nach femoraler Punktion pri- dierbare Stents werden dabei etwa 1–2 mm, ballonex-
mär eine Aortenbogenübersichtsdarstellung mit ei- pandierbare Stents maximal 1 mm über den Durch-
nem Pigtail-Katheter durchgeführt, um sowohl die messer des nachgeschalteten Gefäßes dimensioniert.
Länge der Läsion und den Stenosegrad als auch die Es sollte darauf geachtet werden, dass der Stent weder
genaue Beziehung zu den übrigen Gefäßen (A. verte- die A. vertebralis überdeckt, noch zu weit in den
bralis, A. carotis communis) und die Kollateralkreis- Aortenbogen reicht.
läufe zu bestimmen. Geeignet für die genaue Visuali-
sierung einer abgangsnahen Stenose ist die Projek- 쐍 Blutung/Trauma. Bei einer aktiven Blutung der
tion in LAO („left anterior oblique“). Hierbei sollte A. subclavia, z. B. nach einem Verkehrsunfall, wird auf
darauf geachtet werden, dass die Abgänge der A. sub- ähnliche Weise wie oben beschrieben vorgegangen.
clavia und der A. vertebralis überlagerungsfrei zur Nach genauer Visualisierung des Blutungsaustritts
Darstellung kommen. kann die Implantation eines ummantelten Stent im
Nach Darstellung der Läsion (ggf. in „Overlay-“ Bereich der Gefäßverletzung erfolgen. Der Zugang
oder „Road-map-Technik“) erfolgt die Sondierung kann dabei je nach Stentdiameter femoral oder bra-
mit einem Diagnostikkatheter (JB 1-, Headhunter-, chial erfolgen. Der Stentdiameter sollte nicht unter-
Vertebralis- oder Sidewinder-Konfiguration) und ei- dimensioniert gewählt werden, um ein vollständiges
nem hydrophilen Draht. Es empfiehlt sich, lange Abdichten der Gefäßläsion zu gewährleisten. Bei
Schleusen/Führungskatheter (80–90 cm) unter Dauer- Inoperabilität oder schwierigem chirurgischen Zu-
spülung zu verwenden, um auch bei elongierten Ge- gangsweg kann dieses Verfahren eine Alternative
fäßen eine sichere Stentplatzierung zu gewährleisten zum chirurgischen Vorgehen darstellen (Kramer et
und ein Verrutschen des Führungsdrahtes aufgrund al. 1997).
der Friktionskräfte zu verhindern. Ein weiterer Vor- Bei zusätzlichen Begleitverletzungen muss be-
teil der langen Schleuse ist die Möglichkeit einer Dar- dacht werden, dass bei einer Stentversorgung eine
stellung der Gefäßläsion auch unmittelbar vor Stent- zusätzliche Antikoagulation und Thrombozytenag-
freisetzung, ohne einen weiteren Zugang zu benöti- gregationshemmung notwendig wird, die unter Um-
6.1 Allgemeine periinterventionelle Maßnahmen 353
Indikationen
Die Trias des „Subclavian-steal-Syndroms“ aus
∑ transienter Ischämie der hinteren Schädelgrube,
∑ abgeschwächter Radialispuls und
∑ Stenose/Verschluss der proximalen A. subclavia
wurde erstmals durch Reivich et al. (1961) berichtet.
Trotz Flussumkehr in der A. vertebralis sind einige
Patienten jedoch symptomlos bzw. symptomarm, bei
anderen überwiegen die Symptome einer Claudicatio
der oberen Extremität. Häufigste Ursache einer Sub-
klaviastenose/-verschluss ist die Arteriosklerose. Sel-
tene Ursachen sind die Takayasu-Arteriitis, die fibro-
muskuläre Dysplasie und postradiogene Stenosen
(Hodgins u. Dutton 1984).
b Die häufigste Lokalisation der Subklaviastenose
ist das proximale Gefäßsegment unmittelbar ober-
Abb. 6.1 a, b. a 67-jähriger Patient mit hochgradiger Stenose halb des Aortenbogens. In den letzten 4 Jahrzehnten
der linken A. subclavia, poststenotischer Gefäßdilatation und gab es sowohl in den operativen Verfahren als auch in
konsekutivem „Subclavian-steal-Syndrom“. b Platzierung ei-
ner 90 cm langen 6-French-Schleuse unter Dauerspülung im der interventionellen Therapie der Subklaviastenose
Bereich der proximalen A. subclavia. Erfolgreiche Rekanalisa- signifikante Fortschritte.Während operativ alternati-
tion der A. subclavia links mit Implantation eines ballone- ve Techniken, wie extrathorakale Operationstechni-
xpandierbaren Stents (9 mm Durchmesser, 25 mm Länge) ken entwickelt wurden (Ballotta et al. 2002; Edwards
nach Sondierung der Stenose mit einem hydrophilen 0,035-
Zoll-Draht. Wiederhergestellter antegrader Fluss in der linken et al. 1994), hat die Stentangioplastie die alleinige Bal-
ebenfalls stenosierten A. vertebralis londilatation der A. subclavia abgelöst (Marks et al.
1994).
c d
Abb. 6.2 a–d. a CT der oberen Thoraxapertur einer 73-jähri- Katheter in der linken A. subclavia. c Nach perkutaner Embo-
gen Frau nach Kontrastmittelapplikation i. v. 2,5 cm großes, lisation mit insgesamt 500 E Thrombin vollständige Thrombo-
teilthrombosiertes Aneurysma spurium der linken A. subcla- sierung ohne angiographischen Nachweis einer Restperfusion.
via (Pfeil) nach iatrogener Fehlpunktion aufgrund einer An- d Die kontrastmittelgestütze CT postinterventionell bestätigt
lage eines zentralvenösen Zugangs. b Perkutane Punktion des die vollständige Thrombosierung des Aneurysma spurium
Aneurysmas unter angiographischer Darstellung über einen (Pfeil)
Ergebnisse
Die technische Erfolgsrate der PTA der A. vertebralis
beträgt zwischen 94–98% (Albuquerque et al. 2003;
Chastain et al. 1999; Lutsep et al. 2003). Die Langzeit-
offenheitsraten der PTA der A. vertebralis sind mit
einer Restenoserate von etwa 43% innerhalb von
6 Monaten schlechter als die der Karotisangioplastie
(Albuquerque et al. 2003; Lutsep et al. 2003). Dabei
sind die Restenosen häufig asymptomatisch. Unter
Umständen kann in Zukunft die relativ hohe Reste-
noserate durch die Verwendung von medikament-
beschichteten („drug-eluting“) Stents oder bioresor-
bierbaren Stents vermindert werden. Hierzu existie-
ren jedoch bisher keine Studienergebnisse.
6.5
Arteria carotis
Spezielle technische Voraussetzungen
a b c
Abb. 6.4 a–c. a 63-jähriger Patient mit hochgradiger sympto- c Regelrechtes postinterventionelles Ergebnis nach Stentim-
matischer Stenose der linken A. carotis interna. b Platzierung plantation (10 mm Durchmesser/ 30 mm Länge) in Monorail-
eines distalen Protektionssystems (Pfeil) in den geraden Ver- Technik und nach Entfernung des Protektionssystems
lauf der A. carotis interna links unterhalb der Schädelbasis.
expandierbaren Stents in Rapid-exchange- oder Mo- tinolstents mit relativ weiter Maschenstruktur
norail-Technik können sogar 5-French-Schleusen („open cell“) und engmaschigen Stents („closed
verwendet werden. Es empfiehlt sich, lange Schleu- cell“) gewählt werden. Bei kurvigem Gefäßverlauf
sen/Führungskatheter (80–90 cm) zu verwenden, um empfiehlt sich die Verwendung flexibler weitmaschi-
auch bei elongierten Gefäßen eine sichere Stent- ger Stents, bei ulzerierten Plaques die Verwendung
platzierung zu gewährleisten und ein Zurückrut- engmaschiger Stents. Ballonexpandierbare Stents
schen des Führungsdrahtes aufgrund der Friktions- können im zeitlichen Verlauf bewegungsbedingte
kräfte zu verhindern. Ein weiterer Vorteil der langen Stentfrakturen aufweisen und sind daher weniger
Schleuse ist die Möglichkeit einer Darstellung der geeignet.
Gefäßläsion auch unmittelbar vor Stentfreisetzung Die Stentgröße orientiert sich an der Weite des
ohne einen weiteren arteriellen Zugang zu benöti- prä- und poststenotischen Gefäßdurchmessers. Da-
gen. Die Schleuse wird bei einer Stenose der A. caro- bei wird der Stentdurchmesser in der Regel etwa
tis interna unmittelbar unterhalb der Bifurkation 1 mm über dem Durchmesser des nichtstenosierten
platziert. Bei spitzwinklig abgehender linker A. caro- Gefäßabschnitts dimensioniert. Handelt es sich um
tis communis oder Truncus bicaroticus empfiehlt es eine isolierte Stenose >1 cm distal der Karotisbifur-
sich, die Schleuse/Führungskatheter über einen stei- kation, kann der Stent ausschließlich in der A. carotis
fen 0,035-Zoll-Draht zu platzieren. interna platziert werden. Bei den üblicherweise vor-
liegenden bifurkationsnahen Stenosen wird der Stent
Merke ! Vor der Intervention sollte eine selek-
tive Darstellung der supraaortalen
bis in die A. carotis communis platziert und dabei
der Abgang der A. carotis externa überstentet. Der
und intrakraniellen Gefäße erfolgen, um einen Über- Durchmesser wird dabei entsprechend der A. carotis
blick über den aktuellen Gefäßstatus und mögliche communis gewählt oder bei so genannten „getaper-
Kollateralkreisläufe zu haben. Insbesondere die Dar- ten“ Stents (Stents mit unterschiedlichem Durchmes-
stellung der intrakraniellen Gefäße wird zur Doku- ser am proximalen und distalen Stentende) an den
mentation möglicher periinterventioneller Kompli- Durchmesser der A. carotis communis und A. carotis
kationen benötigt. interna angepasst (Abb. 6.4 a–c).
Bei unzureichender Aufweitung der Stenose muss
Aktuell wird in der Regel eine stentgestützte Angio- nach Stentplatzierung nachdilatiert werden. Der Bal-
plastie durchgeführt. Dabei kann je nach Morpho- lon sollte dabei zur Vermeidung einer Dissektion die
logie des Gefäßes und der Läsion (Elongation, Ul- Stentmaschen nicht überragen und etwa 1 mm unter-
zera) zwischen flexiblen selbstexpandierbaren Ni- dimensioniert werden. Sowohl vor Entfernung eines
358 Kapitel 6 Supraaortale Gefäße
a b
Protektionssystems als auch abschließend wird eine Während des Eingriffs erfolgt eine Monitorüber-
Angiographie der ipsilateralen A. carotis interna wachung des Patienten. Bei der Angioplastie der A. ca-
sowie der intrakraniellen Gefäße durchgeführt. rotis kann es durch den Vagusreiz, ausgelöst durch die
Manipulation im Bereich des Karotissinus, zu einer
Merke ! Bei höchstgradigen Stenosen muss
eine Vordilatation erfolgen.
Bradykardie des Patienten kommen. Hier sollte eine
prophylaktische Gabe von 0,5 mg Atropin intravenös
vor Stentimplantation erfolgen und weitere 0,5 mg
Dabei wird der Ballon im Vergleich zum nichtsteno- Atropin in einer Spritze aufgezogen bereitliegen.
sierten Gefäßabschnitt deutlich unterdimensioniert
und sollte im Durchmesser 3 mm nicht überschrei- 쐍 Blutung/Trauma. Mit der Entwicklung gecoverter
ten. Auch beim Ballonkatheter sind aufgrund des ge- Stents auch für kleinere Gefäßdurchmesser ist es
ringeren Profils Rapid-exchange- bzw. Monorail-Sys- möglich, eine akute Blutung der A. carotis auch end-
teme von Vorteil. ovaskulär zu versorgen. Dies kann sowohl mit selbst-
Protektionssysteme zur Vermeidung einer Embo- expandierbaren als auch mit ballonexpandierbaren,
lisation sollen schwerwiegende neurologische Kom- ummantelten Stents erfolgen. Der Stent wird wie bei
plikation verhindern. Inwieweit der aktuell hohe der herkömmlichen Angioplastie der A. carotis im
Preis den eventuellen Vorteil rechtfertigt, ist wissen- Bereich der Gefäßlazeration platziert und nach Frei-
schaftlich noch nicht vollständig geklärt. Den Ergeb- setzen kontrolliert (Abb. 6.5 a, b).
nissen der aktuellen SPACE-Studie (2006) zufolge, Ein Aneurysma spurium als mögliche Folge einer
scheint ein Vorteil für die Verwendung der Protek- Karotisdissektion kann mit einem engmaschigen
tionssysteme bei sehr ausgeprägten höchstgradigen Stent („closed web“) oder ebenfalls mit einem ge-
Stenosen vorzuliegen. Die Wahl zwischen Ballon- coverten Stent versorgt werden (Abb. 6.6 a–c). Es
okklusion, Filter oder proximaler Okklusion liegt muss bei der Sondierung darauf geachtet werden,
aufgrund der fehlenden Studienlage im Ermessen dass der Draht ausschließlich im wahren Lumen ver-
des Ausführenden. Großlumige proximale Protek- läuft. Dafür empfiehlt sich nach der Drahtpassage
tionssysteme mit Flussumkehr in der A. carotis inter- eine Kontrollangiographie des weiter distal gelege-
na durch temporäre Okklusion von A. carotis com- nen Gefäßabschnitts z. B. über einen Mikrokatheter,
munis und A. carotis externa sollen dabei Embolie- um eine potenziell subintimale Passage zu erkennen.
schutz vor der Stenosepassage bieten. Distale Protek- Eine Dissektion der A. carotis kann spontan, trau-
tionssysteme haben den Vorteil kleiner Durchmesser matisch oder iatrogen bedingt auftreten. Als Thera-
und sind häufig einfacher zu handhaben, erfordern pie kann neben der Antikoagulation ebenfalls eine
jedoch eine Passage der Stenose mit dem Risiko einer Stentimplantation diskutiert werden, wenn die Dis-
Embolisation. sektion zu einer hämodynamisch relevanten bzw.
symptomatischen Einengung des Lumens führt.
6.5 Arteria carotis 359
a b c
Abb. 6.6 a–c. a Aneurysma spurium und hochgradige Stenose 22 mm langen Kobaltstents mit engem Maschenwerk („closed
bei einer 35-jährigen Patientin infolge einer Dissektion der cell“) auf Höhe des Aneurysmas. Behebung der Stenose und
A. carotis interna rechts. b Nach Drahtpassage (0,014 Zoll) Do- deutlich verminderte Perfusion des Aneurysmas nach Stent-
kumentation der intravasalen Lage über einen Mikrokatheter implantation
(1,9 French). c Implantation eines 6 mm durchmessenden und
Akzeptable
Komplikationsrate
Symptomatische Stenosen
(Amaurosis fugax, TIA,„minor stroke“)
70–99% Stenose <6%
50–69% Stenose <6%
Asymptomatische Stenosen
60–99% Stenose <3%
60–99% Stenose + <5% Abb. 6.7. Bestimmung des Stenosegrades der A. carotis nach
kontralaterale Stenose >75% NASCET und nach ECST: Der lokale Stenosegrad entspricht
Eckstein 2004 (Z-Y)/Y×100% (ECST). Der distale Stenosegrad (NASCET)
berechnet sich (X-Y)/X× 100%
360 Kapitel 6 Supraaortale Gefäße
a b
Abb. 6.8 a,b. a Hochgradige kurzstreckige Stenose der linken langen medikamentenfreisetzenden (Taxol) ballonexpandier-
A. carotis interna auf Höhe des Eintritts in die Schädelbasis bei baren Koronarstents. Nach Implantation keine relevante Resi-
einem 55-jährigen, unter Antikoagulation symptomatischen dualstenose
Patienten. b Implantation eines 3 mm durchmessenden, 20 mm
Stents für intrakranielle Stenosen müssen klein sein geführt, die unter optimaler medikamentöser Thera-
und wegen des geschlängelten Gefäßverlaufs, z. B. pie rezidivierend symptomatisch werden.
des Karotissyphons, weiche Trägersysteme besitzen.
Hierzu werden spezielle Neurostents oder Koronar- Ergebnisse
stents verwendet. Inwieweit medikamentenbeschich- Die Erfolgsrate bei der Behandlung intrakranieller
tete („drug-eluting“) Stents Vorteile bringen, ist Stenosen beträgt etwa 90%. Die Schlaganfallrate im
aktuell nicht belegt. Zur Vermeidung einer mög- ersten Jahr nach Intervention schwankt zwischen
lichen Überdeckung kleinerer perforierender Gefäße 0–7%, die Restenoserate variiert zwischen 0–30%.
sollte der Stent die Stenose nur gering überragen. Damit kann das Risiko, einen Schlaganfall zu erlei-
Die periinterventionelle Thrombozytenaggregations- den, im Vergleich zur reinen medikamentösen Thera-
hemmung und Antikoagulation werden analog zur pie vermindert werden. Komplikationen der Angio-
Behandlung der extrakraniellen A. carotis interna plastie der intrakraniellen Gefäße sind Gefäßruptur,
durchgeführt (vgl. Tabelle 6.1). Dissektion, Stentthrombosen und Reperfusions-
blutungen. Die 30-Tage-Todes- und -Schlaganfallrate
Indikation beträgt 0–30% (Connors u. Wojak 1999; DeRoche-
Grundsätzlich sollten vor einer interventionellen Be- mont 2004 et al.; Gomez et al. 2000; Levy et al. 2003;
handlung intrakranieller Stenosen die medikamen- Lylyk et al. 2002; Mori et al. 2000; SSYLVIA 2004).
tösen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wer-
den. Die optimale medikamentöse Therapie ist um-
stritten, verwendet werden verschiedene Thrombo- Literatur
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Die Indikation für eine stentgestützte Angioplastie Albuquerque FC, Fiorella D, Han P et al. (2003) A reappraisal of
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der intrakraniellen Gefäßstenosen besteht bei Pa- stenosis. Neurosurgery 53: 607–616
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Merke ! In der Regel wird die stentgestützte
Angioplastie der intrakraniellen Ge-
144
Bates M, Broce M, Lavigne SP, Stone P (2004) Subclavian artery
fäße bei Patienten mit hochgradiger Stenose durch- stenting: factors influencing long-term outcome. Catheter
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362 Kapitel 6 Supraaortale Gefäße
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Thorakale und abdominale Aorta 7
G. Luska
7.1
7.2
Thorakale Aorta 363
Abdominale Aorta 371
Merke ! Die MSCT erlaubt eine multiplanare
hoch auflösende Gefäßdarstellung
7.3 Ausblick 377 von den supraaortalen Arterien bis zur A. femoralis
Literatur 378 communis in einer Atemanhaltephase und ist die
beste Modalität zur Planung eines Noteingriffs bei
hämodynamisch instabilen Patienten.
Tabelle 7.1. 30-Tage-Mortalität: offene Chirurgie vs. endovaskuläre Stent-Graft-Behandlung der thorakalen Aorta. (Nach Garzon
et al. 2005)
∑ Durchmesser der Aorta proximal und distal der messer der Aorta proximal und distal der Läsion für
Läsion, arteriosklerotische Aneurysmen 15–20% und bei
∑ Beschaffenheit der Aorta proximal und distal der allen anderen 10–15% überschreiten („oversizing“).
Läsion (Thromben, Verkalkungen), Dies gilt auch bei einer Stentüberlappung, wenn die
∑ Durchmesser und Beschaffenheit der Beckengefä- verfügbare Stentlänge zur Überbrückung der Läsion
ße und abdominalen Aorta (Durchmesser, Kinking, nicht ausreicht. Die sichere Verankerung des Stent-
Torsionen,Verkalkungen, Stenosen, Thromben). Grafts hat mindestens 15 mm einer normal kalibrier-
ten, Thrombus- und Plaque-freien Zirkumferenz im
Bereich der proximalen (A. subclavia) und distalen
Maße (Truncus coeliacus) Verankerung zur Voraussetzung.
Gemessen werden die Länge der zu überbrückenden Ist nicht genügend Platz für eine sichere Veranke-
Läsion und der Durchmesser der Aorta im Bereich rung distal der A. subclavia vorhanden, kann der
der geplanten Stent-Graft-Verankerung (Abb. 7.1). Stent-Graft auch proximal dieses Gefäßes abgesetzt
Messungen sollten möglichst mit einem Computer- werden. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Ver-
programm zur automatischen Gefäßanalyse durch- tebralarterien frei durchgängig sind, um eine verte-
geführt werden. Damit lassen sich Fehler bei der Pla- brobasiläre Ischämie zu vermeiden. Tritt eine Ischä-
nung des Stent-Graft-Durchmessers und seiner Län- mie des linken Arms auf, kann sekundär die Revas-
ge vermeiden (Abb. 7.2 a, b). kularisation mit Hilfe einer Bypassoperation vorge-
nommen werden. Ist auch eine Verankerung des
Fixierung Stent-Grafts proximal des Truncus coeliacus nicht
Zur optimalen Fixation der Stent-Grafts sollte der möglich, kann dieser nach einer Bypassoperation
Durchmesser des Stents verglichen mit dem Durch- überbrückt werden.
7.1 Thorakale Aorta 365
Stent-Graft-Systeme
Kommerziell werden unterschiedliche Stent-Graft- Merke ! Optimale Durchleuchtungsbedingun-
gen sind für eine erfolgreiche Implan-
Systeme angeboten (Tag®, Gore; TX1®, Cook). Mit tation Voraussetzung, daher bevorzugen wir die Im-
weltweit über 35.000 Implantationen liegen die größ- plantation in einem Angiographieraum.
ten Erfahrungen mit dem System der Firma Medtro-
nic (Talent®, Valiant®) vor, das seit Jahren ständig In der Regel wird die rechte A. femoralis communis
verbessert worden ist. Dabei handelt es sich um ein als Zugang gewählt, bei Hindernissen in der rechten
selbstexpandierendes modulares Endograft-System, Beckenstrombahn wird auf die Gegenseite ausge-
das aus Nitinolstreben und einer Polyesterummante- wichen. Der Zugang kann durch ein zu enges Kaliber,
lung besteht. Ein 15 mm langes nichtummanteltes Schlängelungen oder Kinking der Beckengefäße
Segment mit offenen Federn am proximalen und limitiert sein. Falls die Sondierung über die Becken-
oder distalen Ende erlaubt die Verankerung auch gefäße nicht gelingt, kann die Einführung des Sys-
über wichtigen von der Aorta abgehenden Gefäßen tems nach Laparotomie über einen in die infrarenale
(z. B. A. subclavia; Abb. 7.3). Bauchaorta eingenähten Graft ermöglicht werden.
Wir schieben nach Punktion der rechten A. bra-
Implantationstechnik chialis grundsätzlich einen Angiographiekatheter
Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose nach üblicher Auf- (5 French) in die thorakale Aorta, um unter laufender
klärung, die auch die Möglichkeit der Konversion zur angiographischer Kontrolle den Stent aus dem Ein-
Operation beinhalten sollte, in einem radiologisch- führsystem exakt freisetzen zu können. Bei Typ-B-
chirurgischen Team. Dissektionen ist es bei diesem Vorgehen darüber hin-
aus möglich, transbrachial mit einem langen Füh-
rungsdraht das wahre Lumen zu sondieren und aus
366 Kapitel 7 Thorakale und abdominale Aorta
a b
Abb. 7.4 a, b. Arteriosklerotisches Aneurysma der deszendie- fache Diskonnektion der Stent-Graft-Segmente mit Ausbil-
renden Aorta. a Nach Implantation von 2 überlappende Stent- dung von Endoleaks, die minimal-invasiv verschlossen werden
Grafts (5/1999). b Kontinuierliche Elongation der Aorta, mehr- konnten (11/2001)
a b c
Abb. 7.5 a, b. Patient von Abb. 7.4 a, b. Verlauf, seitliche Thoraxübersichtsaufnahmen. a 5/1999, b 8/2000, c 11/2001
쐍 Traumatische Aortenruptur. Hauptursache ist ein Die offene chirurgische Versorgung kann wegen
Dezelerationstrauma. In >80% der Fälle kommt es zu der zusätzlich vorliegenden komplexen Begleitverlet-
einer kompletten Aortenruptur. Die typische Lokali- zungen erschwert sein. Durch die minimal-invasive
sation liegt distal der Anheftung des Lig. Botalli. Stent-Graft-Implantation wird eine Senkung der
57–94% der Verletzten sterben am Unfallort oder Mortalitätsrate von 15–50% auf 0–20% angegeben
in der Notambulanz, 33% der unbehandelten Über- (Garzon et al. 2005).
lebenden versterben innerhalb von 24 Stunden.
368 Kapitel 7 Thorakale und abdominale Aorta
a b
c e
쐍 Traumatisches Pseudoaneurysma. Dieses kann sich Akute Typ-A-Dissektionen sind, um fatale Kompli-
nach einem stumpfen Thoraxtrauma durch einen kationen zu vermeiden (Hämatoperikard, Hämato-
Intimaeinriss meist im Aortenisthmus nach Mona- thorax, Einbeziehung des Klappenrings oder der Ko-
ten und Jahren entwickeln. Die Pseudoaneurysmen ronararterien),sofort zu operieren.Bei einigen Patien-
sind hervorragend zur Behandlung mit einem ten mit Intimaeinrissen in der Aorta descendens kann
Stent-Graft geeignet. Bei den meisten Patienten der Bogenersatz mit einem endoluminalen Stent-Graft
schrumpft das Hämatom im Aneurysmasack und bil- kombiniert werden. Das distale Ende des chirurgisch
det sich innerhalb eines Jahres vollkommen zurück implantierten Grafts („elephant trunk“) ragt gewöhn-
(vgl. Abb. 7.7 a–e). lich in das falsche Lumen, da das wahre Lumen säbel-
scheidenartig vom falschen Lumen komprimiert wird.
쐍 Mykotisches Aneurysma. Nichtoperierte mykotische Ein Stent-Graft, der minimal-invasiv retrograd in das
Aneurysmen neigen generell zur Ruptur. Eine Be- distale Ende des Grafts („elephant trunk“) eingeführt
handlung mit Stent-Grafts ist mit dem Risiko einer worden ist, leitet den Blutstrom in das wahre Lumen
Graft-Infektion belastet. Bei Patienten in schlechtem um. Das nicht mehr perfundierte falsche Lumen ver-
Allgemeinzustand kann man jedoch durch die Im- schließt sich in vielen Fällen spontan.
plantation Zeit bis zu einer chirurgischen Versorgung Bevorzugte Behandlungsmethode der einfachen
gewinnen. Die Stent-Graft Implantation kann aber Typ-B-Dissektion ist eine konservative internistische
auch die definitive Behandlung sein (Lange et al. Therapie. Komplizierte Formen mit fortschreitender
2005). Dissektion, drohender Ruptur, Endorganischämie,
persistierenden Schmerzen oder refraktärem Hyper-
쐍 Intramurales Hämatom. Dieses ist charakterisiert tonus erfordern einen Noteingriff. Die Mortalitäts-
durch eine Hämatomformation nach Spontanruptur rate eines chirurgischen Eingriffs wird mit 35% und
der Vasa vasorum in der Lamina media ohne Intima- bei Vorliegen einer Endorganischämie mit 50% ange-
einriss. Die Mortalitätsrate liegt innerhalb von 3 Mo- geben. Die endoluminale Stent-Graft-Implantation
naten nach Eintritt dieses Ereignisses bei 19% hat sich als eine vergleichsweise komplikationsarme
(Garzon et al. 2005). Das intramurale Hämatom wird Alternative erwiesen. In den meisten Mitteilungen
als eine mögliche Ursache für die Ausbildung einer wird über eine 30-Tage-Mortalitätsrate um 10% be-
Aortendissektion angesehen, wenn ein sekundärer richtet (Garzon et al. 2005).
Intimaeinriss eintritt. Asymptomatische Patienten Der Verschluss des Entrys kann bei der akuten Dis-
können beobachtet werden. sektion zu einer vollkommenen Rückbildung des fal-
Eine Behandlung ist bei auftretenden Komplika- schen Lumens führen, in chronischen Fällen mit par-
tionen, wie persistierendem Schmerz, Ulkusbildung, tieller Thrombose des falschen Lumens zur sekundä-
progressiver Wandverdickung oder drohender Rup- ren Thrombose und Schrumpfung des noch durchblu-
tur, erforderlich. Symptomatische Läsionen in der teten Anteils. Werden einige der großen abdominellen
deszendierenden Aorta sind zur Stent-Graft-Behand- Gefäße über das falsche Lumen perfundiert, können
lung gut geeignet. nach Verschluss des Entrys viszerale und/oder retro-
peritoneale Ischämien auftreten. In diesen Fällen sind
쐍 Aortendissektion. Die typische Aortendissektion zusätzliche interventionelle Eingriffe wie Ballonfenes-
ist Folge eines Intimaeinrisses, wodurch Blut in tration der Dissektionsmembran, Stentimplantatio-
die Media gelangt und 2 Lumina entstehen, ein nen in die betroffenen Viszeral-, Retroperitoneal- oder
wahres und ein oder mehrere falsche. Dissektionen Beckenarterien oder Aortenstents erforderlich (Cha-
der Aorta ascendens oder des Aortenbogens ohne van et al. 2000; Abb. 7.7 a–e).
oder mit Beteiligung der deszendierenden Aorta
werden als Standford A klassifiziert und Dissektio- Ergebnisse
nen, die jenseits der linken A. subclavia beginnen, als In Tabelle 7.2 sind die Ergebnisse einer Metaanalyse
Standford B. von Eggebrecht et al. (2006) über 605 Patienten mit
einer Typ-B-Dissektion zusammengestellt.
Merke ! Vor jedem aktiven Eingreifen müssen
Ausdehnung des wahren und falschen Komplikationen
Lumens, Lokalisation von Entry und Reentry,Abgang (Siehe auch endovaskuläre Therapie des Bauchaor-
der großen Gefäße vom wahren oder falschen tenaneurysmas).
Lumen, Ausdehnung des falschen Lumens auf die Die Komplikationsrate ist relativ gering, viele von
Beckengefäße sowie deren Durchmesser geklärt ihnen können mit minimal-invasiven Techniken kor-
sein. rigiert werden.
370 Kapitel 7 Thorakale und abdominale Aorta
a b
c d
Tabelle 7.2. Ergebnisse einer Metaanalyse von Patienten mit system des Stent-Grafts zu passieren, kann zu Dissek-
Typ-B-Dissektion, die minimal-invasiv behandelt worden wa- tionen oder Ruptur der Beckengefäße führen. Steno-
ren. (Nach Eggebrecht et al. 2006)
sen können evtl. durch Dilatation passierbar gemacht
Typ-B-Dissektionen 605 Patienten werden. Schwerwiegende Verletzungen erfordern
eine operative Revision.
Schwerwiegende Komplikationen 11,1±1,4%
Neurologische Komplikationen 2,9±0,7% 쐍 Stent-Graft-Fehlplatzierungen. Zu Fehlplatzierun-
davon Schlaganfall 1,9±0,6% gen kann es kommen, wenn der Blutdruck während
davon Paraplegie 0,8±0,4%
des Freisetzens vom Stent-Graft zu hoch ist, der
30 Tage Mortalität 5,3±0,9%
(bei akuten Dissektionen höher Stent-Graft während der Anmodellierung mit dem
als bei chronischen) Ballonkatheter disloziert oder bei sehr ausgeprägter
Überlebensrate (Kaplan-Meier) Angulation des Artenbogens eine Knickbildung im
nach 6 Monaten 90,6±1,6% Einführsystem auftritt und daraus Probleme bei der
nach 12 Monaten 89,9±1,7% Freisetzung resultieren. Bei insuffizienter Ausschal-
nach 24 Monaten 88,8±1,9% tung des Aneurysmas kann eine Extension durch die
überlappende Implantation eines weiteren Stent-
Grafts gelingen.
durch Parodi und Mitarbeiter (1991) sind zahlreiche dem Messfehler vermieden werden können (vgl.
Studien über diese Behandlungsmethode EVAR Abb. 7.10 b; s. auch thorakale Aortenaneurysmen).
(„endovascular abdominal aortic aneurysm repair“) Messpunkte sind aus der Schemazeichnung zu ent-
veröffentlicht worden (Blankensteijn et al. 2005; Blum nehmen (Abb. 7.8). Wie bei thorakalen Aortenaneu-
et al. 1996; EVAR Trial Participants 2005; Pitton et al. rysmen gilt eine Überdimensionierung der Stent-
2003; Torsello et al. 2006; Umscheid et al. 2003). Grafts im Bereich der proximalen und distalen Ver-
Die Vorteile der endovaskulären Therapie ge- ankerung von 15–20%.
genüber der offenen Operation bestehen in der Ver-
ringerung der Risiken, die mit einer Laparotomie Stent-Graft-Systeme
verbunden sind, wie Klemmschäden, Blutverlust, Zur Zeit sind kommerziell die Systeme Anaconda®
Bauchwandhernien,Verkürzung der Rekonvaleszenz. (Vascu Tek), Excluder® (Gore), Talent® (Medtronic)
Randomisierte Studien, welche die konventionelle und Zenith® (Cook) erhältlich. Die größten Lang-
und endovaskuläre Behandlung des abdominellen zeiterfahrungen liegen mit dem Talent® System vor
Aortenaneurysmas (AAA) miteinander verglichen (s. auch thorakale Aorta).
haben, bestätigen für EVAR eine deutliche Verlänge-
rung des Kurzzeitüberlebens, eine geringere Rate Implantationstechnik
systemischer Komplikationen, geringeren Blutverlust Empfehlenswert ist es, den Eingriff in Vollnarkose –
und kürzere Hospitalisierung. Periduralanästhesie oder Lokalanästhesie und Anal-
gosedierung erscheinen möglich – wegen der günsti-
Patientenauswahl und Limitationen gen Durchleuchtungs- und Dokumentationsmög-
Die Selektion von Patienten sollte mit den Gefäß- lichkeiten im Angiographieraum vorzunehmen.
chirurgen gemeinsam vorgenommen werden. Ein- Wir schieben nach Punktion der rechten oder lin-
und Ausschlusskriterien müssen sorgsam und indi- ken A. brachialis grundsätzlich einen Pigtail-Kathe-
viduell ausgewogen festgelegt und mit dem Patienten ter in die Bauchaorta, um den Stent unter fortlaufen-
abgestimmt werden. der angiographischer Kontrolle exakt absetzen zu
Objektive Limitationen hängen von den anatomi- können. Darüber hinaus ist es möglich, wenn Schwie-
schen Gegebenheiten, der morphologischen Beschaf- rigkeiten bei der Sondierung des kurzen Prothesen-
fenheit der Gefäße und der Verwendung des bevor- schenkels auftreten, an den das zweite Bein noch an-
zugten Implantationssystems ab. zusetzen ist, dieses in einem Durchzugsverfahren
Im Allgemeinen sind Voraussetzung: aufzufädeln.
Nach Arteriotomie beider Leistenarterien verab-
∑ ein infrarenaler Aneurysmahals von mindestens
reichen wir 5000 IE Heparin und legen über Schleuse
15 mm ohne relevante Thrombose oder Verkal-
und Führungsdraht einen Pigtail-Katheter zur An-
kung,
giographie der distalen Bauchaorta ein. Wegen des
∑ geringes Kinking von Aneurysmahals und -sack,
größeren Durchmessers des Schleusensystems er-
∑ Durchgängigkeit der A. mesenterica superior,
folgt die Implantation des Prothesenhauptkörpers
∑ ein 15 mm langes normal kalibriertes Segment
grundsätzlich über die kaliberstärksten Beckenge-
oberhalb des Abgangs der A. iliaca interna min-
fäße mit den geringsten morphologischen Verände-
destens einer A. iliaca communis,
rungen.
∑ ausreichende Durchmesser der Beckengefäße in
Falls erforderlich muss bevor das System einge-
Abhängigkeit vom Implantationsbesteck,
führt wird die Dilatation relevanter Stenosen paarer
∑ nur moderates Kinking der Beckengefäße und der
oder unpaarer Arterien der Bauchorgane oder die
infrarenalen Bauchaorta.
Embolisationen möglicher Feeding-Arterien z. B. der
A. mesenterica inferior oder, wenn das Aneurysma in
Diagnostik eine A. iliaca externa hineinreicht, der gleichseitigen
Zur präinvasiven Diagnostik ist die MSCT die Metho- A. iliaca interna vorgenommen werden, um einer
de der Wahl. Sie ermöglicht eine multiplanare hoch- retrograden Perfusion des Aneurysmas vorzubeugen.
auflösende Gefäßdarstellung zur Beantwortung aller Über einen Pigtail-Katheter wird ein steifer Füh-
relevanten Fragestellungen. Neben den Selektions- rungsdraht mit seinem weichen Ende bis in den tho-
kriterien können auch erschwerende Befunde erfasst rakolumbalen Übergang geschoben und über diesen
werden, wie Stenosen der A. mesenterica superior, der Prothesenhauptteil zunächst gering oberhalb der
der Nierenarterien, akzessorische Nierenarterien Nierenarterien platziert. Nach Freisetzen des proxi-
und die Durchgängigkeit der A. mesenterica inferior. malen Drittels ziehen wir diesen unter fortlaufender
Die Standardmessungen zur Auswahl des Stent- Kontrastmittelinjektion über den Brachialiskatheter
Grafts sollten mit einem Programm zur auto- in die Idealposition zurück.
matischen Gefäßanalyse vorgenommen werden, mit
7.2 Abdominale Aorta 373
a b c
Abb. 7.9 a–c. Infrarenales BAA. a Darstellung des perfun- Federn liegen über den Nierenarterien (MIP). c Volume-rende-
dierten Lumens in der MIP, thrombosierter Aneurysmasack ring-Darstellung. A. mesenterica inferior mit Spiralen emboli-
in der MIP nicht erkennbar. b Bifurkationsprothese, offene siert
374 Kapitel 7 Thorakale und abdominale Aorta
a b
c d
Abb. 7.10 a–e. Zustand nach konventioneller Operation eines mal-invasiver Implantation eines Stent-Grafts. c Angiographie
infrarenalen Bauchaortenaneurysmas mit Einsetzen einer nach Implantation, das Aneurysma ist ausgeschaltet. d 3D-Re-
Rohrprothese. a Entwicklung eines Leaks an der proximalen konstruktion. e Axiale CT, Nachweis eines kleinen Endoleaks
Anastomose viele Jahre später. b Messangiographie vor mini- Typ 1
7.2 Abdominale Aorta 375
Wir haben mit wenigen Ausnahmen Prothesen- Tabelle 7.3. Ergebnisse 9 Jahre EVAR mit 10 verschiedenen
körper mit freien Federn („bare springs“) verwendet Systemen bei 759 Patienten, davon 745 infrarenal. (Umscheid
et al. 2003)
und diese über die Nierenarterien gelegt.
Nach Sondierung des kontralateralen Prothesen- Primäre Ausschaltung Zwischen 88 und 93%a
schenkels wird das nicht an den Hauptkörper fixierte Primäre Konversion Zwischen 2 und 0,5%a
Bein angedockt. Perioperative Mortalität Zwischen 4,4 und 2,6%a
Sekundäreingriffe 30%
Greift das Aneurysma oder die Ektasie der Be- Typ-2-Leaks 9%
ckengefäße einseitig auf die A. iliaca externa über, ist
a Differenziert nach Lernkurve.
es möglich, den Prothesenschenkel zu verlängern,
vorausgesetzt, dass auf der Gegenseite die A. iliaca
interna offen ist.
Wenn die biiliakale Implantation von Stent-Grafts ventionen. Die Vorteile der endovaskulären Therapie
aus morphologischen Gründen nicht durchführbar gegenüber der offenen Operation werden durch
ist, können monoiliakale Prothesen auf der thera- Komplikationen in der perioperativen Phase ge-
pierbaren Seite eingesetzt werden. Bei dieser Technik schmälert, und es besteht Unsicherheit über Lang-
muss die kontralaterale A. iliaca communis mit ei- zeitergebnisse, seit über Aneurysmarupturen, Graft-
nem Okkluder verschlossen werden, um die retro- Migration und Separation modularer Elemente be-
grade Füllung des Aneurysmasackes zu verhindern. richtet worden ist (Hobo et al. 2006; Mita et al. 2000).
Zur Vermeidung einer Ischämie der ausgeschalteten Diese Komplikationen sind in erster Linie bei der
Extremität ist ein femorofemoraler Querbypass noch Verwendung der ersten noch unausgereiften Systeme
in derselben Sitzung erforderlich. und bei infrarenaler Verankerung beobachtet worden
Im Durchschnitt beträgt die Dauer der Implanta- (Buth et al. 2000).
tion 2 Stunden mit einer Durchleuchtungszeit von In vielen Studien ist dokumentiert, dass die peri-
etwa 20 min (Abb. 7.9 a–c, Abb. 7.10 a–e). operative Morbidität für EVAR niedriger liegt als bei
offenen Operationen (Rupert et al. 2005).
Verlauf In Tabelle 7.3 sind die Neunjahresergebnisse einer
Nach der Implantation entwickelt sich in der Regel unizentrischen Studie nach Implantation von endo-
ein Postimplantationssyndrom mit leichtem Fieber, vaskulären Aortenprothesen mit 10 verschiedenen
Rückenschmerzen, milder Leukozytose, und Anstieg Systemen wiedergegeben (Umscheid et al. 2003).
des C-reaktiven Proteins. Dieses erfordert normaler- Ein Unsicherheitsfaktor für die Bewertung endo-
weise keine Behandlung und klingt 1–2 Wochen nach vaskulärer Eingriffe ist das Fehlen von Langzeiter-
Implantation wieder ab. gebnissen.
Als medikamentöse Prophylaxe erhält der Patient Torsello und Mitarbeiter (2006) haben eine retro-
über einen Monat 75 mg Ticlopedin und als Dauer- spektive multizentrische Studie über 165 Patienten
therapie 100 mg Acetylsalicylsäure. publiziert, bei denen vor dem Ende des Jahres 1998
ein Talent®-Stent-Graft implaniert worden war, der
Verlaufskontrollen Eingriff also mindestens 5 Jahre zurücklag.
Vor Beendigung des Eingriffs sollte angiographisch Die Überlebensrate lag:
das Ergebnis kontrolliert werden,um die Perfusion ins-
∑ nach einem Jahr um 95%,
besondere der Nierenarterien und der A. iliaca interna,
∑ nach 2 Jahren um 90%,
welche durch den Stent-Graft verschlossen werden
∑ nach 5 Jahren um 80%,
können, zu dokumentieren. Üblich sind CT-Angiogra-
∑ nach 7 Jahren um 75%.
phien vor der Entlassung, nach 3, 6, 12 Monaten und
danach jährlich in der arteriellen und spätarteriellen Patienten klassifiziert als ASA Grad IV hatten eine
Phase, in der Leaks infolge der protrahierten Kontrast- signifikant geringere Überlebensrate als Patienten
mittelakkumulation verzögert sichtbar werden kön- der Klassen II und III. Die Inzidenz für ein reinter-
nen. Um Stent-Graft-Migration und Brüche des metal- ventionsfreies Intervall lag bei
lischen Stützapparates zu erkennen, müssen zusätzlich
∑ 95% nach einem Jahr,
Abdomenübersichtsaufnahmen angefertigt werden.
∑ 80% nach 3 Jahren,
∑ 75% nach 7 Jahren,
Ergebnisse
Die Zweijahresergebnisse der EVAR-Trial-1-Studie >(alle Zahlen kalkuliert nach Kaplan-Meier).
(2005) und DREAM-Studie (Blankensteijn et al. 2005) In dieser multizentrischen Studie schrumpfte das
zeigten eine geringere aneurysmabedingte Mortali- Aneurysma bei knapp 2/3 der Patienten, nur Endo-
tätsrate bei endovaskulärer Therapie, aber eine leaks wiesen eine signifikante Korrelation mit einem
größere Zahl von Komplikationen und Reinter- Größenwachstum auf.
376 Kapitel 7 Thorakale und abdominale Aorta
Misserfolge und Komplikationen gesamt 2617 Fällen analysiert. Bei Entlassung und
nach 30 Tagen betrug die Inzidenz 6–17%, nach
쐍 Endoleaks. Endoleaks sind die häufigsten Kompli- 6 Monaten 4,5–8% und nach einem Jahr 1–5%. Die
kationen. Hälfte der Leaks verschlossen sich innerhalb eines
Derzeit werden 5 Typen von Endleaks unterschie- Jahres spontan. Sie folgern aus ihrer Analyse, dass
den: eine Intervention erfolgen sollte, wenn sich das
Aneurysma nach einem halben Jahr vergrößert,
∑ Typ 1: Leckaschen an der proximalen oder dista-
länger als 12 Monate ohne Größenzunahme per-
len Verankerung des Stent-Grafts,
sisiert oder der Druck im Aneurysmasack 20% über
∑ Typ 2: Leckaschen durch Kollalateralarterien,
dem systolischen Blutdruck liegt.
∑ Typ 3: Leckagen durch Defekte des Stent-Grafts,
Endoleaks vom Typ 3 lassen sich vielfach interven-
∑ Typ 4: Leckagen durch Materialporosität,
tionell durch Einsetzen eines zusätzlichen Stent-
∑ Typ 5: Endotension.
Grafts in den Stent verschließen. Ist dies nicht mög-
Typ-1-Endoleaks führten nach Auswertung von 2864 lich muss eine Operation durchgeführt werden.
Patienten, die mit neueren nach dem Jahr 1999 verfüg- Endleaks vom Typ 4 spielen klinisch keine Rolle, da
baren Systemen behandelt worden waren, mit einer sich die Durchlässigkeit des Materials auf sehr kurze
Häufigkeit von 33% zu einer Konversionsoperation Zeit beschränkt.
und 17% zu transfemoralen Interventionen (Hobo et Als Typ-5-Endoleaks werden bereits thrombosier-
al. 2006). Sie resultieren aus inkompletter Anheftung te Leckagen beschrieben, die mit einem erhöhten
der Stent-Grafts im Bereich der proximalen oder dista- Druck im Aneurysmasack (Endotension) einherge-
len Fixierung, sind Folge einer zu kurzen, ulzerierten hen. Auf die Endotension werden die Größenzunah-
oder irregulären Verankerungszone, eines zu kurzen me des Aneurysmasackes und die Ruptur ohne Stent-
Stent-Grafts oder eines zu gering gewählten Prothesen- Graft-Migration oder Nachweis eines Endoleaks zu-
durchmessers („oversizing“). Sie können aber auch rückgeführt (Pitton et al. 2003, 2005).
entstehen, wenn Probleme beim Freisetzen des Stent-
Grafts die exakte Positionierung erschweren. Sekundär 쐍 Migration. Eine Migration führte nach Auswer-
können sie auftreten, wenn im Verlauf der Erkrankung tung von 2864 Patienten, die mit neueren nach dem
eine Durchmesserzunahme des Aneurysmahalses ein- Jahr 1999 verfügbaren Systemen behandelt worden
tritt. Besteht ein genügend langer Hals in der Veranke- waren, mit einer Häufigkeit von 16% zu einer Kon-
rungszone lassen sie sich in derselben Sitzung oder in versionsoperation und 14% zu transfemoralen Inter-
einem Zweiteingriff mit einer Manschette verschlie- ventionen (Hobo et al. 2006). Die Migration eines
ßen. Ist dies nicht möglich, erfordert diese Leckage Stent-Grafts kann eintreten, wenn der proximale Pro-
eine operative Revision (vgl. Abb. 7.4 b). thesendurchmesser zu gering gewählt wurde („over-
Kontrovers wird die Auswirkung von Endleaks sizing“), wenn der Hals des Aneurysmas zu kurz ist,
vom Typ 2 durch retrograde Perfusion über Kollalat- wenn eine ungünstige Morphologie der Veranke-
eralarterien diskutiert. Gelfand et al. (2006) haben rungszone besteht oder wenn sich der Prothesenhals
den klinischen Verlauf von 10 EVAR-Studien mit ins- im Verlauf ausweitet (Abb. 7.11 a, b).
a b
7.3 Ausblick 377
und Langzeitergebnisse zu erzielen. Der Weg zu die- Garzon G, Fernandez-Velilla M, Marti M, Acitores I, Ybanez F,
sen Zielen wird über viele kleinere und größere Inno- Riera L (2005) Endovascular stent-graft treatment of tho-
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왔 Fensterung zur Einbeziehung wichtiger Seiten- for thoracic and abdominal aortic aneurysm: an imaging
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Abdominelle Gefäße 8
8.1 Ätiologie
Nierenarterien Signifikante Verengungen der Nierenarterie können
vielfältige Ursachen haben. So können Strahlenschä-
den im Rahmen einer abdominellen Radiatio genau-
M. Uder, M. Heinrich so zur Stenose führen wie eine Dissektion der Aorta,
8.1.1 Behandlung der Nierenarterienstenose 379
eine Neurofibromatose oder eine Arteriitis. Der über-
8.1.2 Zentraler und peripherer Verschluss wiegende Teil der Nierenarterienstenosen wird aber
von Nierenarterien 386 durch die fibromuskuläre Dysplasie oder die Arterio-
Literatur 392 sklerose hervorgerufen. Diese beiden Ursachen kön-
nen für ungefähr 95% aller relevanten Verengungen
der Nierenarterie verantwortlich gemacht werden
8.1.1 (Matsumoto 1998).
Behandlung der Nierenarterienstenose
Fibromuskuläre Dysplasie
Die fibromuskuläre Dysplasie tritt meist bei jüngeren
Die endovaskuläre Therapie der Nierenarterienste- Frauen auf und betrifft in ungefähr 2/3 der Fälle beide
nose hat die operativen Verfahren der Revaskularisa- Nierenarterien. Als häufigster histologischer Subtyp
tion weitgehend verdrängt und gilt als einer der findet sich in etwa 85% aller dysplastischen Nieren-
Wachstumsbereiche innerhalb der interventionellen arterien eine Fibroplasie der Media. Dabei führt eine
Radiologie. Dabei wird aber die Sinnhaftigkeit des exzessive Akkumulation von fibrösem Bindegewebe
Verfahrens gerade in der Konkurrenz zu modernen zur Bildung membranartiger Stenosen, so genannter
medikamentösen Ansätzen zur Behandlung der Hy- „Webs“. Diese Stenosen wechseln mit Regionen, in
pertonie und der Niereninsuffizienz immer wieder denen die Media verschmälert ist und die Gefäße eine
infrage gestellt. Sicher profitiert nicht jeder Patient aneurysmatische Dilatation zeigen. Daraus resultiert
von einer Therapie seiner Nierenarterienstenose, das für diesen histologischen Typ charakteristische
aber ganz sicher ist die Behandlung nicht in jedem „gänsegurgelartige“ Bild. Diese Form der fibromusku-
Fall sinnlos. Die Entscheidung zur Behandlung und lären Dysplasie betrifft in der Regel die medialen und
die Kontrolle des Therapieerfolgs erfordert eine ge- distalen Abschnitte der Nierenhauptarterie. Die Er-
naue Kenntnis der Therapiemöglichkeiten und ihrer krankung erstreckt sich bei 25% der Patienten aber
Erfolgsaussichten, der Symptomatik des Patienten auch auf die Segmentarterien erster Ordnung.
sowie der pathophysiologischen Zusammenhänge Für die Fibroplasie der Media wird eine Progres-
zwischen Nierenarterienstenose und renaler Hämo- sionsrate von 12–66% beschrieben, wobei ein Fort-
dynamik. schreiten bis zur kompletten Okklusion des Gefäßes
sehr selten ist. Eine weitere Spielart der dysplasti-
Merke ! Die Indikation zu einer Ballondila-
tation oder Stenttherapie sollte von
schen Nierenarterien ist die Fibroplasie der Intima,
die durch eine Hyperplasie der Intima gekenn-
der Ursache und Ausprägung der Stenose ebenso be- zeichnet ist. Dieser Subtyp wird meist bei Kindern
einflusst werden wie von der Frage, ob die Stenose beobachtet und kann unbehandelt zu einer Nieren-
auch für die klinische Symptomatik des Patienten atrophie führen (Uder u. Humke 2003).
verantwortlich gemacht werden kann.
Arteriosklerotische Nierenarterienstenosen
Arteriosklerotische Nierenarterienstenosen sind meist
Manifestationen einer diffusen Erkrankung des Ge-
fäßsystems. Bei Patienten mit Manifestationen einer
380 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
a b
c d
Abb. 8.5. a, b. Höchstgradige Ostiumstenose der linken Irregularität. d Nach der Implantation eines ballonexpandier-
Nierenarterie bei einem 53 Jahre alten Mann mit medikamen- baren Stents ist die Stenose komplett beseitigt. Die Stentweite
tös nicht kontrollierbarer Hypertonie. c Nach der Ballondilata- wurde an den gesunden (prähilären) Gefäßdurchmesser und
tion verbleibt eine signifikante Stenose mit einer intimalen nicht an die poststenotische Dilatation angepasst
den sollte. Dies wird untermauert durch Studien, die Unterschied im klinischen Outcome zwischen den
zeigen, dass sich durch die primäre Stentimplanta- Patienten mit und ohne Stent nachgewiesen worden,
tion bei ostialen Stenosen die Offenheitsrate signifi- zum anderen gelten ungefähr 1/3 der Patienten
kant steigern und die Rate von Rezidivstenosen sen- aus den genannten Untersuchungen auch ohne den
ken lässt (Baumgartner et al. 2000; van de Ven et al. Stent nach 6–12 Monaten als ausreichend behandelt
1999). (Baumgartner et al. 2000; Van de Ven et al. 1999). Die-
Dennoch wird mit diesen Daten – nach unserer se Patienten wären mit dem Stent „übertherapiert“
Meinung – der Nutzen einer primären d. h. ohne vor- worden. Das ist insofern von Bedeutung, da die Stent-
angehende kurative PTA bzw. unabhängig vom PTA- implantation das Risiko von Komplikationen beim
Ergebnis durchgeführten Stentimplantation nicht endovaskulären Eingriff erhöht (Beek et al. 1997)
ausreichend belegt. Denn zum einen ist bislang kein und zumindest tendenziell selbst einen Grund für
8.1 Nierenarterien 385
Rezidivstenosen durch myointimale Hyperplasien ten, aber signifikanten Vorteil in der Behandlung
darstellen kann (Baumgartner et al. 2000). Sicher der arteriellen Hypertonie (Ives et al. 2003; Nord-
aber ist der Stent ein probates Mittel zur Behandlung mann et al. 2003).
von unzureichenden PTA-Ergebnissen und von Der Wert der Angioplastie von Nierenarterien-
Komplikationen einer Angioplastie. stenosen mit dem Ziel, eine arterielle Hypertonie zu
behandeln, kann gerade im Vergleich mit modernen
Einfluss auf die Symptomatik Antihypertensiva noch nicht abschließend beurteilt
쐍 Hypertonie. Es ist in vielen Studien belegt, dass die werden. Die vorliegenden Untersuchungen zeigen
Beseitigung hämodynamisch relevanter Stenosen aber, dass bei jungen Patienten, insbesondere mit
der Nierenarterie zu einer Besserung oder Heilung einer fibromuskulären Dysplasie, und bei Patienten,
der arteriellen Hypertonie führen kann. Der Erfolg deren Hypertonie mit Medikamenten nur schlecht zu
der Maßnahme hängt dabei aber nicht alleine vom kontrollieren ist, eine Intervention durchgeführt
Schweregrad der Stenose ab. So zeigt die Behandlung werden sollte.
von Stenosen bei der fibromuskulären Dysplasie eine
Heilung oder Besserung der Hypertonie in 41 bzw. 쐍 Nierenfunktion. Schwerwiegende Verengungen der
50% der Patienten mit kumulativen Erfolgsraten von extraparenchymalen Arterien können über eine
87% über 10 Jahre (Matsumoto 1998). Dagegen lässt chronische Ischämie zu einer atrophischen Nephro-
sich nach großen Sammelstatistiken bei Patienten pathie mit Niereninsuffizienz führen (Dean et al.
mit arteriosklerotischen Stenosen nur bei 11% eine 1991). Klinisch und auch ökonomisch stellt dies ein
Normotonie und bei 54% eine Besserung der Hyper- erhebliches Problem dar. So lässt sich z. B. bei 15–
tonie herbeiführen (Tegtmeyer et al. 1996). Auch die 27% der Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz
Einführung der Stenttherapie hat hier keine wesent- als Grund für die Dialysepflicht eine arterioskleroti-
liche Verbesserung der Ergebnisse gebracht. Große sche renovaskuläre Erkrankung vermuten (Mailloux
Single-center-Studien nach Stenttherapie der Nieren- et al. 1994; Scoble et al. 1989; Textor 1998).
arterienstenose zeigen bei 43 bzw. 71% der Patienten Ziel der interventionellen Behandlung der Nieren-
eine nachhaltige Blutdruckverbesserung über einen arterienstenose sollte es also sein, die Entwicklung
medianen Zeitraum von 24 bzw. 16 Monaten (Dorros einer Nephropathie mit progressivem Funktionsver-
et al. 1998; Lederman et al. 2001). lust zu verhindern.
Dabei scheinen Veränderungen der renalen Gefäß- Während Daten aus Beobachtungsstudien zeigen,
peripherie den Erfolg der Revaskularisation entschei- dass sich bei 30–50% der Patienten die Kreatininkon-
dend zu beeinflussen. So konnte in einer prospekti- zentration im Serum durch die PTA wirklich reduzie-
ven Untersuchung ein duplexsonographisch gemes- ren lässt, haben Analysen von randomisierten Unter-
sener Widerstandsindex (Resistance-Index) als Maß suchungen diesen positiven Effekt der PTA nicht be-
für die periphere Nephrosklerose identifiziert wer- stätigen können (Ives et al. 2003; Matsumoto 1998;
den und eine Korrelation dieses Parameters mit dem Nordmann et al. 2003). Allerdings sind in diesen Me-
Behandlungserfolg gezeigt werden. Danach korre- taanalysen ausschließlich Studien eingegangen, die
liert ein Resistance-Index <80, d. h. eine Abschwä- eine Hypertonietherapie zum Ziel hatten und nur
chung der systolischen Flussgeschwindigkeit in der selten Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion
Diastole um <80%, signifikant mit einer Verbesse- eingeschlossen haben. Darüber hinaus ist der Serum-
rung des Blutdrucks nach Therapie (Radermacher kreatininspiegel nur ein grobes Maß für die exkreto-
et al. 2001). rische Leistung der Niere. Mehrere groß angelegte
Die hohe Zahl von Patienten, die trotz Revaskula- prospektive randomisierte Studien zur Bedeutung
risation einer medikamentösen Blutdrucktherapie der Revaskularisation für die Nierenfunktion sind
bedürfen, und die Entwicklung potenter Antihyper- jetzt erst angelaufen.
tensiva, die eine Blutdruckkontrolle trotz Nierenarte- Es wurde mehrfach überzeugend gezeigt, dass
rienstenose zulassen, hat die interventionelle Thera- durch die Therapie der Nierenarterienstenose bei
pie der Nierenarterienstenose infrage gestellt. Meh- Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz in
rere randomisierte Studien haben die Wertigkeit der 80–100% der Fälle die Progression des Nierenleidens
Nierenarterien-PTA mit der alleinigen medikamen- zwar meist nicht aufgehalten werden kann, dass aber
tösen Blutdrucktherapie verglichen und kommen die Geschwindigkeit des Funktionsverlustes relevant
allesamt nicht zu einem signifikanten Vorteil für die vermindert wird (Harden et al. 1997; Watson et al.
interventionelle Therapie (Plouin et al. 1998; van 2000).
Jaarsveld et al. 2000; Webster et al. 1998). Nach 2 kürz- Durch eine Intervention an der Nierenarterie ist
lich vorgestellten Metaanalysen dieser Daten mit ins- also möglicherweise nicht zu verhindern, dass ein Pa-
gesamt 210 Patienten hat die Angioplastie gegenüber tient dialysepflichtig wird, die Zeitspanne bis zu ihrer
der rein medikamentösen Therapie einen modera- Notwendigkeit lässt sich aber hinauszögern. Bei bis
386 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
zu 20% der behandelten Patienten wird die Progres- stenose. Hier liegt die Rate von unerwünschten
sion der Niereninsuffizienz durch den Stent aller- Therapiefolgen zwischen 5 und 36% mit einer peri-
dings beschleunigt. Die Arbeiten zeigen darüber hin- prozeduralen Mortalität von <2%.
aus, dass die Intervention gerade auch bei Patienten Am häufigsten werden punktionsbedingte Häma-
mit schon stark eingeschränkter Funktion (Serum- tome beobachtet. Wir wissen, dass die Stentimplanta-
kreatininwerte >2,5 mg/dl bzw. 220 mmol/l), die bis- tion das Komplikationsrisiko steigert. Bei einem
lang als Kandidaten für eine Revaskularisation um- nicht unerheblichen Teil von Patienten muss dabei
stritten waren, sinnvoll ist. mit der Embolisation von Cholesterinkristallen ge-
Der Wert von PTA und Stent zum Erhalt der rechnet werden, die einen temporären oder perma-
Nierenfunktion bei normaler oder geringgradiger nenten Funktionsverlust der Nieren auslösen kön-
Einschränkung der Nierenfunktion ist umstritten. nen. Eine Untersuchung an 50 konsekutiven Patien-
Dies liegt z. T.daran, dass der Effekt der Revaskulari- ten beziffert dieses Risiko mit 10% (Beek et al. 1997).
sation auf die verschiedenen Parameter der Nieren- Diese Art von Komplikation wird wahrscheinlich zu
funktion – wie die glomeruläre Filtrationsrate (GFR), selten diagnostiziert, weil die Symptome erst einige
den renalen Plasmafluss bzw. den effektiven renalen Tage oder Wochen nach der Prozedur mit Schmerzen
Plasmafluss – an der behandelten Niere nur sehr in den Beinen, Hautverfärbungen oder Nierenfunk-
schwer zu messen ist und aus diesem Grund nur tionseinschränkung offenkundig werden. Der Nach-
wenige Daten vorliegen. weis einer eosinophilen Leukozytose kann diagnos-
Die Beseitigung einer Nierenarterienstenose kann tisch hilfreich sein.
komplexe Veränderungen der verschiedenen hämo-
dynamischen und funktionellen Parameter in der
behandelten und auch der kontralateralen Niere aus- 8.1.2
lösen (Leertouwer et al. 2002). Eine abschließende Zentraler und peripherer Verschluss
Bewertung der Revaskularisation der Niere für die von Nierenarterien
Nierenfunktion ist heute noch nicht möglich.
Für die „prophylaktische“ Behandlung der Nieren- Der interventionelle Gefäßverschluss in der Niere
arterienstenosen, d. h. eine Behandlung, die das Ziel stellt heute ein Standardverfahren dar, bei dem ent-
hat, einen Funktionsverlust zu verhindern, gibt es weder die Strombahn der ganzen Niere oder selektiv
bislang keine ausreichende Rechtfertigung. Diese einzelne Teilbereiche bzw. isolierte Gefäße okklu-
Frage ist verstärkt ins Blickfeld geraten, weil wir diert werden. Die Mehrzahl der Nierenembolisatio-
durch nichtinvasive angiographische Verfahren wie nen wird mittlerweile superselektiv durchgeführt,
CT- und MR-Angiographie häufiger mit Patienten meist um Blutungen zu kontrollieren. Aber auch für
konfrontiert werden, bei denen eine inzidentelle bzw. die komplette Ausschaltung der Nierendurchblutung
nichtsymptomatische Stenose nachgewiesen wird. So gibt es Indikationen, wenn auch dieser Eingriff in den
ist in etwa 30% der Patienten, bei denen eine Gefäß- letzten Jahren seltener angefordert wird. Dies liegt
veränderung in den Arterien von Bein, Herz oder daran, dass diese Therapie in vielen Situationen ihre
Hirn detektiert wurde, auch mit Stenosen der Nieren- Berechtigung nicht erweisen konnte oder die Ent-
arterie zu rechnen (Kuroda et al. 2000). Retrospektive wicklung anderer Behandlungsverfahren die Embo-
Beobachtungsstudien solcher Patienten finden aller- lisation verzichtbar gemacht hat.
dings keinen Einfluss dieser inzidentellen Stenosen
auf die Nierenfunktion. Allerdings wies der größte Radiologische Techniken
Teil der Patienten nur Stenosen von weniger als 70% Die Embolisation der Niere kann mit Hilfe eines
auf, und die Nierenfunktion wurde nur durch den 4- oder 5 F-Selektivkatheters durchgeführt wer-
Serumkreatininwert bestimmt. den. Sollen nur Teile der Niere oder periphere Arte-
Hilfestellung bei der Entscheidung zur Therapie rien verschlossen werden, ist die Koaxialtechnik, bei
der inzidentellen Nierenarterienstenose kann die der durch den Selektivkatheter ein schmalkalibriger
Klassifizierung als „kritische Nierenarterienstenose“ Koaxialkatheter vorgeschoben wird, zu bevorzugen.
leisten (s. oben,„Indikation“). Ist in der Kontrollangiographie die korrekte Kathe-
terlage dokumentiert, können die verschiedenen
Komplikationen Embolisate über den Katheter eingebracht werden.
Die PTA von Stenosen auf Grundlage einer fibromus- Die Wahl des Embolisationsmaterials richtet sich
kulären Dysplasie ist, da es sich in der Regel um jun- dabei nach dem angestrebten Verschlusstyp.
ge Patienten ohne nennenswerte Begleiterkrankun- Wird ein umschriebener zentraler Verschluss der
gen handelt, nur mit einem geringen Risiko von Nierenarterie intendiert, ist die Verwendung von
Komplikationen verbunden. Anders ist dies bei der faserbesetzten Metallspiralen am gebräuchlichsten.
Therapie der arteriosklerotischen Nierenarterien- Dazu muss die Nierenarterie tief genug sondiert
8.1 Nierenarterien 387
a b
c d
Abb. 8.6 a–d. Aneurysma spurium (b) 2 Wochen nach einer troffenen Segmentarterie mit Koaxialkatheter. d Mit Platin-
organerhaltenden Nierentumoroperation bei kleinem Nieren- spiralen lässt sich die Blutung ohne weiteren Parenchymver-
zellkarzinom am Oberpol (a). c Selektive Sondierung der be- lust verschließen
a b
c d
Abb. 8.7. a Große AV-Fistel bei einem 43 Jahre alten Mann, tisch erweiterte Vene. c,d Verschluss der Fistelarterie mit
die im Rahmen einer Hypertonie aufgefallen war. Die Fistel faserbesetzten Makrospiralen. Nach der Embolisation kleiner
hat zu einer Minderdurchblutung der rechten Niere geführt. peripherer Infarkt (Pfeil), das übrige Nierenparenchym ist
b Selektive Sondierung der massiv dilatierten Fistelarterie mit besser kontrastiert als vor der Embolisation
4 F-Katheter bis knapp vor den Übertritt in die aneurysma-
Defunktionalisierung
Die Embolisation einer Niere zur Ausschaltung der
exkretorischen Funktion ist sehr selten erforderlich.
Ein solcher Eingriff sollte Situationen vorbehalten
bleiben, in denen ein fortgeschrittenes Tumorleiden
im kleinen Becken zu einer anderweitig nicht
therapierbaren Urinfistel geführt hat oder aus pfle-
a
gerischen Gründen eine bilaterale Anlage einer
Nephrostomie vermieden werden soll. In Einzelfällen
ist über die Notwendigkeit einer ein- oder beidseiti-
gen Embolisation zur Behandlung einer Proteinurie
beim nephrotischen Syndrom berichtet worden.
Auch die Totalembolisation zur Beseitigung der
endokrinen Funktion der Niere ist mit Erfolg durch-
geführt worden. Sie stellt aber eine Ausnahmeindika-
tion für Fälle dar, in denen eine Nephrektomie zur
Behandlung einer renalen Hypertonie bei Schrumpf-
nieren oder bei Parenchymschaden nicht möglich ist.
Die komplette Embolisation einer Transplantat-
niere wurde in jüngerer Zeit als Alternative zur Ope-
ration bei Graft-Intoleranz-Syndrom nach Versagen
eines Nierentransplantats und Absetzen der immun-
suppressiven Medikation vorgeschlagen.
Ergebnisse
Selektive Embolisation
b
Die superselektive Embolisation bei blutenden Ge-
Abb. 8.8 a, b. Präoperative Embolisation eines großen, stark
fäßverletzungen in der Niere ist – abgesehen von den
vaskularisierten Nierenzellkarzinoms links. Kombiniert peri- Fällen, in denen ausgedehnte Parenchymzerreißun-
pher-zentraler Verschluss mit Gelatinepartikeln und faser- gen vorliegen – unabhängig vom verwendeten Em-
besetzten Makrospiralen. a Vor, b nach Embolisation bolisat in 80–100% dauerhaft erfolgreich. Daher ist
die endovaskuläre Behandlung der meist iatrogenen
renalen Blutungen heute die Therapie der ersten
Wahl. Wenn die Embolisation unmittelbar an der
rerer Methoden zur Tumordestruktion differenzial- Stelle des Blutaustritts erfolgt, führt sie nicht zu
therapeutisch in Erwägung zu ziehen. Infarzierungen des Nierenparenchyms. Falls dies
Einzelne kleine Serien existieren über den Einsatz nicht gelingt und Teile des gesunden Parenchyms mit
der selektiven Tumorembolisation von Angiomyoli- embolisiert werden müssen, können die entstehen-
pomen (Hamlin et al. 1997; Han et al. 1997; Lee et al. den segmentalen Infarkte nachweislich zu einer Ein-
1998). Im Focus sind besonders Patienten mit tuberö- schränkung der Nierenfunktion und Ausbildung
ser Sklerose, da hier multiple, bilaterale Tumoren zur einer renalen Hypertonie führen. Dies scheint aber
bilateralen Nephrektomie mit Dialysepflicht führen nicht häufiger aufzutreten als nach operativen Ein-
können. Der Eingriff wird zur Prophylaxe von Blu- griffen am Parenchym (Probst et al. 1980; Vorwerk et
tungen propagiert, kann aber auch während der al. 1996). In Tierexperimenten wurde ein Zusammen-
Blutung durchgeführt werden. Auch für diese Indika- hang zwischen postinterventioneller Hypertonie und
8.1 Nierenarterien 391
einer partiellen Rekanalisation des Gefäßes nach- richte in kleinen Serien. So konnte in einer Serie von
gewiesen (Teigen et al. 1992). Komplikationen durch 15 Patienten gezeigt werden, dass durch die Alkohol-
Verschleppung von Embolisationsmaterial sind embolisation der Niere ein anderweitig nicht be-
möglich, bei Gefäßverschlüssen in der Niere aber handelbarer Hypertonus innerhalb einer mittleren
eher selten. Nachbeobachtungszeit von etwa 2 Jahren in allen
Fällen gebessert werden konnte (Iaccarino et al.
Totalembolisation 1989). Auch die Urinproduktion sistierte nach einer
Prospektive Daten zum Erfolg der kompletten Unter- Beobachtung an 20 Patienten mit Urinfisteln durch
bindung der Blutversorgung einer Niere liegen für Tumoren im kleinen Becken in allen Fällen nach ein-
die meisten Indikationen nicht vor. Der technische oder zweimaliger Embolisation (De Baere et al. 2000).
Erfolg von Totalembolisationen liegt in der weit Umfangreichere Erfahrungen über die Defunktiona-
überwiegenden Zahl der Veröffentlichungen zwi- lisierung liegen aber nicht vor.
schen 90 und 100% (Neuerburg u. Lehrmann 2004). Vier Serien mit 25–59 Patienten zeigen, dass durch
Durch eine Totalembolisation einer tumortragen- die Totalembolisation der funktionslosen Transplan-
den Niere kann nach histologischen Untersuchungen tatniere in 76–92% der Fälle ein Graft-Intoleranz-
keine komplette Tumornekrose erzielt werden. Somit Syndrom erfolgreich behandelt werden kann. Aller-
kann der Eingriff auch nicht zu einer kompletten Tu- dings wurde bei bis zu 10% dieser Patienten die Ent-
morkontrolle führen. Dazu passt, dass die berichtete wicklung von operationspflichtigen Abszedierungen
Überlebenszeit nach Tumorembolisation stark vari- beobachtet. Es ist bislang nicht bekannt, inwieweit
iert. Sie liegt insgesamt aber sehr niedrig. Allerdings die Embolisation eine erneute Transplantation auf
findet ein retrospektiver Vergleich von Patienten mit dieser Seite behindert (Atar et al. 2003; Cofan et al.
inoperablem Nierentumor einen signifikanten Über- 2002; Delgado et al. 2005; Solinas et al. 2005).
lebensvorteil für Patienten, bei denen eine Embolisa-
tion durchgeführt wurde (Onishi et al. 2001). 쐍 Komplikationen. Bei einem großen Teil der Patien-
Die Angaben zur dauerhaften Therapie einer ten (47–100%) ist mit dem Auftreten eines so
Hämaturie liegen zwischen 0–100%. Eine Abhängig- genannten Postemboliesyndroms (Flankenschmerz,
keit von der Art des Embolisates und dem Auftreten Temperaturerhöhung, Leukozytose, BSG-Erhöhung,
der Rezidivblutung kann nicht festgestellt werden. Subileus, Kopfschmerz u. a.) zu rechnen. In der Regel
Unter der palliativen Intention scheinen Komplika- ist hier eine analgetische und antiphlogistische The-
tionsrate und Mortalität mit etwa 10 bzw. 3% höher rapie ausreichend. Darüber hinaus ist in einem nicht
zu sein als bei anderen Totalembolisationen (Lam- unerheblichen Teil der Patienten mit weiteren Kom-
mer et al. 1985). plikationen zu rechnen. So wurde in einer Serie
Auch über den Wert der präoperativen Tumor- von 121 Totalembolisationen bei Nierenzellkarzinom
embolisation liegen nur Daten aus Beobachtungs- unter Verwendung verschiedener Embolisate eine
studien vor. In einer retrospektiven Kohortenanalyse Komplikationsrate von 9,9% und eine Mortalität von
konnte für präoperativ embolisierte Patienten mit 3,3% angegeben. Dabei scheinen palliative Embolisa-
Nierenzellkarzinom (Tumorstadium mindestens T2) tionen mit einem höheren Risiko einherzugehen als
gegenüber nichtembolisierten ein signifikanter Über- präoperative (Lammer et al. 1985; Neuerburg u. Lehr-
lebensvorteil nachgewiesen werden (Zielinski et al. mann 2004).
2000). Dagegen konnten ältere Untersuchungen zwar Mehrfach wurde über Abszedierungen nach Total-
eine Reduktion der erforderlichen Zahl an Blutkon- embolisation berichtet. Das Risiko liegt nach kleinen
serven, nicht aber eine Verbesserung der Überlebens- Serien bei 10%. Die unbeabsichtigte Embolisation in
rate nachweisen (Giuliani et al. 1981). Wegen der das infrarenale Stromgebiet durch Reflux oder Fehl-
Unsicherheiten über den Therapieerfolg ist das Ver- platzierung wird mit einer Häufigkeit von bis zu 10%
fahren vielerorts verlassen worden. angegeben. Paraparesen durch Verschluss einer Spi-
Sowohl für die Ausschaltung der exkretorischen als nalarterie oder Koloninfarzierung wurden kasuis-
auch der endokrinen Funktion gibt es positive Be- tisch beschrieben (Neuerburg u. Lehrmann 2004).
392 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
Ätiologie
Die Ursachen intestinaler Durchblutungsstörungen
sind vielfältig. Es werden okklusive Ursachen von
nichtokklusiven und embolische von thromboti-
schen Ursachen abgegrenzt. Zur besseren Übersicht
werden im Folgenden die Formen der mesenterialen
Ischämie dargestellt und ihre Ursachen beschrieben.
Wakabayashi et al. 2004 Urokinase 120.000 IE innhalb 1 min; 1200 IE/min über 10 min Lyse + PTA
Bolusgabe
Badiola u. Scoppetta 1997 Urokinase 250.000 IE + 2500 IE Heparin- 120.000 IE/h über 2 h, Lyse
Pulsspray 0,2 ml/15 s im Anschluss 60.000 IE/h
Hommann et al. 2003 Urokinase 100.000 IE/Tag über 4 Tage Lyse
rt-PA 5 mg rt-PA-Bolus
rialen Vasokonstriktion dienen auch heute der Be- stents ist eine Überprüfung der korrekten Platzierung
schreibung des Befundes. Aus einem publizierten über den Stützkatheter jederzeit möglich.
Artikel und aus eigener Erfahrung ist das Vorliegen Nach dem Freisetzen des Stents ist die angiographi-
eines Gefäßspasmus ausreichend, um die Diagnose sche Ergebniskontrolle über den Stützkatheter obligat,
einer NOMI zu stellen (Kramer et al. 2003). um im Falle eines nicht zufrieden stellenden Befun-
dergebnisses die Intervention fortsetzen zu können.
Angiographische Zeichen einer NOMI.
(Nach Siegelmann et al. 1974) 쐍 Lysetherapie. Die Lysetherapie kann sowohl bei
∑ Aortaler Kontrastmittelreflux Hauptstammverschlüssen als auch bei Segmentarte-
∑ Flussreduktion mit verminderter peripherer Gefäßfüllung rienverschlüssen bei einem selektionierten Patien-
∑ Engstellung der primären mesenterialen Äste tenkollektiv durchgeführt werden. Bei Hauptstamm-
∑ Unregelmäßigkeiten der Gefäßlumina verschlüssen kann das Lytikum über den selektiv
∑ Spasmus der intestinalen Arkaden platzierten Diagnostikkatheter appliziert werden.
∑ Reduzierte Füllung intramuraler Gefäße Handelt es sich um Segmentarterienverschlüsse, eig-
nen sich dünnlumige Koaxialkatheter mit entspre-
Therapeutische Angiographie chenden Führungsdrähten. Diese werden durch den
쐍 Angioplastie. Für die Angioplastie der Mesente- Diagnostikkatheter unmittelbar vor den Verschluss
rialarterien eignen sich Stützkatheter und Ballon- geführt. Kann der Verschluss selektiv sondiert wer-
katheter, wie sie zur Behandlung der Nierenarterien den, sollte der Lysekatheter in dem verschlossenen
eingesetzt werden. Normalerweise wählt man einen Segment platziert werden.
femoralen Zugang. Ist jedoch aufgrund eines ungün- Lytika, die im Zusammenhang mit dem mesenter-
stigen Gefäßverlaufes die selektive Sondierung nicht ialen Stromgebiet genannt werden, sind die Urokina-
möglich, kann alternativ ein transaxillärer Zugang se sowie die Actilyse (r-TPA). Kontrollangiographien
gewählt werden. können entweder über den Koaxialkatheter oder
Ein dünner Führungsdraht mit flexibler Spitze über den Diagnostikkatheter bei entsprechend gro-
wird durch die Stenose geführt und distal der Steno- ßen Lumen erfolgen. Da es sich bei der Lysetherapie
se in einer stabilen Lage positioniert. Über diesen um kein standardisiertes Verfahren handelt, gibt es
wird nun der Führungskatheter bis an das Gefäßosti- keine entsprechenden Richtlinien oder Empfehlun-
um herangeführt. Um die Ballongröße abschätzen zu gen über die Art und Dosierung des Lytikums. In
können, werden über den Führungskatheter DSA-Se- Tabelle 8.1 sind beispielhaft Lyseprotokolle aus der
rien angefertigt. Die Ballongröße sollte nicht nach Literatur aufgeführt.
der poststenotischen Dilatation bemessen werden,
sondern sollte sich an einem gesunden Gefäß- 쐍 Medikamentöse Therapie der NOMI. Nach selektiver
abschnitt vor oder hinter der Stenose orientieren. Zur Sondierung des Hauptstamms der A. mesenterica
Kontrolle des Behandlungsergebnisses werden DSA- superior mit dem Diagnostikkatheter kann bei Nach-
Serien über den Stützkatheter angefertigt. weis einer ausgeprägten Vasokonstriktion eine medi-
kamentöse Therapie eingeleitet werden. Hierbei wer-
쐍 Stentimplantation. Liegt nach der Angioplastie kein den Vasodilatantien lokal über den Diagnostikkathe-
zufriedenstellendes Behandlungsergebnis vor, so eig- ter über einen längeren Zeitraum appliziert. Dabei
nen sich die zur Behandlung der Nierenarterien ent- ist die sichere Platzierung des Katheters im Haupt-
wickelten Stentsysteme. Diese können in „Monorail-“ stamm wichtig, um den Behandlungserfolg nicht
oder „Rapid-exchange-Technik“ über dünne Füh- durch eine aortale Dislokation des Katheters zu
rungsdrähte eingebracht und sicher platziert werden. gefährden. Häufig eingesetzte Medikamente sind in
Vor dem Freisetzen der ballonexpandierbaren Stahl- Tabelle 8.2 zusammengefasst.
396 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
Tabelle 8.2. Medikamente, die aktuell zur intraarteriellen Pharmakotherapie der NOMI eingesetzt werden.
Therapieziele
Das Ziel kathetergestützter Techniken bei aku- Merke ! Das Zeitfenster, in dem eine Lyse-
therapie noch als mögliche Therapie-
ten Verschlüssen ist die rasche Wiederherstellung option in Frage kommt, beträgt 10 Stunden (Ogihara
einer suffizienten Darmdurchblutung, um einen et al. 2003).
Mesenterialinfarkt zu verhindern.
Bei chronisch mesenterialen Ischämien soll die Arteriosklerotisch bedingte Stenosen
Durchblutung soweit verbessert werden, dass post- Neben den operativen Verfahren haben sich die end-
prandiale Schmerzen klinisch nicht mehr in Erschei- ovaskulären Verfahren zur Therapie hämodyna-
nung treten und in der Folge eine Verbesserung des misch relevanter Stenosen mesenterialer Gefäße
Ernährungsstatus zu beobachten ist. Weiterhin soll etabliert (Abb. 8.9 a–c). Die Entscheidung, ob opera-
einer irreversiblen Ischämie vorgebeugt werden. tive Verfahren oder endovaskuläre Verfahren zum
Einsatz kommen, sollte immer interdisziplinär
Thrombembolische Verschlüsse getroffen werden. Mehrere Faktoren müssen dabei
Der Entschluss zu einer endovaskulären Therapie berücksichtigt werden.
eines thrombembolischen oder Segmentarterienver- Der angiographische Nachweis einer oder mehre-
schlusses kann nur interdisziplinär erfolgen. Gemäß rer Stenosen der Mesenterialgefäße führt nicht auto-
den Empfehlungen der American Gastrointestinal matisch zur Therapieindikation. Vielmehr ist die
Association (AGA) aus dem Jahre 2000 (Brandt u. Kombination aus klinischen Befunden und angiogra-
Boley 2000) besteht Einigkeit darüber, phischem Befund die Entscheidungsbasis.
8.2 Mesenterialgefäße 397
a b
Eine prophylaktische endovaskuläre oder chirur- und mittels PTA im Durchschnitt 1,2 Gefäße thera-
gische Therapie bei klinisch asymptomatischen Pa- piert wurden. Steinmetz et al. (2002) empfehlen aus
tienten ist nicht angezeigt. Einzige Ausnahme bilden ihren eigenen Beobachtungen die Eingefäßtherapie,
Patienten, die vor einem schwierigen kardiochirurgi- da gezeigt werden konnte, dass sich die klinische
schen Eingriff stehen und bei welchen im postopera- Symptomatik bereits nach der Therapie eines steno-
tiven Verlauf eine NOMI zu befürchten ist (Kasirajan sierten Gefäßes vollständig zurückbilden kann. Dar-
et al. 2001). über hinaus fanden sie Rezidivstenosen, bei klinisch
Ist die Indikation zur endovaskulären Therapie asymptomatischen Patienten, die keiner weiteren
gegeben, so ist die Frage, ob bei Nachweis relevanter interventionellen Therapie vorgestellt wurden.
Stenosen aller 3 intestinaler Gefäßabgänge nur eine Aktuell finden sich in der Literatur keine Empfeh-
Stenose oder alle Stenosen zu therapieren sind, noch lungen oder Richtlinien, wie asymptomatische Pa-
nicht abschließend geklärt. Nymann et al. zeigten tienten, die – sei es duplexsonographisch oder angio-
1998 in einer Review-Arbeit, dass bei der chirurgi- graphisch – eine Rezidivstenose aufweisen, im Ver-
schen Revaskularisation im Durchschnitt 1,8 Gefäße lauf zu therapieren sind.
398 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
Die Indikation zur Stentimplantation wird bei Sollten die Schmerzen über diesen Zeitraum hinaus
einer Residualstenose von mehr als 30% nach der persistieren, so ist die Laparotomie angezeigt.
Angioplastie oder bei Dissektion als Folge der Angio-
plastie empfohlen (Steinmetz et al. 2002). Beseitigung der Stenose
Die initiale technische Erfolgsrate in der Behandlung
Nichtokklusive Verschlüsse einer Stenose mittels Ballondilatation wird mit 90%–
Die Indikation zur endovaskulären Therapie der 100% angegeben (Nyman et al. 1998; Sharafuddin et
NOMI ist sofort nach der angiographischen Be- al. 2003; Steinmetz et al. 2002). Der technische Erfolg
funderhebung zu stellen. Vor allem Risikopatienten wird dabei als Residualstenose bis 30% definiert
sollten frühzeitig angiographiert werden, um eine (Maspes et al. 1998; Rose et al. 1995; Sharafuddin et al.
mögliche irreversible Darmischämie zu verhindern. 2003; Steinmetz et al. 2002). Die alleinige PTA führt
Es handelt sich hierbei vor allem um Patienten nach bei rund 96% (Spanne: 75–100%) der behandelten
kardiochirurgischen Eingriffen, die postoperativ ei- Patienten zu einer sofortigen klinischen Befundbes-
nen hohen Katecholaminbedarf haben. Darüber hin- serung. Im weiteren Verlauf ist bei rund 24% (Span-
aus ist bekannt, dass Patienten nach chirurgischer ne: 0–60%) eine erneute Zunahme der Angina intes-
Embolektomie der Mesenterialgefäße eine persistie- tinalis festzustellen (Cognet et al. 2002). Periprozedu-
rende Vasokonstriktion der peripheren Gefäßarka- rale Komplikationen der PTA werden in der Literatur
den aufweisen können. Die Indikation zur Angiogra- mit 5,6% (Spanne: 0–25%) angegeben (Nyman et al.
phie ist bei den zuvor genannten Gruppen großzügig 1998). Die Morbiditätsrate der PTA liegt bei 6%
zu stellen. (Spanne: 0–16%), die Mortalitätsrate wird mit rund
2% (Spanne: 0–20%) angegeben (Matsumoto et al.
Ergebnisse 1995).
Endovaskuläre Rekanalisation Nachdem die chirurgische Revaskularisation
Die chirurgische Embolektomie mit Resektion infar- weiterhin als Standardtherapieverfahren angesehen
zierter Darmsegmente ist weiterhin die Therapie der wird, müssen die Ergebnisse der PTA diesen gegen-
Wahl bei Nachweis peritonitischer Zeichen während übergestellt werden. Für die chirurgischen Verfahren
der Befunderhebung. Sie ist nach den Empfehlungen wird eine technische Erfolgsrate von 100%, eine
der AGA auch das Standardtherapieverfahren bei sofortige klinische Besserung von 96% (Spanne: 82–
Hauptstammverschlüssen ohne peritonitische Zei- 100%), eine Mortalitätsrate von 9% (Spanne: 0–17%)
chen (Brandt u. Boley 2000). Mehrere Einzelkasuisti- und eine Morbiditätsrate von 26% (Spanne: 0–40%)
ken und kleinere Patientenserien konnten jedoch angegeben (Nyman et al. 1998).
zeigen, dass die Lysetherapie als Alternativverfahren Für eine endovaskuläre Vorgehensweise sprechen
mit Erfolg eingesetzt werden kann (Barakate et al. die niedrigere Morbidität und Mortalität. Demgegen-
2002; Grabowski et al. 1995; Hommann et al. 2003; über steht die höhere Rate an Restenosen, die bei
Simo et al. 1997). Handelt es sich um einen partiell endovaskulären Eingriffen mit alleiniger Dilatation
okkludierenden Embolus oder um einen Embolus in zu beobachten ist. Der Vorteil endovaskulärer Tech-
einem Seitenast der A. mesenterica superior oder um niken gegenüber chirurgischen Verfahren ist die
einen distal des Abgangs der A. ileocolica okkludie- Wiederholbarkeit des Eingriffs. So kann durch
renden Embolus, so ist dies als besonders günstige eine erneute Intervention eine Rezidivstenose mit-
Konstellation für eine Thrombolyse zu werten (Lock tels Ballondilatation therapiert und ggf. mit einem
2002). Stent versorgt werden. Selbst bei einer erneuten In-
Ein weiterer Punkt, der für die Durchführung Stent-Rezidivstenose kann diese Form der Therapie
einer Lysetherapie spricht, ist die Tatsache, dass die nochmals angewendet werden (Sharafuddin et al.
offene chirurgische Therapie mit einer hohen Morta- 2003).
litätsrate verknüpft ist. Diese wird in der Literatur In der Zwischenzeit finden sich Publikationen, die
mit einer Spanne von 35–100% angegeben, wohin- ein primär endovaskuläres Vorgehen bei chronisch
gegen die Mortalitätsrate durch die Lysetherapie als mesenterialer Ischämie bei älteren Patienten postu-
minimal eingestuft wird (Barakate et al. 2002). Das lieren (Pietura et al. 2002; Sharafuddin et al. 2003;
Ansprechen der Lysetherapie kann anhand der ab- Steinmetz et al. 2002).
dominellen Symptomatik abgeschätzt werden. Patienten mit ligamentärer Truncusstenose oder
Patienten, bei welchen eine endovaskuläre Therapie
Merke ! Ein klinischer Parameter für das An-
sprechen der Lysetherapie ist das Ab-
technisch nicht möglich ist, sollten weiterhin primär
chirurgisch therapiert werden.
klingen der abdominellen Schmerzsymptomatik
nach einer Stunde (Barakate et al. 2002; Simo et al.
1997).
8.2 Mesenterialgefäße 399
8.2.2
Behandlung der gastrointestinalen Blutung
Blutungen über die letzten Jahre nicht geändert Kann im Vorfeld der angiographischen Untersu-
(Nietsch et al. 2003). chung eine sichere Höhenlokalisation der Blutung
mittels endoskopischer Verfahren nicht geklärt wer-
Blutungsquellen oberer den, so sollte primär die A. mesenterica inferior
gastrointestinaler Blutungen selektiv dargestellt werden. Durch diese Vorgehens-
∑ Duodenalulzera (27%) weise kann die kontrastmittelbedingte Überlagerung
∑ Magenulzera (24%) der Harnblase im späteren Untersuchungsverlauf für
∑ Gastroösophageale Varizen (19%) das Stromgebiet der A. mesenterica inferior vermie-
∑ Gastroduodenale Erosionen (13%) den werden. Zur selektiven Sondierung dünnerer je-
∑ Refluxösophagitis (10%) junaler und ilealer Äste werden dünnlumige koaxiale
∑ Mallory-Weiss-Läsionen (7%) Kathetersysteme mit entsprechenden Führungsdräh-
∑ Neoplasie (3%) ten verwendet. Diese werden zur Schonung anderer
∑ Angiodysplasien (1%)
Gefäßregionen so weit wie möglich nach peripher
geführt.
Bei rund 6% der Patienten gelingt der Nachweis der
Blutungsquelle nicht (Ell et al. 1995; Nietsch et al.
2003). Merke !
Angiographisch lässt sich eine gastro-
intestinale Blutung ab einer „Mindest-
Auch die Ursachen unterer gastrointestinaler blutungsmenge“ von 0,5–1 ml/min nachweisen.
Blutungen sind vielfältig (Braden u. Caspary 2003;
Funaki 2004). Im höheren Lebensalter sind es vor Embolisationstherapie
allem Divertikel (40%) und Angiodysplasien (11%), Grundsätzlich eignen sich zur Embolisation gastro-
die eine untere gastrointestinale Blutung hervorru- intestinaler Blutungen nur lokalisierte Blutungen.
fen. Patienten mit Divertikulose neigen in 10–20% zu Diffuse Blutungen wie sie z. B. bei chronisch ent-
Blutungen, und obwohl Divertikel üblicherweise im zündlichen Veränderungen vorkommen, sind für
linken Kolon zu finden sind, ist die Blutungsneigung dieses Therapieverfahren ungeeignet. Eine weitere
der im Colon ascendens lokalisierten Divertikel Voraussetzung für die Embolisationstherapie ist
höher (Cheskin et al. 1990; Funaki 2004). In rund die superselektive Sondierbarkeit des blutenden Ge-
90% sistierten derartige Blutungen spontan, jedoch fäßes, da ansonsten Ischämien der nichtbetroffenen
ist in bis zu 30% mit einer Rezdivblutung zu rechnen Darmabschnitte zu befürchten sind. Das Ziel inter-
(Richter et al. 1995). ventioneller Techniken ist nicht nur der Blutungs-
Auch Angiodysplasien finden sich häufiger im nachweis sondern der gezielte Verschluss des bluten-
Colon ascendens und dem Zökalpol.Weniger als 10% den Gefäßes.
der Patienten mit Angiodysplasien zeigen Blutungen, Zur endovaskulären Behandlung gastrointestina-
die intermittierend auftreten können oder einen ler Blutungen stehen 2 Verfahren zur Auswahl. Zum
chronischen Verlauf aufweisen. Patienten mit Blutun- einen die intraarterielle Vasopressininfusion und
gen aus Angiodysplasien haben jedoch in 85% rezi- zum anderen die supraselektive Embolisationsthera-
divierende Blutungsepisoden (Farrands u. Taylor pie mit feinen Gelfoampartikeln oder Polyvinylalko-
1987). holpartikeln sowie Miniaturspiralen, die über einen
Weitere Ursachen einer unteren gastrointestinalen Mikrokatheter appliziert werden. Zur Behandlung
Blutung sind anorektale Erkrankungen (10%), Neo- gastrointestinaler Blutungen hat sich das in der
plasien (9%), Kolitiden (8%). Seltene Ursachen sind Übersicht aufgeführte Vasopressinschema bewährt
aortoenterische Fisteln. (Darcy 2003; Funaki 2002):
a b
Indikationen Ergebnisse
Die Indikation zur diagnostischen Angiographie be- Die Pharmakotherapie durch Vasopressin sowie die
steht bei gastrointestinalen Blutungen, die entweder Embolisationsverfahren zur Behandlung gastrointes-
endoskopisch nicht nachweisbar und/oder nicht the- tinaler Blutungen wurden nahezu zeitgleich um 1970
rapierbar sind. Die Ursache der Blutung spielt dabei entwickelt und in der Klinik eingesetzt. Beide Verfah-
zunächst keine Rolle. Es geht in erster Linie um den ren wurden zunächst erfolgreich bei oberen gastroin-
Blutungsnachweis und eine Lokalisationsbeurteilung testinalen Blutungen eingesetzt. 1974 embolisierte
(Abb. 8.11 a–c, Abb. 8.12 a–d). Ist die Blutung angio- Bookstein erstmals eine untere gastrointestinale Blu-
graphisch nachweisbar, kann eine endovaskuläre tung (Darcy 2003). Ein Problem der Embolisations-
Therapie erfolgen. Mechanische Embolisationsver- verfahren bei der unteren gastrointestinalen Blutung
fahren kommen zum Einsatz, wenn das Gefäß, aus war in der Anfangsphase die hohe Rate von Darm-
dem die Blutung hervorgeht, superselektiv sondier- ischämien, die in einer Größenordnung von 20–30%
bar ist. angegeben wurden (Bookstein et al. 1974). Aufgrund
dieser Erfahrungen wurde die Embolisationstherapie
402 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
a b
c d
Abb. 8.12. a Angiographischer Nachweis eines flauen Kon- supraselektiver Sondierung Kontrastmittelaustritt in das
trastmittelextravasates (Pfeil) bei einem 62 Jahre alten Patien- Darmlumen (Pfeil). d Nach Embolisationstherapie mit Mikro-
ten nach selektiver Sondierung der A. mesenterica inferior. spiralen kein weiterer Blutungsnachweis
b Identifikation des der Blutung zugehörigen Gefäßes. c Nach
bei unteren gastrointestinalen Blutungen zunächst 2003). Während die Therapie mit Vasopressin zur Be-
nicht mehr eingesetzt. Die Vasopressintherapie galt handlung einer unteren gastrointestinalen Blutung als
bis in die Anfänge der 1990er Jahre als Standard- gut bezeichnet werden kann, gelingt es nur in 15–31%,
therapieverfahren. eine obere gastrointestinale Blutung zu therapieren
Die klinische Erfolgsrate der Behandlung einer un- (Waltman 1980). Da obere gastrointestinale Blutungen
teren gastrointestinalen Blutung mit Vasopressin wird häufig aus dem Stromgebiet der A. gastroduodenalis
in mehreren Studien mit 59–90% angegeben (Gomes und ihrer Abgänge stammen und diese aufgrund der
et al. 1986; Pennoyer et al. 1996; Waltman 1980). Be- Doppelversorgung und ihrer Größe eine schlechtere
trachtet man nur Kolondivertikelblutungen, so erhöht Fähigkeit zur Vasokonstriktion aufweisen,ist der deut-
sich die klinische Erfolgsrate auf 92–100% (Darcy liche Unterschied in der Erfolgsrate erklärbar. Die ein-
8.2 Mesenterialgefäße 403
fache technische Durchführbarkeit, auch für unerfah- Ein Nachteil der Embolisationsverfahren gegen-
rene Untersucher, sind Vorteile dieses Verfahrens. über der Vasopressintherapie ist der hohe Material-
aufwand in Form von Kathetern und Embolisations-
CAVE ! Bei der Vasopressintherapie besteht
die Möglichkeit der Dislokation des
materialien. Außerdem ist für dieses Verfahren ein
hoher angiographische Ausbildungsstand des Unter-
Katheters während der Therapie mit systemischen, suchers erforderlich.
z. T. schweren peripheren oder kardiovaskulären Beide Verfahren werden weiterhin in der Behand-
Nebenwirkungen. lung der gastrointestinalen Blutung eingesetzt. Ist
ein erfahrener, interventionell geübter Radiologe vor
Die Rate an schweren Komplikationen wird in der Ort, so sollten Embolisationsverfahren eingesetzt
Literatur mit 0–21% angegeben (Eckstein et al. 1984; werden, da diese bei korrekter Anwendung die nie-
Johnson u. Widrich 1976; Sherman et al. 1979). Hier- drigere Komplikationsrate und niedrigere Rezidiv-
von waren 9% fatal. Katheterinduzierte Komplikatio- blutungsrate aufweisen.
nen wurden in 10–41% der Fälle beobachtet (Eck- Abschließend ist nochmals darauf zu verweisen,
stein et al. 1984; Johnson u. Widrich 1976; Sherman et dass heute endoskopische Verfahren der Goldstan-
al. 1979). Zu beachten ist, dass die zuvor genannten dard in der Diagnostik und Therapie oberer und un-
Angaben älteren Publikationen entstammen. Aktuel- terer gastrointestinaler Blutungen darstellen. Erst bei
lere Daten über die Komplikationsrate der Vaso- endoskopisch nicht lokalisierbarer oder nicht thera-
pressintherapie liegen nicht vor. pierbarer Blutung kommen interventionelle Maß-
Ein Problem der Vasopressintherapie ist die Mög- nahmen zum Einsatz.
lichkeit der Rezidivblutung nach Beendigung der The-
rapie durch die erneute Auflösung des verschließen-
den Embolus.Die Rezidivblutungsrate bei unterer gas- Literatur
trointestinaler Blutung wird mit 36–43% angegeben
(Athanasoulis et al. 1975; Johnson u. Widrich 1976). Athanasoulis CA, Baum S, Rosch J et al. (1975) Mesenteric arte-
rial infusions of vasopressin for hemorrhage from colonic
Erst die Weiterentwicklung der Kathetertechniken diverticulosis. Am J Surg 129: 212–216
und die damit verbundene Miniaturisierung ermög- Badiola CM, Scoppetta DJ (1997) Rapid revascularization of an
lichte es dem Untersucher, den Katheter und somit embolic superior mesenteric artery occlusion using pulse-
auch das Embolisat supraselektiv zu platzieren. Dies spray pharmacomechanical thrombolysis with urokinase.
AJR Am J Roentgenol 169: 55–57
führte auch zu einem deutlichen Rückgang der Kom- Bandi R, Shetty PC, Sharma RP, Burke TH, Burke MW, Kastan
plikationsrate dieser Technik, die in aktuelleren Ar- D (2001) Superselective arterial embolization for the treat-
beiten mit einer Minorkomplikationsrate von 20,2% ment of lower gastrointestinal hemorrhage. J Vasc Interv
und einer Majorkomplikationsrate von 11,1% ange- Radiol 12: 1399–1405
Barakate MS, Cappe I, Curtin A, Engel KD, Li-Kim-Moy J, Poon
geben wird (Defreyne et al. 2001; Nicholson et al. MS, Sandeman MD (2002) Management of acute superior
1998; Patel et al. 2001). mesenteric artery occlusion. Aust N Z J Surg 72: 25–29
Im Vergleich der Komplikationsraten der Emboli- Bookstein JJ, Chlosta EM, Foley D, Walter JF (1974) Trans-
sationstechniken und der Vasopressintherapie zeigt catheter hemostasis of gastrointestinal bleeding using
modified autogenous clot. Radiology 113: 277–285
sich, dass Embolisationsverfahren mit weniger Kom- Braden B, Caspary WF (2003) Akute untere Gastrointestinal-
plikationen behaftet sind. Intestinale Ischämien als blutung Diagnostik und Management. Internist (Berl) 44:
Komplikation der Embolisationsverfahren werden in 533–538, 540–541
aktuellen Arbeiten nicht mehr beobachtet (Darcy Brandt LJ, Boley SJ (2000) AGA technical review on intestinal
ischemia. American Gastrointestinal Association. Gastro-
2003). Der klinische Erfolg der Embolisationsthera- enterology 118: 954–968
pie bei der unteren gastrointestinalen Blutung wird Burns BJ, Brandt LJ (2003) Intestinal ischemia. Gastroenterol
nach neueren Arbeiten zwischen 91–100% und bei Clin North Am 32: 1127–1143
der oberen gastrointestinalen Blutung zwischen 68– Cassar K, Ford I, Greaves M, Bachoo P, Brittenden J (2005) Ran-
domized clinical trial of the antiplatelet effects of aspirin-
92% angegeben (Defreyne et al. 2001; Patel et al. clopidogrel combination versus aspirin alone after lower
2001). Vorteil dieser Therapieform ist der mechani- limb angioplasty. Br J Surgery 92: 159–165
sche Verschluss des blutenden Gefäßes. Dennoch gibt Cheskin LJ, Bohlman M, Schuster MM (1990) Diverticular
disease in the elderly. Gastroenterol Clin North Am 19:
es auch nach erfolgreicher Embolisationstherapie 391–403
Fälle, bei welchen eine Rezidivblutung auftritt. Ursa- Cognet F, Ben SD, Dranssart M et al. (2002) Chronic mesenteric
chen hiefür können, trotz optimaler Platzierung der ischemia: imaging and percutaneous treatment. Radio-
Embolisate, Kollateralkreisläufe oder rekanalisierte graphics 22: 863–879
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Auch wurden Fälle beschrieben, bei welchen Rezidiv- Radiol 14: 535–543
blutungen aus anderen Lokalisationen stammten
(Bandi et al. 2001; Evangelista u. Hallisey 2000).
404 Kapitel 8 Abdominelle Gefäße
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Beckengefäße 9
K. Schürmann, D. Vorwerk
Tabelle 9.1. Gegenüberstellung der Klassifikation nach Fontaine et al. (1954) und Rutherford (Rutherford u. Becker 1991; Ruther-
ford et al. 1997)
Fontaine Rutherford
I Asymptomatisch 00 0 Asymptomatisch
II a Schmerzfreie Gehstrecke > 200 m 0 1 Milde Claudicatio
II b Schmerzfreie Gehstrecke ≤ 200 m I 2 Mäßige Claudicatio
I 3 Schwere Claudicatio
III Ruheschmerz II 4 Ruheschmerz
IV Gewebeverlust (Ulkus, Gangrän) III 5 Geringer Gewebeverlust
III 6 Schwerer Gewebeverlust
Das Symptom der Claudicatio intermittens ent- drängt. Die Katheterangiographie liefert in eine
spricht dem Fontaine-Stadium II, die Fontaine-Sta- Ebene projizierte hoch aufgelöste Bilder der Gefäße,
dien III und IV werden unter dem Begriff chronische die vor allem morphologische Informationen bein-
kritische Beinischämie zusammengefasst. halten.
Tabelle 9.2. Einteilung der Beckenarterienläsionen gemäß TASC. (Dormandy u. Rutherford 2000)
A-Läsionen Uni- oder bilaterale isolierte Stenosen der AIC oder AIE <3 cm Länge
B-Läsionen Singuläre Stenose der AIC/AIE 3–10 cm Länge ohne AFC-Beteiligung
Ein oder 2 Stenosen der AIC und/oder AIE <5 cm Länge ohne AFC-Beteiligung
Unilateraler Verschluss der AIC
C-Läsionen Bilaterale 5–10 cm lange Stenosen der AIC und/oder AIE ohne AFC-Beteiligung
Unilateraler Verschluss der AIE ohne AFC-Beteiligung
Unilaterale Stenose der AIE mit Beteiligung der AFC
Bilateraler Verschluss der AIC
D-Läsionen Diffuse multiple unilaterale Stenosen der AIC, AIE und AFC (Länge meist >10 cm)
Unilateraler Verschluss der AIC und AIE
Bilateraler Verschluss der AIE
Diffuse Erkrankung mit Beteiligung der Aorta und beider Iliakalarterien
Iliakale Stenosen in Kombination mit einem Bauchaortenaneurysma oder einer anderen Läsion,
die eine chirurgische Behandlung erfordert
a b
9.1 Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beckenarterien 409
b
a
c d
a b c
d e f
Abb. 9.6 a–f. Weibliche Patientin, 51 Jahre, pAVK vom Stentmaschen geschoben wurde, daher Rückzug des Katheters.
Beckentyp rechts, Stadium Fontaine II b. a DSA vor Behand- d Symptomatische Dissektion der Bauchaorta (die Patientin
lung: Abgangsstenose der A. iliaca externa rechts. b DSA nach klagte über akute Rückenschmerzen) bei der erneuten Sondie-
Implantation eines ballonexpandierbaren Stents, der den Ab- rung. e Nach Resondierung des wahren Lumens und Stentim-
gang der linken A. iliaca communis weitgehend überlagert. plantation in die A. iliaca communis links persistierende
9 Monate später klagte die Patientin über Beschwerden links. Dissektion trotz Ballondilatation der Bauchaorta. f Implanta-
c In der DSA Abgangsstenose der A. iliaca communis links, ge- tion eines 14 mm durchmessenden selbstexpandierbaren
ringe Neointimahyperplasie im sonst gut durchgängigen Stent Stents aus Nitinol in die Bauchaorta: Die Dissektion ist nicht
rechts. Es zeigte sich, dass der Katheter für die DSA durch die mehr sichtbar, Rückgang der Schmerzen
sodilatation erneut bestimmt, um den technischen Er- schen und finanziellen Aufwand verbunden ist. Von
folg (Druckgradient <10 mmHg) zu dokumentieren. vielen Anwendern wird als einfachere Entschei-
Trotz der größeren Genauigkeit hat sich das Ver- dungshilfe weiterhin die angiographische Darstel-
fahren in der allgemeinen Praxis nicht durchsetzen lung in 2 Ebenen bevorzugt und nur in unklaren
können, da es mit zusätzlichem zeitlichen, techni- Fällen auf die Druckmessung zurückgegriffen.
9.1 Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beckenarterien 411
a b c
Abb. 9.7 a–c. Männlicher Patient, 57 Jahre, pAVK vom Rekanalisation des Verschlusses über die rechte Leistenarterie
Beckentyp rechts, Stadium Fontaine II b. a In der DSA Ver- und Implantation eines ballonexpandierbaren Stents, Rest-
schluss der A. iliaca communis rechts (die Aufnahme wurde stenose am kaudalen Stentende. c Nach Implantation eines
freundlicherweise von der Praxis Prof. Dr. Uhlenbrock und weiteren ballonexpandierbaren Stents überlappend mit dem
Partner in Dortmund zur Verfügung gestellt). b Retrograde ersten Stent ist keine Stenose mehr sichtbar
Tabelle 9.3. Offenheitsraten (in %) 4 Jahre nach Beckenarterienintervention in Abhängigkeit vom klinischen Stadium, lokalen
Befund und Behandlungsverfahren. (Nach Bosch u. Hunink 2002)
PTA Stent
Fontaine Stadium II 65 54 77 61
Fontaine Stadium III oder IV 53 44 67 53
Tabelle 9.4. Einfluss verschiedener Parameter auf die Langzeit- im Fontaine-Stadium II mit 91 bzw. 87%, für Patien-
offenheitsrate nach Beckenarterienintervention. (Nach Klein ten im Fontaine-Stadium III oder IV mit 88 bzw. 82%
et al. 2004)
angegeben (De Vries u. Hunink 1997). Andererseits
Prognostisch günstig Prognostisch ungünstig sind die berichtete perioperative Morbidität und
Mortalität der perkutanen Behandlung geringer. Die
Kurzstreckige Läsion Langstreckige Läsion Mortalitätsrate der endoluminalen Therapie liegt
Konzentrische, Exzentrische, deutlich unter 1% (Bosch u. Hunink, 1997), die der
wenig verkalkte Läsion stark verkalkte Läsion Operation bei ≥3% (De Vries u. Hunink 1997). Die
Läsion in der AIC Läsion in der AIE einzige uns bekannte prospektiv randomisierte
Stenose Verschluss Studie, in der insgesamt 263 Männer entweder durch
Guter Abfluss Schlechter Abfluss PTA oder Bypasschirurgie behandelt wurden, ergab
nach distal nach distal überraschenderweise bei einer medianen Nach-
(AFS offen) (AFS verschlossen) beobachtungszeit von 4 Jahren keinen statistisch sig-
Fontaine-Stadium II a Fontaine-Stadium III nifikanten Unterschied – weder im Behandlungser-
oder II b oder IV
folg noch in der Mortalitätsrate (Wolf et al. 1993).
Männliches Geschlecht Weibliches Geschlecht Die Komplikationsrate der endoluminalen Thera-
pie beträgt etwa 10%, die Rate schwerwiegender
Komplikationen liegt gemäß der Definition (Leoni et
oder einem Mitteldruckgradienten <10 mmHg, wird al. 2001) der US-amerikanischen Gesellschaft für In-
mit >90% angegeben, für umschriebene iliakale terventionelle Radiologie bei 4–5%. Schwerwiegende
Stenosen erreicht er nahezu 100%. Die technische Er- Komplikationen betreffen häufig die Punktionsstelle.
folgsrate der Rekanalisation segmentaler Verschlüsse Zu nennen sind vor allem Leistenhämatome, retro-
der Beckenarterien liegt bei 80–85% (Vorwerk et al. peritoneale Hämatome, falsche Aneurysmen und Ste-
1995 a; Tetteroo et al. 1998). Die primäre Offenheits- nosen oder Verschlüsse der punktierten Leistenarte-
rate, d. h. ohne perkutane Reintervention, beträgt rie. Seltener treten ausgedehnte Dissektionen (insbe-
abhängig vom Patientenkollektiv nach einem Jahr sondere nach alleiniger PTA, vgl. Abb. 9.6 a–f), Stent-
etwa 80–90%. Die Offenheitsrate nach 4 Jahren lag in dislokationen, Gefäßperforationen und periphere
einer Metaanalyse von 14 Studien zwischen 44–77% Embolien auf. Mit Letzteren ist besonders bei der
(Bosch u. Hunink 1997; Tabelle 9.3). Die Restenose- Verschlussrekanalisation zu rechnen. Auch kontrast-
rate nach 4 Jahren war nach Stentimplantation im mittelabhängige Komplikationen, wie schwere aller-
Mittel 39% (Spanne: 22–56%) geringer als nach allei- gische Reaktionen, Nieren- und Schilddrüsenfunk-
niger PTA. Die Offenheitsrate 5 und 10 Jahre nach tionsstörungen, müssen bedacht werden.
Stentimplantation betrug in einer eigenen retrospek-
tiven Untersuchung von 110 Patienten mit 126 iliaka-
len Läsionen, von denen etwa 50% Stenosen und 9.1.3
50% Verschlüsse waren, 66 bzw. 46% (Schürmann et Behandlung von Restenosen
al. 2002; Tabelle 9.4). Die sekundäre Offenheitsrate,
d. h. nach einmaliger perkutaner Reintervention, lag Restenosen oder Reverschlüsse nach endoluminaler
bei 79 bzw. 55%. Ursache der Restenose ist meist eine Therapie lassen sich mit denselben Verfahren behan-
starke Narbenbildung der Gefäßwand, die so genann- deln, die auch für die Erstbehandlung von Becken-
te neointimale Hyperplasie. arterienläsionen eingesetzt werden (Abb. 9.8 a–d).
Im Vergleich zur operativen Therapie sind die Die durch neointimale Hyperplasie verursachte Re-
veröffentlichten Langzeitergebnisse der perkutanen stenose nach Stentimplantation ist in der Regel durch
Behandlung ungünstiger. Die Offenheitsrate 5 und Ballondilatation und ggf. Implantation eines weite-
10 Jahre nach aortobiiliakalem oder aortobifemora- ren Stents ausreichend behandelbar. In komplexen
lem Bypass wird in einer Metaanalyse für Patienten Fällen kommen weitere mechanische Verfahren, wie
414 Kapitel 9 Beckengefäße
a b
c d
die Aspirationsthromektomie oder die katheterge- schengitteraufbaus gibt es inzwischen jedoch auch
stützte Atherektomie in Frage (Vorwerk et al. 1995 b; relativ flexible ballon- und rigide selbstexpandier-
Zeller et al. 2002). Die Verfahren können mit einer bare Stents.
Thrombolyse kombiniert werden. Ballonexpandierbare Stents haben den Vorteil,
dass PTA und Stentimplantation in einem Arbeits-
Wahl des Stents gang durchgeführt werden können, wenn auf das
Aus der Literatur lässt sich bisher nicht ableiten, oben vorgestellte zweistufige Vorgehen – zunächst
ob selbstexpandierbare oder ballonexpandierbare PTA und anschließend selektive Stentimplantation –
Stents eine günstigere Langzeitoffenheitsrate im Be- verzichtet wird. Damit ist der Eingriff nicht so zeit-
reich der Beckenarterien aufweisen. Große verglei- aufwändig und weniger strahlenbelastend, jedoch
chende prospektive Studien liegen nicht vor. Ballon- möglicherweise weniger kostengünstig. Selbstexpan-
expandierbare Stents sind in der Regel rigider als dierbare Stents sollten nach der Freisetzung mit
selbstexpandierbare Stents, sodass erstere eher für einem Ballon nachdilatiert werden. Die nachteilige
kurzstreckige deutlich verkalkte, letztere eher für ungenauere Platzierbarkeit selbstexpandierbarer
langstreckige Läsionen in stark elongierten Becken- Stents, die durch die Verkürzung bei der Freisetzung
arterien geeignet sind. Durch Änderungen des Ma- bedingt war, ist mit der Einführung der Nitinolstents
9.1 Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beckenarterien 415
nur noch von untergeordneter Bedeutung. Einzig der rend der Behandlung erhalten nahezu alle Patienten
Wallstent weist diese Eigenschaft noch auf. Im Ge- nichtfraktioniertes Heparin, eine übliche Dosierung
gensatz zur Mehrzahl der Nitinolstents kann der sind 5000 IE intraarteriell im Bolus, einzelne Grup-
Wallstent jedoch zunächst teilweise freigesetzt, pen applizieren das Heparin auch gewichtsadaptiert.
wieder auf dem Abwurfkatheter geborgen und re- Nach der Behandlung sollte die Medikation mit
platziert werden. Ein Nachteil der Nitinolstents ist Acetylsalicylsäure (100 mg/Tag) unbefristet fort-
ihre geringe Röntgensichtbarkeit. Die Hersteller ver- geführt werden (Antiplatelet Trialists’ Collaboration
suchen, diesen Nachteil durch röntgendichte Marker 1994). Es ist nicht bekannt, ob eine mehrwöchige Me-
an den Stentenden auszugleichen. dikation mit Thienopyridinen die Restenoserate der
Vergleichende klinische Studien mit wirkstoff- Beckenarterien nach PTA bzw. Stentimplantation
freisetzenden oder radioaktiven Stents in den Be- vermindert. Dennoch wird sie in Anlehnung an die
ckenarterien sind uns nicht bekannt. Die Offenheits- übliche Praxis in der Kardiologie nach Koronarstent-
rate einfacher Metallstents ist in den Beckenarterien implantation von vielen Gruppen durchgeführt. Die
bereits relativ hoch. Daher ist das Interesse, die zur orale Gabe von Clopidogrel hat vielfach die 24-stün-
Zeit noch sehr teuren oberflächenveredelten Stents dige intravenöse Vollheparinisierung nach Interven-
vergleichend in den Beckenarterien zu untersuchen, tion ersetzt.
bisher gering. Arterielle Beckenarterieninterventionen werden
Iliakale PTFE-ummantelte Stents erzielten in einer bisher meist unter stationären Bedingungen durch-
prospektiven nichtvergleichenden Studie nach einem geführt. Mit abnehmender Größe der erforderlichen
Jahr eine sehr hohe primäre Offenheitsrate von 98% femoralen Schleusen (zur Zeit 6–7 F) werden jedoch
(Lammer et al. 2000). Dieser Wert liegt höher als die ambulante Interventionen zunehmen.
berichteten Offenheitsraten einfacher Metallstents, Vor der Entlassung des Patienten ist eine klinische
jedoch wurden bisher keine Langzeitdaten und keine Untersuchung, eine Bestimmung des Knöchel-Arm-
großen direkt vergleichenden prospektiven Studien Indexes und eine farbkodierte Duplexsonographie
vorgestellt. Solange diese Daten fehlen, sind einfache erforderlich. Die Patienten sollten danach in regel-
Metallstents im klinischen Alltag vorzuziehen. mäßigen Abständen, zunächst nach 3 oder 6 Mona-
ten, anschließend mindestens einmal jährlich nach-
untersucht werden.
9.1.4
Perinterventionelle Behandlung Ummantelte Stents (Stentgrafts)
Stentgrafts sind sehr gut geeignet, um Aneurysmen,
Eine ausführliche Aufklärung des Patienten mindes- AV-Fisteln oder akute Gefäßrupturen beispielsweise
tens 24 Stunden vor Behandlungsbeginn ist obligat. nach PTA zu behandeln (Parodi et al. 1999; Vorwerk
Neben der klinischen Untersuchung sollte bei allen u. Schürmann 2000; vgl.Abb. 9.8 a–d). Da die Systeme
Patienten vor Beginn der Behandlung der Knöchel- abhängig vom Durchmesser Schleusengrößen von
Arm-Index bestimmt und eine farbkodierte Duplex- ≥10 F zur Implantation erfordern, sind zum Ver-
sonographie durchgeführt werden. Aktuelle (nicht schluss der Punktionsstelle bei perkutanem Zugang
älter als eine Woche) Laborparameter, die Gerin- unter Umständen besondere Nahtsysteme erforder-
nungswerte (Quick/INR, PTT), ein kleines Blutbild, lich. Alternativ muss die Leistenarterie gefäßchirur-
den Kreatinin- und TSH-Wert umfassen, müssen vor gisch freigelegt werden. Nicht selten ist die Embo-
Beginn der Behandlung vorliegen. lisation der A. iliaca interna vor der Stentgraftim-
Wir führen keine elektive Behandlung durch, plantation notwendig, um eine retrograde Durchblu-
wenn der Quick-Wert <50% oder die Thrombo- tung des Aneurysmas zu verhindern (Abb. 9.9 a–e).
zytenzahl <50 /nl beträgt. Der Kreatininwert sollte Eine CT-Angiographie hilft, die Ausdehnung der
bei <1,5 mg/dl liegen, andernfalls ist eine Vorbehand- häufig teilthrombosierten Aneurysmen und die
lung in Form einer Infusion von Kochsalzlösung und Größe der erforderlichen Prothesen exakt zu bestim-
der Gabe von Acetylcystein zu empfehlen. men.
Während der Intervention ist eine permanente Zur Embolisation bieten sich Spiralen an. Um das
Kontrolle der Basiskreislaufparameter zu empfehlen Risiko ischämischer Komplikationen gering zu hal-
(Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung, EKG). ten, sollte der Verschluss möglichst proximal erfolgen
Eine laufende Medikation mit Acetylsalicylsäure (Kritpracha et al. 2003). Ein bilateraler Verschluss der
und/oder Thrombozytenaggregationshemmern aus A. ilaca interna ist zu vermeiden. Die Patienten müs-
der Gruppe der Thienopyridine, wie Ticlopidine oder sen regelmäßig bildgebend nachuntersucht werden,
Clopidogrel, sollte vor der Behandlung nicht abge- um konventionell angiographisch häufig nicht sicht-
setzt werden. Ist der Patient markumarisiert, ist er bare primäre oder im Verlauf neu auftretende (se-
vor der Behandlung auf Heparin umzustellen. Wäh- kundäre) Endolecks auszuschließen. Die Kontrollen
416 Kapitel 9 Beckengefäße
e d
Abb. 9.9 a–e. Männlicher Patient, 58 Jahre. Zufallsbefund und c nach Spiralembolisation der A. iliaca interna rechts.
eines Aneurymas der A. iliaca communis und interna rechts. d DSA nach Implantation eines kranial 16 mm, distal 12 mm
a CT vor Behandlung: teilthrombosiertes Aneurysma im durchmessenden Stentgrafts am nächsten Tag. e Kontroll-CT
Teilungsbereich der A. iliaca communis rechts, maximaler nach Behandlung: Das Aneurysma ist thrombosiert
Durchmesser etwa 4 cm. DSA über einen Messkatheter b vor
9.3 Embolisationsbehandlung im Becken 417
werden überwiegend mit der CT-Angiographie vor- (Patel et al. 2001; Raynaud et al. 1986). Wird primär
genommen, die MR-Angiographie ist ebenfalls geeig- ein Stent implantiert, ist die technische Erfolgsrate
net. Kontrollen sollten ähnlich wie bei Patienten mit offenbar höher und wird mit 90–100% angegeben
endoluminal behandelten Bauchaortenaneurysmen (Beecroft et al. 2004; Patel et al. 2001). Als Stents
vor der Entlassung sowie beispielsweise nach 3 und sind die auch für konventionelle Nierenarterien-
9 Monaten, danach bei unauffälligem Befund min- stenosen verwendeten Systeme geeignet. Mehrheit-
destens einmal jährlich durchgeführt werden. lich werden heute Monorail-Systeme eingesetzt, die
mit Schleusengrößen unter 7 F auskommen. Ballon-
expandierbare Stents, die sich punktgenauer platzie-
9.2 ren lassen, sind geeigneter als selbstexpandierbare
Behandlung von Transplantat- Stents.
Nierenarterienstenosen Der berichtete klinische Erfolg, der sich an der
Senkung des Blutdrucks und/oder der Verbesserung
Eine Nierenarterienstenose einer Transplantatniere der Nierenfunktionswerte ablesen lässt, ist in der
tritt mit einer Häufigkeit von etwa 3–6% auf (Patel et Regel etwa 10–15% niedriger.
al. 2001; Sutherland et al. 1993). Mehrheitlich ist die Die primäre Offenheitsrate von PTA und Stent-
Stenose an der Anastomose lokalisiert und ent- implantation nach einem Jahr wurde in einer aktuel-
wickelt sich im ersten Jahr nach Transplantation. len retrospektiven Untersuchung mit 72% angege-
Seltener liegt die Stenose distal der Anastomose. Die ben, die sekundäre Offenheitsrate mit 85% (Beecroft
distale Stenose entsteht häufig durch eine Verletzung et al. 2004). Größere prospektive oder randomisierte
des Gefäßes bei der Transplantatentnahme oder Langzeitstudien wurden bisher nicht veröffentlicht.
durch die Punktion, die zur Erhaltung der Perfusion Auch eine Untersuchung, die PTA und Stentimplan-
vorgenommen wird. tation vergleicht, fehlt. Die vorliegenden Zahlen deu-
Klinisch fallen die Patienten durch eine schlecht ten allerdings darauf hin, dass die Ergebnisse nach
einstellbare Hypertonie, eine fortschreitende Ver- primärer Stentimplantation günstiger sind als nach
schlechterung der Nierenfunktion, akute Überwässe- reiner PTA.
rung oder ein sehr schnell einsetzendes akutes Lun-
genödem auf. Die klinische Verdachtsdiagnose wird
in der Regel bildgebend mit Hilfe der farbkodier- 9.3
ten Duplexsonographie und der MR-Angiographie Embolisationsbehandlung im Becken
bestätigt. Angiographisch wird von vielen – wie
bei konventionellen Nierenarterienstenosen – ein Die Embolisationsbehandlung ist indiziert zur Aus-
Durchmesserstenosegrad von >70% als Indikation schaltung von Aneurysmen, AV-Fisteln und Blutun-
zur Behandlung angesehen. Allerdings lässt sich gen (Abb. 9.10 a–f). Die Embolisation von Uterus-
die Anastomosenregion wegen des häufig stark ge- myomen wird gesondert im folgenden Abschnitt
schlängelten Verlaufs der Transplantatnierenarterie behandelt. Abhängig vom Krankheitsbild kann ein
nicht selten nur eingeschränkt beurteilen. temporärer oder ein permanenter Gefäßverschluss
das Behandlungsziel sein. Dazu stehen feste und flüs-
Merke ! Die perkutane Behandlung ist das
Verfahren der Wahl, denn die Reope-
sige abbaubare und nicht abbaubare Embolisate zur
Verfügung (Tabelle 9.5).
ration ist belastet durch eine hohe Mortalität und ei- Beckenblutungen können durch ein unfallbeding-
ne hohe Rate an Transplantatverlusten (Benoit et al. tes oder iatrogenes Trauma, durch Tumoren, Ge-
1990). fäßfehlbildungen, nach Radiatio oder Entbindung
auftreten (Görich et al. 1993). Eine Embolisationsbe-
Der Zugang sollte abhängig von der Art der Anasto- handlung ist bei unstillbaren Hb-wirksamen Blutun-
mose gewählt werden. Ein retrograder kontralatera- gen als Notfallintervention vor allem nach traumati-
ler Leistenarterienzugang ist vorzuziehen, wenn die schen Blutungen angezeigt. Blutungsquelle sind
Nierenarterie End-zu-End mit der A. iliaca interna überwiegend die viszeralen Äste der A. iliaca interna,
der Gegenseite anastomosiert wurde. Diese Anasto- insbesondere die A. obturatoria und die A. pudenda.
mose wird bei der Lebendnierenspende bevorzugt. Die A. obturatoria ist durch ihren Verlauf entlang der
Eine End-zu-Seit-Anastomose an die A. iliaca externa Kante des Foramen obturatum bei Beckenfrakturen
oder A. iliaca communis ist obligat bei Leichentrans- besonders gefährdet. Zur Behandlung sind perma-
plantatnieren. In diesem Fall ist ein ipsilateraler Zu- nente Embolisationsmaterialien vorzuziehen, vor
gang günstiger. allem Flüssigembolisate, wie Zyanoacrylat (Histo-
Der technische Erfolg der PTA von Transplantat- acryl) oder Ethibloc.
Nierenarterienstenosen liegt etwa zwischen 80–95%
418 Kapitel 9 Beckengefäße
a b
c d
e
9.3 Embolisationsbehandlung im Becken 419
Abb. 9.10 a–f. Weibliche Patientin, 34 Jahre, mit Druckgefühl Tabelle 9.5. Basiseigenschaften verschiedener Embolisations-
und unklaren Schmerzen im Unterbauch nach 2 gynäkologi- materialen im Becken
schen Operationen (Sectio, Hysterektomie wegen Uterus myo-
matosus inklusive Ovariotomie links bei Zystadenofibrom). Abbaubar Nicht abbaubar
AV-Fistel in Kombination mit einem Aneurysma: a In der CT
nach i. v. Kontrastmittelgabe Aneurysma im kleinen Becken Festes Partikel aus Partikel aus
links, frühe Kontrastierung zahlreicher benachbarter erwei- Embolisat a) Gelatineschwamm a) Polyvinylalkohol
terter Venen als Hinweis auf die Fistel. b In der multiplanaren b) Stärke b) Trisacryl
koronaren Rekonstruktion etwa 3,5×3,5×7 cm messendes Blutkoagel Mikro- und
Aneurysma. c,d In der DSA Versorgung des Aneurysmas über Makrospiralen
einen stark geschlängelt verlaufenden viszeralen Ast der A. Flüssiges Kollagen Zyanoacrylat
iliaca interna links, offensichtlich die A. uterina. e Nach Spiral- Embolisat Ethibloc
embolisation der zuführenden Arterie füllt sich in der Spät-
phase der DSA nur noch ein Netz von kleinen teils venösen Ge-
fäßen. f In der CT-Kontrolle Thrombose des Aneurysmas, er-
weiterte Venen stellen sich nicht mehr dar; Metallartefakte
durch die Spiralen
Die Diagnose des Uterus myomatosus und die ge- Zur Embolisation werden überwiegend Partikel
naue Lage der Myome ist vor und nach der Behand- aus Polyvinylalkohol (PVA) oder Trisacryl verwen-
lung durch Bildgebung zu dokumentieren. Ideal dazu det. Die größte Erfahrung besteht mit nichtsphäri-
geeignet ist die MRT. Eine sonographische Kontrolle schen PVA-Partikeln von 355–500 mm Durchmesser
ist ebenfalls möglich. (Walker u. Pelage 2002). Größe und Form dieser Par-
Absolute Kontraindikationen der perkutanen Be- tikel schwanken jedoch stark. Sphärische Trisacryl-
handlung sind gestielte subseröse und intraligamen- partikel, deren Größe und Form deutlich homogener
täre Myome, ein florider urogenitaler Infekt und ein ist, werden in Durchmessern von 500–900 mm einge-
liegendes Intrauterinpessar (Kröncke et al. 2004). Als setzt. Im Vergleich zu den nichtsphärischen PVA-Par-
relative Kontraindikationen gelten Kinderwunsch, tikeln sind sie einfacher über einen Mikrokatheter
Myom- bzw. Uterusgröße oberhalb der angegebenen applizierbar, und der Ort des Verschlusses ist defi-
Grenzwerte und Versorgung der Myome über die nierter (Pelage et al. 2003). Neu eingeführte sphäri-
A. ovarica. sche Partikel aus PVA, die sich ebenso einfach wie
Trisacrylpartikel applizieren lassen, sind offenbar
Technik weniger effektiv als Trisacrylpartikel (Spies et al.
Die große Mehrzahl der behandelten Patientinnen ist 2004).
im gebärfähigen Alter. Die besonders strahlensen- Endpunkt der Embolisation mit nichtsphäri-
siblen Ovarien liegen während der Behandlung voll schen und sphärischen PVA-Partikeln ist eine Stase
im Nutzstrahlenfeld. Es ist daher ganz besonders auf des Flusses in der A. uterina. Bei Verwendung von
eine geringe Strahlenbelastung zu achten. Trisacrylpartikeln reicht es aus, das Bild des so ge-
Periinterventionell wird von vielen Autoren eine nannten „entlaubten Baumes“ zu erreichen, bei dem
intravenöse Kurzzeitantibiose mit einem Breitband- ein geringer antegrader Fluss in der A. uterina erhal-
antibiotikum (Cephalosporin, Metronidazol) durch- ten bleibt. Ist der Endpunkt erreicht, sollte eine War-
geführt, der Nutzen ist allerdings nicht belegt. Die teperiode angeschlossen werden, um zu überprüfen,
A. uterina wird entweder über einen ein- oder beid- ob das erreichte Ziel stabil ist.
seitigen femoralen Zugang sondiert. Als Argument Eine intravenöse Schmerzbehandlung nach Be-
für einen beidseitigen Zugang wird eine Reduktion handlung ist in der Regel über einen Zeitraum von
der Strahlenbelastung durch simultane Embolisation 24 Stunden erforderlich. Dazu kann eine Morphin-
beider A. uterinae angeführt. Das Verfahren ist je- Schmerzpumpe oder ein Periduralkatheter verwen-
doch kosten- und personalintensiver. Die Mehrzahl det werden. Anschließend kann die Schmerzbehand-
der Untersucher bevorzugt einen einseitigen femora- lung, die häufig mit einer antiphlogistischen Medika-
len Zugang und embolisiert sukzessive in derselben tion kombiniert wird, oral fortgesetzt werden.
Sitzung zunächst die gegenseitige, anschließend die
gleichseitige A. uterina (Kröncke et al. 2004; Pelage et Ergebnisse
al. 2003; Walker u. Pelage 2002). Der technische Erfolg der Myomembolisation wird
mit über 90%, der klinische Erfolg mit etwa 70–90%
CAVE ! Eine nur einseitige Embolisation ist
nicht zu empfehlen, da die Misser-
berichtet (McLucas et al. 2001; Ravina et al. 1995;
Walker u. Pelage 2002; Abb. 9.11 a–d). Zur nicht-
folgsrate hoch ist. invasiven Ergebniskontrolle ist die MRT besonders
geeignet, da sie ohne Röntgenstrahlung auskommt
Vor der Behandlung sollte ein Blasenkatheter plat- (Abb. 9.12 a, b). Der Erfolg ist bildgebend sichtbar an
ziert werden. Schleusen von 4 oder 5 F werden einge- der bis zu 50%igen Volumenabnahme der Myome
setzt. Für die Sondierung der A. iliaca interna sind ge- und des Uterus, die meist in den ersten 6 Monaten
bogene 4- oder 5 F-Katheter, wie Kobra-, Sidewinder- nach Behandlung eintritt. Klinisch kommt es zu einer
oder RIM-Katheter, und gleitbeschichtete Führungs- Rückbildung der Blutungsbeschwerden, der Schmer-
drähte günstig. Die A. uterina entspringt in der Regel zen und des Raumforderungsgefühls im Unterbauch.
als einer der ersten Äste aus dem viszeralen (vorde- Die Gesamtkomplikationsrate wird mit etwa 15–
ren) Bündel der A. iliaca interna. Sie ist an ihrem 20% angegeben. Intraprozedurale schwerwiegende
stark geschlängelten Verlauf meist gut zu erkennen. Komplikationen gemäß Definition der SIR (Society
Viele Autoren empfehlen zur selektiven Sondierung of Interventional Radiology; Leoni et al. 2001) sind
der A. uterina einen Mikrokatheter, um Spasmen zu mit 1–5% selten (Kröncke et al. 2004; Walker u. Pela-
vermeiden. Kröncke und Mitarbeiter (2004) berich- ge 2002). Postinterventionell tritt in etwa 1–2% eine
ten jedoch, dass sie bei Verwendung eines 4 F-RIM- Infektion auf, die von einem schweren Postembolisa-
Katheters in 80% der Fälle auf einen Mikrokatheter tionssyndrom differenzialdiagnostisch unterschie-
verzichten konnten. Der Katheter wird mit der Spitze den werden muss. Eine ovarielle Insuffizienz (vorzei-
im transversalen Segment der A. uterina platziert. tige Menopause) kommt im Alter unter 45 Jahren in
9.3 Embolisationsbehandlung im Becken 421
a b
c d
<2%, im höheren Alter in bis zu 15% der Fälle vor postprozedurale Majorkomplikationsrate der Opera-
(Chrisman et al. 2000; Walker u. Pelage 2002). Chroni- tion von 35% gegenüber nur 2% der Embolisations-
scher vaginaler Ausfluss kann auf eine Abstoßung therapie (Pinto et al. 2003). Insgesamt ist die Zahl der
von nekrotischem Myomgewebe in die Uterushöhle veröffentlichten kontrollierten Studien und Langzeit-
mit Impaktation und Infektion hinweisen. Auch eine nachuntersuchungen jedoch noch zu gering, um das
vaginale Ausscheidung abgestoßenen Myomgewebes Verfahren als endgültig etabliert im Vergleich zu den
ist möglich. Eine Uterusnekrose ist sehr selten operativen Verfahren ansehen zu können (Moss
(<1%). Eine der wenigen bisher vorliegenden pro- 2005).
spektiv randomisierten Vergleichsstudien ergab eine
422 Kapitel 9 Beckengefäße
a b
Die perkutane Rekanalisation kann thromboly- nation von Thrombusfragmentation und -aspiration
tisch, mechanisch oder kombiniert erfolgen. Es ist durch einen hohen lokalen Unterdruck (Venturi-Ef-
umstritten, ob zum Schutz vor einer Lungenembolie fekt) an der Katheterspitze, der wie bei einer Wasser-
temporär ein Kavafilter implantiert werden sollte. Da strahlpumpe erzeugt wird. Die zur Zeit verfügbaren
alle perkutanen invasiven Verfahren bisher klinisch maschinellen Thrombektomiesysteme sind aller-
nicht etabliert sind, ist die Indikation zur Implanta- dings in kaliberstarken Venen von ≥10 mm Durch-
tion eines protektiven wiederentfernbaren Kavafil- messer, wie der V. cava inferior und der V. iliaca com-
ters großzügig zu stellen. Permanente Filter sollten munis, nur eingeschränkt wirksam. Die Thrombose
wegen der Langzeitkomplikationen möglichst nicht vergrößert in der Regel den Venendurchmesser zu-
mehr implantiert werden. Dehnt sich ein flottieren- sätzlich. Nach der mechanischen Thrombektomie
der umflossener Thrombus in die V. cava inferior aus, bleiben daher nicht selten größere Mengen wand-
ist unabhängig vom gewählten Verfahren ein Embo- ständigen thrombotischen Materials zurück, das
lieschutz in jedem Fall zu empfehlen. jedoch häufig durch eine zusätzlich lokale Thrombo-
lyse beseitigt werden kann.
Lokale Thrombolyse Mehrere Studien belegen, dass die Kombination
Unter den invasiven Verfahren besteht die größte Er- der Thrombolyse mit einer mechanischen Thromb-
fahrung mit der lokalen Katheterlyse. Dazu wird ein ektomie der alleinigen lokalen Katheterlyse überle-
endständig verschlossener Katheter mit zahlreichen gen ist (Morgan u. Belly 2002; Vedanthem et al. 2002).
Seitenlöchern und entsprechender Länge im Throm- Die Lysedauer wird verkürzt und die erforderliche
bus platziert. Als Wirkstoff werden vor allem Uroki- Wirkstoffmenge vermindert. Neuere mechanische
nase und rt-PA eingesetzt. Streptokinase wird kaum Systeme verbinden daher die mechanische Fragmen-
noch verwendet. Die mittlere Dauer der lokalen Lyse tation mit einer gleichzeitigen lokalen Thrombolyse.
betrug in einer Metaanalyse mehrerer Studien mit Ein Nachteil der mechanischen Systeme ist ihr hoher
Urokinase 53 Stunden, die mittlere applizierte Dosis Preis. Einige Systeme sind nicht über einen Füh-
7,8 Mio. IE (Mewissen et al. 1999). Mit rt-PA ist eine rungsdraht einzubringen und daher nur schlecht zu
etwas kürzere Lysedauer zu erwarten. Verschiedene steuern.
Dosisschemen werden verwendet. Ein allgemein Besteht eine akute symptomatische iliokavale
akzeptierter Standard existiert nicht. Thrombose bei einem sonst gesunden Patienten, ist
Während der Lyse ist parallel eine Vollheparinisie- eine perkutane Rekanalisation zu empfehlen. Der
rung in der Regel in einer Dosierung zwischen 500– günstigste Zugang ist von jugulär. Zur kavalen
1000 IE/h erforderlich. Die Antikoagulation sollte Thrombektomie ist vor allem das Dormia-Körbchen
überlappend mit Marcumar über einen Zeitraum geeignet, das sich bis zu einem Durchmesser von
von mindestens 6 Monaten fortgeführt werden. 30 mm erweitern lässt. Zum Schutz vor zentralen
Gegenüber der systemischen Lyse ist die lokale Emboli kann eine reusenartige Spezialschleuse ver-
Katheterlyse wahrscheinlich effektiver und kompli- wendet werden, die in der V. cava inferior unterhalb
kationsärmer (Sharafuddin et al. 2003), da der Wirk- des Nierenvenenursprungs expandiert und am Ende
stoff den Thrombus sicher und weitgehend unver- der Behandlung wieder entfernt wird (Haage u.
dünnt erreicht. Die Lysedauer und die benötigte Günther 2005). Ist die Thrombose auf eine Iliakal-
Wirkstoffmenge sind geringer. Eine der wenigen ver- vene beschränkt, kann bei einer mechanischen
öffentlichten prospektiven Studien zeigte Vorteile der Thrombektomie auch ein Fogarty-Ballon zum Schutz
lokalen Katheterlyse auch gegenüber der konservati- vor einer Embolie proximal des Thrombus platziert
ven Heparintherapie (Elsharawy u. Elzayat 2002). Die werden.
Offenheitsrate nach 6 Monaten war höher und die
venöse Refluxrate niedriger.
Merke ! Die mechanische Thrombektomie kann
in der V. cava inferior und den Be-
Mechanische und kombinierte Verfahren ckenvenen unbedenklich durchgeführt werden, da
Verschiedene Systeme stehen für die mechanische keine Schädigung von Venenklappen zu befürchten
Behandlung zur Verfügung. Die Palette reicht vom ist.
einfachen Lysekatheter über das Dormia-Körbchen
bis zum maschinell gesteuerten rotierenden oder Erste tierexperimentelle und klinische Studien deu-
hydrodynamischen Thrombektomiekatheter (Mor- ten daraufhin, dass bei vorsichtiger Handhabung des
gan u. Belly 2002). Thromektomiesystems auch klappentragende Venen
Das Prinzip der rotierenden Katheter beruht auf behandelbar sind (Haage u. Günther 2005).
der Fragmentation des thrombotischen Materials Bei Patienten mit einer akuten iliofemoralen
durch eine Art rotierenden „Quirl“. Das Prinzip der Thrombose kann über einen poplitealen, kontralate-
hydrodynamischen Katheter beruht auf einer Kombi- ralen femoralen oder jugulären Zugang ein perkuta-
424 Kapitel 9 Beckengefäße
ner Behandlungsversuch unternommen werden. Die ckenvenen durch benachbarte Arterien eingeengt
popliteale Punktion sollte unter sonographischer werden können. Symptomatisch wird offensichtlich
Kontrolle erfolgen. Wegen des Risikos der Klappen- nur ein geringer Teil der Betroffenen – Frauen häufi-
schädigung favorisieren einige die lokale Katheter- ger als Männer.
lyse gegenüber der mechanischen Thrombektomie. Die mechanische venöse Abflussbehinderung kann
mit einer chronischen Beinschwellung, Schmerzen
oder den Zeichen einer chronischen venösen Insuffi-
9.4.2 zienz einhergehen. Symptomatische Beckenvenen-
Beckenvenenstenosen stenosen und -verschlüsse können auch als Spätfolge
einer vorausgegangenen iliofemoralen Thrombose,
Wird eine invasive perkutane Behandlung durchge- posttraumatisch (wiederholte Katheterplatzierung),
führt, findet sich nicht selten als Ursache der akuten bei retroperitonealer Fibrose, postentzündlich nach
Thrombose eine perkutan behandelbare Stenose der Operation oder Radiatio oder bei einem Tumor auf-
Beckenvenen oder der distalen V. cava inferior, die treten (Abb. 9.13 a–f).
der konservativen Behandlung entgangen wäre (Bin- Umschriebene Stenosen der Beckenvenen sind
kert et al. 1998). durch PTA und Stentimplantation einfach behandel-
Eine aktuelle Untersuchung mit der CT-Venogra- bar (Binkert et al. 1998). Die PTA allein führt wegen
phie ergab, dass iliofemorale Thrombosen häufig auf der hohen Elastizität und Rückstellkraft der Venen
Anomalien der Venenanatomie zurückgehen. Von 44 meist nicht zu einer ausreichenden Aufweitung,
Patienten mit einer akuten linksseitigen iliofemora- sodass die Implantation eines Stents die Regel ist
len Thrombose wiesen 37 eine Anomalie der linken (vgl. Abb. 9.13 e, f). Selbstexpandierbare Stents sind
iliofemoralen Venen oder der V. cava inferior auf vorzuziehen, da sie sich besser an die elastische
(Chung et al. 2004). Bei 9 Patienten mit einer rechts- Venenwand adaptieren als ballonexpandierbare
seitigen iliofemoralen Thrombose fanden sich 6 ve- Stents. Die Größe der benötigten Stents liegt meist
nöse Anomalien. Bereits 1851 beschrieb R. Virchow, zwischen 10–16 mm.
dass Becken- und Beinvenenthrombosen links etwa
5-mal häufiger auftreten als rechts (Virchow 1851). Ergebnisse
Die Häufung wird zurückgeführt auf einen offenbar Der technische Erfolg der Behandlung akuter ilio-
erworbenen Gefäßsporn in der linken V. iliaca com- femoraler Thrombosen und chronischer Becken-
munis, den May u. Thurner (1956) in einer Studie bei venenstenosen liegt bei etwa 90%, bei iliokavalen
22% der 430 Autopsierten feststellten und der das Thrombosen ist er mit etwa 80% etwas geringer
Venenlumen in unterschiedlichem Ausmaß einengte. (Haage u. Günther 2005). Die Nachbeobachtung er-
Die Kompression der linken Iliakalvene zwischen der folgt am einfachsten mit der Farbduplexsonogra-
überkreuzenden rechten A. iliaca communis und phie. Die primäre Stentoffenheit nach 3 Jahren be-
dem 5. LWK soll für die Spornbildung verantwortlich trug in einer Studie 75% (Neglen u. Raju 2004).
sein. Nach Stentimplantation bei symptomatischer Be-
Nach den Erstbeschreibern der Pathologie wird ckenvenenstenose ist eine Antikoagulation für min-
das Krankheitsbild als May-Thurner-Syndrom, im destens 6 Monate erforderlich, meist wird Marcumar
französischen Sprachraum auch als Cockett-Syndrom verwendet. Der Zielwert der INR („international nor-
(Cockett u. Thomas 1965) oder allgemein als Iliakal- malized ratio“) liegt bei 2–3. Bei Tumorpatienten ist
venenkompressionssyndrom bezeichnet. Cockett und über Art und Umfang der Antikoagulation von Fall
Thomas fanden weitere Lokalisationen, in denen Be- zu Fall zu entscheiden.
9.4 Venöse Interventionen 425
a b
e f
426 Kapitel 9 Beckengefäße
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Periphere Arterien 10
D. Vorwerk
a b c
Abb. 10.1 a–c. Wendemanöver bei steiler antegrader Punk- enger Krümmung wird eingeführt und in der Punktionsstelle
tion. a Draht ist in die A. iliaca externa eingelaufen bei steiler gedreht. c Draht wird über den gedrehten Katheter nach distal
antegrader Femoralispunktion. b Ein 5 F-Katheter mit kurzer geführt
3–5 cm Länge, ggf. bis 8 cm Länge (TASC B: Läsionen, Lokalisation dar, es sei denn, es liegen besondere
die eher zur perkutanen als chirurgischen Therapie Umstände vor, wie narbige Restenosen nach operier-
geeignet sind). ter Leiste.
In der A. superficialis femoris und der A. poplitea
Unterschenkelarterien sind als relative Kontraindikationen für eine perkuta-
Aufgrund ihrer klinischen Ausprägung mit Ruhe- ne Intervention zu betrachten:
schmerz oder trophischen Störungen ergibt sich die
∑ Abgangsstenosen der A. superficialis femoris als
Indikation zur Behandlung im Stadium III und IV.
isolierte Läsion,
Kurzstreckige Läsionen sind technisch besser geeig-
∑ Abgangsverschlüsse der A. superficialis femoris,
net als langstreckige Verschlüsse. Da aber eine Ver-
∑ Läsionen bei fehlender Ausstrombahn und
besserung des desolaten Krankheitsbildes im Vorder-
∑ Läsionen über 5 cm Länge.
grund steht mit dem Ziel des Extremitätenerhalts,
kann bei allen Läsionen, die in der Peripherie ein An- Bei Unterschenkelgefäßen betrifft dies Läsionen im
schlussgefäß aufweisen, ein Versuch angezeigt sein. klinischen Stadium I, II a und II b.
Hierbei müssen keine technischen Grenzen beach- Seltene Kontraindikationen zur PTA stellen Pseu-
tet werden. Mit geeigneten Koronarballonkathetern dostenosen der A. poplitea infolge thrombosierter
können auch Stenosen bis in die A. dorsalis pedis Poplitealaneurysmen dar. Diese werden entweder
behandelt werden. primär operativ versorgt oder seltener auch durch
primäre Stentgraft-Implantation. Des Weiteren stel-
Kontraindikation zur perkutanen Intervention len die zystische Mediadegeneration der A. poplitea,
Läsionen der A. femoralis communis und der A. pro- die funktionelle Stenose durch „popliteal entrap-
funda femoris stellen primäre Kontraindikationen ment“ und eine Thrombangitis obliterans Kontra-
zu einer perkutanen Intervention aufgrund ihrer indikationen dar.
10.1 Gefäßeröffnende Verfahren bei chronischen Veränderungen 431
Technik
Arterieller Zugang
쐍 Antegrade Punktion der A. femoralis communis. Die
A. femoralis communis soll in ihrem Austritt unter
dem Leistenband punktiert werden.Anatomisch liegt
dieser Punkt bei gestreckter Hüfte (wichtig zur Fixie-
rung des Gefäßes) im unteren Drittel des Hüftkopfes.
a b c
Abb. 10.3 a–c. Subintimale Rekanalisation – Drahttechnik. ben wird. b Am Übertritt verjüngt sich die sonst weite Schlau-
a Die Spitze des gleitbeschichteten Führungsdrahtes be- fe, um in das wahre Lumen überzutreten. c Hochgradige Ver-
schreibt eine Schlaufe, die im subintimalen Raum vorgescho- jüngung am Übertrittspunkt
gelenkspaltes. Die Punktion sollte etwas angeschrägt Kontrastmittelapplikation wird anschließend eine
von innen erfolgen, um eine Durchpunktion der konische Spitze im durchströmten Ende des Ver-
V. poplitea zu vermeiden, die hier dorsal, in Bauch- schlusses gesucht und ein gerader Führungsdraht in
lage also vor der Arterie, liegt. Bei diesem Zugang diesen Abschnitt vorgeführt, ohne dabei in den
sollte immer eine Schleuse verwendet werden. Thrombus einzudringen. Bevor das Drahtende in den
Verschluss eingeführt wird, sollte das Katheterende
쐍 Sondierung der Stenose. Nach Vorführen eines minimal zurückgezogen werde, da ansonsten der
gleitbeschichteten Drahtes und Katheters über die Katheter das Drahtende so stark versteift, dass dies
Läsion, wird der gleitgeschichtete Draht gegen einen zur unerwünschten Dissektion führen kann. Wäh-
nichtbeschichteten Draht ausgetauscht, um ein unbe- rend des Vorschiebens des Drahtes im Verschluss ist
merktes Zurückgleiten zu vermeiden. Die Drahtspit- ein leichter Widerstand spürbar. Es ist von Vorteil,
ze muss in sicherer Position läsionsfern gelagert sein. Draht und Katheter gemeinsam durch den Verschluss
Im Unterschenkel sollten Führungsdrähte von zu bringen, wobei die Drahtspitze immer führen
mindestens 180 cm Länge zur Sondierung genutzt muss. Nach Wiedererreichen des freien Lumens
werden, um einen Kathetertausch vornehmen zu kommt es zu einem Widerstandsverlust. Tritt auf der
können. In Unterschenkelarterien sollten nur gleitbe- Höhe des durchströmten Lumens wider Erwarten
schichtete (0,035 Inch = 35/1000 Zoll) oder Spezial- kein Widerstandsverlust auf, sollte eine Angiographie
drähte (0,018 – 0,021 Inch), aber keine konventionel- klären, ob der Draht subintimal geführt worden ist.
len 0,035 Inch-Drähte verwendet werden.
쐍 Subintimale Rekanalisation. Eine subintimale Re-
쐍 Sondierung eines Verschlusses. Wird ein Gefäßver- kanalisation kann allerdings auch absichtlich herbei-
schluss sondiert, so sollte die Katheterspitze knapp geführt werden, wenn ein Verschluss ansonsten nicht
vor dem Verschlussbeginn zu liegen kommen. Unter passierbar ist.Von Reekers u. Bolia (1998) wurde eine
10.1 Gefäßeröffnende Verfahren bei chronischen Veränderungen 433
a b c a b
Abb. 10.4 a–c. Subintimale Rekanalisation. a Langstreckiger Abb. 10.5 a, b. Unterschenkel-PTA. a Proximaler Verschluss der
Verschluss der A. superficialis femoris bei Patienten im Stadi- A. fibularis als Aufnahmegefäß eines femorokruralen Bypasses.
um III. b,c Nach subintimaler Rekanalisation erneut gute b Nach PTA mittels eines 3 mm-Ballons gute Durchgängigkeit
Durchgängigkeit mit kurzer Engstellung am Eintrittsort
Rekanalisationstechnik beschrieben, die absichtlich 쐍 PTA. Eine PTA sollte mit einem bezüglich des
einen subintimalen Passageweg erzeugt, um Ver- Durchmessers und der Länge gut abgestimmten
schlüsse zu umgehen. Ballonkatheter erfolgen. Wir bevorzugen am Ober-
Hierbei wird die Katheterspitze in der Läsion schenkel Semicompliant-Ballons, die sich gezielt
exzentrisch fixiert und ein gleitbeschichteter Draht überdehnen lassen, um eine möglichst gute Adaptie-
vorgeführt. Nimmt dieser dann einen spiraligen Ver- rung zu erreichen. Ein Manometer erleichtert die
lauf oder bildet eine Schlaufe, liegt er in einer sub- Dilatation und kontrolliert sie besser. Wir halten eine
intimalen Schicht. Dilatationszeit von 30–45 s ein. Schaftdurchmesser
Diese Schlaufe (Abb. 10.3 a–c) wird dann über die von 4,5–5 F sind heute Standard. Für Oberschenkel-
gesamte Verschlusslänge vorgeschoben, bis sie aus arterien und die A. poplitea sind Systeme, die einen
dem subintimalen Raum wieder in das durchströmte 0,035 Inch-Führungsdraht aufnehmen, zu bevorzu-
Lumen übertritt. Hierbei verengt sich im Idealfall gen.
der Kurvenradius der Schlaufe. Dies gelingt über- Am Unterschenkel ist die Materialwahl entschei-
raschenderweise relativ zuverlässig. Es kann aller- dender.
dings auch dazu kommen, dass der Draht den sub- Für den proximalen Unterschenkel werden Ballon-
intimalen Raum nicht verlässt und auch über die Ver- durchmesser von 3–3,5 mm gewählt (Abb. 10.5 a, b).
schlusslänge hinaus in diesem verharrt. Dies sollte An dieser Stelle können in der Regel Standardballons
vermieden werden, um Kollateralgefäße nicht un- eingesetzt werden. Weiter distal sollten Minisysteme
nötigerweise zu zerstören. mit sehr dünnen Ballonschäften und Durchmessern
Diese Technik ist insbesondere im Stadium III und von 2–2,5 mm verwendet werden, welche über 0,018-
IV indiziert, um auch bei sehr langstreckigen Ver- und 0,014-Inch-Führungsdrähte geleitet werden. Es
schlüssen eine rasche Versorgung zu erreichen und können entweder Koronarballonkatheter oder dedi-
das akute Stadium zu beherrschen (Abb. 10.4 a–c). zierte Unterschenkel-PTA-Ballons eingesetzt werden.
434 Kapitel 10 Periphere Arterien
a b c
Aufgrund der größeren Gebrauchslängen empfehlen stenose – nicht gegenüber der PTA-Gruppe verbes-
sich „Rapid-exchange-Systeme“. sert werden (Cejna et al. 1998).
Gerade in der Femoralarterie kann versucht wer- Die Länge der Stenose/des Verschlusses spielt
den, ein primär unbefriedigendes PTA-Ergebnis eine entscheidende Rolle. Jeans et al. (1990) erreich-
durch Prolongation der Balloninflation zu verbes- ten bei Stenosen <1 cm eine Fünfjahresdurchgän-
sern (Abb. 10.6 a–c). Der Ballon sollte in diesem Fall gigkeit von 76%, bei solchen >1 cm eine von 50%
für mehrere Minuten aufgeblasen an Stelle der (Jeans et al. 1998). Currie et al. (1994) erzielten gera-
Dissektion belassen werden. de bei langen Verschlüssen >5 cm schlechte Ergeb-
nisse mit einer Durchgängigkeit von 4% nach 6 Mo-
쐍 Ergebnisse der femoropoplitealen PTA. Nach PTA der naten.
femoropoplitealen Strombahn sind die Ergebnisse Dennoch müssen die Ergebnisse ständig neu
schlechter als nach PTA in der Beckenstrombahn. evaluiert und kritisch betrachtet werden, da Verbes-
Der technische Erfolg beträgt etwa 90%; die serungen in Material und Technik und auch die Ein-
durchschnittliche Durchgängigkeit nach einem Jahr führung neuer flexibler Stents aus Nitinol mit und
beträgt 61%, nach 3 Jahren 51% und nach 5 Jahren ohne Beschichtung gerade bei kritischen Läsionen zu
48% (Hunink et al. 1995; Johnston 1992; Matsi et al. Verbesserungen führen können.
1994; Murray et al. 1995).
Die Komplikationsrate beträgt durchschnittlich 쐍 Ergebnisse der Unterschenkelarterien-PTA. Soder et
4% (Becker u. Katzen 1989). al. (Soder et al. 2000) berichteten über 73 infrapopli-
Positivfaktoren für einen dauerhaften Erfolg teale PTA bei 60 Patienten im Stadium III und IV mit
sind das Stadium (II a und b), nichtdiabetische einem technischen Erfolg in 84% für Stenosen und
Patienten, Kürze der Läsion, guter Abstrom in den 61% für Verschlüsse. Schwere Komplikationen traten
Unterschenkelgefäßen und fehlende Reststenose in 2,8% auf. Der klinische Erfolg betrug 63%. Die
nach PTA. Dennoch konnte bislang durch primäre primäre Durchgängigkeit betrug 48% und die Bein-
Stentimplantation das Ergebnis – bei fehlender Rest- erhaltungsrate 80%.
10.1 Gefäßeröffnende Verfahren bei chronischen Veränderungen 435
Krankenberg et al. (2005) berichteten über 104 Studie von Sabeti et al (2004) kommt zu ähnlichen
PTA-Interventionen an den Unterschenkel- und Ergebnissen. Randomisierte Studien zu selbstexpan-
Kniegelenkarterien im Stadium der Claudicatio – dierenden Stents und PTA sind zur Zeit in der Durch-
einer bislang nicht allgemein akzeptierten Indikation führung; ihre Ergebnisse stehen jedoch noch nicht
zur PTA. Hierbei erzielten sie eine primäre Durch- allgemein zur Verfügung.
gängigkeit von 66% und eine primär assistierte Problematisch ist, dass auch spezifische Eigen-
(nach einer erneuten perkutanen Intervention im schaften jedes einzelnen Stents (Flexibilität, Metall-
Verlauf) Durchgängigkeit von 82% nach 12 Monaten. dicke, Oberflächenbehandlung) bei der Neointima-
Eine Vergleichstudie zwischen infrapoplitealer entwicklung und Restenosierung eine Rolle spielen
Bypasschirurgie und PTA existiert nicht. Die Bein- können, sodass wahrscheinlich nicht aus einer ein-
erhaltungsraten sind aber in etwa gleich. Häufig las- zelnen Studie auf eine ganze Gruppe von Stents
sen die Umstände eine infrapopliteale Bypassanlage zurückgeschlossen werden kann.
nicht zu, z. B. aufgrund eines lokalen Infekts, des Medikamentenfreisetzende („drug eluting“)
Alters, des Narkoserisikos, sodass die PTA die einzige Stents sind in den peripheren Arterien bislang nur in
invasive Möglichkeit darstellt. kleinen Fallgruppen getestet, die Scirocco-Studie
hat keine signifikanten Verbesserungen gegenüber
쐍 Stents. Die Stentimplantation im femoropoplitea- „Non-eluting-Stents“ gezeigt (Duda et al. 2005).
len Stromgebiet wird nach wie vor diskutiert.
In randomisierten Vergleichstudien, ballonexpan- 쐍 Atherektomie und andere Verfahren. Zur Atherekto-
dierbare Stents vs. PTA, zeigt eine primäre Stentver- mie stehen zur Zeit (2005) keine Instrumente
sorgung der A. superficialis femoris die gleichen Er- in Europa zur Verfügung, während in der Vergangen-
gebnisse im Verlauf wie nach PTA alleine. Das Kern- heit mit verschiedensten Systemen (Simpson-Ather-
problem stellt die neointimale Restenosierung im ektomiekatheter Mallinckrodt, Redhacut, „silver
Stent nach 6–12 Monaten dar. Die technischen Ergeb- hawk“) klinische Erfahrungen gesammelt werden
nisse sind hingegen sehr gut. Nach Stentimplantation konnten.
in die femorale Strombahn ist mit einer erhöhten Die Rolle der Atherektomie ist nicht gesichert. Die
Thrombogenität zu rechnen, sodass besondere Medi- Langzeitergebnisse im femoropoplitealen Stromge-
kationsmaßnahmen erforderlich werden. biet sind bisher nicht besser als bei der PTA (Tielbeek
Stents sind hilfreich in der Behandlung von Kom- et al. 1996). Ob neuere Atherektomieverfahren hier
plikationen wie z. B. flussbehindernden Dissektionen eine Verbesserung erreichen können, ist bislang noch
(Abb. 10.7 a–d, Abb. 10.8 a–c). Die Indikationsstel- nicht geprüft.
lung bei „insuffizientem PTA-Ergebnis“ ist kritisch Über den Einsatz des Silver-hawk-Atherektomie-
zu sehen, da eine verbindliche Definition eines in- katheters wird zur Zeit ein Register geführt. In 75%
suffizienten PTA-Ergebnisses – anders als im Fall der von 1047 behandelten Läsionen wurde ausschließlich
iliakalen Strombahn – fehlt. dieses Atherektomiesystem eingesetzt. Das Register
Bei Versagen der PTA mit erheblicher Flussbehin- ergibt zur Zeit der Schriftlegung (August 2005)
derung kann jedoch eine Stentimplantation durch- eine primäre Durchgängigkeit von 90% nach 6 Mo-
geführt werden. naten. Endgültige Ergebnisse müssen abgewartet
In diesem Fall sollte die mit einem Stent versorgte werden.
Strecke möglichst kurz gehalten werden. In Gelenk- Eine Indikation zu einer Atherektomie bestand bis-
bereichen sollten möglichst keine oder, falls unver- her bei technisch schwierigen Vorgaben, wie stark ex-
meidbar, flexible Stents eingesetzt werden. zentrischen und verkalkten Stenosen, wie sie häufig
Bei Patienten mit drohendem Extremitätenverlust insbesondere in der mittleren A. poplitea vorkommen.
(Stadium III und IV) kann die Indikation zur Stent- In diesen Fällen wurde das Plaquematerial durch
implantation großzügiger gestellt werden, da die Ver- 7- oder 8 F-Simpson-Atherektomiekatheter abgetra-
besserung der aktuellen Situation im Vordergrund gen und der Eingriff mit einer PTA abgeschlossen.
steht (Muradin et al. 2001) und diese Patienten mit Schneideballons haben in den peripheren Arte-
häufig komplexen Läsionen von einer Stentimplanta- rien unterhalb des Leistenbandes eine Nischenindi-
tion eher profitieren (ebd.). kation. Läsionen, die sich auch unter hohen Drücken
Jüngere Arbeiten zu medikamentenfreisetzenden während einer konventionellen PTA nicht öffnen
selbstexpandierenden Stents aus Nitinol berichten (Abb. 10.9 a–c), insbesondere auch narbige Anasto-
deutlich bessere Ergebnisse mit 80% primärer mosenstenosen bei Bypässen oder nach Leisten-
Durchgängigkeit nach 12 Monaten sowohl für die TEA, können nach erfolgreicher Schneideballonan-
aktiv freisetzenden Stents als auch für nichtaktive wendung mit besserem technischen Erfolg dilatiert
Stents der gleichen Bauart im Vergleich zum Wall- werden. Langzeitergebnisse liegen diesbezüglich
stent (Duda et al. 2005). Eine nichtrandomisierte aber nicht vor.
436 Kapitel 10 Periphere Arterien
a b c d
Abb. 10.7 a–d. Stentimplantation in die A. superficialis femo- 2 cm langen selbstexpandierenden Nitinolstents ausreichende
ris. a Kurzstreckige Stenose (TASC A). b Auch nach zwei- Durchgängigkeit mit Versiegelung der Dissektion. d Im nati-
maliger prolongierter PTA über jeweils 3 min verbleibt eine ven Bild ist der Stent gut abgrenzbar
tiefe Dissektion mit Reststenose. c Nach Implantation eines
CAVE !
Nach Anwendung von Schneidebal-
lons kann es in Einzelfällen zur Ge-
Unbestrittene Einsatzgebiete sind AV-Fisteln und
Aneurysmen sowie Pseudoaneurysmen, sofern keine
fäßruptur kommen. chirurgische Behandlung vorgezogen wird.
Bei der Behandlung von langen Oberschenkelver-
Ein neues Verfahren stellt die Kryoplastie dar. Hier schlüssen und Stenosen wird von einigen Arbeits-
wird ein Spezialballon in der Läsion mit CO2 gekühlt gruppen die Verwendung von Stentgrafts favorisiert.
und inflatiert und in der Läsion aufgeweitet. Es liegen Dennoch liegen bislang nur monozentrische nicht-
bisher keine validen Daten vor, die einschätzen randomisierte Studien vor, die als Ergebnis nach ei-
lassen, wie diese Technik zu bewerten ist. nem Jahr primäre Durchgängigkeitsraten von etwa
80% berichten (Jahnke et al. 2003; Lammer et al.
쐍 Stentgrafts. Die Indikationen zur Verwendung von 2000). Randomisierte Studien gibt es mit Ausnahme
meist mit ePTFE-beschichteten Stentgrafts in den einer kleinen Studie von Saxon et al. (2003) mit 28 Pa-
peripheren Arterien sind nicht vollständig gesichert. tienten jedoch nicht. Diese Studie propagiert eine
10.1 Gefäßeröffnende Verfahren bei chronischen Veränderungen 437
a b c
a b c
Abb. 10.9 a–c. Cutting-Ballon in Cross-over-Technik. a Nach starken Führungsdrähten in die A. superficialis femoris und
TEA vor 6 Monaten hochgradige narbige Restenose in der A. profunda femoris und konsekutive Dilatation mit einem
Femoralisbifurkation und beiden Gefäßabgängen bei ins- 5 mm weiten Schneideballon. c Im Anschluss deutliche Verbes-
gesamt dünnlumigen Gefäßen. b In Cross-over-Technik und serung der Lumina
Einlage einer langen Schleuse Einfügung von zwei 0,014 Inch
a b c d
Abb. 10.10 a–d. Iatrogene Embolie und Aspirationsembolek- Durchgängigkeit. c Embolischer Verschluss der A. fibularis.
tomie. a Etwa 7 cm langer Verschluss der A. superficialis femo- d Nach einmaliger Aspiration freie Gefäßdurchgängigkeit wie-
ris. b Nach Passage des Verschlusses und PTA gute lokale derhergestellt
hämodynamisch relevant sind, mit peripherem Steal, Drohende Embolien, die aber noch an der Wand
dann müssen sie operativ oder mit einer Stentgraf- haften, können durch Implantation eines Stents an der
timplantation behandelt werden. Dagegen erfordern Wand angehaftet werden. Diese Technik sollte man
kleine und temporäre AV-Fisteln nach PTA keine Be- aufgrund der allgemeinen Risiken von Stents in der
handlung. peripheren Strombahn jedoch nur sparsam einsetzen.
a b c d
Abb. 10.12 a–d. Aspirationsembolektomie bei akuter Ischä- prägte Spasmen der Unterschenkelarterien. d Durchgängige,
mie. a Thromboembolischer Verschluss der A. poplitea distal aber stark spastische A. tibialis anterior. Procedere: Abbruch
bei 51-jähriger Patientin. b Nach einmaliger Aspiration gute der Aspirationsversuche, Nitroglycerin i. a. 0,3–0,5 mg, Vollhe-
Darstellung des Thrombuskopfes. c Nach mehrmaliger Embo- parinisierung und Prostaglandininfusion
lektomie freie Durchgängigkeit der Trifurkation, aber ausge-
handlung arterieller Thrombosen eingesetzt wurde, Dieses System ist auch in der Lage, ältere Ver-
in 75% einen technischen Erfolg allein durch dieses schlüsse von mehreren Tagen bis Wochen effektiv
System, in 20% in Kombination mit anderen Verfah- zu thrombektomieren: Solche Spätthrombektomien
ren erreichen. Allerdings setzt das Amplatz-Throm- stellen auch für den Gefäßchirurgen in der Regel Pro-
bektomisystem, welches nicht über einen Führungs- blemfälle dar, bedingt durch die stärkere Wandadhä-
draht eingebracht wird, frisches Thrombenmaterial renz des Materials.
für einen guten Erfolg voraus. Alle mechanischen Systeme sind nur sehr einge-
Technisch effektiver ist das Rotarex-System (Fa. schränkt in den Unterschenkelarterien einsetzbar –
Straub; Abb. 10.13 a–c). Das System saugt den Throm- mit Ausnahme der rheolytischen Thrombektomie
bus an, zerkleinert ihn mechanisch und transportiert (4 F-Angiojet) und der Aspirationsthrombektomie.
die Fragmente über eine archimedische Schraube Die Behandlungsstrategie erfordert daher häufig
nach außen. Zeller et al. (2002) wendeten dieses Ver- eine Kombination verschiedener Verfahren, gelegent-
fahren bei 98 Patienten an. Es waren akute und sub- lich auch unter Einschluss der Thrombolyse z. B. bei
akute Thrombosen mit Verschlusszeiten bis zu 140 Ta- Embolien in die kleinen Fußarterien.
ge und einer mittleren Länge von 21 cm eingeschlos-
sen. Sie beschrieben einen technischen Erfolg in 96% Zusammenfassung
der Fälle und schwerere Komplikationen in 3%. Während bislang die perkutanen Therapieverfahren
– auch bei Nachweis ihrer Wirksamkeit – bei akuten
10.2 Gefäßeröffnende Verfahren bei akuten Verschlüssen 443
a b c
Ischämien eher verzögert in die Routine eingeführt Hunink M, Donaldson M, Meyerovitz M, Polak J, de Vries J,
werden, verschiebt sich innerhalb der Verfahren das Harrington D (1995) Revascularization for femoropopliteal
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Gleichgewicht mehr und mehr in Richtung der me- 274: 165–171
chanischen Thrombektomie, die es ermöglicht, zeit- Jahnke T, Andresen R, Muller-Hulsbeck S, Schafer FK, Voshage
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444 Kapitel 10 Periphere Arterien
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Hämodialyseshunt 11
G. Wittenberg
Diese Interponatschleifen werden oft extraanato- 왔 Unter Rezirkulation versteht man all-
Definition
misch platziert, z. B. als Gefäßschleife am proximalen gemein, dass der Blutfluss unter Dia-
Unterarm von der distalen A. brachialis zum mittle- lyse den Shuntfluss übersteigt.
ren Abschnitt der V. brachialis oder seltener von der
A. subclavia zur kontralateralen V. subclavia (Collier- Dies kann dann dazuführen, dass bereits dialysiertes
Shunt). Auch zunehmend anzutreffen sind Goretex- Blut über die arterielle Dialysenadel erneut aspiriert
Interponate, die alterierte Venensegmente ersetzen und wiederholt in den Dialyseprozess eingeschleust
bzw. überbrücken. wird (Stenose zentral der venösen Punktionsstelle)
Die häufigsten Ursachen für Shuntvenenstenosen oder dass die Aspirationsnadel sich an der Gefäß-
sind: wand ansaugt mit daraus resultierender Verschlech-
terung der Dialyseeffizienz (Stenose peripher der
∑ der unphysiologisch hohe Blutfluss in der Vene
arteriellen Nadel).
mit daraus resultierender intimaler Hyperprolife-
Im Fall des zu geringen arteriellen Angebots liegt
ration,
die Stenose vor der arteriellen Punktionsstelle (wei-
∑ die rezidivierenden Punktionstraumen mit dar-
cher Shunt), meist anastomosennah, und im Falle
aus resultierender perivenöser und Gefäßwand-
des Blutaufstaus proximal der venösen Dialysepunk-
fibrosierung oder
tionsstelle (praller pulsierender Shunt). Weitere
∑ operationstechnisch bedingte Probleme.
Zeichen einer proximalen therapiebedürftigen Ste-
Letztere sind meist auf den ersten 2 cm nach der nose können erhöhte Nachblutungszeiten beim Ab-
Anastomose lokalisiert. drücken der Punktionsstellen oder deutliche Arm-
Die Indikation zur Intervention am Hämodialyse- schwellungen sein. Diese zuletzt genannten Zeichen
shunt ergibt sich in der Mehrzahl der Fälle aus der der Shuntdysfunktion finden sich gehäuft bei Inter-
Ineffektivität der Hämodialyse. Die Effektivität der ponatshunts, bei denen sich eine venöse Anastomo-
Entgiftung spiegelt sich in laborchemischen Parame- senstenose ausgebildet hat.
tern, wie z. B. dem Kalium-, dem Phosphat- und dem Eine deutliche Verschlechterung der Dialysesitua-
Harnstoffspiegel im Serum oder im KT/V wieder. tion kann bereits bei einer 40- bis 50%igen Stenose
Dialyseärzte fordern für eine suffiziente Dialyse ei- vorliegen (Sullivan et al. 1992, 1993).
nen Blutfluss von mindestens 350 ml/min in der
Shuntvene. Liegt eine blutflussmindernde Gefäßalte-
ration – Stenose oder Thrombose – vor, entscheiden Merke ! Dies zeigt, dass nicht der Stenosegrad
das alleinige Kriterium für die Indika-
die Wahl der Interventionsart sowie die Art und Lo- tionsstellung zur Intervention ist, sondern die Effek-
kalisation des Hämodialyseshunts über den dafür tivität der Dialyse die Indikationsstellung erheblich
notwendigen Zugangsweg. Dieser muss jeweils indi- mit beeinflusst.
viduell festgelegt werden.
11.1 11.1.1
Diagnostik Farbkodierte Duplexsonographie
Für eine effektive und risikoarme radiologische In- Seit etwa Mitte der 1980er Jahre ist die farbkodierte
tervention ist die vorherige suffiziente Diagnostik Duplexsonographie (FKDS) in der Gefäßdiagnostik
des Gefäßproblems unabdingbar. Erste Aufschlüsse fest etabliert. Sie stellt mit hoher diagnostischer
über die Lokalisation der Gefäßalteration ergeben Sicherheit Gefäßalterationen u. a. von Hämodialyse-
bereits die Palpation und die Auskultation des shunts dar (Landwehr et al. 1990; Wittenberg et al.
Hämodialyseshunts. Die Verminderung des Shunt- 1998).Auch sind mit ihr objektive Shuntflussmessun-
flusses kann durch eine Verminderung des arteriel- gen (Landwehr et al. 1989; Wittenberg et al. 1993) und
len Angebots oder durch ein der Punktionsstelle damit Rückschlüsse auf das Thromboserisiko des
nachgeschaltetes Abflusshindernis mit daraus resul- Shunts möglich. Neyra et al. (1998) publizierten, dass
tierendem Blutaufstau bedingt sein. Aus den Ge- eine Verringerung des Shuntflusses um etwa 1/3 des
fäßalterationen resultiert eine vermehrte Rezirkula- Ausgangswertes zu einer 14-fachen Steigerung des
tion. Thromboserisikos führt. Affektionen der Shunt-
11.1 Diagnostik 447
gefäße von der shuntspeisenden Arterie über die ripheren Gefäßabschnitten vor (Bacchini et al. 2000;
Anastomose bis zur V. subclavia werden mit einer Wittenberg et al. 1996). Ein Vorteil der Methode ist
Sensitivität, einer Spezifität und einer Genauigkeit u. a., dass jederzeit Shuntflussvolumenbestimmun-
von jeweils etwa 93% erfasst (Abb. 11.1 a, b). gen möglich sind. Die Interventionen unter FKDS-
Ein Problem für die FKDS ist der gut kollaterali- Kontrolle werden mit den gleichen Materialien und
sierte alte segmentale Shuntvenenverschluss. Dieser Techniken wie die radiologisch gesteuerten Eingriffe
ist bei Kollateralgefäßen, die zum obliterierten Ge- durchgeführt (s. Abschn. 11.2), bis auf die Tatsache,
fäßlumen parallel verlaufen, nur schwer diagnosti- dass der Dilatationsballon mit physiologischer Koch-
zierbar. Für den klinischen Alltag hat dies aber nur salzlösung statt mit einem Kontrastmittelgemisch in-
eine geringe Relevanz. Bei der Abklärung der zentral- suffliert wird (Abb. 11.2 a–c). Der Ultraschallapplika-
venösen Stenose ist die digitale Subtraktionsangio- tor wird mittels einer sterilen Plastikhülle für den
graphie (DSA) weiterhin die Methode der Wahl (Wit- Einsatz vorbereitet. Als Kontaktmittel stehen sterile
tenberg et al. 1998). kommerziell erhältliche Ultraschallgele zur Verfü-
Ein weiterer Vorteil der FKDS liegt in der sicheren gung. Die Hauptgründe für die Wahl der FKDS-ge-
Diagnose von kurzstreckigen webartigen Stenosen, steuerten Intervention sind eine manifeste Kontrast-
die angiographisch nur schwer fassbar sind. In der mittelallergie und eine Nierenrestfunktion, die durch
FKDS führen diese Stenosen aber zu deutlichen eine Kontrastmittelgabe nicht gefährdet werden soll.
Flussturbulenzen und sind damit einfach zu diagnos- Durch die FKDS ist eine diagnostische Angiogra-
tizieren. Auch die gelegentliche Frage nach einem phie des Hämodialyseshunts in den meisten Fällen
„Steal-Phänomen“, der shuntbedingten arteriellen nicht mehr notwendig, außer bei der Frage der zen-
Minderperfusion der Hand, lässt sich mit der FKDS tralvenösen Stenose. Weiterhin können in Abhängig-
einfach und schnell beantworten. keit von der Gefäßalterationsstelle und -art die venö-
Mittlerweile liegen Erfahrungen über FKDS-ge- se Punktionsstelle und -richtung für die Intervention
steuerte Interventionen an Hämodialyseshunts in pe- festgelegt werden.
448 Kapitel 11 Hämodialyseshunt
11.2.2 Dilatation
Kontraindikationen zur Therapie Bei allen Gefäßengen des Hämodialyseshunts steht
primär die gefäßweitenadaptierte Ballondilatation
Die Hauptkontraindikation gegen eine Intervention im Vordergrund. Soll eine Anastomosenstenose eines
am Hämodialyseshunt ist die Infektion. Der stark Gefäßinterponates dilatiert werden, richtet sich der
aneurysmatisch veränderte Dialyseshunt stellt eine zu wählende Ballondurchmesser generell nach der
relative Kontraindikation dar. Weite des Interponats zur Risikominderung einer
Der Zeitpunkt der Shuntneuanlage spielt nur bei Leckage. Bei uns hat sich der Einsatz von „Small-
Interventionen im Bereich der Anastomose bzw. der vessel-PTA-Ballons“ (z. B. Submarine Plus, Fa. In-
anastomosennahen Gefäßabschnitte eine Rolle. Ein vatec; RBP bis zu 17 atm) zur ambulanten Dilatation
zeitlicher Mindestabstand von 2 Wochen zwischen im Bereich von Hämodialyseshunts bewährt. Als
der Shuntneuanlage und einer anastomosennahen Führungsdraht dient ein steuerbarer 0,46 mm
Intervention ist ratsam. Anastomosenferne Interven- (0,018 Zoll) Nitinolführungsdraht (z. B. Nitrex,
tionen können jedoch jederzeit nach der Shuntneu- Fa. Ev3, Plymouth, USA). Mit diesem Besteck lassen
anlage durchgeführt werden. sich die meisten Stenosen suffizient behandeln
Neben diesen shuntbedingten Kontraindikationen (Abb. 11.3 a, b). Da venöse Stenosen sehr rigide sein
gelten natürlich auch die allgemeinen angiographi- können, sind PTA-Drücke über 15 atm keine Selten-
schen Kontraindikationen, auf die hier nicht näher heit. Die Dilatationszeit liegt primär bei wenigen Se-
eingegangen wird. kunden und kann bei primärer therapierefraktärer
der Stenose auf bis zu 5 min ausgedehnt werden.
Die technischen Erfolgsraten der alleinigen Bal-
11.2.3 londilatation von Stenosen liegen zwischen 90 und
Therapie der Shuntstenose 100% (Beathard 1992; Bohndorf et al. 1993; Longwitz
et al. 1998; Lorch 2000; Vorwerk et al. 1991) und las-
Merke ! Nachgewiesene Shuntvenenstenosen
sollten frühzeitig einer interventio-
sen sich durch den Einsatz von Hochdruckballons
bzw. eines „cutting balloons“ bei primär therapie-
nellen Therapie zur Vermeidung akuter Shuntvenen- refraktären Stenosen noch steigern. Die Offenheits-
thrombosen und zur Steigerung der Dialyseeffektivi- raten nach Ballon-PTA von autologen Shunts liegen
tät zugeführt werden. nach 3 Monaten zwischen 70 und 87%, nach 6 Mona-
ten zwischen 55 und 67% und nach 12 Monaten zwi-
Der technische Aufwand und das Interventionsrisiko schen 30 und 51% (Fujiwar et al. 2000; Longwitz et al.
sind bei der Therapie einer Stenose geringer als bei 1998; Turmel-Rodriguez et al. 2000). Bei der Dilata-
der Therapie einer Shuntokklusion. tion von alloplastischen Shuntstenosen liegt die pri-
Anastomosennahe Stenosen der Shuntvene wie märe Offenheit mit 85%/31–71%/29% nach 3/6/12
auch Stenosen der Anastomose oder der shuntspei- Monaten niedriger (Maya u. Allon 2006; Turmel-
senden Arterie lassen sich problemlos über einen Rodriguez et al. 2000; Vogel u. Parise 2005).
retrograden venösen Zugang therapieren. Für ana- Engstellen, die sich als therapierefraktär für die
stomosenferne und zentralvenöse Stenosen erfolgt normale Ballondilatation erweisen, liegen meist ana-
eine antegrade Punktion der Shuntvene. Die Punk- stomosennah und zeigen oft eine kurzstreckige ring-
tion des Hämodialyseshunts wird ebenfalls mit einer förmige Morphologie. Auch fallen in den letzten Jah-
18-Gauge-Verweilkanüle ohne Seitventil (s. oben) ren Hämodialyseshunts auf, die in der Nachbarschaft
unter sterilen Kautelen durchgeführt. Über die lie- von Operationsclips, die bei Shuntoperationen einge-
gende Verweilkanüle kann, unter zusätzlichem Ein- bracht wurden, schwer therapierbare Stenosen, wohl
satz eines kurzzeitigen suprasystolischen Oberarm- verursacht durch eine perivenöse Fibrose, entwi-
staus, eine komplette Darstellung des Hämodia- ckeln. Nach der Intervention neigen diese Stenosen
lyseshunts in Überlauftechnik erfolgen (s. oben, auch frühzeitig zu einer Restenosierung. Ob dies ur-
Abschn. 11.1.3). Präinterventionell werden 3000 IE sächlich zusammenhängt oder nur ein subjektiver
Heparin intravenös appliziert. Im Bereich der Punk- Eindruck ist, müssen weitere Beobachtungen zeigen.
tionsstelle ist eine punktuelle Lokalanästhesie (z. B. Zur Intervention primär therapierefraktärer Ste-
Scandicain 1%, Fa. AstraZeneca, Wedel) sinnvoll, um nosen stehen 2 unterschiedliche Interventionsmög-
Schmerzreaktionen beim Katheterwechsel zu ver- lichkeiten zur Verfügung: die Hochdruckdilatation
meiden und damit eine ruhige Lage des Armes zu bzw. der Einsatz eines Cutting balloons.
erzielen.
11.2 Interventionen 451
a b
c d
Abb. 11.4 a–d. Einsatz eines Hochdruckballons zur Dilatation c Komplette Entfaltung des Hochdruck-PTA-Ballons bei einem
einer primär therapierefraktären Stenose. a Nachweis einer Inflationsdruck von 30 atm. Im Vergleich mit b erkennbar
anastomosennahen kurzstreckigen Stenose einer Brescia- die schlechtere Positionierbarkeit im anastomosennahen ab-
Cimino-Fistel. b Bei der Dilatation mit einem 5 mm-Small- knickenden Gefäßabschnitt. d Bei der Abschlusskontrolle kei-
vessel-Ballon (Inflationsdruck 16 atm) Darstellung einer deut- ne signifikante Reststenose mehr nachweisbar, bei deutlich
lichen Taille im Bereich einer ringförmigen rigiden Stenose. verbessertem Blutangebot
a b
c d
Abb. 11.5 a–e. Einsatz eines Cutting balloons bei einer pri-
mär therapierefraktären Stenose. a Darstellung einer lang-
streckigen anastomosennahen Stenose einer Brescia-Cimi-
no-Fistel. b Fast vollständige Entfaltung des 5 mm-Small-
vessel-Ballons bis auf eine kurzstreckige ringförmige Taille
im distalen Ballondrittel (Insufflationsdruck: 15 atm) bei
therapierefraktärer Stenose trotz mehrmaliger Langzeit-
PTA. c Darstellung eines 4 Atherotome tragenden Cutting
balloons. d Komplette Entfaltung des Cutting balloons bei
einem Inflationsdruck von 6 atm. e In der Kontrolle kein e
Hinweis auf eine Reststenose
454 Kapitel 11 Hämodialyseshunt
kalkten Plaques. Des Weiteren wird eine inflammato- Die Mechanismen, die während der Kryoplastie
rische Antwort nach PTA durch die Apoptose ent- Zellschäden induzieren, sind sehr komplex in ihrem
sprechender Zellen in Intima und Media deutlich Ablauf und abhängig vom Gewebetyp (Rifkin et al.
verringert. 2005). Bei der intimalen Hyperproliferation an der
11.2 Interventionen 455
venösen Interponatstenose kommt es u. a. zu einer Cimino-Shunt ist das Ausmaß der Thrombosierung
umschriebenen Apoptose. Rifkin et al. (2005) zeigten abhängig von dem vorhandenen Kollateralkreislauf
in ihrer Beobachtungsserie, dass die Zeit bis zur er- und der Lokalisation der Verschlussstelle.
neuten Restenose an der venösen Interponatanasto- An therapeutischen Optionen stehen mehrere
mose durch die Kryoplastie von 3 Wochen auf etwa Verfahren zur Verfügung. Es ist eine individuelle Pla-
16 Wochen gesteigert werden konnte. Diese Ergebnis- nung für jeden Patienten notwendig. In die Entschei-
se bedürfen aber noch der weiteren Evaluation, vor dung der Interventionsart gehen die Verschlusslänge,
allem bezüglich ihrer klinischen Wertigkeit. das Thrombusvolumen und ob es sich um einen
autologen oder alloplastischen Dialyseshunt handelt
Stents mit ein.
Der Einsatz und Nutzen von Stents in Hämodialyse- Auch bei einer frischen Shuntvenenokklusion
shunts wird momentan noch diskutiert. Die meisten kann unter Umständen die alleinige Ballondilatation
Publikationen setzen sich derzeit mit der zentral- indiziert sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass
venösen Stentapplikation und dem Einsatz im Be- das Thrombusvolumen sehr gering ist. Dies ist gele-
reich venöser Interponatstenosen auseinander. Als gentlich bei anastomosennahen Verschlüssen oder
weitere Indikationsoptionen werden Reststenosen bei komplettierenden Thrombosen im Bereich hoch-
nach einer PTA von >30%, eine hämodynamisch re- gradiger Stenosen der Fall. Die Thrombusvolumen-
levante Gefäßwanddissektion oder eine anhaltende abschätzung ist mit der FKDS suffizient möglich. Das
Blutung nach venöser Gefäßruptur angesehen (Maya technische Vorgehen bei der Shuntvenenrekanalisa-
u. Allon 2006; Pan et al. 2005; Vogel u. Parise 2005). tion entspricht dem der normalen Ballondilatation.
Die gelenküberschreitende Stentung wird ebenso wie
die Stentung im Punktionsareal aufgrund der Gefahr
von Stentdislokationen oder Stentfrakturen kritisch CAVE ! Es ist aber mit großer Vorsicht vorzu-
gehen, um nicht Thrombusanteile
bewertet (Vogel u. Parise 2005; Zaleski et al. 2001). über die Anastomose in die Arterie zu dislozieren
Mehrere Studien belegen, z. T. prospektiv und ran- und eine periphere Embolie zu induzieren.
domisiert, dass die Stentung venöser Anastomosen-
stenosen von Interponaten der alleinigen PTA bei Bei einem großen Thrombusvolumen ist die alleinige
okkludierten alloplastischen Shunts überlegen ist PTA kontraindiziert.
(Maya u. Allon 2006; Vogel u. Parise 2005). Dagegen In Fällen mit einem großen Thrombusvolumen
berichtete Quinn et al. (1995) über keinen signifikan- kommt entweder die mechanische Thrombektomie
ten Unterschied zwischen der alleinigen PTA von oder die Thrombolyse vor der Ballondilatation zum
autologen Shunts und der Stentgruppe in seinem Einsatz. Gelegentlich ist auch der gemeinsame Ein-
Kollektiv. Pan et al. (2005) wiederum sehen einen satz unterschiedlicher Verfahren notwendig.
Vorteil bei primär nichtzufrieden stellender Shunt-
PTA in der Stentung autologer Shunts. Mechanische Thrombektomie
Zur mechanischen Thrombektomie stehen unter-
Merke ! Die Stentung autologer Shunts sollte
nur sehr zurückhaltend durchgeführt
schiedliche Verfahren zur Verfügung. Hierzu gehören
u. a.
und die weitere Studienlage abgewartet werden.
∑ die Aspirationsthrombektomie,
∑ mechanische Embolektomiesysteme, wie z. B.
Fogarty-Ballon,
11.2.4
∑ Cragg-Bürstenkatheter (Dolmatch et al. 1999;
Therapie des Shuntverschlusses
Smits et al. 2002),
∑ mechanisch unterstütze Aspirationsthrombekto-
Akuter Shuntverschluss
mie, wie z. B. PTD-Fragmentierkörbchen (Smits
Die Zahl akuter Shuntverschlüsse ist in den letzten
et al. 2002; Trerotola et al. 1998), und
Jahren deutlich rückläufig, da die Patienten früh-
∑ die hydrodynamische Thrombektomie (Sahni et
zeitig schon zur FKDS und somit auch früher zur
al. 2005; Smits et al. 2002).
Intervention vorgestellt werden. Ursachen akuter
Shuntverschlüsse sind klinisch unerkannte Stenosen Das technisch einfachste mechanische Verfahren ist
und wesentlich seltener punktionsbedingte Gefäß- die Aspirationsthrombektomie nach Starck, die im
wanddissektionen. Kommt es bei einem Interponat- Dialyseshunt meistens mit einer Lysetherapie kom-
shunt zu einem Verschluss, so ist die ursächliche biniert wird (Poulain et al. 1991). Die Shuntausräu-
Stenose in der Mehrzahl der Fälle an der venösen mung mittels des Fogarty-Ballons erfordert die Er-
Anastomose lokalisiert. Die Thrombose umfasst im öffnung der Shuntvene, um das Thrombusmaterial
Regelfall das gesamte Interponat. Bei einem Brescia- zu entfernen, und bleibt somit operativ tätigen Ärz-
456 Kapitel 11 Hämodialyseshunt
ten vorbehalten. Die anderen genannten Verfahren 쐍 Infiltrationslyse. Bei der Infiltrationslyse erfolgt
sind z. T. Weiterentwicklungen bereits früher ent- die kontinuierliche Gabe des Fibrinolytikums über
wickelter Systeme, die aber in Deutschland derzeit den vorher am arteriellen Thrombusende platzierten
nur eine geringe Rolle spielen. Katheter. Am besten eignet sich für die kontinuier-
Bei der mechanischen Thrombektomie präferie- liche und gleichmäßige Medikamentengabe ein Infu-
ren wir die hydrodynamische Thrombusabsaugung siomat. Auch empfiehlt es sich bei diesem Vorgehen,
mittels des Venturi-Effekts (z. B. Oasis-Katheter; eine Maximaldosis von 20 mg Alteplase in 4–6 Stun-
Fa. Boston Scientific, Ratingen; 6-F-System) der Aspi- den nicht zu überschreiten bei zusätzlicher Vollhepa-
rationsthrombektomie aufgrund der geringeren Ge- rinisierung. Bei kleinen kurzstreckigen Thromben
fahr der Thrombusverschleppung und der geringe- kann gelegentlich eine Infiltrationslyse über eine
ren Gefäßwandalterationen, da über einen Führungs- Direktpunktion des Thrombus mit einer Verweilka-
draht gearbeitet wird. Bei dem Venturi-Effekt-Verfah- nüle erfolgen. Über die so eingebrachte Kanüle kann
ren wird über einen schmalen Kanal im Katheter dann die Lysetherapie, meist reicht eine einmalige
heparinisierte Kochsalzlösung mit Druck injiziert. Gabe von 2–3 mg Alteplase, durchgeführt werden.
An der Katheterspitze bildet sich eine Verwirblungs-
zone, die zu einer Thrombusfragmentierung führt. 쐍 Gepulste Sprühlyse. Eine Verringerung der Fibrino-
Die winzigen Thrombusfragmente werden mit der lytikamenge und der Lysezeit ist durch den Einsatz
injizierten Kochsalzlösung über ein weiteres Kathet- der so genannten gepulsten Sprühlysetechnik mög-
erlumen nach extern drainiert, sodass keine zusätzli- lich. Hierzu wird ein Spezialkatheter (z. B. Jet-Lyse-
che Volumenbelastung für den Patienten auftritt. Katheter; Fa. C.R. Bard) mit multiplen kleinen Seiten-
löchern auf einem definierten und markierten Ka-
Merke ! Ein Vorteil des Venturi-Effekt-Verfah-
rens liegt in der schnellen Entfernbar-
theterabschnitt im Verschlussareal unter Vollhepari-
nisierung platziert. Das Fibrinolytikum wird dann
keit größerer Thrombusmengen, und damit ist es unter Druck fein dispers in den Thrombus injiziert.
sehr gut geeignet für die Thrombektomie von Inter- Somit wird eine größere Thrombusoberfläche auf
ponatshunts. einmal erreicht.
Auch bei Einsatz der Sprühlysetechnik empfiehlt
Bei Wahl dieses Verfahrens ist der Einsatz einer Ge- es sich bei einem thrombosierten Interponatshunt,
fäßschleuse obligat. Bei schleifenfömigen Interpona- mit 2 gekreuzten Kathetersystemen zu arbeiten bzw.
ten sind oft 2 gegenläufige, sich überkreuzende Zu- eine Kombinationstherapie mit Methoden der me-
gänge notwendig, um sowohl den arteriellen als auch chanischen Thrombektomie.
den venösen Schenkel zu erreichen und erfolgreich Initial werden 4 Pulsstöße mit je 0,5 mg Alteplase
therapieren zu können. verabreicht. Danach wird in einem zeitlichen Ab-
stand von je 3 min ein weiterer Pulsstoß mit 0,5 mg
Lysetherapie Alteplase appliziert. Die benötigten Lysezeiten liegen
Zur Lysetherapie werden in den meisten Fällen als in Abhängigkeit vom Thrombusvolumen meist
Fibrinolytika Urokinase oder Alteplase eingesetzt. <30 min, und die benötigte Alteplase-Dosis <10 mg.
Dabei sollte eine Dosis von 20 mg Alteplase nicht Diese Dosismengen und der Zeitaufwand decken
überschritten werden. Zusätzlich ist zur Lysetherapie sich auch mit Erfahrungen anderer Zentren (Barth et
immer eine Vollheparinisierung einzuleiten. Die al. 2000; Sofocleous et al. 2002).
Punktionsstelle für den Shuntvenenzugang ist ab- Der technische Erfolg der Wiedereröffnung
hängig von der Thrombuslokalisation und wird in thrombosierter autologer Shunts schwankt nach Lite-
der FKDS festgelegt. raturangaben zwischen 45 und 98% (Barth et al.
Bei einer Lysetherapie direkt ab der Anastomose 2000; Fujiwar et al. 2000; Lorch 2000; Turmel-Rodri-
erfolgt die Punktion der Shuntvene zentral des guez et al. 2000). Bei Interponatshunts liegt die tech-
Thrombus. Die Verschlussstrecke wird nachfolgend nische Erfolgsrate zwischen 95 und 100% (Chen et al.
retrograd mittels eines steuerbaren Führungsdrahtes 2005). Bei sich entwickelnden Zeichen einer Throm-
und eines Katheters (z. B. 4-F-Cobra-Katheter C2, bophlebitis sinkt die technische Erfolgsrate erheblich
Cook, Mönchengladbach) sondiert. Die Lysetherapie ab, und die Intervention gestaltet sich zudem für den
wird generell beim autologen Shuntgefäß auf der Patienten schmerzhaft.
arteriellen Seite des Thrombus begonnen. Bei einer Die primäre Offenheitsrate liegt nach 3/6/12 Mo-
Interponatschleife kann es auch bei der Lysetherapie naten bei 63%/32%/17% für den alloplastischen
notwendig sein, mit 2 sich kreuzenden Lysesystemen Shunt und bei 89%/74%/47% für den autologen
zu arbeiten. Eines hiervon wird mit seiner Spitze im Shunt (Turmel-Rodriguez et al. 2000). Eine Verbesse-
arteriellen und eines im venösen Schenkel der Schlei- rung der Offenheitsrate bei rekanalisierten thrombo-
fe positioniert. sierten Interponatshunts ist durch den Einsatz von
11.2 Interventionen 457
Stents erzielbar. Hier liegen die primären Offenheits- auch bei Patienten ohne vorherigen zentralvenösen
raten nach 3/6/12 Monaten bei 88%/67%/41% (Vogel Zugang werden Stenosen in diesen Lokalisationen
u. Parise 2005). beobachtet. Hier wird als möglicher Auslöser der
Maya u. Allon (2006) berichten, dass die primäre Stenose der hohe Blutfluss der Dialysefistel diskutiert
Offenheitsrate für rekanalisierte thrombosierte In- (Oguzkurt et al. 2005).
terponatshunts nach 3 Monaten nur bei 30% liegt. Die Interventionsindikation bei einer zentralve-
Im Vergleich hierzu beträgt sie 71% bei Patienten, die nösen Stenose ist gegeben bei klinischen Zeichen der
sich einer elektiven Angioplastie der Anastomosen- Einflussstauung oder Einschränkung der Dialyse-
stenose des Interponats bei noch bestehender Per- funktion des Shunts.
fusion unterzogen. Diese Beobachtung wird durch
weitere Publikationen gestützt (Chen et al. 2005; Tur-
mel-Rodriguez et al. 2000; Vogel u. Parise 2005). Dies CAVE ! In Einzelfällen kann es bei einer obe-
ren Einflussstauung, wenn das intra-
unterstreicht die Wichtigkeit der frühzeitigen Inter- kranielle Venensystem als Kollateralkreislauf dient,
vention von venösen Anastomosenstenosen bei In- zu neurologischen Komplikationen bis hin zur Er-
terponaten zur Verbesserung der Langzeitfunktion blindung oder intrakraniellen Blutungen kommen.
mit dem geringst möglichen Aufwand.
Bei Nachweis einer asymptomatischen zentralvenö-
Chronischer Shuntverschluss sen Stenose wird von einer Dilatation oder Stentung
Chronische Shuntverschlüsse bleiben bei einer suffi- abgeraten, auch wenn der Stenosegrad >50% beträgt.
zienten Kollateralisation nicht selten klinisch unent- Levit et al. (2006) berichten, dass es bei behandelten
deckt und bedürfen somit auch keiner weiteren The- asymptomatischen Stenosen in dieser Lokalisation
rapie. Gelegentlich kommt es aber zu einer Ver- sehr kurzfristig zu hochgradigen Restenosen oder
schlechterung der Dialysefunktion, sei es durch ein sogar zu Okklusionen kommt im Vergleich mit der
vermindertes arterielles Angebot oder durch erhöhte Gruppe der nichttherapierten >50%igen asympto-
Rücklaufdruckwerte während der Dialyse. Es finden matischen Stenosen.
sich aber auch verlängerte Nachblutungszeiten oder Eine alleinige PTA im zentralvenösen Bereich
monströse Schwellungen der shunttragenden Ex- bringt meist nur eine kurzfristige Verbesserung der
tremität. Diese meist langstreckigen Verschlüsse Situation. Insofern ist eine Stentplatzierung häufig
können oft mit Hilfe eines steuerbaren Drahtes und primär indiziert. Wir platzieren in diesem Bereich
eines Führungskatheters überwunden werden. Die nur selbstexpandierende Stents. Es ist auf eine aus-
Wiedereröffnung der Vene erfolgt dann durch eine reichende Überdimensionierung des Stents zur si-
Ballondilatation. In Einzelfällen bei schwieriger cheren Fixation an der Gefäßwand zu achten. Venen
Okklusionspassage kommen auch hydrophil be- weisen erheblich stärkere Kaliberschwankungen als
schichtete Führungsdrähte zur Sondierung des Ver- Arterien während den wechselnden Atemlagen und
schlusses zum Einsatz. Die Rekanalisation von chro- den unterschiedlichen intrathorakalen Druckver-
nischen Verschlüssen hat ein erhöhtes Risiko der hältnissen auf.
Venenwandperforation bei der Drahtsondierung.
Die Langzeitoffenheitsrate rekanalisierter chroni-
scher Shuntverschlüsse ist schlechter als die Ergeb- Merke ! Ab einer Stentapplikationssystem-
größe von 7 French empfiehlt sich ein
nisse bei Therapie einer noch perfundierten Shunt- transfemorales Vorgehen wegen der stark erhöhten
stenose. Vorwerk et al. (1995) berichten von einer Nachblutungsgefahr eines großkalibrigen Shunt-
technischen Erfolgsquote von 85% und einer Offen- venenzugangs.
heitsrate von 41% nach 6 Monaten und 24% nach
2 Jahren in seinem Patientenkollektiv. Ein Problem der zentralvenösen Stentung ist die
extreme intimale Hyperproliferation. In unserem
Patientengut hat jeder Dialysepatient eine Restenose
11.2.5 im Stentbereich entwickelt. Dies führte in der An-
Therapie der zentralvenösen Stenose fangsphase gelegentlich zu klinisch manifesten zen-
tralvenösen Gefäßverschlüssen, die akut rekanali-
Zentralvenöse Stenosen sind meist im Übergangs- siert werden mussten. Mittlerweile werden alle Pa-
bereich der V. subclavia zur V. brachiocephalica oder tienten mit einem zentralvenösen Stent routine-
direkt in der V. brachiocephalica lokalisiert. Als mög- mäßig alle 6–8 Wochen phlebographiert und ggf.
liche Ursachen für diese Stenosen gelten mechani- dilatiert (Abb. 11.7 a–d). Mit diesem Therapieregime
sche und/oder infektionsbedingte Affektionen der wird die akute Symptomatik der oberen Einflussstau-
Venenwand durch temporär genutzte Dialyse- oder ung vermieden und das Risiko der Intervention bei
zentralvenöse Katheter (Hernandez et al. 1998). Aber erhöhten technischen Erfolgsraten vermindert. Bis-
458 Kapitel 11 Hämodialyseshunt
c d
Abb. 11.7 a–d. Verlauf einer zentralvenösen Stenose nach der lung. c Nach 8 Wochen erneute Schwellung der Hand. In der
primärer Stentung. a Primär Darstellung einer hochgradigen DSA wieder Nachweis von Kollateralgefäßen sowie einer inti-
V.-brachiocephalica-Stenose bei monströser Schwellung des malen Proliferation im Stent mit daraus resultierender Steno-
shunttragenden Arms. b Nach erfolgreicher Stentung und Di- sierung. d Nach der Re-PTA wieder Rückbildung des Kollater-
latation kein Nachweis mehr von Kollateralgefäßen im Bereich alsystems und Abklingen der Handschwellung. Nach weiteren
des Thorax. Im Verlauf schnelle Rückbildung der Armschwel- 8 Wochen erneute In-Stent-Restenose
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Transjugulärer portosystemischer Shunt (TIPS) 12
T. Kirchhoff, H. Rosenthal
12.1 Indikationen zur TIPS-Anlage 461 Chirurgisch angelegte peritoneovenöse Shunts wer-
12.1.1 Rezidivierende Varizenblutung 461 den seit Einführung des TIPS aufgrund geringerer
12.1.2 Therapierefraktärer Aszites 462
12.1.3 Therapierefraktärer Hydrothorax 462 Wirksamkeit und hoher Komplikationsraten nur
12.1.4 Hepatorenales Syndrom 462 noch selten durchgeführt.
12.1.5 Hepatopulmonales Syndrom 462
12.1.6 Budd-Chiari-Syndrom 462
12.1.7 Venookklusive Erkrankung 463
12.1
12.2 Methodik der TIPS-Anlage 463
12.2.1 Hämodynamische Veränderungen Indikationen zur TIPS-Anlage
nach TIPS-Anlage 466
12.2.2 Primäre und sekundäre Offenheit 466 Die Indikation zu einer TIPS-Anlage sollte gemein-
12.3 Komplikationen 466 sam von einem Hepatologen und einem interventio-
12.4 Verlaufskontrollen 467 nellen Radiologen gestellt werden, insbesondere bei
12.4.1 Sonographische und angiographische einer Hochrisikosituation, wie sie bei der fortge-
Verlaufskontrollen 467 schrittenen Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh C,
12.4.2 Angiographische Portographie einem hohen MELD-Score oder schwerwiegenden
zur TIPS-Kontrolle und Shuntrevision 468
Begleiterkrankungen zu erwarten ist (Schepke et al.
12.5 TIPS als Brücke zur Transplantation 468
2003).
Literatur 469 Gesicherte Indikationen sind
∑ die sekundäre Prävention der rezidivierenden Va-
rizenblutung und
∑ der therapierefraktäre Aszites.
왔 Als transjugulärer portosystemischer Weitere Indikationen haben sich im Rahmen nicht-
Definition
Shunt (TIPS) wird eine großlumige kontrollierter Studien und Fallbeschreibungen eta-
interventionell angelegte Stentverbindung zwischen bliert. Sie konnten aber aufgrund der geringen Inzi-
einer Lebervene und der Pfortader bezeichnet. denz der Krankheitsbilder nicht durch randomisier-
te Studien gesichert werden. Darunter fallen:
Der TIPS entspricht somit einem intrahepatischen
∑ der therapierefraktäre Hydrothorax,
portokavalen Seit-zu-Seit-Shunt. Er wurde vor mehr
∑ das hepatorenale Syndrom,
als 20 Jahren als gering-invasive Alternative zur ope-
∑ das hepatopulmonale Syndrom,
rativen Shuntanlage in die Therapie der portalen
∑ das Budd-Chiari-Syndrom und
Hypertension eingeführt (Rösch et al. 1971; Rössle
∑ die venookklusive Erkrankung.
et al. 1989). Seither wurden weltweit tausende Patien-
ten mit dem TIPS versorgt und mehr als 1000 Publi-
kationen erschienen allein in der englischsprachigen
Literatur, was die breite Akzeptanz und Wirksamkeit 12.1.1
der Maßnahme dokumentiert. Rezidivierende Varizenblutung
mit einer erhöhten Mortalität assoziiert (Sharara u. studien zu einer Besserung geführt. Sie kann deshalb
Rockey 2001). In einer Metaanalyse von 11 kontrol- aus Mangel an anderen therapeutischen Alternativen
lierten Studien, in denen die endoskopische Therapie bei einem therapierefraktären Hydrothorax als indi-
mit dem TIPS verglichen wurde, war die Inzidenz von ziert gelten (Siegerstetter et al. 2001).
Rezidivblutungen nach der TIPS-Anlage geringer.
Allerdings kam es zu einer höheren Enzephalo-
pathierate, und es zeigte sich bislang kein eindeutiger 12.1.4
Gewinn an Überlebenszeit (Paratheodoridis et al. Hepatorenales Syndrom
1999).
Aufgrund des Risikos von Enzephalopathien, 왔 Als hepatorenales Syndrom (HRS) be-
Definition
Leberversagen und möglichen prozeduralen Kompli- zeichnet man ein mit fortgeschritte-
kationen kann der TIPS derzeit nicht als Standard- ner Leberzirrhose assoziiertes Nierenversagen.
therapie im Rahmen der primären Blutungspräven-
tion der erstmaligen oder der akuten Ösophagusvari- Das HRS tritt in 2 Formen auf: Typ I ist durch ein
zenblutung empfohlen werden. Dagegen ist seine rasches, Typ II durch ein allmähliches Nierenver-
Anwendung bei Versagen der pharmakologischen sagen (über mehrere Wochen) charakterisiert. Die
und endoskopischen Therapie von ösophagealen Va- schlechtere Prognose hat das HRS Typ I. Es wurden
rizen und rezidivierenden Blutungen im Sinne einer zwar Verbesserungen der Nierenfunktion nach TIPS-
sekundären Blutungsprävention indiziert (Boyer u. Anlage beschrieben, diese gelten aber insbesondere
Haskal 2005). Der TIPS war auch bei rezidivierenden für das HRS Typ I derzeit als nicht gesichert. Der Ein-
Blutungen von gastralen oder ektopen Varizen effek- satz des TIPS sollte kontrollierten Studien oder Aus-
tiv und kann hier ebenfalls zur sekundären Blutungs- nahmesituationen vorbehalten bleiben (Gines et al.
prävention erwogen werden. 2004).
12.1.2 12.1.5
Therapierefraktärer Aszites Hepatopulmonales Syndrom
a b
a b
a b
Abb. 12.3 a, b. TIPS bei Pfortaderteilthrombose. a Umflossener Thrombus im Pfortaderhautstamm. b Erfolgreiche Rekanalisa-
tion nach TIPS-Anlage und mechanischer Fragmentierung des Thrombus
12.4
Verlaufskontrollen
12.4.1
Sonographische und angiographische
Verlaufskontrollen
der durchgeführten Maßnahmen auf, wobei die ange- Dies ist durch eine Dilatation über einen Ballon-
gebenen Häufigkeiten von der Art und Frequenz der katheter möglich. Bei einer Stenose außerhalb des
Nachkontrollen und der Definition der Dysfunktion Stents (häufig proximal im Bereich der drainieren-
abhängig sind (Ochs 2005). den Lebervene) ist neben einer Dilatation die Im-
Kürzlich wurde durch Verwendung von Polytetra- plantation eines zusätzlichen verlängernden Stents
flurethylen- (PTFE-) beschichteten Stents eine Ver- zu erwägen (Abb. 12.5 a–c). Eine periinterventionelle
besserung der primären Offenheitsraten beschrie- Antikoagulation sollte in diesen Fällen nach Mög-
ben. Der zunehmende Einsatz dieser Stents ist zu lichkeit mindestens über 3 Tage durchgeführt wer-
erwarten, wird aber derzeit durch deren hohe Preise den.
verzögert (Charon et al. 2004). Es ist noch nicht ge-
klärt, wie weit sich der Einsatz von PTFE-beschichte-
ten Stents auf die Kosteneffektivität des TIPS im Ver- 12.5
gleich zu anderen Behandlungsmethoden der porta- TIPS als Brücke zur Transplantation
len Hypertension auswirkt.
Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose und
Komplikationen der portalen Hypertension, die für
12.4.2 eine Lebertransplantation gelistet sind, erhalten den
Angiographische Portographie TIPS, um die Zeit bis zur Operation zu überbrücken.
zur TIPS-Kontrolle und Shuntrevision Die bevorstehende Transplantation erfordert be-
stimmte Voraussetzungen für die TIPS-Anlage: Nach
Zur direkten angiographischen TIPS-Kontrolle wird Möglichkeit sollte zwecks Vermeidung operativer
unter lokaler Anästhesie eine Schleuse in die rechte Probleme bei den venösen Anastomosen der Stent
V. jugularis interna eingelegt und nach Druck- nach proximal und nach distal gerade soweit in den
messung in der V. cava inferior der Shunt über einen Pfortaderhauptstamm bzw. in die V. cava inferior hin-
Stahldraht und einen Selektivkatheter sondiert. einragen, wie für eine suffiziente Shuntfunktion nö-
Bei komplettem Verschluss muss in seltenen Fällen tig ist. Bei geplanter Verwandtenlebendspende kann
der Shunt unter Zuhilfenahme einer Nadel scharf es hilfreich sein, den Stent nicht bis in die V. cava
rekanalisiert werden. Die Druckmessung in der inferior auszudehnen, um den Lebervenenstumpf für
Pfortader und die direkte Portographie erfolgen über die venöse Anastomose zu erhalten.
einen Pigtail-Katheter.
a b
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Sachverzeichnis