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Ulrike Zwergel, Jörn Kamradt
Last Minute Urologie
In der Reihe Last Minute erscheinen folgende Titel:

• Last Minute AINS


• Last Minute Anatomie
• Last Minute Augenheilkunde
• Last Minute Bildgebende Verfahren
• Last Minute Biochemie
• Last Minute Biologie
• Last Minute Chemie
• Last Minute Chirurgie
• Last Minute Dermatologie
• Last Minute Gynäkologie und Geburtshilfe
• Last Minute Histologie
• Last Minute HNO
• Last Minute Infektiologie, Immunologie und Mikrobiologie
• Last Minute Innere Medizin
• Last Minute Neurologie
• Last Minute Pädiatrie
• Last Minute Pathologie
• Last Minute Pharmakologie
• Last Minute Physik
• Last Minute Physiologie
• Last Minute Psychiatrie
• Last Minute Psychologie und Soziologie
• Last Minute Rechtsmedizin
• Last Minute Urologie
Ulrike Zwergel, Jörn Kamradt

Last Minute
Urologie
1. Auflage
Zuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Hackerbrücke 6, 80335 München
E-Mail: medizinstudium@elsevier.de

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Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfah-
rungen. Herausgeber und Autoren dieses Werks haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in
diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben (insbesondere hinsichtlich Indikation, Dosierung
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
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Alle Rechte vorbehalten


1. Auflage 2014

© Elsevier GmbH, München


Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.

14 15 16 17 18 5 4 3 2 1

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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche-
rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline Form
gewählt. Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.

Planung: Julia Lux, Alexander Gattnarzik, Elsevier Deutschland, München


Lektorat: Michael Kraft, Michaela Mohr, mimo-boox|textwerk., Augsburg
Herstellung: Dietmar Radünz, Elsevier Deutschland, München
Satz: abavo GmbH, Buchloe/Deutschland; TnQ, Chennai/Indien
Druck und Bindung: Printer Trento, Trento, Italien
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm
Titelfotografie: © Getty Images/Kick Images/Tsoi Hoi Fung

ISBN Print 978-3-437-43081-7


ISBN e-Book 978-3-437-16950-2

Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com


Vorwort
Jeder weiß, wie wichtig eine effiziente Examens- tern. Inwieweit diese Zielsetzung tatsächlich er-
vorbereitung ist und dass eine schnelle und reicht werden kann, wird die hoffentlich ange-
übersichtliche Wiederholungsmöglichkeit von regte Diskussion mit den Lesern zeigen, zu der
eigentlich bekannten Fakten sehr hilfreich ist. wir alle ganz herzlich auffordern möchten.
Und genau hier setzt auch dieses Last-Minute- Unser Dank gebührt den Mitarbeitern des Else-
Buch an. Die Reihe des Elsevier Verlags soll kein vier Verlags, insbesondere Frau Julia Baier, die
ausführliches Lehrbuch ersetzen. Auch mit die- uns durch ihr kompetentes Projektmanagement
sem Buch sollen die angehenden Mediziner mit bestens unterstützt hat. Ebenso danken wir dem
einer „geballten Ladung“ an Informationen für Lektor Herrn Michael Kraft und allen, die an der
die schriftliche Urologie-Prüfung optimal vor- Gestaltung und Herstellung erfolgreich mitge-
bereitet werden. Die stichwortartige Zusammen- wirkt haben.
stellung ermöglicht eine schnelle Wissensüber- Besonderer Dank gilt unseren Familien, die uns
prüfung kurz vor der zweiten Ärztlichen Prü- nicht nur teilweise mit großem Sachverstand be-
fung „ohne Schnörkel“. Die Inhalte orientieren gleitet haben, sondern auch während der Fertig-
sich dabei an den Themen des Gegenstandskata- stellung des Buches auf manch gemeinsame
logs; dabei werden speziell alle urologischen Stunden verzichtet haben.
­Examensfragen des IMPP seit 2007 berücksich- Ebenfalls möchten wir allen von uns befragten
tigt. Zahlreiche Abbildungen und Tabellen er- Studierenden und speziell dem Medizin studie-
leichtern das Verständnis der Zusammenhänge. renden Sohn Constantin Zwergel danken, die
Nicht zuletzt wird das Wissen durch Multiple- uns als Insider und Betroffene wertvolle Hinwei-
Choice-Fragen im Internet unter http://www. se gegeben haben.
mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt Usus est magister optimus. Übung ist der beste
abgefragt. Lehrmeister.
Rekapitulieren Sie aktiv und konzentriert die
wichtigsten urologischen Themengebiete, ohne Im Oktober 2013
zu sehr ins Detail gehen zu müssen. Ulrike Zwergel
Die Intention des Buches lautet, locker die letzte Jörn Kamradt
Hürde vor dem Eintritt ins Berufsleben zu meis-
So nutzen Sie das Buch
Prüfungsrelevanz • Kapitel in Blau kennzeichnen die Inhalte,
Die Elsevier-Reihe Last Minute bietet Ihnen die die in bisherigen Examina eher seltener, aber
Inhalte, zu denen in den Examina der letzten immer wieder mal geprüft wurden.
fünf Jahre Fragen gestellt wurden. Eine Farbken-
Lerneinheiten
nung gibt an, wie häufig ein Thema gefragt wur-
de, d. h. wie prüfungsrelevant es ist: 1 Das gesamte Buch wird in Tages-Lern­
einheiten unterteilt. Diese werden durch
• Kapitel in Violett kennzeichnen die Inhal- eine „Uhr“ dargestellt: Die Ziffer gibt an,
te, die in bisherigen Examina sehr häufig ge-
in welcher Tages-Lerneinheit man sich
prüft wurden.
befindet.
• Kapitel in Grün kennzeichnen die Inhalte,
die in bisherigen Examina mittelmäßig häufig 1 Jede Tages-Lerneinheit ist in sechs Ab-
schnitte unterteilt: Der ausgefüllte Be-
geprüft wurden.
reich zeigt, wie weit Sie fortgeschritten
sind.

■ CHECK-UP
Check-up-Kasten: Fragen zum Kapitel als Selbsttest.

Merkekasten:   Zusatzwissen zum Thema, z. B. zusätzliche


wichtige Fakten, Merk­regeln. klinische Informationen.

Zum Üben stehen Ihnen unter http://www.me-


discript-online.de/ alle IMPP-Fragen zur Urolo-
gie zur Verfügung (Zugangscode s. vordere in-
nere Umschlagseite). Am Ende jeden Kapitels
finden Sie einen direkten Link zu einer Auswahl
der jeweils wichtigsten IMPP-Fragen zum The-
ma auf mediscript online.
Adressen
Prof. Dr. med Ulrike Zwergel PD Dr. med. Jörn Kamradt
Klinik für Urologie Urologie Zentrum Bern
Klinikum Idar-Oberstein GmbH Klinik Beau-Site
Dr.-Ottmar-Kohler-Straße 2 Schänzlihalde 11
D – 55743 Idar-Oberstein CH – 3000 Bern 25
Beiträge: Bildgebende Verfahren, Therapieprin-
zipien: Operative Eingriffe, Tumoren des Nie-
renparenchyms, Tumoren des Nierenbeckens
und des Harnleiters, Blasentumoren, Hodentu-
moren, Peniskarzinom, Prostatakarzinom

Abbildungsnachweis
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle M587 Frau Prof. Dr. med. Ulrike Zwergel,
befindet sich bei allen Abbildungen im Buch am Idar-Oberstein
Ende des Legendentextes in eckigen Klammern. E930 Urology, Elsevier 2005
Alle nicht besonders gekennzeichneten Grafiken E931 Textbook of family medicine,
und Abbildungen © Elsevier GmbH, München. Elsevier 2007
L106 Henriette Rintelen, Velbert E932 Techniques in Gastrointestinal
L141 Stefan Elsberger, Planegg Endoscopy, Elsevier 2007
L157 Susanne Adler, Lübeck L231 Stefan Dangl, München
T439 Ärztehaus Kornwestheim; E102–009 Sökeland, Urologie, Thieme 2002
www.urodoctor.de

IX
Abkürzungen
AFP Alpha-Fetoprotein MRT Magnetresonanztomografie
AV Arteriovenös mTOR Mammalian Target of Rapamycin
BCG Bacillus-Calmette-Guérin NBKS Nierenbeckenkelchsystems
BPH Benigne Prostatahyperplasie NMR Nuclear Magnetic Resonance
BPS Benignes Prostata-Syndrom (Kernspintomografie)
CCT Kraniale Computertomografie PDGF Platelet-Derived Growth Factor
CIS Carcinoma in situ PE Probeexzision
CRP C-reaktives Protein PEB Cisplatin, Etoposid, Bleomycin
CT Computertomografie PET Positronenemissionstomografie
DD Differenzialdiagnose PIA Prostatische inflammatorische
DHT Dihydrotestosteron Atrophie
DRU Digitorektale Untersuchung PNL Perkutane Nephrolitholapaxie
ED Erektile Dysfunktion PSA Prostataspezifisches Antigen
EMB Ethambutol PUNLMP Papillary Urothelial Neoplasia of
EMG Elektromyogramm Low Malignant Potential
ESWL Extrakorporale Stoßwellenlitho­ PZA Pyrazinamid
tripsie RLA Retroperitoneale Lymphaden­
FDG-PET Fluorodeoxyglukose-Positronen­ ektomie
emissionstomografie RMP Rifampicin
FSH Follikelstimulierendes Hormon SIOP International Society of Paediatric
GnRH Gonadotropin-Releasing-Hormon Oncology
HCG Humanes Choriongonadotropin SIRS Severe Inflammatory Response
HGPIN High-grade prostatische intraepithe- Syndrome
liale Neoplasie SKAT Schwellkörper-Autoinjektions-
HPV Humanes Papillomavirus Therapie
ICS International Continence Society SKIT Schwellkörper-Injektions-Test
ICSI Intrazystoplasmatische Spermien­ SM Streptomycin
injektion TIN Testikuläre intraepitheliale
i. e. id est (das ist, das heißt) Neoplasie
INH Isoniazid TRUS Transrektaler Ultraschall
IPSS International Prostatic Symptom TUR-P Transurethrale Resektion der
Score Prostata
i. v. intravenös TVT Tension-free Vaginal Tape
IVF In-vitro-Fertilisierung URS Ureterorenoskopie
IVP Infusionspyelogramm V. a. Verdacht auf
KG Körpergewicht VEGF Vascular Endothelial Growth Factor
KM Kontrastmittel vs. versus
LDH Laktatdehydrogenase VUR Vesikoureteraler Reflux
LH Luteinisierendes Hormon WHO World Health Organization
LH-RH Luteinisierendes Hormon WHO/ISUP World Health Organization/
Releasing-Hormon International Society of Urologic
LUTS Lower Urinary Tract Symptoms Pathology
MCU Miktionszystourethrogramm Z. n. Zustand nach
MIBG Metajodbenzylguanidin ZNS Zentralnervensystem

X
Inhaltsverzeichnis
1 Tag 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1 Urologische Leitsymptome, Diagnostik und Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . 1
Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Urinuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Therapieprinzipien: Operative Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2 Fehlbildungen und Kinderurologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Anomalien der Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Anomalien des oberen Harntrakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Fehlbildungen des äußeren Genitales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Akutes Skrotum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Kindliche Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3 Entzündungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Harnwegsinfekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Paranephritischer Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Morbus Ormond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Prostatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Urogenitaltuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Parasitäre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
4 Urologische Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Tumoren des Nierenparenchyms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Tumoren des Nierenbeckens und des Harnleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Blasentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Hodentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

2 Tag 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Peniskarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Prostatakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Misteltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
5 Urolithiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Nieren- und Harnleitersteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Blasensteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
6 Verletzungen des Urogenitalsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Verletzungen der Nieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Verletzungen der Harnröhre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Verletzungen der Harnblase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
7 Andrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Männliche Infertilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Erektile Dysfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
8 Blasenentleerungs­störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Benignes Prostata-Syndrom (BPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Harninkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Neurogene Blasenentleerungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
9 Urologische Notfallsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Harnsteinkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Urosepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Fournier-Gangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Priapismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

XI
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1
1  Urologische
Leitsymptome,
Diagnostik und
Therapieprinzipien
Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Urinuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Therapieprinzipien: Operative Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Leitsymptome
■ Störungen der Miktion und/oder ordnung zu den Begriffen (➜ Tab. 1.1) diagnosti­
sche und therapeutische Bedeutung hat.
der Urinausscheidung
Definitionen Anurie
Miktionsbeschwerden können sehr unterschied­ Die differenzialdiagnostischen Aspekte beim
lich sein, wobei eine genaue Erhebung mit Zu­ Auftreten einer postrenalen Anurie sind in
➜ Abb. 1.1 dargestellt.

Tab. 1.1  Störungen der Miktion und/oder der Urinausscheidung


Algurie Schmerzhaftes Wasserlassen
Anurie Fehlende oder auf maximal 100 ml/24 h verminderte Urinausscheidung
Dysurie Erschwertes schmerzhaftes Wasserlassen
Fäkalurie Urinausscheidung mit Stuhl vermischt (z. B. bei Fisteln zwischen Rektum
und Harnblase/Harnröhre)
Hämaturie Urin mit über das Normalmaß hinausgehender Ausscheidung von roten
Blutkörperchen
• Mikrohämaturie • In der Mikroskopie drei und mehr Erythrozyten pro Gesichtsfeld
• Makrohämaturie • Mit dem bloßen Auge sichtbare Rotfärbung des Urins

Imperativer Zwanghaftes nicht unterdrückbares Bedürfnis Wasser zu lassen


­Harndrang
Inkontinenz Verlust oder das Nichterlernen der Fähigkeit, Urin oder Stuhl sicher zu spei-
chern und zur selbstbestimmten Zeit gewollt auszuscheiden
Nykturie Gehäuftes nächtliches Wasserlassen (z. B. bei Herzinsuffizienz und/oder
bei subvesikaler Obstruktion)
Oligurie Verminderte Urinproduktion und/oder verminderte -ausscheidung
(< 500 ml/24 h)
Palmurie Gespaltener Harnstrahl
Pollakisurie Drang zu häufigem Wasserlassen ohne vermehrte Urinausscheidung (z. B.
vor allem bei Reizblase, bei Harnwegsinfekten und/oder bei subvesikaler
Obstruktion)
Polyurie Übermäßige Urinausscheidung (vermehrtes Harnvolumen > 2 l/24 h)

1
1  Urologische Leitsymptome, Diagnostik und Therapieprinzipien

Tab. 1.1  Störungen der Miktion und/oder der Urinausscheidung (Forts.)


Pyurie Trüber, übel riechender Urin (viele Leukozyten im Urin mit und ohne Bakte-
rien)
Strangurie Wasserlassen, das stark durch krampfartige Blasenschmerzen beeinträch-
tigt wird

Abb. 1.1  Ursachen für eine postrenale Anurie (trifft i. d. R. supravesikal nur zu, wenn beidseitig oder
bei Einnierigkeit) [L141]

■ Hämaturie punkt der urologischen Genese in ➜ Abb. 1.2


dargestellt.
Die differenzialdiagnostischen Aspekte beim
Auftreten einer Hämaturie sind mit Schwer­

2
1

Abb. 1.2  Ursachen für eine Hämaturie (aus urologischer Sicht) [L141]

■ CHECK-UP
Welche Begriffe der Miktionsstörungen kennen Sie und wie sind sie definiert?

Urinuntersuchungen

■ Uringewinnung • Beutelurin: Bei Kindern, die noch keine be­


wusste Miktionskontrolle haben, wird nach
Bei der Uringewinnung gibt es nachstehende Desinfektion ein steriler Plastikbeutel über
Optionen: den Introitus bzw. Penis geklebt. Da Beutel­
• Mittelstrahlurin: Nach Desinfektion von In­ urin durch Haut- und Schleimhautflora des
troitus vaginae bzw. Glans penis wird die ers­ Genitales kontaminiert ist, darf er nur als
te Urinportion verworfen; aus der mittleren Ausschlusstest benutzt werden. Ähnlich wie
Urinportion wird eine Probe im sterilen Be­ beim Mittelstrahlurin müssen unklare Befun­
hälter aufgefangen. de durch die nachstehend genannten Techni­
ken abgeklärt werden.

3
1  Urologische Leitsymptome, Diagnostik und Therapieprinzipien

• Blasenpunktionsurin (suprapubisch): • Urinsediment (nach Zentrifugation)


­Dieser wird zumeist bei Säuglingen und quer­ – Im Urinsediment werden mikroskopisch
schnittsgelähmten Patienten angewandt. die korpuskulären Bestandteile untersucht:
• Blasenkatheterurin (transurethral): Dieser – Erythrozyten
sollte von erfahrenem Personal durchgeführt – Leukozyten
werden. Nur so kann eine Traumatisierung und – Epithelien
Kontamination am ehesten vermieden werden. – Bakterien und Pilze
– Zylinder und Kristalle
■ Urinauswertung – Zusätzlich kann die Morphologie der Erythro­
zyten und der Epithelien beurteilt werden.
• Urinstreifentest: Mit dem Urinstreifentest • Bakteriologische Urinuntersuchung: Um infi-
können semiquantitative Aussagen getroffen zierten Urin von kontaminiertem Urin zu un­
werden (➜ Tab. 1.2). Dabei ist jedem Parame­ terscheiden, ist besonders zu beachten auf die
ter ein eigenes auf dem Teststreifen befindli­ – korrekte Abnahmetechnik (➜ Uringewin­
ches Reagenzfeld zugeordnet, das einen sub­ nung),
stanzspezifischen Indikator enthält. Dieser – korrekte Aufbewahrungszeit und
zeigt bei Kontakt mit dem Urin einen der – Keimzahl.
Konzentration der nachgewiesenen Substanz • Beim Mittelstrahlurin sind die Befundkostel­
entsprechenden Farbumschlag. Falsch positi­ lationen zu beachten (➜ Tab. 1.3).
ve und negative Ergebnisse finden sich häufi­
ger bei einem spezifischen Gewicht über Tab. 1.3  Beurteilung des Mittelstrahurins in
1.020 g/ml oder verfärbtem Urin. Abhängigkeit von der ermittelten Keimzahl
> 105 Keime/ml Signifikante Bakteriurie
Tab. 1.2  Normbereiche für die Untersuchung
des Urins mit Teststreifen 104–105 Keime/ml Kontrollbereich
Testwert Normbereich < 104 Keime/ml Kontamination
Erythrozyten < 5
Leukozyten < 15 Zur mikrobiologischen Untersuchung wird
pH-Wert 5,5–6,5
der Urin auf Blutagarplatten (für grampositi­
ve, gramnegative Keime) und auf Eosin-Me­
Glukose < 15 mg/dl (0,84 mmol/l) thylenblauagar (für gramnegative Keime)
Eiweiß < 30 mg/dl weiterverarbeitet.
Spez. Gewicht 1,003–1,030 g/ml Für die Praxis hat sich das sogenannte Uri-
kultverfahren bewährt. Nach 24 Stunden
Nitrit Negativ werden die Keime identifiziert und gegen
Ketone Negativ gängige Antibiotika ausgetestet.

■ CHECK-UP
Welche Möglichkeiten der Uringewinnung kennen Sie?
Welche Parameter werden bei der Urinteststreifenanwendung bestimmt?
Was ist bei der bakteriologischen Urinuntersuchung zu beachten?

Bildgebende Verfahren
Die Bildgebung spielt in der Urologie eine wich­ Tab. 1.4  Ultraschallsonden in der Urologie
tige Rolle. Im Folgenden werden die wichtigsten
bildgebenden Verfahren in der Urologie zusam­ Region Sondenfrequenz
mengefasst vorgestellt. Abdomen 3,5–5 MHz
Hoden/Skrotum 7,5–12 MHz
■ Ultraschall Prostata 7,5–12 MHz
Abhängig von der nötigen Eindringtiefe unter­ (Transrektalsonde)
scheidet man verschiedene Ultraschallsonden
(➜ Tab. 1.4):

4
1
Nieren • Blasenvolumen, Restharnbestimmung nach
Man unterscheidet an der Niere zwischen dem Miktion
Parenchym und dem zentralen Reflexband. Mit • Blasenwand: Verdickung der Blasenwand,
dem Ultraschall (➜ Abb. 1.3) können folgende z. B. bei subvesikaler Obstruktion; größere
Befunde an der Niere erhoben werden: exophytische Tumoren der Blasenwand
• Normgrößen: Länge 100–115 mm, Breite • Cave: Diagnostik der Wahl für Blasentumo­
50–70 mm, Parenchymdicke 13–18 mm. ren ist nicht der Ultraschall, sondern die Zys­
• Ektasie des Nierenbeckenkelchsystems toskopie!
(NBKS): Das erweiterte NBKS stellt sich als • Blasensteine: Gleiches Verhalten im Ultra­
echofreie („schwarze“) geweihartige schall wie bei Nierensteinen.
Struktur im zentralen Reflexband dar.
Prostata
• Nierenzyste/n: Meist kugelige, glatt berandete Die Prostata kann transvesikal mit dem Abdo­
echofreie Raumforderungen im Parenchym minalschallkopf oder deutlich besser mit der
oder im zentralen Reflexband (sog. parapelvi­ transrektalen Sonde beurteilt werden. Mit der
ne Zyste). Hinter einer Zyste findet sich nor­ transrektalen Sonde lassen sich im transrektalen
malerweise eine Schallverstärkung aufgrund Ultraschall (TRUS)
des Flüssigkeitsvorlaufs für die Schallwellen, • das Prostatavolumen bestimmen und
als Solitärzysten oder mehrere Zysten, z. B. • ein Prostataabszess diagnostizieren.
bei polyzystischen Nieren. • Die Sensitivität und Spezifität sind für das Er­
• Steine/Konkremente in den Nierenkelchen kennen eines Prostatakarzinoms gering; der
und im Nierenbecken: Vollständige Schallre­ TRUS ist jedoch sehr wichtig für die systema­
flexion an der Steinoberfläche und dadurch tisch entnommenen Prostatabiopsien zur
Schallauslöschung hinter dem Stein.
Karzinomdiagnostik.
• Nierentumor: Raumforderung im Nierenpar­
enchym, oft erkennbar durch Vorbuckelung Hoden
an der Nierenkonvexität; echoreiche Nieren­ Im Hodenultraschall können folgende Befunde
tumoren im Ultraschall sind typisch für das erhoben werden:
Angiomyolipom, ansonsten ist aber keine • Hodentumor: inhomogene Raumforderungen
Artdiagnose möglich. im normalerweise homogenen Hoden
• Perfusion des Hodenparenchyms im Doppler.
Der Perfusionsnachweis ist kein sicherer
Komplizierte Nierenzysten
Ausschluss einer Hodentorsion.
Zysten mit Septierungen, Verkalkungen, un­
• Hydrozele: echofreies Areal um den Hoden
regelmäßiger Zystenwand und/oder soliden
• Varikozele: erweiterte Venenplexus des Sa­
Anteilen. Komplizierte Zysten müssen zum
menstrangs mit Flussumkehr im Valsalva-
Ausschluss eines Malignoms mit einer Com­
Manöver bei Doppler-Sonografie.
putertomografie (CT) weiter abgeklärt wer­
den; ggf. operative Freilegung.
■ Konventionelles Röntgen
Harnblase
Mit dem Ultraschall können folgende Befunde Bei allen bildgebenden Verfahren mit Rönt­
an der Harnblase erhoben werden: genstrahlen muss vor der Untersuchung von

Abb. 1.3  Sonografie einer


Niere mit großer Nierenzyste
[E930]

5
1  Urologische Leitsymptome, Diagnostik und Therapieprinzipien

Retrogrades Urethrogramm
Frauen im gebärfähigen Alter eine Schwan­ • Untersuchung zur Beurteilung der männli­
gerschaft ausgeschlossen sein. Bei allen Un­ chen Harnröhre
tersuchungen mit i. v. Kontrastmittel (KM) • Untersuchungsablauf: Einspritzen von KM in
muss zuvor eine Allergie anamnestisch aus­ die Harnröhre
geschlossen sein. • Darstellung von Harnröhrenengen, Verlet­
zungen der Harnröhre
Infusionspyelogramm (IVP)
Miktionszystourethrogramm (MCU)
• Untersuchung zur Beurteilung der ableiten­
• Untersuchung zum Nachweis/Ausschluss ei­
den Harnwege
nes vesikoureteralen Refluxes (VUR)
• Untersuchungsablauf: Leeraufnahme → i. v.
• Untersuchungsablauf: Füllen der Harnblase
KM-Gabe → erneute Aufnahme nach 5–10
über einen transurethralen Einmalkatheter
Minuten → ggf. weitere Aufnahmen zur Do­
oder eine Zystostomie mit KM → Durch­
kumentation des KM-Abflusses
leuchtung während der Füllungsphase und
• Nachweis von Steinen in den Nierenbecken­
während der Miktion.
kelchsystemen, den Harnleitern oder der
• Neben VUR auch Beurteilung der Blasenkon­
Harnblase. Nur kalzium- und magnesium-
figuration (Volumen, Form, Lage, Blasen­
haltige Steine sind röntgendicht. Harnsäu­
wand), bei Miktion Beurteilung der Harnröh­
resteine sind im Röntgen nicht direkt sicht­
re und des Restharns möglich.
bar, sondern nur als KM-Aussparung.
• MCUs werden vor allem bei Kindern mit re­
• Mit der KM-Ausscheidung kann eine Aussa­
zidivierenden Harnwegsinfekten durchge­
ge über die Nierenfunktion und mit den KM-
führt.
Abfluss eine Aussage über die „Durchgängig­
keit“ der ableitenden Harnwege getroffen Zystogramm
werden. • Untersuchung zur Beurteilung der Harnblase
• Untersuchungsablauf: Füllen der Harnblase
über einen transurethralen Einmalkatheter
Gefahren bzw. Kontraindikationen der i. v.
mit KM → Durchleuchtung in zwei Ebenen
Kontrastmitteldarstellung: • Beurteilung der Blasenkonfiguration (➜ MCU),
• Hyperthyreose Nachweis/Ausschluss einer Undichtigkeit z. B.
• Nierenfunktionsstörung mit der Gefahr bei Verdacht auf Blasenperforation nach Trau­
der konsekutiven Verschlechterung der ma oder nach radikaler Prostatektomie zur
Niereninsuffizienz Überprüfung der Anastomosendichtigkeit
• Metformin-Einnahme (Gefahr der Laktat­ (zwischen Blase und Harnröhre)
acidose)
• Exsikkose
• Plasmozytom ■ Schnittbildgebung
• KM-Allergien mit der Möglichkeit des Die Computertomografie (CT) und die Magnet­
anaphylaktischen Schocks resonanztomografie (MRT) werden in der Uro­
• Erneutes Auslösen einer Nierenkolik mit logie vor allem eingesetzt
der Gefahr der Fornixruptur, i. e. Riss im • als Nativ-CT in der Steindiagnostik,
Nierenhohlsystem aufgrund des diureti­ • als weiterführende Untersuchung bei auffälli­
schen KM-Effekts bei kolikbedingter gen Nierenbefunden im Ultraschall,
Druckerhöhung des Hohlsystems • für Staging-Untersuchungen des Abdomen,
Thorax und ggf. des Schädels bei urologi­
Retrogrades Ureteropyelogramm schen Tumoren und
• Untersuchung zur Beurteilung eines Harnlei­ • in der Notfalldiagnostik bei vermuteten Ver­
ters und des NBKS letzungen des Urogenitaltrakts.
• Untersuchungsablauf: Blasenspiegelung →
Sondierung des Harnleiter-Ostiums mit ei­ ■ Nuklearmedizin
nem Ureterkatheter → Kontrastmittelgabe
über den Katheter und somit Darstellung von Folgende nuklearmedizinische Untersuchungen
Harnleiter und NBKS werden zur Klärung von urologischen Erkran­
• Vorteil: Darstellung der oberen Harnwege kungen angewandt:
ohne i. v. KM Gabe • Nierenszintigrafie
• Häufig in Kombination mit Einlage einer – Dynamische Funktionsprüfung mit 99mTc-
Harnleiterschiene MAG3: seitengetrennte Funktionsbeurtei­
lung, Beurteilung des postrenalen Abflus­
ses

6
1
– Statische Szintigrafie mit 99mTc-DMSA: – Cholin-PET: Metastasensuche beim Pros­
Darstellung und Lokalisation funktionsfä­ tatakarzinom
higen Nierengewebes – FDG-PET: Nachweis/Ausschluss vitaler
• Knochenszintigrafie: Staging-Untersuchung Tumoranteile in retroperitonealen
zum Nachweis/Ausschluss von Knochenme- Lymphknoten nach Chemotherapie eines
tastasen bei urologischen Tumoren, vor al­ Seminoms
lem dem Prostatakarzinom
• Positronenemissionstomografie (PET): in­
zwischen häufig in Kombination mit CT als
PET-CT angewandt:

■ CHECK-UP
Wie erscheint eine Nierenzyste im Ultraschall?
Wie erscheint ein Nierenstein im Ultraschall?
Welche Steine sind im konventionellen Röntgen sichtbar?
Mit welcher Röntgenuntersuchung kann ein vesikoureteraler Reflux nachgewiesen werden?

Therapieprinzipien: Operative Eingriffe


Die Urologie ist ein operatives Fachgebiet. Da – Zugangsweg für den distalen Harnleiter
die „urologischen Organe“ über den Harntrakt wie bei der Nierentransplantation
erreicht werden können, spielt die Endoskopie • Endoskopisch
eine große Rolle in der Urologie. Die operativen – Laparoskopie oder Retroperitoneoskopie
Zugangswege sind für jedes urologische Organ – Perkutan transrenal zur Steintherapie, die
im Folgenden zusammengefasst und optisch in sogenannte perkutane Nephrolitholapaxie
➜ Abb. 1.4 verdeutlicht. (PNL)
Nierenparenchym, Nebenniere – Endoluminal als starre oder flexible Ure­
• Offen chirurgisch terorenoskopie. Die Endoskope werden
– Retroperitonealer Zugang über Flanken­ über die Harnröhre und Harnblase in den
schnitt. Eingehen in den Interkostalraum, Harnleiter und das Nierenbeckenkelchsys­
Durchtrennung der Interkostalmuskulatur tem vorgeschoben (➜ Urolithiasis).
am Oberand der Rippe, um die Rippenge­ Harnblase
fäße nicht zu verletzen. Verletzung der • Offen chirurgisch
Pleura möglich. – Sectio alta: Unterbauchschnitt mit extra­
– Seltener: Subkostaler (lumbodorsaler) Zu­ peritonealem Zugang zur Blase z. B. für die
gang, transperitonealer Zugang über medi­ Entfernung größerer Blasensteine
ane Laparotomie oder Rippenbogenrand­ – Laparotomie für die radikale Zystektomie,
schnitt Blasendivertikelentfernung
• Endoskopisch – Laparoskopie oder Retrope­ • Endoskopisch
ritoneoskopie – Laparoskopie für die radikale Zystektomie,
Blasendivertikelentfernung
Die Nierentransplantation erfolgt in die Fossa – Endoluminal als Zystoskopie: Das Zysto­
iliaca. Dort wird die Transplantatniere extra­ skop hat eine ausfahrbare elektrische
peritoneal an die Iliakalgefäße anastomosiert Schlinge, mit der z. B. ein Tumor aus der
und der Harnleiter in die Harnblase implan­ Harnblasenwand endoskopisch herausge­
tiert. Der Zugang erfolgt über einen hockey­ schnitten werden kann (TUR-Blase).
schlägerförmigen Hautschnitt im Unterbauch. Prostata
• Offen chirurgisch
Nierenbeckenkelchsystem, Harnleiter – Sectio alta für die transvesikale Prostata­
• Offen chirurgisch adenomektomie
– Zugangswege wie beim Nierenparenchym – Mediane Unterbauchlaparotomie als extra­
für Nierenbeckenkelchsystem und proxi­ peritonealer Zugang für die radikale Pros­
malen Harnleiter tatovesikulektomie

7
1  Urologische Leitsymptome, Diagnostik und Therapieprinzipien

obere mittlere
Rippenrandschnitt Laparotomie

lateraler
paraperitonealer
Pararektalschnitt Wechselschnitt
untere mittlere Laparotomie
mit Verlängerung
tiefer über dem Nabel
Inguinalschnitt
Pfannenstielschnitt/
suprasymphysärer
Querschnitt

Lumbodorsal-
schnitt
Interkostal-
Pararektal- schnitt
schnitt
Flanken-
schnitt

Abb. 1.4  Operative Zugangswege [L106]

– Perinealer Zugang für die radikale Prosta­ • Endoskopisch bei Schlitzung von Harnröh­
tovesikulektomie renengen
• Endoskopisch Hoden, äußeres Genitale
– Laparoskopie für die radikale Prostatekto­ • Skrotaler Zugang bei Verdacht auf Hodentor­
mie (transperitoneal oder extraperitoneal) sion, Hydrozele, Spermatozele, Hodenbiopsie
– Durch die Harnröhre wie bei der TUR-Bla­ oder (subkapsuläre) Orchiektomie
se zur „Aushobelung“ der Prostata (TUR- • Inguinaler Zugang bei Hodenhochstand, of­
Prostata) fenem Processus vaginalis testis und beim
Harnröhre, Penis Hodentumor
• Offen chirurgisch bei Eingriffen am Penis, bei
Hypospadie-/Epispadie-Korrekturen und
Harnröhrenrekonstruktionen

■ CHECK-UP
Welche operativen Zugangswege kennen Sie in der Urologie?

8
1

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap01
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

9
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1
2  Fehlbildungen und
Kinderurologie
Anomalien der Niere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Anomalien des oberen Harntrakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Fehlbildungen des äußeren Genitales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Akutes Skrotum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Kindliche Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Anomalien der Niere


■ Nierenfehlbildungen ■ Nierenzysten
Nierenfehlbildungen teilt man in numerische • Zu unterscheiden sind einfache und multiple
und Lageanomalien ein (➜ Abb. 2.1). Zysten.
• Bei Zystennieren gibt es pathologisch-anato-
■ Hufeisenniere misch das Einteilungssystem nach Potter mit:
– Typ 1 autosomal-rezessiv erblich polyzysti-
Definition sche Nephropathie
Angeborene Fehlbildung mit Verschmelzung – Typ 2 hypoplastische Nierendysplasie
beider Nieren (meist am unteren Pol) miteinan- – Typ 3 autosomal-dominant erblich poly-
der in Form eines Hufeisens. zystische Nephropathie
Klinik – Typ 4 zystische Nierendysplasie bei fetaler
Meist asymptomatisch oder unspezifisch Obstruktion der unteren Harnwege
mit Harnwegsinfektionen oder Nierensteinen,
bedingt durch Harnabflussstörung der Harn- Differenzierung in multizystische und poly-
leiter. zystische Zystennieren: Der Begriff „multi-
Diagnostik zystisch“ wird verwendet, wenn dysplasti-
• Sonografie sche Veränderungen zu einer zystischen
• Weitere bildgebende Verfahren Umwandlung geführt haben, der Begriff „po-
lyzystisch“ ist den erblichen Formen vorbe-
Therapie halten.
Nur bei Symptomatik, z. B.
• bei Nierensteinen Zu unterscheiden sind die Nierenzysten auch
• bei Ureterabgangsstenose operativ im Sinne nach den Kriterien der Bildgebung mit unter-
einer Nierenbeckenplastik schiedlichen Hinweisen auf mögliche Malignität
• ggf. Entfernung der betroffenen Nierenseite (➜ Tab. 2.1).
z. B. bei chronischer Entzündung oder Tumo-
ren Therapie
Die Therapie reicht von Verlaufskontrolle bis
hin zur operativen Freilegung, wenn ein mali­
gner Tumor anzunehmen ist.

11
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

Nierenagenesie Nierenaplasie Nierenhypoplasie

Neben-
niere

Blase

Doppelniere mit gekreuzte Hufeisenniere


Ureter duplex links/ Dystopie
Ureter fissus rechts

Nephroptose

abdominale Dystopie

lumbale Dystopie

pelvine Dystopie

Abb. 2.1  Nierenfehlbildungen [L157]


Tab. 2.1  Einteilung der Nierenzysten nach der Klassifikation von Bosniak
Zystentyp Diagnostik
Typ 1: einfache Zyste • Sonografie: Schallverstärkung hinter der Zyste, keine Septen, keine
Kalzifizierung in der Zystenwand, homogen echogener Zysteninhalt
• CT: keine Kontrastmittelaufnahme der Zystenwand

Typ 2: benigne, minimal • Sonografie: wenige, dünne Septen, feine Kalzifizierungen


komplizierte Zyste • Bei Typ 2 F: diskrete Kontrastmittelaufnahme der Zysten-/Septen-
wand
Typ 3: komplizierte Zyste CT: Verdickung der Zystenwand oder der Septen, irreguläre Verkalkun-
gen, kontrastmittelaufnehmende Gewebsanteile, Malignität möglich,
DD: infizierte oder eingeblutete Zyste
Typ 4: komplizierte Zyste CT: dringender V. a. zystisch maligne Veränderungen mit irregulär ver-
dickter Zysten-/Septenwand und Verkalkungen, KM-aufnehmende Ge-
websanteile

12
1
■ CHECK-UP
Welche Nierenfehlbildungen kennen Sie?
Was bedeutet eine Hufeisenniere?
Welche Diagnostik und welche Therapie sind bei Hufeisennieren sinnvoll?
Welche Befunde erheben Sie bei einer einfachen Nierenzyste?

Anomalien des oberen Harntrakts


■ Vesiko-uretero-renaler Harnreflux von der Ausprägung in den Harnleiter oder bis
ins Nierenbeckenkelchsystem.
Definition
Ursachen
Unphysiologisches Zurückfließen (➜ Abb. 2.2)
Man unterscheidet folgende Ursachen:
des Urins aus der Harnblase in Abhängigkeit
• Angeborener primärer Reflux mit fehlerhaf-
tem Aufbau des terminalen Ureters und
mangelhafter Verankerung des Ureterosti-
ums in der Harnblase, d. h. mit insuffizientem
Verschlussmechanismus der ureterovesikalen
Verbindung
• Erworbener sekundärer Reflux bei anderer
Grunderkrankung, meist mit infravesikal ob-
struktiver, entzündlicher oder neurogener
Genese
Klassifikation
Da die Ausdehnung des Refluxes erhebliche Be-
deutung hat, ist die Gradeinteilungen wichtig;
bewährt hat sich die Klassifikation nach Heikel
und Parkkulainen (➜ Abb. 2.3).

Sondersituation bei Doppelnieren mit Ureter


duplex: Hier ist die Meier-Weigert-Regel zu
beachten. Der zum unteren Doppelnierenan-
teil gehörende Harnleiter mündet kranialer
und lateraler als der zum oberen Doppelnie-
renanteil gehörende Harnleiter. Konsekutiv
führt dieser kraniolaterale Verlauf zu einer
verkürzten intramuralen Harnleiterstrecke
und damit häufiger zu einem Reflux in den
unteren Doppelnierenanteil.
Abb. 2.2  Röntgenbild eines vesikorenalen
Harnrefluxes rechts, Grad II–III [M587]

Grad I Grad II Grad III Grad IV Grad V

Abb. 2.3  Harnreflux mit Gradeinteilungen I–V im Miktionszysturethrogramm (nach Heikel und
Parkkulainen) [M587]

13
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

Klinik bzw. Dextranomer/Hyaluronsäure-Copoly-


• Rezidivierende Harnwegsinfekte, auch fie- mer)
berhaft – Erfolgsraten von 60–90 %, abhängig vom
• Seltener Flankenschmerzen Refluxgrad
• Sekundärer Nierenfunktionsverlust – Cave: Migration von Partikeln aus dem in-
Diagnostik jizierten Depot
• Basisdiagnostik mit ausführlicher Anamnese – Häufig mehrfache Behandlungen erforder-
• Körperliche Untersuchung: Phimose oder La- lich
biensynechien als infravesikale Ursache der • Operative Therapie mit Verlängerung des
Obstruktion intramuralen Harnleiteranteils durch des-
• Urinstatus mit Urinkultur sen submuköse Einbettung und damit Stär-
• Sonografie mit Bestimmung von Größe und kung des passiven Refluxschutzmechanismus
Form der Niere und des Nierenbeckenkelch- – OP-Techniken: Extravesikale (nach Lich-
systems Gregoir), intravesikale (nach Politano) und
• Miktionszystourethrogramm (MCU) kombinierte Verfahren (in der Psoas-
• Nierenfunktionsprüfung Hitch-Technik)
– Absolute OP-Indikationen:
– Durchbruchsinfekte, d. h. symptomati-
Das Miktionszystourethrogramm muss im sche Harnwegsinfekte trotz Antibiotika-
infektfreien Intervall erfolgen, um falsch po- therapie; alternativ ggf. endoskopische
sitive Refluxbefunde zu vermeiden bzw. um Technik möglich, wenn erwünscht.
auch bei tatsächlich vorhandenem Reflux – Reflux Grad IV–V mit eindeutiger makro-
keine Pyelonephritis zu provozieren. skopischer Pathologie des Ureterostiums
– Anhaltender Reflux
Therapie
Ziel der Behandlung ist es, renale Schäden zu Um eine progressive renale Insuffizienz
vermeiden. durch rezidivierende pyelonephritische
• Konservative Therapie (Dauerantibiose) mit Schübe mit Verlust von Nierenparenchym zu
der Intention, eine mögliche Maturation des verhindern, ist eine frühe Diagnose des
Refluxes abzuwarten; diese ist abhängig Harnrefluxes und die Einleitung einer effek-
– vom Alter der Patienten, tiven Therapie mit dem Ziel der Infektions-
– von den Symptomen und vermeidung zwingend erforderlich.
– vom Refluxgrad, wobei eine Maturation bei
Grad I–II > 80 %, bei Grad IV–V < 20 % zu
erwarten ist. ■ Dilatation des oberen Harntrakts
• Bei einer Doppelniere mit Reflux in den unte- (Harnleiterobstruktion)
ren Doppelnierenanteil (➜ Meier-Weigert- Definition
Regel) ist eine Maturation nicht zu erwarten; Nierenbecken-(Kelch-)-Erweiterung bei subpel-
daher ist hier eine frühzeitige operativ-inter- viner Harnleiterstenose, Megaureter oder Harn-
ventionelle Therapie indiziert. reflux.
Ursachen
Grundvoraussetzungen der konservativen Die typischen Beispiele der meist angeborenen
Therapie sind: Harntraktdilatationen sind in ➜ Tab. 2.2 zusam-
• Keine Durchbruchsinfekte, d. h. keine mengestellt.
Harnwegsinfekte unter Antibiotikathera-
pie, die mit Symptomen einhergehen.
• Ausreichende Patienten-(Eltern-)Compli- Einseitige Harnabflussstörungen liegen
ance, sie ist nur bei ca. 70 % vorhanden! supravesikal. Bei beidseitigen Harnabfluss-
• Die Dauerantibiose sollte bis zum Ver- störungen kann das Hindernis auch subvesi-
schwinden des Refluxes – unter Umstän- kal liegen, geht dann aber mit Veränderun-
den einige Jahre – fortgeführt werden. gen der Harnblase bzw. Befunden wie z. B.
• Regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Restharnbildung einher.

• Endoskopische Therapie mit endoskopisch Klinik


applizierten subureteralen Depots (mit nicht • Rezidivierende Harnwegsinfekte
autologen und autologen Substanzen, früher • Fieber
Verwendung von Teflon, heute von Kollagen • Flankenschmerzen

14
1
Tab. 2.2  Ursachen für meist angeborene Dilatationen des oberen Harntrakts
Pathologischer Morphologische Veränderungen
­Befund
Subpelvine Harnlei- Enge im proximalen Harnleiter am Übergang zum Nierenbecken mit konse-
terabgangsstenose kutiven Nierenbeckenkelcherweiterungen
Obstruktiver Enge im distalen Harnleiter am ureterovesikalen Übergang oder im termi-
­Megaureter nalen Harnleitersegmennt mit konsekutiver Nierenbecken- und Harnleiter­
erweiterung
Nicht obstruktiver Erweiterung des Harnleiters und des Nierenbeckensystems als Folge eines
Megaureter bei hochgradigen Refluxes
Harnreflux
Ureterozele Sackartige Ausweitung des distalen Harnleiteranteils im Bereich der Blase
bei intramuraler Harnleiterostium-Verengung
Harnröhrenklappe Nur bei Jungen mit sekundärer Dilatation des oberen Harntrakts, allerdings
immer beidseitig

Diagnostik Therapie
Die Diagnostik läuft analog zum Harnreflux. Abhängig von Befund und Symptomatik:
Spätfolgen • Konservativ: „wait and see“
Funktionsverlust der Niere. • Plastisch operative/interventionelle Korrek-
turen

■ CHECK-UP
Was wird unter einem vesiko-uretero-renalen Harnreflux verstanden?
Welche Symptome werden häufig angegeben?
Welche Diagnostik ist erforderlich?
Welche pathologischen Gradeinteilungen kennen Sie?
Welche Therapieoptionen gibt es?
Welches wesentliche Ziel wird mit der Refluxtherapie verfolgt?
Welche Ursachen können zu Nierenbeckenkelcherweiterungen führen?

Fehlbildungen des äußeren Genitales


■ Maldescensus testis • Bei Frühgeborenen in bis zu 30 %, bei reifge-
borenen Säuglingen nur in 3–10 % der Fälle
Definitionen • Im 1. Lebensjahr oft noch spontaner Deszen-
Ein Maldescensus testis ist ein fehlerhafter sus des Hodens ins Skrotalfach möglich
Abstieg des Hodens ins Skrotum, der normaler- • Nach Abschluss des 1. Lebensjahres dystope
weise bis zur Geburt abgeschlossen sein soll Hodenlage noch bei 0,8–2 % der Knaben
(➜ Abb. 2.4).
Pathogenese
Anorchie bedeutet, dass beide Hoden fehlen
In der 4. Schwangerschaftswoche entsteht aus
oder vollständig funktionsunfähig sind. Beim
dem Mesonephros im Bereich der dorsalen
Kryptorchismus liegt der oft dysplastische Ho-
Bauchwand die Hodenanlage. Die transabdomi-
den z. B. im Abdomen und kann nicht palpiert
nelle Lageveränderung wird als erste Phase des
werden. In der allgemeinen Praxis wird der Be-
physiologischen androgen-unabhängigen De-
griff allerdings häufig für alle Lageanomalien
scensus testis beschrieben. In der 2. androgenab-
verwendet, bei denen der Hoden nicht im Skro-
hängigen Phase deszendiert der Hoden ins Skro-
tum zu finden ist. Eine echte ektope Lage des
talfach.
Hodens in der Dammgegend, im Bereich des
Mons pubis oder an der Innenseite des Ober- Klinik
schenkels ist extrem rar. Der Gleithoden liegt ständig vor dem äußeren
Leistenring, kann durch manuellen Zug ins Skro-
Epidemiologie
talfach verlagert werden. Wegen des zu kurzen Fu-
• Der Kryptorchismus ist die häufigste Erkran-
niculus spermaticus kehrt der Hoden beim Loslas-
kung einer endokrinen Drüse.

15
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

normale Lage abdominal


epifaszial
Hodenretention
inguinal
Hodenektopie

penil

femoral
präskrotal

perineal
skrotal

Abb. 2.4  Lageanomalien des


Hodens [L141]

sen direkt in seine Ausgangsposition zurück; daher Tab. 2.3  Differenzierung von Gleit- und Pen-
ist das Skrotalfach meist hypoplastisch. delhoden
Beim Pendel- oder Wanderhoden handelt es Gleithoden Pendelhoden
sich um eine Variante des normal deszendierten Primäre Lage Außerhalb Umgebungs-
Hodens. Durch manuellen Zug kann der Hoden des Skrotums bedingt
problemlos ins Skrotalfach verlagert werden. So- wechselnd
wohl der Ductus deferens als auch die Samen- Inspektion Häufig hypo- Skrotum nor-
stranggefäße sind ausreichend lang. Allerdings plastisches mal ausgebil-
kann wegen des ausgeprägten M.-cremaster-Re- Skrotum det
flexes der Hoden immer wieder in die Leiste zu- Verhalten Schnellt nach • Verbleibt
rückgezogen werden. nach Reposi- dem Loslas- im Skrotum
Die wichtigsten Parameter zur Differenzierung tion in das sen zurück in • Cave:
von Gleit-und Pendelhoden zeigt ➜ Tab. 2.3. Skrotum seine dystope Durch den
Lage Kremaster-
reflex
Eine Differenzierung zwischen Gleit- und schnellt
Pendelhoden kann insbesondere bei einmali- auch der
ger Untersuchung schwierig sein. Daher ist Pendelho-
zur besseren Beurteilung das Anfertigen eines den wieder
hoch
sog. Hodenprotokolls durch die Eltern zu
empfehlen, bei dem über einen längeren Zeit- Therapie Ja Primär nein,
raum die Position des Hodens notiert wird. engmaschige
Kontrollen bis
ins Schulalter
Diagnostik
• Sorgfältige Anamnese und klinische Untersu- – NMR mit Treffsicherheit bei 58–94 %
chung, bei älteren Knaben am besten im – Angiografie, Computertomografie und Ve-
Schneidersitz nografie sind wegen hoher Strahlenbelas-
• Choriongonadotropin-Stimulationstest tung heute als obsolet anzusehen.
(HCG-Test): Beidseits nicht tastbare Hoden
können so von einer Anorchie unterschieden
Die schnittbildgebenden Verfahren müssen
werden.
bei Kleinkindern in Narkose erfolgen.
• Laparoskopie: am besten geeignet zum Nach-
weis/Ausschluss eines dystopen Hodens, so-
fern er weder tastbar noch sonografisch dar- Therapie
stellbar ist. Mit einer Spezifität von 80 % und • Konservativ hormoneller Therapieversuch
einer Sensitivität von über 90 % ist die Laparo- mit Gonadorelin oder Choriogonadotropin,
skopie dem NMR und dem CT überlegen. sollte ab dem 9.–12. Lebensmonat erfolgen;
• Bildgebende Verfahren (beim Kryptorchismus): nach den neuesten Erkenntnissen bereits
– Sonografie mit geringer Sensitivität noch frühzeitiger!

16
1
• Nach erfolgloser hormoneller Therapie sollte
der Hoden ab dem 12. Lebensmonat opera-
tiv ins Skrotalfach verlagert werden; dieses
Vorgehen dient einer späteren verbesserten
Spermienqualität.
• Technik:
– Operative Freilegung des Samenstrangs
und Fixierung des Hodens im Skrotum im
Sinne einer Funikulolyse und Orchidopexie
– Beim Bauchhoden kann eine laparoskopi-
sche Hodensuche und ggf. Entfernung not-
wendig werden; letzteres Vorgehen ist ins-
besondere indiziert, wenn der Hoden hy-
poplastisch ist.
– Häufiger wird beim Bauchhoden ein zwei-
zeitiger Eingriff, das sog. Fowler-Stephens-
Manöver, vorgenommen, mit Durchtren-
nung der hodenversorgenden Gefäße in Abb. 2.5  Paraphimose [M587]
der ersten Sitzung und der Hodenpositio-
nierung – so weit wie möglich ins Skrotal- Therapie
fach – in der zweiten Sitzung. Die Gefäß- • Akuttherapie bei Balanoposthitis
versorgung des Hodens ist dann über die – Kamillosan-Bäder
Gefäße des Samenleiters gewährleistet. – Lokale Umschläge
– Bei Fieber evtl. Antibiose
Bei einem therapiebedürftigen Hodenhoch- • Akuttherapie bei Paraphimose
stand ist zu beachten,
– Manuelle Kompression des ödematösen
• dass ein erhöhtes Risiko der malignen Ent- Gewebes
artung, auch nach erfolgreicher Behandlung – Manuelle Reposition der verengten Vor-
des Hodenhochstands weiterhin besteht. haut über die Glans penis unter lokaler
• dass die Spermiogenese und damit die oder allgemeiner Anästhesie
Fertilität oft gestört sein können. – Wenn vorherige Manipulationen ohne Er-
folg: Inzision des Schnürrings
– Zirkumzision (➜ Tab. 2.4): einzeitig (mit
■ Phimose der dorsalen Inzision) oder zweitzeitig
• Therapie der Phimose
Definition
– Konservativ mit z. B. Kortison-Salben
Verengung und/oder rüsselförmige Verlänge-
– Chirurgisch
rung der Vorhaut, sodass ein Zurückstreifen der
Vorhaut behindert oder unmöglich wird. Im Tab. 2.4  Operative Therapieverfahren bei Phi-
Säuglingsalter ist die Phimose physiologisch. mose
Epidemiologie Verfahren Vorteile Nachteile
• Bei Neugeborenen zu fast 100 %
• Am Ende des 1. Lebensjahres noch bei 50 % Vorhaut- Atraumatisch oder • Rezidiv-
lösung operativ möglich Phimose
• Am Ende des 2. Lebensjahres noch bei 20 % • Balanitis
• Am Ende des 3. Lebensjahres noch bei 10 %
Plastische Zurückbleiben ei- Rezidiv-
Folgeerscheinungen Zirkumzi- nes Vorhautrests Phimose
• Balanoposthitis: entzündlicher Prozess im Be- sion
reich der Glans penis und der Vorhaut mit Ob- Radikale • Keine Rezidiv-
struktion des Miktionsvorgangs durch Aufblä- Zirkumzi- Phimose
hen der Vorhaut bei Miktion, und durch die sion • Einfache Hygiene
fehlende Möglichkeit der Genitalhygiene mit • Geringeres Risiko
für sexuell über-
konsekutiver Ansammlung von Smegma tragbare Erkran-
• Paraphimose (Spanischer Kragen): Schwel- kungen
lung des Präputiums durch nicht wieder re- • Geringeres Risiko
ponierte Vorhaut bei relativer Vorhautveren- für ein Zervixkar-
gung und konsekutiver Reduktion des Blut- zinom bei der Se-
und Lymphabflusses (➜ Abb. 2.5). xualpartnerin

17
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

Komplikationen Klinik
• Nachblutungen • Inspektion der Meatus-Position und deren Weite
• Wundheilungsstörungen • Beachtung einer möglichen Gliedabknickung
• Bei nicht behandelter Paraphimose: Glans­ im erigierten Zustand (ggf. nach Erektions-
nekrose provokation)

■ Hypospadie Bei der Hypospadie sind auffällig:


Definition
• Die Mündung der Harnröhrenöffnung an
Hemmungsfehlbildung mit Spaltbildung der der ventralen Penisunterseite, evtl. ver-
Urethra infolge unvollständiger Verschmelzung bunden mit einer Meatus-Stenose.
der Urethralfalten. Distal des hypospaden Mea- • Die inkomplette Anlage der Vorhaut mit
tus unterbleibt die Bildung des Corpus spongio- einseitig überschüssiger Vorhautschürze.
sum, mit der Folge eines derben fibrinösen • Die ventrale Gliedabknickung bei Erekti-
Stranges, der Chorda (➜ Abb. 2.6). on durch die Chorda.

Einteilung
Unterschiedliche Meatus-Positionen entlang des Therapie
Corpus spongiosum zeigt ➜ Abb. 2.7. Abhängig von der Meatus-Position und der
Chorda-Ausbildung:
• Bei distal-glandulärer Hypospadie ohne
Gliedabknickung erfolgt nicht unbedingt ein

Meatus
Haut

Glans

Urethra
Tunica albuginea
Corpus spongiosum

Buck-Faszie
Colle-Faszie Abb. 2.6  Normalbefund
Meatus (links), Hypospadie (rechts)
[L231]

glandulär
hoch
koronar
(distal)
subkoronar
distal penil
penil Mitte
proximal penil
penoskrotal
tief
skrotal
(proximal)
perineal

Abb. 2.7  Hypospadien mit unterschiedlichen Ausprägungen [L231]

18
1
operativer Eingriff – wegen der möglichen senvorderwand mit gleichzeitiger Epispadie und
postoperativen Komplikationen. fehlendem Verschluss des Beckenrings (der
• Bei ausgeprägteren Formen sind verschiede- Symphyse); die Harnleiter münden damit im
ne Verfahren möglich, u. a. mit gestielten Bauchwandniveau; die Fehlbildung ist häufig
Vorhautlappen, freien Vorhaut-, Mund- mit Hodenhochstand und/oder Nabelhernie as-
schleimhaut- oder Blasenschleimhaut-Trans- soziiert (➜ Abb. 2.8).
plantaten.
• Prinzipien der Operationsverfahren:
– Resektion der Chorda, um ein gerades
Glied im erigierten Zustand zu erzielen,
zur späteren besseren Kohabitationsmög-
lichkeit
– Verlagerung des Meatus an die Glansspitze
für eine korrekte Platzierung des Ejakulates
– Ausreichend weiter Meatus zur Vermei-
dung einer subvesikalen Abflussstörung
– Verbesserung der Kosmetik zur Vermei-
dung psychischer Störungen
• Bester Zeitpunkt des Eingriffs (aus psychologi-
schen Gründen): vom 9. bis 18. Lebensmonat.

Die Behandlung der Hypospadie ist sehr va-


riabel, beinhaltet verschiedene Techniken,
meist mit den oben genannten Prinzipien.
Insbesondere wenn keine (wesentliche)
Gliedabknickung im erigierten Zustand des
Penis vorliegt, handelt es sich um einen kos-
metischen Eingriff. Eine sehr sorgfältige Ab-
wägung der OP-Indikation ist mit den Erzie-
hungsberechtigten bei Minderjährigen erfor- Abb. 2.8  Blasenekstrophie [M587]
derlich.
■ Varikozele
Komplikationen Definition
• Fistelbildung im Bereich der Neo-Urethra Krampfaderbildung im Bereich des Plexus pam-
• Harnröhrenstriktur piniformis
• Penisschaftdeviation nach unzureichender Ursachen
Chordaresektion • Idiopathisch (primär): vor allem bedingt
• Urethraldivertikel durch die ungünstige Einstrombahn der lin-
• Partielle oder vollständige Nekrosen der Lap- ken Vena testicularis in die linke Vena rena-
pen/Transplantate lis, daher in 75–90 % linksseitig
• Bei glandulären Hypospadien werden Kompli- • Symptomatisch (sekundär): seltener, z. B.
kationsraten bis zu 10 %, bei skrotalen/perinea- durch einen Nierentumor bedingt
len Hypospadien bis zu 30 % beschrieben.

■ Epispadie Bei jeder Varikozele, insbesondere bei Erst-


manifestation im Erwachsenenalter, sollte ei-
Definition ne symptomatische Ursache wie ein Nieren-
Fehlender dorsaler Verschluss der Harnröhre, tumor ausgeschlossen werden.
ggf. mit Störungen der Penisentwicklung, z. B.
fehlenden Schwellkörpern; dadurch auch kein Klinik
funktionsfähiger äußerer Schließmuskelapparat • Lokale skrotale Schmerzen, d. h. sowohl die
(Folge: Inkontinenz) primäre (idiopathische) als auch sekundäre
(symptomatische) Varikozele kann sympto-
■ Blasenekstrophie matisch werden; insofern ist der Begriff
„symptomatisch“ doppeldeutig.
Definition
• Lokales Druckgefühl in der Leiste und/oder
Spaltbildung nach Entwicklungsstörung mit feh-
im Hoden
lendem Verschluss der Bauchwand und der Bla-

19
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

Diagnostik
• Palpation: „Regenwürmer“ im Skrotum Keine Behandlung ist erforderlich, wenn die
• Untersuchung im Liegen und Stehen: Frage (linksseitige) idiopathische Varikozele keine
nach dem rückläufigen Befund, wenn idiopa- Beschwerden und/oder keine Fertilitätsbe-
thisch einträchtigungen verursacht.
• Sonografie: Venenkonvolute, einschl. Dopp-
ler-Sonografie Therapieverfahren
Folgen • Antegrade Sklerosierung der Venen
Mögliche Beeinträchtigung der Fertilität durch • Perkutane radiologische retrograde Sklerosie-
• Überwärmung des Hodens mit der krampf- rung der Venen
aderartigen Aussackung des Venenkomplexes • Laparoskopische oder offene Operation mit
• Druckerhöhung und den Rückstau des Blutes Unterbindung der Vena testicularis (je nach
ins Skrotum Verfahren in unterschiedlichen Bereichen der
Vena testicularis mit oder ohne Ligatur der
Therapie Arteria testicularis)
Indikationen
• Abhängig vom Patientenalter und von der Mögliche operative Komplikationen
Befundausdehnung • Varikozelen-Persistenz/-Rezidiv
• Pathologisches Spermiogramm • Thrombose
• Schmerzsymptomatik • Embolie
• Eventuell kosmetische Gründe bei hochgra- • Wundinfektion
dig ausgeprägten Formen • Sekundäre Hydrozele

■ CHECK-UP
Was bedeutet Maldescensus testis?
Wie werden Gleit- von Pendelhoden unterschieden?
Wann ist eine konservative Behandlung möglich, wann ist eine OP indiziert?
Welche negativen Auswirkungen des Hodenhochstands kennen Sie?
Welche akuten Krankheitsbilder können als Folge einer Phimose auftreten?
Welche Therapie der akuten Krankheitsbilder ist zu empfehlen?
Welche Therapie kann nach Abklingen der Akutsymptomatik bei einer Phimose empfohlen
werden?
Was wird unter Hypospadie, Epispadie, Blasenekstrophie verstanden?
Welche klinischen Einteilungen sind für die Hypospadie bekannt?
Welche Therapieoptionen gibt es zur Hypospadie-Korrektur?
Mit welchen Komplikationen ist nach Hypospadie-Korrektur zu rechnen?
Was wird unter einer Varicocele testis verstanden?
Welche Ursachen können vorliegen?
Wann ist eine Therapie indiziert?
Welche Therapie-Optionen gibt es und welche möglichen Komplikationen?

Akutes Skrotum
■ Hodentorsion Klinik
• Plötzlich einsetzende Schmerzen im Skro-
Definition tum, teilweise in Kombination mit Übelkeit,
Hodentorsion: intra- oder extravaginale Torsion Erbrechen und Zeichen einer peritonealen
des Hodens um seine Achse mit konsekutiver Reizung.
Abschnürung seiner eigenen Gefäßversorgung • Bei torquierter Hydatide kann ein blauer
(➜ Abb. 2.9). Fleck („Blue Dot Sign“) durch die Skrotalhaut
Epidemiologie zu sehen sein.
Für die Hodentorsion am häufigsten Diagnostik
• In der Neugeborenenperiode • Exakte Anamnese: Zeitpunkt des Einsetzens
• In der Pubertät des Schmerzereignisses, Schmerzcharak-
teristik

20
1
• Genaue klinische Untersuchungen (➜ Abb.
2.10)
– Prehn-Zeichen: Fortbestehen oder Ver-
stärkung der Symptomatik bei Hoden-
torsion, wenn der Hoden angehoben
wird
– Tenkoff-Zeichen: pergamentartiges Knis-
tern im fortgeschrittenen Stadium des tor-
quierten Hodens
– Brunzel-Zeichen: fixierter, schmerzhafter,
horizontaler Hochstand des Hodens bei
Vorliegen einer Hodentorsion; entsteht
durch reflektorische Kontraktion des Mus-
extravaginale intravaginale culus cremaster infolge der Verdrehung
Torsion Torsion des Samenstrangs
(Kinder) (häufigste Form) • Auskultation des Skrotums: Bei Skrotalher­
nien sind, anders als bei der Hodentorsion,
Abb. 2.9  Formen der Hodentorsion [L157] häufig spritzende Darmgeräusche zu hören.
• Diaphanoskopie und/oder Auskultation zur
Abgrenzung der differenzialdiagnostischen
Möglichkeiten
Tab. 2.5  Unterschiede zwischen Hodentorsi-
on und Epididymitis
Hodentorsion Epididymitis
Akut auftretend Langsames Auftreten
Prehn-Zeichen Prehn-Zeichen positiv
negativ
Negativer Urin- Positiver Urinbefund (in
befund der Regel)
Abb. 2.10  Durch die Hose keine Diagnose!
[M587]

Tab. 2.6  Differenzialdiagnosen der Hodentorsion und die jeweiligen Therapie-Optionen


Erkrankung Therapie
Hodentorsion • Sofortige Hodenfreilegung mit Detorquierung
• Zeitfenster von 4–6 Stunden, sonst dauerhafter Ischämieschaden
• Falls erforderlich Orchiektomie bei nekrotischem Hoden
• Eine prophylaktische Orchidopexie des kontralateralen Hodens
ist wegen der Symmetrie der pathologischen Hodenmotilität bei
Vorliegen einer echten Hodentorsion indiziert.
Hydatidentorsion Hodenfreilegung, Hydatidenabtragung
Hodentumor Operative Freilegung, bei Karzinomverdacht inguinale Ablatio testis
Varicocele testis Varikozelenverödung, Gefäßligatur
Spermatozele Therapie nur bei Symptomatik
Orchitis Bei Verdacht auf bakterielle Entzündung: Antibiose, antiphlogisti-
sche Maßnahmen; ggf. Titerbestimmung zum Ausschluss einer
Mumpsorchitis
Hodentrauma, Konservativ, bei V. a. Ruptur der Tunica albuginea operative Versor-
­Hodenruptur gung
Epididymitis Antibiose, antiphlogistische Maßnahmen, ggf. transurethraler oder
suprapubischer Katheter zur kompletten Blasenentleerung
Hydrocele testis Hydrozelenresektion bei symptomatischem Befund
Allergische Erkrankungen Lokale und ggf. systemische antiphlogistische Maßnahmen
der Skrotalhaut

21
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

Tab. 2.6  Differenzialdiagnosen der Hodentorsion und die jeweiligen Therapie-Optionen (Forts.)
Erkrankungen Therapie
Inkarzerierte Leistenhernie Operative Versorgung
Akute Appendizitis Appendektomie
Distaler Harnleiterstein Konservativ, ggf. interventionell
Akute Prostatitis Antibiose, antiphlogistische Maßnahmen, ggf. transurethraler oder
suprapubischer Katheter

• Dopplersonografische Untersuchung;
c­ ave: kein sicheres Ausschlusskriterium
für die Hodentorsion!
• Differenzierung Hodentorsion und Epididy-
mitis (➜ Tab. 2.5)
Differenzialdiagnose des akuten Skrotums
und dessen Therapie
• Hydatidentorsion: Torsion einer „morgagni-
schen“ Hydatide, d. h. eines kleinen gestiel-
ten, mit Flüssigkeit gefüllten Bläschens
(funktionsloses Relikt des Müller-Gangs) am
Oberpol des Hodens oder im Bereich des Ne-
benhodenkopfs oder der Paradidymis
• Inkarzerierte Leistenhernie: Negative
­Diaphanoskopie; auskultatorisch hochfre-
quente spritzende lokale Geräusche
(➜ Tab. 2.6)

Bei V. a. auf Hodentorsion (➜ Abb. 2.11) ist


im Zweifel immer eine sofortige operative
Hodenfreilegung durchzuführen. Ansonsten
droht eine dauerhafter Ischämieschaden. Ei-
ne prophylaktische Orchidopexie des kontra-
lateralen Hodens ist bei nachgewiesener Tor-
sion indiziert. Abb. 2.11  Hodentorsion [M587]

■ CHECK-UP
Was wird unter einer Hodentorsion verstanden?
Welche diagnostischen Maßnahmen kennen Sie?
Welche Differenzialdiagnosen kommen infrage?
Wie sieht die Therapie einer Hodentorsion aus?

Kindliche Tumoren
■ Nephroblastom • 6 % aller kindlichen Malignome, damit der häu-
figste bösartige Nierentumor im Kindesalter
Definition • Häufiger bei Mädchen als bei Jungen
Das Nephroblastom, früher Wilms-Tumor ge- • Am häufigsten im 2. und 3. Lebensjahr
nannt – nach dem deutschen Chirurgen Max
Klinik
Wilms – ist ein von der Niere ausgehender ma-
• Uncharakteristisch, in Abhängigkeit von der
ligner Tumor aus embyonalem Mischgewebe.
Tumorausdehnung und Metastasierung
Epidemiologie • Palpabler Tumor im Abdomen mit Verdrän-
• 7 pro 1.000.000 Kinder unter 15 Jahren gungszeichen

22
1
• Tumorassoziierte Befunde
– Zeichen einer Herzinsuffizienz, Tachykar- Nephroblastome sind gehäuft mit Syndro-
die, Hypotonie men und Anomalien assoziiert.
– Hepatomegalie, Aszites Besondere Bedeutung bei der Krankheitsaus-
– Hämaturie (selten) lösung wird dem Tumorsuppressorgen WT1
– Untere Einflussstauung bei Thrombus bis zugesprochen.
in den rechten Ventrikel (selten)
– Tachy-/Dyspnoe bei Lungenmetastasen Diagnostik
(selten), Pleuraergüsse • Palpation des Abdomens; cave: Gefahr der
Stadieneinteilung Tumorruptur
Die Stadieneinteilung des Nephroblastoms wur- • Sonografie
de von der International Society of Paediatric • Weitere Bildgebende Untersuchungen, bes.
Oncology (SIOP) vorgenommen. Einen Über- MRT, Röntgenthorax; hier sind folgende Be-
blick gibt ➜ Tab. 2.7. Assoziationen von Syndro- funde zu beachten:
men und Anomalien mit Nephroblastomen sind – Solider und inhomogener Tumor mit teil-
in ➜ Tab. 2.8 dargestellt. weise zystischen Arealen und Arealen
niedriger Dichte
Tab. 2.7  Stadieneinteilung des Nephroblas- – Glatte, scharfe Begrenzung im Gegensatz
toms nach der International Society of Paedi­ zum Neuroblastom, welches meist die gro-
atric Oncology (SIOP) ßen Gefäße ummauert
Stadium Beschreibung – Weitere Charakteristika: Destruktion,
Spreizung und Verdrängung der Kelche
I Tumor auf die Niere beschränkt und des Nierenbeckens
und kann vollständig entfernt wer-
den – Einblutungen in den Tumor: relativ häu-
fig (27 %), Verkalkungen dagegen selten
II Tumorausdehnung über die Niere (8 %).
hinaus kann jedoch vollständig
entfernt werden • Weitere mögliche Diagnostik
– Metajodbenzylguanidin-Szintigrafie
III Unvollständige Tumorentfernung (MIBG-Szintigrafie), ggf. für die Abgren-
oder lokale Lymphknotenmetasta-
sen bei Fehlen hämatogener Me­ zung zum Neuroblastom
tas­tasen – Nur bei unklarer Dignität ggf. Feinnadel­
biopsie
IV Fernmetastasen, insbesondere in
Lunge, Leber, Knochen, Gehirn
V Bilaterales Nephroblastom • Die bildgebende Diagnostik erfordert eine
referenzradiologische Begutachtung, da
Tab. 2.8  Assoziationen von Syndromen und die initiale Therapie des Nephroblas-
Anomalien mit Nephroblastomen toms bei den meisten Patienten aus-
schließlich auf der Bildgebung (MRT) be-
Syndrom Leitsymptome Zusatzinfor- ruht.
mationen • Außer einer histologischen Untersuchung
WAGR- Wilms-Tumor, Ani- Deletion muss heute von jedem Nephroblastom
Syndrom ridie, urogenitale WT1 auch Tumormaterial zur molekularbiolo-
Missbildungen, gischen Diagnostik asserviert werden.
geistige Retardie-
rung
Denys- Wilms-Tumor Autosomal
Differenzialdiagnosen
Drash- (meist bilateral), dominant • Neuroblastom
Syndrom nephrotisches Syn- Punktmuta- • Nierentumoren mit anderen Histologien (be-
drom, Niereninsuf- tion WT1 nigne wie Adenom, Onkozytom und maligne
fizienz vor 3. Le- wie Adenokarzinom, Sarkom)
bensjahr, männli- • Polyzystische Nieren
cher Pseudoherma-
phroditismus • Hydronephrosen, Nierenabszess
• Splenomegalie
Beckwith- Wilms-Tumor, He- Autosomal
Wiede- mihypertrophie, dominant, Metastasierung der Nephroblastoms
mann- Makroglossie, Om- Imprinting • Lunge: früh, in bis zu 80 % der Fälle
Syndrom phalozele, neona- 11p15.5
tale Hypoglykämie, • Leber: in bis zu 20 % der Fälle
Kardiomyopathie • Knochen/ZNS: Beim Klar-Zell-Typ

23
2  Fehlbildungen und Kinderurologie

Therapie Die Spätfolgen nach Therapie sind in ➜ Tab.


• Präoperative Polychemotherapie mit Acti- 2.9 zusammengefasst.
nomycin D und Vincristin, abhängig vom Pa-
tientenalter und vom Befund (zur Tumorvo- Tab. 2.9  Spätfolgen nach Therapie eines Ne-
lumenverkleinerung und OP-Erleichterung) phroblastoms
Operation, meist Nephrektomie Therapieelement Spätfolgen
Doxorubicin Kardiomyopathie
Eine intraoperative Tumorruptur ist auf je-
Carboplatin Innenohrschwerhörigkeit,
den Fall zu vermeiden. Sie geht mit einer Nierenfunktionsstörung
Änderung des Therapiekonzepts bzw. einer
Verschlechterung der Prognose einher. Ifosfamid Fanconie-Syndrom (tubu-
läre Nierenschädigung)
Operation Niereninsuffizienz
• Postoperative Chemotherapie und/oder
Strahlentherapie nach der Operation, abhän- Bestrahlung Wachstumsstörungen
gig von der histopathologischen Untersu-
chung und vom Tumorstadium

■ CHECK-UP
Mit welchen Symptomen und Befunden fallen Patienten mit Nephroblastom auf?
Welche Diagnostik ist indiziert?
Welche Bedeutung besitzt die Molekulargenetik des Nephroblastoms?
Wie sieht die aktuell gebräuchliche Stadieneinteilung aus?
An welche Differenzialdiagnosen muss gedacht werden?
Mit welchen Spätfolgen ist zu rechnen?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap02
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

24
1
3  Entzündungen
Harnwegsinfekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Paranephritischer Abszess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Morbus Ormond . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Prostatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Urogenitaltuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Parasitäre Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Harnwegsinfekte
Definition Tab. 3.1  Auswahl an Begriffen für Miktions-
Bei Harnwegsinfekten sind folgende Unterschei- störungen im Rahmen eines Harnwegsinfekts
dungen wichtig: Symptome eines Beschreibung
• Unkomplizierter Harnwegsinfekt (akute Harnwegsinfekts
Zystitis): auf die Blase beschränkt, normaler-
Dysurie Erschwerte und/oder
weise ohne systemische Symptome und ohne schmerzhafte Miktion
Fieber, typisch für Frauen; Männer haben
i. d. R. komplizierte Harnwegsinfekte Algurie Schmerzhafte Miktion
• Komplizierter Harnwegsinfekt: in der Regel Strangurie Krampfartige Schmerzen
auf dem Boden einer Harntransportstörung, bei der Miktion
Harnwegsfehlbildung oder einer relevanten Pollakisurie Vermehrte Miktionsfre-
Blasenentleerungsstörung, aber auch bei quenz (bei normalem
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mel- ­Tagesvolumen)
litus und/oder Schwangerschaft
• Rezidivierender Harnwegsinfekt: bedingt Tab. 3.2  Wesentliche urologische Ursachen
durch neue Keimaszension für eine Dysurie
• Persistierender Harnwegsinfekt: meistens
Dysurie Ursachen
durch Erregerpersistenz; in allen Urinkultu-
ren Nachweis der gleichen Erreger. Harnblase Zystitis, Blasenentlee-
rungsstörungen (neuroge-
• Akute Pyelonephritis: außer zystitischen ne, funktionelle oder psy-
Symptomen auch Nierenparenchyminfektion, chogene Genese), Blasen-
Flankenschmerz, Fieber, Schüttelfrost und tumoren, Blasensteine,
ausgeprägtes Krankheitsgefühl Fremdkörper in der Blase,
• Pyelonephritische Narbenbildungen: Kom- Endometriose, Schrumpf-
plikation nur nach komplizierten rezidivie- blase (z. B. radiogenbe-
dingt), Fisteln (vesikovagi-
renden Harnwegsinfekten; bei Nichtanspre- nal, -intestinal)
chen auf die Therapie Entwicklung von rena-
len und/oder paranephritischen Abszessen Harnröhre Urethritis, Strikturen, Tu-
moren, Zysten, Steine, Ure-
(➜ paranephristischer Abszess und ➜ Uro- thraldivertikel
sepsis) möglich
Nieren und Pyelonephritis, Ureteritis,
Klinik Harnleiter tief sitzender Harnleiter-
Typische Miktionsbeschwerden ➜ Tab. 3.1. stein, Harnreflux, Uretero-
zele
Ursachen
Prostata Benignes Prostata-Syn-
Ursächlich handelt es sich häufig um Harnab- drom (BPS), Prostatitis,
flussstörungen oder Harnwegsinfektionen Prostataabszess, Prostata-
(➜ Tab. 3.2). Seltener liegen neurologische, karzinome, Prostatasteine,
funktionelle oder auch psychogene Ursachen zu- Prostatatuberkulose
grunde. Weitere seltene Samenblasentumoren, infi-
Erkrankungen zierte Bartholin-Drüsen

25
3  Entzündungen

Sonderformen Tab. 3.3  Initialdiagnostik bei Dysurie


• Strahlenzystitis: bei Frauen häufig nach Be- Anamnese Einschließlich einer genauen
strahlung von Genitalkarzinomen Miktions- und Medikamen-
• Zytostatika-Zystitis: Aufgrund der Schleim- tenanamnese
hautschädigung durch das Zytostatikum Körperliche Immer mit digito-rektaler Unter-
selbst oder dessen Metaboliten, in Form einer Untersu- suchung (DRU) bei Männern im
hämorrhagischen Zystitis, z. B. nach Cyclo- chung Alter, wenn ein BPS, ein Prosta-
phosphamid (Endoxan®). Unspezifische takarzinom oder eine Prostati-
Maßnahmen und forcierte Diurese werden tis vorhanden sein kann
empfohlen. Zur Prophylaxe sollte Mesna Laborunter- • Urinstatus (Urinsediment),
(Uromitexan®) verabreicht werden, welches suchungen Urinkultur, ggf. Suche nach
im Urin das verursachende Medikamen- „abakteriellen“ Erregern, z. B.
Chlamydien, Mykoplasmen
tenabbauprodukt Acrolein neutralisiert. • Blutbild, CRT, Serum-Kreati-
• Reizblase: vornehmlich bei Frauen, eventuell nin, -Harnstoff, -Elektrolyte
mit Blasenfunktionsstörungen nicht ent- • PSA (cave: bei Infekten er-
zündlicher Ursache mit zystitischem Be- höhte Werte)
schwerdebild; der Übergang zum psychoso- Urosono- Nieren, Blase mit Restharnbe-
matischen Formenkreis ist fließend grafie stimmung, Prostata

Keimspektrum bei Harnwegsinfekten ­Abhängig von der „Art“ des Infektes ist die Aus-
• Escherichia coli wahl und Dauer der Antibiotikatherapie ent-
• Proteus mirabilis scheidend. Dazu sind weitere allgemeine/pro-
• Klebsiella, Enterobacter, Pseudomonas phylaktische Maßnahmen insbesondere bei rezi-
aeruginosa, u. a. divierenden Harnwegsinfekten zu empfehlen:
• Staphylococcus saprophyticus • Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme (bis zu
• Andere Staphylokokken, Enterokokken drei Liter pro Tag)
• Candida • Vermeidung von Kälteexposition
• Hygiene: sorgfältig, aber nicht übertrieben,
besonders nach Geschlechtsverkehr
Asymptomatische Bakteriurien werden an- • Langzeitantibiotikagabe, ggf. bei sehr häufig
genommen, wenn in wiederholten Urinpro- rezidivierenden Harnwegsinfekten
ben signifikante Bakteriurien (> 105 Keime/ • Immunbiotherapeutikum (Uro-Vaxom®, im-
ml im Mittelstrahlurin), aber ohne Sympto- munstimulierende Fraktion aus Escherichia
me nachgewiesen werden. coli in lyophilisierter Form); Strovac®, inakti-
vierte Keime spezifizierter Enterobakterien
Diagnostik
Die Bestätigung der Diagnose eines Harnwegsin- • Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten
fekts erfolgt durch eine Urinuntersuchung (➜ Tab. ist es wichtig, nicht nur die Symptome,
3.3). Des Weiteren sollten die ableitenden Harn- sondern auch die Ursachen zu behandeln.
wege mittels Sonografie auf mögliche Ursachen – • Bei komplizierten Harnwegsinfekten ist
zumindest orientierend – untersucht werden. – immer eine urologische Fachabklärung
Zu den fakultativen Untersuchungen gehören: durchzuführen.
• Ausscheidungsurografie – immer eine urologische Therapie der
• Eventuell weitere bildgebende Verfahren wie Ursachen (häufig OP) anzuschließen.
Miktionszystourethrografie – immer eine antibiotische Therapie nach
• Urethrozystoskopie Austestung zu realisieren.
• Urodynamik – die mögliche Funktionseinschränkung
Therapie (Narbenbildung) der Nieren zu beach-
Jeder akute symptomatische Harnwegsinfekt ten bzw. zu vermeiden.
muss mit Antibiotika behandelt werden.

■ CHECK-UP
Welche unterschiedlichen Harnwegsinfekte kennen Sie?
Welche Symptome werden häufig angegeben?
Welche Diagnostik ist initial indiziert?
Welche Therapiemaßnahmen kennen Sie?

26
1
Paranephritischer Abszess
Definition – Blutkultur
Der paranephritische Abszess ist eine eitrig re­ – Entzündungs-/„Sepsis“-Parameter (➜ Uro-
troperitoneale Entzündung innerhalb der Gero- sepsis)
tafaszie, die sich aus einem Nierenabszess entwi- • Sonografie: echoarme perirenale Raumfor-
ckeln kann. Letzterer entsteht häufig aufgrund derung ggf. mit echogenem Reflex und dor-
von aszendierenden Infektionen der Harnwege saler Schallauslöschung durch Luft
mit konsekutiver Einschmelzung. • Computertomografie: Diagnostikum der
Ätiologie Wahl, mit hypodensen Arealen, ggf. Luftein-
• Am häufigsten durch gramnegative Bakterien schlüssen; nach Kontrastmittelgabe Anrei-
wie E. coli und Proteus cherung des Randbereichs, der Abszesskapsel
• Vor der antibiotischen Ära hämatogene Streu- entsprechend
ung durch grampositive Staphylokokken • Konventionelles Röntgen: in der Abdomen-
• Prädisponierende Faktoren: leeraufnahme unscharf begrenzter, verwa-
– Urolithiasis schener Psoasrandschatten; die Urografie
– Erhöhte Infektanfälligkeit z. B. bei Diabetes ergibt keine weitergehende adäquate Infor-
mellitus, intravenösem Drogenabusus mation.
Klinik Therapie
Meist länger dauernder Prozess (> 1 Woche) mit • Suffiziente parenterale Antibiose
• Schüttelfrost und Fieber • Perkutane Abszessdrainage bzw. bei ausge-
• Flanken- bzw. Bauchschmerz dehntem Befund offen-chirurgische Drainage
• In ausgewählten Fällen ggf. Nephrektomie
Diagnostik
• Labor:
– Urinstatus: in der Regel unauffällig, nicht
zwingend pathologisch

■ CHECK-UP
Wie lautet die Definition des paranephritischen Abszesses?
Welche Diagnostik sollte erfolgen?
Welche Behandlung ist sinnvoll?

Morbus Ormond
Definition Pathologie
Zunehmende Fibrose des Retroperitoneums und Derbe bindegewebige Veränderungen um die
Kompression von darin enthaltenen Strukturen; großen retroperitonealen Gefäße bzw. die
für den urologischen Bereich z. B. Ummauerung ­Ureteren
der Harnleiter. Klinik
Ätiologie Zunächst meist asymptomatisch, evtl. Rü-
• Unklar bei 70 %, vermutlich Autoimmun- ckenschmerzen, im späteren Verlauf z. B. Sym­
prozess einer Periaortitis ptome durch die Urämie
• Mögliche Auslöser Diagnostik
– Medikamente: u. a. Mutterkornalkaloide • Labor: unspezifisch
z. B. Dihydroergotamin, β-Blocker, • Ausscheidungsurografie: Hydronephrosen
­Phe­na­cetin, Reserpin beidseits, mit Medialverlagerung der proxi-
– Infektionen: Lymphangitis, chronische malen bis mittleren Ureterenabschnitte
Harnwegsinfekte, Tbc, Sarkoidose • CT- oder MRT-Abdomen zur Beurteilung der
– Sekundär nach Bestrahlung, bei Maligno- Gewebsveränderungen z. B. Kompression der
men/Lymphomen Harnleiter
• Perkutane Biopsie: zum Ausschluss eines Ma-
lignoms, insbesondere bei V. a. Lymphom

27
3  Entzündungen

Therapie • Operativ-chirurgische Ureterolyse und intra-


• Einlage von Doppel-J-Harnleiterschienen zur peritoneale Verlagerung der Ureteren
Beseitigung der Harnstauung • Gegebenenfalls Nephrektomie bei funktions-
• Medikamentös: Steroidtherapie-Versuch, evtl. loser Niere.
Immunsuppressiva wie Azathioprin, Tamoxifen

■ CHECK-UP
Welche Erkrankungen können den Morbus Ormond auslösen?
Welche Untersuchungen sind indiziert?
Welche Behandlungen werden angeboten?

Prostatitis
Definition, Einteilung, klinische • Typ 2: Keimnachweis mit der 4-Gläserprobe
Symptomatik und pathologische Befunde oder verkürzt mit der 2-Gläserprobe (Mittel-
Einen Überblick über die klinische Symptomatolo- strahl- und Exprimaturin), hier Leukozyten-
gie sowie wichtige Befunde der Prostatitis entspre- nachweis im Exprimaturin
chend der Typ-Einteilung, die vom National Institu- • Typ 3 A und B: 4- oder 2-Gläserprobe, ggf.
te of Health vorgenommen wurde, gibt ➜ Tab. 3.4. Zusatzdiagnostik. u. a. transrektale Sonogra-
Diagnostik fie, Zystoskopie, Rektoskopie, Urodynamik,
• Typ 1: Sonografie zum Ausschluss/Nachweis evtl. CT-Becken
eines Harnverhalts, Prostata-Abszesses
(➜ Urosepsis) Die 4-Gläserprobe beinhaltet
• Initialurin,
Bei einem Prostata-Abszess tastet man eine • Mittelstrahlurin,
stark druckdolente, meist fluktuierende prall • Prostatasekret (Prostataexprimat nach
elastische intraprostatische Raumforderung, Prostatamassage) und
die man bei unklarem Befund mittels trans- • Exprimaturin (Urin nach Prostatamassage).
rektaler Sonografie näher untersuchen kann,
sofern der Patient die Untersuchung als Therapie
nicht zu schmerzhaft empfindet. Die Behandlung orientiert sich an der Typ-Ein-
teilung nach dem National Institute of Health:
Tab. 3.4  Klinische Symptomatologie und Befunde der Prostatitis nach der Typ-Einteilung
Typ der Prostatitis Klinische Symptomatologie, Befunde
Typ 1: Akute bakterielle • Akutes Krankheitsbild mit Schmerzen im Becken- und Perianalbe-
Prostatitis reich, Dysurie
• Rektal digitaler Tastbefund: teigig geschwollene, sehr druck-
schmerzhafte Prostata
• Befunde: Fieber, meist erhebliches Krankheitsgefühl
• Harnwegsinfekt, erhöhte Infektparameter und PSA-Werte
Typ 2: Chronische bak- • Rezidivierendes Krankheitsbild mit asymptomatischen Episoden,
terielle Prostatitis mit ggf. Ejaculatio praecox
wiederholten Episoden • Befunde: signifikanter Harnwegsinfekt im Exprimaturin/Prostatase-
auch akuter bakterieller kret, erhöhte Infektparameter und PSA-Erhöhung im Rezidiv
Prostatitiden
Typ 3: Chronische abak- • Rezidivierende Schmerzen im Beckenbereich, besonders im Anorek-
terielle Prostatitis tal- und Genitalbereich > 3 Monate, evtl. irritative Miktionsbeschwer-
den, postejakulatorische Schmerzen, sexuelle Funktionsstörungen,
• Befunde: kein Infektionsnachweis im Exprimaturin, Infektparameter
und PSA (in der Regel) normal
Typ 3 A: Entzündliche • Leukozyten im Exprimaturin
Form
Typ 3 B: Nicht entzündli- • Keine Leukozyten im Exprimaturin
che Form
Typ 4: Asymptomatische • Keine Symptome
Prostatitis • Keine Diagnostik notwendig

28
1
• Typ 1: Antibiotikatherapie z. B. mit einem 5-α-Reduktasehemmer, trizyklische Antide-
Fluorochinolon pressiva, Anticholinergika, Antihistaminika,
• Typ 2: Fluorochinolon für 3–4 Wochen Benzodiazepine, ggf. psychosomatische oder
• Typ 3: Therapie probatorischer Natur; keine psychiatrische Verhaltenstherapie (auch mit
routinemäßige Antibiotikatherapie der Intention der Stressreduktion durch Ent-
• Symptomatische Therapie mit z. B. spannungstherapie)
α-Rezeptorenblocker und/oder nicht stero­
idale Antiphlogistika, Phytopharmaka,

■ CHECK-UP
Welche Krankheiten kommen bei prostatitischen Beschwerden differenzialdiagnostisch in
­Betracht?
Welche Symptome können vorliegen?
Was versteht man unter der 4-Gläserprobe?
Welche therapeutischen Maßnahmen sind notwendig bzw. ggf. probatorisch möglich?

Urogenitaltuberkulose
Definition Klinik
Bei der Urogenitaltuberkulose (➜ Abb. 3.1) han- Sehr unterschiedliche Beschwerden:
delt es sich um eine Sekundär- oder auch Or- • Akute Entzündungszeichen, z. B. Prostatitis
gantuberkulose. Der Primärherd liegt häufig in • Detritusabgang im Urin
der Lunge. Es handelt sich nicht um eine Ge- • Hämatospermie
schlechtskrankheit, jedoch um eine namentlich • Symptome bei Harnstauungsnieren, z. B.
meldepflichtige Krankheit. Flankenschmerzen
Epidemiologie • Blasenentleerungsstörungen bei Harnröh-
Gehäuft in sozialen Brennpunkten z. B. bei Alko- renengen
holikern, Drogenabhängigen, und in wirtschaft-
lich schwachem Umfeld, daher gehäuft in Dritte- • Die klassische Symptomentrias mit sau-
Welt-Ländern rem Urin-pH, Leukozyturie, Detritusab-
Pathologische Befunde gang, ohne Nachweis von konventionellen
• Nieren, Ureteren und/oder Urethra Erregern als sog. „sterile“ Leukozyturie
– Exsudative Veränderungen ist eher selten. Mischinfektionen der
– Parenchymatöse Veränderungen Harnwege sind die Regel.
– Kavernenbildung • Die Diagnose der Urogenitaltuberkulose
– Teilweise verkäsende Nekrosen ist einfach, wenn sie in die differenzial­
– Zirrhöse Veränderungen und Fibrosie- diagnostischen Überlegungen einbezo-
rungen mit oft konsekutiven Harnabfluss- gen wird.
störungen • Bei Miktionsbeschwerden wie Pollakis­
– Kelchamputationen urie, subfebrile Temperaturen und bei
– Harnleiterengen/Harnleiterabgangsen- steriler Leukozyturie muss an eine Uroge-
gen nital-Tbc gedacht werden.
– Harnleiterverschluss
– Harnleiterostiumstenosen Diagnostik
– Harnröhrenengen • Eigenanamnese, Umfeld- und Familienana­
• Samenwege und Prostata mnese
– Nebenhoden- und Samenleiterentzün- • Klinische Untersuchungen, z. B. Veränderun-
dungen gen am äußeren Genitale oder an der Prostata
– Nebenhoden- und Samenleiterfibrosen (Indurationen)
– Prostataabszess • Urinuntersuchungen:
– Prostatainduration – Chemisch
– Mikroskopisch
– Allgemein bakteriell (Urikult)
– Bakteriell auf Tuberkulosebakterien:

29
3  Entzündungen

parenchymatöses
Stadium I
Kaverne
ulzerokavernöses
Stadium II

Kittniere
Stadium III

Ureter-
spezifische verschluss
Ureterstenose

Schrumpfblase

Ostiumstenose
Cystitis und
tuberculosa -deformierung

Genital-
tuberkulose

Abb. 3.1  Manifestationen der


Tuberkulose im Urogenital-
trakt [L157]

– 1–3 Morgenurinproben (evtl. nach 3-tä-


giger Chemotherapiepause) mit 1–3
– subpelvine Harnleiterabgangsengen,
Kulturen und mit Resistenzbestimmung
– Harnleiterstenosen im weiteren
– Fakultativ auf M. tuberculosis mittels PCR Harnleiterverlauf,
– Gegebenenfalls zusätzlich Untersuchun- – intravesikale Veränderungen mit
gen auf Tuberkulosebakterien aus Expri- Harnleiterostienbeteiligung und/oder
maturin, Ejakulat, Menstrualblut – Funktionsverlust der Niere als Spät-
• Sonografie folge.
• Bildgebende Verfahren; die Auswahl erfolgt
befund- und untersucherabhängig Therapie
– Ausscheidungsurografie • Voraussetzung: Erregernachweis mit Resis-
– Computertomografie tenzbestimmung
• Nuklearmedizinische Untersuchungen, fakul- • Sechsmonatige Standardtherapie (➜ Tab.
tativ 3.5) wie bei der Lungentuberkulose als Pri-
• Urethrozystoskopie ggf. mit Blasen-PE, fakul- märtherapie
tativ Die Therapieempfehlungen für die Bundesrepu-
blik Deutschland (für Erwachsene) sind in
➜ Tab. 3.6 zusammengestellt.
Typische Befunde aufgrund bildgebender
Verfahren: Nebenwirkungen der Antituberkulotika
• Bei Kavernenbildung Mögliche Nebenwirkunegn sind in ➜ Tab. 3.7
– Solide, z. T. liquide Raumforderungen zusammengefasst.
der Niere
– Verkalkungen im Parenchym Interventionelle und operative Maßnahmen
• Bei Fibrosierungen Unter antituberkulotischer Therapie, optimal
– Harn-Stauung/-Abflussstörung und nach der Initialphase:
­Parenchymreduktion durch • Organentfernungen
– Kelchverplumpungen, Kelchhalsste- • Lokale Organsanierungen z. B. Nierenteilre-
nosen, sektionen mit Entfernung des funktionslosen
Anteils

30
1
Tab. 3.5  Standardmedikamente (Erwachsene, Tab. 3.7  Mögliche Nebenwirkungen der Anti-
bei täglicher Gabe) mit Dosierungsangaben tuberkulotika
Substanz Dosis Dosis- Minimal- Substanz Nebenwirkung
(mg/ bereich und Maxi- Isoniazid Transaminasenerhöhung,
kg KG) (mg/ maldosis Akne
kg KG) (mg)
Rifampicin Transaminasenerhöhung,
Isoniazid 5 4–6 200–300 Cholestase, Rotfärbung von
(INH) Körperflüssigkeiten (Kon-
taktlinsen)
Rifampicin 10 8–12 450–600
(RMP) Pyrazinamid Transaminasenerhöhung,
Übelkeit, Erbrechen, Flush-
Pyrazin­ 25 20–30 1.500–2.500 Syndrom, seltener Myopa-
amid (PZA) thie, Arthralgie, Hyperurik­
Ethambu- 20–25 15–25 800–2.000 ämie
tol (EMB) (15) Ethambutol Retrobulbäre Neuritis
Streptomy- 15 12–18 600–1.000 Streptomycin Gleichgewichtsstörungen,
cin (SM) Tinnitus

Tab. 3.6  Therapieempfehlungen für die Bundesrepublik Deutschland (für Erwachsene) nach den
Empfehlungen der WHO und des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose
Tbc Initialphase/ Dauer/Monate Kontinuitäts- Dauer/Monate Gesamtdauer/
Kombination phase/Kombi- Monate
nation
Pulmonal/ INH, RMP, 2 INH, RMP 4 6
thorakal PZA, EMB
Extrathorakal INH, RMP, 2 INH, RMP 4 6
(Uro-Tbc) PZA, EMB
INH = Isoniazid, RMP = Rifampicin, PZA = Pyrazinamid, EMB = Ethambutol

• Rekonstruktiv z. B. Uretero-Pyeloplastik,


Ureterozystoneostomie Die Behandlung mit Mehrfachkombinatio-
• Palliativ z. B. perkutane Nephrostomien, Ure- nen von Antituberkulotika ist immer erste
terenkatheter zur Sicherung des Harnabflus- Therapiewahl. Lokale Infektionsfolgen wie
ses Kavernen und/oder zirrhöse Fibrosierungen
werden sekundär operativ behandelt, ggf. die
befallenen Organe plastisch-operativ ver-
sorgt bzw. entfernt.

■ CHECK-UP
Welche Symptome und klinischen Befunde können mit der Urogenital-Tbc auftreten?
Welche initiale Diagnostik ist erforderlich?
Wie lauten die standardisierten konservativen Therapiestrategien bei Uro-Tbc?
Welche Besonderheiten sind bei der medikamentösen Mehrfachtherapie zu beachten?
Welche möglichen Nebenwirkungen der medikamentösen Mehrfachtherapie sind zu beachten?

Parasitäre Erkrankungen
■ Echinokokkose • E. granulosus (Hundebandwurm)
• E. multilocularis (Fuchsbandwurm): verur-
Epidemiologie sacht die schwerer verlaufende Erkrankung
Nur 2 von 10 Spezies des Echinococcus sind für
den Menschen von Bedeutung:

31
3  Entzündungen

Pathophysiologie • Labortests
• Infektion des Menschen durch die orale Auf- – ELISA-Test
nahme von Eiern des Bandwurms – direkt – Gegebenenfalls Hämagglutinationstest
oder über kontaminierte Lebensmittel
• Die im Darm frei werdenden Finnen durch-
brechen die Darmwand und gelangen über Hinweise auf eine Echinokokkose findet man
den Pfortaderkreislauf in die Leber. im Labor mit der Eosinophilie und im Sono-
gramm mit den randständigen Verkalkun-
Klinik gen der Zysten.
• Die Infektion mit dem Echinococcus granulo-
sus verursacht die zystische Echinokokkose.
• Die Infektion mit dem Echinococcus multilocu- Therapie
laris verursacht die alveoläre Echinokokkose. • Operative Therapie mit Entfernung der solitä-
• Es finden sich selten sekundäre und sehr sel- ren Prozesse, ggf. mit kompletter oder Teil­
ten primäre Herde im Urogenitaltrakt. entfernung der befallenen Niere
• Medikamentöse Therapie mit Benzimidazo-
Diagnostik len (Mebendazol, Albendazol)
• Bildgebende Verfahren zur Darstellung der
infektionsbedingten Veränderungen, z. B. der
Zysten
– Sonografie, ggf. Ausscheidungsurografie
– Computertomografie

■ CHECK-UP
Welche beiden Formen der Echinokokkose kennen Sie?
Welche Diagnostik ist indiziert?
Welche Therapieoptionen können urologischerseits notwendig sein?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap03
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

32
1
4  Urologische
Tumoren
Tumoren des Nierenparenchyms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Tumoren des Nierenbeckens und des Harnleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Blasentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Hodentumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Peniskarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Prostatakarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Misteltherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Tumoren des Nierenparenchyms


■ Benigne Nierentumoren im Kindes- und Jugendalter Nephroblastome
(➜ Fehlbildungen und Kinderurologie)
• E twa 20 % aller Nierentumoren sind benigne.
Risikofaktoren
• Histologien: Adenom, Onkozytom, Angio-
• N oxen: Arsen (Winzer), Cadmium (Batterie-
myolipom
herstellung), Trichlorethylen (Druckindust-
• Häufig als Zufallsbefund im Rahmen einer
rie, Metallverarbeitung)
bildgebenden Diagnostik
• Rauchen
• Nierenzysten werden CT-morphologisch
• Übergewicht
nach Bosniak (I–IV) unterteilt. Kriterien sind
• Langjährige Analgetikatherapie
– Wandverdickungen,
• Tuberöse Sklerose (auch: Bourneville-
– Verkalkungen und
Pringle-Syndrom) → Ausbildung von Angio­
– Septierungen.
myolipomen (selten Entartung, aber Rup-
Ab Bosniak III wird die operative Freilegung
turgefahr)
empfohlen (➜ Nierenzyste).
• Morbus von Hippel-Lindau (frühes Erkran-
• Onkozytome haben in der Computertomo-
kungsalter, multifokales Auftreten)
grafie häufig eine Radspeichenstruktur als
Charakteristikum mit zentraler Narbe; die Klinischer Verlauf
bildmorphologische Unterscheidung vom Im Frühstadium ist das Nierenzellkarzinom in
Nierenzellkarzinom ist häufig schwierig. Die der Regel ohne Symptome.
Tumorzellen enthalten elektronenmikrosko- Bei größeren Tumoren können schmerzlose
pisch viele Mitochondrien. Makrohämaturien auftreten, ein lumbales
• Angiomyolipome sind aufgrund des hohen Druckgefühl bestehen oder gar der Tumor als
Fettgehalts im Ultraschall charakteristisch
Tab. 4.1  Histologische Subformen des Nieren-
echoreiche Tumoren. Eine operative Entfer-
zellkarzinoms
nung wird bei einem Durchmesser > 4 cm
aufgrund der Rupturgefahr empfohlen. Bezeichnung Häufigkeit Besonderheiten
Klarzelliges 80–90 % Ausgangspunkt:
■ Maligne Nierentumoren Karzinom prox. Tubulus; Ver-
lust von Chr. 3p
Epidemiologie Papilläres 10–15 % Gewinn von Chr.
• E twa 14.000 Neuerkrankungen in Deutsch- Karzinom 7, 17; Unterschei-
land pro Jahr dung Typ I und II
• Geschlechterverhältnis m : w = 2 : 1 Chromopho- 5 %
• Altersgipfel 50–70 Jahre bes Karzinom
• Häufigste genetische Veränderungen auf
Ductus-Belli- < 1 % Ausgangspunkt:
Chromosom 3 (von Hippel-Lindau-Gen) ni-Karzinom Sammelrohr; sehr
• Häufigste Histologie: klarzelliges Nierenzell- schlechte Prog-
karzinom (➜ Tab. 4.1); sehr selten Sarkome; nose

33
4  Urologische Tumoren

Raumforderung tastbar sein. Paraneoplasti- Therapie


sche Symptome sind häufig und sollten an ein Die Standardtherapie eines Nierentumors ist
Nierenzellkarzinom denken lassen: die chirurgische Entfernung (Nierenteilresekti-
• Arterielle Hypertonie on oder Nephrektomie), da Nierentumoren we-
• Kachexie, unklarer Gewichtsverlust nig bzw. kein Ansprechen auf Bestrahlung
• Amyloidose und Chemotherapie zeigen. Aus diesem Grund
• Erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit werden beim Nierenzellkarzinom auch singuläre
• Anämie Metastasen (z. B. Lunge oder Leber) operativ
• Fieber entfernt.
• Neuromyopathie Bei inoperablen und/oder mehrfach metastasier-
• Hyperkalzämie ten Tumoren war jahrzehntelang die Immunthe-
• Polycythämie rapie mit Interferon α oder Interleukin 2 Thera-
• Leberdysfunktion (Stauffer-Syndrom) pie der Wahl. In den letzten Jahren hat sich die
Nierentumoren können über die Nierenvene, die Targeted Therapy mit Tyrosinkinase-Inhibito-
Vena cava bis in den rechten Vorhof als Tumor- ren, VEGF-Antikörpern oder mTOR-Kinase-In-
thrombus wachsen. Bei Tumoren der linken hibitoren durchgesetzt.
Niere kann sich durch einen Venenthrombus
Nierenteilresektion
der Vena renalis eine Varikozele ausbilden (Ab-
fluss der linken Vena testicularis über die Vena Entfernung eines Nierentumors unter Erhalt der
renalis). Niere und damit der Nierenfunktion. Man un-
terscheidet:
Diagnostik • I mperative Indikation: anatomische oder
• A namnese: Gewichtsverlust, Makrohämat­ funktionelle Einzelniere, bilaterale Tumoren,
urie Niereninsuffizienz
• Körperliche Untersuchung: tastbarer Tumor, • E lektive Indikation: Teilresektion eines Nie-
Varikozele rentumors chirurgisch möglich, z. B. periphe-
• Bildgebung (Sonografie, CT, MRT): Im CT/ re Lage, exophytisches Wachstum, Größe
MRT ist häufig bildmorphologisch schon eine ≤ 4 cm.
Beurteilung der Dignität möglich.
• Bei unklarer Bildgebung kann eine Biopsie
Für eine Nierenteilresektion ist meist ein
durchgeführt werden.
temporäres Abklemmen der Nierengefäße
• TNM-Klassifikation (➜ Tab. 4.2)
notwendig (warme Ischämie). Zum Erhalt
• Staging-Untersuchungen, vor allem Rönt-
der Nierenfunktion sollte die Ischämie so
gen-/CT-Thorax aufgrund der Metastasie-
kurz wie möglich sein.
rungswege (➜ Tab. 4.3)
Tab. 4.2  T-Klassifikation der Nierentumoren Tumorephrektomie
Stadium Tumorgröße bzw. -Ausdehnung Entfernung der Niere einschließlich des Gerota-
fetts. Die Entfernung der ipsilateralen Nebennie-
T1a ≤ 4 cm
re und der regionären Lymphknoten ist nur bei
T1b > 4 cm ≤7 cm V. a. Metastasen indiziert.
T2 > 7 cm
Tab. 4.4  Targeted Therapy des Nierenzellkar-
T3 Infiltration bis zur Gerotafaszie, zinoms
T4 Infiltration über die Gerotafaszie Gruppe Wirkstoffe Wirkmechanismus
hinaus
Tyrosin­ Sunitinib, Hemmung der Ty-
kinase-­ Sorafenib, rosinkinasen von
Tab. 4.3  Metastasierungsorte von Nierenzell- Inhibitoren Pazopanib, VEGF und PDGF
karzinomen Axitinib und z. T. auch von
cKIT und RAF
Metastasierungsort Häufigkeit
mTOR-­ Temsiroli- Inhibition der
Lunge 55 % Inhibitoren mus, Evero- mTOR-Signaltrans-
limus duktion
Knochen 32 %
VEGF-­ Bevaci- Monoklonaler Anti-
Lymphknoten 26 %
Antikörper zumab körper gegen VEGF.
Leber 21 % Anmerkung: Zuge-
lassen nur in der
ZNS 3 % Kombination mit
Nebenniere 0,5–2 % Interferon α

34
1
duktion hemmen (➜ Tab. 4.4). Typische Neben-
Im Gegensatz zum Urothelkarzinom des wirkungen unter der Therapie mit Tyrosinkina-
Harnleiters oder des Nierenbeckens ist bei se-Inhibitoren sind:
der Nephrektomie aufgrund eines Nieren- • Hand-Fuß-Syndrom
zellkarzinoms keine vollständige Entfernung • Arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz
des Harnleiters bis zur Harnblase notwendig. • Geschmacksverlust
• Gastrointestinale Beschwerden (Diarrhöen,
Targeted Therapy Obstipation, Übelkeit, Erbrechen)
Medikamentöse Behandlung von metastasierten • Fatigue
Nierenzellkarzinomen mit Substanzen, die die • Blutungen
VEGF-Signalkaskade oder mTOR-Signaltrans- • Hepatotoxizität

■ CHECK-UP
W
 elche typischen klinischen Symptome eines Nierenzellkarzinoms kennen Sie?
W
 elche Diagnostik ist bei Verdacht auf einen Nierentumor notwendig?
W
 ann ist eine Nierenteilresektion indiziert?
W
 elche medikamentöse Therapie kennen Sie?

Tumoren des Nierenbeckens und des Harnleiters


■ Benigne Tumoren des – Urethrozystoskopie → Ausschluss eines
Blasentumors und ggf. retrograde Darstel-
Nierenbeckens und Harnleiters
lung des Harnleiters und Nierenbecken-
• E xtrem selten kelchsystems
• Histologie: Fibrome, Papillome – Bildgebung: CT-Abdomen mit urografi-
scher Phase
■ Maligne Tumoren des – Gegebenenfalls Ureterorenoskopie bei un-
Nierenbeckens und des klarer Bildgebung zur optischen Diagnose-
Harnleiters sicherung und Histologiegewinnung durch
Biopsie
Epidemiologie und Risikofaktoren – TNM-Klassifikation vergleichbar zu Bla-
• 7  % aller urothelialen Tumoren sentumoren
• Risikofaktoren: Rauchen, aromatische Amine
(Leder-/Textil-/Farbindustrie), langjähriger Therapie
Phenacetinabusus, Cyclophosphamid • Standardtherapie: Nephroureterektomie mit
• Histologie: > 95 % Urothelkarzinome, 4 % Blasenmanschette
Plattenepithelkarzinom • B ei distalen Harnleitertumoren und unauffäl-
• 2 5–40 % multifokales Auftreten ligem ipsilateralen oberen Harntrakt kann
auch eine distale Harnleiterresektion mit
Klinischer Verlauf und Diagnostik Harnleiterneuimplantation in die Harnblase
• F rühsymptom: Mikro- oder Makrohämaturie mittels Psoas-Hitch-Technik oder Boari-Lap-
• Metastasierungswege: regionäre Lymphkno- penplastik erfolgen.
ten, Lunge, Leber, Knochen. • Die Therapie metastasierter Nierenbecken- und
• Diagnostik: Harnleitertumoren erfolgt analog zu metasta-
– Urinzytologie sierten Blasentumoren als Chemotherapie.

■ CHECK-UP
W
 elche Standardtherapie eines Urothelkarzinoms des Nierenbeckens oder Harnleiters kennen Sie?

35
4  Urologische Tumoren

Blasentumoren
■ Benigne Blasentumoren • 2 0 % therapierefraktäre zystitische oder polla-
kisurische Beschwerden
• S ehr selten • Harnstauungsnieren durch tumorbedingte
• Histologien: Urothelhyperplasie, Cystitis cys­ Obstruktion des Harnleiterostiums bzw. des
tica, nephrogenes Adenom, Papillom, inver- distalen Harnleiters → in der Regel Zeichen
tiertes Papillom für ein muskelinvasives Urothelkarzinom

■ Maligne Blasentumoren Jede schmerzlose Hämaturie ist verdächtig


Epidemiologie auf das Vorliegen eines Tumors der ableiten-
• N eunthäufigste Krebserkrankung weltweit den Harnwege und muss abgeklärt werden!
• Geschlechterverhältnis m : w = 3 : 1
• Bei Erstdiagnose 70 % nicht muskelinvasiv Klinischer Verlauf oberflächlicher
und 30 % muskelinvasiv Blasenkarzinome (pTa, pTis, pT1)
Risikofaktoren • H äufig multifokales Wachstum innerhalb der
• T abakrauchen Blase
• A romatische Amine (z. B. Farb-, Gummi-, • Sehr hohe Rezidivhäufigkeit (> 50 %)
und Lederindustrie) • p Ta-Tumoren haben sehr häufig ein niedrig
• Spätfolge nach Bestrahlung des Beckens z. B. malignes Potenzial und metastasieren prak-
aufgrund eines gynäkologischen Tumors tisch nie
• Cyclophosphamid • Das Carcinoma in situ hat trotz des ober-
• B lasenbilharziose (Schistomiasis) → Plat­ten­ flächlichen Wachstums ein hohes malignes
epithelkarzinome der Harnblase Potenzial → ca. 50 % Entwicklung eines mus-
• Chronische Blasenentzündungen, Blasen- kelinvasiven Urothelkarzinoms
steine • pT1-Tumoren können bereits metastasieren
• Urothelkarzinom des oberen Harntrakts → und werden ohne Therapie zu muskelinvasi-
Multifokalität des Urothelkarzinoms ven Tumoren.
Klinischer Verlauf muskelinvasiver
In Kenntnis der Risiken bei beruflicher No- Blasenkarzinome (≥ pT2)
xenexposition ist eine zumindest orientie- • L okale Ausbreitung per continuitatem in
rende Arbeitsanamnese bei jedem Patienten Prostata, Rektum und Uterus sowie Becken-
mit (Urothel)Karzinom unverzichtbar. wand möglich
• Frühe Metastasierung
Klinischer Verlauf • Metastasierungswege: Beckenlymphknoten →
Typische Symptome: paraaortale Lymphknoten, Lunge, Leber,
• 80 % schmerzlose Mikro- und Makrohämat- Knochen
urie-Episoden Die T-Klassifikation eines Blasenkarzinoms ist
in (➜ Abb. 4.1) dargestellt.

Mukosa
Blasenwand

Lamina propria

tiefe Muskulatur
oberflächliche
Muskulatur
Fettgewebe

Bauch-/
Beckenwand

Prostata

Abb. 4.1  T-Klassifikation des Blasenkarzinoms [L141]

36
1
Diagnostik scher Nachweis von Erythrozyten im Urin nennt
• A namnese (Hämaturie-Episoden, Ar- man Mikrohämaturie. Eine Pseudohämaturie
beitsanamnese) kann durch Nahrungsmittel (z. B. Rote Bete),
• Körperliche Untersuchung (Flankenschmerz, Porphyrien, Medikamente (z. B. Phenothiazine)
tastbarer Tumor im Unterbauch) oder durch intravasale Hämolyse (z. B. Marsch-
• Urinstatus hämoglobinurie) verursacht werden. Man unter-
• Urinzytologie scheidet die glomeruläre von der nicht glomeru-
• D iagnostische Urethrozystoskopie: Tumo- lären Hämaturie, die unterschiedlichen Ursa-
ren sind in der Regel exophytisch papillär. Das chen sind in ➜ Tab. 4.5 zusammengefasst.
Carcinoma in situ ist endoskopisch teilweise
schwer zu identifizieren, da es kaum exophy- Die Unterscheidung zwischen glomerulärer
tisch wächst und oft nur als Rötung auffällt. und nicht glomerulärer Hämaturie ist am
Invasive Karzinome imponieren oft solide. einfachsten durch die Erythrozytenmorpho-
Für das bessere endoskopische Erkennen von logie des Urinsediments möglich. Bei Nach-
Tumoren, insbesondere des Carcinoma in si- weis von Akanthozyten → glomeruläre Hä-
tu, kann unter Verwendung von Fluoreszenz- maturie → nephrologische Abklärung.
licht Hexaaminolävulinsäure i. v. injiziert wer-
den (sog. fotodynamische Diagnostik).
• Bildgebung: Sonografie von Nieren und Blase. Urinzytologie
Bei gefüllter Blase sind größere exophytische Nach Zentrifugation von Spontanurin werden
Tumoren oft erkennbar. Gegebenenfalls Uro- die Zellen im Sediment mikroskopisch unter-
gramm, ggf. CT Abdomen mit urografischer sucht. Für schlecht differenzierte Urothelkarzi-
Phase. nome und das Carcinoma in situ ist die Spezifität
• Die histologische Sicherung erfolgt endosko- ≥90 %. Eine negative Urinzytologie schließt
pisch durch die transurethrale Resektion der allerdings ein Urothelkarzinom nicht aus.
Blase (TUR-B). Die TUR-B ist sowohl ein dia- Histologie
gnostischer als auch ein therapeutischer Ein- • H istologische Formen des Urothelkarzinoms:
griff. – 9 2 % Übergangsepithelkarzinome oder
• Staging-Diagnostik: CT Thorax/Abdomen, Transitionalzellkarzinome
ggf. Knochenszintigrafie bei klinischem Ver- – 7 % Plattenepithelkarzinome (vor allem bei
dacht auf ossäre Filiae. Bilharziose und chronischen Infekten)
– 1 % Adenokarzinome (meist als Urachus-
Urothelkarzinome treten häufig multifokal
karzinome am Blasendach)
auf. Deshalb sollte bei einem Blasentumor- • Grading für oberflächliche Tumoren (pTa,
nachweis im gesamten Harntrakt (Nierenbe- pT1):
cken, Harnleiter, Blase und Harnröhre) mit- – Nach WHO 1998: Grade I–III (veraltet,
tels Endoskopie und/oder Bildgebung das aber noch in Verwendung)
Vorliegen weiterer Tumoren ausgeschlossen – Nach WHO/ISUP 2004: low grade, high
werden. Am häufigsten ist das Urothelkarzi- grade
nom an der Blasenhinter- und -seitenwand – Zusätzlich neue Bezeichnung PUNLMP
lokalisiert. (papillary urothelial neoplasia of low mali-
gnant potential) für Tumoren zwischen Pa-
pillom und Low-Grade-pTa-Urothelkarzi-
Hämaturie nom.
Sichtbare Rotfärbung des Urins wird als Makro- • T-Klassifikation (➜ Abb. 4.1)
hämaturie bezeichnet, lediglich mikroskopi-
Therapie
• D ie Therapie eines Blasenkarzinoms richtet
Tab. 4.5  Ursachen glomerulärer und nicht glo- sich nach dem histologischen Befund, der im
merulärer Hämaturie Rahmen der TUR-B erhoben wurde, und ist
Glomerulär Nicht glomerulär in ➜ Tab. 4.6 vereinfacht zusammengefasst.
• Die Strahlentherapie stellt in der Primärthe-
IgA-Nephropathie Tumoren
rapie des Urothelkarzinoms derzeit keine
Glomerulonephritiden Urolithiasis Standardtherapie dar.
Vaskulitiden Infektion • Eine Blasenteilresektion sollte aufgrund der
Multifokalität der Tumoren nicht durchge-
Gestörte Blutgerinnung
(z. B. unter Marcumar) führt werden.
Trauma

37
4  Urologische Tumoren

TUR-B • B
 acillus-Calmette-Guérin (BCG): attenuier-
Eine TUR-B ist die endoskopische Resektion von ter Tuberkuloseerreger; bewirkt in der
Blasentumoren mit einer elektrischen Schlinge Harnblase eine Entzündungsreaktion, durch
durch die Harnröhre. Der Eingriff kann auch mit die Tumorzellen vernichtet werden können.
➜ fotodynamischer Diagnostik erfolgen. Die Re- Der Pathomechanismus ist nicht vollständig
sektatspäne werden aus der Blase gespült und verstanden. Die BCG-Instillation wird vor
für die Histologie asserviert. allem zur Therapie des Carcinoma in situ
• Wichtigste Komplikationen: Blasenperfora­ verwendet.
tion, Nachblutung
• Bei Nachweis eines pTa-High-Grade- oder Ein histologisch gesichertes Carcinoma in si-
pT1-Tumors in der Histologie sollte eine tu der Harnblase gilt als nicht ausresezierbar
TUR-B-Nachresektion einige Wochen nach und sollte mit einer BCG-Instillationsthera-
der vorangegangenen Operation erfolgen, um pie behandelt werden. Zeigen sich in der Zys-
verbliebene Tumorreste bzw. einen muskel- toskopiekontrolle nach BCG weiterhin Tu­
invasiven Tumor auszuschließen. mor­anteile ist eine Zystektomie anzuraten.
Intravesikale Instillationsbehandlung
Befüllen der Harnblase mit einem Medikament Zystektomie
über einen Blasenkatheter und belassen des Me- Eine Zystektomie ist die Standardtherapie für
dikaments für ca. 1–2 Stunden in der Blase. Fol- das muskelinvasive Blasenkarzinom:
gende Substanzen werden eingesetzt: • Vollständige operative Entfernung der Harn-
• Chemotherapeutika (Mitomycin C, Adriamy- blase und der pelvinen Lymphknoten;
cin): häufig einmalig direkt nach TUR-B, aber • Beim Mann zusätzlich Entfernung der Pros-
auch monatliche Instillationen als Rezidiv- tata und Samenblasen
prophylaxe • Bei der Frau zusätzlich Entfernung der Adne-
xen, des Uterus und der Vaginalvorderwand.
Tab. 4.6  Therapie des Urothelkarzinoms Bei einer Zystektomie muss eine Harnableitung
Pathologischer Therapie durchgeführt werden. Man unterscheidet:
Befund • I nkontinente Harnableitungen
– Ureterhautfistel: Ausleiten der Harnleiter
PUNLMP, pTa TUR-B (Diagnostik = Thera-
low grade pie) an der Bauchhaut
– Conduit: Anastomose der Harnleiter an ein
pTa high grade TUR-B-Nachresektion ausgeschaltetes Stück Ileum oder Kolon
pTis (Carcinoma TUR-B und BCG-Instillati- dessen aborales Ende in die Bauchhaut ein-
in situ) on; bei Tumorpersistenz genäht wird (➜ Abb. 4.2).
Zystektomie
• K ontinente Harnableitungen (➜ Abb. 4.3)
pT1 TUR-B-Nachresektion, BCG – Orthotope Neoblase: Bildung einer Ersatz-
oder Zystektomie blase aus Darm, in welche die Ureteren im-
≥ pT2 Zystektomie plantiert werden und die an die Urethra

Abb. 4.2  Inkontinente Harnableitung: Conduit [L141]

38
1
anastomosiert werden. Voraussetzung:
Urethra ist nicht tumorbefallen, vorbeste- Azidose kommen, weshalb regelmäßige
hende Kontinenz. Blutgasanalysen empfohlen werden. Die
– Heterotoper Pouch: Bildung eines Reser- Ausschaltung der Darmsegmente kann au-
voirs aus Darm, in das die Ureteren im- ßerdem längerfristig einen Vitamin-B12-
plantiert werden. Der Pouch wird über ein Mangel induzieren.
Nabelstoma mit Ventilmechanismus (z. B.
aus der Appendix vermiformis) unter Ver- Systemische Chemotherapie
wendung von Einmalkathetern entleert. Gemcitabine und Cisplatin (GemCis) sowie
– Harnleiterdarmimplantation: Implantation Methotrexat, Vinblastin, Doxorubicin und Cis­
der Harnleiter in das Sigma. Der Urin wird platin (MVAC) sind die zwei am häufigsten an-
gemeinsam mit dem Stuhl über den Anus gewandten Chemotherapiekombinationen
ausgeschieden. Voraussetzung: Suffiziente beim Urothelkarzinom. GemCis ist weniger to-
Funktion des Analsphinkters. xisch als MVAC bei vergleichbaren Ansprech-
raten. Die systemische Chemotherapie kann er-
Bei Harnableitungen mit Darmsegmenten folgen:
kann es durch den Kontakt des Urins mit der • Neoadjuvant: vor einer Zystektomie bei lokal
Darmoberfläche zur hyperchlorämischen fortgeschrittenen Tumoren

Abb. 4.3  Kontinente Formen der Harnableitung: orthotope Ersatzblase mit Urinentleerung über die
Urethra (a); Pouch mit Nabelstoma und Urinentleerung durch Katheterisierung (b); Harnleiterdarm­
implantation mit Entleerung von Urin und Stuhl über den Anus (c) [L141]

39
4  Urologische Tumoren

• A djuvant: nach einer Zystektomie, z. B. beim Nachsorge


Nachweis von Lymphknotenmetastasen im • W
 egen der hohen Rezidivneigung von Uro-
Präparat thelkarzinomen der Harnblase gehört die
• Palliativ: bei metastasierten Urothelkarzino- Urethrozystoskopie zur routinemäßigen Tu-
men mornachsorge.

■ CHECK-UP
W
 as ist das häufigste Erstsymptom eines Blasenkarzinoms?
W
 elche Risikofaktoren für ein Blasenkarzinom kennen Sie?
W
 elche Tumoren der T-Klassifikation gehören zu den oberflächlichen Blasenkarzinomen?
W
 elche Standardtherapie des oberflächlichen bzw. des muskelinvasiven Blasenkarzinoms ken-
nen Sie?
W
 elche Therapie erfolgt beim Carcinoma-in-situ-Nachweis?
W
 as ist die Rezidivprophylaxe beim Blasenkarzinom und wie wird sie durchgeführt?
W
 elche Formen der Harnableitung gibt es?

Hodentumoren
Epidemiologie, Risikofaktoren • E twa 90 % aller Hodentumoren sind mali­
• 2  % aller Malignome, jedoch bei männlichen gne Keimzelltumoren; sehr selten sind Stro-
Adoleszenten der häufigste Tumor! matumoren wie der Leydig-, Sertoli- oder
• Altersgipfel der Keimzelltumoren zwischen Granulosazelltumor
25–35 Jahren; zweiter Altersgipfel für Semi- • Man unterscheidet bei den Keimzelltumoren
nome zwischen 40.–50. Lebensjahr (reine) Seminome (ca. 40 %) und Nicht-Se-
• Risikofaktoren: minome (ca. 60 %).
– Tumor im kontralateralen Hoden • Die testikuläre intraepitheliale Neoplasie
– Maldescensus testis/Kryptorchismus (TIN) ist eine obligate Präkanzerose.
– Hodentumor bei erstgradigen Verwandten • Hodenmischtumor: enthält verschiedene his-
Klinischer Verlauf und Histologie tologische Typen (➜ Tab. 4.7).
• M ögliche Symptome:
– S  chmerzlose Hodenvergrößerung: häu- Jeder Mischtumor wird, auch wenn er Semi-
figstes Leitsymptom nomanteile hat, wie ein Nicht-Seminom be-
– Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit handelt!
– Vergrößerung der Brustdrüse
– Lymphknotenmetastasen, z. B. supraklavi-
kuläre Lymphknotenpakete, Harnstauung Tab. 4.7  Histologische Typen der Keimzelltu-
der Niere durch retroperitoneale vergrö- moren
ßerte Lymphknoten Seminome • Seminom (95 %)
• Differenzialdiagnosen einer Raumforderung • Spermatozytisches Seminom
des Skrotums: testikuläres Lymphom, testi- (5 %; keine Metastasierung)
kuläre Metastase, Hydrozele, Spermatozele, Nicht-Semi- • Embryonalzellkarzinom
Epididymitis, Trauma mit Hodenruptur nome • Dottersacktumor
• Metastastierungswege: • Teratome (reif, unreif, mit
maligner Transformation)
– Lymphogen: retroperitoneale Lymphkno- • Chorionkarzinom
ten → mediastinale Lymphknoten • Polyembryom
– Hämatogen: Lunge, Leber, Knochen, ZNS
Diagnostik
Die Lymphabflusswege des Hodens folgen • K
 linische Untersuchung:
dem Deszensus des Hodens aus der Genital- – P  alpation: schmerzlose Vergrößerung/Ver-
leiste im Bereich der Urnieren im Retroperi- härtung des Hodens
toneum in das Skrotum. Deshalb sind die – Diaphanoskopie: negativ, DD zur Hydroze-
ersten Lymphknotenstationen des Hodens le mit positivem Befund
retroperitoneal und nicht inguinal! – Abtasten der Lymphknoten, insbesondere
supraklavikulär

40
1
• S krotalsonografie: Inhomogene Raumforde- Im klinischen Stadium I unterscheidet man „low
rungen innerhalb des Hodenparenchyms risk“ von „high risk“ bezüglich des Auftretens von
sind immer tumorverdächtig! Metastasen. Als Risikofaktor für ein Seminom
• Sonografie des Abdomens und Retroperito- gelten die Primärtumorgröße > 4 cm und die Tu-
neums morinfiltration in das Rete testis. Beim Nicht-Se-
• T umormarker im Blut: Alpha-Fetoprotein minom ist die vaskuläre Invasion in der Histologie
(AFP) und humanes Choriongonadotropin ebenso ein Risikofaktor. Sind Risikofaktoren vor-
(Beta-HCG) und Lactatdehydrogenase (LDH) handen, wird eine adjuvante Therapie empfohlen.
• Staging-Untersuchungen:
– CT-Thorax und -Abdomen Die Prognose eines metastasierten Hodentu-
– Bei V. a. ossäre Filiae Knochenszintigramm mors ist abhängig von der Metastasenlokali-
– Bei ausgedehnter Metastasierung auch sation (z. B. haben Lebermetastasen eine
CCT zum Ausschluss von ZNS-Filiae schlechtere Prognose) und der Höhe der Tu-
mormarker. Man unterteilt drei Gruppen: gu-
• A FP und/oder Beta-HCG sind bei Nicht- te, intermediäre und schlechte Prognosekate-
Seminomen häufig erhöht. gorien. Anhand der Prognoseeinteilung wird
• E in erhöhtes AFP schließt ein reines die Chemotherapiezyklenzahl festgesetzt.
Seminom aus.
• E in erhöhtes Beta-HCG ist bei bis zu 30 % Folgende Therapien werden stadienabhängig
der Seminome nachweisbar. (➜ Tab. 4.9) eingesetzt:
• Die LDH ist unspezifisch und kann bei Se- • S
 urveillance: dreimonatliche Kontrolle mit
minomen und auch bei Nicht-Semino- klinischer Untersuchung, Ultraschall, Hoden-
men erhöht sein. tumormarker sowie Schnittbildgebung (CT/
MRT) nach 3 und 12 Monaten. Therapie der
Wahl beim Low-Risk-Seminom und Low-
Bei sogenannten ausgebrannten Hodentu- Risk-Nicht-Seminom im klinischen Stadium I.
moren oder primär extragonadalen Keim- • R
 etroperitoneale Lymphadenektomie (RLA):
zelltumoren ist der Tumor nur in den operative Entfernung der retroperitonealen
Lymphknoten- oder viszeralen Metastasen Lymphknoten entlang der Aorta und Vena ca-
nachweisbar und nicht im Hoden selbst. va bis zum Nierenstiel. Werden bei dieser Ope-
ration die sympathischen Nervenplexus nicht
Therapie
Tab. 4.9  Therapieoptionen des Keimzelltu-
Die Primärtherapie eines Hodentumors ist die
mors (stark vereinfacht)
hohe inguinale Ablatio testis. Sie ist ein we-
sentlicher Schritt in der Diagnostik, zur Histolo- Seminom Nicht-Seminom
giegewinnung und gleichzeitig in der Therapie. Stadi- • Surveillance • Surveillance
Die weitere Therapie eines Keimzelltumors ist um I • Adjuvante Car- • Adjuvante Poly-
abhängig von seinem klinischen Stadium nach boplatin Mo- chemotherapie
dem Staging (➜ Tab. 4.8) und dem histologi- notherapie (z. B. 2 Zyklen
• (Radiatio) PEB)
schen Typ. • Nervschonende
RLA
Tab. 4.8  Klinische Einteilung nach Lugano Stadi- • Polychemo- • Polychemothe-
Stadium I Kein Nachweis von Metastasen um II therapie (z. B. rapie (z. B. 3 Zy-
3 Zyklen PEB) klen PEB)
Stadium II • Retroperitoneale Lymphkno- • Gegebenen- • Gegebenenfalls
tenmetastasen falls Residu- Residualtumor-
• IIA-Metastasen < 2 cm altumorresek- resektion nach
• IIB-Metastasen 2–5 cm tion nach Che- Chemotherapie
• IIC-Metastasen > 5 cm motherapie • Nervschonen-
• (Radiatio) dee RLA
Stadium III • Supradiaphragmale Lymph-
knotenmetastasen und/oder Stadi- • Polychemo- • Polychemothe-
hämatogene Metastasen um III therapie (z. B. rapie (z. B. 3
(z. B. Leber, Lunge) 3 oder 4 Zy­ oder 4 Zyklen
• IIIA-Supraklavikuläre und/oder klen PEB) PEB)
meditastinale Metastasen • Gegebenen- • Gegebenenfalls
• IIIB-Lungenmetastasen falls Residu- Residualtumor-
• IIIC-hämatogene nicht pulmo- altumorresek- resektion nach
nale Metastasen (z. B. Leber, tion nach Che- Chemotherapie
ZNS, Knochen) motherapie

41
4  Urologische Tumoren

geschont, resultiert eine retrograde Ejakulati-


on. Die RLA ist eine mögliche Therapieoption
Das Growing-Teratoma-Syndrom ist eine
beim High-Risk-Nicht-Seminom im klinischen größenprogrediente teratomhaltige Metastase
Stadium I sowie im Stadium IIA. Am häufigs- unter Chemotherapie. Da reine Teratome che-
ten erfolgt die RLA als Residualtumorresekti- mo- und strahlenrefraktär sind, ist die Thera-
on bei persistierend vergrößerten Lymphkno-
pie der Wahl die chirurgische Resektion.
tenmetastasen nach Chemotherapie.
• P
 erkutane Radiatio: Die Bestrahlung der re­ Prognose
troperitonealen Lymphabflussregionen ist eine Bei stadiengerechter Therapie sind die 5-Jahres-
Therapieoption für High-Risk-Seminome im Überlebensraten günstig (➜ Tab. 4.10).
klinischen Stadium I und im Stadium IIA und
IIB. Neue Studien zeigen, dass die Radiatio Tab. 4.10  Überlebensraten in Abhängigkeit
vom Stadium und der Ausgangshistologie
mit einer nicht unerheblichen Rate an späten
Sekundärmalignomen assoziiert ist, weshalb Seminom und Nicht-Seminom im 100 %
diese Therapie kaum noch empfohlen wird. klinischen Stadium I
• C
 hemotherapie: Keimzelltumoren sind che- Seminom im metastasierten Stadi- 95–99 %
mosensibel mit Ausnahme des reifen Tera- um mit guter Prognose
toms. Im klinischen Stadium I beim High- Seminom im metastasierten Stadi- 85 %
Risk-Seminom wird eine Monotherapie mit um mit intermediärer Prognose
Carboplatin angewendet. Alle Nicht-Semino-
Nicht-Seminom im metastasierten 90 %
me und metastasierten Seminome werden Stadium mit guter Prognose
mit einer Polychemotherapie behandelt. Das
klassische Schema besteht aus Cisplatin, Eto- Nicht-Seminom im metastasierten 75 %
Stadium mit intermediärer Pro­
posid und Bleomycin (PEB); bei Rauchern gnose
kann das Bleomycin durch Ifosfamid ersetzt
werden (PEI) oder unter Addition eines wei- Nicht-Seminom im metastasierten 50 %
Stadium mit schlechter Prognose
teren Zyklus weggelassen werden (PE).

■ CHECK-UP
K
 ennen Sie ein typisches Symptom eines Hodentumors?
I n welche Gruppen werden Hodentumoren histologisch unterteilt?
B
 eschreiben Sie die Primärtherapie eines Hodentumors.
W
 ie lautet die klinische Einteilung der Hodentumoren?
W
 ie wird ein metastasierter, nicht seminomatöser Hodentumor behandelt?

Peniskarzinom
Epidemiologie, Risikofaktoren und Diagnostik und Einteilung
Histologie • O bligatorisch: Palpation und Sonografie der
• E twa 0,5 % aller Karzinome der Männer in Inguinalregion, histologische Sicherung
Europa durch Biopsie
• Altersgipfel 6. Lebensjahrzehnt • Fakultativ: Bildgebung mit CT oder Kern-
• Risikofaktoren: mangelnde Genitalhygiene spintomografie
(Smegmaretention), häufig wechselnde Sexu- • T-Klassifikation (➜ Tab. 4.11)
alpartner (wahrscheinlich HPV-Infektion) Therapie
• Präkanzerosen: Erythroplasie Queyrat, Mor- • T is, Ta, T1: Versuch der lokalen Exzision,
bus Bowen, Leukoplakie, Balanitis xerotica evtl. Laserablation, Kryotherapie
obliterans • ≥ T2: partielle oder totale Penektomie
• 95 % aller Peniskarzinome sind Plattenepi- • Inguinale Lymphadenektomie bei Verdacht
thelkarzinome
auf Lymphknotenmetastasen oder Tumoren
• M
 etastasierung vor allem lymphogen: ingu­ mit hoher Metastasierungswahrscheinlichkeit
inale → iliakale Lymphknoten; Lunge, Kno- (≥ pT2, alle G III)
chen • Iliakale Lymphadenektomie bei inguinalem
Metastasennachweis

42
2
Tab. 4.11  T-Klassifikation 2009 des Peniskarzinoms
Tis Carcinoma in situ
Ta Nicht invasives, verruköses Karzinom
T1 Tumor infiltriert subepitheliales Bindegewebe
T2 Tumor infiltriert Corpus spongiosum oder cavernosum
T3 Tumor infiltriert Urethra oder Prostata
T4 Tumor infiltriert Nachbarstrukturen

■ CHECK-UP
W
 elche Risikofaktoren für das Peniskarzinom sind bekannt?
W
 ie erfolgt die Therapie des Peniskarzinoms?

Prostatakarzinom
■ Einleitung • H istologisch fast immer Adenokarzinome
• Zumeist multifokales Wachstum in der Pros-
Anatomie der Prostata tata
• U nmittelbare Nähe zum Beckenboden (will- • In aller Regel benötigen Prostatakarzinomzel-
kürlicher Schließmuskel) und zum Rektum len Androgene (Testosteron) für ihr Wachs-
• Die Prostata bildet den prostatischen Teil der tum. Das Prostatakarzinom ist daher ein hor-
Harnröhre. monsensibler Tumor.
• In die prostatische Harnröhre münden die
Epidemiologie
Samenleiter und Samenblasen.
• H
 äufigste Krebserkrankung des Mannes
• An der Prostatakapsel verlaufen beidseits la-
• D ritthäufigste krebsbedingte Todesursache
teral Gefäßnervenbündel, die für die nervale
des Mannes
Steuerung der Erektion zuständig sind.
• Inzidenz mit dem Alter ansteigend
• Die Prostata hat eine zonale Gliederung
• Erkrankungsbeginn vor dem 40. Lebensjahr
(➜ Abb. 4.4).
extrem selten
Eigenschaften des Prostatakarzinoms
Risikofaktoren
• D
 as Prostatakarzinom entsteht aus dem Pros-
Eine kausale Pathogenese des Prostatakarzi-
tatadrüsenepithel, vorwiegend der peripheren
noms ist noch weitgehend unbekannt. Als gesi-
Zone; die gutartige Prostatavergrößerung
cherte Risikofaktoren gelten:
entsteht dagegen aus der Transitionalzone.

Harnblasenwand Transitional-Zone
anteriores
Harnröhre fibromuskuläres
(Urethra) Gewebe

Samenleiter periphere Zone


Abb. 4.4  Zonale Anatomie Samenblase zentrale Zone
der Prostata [L141/T439]

43
4  Urologische Tumoren

• A lter
• R asse: Schwarzhäutige erkranken häufiger • P rostatakarzinomverdacht: PSA-Wert
als Weißhäutige > 4 ng/ml oder ein kontinuierlich anstei-
• F amiliäre Häufung: Etwa 25 % der Prostata- gender PSA-Wert über die Zeit
karzinome haben eine erbliche Komponente. • Prostatakarzinome ohne PSA-Wert-Erhö-
• Histologisch werden die high-grade prostatische hung sind selten.
intraepitheliale Neoplasie (HGPIN) und die • PSA ist einer der wichtigsten Laborpara-
pros­tatische inflammatorische Atrophie (PIA) meter in der Nachsorge nach einer Pros-
als Vorstufen des Prostatakarzinoms gesehen. tatakarzinomtherapie.

Früherkennung
Die gutartige Prostatahyperplasie ist weder
Nach der Krebsfrüherkennungsrichtlinie des
eine Vorstufe noch ein Risikofaktor für die
Gemeinsamen Bundesausschusses wird eine
Prostatakarzinom-Entstehung.
Früherkennung Männern ab dem 45. Lebensjahr
empfohlen. Diese beinhaltet:
Klinischer Verlauf • Gezielte Anamnese
• H äufig langsames Tumorwachstum • Inspektion und Palpation des äußeren Geni-
• Späte Metastasierung tales inkl. der entsprechenden Hautareale
• Typische Metastasierungswege: pelvine • Rektales Abtasten der Prostata
Lymphknoten und Knochen als osteoblasti- • Palpation der regionären Lymphknoten
sche Metastasen • Befundmitteilung und diesbezügliche Beratung
• Sie beinhaltet nicht die PSA-Bestimmung!
Knochenschmerzen oder pathologische Der Stellenwert von PSA in der Früherkennung
Frakturen durch Knochenmetastasen sind wird derzeit kontrovers diskutiert. Die rektale
häufig die ersten Symptome, die einen Pati- Untersuchung erscheint als alleinige Früherken-
ent mit Prostatakarzinom zum Arzt führen. nungsmaßnahme allerdings insuffizient.
Diagnosesicherung
Spätes Erkrankungsalter und langsames Tumor- In der Regel wird ein Prostatakarzinom durch eine
wachstum sind wesentliche Gründe, warum vie- systematische transrektale ultraschallgesteuer-
le Patienten mit dem Tumor und nicht an dem te 10- bis 12-fach-Biopsie der Prostata gesichert.
Tumor versterben. Beim Vorliegen mindestens einer der folgenden
Befunde sollte eine bioptische Abklärung erfolgen:
Diagnostik
• Auffälliger rektaler Tastbefund
• A namnese: familiäre Belastung, Knochen- • PSA > 4 ng/ml, wenn der erhöhte Wert in
schmerzen zweiter Messung bestätigt ist
• Rektale Untersuchung: Tastbare Tumoren • Kontinuierlich ansteigender PSA-Wert (auch
sind meist schon lokal fortgeschritten. < 4 ng/ml bei jüngeren Patienten)
• Bildgebende Verfahren spielen in der Primär- • Metastasen, die zu einem Prostatakarzinom
diagnostik derzeit eine untergeordnete Rolle; passen, z. B. osteoblastische Knochenfiliae
der transrektale Ultraschall (TRUS) wird für
die Biopsie benötigt
• Bestimmung des PSA-Wertes Inzidentes Prostatakarzinom
Ein Karzinom, das als Zufallsbefund histolo-
gisch nach operativer Therapie einer beni­
PSA (prostataspezifisches Antigen)
gnen Prostatahyperplasie durch transure­
• E ine Serin-Protease, die von den Prostata- thrale Prostataresektion oder Prostata-Ade-
drüsenzellen sezerniert wird nomektomie diagnostiziert wird.
• Funktion: Verflüssigung des Samens
• PSA-Bestimmung erfolgt im Blut
• P SA ist organ-, aber nicht tumorspezi- Histologie
fisch Das Wachstumsmuster (Grading) beim Prosta-
• G ründe für eine PSA-Erhöhung: Prostata- takarzinom wird nach Gleason eingeteilt. Die
karzinom, Prostatitis, Harnverhaltung, Einteilung erfolgt in 5 Grade: 1 für beste, 5 für
nach rektaler Manipulation, benigne geringste Differenzierung.
Pros­tatahyperplasie Der Gleason-Score ist die Summe der beiden
• Der PSA kann durch Einnahme von häufigsten Wachstumsmuster. Beurteilt wird
5α-Reduktase Hemmer (Finasterid, speziell der strukturelle Karzinomaufbau, nicht
­Dutasterid) gesenkt werden. die Zellkernveränderung innerhalb eines Tu-
mors. Typisches Beispiel: Gleason 3 + 4 = 7.

44
2
Tab. 4.12  TNM-Klassifikation des Prostatakar-
Je höher der Gleason-Score, desto aggressi- zinoms (UICC 2010)
ver ist das Wachstumsverhalten eines Pros-
T1: Klinisch nicht erkennbarer Tumor
tatakarzinoms.
T1a Inzidentes Karzinom: zufälliger Tu-
mornachweis im Rahmen einer Pros-
Staging-Untersuchungen tataresektion (TUR-P) oder Adenom-
Bei histologisch gesichertem Prostatakarzinom ektomie in ≤5 % des untersuchten
ist bei den folgenden Befunden eine weitere Um- Gewebes
felddiagnostik im Sinn eines Staging sinnvoll: T1b Inzidentes Karzinom: zufälliger
• PSA > 10 ng/ml ­Tumornachweis im Rahmen einer
• Gleason-Score > 7 TUR-P oder Adenomektomie in > 5 %
• Ausgedehnter Tumornachweis in nahezu al- des untersuchten Gewebes
len Stanzbiopsien T1c Tumor durch Stanzbiopsie diagnos-
• Klinische Beschwerden, die auf Metastasen tiziert
hindeuten, z. B. Knochenschmerzen T2: Tumor auf die Prostata begrenzt
T2a Tumor infiltriert die Hälfte eines
• Die wichtigste Umfelddiagnostik ist die Pros­tatalappens oder weniger
Knochenszintigrafie. T2b Tumor infiltriert mehr als die Hälfte
• C T oder MRT können zum Ausschluss eines Lappens
größerer Lymphknoten oder viszeraler T2c Tumor infiltriert beide Prostatalap-
Metastasen angewendet werden. pen
• Ein neues Verfahren zur Metastasensuche
T3: Tumor durchbricht die Prostatakapsel
ist das Cholin-PET/CT.
T3a Extrakapsuläre Ausbreitung (ein-
oder beidseitig)
TNM-Klassifikation
T3b Tumor infiltriert die Samenblase(n)
Prostatakarzinome werden nach dem TNM-Sys-
tem (internationales System zur Einteilung der T4: Tumor infiltriert benachbarte Strukturen
klinischen Stadien einer Krebserkrankung) klas- (Blasenhals, Sphinkter externus, Rektum, Le-
vator-Muskulatur, Beckenwand)
sifiziert. Einen Überblick über die TNM-Klassen
eines Prostatakarzinoms bietet ➜ Tab. 4.12.
Therapie N0 Kein Anhalt für regionäre Lymph-
Die Wahl der Therapie eines Prostatakarzinoms knoten
ist abhängig von N1 Regionäre Lymphknoten
• dem klinischen Ausbreitungsstadium zum
Zeitpunkt der Diagnose, wichtige Unterschei-
M0 Kein Anhalt für Fernmetastasen
dung: organbegrenzt versus metastasiert.
• dem histopathologischen Wachstumsmuster: M1a Nicht regionärer Lymphknotenbefall
Ausschlaggebend ist der Gleason-Score zur M1b Knochenmetastasen
Beurteilung der Aggressivität des Tumors.
M1c Andere Manifestationen
• der Lebenserwartung und den Komorbiditä-
ten des Patienten. Als grobe Einschätzung gilt
im Allgemeinen: Bei einer Lebenserwartung Zusatzangaben
< 10 Jahren ist das Prostatakarzinom häufig L0 Keine Lymphgefäßinvasion
nicht lebenslimitierend.
L1 Lymphgefäßinvasion

Im organbegrenzten Stadium ist durch The-


rapie eine Heilung des Prostatakarzinoms V0 Keine Veneninvasion
häufig möglich. Im metastasierten Stadium V1 Veneninvasion
ist die Therapie nur palliativ.

R0 Kein Tumor im Organismus nach-


Bei sehr geringem Tumornachweis in den weisbar
Stanzbiopsien, PSA < 10 und Gleason < 7 kann
eine Active Surveillance (aktive Beobachtung) R1 Mikroskopischer Residualtumor am
Schnittrand (des OP-Präparates)
durchgeführt werden. Die Grundlage dieses
Vorgehens beruht auf der Vorstellung, dass R2 Makroskopischer Tumor im Organis-
langsam wachsende Tumore nicht therapie- mus (bei der OP) belassen

45
4  Urologische Tumoren

bedürftig sind. Aktuell gibt es noch keine Stu-


dien, die belegen, wie solche günstig verlau- Von der Active Surveillance ist das Watchful
fenden Prostatakarzinome von schneller wach- Waiting zu unterscheiden. Dabei erfolgt un-
senden und damit therapiebedürftigen Tumo- abhängig vom primären Tumorbefund ledig-
ren sicher unterschieden werden können. lich ein Beobachten und erst beim Auftreten
Prozedere bei der Active Surveillance: Nach von Beschwerden eine aktive Therapie. Hier
Karzinomdiagnosesicherung wird im ersten Jahr ist meist nur eine palliative Therapie und in
der PSA-Wert dreimonatlich kontrolliert. Bei der Regel keine Kuration mehr möglich.
stabilen PSA-Werten erfolgt 12–18 Monate spä-
ter eine Re-Biopsie der Prostata, bei ansteigen- Kurative Therapieoptionen des
den PSA-Werten entsprechend früher. Zeigt sich organbegrenzten Prostatakarzinoms
hier mehr Tumor oder ein höherer Gleason- Eine potenzielle Heilung von auf die Prostata be-
Score, wird auf eine kurative Therapie gewech- grenzten Tumoren, also T1, T2, (T3) N0 (➜ Tab.
selt. Zeigt sich kein Progress, wird die Beobach- 4.12), ist durch eine Radikaloperation oder Be-
tung fortgeführt. strahlung möglich.

Harnblase

Samenblase

„Chirurgische
Prostata Kapsel“

Samenleiter

Hoden

Samenblase

Prostatakarzinom

Samenleiter

Urethra

Hoden

Abb. 4.5a und b  Unterschied zwischen operativer Entfernung eines Prostataadenoms (BPS) mit
­Belassen der „chirurgischen Kapsel“ (a) und Entfernung der gesamten Prostata einschließlich Sa-
menblasen und Durchtrennung (Teilresektion) der Samenleiter bei Prostatakarzinom (b) [M587]

46
2
Radikale Prostatovesikulektomie, kurz: Pros- Brachytherapie genannt: Das Verfahren wird
tatektomie (➜ Abb. 4.5a und b): in der Regel mit perkutaner Radiatio kombi-
• E ntfernung der Prostata mit prostatischer niert und vor allem bei lokal fortgeschritte-
Harnröhre und Samenblasen beidseitig nen Tumoren angewandt.
• Meist Entfernung der pelvinen Lymphkno- Die wichtigsten Komplikationen der Strahlen-
ten therapie sind:
• Die Anastomose von Harnröhre mit Blasen- • Strahlenzystitis, Strahlenproktitis
hals ist notwendig. • Erektile Dysfunktion (Impotenz)
• Der Eingriff kann über Bauchschnitt (retro- • (Inkontinenz)
pubisch), von perineal oder laparoskopisch • Sekundärmalignome
erfolgen. Der PSA fällt nach einer Strahlentherapie ab und
• Nerverhaltende Operationstechnik zum Er- kann dann schwanken (Bouncing), da die Pros-
halt der Erektion möglich, wenn nur geringer tata im Körper verbleibt und weiter PSA sekre-
Tumornachweis in den Stanzbiopsien tiert.
• Wichtigste Komplikationen/Nebenwirkun- Steigt der PSA-Wert auf 2 ng/ml über dem tiefs-
gen: Blutung, Nachblutung, Wundheilungs- ten Wert nach Radiatio, auch Nadir genannt,
störung, Anastomoseninsuffizienz mit Urin- liegt nach Definition ein Rezidiv vor. Ein Rezidiv
leckage, Rektumverletzung, postoperative in der Prostata kann mit einer sogenannten Sal-
Harninkontinenz (durch Verletzung des vage-Prostatektomie behandelt werden. Die
Schließmuskelapparats der Harnröhre) und Pros­tata wird dann nach der Bestrahlung ent-
erektile Dysfunktion (umgangssprachlich Im- fernt. Dieses Verfahren wird eher selten ange-
potenz, bedingt durch die Durchtrennung wandt. Alternativ besteht nach Radiatio die
der Gefäßnervenbündel) Möglichkeit des systemischen Androgenentzugs.
• Nach der Operation muss bei vollständiger
Tumorentfernung der PSA-Wert unter die Therapie des metastasierten
Nachweisgrenze fallen. Prostatakarzinoms
Im metastasierten Stadium ist eine systemisch
wirkende Therapie erforderlich. Zudem können
Therapie-Optionen nach radikaler Prostat- durch den Primärtumor oder durch Metastasen
ektomie verursachte Beschwerden palliativ behandelt
• E in Wiederanstieg des PSA-Wertes nach werden.
Prostatektomie deutet auf ein Tumorrezi- Nahezu jedes Prostatakarzinom ist primär an­
div hin. drogenabhängig, weshalb alle Prostatakarzino-
• Bei positivem Schnittrand im OP-Präpa- me mit einer sogenannten „Hormontherapie“,
rat (R1-Status) oder bei Verdacht auf ein mit einem Androgenentzug, behandelt werden
Lokalrezidiv sollte eine perkutane Strah- können. Der Androgenentzug wirkt systemisch
lentherapie der Prostataloge durchgeführt im ganzen Körper und ist deshalb Therapie der
werden. Wahl im metastasierten Stadium (➜ Tab. 4.13).
• Ein Rezidiv und Metastasen nach Prostat- • Die Therapie mit Östrogenen (Prinzip: Hem-
ektomie können mit einer Hormonthera- mung der LH-Sekretion) wird aufgrund
pie behandelt werden. schwerwiegender Nebenwirkungen in aller
Regel nicht angewandt.
Strahlentherapie: Die wichtigsten Nebenwirkungen des Andro-
Man unterscheidet bei der Strahlentherapie der genentzugs:
Prostata drei Behandlungsmöglichkeiten: • Schweißausbrüche, Hitzewallungen
• Perkutane Radiatio: Die Bestrahlung erfolgt • Gewichtszunahme
von außen. Bei Tumoren mit PSA-Werten • Gynäkomastie
> 10 ng/ml, Gleason ≥ 7 und T3-Befund wird • Libidoverlust, erektile Dysfunktion
dieses Verfahren meist mit einer begleiten- • Psychische Störungen, z. B. Depressionen
den Hormontherapie über 3 Jahre kombi- • Zunahme kardiovaskulärer Erkrankungen,
niert. z. B. Herzinfarkt
• Permanente Implantation von J125-Seeds, • Osteoporose (bei längerer Anwendung)
auch Low-Dose-Brachytherapie genannt: Unter einer Androgenentzugstherapie fällt der
Verfahren für Niedrig-Risiko-Prostatakarzi- PSA-Wert ab, meist auf Werte unterhalb der
nome, bei Patienten mit einem Tumorsta­ Nachweisgrenze als Zeichen der Therapiewir-
dium ≤ T2a, PSA < 10 und Gleason-Score < 7 kung. Häufig kommt es nach 2–4 Jahren zu ei-
• Temporäres Einbringen von Strahlenkörpern nem erneuten PSA-Anstieg, da der Tumor mole-
in die Prostata, Afterloading oder High-Dose- kulare Mechanismen gegen den Androgenent-

47
4  Urologische Tumoren

Tab. 4.13  Antihormonelle Therapie-Optionen genblockade weiter, so spricht man von einem
bei Prostatakarzinom kastrationsresistenten Prostatakarzinom.
Operativ Ergänzende palliative Therapiemaßnahmen:
• L okale Bestrahlung einzelner Knochenmetas-
Prinzip: Entfernung • Subkapsuläre Orchi-
tasen; Ziel: Schmerzreduktion, Knochenstabi-
des testosteronpro- ektomie beidseitig
duzierenden Gewe- mit Erhalt von Ne- lisierung
bes benhoden und Tuni- • Gabe von Bisphosphonaten (z. B. Zoledron­
ca albuginea säure); Ziel: Vermeidung von pathologischen
• Orchiektomie beid- Frakturen, Linderung von Knochenschmer-
seitig zen, antitumoröser Effekt
Medikamentös
Prinzip: Senkung der körpereigenen Testoste- Statt Bisphosphonaten können auch RANKL-
ronproduktion und/oder Hemmung der Tes- Antikörper (z. B. Denosumab) gegeben wer-
tosteronwirkung den, die ebenfalls den Knochenabbau blo-
LHRH-Analoga, z. B. Wirkung: Blockade der ckieren, Knochenschmerzen lindern und
Buserelin, Goserelin pulsatilen Luteinisie­ ­einen antitumorösen Effekt haben sollen.
rungs­hormon-Releas­
ing-Hormon-Stimulati-
on (LHRH-Stimulation)
• A
 pplikation von β-strahlenden osteotropen
der Hypophyse → LH Radiopharmaka, z. B. Samarium, Rhenium,
und FSH Ausschüttung Alpharadin, Ziel: Schmerzlinderung, antitu-
⇊ → testikuläre Testos- moröser Effekt
teronproduktion ⇊ • Medikamentöse Schmerztherapie (nach dem
LHRH Antagonisten, Wirkung: LH und FSH WHO-Stufenschema)
z. B. Abarelix, Dega- Ausschüttung ⇊ → tes- • Palliative TUR-Prostata; Ziel: Beseitigung der
relix tikuläre Testosteron- tumorbedingten subvesikalen Obstruktion.
produktion ⇊
Testosteronrezep­ Wirkung: kompetetive Therapie des kastrationsresistenten
tor­antagonisten Hemmung des Andro- Prostatakarzinoms
• nicht steroidal, genrezeptors Auch beim kastrationsresistenten Prostatakarzi-
z. B. Bicalutamid, nom wird in der Regel der Androgenentzug z. B.
Flutamid oder mit LHRH-Analoga fortgesetzt. Neben palliati-
• steroidal z. B. Cy-
proteronacetat ven Maßnahmen finden derzeit folgende Thera-
peutika Anwendung:
Maximale Androgen- Wirkung:Senkung der • Intravenöse Chemotherapie mit Taxanen,
blockade: Kombina- Testosteronbildung
tion von LHRH-Ana- und Hemmung der An- z. B. Docetaxel, Carbazitaxel
loga mit einem Re- drogenwirkung • Medikamentöse Inhibition des Cyp17-En-
zeptorantagonisten zyms, welches essenziell für die Testosteron-
biosynthese ist, z. B. Abirateron
zug entwickelt hat. Steigt der PSA-Wert bzw. • Neue Androgenrezeptorantagonisten, z. B.
wächst der Tumor auch unter maximaler An­dro­ Enzalutamid

■ CHECK-UP
W
 as sind häufig die ersten klinischen Symptome eines Prostatakarzinoms?
W
 as ist der PSA-Wert?
W
 odurch kann der PSA-Wert erhöht sein?
A
 b welchem Alter wird nach der Krebsfrüherkennungsrichtlinie die Prostatakrebsfrüherken-
nung empfohlen und was beinhaltet diese?
W
 ann bestehen Indikationen für eine Prostatastanzbiopsie?
W
 as ist die häufigste Prostatakarzinomhistologie?
W
 as ist der Gleason-Score?
W
 as bedeuten T, N, M, L, V und R in der TNM-Klassifikation?
W
 elche Therapieoptionen eines allgemein gesunden 60-Jährigen mit einem organbegrenzten
Prostatakarzinom kennen Sie?
W
 elche Staging-Untersuchungen sind bei Prostatakarzinomnachweis sinnvoll?
W
 elche wichtigen Komplikationen nach Prostatektomie kennen Sie?
W
 as ist der häufigste Metastasierungsweg des Prostatakarzinoms?
W
 elche Möglichkeiten der hormonellen Therapie kennen Sie?

48
2
Misteltherapie
Definition Mögliche unerwünschte Wirkungen
• E in am häufigsten angewandtes Verfahren in • H erz-Kreislauf-System: Blutdruckabfall oder
der komplementär medizinischen Malignom- -anstieg, Bradykardie
behandlung • Magen-Darm-Trakt: Übelkeit, Erbrechen,
• Kein Wirksamkeitsnachweis nach wissen- Durchfall
schaftlichen Kriterien • Immunsystem: Fieber, Leukozytose
• Das erste Mistelpräparat ist seit 1926 als Isca- • ZNS: Verwirrtheit, Halluzinationen, epilepti-
dor bekannt. sche Anfälle
• Die Applikation erfolgt meist subkutan, sel- • Lokale Entzündungsreaktionen an der Injek-
ten i. v. tionsstelle
• Sehr selten schwerwiegende Komplikationen:
Anaphylaxie

■ CHECK-UP
W
 as versteht man unter Misteltherapie?
W
 elche möglichen unerwünschten Wirkungen der Misteltherapie kennen Sie?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-­Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/­Zwergel_Kamradt_Kap04
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-­Innenseite).

49
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2
5  Urolithiasis
Nieren- und Harnleitersteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Blasensteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Nieren- und Harnleitersteine


Pathogenese und prädisponierende Steinlokalisationen
Faktoren • Kelche
Bei der Steingenese liegt wesentlich eine Über- • Nierenbecken, ggf. als partielle oder komplet-
sättigung des Urins mit steinbildenden Substan- te Ausgusssteine
zen abhängig vom Urin-pH vor. Risikofaktoren • Harnleiter
für die Entstehung von Harnsteinen sind: Mögliche Steinlokalisationen zeigt ➜ Abb. 5.1.
• Kochsalz- und proteinreiche Ernährung Klinik
• Darmerkrankungen wie Morbus Crohn • Koliken bzw. Flankenschmerzen ggf. bis in
• Erhöhter langfristiger Flüssigkeitsverlust die Hoden oder großen Schamlippen ziehend
durch Erbrechen und Durchfälle, geringe täg- • Pollakisurie
liche Flüssigkeitsaufnahme • Erbrechen, Magen-Darm-Beschwerden bis
• Adipositas, Immobilisation hin zum Subileus
• Harnabflussstörungen der Nieren • Fieber, Schüttelfrost, Zeichen der evtl. dro-
• Stoffwechselstörungen:
henden Sepsis
– Hyperparathyreoidismus • Selten Makrohämaturie
– Renal-tubuläre Azidose
– Hyperurikämie/Gicht Diagnostik
– Angeborene Enzymdefekte, z. B. Zystinurie • Anamnese: Vorerkrankungen, Schmerztyp
• Prädisponierende Erkrankungen und -ausstrahlung
– Diabetes mellitus • Urinuntersuchung: typische Mikrohämaturie
– Rezidivierende Harnwegsinfekte • Sonografie: Steinnachweis, Dilatation des
• Arzneimittel mit konsekutiven Veränderun- Nierenhohlsystems
gen des Urin-pH-Werts, -volumens und/oder
der -zusammensetzung Bedeutung der Sonografie: Ein Stein im Nie-
• Erhebliche Stresssituationen renhohlsystem, auch ein röntgennegativer Stein,
Harnsteinzusammensetzungen lässt sich sonografisch an dem konkrementbe-
Harnsteine werden nach ihrer Zusammenset- dingten Schallschatten erkennen. Im Harnleiter
zung eingeteilt. Einen Überblick über unter- erfolgt die Diagnostik meist indirekt durch
schiedliche Harnsteinarten gibt ➜ Tab. 5.1. Nachweis einer Harnstauung im Sonogramm.

Tab. 5.1  Steinarten


Steinart Häufig- Zusatzinformationen
keit
Kalziumsteine:
• Ca-Oxalat-Mono-/Dihydrat ca. 70 %
• Ca-Phosphat ca. 10 %
Magnesium-Ammonium- ca. 5 % sog. Struvitsteine bzw. Infektsteine
Phosphat-Steine
Harnsäuresteine ca. 15 % Gehäuft bei Hyperurikosurie und Hyperurikämie (Gicht),
Verstärkung durch Urikosurika, Chemotherapie
Zystinsteine ca. 1 % Autosomal-rezessiv vererbte Transportstörung im Be-
reich der Nierentubuli; sie führt zur Zystinurie und Rezi-
divsteinbildung; ohne Therapie Gefahr der chronischen
Niereninsuffizienz

51
5  Urolithiasis

partieller kleiner
Nierenbecken- Kelchstein
ausgussstein
Nierenbeckenstein
kleiner unterer bei subpelviner
Kelchstein Enge
unterer Kelchstein
Harnleiterstein bei engem Kelchhals

prävesikaler
Harnleiterstein Blasendivertikelstein
Blasenstein

Harnröhrenstein

Abb. 5.1  Steinlokalisationen [L157]

• Röntgenuntersuchung: – Bei Sepsis zusätzlich intensivmedizinische


– Leeraufnahme Maßnahmen, in schweren Fällen ggf.
– Ausscheidungsurogramm ­Nephrektomie
– Nativ-CT – Bei Harnsäuresteinen: pH-Erhöhung mit
– Gegebenenfalls retrogrades Pyelogramm Alkalizitraten zur Chemolitholyse
Therapie
• Allgemeine Therapie • Bei Harnsäuresteinen findet man einen
– Suffiziente Analgesie bei der Nierenkolik sauren Urin-PH < 5,8 vor.
– Bei vorhandenem oder drohendem Infekt: • Eine suffiziente Chemolitholyse ist hier
Antibiotikabehandlung; allerdings ist die durch medikamentöse pH-Werterhöhung
Antibiose immer nur begleitend, nie die al- möglich.
leinige Therapie
– Steinspontanabgang ggf. abwarten; bei • Interventionelle und operative Therapie:
spontanabgangsfähigen Steinen: Spasmo­ Hier gibt es aktuell bevorzugt – abhängig von
analgesie, Bewegung, Diurese, evtl. Tonus- der Steinlokalisation und der Steingröße –
minderung durch α-Rezeptoren die extrakorporale und die intrakorporale
Berhandlung (letztere ureteroskopisch oder
Kontraindikationen einer konservativen perkutan).
Steinaustreibung: – Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie
• Harnstauung mit begleitendem Harn- (­ESWL): Steinzertrümmerung „von außen“;
wegsinfekt wegen der Gefahr der Urosepsis Prinzip der ESWL: Stoßwellengenerierung,
• Persistierende Koliken trotz adäquater -fokussierung und Steinortung (➜ Abb. 5.2)
Analgesie – Semirigide oder flexible Ureteroskopie
• Längere Verweildauer des Steins an seiner (URS): Harnleiter-/Nierenhohlsystemspie-
Lokalisation bzw. Unwahrscheinlichkeit gelung und endoskopische Steinzertrüm-
des Spontanabgangs, z. B. aufgrund der merung, dazu evtl. Absaugen der Desinte­
Steingröße grate und/oder Zangenextraktion des
• Eine unter der Harnstauung bereits einge- Steins (➜ Abb. 5.3)
tretene Nierenfunktionsminderung – Perkutane Nephrolitholapaxie (PNL):
Punktion der Nierenbeckenkelchsystems
– Bei Harnabflussstörung und/oder persistie- und endoskopische Steinzertrümmerung
renden Schmerzen: Entlastung des Nieren- über den perkutanen Zugang, Absaugen
hohlsystems mit Doppel-J-Ureterenkathe- der Desintegrate, ggf. Zangenextraktion
ter oder perkutaner Nephrostomie (➜ Abb. 5.4)

52
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Akustik- Fluid-
membrane Kopplung Stein im Fokus
Stoßwelle

Abb. 5.2  Extrakorporale Stoß-


wellenlithotripsie (ESWL); hier
nach dem piezoelektrischen US.
Rö.
Prinzip [L231]

Nierenstein
(im unteren
Kelch)

Harnleiterostium
Blase

Ureteroskop

Abb. 5.3  Ureteroskopie (flexi-


bel bis in den unteren Kelch)
[L231]

53
5  Urolithiasis

Nephroskop

Abb. 5.4  Perkutane Nephroli-


tholapaxie (PNL) mit einge-
führtem Endoskop in den un-
teren Kelch zur Zertrümme-
rung des Kelchsteins [L231]

– Sehr selten offene Operationen: Uretero-, • Ausreichende Bewegung, Stressminderung


Pyelolithotomie, Nephrolithotomie, evtl. • Diätetische Maßnahmen (ballaststoffreich,
Längsinzision der Niere zur kompletten vegetabil, kalzium- und kochsalzreduziert)
Steinsanierung • Infektsanierung bei Infektsteinen, Beseiti-
– In Ausnahmefällen Nephrektomie bei sep- gung von Harnabflussstörungen
tischer und/oder funktionsloser Niere • Erhöhung des pH-Wertes bei Harnsäure- und
Stein-Prophylaxe und -Metaphylaxe Zystinsteinen, ggf. spezielle Therapie bei
• Ausreichende Trinkmengen (2,5–3 l Flüssig- Stoffwechselerkrankungen
keit/Tag für Herz- und Nieren-„Gesunde“),
ausgewogene Ernährung, ggf. Gewichtsre-
duktion bei Übergewicht

■ CHECK-UP
Welche Steinarten sind zu unterscheiden?
Welche Diagnostik ist bei einem Nieren- oder Harnleiterstein erforderlich?
Welche Therapieoptionen gibt es bei einem Stein im oberen Harntrakt?

Blasensteine
Ursachen Diagnostik
• Folge von Blasenentleerungsstörungen wie • Sonografie
Prostatavergrößerungen, Harnröhrensteno- • Röntgen (Blasenübersichtsaufnahme)
sen, neurogene Blasenentleerungsstörungen • Urethrozystoskopie
• Fremdkörper in der Blase wie Katheter oder Therapie
Katheterreste als Kristallisationsherde • Steinzertrümmerung bzw. -entfernung
Klinik – Endoskopisch
• Pollakisurie und/oder Dysurie – Offene OP, sog. Sectio alta
• Hämaturie • Beseitigung der subvesikalen Obstruktion
• Harnstrahlunterbrechung, ggf. durch Stein- (ggf. im zweiten Schritt zur Vermeidung ei-
blockade des Auslasses ner neuen Blasensteinentstehung)

54
2
Blasensteine entstehen in der Regel als Folge
einer subvesikalen Obstruktion und nicht
durch Abgang eines Nierensteins.

■ CHECK-UP
Wie behandelt man Blasensteine?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap05
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

55
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2
6  Verletzungen des
Urogenitalsystems
Verletzungen der Nieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Verletzungen der Harnröhre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Verletzungen der Harnblase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Verletzungen der Nieren


Ätiologie • K örperliche Untersuchung: Flankenprellmar-
• G eschlossen: ken, Hämatom
– D  irekte stumpfe Gewalt (Quetschung, Prel- • Labor, insbesondere Urinsediment
lung des Abdomens oder der Flanken)
führt zu Berstungsverletzungen der Nieren. Eine fehlende Hämaturie schließt eine
– Dezelerationstrauma: Schädigung des Nie- schwere Nierenverletzung nicht aus; dies
renstieles oder Harnleiters als Folge plötzli- trifft insbesondere bei einem Nierengefäß-
cher Unterbrechung einer schnellen Kör- stielabriss zu.
perbewegung bei Sturz aus großer Höhe
oder bei einem Auffahrunfall
• Offen: Schuss- oder Stichverletzungen • Sonografie mit Nachweis von
Unterschiedliche Nierenverletzungen zeigen – Hämatom
➜ Abb. 6.1a und b. – Harnstauung
– Urinom (Urinextravasation aus dem Hohl-
Epidemiologie system des Harntrakts)
• Bei stumpfen Bauchtraumata sind in bis zu • Doppler-Sonografie: kann eine fehlende
40 % aller Fälle die Nieren beteiligt. Durchblutung z. B. bei partiellem Nierenstiel­
• I n Ballungsräumen treten 80 % der Nieren- abriss mit Gefäßdissektion darstellen
verletzungen im Rahmen von Polytraumata • Computertomografie
auf. In Skigebieten sind 2⁄3 der isolierten Nie-
renverletzungen auf Skiunfälle zurückzu-
führen. Die Computertomografie des Abdomens ist
• Kinder neigen zu höhergradigen Verletzungen, die diagnostische Maßnahme der Wahl bei
ebenso Patienten mit fehlgebildeten Nieren. hochgradigem Verdacht auf eine Nierenver-
• Penetrierende Verletzungen (Schuss oder letzung, insbesondere wenn ein Polytrauma
Stich) sind selten, spielen in den USA eine bzw. sonografische Auffälligkeiten und/oder
größere Rolle als in Europa. Begleitende Hämaturie vorliegen.
Darmverletzungen sind dann in 80 % der Fäl-
le zu erwarten. • E
 ventuell Ausscheidungsurografie: Diese Un-
Klinik tersuchung wird immer mehr durch die
Akutes Beschwerdebild: Computertomografie verdrängt.
• F lankenschmerzen Klassifikation
• Abwehrspannung und/oder tastbare Raum- Einen Überblick über die Klassifikation von Nie-
forderung renverletzungen gibt ➜ Tab. 6.1.
• H ämaturie (ist allerdings nicht zwingend
Therapie
vorhanden)
• K
 onservatives Management: Wichtig sind
• Schock
– B  ettruhe bis zum Aufklaren des Urins,
Diagnostik – engmaschige (auch sonografische) Ver-
• A
 namnese: Frage nach Art der Verletzung, laufskontrollen von Vitalparametern und
z. B. Dezelerationstrauma, Flankenprellung Labor z. B. Blutbild,

57
6  Verletzungen des Urogenitalsystems

Tab. 6.1  Bildgebende Grad-Einteilung nach – fallender Hämatokrit, Flankenschmerzen


Nierenverletzung und/oder Fieber sind Indikationen für eine
Einteilung Befunde erneute Bildgebung, z. B. Computertomo-
grafie.
Grad I Nierenkontusion mit Hämaturie
oder subkapsulärem Hämatom
Grad II Nierenparenchymeinriss < 1 cm, Beim Nierentrauma niedriger als Grad IV,
retroperitoneales Hämatom d. h. ohne Urinextravasat und bei stabilem
Grad III Nierenparenchymeinriss > 1 cm,
Kreislauf wird ein konservatives Manage-
kein Urinextravasat, retroperito- ment bevorzugt.
neales Hämatom
Grad IV Parenchymeinriss bis tief ins • H arnableitung durch Schienung
Nierenbecken mit Urinextrava- – D  oppel-J-Ureterenkatheter, insbesondere
sat, Verletzung der Nierenarte- bei Urinombildung
rie oder Nierenvene mit be- – Nephrostomie
grenzter Blutung und konseku-
tiv segmentalem Funktionsaus- • Selektive Embolisation (sehr selten): Die se-
fall lektive Embolisation von Nierengefäßen kann
bei persistierender Blutung indiziert sein, um
Grad V Komplett zerrissene Niere, Hi-
lusgefäßausriss oder -dissek­ ohne Nierenfreilegung eine Blutstillung zu
tion, vollständiger Ausfall der erzielen.
Nierendurchblutung

verletzter
Nierenpol
Nierenbecken
b

Abb. 6.1a und b  Nierenverletzungen: entnommenes Organ (a); operative Versorgung des verletzten
unteren Nierenpols (b) [a: M587, b: L231]

58
2
• O
 perative Freilegung
– N  ephrektomie bei: • b egleitenden intraabdominellen Verlet-
– K ompletter Nierenzertrümmerung zungen
– Gefäßstielabriss mit fehlender Rekonst- • Nierengefäßverletzungen
ruktionsmöglichkeit • Schusswunden
– Kompletter Ischämie der Niere oder bei
hämodynamisch instabilem Patient auf- Spätfolgen
grund aktiver Blutung •  bszess
A
– N  ierenteilresektion: wenn ein Organer- • Urinom/Urinextravasation
halt möglich ist • Harnstauung
• AV-Fistel
• Renale Hypertension
Die Indikationen zur chirurgischen Interven-
• Nierenfunktionsverlust durch Hydronephro-
tion sind immer gegeben bei:
se oder Arterienstenose
• Grad-V-Nierenverletzung mit zunehmen-
dem retroperitonealem Hämatom

■ CHECK-UP
W
 elche Symptome und Befunde werden oft gefunden?
W
 elche Diagnostik ist indiziert?
W
 elche pathologischen Gradeinteilungen kennen Sie?
W
 elche Therapiemaßnahmen sind sinnvoll?
M
 it welchen Spätfolgen ist zu rechnen?

Verletzungen der Harnröhre


Ätiologie Die Vorgehensweise bei V. a. ein Harnröhren-
• I atrogen, nach unsachgemäßen Katheterisie- trauma ist in ➜ Tab. 6.2 skizziert.
rungen bzw. nach instrumentellen Eingriffen
• Traumafolge: oft vergesellschaftet mit Be-
ckenringfrakturen Tab. 6.2  Wesentliche diagnostische Schritte
beim Harnröhrentrauma
• Sehr selten: in masturbatorischer Absicht
Unterschiedliche Harnröhrenverletzungen zei- Anamnese Besonders wichtig: Fragen nach
gen ➜ Abb. 6.2a und b. dem Unfallmechanismus stellen
Formen der Harnröhrenverletzung Symptome Sehr variabel:Hämaturie, fehlen-
de Ausscheidung, Fieber, Harn-
Bei den Harnröhrentraumata sind folgende Un- stoffanstieg, peritoneale Rei-
terscheidungen bezüglich der Lokalisation zu zung
beachten:
Diagnostik • Inspektion und rektal-digitale
• S
 ubdiaphragmale Verletzungen (Synonym: Untersuchung
infradiaphragmale Verletzungen) sind meist • Sonografie der Beckenregion,
partielle Läsionen, können aber auch kom- der Blase (perivesikales Hä-
plett ausgebildet bzw. langstreckig sein (z. B. matom und Urinom) bzw. des
bei Dammverletzungen). Die Schwellkörper Perineums (perineales und
können mitbetroffen sein. skrotales Paravasat und Hä-
matom)
• S
 upradiaphragmale Verletzungen sind
überwiegend komplette Abrisse unterhalb • Verfahren der Wahl: retrogra-
der Prostata, die bei hohen Scherkräften auf- des Urethrozystogramm
• Diagnostik von Begleitverlet-
treten. Sie können mit Blasenverletzungen zungen, z. B. des Unterbau-
kombiniert sein. ches, Beckenrings: CT, ggf.
Klinik konventionelle Röntgenauf-
nahmen
• M
 iktionsstörungen bis hin zum Harnver-
halt; cave: DD Anurie
• B
 lutverschmierter Meatus urethrae externus

59
6  Verletzungen des Urogenitalsystems

infradia- Diaphragma
phragmale urogenitale
Harnröhren-
verletzung

supradiaphragmaler
Harnröhrenabriss Abb. 6.2a und b  Harnröhren-
verletzungen: Harnröhrenver-
Diaphragma letzung infradiaphragmal (a);
urogenitale Harnröhrenverletzung supra-
diaphragmal (b) [L231]

• B ei der subdiaphragmalen Verletzung digitalen Untersuchung eine „hochste-


findet sich meistens ein ausgeprägtes hende“ Prostata.
skrotales Hämatom.
• Bei der supradiaphragmalen Verletzung Die Einteilung der Harnröhrenverletzungen
ist das äußere Genitale meist unauffällig; (➜ Tab. 6.3) erfolgt anhand der Ergebnisse des
allerdings findet man bei der rektal- retrograden Urethrozystogramms.

60
2
Tab. 6.3  Röntgenologische Einteilung der Harnröhrenverletzungen
Harnröhrenverletzung Uroradiologischer Befund
Subdiaphragmal, bulbär, Kontrastmittelabbruch bulbär bzw. wolkige, diffuse Kontrastmittel-
­fakultativ mit Schwellkör- verteilung u. U. bis ins Skrotum und Perineum, Blase meist gefüllt,
perverletzung steht normal im kleinen Becken, auch partielle Darstellung der
Corpora cavernosa möglich
Supradiaphragmal (extra- Paravasate im kleinen Becken, meist mit noch erkennbarer Füllung
peritoneal) der Blase, beidseitige Kompression der Blase durch Urinom und Hä-
matom; die Blase „steht hoch“
Supradiaphragmal mit Häufig: wolkige Kontrastmittelverteilung auch in­traperitoneal
gleichzeitiger intraperito-
nealer Blasenverletzung

Therapie • K
 omplette Urethraverletzungen müssen
Die Therapie richtet sich besonders nach der Lo- ggf. zeitversetzt operativ versorgt werden
kalisation, Ausdehnung und ggf. nach den Be- durch:
gleitverletzungen: – End-zu-End-Anastomose der Harnröhre
• Subdiaphragmale Harnröhrenverletzung: Zu- – Durchzugsschienung und Approximierung
nächst Harnableiung mittels Zystostomie der Harnröhrenenden mit einliegendem
transurethralen Katheter (unter Zug)
Eine initiale transurethrale Katheterisierung – Therapie der begleitenden Verletzungen
sollte nicht „gedankenlos“ erfolgen. Sie sollte z. B. der Harnblase
am besten durch einen urologischen Fach- Spätkomplikationen
arzt erfolgen. Ein kleiner (partieller) Harn- • R ezidivierende Harnröhrenstrikturen (Thera-
röhrendefekt kann sonst verschlimmert wer- pie: konsekutive, oft langwierige plastisch-re-
den. Eine fachärztliche urologische Diagnos- konstruktive Operationen)
tik und Therapie ist notwendig. • Harninkontinenz (bei Sphinkter-Defekt)
• Impotentia coeundi (nach Verletzung der
• S upradiaphragmale Harnröhrenverletzung: Nervi erigentes)
allein zunächst durch Zystostomie, insbeson-
dere in der Notfallsituation

■ CHECK-UP
N
 ach welchen „Trauma-Ereignissen“ werden Harnröhrenverletzungen gefunden?
W
 ie unterscheiden sich die beiden Harnröhrenverletzungsformen?
W
 elche Diagnostik ist notwendig?
W
 elche Therapiekonzepte kennen Sie?
A
 n welche Spätkomplikationen muss gedacht werden?

61
6  Verletzungen des Urogenitalsystems

Verletzungen der Harnblase


Ätiologie
• I atrogen, meist nach transurethralen und/ Tab. 6.4  Wesentliche diagnostische Schritte
oder uroendoskopischen Eingriffen beim Blasentrauma
• Traumafolge, eher selten
Anamnese Besonders wichtig: Fragen
Unterschiedliche Blasenverletzungen zeigen nach dem Unfallmechanismus
➜ Abb. 6.3a und b. stellen
Formen der Blasenverletzung Symptome Hämaturie, fehlende Ausschei-
Bei den (nicht iatrogenen) Traumata sind fol- dung, Fieber, peritoneale Rei-
gende Unterscheidungen zu beachten: zung
• I ntraperitoneal bei eher leichtem Trauma Diagnostik • Sonografie der Blase bzw.
und initial gut gefüllter Blase des Abdomen: Intra- bzw.
• E xtraperitoneal bei „Straddle“-Verletzungen perivesikales Hämatom,
als Aufreittrauma mit Krafteinwirkung über freie Flüssigkeit im Abdo-
men
den Damm • Verfahren der Wahl: retro-
• Kombiniert (extra- und intraperitoneal) bei grades Urethrozystogramm
massiver Krafteinwirkung • Diagnostik von Begleitverlet-
Weitere Differenzierung: zungen, z. B. des weiblichen
• S tumpf (häufig) vs. penetrierend (seltener) Genitale, Unterbauches, Be-
ckenrings, Oberschenkels:
Klinik CT, ggf. konventionelle Rönt-
• M
 akro-/Mikrohämaturie, bei 95 %, aber genaufnahmen
nicht zwingend
• L okaler Schmerz, einschließlich peritoneale Tab. 6.5  Röntgenologische Einteilung der Bla-
Reizung senverletzungen
• M iktionsstörungen, bis hin zur Anurie Blasenverletzung Uroradiologischer
Die Vorgehensweise bei V. a. ein Blasentrauma ­Befund
ist in ➜ Tab. 6.4 skizziert.
Intraperitoneal Wolkige, diffuse Kon­
trast­mittelverteilung im
Jedes Unterbauchtrauma bedarf einer sorg- Abdominalraum, Blase
fältigen Diagnostik mit Klärung der Frage, meist „leer“ oder mit
­Koageln belegt
ob eine Blasenverletzung vorliegt.
Extraperitoneal Paravasate im paravesi-
kalen Raum, meist mit
Die Einteilung der Blasenverletzungen (➜ Tab. noch erkennbarer Fül-
6.5) erfolgt anhand der Ergebnisse des retrogra- lung der Blase. Zusätz-
den Urethrozystogramms. lich, nicht selten, Latera-
lisation der gefüllten
Therapie Harnblase durch ein seit-
Die Therapie richtet sich besonders nach der Lo- liches Hämatom (einsei-
kalisation, Ausdehnung und ggf. nach den Be- tig) oder durch beidseiti-
gleitverletzungen: ge Kompression
• Solitäre extraperitoneale, nicht zu große Bla- Kombiniert Häufig: Mischformen
senverletzungen: 2–3-wöchige suprapubische
oder transurethrale Harndauerdrainage Komplikationen und Spätfolgen
• A usgedehnte extraperitoneale bzw. intra- Insbesondere nach übersehenen Blasenverlet-
peritoneale Blasenverletzungen: offen zungen:
chir­urgische Laparotomie und Blasenrekon- • Peritonitis
struktion mit anschließender Harndauerdrai- • Urinphlegmone
nage (suprapubisch oder transurethral). • Sepsis
• Osteomyelitis
Nach Blasenverletzungen muss immer auf • Fistelbildungen der Blase, z. B. ins Rektum, in
eine suffiziente Harndauerdrainage geachtet die Scheide
werden. • Blasendenervierungen mit konsekutiven Bla-
senentleerungsstörungen
• Selten Schrumpfblase
• Blasendivertikel

62
2
intraperitoneale
Blasenverletzung

Krafteinwirkung

Diaphragma
urogenitale

Abb. 6.3a und b  Blasenver-


letzungen (die Pfeile verdeut-
lichen die Krafteinwirkung
bzw. -verteilung, a); Röntgen-
bild einer intraperitonealen
Blasenverletzung (b) [a: L231, b
b: M587]

■ CHECK-UP
N
 ach welchen „Trauma-Ereignissen“ werden Blasenverletzungen gefunden?
W
 ie unterscheiden sich die unterschiedlichen Blasenverletzungsformen?
W
 elche Diagnostik ist notwendig?
W
 elche Therapiemöglichkeiten kennen Sie?

63
6  Verletzungen des Urogenitalsystems

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap06
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

64
2
7  Andrologie
Männliche Infertilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Erektile Dysfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Männliche Infertilität
Definition (nach WHO) Ätiologie
Männliche Fertilitätsstörung (Zeugungsunfähig- Ursachenverteilung bei unerfülltem Kinder-
keit, Impotentia generandi): primäre Sterilität wunsch:
bei unerfülltem Kinderwunsch > 2 Jahre • 20 % Mann
Epidemiologie • 40 % Frau
• Etwa 80 % der fertilen Frauen werden inner- • 25 % beide
halb von 8–10 Monaten schwanger. • 15 % ohne erkennbare Ursache
• Etwa 30 % der kinderlosen Ehepaare sind un- Wesentliche Ursachen für die männliche Inferti-
gewollt kinderlos. lität sind in ➜ Tab. 7.1 zusammengefasst.
Diagnostik
Tab. 7.1  Kausalfaktoren für die männliche In- • Anamnese
fertilität • Körperliche Untersuchung: Habitus, Behaa-
Anatomische Hodendystopie (Malde- rungsmuster, Genitale, dabei besonders Ho-
Faktoren scensus testis), Aplasie/ denlage und -größe
Hypoplasie von Nebenho- • Sonografie des Harntrakts, des Genitales, Du-
den, Hoden und/oder plex-Sonografie
Ductus deferens, Varico-
cele testis
• Hormonstatus:
– Routinemäßig: Testosteron, FSH und LH
Endokrine Testosteronmangel bei – Prolaktin bei V. a. Hyperprolaktinämie
­Störungen Hypogonadismus
– Gegebenenfalls bei speziellen Fragestellungen
Genetische z. B. Klinefelter-Syndrom z. B. HCG-, Tamoxifen- oder GnRH-Tests
­Faktoren (47, xxy) • Spermiogramm (➜ Tab. 7.2 und ➜ Tab. 7.3),
Entzündliche Orchitis, z. B. Mumpsor- ggf. Ejakulatkultur
Faktoren chitis, Epididymitis • Diagnostische Hodenbiopsie
Idiopathische Sertolizell-Only-Syndrom,
Faktoren Spermatogenesestörun- Tab. 7.2  Normales Spermiogramm (Normo-
gen zoospermie)
Immunologische Autoantikörper z. B. gegen Konzentra­ > 20 Mio. Spermatozoen/ml
Faktoren Spermatozoen-Oberflä- tion (neue Referenzwerte:
chenbestandteile, insbe- ≥ 15 Mio. Spermatozoen/ml)
sondere nach Vasektomie Volumen 2–6 ml (neue Referenzwerte:
bzw. Refertilisierung ≥ 1,5 ml)
Iatrogene Chemotherapie, Radiothe- Verflüssi- < 30 Min.
­Faktoren rapie, Medikamente, Ope- gungszeit
rationen (Vasektomie)
Motilität • ≥ 32 % progressive Motilität
Umweltfaktoren Wärme, Fungizide, Herbi- • ≥ 40 % totale Motilität
zide, Lösungsmittel,
Schwermetalle, Östrogene Morphologie 30 % normal
(z. B. über Nahrungsmit-
Vitalität ≥ 50 % lebende Spermatozoen
tel) Genussmittel (Alko-
hol, Nikotin) Fruktose­ > 1.300 μg/ml Ejakulat
gehalt
Funktionelle Retrograde Ejakulation,
(Samenbla-
­Faktoren z. B. nach retroperitone­
senfunktion)
aler Lymphadenektomie,
nach TUR-Prostata

65
7  Andrologie

Tab. 7.3  Pathologische Befunde im Spermiogramm


Pathologische Spermatozoenkonzentration
Azoospermie Keine Spermatozoen
Kryptozoospermie < 1 Mio./ml
Oligozoospermie < 20 Mio./ml
Polyzoospermie > 250 Mio./ml
Pathologisches Volumen
Aspermie Kein Ejakulat
Parvispermie < 2 ml
Polyspermie > 6 ml
Pathologische Verflüssigungszeit
> 30 Min z. B. bei chronischer Prostatitis
Pathologische Motilität
Asthenozoospermie < 50 % Motilität
Pathologische Morphologie
Teratozoospermie > 70 % abnorme Spermatozoen
Oligoastenoteratozoospermie (OAT-Syn- Pathologische Veränderungen der Zahl, Motilität
drom) und Morphologie
Vitalität (Eosintest) 50 % vital
Fruktosegehalt < 1.300 μg/ml
(Samenblasenfunktion)

Therapie • Befruchtungsmöglichkeiten
• Zunächst Versuch der kausalen Therapie, – Natürlich
­allerdings häufig nicht möglich – Künstlich
• Therapie-Optionen
– Behandlung einer Infektion Insemination bedeutet künstliche Befruch-
– Behandlung der Hormonstörung bzw. Sti- tung:
mulationsversuch der Spermatogenese • Intrauterine Spermieninjektion bedeutet
– Gegebenenfalls Behandlung einer Vari- ein Einbringen von Spermien in die Ge-
kozele bärmutter.
– Spermiengewinnung und Kryokonservie- • In-vitro-Fertilisierung (IVF) bedeutet die
rung Befruchtung der Eizelle mit zahlreichen
– Bei Z. n. Vasektomie: Versuch der Refertili- Spermien (in vitro).
sierung mit Reanastomosierung, am besten • Intrazytäre Spermieninjektion (ICSI) be-
in mikrochirurgischer Technik deutet ein Einbringen der Spermatozoe in
die Eizelle (in vitro).

■ CHECK-UP
Was wird unter Impotentia generandi verstanden?
Welche Ursachen für Fertilitätsstörungen kennen Sie?
Welche Diagnostik ist indiziert?
Welche Spermiogrammbefunde sind zu unterscheiden?
Welche therapeutischen Möglichkeiten gibt es bei unerfülltem Kinderwunsch?

Erektile Dysfunktion
Definition rung): unzureichende Gliedversteifung und/oder
Erektile Dysfunktion (ED, Erektionsstörung, Im- vorzeitiger Erektionsrückgang > 6 Monate in
potentia coeundi, umgangssprachlich Potenzstö- 75 % aller Versuche (➜ Abb. 7.1)

66
2
Skelettmuskulatur sexuelle Stimulation

höhere Zentren
Emission motorische Nerven
Ejakulation
N. hypogastricus

Ejakulations-
zentrum
Vesicula
seminalis TH11–L2

Prostata

Glandula
bulbo-
Hoden Rücken-
urethralis
mark-
fasern

N. pudendus Erektions-
zentrum
S2–S4
Nn. erigentes
Erektion N. dorsalis penis Rückenmark

Penis afferente Nerven

erogene Zonen
Haut

Abb. 7.1  Innervation der Erektion und Ejakulation [L231/E102–009]

Anatomie und Physiologie der Erektion tonie, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus,


einschl. der familiären Belastung
• Der Penis besteht aus dem Corpus spon-
Tab. 7.4  Ursachen für eine erektile Dysfunk-
giosum, das die Harnröhre umgibt, und tion
aus den paarigen Corpora cavernosa.
• Physiologie der Erektion: Parasympathi- Organisch
sche Nervenimpulse steigern den Blutein- Neurogen Nach Operationen im Becken-
strom in die paarigen Schwellkörper und bereich wie radikale Prostat-
vermindern den Blutabfluss. ektomien, Bandscheibenvor-
• Das reflexogene Erektionszentrum liegt in fälle, Neuropathien
den Rückenmarksegmenten S2 bis S4. Lokal penil Penisdeviation
Vaskulär Arterielle Durchblutungsstö-
Ursachen rungen, Störung im venösen
Einer erektilen Dysfunktion können unter- Abfluss
schiedliche Ursachen zugrunde liegen. In ➜ Tab. Hormonell Testosteronmangel
7.4 sind organische und psychogene Ursachen Medikamen- Bei bestimmten Psychophar-
im Überblick dargestellt. teninduziert maka, Antihypertensiva
Prädisponierende Erkrankungen
Alle Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkran- Psychogen Bei psychischen/psychiatri-
kungen wie Diabetes mellitus, arterielle Hyper- schen Erkrankungen (z. B.
Angstzustände)

67
7  Andrologie

Diagnostik – Kavernosometrie: Schwellkörperdruck-


• Anamnese messung
• Körperliche Untersuchung, z. B. Beurteilung – Angiografie
der Hodengröße, der Haarwuchsverteilung – Schwellkörperbiopsie
• Sonografie des Harntrakts, des Genitale Therapie
• Labor: Hormonstatus, Lipidstatus, Blutbild, • Kausal:
Blutchemie – Um-/Absetzen von Medikamenten, Reduk-
• Spezielle Untersuchungen (fakultativ): tion von Risikofaktoren
– Pharmako-Doppler – Bei Hormonmangel: Testosteronsubstitution
– Neurologische Untersuchung – Bei psychogener ED: Psychotherapie
– Nächtliche Messung der penilen Tumes- • Bei organisch bedingter ED bzw. begleitend
zenz: Aufzeichnung der im REM-Schlaf
zu den anderen Therapiemaßnahmen gibt es
auftretenden unwillkürlichen Erektionen verschiedene medikamentöse Therapie-Op­
– Kavernosografie: Röntgendarstellung der tionen (➜ Tab. 7.5).
Schwellkörper
Tab. 7.5  Medikamentöse Therapie einer erektilen Dysfunktion
Orale Medikation Phosphodiesterase-5-Hemmer (Viagra®, Cialis®, Levitra®) bewirken ­eine
Entspannung der Schwellkörpermuskulatur mit Anstieg des Blutflusses.
Urethrale Applikation Alprostadil (Prostaglandin E1, MUSE®) bewirkt gleichfalls einen An-
stieg des penilen Blutflusses.
Intrakavernöse Schwell- Alprostadil (Prostaglandin E1, Caverject®), Papaverin-Phentolamin-
körper-Autoinjektions- Gemisch (unselektiver Phosphodiesterase-Hemmer/α-Blocker, An-
Therapie (SKAT) droskat®), wirkt unabhängig von intakten Nervenbahnen

Abb. 7.2  Vakuum-Erektionssystem: über den Penis gestülpter Zylinder (a); Erzeugen eines Unter-
drucks mittels Pumpe (b); ein an der Penisbasis angelegter Konstriktionsring verhindert den
Blutabfluss (c); nach Entfernung des Rings (d) [L141]

68
2

Abb. 7.3  Penisprothese


[L141]

Orale Phosphodiesterase-5-Hemmer
• Die SKAT-Applikation erfolgt in eines der • Nebenwirkungen:
beiden Corpora cavernosa. – Kopfschmerzen
• Bei prolongierter Erektion bzw. Priapis- – Flush
mus nach SKAT wird therapeutisch ein – Rhinitis
α-Sympathomimetikum intrakavernös – Dyspeptische Beschwerden
­injiziert. – Sehstörungen
• Kontraindikationen:
• Hilfsmittel: Vakuumpumpe (➜ Abb. 7.2) – Herzinfarkt und apoplektischer Insult in-
• Operation: Schwellkörperimplantat (Pe- nerhalb der letzten sechs Wochen
nisprothese, ➜ Abb. 7.3). Sie besteht aus drei – Instabile Angina pectoris
Teilen: – Herzrhythmusstörungen
– Schwellkörperimplantaten,
– einem Flüssigkeitsreservoir, das intraabdo- Wegen möglicher lebensgefährlicher Hypo-
minal positioniert wird, und tonien muss die gleichzeitige Einnahme
– einer Pumpe, die ins Skrotum implantiert von Phosphodiesterase-Hemmern und Nit-
wird. raten oder Stickstoffmonoxid-Donatoren
unbedingt vermieden werden.

■ CHECK-UP
Was wird unter einer erektilen Dysfunktion verstanden, welche Synonyme kennen Sie?
Welche Ursachen kennen Sie?
Welche Diagnostik ist sinnvoll?
Welche möglichen Therapiemaßnahmen kennen Sie?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap07
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

69
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2
8  Blasenentleerungs­
störungen
Benignes Prostata-Syndrom (BPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Harninkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Neurogene Blasenentleerungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Benignes Prostata-Syndrom (BPS)


Terminologie • P hytopharmaka, z. B. Extrakte von Kürbis-
kernen, Roggenpollen usw., deren Wirkung
• L ower Urinary Tract Symptoms (LUTS) allerdings nicht gesichert ist.
beinhalten alle Symptome des unteren • α -Rezeptoren-Blocker: Aktuell werden se-
Harntrakts. lektive α-1a-Blocker z. B. Tamsulosin am
• Das benigne Prostata-Syndrom (BPS) be- häufigsten verwendet.
schreibt einen Symptomkomplex, der Ter- – Pathophysiologischer Hintergrund: In der
minus benigne Prostatahyperplasie (BPH) Muskulatur der menschlichen Prostata und
ist dagegen eine rein histologische Diagnose. am Blasenhals sind α-Rezeptoren vorhan-
• Der Begriff Prostatahypertrophie ist den; durch Inhibition dieser Rezeptoren
falsch, da es sich hier um eine Vermeh- resultiert eine Tonusminderung und kon-
rung der Zellen handelt. sekutiv eine Reduktion des Blasenauslass-
widerstands.
• 5 α-Reduktasehemmer: Hormonelle Thera-
Klinik
pie mit z. B. Finasterid, Dutasterid
• O
 bstruktive Miktionsbeschwerden – Pathophysiologischer Hintergrund: Reduk-
– Harnstrahlabschwächung tion der intrazellulären Testosteron- bzw.
– Startverzögerung der Miktion
– Postmiktionelles Harnnachträufeln Tab. 8.1  Wesentliche diagnostische Maßnah-
– Restharngefühl men bei benignem Prostata-Syndrom
– Harnverhalt Anamnese Einschließlich einer genauen
– Überlaufinkontinenz Medikamentenanamnese
• I rritative Miktionsbeschwerden Standardisier- z. B. International Prostatic
– Pollakisurie te Fragebögen Symptom Score (IPSS)
– Nykturie
Körperliche Mit rektal-digitaler Untersu-
– Vermehrter Harndrang Untersuchung chung
– Dranginkontinenz
Laboruntersu- Urinstatus, Serum-Kreatinin,
Diagnostik chungen PSA (bei einem Lebensalter
Die Abklärung der Miktionsbeschwerden bei von > 45 Jahren, wenn sich
BPS ist in ➜ Tab. 8.1 dargestellt. daraus therapeutische Kon-
sequenzen ergeben)
Uroflowmetrie Mit Bestimmung z. B. des
Die rektal-digitale Untersuchung ist eine Maximalflusses, normal
erste und einfache diagnostische Maßnahme > 15 ml/s bei Miktionsvolu-
zur Beurteilung der Prostata, gehört zum Ge- men > 150 ml
sundheitsvorsorgeprogramm für Männer ab Urosonografie • Nieren mit Klärung einer
dem 45. Lebensjahr. möglichen meist beidseiti-
gen Harnstauung durch die
subvesikale Obstruktion
Therapie • Blase, einschließlich Rest-
Aktuelle konservative Therapie harn
• K
 ontrolliertes Zuwarten, nur möglich bei ge- • Prostata (vorzugsweise
ringen Miktionsbeschwerden transrektal = TRUS)

71
8  Blasenentleerungs­störungen

Dihydrotestosteron-Produktion und damit Miktionsstörungen über das Prozedere zur


(nach längerer Behandlungsdauer) über Therapie des BPS entschieden.
den proliferationshemmenden Hormon- • V
 erzögert durchzuführender operativer Ein­
einfluss Inhibition des Prostatawachstums griff: Bei Dilatation des oberen Harntrakts auf
– C  ave: Diese Behandlung induziert eine Re- dem Boden des BPS wird die OP der eigentlich
duktion des PSA-Wertes. benignen Prostata erst nach Erholung des obe-
• Falls keine andere Behandlung erwünscht ren Harntrakts durchgeführt, i. e. in der Regel
bzw. möglich ist: Katheterdauerableitung. nach Normalisierung des erweiterten Nieren-
beckenkelchsysteme (Sonografiekontrollen!).
Die konservative Therapie bei BPS verbessert
die Symptomatik, beeinflusst die subvesikale • B eim Harnverhalt bzw. bei konsekutiver
Obstruktion jedoch nicht oder nur geringgra- Dilatation des oberen Harntrakts muss
dig. Die Behandlungsmorbidität ist niedrig. zur Entlastung der Blase ein transurethra-
Bevorzugt werden aktuell selektive α-1a- ler oder suprapubischer Blasenkatheter
Blocker verordnet. (Synonym: Zystostomie) passager bis zur
Normalisierung des oberen Harntrakts
Operative Therapie eingelegt werden.
Indikationen • Eine suprapubische Zystostomie wird da-
• D
 ie absoluten, i. e. zwingenden Indikationen rüber hinaus evtl. zur Harnableitung als
für eine operative Behandlung sind in ➜ Tab. „Dauer-Lösung“ eingelegt.
8.2 zusammengestellt. Darüber hinaus wird • Die Indikation zur Zystostomie muss
meist anhand der subjektiven Angaben, dem unter Berücksichtigung des AZ und der
Leidensdruck des Patienten hinsichtlich der Gesamtbefunde des Patienten gestellt
werden; die Kontraindikationen wie er­
Tab. 8.2  Absolute Indikationen für die opera- höhte Blutungsneigung, vorhandene
tive Therapie bei BPS Leistenhernie(n), Schrumpfblase sind
Rezidivierende Harnverhalte besonders zu beachten.
Rezidivierende Harnwegsinfektionen
Transurethrale Prostataresektion (TUR-P)
Konservativ nicht beherrschbare rezidivieren- und offene Prostataadenomektomie
de Makrohämaturien, z. B. bedingt durch
Pros­tatavarizen am Blasenausgang Als Therapiestandard gilt aktuell die transure­
thrale Prostataresektion (TUR-P).
Harnblasenkonkremente Die offene Prostataadenomektomie (➜ Abb. 8.1)
Dilatation des oberen Harntrakts (mit konse- wird bei großem Drüsenvolumen (> 60 ml, von
kutiver Niereninsuffizienz) manchen Operateuren auch erst ab 100 ml) emp-
fohlen.

trans-
vesikal

retro-
pubisch

(perineal)
Abb. 8.1  Mögliche Zugangs-
wege zur operativen Behand-
trans- lung der gutartigen Prostata-
urethral vergrößerung [L141]

72
2
Tab. 8.3  Verschiedene Thermoverfahren mit Interventionelle Verfahren
Angaben der erreichbaren Temperaturen bzw. (Thermoverfahren)
den möglichen morphologischen Effekten auf Einen Überblick über unterschiedliche interven-
das Prostatagewebe tionelle Verfahren (Thermoverfahren) gibt
Verfahren Temperatur Morphologi­ ➜ Tab. 8.3.
sche Effekte In der klinischen Routine haben in den letzten
Jahren insbesondere die Laserverfahren an Be-
Hyperthermie 43–45 °C Ø
deutung gewonnen. Zu unterscheiden sind hier
Thermotherapie 45–70 °C (+) z. B. die Applikationsformen und die Laserwel-
Thermokoagula- ca. 100 °C + lenlängen:
tion • Neodym-(Nd)-YAG- bzw. Dioden-Laser mit
Vaporisation > 150 °C + vornehmlich koagulierender Wirkung
• Holmium-YAG-Laser: Hier erfolgt eine Enu-
Thermoablation ca. 500 °C ++
kleation wie bei der offenen Adenomektomie,
d. h. eine Entfernung entlang der chirurgi-
Wichtige Komplikationen und schen Kapsel.
Folgeerscheinungen • Greenlight-Laser (Kalium-Titanyl-Phosphat-
• I ntra- und postoperative Blutungen Laser) mit überwiegend vaporisierendem Ef-
• Instrumentell bedingte Perforationen durch fekt
die Prostatakapsel
• Vermehrte Spülflüssigkeitseinschwemmung,
auch bekannt als TUR-Syndrom, i. e. eine • D ie transurethrale Prostataresektion
(hypotone) Hyperhydratation und die offene Operation (bei erheblicher
• Belastungsinkontinenz durch Läsion des will- gutartiger Prostatavergrößerung) sind nach
kürlichen externen Harnröhrenschließmuskels derzeitigem Stand (bei korrekter Ausfüh-
• Dranginkontinenz, meist nur passager durch rung) die operativen Standardverfahren.
lokale Irritationen • Die neuen interventionellen Verfahren
• Retrograde Ejakulation durch die weite Öff- führen zu unterschiedlicher Entfernung des
nung des Blasenhalses (ein Befund, der auf- „störenden“ obstruktiven Prostatagewebes
klärungspflichtig ist) mit erheblichem Entwicklungspotenzial.

■ CHECK-UP
W
 as wird unter einem BPS bzw. einer BPH verstanden?
W
 elche Symptome werden bei einem BPS oft angegeben?
W
 elche Untersuchungen sind wichtig?
W
 elche Befunde stellen Indikationen für eine operative Therapie dar?
W
 elche konservativen bzw. operativ-interventionellen Therapiemaßnahmen sind möglich?

Harninkontinenz
Definitionen und Klinik
In Klammern die Nomenklatur der Internatio- Es gibt einen fließenden Übergang von ver-
nal Continence Society ICS: mehrtem Harndrang (Synonym: Overactive
Bladder Syndrome, OAB-Syndrom) bis hin
Stressinkontinenz (Belastungsinkontinenz) zur Dranginkontinenz.
Unwillkürlicher Urinverlust bei passiver intra­
vesikaler Druckerhöhung wie Husten, Niesen,
Tab. 8.4  Gradeinteilung bei Stressinkonti-
Bauchpresse, ohne imperativen Harndrang und nenz
ohne (urodynamisch nachweisbare) unwillkürli-
che Detrusorkontraktionen (➜ Tab. 8.4). Grad 1 Urinverlust beim Husten, Pressen,
Niesen und schweren Heben
Dranginkontinenz Grad 2 Urinverlust beim Gehen, Bewegen
Unwillkürlicher Urinverlust, der von imperati­ und Aufstehen
vem Harndrang begleitet wird oder dem impe-
Grad 3 Urinverlust bei Ruhe
rativer Harndrang vorausgeht.

73
8  Blasenentleerungs­störungen

Ursachen Tab. 8.5  Wichtige diagnostische Maßnahmen


• P rimär/idiopathisch bei Harninkontinenz
• Sekundär/symptomatisch Obligatorische Untersuchungen
– Unspezifischer Harnwegsinfekt, spezifische
• Anamnese, Miktionsprotokoll zur Einschät-
Zystitis bei Tuberkulose, Bilharziose
zung des Leidensdrucks
– Blasentumor • Klinische Untersuchung z. B. Inkontinenz-
– Interstitielle Zystitis, Radiozystitis, Cyclo- tests
phosphamid-Zystitis • Urinstatus, Restharn
– Schleimhautveränderungen bei Östrogen- Empfohlene Untersuchungen
mangel
• Fragebögen mit Quantifizierung der Mikti-
– Infravesikale Obstruktion
onsymptomatik
– Fremdkörper, Steine • Detaillierte Untersuchung, z. B. vaginal-gy-
– Psychogene Ursachen näkologisch und/oder neurologisch
• Uroflowmetrie
Reflexinkontinenz (neurogene • Urodynamik/Zystometrie und Beckenbo-
Detrusorhyperaktivität mit Inkontinenz) den-EMG
Unwillkürlicher Urinverlust mit urodynamisch • Bildgebende Verfahren z. B. Introitus-, Peri-
nachweisbaren unkontrollierten Detrusorkon­ neal-, Vaginal- und Rektal-Sonografie oder
Röntgenuntersuchung des lateralen Zysto-
traktionen und mit einem neurologischen
gramms, um die Lageanomalie der Blase
Korrelat (➜ neurogene Blasenentleerungsstö- zu bestimmen
rungen).
Optionale Untersuchungen
Überlaufinkontinenz (Inkontinenz mit • PAD-Test (Vorlagen-Wiege-Test)
chronischer Harnretention) • Erweiterte Urodynamik mit Harnröhren-
Unwillkürlicher Urinverlust bei (sehr) voller druckprofil, Bestimmung des Leak Point
Blase wegen Blasenauslassobstruktion z. B. bei Pressure, Urodynamik mit videografischer
großer Prostatahyperplasie oder wegen Detrusor­ Aufzeichnung
• Endoskopie, evtl. spezielle bildgebende
insuffizienz. Verfahren (MRT, CT)
Extraurethrale Inkontinenz
Unwillkürlicher Urinverlust unter Umgehung
der Harnröhre z. B. aus angeborenen Fehlanla-
gen des Harnleiters wie ein ektop mündender in der suprapubischen oder transobturato-
Harnleiter in die Vagina bei Mädchen oder aus rischen Technik (➜ Abb. 8.2)
Urinfisteln, am ehesten Ureter- oder Blasen- – Kolposuspension (Burch)
Scheiden-Fisteln bei Frauen – Zügelplastiken
Diagnostik Dranginkontinenz
In ➜ Tab. 8.5 sind wichtige Diagnosemaßnah- Antimuskarinika (Synonym: Anticholinergi­
men bei Harninkontinenz zusammengefasst. ka): Aktuell stehen verschiedene antimuskarin­
Therapie erge Substanzen mit unterschiedlich entspan-
Belastungsinkontinenz nender Wirkung auf die glatte Blasenmuskulatur
• Konservative Maßnahmen: Beckenboden­ (je nach Selektivität des M3-Cholino-Rezeptors)
gymnastik zur Verfügung; sie unterscheiden sich auch in
• P
 harmakologische Stimulierung des Sphinc- ihren Formulierungen, Ansprechraten bzw. ih-
ter urethrae externus und des Beckenboden- rer Verträglichkeit, sodass keines der Präparate
apparates mit Duloxetin (Yentreve®) als das „beste“ empfohlen werden kann; im Ein-
zelfall müssen ggf. die verschiedenen im Handel
angebotenen Medikamente getestet werden
Speziell für die medikamentöse Therapie der
(➜ Tab. 8.6).
weiblichen Belastungsinkontinenz ist der
Die Compliance der Medikation wird ganz we-
Serotonin-Noradrenalin-Re-Uptake-Inhibi-
sentlich durch die Nebenwirkungen bestimmt
tor Yentreve zugelassen.
(➜ Tab. 8.7).

• Lokale Therapiemaßnahmen Die pharmakologische Dämpfung der Detru-


– Ö strogenanwendung sorhyperaktivität erfolgt am häufigsten
– Elektrostimulation, Biofeedback durch Antimuskarinika, deren Nebenwir-
• Operationsverfahren kungen durch anticholinerge Reaktionen zu
– T ension-free Vaginal Tape (TVT), das ak- erklären sind.
tuell am häufigsten verwendete Verfahren,

74
2

Abb. 8.2  Prinzip des Ten­


sion-free Vaginal Tape (TVT);
hier: die suprapubische Tech-
nik [L141]

Tab. 8.6  Die aktuell häufig verwendeten Sub- Tab. 8.7  Wichtige Nebenwirkungen der Anti-
stanzen bei Dranginkontinenz (Auswahl) muskarinika
Antimuskarinika Handelsnamen Gastrointesti- Mundtrockenheit, Obstipa-
(Anticholinergika) (­Auswahl) naltrakt tion
Oxybutynin • Dridase® Herz Tachykardie
• Als Pflaster: Kentera®
Augen Akkomodationsstörungen,
Trospiumchlorid Spasmex® Glaukomauslösung
Propiverin Mictonetten® Haut Abnahme der Schweißdrü-
sensekretion (Wärmestau),
Tolterodin Detrusitol® Hautrötung
Darifenacin Emselex® Harntrakt Restharnbildung
ZNS Unruhe, Halluzinationen
• W eitere Medikation zur Detrusordämpfung:
Antidepressiva
• Konservative Therapiemaßnahmen: • B ei Prostatahyperplasie muss – allerdings
– Miktions- oder Toilettentraining erst nach Beseitigung der Harnstauungsnie-
– Elektrostimulation ren durch Urindauerableitung – die kausale
– Biofeedback Behandlung der Prostatavergrößerung erfol-
• Minimalinvasive Verfahren: Botulinumtoxin gen (mit operativ-interventioneller Beseiti-
A mit Injektionen in den Detrusor vesicae in gung der subvesikalen Obstruktion, ➜ Beni­
transurethral-zystoskopischer Technik gnes Prostata-Syndrom [BPS]).
• Chirurgische Verfahren als Ultima Ratio: • Bei Detrusorinsuffizienz wird zumindest ini-
Kontinente oder inkontinente Harnableitung tial symptomatisch eine Urindauerableitung
• Windel- oder Pessarversorgung, ebenfalls als erfolgen; die weitere Therapie wird durch die
Ultima Ratio Ursache der Muskelschwäche bestimmt.

Überlaufinkontinenz (Inkontinenz mit Extraurethrale Inkontinenz


chronischer Harnretention) Sowohl bei angeborenem ektop in die Vagina
Die Therapie wird abhängig von der Genese der mündenden Harnleiter als auch bei Ureter- oder
Erkankung gewählt: Blasen-Scheiden-Fisteln erfolgt eine operativ
chirurgische Behandlung.

■ CHECK-UP
W
 elche Harninkontinenzformen werden unterschieden?
W
 elche Grade der Belastungsinkontinenz kennen Sie?
W
 elche Behandlungsmöglichkeiten sind für die Belastungsinkontinenz von Bedeutung?
W
 elche Bedeutung haben Antimuskarinika, welche Nebenwirkungen sind zu beachten?

75
8  Blasenentleerungs­störungen

Neurogene Blasenentleerungsstörungen
Definition
Fehlfunktionen der neuronalen Steuerung der Bei supranukleären Störungen sind supra­
Speicher- und/oder Entleerungsfunktion des un- pontine Läsionen mit oft vermehrter Harn­
teren Harntrakts (➜ Abb. 8.3) aufgrund von Er- drangsymptomatik von spinalen Läsionen
krankungen des zentralen oder peripheren Ner- ohne Harndrang zu unterscheiden.
vensystems
Infranukleäre Läsionen
Läsionen unterhalb des sakralen Miktionszent-
Supranukleäre Läsionen sind Schäden ober-
rums, intrapelvin oder subsakral, führen meist
halb und infranukleäre Läsionen sind solche
nicht zu einer Harninkontinenz.
unterhalb des sakralen Miktionszentrums.
Klinik
Supranukleäre Läsionen • B ei akontraktilem oder hypokontraktilem
• S
 uprapontine Reflexinkontinenz z. B. bei Detrusor vesicae: Bauchpressenmiktion und
Hirnleistungsstörungen; optional mit unge­ Harnstrahlabschwächung mit Restharnbil-
störtem oder gesteigertem Harndrang dung bzw. Harnverhalt und evtl. konsekuti-
• S
 pinale Reflexinkontinenz z. B. bei Rücken- ver chronischer Harnstauung bis hin zum
markserkrankungen, bei denen der Patient postrenalem Nierenversagen
keinen Harndrang empfindet (➜ Abb. 8.4). • Überlaufinkontinenz
• Rezidivierende Harnwegsinfektionen
Klinik
Therapie
Die supranukleären Störungen unterscheiden
Supranukleäre Läsionen
sich hinsichtlich Harndrangsymptomatik:
• A
 nticholinerge Behandlung (➜ Antimuskari-
nika)

Großhirn

Sympathikus
pontines
Miktionszentrum
Blase
(Detrusor-Muskel)
Nervenfasern des
N. hypogastricus glatte Muskulatur
der Urethra

Thorakalmark Parasympathikus

Blase
(Detrusor-Muskel)
TH12/L1–L2
lumbale Region Nervenfasern
S1–S4 des N. pelvicus
sakrale Region Somatisch
quer gestreifte
Nervenfasern Muskulatur
des N. pudendus der Urethra
quer gestreifte
Nervenfasern Muskulatur
sakraler Nerven des Beckenbodens

Abb. 8.3  Neuronale Steuerung des unteren Harntrakts [M587]

76
2
Läsion spinal lumbosakral (z.B. MMC) suprapontin

Detrusor überaktiv überaktiv überaktiv

urethraler
Sphinkter

überaktiv (DSD) hypoaktiv normoaktiv

Abb. 8.4  Formen supranukleärer Läsionen [M587]

• B ei Restharnbildung: Infranukleäre Läsionen


– B  eseitigung der subvesikalen Obstruktion • Regelmäßiger mehrfach täglicher Einmalka­
– Regelmäßiger mehrfach täglicher Einmal- theterismus bei Restharnbildung
katheterismus • B eseitigung der subvesikalen Obstruktion
• Botulinumtoxin-A-Injektionen in den Detru- • Eventuell Cholinergika wie Carbachol oder
sor vesicae zur Ruhigstellung des Detrusor Betanechol
vesicae, konsekutiv ggf. mit Einmalkathete- • Sakrale Neuromodulation
rismus zur suffizienten Blasenentleerung • Transurethrale/suprapubische Harnablei-
• Gegebenenfalls sakrale Neuromodulation tung, ggf. Harndauerableitung
• Bei querschnittsgelähmten Patienten ggf. sak-
rale Deafferentation und Vorderwurzelstimu- Neurogene Blasenentleerungsstörungen be-
lation dingen häufig eine ineffektive Miktion mit
• Bei Detrusorsphinkterdyssynergie, d. h. wenn Restharnbildung bzw. Harnverhalt/Über­lauf­
bei der Miktion eine mangelnde Koordinati- inkontinenz bzw. rezidivierende Harn­
on zwischen Detrusor vesicae (Kontraktion) wegsinfektionen. Bei längerem Bestehen
und Sphincter urethrae externus (Relaxation) dieser Störungen können konsekutiv chroni-
vorliegt, kann zusätzlich zur Verringerung sche Harnstauungen und/oder chronische
des subvesikalen Auslasswiderstands folgen- Entzündungen des Harntrakts resultieren,
de Behandlung erfolgen: die bis hin zur postrenalen Niereninsuffi­
– Zentrales Muskelrelaxans wie Baclofen zienz führen können.
– Sphinkterotomie (endoskoposich transure-
thral; sehr selten)

■ CHECK-UP
W
 elche neurogenen Blasenentleerungsstörungen werden unterschieden?
W
 elche konservativen Behandlungen sind möglich?
W
 elche Bedeutung hat der regelmäßige Einmalkatheterismus?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-­Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/­Zwergel_Kamradt_Kap08
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-­Innenseite).

77
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2
9  Urologische
Notfallsituationen
Harnsteinkolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Urosepsis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Fournier-Gangrän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Priapismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Harnsteinkolik
Definition – Diskopathie
Eine Harnsteinkolik ist ein akuter urologischer – Nebenniereninfarkt
Notfall mit heftigsten wehen- oder krampfarti- – Hodentorsion
gen Schmerzen (meist Flankenschmerzen), be- – Bei Frauen: Adnexitis, Tubargravidität,
dingt durch einen obstruierenden Stein im obe- stielgedrehte Ovarialzyste, Menstruations-
ren Harntrakt (Kelch, Nierenbecken, Harnleiter) beschwerden
Klinik • Kolik mit bevorzugter Seitenlokalisation rechts
• Wehen- bzw. krampfartiger Vernichtungs- – Seltene DD
schmerz – Cholezystolithiasis
• Übelkeit, Erbrechen, ggf. auch Koprostase, – Akute Appendizitis
ileusartige Beschwerden – Leberaffektionen (Hepatitits, Leberstau-
• Kreislaufkollaps ung)
• Ausstrahlung abhängig von der Steinlokalisa- • Kolik mit bevorzugter Seitenlokalisation
tion, z. B. ins Skrotum oder in die großen links
Schamlippen bei prävesikalem Stein – Seltene DD
• Miktionsschwierigkeiten – Pankreatitis
• Hämaturie – Sigmadivertikulitis
Diagnostik Therapie
Akute Ersttherapie
• Anamnese
• Urinstatus • Venöser Zugang
• Sonografie als wichtiges wenig invasives • Kreislaufüberwachung
­diagnostisches Untersuchungsverfahren
• Infusion mit Analgetika
• Labordiagnostik (Entzündungs- und Reten­ • Gegebenenfalls Infusion mit Zusatz eines
tionsparameter) Spasmolytikums
• Röntgendiagnostik In ➜ Tab. 9.1 sind verschiedene Maßnahmen zur
– Ausscheidungsurogramm oder Beschleunigung bzw. zur Therapie des Stein-
– natives Spiral-CT spontanabgangs aufgeführt.

Differenzialdiagnosen (DD) Tab. 9.1  Unterschiedliche Maßnahmen zur


• Sehr häufige DD Beschleunigung/Therapie des Steinspontan-
– Blutkoagel im Nierenhohlsystem abgangs
– Subpelvine Harnleiterstenose Bewegung Hüpfen, Treppensteigen
• Häufige DD
Diurese Urinausscheidung > 1,5 l
– Pyelonephritis
– Harnreflux Stuhlregulierung Gegebenenfalls abführen-
– Nierenarterienthrombose/Nierenvenen- de Maßnahmen
thrombose Medikamente • Analgetika, Antiphlogis-
– Blutung in eine Nierenzyste tika
– Pleuraaffektionen • Spasmolytika
• α-Rezeptorenblocker
– Ulcus duodeni

79
9  Urologische Notfallsituationen

Therapie zur Entlastung des oberen


Harntrakts Wenn bei einer Harnstauung Fieber und an-
Wenn die o. g. medikamentöse Therapie nicht dere Infektparameter auftreten, muss
ausreicht, muss die Harnstauung beseitigt wer- schnellstens – und zwar unabhängig von der
den durch Steinlage und -größe – eine Entlastung des
• Harnableitung: Ureterenkatheter oder perku- Harntrakts erfolgen, um einer Urosepsis vor-
tane Nephrostomie zubeugen.
• Primäre Ureterorenoskopie (URS) mit Stein­
entfernung

■ CHECK-UP
Was wird unter einer Nierenkolik verstanden?
Welche Symptome werden oft angegeben?
Welche Diagnostik ist indiziert?
An welche Differenzialdiagnosen muss gedacht werden?
Welche Therapiemaßnahmen sind in welcher Reihenfolge indiziert?

Urosepsis
Definition Klinik
Die Urosepsis ist eine von den Organen des Uro- • Schweres Krankheitsgefühl; initiale Ruhelosig-
genitaltrakts ausgehende Septikämie (bzw. ein keit des Patienten, später Bewusstseinstrübung
septischer Schock), die hauptsächlich durch en- • Schüttelfrost, meist in der Frühphase
dotoxinbildende gramnegative Stäbchen verur- • Septische Temperaturen
sacht wird. • Uncharakteristische Schmerzen: Abdomen
Ätiologie und Risikofaktoren und/oder Flanke
• Ätiologie: aszendierende Infektionen mit • Im Verlauf: Blutdruckabfall und Tachykardie
gramnegativen Erregern bei Diagnostik
– obstruktiven Harnwegserkrankungen, Wegweisend sind
z. B. Urolithiasis oder Ureterabgangsste- • Infektparameter: erhöhtes CRP, Leukozyten
nose. > 12.000/mm3 oder < 4.000/mm3, Thrombo-
– entzündlichen Erkrankungen der Organe zytopenie, Anstieg der Serumretentionspara-
des Urogenitaltrakts, z. B. Pyelonephritis, meter, zunächst respiratorische Alkalose,
Nierenabszess, paranephritischer Abszess, später metabolische Azidose, Hypoxämie
Epididymitis, Prostataabszess • „Biomarker“ der Sepsis: Procalcitonin (PCT)
• Risikofaktoren • Parameter der Blutgerinnung: D-Dimer, Pro-
– Höheres Alter und/oder reduzierter Allge- tein C und S, Antithrombin
meinzustand • Blutkultur als mikrobiologisch-kulturelle
– Urologische Eingriffe in der Anamnese Standardmethode zum Nachweis einer Bakte-
– Diabetes mellitus riämie
– Immunsuppression • Eintrittspforten der Infektion: daher Ultra-
Pathophysiologie schalluntersuchung der Nieren und ableiten-
Auftreten eines Endotoxinschocks mit den Harnwege mit Klärung der Frage nach
• Störung der Mikrozirkulation, konsekutiv pe- ­einer Harnabflussstörung und/oder eines
ripherer Vasokonstriktion und damit man- konkrementbedingten Schallschattens, ggf.
gelhafter Organdurchblutung. auch CT-Abdomen
• Verbrauchskoagulopathie mit Freisetzung
thromboplastischer Substanzen und Akti- Bei Blutkulturen müssen jeweils zwei Proben
vierung des Gerinnungssystems, konsekutiv – aerob und anaerob – mit je 10 ml venösem
mit Bildung von Mikrothromben, Ver- Blut entnommen werden. Nur bei zwei un-
brauch von Gerinnungsfaktoren und der abhängig voneinander abgenommenen posi-
Thrombozyten sowie einer reaktiven Fibri- tiven Blutkulturen gilt eine Kontamination
nolyse. als weitgehend ausgeschlossen.

80
2
Wesentliche Erreger für eine gramnegative • Supportive Behandlung mit hämodyna-
Urosepsis sind: mischer Stabilisierung einschließlich der
• Escherichia coli Gabe von Inotropika/Vasopressoren (z. B.
• Proteus mirabilis Dobutamin, Noradrenalin), ggf. Nierener-
• Klebsiella satztherapie
• Pseudomonas aeruginosa • Adjunktive Behandlung einschließlich der
Medikation mit Glukokortikoiden und In-
sulin
Allgemeine Diagnosekriterien für septische
• Kausale Behandlung mit Fokussanierung
Krankheitsbilder
Die allgemeine Diagnosekriterien für septische
• Der Fokussanierung kommt eine besondere
Krankheitsbilder sind in ➜ Tab. 9.2 dargestellt.
Bedeutung zu. Eine alleinige Antibiotikabe-
Therapie handlung reicht nicht aus, wenn nicht gleich-
zeitig die Ursache therapiert wird.
Allgemein gilt für die Therapie der Sepsis: • Bei der Urosepsis beinhaltet dies:
• Initial kalkulierte antibiotische Therapie, – Doppel-J-Ureterenkatheter oder Nephro­
d. h. Behandlung noch ohne genaue Erre- stomie zur Beseitung der Hydronephrose,
gerkenntnis, z. B. mit Cephalosporinen da die Urosepsis oft durch eine obstruie-
der Generationen 3 und 4 oder mit harn- rende Urolithiasis bedingt ist.
gängigen Fluorchinolonen, nach Vorlage – Beim Nierenabszess oder paranephritschen
des Infektionskeims ggf. Antibiotika-Um- Abszess als Ursache der Sepis ist die Abs-
stellung zessdrainage erforderlich
– In besonderen Fällen notfallmäßige Nephr­
ektomie
Tab. 9.2  Diagnosekriterien für Sepsis, schwere Sepsis und septischen Schock
Diagnosekriterien
I Nachweis Diagnose einer Infektion über den mikrobiologischen Nachweis oder durch klini-
der Infektion sche Kriterien
II Severe In- • Körpertemperatur: > 38 °C oder < 36 °C
flammatory • Tachykardie: Herzfrequenz > 90/min
Response • Tachypnoe: Atemfrequenz > 20/min
Syndrome • Hyperventilation: PaCO2 < 32 mmHg
3 3
(SIRS) • Leukozyten: > 12.000/mm oder < 4.000/mm
• Stabkernige > 10 % (Linksverschiebung)

III Syndrom • Herz-Kreis- • Systolischer arterieller Blutdruck < 90 mmHg bzw. mittlerer arte-
der multip- lauf rieller Blutdruck < 65 mmHg trotz adäquater Volumengabe oder
len Organ- • Niere notwendigem Vasopressoreinsatz, um den systolisch-arteriel-
dysfunktion • Lunge len Blutdruck > 90 mmHg oder den arteriellen Mitteldruck
(mindestens • Thrombozy- > 65 mmHg zu halten
1 Kriterium) topenie • Diurese < 0,5 ml/kg/h für wenigstens 2 h trotz ausreichender
• Metaboli- Volumengabe und/oder Serum-Kreatinin-Anstieg > 2-fach über
sche Azido- der Norm
se • PaO2 < 75 mmHg unter Raumluft oder PaO2/FiO2-Verhältnis von
• Enzephalo- < 250 mmHg unter Sauerstoff
pathie • Abfall der Thrombozyten > 30 % in 24 h oder Thrombozytenzahl
< 100.000/mm3
• Base Excess ≤ 5 mmol/l, Laktatkonzentration > 1,5-fach über
der Norm
• Somnolenz, Desorientiertheit, Unruhe, Delirium

Einteilung nach den Diagnosekriterien


Sepsis Kriterium I + > 2 Kriterien II
Schwere Kriterium I + > 2 Kriterien II+ > 1 Kriterium III
Sepsis
Septischer Kriterium I + > 2 Kriterien II und therapierefraktäre arterielle Hypotonie < 90 mmHg
Schock

81
9  Urologische Notfallsituationen

■ CHECK-UP
Welche Ursachen können einer Urosepsis zugrunde liegen?
Auf welche Symptome und klinische Befunde muss geachtet werden?
Welche Diagnostik ist erforderlich?
Welche Diagnosekriterien für SIRS kennen Sie?
Welche therapeutischen Maßnahmen müssen umgehend ergriffen werden?

Fournier-Gangrän
Definition • Pain out of Proportion: Diskrepanz zwischen
Fournier-Gangrän (➜ Abb. 9.1) ist die histori- den ausgeprägten Beschwerden/Schmerzen
sche Bezeichnung einer nekrotisierenden Fas- des Patienten und dem anfänglich geringen
ziitis im Anogenitalbereich. lokalen Befund
Epidemiologie • Gefahr einer multidirektionalen Ausbreitung
Eher im fortgeschrittenen Lebensalter mit deut- der Infektion, eines septischen Multiorgan-
licher Dominanz männlicher Patienten versagens im Sinne eines Schocksyndroms
• Mortalität der Erkrankung bis zu 50 %
Ätiologie
Oft triviales oder inapparentes Trauma im Tab. 9.3  Therapiealgorithmus bei der Four-
urogenitalen oder anorektalen Bereich auf nier-Gangrän
dem Boden einer Mischinfektion von aeroben Phase Zeit­ Therapie
und anaeroben Bakterien mit sehr rascher spanne
Ausbreitung im subkutanen Gewebe und der
Initial Stunden • Radikales chirurgi-
Faszien sches Débridement
Risikofaktoren • Breitbandantibiose
• Diabetes mellitus • Intensivmedizini-
sche Maßnahmen
• Immuninkompetenz
• Alkohol- und Drogenabusus Sekundär Tage Wundkonsolidierung
zur Erreichung saube-
Klinik rer Wundverhältnisse
• In der Regel foudroyanter Verlauf und Granulation
• Livide Verfärbung der Haut bei seropuru- Tertiär Im Inter- Defektdeckung, meis-
lentem Infekt, nach Eröffnung faul rie- vall, evtl. tens mit Spalthaut
chend nach Wo-
chen

Abb. 9.1  Fournier-Gangrän


[M587]

82
2
Diagnostik lich! Der notwendige Therapiealgorithmus ist in
• Einzeichnen der initialen Infektausdeh- ➜ Tab. 9.3 dargelegt.
nung mit klinischer Rebilanzierung in kurzen
Zeitintervallen zur Verlaufsbeurteilung Der Therapieerfolg hängt maßgeblich vom
• Notfalllabor mit Bestimmung der akuten In- Zeitpunkt und dem Ausmaß der operativen
fektparameter Intervention, d. h. dem unverzüglichen ra-
Therapie dikalen chirurgischen Débridement ab. Ei-
Bei V. a. Fournier-Gangrän ist ein sofortiger ne alleinige Antibiose ist niemals ausrei-
notfallmäßiger Behandlungsbeginn erforder- chend.

■ CHECK-UP
Was versteht man unter einer Fournier-Erkrankung?
Bei welchen klinischen Befunden muss an eine Fournier-Gangrän gedacht werden?
Welche initiale Diagnostik ist erforderlich?
Welche Therapiemaßnahmen sind in welcher Reihenfolge indiziert?

Priapismus
Definition Diagnostik
• Häufig schmerzhafte Erektion > 4 Stunden • Anamnese mit spezieller Befunderhebung
(von einigen Autoren wird ein Zeitraum > 2 – Dauer der Erektion
Stunden bereits als pathologisch eingestuft) – Schmerzintensität: Der ischämische Pria-
• Keine Beteiligung des Corpus spongiosum pismus ist meist schmerzhaft, der nicht is-
und der Glans penis chämische Priapismus in der Regel nicht.
• Keine libidinösen Empfindungen, persistie- – Vorausgegangene Episoden von Priapis-
rende Gliedsteife nach Ejakulation oder Or- men (und deren Therapie)
gasmus und/oder nach Beendigung der sexu- • Blutgasanalyse aus dem Blut der Corpora ca-
ellen Stimulation vernosa
• Weder durch Kohabitation noch durch Mas-
turbation behebbar Tab. 9.4  Differenzialdiagnostik der beiden
Priapismusformen
Ursachen
• Bluterkrankungen: Plasmozytom, Leuk­ Ergebnisse Ischämi- Nicht isch-
ämie, Polyzythämie, Thalassämie, Sichel­zell­ scher Pria­ ämischer
anämie pismus Priapismus
• Erkrankungen des Nervensystems: z. B. Corpora cavernosa Ja Nein
multiple Sklerose rigide bzw. volle Tu-
• Medikamentös, insbesondere nach Schwell- meszenz
körperinjektionen (SKAT) Penile Schmerzen Ja Nein bzw.
• Traumatisch gering
• Andere Tumorerkrankungen, Entzündungen Blutgasveränderung Ja Nein
• Intoxikationen (Drogen) des penilen Blutes:
• Hypoxie:
Formen pO2 < 30 mmHg,
• Der Low-Flow-Priapismus betrifft etwa 90 % • Hyperkapnie:
der Fälle und ist durch eine Venenokklusion pCO2 > 60 mmHg
und deshalb einem verminderten Blutabstrom • Azidose: pH-Wert:
< 7,25
aus den Corpora cavernosa gekennzeichnet.
Hierdurch entsteht eine Blutstase mit Ischämie. Perineales oder pe- Nein Manchmal
• Der High-Flow-Priapismus ist durch einen un- niles Trauma
physiologischen arteriellen Bluteinstrom in Schwellkörperinjek- Manchmal Nein
die Corpora cavernosa gekennzeichnet. Ursa- tionen als Ursache:
che kann z. B. ein peniles oder häufig ein peri- SKAT oder SKIT
neales Trauma sein. Der Penis ist typischerwei- Hämatologische Manchmal Nein
se weder voll rigide noch stark schmerzhaft. Veränderungen

83
9  Urologische Notfallsituationen

Priapismus

Anamnese und
Untersuchung

simultane Therapie
Blutgasanalyse
einer ursächlichen
des penilen Blutes
Erkrankung

ischämisch nicht ischämisch

Aspiration mit oder α-adrenerge


abwarten
ohne Spülung Substanzen

Angiografie
distaler Shunt
Embolisation

wiederholter
operative
distaler oder
Therapie
proximaler Shunt

Abb. 9.2  Algorithmus zur Therapie des Priapismus [M587]

Therapie
Das Corpus spongiosum und die Glans penis Zwei Ziele stehen im Vordergrund, um Spätfol-
sind im Gegensatz zu den Corpora cavernosa gen zu vermeiden (➜ Abb. 9.2):
beim Priapismus nicht betroffen. • Detumeszenz (Beseitigung der Gliedsteife)
und dadurch schnelle Linderung der akuten,
Ergebnisse der Differenzialdiagnostik häufig starken lokalen Schmerzen
In ➜ Tab. 9.4 ist die Differenzialdiagnostik des • Erhaltung der erektilen Funktion, die stark
ischämischen und des nicht ischämischen Pria- gefährdet ist
pismus aufgeführt.

■ CHECK-UP
Was wird unter einem Priapismus verstanden?
Welche Formen des Priapismus kann man unterscheiden?
Welche therapeutischen Maßnahmen sind erforderlich?

Und jetzt üben mit den wichtigsten IMPP-Fragen:


http://www.mediscript-online.de/Fragen/Zwergel_Kamradt_Kap09
(Anleitung zum Einloggen s. Buchdeckel-Innenseite).

84
Register

Symbole Blasentumor
2-Gläserprobe  28 ––benigner  36
4-Gläserprobe  28 ––maligner  36
Blasenverletzung  62
A Blue Dot Sign  20
Ablatio testis  21 Boari-Lappenplastik  35
Abszess, paranephritischer  25, 27 Bosniak  33
Acrolein  26 Bouncing  47
Active Surveillance  45 Bourneville-Pringle-Syndrom  33
Adenom  33 Brachytherapie  47
Adipositas  51 Brunzel-Zeichen  21
Adnexitis  79 Burch  74
Afterloading  47
Algurie  1, 25 C
alveoläre Echinokokkose  32 Candida  26
Amin, aromatisches  36 Carboplatin  24
Angiomyolipom  33 Chemotherapie, postoperative  24
Aniridie  23 Cholin-PET  7
Anorchie  15 Choriongonadotropin-Stimulationstest  16
Antibiotikatherapie  26 Chorionkarzinom  40
Anticholinergikum  74 chromophobes Karzinom  33
Antidepressivum  75 Computertomografie (CT)  6
Antimuskarinikum  74 Conduit  38
Antituberkulotikum  31 Corpus cavernosum  43
Anurie  1 Corpus spongiosum  18, 43
Aplasie  65
Appendektomie  21 D
Appendizitis  22 Dauerantibiose  14
aromatisches Amin  36 Denys-Drash-Syndrom  23
Aspermie  66 Detritusabgang  29
Asthenozoospermie  66 Detrusordämpfung  75
Aushobelung  8 Detrusorhyperaktivität  74
Autoantikörper  65 Detrusorinsuffizienz  74
Azoospermie  66 Detrusorsphinkterdyssynergie  77
Detrusor vesicae  75
B Dezelerationstrauma  57
Bacillus-Calmette-Guérin (BCG)  38 digito-rektale Untersuchung (DRU)  26
Bakteriurie  26 Dilatation  14
Balanitis  17 Dioden-Laser  73
Balanoposthitis  17 Doppelniere  13
Bauchhoden  17 Dottersacktumor  40
BCG-Instillationstherapie  38 Doxorubicin  24
Beckenbodenapparat  74 Dranginkontinenz  73, 74
Beckenboden-EMG  74 Dritte-Welt-Länder  29
Beckenbodengymnastik  74 Ductus-Bellini-Karzinom  33
Beckwith-Wiedemann-Syndrom  23 Ductus deferens  16, 65
Befruchtung, künstliche  66 Dysfunktion, erektile  47, 66
Belastungsinkontinenz  73, 74 Dysurie  1, 25
Beutelurin  3
Bildgebung  4 E
Biofeedback  75 Echinococcus  31
Blasenauslassobstruktion  74 ––granulosus  31
Blasenauslasswiderstand  71 ––multilocularis  31
Blasenbilharziose  36 Echinokokkose  31
Blasenekstrophie  19 ––alveoläre  32
Blasenentleerungsstörung,   ––zystische  32
neurogene  76 Ejakulation  67
Blasenkarzinom  36 Elektrostimulation  75
Blasenkatheter  72 ELISA-Test  32
Blasenkatheterurin  4 Embolie  20
Blasenpunktionsurin  4 Embryonalzellkarzinom  40
Blasen-Scheiden-Fistel  74 Endotoxinschock  80
Blasenstein  54 Enterobacter  26

85
Register

Enterokokken  26 Harnreflux  13
Eosinophilie  32 Harnretention  74
Eosintest  66 Harnröhrenklappe  15
Epididymitis  21, 22, 65 Harnröhrentrauma  59
Epispadie  19 Harnröhrenverletzung  59
erektile Dysfunktion  47, 66 Harnsäurestein  51
Erektion Harnstein  51, 79
––Innervation der  67 Harnsteinkolik  79
––prolongierte  69 Harnsteinzusammensetzung  51
––Pysiologie der  67 Harnwegsinfekt  25
Erektionsrückgang  66 ––komplizierter  25
Erektionsstörung  66 ––persistierender  25
Erektionszentrum  67 ––rezidivierender  25
Escherichia coli  26, 81 ––unkomplizierter  25
Ethambutol  31 HCG-Test  16
Exprimaturin  28 Heikel  13
Exsikkose  6 Hemihypertrophie  23
extrakorporale Stoßwellenlithotripsie   Hemmungsfehlbildung  18
(ESWL)  53 Hoden  5
extraurethrale Inkontinenz  74, 75 Hodendystopie  65
Hodenfreilegung  21
F Hodenhochstand  8, 17
Fäkalurie  1 Hodenmischtumor  40
Fanconie-Syndrom  24 Hodenprotokoll  16
FDG-PET  7 Hodenruptur  21
Fertilität  20 Hodensuche  17
Fertilitätsstörung  65 Hodentorsion  20, 21
Fibrosierung  30 Hodentrauma  21
Flankenschmerz  79 Hodentumor  8, 21, 40
Flankenschnitt  7 Hodenultraschall  5
Fornixruptur  6 Holmium-YAG-Laser  73
Fossa iliaca  7 Hormontherapie  47
Fournier-Gangrän  82 Hufeisenniere  11
Fruktosegehalt  66 Hundebandwurm  31
Fuchsbandwurm  31 Hüpfen  79
Funiculus spermaticus  15 Hydatide  22
Funikulolyse  17 Hydatidenabtragung  21
G Hydatidentorsion  21, 22
Gefäßligatur  21 Hydrocele testis  21
Gemeinsamer Bundesausschuss  44 Hydrozele  20
Gerotafaszie  27 Hydrozelenresektion  21
Gerotafett  34 Hyperparathyreoidismus  51
Gesundheitsvorsorgeprogramm  71 Hyperthyreose  6
Glaukom  75 Hypoglykämie  23
Gleason-Score  44 Hypogonadismus  65
Gleithoden  15 Hypoplasie  65
Gliedabknickung  18 Hypospadie  18
Gliedversteifung  66 I
Greenlight-Laser  73 Ifosfamid  24
Growing-Teratoma-Syndrom  42 Immunbiotherapeutikum  26
H imperativer Harndrang  1
Hämaturie  1, 2, 37 Impotentia coeundi  66
Hand-Fuß-Syndrom  35 Impotentia generandi  65
Harnabflussstörung  14 Impotenz  47
Harnableitung  38 Infektstein  51
Harnblase  5, 7 Infertilität  65
Harndauerdrainage  62 infradiaphragmale Verletzung  59
Harndrang  73 Infusionspyelogramm (IVP)  6
––imperativer  1 Initialurin  28
Harninkontinenz  73 Inkontinenz  1
Harnleiter  7 ––Belastungs-  73, 74
Harnleiterabgangsstenose  15 ––Drang-  73, 74
Harnleiterdarmimplantation  39 ––extraurehthrale  74, 75
Harnleiterobstruktion  14 ––Harn-  73
Harnleiterstein  22 ––Reflex-  74, 76

86
––Stress-  73 M
––Überlauf-  75 Magnesium-Ammonium-Phosphat-Stein  51
Innenohrschwerhörigkeit  24 Magnetresonanztomografie (MRT)  6
Insemination  66 Makroglossie  23
Interkostalmuskulatur  7 Makrohämaturie  1
Interkostalraum  7 Maldescensus testis  15, 65
International Continence Society ICS  73 Max Wilms  22
International Prostatic Symptom   Meatus-Position  18
Score (IPSS)  71 Meatus-Stenose  18
International Society of Paediatric Oncology   Megaureter  15
(SIOP)  23 Meier-Weigert-Regel  13
intrauterine Spermieninjektion  66 Menstruationsbeschwerden  79
intrazytäre Spermieninjektion  66 Mesna  26
In-Vitro-Fertilisierung (IVF)  66 metaIodBenzylGuanidin-Szintigrafie  23
Iscador  49 Metastasierungsort  34
Isoniazid  31 mIBG-Szintigrafie  23
Mikrohämaturie  1
K Miktion  1
Kalium-Titanyl-Phosphat-Laser  73 Miktionsbeschwerden  1, 25
Kalziumstein  51 Miktionsstörung  25
Kardiomyopathie  23, 24 Miktionstraining  75
Karzinom Miktionszystourethrogramm (MCU)  6, 13
––chromophobes  33 Misteltherapie  49
––Ductus-Bellini-  33 Mittelstrahlurin  3, 28
––klarzelliges  33 Morbus Crohn  51
––papilläres  33 Morbus Ormond  27
Katheterdauerableitung  72 Morbus von Hippel-Lindau  33
Katheterisierung  61 mTOR-Signaltransduktion  35
Kavernenbildung  30 Müller-Gang  22
Keimzahl  4 Multiorganversagen  82
Keimzelltumor  40 Mumpsorchitis  21
klarzelliges Karzinom  33 Mundtrockenheit  75
Klebsiella  26, 81
Klinefelter-Syndrom  65 N
KM-Allergie  6 Narbenbildung, pyelonephritische  25
Knochenszintigrafie  7 Nativ-CT  6
Kolposuspension  74 Nebenhodenkopf  22
Konkrement  5 Nebenniere  7
Kontrastmittelallergie  6 Neoblase  38
Kontrastmitteldarstellung  6 Neodym-(Nd)-YAG-Laser  73
Kragen, spanischer  17 Neoplasie, testikuläre intraepitheliale  40
Krampfader  19 Nephroblastom  22
Kreislaufkollaps  79 Nephrolitholapaxie, perkutane  
Kremasterreflex  16 (PNL)  52
Kryptorchismus  15 Nicht-Seminom  40
Kryptozoospermie  66 Niere  5
künstliche Befruchtung  66 Nierenabszess  27
Nierenbecken-(Kelch-)-Erweiterung  14
L Nierenbeckenkelchsystem (NBKS)  5, 7
Lageanomalie  11 Nierenfehlbildung  11
Laparoskopie  16 Nierenfunktionsstörung  6, 24
Laserverfahren  73 Nierenkolik  6
Läsion Nierenkonkrement  5
––infranukleär  76 Nierenkontusion  58
––supranukleäre  76 Nierenparenchym  7
Leak Point Pressure  74 Nierenparenchymeinriss  58
Leberdysfunktion  34 Nierenstein  5, 51
Leistenhernie  22 Nierenszintigrafie  6
Leukozyturie  29 Nierenteilresektion  34
LHRH-Stimulation  48 Nierentransplantation  7
Lich-Gregoir  14 Nierentumor  5, 19, 33
Lower Urinary Tract Symptoms   ––benigner  33
(LUTS)  71 ––maligner  33
Lugano  41 Nierenzellkarzinom  33
Lungentuberkulose  30 ––Metastasierungsort  34
Luteinisierungshormon  48 Nierenzyste  5, 11, 33

87
Register

Normozoospermie  65 Prostatakarzinom  43
Nuklearmedizin  6 Prostataresektion, transurethrale  
Nykturie  1 (TUR-P)  72
Prostatasekret  28
O Prostata-spezifisches Antigen (PSA)  44
OAB-Syndrom  73 Prostatasyndrom (BPS)  71
OAT-Syndrom  66 Prostatitis  21, 28
Obstipation  75 Prostatitis-Typen  28
Oligoastenoteratozoospermie  66 Proteus mirabilis  26, 81
Oligozoospermie  66 Pseudohermaphroditismus  23
Oligurie  1 Pseudomonas aeruginosa  26, 81
Omphalozele  23 Psoas-Hitch-Technik  14, 35
Onkozytom  33 PUNLMP  37
Orchidopexie  17, 22 Pyelonephritis  25
Orchiektomie  48 Pyrazinamid  31
Orchitis  21, 65 Pyurie  2
Ovarialzyste  79
Overactive Bladder Syndome  73 R
Radiatio, perkutane  42
P radikale Zirkumzision  17
PAD-Test  74 RANKL-Antikörper  48
Pain out of Proprtion  82 Refertilisierung  65
Palmurie  1 Reflexinkontinenz  74
papilläres Karzinom  33 ––spinale  76
papillary urothelial neoplasia of low malignant   ––supraprontine  76
potential  37 Reflux
Paradidymis  22 ––angeborener primärer  13
paranephritischer Abszess  27 ––erworbener sekundärer  13
Paraphimose  17 Regenwurm  20
Parkkulainen  13 Reizblase  26
Parvispermie  66 Releasing-Hormon-Stimulation  48
Pendelhoden  16 Residualtumorresektion  42
Peniskarzinom  42 retrogrades Ureteropyelogramm  6
Penisprothese  69 retrogrades Urethrogramm  6
perkutane Nephrolitholapaxie   retroperitoneale Lymphadenektomie  
(PNL)  52 (RLA)  41
perkutane Radiatio  42 Rezidiv-Phimose  17
PET-CT  7 Rifampicin  31
Phimose  17 Rippenbogenrandschnitt  7
Plasmozytom  6 Röntgen  5
plastische Zirkumzision  17
Plexus pampiniformis  19 S
Politano  14 Samenblasenfunktion  66
Pollakisurie  25 Samenstranggefäß  16
Polychemotherapie, präoperative  24 Schistomiasis  36
Polyembryom  40 Schock, septischer  81
Polyspermie  66 Schussverletzung  57
Polyurie  1 Schüttelfrost  27
Polyzoospermie  66 Schwangerschaft  6
Polyzythämie  34 Schwellkörperimplantat  69
Positronenemissionstomografie   Seminom  40
(PET)  7 Sepsis  81
postoperative Chemotherapie  24 Septierung  5
Potenzstörung  66 septischer Schock  81
Potter  11 Serotonin-Noradrenalin-Re-Uptake- 
Pouch  39 Inhibitor  74
präoperative Polychemotherapie  24 Sertolizell-Only-Syndrom  65
Prehn-Zeichen  21 Severe Inflammatory Response Syndrome
Priapismus  69, 83 (SIRS)  81
Priapismusform  83 SKAT-Applikation  69
Prostata  5, 7, 25 Skiunfall  57
––Strahlentherapie  47 Sklerose, tuberöse  33
Prostata-Abszess  28 Sklerosierung  20
Prostataadenomektomie  7, 72 Sonde, transrektale (TRUS)  5
Prostatahyperplasie (BPH)  71, 74 Spaltbildung  18
Prostatahypertrophie  71 spanischer Kragen  17

88
Spermatogenesestörung  65 TUR-B  38
Spermatozele  21 TUR-Blase  7
Spermieninjektion TUR-Prostata  48
––intrauterine  66 TUR-Syndrom  73
––intrazytäre  66
Spermiogramm  20, 65 U
Sphincter urethrae externus  74, 77 Übergangsepithelkarzinom  37
Sphinkterotomie  77 Überlaufinkontinenz  75
Spontanurin  37 Ulcus duodeni  79
Spülflüssigkeitseinschwemmung  73 Ultraschall, transrektal (TRUS)  44
Staging  7 Ultraschallsonde  4
Staphylococcus saprophyticus  26 Unterbauchtrauma  62
Staphylokokken  26 Ureterfistel  74
Stauffer-Syndrom  34 Ureterhautfistel  38
Stein  5 Ureteropyelogramm, retrogrades  6
Steinlokalisation  52 Ureterorenoskopie (URS)  80
Steinspontanabgang  79 Ureteroskopie (URS)  52
Sterilität  65 Ureterozele  15
Steroidtherapie  28 Urethrogramm
Stichverletzung  57 ––Miktionszysto-  6
Stoßwellenlithotripsie,   ––retrogrades  6
extrakorporale (ESWL)  53 Urikultverfahren  4
Straddle-Verletzung  62 Urinfistel  74
Strahlentherapie  24 Uringewinnung  3
Strahlenzystitis  26 Urin-pH  29
Strangurie  2, 25 Urinsediment  4
Streptokokkenschocksyndrom  82 Urinstatus  26
Streptomycin  31 Urinstreifentest  4
Stressinkontinenz  73 Urinzytologie  37
Struvitstein  51 Uroflowmetrie  71
subdiaphragmale Verletzung  59 Urogenitaltuberkulose  29
supradiaphragmale Verletzung  59 Urosepsis  80
Surveillance  41 Urosonografie  26, 71
Syndrom der multiplen   Urothelkarzinom  37
Organdysfunktion  81 V
Szintigrafie Vakuum-Erektionssystem  68
––Knochen-  7 Varicocele testis  21, 65
––Nieren-  6 Varikozele  19
T Varikozelen-Persistenz  20
Targeted Therapy  35 Varikozelen-Rezidiv  20
Tenkoff-Zeichen  21 Varikozelenverödung  21
Tension-free Vaginal Tape   Vasektomie  65
(TVT)  74 Vasokonstriktion  80
Teratom  40 VEGF-Signalkaskade  35
Teratozoospermie  66 Venenokklusion  83
testikuläre intraepitheliale Neoplasie   Venenthrombus  34
(TIN)  40 Verbrauchskoagulopathie  80
Testosteronmangel  65 Verkalkung  5
Teststreifen  4 Verletzung
Thermoverfahren  73 ––infradiaphragmale  59
Thrombose  20 ––subdiaphragmale  59
TNM-Klassifikation  45 ––supradiaphragmale  59
Toilettentraining  75 Vernichtungsschmerz  79
Transitionalzellkarzinom  37 Vitalität  66
transrektale Sonde (TRUS)  5 Vorhaut  17
transrektaler Ultraschall (TRUS)  44 Vorhautlösung  17
transurethrale Prostataresektion   Vorhautschürze  18
(TUR-P)  72 Vorhautverengung  17
Treppensteigen  79 Vorlagen-Wiege-Test  74
Tuberkulose  30 W
tuberöse Sklerose  33 WAGR-Syndrom  23
Tumorephrektomie  34 Wanderhoden  16
Tumormarker  41 Watchful Waiting  46
Tumorthrombus  34 WHO  31
Tunica albuginea  21

89
Register

Wilms, Max  22 Zystektomie  38


Wilms-Tumor  22 Zystenniere  11
World Health Organization (WHO)  31 Zystinstein  51
Wundinfektion  20 zystische Echinokokkose  32
Zystitis  25
Z ––akute  25
Zeugungsunfähigkeit  65 ––hämorrhagische  26
Zirkumzision ––Strahlen-  26
––plastische  17 Zystogramm  6
––radikale  17 Zystostomie  72
Zügelplastik  74 Zytostatika-Zystitis  26

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