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A Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- Systems Elke Kobbert

Anatomie und Physiologie im Fokus

Herz-Kreislauf-System im Überblick

Das Herz ist ein muskulöses Hohlorgan und etwas größer als die geschlossene Faust
des jeweiligen Menschen. Es wiegt ca. 250 – 350 g und liegt im Mittelfellraum
(Mediastinum) zwischen den beiden Lungenflügeln. Das Herz hat die Funktion, den
gesamten Organismus mit Blut zu versorgen. Täglich werden mehr als 7000 Liter Blut
durch den Körper gepumpt (Abb. 32.1).

Aufbau des Herzens

Von außen nach innen können 4 unterschiedliche Gewebeschichten differenziert


werden:

1. Perikard: derbes Bindegewebe, das das Herz umschließt

2. Epikard: fein strukturierte und glatte Schicht. Zwischen Perikard und Epikard befindet
sich ein Spalt mit Flüssigkeit, die für die Reibungslosigkeit der Bewegungen sorgt

3. Myokard: aus glatter und quer gestreifter Muskulatur bestehend

4. Endokard: flache einzellige Gewebsschicht, die die Herzwände auskleidet

Zwischen Vorhöfen und Kammern und zwischen Kammern und den daran
anschließenden Arterien befinden sich Herzklappen (Abb.32.3). Sie bestehen aus
Falten des Endokards und arbeiten wie Ventile. Sie gewährleisten, dass das Blut in die
richtige Richtung gepumpt wird und nicht zurückfließen kann.

Tab. 32.1 Herzklappen und ihre Funktion.

Herzklappe Klappenart Funktion

Trikuspidalklappe Dreizipflige Segelklappe Einlassventil zwischen rechtem Vorhof und


rechter Herzkammer

Mitralklappe Zweizipflige Segelklappe Einlassventil zwischen linkem Vorhof und linker


Herzkammer
Pulmonalklappe Taschenklappe Auslassventil von rechter Herzkammer in
Lungenkreislauf

Aortenklappe Taschenklappe Auslassventil zwischen linker Herzkammer und


Körperkreislauf

Perikard

seröse Höhle

Epikard Myokard Endokard

Perikard seröse Höhle

Epikard Myokard Endokard

Rechtes und linkes Herz sind durch die Herzscheidewand getrennt. Die Hohlräume
jeder Herzhälfte werden als rechter und linker Vorhof sowie rechte und linke
Herzkammer bezeichnet.

Damit das Herz effektiv pumpen kann, muss gewährleistet sein, dass alle
Herzmuskelzellen koordiniert zusammenarbeiten. Der Arbeitszyklus umfasst 4 Phasen,
die kontinuierlich nacheinander ablaufen:

■ Entspannungs- und Füllungsphase (Diastole)

■ Anspannungs- und Austreibungsphase (Systole)

Mitralklappe und Trikuspidalklappe werden als Segelklappen bezeichnet; Aortenklappe


und Pulmonalklappe als Taschenklappen.

Funktion des Herz-Kreislauf- SystemsZusammen mit den Blutgefäßen bildet das Herz
das Herz-Kreislauf-System. Es hat die Funktion einer zentralen Pump- und
Verteilungsstation. So wird Sauer- stoff- und nährstoffreiches Blut zu den Körperzellen
hin- und Stoffwechselendprodukte abtransportiert. Folgende unterschiedliche
Blutgefäße werden nach ihrer Funktion unterschieden:

■ Arterien: Sie transportieren das Blut vom Herzen weg.

■ Kapillare (Haargefäße): Hier findet der Austausch von Sauerstoff, Nährstoffen und
Stoffwechselendprodukten statt. Sie bilden die Verbindung zwischen Arterien und
Venen.
Abb. 32.1 Das Herz versorgt im Sinne einer Saug- und Druckpumpe den gesamten
Organismus mit Blut.

Diastole

Systole

Aorta

A. corona dextra

Entspannungsphase: Blut strömt aus den Venen in beide Vorhöfe. Alle Herzklappen
sind geschlossen.Füllungsphase: Muskulatur der Kammern ist erschlafft. Aufgrund des
niedrigeren Drucks in den Herzkammern öffnen sich die Segelklappen. Die
Taschenklappen bleiben verschlossen.

Anspannungsphase: In den Kammern zieht sich die Muskulatur zusammen. Da die


Taschenklappen geschlossen bleiben, steigt der Druck in den Herzkammern weiter an,
sodass sich die Segelklappen schließen.

Austreibungsphase: Mit zunehmendem Druck in den Ventrikeln öffnen sich die


Taschenklappen und das Blut kann in den großen und kleinen Kreislauf ausgestoßen
werden.

Der Herzmuskel wird durch ein eigenes Versorgungssystem, die Herzkranzarterien


(Koronargefäße) durchblutet. Die Durchblutung der Koronararterien erfolgt während der
Diastole.

■ Venen: Sie führen das Blut zum Herzen hin.

Die rechte Herzhälfte versorgt den kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) und die linke
Herzhälfte den großen Kreislauf (Körperkreislauf). Der große Kreislauf beginnt mit der
Austreibung sauerstoff- reichen Blutes aus der linken Herzkammer in die Aorta und das
Blut gelangt von dort über das weit verzweigte Arteriennetz in den gesamten Körper bis
in die kleinsten Arteriolen hin zu den Kapillaren. Nachdem Sauerstoff an die Zellen
abgegeben und Kohlendioxid aufgenommen wurde, wird das Blut über Venolen zu den
Venen in die obere und untere Hohlvene (V. cava superior und V. cava inferior)
transportiert. Über den rechten Vorhof gelangt das Blut in die rechte Herzkammer.

Das sauerstoffarme Blut fließt nun in den Lungenkreislauf, weiter in die rechte und linke
Lungenarterie (A. pulmonalis), wo es über Kapillaren zu den Alveolen fließt. Dort erfolgt
der Gasaustausch, indem das Blut Kohlendioxid abgibt und Sauerstoff aufnimmt. Das
mit Sauerstoff angereicherte Blut gelangt über die 4 Lungenvenen (Vv. pulmonales) zum
linken Vorhof und zurück zur linken Herzkammer wieder in den großen Kreislauf.

re. V.

Schilddrüsenarterie (A. thyroidea)

Lungenvene (V. pulmonalis)

Aorta

Leberarterie (A. hepatica propria)

A. corona sinistra

oberer Körperkreislauf

Schilddrüsenvene (V. thyreoidea)

obere Hohlvene (V. cava superior)

Lungenarterie (A. pulmonalis)

untere Hohlvene (V. cava inferior)

Lebervenen (Vv. hepaticae)

Pfortader (V. portae)

Nierenvene (V. renalis)

unterer Körperkreislauf

Gehirn

Schilddrüse

Lungenkreislauf

li. V.

li. K. re. K.
Darm

obere Mesenterialarterie (A. mesenterica superior)

Nierenarterie (A. renalis)

Abb. 32.5 Das rechte Herz führt Blut zur Lunge; das linke Herz zu den übrigen Organen.

Erregungsbildung und ErregungsleitungDie Herzarbeit wird durch elektrische Impulse


ausgelöst und gesteuert. Diese beiden Funktionen übernimmt das Erregungsbildungs-
und Erregungsleitungssystem. Das Herzleitungssystem hat folgenden Aufbau:

■ Sinusknoten: Er besteht aus einer Ansammlung spezialisierter Zellen im rechten


Vorhof und wird auch als „natürlicher Schrittmacher“ des Herzens bezeichnet, weil er
elektrische Erregungen bildet und als Taktgeber der Herzmuskulatur fungiert. Die
Eigenfrequenz des Sinusknotens beträgt in Ruhe etwa 70 bis 80 „Erregungen“ in der
Minute.

Leber

Truncus coeliacus

Magenarterie (A. gastrica)

Milzarterie (A. lienalis)

Magen

Niere

Milz32

▪ Atrioventrikularknoten (AV-Knoten): Die elektrischen Erregungen des Sinusknotens


breiten sich in den Vor-höfen bis zum AV-Knoten, einem Zellverband am
Übergang der Vor- hof-Kammer-Grenze, aus. Hier wird die Erregung verzögert
und von dort weitergeleitet.

▪ His-Bündel: Es liegt direkt unterhalb des AV-Knotens und leitet die Erregungen bis in
die Innenschicht der Muskulatur der Herzkammern. Dort teilt sich das His-Bündel
in 3 Äste auf.

■ Tawara-Schenkel: Zwei linke und ein rechter Schenkel leiten die Erregungen bis zur
Papillarmuskulatur und zu den noch weiter verzweigten Purkinje-Fasern.

Um sich an wechselnde Anforderungen und an einen wechselnden Sauerstoffbedarf


anpassen zu können, wird die Herzleitung über das Zentralnervensystem (ZNS)
gesteuert. Das Herz wird durch Nerven des Sympathikus und des Parasympathikus (N.
Vagus) versorgt. Der Sympathikus gibt Signale, wenn die Leistung des Herzens
gesteigert (z. B. Frequenzerhöhung) und der N. Vagus, wenn die Arbeit des Herzens
gedrosselt werden soll (z. B. Frequenzsenkung).

Die elektrische Erregung beginnt im Sinusknoten, breitet sich über die Vorhöfe zum AV-
Knoten aus und wird von dort weitergeleitet.

32.1 Pflege von Patienten mit koronarer Herzkrankheit

32.1.1 Medizinischer Überblick

Definition

Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK, ischämische Herzkrankheit, Koronarinsuffizienz)


kommt es in den Koronargefäßen durch Arteriosklerose zu einer Verengung. Diese
Stenose führt in den zugehörigen Herzmuskelarealen zur Durchblutungsstörung mit
einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot. Die Schwere
dieses Missverhältnisses ist abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation der
arteriosklerotischen Veränderungen.

In den Industrienationen ist die KHK die häufigste Todesursache. In Deutschland


werden jährlich 20 % der Todesfälle durch KHK verursacht.

Ursachen

Ursächlich für eine KHK ist die Arteriosklerose. Plaques können das Gefäßlumen
verstopfen, sodass die Koronarperfusion dramatisch eingeschränkt bzw. komplett
unterbrochen wird (Herzinfarkt).

Symptome

Erst ab einer Gefäßlumeneinengung von über 70 % kommt es unter Belastung zur


Unterversorgung des Myokards. Deshalb treten Symptome erst in einem
fortgeschrittenen Stadium der Sklerose auf. Je nachdem wie viele der 3 Koronargefäße
eine Stenose von mehr als 70% aufweisen, wird von einer 1-Gefäß-, 2-Gefäß- oder 3-
Gefäßerkrankung gesprochen.

Angina pectoris

Das Leitsymptom der koronaren Herzkrankheit ist der Anginapectoris- Schmerz


(Stenokardie), hervorgerufen durch den Sauerstoffmangel im Herzmuskel. Der
Anginapectoris- Schmerz wird folgendermaßen beschrieben:
■ Zeitpunkt: im Anfangsstadium der KHK vor allem bei körperlicher bzw. psychischer
Belastung oder z. B. durch einen Kältereiz oder nach einer opulenten Mahlzeit

■ Empfinden: vernichtendes Engegefühl in der Brust, Druck oder Engegefühl


retrosternal (hinter dem Brustbein), evtl. ausstrahlend in den linken Arm, den Hals,
Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch.

■ Intensität: bohrend, brennend, drückend

■ Dauer: lässt meist bei körperlicher Entlastung innerhalb weniger Minuten nach

tome der KHK zeigen. Bei ihnen ist die Diagnosestellung häufig erschwert, weil nicht
selten unspezifische gastrointestinale Beschwerden im Vordergrund stehen.

Formen der Angina pectoris

Es gibt verschiedene Formen der Angina pectoris; hier sind die beiden wichtigsten
aufgeführt.Stabile Angina pectoris. Sie ist belastungsabhängig, d. h. der pektangiöse
Anfall tritt bei körperlichen oder seelischen Stresssituationen auf (z. B. beim
Treppensteigen oder in Konfliktsituationen). Diese Form der Angina pectoris kann über
viele Jahre „stabil“ bleiben. Instabile Angina pectoris. Hier tritt der Angina-pectoris-
Schmerz spontan in Ruhe auf, auch nachts aus dem Schlaf heraus. Die betroffenen
Patienten sprechen nur verzögert auf nitrathaltige Medikamente an. Die instabile Angina
pectoris tritt meist bei einer fortgeschrittenen Koronarsklerose auf. Intensität,
Anfallsdauer und Häufigkeit der Schmerzen nehmen zu. Häufig liegt eine koronare
Mehrgefäßerkrankung vor – es besteht eine erhöhte Herzinfarktgefahr!

Risikofaktoren

Eine Reihe von Risikofaktoren kann zur Schädigung der Gefäßinnenwand beitragen.
Bestimmte Verhaltensweisen (Lebensstil), Umwelteinflüsse und charakteristische
Körpermerkmale werden hierfür verantwortlich gemacht. Hauptrisikofaktoren sind:

■ Nikotinkonsum (potenziertes Risiko bei der Einnahme von östrogenhaltiger


Ovulationshemmer)

■ Diabetes mellitus (> 50 % aller KHK- Patienten haben eine gestörte Glukosetoleranz
oder leiden an Diabetes mellitus)

■ Bluthochdruck (arterielle Hypertonie)

■ Fettstoffwechselstörungen (Hypercholesterinämie) – Gesamtcholesterin und LDL-


Cholesterin erhöht, HDL- Cholesterin erniedrigt, Triglyzeride erhöht
MERKE

Bei Frauen können sich im Vergleich zu Männern andere Symptome der KHK zeigen.
Bei ihnen ist die Diagnosestellung häufig erschwert, weil nicht selten unspezifische
gastrointestinale Beschwerden im Vordergrund stehen.

▪ Lebensalter (Männer über 45, Frauen über 55 nach der Menopause)

▪ familiäre Disposition – KHK bei erstgradigen Familienangehörigen

Weitere Risikofaktoren:

▪ arterioskleroseförderndes Ernährungs- verhalten

▪ Übergewicht

▪ Bewegungsmangel

▪ Entzündungszustände bei KHK

▪ Thromboseneigung

▪ Hyperfibrinogenämie

DiagnostikDie Diagnostik der koronaren Herzkrankheit erfolgt durch:

■ Anamnese: Erhebung der Angina pectoris Symptomatik und KHK Risikofaktoren

▪ Bestimmung der Herzenzyme zur Infarktabgrenzung (herzspezifisches Troponin, CK,


CK-MB, GOT, LDH)

▪ Ruhe-, Belastungs- und Langzeit-EKG (Elektrokardiogramm)

▪ Echokardiografie (Belastungsechokardiografie)

▪ Myokardperfusionsszintigrafie

▪ MRT

▪ Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiografie und Ventrikulografie


Manifestationsformen der KHK Man unterscheidet die latente KHK, die ohne
Symptome verläuft (stumme Ischämie) von der manifesten KHK mit Symptomen.
Folgende Erkrankungen können durch die Koronarverengung bei
symptomatischer KHK entstehen: ■ Angina pectoris (Thoraxschmerzen infolge
reversibler Myokardischämie) ■ Herzinfarkt■ Herzrhythmusstörungen ■
Herzinsuffizienz■ Herzklappenfehler■ plötzlicher Herztod Druck zieht in den
Rücken hinein und

fühlt sich an, als würde eine schwere Last auf seinem Brustraum liegen. An einer Bank
macht er Halt und versucht, gleichmäßig und ruhig durchzuatmen. Da lässt der Schmerz
langsam nach. Nach einer einstündigen Mittagspause fühlt sich Herr D. wieder wohler,
doch die Wanderung will er nicht mehr fort- führen. Er macht sich mit seiner Frau auf
den Rückweg, den er ohne Schwierigkeiten bewältigt.

In der nächsten Zeit treten die Beschwerden immer wieder auf, doch da sie schnell
wieder vorübergehen, denkt er nicht weiter darüber nach. Im folgen- den Winter spürt
Herr D. eines Morgens beim Einatmen der Kaltluft wieder diese Schmerzen in seinem
Brustraum. Dies- mal halten die Beschwerden länger an und Herr D. entschließt sich,
seinen Hausarzt aufzusuchen.

Therapie

Das Therapiekonzept umfasst:

■ Behebung der Schmerzsymptomatik im akuten Anfall

■ medikamentöse Langzeittherapie

■ Herzinfarktprophylaxe durch Vorbeugung eines thrombotisch bedingten


Koronarverschlusses 32

■ Verhinderung der Fortschreitung der KHK durch Sekundärprävention (Minimierung der


Risikofaktoren)

■ Revaskularisation mittels Ballonkatheterdilatation (evtl. mit Stentimplantation,) oder


mittels operativer Therapie (Bypass-OP)

Arzneimittel im Fokus

Medikamentöse Therapie der Angina pectoris

Durch die medikamentöse Therapie soll der Sauerstoffverbrauch des Her- zens gesenkt und das Missverhäl
-an- gebot positiv beeinflusst werden. Es werden folgende Substanzen verab- reicht:

▪ Nitrate

▪ ACE-Hemmer oder AT-1-Antagonisten


▪ Betarezeptorenblocker

▪ Kalziumantagonisten

▪ AzetylsalizylsäureNitrate. Sie erweitern die Koronargefäße und senken durch eine Erweiterung der periphere
Herzen (Senkung der Vorlast). Durch die Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes wird die Pumplei
der Nachlast). Beim akuten Anfall wird Glyzeroltrinitrat (z. B. Nitro- lingual) verabreicht. Im Akutfall wird N
die Zunge) oder als Zerbeißkapsel verab- reicht. Die Wirkung erfolgt innerhalb von1–5Min.undhältca.30M
Neben den schnell wirkenden Nitraten gibt es auch Langzeitnitrate. Sie haben einen verzögerten Wirkungse
Angina- pectoris-Anfalls eingesetzt. Wichtig: Bei längerer Nitratgabe kann es zur Tole- ranzentwicklung komm
nach! Eine in der Nacht eingehaltene Nitratpause von 6 – 8 Stunden genügt, um die Wirksam- keit langfristig zu
mit nitratähnlicher Wirkung (z. B. Corvaton) gegeben wer- den. Bei ihnen entwickelt sich keine To- leran
eingenommen (z. B. Corangin, Ismo, Mono-Mack, Iso-Mack, Isoket) als auch transdermal verabreicht werden (z
Hemmer/AT-1-Antagonisten. Bei bestehendem Bluthochdruck und/oder ventrikulärer Funktionseinschränku
Herzarbeit gesenkt.

Betarezeptorenblocker. Durch Blockierung der Beta-Rezeptoren des sympatischen Nervensystems senken sie
den myokardialen Sauerstoffbedarf in Ruhe und Belastung. Die Arbeit des Herzens wird vermindert und Herz-
Praxis gebräuchliche Medikamente sind Atenolol (z. B. Tenormin), Metoprolol (z. B. Beloc Zok) und Isoprolol (z.

Kalziumantagonisten. Durch die Vasodilatation (Gefäßerweiterung) kommt es zur arteriellen Blutdrucksenkung


des Sauerstoffbedarfs des Herzens. In der Praxis gebräuchliche Medikamente sind Nifedipin (z. B. Adalat), Am
B. Munobal).

Azetylsalizylsäure. Sie kann präventiv eine Thrombozytenverklebung und -an- heftung auf einer arteriosklerotis
und dient der Vorbeugung einer Koronar- thrombose (Verschluss der Koronar- gefäße).

32.1.2 Pflege- und Behandlungsplan

Im fortgeschrittenen Stadium der KHK oder bei einem akuten Angina-pectoris- Anfall
werden die Patienten meist zu Diagnostik und Therapie im Krankenhaus aufgenommen.
Die medikamentöse Therapie soll die Koronardurchblutung verbessern und weiteren
Angina-pectoris-Anfällen vorbeugen. Sie führt bei vielen Patienten zur Beseitigung der
Beschwerden. Der Patient selbst ist in Abhängigkeit seiner Risikofaktoren gefordert,
eine gesundheitsbewusste Lebensführung anzustreben. Er sollte krankheitsauslösende
Handlungen reduzieren und durch gesundheitsfördernde Verhaltensweisen ersetzen.

Die Aufgaben der Pflege sind folgende:

1. medikamentöse Behandlung gewährleisten und Wirkung überwachen

2. beim Angina-pectoris-Anfall professionell handeln


3. zur Vorbeugung eines Angina-pectoris-Anfalls und zum Abbau der beeinflussbaren
Risikofaktoren beraten

Medikamentöse Behandlung überwachenDer Patient erhält i. d. R. individuell


abgestimmte Medikamentenkombinationen. Sie werden in Abhängigkeit vom klinischen
Befund und der subjektiven Befindlichkeit ggf. im Laufe der Behandlung umgestellt oder
ergänzt. Die Aufgaben der Pflegeperson sind dabei folgende:

■ Aufklärung über die zeit- und dosisgerechte Medikamenteneinnahme bei


Therapiebeginn

■ Überwachung des Patienten auf Medikamentenwirkungen und mögliche


Nebenwirkungen

32.1 Pflege von Patienten mit koronarer Herzkrankheit

Gesundheitsberatung koronare Herzkrankheit (1) Beratung „Angina-pectoris-Prophylaxe“

Grundsätzlich gilt: Patient und Angehörige sollen über mögliche Gefahren und Probleme, die in der hä
handlungsleitende Maßnahmen informiert sein.Ziel: Verbesserung der Lebensqualität durch Vorbeugun

Wissen über die Erkrankung und Wissen über Angina pectoris auslösende
medikamentöse Therapie Faktoren

• Welches Wissen hat der Patient zu • In welchen Situationen werden Angina-


Ursachen, Symptomen und Therapie pectoris-Beschwerden ausgelöst?
der KHK?
• Kann der Patient symptomspezifische
• Ist er über die Wichtigkeit der regel- mäßigen Körpersignale frühzeitig wahrnehmen
Medikamenteneinnahme informiert? und interpretieren? Info: Die
Info: Es ist sinnvoll, im schmerzauslösenden Ursachen können
Beratungsgespräch zu erfassen, welche vielfältig sein. Sowohl körperliche
Kenntnisse der Betroffene über seine Belastungen als auch psychische
Erkrankung hat, und ob er weiß, was Faktoren können Schmerzen
während eines Schmerzanfalles am hervorrufen. Reichhaltige Mahlzeiten
Herzen geschieht. Die regelmäßige sowie körperliche Anstrengungen bei
Einnahme der verordneten Witterungsextremen können einen
Medikamente ist lebensnotwendig→ Anfall provozieren. Bei
Info über Zweck, Dosierung, Zeitpunkt, belastungsabhängigen Beschwerden
Einnahmeart und Nebenwirkungen. muss der Zusammenhang zwischen
Empfehlung: Auf rechtzeitige Verhalten und Schmerzanfall
Verschreibung der Dauermedikation verdeutlicht werden. Geringste Angina-
achten und Arzneimittelnebenwirkungen pectoris-Beschwerden (z. B. leichtes
oder zunehmende Angina-pectoris- Druckgefühl im Brustraum) müssen als
Beschwerden frühestmöglich dem Warn- signale des Körpers erkannt und
behandelnden Arzt mitteilen. körperentlastende Maßnahmen
durchgeführt werden. Empfehlung: Es
sollten mehrere kleine Mahlzeiten
bevorzugt und schwere körperliche
Belastungen nach der
Nahrungsaufnahme vermieden werden.
Der altbekannte Verdauungsschlaf nach
dem Essen sorgt für Entspannung und
Herzentlastung. Körperliche
Anstrengungen an sehr heißen und sehr
kalten Tagen sollten vermieden werden.
Auf Kaffee und Alkohol muss nicht
verzichtet werden, sollten jedoch in
Maßen genossen werden.
Nebenwirkungen von

Arzneimitteln bei KHK und

Angina pectoris

Nitrate. Zu Beginn der Nitrateinnahme kann es aufgrund der gefäßerweitern- den Wirkung zu sog.
werden mit nicht-opioiden Schmerzmitteln (Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol) therapiert. Auß
Vor- und Nachlast Hy- potonien (Blutdrucksenkungen) und Tachykardien (beschleunigte Pulsfrequen
Schwindel- und Schwächegefühl auslösen.

Zur Dauerbehandlung können Nitratpflaster eingesetzt werden. Das Pflaster sollte wegen der mögliche
12 Stunden auf der Haut kleben. Mögliche Platzierungen sind Brust-, Bauch- oder Schulterbereich
ausgewählte Hautstelle sollte gesund, faltenarm und wenig behaart sowie frisch gereinigt und trocken
lich gewechselt werden. Kalziumantagonisten. Sie senken den arteriellen Blutdruck und können Brady- b
halb erfolgt auch hier eine regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Pulsfrequenz. Auch nach der Ein
Patient unter Kopfschmerzen oder Schwindel leiden und eine Gesichtsröte (Flush) sowie ein allgeme
Manche Präparate können zu einer Obstipation führen, sodass eine Obstipationsprophylaxe notwendig w

Betarezeptorenblocker. Die Wirkungen bzw. Nebenwirkungen der Betarezeptorenblocker sowie die


Überwachungsmaßnahmen stellt.

werden

MERKE

Betarezeptorenblocker sowie einige andere Medikamente, bei denen es zur Blutdrucksenkung kommt
veränderungen im Urogenitalbereich die Libido vermindern und bei Männern Potenzstörungen hervo
diese Situation andeutet, kann darauf hingewiesen werden, dass sich diese Störungen evtl. durch eine
(auf Arztgespräch verwei- sen).

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32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Gesundheitsberatung koronare Herzkrankheit (2) Beratung zum Abbau von Risikofaktoren

Grundsätzlich gilt: Dem Fortschreiten der Gefäßveränderung soll entgegengewirkt werden mit dem Ziel, den Patienten bei der Auseinandersetzung mit
Verhaltensalternativen zu unterstützen. Folgende Fragestellungen sollten im Gespräch erläutert werden:

• Welche Motivation hat der Patient, gesundheitsschädigende Verhaltensweisen zu verändern?

• Wurden bereits lebensstilverändernde Maßnahmen eingeleitet? Wie erfolgreich waren diese Bemühungen bisher?

• Ist er über den Zusammenhang von Risikofaktoren und KHK informiert?

• Möchte der Patient, dass Angehörige bzw. enge Bezugspersonen bei Beratungsgesprächen einbezogen werden?

Risikofaktor „Begleiterkrankung“ Risikofaktor „Zigarettenkonsum“ Risikofaktor „Stress“

• Welche Begleiterkrankungen hat der Patient? • In welchem Alter wurde mit dem Rauchen • Wie schätzt der Patient seine Stre
begonnen, und wie lange raucht der Patient ein?
• Welche Risikofaktoren macht er für seine Erkrankung bereits?
verantwortlich? • Kennt er Entspannungs- techniken
• Wurden schon Versuche unternommen, mit dem diese angewandt? Info:
• Gibt es Risikofaktoren, die aufgedeckt bzw. verdeutlicht werden Rauchen aufzuhören? Info: Raucher haben Menschen mit KHK
müssen? Info: Begleiterkrankungen, z.B. Hypertonie, ein erhöhtes Risiko an einer KHK zu Stressfaktoren für
Diabetes mellitus oder Hypercholesterinämie können erkranken bzw. können dadurch den Krankheitsentwicklung eine
Ursache für die Koronarsklerose sein und diese weiter Krankheitsverlauf negativ beschleunigen. Rolle zu spielen. Unterdrü
fördern. Bei einer Hyperlipidämie kommt es nicht nur auf Dauer der Rauchgewohnheiten und private oder berufliche Ko
den Gesamtcholesterinwert an, sondern auf das Verhältnis Einstiegsalter liefern Hinweise für den Grad manenter Zeitdruck und
LDL/HDL (LDL = langkettiges Cholesterin mit geringerer der Abhängigkeit und der gesundheitlichen „Freizeitstress“ können Urs
Dichte; HDL = kurzkettiges Cholesterin mit höherer Dichte). Gefährdung. Durch die Nikotineinwirkung Hinzu kommt, dass ge
LDL-Cholesterine können sich an der Gefäßwand ablagern kommt es (Schubmann 1998) zur: Stressbedingungen ve
und eine Arteriosklerosebildung begünstigen. HDL- gesundheitsschädigende
Cholesterine wirken diesem Prozess eher entgegen. • Ausschüttung von Stress- hormonen Verhaltensweisen zum
Schubmann (1998) bezeichnet die Wirkung des HDL als kommen.Die Betroffenen e
das „hilfreiche, gute Cholesterin“ und das LDL als das • Steigerung von Blutdruck und ihren Kaffee- und Nikotinko
„lausige, schlech- te Cholesterin“. Empfehlung: Bei hohem Herzfrequenz reduzieren erholsame Sc
Choles- terinwert mit ungünstigem LDL- HDL-Verhältnis Empfehlung: Hinweis
muss neben der Einschränkung der Gesamtfett- menge • Steigerung des Sauerstoff- verbrauchs spannungstechniken wie
auf die Zusammen- setzung der Fettbestandteile in der des Herzens autogenem Training und p
Nahrung geachtet werden: Muskelentspannung.
• Freisetzung der Blutfette tiefgreifenderen
• Reduzierung tierischer Fette = gesättigte Fettsäuren (z. Belastungen kann auf psyc
B. Milch, Käse, fette Wurst und Fleisch) • Senkung des HDL- Cholesterins Beratungsstellen verwiesen

• Verwendung von pflanzlichen Fetten = einfach und • Steigerung des LDL- Cholesterins
mehr- fach ungesättigte Fettsäuren (Pflanzenöle)
• Verengung der Gefäße

• ballaststoffreiche Kost, um die Cholesterinausscheidung • gesteigerten Thrombozyten- ablagerung.


über den Darm zu fördern Empfehlung: Vielen Rauchern
gelingt es nicht, ohne
• Meidung von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln und professionelle Hilfe das Rauchen
hohem Alkoholkonsum wegen der Belastung des dauerhaft aufzugeben.
Fettstoffwechsels Raucherentwöhnungskurse bzw.
den Besuch einer Rauchersprech-
stunde, wie sie in entsprechen- den
Gesundheitszentren angeboten
• Normalisierung des Körper- gewichts bei Übergewicht
werden, empfehlen.

32.2 Pflege von Patienten vor und nach einer Linksherzkatheterisierung 32


TabWirkungen bzw. Nebenwirkungen von Betarezeptorenblockern.
Organ

Herz Bronchien

Stoffwechsel

psychische Befindlich- keit

Wirkung bzw. Nebenwirkung Pflegemaßnahme

Beim Angina-pectoris-Anfall professionell handelnDie Patienten sollten darauf


hingewiesen werden, dass sie die geringsten pektan- ginösen Beschwerden angeben.
Kommt es trotz verordneter Basisbehandlung zu einem Angina-pectoris-Anfall, wird der
Patient gebeten, im Bett eine Ruheposi- tion einzunehmen und Blutdruck und Puls
gemessen (Abb.32.10, s. auch Kap. 15).

Liegt der Blutdruck systolisch über 100 mmHg erhält der Patient die ange- ordnete
Bedarfsmedikation (Glyzeroltri- nitrat in Spray oder Kapselform). Der Pa- tient sollte
ruhig und tief atmen. Die Pflegeperson bleibt bei ihm und wirkt beruhigend auf ihn ein,
bis die Schmer- zen nachlassen. Können die pektanginö- sen Beschwerden nach
wenigen Minuten gelindert werden, wird der Anfall doku- mentiert und der Arzt
informiert.

M E R K E Bei einem Blutdruck unter 90 mmHg und einer ausgeprägten Tachykardie ist
Glyzeroltrinitrat kontra- indiziert. Der behandelnde Arzt muss unverzüglich informiert
werden!

Gefahr des Herzinfarkts

Lässt der Schmerz nach wenigen Minuten nicht nach oder nimmt die Intensität der
Angina-pectoris-Beschwerden zu, muss unverzüglich der Arzt verständigt werden.
Neben der differenzialdiagnostischen Abklärung eines Herzinfarkts er- folgt i. d. R. die
Anordnung von Sauerstoff, die parenterale Verabreichung von Glyzeroltrinitrat und
Heparin. Lassen sich die Beschwerden unter der Therapie nur schlecht beeinflussen
und weisen EKG- Befund und Anstieg der Herzenzyme auf einen Myokardinfarkt hin,
wird der Patient i. d. R. auf die Intensivstation verlegt. Pflege- und Behandlungsmaßnah-

Abb. 32.10 Beim Angina-pectoris-Anfall werden umgehend Blutdruck und Puls


kontrolliert.

➜ Herzfrequenz sinkt➜ Herzkraft ist vermindert

➜ Betarezeptoren der Bronchien können blockiert werden, d. h. Asthmazustände


können ausgelöst und verstärkt wer- den
➜ sympathikolytische Wirkung kann bei Menschen mit Diabetes, Hypoglykämiezeichen
verschleiern

➜ depressive Verstimmungen, Alpträume➜ Verwirrtheitszustände können ausgelöst


werden

➜ Blutdruck und Puls überwachen➜ Atemfrequenz und Atemtiefe überwachen

➜ bei der Exspiration auf spastische Atemgeräusche achten

➜ regelmäßige Blutzuckerkontrolle

➜ Überwachung der subjektiven Befindlichkeit und des Be- wusstseinszustandes

32.2 Pflege von Patienten vor und nach einer Linksherzkatheterisierung

32.2.1 Medizinischer Überblick

Definition

Die Linksherzkatheterisierung ist ein minimalinvasiver Eingriff, bei der ein Katheter über
die Leiste (A. femoralis), die Ellenbeuge (A. brachialis) oder über das Handgelenk (A.
radialis) eingeführt und entgegen der arteriellen Blutstromrichtung zum linken Herzen
vorgeschoben wird. Je nach Untersuchungsziel werden unterschiedliche Bereiche im
Herzen bzw. in den Herzkranzgefäßen zu diagnostischen bzw. therapeutischen
Zwecken angesteuert.

MERKE Am häufigsten erfolgt die Linksherzkatheterisierung über die Punktion der A.


femoralis.

Diagnostik

Im Rahmen der Linksherzkatheterisierung kommen als diagnostische Verfahren die


Koronarangiografie sowie die Ventrikulografie (Lävokardiografie) zur Anwendung.

Koronarangiografie

Sie dient dem Nachweis von Verschlüssen oder Stenosen der Koronararterien. Der
Herzkatheter wird mit der Katheterspitze bis zum Abgang der linken und rechten
Herzkranzarterie eingeführt. Danach wird ein Kontrastmittel injiziert. Die
Herzkranzarterien können so röntgenologisch dargestellt, unter Durchleuchtung
beobachtet und auf Filmen bzw. CD-ROMs aufgezeichnet werden. Neben Nachweis,
Lokalisation, Schwere, Form und funktioneller Bedeutung der arteriosklerotischen
Veränderungen, geben die Aufzeichnungen Aufschluss über die anatomischen
Strukturen und Versorgungsleistung der 3 Koronargefäße.
Ventrikulografie

Sie wird meist zusammen mit der Koronarangiografie durchgeführt. Die Ventri-
kulografie gibt Auskunft über Septumde- fekte sowie die Funktionsfähigkeit von ■ linkem
Vorhof,■ linkem Ventrikel (Kontraktionsfähigkeit einzelner Wandabschnitte) und ■ Mitral-
und Aortenklappe.

Aorta

linkes Atrium

Lungen- vene (Pulmonalis- venen)

linker Ventrikel

Linksherz- katheter

Ein Linksherzkatheter wird entgegen der Blutstromrichtung in das linke Herz eingeführt.

32 32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Therapie

Der therapeutische Einsatz der Herzkatheteruntersuchung erfolgt häufig mit dem Ziel
einer Ballondilatation oder Stenteinlage.

Ballondilatation

veränderte Herzkranzgefäß herangeführt und dort platziert. Ziel ist es, die Engstelle des
Gefäßes aufzudehnen, um den Blutdurchfluss zu verbessern.

Der Ballon wird in Höhe der Verengung fixiert, um das arteriosklerotische Material mit
Druck in die Gefäßwand der jeweiligen Koronararterie zu pressen. Die Ballondilatation
wird auch PTCA genannt: Perkutane (= durch die Haut hindurch), transluminale (= durch
die Gefäßlichtung hindurch), coronare (= des Herzkranzgefäßes) Angioplastie (=
Aufdehnung).

Stenteinlage

In manchen Fällen wird auch eine röhrenartige Metall- oder Kunststoffspirale (Stent) als
Gefäßstütze eingesetzt (Stentangioplastie), die nach einigen Wochen mit Endothel
ausgekleidet wird. Problematisch ist, dass sich Stents in 20–30% der Fälle durch die
Neubildung von Gewebe (Endothelbildung) verschließen können. Deshalb gibt es
medikamentenfreisetzende Stents, die eine Restenose verhindern sollen.

Komplikationen

In Herzzentren mit hoher Untersuchungsfrequenz liegt die Gesamtkomplikationsrate


unter 2 %. Die Sterblichkeitsrate liegt um 1 ‰. Tödliche Komplikationen können (sehr
selten) durch die Untersuchung selbst ausgelöst werden, z. B.: Myokardinfarkte oder
therapieresistente Rhythmusstörungen (Kammerflimmern oder Asystolie). Weitere
Komplikationen können sein:

▪ periphere Embolien einschließlich zerebraler Insulte durch katheterbedingte


Thrombenablösung

▪ Kontrastmittelnebenwirkungen, z. B. Sehstörungen, Niereninsuffizienz oder


allergische Reaktionen mit Urtikaria und anaphylaktischem Schock Bei der
Ballondilatation kann es zusätzlich zur Dissektion (Einriss, Aufspaltung) des
Endothels im Bereich der Dehnungs- stelle kommen. Das Endothel kann sich
abheben und die Durchblutung ein- schränken. Im schlimmsten Fall wird die

Führungskatheter

32.2.2 Pflege- und Behandlungsplan

Die Pflegenden bereiten den Patienten auf die Untersuchung vor. Sie überwachen die
Patienten nach der Herzkatheterisierung und führen eine Entlassungsberatung durch.

Vorbereitung auf die HerzkatheterisierungDie Aufklärung über die Notwendigkeit des


Eingriffes, den Ablauf und die potenziellen Gefahren und Komplikationen sowie die
Frage nach einer Kontrastmittelallergie erfolgen durch den behandelnden Arzt. Er
entscheidet, ob der Patient die verordneten Herzmedikamente am Untersuchungstag
einnehmen soll. Vor der Untersuchung sollten dem Patienten keine
ausscheidungsfördernden Mittel verabreicht werden, um einen unangenehmen
Harndrang während der Herzkatheterisierung zu vermeiden. In manchen Kliniken wird
am Morgen des Untersuchungstages kein Heparin s. c. verabreicht. Eine Heparingabe
erfolgt dann routinemäßig über den Herzkatheter während der Untersuchung. Der
Patient sollte 6 Stunden vor dem Eingriff nüchtern bleiben, um Erbrechen während der
Untersuchung und einer Aspiration bei erforderlichen Notfallmaßnahmen vorzubeugen.
Patienten mit Diabetes mellitus werden darüber informiert, dass sie kein Insulin injizieren
bzw. keine oralen Antidiabetika einnehmen.

Je nach ausgewählter Punktionsstelle erfolgt die Rasur. Bei der Katheterisierung der A.
femoralis wird die rechte und linke Leiste, bei der Punktion der A. brachialis oder A.
radialis der rechte und linke Arm rasiert (bei einer Fehlpunktion wird auf die
gegenüberliegende Extremität ausgewichen). Bei der Rasur der Leisten erfolgt die
Haarentfernung bis ein- schließlich des Unterbauchs bis zur Oberschenkelmitte. Zur
Infektionsprophylaxe ist eine gründliche Intimtoilette am Untersuchungstag wichtig.
Patientenunterlagen. Vor der Untersuchung werden alle Patientenunterlagen gerichtet,
fehlende Parameter angefordert und dokumentiert:

1. Patientenakte und -kurve2. Einverständniserklärung des Patienten 3. Röntgenbilder4.


EKG5. aktuelle Laborwerte (Hb, Hk, Leuko-

und Thrombozyten, Nieren- und Ge-

rinnungswerte)6. evtl. vorherige Herzkatheterbefunde 7. Größe und Gewicht des


Patienten Unmittelbar nach Abruf zur Untersu- chung sollte der Patient seine Harnblase
nochmals entleeren. Der Patient erhält

Bei der Ballondilatation wird der Herzkatheter als Führungskatheter an das


arteriosklerotisch

788

DEFINITION

Kontrastmittel- injektion

Dilatations- Ballonfüllung katheter

Abb. 32.12 a Ballon wird bis zur Stenose vorge- schoben, b Dilatation, c Zustand nach
Ballondilata- tion.

ab

Abb. 32.13 a Stenose, b Zustand nach Implanta- tion des Stents.

Koronargefäßdurchblutung komplett un- terbrochen (Myokardischämie). Tritt die- ser


Fall ein, muss entweder nochmals katheterisiert und dilatiert (erweitert), ein Stent
eingelegt werden oder eine so- fortige Bypassoperation erfolgen.

Komplikationen durch die arterielle PunktionDie arterielle Punktion kann folgende


Komplikationen verursachen:■ arterieller Verschluss■ Nachblutungen■ lokales
Hämatom■ Bildung eines Aneurysmas (Aussa-

ckung einer Arterie) ■ arterio-venöse Fistel ■ Infektionen■ Nervenverletzungen

Druckanzeige

das verordnete Beruhigungsmittel, bevor er von der Pflegeperson im Bett zum


Herzkatheterlabor gefahren wird.

Überwachen nach der Herzkatheterisierung Herzkatheterisierung über die A. femoralis

Bei einer Koronarangiografie wird die Führungsschleuse des Herzkatheters noch im


Herzkatheterlabor entfernt. Der Patient kommt mit einem Druckver- band auf Station.
Wurde eine Ballondila- tation durchgeführt, verbleibt die Füh- rungsschleuse für die
nächsten Stunden in der Leiste, weil dem Patienten i. d. R. gerinnungshemmende
Medikamente verabreicht wurden (Gefahr der erhöh- ten Blutungsneigung!). Außerdem
kann bei auftretenden Komplikationen (z. B. Dissektion oder Thrombosierung) über die
Schleuse erneut eine Herzkatheteri- sierung und PTCA durchgeführt werden. Sind die
Gerinnungswerte stabil und keine Komplikationen aufgetreten, wird die Schleuse vom
behandelnden Arzt auf der Station entfernt. Anschließend wird ein Druckverband
angelegt.

Pflegerische Aufgaben

Es wird dokumentiert, zu welcher Uhr- zeit der Druckverband angelegt wurde.


Ausgehend von diesem Zeitpunkt hat der Patient zwischen 6 – 24 Stunden Bettruhe.
Wurde der Eingriff über die Leiste durchgeführt, stehen Kreislauf- und
Verbandkontrollen sowie die Kon- trolle der punktierten Extremität in den ersten
Stunden im Vordergrund (Abb. 32.14). Dabei sollen mögliche Komplikationen, z. B. eine
Nachblutung oder Durchblutungsstörungen des Beines frühzeitig erkannt bzw.
verhindert werden. Der Patient soll eine flache Rü-

Abb. 32.14 Durch Tasten des Fußpulses werden Aussagen über die arterielle
Durchblutung des punktierten Beines gewonnen.

ckenlage einhalten. Das punktierte Bein muss ausgestreckt bleiben, damit die arterielle
Durchblutung des Beines nicht gefährdet wird.

M E R K E Bei einer Oberkörperhochlagerung kommt es zu einer Abknickung im Bereich


der Hüfte und der Druck auf den Verband kann sich unkontrolliert erhöhen. Deshalb wird
der Patient flach oder nur leicht erhöht gelagert.

Überwachungsmaßnahmen. Sie sollten generell anfangs 1/2-stündlich, später 1 – 2-


stündlich durchgeführt und auf einem Überwachungsprotokoll dokumentiert werden. Ziel
ist ein frühzeitiges Erkennen von Komplikationen. Alle Überwachungsmaßnahmen,
Begründungen und Handlungskonsequenzen sind in Tab. 32.4 dargestellt.

Herzkatheterisierung bei der Punktion der A. brachialis oder A. radialisNach einer


Linksherzkatheterisierung über die Ellenbeuge oder das Handge- lenk wird die Wunde
mit einem Druck- verband versorgt oder ggf. durch eine Naht verschlossen. Der Patient
ist in sei- ner Mobilisation nicht weiter einge- schränkt, sollte sich aber zur weiteren
Beobachtung im Zimmer bzw. auf der Station aufhalten. Er sollte den betroffe- nen Arm
für die nächsten 4 Stunden nicht beugen. Die Überwachungsmaß- nahmen werden
genauso durchgeführt wie bei der Punktion der A. femoralis. Der Druckverband wird 6 –
24 Stunden nach der Herzkatheterisierung entfernt, wenn alle Laborparameter
(insbesondere die Gerinnungswerte) im Normbereich und keine Komplikationen
aufgetreten sind.

Entlassungsberatung

Die Beratung erfolgt in Abhängigkeit von der jeweiligen Punktionsstelle (Punktion der A.
femoralis, A. brachialis oder A. radialis).

■ Herzkatheterisierung über A. femora- lis: Der Patient wird darüber infor- miert, dass er
die Punktionsstelle in den nächsten 5 – 7 Tagen nicht be- lastet. Anstrengende
Belastungen wie Heben von schweren Gegenständen oder eine verstärkte
Bewegungsakti- vität wie Fahrrad fahren sollten ver- mieden werden.

■ Herzkatheterisierung über A. brachia- lis oder A. radialis: Der Patient sollte den
punktierten Arm schonen, z. B. keine schweren Einkaufstaschen tra- gen. Wurde die
Punktionsstelle ge- näht, erfolgt die Fadenentfernung nach 8 – 10 Tagen ambulant.

32.2 Pflege von Patienten vor und nach einer Linksherzkatheterisierung


Tab. 32.4 Pflegerische Überwachungsmaßnahmen nach einer
Linksherzkatheterisierung am Beispiel der Punktionsstelle der A. femoralis.

Überwachungsmaßnahmen Begründung und mögliche Symptome Handlungskonsequenzen

Blutdruck- und Pulskontrolle ➜ zur Erkennung von äußeren oder inneren ➜ bei auftretenden Scho
nachrichtigen

➜ auf Schockzeichen wie Blutdruckabfall, Ta- chykardie oder Kaltschweißigkeit achten

arterielle Durchblutung des punktierten Beines kontrollieren durch:

➜  Tasten des Fußpulses und Vergleich der Puls- qualität beider Extremitäten (Abb. 32.14

➜  Kontrolle der Hauttemperatur beider Beine

➜  Überprüfen von Sensibilität und Motorik

➜  Kontrolle des Beines auf venöse Stauung


Gefahr der arteriellen Durchblutungsstörung bis hin zum arteriellen Verschluss durch arterielle Pun
Druck- verband. Mögliche Symptome sind:

➜ Puls am punktierten Bein nicht tastbar➜ Bein im Vergleich zum anderen kalt und blass ➜
Verfärbung oder Zunahme des

Beinumfanges, Gefahr der venösen Stauung oder (in seltenen Fällen) tiefe Beinvenenth- rombose

➜ bei diesen Symptomen muss sofort ein Arzt verständigt werden

➜ aufgrund der niedrigen Temperaturen im Herzkatheterlabor sind die Patienten häu- fig leicht un
tastbarem Puls gleich kühl, können wärmende Socken angeboten werden

Fortsetzung ▶

789

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Tab.32.4 Fortsetzung

Überwachungsmaßnahmen Begründung und mögliche Symptome Handlungskonsequenzen

Kontrolle des Druckverbandes auf Nachblutung

Nachblutungsgefahr durch „Verrutschen“ oder Lockerung des Verbandes. Diese kann direkt sichtbar
durch eine Zunahme des Oberschenkelumfanges äußern

➜ Inspektion des Druckverbandes, indem Leisten- und Oberschenkelbereich von allen Seiten untersuc
Blut kann sich in schwer einsehbaren Bereichen sam- meln

➜ bei Blutung manuelle Kompression (mit Schutzhandschuhen) der Punktionsstelle

➜ unverzüglichArztbenachrichtigen➜ Vorbereiten des notwendigen Materials für

erneuten Druckverband

Ein-undAusfuhrkontrolle KontrastmittelführtbeiPatientenmiteinge- schränkter Herz- und Nierenfunktion i

schlimmsten Falle zum Nierenversagen


➜ 2lTrinkmengeinnerhalbvon4–6Stunden nach dem Eingriff, um Kontrastmittel zügig auszuscheiden

➜ gewünschte Getränke in Reichweite des Patienten stellen

Überwachung der subjektiven Befindlichkeit

Gefahr einer Dissektion im dilatierten Koronar- gefäß oder Thrombosierung eines Koronargefä- ße
Infarktes (nach PTCA)➜ mögliche Beschwerden sind Engegefühl und

Schmerzen im Sinne von Angina-pectoris- Symptomen

➜ bei diesen Symptomen muss sofort ein Arzt verständigt werden

32.3 Pflege von Patienten mit Herzinfarkt

32.3.1 Medizinischer Überblick Definition

Bei einem Herzinfarkt kommt es zu einem akuten Verschluss eines Koronar- gefäßes.
Dies setzt die Durchblutung des zu versorgenden Herzmuskelgewebes kritisch herab
oder hebt sie komplett auf. Als Infarkt wird die Nekrose bezeichnet, die sich durch das
nicht mehr durchblutete Muskelgewebe bildet. Infarkte betreffen am häufigsten die
Muskulatur des linken Ventrikels. Das entstehende Narbengewebe kann sich dann nicht
mehr aktiv an der Pumpleistung des Herzens beteiligen.

Herzinfarktarten. Je nachdem, welche Koronararterie betroffen ist, spricht man von

■ Vorderwandinfarkt,

■ Seitenwandinfarkt oder

■ Hinterwandinfarkt.Tritt ein weiterer Infarkt noch in der Akutphase des ersten auf, so
handelt es sich um einen Zweitinfarkt. Kommt es mehrere Wochen nach dem ersten
Infarkt zum erneuten Verschluss eines Koronargefäßes, wird von einem Re-Infarkt
gesprochen.

Häufigkeit

In Deutschland, Österreich und Nord-amerika erleiden jährlich etwa 300 Menschen pro
100 000 Einwohner einen Herzinfarkt (in Japan <100; in Irland, England und Ungarn
>500). Das sind deutschlandweit ca. 280 000 Menschen.

Herzinfarkt ist die zweithäufigste Todesursache; jährlich sterben 60 000 Menschen in


der Bundesrepublik an dieser Erkrankung.
Ursachen und Symptome

Die Ursache für einen Herzinfarkt liegt meist in einer bestehenden KHK. Bei den
Symptomen des Herzinfarktes wird zwischen Leit- und Begleitsymptomen
unterschieden. Leitsymptome des Herzinfarktes sind:

■ akut auftretender retrosternaler (hinter dem Brustbein lokalisierter) Schmerz

■ ausstrahlender Schmerz in den linken Arm, Hals, Unterkiefer, Rücken oder Oberbauch

■ Angstgefühl hin bis zur Todesangst (Vernichtungsgefühl)

■ Beengungsgefühl, Atemnot und Unruhe

Bei etwa 15 – 20 % der Patienten verläuft der Infarkt „stumm“, da z.B. bei Menschen mit
Diabetes aufgrund von Nervenveränderungen die Schmerzempfindung herabgesetzt
sein kann.

MERKE Der Herzinfarktschmerz unterscheidet sich vom „gewöhnlichen“ Angina-


pectoris-Anfall durch

▪ die Dauer des Schmerzes (er kann über mehrere Stunden anhalten),

▪ das Nichtansprechen auf Glyzeroltrinitrat (z. B. Nitrospray) und

▪ eine gleichbleibende Schmerzintensität bei körperlicher Entlastung.

Begleitsymptome. Folgende Anzeichen können die Leitsymptome des Herzinfarktes


begleiten:

■ Schweißausbrüche

■ Übelkeit und Erbrechen

■ Blutdruck: häufig hypoton oder bei

erhöhtem Sympathikotonus hypertone bzw. normale Werte

■ Puls: normal, Tachykardie, Bradykardie, evtl. ventrikuläre Rhythmusstörungen (bis


zum Kammerflimmern)

Risikofaktoren und Komplikationen

Die Risikofaktoren entsprechen denen der koronaren Herzkrankheit.

Die Todesrate beim Myokardinfarkt ist sehr hoch; in den ersten 48 Stunden ist die
Sterblichkeitsrate am höchsten! Die häufigste Komplikation des Herzinfarktes sind
Herzrhythmusstörungen (in 95 % der Fälle). Ventrikuläre Tachykardien und
Kammerflimmern treten am häufigsten in den ersten 4 Stunden auf. Außer- dem kann
sich durch die Einschränkung der Pumpfunktion eine akute Linksherzinsuffizienz mit
Lungenstauung und Lungenödem entwickeln, die bis zum kardiogenen Schock führen
kann.

M E R K E Kammerflimmern ist die häufigste und ein kardiogener Schock die


zweithäufigste Todesursache beim Herzinfarkt.

Weitere Komplikationen im Frühstadium:

■ Herzwandruptur mit Herzbeuteltamponade

▪ Septumperforation

▪ Funktionsstörung oder Abriss des Papillarmuskels (Mitralklappeninsuffizienz)

Spätkomplikationen können sein:

▪ Herzwandaneurysma

▪ arterielle Embolien

▪ Frühperikarditis (einige Tage nach dem Infarkt)

▪ Postmyokardsyndrom (Dressler-Syndrom = Autoimmun-Perikarditis, ca. 6 Wochen


nach Infarkt)

▪ Arrhythmien

▪ Herzinsuffizienz

▪ Diagnostik Mit folgenden Untersuchungsmethoden wird der Herzinfarkt diagnostiziert:

▪ Infarktsymptomatik und Anamnese

▪ EKG (Infarktausmaß, Alter des Infarktes)

■ Blutuntersuchung (Troponin I und T, Enzymdiagnostik

■ Echokardiografie (Untersuchung der Pumpleistung)

■ Linksherzkatheterisierung (zur Infarktlokalisation bzw. therapeutisch zur PTCA)

Bei unauffälligen Befunden werden nach 12 – 24 Std. EKG und Blutuntersuchungen


zum sicheren Infarktausschluss wiederholt.
Therapie

Ziele der therapeutischen Maßnahmen sind:

■ Schmerzfreiheit und Reduzierung der Angst

■ Verhindern bzw. Therapie von Komplikationen

Neben der medikamentösen Therapie und der Reperfusionstherapie (s. Fokus) werden
bei der Therapie des Herzinfarktes folgende Sofortmaßnahmen eingesetzt:

■ Bettruhe zur körperlichen Entlastung

■ O2-Verabreichung,

■ Gabe von Nitraten

■ Schmerzmittel- und evtl. Sedativagabe

■ Unfraktioniertes Heparin i. v. und Azetylsalizylsäure

■ EKG und hämodynamisches Monitoring – Defibrillationsbereitschaft

■■■

Begrenzung des Infarktgebietes Vorbeugen eines Zweitinfarktes Reperfusionstherapie:


Auflösen des Gerinnsels mittels Lysetherapie oder PTCA

32.3 Pflege von Patienten mit Herzinfarkt

Arzneimittel im Fokus

Medikamentöse Therapie

beim Herzinfarkt

Die medikamentöse Therapie in der Akutphase des Herzinfarkts erfolgt durch:

▪ Nitrate zur Vor- und Nachlastsenkung und Verbesserung der Koronarperfusion

▪ Analgetika (z. B. Morphin) und Sedativa (z. B. Diazepam) zur Verminderung des Angstgefühls, der inn

▪ Betarezeptorenblocker zur Verminderung der Herzarbeit und Stabilisierung des Herzrhythmus


▪ ACE-Hemmer bzw. AT-1-Rezeptorantagonisten (z. B. Valsartan) bei Herz- insuffizienz

▪ Fortsetzung der begonnenen Azetyl- salizylsäuretherapie (z. B. Aspirin), zu- sätzlich Clopid
Antikoagulanzientherapie

▪ Cholesterin-Aufnahme-Hemmer (CSE-Hemmer, z. B. Sortis) sollen die Plaquestabilisierung begünstig

■ systemische Thrombolysetherapie zur Wiedereröffnung des verschlossenen Koronargefäßes du


Fibrinolytika, Thrombolytika)

■ Akut-PTCA mit oder ohne Stentim- plantation

Im weiteren Verlauf werden langfristig zur Prävention eines Re-Infarktes und zur Letalitätssenkung folge

■ Betablocker und ACE-Hemmer/AT-1- Rezeptorantagonist (Senkung der Frühsterblichkeit, verbessern

■ Azetylsalizylsäure oder Clopidogrel (verhindert eine Thrombozytenver- klebung und red


Koronarverschlusses)

■ medikamentöse Cholesterinsenkung

32.3.2 Pflege- und Behandlungsplan

Ist die Infarktdiagnose gesichert, erfolgt die weitere Pflege und Behandlung in der
Akutphase auf der Intensivstation, da in den ersten 48 Stunden lebensbe- drohliche
Komplikationen gefürchtet sind. Bei komplikationslosem Verlauf wird der Patient nach
ca. 2 – 3 Tagen verlegt. Auf einer internistischen Allge- meinstation erhält der Patient
dann wäh- rend der nächsten 10 – 14 Tage ein ge- zieltes Mobilisationstraining. Er wird
bei der Auseinandersetzung mit seiner Er- krankung sowie seiner zukünftigen Le-
bensgestaltung unterstützt. Die an- schließende Rehabilitationsmaßnahme wird initiiert.

Pflegeschwerpunkte in der Akutphase im KrankenhausHier stehen 3


Pflegeschwerpunkte im Vordergrund:

1. vitale Funktionen überwachen2. Herz-Kreislauf-Funktion entlasten 3. entlastende


Pflege bei den ATL

Vitale Funktionen überwachen

In den ersten Stunden und Tagen nach dem Herzinfarkt können lebensbedrohli- che
Komplikationen auftreten, die eine hohe Verantwortung hinsichtlich einer aufmerksamen
Krankenbeobachtung und eines schnellen Kombinations- und Reaktionsvermögens von
Seiten der Pfle- genden verlangen. Der Herzrhythmus wird über Monitor überwacht
(Abb. 32.15), von dem der Patient nur für kurze Zeit getrennt werden sollte.
Abb. 32.15 Persönlicher Kontakt und apparative Überwachung ergänzen einander.

Nach jeder Schichtübernahme müssen die Alarmgrenzen durch die zuständige


Pflegeperson kontrolliert und ggf. ange- passt werden. In den ersten 48 Stunden nach
einem Herzinfarkt treten bei 95-


791

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

100 % der Patienten Herzrhythmusstö- rungen auf. Die wichtigsten Herzrhyth-


musstörungen müssen erkannt und ein- geschätzt werden.

M E R K E Bei gehäuft vorkomm- enden ventrikulären Extrasystolen (ca.6 /Min.), bei


polymorphen Extrasystolen, Salven, bradykarden oder tachykarden Rhythmusstörungen
muss sofort ein Arzt verständigt werden, da die Gefahr eines Kammerflimmerns besteht.
Ventrikuläre Tachykardien und Kammerflimmern tre- ten häufig in den ersten Stunden
nach dem Infarktereignis auf. Vereinzelt auf- tretende supraventrikuläre und ventriku-
läre Extrasystolen haben meist keine therapeutischen Konsequenzen.

Des Weiteren kann es zu Einschränkun- gen der Pumpfunktion des Herzens kommen.
Durch sie kann sich eine akute Linksherzinsuffizienz (in ca. 30 % der Fälle mit der
Gefahr eines Lungen- ödems) oder im schlimmsten Falle ein kardiogener Schock (in 10
– 15 % der Fälle) entwickeln. Folgende Symptome deuten auf eine
Linksherzdekompensa- tion hin:

▪ zunehmende Unruhe

▪ Atemnot, anfänglich bei Belastung, später auch in Ruhe

▪ Zyanose, Tachykardie

▪ zunehmender Hustenreiz (im fortge- schrittenen Stadium von brodelnden


Rasselgeräuschen [Distanzrasseln] und schaumigem, blutig-tingiertem
[„fleischwasserfarbigem“] Auswurf begleitet) Bei der Ausbildung eines
kardiogenen Schocks wird die Pumpfunktion des Her- zens so weit herabgesetzt,
dass es zu einer Mangeldurchblutung aller lebens- wichtigen Organe und des
noch intakten Herzmuskelbezirkes kommt. Folgende Symptome deuten auf einen
kardioge- nen Schock hin:

▪ Blutdruckabfall

▪ kaum tastbarer, tachykarder Puls

▪ Blässe, Kaltschweißigkeit

▪ Zyanose der Lippen und Akren

▪ abfallende Sauerstoffsättigung (Puls- oxymetrie)Pflegende haben im Rahmen der


Über- wachung der Vitalfunktionen folgende Aufgaben:

▪ regelmäßige Kontrolle von Blutdruck und Herzfrequenz (Abb. 32.16)

▪ Beobachtung von Veränderungen der Haut, z. B. Schweißabsonderungen(z. B.


Kaltschweißigkeit), Minder- durchblutung der Extremitäten, Blässe oder Zyanose

Abb. 32.16 Die regelmäßige Vitalzeichenkontrolle ist eine wichtige Pflegehandlung beim
Infarktpa- tienten.

■ Messung und Beobachtung der Atemfrequenz und -tiefe in Ruhe und bei Belastung

eines Lungenödems oder bei Anzeichen eines kardiogenen Schocks muss sofort ein
Arzt informiert werden. Die Materia- lien für eine Reanimation sollten griffbe- reit sein.

Herz-Kreislauf-System entlasten

Das Herz-Kreislauf-System wird durch optimierte Sauerstoffversorgung,


Schmerzmittelgabe sowie medikamen- töse Therapie entlastet. Sauerstoffversorgung
optimieren. Der Patient erhält auch bei einem Infarkt mit geringem Ausmaß in den
ersten 48 Stunden routinemäßig 2 – 4 l Sauerstoff pro Minute bzw. bedarfsorientiert
höhe- re Mengen bei auftretenden Komplika- tionen.
here Dosen erforderlich (z. B. 10 l/Min.), sollte der Patient anstatt der Sonde eine
Sauerstoffmaske erhalten. Über das Maskenreservoir kann eine höhere
Sauerstoffkonzentration in der Einatem- luft erreicht werden (ATL Atmen, S. 444).

Schmerzfreiheit gewährleisten. Eine weitgehende Analgesie mit stark wirksa- men


Schmerzmitteln wird angestrebt, um die Ausschüttung von Stresshormo- nen zu
reduzieren. Stresshormone erhö- hen die Herzarbeit auch bei körperlicher Entlastung. In
der Praxis wird bevorzugt

Morphin verabreicht, weil es neben dem analgetischen Effekt auch die Vorlast des
Herzens senkt. Der Patient sollte sich be- reits bei geringsten Schmerzen mittei- len, um
schnellstmöglich eine absolute Schmerzfreiheit zu erreichen. Eine Be- darfsmedikation
wird vorab mit dem be- handelnden Arzt abgesprochen und in der Pflegedokumentation
schriftlich fest- gehalten.

M E R K E Tachykardie, Hyperto- nie, eine vermehrte Schweißproduktion, körperliche


Unruhe und ein angespann- ter Gesichtsausdruck können Ausdruck nonverbaler
Schmerzreaktionen sein.

Opiate können das Brechzentrum stimu- lieren und Übelkeit und Erbrechen aus- lösen.
Bei starkem Brechreiz kann die Gabe von Antiemetika erforderlich wer- den. Diese
werden i. d. R. parenteral nach Arztverordnung verabreicht. Medikamentöse Therapie
überwachen. In den ersten 2 – 3 Tagen werden die Me- dikamente häufig über einen
zentralen Venenkatheter verabreicht. Der zentrale Venendruck (ZVD, S. 699) wird
zweimal täglich gemessen, um Aussagen über den Flüssigkeitshaushalt und die Aus-
wurfleistung des rechten Herzens zu ge- winnen. Je nach Kreislaufstabilität erhält der
Patient eine Nitrattherapie, Betablo- cker und ACE-Hemmer, um den myokar- dialen
Sauerstoffverbrauch zu reduzieren und um das Herz vor Katechol- amineinflüssen zu
schützen. Sedativa (z. B. Diazepam) werden verabreicht, um Unruhezuständen
entgegenzuwirken. Sie können in Kombination mit Analgetika zur Atemdepression
führen. Die Überwa- chung von Atmung und Bewusstseinszu- stand ist deshalb
bedeutsam. Thrombolysetherapie überwachen. Während des akuten Infarktgeschehens
kann innerhalb von 4 – 6 Stunden nach Schmerzbeginn, sofern keine Kontraindi-
kationen bestehen, eine systemische Thrombolysetherapie durchgeführt wer- den („time
is muscle“). Ziel ist es, den fibrinhaltigen Thrombus aufzulösen und die Durchblutung
des verschlossenen Koronargefäßes wieder herzustellen. Aufgrund der
fibrinauflösenden Wirkung der Lysetherapie kann es zu Blutungen im Organismus
kommen, z. B.

■ Schleimhautblutungen,■ Harnwegsblutungen,■ Magenblutungen oder■ Blutungen aus


Einstichstellen von Ve-

nenpunktionen.Vor der Lysetherapie sollte der Patient ausreichend mit peripheren


venösen Zu- gängen versorgt werden, um bei einer

MERKE

Bei beginnender Links- herzdekompensation mit Ausbildung

792

MERKE

Geringere Sauerstoff- mengen (2 – 4 l) können über eine Na- sensonde verabreicht


werden. Sind hö-

32.3 Pflege von Patienten mit Herzinfarkt


Abb.32.17 PflegendegewinnenausdemBeipack- zettel des jeweiligen Lysepräparats
wichtige Infor- mationen.

auftretenden Blutung eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr (z. B. mittels Transfu- sionen)


gewährleisten zu können. Even- tuelle Fehlpunktionsstellen werden mit einem
Druckverband versorgt, um Nach- blutungen zu verhindern. Vor der Lyse sollte
abgeklärt werden, ob ein Blasen- verweilkatheter für notwendig erachtet wird. Die
Vorbereitung der Lysetherapie ist Aufgabe der Pflege. Es gibt unter- schiedliche
Dosierungsschemata (Abb. 32.17), die je nach ärztlicher An- ordnung korrekt hergestellt
werden müssen. Bei der Zubereitung des Medi- kaments ist mit höchster Sorgfalt vorzu-
gehen, denn eine genaue Dosierung ist für den Erfolg der Therapie wichtig. Ge-
fürchtete Komplikationen während einer Lysetherapie sind

▪ das Auftreten einer Gehirnblutung oder

▪ eine Irritation des Herzrhythmus, sog. Reperfusionsarrhythmien sowie

▪ Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock. MERKE Treten


nach der Lyse- therapie erneut Angina-pectoris- Schmerzen auf, muss sofort der
behan- delnde Arzt benachrichtigt werden. Diese Schmerzen können auf einen
er- neuten Verschluss der Reststenose hin- weisen. Während der Lysetherapie
führen Pfle- gende je nach Dauer der thrombolyti- schen Wirkung des jeweiligen
Lysepräpa- rats folgende Überwachungsmaßnah- men durch:

▪ Messen der Vitalwerte 1/2-stündlich

▪ Beobachten des Herzrhythmus

▪ Beobachten der Haut auf Hämatom- bildung oder Einblutungen (z. B. Pe- techien)

▪ Erkennen von Blutungsanzeichen (z. B. im Urin, Einstichstellen)

▪ Erkennen von Überempfindlichkeits- reaktionen (z. B. Schüttelfrost, Kopf- und


Gelenkschmerzen, Hautrötungen, anaphylaktische Schocksymptome)

▪ Beobachten des Bewusstseins (z. B. auf Orientierungsgrad, Somnolenz,


neurologische Ausfälle) MERKE Der Patient darf auf- grund der Blutungsgefahr
während der Lysetherapie keine intramuskulären oder subkutanen Injektionen
bekommen. In- sulinpflichtige Diabetiker beispielsweise erhalten Insulin
intravenös. Während dieser Zeit sollten auch keine Pflege- maßnahmen
durchgeführt werden, die zu Verletzungen führen könnten, z. B. Nassrasur,
Zähne putzen oder Nasen- pflege. Entlastende Pflege bei den ATL Für die Zeit
des akuten Geschehens hat der Patient absolute Bettruhe. Mit dieser Maßnahme
soll die Herzarbeit minimiert und der Sauerstoffbedarf des Herzens gesenkt
werden. Der intakte Herzmus- kelanteil soll sich langsam an die Mehr- belastung
gewöhnen. Zur Stressreduk- tion erhalten der Patient und seine An- gehörigen
einen groben Überblick über den Tagesablauf. Besuchsmöglichkeiten und die
Notwendigkeit von Ruhephasen werden abgesprochen. MERKE In den ersten
24–48 Stunden muss der Patient in Abhängig- keit von Befindlichkeit und
kardialer Si- tuation jegliche Anstrengung und Akti- vität vermeiden. Eine
„entlastende Pfle- ge“ steht während dieser Zeit im Vor- dergrund. Körperpflege
unterstützen. Je nach In- farktschwere und -verlauf kann in den ersten Tagen die
Übernahme einer Ganz- körperpflege angezeigt sein. Bei Kreis- laufstabilität und
Schmerzfreiheit kön- nen selbstständig kleine Handgriffe durchführt werden (z. B.
zur Wahrung der Intimsphäre das Waschen des Geni- talbereichs). Die
selbstständige Pflege- handlung muss sofort abgebrochen wer- den bei: ■
Erhöhung der Herzfrequenz um mehr als 20 Schläge/Min., ■ Hypertonie bzw.
Hypotonie oder■ Atemnot und■ Schmerzen.Für Entlastung bei der Ausscheidung
sor- gen. Aufgrund der Bettruhe ist der Pati- ent auf die Benutzung einer
Urinflasche bzw. eines Steckbeckens angewiesen. Er-

fordert die instabile Kreislaufsituation eine exakte Bilanzierung und eine zu- sätzliche
körperliche Entlastung, sollte in Absprache mit dem behandelnden Arzt für den Zeitraum
der Kreislaufinsta- bilität ein Blasenverweilkatheter gelegt werden. Durch
Immobilisierung und An- algesierung mit Morphin-Präparaten kann es zu einer
Obstipation kommen. Um eine größere Pressanstrengung bei der Defäkation
(Stuhlgang) zu vermei- den, wird eine medikamentöse Obstipa- tionsprophylaxe
durchgeführt. Belastungen durch die Ernährung entge- genwirken. Eine absolute
Nahrungska- renz wird eingehalten

■ in den ersten Stunden nach dem akuten Ereignis,

■ bei instabilem Kreislauf und ■ bei Übelkeit und Erbrechen.Aufgrund der gefürchteten
Komplikatio- nen muss immer mit einer Reanimation gerechnet werden (Gefahr der
Aspiration von Erbrochenem bei einer Reanima- tion). Der Patient bekommt während
der Nahrungskarenz Flüssigkeit parente- ral zugeführt. Bei stabilen Kreislaufver-
hältnissen und einer uneingeschränkten Verdauungsleistung können leicht ver- dauliche
und kleine Mahlzeiten unter Einhaltung individueller Diätvorgaben angeboten werden.
Der Situation angepasste und bequeme Lagerung ermöglichen. Zur Verbesse- rung der
Atemsituation und der Herzent- lastung wird der Patient in der Anfangs- phase in
Rückenlage leicht erhöht gela- gert. Bleibt die Kreislaufsituation stabil, richtet sich die
Lagerung nach den Be- dürfnissen des Patienten. Sekundärpro- bleme aufgrund der
Bewegungsein- schränkung sind abhängig vom Ausmaß des Infarktes, den
Kreislaufverhältnissen und der Dauer der Immobilität. Prophy- laxen, z. B. Dekubitus-,
Thrombose- oder Pneumonieprophylaxe sind individuell anzupassen und
durchzuführen. Temperatur kontrollieren und regulie- ren. In seltenen Fällen, z. B. bei
großen Infarktarealen, kann es in den ersten Tagen nach dem Infarkt zu Resorptions-
fieber mit subfebrilen Temperaturen kommen. Eine Temperaturerhöhung über 38,5 °C
wird mit fiebersenkenden Maßnahmen behandelt, da die daraus resultierende
Kreislaufbelastung (stei- gende Pulsfrequenz) und der erhöhte Sauerstoffbedarf das
geschädigte Herz belasten können.

Pflegeschwerpunkte im weiteren VerlaufDie Verlegung auf eine internistische Station


erfolgt i.d.R. nach 2–3 Tagen

793

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems


Abb. 32.18 Sobald sich der Gesundheitszustand des Patienten stabilisiert hat, kann er
die Intensiv- station verlassen.

(Abb. 32.18). sind, dass

▪ der Patient in Ruhe schmerzfrei ist,

▪ Herz und Kreislauf stabil und die

▪ Herzenzymwerte rückläufig sind.Um dem Patienten die Verlegung zu er- leichtern,


sollte er über den Tagesablauf informiert und die Pflegeschwerpunkte mit ihm
abgesprochen werden. Die zeit- lichen Abstände der Überwachungsmaß-
nahmen werden bei unauffälliger Kreis-

laufsituation nach Absprache mit dem Patienten zunehmend verlängert (z. B. 2 – 3-


stdl.).

Im Mittelpunkt stehen nun die Früh- mobilisation und die Gesundheitsbera- tung.
Frühmobilisation

Ziele der Frühmobilisation des Patienten sind ■ die körperliche Leistungsfähigkeit

wiederherzustellen,■ seine seelische Verfassung zu stabili-

sieren,■ Thrombose, Dekubitus, Pneumonie

und Muskelabbau zu vermeiden,■ die Wahrnehmung der individuellen

Belastungsgrenze zu schulen,■ den Krankenhausaufenthalt zu ver-

kürzen und■ die frühzeitig soziale Reintegration. Der Beginn der Frühmobilisation ist
zum einen von subjektiven Parametern ab- hängig wie ■ Befindlichkeit (z. B. keine
Übelkeit,

kein Erbrechen),■ Schmerzfreiheit,■ Trainingszustand und Konstitution. Zum anderen ist


der Mobilisationsbeginn abhängig von objektiv messbaren Para- metern, z. B. ■ dem
Ausmaß und dem Infarktverlauf

(rückläufige Herzenzyme),■ stabilen Kreislaufverhältnissen (nor-

motone Blutdrucksituation, keine be-

drohlichen Herzrhythmusstörungen,

Temperatur nicht über 38,5 °C). Mobilisationsstufenplan. Das Mobilisa-


tionsstufenprogramm mit einem geziel- ten Aufbautraining hat sich in der Praxis
durchgesetzt. Anhand gezielter Be- obachtungen von Pflegepersonen, Phy-
siotherapeuten und der medizinischen Verlaufsdiagnostik durch die Ärzte wer- den die
Belastungsgrenze des Patienten und die jeweilige Mobilisationsstufe täg- lich
besprochen und individuell festge- legt. Abb. 32.19 stellt beispielhaft einen
Mobilisationsstufenplan dar. Die indivi- duelle Ausrichtung des Mobilisationsstu-
fenplans beinhaltet auch, dass bei Belas- tungssymptomen wie leichter Atemnot oder
Tachykardie eine Trainingsstufe zu- rückgegangen wird, um den Patienten nicht zu
überfordern. Nach Beendigung von Stufe V ist die Frühmobilisation ab- geschlossen.
Der Patient kann dann in Absprache mit dem behandelnden Arzt und auf Wunsch in
Begleitung ca. 30 Min. spazieren gehen.

Generell gilt, dass während der Mobi- lisationsphase in etwa 10 – 15-minütigen


Abständen eine Puls- und Blutdruckkon- trolle durchgeführt wird. Ziel ist ein schonender
Trainingsaufbau und das frühzeitige Erkennen von kardialen Über- lastungssymptomen.
Alle Pflegehandlun- gen und deren Begründungen sind in Tab. 32.5 dargestellt.
Voraussetzungen

dafür

Tab. 32.5 Überwachung des Herzinfarktpatienten vor, während und nach der
Frühmobilisation.

Zeitpunkt Pflegehandlung Begründung

vor Beginn der Mobilisation

➜ Information über Ziel der Mobilisation und Aktivitätsradius

➜ Absprache, welche Handlungen aus Entlas- tungsgründen beachtet werden sollten

➜ Blutdruck- und Pulskontrolle

➜ ein gut informierter Patient fühlt sich si- cher und ernst genommen

➜ Handlungsanweisungen sollen verhaltens- leitend sein

➜ Dokumentation der kardialen Ausgangssi- tuation, wobei Ruhewerte als Bewertungs-


maßstab für die aufbauenden Trainings- schritte dienen

während der Mobilisation

nach jeder stärkeren Belastungsphase wird:➜ eine Ruhepause eingelegt➜ eine Pulskontrolle
durchgeführt und mit den

Ausgangswerten verglichen

➜ Überlastungsvermeidung➜ gemessene Werte dienen als Indikator für

die kardiale Belastung und den myokardia-

len Sauerstoffverbrauch➜ Belastungsfrequenz darf die Ausgangsfre-

quenz bei Aktivitäten im Sitzen und Liegen bis 20 Schläge/ Min., beim Gehen und
Treppensteigen bis 30 Schläge/ Min. über- steigen

nach jeder stärkeren Belastungsphase wird: ➜ der Patient aufmerksam gemacht, seine

subjektive Belastungsgrenze nachzuspüren

Patient erlernt:➜ seine individuelle Belastungsgrenze wahr-


zunehmen➜ seine subjektive Befindlichkeit mit objekti-

ven Parametern zu vergleichen und einzu-

schätzen➜ seine Ruhephasen selbst zu bestimmen

während der Ruhephase ➜ erneute Pulskontrolle ➜ nach 3 Min. in Ruheposition sollte Ruhe-
frequenz erreicht werden

nach der Mobilisation ➜ Dokumentation aller gemessener Parameter (einschl. subjektive


Befindlichkeit, Leistungs-

gefühl)

➜ dient der Verlaufskontrolle und als Grund- lage für die Festlegung der neuen Mobili-
sationsstufe

794

32.3 Pflege von Patienten mit Herzinfarkt

Mobilisationsstufenplan

Stufen

III

Mobilisationsradius und physiotherapeutische Basismaßnahmen

Flurmobilität

(unter physiotherapeutischer Kontrolle)

• Hockergymnastik

• Flurmobilisation 50 m – 300 m – langsame Steigerung unter physiotherapeutischer


Aufsicht bei selbstständiger Zimmer- mobilität
Treppenmobilität (unter Kontrolle)• Treppen gehen• Steigerung von wenigen Stufen bis
zu

zwei Stockwerken

Pflegeaktivitäten/ Pflegeselbstständigkeit

• völlige Pflegeselbstständigkeit

beispielhafter Trainingsverlauf in Tagen

Gruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3
0 Bettruhe

• bei längerer Bettruhe leichte Atem-, Bewegungs- und Entspannungsübungen unter


physiotherapeutischer Anleitung

• entlastende Körperpflege (evtl. Mund- und Zahnpflege oder/und Intimpflege


selbstständig)

• Anziehen der MT-Strümpfe• z. B. in 2- bis 3-stdl. Abständen Aufforde-

rung zum tiefen Durchatmen und leichten Bewegungen der Fußspitzen und Anspannen
der Wadenmuskulatur

• selbstständiges Waschen von Gesicht, Oberkörper und Genitalbereich am


Waschbecken mit Entlastungspausen

• selbstständige Einnahme der Mahlzeiten im Lehnstuhl


• Benutzung des Zimmer-WCs in Beglei- tung mit den Pflegenden

• mit Rollstuhl Abt.-WC

• Duschen nach ärztlicher Erlaubnis und nach Absprache mit den Pflegenden

2–5

Zimmermobilität (eingegrenzt)

• thromboprophylaktische und Kreislauf aktivierende Bewegungs- und Atem- übungen


im Bett

• Sitzen im Lehnstuhl im Beisein des Physiotherapeuten

II Zimmermobilität (erweitert)Unter Anleitung des Physiotherapeuten

• Bettkante/Hockergymnastik • Gehen um das Bett• Laufen im Zimmer

• selbstständige Körperpflege des Ober- körpers und evtl. Intimpflege mit Ent-
lastungspausen im Bett

• Essen im Bett, evtl. eine Hauptmahlzeit im Lehnstuhl unter pflegerischer Aufsicht

• Benutzung des Toilettenstuhls

2–3

3–4

IV Flurmobilität (selbstständig)• eigenständige Bewegung auf der Station


• evtl. Hockergymnastik in Gruppen

5–6

6–8

1–2

2–4

4–6

7–8

8 – 10

3–8

8 – 11

• selbstständige Körperpflege am Wasch- becken

• Essen am Tisch

• selbstständige Benutzung des Zimmer- WCs, Abt.-WC in Begleitung

4–5

6–8

11 – 14

14 – 17
17 – 21

Gruppe 1

Gruppe 2

• völlig unkomplizierter Infarktverlauf • größeres Infarktgeschehen• leicht eingeschränkte


Pumpfunktion

des linken Herzens• evtl. auftretende Komplikationen konnten

therapeutisch rasch behoben werden

• komplizierter Infarktverlauf mit auftretenden schweren Komplikationen, z.B.–


ausgeprägte Herzinsuffizienz– lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen –
kardiogener Schock

Gruppe 3
Abb. 32.19 Gegenüberstellung des Mobilisationsradius in Verbindung mit den
physiotherapeutischen Basismaßnahmen und Pflegeaktivitäten.

M E R K E Der Übergang von einer Mobilisationsstufe in die nächst höhere kann nur
dann erfolgen, wenn keine Komplikationen auftreten. Die Mobilisa- tion muss sofort
abgebrochen werden, wenn Angina-pectoris-Schmerzen, Herz- rhythmusstörungen,
Hypotonien oder Bluthochdruck, Atemnot, Schwindel, Schweißausbrüche oder Blässe
auftre- ten.
Gesundheitsberatung

Der Herzinfarkt wird von vielen Men- schen als ein Ereignis erlebt, das meist aus „voller
Gesundheit“ heraus wie ein Blitz in ihr Leben einschlägt. Je nach In- tensität der
Symptomatik wurde der Er- krankte mit Todesangst konfrontiert. Diese bedrohliche
Situation kann eine tiefe seelische Verunsicherung hervorru- fen. Häufig gesteht der
Patient sich und

seinen Bezugspersonen seine Ängste und beunruhigenden Gefühle nicht ein. Einige
Patienten entwickeln depressive Verstimmungen, andere wiederum ver- drängen ihre
Gefühle und überspielen ihre Ängste durch eine betonte Heiter- keit. Manche Patienten
neigen dazu, ihre körperlichen Beschwerden und ihre Ängste nicht wahrhaben zu
wollen, was

795

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

sich dann unbewusst in Ungeduld oder Aggression ausdrücken kann.

MERKE Die Unterstützung des Patienten bei der Auseinandersetzung mit seiner
Erkrankung ist während des gesamten Genesungsprozesses bedeut- sam.

Bewältigungshilfen. In einer Studie wurde den Betroffenen rückblickend nach einem


Jahr die Frage gestellt, was ihnen bei der Bewältigung nach dem In- farktereignis
besonders geholfen hat. Viele Patienten gaben die Unterstützung durch den Lebens-
oder Ehepartner als wichtigste „Krankheitsbewältigungshil- fe“ an. Sie sind es meist
auch, die bei der Umsetzung von gesundheitsfördern-

den Maßnahmen maßgeblich beteiligt sind. Das zeigt, wie bedeutend die Ein-
beziehung der Lebenspartner während des gesamten Erkrankungsverlaufs ist. Des
Weiteren erachteten die Befragten eine ausreichende Information als be- sonders
wichtig. Die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch mit Ärzten und Pflegenden
empfanden die Patienten als hilfreich.
Rehabilitation im Fokus

Rehabilitation nach

Herzinfarkt

Nach dem Klinikaufenthalt schließt sich häufig eine Anschlussheilbehandlung (AHB) an, die den Patie
AHB wird vom Sozialdienst oder den Ärzten in Abspra- che mit dem Patienten eingeleitet. Die Finanzie
Rentenversicherungsträger und bei Nichtberufstätigen und Rent- nern die Krankenkasse. Derzeit beträ
tion in Deutschland 3 Wochen. Aus therapeutischen Gründen kann eine Verlängerung bewilligt werden
gabenspektrum der Rehabilitation um- fasst (nach Middeke 1998):

1. diagnostische Untersuchungen, z. B. Belastungstests zur Risikoeinschät- zung und Beurteilung der


soziale und berufliche Umfeld (Abb. 32.20). Anhand der Ergebnisse wird ein op- timales Bewegungs
Therapie ein- geleitet.

2. Aufklärung über individuelle Risiko- faktoren und deren Behandlungs- möglichkeiten zur Vermeidung e

3. Information über gesundheitsfördern- de Maßnahmen und Motivation, den Lebensstil positiv zu veränd

4. Integrative Therapie unter Einbezie- hung von Bewegungstherapie und physikalischer Therapie. Sie
ernäh- rungsmedizinische und verhaltens- therapeutische Aspekte.

5. Optimierung der medikamentösen Therapie. Sofern erforderlich erfolgt eine Anpassung der medikam
Ri- sikofaktoren und zur Re-Infarktpro- phylaxe.

6. Sozialmedizinische Beurteilung. Dabei wird z. B. die Erwerbsfähigkeit von berufstätigen Patienten be


– 12 Wochen nach dem Infarktereignis wieder arbeiten.

7. Erhaltung oder Wiederherstellung der Selbstständigkeit. Um eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit


derung ins familiäre bzw. soziale Um- feld zu ermöglichen, wird mit thera- peutischen Maßnahmen an
der Selbstständigkeit gearbeitet.

8. Verbesserung der Prognose und der Lebensqualität.


Fahrradergonometrie zur kardialen Un- tersuchung unter Belastung.

Abb. 32.20

32.4 Pflege von Patienten mit Hypertonie

32.4.1 Medizinischer Überblick Definition

Als Hypertonie werden chronisch erhöh- te arterielle Blutdruckwerte bezeichnet. Gemäß


WHO-Definition besteht eine ar- terielle Hypertonie ab 140/90 mmHg (Tab. 32.6).
Sowohl der systolische als auch der diastolische Wert finden Be- rücksichtigung, weil
davon ausgegangen wird, dass ab dieser Grenze das Risiko für kardiovaskuläre
Komplikationen stark an- steigt. Eine Hypertonie ist die Folge

eines erhöhten Herzzeitvolumens, eines erhöhten peripheren Widerstandes oder beider


Faktoren.Häufigkeit. Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter und bei
vorliegendem Übergewicht. In den In- dustrieländern haben durchschnittlich 25 % einen
Bluthochdruck. Bei den über 60-Jährigen sind es ca. 50 % und bei adi- pösen Menschen
bis 75 %. Mehr als 30 % der Menschen mit Hypertonie wissen nichts von ihrer
Erkrankung. Von den Pa- tienten, die behandelt werden, werden

mehr als 50 % nicht ausreichend thera- piert (Herold 2011).

Ursachen

Es wird zwischen primärer und sekundä- rer Hypertonie unterschieden.Primäre


Hypertonie (essenzielle Hyper- tonie). Dazu gehören über 90 % aller Hy- pertonien. Sie
ist ein selbstständiges Krankheitsbild, da keine Ursache erkenn- bar ist. Es handelt sich
um eine multifak- torielle Erkrankung, bei der vielfältige Einflüsse diskutiert werden:

796

Tab. 32.6 Definition und Klassifikation der Blutdruckstufen (nach den Leitlinien der
Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniegesellschaft).

auf und vergrößert sich (Linksherzhyper- trophie). Nimmt die Überbeanspruchung weiter
zu, ermüdet der Herzmuskel, es entwickelt sich eine Herzinsuffizienz. Hoher Blutdruck
über einen längeren Zeitraum führt zu arteriosklerotischen Veränderungen der
Koronararterien mit der Folge einer KHK.

Arterielles Gefäßsystem. Durch die per- manente Blutdruckerhöhung wird die In- tima
geschädigt. Es kommt zu winzigen Einrissen, an denen sich Thrombozyten, Fibrine und
Cholesterinkristalle ablagern. Eine Vielzahl von Menschen mit Blut- hochdruck
entwickelt frühzeitig eine Ar- teriosklerose. Der dadurch entstehende Elastizitätsverlust
in den Gefäßen erhöht den peripheren Gefäßwiderstand, mit der Folge einer weiteren
Blutdruckerhö- hung. Die Entwicklung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
(pAVK) wird begünstigt. An der Aorta kann es zur Ausbildung eines Aortenaneurysmas
kommen.

Gehirn. Verändern sich die Hirngefäße arteriosklerotisch, kann es zu Gehirnleis-


tungsstörungen bzw. zur zerebralen Is- chämie und zu einem Hirninfarkt kom- men
(Todesursache von 15 % aller Men- schen mit Hypertonie). Eine akute Blut-
drucksteigerung bei veränderten Hirnge- fäßen kann zur Gefäßruptur und zu einer
bedrohlichen Gehirnblutung führen. Nieren. Verändern sich die Nierenarte- rien
arteriosklerotisch (Nephrosklerose), kann sich infolgedessen eine Nierenin- suffizienz
entwickeln. Die Hypertonie verschlechtert sich dann im Sinne einer zirkulierenden
Wechselwirkung.

Therapie
Bei der sekundären Hypertonie wird die Grunderkrankung behandelt (z. B. medi-
kamentöse Behandlung einer Hyperthy- reose, Operation einer Nierenarterien-
stenose), was meist zu einer Normalisie- rung des Blutdrucks führt. Ist dies nicht der
Fall, orientiert sich die Therapie wie bei der primären arteriellen Hypertonie am
Schweregrad der Erkrankung.

Ziel der Therapie. Primäres Ziel ist es, den Blutdruck unter 140/90 mmHg zu senken, um
das kardiovaskuläre Risiko mit den entsprechenden Folgeerkran- kungen vorzubeugen
bzw. einzudäm- men. Handlungsleitend bei der Therapie sind deshalb

■ die Höhe des systolischen und diasto- lischen Blutdrucks in Verbindung mit der

■ Einschätzung des kardiovaskulären Gesamtrisikos des Patienten.

Wird bei einem Patienten ein hohes kar- diovaskuläres Risiko festgestellt, wird

32.4 Pflege von Patienten mit Hypertonie

Definition Systolisch (mmHg)


Diastolisch (mmHg)

Optimal < 120 < 80

Normal 120 – 129 80 – 84

Hoch normal 130 – 139 85 – 89

Bluthochdruck

Stufe 1 Hypertonie (leicht) 140 – 159


90 – 99

Stufe 2 Hypertonie (mittelschwer)


160 – 179 100 – 109

Stufe 3 Hypertonie (schwer) ≥ 180 ≥


110

Isolierte systolische Hypertonie ≥


140 < 90

▪ familiäre Disposition

▪ Konstitution (Pykniker)

▪ Ernährungsfaktoren (hoher Kochsalz- und Kaffeekonsum, Alkohol, Überge- wicht)


▪ Stressfaktoren

▪ Nikotinabusus

▪ endokrine Faktoren (Beginn der Hy- pertonie bei Frauen häufig nach dem
Klimakterium) MERKE Stressbedingter Blut- hochdruck wird nicht selten am
Arbeits- platz ausgelöst. Vor allem Berufstätige, die einer hohen Arbeitsintensität
ausge- setzt sind und gleichzeitig nur eine ge- ringe Entscheidungsfreiheit und
Gestal- tungsspielraum haben, fühlen sich häu- fig sehr belastet und weisen
deutlich er- höhte Blutdruckwerte auf. Sekundäre Hypertonie. Diese Form (zu ihr
gehören weniger als 10 % aller Hyper- tonien) wird von einer vorliegenden or-
ganischen Grunderkrankung ausgelöst:

▪ renale Hypertonie (z. B. durch diabe- tische Nephropathien, Nierentumo- ren,


Nierenarterienstenose)

▪ endokrine Hypertonie (z. B. primärer Hyperaldosteronismus, Hyperthyreo- se, Morbus


Cushing, Phäochromo- zytom)

▪ AortenisthmusstenoseTemporäre Hypertonien. Zu den nicht- chronischen Hypertonien


gehören:

▪ Blutdrucksteigerungen durch Medika- mente, Gifte, Genussmittel (z. B.


Ovulationshemmer, Antirheumatika, Kortison, Ciclosporin A, Kokain, Am-
phetamin, Blei oder Lakritze) und

▪ schwangerschaftsinduzierte Hyperto- nie (z. B. Präeklampsie, S. 914). Symptome


Sofern keine schwerwiegenden Folgeer- krankungen vorliegen, weist die primäre
Hypertonie vielfach über längere Zeit keine Symptome auf. Typisch können sein:

■ Kopfschmerz, Schwindel, Ohrensau- sen, Nervosität

■ Herzklopfen, Brustschmerzen■ BelastungsdyspnoeBei der sekundären Hypertonie


hängt die Symptomatik von der vorliegenden Grunderkrankung ab.

Risikofaktoren

Die essenzielle Hypertonie steht häufig in enger Verbindung mit anderen Erkran-
kungen des metabolischen Syndroms (Übergewicht, Typ 2-Diabetes, Hyperli-
poproteinämie, essenzielle Hypertonie).

Diagnostik

Sie verfolgt 3 wesentliche Ziele:1. Erfassung des Schweregrades der Hy-


pertonie2. Identifikation von Ursachen bei se-

kundärer Hypertonie3. Erkennen weiterer kardiovaskulärer

Risikofaktoren und Folgeerkrankun-

genDie Diagnose und Erfassung des Schwergrades der Erkrankung werden durch
mehrmalige Blutdruckmessungen (an beiden Armen) gesichert. Vorausset- zung dafür
sind mindestens 3 Blutdruck- messungen an mindestens 2 verschiede- nen Tagen. Um
Fehleinschätzungen zu vermeiden und situationsbedingte Blut- druckerhöhungen, z. B.
„Praxishyperto- nie“, ausschließen zu können, kann Fol- gendes eingeleitet werden: ■
Selbstmessung durch den Betroffenen

(Patientenprotokoll)■ ambulante 24-Stunden-Blutdruck-

messung (ABDM = ambulante Blut-

druckmessung)Bei Verdacht bzw. zum Ausschluss einer sekundären Hypertonie


erfolgen organ- spezifische Untersuchungen (z. B. Sono- grafie der Nieren,
Hormonbestimmun- gen).

Komplikationen

Der unbehandelte Hypertonus kann ver- schiedene Organsysteme schädigen. Herz.


Durch die Hypertonie baut der linke Herzmuskel einen höheren Druck

797

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

heute bereits bei „hoch normalen“ Blut- druckwerten mit der Therapie begon- nen. Bei
jeder Hypertoniestufe wird ver- sucht, den Blutdruck mit allgemeinen

Maßnahmen zu normalisieren, z. B. durch Gewichtnormalisierung, Ernäh-


rungsumstellung, Raucherentwöhnung und Stressabbau. Allein durch die Le-

bensstilumstellung lassen sich 25 % der Hypertonien Stufe 1 normalisieren (He- rold


2011).
Arzneimittel im Fokus

Antihypertonika

Neben den allgemeinen Maßnahmen werden je nach Höhe des Blutdrucks unterschiedliche Arz
Behandlung ein- gesetzt:

▪ Diuretika wie Furosemid (Lasix) – zur Senkung des Blutdrucks durch ver- mehrte Wasser- und Kochsa

▪ Betarezeptorenblocker wie Atenolol (z. B. Tenormin), Bisoprolol (z. B. Concor) – zur Verminderung v
kung der Blutdruckspitzen

▪ Kalziumantagonisten wie Amlodipin (z. B. Norvasc) – zur Relaxation der Gefäßmuskulatur durch H
Zelle, wo- durch es zur Senkung des periphe-

ren Gefäßwiderstandes (Nachlast)

und zur Blutdrucksenkung kommt■ ACE-Hemmer wie Captopril (z. B. Lo- pirin), Enalapril (z. B. Pres, Xa
die hor- monell gesteuerte Vasokonstriktion ein, indem sie das Angiotensin-Con- verting-Enzym blockie
das gefäß- verengende Angiotensin II umgewan- delt werden kann. Dies führt zur Ge- fäßerwe
Hautausschlag, Schwin-

del, gastrointestinale Symptome ■ Sympathikolytika, z. B. Alpha1-Re- zeptorenblocker wie Prazosin (M


somit zur Abnahme des peripheren Widerstandes. Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, Kollapsneigu

durch zu starken Blutdruckabfall, Natrium- und Wasserretention mit Gewichtszunahme

■ Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (AT1-Rezeptorantagonisten/Losartan, z. B. Lorzaar) – zur Bloc


am AT1- Rezeptor. Im Vergleich zu den ACE- Hemmern verträglicher. Nebenwir- kungen: selten Schwin

■ arterioläre Vasodilatatoren wie Di- hydralazin (z. B. Nepresol) – zur arte- riolären Vasodilatation
Gefäßmuskula- tur

Um die Zielblutdruckwerte zu errei- chen, benötigen viele Patienten eine Kombinationstherapie mit mehr

malisierung nach einiger Zeit. Die Me- dikamentenkombinationen werden in- dividuell
auf den jeweiligen Patienten abgestimmt und je nach Wirksamkeit und subjektiver
Befindlichkeit ggf. im Laufe der Behandlung umgestellt oder ergänzt. Auch unter der
antihyperten- siven Therapie kann es zu Blutdrucker- höhungen kommen. Bei
Symptomen wie Kopfschmerzen, Gesichtsröte, Be- nommenheit oder starkem Herzklop-
fen wird der Blutdruck gemessen und bei zu hohen Blutdruckwerten der Arzt informiert.
32.4.2 Pflege- und Behandlungsplan

Die Betroffenen fühlen sich auch mit hohen Blutdruckwerten häufig wohl und
leistungsfähig. Wird die Hypertonie über längere Zeit nicht erkannt und be- handelt,
kann die Lebenserwartung durch Folgeerkrankungen deutlich ver- kürzt bzw. die
Lebensqualität maßgeb- lich beeinträchtigt werden. Entschei- dend für den
Therapieerfolg ist, inwie- weit es gelingt, den Patienten zur Einhal- tung einer
„blutdrucknormalisierenden“ Lebensführung bzw. zur regelmäßigen und konsequenten
Medikamentenein- nahme zu motivieren (Compliance des Patienten = engl. Befolgung;
im medizi- nischen Bereich: Therapietreue).

Pflegende haben im stationären und ambulanten Bereich 4 Hauptaufgaben:

1.Gesundheitsberatung (Abb. 32.21)

2.medikamentöse Behandlung gewähr- leisten und überwachen

3.bei einer hypertensiven Krise bzw. einem hypertensiven Notfall profes- sionell handeln

4.Patienten zur Blutdruckselbstkontrolle anleiten

Medikamentöse Behandlung überwachenIst eine langfristige Blutdrucksenkung durch


Veränderung der Lebensgewohn-

798

heiten nicht möglich, muss der Patient lebenslang blutdrucksenkende Medika- mente
einnehmen. Über Medikamenten- wirkung und Nebenwirkungen informiert der Arzt. Die
Aufgaben der Pflegenden sind:

■ bei der regelmäßigen Medikamenten- einnahme beraten und motivieren ■


Medikamentenwirkungen und -ne-

benwirkungen durch regelmäßige Kreislaufkontrollen überwachen

Arzneimittel im Fokus

Nicht selten hat sich der Organismus bereits an den hohen Blutdruck ge- wöhnt. Deshalb wird die Blu
meist als unangenehm empfunden, da zu Beginn der Therapie (präpara- teunabhängig) folgende Symp

■ Mattigkeit und Schwächegefühl ■ Konzentrationsstörungen


▪ leichter Schwindel

▪ in seltenen Fällen Übelkeit Der Patient sollte die blutdrucksenk- enden Medikamente auf keinen
absetzen. Häufig legen sich die Ne- benwirkungen nach der Blutdrucknor-
Bei hypertensiver Krise bzw. hypertensivem Notfall professionell handeln

druck akut entgleist (> 230/130 mmHg). Geht das Ereignis gleichzeitig mit kar- dialen
und/oder mit neurologischen Fol- geerscheinungen einher, spricht man von einem
hypertensiven Notfall. Dann besteht eine vitale Bedrohung durch Or- ganschädigungen.

Folgende Begleitsymptome können auf das Geschehen hinweisen:

Eine akute hyper- tensive Krise liegt vor, wenn der Blut-

DEFINITION

▪ Hochdruckenzephalopathie mit Seh- störungen, Schwindel, Bewusstseins- störungen

▪ Krampfanfälle und neurologische Ausfallerscheinungen

▪ akute Linksherzinsuffizienz mit Lun- genödem

▪ Angina-pectoris-Schmerzen Therapie der hypertensiven Krise bzw. des hypertensiven


NotfallsBeim Auftreten einer hypertensiven Krise leitet die Pflegeperson folgende
Sofort- maßnahmen ein:

▪ den Patienten beruhigen und ihn bit- ten, sich ins Bett zu legen (körperliche
Entlastung)

▪ Bedarfsmedikation verabreichen (so- fern Patient bei Bewusstsein ist)

▪ sofort einen Arzt informieren Therapieziel in der akuten hypertensiven Krise ist es, den
Blutdruck schrittweise

auf Werte um 160/100 mmHg zu sen- ken. Ein zu schneller Blutdruckabfall würde die
Gehirn- und Nierendurchblu- tung gefährden. Der Blutdruck muss im weiteren
Therapieverlauf kontinuierlich gemessen und dokumentiert werden. Kann der Blutdruck
nach 20 – 30 Min. nicht gesenkt werden oder ist ein hyper- tensiver Notfall mit den
genannten Be- gleitsymptomen eingetreten, besteht akute Lebensgefahr. Es kann zur
Herz- Kreislauf-Dekompensation (Linksherzin- suffizienz), zum Apoplex (Hirnblutung)
oder zu zerebralen Krampfanfällen kom- men; eine kontinuierliche Intensivüber-
wachung und -therapie wird dann erfor- derlich.
(z. B. 10 – 20 mg Adalat) angesetzt. Der

Abb. 32.22 Beispiel für Nifedipin-Kapseln zur Blut- drucksenkung.

Patient zerbeißt die Kapsel (Beschleuni- gung des Wirkeintritts durch Resorption über
die Mundschleimhaut) und schluckt sie hinunter (Abb. 32.22).

32.4 Pflege von Patienten mit Hypertonie

Gesundheitsberatung Hypertonie

Grundsätzlich gilt: In vielen Fällen kann der Patient seinen Bluthochdruck bereits durch Veränderunge
Aufgrund der Beschwerdefreiheit fällt es vielen Menschen jedoch schwer, die Hypertonie im tä
Beratungsgespräch erhält der Patient die Möglichkeit, Verhaltensweisen, die den Bluthochdruck
Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen. Es wird festgestellt,

• welchen allgemeinen Kenntnisstand der Patient über seine Bluthochdruckerkrankung hat

• welche Faktoren er selbst bei einer primären Hypertonie dafür verantwortlich macht

• inwieweit er über das Risiko eines nicht oder nur unzureichend behandelten Blutdrucks aufgeklärt ist

• inwieweit er über blutdruckerhöhende Verhaltensweisen informiert ist.

Risikofaktor „Übergewicht” Risikofaktor „Salzkonsum” Ris

• Hat der Patient Übergewicht? • Ist dem Patienten der Zusammenhang • W


zwischen Salzkonsum und Hypertonie
• Ist ihm der Zusammenhang zwischen bekannt?
Gewicht und Bluthochdruck bewusst? • Is
• Wie hoch schätzt er die Menge seines
• Wurden bereits Maßnahmen zur Ge- Salzkonsums ein? Info: Salz hat die
wichtsreduktion unternommen? Info: Eigenschaft, im Körper Wasser zu
Übergewicht und Hypertonie sind eng binden. Kommt es zu einer vermehrten
miteinander verbunden. Laut Kochsalzaufnahme, kann es zum
Hochdruck-liga entwickeln mehr als die Anstieg des Blutdrucks kommen
Hälfte der Übergewichtigen im Laufe (Volumenzunahme im Kreislauf). Der
von 10–15 Jahren einen Hypertonus. Salz- bedarf eines Menschen beträgt 2–
Der Blutdruck stieg bei 40- bis 49- 3 g pro Tag. In Deutschland werden ca.
jährigen Menschen bei einer 10–12 g Salz pro Tag verzehrt. Bei
Gewichtszunahme von jeweils 10 kg um einer Reduktion von 3 g am Tag ist mit
durchschnittlich 10 mmHg. Empfehlung: einer Senkung des systolischen
Eine langsame Gewichts- reduktion Blutdrucks von 5–7 mmHg zu rechnen.
mittels vollwertiger Misch- bzw. Ein hoher Kaliumwert scheint sich
mediterraner Kost (z. B. frisches dagegen positiv auf den Blutdruck
auszuwirken. Empfehlung:
Gemüse, Salate, Obst) und gezielte Kaliumhaltige Lebensmittel wie Obst,
Fett- und Zuckerreduktion führen Kartoffeln mit Schale und Reis sollten
langfristig zum Erfolg. Zu strenge oder im Speiseplan bevorzugt berücksichtigt
einseitige Diätvorschriften sind auf werden. Die Hochdruckliga empfiehlt ca.
längere Sicht nicht durchzuhalten und 6 g Salz pro Tag. Dies kann erreicht
widersprechen der Genusskultur werden durch:
unserer Gesellschaft.
Ernährungsberatungskurse z. B. über • Unterlassen des Nachsalzens von
Krankenkassen und Volkshochschulen Speisen am Tisch
und regelmäßige sportliche Aktivitäten
empfehlen. Beseitigung oder • Meiden von Fastfood-Produkten,
Behandlung anderer Nahrungsmitteln aus Dosen und
arteriosklerosefördernder Risikofaktoren anderen salzreichen
(Hypercholesterinämie, Diabetes Lebensmitteln (gepökelte
mellitus). Nahrung, gesalzene Nüsse
usw.).

Abb. 32.21 Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei Hypertonie.


PRAXISTIPP

Als Bedarfsmedi- kation wird häufig Nifedipin in Kapselform


799

32
32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Zur Kontrolle des Blutdrucks anleiten

Mit der Selbstmessung übernimmt der Patient die Verantwortung für die Über- wachung
seines Blutdrucks. Dies hat fol- gende Vorteile:

1.Durch die aktive Mitwirkung am Be- handlungsprogramm soll die Not- wendigkeit der
lebenslangen Therapie dauerhaft aufrechterhalten werden.

2.Die Wirksamkeit der medikamentösen und allgemeinen Maßnahmen wird regelmäßig


überprüft und dem Pa- tienten durch objektive Parameter verdeutlicht.

3.Die Blutdruckwerte können unter All- tagsbedingungen gemessen und in- terpretiert
werden.

Gerätewahl zur Blutdruckmessung

In den letzten Jahren wurden rein me- chanische Geräte, deren Blutdruckman- schette
per Hand aufgepumpt werden musste, durch digitale Handgelenks- und
Oberarmmessgeräte ersetzt. Diese Geräte bauen durch Knopfdruck auto- matisch einen
vorbestimmten Manschet- tendruck auf und lassen ihn in einem entsprechenden
Zeitintervall wieder ab. Bei entsprechender Indikation werden die Kosten für die Geräte
teilweise oder vollständig von der Krankenkasse über- nommen.

Abb. 32.23 Blutdruckmessgerät für das Handge- lenk.

(Abb. 32.23) als auch bei Oberarmmess- geräten muss mithilfe einer Schnur der
Handgelenksumfang (meist13,5 – 19,5 cm) bzw. der Oberarmum- fang an der breitesten
Stelle (22 – 33 cm) gemessen werden. Ist der Umfang grö- ßer, muss auf
Spezialmanschetten zu- rückgegriffen werden, die für diesen Armumfang ausgerichtet
sind, da es sonst zu Messfehlern kommen kann.

Testergebnisse haben gezeigt, dass au- tomatische Blutdruckmessgeräte im Ver- gleich


zu Standardmessungen mit Ste- thoskop unterschiedliche Messergebnis- se erzeugen,
die meist aber in zulässigen

Grenzen liegen (mittlere Abweichung +/– 5 mmHg). Vor dem Kauf eines
Selbstmessgeräts sollte überprüft wer- den, ob die Werte der Handgelenks- und
Oberarmmessung übereinstimmen. Der systolische und diastolische Fehler darf nicht
mehr als 10 mmHg betragen.

Anleitung zur Blutdruckselbstmessung


Der Patient erhält eine ausführliche Ein- weisung in die Messtechnik und lernt, wie er
Fehlerquellen vermeiden kann. Der Messvorgang sollte mehrmals an verschiedenen
Tagen demonstriert und der Erfolg der Einweisung überprüft wer- den. Auf Wunsch
werden auch die Ange- hörigen bei der Anleitung einbezogen. Die Messung erfolgt
anfangs oder bei Medikamentenumstellung mindestens dreimal täglich jeweils zur
gleichen Zeit vor der Medikamenteneinnahme oder bei plötzlich auftretenden
Beschwerden. Puls- und Blutdruckwerte werden vom Patienten im Blutdruckpass mit
Datum, Uhrzeit und ggf. subjektiver Befindlich- keit dokumentiert.

MERKE Abzuraten ist die Blut- druckselbstmessung bei ängstlichen bzw.


hypochondrischen Patienten, die dazu neigen könnten, den Blutdruck zu häufig zu
messen und den einzelnen Werten eine zu große Bedeutung beizu- messen.

spricht man von einer dekompensierten Herzinsuffizienz.

MERKE Die schwerste Form der Herzinsuffizienz ist der kardiogene Schock.

Ursachen

Am häufigsten wird die Herzinsuffizienz durch eine Hypertonie oder/und KHK ausgelöst.
Die Ursachen der Erkrankung sind in Tab. 32.7 dargestellt.

Häufigkeit. Weltweit sind mit steigender Tendenz etwa 15 Millionen Menschen betroffen.
Die Herzinsuffizienz ist der häufigste Grund für eine Krankenhaus- einweisung bei über
65-Jährigen.

Symptome

Im Anfangsstadium kann die Herzinsuffi- zienz in Abhängigkeit von der Grunder-


krankung häufig kompensiert werden und symptomarm verlaufen. Verschlech- tert sich
die kardiale Situation, indem die Herzleistung abnimmt, manifestiert sich die Erkrankung.
Eine Schweregradeintei- lung ist in Tab. 32.8 dargestellt. Die klini-

PRAXISTIPP

Sowohl bei Handgelenk-Blutdruckmessgeräten


32.5 Pflege von Patienten mit Herzinsuffizienz

32.5.1 Medizinischer Überblick

Definition

Bei der Herzinsuffizienz handelt es sich um die Unfähigkeit des Herzmuskels, die
zugeführte Blutmenge mit ausrei- chender Kraft (unzureichende Herzleis- tung) in den
Organismus zu pumpen. Der Energiebedarf des Organismus kann aufgrund der
ventrikulären Funktionsstö- rung nicht mehr im notwendigen Aus- maß gewährleistet
werden und es kommt zu einer verminderten körperli- chen Belastbarkeit.
Herzinsuffizienz ist keine eigenständige Diagnose, sondern die Bezeichnung für ein
Syndrom (Symp- tomenkomplex). Es entsteht entweder durch eine Erkrankung des
Herzens selbst oder als Folge einer Erkrankung, die außerhalb des Herzens liegt und
die Herztätigkeit beeinträchtigt.

Formen der Herzinsuffizienz

Sie wird unterschieden nach betroffenen Herzkammern, zeitlichem Verlauf der kli-
nischen Symptome und Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit.

Betroffene Herzkammern. Bei Schädi- gung der linken bzw. rechten Herzkam- mer
spricht man von einer Links- bzw. Rechtsherzinsuffizienz. Ist das gesamte Herz
betroffen, handelt es sich um eine Globalinsuffizienz.

Zeitlicher Verlauf der klinischen Sympto- me. Je nach Dauer der Entwicklung der
Herzinsuffizienz wird unterschieden zwi- schen:

■ akute Herzinsuffizienz: Sie kann sich in wenigen Stunden entwickeln, z. B. bei einem
myokardialen Pumpversa- gen (z. B. Herzinfarkt, Myokarditis, hypertone Krise).

■ chronische Herzinsuffizienz: Sie ent- wickelt sich im Verlauf von Monaten oder Jahren
(z. B. durch arterielle Hy- pertonie, Kardiomyopathie).

Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit.

Treten die Symptome nur bei Belastung auf, handelt es sich um eine kompensier- te
Herzinsuffizienz. Kommt es bei fort- schreitendem Schweregrad der Erkran- kung
bereits in Ruhe zu Symptomen

800
Tab. 32.7

Mögliche Ursachen für eine akute und chronische Herzinsuffizienz.

F A L L B E I S P I E L „Schon seit mehreren Tagen fühlte sich meine Mut- ter nicht
mehr so wohl. Wir wohnen in der 2. Etage und meine Mutter kam schnell außer Atem
und musste nach wenigen Stufen halt machen, weil sie nicht genügend Luft bekam.
Auch nachts hatte sie Probleme mit der Luft. Sie konnte nur noch schlafen, wenn sie
mehrere Kissen im Rücken hatte. Ja sogar bei der Morgentoilette habe ich ihr
neuerdings helfen müssen, weil sie teil- weise zu matt war und schnell außer Atem kam.
Sie nimmt ja schon seit Jah- ren Herztabletten ein. Auch Wassertab- letten – da ist es
schon passiert, dass sie die Hose nass gemacht hat. Das war ihr sehr unangenehm.

Heute Nacht war es dann so, dass ich gehört habe, wie sie stark gehustet hat. Als ich in
ihr Zimmer kam, bin ich sehr erschrocken. So schlecht hat sie noch nie Luft bekommen.
Außerdem waren ihre Lippen ganz blau. Ich habe sofort den Notarzt angerufen. Gott sei
Dank war der schnell da und hat ihr gleich Sauer- stoff gegeben und ihr etwas gespritzt.
Es war furchtbar und ich hatte so eine Angst um meine Mutter – ich dachte, sie erstickt.“

Komplikationen

Folgende Komplikationen können auftre- ten (Herold 2011): ■ Herzrhythmusstörungen:


Sie können

Ursache und Komplikation für eine Herzinsuffizienz sein – im NYHA-Sta- dium III-IV
versterben 80 % der Pa- tienten an tachykarden Rhythmusstö- rungen

■ Lungenödem (Rückwärtsversagen) ■ kardiogener Schock (Vorwärtsversa-

gen)■ venöse Thrombosen – Gefahr einer

Lungenembolie■ kardiale Thrombenbildung – Gefahr

von arteriellen Embolien (z. B. Hirnin- farkt)

Diagnostik

Bei der Diagnostik spielt die Ursachen- forschung eine wichtige Rolle, da die Prognose
von der Behandlung der Grunderkrankung abhängig ist. Folgende Untersuchungen
werden durchgeführt: ■ Anamnese und körperliche Unter-

suchung■ Ruhe- und Belastungs-EKG■ Röntgen-Thorax in 2 Ebenen■ Echokardiografie


■ Kardio-MRT und CT■ Herzkatheteruntersuchung zum Aus-
schluss einer KHK

32.5 Pflege von Patienten mit Herzinsuffizienz

akute Herzinsuffizienz chronische


Herzinsuffizienz

akuter Myokardinfarkt KHK

Myokarditis chronisch arterielle


Hypertonie

hypertensive Krise
Herzklappenfehler (Spätstadium)

Perikardtamponade dilatative
Kardiomyopathie

Lungenembolie Zustand nach Peri-


oder Myokarditis

Herzrhythmusstörungen
Herzrhythmusstörungen

Intoxikationen pulmonale
Hypertonie

Papillarsehnenabriss (akute
Mitralinsuffizienz)

Tab. 32.8 NYHA-Kriterien (New York Heart Association) und deren Symptome (nach
AWMF).

NYHA-
Symptome
Kriterien

➜ Leistungsfähigkeit: normal➜ nur EKG und


NYHA I
Echokardiogramm zeigen Störungen an

➜ Leistungsfähigkeit: leicht eingeschränkt ➜


NYHA II
Spaziergängebisca.5kmmöglich

NYHA III ➜ Leistungsfähigkeit: erheblich eingeschränkt➜ nur


leichte Belastungen möglich (langsames Gehen auf
ebener Strecke)

➜ Leistungsfähigkeit: vorwiegend Bettruhe➜ jede


NYHA IV
körperliche Anstrengung führt zu Beschwerden

schendie Organsysteme bestimmt, die dem Herzabschnitt nach- bzw. vorgeschaltet


sind. Um ein „Rückwärtsversagen“ han- delt es sich, wenn Vorhöfe, Lungenkreis- lauf
und venöses Gefäßsystem betroffen sind. Ein „Vorwärtsversagen“ betrifft das arterielle
System.

Linksherzinsuffizienz

Die mangelhafte Pumpleistung des lin- ken Ventrikels führt zum Rückstau des Blutes in
die Lungengefäße. Die Folge ist eine Stauungslunge. Leitsymptom der
Linksherzinsuffizienz ist die Atemnot. Der Rückstau führt zu:

▪ Dyspnoe (Belastungs-, Ruhe- bzw. Or- thopnoe)

▪ Asthma cardiale (nächtlicher Husten und anfallsweise Orthopnoe)

▪ Rasselgeräusche über der Lunge, hartnäckiger Husten mit weißlichem Auswurf (bis
zum Lungenödem)

▪ Zyanose

▪ Leistungsverminderung und zerebrale Symptome wie Konzentrations- und


Gedächtnisschwäche bis hin zu Angst- und Verwirrtheitszuständen
Rechtsherzinsuffizienz Die ungenügende Pumpleistung des rechten Ventrikels
führt zu einer venö- sen Stauung im großen Kreislauf. Zu Be- ginn der
Herzmuskelschwäche stehen Stauungszeichen und gastrointestinale Symptome
im Vordergrund. Dyspnoe tritt erst im fortgeschrittenen Stadium

auf, sofern keine chronische Lungener- krankung als Ursache zugrunde liegt. Ty- pische
Merkmale der Rechtsherzinsuffi- zienz sind:

■ gestaute Halsvenen mit erhöhtem Venendruck

■ Bildung von Ödemen (Abdomen, Un- terschenkel, Füße) mit Gewichtszu- nahme

■ Leberschwellung (Stauungsleber) mit Störung der Leberfunktion bis zur Ausbildung


eines Aszites und Ikterus

■ Magen-Darm-Störungen (Stauungs- gastritis) mit Appetitlosigkeit, Übel- keit,


Völlegefühl und Obstipation
■ Abnahme der Harnmenge (Stauungs- niere), Proteinurie

Begleitsymptome bei Links- und RechtsherzinsuffizienzFolgende Begleiterscheinungen


können hinzukommen:

■ eingeschränkte Leistungsfähigkeit■ starkes Müdigkeits- und Schwächege- fühl


(bedingt durch eine Abnahme der

Durchblutung der Muskulatur bzw.

durch vermehrte Atemarbeit)■ Gewichtsabnahme durch Appetitstö-

rungen bzw. Gewichtszunahme durch

Ödembildung■ Nykturie (vermehrte nächtliche Harn-

ausscheidung)■ evtl. Hypotonie mit kompensatori-

scher Tachykardie■ evtl. Herzrhythmusstörungen■ evtl. Pleuraergüsse


(stauungsbedingt)

Symptome

werden

i. d. R.

durch

801

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Therapie

Im Vordergrund steht die Behandlung der Grunderkrankung, z. B. die Therapie der


Hypertonie oder von Herzrhyth- musstörungen oder die operative Be- handlung eines
Herzklappenfehlers. Die unzureichende Auswurfleistung des Her- zens wird
medikamentös behandelt.

■ „Bridge to destination“ – Implantation als dauerhafte Lösung, wenn weder eine


Transplantation möglich ist, noch die Hoffung auf eine Besserung der Herzerkrankung
besteht

32.5.2 Pflege- und Behandlungsplan

Im Anfangsstadium der Erkrankung ver- spürt der Betroffene meist nur wenige
Einschränkungen, die er selbst häufig als normale Alterserscheinungen inter- pretiert.
Doch bei zunehmendem Schweregrad der Herzschwäche stehen geringe Belastbarkeit
und schnelle Er- schöpfung im Vordergrund. Bei einer be- stehenden Herzinsuffizienz
erfolgt eine stationäre Aufnahme; häufig entweder zur Abklärung der Ursachen der
Herzin- suffizienz oder bei einer akuten Ver- schlechterung der Herzfunktion.

Für die Pflegenden stehen folgende Schwerpunkte im Vordergrund:

1.Symptome und Medikamentenwir- kungen bzw. -nebenwirkungen konti- nuierlich


überwachen

2.beim Auftreten eines Lungenödems professionell handeln

3.entlastende Pflege bei den ATL

4.Gesundheitsberatung zur Sicherstel- lung der Pflege in der häuslichen Umgebung

Symptome und Medikamentenwirkung überwachen Zu Beginn der Pflegebeziehung ist


es wichtig, die Ausgangssituation der sub- jektiven Befindlichkeit und die kardiale
Belastungsgrenze des Patienten zu erfas- sen und zu dokumentieren. Im weiteren
Pflegeverlauf müssen auftretende Verän- derungen mit der Ausgangssituation ver-
glichen und eine potenzielle Gefährdung eingeschätzt werden. Im fortgeschritte- nen
Krankheitsstadium sind die aufge- führten Symptome oftmals permanent vorhanden und
können die Lebensquali- tät des Patienten dramatisch einschrän- ken. Im Rahmen der
Krankenbeobach- tung werden folgende Parameter über- wacht: ■ Atmung■ Blutdruck
und Puls■ Flüssigkeitshaushalt■ Bewusstseinslage

Atmung

Atemnot (Dyspnoe) tritt zu Beginn der Erkrankung meist nur bei Belastung auf. Hierbei
ist wichtig, die Aktivitäten zu identifizieren, die die Belastungsdyspnoe auslösen. Eine
Ruhedyspnoe dagegen kann Zeichen einer dekompensierten Linksherzinsuffizienz sein,
mit der eine vitale Gefährdung einhergehen kann. Kommt es vor allem nachts zur
anfallsar-

tigen Dyspnoe, muss an ein Asthma car- diale gedacht werden. Diese Symptoma- tik
kann Anzeichen eines Prälungen- ödems sein!
Hartnäckiger, trockener Husten oder Husten mit weißlichem Auswurf kann auf eine
Stauungsbronchitis hinweisen. Hierbei ist auf Konsistenz, Farbe und auf Beimengungen
des Sekrets zu achten. Schaumiges, „fleischwasserfarbiges“ bzw. blutiges Sekret kann
auf ein Lun- genödem hinweisen. Zyanotische Verän- derungen (bläuliche Verfärbung
von Haut und Schleimhäuten) zeigen eine Beeinträchtigung des Gasaustausches und
der damit verbundenen verminder- ten Sauerstoffaufnahme an.

Blutdruck und Puls

In Abhängigkeit des Schweregrades der Erkrankung und der verabreichten Medi-


kamente, die das Herz-Kreislauf-System beeinflussen, werden Blutdruck, Herzfre-
quenz und Herzrhythmus in individuell festgelegten Zeitintervallen kontrolliert. Kommt es
zu einem hypotonen Kreis- laufzustand (schleichend oder akut) in Kombination mit einer
Tachykardie kann dies auf eine Hypovolämie (z.B. aufgrund der Diuretikatherapie) bzw.
auf einen Kompensationsversuch des Herzens hinweisen und somit Ausdruck einer
zunehmenden kardialen Dekom- pensation sein! Bei Menschen mit zu hohen
Blutdruckwerten muss auf eine hypertensive Blutdruckkrise geachtet werden.

Arzneimittel im Fokus

Therapieziele unterschiedlicher Arz- neimittelgruppen bei Herzinsuffizienz:

▪ Vor- und Nachlastsenkung durch

▪ ACE-Hemmer, AT-1-Rezeptoren- blocker und Nitrate sowie mittels

▪ Diuretika (Steigerung der rena- len Natriumchlorid- und Wasser- ausscheidung)

▪ Steigerung der Herzkraft (Kontrak- tilität) und des Herzschlagvolumens durch

▪ Digitalispräparate wie Digitoxin (z. B. Digimerck) oder Digoxin (z. B. Lanitop, Novodigal) oder

▪ bei akuter Herzinsuffizienz unter intensivmedizinischer Therapie durch Betasympathikomim


Dobutrex) oder Dopamin.

▪ Dämpfung der Sympathikus-Aktivi- tät und Verringerung des myokar- dialen Sauerstoffverbrauches m

▪ Herzrhythmusnormalisierung mit- tels ■ Digitalispräparaten, Antiarrhyth- mika bzw. Schrittmacherimpl

Arzneimittel im Fokus

Bei Digitalispräparaten kann es auf- grund der geringen therapeutischen Breite bereits bei geringer Übe
kommen. Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Sehstörungen sind erste Symptome. Eine Überdos
kardien, Extrasystolen (Bigeminus) und im schlimmsten Fall Kammerflim- mern auslösen. Auch Betablo
zu brady- und tachykarden Arrhythmien und Extrasystolen führen. Bei der Gabe von Nitraten und AC
wie auf S. 784 beschrieben, erforderlich.

Unterstützungssysteme. Ist das körperei- gene Herz im Endstadium einer Herzin-


suffizienz nicht mehr in der Lage, trotz medikamentöser Therapie die Durchblu- tung der
Körperorgane zu gewährleisten, können mechanische Unterstützungssys- teme („Assist
Devices“) zeitlich begrenzt oder dauerhaft implantiert werden. Pa- tienten mit einem
permanenten Unter- stützungssystem sind mobil und können damit nach Hause gehen.
Es gibt links-, rechts- und biventrikuläre Systeme, die mit folgenden Zielsetzungen
eingesetzt werden können:

▪ „Bridge to recovery“ – zur Entlastung des Herzens für eine bestimmte Zeit- spanne, z.
B. bei Myokarditis

▪ „Bridge to transplantation“ – als Überbrückung bis zur Herztransplan- tation bei einem
irreversiblen Pump- versagen

Flüssigkeitshaushalt

Die Funktionen des Flüssigkeitshaushal- tes werden anhand verschiedener Para- meter
überwacht.Körpergewicht und Urinproduktion. Um die Funktionsfähigkeit der Nieren zu

802

überprüfen, wird eine Ein-/Ausfuhrbilan- zierung durchgeführt. Der Patient sollte, wenn
er mobil ist, täglich vor dem Früh- stück gewogen werden. Ein Gewichts- stillstand oder
eine Gewichtszunahme in Verbindung mit einem Nachlassen der Urinproduktion können
bei ausge- prägten Ödemen auf eine unzureichen- de Diuretikatherapie oder kardial be-
dingte Verschlechterung der Nierenfunk- tion hinweisen. Die Pflegeperson beo- bachtet:

▪ wie der Patient auf die Diuretikagabe reagiert

▪ wie häufig er zur Toilette geht

▪ ob er durch die häufigen Toiletten- gänge körperlich und psychisch stark belastet wird
Ob es trotz Infektionsrisiko sinnvoll ist, dem Patienten zur Entlastung seiner kar-
dialen Situation einen Dauerkatheter zu legen, kann unter Berücksichtigung von
folgenden Faktoren im therapeutischen Team diskutiert werden:

▪ Schweregrad der Herzinsuffizienz

▪ Schweregrad der Einschränkung der Nierenfunktion


▪ Minimierung der körperlichen bzw. psychischen und damit auch kardialen Belastung

▪ exakte Bilanzierung der Urinausschei- dungNykturie. Eine vermehrte nächtliche


Harnausscheidung tritt i. d. R. auf, weil bei körperlicher Entlastung die Auswurf-
leistung des Herzens und damit auch die Nierendurchblutung verbessert und
Ödeme rückresorbiert werden.ZVD. Liegt ein zentraler Venenkatheter, wird 2- bis
3-mal täglich der zentrale Ve- nendruck gemessen. Er liefert Rück- schlüsse auf
die Funktion des rechten Herzens und das zirkulierende Blutvolu- men des
venösen Systems. Beschränkung der Trinkmenge. Eine
Trinkmengenbeschränkung kann we- sentlich zur Entlastung des Organismus
beitragen. Im Stadium der kardialen De- kompensation sollte die Flüssigkeitszu-
fuhr einschließlich der Infusionstherapie 1 – 1,5 l pro Tag nicht überschreiten. Der
Patient ist über die Einschränkung aufzu- klären und es sollten erfrischende und
durststillende Mundpflegemittel ange- boten werden.Ödeme. Sie sind ein
charakteristisches Symptom der Herzinsuffizienz. Der Kör- per wird auf
Wasseransammlungen im Gewebe inspiziert. Ödeme werden an- fänglich erst
gegen Abend wahrgenom- men und bilden sich meist über Nacht durch eine
forcierte Ausscheidung zu- rück. Sie treten zuerst an den Knöcheln auf, im
späteren Stadium kommt es zu

Abb. 32.24 Ödeme hinterlassen auf Druck eine eindeutige Eindellung im Gewebe.

Unterschenkelödemen (Abb. 32.24). Sind Ödeme vorhanden, werden Ausmaß und


Veränderungen unter Diuretikatherapie dokumentiert. Bei Bettlägerigen muss auf
Sakralödeme geachtet werden. Im fortgeschrittenen Stadium können gene- ralisierte
Unterhautödeme auftreten (Anasarka).

Bewusstseinslage

Aufgrund einer schlechten Auswurfleis- tung des Herzens, durch die Diuretika- therapie
(Exsikkose) oder durch eine mögliche Digitalisüberdosierung können zerebrale
Symptome auftreten. Dies kann sich durch Konzentrations- und Ge-
dächtnisschwächen, Angst- und Verwirrtheitszustände bemerkbar ma- chen.
Infolgedessen muss bei der Erfas- sung der subjektiven Befindlichkeit kon- trolliert
werden, ob der Patient zur Per- son, zur Situation sowie zeitlich und ört- lich orientiert
ist.

Beim Lungenödem professionell handeln

Lungenkreislauf. Es ist Folge eines aku- ten Linksherzversagens.

Durch die vermehrte Flüssigkeitsan- sammlung in den Kapillaren der Alveolen kommt es
zum Austritt von Ödemflüs- sigkeit in das Interstitium (interstitielles Ödem) und
anschließend in die Alveolen selbst (alveoläres Ödem). Die Folge ist eine schwerste
Behinderung des Gasaus- tausches.

Abb. 32.25 Mit der Herzbettlagerung soll der ve- nöse Rückfluss zum Herzen vermindert
und das Herz entlastet werden.

Symptome

Der Patient hat folgende Symptome:■ starker Husten mit schaumig-blutig-

tingiertem Auswurf■ brodelndes Rasselgeräusch, das auch

ohne Stethoskop wahrnehmbar ist und deshalb als Distanzrasseln be- zeichnet wird

■ akute Atemnot mit ausgeprägter Er- stickungsangst

■ Schweißausbruch ■ Zyanose■ Tachykardie

Sofortmaßnahmen

Der Patient befindet sich in einem le- bensbedrohlichen Zustand. Ziel der So-
fortmaßnahmen ist es, den Sauerstoff- bedarf des Organismus zu gewährleis- ten. Der
linke Ventrikel soll entlastet und seine Funktion optimiert werden. Es muss sofort
gehandelt werden:

1. Arzt über Notruf verständigen.2. Patient zur Atemerleichterung in die

sog. Herzbettlagerung bringen, um den venösen Rückfluss zu verlangsa- men und das
Herz zu entlasten (Abb. 32.25). Arme ggf. durch Kissen hoch betten (ungehinderter
Einsatz der Atemhilfsmuskulatur).

3. Hochdosiert Sauerstoff (10 l/Min.) über Maske verabreichen. Die Sauer-


stoffaufnahme über die Alveolen ist durch die Flüssigkeitsansammlung gestört, deshalb
muss der Sauerstoff- anteil der Einatemluft erhöht werden. Die subjektive Atemnot wird
gelindert und einer Hypoxie entgegengewirkt.

4. Patienten beruhigen. Er erhält kurze und prägnante Basisinformationen und somit ein
Gefühl der Sicherheit.

5. In kurzen Zeitabständen Blutdruck und Puls kontrollieren.

6. Absauganlage und Notfallkoffer be- reitstellen. Aufgrund der Hypoxie muss i. d. R.


eine notfallmäßige Intu- bation und Beatmung eingeleitet und

32.5 Pflege von Patienten mit Herzinsuffizienz


Beim Lungen- ödem staut sich das Blutvolumen in den

DEFINITION

803

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

das schaumige Bronchialsekret abge-

saugt werden.

7.Medikamente nach Anordnung rich- ten, z. B. Morphine, Nitrate, Diuretika oder


Dobutamin.

8.Die weitere Überwachung und Thera- pie des Patienten erfolgt i. d. R. auf einer
Intensivpflegestation.

Bei den ATL entlasten

Der Betroffene ist i. d. R.Symptome der Herzinsuffizienz in seinen Aktivitäten des


täglichen Lebens (ATL, S.50, 204) eingeschränkt und benötigt vor allem bei stark
eingeschränkter Herz- leistung gezielte pflegerische Unterstüt- zung. Eine entlastende
Pflege steht hier- bei im Vordergrund.

M E R K E Bei allen aktivierenden Maßnahmen ist die Atmung des Patien- ten der
Überwachungsparameter, dem eine ganz besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte.
Das Auftreten einer Dyspnoe ist der Indikator, der die Belas- tungsgrenze des Patienten
anzeigt und eine sofortige Erholungspause während einer Pflegehandlung notwendig
macht.

ATL Wach sein und schlafen

Viele Patienten leiden unter einge- schränkter Leistungsfähigkeit sowie star- kem
Müdigkeits- und Schwächegefühl. Diese Symptome sind häufig kardial be- dingt durch:

▪ Abnahme der Durchblutung der Mus- kulatur

▪ vermehrte Atemarbeit

▪ evtl. gastrointestinale Beschwerden und der daraus resultierenden Ge-


wichtsabnahme

▪ gestörte Nachtruhe, z. B. bei Nykturie Der Patient sollte auch tagsüber die Möglichkeit
haben, gezielte Erholungs- phasen einzuhalten, indem im therapeu- tischen
Team die Pflege- und Behand- lungsmaßnahmen abgesprochen und zeitlich
koordiniert werden. Die unter- schiedlichen Pflegeverrichtungen wer- den nach
kräfteschonenden Gesichts- punkten über den Tag verteilt (z. B. Kör- perpflege
erst nach dem Frühstück). M E R K E Bei Patienten ohne Bla- senverweilkatheter
ist darauf zu achten, wie der Patient auf die Diuretikagabe reagiert. Bei einer zu
späten Verabrei- chung der Diuretika kann die Nachtruhe durch zu häufiges
Wasserlassen beein- trächtigt werden.

ATL Sich bewegen

Eine vollständige Immobilisierung im Sinne einer strengen Bettruhe ist i. d. R. nur bei
schwerster kardialer Insuffizienz indiziert. Kann die Leistungsfähigkeit des insuffizienten
Herzens durch therapeuti- sche Maßnahmen verbessert werden, wird eine vorsichtige
Mobilisierung im Sinne einer Lehnstuhlbehandlung einge- leitet. Vor und während jeder
Mobilisa- tion müssen Kreislaufkontrollen durch- geführt werden. Der Patient wird wäh-
rend des Mobilisationsverlaufes angehal- ten, seine körperlichen Belastungsgren- zen
bewusst wahrzunehmen und Erho- lungsphasen eigenverantwortlich zu be- stimmen.
Gleichzeitig muss die indivi- duelle Gefährdung durch Sekundärschä- den wie Dekubitus
und Thrombose ein- geschätzt und prophylaktische Maßnah- men durchgeführt werden.
Thromboseprophylaxe. Bei einer akuten dekompensierten Herzinsuffizienz sind
Maßnahmen, die den venösen Rückfluss permanent fördern, kontraindiziert. Sie würden
das rechte Herz zusätzlich belas- ten. Möglich sind leichte Bewegungs- übungen. Nach
ärztlicher Verordnung erfolgt i. d. R. eine Low-Dose-Heparini- sierung. Bei kardialer
Stabilität und aus- geprägten Beinödemen können die Beine, nach Rücksprache mit
dem Arzt, für wenige Stunden am Tag gewickelt werden, um die Ödemausschwemmung
zu forcieren. Treten Stauungszeichen (z. B. gestaute Halsvenen, Atemnot) auf, sollte
der Kompressionsverband abgewi- ckelt werden.

fe) sollte bei ausgeprägten Ödemen verzichtet werden. Ein korrekter Sitz der Strümpfe
kann meist nicht mehr ge- währleistet werden, sodass die Gefahr der Einschnürung und
einer venösen Stauung besteht.

ATL Sich waschen und kleiden

Das Ausmaß der Hilfestellung ist eben- falls abhängig von der Belastbarkeit des
Erkrankten. So kann es von Seiten der Pflegenden beispielsweise sinnvoll sein, die
Beine, Genitalbereich, Rücken und Gesäß des Patienten im Sinne einer ent- lastenden
Teilkörperpflege im Bett zu waschen. Nach einer Erholungsphase kann der Patient z. B.
seine Körperhygie- ne am Waschbecken selbstständig fort- setzen.

M E R K E Angehörige, die die häusliche Pflege unterstützen bzw. übernehmen werden,


müssen frühzeitig

einbezogen werden. Sie sollten auf po- tenzielle Pflegeprobleme aufmerksam gemacht
und bei der Durchführung von prophylaktischen Pflegehandlungen an- geleitet werden.

ATL Essen und trinken

Die gastrointestinalen Störungen wie Ap- petitlosigkeit, Übelkeit, und Völlegefühl,


können durch die Pfortaderstauung be- dingt sein. Der Patient erhält kleine, leicht
verdauliche und appetitlich ange- richtete Mahlzeiten, um die Verträglich- keit zu
verbessern und das Verdauungs- system nicht zu überlasten. Die Angehö- rigen können
nach Wunsch zur Verbes- serung der Ernährungssituation Lieb- lingsspeisen von zu
Hause mitbringen.

Bei schwerer Herzinsuffizienz und aus- geprägten Ödemen sollte im Stadium der
Dekompensation eine streng nat- riumarme Kost eingehalten werden. Die tägliche
Kochsalzmenge sollte etwa bei 2 – 3 g liegen. Salz erhöht das Durstge- fühl und bindet
Wasser und kann so die Ödembildung verstärken. Gleichzeitig ist bei einer
kaliumausschwemmenden Di- uretikatherapie eine kaliumreiche Kost (frisches Obst und
Gemüse) ratsam. Bei Patienten mit nur mäßig ausgeprägter Herzinsuffizienz oder nach
der Erholung von einer Dekompensationsphase kann eine Salzreduktion auf etwa 6 g
am Tag bereits ausreichen, um die Symptomatik günstig zu beeinflussen. Eine
Trinkmen- genbeschränkung kann wesentlich zur Volumenentlastung des Organismus
bei- tragen.
ringeren Durstempfindens manchmal zu wenig Flüssigkeit zu sich. Deshalb sollten die
Trinkgewohnheiten bei der Pflege- anamnese erfasst und anhand dieser In- formationen
kritisch überprüft werden, ob eine Trinkmengenbeschränkung bei kardialer Stabilität
weiterhin sinnvoll er- scheint. Dies sollte im therapeutischen Team diskutiert und dann
mit dem Pa- tienten und seinen Angehörigen be- sprochen werden.

ATL Ausscheiden

Stauungsbedingte gastrointestinale Be- schwerden können sich infolge von Im-


mobilität, Flüssigkeitsentzug und faser- und ballaststoffarme Kost verstärken. Eine
dadurch bedingte verzögerte Darm- passage führt nicht selten zur akuten Obstipation.
Bei einer akuten Obstipa- tion verschaffen motilitätsbeeinflussen- de Abführmittel (z. B.
Dulcolax oder La- xoberal) bzw. rektal anzuwendende

durch die

MERKE

Vor allem ältere Menschen nehmen aufgrund eines ge-

Auf MT-Strümpfe (Me- dizinische Thromboseprophylaxestrümp-

PRAXISTIPP

804

Darmeinläufe (z.B. Klysma) schnell Ab- hilfe und Erleichterung.

M E R K E Zur Behebung einer akuten Obstipation sollten bei diesen Patienten zum
Abführen keine natürli- chen Ballaststoffe (z. B. Flohsamen, Leinsamen oder
Weizenkleie) oder syn- thetischen Quellstoffe wie Macrogol(z. B. in Movicol, Isomol)
eingesetzt werden. Diese zwar physiologische Art der Obstipationsbehandlung wirkt nur
sehr langsam, d. h. evtl. erst nach ein

paar Tagen und steht in Verbindung mit einem ausgeglichenen Flüssigkeitshaus- halt.
Außerdem ist ein Nachteil der na- türlichen Quellstoffe, dass beim bakte- riellen Abbau
vermehrt Gase entstehen und Völlegefühl und Blähungen verstär- ken können.

Gesundheitsberatung

Außerhalb des Krankenhauses benötigen Menschen mit einer Herzinsuffizienz häufig


Unterstützung durch ambulante Pflegedienste, weil sie aufgrund ihrer ge-

ringen Belastbarkeit und schnellen Er- schöpfung nicht mehr alle ATL selbst- ständig
verrichten können. Zur Sicher- stellung der Pflege in der häuslichen Umgebung wird
noch im Krankenhaus der individuelle Pflegebedarf ermittelt. Patient und Angehörige
werden über die Möglichkeiten ambulanter Pflege- dienste und über hauswirtschaftliche
Versorgungsmöglichkeiten informiert. Herzinsuffizienzspezifische Beratungs- aspekte
sind unter Abb. 32.26 aufge- führt.

32.5 Pflege von Patienten mit Herzinsuffizienz

Gesundheitsberatung Herzinsuffizienz

Grundsätzlich gilt: Kehrt der Patient in seine häusliche Umgebung zurück, müssen anhand d
Unterstützungsmöglichkeiten durch das familiäre System analysiert und ggf. ambulante Pflegedienste
Ziel: Der Patient bzw. seine Bezugspersonen sind über wichtige Verhaltensregeln informiert, mit de
Inaktivitätsschäden verhindert und die Lebensqualität verbessert werden kann.

Wissen über Erkrankung und Beachtungspunkte bei der Kräfteschonende Aktivitäten


medikamentöse Therapie Ausscheidung

• Ist der Patient über Zeit- punkt, • Nimmt der Patient Diureti- ka • KönnenAktivitätsphasen
Dosierung und Zweck der ein? Wie oft muss er zur Erschöpfungszuständ
verordneten Medikamente Toilette? nach Tageszeiten
informiert? fiziert werden?
• Wird die Toilette rechtzeitig
• Kennt er die Krankheitszei- erreicht oder kommt es zu • Ist der Patient über
chen, die auf eine vorzeitigem Urinverlust? sparende Hilf
Verschlech- terung seiner informiert? Info: G
kardialen Situ- ation • Leidet der Patient unter sollten Aktivitäten
hinweisen könnten? Info: Obstipation? Info: Die hohem Kraftaufwan
Die regelmäßige Einnahme Einnahme von Diure- tika mieden bzw.
aller verordneten kann aufgrund des häufi- Erschöpfungs- situa
Medikamente ist gen Urindrangs als sehr unterlassen werde
lebensnotwendig. Ohne belastend empfunden Erholungspausen
Rücksprache mit dem Arzt werden. Vor allem, wenn einplanen. Das Hebe
sollten keine Medikamente die Mobilität durch die schweren Ge- genst
weggelassen werden. Eine Herzinsuffizienz oder eine (nicht mehr als 5–1
Veränderung in der Belast- andere Grunderkrankung sollte zur Herzent- l
barkeit, nächtliche eingeschränkt ist. Diese vermieden werde
Atemnotan- fälle und Situ- ation veranlasst Empfehlung: Führen
Zunahme von Ödemen manche Patien- ten, die „Belastungsprotokolls
können auf eine kardiale
Ver- schlechterung Trinkmenge zu reduzie- ren
hinweisen und müssen dem und/oder die Diuretika
behandelnden Arzt wegzulassen. Bei
mitgeteilt werden. gastrointestinalen Stau-
Empfehlung: Patient über ungssymptomen kann es
Wich- tigkeit der zu Einschränkungen der Hierbei werden Akt
regelmäßigen Medika- Darm- funktion und Er- schöpfungsp
menteneinnahme und über (Obstipation) mit zeitlich festge
Krankheitszeichen Meteorismus kommen. identifiziert und
informieren. Bei Empfehlung: Der Patient gezielter über den
Gedächtnisstörungen kann muss über die Folgen des verteilt. Information
es hilfreich sein, eine Absetzens der Diuretika kräftesparende Hilfsm
spezielle Tablettendosette aufgeklärt wer- den. Um die
zu verwenden, bei der die Nierenfunktion • Installation von Haltegriff
Medikamente über eine aufrechtzuerhalten, sollte Badezimmer oder
Woche über den Tag die abgesprochene disponierten Stellen
verteilt gerichtet werden → Trinkmenge eingehalten
• Aufstellen von Stühlen
Einnahme- kontrolle für werden. Bei
strategischen Stellen
Patienten und Blasenschwäche →
Wohnung für Ruhepa
Betreuungspersonen. Eine spezielle
tägliche Gewichtskontrolle Inkontinenzeinlagen als • erhöhter Toilettensitz
und Dokumentation kann Wäscheschutz. Bei einge-
sinn- voll sein. Eine schränkter Mobilität und • Einkaufstasche auf Räder
kontinuierliche häu- figen nächtlichen
Gewichtszunahme von 1,5 Toiletten- gängen →
kg am Tag oder 2,5 kg Toilettenstuhl in Bettnähe.
innerhalb einer Woche Evtl. medikamentöse
sollten dem Arzt mitgeteilt Obstipationsprophylaxe.
werden.

Abb. 32.26 Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei Herzinsuffizienz.

805

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

32.6 Pflege von Patienten mit


Herzrhythmusstörungen

hormonelle Störungen (z. B. Hyper- thyreose)HypoxieNebenwirkungen von


Medikamenten (z. B. Antiarrhythmika, Digitalisüber- dosierung, trizyklische
Antidepressiva) Drogenkonsum (z. B. Ecstasy) und To- xine

32.6.1 Medizinischer Überblick Definition

Eine Herzrhythmusstörung (Arrhythmie) liegt vor, wenn die Herzfrequenz im Sinne einer
Brady- bzw. Tachykardie ge- stört ist und/oder die Herzschlagabfolge unregelmäßig (=
arrhythmisch) erfolgt:

▪ Bradykardie: weniger als 60/Schläge/ Min.

▪ Tachykardie: mehr als 100/Schläge/ Min.

▪ Bradyarrhythmie: weniger als 60/ Schläge/Min. und unregelmäßiger Herzschlag

▪ Tachyarrhythmie: mehr als 100/ Schläge/Min. und unregelmäßiger HerzschlagLiegt


der Ursprung der Herzrhythmus- störung in den Vorhöfen oder dem AV- Knoten,
wird von einer supraventrikulä- ren Arrhythmie gesprochen. Entsteht die
Herzrhythmusstörung in den Herzkam- mern, wird von ventrikulären Arrhyth-
mien gesprochen. Eine Veränderung von Herzfrequenz oder Herzrhythmus muss
nicht pathologisch sein. Unter psy- chischer und körperlicher Belastung kann die
Pulsfrequenz bis auf 160 – 180 Schläge/Min. ansteigen. Bei sportlichen
Menschen besteht oftmals unter Ruhe- bedingungen eine trainingsbedingte Bra-
dykardie. Auch Extrasystolen kommen beim gesunden Menschen vor und be-
dürfen, sofern sie die Befindlichkeit nicht beeinträchtigen, oftmals keiner
Therapie. MERKE Pathologisch ist ein plötzliches Umspringen des Pulses von
einer normalen Herzschlagfolge auf eine sehr hohe oder sehr niedrige Herzfre-
quenz ohne erkennbare physiologische Ursache. Ursachen
Herzrhythmusstörungen haben kardiale und extrakardiale Ursachen. Kardiale Ur-
sachen können auftreten aufgrund von:

▪ Sauerstoffmangel im Myokardgewebe (z. B. KHK bzw. Herzinfarkt)

▪ primären Herzmuskelerkrankungen (z. B. Kardiomyopathien, Myokarditis)

▪ Druck- und/oder Volumenbelastun- gen bei Hypertonie oder Herzklap-


penfehlern

▪ Elektrolytverschiebungen innerhalb der Herzmuskelzelle (z. B. als Folge von


Hypo- bzw. Hyperkaliämie) Extrakardiale Ursachen sind z. B.:

■■

Wenn vermutete Arrhythmien im EKG nicht diagnostiziert werden können, ver- sucht
man die Arrhythmie künstlich aus- zulösen, z. B. durch:

■ pharmakologische Tests (z. B. Atro- pintest bei Verdacht auf Sick-Sinus- Syndrom)

■ Karotisdruckversuch, z. B. um brady- karde Rhythmusstörungen zu provo- zieren

■ invasive elektrophysiologische Unter- suchung mittels Rechtsherzkatheteri- sierung


(Elektrodenkatheter), um int- rakardiale Potenziale abzuleiten (His- Bündel-EKG) oder
Vorhöfe oder Kam- mern elektronisch zu stimulieren

Elektrokardiogramm (EKG)

Die Kontraktion des Herzmuskels wird durch elektrische Impulse angeregt. Diese
werden mittels Elektroden über die Haut registriert und aufgezeichnet. Die einzelnen
Phasen des Herzzyklus sind als Linien und Zacken auf dem EKG erkennbar, die mit den
willkürlich festge- legten Buchstaben P, Q, R, S, T, U be- zeichnet werden. Die
Ausbreitung des Sinusknotens über die beiden Vorhöfe ist im EKG als P-Welle sichtbar.
Der QRS-Komplex ist Ausdruck für die elekt- rische Aktivität vom AV-Knoten bis in die
Herzmuskelzellen der Ventrikel. Die Erre- gungspause, die dem QRS-Komplex folgt,
wird als ST-Strecke bezeichnet. Eine anschließende Erregungsrückbil- dung in den
beiden Ventrikeln äußert sich durch die T-Welle. Die Bedeutung der sich gelegentlich
anschließenden U- Welle ist noch nicht abschließend geklärt (Abb. 32.27).

Standard-EKG. Es setzt sich aus 12 Ein- zelableitungen zusammen. Beim Stan- dard-
EKG wird zwischen Extremitäten-

Abb.32.27 Herzzyklusim normalen EKG.

Symptome

Die klinische Bedeutung liegt in der le- bensbedrohlichen Beeinträchtigung der


Auswurfleistung des Herzens. Eine an- haltende, unkoordinierte, zu schnelle oder zu
langsame Herzfrequenz, häufig auftretende Extrasystolen mit kompen- satorischen
Pausen können folgende Symptome auslösen:

■ Herzklopfen (Palpitation) und Herzra- sen z. B. bei Tachykardie/Tachyar- rhythmie

■ Herzstolpern, z. B. bei Extrasystolen ■ Blutdruckabfall mit Schwindel, Seh-


störungen, Schwächegefühl■ Kurzatmigkeit, Schweißausbruch■ Beklemmungs- und
Angstgefühle Durch einen vorübergehenden Ausfall der Pumpleistung des Herzens
kann es zur zerebralen Minderdurchblutung kommen, einem Adam-Stokes-Anfall.
Dieser ist gekennzeichnet durch Schwin- del, Absencen, Krampfanfall oder Synko- pe
(kurze Bewusstlosigkeit).

Diagnostik

■ Anamnese (Erfassung kardialer und extrakardialer Vorerkrankungen, inkl.


Medikamentenanamnese)

■ Elektrolytkontrolle, Hormonstatus u. a.

Spezielle Rhythmusdiagnostik:■ EKG inkl. Langzeit- und Belastungs-

EKG■ Echokardiografie

Zeit:0,8–1Sekunde

P-Q- Strecke

S-T-Strecke

PQRS TU

806
P-Welle (Vorhof- erre- gung)

Über- leitung auf die Kammern

QRS-Komplex

Erregungsaus- breitung in den Ventrikeln

S-T-Strecke Erregungspause = Erregungsrückbildung in den Ventrikeln

Unipolare Extremitätenableitung (nach Goldberger)

aVR aVL

32.6 Pflege von Patienten mit Herzrhythmusstörungen Bipolare Extremitätenableitung

(nach Einthoven)

aVR aVL aVF

I II

III
II

III

aVF

aVR verstärkte V-Ableitung rechter Arm

aVL verstärkte V-Ableitung linker Arm

aVF verstärkte V-Ableitung linker Fuß

1. Elektrode – rechter Arm 2. Elektrode – linker Arm

3. Elektrode –linkes Bein4. Elektrode zur Erdung – rechtes Bein

Die 6 Extremitätenableitungen zeichnen die elektrische Aktivität des Herzens jeweils aus
einer anderen Perspektive auf. Jede Ableitung repräsentiert einen anderen Anteil des
Herzens, was eine exakte Zuordnung von pathologischen EKG-Veränderungen und
anatomischer Lokalisation erlaubt.

Unipolare Brustwandableitung (nach Wilson)

Werden 3 Ableitungspunkte miteinander verbunden, ist das Einthovensche Dreieck


erkennbar. Extremitätenableitungen I–III messen die Spannung zwischen je 2 Punkten
am Arm oder Bein.

V6
Parasternallinie li. Parasternallinie re.

Horizontale

Medioklavikularlinie li.

vordere Axillarlinie li.

mittlere Axillarlinie li.

V1 V2

V4 V5 V6

V5 V2 V3 V4

0,5 Sek. In Abhängigkeit ihrer Lokalisation werden von V 1 bis V6 bezeichnet:

V1 rechter Interkostalraum neben dem Sternum (Parasternallinie re.) V 2 linkerer


Interkostalraum neben dem Sternum auf gleicher Höhe
wie V1 (Parasternallinie li.)V3 zwischen V2 und V4V4 5. linker Interkostalraum im
Bereich der Herzspitze

(Medioklavikularlinie)V5 zwischen V4 und V6 auf der vorderen AxillarlinieV6 5. linker


Interkostalraum auf der mittleren Axillarlinie

V
3

Ableitung direkt an Thoraxwand

Abb. 32.28 Unipolare und bipolare Extremitätenableitung sowie unipolare


Brustwandableitung im Vergleich.

und Brustwandableitungen (Abb.32.28) unterschieden.Verschiedene EKG-Arten. Es


wird unter- schieden zwischen:

▪ Ruhe-EKG: Erregungsausbreitung- und Rückbildung wird unter Ruhebe- dingungen


erfasst.

▪ Belastungs-EKG: Herzaktionen werden unter körperlicher Belastung (z. B.


Fahrradergometrie) abgeleitet.

▪ Langzeit-EKG: Es wird über 24 Stun- den unter Alltagsbelastungen durch- geführt.

Unterscheidung von HerzrhythmusstörungenEs gibt verschiedene Arten von Herz-


rhythmusstörungen. Generell wird zwi- schen Erregungsleitungs- und Erre-
gungsbildungsstörungen unterschieden. Zu den Erregungsleitungsstörungen ge- hören ■
sinutrialer Block (SA-Block),■ atrioventrikulärer Block (AV-Block)
und■ intraventrikulärer Block (Schenkel-

block).Die Erregungsbildungsstörungen können vom Sinusknoten ausgehen (z. B.


Sinus- arrhythmie, Sinusbradykardie, Sinusta-

chykardie oder Sick-Sinus-Syndrom). Oder sie entstehen außerhalb des Sinus- knotens
im Bereich der Vorhöfe oder Kammern (z. B. Ersatzrhythmen und Ext- rasystolen). Bei
der Krankenbeobach- tung im Pflegealltag sind generell rele- vant:

■ bradykarde und tachykarde Herz- rhythmusstörungen

■ ExtrasystolenBradykarde Herzrhythmusstörungen

Ursache sind Störungen der Sinuskno- tenfunktion oder AV-Blockierungen. Es kommt


zu einer erniedrigten Herzfre- quenz (<60 Schläge/Minute) mit einer

807

32

V1

V1 V2 V3 V4 V5 V6

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems Tab.
32.9 Bradykarde Herzrhythmusstörungen (nach Lindner 1999).

Bradykardieform Charakteristika der Störung EKG-Bild

Sinusbradykardie ➜ Herzfrequenz unter 60 Schläge/Min. bei re- gelmäßigem Rhythmus

Sinuatriale Blockierung (SA-Block)

➜ gestörte Erregungsüberleitung vom Sinus- zum AV-Knoten

➜ unterschiedlich schwerwiegende Ausprä- gung von geringer Leitungsverzögerung bis


zum kompletten Sinusstillstand mit folgen- der Asystolie bzw. dem Auftreten eines Er-
satzrhythmus
Typ Mobitz-II-Block

➜ regelmäßig bradykarder Rhythmus, aber es sind zwei oder mehr (z. B. 2 : 1, 3 : 1)


Vor- hofimpulse nötig, um einen Kammerkom- plex auszulösen

AV-Block I.–III. Grades ➜ verzögerte Impulsüberleitung von den Vor- höfen auf die
Kammern

AV-Block I. Grades ➜ zunehmende Verlängerung der P-Q- bzw. der P-R-Zeiten,

aber jedes P wird übergeleitet, sodass kein QRS-Komplex ausfällt

AV-Block II. Grades Typ Wenckebach-Periodik➜ zunehmendeVerlängerungderP-Q-


bzw.

der P-R-Zeiten bis zum Ausfall eines QRS- Komplexes (klinisch selten auffällig)
AV-Block III. Grades bzw. totaler AV-Block

➜ Vorhof- und Kammeraktivität stehen nicht mehr miteinander in Verbindung (AV-Dis-


sonanz), weil keine Vorhofimpulse zum AV- Knoten übergeleitet werden

➜ der Schrittmacher kann im AV-Knoten lie- gen (normal geformter QRS-Komplex) mit
etwa 60 Schlägen/Min. oder in den Kam- mern (QRS-Komplex bizarr verformt) mit 30 –
40 Schlägen/Min.

➜ die Kammerfrequenz kann so langsam wer- den, dass es zum Adam-Stokes-Anfall


kommt

Asystolie ➜ Nulllinie auf dem Monitor oder in großen Abständen einfallende extrem
breite Kam-

merkomplexe, die keine mechanische Herz- aktion auslösen

regelmäßigen oder unregelmäßigen Schlagfolge (Bradyarrhythmie, Tab. 32.9).


Tachykarde Herzrhythmusstörungen

Bei den tachykarden Herzrhythmusstö- rungen (Tab. 32.10) kommt es zu einer erhöhten
Herzfrequenz (> 100 Schläge/ Minute). Die Schlagabfolge kann regel- mäßig oder
unregelmäßig (Tachyar- rhythmie) sein.

Extrasystolen

Als Folge einer abnormen Reizbildung entstehen Herzkontraktionen, die nicht zum
Grundrhythmus gehören. Je nach Entstehungsort wird unterschieden zwi- schen
supraventrikulären (SVES) und ventrikulären Extrasystolen (VES). Supraventrikuläre
Extrasystolen. Der Ur- sprung liegt im Vorhof. Sie sind durch einen vorzeitigen Einfall
der P-Welle ge-

kennzeichnet. Da die Erregung nicht vom Sinusknoten stammt, unterscheidet sich die P-
Welle von denen der normalen Herzaktionen. Durch den Impuls wird eine Kontraktion
der Vorhöfe ausgelöst. Die Erregungsweiterleitung über den AV- Knoten erfolgt
regelrecht, der QRS-Kom- plex ist normal konfiguriert. SVES treten auch bei gesunden
Menschen auf, sind im EKG feststellbar, aber i. d. R. nicht be- handlungsbedürftig.

Ventrikuläre Extrasystolen. Sie werden durch einen ektopischen (an falscher Stelle
liegenden) Herd in einem Ventrikel ausgelöst. VES sind durch einen verform- ten und
meist verbreiterten QRS-Kom- plex auf dem EKG erkennbar und haben keine P-Welle.
Nach einer VES kann eine kompensatorische (ausgleichende) Pause erfolgen. VES
können je nach Art und Häufigkeit des Auftretens zu einem

lebensbedrohlichen Ereignis führen. Es werden verschiedene Gruppen von VES


unterschieden (Tab. 32.11).

Therapie

Ziel der Therapie ist■ die Beschwerdefreiheit,■ die Verbesserung der Leistungsfähig-

keit und■ die Vermeidung eines plötzlichen

Herztodes.Neben der Behandlung der Ursachen (Kausaltherapie) wird in Abhängigkeit


der Art der Herzrhythmusstörung eine antiarrhythmische medikamentöse oder
Elektrotherapie eingeleitet.

Elektrotherapie

Es gibt unterschiedliche Formen der Elektrotherapie: ■ Schrittmachertherapie


(temporärer
oder permanenter SM)

808
32.6 Pflege von Patienten mit Herzrhythmusstörungen 32 Tab. 32.10 Tachykarde
Herzrhythmusstörungen (nach Lindner 1999).

Tachykardieform

Supraventrikuläre Tachykardien

Sinustachykardie

Paroxysmale Vorhoftachy- kardie (supraventrikuläre paroxysmale Tachykardie)

Arrhythmia absoluta

Vorhofflattern

Vorhofflimmern (häufig)

Ventrikuläre Tachykardien

Paroxysmale Kammer- tachykardie

Kammerflattern

Kammerflimmern

Charakteristika der Störung

➜ Herzfrequenz über 100 Schläge/Min. bei regelmäßigem Rhythmus

➜ anfallsweise auftretende Tachykardie mit einer Herzfrequenz zwischen 150 und 200
Schlägen/Min.

➜ vollständig arrhythmische Herzschlagfolge durch ungeordnetes Zucken der beiden


Vorhöfe, bedingt durch Vorhofflimmern oder seltener durch Vorhofflattern

➜ wird durch einen ektopischen Herd in den Vorhöfen miteiner Impulsbildung von 250 –
350 Schlä- gen/Min. verursacht,

veränderte P-Wellen treten rasch hinterei- nander auf und gleichen sich (Sägezahn-
phänomen)

➜ wird durch viele ektopische Herde in den Vorhöfen mit einer völlig unregelmäßigen
Impulsbildung verursacht.Da die Erregungsüberleitung zu den Kam- mern unkoordiniert
erfolgt, liegt eine abso- lute Arrhythmie vor.

Da nicht jede Erregung auf die Kammern übergeleitet wird, liegt die Kammerfre- quenz
zwischen 120 und 160 Schlägen/Min.

➜ wird durch einen ektopischen Schrittmacher in einem der Ventrikel oder Reentry-Me-
chanismus verursacht

➜ essindkeineP-Wellenmehrerkennbar–die Herzfrequenz liegt zwischen 150 und 250


Schlägen/Min., mit entsprechenden hämo- dynamischen Auswirkungen (drohende Be-
wusstlosigkeit)

➜ die Kammertachykardie kann ins Kammer- flattern/-flimmern übergehen!

➜ aus einem ektopischen Kammerherd wer- den zwischen 200 und 300 Impulse/Min.
gebildet (Haarnadelphänomen)

➜ es entstehen Reizimpulse (> 350 Schläge/ Min.) aus vielen ektopischen Kammerher-
den

➜ wie beim Kammerflattern kontrahieren sich die Ventrikel nicht mehr adäquat, was
einem mechanischen Herz-Kreislauf- Still- stand gleichkommt, da die Auswurfleistung
des Herzens unterbrochen ist

EKG-Bild

809

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems Tab.
32.11 Formen ventrikulärer Extrasystolen (nach Lindner 1999).

Formen ventrikulärer Extrasystolen (VES) und pflegerische Beachtungspunkte EKG-Bild

Monomorphe (monotope) VES

Sie stammen alle aus dem gleichen ektopischen Herd. Bereits ein einzelner ektopi-
scher Herd im Ventrikel kann durch eine Serie von VES gefährliche Herzrhythmuss-
törungen, wie z. B. eine Kammertachykardie, auslösen. Mehr als 5 VES in der Minute
gelten als pathologisch.
Polymorphe (multifokale) VES

Sie stammen aus unterschiedlichen Herden, sodass ihre QRS-Komplexe unter-


schiedlich geformt sind. Werden verschiedene ektopische Zentren aktiviert, so stei- gert
sich die Gefährlichkeit der VES, da es zu tödlichen Rhythmusstörungen, wie z. B. zum
Kammerflimmern, kommen kann.

Bigeminus

Auf jeden Normalschlag folgt eine monomorphe VES. Tritt häufig bei einer Digita-
lisüberdosierung auf.

Couplet, Triplet

2 bzw. 3 VES aus dem gleichen Herd folgen gekoppelt aufeinander.

Salven
Mehr als 3 gekoppelte VES folgen aufeinander, ohne dass ein Normalschlag dazwi-
schen liegt. Sie werden zu den bedrohlichen Arrhythmien gerechnet.

„R-auf-T-Phänomen“VES fällt mit einer vorausgegangenen T-Welle zusammen. Die T-


Welle kennzeichnet die vulnerable (verletzliche) Phase des Herzzyklus, in der das
Myokard besonders leicht erregbar ist. Sie sind sehr gefährlich – drohendes
Kammerflimmern.

■ externe Elektrokardioversion/Defibril- lation

■ Katheterablation

Schrittmachertherapie

Eine Schrittmachertherapie kann bei ta- chykarden und bradykarden Rhythmus-


störungen erfolgen. Je nach Art der Herzrhythmusstörung kommen unter- schiedliche
Schrittmachermodelle zum Einsatz. Ein Schrittmacher besteht aus einem
Schrittmacheraggregat inkl. elekt- ronisches Steuerteil, einer Batterie und einer
Elektrode. Je nach dem an welcher Stelle die Schrittmacherelektrode plat- ziert wurde,
werden durch einen elektri- schen Impuls die Vorhöfe oder Kammern stimuliert und eine
Herzaktion ausge- löst. Es gibt auch Geräte, die die Herz-

frequenz anhand der körperlichen Belas- tung regulieren.

Sauerstoffmangelns des Gehirns zur Be- wusstlosigkeit (Synkope) kommen kann.

Bradykarde Herzrhythmusstörungen. Bei anhaltender symptomatischer Bradykar- die


wird die medikamentöse Therapie durch die Implantation eines Herzschritt- machers
ersetzt. Ein Schrittmacher (SM) wird implantiert, um das Risiko von Syn- kopen oder
Asystolien zu minimieren. Er hat die Aufgabe, die Eigenaktivität des Herzens zu
registrieren und bei Bedarf,

wenn eine eingestellte Minimalfrequenz unterschritten wird, das Herz zu stimu- lieren
(Demandschrittmacher). Tachykarde Herzrhythmusstörungen. Implantierbare
Cardioverter-Defibrillato- ren (ICD) kommen bei schwerwiegenden ventrikulären
Tachykardien oder bei der Gefahr eines Kammerflatterns/-flim- merns zum Einsatz mit
dem Ziel, einen plötzlichen mechanischen Herzstillstand zu verhindern. Die
antitachykarde Thera- pie erfolgt entweder durch

■ Überstimulation („overdrive pacing“) oberhalb der Tachykardiefrequenz oder

■ einer internen Defibrillation durch die Abgabe eines schwachen elektrischen Impulses.

810

MERKE

Eine Herzfrequenz von unter 40 Schlägen/Min. muss als kritisch eingestuft werden, da
es aufgrund eines

32.6 Pflege von Patienten mit Herzrhythmusstörungen

Arzneimittel im Fokus

I Na+-Kanal-BlockadeIb Repolarisation verkürzt II Betarezeptorenblocker

IV Ca2+-Kanal-Blockade
Lidocain (Xylocain), Mexiletin (Mexitil), Phenytoin (Phenhydan) Propranolol (Dociton) u.
a.

Verapamil (Isoptin), Diltiazem (Dilzem)

Antiarrhythmika

Die medikamentöse Therapie von Herzrhythmusstörungen richtet sich nach der Art der
Rhythmusstörung. Es werden vor allem Antiarrhythmika ein- gesetzt. Sie sollen

1.die Leitungsgeschwindigkeit der elektrischen Erregungen erhöhen bzw. reduzieren


oder

2.die Erregungsbildungen unterdrü- cken, die nicht vom Sinusknoten ausgehen.

Die Klassifizierung der Antiarrhythmika erfolgt nach Vaughan-Williams in 4

Klassen (Tab. 32.12). Sie bezieht sich auf die Wirkung der einzelnen Substanzen auf
den Erregungsprozess der Herzmus- kelzelle.

Bradykarde Herzrhythmusstörungen.

Folgende Medikamente wirken auf das vegetative Nervensystem und erhöhen so die
Herzfrequenz:■ Parasympatholytika wie Atropin,

Ipratropiumbromid (z. B.Itrop)■ β-Sympathomimetika wie Orciprena- lin (Alupent) oder


Adrenalin (Supra-

renin)

Tachykarde Herzrhythmusstörungen und Extrasystolen. Es werden Antiar- rhythmika


der Klasse I-IV und Digitali- spräparate eingesetzt. Digitalis hat neben der
herzkraftsteigernden (positiv inotrope) auch eine chronotrope Wir- kung (Beeinflussung
der Herzfrequenz). Die Refraktärzeit (Zeitspanne der Erho- lungsphase) der Vorhöfe
wird verlän- gert und die Erregungsüberleitung im AV-Knoten verzögert, sodass die
Herz- frequenz gesenkt wird. Digitalispräpa- rate werden auch bei tachykarden

Tab. 32.12 Gliederung von Antiarrhythmika in 4 Klassen (nach Kuschinsky).

Klasse Wirkmechanismus

Ia Repolarisation verlängert

Ic Repolarisation unverändert
III K+-Kanal-Blockade Repolarisation verlängert

Externe Elektrokardioversion/ DefibrillationMit dem Ziel den Herzrhythmus zu nor-


malisieren, wird ein kurzer Gleichstro- mimpuls (von 50 – 400 Joule) mittels zweier dick
mit Gel versehener Elektro- den auf den Körper des Patienten gelei- tet. Durch den
Stromstoß werden vor- übergehend alle Reizbildungszentren blockiert (Depolarisation),
sodass der Si- nusknoten seine Aktivität als Schrittma- cher wieder aufnehmen kann.
Kardioversion. Hier erfolgt z. B. bei Vor- hofflimmern/-flattern der Stromstoß QRS-
gesteuert (herzphasengesteuert), sodass er nicht in der vulnerablen Phase von T erfolgt
(Gefahr des Kammerflim- merns).Defibrillation. Sie erfolgt nicht QRS-syn- chron. Die
Defibrillation kommt meist ungeplant unter Reanimationsbedingun- gen beim
Kammerflimmern/-flattern oder einer hämodynamisch wirksamen Kammertachykardie
zum Einsatz.

Elektroablation

Über einen transvenösen oder transarte- riellen Zugang zum Herzen werden mit

Beispiel für Wirkstoff und Handelsname

Chinidin (Chinidin duriles), Ajmalin (Gilurytmal) Propafenon (Rytmonorm), Flecainid


(Tambocor) Amiodaron (Cordarex), Sotalol (Sotalex)

Rhythmusstörungen, mern eingesetzt.

z. B.

Vorhofflim-

Hilfe eines Elektrodenkatheters die Zell- strukturen im Herzmuskel, die die Ar- rhythmie
auslösen, mit Gleichstrom ko- aguliert. Diese Methode wird z. B. zur Behandlung von
therapieresistentem Vorhofflimmern/-flattern oder bei ventri- kulären Tachykardieherden
eingesetzt.

32.6.2 Pflege- und Behandlungsplan

Anhaltende arrhythmisch auftretende Herzaktionen bergen die Gefahr einer deutlichen


Verminderung des Herz- schlagvolumens bis hin zu einem Herz- Kreislauf-Stillstand.
Aus diesem Grunde erfolgt die Betreuung des Erkrankten zu- nächst i. d. R. auf der
Intensivstation. Durch eine schnellstmöglich einsetzende antiarrhythmische Therapie
soll die vitale Bedrohung vom Patienten abgewendet werden.
Entsprechend der therapeutischen Maßnahmen ergeben sich für die Pflege folgende
Schwerpunkte:1. Rhythmusstörungen so früh wie

möglich erkennen2. antiarrhythmische Therapie überwa-

chen3. entlastende Pflege bei den ATL

4. Pflege nach Herzschrittmacherim- plantation

5. Gesundheitsberatung

Rhythmusstörungen erkennen

Bei bedrohlichen Rhythmusstörungen ist eine kontinuierliche Monitorüberwa- chung


notwendig, damit Rhythmusver- änderungen sofort erfasst werden kön- nen.
Pflegepersonen sollten anhand des Monitorbildes bedrohliche EKG-Verände- rungen
erkennen und von harmlosen un- terscheiden können.

Monitorgrenzen

Die Alarmgrenzen am Monitor müssen in jeder Schicht überprüft und indivi- duell wie
folgt an die kardiale Situation des Patienten angepasst werden (Abb. 32.29):

■ obere Alarmgrenze: etwa plus 20 – 30 Schläge pro Minute über der Aus-
gangsherzfrequenz, max. bei 140, so- fern die Ausgangsfrequenz nicht be- reits höher
liegt

■ untere Alarmgrenze: bei ca. 55 Schlägen pro Minute, sofern die Aus- gangsfrequenz
nicht bereits niedriger liegt

811

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems


Abb. 32.29 Kontrolle der eingestellten Alarmgren- zen zu jedem Dienstbeginn.

Monitoralarm

Wird ein Monitoralarm ausgelöst, muss die Herzaktion auf dem Monitorbild in
Verbindung mit dem klinischen Bild be- urteilt werden. Nicht selten ist das Aus-

lösen des Alarmes auf eine Bedienungs- störung zurückzuführen. Das können z. B.
sein:

▪ nicht mehr klebende Elektroden

▪ defekte Monitorkabel

▪ andere Artefakte, die z. B. durch Pa- tientenbewegungen ausgelöst wur- denWurde


der Monitoralarm aufgrund einer Bedienungsstörung ausgelöst, wird der Patient
darüber informiert, damit er sich nicht unnötig beunruhigt. Der be- handelnde Arzt
muss verständigt wer- den, wenn:

1.der Puls plötzlich auf eine sehr hohe (> 130 Schläge/Min.) oder sehr nied- rige
Herzfrequenz (< 40 Schläge/Min.) umspringt

2.vermehrt monomorphe VES (> 5/ Min.) oder polymorphe VES, Couplets, Triplets oder
Salven auftreten. Ach- tung Lebensgefahr!

MERKE Eine Nulllinie oder Kammerflattern bzw. -flimmern sind Ausdruck eines Herz-
Kreislaufs-Still- stands. Dann müssen sofort Wiederbe- lebungsmaßnahmen eingeleitet
werden.

Antiarrhythmische Therapie überwachenNicht selten werden Rhythmusstörungen durch


Kaliummangel ausgelöst, z.B. unter Diuretikatherapie. Ein hoher, aber noch im
Normalbereich liegender Se- rumkaliumspiegel (4,5 – 5,0 mmol/l), ist für eine hohe
elektrische Stabilität in der Herzmuskelzelle bedeutsam. Sofern kein aktueller
Kaliumwert vorliegt, wird beim Auftreten von hochgradigen Rhythmusstörungen i. d. R.
eine soforti- ge Elektrolytkontrolle eingeleitet und ggf. Kalium über Infusionen oder oral
substituiert.

Arzneimittel im Fokus

Nebenwirkungen von

Antiarrhythmika

Antiarrhythmika können ihrerseits le- bensbedrohliche Rhythmusstörungen auslösen. Es wird unt


extrakardialen Ne- benwirkungen.

Kardiale Nebenwirkungen. Viele Anti- arrhythmika vermindern die Kontrak- tionskraft des Herzens und k
Vor allem bei Patienten mit einer einge-

schränkten Pumpfunktion des Herzens kann durch eine kritische Blutdrucksen- kung eine kardiale Dek
gewünschte Ein- fluss auf die Erregungsleitung birgt gleichzeitig die Gefahr, kritische brady- karde He
auszulösen.

Bei einigen Antiarrhythmika können pa- radoxerweise lebensbedrohliche tachy- karde Rhythmusstö
(proarrhythmischer Effekt).

Extrakardiale Nebenwirkungen. Dazu gehören z. B.: ■ Störungen des ZNS (Sehstörungen,

Kopfschmerzen, Schwindel, Benom- menheit, Müdigkeit, Verwirrtheitszu- stände, zerebrale Krampfanfäl

■ gastrointestinale Beschwerden (Übel- keit, Erbrechen)

■ Hauterscheinungen (Flush, Sonnen- lichtempfindlichkeit)

Tritt z. B. ein Vorhofflimmern neu auf, muss aufgrund der veränderten Blutströ-
mungsverhältnisse mit einer Thromben- bildung gerechnet werden. Es besteht die
Gefahr, dass Blutgerinnsel vom linken Vorhof in den Körperkreislauf ge- schwemmt
werden und eine arterielle Embolie auslösen. 80 % der Thromben gelangen ins Gehirn
und können einen Schlaganfall verursachen (Bernardo 1998). Ein Thrombus aus dem
rechten Herzen kann zu einer Lungenembolie führen. Zur Prophylaxe einer Thromben-
bildung wird i. d. R. eine Heparinisierung vorgenommen. Bei anhaltenden Rhyth-
musstörungen erhält der Patient evtl. eine Dauerantikoagulation, z. B. mit Mar- cumar.
Hämodynamische Auswirkungen und andere evtl. auftretende Medika-
mentennebenwirkungen sollen frühzei-

tig erfasst werden. Die Pflegeperson hat daher folgende Aufgaben: ■ Kreislaufkontrolle in
kurzen Abstän-

den (Vitalzeichenkontrolle: Bewusst- seinslage, RR, Puls, Atmung und Temperatur)

■ Erfassung der subjektiven Befindlich- keit

Entlastende Pflege bei den ATL

Bei Patienten mit anhaltenden Rhyth- musstörungen erfolgt die entlastende Pflege und
psychische Betreuung wie beschrieben bei Patienten mit Herzin- farkt in der Akutphase.

Pflege nach HerzschrittmacherimplantationDie Aufgaben der Pflegenden unter-


scheiden sich je nach Art des Schrittma- chers.

Passagerer Schrittmacher

Ein passagerer (vorübergehender) Schrittmacher (SM) kommt entweder bei hochakut


auftretenden bradykarden Rhythmusstörungen zum Einsatz, oder wenn zu erwarten ist,
dass die Bradykar- die nur vorübergehend ist. Er wird des- halb auch temporärer
(zeitlich begrenz- ter) Schrittmacher genannt.

Anlage. Unter Röntgenkontrolle wird die Schrittmachersonde über eine Vene (V.
basilica, V. jugularis oder V. subclavia) in das rechte Herz vorgeschoben, im rech- ten
Ventrikel platziert und durch eine Hautnaht fixiert. Das daran angeschlos- sene
Schrittmacheraggregat verbleibt außerhalb des Körpers. Vorbereitung, Assistenz beim
Legen und die Nachbe- treuung erfolgen wie bei der Anlage eines zentralen
Venenkatheters. Zusätz- lich ist Folgendes zu beachten:

812

32.6 Pflege von Patienten mit Herzrhythmusstörungen


Abb. 32.30 Implantierter Schrittmacher und EKG, auf dem Spikes zu erkennen sind.

▪ während der SM-Anlage Überwa- chung per Monitor, da durch Vor- schieben der
Sonde Rhythmusstörun- gen auftreten können

▪ Notfallmedikamente, Defibrillator und Intubationsbesteck bereitstellen

▪ Fixierung von SM-Schleuse und -ag- gregat. Elektrodenspitze darf nicht verrutschen.
Überwachung. Der Patient wird darüber informiert, dass er keine extremen Be-
wegungen mit Kopf, Arm oder Schulter ausführen sollte. Kommt es zu einer Dis-
lokation der SM-Sonde ist eine Stimula- tion des Herzens nicht mehr möglich.
Patienten mit geringer oder keiner Ei- genfrequenz müssen ununterbrochen am
Monitor angeschlossen bleiben und Bettruhe einhalten, bis sich die Eigenfre-
quenz stabilisiert bzw. ein permanenter SM implantiert wurde. Ein funktionsfähi-
ger Ersatz-SM bzw. eine Ersatzbatterie sowie frequenzsteigernde Medikamente
(Atropin, Orciprenalin, z. B. Alupent) soll- ten für den Fall eines Geräteausfalls in
Reichweite liegen.

MERKE Die SM-Aktionen sind am EKG-Monitor als strichförmige Spit- zen (Spikes) vor
dem Kammerkomplex erkennbar (Abb. 32.30).

Pflegerische Maßnahmen. Der Patient wird bei den ATL unterstützt, denn er soll Arm-
und Schulterbereich der Schrittmacherseite ruhig halten. Die Mo- bilisation erfolgt
entsprechend. Jede Pflegeperson führt zu Beginn ihrer Pfle- gezeit eine Kontrolle der
Funktionsfähig- keit der SM-Batterie durch. Wird ange- zeigt, dass die elektrische
Aktivität nach- lässt, muss sie ausgetauscht werden. Bei Patienten mit passagerer
Schrittmacher- anlage wird vom behandelnden Arzt in bestimmten Abständen überprüft,
wie hoch die Eigenfrequenz ist, indem die SM-Frequenz kurzfristig reduziert wird.

M E R K E Fällt die Herzfrequenz unter die eingestellte SM-Frequenz und sind keine
SM-Aktionen auf dem Monitor sichtbar, kann entweder eine Dislokation der SM-Sonde
oder eine Störung der Überleitung der SM-Impulse auf das Myokard vorliegen. Hier
muss sofort der Arzt benachrichtigt werden. Die Pflege- person bereitet Atropin bzw.
Orciprenalin (z. B. Alupent) zur i. v.-Injektion vor.

Permanenter Schrittmacher

Bei dauerhaften symptomatischen bra- dykarden Rhythmusstörungen wird ope- rativ ein
permanenter (bleibender) SM implantiert.

Anlage. Unter Lokalanästhesie oder Voll- narkose wird die mit einem Häkchen oder
Schraube versehene Schrittmacher- sonde über die V. cephalica oder V. sub- clavia ins
Herz eingeführt. Je nach Schrittmacherart erfolgt die Platzierung im rechten Vorhof
und/oder in der rech- ten Kammer (2-Kammer-System). Die Implantation des
Schrittmacheraggrega- tes erfolgt in Höhe des linken oder rech- ten M. pectoralis
(Brustmuskel) unter der Haut. Abschließend wird die korrekte Impulsübertragung
überprüft. Die Ope- rationsdauer beträgt ca. 25 – 30 Minu- ten.

Überwachung. Mit einem speziellen Pro- grammiergerät, das mit elektromagneti-

schen Impulsen arbeitet, ist der SM von außen steuerbar. Die korrekte Lage der
Elektroden wird durch ein Röntgenbild dokumentiert. Funktionsstörungen des SM sind
selten, müssen aber durch eine EKG-Kontrolle am OP-Tag und vor der Entlassung des
Patienten überprüft wer- den.

Pflegerische Maßnahmen. Die prä- und postoperative Pflege erfolgt wie bei einem
extraabdominellen Eingriff. Dar- über hinaus gilt:

■ Information des Patienten bei Über- nahme aus dem OP über die einge- stellte SM-
Frequenz

■ Mobilisation des Patienten am OP- Tag, wenn die Grunderkrankung dies zulässt

Bei der Pulsmessung kann zwischen Eigen- und SM-Frequenz nicht exakt un-
terschieden, sondern nur festgestellt werden, ob die eingestellte SM-Frequenz nicht
unterschritten wird.

M E R K E Viele Patienten benöti- gen eine gewisse Zeit, den „Fremdkörper


Schrittmacher“ zu akzeptieren. Manche sorgen sich auch darüber, dass ihr Leben nun
von einem technischen Gerät ab- hängt. Geben Sie den Patienten die Möglichkeit, über
diese Gedanken und ihre Gefühle zu sprechen.

Vor allem ältere Patienten formulieren häufig die Frage, ob sie mit dem SM auch auf
eine natürliche Weise sterben können. Hier ist es wichtig zu betonen, dass das Herz mit
zunehmender Schädi- gung auch seine elektrische Erregbarkeit verliert und die Impulse
des SM nicht mehr beantworten kann.
Gesundheitsberatung

Nach 1 – 3 Monaten nach der SM-Im- plantation werden Wundverhältnisse und


Funktionsfähigkeit des Gerätes in einer Schrittmacherambulanz überprüft. Regelmäßige
Nachsorgeuntersuchungen erfolgen alle 6 Monate. Im Rahmen der
Entlassungsberatung wird der Patient über wesentliche Beachtungspunkte im Umgang
mit seinem Schrittmacher in- formiert (Abb. 32.31).

813

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Gesundheitsberatung permanenter Herzschrittmacher

Grundsätzlich gilt: Bei jedem Schrittmachersystem ist in halbjährigen Abständen eine Nachsorgeu
Funktion und Veränderungen des Krankheitsbildes überprüft und der SM nach den individuelle
programmiert.Ziel: Durch die Beratung soll eine positive Einstellung zu dem implantierten Gerät
Informationen, was im Alltag beachtet werden sollte, damit mögliche Probleme und Störungen vermiede

Verhaltensweisen nach dem operativen Eingriff Nachsorge und Funktionsprüfung Sch

• Weiß der Patient wie er das Wundgebiet • Ist der Patient über die Wichtigkeit der • W
schonen sollte?• Welchen körperlichen regelmäßigen Nachsorgeuntersuchung
Belastungen ist informiert?
• Is
er in seiner häuslichen und beruflichen • Kennt er die Symptome, die auf eine
Umgebung ausgesetzt? Funktionsstörung seines SM hinweisen
können? Info: Die Laufzeit der SM-
Info: In seltenen Fällen können wie bei jedem Batterie beträgt zwischen 6–8 Jahren.
chirurgischen Eingriff Wundheilungs- Bei einer regelmäßi- gen
störungen auftreten. Auch bei einer kom- Kontrolluntersuchung wird eine
plikationslosen Wundheilung benötigen Batterieerschöpfung frühzeitig
Schrittmacheraggregat und Elektrode ca. 4–6 festgestellt, ohne Funktionsausfall.
Wochen, um fest einzuheilen. Dann wird ein ope- rativer
Aggregatwechsel notwendig. SM-
Empfehlung: Bei Rötung, Schwellung,
Elektroden bleiben liegen.
Schmerzen oder Austritt von Wundsekret im
Funktionsstörungen können sich durch
Bereich der Implantationsstelle soll ein Arzt
ungewöhnlich starkes Herzklopfen,
konsultiert werden. In den ersten 2 Wochen
Herz- rasen, Atembeschwerden,
Schwindel oder Synkopen ankündigen.
soll der Arm, auf der Seite der Schrittmacher Auch Ödeme an den Beinen oder
implantiert wurde, nicht über Brusthöhe anhaltender Schluckauf können auf eine
gehoben werden. Dies geschieht, damit der Funktionsstörung hinweisen.
Heilungsprozess nicht gestört und eine Empfehlung:
Dislokation des Schritt- machers verhindert
wird. Sportliche Aktivi- täten und Bewegungen, • Einhaltung der halbjährlichen Routine-
die den Ober- körper beanspruchen, sollten in untersuchungen in SM-Ambulanz
den ersten zwei Monaten unterlassen werden. • Anleitung zur selbstständigen Pulskon- trolle
Danach gelten keinerlei Bewegungseinschrän- (1-mal wöchentlich durchführen) →
kungen.Nur Sportarten, die zur Kontrolle, ob die gemessene Herz-
Traumatisierung der SM-Tasche führen frequenz unter der programmierten SM-
könnten (z. B. Kampf- sportarten) müssen Frequenz liegt
unterbleiben. Besondere berufliche
Belastungen im Arztgespräch abklären. • bei o.g. Symptomen sofortige Arztkon-
sultation

Abb. 32.31 Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei Herzschrittmachern.

32.7 Pflege von Patienten mit einem operativen Eingriff am offenen Herzen

32.7.1 Medizinischer Überblick OperationstechnikDer Zugang zum Herzen erfolgt i. d. R.


über die mediane Sternotomie, d. h. das Brustbein wird mit einer elektrischen Säge
längs gespalten. Der Herzbeutel wird eröffnet. Durch eine spezielle Lö- sung wird das
Herz vorübergehend still- gelegt (Kardioplegie – Herzlähmung) und der
Sauerstoffverbrauch des Her- zens durch Kühlung herabgesetzt. Wäh- rend der
Operationszeit übernimmt die Herz-Lungen-Maschine (HLM) die Auf- rechterhaltung des
Kreislaufes (extrakor- poraler Kreislauf).

Funktion der HLM

Das Blut, das zum Herzen fließt, wird über ein spezielles Schlauchsystem in die Herz-
Lungen-Maschine geleitet und über eine Pumpe zurück in den Körper-

kreislauf gepumpt. Um die Gerinnung des Blutes in der Herz-Lungen-Maschine zu


verhindern, wird hochdosiert hepari- nisiert. In der HLM wird dem Blut durch einen sog.
Oxygenator (Gasaustauscher) CO2 entzogen und Sauerstoff zugeführt. Durch einen
Wärmetauscher kann das Blut zu Beginn der Operation auf 26 – 30 °C (Hypothermie)
herunterge- kühlt bzw. am Ende der Operation wie- der erwärmt werden. Über Filter wird
das Blut von Fremdpartikeln und Blutge- rinnseln gereinigt (Abb. 32.32).

Operationsbeendigung
Nach der Operation wird die Verbindung zwischen Herz und Körperkreislauf wie- der
hergestellt. Sobald das Herz mit Blut durchströmt wird, beginnt es zu schla- gen. Nicht
selten treten Rhythmusstö- rungen auf, die durch Defibrillation be-

hoben werden. Sobald das Herz seine Funktion wieder voll übernehmen kann, wird die
HLM entfernt. Das Operations- gebiet wird mit verschiedenen Ablei- tungssystemen
drainiert. In das Epikard (äußerste Schicht der Herzwand) des rechten Vorhofes und des
rechten Vent- rikels werden Schrittmacherelektroden eingelegt (epikardiale
Schrittmacher- drähte), die durch die Haut nach außen führen. Das Brustbein (Sternum)
wird mit Drahtcerclagen verschlossen. Nach einem Eingriff am offenen Herzen liegt die
Sterblichkeitsrate bei ca. 1 – 2 %. Sie kann sich je nach Zustand der Herz- Kreislauf-
Funktion vor der Operation und durch weitere Begleiterkrankungen bis auf 15 – 20 %
erhöhen.

814

Oxygenator Herz Kohlensäure

A. mammaria interna (MCB)

aortokoronarer Venen-Bypass (ACVB)

5 – 7 cm lange Hautinzision der linken Submammärfalte (Minimierung der


Wundheilungsstörungen). Mit dieser Technik können allerdings nur die Herz-
kranzgefäße der Vorderwand des Her- zens erreicht werden. Etwa 1% aller By-
passoperationen erfolgen mit der mini- mal-invasiven Technik.

MERKE Da bei der MIDCAB- Technik die Pektoral- und Interkostal- muskulatur
durchtrennt wird und die Rippen gespreizt werden, ist dieser Ein- griff im Vergleich zur
medialen Sterno- tomie schmerzhafter. Der postoperative Schmerzmittelbedarf ist
deshalb oft höher als bei einer konventionellen By- passoperation.

OPCAB-Technik. Bei dieser Technik er- folgt der Zugang über die mediale Sternotomie,
da somit alle Herzkranzge- fäße, auch die Koronargefäße der Hinter- wand des
Herzens, zugänglich sind. Wichtig hierbei jedoch ist, dass am schlagenden Herzen ohne
Einsatz der Herz-Lungen-Maschine operiert wird, um den Gesamtorganismus weniger
zu belasten. Mit Hilfe verschiedener Stabili- satoren werden die Koronargefäße fi- xiert,
um ein möglichst bewegungsloses Operieren zu gewährleisten. Die Bypass- anlage am
schlagenden Herzen stellt hö- here Anforderungen an den Chirurgen, hat aber den
Vorteil, dass eine Vielzahl der systemischen Nebenwirkungen (z. B. Aktivierung des
Gerinnungssystems durch die HLM mit Einschränkungen für Lungen- und
Nierenfunktion) wegfallen. Diese Operationstechnik wird insbeson- dere bei
Risikopatienten angewandt mit: ■ Niereninsuffizienz
■ frischem Myokardinfarkt■ ausgeprägter Arteriosklerose und

hohem Schlaganfallrisiko

32.7.3 Medizinischer Überblick Herzklappenfehler

Definition

Als Herzklappenfehler (Klappenvitium) wird eine Funktionsstörung der Herz- klappen


bezeichnet. Sie ist durch eine Verengung (Stenose) und/oder eine Schlussunfähigkeit
der Klappen (Insuffi- zienz) gekennzeichnet.

Formen

Am häufigsten sind die Klappen des lin- ken Herzens betroffen (höhere Druckbe-
lastung). Klappenfehler des rechten Her- zens sind seltener. Sie betreffen dann die
Trikuspidal- oder Pulmonalklappe. Es können auch mehrere Herzklappen gleichzeitig
betroffen sein.

32.7 Pflege von Patienten mit einem operativen Eingriff am offenen Herzen 32

Sauerstoff
Pumpe Wärmetauscher

Filter

Abb. 32.33 Aortokoronarermammaria-koronarer Bypass in der schematischen


Darstellung.

Überbrückungsmaterial verwendet. Die Arterie wird von der Brustwand freiprä- pariert
und direkt hinter der Stenose auf das verengte Gefäß aufgenäht.

M E R K E Bypässe aus Arterien werden bevorzugt eingesetzt, weil die Neigung zur
Arteriosklerose im Lang- zeitvergleich wesentlich geringer ist.

Minimal-invasive Bypasschirurgie

Parallel zu Entwicklungen im Bereich der Allgemeinchirurgie, Gynäkologie und Or-


thopädie wurden auch in der Herzchirur- gie weniger invasive operative Verfahren
entwickelt, die mit speziellen endoskopi- schen Instrumenten durchgeführt wer- den.
Ziele der minimal-invasiven Bypass- chirurgie sind:

■ Verkleinerung des Hautschnittes und Minimierung des Weichteiltraumas

■ Verzicht auf den Einsatz der Herz- Lungen-Maschine und Reduzierung der dadurch
bedingten Komplikatio- nen

■ Verminderung des Operationstrau- mas, Beschleunigung der Rekonvales- zenz und


Verkürzung des Kranken- hausaufenthaltes

■ Verbesserung des kosmetischen Er- gebnisses

Bei der minimalen Bypasschirurgie wer- den als Operationsmethoden die MIDC- AB-
Technik (Minimal Invasive Direct Co- ronary Artery Bypass) sowie die OPCAB- Technik
(Off-Pump Coronary Artery By- pass) unterschieden.
MIDCAB-Technik. Hier erfolgt der Zu- gang zum Herzen nicht über die mediale
Sternotomie sondern über eine ca.

Venenbypass und

Abb. 32.32 Aufbau und Funktionsweise der Herz- Lungen-Maschine.

32.7.2 Medizinischer Überblick koronarer Bypass

Definition

Ein koronarer Bypass ist die operative Überbrückung einer Stenose oder eines
Verschlusses einer oder mehrerer Koro- nararterien. Für diese Umgehung wird eine
Vene oder Arterie verwendet. By- pässe werden besonders bei Patienten mit
hochgradiger 3-Gefäßerkrankung oder Hauptstammstenose zur Behand- lung der KHK
angelegt.

Formen

Es wird unterschieden zwischen aortoko- ronarem Venenbypass (ACVB) und mam-


mariakoronarem Bypass (MCB). Es be- steht auch die Möglichkeit, mehrere By- pässe
einzusetzen. Dann werden die V. saphena ebenso wie die A. mammaria interna
entnommen und als Bypässe ver- wendet (Abb. 32.33).

Aortokoronarer Venenbypass. Beim ACVB wird eine Vene aus dem Bein (z. B. V.
saphena magna) entfernt und als Überbrückungsmaterial verwendet. Die Vene wird
zwischen Aorta und dem betroffenen Koronargefäß eingenäht. Mammariakoronarer
Bypass. Beim MCB wird die innere Brustwandarterie (A. mammaria interna) entnommen
und als

815

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Mitralstenose. Durch Klappenschrump- fung, Verklebung oder Verwachsung kommt es


zu einer Behinderung des Bluteinstroms vom linken Vorhof in den linken Ventrikel.
Folge: verminderte Ventrikelfüllung und Rückstau des Blutes in die Lunge.

Mitralinsuffizienz. Schlussunfähigkeit der 2-zipfligen Segelklappe – Folge: Rückstrom


des Blutes in den linken Vor- hof während der Herzkontraktion (Systo- le).
Aortenstenose. Entleerungsbehinderung der linken Herzkammer durch Veren- gung der
Aortenklappe – Folge: höhere Druckbelastung des linken Ventrikels. Druckgefälle
zwischen linker Kammer und Aorta gibt Auskunft über Schwere- grad der Stenose.

Aorteninsuffizienz. Schlussunfähigkeit der Aortenklappe. Das in der Systole aus-


geworfene Blut fließt während der Dias- tole teilweise wieder in den Ventrikel zu- rück –
Folge: linke Kammer muss größe- re Blutmenge auswerfen, als dem Kör- perkreislauf
tatsächlich zur Verfügung steht.

Ursachen

Herzklappenfehler können angeboren sein, häufiger liegt jedoch ein erworbe- ner
Herzklappenfehler vor. Etwa 90 % der erworbenen Klappenfehler sind Folge einer
oftmals unbemerkten bakteriellen Infektion mit Streptokokken (z. B. Angina tonsillaris,
Scharlach, Erysipel). Be- schwerden treten meist erst Jahre nach der Primärinfektion
auf. Weitere Ursa- chen von Herzklappenfehlern sind:

▪ direkte Schädigung nach infektiöser Endokarditis durch Bakterienein- schwemmung,


z. B. nach ärztlichen Eingriffen

▪ Abriss des Papillarmuskels (Halteap- parat der Mitralklappen), z. B. nach Herzinfarkt

▪ altersbedingte Abnutzungserschei- nungen Symptome Eine Schweregradeinteilung


erfolgt nach

den NYHA-Kriterien (Tab. 32.8). Die Symptome richten sich danach, welche Herzklappe
betroffen ist.

Mitralstenose. Neben den Symptomen der Linksherzinsuffizienz treten folgende


Krankheitszeichen auf:

▪ bläulich-rötliche Färbungen der Wan- gen (Mitralbäckchen)

▪ Dyspnoe, nächtliche Hustenattacken, Zyanose

▪ Leistungsminderung

▪ Extrasystolen und Vorhofflimmern (hohe Thromboemboliegefahr!)

■ Symptome der Rechtsherzinsuffizienz bei zunehmender Druckerhöhung im


Lungenkreislauf

Mitralinsuffizienz. Der unphysiologische Blutrückfluss führt zur Überdehnung des linken


Vorhofes mit■ Vorhofflimmern,

■ Stauungszeichen, Dyspnoe, häufige Infekte der Atemwege und


■ zunehmender Rechtsherzbelastung. Aortenstenose. Die Betroffenen sind lange Zeit
beschwerdefrei. Im fortge- schrittenen Stadium treten folgende Symptome auf:

■ Leistungsminderung■ Angina-pectoris-Beschwerden■ Dyspnoe■ Schwindel und


Synkopen Aorteninsuffizienz. Symptome sind: ■ Belastungsdyspnoe■ Herzklopfen■
Angina-pectoris-Beschwerden■ starke Pulsation der Halsschlagadern ■ große
Blutdruckamplitude

Diagnostik

Zur Sicherung der Diagnose werden fol- gende Verfahren angewandt: ■ Anamnese■
Auskultation (typische Herzgeräusche

feststellbar)■ Röntgen des Thorax■ Ruhe- und Belastungs-EKG■ Echokardiografie■


TEE (Transösophageale Echokardio-

grafie)■ Herzkatheteruntersuchung

Therapie

Im Anfangsstadium einer Funktionsstö- rung der Herzklappen steht die Vermei- dung
körperlicher Überlastungen im Vor- dergrund. Ist die Erkrankung fortge- schritten, sind
die Ziele der Therapie:

satzringes oder eine operative Spren- gung (Erweiterung) der verengten Herz- klappe
(Kommissurotomie).

Klappenersetzendes Verfahren

Ist die erkrankte Herzklappe stark ge- schädigt, muss sie operativ ersetzt wer- den.
Hierzu stehen mechanische und biologische Herzklappen zur Verfügung. Mechanische
Herzklappen. Mechanische Herzklappen bestehen aus hochfesten Materialien und
haben eine unbegrenzte Haltbarkeit (Abb. 32.34 b). Der Schließ- mechanismus kann als
Klickgeräusch wahrgenommen werden. Da Blut dazu neigt, an Fremdoberflächen
Koagel zu bilden, besteht die Gefahr der Klappen- obstruktion durch einen Thrombus
und das erhöhte Risiko einer Thromboembo- lie. Prophylaktisch muss der Träger einer
mechanischen Herzklappe lebenslang gerinnungshemmende Medikamente (z. B.
Marcumar) einnehmen. Biologische Herzklappen. Die sog. Bio- prothesen (Abb. 32.34
a) werden entwe- der aus menschlichem Gewebe von Ver- storbenen
(Homotransplantate) oder Tieren, z. B. Schweinen, Kälbern oder Rindern, entnommen
(Heterotransplan- tate). Handelt es sich um eine Herzklap- pe von Tieren, muss das
tierische Gewe- be chemisch vorbehandelt werden, um Abstoßreaktionen zu vermeiden.
Die biologische Herzklappe verfügt über
eine Haltbarkeit

von ca.

8 – 12

Jahren.

■■

■■

medikamentöse Unterstützung der Kontraktionskraft des Herzens Vermeidung oder


Behebung von Herzrhythmusstörungen

Senkung des Thromboembolierisikos operative Wiederherstellung der


Funktionsfähigkeit der betroffenen Herzklappe

b
816

Bei operativen Eingriffen werden 2 Ver- fahren angewandt: das klappenerhalten- de und
das klappenersetzende Verfah- ren.

Klappenerhaltendes Verfahren

Die eigene Klappe wird erhalten entwe- der durch eine Valvuloplastie oder eine
Klappenrekonstruktion. Bei der Valvulo- plastie wird die verengte Herzklappe mittels
Herzkatheter gedehnt. Bei der Klappenrekonstruktion erfolgt entweder eine Raffung des
erweiterten Klappenan-

Abb. 32.34 a Biologische Herzklappe (Bioprothe- se), b mechanische


Kippscheibenprothese (einflü- gelig).

Neben der Geräuschlosigkeit hat die Bio- prothese den großen Vorteil, dass gerin-
nungshemmende Substanzen nur in den ersten 3 Monaten eingenommen wer- den
müssen, bis eine Epithelisierung der Klappe erfolgt ist. Biologische Herz- klappen
kommen deshalb besonders bei alten Menschen mit Kontraindikation für eine
Marcumarisierung und bei Frauen mit Kinderwunsch zum Einsatz. Minimal-invasive
Herzklappenoperatio- nen. Da das Herz eröffnet werden muss, kann bei einer
Klappenoperation auf die Herz-Lungen-Maschine nicht ver- zichtet werden. Sie wird
über die Leis- tengefäße angeschlossen. Ein minimal- invasiver Eingriff ist jedoch nur
bei iso- lierten Mitral- und Aortenklappenopera- tionen möglich. Müssen mehrere Klap-
pen oder zusätzlich ein Bypass operiert werden, kommt nur die konventionelle Op-
Technik in Frage. Bei der Minimal-in- vasiven Chirurgie der Mitralklappe dient eine
kleine laterale Inzision rechts als Zu- gang. Es kann sowohl eine klappenerhal- tende
Rekonstruktion als auch ein Ersatz der Mitralklappe erfolgen. Bei der mini- mal-
invasiven Chirurgie der Aortenklap- pe erfolgt der Zugang zur Aorta über eine sog. „Z-
Sternotomie“ im oberen Sternumdrittel.

32.7.4 Pflege- und Behandlungsplan

Im Rahmen einer Herzoperation haben Pflegende die Aufgabe der präoperati- ven
Vorbereitung, der postoperative Überwachung und Unterstützung bei den ATL sowie die
Gesundheitsberatung.

Präoperative Vorbereitung

In der präoperativen Phase unterstützt die Pflegeperson den Patienten bei der
Auseinandersetzung mit seinen Gefüh- len und Ängsten und führt alle allgemei- nen
Pflegehandlungen durch, die bei einem extraabdominellen Eingriff not- wendig sind (S.
1220). Besonders vor Herzklappenoperationen müssen chroni- sche Entzündungen
ausgeschlossen wer- den, da Krankheitserreger sich nach der Operation an den
Herzklappen anlagern und eine Sepsis auslösen können. Des- halb sind neben den
kardiologischen Un- tersuchungen auch Befunde anderer Fachdisziplinen (Zahnstatus,
HNO-Konsil, gynäkologischer bzw. urologischer Un- tersuchungsbefund usw.) von
besonde- rer Wichtigkeit.

Stressbewältigung unterstützen

Aufgrund der zentralen Bedeutung des Herzens für Leben und Tod, kommt es bei vielen
Patienten vor der Operation zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen
Sterblichkeit. Informa-

tionen über den Ablauf der Operation, den Einsatz der HLM, die sich daran an-
schließende Intensivtherapie sowie die Aufklärung über potenzielle Komplikatio- nen
können beim Patienten Ängste her- vorrufen. Je nachdem, welche Stressbe-
wältigungsstrategien er verinnerlicht hat und welche sozialen und emotionalen
Unterstützungssysteme (z. B. Partner- schaft, Freunde, Familie) zum Tragen kommen,
können daraus ganz unter- schiedliche Verhaltensweisen resultieren. Von
angepasstem, ängstlich-hilflosem Verhalten, bis zur Gereiztheit und Impul- sivität, sind
vielfältige Reaktionsmuster zu beobachten.

nen Angehörigen aufgebaut werden. Dem Patienten kann ein Teil der Angst genommen
werden, wenn er eine für- sorgliche Atmosphäre und gewissenhaft arbeitende Pflegende
antrifft.

Ein hohes Einfühlungsvermögen ist er- forderlich, um individuelle Stressbewälti-


gungsstrategien des Patienten als solche zu erkennen. Ein respektvoller Umgang und
angemessene Reaktionen auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen, sind für einen
Vertrauensaufbau förder- lich. Ebenso die Vermittlung fachlich kompetenter
pflegerelevanter Informa- tionen.
Körperinspektion und Rasur

Bei der Rasur des OP-Gebietes (S. 1224) wird eine Hautinspektion vorgenommen.
Sowohl bei einem minimal-invasiven Ein- griff als auch bei der konventionellen
Operationstechnik erfolgt die Rasur fol- gender Körperteile:

■ gesamter Brustkorb (vom Hals bis zur Schambehaarung unter Einbeziehung der
Achselhaare,

■ behaarte Unterarme für venöse und arterielle Zugänge

■ beide Beine einschließlich Leistenbe- reich (zur Gefäßentnahme bei ge- planter
Bypass-Operation)

Die Maßnahmen zur Körperhygiene rich- ten sich nach dem Allgemeinzustand des
Patienten. Ist der Patient kardial belast- bar, sollte er am Vorabend vor der Ope- ration
oder am frühen Morgen duschen. Bei stark eingeschränkter Herz-Kreislauf- Situation
erfolgt durch die Pflegeperson eine sorgfältige Ganzkörperwaschung im Sinne einer
entlastenden Pflege.

Abb. 32.35 Bei einseitiger unkontrollierter Belas- tung des Brustkorbs besteht die Gefahr
der Thorax- instabilität. Die auf dem Thoraxbild sichtbaren Drahtcerclagen könnten sich
verschieben oder ein- reißen.

Postoperativ benötigte Fähigkeiten trainierenNach der OP sind durch Thoraxöffnung


und Drainagesysteme die Bewegungen des Patienten eingeschränkt. Deshalb wird er
bereits präoperativ angeleitet, den Bettbügel mit beiden Händen gleichzeitig zu
benutzen, damit er diese Maßnahme postoperativ direkt nutzen kann. Zusätzlich werden
Aufstehtechni- ken eingeübt, bei denen der Brustkorb fixiert bleibt und nicht einseitig
belastet wird. Der thoraxchirurgische Eingriff er- fordert aufgrund einer erhöhten Pneu-
moniegefahr die präoperative Einübung gezielter atemtherapeutischer Maßnah- men,
auch bei einer minimal-invasiven Op-Technik.

MERKE Eine einseitige und un- kontrollierte Belastung des Brustkorbes birgt die Gefahr
der Sternuminstabilität. Dabei werden die Drahtcerclagen

(Abb. 32.35) verschoben oder reißen aus. Sie fixieren so die beiden durchtrennten
Knochenplatten nicht mehr; das Kno- chenwachstum wird gestört.

Postoperative Überwachung

Nach herzchirurgischen Eingriffen kann plötzlich ein Herz-Kreislauf-Versagen auftreten.


Verantwortlich hierfür sind häufig Herzrhythmusstörungen oder das Auftreten einer
Herzbeuteltampona- de. Neben den allgemeinen postoperati- ven
Beobachtungsmaßnahmen richtet sich die Aufmerksamkeit besonders auf die in Abb.
32.36 aufgeführten Überwa- chungsmaßnahmen.

Postoperativ bei den ATL unterstützen

Besonders in der ersten Zeit nach der Operation ist der Patient auf die Hilfe

32.7 Pflege von Patienten mit einem operativen Eingriff am offenen Herzen

PRAXISTIPP

Schon vor der Herzoperation sollte eine vertrauensvolle Pflegebeziehung zum Patienten
und sei-

817

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems


Postoperative Überwachung nach operativem Eingriff am Herzen

Grundsätzlich gilt: Im Anschluss an die Operation wird der Patient auf einer Intensivstation nachb
Katecholaminen stabilisiert (z. B. Dobutamin, Suprarenin). Nach 2– 4 Tagen wird der Patient auf eine A
engmaschige Überwachung.Ziel: Auftretende Komplikationen frühzeitig erkennen bzw. diesen schnellst

Wundgebiet und Dränagesystem Herz-Kreislauf-System Atm

Fachinformation: Nach der medianen Fachinformation: Aufgrund z. B. von Flüs- Fa


Sterniotomie hat der Patient eine OP-Wunde sigkeits-und Elektrolytverschiebungen oder Ge
im Sternumbereich und an der Hautober- kardialer Hypoxie können Herzrhythmus- Fa
fläche mit einer Naht fixierte Schrittmacher- störungen auftreten. Bei Herzklappenopera-
elektroden.Im Wundgebiet liegen verschiedene tionen besteht beim Einnähen der künst- lichen • L
Saug- drainagen: substernale Dränagen (unter Klappen die Gefahr der Verletzung des
dem Sternum), Perikarddränagen (im Reizleitungssystems → Folge: bleibender AV-
• l
Herzbeutel) und Pleuradränagen (bei Block II. – III. Grades.
Präparation derA. mammaria).Die Dränagen • S
sind an Sog angeschlossen, damit der Gefahr einer Herzbeuteltamponade (bis zum
Unterdruck im Pleuraspalt auf- rechterhalten 10. postoperativen Tag) durch: Ergussbildung • E
und das Wundsekret abge- saugt wird. oder Einbluten in den Herz- beutel. Das Herz
wird komprimiert und in seiner Pumpfähigkeit
Maßnahmen und Beachtungspunkte: eingeschränkt. Symptome sind anfangs
• f
• genaue Überwachung der Sekretmenge • Blässe,
(Nachblutungsgefahr!) und des Thorax-
saugsystems (Pneumothoraxgefahr!) • Dyspnoe,

• Dränagen mittels Rollerklemme „melken“, um • Halsvenenstauung und ZVD-Erhöhung • k


Dränagefluss zu gewähr- leisten → • später kardiogener Schock mit RR- Abfall,
Monitorkontrolle, weil Herz- Tachykardie und Oligurie bis zum Herz-
rhythmusstörungen auftreten können Kreislauf-Stillstand. Therapie: operative
• Entfernung der Dränagen zwischen 2. und Entlastung durch Perikardiotomie. • Ü
4.postoperativem Tag → danach Maßnahmen und Beachtungspunkte:
Röntgenkontrolle • Blutdruckkontrollen und Monitorüber-
• jeden 2. Tag Verbandwechsel und In- wachung
spektion von Operationswunde und • bei Rhythmusstörungen (bradykard
Dränageeinstichstellen auf Entzün- oder tachykard) und
dungszeichen antiarrhythmischer Therapie →
• „Knackgeräusch“ bei Husten und tast- bare Anschluss eines Herz-
erhöhte Beweglichkeit beider schrittmachers an SM-Elektroden
Sternumteile weisen auf eine Sternum-
• Elektrolytkontrolle mit besonderer
instabilität hin → Arztinformation Beachtung des Kaliumspiegels →
• Entfernung der SM-Elektroden nach 8–10 Wert sollte sich zwischen 4,5 –
Tagen durch den Arzt 5,0 mmol einpendeln (je nach
Klinikstandard).

Flüssigkeitshaushalt und Ausscheidung Bewusstseinszustand

Fachinformation: 1–8 Tage


ein akuter Verwirrtheitsz
halluzinieren und sind zeitli
Fachinformation: Als Reaktion auf die HLM, besonders durch den orientiert. Als Ursachen wer
Kontakt des Blutes mit Fremdmaterial und den geänderte Perfusions-
verhältnissen, entsteht eine höhere Zellmembrandurchlässigkeit.Es • die extrakorporale Zirkula
gelangt vermehrt Flüssigkeit ins Interstitium → Ödembildung. Nicht
• die Hypothermie
selten ist eine postoperative Gewichtszunahme von 2–5 kg über dem
Ausgangsgewicht zu beobachten. Außerdem können Störungen der • die Nebenwirkungen der
Magen-Darm-Passage (bis hin zum paralytischen Ileus) auftreten durch
• einepostoperativeDehydr
• Perfusionsveränderungen während der HLM-Zeit,
• Elektrolytverschiebungen
• Narkotika- und Schmerzmittelgabe sowie
• Begleiterkrankungen (z. B
• eingeschränkter Mobilität.Der Patient sollte zwischen dem 3. und 4.
postoperativen Tag abge- führt haben. Maßnahmen und • prä- und postoperative S
Beachtungspunkte: gefährdet → Zustan
normalisiert sich j
• Überwachung der Nierenfunktion mittels Bilanzierung Unruhe- und Gereizt
Syndroms hinwei
• 2x tgl. Gewichtskontrolle mit Sitzwaage Verwirrtheitszustand
• langsames Ausscheiden der Ödeme mit Diuretika nach ärztl. AO und Sedativa verabreicht
Kaliumkontrolle • Beobachten auf
• bei Erreichen des Ausgangsgewichtes Entfernung des Blasen- Katheter oder
katheters • Ruhe- und Erholun
• Kontrolle der Darmperistaltik • Schutz vor starken
• ggfs. Defäkation mit leichtwirksamen Laxanzien oder z. B. mit Klysma • Orientierungshilfen
einleiten Info der Angeh

• konkrete und pr
Pflegemaßnah
Abb. 32.36 Postoperative Überwachung eines Patienten nach einem Eingriff am Herzen.

818

der Pflegeperson bei einigen Verrichtun- gen der ATL angewiesen.

ATL Sich bewegen

Bereits am 1. postoperativen Tag wird der Patient, sofern es seine Kreislaufsi- tuation
zulässt, mobilisiert. In den ersten Wochen nach der Operation sollte der Patient im Bett
eine Rückenlage einneh- men, da bei einer (90°) Seitenlage das Brustbein gestaucht
werden kann. Es dürfen keine ruckartigen Bewegungen und Verdrehungen des
Brustkorbes er- folgen. Aufgrund der Operationsdauer (ca. 3 – 4 Std.), des
extrakorperalen Kreislaufes und der Hypothermie besteht bereits intraoperativ ein hohes
Dekubi- tusrisiko. Schwer mobilisierbare und kreislaufschwache Patienten können in
eine 30°-Seitenlagerung gebracht wer- den. Auch beim Sitzen im Sessel kom- men bei
dekubitusgefährdeten Patienten Weichlagerungsmaterialien zur besseren
Druckverteilung zur Anwendung.

PRAXISTIPP Die Frühmobili- sation hat neben ihrer prophylaktischen Wirkung auch die
Funktion das Selbstsi- cherheitsgefühl des herzoperierten Menschen zu stabilisieren.

Viele Patienten klagen nach der Opera- tion über Verspannungen und Schmer- zen im
Rücken. Ursache hierfür kann der intraoperativ eingesetzte Thorax- sperrer sein, mit
dem der knöcherne Brustkorb 1 – 2 Std. auseinander ge- dehnt wurde. Durch diese
Brustkorb- überdehnung wird ein erhöhter Druck von den Rippen und der Schulterblätter
auf die Wirbelsäule und die dazwischen liegende Rückenmuskulatur ausgeübt und
dabei evtl. Nerven komprimiert. Mittels rhythmischer Einreibungen, Wär- mebehandlung,
der Einleitung einer Massagetherapie wird die Durchblutung der Rückenmuskulatur
verbessert, der Spannungszustand gelockert und die Schmerzen gelindert.

32.8 Pflege von Patienten mit akutem Herz-Kreislauf-Stillstand Operation werden dazu
beraten, dass

ATL Atmen

Bei thoraxchirurgischen Eingriffen be- steht eine erhöhte Pneumoniegefahr. Die


präoperativ eingeübte Atemtherapie kommt bereits am 1. postoperativen Tag zum
Einsatz. Bei der Atelektasen- und Pneumonieprophylaxe ist zu beachten, dass der
Patient:

■ kontinuierlich Schmerzmittel erhält, um ein schmerzfreies Durchatmen und Abhusten


zu gewährleisten

■ ein Tricodur (Stütz- und Entlastungs- verband) um den Brustkorb herum angelegt
bekommt

■ angeleitet wird, beim Abhusten mit beiden Händen einen Gegendruck auf das
Brustbein auszuüben, um den Druck auf das Sternum zu reduzieren

■ eine intensive Atemtherapie erhält

ATL Essen und trinken, ATL Ausscheiden

Zur Aufrechterhaltung seines Wasser- und Elektrolythaushaltes erhält der Pati- ent
Elektrolytlösungen über einen zent- ralen Venenkatheter (ZVK, S. 698). Be- reits 4 – 6
Std. nach der Extubation darf er trinken. Die Infusionstherapie wird dann der
Trinkmenge entsprechend re- duziert. Treten weder Übelkeit noch Er- brechen auf, wird
schrittweise mit dem Kostaufbau begonnen. Hat der Patient abgeführt, kann er wieder
normal essen. Der ZVK wird möglichst zwischen dem 4. oder 5. postoperativen Tag ent-
fernt. Voraussetzung hierfür sind ein ausgeglichener Flüssigkeits- und Elektro-
lythaushalt und ein komplikationsloser Genesungsverlauf.

PRÄVENTION & GESUND-

HEITSFÖRDERUNG Bei kom- plikationslosem Verlauf wird der Patient nach 10 – 12


Tagen in die Innere Abtei- lung eines Krankenhauses oder direkt in eine
Rehabilitationsklinik verlegt.

Gesundheitsberatung

Hierbei geht es v. a. um die Prävention erneuter Arteriosklerosen, die Antiko-


agulationstherapie und die Endokarditis- prophylaxe. Patienten nach einer Bypass-

auch ihre implantierten Gefäße durch ar- teriosklerotische Ablagerungen wieder verengt
werden können. Alle arterioskle- rosefördernde Risikofaktoren sollten des- halb
möglichst reduziert bzw. ausge- schalten werden. Antikoagulationstherapie. Um eine
Thrombosierung der Bypässe zu verhin- dern, müssen Patienten neben ihren
Herzmedikamenten täglich Azetylsalizyl- säure (Aspirin) einnehmen. Eine Antiko-
agulationstherapie (z. B. mit Marcumar) soll beim Einsatz einer mechanischen
Herzklappe eine Klappenobstruktion durch Thrombenbildung verhindern. Zum einen
erhält der Patient einen Mar- cumarpass, in dem die täglich einge- nommene
Medikamentendosis und die aktuellsten Gerinnungswerte dokumen- tiert werden
(Quick/INR). Zum anderen wird ihm ein Herzklappenpass ausge- stellt, aus dem
hervorgeht, was für eine Herzklappe von welchem Hersteller er bekommen hat.
Endokarditisprophylaxe. Gleichzeitig be- steht nach dem Einsatz einer künstlichen
Herzklappe ein erhöhtes Endokarditisrisi- ko. Über kleine Hautverletzungen, Zahn-
wurzelvereiterungen, Halsentzündungen usw. können sich Erreger im Bereich der
künstlichen Herzklappe anlagern. Zum einen besteht hierbei eine Sepsisgefahr. Zum
anderen kann es infolge der ent- zündlichen Veränderungen am Herzen zu
Gewebedefekten im Bereich der Klap- pennaht kommen (paravalvuläres Leck). Aus
diesen Gründen muss bei allen Ein- griffen im Mund und Rachenbereich, bei allen
Operationen oder Eingriffen an den oberen Luftwegen und im Gastrointesti- nal- und
Urogenitalbereich eine Endokar- ditisprophylaxe mit Antibiotika erfolgen.

PRÄVENTION & GESUND-

HEITSFÖRDERUNG Patien- ten können über die Herzstiftung (www. herzstiftung.de)


ein Merkblatt zur Endo- karditisprophylaxe beziehen, auf dem die aktuellsten
Informationen und Therapie- vorschläge aufgeführt sind.

32.8 Pflege von Patienten mit akutem Herz-Kreislauf-Stillstand

Matthias Grünewald

32.8.1 Medizinischer Überblick

Definition

Als akuter Herz-Kreislauf-Stillstand wird das plötzlich und unerwartet auftreten- de


Versagen der Funktionen von Herz,

Kreislauf und Atmung bezeichnet. Durch die Unterbrechung der Blutzirku- lation werden
die Organe nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Der Sauerstoffman- gel führt in kurzer
Zeit zu einem Zell-

untergang und damit zu irreversiblen Or- ganschädigungen.

819

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Arten

Es wird zwischen verschiedenen Arten des Herz-Kreislauf-Stillstandes unter- schieden


(Abb. 32.37). Kammerflimmern. Dies ist eine unkoor- dinierte elektrische Aktivität des
Herz- muskels ohne Auswurfvolumen des Her- zens. Im EKG zeigen sich
unregelmäßige, hochfrequente Ausschläge ohne Kam- merkomplex und P-Welle. Das
Kammer- flimmern ist die häufigste Art des Herz- Kreislauf-Stillstands bei Erwachsenen
und geht unbehandelt in eine Asystolie über.

Asystolie. Dabei ist der Herzmuskel be- wegungslos. Vom Reizleitungssystem des
Herzens gehen keine Impulse aus. Im EKG ist eine flache, leicht wellenför- mige
Grundlinie („Nulllinie“) zu erken- nen.

Pulslose elektrische Aktivität. Bei dieser seltenen Art des Herz-Kreislauf-Stillstan- des,
auch PEA genannt, kommt es bei erhaltener elektrischer Aktivität nicht zur
mechanischen Aktivität des Herzens. Es kann ein leicht verändertes EKG dar- gestellt
werden, obwohl ein Kreislaufstill- stand vorliegt.

Asystolie

Kammerflimmern

Pulslose elektrische Aktivität (PEA)

Abb. 32.37 Monitor-EKG bei Herz-Kreislauf-Still- stand.

820

Tab. 32.13 Häufige Ursachen für einen Herz-Kreislauf-Stillstand.

Ursachen

Verschiedene Unfälle oder Erkrankungen können Auslöser eines Herz-Kreislauf-


Stillstandes sein. Die wichtigsten Ursa- chen sind in Tab. 32.13 zusammenge- fasst. In
der Bundesrepublik Deutschland sterben jährlich etwa 100 000 Menschen am
plötzlichen Herztod.

Symptome

Ein Herz-Kreislauf-Stillstand äußert sich durch sog. spezifische (sichere) und un-

mal defibrilliert, bevor sein Herz wieder zu schlagen begann. Anschließend brachte ihn
der Notarzt in die nächste Klinik. Auf der Intensivstation wurde ein Herzinfarkt
festgestellt und behandelt. Der Genesungsprozess brauchte seine Zeit, verlief aber
ohne weitere Kompli- kationen. Nach der Rehabilitation ent- schied sich Herr Weimar,
beruflich kürzer zu treten. Rückblickend berichtete er, dass er nach dem Infarkt sein
Leben aus einer anderen Perspektive sehen würde. Vieles sehe er heute anders als
früher. Er empfinde das Leben intensiver. Über sein Erleben des Herz-Kreislauf-
Stillstandes hat er lange Zeit nicht, auch nicht mit seiner Frau, gesprochen. Heute sagt
er, das Schlimmste sei gewesen, dass er blitzartig das Gefühl hatte, jetzt geht es zu
Ende, ohne etwas dagegen ausrichten zu können. Über die Möglichkeit seines eigenen
Todes hätte er vorher nie ernst- haft nachgedacht.

Diagnostik

Eine sichere Diagnosestellung erfolgt ohne technische Hilfsmittel. Bewusst- sein,


Atmung und weitere Lebenszeichen werden beurteilt. Die Diagnose muss

Anatomie und Physiologie

im Fokus

Bei einem akuten Herz-Kreislauf-Still- stand werden die Blutzirkulation und damit die Sauerstoffzufuhr u
kommt es meist schon nach 4 – 6 Mi- nuten zum unumkehrbaren Unter- gang von Zellen. Dieser Zus
Die Zeit zwischen Eintreten des Herz- Kreislauf-Stillstandes und dem biologi- schen Tod wird als klinisc
(Wie- derbelebungszeit) kann ein Mensch erfolgreich reanimiert werden.

spezifische (Tab. 32.14).

(unsichere)

Symptome

Plötzlich war es da. Herr Weimar spürte noch kurz einen

vernichtenden, stechenden Schmerz in seiner Brust und linken Schulter, bevor er das
Bewusstsein verlor und zusammen- brach.

In der belebten Fußgängerzone war er schnell von Passanten umringt, die hel- fen
wollten oder nur der Sensation wegen stehen blieben. Er hatte Glück. Ein junges Paar
erkannte die Situation und fing sofort mit der Wiederbelebung an. Eine andere
Passantin alarmierte den Notarzt, der nach fünf Minuten zur Stelle war. Herr Weimar
wurde von ihm drei-

FALLBEISPIEL

Störungen der Atmung


Hypoxie und Hyperkapnie bei Verlegung der ➜ durch zurückfallenden Zunge Atemwege ➜ Fremdkörp
(Zahnprothesen) ➜ Erbrochenes, Bronchospasmus

➜ Laryngospasmus

zentrale Atemdepression ➜ Opiate, Sedativa, Hypnotika, Inhalations- anästhetika

➜ Schädelhirntrauma

„Schädigung der Atempumpe" ➜ Thoraxverletzungen ➜ Pneumothorax

Ertrinken und Beinahe-Ertrinken

Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion

Reizbildungs-undReizleitungsstörungen ➜ Myokardinfarkt➜ Medikamentenüberdosierung

➜ Störungen des Wasser-Elektrolyt-Haus- halts (besonders Hypo- und Hyperkali- ämie)

Schockzustände verschiedener Ursache

traumatische Schädigung des Herzens

Tab.32.14 SymptomedesHerz-Kreislauf-Stillstands.

spezifische Symptome Symptomeintritt

➜ Bewusstlosigkeit ➜ 6–12Sek.nachKreislaufstillstand ➜ Atemstillstand ➜ 15


60Sek.nachKreislaufstillstand ➜ Abwesenheit von weiteren Lebenszeichen

(Husten, gezielte Bewegung)

unspezifische Symptome Symptomeintritt


➜ keine Herztöne hörbar ➜ sofort ➜ Blutdruck nicht messbar ➜ sofort ➜ Zyanose➜ graue Hautfarbe

➜ weite lichtstarre Pupillen

schnell und zuverlässig gestellt werden. Das zweifelsfreie Erkennen der Situation ist
Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

M E R K E In keinem Fall sollten unsichere Zeichen beurteilt werden. Das Messen des
Blutdrucks oder Abhören von Herztönen führt zu keinen verwert- baren Aussagen und
kostet unnötige Zeit.

Therapie

Die Behandlung der Wahl ist die Durch- führung einer kardiopulmonalen Reani- mation
(CPR). Hierbei wird unterschie- den zwischen:

▪ lebensrettende Sofortmaßnahmen (Basic Life Support, Abb. 32.38.)

▪ erweiternde Maßnahmen (Advanced Life Support, Abb. 32.43) Mit der


kardiopulmonalen Reanimation wird eine Reihe von therapeutischen Maßnahmen
bezeichnet, die geeignet sind, in der Phase des klinischen Todes die Versorgung
der Organe mit Sauer- stoff aufrechtzuerhalten oder wiederher- zustellen, um den
biologischen Tod zu verhindern. Seit ihrer Erstbeschreibung im Jahre 1960 ist die
CPR zum Standard- vorgehen bei einem Herz-Kreislauf-Still- stand geworden.
Seit dem Jahr 2000 werden in fünfjährigem Rhythmus welt- weit abgestimmte
wissenschaftlich fun- dierte Leitlinien zur CPR herausgegeben. Die unten
dargestellte Vorgehensweise basiert auf den Leitlinien des European
Resuscitation Council (ERC) vom Novem- ber 2010. Prognose In der
medizinischen Literatur werden Überlebensraten beim behandelten aku- ten
Herz-Kreislauf-Stillstand von 5 – 20 % genannt (Peberdy, 2008). Das Ergebnis
einer CPR ist von verschiedenen Fakto- ren abhängig. Neben der Grunderkran-
kung beeinflusst die Dauer des Herz- Kreislauf-Stillstandes den Erfolg erheb- lich.
Je früher die lebensrettenden So- fortmaßnahmen und die erweiterten
Maßnahmen zur Reanimation einsetzen, desto besser sind die Ergebnisse.
32.8.2 Pflege- und Behandlungsplan Viele Menschen sind nach einer erfolg-
reichen Reanimation lange Zeit nicht in der Lage, das Erlebte in Worte zu fassen.
Einige Menschen, die einen klinischen Tod überlebten, berichten über Erlebnis-
se von großer Intensität. Das Er- und Überleben eines Herz-Kreislauf-Stillstan-
des stellt eine existenzielle Krise für die Betroffenen dar, die oft als markanter
Punkt in der individuellen Biografie ver- ankert bleibt.

Erleidet ein Mensch zuhause oder im Krankenhaus einen akuten Herz-Kreis- lauf-
Stillstand ist ein strukturiertes Vor- gehen nach einem festgelegten Hand- lungsplan
erforderlich. Nur auf diesem Weg kann ein zielgerichtetes, koordinier- tes und effektives
Handeln bei einer Wie- derbelebung erreicht werden. Alle Pfle- genden müssen die
Handlungspläne kennen und anwenden können. Weitere Aufgaben für die Pflege
ergeben sich, wenn die Reanimation erfolgreich durch- geführt wurde (s. Kapitel 31.8.3).

ja

Handlungsplan „Basic Life Support” (BLS)Den lebensrettenden Sofortmaßnahmen


kommt im Rahmen der kardiopulmona- len Reanimation eine wichtige Rolle zu. Der
Handlungsplan lebensrettender So- fortmaßnahmen ist in Abb. 32.38 darge- stellt. Zu
den lebensrettenden Sofort- maßnahmen zählen:

1. Bewusstsein überprüfen 2. Atemwege freimachen, 3. weitere Hilfe veranlassen, 4.


Kardiokompression,

5. Frühdefibrillation und 6. Beatmung

Kollabierter Patient

Reagiert der Patient?

nein

Normale Atmung?

32.8 Pflege von Patienten mit akutem Herz-Kreislauf-Stillstand

Patienten überwachen, Notfallteam verständigen Sauerstoff verabreichen i.v.-Zugang

Stabile Seitenlage

ja
AED holen lassen

nein

Notruf veranlassen

sobald AE

Die lebensrettenden Sofortmaßnahmen

Abb. 32.39 a Atemwege freimachen, b Atemwege überprüfen.

müssen so früh wie möglich einsetzen. Sie können prinzipiell an jedem Ort und ohne
weitere Hilfsmittel auch durch ge- schulte Laienhelfer ausgeführt werden. Besonders
außerhalb des Krankenhauses ist vor Beginn der CPR auf eine Reduk- tion der durch
das Umfeld bedingten Gefahren für Opfer und Helfer zu achten. Damit ist z. B. die
Absicherung einer Un- fallstelle gemeint.

MERKE Pflegepersonen sind durch ihre berufliche Ausbildung ver- pflichtet, qualifizierte
Hilfe zu leisten.

Bewusstsein überprüfen
Im ersten Schritt wird das Bewusstsein des Patienten überprüft. Dazu wird er laut und
deutlich angesprochen und vor- sichtig an der Schulter geschüttelt. Re- agiert der
Patient durch Antworten oder gezielte Bewegung, liegt kein Herz-Kreislauf-Stillstand vor,
da das spe- zifische Symptom der Bewusstlosigkeit fehlt. In dieser Situation wird der
Patient weiter überwacht und es wird weitere medizinische Hilfe veranlasst.

Reagiert der Patient nicht und sind Sie allein, rufen Sie laut um Hilfe. Drehen Sie dann
das Opfer ggf. auf den Rücken und öffnen Sie die Atemwege.

Atemwege freimachen

Der Atemweg wird durch vorsichtiges Überstrecken des Kopfes und Anheben des Kinns
freigemacht (Abb. 32.39 a). Sichtbare Fremdkörper im Mund des Pa- tienten müssen
zunächst entfernt wer- den. Dazu zählen auch dislozierte Zahn- prothesen. Fest
sitzende Zahnprothesen sollten belassen werden. Der Helfer soll- te sich in jedem Fall
durch das Tragen geeigneter Handschuhe schützen. Die Atmung wird durch Sehen,
Hören und Fühlen überprüft (Abb. 32.39 b).

ab

PRAXISTIPP Im Krankenhaus kann zum Entfernen von Blut, Sekret oder flüssigem
Erbrochenem auch ein großlumiger Absaugkatheter eingesetzt werden.

Die Atmung wird durch sehen, hören und fühlen überprüft (Abb. 32.39 b). Eine agonale
Atmung (gelegentliches Seufzen, Schnappen, sehr flach und un- regelmäßig) darf nicht
mit normaler At- mung verwechselt oder als ein Lebens- zeichen gedeutet werden. Zur
Beurtei- lung, ob eine ausreichende Atmung vor- liegt, dürfen nicht mehr als zehn
Sekun- den verwendet werden. Ein bewusstlo- ser, aber ausreichend spontan atmender
Patient wird in die stabile Seitenlage ge- bracht (Abb. 32.40) und weiter über- wacht.
Dann liegt kein Herz-Kreislauf- Stillstand vor.

Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Kopf in Mittelstellung verbleibt.

Weitere Hilfe veranlassen

Atmet der Patient nicht oder sehr flach und unregelmäßig muss ein Notruf ver- anlasst,
ein AED (automatisierter exter- ner Defibrillator) wenn verfügbar und das weitere
Notfallequipment geholt

werden. Damit sollte nach Möglichkeit eine dritte Person beauftragt werden. Ist der
Helfer allein, muss er entschei- den, ob die Reanimationsmaßnahmen kurzzeitig
unterbrochen und der Patient verlassen werden kann. Ist es möglich, innerhalb von 90
Sekunden Hilfe und das Notfallequipment zu holen, sollte das in diesem Fall Vorrang
haben. An- schließend kehrt der Helfer unverzüglich zum Patienten zurück.
Kardiokompression

Im nächsten Schritt wird der Kreislauf überprüft. Hierzu achtet der Helfer neben dem
Bewusstsein und der At- mung auf weitere Lebenszeichen wie ge- zielte Bewegung
oder Husten. Werden keine Lebenszeichen festgestellt, wird unverzüglich mit der
Kardiokompression begonnen, da der Patient als klinisch tot gilt.

Die Palpation des Pulses der A. carotis wird grundsätzlich nicht empfohlen, da auch
erfahrene Helfer häufig nicht zu einer korrekten Einschätzung gelangen. Nur in
klinischer Untersuchung ausgebil- dete und erfahrene Mitarbeiter sollen versuchen, den
Karotispuls zu tasten und zugleich auf Lebenszeichen zu ach- ten. Die Überprüfung des
Kreislaufs darf 10 Sekunden nicht überschreiten.

In der Phase des klinischen Todes wird versucht, die Blutzirkulation zur Sicher- stellung
der Sauerstoffversorgung mit-

MERKE

Liegt der Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule vor, darf der Kopf nicht
überstreckt werden.
Abb. 32.40 Der bewusstlose und spontan atmende Mensch wird in die stabile
Seitenlage gebracht. 822

32.8 Pflege von Patienten mit akutem Herz-Kreislauf-Stillstand


▪ Druckpunkt in der Mitte der Brust aufsuchen

▪ Brustbein zügig 5–6 cm in Richtung Wirbelsäule mit einer Frequenz von 100–120/min
nach unten drücken

den Mamillen. Die Handballen beider Hände werden übereinander gelegt und auf dem
Druckpunkt aufgesetzt. Das Brustbein wird beim Erwachsenen 5 – 6 cm in Richtung
Wirbelsäule mit einer Frequenz vom 100 – 120 / Minute eingedrückt (Abb. 32.41).

PRAXISTIPP Befindet sich der Patient in einem Krankenbett, gelingt dies nur, wenn eine
harte Unterlage unter den Brustkorb geschoben wird. Moderne Krankenhausbetten
verfügen über entnehmbare Kopf- und Fußteile, die zu diesem Zweck verwendet
werden können.

Das Auswurfvolumen des Herzens ist bei der Kardiokompression deutlich geringer als
unter normalen Kreislaufbedingun- gen und ist abhängig von der Qualität der
Ausführung und der Kontinuität. Der Brustkorb muss nach jeder Kardio- kompression
vollständig entlastet wer- den und die Phase der Kompression und der Entlastung
jeweils gleich lang sein. Typische Komplikationen sind in Tab. 32.15 zusammengestellt.

M E R K E Beatmung und Kardio- kompression müssen, solange der Pati- ent nicht
intubiert ist, in einem Verhält- nis von 30 Kompressionen und 2 Beat- mungen
synchronisiert werden. Das gilt unabhängig von der Zahl der Helfer (Abb. 32.42).

Fall, wenn die Schultern senkrecht über den Druckpunkt liegen und die Ellbogen
gestreckt sind.

Frühdefibrillation

durch einen gezielten Stromstoß zeit-

30x 30x 30x


2x 2x usw.
▪ Ellbogen gestreckt lassen, Schultern senkrecht über dem Druckpunkt

▪ Brustkorb ent- lasten, Hände jedoch auf dem Brustkorb belassen

5–6 cm

2x

2x

30x

30x

Abb. 32.41 Durchführung der Kardiokompression.

tels Kardiokompression wieder herzu- stellen. Dabei wird das Herz rhythmisch zwischen
Brustbein und Wirbelsäule komprimiert, der Druck im Brustkorb er- höht und dadurch ein
Blutfluss erzeugt (Abb. 32.41).

Stillstand damit ausgeschlossen, wird der nicht atmende Patient so lange weiter-
beatmet, bis wieder eine ausreichende Atmung vorhanden ist.

terbrochen werden. Bei jeder Unterbre- chung wird auch der Blutfluss unterbro- chen.
Bei der Wiederaufnahme der Kar- diokompression sind die ersten Kom- pressionen
weniger effektiv als die fol- genden.

Technik der Kardiokompression. Das Aufsuchen des Druckpunktes wurde ver- einfacht.
Beim Erwachsenen liegt der Druckpunkt auf dem Sternum in der Mitte des Brustkorbes.
Dies entspricht dem unteren Sternumdrittel zwischen

PRAXISTIPP

Abb. 32.42 Kardiopulmonale Reanimation in Form der a Ein-Helfer-Methode, b Zwei-


Helfer-Methode.

gleich depolarisiert und sind für einen neuen Reiz empfänglich. Dadurch be- steht die
Möglichkeit, das Kammerflim- mern zu unterbrechen und einen nor- malen
Herzrhythmus wiederherzustel- len.

Bei Kammerflimmern ist die frühzeitige Defibrillation die entscheidende lebens- rettende
Maßnahme. Jede Minute Verzö- gerung einer erforderlichen Defibrillation reduziert die
Überlebenschancen für den Patienten um 10-15 %. Aus diesem Grund sind
automatisierte externe Defi- brillatoren (AED, Abb.32.43) entwickelt worden, die
Defibrillation auch Nicht- Ärzten ermöglicht.

usw.

MERKE

Während einer Kardiokompression sollten die Helfer kräfteschonend arbeiten. Dies ist
der

Sind Lebenszeichen si- cher vorhanden und ein Herz-Kreislauf-

MERKE

DEFINITION

Die Kardiokompression stellt die wichtigste Maßnahme bei der kardiopulmonalen


Reanimation dar und darf deshalb so wenig wie möglich un-

Bei der Defibrilla- tion werden die Zellen des Herzens


Tab.32.15 KomplikationenderKardiokompression.

Komplikation Lage des Druckpunktes Präventionsmaßnahmen

➜ Rippen- und Sternumfraktur ➜ außerhalb der Sternum- mitte ▪

➜ Pneumo-undHämatothorax ➜ außerhalbderSternum- mitte



➜ Milzruptur ➜ zu tief und zu weit links

➜ Leberruptur ➜ zu tief und zu weit rechts ▪

823

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems die
Gefahr ernsthafter Herzrhythmus-
Abb. 32.43 Defibrillator (AED)

Die AEDs nehmen dem Helfer die Ent- scheidung, ob eine Defibrillation erfor- derlich ist,
ab und können so auch von Pflegenden angewendet werden.

Sobald der AED zur Verfügung steht werden die Elektroden aufgeklebt. Bei einer stark
behaarten Brust muss vorher eine Rasur erfolgen. Ist mehr als ein Hel- fer anwesend,
wird die Kardiokompres- sion für das Anbringen der Elektroden nicht unterbrochen.
Nach dem Einschal- ten des AED führt dieser eine Rhythmus- analyse durch, während
dieser der Pati- ent nicht berührt werden darf. Mittels Sprachsynthesizer erhalten die
Helfer Anweisungen und werden zum Auslösen des Schocks oder zur sofortigen
Fortfüh- rung der lebensrettenden Sofortmaß- nahmen aufgefordert. Nach der Abgabe
des Schocks wird die Kardiokompression ohne Verzögerung wieder aufgenom- men.
Die nächste Rhythmusanalyse er- folgt nach zwei Minuten CPR. Die Integ- ration des
AED in den Handlungsplan kann der Abb.32.38 entnommen wer- den.

Bei der Anwendung der AED’s müssen folgende Regeln beachtet werden:

▪ beim Patienten darf es sich nicht um ein Kind unter einem Jahr handeln

▪ es muss eindeutig eine Bewusstlosig- keit und Pulslosigkeit vorliegen

▪ der Patient darf sich nicht auf einem leitenden Untergrund oder in einem
explosionsgefährdetem Raum befin- den.Wird der Beginn eines Kammerflim-
merns beobachtet (z. B. bei monitor- überwachten Intensivpatienten) sollte die
Defibrillation vor allen anderen Maß- nahmen eingesetzt werden. M E R K E
Während der Defibrilla- tion dürfen weder Patient noch seine Unterlage oder
flüssigkeitsgefüllte Sys- teme, die mit ihm in Berührung stehen, berührt werden.
Es besteht für die Helfer

störungen.

Beatmung

Nach den ersten 30 Kardiokompressio- nen wird der Patient zweimal beatmet. Der Kopf
sollte, wenn keine Gründe da- gegensprechen, überstreckt bleiben (Abb. 32.39a). Die
Beatmung kann ohne oder mit Hilfsmitteln durchgeführt wer- den.

Beatmung ohne Hilfsmittel. Dabei wird eine Mund-zu-Nase- oder Mund-zu- Mund-
Beatmung durchgeführt. Von po- tenziellen Helfern wird an dieser Stelle vor dem
Hintergrund einer HIV-Infektion häufig die Frage gestellt, ob bei der Mund-zu-Mund-
Beatmung eine Infek- tionsübertragung vom Patienten auf den Helfer oder umgekehrt zu
befürch- ten ist. Die Wahrscheinlichkeit einer In- fektionsübertragung ist gering, aber
prinzipiell nicht völlig auszuschließen. Weltweit wurde jedoch kein Fall der Übertragung
einer HIV-Infektion bei der CPR berichtet.

Beatmung mit Hilfsmitteln. Im Kranken- haus sollte immer die Möglichkeit der

Abb. 32.44 Beatmung mit dem Handbeatmungs- beutel.

Maskenbeatmung mit einem Handbeat- mungsbeutel unter Verwendung von Sauerstoff


an erster Stelle stehen (Abb. 32.44). Sie hat den Vorteil, dass

■ die Beatmung mit erhöhter inspirato- rischer Sauerstofffraktion (FiO 2) mög- lich ist und

■ eine Infektionsübertragung sicher vermieden wird.

Um effektiv mit Maske beatmen zu kön- nen, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

CPR 30:2

Defibrillator/Monitor anschließen, Unterbrechnungen


minimieren

Rhythmusanalyse
1 Schock

824

keine Reaktion? Atemstillstand oder nur Schnappatmung

Abb. 32.45 Handlungsplan erweiterter Maßnahmen zur kardiopulmonalen Reanimation


(nach ERC, 2010).

Reanimations- team rufen

Defibrillierbar (VF/pulslose VT)

Nicht defibrillierbar (PEA/Asystole)

Wiedereinsetzender Spontankreislauf

Sofortige Behandlung:
▪ ABCDE-Methode Anwenden

▪ kontrollierte Oxygenierung und Beatmung

▪ 12-Kanal-EKG

▪ Auslösende Faktoren be- handeln

▪ Temperaturkontrolle/ Therapeutische Hypo- thermie

sofort weiterführen: CPR für 2 min, Unterbrechnungen minimieren

sofort weiterführen: CPR für 2 min, Unterbrechnungen minimieren

▪ Sauerstoffanschluss ist verfügbar

▪ Handbeatmungsbeutel mit O2-Reser- voir vorhanden

▪ Helfer beherrscht Technik der Mas- kenbeatmung PRAXISTIPP Bei der Beat- mung
mit einem Handbeatmungsbeutel ist es günstig, hinter dem Kopfende des
Patientenbettes zu stehen. Benutzen Sie ein Widerlager für den Beutel. Achten
Sie darauf, dass die Beat- mungsmaske dicht auf dem Gesicht des Patienten
aufsitzt und die Augen des Patienten wegen der Verletzungsgefahr geschlossen
sind. Steht eine ausreichen- de Zahl an Helfern zur Verfügung, ge- lingt die
Abdichtung der Beatmungs- maske leichter, wenn ein Helfer mit bei- den Händen
die Maske auf dem Gesicht fixiert und ein zweiter Helfer den Beat- mungshub
abgibt. Die Inspirationszeit soll 1 Sekunde betragen. Es soll soviel
Beatmungsvolu- men verabreicht werden, dass sich der Brustkorb normal hebt.
Handlungsplan „Advanced Life Support“Die lebensrettenden Sofortmaßnahmen
sollten so früh wie möglich durch die erweiterten Maßnahmen zur kardiopul-
monalen Reanimation (ALS) ergänzt wer- den. Ziel dieser Maßnahmen ist die
Wie- derherstellung eines ausreichenden Spontankreislaufes. Der Handlungsplan
für die erweiterten Maßnahmen der kar- diopulmonalen Reanimation ist in Abb.
32.45 dargestellt. Die Durchführung dieser Maßnahmen ist speziell ausgebil-
deten Personen vorbehalten. Hierzu zäh- len insbesondere Ärzte und
Fachpflege- personen in der Intensivpflege und An- ästhesie. Zu den wichtigsten
erweiterten Maßnahmen der kardiopulmonalen Re- animation zählen

Defibrillation mit EKG-Diagnose und -überwachung,

endotracheale Intubation und


Verabreichung von Notfallmedika- menten.

Defibrillation

Im Rahmen des ALS kann der AED vom Notfallteam durch einen Defibrillator mit
weitergehenden therapeutischen Optio- nen ersetzt werden.

Durchführung. Zur Defibrillation wird eine Elektrode unter der äußeren Hälfte des
Schlüsselbeins und die andere in der mittleren Axillarlinie über der Herzspitze
aufgesetzt (Abb. 32.46). Um Hautver- brennungen zu vermeiden, müssen ent- weder
Elektrodengel oder besser noch selbstklebende Pads verwendet werden. Mit den heute
üblichen Defibrillatoren kann über die Elektroden ein Monitor- EKG abgeleitet und
dargestellt werden.

Es wird ein Schock verabreicht und anschließend die CPR sofort für zwei Mi- nuten
fortgeführt. Bei einem monopha- sischen Impuls erfolgt jede Stromabgabe mit 360
Joule. Bei biphasischer Impuls- abgabe liegen bisher keine gesicherten Empfehlungen
vor. Richten Sie sich nach den Angaben des Herstellers.

Notfallmedikamente

Eine zusammenfassende Übersicht über Notfallmedikamente und deren Wirkung


während einer kardiopulmonalen Reani- mation stellt Tab. 32.16 dar.

Endotracheale Intubation

Die Intubation dient im Rahmen des Ad- vanced Life Support der Sicherung der
Atemwege. Der Patient kann nicht aspi- rieren, die Beatmung wird erleichtert.

Die Reanimationsmaßnahmen sollen für die Intubation nicht länger als 15 Se- kunden
unterbrochen werden. Das kann nur erreicht werden, wenn die Intuba- tion fachgerecht
vorbereitet und von einem erfahrenen Arzt durchgeführt wird.

Pflegeschwerpunkte nach erfolgreicher ReanimationNach erfolgreicher Reanimation


wird der Patient auf eine Intensivstation verlegt. Hier ist eine der Situation angemessene
Überwachung und Behandlung möglich. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Pflege

Abb. 32.46 Elektrodenposition bei der Defibrilla- tion.

liegt in der Überwachung und Sicherstel- lung der Vitalfunktionen.Überwachung der


Vitalfunktionen. Er- forderlich sind insbesondere:

▪ eine aufmerksame klinische Beobach- tung

▪ eine kontinuierliche EKG-Überwa- chung


▪ eine regelmäßige Messung des arteri- ellen Blutdrucks und des zentralen
Venendrucks Die Überlebensrate der Patienten kann durch das Einleiten einer
milden Hypo- thermie (32 – 34 °C) für 12 bis 24 Stun- den verbessert werden. Die
kontinuierli- che Überwachung der Körperkerntem- peratur ist hierbei obligat.
Viele Patien- ten benötigen nach einer Reanimation eine maschinelle
Atemunterstützung. Die Einschätzung von Bewusstsein, Be- wegungsfähigkeit,
motorischer Reaktion und Pupillenreaktion gibt wichtige Hin- weise auf die
neurologische Situation. PRAXISTIPP Bei der Interak- tion mit dem Patienten und
seinen An- gehörigen sollten die Pflegenden versu- chen, die Bedeutung zu
verstehen, die das Geschehen für den Patienten hat. Dadurch wird es möglich,
den Bewälti- gungsprozess des Patienten und das Verarbeiten des Erlebten zu
fördern.

32.8 Pflege von Patienten mit akutem Herz-Kreislauf-Stillstand


825

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Arzneimittel im Fokus
Notfallmedikamente

In der Praxis haben sich speziell abge- packte, gut lesbar beschriftete und ge-
brauchsfertig vorbereitete Notfallmedi- kamente bewährt. Adrenalin ist das
Notfallmedikament der Wahl bei einer CPR (Abb. 32.47). Die Anfangsdosis be- trägt
beim Erwachsenen 1 mg. Adrena- lin wird in einer Verdünnung von 1:10000 (10ml =
1mg) angewandt. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit wird eine Wiederholung der Gabe
nach 3 – 5 Min. empfohlen. Verabreichungsform. Bei der kardiopul- monalen
Reanimation werden alle Me-

Tab.32.16 MedikamentezurCPR.

dikamente intravenös verabreicht. Die subkutane oder intramuskuläre Injektion würde in


der Situation zu einer stark ver- zögerten Resorption führen und die Wir- kung
beeinträchtigen. Adrenalin und Natriumbikarbonat dürfen nie subkutan oder
intramuskulär verabreicht werden, da es zur Bildung von Nekrosen kommt. Besteht kein
intravenöser Zugang, kann ein intraossärer Zugang erwogen wer- den. Auch bei
Erwachsenen ist der int- raossäre Zugang eine sichere und effek- tive Methode, um
Medikamente und Flüssigkeit zu applizieren.

Abb. 32.47 Das Notfallmedikament Adrenalin in Ampullenform.

Medikam
Gruppe Wirkung Nebenwirkung Hinweise
ente

Adrenalin ➜ Symphathikomime- tikum


➜ Verbesserungdermyokar- dialen und zerebralen Per- fusion durch
Erhöhung des peripheren Gefäßwider- stands

➜ Steigerung der Kontrak- tionskraft

➜ Steigerungdesmyokardia- len O2-Verbrauchs

➜ vermehrtes Auftreten von ventrikulären Rhythmus- störungen

➜ Dosis:1mgalle3–5 Minuten

➜ wird zur peripheren ve- nösen Injektion immer1 : 10 mit NaCl 0,9 % ver-
dünnt

➜ Puffersubstanz ➜ stark alkalische Substanz ➜ Gabe nur bei lebensge-

fährlicher Hyperkaliämie empfohlen

Natrium- ➜ mögliche Verstärkung der Azidose intrazellulär


bikarbona
t ➜ Gefahr der Überpufferung mit Alkalose

➜ möglichst zentralvenö- sen Zugang wählen (hohe Osmolarität)

➜ Dosierung nach Blutgas- analyse

➜ Klasse III Antiar- rhythmikum (Ka- liumkanalblocker)

➜ Verlängerung des Aktions- potenzials

➜ Reduktion der Leistungs- geschwindigkeit und Ver- längerung der


Refraktärzeit

➜ Koronardilatation➜ Verbesserung der Sauer-


Amiodaro
n stoffbilanz

➜ Verminderung der Kon- traktibilität

➜ Blutdruckabfall ➜ Bradykardie

➜ wird nach der dritten er- folglosen Defibrillation empfohlen

➜ wird mit Glukose 5 % verdünnt: 300 mg auf 20ml

Magnesiu ➜ Elektrolyt ➜ reduziertdieEmpfindlich- keit der motorischen End-


platte➜ Verbesserung der Sauer-

stoffbilanz
m- sulfat
GefahrderHypermagnesiämie

➜ AnwendungbeiVerdacht auf Magnesiummangel, z. B. bei ventrikulärer Ta-


chykardie oder Digitalis- intoxikation

Ethische und rechtliche Überlegungen

Die CPR ist eine der wenigen Handlun- gen, deren Unterlassung bei der Behand- lung
eines Patienten einer ärztlichen An- ordnung bedarf. Im Zweifelsfall müssen
lebensrettende Sofortmaßnahmen ein- geleitet werden. Das gilt innerhalb und
außerhalb des Krankenhauses.

der Wille des Patienten ausschlaggebend (S. 123).

Ist der Patient nicht mehr in der Lage, seinen Willen zu äußern, muss der mut- maßliche
Wille des Patienten Berücksich- tigung finden. Obwohl in diesem Fall die Entscheidung
beim behandelnden Arzt liegt, sollen sich die Pflegenden an der Beratung beteiligen.
Nur durch eine ein- heitliche Zielsetzung kann es letztendlich zu einer
multiprofessionellen, patienten- orientierten Behandlung kommen.

Ausbildung verpflichtet, in der Situa- tion eines Herz-Kreislauf-Stillstandes qualifizierte


Hilfe zu leisten. Das Kran- kenpflegegesetz formuliert als Ausbil- dungsziel in § 3 Abs. 2
unter anderem die Fähigkeit zur Einleitung der le- bensrettenden Sofortmaßnahmen bis
zum Eintreffen der Ärztin oder des Arztes (S. 7).

Recht im Fokus
Pflegepersonen dürfen nicht eigen- ständig darüber entscheiden, ob eine CPR durchgeführt wird oder n
ihre berufliche

826

Besteht vor dem Eintritt eines akuten Herz-Kreislauf-Stillstandes die Notwen- digkeit,
eine Entscheidung darüber zu treffen, ob ein Mensch reanimiert wer- den sollte oder
nicht, ist in erster Linie

Beendigung von ReanimationsmaßnahmenEine häufig gestellte Frage ist, wann eine


erfolglose Reanimation beendet werden sollte. Grundsätzlich gilt, dass die CPR
fortgeführt werden sollte, bis:

• qualifizierte Hilfe verfügbar ist,

• der Patient Lebenszeichen von sich gibt oder

• der Helfer aufgrund von Erschöpfung nicht mehr in der Lage ist, die Maß- nahmen
fortzuführen.Daraus wird deutlich, dass eine begon- nene CPR nicht ohne
weiteres beendet werden darf. Die letztendliche Entschei- dung über den
Abbruch ist einem Arzt vorbehalten. Organisation der Reanimationsmaßnahmen
Größere Krankenhäuser verfügen über ein Reanimationsteam, das über eine
einheitliche Telefonnummer oder einen zentralen Herzalarm rund um die Uhr er-
reichbar ist. Innerhalb von drei Minuten sollte es die Stationen erreichen können.
Das Team besteht üblicherweise aus einem Arzt (Anästhesist) und einer Fach-
pflegeperson für Intensivpflege und An- ästhesie. Der Weg, wie dieses Team ver-
ständigt werden kann, muss allen Pfle- gepersonen bekannt sein. Zusätzlich
muss die Notrufnummer gut sichtbar in der Nähe des Telefons angebracht sein.

Notfallausrüstung

Das Vorhalten der Notfallausrüstung kann von Krankenhaus zu Krankenhaus


unterschiedlich geregelt sein. Entweder steht auf einer Station ein Notfallwagen (Abb.
32.48) oder -koffer bereit oder das Reanimationsteam bringt die Ausrüstung mit. Wird
die Notfallausrüstung in der Station bevorratet, ist zu fordern, dass alle Pflegepersonen
wissen, wo der Not- fallwagen oder -koffer steht, und über welchen Inhalt er verfügt.

Die krankenhausweite Standardisie- rung der Notfallausrüstung hat sich be- währt.
Damit in Notsituationen ein ra- sches und effizientes Handeln gewährleis- tet ist, muss
Folgendes gewährleistet sein: ■ alle Pflegepersonen frischen ihr Wis-

sen und ihre Fertigkeiten regelmäßig

auf,■ neu eintretende Pflegende werden


über den Standort der Reanimations- geräte informiert und mit dem Ablauf vertraut
gemacht und

■ das Notfallinventar wird in regelmäßi- gen Abständen überprüft.

Eine Checkliste hat sich als hilfreich er- wiesen. So können Verfallsdatum von
Medikamenten und Sterilgut, Funktions- tüchtigkeit der Geräte, Vollständigkeit des
Materials (Gebrauchtes muss sofort ersetzt werden) dokumentiert werden.

Abb. 32.48 Notfallwagen einer Pflegestation.

PRAXISTIPP Überlegen Sie, wo die Notfallausrüstung in Ihrem Ar- beitsbereich gelagert


ist. Machen Sie sich mit Hilfe einer erfahrenen Pflege- person mit dem Inhalt des
Notfallwa- gens oder -koffers vertraut. Gehen Sie in Gedanken alle Schritte durch, die
erfor- derlich sind, um in Ihrem Arbeitsbereich schnellstmöglich Hilfe anzufordern.

32.9 Pflege von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit


B Pflege von Patienten mit Erkrankungen des arteriellen und venösen Gefäßsystems
Matthias Grünewald, Heiner Terodde

32.9 Pflege von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit

32.9.1 Medizinischer Überblick

Definition

Mit dem Begriff periphere arterielle Ver- schlusskrankheit (pAVK) werden einen- gende
Prozesse der Aorta und der Extre- mitätenarterien bezeichnet. Zu 90 % sind die unteren
Extremitäten betroffen. Bei 10 % der männlichen Bevölkerung über 50 Jahren kommt es
zu einer pAVK. Die Häufigkeit nimmt mit steigendem Le- bensalter zu. Männer sind
fünfmal häufi- ger betroffen als Frauen.

Ursachen

Die Ursache liegt zu 95% in einer Arte- riosklerose. In Folge der Einengung oder
Verlegung des Arterienlumens treten Durchblutungsstörungen der Extremitä-

ten auf. Die pAVK entwickelt sich meist langsam und über Jahre.

Symptome

Die Symptome sind abhängig von der Lokalisation und dem Schweregrad der
Erkrankung. Leitsymptom ist der isch- ämische Schmerz. Die pAVK wird nach Fontaine
(Abb. 32.49) in Stadien einge- teilt nach

■ dem Verschlusstyp (Tab. 32.17) und ■ dem Schweregrad der Durchblu-

tungsstörung.Stadium I. Beschwerdefreiheit durch Bil- dung von Umgehungskreisläufen


(Kolla- teralen; Abb. 32.50). Sie halten die Sauerstoffversorgung des Gewebes auf-
recht. Beschwerden treten dann auf, wenn die Sauerstoffzufuhr unter Belas-

tung nicht mehr gewährleistet werden kann.Stadium IIa und IIb. Ischämische Muskel-
schmerzen bei Belastung. In Ruhe klin- gen sie schnell ab. Die Schmerzen zwin- gen
den Betroffenen zum Stehen bleiben („Schaufensterkrankheit“). Kommt zu den
belastungsabhängigen Schmerzen eine lokale, schlecht heilende und schmerzhafte
Hautläsion, wird vom komplizierten Stadium II der pAVK ge- sprochen.

Stadium III. Ruheschmerzen besonders bei Horizontallage der Beine. Die Betrof- fenen
werden z. B. nachts durch Schmer- zen geweckt. Typischerweise führt das Tieflagern
der Beine (aus dem Bett he- raus hängen lassen) aufgrund des zu- nehmenden
hydrostatischen Druckes zu

827

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems


Tab.32.17 VerschlusstypenderpAVK.
Verschlusstyp

Beckentyp peripherer Typ

Lokalisation

Aorta, A. illiaca Unterschenkel-, Fußarterien

Ischämieschmerz

Gesäß- und Oberschenkelregion Füße, Fußsohlen und Zehen

fehlender Puls

ab Leiste Fußpulse

Oberschenkeltyp A. femoralis, A. ab A.
poplitea Wadenschmerzen poplitea

Kombinationstyp Mehretagenverschluss nach


nach Lokalisation Lokalisation

Stadieneinteilung nach Fontaine

Stadium I Stadium II

Beschwerdefreiheit bei nachweisbarer Stenose

Belastungsschmerzen (Claudicatio intermittens)

Stadium IIa schmerzfreie Gehstrecke > 200 Meter

Stadium IIb schmerzfreie Gehstrecke < 200 Meter

Stadium III Stadium IV

Ruheschmerz

Nekrose, Gangrän, Ulkus zusätzlich zu Stadium III


Arterie

■ Farbduplexsonografie und MRT-An- giografie (Abb. 32.52)

Die apparativen Untersuchungen dienen der Beurteilung der Lokalisation und des
Ausmaßes der Stenose.

Therapie

Die Therapieentscheidung ist abhängig vom Schweregrad und der Lokalisation der
Erkrankung. Zur Behandlung stehen konservative, medikamentöse und chi- rurgische
Therapien zur Verfügung. Konservative Therapie. Zu den konserva- tiven
Behandlungsmaßnahmen zählen:

• Gesundheitsberatung – zur Minimie- rung der Risikofaktoren

• Gehtraining und Sporttherapie – zur Förderung der Kollateralbildung Medikamentöse


Therapie. Die medika- mentöse Therapie erfolgt durch:

• Thrombozytenfunktionshemmern – zur Prophylaxe einer arteriellen Thrombose


• vasoaktiven Substanzen (Prostaglan- din E1) – zur Verbesserung der Fließ-
bedingungen des Blutes

• Analgetika – zur Schmerzbekämpfung Chirurgische Therapie. Zu den chirurgi- schen


Behandlungsmaßnahmen gehö- ren:■ perkutane transluminale Angioplastie
(PTA) – Aufdehnung der Stenose zur Revaskularisation■
Thrombendarteriektomie (TEA) – Ausschälung des betroffenen Gefäßes mit
einem Ringstripper zur Revasku- larisation ■ Bypass-Operation (S. 815)In
Stadium IV erfolgt die Behandlung nach dem I-R-A-Prinzip:■
Infektionsbekämpfung■ operative Revaskularisation■ Amputation.Die
sequenzielle Anwendung des I-R-A- Prinzips soll Amputationen möglichst
vermeiden. 32.9.2 Pflege- und Behandlungsplan Auftretende Schmerzen,
eingeschränkte Mobilität und ein immer enger werden- der Aktionsradius wirken
sich auf nahezu alle Bereiche des alltäglichen Lebens aus. Entweder werden die
Patienten im Alltag immer mehr von der Hilfe Dritter abhän- gig, oder es droht die
Gefahr der sozia-

Abb. 32.49 Stadieneinteilung der peripheren arte- riellen Verschlusskrankheit (pAVK)


nach Fontaine.

Abb. 32.51 Stadium IV der pAVK mit feuchter Gangrän und Infektzeichen links und
trockener Gangrän rechts.

einer verbesserten Durchblutung und zum Nachlassen der Schmerzen. Stadium IV.
Ruheschmerz und Nekrose bzw. Gangrän (Abb. 32.51). Die lokale bakterielle Infektion
der Gangrän kann zu einer Unterschenkelphlegmone oder Sepsis führen. Weitere
Symptome sind:

• fehlende Pulse

• parästhetische Missempfindungen

• Kältegefühl in den betroffenen Berei- chen

• Blässe der Extremität bei Hochlage- rung

Abb. 32.50 Bildung von Kollateralen zur Überbrü- ckung eines chronisch arteriellen
Gefäßverschlus- ses.

Abb. 32.52 Angiografie der Bauchaorta mit multi- plen Stenosen.

Risikofaktoren
Die Risikofaktoren der pAVK entsprechen denen der Arteriosklerose (S. 782).

Diagnostik

Mit folgenden Untersuchungsmethoden wird die pAVK diagnostiziert: ■ Anamnese■


Inspektion der Extremitäten

■ Pulstastung■ standardisierter Gehtest zur Ermitt-

lung der Gehstrecke■ Dopplerdruckmessung■ Messung des transkutanen pO2 ■


direktionale Dopplersonografie
828

32.9 Pflege von Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit

Gesundheitsberatung pAVK

Grundsätzlich gilt: Die Gesundheitsberatung ist der Schlüssel zur kausalen Behandlung, die in der V
durch den Patienten selbst liegt. Dabei ist jedoch immer zu bedenken, dass letztendlich der Patient die
Beratung ist es, die Selbstständigkeit des Erkrankten soweit wie möglich zu erhalten, ihm Anregungen f
und Komplikationen zu verhindern

Risikofaktoren Wissen über Erkrankung

Info: Auswirkungen der Risikofaktoren wie Rauchen, Stress und Info: Im Beratungsgespräch
Übergewicht verdeutlichen. Patient über seine Erkranku

Empfehlung: •konkrete Hilfe zur Verhaltensänderung aufzeigen, z. B. hat.


Raucherentwöhnungskurse, Autogenes
Empfehlung: •über
Training usw. •Informationsbroschüren anbieten •Informationsbroschüren an
Beratung „Aktivitäten des täglichen Lebens“

Grundsätzlich gilt: Der Patient sollte motiviert werden, die ATL möglichst lang selbstständig durchzufüh
mit einbezogen werden, weil sie oft eine wichtige Hilfe bei der Alltagsbewältigung sind.

ATL „Sich bewegen“ ATL „Sich Waschen und Kleiden“ ATL

Empfehlung:
Em
Empfehlung: • sorgfältige Hautpflege und -beobachtung
• c
• Bewegungen gezielt und in Intervallen • keine heißen oder kalten Teil- oder Vollbäder
durchführen (Gehtraining)
• a
• Ausdauersport unter ärztlicher Kontrolle • • bevorzugen von warmhaltender und nicht
Beine in Ruhe tief lagern beengender Kleidung • g

• passendes Schuhwerk tragen

ATL
ATL „Körpertemperatur regulieren“ ATL „Sich sicher fühlen und verhalten“
spie

Empfehlung:
Empfehlung:
Em
• keine Zufuhr von Wärme (Wärmezufuhr führt
• Verletzungen vorausschauend vermeiden
zur Zunahme des Sauerstoffverbrauchs) • fü
• wegen der Verletzungsgefahr nicht barfuß dur
• keine Kälteexposition (Kälte führt zur laufen
tec
Gefäßengstellung → Verschlechterung
• konsequente Prophylaxe von Druck- stellen
der Durchblutung)

Abb. 32.53 Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei peripherer arterieller


Verschlusskrankheit.

len Isolierung und Vereinsamung gerade älterer Menschen.

Für die Pflegepersonen stehen die Ge- sundheitsberatung (Abb. 32.53) und spe- zielle
pflegerische Maßnahmen bei pAVK im Vordergrund. Die pflegerischen Maß- nahmen
sind abhängig vom Stadium der Erkrankung. Folgende Ziele sollen er- reicht werden:

• Förderung der Durchblutung

• Reduzierung oder Vermeidung von Komplikationen

• Verbesserung des Wohlbefindens Pflege im Stadium II Hier stehen die


eingeschränkte Mobilität und der damit verbundene einge- schränkte
Aktionsradius im Mittelpunkt. Gehtraining. Dies ist die wichtigste Form der
physikalischen Behandlung. Die Pa- tienten belasten sich dabei regelmäßig,
kontrolliert und in Intervallen. Ausrei- chende Erholungsphasen sind genauso
wichtig wie die Belastung. Das Gehtrai- ning sollte dreimal wöchentlich für mehr
als 30 Min. über einen Zeitraum von

mindestens sechs Monaten ausgeführt werden. Der Übergang der pAVK in das Stadium
III kann so verzögert oder ver- hindert und die Gehstrecke in einigen Fällen sogar
verlängert werden.

PRAXISTIPP Der Erfolg des Gehtrainings ist in hohem Maße von der Motivation des
Patienten abhängig. Regen Sie beim Patienten das Führen eines „Trainings-Tagebuchs“
an, in dem er Datum, Dauer und Gehstrecke fest- halten kann. Es ist für die Patienten
hilf- reich und gleichzeitig motivierend.

Pflege im Stadium III und IV

Hier stehen Maßnahmen der Lagerung und der Dekubitusprophylaxe im Vorder- grund.
Lagerung unter Herzniveau. Die von einer Ischämie bedrohten Extremitäten müssen
unter Herzniveau gelagert wer- den. Keinesfalls dürfen die Beine hoch- gelagert werden,
weil das eine Ischämie begünstigen würde. Dem Patienten kann empfohlen werden,
sich in regelmäßigen

Abständen auf die Bettkante zu setzen und die Beine aus dem Bett hängen zu lassen.
Wärmezufuhr und Kälteexposi- tion sollen vermieden werden. Einem Wärmeverlust ist
durch entsprechende Kleidung vorzubeugen. Sind die Patien- ten immobil, sollte eine
frühzeitige Mo- bilisierung angestrebt werden.

MERKE Der pAVK-Patient erhält keinesfalls Kompressionsverbände, -strümpfe oder


MT-Strümpfe. Die Kom- pression verringert die Durchblutung der Extremität und kann zu
Ischämien mit Nekrosenbildung führen.

Dekubitusprophylaxe. Aufgrund der ver- minderten Durchblutung ist die Isch-


ämietoleranz des Gewebes verkürzt, was zu Druckstellen in den Bereichen der
betroffenen Extremität führen kann. Eine konsequente Dekubitusprophylaxe (S. 253) ist
unabdingbar. Neben einer sorgfältigen Hautbeobachtung und -pflege muss auch auf
geeignetes Schuhwerk geachtet werden. Druckstel-

829

32
32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

len werden schnell zur Nekrose oder Gangrän und heilen schlecht. Sind in Sta- dium IV
bereits Nekrosen aufgetreten, ist eine entsprechende Wundbehand- lung (S. 583)
durchzuführen.

Krankenbeobachtung

Weitere Aufgaben der Pflegeperson sind: ■ Einschätzung der Schmerzintensität

■ Verabreichung der angeordneten Schmerzmedikamente

■ Überprüfung der Wirksamkeit der Schmerzmedikamente

Erhält der Patient gerinnungshemmende Medikamente (Heparin oder Marcumar), muss


regelmäßig eine laborchemische Kontrolle der Gerinnungsparameter (S. 722)
durchgeführt werden. Wegen

der Blutungsgefahr wird der Patient auf Schleimhautblutungen beobachtet. Bei


konkretem Verdacht auf eine bestehen- de Blutungsneigung sollte eine sorgfälti- ge
neurologische Krankenbeobachtung durchgeführt werden, um Anzeichen einer
zerebralen Blutung so früh wie möglich zu erkennen.

32.10 Pflege von Patienten mit akutem Arterienverschluss 32.10.1 Medizinischer


Überblick

Die sechs „P” (nach Pratt)

plötzlich einsetzender Schmerz von hö


Pain Versorgungsgebietes der verschlossenen Arte

Blässe als Zeichen der Minderdurchblutung i


Paleness verschlos- senen Arterie

Sensibilitätsstörungen und Missempfindungen


Paraesthesia ver- schlossenen Arterie

Pulslosigkeit distal des Arterienverschlusses


Pulslessness

Bewegungseinschränkung oder -unfähigkeit de


Paralysis

Erschöpfungs- zustand/Schock
Prostration

Definition

Der akute Arterienverschluss ist durch eine plötzlich auftretende Verlegung der
arteriellen Strombahn bei erhaltener Gefäßkontinuität gekennzeichnet. Bei der
arteriellen Embolie ist die Verlegung meist vollständig, bei der lokalen arteri- ellen
Thrombose meist unvollständig, da Kollateralen bestehen. Das nachgeschal- tete
Versorgungsgebiet ist vollständig oder teilweise von der Blutzufuhr abge- schnitten. An
einem akuten Arterienver- schluss erkranken Frauen doppelt so häufig wie Männer. In
85% der Fälle ist die untere Extremität betroffen.

MERKE Ein akuter Arterienver- schluss ist immer ein Notfall. Extremitä- tenabschnitte,
Organe oder der gesamte Organismus sind vital bedroht.

Ursachen

Ursachen eines akuten Arterienver- schlusses sind:

▪ zu 80 % arterielle Embolien

▪ zu 15 % lokale arterielle Thrombosen in Folge einer pAVK (S. 827)

▪ selten Gefäßverletzungen oder -spas- men90 % der arteriellen Embolien sind kardia-
ler Herkunft. Sie treten in Folge eines Herzinfarktes (S.790), Vorhofflimmerns
(S.809), oder eines erworbenen Herz- klappenfehlers (S. 815) auf. Symptome
Die Anzeichen des akuten Arterienver- schlusses werden mit den sechs „P“

(nach Pratt) beschrieben (Abb. 32.54). Sie treten bei der arteriellen Embolie schlagartig
auf. Bei einer lokalen arteriel- len Thrombose können sie abge- schwächt sein und
subakut auftreten.

M E R K E Das rasche Erkennen der Symptome ist entscheidend, da der Zeitpunkt des
Beginns einer effektiven Behandlung von größter Bedeutung für die Prognose nach
akutem Arterienver- schluss ist.

830

Abb. 32.54 Die typischen 6-P-Symptome des aku- ten Arterienverschlusses nach Pratt.

Diagnostik
Folgende diagnostische Verfahren finden Anwendung:

Anamnese (Vorerkrankungen)

Inspektion

Pulstastung und Gefäßauskultation

Duplexsonografie zur genauen Lokali- sation M E R K E Bei akutem Gefäßver-


schluss keine unnötige Zeit mit aufwän- diger Diagnostik vergeuden! Therapie
Die therapeutischen Maßnahmen verfol- gen folgende Ziele:■ die Abwendung der
vitalen Gefahr■ die Verhinderung von Rezidiven ■ die schnellstmögliche
Wiedereröff- nung der Gefäßstrombahn

M E R K E Wird die arterielle Strombahn innerhalb von sechs Stunden nicht


wiederhergestellt, ist ein Verlust der Extremität in Abhängigkeit vom Ausmaß der
Ischämie nicht immer zu vermeiden.

Sofortmaßnahmen. Folgende therapeu- tische Maßnahmen werden durchge- führt:

▪ Schmerztherapie mit Opiaten

▪ Schocktherapie

▪ intravenöse Heparinverabreichung

▪ schnellstmöglicher Transport in eine chirurgische Klinik Therapiemöglichkeiten. In der


Klinik wird das Blutgerinnsel operativ aus den verengten oder verschlossenen
Blutgefä- ßen der arteriellen Strombahn entfernt (Desobliteration). Bei arteriellen
Embo- lien und Komplettverschlüssen durch eine arterielle Thrombose wird eine
Em- bolektomie mit dem Fogarty-Katheter durchgeführt. Auch eine intraarterielle
Lysetherapie kann erwogen werden. Bei inkompletten Verschlüssen aufgrund
einer lokalen arteriellen Thrombose er- folgt eine Thrombolysetherapie. Einer er-
folgreichen Desobliteration schließt sich eine Antikoagulation zur Rezidivprophy-
laxe an. 32.10.2 Pflege- und Behandlungsplan Je nach Lokalisation sind
Extremitäten, Organe oder der gesamte Organismus vital bedroht. Die Patienten
leiden unter stärksten Schmerzen. Sie sind hand- lungsunfähig und auf die Hilfe
Dritter an- gewiesen. MERKE Als Sofortmaßnahme wird das betroffene Bein tief
gelagert (deutlich unter Herzniveau). Die Extre- mität muss vor Auskühlung und
Verlet- zungen geschützt werden. Dekubitusprophylaxe. Durch die Unter-
brechung der Durchblutung kommt es sehr schnell zur Dekubitusbildung bis hin
zur Nekrose (S. 254). Abdecken und Abpolstern sind zur Verhütung von Wär-
meverlust und zum Schutz vor Verlet- zungen geeignet. Jedoch darf dies kei- nesfalls
einengend oder komprimierend wirken.

Schmerztherapie überwachen. Der Pati- ent erhält die angeordneten Schmerz-


medikamente. Reichen diese nicht aus, wird die verordnete Bedarfsmedikation
verabreicht und der Arzt informiert. Psychische Betreuung. Die Patienten be- finden sich
in einer lebensbedrohlichen Situation. Starke Schmerzen und die

Sorge um den Erhalt der Extremität füh- ren zu Angst und Stress. Nach Möglich- keit
sollte die betreuende Pflegeperson den Patienten beruhigen und ihn nicht allein lassen.
Für ihn kann so die Situa- tion etwas erträglicher werden.

M E R K E Der Patient mit akutem Arterienverschluss erhält keine intra- muskulären


Injektionen. Sie stellen eine Kontraindikation für eine evtl. bevorste- hende Lysetherapie
dar.

Operation vorbereiten und Kreislauf überwachen. Da i. d. R. eine operative


Wiedereröffnung der Strombahn erfolgt, wird der Patient nach den allgemeinen Regeln
der präoperativen Pflege (S. 1220) auf die Operation vorbereitet. Eine sorgfältige und
regelmäßige Über- wachung von Atmung und Herz-Kreis- lauf-Funktion dient dem
frühzeitigen Er- kennen von Komplikationen und somit der Sicherheit des Patienten.

32.11 Pflege von Patienten mit Erkrankungen der venösen Gefäße

32.11.1 Medizinischer Überblick

Bei Erkrankungen der venösen Gefäße wird unterschieden zwischen

▪ Varizen (Krampfadern),

▪ Thrombophlebitis,

▪ Phlebothrombose,

▪ postthrombotischem Syndrom,

▪ chronisch-venöser Insuffizienz (CVI) und

▪ Ulcus cruris. Definition Varizen. Varizen (Varikosis) sind sackför- mige oder zylindrisch
erweiterte ober- flächliche Venen vor allem der unteren Extremitäten. Die
wichtigsten Varizen- formen zeigt Abb. 32.55. Thrombophlebitis. Sie ist eine
Entzün- dung einer oberflächlichen Vene mit Verlegung des Lumens durch einen
Thrombus. Phlebothrombose. Dies ist ein inkom- pletter oder kompletter
Verschluss einer tiefen Vene durch einen Thrombus mit Behinderung des
venösen Blutrückflus-
ses, auch tiefe Venenthrombose (TVT) genannt.Postthrombotisches Syndrom. Dies tritt
in Folge einer Phlebothrombose auf. Mikrozirkulationsstörung aufgrund einer
Abflussbehinderung. Stadium I-III z. B. nach K. Widmer:

■ Stadium I: reversible Ödeme, Corema Phlebecalic

■ Stadium II: persist. Ödeme, Hämosi- derose, Lipofasciosklerose, Stauungs- ekzem,


Atrophie blanche, zyanotische Hautfärbung

■ Stadium III: Ulcus cruris Chronisch-venöse Insuffizienz. Sie ist eine Hautveränderung
bei konstanter venöser Hypertension beim postthrom- botischen Syndrom. Sie kann im
Abstand von 1 – 10 Jahren nach dem akuten Er- eignis auftreten.Ulcus cruris. Dies ist
eine oberflächliche chronische Wunde (Abb. 32.56), im Volksmund als „offenes Bein“
bezeich- net. Es bildet sich meist im Bereich des Innenknöchels und Unterschenkels.
Be- troffen sind die Hautschichten bis zur Lederhaut.

der Pflegevisite lange nachdenken. Vor

Abb. 32.56 Ulcus cruris. Das hier abgebildete Ulkus zieht sich zirkulär um den gesamten
Unter- schenkel, daher der Name Gamaschenulkus.

sieben Tagen war er stationär aufge- nommen worden. Diagnose: Phlebo- thrombose
bei bestehender chronisch venöser Insuffizienz und einem Ulcus cruris am linken
Unterschenkel.

„Ja, wissen Sie“, sagt er schließlich, „die ganzen Jahre vorher habe ich das nicht so
richtig ernstgenommen. Vor zwanzig Jahren, mit gerade fünfzig, fühlten sich meine
Beine schneller müde an als früher. Mit den Jahren wurde es schlimmer. Abends, wenn
ich von der Arbeit kam, waren meine Beine häufig gespannt, die Schuhe drückten
ständig. Beim Laufen musste ich immer häufiger Pausen machen. Ich habe das als
Schwäche empfunden und wollte es vor anderen nicht zugeben. Nur meine Frau hat
etwas gemerkt. Natürlich habe ich weiter geraucht, so 40 Zigaretten am Tag.

Vor fünf Jahren hatte ich so eine of- fene Stelle am linken Bein. Ich dachte, ich hätte
mich irgendwo gestoßen. Aber es wollte nicht heilen. Da bin ich das erste Mal zum Arzt
gegangen. Er sagte, es sind die Venen. Na wissen Sie, auf seine guten Ratschläge
habe ich nicht viel gegeben. Nicht mehr rauchen, kein Alkohol, viel Bewegung und diese
furchtbaren Kompressionsstrümpfe. Am Anfang habe ich das mal probiert. Aber das war
nichts für mich. Aber jetzt, letzte Woche, das war anders. Ich habe viel nachgedacht.
Eigentlich habe ich mich zwanzig Jahre lang betrogen.“

Ursachen

Varizen. Der Art der Entstehung entspre- chend wird die primäre (95%) von der
sekundären Varikosis (5 %) unterschie- den. Die Ursachen bzw. Risikofaktoren einer
primären Varikosis sind

■ genetische Faktoren,■ zunehmendes Alter,■ der hormonelle Einfluss bei Frauen

(z. B. Schwangerschaft),■ eine stehende oder sitzende Tätigkeit,

V. sa- phena magna

V. saphena parva

Stamm- varizen

FALLBEISPIEL

Über die Frage, wann er das erste Mal seine Krankheit bemerkt hat, musste Herr T.
während
Abb. 32.55 Die wichtigsten Varizenformen und deren Bezeichnungen.

Seiten- Besen- ast- reiser- varizen varizen

831

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

▪ Adipositas und

▪ chronische Obstipation.Eine sekundäre Varikosis tritt im Rahmen eines


postthrombotischen Syndroms als Folge einer venösen Abflussstauung auf.
Thrombophlebitis. Sie wird meist verur- sacht durch

▪ mechanische und/oder chemische Reizungen der Venen (z. B. durch Ve-


nenverweilkatheter oder i. v.-Injektion venenschädigender Medikamente),

▪ Infektions- oder Tumorerkrankungen oder

▪ Insektenstiche.Phlebothrombose. Die 1856 von Vir- chow beschriebene Trias der


Thrombo- seentstehung (S. 246) ist auch heute noch gültig. Die Risikofaktoren
werden
auf S. 248 beschrieben. Die Ursachen einer tiefen Venenthrombose bleiben in 30 – 40
% der Fälle unbekannt. Postthrombotisches Syndrom. Dies tritt in Folge einer
Phlebothrombose auf und ist bedingt durch

▪ eine chronisch-venöse Stauung mit retrogradem Blutfluss und

▪ eine Lymphabflussbehinderung auf- grund einer Venenklappenschädi- gung.


Chronisch-venöse Insuffizienz. Sie kann als Folge eines postthrombotischen
Syndroms oder einer schweren Varikosis auftreten.Ulcus cruris. Dies tritt meist in
Folge einer chronisch-venösen Insuffizienz auf (Ulcus cruris venosum). Seltener
kann es die Folge einer arteriellen Verschluss- krankheit sein (Ulcus cruris
arteriosum). Ulcus mixtum. Das Ulcus mixtum kann bei venösen und arteriellen
Gefäßen auf- treten. Symptome Varikosis. Hierbei leiden die Patienten an
folgenden Symptomen:

▪ Müdigkeits- und Schweregefühl in den Beinen

▪ tast- und sichtbare Veränderungen

▪ Schwellungen im Bereich des Knö- chels

▪ Schmerzen im Verlauf der betroffenen Venen (besonders im Stehen)Bei Wärme


nehmen die Beschwerden zu. Sekundäre Befunde der Varikosis sind:

▪ Besenreiser (in der Haut verlaufende Krampfadern)

▪ chronisch-venöses Stauungssyndrom

▪ Stauungsdermatitis

▪ Hyperpigmentation und im Spätsta- dium Ulcus cruris Thrombophlebitis. Die


Anzeichen sind:

■ unscharf begrenzte Rötung im Be-

reich der betroffenen Venen (Abb. 32.57)

Abb. 32.57 Thrombophlebitis mit oberflächlich- em, gerötetem Venenstrang nach einer
Infusions- behandlung.

Abb. 32.58 Schwellung und Blaufärbung des lin- ken Beins bei Phlebothrombose.

■ lokale Schwellung und Überwärmung ■ schmerzhafter, verhärteter Venen-

strangDes Weiteren können Allgemeinsympto- me wie Fieber und Beeinträchtigung des


Wohlbefindens auftreten. Phlebothrombose. Sie verläuft anfäng- lich symptomlos.
Später bestehen fol- gende Krankheitszeichen:

▪ einseitige Schwellung der Extremität

▪ Schwere- und Spannungsgefühl im betroffenen Bein

▪ Hitze- oder Kältegefühl im Bein

▪ bläulichrot verfärbte, glänzende, warme Haut (Abb. 32.58)

▪ nächtliche Wadenkrämpfe

▪ ziehende Schmerzen (wie Muskelka- ter) entlang der betroffenen Vene

▪ Schmerzen in der Leistengegend bei Beckenvenenthrombose

▪ belastungsabhängiger Wadenschmerz

Chronisch-venöse Insuffizienz und post- thrombotisches Syndrom. Die Beschwer- den


nehmen über Jahre hinweg langsam zu. Symptome sind:

▪ Wadenschmerzen

▪ Knöchelödeme, Unterschenkelödeme

▪ sekundäre Varizen als Zeichen eines Umgehungskreislaufes

▪ gehäuftes Auftreten von Rezidiv- thrombosen

▪ Ulcus crurisWeitere Anzeichen sind trophische Haut- veränderungen an der


Innenseite des distalen Unterschenkels mit zunehmen- der Verhärtung
(Induration), häufig brauner Pigmentierung, Ekzembildung (Stauungsdermatose)
und Infektionen (bakteriell oder mykotisch). Eine Verstär- kung der
Krankheitszeichen in der war- men Jahreszeit ist typisch. Diagnostik Varikosis.
Zur Befundsicherung werden folgende Verfahren nach dem Goldenen Standard
angewandt:

▪ Farbkodierte Duplexsonografie

▪ Lichtreflexionsrheografie (LRR) – Test der venösen Muskelpumpe durch Lichtblitze

▪ Phlebografie nur bei unklarem Befund Thrombophlebitis. Die Diagnose wird anhand
der genannten Zeichen gestellt. Differenzialdiagnostisch kann durch die
Duplexsonografie eine Phlebothrombose ausgeschlossen werden.
Phlebothrombose. Die klinischen Zei- chen führen in nur 50% der Fälle zu einer
treffenden Diagnose. In der Dup- lexsonografie ist im Bereich des Throm- bus
kein Blutfluss darstellbar. Bleibt der Sonografiebefund unklar oder besteht der
Verdacht einer Beckenvenenthrom- bose, wird die Phlebografie zur weiteren
Diagnostik hinzugezogen. Chronisch-venöse Insuffizienz und post-
thrombotisches Syndrom. Neben den klinischen Zeichen sind in der Phlebogra-
fie und der Duplexsonografie Klappenin- suffizienzen, Reflux im tiefen Venensys-
tem oder kutane Lymphabflussstörun- gen festzustellen. Komplikationen
Varikosis. Komplikationen sind:■ Thrombophlebitis■ Blutungen aus verletzten
Varizen ■ chronisch-venöse Insuffizienz (Sta- dium I–III)Phlebothrombose.
Komplikationen sind: ■ Lungenembolien (S. 835)■ Ausbildung einer sekundären
Varikosis ■ rezidivierende Phlebothrombosen mit Ödembildung ■ Ulcus cruris
832

Therapie
Varikosis. Folgende Behandlungen wer- den unterschieden:

▪ konservative Behandlung: Tragen von Kompressionsstrümpfen, „Laufen und Liegen“


ist dem „Stehen und Sitzen“ vorzuziehen

▪ operative Behandlung:

Krossektomie – Durchtrennung aller Venenäste am Venensystem der Leiste


(Krosse), um Rezidive zu verhindern

Venenstripping und die Ligatur aller insuffizienten Perforationsvenen

▪ interventionelle Behandlung: z. B. Sklerotherapie – Injektionsbehand- lung der Venen


mit speziellen Venen- verödungsmitteln und das Veröden der Varizen
Thrombophlebitis. Zur Schmerzlinde- rung und Abschwellung tragen kühlende
Umschläge und Salben bei. Präventiv er- hält der Patient einen
Kompressionsver- band und wird frühzeitig mobilisiert. Von ärztlicher Seite wird
eine Low-Dose-He- parin-Therapie angeordnet, sofern keine Kontraindikationen
bestehen. Bei Fieber kann die Verabreichung eines Antibioti- kums in Betracht
gezogen werden. Phlebothrombose. Die Behandlung er- folgt nach dem
Goldenen Standard und beinhaltet Folgendes: 1. konservative Behandlung:
betroffene Extremität hochlagern (Abb. 32.59)

Kompressionsverband (S. 250) bei Unterschenkelthrombose

Stuhlregulierung 2. operative Behandlung: Mit einem Ballonkatheter (Fogarty-


Katheter) wird der Thrombus chirurgisch ent- fernt (Thrombektomie) 3.
Thrombolyse: lokale oder systemische Fibrinolyse mit
Plasminogenaktivato- ren (Streptokinase, Urokinase, t-PA) zur Auflösung
des Thrombus Chronisch-venöse Insuffizienz und post- thrombotisches
Syndrom. Folgende Be- handlungen werden angewandt:

Kompressionsverband oder -strümpfe

balneophysikalische Maßnahmen (z. B. kalte Güsse) Abb.32.59


DasHochlagerngehörtzurkonservati- ven Therapie bei einer
Phlebothrombose.

■ Bewegungstherapie (wegen Gefahr der Sprunggelenksversteifung)

■ Varizensanierung (z. B. CHIVA-Metho- de)

■ Medikamente – venentonisierende und lokal abschwellende (Flavonoide,


Rosskastaniensamenextrakte) oder Diuretika (nur initial und kurzfristig wegen Erhöhung
der Thrombosege- fahr)

Ulcus cruris. Durch eine Operation er- folgt die Ulkussanierung durch eine Fas-
ziektomie oder eine Sanierung der AVK.

Bei einer venösen Insuffizienz ist die Kompressionsbehandlung von entscheid- ender
Bedeutung. Zugeschnittene Schaumgummiplatten und Spezialeinla- gen ermöglichen
eine Übertragung der Kompressionswirkung auch auf die Knö- chelregion (wichtig bei
Ulzerationen). Da- nach wird ein festsitzender Kompres- sionsverband oder -strumpf
angelegt (S. 249). Eine gezielte Kompression hat im Zusammenhang mit der
Mobilisation erhebliche Vorteile gegenüber der Bett- ruhe und dem Hochlegen der
Beine. Bett- ruhe fördert zwar die Heilung, es tritt je- doch schnell eine Muskelatrophie
ein, die einen negativen Einfluss auf die Muskel- pumpe hat. Die Rezidivgefahr wird er-
höht.

32.11.2 Pflege- und Behandlungsplan

Menschen mit Erkrankungen des venö- sen Gefäßsystems sind in den ATL (S. 204)
ebenso eingeschränkt wie in ihren sozialen Beziehungen und damit ihrer
Lebensqualität. Ziele der Pflege und der Behandlung sind:

■ venösen Rückfluss des Blutes verbes- sern

■ Thrombosen und weitere Komplika- tionen verhindern

■ eine gesunde Lebensweise fördern ■ Wohlbefinden des Patienten verbes-

sernIm Rahmen der stationären wie ambu- lanten Versorgung haben Pflegeperso- nen
vor allem folgende Aufgaben: ■ Gesundheitsberatung■ den Patienten mobilisieren■
Schmerztherapie überwachen■ Wundversorgung des Ulcus crurisIn Tab. 32.18 sind
wichtige Pflegehand- lungen bei venösen Gefäßerkrankungen zusammengefasst und in
ihrer Wirksam- keit den einzelnen Krankheitsbildern zu- geordnet.

Gesundheitsberatung

Die Patienten können selbst einen we- sentlichen Beitrag zur erfolgreichen Be-
handlung leisten. Eine Reduzierung der Risikofaktoren und die Berücksichtigung der
Prinzipien der Behandlung bei den ATL (Abb.32.60) stellen entscheidende Faktoren dar.

Mobilisieren

Die frühestmögliche Mobilisierung des Patienten ist ein Grundsatz der Behand- lung von
Venenerkrankungen. Sie be- wirkt eine Anspannung der Muskeln und damit eine
Verbesserung des venö- sen Rückflusses.
MERKE Bei der Bewegung gilt für Patienten mit venösen Gefäßkrank- heiten die S-L-
Regel: Stehen und Sitzen ist schlecht, Laufen und Liegen ist gut.

In Ruhe ist das Hochlagern der betroffe- nen Extremitäten eine einfache und wir-
kungsvolle Möglichkeit, die Strömungs- geschwindigkeit in den Venen der unte- ren
Extremität zu beschleunigen. Eine

32.11 Pflege von Patienten mit Erkrankungen der venösen Gefäße

Tab. 32.18 Maßnahmen bei ausgewählten Erkrankungen der Venen.

Thrombo- tiefe Venen- chronisch venöse


Erkrankung Varikosis Maßnahme
phlebitis thrombose (TVT) Insuffizienz (CVI)

Kompressions- e verband e e e

Frühmobilisation e e e e

Hochlagerung der e Extremität e e e

Messung des Bein- n.e. umfangs n.e. e n.e.

Alkoholumschläge n.e. e n.e. n.e.

Obstipationspro- n.e. phylaxe n.e. e n.e.

Antikoagulation n.e. e e e

Schmerztherapie e e e e

Venenzugang n.e. e entfernen e n.e.

e = empfohlene Maßnahmei = individuelle Abwägung erforderlich n.e. = nicht empfohlene Maßnahme

833

32
32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Gesundheitsberatung CVI

Grundsätzlich gilt: Die Gesundheitsberatung ist der Schlüssel zur kausalen Behandlung, die in der V
durch den Patienten selbst liegt. Dabei ist jedoch immer zu bedenken, dass letztendlich der Patient die
Beratung ist es, die Selbstständigkeit des Erkrankten soweit wie möglich zu erhalten, ihm Anregungen f
und Komplikationen zu verhindern.

Risikofaktoren Wissen über Erkrankung

Info: Auswirkungen der Risikofaktoren wie Rauchen, Stress und


Übergewicht verdeutlichen. Info: Im Beratungsgespräc
Patient über seine Erkranku
Empfehlung: •konkrete Hilfe zur Verhaltensänderung aufzeigen, z. B.
Raucherentwöhnungskurse, Autogenes Empfehlung: •über
•Informationsbroschüren an
Training usw. •Informationsbroschüren anbieten

Beratung „Aktivitäten des täglichen Lebens“

Grundsätzlich gilt: Der Patient sollte motiviert werden, die ATL möglichst lang selbstständig durchzufüh
mit einbezogen werden, weil sie oft eine wichtige Hilfe bei der Alltagsbewältigung sind.

ATL „Sich bewegen“ ATL „Sich Waschen und Kleiden“ AT

Empfehlung: Empfehlung: Em

▪ regelmäßige aktive Bewegung zur För- ▪ Kompressionsstrümpfe, -verband ▪ k


derung der Muskelpumpe
▪ Kaltwasseranwendungen (Abduschen der
▪ Ausdauersport unter ärztlicher Kontrolle Beine mit kaltem Wasser, kalte
(Wandern, Radfahren) Fußbäder, Wassertreten, Schwimmen)
→ aktiviert die glatte Muskulatur der ▪ S
▪ langes Sitzen vermeiden, tagsüber und Venen
nachts Beine hochlagern
▪ sorgfältige Pflege und Beobachtung der Haut
▪ keine Knierolle verwenden → führt zur
Venenkompression und
Verschlechterung des venösen ▪ Vorsicht bei Pediküre → Verletzungs- gefahr!
Rückflusses
▪ keine einengende oder zu warme Kleidung

▪ bequeme Schuhe wählen, keine hohen


Absätze → Funktion der Muskelpumpe
wird verschlechtert

ATL „Sich sicher fühlen und verhalten“ ATL


„Raum und Zeit gestalten - arbeiten und ATL „Essen und trinken“ ATL „Ausscheiden“
spielen“

Empfehlung:
Empfehlung:
• Verletzungen vorausschauend vermeiden •
• auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten
wechselnde und regelmäßige Bewegung
• Obstipationsprophylaxe
am Arbeitsplatz

Abb. 32.60 Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei chronisch venöser


Insuffizienz.

Mobilisation sollte bei wirksamer medi- kamentöser Antikoagulation durchge- führt


werden. Die Thrombosen haben sich zu diesem Zeitpunkt entweder auf- gelöst oder in
die Venenwand eingebaut.

Muskel- Venen- pumpe klappe

Muskelkontraktion Muskelrelaxation

Abb. 32.61 Prinzip der Muskelpumpe.

Ausnahme bei Phlebothrombose. Eine Ausnahme vom Prinzip der Frühmobilisa- tion
stellt die tiefe Venenthrombose (TVT) dar. In der Frühphase der Erkran-

kung besteht die Gefahr der Lungenem- bolie (S. 835). Abrupte Bewegungen und
Pressen beim Stuhlgang können die Ge- fahr steigern. Bei einer auftretenden
Schwellung muss der Beinumfang ge- messen werden. Dabei sollte immer an der
gleichen Stelle gemessen werden, um eine korrekte Einschätzung des Ver- laufes zu
ermöglichen. In der Phase der Immobilisierung sollte eine ausführliche
Gesundheitsberatung und eine wir- kungsvolle Obstipationsprophylaxe durchgeführt
werden.

Schmerztherapie überwachen

Einschätzung der Schmerzintensität, Verabreichung von angeordneten


Schmerzmedikamenten und Überprü- fung der Wirksamkeit sind wichtige pfle- gerische
Aufgaben. Bei einer lokalen Schwellung der Extremität wirken Alko-

Anatomie und Physiologie

im Fokus

Das Funktionieren einer Muskelpumpe setzt voraus, dass eine Vene innerhalb von Muskelgruppen ver
einge- hüllt sind. Beim Aktivieren dieser Mus- keln werden die Muskelbäuche dicker, das Blut wird aus
steuern den Blutstrom nach oben in Richtung Hohlvene (Abb. 32.61).

834

hol- bzw. Rivanolumschläge sowie Hepa- rinsalben kühlend und abschwellend. Sie
werden vom Patienten meist als ange- nehm empfunden.

M E R K E Alkohol darf nie unver- dünnt angewandt werden. Er hat haut- schädigende
Wirkung.

Bakteriologische Untersuchung. Bei einer Thrombophlebitis sollten die in der Vene


befindlichen Verweilkatheter

entfernt werden. Zur Keimbestimmung werden die Katheterspitzen bakteriolo- gisch


untersucht.

Wundversorgung beim Ulcus cruris

Eine erfolgreiche Behandlung ist nur möglich, wenn die chronisch-venöse In- suffizienz
konsequent behandelt wird. Ziel der Wundbehandlung ist die Reepi- thelisierung und
damit das Abheilen des Hautdefektes. Beim Ulcus cruris (s. Abb. 32.56) kann das sehr
lange dau-

ern. Eine genaue Dokumentation des Wundzustandes und seines Verlaufes ist von
großer Bedeutung. Alle Maßnahmen zur Wundversorgung können auf S. 833
nachgelesen werden (s. a. Kap. 22).

MERKE Eine erfolgreiche Be- handlung des Ulcus cruris ist nur mög- lich, wenn die CVI
konsequent behandelt wird und die in Tab. 32.18 genannten Verhaltensweisen
berücksichtigt wer- den.

■ angeborene Erkrankungen der Blut- gerinnung (Faktor V Leiden-Mutation,


Prothrombin-Gen Mutation)

MERKE Die erste Mobilisation nach einer längeren Immobilität, zu starkes Pressen beim
Stuhlgang oder ein starker Husten können dazu führen, dass sich einen Thrombus von
der Venen- wand löst und zu einer Lungenembolie führt.

Symptome

Die klinischen Symptome einer Lungen- embolie können vielfältig und unspezi- fisch
sein. Zu ihnen zählen Dyspnoe und Tachypnoe, Thoraxschmerzen, Ta- chykardie,
Husten, Synkopen und Hä- moptysen. Bei einem Verdacht auf Lun- genembolie wird im
ersten Schritt ent- schieden, ob es sich um eine Hochrisiko- oder eine Nicht-Hochrisiko-
Lungenem- bolie handelt. Für eine Hochrisiko-Lun- genembolie sprechen Schock oder
Hy- potension (systolischer Blutdruck < 90 mmHg über mehr als 15 Minuten).

MERKE Eine Hochrisiko-Lun- genembolie ist ein Notfall und Bedarf der sofortigen
Behandlung. Sie kann in- nerhalb weniger Minuten durch ein aku- tes
Rechtsherzversagen (akutes Cor pul- monale) zu einem akutem Herz-Kreis-
laufstillstand führen.

Die Hochrisiko-Lungenembolie ist mit einer Frühsterblichkeit von 15 − 60 % ver-


bunden.

Eine Nicht-Hochrisiko-Lungenembolie kann „stumm“, also ohne deutliche klini- sche


Symptome verlaufen. Sie stellt kei- nen akuten Notfall dar und die Diagnos- tik und
Behandlung sind durch eine ge- ringere Dringlichkeit gekennzeichnet.

Diagnostik

Neben klinische Untersuchung und Anamnese hat sich als primärer diagnos-
32.12 Pflege von Patienten mit Lungenembolie

32.12 Pflege von Patienten mit Lungenembolie

32.12.1 Medizinischer Überblick Definition

Als Lungenembolie wird ein Verschluss einer Lungenarterie durch einen ver-
schleppten, venösen Thrombus bezeich- net. Der Thrombus verlegt einen Teil der
Lungenstrombahn. Hierdurch entstehen in der Lunge ein belüftetes, aber nicht
durchblutetes Gebiet (Abb. 32.62) mit Beeinträchtigung der Funktion des rech- ten.

Häufigkeit. Jährlich erkrankt 1 von 1000 Einwohnern an einer Lungenembolie. Dabei ist
es wichtig zu wissen, dass die

Erkrankungshäufigkeit in Risikosituatio- nen, wie nach Operationen oder bei Im-


mobilität, erheblich steigt. So erleiden 50% der Patienten mit Hüft- oder Knie-
gelenkersatz ohne Prophylaxe eine Lun- genembolie. Die Sterblichkeit der Patien- ten
mit Lungenembolie liegt drei Mona- te nach Diagnosestellung um 15 %. Damit stellt die
Lungenembolie eine wichtige Ursache für tödlich verlaufende Komplikationen im Verlauf
eines Kran- kenhausaufenthaltes dar.

Ursachen

In 90 % der Fälle stammen die Thromben aus dem venösen Gefäßsystem der tie- fen
Bein- und Beckenvenen. Seltener entstammen sie dem rechten Herzen. Zumeist ist eine
Lungenembolie Kompli- kation und Folge einer vorangegange- nen Phlebothrombose
(S. 246). Neben dem venösen Thrombus können auch Fett, Fruchtwasser, Luft oder in
selte- neren Fällen ein Fremdkörper eine Lun- genembolie verursachen.

Risikofaktoren

Die Risikofaktoren für eine Lungenembo- lie entsprechen denen einer Phlebo-
thrombose (S. 247). Sie können in vorü- bergehende und permanente Risikofak- toren
unterteilt werden. Vorübergehende Risikofaktoren. Dazu gehören:

▪ eingeschränkte Mobilität und Immo- bilität

▪ postoperativer oder posttraumati- scher Zustand, insbesondere Opera- tionen im


Bereich der Hüfte und der unteren Extremitäten

▪ Schwangerschaft und Wochenbett

▪ Einnahme oraler Kontrazeptiva („Pille“) in Kombination mit Rauchen


▪ RauchenPermanente Risikofaktoren. Dies sind: ■ Alter ■ maligne Erkrankungen■
Übergewicht (Adipositas)

rechter Vorhof

untere Hohl- vene

Lungen- arterie

b
Lungen- c flügel

Blutgerinnsel (Thrombus)

rechte Kammer

Beinvene
Abb. 32.62 Weg des Thrombus. In den Lungen verursacht der Thrombus eine Embolie a
in einem kleinen Gefäß, evtl. stummer Verlauf, b in einem größeren Gefäß mit schweren
Krankheitszeichen, c im Gebiet des Hilus mit sofortigem Tod.

835

32

32

32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

Tab. 32.19 Wells-Score zur Einschätzung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer


Lungen- embolie.

■ absolute Bettruhe (Gefahr, dass sich weitere Thromben aus dem Entste- hungsort
lösen können) verordnen

■ Oberkörper hoch lagern (Abb. 32.64). ■ Vitalzeichen kontrollieren und Patien-

ten beobachten■ Atemfunktion sichern:

• Sauerstoffzufuhr über O2-Nasen- sonde (2 – 6 l O 2/min.) oder über Maske (8 – 10 l


O2//min) bei akuter Atemnot

• Materialien für eine Intubation und eine Reanimation bereitstellen ■ Materialien für
einen venösen Zugang und für Blutentnahmen (Labor und Blutgasanalyse)
bereithalten Nach der Stabilisierung werden Patien- ten mit hohem Risiko auf die
Intensivsta- tion verlegt. Sie sollten dabei in einer halbsitzenden Position gelagert
werden und sehr vorsichtig, besonders an Deh- nungsfugen und
Aufzugsübergängen, auf die Intensivstation transportiert wer- den.
Medikamentöse Therapie Das therapeutische Vorgehen bei der Lungenembolie
richtet sich nach der hä- modynamischen Stabilität des Patienten. Die Therapie
beruht auf den Säulen Anti- koagulation und Lysetherapie. Daneben werden die
teils lebensbedrohlichen Symptome der Atmung und der Herz- Kreislauffunktion
intensivmedizinisch be- handelt und die Patienten dadurch stabi- lisiert.
Antikoagulation. Bei allen Schwere- graden der Lungenembolie wird durch eine
sofortige Antikoagulation mit intra- venös als Bolus verabreichtem Heparin eine
schnelle Gerinnungshemmung des Blutes erreicht. Ziel: weitere Thromben-
bildung verhindern. Lysetherapie. Bei massiver Lungenembo- lie kann mit einer
Lysetherapie mit Alte- plase versucht werden, den Embolus aufzulösen und die
verlegte Lungen- strombahn wieder zu eröffnen, die Hä- modynamik zu
stabilisieren und den Gasaustausch zu verbessern. Eine medi- kamentöse
Lysetherapie geht mit dem Risiko von Blutungskomplikationen ein- her und ist
deshalb nicht ungefährlich. Absolute Kontraindikationen für eine Ly- setherapie
bei massiver Lungenembolie sind:

• aktive innere Blutung

• in letzter Zeit aufgetretene spontane zerebrale BlutungenRelative Kontraindikationen


für eine Ly- setherapie bei massiver Lungenembolie sind:■ Schlaganfall innerhalb
der letzten zwei Monate

Zeichen Punkte

Klinische Zeichen einer tiefen Venenthrombose


3,0

Andere Ursache als Lungenarterienembolie


wenig wahrscheinlich 3,0

Vorangegangene tiefe Venenthrombose oder


Lungenarterienembolie 1,5

Operation oder Immobilisation innerhalb der


letzten 4 Wochen 1,5

Tachykardie > 100 Schläge/min 1,5

Tumorerkrankung (aktive oder in den


vergangenen 6 Monaten) 1,0

Hämoptysen 1,0

Maximal 12,5

Klinische Wahrscheinlichkeit niedrig 0 – 1mittel


2 – 6hoch > 10

tischer Schritt bei der Nicht-Hochrisiko- Lungenembolie die Durchführung eines


validierten Wahrscheinlichkeitstests, wie dem Wells-Score, etabliert (Tab. 32.19).

Die folgenden diagnostischen Maß- nahmen dienen der Suche nach der Em- boliequelle
sowie der Einschätzung des Ausmaßes der Embolie und der Rechts- herzbelastung:

• Venensonografie zur Erfassung von Beinvenenthrombosen

• Spiralcomputertomografie (schnelle, wenig belastende diagnostische Me- thode, um


zentrale und größere peri- phere Embolien darzustellen (Abb. 32.63)

• Pulmonalisangiografie (Auskunft über den Blutdurchfluss der Lungenstrom- bahn)

• Echokardiografie (Thromben in den Lungenarterien werden sichtbar, Be- urteilung der


Rechtsherzbelastung)

• zentraler Venenkatheter (ZVD ist bei einer Lungenembolie erhöht) Abb. 32.63 Großer
Embolus auf der Aufzweigung des Pulmonalisstammes (→). Als Folge der mas-
siven Lungenembolie ist eine Infarktpneumonie mit Begleiterguss entstanden (**).

■ Pulmonalarterienkatheter (Aufschluss über Druckverhältnisse vor und nach dem


rechten Herzen)

Therapie

akuten Notfall. Die Sofortmaßnahmen des Arztes sind von den pflegerischen Tä-
tigkeiten kaum zu trennen. Hier ist Teamarbeit gefragt. Die Pflegeperson muss in dieser
Notfallsituation mit entsprechenden Hilfsmitteln in Reani- mationsbereitschaft sein(s.
Kapitel 32.8).

Sofortmaßnahmen

Bei einem Verdacht auf eine Lungenem- bolie sind die folgenden Sofortmaßnah- men
auszuführen:■ Sofort den Arzt benachrichtigen (Pa-

tienten nicht alleine lassen, Notruf-

einrichtung nutzen)■ Ruhe und Sicherheit vermitteln

Abb. 32.64 Bei der Lungenembolie erlebt der Pa- tient Todesangst. Er wird zur
Linderung der Atem- not mit erhöhtem Oberkörper gelagert.
MERKE

Bei einer Hochrisiko- Lungenembolie handelt es sich um einen

MERKE Eine Hochrisiko Lungenembolie ist ein Notfall und Bedarf der sofortigen
Behandlung. Sie kann in- nerhalb weniger Minuten durch ein aku- tes
Rechtsherzversagen (akutes Cor pul- monale) zu einem akutem Herz-Kreis-
laufstillstand führen.

836

32.12 Pflege von Patienten mit Lungenembolie

Gesundheitsberatung MarcumarisierungGrundsätzlich gilt: Nach einer überstandenen Lungenembolie


einen Zeitraum von 6–12 Mo-naten

schränkt die Gefahr den Lebensstil des Patienten ein. Der Patient muss über gesundheitsfördernde Ma

Beratung „Selbstpflegekonzept“

Info: Ziel ist es, dass der Patient unabhängiger in seiner Lebensgestaltung und aktiver an der Be
Informationen erhalten, wie er sich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus verhalten soll.

Dosierung und Einnahmemodus Blutkontrollen Marcumar- Ausweis

• Wie lange müssen die Me- ▪ Wie kann der Patient seine ▪ Was wird in den Marcu
dikamente eingenommen Gerinnungswerte messen? Ausweis eingetragen?
werden?
▪ Wie oft sollte gemessen werden? ▪ Wann ist der Ausweis drin
• Was ist bei der Einnahme zu Info: Regelmäßige erforderlich? Info:
beachten? Info: Nach ca. 7– Kontrollen werden alle 1–3 Patient muss e
14 Tagen wird die Wochen vom Hausarzt Marcumar-Ausweis mit
medikamentöse Antikoa- durchgeführt. Es ist jedoch tragen. Dort werden ge
gulation von Heparin auf möglich, dass der Patient die Dosierung
Cumarine umgestellt. Für Dosierung einmal wöchent- Gerinnungshem- mers
die Dauer von 6–12 lich selbst überwacht. die gemessenen
Monaten ist der Patient auf Ähnlich dem Diabetiker, der rinnungswerte eingetra
eine regelmäßige Einnahme seinen Blutzucker zuhause In einem Notfall kann d
von Gerinnungs- hemmern bestimmen kann, ist es Aus- weis lebensre
(Cumarine, z. B. Marcumar, möglich, den Quick- Wert mit sein. Zu beachten:
Falithrom, Sintrom)
angewiesen. Bei speziellen einem kleinen Gerät zu •
Risi- kogruppen ist sogar überprüfen (z. B.
eine längere Einnahme CoaguChek). Zu beachten: •
notwendig. Der Hausarzt ist
für die Therapie und ▪ selbstständige Überwachung der bei jedem Arztbesuch (Zahn-
Dosierung der Gerinnungs- Blutgerinnung ist mit dem sollte der Ausweis vorge
hemmer verantwortlich. Zu Arzt abzusprechen werden, damit alle Maßnah
beachten: vermieden werden, die zu
▪ Gebrauch des Diagnose- geräts
Blutung führen können
▪ regelmäßige Einnahme des muss geschult werden
Medikaments der Patient sollte immer ein An
▪ gemessene Werte werden in den
(Vitamin K, z. B. Konakion) be
▪ die Einnahme von anderen Gerinnungspass einge-
tragen und dieses bei akuten
Medikamenten muss mit tragen und bei jedem Arzt-
ungen einnehmen
dem Arzt abgesprochen besuch vorgezeigt
werden

Abb. 32.65 Informationsblatt zur Gesundheitsberatung bei Marcumarisierung.

▪ gastrointestinale Blutung innerhalb der letzten zehn Tage

▪ schwereres Trauma innerhalb der letzten 15 Tage

▪ neurochirurgische oder ophthalmolo- gische Eingriffe innerhalb des letzten Monats

▪ Schwangerschaft

▪ bakterielle Endokarditis

▪ größere chirurgische Eingriffe, Organ- biopsien oder Punktion nicht kompri- mierbarer
Gefäße innerhalb der letz- ten zehn Tage

▪ i. m.-Injektion vor weniger als 48 Stunden Weitere Therapieoptionen Besteht bei einer
massiven Lungenem- bolie eine Kontraindikation gegen eine Lysetherapie, kann
eine chirurgische Em- bolektomie in Erwägung gezogen wer- den. Auch der
Einsatz von Thrombekto- miekathetern zum Absaugen oder „Zer- trümmern“ von
Thromben kann mit oder ohne Lyse die Behandlungsergeb- nisse verbessern.

32.12.2 Pflege- und Behandlungsplan

Die pflegerischen Aufgaben im Verlauf einer Lungenembolie umfassen Pflege-


maßnahmen in der Akutphase und im weiteren Verlauf sowie die Gesundheits- beratung
(Abb. 32.65).

Pflegemaßnahmen in der Akutphase


Neben den oben beschriebenen Sofort- maßnahmen während des akuten Ge-
schehens stellt die Information, Aufklä- rung und Beratung des Patienten eine wichtige
Maßnahme dar. Er darf sich nicht anstrengen (Bettruhe!) und bedarf zu seiner
Entlastung einer umfassenden Unterstützung in den ATL wie beim Herzinfarkt (S. 793).
Während der Be- handlung auf einer Intensivstation sind weitreichende
intensivpflegerische Auf- gaben zu erfüllen (S. 1239). Die Überwa- chung des Patienten
während der Lyse- therapie und eine Obstipationsprophyla- xe sind daneben als weitere
Aufgaben zu nennen.

Beratung. Der Patient wird über die er- forderliche Bettruhe und die Bedeutung seiner
herabgesetzten Blutgerinnung in-

formiert. Der Patient muss sich vor Ver- letzungen und möglichen Gefahren schützen, z.
B. die Zahnpflege mit einer weichen Zahnbürste durchführen und zur Rasur einen
Elektrorasierer verwen- den.

Überwachung der Lysetherapie

Die Lysetherapie beinhaltet das Risiko von Blutungen. Der Patient muss durch folgende
Maßnahmen vor Verletzungen und Blutungen geschützt werden:

Einstichstellen und Punktionsstellen beobachten, ggf. Druckverbände an- legenZugänge


und Katheter sorgfältig und sicher fixieren

auf Blutungen (Haut, Urin, Stuhl) achtenkeine i. m.-Injektion verabreichen Nasenpflege

Wundverbände sorgfältig wechseln (alte Wundauflagen nur so entfernen, dass Wunden


nicht bluten)

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32 Pflege von Patienten mit Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und Gefäßsystems

PRAXISTIPP Fragen Sie den Patienten während der Lysetherapie häufig nach seinem
Befinden. Klagt er über Kopfschmerzen, kann eine Hirnblu- tung die Ursache sein.
Informieren Sie den Arzt, aber unterbrechen Sie die Ly- setherapie nur auf seine
Anordnung, da der Kopfschmerz ein sehr allgemeines Symptom ist.

Obstipationsprophylaxe
PRAXISTIPP Achten Sie auch auf die Umgebungsbedingungen. Eine unruhige
Umgebung im Zimmer, das Eintreten von Besuchern, Ärzten usw. führen dazu, dass der
Patient den Vor- gang der Darmentleerung schnellst- möglich beenden will und wieder
stärker drückt.

Pflegemaßnahmen im weiteren VerlaufPneumonieprophylaxe. Der Patient sollte ein


schonendes Atemtraining zur Pneu- monieprophylaxe absolvieren. Vibra-
tionsmassagen oder ein Abklopfen des Thorax sind kontraindiziert, da sich Thromben
lösen können.

Thromboseprophylaxe. Die Maßnahmen dürfen erst dann durchgeführt werden, wenn


bekannt ist, wo die Thromben ent- standen sind. Keinesfalls darf der Patient durch eine
zu frühe Mobilisation gefähr- det werden, denn weitere Thromben könnten sich lösen.
Maßnahmen zur Thromboseprophylaxe sind:

■ Anlegen eines Kompressionsverbands (S. 250)

■ Beinhochlagerung■ gezielte Mobilisation, um den venösen

Rückstrom zu fördern (S. 252)

Blähende oder stopfende Speisen schwarzer Tee, Schokolade, frisches Brot und
Bananen) sind zu vermeiden. Der Patient darf beim Stuhlgang nicht pres- sen. Daher
sollten eine Anordnung von Laxanzien durch den Arzt erwogen wer- den.

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