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Algorithmus ALS – Erwachsene

Kardiologie A

Angiologie und Phlebologie B

Hämostaseologie C

Pneumologie D

Gastroenterologie E

Nephrologie F

Rheumatologie G

Endokrinologie H

Hämatologie und Onkologie I

Infektiologie J
G. Michels
T. Schneider

Klinikmanual
Innere Medizin

1 23
Dr. med. Guido Michels Dr. med. Thorsten Schneider
Klinik III für Innere Medizin Lukaskrankenhaus Neuss
Universitätsklinikum Köln Preußenstr. 84
Kerpener Str. 62 41464 Neuss
50924 Köln

ISBN 978-3-540-89109-3 Springer Medizin Verlag Heidelberg

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Planung: Peter Bergmann, Heidelberg


Projektmanagement: Ina Conrad, Heidelberg
Lektorat: Ursula Illig, Stockdorf
Layout und Einbandgestaltung: deblik Berlin
Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg
Titelbild: Dipcom, Heidelberg

SPIN: 12197989

Gedruckt auf säurefreiem Papier 2122 – 5 4 3 2 1 0


Hinweise zum Buch III

> Hinweise zum Buch

Der Klinikalltag stellt Berufseinsteiger Das zweispaltige Layout ermöglicht das


vor eine Fülle neuer Aufgaben. Mit rasche Auffinden von Informationen,
großem theoretischem Wissen ausge- ohne großes Umblättern und langes Su-
stattet, aber ohne praktische Erfahrung, chen.
ist die Betreuung von Patienten oft eine
besondere Herausforderung. Sehr häufig ! Hinweise auf Gefahrensituationen
sind junge Assistenzärzte bereits nach und Fallstricke
kurzer Einarbeitungszeit auf sich allein
gestellt. > Hinweise zu praxisnaher Vorgehens-
Die neue Reihe »Klinikmanual« weise und Besonderheiten
möchte in diesen Situationen helfen: Auf
den Punkt gebracht und übersichtlich
dargestellt wurden nur praxisrelevante Haben Sie Anregungen, Kritik
Themen zusammengestellt – ohne theo- oder Fragen zum Buch oder unserem
retischen Ballast und Kleingedrucktes. Programm, schreiben Sie uns:
Auch der klinisch erfahrene Arzt er- www.springer.de/978-3-540-89109-3/
hält Informationen, die er nicht immer
parat hat und die er im Klinikmanual
schnell nachschlagen kann.
Die Gliederung des Buches orientiert
sich an den wichtigsten Themenkomple-
xen der Praxis und ist in zehn Teilberei-
che aufgeteilt:
z Kardiologie
z Angiologie und Phlebologie
z Hämostaseologie
z Pneumologie
z Gastroenterologie
z Nephrologie
z Rheumatologie
z Endokrinologie
z Hämatologie und Onkologie
z Infektiologie
IV Vorwort

> Vorwort

Das Gebiet der Inneren Medizin umfasst Der Fokus unseres Manuals liegt auf
ein breites Themensprektrum. So breit, der aktuellen Diagnose und Therapie
dass man vor allem als Ärztin und Arzt der häufigsten Krankheitsbilder der In-
in der Weiterbildung zum Internisten, neren Medizin mit möglichst einfach
aber auch schon als Student im prakti- umsetzbaren Therapievorschlägen. Er-
schen Jahr, mit wechselnden Rotations- leichtert wird die tägliche Arbeit durch
stellen schnell den Überblick verlieren detaillierte Medikamentenangaben und
kann oder sich in praxisfernen Details Dosisvorschläge, so dass eine unmittel-
wiederfindet. Auch die Komplexität ei- bare Anwendung im Kliniksalltag ohne
nes typischen internistischen Patienten Verzögerung gelingen kann und Sie
mit Problemen aus verschiedenen Berei- nicht, wie bei Büchern ähnlichen For-
chen der Inneren Medizin erschwert den mats, mit einer unüberschaubaren De-
Kliniksalltag. Die Auswahl an Lehrbü- tailflut alleine gelassen werden. Spezielle
chern ist groß und so sammelt sich ein Markierungen machen dabei auf typi-
hoher Stapel seitenintensiver Fachbü- sche Fallstricke der Krankheiten auf-
cher zu diversen Disziplinen an. Im ent- merksam und verbessern die Sicherheit
scheidenen Augenblick jedoch ist die Ihrer Behandlungsstrategie.
richtige Information nicht griffbereit Wir hoffen, dass unser Buch Ihnen im
oder versteckt sich zwischen den Zeilen Alltag eine wertvolle Hilfe sein wird und
diverser Bände. vielleicht sogar einen festen Platz in Ih-
Diese Problematik war uns ein Anlie- rer Kitteltasche findet.
gen Ihnen mit dem neuartigen Konzept Ohne die Hilfe und praktischen Hin-
dieses Manuals einen steten, praxisna- weise vieler Kolleginnen und Kollegen
hen Begleiter durch die Weiterbildungs- wäre dieses Buch nicht möglich gewe-
zeit verfügbar zu machen. Zahlreiche sen, womit wir uns bei allen, die uns zur
Tipps und Tricks und rasch verfügbare, Seite standen, bedanken möchten.
essentielle Informationen sollen Ihnen
helfen, den Alltag auch in einer Ihnen Guido Michels, Thorsten Schneider
noch fremden internistischen Disziplin Köln, im Mai 2009
sicher zu bestehen oder Ihr Wissen mit
einem kurzen Blick in ein Kapitel aufzu-
frischen. Die Angabe wichtiger aktueller
Studien untermauert zudem die Thera-
pieentscheidungen und soll darüberhin-
aus zur kritischen Auseinandersetzung
bei Visite anregen.
Inhaltsverzeichnis V

> Inhaltsverzeichnis

19 Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) . .179


A Kardiologie 20 Varikosis/Varizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .181
21 Tiefe Beinvenenthrombose (TVT) . . . . .183
22 Lungenembolie (LE) . . . . . . . . . . . . . . . . .191
1 Herzklappenfehler und angeborene Ausgewählte Literatur zu Sektion B . . .200
Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2 Koronare Herzkrankheit (KHK) . . . . . . . . 25
3 Akutes Koronarsyndrom/
instabile koronare Herzkrankheit
C Hämostaseologie
(instabile KHK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
4 Kardiogener Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
5 Entzündliche Herzerkrankungen . . . . . . 54 23 Grundlagen der Gerinnungs-
6 Kardiomyopathien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202
7 Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . 78 24 Hämorrhagische Diathesen . . . . . . . . . .204
8 Herzinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111 25 Störungen der primären
9 Hypotone Kreislaufdysregulation Hämostase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .206
und Synkope . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127 26 Angeborene Störungen der
10 Arterielle Hypertonie und sekundären Hämostase
hypertensiver Notfall . . . . . . . . . . . . . . . .133 (angeborene Koagulopathien) . . . . . . .207
11 Pulmonale Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . .150 27 Erworbene Störungen der
Ausgewählte Literatur zu Sektion A . . .156 sekundären Hämostase
(erworbene Koagulopathien) . . . . . . . .212
28 Behandlung akuter Blutungen
in der Intensivmedizin . . . . . . . . . . . . . . .216
B Angiologie und
Phlebologie

D Pneumologie
12 Arterielle Verschlusskrankheit (AVK) . . .160
13 Akuter arterieller Verschluss . . . . . . . . .165
14 Akuter Mesenterialarterienverschluss . .169 29 Grundlagen der Lungenfunktions-
15 Pfortaderthrombose . . . . . . . . . . . . . . . . .171 prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .218
16 Aortenaneurysma . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172 30 Akute Atemnot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .223
17 Aortendissektion (Aneurysma 31 »Acute respiratory distress
dissecans aortae) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .174 syndrome« (ARDS) und »acute
18 Raynaud-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177 lung injury« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .224
VI Inhaltsverzeichnis

32 Aspiration und Aspirations- 57 Nierentransplantation . . . . . . . . . . . . . . .513


pneumonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .226 58 Störungen des Wasserhaushalts . . . . . .518
33 Bluthusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .231 59 Störungen des Elektrolythaushalts . . .524
34 Erkrankungen der Trachea und 60 Störungen des Säure-Basen-
der Bronchien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233 Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .537
35 Lungenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . .260 Ausgewählte Literatur zu Sektion F . . .545
36 Pleuraerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . .295
37 Schlafbezogene Atmungs-
störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .300
Ausgewählte Literatur zu Sektion D . . .303
G Rheumatologie

61 Rheumatologische Unter-
suchung, Diagnostik und
E Gastroenterologie
Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . .548
62 Rheumatoide Arthritis . . . . . . . . . . . . . . .557
38 Akutes Abdomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .306 63 Spondylarthritiden . . . . . . . . . . . . . . . . . .561
39 Akute gastrointestinale Blutung . . . . .317 64 Infektiöse Arthritiden . . . . . . . . . . . . . . . .568
40 Erkrankungen des Ösophagus . . . . . . .322 65 Arthropathien bei metabolischen
41 Erkrankungen des Magens . . . . . . . . . . .335 und endokrinologischen
42 Erkrankungen des Intestinums . . . . . . .348 Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .570
43 Erkrankungen des Pankreas . . . . . . . . . .392 66 Arthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .573
44 Erkrankungen der Gallenwege . . . . . . .405 67 Kollagenosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .575
45 Erkrankungen der Leber . . . . . . . . . . . . .416 68 Vaskulitiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .586
Ausgewählte Literatur zu Sektion E . . .446 69 Weichteilrheumatismus . . . . . . . . . . . . . .591
Ausgewählte Literatur zu Sektion G . .592

F Nephrologie
H Endokrinologie
46 Glomeruläre Erkrankungen . . . . . . . . . . . 452
47 Tubulointerstitielle Erkrankungen . . . .466 70 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .594
48 Infektionen des harnableitenden 71 Erkrankungen der Schilddrüse . . . . . . .611
Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .470 72 Erkrankungen der Nebenschild-
49 Akutes Nierenversagen (ANV) . . . . . . . .474 drüsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .624
50 Chronische Niereninsuffizienz . . . . . . .482 73 Erkrankungen der Nebennieren . . . . . .630
51 Diabetische Nephropathie . . . . . . . . . . .491 74 Erkrankungen der hypothalamisch-
52 Angeborene Erkrankungen hypophysären Achse . . . . . . . . . . . . . . . .641
des Tubulusapparats und der 75 Erkrankungen der Gonaden . . . . . . . . .649
Glomeruli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .495 76 Osteoporose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .654
53 Tumorerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . .499 77 Adipositas und Fettstoffwechsel-
54 Nephrolithiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .502 störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .660
55 Zystische Nierenerkrankungen . . . . . . .504 Ausgewählte Literatur zu
56 Nierenersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . .506 Sektion H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .665
Inhaltsverzeichnis VII

I Hämatologie und
Onkologie

78 Blutbildveränderungen . . . . . . . . . . . . . .668
79 Tumorerkrankungen des
hämatologischen Systems:
Hämoblastosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .677
80 Solide Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .684
81 Chemotherapieinduzierte
Übelkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .691
82 Onkologische Notfälle . . . . . . . . . . . . . . .695
83 Tumorschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .697
84 Knochenmetastasen . . . . . . . . . . . . . . . . .699

J Infektiologie

85 Umgang mit Antibiotika und


Antimykotika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .702
86 Patient mit Fieber außerhalb und
innerhalb der Klinik/nosokomiale
Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .717
87 Tropen- und Reisekrankheiten . . . . . . .726
88 »Systemic inflammatory response
syndrome« (SIRS), Sepsis und
septischer Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . .735
89 HIV-Erkrankung und Aids . . . . . . . . . . . .741
Ausgewählte Literatur zu Sektion J . . .753

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . .754
VIII Autorenverzeichnis

> Autorenverzeichnis

Andriopoulos, N., Dr. Hoppe, U., Prof. Dr.


Klinik IV für Innere Medizin Klinik III für Innere Medizin
Unikliniken Köln Unikliniken Köln
Kerpener Str. 62 Kerpener Str. 62
50937 Köln 50937 Köln

Bäumer, A., Dr. Kochanek, M., Dr.


Praxis für Innere Medizin/Kardiologie/ Klinik I für Innere Medizin
Pneumologie Unikliniken Köln
Dres. Baldus, Klaer, Bäumer Kerpener Str. 62
Wiener Platz 5 50937 Köln
51065 Köln
Mertens, J., Dr.
Dahm, J., Dr. Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Abdominalzentrum
am Abdominalzentrum Unikliniken Köln
Unikliniken Köln Kerpener Str. 62
Kerpener Str. 62 50937 Köln
50937 Köln
Michels, G., Dr.
Faust, M., Dr. Klinik III für Innere Medizin
Klinik II für Innere Medizin Unikliniken Köln
Unikliniken Köln Kerpener Str. 62
Kerpener Str. 62 50937 Köln
50937 Köln
Pollok, M., Dr.
Hartmann, P., Priv.-Doz. Dr. Klinik IV für Innere Medizin
Klinik I für Innere Medizin Unikliniken Köln
Unikliniken Köln Kerpener Str. 62
Kerpener Str. 62 50937 Köln
50937 Köln
Rüping, M.J.T.G., Dr.
Klinik I für Innere Medizin
Unikliniken Köln
Kerpener Str. 62
50937 Köln
Autorenverzeichnis IX

Rybniker, J., Dr. Teschner, S., Dr.


Klinik I für Innere Medizin Klinik IV für Innere Medizin
Unikliniken Köln Unikliniken Köln
Kerpener Str. 62 Kerpener Str. 62
50937 Köln 50937 Köln

Schneider, T., Dr. Vehreschild, J., Dr.


Lukaskrankenhaus Neuss Klinik I für Innere Medizin
Preußenstr. 84 Unikliniken Köln
41464 Neuss Kerpener Str. 62
50937 Köln
Schulte, S., Dr.
Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Weihrauch, M., Dr.
am Abdominalzentrum Klinik I für Innere Medizin
Unikliniken Köln Unikliniken Köln
Kerpener Str. 62 Kerpener Str. 62
50937 Köln 50937 Köln

Schultz, O., Dr.


Klinik II für Innere Medizin
Unikliniken Köln
Kerpener Str. 62
50937 Köln

Schumann, C., Dr.


Berrenrather Str. 201
50937 Köln

Severin, K., Dr.


Gemeinschaftspraxis für Hämatologie
und Onkologie
Sachsenring 69
50677 Köln

Steffen, H.-M., Prof. Dr.


Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
am Abdominalzentrum
Unikliniken Köln
Kerpener Str. 62
50937 Köln
X Abkürzungsverzeichnis

> Abkürzungsverzeichnis

γ-GT γ-Glutamyltransferase AP alkalische Phosphatase


ABI »Ankle-brachial«-Index APC aktiviertes Protein C;
ACC American College of Cardiology, Adenomatosis polyposis coli
Az(c)etylz(c)ystein APD »automated peritoneal dialysis«
ACE »angiotensin converting APS autoimmun-polyglanduläres
enzyme«, Angiotensinkon- Syndrom
versionsenzym aPTT aktivierte PTT
ACR American College of Rheumato- APUD »amine and precursor uptake
logy and decarboxylation«
ACT »activated clotting time« ARA American Rheumatism
ACTH adenok(c)ortikotropes Hormon Association
ACVB aortok(c)oronarer Venenbypass ARDS »acute respiratory distress
ADH antidiuretisches Hormon syndrome«
AF Atemfrequenz ARVD arrhythmogene, rechts-
AFP α-Fetoprotein ventrikuläre Dysplasie
AGE »advance glycation end ASD Atriumseptumdefekt
products« ASS Azetylsalizylsäure
AGS adrenogenitales Syndrom AST Aspartataminotransferase
AHA American Heart Association AT Angiotensin, Antithrombin
AHI Apnea/Hypopnea-Index ATS American Thoracic Society
AICD »automatic implantable avDO2 arteriovenöse Sauerstoff-
cardioverter/defibrillator« gehaltsdifferenz
Aids »acquired immune deficiency AVK arterielle Verschlusskrankheit
syndrome« AVNRT AV-Knoten-(Nodus-)Reentry-
AIH Autoimmunhepatitis Tachykardie
AIHA autoimmunhämolytische AVRT AV-Reentry-Tachykardie
Anämie BAL bronchoalveoläre Lavage
ALL akute lymphatische Leukämie BCG Bacille Calmette-Guérin
ALT Alaninaminotransferase BCLC Barcelona Clinic Liver Cancer
AML akute myeloische Leukämie BE Broteinheit; Basenexzess
ANA antinukleäre Antikörper BGA Blutgasanalyse
ANCA antineutrophile z(c)ytoplas- BiPAP »biphasic intermittent positive
matische Antikörper airway pressure«
ANP atriales natriuretisches Peptid BMI »body mass index«
ANV akutes Nierenversagen BMPR »bone morphogenetic protein
AÖF Aortenklappenöffnungsfläche receptor«
Abkürzungsverzeichnis XI

BMS »bare metal stent« CREST »calcinosis«, »Raynaud’s


BNP »brain natriuretic peptide« phenomenon«, »esophageal
BOT basal unterstützte orale involvement«, »sclerodactyly«,
Therapie »teleangiectasia«
BSG Blutkörperchensenkungs- CRH »corticotropin-releasing
geschwindigkeit hormone«
BZ Blutzuckerspiegel CRP C-reaktives Protein
C K(C)omplementfaktor CRT k(c)ardiale Resynchronisations-
cAMP z(c)yklisches Adenosinmono- therapie
phosphat CSE Cholesterinsyntheseenzym
cANCA »cytoplasmatic antibodies CT Computertomographie;
against neutrophil cytoplasmic »conventional therapy«,
antigens«« konventionelle Therapie
CaO2 arterieller Sauerstoffgehalt CUP »cancer of unknown primary«
CAP »community-acquired CVVH »continuous veno-venous
pneumonia« hemofiltration«, kontinuierliche
CAPD »continous ambulatory venovenöse Hämofiltration
peritoneal dialysis« CVVHD »continous veno-venous
CCR CC-Chemokin-Rezeptor hemodialysis«, kontinuierliche
CD cluster of differentiation venovenöse Hämodialyse
(Zelloberflächenantigene) CVVHDF »continous veno-venous hemo-
CEA k(c)arzinoembryonales Antigen diafiltration«, kontinuierliche
CF »cystic fibrosis«, zystische venovenöse Hämodiafiltration
Fibrose CW »continuous wave«
CFTR »cystic fibrosis transmembrane DCM dilatative K(C)ardiomyopathie
conductance regulator« DDAVP Desamino-D-Argininvasopressin
CI »cardiac index« DDG Deutsche Diabetes-Gesellschaft
CIN »contrast-induced nephropathy« DES »drug-eluting stent«
CK K(C)reatinkinase DEXA »dual energy X-ray absorptio-
CKD »chronic kidney disease« metry«
CK-MB K(C)reatininkinase »muscle DGVS Deutsche Gesellschaft für
brain« Verdauungs- und Stoffwechsel-
CLIP Cancer of Liver Italian Program krankheiten
CLL chronische lymphatische DIC »disseminated intravascular
Leukämie coagulation«, disseminierte
CML chronische myeloische Leukämie intravasale Gerinnung
cMRSA »community-acquired« MRSA DLCO »diffusing capacity of the lung
CMV Z(C)ytomegalievirus for carbon monoxide«
COPD »chronic obstructive pulmonary DMAP Dimethylaminophenol
disease(s)«, chronisch-obstruk- DNA »deoxyribonucleic acid«,
tive Lungenerkrankung(en) Desoxyribonukleinsäure
COX Z(C)yklooxygenase DPP Dipeptidylpeptidase
CPAP »continuous positive airway ds Doppelstrang
pressure« DSA digitale Subtraktionsangio-
CPI »cardiac power index« graphie
XII Abkürzungsverzeichnis

DXA »dual X-ray absorptiometry« ESV endsystolisches Volumen


E/A Verhältnis E-(early filling) Welle ET-1-R Endothelin-1-Rezeptor
zu A-(atriale Kontraktion) Welle ETEC enterotoxinbildende Escherichia
(Echokardiographie) coli
EAEC enteroaggregative Escherichia FACS »fluorescence activated cell
coli sorter«
ECHO »enteric cytopathogenic human FDG Fluordesoxyglukose
orphan« FeHST fraktionelle Harnstoffexkretion
EDD enddiastolischer Durchmesser FeNa fraktionelle Natriumexkretion
EDTA Ethylendiamintetraazetat FEV1 forciertes exspiratorisches Volu-
EDV enddiastolisches Volumen men in 1 s
EEG Elektroenzephalographie FFP »fresh frozen plasma«
EF Ejektionsfraktion FiO2 inspiratorische Sauerstofffraktion
EGF »epidermal growth factor« FS »fractional shortening«,
EGFR »epidermal growth factor Verkürzungsfraktion
receptor« FSGS fokal-segmentale Glomerulo-
EHEC enterohämorrhagische sklerose
Escherichia coli FSH follikelstimulierendes Hormon
EIEC Enteroinvasive Escherichia coli fT3 freies Trijodthyronin
EKG Elektrokardiographie, fT4 freies Thyroxin
Elektrokardiogramm FUO »fever of unknown origin«,Fieber
ELISA »enzyme-linked immunosorbent unbekannter Ursache
assay« FVC »forced vital capacity«, forcierte
EMB Ethambutol Vitalkapazität
EMD elektromechanische Dissoziation GADA »glutamatdecarboxylase
EMG Elektromyographie antibody«
EOG Elektrookulographie GBM glomeruläre Basalmembran
EPEC enteropathogene Escherichia G-CSF »granulocyte colony-stimulating
coli factor«
EPH »edema/proteinuria/ GFR glomeruläre Filtrationsrate
hypertension« GH »growth hormone«, Wachstums-
EPO Erythropoetin hormon
ERC European Resuscitation Council GHRH »growth hormone releasing
ERCP endoskopische retrograde hormone«
Cholangiopankreatikographie GINA Global Initiative for Asthma
ERD »erosive reflux disease«, erosive GLDH Glutamatdehydrogenase
Refluxkrankheit GM-CSF »granulocyte-macrophage
ERO »effective regurgitation orifice« colony-stimulating factor«
ERS European Respiratory Society GN Glomerulonephritis
ES Extrasystole GnRH »gonadotropin releasing
ES-Abstand E-zu-Septum-Abstand hormone«
ESC European Society of Cardiology GOLD Global Initiative of Obstructive
ESD endsystolischer Durchmesser Lung Disease
ESH European Society of Hyper- GOT Glutamatoxalazetattransaminase
tension GP Glykoprotein
Abkürzungsverzeichnis XIII

GPT Glutamatpyruvattransaminase HOCM hypertrophe obstruktive K(C)


HAART hochaktive antiretrovirale ardiomyopathie
Therapie HOMA »homeostasis model assessment«
HACEK Haemophilus aphrophilus/ HPS »Hanta virus pulmonary
paraphrophilus, Actinobaccilus syndrome«
actinomycetemcomitans, Cardio- HPV humanes Papillomavirus
bacterium hominis, Eikenella HR-CT »High-resolution«-Computer-
corrodens, Kingella kingae tomographie
HAP »hospital-acquired pneumonia« hsCRP hochsensitives C-reaktives
HAV Hepatitis-A-Virus Protein
Hb Hämoglobin HT Herzton, Hydroxytryptamin
HBc »hepatitis B core« HUS hämolytisch-urämisches
HD Hämodialyse Syndrom
HDL »high density lipoprotein« HWS Halswirbelsäule
HBe »hepatitis B envelope« HZV Herzzeitvolumen
HBs »hepatitis B surface« IA-2 »tyrosine-phosphatase-like
HBV Hepatitis-B-Virus protein antibody«
HCAP »health-care associated IAA »insulin autoantibody«
pneumonia« IABP intraaortale Ballongegen-
HCG humanes Choriongonadotropin pulsation
HCM hypertrophe K(C)ardiomyopathie IASLC International Association for the
HCV Hepatitis-C-Virus Study of Lung Cancer
HDF Hämodiafiltration IBS »irritable bowel syndrome«
HDL »high density lipoprotein« ICA »islet cell antibody«
HDV Hepatitis-D-Virus ICAM »intracellular adhesion molecule«
HELLP »haemolysis, elevated liver ICD »implantable cardioverter/
enzymes, low plateled count« defibrillator«
HES Hydroxyethylstärke ICR Interk(c)ostalraum
HEV Hepatitis-E-Virus ICT »intensive conventional
HF Herzfrequenz; Hämofiltration therapy«, intensivierte konven-
HFRS hämorrhagisches Fieber mit tionelle Therapie
renalem Syndrom IFG »impaired fasting glucose«
HHV humanes Herpesvirus IGF »insulin-like growth factor«
HIT heparininduzierte Thrombo- IEN intraepitheliale Neoplasie
zytopenie IFN Interferon
HIV humanes Immundefizienzvirus IfSG Infektionsschutzgesetz
Hkt Hämatokrit Ig Immunglobulin
HLA humanes Leukozytenantigen IGF »insulin-like growth factor«
HMV Herzminutenvolumen IGT »impaired glucose tolerance«
HNF »hepatocyte nuclear transcrip- IIP idiopathische interstitielle
tion factor« Pneumonie
HNO Hals-Nasen-Ohren IL Interleukin
HNPCC »hereditary nonpolyposis colo- ILE interstitielle Lungenerkrankung
rectal cancer«, hereditäres nicht- ILO International Labour
polypöses kolorektales Karzinom Organization
XIV Abkürzungsverzeichnis

INH Isoniazid MCH mittlere k(c)orpuskuläre


INR »international normalized ratio« Hämoglobinkonzentration
ITP idiopathische thrombozytopeni- MCKD »medullary cystic kidney
sche Purpura disease«
JCV Jakob-Creutzfeldt-Virus MCT »medium chain triglycerides«,
KHE Kohlenhydrateinheit mittelkettige Triglyzeride
KHK koronare Herzkrankheit MCV mittleres k(c)orpuskuläres
KI Kontraindikation Volumen
KM Kontrastmittel MDRD Modification of Diet in Renal
KÖF Klappenöffnungsfläche Disease
LA linkes Atrium MDS myelodysplastisches Syndrom
LAD »left anterior descending (artery)«, MEF maximale exspiratorische
R. interventricularis anterior Atemstromstärke/Fluss-
LCA »left coronary artery«, linke geschwindigkeit
Koronararterie MEN multiple endokrine Neoplasien
LDH Laktatdehydrogenase MHK minimale Hemmkonzentration
LDL »low density lipoprotein« MIBI Metoxyisobutylisonitril
LE Lungenembolie MODY »maturity onset diabetes of the
LH luteinisierendes Hormon young«
LINAC »linear accelerator« MÖF Mitralklappenöffnungsfläche
LKM »liver-kidney microsome« MÖT Mitralöffnungston
LSD Lysergsäurediethylamid MOTT »mycobacteria other than
LV linker Ventrikel tuberculosis«
LVEDD linksventrikulärer enddiastoli- mPAP »mean pulmonary artery
scher Durchmesser pressure«, mittlerer Pulmonal-
LVEDP »left ventricular enddiastolic arteriendruck
pressure«, linksventrikulärer MPGN membranoproliferative GN
enddiastolischer Druck MRCP Magnetresonanzcholangio-
LVEDV »left ventricular enddiastolic pankreatikographie
volume«, linksventrikuläres MR- »midregional«
enddiastolisches Volumen proADM Proadrenomedullin
LVESD linksventrikulärer endsystolischer MRSA methicillinresistenter
Durchmesser Staphylococcus aureus
LVESD linksventrikuläres endsystolisches MRT Magnetresonanztomographie
Volumen MSSA methicillinsensibler Staphylo-
LVOT »left ventricular outflow tract«, coccus aureus
linksventrikulärer Ausflusstrakt mTOR »mammalian target of
LWS Lendenwirbelsäule rapamycin«
MAK mikrosomale Antikörper NAFL nichtalkoholische Fettleber
MALT »mucosa-associated lymphoid NASH nichtalkoholische Steato-
tissue«, mukosaassoziiertes hepatitis
lymphatisches Gewebe N-CAM Neuronal Cell Adhesion Molecule
MAO Monoaminooxidase NERD »nonerosive reflux disease«,
MAP »mean arterial pressure«, nichterosive Refluxkrankheit
mittlerer arterieller Druck NET neuroendokriner Tumor
Abkürzungsverzeichnis XV

NHL Non-Hodgkin-Lymphom PD Peritonealdialyse


NNRTI nichtnukleosidische Reverse- PDA persistierender Ductus arteriosus
Transkriptase-Inhibitoren Botalli
NOMI »Non-occlusive«-Mesenteria- PDE Phosphodiesterase
linfarkt PDGF »plateled-derived growth factor«
NPH neutrales Protamin Hagedorn PEEP »positive endexpiratory pressure«
NRTI nukleosidale/nukleotidale Rever- PEF »peak exspiratory flow«
se-Transkriptase-Inhibitoren PEG perkutane endoskopische
NSAR nichtsteroidale Antirheumatika Gastrostomie
NSCLC »non-small cell lung carcinoma«, PEJ perkutane endoskopische
nichtkleinzelliges Lungen- Jejunostomie
karzinom PEP Postexpositionsprophylaxe
NSE neuronenspezifische Enolase PET Positronenemissionstomo-
NSTEMI Nicht-ST-Strecken-Elevations- graphie
Myokardinfarkt PFO persistierendes Foramen ovale
NTM nichttuberkulöse Mykobakterien PG Prostaglandin
NT-proBNP N-terminale Pro-B-Typ pHPT primärer Hyperparathyreoi-
natriuretische Peptid dismus
NYHA New York Heart Association PHT »pressure half time«, Druckabfall-
ÖGD Ösophagogastroduodenoskopie halbwertszeit
oGTT oraler Glukosetoleranztest PiCCO »pulse indicated continous
OP Operation cardiac output«
paCO2 arterieller Kohlendioxidpartial- PIF »peak inspiratory flow«
druck PISA »proximal isovelocity surface
PAI Plasminogenaktivatorinhibitor area«
pANCA »perinuclear antibody against PM Polymyositis
neutrophil cytoplasmic antigen« PMT »pacemaker-mediated tachy-
paO2 arterieller Sauerstoffpartialdruck cardia«
PAP »pulmonary artery pressure«, pO2 Sauerstoffpartialdruck
Pulmonalarteriendruck; PÖF Pulmonalklappenöffnungs-
Papanicolaou fläche
PAS »periodic acid Schiff« PPSB Prothrombinkomplex
pAVK periphere arterielle Verschluss- (Prothrombin, Prokonvertin,
krankheit Stuart-Prower-Faktor, anti-
PBC »primary biliary cirrhosis«, primär hämophiler Faktor B)
biliäre Zirrhose PRIND partielles reversibles ischämi-
PCI perkutane K(C)oronarinter- sches neurologisches Defizit
vention PSA prostataspezifisches Antigen
PCNA »proliferating cell nuclear PSC primär sklerosierende Cholangitis
antigen« PTA perkutane transluminale Angio-
pCO2 Kohlendioxidpartialdruck graphie
PCR »polymerase chain reaction«, PTCA »percutaneous transluminal
Polymerasekettenreaktion coronary angioplasty«, perku-
PCWP »pulmonary capillary wedge tane transluminale Koronar-
pressure«, Lungenkapillardruck angioplastie
XVI Abkürzungsverzeichnis

PTT »partial thromboplastin time«, RVSP rechtsventrikulärer systolischer


partielle Thromboplastinzeit Druck
PVa reverse atriale Flussgeschwindig- SA sinuatrial
keit durch Vorhofkontraktion SAM »systolic anterior motion«
PVd maximale diastolische Pulmonal- SaO2 arterielle Sauerstoffsättigung
venengeschwindigkeit SAPHO Synovitis, Akne, Pustolose,
PVR »pulmonary vascular resistance«, Hyperostose, Ostitis
pulmonaler Gefäßwiderstand SARS »severe adult respiratory
PVs maximale systolische Pulmonal- syndrome«
venengeschwindigkeit SCL »scleroderma«
PZA Pyrazinamid SCLC »small cell lung carcinoma«,
Qp pulmonale Perfusion kleinzelliges Bronchialkarzinom
Qs systemische Perfusion SERM »selective estrogen-receptor
Qt totale Herzzeitvolumen modulator«, selektiver Östrogen-
QTc frequenzkorrigierte QT-Zeit rezeptormodulator
R »resistance« SHBG sexualhormonbindendes
RAAS Renin-Angiotensin-Aldosteron- Globulin
System sHPT sekundärer Hyperparathyreoi-
RAP »right atrial pressure«, Druck im dismus
rechten Vorhof SIADH Syndrom der inadäquaten
RAST Radioallergosorbenttest ADH-Sekretion
RAW Atemwegswiderstsnd SIRS »systemic inflammatory
RCA »right coronary artery«, rechte response syndrome«
Koronararterie SIT supplementäre Insulintherapie
RCM restriktive K(C)ardiomyopathie SLA/LP »soluble liver antigen/liver
RCX R. circumflexus pancreas«
REM »rapid eye movements« SLEDD »slow extended daily dialysis«
RF Regurgitationsfraktion SM Streptomycin
RIVA R. interventricularis anterior SMA »smooth muscle antibodies«
RMP Rifampizin SO2 Sauerstoffsättigung
RPGN Rapid progressive GN sPAP »systolic pulmonary artery
RT reverse Transkriptase pressure«, systolischer Pulmonal-
RTA renal-tubuläre Azidose arteriendruck
rt-PA »recombinant tissue (type) SPC »sickleform particles containing«
plasminogen activator«, SPECT Single-Photon-Emissionscompu-
rekombinanter Gewebe- tertomographie
plasminogenaktivator SSA Sjögren Syndrom A
RV Reservevolumen SSRI »selective serotonin reuptake
RVEDD rechtsventrikulärer enddiastoli- inhibitor«, selektiver Serotonin-
scher Durchmesser wiederaufnahmehemmer
RVEDP »right ventricular enddiastolic STEMI ST-Strecken-Elevations-Myokard-
pressure«, rechtsventrikulärer infarkt
enddiastolischer Druck STH somatrotropes Hormon
RVOT »right ventricular outflow tract«, SV Schlagvolumen
rechtsventrikulärer Ausflusstrakt SVES supraventrikuläre Extrasystole
Abkürzungsverzeichnis XVII

SvO2 gemischtvenöse Sauerstoff- TTP thrombotisch-thrombozytopeni-


sättigung sche Purpura
SVR »systemic vascular resistance«, TU »tuberculin unit«
systemischer Gefäßwiderstand TVT tiefe Venenthrombose
T3 Trijodthyronin TZ Thrombinzeit
T4 Thyroxin UICC Union Internationale Contre le
TAA Tachyarrhythmia absoluta Cancer
TAK Thyreoglobulinantikörper VA Alveolarvolumen
TAPSE »tricuspid anular plane systolic VC »vital capacity«, Vitalkapazität
excursion« VCO2 Kohlendioxidabgabe
TASV »tricuspid anular systolic velocity« VDRL »venereal disease research
Tc Technetium laboratory«
TDI »tissue doppler imaging« VE exspiratorisches Atemminuten-
TEE »transesophageal echocardio- volumen
graphy«, transösophageale VEGF »vascular endothelial growth
Echokardiographie factor«
TENS transkutane elektrische Nerven- VIP vasoaktives intestinales Peptid
stimulation VLDL »very low density lipoprotein«
Tg Thyreoglobulin VO2 Sauerstoffaufnahme
TGF »transforming growth factor« VSD Ventrikelseptumdefekt
TGV thorakales Gasvolumen VT ventrikuläre Tachykardie
TH T-Helfer(-Zelle) VTI »velocity time integral«
TIA transitorische ischämische VZV Varizella-Zoster-Virus
Attacke WAGR Wilms-Tumor, Aniridie,
TINU tubulointerstitielle Nephritis mit urogenitale Defekte, mentale
Uveitis Retardation
TNF Tumornekrosefaktor vWF von-Willebrand-Faktor
TIPSS transjugulärer intrahepatischer vWJS Von-Willebrand-Jürgens-
portosystemischer Shunt Syndrom
TLC »total lung capacity« WE Wood-Einheit
TLCO »transfer factor of the lung for WPW Wolff-Parkinson-White
carbon monoxide« (-Syndrom)
TNF Tumornekrosefaktor YAG Yttrium-Aluminium-Granat
t-PA »tissue (type) plasminogen ZNS zentrales Nervensystem
activator«, Gewebeplasminogen- ZVD zentraler Venendruck
aktivator ZVK zentraler Venenkatheter
TPPA »treponema pallidum particle
agglutination«
TPO Thyroxinperoxidaseantikörper
TPZ Thromboplastinzeit
TRAK TSH-Rezeptor-Antikörper
TRH »thyrotropin releasing hormone«
TSH thyreoideastimulierendes
Hormon
TTE transthorakale Echokardiographie
A

A Kardiologie

1 Herzklappenfehler und angeborene


Herzfehler – 2

2 Koronare Herzkrankheit (KHK) – 25

3 Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare


Herzkrankheit (instabile KHK) – 35

4 Kardiogener Schock – 47

5 Entzündliche Herzerkrankungen – 54

6 Kardiomyopathien – 68

7 Herzrhythmusstörungen – 78

8 Herzinsuffizienz – 111

9 Hypotone Kreislaufdysregulation und


Synkope – 127

10 Arterielle Hypertonie und hypertensiver


Notfall – 133

11 Pulmonale Hypertonie – 150

Ausgewählte Literatur zu Sektion A – 156


2 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

> Herzklappenfehler und


angeborene Herzfehler
G. Michels, T. Schneider

1.1 Aortenklappenstenose z Subvalvulär: membranöser und fib-


romuskulärer Typ
Ätiologie z Supravalvulär (meist hochgradige Ein-
z Vor dem 60. Lebensjahr: Kommissu- engung): Uhrglas- und membranöser
renverschmelzung durch entzündliche Typ (angeborene Membran oberhalb
Veränderungen, kongenital der Aortenklappe), Hypoplasie
z Nach dem 60. Lebensjahr:
5 Narben, Kalzifizierung, Fibrosie- > Die AÖF beträgt normalerweise
rung → kalzifizierte bikuspide 2,5–3,5 cm2. Die Aortenklappenstenose
Form (häufig) stellt im Erwachsenenalter das häufigste
5 primär degenerative kalzifizierte Vitium dar. Eine eingeschränkte Pump-
senile Aortenklappenstenose funktion kann bei nichtinvasiven, rech-
(»Vitium des alten Menschen«) nerischen Messmethoden höhergradige
5 im Rahmen einer terminalen Nie- Stenosen maskieren.
reninsuffizienz (erhöhtes Kalzium-
phosphatprodukt) Klinik
z Trias der typischen Aortenklappen-
Einteilung stenose:
z ⊡ Tab. 1.1 5 Schwindel/Synkopen
z Valvulär: häufig (>75 %) und erworben; 5 Belastungsdyspnoe
kommissuraler und kuspidaler Typ 5 Angina-pectoris-Anfälle

⊡ Tab. 1.1. Einteilung der Aortenklappenstenose nach ACC/AHA

Graduierung Maximale Fluss- AÖF [cm2] Mittlerer Druckgradient


geschwindigkeit über der Aortenklappe
[m/s] [mmHg]

Leichtgradig <3 >1,5 <25

Mittelgradig 3–4 1–1,5 25–40

Hochgradig >4 <1 >40


1.1 · Aortenklappenstenose 3 1.1
z Auch eine hochgradige Stenose kann 5 Cave: Ergometrie bei bekann-
lange asymptomatisch sein ter Stenose (kein zusätzlicher
z Blässe Informationsgewinn → meist
z Pulsus tardus et parvus/mollis (klein obsolet)
und spät/schwach → langsam anstei- z (Transthorakale) Echokardiogra-
gender Puls) phie (nichtinvasives Verfahren der
z Arrhythmien mit Gefahr von Mikro- Wahl):
embolien 5 Zeichen der linksventrikulären
z Heide-Syndrom: Anämie, Aortenklap- Hypertrophie und/oder diastoli-
penstenose, gastrointestinale Blutung sche Dysfunktion
(Angiodysplasien, Teleangiektasien) 5 »doming«: Immobilisation einzel-
ner Segel bei Randverschmelzung
Diagnostik → Reduktion der Klappenöff-
z Anamnese: klinische Trias nungsbeweglichkeit
z Körperliche Untersuchung (Aus- 5 2D-Darstellung: Planimetrie der
kultation am sitzenden, nach vorne AÖF (TEE besser geeignet)
gebeugten Patienten): 5 CW-Doppler: Bestimmung der
5 spindelförmiges, niederfrequentes AÖF nach der Kontinuitäts-
(raues) Mesosystolikum im 2. ICR gleichung: z A1 × V1 = A2 × V2
rechts mit Fortleitung in die Karo- (dabei ist A die Fläche und V die
tiden Geschwindigkeit) z vereinfacht
5 paradoxe Spaltung des 2. Herztons gilt:

A1 × V1
Auskultatorische Lautstärkeeinteilung
[ ]
AÖF cm2 = A 2 =
V2
nach Freeman-Levine
z dabei ist A1 die Fläche des
z Grad I: sehr leise, bei maximaler LVOT: π × (LVOT-Durch-
Konzentration hörbar messer/2)2; dabei ist V2 das
z Grad II: leise, aber hörbar VTI des linksventrikulären
z Grad III: mäßig laut Ausflusstrakts nach der Klappe
z Grad IV: laut, leichtes Schwirren z weniger genau, jedoch prakti-
z Grad V: laut, starkes Schwirren kabler lässt sich statt des VTI
z Grad VI: sehr laut, auch ohne aufgelegtes auch die maximale Flussge-
Stethoskop hörbar schwindigkeit Vmax1+2 (Dopp-
lergeschwindigkeit vor und
z Röntgenuntersuchung des Thorax: hinter der Klappe; Normwert:
Schuhherz, poststenotische Dilatation 1–1,7 m/s) in die vereinfachte
der Aorta ascendens Formel einsetzen
z EKG: 5 Bestimmung des maximalen ins-
5 Linksherzhypertrophie: Sokolow- tantanen Druckgradienten (ΔP)
Lyon-Index (SV1 + RV5) >3,5 mV nach der »vereinfachten Bernoulli-
5 Zeichen der »Druck«- bzw. »Wi- Gleichung«: ΔP = 4 × V2
derstandshypertrophie«: präter- z Karotispulskurve: Hahnenkammphä-
minale T-Negativierung (V4–V6), nomen (verzögerter Druckanstieg und
ST-Strecken-Senkungen verzitterte Kurve)
4 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

z Herzkatheteruntersuchung: enten z Gorlin-Formel (bei


5 Koronarangiographie: Aus- niedrigem HZV wird die AÖF
schluss/Nachweis einer beglei- zu klein berechnet und somit der
tenden KHK Schweregrad unterschätzt):
5 Lävokardiographie: z Beurtei-
lung der Hämodynamik in Ab- HZV
AÖF =
hängigkeit vom Herzzeitvolumen; 44,3 × systolische Ejektionszeit ×
retrograde Sondierung des linken HF × mittlerer Δp
Ventrikels kann bei hochgradiger
Stenose langwierig (strahlenin- z Dynamische Beurteilung (Ergometrie
tensiv) sein und birgt ein Risiko oder Dobutaminstressechokardiogra-
für Embolien (vom verkalkten phie):
Klappenapparat) → eine Lävo- 5 Indikation: eingeschränkte
kardiographie ist bei eindeutigem Pumpfunktion und Verdacht auf
echokardiographischen Befund hochgradige Aortenstenose → er-
nicht indiziert (Klasse-III-Emp- schwerte Beurteilung bei (falsch-)
fehlung); der alternative transsep- niedrigem Gradienten (»Low-
tale Zugangsweg ist ebenfalls mit gradient«-Stenose: ≤30 mmHg,
einem erhöhten Risiko (Perikard- aber AÖF von <1 cm2); nach Gabe
tamponade) verbunden z maxi- von Dobutamin (5–20 μg/kg KG/
maler instantaner Druckgradient: min i. v.) kommt es normalerweise
Δp zwischen linkem Ventrikel zu einer Inotropie bzw. HZV-
und Aorta ascendens während Zunahme
der systolischen Austreibungs- 5 Nachweis/Ausschluss einer
phase, entsprechend dem echo- Pseudoaortenklappenstenose
kardiographischen instantanten (entspricht einer eingeschränkten
Gradienten → höchster »zeit- Klappenseparation durch eine
gleich« existierender Druckunter- eingeschränkte Pumpfunktion)
schied zwischen linkem Ventrikel z Zunahme der AÖF unter
und Aorta in der Systole; der Belastung (Klappenseparation
instantane Gradient liegt immer wird besser) bei abnehmendem
höher als der invasiv bestimmte Druckgradienten: Pseudoaor-
»Peak-to-peak«-Gradient tenklappenstenose → keine OP-
z »Peak-to-peak«-Gradient: nicht Indikation z gleichbleibende
zeitgleich existenter, jedoch ein- AÖF bei unter Belastung nicht
fach zu bestimmender Gradient ansteigendem Druckgradienten:
(Subtraktion von systolischem echte Aortenklappenstenose bei
Aortenspitzendruck und systo- eingeschränkter Pumpfunktion
lischem Ventrikelspitzendruck) → OP-Indikation oder konser-
z mittlerer Druckgradient: vative Behandlung (fehlende
»Flächenintegral« zwischen links- Kontraktionsreserve des betrof-
ventrikulärem und Aortendruck fenen Ventrikels; ungünstige
während der gesamten Systole; Prognose, da sich der Ventrikel
korreliert mit dem mittleren postoperativ meist nicht erholt)
echokardiographischen Gradi- z gleichbleibende (bis verrin-
1.1 · Aortenklappenstenose 5 1.1
gerte) AÖF bei unter Belastung tung (>25 Jahre), eventuelle
steigendem Druckgradienten: Begleiterkrankungen
echte Aortenklappenstenose 5 biologische Klappen:
bei normaler Pumpfunktion → z keine absolute Notwendigkeit
OP-Indikation (gute Prognose, der Antikoagulanzienthera-
da sich der Ventrikel durch die pie, jedoch postoperativ bis
Kontraktionsreserve erholt) zu 3 Monate empfohlen (INR:
2–3) z Nachteile: begrenzte
Therapie Haltbarkeit der Klappe (im Mittel
z Operativ: 10–15 Jahre), Re-Operationsri-
5 Hauptindikationen: z alle siko bedeutend höher, v. a. bei
symptomatischen Patienten mit gleichzeitiger Bypassoperation
hochgradiger Aortenklappen- z allogene Klappen: vom Mensch,
stenose (frühzeitig operieren) z. B. Dura mater, Fascia lata, Peri-
z hochgradige Aortenklappen- kard z xenogene Klappen: vom
stenose plus Indikation zur Tier (Schweineklappen) z Car-
Bypass-, Aorten- oder anderen pentier Edwarts, gestentete Bio-
Vitien-OP (elektiv) z hochgra- prothese: Stent mit Überzug von
dige Aortenklappenstenose plus Schweineklappen z pulmonaler
eingeschränkte linksventrikuläre Autograft (Ross-Operation): dabei
Pumpfunktion (EF: <50 %): OP wird die Aortenklappe durch die
sobald wie möglich z asymp- eigene Pulmonalklappe ersetzt,
tomatische hochgradige Aorten- während die Pulmonalklappe
klappenstenose mit pathologi- durch einen pulmonalen oder
schem Belastungstest (abnormales aortalen Allograft ersetzt wird
Blutdruckverhalten und/oder z Homograft: Leichenspender-
Entwicklung von belastungsindu- klappen, nach Antibiotikasterilität
zierten Symptomen) oder Kryokonservierung in flüs-
5 mechanische Klappen: z Nach- sigem Stickstoff z Indikationen
teil: thrombogen → obligate für biologische Klappen: Frauen
Antikoagulanzientherapie (INR: mit Kinderwunsch (teratogene
2–3) z Vorteil: lange Halt- Wirkung von Phenprocoumon),
barkeit der Klappe (im Mittel aktive Erwachsene (d. h. im Ar-
>15 Jahre) z St. Jude Medical beitsalltag stehende Patienten),
Zweiflügelklappe: 85°-Öff- junge Patienten bzw. Kinder im
nungswinkel, laminarer Strom- Wachstumsalter, höheres Lebens-
fluss (Reynold-Zahl: <2000); alter (>70 Jahre), Lebenserwar-
Nachteil: minimale prothesen- tung von <10 Jahren
typische Insuffizienz (Diffe-
renzialdiagnose: paravalvuläres > Bei der Aortenstenose wird bei Auf-
Leck) z seltene Klappentypen: treten einer linksventrikulären Dys-
Björk-Kippscheibenprothese, funktion bzw. klinischer Beschwerden
Starr-Edwards-Kugelklappe operiert, bei der Aorteninsuffizienz
z Indikationen für mechanische hingegen vor dem Auftreten einer Dys-
Klappen: längere Lebenserwar- funktion.
6 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

zeitergebnisse) z Vorteil: tempo-


Allgemeine präoperative Unter-
räre Verbesserung der Hämodyna-
suchungen/Vorbereitungen bei
mik z Nachteile: erhöhtes Risiko
kardiochirurgischen Operationen
für eine periphere Embolie (3 %),
z EKG Perikardtamponade (2 %), Myo-
z Herzkatheterbefund: kardinfarkt (2 %), nachfolgend
5 Film vorhanden? operative Sanierung notwendig
5 zusätzliche Koronarstenosen? (10 %), hohe Mortalität (10 %) und
5 Aortenbulbus? hohes Rezidivrisiko
5 zusätzliches Aortenaneurysma? 5 interventioneller Aortenklappen-
z Röntgenuntersuchung bzw. CT des ersatz: z Indikation: nur kon-
Thorax mit KM bei adjuvantem Aorten- ventionell inoperable Patienten,
aneurysma da v. a. Effekt auf Lebensqualität,
z Dopplersonographie der Karotiden: nicht auf Mortalität (z. B. ältere
Stenosen? Patienten, Tumorpatienten, Pa-
z Echokardiographie: tienten mit Narkoseunfähigkeit
5 bikuspide Klappe? bei Ko-Morbidität); fehlende
5 Aortenwurzelgröße? Langzeitdaten z Methoden/
5 weitere Vitien? Zugangsmöglichkeiten: transapi-
z Labordiagnostik: Entzündungs-, kal (Kardiochirurgie: minimal-
Gerinnungs-, Nierenretetentionswerte invasive Chirurgie, z. B. Cribier-
z Serologie: HIV-, Hepatitisserologie Edwards-Klappe), transfemoral/
z Lungenfunktionstestung: Operabilität, retrograd (Kardiologie: katheterin-
Narkoserisiko terventionell mittels vormontierter
z Röntgendiagnostik: Zähne (Orthopanto- Aortenklappe auf einem Stent, z. B.
mogramm) und Nasennebenhöhlen → CoreValve/Edwards Sapien)
Fokussuche z Konservativ (asymptomatische
z Zahnkonsil: empfohlen, nicht obligat Patienten):
z Kreuzblut: mindestens 4 Erythrozyten- 5 körperliche Betätigung
konzentrate, 2 Thrombozytenkonzentrate, 5 Verlaufsbeobachtung
4 FFP-Einheiten 5 ggf. Gabe von Diuretika bei Stau-
ungszeichen (Cave: Nitrate und
z Interventionell: ACE-Hemmer als Nachlastsenker)
5 Ballonvalvuloplastie (Aortenklap- z Endokarditisprophylaxe
pensprengung): z Indikation: nur
selektierte Patienten mit absoluten Antikoagulation in der Kardiologie. Die
Kontraindikation für eine Ope- Kombination von Thrombozytenag-
ration, evtl. zur Operationsüber- gregationshemmern mit Vitamin-K-
brückung bei hämodynamisch Antagonisten birgt ein erhöhtes Blu-
instabilen Patienten z Prinzip: tungsrisiko, das individuell betrachtet
Abnahme des Druckgradienten werden muss. Generell ist eine Drei-
um 25–50 % und Zunahme der fachkombination aus ASS, Clopidogrel
AÖF um etwa 0,4 cm2 (selten post- und Phenprocoumon nicht indiziert.
interventionelle Öffnungsfläche Vor allem für Kunstklappen und das
von >1 cm2; enttäuschende Lang- periinterventionelle Management beste-
1.2 · Aortenisthmusstenose (Koarktation) 7 1.2
hen keine eindeutigen Empfehlungen. bindung und Wiederbeginn der ora-
Es gelten folgende Empfehlungen für len Antikoagulation sobald möglich
die INR (entsprechend der betroffenen (Stillen erlaubt)
Herzklappen bzw. Erkrankungen):
z Mitral- oder Doppelklappe: 3–3,5
z Aortenklappe: 2–3 1.2 Aortenisthmusstenose
z KHK plus Kunstklappe: 2–3 (Phen- (Koarktation)
procoumon, additiv ASS bei hochgra-
diger KHK oder periinterventionell) Formen und Befunde
z koronares Stenting und Kunstklappe: z Präduktale oder infantile Form
2–3 für 4 Wochen (Clopidogrel bei (25 % der Fälle):
Stenting), danach 2–3 (additiv ASS bei 5 Koarktation vor Abgang der linken
hochgradiger KHK oder periinterven- A. subclavia
tionell) 5 regelmäßig offener Ductus arteri-
z Bioklappe (für 2–3 Monate): 2–3 osus Botalli (evtl. auch VSD) mit
z schlechte Pumpfunktion (DCM) und systolisch-diastolischem Maschi-
intermittierendes Vorhofllimmern: 2–3 nengeräusch
z rezidivierende Embolien/Klappen- 5 Rechts-links-Shunt mit Zyanose
thrombosen: 3–4,5 5 Kardiomegalie mit Zeichen der
z Vorhofflimmern: 2–3 Herzinsuffizienz
5 Vorhofflimmern plus koronares 5 weitere Differenzialdiagnosen bei
Stenting: ASS plus Clopidogrel für Hypertonie im Kindesalter: Phäo-
4 Wochen, danach ASS plus Phen- chromozytom, Nierenarterienste-
procoumon nose
5 bei Patienten mit Vorhofflimmern z Postduktale oder adulte Form
und niedrigem Risiko (ohne Herz- (75 % der Fälle):
klappenprothese) kann die orale 5 Koarktation nach Abgang der lin-
Antikoagulation für Operationen ken A. subclavia
für 1 Woche ohne Heparingabe 5 Männer häufiger betroffen als
unterbrochen werden (Konsensus Frauen
von AHA und ACC) 5 häufige Assoziation (80 %) mit
z Vorhofflimmern und medikamenten- bikuspider Klappe und zerebralen
freisetzender Stent (DES): 2–3 (Clopi- Aneurysmen
dogrel für 9–12 Monate), danach 2–3 5 bei Mädchen häufige Assoziation
(additiv ASS, wenn Thromboserisiko mit Turner-Syndrom
hoch ist) z Paraduktale Form
z Antikoagulation bei schwangeren
Kunstklappenträgerinnen: bei gerin- Klinik
gem Bedarf (<3 mg Phenprocoumon/ z Hypertonie der oberen und Hypo-
Tag → niedriges Embryopathieri- tonie der unteren Körperhälfte →
siko) orale Antikoagulanzien bis zur warme Hände, kalte Füße
36. SSW, anschließend Umstellung z Zeichen der arteriellen Hypertonie:
auf unfraktioniertes Heparin bis zur u. a. Epistaxis, Kopfschmerzen
Entbindung (Sectio empfohlen) sowie z Gegebenenfalls Linksherzinsuffizienz
Heparingabe bis 4–6 h nach der Ent- als Spätsymptom
8 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

z Komplikationen: Aortendissektion/- z Interventionell:


ruptur, Apoplexie, Endokarditis, ma- 5 bei Erwachsenen Therapie der
nifeste Herzinsuffizienz Wahl
5 Methoden: Ballondilatation,
Diagnostik Stenting
z Anamnese und körperliche Untersu- 5 Gefahren: Aortenruptur, Aneurys-
chung: systolische Blutdruckdifferenz mabildung, Thrombosierung, pe-
zwischen linkem und rechtem Arm riinterventionelle Komplikationen
sowie zwischen oberer und unterer z Operativ:
Extremität 5 bei Kindern/Säuglingen Therapie
z Auskultation: der Wahl
5 frühsystolischer Klick 5 Resektion und End-zu-End-Ana-
5 kurzes Mesosystolikum stomose als Ascendodescendosto-
5 lauter 2. Herzton mie
z Bildgebung: 5 Gefahren: Verletzung von N. va-
5 Röntgenuntersuchung des Thorax: gus und N. laryngeus recurrens,
3 Zeichen: Einkerbung der Aorta Paraplegiesymptomatik bei Verlet-
in Höhe der Stenose, Rippenu- zung der A. radicularis magna
suren (A. thoracica interna) der
4.–8. Rippe (ab dem 8. Lebens-
jahr), Epsilon-Zeichen beim Ba- 1.3 Aortenklappeninsuffizienz
riumbreischluck (dilatierte Aorta
ascendens und Kerbe in der äuße- Definition
ren Kontur auf Höhe der Stenose) z Unfähigkeit des Verschlusses der
5 MRT: nichtinvasive Diagnostikum Aortenklappe durch Erkrankungen
der Wahl der Aortenklappensegel und/oder der
z Echokardiographie: linksventrikuläre Aortenwurzel
Hypertrophie, ggf. bikuspide Aorten-
klappendysplasie Ätiologie
z Herzkatheteruntersuchung, Aortogra- z Akute Form: bakterielle Endokarditis
phie: Bestimmung des Druckgradien- (v. a. bei bikuspider Aortenklappe),
ten im Isthmusbereich Aortendissektion Typ A, Trauma,
paravalvuläres Leck einer Aortenklap-
Therapie der postduktalen penprothese oder Spontanrupturen
(häufigen) Coarctatio aortae z Chronische Form (biskuspidal): aor-
z Voraussetzungen: toanuläre Ektasie, rheumatisch, Lues
5 Druckgradient zwischen oberer (Mesaortitis luetica), Degeneration,
und unterer Extremität: >30 mmHg Marfan-Syndrom
5 Einengung: >50 % (CT, MRT)
5 Endorganschäden (z. B. hypertro- Klinik
phe Kardiomyopathie) z Ermüdbarkeit mit Angina-pectoris-
Beschwerden, Dyspnoe, Schwindel
> Je später eine Therapie eingeleitet und Synkopen
wird, desto höher ist die Wahrscheinlich- z Zeichen der großen Blutdruckampli-
keit für eine persistierende Hypertonie. tude bzw. des großen Schlagvolumens:
1.3 · Aortenklappeninsuffizienz 9 1.3
5 pulssynchrones Dröhnen im Kopf durch Behinderung des mitralen
5 Zeichen nach Corrigan: Pulssatio- Bluteinstroms durch das Regurgi-
nen der Karotiden tationsvolumen
5 Zeichen nach Musset: pulssyn- z EKG: Links- bis überdrehter Linkstyp,
chrones Kopfnicken Zeichen der Volumenbelastung (vo-
5 Zeichen nach Quincke: sichtbarer luminöses T, Hochspannung von RS-
Kapillarpuls Komplex und T-Welle)
5 Hill-Phänomen: systolische Blut- z Röntgenuntersuchung des Thorax:
druckerhöhung um >60 mmHg Schuhherz
in der unteren Extremität im Ver- z (Transthorakale) Echokardiographie:
gleich zur oberen 5 Bestimmung der Breite und der
Ausdehnung des Farbdopplerre-
Diagnostik gurgitationsjets im linken Ventri-
z Körperliche Untersuchung: kel während der Diastole
5 Pulsus celer et altus, Karotispuls- 5 Bestimmung der Druckabfallhalb-
kurve mit schnellem Pulsanstieg wertszeit (»pressure half time«,
und fehlender Frank-Inzisur, PHT) durch Anlegen einer Tan-
Wasserhammerpuls (Kollapspuls, gente an das Regurgitationsjetpro-
»Corrigan pulse«: Arm auf Herz- fil
niveau anheben → vermehrter 5 Vena contracta (minimaler proxi-
Rückstrom als heftige Pulsation maler Jetdurchmesser des Regurgi-
spürbar) tationsjets)
5 große Blutdruckamplitude bei 5 Bestimmung von LVEDD und
großem Schlagvolumen, z. B. LVESD
200/20 mmHg 5 proximale Konvergenzmethode:
5 Auskultation beim sitzenden, »proximal isovelocity surface area«
nach vorn gebeugten Patienten: (PISA) mit Berechnung des »effec-
z hochfrequentes Sofortdiastoli- tive regurgitation orifice« (ERO; in
kum als gießendes Decrescendo cm2)
über dem Erb-Punkt (3. ICR 5 »reversed doming« des anterioren
links) z leises, spindelförmiges Mitralklappensegels infolge des
Systolikum: »relative« Aorten- Aortenklappeninsuffizienzjets
klappenstenose z leiser 1. HT, bzw. des regurgitierenden Pendel-
Spaltung des 2. HT z Duroziez- volumens
Zeichen: unter Kompression 5 TEE: bei akuter Insuffizienz sofor-
(leichter Stethoskopdruck) tiger Nachweis/Ausschluss einer
der A. femoralis auslösbares Aortendissektion und endokarditi-
diastolisch-systolisches Geräusch scher Läsionen
z Traube-Zeichen: ohne Kom- z Herzkatheteruntersuchung:
pression der A. femoralis hörbare 5 Koronarangiographie: präoperativ,
diastolisch-systolische Pistolen- zum Ausschluss/Nachweis einer
schussphänomene z Austin-Flint KHK
Geräusch: mitt-/spätdiastolisches 5 Lävokardiographie: Schweregrad-
Herzgeräusch über der Herzspitze: einteilung nach der Kontrastmittel-
»relative« Mitralklappenstenose regurgitationsfraktion (⊡ Tab. 1.2),
10 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

⊡ Tab. 1.2. Einteilung der Aortenklappeninsuffizienz nach ACC/AHA

Schweregrad Herzkatheter- Echokardiographie


untersuchung:
Regurgitations- Druckabfallhalb- Farbdopplerjetbreite
fraktion (Kontrast- wertszeit [ms] (LVOT/V. contracta)
mittelreflux) [%] [%/mm]

I (minimal) <30 (nur LVOT) >500 <25/<3

I–II (leichtgradig) <30 (bis anteriores 350–500 <25/<3


Mitralsegel)

III (mittelgradig) 30–50 (bis Höhe der 200–350 25–65/3–6


Papillarmuskeln)

IV (hochgradig) >50 (bis Herzapex) <200 >65/>6

Die Klassifikation erfolgt im angloamerikanischem Raum typischerweise in leicht-, mittel- und


hochgradig (»mild«, »moderate«, »severe«), dennoch wird aus Praktikabilitätsgründen häufig
eine Einteilung in die Grade I–IV vorgenommen.

Pumpfunktions- und Herzgrößen- sind ungünstig (Diastolenverlän-


bestimmung zur Einschätzung der gerung → Verlängerung des dias-
OP-Indikation tolischen Rückflusses)
5 LVEDP-Erhöhung bei akuter/de- 5 operativ: generell sollte eine links-
kompensierter Aortenklappenin- ventrikuläre Dysfunktion vermie-
suffizienz durch linksventrikuläre den und der Patient rechtzeitig
Volumenbelastung operiert werden; Indikationen:
z alle symptomatischen Patienten
Therapie mit hochgradiger Aortenklappen-
z Asymptomatisch: körperliche Betäti- insuffizienz, unabhängig von der
gung linksventrikulären Pumpfunktion
z Akute Aortenklappeninsuffizienz: z hochgradige Aortenklappen-
5 Vorlastsenkung: z. B. Diuretika insuffizienz plus Indikation zur
und Nitrate Bypass-, Aorten- oder anderen
5 Nachlastsenkung: bei guter Pump- Vitien-OP z asymptomatische
funktion und gutem MAP Nitro- Patienten mit hochgradiger
prusssidnatrium Aortenklappeninsuffizienz und
5 operativer Klappenersatz bei hä- eingeschränkter Pumpfunktion
modynamischer Instabilität (EF: ≤50 %) z asymptomati-
5 eine IABP ist kontraindiziert sche Patienten mit hochgradiger
z Chronische Aortenklappeninsuffizi- Aortenklappeninsuffizienz und
enz: normaler EF (>50 %), jedoch mit
5 konservativ: medikamentöse Zeichen der linksventrikulären
Nachlastsenkung (ACE-Hemmer, Dilatation (LVESD von >55 mm
Kalziumantagonstien); β-Blocker oder LVEDD von >75 mm)
1.4 · Mitralklappenprolaps 11 1.4
1.4 Mitralklappenprolaps Diagnostik
(Barlow-/Klick- oder z Auskultation in Linksseitenlage:
»Floppy-valve«-Syndrom) 5 mesosystolischer Klick (linker
unterer Sternumrand)
Definition 5 spätsystolisches apikales Regurgi-
z Systolische Vorwölbung bzw. ab- tationsgeräusch (»whooping« oder
norme Protrusion eines oder beider »hoking«)
Mitralsegel(s) nach linksatrial wäh- 5 Mitralinsuffizienzsystolikum
rend der Ventrikelsystole mit oder z Echokardiographie:
ohne Insuffizienz 5 Hängemattenphänomen durch
z Mitralklappenprolapssyndrom: Mi- Vorwölben eines oder beider Segel
tralklappenprolaps plus Klinik wie in den linken Vorhof, im apikalen
Rhythmusstörungen oder neurozirku- 4-Kammer-Blick auch als Schwal-
latorische Störungen benform ersichtlich
5 Prolaps eines oder mehrerer Segel
> Beim Mitralklappenprolaps handelt (>2 mm über die Ringebene hin-
es sich um die häufigste Klappenver- aus)
änderung im Erwachsenenalter (häufig 5 Verdickung der Segel auf mindes-
leptosomale Frauen). Nur bei echokar- tens 5 mm
diographischem Nachweis einer Mitral- 5 Farbduplexsonographie: Nachweis
klappeninsuffizienz von >Grad II spricht eines Refluxes
man von einer Erkrankung. 5 Differenzialdiagnose: Sehnen-
fadenabriss (»flail leaflet«)
Ätiologie
z Primär, idiopathisch: myxomatöse Komplikationen
Proliferation des Mitralsegels (meist z Progression der Mitralklappen-
posteriore Segel) insuffizienz
z Sekundär (Sehenfadeninsuffizienz oder z Ruptur von Chordae tendinae
Abriss): z Endokarditis
5 angeboren: Bindegewebestörung z Arterielle Embolien (Emboliequelle
(z. B. Marfan-Syndrom, Ehlers- zwischen posteriorem Segel und
Danlos-Syndrom) linksatrialer Wand: »left atrial angle
5 erworben: KHK, Vorhofseptumde- lesions«)
fekt, Kardiomyopathie, Endokardi- z Plötzlicher Herztod (Inzidenz: 1 %)
tis, Myokarditis
Therapie
Klinik z Asymptomatische Patienten: keine
z Meist Beschwerdefreiheit Behandlung, 5-jährliche Kontrollen
z Palpitationen als Zeichen von Rhyth- z Bei Mitralklappeninsuffizienz: En-
musstörungen dokarditisprophylaxe, Gewichts- und
z Neurologisch: TIA (durch kleine Blutdrucknormalisierung
Embolie), Synkopen z Bei Embolienachweis, gleichzeitig
z Skelettanomalien, Thorax- bestehendem Vorhofflimmern und
deformitäten Alter von <65 Jahren sowie fehlendem
z Pektanginöse Beschwerden Anhalt für Mitralklappeninsuffizi-
12 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

enz und arterielle Hypertonie: ASS z Asthma cardiale (Dyspnoe bei pulmo-
(75–325 mg/Tag) nalvenöser Stauung)
z Bei Embolienachweis, gleichzeitig be-
stehendem Vorhofflimmern und Alter Diagnostik
von >65 Jahren oder gleichzeitig beste- z Inspektion: Facies mitralis (rötlich-
hender Hypertonie: Antikoagulanzien livide Wangen, Teleangiektasien) mit
z Bei Arrhythmien: β-Blocker, ggf. oder ohne Zyanose, Hämoptysen
AICD (fortgeschrittene Stadien)
z Operativ: Transposition der Chordae, z Auskultation in Linksseitenlage:
evtl. Klappenersatz 5 paukender 1. Herzton (laut) als
Ausdruck des Doming-Phäno-
mens
1.5 Mitralklappenstenose 5 Mitralöffnungston (MÖT)
5 diastolisches Decrescendo mit
Ätiologie Fortleitung in die Axilla
z Rheumatisches Fieber (Entwicklung 5 bei schwerer Mitralstenose mit
nach einer Latenzzeit von 10–20 Jah- pulmonaler Hypertonie: u. a. Gra-
ren) ham-Steel Phänomen als Zeichen
z Häufig mit einer Insuffizienz kombi- einer relativen Pulmonalklappen-
niert → kombiniertes Mitralklappen- insuffizienz
vitium z EKG:
5 Vorhofflimmern/Tachyarrhythmia
> Die physiologische Mitralklappen- absoluta
öffnungsfläche beträgt etwa 4–5 cm2. 5 Zeichen der Rechtsherzhyper-
trophie: Sokolow-Lyon Index
Einteilung (RV1 + SV5) von ≥1,05 mV, Steil- bis
⊡ Tabelle 1.3 Rechtstyp, P-sinistroatriale
z Röntgenuntersuchung des Thorax:
Klinik Mitralkonfiguration (stehende Ei-
z Symptome meist erst ab einer MÖF form) mit oder ohne Zeichen der
von <2,5 cm2 pulmonalvenösen Stauung
z Palpitationen, Herzrasen z (Transthorakale) Echokardiographie:
z Embolien (z. B. Apoplexie, Nieren- 5 CW-Doppler: Bestimmung des
infarkte, periphere Embolien) mittleren Druckgradienten und

⊡ Tab. 1.3. Einteilung der Mitralklappenstenose nach ACC/AHA

Graduierung MÖF [cm2] Mittlerer Druckgradient Systolischer Pulmonal-


über der Mitralklappe arteriendruck [mmHg]
[mmHg]
Leichtgradig >1,5 <5 <30
Mittelgradig 1–1,5 5–10 30–50
Hochgradig <1 >10 >50
1.5 · Mitralklappenstenose 13 1.5
der MÖF anhand der Druckabfall- sung (aufwendig); bei Tachykardie/
halbwertszeit (PHT) Vorhofflimmern erschwert (Mittel-
220 wert aus mehreren Messungen →
[ ]
MÖF cm2 =
PHT [ms] bei hoher Herzfrequenz tendenziell
zu hoher Gradient)
5 2D: dilatierter linker Vorhof, klei-
ner linker Ventrikel, Quantifizie- Therapie
rung der Mitralstenose mittels Pla- z Konservativ:
nimetrie (besser TEE), »doming« 5 bei pulmonalvenöser Stauung: Di-
der Mitralsegel uretika
5 M-Mode: M-Muster des vorderen 5 β-Blocker zur Verlängerung der
Mitralsegels aufgehoben (Zeichen Diastolendauer/Füllungsphase
der eingeschränkten Segelbewe- 5 bei Vorhofflimmern: Thromboem-
gung) bolieprophylaxe
5 Dobutaminstressechokardiogra- 5 Endokarditisprophylaxe
phie: dynamische Beurteilung bei z Interventionell (perkutane Mitral-
unklaren Befunden und geringen klappenvalvuloplastie: Sprengung):
Gradienten (mittelgradige Mitral- 5 hohes Rezidivrisiko, risikoreich
klappenstenose), aber ausgepräger (transseptaler Zugang notwendig)
Klinik 5 Indikationen: z symptomatische
z Herzkatheteruntersuchung: Patienten (NYHA-Stadien II–IV)
5 Indikation zur invasiven Diagnos- mit mittel- bis hochgradiger Mi-
tik bei eindeutigen Echobefunden tralklappenstenose und Fehlen
eher zurückhaltend (wenn keine von Kontraindikationen für eine
therapeutische Prozedur geplant Sprengung sowie Fehlen von Vor-
ist) hofthromben z asymptomatische
5 Koronarangiographie: Nachweis/ Patienten mit mittel- bis hochgra-
Ausschluss einer KHK diger Mitralstenose und Vorliegen
5 Bestimmung der MÖF (Gorlin- einer pulmonalen Hypertonie (sys-
Formel): tolischer Pulmonalarteriendruck:
>50 mmHg in Ruhe, >60 mmHg
MÖF = unter Belastung)
HZV z Operativ:
37,7 × diastolische Füllungsperiode × 5 Mitralklappenrekonstruktion
HF × Δp (Kommissurotomie) oder -ersatz
5 Faustregel: »repair if possible«
5 Bestimmung des diastolischen, 5 Indikationen: symptomatische
mittleren Druckgradienten mittels Patienten (NYHA-Stadien III–IV)
Planimetrie der LA-LV-Kurve: si- mit mittel- bis hochgradiger
multane Druckmessungen ohne/ Mitralklappenstenose und Kont-
mit Belastung (»hand grip«) zwi- raindikationen für eine perkutane
schen linkem Atrium (etwa PCWP; Mitralklappenvalvuloplastie oder
Rechtsherzkatheter) und linkem gleichzeitig bestehender mittel- bis
Ventrikel (Linksherzkatheter) oder hochgradiger Mitralklappeninsuf-
transseptale linksatriale Druckmes- fizienz
14 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

1.6 Mitralklappeninsuffizienz > Die Lautstärke des Auskultationsbe-


funds ist nicht mit dem Schweregrad des
Ätiologie Vitiums assoziiert.
z Akute Mitralklappeninsuffizienz:
5 akuter Myokardinfarkt mit Papil- z Röntgenuntersuchung des Thorax:
larsehnendysfunktion oder Abriss Vergrößerung von linkem Vorhof
5 infektiöse oder rheumatische En- und linkem Ventrikel (mitralkonfi-
dokarditis guriertes Herz), ggf. pulmonalvenöse
5 spontane Chordaeruptur Stauung
5 Thoraxtrauma z EKG: Linksherzbelastungszeichen, Ta-
z Chronische Mitralklappeninsuffizienz: chyarrhythmia absoluta, ggf. P-mitrale
5 rheumatische oder bakterielle En- z (Transthorakale) Echokardiographie
dokarditis (bei fraglichem Befund: TEE):
5 Barlow-Syndrom (degenerativ, 5 Klappenmorphologie, Verkal-
myxomatöse Veränderung der Se- kung, Segmenteinteilung der
gel) Mitralklappe nach Carpentier:
5 Postmyokardinfarktdilatation des z A1–A3: anteriores Mitralsegel
linken Ventrikels → ischämische z P1–P3: posteriores Mitralsegel
Kardiomyopathie z Mitralklappenringdurchmes-
5 dilatative Kardiomyopathie durch ser z Größe des linken Vorhofs
Gefügedilatation → funktionelle z LVEDD z pulmonalarterieller
Mitralklappeninsuffizienz Druck
5 angeboren: Marfan- oder Ehlers- 5 Bestimmung der Breite des Ref-
Danlos Syndrom luxsignals (V. contracta: minimaler
5 vorangegangene Kommissurotomie proximaler Durchmesser des Re-
gurgitationsjets)
Klinik 5 proximale Konvergenzmethode:
z Reduzierte Leistungsfähigkeit, Palpita- »proximal isovelocity surface area«
tionen (PISA) mit Berechnung des »effec-
z Dyspnoe, Asthma cardiale (besonders tive regurgitation orifice« (ERO; in
nachts) bis hin zum Lungenödem cm2; bei exzentrischen Jets fehler-
z Gegebenenfalls Symptome einer peri- anfällig)
pheren arteriellen Embolie 5 linksatrialer Insuffizienzjet (exzen-
trisch oder zentral)
Diagnostik 5 Pulmonalvenendoppler: Reflux in
z Auskultation: Pulmonalvenen bei hochgradiger
5 leiser 1. Herzton → 1. und 2. Herz- Insuffizienz
ton oft nicht abgrenzbar 5 Stressechokardiographie bei asym-
5 bei Volumenbelastung: 3. Herzton ptomatischer Mitralklappeninsuf-
als Füllungston während der frühen fizienz zur Demaskierung einer
Diastole linksventrikulären Dysfunktion
5 hochfrequentes, bandförmiges Ho- z Linksherzkatheteruntersuchung:
losystolikum über dem Erb-Punkt 5 Koronarangiographie: Nachweis/
mit Fortleitung in Axilla und Rü- Ausschluss einer begleitenden
cken KHK
1.6 · Mitralklappeninsuffizienz 15 1.6
5 Lävokardiographie: Einteilung bzw.
nach der Regurgitationsfraktion
(⊡ Tab. 1.4) Regurgitationsvolumen
RF =
5 Berechnung der Regurgitations- totales Schlagvolumen
fraktion (RF):
SV (angiographisch gemessen)  SV 5 prominente v-Welle in PCWP-
(nach dem Fick-Prinzip gemessen) Kurve bei Sinusrhythmus durch
RF = Reflux (unspezifisch)
SV (angiographisch gemessen)

⊡ Tab. 1.4. Einteilung der Mitralklappeninsuffizienz nach AHA

Parameter Stadien

I (minimal) I–II (leicht- III (mittel- IV (hoch-


gradig) gradig) gradig)

Linksatriale Größe [mm] ≤40 ≤40 >40 >40

LVEDD Normal Normal Normal bis Normal bis


dilatiert dilatiert

Farbdopplerjetfläche [cm2] <4 <4 4–8 >8

Quotient aus Jetfläche und <0,2 <0,2 0,2–0,4 >0,4


linksatrialer Größe

Verhältnis von Jet- zu links- <1/3 <1/3 1/3–2/3 >2/3


atrialer Länge

Basale Jetbreite <0,3 <0,3 0,3–0,69 ≥0,7


(V. contracta) [cm]

Regurgitationsvolumen <30 <30 30–59 ≥60


[ml/Schlag]

Regurgitationsfraktion [%] <30 <30 30–49 ≥50

Regurgitationsöffnung <0,2 <0,2 0,2–0,39 ≥0,4


[cm2]

Linksatriale Kontrastierung <20 (keine 20–40 (kom- 40–60 >60 (kom-


[%] komplette plette, aber (komplette, plette
Kontrastie- schwache gleichmä- Kontrastie-
rung) Kontrastie- ßige Kontras- rung nach
rung nach tierung nach 1 Schlag)
>3 Schlägen) <3 Schlägen)

Einteilung der Schweregrade in gering-, mittel- und schwergradig im angloamerikanischen


Raum; echokardiographische Einteilung typischer als angiographische
16 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

Therapie peninsuffizienz und moderater


z Akute Mitralklappeninsuffizienz: linksventrikulärer Dysfunktion
5 Behandlung des Lungenödems: (EF: <60 %) und/oder LVESD
Nitrate, Schleifendiuretika von >45 mm z asymptomati-
5 Nachlastsenkung bei guter Pump- sche Patienten mit hochgradiger
funktion und gutem MAP: Nitro- Mitralklappeninsuffizienz und
prussidnatrium normaler Pumpfunktion und/
5 ggf. Beatmung mit hohem PEEP oder LVESD von <40 mm plus
(>10 mmHg) neu auftretendes Vorhofflimmern
5 ggf. IABP bei kardiogenem oder Vorliegen einer pulmonalen
Schock Hypertonie (systolischer Pulmo-
5 nach Stabilisierung des Patienten: nalarteriendruck: >50 mmHg in
TEE (genaue Beurteilung des Ruhe, >60 mmHg unter Belas-
Mitralvitiums), TTE (Beurteilung tung)
der Aortenklappe), Koronaran- 5 Eine dilatativ bedingte, »relative«
giographie (keine Lävokardi- Mitralklappeninsuffizienz (z. B.
ographie), kardiochirurgische DCM) bei schlechter Pump-
»Sofortvorstellung« (Klasse-I- funktion (EF <30 % und LVESD
Empfehlung) >55 mm) hat ein fragliches »out-
z Chronische Mitralklappen- come«, da sich der Ventrikel nicht
insuffizienz: erholt
5 Herzinsuffizienzbehandlung z Interventionell (meist nur in Studien-
5 Nachlastsenkung, z. B. Behand- zentren):
lung einer arteriellen Hyperto- 5 mit Anuloplastie: Anuloplastie
nie über den Koronarsinus bzw. die
5 bei Vorhofflimmern: Thrombo- Koronarsinusäste → transfemorale
embolieprophylaxe Implantation von Ringdevices
5 Endokarditisprophylaxe (Monarc) unter (3D-)-TEE-Kont-
5 bei hochgradiger, unter medika- rolle
mentöser Therapie asymptoma- 5 ohne Anuloplastie: transfemorales
tischer Mitralklappeninsuffizienz »Edge-to-edge«-Clipping (z. B.
mit guter Pumpfunktion (EF) MitraClip) der insuffizienten Se-
sowie normalem LVESD: lediglich gelteile nach der Alfieri-Technik
Beobachtung (EVEREST-Studie); durch Fi-
z Operativ: xierung der Mitralklappensegel
5 Mitralklappenrekonstruktion entsteht eine Mitralklappe mit
(1. Wahl) oder -ersatz 2 Öffnungen, wodurch das Aus-
5 Indikationen: z symptomatische maß der Mitralklappeninsuffizienz
Patienten mit hochgradiger reduziert wird
Mitralklappeninsuffizienz
(NYHA-Stadien II–IV) und ! Bei Mitral- und Aortenklappeninsuf-
normaler Pumpfunktion und/ fizienz vorsichtige Gabe von β-Blockern
oder LVESD von <55 mm (sonst Refluxsteigerung durch Diastolen-
z asymptomatische Patienten verlängerung bzw. Zunahme des Regur-
mit hochgradiger Mitralklap- gitationsvolumens)
1.7 · Vorhof-(Atrium-)Septumdefekt (ASD) 17 1.7
1.7 Vorhof-(Atrium-) 5 Zeichen der Rechtsherzbelastung
Septumdefekt (ASD) 5 selten paradoxe Embolien bei
Shuntumkehr (Links-rechts-Shunt
Definition → Rechts-links-Shunt)
z Verbindung zwischen rechtem und
linkem Atrium mit Volumenbelastung Diagnostik
des rechten Herzens z Auskultation:
5 spindelförmiges Systolikum über
Einteilung der Pulmonalklappe (relative Ste-
z Ostium-secundum-Defekt (ASD II; nose durch Volumenbelastung)
70–80 % der Fälle): zentraler (Fossa- 5 fixierte, atemunabhängige Spal-
ovalis-)Defekt; häufig mit Rechtstyp tung des 2. Herztons
und Rechtsschenkelblock assoziiert z EKG:
z Ostium-primum-Defekt (ASD I): 5 Rechtsschenkelblock und
5 atrioventrikulärer Septumdefekt auf Rechtstyp: ASD II
atrialer oder ventrikulärer Ebene 5 Linkstyp: ASD I
5 zählt zu den Endokardkissen- 5 supraventrikuläre Arrhythmien
defekten (Vorhofflattern, -flimmern)
5 Assoziation mit Trisomie 21 sowie z (Transthorakale) Echokardiographie
häufig mit Linkstyp bis überdreh- (2D- und Kontrastmittelechokardio-
tem Linkstyp graphie):
5 Sonderformen: komplexer, tiefer 5 Rechtsherzbelastungszeichen:
ASD I, atrioventrikulärer Septum- rechtsventrikuläre Dilatation, para-
defekt doxe Septumbewegung
z Oberer Sinus-venosus-Defekt mit 5 bei Verdacht: (Kontrastmittel-)TTE
Lungenvenenfehlmündung in den und TEE
rechten Vorhof 5 venöse Kontrastechokardiographie:
z Unterer Sinus-venosus- oder Koro- i. v. Injektion von 10–20 ml Gela-
narvenensinusdefekt tine 3–5 % (Gelifundol) oder ggf.
z Persistierende Foramen ovale (PFO) Gabe von geschütteltem Albumin
z Lutembacher-Syndrom: ASD II plus (teuer) bzw. von 0,9%iger NaCl-
Mitralstenose Lösung (günstiger) unter Valsalva-
z Monoatrium ohne Vorhofseptum Manöver/Husten: z normaler-
(selten) weise werden die Mikrobläschen
im kapillaren Lungenstrombett
Klinik aufgefangen, d. h. keine »bubbles«
> Hinweise auf Vorhofseptumdefekt: im linken Atrium oder Ventrikel
z Systolikum während der ersten 10 Herzschläge
z Lungengefäßzeichnung (danach durch pulmonalarteri-
z Inkompletter oder kompletter Rechts- elle Shunts vereinzelt möglich);
schenkelblock nicht pathognomisch z positi-
ver Echokontrast: Übertritt von
z In Abhängigkeit vom Shuntvolumen: Echokontrastmittel nach links bei
5 gehäuft bronchopulmonale Infekte Rechts-links-Shunt z negativer
5 Dyspnoe Echokontrast: Verdrängung von
18 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

Kontrastmittel im rechten Atrium 1.8 Persistierendes Foramen


durch das kontrastfreie einströ- ovale (PFO)
mende Blut vom linken Atrium bei
Links-rechts-Shunt (Auswaschphä- Definition
nomen) z Noch offener bzw. bei erhöhtem
5 TEE: direkte Darstellung des De- rechtsatrialen Druck sich öffnender
fektes → detailierte Beschreibung Rechts-links-Shunt; etwa 25 % der
von Defektgröße und -lage (ggf. Fälle im Erwachsenenalter
3D-Rekonstruktion) sowie Beurtei- z Im Zusammenhang mit einem PFO
lung von Lungenvenen und Koro- ist das Vorliegen eines Vorhofseptu-
narvenensinus maneurysmas (Aussackung des Sep-
z Rechtsherzkatheterisierung: Quantifi- tum primum: echokardiographisch
zierung von Shunts und Bestimmung Auslenkung des atrialen Septums um
des pulmonalarteriellen Drucks >10 mm) für die weitere Therapie re-
(Sauerstoffsättigungssprung auf Vor- levant
hofebene bei Links-rechts-Shunt, ggf.
pulmonale Hypertonie) Klinik und Diagnostik
z MRT: direkte Darstellung des Defekts z Im Gegensatz zum ASD meist kein
inklusive der Lungenvenen hämodynamisch wirksamer Shunt →
keine Dyspnoe, keine Rechtsherzbe-
Therapie lastungszeichen
z Indikationen: z Junge Patienten mir peripherer oder
5 rechtsventrikuläre Volumen- zentraler Embolie (meist TIA, PRIND,
belastung (Qs/Qp: >1,5–2) Apoplexie) ohne typische Risikokon-
5 hohes (Rezidiv-)Risiko für para- stellation oder manifeste periphere
doxe Embolien Sklerose
5 Ausschluss einer fixierten pul- z Gelegentlich typische Pathophysio-
monalen Hypertonie; bei deren logie: Apoplexie nach rechtsatrialer
Vorliegen (Eisenmenger-Reaktion) Druckerhöhung (z. B. Husten, Obsti-
mit hohem pulmonalen Wider- pation) und gleichzeitiger Nachweis
stand (>7 WE/m2) besteht nach einer tiefen Beinvenenthrombose
ASD-Verschluss die Gefahr eines z PFO-Nachweis nur in Verbindung
Rechtsherzversagens mit einem kryptogenem Schlaganfall
z Interventionell: relevant; möglicherweise bei Berufs-
5 Schirmchen, Okkludersysteme tauchern wichtig
(z. B. ASDOS-, Amplatzer-, Helex- z Echokardiographie:
Device) 5 TTE (apikaler, subkostaler 4-Kam-
5 Voraussetzung: ausreichende mer-Blick): bei guten Schallbedin-
Verankerungsmöglichkeiten des gungen; atriales Septum mit beiden
Schirmchens am Restseptum Vorhöfen muss sichtbar sein, z. B.
z Operativ; Indikationen: sehr große epigastrischer Schnitt mit venösem
oder multiple (Membrana-cribrosa-) Kontrastmittel unter Valsalva-
Defekte (Links-rechts-Shunt: >30 % des Manöver; positiv, wenn während
Herzzeitvolumens), Lungenvenenfehl- der ersten 3 Herzaktionen Bläschen
mündungen (Sinus-venosus-Defekte) zu sehen sind
1.9 · Ventrikelseptumdefekt (VSD) 19 1.9
⊡ Tab. 1.5. Einteilung der Pulmonalklappenstenose nach ACC/AHA

Schweregrad Geschwindigkeit PÖF [cm2] Druckgradient über


[m/s] der Pulmonalklappe
[mmHg]

Minimal <3 Unbedeutend <25


verkleinert

Leichtgradig <3 <1 <36

Mittelgradig 3–4 0,5–1 36–60

Hochgradig >4 <0,5 >60

5 TEE: bei unklarem Befund (Inter- 1.9 Ventrikelseptumdefekt


ventionsplanung) (VSD)

Therapie > Häufigster angeborener Herzfehler im


z Indikationen für einen PFO-Ver- Kindesalter
schluss: uneinheitlich (inkonsistente z Zweithäufigster angeborener Herzfeh-
Datenlage) ler im Erwachsenenalter (nach ASD II;
z Mögliche Indikationen: ein relevanter VSD beim – westeuropä-
5 rezidivierende paradoxe Embolien ischen – Erwachsenen ist jedoch meist
durch ein vorhandenes PFO auf einen Herzinfarkt zurückzuführen)
5 Vorliegen eines Vorhofseptuma-
neurysmas Einteilung
5 Kontraindikation gegen orale Anti- z Morphologisch/antomisch:
koagulation 5 perimembranös (75 %): unterhalb
von Aortenklappe und septalem
> Ausschluss anderer Ursachen für einen Segel der Trikuspidalklappe, in der
Schlaganfall bzw. dessen Vorläufer (Aor- Nähe des intraseptalen His-Bündels
tenplaques, Veränderungen in den Karo- 5 subpulmonal/infundibulär
tiden, Vorhofflimmern, Vorhofmyxom etc.) (<10 %): enge Nachbarschaft
zur Pulmonalklappe bzw. zum
z Herzkatheterisierung: interventionel- rechtsventriklären »outlet«; häufig
ler Verschluss durch Amplatzer- oder mit Prolaps der rechtskoronaren
Helex-Device, danach ASS/Clopido- Tasche der Aortenklappe (Aorten-
grel für 3 Monate (Endothelialisie- insuffizienz) assoziiert
rung; ASS lebenslang sinnvoll, jedoch 5 muskulärer Typ (<10 %): oft spon-
keine generelle Empfehlung); Endo- taner Verschluss; gelegentliche
karditisprophylaxe für 6 Monate multiple Defekte im muskulärem
z Alternativ: Phenprocoumon (Mar- Septum (»swiss cheese«); erwor-
cumar) lebenslang (in Studien nicht ben, meist nach Myokardinfarkt
signifkant unterschiedliche Ergebnisse 5 AV-Kanal-Typ (5%): in der Nähe
im Vergleich zum Verschluss) des AV-Knotens; meist Kombi-
20 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

nation mit weiteren Defekten z Bei irreversiblen Folgeschäden


(ASD I) (Eisenmenger-Reaktion) mit pulmo-
z Hämodynamisch: naler Hypertonie (>7 WE/m2) ohne
5 kleiner, drucktrennender VSD Drucksenkung durch Vasodilatanzien
(Morbus Roger): z Defektgröße: ist ein Verschluss nicht indiziert →
<0,5 cm2/m2 KÖF z Shuntgröße: ggf. Herz-Lungen-Transplantation als
Qp/Qs <1,5 z Links-rechts- Ultima Ratio
Shunt: <30 % z Klinik: asympto- z Interventionell mittels Okkludersyste-
matisch men (Amplatzer, Cardioseal, Nitinol-
5 mittelgrosser, druckreduzieren- spirale); Voraussetzung: ausreichende
der VSD: z Defektgröße: 0,5– Echokardiographiequalität mit Beur-
1,0 cm2/m2 KÖF z Shuntgröße: teilung der Abstände zu den Klappen
Qp/Qs 1,5–2 z Links-rechts- (v. a. bei perimembranösen Defekten:
Shunt: 30–50 % z Klinik: symp- Abstände zu Aorten- und Trikuspidal-
tomatisch, pulmonale Plethora klappe)
5 großer, druckausgleichender z Operativ (häufige Indikation): Direkt-
VSD: z Defektgröße: >1,0 cm2/ naht oder Patch-Verschluss
m2 KÖF z Shuntgröße: Qp/Qs z Endokarditisprophylaxe:
>2 z Links-rechts-Shunt: >50 % 5 >6 Monate nach Verschluss ohne
z Druckausgleich zwischen rech- Restshunt: keine Empfehlung
tem und linkem Ventrikel nur bei 5 bei Restshunt: Empfehlung
Persistenz des pulmonalen Wi-
derstands (>7 WE) z Klinik: Be-
lastungsdyspnoe, eingeschränkte
Belastbarkeit 1.10 Pulmonalklappenstenose

Klinik und Diagnostik Ätiologie


z Kleine Defekte: meist asymptomatisch z Angeboren: dysplastische Klappe
(Morbus Roger) (häufiges kongenitales Vitium)
z Große Defekte: meist symptomatisch: z Erworben: i. v. Drogenabusus,
5 Tachypnoe, Tachykardie Hedinger-Syndrom (Karzinoid)
5 Schwitzen
5 Trinkschwierigkeiten, Gedeihstill- Einteilung
stand z ⊡ Tab. 1.5
5 Neigung zu pulmonalen Infekten z Valvulär: bikuspidale Klappe
5 Hepatomegalie (häufig)
z Auskultatorischer Befund: besonders z Subvalvulär oder infundibulär:
lautes »Pressstrahlsystolikum« bei häufig angeboren, Bestandteil der
kleinem VSD als Roger-Geräusch Fallot-Tetralogie
(»viel Lärm um nichts«) z Supravalvulär: selten; Assoziation
mit kardialen Defekten (ASD, VSD)
Therapie
z Jeder hämodynamisch relevante VSD Klinik
sollte verschlossen werden, insbeson- z Belastungsdyspnoe (vermindertes
dere ab Qp/Qs >2 HZV)
1.11 · Shunts 21 1.11
z Zyanose bei schweren Fällen (bei 1.11 Shunts
Rechts-links-Shunt auf Vorhofebene)
Einteilung
Diagnostik z Auf Lungenebene (intrapulmonaler
z Auskultation: Systolikum im 2. ICR Rechts-links-Shunt)
links, Spaltung des 2. Herztons z Auf Vorhofebene
(fixiert, atemunabhängig) z Auf Ventrikelebene
z EKG: z Auf Duktusebene
5 Zeichen der Rechtsherzhypertro-
phie (konzentrische Druckhyper-
trophie) Shunttypen
5 Rechtslagetyp, Rechtsschenkel- z Links-rechts-Shunt (55 %):
block
5 ASD
z Echokardiographie: 5 VSD
5 systolische Domstellung der 5 persistierender Ductus arteriosus
stenosierten Klappensegel Botalli oder »silent« Ductus arteriosus
5 Bestimmung des Druckgradien- Botalli
ten über der Pulmonalklappe
z Rechts-links Shunt mit zentraler
z Rechtsherzkatheterisierung: Zyanose (45 %):
5 Druckgradient zwischen Pulmo- 5 mit verminderter Lungenper-
nalarterie und rechtsventrikulärem fusion: z Fallot-Tetralogie
Ausflusstrakt: Schweregraduierung
z Pulmonalklappenstenose/-atresie
(mittlerer, maximaler instantaner mit ASD z Trikuspidalklappenat-
und »Peak-to-peak«-Druckgradi- resie mit ASD z Ebstein-Anomalie
ent) (septales Segel der Trikuspidalklappe
5 intraventrikulärer Druckgradient im rechten Ventrikel bzw. septales
bei Infundibulumstenosen (d. h. Segel mit rechtsventrikulärem
bei ausgeprägter rechtsventrikulä- Myokard verschmolzen bzw. Atri-
rer Hypertrophie können verdickte alisierung eines Teiles des rechtes
Muskelbündel zu einer subvalvulä- Ventrikels)
ren Einengung führen)
5 mit vermehrter Lungenperfusion:
z totale Lungenvenenfehlmündung
Therapie
z Truncus arteriosus communis
z Ballonvalvuloplastie: z Transposition der großen Gefäße:
5 Therapie der Wahl D-Typ (»switch« von Aorta und
5 Indikationen: z symptomati- Pulmonalarterie, ventrikuloarterielle
scher Patient mit Druckgradient Diskordanz, zyanotisches Vitium),
über der Pulmonalklappe von L-Typ (das rechte Atrium ist mit
>30 mmHg z asymptomatischer dem linken Ventrikel und das linke
Patient mit Druckgradient von Atrium mit dem rechten Ventri-
>40 mmHg z individuelle Ent- kel verbunden; atrioventrikuläre
scheidung bei Druckgradient von Diskordanz; nichtzyanotischer
30–40 mmHg Herzfehler)
z Operation: als Ultima Ratio oder bei
dysplastischen Klappen
22 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

Shuntvolumenbestimmung und terielle Sauerstoffgehalt, CpvO2 der


-berechnung (peripher-)venöse Sauerstoffgehalt,
z Definition: Anteil des HZV, welcher FiO2 die inspiratorische Sauerstoff-
nicht am pulmonalen Gasaustausch fraktion, Patm der Atmosphärendruck,
teilnimmt (Perfusion ohne Ventila- PH2O der Wasserdruck, PaCO2 der ar-
tion) terielle Kohlendioxidpartialdruck,
z Voraussetzung: Pulmonaliskatheter PaO2 der arterielle Sauerstoffpartial-
oder mindestens ZVK und Kanülie- druck, PAO2 der alveoläre Sauerstoff-
rung einer peripheren Arterie, Herz- partialdruck, PiO2 der inspiratorisch
katheter (BGA-Proben aus verschie- gemessene Sauerstoffpartialdruck,
denen Herzetagen, sog. Oxymetrie- SaO2 die arterielle Sauerstoffsättigung,
Run) ScvO2 die zentralvenöse Sättigung
z Berechnung: Fick-Prinzip und Formel (mitttels ZVK gemessen), SPAO2 die
nach Berggren Sauerstoffsättigung in der Pulmo-
z Normwert: 3–8 % nalarterie und VO2 der Sauerstoffver-
z Bedeutsam: >20 % brauch.
z Shunt Qs/Qp (Fick-Gleichung):
VO2 1.12 Fallot-Tetralogie
systemische Perfusion C a O2 − C c O2
=
pulmonale Perfusion VO2 Ätiologie
Cpv O2 − C pa O2
z Mutation des Transkriptionsfaktors
z Shuntvolumen in Prozent: NKX 2.5
S O − Sc O2 z Assoziation mit Chromosom-22-
Shuntvolumen = PA 2 q11-Deletion (CATCH 22: »cardiac
S a O 2 − S c O2
anomaly«, »abnormal face«, »thymus
z Faustformel: hypoplasia«, »cleft palate«, »hypo-
calcaemia«, »22 chromosome« als
Qs A a DO2
= Kardinalsymptome des Chromosom-
Qt 20
22q11-Deletion-Syndroms)
AaDO2 = PAO2 – PaO2
Definition
z Alveolargasgleichung: z Subvalvuläre Pulmonalstenose bzw.
Obstruktion des rechtsventrikulären
P CO
PAO2 = Pi O2 − a 2 Ausflusstrakts (bestimmt den Schwe-
RQ
regrad bzw. die Größe des Rechts-
PiO2 = (Patm – PH2O) × FiO2 oder links-Shunts)
(760–47) × FiO2 z VSD: hochsitzend, groß, druckausglei-
chend
Dabei ist AaDO2 die alveoloarterielle z Reitende Aorta als Folge einer Dextro-
Sauerstoffpartialdruckdifferenz, CaO2 position
der arterielle Sauerstoffgehalt, CcO2 z Rechtsventrikuläre Hypertrophie
der pulmonalkapilläre Sauerstoffge-
halt, CcvO2 der (zentral-)venöse Sau- > Bei der Fallot-Tetralogie besteht die
erstoffgehalt, CpaO2 der (peripher-)ar- Gefahr hypoxämischer Anfälle, die bei
1.13 · Persistierender Ductus arteriosus Botalli 23 1.13
Kontraktion des muskulären Infundibu- 1.13 Persistierender Ductus
lums unter Belastung und/oder bei Auf- arteriosus Botalli (PDA;
regung ausgelöst werden können (heute Ductus arteriosus apertus)
selten, da frühzeitige Korrekturoperation
angestrebt wird). Definition
z Persistierende Kurzschlussverbindung
Klinik zwischen A. pulmonalis und Aorta
z Zentrale Zyanose (Konzentration descendens
des desoxygenierten Hb: >5 g/dl) mit
Trommelschlegelfingern, Uhrglasnä- Hämodynamische Einteilung
gel, Gingivahyperplasie, Polyglobulie z Kleiner, drucktrennender PDA
als Ausdruck der Hypoxämie und z Mittelgroßer, druckreduzierender
körperlicher Entwicklungsverzöge- PDA
rung z Großer, druckausgleichender PDA
z Hockstellung zur Erhöhung des
SVR mit Reduktion des Rechts-links- Klinik
Shunts z Kleiner Links-rechts-Shunt: Be-
schwerdefreiheit; Gefahr von Endarte-
Diagnostik riitiden und septischen Embolien
z Auskultation: systolisches Pulmonal- z Großer Links-rechts-Shunt (ähnlich
stenosegeräusch (3./4. ICR links) einem großen VSD): Zeichen der
z EKG: Rechtstyp, Rechtsschenkelblock, Linksherzinsuffizienz, Trinkschwäche,
Rechtsherzhypertrophie, ggf. rechts- Herzbuckel, Gedeihstörung, Neigung
ventrikuläre Ausflusstrakt-Reentry- zu pulmonalen Infekten
Tachykardien
z Echokardiographie: Zeichen der Diagnostik
rechtsventrikulären Ausflusstrakt- z Körperliche Untersuchung:
obstruktion 5 Pulsus celer et altus (schnell und
z Bildgebung: MRT und ggf. Röntgen- hochamplitudig) als Ausdruck
untersuchung des Thorax (Holzschuh- einer großen Blutdruckamplitude
herz, verminderte Lungenzeichnung) (wie bei Aortenklappeninsuffizi-
enz)
Therapie 5 systolisch-diastolisches »Maschi-
z Korrektur-OP (bereits in den ersten nengeräusch« im 2. ICR links und
Lebensmonaten): Pulmonalklappen- zwischen den Schulterblättern
rekonstruktion, Resektion der steno- z EKG: unspezifisch, ggf. Links- oder
sierenden subvalvulären Muskulatur Rechtsherzbelastungszeichen
und/oder infundibuläre Patch-Erwei- z Echokardiographie: Darstellung para-
terung doxer Flüsse in Richtung Pulmonal-
z Gegebenenfalls Blalock-Taussig-Shunt klappe
(Anastomose zwischen A. subclavia z Rechtskatheterisierung:
und A. pulmonalis) 5 Sauerstoffpartialdruckdifferenz,
z Eventuell Waterson-Cooley- bzw. Sauerstoffsättigungssprung zwi-
Pott-Shunt (aortopulmonalarterielle schen rechtem Ventrikel und Pul-
Anastomose) monalarterie
24 Kapitel 1 · Herzklappenfehler und angeborene Herzfehler

5 Shuntvolumenbestimmung
und Messung des pulmonalen
Gefäßwiderstands (PVR; ≥150–
250 dyn × s × cm–5 oder ≥2–3 WE):

mPAP − PCWP
PVR =
HZV

Therapie

Indikationen zum Verschluss eines PDA


z Hinweise auf beginnende Volumenbelas-
tung (linksatriale Dilatation, LVEDD von
>60 mm)
z Manifeste Herzinsuffizienz durch Volu-
menüberlastung
z Aneurysma des PDA
z Verkalkter PDA (präferenziell interventio-
neller Verschluss, z. B. mittels Schirmchen)
z Moderate pulmonale Hypertonie ohne
sekundäre Fixierung (Eisenmenger)
z Endarteriitis bzw. hohes Risiko für eine
Endarteriits bei kleinen Defekten
Therapie nur bei hämodynamischer Rele-
vanz → kein routinemäßiger Verschluss

z PVR <10 WE:


5 individuelle Entscheidung
5 interventionell: Katheterokklusion
mittels Metall-(Nitidol-)Spirale
oder Okkluder
5 operativ: Ligatur und Durchtren-
nung (»clamp and divide«)
5 Verschluss im frühen Kindesalter
→ günstige Prognose
5 Verschluss im Erwachsenenalter
oder bei großem Shunt → un-
günstige Prognose
z PVR >10 WE (pulmonale Hypertonie,
Eisenmenger-Reaktion)
5 inoperabel
5 konservative Therapie (z. B. Bo-
sentan)
5 ggf. Lungentransplantation
Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK) 25 2

> Koronare Herzkrankheit


(KHK)
G. Michels, T. Schneider

Definition 5 Hyperfibrinogenämie (>300 mg/dl)


z Manifestation der Atherosklerose an 5 Homocysteinämie
den Herzkranzarterien 5 Antiphospholipidantikörper
z Unterscheidung: 5 genetisch bedingte Gewebeplasmino-
5 stabile KHK genaktivatordefekte
5 instabile KHK (sog. akute Koro- 5 Bewegungsmangel
narsyndrome;  Kap. 3) 5 negativer Stress

Epidemiologie
z Inzidenz: steigt mit zunehmenden Klinik
Lebensalter z Typische Angina pectoris:
z Häufigste Todesursache in den Indus- 5 retrosternale Schmerzen
trieländern 5 Auslösbarkeit durch Belastung
5 nitropositive Beschwerden
Pathophysiologie z Atypische Angina pectoris: nur 2 Kri-
terien erfüllt

Risikofaktoren der koronaren Herz-


krankheit Einteilung der stabilen Angina pectoris
z Hauptrisikofaktoren: nach der Canadian Cardiovascular Society
5 Hypercholesterinämie, Hyperlipopro- z Grad I: keine Angina bei normaler
teinämie, Dyslipoproteinämie Belastung, nur bei Extrembelastung
5 arterielle Hypertonie z Grad II: geringe Einschränkung bei
5 Diabetes mellitus normalen Tätigkeiten
5 Nikotinabusus z Grad III: deutliche Einschränkung der
5 familiäre/genetische Disposition (Le- Leistungsfähigkeit
bensalter und männliches Geschlecht) z Grad IV: Angina pectoris bei jeder
z Nebenrisikofaktoren: Belastung
5 metabolisches Syndrom
5 stammbetonte Adipositas
5 Leberverfettung Diagnostik
5 Hyperurikämie z Anamnese und körperliche Untersu-
5 erhöhter Lipoprotein-(a-)Spiegel chung
26 Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK)

z Labordiagnostik: 5 Methoden: ergometrisch oder


5 Herzenzymaktivitäten (Ausschluss pharmakologisch (Dobutamin)
eines primär akuten Geschehens) z Beurteilung der Myokardperfusion:
5 Elektrolytwerte 5 qualitative Ischämiediagnostik
5 Blutzuckerspiegel, HbA1c-Wert mittels Szintigraphie (SPECT-Tech-
5 Nierenwerte nik): Myokardszintigraphie mit
5 Schilddrüsenwerte Thallium-201 oder Radionuklid-
5 kleines Blutbild ventrikulographie mit 99mTechneti-
5 Lipidprofil (LDL-, HDL-, Trigly- um-Albumin (9- oder 12-Segment-
zerid- und Cholesterinspiegel) Modell des linken Ventrikels)
z EKG: 5 quantitative Vitalitätsdiagnos-
5 Ruhe-EKG: z. B. Q-Zacken als tik mittels PET mit Fluor-18-
Zeichen eines abgelaufenen Myo- markierter Glukose, 13NH3 und
kardinfarkts, ST-Strecken- und H215O (⊡ Tab. 2.1; akinetisches,
T-Wellen-Veränderungen minderperfundiertes Myokard
5 Belastungs-EKG (Ergometrie; als Myokard im Winterschlaf:
s. unten): horizontal oder deszen- »hibernating myocardium«; re-
dierende ST-Strecken-Senkungen perfundiertes, vitales, jedoch noch
in den Brustwand- (>0,2 mV) bzw. hypo- bis akinetisches Myokard:
in den Extremitätenableitungen »stunned myocardium«)
(>0,1 mV) als Zeichen einer Ischä-
mie > Patienten ohne oder mit nur geringer
Ischämie (≤10 %) profitieren nicht von
> Ein unauffälliger ergometrischer einer Revaskularisation.
Befund schließt eine KHK nicht aus.
z Linksherzkatheteruntersuchung:
5 Langzeit-EKG zur Dokumenta- 5 selektive Koronarangiographie mit
tion stummer und nächtlicher oder ohne Lävographie
Ischämien (Angina decubitus); 5 Beurteilung: Stenosen, Kollatera-
»1 × 1 × 1 nach Cohn«: z transi- len, Spasmen, intramyokardiale
torische ST-Strecken-Senkung für Muskelbrücken, Fistelbildung
>1 min z ST-Strecken-Senkung (mit Drainage meist in den rech-
von >0,1 mV z diese ist von ten Ventrikel), Anomalien (ohne
den nachfolgenden ST-Strecken- funktionelle oder mit hämody-
Veränderungen zeitlich um min- namischer Bedeutung), dilatative
destens 1 min getrennt Koronaropathie
z Röntgenuntersuchung des Thorax: 5 Objektivierung der Stenosierung:
insbesondere zum Ausschluss anderer meist semiquantitativ als visuelle
Erkrankungen Abschätzung (Stenosierungen von
z Echokardiographie ( Kap. 3) >75–90 % gelten als höhergradig
z Stressechokardiographie: und solche von >90 % als hochgra-
5 Ziel: Vitalitätsnachweis von dig)
minderperfundiertem Myokard 5 Beschreibung der Stenosemorpho-
bzw. Detektion myokardialer logie: exzentrisch, konzentrisch,
Ischämien glatte oder unregelmäßige Konturen
Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK) 27 2
5 intrakoronare Flussmessung bzw. Quotient aus poststenotischem
Objektivierung der Hämodynamik und prästenotischem Druck be-
von Stenosierungen durch Be- stimmt (ischämierelevant: <0,75)
stimmung der fraktionellen Fluss- z Kardio-CT (Mehrschichtspiral-CT)
reserve mittels intravaskulärer oder Kardio-MRT: Kalk-Screening;
Sonographie: nach intrakoronarer der Kalk-Score ist nicht mit den
Injektion von vasodilatierenden konventionellen Risikofaktoren
Substanzen (Adenosin) wird der assoziiert

⊡ Tab. 2.1. Begriffe/Konsequenzen der myokardialen Ischämie (PET-Diagnostik)

Parameter »Stunning« »Hibernating« »Ischemic pre- Infarziertes


conditioning« Myokard

Definition Sogenannte Sogenannter Ischämische Abgestorbenes


Betäubung Winterschlaf Präkonditionie- Myokard
rung

Myokard- Reversibel Endogene Endogene Irreversibel,


schaden Myokard- Myokard- Ischämie
protektion protektion

Klinik Postischä- Herzinsuffi- Symptoma- Progrediente


mische Herzin- zienz durch tisch bis asym- Herzinsuffizi-
suffizienz trotz hypoxischen ptomatisch enz mit Aus-
kompletter und nicht- bildung einer
Reperfusion, nekrotischen ischämischen
z. B. Tako- Myokard- Kardiomyopa-
Tsubo-Kardio- schaden thie
myopathie

Koronar- Transient Inkomplett Transient bis Komplett


okklusion komplett

Reper fusion Ja, sofort Ja Kurze Ischämie- Nein


episoden

Erholung der Ja, Spontan- Ja, Erholung Ja, Schutz- Nein


kontraktilen erholung nach Reper- mechanismus
Dysfunktion während fusion vor Ischämien
Reperfusion

Dauer der Meist inner- Sehr variabel: Variabel Keine Erholung


Erholung nach halb eines Stunden bis
Revaskulari- kurzen Zeit- Monate
sation intervallls
28 Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK)

KM-Allergie-Prophylaxe (anaphylaktoide KM-Exposition bei Hyperthyreose


Reaktion, osmotisch getriggert) z Indikation prüfen → bei elektiver Diagnos-
z Bei nichtelektiver KM-Exposition: tik/Intervention ist eine kontrollierte Einstel-
20–30 min vor KM-Gabe: lung der Stoffwechselsituation vorrangig
5 H1-Rezeptoren-Blocker: Dimetinden z Latente Hyperthyreose (TSH-Spiegel
(Fenistil; 0,1–0,5 mg/kg KG i. v.; 2 Amp. vermindert, T3-/T4-Werte normal):
enthalten 8 mg) 5 Ziel: Hemmung der Jodaufnahme in
5 H1-Rezeptoren-Blocker: Ranitidin Thyreozyten vor der Gabe jodhalti-
(Zantic; 5 mg/kg KG i. v.; 6 Amp. ent- ger KM
halten 300 mg) 5 Natrium-Perchlorat (Irenat): z mindes-
5 Glukokortikoide: 6-Methylprednisolon tens 2–4 h vor KM-Exposition 45 Trpf.
(Urbason; 250 mg i. v.) (1 ml entspricht 15 Trpf. bzw. 300 mg)
z Bei elektiver KM-Exposition: z danach für 2 Wochen: 4- bis 5-mal
5 am Tag vor der Untersuchung, abends: 10 Trpf./Tag z nach etwa 1 Woche:
Prednisolon (Decortin H; 50 mg p. o.) Kontrolle der Schilddrüsenhormonwerte
5 am Untersuchungstag, morgens: 5 bei zusätzlichen Risikofaktoren (z. B.
Prednisolon (Decortin H; 50 mg p. o.) Struma, bekannte Schilddrüsenauto-
5 20–30 min vor KM-Gabe: H1- und H2- nomie): Kombination mit Thiamazol
Rezeptoren-Blocker (s. oben) (Favistan; initial 20–60 mg/Tag p. o.,
dann 1-mal 5–10 mg/Tag p. o.)
z Manifeste Hyperthyreose (TSH-Spie-
gel vermindert, T3-/T4-Werte erhöht):
KM-induzierte Nephropathie 5 Natrium-Perchlorat (Irenat): mindes-
z Maßnahmen zur Prophylaxe: tens 2–4 h vor KM-Exposition 45 Trpf.
5 Verwendung niedrigosmolarer KM 5 Kombination mit Thiamazol (Favis-
5 Absetzen von nephrotoxischen Phar- tan; initial 20–60 mg/Tag p. o., dann
maka: Diuretika, NSAR, Aminoglykoside, 1-mal 5–10 mg/Tag p. o.)
Metformin (Gefahr der Laktatazidose) 5 Therapiedauer: 14 Tage
5 »Wässerung« vor, während und nach 5 Dosisanpassung von Thiamazol
der KM-Exposition nach Schilddrüsenwerten
5 ACC-Gabe: 2-mal 600 mg/Tag p. o. 5 Blutbildkontrolle (Gefahr der
über 2 Tage (1 Tag vor und am Tag der Knochenmarkdepression)
Untersuchung; wirkt antioxidativ und
unterhält eine renale Vasodilatation)
Ergometrie
5 Hämodialyse: obsolet, nicht indiziert
z Risikofaktoren: z Sollwerte (Belastung in Watt; Einheit
der Leistung: 1 Watt = 1 J/s)
5 chronische Niereninsuffizienz
5 Diabetes mellitus 5 Männer: 3 × KG (in kg)
5 Hypo-/Hypertonie 5 Frauen: 2 × KG (in kg)
5 höheres Alter z Einzuhaltene »Grenzen«:
5 Herzinsuffizienz 5 Belastung (in W): 210 – (Dekade
über 30 Jahren; in %), z. B.
5 Anämie
50-jährige Patient: 210 – 20 %
5 Begleitmedikation
5 hohe KM-Menge 5 systolischer Blutdruck:
220 – Lebensalter (in Jahren)
Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK) 29 2
5 submaximale HF: 220 – Lebens- 5 Erreichen der maximalen HF
alter (in Jahren) × 0,85 (submaximale HF sollte stets ange-
5 maximale HF: 220 – Lebensalter strebt werden)
(in Jahren) z Durchführung:
z Absolute Kontraindikationen: 5 am Untersuchungstag: keine kar-
5 bekannte Hauptstammstenose dial notwendige Medikation
5 instabile Angina pectoris oder 5 Vorlaufphase (6 min): Ruhe-EKG,
Myokardinfarkt Satteleinstellung (gestrecktes Bein
5 Entzündungen des Herzens mit Ferse auf Pedalen)
5 manifeste Herzinsuffizienz 5 Arbeitsphase (<15 min): alle 2 min
5 symptomatische hochgradige Steigerung um etwa 25 W
Aortenstenose (Ausnahme: 5 Erholungsphase (6 min): Nach-
asymptomatische hochgradige belastungsphase mit Gefahr von
Aortenstenose) oder HOCM Extrasystolen oder Orthostase (lak-
5 Aneurysma des Herzens oder der tatazidotische Vasodilatation)
Aorta z Falsch-positives Belastungs-EKG:
5 schwere arterielle oder pulmo- 5 kardiale Ursachen: Aortenvitien,
nalarterielle Hypertonie Mitralklappenprolaps, kongenitale
5 unkontrollierte Herzrhythmus- Vitien, Kardiomyopathien, Ruhe-
störungen sowie Prädisposition tachykardie, WPW-Syndrom,
für Arrhythmien (z. B. Long-QT- Linksschenkelblock, ST-Stecken-
Syndrom) Senkung um >0,05 mV in Ruhe
5 schwere Allgemeinerkrankungen 5 extrakardiale Ursachen: Phar-
5 floride Thrombose maka (Digitalis, Diuretika, An-
z Abbruchkriterien: tiarrhythmika, α-Methyldopa,
5 ischämische ST-Strecken- Laxanzien, Hormonpräparate,
Senkung/-Hebung oder Angina- Katecholamine, Psychophar-
pectoris-Beschwerden maka), weibliches Geschlecht, ar-
5 schwerwiegende Rhythmusstö- terielle Hypertonie, Hyperventi-
rungen, Auftreten eines Schen- lation, Hypokaliämie, Myxödem,
kelblocks, AV-oder Sinusknoten- CO-Exposition, schwere Anämie,
blockierungen Hyperthyreose
5 Blutdruckabfall oder fehlender z Falsch-negatives Belastungs-EKG:
systolischer Anstieg (gilt als Hin- 5 kardiale Ursachen: koronare Ein-
weis auf eine linksventrikuläre gefäßerkrankung, Rechtsschenkel-
Insuffizienz) block, linksanteriorer Hemiblock,
5 Blutdruckanstieg: systolisch auf Rechtsherzhypertrophie
>240 mmHg, diastolisch auf 5 extrakardiale Ursachen: metho-
>120 mmHg dische Ursachen (unzureichende
5 fehlender HF-Anstieg als mög- Belastungsintensität, unzurei-
licher Hinweis auf »Sick-sinus«- chende EKG-Ableitungen, Fehler
Syndrom des Beurteilers), Pharmaka
5 subjektive Beschwerden: Schwin- (Einnahme kardialer Pharmaka
del, Ataxie, Dyspnoe, Angina pec- am Untersuchungstag, Chinidin,
toris, muskuläre Erschöpfung Phenothiazin)
30 Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK)

Komplikationen der chronischen Procoralan; 2-mal 5–7,5 mg/Tag),


KHK insbesondere bei KHK-Patienten
z Ausbildung von Myokardnarben mit linksventrikulärer Dysfunk-
z »Small vessel disease« (Stenosierung tion und einer Ruhe-HF von ≥70/
der intramyokardialen, kleinen Gefäße) min (BEAUTIFUL-Studie: Ivabra-
z Herzwandaneurysma din senkt die Zahl der Hospitali-
z Ventrikelseptumdefekt sierungen und der koronaren Re-
z Mitralinsuffizienz (Papillarmuskeldys- vaskularisierungen, bedingt jedoch
funktion oder Klappenringerweiterung) keine Prognoseverbesserung)
z »Hibernating myocardium« 5 obwohl für KHK-Patienten mit sta-
biler Angina pectoris keine Studien
Therapie der stabilen KHK zur Mortalität existieren, werden
Lebensstiländerungen die Ergebnisse der Postmyokardin-
z Beendigung des Rauchens (Reduktion farktstudien als klare Indikatoren
kardiovaskulärer Ereignisse um etwa für die vorteilhafte Wirksamkeit
50 %) von β-Blockern akzeptiert
z Körperliche Aktivität: >30–45 min/ z ACE-Hemmer (bei Unverträglichkeit:
Tag an mindestens 5 Tagen der Woche AT1-Antagonisten): prognostisch
(Reduktion des koronaren Risikos um indiziert bei Patienten nach Myo-
ungefähr 20 %) kardinfarkt oder bei Patienten mit
z Gewichtsnormalisierung: Senkung des Herzinsuffizienz, eingeschränkter
BMI auf <25 kg/m2 und Reduktion Pumpfunktion, arterieller Hypertonie
des Taillenumfangs auf <94 cm (Män- oder Diabetes mellitus
ner) bzw. <80 cm (Frauen) z CSE-Hemmer/Statine:
z Ernährungsumstellung: mediterrane 5 bei LDL-Spiegel von >100 mg/dl
(fettarme) Kost (Reduktion des koro- 5 prognostischer Nutzen, unabhän-
naren Risikos um etwa 47 %) gig vom Ausgangs-LDL-Wert (sog.
z Normoglykämie bei Diabetes mellitus pleiotrope Effekte, z. B. Verminde-
rung der Sauerstoffradikalbildung)
Medikamentöse Basistherapie 5 Kombinationstherapie mit Statinen
z ASS: 75–150 mg/Tag bei jedem KHK- und dem Cholesterinresorptions-
Patienten (Reduktion der kardiovas- hemmer Ezetimib verstärkt die cho-
kulären Morbidität und Mortalität lesterinspiegelsenkende Wirkung
um 20–25 %); bei Unverträglichkeit: z Eventuell Nitrate (symptomatische In-
Clopidogrel (75 mg/Tag) dikation): vorzugsweise keine »Schau-
z β-Blocker: keltherapie« (d. h. tagsüber Nitrate,
5 Zielblutdruck: <130/85 mmHg abendliche Gabe von Molsidomin zur
5 Ziel-HF: <70/min Überbrückung der nächtlichen Nitrat-
5 einzige absolute KI: exogen-aller- toleranz; führt u. a. zur Endothelschä-
gisches Asthma bronchiale digung), sondern Langzeittherapie mit
5 bei β-Blocker-Kontraindikation/- Pentaerithrityltetranitrat (Pentalong,
Intoleranz: Kalziumantagonisten 2- bis 3-mal 50–80 mg/Tag), welches
(inbesondere bei Koronarspas- kaum eine Toleranzentwicklung und
men) oder If-Schrittmacher- kaum eine endothelschädigende Wir-
Ionenkanalblocker (Ivabradin, kung aufweist (PENTA-Studie)
Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK) 31 2
Perkutane Koronarintervention z BMS: z. B. Edelstahl (»stainless steel«),
> Eine grundsätzliche Empfehlung kann Kobalt-Chrom oder Kobalt-Nickel
nicht gegeben werden. KHK-Patienten z DES:
mit einer Ein- oder einer gering ausge- 5 z. B. Sirolimus (Cypher), Everolimus
prägten 2-Gefäß-Erkrankung profitieren (Xience, Promus), Paclitaxel (Taxus),
eher von einer Ballondilatation, wohin- Zotarolimus (Endeavour)
gegen Patienten mit einer 3-Gefäß- oder 5 Prinzip: Abnahme der Re-Stenoserate
einer komplexen 2-Gefäß-Erkrankung durch Minderung der Intimaprolifera-
langfristig eher von einer Bypass-OP zu tion bzw. Schutz vor überschießender
profitieren scheinen. Proliferation glatter Muskelzellen an
der Dilatationsstelle
z Indikation: Dilatation mit oder ohne z Aufgrund reduzierter Re-Endothelialisie-
Stenteinlage aller 3 Koronararte- rung besteht in der gestenteten Region für
rien möglich, u. a. Hauptstamms- >9 Monate das Risiko einer akuten Sten-
tenosen (SYNTAX-Studie: PCI thrombose, sodass eine »duale Thrombozy-
vs. Bypass-OP: kein Unterschied tenaggregation« durchgeführt werden soll-
bezüglich Sterblichkeit und Myo- te (ASS dauerhaft, Clopidogrel für ≥3 Mo-
kardinfarkthäufigkeit, häufiger Re- nate bei BMS und für ≥12 Monate bei DES)
vaskularisierung nach Stent, jedoch z Länderspezifisch bis zu 70 % DES, in
weniger Schlaganfälle), insbesondere Deutschland häufiger BMS (etwa 85 %)
ostiumnahe Stenosen und solche im z Mittelfristig muss mit dem Risiko der Re-
medialen Hauptstamm Stenose gerechnet werden; Einjahresrate:
z die primäre perkutane Koronarin- bei BMS etwa 30 %, bei DES ungefähr 5 %
tervention ist der Fibrinolyse beim z Stentthrombose unter dualer Thrombozy-
akutem Myokardinfarkt deutlich tenaggregationshemmertherapie:
überlegen (DANAMI-2 Studie) 5 Verdacht auf Clopidogrel- bzw. ASS-
z bei objektiv nachgewiesener Ischämie Non- oder Low-Responder
hat die perkutane Koronarinterven- 5 ggf. Plättchenfunktionsmessung
tion einen gesicherten prognostischen (Voraussetzung: Thrombozytenzahl
Nutzen von >100.000/μl) mittels z. B. Multi-
z Re-Stenose bzw. In-Stent-Restenose: plate-Impedanz-Aggregometrie: Plätt-
erneute Dilatation oder Stenting chen werden durch Zugabe von ADP
(Stent in Stent) (Clopidogreltestung) oder Arachidon-
z Langfristig steht die Progression der säure (ASS-Testung) zur Adhäsion und
zugrunde liegenden Atherosklerose Aggregation gebracht → durch Anla-
im Vordergrund gerung an die Oberfläche der Elektro-
den kommt es zur Widerstands- bzw.
Impedanzänderung; Diagnosestellung
Stentimplantation anhand der Aggregations-Zeit-Kurven
z Stenttypen: unbeschichtete »bare metal (bislang kein genormtes Verfahren,
stents« (BMS), beschichtete »drug-eluting keine evidenzbasierte therapeutische
stents« (DES) Konsequenz; empfohlen für akute
z Techniken: direktes Stenting (Primärs- Stentthrombosen trotz dualer Plätt-
tenting) oder Stenting nach Vordilatation chenhemmung)
(additives Stenting)
32 Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK)

Operative Myokardrevaskularisation: delle mit dem Ziel der Kostenerspar-


Bypass-OP (Kardiochirurgie) nis pro gerettetem Lebensjahr)
z Prognostische Indikationen zur opera- z Ranking (Gewichtung) der Risikofak-
tiven Revaskularisation: toren: Alter, Rauchen, LDL-, HDL-
5 signifikante 3-Gefäß-Erkrankung, und Triglyzeridwerte, systolischer
besonders bei eingeschränkter Blutdruckwert, Diabetes mellitus,
Pumpfunktion und/oder bei Dia- familiäre Disposition
betes mellitus z Körperliche Aktivität
5 Hauptstammstenose oder Stenose z Vollständiger Nikotinverzicht
eines Haupstammäquivalents (pro- z Diabetiker: aufgrund eines ungüns-
ximale RIVA- und RCX-Stenose) tigen Risikoprofils (Thrombozytopa-
5 eingeschränkte linksventrikuläre thie, pathologischer Gerinnungsstatus
Funktion bei Ein- und 2-Gefäß-Er- etc.) sollten folgende Substanzen
krankung mit Beteiligung des RIVA bereits mit in die Primärprävention
z Operationsrisiken: einfließen: ASS, CSE- und ACE-Inhi-
5 Diabetes mellitus bitoren (das Sterberisiko eines Typ-
5 Herzinsuffizienz 2-Diabetikers entspricht dem Risiko
5 reduzierte linksventrikuläre EF eines Postmyokardinfarktpatienten)
(<40 %) z CSE-Hemmer/Statine: Verabreichung
5 Notfalloperation nach individueller Risikostratefi-
5 Hauptstammstenose zierung; bei der Verabreichung von
5 Re-Operation Statinen sollte bezüglich einer mög-
5 ältere Patienten (>80. Lebensjahr) lichen statininduzierten Myopathie
aufgeklärt (laborchemische Kontrolle:
Gegebenenfalls Implantation eines CK-Wert) sowie bei Gabe weiterer
Neurostimulators Medikamente deren Metabolismus
z Indikation: therapierefraktäre Angina berücksichtigt werden (Akkumulati-
pectoris, d. h. bei maximal ausge- onsgefahr)
schöpfter antianginöser Therapie
z Prinzip: Down-Regulation des Sym- Sekundärprävention (Verhinderung
pathikotonus mit Schmerzlinderung einer KHK-Progression bei Postinfarkt-
und Abnahme des myokardialen patienten)
Sauerstoffbedarfs → rein sympto- z ⊡ Tab. 2.2
matische Therapie z Allgemeines:
5 Risikoausschaltung
Vorgehen bei Postinfarktpatienten 5 ausgewogene Ernährung (Ver-
mit Herzinsuffizienz meidung von Über-, Unter- und
z Implantation eines biventrikulären Fehlernährung)
Schrittmachersystems ( Kap. 7) 5 Gewichtsnormalisierung
z Implantation eines AICD ( Kap. 7) 5 körperliche Aktivität
z Ernährung:
Primärprävention (Prävention eines 5 kaloriengerechte, ballaststoffrei-
Myokardinfarkts) che, fettarme Kost mit geringem
z Risikostratifikation: großer Stellen- Anteil an gesättigten, jedoch
wert (risikoabhängige Präventionsmo- hohem Anteil an ungesättigten
Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK) 33 2
⊡ Tab. 2.2. Evidenzbasierte Sekundärprophylaxe bei Postinfarktpatienten (* bei Zeichen der
Herzinsuffizienz und EF<40%)

Substanzgruppe Substanzen (Dosierungen)/Studien


*Aldosteronrezeptor-  Spironolacton, 12,5-50 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/RALES-II
Antagonisten  Eplerenon, 25-50 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/ EPHESUS
Thrombozyten-  ASS, 75–150 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/ATC
aggregationshemmer
β-Blocker  Metoprolol, 12,5–200 mg (Metoprololtartrat: 1-mal 1 Tbl./Tag;
Metoprololsuccinat: 2-mal 1 Tbl./Tag)/TIMI IIB, MIAMI, MERIT
 Bisoprolol, 1,25–10 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/CIBIS II
 Carvedilol, 3,125 mg (2-mal 1 Tbl./Tag)/COPERNICUS, CAPRICORN
 Nebivolol, 1,25 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/SENIORS
CSE-Hemmer  Atorvastatin, 10–80 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/Pursuit, PRISM
 Simvastatin, 10–80 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/4 S, HPS
 Pravastatin, 10–40 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/LIPID, CARE
 Lovastatin, 10–80 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/AFCAPS, tex-CAPS
 Fluvastatin, 20–80 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/FLIRT
ACE-Hemmer  Captopril, 6,25 mg (2-mal 1 Tbl./Tag)/ISIS-4, SAVE
 Ramipril, 5 mg (2-mal 1 Tbl./Tag)/AIRE, HOPE
 Enalapril, 10 mg (2-mal 1 Tbl./Tag)/CONSENSUS-II, SOLVD
 Lisinopril, 10 mg (1-mal 1 Tbl./Tag)/GISSI-3

Fetten (Oleinsäure: Raps-, Oliven-, sprache. Verglichen mit jedem Medika-


Erdnussöl) und Omega-3-Fett- ment zur Sekundärprophylaxe ist die
säuren (Lachs, Thunfisch, Hering, Raucherentwöhnung der günstigste und
Forelle) effektivste Weg.
5 mediterrane Kost (Mittelmeerdiät)
5 Verwendung komplexer Kohlen-
hydrate (Getreide, Gemüse etc.) Empfehlungen zur Therapie und
und von pflanzlichem Eiweiß (So- Prävention von Patienten mit Diabetes
japrodukte) mellitus und KHK
z Risikofaktorenmanagement: z ASS: stets bei allen Risikopatienten
5 Raucherentwöhnung: Verhaltens- z Blutdrucksenkung (UKPDS, HOT, SYST-
therapie, Nikotinersatztherapie EUR, HOPE, STOP-2):
(Nikotinpflaster/-kaugummi), 5 Substanzen: β-Blocker, ACE-Hemmer,
Bupropion (Zyban: Antidepressi- Diuretika, Kalziumantagonisten
vum) oder Vareniclin (Champix; 5 die Blutdrucksenkung hat insbe-
Partialagonist des n-Azetylcholin- sondere bei Patienten mit Diabetes
Rezeptors) mellitus einen hohen Stellenwert;
5 Bewertung des Schweregrads der häufig sind Kombinationstherapien
Nikotinabhängigkeit mittels sog. notwendig
Fagerström-Test z Nephroprotektion:
5 Substanzen: z ACE-Hemmer: Rami-
> Die erste und wichtigste Maßnahme pril (HOPE- und MICRO-HOPE-Studie)
zur Nikotinkarenz ist die ärztliche An- z AT1-Antagonisten: Losartan
34 Kapitel 2 · Koronare Herzkrankheit (KHK)

(RENAAL-Studie), Irbesartan (IDNT- betes und einem Risikofaktor einem


Studie) Nichtdiabetiker mit 3 Risikofaktoren
5 eine Kombinationstherapie aus ACE- gleichgesetzt → Diabetiker haben ein
Hemmer und AT1-Antagonist ist nicht 2,5fach erhöhtes Risiko für einen Myo-
von Nutzen (ONTARGET-Studie); für kardinfarkt.
nephrologische Patienten stehen Da- z Etwa 75 % der Diabetiker sterben am
ten noch aus Myokardinfarkt.
z Intensivierte Insulintherapie: obwohl z Das Sterberisiko eines Typ-2-Diabeti-
in der DIGAMI-1-Studie für Diabetiker kers entspricht dem Risiko eines Post-
mit akutem Koronarsyndrom, die inner- myokardinfarktpatienten.
halb der ersten 24 h nach einem akuten
Koronarsyndrom eine Insulin-Glukose- > Mittels alleiniger optimaler medika-
Therapie erhielten, ein Überlebensvorteil mentöser Therapie kann bei stabiler KHK
beobachtet werden konnte, ließ sich diese eine ebenso gute Stabilisierung erreicht
Hoffnung nicht bestätigen (DIGAMI-2-, werden wie mittels Koronarintervention
CREATE-Studie) (COURAGE-Studie).
z PTCA oder Bypassoperation: einerseits
zeigen Studien einen Vorteil bezüglich
der Bypassoperation (BARI-Studie), ande-
rerseits ergab eine Studie die Gleichwer-
tigkeit von Bypassoperation und PTCA
(CARDia-Studie), jedoch waren hier im
Gegensatz zur Bypassoperation bei der
PTCA häufigere Revaskularisationen not-
wendig
z Zielwerte der Sekundärprävention
beim Diabetiker:
5 Blutdruck: <130/80 mmHg, bei Prote-
inurie (>1 g/Tag) <125/75 mmHg
5 Blutzuckerspiegel (nüchtern):
80–120 mg/dl
5 HbA1c-Wert: ≤7 % (keine aggressive
Senkung auf <6,5 %: ADVANCE-,
ACCORD-, VADT-Studie)
5 Fettstoffwechsel: LDL-Wert von
<100 mg/dl
5 BMI: ≤25 kg/m2

> Diabetes mellitus und KHK:


z »Stumme Myokardischämie«: häufig
durch diffuse, periphere Gefäßsteno-
sen bzw. mikrovaskuläre Infarkte
z Bezogen auf das kardiovaskuläre
Risikoprofil ist ein Patient mit Dia-
Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom 35 3

> Akutes Koronarsyndrom/


instabile koronare Herz-
krankheit (instabile KHK)
G. Michels, T. Schneider

Definition 5 Koronaranomalien (z. B. Bland-


z Akutes Koronarsyndrom: alle Zu- White-Garland-Syndrom)
stände der KHK, die mit einer kri-
tischen Verschlechterung der Koro- Einteilung des akuten Koronarsyndroms
narperfusion einhergehen; darunter (ACS)
fallen die instabile Angina, aber 1. ACS mit typischem Brustschmerz
auch der akute Myokardinfarkt »mit« anhaltender ST-Strecken-Hebung
z Myokardinfarkt: Anstieg der Herz- über 20 min, sog. STEMI (Q-wave Infarkt,
enzymwerte mit typischer Klinik 31 %)
und EKG-Veränderungen; je nach z klassischer transmuraler Myokard-
EKG-Veränderungen Unterschei- infarkt mit anhaltender ST-Strecken-
dung zwischen NSTEMI (Innen- hebung ≥0,1 mV in ≥2 Extremitäte-
schichtischämie) und STEMI (trans- nableitungen und/oder ≥0,2 mV in
murale Ischämie) ≥2 Brustwandableitungen oder neu
aufgetretenem Linksschenkelblock
Ätiologie der akuten myokardialen mit infarkttypischen Symptomen
Minderperfusion z Labor: positives Troponin
z Atherosklerotisch bedingt (häufig): z Pathologie: kompletter Gefäßver-
Plaqueruptur oder Plaquefissuren mit schluss mit absolut anhaltender Myo-
thrombotischem (Teil-)Verschluss des kardischämie
Gefäßes 2. ACS mit typischem Brustschmerz
z Nichtatherosklerotisch bedingt: »ohne« anhaltende ST-Strecken-Hebung
5 Mikroembolien (NSTE-ACS)
5 In-situ-Koronarthrombosen (z. B. z Instabile Angina pectoris (Präinfarkt-
Polycythaemia vera) syndrom, 36 %)
5 Koronarspasmen (z. B. Prinzme- 5 EKG: ST-Streckensenkungen
tal-Angina) (>0,1 mV) oder T-Negativierungen
5 Drogen (z. B. Kokain) 5 Labor: ohne Troponin-Erhöhung
5 Vaskulitis (z. B. Panarteriitis nodosa, 5 Klinik: jede Erstangina; zuneh-
Kawasaki- oder Takayasu-Arteriitis) mende Schwere, Dauer, Häufigkeit
5 Koronardissektionen (spontan, der Schmerzanfälle; Ruhe-Angina;
postpartal, Trauma, iatrogen; häu- zunehmender Bedarf an antiangi-
fig LAD betroffen) nösen Medikamenten
36 Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare Herzkrankheit

5 Pathologie: temporäre Myokar- z Körperliche Untersuchung:


dischämie infolge relativer Koro- 5 Auskultation: evtl. neu aufgetrete-
narinsuffizienz nes Herzgeräusch
z NSTEMI (26 %) 5 Zeichen der pulmonalen Stauung
5 Myokardinfarkt ohne anhaltende bei Linksherzdekompensation
ST-Streckenhebung z Monitoring:
5 Labor: positives Troponin 5 wiederholte 12-Kanal-EKG (Beur-
5 Pathologie: inkompletter Gefäß- teilung von HF, Rhythmus und In-
verschluss, spontane Reperfusion farktlokalisation), Beurteilung der
> Bei Diabetikern (stummer Myokardin- Hämodynamik (Blutdruck, Puls),
farkt in 20–25 % der Fälle), Frauen, Herz- Messung der arteriellen Sauerstoff-
transplantierten und älteren Patienten sättigung
zeigt sich häufig eine atypische Klinik. Bis 5 ST-Strecken-Hebungen (>0,2 mV)
zum Ausschluss eines akuten Koronarsyn- in mindestens 2 Brustwandablei-
droms ist ein umfassendes Monitoring tungen
obligat (ggf. »Intermediate-care«-Station). 5 ST-Strecken-Hebungen (>0,1 mV)
in mindestens 2 Extremitätenablei-
Obligate Diagnostik tungen
z Anamnese: eine ausführliche Anam- 5 ST-Strecken-Senkungen in spiegel-
nese ist bei Verdacht auf akutes Koro- bildlichen Ableitungen
narsyndrom nicht notwendig (»time 5 weitere EKG-Veränderungen: ne-
is muscle«); diese sollte nach dem gative T-Wellen, neu aufgetretener
AMPEL-Schema in nur kurzer Zeit Linksschenkelblock (typisch für
durchgeführt werden: großen Vorderwandinfarkt) oder
5 A: Allergie AV-Block (bei Hinterwand- und
5 M: Medikation Septuminfarkt), R-Zacken-Verlust
5 P: »past medical history« bei Vorderwandinfarkt
5 E: »events«/aktuelle Beschwerden 5 Stadienverlauf: Erstickungs-T
5 L: letzte Mahlzeit → monophasische ST-Strecken-
z Klinik: Elevation → terminale T-Wellen-
5 Unruhe und Todesängste Negativierung → Infarkt-Q
5 Schmerzen (nitrorefraktär): ret- (Pardee-Q, Zeichen der Myokard-
rosternal bzw. thorakal, mit oder nekrose) → QS-Komplexe
ohne Ausstrahlung 5 rechtsventrikulärer und posteri-
5 Zeichen des Linksherzinfarkts: orer Infarkt (RCA-Stromgebiet):
Hypotension, Tachykardie, Blässe, rechtspräkordiale unipolare Ab-
Kaltschweißigkeit, Lungenödem leitungen nach Wilson (V3R–6R)
5 Trias des Rechtsherzinfarkts: Hy- und bipolare Ableitungen nach
potension/Bradykardie, fehlendes Nehb (kleines Herzdreieck zur
Lungenödem, Halsvenenstauung besseren Erfassung der Hin-
5 vegetative Begleitsymptomatik: terwand: rote Elektrode: 2. ICR
Nausea/Emesis, Schweißausbruch, rechts parasternal; gelbe Elekt-
Harndrang rode: linke hintere Axillarlinie/
5 akutes Abdomen mit Nausea/Eme- Klavikulaspitze; grüne Elektrode:
sis bei Ischämie der Hinterwand Herzspitze)
Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom 37 3
z Labordiagnostik: (Kreatininspiegel: >2,5 mg/dl), me-
5 ⊡ Tab. 3.1 chanische Reanimation
5 Troponin T: sofort (bei Nieren-
insuffizienz: besser Troponin I); ! Die Troponinwerte sind die üblichen
falls negativ: Testwiederholung Laborparameter mit hoher Sensitivität
nach 6–12 h bzw. bei unklarer Kli- zur Diagnostik eines Herzmuskelscha-
nik früher; bei weiter negativem dens. Myoglobin wird zwar sofort nach-
Troponintest plus unauffälligem weisbar, ist aber unspezifisch.
EKG und unauffälliger Klinik:
nichtinvasive Ischämiediagnostik z Echokardiographie:
(Ergometrie) 5 Beurteilung der linksventrikulären
5 Differenzialdiagnosen bei er- Pumpfunktion: z »fractional
höhtem Troponinwert: u. a. shortening« (FS; eindimensionale
Lungenembolie, dekompensierte Größe; ≥25 %):
Herzinsuffizienz, Tachyarrhythmie,
hypertensive Krise, Myokarditis, EDD – ESD
FS = × 100
Contusio cordis, Niereninsuffizienz EDD

⊡ Tab. 3.1. Verlaufsmuster der Herzenzymwerte

Enzym Normwerte Beginn der Maximum der Rückbildung


Aktivitäts- Aktivitäts- [Tage]
änderung [h] änderung
[Tage]

CK <180 U/l 4–8 1–2 2–4

CK-MB <25 U/l (<6 % 4–8 1–2 2–4


(prozentualer der Gesamt-CK-
Anteil) Aktivität)

GOT (AST) <30 U/l 4–8 2 3–6

LDH (α-HBDH) <180 U/l 8–12 2–3 9–18

Troponin I <1 μg/l bzw. 1–4 1 9–18


bzw. T <0,1 μg/l

Bei starkem CK-Aktivitätsanstieg ohne MB-Anteil sollte Folgendes stets ausgeschlossen werden:
– neurologisches Geschehen (z. B. zentrale Ischämie → Bestimmung der CK-BB-Aktivität)
– Makro-CK
– Trauma (→ Bestimmung der CK-MM-Aktivität)
Mit LDH ist die Gesamtaktivität des Enzyms gemeint, während α-HBDH das Isoenzym LDH1
darstellt. Bei hohen LDH-Werten kann von einem nicht mehr frischen Myokardinfarkt ausge-
gangen werden.
AST Aspartataminotransferase; CK K(C)reatinkinase; CK-BB Hirn-(Brain-)Anteil der CK; CK-MB Mus-
kel- und Hirnanteil der CK; CK-MM Muskelanteil der CK; HBDH Hydroxybutyratdehydrogenase;
GOT Glutamatoxalazetattransaminase; LDH Laktatdehydrogenase
38 Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare Herzkrankheit

⊡ Tab. 3.2. Koronargefäßzuordnung und EKG-Diagnostik

Myokardinfarktlokalisation Koronararterienverschluss EKG-Ableitungen


entsprechend der Versor-
gungsregion
Vorderwandinfarkt LAD: proximal I, aVL, V2–6
Vorderwandspitzeninfarkt: LAD: mittlerer oder distaler Teil I, aVL, V3–4
apikaler Infarkt
Vorderer Septuminfarkt: LAD mittlerer Teil/R. septalis I, aVL, V1–4
supraapikal oder anteroseptal der LAD
Vorderer Lateralinfarkt: LAD-Ast: R. diagonalis I, aVL, V4–6
anterolateral
Hinterer Lateralinfarkt: RCX-Ast: R. marginalis II, III, aVF, V5–7
posterolateral
Hinterwandinfarkt: inferior RCA oder RCX: falls die RCX den II, III, aVF
oder diaphragmal R. interventricularis posterior
abgibt
Strikt posteriorer Infarkt: basal RCX: distaler Teil III, aVF, V7–8
Rechtsventrikulärer Infarkt RCA: proximal VR4, Nehb-Ableitung

z dabei ist EDD der enddiastoli- sunden Areal z regionale


sche Durchmesser und ESD der Funktionsbeurteilung: 16-Seg-
endsystolische Durchmesser ment-Modell zur Wandbewe-
z Ejektionsfraktion (EF; 3-dimen- gungsanalyse des linken Ventrikels
sionale Größe; ≥55 %): in der parasternalen kurzen Achse
E DV – E SV und im 2-, 3- bzw. 4-Kammer-
EF = × 100 Blick z Versorgungsregionen
EDV
(⊡ Tab. 3.2): LAD: septal, anterosep-
z dabei ist EDV das enddiastolische tal, anterior; RCX: posterior, late-
Volumen und ESV das endsystoli- ral; RCA: inferior
sche Volumen 5 Suche nach Infarktkomplikationen:
5 Beurteilung von Wandbewegungs- Septumruptur, Perikarderguss, An-
störungen: z können Wandbewe- eurysma/intrakavitäre Thromben,
gungsstörungen ausgeschlossen akute Mitralklappeninsuffizienz
werden, liegt zu >90 % keine akute z Gegebenenfalls hämodynamisch
kardiale Ischämie vor z regionale kontrollierte Therapiesteuerung
Wandbewegungsstörungen: Nor- mittels invasivem Monitoring: z. B.
mokinesie, Hypokinesie, Akinesie, Pulmonaliskatheter, PiCCO-System
Dyskinesie (systolische Auswärts- (kontinuierliches Monitoring über
und diastolische Einwärtsbewe- Pulswellenanalyse), EdwardsFloTrac,
gung); meist Dyskinesie im infar- EdwardsVigileo (HZV-Messung direkt
zierten und Hyperkinesie im ge- über den arteriellen Zugang)
Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom 39 3
Ergänzende Diagnostik perkalzämie oder Subarachnoidal-
z Abschätzung von Risikopatienten: blutung wie ein Kamelhöcker
5 EKG-Veränderungen im ST-Seg- 5 Tako-Tsubo-Syndrom (»transient
ment left ventricular apical balloning
5 hämodynamische Instabilität syndrome«)
5 Rhythmusinstabilität z Akuter Thoraxschmerz:
5 Diabetes mellitus 5 kardiovaskulär: hypertensive
z Einstufung nach dem Risikoprofil: Krise/Entgleisung, Perimyokar-
5 niedrig: atypischer Thorax- ditis, Tachykardien, Aortenvitien,
schmerz, normales EKG, kein Aortendissektion, akute Links-
Risikofaktor herzinsuffizienz, Kardiomyopathie
5 intermediär: fragliche Angina (z. B. HOCM), Mitralklappenpro-
pectoris, persistierende EKG- laps, Koronaranomalien, Vasku-
Veränderungen, bekannte KHK, litis (z. B. Kawasaki-Syndrom),
>2 Risikofaktoren Tako-Tsubo-Kardiomyopathie/-
5 hoch: typische Angina pectoris, Syndrom
ST-Strecken-Senkung/-Hebung, 5 pulmonal: Lungenembolie, Pneu-
reversible T-Wellen-Veränderung mothorax, Pleuritis, Pneumonie
5 gastrointestinal: Ösophagitis/
! Ein unauffälliges EKG schließt ein Ösophagusruptur (Boerhaave-
akutes Koronarsyndrom nicht aus. Syndrom), akute Pankreatitis,
Ulcus ventriculi/duodeni, Gallen-/
Differenzialdiagnostik Nierenkolik, Mesenterialvenen-
z ST-Strecken-Elevation: thrombose, Roemheld-Syndrom
5 akutes Koronarsyndrom 5 vertebragen: Interkostalneuralgie,
5 Perikarditis (ST-Strecken-Hebung Hals-/Brustwirbelsäulensyndrom,
»aus dem S heraus«) Rippenfraktur/-prellungen,
5 Koronarspasmus Herpes zoster, Myopathien,
5 Ventrikelaneurysma thorakales Schmerzsyndrom/
5 Schenkelblockierungen Chondropathie im Bereich der
5 linksventrikuläre Hypertrophie oberen sternokostalen Übergänge
5 benigne frühe Repolarisationen (Tietze-Syndrom)
(»early repolarization syndrome«: 5 endokrinologisch: Thyreotoxikose
Normvariante, erhöhter ST-Stre- 5 psychosomatisch: funktionelles
cken-Abgang, linkspräkordial in Syndrom (Da-Costa-Syndrom)
V2–4)
5 Brugada-Syndrom (Ionenkanal- Komplikationen
erkrankung) z Frühkomplikationen (<48 h):
5 Subarachnoidalblutung 5 Re-Myokardinfarkt
5 Lungenembolie (ST-Strecken-He- 5 maligne Rhythmusstörungen
bung in Ableitung III): wichtigste (meist Kammerflimmern; Dif-
Differenzialdiagnose des Rechts- ferenzialdiagnosen: Reperfusi-
herzinfarkts onsarrhythmien, z. B. nach Lyse
5 Osborn-(J-)Welle: Anhebung des oder Ballondilatation/Stenting,
J-Punktes bei Hypothermie, Hy- plötzlicher Herztod): z primä-
40 Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare Herzkrankheit

res Kammerflimmern (<24 h) 5 Arrhythmien, z. B. Extrasystolen,


z sekundäres Kammerflimmern Bradykardien (meist bei Hinter-
(>24 h; schlechtere Prognose) wandinfarkt)
5 akute Linksherzinsuffizienz bzw.
Linksherzdekompensation (Lun- Therapie
genödem) ⊡ Abbildungen 3.1 u. 3.2
5 kardiogener Schock
5 Ventrikelseptumruptur oder Sofortmaßnahmen
sog. Infarkt-VSD z Auftreten: z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
2.–3. Tag nach Myokardinfarkt der Vitalfunktionen
z anteriorer Infarkt-VSD: bei Vor- z Oberkörperhochlagerung und Immo-
derwandinfarkt, meist nur Septum bilisation
betroffen z posteriorer Infarkt- z Oxygenierung über O2-Nasensonde
VSD: bei Hinterwandinfarkt, ne- (bis 6 l O2/min) oder besser O2-Maske
ben Septum meist auch freie Wand (>6 bis 15 l O2/min)
und Halteapparat der Mitralklappe z Schaffung eines sicheren peripher-
betroffen venösen Zugangs und Einleitung der
5 Papillarmuskel- oder Sehnenfä- medikamentösen Therapie (⊡ Tab. 3.3),
denabriss → akute Mitralinsuffizi- ggf. additive Begleittherapie (Atropin
enz: z Klinik: plötzliche Dyspnoe bei vagaler Reaktion, Antiemetika bei
mit akutem Lungenödem plus Nausea/Emesis)
neues Systolikum z posterome- z Organisation/Einleitung einer Akut-
dial: häufig, Hinterwandinfarkt herzkatheteruntersuchung oder ggf.
z anterolateral: seltener, Vorder- einer Lysetherapie
wandinfarkt z Gegebenenfalls Therapie des kardio-
z Spätkomplikationen (>48 h): genen Schocks ( Kap. 4): Dobutamin,
5 Re-Myokardinfarkt ggf. IABP, Assist-Devices (z. B. Links-
5 Myokardruptur (hohe Letalität: herzbypass/Tandemherz)
98 %): 2.–7. Tag nach dem Myo- z Bei Rechtsherzinfarkt:
kardinfarkt 5 Vermeidung einer Vorlastsen-
5 Herzwandaneurysma/intrakavitäre kung (Cave: Nitrate)
Thromben in akinetischen Regio- 5 vorzugsweise Volumensubs-
nen titution zur Vorlaststeigerung
5 Frühperikarditis (Pericarditis (Ziel-ZVD: >15–20 mmHg)
epistenocardica) und Senkung der rechtsventri-
5 Postmyokardinfarktsyndrom kulären Nachlast (z. B. Sauer-
(Dressler-Syndrom): z Auftre- stoff)
ten: etwa 1–4 Wochen nach 5 bei Beatmung: PEEP von
Myokardinfarkt z Kinik: Fieber, ≤5 mbar bzw. kein PEEP (wie
Verschlechterung des Allgemein- bei akuter Lungenembolie)
zustands, pektanginöse Beschwer-
den, Perikardreiben Beachte
5 Herzinsuffizienz: chronisch-ischä- z Eine Reduktion der HF um 15/min
mische Kardiomyopathie in Form führt zu einer Verringerung der
einer dilatativen Kardiomyopathie Infarktgröße von 25–30 %; eine Re-
Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom 41 3
duktion der HF um <8/min wirkt sich das Herzkatheterlabor nicht innerhalb
nicht auf die Infarktgröße aus von 90 min verfügbar ist, erfolgt eine
z ASS sollte allen Patienten mit akutem Lysetherapie
Koronarsyndrom unter Beachtung der z Eine Notfall-PCI sollte möglichst in
absoluten Kontraindikationen (z. B. einem 2-h-Zeitfenster durchgeführt
blutendes Ulkus, Allergie) gegeben werden (Klinik mit 24-h-Herzkathe-
werden terbereitschaft anfahren)
z Keine antiarrhythmische Prophylaxe z Bezüglich Katheterintervention
(Mortalitätserhöhung) und Fibrinolysetherapie (»evidence
z Akute Reperfusionstherapie (»time is based«, Klasse I) beim Myokardinfarkt
muscle«); maximal tolerabler Zeitver- gilt: PCI statt Lyse für optimal organi-
lust für die Durchführung einer PCI sierte Strukturen
statt einer Lyse: 90 min, d. h. wenn

Patient mit akutem Koronarsyndrom


Angina über > 20 min, ärztliche Begleitung
mit Defibrillationsbereitschaft

Krankenhauseinweisung
12-Kanal-EKG innerhalb von 10 min,
Troponintest sofort (Ergebnis nach < 60 min),
Anamnese, körperliche Untersuchung

Keine ST-Strecken-Hebung, Reperfusionstherapie


ST-Strecken-Hebung (neuer) LSB

Risikomerkmale
Troponinspiegelerhöhung Keine Risikomerkmale
ST-Strecken-Senkung um > 0,1 mV Wiederholte 12-Kanal-EKG, ggf.
hämodynamische und Rhythmus- kontinuierliches ST-Strecken-
instabilität Monitoring,
refraktäre Angina pectoris, Troponinspiegelkontrolle
Diabetes mellitus

Keine Risikomerkmale
Nichtinvasive Diagnostik,
Spätestens innerhalb Risikomerkmale oder Differenzialdiagnostik,
von 72 h erneute Angina pectoris nichtinvasiver Belastungstest
Positver Belastungstest

Invasive Herzkatheterdiagnostik Konservative Therapie

⊡ Abb. 3.1. Flussdiagramm »akutes Koronarsyndrom«. LSB Linksschenkelblock


42 Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare Herzkrankheit

ACS ohne ST-Hebung (NSTE-ACS)


ACS mit ST-Hebung (STEMI)  NSTEMI
 Instabile Angina pectoris

Akuttherapie: O2-Gabe, Morphin, ASS, Clopidogrel, Heparin, Nitrate, ß-Blocker

Sehr hohes Risiko Hohes / intermediäres Niedriges Risiko


 hämodynamische Risiko  keine neuerliche
Instabilität  positives Troponin Angina
 lebensbedrohliche  dynamische EKG-  keine Zeichen der
Arrhythmien Veränderungen Herzinsuffizienz
 therapierefraktäre  Diabetes mellitus  keine EKG-
Angina pectoris  eingeschränkte Nieren- Veränderungen
 rezidivierende funktion  keine Troponin-
Angina pectoris  LV-EF<40% erhöhung
 Zustand nach
Myokardinfarkt
 Z.n. Intervention /
Bypass-OP

Troponin- und
GP-IIb/IIIa Rezeptorantagonist (upstream) EKG-Kontrolle

positiv

2 x negativ

Dringlich invasiv, <2 h Früh invasiv, <72 h Ischämiediagnostik

⊡ Abb. 3.2. Algorithmus »Akutes Koronarsyndrom«, risikoadaptiert

Antikoagulationstherapie 5 oral: Rivaroxaban (Xarelto; noch


und Gabe von Thrombozyten- nicht zugelassen; Studie: ATLAS-
aggregationshemmern TIMI 46, 51)
z Heparine: niedermolekular oder un- z Direkter Thrombininhibitor: Bivaliru-
fraktioniert din (Angiox)
z Selektiver Faktor-Xa-Inhibitor: z Thrombozytenaggregationshemmer:
5 parenteral: Fondaparinux (Arix- ASS, Thienopyridine (meist Clopido-
tra): 2,5 mg s. c. über max. 8 Tage grel – Iscover; bei Unverträglichkeit:
Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom 43 3
⊡ Tab. 3.3. Medikamente beim akuten Koronarsyndrom

Substanz- Medikamente Dosierung


gruppe

Analgetika Morphin (Morphin Merck) 2–5 mg alle 3–5 min i. v., bis Schmerz-
freiheit erreicht ist

Sedativa Promethazin (Atosil), Promethazin: 1 mg/kg KG i. v.;


Diazepam (Valium) Diazepam: 2,5–10 mg i. v.

Nitrate Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin, Nitrospray: alle 5 min 0,4–0,8 mg p. o.;


Nitrolingual) oder Nitroperfusor: 2–10 mg/h i. v.

β-Blocker Metoprolol-Succinat (Beloc) 5 mg i. v., Titration nach Blutdruck und


Herzfrequenz (Ziel-HF: etwa 60 /min)

Antithrombo- ASS (Aspisol), Clopidogrel2 ASS: 500 mg i. v. (unabhängig von der


zytäre (Iscover) Vormedikation); Clopidogrel: 8 Tbl. à
Substanzen 75 mg p. o (wenn PCI <6 h zurückliegt,
sonst 4 Tbl.).

Thrombin- Heparin1 (Heparin-Natrium- Unfraktioniertes Heparin:


inhibitoren Nattermann), Enoxaparin 60–70 IE/kg KG i. v. als Bolus, anschlie-
(Antithrom- (Clexane) ßend Perfusor (Ziel-PTT: 50–60 s);
bine) Enoxaparin: 30 mg i. v. plus 2-mal
täglich 1 mg/kg KG s. c. (Wechsel der
Heparine bei PCI vermeiden)
1 Niedermolekulare Heparine: Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz (bei einer Kreatinin-Clea-

rance von <30 ml/min kontraindiziert)


2 Clopidogrel: keine routinemäßige Gabe von Protonenpumpenhemmer unter der Therapie mit

Clopidogrel

Ticlopidin – Tiklyd) und GP-IIb/IIIa- Abnahme der Mortalität → Interven-


Antagonisten; tion bei STEMI vorzuziehen, sofern die
5 Indikationen: nützlich bei primä- Zeitfenster eingehalten werden können
rer Interventionsindikation inner- z PCI als Therapie der Wahl; Vorausset-
halb der folgenden 72 h; zusätzlich zungen:
zu ASS und Heparin 5 Zeit bis zur Intervention (»con-
5 Substanzen: Abciximab tact-to-balloon«): <120 min
(RheoPro),Tirofiban (Aggrastat), 5 Symptombeginn innerhalb von 3 h
Eptifibatid (Integrilin) z Primäre PCI:
5 direkte Intervention: 75 % direktes
Perkutane Koronarintervention (PCI) Stenting oder Vordilatation (Bal-
z Eine PCI erreicht eine höhere Offen- londilatation) mit Stenting
heitsrate und einen besseren Koronar- 5 ggf. additive Gabe von GP-IIb/
fluss (sog. TIMI-3-Kriterium; ⊡ Tab. 3.4) IIIa-Antagonisten (Abciximab, Ti-
als die Lyse; das Erreichen eines TIMI- rofiban, Eptifibatid); Kombination
3-Flusses im Gefäß korreliert mit der mit Heparinen erforderlich
44 Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare Herzkrankheit

⊡ Tab. 3.4. TIMI-(»Thrombolysis-in-myocardial-infarction«-)Klassifikation

TIMI- Koronarfluss
Klassifikation

0 Verschluss mit fehlender Darstellung im distalen Gefäßanteil

I Verschluss mit Darstellung von wenigen Teilen des distalen Gefäßabschnitts

II Darstellung des Gefäßes distal der Stenose mit verlangsamtem Fluss des
Kontrastmittels im Vergleich zu anderen Gefäßarealen (partielle Perfusion)

III Normaler Ein- und Abstrom des Kontrastmittels (vollständige Perfusion)

5 ggf. additive Gabe von Bivalirudin 5 ST-Strecken-Senkung um >0,1 mV


(Angiox) als direkter Thrombinin- 5 Diabetes mellitus
hibitor als Alternative zu Heparin 5 Niereninsuffizienz
plus GP-IIb/IIIa-Antagonisten 5 EF von <40 %
(REPLACE-2 Studie) 5 vorbestehende ASS-Medikation
z Rescue-PCI: nach erfolgloser Lyse-
therapie
Zeitlimits für die Therapie bei STEMI
z »Facilitated« PCI: nach präklinischer
(Klasse-I-Empfehlungen)
Lysetherapie (häufig ohne Vorteil
bezüglich der Mortalität; BRAVE-1 z »Door to balloon time« ohne Ankündi-
Studie) gung: max. 60 min
z Früh-PCI: am 1.–2. Tag nach dem z »Door to balloon time« mit Ankündigung:
Akutereignis max. 30 min
z Spät-PCI: nach >2 Tagen nach dem z »Contact to balloon time« (Erstkontakt bis
Akutereignis PCI): <120 min
z Prozedere bei NSTEMI: z »Contact to needle time« (Erstkontakt bis
5 Dringlich-invasiv bei hämodyna- Lysebeginn): <30 min
mischer Instabilität: z Zeitraum: Der maximale Zeitverlust im Vergleich zum
sofort (<2 h) z Antikoagulation Beginn der Lysetherapie darf 90 min nicht
plus Akutherzkatheter, ggf. überschreiten.
GP-IIb/IIIa-Antagonisten
5 Frühinvasiv bei hohem Risiko Lysetherapie
(TIMACS Studie): z Zeitraum: Präklinische Lysetherapie
<72 h z Antikoagulation plus z Die Fibrinolysetherapie ist keine
Herzkatheter, ggf. GP-IIb/IIIa- Thrombolyse → stets additive Thera-
Antagonisten z Je nach Befund pie mit antithrombozytären Substan-
postinterventionelle Gabe von zen (ASS, Clopidogrel, ggf. GP-IIb/
GP-IIb/IIIa-Antagonisten für IIIa-Antagonisten) und Thrombinin-
12–24 h hibitoren (Heparin)
z Risikofaktoren bei NSTEMI: z Die prästationäre Einleitung der
5 erhöhter Troponinwert Fibrinolyse ist der stationären über-
5 bekannte KHK legen
Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom 45 3
z Die präklinische Lyse stellt keine Kon- 5 Ablehnung durch den Pati-
traindikation bzw. kein Hindernis für enten
eine anschließende Intervention dar z Patienteneinwilligung
(»facilitated« PTCA) z Echokardiographie vor Lysetherapie
z Ein fibrinspezifisches Fibrinolytikum zum Nachweis/Ausschluss eines Peri-
ist zu bevorzugen kardergusses
z Zur präklinischen Lysetherapie sind
Tenecteplase (Metalyse) und Reteplase Komplikationen
(Rapilysin) zu bevorzugen z Blutungen: insbesondere Oropharnge-
z Indikation zur präklinischen Lysethe- alregion; Maßnahmen bei ausgepräg-
rapie, wenn die Symptome seit <3 h ten Blutungen:
bestehen und eine Zeitverzögerung bis 5 Lyse sofort beenden
zum Herzkatheterlabor von >90 min 5 Heparinantagonisierung mit ACT-
(»contact to ballon time«) besteht Kontrollen: 1 ml Protamin 1000 IE
z Eine »routinemäßige Lyse« bei Patien- neutralisiert 1000 IE Heparin
ten mit Kreislaufstillstand wird nicht 5 Gabe von FFP (etwa 8–10 Kon-
empfohlen (TROICA-Studie), jedoch serven direkt »aufgetaut« von der
Empfehlung bei Kreislaufstillstand Blutbank bestellen)
aufgrund einer Lungenembolie 5 Antifibrinolytikum: Tranexam-
säure (Cyklocapron), 1– bis 3-mal
Voraussetzungen 500 mg i. v. oder als Perfusor
z Klinik eines Myokardinfarkts plus 5 ggf. Substitution von Fibrinogen:
eindeutiger EKG-Befund in einem 2–4 g i. v.
Zeitfenster (Symptom-/Schmerz- bis
Lysebeginn) von max. 3 h Erfolgskriterien der Lyse (Reperfusions-
z EKG-Befund: ST-Strecken-Hebung kriterien)
um ≥0,1 mV in ≥2 Extremitätenab- z Rückgang der Klink und der EKG-
leitungen und/oder um ≥0,2 mV in Veränderungen (ST-Strecken-Resolu-
≥2 Brustwandableitungen oder neu tion)
auftretender Linksschenkelblock mit z Auswascheffekt der Enzyme (CK-
infarkttypischen Symptomen Aktivitätsmaximum nach bereits 4 h
z Fehlen absoluter Kontraindikationen: spricht für eine erfolgreiche Lyse)
5 Aortendissektion z Lyseversager in 20 % der Fälle (Res-
5 akute Endokarditis/Sepsis cue-PCI)
5 aktive innere Blutung (gastrointes-
tinal, urogenital)
Zeitlimits der Lysetherapie bei STEMI
5 Operationen/Trauma in den vor-
angegangenen 3 Wochen z »Contact to needle time« (Erstkontakt bis
präklinische Lyse): <30 min
5 ZNS-Erkrankungen (ischämischer
Insult in den vorangegangenen z »Door to needle time« (Erstkontakt bis
klinische Lyse): <30 min
6 Monaten, abgelaufener hämor-
rhagischer Insult, Malignom, An-
z »Call to hospital needle time«:
max. 60 min
eurysma)
z Maximales Zeitfenster einer Lysetherapie:
5 hämorrhagische Diathese/Gerin- 12(–24) h
nungsstörung
46 Kapitel 3 · Akutes Koronarsyndrom/instabile koronare Herzkrankheit

Rehabilitation bei KHK und nach z Nach Myokardinfarkt:


Myokardinfarkt 5 Ergometrie: bei unkomplizierten
z Generelle Empfehlung: Patienten frühestens 2 Tage nach
5 leichte bis mittelgradige sportliche Myokardinfarkt und nach Norma-
Betätigung bei stabilen kardiovas- lisierung des CK-Wertes bzw. vor
kulären Erkrankungen; Inaktivität Entlassung oder früh-ambulant
ist ein Risikofaktor empfohlen
5 Belastungsstärke: z aerobe, dy- 5 eine Rehabilitationsmaßnahme
namische Ausdauersportarten: kann die kardiovaskuläre Mortali-
niedriggradig: z. B. Walking; mo- tät um bis zu 20 % senken
derat: z. B. Joggen; hochgradig: z. B.
Skilanglauf z optimale Trainings-
dauer: 3- bis 5-mal wöchentlich
>20 min z Trainings-HF: 55–75 %
der maximalen HF (220 – Alter)
z statische Belastungen (Mus-
kelaufbau): hohe Frequenz bei
niedriger Kraft (50 % der Maximal-
kraft); orientierende Obergrenze:
»Talk-Test« (kurze Sätze ohne
Hechelatmung möglich)
z KHK:
5 vor sportlicher Belastung: Risi-
kostratifizierung (EKG, einmal
jährlich Ergometrie); bei Wett-
kampfsport: zusätzlich 24-h-EKG,
Echokardiographie
5 geringes Risiko: z EF: >50 %
z normale Ergometriebefunde
z keine relevanten Stenosen
(<70 %, keine Hauptstamms-
tenose) z keine komplexen
Arrhythmien z Wettkampfsport
möglich
5 hohes Risiko: z EF: <50 %
z pathologische Ergometrie-
befunde z relevante Stenosen
z komplexe Arrhythmien z von
Wettkampfsport abzuraten
(vorzugsweise Training in Koro-
narsportgruppen unterhalb der
anaeroben Schwelle und unterhalb
der Belastung, bei der im Rahmen
der Ergometrie Ischämiezeichen
auftreten)
Kapitel 4 · Kardiogener Schock 47 4

> Kardiogener Schock


G. Michels, T. Schneider

Definition z Rechtsherzversagen (ohne pulmonale


z Akutes Kreislaufversagen aufgrund Stauung):
einer primären kardialen Pumpfunk- 5 Ursache: Rechtsherzinfarkt (Hinter-
tionsstörung mit den Folgen Endor- wandinfarkt), Lungenembolie
ganhypoperfusion und Hypoxie 5 Hämodynamik: unveränderter/ver-
minderter LVEDP, ZVD-Zunahme
Allgemeines
z Schockform mit der höchsten Letalität
z Inzidenz: etwa 5–8 % der Patienten mit Ätiologie
Myokardinfarkt (überwiegend STEMI) z Systolische Dysfunktion:
z Mortalität: >70 % (ohne Revaskulari- 5 meist Linksherzinfarkt (LAD-
sation; 30-Tages-Mortalität mit Revas- Versorgungsgebiet) oder Rechts-
kularisation: 46 %) herzinfarkt: z myogen: Ein-
z Häufigste Todesursache bei Patienten schränkung der Pumpfunktion →
mit akutem Myokardinfarkt mindestens 40%iger Myokardfunk-
z Auftreten bei 10–30 % der Patienten tionsverlust z mechanisch: z. B.
mit akutem Myokardinfarkt innerhalb Septumruptur, Abriss von Papillar-
der ersten 24 h muskeln, Ruptur der freien Wand
z Zu etwa 80 % durch linksventrikuläres 5 dekompensierte Herzinsuffizienz
Pumpversagen verursacht 5 Kardiomyopathien: häufig »End-
z Prädiktoren: ältere Patienten, Frauen, stage«-Kardiomyopathie
Patienten mit bekannter KHK oder 5 Entzündungen: Endokarditis
Diabetes mellitus (akute Mitral- oder Aortenklap-
peninsuffizienz), Myokarditis,
Perikarditis (mit Perikardtampo-
Varianten des kardiogenen Schocks nade)
z Linksherzversagen (mit pulmonaler Stau- z Diastolische Dysfunktion:
ung): 5 Perikardtamponade
5 Ursache: meist Myokardinfarkt mit 5 Spannungspneumothorax
akut eingeschränkter linksventri- z Rhythmusstörungen:
kulärer Pumpfunktion (Beginn des 5 Tachykardien: Diastolenverkür-
kardiogenen Schocks etwa 6 h nach zung mit Abnahme der Koronar-
Einsetzen des Myokardinfarkts) perfusion
5 Hämodynamik: LVEDP-Zunahme, 5 Bradykardien: »low cardiac output«
unveränderter ZVD 5 Arrhythmien
48 Kapitel 4 · Kardiogener Schock

z Akute Vitien: z PCWP: >18–20 mmHg


5 Aortenklappeninsuffizienz (z. B. z SVR: >2500 dyn × s × cm–5 (>31 WE)
Endokarditis, Aortendissektion) z Diurese: <20 ml/h
5 Mitralklappeninsuffizienz (z. B.
Endokarditis) Werte bei Rechtsherzinfarkt
z Extrakardiale Ursachen: z CI: <2,2 l/min/m2 KOF
5 myokardiale Depression bei z MAP: <70 mmHg
Schock/Sepsis → septische Kar- z ZVD: >10 mmHg
diomyopathie z LVEDP: <12 mmHg
5 Intoxikationen: z. B. Zytostatika,
Antiarrhythmika, Kokain, negative Werte bei Linksherzinfarkt
Inotropika z CI: <2,2 l/min/m2 KOF
5 LE mit rechtsventrikulärer systoli- z MAP: <70 mmHg
scher Dysfunktion z ZVD: <8 mmHg
z LVEDP: >15 mmHg
Klinik
z ⊡ Tab. 4.1 > Die Echokardiographie, die Messung
z Agitiertheit bis Bewusstseinseintrübung des HZV bzw. des »cardiac index« (CI)
z Blasse, kühle, schweißige Haut und die Bestimmung des »cardiac power
z Dyspnoe, Tachypnoe index« (CPI) stellen derzeit das beste
z Zyanose Monitoringkonzept des kardiogenen
z Oligurie Schocks dar.
z Angst, Erschöpfung
z Hypotonie, Tachykardie z Anamnese:
5 Vorerkrankungen (KHK, Diabetes
Diagnostik mellitus)
Diagnostische Kriterien des kardiogenen 5 Medikamente (insbesondere Diu-
Schocks retika)
z Systolischer Blutdruck: <90 mmHg für z Körperliche Untersuchung:
>30 min 5 Inspektion: blass-zyanotische
z CI: <1,8 l/min/m2 KOF ohne und Hautfarbe
<2,2 l/min/m2 KOF mit Kreislauf- 5 Auskultation: z pulmonal:
unterstützung feuchte Rasselgeräusche bei pul-

⊡ Tab. 4.1. Killip-Klassifikation nach »Myokardinfarkt«

Killip-Stadien Klinik
I Keine Zeichen der Herzinsuffizienz, nicht dekompensiert
II Zeichen der pulmonalvenösen Stauung, feuchte Rasselgeräusche beid-
seits basal
III Manifestes Lungenödem (systolischer Blutdruck: ≥90 mmHg), feuchte
Rasselgeräusche über der gesamten Lunge
IV Kardiogener Schock (systolischer Blutdruck: <90 mmHg)
Kapitel 4 · Kardiogener Schock 49 4
monaler Stauung z kardial: ggf. ist) und avDO2 die arteriovenöse
neues Herzgeräusch, 3. Herzton Sauerstoffgehaltsdifferenz
(Ausdruck der frühdiastolischen 5 HZV-Bestimmung nach Bestim-
Kammerfüllung) mung der arteriellen und gemischt-
z Basis-Monitoring: (zentral-)venösen O2-Sättigung:
5 Blutdruck (MAP): wenn möglich avDO2 = CaO2 – CcvO2
invasiv (A. radialis oder A. femora- CaO2 = [SaO2 × Hb × 1,34]
lis) CcvO2 = [ScvO2 × Hb × 1,34]
5 EKG: 12-Kanal-Ableitung inklu- 5 dabei ist CaO2 der arterielle Sau-
sive rechtspräkordiale Ableitungen erstoffgehalt, CcvO2 der (zentral-)
5 Pulsoxymetrie (arterielle Sauer- gemischtvenöse Sauerstoffgehalt,
stoffsättigung) SaO2 die arterielle Sauerstoffsätti-
5 Diurese: Dauerkatheteranlage zur gung und ScvO2 die (zentral-)ge-
genauen Bilanzierung mischtvenöse Sauerstoffsättigung
5 Temperatur (Blasenkatheter): 5 Bestimmung des CPI (Norm:
insbesondere bei therapeutischer >0,5–0,7 W/m2; im Schock: 0,1–
Hypothermie nach Reanimation 0,4 W/m2):
z Hämodynamisches Monitoring: CPI = CI × MAP × 0,0022 (W/m2)
5 HZV als wichtigste Regelgröße 5 CPI als Interpretation der Ener-
5 hämodynamisch kontrollierte gie, die zur Verfügung steht, um
Therapiesteuerung, insbesondere die Perfusion vitaler Organe auf-
HZV-Bestimmung: Thermodilu- rechtzuerhalten
tionsmethode (modifizierte Ste-
wart-Hamilton-Gleichung) mittels > Eine Verbesserung der Prognose
konventionellem Pulmonalarteri- durch den Pulmonalarterienkatheter
enkatheter (temporäre HZV-Mes- oder weniger invasive Verfahren konnte
sung) oder modernen Verfahren bisher nicht nachgewiesen werden.
(kontinuierliche HZV-Messung)
bzw. PiCCO-System (kontinuierli- z Labordiagnostik:
che Messung über einen arteriellen 5 insbesondere Herzenzymaktivitä-
und einen zentralvenösen Zugang; ten
nicht bei IABP) 5 BNP-/pro-BNP-Wert
5 ggf. HZV-Bestimmung mittels 5 Laktatspiegel (Parameter der
Echokardiographie oder mittels Gewebeperfusion)
Fick-Prinzip: 5Elektrolytkonzentrationen
VO2 5Retentionswerte
HZV =
a v DO2 5kleines Blutbild
5Blutgasanalysen (peripher und
5 dabei ist VO2 der Sauerstoffver- zentralvenös)
brauch (aus Normtabellen – etwa z Echokardiographie (TTE, ggf. TEE):
3–4 ml/kg KG/min – oder durch 5 »Pumpfunktion« (diagnostische
Messung der mittleren CO2-Kon- bzw. differenzialdiagnostische
zentration mittels Massenspektro- Abklärung)
metrie: VO2 = VCO2/RQ, wobei 5 Klappenfunktion
RQ der respiratorische Quotient 5 Erguss
50 Kapitel 4 · Kardiogener Schock

z Röntgenuntersuchung des Thorax: Ziele


5 Zeichen der pulmonalen Stauung z Optimierung der kardialen Funktion
5 Pleuraerguss und der Hämodynamik:
5 Atelektasen 5 Stabilisierung der Inotropie (CI):
Inotropika (Katecholamine)
Differenzialdiagnostik 5 Stabilisierung der Vorlast (Fül-
⊡ Tabelle 4.2 lungsdrücke: ZVD, LVEDP): Vo-
lumenentzug (Diuretika, Nitrate)
Differenzialdiagnosen des Herz-Kreis- oder Volumensubstitution
lauf-Stillstands 5 Stabilisierung der Nachlast (SVR)
z 5 H: Hypoxie, Hypovolämie, Hydro- und des MAP: Nachlastsenker
genion (Azidose), Hypo-/Hyperkaliä- (z. B. Nitrate) oder Nachlaststeige-
mie, Hypothermie rer (z. B. Katecholamine)
z 5 T: Tamponade (Herz), pulmonale 5 koronare Reperfusion: so früh wie
Thrombose (LE), koronare Throm- möglich
bose (Myokardinfarkt), Toxigen (In- z Optimierung der Oxygenierung:
toxikation), Thorax (Spannungspneu- 5 Optimierung der Sauerstofftrans-
mothorax) portkapazität bzw. des Sauerstoff-
angebots (DO2):
Therapie DO2 = HZV × CaO2
CaO2 = (SaO2 × Hb × 1,34) + (paO2
Therapeutische Zielwerte beim × 0,0031)
kardiogenen Schock 5 dabei ist paO2 der arterielle Sauer-
z MAP: ≥65 mmHg stoffpartialdruck
z CI: ≥2,2 l/min/m2 KOF 5 Optimierung der Sauerstoffauf-
z PCWP: <18 mmHg nahme (VO2):
z SVR: etwa 800– VO2 = HZV × avDO2 = etwa 300 ml
1000 dyn × s × cm–5 (10–13 WE) O2/min
z Laktatspiegel (arteriell): <1,1 mmol/l avDO2 = CaO2–CvO2 = (Hb ×
z Diuresesteigerung um >20 ml/h 1,34 × SaO2) – (Hb × 1,34 × SvO2) =

⊡ Tab. 4.2. Differenzialdiagnostik des »Low-cardiac-output«-Syndroms

Diagnosen ZVD LVEDP PAP

Linksherzversagen Normal bis ↓ ↑ ↑

Rechtsherzversagen ↑ Normal bis ↓ Normal

Lungenembolie ↑ Normal bis ↓ PAP > LVEDP

Pulmonale Hypertonie ↑ Normal PAP > LVEDP

Hypovolämie ↓ ↓ ↓

Perikardtamponade ↑ ↑ ↑
Kapitel 4 · Kardiogener Schock 51 4
(15 × 1,34 × 1) – (15 × 1,34 × 0,7) = 30 : 2 (Frequenz: 100/min; Ein-
20–14 = 6 ml O2/100 ml Blut drücktiefe: 5–6 cm) → Rhythmus-
5 Maßnahmen: kontrolle: Schock empfohlen oder
5 HZV-Anhebung (Volumen, Ka- nicht empfohlen
techolamine) 5 Schock empfohlen: nur »einmalig«
5 Sauerstoffgabe (Ziel-SaO2: >95 %) Schock und anschließend kardio-
5 ggf. zusätzlich Erythrozytenkon- pulmonale Reanimation
zentrate (Ziel-Hb: >10 g/dl; Ziel- 5 Schock nicht empfohlen: kardio-
Hkt: >30 %) pulmonale Reanimation
z Defibrillation:
Allgemeine Maßnahmen 5 Biphasische Schockform ef-
z Aufrechterhaltung und Stabilisierung fizienter als monophasische
der Vitalfunktionen (konventionelle monophasische
z Oberkörperhochlagerung Defibrillatoren sind den bipha-
z Oxygenierung: >6 l O2/min über sischen bei gleicher Energiestufe
Maske unterlegen)
z Gegebenenfalls invasive Beatmung 5 Monophasischer Schock: 360 J
bei hämodynamischer Instabilität 5 Biphasischer Schock: 200 J
(PEEP von >10 mmHg zur Vorlast- z Medikamente:
senkung; Ausnahmen: Rechtsherz- 5 Adrenalin (1 mg alle 3–5 min):
infarkt, Lungenembolie) einzige Substanz, die derzeit emp-
z Anlage großlumiger Zugänge: fohlen wird
ZVK, Arterienkatheter (invasive 5 weitere Substanzen: z Atropin
Blutdruckmessung, Analyse der (einmalig 3 mg bei Asystolie);
Atemgase und des Säure-Basen- falls ineffektiv: Theophyllin (250–
Haushalts) 500 mg) z Amiodaron (300 mg
bei VT/Kammerflimmern), Lido-
Kardiopulmonale Reanimation cain bei Erfolglosigkeit z Mag-
z 3-Phasen-Modell des Herz-Kreislauf- nesium (2 g bei schockrefraktärer
Stillstands: VT/Kammerflimmern, »torsades
5 elektrische Phase (etwa 4 min): de pointes«, Digoxinüberdosie-
Rhythmusproblem, Defibrillation rung) z Kalzium (bei Verdacht
5 zirkulatorische Phase (4–10 min): auf Hyperkaliämie, Hypokalzämie,
Kombination aus kardiopulmo- Intoxikation mit Kalziumantago-
naler Reanimation, Defibrillation nisten)
und Adrenalingabe
5 metabolische Phase (>10 min): > Medikamente zeigen nur bei ad-
Reperfusionsschäden, Aktivitäts- äquater Hämodynamik eine Wirkung,
bestimmung der NSE (Tage 1, 3, 7) d. h. eine moderate Reanimation ist
z Algorithmus der kardiopulmonalen die Grundlage der Medikamenten-
Reanimation: wirkung.
5 Patient reaktionslos → Kopf
überstrecken/Atmung fehlend 5 präklinische Lysetherapie bei
oder »abnormal« → Beginn der Kreislaufstillstand: keine Progno-
kardiopulmonalen Reanimation severbesserung, Benefit nur bei
52 Kapitel 4 · Kardiogener Schock

Patienten mit Kreislaufstillstand z Inotropika:


aufgrund einer Lungenembolie 5 Substanzen: Katecholamine,
(TROICA-Studie) PDE-III-Inhibitoren (Enoximon,
z Therapeutische Hypothermie nach Milrinon), Kalziumsensitizer
Reanimation: (Levosimendan)
5 Beginn: spätestens 2 h nach Kreis- 5 eine vorbestehende orale Medi-
laufwiederherstellung (»return of kation mit Nitraten, Kalziuman-
spontaneous circulation«) tagonisten, ACE-Hemmern und
5 Kontraindikation: aktive relevante AT1-Antagonisten und je nach Hä-
Blutung modynamik auch mit β-Blockern
5 Temperaturziel: 32–34°C für etwa (OPTIMIZE-HF Studie), ist für
24 h, danach passive Erwärmung die Dauer des Schockzustands
über 12 h abzusetzen, weil diese Substanzen
5 Voraussetzung: tiefe Analgosedie- den Inotropika entgegenwirken
rung, ggf. Muskelrelaxierung bei und die bestehende arterielle Hy-
Kältezittern potonie verstärken
5 Mittel: 2–3 l 4°C kalte 0,9%ige 5 Katecholamine: z 1. Wahl:
NaCl-Lösungen, Coolpacks, kaltes Dobutamin (Dobutrex; β1-
Abwaschen, Kühlkatheter (Cool- stimulatorisch ohne wesent-
gard), Kältezeltbett, gekühlte Ma- liche Zunahme von SVR und
gen-/Blasenspülung PVR) z 2. Wahl: Noradrenalin,
5 Monitoring: Intensivmonitoring, ggf. Adrenalin (Ultima Ratio)
Temperaturmessung über Blasen- z Anwendung: nur so lange wie
katheter (Kerntemperatur), Elekt- notwendig (hohe und prolongierte
rolytkontrollen (Hypokaliämie bei Katecholamindosen wirken kardi-
Kühlung und Hyperkaliämie bei otoxisch, inflammationssteigernd
Erwärmung), Gerinnung (Beein- und proarrhythmogen und führen
trächtigung der Gerinnung unter über Tachyphylaxieeffekte zu einer
Hypothermie) Wirkungsverminderung)
5 PDE-III-Hemmer: z Indikati-
Stabilisierung der kardialen Funktion onen: Patienten mit infarktbe-
und der Hämodynamik dingtem kardiogenen Schock
z Volumen: unter β-Blocker-Therapie, »Ka-
5 Bei allen Patienten im kardio- techolaminintoleranz« z Subs-
genen Schock: Volumenmangel tanzen: Milrinon (Corotrop),
ausschließen Enoximon (Perfan), ggf. in
5 Bei »Low-cardiac-output«-Syn- Kombination mit Noradrenalin
drom mit erniedrigtem LVEDP (wegen Gefahr der abrupten
bzw. PCWP: primäre Volumen- Vasodilatation) z Patienten
substitution; Substanzen: Vollelek- mit dilatativer Kardiomyopathie
trolytlösungen (Ringer-Lösung), scheinen besser zu profitieren
Plasmaexpander (Gelatine) als solche mit ischämischer Kar-
diomyopathie z Studienlage:
> Bei Rechtsherzinfarkt: Volumengabe ADHERE-Studie (Übersterb-
trotz erhöhtem ZVD lichkeit unter Milrinon)
Kapitel 4 · Kardiogener Schock 53 4
 Dosierung z Durchführung: Anlage einer 9-F-
Milrinon (Corotrop): Femoralisschleuse → Implantation
z Initial: 25–50 μg/kg KG über 10 min i. v. eines 8-F-Ballonkatheters in die Aorta
z Erhaltungsdosis: 0,5 μg/kg KG/min i. v. descendens (2 cm distal des Abgangs
z Maximale Tagesdosis: 1,13 mg/kg KG der linken A. subclavia) → EKG- (R-
z Halbwertszeit: 0,5–2 h Zacken) oder Drucksteuerung des
Ballons
Enoximon (Perfan): z Komplikationen (etwa 3 % bei 3-tägi-
z Initial: 0,25–0,5 mg/kg KG langsam i. v. ger Liegedauer): Gefäßverletzungen,
z Maximale Tagesdosis: 3–10 mg/kg KG i. v. Hämorrhagie, Beinischämie
z Erhaltungsdosis: 4- bis 8-mal 0,5 mg/
kg KG über 24 h i. v. ! PiCCO unter IABP unzuverlässig
z Halbwertszeit: 2–4 h (veränderte Pulskontur)

Senkung des SVR Weitere Therapieoptionen


z Indikation: SVR von z Kardiochirurgie: z. B. linksventriku-
>1000 dyn × s × cm–5 läres »assist device« oder Turbinen-
z Maßnahmen: Katecholamingabe re- pumpe (Impello)
duzieren, Gabe von Nachlastsenkern z Medikamentös: evtl. Kalziumsensiti-
z Ziel: Nachlastsenkung (SVR von etwa zer (Levosimendan, Simdax)
800–1000 dyn × s × cm–5) z Bei Oligurie: Balance aus vorsichtiger
z Substanzen: Gyceroltrinitrat (Nitro- Volumen- und Diuretikagabe, ggf.
glycerin), Urapidil (Ebrantil), Nitro- CVVH
prussidnatrium (Nipruss; Vorausset-
zung: MAP von ≥70 mmHg)

Kausaltherapie
> Beim infarktbedingten kardiogenen
Schock hat die primäre PCI oberste Prio-
rität (SHOCK-Trial); ggf. Bypass-OP oder
Lysetherapie bei akuter Lungenembolie.

Frühzeitige hämodynamische
Unterstützung mittels IABP
z Indikation: infarktbedingter kardioge-
ner Schock
z Kontraindikationen: akute Aortendis-
sektion, Aortenaneurysma, höhergra-
dige Aortenklappeninsuffizienz
z Ziele: Steigerung/Augmentation der
diastolischen Koronarperfusion (In-
flation), Senkung der Nachlast (De-
flation), HZV-Steigerung um 10–20 %
durch Verbesserung der Herzökono-
mie (MAP-Anstieg)
54 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

> Entzündliche
Herzerkrankungen
G. Michels, T. Schneider

5.1 Endokarditis z Endokardfibrosen:


5 Endocarditis parietalis fibroplastica
Definition Löffler: Hypereosinophilie mit bi-
z Akute oder subakute/chronische Ent- ventrikulärer Endokardverdickung;
zündung des Endokards Differenzialdiagnosen: Eosino-
philenleukämie, Churg-Strauss-
Formen Syndrom, Wurmerkrankungen
z Abakterielle Endokarditis: 5 Hedinger-Syndrom bei Karzinoid:
5 Endocarditis verrucosa rheuma- Endokardfibrose des rechten Her-
tica: streptokokkenallergische zens mit Trikuspidalklappeninsuffi-
Variante zienz und Pulmonalklappenstenose
5 Endocarditis verrucosa sim-
plex oder verrucothrombotica: Infektiöse Endokarditis
z thrombotische Wärzchen auf
Aorten- und Mitralklappe bei Allgemeines
schweren Erkrankungen (metasta- z Je nach Keimbefall hohe Letalität:
sierende Karzinome): marantische durchschnittlich etwa 20 % (40 % bei
Endokarditis, Tumorendokarditis Staphylokokken-, 50 % bei Pilzendo-
z Endokarditis bei Schock, Hyper- karditis)
und/oder Verbrauchskoagulopathie z Die Mitralklappenendokarditis zeigt
5 Endokarditis Libmann-Sacks bei eine signifikant höhere Mortalität als
systemischem Lupus erythematodes die Aortenklappenendokarditits
z Infektiöse Endokarditis: z Diagnosesicherung: positive Blut-
5 akute Form (⊡ Tab. 5.1): durch En- kulturen und echokardiographischer
terokokken und Staphylokokken, Nachweis
stark ulzeröse Komponente z Endokarditisprophylaxe nur bei
5 subakute Form (⊡ Tab. 5.1): Endo- Hochrisikopatienten
karditis lenta durch Streptococcus
viridans → Endocarditis ulceropo- Ätiologie
lyposa (Endocarditis ulcerosa mit > Prinzipiell kann zwischen einer nicht-
Nekrosen, Endocarditis polyposa infektiösen/abakteriellen (meist rheu-
mit thrombotischen Auflagerun- matisches Fieber) und einer infektiösen
gen) Endokarditis unterschieden werden. Die
5.1 · Endokarditis 55 5.1
⊡ Tab. 5.1. Akute und subakute Endokarditis

Parameter Akute Endokarditis Subakute Endokarditis

Inzidenz Hoch Niedrig

Klinik Ausgeprägte Symptome Milde bis mäßige Symptome


(Fieber bis Sepsis), Schüttelfrost (subfebrile Temperaturen,
Gewichtsverlust)

Symptomdauer Stunden bis Tage Wochen bis Monate

Metastatische Häufig Selten


Infektionen in
anderen Organen

Anämie Selten Häufig

Leukozytose Häufig Selten

infektiöse Endokarditis unterteilt man iert mit zerebralen Embolien und


in eine akute und eine subakute Form großen Vegetationen z Risikofak-
(Endocarditis lenta). toren: i. v. Drogenabusus, Hämodi-
alyse, Diabetes mellitus
z Streptokokken (40–60 %): 5 koagulasenegative Staphylo-
5 Streptococcus viridans kokken: Hauptkeim der Prothe-
(α-hämolysierende/vergrünende senfrühendokarditis (<1 Jahr
Streptokokken): physiologische postoperativ) und nosokomialer
Kolonisation des Oropharynx Endokarditiden (Staphylococcus
5 Streptococcus bovis: physiologi- epidermidis, Staphylococcus lug-
sche Kolonisation des Gastroin- dunensis); meist subakuter Verlauf
testinaltrakts, u. a. Assoziation mit z Enterokokken (10 %):
Kolonkarzinom 5 Enterococcus faecalis (90 %) und
5 Streptococcus pneumoniae (selten Enterococcus faecium (10 %)
Erreger einer Endokarditis): ge- 5 physiologische Kolonisation des
häuft bei Alkoholikern, begleiten- Gastrointestinaltrakts, meist bei äl-
der Pneumonie oder Meningitis teren Männern mit Harnwegsinfekt
z Pilze:
> Es besteht ein enger Zusammenhang 5 Candida spp. (Candida albicans,
zwischen Streptococcus bovis und Ko- Candida glabrata, Candida krusei)
lonkarzinom sowie Polypen, weshalb oder Aspergillus spp.
eine Koloskopie im stationären Verlauf 5 Risikofaktoren: Immunsuppres-
anzustreben ist. sion, protrahierte antibiotische
Therapie, Drogenkonsum, zentrale
z Staphylokokken (20–40 %): Zugänge, vorangegangene kardio-
5 Staphylococcus aureus: z MSSA chirurgische Eingriffe
(80–85 %) und MRSA (10–15 %) 5 assoziiert mit großen Vegetationen
z meist akuter Verlauf z assozi- und hoher Letalität
56 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

5 frühzeitig an eine chirurgische 5 Janeway-Läsionen (subkutane


Intervention denken Blutungen an der Hand oder an
z Seltene Erreger, insbesondere bei der Fußsohle; schmerzlos)
negativen Blutkulturen (schwer an- z Zeichen bakterieller/septischer
züchtbar): Mikroembolien:
5 HACEK-Gruppe: z Haemophi- 5 embolische Herdenzephalitis
lus aphrophilus/paraphrophilus, 5 Retina: Roth-Flecken
Actinobaccilus actinomycetemco- 5 Osteomyelitis
mitans, Cardiobacterium hominis, 5 Apoplexie (v. a. Stromgebiet der
Eikenella corrodens, Kingella kin- A. cerebri media)
gae z meist subakute Verlaufs- z Uhrglasnägel/Trommelschlägelfinger
form z niedrige Virulenz z gute bei chronischer Endokarditis als Zei-
Prognose chen der zentralen Zyanose
5 weitere seltene Keime: Coxiella z Glomeruläre Herdnephritis Löhlein:
burneti (Q-Fieber, Tierkontakt), Hämaturie und Proteinurie
Bartonella spp., Brucella spp., z Niereninfarkt: inkonstanter Flanken-
Chlamydia psitacci schmerz und Makrohämaturie
z Idiopathisch (10 %), d. h. keine Erre- z Splenomegalie
gerisolierung z Intrakranielle Blutungen → Ausbil-
dung mykotischer Aneurysmen als
Folge einer septischen Embolisation
Kunstklappenendokarditis
z Frühendokarditis: <1 Jahr postoperativ; Diagnostik
Staphylococcus epidermidis
z Spätendokarditis: >1 Jahr postoperativ; Duke-Kriterien der infektiösen
Keime wie bei Nativklappenendokarditis Endokarditis
z Hauptkriterien:
Klinik 5 positive Blutkultur mit Nachweis
> Am häufigsten sind Aorten- und Mit- typischer Erreger: α-hämolysierende
ralklappe (jeweils etwa 45 %) betroffen, Streptokokken, Staphylococcus
während die Klappen des rechten Her- aureus, Enterokokken, Keime der
zens nur zu etwa 10 % befallen sind. HACEK-Gruppe (Haemophilus influ-
enzae, Haemophilus parainfluenzae,
z B-Symptomatik: Fieber (subfebril Haemophilus aphrophilus, Actino-
bis Sepsis), Gewichtsverlust, Nacht- bacillus, Cardiobacterium, Eikenella,
schweiß Kingella)
z Neues Herzgeräusch (neue Klappen- 5 Nachweis der Endokardbeteiligung:
läsion) TEE-Befund, neues Herzgeräusch
z Arthralgien und Myalgien z Nebenkriterien:
z Kutane Symptome: 5 prädisponierende Herzerkrankung
5 Petechien (Akren, Bindehaut) oder i. v. Drogenabusus
5 Osler-Knötchen (immunkomplex- 5 Fieber von >38°C
bedingte Vaskulitis bzw. Ausdruck 5 vaskuläre Phänomene: arterielle Em-
von Mikrothromben, v. a. an den bolien, septisch-pulmonale Infarkte,
Akren; schmerzhaft) mykotische Aneurysmen, intrakrani-
5.1 · Endokarditis 57 5.1
elle oder konjunktivale Blutungen, kontinuierlich z Blutentnahme
Roth-Flecken, Janeway-Läsionen aus peripherer Vene und – falls
5 immunologische Phänomene: Glome- vorhanden – aus ZVK z arterielle
rulonephritis/Löhlein-Herdnephritis, Blutentnahme schlechter als ve-
Osler-Knötchen, Rheumafaktor nöse z Anlage von Blutkulturen
5 Echokardiographie: Hinweis auf eine auch unter antibiotischer Therapie
Endokarditis (jedoch nicht für ein 5 bei »kulturnegativer« Endokardi-
Hauptkriterium ausreichend) tis Suche nach HACEK-Keimen,
5 positive Blutkultur (jedoch nicht für Chlamydien, Coxiella burneti und
ein Hauptkriterium ausreichend) Bartonella spp.
z Beurteilung: z Fokussuche: zentrale Zugänge, De-
5 sichere Endokarditis: 2 Hauptkriterien mers-Katheter, Schrittmacher, Zähne,
oder 1 Haupt- und 3 Nebenkriterien Harnwege, Füße (Pilzbefall, Mal per-
oder 5 Nebenkriterien forans)
5 mögliche Endokarditis: 1 Haupt- und z Labordiagnostik: BSG, CRP-Kon-
1 Nebenkriterium oder 3 Nebenkrite- zentration, Blutbild (mäßige bis aus-
rien prägte Leukozytose, Infektanämie),
5 Endokarditis ausgeschlossen: keine Ferritin- (erhöht) und Transferrin-
Kriterien, sichere alternative Diagnose, spiegel (erniedrigt)
Wirksamkeit einer antibiotischen The- z Urinstatus: Hämaturie/Erythrozyturie,
rapie innerhalb von 4 Tagen Proteinurie
z Ruhe-EKG:
z Anamnese: 5 AV-Block-Bilder und/oder Links-
5 vorangegangene infektiöse Endo- schenkelblock bei septaler Beteili-
karditis gung (paravalvulärer Abszess nahe
5 bekanntes Vitium (z. B. bikuspide des membranösen Septums und
Aortenklappe) des AV-Knotens)
5 Klappenprothese 5 ST-Strecken-Veränderungen bei
5 i. v. Drogenabusus septischer Koronarembolie
5 vorangegangene OP z Echokardiographie:
5 Harnwegsinfekt 5 TEE und/oder TTE
5 Pneumonie 5 im Verlauf tägliche bis wöchentli-
z Körperliche Untersuchung: neu aufge- che Kontrollen
tretenes Herzgeräusch 5 TEE bei Verdacht auf Vegetationen,
z Mikrobiologische Diagnostik: Chordaruptur, Segelperforation,
5 Blutkulturen vor Therapiebeginn: paravalvulären Abzess und Fisteln
z 3 Paare (aerob/anaerob) in min- 5 bei initial unauffälligem TEE-Be-
destens 1h-Abstand (Bebrütung fund, aber weiterhin bestehendem
über >10 Tage) z Blutabnahme klinischen Verdacht auf infektiöse
immer vor Beginn der antibioti- Endokarditis: Wiederholung der
schen Therapie und unabhängig TEE nach etwa 1 Woche
von der Körpertemperatur (auch 5 große Vegetationen: z meist an
bei Fieberfreiheit); kein obligates Mitral- und Aortenklappe; v. a.
Warten auf Fieber bzw. Fieber- Staphylococcus aureus, HACEK-
spitzen – Bakteriämie besteht Gruppe, Pilze z Differenzial-
58 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

diagnosen: Klappenverkalkung, nur in absoluten Ausnahmefällen, z. B.


alte Vegetation, abgerissener maximale Intensivpflichtigkeit, über
Segelfaden, Lambl-Exkreszenzen einen ZVK, da zentrale Katheter ein
(fadenförmiges Material, welches hohes Infektionsrisiko bergen
an Klappen anhaftet), Mitralklap- z Bei persistierendem Fieber unter
penprolaps, myxomatöse Klappen- antibiotischer Therapie sollte an fol-
degeneration, Klappentumoren gende Ursachen gedacht werden:
(z. B. papilläres Fibroelastom), 5 echtes Therapieversagen
thrombotische Auflagerungen, 5 paravalvulärer Abszess
marantische Endokarditis (nicht- 5 »drug fever«
bakterielle, sterile, thrombotische 5 Venenkatheterinfektion
Endokarditis bei Leukämien oder 5 Pneumonie
anderen Tumorerkrankungen), 5 Harnwegsinfekt
Kollagenosen (z. B. Libman-Sacks- 5 Extrakardialer Abszess
Endokarditits bei systemischem (z. B. Wirbelsäule)
Lupus erythematodes) z Charak- 5 antibiotikaassoziierte Diarrhö
teristika endokarditischer Vege- (durch Clostridien)
tationen: hypermobil, echodicht,
weich, inhomogen, irregulär (nicht Initial kalkulierte (ungezielte)
glatt begrenzt), »immer« mit einer Therapie ohne Erregernachweis
Klappeninsuffizienz verbunden bei foudroyantem Verlauf
z Abdomensonographie: zur frühzeiti- z Vorausseztungen: 3–5 Blutkulturpaare
gen Erkennung und zum Ausschluss vor Therapiebeginn, danach umge-
von Organinfarkten bzw. -abszessen hende Therapieeinleitung, immer i. v.
5 Nieren: Niereninfarkt als Folge Therapie innerhalb von 1–2 h
von Embolien z Nativklappen des linken Herzens
5 Milz: Milzinfarkte und -abszesse (hohe Letalität):
(typisch für Staphylokokkenendo- 5 Therapiedauer: 4–6 Wochen (für
karditis) 2 Wochen Aminoglykosid)
5 in der Regel Flucloxacillin (3- bis
Therapie 6-mal 2 g/Tag) oder Ampicillin
Allgemeines (12–24 g/Tag) plus Ceftriaxon
z Bei Unstimmigkeiten bezüglich der (1-mal 2 g/Tag) und Gentamycin
Antibiotikatherapie sollte »stets« ein (3–5 mg/kg KG/Tag bzw. 3-mal
Mikrobiologe, ggf. ein Infektiologe 1–1,5 mg/kg KG/Tag); Eskalation
hinzugezogen werden mit Vancomycin (2-mal 1 g/Tag)
z Obwohl Aminoglykoside prinzipiell z Nativklappen des rechten Herzens
nur 1mal täglich verabreicht werden, (niedrigere Letalität):
sollte man diese bei Endokarditis 5 Behandlung wie Linksherz-
3-mal täglich verabreichen (Gentamy- endokarditis
cin: 3-mal 1–1,5 mg/kg KG/Tag) 5 Therapiedauer häufig reduziert
z Bei Kunstklappen immer Kombina- (2–4 Wochen)
tion mit Rifampicin z Kunstklappenendokarditis: Vancomy-
z Die i. v. Antibiotikatherapie sollte über cin (2-mal 1 g/Tag) plus Gentamycin
periphervenöse Zugänge erfolgen und (3–5 mg/kg KG/Tag bzw. 3-mal
5.1 · Endokarditis 59 5.1
1–1,5 mg/kg KG/Tag) und Rifampicin Therapie bei Endokarditis durch
(3-mal 300 mg/Tag) koagulasenegative Staphylokokken
z Vancomycin (2 g/Tag über 4–6 Wo-
Therapie bei Streptococcus-viridans- chen) plus Gentamycin (3–5 mg/
Endokarditis kg KG/Tag bzw. 3-mal 1–1,5 mg/
z Penicillin G: 4-mal 10 Mega/Tag i. v. kg KG/Tag über 3–5 Tage)
über 4 Wochen (bei Allergie: Vanco- z Bei Kunstklappen: zusätzlich Rifampi-
mycin) cin (900 mg/Tag über 4–6 Wochen)
z Gentamycin: 3–5 mg/kg KG/Tag bzw.
3-mal 1–1,5 mg/kg KG/Tag i. v. über Therapie bei HACEK-Endokarditis
2 Wochen z Ceftriaxon (2 g/Tag über 4 Wochen)
z Gabe des Aminoglykosids nach dem plus Gentamycin (3–5 mg/kg KG/Tag
Penicillin, und zwar nierenfunktions- bzw. 3-mal 1–1,5 mg/kg KG/Tag über
adaptiert sowie spiegelkontrolliert 4 Wochen)

Therapie bei Enterokokkenendo- Antikoagulation bei Endokarditis


karditis z Keine Vollantikoagulation (»high
z Ampicillin: 12–24 g/Tag i. v. über dose«)
4–6 Wochen (bei Penicillinunverträg- z Eventuell »Low-dose«-Antikoagula-
lichkeit: Vancomycin) tion zur Thromboseprophylaxe
z Gentamycin: 3–5 mg/kg KG/Tag bzw. z Bei i. v. Applikation (Heparinperfu-
3-mal 1–1,5 mg/kg KG/Tag i. v. über sor): 400 IE Heparin/h
4–6 Wochen z Bei s. c. Verabreichung: 2-mal 7500 IE
Heparin/Tag oder 1-mal 40 mg
Therapie bei MSSA-Endokarditis Enoxaparin/Tag
z Nativklappe: Flucloxacillin (3- bis z Keine Gabe von ASS
6-mal 2 g/Tag über 4–6 Wochen) z Eine Embolie unter antibiotischer
plus Gentamycin (3–5 mg/kg KG/Tag Therapie stellt keine Indikation zur
bzw. 3-mal 1–1,5 mg/kg KG/Tag über Vollantikoagulation dar
3–5 Tage)
z Kunstklappe: Flucloxacillin (3- bis Operationsindikationen bei
6-mal 2 g/Tag über 6 Wochen) plus infektiöser Endokarditis
Gentamycin (3–5 mg/kg KG/Tag z Absolut:
bzw. 3-mal 1–1,5 mg/kg KG/Tag über 5 rasche Klappendestruktion
2 Wochen) und Rifampicin (3-mal 5 therapierefraktäre Herzinsuf-
900 mg/Tag über 6 Wochen) fizienz, d. h. hämodynamisch
wirksame Klappeninsuffizienz
Therapie bei MRSA-Endokarditis (Lungenödem, akute Links-
z Vancomycin (2 g/Tag über 4–6 Wo- herzinsuffizienz, kardiogener
chen) plus Gentamycin (3–5 mg/ Schock)
kg KG/Tag bzw. 3-mal 1–1,5 mg/ 5 paravalvulärer Abszess/paraval-
kg KG/Tag über 2 Wochen) und Rifam- vuläre Fistelbildung (mit neu
picin (900 mg/Tag über 4–6 Wochen) aufgetretener AV-Blockierung
z Bei Vancomycinallergie: Linezolid und/oder neu aufgetretenem
(2-mal 600 mg/Tag) Schenkelblock)
60 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

5 Kunstklappenendokarditis (mit z 4 Hochrisikogruppen:


paravalvulärem Leck oder Klap- 5 Patienten mit Herzklappenersatz
penobstruktion; Kunstklappen (mechanisch oder biologisch,
lassen sich meist nicht durch rekonstruierte Klappen unter Ver-
Antibiotika sanieren) wendung von alloprothetischem
z Relativ: Material in den ersten 6 Monaten
5 Vegetationen mit einer Größe nach der OP)
von >10 mm, insbesondere an 5 Patienten mit angeborenen Vi-
der Mitralklappe tien: z zyanotische Herzfehler,
5 Größenzunahme der Vegetation die nicht oder palliativ mittels
5 Persistierende Fieber über systemisch-pulmonalem Shunt
>8 Tage unter adäquater Antibio- operiert sind, z. B. Fallot-Tetralo-
tikatherapie gie und Transposition der großen
5 Entwicklung einer Sepsis Gefäße z operierte komplexe
5 Endokarditis durch schwer the- Herzfehler mit Implantation von
rapierbare Erreger (z. B. Pilze, Conduits (mit/ohne Klappe) oder
MRSA, Coxiella burneti, Bru- residuellen Defekten, d. h. turbu-
cella spp.) lenter Strömung im Bereich des
5 Rezidivierende zentrale Embolien prothetischen Materials z alle
unter antibiotischer Therapie: OP operativ oder interventionell
innerhalb von 48 h (ansonsten unter Verwendung von prothe-
steigt das perioperative Risiko we- tischem Material behandelten
gen einer zentralen Einblutung in Herzfehler in den ersten 6 Wo-
den embolischen Insult stark an; chen nach der OP
eine zentrale Einblutung gilt als 5 Patienten mit vorangegangener
Kontraindikation; ansonsten OP bakterieller Endokarditis, insbe-
nach 14 Tagen) sondere Patienten mit Endokardi-
tisrezidiven
Prognosefaktoren der infektiösen 5 herztransplantierte Patienten, die
Endokarditis eine kardiale Valvulopathie entwi-
z Vorschädigung des Herzens ckeln
z Virulenz der Erreger z Vorgehen bei allen anderen Risiko-
z Abwehrlage gruppen: »individuelles« Abschätzen
z Alter (schlechtere Prognose bei Alter des Risikos, z. B. bei erworbenen
von >60 Jahren) Vitien, bikuspider Aortenklappe,
z Therapiebeginn HOCM oder Mitralklappenprolaps
mit Insuffizienz
Endokarditisprophylaxe (Leitlinien der z Indikationen zur Prophlaxe:
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie 5 Zahnbehandlungen
aus dem Jahre 2007) 5 starre Bronchoskopie
z Ziel: Vermeidung von Bakteriämien, 5 OP im Hals-Nasen-Ohren-Be-
die im Rahmen medizinischer Ein- reich: Nasennebenhöhlen, oberer
griffe entstehen, bei Patienten mit Respirationstrakt, Tonsillen
Risikofaktoren für infektiöse Endo- 5 gastroenterologische Eingriffe wie
karditiden ERCP bei Obstruktion
5.1 · Endokarditis 61 5.1
5 OP an Gallenblase oder Gallen- z Intervall zwischen Ersterkrankung
wegen (z. B. Pharyngitis) und Zweiterkran-
5 OP mit Mukosabeteiligung kung (rheumatisches Fieber): etwa
5 urologische Eingriffe: Zystoskopie, 10–40 Tage
Harnwegsdilatation, Prostata-OP, z Lokalisation: 80 % Mitralklappe, 20 %
Lithotrypsie Aortenklappe
5 dermatologische OP
5 intraligamentäre Anästhesie Diagnostik
5 Herzklappen-OP z Anamnese: Halsschmerzen, vorange-
5 Punktion eines Pleuraempyems gangener Scharlach
z Keine Indikation zur Prophylaxe: z Körperliche Untersuchung: neues
5 Gastro-/Koloskopie mit oder ohne Herzgeräusch, Polyarthritis
Biopsie z Rachenabstrich: Mikrobiologischer
5 flexible Bronchoskopie Nachweis von A-Streptokokken
5 TEE z EKG: verlängerte PQ-Zeit, AV-Block,
5 Herzkatheteruntersuchung Tachykardie mit Frequenzstarre
5 Schrittmacher- oder AICD-Im- z Labordiagnostik
plantation 5 Entzündungsparameter (CRP-
z Perioperative Prophylaxe (je nach Konzentration, BSG) und Blut-
Eingriff): bild
5 allgemeine Maßnahmen: Mund- 5 Antistreptolysintiter: >300 IE
hygiene, Zahnsanierung 5 Nachweis von Anti-DNAse B (be-
5 Antibiotikaprophylaxe: mindes- sonders bei akuter Glomerulone-
tens 30–60 min vor einer Proze- phritis erhöhter Wert)
dur, ggf. bis 2 h nach dem Eingriff
5 Eingriffe an Zähnen, Mundhöhle
oder Respirationstrakt: Amoxicillin Jones-Kriterien des rheumatischen
(2 g p. o.) oder Ampicillin (2 g i. v.; Fiebers
bei Penicillin- oder Ampicillinal- z 5 Hauptkriterien:
lergie: Clindamycin, 600 mg p. o. 5 Pankarditis
oder i. v.) oder Ceftriaxon (1 g i. v.) 5 wandernde (migratorische) Poly-
5 gastrointestinale/urogenitale Ein- arthritis
griffe: Amoxicillin plus Ampicillin 5 Chorea minor (Ncl. caudatus subthala-
plus Gentamycin (bei hohem Ri- micus): unkontrollierte Bewegung der
siko) Hände
5 subkutane Knötchen (Rheumaknoten)
Rheumatisches Fieber 5 Erythema marginatum
z 5 Nebenkriterien:
Ätiologie 5 Fieber
z β-hämolysierende A-Streptokokken: 5 Arthralgien
M-Protein zeigt u. a. Kreuzantigenität 5 BSG-Beschleunigung
mit sarkolemmalem Tropomyosin 5 CRP-Konzentrationserhöhung
und Myosin sowie mit Proteinen der 5 verlängerte PQ-Zeit (AV-Blockierung)
Synovia → infektionsinduzierte Auto- z Basiskriterien:
immunreaktion als Zweiterkrankung 5 vorangegangener Scharlach
62 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

5 Nachweis von A-Streptokokken Erkrankung), β-hämolysierende


(Rachenabstrich) A-Streptokokken
5 Nachweis von Antistreptolysinantikör- 5 Pilze: insbesondere bei HIV (As-
pern im Blut pergillus spp., Candida spp., Cryp-
z Diagnosestellung: tococcus spp.)
5 Basiskriterien plus 2 Hauptkriterien 5 Protozoen: Chagas-Krankheit
5 Basiskriterien plus 1 Haupt- und durch Trypanosoma cruzi, Toxo-
2 Nebenkriterien plasmose
5 Parasiten: Schistosomiasis, Larva
migrans
Therapie z Nichtinfektiös:
z Penicillin: 2-mal 500 mg/Tag über 5 idiopathisch als Fiedler-Riesenzell-
10 Tage; bei Unverträglichkeit: Ery- Myokarditis, rheumatische Arth-
thromycin (4-mal 250 mg/Tag) ritis, Kollagenosen, Vaskulitiden,
z ASS: 2–3 g/Tag über 4–6 Wochen Bestrahlung, Hypersensitivitäts-
z Prednisolon: initial 80 mg/Tag, dann myokarditis durch Medikamente
stufenweise Reduktion über 4–6 Wo- (Antibiotika, Antidepressiva, An-
chen tirheumatika)
z Tonsillektomie im freien Intervall 5 Toxine: Katecholamine, Zytokine
z Rezidivprophylaxe für 10 Jahre bis (Sepsis), Kokain
max. 25. Lebensjahr: Benzylpenicillin 5 Kreuzantigenität von viralen und
(1,2 Mio. IE i. m. alle 4 Wochen) myokardialen Strukturen: antimyo-
lemmale und antisarkolemmale
Antikörper, IgM und C3 im Biopsat
5.2 Myokarditis 5 granulomatöse Riesenzellmyokar-
ditis: mit riesenzellartigen Granu-
Definition lomen vom Sarkoidosetyp bei Sar-
z Akute bis chronische Entzündung des koidose, Wegener-Granulomatose,
Herzmuskels (Inzidenz: 1–9 %; Präva- idiopathisch
lenz: 10–40 %) 5 idiopathische Fiedler-Myokarditis:
insbesondere bei Jugendlichen mit
Ätiologie lympho- und plasmazellulärem
z Infektiös: Infiltrat sowie Riesenzellen
5 Viren (in 50 % der Fälle): z Cox-
sackieviren B1–B5, Coxsackie- Einteilung
virus A, ECHO-Viren, Parvovi- ⊡ Tabelle 5.2
rus B19, humanes Herpesvirus 6
z Ablauf in 3 Phasen: virale Phase Klinik
mit Myokardschädigung durch z Akut: infarktartiges Beschwerdebild
kardiotrope Viren → inflammato- mit heftigen thorakalen Schmerzen
rische/immunologische Phase mit z Subakut: Zeichen einer neu aufgetre-
Myokardschädigung durch Auto- tenen Herzinsuffizienz, Müdigkeit,
immunreaktion → DCM reduzierter Allgemeinzustand
5 Bakterien: Diphterie (toxische z Chronisch-inflammatorisch: Über-
Myokarditis), Borreliose (Lyme- gang in eine dilatative Kardiomyopa-
5.2 · Myokarditis 63 5.2
⊡ Tab. 5.2. Einteilung der Myokarditis nach dem Biopsiebefund

Einteilung Dallas-Klassifikation WHF-Klassifikation


(1987; histologisch) (1999; immunhistologisch)

Aktiv bzw. akut Entzündliches Infiltrat, Entzündliches Infiltrat mit mono-


Myozytolyse, Ödem klonalen Antikörpern, Immunglo-
bulin und Komplementfixation
(IgM-Antikörper, C3)

Persistierend Entzündliches Infiltrat, Zusätzlich Expression von


Myozytolyse, Ödem HLA-I- und -II-Antigen sowie von
Adhäsionsmolekülen (ICAM)

Abheilend Rückläufiges Infiltrat, fakulta- Rückläufiges Infiltrat, HLA-I- und


tive Myozytolyse, reparative -II-Expression
Fibrose

Borderline Mit eingestreuten Lympho- <14 Lymphozyten/mm2


zyten (<14 Lymphozyten/mm2),
ohne Myozytolyse

Chronisch bzw. Nicht definiert ≥14 Lymphozyten (plus Makro-


inflammatorische phagen)/mm2, Immunglobulin-
Kardiomyopathie Komplement-Fixation

WHF World Heart Federation

thie, rezidivierende kardiale Dekom- 5 terminal negative T-Wellen


pensationen 5 evtl. AV-Blockierung bei Diphterie
z Rhythmogener Symptomenkomplex: und Lyme-Karditis
Rhythmusstörungen, insbesondere z Echokardiographie:
Extrasystolen, bis hin zum plötzlichen 5 Zunahme der Signalintensität und
Herztod der Wanddicke bei ödematösen
Veränderungen
Diagnostik 5 Beurteilung der Pumpfunktion in
z Anamnese: zurückliegender grippaler Hinblick auf den zeitlichen Verlauf
oder gastrointestinaler Infekt z Koronarangiographie: Ausschluss/
z Auskultation: bei Perimyokarditis evtl. Nachweis einer ischämischen Genese
Perikardreiben z Endomyokardbiopsie: Materialge-
z Labordiagnostik: winnung aus der rechtsventrikulären
5 BSG-Beschleunigung Seite des interventrikulären Septums
5 CRP-Konzentrationserhöhung zur histologischen (lymphozytäre
5 Herzenzymnachweis Infiltrate und Nekrosen), immun-
z EKG: histologischen (Anti-CD3-T-Lym-
5 Sinustachykardie phozyten, Anti-CD4-T-Helferzellen
5 Rhythmusstörungen, insbesondere etc.) und molekularpathologischen
Extrasystolen (Erregernachweis mittels PCR) Be-
5 ST-Strecken-Senkung gutachtung
64 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

z Bildgebende Verfahren: z Idiopathisch: meist viral bedingt


5 Röntgenuntersuchung des Thorax: z Posttraumatisch: jedes Trauma, insbe-
Herzvergrößerung, relative Mitral- sondere herzchirurgische Eingriffe
klappeninsuffizienz z Strahlentherapie
5 Kardio-MRT: Diagnostik und Ver- z Immunologisch
laufsbeobachtung: z. B. vermehrte 5 systemischer Lupus erythematodes
frühe KM-Speicherung (»early 5 rheumatisches Fieber
enhancement«) bei akutem Verlauf 5 familiäres Mittelmeerfieber
5 ggf. Antimyosinszintigraphie 5 allergisch
5 Postmyokardinfarktsyndrom
Therapie (Dressler-Syndrom; Risikofakto-
z Kausal: ren: großer Myokardinfarkt plus
5 virale Myokarditis: z. B. Phenprocoumongabe; 4–8 Wochen
β-Interferone (β-Interferon-1b: nach einem Myokardinfarkt)
BICC Studie) 5 Postkardiotomiesyndrom
5 bakterielle Genese: Antibiotika (1–6 Wochen nach einer OP)
z Symptomatisch: z Nach einem Myokardinfarkt: Pericar-
5 körperliche Schonung ditis epistenocardica (etwa 6 % aller
(für mindestens 6 Monate) Infarktpatienten; Differenzialdiag-
5 Thromboembolieprophylaxe nose: Postinfarktangina)
!
z Pericarditis constrictiva (Rechtsherz-
Kontraindikation für NSAR und Cic-
insuffizienz, diastolische Herzinsuffi-
losporine während der Akutphase einer
zienz)
viralen Myokarditis → Progression der
z Metabolisch/endokrinologisch:
myokardialen Zellschädigung
5 Urämie
z Herzinsuffizienztherapie: ACE-Hem- 5 Diabetes mellitus (diabetische
mer, AT1-Antagonisten, β-Blocker, Ketoazidose)
Diuretika, Aldosteronantagonisten 5 Cholesterinperikarditis bei Hyper-
z Ultima Ratio: biventrikuläres Assist- cholesterinämie
Device bis Kunstherz 5 Myxödemperikarditis bei Hypo-
thyreose
5 Addison-Krise (Hyperkaliämie, Hy-
5.3 Perikarditis ponatriämie, Kortisol kaum nach-
weisbar, erhöhter ACTH-Spiegel)
Definition z Neoplastisch, paraneoplastisch (Me-
z Akute, chronische oder chronisch- sotheliom des Perikards, Perikardme-
persistierende (konstriktive) Ent- tastasen, z. B. bei Mammakarzinom)
zündung des Perikards, welche als
isolierte Perikarditis oder Perimyokar- Klinik
ditis auftreten kann z Zeichen der Herzinsuffizienz:
Dyspnoe, Leistungsminderung,
Ätiologie allgemeine Schwäche
z Infektiös: viral (meist Coxsackievi- z Subfebrile Temperaturen bis Fieber
ren B1–B4, ECHO- und Adenoviren), z Retrosternale oder linksthorakale
bakteriell (häufig Tuberkulose), Pilze Schmerzen
5.3 · Perikarditis 65 5.3
z Komplikation: Perikard- oder Herz- z Virologie/Serologie (kardiotrope
beutelerguss/-tamponade; Beck-Trias: Viren): Coxsackie-A/B-, ECHO-,
5 Pulsus paradoxus: bei Inspiration Epstein-Barr-, Influenza-, Adeno-,
fällt der Blutdruck um 10 mmHg Zytomegalie-, Varizella-Zoster-,
ab, außerdem besteht ein »Low- Mumps-, Masern- und Rötelnviren
cardiac-output«-Syndrom; da sich z Immunologie: ANA, Anti-ds-DNA-
der Ventrikel nicht nach außen Antikörper, ANCA
ausdehnen kann, kommt es zu z Ruhe-EKG:
einer Ausweitung nach innen mit 5 ST-Strecken-Elevation »aus dem S
Verschiebung des Septums in den heraus«
linken Ventrikel (Beurteilung mit- 5 terminal negative T-Welle in der
tels Echokardiographie und/oder 2. Woche
Herzkatheterisierung) 5 Niedervoltage bei Perikarderguss
5 Kussmaul-Zeichen: paradoxer ins- und Tamponade
piratorischer Druckanstieg in den 5 elektrischer Alternans: Wechsel
Jugularvenen sowie ZVD-Anstieg der R-Amplitude von Aktion zu
5 leise Herztöne Aktion
z Röntgenuntersuchung des Thorax:
Diagnostik 5 u. a. zum Ausschluss mediastinaler
z Anamnese und körperliche Unter- oder pulmonaler Ursachen
suchung 5 Dreieck- bzw. Bocksbeutelform
z Auskultation: (bei Ergussmengen von >250 ml)
5 Perikardreiben: pulssynchrones, 5 Kalkschwielen bei Pericarditis
knarrendes/lederartiges systolisch- constrictiva
diastolisches Geräusch z Echokardiographie:
5 trockene (fibrinöse) Perikarditis, 5 physiologisch: seröse Flüssigkeit
besonders bei Urämie: systolisch- zwischen Epi- und Perikard in
diastolische Reibegeräusche einer Menge von <30 ml
5 feuchte (exsudative) Perikarditis, 5 Ergussnachweis: ab ≥50 ml bis
besonders bei Tuberkulose: Ver- »swinging-heart«
schwinden der Reibegeräusche 5 Quantifizierung: Beurteilung der
z Labordiagnostik: hämodynamischen Relevanz
5 Blutbild 5 Lokalisation: lokaler, gekammerter
5 CRP-Konzentration, BSG oder zirkulärer Perikarderguss
5 Harnsäurespiegel (urämische Peri- 5 Differenzialdiagnostik: peri-/
karditis) epikardiales Fett, Zyste, Hämatom,
5 TSH-, T3- und T4-Wert (Myxö- Aszites, Pleuraerguss
demperikarditis bei Hypothyreose) 5 kontinuierliche Verlaufskontrollen:
5 HDL- und LDL-Konzentration akuter oder chronischer Verlauf,
(Cholesterinperikarditits) Progredienz oder Regredienz
5 evtl. Erhöhung der Herzenzym- z Bei zusätzlicher abdomineller Sym-
werte (in etwa 35–50 % der Fälle) ptomatik und erhöhten Transamina-
z Mikrobiologie/Blutkulturen: Suche senwerten: Abdomensonographie, ggf.
nach Bakterien, insbesondere Myko- Leberblindpunktion zum Ausschluss
bakterien → Tuberkulosediagnostik einer Autoimmunhepatitis
66 Kapitel 5 · Entzündliche Herzerkrankungen

> Ein akuter Perikarderguss kann bereits Blutbild), EKG (Niedervoltage?), Echokar-
ab einer Größe von etwa 150 ml von hä- diographie (zirkulärer oder segmentaler
modynamischer Relevanz sein, während Erguss), Kreuzblut
ein chronischer Perikarderguss von bis zu z Punktiontechnik: Einmalpunktion oder
1 l mit keiner Beeinflussung der Hämody- Einlegen eines Pigtail-Katheters in Seldin-
namik einhergeht. Zur Beurteilung und ger-Technik, ggf. echokardiographische
Punktionsindikation werden die Klinik Lagekontrolle durch Kontrastmittelgabe
(Dyspnoe) und die Hämodynamik (Hypo- (»bubbles«) oder radiologisch (Durch-
tonie plus Tachykardie) sowie echokardi- leuchtung oder evtl. KM-CT des Thorax)
ographische Parameter (Impression des z Durchführung:
rechtenrechten Atriums / Ventrikels, diasto- 5 Lokalanästhesie
lische Einflussstörung) herangezogen. 5 Einstichstelle: etwa 1 cm lateral des
Processus xiphoideus/subxiphoidal
Therapie 5 Nadelstichrichtung: mittlere linke Kla-
z Allgemein: Behandlung der Grund- vikula bzw. Ohrläppchen
krankheit, Bettruhe, NSAR (Ibupr- 5 Einstichwinkel: 30° bei Oberkörper-
ofen: 400 mg alle 6–8 h) hochlagerung
z Akute Perikarditis: NSAR oder ggf. 5 Nadelführung: flach
Steroide, bei hämodynamischer z Nachsorge: Röntgenuntersuchung des
Relevanz Perikarddrainage (bei dia- Thorax und echokardiographische Kont-
stolischer Kompression von rechtem rolluntersuchungen
Atrium und rechtem Ventrikel) z Punktatmaterial zur Diagnostik:
z Chronische Perikarditis: kausale The- 5 BGA aus Perikardflüssigkeit (Hb-
rapie (z. B. Antibiotika bei bakterieller Gehalt, pO2, SO2)
Genese), temporär Kortikosteroide, 5 Serologie (Viren)
Therapieversuch mit Colchizin (Col- 5 Mikrobiologie (natives Material, Blut-
chicum-Dispert, 2-mal 0,5 mg/Tag), kulturflaschen, PCR bezüglich Tuber-
ggf. Perikardese bei malignem Peri- kulose)
karderguss (z. B. 25 mg Bleomycin) 5 Zytologie
z Pericarditis constrictiva: Perikardfens- 5 Pathologie
terung bis Perikardektomie, Dekortika- 5 Hauptlabor (Blutbild, Fett-, CRP- und
tion (operative Schwielenentfernung) Harnsäurewerte)
z Enfernung der Drainage: spätestens nach
> Bei geringer/asymptomatischer Klinik 48 h (Infektionsgefahr), bei Mengen von
der Perikarditis kann eine konservative <80 ml/Tag Restablauf; bei Rezidiv: Peri-
Herangehensweise mit echokardiogra- kardfensterung
phischen Verlaufskontrollen in Erwägung z Komplikationen: Rhythmusstörungen,
gezogen werden. Punktion des Herzens (meist rechter Vent-
rikel: Extrasystolen im EKG, Nadelrückzug,
Monitoring, ggf. Kardiochirurgie), Punk-
Anlage einer Perikarddrainage
tion des linken Leberlappens (Butbildkon-
unter Echokardiographie- und EKG-/
trolle, ggf. Viszeralchirurgie), Pneumotho-
Blutdruckmonitoring
rax, Verletzung der A. mammaria interna
z Vorbereitung: Patientenaufklärung, La-
oder von Koronararterien
borcheck (insbesondere Gerinnung und
5.3 · Perikarditis 67 5.3
Pericarditis constrictiva

z Die konstriktive Perikarditis ist das


Folgestadium einer chronisch-persis-
tierenden Perikarditis (meist viraler
oder idiopathischer Genese)
z Durch zunehmende Fibrosierung,
Verdickung und Versteifung beider
Perikardblätter kann ein sog. Panzer-
herz resultieren
z Epikardiale Myokardschichten kön-
nen mit in den Krankheitsprozess ein-
bezogen sein, was zu einer regionalen
oder globalen Myokardatrophie führt
z Pathophysiologie/Klinik: diastolische
Füllungsbehinderung aller Herzhöh-
len, Zeichen der zentralvenösen Stau-
ung (Stauungshepatitis, Aszites, peri-
phere Ödeme) und des verminderten
HZV (kardiale Kachexie, Müdigkeit,
Leistungsminderung)
z Dip-Plateau-Phänomen: schnelle
frühdiastolische Füllung (»dip«,
ungestörte Relaxation) und abrupter
Füllungsstopp (Plateau, Ausdruck der
Compliance-Störung); bedingt durch
diese fixierte diastolische Füllung sind
auch die Schlagvolumina konstant
z Differenzialdiagnostisch schwie-
rig von einer RCM abzugrenzen
( Kap. 6.3)
68 Kapitel 6 · Kardiomyopathien

> Kardiomyopathien
G. Michels, T. Schneider

Definition 5 nichtfamiliär: Myokarditis (to-


z Eine Kardiomyopathie ist eine Herz- xisch, infektiös, immunologisch),
muskelerkrankung, die nicht Folge ist eosinophile Myokarditis (Churg-
von: Strauss-Syndrom), Drogen,
5 KHK Schwangerschaft, endokrin, nutri-
5 Vitien tiv (Alkohol), Tachykardiomyopa-
5 pulmonaler und/oder systemischer thie
Hypertonie z Arrhythmogene, rechtsventrikuläre
5 Perikarderkrankungen Dysplasie (ARVD):
5 familiär: Mutationen des Ryano-
Einteilung der Hauptformen dinrezeptors oder Desmoplakin/
der Kardiomyopathien nach der -globin
European Society of Cardiology 5 nichtfamiliär: (post-)inflammato-
aus dem Jahre 2008 risch
z Hypertrophe Kardiomyopathie z Restriktive Kardiomyopathie (RCM):
(HCM): 5 familiär: systemische Amyloidose
5 familiär: Mutationen verschie- (Transthyretinmutation), Morbus
dener Sarkomerproteine, Dys- Fabry, Glykogenspeicherkrankhei-
morphiesyndrom Noonan, kar- ten, Hurler-Syndrom (lysosomale
diokutanes Syndrom LEOPARD Speicherkrankheit)
(Lentiginose, EKG-Veränderun- 5 nichtfamiliär: Amyloidose (kar-
gen, okuläre Veränderungen, dial, z. B. bei Plasmozytom),
Pulmonal- und subvalvuläre Hämochromatose, Sarkoidose,
Aortenstenose, Anomalien der Endomyokardfibrose, Karzinoid,
Geschlechtsorgane, retardiertes Diabetes mellitus, neoplastisch,
Wachstum, »deafness«), Fried- Radiatio, Anthrazykline (chemoto-
reich-Ataxie, Glykogenspeicher- xisch)
krankheiten, M. Fabry, Mitochon- z Nichtklassifizierte Kardiomyopathie:
dropathien 5 familiär: isoliert linksventrikuläre
5 nichtfamiliär: Amyloidose, Über- »non-compaction« (»left ventri-
gewicht, Sportlerherz cular hypertrabeculation«), Barth-
z Dilatative Kardiomyopathie (DCM): Syndrom (Kardiomyopathie-
5 familiär: Mutationen verschiede- Neutropenie-Syndrom)
ner Sarkomer- und Zytosklelett- 5 nichtfamiliär: Taku-Tsubo-Syn-
proteine (z. B. Lamin) drom (Stresskardiomyopathie)
6.1 · Dilatative Kardiomyopathie (DCM) 69 6.1
6.1 Dilatative Klinik
Kardiomyopathie (DCM) z Progressive Linksherzinsuffizienz
z Atrophie der Skelettmuskulatur →
Epidemiologie kardiale Kachexie
z Manifestationsalter: 20.–50. Lebens- z Plötzlicher Herztod durch arterielle
jahr und pulmonale Embolien
z Inzidenz: 30 Fälle/1 Mio. Einwohner
z Prävalenz: 130 Fälle/1 Mio. Einwohner Diagnostik
z Anamnese: Fragen nach mög-
> Die DCM stellt die häufigste Kardio- lichen Ursachen
myopathieform dar und betrifft überwie- z Körperliche Untersuchung:
gend Männer. Zeichen der Herzinsuffizienz,
Systolikum bei relativer Mitral-
Ätiologie klappeninsuffizienz
z Bekannte Ursachen (sekundäre oder z EKG:
spezifische DCM): 5 Ruhe-EKG: kompletter Links-
5 ischämisch: KHK schenkelblock, Erregungsrück-
5 valvulär: kardiale Dysfunktion bildungsstörungen (bei beglei-
5 inflammatorisch: Myokarditis tender KHK), Vorhofflimmern
(viral, bakteriell, Protozoen) 5 Langzeit-EKG: Detektion ventri-
5 hypertensiv: arterielle Hypertonie kulärer Rhythmusstörungen
5 toxisch: Alkohol, Anthrazykline, z Bildgebung:
Tyrosinkinaseinhibitoren, Kokain 5 Röntgenuntersuchung des Thorax:
5 metabolisch: z. B. Thiamin-, Kardiomegalie (Herz-Thorax-
Selenmangel, Hypokalzämie, Quotient: >0,5), evtl. pulmonale
Hypophosphatämie Stauung
5 infiltrativ: z. B. Amyloidose, Sarko- 5 Kardio-MRT
idose z TTE:
5 endokrin: z. B. Hypo-/Hyperthyre- 5 globale Dilatation der linken
ose, Akromegalie, Diabetes melli- Herzhöhlen und »systolische
tus, Phäochromozytom Pumpfunktionsstörung«; Tokyo-
5 Bindegewebeerkrankungen: z. B. Stadieneinteilung nach der
Sklerodermie, systemischer Lupus Ejektionsfraktion: z Stadium I:
erythematodes, Marfan-Syndrom, >55 % z Stadium II: 40–55 %
rheumatoide Arthritis z Stadium III: 25–40 % z Sta-
5 physikalisch: z. B. Strahlenthera- dium IV: <25 %
pie, Herztrauma 5 regionale Wandbewegungs-
5 peri-/postpartal: plötzlich einset- störungen: Hypo-, Dys-,
zende Herzinsuffizienz innerhalb Akinesie
der letzten Schwangerschafts- 5 evtl. intrakavitäre Thromben
wochen bis 6 Monate nach der und Spontanechos (besser
Geburt TEE)
z Unbekannte Ursachen (meist Folge 5 relative Mitralklappeninsuffi-
einer durchgemachten Virusmyokar- zienz (sekundäre Gefügedilata-
ditis) tion des Klappenrings)
70 Kapitel 6 · Kardiomyopathien

5 »diastolische Pumpfunktionsstö- 6.2 Hypertrophe


rung« Kardiomyopathien (HCM)
z Herzkatheteruntersuchung:
5 Koronarangiographie: Ausschluss/ Formen
Nachweis einer koronaren Makro- z Obstruktive Form (HOCM):
angiopathie 5 etwa 25 %
5 Lävokardiographie: u. a. links- 5 typische HOCM: idiopathische
ventrikuläre Druckkurven hypertrophe Subaortenstenose
5 ggf. Endomyokardbiopsie (linker oder subvalvuläre Aortenstenose
und/oder rechter Ventrikel): ätio- → Obstruktion im LVOT
logische Abgrenzung und diffe- 5 atypische HOCM: meso- oder
renzialdiagnostischer Ausschluss mittventrikuläre, apikale oder
von z. B. Speicherkrankheiten und rechtsventrikuläre HOCM
einer Myokarditis z Nichtobstruktive Form (HNCM):
5 etwa 75 %
Therapie 5 asymmetrische Septumhyper-
z Kausaltherapie, wenn möglich: z. B. trophie
Koronarintervention bei KHK 5 apikale Form mit Hypertrophie
z Vermeidung kardiotoxischer Noxen, der Herzspitze
z. B. Alkohol 5 konzentrischer Typ
z Behandlung der Herzinsuffizienz: 5 Papillarmuskeltyp
5 medikamentös: ACE-Hemmer, z Mischformen
β-Blocker, Diuretika, Aldostero-
nantagonisten, Digitalis Epidemiologie
5 Kalziumantagonisten sind kon- z Häufig familiäre Häufung: sog. famili-
traindiziert, zudem haben lang äre hypertrophe Kardiomyopathie
wirksame neuere Kalziumantago- z Inzidenz: 3 Fälle/1 Mio. Einwohner
nisten (z. B. Amlodipin) keinen z Prävalenz: 0,2 %
Einfluss auf die Prognose
5 ggf. kardiale Resynchronisations- > Die HCM – insbesondere die obstruk-
therapie mittels biventrikulärer tive Form – stellt bei jungen Leistungs-
Schrittmacherstimulation sportlern die häufigste Todesursache
z Körperliches Ausdauertraining: nach (plötzlicher Herztod) dar (jährliche Mor-
Ausschluss chronischer myokardialer talität von 1–2 %).
Entzündungsprozesse
z Thromboembolieprophylaxe/ Ätiologie
Antikoagulation: nur bei Vorhof- z Familiäre HCM (autosomal-
flimmern oder intraventikulären dominant vererbt): 60–80 % aller
Thromben (Ziel-INR: 2–3), nicht Mutationen konzentrieren sich auf
bei ausschließlich schlechter Pump- 3 Gene: β-Myosin-»Heavy-chain«
funktion (MYH7), kardiales Troponin T
z ICD: bei lebensbedrohlichen Arrhyth- (TNNT 2), myosinbindendes Pro-
mien tein C (MYBPc3)
z Gegebenenfalls Herztransplantation z Andere Genloci (»modifier genes«)
als Ultima Ratio und/oder Umweltfaktoren prägen
6.2 · Hypertrophe Kardiomyopathien (HCM) 71 6.2
neben der vorliegenden Mutation den z EKG:
klinischen Phänotyp 5 Ruhe-EKG: z Zeichen der
Widerstandshypertrophie
Klinik z Abweichung der elektrischen
z Asymptomatisch oder symptomatisch Herzachse: Linkslagetyp z Repo-
z »Systolische« Funktionsstörung: larisationsstörungen: präterminale
endsystolische Einengung des LVOT T-Wellen-Negativierungen, ST-
durch »asymmetrische Septumhyper- Strecken-Senkungen z positiver
trophie« (insbesondere bei sportlichen Sokolow-Lyon-Index (SV1 + RV5):
Aktivitäten): ≥3,5 mV z positiver Lewis-Index
5 Angina-pectoris-Anfälle [(RI + SIII) – (SI + RIII)]: ≥1,6 mV
5 Schwindel (Differenzialdiagnosen: 5 Langzeit-EKG: ventrikuläre
hämodynamisch und/oder rhyth- Arrhythmien (meist nicht anhal-
mogen durch ventrikuläre Tachy- tende VT) oder supraventrikuläre
kardien) Arrhythmien (meist Vorhofflim-
5 Synkopen mern)
z »Diastolische« Funktionsstörung: z Echokardiographie:
Relaxations- (Myokardhypertrophie) 5 maximaler intraventrikulärer
und Compliance-Störung (interstiti- Gradient: Flussbeschleunigung
elle Fibrose durch verstärkte Kollagen- (Jet) im LVOT mit Turbulenzen,
ansammlung) messbarer Gradient unterhalb der
z Symptome der Herzinsuffizienz Aortenklappenebene: z HOCM
z Palpitationen (als Ausdruck ventriku- mit einem LVOT-Gradienten von
lärer Arrhythmien) ≥30 mmHg in Ruhe oder unter
Provokation mittels Valsalva-
> Der plötzliche Herztod kann die Erst- Manöver (latente Obstruktion)
manifestation einer HCM darstellen. z Geschwindigkeitsprofil: bei
HOCM säbelscheidenartig, bei
Diagnostik Aortenstenose paraboloid
z Anamnese: 5 Myokardhypertrophie: interventri-
5 Alter: 30.–40. Lebensjahr kuläre Septumdicke von ≥15 mm
5 initial asymptomatisch mit schlei- 5 Diameter des linken Ventrikels:
chendem Verlauf LVEDD und LVESD vermindert
5 Familienanamnese (plötzlicher 5 »systolic notching« der Aorten-
Herztod) klappe: mesosystolische, vorzeitige,
z Auskultation: Aortenklappenschließbewegung
5 spindelförmiges, hochfrequentes 5 »systolic anterior motion« (SAM):
Systolikum bei HOCM Vorwärtsbewegung des anterioren
5 Keine ausgeprägte Fortleitung in Mitralklappensegels in der Systole
die Karotiden im Gegensatz zur als Zeichen der Ausflusstraktobs-
Aortenklappenstenose truktion bei »typischer HOCM«;
5 Fehlen eines diastolischen Aorten- Ursache: Ansaugen des vorderen
regurgitationsgeräusches im Ge- Mitralklappensegels durch den
gensatz zum kombinierten scharfen Jet im Ausflusstrakt, sog.
Aortenvitium Venturi-Effekt
72 Kapitel 6 · Kardiomyopathien

5 Mitralklappeninsuffizienz: durch 5 ggf. Endomyokardbiopsie


Vorwärtsbewegung des anterioren (selten indiziert): Ausschluss
Mitralklappensegels von Speicherkrankheiten, z. B.
z Linksherzkatheterisierung bei HOCM: Morbus Fabry oder Hämochro-
5 Koronarangiographie: Ausschluss/ matose
Nachweis einer koronaren Mak- z Gegebenenfalls Genotypisierung
roangiopathie, Suche nach geeig-
neten Septalästen der LAD zur > Bei familiär bekannter HOCM sollte
interventionellen Ablation bei allen Verwandten eine echokardi-
5 Hämodynamik: Druckgradient ographische Screening-Untersuchung
zwischen Herzspitze und LVOT erfolgen (familiäre Häufung in >50 %
bzw. Aorta; langsamer Rückzug der Fälle).
bei Verdacht auf mittventrikulären > Nach erstmaliger Synkope sollten

Gradienten, evtl. Ableitung von nach nichtinvasiver Diagnostik (Echo-


Druckkurven aus verschiedenen kardiographie, 24-h-Langzeit-EKG)
Ports des Pigtail-Katheters eine Herzkatheterisierung (Diffe-
5 Gradient unter Valsalva-Manöver: renzialdiagnosen: hämodynamische
Provokation, falls in Ruhe nicht Synkope, HOCM plus stenosierende
nachweisbar; Belastung mittels KHK) sowie eine elektrophysiologi-
»hand grip« sche Untersuchung (Differenzialdia-
5 Brockenbrough-Phänomen: pos- gnose: rhythmusbedingte Synkope)
textrasystolische Zunahme des erfolgen.
intrakavitären Druckgradienten
und Abnahme der aortalen Pul- Differenzialdiagnostik
samplitude z Physiologische Myokardhypertrophie:
5 Lävokardiographie: mesoventri- Sportlerherz (⊡ Tab. 6.1)
kuläre Obstruktion, Sanduhrform z Sekundäre Myokardhypertrophie: u. a.
während der Systole Hypertonieherz, Aortenklappenste-

⊡ Tab. 6.1. Unterschiede zwischen Sportlerherz und HCM

Parameter Sportlerherz HCM

Familienanamnese Negativ Positiv

Septumdicke <15 mm (symmetrisch) ≥15 mm (häufig asymmetrisch)

Größe des linken Vorhofs <40 mm >45 mm

E/A-Verhältnis 1–2 (normal) <1

Dezelerationszeit der E-Welle1 140–220 ms >240 ms (prolongiert)

Veränderungen während Abnahme der Herz- Keine Veränderungen


einer Trainingspause muskelmasse
1 Ausdruck der Myokarddeformation über die Zeit (»strain rate«: korreliert mit der Druckände-

rungsgeschwindigkeit) → Analyse der lokalen Myokardfunktion ohne wesentliche Beeinflus-


sung durch die Globalbewegungen des Herzens
6.3 · Restriktive Kardiomyopathie (RCM) 73 6.3
nose, Hyperparathyreoidismus, Neu- 6.3 Restriktive
rofibromatose, Phäochromozytom, Kardiomyopathie (RCM)
Friedreich-Ataxie
Definition
Therapie z Endokardfibrose mit oder ohne
z Vermeidung von schwerer körperli- Eosinophilie (selten)
cher Belastung und Leistungssport z Seltene Kardiomyopathieform mit
z Pharmakotherapie: diastolischer Funktionsstörung
5 Kontraindikation: z positiv-ino-
trope Substanzen (z. B. Digitalis) Einteilung
→ Verstärkung der systolischen z Myokardiale Formen:
Stenose z potente Vasodilatatoren 5 nichtinfiltrative RCM: idiopa-
(z. B. Nitrate, ACE-Hemmer) → thisch, familiär, Sklerodermie,
Vorwärtsversagen Diabetes mellitus
5 β-Blocker (z. B. Bisoprolol, 1-mal 5 infiltrative RCM: z. B. Amyloidose,
5 mg/Tag), ggf. Verapamil (3-mal Sarkoidose, Morbus Gaucher,
80 mg/Tag) Morbus Hurler
5 Antikoagulation (HCM häufig mit 5 RCM bei Speicherkrankheiten:
Vorhofflimmern assoziiert) Hämochromatose, Morbus
5 Endokarditisprophylaxe bei Fabry, Glykogenspeicherkrank-
HOCM heiten
z Interventionell: z Endomyokardiale Formen:
5 Verfahren: Okklusion eines geeig- 5 hypereosinophiles Syndrom:
neten Septalasts durch Alkoho- Endokarditis fibroplastica
linjektion (95%iges Ethanol) → Löffler → eosinophile Endo-
perkutane transluminale septale myokarditis (nichttropische
Myokardablation (PTSMA) oder Endomyokardfibrose), partielle
transkoronare Ablation der Sep- Thrombenbildung und Endo-
tumhypertrophie (TASH) kardfibrose
5 Prinzip: Induktion eines kleinen 5 Endomyokardfibrose ohne
Myokardinfarkts im obstruieren- Eosinophilie (tropische Endo-
den Septumbereich (Kontrolle der myokardfibrose)
Herzenzymwerte) → Verbesse- 5 Karzinoid
rung des Druckgradienten nach 5 metastasierende Neoplasien
etwa 3–4 Monaten (nach Vernar- 5 Bestrahlungskardiomyopathie
bung des Areals) 5 substanzinduzierte RCM: z. B.
5 Indikation (relativ): Ruhedruck- Anthrazykline, Ergotamin, Sero-
gradient von >30 mmHg tonin
5 Komplikationen: Schrittmacher-
abhängigkeit, Mitralinsuffizienz/ Klinik
Papillarmuskelnekrose z Zeichen der Herzinsuffizienz mit Be-
z Gegebenenfalls operativ (z. B. tran- lastungsdyspnoe und Ödemen
saortale subvalvuläre Septummy- z Erschwerung der diastolischen links-
ektomie) oder AICD-Implantation ventrikulären Füllung: biventrikuläre
( Kap. 7) Herzinsuffizienz
74 Kapitel 6 · Kardiomyopathien

Diagnostik z EKG
z Anamnese, Familienanamnese 5 Vorhofflimmern (Folge der vent-
z Körperliche Untersuchung: rikulären Restriktion mit Vergrö-
5 Kussmaul-Zeichen (inspirato- ßerung der Vorhöfe)
rischer Anstieg des ZVD, Hals- 5 Reizbildungs-/-leitungsstörungen
venenstauung) (bei Fibrosierung des Reizleitungs-
5 Zeichen der Mitralinsuffizienz systems)
5 Arrhythmien

⊡ Tab. 6.2. Pericarditis constrictiva, RCM und Perikardtamponade

Parameter Pericarditis constrictiva RCM Perikardtamponade


Ursachen Chronische Perikarditis, Amyloidose, Akute Perikarditis
vorangegangene Radiatio Sarkoidse, Hämo-
chromatose
Morphologie Zu etwa 20 % Verkalkung, Keine Verkalkung Perikarderguss
echodichtes Perikard
Klinik Primäres Rechtsherzversa- Globale Herz- Erhöhter ZVD, Tachy-
gen, dann Vorwärtsversagen insuffizienz kardie, Hypotonie
(Hypotension, Dyspnoe)
Diastole: Ungestört Ungestört Störung der rechts-
Relaxation ventrikulären
Füllung
Diastole: Gestört Gestört
Compliance
Echokardio- Atemabhängigkeit des Ge- Keine Atemab- Pulsus paradoxus,
graphie schwindigkeitsprofils über hängigkeit des diastolischer Kollaps
Mitral- und Trikuspidalklap- Geschwindigkeits- von rechtem Vorhof
pe (Pulsus paradoxus) profils über Mitral- und Ventrikel bis
und Trikuspidal- »swinging heart«,
klappe (kein Pulsus dilatierte V. cava
paradoxus) inferior
Herzkatheter-  Dip-Plateau-Muster  Selten Dip-  Kein Dip-Plateau-
untersuchung (frühe rechtsventrikuläre Plateau-Muster Muster
Füllung noch möglich;  LVEDP > RVEDP  ZVD (rechtsven-
y-Tal: entspricht »dip«  PAP: >50 mmHg trikulärer Druck):
bzw. Füllungsstopp) erhöht
 LVEDP = RVEDP
 PAP: <50 mmHg
MRT Perikardverkalkung/ Unauffällige Peri- Ergusssaum
-verdickung von >3 mm kardmorphologie
Therapie Perikardektomie Herzinsuffizienz-/ Punktion
Kausaltherapie, ggf.
Herztransplantation
6.4 · Arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie 75 6.4
z Echokardiographie: u. a. von Plakophilin 2, Desmoplakin,
5 dilatierte Vorhöfe bei normal gro- Plakoglobin (Naxos-Disease), Ryano-
ßen bis kleinen Ventrikeln din-2-Rezeptor und regulatorischer
5 normale systolische und gestörte Untereinheit des TGF-β
diastolische Pumpfunktion z Immunologisch/inflammatorisch:
z Labordiagnostik: Hypereosinophilie kardiotrope Virusinfektion
bei Löffler-Endomyokardfibrose
z Herzkatheterisierung mit Endomyo- Klinik
kardbiopsie: Sicherung der Diag- z Körperliche Anstrengung löst die Er-
nose, insbesondere bei sekundären krankung aus (Sportler): Synkopen bis
Formen plötzlicher Herztod
z Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
Differenzialdiagnostik z Palpitationen (Ausdruck ventrikulärer
⊡ Tabelle 6.2 Tachyarrhythmien)

Therapie Diagnostik
z Therapie der diastolischen Herz- z Anamnese und Familienanamnese
insuffizienz: Diuretika früh verab- (plötzlicher Herztod)
reichen z EKG:
z Behandlung der Grunderkrankung: 5 T-Wellen-Inversionen in V2/3
5 bei Eosinophilie: Steroide, ggf. 5 Epsilonwelle am Ende des QRS-
Azathioprin Komplexes und Spätpotenziale
5 bei Amyloidose: 5 Rechtsschenkelblock
Chemotherapie mit Melphalan z Echokardiographie:
plus Prednison 5 rechtsventrikuläre Dilatation
z Thromboembolieprophylaxe (häufig 5 lokalisierte Aneurysmen des rech-
Ventrikelthromben) ten Ventrikels
z Gegebenenfalls Herztransplantation 5 rechtsventrikuläre Hypokinesie
(Ultima Ratio) z Kardio-MRT:
5 bestes bildgebendes Verfahren
5 rechtsventrikuläre Fetteinlagerung
6.4 Arrhythmogene (Fibrolipomatose)
rechtsventrikuläre 5 diffuse Dilatation und Dysfunk-
Dysplasie (ARVD) tion des rechten Ventrikels mit
Ausbildung von Aneurysmen im
Definition sog. Dysplasiedreieck (rechtsven-
z Lipomatöse Degeneration des rechts- trikulärer Einflusstrakt, Apex,
ventrikulären Myokards und rechts- Infundibulum)
ventrikuläre Dilatation z Herzkatheterisierung:
z Ein Übergreifen auf den linken 5 Dextrokardiographie: verstärkte
Ventrikel wird ebenfalls beschrieben Trabekelisierung des Septums
(»Pile-d’assiettes«-Phänomen),
Ätiologie regionale Kontraktionsstörungen,
z Genetisch: Nachweis von >9 Genmu- Aneurysmen und Aussackungen
tationen (30. Lebensjahr); Mutationen (»bulgings«)
76 Kapitel 6 · Kardiomyopathien

5 Myokardbiopsie: Fibrolipomatose, Ätiologie


insbesondere des rechtsventriku- z Psychische Belastung (gesteigerte
lären Einflusstrakts, des Apex und sympathoadrenerge Stimulation mit
des Infundibulums (»triangle of exzessiver Freisetzung von Katechola-
dysplasia«); nur selten Beteiligung minen)
des Septums z Assoziation mit zerebralen Ereignis-
z Gegebenenfalls elektrophysiologische sen (Subarachnoidalblutung) und
Untersuchung: meist Induktion von Phäochromozytom
monomorphen VT (»single focus«)
Klinik
Differenzialdiagnostik z Thoraxschmerz, Angina pectoris
z Myokarditis z Dyspnoe bis Lungenödem
z Long-QT-Syndrom z Synkope bis kardiogener Schock
z Idiopathisches Kammerflimmern
z Morbus Uhl: Aplasie des rechts- Diagnostik
ventrikulären Myokards mit ungünsti- z Anamnese: vorausgegangene extreme
ger Prognose emotionale oder psychische Anspan-
nung/Stress
Therapie z EKG: diffuse T-Wellen-Inversion,
z Therapie/Prävention von »Infarkt-EKG«, QT-Verlängerung
Arrhythmien: z Labordiagnostik:
5 medikamentös: β-Blocker, Klasse- 5 »temporär« erhöhte oder normale
III-Antiarrhythmika (Amiodaron) Herzenzymwerte
5 ICD bei positiver Familienana- 5 erhöhte Serumwerte für Katecho-
mnese oder Nachweis maligner lamine und deren Abbauprodukte
ventrikulärer Arrhythmien 5 NT-proBNP-Spiegel zur Beur-
5 Katheterablation bei fokalen mo- teilung der myokardialen Schä-
nomorphen VT und rezidivieren- digung
den (»incessant«) VT z Echokardiographie: apikale Akinesie
z Körperliche Schonung und basale Hyperkinesie
z Herzkatheteruntersuchung:
5 Koronarangiographie: unauffällig;
6.5 Stressinduzierte Ausschluss einer koronaren Mak-
Kardiomyopathie roangiopathie
(Tako-tsubo-Kardio- 5 Lävokardiographie: Pumpfunkti-
myopathie) onsstörung mit apikaler Hypo-/
Akinesie und erhaltener basaler
Epidemiologie Kontraktion bis basale Hyperkon-
z Frauen häufiger betroffen als Männer traktilität
z Erkrankungsalter: >60 Jahre (insbe- 5 Myokardbiopsie: evtl. Infiltration
sondere postmenopausale Frauen) von mononukleären Zellen und
Nekroseareale
> Die Tako-tsubo-Stresskardiomyopa- z Bildgebung: z. B. Kardio-MRT
thie macht etwa 0,2–2 % aller akuten zum Ausschluss anderer kardialer
Koronarsyndrome aus. Entitäten
6.5 · Stressinduzierte Kardiomyopathie 77 6.5
Diagnosekriterien einer Tako-tsubo-
Kardiomyopathie
z Transiente apikale linksventrikuläre
Dys- oder Akinesie
z Ausschluss einer koronaren Makro-
angiopathie
z Neu aufgetretene EKG-Veränderungen
z Ausschluss von intrakranieller Blutung,
Schlaganfall, Myokarditis, HOCM und
Phäochromozytom

Therapie
z Akuttherapie: wie bei Patienten mit
akutem Koronarsyndrom, ggf. IABP
z Ansonsten: Standardtherapie der
Herzinsuffizienz (β-Blocker)

Prognose
z Gut
z Normalisierung der Ejektionsfraktion
im Verlauf einiger Wochen
78 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

> Herzrhythmusstörungen
G. Michels, U.C. Hoppe

Allgemeines z Gegebenenfalls Kreislaufstillstand/


z Arrhythmogene Mechanismen: plötzlicher Herztod
5 Reentry (80–90 %)
5 getriggerte Aktivität (etwa 10 %) Diagnostik
5 gesteigerte oder abnorme Automa- > Instabilitätszeichen rhythmogener
tie (ungefähr 10 %) Notfälle
z Hämodynamische Auswirkungen: z Systolischer Blutdruck: <90 mmHg
5 auf das HZV: HZV = HF× SV z Pektanginöse Beschwerden
5 auf das SV: hängt ab von ventrikulä- z Brady- oder tachysystolische Herz-
rer Füllung (SV = EDV – ESV) und insuffizienz
kardialer Pumpleistung (Inotropie, z HF: <40/min oder >150/min
Chronotropie, Vor- und Nachlast)
5 funktionelle Konsequenz: mit zu- z Anamnese:
nehmender HF kommt es zu einer 5 kardiale Vorgeschichte: KHK,
Verkürzung der Diastolendauer paroxysmale Tachykardie
und damit zu einer Abnahme der 5 Medikamentenanamnese: z ins-
Ventrikelfüllung und umgekehrt besondere Präparate, welche zur
Verlängerung der Repolarisation
Klinik führen (www.qtdrugs.org) z bra-
z Palpitationen dykardisierende Medikamente
z Schwindelattacken bis Adams-Stokes- (Digitalispräparate, β-Blocker),
Anfall (Zustand kurzer Bewusstlosig- v. a. bei Präparatwechsel und
keit bei kurz auftretender Asystolie begleitender Niereninsuffizienz
infolge einer totalen AV-Blockierung) z Präparate mit direkter Auswir-
z Herzinsuffizienz (brady- oder tachy- kung auf den Elektrolythaushalt:
systolisch) Aldosteronantagonisten, Diuretika
z Akutes Koronarsyndrom (pektangi- 5 Familienanamnese: genetische
nöse Beschwerden) Prädisposition, plötzlicher Herz-
z Dyspnoe tod
z Polyurie 5 »Warm-up«- und »Cool-down«-
z Arterielle Embolie bei Phänomen: z Hinweis für eine
Vorhofflimmern/-flattern Automatietachykardie (z. B. fokal
z Ventrikuläre Extrasystolie: kein pe- atriale Tachykardie, AV-junktio-
ripherer Puls, auskultatorisch jedoch nale Tachykardie) z Patienten
Herztöne hörbar berichten über einen langsamen
Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen 79 7
Pulsanstieg und ein langsames 5 Kreislaufstillstand: tachysystolisch-
Sistieren der Tachykardie hyperdynam (Kammerflimmern,
5 »On-off«-Phänomen: z Hinweis Kammerflattern, pulslose ventrikuläre
für eine Reentry-Tachykardie Tachykardie) oder hypo- bis asysto-
z plötzlicher Beginn und abrup- lisch-hypodynam (Asystolie, Hypo-
tes Ende der Tachykardie (»wie systolie, EMD oder »weak action«)
ein Schalter«) z regelmäßige
Tachykardie z häufig postiktaler
Harndrang (ANP- bzw. BNP-Frei- Therapie
setzung mit renaler Natrium- und Akuttherapie tachykarder Rhythmus-
Wasserausscheidung) störungen
z Körperliche Untersuchung: z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
5 insbesondere Auskultation von der Vitalfunktionen
Herz (Vitien) und Lunge z Oberkörperhochlagerung
5 Bradykardie (Frequenz: <60/min) z Oxygenierung: 2–6 l O2/min über Na-
5 Tachykardie (Frequenz: >100/min) sensonde oder >6 l O2/min über Maske
5 Arrhythmie z Eventuell Sedierung mittels Benzo-
z Labordiagnostik: insbesondere Elek- diazepinen: Diazepam (Valium) oder
trolytwerte (Kalium), Nierenretenti- Midazolam (Dormicum)
ons- und Schilddrüsenparameter z Ätiologische Abklärung: z. B. Ischä-
z EKG: miezeichen, Elektrolytstörungen
5 Ruhe-EKG mit Rhythmusstreifen z Vagusstimulationsmanöver:
5 Langzeit-EKG und/oder ggf. 5 Karotissinusdruckversuch
»event recorder« 5 Valsalva-Pressversuch
5 Ergometrie, u. a. zur Evaluierung 5 kaltes Wasser trinken lassen
belastungsinduzierter Arrhythmien z Medikamentöse antiarrhythmische
z Echokardiographie: Ausschluss/ Differenzialtherapie:
Identifikation von strukturellen Herz- 5 es sollte nicht mehr als ein Antiar-
erkrankungen, Vitien und perimyo- rhythmikum verwendet werden
kardialen Erkrankungen 5 bei eingeschränkter Pumpfunktion
z Gegebenenfalls elektrophysiologische führen die meisten Antiarrhyth-
Untersuchung, evtl. »cardiomapping« mika zu einer weiteren myokardi-
alen Verschlechterung
z frühzeitige Defibrillation/Kardiover-
Einteilung von Herzrhythmusstörungen sion bei drohender hämodynamischer
z Frequenz: tachykarde und bradykarde Instabilität:
Rhythmusstörungen 5 Kardioversion: synchronisierte
z Ursprung: Reizbildungs- und Reizleitungs- Applikation von Strom (ggf. Defi-
störungen, supraventrikuläre und ventri- brillation: asynchrone Applikation
kuläre Rhythmusstörungen eines Stromimpulses)
z Breite des QRS-Komplexes: Schmal- und 5 die vorherige Gabe verschiedener
Breitkomplexarrhythmien Antiarrhythmika kann den Defi-
z Hämodynamik: brillationserfolg verschlechtern
5 hämodynamisch stabile und instabile z Gegebenenfalls Überstimulation
Rhythmusstörungen (»overdrive pacing«)
80 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

 Dosierung Langzeittherapie bradykarder


Antiarrhythmikatherapie von Rhythmus- Rhythmusstörungen
störungen: z Absetzen bradykardisierender
z Mittel der Wahl bei »rhythmischen« Substanzen
Schmalkomplextachykardien: Adenosin z Ätiologische Abklärung: z. B.
(Adrekar; 6–12 mg rasch i. v.) Ausschluss/Nachweis einer KHK,
z Mittel der Wahl bei »arrhythmischen« Bestimmung des Digitalisspiegels
Schmalkomplextachykardien (meist z Gegebenenfalls permanente Schritt-
Tachyarrhythmia absoluta): Metoprolol macherimplantation
(Beloc; 5–15 mg i. v,)
z Mittel der Wahl bei Breitkomplexta-
chykardien: Ajmalin (Gilurytmal; 7.1 Tachykarde
0,5–1 mg/kg KG langsam i. v.) oder Rhythmusstörungen
Amiodaron (Cordarex; 5 mg/kg KG bzw.
300 mg/70 kg KG langsam i. v.) Einteilung
z Hämodynamisch stabil oder instabil;
Langzeittherapie tachykarder Instabilitätszeichen:
Rhythmusstörungen 5 systolischer Blutdruck: <90 mmHg
z Medikamentös: prinzipiell alle 5 HF: >150/min
Antiarrhythmika (keine Klasse-I- 5 pektanginöse Beschwerden
Antiarrhythmika bei strukturellen 5 Zeichen der tachysystolischen
Herzerkrankungen) Herzinsuffizienz
z ICD ( Kap. 7.3) z QRS-Komplex:
z Katheterinterventionell (Radiofre- 5 <0,12 s: Schmalkomplextachy-
quenzablation): z. B. Koagulation kardien
des Kent-Bündels bei WPW-Syn- 5 ≥0,12 s: Breitkomplextachykardien
drom, AV-Knoten-Modulation bei z Rhythmus:
AV-Knoten-Reentry-Tachy- 5 regelmäßige Tachykardie
kardie, Pulmonalvenenisolation 5 unregelmäßige Tachykardie oder
bei Vorhofflimmern Tachyarrhythmie

Akuttherapie bradykarder > Behandle immer den Patienten und


Rhythmusstörungen nie das EKG.
z Medikamentöse Behandlung oder
evtl. transkutane Schrittmacherthera- Differenzialdiagnostik von
pie unter Analgosedierung Schmalkomplextachykardien
Rhythmische Schmalkomplex-
 Dosierung tachykardien
Antibradykarde Substanzen: z Sinustachykardie (kompensatorisch
z Parasympatholytika: Atropinsulfat oder vegetativ)
(Atropinum sulfuricum; 0,5–3 mg i. v.) z AV-Knoten-Reentry-Tachykardie
z Sympathomimetika: Adrenalin (Supra- (⊡ Abb. 7.1)
renin; 0,02–0,1 mg als i. v. Bolus oder z Orthodrome AV-Knoten-Reentry-
2–10 μg/min über Perfusor) Tachykardie bei akzessorischer Lei-
tungsbahn
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 81 7.1
z Vorhofflattern mit regelmäßiger z Junktionale (AV-Knoten-)Tachykardie
Überleitung (⊡ Abb. 7.2) (selten)
z Fokale ektope atriale Tachykardie

⊡ Abb. 7.1. AV-Knoten-Reentry-Tachykardie vor (links) und nach (rechts) Gabe von 6 mg Adeno-
sin (Adrekar) als i. v. Bolus

⊡ Abb. 7.2. Typisches Vorhofflattern (2:1-Überleitung)


82 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

Arrhythmische Schmalkomplex- Arrhythmische Breitkomplex-


tachykardien tachykardien
z In den meisten Fällen: TAA bei Vor- z Kammerflimmern
hofflimmern z Vorhofflimmern mit Linksschenkel-,
z Vorhofflattern mit unregelmäßiger Rechtsschenkel- oder funktionellem
bzw. inkonstanter AV-Überleitung Block (Ermüdungsblock)
z Fokal atriale Tachykardie mit unregel- z Präexzitationssyndrom mit Vorhof-
mäßiger Überleitung flimmern (⊡ Abb. 7.4)
z Multifokal atriale Tachykardie z Polymorphe ventrikuläre Tachykardie
mit intermittierenden Arrhythmie- (»Torsade-de-pointes«-Tachykardie;
phasen ⊡ Abb. 7.5)
z Sinustachykardie mit supraventrikulä-
ren Extrasystolen > »Schmalkomplextachykardien mit
mehreren Erregungen« (z. B. TAA bei
Differenzialdiagnostik von Vorhofflimmern) werden nicht selten
Breitkomplextachykardien in Form eines »funktionellen Schenkel-
Rhythmische Breitkomplex- blocks« übergeleitet, sodass im EKG eine
tachykardien »Breitkomplextachykardie« imponiert.
z VT (⊡ Abb. 7.3) Eine arrhythmische Breitkomplextachy-
z Kammerflattern kardie beruht daher meist auf Vorhof-
z Supraventrikuläre Tachykardie mit flimmern mit funktionellem (Ermüdung)
Schenkelblock oder vorbestehendem Schenkelblock
z Antidrome AV-Knoten-Reentry- (selten: Präexzitationssyndrom mit Vor-
Tachykardie bei WPW-Syndrom hofflimmern).

⊡ Abb. 7.3. Anhaltende monomorphe ventrikuläre Tachykardie


7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 83 7.1

⊡ Abb. 7.4. Schnell übergeleitetes Vorhofflimmern bei WPW-Syndrom

⊡ Abb. 7.5. »Torsade-de-pointes«-Spitzenumkehrtachykardie (Induktion durch ventrikuläre


Extrasystolen)

Allgemeine Pathophysiologie (z. B. Hypokaliämie, Hypomagnes-


z Arrhythmogenes Substrat: Infarkt- ämie), proarrhythmische Pharmaka
narbe, Aneurysma, dualer AV-Kno- (z. B. Antiarrhythmika)
ten, Hypertrophie, Fibrose, Disper-
sion der Repolarisation (funktionelles Atriale Tachykardien
arrhythmogenes Substrat, z. B. bei
Long-QT-Syndrom) Ätiologie
z Triggerfaktoren: Extrasystolen, Hypo- z Ektop versprengtes Erregungsbil-
xämie, Ischämie dungsgewebe
z Modulierende Faktoren: neurohumo- z Cor pulmonale
rale Einflüsse, Elektrolytstörungen z COPD
84 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

z Pulmonale Hypertonie EKG-Charakteristika


z Kardiomyopathie z Schmalkomplextachykardie
z Ausgeprägte Herzinsuffizienz z Unifokale atriale Tachykardie:
z Digitalisüberdosierung 5 regelmäßige Tachykardie mit
Veränderung der P-Wellen-Konfi-
Einteilung guration im Vergleich zum Sinus-
z Atriale Nicht-Reentry-Tachykardien rhythmus (meist kaum erkennbar)
(fokale bzw. ektope atriale 5 Herzfrequenz: 150–200/min
Tachykardie) 5 bei gleichzeitig bestehendem
5 unifokale atriale Tachykardie AV-Block sollte an eine Digita-
5 multifokale atriale Tachykardie lisintoxikation gedacht werden
(häufig bei Digitalisüberdosie- z Multifokale atriale Tachykardie:
rung) 5 intermittiernd arrhythmische
5 bedingt durch Automatie bzw. ge- Tachykardie
triggerte Aktivität meist unbeein- 5 mindestens 3 deformierte bzw.
flussbar, d. h. diese Tachykardien variierende P-Wellen
lassen sich weder induzieren noch 5 wechselnde PP- und PQ-Intervalle
durch Überstimulation terminie- z Atriale Reentry-Tachykardie:
ren 5 regelmäßige Tachykardie mit »flat-
z Atriale Reentry-Tachykardien: terähnlichen« P-Wellen zwischen
5 meist atypisches Vorhofflattern den Kammerkomplexen
oder atriale Inzisions-Reentry- 5 variierende atriale Frequenzen
Tachykardien (nach operativer und P-Wellen-Morphologie
Korrektur von kongenitalen Herz- 5 in der Literatur wird die atriale
fehlern oder durch chirurgische Reentry-Tachykardie häufig mit
Manipulationen an der freien dem atypischen Vorhofflattern
Wand des rechten Vorhofs) gleichgesetzt
5 regelmäßige Vorhoftachykardien
mit nichtisthmusabhängigen Akuttherapie
Reentry-Kreisen; der Mechanis- z Vagale Stimulationsmanöver → meist
mus entspricht dem des Vorhof- ineffektiv, da der AV-Knoten selbst
flatterns (Makro-Reentry) nicht in die Arrhythmogenese invol-
viert ist
Hinweise auf eine ektope atriale z Medikamentös
Tachykardie
z »Warm-up«-/»Cool-down«-Phäno- Â Dosierung
men als Hinweis für eine Automa- Medikamentöser Therapieversuch bei atria-
tietachykardie ler Tachykardie (»Versuch«, da sich der atriale
z Vorhoffrequenz von <250/min, Fokus häufig nicht supprimieren lässt):
Kammerfrequenz von 150–200/min z β-Blocker: z. B. Metoprolol (Beloc; 5 mg i. v.)
z Tachykardiedauer: Minuten bis z Kalziumantagonisten: z. B. Verapamil
Stunden, ggf. permanent anhaltend (Isoptin; 5 mg i. v.)
z Im Gegensatz zum typischen Vor-
hofflattern ist die isoelektrische Linie ! Bei gleichzeitig antegrad leit-
vorhanden fähigem akzessorischen Bündel und
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 85 7.1
medikamentöser AV-Blockierung hofflattern entspricht pathogene-
im Rahmen der Frequenzkontrolle tisch der atrialen Makro-Reentry-
(Digitalis, Kalziumantagonisten vom Tachykardie
Verapamil- oder Diltiazemtyp) be- 5 heterogene bzw. variierende
steht die Gefahr einer induzierten Reentry-Mechanismen
schnellen Überleitung bis hin zum 5 häufig Degeneration in grobes
Kammerflattern/-flimmern (hyper- Vorhofflimmern, sog. Flimmer-
dynamer Kreislaufstillstand). flattern
z Linksatriales Vorhofflattern:
Langzeittherapie Reentry um die Pulmonalvenen-
z Ätiologische Abklärung und Behand- region oder um den Mitralklapp-
lung der Grunderkrankung penklappenanulus
z Medikamentös: β-Blocker oder Kalzi-
umantagonisten, ggf. Amiodaron EKG-Charakteristika
z Gegebenenfalls Überstimulation, z »Typical type«: atriale Frequenzen
Ablationsbehandlung von 240–340/min, negative Sägezahn-
flatterwellen in inferioren Ableitun-
Vorhofflattern gen (II, III, aVF), positiv in V1 bzw.
negativ in V6
Ätiologie z »Reverse typical type«: wie typisches
z Kardiale Ursachen: KHK, Kardiomyo- Vorhofflattern, jedoch spiegelbildli-
pathien, Mitralvitien, Perimyokarditis, che, positive Sägezahnflatterwellen
vorangegangener kardiochirurgischer in den inferioren Ableitungen (II, III,
Eingriff aVF), negativ in V1 bzw. positiv in V6
z Extrakardiale Ursachen: Lungenembo- z »Atypical type«: atriale Frequenzen
lie, Hyperthyreose, arterielle Hyper- von >340/min, positive Sägezahn-
tonie, Herztrauma, Alkoholkonsum flatterwellen in den inferioren Ab-
(»holiday-heart syndrome«) leitungen (II, III, aVF), zeigt bedingt
durch eine Erregung ohne definierten
Einteilung bzw. Typisierung bzw. wechselnden Reentry-Kreis eine
z Typisches Vorhofflattern: unregelmäßige AV-Überleitung, d. h.
5 isthmusabhängiges Vorhofflattern arrhythmisches Vorhofflattern
(Isthmus: anatomisch-strukturelle
Region zwischen Einmündung der Akuttherapie
V. cava inferior und Trikuspidal-
klappenring) Â Dosierung
5 homogener Makro-Reentry im Medikamentöse Therapie von Vorhofflattern:
Gegenuhrzeigersinn z β-Blocker: z. B. Metoprolol (Beloc; 5 mg
z Umgekehrt-typisches Vorhofflattern: i. v.)
5 isthmusabhängiges Vorhofflattern z ggf. Verapamil (Isoptin; 5–10 mg langsam
5 homogener Makro-Reentry im i. v.)
Uhrzeigersinn
z Atypisches Vorhofflattern: z Bei hämodynamischer Instabilität:
5 nichtisthmusabhängiges Vorhof- elektrische Kardioversion (50–100 J)
flattern, d. h. das atypische Vor- oder ggf. Überstimulation
86 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

Langzeittherapie z Idiopathische Form oder »Ione atrial


z Radiofrequenzkatheterablation: fibrillation« (vagal getriggertes Vor-
5 Isthmusablation: Induktion einer hofflimmern)
Leitungsblockade des kavo-
trikuspidalen Isthmus > Eine arterielle Hypertonie erhöht das
5 Indikation: typisches Vorhof- Risiko für die Entwicklung von Vorhof-
flattern flimmern um etwa 80 % und besteht bei
5 beim atypischen Vorhofflattern ungefähr 50 % der Patienten mit Vorhof-
gelingt eine Terminierung des flimmern.
Vorhofflatterns durch Ablation
bzw. durch Elektrostimulation nur Einteilung
selten z Akutes Vorhofflimmern: erstmaliges
z Pharmakotherapie/Frequenzkont- Auftreten von Vorhofflimmern
rolle: β-Blocker-Monotherapie oder z Chronisches Vorhofflimmern:
Kombination mit Digitalis, ggf. 5 paroxysmale Form: rezidivierend,
Klasse-III- (Amiodaron) oder Klasse- anfallsartig, innerhalb von 48 Stun-
I-Antiarrhythmika (Propafenon oder den (≤7 Tage) selbstlimitierend
Flecainid) bei fehlender struktureller 5 persistierende Form: anhaltend
Herzkrankheit (>7 Tage), nicht selbstterminie-
z Thromboembolieprophylaxe: wie rend, Konversion in Sinusrhyth-
beim Vorhofflimmern mus nur durch medikamentöse
oder elektrische Kardioversion
Vorhofflimmern 5 permanente Form: chronisch ma-
nifestes Vorhofflimmern, ineffek-
Allgemeines tive Kardioversionsversuche
z Häufigste Herzrhythmusstörung im
Erwachsenenalter Diagnostik
z Anamnese: Alkohol, Vorerkrankungen
Ätiologie z Klinik: asymptomatisch oder sympto-
z Kardiale Ursachen: KHK, Kardiomyo- matisch
pathien, Mitralvitien, Perimyokarditis, z Labordiagnostik: Elektrolytwerte
vorangegangene kardiochirurgische (Kalium), Nieren- und Schilddrüsen-
Eingriffe, Assoziation mit anderen parameter
Rhythmusstörungen (z. B. »Sick sinus z Echokardiographie:
syndrome«, WPW-Syndrom, atriale 5 TTE: Vitien, Vorhofgröße (Norm
Tachykardien), Herztrauma, arterielle des linken Vorhofs: 20–40 mm),
Hypertonie (Cor hypertonicum, hy- linksventrikuläre Pumpfunktion
pertensive Herzkrankheit, Hypertro- 5 TEE vor geplanter Kardioversion
phie) (nicht indiziert, wenn zuvor eine
z Extrakardiale Ursachen: Lungen- kontinuierliche und adäquate Anti-
embolie, Hyperthyreose, Störung des koagulation für >3 Woche erfolgte):
Elektrolythaushalts (insbesondere Hy- Ausschluss von Vorhofthromben
pokaliämie), Diabetes mellitus, COPD, und von Spontanechos (enge Asso-
Alkoholkonsum (»holiday-heart syn- ziation mit intrakardialen Throm-
drome«), Drogen (z. B. Kokain) ben), Bestimmung der Vorhofohr-
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 87 7.1
flussgeschwindigkeit (<0,2 m/s: Zei- 5 elektrische Kardioversion
chen eines thrombogenen Milieus) 5 Kardioversion (medikamentös
z Ruhe-EKG: oder elektrisch) nur nach Throm-
5 Fehlen von P-Wellen, evtl. feine busausschluss (TEE) bzw. nach
oder grobe Flimmerwellen er- Antikoagulation
kennbar 5 Interventionstherapie: Pulmonal-
5 absolute Arrhythmie durch unre- venenisolation (Gefahr von Per-
gelmäßige AV-Überleitung foration und Pulmonalvenenste-
5 HF von >100/min: TAA nosen) oder AV-Knoten-Ablation
5 HF von <60/min: Bradyarrhyth- mit Schrittmacherimplantation.
mia absoluta 5 ggf. Maze-OP, d. h. Kompartimen-
tierung des linken Atriums am
Therapie offenen Herzen durch chirurgisch-
Rhythmus- vs. Frequenzkontrolle lineare Ablation (nur bei Patien-
ten, bei denen per se eine offene
> Ob primär eine Rhythmus- oder eine Herz-OP geplant ist)
Frequenzkontrolle indiziert ist, sollte indi-
viduell/nach der Symptomatik entschie- > Vorgehen in Abhängigkeit von der
den werden (AFFIRM-, AF-CHF-Studie). Dauer des Vorhofflimmern:
z >48 h: Frequenzkontrolle und An-
z Primäres Therapieziel: Frequenz- tikoagulation über ≥3 Wochen vor
kontrolle Kardioversion, danach oder bei echo-
5 medikamentös: β-Blocker → kardiographischem (TEE) Auschluss
Digitalis → Kalziumantagonisten von Vorhofthromben kann unter
(Verapamil) → ggf. Amiodaron Antikoagulation direkt kardiovertiert
5 ggf. interventionell: Pulmonalve- werden (ACUTE-/ACE-Studie); eine
nen-Isolation oder bei Therapie- postinterventionelle Antikoagulation
refraktärität AV-Knoten-Ablation für mindestens 4 Wochen ist obligato-
plus Schrittmacherimplantation risch, da sich das Vorhofmyokard nach
5 Herzinsuffizienz und Vorhof- Vorhofflimmern noch im Stadium der
flimmern: die Überlegenheit der »mechanischen Dysfunktion« befindet
favorisierten Rhythmuskontrolle (»stunning myocard«)
bei Patienten mit Herzinsuffizienz z <48 h: Rhythmuskontrolle (medika-
(EF: ≤35 %) konnte in der AF- mentöse oder elektrische Kardiover-
CHF-Studie nicht bestätigt werden sion; keine Antikoagulation bzw. keine
z Sekundäres Therapieziel: Rhythmus- TEE notwendig); eine anschließende
kontrolle Antikoagulation ist in Abhängigkeit
5 medikamentöse Kardioversion: vom Rezidivrisiko (Kausalität, Vorhof-
z Vorhofflimmern mit strukturel- größe etc.) nicht zwingend erforderlich
ler Herzerkrankung: Amiodaron
(Cordarex) z Vorhofflimmern Elektrische Kardioversion
ohne zugrunde liegende struktu- z Prinzip: (R-Zacken synchronisiert) in
relle Herzerkrankung: Flecainid Kurznarkose, insbesondere bei Hoch-
(Tambocor) Propafenon (Rytmo- risikopatienten (TAA bei KHK und/
norm), ggf. Dronedaron (Multaq) oder struktureller Herzerkrankung)
88 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

z Voraussetzungen: z Energiewahl: 200–360 J bei Vorhof-


5 Einverständniserklärung flimmern (Vorhofflattern: Start mit
5 gesicherte, effektive Antikoagula- 50 J); bei Misserfolg zügige Wieder-
tion oder echokardiographischer holung mit höherer Schockenergie,
Ausschluss von Vorhofthromben max. 3-malige Wiederholung
5 (hoch-)normale Spiegel für Ka- z Langfristig geringer Kardioversionser-
lium und Magnesium, normale folg: Durchmesser des linken Vorhofs
Gerinnungs- und Schilddrüsen- von >55 mm oder für >1 Jahr beste-
werte (optimale Erfolgsrate) hendes Vorhofflimmern
5 sicherer periphervenöser Zugang z Postinterventionelle Maßnahmen:
5 Nüchternheit seit 6 h β-Blocker, ggf. Amiodaronaufsätti-
5 Durchführungsort mit Überwa- gung; Notwendigkeit der Antikoa-
chungsmöglichkeit und Reanima- gulation bei Vorhofflimmern über
tionsbereitschaft >48 h
z Kurznarkose: Piritramid (Dipidolor;
5,0–7,5 mg) plus Etomidat (Hypnomi- Pharmakotherapie zur akuten
date; 0,15–0,3 mg/kg KG) oder Fenta- Frequenzkontrolle
nyl (Fentanyl-Janssen) plus Propofol z β-Blocker: Mittel der Wahl, z. B.
(Disoprivan); die niedrigdosierte Metoprolol (Beloc; 5–15 mg i. v.)
vorherige Gabe eines Benzodiazepins z Kalziumantagonist: Verapamil (Iso-
(z. B. Lorazepam expidet, 1 mg s. l.; ptin; 2,5–5 mg über 5–10 min i. v.),
Diazepam, 5 mg p. o.) verringert nicht bei systolischer Herzinsuffizi-
den Bedarf an Hypnotika und redu- enz, da negativ inotrop
ziert Myoklonien durch Etomidat; z Digitalis:
Etomidat ist kreislaufneutraler (bei 5 Digoxin (Lanicor; 0,25 mg alle 2 h
Patienten mit vorbekannter Herzer- i. v., max. 1,5 mg)
krankung), zudem besteht kaum ein 5 Digitoxin (Digimerck; schnelle
Injektionsschmerz bei Anwendung Aufsättigung: 0,25 mg alle 6 h i. v.
lipoider Lösungen (Etomidat lipuro) für 2 Tage)
z Durchführung: mittels Paddels oder z ggf. Magnesiumsulfat (Cormagnesin;
Klebeelektroden 1–2 g über 20–30 min i. v.)
z Elektrodenposition: anterior-posteri- z Klasse-III-Antiarrhythmika: Amio-
or-Ableitung → höhere Erfolgsrate daron (Cordarex; 5 mg/kg KG oder
z Besonderheiten bei Schrittmacher- 300 mg/70 kg KG i. v.), Sotalol (So-
trägern: talex; 80 mg i. v.)
5 vorherige Umprogrammierung auf z Klasse-I-Antiarrhythmika: Propafe-
bipolares »sensing« non (Rytmonorm; 1–2 mg/kg KG i. v.),
5 Defibrillations-Patches nicht auf Ajmalin (Gilurytmal; 0,5–1 mg/kg KG
das Aggregat kleben oder 50 mg/70 kg KG über 5 min i. v.)
5 Bevorzugung der anterior-posteri-
oren Patches-Positionierung Pharmakotherapie zur langfristigen
5 ggf. Abfrage des Aggregats nach Frequenzkontrolle
Kardioversion > Therapieziele bei Vorhofflimmern:
z Besonderheit bei ICD-Trägern: interne z Prävention von Vorhofflimmern
Kardioversion durch ICD selbst z Regulierung der Kammerfrequenz
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 89 7.1
z Verhinderung von thrombo- z Diagnostik vor und während einer
embolischen Komplikationen Amiodarontherapie:
z Beendigung von Vorhofflimmern 5 Schilddrüse: TSH-Spiegelbe-
und sinusrhythmuserhaltende The- stimmung, ggf. Schilddrüsenso-
rapie nographie (200 mg Amiodaron
enthalten 75 mg und damit 37 %
z β-Blocker: z. B. Bisoprolol (Concor; gebundenes Jod) wegen amioda-
5–10 mg/Tag p. o.) roninduzierter Thyreotoxikose:
z Kalziumantagonist: Verapamil z Typ 1: früh, gefährlich; Therapie:
(Isoptin; 3-mal 80–120 mg/Tag p. o.); Thyreostatika z Typ 2: spät, mild;
nicht bei begleitender systolischer Therapie: Steroide
Herzinsuffizienz 5 Leber: Transaminasenaktivitäten
z Digitalis: bevorzugt Digitoxin (Digi- (Lebertoxizität; meist Dosisreduk-
merck): tion ausreichend)
5 orale Aufsättigung: 3-mal 0,1 mg/ 5 Lunge: Lungenfunktionstestung
Tag über 3 Tage, dann 1-mal (gestörte CO-Diffusion), Röntgen-
0,07 mg/Tag p. o. untersuchung des Thorax (Pneu-
5 Kontrolle: Digitalisspiegel, Elekt- monitis → interstitielle Pneumo-
rolytwerte (insbesondere Kalium nie → irreversible Lungentoxizität,
und Kalzium) Fibrose)
5 Augen: Pigmentablagerungen auf
Prävention der Kornea (Cornea verticillata/
z Primärprävention: Verhinderung Vortexkeratopathie) sind in 90 %
von Vorhofflimmern, insbesondere der Fälle nach 6-monatiger The-
bei kardialen Erkrankungen wie z. B. rapie nachweisbar und reversibel;
arterielle Hypertonie oder Herzinsuf- als Nebenwirkung mit Thera-
fizienz piekonsequenz ist dies nur bei
z Sekundärprävention (nach Kardiover- Visuseinschränkung einzustufen;
sion): bei etwa 60–80 % der Patienten dagegen stellt die sehr seltene
kommt es im ersten Jahr nach einer Optikusneuropathie mit Ge-
Kardioversion zu einem Rezidiv des sichtsfeldausfällen eine absolute
Vorhofflimmern Kontraindikation dar
z Substanzen: β-Blocker, Klasse- 5 Haut: teils irreversible gräuliche
IC-Antiarrhythmika, Amiodaron, Hautverfärbung bei Sonnenexpo-
Statine sition → Aufklärung

 Dosierung Thromboembolieprophylaxe
Amiodaron (Cordarex): > Das Risiko für einen Schlaganfall
z Aufsättigungsdosierung: (2–15 %/Jahr) ist deutlich höher als das
5 parenteral/p. o.: 300 mg über 1 h i. v., Risiko für schwere Blutungen unter einer
orale Fortführung mit 5-mal 200 mg/ oralen Antikoagulation (etwa 1 %/Jahr).
Tag für 10 Tage Trotz höherem Blutungsrisiko profitieren
5 rein parenteral: 900 mg i. v. (Perfusor) auch ältere Patienten (>75 Jahre) von ei-
über 24 h für 10 Tage ner Antikoagulation, da sie ein erhöhtes
z Erhaltungsdosierung: 200 mg/Tag p. o. Schlaganfallrisiko aufweisen.
90 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

⊡ Tab. 7.1. CHADS2-Score zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos bei Vorhofflimmern

Kriterien Risikofaktoren Punktewert


C (Chronic heart failure) Herzinsuffizienz 1
H (Hypertension) Arterielle Hypertonie 1
A (Age) Alter ≥75 Jahre 1
D (Diabetes mellitus) Diabetes mellitus 1
S (Stroke) durchgemachter Schlaganfall oder TIA 2
in der Anamnese

Bewertung/Empfehlung: 0 Punkte = ASS 100-300 mg/Tag; 1 Punkt = individuell abwägen, ASS


oder Phenprocoumon; ≥2 Punkte = Phenprocoumon

Schlaganfallsrate (%/Jahr) nach CHADS2-Punkteergebnis


CHADS2-Gesamtpunktezahl 0 1 2 3 4 5 6
Jährliche Schlaganfallsrate [%] 1,9 2,8 4,0 5,9 8,5 12,5 18,2

z Risikofaktoren für eine Thrombo- Definition und Pathophysiologie


embolie bei Vorhofflimmern: z Voraussetzung für die AVNRT:
5 milde Risikofaktoren: weibliches funktionelle Längsdissoziation des
Geschlecht, Alter von 65–74 Jahren, AV-Knotens bzw. Dualität der AV-
KHK, Hyperthyreose Knoten-Leitung
5 moderate Risikofaktoren: arterielle z Im AV-Knoten sind eine langsame
Hypertonie, Diabetes mellitus, α- und eine schnelle β-Leitungsbahn
Lebensalter von ≥75 Jahren, Herz- oder – genauer – Areale perinodaler
insuffizienz, Ejektionsfraktion von Übergangszellen mit unterschiedlich
≤35 % funktionellen Eigenschaften angelegt
5 Hochrisikofaktoren: frühere Apo- (»slow pathway«, »fast-pathway«)
plexie/TIA, Mitralklappenstenose, z Normalerweise wird jeder Impuls
mechanischer Klappenersatz über den »fast pathway« mit langer
z Risikofaktorenadaptierte Refraktärphase übergeleitet
Maßnahmen: ⊡ Tab. 7.1 z Beim gewöhnlichen Typ trifft eine
vorzeitig einfallende SVES auf einen
AV-Knoten-Reentry-Tachykardien refraktären »fast pathway« und wird
(AVNRT) aufgrund der kürzeren Refraktärzeit
des »slow pathway« antegrad über den
Einteilung langsamen Weg übertragen, an dessen
z AVNRT vom gewöhnlichen Typ: Ende der Impuls auf einen retrograd
»slow-fast type« (>90 % der Fälle) mittlerweile wieder leitungsfähigen
z AVNRT vom ungewöhnlichen Typ: (nicht mehr refraktären) »fast pa-
»fast-slow type« oder »slow-slow thway« trifft, um erneut in Richtung
type« (selten) des basalen Vorhofs rückgeleitet zu
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 91 7.1
werden, was ein neuerliches Eintreten z Wirkzeit: <2 min
in den »slow pathway« ermöglicht z Wirkung:
(Reentry) 5 Verlängerung des AV-Knoten-Intervalls
z Selten entstehen eine antegrade 5 meist kommt es zu einem kurzfris-
Leitung über den »fast pathway« tigen »medikamentös-transienten
und eine retrograde Leitung über AV-Block« (präautomatische Pause;
den »slow pathway« (»Fast-slow«- ⊡ Abb. 7.1.)
AVNRT); sehr selten bilden 2 langsam 5 bei längeren Pausen Atropin und/
leitende Bahnen den Reentry-Mecha- oder Adrenalin als Standby-Medika-
nismus (»Slow-slow«-AVNRT) mente sowie Theophyllin als Antidot
bereithalten
EKG-Charakteristika z Kontraindikationen: Asthma bronchiale,
z Regelmäßige Schmalkomplextachy- AV-Blockierung 2.–3. Grades, »sick sinus
kardie syndrome«
z Herzfrequenz: etwa 160–220/min z Nebenwirkungen: Flush, Bronchospastik,
z P-Wellen: temporärer Sinusarrest
5 meist Fehlen von P-Wellen bei der z Mittel der 2. Wahl: Ajmalin (Gilurytmal),
»Slow-fast«-AVNRT: maskiert im Metoprolol (Beloc), Verapamil (Isoptin)
oder kurz nach dem QRS-Komplex
mit Deformierung des terminalen Langzeittherapie
QRS-Anteils (Pseudo-rSr’-Muster; z Katheterinterventionell (Radiofre-
retrograde Vorhoferregung) quenzablation):
5 negative P-Wellen: bei der »Fast- 5 AV-Knoten-»Modulation« (meist
slow«-AVNRT meist vor dem der langsamen Leitungsbahn)
QRS-Komplex 5 Ablationsort: Region des Koch-
z Verlauf: plötzlicher Beginn und ab- Dreiecks (Trikuspidalklappenanu-
ruptes Ende der Tachykardie (»wie ein lus, Todaro-Sehne, Koronarsinu-
Schalter«) sostium)
z Pharmakotherapie:
Akuttherapie 5 bei Herzgesunden: Flecainid
z Vagale Stimulationsmanöver: z. B. (Tambocor; 2-mal 100 mg/Tag),
Karotissinusdruckmassage (einseitig), Propafenon (Rytmonorm; 2-mal
kaltes Wasser trinken lassen, Valsalva- 300 mg/Tag), Sotalol (Sotalex;
Manöver (Pressversuch), Bulbusdruck 2- bis 3-mal 80–160 mg/Tag)
z Medikamentös und/oder ggf. elekt- 5 bei Herzkranken: β-Blocker (z. B.
rische Kardioversion bei hämodyna- Bisoprolol – Concor), ggf. Amio-
misch instabiler AVNRT daron (Cordarex)

 Dosierung AV-Reentry-Tachykardien (AVRT)


Adenosin (Adrekar): mit akzessorischer Leitungsbahn
z Substanz der 1. Wahl
z Dosierung: 6–12 mg als Bolus (rasch i. v.; Einteilung
Patient mit einem KG von 70 kg) z Orthodromer Typ (90–95 %): antegrad
z Wirkungseintritt: sofort über das AV-Knoten-His-Bündel-
z Halbwertzeit: <10 s System, Schmalkomplextachykardie
92 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

z Antidromer Typ (≤5 %): antegrad über Langzeittherapie


das akzessorische Bündel, Breitkom- z Radiofrequenzablation:
plextachykardie 5 Therapie der 1. Wahl bei offenem
bzw. verborgenem WPW-Syndrom:
EKG-Charakteristika 5 V1 positiv: sternalpositiv somit
z Regelmäßige Schmalkomplex- (or- linksseitig verlaufende Bahn
thodromer Typ) oder Breitkomplexta- 5 V1 negativ: sternalnegativ somit
chykardie (antidromer Typ) → bei rechtsseitig verlaufende Bahn
Vorhofflimmern entsprechend unre- z Pharmakotherapie: z. B. β-Blocker,
gelmäßiger Rhythmus Sotalol (Sotalex; 2- bis 3-mal 80–
z Herzfrequenz: etwa 160–220/min 160 mg/Tag), Flecainid (Tambocor;
z Fehlen von P-Wellen oder Auftreten 2-mal 100 mg/Tag), Propafenon
von P-Wellen nach dem QRS-Komplex (Rytmonorm; 2-mal 300 mg/Tag)
z Keine Unterscheidung zw. AVNRT
und AVRT anhand des EKG möglich Ventrikuläre Tachykardien (VT)

Akuttherapie Definition
z Vagusreiz (Valsalva-Pressversuch, Ka- z Eine VT liegt bei >3 aufeinander fol-
rotisdruckversuch, Eiswasser trinken genden ventrikulären Aktionen vor
lassen)
z Bei hämodynamischer Instabilität: Ätiologie
Kardioversion z KHK (Myokardinfarkt): häufig
z Bei hämodynamischer Stabilität: z Kardiomyopathien
Pharmakotherapie z Elektrolytstörungen: Hypokaliämie
(⊡ Abb. 7.6), Hypomagnesiämie
 Dosierung z Proarrhythmie durch Medikamente:
Medikamente der 1. Wahl bei Präexzitation: Digitalis, Antiarrhythmika etc.
z Ohne Vorhofflimmern: Adenosin (Adrekar; z Idiopathisch, d. h. bei Ausschluss
bei einem Patienten mit einem KG von einer strukturellen Herzerkrankung
70 kg: 6–12 mg rasch i. v.) z Ionenkanal-/Rezeptorerkrankungen:
z Mit Vorhofflimmern: Ajmalin (Giluryt- Brugada-Syndrom, katecholaminerge
mal; 0,5–1 mg/kg KG langsam i. v.); bei polymorphe VT, Long- und Short-
Präexzitationssyndrom mit antegrad QT-Syndrom
leitfähigem akzessorischen Bündel und z Ausflusstrakt-VT:
gleichzeitig bestehendem Vorhofflim- 5 RVOT-VT: Linksschenkelblock-
mern sind Kalziumantagonisten vom charakteristika und Rechtslagetyp
Verapamil- und Diltiazemtyp, Digitalis 5 LVOT-VT: Rechtsschenkelblock-
wegen der Gefahr der schnellen AV- charakteristika und Linkslagetyp
Überleitung kontraindiziert

Medikamente der 2. Wahl bei Präexzitation: Frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc)


z Propafenon (Rytmonorm; 1–2 mg/kg KG z Sollte bei jedem Patienten mit Verdacht
i. v.) auf plötzlichen Herztod oder mit voran-
z Amiodaron (Cordarex; 2,5–5 mg/kg KG gegangenen ventrikulären Arrhythmien
i. v.) bestimmt werden
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 93 7.1
z Normwerte: Einteilung
5 Männer: <430 ms z Formen:
5 Frauen: <450 ms 5 nichtanhaltende VT: Dauer von
z Short-QT: QTc von <300 ms <30 s
z Long-QT: QTc von >430–450 ms 5 anhaltende VT: Dauer von ≥30 s
(⊡ Abb. 7.3)
5 »incessant« VT: andauernde bzw.
unaufhörliche (therapierefraktäre)
Abschätzung/Berechnung der VT
QT-Zeit z Monomorphe VT mit uniformen
z Faustformel: QT-Zeit kürzer als halber Kammerkomplexen: meist bei voran-
RR-Abstand → normal gegangenem Myokardinfarkt (Narbe)
z Bazett-Formel (vorzugsweise bei HF bzw. Kardiomyopathie, zudem bei
von 60–100/min, sonst störanfällig): keiner strukturellen Herzerkrankung
QT [ms] (genetisch determiniert)
QT c =
2 R R − Abstand [s] z Polymorphe VT mit multiformen
Kammerkomplexen: meist im Rah-
z Fridericia-Formel (weitgehend HF-unab- men einer akuten Myokardischämie
hängig): (Myokardinfarkt) sowie bei Elektrolyt-
QT [ms] störungen oder Hypoxie (QT-Zeit be-
QT c =
3 R R − Abstand [s] achten: normal → ischämisch-exogen;
Verlängerung → Long-QT-Syndrom)

⊡ Abb. 7.6. Hypokaliämie (Kaliumspiegel: 2,2 mmol/l; Patient unter alleiniger Furosemidthe-
rapie): T-Wellen-Abflachung, präterminale T-Wellen-Negativierung, TU-Verschmelzungswellen,
normale bis leicht verlängerte QT-Zeit
94 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

z »Torsade-de-pointes«-Spitzenumkehr- EKG-Charakteristika
tachykardie: erworbenes oder angebo- z HF: 120–240/min
renes Long-QT-Syndrom z QRS-Komplex-Dauer (⊡ Tab. 7.2):
z Repetitive monomorphe VT vom Gal- 5 Rechtsschenkelblockkonfigura-
lavardin-Typ: salvenartige oder extra- tion: >0,14 s (VT mit linksventri-
systolische Form der kurzen VT, meist kulärem Ursprung)
mit fokalem Ursprung im rechtsven- 5 Linksschenkelblockkonfiguration:
trikulären Ausflusstrakt (RVOT-VT); >0,16 s (VT mit rechtsventrikulä-
sog. idiopathische rechtsventrikuläre rem Ursprung)
Tachykardie mit Linksschenkelblock- z Überdrehter Linkslagetyp: in 70 % der
morphologie und häufig langsamer Fälle
Frequenz (120–140/min) z AV-Dissoziation: Vorhöfe und Ventri-
z »Bundle-branch«-Reentry-VT: meist kel schlagen unabhängig voneinander
bei dilatativer Kardiomyopathie (etwa 50 % der Fälle)
z Kammerflattern: rhythmische, mo- z Fusionsschläge: Ausdruck der gleich-
nomorphe Flatterwellen mit einer zeitigen Erregung von Vorhof und
Frequenz von etwa 300/min, meist Ventrikel, sog. Kombinationssystole
Degeneration in Kammerflimmern z »Capture beats«: Vorkommen verein-
z Kammerflimmern: arrhythmische Un- zelter schmaler QRS-Komplexe
dulationen mit wechselnden Konturen, z Präkordiale Konkordanz: QRS-Kom-
Zeiten und Amplituden (grobes oder plexe in Brustwandableitungen entwe-
feines Flimmern); ursächlich kommen der positiv (Ursprung: Hinterwand)
in 80 % der Fälle eine KHK, bei Infarkt oder negativ gerichtet (Ursprung:
sog. Okklusionsflimmern, eine Kardio- Vorderwand); Diskordanz spricht für
myopathie, Elektrolytstörungen, Vor- eine supraventrikuläre Tachykardie
hofflattern mit schneller Überleitung, z Josephson-Zeichen: Knotung/Ker-
eine Contusio cordis oder ein Long- bung am absteigenden Schenkel der
QT-Syndrom in Betracht S-Zacke
z »Weak action«: bizarre, deformierte z Brugada-Zeichen: zeitlicher Abstand
und unregelmäßige Kammerbreit- zwischen R-Gipfel und S-Tal von
komplexe; mögliche Ursachen: Vo- >70 ms
lumenmangel, Perikardtamponade,
Thoraxtrauma, Azidose, Spannungs- Akuttherapie
pneumothorax, Hypoxie, Lungenem- Hämodynamisch stabile VT
bolie oder Ausdruck des »sterbenden z Primär: Amiodaron (Cordarex) oder
Herzens« Ajmalin (Gilurytmal)
z Ventrikuläre Extrasystolie: z Gegebenenfalls präkordialer Faust-
5 Herzgesunde: keine prognostische schlag oder Kardioversion unter An-
Bedeutung unter Ruhebedingun- algosedierung, zusätzlich Magnesium-
gen, jedoch erhöhtes Risiko bei sulfat (Cormagnesin; 2 g über 20 min
Auftreten unter Belastungsbedin- i. v.)
gungen oder in der Erholungs-
phase (ggf. β-Blocker-Therapie) > Falls initial nicht zwischen einer sup-

5 Herzkranke: Assoziation mit er- raventrikulären und einer ventrikulären


höhter Sterblichkeit Breitkomplextachykardie unterschieden
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 95 7.1
⊡ Tab. 7.2. Differenzialdiagnostische Unterscheidungskriterien der Breitkomplextachy-
kardie. Mod. nach Edhouse u. Morris (2002)

Parameter Supraventrikulärer Ventrikulärer Ursprung


Ursprung

Alter Meist <35 Jahre Meist >35 Jahre

Kardiale Vorgeschichte: Fehlt Meist vorhanden


KHK oder Herzinsuffizienz

Rhythmus Rhythmisch oder Meist rhythmisch


arrhythmisch

(Q)RS-Komplexe (>0,14 s) RS-Konfiguration in allen Fehlen einer RS-Konfiguration


Brustwandableitungen in den Brustwandableitungen

RS-Intervall in einer <100 ms >100 ms


Brustwandableitung

QRS-Konkordanz in V1–6 Fehlt Meist vorhanden

AV-Dissoziation Fehlt Meist vorhanden

Fusionsschläge Fehlen Meist vorhanden

»Capture beats« Fehlen Meist vorhanden

V1(–3)-Kriterium bei Steiler Abgang der S-Zacke Träger Abgang der S-Zacke
Linksschenkelblock (<60 ms nach QRS-Beginn) (>60 ms nach QRS-Beginn)
mit S-Zacken-Knotung

V(4–)6-Kriterium bei Keine Q-Zacke Q-Zacke


Linksschenkelblock

V1(–3)-Kriterium bei Triphasisch: rSR’-Konfigu- Mono- oder biphasisch


Rechtsschenkelblock ration (QR oder RS)

V(4-)6-Kriterium bei R/S >1 R/S <1 oder QS-Komplex


Rechtsschenkelblock

werden kann, stellt Ajmalin (Gilurytmal) z Amiodaron (Cordarex):


das Medikament der ersten Wahl dar. Bei 5 2,5–5 mg/kg KG, meist
sicherem Nachweis einer VT und bekannter 300 mg/70 kg KG, über 10 min i. v., an-
kardialer Anamnese (z. B. Herzinsuffizienz schließend Perfusor (900 mg/Tag i. v.)
mit reduzierter linksventrikulärer Funktion) 5 Kontraindikation: Hyperthyreose
sollte primär Amiodaron appliziert werden. 5 Vorteil: kaum proarrhythmisch (<10 %)
 Dosierung Medikamente bei »persistierender VT«:
Medikamente der ersten Wahl bei hämody- z Mexiletin (Mexitil; 250 mg langsam i. v.,
namisch stabiler VT: dann 250 mg über 1 h über Perfusor)
z Ajmalin (Gilurytmal): 0,5–1 mg/kg KG z Lidocain (Xylocain; 1–1,5 mg/kg KG i. v.,
langsam i. v. dann 1 g über 5 h über Perfusor)
96 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

Hämodynamisch instabile VT oder 5 Verlauf: häufig selbstlimitierend,


Kammerflimmern evtl. Degeneration in Kammer-
z Kardioversion unter Analgosedie- flimmern
rung oder ggf. Defibrillation bei 5 Akuttherapie: Magnesium (Cor-
Kammerflattern/-flimmern: bipha- magnesin) als Bolus, anschließend
sisch 200 J oder monophasisch 360 J, als Perfusor; ggf. Mexiletin; ggf.
ggf. anschließende Amiodaronauf- Defibrillation (200–360 J) oder
sättigung (300 mg i. v., anschließend Schrittmacherstimulation bei sym-
900 mg/Tag i. v. oder p. o.) ptomatischer Bradykardie
z Kaliumkontrolle bzw. -ausgleich 5 Langzeittherapie: Absetzen von
QT-Zeit-verlängernden Substan-
Langzeittherapie zen, β-Blocker, ggf. ICD-Therapie
z Behandlung der Grundkrankheit: z. B.
Revaskularisation bei KHK Â Dosierung
z Pharmakotherapie: Medikamentöse Therapie der »Torsade-
5 β-Blocker (Mittel der Wahl) oder de-pointes«-Tachykardie:
Amiodaron (meist in Kombina- z Magnesiumsulfat (Cormagnesin; 2 g über
tion mit β-Blocker) 1–2 min i. v., Repetition nach 5–15 min)
5 andere Substanzen: ACE-Hemmer z Eventuell Mexiletin (Mexitil) 250 mg i.v.
(nach Myokardinfarkt), Aldoste- z Eventuell Adrenalin (Suprarenin) zur QT-
ronantagonisten (Herzinsuffizienz Zeit-Verkürzung und zur HF-Steigerung
der NYHA-Stadien III–IV) z Eventuell Kaliumausgleich
z Elektrotherapie: AICD-Implantation
zur Primärprophylaxe und speziell z Brugada-Syndrom:
zur Sekundärprävention ( Kap. 7.3) 5 Klinik: Schwindelattacken und/
z Ablationstherapie: bei idiopathischer oder rezidivierende Synkopen
VT, monomorpher VT vom Galla- (meist in Ruhe, frühe Morgen-
vardin-Typ mit fokalem Ursprung im stunden, junges Erwachsenenalter)
rechtsventrikulären Ausflusstrakt und als Ausdruck von VT
»Bundle-branch«-Reentry-Tachykar- 5 Diagnostik: z EKG: dachför-
dien mige ST-Strecken-Hebungen in
rechtspräkordialen Ableitungen
Spezielle Therapie V1–3 mit rechtsschenkelblockähn-
z »Torsade-de-pointes«-Tachykardie: lichem Bild z Familienanam-
5 Sonderform der polymorphen VT nese, Fehlen einer strukturellen
5 Klinik: Schwindelattacken oder Herzkrankheit z Ajmalintest:
rezidivierende Synkopen pharmakologische Demaskierung
5 Diagnostik: z Elektrolytspie- durch i. v. Gabe von Ajmalin
gelbestimmung (häufig Hypo- (Natriumkanalblocker) unter
kalzämie, Hypokaliämie oder EKG-Monitoring und Reanimati-
Hypomagnesämie) z EKG: onsbereitschaft (Gesamtdosierung:
Spitzenumkehrtachykardie mit 1 mg/kg KG, jeweils 10 mg alle
undulierenden Rotationen der 2 min i. v.)
QRS-Achse um die isoelektrische 5 Differenzialdiagnostik: Ausschluss
Linie (⊡ Abb. 7.5) einer KHK und einer Myokarditis
7.1 · Tachykarde Rhythmusstörungen 97 7.1
5 Therapie: AICD-Implantation bei Risikofaktoren (Erwachsene)
symptomatischen Patienten (z. B. z Allgemein: eingeschränkte linksven-
bei vorangegangener Reanimation trikuläre Pumpfunktion (≤40 %),
oder rezidivierenden Synkopen), zunehmendes Lebensalter, männliches
insbesondere bei solchen mit Geschlecht, Nikotin-/Alkohol-/Drogen-
spontaner ST-Strecken-Elevation; konsum, Hyperlipidämie, Diabetes mel-
bei Patienten mit lediglich nach litus, arterielle Hypertonie (Hypertro-
provokativer Medikamenten- phie), Bewegungsmangel, Depression,
gabe (Ajmalintest) induzierter Medikamente, Elektrolytentgleisungen
ST-Strecken-Elevation kann eine z Nach Myokardinfarkt, bei Herzinsuf-
ICD-Therapie erwogen werden fizienz: erhöhte Ruhefrequenz, früh
5 β-Blocker sind kontraindiziert (va- einfallende VES (>10/h), VT, Spät-
gale oder Ruhebedingungen gelten potenziale im hochverstärkten EKG
als Trigger) (jedoch heutzutage keine praktische
Bedeutung), QT-Dispersion (Diffe-
Plötzlicher Herztod renz zwischen maximaler und mini-
maler QT-Intervall-Dauer als Hinweis
Allgemeines auf eine Repolarisationsstörung), re-
z Definition: plötzlicher und unerwar- duzierte HF-Variabilität, verminderte
teter Tod aus kardialer Ursache mit Baroreflexsensitivität
einem Zeitintervall von max. 1 h zwi-
Initialer Grundrhythmus
schen Beginn der Symptomatik und
Tod z Primäres Kammerflimmern: 10 %
z Inzidenz (Deutschland): etwa z Sekundäres Kammerflimmern
(Degeneration einer VT in Kammer-
120.000/Jahr
flimmern): 60 %
Ätiologie (Erwachsene) z Bradykardien einschließlich Asystolie:
20 %
z KHK: etwa 80 % z »Torsade de pointes«: 10 %
z Nichtischämische Kardiomyopathien:
ungefähr 10 % (davon in 30 % der Therapie/Prophylaxe
Fälle DCM, HCM → häufigste Ursa-
z Behandlung der Grunderkrankung
che bei Patienten unter 30 Jahren) z ICD-Implantation
z Seltene Ursachen (<5 %): z Reduktion von Fällen mit plötzlichem
5 in 25 % der Fälle arrhythmogene Herztod: β-Blocker (MERIT-HF,
rechtsventrikuläre Kardiomyopa- CIBIS-II, CAPRICORN), Aldosteron-
thie bei jungen Sportlern antagonisten (RALES-Studie) bei
5 des Weiteren: z Ionenkanaler- systolischer Herzinsuffizienz
krankungen: Long-QT-Syndrom,
Brugada-Syndrom z idiopathisch Prognose
bzw. nicht erkennbare Ursachen z Nur etwa 30 % der prähospitalen
(8 %) z fulminante LE z ent- Reanimationen sind erfolgreich
zündliche Herzerkrankungen z Die Krankenhausletalität beträgt
z Koronarspasmen z Valvulopa- zusätzlich etwa 10–15 %
thien (<5 %; besonders Aortenklap- z Der Reanimationserfolg hängt neben
penstenosen, auch postoperativ) dem zeitlichen Ablauf der Rettungs-
98 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

kette vom initialen Grundrhythmus/ Knoten-Überleitung (z. B. Sinuskno-


von der Ursache ab: tendysfunktion bzw. »sick sinus syn-
5 Asystolie: <10 % drom«), Myokardinfarkt (⊡ Tab. 7.3),
5 elektromechanische Entkopplung: Kardiomyopathien, Myokarditis,
20 % vorangegangene Herztransplantation
5 Kammerflimmern: 25 % (chronotrope Inkompetenz)
5 VT: 75 % z Syndrom des hypersensitiven Karotis-
5 nichtkardial bedingt (z. B. Hypo- sinus
volämie): 40 % z Extrakardial: Elektrolytstörungen (ins-
besondere Hyperkaliämie; ⊡ Abb. 7.7),
Medikamentenüberdosierung/-intoxi-
7.2 Bradykarde kation (z. B. Digitalis, β-Blocker), en-
Rhythmusstörungen dokrin (z. B. Hypothyreose), zentrale
Ursachen (erhöhter Hirndruck mit
Ätiologie Kompression der Medulla oblongata)
z Physiologisch: Sportlerherz (vegetativ)
z Kardial: partielles oder totales Ver- > Nach/während eines Myokardinfarkts
sagen der Sinusautomatie oder der AV- auftretende AV-Blockierungen können

⊡ Tab. 7.3. Myokardinfarkt und Bradykardien

Myokardinfarkt der Hinterwand Myokardinfarkt der Vorderwand

Supra-/intranodale Bradykardien: häufig Infranodale Bradykardien


Sinusknoten- oder AV-Blockierungen

Bradykardien meist atropinsensibel Bradykardien oft atropinresistent; Therapiever-


such mit Adrenalin (Tachyarrhythmiegefahr)

Eventuell Schrittmacherimplantation Meist Indikation zur Schrittmacherimplantation


(»Stand-by«-Modus)

Prognose: gut Prognose: ungünstig, da His-Bündel und Purkinje-


System von der proximalen LAD versorgt werden
und bereits eine transseptale Ischämie vorliegt

⊡ Abb. 7.7. Hyperkaliämie (Kaliumspiegel: 8,7 mmol/l) bei einem Dialyse-Patienten (EKG: 25 mm/s).
Auffällig sind spitzhohe, schmalbasige T-Wellen und eine Sinusbradykardie (etwa 40/min)
7.2 · Bradykarde Rhythmusstörungen 99 7.2
sich innerhalb von 3–14 Tagen wieder 5 ventrikuläre Arrhythmien
zurückbilden. 5 Herzinsuffizienzzeichen (»low cardiac
> Das »sick sinus syndrom« stellt die output«)
häufigste Indikation zur Schrittmacher- z QRS-Komplex:
implantation dar. 5 <0,12 s: Schmalkomplexbrady-
kardien
Diagnostik 5 ≥0,12 s: Breitkomplexbradykardien
z Anamnese: insbesondere Medika- z Rhythmus:
mentenanamnese (z. B. Digitalis- 5 regelmäßige Bradykardie
überdosierung bei untergewichtigen 5 unregelmäßige Bradykardie oder
und niereninsuffizienten Patienten) Bradyarrhythmie
z EKG: Ruhe-EKG, Belastungs-EKG
(z. B. chronotrope Inkompetenz, wenn
eine HF von 90/min nicht überschrit- Schmalkomplexbradykardien
ten wird), ggf. Langzeit-EKG z Rhythmische Schmalkomplex-
z Karotissinusmassage (zuvor Aus- bradykardien:
kultation der Karotiden zum Aus- 5 Sinusbradykardie
schluss einer Karotisstenosierung) 5 AV-Knoten Rhythmus
bei Verdacht auf Syndrom des 5 sinuatrialer oder AV-Block
hypersensitiven Karotissinus; pa- 2.–3. Grades mit regelmäßiger
thologisch: Asystolie über ≥3 s oder Überleitung bzw. junktionalem
systolischer Blutdruckabfall um Ersatzrhythmus (⊡ Abb. 7.8)
≥50 mmHg z Arrhythmische Schmalkomplex-
z Atropintest bei Verdacht auf Si- bradykardien:
nusknotendysfunktion: i. v. Atropi- 5 Bradyarrhythmia absoluta bei
napplikation (0,04 mg/kg KG; 75 kg Vorhofflimmern
schwerer Patient: 3 mg) → normal: 5 Sinusbradykardie mit supraventri-
Herzfrequenzanstieg um ≥15 % der kulären Extrasystolen
Augangsfrequenz bzw. um ≥90/min
z Labordiagnostik: Elektrolytwerte, Breitkomplexbradykardien
Schilddrüsenparameter, ggf. Digita- z Rhythmische Breitkomplex-
lisspiegel bradykardien:
z Gegebenenfalls elektrophysiologi- 5 Sinusbradykardie bei Schenkel-
sche Untersuchung bei Verdacht auf block
Sinusknotendysfunktion 5 Sinusknoten-/AV-Block 2.–3. Gra-
des mit Schenkelblock bzw. ventri-
kulärem Ersatzrhythmus
Differenzialdiagnostik
5 idioventrikulärer Rhythmus (elek-
tromechanische Dissoziation)
Unterscheidung bradykarder z Arrhythmische Breitkomplex-
Rhythmusstörungen bradykardien:
z Hämodynamisch stabil oder instabil; 5 Bradykardie bei Schenkelblock
Instabilitätszeichen: und Vorhofflimmern
5 systolischer Blutdruck: <90 mmHg 5 polymorpher ventrikulärer Ersatz-
5 HF: <40/min rhythmus bei Vorhofflimmern
100 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

⊡ Abb. 7.8. AV-Blockierung 3. Grades mit ventrikulärem Ersatzrhythmus (Vorhoffrequenz: etwa


120/min; Frequenz aus dem Ersatzzentrum: ungefähr 30/min)

Bradykardieformen und EKG- z Sinuatrialer Block:


Charakteristika 5 SA-Block 1. Grades: z konven-
z Sinusbradykardie: tionelles EKG: nicht erkennbar
5 HF: <60/min z elektrophysiologische Unter-
5 bei sportlich trainierten Menschen suchung: verzögerte sinuatriale
sind asymptomatische Ruhefre- Leitungszeit
quenzen von <60/min am Tag und 5 SA-Block 2. Grades Typ Wencke-
von etwa 35–40/min in der Nacht bach: bei gleichbleibender PQ-Zeit
durchaus normal werden die PP-Intervalle kontinu-
z Sinusknotendysfunktion (»sick sinus ierlich kürzer bis zum Ausfall der
syndrome« oder Bradykardie-Tachy- Vorhofüberleitung mit Herzpau-
kardie-Syndrom): sen, d. h. Fehlen von P-Wellen mit
5 Belastungs-EKG: unzureichender nachfolgendem QRS-Komplex
HF-Anstieg unter Belastung (<90/ 5 SA-Block 2. Grades Typ Mobitz:
min) plötzlicher Ausfall von Vorhof-
5 Atropintest: unzureichender HF- und Kammerkomplexen bei
Anstieg konstanten PP-Intervallen, d. h.
5 elektrophysiologische Untersu- es treten Herzpausen auf, deren
chung: verlängerte Sinusknotener- Dauer dem Vielfachen des norma-
holungszeit (korrigiert: >550 ms) len PP-Intervalls entspricht
5 erhöhte Anfälligkeit für Vorhof- 5 SA-Block 3. Grades: Sinuskno-
flimmern und Vorhofflattern tenstillstand, Sinusarrest bzw.
7.2 · Bradykarde Rhythmusstörungen 101 7.2
totale Leitungsunterbrechung Intervall z das AV-Areal benötigt
mit asystolischen Phasen, Fehlen >1 Impuls, um die Erregung auf
von P-Wellen und Auftreten von das His-Bündel überzuleiten, d. h.
Ersatzrhythmen → junktionaler einem QRS-Komplex gehen kon-
(AV-Knoten) oder ventrikulärer stant mehrere P-Wellen voraus; es
Ersatzrhythmus, evtl. Morgagni- besteht die Gefahr des Übergangs
Adams-Stokes-Anfälle bei zu lan- in einen totalen AV-Block
gen Pausen bis zum Einsetzen des 5 AV-Block 3. Grades: z totale
Ersatzrhythmus Leitungsunterbrechung mit AV-
z AV-Block: Dissoziation, »durchlaufende«
5 AV-Block 1. Grades: z Verlang- P-Wellen, dabei Auftreten eines
samung der Erregungsleitung im AV-junktionalen oder ventrikulä-
AV-Knoten z Oberflächen-EKG: ren Ersatzrhythmus (Automatie),
PQ-Zeit von >0,2 s z funktionel- evtl. Morgagni-Adams-Stokes-
ler Typ: bei erhöhtem Parasym- Anfall z absolute Indikation zur
pathikotonus; verschwindet nach DDD-Schrittmacher-Implantation,
z. B. Atropin- oder Orciprenalin- wenn keine kausal behebbare Ur-
gabe z organischer Typ: z. B. sache nachweisbar ist
Intoxikation, Ischämie z Intraventrikuläre Leitungs-
5 AV-Block 2. Grades Typ Mo- verzögerungen (Schenkelblöcke):
bitz I mit Wenckebach-Periodik: 5 monofaszikuläre Blockierun-
z Lokalisation der Blockade: gen: z linksanteriorer Hemi-
AV-Knoten (häufig) oder in/ block (überdrehter Linkslagetyp)
unter dem His-Bündel (selten) z linksposteriorer Hemiblock
z Oberflächen-EKG: kontinuierli- (Steil- bis überdrehter Rechtslage-
che Zunahme der PQ-Zeit bis zum typ) z Rechtsschenkelblock
Ausfall eines Kammerkomplexes 5 bifaszikuläre Blockierungen:
(Ausdruck der zunehmenden z Kombination aus linksante-
Ermüdung der AV-Überleitung, riorem und linksposteriorem
periodische Zunahme der Re- Hemiblock (kompletter Links-
fraktärzeit) z intrakardiales schenkelblock) z Kombination
EKG: AH-Verlängerung (Norm: aus linksanteriorem Hemiblock
60–120 ms) bei gleichbleibendem und Rechtsschenkelblock (Rechts-
HV-Intervall (Norm: 30–60 ms) schenkelblock mit überdrehtem
5 AV-Block 2. Grades Typ Mobitz II: Linkslagetyp: Bayley-Block)
z Lokalisation der Blockade: in/ z Kombination aus linksposterio-
unter dem His-Bündel z Ober- rem Hemiblock und Rechtsschen-
flächen-EKG: konstante PQ-Zei- kelblock
ten bei intermittierendem totalen 5 trifaszikuläre Blockierung (Ge-
Leitungsblock bzw. ausbleibende fahr): Hinweis, wenn sich bifas-
Überleitung in einem bestimmten zikuläre Blöcke intermittierend
Verhältnis, d. h. nur jede 2., 3. abwechseln
bzw. x. P-Welle wird übergeleitet 5 kompletter Schenkelblock: QRS-
z intrakardiales EKG: subjunktio- Dauer von ≥0,12 s und oberer
naler Block mit verlängertem HV- Umschlagpunkt (Zeit vom Beginn
102 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

des QRS-Komplexes bis zum Langzeittherapie


Beginn der endgültigen Negativi- z Kausaltherapie: d. h. Ursachen-
tätsbewegung) von >0,03 s in V1/2 abklärung, z. B.:
beim Rechts- bzw. von >0,055 s in 5 Digitalis- oder Amiodaronspie-
V5/6 beim Linksschenkelblock gelbestimmung, insbesondere bei
5 inkompletter Schenkelblock: QRS- älteren, niereninsuffizienten, kach-
Dauer von <0,12 s und Verspätung ektischen Patienten
des oberen Umschlagpunkts wie 5 Hyperkaliämie bei Dialyse-
beim kompletten Schenkelblock patienten
5 KHK (Sinusknotenarterie ent-
Therapie springt in etwa 70 % der Fälle aus
Akuttherapie der RCA und zu ungefähr 30 %
aus der RCX)
 Dosierung 5 Myokarditis
z Atropin (Atropinsulfat): 0,5 bis max. 3 mg z Absetzen bradykardisierender
i. v. (meist ineffektiv bei infranodalem Substanzen
Block wie z. B. Vorderwandinfarkt und AV- z Gegebenenfalls Schrittmacher-
Block 2. Grades Typ Mobitz II: Gefahr einer implantation
möglichen Verstärkung der Bradykardie,
da eine Steigerung der Sinusfrequenz eine
Zunahme der AV-Blockierung zur Folge 7.3 Schrittmacher und
hat → Verschlechterung des Überleitungs- »implantable cardioverter-
verhältnisses von z. B. 2 : 1 auf 3 : 1) defibrillator« (ICD)
z Eventuell Orciprenalin (Alupent): Bolus
von 0,25–0,5 mg i. v., ggf. 5 mg auf 50 ml Schrittmachertypen
NaCl 0,9 % über i. v. Perfusor; keine Emp- z Endokardialer oder transvenöser Typ:
fehlung bei Reanimation → periphere meist V. subclavia oder V. cephalica
Vasodilatation (β1/2-mimetisch); Antidot (bei geplanter Implantation sollten
bei β-Blocker-Überdosierung zentrale Zugänge des oberen Hohl-
z Gegebenenfalls Ipratropiumbromid venensystems zuvor entfernt werden)
(Itrop): 0,5 mg auf 5 ml NaCl 0,9 % lang- z Epikardialer Typ: meist nach kardio-
sam i. v. chirurgischen Eingriffen
z Eventuell Adrenalin (Suprarenin): Bolus z Myokardialer Typ: von außen, wenn
von 0,01–0,1 mg i. v., ggf. 2–10 μg/min ein transvenöser Zugang nicht mög-
über i. v. Perfusor bzw. im Notfall auch lich ist, sowie bei Säuglingen und
endotracheal; Indikation: insbesondere Kleinkindern
höhergradige AV-Blockierungen z Antitachykarde Schrittmacher:
5 sog. ATP-antitachykardes »pacing«
z Schrittmacherstimulation: externer, 5 schmerzlose Überstimulation bei
transkutaner Schrittmacher in ante- VT (ramp-down pacing)
ro-posteriorer Ableitung unter Anal- z Antibradykarde Schrittmacher:
gosedierung (Stimulationsfrequenz: 5 1-Kammer-Schrittmacher: eine
etwa 80/min; Energie: 120–200 mA), Sonde befindet sich im rech-
ggf. temporärer, transvenöser Schritt- ten Vorhof (AAI) oder in der
macher rechten Kammer (VVI); meist
7.3 · Schrittmacher und ICD 103 7.3
als Demand-Schrittmacher, der entsprechend und stimuliert je nach
erst in Funktion tritt, wenn eine Bedarf Vorhof und/oder Kammer;
vorprogrammierte Schrittmacher- evtl. Umprogrammierung des DDD-
frequenz abweicht, also bei Bedarf in z. B. VVI- oder VAT-Modus
(Inhibitionsschrittmacher) z AAI-Modus:
5 2-Kammer-Schrittmacher (häufig: 5 dabei wird der rechte Vorhof bei
70–80 % aller Schrittmache- Unterschreiten einer program-
rimplantationen): hier sind die mierten Grenzfrequenz stimuliert
Sonden sowohl im rechten Vorhof 5 Eigenaktionen im Vorhof inhibie-
als auch in der rechten Kammer ren die Impulsabgabe
lokalisiert und imitieren den phy- 5 durch einen AAI-Schrittmacher
siologischen Erregungsablauf wird eine vorhofsynchrone Kam-
z Biventrikuläre Schrittmachersysteme mererregung erhalten
(kardiale Resynchronisationstherapie; 5 Indikation: isolierte Sinus-
 Kap. 8) knotendysfunktion bei normaler
AV-Überleitung
Schrittmacherelektroden z VVI-Modus: nur bei chronischem
z Transvenöse Kammerelektrode Vorhofflimmern und niedriger HF;
(Schraubelektrode): bei fehlendem Vorhofflimmern
5 Spannung der Myokardstimula- werden nur die Ventrikel gereizt, die
tion: <1 V Vorhofkontraktion bleibt unbeachtet
5 Impulslänge: 0,2–1,5 ms
z Unipolare Stimulation: Indikationen zur Schrittmacher-
5 Stimulation mit Minuspol an der und ICD-Implantation
Elektrodenspitze; als Pluspol dient z Schrittmacher (Klasse-I-Indikationen):
das Metallgehäuse des Schritt- 5 symptomatische Bradykar-
macherimplantats dien (<40/min) oder Asystolie
5 Oberflächen-EKG: große Schritt- (>3-sekündige Pausen), auch als
macher-Spikes Folge einer essenziellen medika-
z Bipolare Stimulation: mentösen Langzeittherapie mit
5 Minuspol (Elektrodenspitze) und eindeutigem Zusammenhang mit
Pluspol durch einen Elektroden- der klinischen Symptomatik
ring, wenig proximal der Elektro- 5 symptomatische chronotrope
denspitze; dabei ist das Schrittma- Inkompetenz (d. h. inadäquater
cheraggregat isoliert bis fehlender HF-Anstieg unter
5 Oberflächen-EKG: kaum sichtbare Belastung oder unter Pharmaka –
Schrittmacher-Spikes Atropintest)
5 rezidivierende Synkopen bei Ka-
Wahl des Schrittmachers rotissinusstimulation mit Asystolie
z VAT-Modus (vorhofgetriggerte über >3 s
Ventrikelstimulation): bei erhaltener 5 AV-Block 2. Grades Typ Mobitz I/
Sinusknotenfunktion, aber gestörter Wenckebach und eindeutige Sym-
AV-Überleitung ptomatik
z DDD-Modus: erfasst Vorhof- und 5 AV-Block 2. Grades Typ Mobitz II
Kammerimpulse, verarbeitet diese mit breiten QRS Komplexen ohne
104 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

Symptomatik oder mit schmalen Stadien II–III); >40 d nach Myo-


QRS-Komplexen und Symptoma- kardinfarkt möglich (Klasse IA)
tik (ohne Symptomatik: relative z »nichtischämische« DCM (EF:
Indikation) ≤35 %; NYHA-Stadien II–III;
5 AV-Block 3. Grades (permament Dauer: >9 Monate); nach der SCD-
oder intermittierend): wenn HeFT-Studie scheint eine ICD-
eine Symptomatik besteht oder Primärprophylaxe im Gegensatz zu
gehäuft ventrikuläre Ektopien, früheren Studien (CAT-, AMIO-
Asystolien (>3-sekündige Pau- VIRT-, DEFINITE-Studie) auch
sen), breite QRS Komplexe oder bei nichtischämischen Kardiomy-
eine myotone Dystrophie be- opathien sinnvoll z genetische
stehen (ohne Symptomatik plus Erkrankungen mit hohem famili-
schmale QRS-Komplexe: relative ären Risiko für einen plötzlichen
Indikation) Herztod (Long- und Short-QT-
5 symptomatische Bradyarrhythmia Syndrom, arrhythmogene rechts-
absoluta (<40/min) oder Vorhof- ventrikuläre Kardiomyopathie,
flimmern mit langen Pausen (tags- Brugada-Syndrom, hypertrophe
über: >3 s; nachts: >4 s) bzw. »sick Kardiomyopathie) und meist einer
sinus syndrome« mit Indikation oder mehrere Hochrisikofaktoren
für β-Blocker (dokumentierte anhaltende VT,
5 Sinusknotenblockierungen vorangegangene(s) Reanimation/
mit Sinusarrest (>3-sekündige Kammerflimmern, familiärer
Pausen) Herztod, exzessive linksventriku-
5 bifaszikulärer Block mit intermit- läre Hypertrophie von ≥30 mm,
tierendem totalen AV-Block oder unklare Synkopen)
mit AV-Block 2. Grades Typ Mo- 5 Prinzip: Terminierung tachykar-
bitz II der Arrhythmien nach verschie-
5 alternierender Schenkelblock (als denen Therapiezonen bis hin zur
Hinweis auf einen trifaszikulären Auslösung eines Energieimpul-
Block) ses (>10 J)
5 Biventrikulärer Schrittmacher: 5 Fahruntüchtigkeit: mindestens
kardiale Resynchronisationsthera- 6 Monate bei Sekundärprophylaxe
pie ( Kap. 8)
z AICD, ICD: Schrittmacherstimulationsmodi
5 Sekundärprävention: z überleb- (»commission of heart diseases
ter plötzlicher Herztod z doku- resources code«, NBG-Code)
mentierte, anhaltende, hämody- z 1. Buchstabe: Stimulationsort,
namisch relevante VT z Studien- »pacing« (A: Atrium; V: Ventrikel;
lage: AVID-, CASH-, CIDS-Studie D: dual)
5 Primärprävention: z 2. Buchstabe: Detektionsort (Wahr-
z »ischämische Kardiomyopathie« nehmung), »sensing« (A: Atrium;
(nach Myokardinfarkt; MADIT-, V: Ventrikel; D: dual)
MADIT-II-, SCD-HeFT-Studie) z 3. Buchstabe: Betriebsmodus (0: un-
und hochgradig eingeschränkte gesteuert; I: inhibiert, d. h. bei Wahr-
Pumpfunktion (EF: ≤35 %; NYHA- nehmung einer Eigenaktion wird der
7.3 · Schrittmacher und ICD 105 7.3
Schrittmacherimpuls unterdrückt; T: 5 Anpassung an die Reizschwelle
getriggert, d. h. Impulsabgabe fällt bei (mV) der Elektroden
Spontanerregung des Herzens in die 5 nach Implantation werden stets
Refraktärphase der R-Zacke bzw. eine eine hohe Impulsamplitude (mV)
»gesenste« Herzeigenaktion löst einen und eine Impulsdauer von 0,4 ms
Schrittmacherimpuls aus; D: dual, eingestellt, welche postoperativ
d. h. getriggert und inhibiert – häu- mittels Reizschwellentest indivi-
figste Betriebsart) duell eingestellt werden sollten
z 4. Buchstabe: Programmierbarkeit / (Batterie)
Frequenzadaptation (M: multipro- z Sensitivität:
grammierbar; R: »rate response« oder 5 Wahrnehmungsschwelle für intra-
Frequenzanpassung – an die Aktivität kardiale Signale
des Patienten); »mode switch« als 5 Empfindlichkeit entspricht der
Sicherheitsmodus: bei plötzlichem R-/P-Amplitude (mV), die als
Vorhofflimmern/-flattern schaltet das intrakardiales Signal erkannt wird
DDD-Schrittmachersystem in den 5 Ziel ist es, ein »under«- oder
VVI-Modus um – sonst Gefahr der »oversensing« zu vermeiden
1:1-Überleitung und bei retrograd z Grundfrequenz (z. B. 65/min): pro-
leitendem AV-Knoten Gefahr der grammierbare Mindeststimulations-
schrittmacherinduzierten Reentry- frequenz
Tachykardie z Hysteresefrequenz (z. B. 50/min):
z 5. Buchstabe: Antitachykardiefunk- 5 bei Demand-Schrittmacher: mini-
tion/multifokale Stimulation (0: keine; male HF, die vom Eigenrhythmus
P: antiarrhythmische Stimulation; unterschritten werden muss, bevor
S: Elektroschock – ICD; D: dual: eine Schrittmacherstimulation mit
P plus S) der Grundfrequenz erfolgt
5 Beispiel: 50-zu-70-Hysterese →
Begriffe der Programmierung ein auf 70/min programmierter
z Stimulation: Schrittmacher springt ein, wenn
5 asynchron: starrfrequent (unab- die Eigenfrequenz auf <50/min
hängig von der Eigenaktion, z. B. sinkt, während ein Anstieg der
bei Magnetauflage) Eigenfrequenz auf >70/min zur
5 »overdrive«: Überstimulation bzw. Inhibierung der Schrittmacher-
Stimulation mit hoher Frequenz impulsabgabe führt
zur Terminierung tachykarder z Auslöseintervall: Zeitintervall (ms)
Arrhythmien von der letzten Eigenaktion des
5 Stimulationsart: Modus Herzens bis zur Abgabe eines neuen
(NBG-Code) Schrittmacherimpulses
z Impulsamplitude/-dauer: z AV-Intervall (Norm: 150–250 ms):
5 Impulsamplitude: Höhe bzw. Aus- 5 Optimierung des AV-Intervalls
schlag des Schrittmacherimpulses mittels Echokardiographie, ins-
5 Impulsdauer: Breite des Schritt- besondere bei biventrikulärer
macherimpulses Stimulation (Abnahme der Mit-
5 beide zusammen bestimmen die ralregurgitation, Verlängerung der
Reizschwelle diastolischen Füllungszeit, Ver-
106 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

besserung der linksventrikulären rend eine maximale Frequenz von


Druckanstiegsgeschwindigkeit), 65/min vor
oder nach der Formel nach Koglek z Gerätedefekt mit Ausfall der Schritt-
(selten) machertätigkeit: bei Patienten mit
5 zu kurzes AV-Intervall → Schritt- höhergradigem AV-Block kann, muss
machersyndrom aber nicht ein langsamer ventrikulärer
5 zu langes AV-Intervall → vorzeiti- Ersatzrhythmus vorliegen
ger Mitralklappenschluss mit der z Twiddler-Syndrom: durch Drehung
Gefahr einer diastolischen Mitral- oder Rotation des Schrittmachers in
regurgitation (HZV-Verminde- seiner Tasche kommt es zum Zug an
rung) und Begünstigung von »End- der Schrittmacherelektrode, die evtl.
less-loop«-Tachykardien bei vor- aus ihrer endokardialen Lage heraus-
handener retrograder VA-Leitung gelöst wird
5 automatische AV-Intervallanpas-
sung zur Vermeidung einer rechts- Schrittmacherinduzierte
ventrikulären Stimulation Rhythmusstörungen
z Refraktärzeit: Intervall, in dem nach Schrittmacherinduzierte Reentry-
einer wahrgenommenen Herzaktion Tachykardie (»pacemaker-mediated
oder einer Impulsabgabe des Schritt- tachycardia«, PMT)
machers weder ein Signal wahrge- z Mechanismus: bei Patienten mit
nommen wird noch eine Stimulation 2-Kammer-Schrittmacher und dualer
erfolgen kann Leitungseigenschaft des AV-Knotens
z Uni-/bipolare Elektrodenfunktion: oder akzessorischer Leitungsbahn
5 unipolar (selten): großer »spike« kann die »gepacte« Ventrikelantwort
(3,5–5 mV) sofort vom Vorhof wahrgenommen
5 bipolar (meistens): kleiner »spike«, werden (»sensing«), der daraufhin
weniger störempfindlich (2–4 mV) wieder den Ventrikel stimuliert →
z »Mode switch«: automatische Um- Schrittmacher-Reentry- bzw. »End-
schaltung des Modus, meist von DDD less-loop«-Tachykardie
auf VVI z Ursache: moderne Schrittmachersys-
teme besitzen sog. PMT-Erkennungs-
Komplikationen algorithmen (mit Verlängerung der
Elektrodenbedingte Komplikationen postventrikulär-atrialen Refraktärpe-
z Elektrodendislokation riode), dennoch kann bei älteren Mo-
z Reizschwellenerhöhung dellen eine ventrikuläre Extrasystole
z Elektrodenbruch zur PMT-Induktion führen
z Adapterdiskonnektion z EKG: Schrittmacher-EKG an oberer
z Myokardpenetration Grenzfrequenz, Zykluslänge der
z Thrombose »Endless-loop«-Tachykardie: aktuelles
z Lungenembolie AV-Intervall (150–250 ms) plus retro-
z Skelettmuskelstimulation grade Leitungszeit (Mittelwert: etwa
250 ms)
Systembedingte Komplikationen z Therapie: Verkürzung des AV-Inter-
z Batterieerschöpfung: hier liegt in valls (100–150 ms), Verlängerung der
den meisten Fällen nur intermittie- Refraktärzeit oder Magnetauflage im
7.3 · Schrittmacher und ICD 107 7.3
Notfall, wodurch der Schrittmacher Ödembildung, metabolische Ent-
auf eine starrfrequente Stimulation gleisung, Elektrolytstörung, Antiar-
(V00- bzw. D00-Modus, Entrance- rhythmika) → Reizschwellenanstiege
Block) umgeschaltet wird, d. h. »pa- und Impedanzveränderungen (Im-
cing« ohne »sensing«; ggf. Karotissi- pedanzanstieg bei Elektrodenbruch,
nusdruckmassage oder i. v. Gabe von Impedanzabfall bei Isolationsdefekt
Adenosin (Adrekar) der Elektrode) über Wochen
z Prophylaxe: adäquate Programmie- z Gefahr: Bradykardien bis Asystolie
rung von »output« und »sensing«, Re- z EKG: komplettes Fehlen von Stimu-
fraktärzeit entsprechend der retrogra- lationsartefakten (Exit-Block) oder
den VA-Zeit einstellen, VES-Reaktion nackte »spikes« ohne nachfolgenden
und PMT-Intervention aktivieren QRS-Komplex (»failure to capture«)
z Therapie (falls notwendig): i. v. Gabe
Schrittmachersyndrom von Atropin (Atropinsulfat), externe
z Mechanismus: hier schlagen Vorhof Stimulation im V00-Mode bei ausrei-
und Ventrikel synchron zueinan- chender Analgosedierung
der, der Patient wird synkopal; das
Schrittmachersyndrom ist durch eine »Undersensing« (Sensing-Defekt,
VVI-Stimulation (meist ältere Geräte, Entrance-Block bzw. Eingangs-
1-Kammer-Systeme im VVI-Modus) blockierung)
mit retrograder VA-Leitung und kon- z Mechanismus: Vorhof- und Kam-
sekutivem Blutdruckabfall gekenn- mereigenaktionen werden vom
zeichnet. Schrittmacher nicht mehr wahrge-
z Ursache: inadäquate AV-Synchroni- nommen
sation → sehr kurze AV-Delays → z Ursachen: z. B. Sonden-/Mikrodislo-
Kontraktion des linken Atriums gegen kation, Sondenbruch, neu aufgetre-
die bereits geschlossene Mitralklappe tener Schenkelblock, Hypokaliämie,
z EKG: ventrikulärer Schrittmacher- Antiarrhythmika
rhythmus mit retrograden P-Wellen z EKG: starrfrequente »spikes« (pro-
z Therapie: Programmierung eines grammierte Stimulationsfrequenz des
optimalen AV-Intervalls, ggf. Magne- Schrittmachers), die nicht inhibiert
tauflage oder i. v. Gabe von Atropin werden, z. B. Stimulation sehr kurz
(Atropinsulfat) nach dem QRS-Komplex
z Gefahren: bei ventrikulärem »under-
Exit-Block und »failure to capture« sensing« Stimulation in die vulnerable
(Schrittmacherdefekt, Ausgangs- Phase mit Induktion ventrikulärer Ta-
blockierung) chykardien, bei atrialem »undersen-
z Mechanismus: ein vom Schrittmacher sing« Auslösung von Vorhofflimmern
abgegebener Stimulationsimpuls be- z Kennzeichen beim Abfragen des Ge-
wirkt keine myokardiale Reizantwort räts: Elektrodenimpedanz von <200 Ω
(ineffektive Schrittmacherstimulation) (Isolationsdefekt) oder von >2000 Ω
z Ursache: z. B. Sondendislokation, (Elektrodenbruch)
Sondenbruch, Isolationsdefekt, Kon- z Therapie: Erhöhung der Empfind-
nektorprobleme, Reizschwellenanstieg lichkeit (nach Reizschwellentestung)
(Myokardinfarkt mit perifokaler oder im Notfall HF-Anhebung durch
108 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

Magnetauflage, sodass keine Herzei- 5 Batteriedefekt


genaktionen mehr stattfinden können 5 Kabelbruch
5 »oversensing« (z. B. Muskelpo-
»Oversensing« tenziale oder externe elektrische
z Mechanismen: zu niedrige Wahrneh- Geräte führen zur Inhibierung)
mungsschwelle, elektrische Störquel- 5 unipolare Elektrode mit bipolarer
len (z. B. Registrierung ventrikulärer Programmierung
Stimuli durch die Vorhofsonde: z Fehlende Schrittmacherstimulation
»fairfield sensing«), Muskelpotenziale mit Stimulusartefakt, jedoch kein
(insbesondere bei unipolaren Schritt- nachfolgender QRS-Komplex:
machersystemen), externe elektrische 5 Batterieerschöpfung (Schrittma-
Geräte wie TENS-Geräte (transkutane cher stimuliert mit einer Frequenz
elektrische Nervenstimulation) → von etwa 65/min)
Fehlwahrnehmung → Schrittmacher 5 Elektrodendislokation
deutet Störpotenziale als Herzei- 5 Kabelbruch
genaktionen; des Weiteren können 5 Reizschwellenanstieg
Detektionen von Vorhofaktionen als 5 andere Ursachen: u. a. metabo-
Kammeraktionen fehlinterpretiert lisch, Elektrolytentgleisungen,
werden (AV-»Cross-talk«) Medikamente
z Beim 1-Kammer-Schrittmacher (z. B. z Bradykardien mit Schrittmacher-
VVI oder AAI) kommt es zur Inhi- Spikes:
bierung der Schrittmacherstimulation 5 Exit-Block
mit der Gefahr von Bradykardien und 5 »oversensing«
rezidivierenden Synkopen; im Ge- 5 Schrittmachersyndrom
gensatz dazu führt die Wahrnehmung
von Muskelpotenzialen durch die Differenzialdiagnostik bei
Vorhofsonde beim 2-Kammer-System ICD-Patienten
zur schnellen ventrikulären Überlei- > Bei rezidivierenden ICD-Schock-
tung (Tachykardie) abgaben sollte immer zwischen
z EKG: Fehlen von »spikes«, d. h. adäquaten (elektrischer Sturm) und
ausbleibende Stimulation durch den inadäquaten Defibrillationen unter-
Schrittmacher schieden werden.
z Therapie: Umprogrammierung auf
eine bipolare Wahrnehmung oder Elektrischer Sturm
Magnetauflage im Notfall, ggf. i. v. z Mechanismus: repetitive Entladungen
Gabe von Atropin (Atropinsulfat) des ICD (mindestens 3 »adäquate«
Schockabgaben innerhalb von 24 h)
Differenzialdiagnostik bei z Ursachen:
Schrittmacherpatienten 5 unaufhörliche Tachykardien bei
z Fehlende Schrittmacherstimulation Progression der Grunderkran-
ohne Stimulusartefakt: kung, z. B. kardiale Dekompensa-
5 Batterieerschöpfung (Schrittma- tion oder myokardiale Ischämie
cher stimuliert im Energiesparmo- 5 Elektrolytentgleisungen (häufig
dus mit einer Frequenz von etwa Hypokaliämie)
65/min) 5 proarrhythmische Medikamente
7.3 · Schrittmacher und ICD 109 7.3
z Therapie: Angstpsychosen) Initiierung einer
5 Bestimmung von Kalium- und psychosomatischen Mitbetreuung
Magnesiumspiegel, ggf. sofortige
Substitution > Interne Schockentladungen durch
5 β-Blocker-Gabe (z. B. 5–10 mg den ICD stellen keine Gefahr für den/die
Metoprolol i. v.), ggf. in Kombina- Behandelnden dar.
tion mit Amiodaron > Das Schrittmachersystem des ICD

5 Analgosedierung wird durch die Magnetauflage nicht be-


5 ggf. Einleitung der kardiopulmo- einträchtigt.
nalen Reanimation > Nach Magnetauflage gilt stets eine

obligate Monitorpflicht.
Inadäquate Schockabgaben
z Mechanismus: supraventrikuläre Systembezogene Komplikationen
Tachykardien oder »oversensing« füh- z Elektrodenbrüche, Elektrodendislo-
ren zu Fehlinterpretation von EKG- kationen, Aggregatdysfunktionen und
Signalen, welche inadäquat mittels Sensing-Defekte entsprechend den
Schockabgabe terminiert werden Schrittmacherkomplikationen
z Ursachen: z Insbesondere »oversensing« bei Son-
5 supraventrikuläre Tachykardien: dendefekten/Elektrodenbrüchen: hier
z. B. tachykarde Überleitung von werden die Störsignale als Kammer-
Vorhofflimmern, welches als flimmern fehlinterpretiert
ventrikuläre Tachyarrhythmie
fehlinterpretiert und anschließend Therapie von Komplikationen
durch Defibrillation terminiert > Therapiebedürftigkeit nur bei
wird symptomatischen Patienten und
5 »oversensing« (Vortäuschung bei Gefahr der Induktion maligner
von ventrikulären Arrhythmien Rhythmusstörungen
durch verschiedene Störeinflüsse:
Elektrodendefekte, elektromagne- z Magnetauflage:
tische Interferenz – z. B. Elektro- 5 Schrittmacherpatient: Inbetrieb-
kauterisation, Ablationstherapie nahme des Schrittmachers mit
–, Muskelpotenziale, T-Wellen- einer Magnetfrequenzstimulation
Oversensing) von meist 85/min oder 100/min,
z Therapie: d. h. der Schrittmacher wird auf
5 sofortige Inaktivierung des starrfrequente Stimulation umge-
Geräts durch Magnetauflage schaltet (V00- bzw. D00-Modus,
(Ringmagnet) Entrance-Block); falls die Magnet-
5 Umprogrammierung durch z. B. funktion herausprogrammiert sein
Anhebung der Detektionszone sollte, erfolgt keine Reaktion auf
5 ggf. AV-Knoten-Ablation bei die Magnetauflage
tachykarder Überleitung von Vor- 5 ICD-Patient: Inaktivierung der
hofflimmern Schockfunktion
5 evtl. bei psychokardiologischen z Transkutaner externer Schrittmacher:
Folgen von inadäquaten Scho- bei symptomatischer Bradykardie
ckabgaben (Traumatisierung, bzw. Ventrikelasystolie unter Analgo-
110 Kapitel 7 · Herzrhythmusstörungen

sedierung (z. B. Morphin, Diazepam)


im starrfrequenten V00-Modus
(Frequenz: 70–80/min; Impulsbrei-
ten: 20–40 ms; Stromstärke bzw.
Reizschwelle: schrittweise bis zur Rei-
zantwort erhöhen – Anhaltswert: etwa
200 mA)
z Medikamentös: ggf. i. v. Gabe von
Atropin (Atropinsulfat) oder Adrena-
lin (Suprarenin)
z Kardioversion/Defibrillation: zur
Vermeidung von Schäden des Stimu-
lationsgeräts sollte die Kardioversion/
Defibrillation – wenn möglich – in
antero-posteriorer Konfiguration oder
in inverser Herzachse erfolgen
z Sofortige Diagnostik nach Sicher-
stellung des Akutproblems: AICD-/
Schrittmacheraggregatabfrage und
ggf. Neueinstellung, Labordiagnostik
(Elektrolytwerte), Röntgenunter-
suchung des Thorax
Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 111 8

> Herzinsuffizienz
G. Michels, T. Schneider, U.C. Hoppe

Definition 5 mittleres Lebensalter herzinsuffizi-


z Unfähigkeit des Herzens, genügend enter Patienten: 74 Jahre
Blut zu fördern, um die metaboli- z Jährliche Mortalität:
schen Bedürfnisse des Organismus zu 5 systolische Herzinsuffizienz:
decken ungefähr 8–25 %
5 diastolische Herzinsuffizienz:
> Die Herzinsuffizienz ist keine eigen- bis 19 %
ständige Erkrankung, sondern ein klini- z Prognose: entsprechend Prävalenz
sches Syndrom aus: und Inzidenz altersabhängig
z typischen Symptomen (z. B. Dyspnoe,
Ödeme, Schwäche) Einteilung
z klinischen Zeichen (z. B. Tachykardie, z Nach der Lokalisation der ventrikulä-
Tachypnoe, Aszites, Ergüsse) ren Funktionsstörung: Links-, Rechts-
z objektivierbaren strukturellen oder oder Globalinsuffizienz
funktionellen Herzschäden (z. B. Kar- z Nach dem Krankheitsverlauf:
diomegalie, 3. Herzton, Vitien) 5 akute Herzinsuffizienz: myokardi-
ales Pumpversagen, Shuntvitien,
Allgemeines Ruptur der Chordae tendineae
z Inzidenz: oder akute Papillarmuskeldysfunk-
5 allgemein: etwa 0,1–0,5 %/Jahr tion bei akutem Myokardinfarkt,
5 altersabhängig: Verdopplung mit Behinderung der Ventrikelfüllung,
jeder Lebensdekade Rhythmusstörungen (z. B. tachy-
5 Männer häufiger betroffen als systolische Herzinsuffizienz)
Frauen 5 chronische Herzinsuffizienz:
5 diastolische Funktionsstörung: systolische oder diastolische Funk-
etwa 40–50 % aller Patienten mit tionsstörung bei KHK, arterielle
chronischer Herzinsuffizienz Hypertonie, Kardiomyopathie,
5 systolische Funktionsstörung: un- Vitien, Rhythmusstörungen oder
gefähr 50–60 % aller Patienten mit metabolische Veränderungen
chronischer Herzinsuffizienz (Hyperthyreose, Thiaminmangel,
z Prävalenz: Hämochromatose)
5 allgemein: etwa 0,3–2,4 % z Nach dem Kontraktionsverhalten:
5 altersabhängig: Anstieg der Prä- 5 systolische Herzinsuffizienz:
valenz auf 3–13 % bei über 65- z primäre Kontraktionsstörung
Jährigen mit Dilatation des linken Ventri-
112 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

kels z Ursachen: Myokardinfarkt, nung (Relaxation) und/oder der


arterielle Hypertonie, Kardiomyo- spätdiastolischen Ventrikeldehn-
pathien (DCM, Chagas-Krankheit, barkeit (Compliance); kompensa-
alkoholtoxische Kardiomyopathie) torisch sind u. a. erhöhte linksat-
z hämodynamische Merkmale: riale Drücke notwendig, um den
Reduktion der EF bei verminder- linken Ventrikel noch zu füllen;
tem HZV und kompensatorisch es gelangt weniger Blutvolumen
erhöhtem SVR in die linke Kammer, gleichzeitig
5 diastolische Herzinsuffizienz oder ist der LVEDP erhöht, sodass ein
Herzinsuffizienz mit erhaltener sekundärer pulmonaler Druckan-
Pumpfunktion: z Myokardver- stieg resultiert z Ursachen: Com-
steifung bei normaler systolischer pliance- und Relaxationsstörungen
Pumpfunktion (EF) → Störung z hämodynamische Merkmale:
der frühdiastolischen Entspan- Erhöhung des LVEDP (>16 mmHg

⊡ Tab. 8.1. Stadien bzw. Klassifikation der Herzinsuffizienz

Stadium/Klasse Beschreibung
NYHA-Stadium (Einteilung aus dem Jahre 1928)
I  Herzerkrankung ohne körperliche Limitation
 Alltägliche körperliche Belastung verursacht keine inadäquate
Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Angina pectoris
II  Herzerkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungs-
fähigkeit
 Keine Beschwerden in Ruhe
 Alltägliche körperliche Belastung verursacht Erschöpfung, Rhythmus-
störungen, Luftnot oder Angina pectoris
III  Herzerkrankung mit höhergradiger Einschränkung der körperlichen
Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit
 Keine Beschwerden in Ruhe
 Geringe körperliche Belastung verursacht Erschöpfung, Rhythmus-
störungen, Luftnot oder Angina pectoris
IV  Herzerkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten
und in Ruhe
 Bettlägerigkeit
AHA-Klassen (Einteilung aus dem Jahre 2001)
A Asymptomatisch, jedoch Risikofaktoren für eine linksventrikuläre
Dysfunktion (z. B. KHK)
B Asymptomatisch, jedoch strukturelle Veränderungen
(z. B. linksventrikuläre Hypertrophie)
C Manifeste Herzinsuffizienz, vorliegend oder ehemals vorgelegen habend
D Manifeste Herzinsuffizienz unter maximaler Therapie
Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 113 8
bzw. PCWP von >12 mmHg) Pathophysiologie und hämo-
bei normalen Füllungsvolumina dynamische Veränderungen
(EDV, ESV, SV) und normaler EF
sowie Symptomen der pulmonalen Determinanten der kardialen
Stauung (Dyspnoe: führendes Pumpleistung
Symptom, kann klinisch nicht von z Inotropie:
einer systolischen Herzinsuffizienz 5 Bestimmung der maximalen Druck-
getrennt werden) anstiegsgeschwindigkeit während
z Nach Stadien: ⊡ Tab. 8.1 der isovolumetrischen Anspannungs-
phase (Normwert: 1500 mmHg/s) bei
> Im Rahmen der manifesten Herzinsuf- der Linksherzkatheterisierung
fizienz lassen sich meistens Störungen 5 indirekter Parameter für die Kontrakti-
sowohl der systolischen als auch der onskraft: SV bzw. EF:
diastolischen Funktion nachweisen. SV EDV – ESV
EF = =
EDV EDV
Ätiologie
> Herzinsuffizienzstudien (z. B. SOLVD
z Nachlast (»afterload«) als endsystoli-
sche Wandspannung (systolisches Wand-
oder SAVE) stellen die KHK und die arte-
spannungsintegral):
rielle Hypertonie in den Mittelpunkt der
5 Parameter: MAP, SVR
Pathogenese der Herzinsuffizienz.
5 Beurteilung der Druckbelastung (Aus-
wurfwiderstand)
Chronische Herzinsuffizienz
z Vorlast (»preload«) als enddiastolische
z Systolische Ventrikelfunktionsstörung: Wandspannung (Vordehnung):
5 KHK (70–75 %) 5 Parameter für das rechte Herz: ZVD
5 arterielle Hypertonie/Druck- (Normwert: 4–8 cmH2O)
belastung (20–40 %) 5 Parameter für das linke Herz: LVEDP
5 Kardiomyopathien (DCM; (Normwert: <12 mmHg)
15–20 %) 5 Beurteilung der Volumenbelastung
5 Vitien (selten) 5 Beschreibung durch den Frank-Star-
z Diastolische Ventrikelfunktions- ling-Mechanismus: mit zunehmender
störung (Relaxations- und/oder Vorlast nimmt das SV zu (Kraft-Span-
Compliance-Störungen): nungs-Beziehung: beschreibt den Zu-
5 arterielle Hypertonie bzw. sammenhang zwischen Vordehnung
hypertensive Herzerkrankung der Muskelfasern in Längsrichtung
5 ischämische Herzerkrankung und Kontraktionskraft; Verbesserung
(KHK) der Kontraktionsamplitude mit zu-
5 hypertrophe, restriktive oder nehmender Vordehnung; molekularer
infiltrative Kardiomyopathien Hintergrund: dehnungsabhängige
(z. B. Amyloidosen) Empfindlichkeitsänderung von Tropo-
5 obstruktives Schlafapnoesyndrom nin C für Kalziumionen)
(u. a. Entwicklung einer arteriellen z HF (Bowditch-Effekt oder Kraft-Frequenz-
Hypertonie) Beziehung): HF-Steigerung führt beim
5 Herzbeuteltamponade Gesunden zur Kontraktilitätszunahme,
beim herzinsuffizienten Patienten nimmt
5 langjährige Aortenklappenstenose
diese dagegen ab
5 Pericarditis constrictiva
114 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

Systolische Herzinsuffizienz z rechter Ventrikel (z. B. Hypertro-


z Initiale Kompensation: Frank-Star- phie) z Perikard (z. B. Pericarditis
ling-Mechanismus, d. h. mit zuneh- constrictiva)
mender Vordehnung der Herzmus- z Diastolischer Füllungsablauf (4 Pha-
kelfasern kommt es zu einer initialen sen; isovolumetrische Relaxation in
Verbesserung der Kontraktionsampli- Phase 1, auxotone Füllung in Pha-
tude mit kompensatorischer Zunahme sen 2–4):
des HZV 5 Phase 1 (Relaxation): isovo-
z Anhaltende kardiale Belastung: Aus- lumetrische Relaxation nach
bildung einer ventrikulären Dilatation Aortenklappenschluss bis zum
mit Abnahme der myokardialen Druckangleich an den linken
Dehnbarkeit und der maximalen iso- Vorhof (Ausdruck der elastischen
metrischen Kontraktionskraft sowie Rückstellfunktion der postsys-
Induktion ventrikulären Remodelings tolisch verkürzten, verdrillten
→ HZV-Abfall mit neurohumoraler Myokardfasern) → Abnahme des
Gegenregulation (Freisetzung von LVEDP (Norm: <12 mmHg), Auf-
Katecholaminen, Vasopressin, Re- bau des Sogeffekts für Phase 2
nin, Angiotensin II, Aldosteron und 5 Phase 2 (Relaxation): schnelle
Endothelin) → Flüssigkeitsretention, ventrikuläre Füllung nach Mitral-
Vasokonstriktion, positive Ino-/Chro- klappenöffnung (75%iger Anteil
notropie → Inotropieabnahme (u. a. der linksventrikulären Füllung);
Circulus vitiosus, Remodeling) den Hauptenergieanteil bilden die
z Renale Minderperfusion: Aktivierung Relaxationskräfte der Myokardfa-
des Renin-Angiotensin-Aldosteron- sern, welche einen Sog (Gradient
Systems → Vorlast- (Natrium- und zwischen linkem Atrium und
Wasserretention als Aldosteroneffekt) linkem Ventrikel) erzeugen; gegen
und Nachlasterhöhung (Anstieg des Ende der Phase übernimmt die
SVR als Angiotensin-II-Effekt) Dehnbarkeit (Compliance) der
z Kardiorenales Syndrom: Herzinsuffi- Fasern die weitere Volumenauf-
zienz → Niereninsuffizienz (renokar- nahme
diales Syndrom: Niereninsuffizienz → 5 Phase 3 (Compliance): langsame
Herzinsuffizienz) ventrikuläre Füllung bis zum end-
gültigen Druckangleich von lin-
Diastolische Herzinsuffizienz kem Ventrikel und linkem Vorhof
z Diastolische Füllungskomponenten: (<5%iger Anteil der linksventriku-
5 Diastolendauer (z. B. reduziert bei lären Füllung), sog. Diastase
Tachykardie) 5 Phase 4: atriale Kontraktion
5 Blutangebot (z. B. Shunts, Klap- (20- bis 25%iger Anteil der links-
penvitium, Einstromhindernisse) ventrikulären Füllung) bis zum
5 atriale Kontraktion (z. B. Wegfall Mitralklappenschluss mit Beginn
bei Vorhofflimmern) der Systole; bei normaler Dehn-
5 Dehnbarkeit (Compliance): z lin- barkeit der Myokardfasern wird
ker Ventrikel (z. B. Hypertrophie) dadurch das restliche Volumen
z linker Vorhof, Pulmonalgefäße ohne wesentlichen (<5 mmHg)
(z. B. pulmonale Hypertonie) LVEDP-Anstieg aufgenommen
Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 115 8
z Physiologisch: HF-Zunahme → Ab- ZVD, wenn in liegender Position
nahme der Diastolendauer → Aug- eine Füllung der Jugularvenen
mentation der diastolischen Füllung erkennbar ist (Kopfende langsam
→ SV-/HZV-Zunahme hochstellen, bis die Venenfüllung
z Diastolische Dysfunktion: HF- verschwindet: ZVD in cm H20)
Zunahme → Reduktion der dia- 5 Palpation: Eindrückbarkeit der
stolischen Füllung → SV-/-HZV- Haut an herabhängenden Kör-
Abnahme → Rückwärtsversagen → perpartien – mindestens 30 s lang
Erhöhung des LVEDP und des PCWP drücken (meist Unterschenkel-
→ Dyspnoe ödeme)
5 Perkussion: Pleuraerguß
Klinik 5 Auskultation: z Herz: Geräusch
z Linksherzinsuffizienz: z Lunge: Zeichen der pulmonalen
5 »forward failure« (»low output«) Stauung, feuchte Rasselgeräusche,
mit peripherer Minderperfusion: Schweregraduierung der akuten
Leistungsminderung, muskuläres Herzinsuffizienz nach Nieminen:
Schwächegefühl, Schwindel Klasse I: warm und trocken;
5 »backward failure« mit Lungen- Klasse II: warm und feucht;
stauung: Dys- bis Orthopnoe, Ta- Klasse III: kalt und trocken;
chypnoe, Husten (»Asthma cardi- Klasse IV: kalt und feucht
ale«), Blutspucken (Hämoptysen) z Labordiagnostik:
bis Lungenödem 5 Herzenzyme, Nierenwerte, Blutbild
z Rechtsherzinsuffizienz: Halsvenen- (kardiorenales Anämiesyndrom:
stauung (ZVD-Anstieg), Füllung gleichzeitiges Vorliegen einer Nie-
der Jugularvenen bei Leberpalpation reninsuffizienz und einer renalen
(hepatojugulärer Reflex), Knöchel-/ Anämie), Serumelektrolytwerte
Beinödeme, Aszites, Anasarka, Stau- (Hyponatriämie bei manifester
ungsleber (Hepatomegalie), Stauungs- Herzinsuffizienz, Hypokaliämie
gastroenteropathie (Bauchschmerzen, unter Diuretika), Transaminasen-/
Nausea, Völlegefühl, Meteorismus), Stauungsenzymaktivitäten, Gluko-
Stauungsnieren mit Proteinurie sespiegel, Entzündungsparameter
z Globalinsuffizienz und gemeinsame (häufig begleitend erhöht: Zeichen
Symptome: Nykturie, Tachykardie, des reduzierten Immunstatus),
Herzvergrößerung mit relativer AV- Schilddrüsenhormonkonzentrati-
Klappen-Insuffizienz (Gefügedilata- onen, Gerinnungsparameter ein-
tion), Pleuraergüsse rechts schließlich D-Dimere, periphere
BGA (u. a. metabolische Alkalose
Diagnostik durch Hyperventilation bei pulmo-
z Anamnese: kardiale Vorerkrankun- nalvenöser Stauung)
gen, Medikamente, Symptome im 5 Biomarker: BNP/NT-proBNP
Vorfeld, Verwirrtheit (zerebrale Min- z differenzialdiagnostischer und
derperfusion) prognostischer Parameter z enge
z Körperliche Untersuchung: inverse Korrelation mit der
5 Inspektion: Aszites, Jugularvenen- linksventrikulären Pumpfunk-
stauung → ggf. Abschätzung des tion z Grenzwerte für BNP:
116 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

keine Herzinsuffizienz: <100 pg/ metrischen Anspannungsphase


ml; kompensierte Herzinsuffizi- (Normwert: 1500 mmHg/s) und
enz: >100 pg/ml; dekompensierte der linksventrikulären EF (LV-EF):
Herzinsuffizienz: >1000 pg/ml
z Grenzwert für NT-proBNP: LV-EF =
LVEDV – LVESV
300 pg/ml (<50 Jahre) bzw. 450 pg/ LVEDV
ml (>50 Jahre) z Einflussgrößen:
EF, linksventrikuläre Masse, Vor- 5 Nachlast: MAP, SVR:
hofgröße, Alter, Geschlecht, GFR,
MAP – ZVD
Medikamente z neue Biomarker: SVR =
HZV
»midregional« Proadrenomedullin
(MR-proADM; BACH-Studie) z Echokardiographische Beurteilung
z Echokardiographie: (Normalwerte der linksventrikulären
5 Ausschluss von Vitien, insbeson- Pumpfunktion; ⊡ Tab. 8.2):
dere einer Mitralinsuffizienz 5 LVEDD: 40–56 mm
5 Parameter der linksventrikulären 5 LVESD: 24–42 mm
Funktion: z Schlagvolumen 5 E-zu-Septum-Abstand: <6 mm
(SV) z Ejektionsfraktion (EF) 5 Verkürzungsfraktion (»shortening
z Verkürzungsfraktion (FS) fraction«, SF):
z E-zu-Septum-Abstand (ES-Ab- EDD – ESD
stand) z 2D-Strain-Rate (myo- SF = × 100 = 25 − 44%
EDD
kardiale Deformation) z »tissue
doppler imaging« (TDI) 5 EF (>55–70 %): Berechnung im
5 Parameter der rechtsventriklären M-Mode (selten; Methode nach
Funktion ( Kap. 11) Teichholz) oder mittels 2D-Echo-
kardiographie (häufig; biplane
Spezielle Diagnostik bei systolischer Scheibchensummationsmethode
Herzinsuffizienz nach Simpson bzw. modifizierte
z Herzkatheteruntersuchung: Simpson-Volumetrie):
5 Kontraktilität: Bestimmung der
maximalen Druckanstiegsge- E DV – E SV
EF = × 100
schwindigkeit in der isovolu- EDV

⊡ Tab. 8.2. Einteilung der linksventrikulären Pumpfunktion

Linksventrikuläre Pumpfunktion Linksventrikuläre Linksventrikuläres


EF [%] ESV [ml/m2]

Normal >55 60

Leicht eingeschränkt 40–49 100

Mäßig eingeschränkt 30–39 150

Stark eingeschränkt <30 >150


Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 117 8
5 globale Funktionsbeurteilung: der »Zeitkonstanten Tau« der
leicht bis deutlich eingeschränkte linksventrikulären Druckabnahme
Pumpfunktion während der Phase 1; errech-
5 regionale Funktionsbeurteilung: net sich aus der Zeit, in der der
16-Segment-Modell/Wandbewe- LVEDP während der isovolumet-
gung (z. B. akinetisch) rischen Phase auf 1/3 seines Aus-
gangswerts fällt (Norm: 34 ms; bei
Spezielle Diagnostik bei diastolischer diastolischer Relaxationsstörung:
Herzinsuffizienz >48 ms)
z ⊡ Tab. 8.3 5 Echokardiographie: isovolumetri-
z Beurteilung der frühen isovolumet- sche Relaxationszeit: Zeitintervall
rischen Relaxation (Phase 1 der Dias- zwischen Aortenklappenschlie-
tole): ßung und Mitralklappenöffnung
5 Herzkatheteruntersuchung: z Beurteilung der diastolischen Fül-
z maximale Druckabfallsge- lungsphase (Phasen 2–4 der Diastole):
schwindigkeit in Bezug auf die 5 Herzkatheteruntersuchung: Er-
Füllungszeit (Funktionsgröße für höhung des LVEDP (bzw. PCWP;
den »Phase-1-Sog«): Erniedrigung >16 mmHg; Norm: 3–12 mmHg)
der absoluten Druckdifferenz bei normalen Füllungsvolumina
(<1100 mmHg/s) z Bestimmung (EDV, ESV, SV) und normaler EF

⊡ Tab. 8.3. Echokardiographische Beurteilung der diastolischen Dysfunktion

Parameter Normal Stadium I Stadium II Stadium III/IV


(verzögertes (Pseudonor- (restriktives
<25 >25 Füllungs- malisierung) Füllungsmuster)
Jahre Jahre muster)

E/A-Verhältnis1 >1 >1 <1 1–2 >2


2
E-Wellen-DT <220 <220 >220 150–200 <150
[ms]

Isovolumen- <100 <100 >100 60–100 <60


trische Relaxa-
tionszeit [ms]

PVs/PVd <1 ≥1 ≥1 0,5 bis ≤1 <0,5

PVa [cm/s] <35 <35 <35 ≥35 (bei Si- ≥35


nusrhythmus)

Em [cm/s] >10 >8 <8 <8 <8


1 Verhältnis
der schnellen ventrikulären Füllung (E) zur atrialen Kontraktion (A)
2
Dezelerationszeit oder Dauer des Geschwindigkeitsabfalls der E-Welle
Em Mitralanulusgeschwindigkeit, PVs systolische Pulmonalvenengeschwindigkeit, PVd diasto-
lische Pulmonalvenengeschwindigkeit, PVa atriale reverse Pulmonalvenengeschwindigkeit
118 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

5 Dopplerechokardiographie: z Herzkatheteruntersuchung:
z »Time-to-peak-filling«-Rate 5 Ausschluss/Nachweis einer KHK
(Zeit bis zur maximalen Fül- 5 Hämodynamik: Bestimmung
lung): bei diastolischer Dysfunk- systolischer (u. a. EF) und diastoli-
tion verlängert z transmitrales scher Parameter (u. a. LVEDP)
Flussprofil: E/A-Wellen-Verhält-
nis, d. h. Verhältnis der schnellen Differenzialdiagnostik
ventrikulären Füllung (E) zur z Pulmonale Erkrankungen: z. B.
atrialen Kontraktion (A) z Er- COPD, Lungenemphysem, Lungen-
mittlung der Mitralklappenring- embolie
geschwindigkeit (früher links- z Endokrinologische Erkrankungen:
ventrikulärer Einstrom) mittels z. B. Myxödem, Hyperthyreose
»tissue doppler imaging«: Ratio z Neurologische Erkrankungen: z. B.
aus Mitralklappenflussgeschwin- Myopathien
digkeit (E) und Mitralklappen- z Psychiatrische Erkrankungen: z. B.
ringgeschwindigkeit (E’ oder Em) Depression, Erschöpfungszustände
am anterioren Segel (Norm: <8); z Andere Erkrankungen: ausgeprägte
schätzt den LVEDP ab (>15, bei Anämie, Niereninsuffizienz, Leberzir-
LVEDP >15 mmHg) z Strain- rhose
Rate: Myokardiale Deformation
in 2D- oder 3D-Darstellung Therapie der akuten
z Pulmonalvenendopplerun- Herzinsuffizienz
tersuchung: PVs (maximale Allgemeine Maßnahmen
systolische Pulmonalvenenge- z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
schwindigkeit), PVd (maximale der Vitalfunktionen
diastolische Pulmonalvenen- z Oberkörperhoch- und Beintieflage-
geschwindigkeit), PVa (reverse rung zur Senkung des venösen Rück-
atriale Flussgeschwindigkeit stroms
durch Vorhofkontraktion) z Oxygenierung:
z die meisten Parameter sind 5 2–6 l O2/min über Nasensonde
vorlastabhängig → dynamische oder >6 l O2/min über Maske
Aktionen (z. B. Valsalva-Manö- 5 ggf. Beatmung: z hoher PEEP
ver) zur Demaskierung einer → Senkung der Vorlast durch
diastolischen Dysfunktion im Abnahme des venösen Rück-
Stadium der Pseudonormalisie- stroms mit Abnahme der Wand-
rung sinnvoll spannung (»Nitroeffekt«) z Me-
z Röntgenuntersuchung des Thorax: thode der 1. Wahl: nichtinvasive
5 Zeichen der pulmonalvenösen Beatmung (Masken- oder Helm-
Stauung → Kerley-(A-, B-, C-) CPAP-Beatmung) z Methode
Linien als Zeichen des intersti- der 2. Wahl: invasive Beatmung
ellen Lungenödems oder diffuse (BiPAP)
Verschattungen bei alveolärem
Lungenödem Leichte Sedierung/Analgosedierung
5 Kardiomegalie (Herz-Thorax- z Substanzen: Morphin (MSI), Diaze-
Quotient: >0,5) pam (Valium)
Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 119 8
Vorlastsenkung bei pulmonaler 5 Vorteil: Widerstandssenkung
Stauung (kann eine Hypotonie initial ver-
z Nitrate (Voraussetzung: systolischer stärken → Gegensteuerung mit
Blutdruck von >90 mmHg): Glycerol- Noradrenalin oder Volumengabe)
trinitrat (Nitroglycerin) i. v. 5 obwohl häufig eine initiale Bolus-
z Diuretika: Schleifendiuretika (Furose- gabe empfohlen wird, kann auch
mid – Lasix) i. v. → Diuresesteigerung eine kontinuierliche Infusion mit
mit Abnahme der kardialen Füllungs- 0,05 μg/kg KG/min für 24 h erfol-
drücke und des pulmonalen Wider- gen (oft günstiger)
stands
> Die OPTIMIZE-HF-Studie zeigte eine
Nachlastsenkung bei hohem peri- um 40 % niedrigere Sterberate, wenn
pheren Widerstand (hypertensive bei Patienten mit dekompensierter chro-
Entgleisung) nischer Herzinsuffizienz der β-Blocker
z Arterielle Vasodilatatoren: z. B. Urapi- nicht abgesetzt wurde. Ein generelles
dil (Ebrantil), Nitrate (Glyceroltrinit- Absetzen der β-Blocker-Therapie bei Pa-
rat, Nitroglycerin) tienten mit chronischer Herzinsuffizienz
und Dekompensation ist demnach mit
Gabe von Inotropika einem höheren Mortalitätsrisiko assozi-
z Katecholamine: iert. Limitierend sind jedoch weiterhin
5 Dobutamin (Dobutrex), Norad- eine Katecholamintherapie und eine
renalin (Arterenol), Adrenalin symptomatische Bradykardie.
(Suprarenin)
5 Dobutamin als Katecholamin der Therapie der chronischen
1. Wahl: β1-stimulatorisch ohne systolischen Herzinsuffizienz
wesentliche Zunahme des SVR, Kausaltherapie
d. h. optimal bei fehlender Hypo- z Zum Beispiel koronare Intervention
tonie oder Behandlung der arteriellen Hy-
5 Nachteile der Katecholamine: pertonie
kardiodepressiv (IL-6-Spiegel-
Erhöhung), Anstieg des myo- Nichtmedikamentöse Basistherapie
kardialen Sauerstoffverbrauchs, z Gewichtsnormalisierung:
proarrhythmogener Begleiteffekt, 5 bei BMI >30 (Hip/Waist-Ratio zur
Mortalitätszunahme (Trend) Risikoabschätzung möglicherweise
z PDE-III-Inhibitoren (Inodilatoren): besser geeignet): regelmäßige
5 bei gleichzeitiger β-Blocker- Gewichtskontrollen und »mode-
Therapie und fehlender An- rate« Gewichtsreduktion um <5 %
sprechbarkeit auf Katecholamine innerhalb von 6 Monaten bezogen
(Katecholamintoleranz) auf BMI ohne Ödeme (CHARM-
5 Substanzen: Milrinon (Corotrop), Weight-Loss-Studie)
Enoximon (Perfan) 5 Vermeidung einer kardialen
5 keine Prognoseverbesserung Kachexie
(OPTIME-CHF-Studie) z Reduktion von Risikofaktoren für
z Kalziumsensitizer: eine KHK
5 Substanz: Levosimendan (Simdax) z Nikotinkarenz
120 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

z Begrenzung des Alkoholkonsums z Laborchemische Kontrollen vor The-


auf 10–30 g/Tag rapiebeginn: Serumkaliumspiegel,
z Pneumokokken- und jährliche Retentionswerte
Grippeimpfung z Absolute Kontraindikationen:
z Reduktion des Kochsalzkonsums 5 beidseitige Nierenartierenstenose
(<3–4 g/Tag, etwa 2 g/Tag bei manifes- 5 Auftreten eines Angioödems unter
ter Herzinsuffizienz bzw. Essen »nicht ACE-Hemmern
nachsalzen«) 5 Hyperkaliämie (>5,5 mmol/l)
z Eventuell Omega-3-Fettsäuren (1 g/ z Unter einer ACE-Hemmer-The-
Tag; n-2-mehrfach ungesättigte Fett- rapie kommt es häufig zu einem
säuren – Omacor; GISSI-HF-Studie) Angiotensin-II-Escape-Phänomen
z Limitierung der Trinkmenge (etwa 1 l/ (Abnahme der ACE-Konzentration
Tag bei manifester Herzinsuffizienz) unter ACE-Hemmer-Therapie;
z Bettruhe bei akuter Dekompensation Ursache: lokale Wirkung der Chy-
und Rekompensation anstreben mase), dennoch steigen die Werte
z Körperliches Training bei stabiler für Angiotensin im therapeutischen
Herzinsuffizienz: 20–30 min/Tag → Verlauf kontinuierlich an; zur
Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Vermeidung dieses Phänomens
jedoch keine signifikante Reduktion wird eine Kombination mit einem
der Gesamtmortalität (HF-ACTION- β-Blocker empfohlen (β-Blocker
Studie) inhibieren lokal die Angiotensinsyn-
these in der Niere)
Leitlinienorientierte medikamentöse z Dosierung: Initialdosis immer nied-
Basistherapie rig wählen; bei adäquater Anpas-
ACE-Hemmer sung kann die Dosis innerhalb von
z ⊡ Tab. 8.4 2–3 Wochen bis zur Zieldosis oder
z Indikation: Basistherapie in allen Sta- bis zur maximal tolerierbaren Dosis
dien (»first line therapy«) verdoppelt werden

⊡ Tab. 8.4. ACE-Hemmer in der Herzinsuffizienztherapie

Substanz (Studie) Handelsname Initialdosis Zieldosis


(Beispiel)

Captopril (SAVE) Lopirin 2-mal 6,25 mg/Tag 2-mal 50 mg/Tag

Enalapril (CONSENSUS-II, Xanef 1-mal 2,5 mg/Tag 1-mal 10 mg/Tag


SOLVD)

Lisinopril (ATLAS) Acerbon 1-mal 2,5 mg/Tag 1-mal 35 mg/Tag

Ramipril (AIRE, AIREX) Delix 1-mal 1,25 mg/Tag 1-mal 10 mg/Tag

Bei den ACE-Hemmern wird von einem Klasseneffekt ausgegangen, sodass auch Substanzen ein-
gesetzt werden, für die keine groß angelegten, randomisierten, prospektiven Studien existieren.
Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 121 8
> Eine Dosissteigerung bei einem z Kardiale Verschlechterungen sind
Kreatininwert von >3 mg/dl ist un- gerade in der Einleitungsphase zu be-
tersagt. achten
z Eine symptomatische Besserung ist in
z Bei ACE-Hemmer-Intoleranz und der Regel erst nach etwa 2–3 Monaten
-Unverträglichkeit: AT1-Antagonisten zu erwarten
als Alternative; zur Behandlung der z Anders als bei den ACE-Hemmern
Herzinsuffizienz zugelassen sind: geht man bei den β-Blockern nicht
Losartan (z. B. Lorzaar; ELITE-II), von einem Gruppeneffekt aus → nur
Candesartan (z. B. Atacand; CHARM) die oben aufgeführten Substanzen
und Valsartan (z. B. Diovan; Val- anwenden
HeFT) z Eine Kombination mit einem ACE-
z Unverträglichkeiten mit ACE-Hem- Hemmer ist schnellstmöglichst anzu-
mern und AT1-Antagonisten: Hydra- streben
lazin, Nitrate z Häufige Nebenwirkungen: Hypotonie,
Bradykardie, Gewichtszunahme
β-Blocker
z ⊡ Tab. 8.5 > Eine Senkung von Morbidität und Mor-
z Indikation: ab NYHA-Stadium II talität bei systolischer Herzinsuffizienz ist
(nach Myokardinfarkt ab NYHA- für folgende β-Blocker belegt: Bisoprolol,
Stadium I) Carvedilol, Metoprolol-Succinat, Nebivolol.
z Substanzen: Carvedilol (COPERNI-
CUS, US-Carvedilol-Programm), Aldosteronantagonisten
Metoprolol (MERIT-HF), Bisoprolol z Indikation: ab NYHA-Stadium III
(CIBIS-II), Nebivolol (SENIORS, bei bzw. LVEF ≤35%
älteren Patienten ab dem 70. Lebens- z Substanzen: Spironolacton (RALES-II;
jahr) z. B. Aldactone, 12,5–50 mg/Tag),
z Dosierung: Beginn mit 1/10 der Ziel- Eplerenon (EPHESUS; z. B. Inspra,
dosis → langsame Dosissteigerung 25–50 mg/Tag; insbesondere bei

⊡ Tab. 8.5. β-Blocker in der Herzinsuffizienztherapie

Substanz (Studie) Handelsname Initialdosis Zieldosis


(Beispiel)

Bisoprolol (CIBIS-II) Concor 1-mal 1,25 mg/Tag 1-mal 10 mg/Tag

Carvedilol Dilatrend 2-mal 3,125 mg/Tag 2-mal 25 mg/Tag


(COPERNICUS)

Metoprolol-Succinat Beloc-Zok 1-mal 12,5 mg/Tag 1-mal 200 mg/Tag


(MERIT-HF)

Nebivolol (SENIORS) Nebilet 1-mal 1,25 mg/Tag 1-mal 10 mg/Tag


122 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

Gynäkomastieausbildung unter z Bei ausgeprägten Ödemen:


Spironolacton) langsamer Wasserentzug, tägliche
z Pausierung bei ansteigenden Reten- Gewichtskontrollen
tionswerten (Kreatininspiegel von z Hyperkaliämien werden gehäuft
>2,5 mg/dl) bei herzinsuffizienten Patienten
z Kontrolle: Serumkalium- und Retenti- beobachtet, die ACE-Hemmer und
onswerte kaliumsparende Diuretika ein-
nehmen
Diuretika
z ⊡ Tab. 8.6 Digitalis
z Indikationen: z ⊡ Tab. 8.7
5 Flüssigkeitsretention (Ödeme) z Indikation: tachykardes Vorhofflim-
z milde Herzinsuffizienz mit mern (Frequenzkontrolle) in allen
mäßiger Flüssigkeitseinlagerung: Stadien
Thiazide oft ausreichend z bei z Bei systolischer Herzinsuffizienz
zunehmender Flüssigkeitsreten- Kombination mit β-Blocker
tion: Schleifendiuretika z Bei Patienten mit Niereninsuffizienz
5 schwere Herzinsuffizienz mit (meist alle älteren Patienten): Bevor-
eingeschränkter Nierenfunktion: zugung von Digitoxin (bimodaler
Schleifendiuretikum plus Thiazid Ausscheidungsmodus: renal und
(sequenzielle Nephronblockade) biliär)
z Bei medikamentös-therapierefraktä- z Bei Sinusrhythmus ab NYHA-
ren Ödem: Dialyse (z. B. CVVH) Stadium III

⊡ Tab. 8.6. Diuretika in der Herzinsuffizienztherapie

Substanz Handelsname Initialdosis Mittlere Tagesdosis [mg]


(Beispiel)

Schleifendiuretika

Furosemid Lasix 20–40 mg/ 40–240 (bei Oligurie und terminaler


Tag Niereninsuffizienz: max. 1 g/Tag)

Torasemid Torem 5–10 mg/ 10–120 (bei Oligurie und terminaler


Tag Niereninsuffizienz: max. 200 mg/Tag)

Piretanid Arelix 3 mg/Tag 3–6

Thiaziddiuretika

Hydro- Esidrix 12,5– 25–100


chlorothiazid 25 mg/Tag

Chlortalidon Hygroton 50 mg/Tag 50–100

Xipamid Aquaphor 10 mg/Tag 10–80


Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 123 8
Antikoagulation Studie), wenn nicht gleichzeitig eine KHK
z Thromboembolierisiko bei Herzinsuf- vorliegt.
fizienz: etwa 1,5–3,5 %/Jahr
z Empfehlung der Antikoagulation: Biventrikuläre Stimulation bzw.
bei gleichzeitigem Vorhofflimmern, kardiale Resynchronisationstherapie
Nachweis intrakardialer Thromben (CRT)
oder vorausgegangenen Embolien z Pathophysiologischer Hintergrund:
oder Klappenprothesen eine fortschreitende Herzinsuffizi-
z Substanzen: Phenprocoumon (p. o.) enz ist häufig mit Reizleitungsstö-
oder temporär Heparine (s. c.) rungen bzw. intra-/interventriku-
lären Erregungsleitungsverzöge-
! Bei Herzinsuffizienz sind folgende rungen (z. B. Linksschenkelblock)
Substanzen kontraindiziert: assoziiert → myokardiale Dyssyn-
z NSAR (Ödementstehung) chronie (ineffektive Pendelkontrak-
z Klasse-I-Antiarrhythmika (proarrhyth- tion zwischen Septum und Postero-
mogen) lateralwand)
z Kalziumantagonisten vom Diltiazem- z Prinzip der CRT: Re-Koordinierung
oder Verapamiltyp bei systolischer des asynchronen ventrikulären Kon-
Herzinsuffizienz traktionsablaufs
z trizyklische Antidepressiva z Technik der CRT (3 Elektroden):
z Metformin (ab NYHA-Stadium III: Sondenplazierung im rechten (rechter
Gefahr der Laktatazidose) Vorhof und Ventrikel) und linken
z Glitazone Herzen (posterolaterale Herzvene)
z Steroide z CRT-Indikationen:
5 NYHA-Stadien III–IV, EF von
> Statine scheinen bei Patienten mit ≤35 %, linksventrikuläre Dila-
Herzinsuffizienz ohne prognostischen tation (LVEDD: >55 mm bzw.
Nutzen zu sein (CORONA-, GISSI-CHF- >30 mm/m2 KOF), kompletter

⊡ Tab. 8.7. Digitalis in der Herzinsuffizienztherapie

Glykosid Handels- Aufsättigungsdosis (p.o.) Erhaltungs- Therapeutischer


name dosis (p. o.) Serumspiegel

Digoxin1 Lanicor 2-mal 0,5 mg/Tag über 0,25 mg/Tag 0,5–3 μg/l
3 Tage

Digitoxin2 Digimerck 3-mal 0,1 mg/Tag über 0,07 mg/Tag 10–30 μg/l
3 Tage
(ggf. schnelle i. v. Auf-
sättigung: 2- bis 4-mal
0,25 mg/Tag für 2 Tage)
1
Plasmaeiweißbindung: 20–30 %; Eliminationshalbwertszeit: 40 h
2
Plasmaeiweißbindung: >95 %; Eliminationshalbwertszeit: 6–8 Tage
124 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

Linksschenkelblock (QRS-Breite: → Inotropiezunahme; es wird kein


≥120 ms), Sinusrhythmus unter zusätzliches Aktionspotenzial und
optimaler medikamentöser The- keine myokardiale Kontraktion ausge-
rapie (CARE-HF-Studie) löst
5 NYHA III-IV, EF ≤35 %, QRS z Technik (3 Elektroden): Signalwahr-
≥120 ms und permanentes Vor- nehmung durch eine rechtsatriale
hofflimmern und in der Regel AV- Elektrode und Stimulierung durch
Knoten Ablation Plazierung zweier rechtsventrikulärer
5 CRT plus ICD (COMPANION- Sonden (Septum)
Studie): individuelle Entschei- z Indikationen:
dung 5 fortgeschrittene Herzinsuffizienz
5 wenn eine Indikation zur Schritt- trotz optimaler medikamentöser
macherimplantation besteht, sollte Therapie
bei NYHA II-IV und EF von 5 Sinusrhythmus (bei Arrhythmien
≤35 % eine CRT überlegt werden, schaltet das System ab)
da eine reine rechtsventrikuläre 5 sinnvoll bei Patienten ohne CRT-
Stimulation einen Linksschenkel- Kriterien
block und damit eine Dyssynchro- z Studielage: FIX-CHF-4-Studie (prog-
nie induziert nostische Langzeitstudien stehen noch
z CRT bei Herzinsuffizienz und aus)
Rechtsschenkelblock: Effekt der
Resynchronisation scheint unge- Herztransplantation
wiss z Ultima Ratio
z CRT bei Herzinsuffizienz und z Pharmakotherapie nach Herztrans-
schmalem QRS-Komplex: keine plantation:
Benefit (Rethin-Q-Studie) 5 Immunsuppression (Dreifacht-
z Konsequenzen der CRT: herapie): z Cyclosporin A
5 Senkung des NYHA-Stadiums um (Sandimmun; Zieltalspiegel:
1 Klasse 200–300 μg/l), Tacrolimus (Pro-
5 Steigerung der Lebensqualität graf; Zieltalspiegel: 7–18 μg/l)
5 Steigerung der Belastbarkeit oder Everolimus (Certican)
5 Senkung der Hospitalisierungen z Mycophenolat-Mofetil (Cell-
5 Senkung der Mortalität Cept; 2-mal 1 g/Tag; Zieltal-
spiegel: 1–3 mg/l) z Steroide
Implantierbare Kardioverter/ (werden nach 6–12 Monaten
Defibrillatoren (ICD, AICD) langsam ausgeschlichen) z ggf.
 Kap. 7.3 Induktionstherapie mit polyklo-
nalem Antithymozytenglobulin,
Kardiale Kontraktionsmodulation bzw. monoklonalem Anti-CD3-
»cardiac contractility modulation« Antikörper (Muromonab-CD3)
z Prinzip: Abgabe von elektrischen Sig- oder IL-2-Rezeptor-Antikörper
nalen in die absolute Refraktärperiode (Daclizumab, Basiliximab)
des Myokards mit Steigerung des sys- 5 Pravastatin: u. a. zur Prophylaxe
tolischen Kalziumtransienten, welcher der Transplantatvaskulopathie und
bei der Herzinsuffizienz erniedrigt ist zur Immunmodulation
Kapitel 8 · Herzinsuffizienz 125 8
5 Kalzium (1 g/Tag) und Vitamin D3 Nitrate
(1000 IE/Tag) zur Osteoporose- z Symptomatisch bei akuter Dekom-
prophylaxe bei Steroidimmunsup- pensation
pression z Bisher keine Studien
5 Antihypertensiva: ACE-Hemmer
und/oder Diltiazem (auch zur ACE-Hemmer/AT1-Antagonisten
Prophylaxe der Transplantatvasku- z Ziel: Hemmung des RAAS bzw. der
lopathie) myokardialen Fibrose und der links-
5 ggf. Cotrimoxazol zur Prophylaxe ventrikulären Hypertrophie
einer Pneumocystis-jiroveci-Pneu- z Substanzen führen zur symptoma-
monie tischen Verbesserung, in Studien
5 evtl. Ganciclovir bei aktiver jedoch keine Prognosebesserung:
CMV-Infektion oder zur Pro- 5 Candesartan: CHARM-Preserved-
phylaxe Studie → keine Prognoseverbesse-
rung, jedoch Senkung der Hospi-
Therapie der chronischen talisationsrate
diastolischen Herzinsuffizienz 5 Irbesartan: I-PRESERVE-Studie →
Behandlung der Grundkrankheit kein prognostischer Vorteil (Ge-
z Antihypertensive Therapie bei ar- samtmortalität) für Irbesartan bei
terieller Hypertonie: insbesondere Herzinsuffizienz mit erhaltener
Pharmaka, die eine Regression der systolischer Pumpfunktion (EF:
Myokardhypertrophie begünstigen >45 %)
z Revaskularisierung bei KHK 5 Perindopril: PEP-CHF-Studie
z Enzymersatz bei Morbus Fabry → keine Prognoseverbesserung,
(z. B. Agalsidase α/β) jedoch Verbesserung der NYHA-
z Plasmozytombehandlung bei kardia- Klassifikation und der körperli-
ler Amyloidose chen Leistungsfähigkeit
z Perikardresektion bei Pericarditis
constrictiva β-Blocker
z Diabeteseinstellung bei Diabetes z Ziel: Senkung der HF und Zunahme
mellitus der Diastolendauer (diastolische Fül-
z Behandlung eines obstruktiven lungszeit)
Schlafapnoesyndroms z Bisher keine ausreichende Studienlage
(SENIORS-Subgruppenanalyse: Nebi-
Diuretika volol)
z Ziel: Reduktion der Vorlast bzw. der
pulmonalvenösen Stauung Kalziumantagonisten
z Substanzen: Thiazide und/oder z Ziel: Optimierung der arteriellen
Schleifendiuretika Hypertonie
z Eine zu starke Senkung der diastoli- z Zum Beispiel Verapamil bei hypertro-
schen Füllung reduziert das Schlag- pher Kardiomyopathie
bzw. Füllungsvolumen und kann zur z Bisher keine Langzeitdaten
Hypotonie führen → »vorsichtige«
Vorlastsenkung
126 Kapitel 8 · Herzinsuffizienz

Digitalispräparate
z Indikation: tachykardes Vorhofflim-
mern (Frequenzkontrolle)
z bei Sinusrhythmus möglichst vermei-
den, da eine Steigerung der Kontrak-
tilität (intrazelluläre Kalziumüber-
ladung) bei erhaltener systolischer
Funktion und Sinurrhythmus nicht
hilfreich erscheint
z DIG-ancillary-Substudie: bei Pati-
enten mit einer EF von >45 % und
Sinusrhythmus fand sich keine signi-
fikante Senkung der Mortalität oder
der Hospitalisationsrate durch zusätz-
liches Digoxin (zu ACE-Hemmer und
Diuretika)

Aldosteronantagonisten
z Ziel: Reduktion der kardialen Fibrose
mit Regression der Hypertrophie
z Studienergebnisse stehen noch aus
(TOPCAT-Studie: Spironolacton)

Erhalt eines normofrequenten Sinus-


rhythmus
z Bei diastolischer Dysfunktion ist die
atriale Kontraktion für die links-
ventrikuläre Füllung von großer Be-
deutung; da bei Vorhofflimmern ein
Wegfall der atrialen Kontraktion und
eine Verkürzung der Diastolendauer
resultieren, »erscheint« die Rhyth-
muskontrolle sinnvoll
z Prinzip: bei instabiler Hämodynamik
und Symptomatik bleibt der Versuch
einer Rhythmuskontrolle vorrangig
z Durchführung: Kardioversion bzw.
β-Blocker / Ca2+-Antagonisten / Herz-
glykoside bei erfolgloser Kardiover-
sion zur Frequenzkontrolle
Kapitel 9 · Hypotone Kreislaufdysregulation 127 9

> Hypotone
Kreislaufdysregulation
und Synkope
G. Michels

Definitionen 5 kardiale Erkrankungen: Aor-


z Hypotonie: Blutdruckwerte von tenklappenstenose, ausgeprägte
<100/60 mmHg Herzinsuffizienz, bradykarde oder
z Orthostatische Hypotonie: tachykarde Rhythmusstörungen,
Blutdruckabfall von systolisch Pericarditis constrictiva
≥20 mmHg oder diastolisch 5 vaskuläre Erkrankungen: Lunge-
≥10 mmHg im Stehen innerhalb von nembolie, pulmonale Hypertonie,
3 min nach dem Aufstehen im Ver- V.-cava Kompressionssyndrom
gleich zu den Ruhewerten im Liegen, (Gravidität)
mit oder ohne Zeichen einer zerebra- 5 endokrine Störungen: Hypothy-
len Minderperfusion reose, Nebennierenrindeninsuf-
z Orthostatische Synkope: dokumen- fizienz, Hypophysenvorderlap-
tierte orthostatische Hypotonie wäh- peninsuffizienz, Hypoaldostero-
rend einer Synkope nismus
z Synkope: anfallartiger, kurz an- 5 Immobilisation, Bettlägerigkeit
dauernder Haltetonusverlust mit 5 Hypovolämie: Dehydratation/
Bewusstseinsverlust infolge einer Exsikkose, Diarrhö, Blutung,
transienten globalen zerebralen Min- Hyponatriämie
derperfusion
Orthostatische Hypotonie
Ätiologie und klinische z Nichtautonom-neurogene ortho-
Einteilung statische Hypotonie:
Hypotonie 5 vaskulär: nach längerer Bett-
z Primäre oder essenzielle Hypotonie ruhe beim Aufstehen, Varikosis,
(harmlos): junge Frauen, Leptosomen, Schwangerschaft, postthromboti-
familiär sches Syndrom
z Sekundäre Hypotonie: 5 verminderte kardiale Auswurf-
5 Medikamente: Kardiaka leistung: intravasaler Volumen-
(β-Blocker, Digitalis, Diuretika, mangel (Dehydratation bei älteren
Antiarrhythmika), Neuroleptika, Patienten, Blutung, Diarrhö,
trizyklische Antidepressiva Emesis), kardiale Erkrankungen
128 Kapitel 9 · Hypotone Kreislaufdysregulation und Synkope

(Klappenvitien, ischämische oder z zirkulatorische Synkopen: vasovagale


hypertrophische Kardiomyopathie, Synkope oder orthostatische Hypo-
Rhythmusstörungen, Perikarder- tonie mit Synkope (sympathikotone
guss) oder asympathikotone Form)
5 endokrin: Hypothyreose, Morbus z Situationssynkopen:
Addison, Hypophysenvorderlap- 5 nach Miktion, Defäkation, Husten,
peninsuffizienz Lachen, Erbrechen oder nach La-
5 medikamentös: Antihyperten- geveränderung des Kopfes → Ka-
siva, Diuretika, Neuroleptika, rotissinussyndrom mit hypersen-
Antidepressiva, L-Dopa, Dopa- sitiven Barorezeptoren im Bereich
minagonisten des Karotissinus
z Autonom-neurogene orthostatische 5 kardioinhibitorischer Typ: Brady-
Hypotonie: kardie bis zum totalen AV-Block
5 zentrale Störungen des auto- 5 vasodepressorischer Typ: Hypoto-
nomen Nervensystems mit nie steht im Vordergrund
hypo- bis asympathikotoner 5 Mischform aus beiden: z. B. Gloss-
Lage: z. B. isolierte autonome In- opharyngeusneuralgie
suffizienz (Bradbury-Egglestone- z Zerebrovaskuläre Synkopen: verte-
Syndrom), Multisystematrophie brobasiläre Durchblutungsstörungen,
(Shy-Drager-Syndrom), Morbus z. B. »Subclavian-steal«-Syndrom,
Parkinson Aortenbogensyndrom
5 periphere Störungen des autono- z Metabolische Synkopen: z. B. Hypo-
men Nervensystems: z. B. diabeti- xie, Anämie, Diabetes mellitus
sche Polyneuropathie, Dopamin-
β-Hydroxylase-Mangel-Syndrom Klinik
(Unfähigkeit der Noradrenalin- z Hypotonie: Ermüdbarkeit, Depres-
synthese), Urämie, Amyloidose, sion, innere Unruhe, Schlafstörung
Alkoholkrankheit, postprandiale z Orthostatische Hypotonie: Schwindel,
Hypotonie Benommenheit, Sehstörung, Kopf-
schmerz
Synkopen z Synkope:
> Die neurokardiogene oder vasovagale 5 Prodromalphase: Schwindel,
Synkope gilt als häufigste Synkope. In Schwarzwerden vor den Augen,
etwa 30–40 % der Fälle bleibt die Ursa- Herzklopfen, Schwitzen, Nausea
che einer Synkope ungeklärt. 5 plötzlicher Blutdruckabfall mit
anfallartiger, kurz andauernder
Klinisch vereinfachte Einteilung Bewusstlosigkeit
z kardiale Synkopen: mechanisch-obs- 5 Gefahr der Sekundärkomplika-
truktive Synkopen (HOCM, Aorten-/ tionen durch Sturz: z. B. Ober-
Mitralklappenstenose, Vorhofmyxom, schenkelhalsfraktur, intrazereb-
Lungenembolie, pulmonale Hyperto- rale Blutung (insbesondere bei
nie, Perikardtamponade) und rhyth- Marcumar-Patienten) → Gabe von
mogene Synkopen (Tachykardien, Vitamin K, Substitution von FFP
Bradykardien, Schrittmacherdysfunk- und ggf. PPSB (20–25 IE/kg KG
tion) i. v.)
Kapitel 9 · Hypotone Kreislaufdysregulation 129 9
Diagnostik
Calgary-(Anamnese-)Score
z Standarduntersuchungen bei
Synkope: z Vorliegen eines bifaszikulären Blockbilds,
einer Asystolie, einer supraventrikulären
5 Anamneseerhebung
Tachykardie oder eines Diabetes mellitus
5 körperliche Untersuchung
(–5 Punkte)
5 Karotissinusmassage
5 Echokardiographie z Fremdanamnestisch blaue Gesichtsfarbe
(–4 Punkte)
5 EKG
z Spezielle Untersuchungen bei z Erstmaliges Auftreten einer Synkope nach
dem 35. Lebensjahr (–3 Punkte)
Synkope:
5 Kipptischuntersuchung z Fehlendes Erinnerungsvermögen
(–2 Punkte)
5 elektrophysiologische Unter-
suchung z Anfälle von Benommenheit oder Bewusst-
losigkeit bei längerem Sitzen oder Stehen
z Anamnese (wichtigster Bestandteil
(+1 Punkt)
der Diagnostik):
5 Bewusstseinsverlust (bei z Schwitzen oder Wärmegefühl als Vorbo-
ten (+2 Punkte)
älteren Patienten zum Teil
schwierig) z Anfälle von Benommenheit oder Bewusst-
losigkeit in Zusammenhang mit Schmerz
5 vegetative Symptome als Aus-
oder in medizinischer Umgebung
druck des Prodromalstadiums
(+3 Punkte)
einer Synkope
Beurteilung: Eine Gesamtpunktzahl von
5 Rezidivhäufigkeit
–2 oder höher spricht für (Sensitivität: 89 %;
5 Medikamente: Antihypertonika,
Spezifität: 91 %), eine Punktzahl von –3 oder
Neuroleptika, Antidepressiva,
tiefer gegen das Vorliegen einer vasovaga-
QT-Zeit-verlängernde Medika-
len Synkope.
mente
5 Vorerkrankungen: z. B. Herz-
insuffizienz, Aortenklappen- z Körperliche Untersuchung:
stenose 5 Kontrolle der Vitalparameter:
5 plötzlicher Herztod in der Bewusstsein, Atmung, Hämo-
Familienanamnese dynamik (Blutdruck, Puls)
5 auslösende Faktoren: Schmerz, 5 Inspektion: Blässe, Schwitzen
Angst, Mahlzeiten, Anblick, Hus- 5 Auskultation: Herz, Lunge,
ten, Miktion, Defäkation, Kopf- Karotiden
bewegungen, Geräusch, Geruch, 5 Erhebung des neurologischen
Anstrengung Status
5 Körperlage: nach längerem 5 Suche nach Sekundärverletzungen
Stehen oder beim Beugen nach (insbesondere am Schädel)
vorn z Labordiagnostik: Blutzuckerspie-
z Fremdanamnese: gel, Elektrolytwerte, kleines Blut-
5 insbesondere, um differenzial- bild, TSH- (evtl. auch T3- und T4-)
diagnostisch einen epileptischen Spiegel
Anfall ausschließen zu können z EKG:
(Sturzart, Hautfarbe, Bewegungen 5 Ruhe-EKG: z. B. AV-/Sinuskno-
wie Myoklonien) tenblockierung, Pausen von >3 s,
130 Kapitel 9 · Hypotone Kreislaufdysregulation und Synkope

supraventrikuläre Tachykardien, 5 bei Patienten ab dem 40. Lebens-


alternierender Schenkelblock jahr mit ungeklärter Synkope:
5 Langzeit-(24-h-)EKG: nur bei 4 % 5–10 s andauernde Massage der
der Untersuchungen korrelierten rechten oder linken A. carotis
Symptome mit den erfassten (nach Ausschluss von Strömungs-
Rhythmusstörungen geräuschen; Duplexsonographie
5 Event-Rekorder (transkutane nicht notwendig) sowohl im Lie-
Registrierung bei beginnendem gen als auch im Stehen (Kipptisch)
Ereignis): bei hochgradigem Ver- unter kontinuierlichem EKG- und
dacht auf rhythmogene Synkope Blutdruckmonitoring
oder ergebnislosen Langzeit-EKG- 5 pathologischer Karotisdruckver-
Untersuchungen such: Asystolie über >3 s oder
5 Loop-Rekorder (subkutan implan- systolischer Blutdruckabfall um
tierbarer EKG-Rekorder) >50 mmHg, mit einem spontanen
5 Schrittmacherträger: Abklärung Synkopeneintritt bei Kopfdrehung
einer Schrittmacherdysfunktion oder beengender Halsbekleidung
(Röntgenuntersuchung des Thorax korrelierbar
plus Schrittmachergerätabfragung) z Kipptischuntersuchung (ACC-Exper-
z 24-h-Blutdruckmessungen tenkonsensus):
z Schellong-Test: 5 Indikationen: z Ausschluss bzw.
5 Indikation: Ausschluss bzw. Nach- Nachweis einer neurokardioge-
weis einer orthostatischen Dysre- nen/vasovagalen Synkope, insbe-
gulation sondere bei ungeklärter einmaliger
5 Durchführung: Basiswertebestim- Synkope mit hohem Gefährdungs-
mung → 10-minütiges Liegen → risiko z rezidivierende Synkopen
10-minütiges Stehen mit 1-minü- ohne organische Herzerkrankung
tigen Messungen von Blutdruck z rezidivierende Synkope mit
und Puls → Erholungsphase (3- Herzerkrankung nach Ausschluss
bis 5-minütiges Liegen) kardialer Ursachen
5 normal: Abfall des systolischen 5 Kontrollbedingungen: nüchterner
Blutdrucks um <10 mmHg und Patient, parenterale Volumensub-
Gleichbleiben bis leichter Anstieg stitution (NaCl 0,9 %), 20- bis 40-
des diastolischen Wertes, HF- minütiges Liegen unter EKG- und
Anstieg um etwa 10–20 Schläge/ Blutdruckmonitoring sowie unter
min Reanimationsbereitschaft
5 pathologisch: Abfall des sys- 5 passive Provokation: Kippung um
tolischen Blutdrucks um 60–80° für 45 min
>20–30 mmHg und des diastoli- 5 pharmakologische Provokation
schen Wertes um >10–15 mmHg; (Alternative): z 20-minütige
HF kann ansteigen (sympathiko- Kippung → Isoproterenolinfusion
tone Form) oder nicht ansteigen (1–3 μg/min – Isoprenalinproto-
(asympathikotone Form) koll) → Steigerung der Herzfre-
z Karotisdruckversuch quenz um 20–25 % für weitere
5 wichtig: nur einseitig durchführen 10–15 min z weniger validiert:
5 häufig falsch-positive Befunde 0,4 mg Nitroglycerin sublingual
Kapitel 9 · Hypotone Kreislaufdysregulation 131 9
(italienisches Protokoll) z die 5 Intoxikationen
Anzahl falsch-positiver Untersu- 5 neurologisch/Hals-Nasen-Ohren-
chungen nimmt unter pharmako- Bereich: Schwindelattacken
logischem Stress zu z Synkope ohne Bewusstseinsstörung:
5 Endpunkt der Untersuchung: In- 5 psychogene Störungen/psychogene
duktion einer (Prä-)Synkope oder Pseudosynkope (Somatisierung)
Beendigung der geplanten Test- 5 neurologisch: TIA, »drop attacks«
dauer nach pharmakologischer (plötzlicher Verlust des Muskel-
Untersuchung tonus aufgrund vertebrobasilärer
5 Reaktionstypen: vasodepressorisch, Insuffizienz ohne Beeinträchtigung
kardioinhibitorisch mit/ohne Asys- des Bewusstseins, sog. Sturzanfälle)
tolie, gemischte Reaktion, postura- 5 psychiatrisch: Kataplexie (plötz-
les Tachykardiesyndrom licher Verlust des Muskeltonus
z Neurologisch-psychiatrisches Konsil: aufgrund psychischer Ereignisse,
bei Synkopen im Rahmen einer au- sog. Schrecklähmung)
tonomen Dysfunktion oder Verdacht
auf zerebrovaskuläres Steal-Phänomen Therapie bei akutem Geschehen
oder psychogene Pseudosynkope z Stabilisierung und Aufrechterhaltung
z Kardiovaskuläre Untersuchungen: der Vitalfunktionen
bei Verdacht auf strukturelle, kar- z Oxygenierung: 2–6 l O2/min über Na-
diovaskuläre Grunderkrankungen sensonde oder >6 l O2/min über Maske
(Echokardiographie, angiologische z Optimierung der Hämodynamik:
Untersuchungen wie Farbduplex-/ 5 Trendelenburg-Lagerung (Aus-
Dopplersonographie der Karotiden) nahme: kardiopulmonal belastete
z Gegebenenfalls elektrophysiologische Patienten)
Untersuchung: 5 »symptomatische« Volumensubsti-
5 Indikation: dringender Verdacht tution
auf rhythmogene Synkope, d. h. 5 Vasopressoren: titriende i. v.
Patienten mit pathologischem Applikation von Theodrenalin
EKG und/oder struktureller Herz- (Theophyllin plus Noradrenalin)/
erkrankung, Palpitationen oder Cafedrin (Koffein plus Ephedrin –
plötzlicher Herztod in der Famili- Akrinor)
enanamnese
5 weist insbesondere bei bradyar- Â Dosierung
rhythmisch bedingten Synkopen Akrinor:
infolge Sinusarrest oder AV-Block z 10 mg Theodrenalin plus 200 mg Cafedrin
eine begrenzte Sensitivität auf in 1 Amp. (1 ml)
z 1 Amp. in 9 ml NaCl 0,9 % verdünnen
Differenzialdiagnostik (1 : 10)
z Synkope mit Bewusstseinsstörung: z Applikation: langsam i. v., titrierend nach
5 metabolisch: Hypoglykämie, Blutdruck
Hyperventilation
5 neurologisch: Epilepsien, Migräne z Gegebenenfalls i. v. Gabe von Antie-
(Basilarismigräne), zerebraler metika: z. B. Metoclopramid (Pasper-
Insult tin), Dimenhydrinat (Vomex A)
132 Kapitel 9 · Hypotone Kreislaufdysregulation und Synkope

Präventive Dauermaßnahmen 5 SSRI: Fluoxetin (Fluctin; 20 mg/


Allgemeine Maßnahmen Tag), Paroxetin (Paroxat; 20 mg/
z Aufklärung des Patienten Tag)
z Vermeiden von Auslösesituationen 5 Ergotamin: Dihydroergotamin
z Umstellung der antihypertensiven (Dihytamin; 3-mal 1–3 mg/Tag)
Therapie 5 evtl. Erythropoetin (bei Versagen
z Mechanische Manöver bei Einset- der anderen Medikamente)
zen von Prodromi (isometrische
Bein- und Armkontraktionsma- Besonderheiten
növer): Hinlegen, »hand grip« z Karotissinussynkope: Implantation
und Unterarmmuskelanspannung, eines sequenziellen Schrittmacher-
gegensinniger Unterarmzug mit systems
verschränkten Händen (Jendrassik- z Rhythmogene Synkope: ggf. Schritt-
Handgriff), Beine überkreuzen, macher- oder ICD-Implantation
Anspannen von Bein-, Gesäß- und z Kardioinhibitorische Synkope: ggf.
Bauchmuskulatur Schrittmacherimplantation
z Ausreichende Kochsalz- und Flüs-
sigkeitszufuhr (Cave: Herzinsuffizi-
enz)
z Schlafen in 20°-Oberkörperhochlage-
rung
z Langsames Aufstehen nach Bettruhe
z Hockstellung oder Überkreuzen der
Beine
z Kompressionsstrümpfe
z Stehtraining (Tilttraining; Tilt:
Neigung): 2-mal täglich bis zu 40-
minütiges schräges Anlehnen an eine
Wand, dabei Fersen etwa 20 cm von
der Wand entfernt (Wandkontakt nur
mit den Schultern)

Medikamentöse Begleittherapie
z Nicht gesicherte Medikamente: Diso-
pyramid, Etilefrin, Verapamil, Scopo-
lamin, Theophyllin
z Keine generelle Empfehlung:
5 Mineralokortikoid: 9-Fludrocorti-
son (Astonin H; 0,1–0,3 mg/Tag)
5 α-Adrenoagonist: Midodrin (Gut-
ron; 2- bis 3-mal 2,5 mg/Tag)
5 selektiver β-Blocker: Metoprolol
(Beloc-Zok; 47,5–100 mg/Tag;
Wirksamkeit konnte in der POST-
Studie nicht bestätigt werden)
10.1 · Arterielle Hypertonie 133 10.1

> Arterielle Hypertonie und


hypertensiver Notfall

10.1 Arterielle Hypertonie z Position der Manschette in Herzhöhe


z Adäquate Manschettenbreite:
H.-M. Steffen 5 Standard: 12–13 cm × 24 cm
5 bei Oberarmumfang von ≥33 cm:
Definition 15 cm × 30 cm
z Arterielle Hypertonie: nach interna- 5 bei Oberarmumfang von ≥41 cm:
tionalen Leitlinien liegt eine arteri- 18 cm × 36 cm
elle Hypertonie dann vor, wenn im z Aufpumpen bis 20–30 mmHg über
Erwachsenenalter bei mindestens den Wert bei tastbar peripherer Puls-
2 Arztbesuchen an verschiedenen losigkeit
Tagen mit adäquater Technik unter z Ablassgeschwindigkeit: 2–3 mmHg/s
Ruhebedingungen und mit der pas- bzw. Herzschlag
senden Manschette ein Blutdruck von z Ablesen bis auf 2 mmHg genau
systolisch ≥140 mmHg und/oder dia- z Erstes Auftreten (Phase 1) des Korot-
stolisch ≥90 mmHg als Mittelwert aus koff-Geräusches: systolischer Blutdruck
jeweils 2 Messungen bestimmt wurde z Verschwinden (Phase 5) des Korotkoff-
z Maligne oder akzelerierte Hypertonie Geräusches: diastolischer Blutdruck
5 heute sehr selten (bei Kindern und Schwangeren be-
5 Kennzeichen: z diastolischer reits beim deutlichen Leiserwerden
Blutdruck: >120–130 mmHg (Phase 4) des Korotkoff-Geräusches,
z rasch fortschreitende Nieren- falls bis 0 mmHg hörbar)
insuffizienz (maligne Nephro-
sklerose, Arteriolonekrose mit Allgemeines
zwiebelschalenartiger produktiver z Prävalenz: etwa 30–40 % in der All-
Endarteriitis Fahr) z hyperten- gemeinbevölkerung, altersabhängige
sive Enzephalopathie z Fundus Zunahme (etwa 60 % der 60-Jährigen)
hypertonicus malignus (bilaterales z Risikofaktor für atherosklerotische
Papillenödem und/oder retinale Erkrankungen (zerebral, koronar,
Blutungen) z aufgehobener Tag- peripher) sowie für chronische Herz-
Nacht-Rhythmus (Non-Dipper) und Niereninsuffizienz
z Kein biologisch plausibler Schwellen-
> Grundregeln für eine valide Blut- wert bis hinab zu Blutdruckwerten
druckmessung von 115/75 mmHg
z Messung in sitzender Position nach z Mortalität: Verdopplung der zerebro-
5-minütiger Ruhephase vaskulären und koronaren Mortalität
134 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

in allen Altersgruppen pro 20 mmHg druckerkrankung mit Anstieg von HF


systolischer oder 10 mmHg diastoli- und HMV sowie SVR
scher Blutdrucksteigerung z Hyperaldosteronismus: v. a. in der
z Isolierte systolische Hypertonie: do- normokaliämischen Variante; nach
minierende Hochdruckform in einem neueren Untersuchungen häufiger als
Alter von >60 Jahren mit systolischer früher angenommen
Hypertonie bei normalen diastoli- z Kochsalzzufuhr und erhöhte Salz-
schen Werten (hohe Pulsamplitude) sensitivität: wichtig bei begleitender
durch alterstypische Veränderung der Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus,
Gefäßwände (Verlust der Windkessel- Hypertonikern mit positiver Famili-
funktion); Risikofaktor für kardiovas- enanamnese und Afroamerikanern
kuläre Ereignisse z Familiäre Häufung: häufig polygene-
z Sekundäre Hypertonie: etwa 5 % nicht tischer Defekt → renale Wasser- und
vorselektionierter Hypertoniker in der Salzretention
allgemeinmedizinischen Praxis, un- z Bisher sind 4 salzsensitive monogene-
gefähr 10–15 % der Patienten in der tische Hypertonieformen aufgeklärt,
Klinikambulanz die jeweils mit Hypokaliämie und
z Primäre Hypertonie: Ausschluss ande- Alkalose einhergehen
rer Hochdruckursachen (eine aufwen-
dige Ausschlussdiagnostik ist nur bei Blutdruckmessung
entsprechendem Verdacht sinnvoll) z Gelegenheitsmessungen (⊡ Tab. 10.1):
Grundlage für die Kategorisierung
Ätiologie (nach dem jeweils höheren systoli-
z Ursachen der arteriellen Hypertonie: schen/diastolischen Wert)
5 primär: multifaktoriell z Messung bei der Erstuntersuchung:
5 sekundär: z renal: renoparen- an beiden Armen; Seitendifferenzen
chymatös (Glomerulonephritis, von >20 mmHg systolisch gelten als
chronische Pyelonephritis), pathologisch → weitere Abklärung:
renovaskulär (Atherosklerose, Aortenbogensyndrom einschließlich
fibromuskuläre Dysplasie) Aortenisthmusstenose, Marfan-
z endokrin: Phäochromozytom, Syndrom, Skalenussyndrom, Media-
Cushing-Syndrom, Conn-Syn- stinalerkrankungen, Lungentumoren,
drom, adrenogenitales Syndrom, Syringomyelie, Hemiplegie
Akromegalie, paraneoplastisch, z Messungen im Stehen: v. a. bei äl-
Hyperthyreose, reninproduzie- teren Patienten Ausschluss einer
render Tumor z Aortenisthmus- orthostatischen Dysregulation mit
stenose/Aortensklerose (Wind- Sturzgefahr
kesselhypertonie)
z Übergewicht (führende Ursache): > Während die Gelegenheitsblutdruck-
Sympathikusaktivierung, Volumen- messung das wichtigste Verfahren für
expansion bei gesteigerter renaler das Hypertonie-Screening darstellt, ist
Natriumrückresorption, periphere die ambulante 24-h-Messung hinsichtlich
Insulinresistenz Schweregradzuordnung und Einschät-
z Erhöhter Symathikotonus: insbeson- zung des individuellen kardiovaskulären
dere in der Anfangsphase einer Hoch- Risikos überlegen.
10.1 · Arterielle Hypertonie 135 10.1
⊡ Tab. 10.1. Definition und Kategorien für die ambulante »Gelegenheitsmessung«

Joint National Committee, Report No. 7 ESH/ESC-Leitlinien (aus dem Jahre 2007) und
(aus dem Jahre 2003) Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga (aus
dem Jahre 2008)

Blutdruck- Systo- Diasto- Blutdruck- Systolischer Diastolischer


kategorie lischer lischer kategorie Blutdruck Blutdruck
Blutdruck Blutdruck [mmHg] [mmHg]
[mmHg] [mmHg]

Normal <120 <80 Optimal <120 <80

Prähyper- 120–139 80–89 Normal 120–129 80–84


tonie
Hochnormal 130–139 85–89

Hypertonie 140–159 90–99 Hypertonie 140–159 90–99


Stadium 1 Grad 1

Hypertonie ≥160 ≥100 Hypertonie 160–179 100–109


Stadium 2 Grad 2

Hypertonie ≥180 ≥110


Grad 3

Isolierte ≥140 <90


systolische
Hypertonie

z Ambulante 24-h-Blutdruckmessung: druck und Endorganschäden


5 Normwerte: ⊡ Tab. 10.2 z vorangegangene Nieren- oder
5 fehlender nächtlicher Blutdruck- Herztransplantation z Schlafap-
abfall: Hinweis auf sekundäre noesyndrom z krisenhafte
Hypertonie (Spezifität: etwa 70 %) Blutdrucksteigerungen z Hoch-
5 Identifizierung einer maskierten druckpatienten im Schichtdienst
Hypertonie (Hypertonie im Alltag, z Therapiekontrolle z Schwan-
aber Praxisnormotonie; Prävalenz: gerschaftshypertonie
etwa 20 %) oder einer Praxis- bzw. z Blutdruckselbstmessung:
Weißkittelhypertonie (Praxishy- 5 Normwerte: ⊡ Tab. 10.2
pertonie, aber Normotonie im 5 Alternative zur ambulanten Blut-
Alltag; Prävalenz: ungefähr 25 %) druckmessung (nach Anleitung
bei Nachweis typischer Endorgan- und Schulung)
schäden: Indikation zur medika- 5 Diagnosesicherung einer mani-
mentösen Behandlung festen Hypertonie: Blutdruck-
5 Weitere Indikationen: z Diskre- selbstmessung 2-mal täglich für
panz zwischen Gelegenheitsblut- mindestens 1 Woche
136 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

5 Nachteil: keine Information über Klinik


nächtliche Blutdruckwerte z Unspezifische Symptome: Nasenblu-
5 Selbstmessungen verbessern die ten, Schwindel, Kopfschmerzen – je-
Therapieadhärenz und haben weils bei Hypertonikern häufiger
eine dem Tagesmittelwert der z Weitere Symptome: Dyspnoe, Tinni-
ambulanten Blutdruckmessung tus, Sehstörungen, Angina pectoris,
vergleichbare prognostische Be- Palpitationen – Ausdruck bereits
deutung eingetretener Endorganschäden oder
5 Stellenwert für die dauerhafte manifester kardiovaskulärer Erkran-
Blutdruckkontrolle und die Ver- kungen
meidung von Endorganschäden
bzw. kardiovaskulären Ereignissen > Die Prognose und Gefährdung
nicht abschließend geklärt eines Hochdruckpatienten ergibt sich
z Blutdruckmessungen unter Belas- nicht nur aus der Höhe des Blutdrucks,
tung/Ergometrie: sondern auch aus den begleitenden
5 Normwerte: ⊡ Tab. 10.2 Risikofaktoren und/oder bereits einge-
5 nicht als Routineuntersuchung tretenen Endorganschäden, d. h. eine
empfohlen Behandlungsindikation besteht z. B.
5 prognostische Bedeutung in Hin- beim diabetischen oder niereninsuffizi-
blick auf kardiovaskuläre Kompli- enten Patienten bereits bei hochnorma-
kationen len Werten.

⊡ Tab. 10.2. Normwerte für Selbstmessung, ambulante 24-h-Messung und Ergometrie

Art der Messung Blutdruck- Systolischer Blutdruck Diastolischer Blut-


kategorie [mmHg] druck [mmHg]

Selbstmessung Normal <135 <85

Ambulante 24-h- Normal <135 <85


Messung, Tages-
mittelwert Hypertonie 135–146 85–89
Grad 1

Hypertonie 147–156 90–95


Grad 2

Hypertonie ≥157 ≥96


Grad 3

Nachtmittelwert Normal <120 <75

24-h-Mittelwert Normal <130 <80

Ergometrie (Alter Normal <200 <100


von 20–50 Jahren,
100 Watt)
10.1 · Arterielle Hypertonie 137 10.1
> Ungewöhnliches Manifestations- 5 neurologisch: apoplektischer
alter (<30 oder >60 Jahre), plötzlich auf- Insult, Hirntumor, Schädel-Hirn-
getretener, schwerer (>180/110 mmHg) Trauma, Meningitis/Enzephalitis,
und v. a. maligner Hochdruck, Wieder- Querschnittslähmung, Polyradiku-
anstieg des Blutdrucks nach langer litis
guter Einstellung und resistente Hyper- 5 psychogen: akuter Stress, akute
tonie (≥3 Antihypertensiva unter Ein- Schmerzen, Alkohol-/Drogenent-
schluss eines Diuretikums) erhöhen die zug, Hypoglykämie, perioperative
Wahrscheinlichkeit einer sekundären Situation
Hypertonie. 5 andere Ursachen: Karzinoidsyn-
drom, Hyperviskositätssyndrom,
Diagnostik Polycythaemia vera, akute Por-
Anamnese phyrie, Sichelzellkrise, Schwer-
z Eigen- und Familienanamnese metallintoxikation
5 Hochdruck bei Eltern, Großeltern z Abklärung einer möglichen sekun-
und Geschwistern dären Hypertonie:
5 kardiovaskulär: z. B. Herzinfarkt, 5 Analgetikaabusus, Ödeme, Hä-
Herzinsuffizienz maturie → renoparenchymatöse
5 zerebrovaskulär: z. B. Schlaganfall, Hypertonie
TIA 5 rezidivierendes nichtkardiales
5 renal: z. B. Zystennieren, Nieren- Lungenödem, Kreatininspie-
insuffizienz, Dialyse, Transplanta- gelanstieg um >25 % nach ACE-
tion (renale Hypertonie) Hemmer/AT1-Rezeptor-Blocker
5 metabolisch: z. B. Diabetes mel- → renovaskuläre Hypertonie
litus, Gicht, Dyslipoproteinämie, 5 Polydipsie, Polyurie, Muskel-
Adipositas schwäche, Parästhesien, Paresen
5 Raucherstatus (»pack years«) → Hyperaldosteronismus
5 Arbeitsplatzbelastungen (Wechsel- 5 Familienanamnese positiv für
schicht oder Lärm) MEN Typ 2, Neurofibromatose,
z Medikamente/Genussmittel: bereits von-Hippel-Lindau-Erkrankung
verordnete Antihypertensiva, Unver- oder hereditäre Paragangliome
träglichkeiten, Ovulationshemmer, sowie hypertensive Krisen mit
Sympathomimetika, Glukokorti- schweren Kopfschmerzen, profu-
koide, Erythropoetin, Cyclosporin, sem Schwitzen, Palpitationen, Ge-
Tacrolimus, NSAR, Terlipressin, sichtsblässe oder Gewichtsverlust,
Ergotaminpräparate, MAO-Hemmer, Blutdruckanstieg nach Gabe von
Appetitzügler, abruptes Absetzen von β-Blockern → Phäochromozytom/
Clonidin, Kokain, Amphetamine, Paragangliom
Anabolika, Alkohol, Lakritze 5 Herzrasen, Dyspnoe, Schwitzen,
z Ursachen einer temporären Blut- Wärmeintoleranz, innere Unruhe,
drucksteigerung: Gewichtsverlust, Diarrhö → Hy-
5 kardiovaskulär: Aortenklappenin- perthyreose
suffizienz, Syndrom des hyperkine- 5 Gewichtszunahme, Müdigkeit,
tischen Herzens, totaler AV-Block, Antriebsarmut, Kälteintoleranz,
AV-Fistel, offener Ductus Botalli Obstipation → Hypothyreose
138 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

5 Verlangsamung, Polyurie, Polydip- Rasselgeräusche, Dyspnoe, Nykturie,


sie, Übelkeit, Erbrechen → Hyper- motorische oder sensorische Defekte,
parathyreoidismus pathologischer Pulsstatus, Claudicatio
5 Karpaltunnelsyndrom, Hyper- intermittens, Strömungsgeräusche
hydrosis, Sehstörungen → Akro- über den Karotiden
megalie z Erfassung von Bauchumfang, BMI
5 Tagesschläfrigkeit, morgendlicher und Knöchel-Arm-Index ( Kap. 12)
Kopfschmerz, Schnarchen →
Schlafapnoesyndrom Labordiagnostik
z Blut:
Körperliche Untersuchung 5 Blutbild, Kaliumspiegel, Nüch-
z Abklärung möglicher sekundärer ternblutzuckerwert, Gesamt- und
Hypertonieformen: HDL-Cholesterin-Konzentration,
5 Aortenisthmusstenose → Blut- Triglyzeridwert, Harnsäure- und
druckdifferenz an den Armen Kreatininspiegel, GFR nach
von >20 mmHg, schwache Leis- MDRD- oder Kreatinin-Clearance
tenpulse, Blutdruck an den Bei- nach Cockroft-Gault-Formel
nen geringer als an den Armen, 5 empfohlene Erweiterung: Kalzi-
spätsystolisches spindelförmiges umspiegel, oGTT bei Nüchtern-
Geräusch über 2. Herzton hinaus glukosewert von >100 mg/dl,
im Aortenareal und am Rücken, LDL-Cholesterin-Spiegel, Harn-
Strömungsgeräusche interkostal stoffkonzentration, hsCRP-Wert
5 Hyperthyreose → warme Haut, z Urin:
Ruhetachykardie, Tachyarrhyth- 5 Stix- und Sedimentuntersuchung
mia absoluta, Exophthalmus, Tre- 5 empfohlene Erweiterung: Unter-
mor suchung auf Mikroalbuminurie
5 Phäochromozytom/Paragangliom (Albuminausscheidung von
→ multiple Fibrome, »Café-au- 30–300 mg/Tag) und Protein im
lait«-Flecken, schwere Retinopa- 24-h-Sammelurin
thie z Ruhe-EKG
5 Cushing-Syndrom → Stammfett- 5 Gehört zum Basisprogramm
sucht, Stiernacken, Mondgesicht, 5 Ausschluss eines akuten Koronar-
Hautatrophie, Striae distensae, syndroms
Ekchymosen, Akne, Hirsutismus 5 Hypertrophiezeichen: z. B. posi-
5 renovaskuläre Hypertonie → Strö- tiver Sokolow-Lyon-Index (Sen-
mungsgeräusch mit deutlichem sitivität: 11 %), Cornell-Produkt
diastolischen Anteil periumbilikal (Sensitivität: 37 %); prognostisch
oder über den Flanken ungünstig bei zusätzlichen End-
5 renoparenchymatöse Hypertonie streckenveränderungen
→ Unterschenkelödeme, Lid- 5 TU-Verschmelzungswelle bei Hy-
ödeme, palpable Zystennieren pokaliämie
z Hinweise auf Folge- und Begleit- 5 Absolute Arrhythmie bei Vorhof-
erkrankungen: Halsvenenstauung, flimmern (typische Rhythmusstö-
verlagerter Herzspitzenstoß, Galopp- rung des Hochdruckherzens, u. a.
rhythmus, Hepatomegalie, pulmonale auch bei Hyperthyreose)
10.1 · Arterielle Hypertonie 139 10.1
Bildgebende Verfahren 5 Fehlende nächtliche Blutdruckab-
z Empfohlene Diagnostik in Ergänzung senkung bei der ambulanten Blut-
zum Basisprogramm druckmessung
z Abdomensonographie: z Diagnostik renaler Hypertonieformen
5 Beurteilung der Nieren hinsicht- 5 Renoparenchymatöse Hypertonie:
lich Größendifferenz (>1,5 cm → z Immunologische (z. B. Auto-
Nierenarterienstenose), Schrumpf- antikörperdiagnostik bei Lupus-
nieren (→ renoparenchymatöse nephritis oder Vaskulitiden) und
Hypertonie) und Nebennierenre- nephrologische Abklärung mit
gion (Inzidentalom vs. endokrin Nierenbiopsie
aktiver Tumor) z Renovaskuläre Hypertonie (fibromus-
5 Bauchaortenaneurysma bzw. allge- kuläre Dysplasie [junge Frauen] und
meine Zeichen der Atherosklerose atherosklerotische Stenose [häufig])
z Echokardiographie: 5 Duplexsonographie: stark unter-
5 Ausschluss von Vitien und seg- sucherabhängig
mentaler Wandbewegungsstörung 5 MRT- oder CT-Angiographie:
(Hinweis auf abgelaufenen Myo- hoher diagnostischer Wert im
kardinfarkt) Vergleich zum Goldstandard (i. a.
5 Größe des linken Vorhofs DSA, u. a. im Rahmen einer Herz-
5 Beurteilung der Myokardhypertro- katheteruntersuchung)
phie sowie der diastolischen und z Diagnostik endokriner Hypertonie-
systolischen Funktion des linken formen:
Ventrikels 5 erst Nachweis der veränderten
z Karotissonographie: Bestimmung der Hormonsekretion, dann bildge-
Intima-Media-Dicke, ggf. Nachweis bende Lokalisationsdiagnostik
von Gefäßplaques 5 Normokaliämie: spricht nicht ge-
z Farbduplexsonographie: Nierenarte- gen einen Hyperaldosteronismus
rien 5 Dauerhypertonie: spricht nicht
z Fundusskopie: Augenhintergrund- gegen ein Phäochromozytom
veränderungen bei Hypertonie Grad 3 5 primärer Hyperaldosteronismus:
(Fundus hypertonicus) z Bestimmung von Serumaldo-
steronspiegel und Plasmarenin-
Spezielle Diagnostik bei Verdacht auf aktivität (Blut morgens im Sitzen
sekundäre Hypertonie abnehmen) mit Bildung des
z Indikationen: Aldosteron-Renin-Quotienten
5 Initial ausgeprägte Hypertonie als Suchtest (vorheriges Absetzen
(Grad 3) von Aldosteronantagonisten wie
5 Blutdruckkrisen Spironolacton über mindestens
5 Therapieresistenz trotz Kombina- 4 Wochen, möglichst Verzicht
tionstherapie auf β-Blocker) z ein positiver
5 Manifestationsalter von <30 oder Screening-Befund muss durch
>60 Jahren einen Bestätigungstest abgesi-
5 Hinweise aus Anamnese/Befunden chert werden, z. B. fehlende Sup-
der körperlichen Untersuchung pression des Aldosteronspiegels
bzw. des Basisprogramms nach Infusion von 2 l isotoner
140 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

Kochsalzlösung über 4 h oder renzierung zwischen Adenom und


nach 3-tägiger oraler Gabe von Karzinom)
3-mal 2 g NaCl/Tag 5 Cushing-Syndrom (Hyperkortiso-
lismus): z Suchtest: Bestimmung
! Bei der Interpretation des Aldosteron- der Kortisolkonzentration im
Renin-Quotienten müssen die jeweils 24-h-Sammelurin (Referenzwert:
assayspezifischen »Cut-off«-Werte be- 10–80 μg/24 h) z Bestätigungs-
rücksichtigt werden. test: Dexamethasonhemmtest, der
die autonome Kortisolproduktion
z Differenzierung zwischen Hy- beweist (Kortisolspiegelabfall bei
perplasie (keine Operationsindika- Gabe von 1 mg Dexamethason nur
tion) und Adenom (Operationsin- beim zentralen Cushing-Syndrom;
dikation): Dünnschicht-CT/MRT, evtl. Testwiederholung mit höherer
ggf. seitengetrennte Nebennieren- Dosis) z ACTH-Spiegel-Bestim-
venenblutentnahme (Aldosteron-, mung und CRH-Test im Rahmen
Kortisolkonzentration) der erweiterten endokrinologi-
5 monogenetische Formen der schen Diagnostik z bildgebende
Mineralokortikoidhypertonie (sel- Lokalisationsdiagnostik: CT/MRT
ten): Hypokaliämie, Natrium- und 5 Akromegalie: z Konzentrations-
Wasserretention, metabolische bestimmung von IGF-1 und GH
Alkalose, supprimiertes Renin im Rahmen eines oGTT (keine
5 Phäochromozytom: z Suchtest GH-Suppression) z MRT des
(hohe Sensitivität): Konzentra- Schädels
tionsbestimmung von Katecho- 5 Primärer Hyperparathyreoidismus:
laminen und Nor-/Metanephrin z Kalzium- (Hyperkalzämie) und
(Plasma oder angesäuerter 24-h- Parathormonspiegel z Sonogra-
Urin); β-Blocker absetzen (kontra- phie, MRT
indiziert; bei dringendem Verdacht 5 Hyper- und Hypothyreose: z kli-
α-Blocker bis zur Klärung), Kal- nische Symptomatik z TSH-,
ziumantagonisten, Diuretika und T3- und T4-Spiegel z Schilddrü-
ACE-Hemmer sind erlaubt z Be- sensonographie und -szinigraphie
stätigungstest: Clonidinhemmtest z Schlafapnoesyndrom:
bei unklaren/grenzwertigen 5  Kap. 37
Befunden, Suppressionstest mit 5 ambulantes Apnoe-Screening bei
Bestimmung der Plasmakatechol- Risikopatienten mit typischer
aminwerte vor und 3 h nach Gabe Anamnese, ggf. Polysomnographie
von 300 μg Clonidin p. o.
Risikostratifizierung
! Die jeweils assayspezifischen Grenz-
werte müssen berücksichtigt werden.
Prognosebestimmende Faktoren für die
Risikostratifizierung
z bildgebende Lokalisationsdiag-
nostik: Metajodobenzylguanidins- z Risikofaktoren:
zinitgraphie (höchste Spezifität), 5 Schweregrad der Hypertonie
MRT (höchste Sensitivität, Diffe- 5 Pulsdruck bei Älteren
10.1 · Arterielle Hypertonie 141 10.1
5 Alter: z Männer: >55 Jahre z Manifeste kardiovaskuläre oder
z Frauen: >65 Jahre renale Erkrankung:
5 Rauchen 5 zerebrovaskuläre Erkrankungen:
5 Dyslipoproteinämie ischämischer Schlaganfall, zerebrale
5 Cholesterinspiegel von >190 mg/dl Blutung, TIA
5 LDL-Cholesterin-Wert von >115 mg/dl 5 kardiale Erkrankungen: Angina pecto-
5 HDL-Cholesterin-Wert: z Männer: ris, Myokardinfarkt, koronare Revasku-
<40 mg/dl z Frauen: <50 mg/dl larisation, Herzinsuffizienz
5 Triglyzeridkonzentration von 5 Nierenerkrankung: diabetische
≥150 mg/dl Nephropathie, Niereninsuffizienz
5 Nüchternblutzuckerspiegel von (Kreatininwert von >1,5 mg/dl bei
≥100 mg/dl Männern und von >1,4 mg/dl bei
5 pathologischer oGTT Frauen), Proteinurie von >300 mg/24 h
5 abdominelle Adipositas 5 periphere AVK
5 Bauchumfang: 5 fortgeschrittene Retinopathie:
z Männer: ≥102 cm Hämorrhagie, Exsudate, Papillenödem
z Frauen:≥88 cm z Diabetes mellitus:
5 positive Familienanamnese: 5 Nüchternblutzuckerspiegel von
z Männer: kardiovaskuläre Er- ≥126 mg/dl
krankung vor dem 55. Lebensjahr 5 2-h-Wert beim oGTT von ≥200 mg/dl
z Frauen: kardiovaskuläre Erkrankung
vor dem 65. Lebensjahr Ein metabolisches Syndrom liegt vor,
z Endorganschäden: wenn 3 der 5 folgenden Risikofaktoren vor-
5 Linksherzhypertrophie (EKG: SV1 + RV5); handen sind:
Sokolow-Lyon-Index: ≥3,5 mV; Cor- z abdominelle Adipositas
nell-Produkt1: >2440 mm × ms z Nüchternblutzuckerspiegel von
5 linksventrikulärer Muskelmasseindex 100–125 mg/dl
(Echokardiographie): z Blutdruck von ≥130/85 mmHg
z Männer: ≥125 g/m2 KOF z niedriger HDL-Cholesterin-Wert
z Frauen: ≥110 g/m2 KOF (Grenzwerte wie oben angegeben)
5 Intima-Media-Dicke von >0,9 mm z erhöhte Triglyzeridkonzentration
oder Plaque (Grenzwerte wie oben angegeben)
5 Knöchel-Arm-Index von <0,9 1 Cornell-Produkt:
5 Kreatininspiegelerhöhung:
z Männer: 1,3–1,5 mg/dl z Männer: (R in aVL + S in V3 [mm]) × QRS-
Dauer [ms]
z Frauen: 1,2–1,4 mg/dl
5 GFR von <60 ml/min/1,73m2 KOF z Frauen: (R in aVL + S in V3 + 6 [mm]) × QRS-
Dauer [ms]
(MDRD)
5 Kreatinin-Clearance von <60 ml/min
(Cockroft-Gault)
5 Mikroalbuminurie von 30– Therapie
300 mg/24 h Allgemeines
5 Albumin-Kreatinin-Ratio: z Ziel: »individualisierte Hochdruck-
z Männer: ≥22 mg/g Kreatinin therapie«, d. h. Risikostratifizierung
z Frauen: ≥31 mg/g Kreatinin (⊡ Abb. 10.1), Festlegung des Zielblut-
142 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

drucks und eine den Begleitumstän- z Medikamentöse Blutdrucksenkung:


den entsprechende Auswahl eines bei hohem oder sehr hohem Risiko-
Antihypertensivums profil (⊡ Abb. 10.1)
z Echte Therapieresistenz: selten
> Empfohlener Zielblutdruck: (2–5 %); häufiger: fehlerhafte Blut-
z Generell: <140/90 mmHg druckmessung (zu schmale Man-
z Bei Diabetes mellitus, manifester schette), ungeeignete und/oder
kardiovaskulärer oder renaler Erkran- unterdosierte Kombinationstherapie,
kung oder metabolischem Syndrom: Interaktion mit Alkohol oder Me-
<130/80 mmHg dikamenten (NSAR), chronische
z Bei Proteinurie (>1 g/Tag): Schmerzzustände, Non-Compliance
<125/75 mmHg des Patienten oder Pseudohypertonie
(mangelnde Komprimierbarkeit der
z Raucherentwöhnung: Senkung des Gefäße bei ausgeprägter Mediaver-
kardiovaskulären Risikos; Beratung kalkung; positives Osler-Zeichen:
hinsichtlich Lebensstiländerungen tastbare, pulslose A. radialis auch bei
z Nichtmedikamentöse Therapie- hohem Manschettendruck)
maßnahmen über mehrere Monate
(Grad 1) oder mehrere Wochen Medikamentöse Therapie
(Grad 2), wenn keinen weiteren kar- z ⊡ Tab. 10.4
diovaskulären Risikofaktoren (eher die z Antihypertensiva der 1. Wahl: Diure-
Ausnahme) oder Zeichen einer Endor- tika, β-Blocker, Kalziumantagonisten,
ganschädigung vorliegen (⊡ Tab. 10.3) ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten

Normal Hochnormal Grad 1 Grad 2 Grad 3


Systolicher Blutdruck [mmHg] 120–129 130–139 140–159 160–179 ≥180
oder oder oder oder oder
Diastolischer Blutdruck [mmHg] 80–84 85–89 90–99 100–109 ≥110

Keine anderen durch- durch- Niedriges Mittleres Hohes


I schnittliches schnittliches
Risikofaktoren Risiko Risiko Risiko
Risiko Risiko

II 1–2 Risikofaktoren Niedriges Niedriges Mittleres Mittleres Sehr hohes


Risiko Risiko Risiko Risiko Risiko
≥3 Risikofaktoren oder metabo-
III lisches Syndrom oder Diabetes Mittleres Hohes Hohes Hohes Sehr hohes
mellitus oder Endorganschäden Risiko Risiko Risiko Risiko Risiko

Kardiovaskuläre oder Hohes Sehr hohes Sehr hohes Sehr hohes Sehr hohes
IV
renale Erkrankung Risiko Risiko Risiko Risiko Risiko

Kardiovaskuläres Risiko pro


10 Jahre (Framingham) <15 % 15–20 % 20–30 % >30 %

Risiko für kardiovaskulären


Tod (SCORE) <4 % 4–5 % 5–8 % >8 %

⊡ Abb. 10.1. Risikostratifizierung bei arterieller Hypertonie


10.1 · Arterielle Hypertonie 143 10.1
⊡ Tab. 10.3. Mittels nichtmedikamentöser Maßnahmen erreichbare systolische Blutdruck-
absenkung

Lebensstiländerung Empfehlung Mittlere Senkung des systo-


lischen Blutdrucks [mmHg]

Gewichtsreduktion Ziel-BMI: 18,5–24,9 kg/m2 5–20 /10 kg Gewichtsabnahme

DASH-Diät Fettreduziert, Obst, Gemüse, 8–14


fettarme Milchprodukte

Kochsalzreduktion ≤6 g/Tag 2–8

Körperliche Aktivität 3- bis 4-mal/Woche für jeweils 4–9


30 min, z. B. strammes Gehen

Einschränkung des  Männer: ≤30 g/Tag 2–4


Alkoholkonsums  Frauen: ≤15 g/Tag

DASH »dietary approaches to stop hypertension«

(Pentagramm der Therapie der arteri- 5 für die neueren β-Blocker wie
ellen Hypertonie) Carvedilol, Celiprolol und Ne-
z Aliskiren: derzeit einziger oral appli- bivolol liegen für die Indikation
zierbarer direkter Renin-Inhibitor, »arterielle Hypertonie« keine End-
gut verträgliche Alternative zu AT1- punktstudien vor
Antagonsiten und ACE-Hemmern, z Die volle Wirkung der Antihyperten-
allerdings fehlen Langzeitstudien mit siva wird in der Regel innerhalb von
harten Endpunkten 2–6 Wochen erreicht
z Weitere Antihypertensiva als Kombi- z Erhöhung der Zuverlässigkeit der Me-
nationspartner: zentrale Antisympa- dikamenteneinnahme: vorzugsweise
thotonika, postsynaptische α1-Blocker, Anwendung von Antihypertensiva mit
α-Methyldopa (bei Schwangerschafts- Einmalgabe und gesicherter Wirkung
hypertonie), Dihydralazin, Minoxidil über 24 h sowie Verwendung von Fix-
z AT1-Antagonisten und kombinationen
ACE-Hemmer: z Primäre Kombinationstherapie:
5 bei hohem kardiovaskulärem bei Blutdruckwerten von systolisch
Risiko gleich gut wirksam >20 mmHg oder diastolisch >10 mmHg
5 niedrigere Nebenwirkungsrate der über dem Zielblutdruck, bei hohem
AT1-Antagonisten oder sehr hohem Risiko oder bei nied-
5 Kombination: keine zusätzlichen rigem Zielblutdruck, z. B. Kombina-
Effekte, jedoch mehr Nebenwir- tion aus ACE-Hemmer und Kalzium-
kungen (Nierenschäden) antagonist → bei Hochrisikopatienten
z β-Blocker: signifikante Mortalitätssenkung im
5 ohne zusätzliche Indikation wegen Vergleich zur Kombination aus ACE-
einer Begleiterkrankung als Mittel Hemmer und Hydrochlorothiazid
der 1. Wahl umstritten (gilt v. a. z Ausnutzung zusätzlicher Effekte:
für Atenolol) z. B. Osteoporoseprophylaxe durch
144 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

verminderte renale Kalziumexkretion 5 Statine: bei manifesten kardiovas-


unter Thiaziddiuretika kulären Erkrankungen (Ziel-LDL-
z Zusatzmedikation: Wert von <100 mg/dl bei hohem
5 ASS: bei gut eingestelltem Blut- oder sehr hohem Risiko)
druck und hohem oder sehr ho- z Auch Patienten über 80 Jahren pro-
hem kardiovaskulären Risiko (z. B. fitieren von einer antihypertensiven
manifeste KHK) Therapie

⊡ Tab. 10.4. Differenzialtherapeutische Überlegungen der medikamentösen Hypertonie-


therapie

Substanzklasse Vorteile/bevorzugt einsetzen bei Nachteile/nicht einsetzen bei

Diuretika  Herzinsuffizienz  Hypokaliämie


(Thiazide)  Isolierter systolischer  Hohem Harnsäurespiegel/Gicht
Hypertonie  Non-Compliance
 Niedriger Preis  Metabolisches Risiko

β-Blocker  Vorangegangenem Myokard-  Obstruktiven Ventilationsstö-


infarkt rungen (besonders Asthma
 KHK bronchiale)
 Herzinsuffzienz  Bradykardie
 Arrhythmien  Metabolisches Risiko
 Geringe Schlaganfallprotektion

Kalzium-  Isolierter systolischer  AV-Blockierungen


antagonisten Hypertonie (Nichtdihydropyridine)
 Stabiler KHK  Ödemen (Dihydropyridine)
 Herzinsuffizienz
(Nichtdihydropyridine)
 Akutem Myokardinfarkt
(in den ersten 4 Wochen)

ACE-Hemmer  Herzinsuffizienz  Schwangerschaft


(»First-line«-Therapie)  Hyperkaliämie
 Vorangegangenem  Beidseitiger Nierenarterien-
Myokardinfarkt stenose
 Nephropathie
 Hohem kardiovaskulären Risiko

AT1-  Nephropathie (besonders bei  Schwangerschaft


Antagonisten Diabetes mellitus Typ 2)  Hyperkaliämie
 Herzinsuffizienz  Beidseitiger Nierenarterien-
 Vorangegangenem Myokard- stenose
infarkt  Hoher Preis
 Hohem kardiovaskuären Risiko
 Gute Verträglichkeit/Comp-
liance
10.2 · Hypertensives Notfallgeschehen 145 10.2
hender Hypertonie, Nierenerkrankung
Empfehlungen für bestimmte oder Diabetes mellitus mit Werten von
Patientengruppen ≥140/90 mmHg
z Ältere Patienten (≥60 Jahre): Diuretika und 5 Mittel der 1. Wahl: α-Methyldopa,
Kalziumantagonisten bei isolierter systoli- Labetolol, Nifedipin, evtl. selektive
scher Hypertonie besonders gut wirksam, β1-Blocker
langsame Dosissteigerung, Blutdruckmes-
sung immer auch im Stehen
z Patienten mit Diabetes mellitus: Bevor- 10.2 Hypertensives
zugung von ACE-Hemmern bzw. AT1- Notfallgeschehen
Antagonisten, Therapiebeginn schon bei
hochnormalen Werten, Blutdruckmessung G. Michels
immer auch im Stehen
z Patienten mit metabolischem Syndrom: Definition
Bevorzugung von ACE-Hemmer bzw. AT1- z Erhöhung des systolischen Blutdrucks
Antagonisten und Kalziumantagonisten auf >230 mmHg und/oder des diastoli-
(metabolisch günstig bzw. neutral) schen Blutdrucks auf >130 mmHg (das
z Patienten mit Niereninsuffizienz: Bevorzu- hypertensive Notfallgeschehen ist nicht
gung von ACE-Hemmern bzw. AT1-Antago- an absolute Blutdruckhöchstwerte ge-
nisten; Schleifendiuretika bei Kreatininwer- bunden)
ten von ≥2 mg/dl z Unterscheidung:
z Patienten mit zerebrovaskulärer Erkran- 5 hypertensive Dringlichkeit ohne
kung: Bevorzugung von ACE-Hemmern Endorganschäden (früher: hyper-
bzw. AT1-Antagonisten, Therapiebeginn tensive Krise; 75 % der Fälle) →
schon bei hochnormalen Werten langsame Blutdruckabsenkung
z Patienten mit KHK: Bevorzugung von β-Blo- über 24 h unter peroraler antihy-
ckern und ACE-Hemmern bzw. AT1-Antago- pertensiver Therapie
nisten, insbesondere nach Myokardinfarkt 5 hypertensiver Notfall mit Endor-
z Patienten mit Herzinsuffizienz: Verbesse- ganschäden wie hypertensive En-
rung der Prognose durch ACE-Hemmer, zephalopathie, intrakranielle Blu-
AT1-Antagonisten und β-Blocker (Bisopro- tung (Apoplexie), retinale Blutung,
lol, Carvedilol, Metoprolol oder Nebivolol), akute Linksherzinsuffizienz, Lun-
Kombination in erster Linie mit Diuretika genödem, akutes Koronarsyndrom
und ggf. mit Aldosteronantagonisten oder Aortendissektion (25 % der
z Patienten mit Linksherzhypertrophie: Fälle) → i. v. Applikation von An-
Bevorzugung von ACE-Hemmern bzw. AT1- tihypertensiva (rasche Drucksen-
Antagonisten oder Kalziumantagonisten kung auf <180/110 mmHg, dann
(eigenständiger prognostischer Wert der innerhalb von 2–6 h Senkung auf
Hypertrophieregression über die Drucksen- Werte um 160/100 mmHg); Inten-
kung hinaus allerdings nicht belegt) sivüberwachung erforderlich
z Schwangere:
5 stationäre Einweisung und Überwa- Allgemeines
chung bei Werten von ≥170/110 mmHg z Betroffen sind 1 % aller Hypertoniker
5 ambulante Therapie bei Werten von z Aufgrund der hohen Prävalenz der
≥150/95 mmHg bzw. bei vorbeste- arteriellen Hypertonie treten hyper-
146 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

tensive Notfälle absolut gesehen bei 5 Ohrensausen


>25 % aller internistischen Patienten 5 Palpitationen
und in etwa 3 % aller Notfälle auf 5 Belastungsdyspnoe
5 Epistaxis
> Der absolute Blutdruckhöchstwert ist 5 Psychomotorische Agitiertheit
nicht derart ausschlaggebend wie zum z Additive Organmanifestationen:
einen das Maß (die Geschwindigkeit) des 5 zerebral: hypertensive Enzepha-
Blutdruckanstiegs und zum anderen das lopathie (Nausea, Vigilanz- und
klinische Gesamtbild. Sehstörungen, neurologische Aus-
fälle), ischämischer oder hämor-
Ätiologie rhagischer Insult (Stammganglien,
z Inadäquate Medikation: Non-Respon- Capsula interna, Thalamus)
der, Salzkonsum, Escape-Phänomen 5 kardial: akutes Koronarsyndrom,
im Rahmen der ACE-Hemmer-The- akute Linksherzinsuffizienz mit
rapie (kompensatorischer Anstieg der »hypertensivem Lungenödem«
Angiotensin-II-Konzentration über 5 vaskulär: Aortendissektion
die Aktivierung von ACE-unabhängi- (heftigste, in den Rücken aus-
gen »pathways«), Ko-Medikation mit strahlende Schmerzen), Retina-
COX-Hemmern blutungen (Sehstörungen), akutes
z Non-Compliance: Vergesslichkeit, Nierenversagen (rückläufige Urin-
Unwissenheit produktion)
z Rebound-Phänomen bei abruptem 5 Sonderfall: Gestationshypertonie
Absetzen der antihypertensiven The- im II.–III. Trimenon (Präeklamp-
rapie (Rebound-Hypertonie): z. B. bei sie, Eklampsie)
abruptem Absetzen von β-Blockern
kann es noch nach Wochen zu Diagnostik
einem krisenhaften Blutdruckan- > Beim hypertensiven Notfallgeschehen
stieg kommen (Up-Regulation von sollte möglichst zwischen dem Vorhan-
β-Rezeptoren) densein und dem Nichtvorhandensein
z Auslöser: verschiedene Triggerfak- von Komplikationen bzw. Endorganschä-
toren wie psychische Belastung oder den unterschieden werden (»emergency«/
Schmerzzustände »urgency«).
z Krisenhafte Blutdruckspitzen: Phäo-
chromozytom, renoparenchymatös/- z Anamnese: Vorerkrankungen (arte-
vaskulär, primärer Hyperaldostero- rielle Hypertonie, KHK, Apoplexie),
nismus, Drogen (LSD, Amphetamine, Medikamente (Antihypertensiva), Ni-
Kokain) kotin, Alkohol, Drogen (z. B. Kokain),
gastrointestinale Beschwerden beim
Klinik HELLP-Syndrom (Mutterpass)
z Warnsymptome des hypertensiven z Körperliche Untersuchung:
Notfallgeschehens: 5 Erhebung des kardiovaskulären,
5 Kopfschmerzen pulmonalen und neurologischen
5 Augenflimmern Status
5 Schwindel 5 Blutdruckmessung an beiden
5 Nausea Armen
10.2 · Hypertensives Notfallgeschehen 147 10.2
5 Abdomenpalpation/-auskultation 5 hypertensive Dringlichkeit: lang-
(Aortenaneurysma) same Blutdrucksenkung innerhalb
z EKG: Hypertrophie-/Ischämiezeichen, von 24–48 h durch perorale Appli-
Rhythmuskontrolle kation von Antihypertensiva
z Labordiagnostik: Elektrolyt-, Retenti-
ons- und Herzenzymwerte, ggf. Kreuz- ! Der häufigste Fehler bei der Behand-
blut bei Verdacht auf Aortendissektion lung des hypertensiven Notfallgesche-
z Bildgebung: CT des Thorax/Abdo- hens ist die zu rasche oder zu starke Blut-
mens mit Kontrastmittel bei Verdacht drucksenkung mit nachfolgender Organ-
auf Aortendissektion minderperfusion, die insbesondere beim
z Echokardiographie: TEE bei Verdacht akuten Hirninfarkt zu einer Progression
auf Aortendissektion der Hirnschädigung führen kann.

Differenzialdiagnostik Allgemeine Maßnahmen


z Maligne Hypertonie (diastolischer z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
Blutdruck von >120 mmHg) mit der Vitalfunktionen
hypertensiver Enzephalopathie und z Beruhigung des Patienten, ggf.
Fundus hypertonicus malignus Gabe von Sedativa (z. B. Diazepam
z Reaktive Blutdrucksteigerung: z. B. – Valium – i. v.)
Apoplexie, Kokainabusus, Cushing- z Oberkörperhochlagerung
Reflex bei intrakranieller Druck- z Oxygenierung: 2–6 l O2/min über
erhöhung (z. B. bei intrazerebralen Nasensonde
Blutungen: erhöhte Blutdruckwerte,
Cheyne-Stokes-Atmung, Bradykardie Therapie bei kardialen Endorgan-
und/oder Tachykardie zur Aufrechter- schäden (akutes Koronarsyndrom)
haltung der zerebralen Perfusion) z Antihypertensivum der Wahl: Gly-
z Hyperthyreose eroltrinitrat (Nitroglycerin; Spray,
Kapsel oder besser steuerbar als i. v.
> Ein hypertensiver Notfall mit zere- Perfusor) zur Senkung von Vor- und
braler Symptomatik imitiert nicht selten Nachlast sowie zur koronaren Vasodi-
einen akuten Schlaganfall. latation
z Beim hypertensiven Lungenödem ist
Therapie Urapidil (Ebrantil) eine Alternative zu
z Ziele: Nitroglycerin; additiv erweisen sich
5 hypertensiver Notfall (Endor- Diuretika (Furosemid – Lasix) und
ganschäden gelten als Therapie- β-Blocker (Metoprolol – Beloc) als
kriterium): Reduktion des MAP sinnvoll
um max. 20–25 % während der
ersten 30–120 min mittels i. v. Therapie bei vaskulären Endorgan-
Applikation von Antihypertensiva schäden (akute Aortendissektion,
(⊡ Tab. 10.5; Ziel: 160/100 mmHg akutes Aortensyndrom)
innerhalb der folgenden 2–6 h, z β-Blocker (Metoprolol – Beloc; meist
d. h. der MAP sollte beim hyper- hohe Dosen notwendig: bis zu 40 mg)
tensiven Notfall nicht auf »nor- und Vasodilatator (Urapidil – Ebrantil)
male« Werte gesenkt werden) in Kombination: Therapie der Wahl
148 Kapitel 10 · Arterielle Hypertonie und hypertensiver Notfall

⊡ Tab. 10.5. Übersicht über häufig i. v. angewandte Antihypertensiva

Substanz Wirkdauer Initial- Perfusor- Indikationen


dosierung dosierung

Furosemid 3–6 h 20–80 mg – Linksherzinsuffizienz


(Lasix) (nur Bolusgabe) mit Zeichen des Lun-
genödems

Urapidil 4–6 h 12,5–25 mg 5 mg/ml Zerebrovaskuläre


(Ebrantil) (250 mg/50 ml) Notfälle, akutes Koro-
narsyndrom

Glycerol- 15–30 min 0,5–1 mg 1 mg/ml Akutes Koronar-


trinitrat (50 mg/50 ml) syndrom, Linksherz-
(Nitroglycerin) insuffizienz

Metoprlol- 2–5 h 2,5–10 mg 1 mg/ml Akute Aorten-


tartrat (Beloc) (bis 40 mg) (50 mg/50 ml) dissektion

Clonidin 6–8 h 0,075 mg 24 μg/ml Zerebrovaskuläre


(Catapresan) (1,2 mg/50 ml) Notfälle, Entzugs-
symptomatik

Dihydralazin 6–8 h 6–12,5 mg 1,5 mg/ml Hypertensive


(Nepresol) (75 mg/50 ml) Schwangerschafts-
erkrankung
(Meist Kombination
mit Clonidin)

Natrium- 2–5 min 0,2–10 μg/ 1,2 mg/ml Akute Aorten-


nitroprussid kg KG/min (60 mg/50 ml) dissektion
(Nipruss) (Cave: Lichtschutz)

z Vorrangiger Therapiebeginn mit z Beobachtung (CT, Sonographie) bei


β-Blocker (Metoprolol – Beloc): ar- Bauchaortenaneurysma mit einer
terielle Drucksenkung und Abnahme Größe von <5,4 cm, ggf. additiv Natri-
der linksventrikulären Inotropie bzw. umnitroprussid (Nipruss)
der aortalen Wandspannung; die Be-
deutung von β-Blockern bei Marfan- Therapie bei zerebralen Endorgan-
Patienten ist jedoch zweifelhaft schäden (ischämischer Insult)
z Vasodilatatormonotherapie: führt z Antihypertensive Therapie erst bei
zum Anstieg der ventrikulären Kon- wiederholten Drücken von systo-
traktionsgeschwindigkeit (Baroreflex- lisch >220 mmHg bzw. diastolisch
stimulation) und damit zur Progres- >120 mmHg
sion der Dissektion z Antihypertensivum der ersten Wahl:
z Zielblutdruck (systolisch): <120 mmHg Urapidil (Ebrantil)
10.2 · Hypertensives Notfallgeschehen 149 10.2
5 Wirkung: peripherer α1- z Antihypertensiva der Wahl: Dihydra-
Antagonist und zentraler 5-HT1A- lazin (Nepresol), Urapidil (Ebrantil)
Agonist i. v., ggf. Kombination mit einem β1-
5 Vorteile: gute Steuerbarkeit, keine selektiven β-Blocker
Reflextachykardie und keine Er-
weiterung intrakranieller Gefäße,
d. h. keine Steigerung des intrakra-
niellen Drucks (hirndruckneutra-
les Antihypertonikum)
z Gegebenenfalls Clonidin
(Catapresan):
5 Wirkung: zentraler α2- und Imida-
zolrezeptoragonist
5 Nebenerscheinungen: initialer
Blutdruckanstieg bei zu schneller
i. v. Applikation, evtl. Bradykardie,
Mundtrockenheit und Sedierung
(oft gewollt: Patientenberuhigung)
5 bei weiterhin hypertonen Verhält-
nissen: Kombination mit Dihydra-
lazin (Nepresol)
z Bei zu niedrigen Blutdruckwerten
(<130 mmHg): Volumensubstitution,
ggf. Katecholamine
z Zielblutdruck (systolisch):
>130 mmHg (hochnormal)

! Ein zu schneller und zu starker Blut-


druckabfall kann bei aufgehobener
zerebraler Autoregulation zu einer Min-
derperfusion der Penumbra mit Größen-
zunahme des Infarktareals führen.

Hypertensiver Notfall im Rahmen


einer EPH- bzw. hypertensiven
Gestose
z Antihypertensive Therapie erst bei
wiederholten Blutdruckwerten von
systolisch >180 mmHg oder persis-
tierenden Werten von diastolisch
>110 mmHg (zur adäquaten Aufrecht-
erhaltung der uteroplazentaren Per-
fusion ist ein diastolischer Blutdruck
von ungefähr 90 mmHg wünschens-
wert)
150 Kapitel 11 · Pulmonale Hypertonie

> Pulmonale Hypertonie


G. Michels, T. Schneider

Definition Ätiologie
z Pulmonale Hypertonie: wenn in Ruhe z Multifaktoriell
ein pulmonalarterieller Mitteldruck z Vasokonstriktion: u. a. Dysbalance
(mPAP) von >20–25 mmHg (»bor- zwischen Mediatoren (einschließlich
derline«) bzw. >25 mmHg (manifeste Prostazyklin, Endothelin und Throm-
pulmonale Hypertonie) vorliegt oder boxan), Hemmung spannungsabhän-
ggf. bei Belastung (50 W) ein mPAP giger Kaliumkanäle
von 30 mmHg überschritten wird – z Endotheliale Dysfunktion: u. a. redu-
bei gleichzeitig normalem oder redu- zierte Expression der endothelialen
ziertem HZV und normalem PCWP NO-Synthetase
(<15 mmHg); der PVR beträgt >3 WE z Pulmonalgefäß-Remodeling: Prolife-
bzw. >240 dyn × s × cm–5 ration von Endothel- und Gefäßmus-
kelzellen
> Obwohl per definitionem häufig der z In-situ-Thrombosierung: prokoagula-
mPAP herangezogen wird, findet nach torischer Status
echokardiographischen Kriterien in der z Genetik bei primärer pulmonaler
Regel der sPAP Anwendung (sPAP von Hypertonie (6–12 % der Fälle):
>35 mmHg oder mPAP von >25 mmHg Chromosom 2q31-32, autosomal-
in Ruhe). dominante Vererbung, BMPR-II-
Gen (»bone morphogenetic protein
z Latente pulmonale Hypertonie: in receptor« Typ II; entspricht etwa dem
Ruhe normaler Druck, welcher bei TGF-β-Typ-II-Rezeptor)
körperlicher Belastung überschießend
ansteigt Pathogenetische Einteilung
z Cor pulmonale: Vergrößerung des z Präkapilläre pulmonale
rechten Ventrikels, welche sich sekun- Hypertonie:
där bei thorakopulmonalen Erkran- 5 Ursache: isolierte Erhöhung des
kungen entwickelt PAP
z Eisenmenger Syndrom: angeborenes 5 Lokalisation: arterielle Strombahn
Vitium (z. B. VSD) mit primärem des Lungenkreislaufs (pulmo-
Links-rechts-Shunt, beim dem infolge nalarterielle Hypertonie)
einer massiven Steigerung des PVR 5 Kennzeichen: normaler PCWP,
eine Shuntumkehr (Rechts-links d. h. keine Linksherzbeteiligung
Shunt) resultiert (Ursache: irreversible 5 Folge: Cor pulmonale bis Rechts-
pulmonalarterielle Vaskulopathie) herzversagen
Kapitel 11 · Pulmonale Hypertonie 151 11
z Postkapilläre pulmonale Hypertonie: z Pulmonale Hypertonie aufgrund
5 Ursache: Linksherzerkrankung thromboembolischer Erkrankungen:
unterschiedlicher Genese thrombotische und nichtthromboti-
5 Lokalisation: venöse und arterielle sche (Tumor, Parasiten – Schistosomi-
Strombahn des Lungenkreislaufs asis) Lungenembolien
5 Kennzeichen: PCWP-Erhöhung z Pulmonale Hypertonie aufgrund
5 Folge: sekundäre pulmonale Hy- anderer pulmonalvaskulärer Erkran-
pertonie bei erhöhtem PCWP kungen: inflammatorisch (Sarkoidose,
Langhans-Histiozytose), fibrosierende
WHO-Klassifikation Mediastinitis, Adenopathie/Tumoren
z Pulmonalarterielle Hypertonie: (mit Kompression von Pulmonalgefä-
5 idiopathische Form (unbekannte ßen), Morbus Behçet
Ätiologie; etwa 40 % der Fälle)
5 familiäre Form (Mutationen der Klinik
BMPR-II-Gene, autosomal-domi- z Belastungsdyspnoe (60–80 % der Fälle)
nant vererbt, monoklonale plexi- z Müdigkeit
forme Läsionen und Endothelzell- z Abnahme der körperlichen Belast-
proliferation in der Lungenarterie) barkeit
5 assoziierte Form: z Bindegewe- z Belastungssynkope
beerkrankungen/Kollagenosen z Thorakale Schmerzen: Angina pecto-
(etwa 15 % der Fälle): systemischer ris durch Dehnung von Pulmonalarte-
Lupus erythematodes, CREST-, rien oder Zeichen rechtsventrikulärer
Sharp- oder Sjörgen-Syndrom Ischämien
z Rechts-links-Shuntvitien z por- z Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
tale Hypertonie z HIV-Infektion (Beinödeme, reduzierter Allgemein-
z Drogen/Medikamente: z. B. zustand)
Appetitzügler z andere: Sichel- z Eventuell Stimmbandparese mit
zellenanämie, Thrombozytosen, Heiserkeit bei extrem erweiterter Pul-
Morbus Osler-Weber-Rendu etc. monalarterie, welche den linksseitigen
5 mit venöser/kapillärer Manifes- N. recurrens kompremiert
tation: pulmonale venookklusive
Krankheit, pulmonalkapilläre Hä- Diagnostik
mangiomatose z Anamnese/Familienanamnese:
5 persistierende pulmonale Hyper- 5 aktuelles Beschwerdebild
tonie des Neugeborenen 5 funktioneller Schweregrad (ent-
z Pulmonale Hypertonie bei Links- sprechend der NYHA-Klassifika-
herzerkrankungen: linksatriale oder tion)
linksventrikuläre Erkrankungen 5 Medikamente/Drogen (Appetit-
(Linksherzinsuffizienz), Mitralvitien zügler, Amphetamine)
z Pulmonale Hypertonie mit Assozia- 5 Risikofaktoren (HIV-Infektion,
tion mit Lungenerkrankungen/Hypo- Lebererkrankungen etc.)
xie: COPD, interstitielle Lungener- z Körperliche Untersuchung:
krankung, Schlafapnoe, alveoläre 5 Jugularvenenstauung
Hypoventilation, Höhenbewohner, 5 Auskultation mit gespaltenem Ton
Entwicklungsanomalien über der Trikuspidalklappe
152 Kapitel 11 · Pulmonale Hypertonie

5 Systolikum bei relativer Tri- (bei Ausschuss einer Stenose der


kuspidalinsuffizienz, evtl. diasto- Pulmonalklappe bzw. des rechts-
lisches Graham-Steel-Geräusch ventrikulären Ausflusstrakts)
bei relativer Pulmonalklappen- 5 mPAP: >25 mmHg in Ruhe,
insuffizienz >30 mmHg unter Belastung
z EKG: (50 W)
5 Ruhe-EKG: Zeichen der Rechts- 5 TAPSE (»tricuspid anular plane
herzbelastung (Rechtstyp bzw. systolic excursion«): Quantifi-
überdrehter Rechtstyp, SIQIII- zierung der longitudinalen Ver-
bzw. SISIISIII-Typ, Tachykardie, kürzung des rechten Ventrikels
Sokolow-Index, P pulmonale, in- als Komponente der systolischen
kompletter bis kompletter Rechts- Funktion (korreliert mit rechts-
schenkelblock) sowie deszendie- ventrikulärer EF); normal: >2 cm
rende ST-Strecken-Senkungen in 5 TASV (»tricuspid anular systolic
V2–4 und horizontale ST-Strecken- velocity«); Norm: >20 cm/s
Senkungen in II, III und aVF 5 Tei-Index (rechtsventrikulärer
5 Langzeit-EKG: ventrikuläre und Doppler; Norm: <0,5): isovolu-
supraventrikuläre Rhythmusstö- metrische Kontraktionszeit plus
rungen isovolumetrische Relaxationszeit/
z Laboruntersuchungen/Serologie: Auswurfzeit (parasternale Posi-
HIV, Hepatitis, Leberfunktionsstö- tion)
rungen (insbesondere Leberzirrhose), 5 Lei-Index (linksventrikulärer
Schilddrüsenparameter (TSH), An- Exzentrizitätsindex: Norm: ≤1)
tikörper (Scl-70, SSA, dsDNA etc.), 5 ggf. 3D-Volumetrie
Biomarker (BNP/NT-pro-BNP, Tro-
ponin T) > Die TTE stellt die wichtigste Unter-
z Echokardiographie: suchungs- und Screening-Methode
5 hypertrophierter und dilatierter mit höchster Sensitivität und Spezifi-
rechter Ventrikel und rechter Vor- tät bezüglich der pulmonalen Hyper-
hof sowie ggf. dilatierte V. cavae tonie dar.
5 RVEDD: >30 mm
5 paradoxe Septumkinetik z Lungenfunktionsuntersuchung/
5 evtl. Perikarderguss Spiroergometrie:
5 Trikuspidalinsuffizienz bei rele- 5 leichte restriktive bis obstruktive
vanter pulmonaler Hypertonie: Veränderungen
Trikuspidalrefluxjet (normal: 5 Einschränkung der pulmonalen
<2,8 m/s; leichte Form: 2,8– Diffusionskapazität
3,4 m/s; mittelgradig: >3,4 m/s) 5 Spirometrie: Beurteilung von
5 sPAP bzw. ΔPmax des Refluxes peakVO2und VE/VCO2 an der an-
über der Trikuspidalklappe (sPAP: aeroben Schwelle
>35 mmHg) z Bildgebende Untersuchungen:
5 RVSP = ΔPmax (Trikuspidal- 5 Röntgenuntersuchung des
klappe) + RAP (entspricht ZVD); Thorax: prominenter Pulmona-
Normwert: 28 ± 5 mmHg; RVSP lisstamm, amputierter Lungen-
entspricht ungefähr dem sPAP hilus, Aufweitung des Truncus
Kapitel 11 · Pulmonale Hypertonie 153 11
intermedius (>18 mm), Rarefi- > Prognosefaktoren der pulmonalen
zierung der vaskulären Lungen- Hypertonie:
peripherie z Parameter der Rechtsherzkatheterisie-
5 CT des Thorax (Spiral-HR-CT): rung: ZVD, HZV, SvO2
verdickte Septen, Milchglastrü- z 6-min-Gehteststrecke
bungen, mediastinale Lymphade- z Biomarker: BNP- bzw. NT-ProBNP
nopathie, Pleuraergüsse z Echokardiographische Rechtsherz-
5 ggf. Angio-CT parameter: TAPSE, TASV, Tei- und
5 Ventilations-Perfusions-Szintigra- Lei-Index
phie (ggf. Pulmonalisangiogra-
phie): ein normales Szintigramm Stadieneinteilung
schließt eine pulmonale Hyperto- ⊡ Tabelle 11.1
nie weitgehend aus
z 6-min-Gehtest: Therapie
5 Normwert: Distanz von Basistherapie
>500 m/6 min z Vermeidung körperlicher Aktivitä-
5 pathologisch: Distanz von ten, welche Dyspnoe und Angina
<330 m/6 min (Assoziation mit auslösen
schlechter Prognose) z Sauerstoffgabe bei Hypoxie (paO2
5 insbesondere zur Beurteilung der in Ruhe: <60 mmHg) und Cor pul-
Therapieansprechbarkeit monale, insbesondere bei COPD-
z Rechtsherzkatheterisierung: Patienten; Empfehlung: >15 h/Tag
5 Hämodynamik: Bestimmung von (Kontraindikation: Eisenmenger-
ZVD (RAP), SvO2, PCWP, PVR, Syndrom)
PAP und HZV
5 ggf. Vasoreagibilitätsprüfung > Die Hypoxie bezieht sich auf den paO2,
mit NO oder Iloprost (in der während der Begriff der Hypoxämie den
Praxis: Iloprostinhalation und CaO2 widerspiegelt:
10-minütige Sauerstoffgabe): paO2 = (Patmosphärisch – PH2O) × FiO2 =
z ein positiver Vasoreaktivitäts- (760 mmHg – 47 mmHg) × 0,21 =
test ist definiert als ein Abfall 150 mmHg (aufgrund weiterer Faktoren
des mPAP um ≥10 mmHg auf wie z. B. physiologischer Rechts-links-
<40 mmHg bei normalem oder Shunt errechnet sich der eigentliche paO2
erhöhtem HZV z bei positiver auf etwa 90 mmHg)
NO-Testung mit klinischer Ver- CaO2 = (Hb-Konzentration × 1,39 ml O2
besserung können hochdosiert [Hüfner Zahl] × SaO2) + (paO2 × 0,0031
Kalziumantagonisten eingesetzt [Bunsen-Löslichkeitskoeffizient]), d. h.
werden z der Vasoreaktivitäts- die Summe aus chemisch gebundenem
test wird u. a. bei Patienten mit und physikalisch gelöstem Sauerstoff
pulmonalvenöser Hypertonie
durchgeführt, bei denen eine z Diuretika (Schleifendiuretika plus Spi-
Herztransplantation geplant ist ronolacton): Furosemid führt u. a. zur
(Abschätzung des PVR) Freisetzung von endothelialen Kini-
z Gegebenenfalls genetische Unter- nen und endothelialem NO; tägliche
suchung Gewichtskontrollen
154 Kapitel 11 · Pulmonale Hypertonie

⊡ Tab. 11.1. Stadieneinteilung der pulmonalarteriellen Hypertonie

Stadien NYHA- Überleben Echokardiographie Rechtsherz-


Stadium [Jahre] katheterisierung

Latente I 6 mPAP von >25 mmHg in  CI in Ruhe: normal


pulmonal- Ruhe und von >30 mmHg  PVR: >3 WE
arterielle unter Belastung, sPAP von
Hypertonie 35–50 mmHg

Manifeste II 6 sPAP: >50 mmHg  CI in Ruhe:


pulmonal- normal oder leicht
arterielle reduziert
Hypertonie

Schwere III 3,5 Einschränkung der rechts-  CI in Ruhe: mittel-


pulmonal- ventrikulären Funktion gradig reduziert
arterielle mit Gefahr des Kreislauf- (<2,5 l/min/m2 KOF)
Hypertonie kollapses  SvO2: <60 %

Fulminante IV 0,5 Deutliche Einschränkung  CI in Ruhe:


pulmonal- der rechtsventrikulären stark reduziert
arterielle Funktion (Belastungstests (<2,0 l/min/m2 KOF)
Hypertonie kontraindiziert)  SvO2: <50 %

z Antikoagulation (Ziel-INR: 1,5–2,5; des mPAP um >10–20 % (Erfolgsrate:


Ziel-INR-bei pulmonaler Hypertonie etwa 5–10 %)
aufgrund thromboembolischer Er- z »Hochdosiskalziumantagonistenthe-
krankungen: 2,5–3,5) rapie«: Nifedipin (120–240 mg/Tag),
Amlodipin (15–30 mg/Tag) oder Dil-
> Kontraindiziert sind bei pulmonaler tiazem (360–900 mg/Tag)
Hypertonie ACE-Hemmer und β-Blocker
(Ausnahme: gleichzeitig bestehende Prostanoide
Linksherzinsuffizienz). z Wirkprinzip: vasodilatierend, aggre-
gationshemmend, antiproliferativ,
Spezielle medikamentöse Therapie antiinflammatorisch
Kalziumantagonisten z Prostazyklin/PGI2 (Epoprostenol –
z Heute aufgrund besserer Substanzen Flolan; kontinuierliche i. v. Gabe über
eher zurückhaltend eingesetzt Perfusor wegen kurzer Halbwertszeit
z Bei positivem NO-Reversibilitätstest, von etwa 2 min); Nebenwirkung:
d. h. bei Abfall des PVR um >30 % Tachyphylaxie
bzw. des mPAP um ≥10 mmHg auf z Treprostinil (Remodulin; s. c.): Ne-
einen Ausgangswert von <40 mmHg benwirkungen: Schmerzen an den
(nur in 5–10 % der Fälle mit idiopa- Einstichstellen
thischer oder familiärer pulmonaler z Beraprost (Dorner; p. o.); Nebenwir-
Hypertonie) kung: schlechte Verträglichkeit
z Bei Ansprechen auf Kalziumantago- z Iloprost (Ventavis; 6- bis 9-mal täglich
nisten zeigt sich eine Verminderung inhalativ: 50 μg in 8 ml NaCl 0,9 %;
Kapitel 11 · Pulmonale Hypertonie 155 11
spezielle Verneblersysteme): in der z Substanzen: Sildenafil (Revatio;
Akutphase gute Ansprechrate (Ver- 3- bis 4-mal 20–50 mg/Tag), Vardena-
besserung der Gehstrecke), keine fil (Levitra), Tadalafil (Cialis)
Anwendung in der Langzeittherapie;
Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Kombinationstherapie
Kieferschmerzen, »flush« z Ziel: additiver Effekt
z Iloprost (Ilomedin; 10 μg in 50 ml z Effektiv: Bosentan plus Iloprost
NaCl 0,9 % als i. v. Perfusor über 24 h, (STEP-Studie) oder Bosentan plus
langsame Aufsättigung bis 50 μ/Tag) Sildenafil (COMPASS-1-Studie)

Endothelin-1-Rezeptor-(ET-1-R-) Neuere Substanzen


Antagonisten z In klinischer Erprobung
z ET-1-R-Typen: z Stimulatoren der löslichen Guanylat-
5 ET-1A-R: auf Subendothelzellen zyklase
und glatten Muskelzellen → z Tyrosinkinaseinhibitoren
Gefäßmuskelproliferation, Fib- z Serotoninrezeptorantagonisten
rosierung (Gefäß-Remodeling),
Vasokonstriktion Invasive/operative Therapie
5 ET-1B-R: auf vaskulären Endo- Ballonatrioseptostomie
thelzellen und bei pulmonaler Hy- z Prinzip: Schaffung eines interatrialen
pertonie auch auf glatten Muskel- Rechts-links-Shunts (d. h. auf Vorhof-
zellen → Endothelin-1-Clearance ebene)
in Lunge und Nieren, Produktion z Ziel: funktionelle Entlastung des rech-
von NO und Prostazyklin mit Va- ten Ventrikels und HZV-Anstieg mit
sodilatation Verbesserung der O2-Transportkapa-
z Substanzen: zität (DO2):
5 Bosentan (Tracleer): z unselek-
tiver, dualer ET-1-R-Antagonist DO2 = CaO2 × HZV
z Dosierung: in ersten 4 Wochen z Letalität: 5–15 %
2-mal 62,5 mg/Tag, danach z Kontraindikationen: ZVD von
2-mal 125 mg/Tag z Cave: >20 mmHg, PVR von >55 WE/m2
monatliche Kontrolle der Leber- z Indikationen: Überbrückungsmaß-
werte erforderlich (hepatische nahme (»bridging«) bei therapie-
Eliminierung → Gefahr der refraktären Patienten im NYHA-
Hepatotoxizität) Stadium IV, Patienten mit Zeichen der
5 Sitaxsentan (Thelin): z spezifi- Rechtsherzdekompensation
scher ET-1A-R-Antagonist
z Dosierung: 100 mg/Tag Lungentransplantation
5 Ambrisentan (Letairis): z spezifi- z Ultima Ratio (d. h. bei erfolgloser
scher ET-1A-R-Antagonist medikamentöser Maximaltherapie)
z Dosierung: 1-mal 5–10 mg/Tag z Methoden: einseitige oder doppel-
seitige Lungentransplantation
PDE-5-Hemmer z 5-Jahres-Überlebungsrate: 40–45 %
z Prinzip: Hemmung des Abbaus von
cGMP → Vasodilation
156 Ausgewählte Literatur zu Sektion A

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion A

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B

B Angiologie
und Phlebologie

12 Arterielle Verschlusskrankheit (AVK) – 160

13 Akuter arterieller Verschluss – 165

14 Akuter Mesenterialarterienverschluss – 169

15 Pfortaderthrombose – 171

16 Aortenaneurysma – 172

17 Aortendissektion (Aneurysma dissecans


aortae) – 174

18 Raynaud-Syndrom – 177

19 Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) – 179

20 Varikosis/Varizen – 181

21 Tiefe Beinvenenthrombose (TVT) – 183

22 Lungenembolie (LE) – 191

Ausgewählte Literatur zu Sektion B – 200


160 Kapitel 12 · Arterielle Verschlusskrankheit (AVK)

> Arterielle
Verschlusskrankheit (AVK)
G. Michels, T. Schneider

Definition 5 iliakal/femoral (50 %): Oberschen-


z Krankheitsbilder, welche durch Ste- kelschmerz
nosierungen oder Verschlüsse von 5 A. femoralis superficialis: Waden-
peripheren Arterien entstehen schmerz (obere 2/3)
5 A. poplitealis: Wadenschmerz
> Die AVK ist ein Marker der generalisier- (unteres Drittel)
ten Atherosklerose. Mindestens 10 % aller 5 tibiales/peroneales Stromgebiet:
AVK-Patienten haben eine zerebrovasku- Fußschmerz (isolierter Fuss-
läre Erkrankung (zerebraler Insult), und schmerz: häufiger Thrombangiitis
etwa 30 % leiden an einer KHK; 50 % wei- obliterans bzw. Morbus Winiwar-
sen eine Nierenarterienbeteiligung auf, ter-Buerger)
und 20 % erleiden innerhalb von 5 Jahren
ein kardiovaskuläres Ereignis, woran 30 % > Schmerzen existieren immer
versterben. In bis zu 5 % der Fälle sind an- eine »Etage« unter dem arteriellen
dere Ursachen verantwortlich, v. a. Vasku- Verschluss:
litiden (Takayasu) und die Thrombangiitis z 20–50 %: asymptomatisch (Zufalls-
obliterans (Winiwarter-Buerger). befund)
z 40–50 %: atypische Beinschmerzen,
Risikofaktoren Wadenkrämpfe
z Wie bei KHK ( Kap. 2) z 10–35 %: Claudicatio intermittens
z Hauptrisikofaktoren: Diabetes melli- z 1–2 %: akute Ischämie
tus, Hypercholesterinämie, Rauchen,
arterielle Hypertonie Diagnostik
z Weitere Risikofaktoren: einge- z Anamnese:
schränkte Nierenfunktion, Schwarz- 5 belastungsabhängige Beschwer-
häutigkeit den, die sich meist in Ruhe bes-
sern (Schaufensterkrankheit; bis
Klinik und Lokalisationstypen Stadium IIb)
z ⊡ Tab. 12.1 u. 12.2 5 Ruheschmerz, v. a. nachts; bessert
z In etwa 90 % aller Fälle sind die unte- sich evtl. beim Herunterhängen-
ren Extremitäten betroffen: lassen der Extremität (Stadium III;
5 aortoiliakal (30 %): Gesäß-/Hüft- Differenzialdiagnosen: nächtliche
schmerzen, gelegentlich Muskel- Wadenkrämpfe, neuromuskläre
schwäche, Impotenz Genese)
Kapitel 12 · Arterielle Verschlusskrankheit (AVK) 161 12
⊡ Tab. 12.1. AVK-Unterformen

AVK-Syndrom Lokalisation Klinik

Leriche-Syndrom (Aorten- Distale Aorta Schmerzen der Beckenmuskulatur,


bifurkation-Syndrom) Impotenz, Claudicatio intermittens,
abdominelle Beschwerden beim Gehen
(»mesenteric steal syndrome«)

AVK der femoropoplitealen A. femoralis Claudicatio intermittens


Gefäße superficialis

AVK der peripherakralen Unterschenkel- Waden- und/oder Fußschmerz


Gefäße arterien

⊡ Tab. 12.2. pAVK-Stadieneinteilung nach Fontaine

Stadium Klinik Therapie

I Beschwerdefreiheit Training, Risikofaktorenmanagement

IIa Claudicatio intermittens, Gehstrecke Intervallgehtraining bis zur


von >200 m Schmerzgrenze

IIb Claudicatio intermittens, Gehstrecke Relative Operationsindikation


von <200 m

III Ruheschmerz Absolute Operationsindikation

IVa Nekrose

IVb Entzündungsgangrän

Des Weiteren existiert eine Stadieneinteilung nach Rutherford und nach den TASC-II-Guide-
lines.

5 Risikofaktorenanamnese: Nikotin, störungen, Haarverlust, Muskel-


Hypercholesterinämie, Diabetes atrophie
mellitus, Alter, Manifestation einer 5 Palpation: Pulsstatus (insbeson-
anderen kardiovaskulären Erkran- dere A. tibialis posterior), Tem-
kung (Schlaganfall, Myokardin- peraturdifferenz/Kälte, Ödem,
farkt etc.), fettreiche Ernährung, Wadendruckschmerz
Adipositas 5 Auskultation: Stenosegeräusche
5 Familienanamnese (das Vorhandensein von z. B.
z Untersuchungen (immer im Seiten- femoralen Stenosegeräuschen
vergleich): oder das Fehlen von Fußpulsen
5 Inspektion: Hautkolorit/-atrophie, deutet auf eine AVK hin, auch
Zustand der Nägel, Varikosis, bei asymptomatischen Men-
Thrombophlebitis, Wundheilungs- schen)
162 Kapitel 12 · Arterielle Verschlusskrankheit (AVK)

z Blutdruckmessung: an allen Extremi- z MRT-Angiographie (zunehmend Stan-


täten dardverfahren), ggf. CT-Angiographie
z Doppler- und Duplexsonographie: z Becken-Bein-Angiographie (DSA):
Verschlussdruckmesssung an Arm ab Stadium II, vorzugsweise mit
und Knöchel (»Ankle-brachial«- PTA-Möglichkeit
Index, ABI) in Ruhe und nach z transkutane Sauerstoffpartialdruck-
Belastung, vorzugsweise mittels bestimmung (tcpO2) → pAKV-
Dopplersonde (beidseits A. brachi- Stadium III/IV
alis, A. dorsalis pedis und A. tibialis
posterior); der höchste systolische Differenzialdiagnostik
Wert am Bein wird durch den hö- z Pseudoclaudicatio: Claudicatio in-
heren systolischen Wert am Arm termittens spinalis (neurogene Clau-
dividiert (ABI): dicatio, z. B. bei Spinalkanalstenose:
5 1,0–1,3: normal Schmerz verändert sich häufig bei
5 <0,9: hochwahrscheinlich pAVK Bewegungen der Lendenwirbelsäule)
mit >50%iger Stenose in einem z Pseudookklusionssyndrom (Lanzara-
oder mehreren Gefäßen Syndrom): kapilläre Minderperfusion
5 <0,5: kritische Ischämie, sog. infolge arteriovenöser Fisteln
chronische kritische Ischämie oder z Claudicatio intermittens venosa:
»critical limb ischemia« Oberschenkelschmerzen bei Belas-
5 >1,3: erhöhte Steifigkeit, verkalkte tung durch Beckenvenenverschlüsse
Gefäße → ebenfalls erhöhtes Ri- (vermehrte Blutvolumina können
siko für kardiovaskuläre Mortalität nicht drainiert werden)
(Mönkeberg-Mediasklerose) z Arthrose/Osteoarthritis in Hüfte/
5 Belastung, z. B. Ergometrie, deckt Knie: Schmerzen häufig auch in Ruhe,
»funktionelle Stenosen« auf: ein bleiben nach Anstrengung meist be-
in Ruhe noch normaler ABI kann stehen, Beweglichkeit eingeschränkt,
nach Belastung erniedrigt sein, positionsabhängig
da die Perfusion der Extremitäten z Poplitealaneurysma: häufigstes peri-
nach Belastung nicht ausreicht; ein pheres Aneurysma (in bis zu 25 % der
in Ruhe und Belastung normaler Fälle bilateral, bei 30 % der Patienten
ABI schließt eine pAVK aus mit aortaler Beteiligung), erhöhtes pe-
5 der Index sollte v. a. bei Vorliegen ripheres Embolierisiko (meist Erstdia-
von Risikofaktoren jährlich be- gnose), zu 2–4 % Ruptur, Beschwerden
stimmt werden und Risikofaktoren ähnlich wie bei
5 getABI-Studie: die Sterblichkeit AVK, Therapie meist mittels Operation
(KHK, Schlaganfall) von pAVK- z Neuropathien
Patienten ist nach 3 Jahren im z Tiefe Beinvenenthrombose
Vergleich zu Patienten ohne pAVK
erhöht (10,9 % vs. 4,2 %) Therapie
z CW-Dopplersonographie: direkte Ste- Allgemeine Maßnahmen
nosedarstellung; Flussveränderungen: z Basistherapie: Prävention, Behand-
intrastenotische Flusssteigerung auf lung der Grunderkrankung (z. B.
>180 cm/s, monophasisches Flusspro- Herzinsuffizienz), Gehtraining
fil hinter Stenosen (mindestens 3-mal wöchentlich
Kapitel 12 · Arterielle Verschlusskrankheit (AVK) 163 12
30–60 min: Kollateralenbildung) als der Amputation mittels Angiographie
Säule der Therapie, Risikofaktoren- und transkutane pO2-Messung be-
optimierung, Rauchstopp, Throm- stimmen), Fußpflege, Spezialschuhe
bozytenfunktionshemmung, LDL-
Cholesterin <100 mg/dl, HbA1c <7%, Medikamentöse Therapie der
Zielblutdruck <140/90 mmHg Claudicatio ab Stadium II
z Stadium I: intensives Gehtraining, ASS z Obligatorisch: ASS (100 mg/Tag) bei
(100 mg/Tag); auch asymptomatische jedem symptomatischen und asymp-
Patienten mit einem ABI von <0,9 soll- tomatischen Patienten
ten wie Patienten mit KHK behandelt z Bei ASS-Unverträglichkeit: Clopi-
werden (Risikofaktorenmanagement) dogrel (75 mg/Tag; CAPRIE-Studie
z Stadium IIa: intensives Gehtraining, zeigte immerhin einen geringen Vor-
ASS (100 mg/Tag) und/oder Naftidro- teil von Clopidogrel gegenüber ASS)
furyl (Dusodril; 600 mg/Tag) z ASS plus Dipyridamol (Aggrenox):
z Stadium IIb: intensives Gehtraining, kann die klinische Symptomatik ver-
ASS (100 mg/Tag); zusätzlich invasive bessern
Maßnahmen: z Cilostazol (Pletal; 2-mal 100 mg/Tag
5 Aorten-/Beckentyp: PTA, Stenting, für 3–6 Monate): PDE-III-Hemmer,
retrograde Beckenarteriendesobli- verbessert Symptomatik und Gehstre-
teration, aortofemoraler Bypass cke, jedoch viele (kardiale) Neben-
5 Oberschenkeltyp: PTA der A. fe- wirkungen → kein routinemäßiger
moralis superficialis Einsatz
5 Unterschenkeltyp: evtl. PTA; hier z Pentoxifylline (Trental): keine Emp-
eher selten interventionelle Maß- fehlung, wahrscheinlich ohne signifi-
nahmen möglich (für Katheter zu kanten Effekt
weit peripher) z Naftidrofuryl (Dusodril; 600 mg/Tag
z Stadium III: p. o.): 5-HT2-Rezeptor-Antagonist;
5 absolute Operationsindikation bei nach 3–6 Monaten Verbesserung
Aorten- und Beckenarterienver- der Gehstrecke, Gabe ab Stadium II
schlüssen (Bypass, Y-Bifurkations- (NCIS-Studie)
prothesen) z PGE1 (Alprostadil – Prostavasin; nur
5 bei Unterschenkelarterienver- i. v.): möglicherweise sogar anhalten-
schlüssen, die meist nicht mehr der Effekt; auch im Stadium III und
zu revaskularisieren sind, stehen peri-/postoperativ
rheologische Maßnahmen im
Vordergrund (100 mg ASS/Tag, Interventionelle Verfahren/
Hämodilution und Prostavasin- operative Revaskularisation
infusionen über 14 Tage mit 2-mal (meist ab Stadium IIb/III)
40 μg Alprostadil/Tag) z Je nach Stenoselokalisation und
5 bei Therapieversagen: CT-gesteu- Morphologie bieten sich alle üblichen
erte Sympathikolyse bzw. Einsatz Techniken der Intervention an
eines Neurostimulators als Ultima z Zusammengefasst stellen meist fokale,
Ratio unkomplizierte Stenosen eine Indika-
z Stadium IV: wie Stadium III; ansons- tion dar, v. a. im iliakalen bis femoro-
ten: Genzzonenamputation (Ausmaß poplitealen Segment
164 Kapitel 12 · Arterielle Verschlusskrankheit (AVK)

z Operative Versorgung von interventi-


onell nicht therapierbaren Stenosen
z sowohl nach endovaskulären wie auch
nach operativen Revaskularisationen
muss eine Therapie mit ASS fortge-
führt werden

Sonderform: Angina intestinalis


z Chronische Viszeralarterien-
insuffizienz
z Leitsymptom: postprandialer Bauch-
schmerz, jedoch breites klinisches Bild
(Blähungen, Diarrhö, Blutungen etc.)
z Typische Risikofaktoren gelten auch
hier
z Meist weitere periphere Atheroskle-
rosemanifestationen
z Diagnostik: Angiographie, Doppler-
sonographie, MRT-Angiographie
z Therapie: interventionell, chirurgisch
Kapitel 13 · Akuter arterieller Verschluss 165 13

> Akuter arterieller


Verschluss
G. Michels, T. Schneider

Definition postoperativ, dilatierende Arterio-


z Plötzlich auftretende, embolisch oder pathie, Kompressionssyndrome,
thrombotisch bedingte Okklusion Dissektionen (periphere Arterien/
einer Arterie Aorta), Arterienverletzung durch
z Im Allgemeinen Verschlüsse von Trauma, paraneoplastisch, Exsik-
Extremitätenarterien, jedoch können kose (ältere Patienten und solche
auch Viszeral- oder Organarterien mit Herzinsuffizienz), Polyglobulie,
(z. B. Zentralarterienverschluss am Polycythaemia vera, Hyperko-
Auge) betroffen sein agulopathien (z. B. heparinindu-
zierte Thrombozytopenie Typ II,
Ätiologie AT-III- oder Protein-C-Mangel),
z Embolien (etwa 85 % der Fälle): Vasospasmen in Assoziation mit
5 kardiale Emboliequellen: Vorhof- einer Thrombose (z. B. Ergotismus,
flimmern (auch bei intermittie- Kokainabusus, Vaskulitiden)
rendem Vorhofflimmern können z Iatrogene Ursachen: Punktion, Herz-
Vorhofthromben entstehen), katheterschleusen, intraarterielle Gabe
Postkardioversionsembolien, von Medikamenten (z. B. Katechola-
Herzwandaneurysma nach Myo- mine, Zytostatika)
kardinfarkt, Vitien, Endokarditis,
paradoxe Embolie (offenes Fora- Lokalisationen
men ovale), Linksherztumoren, z Untere Extremität (85 % der Fälle):
ineffektive Antikoagulation bei häufig Verschluss der A. femoralis
Kunstklappen (Femoralisbifurkation) mit gleichzei-
5 extrakardiale Emboliequellen: tiger Okklusion von Unterschenkel-
Cholesterinembolien (Bauch- arterien
aorta), atheromatöse Arterien, z Obere Extremität (15 % der Fälle)
thrombosierte Aneurysmata, z Prädilektionsstellen: Bifurkationen,
Luft-, Fremdkörper-, Fett- und z. B. Aortenbifurkationsverschluss
Tumorembolien (Leriche-Syndrom)
z Thrombosen (ungefähr 15 % der z Viszeralarterien: meist A. mesenterica
Fälle): exulzerierte Plaque einer superior → akute mesenteriale Ischä-
obliterierenden Atherosklerose mie
(z. B. im Bereich der distalen Aorta, z Organarterien → embolische Organ-
der A. iliaca oder der A. femoralis), infarkte (z. B. Nieren-, Milzinfarkt)
166 Kapitel 13 · Akuter arterieller Verschluss

Pathophysiologie stark ausgeprägt, da die Stenose schon


z »Ischämietoleranz« bestimmt das lange vorher zu Minderdurchblutung
Ausmaß des arteriellen Verschlusses und Kollateralenbildung führt
(Dauer der Ischämie, Lokalisation
und Länge des Verschlusses) Stadien
z Folgen der totalen Muskelischämie: ⊡ Tabelle 13.1 u. 13.2
5 Konzentrationsanstieg von Ka-
lium, Laktat, Myoglobin und Diagnostik
verschiedenen zellulären Enzymen z Anamnese: Vorerkrankungen (kar-
(LDH, GOT, CK) dial), vorangegangener postoperativer
5 Zeichen des hypoxischen Gewe- Krankenhausaufenthalt, Medikamente
beschadens mit Ausbildung einer (Antikoagulation)
Azidose und einer Rhabdomyolyse z Inspektion (Unterscheidung nach
(Verstopfung der Nierentubuli) Vollmar):
z Tourniquet-Syndrom (bei Ischämie- 5 blasse Ischämie (günstige Prog-
dauer von >6 h) mit systemischen nose): Hautblässe bei kollabierten
Komplikationen: Venen, d. h. kein Hinweis für eine
5 heftige Schmerzen, begleitet von beginnende venöse Stagnations-
einem massiven Ödem thrombose
5 Myoglobulinämie/-urie 5 zyanotische Ischämie (schlechte
5 metabolische Azidose Prognose): Zeichen der beginnen-
5 Hyperkaliämie den Stase des Kapillarbetts und
5 Volumenverlust (Schock) des venösen Systems mit fleckför-
5 drohendes Nierenversagen miger Blaufärbung, durchsetzt von
blassen Hautarealen
> Besteht eine komplette Ischämie z Palpation:
für >4–6 h, ist mit einer gefährlichen 5 kühle distale Extremität
Rhabdomyolyse zu rechnen. 5 distale Pulslosigkeit (zu beachten:
möglicher »Auflaufpuls« durch
Klinik Fortleitung von Pulsationen bei
z 6 P nach Pratt (aus dem Jahre 1954) in frischen Thromben)
»zeitlicher« Reihenfolge: z Labordiagnostik: CK-, Laktat- und
5 Pulslosigkeit (»pulselessness«) Kaliumspiegel, Gerinnungsparameter
5 Blässe (»paleness«) z EKG: Ausschluss von Rhythmusstö-
5 Schmerz (»pain«) rungen, z. B. Vorhofflimmern; jedoch
5 Gefühlsstörung (»paresthesia«) schließt ein normaler Sinusrhythmus
5 Bewegungsunfähigkeit (»paraly- keine kardioembolische Genese aus
sis«) z Bildgebende Verfahren:
5 Schock (»prostration«) 5 Dopplersonographie
z Inkomplette Ischämie: nicht alle 5 Angiographie (DSA)
6 Leitsymptome vorhanden 5 MRT-Angiographie
z Komplette Ischämie: alle 6 Leitsymp- z Echokardiographie: v. a. bei Rezi-
tome ausgeprägt diven; Suche nach Herzwandaneu-
z Bei thrombotischem Verschluss einer rysma, Vitien und Endokarditis, Dar-
Stenose ist die Symptomatik weniger stellung des linken Vorhofohrs (nur
Kapitel 13 · Akuter arterieller Verschluss 167 13
⊡ Tab. 13.1. Stadien der akuten Extremitätenischämie

Stadium Symptomatik

I Sensibilität und Motorik nicht eingeschränkt

IIA Geringgradige Einschränkung der Sensibilität, nicht jedoch der Motorik

IIB Eingeschränkte Sensibilität (Ruheschmerz) und Motorik

III Völliger Verlust von Sensibilität und Motorik

⊡ Tab. 13.2. Rutherford-Stadieneinteilung der akuten Ischämie

Stadium Prognose Gefühlsstörung Bewegungsstörung Dopplersignal

I Funktions- Keine Keine Hörbar


fähig

IIA Marginal Minimal Keine arteriell nicht


bedroht hörbar, venös
hörbar
IIB Unmittelbar Zehenüber- Leicht bis mäßig
bedroht schreitend

III Irreversibel Ausgedehnt Paralyse Nicht hörbar

TEE aussagekräftig, allerdings ist eine z Extravaskulär:


Vollantikoagulation ohnehin notwen- 5 Spinalkanalstenose (Claudicatio
dig, sodass die therapeutische Kon- intermittens spinalis)
sequenz eines Thrombusnachweises 5 degenerative Gelenkerkrankungen
gering ist; Ultima Ratio bei großem 5 Ischialgie
flottierenden Vorhofohrthrombus: 5 Muskelfaserriss (umschriebener
Operation) Muskelschmerz mit Hämatombil-
dung)
Differenzialdiagnostik akuter 5 Rheuma
Extremitätenschmerzen 5 Gicht
z Vaskulär:
5 Venenthrombose (Rötung, Schwel- Therapie
lung, Überwärmung) Erstmaßnahmen
5 Phlegmasia coerulea dolens z Sauerstoffapplikation (Sauerstoff-
(Schwellung, kalte Extremität angebot steigern)
durch schlagartige und komplette z Lagerung:
Thrombose aller venösen Abfluss- 5 Tieflagerung der Extremität
bahnen) 5 Anlage eines Watteverbands bzw.
5 Raynaud-Syndrom eines Wattestiefels
5 Ergotismus (Vasospasmen mit Ab- z Analgesie (keine i. m. Injektion):
blassen der Akren) Opioide
168 Kapitel 13 · Akuter arterieller Verschluss

z Kreislaufüberwachung/-stabilisierung: Besonderheiten
Volumensubstitution, u. a. zur Verbes- z Eine plötzliche klinische Symptomatik
serung der Rheologie wird in der Mehrzahl der Fälle durch
arterielle Embolien und selten durch
> Das therapeutische Zeitfenster von arterielle Thrombosen hervorgerufen.
6 h sollte möglichst eingehalten werden. z Bei vorbekannter pAVK ist eine intra-
operative Angiographie sinnvoll, um
Systemische Heparinisierung die Therapie zu optimierten (Stent,
z Initial: Heparin als i. v. Bolus Bypass, Lyse etc.)
(5000-10.000 IE)
z Danach: Heparinperfusor
(25.000 IE/50 ml; PTT-gesteuert:
2- bis 3fache Verlängerung)
z Ziel: Vermeidung weiterer Embolien
und venöser Stagnationsthrombosen

Fibrinolyse
z Möglichkeiten: systemische oder
lokale intraarterielle Thrombolyse
z Substanzen: Streptokinase, Urokinase,
rt-PA

Interventionelle radiologische
Therapie
z Intervention (PTA) mit/ohne lokale
Lyse
z Perkutane transluminale Aspirations-
thromboembolektomie

Chirurgische Therapie
z Embolektomie
z Thrombendarteriektomie
z Bypassanlage
z Gegebenenfalls Fasziotomie

Rezidivprophylaxe
z Ultima Ratio bei Vorhofflimmern:
Verschluss des Vorhofohrs (operativ
oder mittels Device: Watchman), falls
keine Antikoagulation möglich ist

> Bei klinischen Zeichen einer komplet-


ten Ischämie ist die operative Interven-
tion ohne Zeitverzögerung und daher
ohne Angiographie indiziert.
Kapitel 14 · Akuter Mesenterialarterienverschluss 169 14

> Akuter Mesenterial-


arterienverschluss
G. Michels, T. Schneider

Allgemeines z Klinische Untersuchung:


z In 70 % der Fälle ist die A. mesente-  Kap. 38
rica superior betroffen z Labordiagnostik:
z Meist mittleres Jejunumsegment 5 Laktatspiegel: Anstieg auf
ischämisch, da dieses am wenigsten >2,4 mmol/l (Sensitivität:
kollateralisiert ist 100 %; Spezifität: 40 %)
5 Nachweis der α-Glutathion-
Ätiologie S-Transferase (Sensitivität und
z 50 %: embolisch (Vorhofflimmern) Spezifität: jeweils 75 %)
z 20 %: arterielle Thrombose 5 Leukozytose
z »Non-occlusive«-Mesenterialinfarkt 5 LDH-Aktivitätssteigerung
(NOMI; 20–30 %): getriggert durch z Bildgebung:
»Low-output«-Syndrom, Schock und 5 Angiographie (Goldstandard)
Katecholamintherapie (Vasokonstrik- 5 Röntgenabdomenübersicht in
tion, v. a. durch Adrenalin und Norad- 2 Ebenen (freie Luft?)
renalin), insbesondere nach herzchir- 5 KM-CT oder Farbduplexsonogra-
urgischen Eingriffen phie: Wandödem, Motilitätsände-
z Venöse Thrombose rungen, Aszites, direkte Darstel-
z Dissezierendes Aortenaneurysma lung von Stenosen/Thrombosen,
z Vaskulitis Aortendissekat (eingeschränkte
Bedingungen durch geblähtes Ab-
Klinik domen)
z Stadium I: Stadium der Minderperfu- 5 Das Ausmass der Invasivität
sion bzw. Infarzierung (6 h) → diffuse richtet sich nach dem klinischen
Abdominalschmerzen Zustand.
z Stadium II: Stadium der Wandnekrose
bzw. der Perforation (12 h) → paraly- Differenzialdiagnostik
tischer Ileus z Andere Kolitisformen: z. B. mikros-
z Stadium III: Stadium der Durchwan- kopische Kolitis (kollagene oder lym-
derungsperitonitis → Schock phozytäre Kolitis)
z Andere Ursachen des paralytischen
Diagnostik Ileus ( Kap. 38)
z Anamnese: u. a. Vorhofflimmern, An-
gina abdominalis
170 Kapitel 14 · Akuter Mesenterialarterienverschluss

Therapie Therapie
> Eine akute Darmischämie hat eine z asymptomatischer Verlauf: keine The-
hohe Mortalität. Die rechtzeitige Angio- rapie notwendig
graphie und eine ggf. erforderlich Opera- z symptomatischer Verlauf: interven-
tion sind essenziell. tionelle Therapie, ggf. chirurgische
Dekompression bei Dunbar-Syndrom
z Bei Embolie/Thrombose: chirurgische
Rekanalisation und evtl. explorative
Laparotomie mit Darmresektion
z Falls technisch erreichbar: Stenting/
PTA
z Vasodilatierende Therapie (z. B. mit
Papaverin): bei Spasmen und NOMI
z Lyse/Antikoagulation: bei Thrombosen
z Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit
Gastroenterologie, Abdominalchirur-
gie und Radiologie

Chronische Mesenterialischämie

Ätiologie
z Häufig: Arteriosklerose
z Selten: Gefäßanomalien, Entzün-
dungen, externe Gefäßkompression
(Dunbar-Syndrom: Kompression des
Truncus coeliacus durch Zwerchfell-
ansätze)

Klinik
z Leitsymptom: postprandiale Schmerz-
symptomatik (1–2 h postprandial,
Dauer: 2–3 h)
z Angina abdominalis
z Gewichtsverlust
z Nausea
z Diarrhö / Obstipation

Diagnostik
z Anamnese (z. B. Diabetes mellitus)
z Klinische Untersuchung
z Farbduplexsonographie (Truncus coe-
liacus)
z CT-/MR-Angiographie
z Intraarterielle digitale Substraktions-
angiographie
Kapitel 15 · Pfortaderthrombose 171 15

> Pfortaderthrombose
G. Michels, T. Schneider

Allgemeines portaler Fluss (Vmax <11 cm/sec)


z Bei schwerer Thrombose u. a. be- z prästenotische Dilatation der
gleitende Ischämie der Darmwand Pfortader z kompensatorische
z Bezogen auf alle viszerale Venen Zunahme des arteriellen intrahepa-
sind die Portalvenen am häufigsten tischen Flusses (A. hepatica)
von einer Thrombose betroffen 5 Angio-MRT und/oder KM-CT
Ätiologie Therapie
z Hyperkoagulabilität: myelodysplasti- > Therapeutisches Ziel: Vermeidung /
sche Syndrome, Polycythaemia vera,
frühzeitige Behandlung eines hämorrhag.
Leberzellkarzinome, Metastasen, orale
Mesenterialinfarktes und langfristige Ver-
Antikonzeption, Schwangerschaft,
meidung einer portalen Hypertension.
Thrombozytosen, Sichelzellenanämie
z Hämostase mit Strömungsverlang- z Interdisziplinäre Therapie: Angiolo-
samung: Leberzirrhose, Kompres- gie, Chirurgie, Radiologie, Gastro-
sion durch Tumorgewebe, Radiatio enterologie
z Vaskulopathien: fortgeleitete Ap- z Konservativ: Heparinisierung, anschl.
pendizitis, Pankreatitis etc. orale Antikoagulation (Phenprocou-
mon), ggf. Fibrinolyse z. B. fibrino-
Klinik und Diagnostik gengesteuerte Urokinase-Lyse
z Symptome und klinische Manifestation 5 Initial: 250.000 I.E. Urokinase
5 Vielfältig bis akutes Abdomen (rheotromb) über 20 min
( Kap. 38) 5 Danach: Perfusor 2–4 Mio. I.E./
5 Gastrointestinale Blutung Tag über 3–5 Tage (Ziel: Fibrino-
5 Splenomegalie, Hepatomegalie genspiegel 100–150 mg/dl)
5 Anämie 5 Begleitend: Heparin-Perfusor
5 Aszites 500 I.E./ml
5 Hämorrhagischer Dünndarm- 5 Zusätzlich: Gabe eines Breit-
infarkt (Btlg. V. mesenterica sup.) bandantibiotikums
z Interventionelle Möglichkeiten
> Bei neuaufgetretener Aszites bei transjugulär-transhepatisch (TIPSS)
Leberzirrhose sollte immer eine Pfort- mit oder ohne lokale Lyse
aderthrombose ausgeschlossen werden.
5 transjugulär-transhepatisch
z Bildgebung: (TIPSS) mit oder ohne lokale Lyse
5 Abdomensonographie (Farbdup- 5 transhepatische, kathetergesteuerte
lexsonographie: z portale Hyper- Lyse, ggf. in Kombination mit Ka-
tension >10 mmHg z Nachweis theterthrombektomie
echogener Thromben (zum Teil z Chirurgie: explorative Laparotomie
echoarmer Randsaum), ggf. teils mit Darmresektion bei gleichzeitig
rekanalisierte Pfortader z feh- vorliegender Darmischämie
lender oder deutlich reduzierter
172 Kapitel 16 · Aortenaneurysma

> Aortenaneurysma
G. Michels, T. Schneider

Definition z Kongenitale Mediadefekte mit Media-


z Abnorme Ausweitung der aortalen dysplasie
Gefäßwandung (>3 cm oder Zunahme z Infektiös: z. B. Lyme-Erkrankung oder
des Durchmessers auf mindestens das luetisches Aneurysma (tertiäre Lues)
1,5fache im Vergleich zum vorange-
henden Aortenabschnitt) aufgrund Komplikationen
einer angeborenen oder erworbenen z Distale thromboembolische Ver-
Wandschwäche schlüsse
z Zu 95 % infrarenal lokalisiert z Aortendissektion ( Kap. 17)
z Ruptur (frei oder gedeckt), gelegent-
Einteilung lich mit symptomfreiem Intervall
z Morphologisch werden 3 unterschied- z Aortoduodenale oder aortokavale
liche Aneurysmata unterschieden: Fistel
5 Aneurysma verum: alle 3 Gefäß- z Thromboembolie aus dem Aneurys-
schichten (Intima, Media, Adven- masack (→ akuter arterieller Ver-
titia) betroffen schluss)
5 Aneurysma dissecans: Abhebung
einer dünnen Intimalamelle mit Klinik
Ausbildung eines falschen Lu- z Asymptomatisch bis symptomatisch
mens (Pseudolumen), welches (lokalisationsabhängig)
häufig einen größeren Durch- z Hämoptoe (Arrosion eines Bronchus)
messer aufweist als das wahre z Paresen/Paraplegie (Wirbelsäulenarte-
Lumen, evtl. mit Perfusion durch rien)
Re-Entry z Stridor
5 Aneurysma spurium/falsum: pe- z Dysphagie (Druck auf den Ösopha-
rivasales Hämatom, z. B. iatrogen gus)
nach Arterienpunktion, welches z Heiserkeit (Druckschädigung des
mit dem Gefäß in Verbindung N. recurrens)
steht und perfundiert wird; das z Diffuse Bauchschmerzen (wie bei
Hämatom täuscht ein Aneurysma Lumbalsyndrom, Pyelonephritis,
vor, hat aber keine Gefäßwand Ulkus etc.)

Ätiologie Diagnostik
z Atherosklerotisch (Hauptrisikofaktor: z Anamnese: kardiovaskuläre Grunder-
arterielle Hypertonie) krankungen
Kapitel 16 · Aortenaneurysma 173 16
z Körperliche Untersuchung z Aneurysmadurchmesser 4–5,4 cm und
z Labordiagnostik: Retentionsparame- asymptomatisch: konservativ und CT-/
ter, Blutbild, ggf. Herzenzymwerte MRT-Kontrollen 1- bis 2-mal/Jahr
z Bildgebung: z Aneurysmadurchmesser ≥5,5 cm oder
5 Röntgenuntersuchung des Thorax symptomatisch: operativ
5 KM-CT von Thorax und Abdomen
5 MRT: nur im speziellen Fall z Konservativ:
(Abgrenzung inflammatorischer 5 β-Blocker/Kalziumantagonisten
Prozesse gegenüber einem Morbus mit systolisch blutdrucksenkender
Ormond) Wirkung (<110 mmHg); Prinzip:
5 PET: Entzündungs-(aktivitäts-) Verminderung der Wandspan-
nachweis im speziellen Fall nung durch Reduktion der Druck-
5 Angiographie: nicht zum Aneu- anstiegsgeschwindigkeit
rysmanachweis, nur bei zusätzli- 5 Vermeiden körperlicher Belastun-
chen Fragen wie z. B. nach Angina gen (v. a. isotone Anstrengungen
abdominalis oder Nierenarterien- wie Gewichte heben)
beteiligung sowie zur Operations- 5 bei Marfan-Syndrom ist die Gabe
oder Interventionsplanung von β-Blockern nach neueren
5 Doppler-/Duplexsonographie: Ergebnissen ohne Einfluss auf
Routineuntersuchung bei stabilem Progression und Letalität; AT1-
infrarenalen Bauchaortenaneu- Blocker scheinen vorteilhafter
rysma (1- bis 2-mal/Jahr); bei z Interventionell-radiologisch: bei
Dissektion des Aortenbogens: Un- infrarenalen Aneurysmen (Endos-
tersuchung der Karotiden und des tenting ist mindestens gleichwertig
Vertebralisflusses zur konservativen Chirurgie, Langzei-
tergebniss müssen folgen: EVAR-1-,
Therapie EVAR-2-, DREAM-Studie)
> Therapiemanagement: infrarenales z Operativ:
Aortenaneurysma 5 offen operativ oder ggf. laparosko-
z Aneurysmadurchmesser <4 cm pisch: Kunststoffprothesen
und asymptomatisch: konservativ 5 ggf. Hybrid-Verfahren: kombi-
und sonographische Kontrollen nierte endovaskuläre und chirur-
alle 2 Jahre gische Vorgehensweise
z Aneurysmadurchmesser 4–5,4 cm 5 ggf. Bentall-OP mit Aorten-
und asymptomatisch: konservativ klappenersatz bei Klappennahen
und sonographische Kontrollen 1- bis Aneurysmata
2-mal/Jahr
z Aneurysmadurchmesser ≥5,5 cm oder
symptomatisch: operativ oder inter-
ventionell
> Therapiemanagement: infrarenales

Aortenaneurysma
z Aneurysmadurchmesser <4 cm und
asymptomatisch: konservativ und CT-/
MRT-Kontrollen 1-mal/Jahr
174 Kapitel 17 · Aortendissektion (Aneurysma dissecans aortae)

> Aortendissektion
(Aneurysma dissecans
aortae)
G. Michels, T. Schneider

Definition schwäche/Dystrophie der Aorta


z Intimaeinrisse durch pulsatile Belas- ascendens assoziiert
tung und »shear stress« → Durchtritt 5 evtl. Kawasaki-Syndrom (muko-
von Blut in die Aortenmedia → An- kutanes Lymphknotensyndrom)
eurysma dissecans mit vaskulitischen Koronararteri-
z Gelegentlich auslösendes Ereignis: enaneurysmen (Myokardinfarkt)
z. B. Stuhlgangpressen, Heben schwe-
rer Lasten, Unfalltrauma, iatrogen Einteilung
(z. B. nach Herzkatheteruntersu- z Stanford-Klassifikation:
chung), Kokainabusus 5 proximaler Typ A (60 %): distal
der Aorta ascendens (Letalitäts-
Ätiologie zunahme um 10 %/h)
z Meist Hypertoniker mit zusätzlicher 5 distaler Typ B: distal des Aorten-
Atherosklerose und einem Alter von bogens (Überleben ohne Opera-
>60 Jahren tion: etwa 80 % der Fälle)
z Weitere prädisponierende Faktoren: z DeBakey-Klassifikation:
5 chirurgischer Aortenklappenersatz 5 Typ I: Aorta ascendens, ortho-
5 Aortenisthmusstenose grade Ausbreitung (Operations-
5 Medianecrosis Erdheim-Gsell indikation)
5 Mesaortitis luica 5 Typ II: nur Aorta ascendens
5 Mykose, bakterielle Infektion (Sal- (Operationsindikation)
monellose) 5 Typ III: distal des Aortenbo-
5 v. a. bei jüngeren Patienten: Binde- gens (konservative Behand-
gewebeerkrankungen (z. B. Mar- lung) z Typ IIIA: nur thorakal
fan-Syndrom: 5 % aller Dissekti- z Typ IIIB: bis abdominal
onen, Ehlers-Danlos-Syndrom) z Varianten nach Svensson (Svensson et
oder andere genetische Defekte al. 1999):
(Familienanamnese positiv), Tur- 5 Klasse 1: klassische Dissektion
ner Syndrom mit Abtrennung der Intima sowie
5 Schwangerschaft falschem Lumen
5 biskupide Aortenklappe: wahr- 5 Klasse 2: Mediaeinriss mit intra-
scheinlich mit begleitender Wand- muralem Hämatom zwischen
Kapitel 17 · Aortendissektion 175 17
Intima und Media, kein perfun- Diagnostik
diertes falsches Lumen erkennbar z Anamnese: kardiovaskuläre Grunder-
5 Klasse 3: begrenzter, lokalisierter krankungen, Risikofaktoren
Einriss ohne intramurales Häma- z Körperliche Untersuchung:
tom, »Ausbeulung« 5 Abdomenpalpation (Pulsation)
5 Klasse 4: Aortenwandulkus mit 5 Pulsstatus: Pulsdifferenz an den
Hämatom bis in die Adventitia, Armen, kalte Extremitäten
perivasales Hämatom 5 Blutdruckmessung an beiden Ar-
5 Klasse 5: iatrogene/traumatische men: Differenz von >20 mmHg
Dissektion 5 A. spurium: pulsatil, hochfrequen-
tes Strömungsgeräusch (meist an
Klinik Punktionsstelle oder im Verlauf
z Akute Aortendissektion: der A. iliaca und der Aorta durch
5 Thoraxschmerz iatrogene Drahtperforation, z. B.
5 Vernichtungsschmerz, in den Rü- nach Herzkatheterisierung)
cken ausstrahlend 5 Zeichen der Aortenklappeninsuffi-
5 reißender Schmerz (Brust: Aorta zienz (Diastolikum)
ascendens; Schulterblätter: Aorta z EKG:
descendens) 5 Abgrenzung gegenüber akutem
5 akute Aortenklappeninsuffizienz Myokardinfarkt mit ST-Strecken-
5 Myokardinfarkt (Abriss der Koro- Hebungen (Thoraxschmerz plus
nararterien) Risikofaktoren)
5 Perikardtamponade 5 aufgrund möglicher Koronaros-
5 Organischämien (Abklemmung tiumdissektion zum Ausschluss
der aortalen Seitenäste) nicht ausreichend
5 Typ A: z Pulslosigkeit beidseits z Labordiagnostik:
(Extremitätenarterien) z Seh- 5 Herzenzymwerte (bei Mitbeteili-
störungen (A. carotis interna) gung der abgehenden Koronarge-
z Horner Syndrom z Synkope/ fäße)
Apoplexie (Verlegung der hirnver- 5 Retentionsparameter (bei Nieren-
sorgenden Arterien) z ungüns- arterienbeteiligung)
tige Prognose 5 Blutbild (Hb-Wert-Kontrolle)
5 Typ B: z akutes Nierenversa- 5 Laktatspiegel (bei Mesenterialarte-
gen (Verlegung der Aa. renales) rienverlegung)
z Querschnittssymptomatik 5 CRP- und D-Dimer-Konzentra-
(Aa. spinales) z Mesenteria- tion (normal: Dissektion unwahr-
lischämie mit akutem Abdomen scheinlich)
z Beinarterienverschluss z gele- 5 Kreuzblut, Blutkonserven auf Ab-
gentlich symptomfreies Intervall ruf bereitstellen
nach erster Ruptur bzw. Dissektion z Bildgebung:
z Chronische Aortendissektion: Wirbel- 5 TTE: Frage nach Aortenklappen-
säulenschmerzen (evtl. durch Arro- insuffizienz und Perikarderguss
sion), Durchblutungsstörungen von → Indikatoren für Notfalltherapie
Gehirn und inneren Organen (jedoch für weitere Planung nicht
z Ruptur: hämorrhagischer Schock ausreichend)
176 Kapitel 17 · Aortendissektion (Aneurysma dissecans aortae)

5 TEE: z Darstellung der Dissekti- z Vasodilatatormonotherapie führt


onsmembran z Überprüfung der zum Anstieg der ventrikulären
Koronarostien und der Aorten- Kontraktionsgeschwindigkeit
klappe z mittels Farbduplexsono- (Baroreflexstimulation) und damit
graphie Unterscheidung zwischen zur Progression der Dissektion
wahrem und falschem Lumen z systolischer Zielblutdruck:
z mittlere/distale Aorta ascendens <120 mmHg
wegen Trachealüberlagerung 5 Beobachtung (CT, Sonographie)
schlechter darstellbar z zusam- 5 ggf. Nitroprussidnatrium (Ni-
men mit Spiral-CT: Diagnostik pruss) additiv, falls Blutdruck in
der Wahl bei instabilen Patienten Akutsituation einer Dissektion
5 KM-CT von Thorax und Abdo- nicht kontrollierbar ist
men: bei instabilen Patienten und 5 zusätzlich Schmerz- und ggf.
Verdacht auf Ruptur, zur Operati- Schocktherapie
onsplanung z Interventionell-radiologisch:
Endostenting (endovaskuläre An-
Differenzialdiagnostik eurysmareparatur; zunehmender
z Akutes Koronarsyndrom Stellenwert bei Typ-B-Dissektionen:
z Lungenembolie INSTEAD-Studie)
z Myokarditis / Perikarditis z Operativ:
z Kostovertebralsyndrom 5 Typ A: Operation als Therapie der
z Pleuritis Wahl
z Pneumonie 5 Typ B: Operation nur bei Kompli-
z Pneumothorax kationen, sonst konservativ
z Ösophagusruptur
z Aortenruptur > Eine Standford-A-Dissektion muss
z Thoraxtrauma sofort operiert werden, während man bei
z Akute Pankreatitis / Gastritis einer Standford-B-Dissektion stets eine
z Cholezystitis konservative Therapie anstreben sollte
(bessere Prognose ohne Eingriff).
Therapie
z Konservativ: Prognose
5 β-Blocker (Metoprolol – Beloc) z Krankenhausletalität:
und Vasodilatatoren (Urapidil – 5 Typ A, operiert: etwa 20 %
Ebrantil, Glyceroltrinitrat – Nitro- 5 Typ A, konservativ behandelt:
lingual, Clonidin – Catapresan) in ungefähr 55 %
Kombination: Therapie der Wahl 5 Typ B, operiert: etwa 28 %
z vorrangiger Therapiebeginn mit 5 Typ B, konservativ behandelt:
β-Blocker (Metoprolol – Beloc): ungefähr 10 %
arterielle Drucksenkung und
Abnahme der linksventrikulären
Inotropie bzw. der aortalen Wand-
spannung z β-Blocker: meist
hohe Dosen notwendig, z. B. bis
zu 40 mg Metoprolol; ggf. Perfusor
Kapitel 18 · Raynaud-Syndrom 177 18

> Raynaud-Syndrom
G. Michels, T. Schneider

Definition Klinik und Diagnostik


z Angioneuropathie unbekannter (pri- z Ischämische Attacken als Trikolo-
märes Raynaud-Syndrom; 80 % der rephänomen: Blässe, Akrozyanose,
Betroffenen) oder bekannter Ätiologie Hautrötung
(sekundäres Raynaud-Syndrom oder z Das sekundäre Raynaud-Syndrom
Raynaud-Phänomen; ⊡ Tab. 18.1) zeichnet sich durch Nekrosen sowie

⊡ Tab. 18.1. Primäres und sekundäres Raynaud-Syndrom

Parameter Primäres Raynaud- Sekundäres Raynaud-


Syndrom Syndrom
Erkrankungsalter <50 Jahre >50 Jahre
Induktion vasospastischer Emotional, physikalisch Organische Gefäßschädigung
Attacken/Ätiologie (Kälte, Vibration etc.) oder Systemerkrankung
Akrenbefall Symmetrisch Asymmetrisch
(Hände und Füße)
Organmanifestation Nein Ja
Akrale Nekrosen Nie Häufig
Akrale Lichtplethysmogra- Normaler Befund Pathologischer Befund
phie nach Nitrogabe
Kapillarmikroskopie Unauffällig Pathologischer Befund
Arteriographie Vasospasmen, Vasospasmen und
keine organischen organische Veränderungen
Veränderungen
Labordiagnostik Unauffällig Pathologisch:
 BSG
 CRP-Konzentration
 ANA
 CENT-B-Antikörper
 Anti-SCL-70-Antikörper
(Kollagenosen)

Anti-SCL-70-Antikörper Anti-Topoisomerase-1-Antikörper; CENT-B-Antikörper Zentromerautoanti-


körper
178 Kapitel 18 · Raynaud-Syndrom

Nagel-/Knochenatrophien (Ratten- z Vermeidung von Stress (endogene


biss) aus Katecholamine)
z Die Symptomatik des primären Rayn- z Rheologische Maßnahmen:
aud-Syndroms ist weniger ausgeprägt 5 ASS: ohne Effekt
5 niedermolekulare Heparine: mög-
> Für eine sichere Abgrenzung sollte licherweise positiver Effekt
auch der Patient ohne pathologischen z Ultima Ratio: Sympathektomie, vor-
kapillarmikroskopischen Befund für zugsweise lokal digital
2 Jahre nachkontrolliert werden.
Maßnahmen bei primärem Raynaud-
z Bei 50 % aller Patienten mit sekun- Syndrom
därem Raynaud-Syndrom und einem z Nitrate: topische Anwendung (Salben
zusätzlichen pathologischen Befund oder Spray – nicht systemisch)
wird nach 3–15 Jahren eine Kollage- z Kalziumantagonisten: z. B. Nifedipin
nose diagnostiziert (bis 3-mal 10–20 mg/Tag), Amlodipin
z Hinweise auf Sklerodermie und rheu- (5–20 mg/Tag), Felodipin (10 mg/
matoide Arthritis sollten wahrgenom- Tag); Nebenwirkungen: Hypotonie,
men werden (Myalgien, Siccasympto- Knöchelödeme, »flush«
matik, Hautveränderungen, Photosen- z α1-Adrenorezeptoren-Blocker:
sitivität, pulmonale Auffälligkeiten) z. B. Prazosin (1–5 mg/Tag)
z Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker:
Differenzialdiagnostik z. B. Losartan (25–100 mg/Tag)
z Akrozyanose (»schmerzlose« bläu- z SSRI: z. B. Fluoxetin (20–40 mg/Tag)
liche Verfärbung von Akren durch
Vasospasmus und Vasodilatation, ! β-Blocker und Ergotaminpräparate
Hyperhidrose) sind in der Therapie des Raynaud-
z Arterienspasmus (Traumen, Ein- Syndroms absolut kontraindiziert.
nahme von Ergotamin, Bleiintoxika-
tion etc.) Maßnahmen bei sekundärem
z Embolien (→ akuter Arterienver- Raynaud-Syndrom
schluss) z Kausale Behandlung der Grund-
z pAVK ( Kap. 12) krankheit
z β-Blocker-Medikation: die Einnahme z Kalziumantagonisten (s. oben)
unselektiver β-Blocker kann bei ei- z Prostaglandine (Iloprost; Zyklen mit
nigen Patienten mit generalisierter 0,5–2 ng/kg KG i. v. bei Sklerodermie)
Atherosklerose ähnliche Symptome z Bosentan (dualer ET-1-R-Antagonist):
hervorrufen Dosisanpassung, lebertoxisch
z Sildenafil (Cave: Kostenübernahme
Therapie abklären)
Supportive Allgemeinmaßnahmen
z Konsequenter Kälteschutz (gesamter
Körper)
z Nikotinverbot
z Fettende Salben, Vermeiden von
Hautaustrocknung
Kapitel 19 · Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) 179 19

> Chronisch-venöse
Insuffizienz (CVI)
G. Michels, T. Schneider

Definition Klinische Schweregrade


z Alle Symptome und sichtbaren Ver- z Stadien nach Widmer:
änderungen im Bereich der betrof- 5 Stadium I: Stauungszeichen ohne
fenen Extremität, die Folgen einer trophische Störungen (Corona
chronischen Rückflussstauung des phlebectatica paraplantaris)
venösen Blutes zum Herzen sind → 5 Stadium II: trophische Störun-
Überbegriff für ein chronisch-venöses gen (Hämosiderose, zyanotische
Stauungssyndrom Hautfarbe, Dermatoliposklerose,
Unterschenkelekzem, »atrophie
Ätiologie blanche«)
z Primäre Varikosis ( Kap. 20) 5 Stadium III: Ulcus cruris venosum
z Posttrombotisches Syndrom (Stadium IIIa: abgeheilt;
Stadium IIIb: floride)
Klinik
z Hautveränderungen:
5 Corona phlebectatica paraplantaris: CEAP-Klassifikation (»clinical condition«,
dunkelblaue Hautvenenerweiterun- »etiology«, »anatomic location«, »patho-
gen (Besenreisermikrovarizen) am physiology«) der chronisch-venösen In-
lateralen und medialen Fußrand suffizienz
5 zyanotische Hautfarbe z Klinische Zeichen (C):
5 Hämosiderose: rotbraune Hyper- 5 C0*: keine sicht- oder tastbaren
pigmentierung Zeichen einer Venenerkrankung
5 Lipodermatosklerose, Dermato- z kann ergänzt werden durch
sklerose Präfix »A« (asymptomatisch) oder
5 Unterschenkelekzem mit Juckreiz Präfix »S« (symptomatisch)
5 »atrophie blanche«: depigmen- 5 C1: Besenreiser und/oder retikuläre
tierte, atrophische Hautbezirke Varizen
5 Ulcus cruris venosum 5 C2: Varizen
z Stauungsödeme: zunächst intermit- 5 C3: Ödem
tierend (meist abends), später jedoch 5 C4: Zeichen der Stauungsderma-
persistierend; Lokalisation: Knöchel- tose (Pigmentierung, Induration,
gegend Ekzem)
z Schmerzgefühl: Ödem-, Nerven-, 5 C5: wie C4, mit abgeheiltem Ulkus
Varizenschmerz 5 C6: wie C4, mit aktivem Ulkus
180 Kapitel 19 · Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI)

z Ätiologische Klassifikation (E): tionen (z. B. Ulcus curis) zu vermei-


5 Ep: primär (unbestimmte Ursache) den (Kontraindikation: pAVK)
5 Es: sekundär (z. B. postthrombotisch) z Kaltwasseranwendungen (z. B.
5 Ek: kongenital Kneipp-Hydrotherapie)
z Anatomische Verteilung (A): z Pharmakotherapie: umstritten; Salben
5 AS: Defekt im superfiziellen Venen- fördern allergische Reaktionen
system z Bei Ulcus cruris venosum: interdiszip-
5 AD: Defekt im tiefen (»deep«) Venen- linäre Zusammenarbeit mit Dermato-
system logen
5 AP: Defekt der Perforansvenen
z Pathophysiologische Konturen (P):
5 PR: Reflux
5 PO: Obliteration
5 PRO: Reflux und Obliteration

Beispiele:
z Aktives Ulkus bei primärer Varikose der
V. saphena magna mit Klappeninsuffizienz
ohne Obliteration tiefer Venen: C6, Ep,
AS, PR
z TVT mit Ausbildung eines Ulkus cruris:
C6, Es, AD, PO

Diagnostik
z Anamnese
z Körperliche Untersuchung
z Doppler-/Duplexsonographie mit Val-
salva-Manöver inklusive Bestimmung
des ABI ( Kap. 12) plus Tourniquet-
Test (Okklusion der Insuffizienzstre-
cken)
z Venöse Okklusionsplethysmographie
z Phlebographie mit Spezialaufnahmen

Therapie
z Behandlung der Grunderkrankung,
z. B. Therapie der Varikosis
5 Bewegungstherapie und Einsatz
der Muskelpumpe (insbesondere
bei sitzenden Tätigkeiten), ansons-
ten: L-L-L-S-S-S (lieber Laufen und
Liegen statt Stehen und Sitzen)
z Kompressionsverbände bzw. Kom-
pressionsstrümpfe, um Spätkomplika-
Kapitel 20 · Varikosis/Varizen 181 20

> Varikosis/Varizen
G. Michels, T. Schneider

Definition z Chronisch-venöse Insuffizienz


z Varizen entstehen durch degenerative ( Kap. 19)
Erkrankung der Venenwand in Form z Ulcus cruris venosum
von knotig ausgeweiteten, geschlän-
gelt verlaufende Venen (»Krampf- Diagnostik
adern«) z Anamnese: Risikofaktoren (Rauchen,
Stehen, familiäres Vorkommen,
Ätiologie Thrombose etc.)
z Primäre Varizen (95 %): z Körperliche Untersuchung:
5 idiopathisch 5 Inspektion: Lokalisation der Vari-
5 Venenwandschwäche zenstränge, Hautveränderungen
5 Auslöser: stehende und sitzende 5 Palpation: Verhärtungen, Ödeme,
Berufe, Gravidität, chronische »Blow-out«-Phänomen (Hervor-
Obstipation, Adipositas, Alkoho- wölbung) von Perforansvenen
lismus, orale Kontrazeptiva, fami- 5 CEAP-Klassifikation ( Kap. 19)
liäre Disposition z Funktionstests:
z Sekundäre Varizen (5 %): 5 Trendelenburg-
5 erworben (Klappenfunktions-)Test: Hoch-
5 Folge einer Phlebothrombose oder lagerung → Kompression →
eines postthrombotischen Syn- Aufstehen lassen
droms 5 Mahorn-Ochsner-(Perforans-)
5 fehlende oder dysplastische Ve- Test: den Patienten nach Anlage
nenklappen von 2 Staubinden (Areal eingren-
zen) gehen lassen
Klinik 5 Perthes-Test (tiefes Venensystem):
z Müdigkeits-, Schwere- und Span- den Patienten mit Staubinde um-
nungsgefühl in den Beinen hergehen lassen
z Abendliche Knöchelödeme z Bildgebung:
z Juckreiz und Druckgefühl über insuf- 5 Duplexsonographie (Sensitivität
fizienten Perforansvenen und Spezifität: je 95 %)
z Nächtliche Fuß- und Wadenkrämpfe 5 Okklusionsplethysmographie
5 Lichtreflexrheographie
Komplikationen 5 Funktionsphlebographie (bei
z Thrombophlebitis guter Sonographie nicht not-
z Phlebothrombose wendig)
182 Kapitel 20 · Varikosis/Varizen

Formen (30–40 mmHg: mittelkräftige


z Stammvarizen der Venenhauptstam- Kompression)
mäste: V. saphena magna häufiger als 5 Vermeidung von Wärme
V. saphena parva z Sklerotherapie von Besenreiser- und
z Seitenastvarizen retikulären Varizen:
z Retikuläre Varizen der subkutanen 5 in der Regel keine medizinische
Nebenäste (Kniekehle) Indikation
z Besenreiser der kleinen intrakutanen 5 Substanzen: Polydokanol,
Sammelvenen (häufig Oberschenkel) Jodnatriumjodid
z Perforansvarizen: Varikosis der Ver- 5 Kontraindikationen: Varizen der
bindungsvenen zwischen epi- und Perforansvenen oder in Mün-
subfaszialem System dungsbereichen
z Teleangiektasien (Erweiterung des 5 bei Stammvenenvarikosis:
obersten Hauptvenenplexus) >50%ige Rezidivrate → obsolet
z Sonderformen: Varikozele, Vulva- z Endovenöse Laserung bwz. Radio-
varizen, suprapubische Varizen bei frequenzablation
Schwangeren z Operativ:
5 Indikationen: bei primärer Variko-
Klinische Einteilung sis mit signifikanten Symptomen,
z Einteilung der Stammvarikosis der rezidivierenden Thrombophlebiti-
V. saphena magna nach Hach: den, Blutungen oder Ulzera
5 Stadium I: Krosse-Insuffizienz 5 Verfahren/Möglichkeiten: Kros-
(V. epigastrica superior, V. saphena sektomie, Venen-Stripping mit
parva/magna/accessoria, Babcock-Sonde, Ligatur von Per-
V. pudenda externa) foransvenen
5 Stadium II: Varize mit Reflux bis
oberhalb des Kniegelenks
5 Stadium III: Varize mit Reflux bis
unterhalb des Kniegelenks
5 Stadium IV: Reflux bis zum
Sprunggelenk
z Stadieneinteilung nach Marshall:
5 Stadium I: keine Beschwerden
5 Stadium II: Stauungsgefühl, nächt-
liche Krämpfe, Parästhesien
5 Stadium III: Ödem, Hautindura-
tion, Pigmentierung, abgeheiltes
Ulcus cruris
5 Stadium IV: Ulcus cruris venosum

Therapie
z Basistherapie:
5 Hochlagerung der Beine
5 Kompressionsstrümpfe: Klasse I
(20–30 mmHg) → Klasse II
Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT) 183 21

> Tiefe Beinvenenthrombose


(TVT)
G. Michels, T. Schneider

Definition 5 Faktor-II-Leiden-Mutation
z Partielle oder komplette Verlegung (Prothrombinmutation)
von Beinvenen durch ein intravasales 5 Anti-Phospholipid-Syndrom
Blutgerinnsel 5 Faktor-VIII-Erhöhung
z Lokalisation auf 4 Etagen: V. iliaca 5 Plasminogen-Mangel
(10 %), V. femoralis (50 %), V. poplitea 5 Sichelzellenanämie
(20 %), Unterschenkelvenen (20 %)
Ätiologie
Ätiologie und Risikofaktoren z Vorangegangene Operation → Immo-
z Erworbene Risikofaktoren bilisierung
5 Hohes Alter z Unfallverletzungen
5 Vorangegangene Operation z Erworbene und hereditäre Thrombo-
5 Trauma, Unfallverletzungen philien
5 Immobilisation, Parese z Risikofaktoren (s. oben)
5 Malignom (Hyperkoagulabilität,
Kompression): z. B. Pankreaskarzi- Pathophysiologie
nom, Tumoren der Lunge und der z ⊡ Tab. 21.1
Prostata z Virchow-Trias:
5 Chemotherapie 5 Blutstromveränderungen: z Stase
5 Z.n. TVT bei z. B. Immobilistation, Herzin-
5 Diabetes mellitus suffizienz und Schock z Tumor-
5 Schwangerschaft (5-fach erhöhtes kompression z Turbulenzen,
Risiko) z. B. bei Varikosis → verlängerte
5 Nephrotisches Syndrom Kontaktzeit der Thrombozyten
5 Adipositas mit physiologisch vorhandenen
5 Varikosis gerinnungsaktiven Mediatoren
5 orale Kontrazeptiva (relativ 2- bis (ATP, Faktor X, Thrombin, Fibrin)
5-faches Risiko) 5 Intimaschädigung: Inflamma-
5 Rauchen tion, Infektion, Atherosklerose,
5 Anti-Phospholipid-Syndrom Trauma/Operation, Neoplasie,
5 Erworbene Thrombophilien Ischämie, Rauchen
z Angeborene Risikofaktoren 5 Hyperkoagulabilität: z Lebersyn-
5 Protein-C-, Protein-S-Mangel these- oder Abbaustörungen von
5 AT-III-Mangel Gerinnungsfaktoren z hereditäre
5 Faktor-V-Leiden-Mutation Störungen: AT-III-, Protein-C-,
184 Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT)

⊡ Tab. 21.1. Unterscheidung zwischen arterieller und venöser Thrombose

Parameter Arterielle Thrombose Venöse Thrombose

Ursache/Pathogenese Endothelläsion, Blutstase, d. h. Strömungs-


z. B. bei Atherosklerose verlangsamung

Pathologie (Thrombusart) Weißer Abscheidungs- Roter Gerinnungsthrombus


thrombus

Thrombozytengehalt Viel Wenig

Fibringehalt Wenig Viel

Haftung an der Gefäßwand Ja Nein (Emboliegefahr)

Prozessdauer (gesamt) Jahre Tage

Manifestationen Myokardinfarkt, Apoplexie Venenthrombose, LE

Therapie (primär) Thrombozyten- Antikoagulation


aggregationshemmung

Protein-S-Mangel, APC-Resistenz Komplikationen


(Faktor-V-Leiden), Lupusantiko- ! Bei der Thrombusorganisation
agulans, Plasminogenfunktions- zwischen den Tagen 1 und 7 kann es
störungen (t-PA-Konzentration zur Ablösung von Thrombusmaterial
erniedrigt, t-PA-Inhibitor-Spiegel von der Gefäßwandung und damit zur
erhöht) z Thrombozytenfunk- Embolie kommen.
tionsstörung z Dehydratation
z Östrogensubstitution (»Pille«) z Frühphase: Lungenembolie
z Lebersynthesestörungen z Spätphase:
5 postthrombotisches Syndrom
Klinik mit chronisch-venöser Insuffi-
> Trias der TVT: zienz nach Widmer: z Grad I:
z Schwellung meist eines, seltener Stauungsödem, Corona
beider Beine (Umfangsdifferenz) phlebectatica paraplantaris,
z Schmerz (Druckempfindlichkeit) perimalleoläre Kölbchenvenen
z Zyanose z Grad II: Ödeme, Hämosi-
derose der Haut (rotbraune
z Dilatierte oberflächliche Venen Hyperpigmentierung), Derma-
z Überwärmung tosklerose, »atrophie blanche«
z Livide Färbung oder Rötung (depigmentierte, atrophische
z Spannungsgefühl, Glanzhaut, Areale), Stauungsekzem mit
Zyanose, Muskelkater Juckreiz und Neigung zu aller-
z Pratt-Warnvenen: Kollateralen an gischen Reaktionen, Zyanose
der Schienbeinkante z Grad III: Ulcera cruris veno-
Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT) 185 21
sum über insuffizienten Venae tiver venöser Hypertension und
perforantes vermehrtem Flüssigkeitsaustritt in
5 Thromboserezidiv das Interstitium
5 Unterschenkelschwellung von
> Ungefähr 65 % der an einer TVT er- >3 cm im Vergleich zur Gegenseite
krankten Patienten entwickeln ein post- 5 eindrückbares Ödem
thrombotisches Syndrom unterschiedli- 5 Kollateralenbildung oberfläch-
chen Schweregrads. licher Venen (verstärkte Venen-
zeichnung)
Diagnostik 5 Wadenkompressionsschmerz
z Anamnese (manuell: Meyer-Zeichen; mit
z Risikofaktorenabschätzung: s. oben Blutdruckmanschette: Lowenberg-
May-Zeichen)
5 Druckschmerz der medialen Fuß-
Wells-Score: klinische Wahrscheinlich- sohle (Payr-Zeichen)
keit einer TVT 5 Wadenschmerz bei Dorsalflexion
z Punktevergabe: des Fußes (Homans-Zeichen)
5 Je 1 Punkt: aktives Malignom, Läh- 5 Druckschmerz im Kniegelenks-
mung/Immobilisierung, Bettruhe bereich
für >3 Tage oder große Operation, 5 Druckschmerz an der Ober-
Schmerz/Verhärtung am Bein, Bein- schenkelinnenseite (M. sartorius,
schwellung, Umfangszunahme des M. gracilis)
Unterschenkels um >3 cm gegenüber 5 Meyer-Druckpunkte im Verlauf
der Gegenseite, eindrückbares Ödem der V. saphena magna
auf der erkrankten Seite, Kollateral- z Labordiagnostik:
venen, vorangegangene TVT 5 D-Dimere
5 –2 Punkte: alternative Diagnose 5 Thrombophilie-Screening: be-
mindestens genauso wahrscheinlich einflusst die Akuttherapie nicht,
wie TVT sondern ist im Rahmen der
z Auswertung: Sekundärprävention sinnvoll
5 <1 Punkt: geringes Risiko für das (Ausschluss eines angeborenen
Vorliegen einer TVT Risikofaktors bei Thrombosen bei
5 1–2 Punkte: mittlere Wahrscheinlich- jungen Patienten, ungewöhnlichen
keit für das Vorliegen einer TVT Lokalisationen oder Rezidiven)
5 ≥3 Punkte: hohe Wahrscheinlichkeit
für das Vorliegen einer TVT
Risikofaktoren wie Schwangerschaft und Thrombosediagnostik in Abhängig-
Wochenbett fehlen leider. keit vom Alter bei Eintritt des Erstereig-
nisses
z <45 Jahre:
z Körperliche Untersuchung (Inspek- 5 Test auf APC-Resistenz (Faktor V)
tion und Palpation): 5 Untersuchung bezüglich Prothrom-
5 akutes Phlebödem: Beinschwel- bin-(Faktor-II-)Mutation (G20210 A)
lung durch Beeinträchtigung des 5 Diagnostik in Hinblick auf Protein-S-
venösen Abflusses mit konseku- und Protein-C-Mangel
186 Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT)

5 Suche nach Anti-Phospholipid-Anti- herigen stationären Aufenthalts mögli-


körpern (können in Anti-Cardiolipin- cherweise mit Heparin (unfraktioniertes
Antikörper und Lupusantikoagulans Heparin mehr als niedermolekulares) be-
unterschieden werden) handelt worden sind und evtl. poststati-
5 Homozysteinspiegel onär im Rahmen der Thrombozytopathie
5 Faktor-VIII-Konzentration unbemerkt eine Thrombose entwickelt
5 Suche nach AT-III-Mangel haben. Keinesfalls sollte man bei dieser
z 45–60 Jahre: Konstellation erneut Heparin verabrei-
5 APC-Resistenz chen (Katheter spülen etc.), sondern auf
5 Prothrombinmutation andere Antikoagulanzien wie Argatroban
z >60 Jahre: Screening (bei therapeuti- oder Danaparoid ausweichen.
scher Konsequenz)
Differenzialdiagnostik
z Oberflächliche Thrombophlebitis
z Bildgebung: mit Ausdehnung in das tiefe Ve-
5 Kompressionssonographie: nensystem (roter, harter Strang),
z fehlende Komprimierbarkeit am Arm meist durch Venenkanülen
der betroffenen Vene z im Be- ausgelöst
ckenbereich: Duplex-Modus für z Postthrombotisches Syndrom (Ätiolo-
Flussinformation z Probleme gie: inkomplette Rekanalisation nach
durch Adipositas und Ödeme Thrombose; nach Monaten bis Jahren:
z schwierige Diagnostik bei Un- Ödeme und sekundäre Varizen)
terschenkelthrombosen z bei z Lymphödem
zweifelhaftem negativen Duplex- z Akuter arterieller Verschluss
befund und weiterem klinischen z Erysipel
Verdacht auf eine TVT ist eine z Muskelfaserriss, meist nach Trauma
Wiederholungsuntersuchung nach z Sich ausbreitendes Hämatom
5–7 Tagen ohne zwischenzeitliche z Baker-Zyste (Anschwellung poplite-
Antikoagulation vertretbar aler Schleimbeutel/Bursen): mittels
5 Phlebographie oder MRT-Phlebo- Dopplersonographie auszuschließen
graphie: Goldstandard z Nekrotisierende Fasziitis: massive
5 sollte sich der Verdacht auf eine Schmerzen
TVT im Rahmen der einfachen z Akute Arthritis mit Gelenkerguss
Bildgebung nicht bestätigen, wird
bis zum sicheren Ausschluss mit Therapie
Heparin behandelt Ziele
z Tumorsuche (ambulant empfohlen): z Verhinderung einer Lungenembolie
z. B. Hämocculttest, Prostatauntersu- z Vermeidung der Ausbreitung der
chungen (Umfang hängt vom klini- Thrombose
schen Gesamtbild ab) z Rekanalisierung mit Erhalt der Ve-
nenklappen
> Bei Patienten mit Thrombose nach
Krankenhausaufenthalt besteht der Akuttherapie
Verdacht auf eine HIT Typ II (⊡ Tab. 21.2), z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
da diese Patienten im Verlauf des vor- der Vitalfunktionen
Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT) 187 21
⊡ Tab. 21.2. Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT)

Parameter HIT Typ I HIT Typ II

Inzidenz 10 % 0,5–3 %

Diagnostik Ausschlussdiagnostik Klinik, HIPA-Test (IgG-Nachweis),


PF4-Heparin-ELISA

Pathogenese Nichtimmunologisch, Immunologisch, heparininduzierte


direkte Plättchen- Antikörper
aktivierung

Auftreten Sofort nach 5–21 Tage nach Beginn der Heparingabe,


Heparingabe bei Re-Expostion früher

Komplikationen Keine Thromboembolische Verschlüsse


(venös häufiger als arteriell)

Thrombozytenzahl >100.000/μl <100.000/μl; Abfall um 50 % ab Tag 5

Therapie Absetzen des Hepa- Absetzen des Heparins; Heparinersatz-


rins, ansonsten keine präparate:
weiteren Maßnahmen  Danaparoidnatrium
notwendig (Orgaran; renale Elimination)
 Argatroban
(Argatra; hepatobiliäre Elimination)
 Lepirudin (Refludan; renale
Elimination): PTT-Steuerung
 Desirudin (Revasc; renale Elimination):
nur zur Prophylaxe zugelassen
 Keine Thrombozytengabe

HIPA heparininduzierte Plättchenantikörper; PF4 Plättchenfaktor 4

z Heparingabe: unfraktioniertes He- > Eine Immobilisation begünstigt ver-


parin (Bolus: 70–80 IE/kg KG i. v.) mutlich das Thrombuswachstum. Die
oder niedermolekulares Heparin Mobilisation führt beim antikoagulierten
(s. unten) Patienten nicht zu einer vermehrten Lun-
z Lagerung: genembolierate.
5 bei zwingender Immobilisierung:
Hochlagerung und Ruhigstellung Allgemeines
der Extremität, frühzeitige Mobili- z Kompressionstherapie:
sierung, Krankengymnastik 5 initial elastische Binde, später
5 bei nicht notwendiger Bettlägerig- (tagsüber) Strümpfe (Klasse II
keit: keine Ruhigstellung, sondern beidseits, falls Schwellung es er-
Mobilisierung laubt, ggf. Anpassung)
188 Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT)

5 Indikation: nach Diagnosestel- 5 »überlappende Gabe« von Vita-


lung einer proximalen TVT für min-K-Antagonisten zwischen 1.
mindestens 1 Jahr, bei chronisch- und 3. Tag (⊡ Tab. 21.3)
venöser Insuffizienz länger z Niedermolekulares Heparin
5 Kontraindikationen: pAVK, Phleg- 5 in therapeutischer Dosierung
masia coerulea dolens 5 bevorzugte Anwendung (sichere
z Mobilisation: nach Einleitung einer Wirksamkeit)
effektiven Heparintherapie umgehend 5 Substanzen (Tagesdosen bei s. c.
möglich, auch bei Mehretagenthrom- Verabreichung): Nadroparin
bose (Fraxiparin; 2-mal 1 ml/kg KG),
z Ambulante Behandlung: bei feh- Enoxaparin (Clexane; 2-mal 1 mg/
lenden Begleiterkrankungen, »guter kg KG), Tinzaparin (Innohep),
Compliance« und »guter hausärzt- Certiparin (Mono-Embolex),
licher Versorgung« mit stationärer Fondaparinux (Arixtra; Heparin-
Behandlung gleichwertig Pentasaccharin Analogon; 1-mal
5,0 mg bei KG von <50 kg, 1-mal
Antikoagulanzientherapie 10 mg bei KG von >100 kg, an-
z Senkung der Lungenembolierate um sonsten 1-mal 7,5 mg)
60 % 5 zuvor Kreatininspiegelbestim-
z Gefahr einer intrazerebralen Blutung: mung: bei ausgeprägter Nie-
0,2 % (im Gegensatz zur Lyse: 0,8 %) reninsuffizienz Umstellung auf
z Start der Antikoagulation bereits bei unfraktioniertes Heparin oder
Verdacht auf eine TVT Monitoring mittels Anti-Xa-
z Unfraktioniertes Heparin: Spiegel
5 kontinuierlich i. v. 5 alle 3 Wochen Kontrolle der
5 Laborkontrollen: aPTT (min- Thrombozytenzahl
destens 2-mal täglich), Throm- 5 bei Intensivpatienten mit schwe-
bozytenzahl (Cave: HIT Typ II), rer Niereninsuffizienz führte die
bei ungenügender Wirksamkeit Thromboseprophylaxe mit Dalte-
Bestimmung des AT-III-Spiegels parin (1-mal 5000 IE) nicht zu ei-
(Wirksamkeit von Heparinen ist ner überschießenden gerinnungs-
AT-III-abhängig) hemmenden Wirkung und nur

⊡ Tab. 21.3. Vitamin-K-Antagonisten (Cumarine)

Substanz Wirkeintritt Halbwertszeit Abkling- Wirkstoffmenge


[Tage] dauer [Tage] pro Tablette [mg]

Phenprocoumon 2–3 4–7 Tage 7–14 3


(Marcumar)

Warfarin 2–3 30–40 h 3–5 5


(Coumadin)

Antidot: Vitamin K1, ggf. FFP oder PPSB bei Blutungen


Therapeutischer Ziel-INR-Wert: 2,0–3,0
Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT) 189 21
zu einer geringen Blutungswahr- troffen z Phenprocoumon
scheinlichkeit (DIRECT-Studie) »eingeschränkt« kontraindiziert
z Kontrolle der Thrombozytenzahl (teratogen/Embryopathien in
unter Antikoagulation: 0–28 % der Fälle, fetale Blutung)
5 Ziel: frühzeitge Detektion einer z niedermolekulare Heparine: ge-
HIT wichtsadaptiert 2-mal täglich wäh-
5 Beginn: vor oder mit Beginn der rend gesamter Schwangerschaft bis
Antikoagulation (Bestimmung des 6 Wochen post partum (Bestim-
Ausgangswerts) mung der Anti-Faktor-Xa-Aktivi-
5 dann zwischen 5. und 7. Tag, an- tät alle 2 Wochen) z bei erneuter
schließend 2-mal/Woche bis zum Schwangerschaft: Prophylaxe mit
Ende der 3. Behandlungswoche niedermolekularen Heparinen
z Dauer der Sekundärprophylaxe mit (1-mal täglich während gesamter
Vitamin-K-Antagonisten: Schwangerschaft bis 6 Wochen
5 unkomplizierte erste TVT: post partum) z bei Risikopatien-
3–6 Monate tinnen (z. B. mit Thrombophilie):
5 isolierte Unterschenkelthrombose: volle Antikoagulation mit nieder-
3 Monate molekularen Heparinen, Kompres-
5 rezidivierende Thrombosen oder sionsstrümpfe, bei Kinderwunsch
Tumorerkrankung: 12 Monate bis interdiziplinäre Mitbetreuung
lebenslang (Hämostaseologie, Gynäkologie)
5 persistierender primärer Risiko- 5 Thromboseprophylaxe beim Flie-
faktor: lebenslang gen (»Economy-class«-Syndrom):
5 idiopathische TVT (ohne bei Flugdauer von >6 h Vermei-
Ursache): 4 Jahre bis lebenslang dung einengender Kleidung und
z Sonderformen/spezielle Situationen: von Dehydratation (Trinken),
5 Muskelvenenthrombose (meist regelmäßige Anspannung der Wa-
krurale Muskelgruppen): sehr denmuskeln, ggf. Stützstrümpfe
selten aszendierend in V. poplitea; oder niedermolekulares Heparin
Therapie (diskutabel): Kompres- bei erhöhtem Thromboserisiko,
sion und niedermolekulare Hepa- keine ASS-Gabe
rine für 3 Wochen bis 3 Monate,
dann Vitamin-K-Antagonisten Lysetherapie (Fibrinolyse)
5 aszendierende Thrombophlebitis/ z Indikationen:
Varikothrombose (z. B. V. saphena 5 Phlegmasia coerulea dolens
magna): keine dauerhaufte Anti- 5 frische proximale TVT mit massi-
koagulation, Ursachenbeseitigung ver Klinik
5 Gravidität/Wochenbett (Inzidenz: 5 Lungenembolie im Stadium III
1 : 1500 Schwangerschaften): oder IV
z diagnostisch auf Sonographie 5 frischer Myokardinfarkt: 6 h nach
und MRT beschränken, ggf. im Symptombeginn
äußersten Notfall Phlebographie
mit Abschirmung z D-Dimer- Prophylaxe
Bestimmung nicht sicher z in z Frühmobilisierung
90 % der Fälle linkes Bein be- z Lagerung bei Intensivpatienten
190 Kapitel 21 · Tiefe Beinvenenthrombose (TVT)

z Physiotherapie 5 Therapie: Antikoagulation (initial


z Kompressionsstrümpfe Heparin, später Phenprocoumon
z Ausreichende Flüssigkeitsbilanz bei für 6 Monate), ggf. Thrombolyse
Patienten mit starker Diurese (evtl. mit nachfolgender Ballon-
z Erkennen von Risikofaktoren dilatation), ggf. chirurgische
z Vorzugsweise Gabe niedermoleku- Thrombektomie
larer Heparine (»low dose«): diverse
Präparate zugelassen, z. B. Enoxaparin
(1-mal 0,4 ml/Tag s. c., entsprechend
40 mg; keine Gewichtsadaptation,
keine Anpassung an Nierenfunktion),
Heparin (2- bis 3-mal 5000–7500 IE/
Tag s. c.), bei schweren orthopädi-
schen Operationen mit langer Im-
mobilisierung 2-mal täglich nieder-
molekulares Heparin, Fondaparinux
(Arixtra; 1-mal 2,5 mg/Tag s. c.),
Rivaroxaban (Xarelto; 10–40 mg/Tag,
üblicherweise 1-mal 10 mg/Tag p. o. –
geprüft nach Hüft-/Knieoperation)

Besonderheiten
z Wie bei der akuten Lungenarterie-
nembolie sind auch die klinischen
Zeichen einer TVT sehr unspezifisch;
bei Bettlägerigkeit verläuft die TVT
häufig asymptomatisch
z Die Diagnostik beinhaltet daher die
Bestimmung der »klinischen Wahr-
scheinlichkeit« (Wells-Score) durch
klinisch-empirische Beurteilung
(Anamnese, Risikofaktoren, Unter-
suchung) und/oder Anwendung ver-
schiedener Scores
z Akuter thrombotischer Verschluss
der V. subclavia bzw. der V. axilla-
ris (Paget-von-Schrötter-Syndrom,
»thrombose par effort«, »Thoracic-
inlet«-Syndrom):
5 Ätiologie: ZVK, Portkatheter,
Tumorkompression (Lymphom,
Struma), Radiatio, kostoklavi-
kuläres Syndrom, Klavikulaf-
raktur, Gerinnungsstörungen,
Traumata
Kapitel 22 · Lungenembolie (LE) 191 22

> Lungenembolie (LE)


G. Michels, T. Schneider

Definition 5 Schwangerschaft und Wochenbett


z Akute partielle oder vollständige Ver- 5 Herzinsuffizienz
legung einer oder mehrerer Pulmo- 5 angeborene Thrombophilien
nalarterien, meist durch Embolisation z Mäßiges Risiko:
von nicht ortsständigem Material 5 chronisch-venöse Insuffizienz
(Thromboembolie) (Varikosis)
5 Östrogen-/Progesterontherapie
Ätiologie 5 Alter von >40 Jahren
z Embolus stammt in >80 % der Fälle 5 Adipositas
aus dem Einzugsgebiet der V. cava 5 Zigarettenrauchen
inferior, selten aus den Venen der 5 nephrotisches Syndrom
oberen Extremitäten oder aus dem
rechten Herzen
z Andere Ursachen der Embolie: z. B. Klinik
Luft (Verletzung zentraler Venen, z Leitsymptome: Dyspnoe, Tachypnoe,
Herz-Thorax-Operation, Caisson- substernale (pleuritische) Thorax-
Krankheit 5–15 ml/kg KG letal → schmerzen (Pleurairritation bei
Aspirationsversuch, wenn Luftblase peripheren Embolien und Zeichen
im rechten Vorhof »klebt«), Tu- rechtsventrikulärer Ischämie)
morfragmente, Fruchtwasser, Kno- z Todesangst durch Luftnot
chenmark bzw. Fett (traumatisch, z Tachykardie, ggf. Hypotonie
Frakturen langer Röhrenknochen), z Husten, Hämoptysen
septisch z Zyanose
z Halsvenenstauung
z Eventuell Synkope
Risikofaktoren für TVT und LE z Zeichen einer TVT
z Hohes Risiko:
5 Immobilisation (>3 Tage) Einteilung
5 vorangegangene Operation z Nach Grosser: ⊡ Tab. 22.1
(bis 3 Wochen) z ESC-Klassifikation:
5 multiple Traumata 5 leichte LE (»non-high risk«, »low
5 vorangegangene Thrombose/ risk«): hämodynamisch stabil
Thrombophlebitis oder LE ohne Rechtsherzbelastungszei-
5 Malignome (Pankreas, Lunge, chen, meist asymptomatisch →
Urogenitaltrakt inklusive Prostata) nur Heparinisierung
192 Kapitel 22 · Lungenembolie (LE)

5 submassive LE (»non-high risk«, 5 bei hämodynamischer Instabilität


»intermediate risk«): hämodyna- ist eine umgehende bildgebende
misch stabil mit Rechtsherzbe- Diagnostik (primär Echokardio-
lastungszeichen → Heparinisie- graphie – Rechtsherzbelastungs-
rung zeichen?, sekundär KM-Spiral-CT
5 massive LE (»high-risk«): Schock, von Thorax und Abdomen) zur
Patient hämodynamisch instabil Abschätzung des Schweregrads
bis reanimationspflichtig → Lyse und zur Differenzialdiagnostik
und/oder Embolektomie (Myokardinfarkt, Perikardtam-
ponade, Aortendissektion etc.)
Diagnostik durchzuführen; das Warten auf
z Die Reihenfolge der Diagnostik ist Laborwerte (D-Dimere) oder das
vom klinischen Beschwerdebild ab- Suchen nach einer TVT (Duplex-
hängig: sonographie) ist zweitrangig

⊡ Tab. 22.1. Schweregrade der LE nach Grosser

Parameter Schweregrade

I (klein) II (submassiv) III (massiv) IV (fulminant)

Klinik Zu 80 % Dyspnoe, Wie bei II Schock


stumm Tachypnoe,
Schmerz, Angst,
Husten

Blutdruck Normal Normal bis Erniedrigt Stark erniedrigt


erniedrigt

mPAP [mmHg] <20 >20 25–30 >30

paO2 [mmHg] >75 <75 <70 <60

Gefäß- Periphere Segment- Pulmonalarteri- Pulmonal-


obliteration Gefäße arterien enast oder Lap- arterienast und
penarterien Lappenarterien

Reduktion <30 30–50 50–70 >70


des Gefäß-
lumens [%]

Rechts- Normal Mäßig reduziert Stark Aufgehoben


ventrikuläre reduziert
Funktion

Therapie- Anti- Antikoagulation Thrombolyse Thrombolyse


option koagulation (bei Instabilität)

Mortalität [%] <1 8 25 65


Kapitel 22 · Lungenembolie (LE) 193 22
5 bei hämodynamisch stabilen Patien- z hohe Sensitivität bei alters-
ten bietet sich zur Abschätzung der abhängiger niedriger Spezifität
klinischen Wahrscheinlichkeit einer z negativer prädiktiver Wert:
LE der Wells-Score an ( Kap. 21) ≥99 % z Nachweis von D-Dime-
z Anamnese: Vorerkrankungen, Medi- ren auch nach Operationen sowie
kamente, Risikofaktoren, Schwindelat- bei Infektion/Sepsis, Malignom,
tacken oder Synkopen als Hinweis auf Gravidität etc.
rezidivierende LEn 5 BGA: normale Werte schließen
z Körperliche Untersuchung: Inspektion eine LE nicht aus (kompensiert)
(Klinik), Auskultation (ggf. 4. HT, be- 5 Troponinspiegelerhöhung durch
tonter und gespaltener 2. HT, feuchte/ rechtsventrikuläre Ischämie und
trockene Rasselgeräusche) rechtsventrikuläre Dysfunktion
z Monitoring: 5 BNP/NT-proBNP: Spiegelanstieg
5 Hämodynamik: Blutdruck, Puls durch Zunahme der ventrikulären
5 Atmung: Atemfrequenz, SaO2 Wandspannung
z EKG: 5 Konzentrationen von Troponin
5 Sinustachykardie und BNP/NT-proBNP: Prädik-
5 Vorhofflimmern/-flattern toren für ungünstigen Verlauf,
5 SVES jedoch keine Ausschlussparameter
5 SIQIII-McGinn-White- oder SISII- (falls beide Faktoren nicht erhöht
SIII-Typ (⊡ Abb. 22.1) sind: gute Prognose)
5 neuer Rechts-/Steiltyp (Vor-EKG- z Bildgebung:
Befunde) 5 Röntgenuntersuchung des
5 inkompletter/kompletter Rechts- Thorax (nur in 40–50 % der
schenkelblock Fälle): gestaute A. pulmonalis,
5 Erregungsrückbildungsstörungen einseitiger Zwerchfellhochstand,
rechtspräkordial (V1–4) Gefäßlücken/-rarefizierung, Wes-
5 ST-Strecken-Hebungen mit ter- termark-Zeichen (passagere lokale
minal negativen T-Wellen in Ab- Aufhellung hinter dem Gefäßver-
leitungen III, aVF und V1–4 (Dif- schluss), Atelektasen, Infiltrate,
ferenzialdiagnosen: Hinterwand-, Pleuraerguss
Rechtsherzinfarkt) 5 Spiral-CT: z insbesondere bei
5 P dextroatriale in Ableitung II zentraler LE z gute Qualität bis
(>0,25 mV) Subsegmentarterien z Sensi-
5 periphere Niedervoltage tivität: 83 %; Spezifität: 96 %
z weitere Vorteile: Dyspnoediffe-
> Das EKG ist nicht geeignet, um eine renzialdiagnostik, CT-Angiogra-
akute LE auszuschliessen. Unauffällige phie (nur elektiv), Mehrzeilen-
EKG-Befunde machen eine LE jedoch un- Spiral-CT z CT des Abdomens:
wahrscheinlicher (30 % aller Patienten mit Tumorsuche
gesicherter LE haben ein normales EKG). 5 MRT-Angiographie (nur elektiv)
5 Pulmalisangiographie: früher
z Labordiagnostik: Goldstandard, heute Indikation
5 D-Dimere: z ein negativer Test nur bei elektiven Thrombekto-
(<500 μg/l) schließt eine LE aus mien
194 Kapitel 22 · Lungenembolie (LE)

z Echokardiographie: z Duplexsonographie der Beinvenen:


5 Ziel: Risikoabschätzung → ein 5 findet man eine TVT, gilt bei ent-
normaler echokardiographischer sprechender Symptomatik eine LE
Befund schließt eine LE nicht aus als gesichert
5 vergrößerter rechter Ventrikel 5 bei stabilen asymptomtischen Pati-
(grob orientierend: rechter Ven- enten ist die Sensitivität schlechter
trikel größer als linker, RVEDD als für stabile, symptomatische
beträgt parasternal >30 mm) mit Patienten
Hypo-/Akinesie, v. a. der freien 5 empfohlen für stabile Patienten
Wand; die kardiale Beeinträchti- mit niedriger bzw. mittlerer Pre-
gung gilt als Prädiktor für einen Test-Wahrscheinlichkeit
ungünstigen Verlauf (hoher 5 bei gesicherter LE nicht mehr
prädiktiver Wert: Troponin- und notwendig (keine therapeutische
Pro-BNP-Spiegel) und zur Risi- Konsequenz)
kostratifizierung (überwachungs- z Gegebenenfalls Ventilations-Perfusi-
pflichtiger Patient) ons-Szintigraphie:
5 Trikuspidalklappeninsuffizienz als 5 hoher negativer prädiktiver Wert,
Zeichen der pulmonalen Hyperto- d. h. ein Normalbefund macht eine
nie (Δpmax >25 mmHg + ZVD) LE sehr unwahrscheinlich
5 weitere rechtsventrikuläre Para- 5 nichtinvasiver Goldstandard
meter: z »tricuspid anular plane 5 nicht überall verfügbar
systolic excursion« (TAPSE): <2 cm 5 nicht für instabile Patienten geeig-
z Tei-Index (myokardialer Perfor- net
mance-Index): >0,5 z Lei-Index 5 positiver Perfusionsdefekt: auch
(linksventrikulärer Exzentrizitäts- bei Atelektasen und COPD →
index): >1 z »tricuspid anular vorzugsweise mit Ventilations-
systolic velocity« (TASV): <20 cm/s szintigraphie: »mismatch«, d. h.
5 Dilatation der Pulmonalarterien Perfusionsausfall bei normaler
5 paradoxe Septumbewegung Ventilation, weist auf eine LE hin
5 V. cava inferior: z nicht atem- 5 Interpretation des Verfahrens nur
variabel z Durchmesser: >2 cm im klinischen Kontext (PIOPED-
z Lebervenenstauung als indirektes Studie)
Zeichen einer RVEDP-Erhöhung z Pulmonalarterienkatheterisierung:
z erweiterte zentrale Lebervenen 5 im Stadium IV möglich (v. a. zur
(>1 cm) z Lebervenenreflux Therapiesteuerung)
5 evtl. direkter Thrombusnachweis 5 Cave: zentrale Thromben
in zentralen Pulmonalarterien 5 elektiv eingesetzt zur Diagnostik
(TEE → Vorteil: zusätzlicher und Differenzialdiagnostik der
Ausschluss einer Aortendissektion pulmonalen Hypertonie (Abgren-
möglich) zung von Linksherzinsuffizienz
über den PCWP)
! Unter instabilen Verhältnissen wird z Zentrale Venenkatheterisierung:
eine Analgosedierung zur TEE nur grobe Abschätzung des Rückstaus
schlecht toleriert → stets Intubationsbe- über den ZVD, keine primäre Diag-
reitschaft. nostik
Kapitel 22 · Lungenembolie (LE) 195 22

⊡ Abb. 22.1. SIQIII-Typ als Zeichen der Rechtsherzbelastung

Differenzialdiagnostik LE ausgeschlossen) z 2–6 Punkte:


z Kardiovaskulär: akutes Koronar- mittlere Wahrscheinlichkeit →
syndrom, Perimyokarditis, Perikard- additiv D-Dimer-Bestimmung,
tamponade, Aortendissektion, dekom- evtl. Bildgebung z >6 Punkte: LE
pensierte Herzinsuffizienz wahrscheinlich → vorzugsweise
z Pulmonal: Pneumonie, Bronchitis, direkte Bildgebung mittels CT-
Pleuritis, Pneumothorax, Lungen- Angiographie
ödem, akute Exazerbation einer 5 folgende Faktoren werden im
COPD, Asthma bronchiale, psychogen Wells-Score leider nicht be-
z Muskuloskelettale Schmerzen rücksichtigt: Schwangerschaft,
z Interkostalneuralgie Wochenbett, Familienanamnese,
z Pre-Test-Wahrscheinlichkeit einer LE: Rauchen, orale Kontrazeptiva
Wells-Score:
5 klinische Zeichen einer TVT und/ Therapie
oder fehlende Alternativdiagnose Ziele
(d. h. LE wahrscheinlicher als eine z Vermeidung einer progredienten
andere Diagnose): jeweils 3 Punkte neuerlichen Embolie (Appositions-
5 Tachykardie und/oder Immobi- thromben)
lisation oder Operation in den z Gefäßrekanalisation
vorangegangenen 4 Wochen und/
oder frühere LE/TVT: jeweils Allgemeine Maßnahmen
1,5 Punkte z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
5 Hämoptysen und/oder Malignom: der Vitalfunktionen
jeweils 1 Punkt z Lagerung: halbsitzend, Immobilisie-
5 Auswertung: z ≤2 Punkte: rung
LE unwahrscheinlich, additiv z Oxygenierung: etwa >6 l O2/min über
D-Dimer-Bestimmung (negativ: Maske, ggf. Intubation und Beatmung
196 Kapitel 22 · Lungenembolie (LE)

z Schaffung eines sicheren peripher- 5 Vorteile unfraktionierter He-


venösen Zugangs und Anlage einer parine: kurze Halbwertszeit,
Vollelektrolytinfusionslösung zum einfaches Monitoring, bei Nieren-
Offenhalten insuffizienz keine Dosisanpassung
z Diagnostischer Block und ätiologische erforderlich, Antidot (Protamin)
Abklärung: vorhanden, Kombination mit Lyse
5 EKG: Arrhythmien, Ischämie- möglich, bei Schwangerschaft pro-
zeichen blemlos einsetzbar
5 Hämodynamik: HF, Blutdruck 5 Nachteile unfraktionierter Hepa-
5 Sauerstoffstatus: SaO2 rine: »umständlich« zu dosieren,
i. v. Verabreichung, obligate Kont-
Medikamentöse Therapie rollen (PTT, Thrombozytenzahl);
z ⊡ Tab. 22.2 die Ziel-PTT und damit der
z Analgosedierung: z. B. Fentanyl (Fen- therapeutische Bereich wird selten
tanyl-Janssen), Diazepam (Valium) erreicht und eingehalten
z Antikoagulation mit unfraktioniertem z Antikoagulation mit niedermolekula-
Heparin: ren Heparinen:
5 ⊡ Tab. 22.3 5 vorzugsweise bei hämodynamisch
5 i. v. Gabe bereits bei Verdacht stabilen Patienten
auf LE: Bolus von 80 IE/kg KG, 5 im Schock droht Nierenversagen
anschließend i. v. Perfusor etc. (ggf. Operation); hier sind die
(500 IE/ml) fehlende Antagonisierbarkeit und
5 Ziel: aPTT 2- bis 2,5fach verlän- die lange Halbwertszeit ungünstig
gert (etwa 60–80 s) 5 Präparateauswahl nach Zulassung
5 kleines Blutbild vor oder mit (länderspezifisch)
Beginn der Antikoagulation (Aus- 5 zugelassen bei LE (Beispiele):
gangswert) sowie zwischen den z Fondaparinux (Arixtra): Do-
Tagen 5 und 7 zur Kontrolle der sierung wie bei TVT (5,0 mg bei
Thrombozytenzahlen (Cave: HIT KG von <50 kg, 10 mg bei KG von
Typ II;  Kap. 21) >100 kg, ansonsten 7,5 mg, jeweils
5 hohe Frührezidivrate bei ineffekti- 1-mal/Tag s. c.); Halbwertszeit:
ver PTT-Verlängerung 15 h; Wirkeintritt: nach 25 min
5 Vermeidung von Überdosierung z Tinzaparin (Innohep): 1-mal
(>3fach: 8faches Blutungsrisiko) 175 IU/kg KG/Tag s. c.
5 überlappend Gabe von Vitamin- 5 zugelassen bei TVT und LE: Eno-
K-Antagonisten (Phenprocoumon xaparin (Clexane; s. c. gewichts-
– Marcumar) bei hämodynamisch adaptierte Dosierung – Faustregel:
stabilen Patienten kg KG entspricht mg entspricht
kg/100 ml; therapeutische Dosis:
! Im Schockzustand, bei disseminier- 2-mal 1 mg/kg KG/Tag)
ter intravasaler Gerinnung und bei 5 Vorteile der niedermolekularen
Leberstauung (Rechtsherzversagen) Heparine: mindestens gleichwer-
mit Lebersynthesestörung kommt es tige Wirksamkeit bei gleichem
zum Konzentrationsabfall der Gerin- Blutungsrisiko, seltener HIT
nungsfaktoren. Typ II, einfache Anwendung
Kapitel 22 · Lungenembolie (LE) 197 22
⊡ Tab. 22.2. Medikamente bei akuter LE

Substanzgruppe Medikament Dosierung (Erwachsene)

Analgetika Fentanyl 1–5 μg/kg KG bzw. 0,2 mg/70 kg KG i. v.


(Fentanyl-Janssen)

Sedativa Diazepam (Valium) 2,5–10 mg i. v.

Thrombininhibitoren Heparin (Heparin- 5000–10.000 IE als i. v. Bolus


(Antithrombine) Natrium-Nattermann)

Stets sicherer i. v. Zugang bei akuter LE

⊡ Tab. 22.3. Therapieschema zur i. v. Heparinisierung mit unfraktioniertem Heparin

aPTT-Bereich Dosierung

aPTT vor Bolus von 80 IE/kg KG (5000–7500 IE), anschließend kontinier-


Therapiebeginn lich 18 IE/kg KG i. v. (entspricht z. B. bei einem Perfusor mit
25.000 IE/50 ml bei einem KG von 75 kg etwa 2,7 ml/h)

<35 s Erneuter Bolus von 80 IE/kg KG, dann Perfusor um 4 IE/kg KG auf
22 IE/kg KG (3,3 ml/h) steigern

35–45s (1,2- bis 1,5fach Erneuter Bolus von 40 IE/kg KG, anschließend Perfusor um 2 IE/
verlängert) kg KG auf 24 IE/kg KG (3,6 ml/h) steigern

46–70 s (1,5- bis Einstellung belassen, 2-mal tägliche PTT-Kontrollen, ab 3. Tag


2,3fach verlängert) tägliche Kontrollen der Thrombozytenzahlen, bei Perfusorstopp
erneute PTT-Kontrolle; bei normalem Gerinnungsstatus (Leber)
beträgt die Halbwertszeit etwa 4 h

71–90 s (2,3- bis 3fach Perfusordosierung um 2 IE/kg KG auf 22 IE/kg KG (3,3 ml/h) senken
verlängert)

>90s (>3fach verlän- Perfusor für 1 h pausieren, dann um 3 IE/kg KG auf 19 IE/kg KG
gert) bis durchlaufend senken

Standardperfusor mit 500 IE/ml, Beispiel für KG von 75 kg

5 Nachteile der niedermolekularen mittels Anti-Faktor-Xa-Aktivität


Heparine: keine zugelassene Kom- umständlich (Blutabnahme in Zit-
bination mit Thrombolysemedika- ratröhrchen 3–4 h nach s. c. Gabe)
menten z Anti-Faktor-Xa-Aktivität bei
5 Dosisanpassung bei Nieren- Prophylaxe: bei 2-maliger Injek-
insuffizienz (sonst erhöhtes tion 0,6–1,0 IE/ml, bei einmaliger
Blutungsrisiko): z Kontrolle Injektion 1–2 IE/ml
198 Kapitel 22 · Lungenembolie (LE)

z Bei hämodynamischer Instabilität: – Troponin- und BNP-Spiegel –, Echokar-


5 Volumensubstitution diographie – TAPSE, Tei-Index, rechtsven-
5 Noradrenalin (Arterenol): Ka- trikuläres Volumen) scheint die Lysethe-
techolamin der Wahl, hebt den rapie von Nutzen zu sein. Bei instabiler
systemischen Blutdruck und damit Kreislaufsituation und hochgradigem
den koronaren Perfusionsdruck Verdacht auf LE (z. B. echokardiographi-
5 Gegebenenfalls Dobutamin sche Rechtsherzbelastungszeichen oder
(Dobutrex), Dopexamin Troponin-/BNP-/NT-proBNP-Konzentra-
tionserhöhung) kann eine Lysetherapie
Stadiengerechte Therapie ohne CT-Diagnostik eingeleitet werden.
z Leichte bis submassive LE: Antikoagu-
lanzientherapie mit unfraktioniertem 5 Spätlyse: bis zu einem Abstand
oder fraktioniertem Heparin (Enoxa- von 1 Woche sind positive Beein-
parin, Tinzaparin) oder zugelassenen flussungen beschrieben worden
Anti-Faktor-Xa-Präparaten (Fondapa- 5 eine lokale Lyse hat keine Vorteile
rinux) gegenüber einer systemischen
z Massive LE: 5 Kontraindikationen: z unkont-
5 Substanzen für die Lysetherapie: rollierte Blutungen (gastrointesti-
rt-PA, Urokinase, Streptokinase nal, intrakraniell) z hämorraghi-
5 i. v. Kurzzeitlyse mit rt-PA bzw. sche Diathese z intrazerebrale/
Alteplase (Actilyse) nach Gold- spinale Operation in den voran-
haber: initial 10 mg als i. v. Bolus, gegangenen 3–6 Monate z intra-
anschließend 90 mg über 2 h i. v. kranielle Neoplasie z ausgeprägte
(MAPPET-II-Studie) Ösophagusvarizen z relativ: Gra-
5 Lyse unter Reanimation: 100 mg vidität, Ulkus etc. → im Schock ist
rt-PA über 2 h oder 0,6 mg/kg KG das Risiko abzuwägen
(max. 50 mg) über 15 min i. v. → 5 Kathetermethoden: Thrombendar-
Fortführung der kardiopulmona- teriektomie, Katheterfragmentation
len Reanimation nach Thrombo- 5 ggf. pulmonale Embolektomie
lyse über mindestens 90 min; auch (Trendelenburg-Operation)
die präklinische Lysetherapie bei
Verdacht auf LE scheint von Nut- Dauerhaufte Antikoagulation mit
zen zu sein (TROICA-Studie) Cumarinen
5 während der Lyse: Heparingabe, z Beginn: bei stabilen Patienten, wenn
PTT-Kontrollen Lyse und Operation nicht infrage
5 Indikation: hämodynamisch in- kommen; zwischen 1. und 3. Tag
stabile Patienten (Verringerung z Orale Vitamin-K-Antagonisten (Cu-
der Letalität, aber doppelt so viele marine):
Hirnblutungen), Rechtsherzbelas- 5 Phenprocoumon (Marcumar):
tung plazenta- und muttermilchgängig,
teratogen
> Bei stabilen Kreislaufverhältnissen 5 bei Unverträglichkeit: Warfarin
hat die Akutlyse hinsichtlich der Leta- (Coumadin)
lität keinen Vorteil. Bei Vorliegen einer z Beispiel für Induktion der Cumarin-
Rechtsherzbelastung (Klinik, Labor therapie mit Phenprocoumon (Mar-
Kapitel 22 · Lungenembolie (LE) 199 22
cumar, 3-mg-Tablette) bei einem INR 5 2. Ereignis oder ipsilaterale TVT:
von 1 (Quick-Wert: 100 %) mindestens 12 Monate (Diskus-
5 1. Tag: 4 Tbl. sion: lebenslang)
5 2. Tag: 3 Tbl. 5 2. Ereignis oder kontralaterale
5 3. Tag: Kontrolle des INR/Quick- TVT: 6 Monate
Wertes 5 3. Ereignis: lebenslang
z Therapeutischer Zielbereich: INR 5 AT-III-Mangel: lebenslang
2- bis 3fach erhöht, bei Vorliegen 5 Protein-C- oder Protein-S-Mangel
besonderer Risikofaktoren (Anti- und LE/TVT: mindestens 12 Mo-
Phospholipid-Antikörper) ggf. höher nate
z Wirkung: die Bildung der Vitamin- 5 homozygote Thrombophilien:
K-abhängigen Gerinnungsfaktoren lebenslang (Ausnahme Prothrom-
(Faktoren II, VII, IX und X, Protein S bin: 12 Monate)
und Protein C) wird gehemmt (kom- 5 heterozygote Thrombophilien:
petitive Hemmung der Vitamin-K1- 12 Monate
Epoxid-/Chinonreduktase) 5 Nachweis von Anti-Phospholipid-
z Antagonisierung: Vitamin K1 (Kona- Antikörpern: mehrere Jahre
kion; i. v. oder p. o.) oder FFP bzw.
PPSB (Faktoren II, VII, IX und X; Besonderheiten
Beriplex) z Bei zusätzlichen kardiopulmonalen
Vorerkrankungen führen bereits ge-
! In Abhängigkeit von den individuel- ringe Perfusionsausfälle zu einer deut-
len Halbwertszeiten der einzelnen Vita- lichen klinischen Beeinträchtigung
min-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren z Die Größe und die Anzahl der Em-
(Faktor VII, Protein C: 6–7 h; Faktoren II, bolien sowie die Begleiterkrankungen
IX und X: 3–5 Tage) fallen die Konzentra- bestimmen den Schweregrad der
tionen unterschiedlich schnell ab, sodass Symptomatik
der INR/Quick-Wert bei Verwendung z Bei Verdacht auf hereditäre Throm-
eines »Faktor-VII-empfindlichen Throm- bophilie sollte die (teure) Diagnostik
boplastinlabortests« bereits nach etwa ohne orale Antikoagulation durch-
2 Tagen im therapeutischen Bereich liegt geführt werden, da Vitamin-K-Anta-
→ Fortführung der Heparintherapie über gonisten die Ergebnisse beeinflussen
48–72 h, auch wenn der INR/Quick-Wert (vorzugsweise nach 6 Monaten, um
bereits optimal ist. die Entscheidung zu einer längeren
Antikoagulation treffen zu können)
z Dauer der oralen Antikoagulation z Kavafilter, V.-cava-Schirm, Sperrung
(uneinheitliche Empfehlungen): der V. cava inferior, Femoralvenenli-
5 zusammenfassend für TVT/LE: gatur: keine größeren Patientenstu-
3–6 Monate dien; am ehesten als Ultima Ratio zur
5 keine Thrombophilie, kein dau- Prophylaxe von Rezidiven, wenn eine
erhaufter Risikofaktor, erste LE: Antikoagulation absolut kontraindi-
3–6 Monate ziert ist (z. B. bei schwerster Epilepsie)
5 zusätzlich unbehandelte, aktive
Neoplasie: bis Krebserkrankung
geheilt ist, sonst lebenslag
200 Ausgewählte Literatur zu Sektion B

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion B

Costantini V, Lenti M (2002) Treatment of Norgren L, Hiatt WR, Dormandy JA et al.


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C

C Hämostaseologie

23 Grundlagen der Gerinnungsstörungen – 202

24 Hämorrhagische Diathesen – 204

25 Störungen der primären Hämostase – 206

26 Angeborene Störungen der sekundären


Hämostase (angeborene Koagulopathien) – 207

27 Erworbene Störungen der sekundären Hämostase


(erworbene Koagulopathien) – 212

28 Behandlung akuter Blutungen in der


Intensivmedizin – 216
202 Kapitel 23 · Grundlagen der Gerinnungsstörungen

> Grundlagen der


Gerinnungsstörungen
K. Severin

Hämorrhagische Diathesen andere NSAR, Clopidogrel, Ticlopidin


etc.), Cumarinderivate, Heparin
Einteilung z Blutungs-/Nachblutungsereignisse
z Thrombozytär (65–80 %): (vorangegangene Eingriffe)
5 angeborene/erworbene Thrombo-
zytopenien ( Kap. 78) Labordiagnostik zur Überprüfung
5 angeborene/erworbene Thrombo- des Gerinnungssystems
zytopathien ( Kap. 25) z Intrinsisches (endogenes) System:
z Plasmatisch (20–30 %): 5 Erfassung durch aPTT
5 angeborene Koagulopathien 5 Normwert: 40–50 s
( Kap. 26) z Extrinsisches (exogenes) System:
5 erworbene Koagulopathien 5 Erfassung durch TPZ, INR oder
( Kap. 27) Quick-Wert
z Vaskulär (5–10%): 5 Faktoren II (Prothrombin), V, VII,
5 angeborene Vaskulopathien: IX und X sowie Protein S, Pro-
z. B. Morbus Rendu-Osler-Weber, tein C und Fibrinogen
Ehlers-Danlos-Syndrom 5 Normwert: 70–100 %
5 erworbene Vaskulopathien:
z. B. Purpura senilis, Purpura
Schoenlein-Henoch, Skorbut Befundkombinationen (Globaltests)
bei klinischer Blutung
> Von den hämorrhagischen Dia- z Quick-Wert und aPTT normal:
thesen sind die Hämostasestörungen 5 »Low-dose«-Heparinisierung
mit erhöhter Thromboembolienei- 5 ASS, NSAR
gung (thrombophile Diathesen) 5 Thrombozytopathien
abzugrenzen. 5 von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
5 Faktor-XIII-Mangel (selten)
Gerinnungsdiagnostik z Quick-Wert normal, aPTT erhöht:
5 Antikoagulanzien (Heparin)
Anamnese 5 Lupuskoagulans (als Laborartefakt,
z Familienanamnese: Hinweis auf v. a. bei Kindern)
angeborene Defekte 5 Faktor-XI-Mangel
z Medikamentenanamnese: Throm- 5 Faktor-VIII-Mangel (Hämophilie A)
bozytenaggregationshemmer (ASS, 5 Faktor-IX-Mangel (Hämophilie B)
Kapitel 23 · Grundlagen der Gerinnungsstörungen 203 23
5 von-Willebrand-Jürgens-Syndrom an der Innenseite des Unterarms von
5 Faktor-XII-Mangel (ohne klinische definierter Länge und Tiefe mittels
Relevanz) vollautomatischem Schneideinstru-
z Quick-Wert erniedrigt, aPTT normal: ment (z. B. Surgicutt oder Siplate) →
5 Antikoagulanzien (Vitamin-K-Antago- Entfernung des Blutes mit Filterpapier
nisten) alle 30 s, wobei das sich bildende Ge-
5 Faktor-VII-Mangel (eine isolierte milde rinnsel auf der Verletzung nicht ab-
Quick-Wert-Erniedrigung bei nor- gehoben werden darf → Bestimmung
maler aPTT ist pathognomonisch für der Zeit bis zur Blutstillung (visuelle
einen – klinisch meist nicht relevan- Kontrolle); Normwert: 5 min
ten – hereditären Faktor-VII-Mangel) z Von-Willebrand-Antigen: Bestimmung
5 Vitamin-K-Mangel der vWF-Konzentration
z Quick-Wert erniedrigt, aPTT erhöht: z Ristocetin-Kofaktor-Aktivität: Risto-
5 Antikoagulantien? cetin (Antibiotikum) induzierte
5 Faktor II, V, X- Mangel Stimulation der Bindung des vWF an
5 Fibrinogenmangel das Glykoprotein Ib der Thrombozy-
tenoberfläche → Agglutination von
Testthrombozyten; Ziel: Bestimmung
z Thrombozytenzählung: eine mittels der vWF-Aktivität
automatisierter Testverfahren festge- z Fibrinmonomere: Nachweis von gelös-
stellte Thrombozytopenie sollte durch tem Fibrin nach Thrombinaktivierung
eine Messung in der Neubauer-Zähl- z Fibrin(ogen)spaltprodukte: erhöhte
kammer mit Zitrat- oder Heparinblut Konzentration bei Fibrinolyse; der
bestätigt werden, um eine Pseudo- Nachweis des Spaltprodukts D-Dimer
thrombozytopenie (EDTA-Antikör- ist relativ spezifisch für lysiertes, quer-
per) auszuschließen; ggf. morpholo- vernetztes Fibrin (Thrombose, LE)
gische Thrombozytenbeurteilung im z Einzelfaktorenanalysen: bei unklaren
Ausstrich (z. B. Riesenthrombozyten) Veränderungen in den Globaltests
z Fibrinogenspiegelbestimmung (nach
Clauss): zum Nachweis von Hypo- Monitoring
oder Dysfibrinogenämie, systemischer z INR: Therapiesteuerung mit Cuma-
Hyperfibrinolyse oder Fibrinolysethe- rinen; therapeutischer Bereich meist
rapie sowie DIC (Fibrin- bzw. Fibri- 2,0–3,0, in Einzelfällen (z. B. Kunst-
nogenspaltprodukte erhöht) herzklappe) 2,5–3,5
z Thrombinzeit (TZ): erfasst den Zeit- z Anti-Faktor-Xa-Aktivität: Therapie-
punkt der Umwandlung von Fib- steuerung mit niedermolekularen He-
rinogen in Fibrin; Beurteilung von parinen, insbesondere bei Patienten
Fibrinogen mit eingeschränkter Nierenfunktion
oder extremem Über-/Untergewicht
Spezielle Diagnostik sowie bei Schwangeren
z Thrombozytenfunktion: »platelet z aPTT/ACT: Dosierungsfindung von
function analyser« (PFA 100) unfraktioniertem Heparin bei akuten
z Blutungszeit (z. B. nach Ivy): Anlegen thromboembolischen Erkrankungen
einer Blutdruckmanschette am Ober- oder extrakorporaler Zirkulation
arm (40 mmHg) → kleiner Schnitt (Dialyse)
204 Kapitel 24 · Hämorrhagische Diathesen

> Hämorrhagische
Diathesen
K. Severin

> Pathogenetische Grundlage jeder hä- z Störungen der plasmatischen Gerin-


morrhagischen Diathese ist eine gestörte nung (Koagulopathien)
Interaktion von Gefäßwand (vaskulär), z Anomalien oder Erkrankungen der
Thrombozyten (thrombozytär) und Gefäße (Vasopathien)
plasmatischer Gerinnung (plasmatisch). z Hyperfibrinolysen
Angeborene Defekte der Thrombozyten
und der plasmatischen Gerinnungs- Klinik
faktoren sind sehr selten. Meist liegen z ⊡ Tab. 24.1
Medikamentenwirkungen/-nebenwir- z Petechien: meist thrombozytäre oder
kungen (NSAR, Cumarine etc.) sowie vaskuläre Hämostasestörung, meist
Ko-Morbiditäten (Leberinsuffizienz, Kno- schwere Thrombozytopenie, selten
chenmarkerkrankungen) vor. ausgeprägte Thrombozytenfunktions-
störungen
Ätiologie z Purpura: symmetrische Aussaat
z Verminderung oder Funktions- petechialer Blutungen
störungen der Thrombozyten z Disseminierte Hauthämatome
(Thrombozytopenien/-pathien) (Ekchymosen, Sugillationen) ohne

⊡ Tab. 24.1. Klinische Präsentation hämorrhagischer Diathesen

Kriterium Thrombozytäre Störung Plasmatische Gerinnungsstörung


Blutungslokalisation Haut, Schleimhaut Tief im Weichteilgewebe
(Epistaxis, Mund, vaginal, (Gelenke, Muskeln)
Gastrointestinaltrakt)
Petechien Ja Nein
Ekchymosen Klein, oberflächlich Groß, tief
Hämarthros/ Sehr selten Häufig
Muskelblutung
Blutung nach Schnitten/ Ja Nein
Kratzern
Blutung nach Operation Sofort, mild Verzögert (1–2 Tage), oft schwer
oder Trauma
Kapitel 24 · Hämorrhagische Diathesen 205 24
Trauma oder nach Bagatelltrauma:
treten sowohl bei Koagulopathien als
auch bei thrombozytären Störungen
auf; bei älteren Patienten Pupura
senilis im Rahmen von Bindegewebe-
schwächen ohne Krankheitwert
z Muskelhämatome: typisch für
schwere Koagulopathien wie z. B. Hä-
mophilie A oder B
z Gelenkblutungen (rezidivierend):
pathognomonisch bei schwerer Hä-
mophilie A oder B
z Nasenbluten (Epistaxis): häufig bei
Thrombozytopenien, Thrombozy-
topathien, von-Willebrand-Jürgens-
Syndrom oder während einer Anti-
koagulanzientherapie
z Menorrhagien (verstärkte und/
oder verlängerte Regelblutungen):
Thrombozytopenie oder Thrombo-
zytopathie, von-Willebrand-Jürgens-
Syndrom oder Koagulopathien
z Metrorrhagien (Zwischenblutungen):
meist keine Hämostasestörung, son-
dern eher hormonelle oder lokale
Störungen
206 Kapitel 25 · Störungen der primären Hämostase

> Störungen der primären


Hämostase
K. Severin

Hereditäre und erworbene (medikamentös oder im Rahmen von


Thrombozytopenien Leukämien etc.), HUS (Gasser-Syn-
z  Kap. 78 drom), Hypersplenismus, DIC, HIT,
z Hereditär (selten): Fanconi-Anämie, Posttransfusionsthrombozytopenie
Wiskott-Aldrich-Syndrom
z Erworben: akute Autoimmunthrombo- Hereditäre und erworbene
zytopenie (postinfektiös), chronische Thrombozytopathien
Autoimmunthrombozytopenie oder z Hereditär: ⊡ Tab. 25.1
ITP (Morbus Werlhoff), TTP (Morbus z Erworben: Thrombozytenaggregati-
Moschcowitz), aplastische Störung onshemmer, Urämie, Dextran

⊡ Tab. 25.1. Angeborene Thrombozytopathien

Diagnose Beispiele Plättchendefekt

Aggregations- Thrombosthenie Glanzmann- Rezeptordefekt von GP IIb/IIIa


störung Naegeli, ADP-Rezeptor-Defekt (Riesenplättchen) mit fehlender
Bindung zu Fibrinogen bzw.
Defekt des ADP-Rezeptors

Adhäsions- Bernard-Soulier-Syndrom Rezeptordefekt von GP Ib-IX-V


defekt (Riesenplättchen) mit fehlender
Adhäsion zum vWF

Sekretions-  α-Granula: Gray-Platelet-Syndrom Mangelnde oder fehlende Frei-


defekt  δ-Granula: Hermansky-Pudlak- setzung aus verschiedenen
(»storage-pool Syndrom mit okulokutanem Albi- Speichergranula
disease«) nismus, Wiskott-Aldrich-Syndrom,
Chediak-Higashi-Syndrom

Störung der »Aspirin-like defect«, COX-Defekt, Defekt des Eicosanoidstoffwech-


Freisetzungs- Thromboxansynthetasedefekt sels (Prostaglandine, Prostazykline,
reaktion Thromboxane, Leukotriene)

May-Hegglin-Syndrom: unklare Ursache; Klinik: Thrombozytopenie, Riesenplättchen, Leukozyten-


einschlusskörperchen
26.1 · Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (vWJS) 207 26.1

> Angeborene Störungen


der sekundären
Hämostase (angeborene
Koagulopathien)
K. Severin

26.1 Von-Willebrand-Jürgens- vWF-Multimere sowie Bindung, Sta-


Syndrom (vWJS) bilisierung und Transport des labilen
Faktor-VIIIc-Moleküls im Plasma)
Definition
z Häufigste angeborene hämorrhagische Einteilung
Diathese (autosomal-dominant bzw. ⊡ Tabelle 26.1
-rezessiv vererbt)
z Mangel oder Fehlfunktion des vWF, Klinik
eines großen, aus vielen Untereinheiten z Blutungsneigung: sehr variabel, ab-
bestehenden Plasmaproteins (Funktion: hängig von Typ und Schweregrad
Vermittlung der Thrombozytenadhä- 5 meist Haut- und Schleimhautblu-
sion an das Subendothel der verletzten tungen bei positiver Familienana-
Gefäßwand durch großmolekulare mnese (rezidivierende Epistaxis,

⊡ Tab. 26.1. Klassifizierung des angeborenen vWJS

Klassifizierung Vererbung Defekt

Typ 1: partieller Autosomal-dominant Partieller quantitativer Mangel oder Defekt


Mangel

Typ 2: qualitativer Autosomal-dominant Verminderte Interaktion des vWF


Mangel oder -rezessiv mit Thrombozyten durch Fehlen von
Multimeren (verschiedene Untergruppen)

Typ 2N Autosomal-rezessiv Qualitative Variante mit deutlich


(Sonderform) verminderter Affinität zu Faktor VIII

Typ 3: absoluter Autosomal-rezessiv Kompletter quantitativer Mangel oder


Mangel Defekt

Erworbenes vWJS: u. a. im Rahmen hämatoonkologischer Krankheitsbilder


208 Kapitel 26 · Angeborene Störungen der sekundären Hämostase

Menorrhagien, starke Blutungen/ z Bei größeren Blutungen und Opera-


Nachblutungen bei Verletzungen tionen: Erhaltungstherapie in 8- bis
oder Operationen) 12-stündigen Intervallen (u. U. bis
zum Abschluss der Wundheilung),
Labordiagnostik Therapiesteuerung anhand Ristocetin-
z Blutungszeit: verlängert Kofaktor- und Faktor-VIII-Aktivität
z Ristocetin-Kofaktor-Aktivität: ver- sowie Blutungszeit
mindert
z vWF-Antigen, ggf. auch Faktor-VIII- > Bei den meisten Patientinnen mit
Aktivität: vermindert (vWF fungiert vWJS kommt es während der Gravidität
als »carrier« für Faktor VIIIc) zu einem Konzentrationsanstieg von
z aPTT: verlängert (durch sekundäre Faktor VIII und vWF → während der
Verminderung von Faktor VIII) Schwangerschaft oft keine Substitution
z Quick-Wert: normal notwendig.
z Thrombozytenzahl: normal

> Da der vWF ein Akut-Phase-Protein 26.2 Hämophilie


ist, können die Laborergebnisse beson-
ders bei leichten Formen eine hohe intra- Definition
individuelle Variabilität aufweisen. z Angeborener Mangel, seltener
qualitativer Defekt des Faktors VIII
Therapie (Hämophilie A; etwa 85 %) bzw. des
z Vorgehen in Abhängigkeit vom Typ des Faktors IX (Hämophilie B; ungefähr
vWJS und vom Schweregrad der Blu- 15 %)
tung bzw. von der Blutungsgefährdung z Inzidenz: 1 : 10.000
(z. B. bei chirurgischen Eingriffen) z Vererbungsmodus: X-chromosomal-
z Tranexamsäure (Cyklokapron; 3-mal rezessive (in 1/3 der Fälle Neumutati-
1 g p. o./i. v.): Antifibrinolytikum; onen)
perioperative Prophylaxe bei leichter z Auftreten fast nur bei Männern
Form des vWJS bzw. bei Menorrha-
gien oder bei Zahnextraktionen Schweregrade
z DDAVP (Desmopressin – Minirin; ⊡ Tabelle 26.2
0,3 μg/kg KG über 30 min i. v.): führt
zur Freisetzung des vWF-Faktor- Labordiagnostik
VIII-Komplexes aus den Speichern z aPTT: verlängert
der Endothelzellen; repetitive Gabe z Quick-Wert: normal
nach 12–24 h möglich (jedoch Er- z Faltor-VIII- bzw. -IX-Aktivität:
schöpfung des endothelialen Pools, vermindert
Tachyphylaxie) z Blutungszeit: normal
z Faktor-VIII-Konzentrate mittlerer
Reinheit (z. B. Haemate HS, Wilate): Therapie
enthalten im Gegensatz zu hochgerei- Möglichkeiten
nigten Faktor-VIII-Konzentraten aus- z Bedarfsbehandlung:
reichende Mengen hochmolekularer 5 bei spontanen oder traumatischen
vWF-Multimere Blutungen jeglicher Lokalisation
26.3 · Mangelzustände anderer Gerinnungsfaktoren 209 26.3
⊡ Tab. 26.2. Schweregrade der Hämophilie

Kriterien Schweregrade
Schwer Mittelschwer Leicht
Faktorengehalt <1 % 1–4 % 5–14 %
Blutungs- Häufig Blutung bei leichter Blutung bei schwerer
charakteristik Spontanblutung Verletzung Verletzung/Operation
Gelenke Immer betroffen Selten betroffen Kaum betroffen

5 bei operativen Eingriffen 5 Induktion einer Immuntoleranz


5 bei rezidivierenden Gelenk- (häufig in Kombination mit hoch-
blutungen dosierter Ig-Gabe, Immunsuppres-
z (Dauer-)Prophylaxe: bei schwerer sion und/oder Plasmapherese)
Hämophilie zur Prävention einer 5 »Bypass«-Medikamente: aktivier-
hämophilen Arthropathie ter Prothrombinkomplex (FEIBA)
oder rekombinanter Faktor VIIa
Therapie mit Faktorenkonzentraten (NovoSeven)
z Faktorenkonzentrate:
5 aus Plasma gewonnene (hochge-
reinigt, virusinaktiviert) Faktor- 26.3 Mangelzustände anderer
VIII- bzw. -IX-Konzentrate oder Gerinnungsfaktoren
rekombinante Faktor-VIII- bzw.
-IX-Präparate Faktorenmangel des intrinsischen
5 Dosierung: 1 E/kg KG → Anstieg Systems
der Plasmafaktorenaktivität um Faktor-XI-Mangel
1–2 % z Klinisch relevante Blutungsneigung
5 Halbwertszeit: Faktors VIII: etwa z Zeichen: isolierte Verlängerung der
8–12 h; Faktor IX: 20–24 h aPTT
z DDAVP (Desmopressin): Anwendung z Meist autosomal-rezessiv vererbt
nur bei milder Hämophilie A (Prävalenz: etwa 3 %)
z Bei Homozygoten beträgt die Faktor-
Komplikation: Hemmkörper- XI-Aktivität <15 %
hämophilie z In der Ausprägung der Blutungsnei-
z Etwa 20 % der Patienten mit schwe- gung finden sich keine wesentlichen
rer Hämophilie A (Faktor-VIII- klinischen Unterschiede zwischen
Restaktivität von <1%) entwickeln Homo- und Heterozygoten
IgG-Antikörper gegen Faktor VIII → z Blutungsneigung korreliert nicht gut
Hemmkörperhämophilie mit der Faktor-XI-Restaktivität
z Therapie in Abhängigkeit vom Anti- z Meist kommt es bei symptomatischen
körpertiter: Patienten zu perioperativen Blutun-
5 Hochdosistherapie mit humanen gen, Hämatomen nach Bagatelltrau-
Faktorenkonzentraten zum Ȇber- mata und Menorrhagien, sehr selten
spiegeln« des Inhibitors zu Gelenk- und Muskelblutungen
210 Kapitel 26 · Angeborene Störungen der sekundären Hämostase

z Therapie: FFP, Faktor-XI-Präparat z Therapie:


(Zulassung in Deutschland für 2009 5 Faktor-X-Mangel: PPSB (Halb-
erwartet) wertszeit: 24 h)
5 Faktor-V-Mangel: Frischplasma
Faktor-XII-Mangel 5 Faktor-II-Mangel: PPSB (auf-
z Häufig Zufallsbefund bei der Abklä- grund der langen Halbwertszeit
rung einer verlängerten aPTT, jedoch des Thrombins in Intervallen von
ohne klinische Relevanz 2–3 Tagen)

Faktorenmangel des extrinsischen Fibrinogensynthesestörung


Systems z Afibrinogenämie: bereits ab Geburt
Faktor-VII-Mangel auftretende Nabelschnurblutungen,
z Ätiologie: Faktor VII-Synthesestörung Meläna, Hämatemesis und andere
z Vererbungsmodus: autosomal-rezessiv Schleimhautblutungen sowie schwere
(Prävalenz: <1 : 100.000) posttraumatische und postoperative
z Klinik: Ekchymosen, Meläna, Häma- Blutungen
temesis, posttraumatische Blutungen z Dysfibrinogenämie:
z Merkmal: angeborene hämorrhagi- 5 meist asymptomatischer oder
sche Diathese mit isolierter Erniedri- selten symptomatischer Verlauf
gung des Quick-Wertes bei normaler (thromboembolische Komplikatio-
aPTT nen, sehr selten Blutungszeichen)
z Blutungsneigung: weniger ausgeprägt 5 die Polymerisationsstörungen bei
als bei Hämophilie A oder B der Bildung der Fibrinpolymere
z Therapie: perioperativ und zur Thera- können mittels TZ oder Repti-
pie von Blutungen sollte einem Faktor- lasezeit (aus Gift der Schlange
VII-Konzentrat gegenüber PPSB der Bothrops atrox) gut nachgewiesen
Vorzug gegeben werden, auch wegen werden
der thrombogenen Potenz von PPSB 5 eine erhöhte Blutungsbereitschaft
liegt nur bei etwa 25 % der betrof-
Faktorenmangel der gemeinsamen fenen Patienten vor; bei weiteren
Endstrecke 25 % manifestiert sich die Dysfib-
Mangel der Faktoren II, V und X rinogenämie klinisch in Form ei-
z Kombination aus vermindertem ner erhöhten Thromboseneigung
Quick-Wert und beschleunigter z Therapie: Fibrinogenkonzentrat (z. B.
aPTT: Mangel/Verminderung der Haemocomplettan)
Faktoren II, V und X
z Gegebenenfalls kombinierte Faktor-V- Faktor-XIII-Synthesestörungen
und Faktor-VIII-Mangel (sehr selten) z Faktor XIII stabilisiert das Gerinnsel
z Vererbungsmodus: meist autosomal- und verankert es an der extrazellulä-
rezessiv ren Matrix
z Diagnostik: Einzelfaktorenanalyse z Angeborene Form des Faktor-XIII-
z Blutungen fast ausschließlich bei Mangels: autosomal-rezessiv vererbt
homozygoten Merkmalsträgern z Nur homozygote Merkmalsträger mit
(Faktor-II- oder -V-Restaktivität von Faktor-XIII-Aktivitäten von <1 % nei-
<10 %) gen zu Spontanblutungen mit Wund-
26.3 · Mangelzustände anderer Gerinnungsfaktoren 211 26.3
heilungsstörungen; Gefahr: zerebrale
Blutungen
z Charakteristisch: Zeitintervall von
1–4 Tagen zwischen Faktor-XIII-Ver-
minderung und posttraumatischen
Blutungen
z Leitsymptom eines angeborenen
schweren Faktor-XIII-Mangels:
Nabelschnurblutungen
z Therapie: Faktor-XIII-Hoch-
konzentrat (z. B. Fibrogammin)

> Da die Funktion des Faktors XIII nicht


in die Globaltests der Gerinnung eingeht
(Quick-Wert und aPTT normal), muss bei
entsprechendem Verdacht die Faktor-
XIII-Aktivität bestimmt werden.
212 Kapitel 27 · Erworbene Störungen der sekundären Hämostase

> Erworbene Störungen


der sekundären
Hämostase (erworbene
Koagulopathien)
K. Severin

27.1 Verminderung von 5 Paracetamol in höherer Dosierung


Vitamin-K-abhängigen 5 Reserpin
Faktoren 5 Sulfonylharnstoffe

z Häufigste plasmatische Gerinnungsstö-


rung: erworbene Aktivitätsminderung z Diagnostik: Quick-Wert-Verminde-
von Faktoren des Prothrombinkomple- rung, ggf. bei erheblichem Faktoren-
xes (Faktoren II, VII, IX und X) mangel auch aPTT-Verlängerung
z Ätiologie: häufig Antikoagulanzi-
enüberdosierung (Cumarine) oder > Unter einer Therapie mit oralen Anti-
Vitamin-K-Mangel (Resorptions- und koagulanzien vom Cumarintyp sind die
Verwertungsstörungen) bzw. Leber- Protein-C- und -S-Spiegel in der Regel
parenchymschäden mit gestörter per se erniedrigt, während dies in der
Vitamin-K-Verwertung und reduzier- Schwangerschaft und unter Hormonein-
ter Faktorensynthese nahme nur für die Protein-S-Spiegel gilt.

z Therapie:
Potenzielle Wirkungsverstärkung von 5 bei leichter Blutungsneigung:
Kumarinen Vitamin K (Konakion oder Kana-
z Häufig: vit i. v.)
5 Allopurinol
5 Amiodaron > Bleibt nach i. v. Gabe von Vitamin K
5 Antibiotika (v. a. Sulfonamide) bei Leberparenchymerkrankungen ein
5 Fibrate Anstieg des Quick-Wertes aus, sind wei-
5 Glukagon tere Gaben meist ohne Nutzen.
5 Isoniazid
5 Pyrazolonderivate (Phenylbutanon) z bei bedrohlichen Blutungen: PPSB
z Selten: (1 IE/kg KG hebt den Quick-Wert um
5 Chloraldurat etwa 1 % an); bei schwerer Leberpa-
5 6-Mercaptopurin renchymschädigung ist aufgrund des
27.3 · Disseminierte intravasale Gerinnung 213 27.3
Mangels an weiteren Gerinnungsfak- (z. B. myelo- oder lymphoproliferative
toren ggf. die zusätzliche Gabe von Erkrankungen) oder Einnahme be-
FFP erforderlich stimmter Medikamente (z. B. Valproat
oder Ciprofloxacin), u. a. auch bei
Patienten mit künstlichen Herzklap-
27.2 Erworbene Hämostase- penprothesen
defekte bei verschiedenen
Erkrankungen
27.3 Disseminierte intravasale
z Leberzirrhose: stadienabhängig ein- Gerinnung (DIC,
geschränkte Produktion der Gerin- Verbrauchskoagulopathie)
nungsfaktoren
z Virushepatitis: Hämostasefaktoren Definition
verringert (Ausnahmen: Faktor VIII:C z Komplexe, akut oder chronisch
und vWF, die als Akut-Phase-Proteine verlaufende Störung des Gerinnungs-
vermehrt produziert werden) systems, gekennzeichnet durch eine
z Niereninsuffizienz: Kumulation generalisierte intravasale Gerinnungs-
von renal eliminierten (niedermo- aktivierung
lekularen) Heparinen und anderen
kleinmolekularen Substanzen (Pen- Ätiologie
tasaccharide, Hirudin); urämische z Kein eigenständiges Krankheitsbild,
Zustände mit Thrombozytenfunkti- sondern Komplikation verschiede-
onsstörungen → mangelnde Throm- ner Erkrankungen
bozytenaggregationsfähigkeit z Gemeinsame Endstrecke ist die
z Tumoren: therapiebedingte Thrombo- überschießende, unkontrollierte
zytopenien, latente Gerinnungsakti- Entstehung von Thrombin mit
vierung und Thrombozytenverbrauch disseminierter intravasaler Ak-
durch gewebethromboplastinähnliche tivierung von plasmatischen
Strukturen auf Tumorzellen oder aus- Gerinnungsfaktoren (Fibrinogen,
gedehnte Lebermetastasierung Faktoren XIII, V und VIII) und
z Myeloproliferative Erkrankungen: von Thrombozyten, Verbrauch
5 Polycythaemia vera: Thromboem- von Gerinnungsinhibitoren (z. B.
bolierisiko Antithrombin) und sekundärer Sti-
5 essenzielle Thrombozythämie: mulation der Fibrinolyse
Thrombozytose z Aktivierung des extrinsischen Ge-
5 Blastenschub einer Leukämie mit rinnungssystem u. a. durch massive
Thrombozytopenie und Anämie: Expression oder Freisetzung des
Blutungen Gewebefaktors (z. B. nach Zytokin-
z Antikörper gegen Faktor VIII: Autoan- stimulation bei Sepsis)
tikörper gegen den Faktor VIII sind in z Aktivierung des intrinsischen Gerin-
50 % der Fälle mit Autoimmunerkran- nungssystems
kungen assoziiert und neutralisieren z Direkte Thrombozytenaktivierung
die Funktion des Faktor VIII z Direkte Aktivierung von Faktor X
z Erworbenes vWJS: Assoziation mit durch von Karzinomzellen produzier-
bestimmten Grunderkrankungen tes Cancer-Procoagulant
214 Kapitel 27 · Erworbene Störungen der sekundären Hämostase

z Aktivitätsminderung des retikulohis- z Gegebenenfalls Verabreichtung


tiozytären Systems, z. B. bei Sepsis von aktiviertem Protein C bei sep-
oder massiver intravasaler Hämolyse sisassoziierter DIC (jedoch nicht
→ verminderte Clearance der akti- gesichert)
vierten Gerinnungsfaktoren

Klinik 27.4 Hyperfibrinolyse


z Hämorrhagische Diathese mit Haut-
und Schleimhautblutungen (Pete- Definition
chien, Sugillationen) sowie Blutungen z Verschiebung des physiologischen
aus Wunden und Einstichkanälen; Gleichgewichts zwischen Aktivato-
Ursache: Verbrauch von Gerinnungs- ren und Inhibitoren der Fibrinolyse
faktoren und Thrombozyten sowie zugunsten einer erhöhten fibrinoly-
sekundäre Fibrinolyse tischen Aktivität mit erhöhter Blu-
z Autoptisch nachweisbare dissemi- tungsbereitschaft
nierte Thrombusbildung in der Mi-
krozirkulation → Organischämien; Ätiologie
klinisches Korrelat: Multiorgandys- z Erworbene Steigerung der fibrino-
funktion bzw. Multiorganversagen lytischen Aktivität als Folge einer
übermäßigen Freisetzung von Plasmi-
Diagnostik nogenaktivatoren:
z Anamnese und Klinik 5 lokale Hyperfibrinolyse (z. B. nach
z Thrombozytopenie plus verminderter Operationen an aktivatorreichen
Antithrombinspiegel Organen: Uterus/Plazenta, Pulmo,
z Nachweis von Fibrinspaltprodukte, D- Prostata, Pankreas): vorzeitige
Dimeren und Fibrinmonomeren Auflösung hämostatisch wirksa-
mer Fibringerinnsel
Therapie 5 systemische Hyperfibrinolyse
z Kausale Behandlung der auslösenden (Thrombolysetherapie, sekundär-
Grundkrankheit (z. B. Sepsis, Leukä- reaktiv bei DIC, fortgeschrittene
mie) Leberzirrhose, AML M3, metas-
z Bei Blutungsgefährdung bzw. -nei- tasierte Karzinome): ausgeprägte
gung: Substitution von Gerinnungs- Plasminbildung (Plasminämie);
faktoren (FFP, welches auch die neben Fibrin werden auch zirku-
Inhibitoren der Gerinnung und der lierendes Fibrinogen, Faktor V,
Fibrinolyse enthält) Faktor VIII und Glykoproteine
z Gegebenenfalls Substitution von der Thrombozytenmembran
Antithrombin zur symptomatischen proteolytisch gespalten, und die
Therapie der DIC anfallenden Fibrin(ogen)spaltpro-
z Eventuell niedrigdosierte Gabe von dukte hemmen darüber hinaus die
Heparin (10.000 IE/24 h) zur Unter- Fibrinpolymerisation
brechung der DIC bei Zeichen throm-
boembolischer Komplikationen (Cave: Klinik
Verstärkung der hämorrhagischen z Lokale Hyperfibrinolyse: Blutungen
Diathese) aus Wundflächen operierter Organe
27.4 · Hyperfibrinolyse 215 27.4
z Systemische Hyperfibrinolyse: genera-
lisierte Blutungsneigung (flächenhafte
Haut- und Schleimhautblutungen so-
wie Nachblutungen aus Wunden und
Einstichkanälen)

Diagnostik
z Systemische Hyperfibrinolyse: Nach-
weis erhöhter Konzentrationen von
Fibrin(ogen)spaltprodukten mit ver-
längerter Thrombinzeit
z Niedrige Fibrinogen- und
Plasminogen-α2-Antiplasmin-Spiegel

Therapie
z Kausale Behandlung der Grunder-
krankung
z Tranexamsäure: bei primärer Hyper-
fibrinolyse oder bei Blutungen unter
Fibrinolysetherapie
z Gegebenenfalls FFP und Fibrinogen-
konzentrate

Verlauf und Prognose


z Von der Grunderkrankung abhängig
216 Kapitel 28 · Behandlung akuter Blutungen in der Intensivmedizin

> Behandlung akuter


Blutungen in der
Intensivmedizin
K. Severin

Allgemeines 5 »bypassing agent« (Hemmkörper-


z Risikofaktoren: präexistierende Ko- therapie): aktivierter Prothrombin-
Morbiditäten oder Nachwirkungen komplex (FEIBA)
von medikamentösen Langzeitbe- z Blutprodukte:
handlungen 5 Thrombozytenkonzentrate
z Der prädiktive Wert von Gerinnungs- 5 Erythrozytenkonzentrate
parametern ist nicht ausreichend 5 FFPs
z Genaue Kenntnis der Vorerkrankun- 5 Hochkonzentrate der Gerinnungs-
gen, der Medikation und der akuten faktoren: Fibrinogen (PPSB), plasma-
Läsionen des Patienten erforderlich tischer Faktor VIII/vWF, Faktoren IX
z Die Leistungsfähigkeit hämostaserele- und XIII
vanter Organe (Leber, Knochenmark,
Niere) ist von wesentlicher Bedeutung

Maßnahmen
z Absetzen potenziell blutungsverstär-
kender Medikamente (gerinnungs-
und plättchenhemmende Substanzen)
z Pharmako- und Transfusionstherapie

Gerinnungsfördernde Medikamente/
Hämotherapie
z Medikamente:
5 Desmopressin (DDAVP – Minirin)
5 Antifibrinolytika, z. B. Tranexamsäure
(Cyklokapron)
5 rekombinanter Faktor VIIa: aktivierter
Faktor VIIa (NovoSeven)
5 rekombinante Gerinnungsfaktoren:
z Faktor VIII (Kogenate, Helixate, Ad-
vate, Refacto) z Faktor IX (Benefix)
D

D Pneumologie

29 Grundlagen der Lungenfunktionsprüfung – 218

30 Akute Atemnot – 223

31 »Acute respiratory distress syndrome« (ARDS)


und »acute lung injury« – 224

32 Aspiration und Aspirationspneumonie – 226

33 Bluthusten – 231

34 Erkrankungen der Trachea und der


Bronchien – 233

35 Lungenerkrankungen – 260

36 Pleuraerkrankungen – 295

37 Schlafbezogene Atmungsstörungen – 300

Ausgewählte Literatur zu Sektion D – 303


218 Kapitel 29 · Grundlagen der Lungenfunktionsprüfung

> Grundlagen der


Lungenfunktionsprüfung
A. Bäumer, G. Michels

lumen → Fluss-Volumen-Diagramm
Untersuchungen zur Differenzierung (⊡ Abb. 29.1)
von Lungenerkrankungen mittels Lun- z Die Befunde sind von der Mitarbeit
genfunktionsprüfung des Patienten abhängig
z Spirometrie (Bestimmung dynamischer z Kernabschnitt der Untersuchung:
Parameter) Tiffeneau-Manöver (forcierte maxi-
z Bodyplethysmographie (Bestimmung von male Exspiration nach vollständiger
statischen Lungenvolumina und Atem- Inspiration)
wegswiderständen) z Referenzwerte: Kalkulation anhand ei-
z Bronchospasmolysetest (Bestimmung der ner »Normalpopulation« (Soll-Werte),
Reversibilität → obstruktive Ventilations- Darstellung der gemessenen Werte in
störung) Liter und als Prozent der Referenzwerte
z Provokationstest (Bestimmung der bron- z Hauptparameter:
chialen Reagibilität) 5 forcierte Vitalkapazität (FVC):
z Diffusionstestung (Bestimmung des nach vollständiger Inspiration
Krogh-Index: TLCO/VA) unter stärkster Anstrengung
z Mundverschlussdruckmessung (Einschät- schnellstmöglich ausgeatmetes
zung der Atempumpe) Volumen (Tiffeneau-Manöver)
z BGA (meist kapillär) 5 Einsekundenkapazität (forciertes
exspiratorisches Volumen in 1 s,
FEV1): im Rahmen des Tiffeneau-
Manövers gemessenes Volumen,
29.1 Spirometrie das in der ersten Sekunde ausgeat-
met wird
z Indikation: Diagnostik von Ventila- 5 relative Einsekundenkapazität
tionsstörungen (obstruktive, restrik- (FEV1 %): FEV1 im Verhältnis zur
tive) FVC: FEV1/FVC (oder im Verhält-
z Prinzip: Messung dynamischer (d. h. nis zur inspiratorischen Vitalkapa-
bewegter) Lungenvolumina mittels zität, VCin)
Pneumotachograph (neueres Verfah- 5 »peak exspiratory flow« (PEF):
ren: Ultraschallflussaufnehmer) maximale exspiratorische Strom-
z Graphische Darstellung: Volumenän- stärke/Flussgeschwindigkeit (im
derungen gegen die Zeit und Flussge- Rahmen des Tiffeneau-Manövers
schwindigkeit (»flow«) gegen das Vo- gemessen); dient der Verlaufskon-
29.2 · Bodyplethysmographie 219 29.2
Flow [l/s] Sollwert
Gemessener Wert
PEF FVC
MEF75 Verlauf des Atem-
Exspiration

manövers
MEF50

Flow [l/s]
MEF25
Inspiration

Volumen [l] Volumen [l]


PIF

Normalbefund Obstruktion – intrathorakal (z. B. COPD)

Flow [l/s]
Flow [l/s]

Volumen [l] Volumen [l]

Restriktion (z. B. Lungenfibrose) Obstruktion – extrathorakal


(z. B. Trachealstenose)

⊡ Abb. 29.1. Fluss-Volumen-Diagramme

trolle (»Peak-flow«-Protokoll) → 29.2 Bodyplethysmographie


Patientenselbstmessung
5 »peak inspiratory flow« (PIF): z Indikation: Bestimmung der »resis-
maximale inspiratorische Strom- tance« R (⊡ Abb. 29.2; »Resistance-
stärke/Flussgeschwindigkeit Schleife«) und der statischen Volu-
5 MEF75 (oder MEF50, MEF25): mina (TGV):
maximale exspiratorische Atem-
Kabinendruck [U]
stromstärke/Flussgeschwindigkeit R=
Atemstromstärke [l]
(»flow«) zu dem Zeitpunkt, bei
dem noch 75 % (oder 50 % bzw. z Prinzip: in einer Kabine werden übli-
25 %) der VC auszuatmen sind cherweise Bodyplethysmographiemes-
(Tiffeneau-Manöver); bei Rau- sungen mit der im Gerät integrierten
chern isoliert MEF25 verringert Spirometrie kombiniert; zusätzlich zur
(»small airway disease«) Spirometrie werden statische Volumina
220 Kapitel 29 · Grundlagen der Lungenfunktionsprüfung

Hilfslinie zur Bestimmung der Steigung (R)AW


R AW R AW
Flow [l/s]

Flow [l/s]
PPlethysmograph PPlethysmograph
[kPa] [kPa]

Obstruktive
Normalbefund Ventilationsstörung

⊡ Abb. 29.2. Bestimmung der »resistance« (Atemwegswiderstand)

bestimmt (insbesondere das TGV) 5 Rspezifisch von >350 %: schwere Ein-


sowie die Atemwegswiderstände (RAW) schränkung
und weitere, errechnete Parameter z Restriktive Ventilationsstörung
z Die Befunde sind von der Mitarbeit 5 VCin von ≥70 %: leichte Einschrän-
des Patienten abhängig kung
5 VCin von 60–69 %: mäßige Einschrän-
kung
Schweregradeinteilung der Einschrän- 5 VCin von 50–59 %: mittelschwere
kungen der Lungenfunktion mittels Spi- Einschränkung
rometrie und Bodyplethysmographie 5 VCin von 35–49 %: schwere Ein-
z Obstruktive Ventilationsstörung schränkung
5 FEV1 von ≥70 %: leichte Einschrän- 5 VCin von <35 %: sehr schwere
kung Einschränkung
5 FEV1 von 60–69 %: mäßige Ein- z Statische Volumina (Überblähungs-
schränkung parameter):
5 FEV1 von 50–59 %: mittelschwere 5 TLC von <130 %, TGV von < 140 %,
Einschränkung RV von < 140 %, RV/TLC von <50 %:
5 FEV1 von 35–49 %: schwere Ein- leichte Überblähung
schränkung 5 TLC von 130–150 %, TGV von 140–
5 FEV1 von <35 %: sehr schwere 170 %, RV von 140–170 %, RV/TLC von
Einschränkung 50–60 %: mittelschwere Überblähung
5 Rspezifisch von <170 %. leichte 5 TLC von >150 %, TGV von > 170 %,
Einschränkung RV von > 170 %, RV/TLC von >60 %:
5 Rspezifisch von 170–350 %: mittel- schwere Überblähung
schwere Einschränkung
29.6 · Mundverschlussdruckmessung 221 29.6
> Für die Diagnose »COPD« gelten z Testergebnis: bei 10 % aller Erwach-
die Spirometriewerte nach Durchfüh- senen positiv, typischer Befund bei
rung einer Akutbroncholyse (z. B. mit Asthma bronchiale, kann ggf. auch bei
max. 400 μg Fenoterol inhalativ). anderen Lungenerkrankungen sowie
postinfektös (nach Infekt der unteren
Atemwege) über mehrere Wochen
29.3 Bronchospasmolysetest positiv ausfallen

z Indikation: Differenzierung zwischen


reversibler (Asthma bronchiale) und 29.5 Diffusionstestung
fixer Obstruktion (COPD/Emphysem)
z Unterscheidung: partielle/komplette z Information über die Diffusion der
Reversibilität Atemgase über die alveoloarterielle
z Prinzip: spirometrische und ggf. bo- Membran anhand eines Testgases
dyplethysmographische Bestimmung (CO- und heliumhaltig); auch von der
der Reversibilität einer obstruktiven Lungenperfusion abhängig
Ventilationsstörung nach Gabe rasch z Prinzip: üblich ist eine Ein-Atemzug-
wirksamer Broncholytika (200–400 μg Methode (»single breath«) mit Test-
Fenoterol oder 200–400 μg Salbuta- gas (Gemisch aus CO, Helium und
mol, entspricht jeweils 2–4 Hüben) Raumluft)
z Messung vor und 10 min nach Inhala- z Bestimmung des Krogh-Index (TLCO/
tion VA) anhand der CO-Diffusion (Ver-
z Definition der Reversibilität: Zu- minderung des CO in der Ausatem-
nahme der FEV1 um ≥15 % bzw. luft) und des Alveolarvolumens (VA);
≥200 ml Bestimmung der Heliumdilution in
z Parallel zur Zunahme der FEV1 fällt der Ausatemluft
der Atemwegswiderstand ab z Die CO-Diffusion hängt vom Hb-
Wert ab, daher wird dieser zusätzlich
bestimmt (kapilläre BGA), und die
29.4 Provokationstest Diffusionsmesswerte werden Hb-
Wert-abhängig korrigiert (TLCOc/VA)
z Indikation: Ausschluss/Nachweis ei-
nes hyperreagiblen Bronchialsystems
z Prinzip: spirometrische und ggf. bo- 29.6 Mundverschluss-
dyplethysmographische Bestimmung druckmessung
der bronchialen Reagibilität nach
Inhalation ansteigender Konzentrati- z Indikation: Einschätzung der Atem-
onen von Cholinergika (Metacholin, pumpe (bestehend aus Atemzentrum,
Carbachol) → unspezifische Provoka- Nerven und Atemmuskulatur), meist
tion (im Gegensatz zur spezifischen bei differenzialdiagnostischer Abklä-
Provokation mit Allergenen) rung von unklarer Luftnot (Atem-
z Kriterien eines positiven Testergeb- pumpenstörung, Überbeanspruchung
nisses: Abnahme der FEV1 um ≥20 %, oder Muskelschwäche?)
Verdopplung des totalen RAW auf z Prinzip: gemessen werden der Mund-
≥2,0 kPa/s verschlussdruck 0,1 s nach Inspira-
222 Kapitel 29 · Grundlagen der Lungenfunktionsprüfung

tonsbeginn (spontane Ruheatmung,


Ventil schließt für 120 ms) und die
maximale Inspirationskraft bei for-
ciertem Inspirationsmanöver nach
vorheriger Exspiration gegen ein ver-
schlossenes Ventil
z Dabei gilt:
5 hoher inspiratorischer Druck nach
0,1 s: Überbeanspruchung der
Atempumpe
5 niedriger maximaler inspiratori-
scher Druck: Muskelschwäche
5 normales Verhältnis zwischen
inspiratorischem Druck nach 0,1 s
und maximalem inspiratorischen
Druck: <4,5 %
Kapitel 30 · Akute Atemnot 223 30

> Akute Atemnot


A. Bäumer

Definition z Mechanisch:
z Subjektives Empfinden von er- 5 Verlegung der Atemwege bei Aspi-
schwerter Atmung oder Luftnot, ration oder Stenose der zentralen
entstanden innerhalb von Minuten Atemwege
bis Stunden 5 Glottisödem/akute Laryngitis/
Anaphylaxie
Differenzialdiagnostik 5 Versagen der Atemmuskulatur,
z Kardiovaskulär: z. B. myasthene Krise
5 akutes Koronarsyndrom 5 abdominelles Kompartmentsyn-
5 Linksherzinsuffizienz → Asthma drom (unphysiologische Erhöhung
cardiale, u. a. zusätzlich reflektori- des intraabdominellen Drucks mit
sche Bronchokonstriktion Einschränkung der Atmung, z. B.
5 Cor hypertensivum Aszites, Darmischämie, Pankreati-
5 Perikardtamponade tis, Peritonitis)
z Pulmonal: z Psychogen:
5 akute Exazerbation einer COPD 5 Hyperventilationssyndrom
mit oder ohne Emphysem 5 Panikattacken
5 Asthma bronchiale (allergisch, 5 Angst
nichtallergisch, Mischformen, 5 Schmerzen
Churg-Strauss-Syndrom, Karzi- z Andere Ursachen:
noid) 5 Hyperthyreose
5 postinfektiöse bronchiale Hyper- 5 Anämie
reaktivität (mit Husten) 5 metabolische Azidose
5 Lungenembolie 5 »vocal cord dysfunction« (funktio-
5 Pneumothorax neller Laryngospasmus)
5 Pneumonie 5 Kyphoskoliose
5 Pleuraerguss 5 Säureaspiration bei gastroösopha-
5 Pleuraschwarte gealer Refluxkrankheit in Assozia-
5 Thoraxtrauma tion mit chronischem Husten
5 pulmonale Hypertonie 5 abdominelle Raumforderung (z. B.
5 Inhalationstrauma (z. B. Rauch- Hepatosplenomegalie, Adipositas)
gasintoxikation) 5 (neuro-)muskuläre Erkrankungen
5 Lungenblutung
5 exogen-allergische Alveolitis
224 Kapitel 31 · »Acute respiratory distress syndrome« (ARDS) und »acute lung injury«

> »Acute respiratory distress


syndrome« (ARDS) und
»acute lung injury«
G. Michels, A. Bäumer

Definition Klinik und Diagnostik


z ARDS: z Progrediente Dyspnoe und Tachyp-
5 akutes Auftreten bzw. akute Hy- noe, Zyanose, Unruhe/Verwirrtheit
poxämie, die sich innerhalb von (Erschöpfung)
6–48 h entwickelt z Auskultationsbefund trotz ausgepräg-
5 Horovitz-Quotient (paO2/FiO2): ten radiologischen Veränderungen
≤200 mmHg (paO2 in mmHg; häufig unauffällig
FiO2: 0,21–1,0) z Fehlender adäquater Anstieg
5 bilaterale Lungeninfiltate der SaO2 trotz hoher O2-Zufuhr
5 fehlende Zeichen der Linksherz- (Rechts-links-Shunt): respiratori-
insuffizienz bzw. PCWP von sches Versagen
≤18 mmHg z Beurteilung des Schweregrads ei-
z »Acute lung injury (ALI)«: Kriterien nes ARDS: Lung Injury Score nach
entsprechend ARDS, jedoch paO2/ Murray
FiO2 von ≤300 mmHg« z BGA: Hypoxämie, zunehmender
Rechts-links-Shunt (20–50 %)
Ätiopathogenese z Bildgebung:
z Direkte Lungenschädigungen → 5 Röntgenuntersuchung des
pulmonales ARDS: Pneumonie, As- Thorax: bilaterale Infiltrate
piration, Inhalationstrauma, Beinahe- (Verschattungen); Latenz von
ertrinken, Lungenkontusion etc. bis zu 24 h
z Indirekte Lungenschädigung → ex- 5 CT des Thorax: Lungenvolu-
trapulmonales ARDS: Sepsis/SIRS, menverkleinerung, bilaterales
Polytrauma, Massentransfusion, Pan- Lungenödem (ggf. mit positivem
kreatitis etc. Bronchopneumogramm, »weiße
Lunge«), Konsolidierungen
Pathomorphologische Stadien des ARDS in den abhängigen Lungenab-
schnitten (dorsobasale Lungen-
z Akut-exsudative Phase (1. Woche)
kompartimente), Pleuraergüsse;
z Subakut-proliferative Phase (2. Woche)
Unterscheidung zwischen Lo-
z Chronisch-fibrosierende Phase (Wochen
bärtyp (2-Kompartiment-Lunge)
bis Monate)
und diffusem Typ (Monokom-
z Rückbildungsphase (Monate)
partimentlunge)
Kapitel 31 · »Acute respiratory distress syndrome« 225 31
Therapie (intensivmedizinische
Maßnahmen)
z Lungenprotektive, druckkontrollierte
Beatmung (»baby lung concept«: »low
volume and high PEEP ventilation«)
z Supportive Maßnahmen:
5 Verhinderung von Beinvenen-
thrombosen, gastrointestinaler
Blutung und Dekubitus
5 enterale Ernährung zur Immuno-
stimulation
5 kinetische Maßnahmen/ Lage-
rungstherapie
5 Kortikosteroide
5 Flüssigkeitsmanagement (»keep
the lung dry, but avoid hypovole-
mia«)
5 ggf. extrakorporaler Lungenersatz
(ECMO)

Prognose
z ARDS-Letalität: 25–50 %
z Überlebende können Gasaustausch-
störungen und generalisierte Be-
schwerden (»wasting«) beibehalten
226 Kapitel 32 · Aspiration und Aspirationspneumonie

> Aspiration und


Aspirationspneumonie

32.1 Aspiration heitsbildern mit Dysphagie und/


oder fehlendem Hustenreflex
G. Michels, A. Bäumer z Beinaheertrinken: Versagen der
Atmung durch »Atemstillstand« in
Definition Flüssigkeiten oder bei Aspiration von
z Aspiration: transglottisches Ein- Flüssigkeiten und zumindest »tempo-
dringen von Fremdmaterial in das rärem« Überleben der Situation (Er-
Tracheobronchialsystem trinken: Tod durch Ersticken infolge
z Penetration: Übergangsform zur Untertauchen)
Aspiration; das Aspirat berührt
die supraglottischen Strukturen Ätiologie
bzw. tritt in den Aditus laryngis z Verminderte bis fehlende Schutz-
ein, ohne die Rima glottidis zu reflexe:
passieren 5 Bewusstlosigkeit
z Akute Aspiration: sehr heterogenes 5 während epileptischer Anfälle
Krankheitsbild; je nach Aspirat ent- 5 Drogen-, Alkoholabusus
steht eine chemische Pneumonitis 5 vorangegangener ambulanter
(Säureaspriation), eine bakterielle zahnärztlicher Eingriff unter
Pneumonie, eine mechanische Obs- großzügiger Infiltrationsanäs-
truktion (Aspiration korpuskulärer thesie
Anteile) mit ggf. reflektorischem z Störungen des Schluckakts bzw.
Glottisverschluss (Spasmus) oder Dysphagie:
eine Kombination der genannten 5 neurogene Dysphagien: z. B.
Situationen Apoplexie oder Schädel-Hirn-
z Chronische Aspiration: wenig Trauma
typische klinische Symptomatik, 5 neuromuskuläre Erkrankungen:
folgt nach einem symptomarmen z. B. Achalasie
Intervall; Ausbildung einer lokalen 5 Tumoren des Pharynx oder des
granulozytären Entzündung als Larynx
Reaktion auf einen festsitzenden 5 Dysphagie nach Operationen: z. B.
Fremdkörper, ggf. chronische Pneu- Tumoren in der Mund- und Hals-
monie mit Bildung einer Atelektase region
oder einer Retentionspneumonie; 5 Erkrankungen des oberen Gastro-
gehäuft bei neurologischen Krank- intestinaltrakts
32.1 · Aspiration 227 32.1
z Störungen des Glottisverschlusses dung sekundärer Bronchiektasen auf,
oder des oberen Ösophagussphink- ggf. mit Bildung einer Atelektase oder
ters: einer Retentionspneumonie
5 Tracheostoma oder liegende
Magensonde Diagnostik
5 rezidivierendes Erbrechen z Anamnese:
5 akuter Verlauf: evtl. nur Fremd-
Klinik anamnese möglich
z Leitsymptome: plötzlicher Reizhusten, 5 Vorerkrankungen: neurologische
akute Dyspnoe Krankheitsbilder mit Schluckstö-
z Erstickungsangst, Unruhe bis Panik rungen
z Atmung: 5 Hinweis: rezidivierende Pneumo-
5 flache und frequente Atmung mit nien gleicher Lokalisation können
oder ohne thorakale Schmerzen durch chronische Aspiration (fest-
5 Dyspnoe bis Orthopnoe (mit Ein- sitzender Fremdkörper) entstehen
satz der Atemhilfsmuskulatur) z Körperliche Untersuchung:
5 frustrane Atemexkursionen bis 5 Inspektion: Mundhöhle und Pha-
Apnoe bei Bolusgeschehen rynx (bei Bewusstlosigkeit zusätz-
5 evtl. inverse Atmung lich Laryngoskopie), äußerliche
z Zyanose (Warnsignal, d. h. ≥5 g des- Verletzungen, Struma, atypische
oxygeniertes Hb/dl) bzw. asymmetrische Thoraxexkur-
z Stridor: sionen, Haut (ggf. Zyanose)
5 inspiratorischer Stridor: hochsit- 5 Auskultation der Lunge: fort-
zender Fremdkörper oder Steno- geleitete Atemgeräusche wie
sen im laryngotrachealen Bereich Giemen und Brummen, einseitig
5 exspiratorischer Stridor: tiefsitzen- abgeschwächtes Atemgeräusch
der Fremdkörper oder bronchiale bei Atelektasenbildung, uner-
Obstruktion klärbare seitendifferente Befunde
z Bronchospasmus mit bronchialer Hy- oder grobe Rasselgeräusche bei
persekretion: bei Magensaftaspiration Aspiration von Flüssigkeiten (Dif-
z Hämodynamik: Tachykardie, initial ferenzialdiagnosen: kardiales und
Hyper- bis Hypotonie nichtkardiales Lungenödem; Aspi-
z Bewusstlosigkeit: eine Bolusaspiration ration überwiegend in der rechten
(z. B. verschlucktes Wurststück) kann Lunge, und zwar im Unterlappen)
innerhalb kürzester Zeit zu zerebralen z Bildgebung: Röntgenuntersuchung
Krampfanfällen bis hin zum reflek- des Thorax, evtl. CT des Thorax
torischen Herz-Kreislauf-Stillstand z Gegebenenfalls Tracheobroncho-
führen skopie
z Chronische Fremdkörperaspiratio-
nen: das Aspirationsereignis bleibt Differenzialdiagnostik
zunächst klinisch unbemerkt, später z Dyspnoe:  Kap. 30
(Wochen/Monate) treten uncharak- z Inspiratorischer Stridor: Beispiele
teristische Zeichen wie chronischer für Ursachen einer Obstruktion der
Reizhusten, rezidivierende broncho- proximalen unteren Atemwege (Hy-
pulmonale Infekte und evtl. Ausbil- popharynx, Larynx, Subglottis):
228 Kapitel 32 · Aspiration und Aspirationspneumonie

5 hochsitzender Fremdkörper 0,2–0,4) oder besser Maske (>6 bis


5 Krupp (Synonyme: Epiglottitis, 15 l O2/min: FiO2 von 0,4–0,7)
Laryngitis supraglottica) z Patienten zum Husten auffordern
5 Pseudokrupp (Synonyme: steno- z Gegebenenfalls Heimlich-Handgriff
sierende Laryngotracheitis, Laryn- bei tiefsitzenden Fremdkörpern
gitis subglottica) z Eventuell empirische Gabe von Glu-
5 Larynxödem (entzündlich-toxisch kokortikoiden
oder angioneurotisch, Quincke- z Gegebenenfalls initial flexible Bron-
Ödem) choskopie, Fremdkörperextraktion in
5 funktioneller Laryngospasmus starrer Bronchoskopietechnik
(»vocal cord dysfunction«) z Hinweis: auf dem Röntgenbild des
5 Retropharyngealabszess Thorax werden strahlentransparente
5 Nasopharynxtumor: benigne Fremdkörper ggf. übersehen
oder maligne (Schmincke-
Regaud) Kreislaufinstabiler oder bewusstloser
5 Larynxtumor (1/3 supraglottisch, Patient
2/3 glottisch, selten subglottisch) z Kontrolle der Vitalzeichen
z Inspiratorisch-exspiratorischer Stri- z Bei Herz-Kreislauf-Stillstand: sofor-
dor: Trachealstenose, z. B. strumabe- tiger Beginn der kardiopulmonalen
dingt Reanimation; bedingt durch die
z Exspiratorischer Stridor: Beispiele für Herzdruckmassage gelingt es in
Ursachen einer Obstruktion der dis- einigen Fällen, den tiefsitzenden
talen unteren Atemwege (Bronchien, Fremdkörper bzw. Bolus zu lockern
Bronchiolen): und in Richtung Pharynx zu mobili-
5 tiefsitzender Fremdkörper sieren
5 akutes Asthma bronchiale z Bei Verdacht auf hochsitzenden
5 toxisches Lungenödem Fremdkörper: Notfalltracheotomie
5 Bronchitis, Bronchiolitis z Mund- und Racheninspektion:
5 bei ersichtlichem Aspirat (z. B.
Vorgehen bei Aspiration von Erbrochenes)
Fremdkörpern 5 digitale Ausräumung des Rachen-
Kreislaufstabiler und nicht bewusst- raums
loser Patient 5 oropharngeales Absaugen in Kopf-
z Patienten beruhigen, ggf. Sedation tieflage
(Diazepam – Valium i. v.) 5 Fremdkörperextraktion aus dem
z Analgesie (Opioide) bei Schmerzen, Larynx mittels Magill-Zange und
z. B. bei Fischgrätenaspiration Absaugung unter laryngoskopi-
z Oberkörperhochlagerung scher Sicht
z Kurze Anamneseerhebung und diffe- 5 bei Massenaspiration: Freisaugen
renzialdiagnostische Abklärung mittels Endotrachealtubus und
z Körperliche Untersuchung: Inspektion anschließende endotracheale Intu-
der Mundhöhle und Lungenauskulta- bation
tion z Absaugmanöver unter ständiger Kon-
z Optimierung der Oxygenierung: trolle der Vitalparameter und pulmo-
Nasensonde (bis 6 l O2/min: FiO2 von naler Auskultation
32.2 · Aspirationspneumonie 229 32.2
z Atemwegsmanagement bei fehlender von Fremdkörpern nach Wech-
Eigenatmung: sel auf starre Bronchoskopie-
5 endotracheale Intubation und ggf. technik und Vollnarkose, Einsatz
Fremdkörper mit dem Tubus vor- von Bergungsgeräten (z. B.
bzw. tieferschieben, sodass zumin- Fangkorb, Fasszange); evtl. sind
dest eine Lunge beatmet werden blutungsstillende Maßnahmen
kann notwendig
5 oft sind hohe Beatmungsdrücke 5 nur kleine, gut fassbare Fremd-
notwendig körper können in ausschließlich
5 ggf. manuelle Exspirationshilfe flexibler Bronchoskopietechnik
durch Thoraxkompression geborgen werden
5 vorsichtige Maskenbeatmung, falls 5 routinemäßige Gabe eines An-
keine endotracheale Intubation tibiotikums (z. B. Ampicillin/
möglich ist: eine langsame und Sulbactam, 1,5 g/8 h i. v.) für min-
kräftige Beatmung unter antero- destens 3 Tage
posteriorem Krikoiddruck (Sellik- z Thorakotomie: als Ultima Ratio bei
Handgriff) kann eine Luftinsuf- Versagen der endoskopischen Tech-
flation neben dem Fremdkörper niken
erlauben
z Gegebenenfalls Bolusentfernung
durch kräftige Schläge zwischen die 32.2 Aspirationspneumonie
Schulterblätter oder durch Anwen-
dung des Heimlich-Handgriffs: A. Bäumer, G. Michels
5 Durchführung: Ausübung eines
subdiaphragmalen bzw. epigas- Definition
tralen, nach kranial gerichteten z Mit Aspiration von Fremdmaterial
Druckstoßes, welcher über eine assoziierte Pneumonie
intrathorakale Druckerhöhung
den Fremdkörper bzw. Bolus her- Klinik und Diagnostik
ausschleudern soll z Ausbildung einer schweren Pneumo-
5 Indikation: Ultima Ratio bei nie
lebensbedrohlicher Erstickung z Labordiagnostik: massive Leuko-
durch Fremdkörperaspiration zytose und stark erhöhte CRP-Kon-
5 Kontraindikationen: fortgeschrit- zentration
tene Gravidität, extreme Adiposi- z Röntgenuntersuchung des Thorax:
tas, Säuglingsalter 5 nichtkardiales Lungenödem mit
5 Gefahr: Verletzung innerer Bauch- Infiltrat (einseitig/beidseitig; am
organe und Strukturen (Leber, häufigsten rechts-basale Lungen-
Milz, Aorta etc.) abschnitte betroffen)
z Endoskopie: 5 positives Bronchopneumogramm
5 sofortige starre Bronchoskopie: 5 »weiße Lunge«
Methode der Wahl 5 je nach Aspirationsposition:
5 ggf. Inspektion der Atmwege in z aufrechte Position: untere Lun-
flexibler Bronchoskopietechnik genlappen betroffen (rechts mehr
und Lokalanästhesie, Extraktion als links) z liegende Position:
230 Kapitel 32 · Aspiration und Aspirationspneumonie

obere und/oder hintere Segmente Prognose


betroffen: Infiltrat, Pleuraerguss z Letalität: 10–30 %
(häufiger Anaerobier) z Fremd- z Maschinelle Beatmung: in etwa 30 %
körper können nur bei hoher der Fälle notwendig
Dichte erkennt werden (z. B.
Zähne)
z BAL: zur Probengewinnung vorteilhaft
(Sputum unbrauchbar, da Kontimina-
tion mit Mundflora und Anaerobiern
besteht)

Therapie
z Flexible Bronchoskopie: gezielte
therapeutische Sekretabsaugung und
mikrobiologische Diagnostik sind
»umgehend« anzustreben (innerhalb
von Minuten)
z Initiale empirische Antibiotika-
therapie:
5 ambulant erworbene Aspirations-
pneumonie: z Ampicillin plus
β-Laktamase-Inhibitor, z. B. Am-
picillin/Sulbactam (1,5 g/8 h i. v.)
oder z Clindamycin (0,6 g/8 h
i. v.) plus Cephalosporin der
2. Generation (z. B. Cefuroxim;
1,5 g/8 h) z Alternativen: Sulta-
micillin (Unacid), Moxifloxacin
(Avalox; 400 mg/d)
5 nosokomial erworbene Aspira-
tionspneumonie: z Cephalo-
sporin der 3. Generation (z. B.
Ceftriaxon; 2 g/24 h i. v.) plus
Clindamycin (0,6 g/8 h i. v.) oder
z Breitspektrumpenicillin plus
β-Laktamase-Inhibitor (Piperacil-
lin/Tazobactam; 4,5 g/8 h i. v.) oder
z Carbapeneme (z. B. Imipenem
plus Cilastatin; 1 g/8 h i. v.)
z Therapiedauer: mindestens 14 Tage,
bei Empyem/Abszess mindestens
21 Tage
z Kortikosteroide sind umstritten
z Gegebenenfalls Therapieumstellung
bei Vorliegen des Antibiogrammes
Kapitel 33 · Bluthusten 231 33

> Bluthusten
A. Bäumer, G. Michels

Definition z Trauma: stumpfe/spitze Traumata,


z Hämoptysen: Auswurf frisch-blutig, Bronchusabriss, Fettembolie
überwiegend Bronchialsekret (<50 % z Systemerkrankungen: Goodpas-
des Auswurfvolumens sind Blut) ture-Syndrom, Morbus Wegener,
z Hämoptoe: Auswurf frisch-blutig, systemischer Lupus erythemato-
überwiegend bluthaltig (>50 % des des, Vaskulitiden, Morbus Behçet,
Auswurfvolumens sind Blut) idiopathische pulmonale Hämosi-
derose
> Abklärung von jedem Bluthusten, z Iatrogen: Bronchoskopie, Swan-
insbesondere durch zeitnahe flexible Ganz-Katheter-induzierter Lungen-
Bronchoskopie (<24 h) infarkt, Ruptur der Pulmonalarterie
z Unerwünschte Medikamentenwir-
z meist Blutung aus Bronchialarterien, kungen/Drogen: Antikoagulanzien,
seltener aus Pulmonalarterie oder Thrombolytika, Crack, Kokain
bronchialen Venen z Andere Ursachen: Amyloidose,
z Diffuse alveoläre Hämorrhagie: bei Broncholithiasis, pulmonale Endo-
schwerer diffuser Störung der alveo- metriose, Fremdkörper, septische
lokapillären Einheit, schwerer hämor- Lungenembolie, Lymphangioleio-
rhagischer Diathese oder ausgeprägter myomatose, AV-Malformationen
pulmonaler Hypertonie
Diagnostik
Ätiologie z Anamnese/Fremdanamnese und
z Lungenerkrankungen: Bronchitis/ körperliche Untersuchung
Pneumonie (Abszess: bakteriell, Pilze; z Ausschluss oronasopharyngealer/
Parasitose: Lungenegel; Tuberkulose, gastrointestinaler Blutungsquellen
virale Infektionen), Lungenkarzi- z Bei unklarer Blutungsquelle:
nome, Bronchiektasie, Lungenembo- 5 HNO-ärztliche Spiegelunter-
lie, zystische Fibrose, bullöses Emphy- suchung
sem, Lungenmetastasen 5 Ösophagogastroduodenoskopie
z Kardiale Ursachen: Mitralklappenste- z Labordiagnostik: klinische Chemie,
nose, Trikuspidalklappenendokarditis, kleines Blutbild, Gerinnungsdiagnos-
kongenitale Vitien tik, Kreuzblut
z Hämatologische Ursachen: Koagu- z Radiologische Thoraxdiagnostik:
lopathien, DIC, Thrombozytopenie, Röntgenuntersuchung, CT, ggf. An-
vWJS giographie
232 Kapitel 33 · Bluthusten

Therapie
z Seitenlagerung mit der blutendenden
Seite (wenn bekannt) nach unten
z Aufrechterhaltung der Oxygenierung:
O2-Gabe
z Sofortige Verlegung in pneumologi-
sche Fachabteilung
z Bei Hb-Wert-wirksamer Blutung: Be-
reitstellung von Blutkonserven (sofort
und auf Abruf)
z Bei Blutung im endoskopisch nicht
einsehbaren Bereich: endoskopische
temporäre Anlage eines Bronchus-
blockers (Ballonkatheter) in starrer
oder flexibler Bronchoskopietechnik,
alternativ Intubation mit Doppellu-
mentubus und Tubusblockade der
blutenden Seite (z. B. Univent-Tubus),
sofortiges thoraxchirurgisches und
radiologisches Konsil (operatives vs.
interventionelles Vorgehen: Embolisa-
tion)
z Blutung im endoskopisch einsehbaren
Bereich: Neodym-YAG-Laserung/
Argonplasmakoagulation, ggf. Bron-
chial-/Trachealstentimplantation bei
blutender Fistel, jeweils in starrer
Bronchoskopietechnik
34.1 · Akute Bronchitis 233 34.1

> Erkrankungen der Trachea


und der Bronchien

34.1 Akute Bronchitis und akute Klinik


Tracheobronchitis z Leitsymptome der Bronchitis: initial
trockener, unproduktiver (schmerz-
A. Bäumer, G. Michels hafter) Husten, oft bis zu einem Mo-
nat anhaltend, nur gelegentlich mit
Definition Fieber → später visköser bis eitriger
z Akute Entzündung der unteren Atem- Auswurf
wege (mit/ohne Trachea) mit Husten z Sputum (initial minimaler bis kein
(oft produktiv) Auswurf): aufgrund der Leukozyten-
peroxidaseaktivität kommt es zu ver-
Ätiologie schiedenen Farbveränderungen (klar,
z Begünstigende Faktoren: Feuchtig- weiß, gelb, grün oder blutig), sodass
keit, Kälte, Staub, Tabakrauch, kar- aufgrund der Sputumfarbgebung
diopulmonale Vorerkrankungen, ma- allein nicht auf eine virale oder bak-
schinelle Beatmung, arbeitsbezogene terielle Infektion geschlossen werden
Schadstoffe darf; zum Teil blutiger bis rostbrauner
z Infektiöse Ursachen: Auswurf bei Pneumonie oder hämor-
5 meist Viren: Influenzavirus A/B, rhagischer Bronchitis
Parainfluenzavirus, Coronavi- z Gegebenenfalls Mitbefall von Nasen-
ren 1–3, Rhinovirus, »respiratory nebenhöhlen, Mittelohr und Larynx
syncytial virus« (RS-Virus) z Eventuell wochen- oder monatelanger,
5 seltener Bakterien: Mycoplasma trockener Reizhusten bei bronchialer
pneumoniae, Chlamydia pneu- Hyperreagiblität
moniae, Legionella pneumophila, z Gegebenenfalls Entwicklung einer
Streptococcus pneumoniae, Bronchopneumonie
Haemophilus influenzae, Moraxella
catarrhalis, Bordetella pertussis Diagnostik
5 gelegentlich Mischinfektionen z Anamnese und klinische Untersu-
(viral/bakteriell) chung: meist ausreichend
5 ventilatorassoziierte Bakterien: z Auskultation: oft bronchiale (grobe)
Staphylococcus aureus, Pseudo- Rasselgeräusche
monas aeruginosa, Klebsiellen, z Inspektion: sichtbare Rachenrötung,
Enterobacter spp., Escherichia coli ggf. lokale Lymphknotenschwellung
z Nichtinfektiöse Ursachen: volatile z Bei Verdacht auf Pertussis (diagnos-
Schadstoffe (z. B. Ozon) tischer Goldstandard): mikrobiologi-
234 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

sche Kultur aus Abstrich, ggf. PCR; > Bei Infektionen mit Bordetella per-
bei Bestehen der klinischen Symp- tussis (Keuchhusten) erfolgt immer
tomatik (Husten) für >14 Tage: hohe eine antibiotische Therapie (Makrolid).
Sicherheit der serologischen Tests, Keuchhusten ist bei Auftreten in einer
Sensitivität der Kultur/PCR nimmt Gemeinschaftseinrichtung melde-
deutlich ab pflichtig.

Differenzialdiagnostik des akuten


Hustens (<3 Wochen) 34.2 Chronische Bronchitis
z Infektion der unteren Atemwege
(Bronchitis/Tracheobronchitis) A. Bäumer
z Pneumonie (v. a. atypische Pneumo-
nien) Definition
z Asthma cardiale (manifeste Herz- z Produktiver Husten und Auswurf
insuffizienz) 5 an den meisten Tagen der Woche
z Asthma bronchiale über mindestens 3 aufeinander
z Lungenembolie folgende Monate eines Jahres in
z Akute Aspiration mindestens 2 aufeinander folgen-
z Inhalationstrauma den Jahren
z Pleuritis 5 bei Ausschluss anderer broncho-
pulmonaler Erkrankungen (z. B.
> Eine differenzialdiagnostisch bei Bronchiektasen, Tuberkulose)
chronischem Husten im Rahmen der
Lungenfunktionstestung durchgeführte > Die chronische Bronchitis repräsen-
»unspezifische Provokation« (mit Meta- tiert oft eine klinische Komponente der
cholin/Carbachol) zur Diagnostik eines COPD.
hyperreagiblen Bronchialsystems ist frü-
hestens 6 Wochen nach Abheilen einer Ätiologie
akuten Bronchitis verwertbar. z Exogene Faktoren: überwiegend Zi-
garettenrauch (Raucherhusten), des
Therapie Weiteren Umweltverschmutzung/
z Symptomatisch: Industrieabgase (Schwefeldioxid oder
5 Flüssigkeitszufuhr Metalloxide), Hitzeexposition, klima-
5 im Einzelfall: β2-Mimetika bei tische Belastung (Nebel und feuchte
additiver spastischer Komponente, Kälte) sowie Infektionen mit Haemo-
Antitussiva (z. B. Dextromethor- philus influenzae und Strepptococcus
phan) bei trockenem, nichtpro- pneumoniae
duktivem Reizhusten z Endogene Faktoren: z. B. Mukovis-
z Nikotinkarenz zidose, IgA-Mangel, Kinoziliendys-
z Antibiotikatherapie: bei purulentem plasie
Auswurf (Amoxicillin oder Makro-
lid), jedoch nur bei Risikopatienten Klinik
(ältere Patienten, Immunsupprimierte z Produktiver Husten: meist weißlich/
und Patienten mit schweren Lungen- klar, zum Teil schaumig, gelblich,
erkrankungen) bräunlich
34.3 · Bronchiektasen 235 34.3
z Akute Exazerbation: weißlicher/puru- Makrolid oder Doxycyclin) über
lenter (grünlich), vermehrter Auwurf 7–10 Tage
ohne Zeichen einer Pneumonie; oft
Mischinfektionen (viral/bakteriell:
Influenzavirus, Parainfluenzavirus, 34.3 Bronchiektasen
Coronavirus, Rhinovirus, Haemo-
philus influenzae, Streptococcus A. Bäumer
pneumoniae, Moraxella catarrhalis,
Enterobacteriaceae, Pseudomonas Definition
aeruginosa) z Irreversible Erweiterung der Bron-
chien
> Jeder anhaltende Husten (>3 Wochen) z Sackförmig (zystisch): ballonartige
bedarf einer differenzialdiagnostischen Erweiterung der Bronchien, blind
Abklärung. endend
z Zylindrisch: streckenweise tubuläre
Differenzialdiagnostik des Erweiterung der Bronchien
chronischen Hustens (>3 Wochen) z Varikös: unregelmäßiger Durch-
z Chronische Bronchitis/COPD/post- messer, perlschnurartig
infektiös
z Asthma bronchiale (»cough variant Ätiologie
asthma«) z Angeboren: α1-Protease-Inhibitor-
z Asthma cardiale (manifeste Herz- Mangel, Mukoviszidose, angebo-
insuffizienz) rene Immundefekte, Tracheobron-
z Chronische Säureaspiration chomalazie, tracheoösophageale
(gastroösophagealer Reflux) Fistel, intralobäre Lungensequester,
z Medikamentennebenwirkung Ziliendysfunktion (z. B. Karta-
(z. B. ACE-Hemmer) gener-Syndrom: Bronchiektasen,
z Tracheomalazie, tracheobronchiale chronische Sinusitis, Situs inversus/
Fistel Dextrokardie)
z Bronchialkarzinom z Erworben: erworbene humorale/zel-
z Psychogener/habitueller Husten luläre Immundefizienz (z. B. HIV-
z Interstitielle Lungenerkrankungen Erkrankung), chronische Bronchitis,
z Bronchiektasen Asthma bronchiale, allergische
z HNO-Erkrankungen: Kehlkopf-/ bronchopulmonale Aspergillose,
bronchiale Tuberkulose, »Postnasal- Fremdkörperaspiration (chronisch),
drip«-Syndrom (laryngopharyngeale Verlegung von Bronchien (durch
Verschleimung bei chronischer Sinu- z. B. Tuberkulose, Sarkoidose oder
sitis) Neoplasien), tracheale Papilloma-
tose, rezidivierende und chronische
Therapie Infekte (durch Viren oder Bakterien
z Nikotinkarenz, sonst nach Ursache wie Pseudomonas spp. und Haemo-
z Antibiotika: nach dem Schwere- philus spp., Tuberkulose)
grad der zugrunde liegenden z Lokalisation: oft unterlappenbetont
Lungenerkrankung; orale Mono- sowie mittelgroße Bronchien auf
therapie mit Aminopenicillin (oder Segment- und Subsegmentebene
236 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

Klinik > Goldstandard zur Diagnose von


> Das Krankheitsbild kann sehr ähnlich Bronchiektasen bildet die KM-HR (high
wie eine COPD verlaufen. resolution) Thorax CT Untersuchung.

z Chronischer produktiver Husten Therapie


z Morgendliche »maulvolle« Expektora- z Atem- und Physiotherapie:
tion: »3-schichtig« (Schaum, Schleim, Lagerungsdrainage (Quincke-
Eiter) Knie-Ellenbogen-Lagerung), Klopf-
z Exazerbation: zusätzlich Dyspnoe plus massage, Lungensport
Fieber, Hämoptysen, reduzierter All- z Broncholyse: je nach Spirometrie-
gemeinzustand, Bronchialobstruktion befund
sowie ggf. pleuritische Schmerzen z Antibiotikatherapie:
und neue Infiltrate auf der Röntgen- 5 nur bei Exazerbation: gezielte
aufnahme des Thorax antibiotische Therapie nach
Antibiogramm (optimal) oder
Komplikationen empirisch (z. B. Levofloxacin)
z Hirnabszess (bakterielle Metastasen) über 7–10 Tage
z Amyloidose (Typ AA: Serumamy- 5 in Einzelfällen: regelmäßige
loid A) prophylaktische inhalative an-
z Respiratorische Insuffizienz tibiotische Therapie, z. B. mit
z Cor pulmonale Tobramycin (2-mal 80 mg/Tag)
z Hämoptysen oder Gentamycin (1-mal 40 mg/
z Pneumothorax Tag, z. B. 160 mg Gentamycin
z NTM-Infektion ( Kap. 35.6) auf 12 ml NaCl 0,9 % → 40 mg
z Aspergillom (meist durch Aspergillus entspricht 3 ml; im Kühlschrank
fumigatus) aufbewahren)

Diagnostik > Problemkeime sind Pseudomonas


z Anamnese und körperliche Untersu- aeruginosa, Mycobacterium-avium-
chung: CF-Ausschluss, auskultatori- complex und Aspergillus spp.
sche bronchiale Rasselgeräusche > Bei chronischer Keimbesiedlung soll-

z Labordiagnostik: Blutbild, Immunsta- ten Kortikosteroide unbedingt vermie-


tus (IgG-, IgM-, IgA-Spiegel) den werden.
z Lungenfunktionstestung: obstruktive
Ventilationsstörung (in Spätstadien z Impfungen: gegen Influenzaviren und
auch Restriktion) Pneumokokken
z Sputummikrobiologie/-mikroskopie: z Operativ: Lungenteilresektion bei
Mykobakterien (tuberkulös, nichttu- schweren Verläufen und Versagen
berkulös), Aspergillus spp. etc. der konservativen Therapie oder bei
z Röntgenuntersuchung des Thorax: Aspergillom; Kontraindikationen:
in 5–10 % der Fälle normal bilaterale schwere Verlaufsform, funk-
z Gegebenenfalls Bronchoskopie tionelle Inoperabilität ( Kap. 35.9,
(Bronchographie bei vorliegendem ⊡ Abb. 35.3)
CT-Befund nicht notwendig)
34.4 · Zystische Fibrose 237 34.4
34.4 Zystische Fibrose z Intestinal: Mekoniumileus des Neu-
(Mukoviszidose, geborenen, Obstipation (distales
»cystic fibrosis«, CF) intestinales Obstruktionssyndrom),
gastroösophagealer Reflux
A. Bäumer, G. Michels z Pankreas: exokrine Pankreasinsuffi-
zienz (Steatorrhö, Malabsorptions-
Definition syndrom) bis (später) insulinpflich-
z Autosomal-rezessiv vererbte, chro- tiger Diabetes mellitus
nisch progrediente Multiorganer- z Leber: biliäre Leberzirrhose, por-
krankung durch Mutation des tale Hypertension, Cholestase,
»Cystic-fibrosis-transmembrane- Cholezystolithiasis (Verlust von
conductance-regulator«-(CFTR-)Gens Gallensäuren)
(Chromosom 7). z Fortpflanzung: inadäquate Sperma-
z Organmanifestationen: pulmonal togenese bis Azoospermie (Fehl-
(Sinus, Bronchien), gastrointestinal entwicklung des Wolff-Ganges mit
(Leber/Gallenwege, Darm, Pankreas), Infertilität), eingeschränkte Sper-
Geschlechtsorgane (männliche mehr mienbeweglichkeit; in bis zu 20 % der
als weibliche), muskuloskeletal Fälle sekundäre Infertilität bei Frauen
z Pulmonal: obstruktive Ventilations- (sekundäre Amenorrhö, abnormaler
störung (mit Überblähung) bis respi- Zervixschleim)
ratorische Insuffizienz z Muskuloskeletal: verminderte Kno-
chendichte/Osteopenie, Arthropathie,
Klinik CF-Arthritis
z Sehr variabler klinischer Verlauf: z Elektrolythaushalt: salzhaltiger
typische, atypische und milde Ver- Schweiß (Na+- und Cl–-Ionen), hypo-
läufe chlorämische Alkalose
z Häufig erst bei Kindern ab 2 Jahren
auffällig Diagnostik
z Pulmonale Symptomatik: z Goldstandard: Schweißtest mit Be-
5 chronischer produktiver Husten stimmung der Chloridkonzentration
5 progrediente Dyspnoe bis respi- (Pilocarpiniontophoresetest); bei
ratorische Insuffizienz (Trommel- Erwachsenen > 60 mmol Cl–/l, bei
schlägelfinger) Neugeborenen >90 mmol Cl–/l (Werte
5 rezidivierende Infektexazerbatio- um 30 mmol/l sind grenzwertig →
nen durch Pseudomonas spp. und Testwiederholung)
nichttuberkulöse Mykobakterien z Humangenetische Diagnostik: PCR
(»natürliche Resistenz« gegen Tu- (<90 % der Mutationen werden üb-
berkulose) licherweise beim DNA-Screening
5 chronisch-rezidivierende Sinusiti- erfasst, bekannt sind ≥1250 verschie-
den, nasale Polypen dene Mutationen)
5 Bronchiektasenbildung z Transepitheliale Potenzialdifferenz
5 Pneumothorax, Hämoptysen/ am Nasenseptum: erhöht
Hämoptoe z Bei Neugeborenen (<8 Wochen): er-
5 allergische bronchopulmonale höhter Blutwert des immunoreaktiven
Aspergillose Trypsins
238 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

z Lungendiagnostik: Röntgenuntersu- z Gezielte Antibiotikatherapie nach


chung des Thorax, Lungenfunktions- Antibiogramm, ggf. regelmäßig (2- bis
testung mit Bronchoreaktivitätstest 3-mal jährlich gezielt gegen Pseudo-
z Screening: keine generelle Empfeh- monas spp.: Tobramycininhalation)
lung; bei Frauen mit Mukoviszidose z Ernährungstherapie: frühzeitig hoch-
bei Verwandten 1. und 2. Grades kalorische Nahrungsergänzungen
genetische Beratung vor einer (ggf. parenteral/enteral)
Schwangerschaft; pränatale Testung z Substitution von Pankreasenzymen
umstritten (Richtwert: 10.000 E Lipase/kg KG/
Tag), fettlöslichen Vitaminen (Vi-
Differenzialdiagnostik tamine A, D und E, täglich) und
z Asthma bronchiale Vitamin K in Abhängigkeit von der
z COPD Gerinnung
z Emphysem z Bei allergischer bronchopulmonaler
z Bronchiektasen Aspergillose: systemische Steroide,
z Hereditäre/erworbene Immundefekte Itraconazol
z Allergische bronchopulmonale Asper- z Sauerstoffgabe, nichtinvasive Beat-
gillose mungstherapie
z Granulomatöse Erkrankungen: Tuber- z Lungentransplantation (häufig durch
kulose, Sarkoidose, Histiozytosis X viele Begleiterkrankungen limitiert)
z α1-Protease-Inhibitor-Mangel
Spezifisches bronchopulmonales
Therapie
»Problemkeimspektrum« bei CF
z Anbindung an CF-Ambulanz/-
Zentrum: regelmäßige Vorstellung z Haemophilus influenza (v. a. Kinder)
(Lungenfunktionstestung, BGA, z Pseudomonas aeruginosa (ältere Kinder)
Echokardiographie, Sonographie des z Burkholderia-cepacia-Komplex (ältere
Abdomens, EKG, Blutzuckerspiegel-, Patienten)
HbA1c-, Stuhlfett- und Chymotrypsin- z Stenotrophomonas maltophilia
spiegelbestimmung, Röntgenuntersu- z Staphylococcus aureus (inklusive MRSA)
chung des Thorax, Sputumtestung auf z Achromobacter xylosoxidans
Pseudomonas spp.) z Nichttuberkulöse Mykobacterien
z Konsequente Physiotherapie: Schleim- (Mycobacterium-avium-Komplex und
mobilisierung, Rehabilitationspro- Mycobacterium abscessus)
gramme z Aspergillus spp., Candida spp.
z Inhalationen/Mukolyse: hypertone
NaCl- und Dornase-α-(Pulmozyme-, Prognose
rhDNAse-I-)Inhalation (Nachteil: z Mittlere Lebenserwartung bei typi-
Bronchospasmusneigung → vorab schem Verlauf: etwa 30–35 Jahre
Gabe kurz wirksamer Bronchodilata- z Häufigste Todesursache: respiratori-
toren) sches Versagen in Zusammenspiel mit
z Bei Ansprechen auf Broncholyse: einem Cor pulmonale
Bronchodilatatoren (β-Mimetika) z Schwangerschaftsrisiko: abhängig von
z Bei Exazerbation: systemische Gluko- mütterlicher FEV1 (>50 % des Soll-
kortikoide Wertes)
34.5 · Asthma bronchiale 239 34.5
34.5 Asthma bronchiale 5 erhöhte Eosinophilenzahl (stärker
ausgeprägt als beim extrinsischen
A. Bäumer, G. Michels Asthma)
5 kein bis leicht erhöhter Gesamt-IgE-
Definition Wert, jedoch keine erhöhte Konzent-
z Asthma bronchiale: Akute variable ration des allergenspezifischen IgE
und reversible Atemwegsobstruk- 5 Triggerfaktoren: meist Infektionen der
tion, beruhend auf einer bronchialen Atemwege (Chlamydien/Mykoplas-
Hyperreagibilität und einer (chroni- men), Kälte, Medikamente (NSAR),
schen) Entzündung der Bronchial- physische oder psychische Belastung
schleimhaut Existenz von Mischformen aus extrinsischem
z Status asthmaticus (»fatal asthma«: und intrinsischem Asthma (»mixed asthma«)
Asthmaanfall, der nicht prompt auf
β2-Mimetika reagiert): dieser Begriff
wird heute durch »akutes schwe- Ätiologie
res Asthma« oder – als gesteigerte z Polyätiologisches Krankheitsbild: ge-
Form – »lebensbedrohliches Asthma« netische Prädisposition (Atopie, ver-
ersetzt; es handelt sich um einen schiedene Genpolymorphismen wie
über mehrere Stunden anhaltenden ORMDL3), Lebensstil (Ernährung),
Asthma-bronchiale-Anfall mit vitaler Umweltfaktoren
Gefährdung des Patienten z Atopie als bedeutendster Risikofak-
z Brittle-Asthma: Subgruppe des le- tor: 10- bis 20fache Risikoerhöhung;
bensbedrohlichen Asthma bronchiale das TH2/TH1-Verhältnis ist zu
mit sehr rascher und unvorhersehba- Ungunsten der TH2-Zellen ver-
rer Entwicklung (hohes Mortalitäts- schoben (Spiegel von IL-4, IL-5 und
risiko) IL-13 erhöht) → Aktivierung von
B-Lymphozyten (IL-4: Synthese von
Immunglobulin E) und eosinophilen
Formen des Asthma bronchiale Granulozyten
z Extrinsisches Asthma: z Auslöser/Trigger: Antigenexposition,
5 (rein) allergisches Asthma vorausgehender Atemwegsinfekt, kör-
5 häufig bei Kindern und Jugendlichen perliche oder psychische Belastung,
(oft Atopiker) Kälte, Medikamente (z. B. NSAR,
5 saisonal oder perennial wiederkeh- β-Blocker), mangelnde Medikamen-
rend ten-Compliance, Inhalation von Ziga-
5 erhöhte Eosinophilenzahl rettenrauch
5 erhöhte Spiegel von Gesamt-IgE und z Allergene: saisonal (z. B. Gräserpol-
allergenspezifischem IgE len) oder perennial (ganzjährig; z. B.
5 Triggerfaktoren: Allergene Hausstaubmilben, Tierhaare, Schim-
z Intrinsisches Asthma: mel)
5 nichtallergisches Asthma (Infekt-
asthma) > Es existieren 4 Mechanismen der
5 meist bei Erwachsenen Atemwegsobstruktion:
5 im Rahmen von chronischen z Kontraktion der glatten Bronchial-
Lungenerkrankungen (COPD) muskulatur
240 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

z Mukosaödem der Bronchialwände 5 BGA: paO2 normal, paCO2 ver-


z Verstopfung der Bronchiolen mindert, pH-Wert im alkalischen
durch viskösen Schleim (»mucus Bereich, SaO2 von 91–95 % (Aus-
plugging«) druck der kompensatorischen
z Irreversible Umbauvorgänge Hyperventilation)
(Remodeling) z Akutes schweres Asthma:
5 Sprechunvermögen
Sofort- oder mediatorenvermittelte 5 Dyspnoe bis Orthopnoe bei exspi-
Reaktion ratorischem Stridor
z Reaktion innerhalb von Minuten nach 5 Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
Antigenkontakt 5 schnelle, oberflächliche Atmung
z Dominierende Zellen: Mastzellen, mit einer AF von ≥25–35/min
basophile Granulozyten und einem Atemzugvolumen von
z Voraussetzung: vorangegangene <300 ml
Sensibilisierung 5 HF: ≥110/min
z Klinik: Bronchospasmus, Schleim- 5 FEV1: ≤70 % des Soll-Wertes oder
hautödem, Hypersekretion <1 l/min
5 Pulsus paradoxus (Abfall des
Spätreaktion oder zellvermittelte systolischen Blutdrucks um
Immunantwort >10–25 mmHg während der Inspi-
z Reaktion etwa 2–24 h nach der ration)
Sofortreaktion 5 PEF: <50 % des Bestwerts oder
z Dominierende Zellen: eosinophile/ <200 l/min bei unbekanntem Aus-
basophile Granulozyten, Monozyten, gangswert
T-Lymphozyten 5 BGA: paO2 vermindert, paCO2
z Klinik: bronchiale Inflammation, normal bis erhöht, pH-Wert nor-
Bronchospasmus mal, SaO2 von <90 % (respiratori-
sche Partialinsuffizienz)
Chronische Reaktion bzw. z Lebensbedrohliches Asthma:
Chronifizierung 5 »silent chest«
z Klinik: Atemwegsremodeling 5 Bradykardie
(»Asthmafixierung«), bronchiale 5 paradoxe thorakoabdominelle
Hyperreagibilität Bewegungen, d. h. inspiratorische
Einziehungen der Abdominalmus-
Klinik kulatur (»Schaukelatmung«)
z Kardinalsymptom: akut auftretende 5 Zyanose
Atemnot, typischerweise nachts oder 5 PEF: <33 % des Bestwerts oder
in den frühen Morgenstunden <100 l/min bei unbekanntem Aus-
z Allgemeine Zeichen der Sofortreak- gangswert
tion (milde bis moderate Form): 5 BGA: paO2 vermindert, paCO2 er-
5 keine Dyspnoe beim Sprechen höht, pH-Wert im sauren Bereich,
5 AF: von <25/min SaO2 von <90 % (respiratorische
5 HF: <110/min Globalinsuffizienz)
5 PEF: >50 % des Best- oder des 5 Hyperkapnie mit Somnolenz
erwarteten Wertes (CO2-Narkose)
34.5 · Asthma bronchiale 241 34.5
Bronchitis«, gehäuft im Kindesalter;
Risikofaktoren bzw. Hinweise für ein Auslöser: z. B. kalte Luft, körperliche
potenziell fatales Asthma bronchiale Anstrengung, Allergene); gelegent-
z Vorgeschichte von schweren Asthmaan- lich stellt ein chronischer, nichtpro-
fällen, Intubationen oder Intensivstations- duktiver Husten die einzige klinische
aufenthalten Manifestation dar
z Vorangegangene Notaufnahmen z Körperliche Untersuchung:
z Häufige Hospitalisierungen 5 Inspektion: Dyspnoe (»pfeifendes
z Kontinuierlicher Gebrauch von systemi- Atemgeräusch«), Orthopnoe,
schen Glukokortikoiden Sprechunvermögen, Zyanose
z Steigender β2-Mimetika Bedarf
z Psychosoziale Probleme > Je lauter die Atemgeräusche (Gie-
men), desto harmloser ist die Situation.
Bei fehlendem Atemgeräusch handelt es
Komplikationen sich um eine ernste Situation.
z Zerebrale Hypoxämie
z Akutes Cor pulmonale (Rechtsherz- 5 Palpation: Tachykardie, Pulsus
versagen bis kardiogener Schock) paradoxus (Abfall des systolischen
z Lungenversagen Blutdrucks um >10–25 mmHg
z Pneumothorax (durch massive Lun- während der Inspiration; physiolo-
genüberblähung bei erhöhtem intra- gisch: ≤10 mmHg)
thorakalen Gasvolumen) 5 Perkussion: hypersonorer Klopf-
z Pneumomediastinum, Pneumoperi- schall
kardium 5 Auskultation: verlängertes Exspi-
z Tracheoösophageale Fistel rium (bis stumme Auskultation),
z Pneumonie/Sepsis exspiratorisches Giemen, »silent
chest«
> Unterscheidung des Lungen- z Lungenfunktionstestung:
versagens: 5 Nachweis einer Obstruktion: FEV1
z Hypoxämisches Lungenversagen: und VC vermindert, FEV1/VC von
paO2 vermindert, Lungenparenchym- <70 %, TLC und RV vergrößert
versagen 5 PEF: vermindert; häufig Schwan-
z Hyperkapnisches Lungenversagen: kungen von >20 % bei wiederhol-
paCO2 erhöht, Atempumpenversagen ten Messungen
5 »Peak-flow«-Meter-Selbstmes-
Diagnostik sungen (Asthmatagebuch; Am-
z Anamnese/Fremdanamnese: Husten pelschema: PEF des persönlichen
(unproduktiver Reizhusten), pfei- Bestwerts von 80–100 % grün,
fendes Atemgeräusch, Luftnot, ver- Wert von 60–80 % gelb, Wert von
stärkte nächtliche Beschwerden, tho- <60 % rot)
rakales Engegefühl, typischerweise 5 bei unauffälliger Lungenfunk-
variable Ausprägung der Symptome tionstestung: »unspezifische
(im Gegensatz zur COPD), Aller- Provokation« mit Metacholin
gien/Atopie in der Vorgeschiche, ggf. zum Nachweis einer bronchialen
Atemwegserkrankungen (»spastische Hyperreagibilität
242 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

z Allergologische Tests: Serum-IgE- tive Steroide über 4 Wochen): typische


Spiegelbestimmung, Prick-Tests, Befunde bei Asthma bronchiale
ggf. RAST, selten spezifische Aller- z Normaler Spirometriebefund: schließt
genprovokation unter stationären ein Asthma bronchiale nicht aus
Bedingungen
Schweregrade
> Lufu-Befundkonstellation ⊡ Tabelle 34.1
z Lungenfunktioneller Nachweis einer
bronchialen Hyperreagibilität ohne ty- Differenzialdiagnostik
pische Klinik: kein Asthma bronchiale > Die akute Exazerbation einer COPD
z Verbesserung der FEV1 um >15 % (bzw. (AE-COPD) stellt bei Erwachsenen die
des Rspezifisch um >20 %) im Rahmen des wichtigste Differenzialdiagnose dar.
Bronchospasmolysetests (Gabe von Die Differenzialdiagnostik beim Kind ist
400 μg Salbutamol; alternativ: inhala- dagegen stark altersabhängig (z. B. Bron-

⊡ Tab. 34.1. GINA-Schweregrade des Asthma bronchiale

Grad Klinik

1 Intermittierend:
 Symptome seltener als 1-mal wöchentlich
 Kurze Exazerbationen
 Nächtliche Beschwerden höchstens 2-mal monatlich
 FEV1 oder PEF: ≥80 %
 FEV1- oder PEF-Variabilität: <20 %

2 Mild persistierend:
 Symptome seltener als 1-mal täglich, aber häufiger als 1-mal wöchentlich
 Exazerbationen können tägliche Aktivität und Schlaf beeinträchtigen
 Nächtliche Beschwerden häufiger als 2-mal monatlich
 FEV1 oder PEF: ≥80 %
 FEV1- oder PEF-Variabilität: <20–30 %

3 Mäßig persistierend:
 Symptome täglich
 Exazerbationen können Aktivität und Schlaf beeinträchtigen
 Nächtliche Beschwerden häufiger als 1-mal wöchentlich
 Täglicher Gebrauch inhalativer Bedarfsmedikamente
 FEV1 oder PEF: 60–80 %
 FEV1- oder PEF-Variabilität: >30 %

4 Schwer persistierend:
 Symptome täglich
 Häufige Exazerbationen
 Häufige nächtliche Beschwerden
 Einschränkung der körperlichen Aktivität
 FEV1 oder PEF: ≤60 %
 FEV1- oder PEF-Variabilität: >30 %

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34.5 · Asthma bronchiale 243 34.5
chiolitis im Säuglingsalter, Krupp-Syn- Fremdkörper, Tracheomalazie,
drom im Kindesalter oder Fremdkörpera- COPD, Bronchiektasen, obstruktive
spiration während des 2. Lebensjahrs). Bronchiolitis, rezidivierende Lungen-
embolien
z Differenzialdiagnosen der Dyspnoe:
 Kap. 30) Akuttherapie
z Im Kindesalter: Fremdkörperaspiration z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
oder Infektionen wie viral-bedingte der Vitalfunktionen
obstruktive Bronchitiden, Bronchi- z Lagerung: sitzende Position, been-
olitis, Krupp (durch Haemophilus gende Kleidung öffnen
influenza Typ B) oder Pseudokrupp z Sedierung: für Ruhe sorgen (Um-
(durch »Respiratory-syncytial«- oder gebung, Gespräch); Hypnotika bzw.
Parainfluenzaviren), zystische Fibrose Sedativa (z. B. Midazolam) sollten we-
z Differenzialdiagnosen des schweren gen ihrer atemdepressiven Wirkung
Asthmas: »vocal cord dysfunction«, möglichst vermieden werden

⊡ Tab. 34.2. Medikamente beim akuten Asthmaanfall

Substanzgruppe Medikament Dosierung

β2-Sympathomimetika Fenoterol (Berotec) Inhalativ: 2 Hübe (1 Hub entspricht


100 μg), ggf. Repetition alle 10–15 min

Salbutamol Inhalativ: 2 Hübe (1 Hub entspricht


(Broncho-Spray novo) 100 μg), ggf. Repetition alle 10–15 min

Reproterol Erwachsene: 0,09 mg langsam i. v.


(Bronchospasmin) (Perfusor: 5 Amp./50 ml → 9 μg/ml)

Kortikosteroide Prednisolon Erwachsene: initial 50–100 mg als i. v.


(Solu-Decortin) Bolus, anschließend 50 mg alle 4–6 h i. v.

Parasympatholytika Ipratropiumbromid Inhalativ: 2 Hübe (1 Hub entspricht


(Atrovent) 20 μg), ggf. Repetition alle 10–15 min

Membranstabilisatoren Magnesiumsulfat Erwachsene: 1–2 g über 20 min i. v.


(Mg-5-Sulfat 50 %)

Anästhetika Ketamin-S (Keta-  Ketamin: 0,3–0,7 mg/kg KG langsam


nest-S) plus Midazo- i. v. und als Perfusor (25 mg/ml →
lam (Dormicum) bei 0,3 mg/kg KG/h)
therapieresistentem  Midazolam: 1–5 mg/h über i. v.
Asthmaanfall Perfusor (2 mg/ml)

Propofol (Disopri- Erwachsene: 1–3 mg/kg KG i. v. (Cave:


van 2 %; Hypotonieinduktion; über Perfusor:
bronchodilatatorische 20 mg/ml)
Eigenschaften)
244 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

z Adäquate Oxygenierung: O2-Gabe 20 % Sauerstoff) zur Reduktion des


über Maske (>6–10 l O2/min: FiO2 von turbulenten Flusses (Nachteil: teuer)
0,7 ohne bzw. von 0,9 mit Reservoir), z Bronchoskopie mit BAL bei unzurei-
evtl. Masken-CPAP (Ziel: SaO2 von chender Oxygenierung trotz maschi-
>92 %); ggf. Intubation/Beatmung neller Beatmung
z Medikamente: ⊡ Tab. 34.2 z Gegebenenfalls extrakorporaler Kreis-
lauf
Additive Maßnahmen
z Opioide (Sufentanil): zur Dämpfung Methylxanthine
des erhöhten Atemantriebs und zur ! Die Anwendung von Methylxanthinen
Senkung der Spontan-AF wird beim akuten Asthmaanfall nicht
z Adrenalin (Suprarenin): inhalativ, empfohlen.
s. c., i. v. und/oder bronchoskopisch
im Rahmen einer BAL Langzeittherapie
z Volatile Anästhetika: Halothan, Se- z ⊡ Tab. 34.3 u. 34.4
vofluran, Enfluran, Isofluran z Risikofaktoren meiden (Allergen-
z Inhalation eines Helium-Sauerstoff- karenz)
Gemisches (Heliox; 80 % Helium, z Nikotinentwöhnung

⊡ Tab. 34.3. GINA-Stufentherapie des Asthma bronchiale

Stufe Maßnahmen

1 Initiale Therapie bei Diagnosestellung nach dem klinischen Schweregrad:


 Bedarfstherapie: kurz wirksame β2-Agonisten
 Strukturierte Patientenschulung (»Peak-flow«-Protokoll etc.)
 »Umweltkontrolle« (Expositionen vermeiden)
 Indikation zur Kausaltherapie prüfen

2 Wie Stufe 1, plus Dauertherapie:


 Niedrige Dosis eines inhalativen Kortikoids (z. B. Fluticason oder Budesonid)
 Alternativ: Leukotrienantagonist oder Theophyllin

3  Niedrige Dosis eines inhalativen Kortikoids plus lang wirksamer β2-Agonist


 Weitere Option: mittlere Dosis eines inhalativen Kortikoids
 Alternativ: niedrige Dosis eines inhalativen Kortikoids plus Leukotrienantagonist
oder retardiertes Theophyllin

4  Mittlere Dosis eines inhalativen Kortikoids plus lang wirksamer β2-Agonist


 Alternativ: mittlere Dosis eines inhalativen Kortikoids plus Leukotrienantagonist
oder retardiertes Theophyllin

5 Hohe Dosis eines inhalativen Kortikoids plus lang wirksamer β2-Agonist und
Anti-IgE bei Patienten mit Allergien (Omalizumab s. c.)

6 Hohe Dosis eines inhalativen Kortikoids plus lang wirksamer β2-Agonist plus
orales Kortikoid und Anti-IgE bei Patienten mit Allergien (Omalizumab s. c.)

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34.5 · Asthma bronchiale 245 34.5
z Symptomatische medikamentöse The- z Physikalische Therapie (Atemgym-
rapie: nastik, Asthmasportgruppen): kör-
5 »reliever« (Bedarfsmedikamente): perliches Training führt zur Verrin-
Broncholytika wie kurzwirksame gerung der Asthmasymptomatik und
β2-Mimetika oder Anticholiner- zur Verbesserung der Belastbarkeit/
gika Lebensqualität
5 »controler« (Dauermedikamente,
regelmäßige Gabe): Entzündungs- Therapie der Infektexazerbation
hemmer wie Kortikosteroide, z Siehe oben, »Akuttherapie«
lang wirksame β2-Mimetika oder z Systemische Kortikoidtherapie:
Anticholinergika oder retardiertes vorübergehend (initiale Dosierung
Theophyllin nach klinischer Beurteilung und
z Kausaltherapie: spezifische Immun- bestehender Dauertherapie), begin-
therapie (Hyposensibilisierung) nend mit 20–100 mg Prednisolon
z Gewichtsreduktion bei Adipositas (Decortin H)
z Strukturierte Patientenschulung z Antibiotische Therapie: sofort bei
z Prävention von Exazerbationen purulentem Sputum (z. B. Ampicillin),
z Behandlung in »Disease- gezielte Therapie bei Vorliegen eines
management«-Programmen Antibiogramms

⊡ Tab. 34.4. GINA-Dauertherapie nach dem »Kontrollstatus«

Kontrollstatus Klinische Zeichen Therapiemaßnahme

Kontrolliert  Keine bzw. ≤2 Symptome/Woche Fortführung der bisherigen


 Keine nächtlichen Symptome Therapie, niedrigste Dosis finden
 Bedarf an »reliever«: keiner bis
höchstens 2-mal wöchentlich
 Normale Lungenfunktion
 Keine Exazerbation
 Keine Einschränkung der körper-
lichen Aktivität

Partiell  >2 Symptome/Woche oder Therapieintensivierung nach


kontrolliert  Irgendein nächtliches Symptom Stufentherapie
oder
 Bedarf an »reliever«: >2-mal
wöchentlich oder
 PEF oder FEV1: <80 % des Soll-
werts oder
 ≥1 Exazerbation/Jahr

Unkontrolliert  ≥3 Kriterien wie bei partiell kont- Therapieintensivierung nach


rolliertem Asthma plus Stufentherapie und Behandlung
Exazerbation (1-mal/Woche) der Exazerbationen

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246 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

34.6 Chronisch-obstruktive z Proteasen-Antiproteasen-Dysbalance:


Lungenerkrankungen Abnahme der Antiproteasenaktivität
(»chronic obstructive pul- (α1-Antitrypsin; Oxidanzien im Ziga-
monary diseases«, COPD) rettenrauch führen u. a. zur Inaktivie-
rung von α1-Antitrypsin)
A. Bäumer, G. Michels
Klinik
Definition z Leitsymptome:
z Chronische Lungenerkrankung mit 5 chronischer produktiver Husten
progredienter, obstruktiver Ventilati- 5 langsam progrediente, chronische
onsstörung auf dem Boden einer abnor- Belastungsdyspnoe
men Entzündungsreaktion des Bron- 5 weißlicher Auswurf
chialsystems, ausgelöst durch inhalative z Weitere Symptome: Plethora (ver-
korpuskuläre oder gasförmige Noxen; mehrte Blutfülle, Polyglobulie), pul-
vierthäufigste Todesart (weltweit) monale Kachexie, Rechtsherzversagen
z COPD umfasst mehrere Symptom- z Bei Exazerbation (s. unten): puru-
komplexe: lenter Auswurf (ggf. blutig), Ruhe-
5 chronische Bronchitis dyspnoe (ggf. Fieber)
5 leichte bis schwere fixierte
Bronchokonstriktion (relative Einteilung
FEV1: <70 %) z ⊡ Tab. 34.5
5 Lungenemphysem z Für die Einteilung nach GOLD zählen
5 Mischformen der asthmatisch- die Lungenfunktionswerte nach Akut-
chronischen Bronchitis mit broncholyse (»post dilator«)
progressiver, partiell reversibler
Flusslimitierung Diagnostik
z Anamnese:
Ätiologie 5 Rauchen/früheres Rauchen
z 80–90 % Zigarettenrauch, andere in- (üblicherweise >20 »pack years«)
halative Noxen (z. B. berufsbezogene 5 progrediente, stabile Belastungs-
Schadstoffe) dyspnoe über Monate

⊡ Tab. 34.5. Lungenfunktionelle Schweregrade der COPD

GOLD-Stadium Absolute FEV1 [%] FEV1/VCin [%]

0 >80 >70

I (leicht) >80 <70

II (mittel) 50–80

III (schwer) 30–50

IV (sehr schwer) <30 oder <50 und paO2 von <60 mmHg

GOLD Global Initiative of Obstructive Lung Disease


34.6 · Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen 247 34.6
5 Einschränkung der körperlichen ggf. zur Planung einer Lungen-
Belastbarkeit transplantation)
5 chronischer produktiver Husten 5 kapilläre BGA: ggf. respiratorische
(insbesondere morgendlicher Aus- Partial-/Globalinsuffizienz
wurf) z Bildgebung:
5 ggf. Exazerbationen mit Fieber 5 Röntgenuntersuchung des Tho-
und verstärkten Beschwerden rax: Hyperinflation, abgeflachte
5 evtl. ungewollter Gewichtsverlust Zwerchfelle, Horizontalstellung
z Körperliche Untersuchung: der Rippen, ggf. Bullae, vermehrte
5 Inspektion: Fassthorax, Zyanose, peribronchiale Zeichnung, Aus-
Kachexie (Bestimmung des BMI), schluss von Infiltraten (bei Exazer-
Zeichen der Rechtsherzinsuffizi- bation)
enz (Cor pulmonale), Beinödeme/ 5 HR-CT des Thorax: Nachweis von
Aszites Emphysem und Bronchiektasen
5 Auskultation: unregelmäßiges Gie- (Goldstandard), Ausschluss ande-
men, bronchiale Rasselgeräusche, rer Lungenerkrankungen
abgeschwächte Atemgeräusche, 5 »Low-dose«-CT des Thorax:
hypersonorer Klopfschall Lungenkarzinom-Screening (bei
5 Belastbarkeitstestung: 6-min- Hochrisikopatienten, bislang nur
Gehtest in Studien)
z Lungenfunktionsuntersuchung: z Mikrobiologische Diagnostik: aus dem
5 Obstruktion mit niedriger absolu- Sputum bei Exazerbation
ter (FEV1) und niedriger relativer z Bronchoskopie: bei Hämoptysen, ggf.
(FEV1/VC) Einsekundenkapazität Ausschluss bronchialer Neoplasien
5 »Emphysemknick« bei forcierter oder Erregerdiagnostik
Exspiration (Obstruktion v. a. der
kleinen Bronchien) Differenzialdiagnostik
5 golfschlägerartige Deformierung z Asthma bronchiale
der Resistance-Schleife (als Zei- z Emphysem ohne COPD
chen der bronchialen Instabilität) z Bronchoalveoläres Karzinom
5 Zeichen der Lungenüberblähung z Bonchiektasen
5 Bronchospasmolysetest: nach z Zystische Fibrose
Akutbroncholyse keine (FEV1- z α1-Protease-Inhibitor-Mangel
Anstieg <5 %) oder nur geringe z Pneumokoniosen
Reversibilität der Obstruktion z  Kap. 30
(FEV1-Anstieg von 5–15 %) →
eine fehlende Reversibilität spricht Therapie
für eine COPD z ⊡ Tab. 34.6
5 Bestimmung der Diffusionskapa- z Prävention: Raucherentwöhnung,
zität: Diffusionsstörung bei Em- Schutzimpfungen (Influenzaviren,
physem Pneumokokken), Arbeitsplatzhygiene
5 Spiroergometrie: Bestimmung der z Medikamentöse Behandlung: β2-
maximalen VO2 (Frage nach der Mimetika, Anticholinergika, Gluko-
Operationstauglichkeit vor lun- kortikoide, Theophyllin, Mukophar-
genresezierenden Eingriffen und maka, Antibiotika
248 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

⊡ Tab. 34.6. COPD-Stufentherapie nach dem Schweregrad

Grad Maßnahmen

0  Keine medikamentöse Therapie


 Vermeidung von Risikofaktoren
 Schutzimpfungen
 Patientenschulung
 Lungensport

I  Inhalative, kurz wirksame β2-Agonisten/Anticholinergika bei Bedarf

II  Wie Grad I
 Additiv inhalative, lang wirksame β2-Agonisten/Anticholinergika
 Gegebenenfalls retardiertes Theophyllin

III  Wie Grad II


 Additiv inhalatives Kortikoid über 2 Monate (bei Erfolglosigkeit absetzen)

IV  Wie Grad III


 Additiv: O2-Langzeittherapie (mindestestens 16 h/Tag bei paO2 von ≤55 mmHg
bei 3 wiederholten Messungen), Heimbeatmung, Lungentransplantation
(bei Alter von <60 Jahren)

Nach Global Initiative of Obstructive Lung Disease

z Nichtmedikamentöse Behandlung: 5 »arrange«: Arrangieren der Nach-


körperliches Training (»Lungensport«), betreuung, z. B. Tabakentwöh-
Patientenschulung (z. B. COBRA), nungsprogramme
Physiotherapie, Ernährungberatung z Pharmakotherapie:
z Apparative/operative Behandlung: 5 Nikotinersatz (Pflaster, Kau-
O2-Langzeittherapie, nichtinvasive gummi, Nasenspray, Nicorette)
Beatmung, Emphysemchirurgie, 5 Bupropion (Antidepressivum;
Transplantation Zyban)
5 Varenicilin (partieller Ago-
Raucherentwöhnung nist/Antagonist am nikotini-
z Wichtigste Maßnahme: Patient direkt schen Azetylcholinrezeptor;
auf Nikotinverzicht ansprechen bzw. Champix)
beraten → 5-A-Schema:
5 »ask«: Abfragen des Rauchstatus Pharmakotherapie
5 »advice«: Anraten des Rauchver- z Inhalative β2-Mimetika:
zichts 5 kurz wirksam: Fenoterol (Berotec),
5 »assess«: Abfragen der Aufhör- Salbutamol (Bronchospray),
motivation Terbutalin (Bricanyl)
5 »assist«: Hilfestellung beim Rauch- 5 lang wirksam: Formoterol (Oxis),
verzicht Salmeterol (Serevent)
34.6 · Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen 249 34.6
z Inhalative Anticholinergika: stationären Bedingungen (Gefahr des
5 kurz wirksam: Ipratropiumbromid paCO2-Anstiegs durch verminderte
(Atrovent) – hypoxiebedingte – Stimulation des
5 lang wirksam: Tiotropiumbromid Atemzentums)
(Spiriva; Senkung der Gesamt- z Gegebenenfalls Opiate bei schwerer
mortalität: Uplift-Studie) Dyspnoe (mit Auslassversuch): z. B.
z Inhalative Kortikoide: Targin (für 4 Tage) → retardiertes
5 Beclomethason (Junik), Budesonid Opioid (Oxycodon) plus retardierter
(Pulmicort), Fluticason (Flutide) Opioidantagonist (Naloxon), ggf. zu-
5 eine Therapie mit oralen Steroiden sätzlich Laxoberal
wird nicht empfohlen
z Kombinationen: Formoterol + Bude- ! Bei COPD-Patienten sollte der paO2
sonid (Symbicort), Salmeterol + Fluti- im Rahmen der Sauerstofftherapie bei
cason (Viani), Ipratropiumbromid + 60–80 mmHg gehalten werden. Beim
Fenoterol (Berodual) hyperkapnischen COPD-Patienten ist
z Weitere mögliche Substanzen: die Empfindlichkeit der Chemorezep-
5 Methylxanthine: Theophyllin toren gegenüber dem paCO2 infolge
retard (Euphylong; Spiegelbestim- der chronisch erhöhten paCO2-Werte
mung) vermindert, hingegen ist die Sensibili-
5 Mukopharmaka wie ACC oder tät für O2 erhöht; die zentrale Regula-
Ambroxol tion erfolgt über den paO2. Ein hoher
5 Antibiotika paO2 bei O2-Therapie imitiert gesunde
Oxygenierungsverhältnisse, sodass
Langzeittherapie der pulmonalen der Atemantrieb bei COPD trotz Hy-
Hypertonie perkapnie inhibiert werden kann.
> Die pulmonale Hypertonie ist die
häufigste kardiovaskuläre Komplikation z Bei Emphysem ( Kap. 34.7): Frage
der COPD. nach Lungenvolumenreduktions-
therapie
z Behandlung der Grunderkrankung: z Bei jüngeren COPD-Patienten
Bronchodilatatoren (β2-Mimetika, (GOLD-Stadium IV; ⊡ Tab. 34.5):
Anticholinergika, ggf. Theophyl- frühzeitige Vorstellung zur Lungen-
lin), inhalative Kortikosteroide etc. transplantation
z Behandlung der pulmonalen Hyperto-
nie ( Kap. 11): insbesondere O2-Lang- Prognose
zeittherapie (Indikationen: paO2 von z Die FEV1 korreliert nur schlecht mit
≤55 mmHg mit oder ohne Hyperkap- der Mortalität
nie oder paO2 von 56–60 mmHg und z Beste Korrelation mit der Mortalität:
Nachweis einer pulmonalen Hyperto- BODE-Index:
nie, Herzinsuffizienz, Polyglobulie mit 5 ⊡ Tab. 34.7
Hkt von >55 %) 5 0–10 Punkte; hoher Punktwert
bedeutet schlechtes Überleben
Besonderheiten 5 4 Messgrößen: BMI, Obstruktion
z Respiratorische Globalinsuffizienz: (FEV1), Dyspnoe, körperliche Be-
Start einer O2-Langzeittherapie unter lastbarkeit (»exercise«)
250 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

⊡ Tab. 34.7. Prognosebestimmung nach dem BODE-Index

Parameter Punkte

0 1 2 3
2]
B: BMI [kg/m >21 ≤21 – –

O: Obstruktion (FEV1) ≥65 50–64 36–49 ≤35


[% des Soll-Wertes]

D: Dyspnoe (modifizierte Medical- 0–1 2 3 4


Research-Council-Luftnotskala)

E: »exercise capacity« ≥350 250–349 150–249 ≤149


(6-min-Gehtest) [m]

Akute Exazerbation der COPD 5 viral (30–50 %): Rhinovirus,


(AE-COPD) »respiratory syncytial virus«,
Adeno-, Influenza- und Corona-
Definition viren
z Akute Verschlechterung der COPD- 5 atypische Erreger (5–10 %):
Symptomatik mit Zunahme von Dys- Mykoplasmen, Chlamydien
pnoe und Husten sowie vermehrter z Nichtinfektiöse Ursachen: z. B.
Sputummenge und/oder Sputumpu- Verschlechterung der Herzinsuf-
rulenz fizienz, Medikamente (β-Blocker-
Neueinnahme oder Non-Compli-
Allgemeines ance), Temperaturveränderungen,
z Vorkommen: vorwiegend in den Win- Inhalation von Irritanzien
termonaten z Unklare Genese: 20–30 % der Fälle
z Akute Exazerbationen → erhöhte
Morbiditäts- und Mortalitätsrate Klinik
z Einflussfaktoren: Anzahl vorausge- > Die Klinik einer akuten COPD-Exazer-
gangener Exazerbationen, schlechter bation entspricht etwa derjenigen eines
BODE-Index (⊡ Tab. 34.7), Ko-Morbi- akuten Asthmaanfalls: Dyspnoe, Ortho-
ditäten (z. B. Herzinsuffizienz), höhe- pnoe (unter Einsatz der Atemhilfsmusku-
res Lebensalter latur) bis zentrale Zyanose.

Ätiologie (Trigger bzw. Auslöser Einteilung


einer akuten COPD-Exazerbation) z Schweregradeinteilung der akuten
z Infektiöse Ursachen: 80 % der Fälle Exazerbation nach der Anthonisen-
5 bakteriell (50 %): Haemophilus oder Winnipeg-Klassifikation:
influenzae, Streptococcus pneu- 5 Hauptkriterien: Zunahme der
moniae, Moraxella catarrhalis, Dyspnoe, erhöhtes Sputumvolu-
Enterobacteriaceae, Pseudomonas men und/oder vermehrte Sputum-
aeruginosa purulenz
34.6 · Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen 251 34.6
5 Nebenkriterien: Infektion der z Monitoring: EKG (Tachykardien,
oberen Atemwege in den voran- Arrhythmien), Blutdruck, SaO2 (re-
gegangenen 5 Tagen, Fieber ohne spiratorische Insuffizienz: SaO2 von
erkennbare andere Ursache, Kurz- <90 % bzw. paO2 von <60 mmHg bei
atmigkeit, vermehrter Husten, Raumluft)
Zunahme von AF oder HF
5 Einteilung: z Typ-1-Exazerbation Differenzialdiagnostik
(schwer): alle 3 Hauptkriterien z  Kap. 30
erfüllt z Typ-2-Exazerbation z Etwa 10 % der Patienten leiden unter
(mäßig): Vorliegen von 2 der einer Erkrankung, die sowohl die
3 Hauptkriterien z Typ-3-Exa- Aspekte eines Asthma bronchiale als
zerbation (mild): Vorliegen von auch einer COPD aufweist (⊡ Tab. 34.8)
1 Haupt- und ≥1 Nebenkriterium
Therapie
Diagnostik Allgemeine Maßnahmen
z Anamnese/bekannte COPD: Häu- z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
figkeit und Schwere der Exazerba- der Vitalfunktionen
tionen, Rauchgewohnheiten (auch z Lagerung: Oberkörperhochlagerung,
Passivrauchen), Berufsanamnese, beengende Kleidung öffnen
Infektanfälligkeit, progrediente z Adäquate Oxygenierung:
Atemnot mit Zunahme von Husten 5 2–6 l O2/min über Nasensonde
und/oder Auswurf oder Brille; Ziel: SaO2 von >90 %
z Körperliche Untersuchung: (paO2 von >60 mmHg)
5 Inspektion: z »blue bloater« (py- 5 ansonsten: nichtinvasive Beat-
knischer und zyanotischer Typus), mung
»pink puffer« (asthenischer und 5 Ultima Ratio: Intubation und
nichtzyanotischer Typus): veraltete Beatmung (Komplikationen:
Einteilung ohne prognostischen ventilatorassoziierte Pneumonie,
Stellenwert z ggf. periphere Barotrauma, Weaning-Probleme)
Ödeme (durch Rechtsherzinsuffi-
zienz bzw. Cor pulmonale) Medikamentöse Therapie
5 Palpation: Tachykardie, Pulsus
paradoxus (Abfall des systolischen
Blutdrucks um >10 mmHg wäh- Stufentherapie bei akuter Exazerbation
rend der Inspiration; hämodyna- der COPD
mische Instabilität) z Bei Verdacht auf unzureichende Inhalati-
5 Perkussion: hypersonorer Klopf- onstiefe: Vernebler
schall bei Lungenüberblähung z Bei Ko-Morbiditäten, hohem Alter, FEV1
mit tief stehenden und wenig ver- von <30 % oder rascher Verschlechterung
schieblichen Zwerchfellgrenzen bzw. schwerer Atemnot: stationäre Auf-
5 Auskultation: abgeschwächtes nahme
vesikuläres Atemgeräusch, verlän- z Kurz wirksame β2-Sympathomimetika; ad-
gertes Exspirium, trockene/feuchte ditiv: Anticholinergika, Theophyllin (in Ab-
Rasselgeräusche, Giemen, Brum- hängigkeit von der Vortherapie; fraglicher
men oder Pfeifen Nutzen einer additivenTheophyllingabe),
252 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

⊡ Tab. 34.8. Gegenüberstellung von akutem Asthma bronchiale und akuter Exazerbation
einer COPD (AE-COPD)

Parameter Asthma bronchiale Akute Exazerbation einer COPD

Ursachen Allergisch, nichtallergisch Langjähriger Nikotinabusus oder


Inhalation von Umweltnoxen

Auslöser Allergene, Kaltluft, Infektexazerbation: in 50 % der Fälle


Emotionen, atypische nicht durch Bakterien, sondern viral
Erreger (Chlamydia/Myco- bedingt (Picorna-, Influenza-A-,
plasma pneumoniae) »Respiratory-syncytial«-Virus)

Entzündungs- Eosinophilie, CD4+- Neutrophilie, CD8+- (zytotoxische)


zellen (Helfer-)T-Lymphozyten T-Lymphozyten, Makrophagen,
zusätzlich Eosinophilie während der
Exazerbation

Anamnese Allergien, Atopie (Asthma Chronische Bronchitis, Emphysem,


bronchiale, Neurodermitis, (Ex-)Nikotinabusus (90 % der Fälle)
allergische Rhinitis)

Alter Meist <40 Jahre Meist >40 Jahre

Allergie Häufig Selten

Bronchiale Vorhanden Gelegentlich vorhanden


Hyperreagibilität

Atemnot Bereits in Ruhe Unter Belastung

Husten Trocken, oft nachts Produktiv, morgends

Lungenfunktion  Obstruktion: variabel  Obstruktion: fixiert bzw. persistierend


und reversibel  Überblähung: fixiert
 Überblähung: variabel
und reversibel

Lokalisation der Große und kleine Kleine Atemwege


Obstruktion Atemwege

Verlauf Variabel, episodisch Progredient

Therapie Sauerstoff, Bronchodila- Inhalative Bronchodilatoren,


toren, Glukokortikoide systemische Glukokortikoide,
ggf. Versuch mit Theophyllin

Beatmung Invasiv, druckkontrolliert Nichtinvasiv (Masken-CPAP)


34.6 · Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen 253 34.6
systemische Glukokortikoide (nicht länger der Lungenfunktion (FEV1 von
als 14 Tage) 50–80 % des Soll-Wertes) ohne Ri-
z Beatmungspflichtigkeit (nichtinvasive sikofaktoren: Aminopenicllin mit
Beatmung): »hyperkapnische akute oder ohne β-Laktamase-Inhibitor
respiratorische Insuffizienz« (paO2 (z. B. Amoxicillin mit oder ohne
von <60 mmHg und/oder paCO2 von Clavulansäure) oder Makrolid (bei
>60 mmHg aufgrund einer CO2-Retention Penicillinallergie; z. B. Azi-/Roxi-/
und/oder pH-Wert von <7,3) Clarithromycin)
z Gegebenenfalls Reproterol- (9 μg/ml) und 5 akute Exazerbation mit hoch-
Theophyllinperfusor (8 mg/ml) gradiger Einschränkung der
Lungenfunktion (FEV1 von
<50 % des Soll-Wertes) mit Ri-
z ⊡ Tab. 34.9 sikofaktoren (kardiale Ko-Mor-
z Diuretika: bei peripheren Ödemen bidität, häufige Exazerbationen,
(Furosemid – Lasix i. v.) schwere Exazerbation): Ami-
z Antibiotikatherapie: bei mäßiger bis nopenicllin plus β-Laktamase-
schwerer Exazerbation (Typen 1 und 2 Inhibitor (z. B. Amoxicillin plus
nach Anthonisen); 3 Gruppen: Clavulansäure oder Ampicillin
5 akute Exazerbation mit leicht-/ plus Sulbactam) oder Levo-/
mittelgradiger Einschränkung Moxifloxacin

⊡ Tab. 34.9. Medikamente zur Behandlung der akuten Exazerbation der COPD

Substanzgruppe Medikament Dosierung

β2-Sympathomimetika Fenoterol (Berotec) Inhalativ: 2 Hübe (1 Hub entspricht


100 μg), ggf. Repetition alle 10–15 min

Salbutamol Inhalativ: 2 Hübe (1 Hub entspricht


(Broncho-Spray novo) 100 μg), ggf. Repetition alle 10–15 min

Reproterol 0,09 mg langsam i. v.


(Bronchospasmin)

Parasympatholytika Ipratropiumbromid Inhalativ: 2 Hübe (1 Hub entspricht


(Atrovent) 20 μg), ggf. Repetition alle 10–15 min

Kortikosteroide Prednisolon Systemische Gabe (p. o. oder i. v.),


(Solu-Decortin) anschließend 20–40 mg p. o. über
14 Tage, dann nicht langsam aus-
schleichen, sondern abrupt absetzen

Methylxanthine Theophyllin Initial 200 mg »langsam« i. v. oder


(Euphyllin) 0,5 mg/kg KG/h als kontinuierliche
Infusion bzw. i. v. Perfusor,
ggf. Fortfühung als orale Medikation
nach Spiegel und HF
254 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

5 akute Exazerbation mit Pseudomo- z Periazinär (paraseptal):


nasrisiko: Cipro-/Levofloxacin oder 5 betroffen: distaler Azinusanteil
Piperacillin/Tazobactam, Carbape- 5 Lokalisation: Lungenober- und
neme (Imipenem/Cilastatin, Mero- -unterlappen
penem), Cephalosporine (Cefepim) z Narbenemphysem:
5 Therapiedauer (bei Ansprechen): 5 Ursache: Vernarbungsprozesse,
7–10 Tage z. B. bei Tuberkulose
5 bei inadäquatem Ansprechen nach 5 irreguläres Emphysem, d. h.
48–72 h: Antibiotika absetzen, Er- keine anatomische Zuordnung
regerdiagnostik forcieren möglich
z Zusätzlich: adäquate Flüssigkeitszu- z Besonderheit: emphysematöse
fuhr, Thromboseprophylaxe, Physio- Läsionen:
therapie, Sekretolytika 5 obstruktives Überblähungsemphy-
z Gegebenenfalls flexible Bronchosko- sem (Fremdkörper)
pie bei Sekretverhalt zur »Bronchial- 5 kompensatorisches Emphysem
toilette« (Überdehnungsemphysem)
5 atrophisches Altersemphysem
5 interstitielles Emphysem (PEEP,
34.7 Lungenemphysem Fremdkörper)

A. Bäumer, G. Michels Ätiopathogenese


z Ungleichgewicht von gewebepro-
Definition tektiven Proteaseinhibitoren (meist
z Irreversible Erweiterung der »kleinen α1-Antitrypsin) und destruierenden
Atemwege« distal der Bronchioli ter- Protesasen/Elastasen → Zerstörung
minales der Alveolarstruktur
z Obstruktion und Instabilität der
Einteilung Bronchien → Überblähung
z Zentroazinär (häufig): z Häufiges Auftreten zusammen mit
5 mit Staubeinlagerung (»Bronchitis- COPD → Überlappungen mit chro-
emphysem«) aufgrund von chroni- nischer Bronchitis/COPD/Asthma
scher Bronchitis/COPD oder Pneu- bronchiale
mokoniose (anorganische Stäube)
5 ohne Staubeinlagerung (»Oxid- Klinik und Diagnostik
anzienemphysem«) aufgrund von z Chronisch-»progrediente«
Nikotinabusus (Belastungs-)Dyspnoe
5 Lokalisation: oft Lungenoberlappen z Anamnese
5 betroffen: proximaler Azinusanteil z Körperliche Untersuchung:
z Panazinär (selten): 5 Inspektion: fassförmiger Thorax
5 Ursache: α1-Protease-Inhibitor- (horizontal verlaufende Rippen,
Mangel (homozygote Form) oder supraklavikuläre Emphysemkis-
Progression einer zentroazinären sen, weite Interkostalräume, ver-
Form minderte Brustumfangsänderung
5 Lokalisation: Lungenunterlappen zwischen In- und Exspirationsbe-
5 betroffen: alle Azinusanteile wegung)
34.7 · Lungenemphysem 255 34.7
5 Auskultation: hypersonorer Klopf- zialdiagnostik: jüngere Nicht-
schall bzw. Schachtelton, leise/ raucher)
abgeschwächte vesikuläre Atemge- 5 kapilläre Blutgasanalyse: z Sta-
räusche dium I: respiratorische Alkalose bei
5 Stimmfremitus (Zeichen für die Hyperventilation z Stadium II:
Leitfähigkeit des Gewebes im Tho- respiratorische Partialinsuffizienz
rax für niederfrequente Schwin- (paO2 vermindert, paCO2 normal
gungen: »99«): vermindert bzw. bis vermindert) z Stadium III:
abgeschwächt respiratorische Globalinsuffizienz
z Röntgenuntersuchung des Thorax: (paO2 vermindert, paCO2 erhöht)
vermehrte Strahlentransparenz, tief z Echokardiographie: Cor pulmonale,
stehende Zwerchfelle, weite Interkos- pulmonale Hypertonie ( Kap. 11)
talräume, horizontaler Rippenverlauf, z HR-CT des Thorax: typischerweise
Emphysembullae, Zeichen der pul- apikal betontes, inhomogenes oder
monalen Hypertonie (prominenter homogen über die gesamte Lunge ver-
Pulmonalisbogen, A. basalis dexter teiltes Emphysem
>17 mm weit, Kalibersprung von er- z Gegebenenfalls Ventilations-Perfusi-
weiterten Lappenarterien zu Segmen- ons-Szintigraphie und/ oder Rechts-
tarterien oder Hilusamputation mit herzkatheterisierung
peripherer Rarefizierung, dilatierter
Truncus pulmonalis, Rechtsherzver- > Die Diagnostik/Differenzialdiagnostik
breiterung mit Ausfüllung des Retros- eines Lungenemphysems erfordert eine
ternalraums) HR-CT des Thorax (sensitivste Methode).
z Lungenfunktionsuntersuchung: Zei- Auf diese Weise kann eine Differenzie-
chen der Obstruktion, Überblähung, rung in zentroazinär, panazinär und
Verminderung der Diffusion: homogen/inhomogen erfolgen.
5 obstruktive Ventilationsstörung: > Vor Planung einer Lungenvolumen-

FEV1 vermindert, TLC und RV reduktionstherapie ist eine ausreichende


vergrößert CT-Bildgebung obligat.
5 Spirometrie/Fluss-Volumen Kur-
ven: Emphysemknick (Kollaps der Differenzialdiagnostik
peripheren Atemwege bei Exspi- z  Kap. 30
ration: »check valve« mit »Air-
trapping«-Phänomen) Therapie
5 Druck-Fluss-Diagramm (Atem- z Kausal:
schleife): Keulen- oder Golfschlä- 5 Vermeidung exogener Noxen
gerform 5 Impfung gegen Pneumokokken
5 Broncholysetest: Unterscheidung und Influenzaviren
zwischen irreversibler und reversi- 5 Substitution von α1-Antitrypsin
bler Obstruktion ( Kap. 34.8)
5 verminderter Transferfaktor z Symptomatisch:
(Krogh-Index) 5 wie COPD ( Kap. 34.6: COPD-
z Labordiagnostik: Stufenschema)
5 kleines Blutbild: Polyglobulie, 5 Lippenbremse (um den exspira-
α1-Protease-Inhibitor (Differen- torischen Kollaps zu vermeiden:
256 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

vorgeschalteter Atemwegswider- Klinik


stand) z Progrediente Belastungsdysnpoe: bei
5 ggf. Aderlass bei Polyglobulie Rauchern ab dem 25., bei Nichtrau-
z Chirurgisch: chen ab dem 35. Lebensjahr
5 Lungenvolumenreduktionsthera- z Zeichen der chronischen Bronchitis
pie: Indikationen prüfen, ggf. Vor- z Lungenschädigung (COPD, bronchi-
stellung in einem Zentrum, wel- ale Hyperreagibilität, Lungenemphy-
ches diesen Eingriff anbietet (es sem, respiratorische Insuffizienz) →
existieren keine nationalen/inter- das Krankheitsbild deckt sich klinisch
nationalen Leitlinien); alternativ: mit der »üblichen« COPD
endoskopische Implantation von z Eventuell zusätzlich Leberzirrhose
Ventilen bzw. Verschlusssystem in (intrazelluläre Akkumulation von
Segmentbronchien (innerhalb von α1-Antitrypsin in Hepatozyten)
Studien)
5 Bullektomie > Bei obstruktiver Ventilationsstörung
5 Lungentransplantation bei jünge- bei Nichtrauchern sowie bei Bronchiekta-
ren Patienten (GOLD-Stadium IV; sen ohne Risikofaktoren, Lungenemphy-
⊡ Tab. 34.5) sem bei jüngeren Patienten oder Leber-
zirrhose ohne Risikofaktoren stets einen
α1-Antitrypsin-Mangel ausschließen.
34.8 α1-Protease-
Inhibitor-Mangel Diagnostik
(α1-Antitrypsin-Mangel, z Lungenfunktionsuntersuchung:
Laurell-Erikson-Syndrom) Zeichen der Obstruktion
z Serumeiweißelektrophorese:
A. Bäumer schwache α1-Globulin-Bande
z Bestimmung der α1-Antitrypsin-
Einteilung Plasmakonzentration:
z Erworben: durch Oxidanzien des 5 bei Nichtrauchern und Rauchern
Zigarettenrauchs vor dem 45. Lebensjahr mit obst-
z Angeboren: genetisch (Chromo- ruktiver Ventilationsstörung sinn-
som 14, autosomal-rezessiv); homo- voll
zygote, schwere und heterozygote, 5 Normwert: 50–250 mg/dl
leichte Form 5 Schwellenwert: <80 mg/dl
z Genetische Diagnostik
Ätiologie z HR-CT des Thorax: meist basal beton-
z α1-Protease-Inhibitor-Serumspiegel tes, inhomogenes Emphysem
von <80 mg/dl bzw. <35 % des Norm-
werts: Gefahr des Auftretens eines > Da α1-Antitrypsin zur Gruppe der

panlobulären, basal betonten Lungen- Akute-Phase-Proteine gehört, sollte zeit-


emphysems gleich neben dessen Konzentrationsbe-
z Etwa 1 % der Emphyseme sind durch stimmung auch der Spiegel des CRP mit
einen α1-Protease-Inhibitor-Mangel gemessen werden, um pseudonormale
bedingt α1-Antitrypsin-Spiegel auszuschließen.
34.9 · Inhalationstrauma 257 34.9
Differenzialdiagnostik 5 Reizgase: lokal toxisch in tiefen
z  Kap. 30 Atemwegen; Spätmortalität durch
Reizgase vom Latenztyp und So-
Therapie fortmortalität durch hydrophile
z Meidung inhalativer Noxen Reizgase
(Rauchen) 5 Erstickungsgase (toxische
z α1-Antitrypsin-Substitution bei ho- Stoffe): CO, CO2, Zyanide,
mozygoter, schwerer Form: lebens- Schwefelwasserstoff
lange, wöchentliche i. v. Gabe bei Se- z Inhalation von Reizgasen:
rumspiegel von <35 % des Sollwertes 5 Entstehung bei Schwelbränden,
(Dosis: z. B. 60 mg/kg KG) Bränden in geschlossenen Räu-
z Konsequente Therapie von Atem- men und Bränden mit starker
wegsinfekten Rauchentwicklung
z Aktive Impfungen gegen Influenza- 5 Reizgase vom Soforttyp (hydro-
viren und Pneumokokken phile Stoffe): Ammoniak, Chlor-
z Gegebenenfalls genetische Beratung wasserstoff, Fluor- und Schwe-
z Therapie der COPD ( Kap. 34.6) und felwasserstoff → Schädigung
des Emphysems ( Kap. 34.7) der oberen Atemwege, zentrale
Verätzungen, Larynxödem; bei
massiver Exposition ödematöse
34.9 Inhalationstrauma Bronchitis und ggf. Lungenödem
5 Reizgase vom Spättyp (lipophile
G. Michels, A. Bäumer Stoffe): Aldehyde, Nitrosegase
oder Stickstoffoxide (NO, NO2,
Definition N2O3, N2O4), Ozon (O3), Phosgen
z Thermische und chemisch-toxische (COCl2) → Schädigung der unteren
Schädigung der Atemwege und des Atemwege → schwere ödematöse
Lungenparenchyms durch Einatmen Bronchitis/Bronchiolitis mit unstill-
von Hitze, Rauch- und Reizgasen barem Husten bis zur Orthopnoe
5 Reizgase vom intermediären Typ,
> Das Inhalationstrauma ist die Haupt- d. h. Verbindungen mit mittlerer
ursache für die Mortalität schwerstver- Wasserlöslichkeit: Chlor (Cl2),
brannter Patienten. Brom (Br2), Schwefeldioxid (SO2)
z Inhalation von Erstickungsgasen:
Ätiologie 5 Erstickungsgase (CO, CO2,
z Inhalation von Komponenten des Zyanide) und Sauerstoffmangel
Brandrauchs: (Asphyxie) führen zur Abnahme
5 Rauchpartikel: Ruß; Schädigung der Sauerstofftransportkapazität
von der Partikelgröße abhängig sowie zur Störung der inneren
(<1 bis >5 μm) Atmung und sind für die hohe
5 Hitze- und Flammeninhalation: Frühmortalität des Inhalationst-
lokale Schädigung, nur zu 5 % raumas verantwortlich
subglottisch; Gefahr von Larynx- 5 häufig kombinierte CO-Zyanid-
und Glottisödem (Maximum nach Mischintoxikation (synergisti-
12–24 h) sche Toxizität)
258 Kapitel 34 · Erkrankungen der Trachea und der Bronchien

z Abhängigkeitsfaktoren der z Kontaktaufnahme mit der zuständi-


Schädigung: gen Vergiftungszentrale
5 Temperatur (Hitzeentwicklung) z Gegebenenfalls Bronchoskopie und
5 Expositionszeit Lungenfunktionsuntersuchung (inklu-
5 Konzentration der Brand-/Rauch- sive Diffusionstestung: Krogh-Index)
gase
5 Löslichkeit der Substanzen ! Falsch-hohe Werte bei der Pulsoxy-
metrie (messtechnisches Artefakt), da
Klinik das Pulsoxymeter nicht zwischen O2-Hb
z Zeichen des Bronchospasmus und/ und CO-Hb differenzieren kann → so-
oder des Larynxödems fortige BGA in der Klinik oder bereits
z Retrosternale Schmerzen präklinische Blutabnahme zur CO-Hb-
z Zeichen der Reizgasbeteiligung: Bestimmung; z. B. kann die pulsoxymet-
5 Soforttyp (stechender Charakter) risch bestimmte SO2 bei einer arteriellen
mit pharyngolaryngealer Sym- Mischung von 70 % CO-Hb und 30 %
ptomatik: Reizhusten, Würgen, O2-Hb noch 90 % betragen.
Nausea, Augentränen (Konjunk-
tivitis), Rhinitis, Kopfschmerzen, Differenzialdiagnostik
Larynxödem z Zyanid- oder CO-Monointoxikation
5 Latenztyp (teilweise süßlicher z Reizgasintoxikation
Charakter): symptomfreies In- z Schwerer Asthmaanfall
tervall von bis zu 36 h, danach
Dyspnoe, Fieber, toxisches Lun- Therapie
genödem (blutig-schaumig), Bron- z Adäquate Oxygenierung: >6 l O2/min
chospasmus bis Schock über Maske
z Analgosedierung: z. B. mit Fentanyl
Diagnostik (Fentanyl-Janssen)
z Anamnese/Erhebung des Unfallher- z Intubation und Beatmung:
gangs: Verbrennung im geschlosse- 5 Indikation: sicheres Inhalati-
nen Raum onstrauma, zirkuläre thorakale
z Körperliche Untersuchung: Verbrennungen (Compliance-Ver-
5 Inspektion von Haut und minderung), begleitende zweit- bis
Schleimhäuten: Mundhöhle, drittgradige Gesichtsverbrennung
Pharynx, Nase (Schwärzung), (schnelles Anschwellen der Hals-
Rötungen, Blässe oder Rußabla- weichteile)
gerungen an den oropharyngea- 5 wenn möglich »nasale« Intubation
len Schleimhäuten, Ödembildung mittels großlumigem Tubus, ggf.
(Glottisödem) Tracheotomie
5 Auskultation: evtl. Rasselgeräu- 5 keine »prophylaktische«, sondern
sche, Giemen und Brummen »notwendig frühzeitige« Intuba-
z Labordiagnostik: arterielle BGA in- tion (Gefahr eines oropharyngola-
klusive Bestimmung des CO-Hb- und ryngealen Schleimhautödems)
des Met-Hb-Anteils sowie von pH- z Glukokortikoide:
Wert und Laktatspiegel 5 inhalativ: obwohl die Gabe von
z Röntgenuntersuchung des Thorax inhalativen Glukokortikoiden pri-
34.9 · Inhalationstrauma 259 34.9
mär nicht empfohlen wird, kann
in Einzelfällen und bei sicheren
Zeichen eines Inhalationstraumas
die Applikation von z. B. Beclo-
metason (Junik, Ventolair) eine
symptomatische Besserung herbei-
führen
5 systemisch, hochdosiert: umstritten
5 ggf. Hydroxocobalamin (Cyanokit;
hohe Kosten) bei Rauchgasintoxi-
kation (Zyanid-CO-Mischintoxi-
kation); die Kombinationstherapie
mit 4-DMAP und Natriumthiosul-
fat ist nur bei gesicherter Zyanid-
monointoxikation indiziert
z Prophylaktische Antibiotikagabe bei
schwerem Mukosaschaden: Ampi-
cillin/Sulbactam (1,5 g/8 h i. v.) oder
Cephalosporin der 2. Generation (z. B.
Cefuroxim; 1,5 g/8 h)
z Gegebenenfalls Bronchospasmolytika:
5 Theophyllin (Euphyllin): unter-
stützt u. a. die mukoziliare Clea-
rance
5 inhalative oder systemische
β2-Sympathomimetika
z Bei Verdacht auf ein Inhalationst-
rauma sollte auch bei Beschwerde-
freiheit aufgrund der latenten Gefahr
eines toxischen Lungenödems eine
Überwachung für mindestens 24 h
erfolgen
z Bei sicherem Inhalationstrauma:
Kontaktaufnahme mit Verbren-
nungsklinik
260 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

> Lungenerkrankungen

35.1 Dekompressionssyndrome z Caisson-Krankheit: physikalisch


vermehrt gelöster Stickstoff führt
A. Bäumer, G. Michels über Bildung von intravaskulären
Inertgasbläschen (multiple arterielle
Definition Gasembolien) zu verschiedenen Or-
z Klinische Beschwerden durch Volu- ganmanifestationen
menausdehnung von inkorporiertem 5 Typ I: Hautbeschwerden (Rötung,
Gas beim Verlassen von Orten mit Marmorierung, Juckreiz: »Tau-
erhöhtem Umgebungsdruck cherflöhe«) und/oder Extremitä-
z Die Grundlage von Dekompressions- tenschmerz (Muskel-/Knochen-
syndromen bilden in der Taucherme- schmerzen: »bends«), Müdigkeit/
dizin (Morbus Caisson) und in der Apathie
Flugmedizin (plötzlicher Abfall des 5 Typ II: Haut- und Extremitäten-
Kabinendrucks) das Henry- und das schmerzen, Innenohrsymptome
Boyle-Mariott-Gesetz (z. B. Tinnitus bis Hörverlust),
pulmonale Symptome (akute
Vorkommen Dyspnoe: »chokes«) und neurolo-
z Tauchen, insbesondere mit Druckluft- gische Symptome (Dysästhesien,
geräten (meist bei Sport- und Hobby- Parästhesien bis Apoplexie)
tauchern)
z Aufenthalt in großer Höhe (>1500 m) Therapie
wenige Stunden nach einem Tauch- z Sicherung der Vitalfunktionen: u. a.
gang Pleuradrainage bei Spannungspneu-
z Arbeiten im Tiefbau (Arbeitsunfall) mothorax
z Flachlagerung (früher: Kopftieflage-
Klinik rung zur Verhinderung von Hirnem-
z Pulmonales Barotrauma: bolien)
5 Lungenruptur mit Pneumothorax z Volumensubstitution: 1–2 l
und/oder Mediastinal- oder Haut- NaCl 0,9 %
emphysem bei Dekompression z Oxygenierung/O2-Therapie:
mit geschlossener Glottis oder bei 5 nasale O2-Gabe: 5–10 l O2/min;
schlecht ventilierten Emphysem- N2 wird bei der Exspiration besser
blasen abgegeben, bei der Inspiration
5 seltener: arterielle Gasembolie und jedoch vermindert aufgenommen
insbesondere zerebrale arterielle → Steigerung der N2-Elimination
Gasembolie → Erhöhung des Diffusionsgradi-
35.2 · »Severe adult respiratory syndrome« (SARS) 261 35.2
enten für N2 vom Gefäßsystem in Klinik
die Alveole z Virusgrippe: Fieber, Luftnot, Schüttel-
5 FiO2 von 1: Verminderung des frost, Myalgien etc.
N2-Blutgehalts (Partialdruckgesetz z Voluminöse, wässrige Diarrhöen in
nach Dalton) → Zunahme der N2- der 2. Erkrankungswoche (etwa 70 %
Partialdruckdifferenz im Gewebe der Fälle)
und des gelösten N2 im Blut →
verbesserte physikalische Resorp- Diagnostik
tion aus dem Gewebe > Für eine Verdachtsdiagnose sind
z Hyperbare Sauerstofftherapie oder folgende Punkte obligatorisch:
hyperbare Oxygenierung: z Reise in ein Indexland innerhalb der
5 Rekompressionstherapie in Über- vorangegangenen 10 Tage oder enger
druckkammern (2–3 bar, 100 % Kontakt zu einer Person mit typischen
O2, 5–8 h): Beginn spätestens Symptomen, die kürzlich aus einem
innerhalb von 5 h (danach keine Indexland zurückkam, oder enger
günstige Wirkung mehr nachweis- Kontakt mit einem SARS-Verdachts-
bar) patienten
5 Prinzip: Verbesserung der Gewe- z Fieber von >38°C
beoxygenierung (Erhöhung des z Husten/Luftnot
»physikalischen O2-Anteils« um
den Faktor 20: 6 statt 0,3 ml/dl) z Anamnese
sowie der Gewebeperfusion und z Körperliche Untersuchung: basale
der N2-Resorption Rasselgeräusche bei der Lungenaus-
5 Transport: erschütterungsfrei mit- kultation
tels Hubschrauber bei niedriger z Labordiagnostik: Lymphozytopenie,
Flughöhe (<300 m) Thrombozytopenie, erhöhte LDH-
Aktivität
z Mikrobiologie/Virologie: Nachweis
35.2 »Severe adult respiratory des Coronavirus SARS-CoV mittels
syndrome« (SARS) RT-PCR aus Sputum, Rachenabstrich,
BAL-Material, Urin, Stuhl und Blut;
A. Bäumer serologischer Virusnachweis
z Röntgenuntersuchung des Thorax:
Allgemeines pleuraständige/multilokuläre, konflu-
z Infektion mit dem Coronavirus ierende Infiltrate (bis hin zur »weißen
SARS-CoV Lunge«/ARDS)
z Vorkommen: ursprünglich in Asien z Informationen: Bernhard-Nocht-Insti-
(Südchina, Region Guangdong) tut (Hamburg; www.bni-hamburg.de),
z Erregerreservoir: wahrscheinlich Robert-Koch Institut (www.rki.de)
Kleinsäuger
z Inkubationszeit: 2–16 (im Mittel 6) Therapie
Tage z Isolation (Isolierstation) und sympto-
z Letalität: etwa 10 % matische Therapie
z Intensivtherapiepflichtigkeit: bei etwa z Meldung: gemäß § 6 Abs. 5a/b IfSG bei
20 % der Infizierten Verdacht, Erkrankungsfall und Tod
262 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

z Antivirale Therapie: Ribavirin, initial > Serologische/PCR-Tests auf aviäre


i. v., dann p. o.; Dauer: 10–14 Tage Influenza sollten nur bei Personen durch-
z Gegebenenfalls zusätzliche antibioti- geführt werden, bei denen folgende
sche Therapie bei unklarer Pneumo- Faktoren zutreffen:
nie ( Kap. 35.4) z Kontakt zu Geflügel oder einem H5-
z Eventuell hochdosierte Kortikostero- (N1-)infizierten Patienten in einem
ide bei respiratorischer Insuffizienz: Land mit H5-(N1-)Fällen innerhalb der
initial i. v. (Methylprednisolon), dann vorangegangenen 10 Tage
p. o. (Prednisolon); Dauer: 21 Tage z Fieber von ≥38°C
z Halsschmerzen, Husten und Kurz-
atmigkeit
35.3 Aviäre Influenza
(Influenza A/H5 bzw. Therapie
Influenza A/H5N1, z Bei klinischem und epidemiologi-
»Vogelgrippe«) schem Verdacht auf aviäre Influenza:
5 Infektionsschutz für das Personal
A. Bäumer 5 Rachen-/Nasenabstrich für den
Influenza-A-Schnelltest
Allgemeines 5 bei positivem Schnelltest: Meldung
z Ursprung: Mutation des Influenza- gemäß § 7 IfSG, Gabe von Neura-
A-Virus minidasehemmern (Oseltamivir,
z Ursprüngliches Vorkommen: Asien Zanamivir) p. o. und PCR-Diag-
(Hong Kong) nostik zur Subtypisierung
z Reservoir: Geflügel, in Europa auch 5 Isolation des Erkrankten erst bei
Wildenten (Wasservögel) H5(-N1-)Nachweis
z Inkubationszeit: 1–3 Tage 5 Intensivmedizin bei Multiorgan-
versagen
Klinik z Informationen: Robert-Koch-
z Plötzlicher Krankheitsbeginn mit Institut (www.rki.de) oder WHO
Fieber (>38,5°C), trockenem Reiz- (www.who.int)
husten sowie Muskel- und Kopf-
schmerzen
z Allgemeines Krankheitsgefühl, gastro- 35.4 Pneumonien
intestinale Beschwerden (Diarrhöen)
A. Bäumer, G. Michels
Diagnostik
z Viruskultur, PCR (Nachweis der H5/ Definition
N1-RNA), Immunofluoreszenz (Anti- z Pneumonie: Entzündung des Lun-
körper gegen H5) gengewebes durch Mikroorganismen
z Serologisch (4facher Influenza-H5- (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten)
Serumantikörperanstieg; nur bei z Pneumonitis: Entzündung des Lun-
Patienten mit vorbekanntem Immun- gengewebes ohne infektiösen Kausal-
status möglich) zusammenhang (z. B. durch Strahlen)
z Röntgenuntersuchung des Thorax: z Weltweit häufigste Todesursache bei
bilaterale Pneumonie Infektionskrankheiten
35.4 · Pneumonien 263 35.4
Ätiologie Beginn mit mäßiger Klinik (ähn-
z Infektiös: Streptococcus pneumoniae, lich einem grippalen Infekt); Erre-
Haemophilus influenzae, atypische ger: meist Mykoplasmen, Chlamy-
Erreger (Mycoplasma pneumoniae, dien und Legionellen oder Viren
Chlamydia pneumoniae, Legionella z Nach dem Umfeld bzw. Enstehungs-
pneumoniae, Coxiella burneti – Q- ort:
Fieber, respiratorische Viren), Pilze 5 ambulant erworben, d. h. in der
(opportunistische Infektionen: Can- »natürlichen Umgebung« des
dida albicans, Aspergillus fumigatus) Patienten (»community-acquired
z Risikofaktoren: erworbene oder pneumonia«, CAP)
angeborene Immunschwäche, kardio- 5 nosokomial erworben, also wäh-
pulmonale Erkrankungen (z. B. Herz- rend eines Krankenhausaufent-
insuffizienz, COPD), genetische Fak- halts (»hospital-acquired pneumo-
toren (z. B. TNF-α-Polymorphismen), nia«, HAP; s. unten): »early onset«,
Asplenie, Diabetes mellitus, Nieren- »late onset« und »any onset« mit
insuffizienz, Alkohol- und Nikotina- Risikofaktoren (Sonderformen:
busus, Alter von >65 Jahren Beatmungspneumonie und Pneu-
z Infektionswege: Mikroaspiration von monie bei chronisch Kranken/
oropharyngealem, keimbesiedeltem Heimbewohnern: »health-care
Sekret (häufig), Makroaspiration, associated pneumonia«, HCAP
Tröpfcheninfektion, hämatogen, – Sonderform der CAP bei Per-
direkte kontagiöse Übertragung von sonen, welche häufig Kontakt zu
einem anderen Infektionsherd Mitarbeitern im Gesundheitsdient
haben, z. B. als Dialyse- oder Che-
Einteilung motherapiepatient ohne aktuelle
z Nach der Pathologie: Immunsupression oder als Bewoh-
5 alveoläre Lobärpneumonie: Lun- ner eines Pflegeheims; Keimspekt-
genlappenbefall rum und Therapie: wie bei HAP)
5 alveoläre Herd-/Bronchopneumo- 5 Aspirationspneumonie
nie: unregelmäßiger Befall eines ( Kap. 32.2), Stauungspneumonie
oder mehrerer Lungenlappen (Herzinsuffizienz), Infarktpneu-
5 interstitielle Pneumonie: Entzün- monie (Lungenembolie), hyposta-
dung von Interstitium bzw. perib- tische Pneumonie (Bettlägerigkeit)
ronchovaskulärem Bindegewebe
5 Miliarpneumonie: durch häma- Klinik und Diagnostik
togene Erregerausbreitung verur- z Leitsymptome: Fieber und Husten
sachte Entstehung vieler kleiner (kann initial fehlen) mit/ohne Auswurf
Infiltrate z Weitere Symptome: Dyspnoe,
z Nach der Klinik: Schmerzen (thorakal, atemabhängig:
5 typische (alveoläre) Pneumonie: pleuritisch), typischer Auskultati-
akuter Beginn mit hohem Fieber; onsbefund (ohrnahe, feinblasige
Erreger sind meist Pneumokokken Rasselgeräusche), Tachykardie, gastro-
oder Haemophilus influenzae intestinale (Übelkeit/Erbrechen) und
5 atypische (interstitielle) Pneumo- neurologische Symptome (Bewusst-
nie: schleichender bis subakuter seinsstörungen)
264 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

> Kriterien zur Diagnosestellung einer ! Husten und ein fokaler neuer Lungen-
Pneumonie: befund (auskultatorisch) plus Fieber für
z Hauptkriterium: neu aufgetretenes In- >4 Tage sowie Dyspnoe/Tachypnoe oder
filtrat auf dem Röntgenbild des Thorax bei älteren Patienten ein fokaler neuer
z Nebenkriterien: Lungenbefund und unspezifische Allge-
5 Fieber (≥38,5°C) oder Hypothermie meinsymptome sollten zur Veranlassung
(<36,5°C) einer Röntgenuntersuchung des Thorax
5 Leukozytose (>12.000/μl) oder Leu- führen.
kopenie (<4000/μl) Für die Diagnose »CAP« gilt: Die Sensi-
5 purulentes Sputum tivität der klinischen Kriterien beträgt
5 typischer Befund bei der körperli- im Vergleich zur Thoraxröntgenuntersu-
chen Untersuchung (Auskultation) chung nur 50 %.
5 Nachweis eines typischen Erregers
Zur Diagnosestellung gehören neben z Mikrobiologie (Nachweis einer infek-
dem Hauptkriterium mindestens 2 Ne- tiösen Genese): Blutkulturen (unab-
benkriterien. hängig vom Fieberverlauf; stationär
immer; bei CAP plus ambulanter
z Anamnese: kardiopulmonale Vor- Therapie nicht notwendig), Sputum-
erkrankungen, Raucheranamnese, mikrobiologie (bei Rezidiv-CAP, HAP
Immundefizienz, Medikamente oder chronischen schweren Lungener-
z Körperliche Untersuchung: krankungen, z. B. CF)
5 Bewusstseinszustand z Diagnostische Pleurapunktion: bei
5 pulmonale Auskultation z Nor- Verdacht auf Empyem ( Kap. 36)
malbefund (meist Bronchitis oder z Gegebenenfalls Serologie: Legio-
atypische Pneumonie) z klin- nellenantigen im Urin und/oder im
gende, kleinblasige bis grobblasige BAL-Material, Aspergillusantigen im
Rasselgeräusche (meist typische EDTA-Blut
Pneumonie) z verlängertes Exspi- z Eventuell Bronchoskopie mit BAL:
rium bei zusätzlicher spastischer Keimgewinnung (insbesondere bei
Komponente z Bronchialatmen, beatmeten Patienten)
d. h. verlängertes, lautes Exspirium z Gegebenenfalls CT des Thorax (zur
z verstärkter Stimmfremitus (»99«) Differenzialdiagnostik): z. B. bei Fieber
und Bronchophonie (»66«) in Aplasie (Pilzpneumonie mit typi-
5 Perkussion: absolute Dämpfung, schen Merkmalen: »Halo«, Milchglas-
ggf. Zeichen eines Ergusses muster, Luftsichelzeichen – »air cres-
z Monitoring: EKG, Hämodynamik, cent«, Einschmelzung innerhalb einer
Atmung (AF, SaO2) Lungenparenchymkonsolidierung)
z Basislabordiagnostik: BGA, Blutbild z Pathologische Stadien der Lobär-
(Leukozytose oder auch Leukopenie), pneumonie: Anschoppung (Knis-
Prokalzitonin- und CRP-Konzentration, terrasseln, Crepitatio indux) → rote
Leber- und Nierenwerte, Urinanalyse Hepatisation → graue Hepatisation
z Röntgenuntersuchung des Thorax in → gelbe Hepatisation → Lyse oder
2 Ebenen: radiologisch Einteilung in Karnifikation bis Abszessbildung
Lobär-, atypische und Bronchopneu- (Entfaltungsknistern, Crepitatio redux
monie bei Lyse)
35.4 · Pneumonien 265 35.4
Differenzialdiagnostik ⊡ Tab. 35.1. CRB-65-Index
z Fieber und Husten:
5 infektiös: akute Infekte der oberen Kriterien Punkte
(Sinusitis, Otitis media acuta,
C: K(C)onfusion bzw. Ver- 1
Tonsillitis, Pharyngitis, Laryngi- wirrtheit
tis, Tracheitis) oder der unteren
Atemwege (akute Bronchitis, akute R: »respiratory rate« bzw. AF 1
Pneumonie), ggf. akute Pleuritis (≥30/min)
(meist viral), Tuberkulose
B: »blood pressure« bzw. Blut- 1
5 nichtinfektiös: Lungenembolie druck (systolisch ≤90 mmHg
(insbesondere bei pleuritischem oder diastolisch ≤60 mmHg)
Thoraxschmerz), Lungeninfarkt,
Neoplasien, exogen-allergische 65: Alter von ≥65 Jahren 1
Alveolitis, chemisch induzierte
Pneumonitis (z. B. Mendelson- Durch Addition eines Punktes für das Vorlie-
gen jeweils eines der aufgelisteten Kriterien
Syndrom), Perikarditis, akutes
wird der Index berechnet; Auswertung:
Koronarsyndrom 0–1 Punkte: ambulante Therapie
z Dyspnoe:  Kap. 30 >2 Punkte: stationäre Therapie
>3 Punkte: intensivmedizinische Betreuuung
Prognose

Risikostratifizierung
> Zeit ist der wesentlichste Faktor für
z CRB-65-Index (⊡ Tab. 35.1): initiale Risi-
die Prognose → Erstgabe eines kalkuliert
kostratifizierung, später Einschätzung der
ausgewählten Antibiotikums innerhalb
Prognose und des therapeutischen Proze-
von 4 h (idealerweise i. v. bei fraglicher
dere (ambulant/stationär/Intensivstation);
Compliance)
alternativ: CURB-Index (anstelle von »Al-
Klinische Kontrolle bei ambulanter The-
ter«: »Harnstoff >7 mmol/l«), Pneumonia
rapie nach 24–48 h
Severity Index nach Fine
Stationäre Patienten 4–8 h nach der Auf-
z Modifizierte Kriterien der American
nahme klinisch re-evaluieren
Thoracic Society zur Abschätzung der
Intensivtherapiepflichtigkeit:
Ambulant erworbene Pneumonie
5 Hauptkriterien: Beatmungspflichtig-
keit, septischer Schock (Katechola-
(»community-acquired pneumonia«,
mine notwendig)
CAP)
5 Nebenkriterien: AF von ≥30/min,
paO2/FiO2 von <250, systolischer z Per definitionem bei immunkompe-
Blutdruck von <90 mmHg, Bewusst-
tenten Patienten, im häuslichen oder
seinstrübung, Röntgenbefund des
beruflichen Umfeld erworben oder in
Thorax mit multilobulären Infiltraten,
den ersten 48 h eines Krankenhaus-
Urämie (Harnstoffspiegel: >20 mg/dl),
aufenthalts diagnostiziert
Leukopenie (<4000/mm3), Thrombo- z Erregerspektrum: Streptococcus
penie (<100.000/mm3), Hypothermie
pneumoniae, Mykoplasma pneu-
(<36°C)
moniae, Staphylococcus aureus,
Haemophilus influenzae (insbeson-
266 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

dere bei COPD-Patienten), Chlamy- z Eosinophile Pneumonie ( Kap. 35.7)


dia pneumoniae, Viren, Legionella z Hypersensitivitätspneumonitis
pneumophila, Moraxella catarrhalis, z Retentionspneumonie, z. B. bei Bron-
Enterobacteriaceae (Escherichia coli, chialkarzinom
Klebsiellen), Pseudomonas aeruginosa
(insbesondere bei COPD, Bronchiek- Therapie
tasen, Mukoviszidose) ⊡ Tabelle 35.2

! Südwesteuropa (Spanien, Frankreich, Nosokomiale Pneumonie (»hospital-


Griechenland, Ungarn): vermehrt penicil- acquired pneumonia«, HAP)
linresistente Pneumokokken
Definition
Differenzialdiagnostik bei z Pneumonie, die klinisch 48 h nach
Therapieversagen Krankenhausaufnahme (oder später)
z Pleuraempyem ( Kap. 36) zutage tritt und bei Aufnahme nicht
z Lungenabszess (s. unten) vorhanden war
z Infarktpneumonie bei rezidivierenden
Lungenembolien > Die HAP ist die häufigste nosokomiale
z Tuberkulose Infektion auf Intensivstationen (KISS-
z Vaskulitiden Studie). Dabei nimmt die Inzidenz mit
z Interstitielle Lungenerkrankungen zunehmender Beatmungsdauer um 1 %/
( Kap. 35.7) Beatmungstag zu.

⊡ Tab. 35.2. Therapie der CAP nach der S3-Leitlinie

Gruppe Therapie
Ambulante CAP-Patienten  1. Wahl: Aminopenicillin (z. B. Amoxicillin für 5–7 Tage p. o.)
ohne Risikofaktoren  2. Wahl: Makrolide (Azi-/Roxi-/Clarithromycin)
Ambulante CAP-Patienten  1. Wahl: Amoxicillin plus Clavulansäure
mit Risikofaktoren (z. B. Amoclav plus für 7 Tage) oder Sultamicillin (für 7 Tage)
 2. Wahl: Levo-/Moxifloxacin (für 5–7 Tage; nicht Ciprofloxa-
cin: Pneumokokkenresistenz) oder Cefpodoxim-Proxetil
(für 7 Tage)/Cefuroxim-Axetil (für 7 Tage)
Hospitalisierte  Aminopenicillin plus β-Laktamase-Inhibitor (z. B. Amoxi-
CAP-Patienten ohne cillin/Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam) mit oder ohne
Pseudomonasrisiko Makrolid oder
 Fluorchinolon (Levofloxacin, Moxifloxacin über 7–14 Tage)
Hospitalisierte  Acylaminopenicillin plus β-Laktamase-Inhibitor
CAP-Patienten mit (z. B. Piperacillin/Tazobactam) oder Carbapenem mit oder
Pseudomonasrisiko ohne Makrolid oder
 Fluorchinolon (z. B. Levofloxacin für 7–14 Tage)

CAP-Risikofaktoren: Krankenhausvorbehandlung, Antibiotikavortherapie, chronische internisti-


sche oder neurologische Begleiterkrankung, Alter von >65 Jahren
Optimal: initiale i. v. Applikation, dann Umstellung auf orale Gabe bei klinischer Besserung
35.4 · Pneumonien 267 35.4
Einteilung Diagnostik und Therapie
z »Early onset«: > 2 bis 5 Tage nach z ⊡ Tab. 35.3
Hospitalisation z Die initiale empirische Therapie
z »Late onset«: >6 Tage nach Hospitali- richtet sich nach der klinischen Ein-
sation schätzung der Lage, d. h. nach den
z »Any onset« mit Risikofaktoren Antworten auf folgende Fragen:
5 Liegen in der Institution spezielle
Ätiologie Resistenzen vor?
z Keimspektrum der HAP (und der 5 Besteht ein hohes MRSA-Risiko?
VAP; s. unten) z Bildgebung (CT des Thorax): Erken-
5 gramnegativ: Escherichia coli, nung von Komplikationen (Abszess,
Klebsiella pneumoniae, En- Empyem)
terobacter spp., Pseudomonas
aeruginosa, Acinetobacter spp., > Immer mikrobiologische Diagnostik
Enterokokken möglichst vor der ersten Antibiotikagabe
5 grampositiv: Staphylococcus au- → De-Eskalation bei Vorliegen der mik-
reus (inklusive MRSA), Pneumo- robiologischen Befunde (Therapie nach
kokken Resistogramm)

⊡ Tab. 35.3. Therapie der HAP unter Berücksichtigung von Risikofaktoren

Gruppe Therapie

HAP ohne Pseudomonasrisiko  Aminopenicillin plus β-Laktamase-Inhibitor oder


(niedriges Risiko: bis 2 Punkte)  Cephalosporine (Ceftriaxon, Cefotaxim) oder
Fluorchinolone (Levofloxacin oder Moxifloxacin)

HAP mit Pseudomonasrisiko  Acylaminopenicillin plus β-Laktamase-Inhibitor


(mittleres Risiko: 3–5 Punkte) (z. B. Piperacillin/Tazobactam) oder
 Carbapenem (Imipenem/Cilastatin, Meropenem)

HAP mit Pseudomonasrisiko  Acylaminopenicillin plus β-Laktamase-Inhibitor


(hohes Risiko: ≥6 Punkte) (z. B. Piperacillin/Tazobactam) plus Fluorchinolon
(Levo-/Moxifloxacin) oder
 Carbapenem (Imipenem/Cilastatin, Meropenem) plus
Fluorchinolon (Levo-/Moxifloxacin)

HAP bei hoher MRSA-Wahr-  Immer primär Vancomycin (30 mg/kg KG/Tag) oder
scheinlichkeit Linezolid (2-mal 600 mg/Tag) einsetzen

HAP-Risikofaktoren:
– Alter von >65 Jahren: 1 Punkt
– Strukturelle Lungenerkrankung: 2 Punkte
– Antibiotische Vorbehandlung: 2 Punkte
– »Late-onset«-Form: 3 Punkte
– Schwere respiratorische Insuffizienz mit oder ohne Beatmung: 3 Punkte
– Extrapulmonales Organversagen (z. B. DIC, akutes Nierenversagen): 4 Punkte
Immer i. v. Gabe
268 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

Neben MRSA existiert auch cMRSA z Risikofaktoren: höheres Alter, lange


(»community-acquired« MRSA), der Beatmungsdauer, Vorerkrankungen,
außerhalb der Klinik vorkommt und im Stressulkusprophylaxe
Vergleich zum nosokomial erworbenen z Keimspektrum und Therapie: wie bei
MRSA Unterschiede aufweist HAP

Pneumonie bei Immundefizienz


Zur Therapie der HAP
z Bei klinisch-radiologischem Progress z Bei zellulärem Immundefekt (inklu-
unter antibiotischer Therapie: an Pilz- sive Transplantierte, Aidspatienten,
pneumonie denken; Therapie: Alkoholiker und Patienten mit schwe-
5 Aspergillus spp.: Caspofungin (Can- ren Verbrennungen) oder humoralem
cidas über 14 Tage) oder Voriconazol Immundefekt (z. B. Hypogammag-
(Vfend) lobulinämie) sind spezielle Erreger
5 Candida spp.: Fluconazol (Diflucan) (neben den »üblichen« Erregern) bei
oder Amphotericin B (heute kaum der Therapieentscheidung frühzeitig
noch verwendet) zu berücksichtigen:
z Therapiedauer: >8 Tage 5 Bakterien: Mykobakterien (Tuber-
z Initial immer i. v. Therapie, ggf. später kulosebakterien, nichttuberkulöse
Verabreichung p. o. Mykobakterien), Nocardia spp.
z Bei Verdacht auf atypische Erreger: etc.
Kombination mit Makroliden (z. B. 5 Pilze: Pneumocystis jirovecii
Erythromycin) oder Fluochinolonen (früher: Pneumocystis carinii),
(Gruppe 3/4, Levofloxacin/Moxifloxacin) Aspergillus spp., Cryptococcus
z Glukokortikoidbegleittherapie bei neoformans, Candida spp., andere
schwerer Gasaustauschstörung er- (Mucoraceae)
wägen 5 Viren: CMV, »Respiratory-syncy-
z Bei MRSA-Pneumonie: Linezolid signifi- tial«-, Herpes-simplex-, Varizella-
kant wirksamer als Vancomycin Zoster-Virus
5 Parasiten: Toxoplasma gondii,
Strongyloides spp.
Beatmungspneumonie (»ventilator-
associated pneumonia«, VAP) > Bei Verdacht auf Pneumonie und
Immundefizienz: immer CT des Tho-
z Spezielle Form der HAP, die sich rax und mikrobiologische Diagnostik
>48–72 h nach endotrachealer Intuba- (einschließlich Bronchoskopie plus
tion entwickelt BAL).
z Maximale Inzidenz der VAP: zwi-
schen 6. und 10. Beatmungstag Lungenabszess
z Etwa 75 % aller langzeitbeatmeten
Patienten (>10 Tage) entwickeln im Definition und Ätiologie
Verlauf eine VAP z Nekrotische Einschmelzung von Lun-
z Immer mikrobiologische Diagnostik gengewebe durch mikrobiologische
veranlassen: Trachealsekret, ggf. BAL, Infektion
Blutkulturen z Komplikation der Lobärpneumonie
35.5 · Tuberkulose 269 35.5
z Insbesondere bei Alkoholikern und Prognose
Diabetikern nimmt die Lobärpneu- z Stark von der Grunderkrankung ab-
monie oft einen schweren Verlauf, der hängig, z. B. Alkoholismus oder i. v.
zur nekrotischen Einschmelzung von Drogenabusus
Lungengewebe in Form von Abszes-
sen führt
z Meist Mischinfektionen, überwiegend 35.5 Tuberkulose
Bakterien: bis zu 90 % Nachweis von
Anaerobiern aus der Mundhöle (Pep- A. Bäumer, G. Michels, P. Hartmann
tostreptococcus spp., Prevotella spp.,
Bacteroides spp., Fusobacterium spp.) Definition
z Seltener Pilze (Aspergillus), ganz sel- z Infektion mit obligat humanpathoge-
ten Echinococcus spp. nen Bakterien des Mycobacterium-
tuberculosis-Komplexes: Mycobac-
> Die übliche »Reinigung« einer zen- terium tuberculosis, Mycobacterium
tralen Einschmelzung erfolgt über das bovis BCG, Mycobacterium africa-
Bronchialsystem → bei der Diagnose num, Mycobacterium microti, Myco-
»Lungenabszess« immer bronchoskopie- bacterium canetti
ren, um einen Verschluss der Atemwege z In Europa handelt es sich praktisch
auszuschließen. immer um eine Infektion mit Myco-
bacterium tuberculosis; die anderen
Diagnostik obligat humanpathogenen »tuberku-
z Anamnese und körperliche Untersu- lösen« Mykobakterien des Mycobacte-
chung rium-tuberculosis-Komplexes spielen
z Labordiagnostik: Entzündungspara- praktisch keine Rolle
meter
z Röntgenuntersuchung des Thorax > Ein an »offener Tuberkulose« Erkrank-
z Immer: CT des Thorax und Broncho- ter infiziert etwa 10–15 Menschen pro
skopie Jahr. Nur ungefähr 10 % der Infizierten
erkranken tatsächlich an einer Tuberku-
Therapie lose, bei 90 % verläuft die Infektion inap-
z Hochpotente antibiotische Therapie, parent ohne Krankheitszeichen (latente
die Anaerobier mit »abdeckt«; üblich Tuberkulose). Eine latente Tuberkulose
sind Kombinationen aus z. B. Ami- kann über den Tuberkulinhauttest nach-
nopenicillin und Clindamycin (oder gewiesen werden.
Metronidazol)
z Einzige zugelassene Monotherapie: Prädisponierende Begleiterkrankungen
Moxifloxacin und Faktoren
z Therapiedauer: ≥14 Tage, oft 4–6 Wo- z HIV-Erkrankung
chen z Diabetes mellitus
z Drainage erwägen (nach innen oder z Niereninsuffizienz
außen) z Tumorerkrankungen
z Gegebenenfalls chirurgische Therapie: z Silikose (Silikotuberkulose)
lungenresezierende Operation z Alkohol-, Drogenkonsum
z Intensive Physiotherapie z Aufenthalt in Hochprävalenzländern
270 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

z Aufenthalt in Gemeinschaftseinrich- rum Institut, Kopenhagen) enthält


tungen etwa 200 Antigene → nicht spezi-
z Berufliche Exposition fisch für Mycobacterium tubercu-
z Höheres Alter losis
z Iatrogene Immunsuppression (z. B. 5 Abmessen der tastbaren Indu-
Steroide, Anti-TNF-α-Therapie) ration (quer zur Längenachse
des Armes) frühestens nach 72 h
Klinik (positiv: >5–10 mm bei Risikopati-
z Primäre Infektion: keine Symptome enten, >15 mm bei Nichtrisikopa-
(stumme Infektion: sog. latente tuber- tienten)
kulöse Infektion) 5 falsch-negatives Ergebnis: bei ge-
z Primärtuberkulose (Miliartuberku- störter zellulärer Immunantwort;
lose, hämatologische Generalisation); z. B. Sarkoidose, Immunsuppres-
Symptome während »unkontrollierter sion, Miliartuberkulose, Anergie
Ausbreitung«: (fehlende Immunreaktion auf
5 Miliartuberkulose: Septikopy- Antigene)
ämie → Lungen, Meningen, 5 falsch-positives Ergebnis: u. a.
Leber/Milz durch Kreuzreaktion mit Umwelt-
5 Landouzy-Sepsis: massive Ver- bzw. nichttuberkulösen Mykobak-
mehrung von Tuberkelbakterien terien
5 Streuherde: Simon-Spitzenherde 5 unspezifisch für verschiedene
als apikaler Re-Infekt Mykobakteriosen, bei BCG-
z Postprimärtuberkulose (Organtu- Geimpften eingeschränkt ver-
berkulose): Hämoptyse/Hämoptoe, wertbar
knotig-ulzeröse Bronchitis 5 Test wird erst 2–12 Wochen nach
z Unspezifische Symptome: Abgeschla- Infektion/Impfung positiv
genheit, subfebrile Temperaturen,
Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, > Eine Tuberkulinkonversion ist bei
selten Erythema nodosum Beschäftigten in Medizinberufen gegen-
z Bei Lungenbefall (80 %): anhaltender über der Berufsgenossenschaft melde-
Husten, Hämoptysen/Hämoptoe, pflichtig.
Luftnot, Thoraxschmerz
z Extrapulmonaler Befall (15–20 %): z IFN-γ-Nachweis (quantitativ):
Gastrointestinal-/Urogenitaltrakt, 5 Prinzip: Bestimmung der
Skelett, Pleura, Haut, Meningen, ZNS IFN-γ-Produkion in lebenden
T-Lymphozyten nach Kontakt
> Bei der Tuberkulose kann prinzipiell mit spezifischen Mycobacterium-
jedes Organ betroffen sein. tuberculosis-Antigenen
5 Sensitivität ähnlich wie beim
Diagnostik Hauttest, jedoch höhere Spezifität
z Tuberkulinhauttest: 5 positive Testergebnisse bei BCG-
5 intrakutane Injektion von 0,1 ml Geimpften und NTM-Infizierten
(2 TE) nach Mendel-Mantoux an sind nicht zu erwarten
der Volarseite des Unterarms; das 5 schneller, aber teurer Test (im
Reagens (PPD RT 23, Statens Se- Vergleich zum Hauttest), welcher
35.5 · Tuberkulose 271 35.5
sogar bei Immunsupprimierten 5 ggf. CT des Thorax
(auch unter Anti-TNFα-Therapie) 5 Differenzialdiagnosen der ka-
funktioniert vernösen Struktur: Tuberku-
5 Kongruenz der Ergebnisse zum losekaverne, einschmelzendes
Tuberkulinhauttest (bisher klei- Lungenkarzinom, unspezifischer
nere Studien): etwa 60–80 %; es Lungenabszess, einschmelzende
existieren konkurrierende Tests Sarkoidose, Morbus Wegener
(QuantiFERON TB GOLD Assay,
ELISPOT-T-SPOT TB Assay) > Meldepflichtig sind: behandlungsbe-
z Sputumdiagnostik (mikroskopisch, dürftige Tuberkulose, Tod durch Tuberku-
kulturell, ggf. PCR): ggf. »provoziertes lose, laborchemischer Nachweis von Tu-
Sputum« nach Pariboy-Inhalation von berkelbakterien, Therapieverweigerung.
NaCl 3 %
z Bronchoskopie (bronchiales Aspirat, Differenzialdiagnostik
BAL-Material): z Pneumonie
5 mikroskopische (Ziehl-Neelsen z Malignome
oder Fluoreszenzfärbung), kultu- z Lungenabszess
relle und histologische Untersu- z Lungenzysten
chung, ggf. PCR z Pneumokoniosen
5 bei kulturellem Nachweis immer z Sarkoidose
Resistenztestung z Aktinomykose
5 PCR: weist DNA nach – keine z Mykobakteriose mit nichttuberkulö-
lebenden Mykobakterien, ist für sen Mykobakterien
Kontaminationen anfällig, bleibt
auch unter erfolgreicher Therapie Therapie
noch lange positiv Medikamente der 1. Wahl
z Punktion/Probeexzision bei extrapul- ⊡ Tabellen 35.4 u. 35.5
monaler Tuberkulose (Liquor, Urin,
Lymphknoten): mikroskopische, kul- Medikamente der 2. Wahl
turelle (histologische Nativmaterialien ⊡ Tabelle 35.6
bei Verdacht auf Tuberkulose immer
asservieren) und histologische Unter- Allgemeines
suchung, ggf. PCR z Pulmonale Tuberkulose: INH, RMP,
z Thorakoskopie: Beurteilung der EMB, PZA für 2 Monate → INH,
Pleura; mikroskopische, kulturelle RMP für 4 Monate
und histologische Untersuchung von z Pulmonale »Minimaltuberkulose«
Biopsaten, ggf. PCR (nur geringer Befund, geringe Klinik):
z Bildgebung: INH, RMP, PZA für 2 Monate →
5 Röntgenuntersuchung des Thorax INH, RMP für 4 Monate
in 2 Ebenen: z Zufallsdiagnose z Extrapulmonale Tuberkulose: evtl.
z 15 % der Befunde sind bei Fällen ohne EMB
mit kulturell positiver Lungentu- z Meningeale/zerebrale Tuberkulose:
berkulose unauffällig z bei tu- Vierfachtherapie über 2 Monate →
berkulösen Kavernen: Aufhellung, Zweifachtherapie über 10 Monate, ini-
Ringschatten, Ableitungsbronchus tial zuätzlich Kortikosteroidtherapie
272 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

⊡ Tab. 35.4. Standardtherapieschema IREP (Vierfachtherapie über 2 Monate)

Substanz Dosierung [mg/kg KG] Tagesdosis [mg]

Isoniazid (INH) 5 200–300 (mit Vitamin B6: Isozid comp)

Rifampizin (RMP) 10 450–600

Ethambutol (EMB) 20–25 800–2000

Pyrazinamid (PZA) 30 1500–2500

Nebenwirkungen:
 Isoniazid: Polyneuropathie, Hepatoxiziät, Krampfanfälle, immunallergische Erkrankungen
 Rifampizin: Enzyminduktor; (Cave: Ovulationshemmer) cholestatische Hepatitis
 Ethambutol: Sehstörungen, Optikusneuritis
 Pyrazinamid: Blutbildveränderungen, Hepatotoxizität, Hyperurikämie

⊡ Tab. 35.5. Stabilisierungsphasenschema IR (über 4 Monate, bei offener Tuberkulose plus


Kaverne oder bei Aids über 7 Monate)

Substanz Dosierung [mg/kg KG] Tagesdosis [mg]

Isoniazid (INH) 5 200–300

Rifampizin (RMP) 10 450–600

⊡ Tab. 35.6. Medikamente der 2. Wahl

Substanz Dosierung [mg/kg KG] Tagesdosis [mg]

Cycloserin 10–15 500–750

Amikain/Kanamycin 15 600–1000

Ethionamid 15–20 500–750

Streptomycin (SM)1 15 600–1000 (i. v., i. m.)

Capreomycin 15 600–1000 (i. v., i. m.)

P-Aminosalizylsäure 150 8000–12.000

Levofloxacin – 500–1000

Moxifloxacin – 400

1
oto- und nephrotoxisch (→ HNO-ärztliches Konsil)
35.6 · Andere Mykobakteriosen 273 35.6
z Spezielle Fälle: eines der injizierbaren Medikamente
5 Schwangerschaft (Initialtherapie: Amikacin, Capreomycin oder Kana-
INH, RMP, EMB) mycin (in Deutschland nur vereinzelt
5 Wiederholungs-(Zweit-)Behand- vorkommend)
lung, »multi drug resistant tuber- z Neuerdings auch »X extensively drug
culosis« (MDR), »extensively drug resistance« (X-XDR): Resistenz gegen
resistant tuberculosis« (XDR): alle Erst-und Zweitlinienmedikamente
Kontaktaufnahme mit Zentren
Präventive tuberkulostatische Therapie
Im Rahmen der Tuberkulosetherapie z Einzelfallentscheidung
sind folgende Aspekte zu beachten z Definition: Therapie bei positivem
z Medikamenteneinnahme: 30 Minuten Tuberkulinhauttest ohne jegliche Kli-
vor dem Essen, ggf. überwachte Tab- nik (latente Tuberkulose)
letteneinnahme, ggf. parenteral z Präventionsschema: 5 mg INH/kg KG/
z Gegebenenfalls Isolation bei offener Tag über 9 Monate
Tuberkulose z Zu diskutieren bei sehr starker Haut-
z Vor Therapiestart: Urinstatus, ophtal- reaktion beim Tuberkulinhauttest
mologische Untersuchung (Ethambu- (Induration von >15 mm) und fehlen-
tol), Hörtest (bei geplanter Streptomy- der Klinik, bei geplanter iatrogener
cin-Therapie), Standardlabor Immunsuppression und bei radiolo-
z Während der Therapie: alle 1–4 gischen/serologischen Zeichen einer
Wochen laborchemische Diagnostik alten Tuberkulose
(Leberwerte) z Alternative: engmaschige ärztliche
z Medikamentennebenwirkungen: Kontrolluntersuchungen
Interaktionen bei Einnahme ande-
rer Medikamente (z. B. Cumarine), Bacillus-Calmette-Guérin-Impfung (BCG)
Transaminasenerhöhung, Hapatitis, z Primär nicht mehr empfohlen, nur
Übelkeit, Hyperurikämie (Gichtanfall: in Hochrisikogebieten/-situationen
Therapie mit Benzbromaron und nicht (inklusive häufiger Kontakt zu »Multi-
mit Allopurinol), Retrobulbärneuritis drug-resistance«-Tuberkulose)
z Abbruch der Therapie: GPT-Anstieg auf
das 5fache über der Norm bzw. 3fache
über der Norm plus Bilirubinanstieg 35.6 Andere Mykobakteriosen

Resistenzen gegen Tuberkulostatika A. Bäumer, G. Michels, P. Hartmann


z »Single drug resistance« (SDR): Resis-
tenz gegen mindestens 1 Erstlinienme- Allgemeines
dikament (in Deutschland etwa 13 %) z Synonyme: nichttuberkulöse (NTM),
z »Multi drug resistance« (MDR): Resis- atypische oder Umweltmykobakte-
tenz gegen Erstlinienmedikamente (INH, rien, MOTT (»mycobacteria other
RMP; in Deutschland ungefähr 2,7 %) than tuberculosis«)
z »Extensively drug resistance« (XDR): z Mycobacterium avium, Mycobacte-
Resistenz gegen Erst- und Zweitli- rium intracellulare: Mycobacterium-
nienmedikamente, inbesondere Flu- avium-Komplex (MAC); Mycobacte-
orchinolone, sowie zusätzlich gegen rium fortuitum
274 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

z Ubiquitär (Boden/Wasser) vorkom- Diagnostik


mende Mykobakterien: u. a. Mycobac- z Wie bei Tuberkulose
terium kansasii, Mycobacterium simiae
z Biofilmbildner (Biofilm: ein von Bak- > Immer Kultur anstreben, Spezifi-
terien hergestellter Schutzfilm), die in zierung mittels PCR, dabei auf reine
Gewässern und Rohrleitungen unter Materialien achten (Leitungswasser kann
unwirtlichen Bedingungen existieren kontaminiert sein)
können (hohe Temperatur- und Che- Mikrobiologische Verarbeitung in-
mikalienresistenz) nerhalb von 1 h (alternativ: gekühlter
z Verlaufsformen: Versand)
5 tuberkuloseähnliche Lungener- Vortherapie mit Makrolid/Chinolon: kann
krankung (Mycobacterium-avium- zu falsch-negativen Kulturergebnissen
Komplex) führen
5 Lymphadenitis (bei Kindern)
5 disseminierter Befall (Mycobacte- z Radiologischer Typ I: primär fibroka-
rium-avium-Komplex, bei Aidspa- vernös mit dünnwandigen Kavernen
tienten) (ähnlich wie Tuberkulose)
5 Weichteilbefall: z. B. Schwimm- z Radiologischer Typ II: nichtkavernös,
bandgranulom (Mycobacterium eher Mittel-/Unterfeld betroffen,
marinum), Buruli-Geschwür (My- multifokale Bronchiektasen, »schmut-
cobacterium ulcerans) ziges« Bild
5 apathogene Besiedlungen möglich z Eine nichttuberkulöse Mykobakte-
z Übertragung von Mensch zu Mensch riose (NTM) gilt als gesichert bei:
wegen geringer Pathogenität irrele- 5 passendem klinisch-radiologi-
vant schen Befund und
z Bei CF: häufigkeit Besiedlung der 5 Ausschluss anderer Erkrankungen
Lungen (4–20 %) und
z Sehr langsam progrediente Infektionen 5 positivem kulturellen Befund
z Einteilung atypischer Mykobakterien: (2-malig) und
genomisch (früher nach Runyon) 5 histologisch granulozytärer Ent-
zündung
Prädisponierende Faktoren
z CD4-Lymphozyten-Zahl von <50/μl Therapie
z Bronchiektasen z Mycobacterium avium und Mycobac-
z Thoraxdeformitäten terium intracellulare (CRE):
z Vorangegangene Magenresektion 5 radiologischer Typ I: Clarithromy-
(Mycobacterium fortuitum) cin plus Rifabutin plus EMB
z Andere schwere Lungenerkrankun- 5 radiologischer Typ II: Clarithro-
gen, inbesondere Mukoviszidose mycin plus Rifabutin plus EMB
z Berufliche Exposition: Bademeister, plus ggf. SM/Amikazin i. v.
Metallarbeiter (Kühlschlacken) z Mycobacterium kansasii (IRE): INH
plus RMP plus EMB
Klinik z Therapiedauer: bis 1 Jahr nach erst-
z »Unspezifisch« bzw. wie bei Tuber- malig negativer Kultur; ggf. Zentren
kulose hinzuziehen
35.7 · Interstitielle Lungenerkrankungen (ILE) 275 35.7
35.7 Interstitielle > Die Diagnostik der IIP setzt eine enge
Lungenerkrankungen (ILE) interdisziplinäre Zusammenarbeit von
erfahrenen Klinikern, spezialisierten Ra-
A. Bäumer, G. Michels diologen und spezialisierten Pathologen
voraus. Eine vom spezialisierten Radio-
Definition logen befundete HR-CT des Thorax kann
z Chronische Entzündungen des in- unnötige Biopsien (und Thorakotomien)
terstitiellen Lungengewebes, welche einsparen.
durch Zunahme des interstitiellen
Bindegewebes zur Ausbildung einer z Granulomatöse Lungenerkrankungen
Lungenfibrose und schließlich zu (30 %):
einer funktionslosen Wabenlunge 5 Sarkoidose
führen (honey comb lung) 5 exogen-allergische Alveolitis
5 sarkoidiforme nekrotisierende
Systematik (ATS/ERS-Konsensus Granulomatose
aus dem Jahre 2002) 5 arzneimitteltoxische Alveolitiden
z ILE bekannter Ursache (30 %): 5 Histiozytosis X
5 medikamenteninduzierte ILE z Andere interstitielle Lungenerkran-
(z. B. Bleomycin, Amiodaron) kungen (selten):
5 kollagenosen- und vaskulitiden- 5 Lymphangioleiomyomatose
assoziierte ILE 5 eosinophile Pneumonie
5 mit rheumatoider Arthritis assozi- 5 Alveolarproteinose
ierte ILE 5 idiopathische pulmonale Hämosi-
5 Pneumokoniosen: aktive (Silikose, derose
Asbestose, Berylliose) und inerte
Pneumokoniosen (z. B. Eisen) Klinik
5 Morbus-Crohn-assoziierte ILE z Initial Belastungsdyspnoe (langsame
5 erbkrankheitenassoziierte ILE Progredienz), später Ruhedyspnoe
(z. B. Speicherkrankheiten) z Trockener Reizhusten
z ILE unbekannter Ursache: idiopathi- z »Door-stop«-Phänomen: bei tiefer
sche interstitielle Pneumonien (IIP; Inspiration kommt es zum plötzlichen
40 %) Atemstopp (Compliance-Verlust)
5 idiopathische Lungenfibrose z Sklerosiphonie: basales inspiratori-
(»usual interstitial pneumonia«) sches Knistern (Korkenreiben)
5 andere IIP: z desquamative in- z Hochgestellte Lungengrenzen
terstitielle Pneumonie z akute
interstitielle Pneumonie oder Ham- Diagnostik
man-Rich-Syndrom z nichtspezi- z Anamnese: inklusive Rauchen, beruf-
fische interstitielle Pneumonie liche Noxen, Umweltbelastungen, Ein-
z »respiratory bronchiolitis – inter- nahme von Medikamenten, Allergien
stitial lung disease« z kryptogene z Körperliche Untersuchung: Knister-
organisierende Pneumonie (früher: rasseln, Rechtsherzbelastungszeichen,
Bronchiolitis-obliterans-organisie- Zyanose; Ausschluss bekannter Auslö-
rende Pneumonie) z lymphozy- ser und Erkrankungen (insbesondere
täre interstitielle Pneumonie rheumatologische Erkrankungen)
276 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

z Labordiagnostik: inklusive »Rheumase- z Auslösung einer Typ-III-allergi-


rologie« (Rheumafaktor, ANA, ANCA, schen Reaktion: exogen-allergische
BSG) und kapilläre BGA (respiratori- Alveolitis durch z. B. Goldsalze oder
sche Partial-/Globalinsuffizienz) Carbamazepin
z Bildgebung: z Lupus-erythematodes-ähnliches
5 Röntgenuntersuchung des Thorax: Krankheitsbild durch z. B.
in 10 % der Fälle Normalbefund; Dihydralazin, Carbamazepin,
sonst: retikuläre, noduläre, ge- α-Methyldopa
mischt retikulär-noduläre oder z Fibrosierende Alveolitis, Lungenfi-
auch zystische Veränderungen brose z. B. durch Bleomycin, Amio-
5 HR-CT des Thorax: Befundung daron, Carbamazepin, Methotrexat,
(ggf. Zweitbefundung) durch er- Paclitaxel, Cyclophosphamid
fahrenen Radiologen z Induktion eines der kryptogenen or-
z Lungenfunktionstestung: restriktive ganisierenden Pneumonie ähnlichen
Ventilationsstörung (Reduktion aller Krankheitsbilds durch Amiodaron,
Lungenvolumina) mit verminderter Bleomycin, Goldsalze, Interferon α,
CO-Diffusion, ggf. auch unter Belas- D-Penicillamin, Tacrolimus etc.
tung (Spiroergometrie) z Induktion eosinophiler Infiltrate
z Offene Lungenbiopsie: Goldstandard; durch z. B. ACE-Hemmer, Bleomy-
an mindestens 2 HR-CT-morpholo- cin, Isoniazid, Methotrexat, Vinblas-
gisch determinierten Stellen (»frische tin, Cyclophosphamid
Veränderung« und »fortgeschrittene z Therapie: Absetzen des Medika-
Veränderung«) ments, systemische Steroide, symp-
z Flexible Bronchoskopie mit BAL und tomatische Therapie
transbronchialer Biopsie: bei Verdacht
auf kryptogene organisierende Pneu- Idiopathische Interstitielle
monie sowie zum Ausschluss von Pneumonien (IIP)
Sarkoidose, Malignom und Infektion
z Histopathologie: Muster oft nicht Einteilung
für eine einzige klinische Entität spe- z Innerhalb der Gruppe der IIP werden
zifisch, kann im Krankheitsverlauf 7 Formen mit spezifischer Klinik,
wechseln; in Spätstadien kann eine typischen HR-CT-Mustern und
Zuordnung histologisch unmöglich spezifischen histologischen Mustern
werden (Wabenlunge) unterschieden (⊡ Tab. 35.7); es gelten
die allgemeinen diagnostischen Prin-
> Ein Teil der ILE ist auch unter Einsatz zipien wie oben angeführt
aller diagnostischer Möglichkeiten nur
schwer klassifizierbar. Allgemeines zur idiopathischen
Lungenfibrose (IPF, UIP)
ILE bekannter Ursache: z Häufigste IIP
medikamenteninduzierte ILE z Histologisches Muster: »usual intersti-
tial pneumonia« (UIP)
z Höchstes Risiko für pulmonale Schä- z Beginn nach dem 50. Lebensjahr mit
digung: Chemotherapeutika (bis zu Luftnot, trockenem Reizhusten und
10 %; z. B. Bleomycin) Trommelschlägelfingern
35.7 · Interstitielle Lungenerkrankungen (ILE) 277 35.7
⊡ Tab. 35.7. Übersicht der IIP. Mod. nach American Thoracic Society und European
Respiratory Society (2002), Brasch (2006) und Costabel et al. (2007)

Klinische Diagnose Histopathologischer Befund

»Idiopathic pulmonary fibrosis« »Usual interstitial pneumonia«


(60 % der Fälle)

»Non-specific interstitial pneumonia« »Non-specific interstitial pneumonia«

»Respiratory bronchiolitis interstitial lung »Respiratory bronchiolitis interstitial lung


disease« disease«

»Desquamative interstitial pneumonia« »Desquamative interstitial pneumonia«

»Acute interstitial pneumonia Hamman »Diffuse alveolar damage«


Rich«

»Cryptogenic organising pneumonia« »Organizing pneumonia«

»Lymphoid interstitial pneumonia« »Lymphoid interstitial pneumonia«

z Auskultatorische feinblasige, z Symptomatische Therapie der respira-


trockene Rasselgeräusche (Knis- torischen Insuffizienz (Sauerstoff)
terrasseln), später respiratorische z Lungentransplantation: Alter von
Insuffizienz <60 Jahren
z Gegebenenfalls Zeichen der Rechts-
herzinsuffizienz Prognose der idiopathischen
z Lungenfunktionstestung: typischer- Lungenfibrose
weise Restriktion, verminderte Dif- z Chronisch progredienter Verlauf
fusionskapazität z Limitierte therapeutische Beeinfluss-
barkeit
Therapie der idiopathischen z Führt innerhalb von 5(–10) Jahren
Lungenfibrose zum Tod
z Steroide: Beginn mit Prednison
(0,5 mg/kg KG/Tag, nach frühes- Granulomatosen: Sarkoidose
tens 4 Wochen Dosisreduktion auf (Morbus Boeck-Besnier-Schaumann)
0,25 mg/kg KG/Tag, nach weiteren
8 Wochen erneute Dosisreduktion) Definition
z Immunsuppressiva (parallel): Aza- z Granulomatöse Systemerkrankung
thioprin (2–3 mg/kg KG/Tag, max. unklarer Ätiologie (Hypothese: infek-
150 mg/Tag) oder Cyclophosphamid tiöses, proteinhaltiges Agens)
(2 mg/kg KG/Tag; Beginn mit 50 mg/
Tag, wöchentliche Steigerung um Klinik
25 mg/Tag auf max. 150 mg/Tag) z Organbefall bei pulmonaler Sarkoidose:
z ACC: 3-mal 600 mg/Tag p. o. (IFIGE- Lunge (mediastinale Lymphknoten;
NIA Studie) >90 %), Haut, Gelenke, Augen (selten)
278 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

z Organbefall bei primär extrapulmo- Diagnostik


naler Sarkoidose (nach Häufigkeit): z Anamnese und körperliche Unter-
Haut, Augen, retikuloendotheliales suchung
System (Lymphsystem, Leber, Milz), z Labordiagnostik:
muskuloskeletales System, exokrine 5 BSG-Beschleunigung
Drüsen, Herz, Niere, ZNS 5 Leukopenie
z Allgemeinsymptome: reduzierter All- 5 Erhöhung des Serumkalzium-
gemeinzustand, Müdigkeit, Gewichts- spiegels
verlust etc. 5 Konzentration des löslichen IL-2-
Rezeptors erhöht
5 Serum-ACE-Konzentrationsanstieg
Klinische Verlaufsformen der z Bildgebung:
Sarkoidose 5 Röntgenuntersuchung des Thorax
(⊡ Tab. 35.8), ggf. CT des Thorax
z Akute Sarkoidose (Löfgren-Syndrom;
10 %):
(evtl. HR-CT des Thorax bei Ver-
dacht auf Lungenfibrose)
5 Trias: Sprunggelenkarthritis, Erythema
nodosum, bihiläre Lymphadenopathie 5 in etwa 50 % der Fälle radiologi-
scher Zufallsbefund
5 gute Prognose: meist Spontanremis-
sion z Bronchoskopie mit BAL und trans-
bronchialer Biopsie:
z Chronische Sarkoidose (90 %):
5 häufig radiologischer Zufallsbefund 5 lymphozytäre Alveolitis: CD4/
ohne Symptome
CD8-Lymphozyten-Ratio von >1,8
5 sämtliche Organe können befallen 5 Biopsie/Histologie: nichtverkäsen-
sein, zu 90 % Lungenbefall (Reizhus-
dene Epitheloidzellgranulome
ten, Belastungsdyspnoe) z Lungenfunktionstestung: restriktive
Ventilationsstörung inklusive Ein-
5 je nach Organbefall: Iridozyklitis mit
Photophobie, Hautbefall, AV-Blockie-
schränkung der CO-Diffusionskapa-
rungen, neurologische Symptome,
zität
Splenomegalie, Parotisschwellung z Obligatorische Routineuntersuchun-
gen bei Erstdiagnosestellung: EKG,
z Spezielle klinische Formen:
Langzeit-EKG, augenärztliches Konsil
5 Heerfordt-Syndrom (isolierter Befall
von Uvea, Parotis und N. facialis): Uvei-
> Die Diagnose »Sarkoidose« wir beim
tis anterior, Parotitis, Fazialisparese
Zusammentreffen folgender 3 Charakte-
5 Hautsarkoidose: Lupus pernio (chro-
ristika gestellt:
nisch-fibrotische Hautveränderungen
im Gesicht), Narbensarkoidose, Ery- z Vorliegen von mit der Diagnose »Sar-
koidose« kompatiblen klinischen und
thema nodosum
radiologischen Befunden
5 Jüngling-Syndrom: Ostitis multiplex
cystoides (zystische Veränderungen z Ausschluss anderer Erkrankungen, die
sich ähnlich präsentieren können
der Röhrenknochen, v. a. an der obe-
ren Extremität) mit Hyperkalzämie z Histologischer Nachweis nichtverkä-
sender Epitheloidzellgranulome
5 Neurosarkoidose: Paresen, Diabetes
insipidus, granulomatöse Meningitis
Differenzialdiagnostik
etc.
⊡ Tabelle 35.9
35.7 · Interstitielle Lungenerkrankungen (ILE) 279 35.7
⊡ Tab. 35.8. Radiologische Typen der Lungensarkoidose nach dem Röntgenbefund des
Thorax

Typ Röntgenbefund des Thorax

0 Normalbefund bei ggf. isoliertem extrapulmonalen Befall oder nur positiver


BAL-Befund

I Bihiläre Lymphadenopathie (oder Hilus Boeck) ohne Lungenbefall


(zu 75 % spontaner Rückgang innerhalb von 1–3 Jahren, in 10 % der Fälle chronisch
persistierend)

II Bihiläre Lymphadenopathie mit Lungenbefall (retikuläre Lungeninfiltrate)

III Lungenbefall ohne Lymphadenopathie


(überwiegend Lungenoberfelder betroffen)

IV Lungenfibrose sowie Strangbildung, zystische Veränderungen und Kalzifikationen

⊡ Tab. 35.9. Differenzialdiagnostik der Lungenerkrankungen mit Granulombildung

Ätiologie Erkrankungen

Bakterien Mykobakteriosen (Tuberkulose, andere Mykobakteriosen, Lepra),


Brucellose, Infektion mit Bartonella henselae (Katzenkratzkrankheit) oder
Chlamydien (Lymphogranuloma venereum), Salmonellose

Pilze (obligat Kryptokokkose, Blastomykose, Histoplasmose, Kokzidioidomykose


pathogen)

Viren Masern

Würmer Filariasis, Schistosomiasis, Trichinosis

Metalle Vergiftungen mit Beryllium, Aluminium, Titanium oder Zirkonium

Bioaerosole Exogen-allergische Alveolitis

Unbekannt Sarkoidose, Morbus Crohn, Morbus Wegener, »sarcoid-like lesions«

Therapie z Indikationen für eine Therapie:


Grundregeln der Sarkoidose-Therapie 5 Pulmonale Symptomatik: Reizhus-
z Keine Therapie von Befunden → The- ten, Dyspnoe bei nachgewiesener
rapie eines relevanten Organbefalls Diffusionsstörung
z Der Verlauf der Erkrankung ist auch 5 Beteiligung von Auge
unter Einbeziehung verschiedener 5 Herzbeteiligung
»Aktivitätsparameter« schwierig und 5 Neurosarkoidose
nicht absehbar; somit stellt die The- 5 Hyperkalzämie: Gefahr der
rapieentscheidung eine individuelle Nephrokalzinose / chronische
Entscheidung dar Niereninsuffizienz
280 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

z Therapiesäulen: Andere interstitielle


5 »First-line«-Therapie mit Kor- Lungenerkrankungen
tikosteroiden: z Prednison:
20–40 mg/Tag für 4 Wochen z Lymphangioleiomyomatose: seltene
p. o. (0,5 bis max. 1 mg/kg KG/ idiopathische Lungenerkrankung bei
Tag), dann Dosisreduktion Frauen im gebärfähigen Alter
auf eine Erhaltungsdosis z Pulmonale Histiozytosis X (Synonym:
von 5–10 mg/Tag über etwa pulmonale Langerhans-Zell-Histio-
6–12 Monate z initiale Hoch- zytose): Gruppe von Syndromen mit
dosiskortikoidtherapie (80– Proliferation und Infiltration durch
100 mg/Tag) bei extrapulmo- Langerhans-Zellen in Organen mit
nalem Befall: z. B. Herz, Auge, zum Teil reaktivem (Erkrankung von
ZNS z ggf. topische Steroide Erwachsenen) oder neoplastischem
bei Reizhusten oder Hautbefall Charakter (Kindesalter)
z Ansprechrate: ungefähr 80 % z Eosinophile Pneumonien:
5 »Second-line«-Therapie bei 5 sehr seltene Erkrankungen
Steroidresistenz: z zytotoxi- (<1:100.000), die mit pulmonalen
sche Substanzen: Methotrexat, Infiltraten durch eosinophilen
Azathioprin, Cyclophospha- Leukozyten einhergehen
mid z Immunmodulatoren: 5 pulmonale Wurminfektion
Antimalariamittel (Chlo- oder Löffler-Syndrom, medika-
roquin, Hydroxochloroquin), mentenassoziierte eosinophile
Pentoxifylline, Thalidomid, Infiltrate, tropische Eosinophilie
Infliximab (innerhalb von Stu- (Weingarten-Syndrom), allergi-
dien) z bei Hautbefall und sche bronchopulmonale Asper-
Hyperkalzämie: Antimalaria- gillose, eosinophile Pneumonie,
mittel, Thalidomid hypereosinophiles Syndrom
5 ggf. Lungentransplantation (Differenzialdiagnose Churg-
z Verlaufsparameter zur Therapie- Strauss-Syndrom mit folgender
steuerung (je nach betroffenem Trias: Sinusitis, Asthma bronchi-
Organ) ale, massive periphere Eosino-
5 Klinik philie)
5 Lungenfunktion: Diffusionska- 5 Therapie: Steroide
pazität/Transferfaktor
5 systemische »Aktivitätspara- Exogen-allergische Alveolitis
meter«: Serumkalziumspiegel, (Hypersensitivitätspneumonitis)
Konzentration des löslichen IL-2- Definition
Rezeptors, Serum-ACE-Spiegel z Klinisch sehr variable Alveolitis durch
allergische Reaktion vom Typ III (bis
Verlauf und Prognose Typ IV) nach Inhalation von biogenen
z Spontanremissionsraten (nach radio- Stäuben, Aerosolen oder Chemikalien
logischem Typ): (⊡ Tab. 35.10)
5 Typ I: etwa 60–80 % z Seltenes, meist berufsassoziiertes
5 Typ II: ungefähr 50–60 % Krankheitsbild: z. B. Farmer-, Vogel-
5 Typ III: <30 % halter-, Befeuchterlunge
35.7 · Interstitielle Lungenerkrankungen (ILE) 281 35.7
⊡ Tab. 35.10. Formen der exogen-allergischen Alveolitis

Erkrankungen Inhaliertes Allergen

Farmerlunge Thermoactinomyces vulgaris (aus schimmeligem Heu)

Vogelhalterlunge Proteine (tierische Antigene) aus Federn oder Ausscheidungen

Drescherlunge Micropolyspora faeni (aus Getreide)

Befeuchterfieber Thermoactinomyces candidus

Korkstaublunge Penicillium frequentans

Malzarbeiterlunge Aspergillus clavatus

Käsewäscherlunge Penicillium casei

Ätiologie 5 häufig mit Infektion verwechsel-


z Inhalation alveolargängiger Partikel bar
(bis 5 μm; biogene Stäube landwirt- 5 nach Beendigung der Antigenex-
schaftlicher Herkunft sowie Bestand- position verschwinden die Sym-
teile von Bakterien, Pilzen, Protozoen ptome nach 12 h bis Tagen (die
oder Chemikalien: z. B. Isozyanatal- radiologischen Befunde halten bis
veolitis) → Typ-III-Immunreaktion zu Wochen an)
(nach Coombs und Gell) z Subakut: intermittierend, abge-
z Raucher sind seltener betroffen (ver- schwächtes Auftreten der Symptome
minderte Antikörperbildung nach (produktiver Husten, Dyspnoe, Mü-
Antigenexposition) digkeit, Gewichtsverlust)
z Chronisch (progressiv): Exposition
Klassifikation gegenüber niedrigen Antigenkon-
z Klassisch: akut, subakut, chronisch zentrationen über lange Zeiträume
z Weitere Einteilung: nach Boyd, Cor- (Monate bis Jahre) → schleichender
mier oder Selman Beginn mit chronisch-progredienter
Symptomatik: Dyspnoe, Gewichtsver-
Klinik lust, Leistungsminderung, Husten
z Akut:
5 zeitlich begrenzte Exposition Diagnostik
(Stunden bis Tage) gegenüber > Zügig veranlassen, da Erkrankung im
hohen Antigenkonzentrationen Frühstadium noch reversibel ist
→ dramatische Klinik: 4–6 h
nach Antigenkontakt Dyspnoe, z Anamnese: stärkster Hinweis ist der
Tachypnoe, Zyanose, trockener klinische Verlauf (Exposition, Symp-
Reizhusten, Krankheitsgefühl, tombeginn, Klinik)
Kopf-/Gliederschmerzen, Fieber z Körperliche Untersuchung: auskulta-
bis Schüttelfrost torisch inspiratorisches Knisterrasseln
282 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

(»Klettverschlussgeräusch«), Zeichen 5 akute Form: granulozytäre Alveo-


der Rechtsherzinsuffizienz litis, Mastzellen (>1 %)
z BGA: pulmonale Partial-/Globalinsuf- 5 chronische Form: lymphozytäre
fizienz Alveolitis (extrem hoher Anteil an
z Bildgebung: Lymphozyten von >20–50 %), CD4/
5 akuter Verlauf: z Röntgenun- CD8-Ratio von <1 (normal: ≥2)
tersuchung des Thorax: häufig 5 Histologie: kleine, ungeformte,
Normalbefund; in Abhängigkeit nichtverkäsende Granulome mit
von der Schwere des Krankheits- Epitheloidmakrophagen und
bilds beidseitige, unterfeldbetonte multinukleären Riesenzellen an
Infiltrate und mikronoduläre terminalen Bronchiolen
Zeichnungsvermehrung z CT
des Thorax: Milchglasinfiltrate, Differenzialdiagnostik
retikulonoduläre Verdichtungen ⊡ Tabelle 35.11
5 subakuter Verlauf: z Röntgen-
untersuchung des Thorax: häufig Therapie
noch Normalbefund, ansonsten z Kortikosteroide: 0,5–1 mg/kg KG/
mikronoduläre retikuläre Ver- Tag (max. 1-mal 60 mg/Tag) über
änderungen, häufiger in den 7–14 Tage, dann langsame Dosisre-
mittleren bis oberen Lungenab- duktion; ggf. inhalative Kortikoste-
schnitten z CT des Thorax: mi- roide
kronoduläre, gering fibrotische z Prävention: strenge Expositions-
Veränderungen prophylaxe
5 chronischer Verlauf: interstitielle
retikuläre Zeichnungsvermehrung, Prognose
später Fibrose mit Strangbildung, z Bei erfolgreicher Expositionsprophy-
Wabenlunge laxe sowie frühzeitiger Diagnosestel-
z Lungenfunktionsuntersuchung: lung und Therapie gute Prognose
5 restriktive Ventilationsstörung
(seltener Obstruktion)
5 Diffusionsstörung (verminderte 35.8 Pneumokoniosen
Diffusionskapazität)
5 Exposition gegenüber vermutetem A. Bäumer
Agens → Monitoring über min-
destens 24 h Definition
z Labordiagnostik: Nachweis spezifi- z Lungenerkrankungen durch (übli-
scher IgG, erhöhte BSG, Leukozytose; cherweise berufsbedingte) Inhalation
Laborwerte nicht hinreichend sen- von anorganischen (Siliziumoxid, As-
sitiv/spezifisch, Hauttest (Pricktest) best, Hartmetalle) oder organischen
unbrauchbar Stäuben mit pulmonaler Deposition
z Bronchoskopie mit BAL und Biopsien und Gewebereaktion → Staublungen-
(5-mal): krankheit
5 sensitivste Methode zur Diagnos- z Aktive Pneumokoniosen:
tik; bei Kombination mit Biopsie 5 Silikose: z anorganische Pneu-
steigt die Spezifität mokoniose durch Inhalation
35.8 · Pneumokoniosen 283 35.8
⊡ Tab. 35.11. Differenzialdiagnostik von ILE mittels BAL

Zelltypisierung Differenzialdiagnostische Krankheitsbilder

Lymphozytose (>15 %)  Sarkoidose


 Berylliose
 Exogen-allergische Alveolitis (höchste Werte)
 Tuberkulose
 Kryptogene organisierende Pneumonie
 Arzneimittelinduzierte exogen-allergische Alveolitis
 Lymphom
 Lymphangiosis carcinomatosa
 Alveolarproteinose
 Pneumokoniosen
 Kollagenosen
 Morbus Crohn
 Primäre biliäre Zirrhose
 HIV-Infektion
 Virusinfekte

CD4/CD8-Ratio bei  >1,8: Sarkoidose, Berylliose, Asbestose, Morbus Crohn,


Lymphozytose Kollagenosen
 1,3–1,8: Tuberkulose, Lymphangiosis carcinomatosa
 <1,3: exogen-allergische Alveolitis, arzneimittelinduzierte
exogen-allergische Alveolitis, kryptogene organisierende
Pneumonie, Silikose, HIV-Infektion

Neutrophilie (>40 %)  IIP


 ARDS
 Kollagenosen
 Morbus Wegener
 Pneumokoniosen
 Bakterielle/Pilzinfekte

Eosinophilie (>1 %)  Eosinophile Pneumonie


 Churg-Strauss-Syndrom
 Hypereosinophiles Syndrom
 Allergische bronchopulmonale Aspergillose
 IIP
 Arzneimittelinduzierte Alveolitis
 Asthma bronchiale

z Weitere Differenzialdiagnose: Inhalationsfieber (»organic dust toxic syndrom«; endotoxinin-


duziertes Fieber 12 h nach Arbeitsbeginn, v. a. in Geflügel- und Schweineställen; Montagsfie-
ber; keine Granulombildung)
z Normale Zellzusammensetzung der BAL:
 Epithelien: <1 %
 Eosinophile: <1 %
 Mastzellen: <1 %
 Neutrophile: <4 %
 Lymphozyten: <15 %
 Makrophagen: 84–99 %
284 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

von Siliziumdioxid (Quarzstaub, Therapie


Christobalit etc.) z häufigste z Üblicherweise keine spezifische
Pneumokoniose z Caplan-Syn- Therapie, sondern symptomatische
drom: Kombination aus Silikose Behandlung
und chronischer Polyarthritis, z Vermeiden der Inhalation, Einhalten
Entwicklung u. a. zu Silikotuber- von Arbeitsplatzvorschriften
kulose oder chronischer Bron- z Therapie von Ko-Morbiditäten (Tu-
chitis berkulose, Aspergilleninfektion)
5 Asbestosen (Silikatosen): z anor-
ganische Pneumokoniosen durch
Inhalation von Siliziumtetroxid 35.9 Neoplastische
(Silikate; Asbestfasern) z Ent- Lungenerkrankungen
wicklung von Bronchial- und La-
rynxkarzinom sowie Mesotheliom A. Bäumer
(meist Pleura) möglich
5 organische Pneumokoniosen: Lungenkarzinom (Bronchialkarzinom,
deckt sich mit (chronischer) bronchogenes Karzinom)
exogen-allergischer Alveolitis
( Kap. 35.7) Definition
z Inerte Pneumokoniosen: z. B. durch z Maligner epithelialer Tumor mit
Eisen oder Aluminium Ursprung aus bronchialen/alveolären
Epithelien (SCLC: Kulschitzky-Zelle)
Klinik z Etwa 70 % der Karzinome wachsen
z Dyspnoe, Tachypnoe, Reizhusten im Bereich der zentralen Bronchien
(Ober- mehr als Unterlappen)
Diagnostik
z Immer Berufsanamnese erheben: Ätiologie
5 Silikose: Bergbau, steinverarbei- z Inhalative Karzinogene:
tende Industrie, Keramikindustrie, 5 »private pollution«: etwa 85 %
Gussputzer, Sandstrahlreiniger durch Zigarettenrauch (jedoch
(Expositionszeit: 2–30 Jahre) entwickeln nur ungefähr 10 % der
5 Meldung bei der Berufsgenossen- Raucher ein Bronchialkarzinom)
schaft (z. B. Berufsgenossenschaft 5 »common pollution« (Umwelt-
für Chemie) und Arbeitsplatznoxen): z 10 %
z Bildgebung: der Karzinome durch pulmotrope
5 manchmal Zufallsbefund Karzinogene verursacht, davon
5 Röntgenuntersuchung des Thorax: >90 % durch Asbest (ansonsten:
Befundung nach ILO-Klassifika- Radon, Uran – Schneeberger-
tion Lungenkrebs, Beryllium, Arsen,
5 ggf. CT des Thorax Chrom: z. B. Aluminiumher-
z Gegebenenfalls Lungenfunktions- stellung, Kohlegas/Koks, Maler)
testung (Zeichen der Restriktion), z Berufsanamnese → Berufs-
in atypischen Fällen Probeexzision krankheit z die Kombination
(transbronchial, offen: videoassistierte mit Rauchen erhöht das Risiko
Thoraskopie) überproportional
35.9 · Neoplastische Lungenerkrankungen 285 35.9
5 Genetik: Elternteil mit Bronchial- z SCLC (etwa 15 %):
karzinom → 2- bis 3fach erhöhtes 5 in 80 % der Fälle bei Diagnose-
Risiko stellung bereits metastasiert →
schlechte Prognose
Histologie 5 Lokalisation: meist zentral
z Etwa 40 %: inhomogene Histologie 5 meist chemo- und strahlensensibel
(gemischte Histologie mit kleinzelli- 5 histopathologische Typen: z lym-
gen Anteilen; wie SCLC therapiert) phozytenähnlicher Typ (sog. »Oat-
z Gegebenenfalls Wandel der Histologie cell«-Typ) z intermediärer Typ
im Verlauf → bei Rezidiv erneute His- z variantes SCLC (selten, relativ
tologiegewinnung strahlenresistent)
z Histologie: Festlegung der thera-
peutischen Strategie mit Angabe des Klinik
Differenzierungsgrads (Grading- z Lokalisierte Symptome: Dyspnoe,
Stufen 1–4) Husten, Hämoptysen/Hämoptoe,
z Kann keine Histologie evaluiert wer- Thoraxschmerz, (Retentions-)Pneu-
den, ist eine eindeutige Zytologie für monie
die Therapieentscheidung ausreichend z Generalisierte Symptome: Allgemein-
symptome mit Gewichtsabnahme,
Einteilung Pleuraerguss, Schmerzen (Pleurabe-
z NSCLC (etwa 85 %): fall), Plexus-brachialis-Syndrom, Hor-
5 Plattenepithelkarzinom (40 %) ner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enoph-
z Lokalisation: zentral z exo- thalmus), Knochen(metastasen)
phytisches Wachstum in das schmerzen, Heiserkeit (N. recurrens-
Bronchuslumen (Obstruktion; Infiltration), Dysphagie (Ösopha-
Sputumzytologie) z Sonderform: gusbeteiligung), V. cava-superior-
Spindelzellkarzinom Syndrom, neurologische Symptome
5 Adenokarzinom z peripher loka- (Hirnfiliae)
lisiert z häufigstes Bronchialkar- z Paraneoplastische Syndrome (SCLC,
zinom der Nichtraucher und der da Zellen ursprünglich dem diffusen
Raucherinnen z bronchogenes neuroendokrinen System angehören):
Adenokarzinom (30 %): Ursprung 5 Endokrinopathien: Cushing-Syn-
im schleimbildenden Bronchialepi- drom (ACTH), SIADH (Schwarz-
thel, CEA- und Keratinexpression, Bartter-Syndrom), Tumorhypo-
lässt sich histologisch noch weiter oder -hyperkalzämie (Kalzitonin,
differenzieren (azinär, papillär, Parathormon), Flush-Syndrom
adenosquamös) z bronchoalveo- (Serotonin, biogene Amine),
läre Adenokarzinom (Sonderform, Hypoglykämie
etwa 2 %): Alveolarzellkarzinom 5 Neuropathien: Lambert-Eaton-
(»Krebspneumonie«), Ursprung in Syndrom (Antikörper gegen
den Clara-Zellen/Alveozyten Typ II spannungsabhängige Kalzium-
5 undifferenziert großzelliges Bron- ionenkanäle, sensomotorische
chialkarzinom (10 %) z entdiffe- Neuropathien mit rascher Er-
renzierte Platten- und Adenokar- müdbarkeit v. a. der Bein- und
zinome z Lokalisation: peripher Beckenmuskulatur, evtl. Poly-/
286 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

Dermatomyositis); die Sympto- z Lungenfunktionstestung plus BGA,


matik kann vor dem Nachweis des ggf. Spiroergometrie (Frage nach der
SCLC auftreten Resektabilität)
5 hämatologische Krankheitsbilder: z Bildgebung:
Thrombozytose mit Thrombose- 5 Röntgenuntersuchung des Thorax:
neigung, Anämie, Eosinophilie gelegentlich Zufallsbefund
5 Osteopathien: hypertrophe Os- 5 CT des Thorax: ggf. in »Low-
teoarthropathie (Marie-Bamber- dose«-Technik, mit KM
ger-Syndrom) z Bronchoskopie:
z Pancoast-Tumor bei peripherem 5 Gewinnung von Material für Zyto-
Bronchialkarzinom der Lungenspitze: logie und Histologie
Knochendestruktion der 1. Rippe 5 bronchoskopisches Lymphkno-
und des 1. Brustwirbelkörpers, Ple- tenstaging mittels endobronchialer
xus-/Interkostalneuralgie, Horner- Sonographie
Symptomenkomplex, Armschwellung 5 ggf. Fluoreszenzbronchoskopie:
(Lymph-/Venenstau) verbesserte Sensitivität für Atypien
und In-situ-Karzinome
Diagnostik
z Anamnese und körperliche > Vor jeder Bronchoskopie mit Ge-
Untersuchung: webegewinnung sollte eine adäquate
5 Raucheranamnese: »pack years« Bildgebung (Spiral-CT des Thorax) veran-
(tägliche Packungen × Jahre) lasst werden. Nach jeder Biopsie ist zum
5 Berufsanamnese (Asbest) Ausschluss eines Pneumothorax eine
5 Karnofsky-Score Röntgenuntersuchung des Thorax zu
z Labordiagnostik: veranlassen.
5 Blutbild, Gerinnungsparameter,
Leber-/Nierenwerte, Tumormarker z Endosonographie mit geführter
als Verlaufsparameter (nur NSE Feinnadelaspiration: histologische Di-
bei SCLC) agnostik, Abklärung eines Lymphkno-
5 erweiterte Labordiagnostik: ggf. tenbefalls des hinteren Mediastinums
zur Unterscheidung zwischen z PET: je nach Verfügbarkeit ggf. direkt
Plattenepithel- und Adenokarzino- PET-CT (insbesondere essenziell zur
men (Zytokeratinsubtypen, CEA, Klärung des mediastinalen Lymph-
EMA) knotenstatus und eines bisher unbe-
5 Subtypisierung der Adenokarzi- kannten Primarius; falsch-positive
nome: HLA-DR, CD1, S-100-Pro- Befunde: entzündliche Prozesse wie
tein, CD3, Vimentin-Surfactant- z. B. Abszess, Pneumonie, Granulome,
Protein A (B, C, D)/Clara-Zell- »sarcoid-like lesions«, Sarkoidose,
Protein, CD44-Varianten Tuberkulome oder Aspergillome)
5 Nachweis endokriner Eigenschaf- z MRT des Schädels: Frage nach zere-
ten: Chromogranin, Synaptophy- bralen Filiae
sin, Peptidhormone z CT des Abdomens: im Rahmen des
5 Bestimmung der proliferativen Stagings
Aktivität und des Malignitäts- z Skelettszintigraphie: nur SCLC,
grads: Ki67/MiB1, PCNA »limited disease«
35.9 · Neoplastische Lungenerkrankungen 287 35.9
z Beckenkammbiopsie: nur SCLC, z Marburger Klassifikation: weitere
»limited disease« Unterteilung der obigen Stadien
z Echokardiographie: in Hinblick auf in »very limited disease«, »limited
Diagnostik von Begleiterkrankungen disease« sowie »extensive disease« I,
mit Konsequenzen für chirurgische IIA und IIB
oder palliative Therapie
z Gegebenenfalls Mediastinoskopie: Differenzialdiagnostik
wenn endoskopische Klärung (endo- z »Cancer of unknown primary« (CUP):
bronchiale Sonographie) des Lymph- liegt bei einem histologisch nachge-
knotenstatus nicht möglich ist wiesenen malignen Tumor vor, dessen
Ursprung mittels Basisdiagnostik und
> NSCL-Stadieneinteilung gezielter erweiterter Diagnostik aller
z TNM-Klassifikation (⊡ Tab. 35.12; symptomatischen Regionen nicht ge-
7. Aufl. für 2009 erwartet) funden werden kann (etwa 3–5 % aller
z Mountain/UICC-Einteilung Malignome); bei <25 % aller Patienten
(⊡ Tab. 35.13) kann der Primärtumor während des
z IASLC-Klassifikation weiteren Krankheitsverlaufs gefunden
werden, und auch durch eine Autopsie
> SCLC-Stadieneinteilung bleiben etwa 20 % der Primärtumoren
z TNM-Klassifikation; wegen Früh- unbekannt, d. h. dass bei der Mehrzahl
metastasierung Anwendung folgender der Fälle keine Aufklärung erreicht
Einteilungen: werden kann
z Veterans Administration Lung Cancer
Group: Therapie
5 »limited disease«: Erkrankung auf z Allgemeine Therapiemaßnahmen:
einen Hemithorax beschränkt, 5 Vorstellung im interdisziplinären
keine extrathorakalen Filiae (außer Tumor-Board (Pneumologe, Onko-
ipsilateral hilär oder ipsilateral sup- loge, Chirurg, Strahlentherapeut)
raklavikulär) 5 frühzeitig onkologische Rehabi-
5 »extensive disease«: jede weitere litation und Palliation bedenken
Ausbreitung und planen

⊡ Tab. 35.12. Klinische TNM-Klassifikation des Bronchialkarzinoms (publiziert 1997)

Stadien Erläuterung

T: Primärtumor

Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden oder Nachweis von malignen Zellen
im Sputum oder bei Bronchialspülungen, jedoch Tumor weder radiologisch
noch bronchoskopisch sichtbar

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ



288 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

⊡ Tab. 35.12. Fortsetzung

Stadien Erläuterung

T1 Tumor ≤3 cm in größter Ausdehnung, umgeben von Lungengewebe oder


viszeraler Pleura, kein Nachweis einer Infiltration proximal eines
Lappenbronchus (Hauptbronchus frei)

T2 Tumor mit einem der folgenden Kennzeichen hinsichtlich Größe oder


Ausbreitung:
 Tumor ≥3 cm in größter Ausdehnung
 Tumor mit Befall des Hauptbronchus, 2 cm oder weiter distal der Carina
 Tumor infiltriert viszerale Pleura
 assoziierte Atelektase oder obstruktive Entzündung bis zum Hilus, aber
nicht der ganzen Lunge

T3 Tumor jeder Größe mit direkter Infiltration einer der folgenden Strukturen:
 Brustwand (einschließlich Tumoren des Sulcus superior), Zwerchfell,
mediastinale Pleura, parietales Perikard
 Hauptbronchus <2 cm distal der Carina, aber Carina selbst nicht befallen
 Tumor mit Atelektase oder obstruktiver Entzündung der gesamten Lunge

T4 Tumor jeder Größe mit Infiltration einer der folgenden Strukturen:


 Mediastinum
 Herz
 große Gefäße
 Trachea
 Ösophagus
 Wirbelkörper
 Carina
 Oder Tumor mit malignem Pleuraerguss

N: regionäre Lymphknoten

Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Metastasen in ipsilateralen peribronchialen/hilären Lymphknoten

N2 Metastasen in ipsilateralen mediastinalen und/oder subkarinalen Lymphknoten

N3 Metastasen in kontralateralen mediastinalen, kontralateralen Hilus-, ipsi- oder


kontralateralen Skalenus- oder supraklavikulären Lymphknoten

M: Fernmetastasen

MX Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen (Leber, Gehirn, Nebennieren, Skelett)


35.9 · Neoplastische Lungenerkrankungen 289 35.9
⊡ Tab. 35.13. Stadiengruppierung unter Berücksichtigung von T, N und M (Mountain-Eintei-
lung aus dem Jahre 1996 und UICC-Einteilung aus dem Jahre 1997)

Stadium T N M

0 Carcinoma in situ

IA T1 N0 M0

IB T2 N0 M0

IIA T1 N1 M0

IIB T2 N1 M0

T3 N0 M0

IIIA T3 N1 M0

T1 N2 M0

T2 N2 M0

T3 N2 M0

IIIB T4 N0 M0

T4 N1 M0

T4 N2 M0

T1 N3 M0

T2 N3 M0

T3 N3 M0

T4 N3 M0

IV Jedes T Jedes N M1

5 Thromboseprophylaxe bei Tumo- Resektion inklusive systematischer


ren ohne Gefäßarrosion Lymphadenektomie: anatomische
5 Schmerztherapie (ggf. über Pallia- Segmentresektion, Lob-, Bilob-
tivmediziner oder Schmerzambu- oder Pneumektomie
lanz) 5 Chemotherapie (»first line«): cis-/
z NSCLC: carboplatinhaltige Polychemo-
5 ⊡ Abb. 35.1 therapie, z. B. Cisplatin/Paclitaxel
5 primär Chirurgie: z jedoch ist (mit oder ohne Bevacizumab)
nur bei etwa 35 % der Patienten oder alternativ Docetaxel, Vinorel-
zum Zeitpunkt der Diagnose- bin oder Gemcitabin
stellung eine mit kurativem Ziel 5 Biologika: palliativ mit dem Ziel
eingeleitete Resektionsbehandlung der Progressverzögerung, z. B.
möglich z Versuch der R0- Erlotinib (Tyrosinkinaseinhibitor;
290 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

Tarceva) oder Bevacizumab (Anti- 5 Stadium IIA: 30–40 %


VEGF-Antikörper; Avastin) 5 Stadium IIIA: <10 %
5 ggf. Radiatio (50–70 Gy): CT-ba- 5 Stadium IV: 1 %
sierte 3-dimensionale Bestrahlung z SCLC:
z SCLC: 5 »limited disease« (inklusive »very
5 ⊡ Abb. 35.2 limited disease«) nach »First-
5 primär Radio-Chemo-Therapie: line«-Therapie: z Remission:
besonders bei jüngeren Patienten etwa 80 %, davon ungefähr 50 %
in gutem Allgemeinzustand (Kar- komplette Remission z Heilung:
nofsky-Index: >70 %); Ausnahme: etwa 10 % z Überleben (mit The-
Stadium I/II mit peripher gelege- rapie): ungefähr 14–18 Monate
nem Tumor (hier primäre Opera- 5 »extensive disease«: Überle-
tion und anschließende/adjuvante ben (mit Therapie): ungefähr
Chemotherapie) 8–12 Monate
5 »limited disease«: z Polychemo-
therapie: »first line« (CE-Schema: Bronchiales Karzinoid
Cisplatin, Etoposid), »second line«
(ACO-Schema: Adriamycin, Cyc- Definition
lophosphamid, Vincristin) z ad- z Niedrigmaligner bronchialer Tumor
ditiv Radiatio, wenn Primarius in des diffusen neuroendokrinen Sys-
ein Strahlenfeld eingeschlossen tems (Kulschitzky-Zellen des bronchi-
werden kann alen Epithels)
5 »extensive disease«: meist palliativ, z Immunhistochemische Charakteris-
z. B. Gemcitabin oder endobron- tika: Expression neuroendokriner
chiales Stenting Marker (NSE, Chromogranin A in
z Palliative Therapieoptionen: Sekretgranula und Synaptophysin in
5 maligner Pleuraerguss mit Luft- Membranen präsynaptischer Vesikel)
notsymptomatik: Pleurapunktion, z Histogenetisch wie SCLC (diese Tu-
bei Rezidiven ggf. Anlage eines more exprimieren N-CAM und NSE
Denver-Katheters oder Pleuro- sowie im Unterschied zum SCLC
dese, z. B. mit Talkum ( Kap. 36) auch Chromogranin)
5 endoluminaler Tumor mit Luft- z Atypische Karzinoide bilden ein
notsymptomatik: starre Broncho- Bindeglied zwischen typischen Kar-
skopie mit Tumorabtragung, ggf. zinoiden und dem SCLC; andere
Stentimplantation neuroendokrine Tumoren im Gastro-
5 Tumorobstruktion mit Kompres- intestinaltrakt (Appendix: häufigstes
sion und Luftnotsymptomatik: Karzinoid des Gastrointestinaltrakts;
starre Bronchoskopie mit Stent- Ileum, Rektum) und in der Haut
implantation (Merkel-Zell-Tumor)
z Vorgehen vor Lungenresektion: z Histologische Karzinoidtypen nach
⊡ Abb. 35.3 dem Wachstumsmuster:
5 A: lobulär-solide
Prognose 5 B: trabekulär-rippenartig
z NSCLC: 5-Jahres-Überlebensraten: 5 C: tubulär
5 Stadium IA: 60–70 % 5 D: entdifferenziert
35.9 · Neoplastische Lungenerkrankungen 291 35.9
CT des Thorax: Verdacht auf NSCLC
Histologie/Zytologie »erzwingen«

M1-Stadium Ja
Palliative Therapie
(»best supportive care«),
Nein
Monotherapie oder
Hinweis auf M1-Stadium Polychemotherapie/
FDG-PET
Radiatio
Negativ

CT des Abdomens,
MRT des Schädels

Weiterhin kein
Hinweis auf M1-Stadium

LK-Status (N2-/N3-Stadium)

CT negativ, CT positiv, PET positiv oder


PET negativ CT positiv, PET negativ oder
CT negativ, PET positiv

Abklärung LK-Histologie
(endoskopisch/operativ: Mediastinoskopie)

pN0-/N1-Stadium pN2-Stadium pN2-Stadium

Resektion und Neoadjuvante


Radiatio,
adjuvante Chemotherapie,
Chemotherapie
Chemotherapie Operation, Radiatio

⊡ Abb. 35.1. Diagnostisch-therapeutischer Algorithmus bei NSCLC. FDG Fluordesoxyglukose;


LK Lymphknoten; p pathologisch
292 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

CT des Thorax
(Verdacht auf SCLC, Verdacht auf limited disease
Histo-/Zytologie »erzwingen«)

Ja
M1-Stadium

Nein

CT des Abdomens
MRT des Schädels,
Skelettszintigraphie »Extensive disease«
Polychemotherapie,

Ja
M1-Stadium
Nein

Beckenkammbiopsie

Ja
M1-Stadium

Nein

»limited disease«
(ggf. »very limited disease« − entsprechend UICC-Stadium IA)
R0-Resektion + adjuvante Radio-Chemo-Therapie;
sonst: in palliativer Absicht Polychemotherapie, Radiatio des
Primarius und bei Erreichen einer kompletten Remission adjuvante
Schädelradiatio

⊡ Abb. 35.2. Diagnostisch-therapeutischer Algorithmus bei SCLC


35.9 · Neoplastische Lungenerkrankungen 293 35.9
Ergometrie,
Herzkatheter- Pathologisch Kardiale Anamnese,
untersuchung EKG

OpB
Pathologisch OpB

Erfolgreiche Lungenfunktions-
Ja testung
Therapie
der Herz- FEV1- und DLCO-
erkrankung Bestimmung Beide
Werte >80 %

FEV1 und/oder
DLCO <80 %

Bestimmung der
ppo für FEV1
Beide und DLCO Beide
Werte <40 % Werte >40 %

Ein Wert <40 %


<40 % oder >75 % oder
Nein <10 ml/kg KG/ Ergospirometrie >20 ml/kg KG/
min min
mit Bestimmung
der maximalen VO2
40–75 % und
10–20 ml/kg KG/min

Bestimmung des ppo


der maximalen VO2
<35 % oder
<10 ml/kg KG/min >35 % und
>10 ml/kg KG/min

Resektion im
Inoperabel Pneumektomie
berechneten Umfang

⊡ Abb. 35.3. Algorithmus zur Diagnostik vor Lungenresektion. Der zu erwartende Verlust an
Lungenvolumen wird nach präoperativer Lungenfunktionstestung und Lungenperfusionsszin-
tigraphie mit quantitativer Auswertung der Lungenabschnitte kalkuliert. OpB ohne pathologi-
schen Befund; ppo prädiktiver postoperativer Wert. Mod. nach Bolliger u. Perruchoud (1998)
294 Kapitel 35 · Lungenerkrankungen

Klinik 5 kein sicherer Nutzen eine adju-


z Zentrale (hilusnahe) Tumoren (80 %) vanten Chemotherapie → nur in
→ endobronchiale Verlegung/Stenose Studien
→ poststenotische Pneumonie, Atelek- z Polychemotherapie:
tasen, Bronchiektasen, Hämoptysen 5 bei Inoperabilität
z periphere (pleuranahe) Karzinoide 5 analog zum SCLC
(ca. 20 %) 5 alternative Regimes: 5-Fluoroura-
z Nur bei hepatischer Metastasierung cil, Doxorubicin, Streptozotozin
Karzinoidsyndrom: massive Aus- → unterschiedliches, nicht vorher-
schüttung von biogenen Aminen sagbares Ansprechen
(Serotonin, Histamin) und/oder z Bei Chemotherapeutikaresistenz: Ver-
anderen Peptiden und Eikosanoiden such der Radiatio
→ Trias:
5 »flush« (Hautrötung) mit Ta- Prognose
chykardien/Blutdruckabfall, z Bei Resektabilität: 5-Jahres-Überle-
Schweißausbrüchen und Kopf- bensrate von etwa 90 %
schmerzen z Sehr variable Verläufe
5 gastrointestinale Symptomatik:
Übelkeit, Erbrechen
5 Hedinger-Syndrom: Endokard-
fibrose des rechten Herzens

Diagnostik
z Bronchoskopie: meist »kirschroter«,
polypöser Tumor; Blutungsgefahr bei
Biopsie
z Sonographie/CT des Abdomens:
Suche nach Lebermetastasen
z MRT des Schädels
z Knochen-/Octreotidszintigraphie
z Labordiagnostik: 5-Hydroxyindoles-
sigsäure-Spiegel (im 24-h-Urin nur
bei Filiae nachweisbar)

> Das Staging richtet sich primär nach


den bevorzugt befallenen Organen und
erfolgt prinzipiell analog zum Lungen-
karzinom.

Therapie
z Chirurgie:
5 prinzipiell R0-Resektion mit
Lymphadenektomie
5 zusätzlich Resektion einzelner
Metastasen
36.1 · Pneumothorax 295 36.1

> Pleuraerkrankungen
A. Bäumer, G. Michels

36.1 Pneumothorax z Subkutanes Hautemphysem


z Spannungspneumothorax: zusätzlich
Definition Tachykardie, Schock und Zyanose
z Ansammlung von Gas im Pleuraraum
Diagnostik
Ätiologie z Anamnese
z Idiopathischer oder primärer Spon- z Körperliche Untersuchung:
tanpneumothorax: Pneumothorax 5 Inspektion: ggf. Fehlen von
ohne äußere Ursache bei Patienten Atemexkursionen auf der betroffe-
ohne bronchopulmonale Erkrankung nen Seite
(Entstehung durch Ruptur subpleura- 5 Perkussion: tympaner, hypersono-
ler Zysten bzw. Bullae) rer Klopfschall auf der betroffenen
z Sekundärer Spontanpneumothorax: Seite
Pneumothorax ohne äußere Ursache 5 Auskultation: abgeschwächtes/
bei Patienten mit bronchopulmonaler fehlendes Atemgeräusch auf der
Erkrankung; letztlich erhöhen fast alle betroffenen Seite
Lungenerkrankungen (z. B. Lungen- 5 Abfall des HMV: Hypotonie,
fibrose, Pneumonie) die Wahrschein- Tachykardie
lichkeit (insbesondere COPD mit z Beatmeter Patient:
Ruptur von Emphysemblasen) 5 volumenkontrollierte Beatmung:
z Traumatischer Pneumothorax: Pneu- Anstieg des Beatmungsdrucks bei
mothorax durch äußere oder innere korrekter Tubuslage
Verletzung (z. B. iatrogen nach ZVK- 5 druckkontrollierte Beatmung:
Anlage, Pleurapunktion oder trans- Abnahme des Tidalvolumens bei
bronchialer Biopsie) korrekter Tubuslage
z Pulsoxymetrie: plötzlicher Sauerstoff-
Klinik sättigungsabfall
z Thoraxschmerz auf der betroffenen z Röntgenuntersuchung des Thorax:
Seite (Differenzialdiagnose: akutes 5 wenn möglich in Exspiration und
Koronarsyndrom) stehend
z Dys- und Tachypnoe, ggf. aber auch 5 Darstellung der (konvexen) Pleura
asymptomatisch visceralis
z Hals-(Jugular-)Venenstau (ZVD- 5 fehlende Lungenstruktur außer-
Anstieg) bzw. obere Einflussstauung halb der Pleura-visceralis-Projek-
z Zyanose tion
296 Kapitel 36 · Pleuraerkrankungen

z (»Low-dose«-)CT des Thorax: wesent- (2.–3. ICR, Medioklavikularlinie,


lich höhere Trefferquote bei kleineren Monaldi-Technik) mit Wasserschloss
lokalisierteren Pneumothoraces → im und Belassen der Drainage bis zur Re-
Einzelfall erwägen Expansion der Lunge unter Sog

Differenzialdiagnostik ! Bei beatmeten Patienten – auch wäh-


z Emphysem rend eines Transports – darf die Pleura-
z Atelektasen (normale Beatmungsdrü- drainage niemals abgeklemmt werden
cke, jedoch schlechte Oxygenierung) (Gefahr des Spannungspneumothorax).
z Perikarderguss (Echokardiographie Des Weiteren muss das Drainagesystem
durchführen) immer unterhalb des Thoraxniveaus plat-
z Infusionsthorax (z. B. nach ZVK-An- ziert sein, da ansonsten Drainageflüssig-
lage über V. subclavia und Befahren keit in den Thorax zurückfließen kann.
des ZVK ohne vorherige radiolo-
gische Überprüfung der korrekten z Bei rezidivierendem Spontanpneumo-
ZVK-Lage) thorax: Pleurodese (z. B. Talkumins-
tillation) oder videoassistierte Tho-
> Großzystische Prozesse und eine ex- rakoskopie bzw. thoraxchirurgische
treme Rarefizierung des Lungengerüsts Verfahren
bei Emphysem können im Rahmen der
Röntgenuntersuchung des Thorax einen > Dreimonatiges Flugverbot nach The-
Pneumothorax vortäuschen → ggf. rapie eines Spontanpneumothorax
(»Low-dose«-)CT des Thorax.
Therapiekomplikationen
Therapie z Reexpansionsödem (Ausbildung ei-
z Je nach klinischem Schweregrad nes Lungenödems nach Anlage einer
z Abhebung der Pleura um <3 cm und Thoraxdrainage)
wenige/keine Beschwerden: Abwarten, z Organverletzungen (Leber, Milz,
stationäre Beobachtung, radiologische Lunge)
Kontrolluntersuchungen bei klini- z Pleuraempyem, insbesondere bei län-
scher Verschlechterung (spätestens gerer Drainagenverweildauer (>7 Tage)
nach 12 h)
z Abhebung der Pleura um >3 cm und
wenige/keine Beschwerden oder 36.2 Pleuraerguss
Abhebung der Pleura um <3 cm und
Beschwerden: Luftaspiration durch Definition
Einmalpunktion mit Kunststoffver- z Ansammlung von zell- und proteinar-
weilkanüle mer Flüssigkeit in der Pleurahöhle bei
z Bei großem Pneumothorax, stärkeren intakter Pleura
Beschwerden, Versagen der kon-
servativen Pneumothoraxtherapie, Ätiopathogenese
Versagen der Aspirationsbehandlung, z Erhöhter kapillärer oder interstitieller
größerem traumatischen Pneumo- Druck (der Pleura parietalis/viscera-
thorax oder beatmeten Patienten: lis) bei Herzinsuffizienz oder Lungen-
immer Anlage einer Pleuradrainage embolie
36.2 · Pleuraerguss 297 36.2
z Erniedrigter onkotischer Druck des z Röntgenuntersuchung des Thorax:
Plasmas (Leberzirrhose, nephrotisches Verschattung des Sinus phrenicocos-
Syndrom) oder erhöhter onkotischer talis
Druck im Pleuraspalt bei Exsudat z Ergussanalyse:
(Pleuritis, Serositis) 5 ⊡ Tab. 36.1
z Übertritt von Aszites in die Pleura- 5 immer parallel Blutabnahme
höhle 5 Inspektion: Farbe
5 laborchemische Analysen: z pH-
Klinik Wert und Glukosegehalt bei eitri-
z Dyspnoe gem Erguss z Triglyzeridspiegel
z Symptome der Grunderkrankung (Chylus? → Chylothorax bei
Stenose oder Trauma des Ductus
Diagnostik thoracicus) z Cholesterinkon-
> Die diagnostische Pleurapunktion ist zentration (Pseudochylothorax
immer indiziert. bei Tuberkulose oder rheumato-
ider Arthritis) z Aktivität der
z Anamnese Amylase/Lipase (Pankreatitis?)
z Körperliche Untersuchung: z kleines Blutbild; bei rotem Er-
5 Perkussion über dem Erguss: guss: Hämatokrit, Hb-Wert, Leu-
absolute Dämpfung, aufgehobe- kozytenzahl
ner Klopfschall, abgeschwächter 5 zytologische Diagnostik von
Stimmfremitus, abgeschwächtes Ausstrichen (hämatologisch-onko-
Atemgeräusch logisches Labor und Pathologie):
5 Auskultation kranial des Ergusses: Empyem (Entzündungszellen)
Kompressionsatmen oder maligner Erguss (maligne,
z Pleurasonographie: sensitivstes Nach- atypische Zellen)?
weisverfahren (Nachweisgrenze: etwa 5 mikrobiologische Diagnostik (Blut-
50 ml) kulturflaschen und Nativmaterial)

⊡ Tab. 36.1. Differenzierung zwischen Exsudat und Transsudat

Parameter Transsudat Exsudat

Gesamteiweißgehalt <3 g/dl >3 g/dl

Quotient aus Gesamteiweißgehalt im Erguss <0,5 >0,5


und Gesamteiweißgehalt im Serum

LDH-Aktivität <200 U/l >200 U/l

Quotient aus LDH-Aktivität im Erguss <0,6 >0,6


und LDH-Aktivität im Serum

Cholesterinspiegel <60 mg/dl >60 mg/dl

Spezifisches Gewicht <1,016 >1,016


298 Kapitel 36 · Pleuraerkrankungen

5 ggf. Serologie: ANCA, CEA, 5 medikamentös induziert: Amio-


Rheumafaktor daron, jodhaltige Kontrastmittel,
5 evtl. Virologie Methotrexat, Cyclophosphamid,
D-Penicillamin etc.
Differenzialdiagnostik 5 asbestinduziert
z Transsudat: 5 Hypothyreoidismus
5 kardiovaskulär: Stauungstranssudat
bei Herzinsuffizienz (häufig rechts Therapie
lokalisiert), V.-cava-superior- > Bei putridem Erguss initial und im
Syndrom, Pericarditis constrictiva Verlauf der Therapie immer Bestimmung
5 pulmonal: Atelektase, Lungenem- (aus dem Erguss) von pH-Wert (<7,2: pa-
bolie rapneumonischer Erguss; <7,0: Empyem)
5 gastrointestinal: Leberzirrhose mit und Glukosespiegel (<40 mg/dl: kom-
Synthesestörung (Albuminspiegel- plizierter parapneumonischer Erguss,
abfall) Empyem).
5 nephrologisch: Peritonealdialyse,
nephrotisches Syndrom, Urino- z Therapeutische Punktion: symptoma-
thorax tisch bei Transsudat (insbesondere bei
5 andere Ursachen: Myxödem, Linksherzinsuffizienz) und bei Exsu-
Hypalbuminämie dat, begleitend Therapie der Grunder-
z Exsudat: krankung
5 infektiöse Genese: Pneumonie, z Bei positiver Gramfärbung und ma-
Tuberkulose etc. kroskopisch putridem Erguss (Pleu-
5 maligne Genese: Bronchialkarzi- raempyem; pH-Wert: <7,0) bzw. bei
nom, metastasierendes Mamma- parapneumonischem Erguss unter an-
karzinom etc. tibiotischer Therapie (pH-Wert: <7,2):
5 pulmonal: Lungenembolie immer Anlage einer großlumigen
5 Oberbaucherkrankungen: Pan- Spüldrainage (>18–32 Ch) und Spü-
kreatitis, Abszess, chirurgischer lung mit NaCl 0,9 %; bei inkompletter
Eingriff, Aszites Drainage (fibropurulentes Stadium)
5 Endometriose Pleurolyse mit intrapleuraler Gabe
5 Systemerkrankungen: chronische von Fibrinolytika (im Organisations-
Polyarthritis, systemischer Lupus stadium: thorakoskopische Adhäsio-
erythematodes, Morbus Wegener, lyse)
Kollagenosen, Vaskulitiden, fami- z Palliative Ergusstherapie bei chro-
liäres Mittelmeerfieber nischen Pleuraergüssen: Pleurodese
5 Herzerkrankungen: vorangegan- unter Sicht (Pleuroskopie; Talkum-
gener Myokardinfarkt/Dressler- Poudrage mit 2–5 g Talkum oder
Syndrom, Perikarditis Pleurodese via Thoraxdrainage oder
5 Sarkoidose chirurgische subtotale/totale Pleurek-
5 Urämie tomie)
5 Meigs-Syndrom: Pleuraerguss bei z Physiotherapeutische Atemgym-
Ovarialfibrom/-karzinom nastik als Prophylaxe/Therapie der
5 posttraumatisch Pleuraschwarte unter optimaler
5 strahleninduziert Analgesie
36.3 · Pleuramesotheliom 299 36.3
36.3 Pleuramesotheliom

Definition
z Maligne Entartung von Pleurame-
sothelzellen
z Meist asbestinduziert (Signaltumor)
z Lokalisation: vorwiegend Pleura (etwa
70 %) und Peritoneum (ungefähr
25 %), selten Perikard

Klinik
z Pleuraschmerzen, zum Teil lokal
begrenzt (»wie rohes Fleisch«)
z Initial Pleuraerguss
z Dyspnoe
z Reizhusten
z Allgemeinsymptome: Gewichtsab-
nahme, Reduktion des Allgemein-/
Ernährungszustands

Diagnostik
z Anamnese: Berufsanamnese (Asbest-
exposition)
z Körperliche Untersuchung
z Pleurasonographie → diagnostische
Pleurapunktion
z Röntgenuntersuchung/CT des Thorax
z Diagnosestellung: videoassistierte
Thorakoskopie mit Biopsie

Differenzialdiagnostik
z Pleurametastasen
z Asbestose
z Rundatelektase
z Pleuraschwarte

Therapie
z Operativ: extrapleurale Pleuropneu-
mektomie mit Zwerchfell- und Pe-
rikardresektion in kurativer Absicht
(nur frühe Stadien)
z Chemotherapie: Kombinationschemo-
therapie mit Pemetrexed und Cisplatin
z Palliativ: Radiatio, Talkumpleurodese,
symptomatisch (Analgetika)
300 Kapitel 37 · Schlafbezogene Atmungsstörungen

> Schlafbezogene
Atmungsstörungen
A. Bäumer

Definition 5 obstruktives Schnarchen: meist


z Apnoe: Männer, meist ohne »arousals«
5 obstruktive Apnoe: Sistieren der einhergehend
Atmung für ≥10 s bei fortgesetzter 5 »upper airways resistance syn-
(ggf. erhöhter) Atemanstrengung drome«: anhaltendes Schnarchen
(»effort«; gemessen an Thorax-/ ohne Apnoe
Abdomenbewegung) 5 primäres Schnarchen, keine
5 zentrale Apnoe: Sistieren der Insomnie: häufig (etwa 40 % der
Atmung für ≥10 s bei fehlender Bevölkerung)
Atemanstrengung (Differenzialdi- z Schlafbezogene Atmungsstörungen
agnose: Hypopnoe) ohne Obstruktion der oberen Atem-
z Obstruktive Hypopnoe: Abnahme des wege:
Atemflusses um 50 % oder Abnahme 5 zentrales Schlafapnoesyndrom:
der Flussamplitude plus »arousal« selten; bei zerebralen Erkrankun-
(Weckreaktion, EEG-Frequenzanstieg) gen (Insult, Tumor, Trauma) mit
oder Abnahme der Flussamplitude verminderter Chemorezeptor-
plus signifikanter SaO2-Abfall (≥3 %) empfindlichkeit (Ondine-Course-
z Cheyne-Stokes-Atmung: periodische Syndrom) oder als Nebenwirkung
Atmung mit zyklischer Fluktuation einer CPAP-Therapie (zu hohe
(spindelförmige Zu- und Abnahme Drücke und zu starke CO2-Ab-
des Atemfluss- und Effort-Signals) atmung)
sowie zentralen Apnoen und Hypo- 5 Cheyne-Stokes-Atmung: bei
pnoen (Zyklusdauer: etwa 60 s) in zerebralen Erkrankungen (Schlag-
>3 konsekutiven Zyklen (pathologi- anfall, Tumor, Trauma) oder bei
scher Apnoe-Hypopnoe-Index, AHI: Patienten mit manifester Herz-
>5/h) insuffizienz (inbesondere mit Vor-
hofflimmern)
Klassifikation 5 primäres alveoläres Hypoventila-
z Schlafbezogene Atmungsstörungen tionssyndrom: zentrale Ursache,
mit Obstruktion der oberen Atem- sehr selten (z. B. Undines-Fluch-
wege: Syndrom)
5 obstruktives Schlafapnoesyndrom: 5 sekundäres alveoläres Hypo-
häufigste schlafbezogene Atmungs- ventilationssyndrom (Pickwick-
störung Syndrom): z assoziiert mit einer
Kapitel 37 · Schlafbezogene Atmungsstörungen 301 37
Grunderkrankung: z. B. Adipositas z Aggravierung einer arteriellen Hyper-
per magna, COPD, neuromus- tonie und einer Herzinsuffizienz
kuläre Erkrankungen, restriktive z Herzrhythmusstörungen
Ventilationsstörungen z redu- z Verstärkte Insulinresistenz
zierte Ventilation mit Anstieg des z Erhöhtes Risiko für Schlaganfall,
pCO2 im Schlaf um <10 mmHg, Herzinsuffizienz und Myokardinfarkt
meist Abfall der SaO2 auf <90 % z Polyglobulie
z Persistenz trotz CPAP-Therapie, z Pulmonale Hypertonie
Domäne der nichtinvasiven Venti-
lation Diagnostik
z Anamnese
Ätiologie z Körperliche Untersuchung
z Obstruktives Schlafapnoesyndrom: z Schlaffragebogen/Schläfrigkeitsskala:
Obstruktion im Bereich der oberen Epworth Sleepiness Scale
Atemwege z Labordiagnostik: Blutbild, Glukose-
z Nichtobstruktives Schlafapnoesyn- spiegel, Nieren-, Leber-, Elektrolyt-
drom: Störung von Atemantrieb, und Schilddrüsenwerte
Atemregulation oder Atemmechanik z Ambulante respiratorische Polygra-
phie (Screening-Untersuchung: Mes-
Klinik des obstruktiven sung wichtiger Atmungsparameter)
Schlafapnoesyndroms z Polysomnographie im Schlaflabor
z Schnarchen mit Atempausen im (u. a. EEG, EKG, EMG, EOG, AHI)
Schlaf: mindestens 5 Apnoen oder z HNO-ärztliche Untersuchung
Hypopnoen/h Schlaf (in Non-REM- z Neuropsychologische Testung
Schlafstadien), nachfolgender Abfall z Gegebenenfalls kieferchirurgisches
der SaO2 um ≥3 % Konsil
z Tagesmüdigkeit (Einschlafneigung,
Sekundenschlaf), selten Insomnie Differenzialdiagnostik
z Assoziierte Erkrankungen/Symptome: z Etwa 80 verschiedene Schlafstörungen
morgendliche Kopfschmerzen (di- (Dyssomnien): Insomnien, Parasom-
rekte Wirkung erhöhter CO2-Spiegel), nien etc.
Abgeschlagenheit, Konzentrations- z Neurologische Erkrankungen: »rest-
und Gedächtnisstörungen, nächtliches less legs syndrome«, Narkolepsie etc.
Erstickungsgefühl, Herzrhythmusstö-
rungen, schwer einstellbarer Hyper- Therapie
tonus, schlecht eingestellter Diabetes z Gewichtsreduktion: etwa 50 % der
mellitus, Herzinsuffizienz, Myokard- obstruktiven Schlafapnoen verschwin-
infarkt, Apoplexie den bei Gewichtsreduktion
z Schlafhygiene/Schlafpositionstrai-
Mögliche Folgen höhergradiger ning: Vermeiden der Rückenlage beim
schlafbezogener Atmungs- Schlafen, kein Alkohol, Schaffung
störungen optimaler Schlafbedingungen
z Chronischer Schlafmangel: Tages- z Apparative Therapie:
müdigkeit, Sekundenschlaf (erhöhtes 5 CPAP: z »pneumatische Schie-
Unfallrisiko) nung« der oberen Atemwege
302 Kapitel 37 · Schlafbezogene Atmungsstörungen

durch angepasste, leichte mecha-


nische Überdruckbeatmung (in-/
exspiratorisch) z Indikation:
obstruktive Schlafapnoe (primäre
Therapieform bei schlafbezogenen
Atmungsstörungen, therapeu-
tischer Goldstandard) z ggf.
Auto-CPAP (CPAP mit automati-
scher Adaptation an schwankende
Druckbedürfnisse)
5 BiPAP: kontrollierte Ventilation
durch Vorgabe von 2 Beatmungs-
druckniveaus, insbesondere bei
zentralem Schlafapnoe-/Hypopno-
esyndrom und bei Cheyne-Stokes-
Atmung
5 adaptive Servoventilation: techni-
sche Weiterentwicklung für kom-
pexe/gemischte schlafassoziierte
Atmungssstörungen (v. a. Cheyne
Stokes Atmung)
5 ggf. Unterkieferprotrusionsschiene
z Gegebenenfalls chirurgische Therapie:
z. B. maxillomandibuläre Osteotomie
bei Versagen der konservativen The-
rapie bzw. bei offensichtlichen anato-
mischen Fehlstellungen
Ausgewählte Literatur zu Sektion D 303

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion D

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E

E Gastroenterologie

38 Akutes Abdomen – 306

39 Akute gastrointestinale Blutung – 317

40 Erkrankungen des Ösophagus – 322

41 Erkrankungen des Magens – 335

42 Erkrankungen des Intestinums – 348

43 Erkrankungen des Pankreas – 392

44 Erkrankungen der Gallenwege – 405

45 Erkrankungen der Leber – 416

Ausgewählte Literatur zu Sektion E – 446


306 Kapitel 38 · Akutes Abdomen

> Akutes Abdomen


G. Michels, H.-M. Steffen

Definition askopftumor, Kolontumor, Nephroli-


z Symptomenkomplex aus akutem thiasis
Beginn und akuter Funktionsstörung z Ischämie: Gefäßverschluss, Lungen-
intraabdomineller Organe mit mögli- embolie
cherweise lebensbedrohlichen Folgen z Raumforderung/Irritation: Metasta-
senleber, Stauungsleber, Budd-Chiari-
Ätiologie Syndrom, Pfortaderthrombose, Inter-
⊡ Tabelle 38.1 kostalneuralgie, Ösophagusspasmen,
Nierentumor

Häufige Arbeitsdiagnosen des akuten Linker Oberbauch


Abdomens z Entzündung: Gastritis, Pankreatitis,
z Perforation (z. B. Ulkus, Divertikulitis) Kolitis, Divertikulitis, Pleuritis, Pneu-
z Entzündung (z. B. Appendizitis, Chole- monie, Pleuraempyem, Perikarditis,
zystitis) Pyelonephritis, subphrenischer Abs-
z Kolik (z. B. Nieren-, Gallenkolik) zess, Milzabszess, Milzinfarkt
z Blutung/Schock (z. B. Bauchaortenaneu- z Perforation/Ruptur: Ulkusperforation,
rysmaruptur, Extrauteringravidität) Ösophagusruptur, Milzruptur, Pank-
z Obstruktion (z. B. Bridenileus, inkarzerierte reaspseudozyste
Hernie) z Obstruktion: Hiatushernie, Magen-
tumor, Kolontumor, Pankreastumor,
Nephrolithiasis
Rechter Oberbauch z Ischämie: akutes Koronarsyndrom,
z Entzündung: Cholezystitis, Cholangi- Lungenembolie, Milzinfarkt, Gefäß-
tis, Leberabszess, Gastritis, Pankreati- verschluss
tis, retrozökale Appendizitis, Kolitis, z Raumforderung/Irritation: Splenome-
Divertikulitis, Pleuritis, Pneumonie, galie, Milzabszess, Interkostalneural-
Pleuraempyem, Perikarditis, Pyelone- gie, Milzvenenthrombose, Ösopha-
phritis, subphrenischer Abszess gusspasmen, Nierentumor
z Perforation/Ruptur: Magen-/Duode-
nalulzera, Gallenblasenperforation, Epigastrium
Ösophagusruptur z Entzündung: Ösophagitis, Gastritis,
z Obstruktion: Choledocholithiasis, Duodenitis, Cholezystitis, eosinophile
Papillenstenose, Sphinkter-Oddi- Gastroenteritis, Pankreatitis, Perikar-
Dysfunktion, Magentumor, Pankre- ditis
Kapitel 38 · Akutes Abdomen 307 38
⊡ Tab. 38.1. Ursachen eines akuten Abdomens. Mod. nach Kraemer et al. (2000)

Endgültige Diagnose Alter von <50 Jahren [%] Alter von ≥50 Jahren [%]

Unspezifischer Bauchschmerz 32 10

Appendizitis 27 14

Gallenwegserkrankung 4 20

Dyspepsie 9 7

Ileus 1 11

Urolithiasis 3 4

Harnwegsinfekt 4 1

Divertikulitis 1 8

Ulkuserkrankung 1 3

Pankreatitis 1 3

Sonstiges 17 19

z Perforation/Ruptur: Ösophagusruptur, z Perforation/Ruptur: perforierte


Magenulkus, Duodenalulkus, Öso- Appendizitis
phagusulkus z Obstruktion: Kolontumor, Nephroli-
z Obstruktion: Ösophagustumor, thiasis, Leistenhernie, Meckel-Diverti-
Hiatushernie, Sphinkter-Oddi-Dys- kel, Invagination
funktion, Pankreastumor, Pankreas- z Ischämie: stielgedrehte Ovarialzyste,
pseudozyste, Lymphom, Invagination, Gefäßverschluss
gastrointestinale Stromatumoren z Raumforderung/Irritation: Extraute-
z Ischämie: akutes Koronarsyndrom, ringravidität, Psoaseinblutung, Myom-
Aortendissektion einblutung, Endometriose, Mittel-
z Raumforderung/Irritation: Magentu- schmerz, Ovarialtumor, Hodentorsion
mor, Dumping-Syndrome, Interkos-
talneuralgie, Sprue (Zöliakie), Morbus Linker Unterbauch
Whipple (Infektion mit Tropheryma z Entzündung: Divertikulitis, Morbus
whipplei), Ösophagusspasmen Crohn, Pyelonephritis, Salpingitis,
Adnexitis
Rechter Unterbauch z Perforation/Ruptur: Divertikulose
z Entzündung: Appendizitis, perityph- z Obstruktion: Kolontumor, Nephroli-
litischer Abszess, Ileokolitis, Enteritis, thiasis, Leistenhernie, Invagination
Divertikulitis, Morbus Crohn, Chole- z Ischämie: stielgedrehte Ovarialzyste,
zystitis, mesenteriale Lymphadenitis, Gefäßverschluss
Pankreatitis, Gastritis, Salpingitis, z Raumforderung/Irritation: Extra-
Adnexitis, Pyelonephritis uteringravidität, Psoaseinblutung,
308 Kapitel 38 · Akutes Abdomen

Myomeinblutung, Endometriose, darmileus), Stuhl- und Windverhalt


Mittelschmerz, Ovarialtumor, Hoden- (Dickdarmileus), Bewusstseinseintrü-
torsion bung (Schock, Blutung, Exsikkose)

Klinik und Befunde Diagnostik


> Zu den Leitsymptomen des akuten Gezielte Anamnese
Abdomens gehören starke abdominelle z Erstmaliges Auftreten oder ähnliche
Schmerzen, Abwehrspannung sowie Episode bereits erlebt? → »Hatten sie
Störungen der Peristaltik und der Kreis- die Beschwerden schon einmal?«
laufregulation. z Vorerkrankungen:
> Alle Patienten mit akutem Abdomen 5 Steinleiden/vorangegangene Cho-
müssen stationär aufgenommen wer- lezystektomie: Nieren-/Gallen-
den, da beim akuten Abdomen immer gangskoliken, akute Pankreatitis
eine diagnostische Restunsicherheit 5 absolute Arrhythmie, Thrombo-
besteht. philie oder Gefäßerkrankungen:
intestinale Ischämie
z Akuter, heftiger abdomineller 5 Stoffwechselerkrankungen: Dia-
Schmerz mit Schmerzausstrahlung betes mellitus (Pseudoperitonitis),
(Head-Zonen) Porphyrie (vorangegangene mehr-
z Peritonismus (Druckschmerz mit fache Laparotomien), Myxödem
Abwehrspannung) mit vegetativer Be- (intestinale Pseudoobstruktion)
gleitsymptomatik (Nausea, Schwitzen, 5 kardiale Vorgeschichte: akutes
Blässe), z. B. manifeste Abwehrspan- Koronarsyndrom, Stauungsleber,
nung (»brettharter Bauch«) bei gene- Darmischämie
ralisierter Peritonitis nach Perforation 5 vorangegangene Laparotomie oder
eines Hohlorgans intestinale Malignome: mechani-
z Kontralateraler Loslassschmerz bei scher Ileus
peritonealer Reizung 5 entzündliche Darmerkrankungen
z Murphy-Zeichen (bei Inspiration (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa):
schmerzhaft palpable Gallenblase): toxisches Megakolon, Perforation
Hinweis auf Cholezystitis 5 vorangegangener Schlag auf den
z Courvoisier-Zeichen (schmerzlos Bauch, Fahrradsturz, Sportun-
palpable Gallenblase): Hinweis auf fall: Abdominaltrauma (bei etwa
malignen Verschluss des Ductus cho- 20–30 % der polytraumatisierten
ledochus Patienten ist das stumpfe Baucht-
z Gummibauch: bei akuter Pankreatitis rauma Teilverletzung des Poly-
z Hochgestellte, klingende Darmgeräu- traumas; häufig: Milzruptur)
sche: mechanischer Ileus 5 schlagartiger Schmerzbeginn mit
z Totenstille und Tympanie: paralyti- nachfolgendem beschwerdefreien
scher Ileus Intervall: Hohlorganperforation,
z Pulsierender Mittelbauch: Bauchaor- Pneumothorax, Aortenaneurys-
tenaneurysma maruptur
z Begleitsymptome: Fieber (Entzün- 5 Immunsuppression (angeboren
dung, Tumor), Nausea/Erbrechen, oder erworben/medikamentös):
Unruhe, Dyspnoe, Miserere (Dünn- Abstoßungsreaktion, intraabdo-
Kapitel 38 · Akutes Abdomen 309 38
minelle Infekte, Abszesse oder z Differenzierung:
Darmperforationen mit mitigierter 5 akuter oder chronischer Schmerz
Symptomatik 5 Schmerzbeginn: plötzlich (gefolgt
5 Immunsuppression unter Chemo- von einer Schmerzabnahme: z. B.
therapie bei Aplasie: neutropeni- Aortenaneurysmaruptur, Mesente-
sche Ileokolitis rialinfarkt, Perforation) oder lang-
5 hämatologische Erkrankungen: sam progredient (Appendizitis,
hämolytische Krisen, z. B. bei Si- ältere Patienten)
chelzellenanämie (vasookklusive 5 Schmerzdauer: Dauerschmerz bei
Krisen mit Organinfarkten) Malignom oder chronischer Pank-
5 Niereninsuffizienz: urämische reatitis
Gastritis, Darmischämie 5 Schmerzauslösung: z. B. fettreiche
z Medikamente: NSAR (Ulkusleiden), Nahrung (Gallen-/Pankreaserkran-
Phenprocoumon (Darmwandein- kung)
blutung), Opiate, Anticholinergika, z Schmerzausstrahlung:
Trizyklika (intestinale Pseudoobstruk- 5 rechtsseitiger Schulterschmerz:
tion) Gallenwegserkrankungen
z Allergien, Unverträglichkeiten: Lakto- 5 linksseitiger Schulterschmerz:
seintoleranz, Sprue, Favismus Milzerkrankungen
z Drogen: Alkoholkonsum (Pankreati- 5 Rückenschmerz: Pankreaserkran-
tis, Zieve-Syndrom, Entzugssyndrom), kungen
Kokain (intestinaler Vasospasmus) 5 Leisten- oder Genitalschmerzen:
z Reiseanamnese: Leberabszess, Lamb- Erkrankungen der Harnwege
liasis z Schmerzcharakter:
z Familienanamnese: familiäres Mittel- 5 viszeraler oder kolikartiger
meerfieber, M. Behçet Schmerz (viszerales Peritoneum):
z Bei Frauen: Zyklusanamnese bzw. diffuse Schmerzen (multisegmen-
Vorliegen einer Schwangerschaft: Prä- tale Innervation), dumpf-bohrend,
eklampsie, HELLP-Syndrom nahe der Mittellinie, schlecht loka-
lisierbar, durch Spasmen und Or-
Spezielle Schmerzanamnese ganüberdehnung (Kolikschmerz),
> Schmerz ist ein unangenehmes gleichbleibende Intensität, ausge-
Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit prägte vegetative Symptome (Nau-
einer echten oder potenziellen Gewebe- sea, Schwitzen, Blässe), motorische
schädigung einhergeht oder als solches Unruhe, ständiger Lagewechsel
beschrieben wird. Der Schmerz ist immer z epigastrisch: Magen-Darm-
subjektiv. Trakt proximal des Treitz-Bandes
sowie hepatobiliäres System und
z Schmerzintensität: Milz z periumbilikal: Dünn- und
5 meist diagnostisch nicht verwert- Dickdarm bis zur rechten Flexur
bar, da große individuelle Schwan- z unterhalb des Bauchnabels:
kungen vorliegen Dickdarm distal der rechten Flexur
5 ggf. Objektivierungsversuche mit 5 somatischer oder peritonitischer
verschiedenen Skalen, z. B. verbale Schmerz (parietales Peritoneum;
Schätzskala, visuelle Analogskala nur dieses wird eigentlich inner-
310 Kapitel 38 · Akutes Abdomen

viert): lokalisierte Schmerzen von z Liegender Patient, Schonhaltung:


zunehmender Intensität, stechend- Peritonitis
brennender, schneidender oder z Ikterus: Gallengangsverschluss bei
scharfer Schmerz, Besserung Cholelithiasis (evtl. zusätzlich acho-
durch Schonhaltung (Abwehr- lischer Stuhl und bierbrauner Urin),
spannung) und Intensivierung Leberabszess, biliäre Pankreatitis
durch Bewegung, Husten, Pressen z Kachektischer Patient, ggf. sichtbare
oder Palpation Darmperistaltik: fortgeschrittenes
5 projizierter Schmerz: Ausdehnung Tumorleiden mit Darmobstruktion
abdomineller Prozesse auf para- z Haut-/Laparotomienarben: Darmin-
vertebrale Regionen karzerationen, Bridenileus, Porphyrie
z Schmerzkinetik: mit vorangegangenen abdominellen
5 ⊡ Abb. 38.1 Eingriffen
5 Typ I (plötzlicher Beginn mit z Aufgetriebenes Abdomen mit tym-
maximalem Schmerz): Hohlorgan- panitischem Klopfschall (Trommel-
perforation (z. B. Ulkus-, Gallen- bauch): Meteorismus
blasenperforation), Aortenaneu- z Exsikkose bis Schock: Ileus, intesti-
rysmaruptur, Mesenterialinfarkt nale Ischämie
bzw. Mesenterialarterienembolie, z Tachypnoe: respiratorische Kom-
Peumothorax, Ruptur einer Extra- pensation einer metabolischen Azi-
uteringravidität dose (Ischämie, Sepsis, diabetische
5 Typ II (Schmerzsymptomatik mit Ketoazidose mit Pseudoperitonitis),
regelmäßigen Maxima und inter- psychogen
mittierenden Pausen: Koliken):
Passage- und Motilitätsstörungen Palpation aller 4 Quadranten
viszeraler Hohlorgane (z. B. Ileus, > Die Palpation sollte behutsam unter
Gallen-, Nierenkoliken) sorgfältiger Beobachtung des Pati-
5 Typ III (langsam zunehmender enten mit flach aufgelegter (warmer)
Schmerz): entzündliche Prozesse Hand erfolgen und an der Stelle des
(Appendizitis, Cholezystitis, Pan- geringsten Schmerzes begonnen wer-
kreatitis), distale Darmverschlüsse den, mit Dokumentation des Punctum
oder Mesenterialvenenthrombose maximum.

Inspektion z Abwehrspannung: neben der unwill-


z Extrem unruhiger, ungeduldiger Pati- kürlichen Abwehrspannung (brett-
ent, ständiger Lagewechsel: Kolik harter Bauch bei diffuser Peritonitis)

Typ I Typ II Typ III

⊡ Abb. 38.1. Schmerzkinetik


Kapitel 38 · Akutes Abdomen 311 38
sollte die willkürliche Abwehrspan- Mesenterialischämie (Mesenterialar-
nung (emotionale Reaktion, »guar- terienembolie oder Mesenterialven-
ding«) abgegrenzt bzw. vermieden enthrombose) in fortgeschrittenem
werden Stadium
z Druckschmerz: Peritonitis, Pankreati-
tis, Koprostase Rektal-digitale Untersuchung
z Pathologische Resistenz mit Druck- > Bei jedem Patienten mit akutem
schmerz: Abszess, Passagehindernis, Abdomen sollte eine rektal-digitale
Leberkapselschmerz Untersuchung (im Beisein eines Kolle-
z Pathologische Resistenz ohne Druck- gen oder einer weiblichen Pflegekraft)
schmerz: Tumor, Parenchymschaden erfolgen.
von Leber oder Milz
z Gummibauch: Pankreatitis z Koprostase: Nachweis von Stuhl/
z Rippenbogenklopfschmerz und Mur- Kotballen
phy-Zeichen (schmerzhafte, tastbare z Prostatitis: Schmerzen
Gallenblase): Cholezystitis z Obstruierende Prozesse/tief sitzende
z Druck- und Loslassschmerz im rech- Rektumkarzinome: palpable Resistenz
ten Unterbauch: Appendizitis z Blutung: peranale/rektale Blutung (Hä-
z »Closed eyes sign« (Patient hält die matochezie) oder Teerstuhl (Meläna)
Augen bei der Palpation geschlossen): z Douglas-Abszess: druckschmerzhafter
eher nichtorganische Ursache Douglas-Raum
z Positiver Carnett-Test (unverän-
derter oder zunehmender Schmerz > Blut hat eine stark laxierende Wirkung
bei Palpation während willkürlicher → Teerstühle sind flüssig und weisen auf
Anspannung der Bauchmuskulatur): eine Blutung proximal der rechten Kolon-
von der Bauchwand ausgehender flexur hin mit einer Mindestblutmenge
Prozess von etwa 100 ml sowie einer intralumina-
len Mindestverweildauer von 4–6 h.
Auskultation aller 4 Quadranten > Die Bestimmung der rektal-axillären
für ≥1 min Temperaturdifferenz mit einem »Cut-off
> Ein unauffälliger abdomineller Aus- point« von 1°C, insbesondere im Rahmen
kultationsbefund schließt einen Ileus der Diagnostik bei Verdacht auf Appendi-
nahezu aus. zitis, gilt bezüglich eines intraabdominel-
len Prozesses als unsicher.
z Hyperperistaltik bis normal klingende
Darmgeräusche: Gastroenteritis (Nor- Labordiagnostik
malbefund: etwa 5–10 Darmgeräu- z Blut: Elektrolytwerte, Blutbild mit
sche/min) Differenzialblutbild und Retikulo-
z Gesteigerte, hochgestellte, spritzende, zytenzahl, Lipaseaktivität, Leber-/
metallisch klingende Darmgeräusche, Cholestasteparameter (Aktivitäten
einhergehend mit Koliken, evtl. äu- von Transaminasen, alkalischer
ßerlich sichtbare Hyperperistaltik: Phosphatase und γ-GT, Konzentra-
mechanischer Ileus tionen von direktem und indirektem
z »Totenstille« mit Dauerschmerz oder Bilirubin), Herzenzymaktivitäten
Schmerzlosigkeit: paralytischer Ileus, (CK, CK-MB, LDH), Troponinspie-
312 Kapitel 38 · Akutes Abdomen

gel, Retentionswerte (Kreatinin- und Bildgebende Diagnostik


Harnstoffkonzentration), Glukose-, z Abdomensonographie:
Triglyzerid-, Haptoglobin-, CRP-, 5 Beurteilung von Gallenwegen,
Prokalzitonin- und Laktatkonzent- Pankreas, Nieren, Leber und
ration, Gerinnungsparameter (INR, Hohlvenen
PTT), D-Dimer-Spiegel, BGA, TSH- 5 Nachweis von freier Flüssigkeit
Konzentration 5 ggf. Punktion zur differenzi-
z Urin: Stix inklusive Ketonkörpernach- aldiagnostischen Abklärung
weis, ggf. zusätzliche Konzentrations- »Blut vs. Aszites« (bei akuter/
bestimmung von 5-Aminolävulin- frischer intraabdomineller
säure und Porphyrinen bei Verdacht Blutung sind der periphere und
auf Porphyrie oder β-HCG-Spiegel bei der »intraabdominelle« Hb-
Verdacht auf Schwangerschaft Wert identisch)
z Röntgenuntersuchung des Thorax in
Ruhe-EKG 2 Ebenen: Ausschluss von Pneumonie,
z Nachwies einer akuten Ischämie Pleuraerguss, Pneumothorax und
z SIQIII-Typ als Hinweis auf Lungen- freier Luft unter dem Zwerchfell bei
embolie Perforation
z Vorhofflimmern als Hinweis auf mög- z Röntgenleeraufnahme des Abdomens
liche Embolie im Stehen und in Linksseitenlage

Akutes Abdomen, Akutes Abdomen


Schock

Abdomensonographie, Labordiagnostik, spezielle Diagnostik


ggf. diagnostische Abdomensonographie, nach Lokalisation
Punktion Röntgenuntersuchung der Schmerzen
von Abdomen und und/oder
Thorax, CT des Abdomens Begleitsymptomen
massiv freie Flüssigkeit,
Massiv
Patient kreislaufinstabil Diagnose Diagnose

Ja Nein Ja Nein Ja Nein

Unmittelbare Konservative Therapie,


Gezielte operative Beobachtung
Notfalllaparotomie
Therapie
Eventuell
diagnostische
Laparotomie/
Laparoskopie

⊡ Abb. 38.2. Diagnostischer Algorithmus bei akutem Abdomen. Mod. nach Steffen et al. (2008)
Kapitel 38 · Akutes Abdomen 313 38
z Gastrografinbreipassage: Nachweis dumpfer abdomineller Druckschmerz
eines Kontrastmittelstopps; wegen der mit Nausea/Erbrechen und Fieber
propulsiven Wirkung u. U. therapeuti- z Dünndarm-/Bridenileus: plötzlich
sche Wirkung bei Subileuszuständen eintretende Koliken im Mittelbauch,
z KM-CT des Thorax/Abdomens: allen pathologische Darmgeräusche, häufig
anderen Verfahren in Hinblick auf die nach abdominalchirurgischen Eingrif-
Zuverlässigkeit der Diagnose überlegen fen (postoperative Adhäsionen) oder
bei inkarzerierter Hernie
> Eine interdisziplinäre Zusammenar- z Hohlorganperforation: plötzlicher
beit bezüglich des weiteren Prozedere Schmerzbeginn mit konsekutivem
mit Gastroenterologen (ggf. Endoskopie) freien Intervall und anschließend
und Chirurgen (ggf. Probe- oder Notfall- konstant zunehmendem somatischen
laparotomie) ist absolut notwendig. Schmerz
z Akute Pankreatitis:
Differenzialdiagnostik 5 plötzlicher Schmerzbeginn mit
z Akute Appendizitis: dauerhaft anhaltenden Ober-
5 initialer periumbilikaler Schmerz bauchbeschwerden und gürtel-
mit Wanderung in den rechten förmiger Ausstrahlung bis in den
Unterbauch (typischer primär Rücken
viszeraler und sekundär peritoniti- 5 häufig Nausea und Unruhe
scher Schmerz) und zunehmender 5 Gummibauch
Intensität 5 Darmparalyse
5 Schmerzpunkte: McBurney, Lanz 5 als prognostisch ungünstige Zei-
5 Loslassschmerz chen können bläulich-grünliche
5 positives Blumberg-Zeichen Ekchymosen (Hautblutungen)
(linksseitig ausgelöster Loslass- paraumbilikal (Cullen-Zeichen),
schmerz mit Schmerzausstrahlung an den Flanken (Grey-Turner-Zei-
in den rechten Unterbauch) chen) oder inguinal (Fox-Zeichen)
5 Douglas-Schmerz bei rektaler Un- beobachtet werden
tersuchung z Mesenterialinfarkt:
5 Psoasschmerz bei Anhebung des 5 Beginn mit krampfartigen ab-
gestreckten rechten Beines dominellen Schmerzen (1–2 h),
5 Rovsing-Zeichen (Schmerzen bei gefolgt von einer schmerzfreien
retrogradem Ausstreichen des Ko- Phase (infolge Wandnekrose:
lons) »fauler Friede«), welche nach etwa
12 h von peritonitischen Zeichen
> Die akute Appendizitis kann jede an- abgelöst wird (paralytischer Ileus,
dere Erkrankung des Magen-Darm-Trakts Durchwanderungsperitonitis)
imitieren (wichtige Differenzialdiagno- 5 Hinweiszeichen für eine Mesen-
sen: Pseudoappendiztis bei Infektion mit terialischämie: chronische Herz-
Yersinia pseudotuberculosis). insuffizienz (Diuretika, Digitalis),
bekannte KHK, Vorhofflimmern,
z Akute Cholezystitis: Koliken (visze- Mitralvitium, allgemeine Zeichen
raler Schmerz), in die rechte Schul- der Atherosklerose (insbesondere
terregion ausstrahlender Schmerz, ältere, multimorbide Patienten)
314 Kapitel 38 · Akutes Abdomen

> Beim Mesenterialinfarkt sollte ein the- Pneumonie, Pleuritis, Lungen-


rapeutisches Zeitintervall von 3–6 h ein- infarkt, Peuraempyem, Morbus
gehalten werden, d. h. frühzeitig daran Bornholm (Coxsackievirus-B-
denken und rasch bildgebende Diagnos- Infektion)
tik (CT des Abdomens) veranlassen. 5 vaskulär: z. B. Aortendissektion,
Vaskulitiden, Purpura Schönlein-
! Obwohl bei der Mesenterialischämie Hennoch, Morbus Behçet, angio-
zur Diagnosefestlegung häufig laborche- neurotisches Ödem
mische Parameter wie z. B. Leukozytose 5 vertebragen: z. B. Spondylarthro-
oder Anstieg von Laktat- und Phosphat- pathie, Osteomyelitis, Diskuspro-
spiegel herangezogen werden, schließen laps
Normalwerte eine Mesenterialischämie 5 metabolisch/toxisch (Pseudoperi-
nicht aus. tonitis): Diabetes mellitus, akute
intermittierende Porphyrie, Bleiin-
z Intestinale Pseudoobstruktion: toxikation (berufliche Exposition
5 Zeichen der Obstruktion ohne oder Salbenrezepturen), hämolyti-
Nachweis eines mechanischen sche Krisen (Sichelzellenanämie),
Hindernisses durch mangelnde in- Zieve-Syndrom, systemische
testinale Propulsion: idiopathische Mastozytose, Morbus Fabry, Kar-
Kolondilatation, Ogilvie-Syndrom zinoidsyndrom, Morbus Addison,
(Pseudoobstruktion des Kolons), Lues, Drogenentzug
akute intermittierende Porphyrie, 5 funktionell: Dyspepsie, Reiz-
Morbus Parkinson, Myxödem, darmsyndrom, Sphinkter-Oddi-
Hypoparathyreoidismus, Phäo- Dysfunktion, funktionelles abdo-
chromozytom, verschiedene Medi- minelles Schmerzsyndrom
kamente
5 ausgeprägte abdominelle Schmerz- Therapie
symptomatik sowie Erbrechen bis Allgemeine Maßnahmen
klingende Darmgeräusche mög- z Aufrechterhaltung und Stabilisierung
lich → bei Zeichen eines Ileus und der Vitalfunktionen
Verdacht auf Pseudoobstruktion z Lagerung: Knierolle (Entlastung des
mittels Gastrografinpassage eine M. iliopsoas)
mechanische Ursache ausschlie- z Sauerstoffgabe über Nasensonde
ßen z Intravenöser Zugang: Volumensubsti-
z HELLP-Syndrom mit oder ohne tution
Zeichen der Präeklampsie: meist z Analgesie (⊡ Tab. 38.2):
rechtsseitige Oberbauchbeschwerden 5 vorher Aufnahmebefund erheben,
oder epigastrische Schmerzen durch später Dokumentation
Dehnung der Glisson-Leberkapsel mit 5 Patienten in Entscheidung stets
Nausea und/oder Hypoglykämie mit einbeziehen
z Bauchaortenaneurysma: pulsierender
Bauchtumor > Starke abdominelle Schmerzen: gesi-
z Extraabdominelle Erkrankungen: cherte Indikation zur Schmerztherapie,
5 kardiopulmonal: akutes Koro- Analgetika nicht aus Prinzip, sondern
narsyndrom, Perikarditis, basale wenn notwendig
Kapitel 38 · Akutes Abdomen 315 38
⊡ Tab. 38.2. Medikamente bei akutem Abdomen

Substanzgruppe Medikament Dosierung

Analgetika Metamizol (Novalgin) 1–2,5 g langsam i. v./Kurzinfusion

Piritramid (Dipidolor) 7,5–15 mg langsam i. v.

Pethidin (Dolantin) 50 mg i. v. und ggf. 50 mg s. c. oder


als Perfusor

Spasmolytika N-Butylscopolamin (Buscopan) 10–20 mg i. v.

Antiemetika Metoclopramid (Paspertin) 10–20 mg i. v.

Dimenhydrinat (Vomex A) 62,5 mg i. v.

z Gegebenenfalls Spasmolytika z Akute intermittierende Porphyrie: Vo-


(⊡ Tab. 38.2), z. B. bei Choledocho- lumensubstitution, Glukoseinfusion
oder Nephrolithiasis (etwa 5 g/kg KG/Tag), Hämarginat
z Eventuell Antiemetika (⊡ Tab. 38.2) bei (Normosang; 3 mg/kg KG/Tag als
vegetativer Begleitsymptomatik Kurzinfusion über 3–4 Tage)
z Intubation und Beatmung, wenn z Pseudoperitonitis diabetica: Therapie
notwendig: Ileuseinleitung, da Patien- des Diabetes mellitus
ten hochgradig aspirationsgefährdet z Perforation von Hohlorganen, akute
sind (Blitzintubation unter Ober- Appendizitis, Ileus: Notfalllaparotomie
körperhochlagerung, ausreichende z Intraabdominelle Blutung: großlu-
Präoxygenierung, Katecholamine be- mige periphervenöse Zugänge, ggf.
reithalten, zügige Narkoseinduktion, Shaldon-Katheter, Kristalloide und
kein »Bebeuteln«, sondern apnoische Kolloide, Kreuzblut (Konservenanfor-
Oxygenierung, Sellik-Handgriff, ra- derung sofort, ggf. ungekreuzt)
sche orotracheale Intubation) z Akute gastrointestinale Blutung:
ÖGD, Pantozol (80 mg über 1 h, dann
Spezielle Maßnahmen 160 mg/Tag für 3 Tage), Somatosta-
z Pankreatitis: Stabilisierung der Hä- tinperfusor (3 mg auf 36 ml über 12 h,
modynamik (hoher Volumenbedarf; insgesamt 72 h)
evtl. ZVD-gesteuert bei schwerem z Akute Mesenterialischämie, d. h. Me-
Verlauf), Schmerztherapie, Antibio- senterialarterienembolie oder Mesen-
tika bei nekrotisierendem Verlauf terialvenenthrombose: situationsge-
(nicht eindeutig gesichert), frühzei- rechtes Vorgehen (Notfalllaparotomie:
tige enterale Ernährung via Jejunal- Embolektomie bis Darmresektion)
sonde z Toxisches Megakolon: interdiszipli-
z Intestinale Pseudoobstruktion: näres Konsil im 12-h-Rhythmus,
Prokinetika, Entlastung durch endo- antibiotische Abdeckung und Cyclo-
skopische Absaugung, nasogastrale sporin i. v., rechtzeitige Indikation zur
Ablaufsonde Notfalloperation
316 Kapitel 38 · Akutes Abdomen

z Cholangitis, biliäre Pankreatitis: bei


Fieber und Zeichen der Cholestase
(laborchemisch und/oder sonogra-
phisch) ERCP mit Papillotomie und
Steinextraktion innerhalb von 24 h,
sonst innerhalb von 72 h
z Cholezystitis: konservativ oder ope-
rativ (Notfall-, Früh-, Intervallopera-
tion)
z Besonderheiten bei bestimmten
Patientengruppen:
5 geriatrische Patienten: hier oft
weniger spezifische Symptomatik
und längere Latenzzeit bis zum
Arztkontakt, aber schwerschwie-
gende Ursachen wie z. B. Aorten-
dissektion, mesenteriale Ischämie
(abdominale Angina), Mesente-
rial- oder Hinterwandinfarkt
5 HIV-Patienten:, auch hier oft
schwere Diagnosefindung, z. B.
Enterokolitis, Darmperforation
bei CMV-Infektion, Ileus bei
Kaposi-Sarkom oder Lymphomen,
von Beginn an sonst eher seltene
Erreger mitberücksichtigen, z. B.
atypische Mykobakterien, Krypto-
sporidien, erhöhtes Pankreatitisri-
siko (medikamentös)
5 Frauen: letzte Menstruation erfra-
gen, mögliche Extrauteringravidi-
tät bzw. Gravidität
5 Kinder: allgemeines Krankheitsge-
fühl ist hier oft mit Bauchschmer-
zen assoziiert (Differenzialdiagno-
sen: Gastroenteritis, Infekt, Otitis
media, Obstipation, Lymphadeni-
tis mesenterialis, Invagination,
passagerer Sigmavolvulus, Hoden-
torsion)
39.1 · Akute obere gastrointestinale Blutung 317 39.1

> Akute gastrointestinale


Blutung

39.1 Akute obere gastro- > Hämodynamisch stabile Patienten


intestinale Blutung unter 60 Jahren ohne schwerwie-
gende Begleiterkrankungen, einem
J. Dahm, H.-M. Steffen Hb-Wert von >8–10 g/dl und normaler
Blutgerinnung mit einer Forrest-IIc-
Definition oder -III-Blutung haben ein niedriges
z Blutung proximal des Treitz-Bandes, Risiko für eine Rezidivblutung und
die sich akut mit offensichtlichen können frühzeitig nach der Endo-
klinischen Symptomen oder seltener skopie entlassen werden – unter
auch als okkulte Blutung darstellt, die der Voraussetzung einer adäquaten
durch eine Eisenmangelanämie oder häuslichen Versorgung mit prompter
einen positiven Stuhltest auffällt Rückkehrmöglichkeit in die Klinik. In
z Inzidenz: 100–200/100.000/Jahr allen anderen Fällen liegt eine Hoch-
risikosituation mit entsprechender
Ätiologie Überwachungsnotwendigkeit vor.
z Ulcera ventriculi oder duodeni
(häufigste Ursache: etwa 55 %; Klinik
⊡ Tab. 39.1) z Hämatemesis: Bluterbrechen oder
z Ösophagusvarizenblutung (ungefähr Erbrechen von kaffeesatzähnlichem
10 %) und Mallory-Weiss-Syndrom Material
(etwa 7 %;  Kap. 40 u. 45) z Meläna bzw. Teerstuhl: schwarzer,
z Hämorrhagische oder erosive Gast- übelriechender, teerartiger, flüssiger
ropathien (ungefähr 20–25 %), meist Stuhl
durch NSAR, Alkohol oder Stress (bei z Hämatochezie: Blutstuhl; nur bei
intensivtherapiepflichtigen Patienten) massiver oberer gastrointestinaler
z Malignome Blutung
z »Gastric antral vascular ectasia« z Zeichen der Kreislaufinstabilität
(GAVE), sog. Wassermelonenmagen:
ektatische Gefäße in der Schleimhaut, Diagnostik
vom Pylorus zum Antrum ziehend z Anamnese: Ulzera, vorangegangene
(meist chronische Blutung) Blutung, Antikoagulation, Einnahme
z Dieulafoy-Läsionen: malformierte von NSAR, Leberzirrhose
oberflächliche Arterie mit bis zum z Notfalllabordiagnostik: Blutbild,
10fachen des normalen Kalibers Gerinnungsparameter, Nieren- und
z Magendivertikel Elektrolytwerte, Blutgruppe/Kreuzblut
318 Kapitel 39 · Akute gastrointestinale Blutung

⊡ Tab. 39.1. Endoskopische Einteilung einer Ulkusblutung nach Forrest

Forrest-Stadien Beschreibung Risiko einer Rezidivblutung [%]

Forrest I: Ia: arterielle, spritzende Blutung 85–100


aktive Blutung
Ib: venöse, sickernde Blutung 25–40

Forrest II: IIa: Läsion mit Gefäßstumpf 20–55


stattgefundene
Blutung IIb: Läsion von Koagel bedeckt 25–40

IIc: Läsion von Hämatin bedeckt 7–10

Forrest III: Keine Blutungszeichen 0–3


Läsion ohne
Blutungszeichen

z Notfallendoskopie bei Kreislauf- Stationäre Aufnahme (Intensivstation)


instabilität (HF von >100/min, systo- z Patient nüchtern lassen
lischer Blutdruck von <100 mmHg, z Anlage von großlumigen i. v. Zugän-
Anstieg der HF um ≥20/min oder gen, ggf. Shaldon-Katheter-Anlage
Abfall des Blutdrucks um ≥20 mmHg z Einschätzung der hämodynamischen
bei Orthostase); in den übrigen Fäl- Stabilität nach HF und Blutdruck →
len: zeitnahe Endoskopie innerhalb Volumensubstitution, ggf. 4–6 Eryth-
von 24 h rozytenkonzentrate und FFPs
z Kontrolle des Hb-Wertes und der
Therapie Gerinnungsparameter: Hb-Wert kann
initial »normal« sein → später Abfall
Kriterien der Therapieentscheidung z Verständigung des Endoskopikers, ggf.
Schutzintubation bei massiver Blutung
z Blutungsintensität: Hb-Wert bei
Aufnahme <8 g/dl, >6 Erythrozyten- z Frühzeitige konsiliarische Hinzuzie-
konzentrate/24 h notwendig, Schock
hung eines Chirurgen, insbesondere
bei Ulzera der Bulbushinterwand
z Blutungsaktivität: nach Forrest
(⊡ Tab. 39.1)
(A. gastroduodenalis)
z Blutungslokalisation: über Endoskopie
Notfallendoskopie
z Patientenspezifische Risikofaktoren: z. B.
Alter, Ko-Morbidität (KHK, Niereninsuffizi- z Indikation: je nach Dringlichkeit
enz etc.)
sofort oder im Intervall (80 % der Blu-
tungen aus Ulzera sistieren spontan)
z Risikofaktoren für eine Rezidivblutung:
Ulkusdurchmesser von >2 cm, Ulkus an z Beurteilung der Blutungsquelle, ggf.
der Duodenalhinterwand, Kreislaufinsta-
Blutstillung
bilität, Forrest-Ia- bis -IIb-Blutung, Gefäß- z Überlegenheit der mechanischen (sog.
durchmesser von >2 mm
Hämo-Clips aus Edelstahl) oder ther-
mischen Methoden (»heater probe«,
39.2 · Akute untere gastrointestinale Blutung 319 39.2
multipolare Sonden) nicht belegt; die eines Aszites (z. B. mit Ciprofloxacin
alleinige Injektionstherapie mit ver- über 7 Tage)
dünnter Adrenalinlösung reicht nicht
aus > Es besteht keine Indikation zur routi-
z Regeln der Flüssigkeits-/Nahrungszu- nemäßigen »Second-look«-Endoskopie
fuhr nach Endoskopie: oder zur täglichen »Ulkustoilette«. Nach
5 orale Flüssigkeitszufuhr 6 h nach erfolgreicher Blutstillung erfolgen Iden-
Endoskopie beim hämodynamisch tifikation und Behandlung der zugrunde
stabilen Patienten liegenden Ursache (NSAR, Infektion mit
5 feste Nahrung frühestens 24 h Helicobacter pylori etc.).
nach erfolgreicher Blutstillung
z Bei endoskopisch frustraner Interven-
tion bzw. nicht zu stillender Blutung: 39.2 Akute untere
angiographische Embolisation des gastrointestinale Blutung
blutenden Gefäßes, insbesondere bei
Risikopatienten für eine Operation J. Mertens, H.-M. Steffen
z Bei Rezidivblutung: 2. endoskopischer
Therapieversuch in enger Koopera- Definition
tion mit dem Chirurgen z Blutung distal des Treitz-Bandes bzw.
der Flexura duodenojejunalis
Pharmakotherapie z Inzidenz: 20/100.000/Jahr
z Protonenpumpeninhibitor: 80 mg
Pantoprazol als Kurzinfusion → Per- Allgemeines
fusor (160 mg auf 50 ml NaCl 0,9 % z Lokalisation: Kolon (80 %), Dünn-
über 24 h: 2 ml/h; Gesamttherapie- darm (5 %), keine Blutungsquelle
dauer: 72 h) nachweisbar (10 %)
z Somatostatin: 0,25 mg als Bolus → z Blutungen sistieren spontan (etwa 70 %)
Perfusor (3 mg auf 36 ml NaCl 0,9 % z Rezidivblutungsrate: 25 %
über 12 h: 3 ml/h, d. h. 0,25 mg/h;
insgesamt 2-mal täglich: 6 mg/24 h; Ätiologie und Klinik
Gesamttherapiedauer: 72 h); reduziert z Kardinalsymptom: Hämatochezie
die Perfusion im Splanchnikusgebiet, (Blutstuhl)
Nutzen nicht gut belegt z Jüngere Patienten (selten): chronisch-
z Pausierung bzw. Stoppen einer Anti- entzündliche Darmerkrankungen,
koagulationstherapie (Marcumarpati- Meckel-Divertikel; ältere Patienten:
ent): i. v. Gabe von Vitamin K1 sowie Angiodysplasien, Divertikelblutungen,
von Frischplasma oder sogar PPSB Neoplasien
z Erythromycin: 250 mg 20 min vor En- z Divertikel (40 %)
doskopie als i. v. Kurzinfusion (proki- z Angiodysplasien (11 %)
netisch, Magenentleerung zur Verbes- z Chronisch-entzündliche Darmerkran-
serung der endoskopischen Sichtver- kungen (5 %): Dünn- oder Dickdarm-
hältnisse; Cave: QT-Zeit-Verlängerung) blutung (Morbus Crohn)
z Primärprophylaxe einer spontanen z Neoplasien (9 %): Hämatochezie bei
bakteriellen Peritonitis: bei Leberzir- adenomatösen Polypen oder Neopla-
rhotikern, unabhängig vom Vorliegen sien eher selten
320 Kapitel 39 · Akute gastrointestinale Blutung

z Kolitiden (8 %): 5 Kontrolle von Hb-Wert und Gerinnung


5 infektiöse Kolitiden: CMV-, pseu- 5 Kreuzblut: Anforderung von jeweils
domembranöse, Amöbenkolitis 4–8 Erythrozytenkonzentraten und
5 ischämische Kolitiden: akute me- FFP-Einheiten
senteriale Ischämie (Schmerz steht 5 Notfallgastroskopie, ggf. anschließend
im Vordergrund, meist wenig blu- Koloskopie (wenn möglich perorale
tiger Stuhl), chronische Ischämie Darmvorbereitung, sonst hohe Reini-
(blutige Diarrhö, häufig ulzeröse gungseinläufe)
Linksseitenkolitis ohne Rektumbe- 5 Angiographie zur Lokalisation und
teiligung; Cave: Kokainabusus → Embolisation bei massiver, andau-
ischämische Kolitis) ernder Blutung ohne endoskopische
5 radiogene Kolitiden: chronische Interventionsmöglichkeit
und akute Blutungen nach Be-
strahlungen
z Anorektale Erkrankungen (10 %): z Koloskopie: in 80 % der Fälle erfolg-
selten massive Blutungen (Hämorrho- reiche Identifikation der Blutungs-
idalblutungen: meist Blutauflagerun- quelle, in 40 % erfolgreiche Blutstil-
gen) lung mit Argon-Plasma-Koagulation
z Unklare Genese (10–15 %): u. a. Blu- (APC), Injektion von verdünntem
tungsquellen im oberen Gastrointesti- Adrenalin, Clip-Applikation, Elektro-
naltrakt kauterisation, Laserablation, Sklero-
therapie oder Gummibandligatur
> Bei 5–10 % aller Hämorrhagien mit
rektalem Absetzen von hellem Blut liegt ! Dünne Darmwand im unteren Gastro-
die Ursache im oberen Gastrointestinal- intestinaltrakt → erhöhtes Perforations-
trakt, weswegen bei Unklarheit zunächst risiko, v. a. am Zäkum
immer eine Gastroskopie durchgeführt
werden sollte. z Intestinoskopie: bei Blutungen im
oberen bis mittleren Dünndarm
z Doppel- oder Single-Ballon-Entero-
Diagnostik und Therapie
skopie: Verfahren, um den komplet-
ten Dünndarm von oral und/oder
Vorgehen bei akuter unterer gastro- peranal aus zu untersuchen und inter-
intestinaler Blutung ventionell tätig zu werden
z Okkulte, leichte oder intermittierende z Angiographie: selektive Arterio-
Blutungen: graphie der Mesenterialarterien,
5 rektal-digitale Untersuchung Nachweis von Blutungen ab 0,5–1 ml/
5 Gastroskopie min, ggf. selektive Embolisation der
5 Anoproktoskopie blutenden Gefäße (Identifikation
5 komplette Koloskopie nach entspre- von Blutungsquellen: Sensitivität von
chender Vorbereitung 42–86 %, Spezifität von 100 %, Embo-
z Massive Hämatochezie: lisation in 96 % der Fälle erfolgreich)
5 großlumige venöse Zugänge, ggf. z Szintigraphie: Nachweis von Blutun-
Shaldon-Katheter-Anlage → Volu- gen ab 0,1 ml/min (99mTc-Schwefelkol-
mensubstitution loid, 99mTc-markierte Erythrozyten);
39.2 · Akute untere gastrointestinale Blutung 321 39.2
Überlagerungen von Darmschlingen
und Peristaltik → Fehlinterpretationen
bezüglich der Blutungslokalisation
z Kapselendoskopie: Miniaturkamera
in Kapselform (26 mm × 11 mm),
insbesondere zur Untersuchung des
kompletten Dünndarms
z Operation: bei Transfusion von ≥6
Erythrozytenkonzentraten/24 h und
erfolgloser Lokalisationsdiagnostik
erwägen, ggf. intraoperative Lokalisa-
tionsdiagnostik; die Mortalität steigt
mit der Zahl der erforderlichen Trans-
fusionen
z Infektiöse Kolitiden: meist keine
interventionelle Therapie, sondern
Therapie der Grunderkankung
322 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

> Erkrankungen
des Ösophagus
S. Schulte, H.-M. Steffen

40.1 Leitsymptome Dysphagie

z Dysphagie: Schluckstörung ohne Einteilung


Schmerzen z Oropharyngeale Dysphagie: ge-
z Odynophagie: Schluckstörung mit störter Ablauf des oropharyngealen
Schmerzen Transports
z Emesis z Ösophageale Dysphagie: häufig mit
z Regurgitation Würgereiz und Erbrechen assoziiert
z Sodbrennen
z Retrosternale Schmerzen Ätiologie
z Leitsymptome weisen auf funkti- z Strukturell: Veränderungen der
onelle Störungen oder organische »Schluckorgane«:
Erkrankungen der Speiseröhre hin, 5 Entzündungen: z. B. eosinophile
die eigenständig oder im Rahmen Ösophagitis
einiger Systemerkrankungen auftre- 5 gastroösophageale Refluxkrank-
ten können heit
5 Tumoren: Ösophaguskarzinom,
vorangegangene Tumorresektion
Systemerkrankungen mit ösophagealer im Kopf-Hals-Bereich
Beteiligung 5 Traumen
z Kollagenosen/Vaskulitiden (Skleroder- 5 Systemerkrankungen: z. B. Sklero-
mie, Sharp-Syndrom, Panarteriitis no-
dermie
dosa) 5 Fehlbildungen: z. B. Lippen-Kie-
fer-Gaumen-Spalten
z Morbus Behçet
z Chronische Polyarthritis z Neurogen: Störungen der »sensomo-
torischen Steuerung«, z. B. Tumoren
z Endokrinopathien (Diabetes mellitus
mit fortgeschrittener autonomer Neuro-
und Traumen
pathie, Hypothyreose) z Psychogen/psychosomatisch (u. a.
funktionelle Fehlanpassungen)
z Amyloidose
z Chronische intestinale Pseudobstruktion
Diagnostik
z Neuro-/Myopathien (Myositis, Myasthe-
nia gravis) z Anamnese: Gewichtsverlust/Exsik-
kose, vermehrtes Husten/Verschlei-
40.3 · Divertikel 323 40.3
mung, Bronchitis, Pneumonie, Be- 40.2 Hiatushernien
schwerden beim Essen und Trinken
z Körperliche Untersuchung: Definition
neurologischer Status inklusive z Hiatushernie: Verlagerung von
Hirnnervenstatus (V., VII., IX., Magenanteilen (Kardia) durch den
X., XI. Hirnnerv), Inspektion des Hiatus oesophageus in das Medi-
Oropharynx und HNO-Spiegel- astinum (90 % Gleithernien, 10 %
untersuchung, Überprüfung des Mischformen)
Schluckablaufs z Paraösophageale Hernie: Magen-
z Bildgebung: ÖGD (evtl. mit Biop- anteile (oder kompletter Magen:
sien), Endosonographie, Röntgen- »upside-down stomach«) verla-
untersuchung des Ösophagus (ohne gern sich neben dem Ösophagus
Barium) durch den Hiatus oesophageus in
das Mediastinum → Gefahr der
Emesis vollständigen Mageneinklemmung
(Volvulus) mit Passagestörung und
Definition chronischen gastrointestinalen
z Komplexer Vorgang unter Koordi- Blutungen
nation des Brechzentrums oder der
Chemorezeptortriggerzone Klinik und Diagnostik
z Auslöser: durch chemische oder toxi- z Meist asymptomatisch
sche Reize z Insuffizienz des Ösophagussphinkters
(10–20 % der Fälle): Symptomatik
Ätiologie einer gastrointestinalen Refluxerkran-
z Gastrointestinal: z. B. Pankreatitis, kung (Regurgitation, Sodbrennen,
Ileus, Peritonitis, Gallenkolik, Ul- retrosternale Schmerzen)
kuskrankheit, Achalasie, Divertikel, z Magen-Darm-Passage mit barium-
Varizenblutung, Mallory-Weiss- haltigem Kontrastmittel, ÖGD
Syndrom
z Neurologisch/vestibulär: z. B. erhöhter Therapie
Hirndruck, Neuronitis vestibularis, z Paraösophagale Hernie: laparoskopi-
Kinetosen, Morbus Menière sche Reponierung und Hiatusplastik
z Intoxikationen: z. B. Lebensmittel- mit Fundopexie
vergiftung, Ergotismus, Digitalis, z Axiale Gleithernie: konservative
Zytostatika, Drogen Therapie der Refluxösophagitis, ggf.
z Metabolisch/endokrinologisch: z. B. operative Sanierung
Urämie, diabetische Ketoazidose,
diabetische Gastroparese, hepatische
Enzephalopathie 40.3 Divertikel
z Psychogen: z. B. Bulimie, Anorexia
nervosa Definition
z Andere Ursachen: z. B. Strahlenkrank- z Echte Divertikel (epibronchiale
heit, Emesis/Hyperemesis gravida- Traktionsdivertikel; 20 %):
rum, akutes Skrotum, Glaukomanfall, 5 Ausstülpung der »gesamten«
Myokardinfarkt Ösophaguswand
324 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

5 Ursache: Zugwirkung adhärenter erbach) → mangelnde Erschlaffung


entzündlicher Lymphknoten (Lun- des unteren Ösophagussphinkters und
gentuberkulose) Fehlen der anterograden Peristaltik
z Falsche oder Pseudodivertikel z Primäre Achalasie: idiopathischer Un-
(Pulsionsdivertikel): tergang von Neuronen im Auerbach-
5 Ausstülpungen von Mukosa und Plexus
Submukosa durch eine Lücke in z Sekundäre Achalasie: direkte Schä-
der Muskelschicht digung ösophagealer Neuronen bei
5 Zenker-Divertikel (70 %): Hypo- Chagas-Krankheit (Infektion durch
pharynx (Killian-Dreieck) Trypanosoma cruzi) oder Kardiakar-
5 epiphrenische Divertikel (10 %): zinom
zwerchfellnah
Epidemiologie
Klinik und Diagnostik z Inzidenz: etwa 1/100.000 Einwohner/
z Leitymptome: Dysphagie, Regurgita- Jahr
tion, Hustenreiz z Manifestationsalter: 30.–50. Lebens-
z Diagnostik: wie bei Hiatushernien jahr

Komplikationen Klinik
z Aspiration z Dysphagie
z Blutung z Regurgitation → Gefahr der Aspirati-
z Perforation onspneumonie
z Fistel z Krampfartige retrosternale Schmer-
zen, retrosternales Völlegefühl
Therapie
z Zenker-Divertikel: Divertikelabtra- Diagnostik
gung und zeitgleiche Myotomie des z Anamnese: nahrungsabhängige
oberen Ösophagussphinkters (Rezi- Symptome
divrate: 4 %; Letalität: <0,4 %) z Bildgebung:
z Traktionsdivertikel: operative Abtra- 5 Ösophagusbreischluck: prästeno-
gung nur bei Beschwerden tisch dilatierter, atonischer »Mega-
z Epiphrenisches Divertikel: bei ent- ösophagus« (Sektglasform)
sprechender Größe besteht wegen der 5 ÖGD mit Biopsien: Ausschluss
Gefahr der Regurgitation die Indika- von Sklerodermie, Pseudoacha-
tion zur operativen Divertikelexzision lasie bei Kardiakarzinom und
mit gleichzeitiger Myotomie des unte- Chagas-Krankheit
ren Ösophagussphinkters z Manometrie: fehlende oder unvoll-
ständige Erschlaffung des unteren
Ösophagusphinkter beim Schluckakt,
40.4 Achalasie keine peristaltischen Kontraktionen,
positiver Ruhedruck des Ösophagus
Definition
z Motilitätsstörung des Ösophagus, Differenzialdiagnostik
basierend auf degenerativen Verände- z Tumoren: Ösophagus-, Kardia-
rungen des Plexus myentericus (Au- karzinom
40.6 · Hyperkontraktiler Ösophagus 325 40.6
z Diffuser Ösophagusspasmus Klinik
z Angina pectoris z Retrosternale, krampfartige
z Amyloidose Schmerzen
z Sarkoidose z Dysphagie
z Neurofibromatose z Sodbrennen
z Eosinophile Gastroenteritis
z MEN Typ 2b Diagnostik
z Sjögren-Syndrom z Ausschluss einer KHK
z Chronische intestinale Pseudo- z Manometrie
obstruktion z ÖGD
z Morbus Fabry
Therapie
Therapie z Bei Refluxbeschwerden: Protonen-
z Endoskopisch: pumpenhemmer
5 Methode der Wahl (65- bis 85%ige z Bei Dysphagie: evtl. endoskopische
Erfolgsquote): pneumatische Dila- Dilatation
tation z Gegebenenfalls Injektion von Botuli-
5 Injektion von Botulinumtoxin numtoxin
(zu >50 % Rezidive nach 6–9 Mo-
naten)
z Pharmakotherapie (temporär): Nife- 40.6 Hyperkontraktiler
dipin, Isosorbiddinitrat (30 min vor Ösophagus
dem Essen) (Nussknackerösophagus)
z Operativ: Myotomie nach Gottstein-
Heller mit Fundoplastik nach Nissen Definition
(90%ige Erfolgsquote) z Peristaltische hyperkontraktile
Ösophaguskontraktionen
> Wegen des erhöhten Risikos für ein
Ösophaguskarzinom sollte regelmäßig Klinik und Diagnostik
eine ÖGD mit Biopsie veranlasst werden. z Es besteht ein nichtkardialer Brust-
schmerz ohne Dysphagie
z Gesteigerte Irritabilität des Öso-
40.5 Diffuser phagus auf verschiedene Reize, z. B.
Ösophagusspasmus Stress
z Manometrie
Definition z ÖGD: Ausschluss einer Refluxöso-
z Nicht peristaltisch ablaufende, phagitis
sondern simultane Ösophaguskon- z Ausschluss einer KHK
traktionen
Therapie
> Bei etwa 10 % aller Herzkatheterpati- z Rein symptomatisch
enten mit Angina pectoris und unauffäl- z Eventuell niedrigdosierte trizyklische
ligem koronarangiographischen Befund Antidepressiva (z. B. täglich 25–50 mg
finden sich manometrisch nachweisbare Imipramin – Tofranil)
Ösophagusspasmen.
326 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

40.7 Mallory-Weiss-Läsion z Diagnostik: Röntgenuntersuchung


des Thorax, Ösophaguspassage mit
Definition wasserlöslichem Kontrastmittel (Gas-
z Longitudinale Schleimhauteinrisse trografin); wenn möglich keine Öso-
(Mukose, Submukosa) im Grenzgebiet phaguskopie
zwischen Magen und Ösophagus,
gehäuft bei Alkoholikern mit geschä- Therapie
digter Ösophagusschleimhaut, z. B. z Notfallmäßige Ösophagusübernähung
bei bestehender Refluxösophagitis und antibiotische Abdeckung (z. B.
z In der Regel in zeitlichem Zusam- Clindamycin plus Ceftriaxon)
menhang mit vermehrtem Alkohol-
konsum und erhöhtem ösophago-
gastralen Druck durch Würgen und 40.9 Ösophagusvarizen
Erbrechen auftretend
Definintion
Klinik und Diagnostik z Krampfadern der Speiseröhre, wel-
z Hämatemesis, epigastrische Schmerzen che nach der Strömungsrichtung in
z ÖGD Uphill- (bei portaler Hypertonie) und
Downhill-Varizen (nur im oberen
Therapie Drittel des Ösophagus bei mediastina-
z Endoskopische Blutstillung len Raumforderungen) unterschieden
z Protonenpumpenhemmer werden
z Gegebenenfalls operative Versorgung z Ösophagusvarizenblutung: lebens-
bedrohliche Komplikation (Letalität
einer akuten Blutung: 20–40 %)
40.8 Boerhaave-Syndrom z Faktoren der Blutungsgefährdung:
(spontane 5 Lokalisation und Größe
Ösophagusruptur) 5 »cherry red spots«
5 Child-Pugh-Stadium
Definition
z Postemetisch, akute intraabdomi- Diagnostik
nale Druckerhöhung mit Ruptur > Bei Erstdiagnose einer Leberzirrhose
des supradiaphragmalen Ösophagus ist eine genaue endoskopische Diagnos-
(Maximalvariante einer Mallory- tik erforderlich, da 50 % der Patienten
Weiss-Läsion mit hoher Mortalität: bereits Varizen aufweisen.
unbehandelt >60 %)
z ÖGD: Schweregradeinteilung nach
Klinik und Diagnostik Größe, Lokalisation und Blutungsstig-
z Mackler-Trias: explosionsartiges mata
Erbrechen, retrosternaler Vernich- z Bei Downhill-Varizen: CT des Thorax
tungsschmerz, Mediastinalemphysem
mit Hautemphysem/Pleuraerguss/ Differenzialdiagnostik
Pleuraempyem z Bei etwa 10–20 % aller Varizenträger
z Komplikation: Mediastinitis (hohe liegen als weitere potenzielle Blu-
Letalität) tungsquellen vor:
40.11 · Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) 327 40.11
5 Fundusvarizen quationsnekrose (meist transmural
5 portale hypertensive Gastropathie mit Perforationsgefahr)
(steifenförmige, rötliche Läsionen
mit mosaikartiger Veränderung Klinik
der Magenmukosa, u. U. Mukosa- z Pharyngeale/retrosternale Schmerzen
einblutungen) z Odynophagie
5 Duodenalvarizen z Schluckunfähigkeit
5 peptische Ulzera
Diagnostik
Therapie z Anamnese
Primäre Blutungsprophylaxe z Laryngoskopie
z Blutungsgefährdete Varizen z Auschluss einer Perforation mittels
(Grade II–III, »cherry red spots«): Röntgenthoraxuntersuchung
Beginn der Primärprophylaxe z ÖGD
z »First-line«-Prophylaxe: nichtselektive
β-Blocker, z. B. Propranolol (Dociton; Therapie
3-mal 40–80 mg/Tag); Ziel: Senkung z Leichtgradige Verätzungen: Schmerz-
des Ruhepulses um etwa 25 % therapie
z »Second-line«-Prophylaxe: endosko- z Höhergradige Verätzungen: Erhalt der
pische Ligatur bei Unverträglichkeit Vitalfunktionen → Schocktherapie
oder Nebenwirkungen der »First- z Bei Perforation: chirurgische Therapie
line«-Prophylaxe
Komplikationen und Spätfolgen
Vorgehen bei akuter Ösophagus- z Perforation
varizenblutung z Superinfektion
z Sofortmaßnahmen:  Kap. 45.11 z Mediastinitis
z Indikation zur Notfallendoskopie; z Multiorganversagen
in etwa 50 % der Fälle steht die z Verätzungsstrikturen mit erhöhtem
Varizenblutung zum Zeitpunkt der Karzinomrisiko
Endoskopie

> Bei endoskopischen Zeichen einer 40.11 Gastroösophageale


stattgefundenen Blutung und Ösopha- Refluxkrankheit (GERD)
gusvarizen besteht die Indikation zur
Varizeneradikation mittels Ligatur. Definition
z Reflux von Mageninhalt verursacht
belästigende Symptome und/oder
40.10 Säure- oder Komplikationen
Laugenverätzung z Unter dem Begriff der gastroöso-
phagealen Refluxkrankheit werden
Definintion 3 verschiedene phänotypische Präsen-
z Suizidale oder akzidentelle Ingestion tationen zusammengefasst:
→ säurebedingte Koagulationsnek- 5 nichterosive Refluxkrankheit
rosen (oberflächlich, prognostisch (»nonerosive reflux disease«,
günstig) oder laugenbedingte Kolli- NERD)
328 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

5 erosive Refluxkrankheit (»erosive 5 Syndrome mit ösophagealer


reflux disease«, ERD) verschiede- Schädigung: Refluxösophagitis,
ner Schweregrade Refluxstriktur, Barrett-Ösophagus,
5 Barrett-Ösophagus ösophageales Adenokarzinom
z Extraösophageale Syndrome:
Allgemeines 5 etablierte Assoziationen: Husten,
z Prävalenz der Refluxsymptome (Sod- Laryngitis, Asthma bronchiale,
brennen und Regurgitation): 10–20 % Zahnerosionen
z Risikofaktoren: Übergewicht, Rau- 5 vermutete Assoziationen: Pharyn-
chen, niedriger sozioökonomischer gitis, Sinusitis, idiopathische Lun-
Status, Fehlernährung genfibrose, rezidivierende Otitis
z Nichterosive Refluxkrankheit (mit media
>50 % häufigste Manifestation): in
etwa 10 % der Fälle Progression zu Klinik
erosiver Refluxkrankheit z Leitsymptom: Sodbrennen (in etwa
z Erosive Refluxkrankheit (< 50%): 75 % der Fälle liegt eine Refluxkrank-
in der Regel keine Progression des heit vor)
Schweregrads z Aufstoßen
z Entwicklung eines Barrett-Ösophagus z Retrosternale Schmerzen
innerhalb von 2 Jahren: z Dys-/Odynophagie
5 5,8 % bei schwerer Ösophagitis z Reizhusten/Heiserkeit (Laryngitis,
(erosive Refluxkrankheit) laryngopharyngealer Reflux)
5 1,4 % bei geringer Ösophagitis z Asthma bronchiale
(erosive Refluxkrankheit) z Zahnschmelzerosionen
5 0,5 % bei nichterosiver Reflux-
krankheit Diagnostik
z Anamnese: Erfragen der typischen
Ätiologie Symptome
z Primär: insuffizienter Verschlussme- z Gegebenenfalls probatorische The-
chanismus des unteren Ösophagus- rapie mit Protonenpumpenhem-
spinkters mern
z Sekundär: z ÖGD (⊡ Tab. 40.1)
5 Assoziation mit anderen Zustän- z pH-Metrie (DeMeester-Score):
den/Erkrankungen: z. B. Gravidi- 5 Therapiekontrolle bei unzurei-
tät, Zollinger-Ellison-Syndrom, chendem klinischen Therapie-
Sjögren-Syndrom, Sklerodermie, effekt
Magenverweilsonde 5 Protonenpumpenhemmer etwa
5 Medikamente: z. B. Kalziumantago- 1 Woche vorher absetzen
nisten, Theophyllin, Nitropräparate 5 pathologisch: Reflux mit einem
pH-Wert von <4 während 8 % des
Einteilung (Montreal-Klassifikation) Tages und 3 % der Nacht
z Ösophageale Syndrome: 5 ggf. Manometrie des distalen
5 symptomatische Syndrome: typi- Ösophagus (Differenzialdiagno-
sches Refluxsyndrom, nichtkardia- sen: diffuser Ösophagusspasmus,
ler Brustschmerz hyperkontraktiler Ösophagus)
40.11 · Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) 329 40.11
⊡ Tab. 40.1. Los-Angeles-Klassifikation der Refluxkrankheit

Grad Erosionen

A <5 mm im Durchmesser

B ≥5 mm im Durchmesser

C Faltenübergreifend, Erosionen erfassen <75 % der Zirkumferenz

D Erosionen erfassen ≥75 % der Zirkumferenz

Weitere Klassifikationen: nach Savary und Miller, MUSE-Klassifikation

> Jeder Patient mit Refluxkrankheit stellen des Kopfteils des Bettes,
sollte mindestens einmal im Verlauf Berücksichtigung individueller Nah-
seiner Erkrankung zum Ausschluss eines rungsunverträglichkeiten
Barrett-Ösophagus endoskopiert werden. z Medikamente:
Bei Alarmsymptomen – Odynophagie, 5 Mittel der 1. Wahl sind Proto-
Dysphagie, Gewichtsverlust, Blutung, An- nenpumpenblocker (⊡ Tab. 40.2):
ämie – ist eine dringliche Endoskopie an- z keine Evidenz für Kombi-
gezeigt, auch bei fehlendem Ansprechen nation mit Prokinetika z bei
auf eine Therapie mit Protonenpumpen- unzureichendem Effekt korrekte
blockern (nach etwa 4 Wochen). Einnahme (vor der Mahlzeit)
überprüfen z bei unzureichen-
Differenzialdiagnostik dem Effekt: 2-mal tägliche Gabe
z Ösophageale Motilitätsstörungen: oder Präparatewechsel; Erhöhung
diffuser Ösophagusspasmus, hyper- der Einzeldosis praktisch ohne
kontraktiler Ösophagus stärkere Wirkung (Ausnahme
z Achalasie Omeprazol: 40 mg statt 20 mg)
z Ösophagusulzera (durch Tablettenein- z Initialtherapie: Standarddosis
nahme: z. B. Doxycyclin, Kaliumkap- für 4 Wochen, bei schwerer Öso-
seln, Bisphosphonat) phagitis für 8 Wochen geben; bei
z Ösophaguskarzinom kontrollierter Symptomatik Aus-
z Ösophagusdivertikel lassversuch, sonst Fortsetzung der
z KHK Therapie in doppelter Dosis und
Re-Evaluation nach 4 bzw. 8 Wo-
Therapie chen z Rezidivtherapie: konti-
z Ziel: Symptombefreiung und Wie- nuierliche Einnahme und Versuch
derherstellung der Lebensqualität, der Dosisreduktion (»step down«)
probatorische Therapie bei extraöso- oder intermittierende Gabe (»on
phagealen Manifestationen demand«)
z Allgemeinmaßnahmen: Gewichts- 5 bei Therapieversagern: trizyklische
reduktion, Nikotin-/Alkoholkarenz, Antidepressiva oder SSRI zur Sen-
Meiden voluminöser (insbesondere kung der ösophagealen Schmerz-
spätabendlicher) Mahlzeiten, Hoch- schwelle
330 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

⊡ Tab. 40.2. Protonenpumpenhemmer

Wirkstoff Handelsnamen (Beispiel) Orale Standarddosierung (Tagesdosis) [mg]

Esomeprazol Nexium Mups 20–40

Lansoprazol Agopton 30

Lanzor 30

Omeprazol Antra Mups 20

Pantoprazol Pantozol 40

Rabeprazol Pariet 20

z Chirurgie: bei sorgfältig selektionier- Diagnostik


ten Patienten laparoskopische Antiref- z Videoendoskopie
luxoperation, z. B. Fundoplicatio nach z Gegebenenfalls Chromoendoskopie,
Nissen (Anlage einer Fundusman- Vergrößerungsendoskopie oder »nar-
schette um den Ösophagus) row band imaging«
z Endoskopie mit Quadrantenbiopsien
alle 1–2 cm
40.12 Barrett-Ösophagus z Endosonographie vor endoskopischer
Intervention oder Operation
Definition
z Zylinderepithelmetaplasie proxi- > Bei Verdacht auf eine geringgradige
mal des gastroösophagealen Über- intraepitheliale Neoplasie (IEN) und bei
gangs Nachweis regeneratorischer Verände-
z Long-Segment-Barrett-Ösophagus: rungen sollte nach einer 4- bis 6-wö-
Länge der Metaplasie von >3 cm chigen Therapie mit Protonenpumpen-
z Short-Segment-Barrett-Ösophagus: hemmern eine Kontrollendoskopie mit
Länge der Metaplasie von ≤3 cm Biopsien erfolgen (⊡ Tab. 40.3). Eine
Bestätigung der intraepithelialen Neo-
> Ein Long-Segment-Barrett-Ösopha- plasie erfolgt durch ein pathologisches
gus mit intestinaler Metaplasie ist der Zweitgutachten.
wichtigste Risikofaktor (Präkanzerose)
für das ösophageale Adenokarzinom Therapie
(jährliche Konversionsrate zum Karzi- z Barrett Ösophagus ohne intraepithe-
nom: 0,5–1 %, bei Männern etwa 3 %). liale Neoplasie: medikamentöse Be-
handlung der Refluxkrankheit, keine
Epidemiologie prophylaktische Ablation der Barrett-
z Prävalenz in der Allgemeinbevölke- Schleimhaut
rung: etwa 0,5–2 % z Barrett Ösophagus mit intraepithelia-
z Prävalenz bei Refluxpatienten: 5 % ler Neoplasie: ⊡ Tab. 40.3
40.14 · Gutartige Ösophagustumoren 331 40.14
⊡ Tab. 40.3. Überwachungsempfehlung bei Nachweis einer intraepithelialen Neoplasie (IEN)

IEN-Grad Long-Segment-Barrett-Ösophagus Short-Segment-Barrett-Ösophagus

Keine IEN Nach 2 negativen Kontrollen im Nach 2 negativen Kontrollen im


1. Jahr Kontrolle alle 3 Jahre 1. Jahr Kontrolle alle 4 Jahre

Geringgradi- 2 Kontrollen im Abstand von 6 Monaten, dann jährliche Kontrollen; bei


ge IEN (»low Nachweis einer IEN in mukosalen Erhabenheiten wird eine endoskopische
grade«) Resektion angestrebt

Hochgradige Bei sichtbarer Läsion endoskopische Resektion, bei nicht sichtbarer


IEN (»high hochgradiger IEN photodynamische Therapie oder Operation
grade«)

z Barrett Adenofrühkarzinom: z Orale Läsionen


5 mukosales Karzinom: endoskopi- z Blutung
sche Resektion, photodynamische z Diarrhö
Therapie oder Operation z Fieber
5 submukosainfiltrierendes Karzi- z Gewichtsverlust
nom: Operation, da bei Infiltration
des obersten Submukosadrittels Diagnostik und Therapie
bereits in 20 % der Fälle Lymph- z Anamnese
knotenmetastasen vorliegen z ÖGD mit Biopsien und mikrobiologi-
schen Abstrichen (⊡ Tab. 40.4)

40.13 Infektionen
40.14 Gutartige
Allgemeines Ösophagustumoren
z Auftreten meist unter Immunsuppres-
sion z Leiomyome:
z Ein additiver Säurereflux führt neben 5 von der glatten Muskulatur aus-
der direkten Schleimhautschädigung gehend, meist im mittleren und
durch den Erreger zur Symptomver- distalen Drittel
stärkung 5 Männer häufiger betroffen als
Frauen
> Neben der spezifischen Therapie des 5 Operation bei symptomatischen
Erregers ist eine Säureblockade not- Tumoren bzw. bei einer Größe von
wendig. >3–4 cm durch thorakoskopische
Enukleation
Klinik z Polypen: endoskopische Schlingen-
z Dys-/Odynophagie abtragung als Therapie der Wahl
z Retrosternale Schmerzen z Seltene Tumoren: gastrointestinale
z Übelkeit/Erbrechen Stromatumoren, Hämangiome, Gra-
z Abdominelle Beschwerden nularzelltumoren
332 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

⊡ Tab. 40.4. Erregerspektrum der infektiösen Ösophagitis

Erreger Schleimhautläsion Therapie

Candida albicans, Von kleinen weißen  Fluconazol: 1-mal 6 mg/kg KG/Tag


Candida tropicalis, Belägen bis hin zu p. o über 14–21 Tage
Candida glabrata schweren Ulzerationen  Alternativen:
 Itraconazol: 5 mg/kg KG/Tag in
2 Einzeldosen p. o.
 Caspofungin: 1-mal 50 mg/
m2 KOF/Tag i. v.
 Voriconazol: 400 mg/Tag in
2 Einzeldosen p. o.

Herpes-simplex-Virus Vesikeln, Aphthen bis  Bei Immunkompetenz spontane


hin zu Ulzerationen Abheilung
 Aciclovir: 5–10 mg/kg KG/8 h i. v.
(Anpassung an Kreatinin-Clea-
rance)

CMV Vereinzelte große  Ganciclovir: 5 mg/kg KG/12 h i. v.,


Ulzerationen, die nicht Dosisreduktion nach 2–3 Wo-
spontan abheilen chen (Anpassung an Kreatinin-
Clearance)
 Foscarnet: 90 mg/kg KG/12 h i. v.,
Dosisreduktion nach 2–3 Wochen

HIV; im Rahmen der Sehr große Geschwüre  Prednison: 40 mg/Tag,


HIV-Infektion: im Rahmen einer ge- Dosisreduktion über 4 Wochen
 alle genannten störten Immunantwort  Hochaktive antiretrovirale The-
Viren rapie
 Epstein-Barr-Virus
 Papillomaviren

Mykobakterien: Ulzera und zusätzliche  Mycobacterium tuberculosis:


 direkte Infektion Kolonisierung von Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol,
mit Mycobacte- Schleimhautläsionen Pyrazinamid
rium tuberculosis  Atypische Mykobakterien:
(selten) Clarithromycin, Rifabutin,
 atypische Myko- Ethambutol; bei HIV-Patienten
bakterien, lebenslange Therapie
z. B. Mycobac-
terium avium-
intracellulare

Ein parasitärer Befall des Ösophagus ist äußerst selten (Trypanosoma cruzi, Entamoeba histoly-
tica, Echinokokken).
40.15 · Ösophaguskarzinom 333 40.15
40.15 Ösophaguskarzinom z Topographisch (unter chirurgischen
Gesichtspunkten):
Allgemeines 5 Plattenepithelkarzinome: z sup-
z Inzidenz (Deutschland): 4–5/100.000 rabifurkal: etwa 5 % z bifurkal:
(Männer) bzw. 0,5–1/100.000 ungefähr 40 % z infrabifurkal:
(Frauen) etwa 60 %
z Medianes Erkrankungsalter: 65 Jahre 5 Adenokarzinome des ösophago-
z Zweittumor beim Staging von HNO- gastralen Übergangs: Einteilung
Tumoren (Schluck- und Rauchstraße) nach Siewert: z Typ I (Barrett-
z 70 % werden erst in fortgeschrittenen Karzinom): 5 cm oral der Kardia
Stadien diagnostiziert z Typ II (Kardiakarzinome): in
z Pathologie: Plattenepithelkarzi- Höhe der Kardia z Typ III (sub-
nome (50–60 %), Adenokarzinome kardiale Karzinome): 5 cm aboral
(40–50 %, steigende Tendenz), seltene der Kardia
Malignome (primäre oder infiltrie-
rende kleinzellige Karzinome, primäre Klinik
oder sekundäre Lymphome) z Leitsymptom: progrediente »Dyspha-
z Metastasierung: gie« bis Schluckunfähigkeit
5 frühe lymphogene Metastasierung: z Gewichtsverlust
im Tumorstadium T1 bereits zu z Retrosternale Schmerzen
30 % z Regurgitationen
5 späte hämatogene Metastasierung: z Tastbare zervikale Lymphknoten
Lunge, Leber, Skelett
z Risikofaktoren: Diagnostik (Staging → TNM-
5 Plattenepithelkarzinom: Alko- Klassifikation)
hol- und Nikotinabusus, Zöliakie, z Endoskopie:
Sklerodermie, perniziöse Anämie 5 ÖGD mit Biopsie
(Morbus Biermer), Säure-/Laugen- 5 Endosonographie: Bestimmung
verätzungen, Strahlentherapie der Tumoreindringtiefe
5 Adenokarzinom: Übergewicht, z Bildgebung:
Refluxkrankheit, Barrett-Öso- 5 Ösophagusbreischluck und Ma-
phagus gen-Darm-Passage
z Screening: Empfehlung nur für den 5 Röntgenuntersuchung des Thorax
Barrett-Ösophagus in 2 Ebenen
5 CT: Hals, Thorax und Abdomen
Einteilung 5 PET: meist in Form von PET-CT,
z Pathologisch: insbesondere bei Adenokarzino-
5 Plattenepithelkarzinome: v. a. pro- men
ximales und mittleres Drittel z HNO-Konsil: bei zervikalem Tumor
5 Adenokarzinome des ösophago- und Verdacht auf Rekurrensparese
gastralen Übergangs: steilste In- z Bronchoskopie: bei suprabifurkalen
zidenzzunahme aller epithelialen Tumoren, Darstellung des Bezugs
Tumoren, in den USA inzwischen zum Tracheobronchialsystem
häufiger als Plattenepithelkarzi- z Laparoskopie: bei infrabifurkalem
nom Adenokarzinom
334 Kapitel 40 · Erkrankungen des Ösophagus

Therapie Definitive Radio-Chemo-Therapie


z Entscheidend für die Indikation zur (Plattenepithelkarzinom)
Operation sind die Beurteilung des z Kumulative Gesamtdosis: 50–60 Gy
Operationsrisikos und die Abschät- z Simultane Chemotherapie
zung der Wahrscheinlichkeit einer z Überlebensrate und Lebensqualität
R0-Resektion wie bei Ösophagektomie
z Häufig erhebliche Ko-Morbiditäten
und Compliance-Probleme durch Palliative Therapieoptionen
Suchtverhalten z Guter Allgemeinzustand ohne
schwere Dysphagie: Chemothera-
Endoskopische Therapie pie (Cisplatin, 5-Fluorouracil) oder
z Endoskopische Mukosaresektion Radio-Chemo-Therapie
bei oberflächlichen, auf die Mukosa z Endoskopische Lasertherapie: bei
begrenzten Karzinomen exophytisch wachsenden Tumo-
ren (Wiederholungen nach jeweils
> Das Risiko der Lymphknotenmetasta- 4–6 Wochen)
sierung steigt bei Submukosainfiltration z Implantation eines Ösophagusstents
sprunghaft auf 20–40 % an. mit Kunststoffummantelung: insbe-
sondere bei Fisteln; Migration und
Chirurgische Therapie Tumorüberwucherung in 30 % der
z Plattenepithelkarzinom: radikale Fälle
»En-bloc«-Resektion mit systemati- z Sicherung der Ernährung: rechtzeitige
scher Lymphknotendissektion PEG
z Adenokarzinom des ösophagogastra-
len Übergangs:
5 Typ I: subtotale Ösophagektomie
(Ivor-Lewis-Verfahren) und proxi-
male Magenresektion
5 Typen II–III: transhiatal erweiterte
Gastrektomie
z Ösophagusersatz durch Magenhoch-
zug oder Koloninterponat
z Lokal fortgeschrittene Tumoren:
neoadjuvante Radio-Chemo-Thera-
pie auf Cisplatin- und 5-Fluoroura-
cil-Basis
z 30-Tages-Mortalität: etwa 5–10 %,
abhängig von Alter und Begleit-
erkrankungen
z 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate nach
R0-Resektion:
5 Stadium I: 80 %
5 Stadien II und III: 20–40 %
41.1 · Dyspepsie 335 41.1

> Erkrankungen des Magens


J. Dahm, H.-M. Steffen

> Leitsymptom der Magenerkran- Allgemeines


kungen sind epigastrische Schmerzen, z Prävalenz dyspeptischer Beschwerden:
häufig verbunden mit Übelkeit und bis zu 60 %/Jahr
Erbrechen, sowie die obere gast- z Zeitlich begrenzter symptomorientier-
rointestinale Blutung, die sich als ter Behandlungsversuch über 4 Wo-
Hämatemesis, Meläna oder Anämie chen bei fehlenden Alarmsymptomen
manifestiert. z Sofortige Endoskopie bei Alarmsymp-
tomen

41.1 Dyspepsie > Alarmsymptome, die gegen die Diag-


nose »funktionelle Störung« sprechen
Definition z Fieber
z Persistierende oder wiederkehrende z rezidivierendes Erbrechen, Dehydrata-
Schmerzen im Oberbauch mit Aufsto- tion
ßen, Übelkeit und vorzeitigem Sätti- z Anämie, Hämatochezie, Teerstuhl,
gungs- oder Völlegefühl positiver Haemoccult-Test
z Kann kein organisches Korrelat ge- z Dysphagie, Odynophagie
funden werden, spricht man von einer z Ikterus
funktionellen Dyspepsie, einer nicht- z Gewichtsverlust von >10 %
ulzerösen Dyspepsie (Non-Ulkus- z Tastbare Resistenz oder tastbare
Dyspesie) oder einem Reizmagen Lymphknoten
z Ulkus, Magenoperation oder Tumor in
Einteilung: Rom III Kriterien der der Vorgeschichte
funktionellen Dyspepsie: z Gastrointestinale Tumoren, chronisch-
z Essenzielles Kriterium: kein Hinweis entzündliche Darmerkrankungen oder
auf eine strukturelle Genese der Be- Sprue in der Familie
schwerden einschließlich unauffälliger
Gastroduodenoskopiebefund Diagnostik und Therapie bei
z Erfüllung mindestens eines der fol- Patienten ohne Alarmsymptome
genden Kriterien über ≥3 Monate und einem Alter von <55 Jahren
(Symptombeginn vor ≥6 Monaten): z Nichtinvasiver Test auf Helicobacter
5 störendes postprandiales Völle- pylori (Antigentest im Stuhl oder
gefühl Atemtest) → Eradikation bei positi-
5 frühes Sättigungsgefühl vem Test
5 epigastrische Schmerzen z Persistenz der Symptome → erneut
5 epigastrisches Brennen nichtinvasiver Test auf Helicobacter
336 Kapitel 41 · Erkrankungen des Magens

pylori 4 Wochen nach erfolgter Eradi- Diagnostik


kation → z Anamnese, insbesondere Auslöser
5 persistierende Infektion → alter- und Verlauf
native Eradikationsbehandlung z ÖGD mit Histologie
5 erfolgreiche Eradikation → Pro-
tonpumpenblocker über 4 Wochen Therapie
→ Auslassversuch z Nahrungskarenz
5 Symptomrezidive → längerfristige z Weglassen von Noxen
Protonenpumpenblockertherapie, z Medikamentöse Therapie mit
alle 6–12 Monate Auslassversuch Antazida und Antiemetika
5 Persistenz der Symptome bei Stan- z Stressulkusprophylaxe bei intensiv-
darddosierung → Endoskopie therapiepflichtigen Patienten

Chronische Gastritis – Allgemeines


41.2 Gastritis
Epidemiologie
Definition z Bakterielle Gastritis: häufigste Form
z Entzündliche Infiltration der Ma- (80–90 %)
genschleimhaut mit Läsionen in der z Frauen 3-mal häufiger betroffen als
Mucosa, d. h. histologische Diagnose Männer

Einteilung Klinik
z Akute Gastritis z Völlig asymptomatisch oder
z Chronische Gastritis: Typen A, B, C, dyspeptische oder abdominelle
(D) Schmerzen
z Schwere der Klinik korreliert schlecht
Akute Gastritis mit dem endoskopischen Befund
z Eventuell spezifische Symptome, je
Ätiologie nach der Ursache
z Infektiös: Viren (Norovirus, Rotavi-
rus), lebensmittelassoziiert durch Bak- Einteilung
terien oder deren Toxine, Helicobacter ⊡ Tabelle 41.1
pylori, bei Immunkompromitierten
Herpes-simplex-Virus und CMV Typ-A-Gastritis
z Exogene Noxen: exzessiver Alkohol-
konsum, Medikamente wie NSAR, Allgemeines
Zytostatika, Laugen, Säuren, Galle- > Erhöhtes Risiko für Magenkarzinome
reflux vom intestinalen Typ und für Magenkar-
z Akuter Stress: Trauma, Sepsis, Schock, zinoide
schwere Verbrennungen, Hypoten-
sion, Intensivtherapiepflichtigkeit z Überwachung in Industrieländern
umstritten
Klinik z Assoziation mit Hashimoto-Thyreoi-
z Epigastrische Schmerzen ditis und Vitiligo
z Übelkeit und Erbrechen z Autosomal-dominante Vererbung
41.2 · Gastritis 337 41.2
⊡ Tab. 41.1. Einteilung der chronischen Gastritis nach der Ätiologie

Parameter Typ-A-Gastritis Typ-B-Gastritis Typ-C-Gastritis


(Autoimmungastritis) (bakterielle Gastritis)
Häufigkeit Etwa 5 % Etwa 80–90 % Etwa 10 %
Ätiologie Autoantikörper gegen Infektion mit Helico- Medikamente (NSAR),
Parietalzellen (H+- bacter pylori (selten: Gallereflux (z. B. nach
K+-ATPase) und/oder Helicobacter heilman- Gastroenterostomie),
»intrinsic factor« nii), direkte Schädi- Alkohol, evtl. Kalium-
gung oder Schädigung (besonders Kapseln)
durch einwandernde und Eisensubstitution
Entzündungszellen
Komplika- Vitamin B12-Mangel, Chronisch-aktive Erosionen, Ulkus,
tionen perniziöse Anämie, Entzündung, intestinale Metaplasie;
präkanzeröse Erosionen, Ulkus, keine präkanzeröse
Kondition, Karzinoid- MALT-Lymphom, prä- Kondition
entwicklung kanzeröse Kondition
Haupt- Fundus und Korpus Antrum Antrum
lokalisation

Klinik z Autoimmundiagnostik: Nachweis von


z Perniziöse megaloblastäre Anämie Parietalzellantikörpern, spezifischer
z Atrophische Glossitis Nachweis von Antikörpern gegen »in-
z Funikuläre Myelose (symmetrische trinsic factor«
Parästhesien, Ataxie, reduziertes Vib-
rationsempfinden) Therapie
z Dyspeptische Beschwerden durch z Vitamin-B12-Substitution
Achlorhydrie
Typ-B-Gastritis
Diagnostik
z Endoskopie/Histologie: Allgemeines
5 ausgedünnte Mukosa, v. a. in Fun- z Häufigste Gastritis
dus und Korpus z Erhöhtes Risiko für Magenkarzinome
5 v. a. Lymphozyten, Plasmazellen und MALT-Lymphome
und Makrophagen, keine neutro- z Entscheidender Risikofaktor für gast-
philen Granulozyten roduodenale Ulcera
5 initial nur oberflächliche Verän-
derungen, im Verlauf fortschrei- Diagnostik
tende Zerstörung der Magendrü- z Invasive Diagnostik:
sen → Endstadium: komplette 5 Endoskopie mit Biopsie: Antrum
Atrophie prädominant, im Verlauf auch
5 zelluläre Metaplasien: Risikofaktor Korpus und Fundus betroffen
für die Entwicklung eines Magen- 5 Nachweis von Helicobacter pylori
karzinoms aus Biopsat: Ureaseschnelltest
338 Kapitel 41 · Erkrankungen des Magens

(Überführung des Biopsats in 5 Nicht-ulzeröse Dyspepsie bei


ein harnstoffhaltiges Medium → entsprechendem Patientenwunsch
Farbumschlag bei Alkalisierung) nach Aufklärung über Chancen
oder Histologie (Beurteilung/Gra- und Risiken
duierung nach der Analogskala 5 Ulcera oder gastrointestinale Blutung
des »updated« Sydney-Systems) unter notwendiger Dauertherapie
5 Chronizität: Infiltration mit Lym- mit ASS oder NSAID (in Ergänzung
phozyten und Plasmazellen zur begleitenden PPI-Therapie)
5 Aktivität der Gastritis: Infiltration 5 Idiopathische thrombozytopeni-
mit Neutrophilen sche Purpura (ITP)
5 Dichte der Helicobacter-pylori- 5 Morbus Ménétrier
Besiedlung 5 Lymphozytäre Gastritis
5 ggf. kulturelle Anzüchtung aus 5 Ungeklärte Eisenmangelanämie
Biopsien (methodisch sehr an- 5 Verwandte 1. Grades von Patien-
spruchsvoll, kein Routineverfah- ten mit Magenkarzinom
ren, nur bei Resistenzentwicklung) 5 Vorangegangene Resektion eines
z Nichtinvasive Diagnostik: Magenkarzinoms
5 13C-Harnstoff-Atemtest: Gabe ei-
ner mit 13C-Harnstoff markierten Typ-C-Gastritis
Testmahlzeit → starke Ureaseakti-
vität des Helicobacter pylori führt Diagnostik
zu Hydrolyse des 13C-markierten z Anamnese
Harnstoffs in 13CO2 und Harnstoff z Identifikation möglicher Noxen: z. B.
→ 13CO2 wird ausgeatmet und in Gallensäurereflux nach Billroth-I-
der Ausatemluft gemessen oder -II-Operation
5 Serologie: Nachweis Helicobacter- z Endoskopie mit Histologie: typischer-
pylori-spezifischer IgG-Antikörper weise nur geringe entzündliche Ver-
im Serum änderungen (darum im engeren Sinne
5 Stuhl: Helicobacter-pylori-Anti- auch als »Gastropathie« bezeichnet)
gennachweis
Therapie
Therapie z Weglassen von Noxen; falls dies nicht
z Eradikation von Helicobacter pylori: möglich ist (z. B. NSAR-Dauerthera-
wegen der möglichen Nebenwirkungen pie): additive Therapie mit Protonen-
einer Antibiotikatherapie sowie auf- pumpeninhibitoren (z. B. Omeprazol,
grund von Resistenzentwicklungen nur 20 mg/Tag)
in folgenden Fällen (DGVS S3-Leitlinie z Nach Magenresektion: medikamentöse
Helicobacter pylori, www.DGVS.de): Therapie mit Cholestyramin (Quan-
5 peptisches U. ventriculi oder duo- talan; 3-mal 1 Beutel; einschleichend
deni dosieren, Abstand zur Einnahme an-
5 Marginalzonen-B-Zell-Lymphom derer Medikamente beachten)
vom MALT-Typ z Eventuell operative Korrektur eines
5 Diffus großzelliges B-Zell-Lym- Billroth-II-Magens mittels Roux-
phom des Magens (in Ergänzung Y-Gastrojejunostomie und langer
zur Chemotherapie) (50–60 cm) Roux-Schlinge
41.3 · Morbus Ménétrier 339 41.3
Typ-D-Gastritis (seltene z Endoskopischer Aspekt: »Riesen-
Gastritiden) falten«

z Lymphozytäre Gastritis: Ätiologie


5 unbekannte Ätiologie (gehäuft bei z Unklar
Sprue, evtl. atypische Reaktion auf z Erhöhte TGF-α-Spiegel → erhöhte
Helicobacter pylori) Magenschleimproduktion und ver-
5 lymphozytäre Infiltrate (vermehrt minderte Säuresekretion
intraepitheliale Lymphozyten: z Eventuell Helicobacter-pylori-Infek-
>25/100 Epithelien) tion
z Eosinophile Gastritis:
5 Teilsubstrat der eosinophilen Klinik
Gastroenteritis, Befall verschiede- z Epigastrische Schmerzen
ner Wandschichten z Asthenie
5 Therapie mit Steroiden z Anorexie
5 Formen: z Mukosaform: un- z Erbrechen
spezifische Syndrome wie Bauch- z Gewichtsverlust
schmerzen und Nausea z Mus- z Exsudative Enteropathie → hypoalbu-
kularisform: Motilitätsstörungen minämische Ödeme durch Schleim-
→ gespannter Bauch, Nausea und hypersekretion
Erbrechen z Subserosaform: Ent- z Hypochlorhydrie
wicklung von Aszites
z Granulomatöse Gastritis: Diagnostik
5 infektiöse Granulome: Tuberku- z Endoskopie mit Biopsie (Fundus
lose, Syphilis, Parasiten und Körper): Abgrenzung gegenüber
5 granulomatöse Systemerkrankun- einem Magenlymphom
gen: Morbus Crohn, Sarkoidose
etc. Differenzialdiagnostik
5 Fremdkörpergranulome: Medi- z Andere Erkrankungen mit Riesen-
kamente, Nahrungsbestandteile, falten: Zollinger-Ellison-Syndrom,
Fremdmaterial Helicobacter-pylori-Infektion,
z Kollagene Gastritis: vergleichbar mit Neoplasien, lymphozytäre Gastritis,
kollagener Kolitis (>10 μm dickes Sarkoidose
subepitheliales Kollagenband)
Therapie
z Bisher keine medikamentöse Therapie
41.3 Morbus Ménétrier mit gesichertem Nutzen (Anticho-
linergika, Antazida, Kortikoide, H2-
Definition Blocker, Protonenpumpenblocker,
z Foveoläre Hyperplasie der schleim- Prostaglandin)
produzierenden Zellen (Differenzi- z Eradikation bei Nachweis von Helico-
aldiagnose: glanduläre Hyperplasie bacter pylori
bei Gastrinom) und Drüsen mit z operative Therapie bei starken
erhöhtem Magenkarzinomrisiko Schmerzen, Ödemen, Pylorusstenose
(2–15 %) oder Verdacht auf Malignität
340 Kapitel 41 · Erkrankungen des Magens

41.4 Gastroduodenale rie (typischerweise multiple thera-


Ulkuskrankheit pieresistente Ulzera)
5 Zigarettenrauchen
Definition 5 Hyperparathyreoidismus
z Gastroduodenale Ulzera sind Läsio- 5 Morbus Crohn
nen, welche die Lamina muscularis 5 postoperativ nach Magenresektion
mucosae des Magens oder des Duo- → oft Ulkus an gastrojejunaler
denums überschreiten und bis in die Anastomose
Submucosa reichen 5 Ko-Morbiditäten wie Leberzir-
z Ohne Säure kein Ulkus rhose, COPD, chronische Nie-
reninsuffizienz und systemische
> Im Gegensatz zu Duodenalulzera Mastozytose erhöhen das Risiko
können Magenulzera durch eine maligne für eine Ulkuserkrankung
Erkrankung bedingt sein. Jedes Magen- 5 Malignom
ulkus ist malignitätsverdächtig und muss 5 andere Infektionen: HSV- oder
bis zu seiner Abheilung endoskopisch CMV-Infektion, Tuberkulose,
und bioptisch kontrolliert werden (erst- Syphilis
malig 8–12 Wochen nach Diagnosestel-
lung). Klinik
z Symptomatik nicht spezifisch
Ätiologie z Stechende oder brennende Ober-
z Helicobacter pylori: fast immer chro- bauchschmerzen
nische (Antrum-)Gastritis, jedoch nur z Schmerzsymptomatik:
bei 10–15 % der Patienten mit Gastri- 5 Magenulzera: Schmerzzunahme
tis Ausbildung eines Ulkus nach Nahrungsaufnahme
z NSAR: peptische Ulzera bei bis zu 4 % 5 Duodenalulzera: Nüchtern-
der Patienten, die NSAR einnehmen schmerz → kein sicheres differen-
(NSAR führen zur Hemmung der zialdiagnostisches Kriterium
Prostaglandinsynthese, die für die z Anorexie, Gewichtsverlust
schützende Schleimhautintegrität eine
wichtige Rolle spielt) Komplikationen
z Weitere ätiologische Faktoren: z Gastrointestinale Blutung (etwa 15 %
5 NSAR in Kombination mit Glu- aller Ulkuspatienten)
kokortikoiden → aufgrund des z Perforation oder Penetration in Nach-
hohen Risikos immer Protonen- barorgane
pumpenblocker indiziert z Magenausgangsstenose bei pylori-
5 andere Medikamente: u. a. Clopi- schen Ulzera und Schwellung durch
dogrel, Sirolimus, Bisphosphonate, entzündliches Ödem
Chemotherapeutika
5 Stressulzera (Schock, Sepsis, Diagnostik
schwere Verbrennungen, Aufent- z Anamnese
halt auf der Intensivstation) z Endoskopie:
5 Gastrinome (Zollinger-Ellison- 5 Goldstandard, höchste Sensitivität
Syndrom) mit Hypergastrinämie 5 Sicherung der Verdachtsdiagnose
und konsekutiver Hyperchlorhyd- »Ulkus«
41.4 · Gastroduodenale Ulkuskrankheit 341 41.4
5 Klärung der spezifischen Ätio- z Kontrolle des Therapieerfolgs:
logie nichtinvasiv mittels Harnstoffatem-
5 Biopsien: Aussage über Benigni- oder Antigentest im Stuhl oder
tät der Läsion im Rahmen einer geplanten Re-
5 Nachweis von Helicobacter Endoskopie bei Magenulzera
pylori z Gründe für Therapieversagen:
fehlende Compliance, Resisten-
Differenzialdiagnostik zen (ggf. erneute Therapie nach
z Gastritis ohne Ulkus Resistenztestung, Eliminierung/
z Gastroösophagealer Reflux Reduktion anderer ursächlicher
z Funktionelle Dyspepsie (»Reiz- Faktoren)
magen«)
z Intraabdominelle Neoplasien
z Gallenwegserkrankungen Eradikationstherapien bei Helicobacter-
z Pankreatitis pylori-Infektion
z Morbus Crohn z Italienische Triple-Therapie
(über 7 Tage)
Therapie 5 Protonenpumpenhemmer plus
Pharmakotherapie: Unter- 5 Metronidazol (2-mal 400 mg/Tag)
drückung der Säuresekretion plus
bzw. Neutralisierung 5 Clarithromycin (2-mal 500 mg/Tag)
z Protonenpumpeninhibitoren: wirk- z Französische Triple-Therapie)
samste Methode der Säuresekretions- (über 7 Tage)
hemmung (bei chronischer NSAR- 5 Protonenpumpenhemmer plus
Einnahme: Dauertherapie) 5 Amoxicillin (2-mal 1000 mg/Tag) plus
z H2-Rezeptoren-Blocker: Reduktion der 5 Clarithromycin (2-mal 500 mg/Tag)
histaminvermittelten Säuresekretion 5 Explizite Zulassung für Kombination
z Antazida: Aluminium- und Magnesi- mit Pantoprazol (ZacPac: 2-mal 1 Tbl./
umhydroxid (andere Substanzen sind Tag für 7 Tage)
obsolet) zur Neutralisierung der Säure z Sequenzialtherapie (über 10 Tage)
z Sucralfat: Bildung eines Schutzfilms 5 Tag 1–10: Protonenpumpenhemmer
auf Magenschleimhaut und Ulkus- 5 Tag 1–5: Amoxicillin (2-mal 1000 mg/
grund Tag)
z Bismutpräparate: bakterizid gegen 5 Tag 6–10: Metronidazol (2-mal 500 mg/
Helicobacter pylori, schleimhautschüt- Tag) plus Clarithromycin (2-mal 500 mg/
zend, insgesamt wenig gebräuchlich Tag
z Prostaglandinanaloga: Schleimhaut- Standarddosierungen für Protonen-
schutz und Säurereduktion; nur Miso- pumpenhemmer im Rahmen einer Eradi-
prostol (Cytotec) zugelassen kationstherapie:
z Omeprazol: 2-mal 20 mg/Tag
Helicobacter-pylori-Eradikations-
z Pantoprazol: 2-mal 40 mg/Tag
therapie
z Rabeprazol: 2-mal 20 mg/Tag
z Indikation: jeder Helicobacter-pylori- z Esomeprazol: 2-mal 20 mg/Tag
positive Patient mit Ulcus ventriculi/
z Lansoprazol: 2-mal 30 mg/Tag
duodeni
342 Kapitel 41 · Erkrankungen des Magens

Vorgehen bei therapierefraktären z Dumping-Syndrome können durch


Ulzera (keine Abheilung 8–12 Wo- diätetische Maßnahmen häufig deut-
chen nach Therapiebeginn) lich gebessert werden
z Sicherung der Compliance z Nach Billroth-II-Operation: Syn-
z Sicherung des Therapieerfolgs der drom der zu- oder abführenden
Helicobacter-pylori-Eradikation mit- Schlinge
tels Harnstoffatemtest z Erhöhtes Risiko für Magenstumpf-
z Erhöhung der Protonenpumpenhem- karzinome (nach 10–15 Jahren) sowie
merdosis auf die doppelte Tagesdosis Anastomosenulzera
(z. B. Omeprazol: 2-mal 40 mg/Tag)
z Ausschluss einer vom Patienten ver- Therapie
neinten NSAR-Einnahme z Dumping-Syndrome: mehrere kleine
z Einstellung des Zigarettenrauchens Mahlzeiten, Reduktion von Süßspei-
z Bestimmung des Gastrinspiegels zum sen und niedermolekularen Kohlen-
Ausschluss eines Zollinger-Ellison- hydraten, Proteinzufuhr stattdessen
Syndroms erhöhen; zurückhaltende Indikation
z Ausschluss sehr seltener Ursachen: zur operativen Revision (häufig Per-
Morbus Crohn, Ischämie, Sarkoidose, sistenz der Symptome)
Amyloidose, Lymphom, eosinophile z Syndrom der abführenden Schlinge:
Gastroenteritis, Infektionen (CMV- Versuch der endoskopischen Deh-
Infektion, Tuberkulose, Syphilis) nung, sonst operative Revision
z Ultima Ratio: chirurgische Interven- z Syndrom der zuführenden Schlinge:
tion Versuch der antibiotischen Therapie,
sonst operative Revision (Braun-
Chirurgische Therapieoptionen Fußpunktanastomose, Y-Roux-
z Notfallmäßige Übernähung oder Um- Rekonstruktion oder Umwandlung in
stechung bei Perforation oder interven- Billroth-I-Magen)
tionell nicht beherrschbarer Blutung
z Elektive Antrektomie oder subtotale
Gastrektomie mit Rekonstruktions- 41.6 Gutartige Magentumoren
verfahren nach Billroth (I oder II)
oder Roux (Y-Plastik) bei therapiere- Allgemeines
fraktären Ulzera z Polypen: hyperplastisch oder adeno-
z Selektive proximale Vagotomie und matös
Pyloroplastik bei Magenausgangsste- z Gastrointestinale Stromatumoren
nose (GIST):
5 etwa 3 % aller Magenneoplasien
5 mesenchymale Tumoren
41.5 Krankheiten des operierten 5 malignes Potenzial, steigt mit der
Magens Größe und der Mitoserate (10 %
sind maligne)
Allgemeines z Magenzysten
z ⊡ Tab. 41.2 z Karzinoide, insbesondere bei atrophi-
z Symptome bei bis zu 50 % der Ope- scher Gastritis
rierten
41.7 · Magenkarzinom 343 41.7
⊡ Tab. 41.2. Krankheiten des operierten Magens

Krankheit Beschwerden Genese

Früh- 10–30 Minuten nach der Mahlzeit Sturzartige Entleerung hyper-


Dumping Druck- und Völlegefühl, Übelkeit osmolaren Mageninhalts in den
und Brechreiz, kolikartige Bauch- Dünndarm → osmotischer Ein-
schmerzen, Hypovolämie mit strom von Flüssigkeit in den Darm,
Schweißausbruch, Tachykardie Vagusreizung durch plötzliche
sowie Schwindel und Blutdruck- Dehnung der Darmwand
abfall

Spät- 1–3 h nach der Mahlzeit klinische Beschleunigte Magenentleerung


Dumping Zeichen der Hypoglykämie bis zu durch Fehlen des Pylorus →
Bewusstseinsstörungen rasche Resorption → Hyperglykä-
mie → überschießende Insulin-
ausschüttung → Hypoglykämie

Syndrom der Typ 1: Völlegefühl, postprandiale Obstruktion im Bereich der


zuführenden Bauchschmerzen, Diarrhö → zuführenden Schlinge → Keim-
Schlinge Malabsorption von Fetten und besiedlung der zuführenden
Vitamin B12 Schlinge

Typ 2: Bauchschmerzen und Völle- Stase von Galle und Pankreassaft


gefühl 20–60 Minuten postprandial, aufgrund einer Stenose in der
Übelkeit und plötzliches galliges zuführenden Schlinge
Erbrechen

Syndrom der Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Behinderung der Magenentlee-


abführenden Erbrechen rung durch Anastomosenstenose,
Schlinge Invagination oder Abknickung der
abführenden Schlinge

Diagnostik 41.7 Magenkarzinom


z Endoskopie mit Biopsie
z Endosonographie Allgemeines
z Bei Diagnosestellung etwa 50 % der
Therapie Tumoren bereits im fortgeschrittenen
z Endoskopische Abtragung Stadium ohne kurative Therapieop-
z Bei gastrointestinalen Stromatumoren tion
ggf. Imatinib (Glivec; selektiver c-kit- z Lokalisation:
Tyrosinkinase-Inhibitor; vorherige 5 Karzinome vom intestinalen Typ
Testung auf Mutation des c-kit-Rezep- (70 %): meist Antrum sowie kleine
tors; Ansprechen: etwa 50 %) Kurvatur
z Chirurgische Resektion, insbesondere 5 Karzinome vom diffusen Typ:
bei Blutungen oder anderen Kompli- gesamter Magen
kationen z Pathologie: meist Adenokarzinom
344 Kapitel 41 · Erkrankungen des Magens

Risikofaktoren Klinik
z Gastritis z Gewichtsverlust, v. a. durch redu-
z Hoher Nitratgehalt des Essens (geräu- zierte Kalorienzufuhr, aber auch
cherte, gesalzene und getrocknete Le- durch Katabolismus
bensmittel) → bakterielle Reduktion z Abdominelle/epigastrische un-
zu kanzerogenem Nitrit spezifische Beschwerden oder
z Vorangegangene Magenoperation Schmerzen
(höchstes Risiko 15–20 Jahre postope- z Schnelles Sättigungsgefühl
rativ) z Übelkeit, Erbrechen
z Niedriger sozioökonomischer Status z Ekel gegenüber Fleisch
z Rauchen z Dysphagie
z Epstein-Barr-Virus-Infektion (5–10 % z Teerstuhl oder andere Blutungs-
weltweit damit assoziiert, meist vom zeichen
diffusen Typ)
z Familiäre Prädisposition: unklare Einteilung
familiäre Häufungen, Magenpolypen z ⊡ Tab. 41.3 u. 41.4
(u. a. hereditäres nichtpolypöses z Klassifikation nach Borrmann:
Kolonkarzinom, familiäre Adenoma- 5 lokalisiert-polypös
tosis coli, Peutz Jeghers Syndrom), 5 lokalisiert-ulzerierend
Mutation des E-Cadherin-Gens beim 5 infiltrativ-exulzerierend
diffusen Magenkarzinom 5 infiltrativ-endophytisch
z Magenulzera: 25 % der Patienten mit z Klassifikation nach Lauren:
Magenkarzinom haben oder hatten 5 intestinaler Typ (etwa 70 %):
ein Ulkus z gut abgrenzbarer Tumor,
z Morbus Ménétrier dessen Zellen gut differen-
ziert sind und drüsenähnliche
Magenfrühkarzinom (»early Strukturen bilden z häufig
cancer«) ulzeriert z meist Antrum und
z Adenokarzinom, das die Lamina kleine Magenkurvatur betroffen
submucosa nicht überschreitet, unab- z entsteht meist auf dem Boden
hängig vom Stadium der regionären einer intestinalen Metaplasie
Lymphknoten (T1 NX) z prognostisch günstiger
z Infiltration von Mukosa und maximal 5 diffuser Typ (ungefähr
Submukosa 30 %): z schlecht differen-
z Aufgrund seiner deutlich besseren ziert z diffuse Infiltration der
Prognose abzugrenzen (nach operati- Magenwand ohne Ausbildung
ver Resektion: 5-Jahres-Überlebens- einer umschriebenen Tumor-
rate von 85–90 %) masse z »Linitis plastica«
z Endoskopisch oft schwer zu diagnos- (diffus-infiltrativ wachsendes
tizieren Magenkarzinom mit sekundärer
z Im Rahmen von Screening Program- Schrumpfung, sog. Cirrhosis
men oder als Zufallsbefund diagnosti- gastrica) z maligne Zellen in
ziert makroskopisch unauffälliger
z Einteilung nach dem endoskopisch- Magenwand z Patienten jünger
makroskopischen Aspekt z Prognose schlechter
41.7 · Magenkarzinom 345 41.7
⊡ Tab. 41.3. Staging nach der TNM Klassifikation

Stadium Beschreibung

Tumorstadium (T)

T0 Kein Anhalt für Tumor

Tis Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina


propria, d. h. Tumor überschreitet nicht die Basalmembran und metastasiert
nicht

T1 Tumor infiltriert die Lamina propria und/oder die Submukosa

T2a Tumor infiltriert die Lamina muscularis propria

T2b Tumor infiltriert die Subserosa

T3 Tumor penetriert die Serosa (viszerales Peritoneum) ohne Invasion


benachbarter Strukturen

T4 Tumor infiltriert benachbarte Strukturen

Befall regionärer Lymphknoten (N-Stadium; Kompartimente I und II)

NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine Lymphknotenmetastasen

N1 1–6 regionäre Lymphknoten befallen

N2 7–15 regionäre Lymphknoten befallen

N3 >15 regionäre Lymphknoten befallen

Fernmetastasen (M-Stadium; Kompartiment III)

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Kompartimente:
I: Lymphknotenstationen der großen und kleinen Kurvatur
II: Lymphknoten entlang der großen Gefäße (Tripus Halleri: A. gastrica sinistra, A. hepatica
communis, A. lienalis)
III: Fernmetastasen und andere abdominelle Lymphknoten (paraaortal, mesenterial, retro-
pankreatisch etc.)
346 Kapitel 41 · Erkrankungen des Magens

⊡ Tab. 41.4. Stadieneinteilung

Stadium Charakteristika 5-Jahres-Überlebensrate [%]

0 Tis N0 M0 (Keine Einschränkung)

IA T1 N0 M0 95

IB T1 N1 M0 oder T2a/b N0 M0 85

II T1 N2 M0, T2a/b N1 M0 oder T3 N0 M0 54

IIIA T2a/b N2 M0, T3 N1 M0 oder T4 N0 M0 37

IIIB T3 N2 M0 11

IV T1–3 N3 M0, T4 N1–3 M0 oder jedes T, 7


jedes N M1

Diagnostik Therapie
z Klinische Untersuchung: »Virchow- > Siebzig Prozent der Frühkarzinome
Drüse« (Lymphknoten links suprakla- heilen zunächst ab, was ein Malignom
vikulär) jedoch nicht ausschließt.
z Endoskopie einschließlich Biopsie
zur Histologiegewinnung: sorgfältige Endoskopische Therapie mittels
Nachkontrollen von Ulcera ventriculi Mukosektomie
z Endosonographie: Beurteilung des T- z Indikation: Frühkarzinom, jedoch nur
und des N-Stadiums bei streng ausgewählten Patienten mit
z CT des Abdomens: Beurteilung des niedrigem Risiko für Lymphknoten-
N- und M-Stadiums befall nach den Kriterien der Japanese
z CT des Thorax: zusätzlich bei Karzi- Society for Gastroenterological En-
nomen des gastroösophagealen Über- doscopy (endoskopische Mukosare-
gangs sektion oder Submukosadissektion;
z Laparoskopie: Ausschluss von Perito- R0-Resektion ist obligat)
nealkarzinose, Lebermetastasen und
Befall lokoregionärer Lymphknoten Chirurgische Therapie
bei Tumoren im Stadium >T1 und z Auswahl der Operation und des Aus-
unauffälligem CT-Befund, um Resek- maßes der Lymphadenektomie nach
tabilität zu sichern Tumorlokalisation, Stadium, Histolo-
z Tumormarker: CEA, CA 19-9 und gie sowie individueller Risikobeurtei-
CA 72-4 mit niedriger Sensitivität lung
und Sensibilität (zur Verlaufsbeur- z Ziel jeder Operation: R0-Resektion
teilung) (Resektion im Gesunden)
z Gegebenenfalls Magen-Darm-Passage z Methoden:
mit Bariumbrei: Verdacht auf »Linitis 5 Magenkarzinome des proximalen
plastica« Drittels/Adenokarzinome des öso-
41.8 · Weitere maligne Tumoren des Magens 347 41.8
phagogastralen Übergangs: trans- z Lasertherapie zur lokalen Tumorab-
hiatal erweiterte Gastrektomie tragung, v. a. bei Tumoren des gastro-
5 Magenkarzinome des mittleren ösophagealen Übergangs
Drittels: totale Gastrektomie z Bei Blutungen: endoskopische Thera-
5 Magenkarzinome des distalen pie, ggf. Gabe von Blutkonserven
Drittels: subtotale Gastrektomie z Schmerztherapie
(4/5-Magenresektion)
5 Lymphadenektomie: z D1: nur
perigastrische Lymphknoten 41.8 Weitere maligne Tumoren
(große und kleine Kurvatur) des Magens
z D2: zusätzlich Lymphknoten
an A. hepatica, A. gastrica sinistra z Primäre Magenlymphome:
und A. lienalis sowie des Milzhilus 5 häufigstes Malignom des Magens
(Stationen 1–11) z D3: zusätzlich (neben dem Karzinom): 15 %
Lymphknoten der Leberpforte und 5 ätiologisch spielt die Infektion mit
paraaortal (Stationen 1–16) Helicobacter pylori v. a. bei den
niedrigmalignen MALT-Lympho-
Neoadjuvante und adjuvante Therapie men eine Rolle; eine Eradikations-
z Neoadjuvante plus adjuvante Chemo- therapie führt in 70–90 % der Fälle
therapie: Epirubicin, Cisplatin plus zu einer kompletten Remission
5-Fluorouracil (3 Zyklen prä- und 5 endoskopische Kontrollen: alle
postoperativ) 2–3 Monate
z Adjuvante Radio-Chemo-Therapie: z Leiomyosarkome: entstehen aus
1 Zyklus mit 5-Fluorouracil plus Leu- Leiomyomen, meist an der großen
kovorin über 5 Tage → nach 1 Monat Kurvatur
Radiatio sowie begleitend 5-Flu- z Karzinoide: maligne Entartung von
orouracil plus Leukovorin → 2 weitere der Größe abhängig (>1 cm)
Zyklen mit 5-Fluorouracil plus Leuko-
vorin in monatlichen Abständen

Palliative Therapie
z Nur bei gutem Allgemeinzustand
sinnvoll
z ECF-Schema: Epirubicin, Cisplatin,
5-Fluorouracil
z PLF-Schema: 5-Fluorouracil, Folin-
säure, Cisplatin
z FLO-Schema: Oxaliplatin, 5-Flu-
orouracil, Folinsäure

Symptomatische Therapie bei


fortgeschrittener Erkrankung
z Passagestörung durch Stenosen:
Bougierung mit Stenteinlage, ggf.
PEG oder PEJ
348 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

> Erkrankungen
des Intestinums
J. Mertens, H.-M. Steffen

42.1 Malassimilation, karzinom, Mukoviszidose, Zollinger-


Maldigestion und Ellison-Syndrom
Malabsorption z Maldigestion durch Mangel intralumi-
naler Gallensäuren: Verschlussikterus,
Definition intrahepatische Cholestase, primär
z Die Malassimilation ist durch die biliäre Zirrhose, primär sklerosierende
Symptome »Diarrhö/Steatorrhö«, Cholangitis, bakterielle Fehlbesiedlung
»Gewichtsverlust« und »Mangelsyn- des Dünndarms (bei »Blind-loop«-
drome« gekennzeichnet; man kann Syndrom, Fisteln, Strikturen, Diverti-
2 Funktionsstörungen unterscheiden keln, »Afferent-loop«-Syndrom sowie
(häufige Überlappungen; ⊡ Tab. 42.1): Motilitätsstörungen bei Sklerodermie
5 Maldigestion: Störung der Vorver- und diabetischer Neurogastroentero-
dauung im Magen oder Störung pathie), vorangegangene Ileumresek-
der Aufspaltung der Nahrungs- tion, Morbus Crohn des Ileums
bestandteile, bei der durch eine z Krankheiten mit verschiedenen Stö-
angeborene oder erworbene rungen der Digestions-/Resorptions-
Erkrankung die Aktivität pankrea- phasen: Postgastrektomiesyndrom,
tischer Enzyme, die Gallensäuren- Postvagotomiesyndrom, diabetische
konzentration oder die Aktivität Neurogastroenteropathie, Endokrino-
digestiver Dünndarmmukosaen- pathien (Hyper-/Hypothyreose, Hy-
zyme vermindert ist oder fehlt per-/Hypoparathyreoidismus, Morbus
5 Malabsorption: Störung der Re- Addison), Glukagonom, Gastrinom,
sorption der Nahrungsbestandteile VIPom, Karzinoidsyndrom, Sklero-
aus dem Darmlumen bei Störung dermie
der Membrantransportvorgänge, z Maldigestion/Malabsorption bei Dünn-
bei Verminderung des Resorp- darmkrankheiten: Laktoseintoleranz,
tionsepithels oder durch eine Disaccharidasenmangel, Hartnup-
Abflussbehinderung über die Blut- Krankheit, Zystinurie, Vitamin-B12-
und Lymphbahnen Malabsorption (Fehlen von »intrinsic
factor«, Vitamin-B12-/»Intrinsic-
Einteilung und Ätiologie factor«-Rezeptormangel), Morbus
z Maldigestion durch Mangel oder In- Crohn, glutensensitive Enteropathie,
aktivierung pankreatischer Enzyme: tropische Sprue, Autoimmunentero-
chronische Pankreatitis, vorangegan- pathien, Morbus Whipple, Dermatitis
gene Pankreasresektion, Pankreas- herpetiformis Duhring, intestinales
42.2 · Glutensensitive Enteropathie 349 42.2
⊡ Tab. 42.1. Differenzierung zwischen Maldigestion und Malabsorption

Erkrankung D-Xylose-Test Schilling-Test


Maldigestion Normal Normal
Malabsorption im Jejunum Pathologisch Normal
Malabsorption im Ileum Normal Pathologisch

Xylose-Test: Gabe von 25 g D-Xylose (Pentose); normalerweise wird D-Xylose im proximalen


Dünndarm (Jejunum) resorbiert, metabolisiert und mit dem Urin ausgeschieden → Bestim-
mung des D-Xylose-Spiegels in Serum und Urin
Schilling- oder Vitamin-B12-Resorptionstest: Gabe von radioaktivem Vitamin B12, welches sich
normalerweise im distalen Dünndarm (Ileum) mit dem »intrinsic factor« koppelt und anschlie-
ßend als Vitamin-B12-»Intrinsic-factor«-Komplex resorbiert wird

Lymphom, eosinophile Gastroenteritis, Osteomalazie z Vitamin K: Blu-


selektiver IgA-Mangel, Mastozytose, tungsneigung (verminderte Pro-
Amyloidose, chronische Darminfekti- duktion von Gerinnungsfaktoren
onen, Parasitosen, HIV-Enteropathie des Prothrombinkomplexes →
mit Wasting-Syndrom, Tuberkulose, Quick-Wert-Erniedrigung)
Lymphogranulomatose, Darmresek- 5 Vitamin B12, Folsäure, Eisen: Anä-
tion, Kurzdarmsyndrom, intestinale mie (häufig bei Malabsorption)
Ischämie, schwere Rechtsherzinsuffi- 5 Kalium: Schwäche
zienz oder konstriktive Perikarditis, 5 Kalzium: Tetanie
Lymphangiektasie, Strahlenschädigung 5 evtl. sekundäre endokrine
des Dünndarms, endokrin aktive Tu- Störungen
moren, Medikamente (Ethylalkohol,
Acarbose, Metformin, NSAR, Colchi-
cin, Methotrexat, Colestyramin etc.) 42.2 Glutensensitive
Enteropathie (einheimische
Allgemeine Symptome einer Sprue/Zöliakie)
Malassimilation:
z Chronische Diarrhö: oft voluminöse Definition
Stühle (>300 g/Tag) z Bei Kindern »Zöliakie« und bei Er-
z Steatorrhö: grau-glänzende Fettstühle wachsenen »einheimische Sprue« ge-
(>7 g/Tag) nannte Autoimmunenteropathie durch
z Gewichtsverlust Überempfindlichkeit/Unverträglichkeit
z Mangelsymptome: gegenüber dem Gliadinfragment des
5 Eiweiß: Abmagerung, hypopro- Weizenkleberproteins Gluten mit Zot-
teinämische Ödeme (Serumalbu- tenatrophie und Kryptenhyperplasie
minspiegel: <2,5 g/dl) der Dünndarmschleimhaut (Kolonisa-
5 Kohlenhydrate: Gärungsstühle, tion) und nachfolgender Malabsorption
Flatulenz, geblähtes Abdomen
5 fettlösliche Vitamine: z Vita- Ätiologie
min A: Nachtblindheit, trockene z Schädigung der Dünndarmzotten
Haut z Vitamin D: Rachitis, durch Getreideeiweiße von Weizen
350 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

(Gliadin), Roggen (Secalin), Gerste z Enteropathieassoziiertes T-Zell-Lym-


(Hordein) und Hafer phom des Dünndarms
z Patienten häufig HLA-DQ2- und/ z Kollagene Sprue, therapierefraktäre
oder HLA-DQ8-positiv Sprue, ulzerierende Jejunitis (selten)
z Umweltfaktoren und gastrointestinale z Sekundärer Laktasemangel
Infektionen (z. B. Rotaviren) spielen
eine Rolle Diagnostik
z Screening: Anti-Gewebe-Transglutami-
Klinik nase-Antikörper-Serologie (Sensitivität:
z Chronische Diarrhö (mitunter wäss- 88–100 %; Spezifität: 84–100 %) bei:
rig), Steatorrhö 5 anamnestischen und klinischen
z Dehydratation, Elektrolytstörungen Hinweisen
(Hypokaliämie, Hypokalzämie) 5 erst- und zweitgradig Verwandten
z Eisenmangel, Vitaminmangel (Vi- von Spruepatienten (Kinder ab
tamine A, D, E, K und B12), Eiweiß- 2 Jahren)
mangelödeme 5 Patienten mit Autoimmunkrank-
z Abweichung von der Gewichts- und heiten, Down- oder Turner-Syn-
Wachstumskurve drom oder selektivem IgA-Mangel
z Aphthen (Sprue von »sprouw«: Aph- (10fach erhöhtes Risiko)
the), Blähbauch, Flatulenz, Übelkeit, z Anamnese: symptomorientiert, Fami-
Erbrechen, Inappetenz, Muskelschwä- lienanamnese
che, Knochenschmerzen, Osteopenie, z Körperliche Untersuchung: Folgen
Rachitis der Mangelerscheinungen, Hautreak-
z Atypische Symptomatik bei fehlen- tionen, neurologische Auffälligkeiten,
den gastrointestinalen Symptomen Blässe, Untergewicht, Meteorismus,
(40–50 % der Fälle): Dermatitis her- rege Peristaltik
petiformis Duhring (urtikarielle Ery- z Labordiagnostik:
theme mit gruppiert stehenden Bläs- 5 Eisenmangelanämie und andere
chen), Eisenmangelanämie, Stomatitis Zeichen der Malabsorption
aphthosa und Mundwinkelrhagaden, (Hypalbuminämie, Hypokaliämie,
Alopezie, chronische Hepatitis, Akti- Hypokalzämie, Vitaminmangel)
vitätssteigerung der Transaminasen, 5 Aktivätssteigerung der Transami-
zerebelläre Ataxie, Polyneuropathie, nasen
Arthritis, Arthralgie, Perikarditis, Kar- 5 Anti-Gliadin-Antikörper (IgA und
diomyopathie, Zahnschmelzhypoplasie IgG)
z Asymptomatische Form: Entwicklung 5 Anti-Endomysium-Antikörper
von Folgeerkrankungen wie sympto- (IgA): weniger zuverlässig, ausge-
matische Patienten prägte Schwankungen zwischen
z Assoziierte Autoimmunerkrankun- verschiedenen Laboratorien
gen: Diabetes mellitus Typ 1, Autoim-
munthyreoiditis, Sjögren-Syndrom, > In etwa 5 % der Fälle liegt bei der
Morbus Addison, Typ-A-Gastritis Sprue ein IgA-Mangel vor, sodass die IgA-
Antikörpertests falsch-negativ ausfallen.
Komplikationen > Mit einmalig negativen Antikörper-

z Gastrointestinale Malignome, Tumoren tests lässt sich eine Sprue nicht definitiv
im HNO-Bereich, maligne Lymphome ausschließen.
42.3 · Tropische Sprue 351 42.3
z ÖGD mit tiefen Duodenalbiopsien (≥4): > Etwa 5 % aller Patienten sind thera-
5 makroskopisch: verplumpte Zot- pierefraktär.
ten, Rattenbissläsionen, Aphthen,
5 mikroskopisch: Zottenatrophie, z Bei Therapieversagen an folgende
Vermehrung intraepithelialer Lym- Differenzialdiagnosen denken:
phozyten (MARSH-Klassifikation) 5 kollagene Sprue
5 Diagnose unsicher → Kontrollbi- 5 therapierefraktäre Sprue Typ 1
opsien unter glutenfreier Diät, ggf. (Phänotyp der intraepithelialen
Re-Exposition (Cave: Zöliakiekrise) Lymphozyten normal: CD3-positiv,
z Abdomensonographie: zum Aus- CD8-positiv, polyklonaler T-Zell-
schluss von Komplikationen (z. B. Rezeptor γ): spricht gut auf syste-
intestinale Lymphome) mische Kortikosteroide, aber auch
z Hydro-MRT des Dünndarms, Röntgen- auf topische Steroide (Budesonid,
untersuchung nach Sellink, Kapselen- 9–12 mg/Tag) und Azathioprin an
doskopie: bei Verdacht auf Kompli- 5 therapierefraktäre Sprue Typ 2
kationen der Sprue (z. B. intestinale (abnormer klonaler Phänotyp der
Lymphome) intraepithelialen Lymphozyten:
CD3-positiv, CD8-negativ, mo-
Differenzialdiagnostik noklonaler T-Zell-Rezeptor γ):
z Malabsorption anderer Ursache spricht nur schlecht auf Steroide
z Zottenatrophie anderer Ätiologie: an, häufig ulzeröse Jejunitis und
tropische Sprue, Morbus Whipple, enteropathieassoziierte T-Zell-
Autoimmunenteropathie, kollagene Lymphome
Sprue, Aids, Morbus Waldenström,
hypoglobulinämische Sprue, Giardiasis
z Amyloidose, 42.3 Tropische Sprue
z Morbus Crohn
z Intestinales Lymphom Definition
z Eine in den Tropen vorkommende,
Therapie vermutlich durch intestinale Infektion
z Lebenslange Glutenkarenz (Anti-En- oder bakterielle Überwucherung
domysium-Antikörper innerhalb von verursachte, erworbene Dünndar-
1–12 Monaten nicht mehr nachweis- merkrankung mit fortschreitendem
bar, Anti-Gliadin-Antikörper schnel- Malabsorptionssyndrom
ler; Antikörper bei wenigen Patienten
auch unter konsequent glutenfreier Klinik
Diät nachweisbar) z Chronische Diarrhö/Steatorrhö
z Laktosefreie Diät bei sekundärem z Abdominelle Krämpfe
Laktasemangel z Meteorismus
z Bei erneuten Beschwerden unter Diät/ z Verstärkte Darmgeräusche
therapierefraktärer Sprue: Ausschluss z Gewichtsverlust
von Diätfehlern und Evaluation be- z Übelkeit, Erbrechen
züglich bakterieller Fehlbesiedlung, z Malabsorptionssymptome (im chroni-
Pankreasinsuffizienz, Adenokarzinom schen Stadium)
und Lymphom z Fieber (im akuten Stadium)
352 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

Diagnostik z Immundefekt offenbar Voraussetzung


z Anamnese: Aufenthalt in Endemie- für die Erkrankung
gebieten; häufig tritt die Erkrankung
erst nach einjährigem Aufenthalt in Klinik
einer der endemischen Regionen auf z Gewichtsverlust, Kachexie (85–100 %)
z Körperliche Untersuchung: evtl. diffu- z Arthropathie (65–90 %) und Ar-
ser abdomineller Druckschmerz, Me- thritis, oft Jahre vor intestinalen
teorismus, klingende Darmgeräusche, Symptomen
Fieber, Mangelerscheinungen z Diarrhö (wässrig, breiig), Steatorrhö
z Labordiagnostik: Mangelerscheinun- (65–80 %)
gen, Elektrolytstörungen, Anstieg der z Abdominelle Schmerzen (50–65 %)
Retentionsparameter z Okkultes Blut im Stuhl (20–30 %)
z ÖGD mit Duodenalbiopsien und ggf. z Fieber (40–55 %), Nachtschweiß
Aspiration von Jejunalsaft: zum Aus- (25–35 %)
schluss von Lambliasis, Morbus Whip- z Spondylitis (5–15 %)
ple, einheimischer Sprue sowie Infek- z Malabsorptionssyndrom (Ödeme,
tionen mit Mikrosporidien, Crytospo- Aszites), Myalgien (20–35 %)
ridium parvum oder Isospora belli z Hyperpigmentierung lichtexponierter
z Mikrobiologische Untersuchungen: Haut (40–55 %)
3-malige Stuhluntersuchungen zum z Lymphadenopathie: mesenterial,
Ausschluss infektiöser Enterokolitiden paraaortal, zervikal, inguinal, axillär
(35–55 %)
Differenzialdiagnostik z Splenomegalie, pulmonale Symptome
z Lambliasis, Yersiniose, einheimische (30–55 %)
Sprue, Morbus Whipple z Chronischer Husten (20–30 %)
z Bei Immunsupprimierten: Infektion z Kardiale Symptome: Endokarditis,
mit Crytosporidium parvum, Mikro- Klappeninsuffizienzen (40–60 %)
sporidien oder Isospora belli z Polyserositis
z Intestinales Lymphom z ZNS: Störungen der Okulomotorik,
Myoklonien, Ataxie, Schwindel, De-
Therapie menz, Epilepsie, Psychose, Hemipa-
z Substitution von Wasser und Elektro- rese etc. (10–40 %)
lyten sowie ggf. von Vitaminen und
Folsäure (5–15 mg/Tag) Diagnostik
z Antibiotische Therapie: Tetracyclin z Anamnese: Gewichtsverlust, Ge-
(4-mal 250 mg/Tag über 6 Monate) lenkbeschwerden und Diarrhö; die
durchschnittliche Latenz zwischen
Erstsymptom (oft Arthropathien) und
42.4 Morbus Whipple Diagnosestellung beträgt etwa 9,5 Jahre
z Körperliche Untersuchung:
Definition 5 Arthralgien
z Sehr seltene, durch das ubiquitär vor- 5 diffuse Abdominalschmerzen,
kommende Bakterium Tropheryma geblähtes Abdomen
whipplei (Aktinomyzet) ausgelöste 5 Fieber, Schüttelfrost
systemische Erkrankung 5 Lymphadenopathie, Splenomegalie
42.5 · Laktoseintoleranz 353 42.5
5 Aszites, Ödeme: bei ausgeprägten z Differenzialdiagnosen aufgrund der
Mangelerscheinungen Ähnlichkeit der Duodenalbiopsate:
5 extraintestinale Manifestationen: Infektion mit Mycobacterium avium-
Haut, Herz, ZNS intracellulare, Histoplasmose
z Labordiagnostik:
5 erhöhte Entzündungsparameter Therapie
(CRP-Konzentration, BSG) z Initialtherapie: Ceftriaxon (2 g/Tag
5 Blutbild: Leukozytose, Thrombo- i. v. für 2 Wochen)
zytose, hypochrome, mikrozytäre z Dauertherapie:
Anämie, Eosinophilie, Lymphope- 5 Cotrimoxazol (2-mal 160/800 mg/
nie, Neutrophilie Tag p. o.)
5 Immunglobuline: IgA-Spiegel er- 5 2. Wahl: Doxycyclin (100 mg/Tag
höht, IgM-Konzentration erniedrigt p. o.)
5 Zeichen der Malassimilation und 5 Therapiedauer: ≥1 Jahr
des Vitaminmangels 5 Dünndarmkontrollbiopsien alle
5 ggf. sekundärer Hyperparathyreo- 6 Monate
idismus mit Aktivitätssteigerung 5 Therapie absetzen, wenn der His-
der alkalischen Phosphatase tologiebefund entweder negativ ist
z ÖGD mit Biopsien aus dem oberen (nach einjähriger Therapie) oder
Dünndarm: sich seit 2 Jahren nicht mehr ver-
5 makroskopisch: verdickte Falten ändert hat
mit fleckförmig verteilten, weißlich-
gelben, granulären Auflagerungen Verlauf und Prognose
5 mikroskopisch (PAS-Färbung): z Unter Antibiotikatherapie und ohne
körnige Zytoplasmaeinschlüsse in ZNS-Manifestation ist die Prognose
großen, polygonalen Makropha- ausgezeichnet
gen (sog. SPC-Zellen: »sickleform z Neurologische Symptome rezidivieren
particles containing«) am häufigsten → u. U. intrathekale
5 in Zweifelsfällen elektronenmikro- Antibiotikatherapie
skopische Aufarbeitung
z Mikrobiologische Untersuchungen:
PCR-Diagnostik (Liquor, Gelenk- 42.5 Laktoseintoleranz
punktat, Gewebeproben)
z Liquordiagnostik: obligat bei neurolo- Definition
gischen Symptomen (PCR und PAS- z Milchzuckerunverträglichkeit,
Färbung) deren Schweregrad vom Ausmaß
z MRT- und CT-Diagnostik des ZNS: zum des Laktasemangels im Bürstensaum
Ausschluss einer ZNS-Beteiligung der Dünndarmzotten abhängt
z Echokardiographie: zum Ausschluss z Primärer Laktasemangel: abhängig
einer kardialen Beteiligung vom Zeitpunkt der Manifestation als
neonataler (angeborener Laktase-
Differenzialdiagnostik mangel, autosomal-rezessiv vererbt,
z Aufgrund der vielfältigen Symptome sehr selten) oder physiologischer
kommen zahlreiche Differenzialdiag- Laktasemangel (häufigste Form),
nosen infrage beginnt nach dem Abstillen; die
354 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

Laktaseaktivität geht bei den meis- z Vorangegangene Dünndarmresektion


ten Menschenrassen auf 5–10 % z Strahlenenteritis
zurück (Ausnahme: weiße Bevölke- z »Blind-loop«-Syndrom
rung Europas und Nordamerikas) z Bakterielle Dünndarmfehlbesiedlung
z Sekundärer Laktasemangel: erworbe- z Angeborene Enzymmangelerkrankun-
ner Laktasemangel als Begleiterschei- gen
nung anderer Dünndarmerkrankungen z Selektive angeborene Transport-
störungen für Aminosäuren
Folgen
z Unhydrolysierte Laktose wird im Ko- Therapie
lon bakteriell in CO2, H2 (Flatulenz) z Je nach Schwere laktosearme Diät
und kurzkettige Fettsäuren gespalten (max. 8–10 g Laktose/Tag) oder lakto-
(normalerweise spaltet Laktase die sefreie Ernährung
Laktose in Glukose und Galaktose) z Bei leichtem Laktasemangel werden
z Durch die osmotische Wirkung der fermentierte Milchprodukte (Joghurt,
Laktose kommt es zum Einstrom Quark, Kefir) ebenso wie Butter und
von Wasser in das Darmlumen → gereifter Käse, die nur wenig Laktose
osmotische Diarrhö enthalten, meist gut vertragen

Klinik
z Nach Genuss von Milch oder Milch- 42.6 Bakterielle Fehl-/
produkten: Bauchschmerzen/-koliken, Überbesiedlung des
Völlegefühl, Blähungen, Flatulenz, Dünndarms
Diarrhö, Übelkeit
Definition
Diagnostik z Bakterielle Besiedlung des Dünn-
z Anamnese: Auftreten von Beschwer- darms mit einer Keimzahl von >105/
den nach Aufnahme laktosehaltiger ml Aspirat bei funktioneller oder ana-
Produkte und Beschwerdefreiheit tomischer Stase des Dünndarminhalts
unter Karenz, Familienanamnese, eth-
nische Zugehörigkeit Ätiologie
z H2-Atemtest mit Laktose: H2-Konzen- z Störung der Anatomie (z. B. Blind-
tration von >20 ppm nach Aufnahme sackbildung, vorangegangene Ileozä-
von 50 g Laktose p. o. kalresektion)
z Störung der Peristaltik (z. B. Sklero-
Differenzialdiagnostik dermie, chronische intestinale Pseudo-
z Milcheiweißallergie (gegen Lactalbu- obstruktion, diabetische Enteropathie)
min, Kasein; Nachweis spezifischer
IgE-Antikörper beim RAST) Folgen
z Reizdarmsyndrom z Dekonjugation von Gallesalzen →
z Chronisch-entzündliche Darmerkran- Steatorrhö durch Störung der Fett-
kungen resorption und vermehrte Bildung
z Sprue toxischer Gallensäuren
z Lambliasis z Zottenschädigung mit Störung der
z Mukoviszidose Resorption
42.7 · Enterales Eiweißverlustsyndrom 355 42.7
Klinik z ÖGD, Hydro-MRT des Dünndarms,
z Diarrhö, Steatorrhö, Gewichtsverlust Röntgenuntersuchung nach Sellink:
z Blässe bei Anämie Nachweis einer anatomischen oder
z Abdominelle Schmerzen, Meteoris- funktionellen Stase, Biopsie zur Diffe-
mus, Flatulenz renzialdiagnostik
z Mangelerscheinungen
Differenzialdiagnostik
Diagnostik z Sprue
z Anamnese: z Morbus Crohn
5 frühere Darmoperationen z Morbus Whipple
5 rezidivierende intestinale Obstruk- z Lambliasis
tionen als Hinweis auf Strikturen,
Adhäsionen oder Stenosen Therapie
5 Sklerodermie, langjähriger Diabe- z Konservativ: antibiotische The-
tes mellitus, chronische Pankreatitis rapie mit z. B. Amoxicillin plus
5 chronische Darmerkrankungen, Clavulansäure (2-mal 875 mg/Tag
insbesondere Morbus Crohn und über 2–3 Wochen), evtl. intermit-
ulzerierende Jejunitis tierend
z Körperliche Untersuchung: z Chirurgisch: Korrektur einer
5 Abdomenuntersuchung: klingende Passagestörung, wenn möglich
Darmgeräusche, geblähtes Abdo-
men, Resistenzen
5 Blässe, Ödeme, Aszites, neurolo- 42.7 Enterales
gische Auffälligkeiten und andere Eiweißverlustsyndrom
Symptome von Mangelerschei-
nungen Definition
z Labordiagnostik z Intestinal gesteigerter Eiweißverlust
5 Blutbild: Anämie
5 Hypoalbuminämie, Kalziumman- Allgemeines
gel, Vitaminmangel (Vitamine D, z Eiweißausscheidung über intestinale
K, A und B12) Sekrete liegt bei 45–140 g/Tag und aus
5 charakteristisch: durch die Gabe abgestoßenen Epithelien bei 10–25 g/
von »intrinsic factor« nicht beheb- Tag
barer Mangel an Vitamin B12 bei z Beim Gesunden gehen nur 10–20 %
normalem Folsäurewert (Folsäure des umgesetzten Albumins über den
wird von Bakterien im Dünndarm Verdauungstrakt verloren
synthetisiert) z Multiple Erkrankungen können zu ei-
z Bakteriologische Diagnostik: Kultur nem enteralen Eiweißverlustsyndrom
(>105 Keimen/ml Aspirat, endosko- führen; Mechanismen:
pisch unter anaeroben Kautelen ge- 5 Verlust intestinaler Sekrete
wonnenen: beweisend) 5 vermehrter Zellumsatz des Darm-
z H2-Atemtest mit Glukose: H2-Konzen- epithels
tration von >20 ppm nach Gabe von 5 Permeabilitätssteigerung der
80 g Glukose oder 10–12 g Laktulose Darmschleimhautbarriere
p. o. 5 Kombinationen
356 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

Ätiologie z Hypoproteinämische Ödeme, Pleura-


z Infektionen: enteropathogene Esche- ergüsse, Aszites
richia coli, Salmonellen, Shigellen,
bakterielle Überwucherung (»Blind- Diagnostik
loop«-Syndrom), Rotaviren, CMV, z Anamnese: Hinweise auf mögliche
Helminthiasis, Lambliasis, Kryptospo- Ursachen
ridiose z Körperliche Untersuchung:
z Chronisch-entzündliche, autoimmu- 5 Ödeme, Aszites, Pleuraergüsse,
nologische oder degenerative Er- Perikarderguss
krankungen: chronisch-entzündliche 5 unterschiedliche Befunde, je nach
Darmerkrankungen, Sarkoidose, zugrunde liegender Erkrankung
kollagene Kolitis, Sprue, allergische z Labordiagnostik:
oder eosinophile Gastroenteropathie, 5 Eiweißelektrophorese: Minderung
»Graft-versus-host«-Enteropathie, aller Eiweißfraktionen
Kollagenosen, Vaskulitiden, HIV- 5 Hyperlipoproteinämie
assoziierte Enteropathie 5 Hypalbuminämie
z Abflussbehinderungen von Lymphe 5 Immunglobulinmangel
oder Blut aus dem Mesenterialkreis- 5 bei angeborener Lymphangiekta-
lauf: intestinale Lymphangiektasien, sie: Lymphopenie
mesenteriale und intestinale Lym- 5 veränderte Laborparameter in Ver-
phome, Morbus Whipple, Tuberku- bindung mit Mangelsymptomen
lose, Amyloidose, vorangegangene z α1-Antitrypsin im Stuhl: erhöhter Ge-
Dünndarmtransplantation, Kardio- halt zeigt einen enteralen Eiweißver-
myopathie, konstriktive Perikarditis, lust an
Trikuspidalklappeninsuffizienz, z Gegebenenfalls 51Cr-Albumintest:
portalvenöse Stauung (Leberzirrhose, i. v. Gabe von 51Cr-Albumin → ver-
hepatische Schistosomiasis) mehrte Ausscheidung im Stuhl über
z Neoplasien: Karzinome, Endometri- 4 Tage
ose, Kaposi-Sarkome z Eventuell ÖGD mit Biopsien: zur ätio-
z Vergrößerung der Schleimhautober- logischen Klärung
fläche: Polypose, Divertikulose, Mor- z Gegebenenfalls CT, Röntgenunter-
bus Ménétrier suchung nach Sellink: zur ätiologi-
z Exogene Schädigung: Strahlen- schen Klärung
enteritis, NSAR, Chemotherapie,
Mangelernährung, vorangegangene Differenzialdiagnostik
Verbrennungen, pseudomembranöse z Hypoproteinämische Ödeme renaler
Enterokolitis oder hepatischer Genese
z Durchblutungsstörungen: ischämi-
sche Enterokolitiden, körperliche Therapie
Anstrengung z Kausal: Therapie der Grunderkran-
kung
Klinik z Diät: natriumarme, fettreduzierte und
z Diarrhö, Steatorrhö eiweißreiche Kost sowie Austausch
z Gewichtsverlust, Malabsorptions- langkettiger durch mittelkettige Trig-
syndrome lyzeride (MCT-Produkte)
42.8 · Manifestation der HIV-Infektion 357 42.8
42.8 Manifestation der HIV- z Isospora belli:
Infektion an Dünn- und 5 Nachweis aus Stuhl, besser aus
Dickdarm Duodenalsaft
5 Therapie: Cotrimoxazol (4-mal
Allgemeines 0,96 g/Tag, ggf. Dauerbehandlung
z >50 % der Indikatorkrankheiten für mit halber Dosis erforderlich)
AIDS betreffen ausschließlich oder teil- z CMV:
weise den Gastrointestinaltrakt 5 CMV-Kolitis in der Regel erst bei
z Die Häufigkeit der Diarrhö steht in um- T-Helferzell-Zahlen von <50/μl
gekehrter Relation zur T-Helferzell-Zahl 5 Komplikationen: Blutungen (10 %),
z Hauptsymptom: Diarrhö mit oder ohne Perforationen, Vaskulitiden mit
Wasting-Syndrom (Abnahme von Thrombosen, Ischämie, toxisches
>10 % des Körpergewichts) Megakolon
5 unbehandelt ist die Prognose einer
Ätiologie CMV-Kolitis schlecht → bei dringen-
z Infektionen dem Verdacht empirische Therapie
z Medikamentennebenwirkungen 5 Nachweis aus Kolonbiopsaten
z Idiopathische Diarrhoen 5 Therapie: Ganciclovir, Foscavir,
Cidofovir; ohne Verbesserung
Infektionen der T-Helferzell-Zahlen (>200/μl)
z Kryptosporidien: wahrscheinlich lebenslange Sup-
5 Nachweis aus Stuhl, ansonsten Ko- pressionsbehandlung erforderlich
lon- und Duodenalbiopsien z Herpes-simplex-Virus:
5 Therapie: HIV-Therapie optimie- 5 meist als Proktitis oder distale Koli-
ren, Teilerfolge mit Nitazoxamid tis mit anorektalen Schmerzen, ge-
und Albendazol legentlich Tenesmen, milde Diarrhö
z Mikrosporidien 5 makroskopisch: Ulzerationen; Nach-
5 Nachweis aus Kolon- oder Duoden- weis aus Biopsat aus dem Ulkusrand
albiopsien 5 Therapie: Aciclovir, Foscavir; bei
5 Therapie: HIV-Therapie optimieren Aids bereits vielfach Aciclovirresis-
z Mycobacterium-avium-intrazellulare- tenz beschrieben
Komplex: z Clostridium difficile, Campylobacter
5 Gewichtsverlust, Nachtschweiß, spp., Salmonella spp., Shigella spp.:
(sub-)febrile Temperaturen, int- 5 Diarrhö wie bei Immunkompeten-
raabdominelle Lymphknotenver- ten ( Kap. 42.9)
größerungen, seltener Diarrhö, 5 Diagnostik und Therapie:  Kap. 42.9
Infiltration von Leber und Milz z Enteritisviren: Rota-, Adeno-und Co-
5 in der Regel bei T- Helferzell-Zah- ronaviren können bei Aidskranken zu
len von <50/μl chronischen Infektionen führen
5 Diagnostik aus Darmbiopsat z Giardia lamblia:
5 gesicherte Therapieindikation 5 schwieriger mikrobiologischer
bei Nachweis aus primär sterilem Nachweis → ggf. empirische The-
Material wie Leber oder Knochen- rapie gerechtfertig; Nachweis aus
mark: Makrolid plus Ethambutol Stuhl, besser Duodenalsaft/-biopsat
plus Rifabutin 5 Therapie: Metronidazol
42.9 Infektiöse, toxische und parasitäre Darmerkrankungen
358

⊡ Tabellen 42.4–42.4

⊡ Tab. 42.2. Infektiöse Darmerkrankungen

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten Diagnostik Therapie


Übertragung

Enteritische  Initiales Erbrechen 8–48 h/kontaminierte  Heilung spontan:  Stuhl  Antibiotika: nur bei
Salmonellen  Tenesmen Lebensmittel 3–5 Tage  Rektalabstrich schwerem Verlauf
 Diarrhö  Ausscheidung im  Serologie: wenig (Fieber, positive
 Fieber Stuhl: 3–6 Wochen spezifisch und Blutkultur, Grunder-
 Reiter-Syndrom sensitiv krankungen)
 Zu 0,1 % Dauer-  Antibiotika verzö-
ausscheider gern die Keimelimi-
nation
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

 Ciprofloxacin: 2-mal
500 mg/Tag

Salmonella typhi/ 3 Stadien: 1–3 Wochen/ in  Zu 2–3 % Daueraus-  Erst Blutkulturen  Antibiotika erfor-
paratyphi  Abendlich Fieber, Endemiegebieten: scheider  Später Stuhl, derlich
(Typhus) meist Verstopfung kontaminiertes Trink-  Komplikationen: Knochenmark  Ciprofloxacin über
 Roseolen, Fieber wasser, verunreinigte Perforation, 10–14 Tage
vom Kontinuatyp, Nahrungsmittel Ulkusblutungen,
erbsenbreiartige Hirnödem, Chole-
Diarrhö zystitis, Infektion
 Erholung ohne An- der Endothelien,
tibiotikatherapie in Knocheninfekt
einem Zeitraum von
▼ 3–4 Wochen
Shigellen Je nach Serotyp: 1–7 Tage/fäkal ver-  Erkrankungsdauer:  Stuhl (frisch oder  Ciprofloxacin,
(4 Serotypen:  Wässrige Diarrhö, unreinigtes Wasser 1 Woche Transportmedium) Levofloxacin,
dysenteriae, auch blutig-schlei- und kontaminierte  Komplikationen:  Keine Serologie Ampicillin (über
boydii, flexneri, mige Diarrhö Nahrungsmittel, von Reiter-Syndrom,  Endoskopie: ähnelt 5 Tage)
sonnei)  Schwere Verläufe: Mensch zu Mensch Sepsis, toxisches Colitis ulcerosa
Tenesmen, Fieber Megakolon, Perfo-
(40°C), Meningis- ration
mus, Hyponatriämie
Vibrio cholerae  Meist symptomarm Wenige Stunden bis  Cholera gravis: En-  Rektal- oder Stuhl-  Flüssigkeit/Elekt-
 Reiswasserdiarrhö 3 Tage/kontaminierte dotoxinvergiftung abstrich mittels Wat- rolyte
 Hohe Wasser- und Nahrungsmittel, ver- (kann in kurzer Zeit tetupfer (schneller  Keine Opiate/Peris-
42.9 · Infektiöse Darmerkrankungen

Elektrolytverluste unreinigtes Wasser letal enden) Transport) taltikhemmer


 Kein Fieber  Cholera sicca: to-  Antibiotika verkür-
 Selten Brechdurch- xisch-degenerative zen den Verlauf:
fall Parenchymschäden Ciprofloxacin
(Vox cholerina)
Yersinia en-  Gastroenteritis 10 Tage/Tierkontakte,  Reaktive Arthritis  Stuhl  Symptomatische
terocolitica,  Pseudoappendizitis kontaminierte  Erythema nodosum  Lymphknoten Therapie
Yersinia pseudo-  Enterokolitische tierische Produkte  Selten Sepsis  Darmbiopsate  Antibiotika nur
tuberculosis Verläufe (ähnlich wie  Serologie: 2fache bei kompliziertem
bei Morbus Crohn) Titerbestimmung Verlauf oder Risiko-
359

(Kreuzantigenität patienten
mit Brucella spp.)
Campylobacter  Kopf- und Glieder- 2–5 Tage/Tierkontakte,  Erkrankungsdauer:  Stuhl  Symptomatische
spp. schmerzen kontaminierte 1 Woche Therapie
 Wässrige Diarrhö, Lebensmittel  Komplikationen:  In schweren Fällen
teils blutige Diarrhö (Geflügel, Rohmilch) reaktive Arthritis Antibiotika (Makro-
 Tenesmen (<1 %), Guillain- lide, Chinolone)
Barré-Syndrom
▼  Zu 10 % Rezidive
42.9
360
⊡ Tab. 42.2. Fortsetzung

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten Diagnostik Therapie


Übertragung

Enteroinvasive  Wässrig-blutige 18 h/kontaminiertes  Enterotoxin-/Pro-  Stuhl  Symptomatische


Escherichia coli Diarrhö Wasser, verunreinigte teasenproduktion  PCR-Diagnostik Therapie
(EIEC)  Meist Fieber und Lebensmittel  Tests können in An-  Bei schweren Ver-
Bauchkrämpfe wesenheit bestimm- läufen/Risikogrup-
ter Shigellenarten pen: Chinolone
positiv ausfallen

Enterotoxin-  Reisediarrhö (wäss- –/kontaminierte  Toxinproduktion  Stuhl: PCR, ELISA,  Symptomatisch


bildende rig, nicht blutig) Lebensmittel, verun-  Erkrankungsdauer: Immundiffusionstest  Bei Bedarf reicht
Escherichia coli  Übelkeit reinigtes Trinkwasser 1–2 Wochen Einmalgabe von
(ETEC)  Abdominalkrämpfe  Einzelfälle mit Chinolon oft aus
 Subfebrile Tempe- hohem Wasser-/
raturen Elektrolytverlust
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

Enteropathogene  Säuglingsenteritis –/von Mensch zu  Toxikose: auch heute  Stuhl: PCR, Nachweis
Escherichia coli (wässrige, breiige Mensch noch Todesursache von Pathogenitäts-
(EPEC) Diarrhö) im Säuglingsalter genen
 Schleimbeimengun-
gen zum Stuhl

Enterohämorrha-  Leichte wässrige 1–8 Tage/Tierprodukte  Ausscheidungsdauer  Stuhlkultur  Supportiv


gische Escheri- Diarrhö (von Rindern, Schafen, (Infektiosität): 7 Tage  Shigatoxinnachweis  Antibiotika kontra-
chia coli (EHEC)  Blutige Diarrhö Ziegen), von Mensch (bis 3 negative Stuhl-  Serologie: bei indiziert (vermehrte
v. a. bei Kindern zu Mensch proben vorhanden negativer Kultur Toxinfreisetzung
und Alten (schwere sind) und höhere Rate an
▼ Infektion bis hin zu  Shigatoxinproduk- extraintestinalen
lebensgefährlichen tion Komplikationen)
extraintestinalen  Vor allem bei Kin-  Keine Motilitäts-
Komplikationen) dern und in den hemmer
Sommermonaten
vorkommend
 Hämolytisch-urämi-
sches Syndrom
 Thrombotisch-
thrombozyto-
penische Purpura
 Invagination
 Toxische
42.9 · Infektiöse Darmerkrankungen

Myokardschäden

Enteroaggrega-  Wässrige Diarrhö mit  Enterotoxinpro-  Stuhl  Antibiotika bei chro-


tive Escherichia Schleimbeimengung duktion nisch-rezidivierender
coli (EAEC)  Tenesmen  Chronisch-rezidivie- Diarrhö (Chinolone;
 Fieber rende Diarrhö Hemmstofftestung
 Erbrechen  Multiresistente empfehlenswert)
 Selten Blutbeimen- Stämme
gungen zum Stuhl
361

Clostridium  Einfache Diarrhö nach Antibiotika-  Virulenzfaktoren:  Toxinnachweis  Keine Motilitäts-


difficile  Blutige Diarrhö therapie, »the big 2 Toxine (Toxine A und B) im hemmer
 Fulminante Kolitis three«: Clindamycin,  Komplikationen: Stuhl (Spezifität:  1. Wahl: Metronida-
 Bauchschmerzen Cephalosporine, Perforation, toxi- 95–100 %; Sensitivi- zol (3-mal 400 mg
 Fieber Penicilline (meist im sches Megakolon, tät: 65–85 %) für 10 Tage; auch bei
 Leukozytose Verlauf einer Antibi- Dehydratation  Stuhlkulturen parenteraler Gabe
 Enteropathie mit otikatherapie, Latenz wirksam)
Eiweißverlust von bis zu 8 Wochen
▼ möglich)
42.9
362
⊡ Tab. 42.2. Fortsetzung

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten Diagnostik Therapie


Übertragung

 Differenzialdiagno-  Koloskopie bei Un-  2. Wahl: Vancomycin


sen: antibiotikaas- klarheit, ansonsten (4-mal 125 mg/Tag
soziierte Diarrhö, obsolet (Perforati- p. o. über 10 Tage)
segmental-hämor- onsgefahr)  Rezidivrate: 20–25 %
rhagische penicillin-  Biopsie → Rezidivtherapie
assoziierte Kolitis  Pseudomembranen  Hygienemaß-
 Therapie asympto- nicht immer nach- nahmen, Therapie-
matischer Träger in weisbar kontrolle
Risikobereichen
(Krankenhaus)

Darmtuberkulose  Fehlen pathogno- als primäre Infektion  Vorwiegend Prob-  Schwierige Diag-  Wie extrapulmonale
monischer Symp- oder Folge einer In- lem in Entwicklungs- nostik Tuberkulose. (Iso-
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

tome fektion anderen Ortes ländern und bei  Stuhl: mikroskopisch niazid, Rifampicin,
 Bauchschmerzen, über hämatogene Immunsupprimier- und kulturell Ethambutol über
v. a. im rechten Streuung ten (HIV-Infektion)  Koloskopie mit 6 Monate, Pyrazi-
Unterbauch (kann von Mund bis  Differenzialdiagno- Biopsie (Histologie namid über 2 Mo-
 Konglomerattumor Anus auftreten, meist sen: Morbus Crohn, und Kultur: 30- bis nate)
 Fieber Ileozäkalregion be- Yersinienenteroko- 80%ige Diagnose-
 Übelkeit troffen) litis, Amöbenkolitis, wahrscheinlichkeit)
 Gewichtsverlust Aktinomykose, vas-  Bildgebung (Lymph-
 Peritonismus kuläre Insuffizienz, knotenvergrößerun-
 Fissuren Sarkoidose, maligne gen): Hinweise
 Fisteln Lymphome  Chirurgie/empiri-
 Obstruktion sche Therapie
▼  Perianale Abszesse
Noroviren  Abdominalkrämpfe 1–3 Tage/fäkal-oral  Häufigster Erreger  Meist aus klinischer  Keine spezifische
 Übelkeit über Schmierinfektion nichtbakterieller Sicht keine Notwen- Therapie
 Diarrhö und kontaminierte Gastroenteritiden digkeit zur Diag-  Hygienemaßnah-
 Erbrechen Lebensmittel sowie  Endemische nostik, sondern aus men
 Myalgien verunreinigtes Wasser Ausbrüche in Ge- epidemiologischen/  Beurlaubung Er-
 Abgeschlagenheit meinschaftseinrich- seuchenhygieni- krankter bis 2 Tage
tungen schen Gründen nach Abklingen der
 »Winter vomiting  RT-PCR aus Stuhl Symptome
disease«
 Hohe Umwelt-
resistenz
 Hohe Genom-
42.9 · Infektiöse Darmerkrankungen

variabilität
Rotaviren  Erbrechen 1–3 Tage/fäkal-oral,  Weltweit für etwa  Stuhluntersuchung:  Keine spezifische
 Diarrhö (gelblich, Schmierinfektionen, 50 % aller kranken- durch Enzymim- Therapie
wässrig mit etwas kontaminierte hausbedürftigen muntest Nachweis  Hygienemaßnahme
Schleim) Nahrungsmittel, kindlichen eines gruppenspe- mit speziellen
 Fieber verunreinigtes Wasser Diarrhöen verant- zifischen Antigens, Desinfektionsmitteln
 Dehydratation wortlich kulturelle Isolierung
 Resistent gegenüber (schwierig)
vielen Desinfektions-  RT-PCR
mitteln
363

 Komplikationen:
Invaginationen, evtl.
nekrotisierende Ente-
rokolitis, möglicher-
weise biliäre Atresie,
Laktoseintoleranz,
zerebrale Symptome
wie (febrile) Krampf-
anfälle und Enzepha-
lopathien
42.9
364
⊡ Tab. 42.3. Lebensmittelvergiftungen durch Enterotoxinbildner

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten und Therapie


Übertragung Diagnostik

Staphylococcus  Übelkeit, Erbrechen 4–6 h/unterschiedlichste  Häufigste Ursache von Keine spezifische Therapie
aureus  Kreislaufsymptome Speisen (v. a. mit hohem Salz- Nahrungsmittelintoxika-
und/oder Zuckergehalt) tionen
 Krankheitsdauer: 1–3 Tage,
meist 24 h

Clostridium  Diarrhö 7–15 h/Typ A: nicht frisch zu-  Typ A: häufig; Krankheits- Typ A: keine Therapie
perfringens  Abdominelle Krämpfe bereitetes Fleisch und nicht dauer: 6–24 h notwendig;
 Übelkeit, Erbrechen frisch zubereitete Fleisch-  Typ C: selten; Enteritis Typ C: Penicillin G
 Fieber produkte necroticans; kann (20–40 Mio. IE/Tag)
innerhalb von 24 h
zum Tod führen; in
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

den Hochländern von


Neuguinea und Papua
vorkommend

Bacillus cereus  Diarrhoische Form: profuse, Diarrhoische Form: 8–16 h;  Diarrhoische Form: Dauer Keine spezifische Therapie
wässrige Diarrhö, abdo- emetische Form: <6 h/v. a. von 24–36 h
minelle Krämpfe, selten Nahrungsmittel, die nach  Emetische Form: Dauer
Erbrechen dem Kochen gekühlt werden von max. 24 h
 Emetische Form: (Pudding, Nudelsalate; der
Erbrechen, abdominelle Temperaturbereich von
Krämpfe 55–7°C sollte dabei mög-
lichst schnell durchlaufen
▼ werden)
Clostridium  Erbrechen 12–36 /ubiquitär im Boden,  Ubiquitär im Boden vor- Frühzeitig Antitoxin,
botulinum  Diarrhö Milchprodukte, schlecht kon- kommend Intensivtherapie
 Obstipation servierte Fleischwaren, un-  Nachweis des Toxins in
 Akkomodationsstörungen, genügend haltbar gemachte Serum, Stuhl und Lebens-
Doppelbilder, Lichtemp- Konserven mitteln
findlichkeit (Selbsteingemachtes), bei  Toxinbildung im Darm
 Schluckstörungen Säuglingen Honig möglich (Säuglinge), aber
 Symmetrische absteigende v. a. unter anaeroben Be-
schlaffe Parese dingungen
 Hemmung der Acetyl-
cholinfreisetzung aus den
42.9 · Infektiöse Darmerkrankungen

präsynaptischen Nerven-
endigungen
 Toxine: hitzelabil, säure-
empfindlich
 Mortalität: 25–50 %
42.9365
366
⊡ Tab. 42.4. Ausgewählte parasitäre Infektionen

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten Diagnostik Therapie


Übertragung

Protozoen

Entamoeba  Häufig asympto- 1–4 Wochen; Abszess:  Tropen/Subtropen  Frischer, warmer  Intestinale Form:
histolytica matisch Monate bis Jahre/  Importierte Reise- Stuhl oder Biopsate Metronidazol über
 Amöbenkolitis: fäkal-oral auf direktem krankheit (Nachweis der Mag- 10 Tage, danach
himbeergeleeartige Weg oder über  40.000 Menschen naform) Kontaktamöbizid
Durchfälle (Perfora- fäkalienkontaminierte sterben jährlich  PCR aus Stuhl (Paromomycin); The-
tionen), Tenesmen, Lebensmittel/verun-  Schwere Infektionen  Serologie (2 ver- rapieerfolg durch
evtl. Fieber, Amö- reinigtes Wasser bei Kleinkindern, schiedene Antikör- Stuhlproben prüfen
bom, chronisch-rezi- Schwangeren und pernachweise)  Extraintestinale
divierende Kolitis Patienten mit Korti- Form: wie intestinale
 Amöbenabszesse: sontherapie; Aidspa- Form; in Ausnahme-
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

v. a. in der Leber tienten haben kein fällen Abszessdrai-


(rechts) Risiko für schweren nage
Verlauf

Giardia lamblia  Asymptomatische 1–45 Tage/fäkal-oral  Dauer der Sympto-  Frischer, normal ge-  Metronidazol für
Träger, chronische über fäkalienkontami- matik: 3–20 Tage formter Stuhl (Nach- 7 Tage
Infektionen nierte Lebensmittel/  Passagere Laktosein- weis von Zysten)
 Akut: Stuhldrang, verunreinigtes toleranz möglich  Giardiaantigentest
faulig riechende, Wasser, von Mensch zu an Stuhl, Duodenal-
wässrige bis breiige Mensch flüssigkeit oder
Diarrhö, Schmerzen, Duodenalbiopsat
Übelkeit, Gewichts-
▼ verlust
Zestoden (Bandwürmer)

Taenia saginata  Wenige und unspe- Verzehr von rohem  Komplikationen  Stuhluntersuchung:  Intestinale Taeniasis:
(Rinderfinnen- zifische Symptome: oder nicht ausrei- durch wandernde Nachweis von Eiern Praziquantel (Ein-
bandwurm), Hungergefühl, chend gekochtem Proglottiden: und Proglottiden; maldosis: 10 mg/
Taenia solium Diarrhö, Gewichts- Fleisch, welches infek- Appendizitis, ggf. Untersuchung kg KG); 3 Monate
(Schweinefin- abnahme, perianaler tiöse Zystizerkuslarven Cholangitis von mehreren Stuhl- nach der Therapie:
nebandwurm), Pruritus enthält  Zystizerkrose: bei proben und Anwen- Stuhluntersuchung
Diphyllobothrium  Perniziöse Anämie Taenia solium dung verschiedener auf Eier
latum (Fischfin- beim Fischfinnen- (Ingestion von Anreicherungstech-  Zystizerkrose:
nenbandwurm) bandwurm Eiern und Ablage niken Therapie unter
42.9 · Infektiöse Darmerkrankungen

der Finnenform  Bildgebung (CT , stationären Bedin-


im Gewebe: v. a. MRT) bei Zystizer- gungen
Unterhaut, Musku- krose
latur, Gehirn, Leber,
Peritoneum)

Echinococcus  Verdrängungsgefühl Kontamination mit Kot  Ruptur der  Serologie  Chirurgie, PAIR-
granulosus (Hun-  Schmerzen vom Hund Hydatiden mit  Sonographie der Methode (Punktion,
debandwurm;  Gallenstau allergischem Schock Leber: Echinokok- Aspiration, Injektion,
zystische Echino- kuszyste Re-Aspiration)
367

kokkose)  Albendazol, ggf. Me-


bendazol

Echinococcus  Oberbauchschmerz Kontaminierte Wald-  Infiltratives Wachs-  Bildgebung: Sono-  Chirurgie bis Leber-
multilocularis  Ikterus früchte tum wie ein Tumor graphie, CT, MRT transplantation
(Fuchsband-  Zunehmende Leber-  Einbruch in Gefäße  Antigennachweis  Albendazol, Meben-
wurm; alveoläre insuffizienz mit Metastasierung (Em2) dazol
Echinokokkose)

42.9
368
⊡ Tab. 42.4. Fortsetzung

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten Diagnostik Therapie


Übertragung

Nematoden (Fadenwürmer)1

Ascaris Pulmonale Askari- Aufnahme von Eiern  Larven durchwan-  Stuhluntersuchung  Mebendazol (2- bis
lumbricoides diasis: über Nahrungsmittel, dern den Darm auf Wurmeier 3-mal 100 mg/Tag
(Spulwurm)  Löffler-Syndrom Wasser und bei Kin- und gelangen in  Untersuchung der über 3 Tage)
 Husten (eosinophi- dern beim Spielen die Lunge, wo sie peranal abgegange-  Albendazol (Einmal-
les Lungeninfiltrat) vom Boden reifen; anschließend nen oder ausgehus- dosis: 400 mg)
 Asthmatoide wandern sie über teten Würmer
Anfälle die Trachea erneut
 Atemnot in den Magen-Darm-
 Urtikaria Trakt
 Subfebrile Tempe-  Lebt im Dünndarm,
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

raturen kann bis zu 30 cm


 Eosinophilie lang werden
 Komplikationen:
Intestinale Askari- Dünndarmobstruk-
diasis: tion, Perforation,
 Abdominelle Cholangitis, Leber-
Beschwerden abszess, Pankreatitis
 Diarrhö
 Übelkeit
 Erbrechen
 Malabsorption
mit Mangelernäh-
▼ rung
Ancylostoma  Respiratorische Durchdringen der  Blutsaugende Dünn-  Stuhluntersuchung  Mebendazol (2-mal
duodenale, Ne- Symptome Haut (Fußsohlen), An- darmparasiten auf Wurmeier 100 mg/Tag für
cator americanus  Eosinophilie clostoma duodenale  Etwa 1 cm lang 3 Tage)
(Hakenwürmer)  Übelkeit auch über Lebens-  Wandern in die  Gegebenenfalls zu-
 Erbrechen mittel Lunge, wo sie her- sätzlich Folsäure und
 Diarrhö anwachsen; dann Eisen zur Anämiebe-
 Meteorismus gelangen sie über handlung
 Schwere (tödliche) Trachea und Pha-
Eisenmangelanämie rynx wieder zurück
 Herzinsuffizienz in den Darm
 Intestinale Protein-
verluste
42.9 · Infektiöse Darmerkrankungen

Strongyloides  Pruritus Penetration durch die  Nach Migration lebt  Stuhluntersuchung:  Albendazol (2-mal
stercoralis  Lineare, rote Erup- Haut der adulte Wurm im Larven 400 mg/Tag für
(Zwergfaden- tion bei Wanderung Dünndarm  Duodenalsaft: 3–7 Tage,
wurm) der Larven unter der  Durch Autoinfektion Larven; evtl. sind Wiederholung nach
Haut kann eine Infektion Anreicherungstech- 3 Wochen)
 Eosinophilie über Jahre persis- niken notwendig  Mebendazol,
 Bei Migration pul- tieren (Baermann- Tiabendazol
monale Symptome  Adulte Würmer sind Untersuchung)
 Pruritus analis 2 mm lang  Kontrolluntersu-
369

 Abdominelle  Bei HIV-Patienten chungen nach 1


Schmerzen und Immunsuppri- und 3 Monaten
 Episodische Diarrhö mierten unter Ste- (Baermann-Unter-
 Malabsorption roidtherapie kann suchung)
 Steathorrhö es zum schweren
 Schleimhautfibrose Hyperinfektionssyn-
 Chronische Infek- drom kommen
tion: episodisches  Eosinophilie kann
Fieber, Pneumonitis bei Hyperinfektions-
▼ syndrom fehlen
42.9
370
⊡ Tab. 42.4. Fortsetzung

Erreger Klinisches Bild Inkubationszeit/ Besonderheiten Diagnostik Therapie


Übertragung

Enterobius/  Perianaler Pruritus Eier werden oral über  Vor allem Vor- und  Mikroskopie eines  Mebendazol (100 mg
Oxyuris nachts oder früh- fäkal kontaminierte Schulkinder in über- perianalen Ab- über 3 Tage) oder
vermicularis morgens Nahrungsmittel und bevölkerten Gebie- klatschpräparats Albendazol (400 mg)
(Madenwurm) Wasser aufgenommen ten betroffen (durchsichtiger Kle- mit einer 2. und
oder direkt anal-oral  Weibliche adulte bestreifen morgens 3. Gabe nach 2 und
(Autoinfektioszyklus) Würmer sind auf die perianale 4 Wochen
8–13 mm, männliche Region aufkleben  Gegebenenfalls
Würmer 2–5 mm und auf einen Ob- Familienbehandlung
lang jekträger geben; ggf.
 Reifung im Dünn- mehrmals wieder-
darm holen)
 Adulte Würmer leben
Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

im Kolon, v. a. in Zä-
kum und Appendix
 Nach der Begattung
sterben die männ-
lichen Würmer, die
weiblichen wandern
zur Eiablage in die
perianale Region
1 Weitere
Fadenwürmer: Trichuris trichiuria (Peitschenwurm), Trichinella spiralis (Trichine; larvale Nematodeninfektion)
Filarien:
Wucheria bancrofti/Brugia malayi, Brugia timori (Lymphödem, Elephantiasis)
Loa-Loa (Augenbefall)
Onchocerca volvulus (Flussblindheit)
Mansonella spp.
42.11 · Neuroendokrine Tumoren (NET) 371 42.11
42.10 Dünndarmtumoren z Palliative Sicherung der Passage
durch endoskopische Anlage eines
Gutartige Dünndarmtumoren Metallstents
z Adenome: histologische Einteilung in
Analogie zu Dickdarmpolypen
z Weitere mesenchymale Tumoren: z. B. 42.11 Neuroendokrine Tumoren
Leiomyome, Lipome, und Hamar- (NET) des Dünn- und
tome; zahlenmäßig untergeordnete Dickdarms
Rolle
z Adenom-Karzinom-Sequenz auch bei Allgemeines
Dünndarmtumoren; Risikogruppen: z  Kap. 43
Patienten mit familiärer Adenomato- z NET des gastroenteropankreatischen
sis coli oder hereditärem nichtpolypö- Systems sind selten; die Namensge-
sem Kolonkarzinom bung beruht auf tumor- und zellbiolo-
z Je nach Größe und Lokalisation ggf. gischen Gemeinsamkeiten neuronaler
endoskopische oder chirurgische Re- und endokriner Zellen, die beide in
sektion ähnlicher Form Peptidhormone und
biogene Amine synthetisieren und
Maligne Dünndarmtumoren ausschütten können
z Selten: 1–2,5 % aller gastrointestinalen z NET des Vorderdarms (Ösophagus bis
Malignome Treitz-Band): u. a. NET des Duode-
z Adenokarzinom (35–50 %), Karzi- nums, die sowohl sporadisch als auch
noide (20–40 %), Lymphome (14 %), im Rahmen eines MEN-1-Syndroms
Sarkome einschließlich gastrointesti- vorkommen können
nale Stromatumoren (11–13 %) z NET des Mitteldarms (Treitz-Band
z Symptome durch Obstruktion, Blu- bis linke Kolonflexur): können
tungen und Gewichtsverlust funktionell (Karzinoidsyndrom) und
nichtfunktionell (Stenosesymptome)
Diagnostik sein
z Enteroklysma nach Sellink, konventi- z NET des Hinterdarms (distal der lin-
onell oder mittels MRT ken Kolonflexur): in der Regel nicht-
z Push- und Doppelballonendoskopie funktionell
zur Lokalisation und Biopsie z Lokalisation: 68 % distales Ileum,
z Abdomensonographie zum Aus- 37 % proximales Ileum, 6 % distales
schluss von Lebermetastasen Jejunum (in bis zu 35 % der Fälle mul-
tiple Primärtumoren)
Therapie z Ein Karzinoidsyndrom tritt bei 10 %
z Nach Möglichkeit chirurgische Re- aller NET des Dünndarms auf, aber
sektion nach onkologischen Grund- bei <1 % der NET des Appendix
sätzen z Karzinoidsyndrom der NET des
z Bei Lymphom: kombinierte Chemo- Mitteldarms: erst bei Auftreten von
therapie Lebermetastasen, da die Sekretions-
z Bei inoperablem gastrointestinalem produkte des Primärtumors hepa-
Stromatumor: Imatinib (Glivec; tisch metabolisiert und inaktiviert
400 mg/Tag p. o.) werden
372 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

Diagnostik 5 versuchsweise Streptozotocin,


z Symptome des Karzinoidsyn- 5-Fluorouracil und Doxorubicin,
droms: »flush« und/oder Diarrhö in Einzelfällen Dacarbazin, bei
(85–90 %), Herzbeteiligung (He- anaplastischen NET Cisplatin plus
dinger-Syndrom: Endokardfibrose, Etoposid
Trikuspidalklappeninsuffizienz,
Pulmonalklappenstenose; 30–35 %), Prognose
Teleangiektasien (25 %), Broncho- z Korreliert mit Organzugehörigkeit,
konstriktion (bis 10 %), Hautverän- Differenzierungsgrad und Größe des
derungen (Pellagra; bis 5 %), psychi- Primarius
sche Störungen (3–10 %) z 5-Jahres-Überlebensrate:
z Labordiagnostik: 5 lokalisierte NET des Mitteldarms
5 erhöhte Konzentration von (Ausnahme: Appendix): 65–75 %
5-Hydroxy-Indol-Essigsäure 5 bei nicht resezierbaren Lebermeta-
(Serotoninmetabolit) im 24-h- stasen: 30 %
Sammelurin für Karzinoidsyn- 5 bei Karzinoidsyndrom: 20 %
drom spezifisch (100 %) und
sensitiv (75 %)
5 Serotonin und Chromogranin A 42.12 Divertikelkrankheit
im Serum
z Lokalisationsdiagnostik: So- Definition
nographie, Enteroklysma nach z Divertikulose: asymptomatisches
Sellink, Hydro-MRT des Dünn- Vorhandensein von Kolondivertikeln;
darms, CT, Somatostatinrezep- meist falsche Divertikel (Pseudo- oder
torszintigraphie Graser-Divertikel), nämlich Ausstül-
pungen der Darmschleimhaut (Sub-
Therapie mukosa, Mukosa) durch präformierte
z Chirurgische Resektion: bei lokali- Muskellücken
sierter Erkrankung; bei ausgedehnter z Divertikelkrankheit: symptomati-
Erkrankung zytoreduktive Verfahren sches Vorhandensein von Kolondi-
(Operation, Chemoembolisation, vertikeln:
Thermo-/Kryoablation) und Radiore- 5 Divertikulitis: Retention und
zeptortherapie Verfestigung von Stuhl in den
z Biotherapie bei funktionell aktiven Divertikeln (Fäkolith) mit kop-
NET: Octreotid (Sandostatin), Lan- rostatischen Drucknekrosen →
reotid (Somatuline Autogel) oder Entzündung der Darmwand →
Interferon α → bei 30–50 % der Pati- kleinste Darmwandperforationen
enten zusätzliche Krankheitsstabilisie- → Peridivertikulitis mit Bildung
rung von Mikroabszessen, segmentalen
z Chemotherapie: Schrumpfungen und Stenosen
5 bei progredienter, metastasierter 5 Divertikelblutung: Arrosion von
Erkrankung, entdifferenzierten benachbarten Gefäßen (bei etwa
NET, Wirkungsverlust der Biothe- 4 % aller Divertikelpatienten;
rapie oder Versagen der zytore- häufigste Ursache einer unteren
duktiven Maßnahmen gastrointestinalen Blutung: 40 %)
42.12 · Divertikelkrankheit 373 42.12
Allgemeines Klinik der Sigmadivertikulitis
z Divertikulose: zu 50 % auf das Sigma z Schmerzen im linken Unterbauch,
und in 90 % der Fälle auf das linke evtl. Tenesmen (»Linksappendizitis«),
Hemikolon beschränkt evtl. auch rechtsseitige Unterbauch-
z 25 % der symptomlosen Divertikel- schmerzen (»Appendizitis trotz Ap-
träger entwickeln Komplikationen: pendektomie«)
Blutung (25 %) und Divertikulitis z Stuhlunregelmäßigkeiten, meist
(75 %), wovon 25 % kompliziert ver- Obstipation, selten Diarrhö
laufen z Flatulenz
z Zu 75 % primär unkomplizierte Ver- z Übelkeit, Erbrechen
läufe; anschließend: 1/3 asymptoma- z Fieber, subfebrile Temperaturen
tisch, 1/3 unspezifische Symptome,
1/3 rekurrierende oder komplizierte > Einen Sonderfall stellt die rechtssei-
Divertikulitiden tige Divertikulose dar (<5 %), da es sich
in Zäkum und Colon ascendens meist
Ätiologie um solitäre echte Divertikel handelt, die
z Motilitätsstörungen des Kolons weniger zur Entzündung als zur Rhexis-
z Erworbene Wandschwäche im Be- blutung neigen.
reich von Gefäßlücken
z Hohe segmentale Drücke im Sigma Komplikationen
z Angeborene Bindegewebeschwäche z Arrosion benachbarter Gefäße
z Ballaststoffarme Ernährung (Zivilisa- (v. a. im rechten Hemikolon → untere
tionskrankheit) gastrointestinale Blutung)
z Perikolischer Abszess, gedeckte/freie
Einteilung Perforation → akutes Abdomen
⊡ Tabelle 42.5 z Subileus durch entzündlichen
Schrumpfungsprozess mit Lumen-
einengung
⊡ Tab. 42.5. Einteilung der Divertikulose
bzw. der Divertikelkrankheit nach Hansen z Chronisch-stenosierender Divertikel-
und Stock tumor
z Fistelbildung zu Dünndarm, Blase
Stadium Befund (kolovesikal), Ureter, Uterus, Vagina
0 Divertikulose (kolovaginal) oder Haut (kolokutan)
z Gegebenenfalls Konglomerattumoren
I Akute unkomplizierte z Septische Komplikation: Pylephlebi-
Divertikulitis
tis (septische Thrombophlebitis der
II Akute komplizierte V. portae)
Divertikulitis
IIa: Peridivertikulitis Diagnostik
IIb: Abszess, gedeckte Per- z Anamnese: Divertikulose, Diverti-
foration, Fistel kulitiden, Divertikelblutungen in der
IIc: Akutes Abdomen Vorgeschichte
z Körperliche Untersuchung:
III Chronisch-rezidivierende
5 Druckschmerz im (linken bzw.
Divertikulitis
rechten) Unterbauch
374 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

5 druckschmerzhafte Walze im linken z Kolorektales Karzinom


Unterbauch, palpable Resistenzen z Reizdarmsyndrom
5 Abwehrspannung z Gynäkologische Erkrankungen (u. a.
z Labordiagnostik: erhöhte Entzün- Adnexitis, Adnextumor, Extrauterin-
dungswerte (Leukozytenzahl, CRP- gravidität)
Konzentration, BSG)
> Man darf sich nie mit der Verdachtsdi-
> Normale Laborwerte schließen eine
agnose einer Divertikulitis oder Diverti-
Divertikulitis nicht aus.
kulose zufriedengeben, sondern es muss
z Bildgebung: immer eine komplette Koloskopie im
5 die Auswahl der verschiedenen Intervall zum Ausschluss eines Kolonkar-
Verfahren orientiert sich an der zinoms erfolgen.
klinischen Situation bzw. der lokal
verfügbaren Expertise Therapie
5 Abdomensonographie: z unter- z Divertikulose: Effekt einer ballast-
sucherabhängig z diagnostische stoffreichen Diät nicht bewiesen
Wertigkeit mit derjenigen der z Divertikulitis (Stufenkonzept):
CT vergleichbar z wandver- 5 unkomplizierte Divertikulitis:
dickte Kolonsegmente (>5 mm) z evtl. ambulante Behandlung,
mit schießscheibenähnlichem schlackenarme Kost oder For-
Querschnitt (Target-Zeichen); Ko- muladiät für 3–4 Tage, dabei
lonwanddicke von >15 mm: Peri- ausreichende Trinkmenge z me-
divertikulitis, u. U. Abszessbildung dikamentös: Mesalazin (3-mal
z entzündliche Hypervaskularisa- 1000 mg/Tag) und ggf. Breit-
tion z Douglas-Abszesse bandantibiotika über 7–10 Tage
5 CT: z Verfahren der 1. Wahl (z. B. Metronidazol plus Flu-
z Nachweis auch geringer Mengen orchinolone der Gruppe 2/3 oder
freier Luft bei Perforation Amoxicillin plus β-Laktamase-
5 Kolonkontrasteinlauf mit was- Inhibitor) z ggf. Spasmolytika,
serlöslichen KM: wie CT (Loka- Analgetika
lisation, Ausdehnung, Lumenei- 5 hochakute Divertikulitis: z bei
nengung, Fisteln, Abszesshöhlen, Ko-Morbidität oder höherem Le-
Perforationen) bensalter: stationäre Behandlung,
Nahrungskarenz, parenterale
> Endoskopie im akuten Divertikuli- Ernährung, parenterale Gabe von
tisstadium relativ kontraindiziert, denn Breitbandantibiotika (s. oben oder
auch bei sparsamer Luftinsufflation ist Piperacillin/Tazobactam) und An-
das Perforationsrisiko erhöht. Bei unterer algetika, engmaschige Kontrollen
gastrointestinaler Blutung: dient der z bei Abszessbildung evtl. perku-
Abgrenzung anderer Blutungsquellen, tane Drainage
ermöglicht eine Blutstillung 5 operative Therapie: bei akuten/
chronischen Komplikationen (z. B.
Differenzialdiagnostik Perforation, Stenosen, Fisteln) so-
z Chronisch-entzündliche Darmerkran- wie bei rezidivierenden oder the-
kungen, insbesondere Morbus Crohn rapierefraktären Divertikulitiden
42.13 · Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen 375 42.13
42.13 Chronisch-entzündliche z Peranale Blutungen, Anämie
Darmerkrankungen z Extraintestinale Manifestationen
(häufig unabhängig von der Krank-
Morbus Crohn heitsaktivität):
5 Haut (19 %): Erythema nodosum
Definition (3 %), Pyoderma gangraenosum
z Synonyme: Enterocolitis regionalis, (1–2 %), Cheilitis angularis und
Enteritis Crohn periorales Ekzem bei Eisen- und
z Ätiologisch unklare, in Schüben ver- Zinkmangel, aphthoide und ulze-
laufende, diskontinuierliche, segmen- röse Stomatitis
tal, am häufigsten im terminalen Ileum 5 Augen (10 %): Iridozyklitis, Iritis,
und im proximalen Kolon auftre- Uveitis, Keratitis, Episkleritis
tende, alle Wandschichten erfassende 5 Gelenke (26–39 %): HLA-B27-
(transmurale) Entzündung, die den assoziierte ankylosierende Spon-
gesamten Gastrointestinaltrakt von den dylarthritis und Sakroileitis, oligo-
Lippen bis zum Anus betreffen kann artikuläre periphere Arthritis
5 Leber (7 %): Fettleber, chronisch
Allgemeines aktive Hepatitis, primär sklerosie-
z Heilung wird nicht erzielt, dennoch rende Cholangitis (seltener als bei
normale Lebenserwartung Colitis ulcerosa)
z Genetische Disposition wichtigster
bekannter Risikofaktor: etwa 30 % Komplikationen
der Patienten haben Mutationen des z Blutungen
NOD2=CARD15-Gens auf Chromo- z Stenosen mit Subileuszuständen:
som 16 (NOD2: Rezeptor für bakteri- 20–30 % der Patienten erleiden min-
elle Peptidoglykane) destens einmal einen Subileus
z Verteilungsmuster: Dünndarm und z Enteroenterische Fisteln → Diarrhö,
Kolon (40–55 %), nur Dünndarm Malassimilation, bakterielle Überwu-
(25–30 %), nur Kolon (20–25 %), Be- cherung
teiligung des Rektums (11–26 %), Öso- z Enterokutane, enterovesikale und en-
phagus/Magen/Duodenum (3–5 %), terovaginale Fisteln
Anorektale Erkrankung (30–40 %) z Abszesse und Konglomerattumoren
z Malabsorptionssyndrome: nach Ile-
Klinik umresektion oder bei ausgedehntem
z Schmerzen (80–90 %): periumbilikal Ileumbefall
und rechter Unterbauch (Pseudoap- z Perforation: selten
pendizitis) z Toxisches Megakolon: bei Befall des
z Diarrhö (90 %): chronisch, auch Kolons (5 %)
nächtlich, meist ohne Blut z Cholezysto- (Cholesterinsteine) und
z Gewichtsverlust, Malnutrition, Kache- Nephrolithiasis (Oxalatsteine): v. a. nach
xie (60–75 %) Ileumresektion und ausgedehntem Ile-
z Fieber (33–70 %); Cave: Abszesskom- umbefall mit chologener Diarrhö
plikation z Nebenwirkungen der Steroidtherapie:
z Perianale Fisteln und periproktitische Osteoporose, iatrogenes Cushing-
Abszesse (16 %) Syndrom
376 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

z Spätkomplikationen: Amyloidose, z Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien:


Kolonkarzinom (bei ausgedehntem 5 Makroskopie: typische diskontinu-
Kolonbefall, in lange bestehenden ierliche (»skip lesions«), segmen-
Fisteln) → evtl. Karzinomüber- tale Verteilung mit Ileozökalbefall
wachung wie bei Colitis ulcerosa und Aussparung des Rektums, Ste-
(s. unten) nosen, Pflastersteinrelief, Schne-
ckenfraßulzera, aphthöse Läsionen
> Von einem erhöhten kolorektalen 5 Histologie: pathognomonische
Karzinomrisiko ist auszugehen, dies Epitheloidzellgranulome und
ist jedoch noch unzureichend cha- mehrkernige Riesenzellen (aber
rakterisiert. Es besteht ein erhöhtes nur in 40 % der Fälle)
Dünndarmkarzinomrisiko. Für Pati-
enten mit Morbus Crohn kann zurzeit ! Keine endoskopische oder histologi-
keine generelle Empfehlung zur endo- sche Läsion ist für sich allein beweisend
skopischen Überwachung ausgespro- für einen Morbus Crohn.
chen werden.
z ÖGD: Duodenalbiopsien zum Aus-
Diagnostik schluss von Sprue, Morbus Whipple,
z Anamnese: Familienanamnese, Fra- Lambliasis und Befall des oberen Gas-
gen nach Symptomen, Dauer, Häufig- trointestinaltrakts
keit und nächtlichen Beschwerden z Rektoproktoskopie: bei perianalen
z Körperliche Untersuchung: Fisteln und Abszessen
5 diffuser Druckschmerz, Meteoris- z Abdomensonographie, ggf. trans-
mus, klingende Darmgeräusche, rektale Sonographie: umschriebene
Resistenzen Wandverdickungen, Kokarden-
5 Fieber zeichen, Hypervaskularisation der
5 perianale Läsionen Darmwand, Abszesse, Konglomerat-
5 rektale-digitale Untersuchung: tumoren, Fisteln
Druckschmerz, Abszesse z Hydro-MRT des Dünndarms (Me-
5 extraintestinale Manifestationen thode der 1. Wahl zur Darstellung des
z Labordiagnostik: Dünndarms; Darmdistension durch
5 Entzündungsparameter erhöht Trinken einer Manitollösung): ver-
(Leukozytenzahl, CRP-Konzentra- dickte Darmwandabschnitte, vergrö-
tion, BSG, Thrombozytose, Fibri- ßerte Lymphknoten, Fisteln, Stenosen
nogenspiegelanstieg) z Enteroklysma nach Sellink:
5 Anämie, Eisenmangel 5 Röntgendarstellung des Dünn-
5 Elektrolytwerte, Retentionspara- darms von der Flexura duodeno-
meter jejunalis bis zur Ileozökalklappe
5 Erfassung von Mangelerschei- mittels KM-Verabreichung per
nungen: z. B. Hypalbuminämie, Sonde
Eisenmangel, Vitamin-B12- und 5 Beurteilung von Stenosen, Pflas-
Zinkmangel etc. tersteinrelief und Fisteln
z Mikrobiologische Stuhluntersuchung: z CT oder MRT des Abdomens: Konglo-
Stuhlkultur zum Ausschluss infektiö- merattumoren, Abszesse, Fisteln (v. a.
ser Enterokolitiden MRT)
42.13 · Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen 377 42.13
Differenzialdiagnostik 5 Immunsuppressiva: z bei stero-
z Infektiöse Darmerkrankungen idrefraktärem, steroidabhängigem
z Antibiotikaassoziierte oder pseudo- Verlauf sowie bei >2 Schüben/
membranöse Kolitis (Clostridium- Jahr, Fisteln und wiederholten
difficile-Toxin) Operationen aufgrund der Er-
z Appendizitis krankung z Wirkungseintritt:
z Gynäkologische Erkrankungen: Adne- nach 8–12 Wochen z Azathi-
xitis, Extrauteringravidität, Tumor oprin (Zieldosis: 2,0–2,5 mg/
z Isolierter Dünndarmbefall: Sprue, kg KG) oder 6-Mercaptopurin
Morbus Whipple, Non-Hodgkin- (Zieldosis: 1,0–1,5 mg/kg KG),
Lymphom, gastrointestinaler Stroma- einschleichend dosieren (homo-
tumor, NET zygote Thiopurinmethyltrans-
z Ältere Personen, linksseitiger Befall: ferasedefizienz bei 0,3 % der
ischämische Kolitis, Strahlenkolitis, Bevölkerung) z Medikament
Divertikulitis der 2. Wahl: Methotrexat (25 mg/
z Diversionskolitis (in operativ ausge- Woche, nach 8 Wochen 15 mg/
schalteten Darmabschnitten) Woche s. c. oder i. m.); Einsatz
z Medikamentös induzierte oder toxi- v. a. bei begleitenden Arthritiden;
sche Kolitis: Gold, NSAR, Ergotamine Folsäuresubstitution: 5 mg/Woche
z Nahrungsmittelallergie oder 1 mg/Tag
z Morbus Behçet
> Bisherige Erfahrungen sprechen
Therapie gegen eine Teratogenität bei Kindern,
z DGVS-S3-Leitlinie Morbus Crohn: deren Mütter während der Schwan-
www.dgvs.de gerschaft Azathioprin oder 6-Mercap-
z Akuter Schub (ileozökaler Befall): topurin einnehmen. In einer Studie
5 geringe Entzündungsaktivität: waren bei Kindern gehäuft Fehlbil-
Mittel der 1. Wahl ist Budesonid dungen beobachtet worden, deren
(topisch, 3-mal 3 mg/Tag p. o.), Väter Azathioprin oder 6-Mercaptopu-
evtl. 5-Aminosalizylsäure (4 g/Tag rin einnahmen.
p. o.; Studienlage uneinheitlich)
5 mäßige Entzündungsaktivität: 5 Biologicals: z TNF-α-Antikörper:
Mittel der 1. Wahl ist Budesonid Infliximab (Remicade; 5–10 mg/
(s. oben) kg KG nach Induktionstherapie
5 hohe Entzündungsaktivität: sys- alle 8 Wochen i. v. unter Fortfüh-
temische Steroidtherapie (etwa rung der sonstigen immunsup-
1 mg Prednisolon/kg KG/Tag, pressiven Therapie), Adalimumab
stufenweise Dosisreduktion bei (Humira) z Reservetherapie
klinischem Ansprechen) bei therapierefraktärem Verlauf,
z Akuter Schub (Crohn-Kolitis, Ösopha- Unverträglichkeit oder Wir-
gus-, Magen-, Dünndarmbefall): kungslosigkeit von Steroiden,
5 Kortikoide: systemische Stero- Azathioprin/6-Mercaptopurin
idtherapie (s. oben), frühzeitige und/oder Methotrexat sowie
Kombination mit Immunsuppres- fistelndem, therapierefraktärem
siva Morbus Crohn
378 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

! Absolute Kontraindikationen der z Manifestation: zwei Altersgipfel 20. bis


Biologicals: 40. Lj. und 50. bis 60. Lj.
z Aktive oder latente Tuberkulose
z Schwere Infektionen Klinik
z Schwere Herzinsuffizienz z Peranaler Blutabgang (80 %)
z Diarrhö (90 %): chronisch, auch
z Remissionserhaltung: nächtlich
5 Rezidivrate nach Remission: z Abdominalschmerzen, Tenesmen
innerhalb des 1. Jahres 30–60 %, (47 %)
während des 2. Jahres 40–70 % → z Imperativer Stuhldrang und Stuhlin-
keine generelle, sondern individu- kontinenz, Gewichtsverlust, Anorexie
elle Indikation zur remissionser- (5 %)
haltenden Therapie z Fieber (1 %)
5 5-Aminosalizylate (3–4 g/Tag z Anämie (40 %)
p. o.): insbesondere nach operativ z Extraintestinale Manifestationen:
induzierter Remission für 3 Jahre 5 seltener als bei Morbus Crohn
oder nach 5-Aminosalizylat-indu- 5 Haut: Erythema nodosum, Pyoder-
zierter Remission ma gangraenosum, orale Aphthen
5 Azathioprin/6-Mercaptopurin: 5 Augen: Iridozyklitis, Iritis, Uveitis,
bei komplexem Krankheitsverlauf Keratitis, Episkleritis
über mindestens 4 Jahre 5 Gelenke (25 %): HLA-B27-asso-
z Konservative Therapie von Fisteln: ziierte ankylosierende Spondylar-
5 nur symptomatische enteritische thritis, oligoartikuläre periphere
Fisteln bedürfen einer Therapie Arthritis
(interdisziplinär) 5 Leber: primär sklerosierende
5 dringliche Operationsindikation: Cholangitis (10 %)
bei funktionellem Kurzdarmsyn-
drom Komplikationen
5 medikamentös: Metronida- z Massive Blutungen
zol und/oder Ciprofloxacin, z Toxisches Megakolon: begünstigt
Azathioprin/6-Mercaptopurin; bei durch Hypokaliämie, Opiate und
Therapierefraktärität: Infliximab Koloskopie im akuten Schub
oder chirugische Therapie z Perforation

Colitis ulcerosa ! Verschleierung der Perforations-


symptome durch Kortikoidtherapie.
Definition
z Ätiologisch unklare, schubweise z Stenosen und Strikturen: bei Colitis
chronisch-entzündliche Erkrankung ulcerosa immer malignomverdächtig
der Dickdarmschleimhaut, beginnend z Nebenwirkungen der Steroidtherapie:
im Rektum mit kontinuierlicher, un- Osteoporose, iatrogenes Cushing-
terschiedlich weiter Ausbreitung Syndrom
z Verteilungsmuster: Proktosigmoiditis z Kolonkarzinomrisiko:
(30–50 %), partielle Kolitis (30–50 %), 5 das Risiko ist abhängig von: Aus-
Pankolitis (15–20 %) dehnung, Manifestationsalter,
42.13 · Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen 379 42.13
Dauer der Erkrankung, beglei- z Labordiagnostik:
tende primär sklerosierende Cho- 5 Entzündungsparameter erhöht
langitis (Leukozytenzahl, CRP-Konzen-
5 kumulatives Karzinomrisiko bei tration, BSG, Thrombozytose,
Pankolitis: 10 % nach 20 Jahren, Fibrinogenspiegelanstieg)
20 % nach 30 Jahren 5 Anämie, Eisenmangel
5 bei primär sklerosierender Cho- 5 Elektrolytwerte, Retentionspara-
langitis kumulatives Risiko nach meter
30 Jahren gegenüber alleiniger 5 Aktivitäten der Transaminasen,
Colitis ulcerosa um den Faktor 5 Cholestaseparameter (primär skle-
erhöht rosierende Cholangitis)
5 die Einnahme von 5-Aminosali- z Mikrobiologische Stuhluntersuchun-
zylsäure-Präparaten bzw. von Ur- gen: Stuhlkultur zum Ausschluss
sodeoxycholsäure bei primär skle- infektiöser Enterokolitiden
rosierender Cholangitis scheint z Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien:
protektiven Charakter zu haben 5 Goldstandard der Diagnostik
5 Vorsorge: z bei Pancolitis ul- 5 akuter Schub: evtl. nur
cerosa nach >8 Jahren, bei links- Sigmoidoskopie
seitiger Kolitis nach >15 Jahren 5 Makroskopie: entzündlich ge-
jährliche komplette Koloskopie rötete, ödematöse Schleimhaut,
mit Stufenbiopsien (≥4 Biopsien kontaktvulnerabel, aufgehobene
alle 10 cm) z nach subtotaler Ko- Gefäßzeichnung, kleine Ulzeratio-
lektomie mit verbliebenem Rek- nen mit Fibrinbelägen, petechiale
tumstumpf: jährliche Rektoskopie Einblutungen, distal betont, konti-
z bei histologischem Nachweis nuierliche Ausbreitung
einer hochgradigen intraepitheli- 5 Histologie: Granulozyteninfiltrati-
alen Neoplasie und insbesondere onen, Kryptenabszesse, Reduktion
einer »dysplasia-associated lesion der Anzahl der Becherzellen
or mass«, die in 40 % der Fälle mit 5 fortgeschrittenes Stadium: Dehaus-
einem bereits invasiven Karzinom trierung (Fahrradschlauchphäno-
einhergeht: elektive, kontinenzer- men), Pseudopolypen
haltende Proktokolektomie
> Keine endoskopische oder histologi-
sche Läsion ist für sich allein beweisend.
Diagnostik
z Anamnese: Familienanamnese, Fra- z Abdomensonographie: umschriebene
gen nach Blutstuhl, Dauer, Häufigkeit Wandverdickungen, Schichtung der
und nächtlichen Beschwerden Darmwand erhalten, Nachweis von
z Körperliche Untersuchung: Abszessen und eines Ileus
5 diffuser abdomineller Druck- z Röntgenübersicht des Abdomens:
schmerz, Meteorismus, Darmge- zum Ausschluss von Ileus, toxischem
räusche Megakolon und Perforation
5 Fieber
5 rektal-digitale Untersuchung: Blut Differenzialdiagnostik
5 extraintestinale Manifestationen: z Wie bei Morbus Crohn sowie Morbus
Haut, Augen, Gelenke Crohn selbst (⊡ Tab. 42.6)
380 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

⊡ Tab. 42.6. Gegenüberstellung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Parameter Colitis ulcerosa Morbus Crohn

Histologie Befall von Mukosa Transmuraler Befall, Epitheloidzell-


und Submukosa, granulome (40 %)
Kryptenabszesse, Be-
cherzellverlust, keine
Granulome

Befallsmuster Kontinuierlicher und Diskontinuierlicher (Überspringen von


zirkulärer Befall gesunden Segmenten, »skip lesions«)
und segmentaler/fleckförmiger Befall

Hauptlokalisation Immer Rektumbefall, Terminales Ileum (Ileokolitis: Schwanen-


selten Backwash- halskonfiguration), selten Rektumbefall
Ileitis (retrograde
Anschlussileitis)

Extraintestinale Selten Häufig


Manifestationen

Komplikationen Toxisches Megakolon Darmstenosen/-strikturen (bis Ileus),


(»loss of haustra«, Abzesse, Fistelbildung (Analfisteln),
Kolondilatation auf aphthoide und Schneckenfraßulzera,
>6 cm), Blutungen Konglomerattumor
→ gestörte Gefäß- (Schlingenkonglomerat)
zeichnung, maligne
Entartung

Klinik Diarrhöen (blutig, Diarrhöen (meist unblutig, wässrig),


schleimig), rektale Abdominalschmerzen, Gewichtsverlust
Blutungen, Tenesmen

Röntgenbefund »Fahrradschlauch« Pfastersteinrelief und segmentäre kurze


Stenosen (»snail trails«)

z Sexuell übertragene Proktosigmoi- Therapie


ditis: Gonokokken, Herpes-simplex- z Akuter Schub:
Virus Typ 2, Chlamydien 5 leichte bis mäßige Entzündungs-
aktivität: z Standardtherapie:
> Colitis indeterminata: etwa 10 % der Mesalazin als Lokaltherapie (bei
Fälle, wenn nicht eindeutig zwischen Proktitis als Supp.: 1,0–1,5 g/
einer Colitis ulcerosa und einem Morbus Tag; bei Proktosigmoiditis als
Crohn unterschieden werden kann Rektalschaum: 1 g/Tag; bei
> Konversionsfälle: wenn aufgrund linksseitiger Kolitis als Klysma
einer fehlerhaften Zuordnung eine ein- in einer Dosierung von 1 g/Tag
mal gestellte Diagnose später revidiert und/oder oral in einer Dosis von
werden muss 4 g/Tag) z bei unzureichendem
42.13 · Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen 381 42.13
Effekt: Budesonidschaum/- > Die Colitis ulcerosa ist durch eine
klysma Proktokolektomie heilbar, der Morbus
5 hohe Entzündungsaktivität: Crohn nicht. Die Operationsletalität
z systemische Steroidtherapie: beträgt bei elektiven Eingriffen etwa
40–60 mg Prednisolon/Tag p. o., 3 % und ist bei Notfalloperation 30fach
bei fulminanter Kolitis 1–1,5 mg/ höher.
kg KG i. v., evtl. in Kombination
mit Ciprofloxacin und Metroni- Mikroskopische Kolitis
dazol z bei Therapieversagen:
Cyclosporin (4 mg/kg KG/Tag Definition
als Dauerinfusion; Wirkspiegel: z Ätiologisch unklare, wässrige Diarrhö
300–400 ng/ml) oder Biologicals bei makroskopischem Normalbefund,
(TNF-α-Antikörper Infliximab: aber histologischem Nachweis patho-
Reservetherapie) logischer Veränderungen (s. unten,
z Chronisch-aktiver Verlauf: bei anhal- »Diagnostik«)
tenden Symptomen über 8–12 Wo- z Günstige Prognose: kein Übergang
chen trotz adäquater Therapie (bei in chronisch-entzündliche Darm-
steroidrefraktärem oder -abhängi- erkrankung, kein erhöhtes kolorekta-
gem Verlauf) sowie bei >2 Schüben/ les Karzinomrisiko
Jahr zur Remissionserhaltung:
Azathioprin (Zieldosis: 2,0–2,5 mg/ Klinik
kg KG/Tag) oder 6-Mercaptopurin z Wässrige Diarrhö: bis zu 2 l/Tag,
(Zieldosis: 1,0–1,5 mg/kg KG/Tag), nächtliche Diarrhöen
jeweils einschleichend dosieren z Übelkeit, Abdominalschmerzen und
(s. Morbus Crohn); Wirkungseintritt Schleimbeimengungen können vor-
nach 8–12 Wochen kommen
z Remissionserhaltung: z Gewichtsverlust, Zeichen einer Malab-
5 Mesalazin (1,5 g/Tag p. o. oder sorption fehlen, keine Blutstühle
bei distalem Befall als Supp. oder
Klysma) Diagnostik
5 Probiotika (Escherichia coli z Mikrobiologische Stuhluntersuchun-
Nissle) gen: Stuhlkultur zum Ausschluss
5 Azathioprin/6-Mercaptopurin infektiöser Enterokolitiden
z Chirurgie: z Ileokoloskopie mit Stufenbiopsien:
5 akute Indikationen: fulminanter 5 Makroskopisch: unauffälliger Be-
Verlauf ohne Besserung unter fund
konservativer Therapie nach 72 h, 5 Histologie: Auffälligkeiten am
schwere Blutungen, toxisches häufigsten im Colon ascendens
Megakolon, Perforation und im Colon transversum:
5 Indikationen zur elektiven Ope- z kollagene Kolitis: subepitheliales
ration: hochgradige intraepithe- Kollagenband (≥10 μm) z lym-
liale Neoplasie, Karzinom, evtl. phozytäre Kolitis: >20 intraepithe-
schwere, rezidivierende Verläufe, liale Lymphozyten/100 Epithel-
Kontraindikationen gegen eine zellen, gemischtes entzündliches
medikamentöse Langzeittherapie Infiltrat der Lamina propria
382 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

z Abdomensonographie, Gastroskopie ≥25 % und harter/klumpiger Stuhl bei


mit Biopsien: unauffällig, dienen dem <25 % der Entleerungen
Ausschluss anderer Ursachen z IBS-M (»mixed«; 27 %): harter oder
klumpiger Stuhl sowie weicher/
Differenzialdiagnostik matschiger oder wässriger Stuhl bei
z Wie bei Morbus Crohn und Colitis jeweils ≥25 % der Entleerungen
ulcerosa z IBS-U (»unsubtyped«; 21%): Kriterien
für IBS-C, -D oder -M nicht erfüllt
Therapie
z Kollagene Kolitis: Klinik
5 Budesonid: z 3-mal 3 mg/Tag p.o., z Unbehagen oder Schmerzen im Ab-
anschließend Dosisreduktion domen
z Therapiedauer: richtet sich nach z Gestörte Darmfunktion im Sinne
den Symptomen z nach Absetzen von Diarrhö oder Obstipation:
häufig Rezidive ≤3 Stuhlgänge/Woche oder >3 Stuhl-
5 Mesalazin, Bismuthsalizylat mit/ gänge/Tag (nicht nachts) sowie
ohne Colestyramin: schwache harter/klumpiger Stuhl oder weicher/
Datenlage matschiger Stuhl
z Lymphozytäre Kolitis: z Extremes Pressen während des Stuhl-
5 Budesonid: nur eine Studie, die gangs
einen Nutzen zeigt z Imperative Stuhlentleerung
5 Mesalazin mit oder ohne z Gefühl der inkompletten Entleerung
Colestyramin: Therapieversuch im z Schleimabgang
Einzelfall z Abdominelles Blähungs- oder Völle-
gefühl
z Hörbare Darmgeräusche
42.14 Reizdarmsyndrom
(»irritable bowel
syndrome«, IBS)
ROM-III-Kriterien zur Diagnosesicherung
des Reizdarmsyndroms
Definition
Wiederkehrende abdominelle Schmerzen
z Funktionelle Magen-Darm-Erkran- oder abdominelles Unbehagen über min-
kung, d. h. charakteristische Symp- destens 3 Tage/Monat in den vorangegan-
tomkonstellation ohne strukturelle genen 3 Monaten mit ≥2 der folgenden
oder biochemische Normabweichun- Kriterien:
gen bei klinischen Routineuntersu-
z Erleichterung nach Defäkation
chungen
z Beginn verbunden mit Änderung der
Stuhlfrequenz
Klassifikation (ohne Medikation)
z Beginn verbunden mit Änderung der
z IBS-C (»constipation«; 21 %): harter Stuhlkonsistenz
oder klumpiger Stuhl bei ≥25 % und Symptome müssen während der voran-
weicher/matschiger oder wässriger gegangenen 3 Monate vorgelegen haben;
Stuhl bei <25 % der Entleerungen Beginn der Symptome mindestens 6 Monate
z IBS-D (»diarrhea«; 31 %): weicher/ vor Diagnosestellung
matschiger oder wässriger Stuhl bei
42.14 · Reizdarmsyndrom 383 42.14
Diagnostik z Labordiagnostik: Blutbild, Elek-
z Anamnese: trolyt- und Leberwerte, Pankreas-
5 Zeitpunkt und Art der Erstmani- enzymaktivitäten, Albumin- und
festation Glukosespiegel, TSH- und CRP-
5 vorherrschende/begleitende Konzentration, BSG, Urinstatus,
Symptome Serologie bezüglich glutensensitiver
5 verstärkende/erleichternde Enteropathie
Faktoren z Mikrobiologische Stuhluntersuchung:
5 Verlauf und Alltagskonsequenzen Stuhlkultur zum Ausschluss einer in-
5 oft lange Vorgeschichte, wech- fektiösen Enterokolitis
selnde Beschwerden, Schmerzen z Abdomensonographie: zum Aus-
diffus, Stressabhängigeit der Sym- schluss von Organomegalie, Lym-
ptome, zeitlicher Zusammenhang phom, Darmwandverdickungen und
mit Konflikten freier Flüssigkeit
5 Abfragen der ROM-III-Kriterien z H2-Atemtests:
5 Laktoseintoleranz: schließt
> Befunde und Alarmsymptome, die ge- IBS nur dann aus, wenn die
gen eine funktionelle Störung sprechen: Symptome durch den Atemtest
z Beginn der Symptome nach dem reproduziert werden können und
50. Lebensjahr durch eine laktosefreie Diät ver-
z Nächtliche Symptome, die den Patien- schwinden
ten aus dem Schlaf wecken 5 Dünndarmfehlbesiedelung
z Monotones, aber progredientes z Ileokoloskopie:
Beschwerdebild 5 bei Alarmsymptomen oder se-
z Signifikanter Gewichtsverlust kretorischer Diarrhö (nächtlicher
z Fieber Durchfall)
z Peranale Blutungen, Anämie, positiver 5 bei Patienten ab 50 Jahren als Vor-
Haemoccult-Test sorge
z Refraktäre Diarrhö, Teerstuhl 5 bei jüngeren Patienten zum Aus-
z Hypalbuminämie schluss chronisch-entzündlicher
z Pathologischer körperlicher Unter- Darmerkrankungen
suchungsbefund 5 bei Patientenwunsch unter dem
z Kolorektales Karzinom, chronisch- Gesichtspunkt des »reassurement«
entzündliche Darmerkrankung oder bereits im Rahmen der Primärdia-
glutensensitive Enteropathie in der gnostik
Familienanamnese z Gastroskopie: bei klinischem Ver-
dacht auf Malabsorption
z Körperliche Untersuchung inklusiver z Hydro-MRT: zum Ausschluss eines
rektal-digitaler Austastung: Morbus Crohn
5 Suche nach organischen Befun- z Bei Schmerzen und Blähungen:
den, die ein IBS ausschließen (z. B. Abdomenübersichtsaufnahme zum
Resistenzen) Ausschluss eines Subileus/Ileus, ggf.
5 gynäkologische Untersuchung (bei weitere Bildgebung
Unterbauchschmerzen, Menstrua- z Bei Obstipation: anorektale Funkti-
tionsbeschwerden) onsdiagnostik
384 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

z Bei Diarrhö: z osmotische Laxanzien: Laktu-


5 Abgrenzung gegenüber Inkonti- lose (1- bis 2-mal 5–10 g/Tag),
nenz mittels anorektaler Funkti- Macrogol (1- bis 3-mal 1 Beutel/
onsdiagnostik Tag)
5 Bestimmung von Stuhlvolumen, 5 Diarrhö: z Antidiarrhoika: Lope-
osmotischer Lücke, pH-Wert, ramid (4-mal 2–4 mg) z wasser-
Fett-, Gallensäuren- und Laxan- lösliche Ballaststoffe: Plantago
zienkonzentrationen sowie ggf. ovata (s. oben) z Cholestyramin:
Elastaseaktivität als Reserve, v. a. nach Cholezys-
tektomie (1- bis 3-mal 4 g/Tag)
> Zielgerichtete Herangehensweise, z Antidepressiva: s. unten z Anti-
d. h. Diagnose positiv stellen und nicht biotika
als Verlegenheitsdiagnose 5 Schmerzen und Blähungen:
> Ausschluss von Alarmsymptomen, z Spasmolytika: Mebeverin (2-mal
Berücksichtigung der ratsamen Krebs- 200 mg/Tag oder 3-mal 125 mg/
vorsorgeuntersuchungen Tag), Butylscopolamin (3- bis
> Bei Alarmsymptomen: weitere 5-mal 10–20 mg/Tag) z Probi-
gezielte Diagnostik; ansonsten: The- otika: z. B. Bifidobacterium
rapieversuch über 4–6 Wochen → bei infantis z trizyklische Antide-
Besserung: Fortsetzung der Therapie; an- pressiva: Amitriptylin (10–50 mg
sonsten: erneute Evaluation, ggf. weitere zur Nacht) oder Desipramin
Diagnostik (10–50 mg zur Nacht), jeweils
einschleichend dosieren (z. B.
Differenzialdiagnostik 10–25 mg für 6–8 Wochen, dann
z Je nach vorherrschenden Symptomen: ggf. steigern); deutlich niedrigere
chronisch-entzündliche Darmer- Dosen notwendig als für antide-
krankungen, mikroskopische Kolitis, pressive Wirkung; Wirkungsein-
Sprue, Divertikulitis, Magenerkran- tritt verzögert (nach 1–2 Wochen)
kungen z SSRI: z. B. Paroxetin, Sertralin,
Fluoxetin, Citalopram z Seroto-
Therapie nin-Noradrenalin-Wiederaufnah-
z Allgemeinmaßnahmen: mehemmer: Venlafaxin, Duloxetin
5 »kleine Psychotherapie«: Aufbau z serotonerge Substanzen: Alose-
einer stabilen Arzt-Patient- tron (in Deutschland vom Markt
Beziehung, Aufklärung über die genommen, und zwar wegen isch-
Harmlosigkeit und nicht die Be- ämischer Kolitis als Nebenwirkun-
deutungslosigkeit der Diagnose gen mit Todesfolge), Tegaserod
5 Eliminierung auslösender Fakto- (für Frauen mit IBS-C zugelassen,
ren (Ernährungsumstellung, Aus- allerdings nicht in Deutschland)
schaltung von Stressoren) z Psychotherapie: u. a. Hypnothe-
z Therapie des dominierenden rapie, kognitive Verhaltenstherapie
Symptoms: z alternative Therapiemethoden
5 Obstipation: z wasserlösliche (ausreichende Studien zur Beur-
Ballaststoffe: Plantago ovata teilung fehlen meist; Einsatz v. a.
(Mucofalk; 2- bis 6-mal 5 g/Tag) bei Schmerzen und Blähungen):
42.15 · Dickdarmpolypen 385 42.15
Geist-Körper-Intervention (Me- Pathologische Einteilung
ditation, Selbsthilfegruppen), z Neoplastische Polypen:
Akupunktur (widersprüchliche 5 Adenome (nach dem 60. Lebens-
Studienergebnisse) z Phytothe- jahr auftretend): tubulär gestielt
rapie: Kräutermischungen der (75 %), villös (10 %; hohes Kar-
traditionellen chinesischen Me- zinomrisiko), tubulovillös (15 %)
dizin, Pfefferminzöl (Mentacur), → Adenom-Karzinom- oder
Kümmelöl (Enteroplant), STW5 Vogelstein-Sequenz
(Iberogast) 5 familiäre adenomatöse Polypose
5 polypöse Karzinome
5 Karzinoidtumoren
42.15 Dickdarmpolypen 5 nichtepitheliale Tumoren (Leio-
myome, Fibrome/Neurofibrome,
Definition Lipome, Hämangiome, Lymphan-
z Mehr oder weniger über das Schleim- giome)
hautniveau erhabene Veränderung z Nichtneoplastische Polypen:
ohne sicheren Rückschluss auf das 5 inflammatorische Pseudopolypen:
histologische Substrat oder die Digni- überschießendes Granulationsge-
tät webe → Kolitis
z Wuchsform: sessil (66 %), tailliert 5 hyperplastische Polypen: häufigs-
(14 %), gestielt (20 %) ter Dickdarmpolyp des Erwachse-
z Anzahl: singulär oder multipel bzw. nen
Polypose (>100 Polypen) 5 lymphoide Pseudopolypen
5 hamartomatöse Polypen, he-
Einteilung reditäre Formen: z juvenile
Histologische Einteilung nach Polypose: im Kindes- und
WHO-Kriterien: Jugendalter, Lokalisation im
z Konventionelle Adenome: Kolorektum, chronische Gastro-
5 Klassifikation nach histologischem intestinalblutung mit Eisenman-
Wachstumstyp: tubulär, villös, tu- gelanämie, Gefahr der Entartung
bulovillös, z Cowden-Syndrom (Syndrom
5 Grad der intraepithelialen Neopla- der multiplen Hamartome):
sie (IEN): »Low-grade«-IEN oder Auftreten von Hamartomen in
»High-grade«-IEN verschiedenen Organen, Poly-
z Serratierte (gezahnte) Läsionen oder pen in Magen und Dickdarm,
Sägeblattpolpyen: verruköse Papeln im Gesicht,
5 Einteilung serratierter Läsionen: Papillome an Zahn-/Mund-
z hyperplastische Polypen z ses- schleimhaut, keratotische Papeln
sile serratierte Adenome z tra- an Händen und Füßen z Peutz-
ditionelle serratierte Adenome Jeghers-Syndrom (autosomal-
(Grad der IEN) z gemischte ser- dominanter Erbgang): Polypose
ratierte Polypen (Grad der IEN) des Dünndarms oder des Magens
z sessile serratierte Polypen (Eisenmangelanämie, Blutau-
5 Aussage zur Vollständigkeit der flagerung auf dem Stuhl) mit
Abtragung Melaninflecken an Lippen und/
386 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

oder Mundschleimhaut, häufig z CT-Kolonographie: »virtuelle Kolos-


mit Zweitneoplasie assoziiert kopie«, nur Diagnostik, zentrumsab-
(Magen-, Ovarialkarzinom) hängig
5 hamartomatöse Polypen, nichthe-
reditäre Form: Cronkhite-Canada-
Syndrom (nichterbliches Leiden: Screening auf Kolonpolypen
juvenile Polypose, chronische Di- Asymptomatische Bevölkerung, keine Zu-
arrhö, Eiweißverlustenteropathie, gehörigkeit zu einer Risikogruppe für das
Polypen, Alopezie, Glossitis, Hy- Auftreten eines kolorektalen Karzinoms:
perpigmentation, Hämatochezie, z Maßnahmen zur Früherkennung
Malabsorption, Gewichtsverlust, von Darmkrebs: Durchführung ab dem
trophische Nagelstörungen 50. Lebensjahr
(Nagelatrophie)) z Koloskopie als Standardscreening-
verfahren: hier erübrigt sich der Haemoc-
> Da der hyperplastische Polyp ein cult-Test
Zwischenstadium zwischen nichtneo- z Bei Ablehnung einer Früherkennungs-
plastischem und neoplastischem Polyp koloskopie: alle 5 Jahre Sigmoidoskopie,
darstellt (u. a. vermehrtes Auftreten von jährlich Haemoccult-Test
hyperplastischen Polypen bei Patienten z Bei Ablehnung jeglichen endoskopischen
mit Kolonkarzinom → erhöhtes Karzi- Screeningverfahrens: jährlich Haemoccult-
nomrisiko), stimmt die »rein« pathologi- Test
sche Einteilung nicht mit der »klinischen« Risikogruppen für das Auftreten eines kolo-
WHO-Einteilung überein (Konzept der rektalen Karzinoms:  Kap. 42.16
serratierten Polypen).

Allgemeines Therapie
z Häufigkeitszunahme mit dem Alter z Komplette Entfernung aller Polypen
→ Prävalenz zwischen 50. und 60. Le- → »clean colon«; histologische Unter-
bensjahr: 29 % suchung der Polypen ist obligat (nach
z Entartungsrisiko hängt ab von: Ade- WHO-Kriterien)
nomgröße, Histologie, Wuchsform 5 endoskopische Abtragung:
(gestielt, sessil) z Adenome mit einer Größe von
≤5 mm: zangenbioptische Ab-
Klinik tragung z Adenome mit einer
z Meist asymptomatisch Größe von >5 mm: Schlingenab-
z Selten Blutungen (Polypen mit einer tragung in toto, endoskopische
Größe von >1 cm: in 20–40 % der Mukosaresektion
Fälle positiver Haemoccult-Test) oder 5 alternative Verfahren: z transa-
Ileussymptomatik (Obstruktion, Inva- nale endoskopische Mikrochirur-
gination) gie z laparoskopische oder kon-
ventionelle Resektionsverfahren:
Diagnostik bei größeren Adenomen, die nicht
z Koloskopie: Methode der Wahl → sicher mit der Schlinge abgetragen
Diagnostik und Therapie im Rahmen werden können
einer Untersuchung möglich 5 Kontrollendoskopien: ⊡ Tab. 42.7
42.16 · Kolorektale Karzinome 387 42.16
⊡ Tab. 42.7. Kontrollendoskopien nach Polypektomie. Nach der DGVS-Leitlinie »Kolorektales
Karzinom« aus dem Jahre 2008

Befund Zeitraum

Keine Polypen bei der initialen Koloskopie 10 Jahre

Kleine, rektale, hyperplastische Polypen 10 Jahre

1 oder 2 Adenome mit einer Größe von <1 cm ohne höhergradige IEN 5 Jahre

3–10 Adenome, oder 1 Adenom mit einer Größe von >1 cm oder 1 villöses 3 Jahre
Adenom

Adenom mit hochgradiger IEN 3 Jahre

Traditionelle serratierte Adenome, sessile serratierte Adenome oder <3 Jahre


gemischte Schleimhautpolypen

Inkomplette (histologisch) Abtragung 2–6 Monate

Abtragung in »Piece-meal«-Technik (fraktioniert) 2–6 Monate

Nach unauffälliger Kontrollendoskopie (nach initial auffälliger Koloskopie) sind weitere Kontrol-
len in 5-jährlichen Abständen angezeigt. Für Polyposesyndrome gelten andere Überwachungs-
protokolle.

> Komplikationsraten linie) und oberen Rektumdrittels


z Koloskopie: Letalität von <0,015 %, (>12 cm ab Anokutanlinie)
Blutungsrisiko von 0,02 %, Perforati-
onsrisiko von 0,18 % Allgemeines
z Polypektomie: Letalität von 0,06 %, z 75 % aller kolorektalen Karzinome
Blutungsrisiko von 2 %, Perforations- betreffen Personen, die keiner Risiko-
risiko von 0,32 % gruppe angehören
z Exogene Risikofaktoren: Alkohol,
Rauchen, Mangel an körperlicher
42.16 Kolorektale Karzinome Aktivität, Übergewicht, Verzehr von
rotem Fleisch, Vitaminmangel
Definition z Endogene Risikofaktoren:
z Tumoren, deren aboraler Rand bei der 5 90 % der kolorektalen Karzinome
Messung mit dem starren Rektoskop treten sporadisch infolge somati-
>16 cm von der Anokutanlinie ent- scher Mutationen auf, 10 % sind
fernt ist, gelten als Kolonkarzinome, durch eine Keimbahnmutation
bei einer Entfernung von ≤16 cm als bedingt
Rektumkarzinome 5 Risikoerkrankungen: kolorektale
z Weitere Unterteilung: Tumoren des Adenome, chronisch-entzündliche
unteren (bis 6 cm ab Anokutanlinie), Darmerkrankungen (insbesondere
mittleren (>6–12 cm ab Anokutan- Colitis ulcerosa mit »High-grade«-
388 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

IEN), vorangegangene Uretersig- Magenfundus, Hepatoblastome,


moidostomie, Schistosomiasis, Schilddrüsenkarzinome
Karzinome von Mamma, Ovar 5 Diagnostik: Koloskopie, Mutati-
und Uterus onsnachweis im APC-Gen, Au-
z Lokalisation: genhintergrundspiegelung, Schild-
5 Rektum: 20 % drüsen-/Abdomensonographie,
5 Rektosigmoid und Sigma: 35 % ÖGD-Überwachung (je nach Aus-
5 Colon descendens: 5 % prägung der Duodenalpolypose)
5 Colon transversum: 15 % 5 Vorsorge: nach der Geburt Augen-
5 Colon ascendens und Zökum: 25 % spiegelung, Mutationsanalyse ab
z Metastasierung: 10. Lebensjahr, ab einem Alter von
5 per continuitatem: parakolisch 10 Jahren jährliche Rektosigmoido-
5 lymphogen: paraaortale, Becken- skopie, bei Nachweis von Adeno-
wand- und inguinale Lymphknoten men Koloskopie, ab 10. Lebensjahr
5 hämatogen: Pfortadertyp → Leber jährliche Sonographie (Abdomen
(etwa 80 %); Kavatyp (besonders und Schilddrüse), vor dem 20. Le-
Rektum) → Lunge (ungefähr 15 %) bensjahr kontinenzerhaltende
z Histologie: Adenokarzinom Proktokolektomie, danach jährli-
che Poucho- oder Rektoskopie
Genetische Faktoren und Risiko- 5 extrakolonische Manifestationen
gruppen der familiären adenomatöse Poly-
z Kolorektale Karzinome in der Fami- pose (APC-assoziierte Polypose-
lienanamnese: Verwandte 1. Grades syndrome): z Gardner-Syndrom:
von kolorektalen Karzinom- oder familiäre adenomatöse Polypose
Adenompatienten (<50 Jahre) → erste assoziiert mit Knochen- und
Vorsorgekoloskopie 10 Jahre vor dem Weichteiltumoren (Epidermoid-
Lebensalter bei Diagnosestellung des zysten, Osteome) z Turcot-
Indexfalls Syndrom: familiäre adenomatöse
z Chronisch-entzündliche Darmerkran- Polypose vergesellschaftet mit
kungen:  Kap. 42.13 ZNS-Tumoren (Glio-, Medullo-
z Familiäre adenomatöse Polypose (FAP): blastome) z kongenitale Hyper-
5 autosomal-dominant erbliche Er- trophie des retinalen Pigmentepi-
krankung → Keimbahnmutation im thels: bei etwa 80 % Patienten mit
APC-Gen (adenomatous polyposis familiärer adenomatöser Polypose
coli-gene), Chromosom 5q21–22, in liegt eine benigne Veränderung im
ca. 25 % Neumutationen Bereich des retinalen Pigmente-
5 obligate Präkanzerose → Thera- pithels vor → Augenhintergrund-
pie: totale Kolektomie spiegelung z attenuierte adeno-
5 Klinik: Auftreten von >100 Po- matöse Polyposis coli: Variante der
lypen im Kolon, kongenitale familiären adenomatöse Polypose,
Hypertrophie des retinalen Pig- jedoch <100 (meist flache) Poly-
mentepithels, duodenale Adenome pen; Karzinome treten später auf
und Adenokarzinome, Adenome als bei der familiären adenomatöse
und Karzinome des Magens, be- Polypose; Vorsorge: ab 15. Lebens-
nigne hyperplastische Polypen des jahr jährliche Koloskopie, Kol-
42.16 · Kolorektale Karzinome 389 42.16
ektomie bei endoskopisch nicht z ≥2 aufeinander folgende Genera-
beherrschbarer Polypose tionen betroffen z ≥1 Patient mit
z Hyperplastische Polypose (Definition kolorektalem Karzinom vor dem
nach WHO): ≥5 hyperplastische Po- 50. Lebensjahr z familiäre adeno-
lypen proximal des Sigmas (2 davon matöse Polypose ausgeschlossen
mit einer Größe von >1 cm) oder z die Tumoren sollten histopatho-
hyperplastische Polypen proximal des logisch verifiziert sein
Sigmas und 1 erstgradiger Verwandter 5 Vorsorge: Mutationsanalyse ab dem
mit hyperplastischer Polypose oder 18. Lebensjahr, ab dem 25. Lebens-
>30 hyperplastische Polypen jeglicher jahr jährliche Koloskopie und Sono-
Größe proximal des Sigmas graphie (Abdomen) sowie jährliche
z Hamartomatöse Polyposesyndrome: gynäkologische Untersuchung in-
juvenile Polypose, Peutz-Jeghers-Syn- klusive transvaginaler Sonographie,
drom, Cowden-Syndrom, Cronkhite- Urinzytologie, bei Häufung von
Canada-Syndrom Magenkarzinomen in der Familie
z Hereditäres nichtpolypöses kolorekta- zusätzlich jährliche ÖGD
les Karzinom (HNPCC, Lynch-Syndrom):
5 häufigstes erbliches Syndrom mit Klinik
gesteigerter Karzinomsuszeptibilität z Symptome uncharakteristisch →
5 3–6 % aller kolorektalen Karzinome keine zuverlässigen Frühsymptome
5 kurze Latenzzeit zwischen Adenom z Blutbeimischungen zum Stuhl (am
und Karzinom (Mikrosatellitenin- häufigsten bei Rektumkarzinomen)
stabilität) z Plötzliche Änderungen der Stuhl-
5 Klinik: z frühe Erstmanifestation gangsgewohnheiten, Flatus mit Stuhl-
(medianes Alter bei Auftreten von abgang infolge eines schlaffen Sphink-
kolorektalen Karzinomen: etwa tertonus, Bleistiftstühle, Wechsel von
45 Jahre) z synchron (gleichzeitig) Obstipation und Diarrhö, Abdominal-
und metachron (zeitlich versetzt) schmerz, Tenesmen, Ileus
auftretende Karzinome z bevor- z Leistungsminderung, Müdigkeit, Ge-
zugte Lokalisation: rechtes Hemi- wichtsverlust, Nachtschweiß, Anämie,
kolon (>50 %) z extraintestinale Fieber
Manifestationen: Endometrium- z Komplikationen: Obstipation, Perfo-
karzinom, Karzinome des oberen ration, Blutung
Gastrointestinaltrakts (Magen,
hepatobiliär, Dünndarm), Ovarial- Diagnostik
karzinom, Urothelkarzinome, Kar- z Anamnese: Familienanamnese, Risiko-
zinome des Pankreas und der Haut gruppenstratifizierung
5 Diagnosestellung nach den Ams- z Körperliche Untersuchung: rektal-
terdam-Kriterien: z ein HNPCC digitale Untersuchung (Sphinkter-
assoziiertes Karzinom (kolorekta- funktion, evtl. tastbarer Tumor),
les, Endometrium-, Dünndarm-, Abdomenpalpation (tastbarer Tumor,
Ureter-, Nierenbeckenkarzinom) Ileussymptomatik)
bei 3 Verwandten, wobei einer z Labordiagnostik:
davon Verwandter 1. Grades 5 Stuhluntersuchung auf okkultes
der beiden anderen sein muss Blut z.B. Haemoccult-Test
390 Kapitel 42 · Erkrankungen des Intestinums

5 Zeichen einer Eisenmangelanämie z FDG-PET-CT: bei Lebermetastasen


5 Bilirubinspiegel zum Ausschluss weiterer extrahepati-
5 Enzymaktivitäten: alkalische scher Metastasen
Phosphatase, Transaminasen bei z Sphinktermanometrie: vor Anlage
Leberfiliae einer koloanalen Anastomose
5 CEA-Spiegel zur Verlaufskon- z Gynäkologische und/oder urologische
trolle und als Prognosepara- Vorstellung (evtl. Zystoskopie)
meter (schlechtere Prognose
bei >5 μg/l) Stadieneinteilung
z Rektoskopie/komplette Koloskopie: ⊡ Tabelle 42.8
mit Biopsie (histologische Sicherung)
z Abdomensonographie: Staging, Therapie
Lebermetastasen, Aszites DGVS-Leitlinie aus dem Jahre 2008
z Rektale Endosonographie: Staging, (www.dgvs.de)
Tumoreindringtiefe z Prinzipien:
z CT des Abdomens: Staging 5 kurativer Ansatz: komplette Tu-
z CT-Kolonographie: bei nicht passier- morentfernung einschließlich
barer Stenose primär resektabler Lungen- oder
z Röntgenuntersuchung des Thorax in Lebermetastasen nach onkolo-
2 Ebenen: Staging gischen Grundsätzen, je nach
z Gegebenenfalls CT des Thorax Stadium evtl. neoadjuvante und/

⊡ Tab. 42.8. Stadieneinteilung des kolorektalen Karzinoms

UICC- TNM-System Definition


Stadium

I T1 N0 M0 Ia: Beschränkung auf Mukosa und Submukosa

T2 N0 M0 Ib: Infiltration der Lamina muscularis propria


(nicht darüber hinaus)

II T3 N0 M0 Infiltration aller Wandschichten

T4 N0 M0 Überschreitung der Darmwand

III Tx N1–3 M0 Regionale Lymphknoten betroffen oder Infiltration der


Umgebung

IV Tx Nx M1 Fernmetastasen

Weitere Einteilungen:
Resektionsränder zur Tiefe und zur Seite: R-Klassifikation
Tiefeninfiltration: pT-Kategorie
Bei sessilen Polypen: Submukosainvasionsstrecke
Differenzierungsgrad/Grading: G-Klassifikation
Lymphgefäßinvasion: L-Klassifikation
42.16 · Kolorektale Karzinome 391 42.16
oder adjuvante Chemotherapie z Systemische Chemotherapie bei
bzw. Radio-Chemo-Therapie bei Metastasierung/Palliativsituation:
Rektumkarzinom 5 UICC-Stadium IV: je nach Situ-
5 palliatives Konzept (metastasiertes ation intensivierte systemische
Stadium): systemische Kombinati- Therapie, Deeskalation und
onschemotherapie, ggf. sekundäre Re-Induktionsschemata, primär
Metastasenresektion, Supportiv- sequenzielle oder intermittierende
maßnahmen Therapie
z pT1-Tumoren: 5 Therapieschemata: z Monothe-
5 »Low-risk«-Situation (G1/2, L0): rapie mit Fluoropyrimidinen, z. B.
z endoskopische Abtragung Capecitabin z Kombinations-
komplett (R0): keine Nachresek- chemotherapie (z. B. FOLFOXIRI:
tion notwendig, endoskopische Folinsäure/5-Fluorouracil, Oxa-
lokale Nachsorge nach 6 und liplatin, Irinotecan z Zweifach-
24 Monaten z endoskopi- kombinationen (z. B. FOLFOX)
sche Abtragung inkomplett: mit einem Biological/Angioge-
komplette endoskopische oder neseinhibitor (EGFR-Antikörper:
lokale chirurgische Entfernung Cetuximab; VEGF-Antikörper:
z R0-Situation nicht erreichbar Bevacizumab)
oder Zweifel am Vorliegen einer
pT1-Situation: onkologisch- > Vor Anti-EGFR-Therapie Überprüfung
chirurgische Resektion des k-ras-Status (der Wildtyp k-Ras ist ein
5 »High-risk«-Situation (G3/4, prädiktiver Faktor für die Wirksamkeit
L1): radikale onkologisch- der Anti-EGFR-Therapie)
chirurgische Behandlung (auch
bei kompletter endoskopischer 5 Zweit- und Drittlinientherapie:
Abtragung) je nach Vorbehandlung; alle ver-
z Adjuvante Chemotherapie: fügbaren Substanzen sollten im
5 Indikation je nach UICC-Stadium Behandlungsverlauf eingesetzt
und Risikosituation (z. B. T4- werden
Tumorperforation)
5 Vorraussetzung: R0-Resektion des Prognose
Primärtumors nach onkologischen z 5-Jahres-Überlebensraten zwischen
Grundsätzen (»En-bloc«-Resek- >90 % (pT1-Stadium) und 5 %
tion und »No-touch«-Technik) (UICC-Stadium IV)
und histopathologische Stadienbe-
stimmung, insbesondere des pN-
Status (12 oder mehr regionäre
Lymphknoten)
5 Standardchemotherapie des me-
tastasierten kolorektalen Karzi-
noms: 5-Fluorouracil/Folinsäure
i. v., Capecitabin p. o., Oxaliplatin
(FOLFOX-Kombinationschemo-
therapie)
392 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

> Erkrankungen
des Pankreas
H.-M. Steffen

Definition Klinik
Leitsymptom der Pankreaserkrankungen z Exokrine Pankreasinsuffizienz:
ist der gürtelförmige Oberbauchschmerz Steatorrhö (Fettstühle, bei Verminde-
mit Ausstrahlung in den Rücken, häufig rung der Lipasesekretion um >90 %),
mit Übelkeit und Erbrechen, bei chro- Diarrhö, Gewichtsverlust
nischem Verlauf mit den Zeichen des z Endokrine Pankreasinsuffizienz: Stö-
progredienten Funktionsverlustes. rung der Glukosetoleranz, Entwick-
lung eines pankreopriven Diabetes
Allgemeines mellitus
z Pankreatische Azinuszellen: Synthese
von stärke- und fettspaltenden sowie Diagnostik
proteolytischen Enzyme (Letztere als z Anamnese:
inaktive Proenzyme) 5 familiäre Erkrankungen (u. a.
z Duodenale Enterokinasen: Aktivie- hereditäre Pankreatitis, fa-
rung proteolytischer Enzyme miliäres Pankreaskarzinom,
z Trypsininhibitoren (Pankreassaft) hereditäres nichtpolypöses ko-
sowie Trypsinautolyse: Schutz vor Au- lorektales Karzinom, familiäre
todigestion adenomatöse Polypose, Peutz-
z Selbstverdauung: Auslösung durch Jeghers-Syndrom) und eigene
intrazelluläre Trypsinaktivierung oder Vorgeschichte
-stabilisierung bei hoher intrazellulä- 5 Alkoholabusus → alkoholische
rer Kalziumkonzentration Pankreatitis
z Sekretin: Sekretion von Natriumbi- 5 bekannte Cholelithiasis, voran-
karbonat und Wasser gegangene Cholezystektomie →
z Cholezystokinin: Sekretion der Pank- biliäre Pankreatitis
reasenzyme 5 Autoimmunerkrankungen →
z Chloridsekretion: via CFTR (»cystic Autoimmunpankreatitis
fibrosis transmembrane conductance 5 kürzliche ERCP → Post-ERCP-
regulator«), passiv gefolgt von H2O Pankreatitis
und Na+ 5 Hypertriglyzeridämie, Hyper-
z Bikarbonatsekretion: via membran- kalzämie, Bauchtrauma, In-
ständigem Chloridaustauscher fektion, Skorpionbiss → akute
z Obstruktion der Drüsenausführungs- Pankreatitis
gänge durch zähflüssiges Sekret bei 5 Vaskulitis, Schock → ischämische
CFTR-Mutationen Pankreatitis
Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas 393 43
5 Ikterus, Stuhlentfärbung, Ge- bei etwa 50 % der Patienten mit
wichtsverlust, Diabetes mellitus → Pankreaskopftumor
chronische Pankreatitis, Pankreas- 5 Thrombophlebitis migrans → pa-
kopfkarzinom raneoplastische Manifestation
5 rezidivierende venöse Thrombo- 5 bullöse nekrotisierende Dermatitis
sen (Trousseau-Phänomen) → → typische Hauterscheinung des
Pankreaskarzinom Glukagonoms
5 Hypoglykämie, Diarrhö, rezidivie- z Labordiagnostik:
rende peptische Ulzera, Diabetes 5 Blutbild/Differenzialblutbild,
mellitus → neuroendokrine Tu- CRP-Konzentration, evtl. Pro-
moren des Pankreas kalzitoninspiegel, Harnstoff-,
5 Medikamente, die eine akute Pan- Kreatinin-, Natrium-, Kalium-,
kreatitis auslösen können (s. nach- Kalzium- und Nüchternblutzu-
folgende Übersicht) ckerkonzentration, LDH-Aktivi-
5 Auslandsaufenthalte → parasitäre tät, TPZ, PTT, Albumin- und Tri-
Papillenobstruktion glyzeridspiegel, BGA → Schwe-
regrad einer akuten Pankreatitis,
Hinweise auf Genese
Medikamente, die eine akute
5 Enzymaktivitäten (AP, γ-GT,
Pankreatitis auslösen können
ALT), Konzentration des direkten
z Klasse I (≥20 Fälle berichtet, ≥1 positive Bilirubins → Hinweis auf biliäre
Re-Exposition): Didanosin, Asparaginase, Genese einer Pankreatitis oder
Azathioprin, Valproinat, 5-wertiges mechanische Obstruktion bei Pan-
Antimon, Pentamidin, Mercaptopurin, kreaskopftumor
Mesalazin, Östrogene, Opiate, Tetrazyk- 5 Lipase- (höhere Spezifität) und
line, Cytosinarabinosid, Glukokortikoide, Amylaseaktivität (schneller wieder
Cotrimoxazol, Sulfasalazin, Furosemid, im Normbereich) → Hinweise auf
Sulindac Entzündung
z Klasse II (10–20 Fälle berichtet, mit oder 5 ANA, Anti-Carboanhydrase-
ohne positive Re-Exposition): Rifampicin, Antikörper, Anti-Laktoferrin-
Lamivudin, Octreotid, Carbamazepin, Antikörper, quantitative IgG4-
Paracetamol, Phenformin, Interferon α 2b, Bestimmung → Hinweis auf
Enalapril, Hydrochlorothiazid, Cisplatin, Autoimmunpankreatitis
Erythromycin, Cyclopenthiazid z Funktionsuntersuchungen:
5 Sekretin-Pankreozymin-
z Körperliche Untersuchung: (Cholezystokinin-)Test: Bestim-
5 Abwehrspannung und »Gummi- mung von Menge, Bikarbonatge-
bauch« → akute Pankreatitis halt und Enzymaktivitäten (Chy-
5 selten bläulich-grünliche Ekchy- motrypsin, Amylase, Lipase) des
mosen: paraumbilikal (Cullen- via Duodenalsonde gewonnenen
Zeichen), Leistenregion (Fox-Zei- Sekrets nach sukzessiver i. v. Gabe
chen) oder Flanke (Grey-Turner- von Sekretin und Cholezystokinin
Zeichen) → ungünstige Prognose! oder Cerulein: Goldstandard zum
5 tastbare, nicht schmerzhafte Gal- Nachweis der exokrinen Pankre-
lenblase (Courvoisier-Zeichen) → asinsuffizienz, jedoch wegen des
394 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

hohen Aufwands nur an wenigen Endosonographie (insbesondere


Zentren verfügbar bei nicht intubierbarer Papille)
5 Pankreolauryltest: indirekter 5 ERCP: Goldstandard zum Nach-
Funktionstest; Fluoreszeindilau- weis und zur Schweregradeintei-
rat wird nach oraler Gabe durch lung der chronischen Pankreatitis
die Cholesterolesterhydroxylase 5 ÖGD: Nachweis von Komplikati-
gespalten, resorbiert und im Urin onen, Feststellung bzw. Ausschluss
oder Serum gemessen einer Magenausgangsstenose
5 Chymotrypsin- oder Elastaseakti- 5 Laparoskopie: einzige Methode
vitätsbestimmung im Stuhl: indi- zur Sicherung einer Peritonealkar-
rekter Funktionstest zinose im Rahmen des präoperati-
ven Stagings
! Indirekte Pankreasfunktionsunter- 5 Somatostatinrezeptorszintigraphie:
suchungen sind bei milder oder mäßiger Nachweis neuroendokriner Tumo-
Funktionseinschränkung nicht ausrei- ren
chend sensitiv. Normalwerte schließen 5 PET-CT: Staging und Therapiekon-
eine Pankreasinsuffizienz nicht aus. trolle neuroendokriner Tumoren

5 oGTT und Nüchternblutzucker-


spiegel: Nachweis einer endokri- 43.1 Akute Pankreatitis
nen Pankreasinsuffizienz
5 ggf. radioimmunologische Hor- Definition
monbestimmung und Funktions- z Die Diagnose gilt als gesichert bei
tests: Nachweis neuroendokriner typischer Klinik und erhöhter Lipase-
Tumoren oder Amylaseaktivität (>3faches des
z Bildgebung: oberen Normwerts)
5 die Auswahl der verschiedenen
Verfahren orientiert sich an der Allgemeines
klinischen Situation bzw. der lokal z Gesamtletalität: 3 % (milde Pankreati-
verfügbaren Expertise tis) bis 30 % (infizierte Nekrosen)
5 Abdomensonographie: einfachste z Schwere (nekrotisierende) Pankreatitis
Methode (etwa 20 % der Fälle) mit Organversa-
5 Endosonographie: sensitivstes gen und/oder lokalen Komplikationen
Verfahren bei Verdacht auf Pank- (Nekrose, Pseudozyste, Abszess)
reastumor oder chronische Pank- z Vorzeitige Trypsinaktivierung in
reatitis den Azini → Leukozytenaktivierung
5 CT: Schweregradeinteilung der mit primär lokaler, u. U. exzessiver
akuten Pankreatitis, Beurteilung Zytokinproduktion (z. B. IL-1, IL-6,
von Komplikationen, Tumorsta- TNF-α) und sekundär generalisierter
ging Systemerkrankung (SIRS, Sepsis;
5 MRT: z Wertigkeit derjenigen  Kap. 88)
der CT vergleichbar, jedoch ohne z Serumkonzentration der Zytokine
KM z in Form der MRT-Cho- korreliert mit dem Schweregrad, nicht
langiopankreatikographie nicht- dagegen die Höhe der Lipase- oder
invasive Alternative zu ERCP und Amylaseaktivitätssteigerung
43.1 · Akute Pankreatitis 395 43.1
Ätiologie 5 Blutzuckerspiegel >125 mg/dl
z Cholelithiasis (etwa 40–50 %) → bili- und Hämatokrit >43 % (Männer)
äre Pankreatitis bzw. >40 % (Frauen) haben einen
z Alkohol (ungefähr 25–30 %) → Alko- negativen prädiktiven Wert von
holpankreatitis etwa 90 %, d. h. Patienten mit
z Idiopathisch (etwa 15 %) Werten unterhalb dieser Grenzen
z Seltene Ursachen: haben in der Regel keine schwere
5 Obstruktion: Tumoren, anato- Pankreatitis
mische Varianten (z. B. Pancreas 5 prognostisch ungünstig:
divisum), funktionell (Sphinkter- Adipositas, Alter >55 Jahre,
Oddi-Dysfunktion), Parasiten Leukozytose >16.000/μl, LDH-
5 metabolisch: Hypertriglyzeridämie Aktivität >350 U/l, AST-Aktivität
von >1000 mg/dl, Hyperkalzämie >250 U/l, Kalziumkonzentration
5 toxisch: Medikamente, Skorpion- <2 mmol/l, für >48 h anhalten-
gift des Organversagen, Lungenin-
5 traumatisch: nach Unfall oder filtrate bzw. Pleuraerguss auf
ERCP dem Röntgenbild des Thorax bei
5 ischämisch: Vaskulitis, Schock, stationärer Aufnahme
Embolie
5 Infektionen: z viral: Mumps,
Röteln, Hepatitiden A–C, Kriterien der schweren Pankreatitis
Coxsackievirus-B, ECHO-Viren, (Atlanta-Kriterien)
Adenoviren, CMV-, Epstein-
z Organversagen:
Barr-Virus, HIV-Infektion
5 Schock (systolischer Blutdruck:
z bakteriell: Mykoplasmen, <90 mmHg)
Mykobakterien, Legionellen,
5 respiratorische Insuffizienz (pO2:
Leptospiren, Campylobacter <60 mmHg)
jejuni z parasitär: Ascariasis
5 Niereninsuffizienz (Kreatininkon-
(Spulwurm), Clonorchiasis (Chi- zentration: >2 mg/dl nach Rehydra-
nesischer Leberegel) tation)
5 autoimmun ohne oder mit assozi-
5 gastrointestinale Blutung (Blutverlust:
ierten Autoimmunerkrankungen: >500 ml/24 h), lokale Komplikationen
Siccasyndrom, primär sklerosie- und Zeichen einer ungünstigen Prog-
rende Cholangitis, Autoimmun- nose
hepatitis, Zöliakie
z Lokale Komplikationen:
5 hereditär: bei etwa 80 % der Pa-
5 Pankreasnekrose (>30 % oder >3 cm)
tienten Mutationen im PRSS1-,
5 Pankreasabszess (umschrieben Eiter-
SPINK-1- oder CFTR-Gen ansammlung)
5 Pseudozyste (Pankreassekret umge-
Diagnostik
ben von Kapsel aus Granulations-/
z ⊡ Abb. 43.1 Narbengewebe)
z Feststellung des Schweregrads: z Zeichen einer ungünstigen Prognose:
5 entscheidender Schritt im Ma- 5 Ranson-Score: ≥3
nagement der akuten Pankreatitis
5 APACHE-II-Score: ≥8
→ Atlanta-Klassifikation:
396 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

> Die erforderlichen Scoring-Systeme dacht auf Komplikationen und/


(z. B. APACHE-II-Score) sind aufwendig oder klinischer Verschlechterung
und in der klinischen Routine kaum prak- 5 ERCP, ggf. Papillotomie und Stein-
tikabel. Das Akute-Phase-Protein CRP extraktion: innerhalb von 24 h als
(Konzentration von >150 mg/l) gilt als Notfallmaßnahme bei Cholangitis
wertvollster Einzelparameter zur Vorher- (Charcot-Trias), innerhalb von
sage einer schweren Pankreatitis. 72 h bei Verdacht auf biliäre Ge-
nese (positiver prädiktiver Wert
z Besonderheiten der bildgebenden von 95 % für ALT-Aktivität von
Diagnostik: >3fachem des oberen Normwerts,
5 CT mit i. v. KM-Gabe: z frühes- außerdem dilatierter Ductus
tens nach 72 h zum Nekrose- hepatocholedochus (DHC) und
nachweis und zur Einschätzung erhöhte Cholestaseparameter)
der Prognose (Balthazar-Score)
z nur etwa 50 % der Patienten mit > Etwa 3 Monate nach einer Pankreatitis
Nekrosen entwickeln ein schweres unklarer Ätiologie ist eine Endosonogra-
Krankheitsbild z Verlaufskont- phie zum Ausschluss eines Pankreaskar-
rollen nach 7–10 Tagen bei Ver- zinoms erforderlich.

Akute Pankreatitis
Verdacht auf biliäre
Genese

Cholangitis

Ja Nein

ERCP innerhalb ERCP nach


von 24 h 48–72 h

Schweregrad

Leichte Pankreatitis Schwere Pankreatitis

Volumensubstitution, Intensivmedizinische Überwachung,


Schmerzbehandlung, Volumensubstitution unter Kreislaufmonitoring,
früher oraler Kostaufbau Schmerzbehandlung,
nach 3–5 Tagen frühzeitige enterale Sondenernährung

Sepsis/infizierte Nekrose

⊡ Abb. 43.1. Management der akuten Pankeatitis Intervention/Operation


43.1 · Akute Pankreatitis 397 43.1
Differenzialdiagnostik 5 Kostaufbau: bei Schmerzfreiheit
z Akute Cholezystitis/Cholangitis* → 1–2 Tage Tee und Zwieback,
z Peptisches Ulkus dann fettreduzierte Vollkost
z Akute Gastritis z Basistherapie: Schmerzbehandlung
z Magenkarzinom (einschließlich Opiate), Volumen-
z Sphinkter-Oddi-Dysfunktion substitution (initial 3–6 l/24 h; Ziel:
z Pankreaskarzinom* systolischer Blutdruck >100 mmHg,
z Intestinale Obstruktion (Ileus)* Urinproduktion 0,5 ml/kg KG/h)
z Basale Pneumonie mit Pleuritis
z Diabetische Ketoazidose** > Die Messung des ZVD oder des PAP zur

z Mesenterialinfarkt* Volumensteuerung bei schwerer Pankrea-


z Akutes Koronarsyndrom titis ist schlechter geeignet als volumenba-
z Perikarditis sierte Parameter wie z. B. intrathorakales
z Aortendissektion Blutvolumen, extravasales Lungenwasser
z Ektope Schwangerschaft** oder globales enddiastolisches Volumen
(z. B. Messung mittels PiCCO-System).
! Die mit * gekennzeichneten Erkran-
kungen können mit erhöhter Lipase- z Antikoagulation: »Low-dose«-Hepa-
und/oder Amylaseaktivität einhergehen, rinisierung (2-mal 5000–7500 IE/Tag
dies gilt zusätzlich für die akute Appen- s. c.)
dizitis und die chronische Niereninsuffi- z Oxygenierung: O2-Supplementierung,
zienz. Mit ** gekennzeichnet sind Erkran- ggf. Intubation und Beatmung (Ent-
kungen, bei denen die Amylaseaktivität wicklung eines extrapulmonalen
erhöht sein kann. ARDS)
z Stressulkusprophylaxe: Protonen-
Therapie pumpenhemmer
z ⊡ Tab. 43.1 z Gegebenenfalls Nierenersatztherapie:
z Spezifische medikamentöse Therapie: intermittierende Hämodialyse oder
Antiproteasen, Proteaseinhibitoren, kontinuierliche Verfahren
Antioxidanzien, Antiphlogistika → z Antibiotische »Prophylaxe«: zur Ver-
ineffektiv meidung infizierter Nekrosen und/
z »Ruhigstellung« des Pankreas: anti- oder zur Senkung der Sterblichkeit
sekretorische Substanzen → obsolet nicht geeignet
z Ernährung und Sonden: z Antibiotische »Therapie«: bei Sepsis
5 Magensonde: nur bei Subileus/Ileus oder nachgewiesener/hochwahr-
5 Nahrungskarenz: bei Subileus/ scheinlicher Infektion
Ileus, Übelkeit und Erbrechen (bis z biliäre Pankreatitis: Cholezystektomie
zu 5–7 Tage) während des gleichen stationären
5 parenterale Therapie: bei Kontra- Aufenthalts
indikationen für eine orale Nah- z Therapie lokaler Komplikationen:
rungszufuhr 5 Pankreasnekrose per se → keine
5 enterale Ernährung (frühzeitig) via Indikation zur Therapie
Jejunalsonde (25–35 kcal/kg KG/ 5 klinische Verschlechterung mit
Tag): reduziert bei schwerer Pank- erneuten Bauchschmerzen, Fieber
reatitis infektiöse Komplikationen und Leukozytose, typischerweise
398 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

⊡ Tab. 43.1. Therapie der akuten Pankreatitis

Substanzgruppe Medikament Dosierung

Analgetika Metamizol (Novalgin) 1–2,5 g langsam i. v. bzw. als


Kurzinfusion

Buprenorphin (Temgesic) 0,3 mg langsam i. v.

Pethidin (Dolantin) 50 mg i. v. und ggf. 50 mg s. c.


oder über Perfusor

Antiemetika Metoclopramid (Paspertin) 10–20 mg i. v.

Dimenhydrinat (Vomex A) 62,5 mg i. v.

Antibiotika Imipenem plus Cilastatin (Zienam) 3-mal 0,5–1 g i. v.

in der 2. oder 3. Woche → dia- Allgemeines


gnostische Feinnadelbiopsie der z 10 Jahre nach Diagnosestellung
Nekrose (endosonographisch oder leben nur noch etwa 30–40 % der
CT-gesteuert) → Gramfärbung Patienten
bzw. mikrobiologische Kultur zum z Rezidivierende Pankreatitisschübe
Nachweis einer Infektion mit Parenchymnekrosen und Fibro-
5 nachgewiesene Infektion → sierung führen zu Gangveränderun-
interventionelles Débridement gen, Gangstenosen und typischen
transgastral oder perkutan, chir- Komplikationen, z. B. Pseudozysten
urgisches Vorgehen möglichst erst oder Gallengangsstenose
10–14 Tage nach Schmerzgeginn
5 Pseudozysten: häufige Rückbil- Ätiologie
dung → interventionelle endosko- > Genetische Faktoren erhöhen das
pische oder perkutane Ableitung Risiko für eine chronische Pankreatitis
nur bei Symptomen bis zu 1000fach, Alkoholkonsum 3- bis
5 Blutungen in Pseudozysten oder 4fach (nur etwa 2–3 % der Menschen mit
aus postentzündlichen Pseudo- einem Alkoholkonsum von >60–80 g/Tag
aneurysmen → Notfallangiogra- erkranken).
phie und Embolisation
z Chronischer Alkoholkonsum
(etwa 75 %)
43.2 Chronische Pankreatitis z Idiopathisch (ungefähr 20 %)
z Hereditär (etwa 4 %)
Definition z Seltene Ursachen: anatomische Vari-
z Irreversible, progrediente, chronische anten wie Pancreas divisum, metabo-
entzündliche Erkrankung, die meist in lisch bei Hypertriglyzeridämie und
Schüben verläuft, die wie eine akute Hyperparathyreoidismus, Autoim-
Pankreatitis imponieren munpankreatitis
43.2 · Chronische Pankreatitis 399 43.2
⊡ Tab. 43.2. Klinische Stadien der chronischen Pankreatitis

Stadium Klinik/Charakteristika
I Präklinisches Stadium mit bereits vorhandenen chronisch-entzündlichen
Organveränderungen
II Rezidivierende akute Schübe und sekundäre Komplikationen oder chronisches
Schmerzsyndrom ohne typische Schübe
III Progrediente exokrine und endokrine Insuffizienz, Diarrhö, Steatorrhö,
Gewichtsverlust, Symptome des Diabetes mellitus

Anmerkung: typische Trias von Malnutrition mit oder ohne Steatorrhö, pankreoprivem Diabetes
mellitus und radiologisch nachweisbaren Kalzifikationen bei etwa 1/3 der Patienten im Stadium II

⊡ Tab. 43.3. Cambridge-Klassifikation der chronischen Pankreatitis

Stadium Charakteristika

I ≤3 Seitenäste betroffen, normaler Pankreashauptgang

II >3 Seitenäste betroffen, normaler Pankreashauptgang

III Zusätzlich Stenose oder Dilatation des Pankreashauptgangs

IV Zusätzlich Obstruktion, Zysten, Verkalkungen

z Tropische Form durch Proteinmal- z Pankreassteine (Pankreatikolithiasis)


nutrition (Kwashiorkor) und Toxine durch narbige Struktur der Gänge
(Cassava) z Gefahr der malignen Entartung: be-
z Bei 25 % der Patienten kann ein gene- sonders bei hereditären Pankreatitiden
tischer Hintergrund mit Mutationen z Milz- und Pfortaderthrombose (por-
des Trypsinogen-(PRSS1-), Trypsino- tale Hypertension)
geninhibitor- oder CFTR-Gens (zysti-
sche Fibrose) nachgewiesen werden Diagnostik
z Nachweis der exokrinen und endokri-
Klinik nen Insuffizienz mittels Funktionsdia-
z ⊡ Tab. 43.2 gnostik (s. oben)
z Bei etwa 10 % der Patienten primär z Morphologische und funktionelle
schmerzloser Verlauf mit Gewichts- Veränderungen: verlaufen nicht par-
verlust und Maldigestion als Leitsym- allel, schwierige Erfassung der Initi-
ptome alstadien, sowohl bildgebend als auch
laborchemisch
Komplikationen z ERCP: Goldstandard zum Nachweis
z Pseudozystenbildung → u. a. Kom- der Gangveränderungen (Cambridge-
pression des Magens mit Magenaus- Klassifikation; ⊡ Tab. 43.3) und inter-
gangsstenose ventionelle Therapiemöglichkeiten
400 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

Differenzialdiagnostik z Substitution fettlöslicher Vitamine (A,


z Bei rezidivierenden Schüben: wie bei D, E, K) bei nachgewiesenem Mangel
akuter Pankreatitis z Therapie des pankreopriven Diabetes
z Bei primär schmerzlosem Verlauf: mellitus: Diät, vorsichtige Insulinthe-
5 Ösophaguskarzinom rapie
5 Magenkarzinom
5 Pankreaskarzinom ! Keine intensivierte Insulintherapie bei
5 Gallengangskarzinom fortgesetztem Alkoholkonsum (beson-
5 Bronchialkarzinom dere Hypoglykämiegefährdung)

Therapie z Therapie der Komplikationen:


z Symptomatische, stadiengerechte 5 Endoprothesenimplantation
Therapie und Behandlung von Kom- nach Dilatation von Stenosen des
plikationen; Heilung der Erkrankung Gallen- oder Pankreasgangs mit
nicht möglich programmiertem Wechsel nach
z Akuter Schub: wie akute Pankreatitis, 10–12 Wochen
abhängig vom Schweregrad 5 Pankreatikolithiasis: Papillotomie
z Alkoholkarenz und Steinextraktion, evtl. nach
extrakorporaler Stoßwellenli-
! Alkoholfreies Bier bei Alkoholkrank- thotripsie
heit wegen Alkoholgehalt von bis zu 5 Pseudozysten: häufige Rückbil-
0,5 % kontraindiziert dung; interventionelle endoskopi-
sche oder perkutane Ableitung nur
z Medikamentöse Schmerztherapie bei Symptomen
(⊡ Tab. 43.4): WHO-Stufenschema, 5 chirurgische Versorgung: Drai-
evtl. Plexus-coelicus-Blockade nageoperation oder resezierende
z Enzymsubstitution: Verfahren nach einjähriger erfolg-
5 bei fehlender Magensäure: loser Intervention
konventionelles Präparat
(z. B. Pankreon-Granulat)
5 bei vorhandener Magensäure: 43.3 Pankreaskarzinom
säuregeschütze Präparate
(z. B. Kreon-Kapseln) Allgemeines
5 Dosierung: 25.000–50.000 U Li- z Metastasierung: sehr frühe lympho-
pase/Mahlzeit gene, neurogene (perineural) und

⊡ Tab. 43.4. Schmerztherapie der chronischen Pankreatitis

Medikament Dosierung

Parazetamol (Benuron) 500–1000 mg/4–6 h p. o.

Plus Tramadol (Tramal) 20 mg/4–6 h p. o.

Oder plus Buprenorphin (Temgesic) Bis 5,4 mg/Tag s. l.


43.3 · Pankreaskarzinom 401 43.3
hämatogene Tumorzelldissemination Diagnostik
→ niedrigste 5-Jahres-Überlebensrate z Staging (TNM-Klassifikation):
aller Krebserkrankungen 5 Abdomensonographie und CT des
z Mittleres Erkrankungsalter: bei Män- Abdomens/Thorax
nern 68 Jahre, bei Frauen 75 Jahre 5 MRT, MRCP: nichtinvasive Ver-
z Risikofaktoren: Adipositas, Zigaret- fahren zur Tumorlokalisation
tenrauchen, exzessiver Alkoholkon- (sind der CT gleichwertig)
sum z Endosonographie: Nachweis kleinster
z Familiäres Pankreaskarzinom (18- bis Tumoren, ggf. endosonographische
57fach erhöhtes Risiko), hereditäre Feinnadelpunktion zur histologischen
Pankreatitis (Kumulativrisiko bis Sicherung vor palliativer Therapie
70. Lebensjahr: 40–44 %) → Über- z Laparoskopie: zum Ausschluss kleiner
wachung im Rahmen von Studien Lebermetastasen bzw. einer Peritoneal-
z Erhöhtes Risiko, dennoch keine Über- karzinose bei lokal invasiven Tumoren
wachungsempfehlung: vor Operation mit kurativem Ansatz
5 Verwandte 1. Grades mit Pankre- z Tumormarker: CA19-9 (allerdings nur
askarzinom bei etwa 55 % der Tumoren mit einer
5 Peutz-Jeghers-Syndrom Größe von <3 cm pathologischer Wert)
5 »familial atypical multiple mole
melanoma syndrome« Therapie
5 hereditäres nichtpolypöses kolo- Kurativer Ansatz
rektales Karzinom z Radikale Karzinomentfernung; aller-
5 familiäre adenomatöse Polypose dings werden nur 15–30 % der Karzi-
5 Ataxia teleangiectatica nome als resektabel eingestuft (Gren-
5 Li-Fraumeni-Syndrom zen der Resektabilität: Infiltration von
5 zystische Fibrose Truncus coeliacus, A. mesenterica
5 von-Hippel-Lindau-Syndrom superior, A. hepatica oder Mesenteri-
5 Diabetes mellitus Typ 2 alwurzel)
5 chronische Pankreatitis z Pankreaskopfkarzinom: »pylorus-
z Pathologie: zu 80–85 % duktale erhaltende« partielle Duodeno-
Adenokarzinome, zu 10 % azinäre pankreatektomie (Vorteil des Ma-
Adenokarzinome generhalts gegenüber der partiellen
z Lokalisation: zu 60–70 % im Pankre- Duodenopankreatektomie nach
askopf Kausch-Whipple)
z Pankreaskorpus-/-kaudakarzinom:
Klinik Pankreaslinksresektion mit Milzent-
z Gewichtsverlust fernung
z Uncharakteristische Oberbauch- und z Adjuvante Chemotherapie mit Gem-
Rückenschmerzen citabin nach R0- oder R1-Resektion:
z Leistungsminderung führt zu einer signifikanten Verlänge-
z Schmerzloser Ikterus mit Courvoisier- rung des Überlebens
Zeichen
z Exokrine und endokrine Pankreas- Palliative Optionen
insuffizienz als Spätsymptome z ERCP → Endoprothese (Nachteil:
z Rezidivierende Thrombosen regelmäßiger Wechsel etwa alle
402 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

12 Wochen) oder Metallstent (Nach- z Wachstum: sehr langsam, häufig zum


teil: hoher Preis) zur Sicherung des Zeitpunkt der Diagnosestellung be-
Galleflusses reits metastasiert
z Platzierung selbstexpandierender z Einige der Tumoren entstehen im
Metallstents via ÖGD bei Magen- Rahmen der MEN Typ 1 → bei posi-
ausgangsstenose tiver Familienanamnese Mutations-
z Schmerztherapie (WHO-Stufen- screening und Hypophysendiagnostik
schema), ggf. interventionelle Blo- z Klinik: asymptomatisch (funktionell
ckade des Plexus coeliacus inaktive Tumoren) oder klinische
z In Einzelfällen: orale Gabe des Symptomatik (aktive Tumoren mit
Tyrosinkinaseinhibitors Erlotinib unkontrollierter Hormonfreisetzung)
(Tarceva) oder Kombinationschemo- z Diagnostik:
therapie (Gemcitabin, Erlotinib) 5 Nachweis der ungeregelten Hor-
monsekretion
Prognose 5 Sensitivität der Abdomensono-
z 5-Jahres-Überlebensrate nach R0- graphie: 43–63 %
Resektion: <20 %; günstigere 5-Jahres- 5 Mittel der Wahl: Endosonogra-
Überlebensrate von 35–45 % bei phie, die auch kleinste Tumoren
muzinös-zystischen Karzinomen (0,5 cm) nachweisen kann
z Heilungsrate bei Langzeitbeobach- 5 ggf. Staging: CT/MRT und Soma-
tung: <2 % tostatinrezeptorszintigraphie
z Medianes Überleben bei inoperablen z Einordnung der neuroendokrinen
Patienten: etwa 3–4 Monate; Verbes- Tumoren des gastropankreatischen
serung auf 5–6,5 Monate durch palli- Systems nach der TNM-Klassifikation
ative Chemotherapie mit Gemcitabin z Prognostische Faktoren: histologische
(Gemzar) Differenzierung, Größe, Angioinva-
sion, proliferative Aktivität, Metasta-
sierung
43.4 Neuroendokrine z 3 Prognosegruppen:
Pankreastumoren 5 gut differenzierter neuroendo-
kriner Tumor
z Tumorentstehung aus disseminierten 5 gut differenziertes neuroendo-
neuroendokrinen Zellen des Gastro- krines Karzinom
intestinaltrakts neuroektodermalen 5 schlecht differenziertes neuro-
Ursprungs → APUD (»amine and endokrines Karzinom
precursor uptake and decarboxyla-
tion«) Insulinom
z Sehr selten (Inzidenz: etwa 0,01–0,3/
100.000), in etwa 40–50 % der Fälle Allgemeines
funktionell inaktiv z Häufigster neuroendokriner Pankreas-
z Markerproteine: Synaptophysin, NSE; tumor (etwa 40 %)
NSE und Chromogranin A werden z Pathologie: 10–15 % maligne, ungefähr
von vielen neuroendokrinen Tumoren 10 % im Rahmen eines MEN Typ 1
sezerniert → als Marker im Plasma z Ursprung: B-Zellen der Langerhans-
nachweisbar Inseln → blutzuckerspiegelunabhän-
43.4 · Neuroendokrine Pankreastumoren 403 43.4
gige Sekretion von Proinsulin und Dünndarmschleimhaut bei etwa 50 %
Insulin der Patienten
z Leitsymptom: Hypoglykämien mit ty- z 5-Jahres-Überlebensrate:
pischen Zeichen der Neuroglykopenie 5 bei Lymphknotenmetastasen: 90 %
(Heißhunger, Unruhe, Schwitzen) und 5 bei Lebermetastasen: 30 %
prompter Besserung nach Glukose- z Bei Inoperabilität: spezifische Therapie-
gabe (Whipple-Trias), häufig stetige option mit Protonenpumpenblockern
Gewichtszunahme
z 5-Jahres-Überlebensrate des malignen Diagnostik
Insulinoms: etwa 50 % z Gastrinspiegel im Serum → Nüch-
z Bei Inoperabilität: spezifische Thera- ternhypergastrinämie von >1000 pg/
pieoption mit Diazoxid oder Octreo- ml gilt als beweisend
tid (Inhibierung der Insulinsekretion)
! Hypergastrinämien werden auch bei
Diagnostik Dauertherapie mit Protonenpumpen-
z Nachweis der autonomen Sekretion blockern und bei der chronisch-atrophi-
durch 72-stündigen Hungerversuch: schen Typ-A-Gastritis beobachtet.
5 Bestimmung des Glukosespiegels
alle 4 h z In Zweifelsfällen Sekretintest:
5 zusätzliche Konzentrationsbestim- 5 Dosierung: 1 IE/kg KG i. v.
mung von C-Peptid und Insulin bei 5 Gastrinspiegelbestimmung zum
Blutzuckerwerten <40 mg/dl Zeitpunkt 0 sowie nach 2, 5, 15
z Insulin/Blutzucker-Quotient >0,3 si- und 30 min
chert die Diagnose 5 pathologisch: Anstieg um >200 pg/
z Niedriger C-Peptid-Spiegel beweist ml oder Verdopplung des Basal-
die artifizielle Hypoglykämie durch werts
absichtliche Insulininjektion (Hypo-
gylcaemia factitia) VIPom (VIP = »vasoaktives
intestinales Peptid«)
Gastrinom
Allgemeines
Allgemeines z Synonym: Verner-Morrison- oder
z Etwa 10 % aller neuroendokrinen Tu- WDHA-Syndrom (wässrige Diarrhö,
moren des Pankreas Hypokaliämie, Achlorhydrie)
z Pathologie: 30–50 % maligne, etwa z Etwa 1–2 % aller neuroendokrinen
50 % im Rahmen eines MEN Typ 1 Pankreastumoren
z Lokalisation: 30 % solitär im Pank- z Pathologie: 75 % maligne, ungefähr
reas, 60 % im Duodenum 5 % im Rahmen eines MEN Typ 1
z Leitsymptom: Helicobacter-pylori- z Lokalisation: 90 % solitär im Pank-
negative, häufig komplizierte Ul- reas, im Kindesalter auch VIP-sezer-
kuskrankheit mit typischer Klinik nierende Ganglioneuroblastome
(Zollinger-Ellison-Syndrom) z Leitsymptom: massive »wässrige
z Außerdem wässrige Diarrhö durch Durchfälle« durch VIP-stimulierte
säurebedingte Inaktivierung der Chloridsekretion (pankreatische Cho-
Pankreasenzyme und Schädigung der lera)
404 Kapitel 43 · Erkrankungen des Pankreas

z Außerdem: »flush« (20 %), Hyper- z Lokalisation: meist Pankreas, auch


kalzämie (75 %), Glukoseintoleranz Duodenum (Ursprung: D-Zellen)
(etwa 50 %) z Leitsymptome: Diabetes mellitus,
Dyspepsie, Cholezystolithiasis,
Diagnostik Steatorrhö und Gewichtsverlust
z VIP-Spiegel im Serum: >75 pg/ml bei infolge der Hemmwirkung des Soma-
wiederholter Messung tostatins auf die Insulin- und Pankre-
assekretion sowie der Hemmung der
! Falsch erhöhte Werte nach körper- Magenentleerung und der Gallenbla-
licher Anstrengung und Fettaufnahme senkontraktion
sowie bei Adipositas und chronischer
Niereninsuffizienz Diagnosstik
z Somatostatinspiegel im Serum:
z Kein spezifischer Funktionstest >160 pg/ml
etabliert z Kein spezifischer Funktionstest
etabliert
Glukagonom
Therapie neuroendokriner
Allgemeines Pankreastumoren
z Etwa 1 % aller neuroendokrinen
Pankreastumoren z Kurativ: Enukleation oder Pankreas-
z Pathologie: 60–70 % maligne, un- teilresektion
gefähr 5 % im Rahmen eines MEN z Bei Malignität: Radikaloperation ent-
Typ 1 (Ursprung: A-Zellen des Pan- sprechend onkologisch-chirurgischen
kreas) Kriterien, ggf. Lebermetastasenresek-
z Lokalisation: 95 % solitär im Pankreas tion, Radiofrequenzablation (RFA)
z Leitsymptom: Diabetes mellitus oder oder transarterielle Chemoembolisa-
gestörte Glukosetoleranz und bullöse tion (TACE)
nekrotisierende Dermatitis z Somatostatinanaloga (Octreotid,
z Außerdem: Glossitis, Stomatitis, Diar- Lanreotid) → Symptomreduktion bei
rhö, Gewichtsverlust, normochrome/ inoperablen Tumoren
normozytäre Anämie, Thromboem- z Somatostatinrezeptorvermittelte
bolien Radionuklidtherapie: in Einzelfällen
z Chemotherapie: in Einzelfällen
Diagnostik (Streptozotocin, 5-Fluorouracil,
z Glukagonspiegel im Serum: Doxorubicin)
>500 pg/ml
z Kein spezifischer Funktionstest
etabliert

Somatostatinom

Allgemeines
z Pathologie: 50 % maligne, gelegentlich
im Rahmen eines MEN Typ 1
Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege 405 44

> Erkrankungen
der Gallenwege
H.-M. Steffen

Definition z Jede chronische Cholestase kann zu


z Leitsymptome der Gallenwegserkran- einer biliären Leberzirrhose führen,
kungen sind die Cholestase mit oder die etwa 1/3 der Indikationen zur Le-
ohne Ikterus sowie der rechtsseitige bertransplantation ausmacht
Oberbauchschmerz
z Ikterus: Gelbfärbung von Skleren, Ätiologie
Haut und Schleimhäuten, erkennbar z Cholelithiasis: Prävalenz von etwa
ab einer Serumbilirubinkonzentration 20 % bei Frauen und von ungefähr
von etwa 2,0–2,5 mg/dl 10 % bei Männern
z Cholestase: jede Störung der Gallebil- z Cholangiopathien: hereditäre und
dung und -sekretion vom Hepatozy- entwicklungsbedingte Störungen
ten (intrahepatische nichtobstruktive oder immunologische, infektiöse,
Cholestase) über die ableitenden in- toxische, ischämische oder neoplasti-
tra- und extrahepatischen Gallenwege sche Ursachen
(intra- oder extrahepatische obstruk- z Kompression/Infiltration: extra-
tive Cholestase) bis zur Gallengangs- luminale Raumforderungen (z. B.
mündung auf der Papille Lymphome), entzündliche oder
z Cholangiopathien: Erkrankungen der neoplastische Erkrankungen des
Cholangiozyten des biliären Systems Pankreas
zwischen Hering-Kanal und Vater- z Papillenneoplasie oder -sklerose
Ampulle sowie Sphinkter-Oddi-Dysfunktion:
reversible Form der Obstruktion
> Die rationelle Abklärung eines Ikterus z Narbige Gangstrikturen, z. B. Mirizzi-
muss bei der Vielzahl möglicher prä-, Syndrom (Gallenblasenhalsstein mit
intra- und posthepatischer Erkrankungen Kompression des Ductus hepatocho-
vordringlich die Frage nach einem me- ledochus) oder postoperativ
chanischen Abflusshindernis klären sowie
insbesondere bei Fieber und positiver Klinik
Reiseanamnese differenzialdiagnostisch z Kolikartige Schmerzen, u. U. verbun-
frühzeitig eine Malaria berücksichtigen. den mit Übelkeit und Erbrechen als
charakteristische Symptome einer
Allgemeines Cholelithiasis; Blähungen und dys-
z Häufigste Ursache der Obstruktion: peptische Beschwerden sind nicht
Choledocholithiasis steintypisch
406 Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege

> Die Gallenkolik ist definiert als akut 5 bekanntes Steinleiden, vorausge-
einsetzender, heftiger, gut erinnerlicher gangene Operationen oder Inter-
Schmerz im Epigastrium oder im rechten ventionen an den Gallewegen →
Oberbauch, der >15 min anhält, in die Verschlussikterus mit infektiöser
rechte Schulter oder den Rücken aus- Cholangitis
strahlt und bis zu 5 h andauern kann. 5 Autoimmunerkrankungen, Colitis
Besteht der Schmerz für >5 h, muss an ulcerosa → PBC bzw. PSC
Komplikationen gedacht werden (Chole- 5 Transplantatabstoßung, »Graft-
zystitis, Cholangitis, Pankreatitis). versus-host«-Erkrankung → im-
munologische Cholangiopathie
z Akute Cholezystitis: biliäre Schmerzen 5 septischer Schock, Verbrennungen,
(>6 h anhaltend) und Fieber mit oder Polytrauma, Morbus Hodgkin, His-
ohne laborchemische Entzündungs- tiozytosis X → sekundär sklerosie-
zeichen und sonographisch erkenn- rende Cholangitis mit Duktopenie
bares Gallenblasenwandödem mit 5 intraarterielle Infusion, Chemo-
lokalem Druckschmerz embolisation → ischämische Cho-
z Akute Cholangitis (Charcot-Trias): langiopathie
Ikterus, Fieber (u. U. Schüttelfrost bis 5 Auslandsaufenthalte, HIV-Infek-
Sepsis) und rechtsseitige Oberbauch- tion → parasitäre Cholangitiden
schmerzen 5 Medikamente, die eine toxische
z Maligne Obstruktion: schmerzloser Cholangitis und eine Duktopenie
Ikterus mit Allgemeinbeschwerden, auslösen können: Acetamino-
Inappetenz und Gewichtsverlust phen, Amitriptylin, Amoxicillin,
z Zeichen einer chronischen Cholestase Ampicillin, Carbamazepin, Chlor-
(z. B. bei primär biliärer Zirrhose, PBC promazin, Diazepam, Erythro-
oder primär sklerosierender Cholangi- mycin, Haloperidol, Imipramin,
tis, PSC): Pruritus (der sehr heftig sein Methyltestosteron, Phenylbutazon,
kann), Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Thiabendazol → toxische Cholan-
mangelnde Leistungsfähigkeit giopathie
z Gallengangsverschluss: acholischer 5 vorbestehende Lebererkrankun-
Stuhl, evtl. Steatorrhö und bierbrau- gen, Risikofaktoren für infektiöse
ner Urin Hepatitiden, Alkohol und andere
Drogen, toxische Arbeitsplatzbe-
Diagnostik und lastungen, Schwangerschaft →
Differenzialdiagnostik Differenzialdiagnose: intrahepati-
z Anamnese: sche nichtobstruktive Cholestase
5 familiäre Erkrankungen (hereditäre z Körperliche Untersuchung:
Cholangiopathien, z. B. polyzys- 5 Murphy-Zeichen: Schmerz im
tische Nieren- und Lebererkran- rechten oberen Quadranten, ver-
kung) und eigene Vorgeschichte stärkt bei tiefer Inspiration und
5 Adipositas, metabolisches Syn- Palpation am rechten Rippenbo-
drom, rasche Gewichtsreduktion, genrand (Sensitivität von 65–97 %
hämolytische Anämie, multiple für die akute Cholezystitis)
Schwangerschaften, lange parente- 5 Courvoisier-Zeichen: tastbare,
rale Ernährung → Cholelithiasis nicht schmerzhafte Gallenblase
Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege 407 44
(spricht für eine maligne Obstruk- γ-GT, außerdem Konzentration
tion des Ductus hepatocholedo- des direkten Bilirubins → Choles-
chus) taseparameter z Amylase, Lipase
5 Kratzspuren (v. a. an den Extremi- → Differenzialdiagnose: Pankre-
täten): Zeichen einer länger beste- aserkrankung
henden Cholestase 5 Retikulozytenzahl, Konzentration
5 Xanthome oder Xanthelasmen: des indirekten Bilirubins, LDH-
Hinweis auf Hypercholesterinämie Aktivität, Haptoglobinspiegel →
bei PBC Hämolyseparameter
5 Leberhautzeichen, Hepatosple- 5 Albuminkonzentration, Cholines-
nomegalie bzw. derbe Leber mit teraseaktivität, INR (Quick-Wert),
knotiger Oberfläche, Aszites, PTT → Parameter der Lebersyn-
Unterschenkelödeme, Zeichen theseleistung
der Enzephalopathie: Hinweise 5 Urin: Stix, Sediment → Differen-
auf chronische Lebererkrankung zialdiagnose: Nephrolithiasis
( Kap. 45)
z Labordiagnostik: > Mit Hilfe der oben genannten Labor-
5 Blutbild/Differenzialblutbild, CRP- parameter ist der erste Schritt zur Abklä-
und Prokalzitoninkonzentration rung eines Ikterus möglich (⊡ Abb. 44.1).
→ infektiöse Cholangitis, Chole- Die hämatologischen bzw. hepatologi-
zystitis schen Differenzialdiagnosen finden sich
5 Enzymaktivitäten: z AST (GOT), in den entsprechenden Kapiteln. Fami-
ALT (GPT) → Marker der hepa- liäre Cholestasesyndrome sind in erster
tozellulären Schädigung z AP, Linie bei der Differenzialdiagnostik im

Vorwiegend indirekte Hyperbilirubinämie Vorwiegend direkte Hyperbilirubinämie


(80–85 % des Gesamtbilirubins) (>40 % des Gesamtbilirubins)

Hämolysezeichen Leberwerte erhöht

Ja Nein Nein Ja

z Hämolytische z Gilbert-Meulen- z Dubin-Johnson- z Hepatozellulärer


Anämien gracht-Syndrom Syndrom Schaden (Enzym-
z Große z Shunthyper- z Rotor-Syndrom aktivitätssteige-
Hämatome bilirubinämie, z Benigne rungen
z Crigler-Najjar- rezidivierende AST, ALT > AP,
Syndrom intrahepatische γ -GT)
Cholestase z Intra-/extrahepa-
z Progressive tische Cholestase
familiäre (Enzymaktivitäts-
intrahepatische steigerungen
Cholestase AP,γ-GT > AST,
ALT)

⊡ Abb. 44.1. Differenzialdiagnostik des Ikterus. Nach Steffen et al. (2008)


408 Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege

Kindesalter zu berücksichtigen. Ergibt 44.1 Cholelithiasis


sich der Verdacht auf einen hepatozellu-
lären Schaden oder eine Cholestase, be- Allgemeines
steht der nächste diagnostische Schritt > Risikofaktoren für eine Cholelithiasis
in der Abdomensonographie. (6 F): »fat«, »female«, »forty«, »fair«, »fer-
tile«, »family«
z Bildgebung und invasive Verfahren:
5 die Auswahl der verschiedenen Ätiologie
Verfahren orientiert sich an der z z. B. Übersättigung mit Cholesterin
klinischen Situation bzw. der lokal oder Bilirubin, gestörte Gallesekre-
verfügbaren Expertise tion, Gallenblasenhypomotilität
5 Abdomensonographie: Methode
der 1. Wahl Steinarten
5 Endosonographie: sensitivstes z Gallenblasensteine: meist Cholester-
Verfahren bei Verdacht auf Pank- insteine bzw. Cholesterinmischsteine
reaserkrankung (etwa 75 %), außerdem schwarze
5 CT: Differenzierung fokaler Läsi- Pigmentsteine (ungefähr 5 %, v. a. bei
onen, bei unklarem Sonographie- chronischer Hämolyse)
befund, Staging bei Tumorerkran- z Gallengangssteine: meist braune Pig-
kungen mentsteine (etwa 20 %, bei Stase und
5 MRT: Differenzierung fokaler Le- bakterieller Besiedlung der Gallen-
berläsionen wege)
5 MRCP: nichtinvasive Alternative
zur ERCP und zur Endosonogra- Klinik
phie mit vergleichbarer Sensitivität z Gallenblasensteine:
zum Nachweis einer Obstruktion 5 70–80 % der Gallenblasensteinträ-
5 ERCP: Methode der Wahl bei zu ger sind asymptomatisch (stumme
erwartendem Interventionsbedarf Gallensteine)
und ggf. in Kombination mit 5 Inzidenz von Koliken: etwa 1–4 %/
Cholangioskopie (»Mother-baby«- Jahr
Endoskop) zur Materialgewinnung 5 Inzidenz von Komplikationen:
für die histologische Untersu- 0,1–0,2 %/Jahr
chung 5 20–30 % der Gallenblasensteinträ-
5 endoskopische Papillotomie: Me- ger entwickeln Koliken (Rezidive:
thode der Wahl zur Steinextrak- 6–50 %, meist im 1. Jahr); Kompli-
tion; Komplikationen: Pankreatitis kationen: dann 1–3 %/Jahr
(1,3–6,7 %), Blutung (0,7–2,4 %), z Gallengangssteine: klinische Mani-
Cholangitis und Sepsis (0,1– festation häufig erst durch Kompli-
5,0 %), Perforation (0,3–1,1 %), kationen (biliäre Pankreatitis, eitrige
Tod (0,2–0,4 %) Cholangitis)
5 perkutane transhepatische Cho-
langiographie: Methode der Wahl Komplikationen
bei zu erwartendem Interventions- z Akute Cholezystitis → Sepsis
bedarf und fehlender Erreichbar- z Gallengangsverschluss → aszendie-
keit der Papille rende Cholangitis
44.1 · Cholelithiasis 409 44.1
z Akute Pankreatitis → biliäre Pankrea- Therapie
titis z Gallenkolik: symptomatische Therapie
z Perforation bzw. Fistelbildung zum (⊡ Tab. 44.1) sowie Nahrungskarenz,
Magen-Darm-Trakt → biliäre Perito- parenterale Flüssigkeits- und Elektro-
nitis lytsubstitution, ggf. Magensonde
z Gallensteinileus (gekennzeichnet z Choledocholithiasis und Cholangitis
durch Aerobilie, Dünndarmilieus und und/oder dilatierter Ductus hepa-
ggf. Steinschatten) tocholedochus:
z Gallenblasenhydrops (bei Stein im 5 ERCP (perkutane transhepatische
Ductus cysticus) Cholangiographie bei nicht er-
z Kompression des Ductus hepa- reichbarer Papille): endoskopische
tocholedochus durch impaktierten Papillotomie mit Steinentfernung
Stein im Ductus cysticus: Mirizzi- (Erfolgsrate: 85 %; in Kombination
Syndrom mit intra- oder extrakorporaler Li-
z Obstruktion des Duodenums: sog. thotrypsie Erfolgsrate von >95 %)
Bouveret-Syndrom 5 evtl. Drainage: z. B. nasobiliäre
z Mögliche Spätkomplikation bei chro- Spülsonde (etwa alle 6 h mit 10 ml
nisch-rezidivierender Cholezystitis: NaCl 0,9 % spülen)
Gallenblasenkarzinom 5 nach Gallengangssanierung → ggf.
Cholezystektomie bei zusätzlichen
Differenzialdiagnostik Gallenblasensteinen
z  Kap. 38 z Cholezystolithiasis: ohne Symptome
z Akute Pankreatitis keine Therapie; Ausnahmen: Porzel-
z Nephrolithiasis langallenblase, Steine mit einer Größe
z Pyelonephritis von >3 cm, gleichzeitiger Gallenbla-
z Peptisches Ulkus, akute Gastritis senpolyp mit einer Größe von >1 cm:
z Akuter Hinterwandinfarkt 5 Cholezystektomie: in der Regel
z Basale Pneumonie mit Pleuritis laparoskopisch
z Akute Appendizitis 5 medikamentöse Litholyse (Urso-
z Angina abdominalis desoxycholsäure, 10–15 mg/kg KG)

⊡ Tab. 44.1. Therapie der Gallenkolik

Substanzgruppe Medikament Dosierung


Analgetika Metamizol (Novalgin) 1–2,5 g langsam i. v. oder als
Kurzinfusion
Buprenorphin (Temgesic) 0,3 mg langsam i. v.
Pethidin (Dolantin) 50 mg i. v. oder über Perfusor und
ggf. 50 mg s. c.
Spasmolytika N-Butylscopolamin (Buscopan) 10–20 mg i. v.
Antiemetika Metoclopramid (Paspertin) 10–20 mg i. v.
Dimenhydrinat (Vomex A) 62,5 mg i. v.
410 Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege

⊡ Tab. 44.2. Empirische antibiotische Therapie bei Cholezystitis/Cholangitis

Risiko- Mikro- Erreger Mittel der 1. Wahl Alternative


faktoren biologische
Diagnostik

Keine Blutkulturen  Escherichia coli: Ampicillin/Sulbac- Ciprofloxacin


40–70 % tam (Unacid, 3-mal (Ciprobay; 2-mal
 Klebsiella spp.: 1,5–3 g i. v./p.o.) 400 mg i. v., nach
10–20 % mit oder ohne Me- Ansprechen rasche
 Enterobacter tronidazol (Clont/ Umstellung auf
spp.: 10 % Infectoclont, 3-mal orale Gabe)
 Selten: Pseu- 0,4–0,5 g i. v./p. o.)
domonas spp.,
Inadä- Blutkulturen, Bacteroides spp., Piperacillin/Tazo- Ciprofloxacin
quate evtl. Galle- Serratia spp., bactam (Tazobac; (Ciprobay; 2-mal
Drainage, kultur Clostridien, 3-mal 4,5 g i. v.) 400 mg i. v.) mit
Sepsis Staphylococcus oder ohne Metroni-
aureus dazol (Infectoclont;
3-mal 0,5 g i. v.),
Imipenem (Zien-
am), Meropenem
(Meronem; 3-mal
0,5–1,0 g i. v.)

Therapiedauer: 5–7 Tage

oder extrakorporale Litholyse bei 5 funktionell: fehlindizierte Cho-


symptomatischer Cholezystolithia- lezystektomie bei Reizdarmsyn-
sis (wegen hoher Rezidivraten nur drom, funktioneller Dyspepsie
in Ausnahmefällen) sowie Motilitätsstörungen der
z Akute Cholezystitis: möglichst früh Gallenblase oder des Sphinkter
elektive Operation (innerhalb von Oddi
72 h); falls aus medizinischen Grün- 5 organisch: zurückgelassene Cho-
den nicht möglich: Operation im ledochussteine, Steinrezidive in
Intervall (nach 6 Wochen) den Gallenwegen, Papillenstenose,
z Fieber und Entzündungszeichen: anti- langer Zystikusstumpf, juxtapa-
biotische Therapie (⊡ Tab. 44.2) pilläres Divertikel, postoperative
Verwachsungen, fehlindizierte
Cholezystektomie bei peptischen
44.2 Postcholezystektomie- Ulzera, Pankreatitis
syndrom
Diagnostik
Definition und Ätiologie z Gezielte Anamnese: u. a. Nahrungs-
z Fortbestehende oder erneut auftre- mittelunverträglichkeiten
tende Beschwerden nach Cholezys- z Bildgebung: Abdomensonographie,
tektomie mit sowohl funktionellen als CT, MRT, ERCP zum Auschluss orga-
auch organischen Ursachen: nischer Ursachen
44.4 · Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) 411 44.4
Therapie z Endoskopische Papillotomie
z Organische Ursachen: Behandlung des z Injektion von Botulinumtoxin in das
Grundleidens, z. B. Steinextraktion Papillendach
bei Residualsteinen via ERCP und z Gegebenenfalls Cholezystektomie
Papillotomie, Helicobacter-pylori-
Eradikation bei peptischen Ulcera
z Funktionelle Beschwerden: Ernäh- 44.4 Primär sklerosierende
rungsberatung, Spasmolytika (z. B. Cholangitis (PSC) und
Butylscopolamin), trizyklische Anti- andere Cholangiopathien
depressiva zur Dämpfung der viszera-
len Hyperalgesie Epidemiologie
z Männer doppelt so häufig betroffen
wie Frauen
44.3 Sphinkter-Oddi- z Erkrankungsalter: 30.–50. Lebensjahr
Dysfunktion und z In 60–80 % der Fälle Assoziation mit
Gallenblasendyskinesie chronisch-entzündlicher Darmer-
krankung, in der Regel Colitis ulce-
Allgemeines rosa; umgekehrt haben 2–5 % der Pa-
z Ausmaß und Lokalisation der tienten mit Colitis ulcerosa eine PSC
Schmerzen oft wechselnd → hohes Risiko sowohl für Kolon- als
z eindringliche Beschwerdeschilderung auch cholangiozelluläres Karzinom
oft in deutlichem Gegensatz zu einem
unauffälligen körperlichen Untersu- > 70%-Regel der PSC: 70 % aller PSC-
chungsbefund bei gutem Allgemein- Patienten
zustand z sind männlich,
z <45 Jahre alt,
Diagnostik z p-ANCA-positiv,
z Rom-III-Kriterien der funktionellen z leiden an einer Colitis ulcerosa und
Störung der Gallenblase und der z zeigen einen Befall der großen und
Sphinkter-Oddi-Dysfunktion sollten kleinen Gallenwege.
zur Diagnostik herangezogen werden
z Mikroskopische Gallensaftanalyse Allgemeines
zum Ausschluss einer Mikrolithiasis z Ultrastrukurell nachweisbare Hete-
z Nuklearmedizinische Bestimmung rogenität der Cholangiozyten → kli-
der Gallenblasenejektionsfraktion nisch relevant, da sich Cholangiopa-
nach Cholezystokiningabe oder thien zunächst an Gallenwegen einer
Reizmahlzeit sowie Sphinkter-Oddi- bestimmten Größe manifestieren
Manometrie (Cave: hohe Pankreatitis- z Primär biliäre Zirrhose PBC: Beginn
rate) als nichteitrige, destruierende Entzün-
z Abdomensonographie, ggf. weitere dung der interlobulären und septalen
bildgebende Diagnostik Gallengänge( Kap. 45.5)
z Medikamentös induzierte Duktopenie:
Therapie spielt sich an den Cholangiolen ab
z Ausschalten auslösender Noxen: z. B. z PSC: betrifft das gesamte Gallen-
Alkohol, Kaffee gangsepithel sowohl intra- als auch
412 Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege

extrahepatisch mit Strikturen und ab- z Leberbiopsie mit Histologie zur Stadi-
schnittsweiser Dilatation auf dem Bo- eneinteilung
den der fibrosierenden Entzündung z Keine gesicherten Methoden zur
Früherkennung des cholangiozellu-
Einteilung und Ätiologie lären Karzinoms, das allerdings als
⊡ Tabelle 44.3 Zufallsbefund in der explantierten
Leber (20–30%) keinen Einfluss auf
Diagnostik der PSC das Langzeitüberleben nach Leber-
z Gezielte Anamnese: transplantation hat
5 Ausschluss anderer Cholangiopa- z Regelmäßige koloskopische Überwa-
thien (⊡ Tab. 44.3) chung der Patienten mit gleichzeitiger
5 typische Klinik: Juckreiz, Mü- Colitis ulcerosa
digkeit, rechtsseitige Oberbauch-
schmerzen, Fieber, selten Ikterus Therapie der PSC
5 Frage nach Colitis ulcerosa z Medikamentös: Ursodeoxychol-
z Labordiagnostik: pANCA positiv (in säure (z. B. Ursofalk; 15–20 mg/
etwa 70 % der Fälle), ggf. virologische kg KG/Tag lebenslang), Colestyra-
Untersuchungen (CMV, HCV, HIV), min (z. B. Quantalan; 4–16 g/Tag,
Cholestasezeichen einschleichend dosieren) oder
z ERCP: (noch) Goldstandard, insbe- Colestipol (Cholestabyl; 15–30 g/
sondere zum Nachweis der Verän- Tag) → Besserung des Juckreizes;
derungen auch an den kleinen Gal- auf ausreichenden Zeitabstand zur
lengängen, die der MRCP entgehen Einnahme anderer Medikamente
können (typische »perlschnurartige« achten
Erweiterungen bzw. Stenosen) z Bei rezidivierenden bakteriellen
Cholangitiden: antibiotische Lang-
! Obwohl kontrollierte Studien fehlen, zeittherapie mit Präparatewechsel
wird in den gültigen Leitlinien vor Durch- nach etwa 4 Wochen
führung einer diagnostischen oder in- z Osteoporoseprophylaxe: Kalzium
terventionellen ERCP eine antibiotische (1000 mg/Tag) und Cholecalciferol
Prophylaxe empfohlen (⊡ Tab. 44.2). (1000 IU/Tag)

⊡ Tab. 44.3. Systematik der Cholangiopathien

Ätiologie Krankheitsbilder/Auslöser

Hereditär oder entwicklungs-  Zystische Fibrose


bedingt  Polyzystische Leber- und Nierenerkrankung
 Caroli-Syndrom (zystische Erweiterung intrahepatischer
Gallengänge)
 α1-Antitrypsin-Mangel
 Biliäre Atresie
 Alagille-Syndrom
▼  Progressive familiäre intrahepatische Cholestase
44.4 · Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) 413 44.4
⊡ Tab. 44.3. Fortsetzung

Ätiologie Krankheitsbilder/Auslöser

Immunologisch  PBC
 PSC
 Chronische »Graft-versus-host«-Erkrankung
 Vorangegangene Stammzelltransplantation
 Lebertransplantatabstoßung
 Sarkoidose
 Autoimmune Cholangitis

Infektiös  Aszendierende bakterielle Cholangitis


 Virale Infektionen (CMV, HIV, HCV)
 Parasitäre Infektionen (Kryptosporidien und andere
Protozoen, Parasiten, Pilze)

Toxisch  Acetaminophen
 Amitriptylin
 Amoxicillin
 Ampicillin
 Carbamazepin
 Chlorpromazin
 Diazepam
 Erythromycin
 Floxuridin
 Formaldehyd/20%iges NaCl
(Echinokokkuszysteninjektion)
 Haloperidol
 Imipramin
 Methlytestosteron
 Paracetamol
 Paraquat
 Phenylbutazon
 Thiabendazol

Ischämisch  Vorangegangene Embolisation


 Chronische Transplantatabstoßung
 Hochgradige Anastomosenstenose der A. hepatica
nach Lebertransplantation

Neoplastisch  Cholangiozelluläres Karzinom


 Histiocytosis X
 Morbus Hodgkin

Unklassifiziert  Idiopathische Duktopenie des Erwachsenen


 Sekundär sklerosierende Cholangitis nach Sepsis
bei Verbrennungen, Polytrauma oder ausgedehn-
ten Operationen mit lang andauernder Intensiv-
therapie
414 Kapitel 44 · Erkrankungen der Gallenwege

z Endoskopische Dilatation dominanter onskarzinom) und Ampulla-Vateri-


Strikturen, evtl. mit passagerer Ein- Karzinom
lage von Kunststoffendoprothesen, z Häufigkeitsgipfel: 7. Lebensjahrzehnt
ggf. Steinextraktion, chirurgisches z Frauen 4- bis 5-mal häufiger betroffen
Vorgehen nur im Ausnahmefall als Männer
z Lebertransplantation: in fortgeschritte-
nen Stadien, allerdings mögliche Rezi- Klinik und Diagnostik
dive; 5-Jahres-Überlebensrate: 80–85 % z Leitsymptome: schmerzloser Ikterus,
Courvoisier-Zeichen, Juckreiz
z Unspezifische Symptome: Gewichts-
44.5 Gutartige Tumoren der verlust, rechtsseitige Oberbauch-
Gallenwege schmerzen, Leistungsminderung
z Staging (TNM-Klassifikation):
z Gallenblasenpolypen: bei etwa 4 % 5 Abdomensonographie
der Abdomensonographien, meist 5 CT von Abdomen und Thorax
<5 mm groß; wegen möglicher Ent- 5 MRCP: nichtinvasives Verfahren
artung der Adenome Empfehlung zur zur Lokalisation der Stenose
Cholezystektomie bei einer Größe von z Endosonographie: zum Ausschluss
>10 mm des steinbedingten Verschlusses
z Papillenadenome: gelten als Prä- z ERCP: Bürstenzytologie und Cholan-
kanzerose; Therapie durch endosko- gioskopie sowie Biopsie zur histologi-
pische Papillektomie oder operativ schen Sicherung
(Whipple-OP oder pyloruserhaltende z Tumormarker: CA19-9
Modifikationen)
z Weitere seltene biliäre epitheliale Therapie
Tumoren und Hamartome z Kurativ:
5 Gallenblasenkarzinom: Radikal-
operation mit Teilresektion des
44.6 Gallenblasen- und Ductus hepatocholedochus und
Gallengangskarzinom Lymphadenektomie
5 distales Gallengangskarzinom:
Allgemeines Whipple-OP
z Gallenblasenkarzinom: typischerweise 5 Gallengangskarzinom des mittle-
Adenokarzinom, in 90 % der Fälle As- ren Drittels: Choledochusresektion
soziation mit Cholezystolithiasis und und Hepatikojejunostomie
chronischer Cholezystitis 5 Klatskin-Tumore: oft nur durch
z Gallengangskarzinom: Adenokar- Hemihepatektomie zu entfernen
zinom vom nodulären oder skle- (nach zuvor erfolgter Pfortader-
rosierenden Typ, das sich zunächst embolisation, um den verbleiben-
submukös in der Wand ausbreitet; den Lappen zur Hypertrophie zu
gehäuft (bis zu 15 %) bei PSC, Caroli- bringen)
Syndrom sowie Cholangiohepatitis z Palliativ:
durch Leberegelbefall in Asien 5 ERCP → Endoprothese (Nach-
z Sonderformen des Gallengangskar- teil: regelmäßiger Wechsel, etwa
zinoms: Klatskin-Tumor (Bifurkati- alle 12 Wochen) oder Metallstent
44.6 · Gallenblasen- und Gallengangskarzinom 415 44.6
(Nachteil: hoher Preis) zur Siche-
rung des Galleflusses
5 Alternative: intraluminale photo-
dynamische Therapie
5 palliative Chemotherapie mit
Gemcitabin (Gemzar) in Einzel-
fällen

Prognose
z 5-Jahres-Überlebensrate: 30–45 %
z Mittlere Überlebenszeit bei Klatskin-
Tumoren: 2 Jahre
416 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

> Erkrankungen der Leber


H.-M. Steffen

Das Spektrum reicht von den akuten Er- typisch für alle Erkrankungen mit
krankungen – gekennzeichnet durch Le- Leberzelluntergang
berzellnekrose mit Einschränkungen der z Cholestatische Lebererkrankungen:
Entgiftungs- und Syntheseleistung bis Aktivitätssteigerung von AP und
hin zum akuten Leberversagen – über γ-GT mit oder ohne Hyperbilirubin-
die chronischen Schädigungen mit Stö- ämie, normalem Albuminspiegel und
rungen der Transportmechanismen in niedrigem Quick-Wert, der nach pa-
den Hepatozyten, Leberzellverfettung, renteraler Vitamin-K-Substitution an-
bindegewebigem Ersatz des Leberparen- steigt (positiver Koller-Test); typisch
chyms und Umbau im Sinne der Leber- für Cholangiopathien mit und ohne
zirrhose bis zur Entwicklung ortsständi- Obstruktion
ger Tumoren oder Infiltration durch z Infiltrative Lebererkrankungen: Ak-
Metastasen primär extrahepatischer Er- tivitätssteigerung v. a. der AP, meist
krankungen. ohne Hyperbilirubinämie und mit
normalem Albuminspiegel sowie
> Vor Einleitung einer weiterfüh- normalem Quick-Wert; typisch bei
renden Diagnostik sollte beim asym- Sarkoidose und andere granulomatöse
ptomatischen Patienten zunächst Lebererkrankungen
innerhalb von 1–3 Monaten eine
Bestätigung der erhöhten Leberwerte > Bei einem akut aufgetretenen Ikterus
abgewartet werden. Chronische Leber- mit hohen Transaminasenaktivitäten
erkrankungen stellen eine Indikation und eingeschränkter Syntheseleistung
zur Grippeschutzimpfung dar. muss frühzeitig die Frage einer evtl.
rasch erforderlichen Lebertransplan-
Definition prinzipieller tation erörtert und Kontakt mit einem
Schädigungsmuster entsprechenden Zentrum aufgenom-
z Hepatozelluläre Lebererkrankun- men werden.
gen: Aktivitätssteigerung von AST
(GOT) und ALT (GPT) mit vorwie- Ätiologie
gend konjugierter Hyperbilirubin- z Akute und chronische Infektionen:
ämie sowie – je nach Ausmaß der z. B. Hepatitiden A–E, Begleithepatiti-
Schädigung – niedrigem Albumin- den, Echinokokkose
spiegel und Quick-Wert, der nicht z Stoffwechselerkrankungen: z. B.
auf eine Vitamin-K-Substitution Hämochromatose, Morbus Wilson,
reagiert (negativer Koller-Test); hepatische Porphyrie
Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber 417 45
z Toxische Schäden: durch Alkohol, 5 Adipositas, metabolisches
Medikamente, Arbeitsplatzbelas- Syndrom → nichtalkoholische
tungen Fettleber
z Autoimmunerkrankungen: z. B. Auto- 5 Autoimmunthyreoiditis, Sicca-
immunhepatitis oder PBC syndrom, Sklerodermie → PBC,
z Infiltration der Leber bei granuloma- Autoimmunhepatitis
tösen Erkrankungen, z. B. Sarkoidose, 5 Gelenkschmerzen, Diabetes melli-
oder Metastasen tus (»Bronzediabetes«) → Hämo-
z Schwangerschaftsspezifische Leber- chromatose
erkrankungen 5 Emphysem, rezidivierende Bron-
chopneumonien, Mekoniumileus
Klinik → α1-Antitrypsin-Mangel, zysti-
z Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, sche Fibrose
Exantheme, Arthralgien, Myalgien, 5 Wesensveränderung, Psychose →
Fieber → akute Virushepatitis Morbus Wilson
z Ikterus, Schläfrigkeit bis zum Koma, 5 Pericarditis constrictiva, schwere
Übelkeit und Erbrechen, Foetor hepa- Rechtsherzinsuffizienz →
ticus → akutes Leberversagen »cirrhose cardiaque«
z Pruritus, der bei cholestatischen 5 Medikamente (auch pflanzliche
Lebererkrankungen sehr heftig Arzneimittel) → toxische Hepa-
sein kann, Müdigkeit, mangelnde titis
Leistungsfähigkeit, Inappetenz und 5 toxische Arbeitsplatzbelastungen,
Gewichtsverlust → unspezifische Zei- z. B. Tetrachlorkohlenstoff → toxi-
chen sche Hepatitis
z Acholischer Stuhl und bierbrauner 5 Auslandsaufenthalte, Tierkontakte
Urin → Gallesekretionsstörung → parasitäre Erkrankungen
z Druckgefühl im Oberbauch → Fett- 5 bariatrische Chirurgie mit Dünn-
leber darmbypass, Kurzdarmsyndrom
z Schmerzen → tumoröse Raumforde- mit total parenteraler Ernährung
rungen → Fettleberhepatitis
z Libidoverlust, erektile Dysfunktion, 5 vorbestehende Lebererkrankun-
Persönlichkeitsveränderungen, Kon- gen, Risikofaktoren für infektiöse
zentrationsstörungen, Zunahme des Hepatitiden, Alkohol und andere
Leibesumfangs, Ödeme → fortge- Drogen
schrittener Leberparenchymschaden 5 Schwangerschaft
z Hämatemesis → akute Ösophagus- z Körperliche Untersuchung:
varizenblutung bei portaler Hyper- 5 Bewusstseinsstörungen, Tremor,
tonie Foetor hepaticus, Haut- und
Schleimhautblutungen → akutes
Diagnostik Leberversagen
z Anamnese: 5 Größe, Konsistenz, Leberoberflä-
5 familiäre Erkrankungen (he- che, Milzgröße → Leberzirrhose
reditäre Cholestasesyndrome, mit portaler Hypertonie
Hämochromatose) und eigene 5 Leberhautzeichen → chronische
Vorgeschichte Lebererkrankung
418 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

5 Blutbild mit Differenzialblutbild


Leberhautzeichen → Hyperspleniesyndrom bei
z Teleangiektasien (Spider-Nävi) Zirrhose, Makrozytose bei Äthylis-
z Xanthelasmen mus, Folsäuremangel
z Mundwinkelrhagaden 5 Eiweißelektrophorese → polyklo-
z Lacklippen und Lackzunge nale γ-Globulin-Vermehrung bei
z Parotisschwellung Zirrhose
z Palmar- oder Plantarerythem 5 Immunelektophorese → IgA-
z Dupuytren-Kontraktur Erhöhung bei Äthylismus
z Weißnägel
z Trommelschlägelfinger ! Während die Höhe der gemessenen

z Fehlen der männlichen Sekundärbehaa- Transaminasenaktivität bei chronischen


rung, Bauchglatze, Hodenatrophie, Gynä- Schäden eher schlecht, bei akuten Leber-
komastie erkrankungen aber gut mit dem Schwe-
z Caput medusae regrad korreliert, ist bei akutem Leberver-
z Unterschenkelödeme und Aszites sagen, Morbus Weil (Leptospirose) und
Morbus Wilson eine Diskrepanz möglich.
5 Jugularvenenstauung, Unterschen-
kelödeme, positiver hepatojugulä- z Bildgebende und invasive Verfahren:
rer Reflux, 3. HT → Rechtsherzin- 5 die Auswahl der verschiedenen
suffizienz Verfahren orientiert sich an der
5 Kratzspuren, v. a. an den Extre- klinischen Situation bzw. der lokal
mitäten → länger bestehenden verfügbaren Expertise
Cholestase 5 Abdomensonographie mit
5 Xanthome oder Xanthelasmen Dopplersonographie der Gefäße:
→ Hypercholesterinämie bei PBC Methode der 1. Wahl
5 Kontrastmittelsonographie: Diffe-
z Labordiagnostik: renzierung fokaler Läsionen
5 Enzymaktivitäten: AST (GOT), 5 CT: Differenzierung fokaler Läsi-
ALT (GPT), GLDH, LDH: Marker onen bei unklarem Sonographie-
der hepatozellulären Schädigung befund, Staging bei Tumorerkran-
5 AST-/ALT-De-Ritis-Quotient: kungen
z <0,7 → Entzündung z >0,7 → 5 MRT: Differenzierung fokaler
Nekrose z >2 → alkoholische Leberläsionen, Gefäßversorgung
Schädigung 5 ÖGD: Methode der Wahl zum
5 AP- und γ-GT-Aktivität, Konzen- Nachweis von Varizen
tration des direkten Bilirubins: 5 Laparoskopie: einzige Methode
Cholestaseparameter zur Sicherung einer Zirrhose,
5 Retikulozytenzahl, Konzentration Differenzierung des Aszites
des indirekten Bilirubins, LDH- 5 Leberbiopsie: histologische Diffe-
Aktivität, Haptoglobinspiegel: renzierung, Schweregradbeurtei-
Hämolyseparameter lung bei chronischer Hepatitis
5 Albuminkonzentration, Cholines-
teraseaktivität, INR, PTT: Parame- Differenzialdiagnostik
ter der Lebersyntheseleistung ⊡ Abbildung 45.1
45.1 · Akute Hepatitiden 419 45.1
Nichtobstruktive Cholestase Hepatozellulärer Schaden
mit Zeichen des
Leberparenchymschadens

Hepatitisserologie,
Amöben-, Echinokokkenserologie,
Bestimmung der Transferrinsättigung
und des Ferritinspiegels
Hepatitisserologie, Antikörperbestimmung:
Quantitative Immunglobulinbestimmung, ANA, ASMA, LKM-Antikörper, SLA,
Antikörperbestimmung: Bestimmung des A1-Antitrypsin-und
ANA, AMA, pANCA, des Coeruloplasminspiegels,
Rektumbiopsie bei Verdacht auf Kupferspiegelbestimmung im 24-h-Urin,
Amyloidose Spiegelbestimmung von δ -Aminolävulinsäure,
löslicher IL-2-Rezeptor und ACE-Aktivität Porphobilinogen, Uroporphyrin und
im Serum, Leberbiopsie mit Histologie Koproporphyrin im Urin,
Leberbiopsie mit Histologie

Hepatitiden,
Hepatitiden, fokal entzündliche Erkrankungen,
Autoimmuncholangitis, Alkoholhepatopathie,
PBC, NAFL/NASH,
PSC, Autoimmunhepatitis,
medikamentös-toxischer Schaden, Hämochromatose,
benigne rekurrierende intrahepatische A1-Antitrypsin-Mangel,
Cholestase, Wilson-Krankheit,
Amyloidose, Porphyria cutanea tarda,
granulomatöse Hepatitis, Sprue,
Sarkoidose Zirrhose

⊡ Abb. 45.1. Differenzialdiagnostik bei nichtobstruktiver Cholestase und hepatozellulärem


Schaden. AMA antimitochondriale Antikörper; ANA antinukleäre Antikörper; ASMA »anti
smooth muscle antibodys«; LKM liver-kidney microsome; pANCA »perinuclear antibody against
neutrophil cytoplasmic antigen«; SLA soluble liver antigen

45.1 Akute Hepatitiden Allgemeines


z Bedeutung der Infektion mit dem
Definition und Ätiologie Hepatitis-G- (HGV) oder dem trans-
z Infektion mit primär hepatotropen fusionsübertragenen Virus (TTV)
Viren (Virushepatitiden A–E) nicht geklärt; bei bis zu 2 % gesunder
z Begleitreaktion im Rahmen zahl- Blutspender wurde eine Virämie ohne
reicher anderer Infektionskrank- klinische Symptomatik nachgewiesen
heiten → keine Indikation für eine routine-
z Exogen-toxische, ischämische und mäßige Untersuchung bei der Abklä-
autoimmune Schädigungen rung einer Hepatitis
420 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

z Etwa 35 akute Hepatitiden/100.000 z Hohe Durchseuchung in tropischen


Einwohner in der BRD, davon etwa Regionen Mittelamerikas, Afrikas und
40 % Hepatitis A oder B und 20 % Asiens sowie in Süd- und Osteuropa
Non-A-Non-B-Hepatitis, davon wie- z Virusausscheidung: fäkal, v. a. in der
derum ungefähr 90 % Hepatitis C präklinischen Phase bis etwa 2 Wo-
z Aktivitäten der Transaminasen er- chen nach Auftreten eines Ikterus
höht: z Das Virus selbst ist nicht zytopatho-
5 >5fach über dem oberen Norm- gen, sondern die zelluläre Immunant-
wert mit führender Aktivitäts- wort verursacht die Hepatitis
steigerung der ALT bei akuten z Selbstlimitierende Erkrankung, sehr
Hepatitiden A–E selten fulminante Verläufe (gefährdet
5 >15fach über dem oberen Norm- sind insbesondere Patienten über
wert bei fulminanten Verläufen 50 Jahre; schwerere Verläufe bei vor-
der akuten Virushepatitiden A–E bestehender chronischer Lebererkran-
z Toxische Schädigungen, vaskuläre kung), keine Chronifizierung
Erkrankungen und eine akute rechts- z Prävention:
ventrikuläre Drucksteigerung können 5 Aktivimpfung mit Schutzraten von
ebenfalls zum Bild der fulminanten fast 100 %
Hepatitis führen 5 passive Immunisierung durch He-
z Die klinische Symptomatik lässt patitis-A-Immunglobulin (0,02 ml/
eine zuverlässige Unterscheidung kg KG) postexpositionell innerhalb
der infrage kommenden Erkran- von 14 Tagen mit Schutzraten um
kungen nicht zu → eine rationelle 80–85 %
Diagnostik muss sich an der z Keine spezifische Therapie → kör-
Anamnese (z. B. Auslandsaufenthalt, perliche Schonung; Isolierung kommt
Tätowierung, Piercing) und Be- meist zu spät
gleitumständen (z. B. Sepsis, akute
Rechtsherzinsuffizienz) orientieren, > Hepatitis-A-Serologie:
da die Differenzialdiagnostik jeweils z Anti-HAV-IgM: Nachweis bereits bei Auf-
alle der nachfolgend erwähnten Er- treten des Ikterus, sichert die Diagnose
krankungen umfasst z Anti-HAV-IgG: bestätigt die durchge-
machte Infektion (oder die erfolgrei-
> Die nachgewiesenen Hepatitiden A–E che Impfung) und gewährleistet eine
sind meldepflichtig. lebenslange Immunität

Hepatitis A Hepatitis B

z Akute Infektion mit dem HAV z Akute Infektion mit dem HBV
(RNA-Virus aus der Familie der (DNA-Virus aus der Familie der
Picornaviren) Hepadnaviren)
z Fäkal-oraler Übertragungsweg z Perinataler/vertikaler, sexueller und
z Inkubationszeit: 3–6 Wochen parenteraler Übertragungsweg; bei
z Prävalenz von Anti-HAV-Antikörpern hoher Viruslast (1012 Viruspartikel/
bei jungen Blutspendern in Mitteleu- ml) genügen minimale Blutspuren
ropa: etwa 10 % (0,0001 ml) für die Infektion
45.1 · Akute Hepatitiden 421 45.1
z Inkubationszeit: 1–6 Monate z Booster-Impfungen nach Grundim-
z 0,3–0,5 % der deutschen Bevölkerung munisierung bei immundefizienten
sind Virusträger, in tropischen Län- Patienten und Abfall des Anti-
dern Afrikas und Asiens etwa 30 %; HBs-Titers auf <10 IE/l ratsam, bei
weltweit ungefähr 300 Mio. chroni- Immunkompetenten wahrscheinlich
sche Hepatitis-B-Carrier überflüssig
z Risikogruppen: Drogenabhängige, z Therapie: körperliche Schonung, ggf.
Prostituierte, Homosexuelle, Dialyse- spezifische Behandlung mit Nukle-
patienten, medizinisches Personal osidanaloga (z. B. Lamivudin – Zeffix)
z Virusnachweis: Blut, Speichel, im Rahmen von Studien
Sperma, Vaginalsekret, Schweiß, Mut-
termilch, Tränenflüssigkeit, Urin > Hepatitis-B-Serologie (Eselsbrücke:
z Das Virus selbst ist nicht zytopatho- »Secces«):
gen, sondern die zelluläre Immunant- z HBs-Antigen: Diagnosesicherung bei
wort verursacht die Hepatitis akuter und chronischer Hepatitis; in
z Extrahepatische Manifestationen 5 % der Fälle HBs-Antigen-negative
durch zirkulierende Immunkomplexe: akute Hepatitis B
Exantheme, Arthralgien, Glomerulo- z HBe-Antigen: spricht für eine beträcht-
nephritis, Panarteriitis nodosa, Kryo- liche Virämie → Zeichen hoher Infek-
globulinämie tiosität; es existieren HBe-Antigen-
z Krankheitsverlauf schwerer als bei negative HBV-Mutanten, bei denen die
akuter Hepatitis A Virusreplikation nur mit der HBV-DNA-
z Im Erwachsenenalter bei etwa 95 % Bestimmung mittels PCR nachgewie-
der Infizierten selbstlimitierende Er- sen werden kann
krankung, fulminante Verläufe in <1 % z Anti-HBc-IgM: Screening-Parameter;
der Fälle (dann meist Superinfekion Nachweis bereits bei Auftreten des
mit Hepatitis D oder Ko-Infektionen) Ikterus
z Chronische Verläufe bei ungefähr z Anti-HBc-IgG: bestätigt die durchge-
90 % der perinatalen Infektionen, machte Infektion (lebenslang nach-
20–30 % der Infektion im Kindes- weisbar)
und Jugendalter sowie etwa 5 % der z Anti-HBe-Antikörper: erscheint mit der
Erkrankungen im Erwachsenenalter Elimination des HBe-Antigens, persis-
z Prävention: tiert bei chronischer Hepatitis mit HBe-
5 Aktivimpfung mit gentechnisch Minus-Mutante
hergestelltem HBs-Antigen (bei z Anti-HBs-Antikörper: erscheint mit der
immunsupprimierten Patienten, Elimination des HBs-Antigens in der
z. B. Dialysepatienten, doppelte Rekonvaleszenz, signalisiert Immuni-
Dosis verabreichen) tät; einziger Antikörper nach Impfung
5 nach Inokulation von kontami- z HBV-DNA: empfindlichstes Nach-
niertem Material, insbesondere weisverfahren mittels PCR; beweist
bei Neugeborenen HBs-Antigen- Virusreplikation, belegt bei HBe-
positiver Mütter, zusätzlich passive Antigen-negativen HBV-Mutanten die
Immunisierung durch Hepatits- Infektiosität
B-Immunglobulin (0,06 ml/kg KG z HBc-Antigen: lässt sich nur in infizier-
bzw. bei Neugeborenen 1 ml i. m.) ten Hepatozyten nachweisen.
422 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

Hepatitis D Hepatitis C

z Akute Infektion mit dem HDV (»in- z Akute Infektion mit dem HCV (RNA-
komplettes« RNA-Virus, sog. Viroid, Virus aus der Familie der Flaviviren)
das der Helferfunktion des HBV z 6 verschiedene Genotypen (geogra-
bedarf, da die Hülle aus HBs-Antigen phisch unterschiedlicher Verbreitung
gebildet wird → entweder Ko-Infek- für Typen 4–6); Unterscheidung kli-
tion mit HBV oder Superinfektion bei nisch bedeutsam, da ein unterschied-
HBs-Antigen-Trägern) liches Therapieansprechen dokumen-
z Übertragungsweg wie bei HBV, tiert ist
allerdings sehr selten perinatal z Vor allem parenterale, selten sexuelle
z Inkubationszeit: 4–6 Wochen oder perinatale Übertragung
z Prävalenz: 2 % der Patienten z Inkubationszeit: 2–4 Monate
mit chronischer Hepatitis B in z Prävalenz: 0,2–0,8 % der deutschen
Deutschland sind mit dem HDV Bevölkerung sind Virusträger, in tro-
infiziert; höchste Prävalenz im pischen Ländern Afrikas bis zu 20 %;
Mittelmeeraum, im Mittleren weltweit etwa 200 Mio. chronisch Infi-
Osten sowie im Amazonasgebiet, zierte
weltweit geschätzt etwa 5 % der z Risikogruppen: Drogenabhängige,
HBs-Antigen-Carrier Homosexuelle, Hämophile, Dialysepa-
z Risikogruppen: Drogenabhängige, tienten, medizinisches Personal
Hämophile, Dialysepatienten z Virusnachweis: Blut und Sperma;
z Das Virus selbst scheint zytopathogen bislang kein gesicherter Nachweis in
zu sein anderen Körperflüssigkeiten
z Bei >90 % der Ko-Infektionen selbst- z Das Virus selbst ist nicht zytopatho-
limitierende Erkrankung mit häufig gen, sondern die zelluläre Immunant-
2-gipfligem Verlauf, im Fall einer wort verursacht die Hepatitis
Superinfektion fulminante Verläufe z Virusvermehrung auch extrahepatisch
bei 2–20 % sowie Chronifizierung bei (z. B. hämatopoetische Zellen)
etwa 90 % der Patienten z Extrahepatische Manifestationen: Ar-
z Prävention: Aktivimpfung gegen He- thritis, Glomerulonephritis, Porphyria
patitis B cutanea tarda, Kryoglobulinämie,
z Keine spezifische Therapie → körper- Lichen ruber planus
liche Schonung z Sehr häufig (75–80 %) inapparenter
klinischer Verlauf, bei symptomati-
> Hepatitis-D-Serologie: scher Infektion häufiger Ausheilung,
z Ko-Infektion: Anti-HDV-Antikörper fulminante Verläufe extrem selten,
(oder HDV-RNA → PCR) zusammen Chronifizierung bei etwa 85–90 % der
mit hochtitrig positivem Anti-HBc- Patienten
IgM z Aktivimpfung nicht verfügbar (hohe
z Superinfektion: Anti-HDV-Antikörper Mutationsrate des Virus)
(oder HDV-RNA → PCR) bei negativem/ z Therapie:
niedrigtitrig positivem Anti-HBc-IgM 5 körperliche Schonung
(Suppression der HBV-Synthese durch 5 ggf. spezifische Therapie im
die HDV-Infektion) Rahmen von Studien, beginnend
45.1 · Akute Hepatitiden 423 45.1
12 Wochen nach Exposition (z. B. minante Verläufe bei Schwangeren im
Nadelstichverletzung) oder Be- III. Trimenon mit einer Letalität von
ginn der Symptome: pegyliertes 20–25 %, insbesondere in Indien
IFNα-2b für 12 Wochen (falls z Anfang 2008 wurde erstmals eine
HCV-RNA-Nachweis nach 4-wö- Chronifizierung bei Organtrans-
chiger Therapie negativ ist) bzw. plantierten unter Immunsuppression
24 Wochen, bei HCV-Genotyp 1, beschrieben
fehlendem frühen Therapieanspre- z Prävention: Aktivimpfung in klini-
chen bzw. Rückfall nach kürzerer scher Erprobung
Therapiedauer in Kombination z Keine spezifische Therapie → körper-
mit Ribavirin (10,6 mg/kg KG/Tag) liche Schonung

> Hepatitis-C-Serologie: > Hepatitis-E-Serologie:


z Anti-HCV-Antikörper: bei bis zu 30 % z Anti-HEV-IgM: Nachweis bereits
der Patienten bei Beginn der Sympto- bei Auftreten des Ikterus
matik negativ z HEV-RNA-Nachweis (PCR): zur
z HCV-RNA-Nachweis (PCR): zur Diagno- Diagnosesicherung
sesicherung und zur Therapiekontrolle
Begleithepatitis
Hepatitis E
Definition
z Akute Infektion mit dem HE-Virus z Infektion mit nicht primär hepato-
(RNA-Virus aus der Familie der tropen Viren oder Begleitreaktion im
Hepeviridae); möglicherweise Zoo- Rahmen zahlreicher anderer Infekti-
nose (ähnliche Viren bei Schweinen, onskrankheiten (⊡ Tab. 45.1)
Rehen, Schafen und Affen nachgewie- z Differenzialdiagnose der akuten He-
sen) patitis bzw. fokaler Leberläsionen
z Fäkal-oraler Übertragungsweg, meist z Granulomatöse Hepatitiden mit füh-
durch kontaminiertes Trinkwasser render Aktivitätssteigerung der AP,
z Inkubationszeit: 4–6 Wochen auch im Rahmen einer Sarkoidose, ei-
z Prävalenz von Anti-HEV-Antikör- nes Morbus Crohn oder einer Tuber-
pern: bei deutschen Blutspendern kulose oder medikamentös induziert
etwa 2 %, in tropischen Ländern Afri-
kas, Asiens und Mittelamerikas bis zu Klinik
20 % z Asymptomatische Aktivitätsstei-
z Virusausscheidung: fäkal bei Auftre- gerung der Transaminasen bis
ten eines Ikterus (Nachweis im Serum Leberversagen mit hoher Letalität,
davor) insbesondere bei den tropischen Er-
z Das Virus selbst ist nicht zytopatho- krankungen mit hämorrhagischem
gen, sondern die zelluläre Immunant- Fieber
wort verursacht die Hepatitis z Langwierige Verläufe sind bei
z Histologisch charakteristisch: schwere Epstein-Barr-Virus-, Herpes-simplex-
Cholestase Virus- und CMV-Infektion möglich;
z Selbstlimitierende Erkrankung mit die chronische EBV-Hepatitis ist eine
häufig lang anhaltendem Ikterus; ful- Rarität
424 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

⊡ Tab. 45.1. Begleiterkrankung der Leber bei anderen Infektionskrankheiten

Infektion Krankheitsbilder

Virale Infektionen  Mononukleose (Epstein-Barr-Virus-Infektion)


 Herpes simplex
 Zytomegalie
 HIV-Infektion
 Varizellen
 Röteln
 Masern
 Mumps
 Adeno-, Coxsackie-, Flavi-, Fila-, Arenavireninfektion
Bakterielle Infektionen  Infektionen mit Staphylokokken, Gonokokken oder Clostridien
 Salmonellose
 Shigellose
 Yersiniose
 Listeriose
 Brucellose
 Tuberkulose
 Leptospirose
 Lues
 Borreliose
 Rickettsiose
 Legionellose
 Bartonellose
Pilzinfektionen  Aktinomykose
 Histoplasmose
Parasitäre Infektionen  Amöbiasis
 Malaria
 Trypanosomiasis
 Leishmaniasis
 Toxoplasmose
Wurminfektionen  Echinokokkose
 Schistosomiasis
 Infektionen mit Ascaris lumbricoides, Fasciola hepatica,
Clonorchis sinensis, Opisthorchis felineus, Dicrocoelium
dendriticum, Trichinella spiralis oder Toxocara canis (cati)

Fokale entzündliche Leberläsionen lephlebitis bei Appendizitis), iatrogen


(z. B. nach Chemoembolisation) oder
Allgemeines per continuitatem
z Pyogene Leberabszesse durch Viel- z Amöbenleberabszess (steril) nach
zahl bakterieller Erreger (am häufigs- Verschleppung vegetativer Formen
ten: Escherichia coli, Anaerobier) von Entamoeba histolytica aus den
z Entstehungswege: auf dem Boden ei- Darmwandvenen via Pfortader in die
ner Cholangitis, hämatogen (z. B. Py- Leber
45.1 · Akute Hepatitiden 425 45.1
Klinik und Diagnostik i. v. für 3–5 Tage, dann gleiche Do-
z Fieber sis p. o. für 10 Tage)
z Rechtsseitige, heftigste Oberbauch- 5 Anschlussbehandlung mit einem
schmerzen mit hoher CRP-Konzen- Darmlumenamöbizid (Diloxanid,
tration, ggf. Sturzsenkung, Leukozy- z. B. Furamide – erhältlich über
tose mit Linksverschiebung internationale Apotheke; 3-mal
z Anamnese/Reiseanamnese 500 mg/Tag p. o. für 7–10 Tage)
z Amöbenserologie; Stuhluntersuchung z Zystische Echinokokkose: Operation
im Stadium des Abszesses nur selten mit Albendazolvor- und -nachbe-
positiv handlung, alternativ PAIR-Methode
z Abdomensonographie: (Punktion–Aspiration–Instillation–
5 Abszess: echoarme, je nach Re-Aspiration) mit hypertoner Koch-
Reifungsgrad gut abgrenzbare salzlösung oder 95%igem Alkohol
Läsion z Alveoläre Echinokokkose:
5 Infektion mit Echinococcus 5 Therapie der Wahl ist die Leberre-
granulosus (Hundebandwurm; sektion
Larvenstadium: Echinococcus cys- 5 bei Inoperabilität: Albendazol
ticus) → Nachweis von typischen (Eskazole; 2-mal 400 mg/Tag)
Zysten in der Leber, meist solitär, über 3–12 Monate (zystische Echi-
bei 30 % der Betroffenen 2 oder nokokkose) bzw. über ≥2 Jahre,
mehr Zysten; häufig asymptomati- manchmal lebenslang (alveoläre
scher Zufallsbefund Echinokokkose)
5 Infektion mit Echinococcus
multilocularis (Fuchsbandwurm; Toxische Hepatitis
Larvenstadium: Echinococcus
alveolaris) → Bild wie Infiltration Ätiologie
der Leber durch malignen Tumor, z Zahlreiche Medikamente (fast alle)
mögliche Metastasierung in an- z Pflanzliche Produkte (z. B. Johannis-
dere Organe kraut)
z Serologie: Antikörpernachweis bei z Drogen (z. B. Ecstasy, Kokain, Alkohol)
90–95 % der Patienten, d. h. ein nega- z Toxine (z. B. Chloroform, Tetrachlor-
tiver Befund schließt die Erkrankung kohlenstoff)
nicht aus
> Vor einer aufwändigen Diagnostik
Therapie möglichst alle Medikamente, Nahrungs-
z Pyogener Abszess: »ubi pus, ibi ergänzungsmittel und pflanzliche Arz-
evacua« → Punktion und Drainage; neimittel absetzen und den Verlauf der
gezielte antibiotische Therapie nach Transaminasenaktivitäten beobachten
Austestung
z Amöbenleberabszess: Pathogenese
5 Punktion nur bei erheblicher z Direkte und indirekte toxische Schä-
Größe und drohender Ruptur den sowie Idiosynkrasie (individuelle
unter Therapie mit einem Gewe- Überempfindlichkeit), entweder me-
beamöbizid (Metronidazol, z. B. tabolisch (duch Isoenzyme) oder all-
Infectoclont; 3-mal 500 mg/Tag ergisch-immunologisch (Substanzen
426 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

oder Metabolite wirken als Hapten, z Cholestatisches Schädigungsmuster


Entstehung von Neoantigenen) (Hemmung der Gallesekretion oder
granulomatöse Hepatitis) → AP-
Klinik und Diagnostik Aktivität und Bilirubinkonzentration
z Asymptomatische Aktivitätssteige- erhöht
rung der Transaminasen bis zum z Gemischtes Schädigungsmuster →
Leberversagen, insbesondere bei Into- Aktivitäten von AP und AST erhöht
xikation mit Parazetamol oder einer
Knollenblätterpilzvergiftung Therapie
z Absetzen bzw. Meiden der »ange-
schuldigten Substanz«
Checkliste bei Verdacht auf z Glukokortikoide: bei allergischen Re-
medikamentöse Leberschädigung aktionen (Leitsymptome: Exanthem,
z Ist die Nebenwirkung in der Literatur Eosinophilie, Fieber)
beschrieben? z Symptomatische Behandlung des
z Können andere Ursachen für die klinische Juckreizes (Antihistaminika)
Symptomatik ausgeschlossen werden?
z Besteht ein zeitlicher Zusammenhang  Dosierung
zwischen Einnahme der Substanz und N-ACC als Antidot bei Parazetamol-
Beginn der Nebenwirkung bzw. zwischen intoxikation:
Absetzen und Symptomrückbildung? z Therapiebeginn innerhalb von 10 h
z Wurden ähnliche Symptome bei einer (Prescott-Schema): initial 150 mg/kg KG in
früheren Exposition schon einmal beob- 200 ml 5%iger Glukoselösung über 15 min
achtet? i. v., dann 50 mg/kg KG in 500 ml 5%iger
z Korreliert die Medikamentennebenwir- Glukoselösung über 4 h i. v., anschließend
kung mit der Dosis oder einer zusätz- 100 mg/kg KG in 5%iger Glukoselösung
lichen Induktion bzw. Hemmung der über 16 h i. v.; Gesamtdosis: 300 mg/kg KG
spezifischen medikamentenabbauenden über eine Gesamtdauer von 20 h
Enzymsysteme? z Therapiebeginn nach 10 h (Smilkstein-
z Liegen die Serum- oder Plasmakonzen- Schema): initial 140 mg/kg KG i. v., dann
trationen (falls messbar) außerhalb des alle 4 h 70 mg/kg KG (12-mal wiederho-
Referenzbereichs? len); Gesamtdosis: 980 mg/kg KG über
z Gibt es Risikofaktoren für eine zusätzliche eine Gesamtdauer von 48 h
Reduktion der Leber- oder Nierenfunktion?
Wenn >5 Fragen bejaht werden können, ist Fulminante Hepatitis und akutes
eine medikamentös induzierte Hepatotoxizi- Leberversagen
tät als gesichert anzusehen, bei 4 oder 5 po-
sitiven Antworten als wahrscheinlich, bei 2 Definition
oder 3 als möglich, bei <2 als zweifelhaft. z Leberversagen auf dem Boden eines
akuten Leberzelluntergangs mit Ikte-
rus und Koagulopathie ohne vorbe-
Schädigungsmuster stehende Lebererkrankung, und zwar
z Hepatozelluläres Schädigungsmuster als hyperakutes oder fulminantes
(Nekrose oder akute Fettleber) → (hepatische Enzephalopathie inner-
ALT-Aktivität erhöht halb von 7 Tagen nach Auftreten des
45.1 · Akute Hepatitiden 427 45.1
⊡ Tab. 45.2. Stadien der hepatischen Enzephalopathie

Stadium Charakteristika

I Apathie: zunehmendes Schlafbedürfnis, verlangsamter Bewegungsablauf

II Somnolenz: verwaschene Sprache, »flapping tremor« (Asterixis)

III Sopor: Patient meist schlafend, aber erweckbar, desorientiert, verwirrt, ataktisch

IV Koma: Patient bewusstlos, ohne Reaktion auf Schmerzreiz

Ikterus; ⊡ Tab. 45.2), akutes (Enze- z Vaskuläre Erkrankungen: Budd-Chi-


phalopathie nach 8–28 Tagen) oder ari-Syndrom, Lebervenenverschluss-
subakutes Leberversagen (Enzepha- krankheit, akutes Rechtsherzversagen
lopathie nach 5–12 Wochen) z Sepsis, Schock, massive Metastasie-
rung, Leberteilresektion, »Graft-ver-
Allgemeines sus-host«-Erkrankung (Hepatopathie
z Lebensbedrohliche Erkrankung → nach Knochenmarktransplantation)
frühzeitig Kontakt mit Transplantati- z Unklar (etwa 30–40 % der Fälle)
onszentrum aufnehmen
z Letalität ohne Transplantation: je Klinik
nach Ursache 40–90 % z Bewusstseinsstörung → hepatische
z Langzeitüberleben nach Lebertrans- Enzephalopathie
plantation: 60–70 % z Hirnödem
z Rasche Klärung behandelbarer Ur- z Gastrointestinale Blutungen
sachen und Einleitung spezifischer z Akutes Nierenversagen
Therapiemaßnahmen z Ikterus mit Foetor hepaticus
z Gerinnungsstörungen: hämorrhagi-
Ätiologie sche Diathese bis DIC
z Fulminante Verläufe der akuten z Schock
Virushepatitiden A–E
z Reaktivierung einer chronischen HBV- Labordiagnostik
Infektion unter Immunsuppression z Hypoglykämie (Glukoneogenese ver-
z Toxische Schädigungen: Medikamente mindert)
(z. B. Parazetamol), Drogen (z. B. Ecs- z Absinken des Kaliumspiegels
tasy), Toxine (z. B. Knollenblätterpilz- z Steigerung der Bilirubinkonzentration
vegiftung, typischerweise im Herbst) z Abnahme des Quick-Wertes
z Massive Leberverfettung: Schwan- z Thrombozytopenie
gerschaftsfettleber, HELLP-Syndrom, z Alkalose
Reye-Syndrom (hepatozerebrales
Syndrom bei Kindern nach respirato- Therapie
rischem Infekt und ASS-Einnahme: z Spezifische Therapie bei akutem
Mitochondriopathie, hohe Letalität) Leberversagen:
z Autoimmunhepatitis 5 N-ACC bei Parazetamolintoxika-
z Akuter Morbus Wilson tion (s. oben)
428 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

5 Lamivudin (z. B. Zeffix; 100 mg/ z Interdisziplinäre Konsultation und


Tag p. o.) bei Hepatitis B rechtzeitiger Entschluss zur Leber-
5 Silibinin (Legalon; 20–50 mg/ transplantation
kg KG/Tag in 4 Dosen i. v.) bei
Knollenblätterpilzvergiftung > Abschätzung einer erforderlichen
5 Glukokortikoide bei Autoimmun- Lebertransplantation nach den
hepatitis Kriterien des King’s College
z Intensivmedizin: z Parazetamolintoxikation: pH-Wert von
5 frühzeitige Therapie des Hirn- <7,3 oder alle folgenden Kriterien:
ödems (z. B. Mannitol in einer 5 Prothrombinzeit: >100 s (INR: >6,5)
Dosierung von 1 g/kg KG, Lage- 5 Kreatininkonzentration: >3,4 mg/dl
rung) 5 Enzephalopathie: Grad III oder IV
5 antibiotische Prophylaxe (erhöhtes z Andere Ursachen: Prothrombinzeit
Sepsisrisiko) von >100 s (INR von >6,5) oder 3 der
5 Substitution von Gerinnungsfakto- folgenden Kriterien:
ren → Gabe von FFP 5 Alter: <10 oder >40 Jahre
5 Spiegelkontrolle/i. v. Substitution: 5 Non-A-non-B-Hepatitis oder Le-
Elektrolyte (Kalium), Glukose berfunktionsstörung durch Medi-
5 Hemmung der intestinalen NH3- kamente induziert
Resorption: Laktulose (3-mal 5 Auftreten des Ikterus >7 Tage vor
20–50 ml/Tag p. o.; Ziel: 2–3 wei- der Enzephalopathie
che Stühle/Tag) 5 Bilirubinspiegel: >17,4 mg/dl
5 ggf. Reduktion der NH3-produ- 5 Prothrombinzeit: >50 s
zierenden bakteriellen Darmflora
(Paromomycin p. o.)
5 Ernährung: Substitution ver- 45.2 Chronische Hepatitiden
zweigtkettiger und Vermeidung
aromatischer Aminosäuren Definition
5 bei hepatorenalem Syndrom: z Entzündliche Lebererkrankungen,
Terlipressin (1–2 mg alle 4–6 h; die >6 Monate persistieren, mit dem
ggf. Nitrate bei überschießender Risiko der Entwicklung einer Leber-
Hypertonie) plus Albuminsubsti- zirrhose sowie eines hepatozellulären
tution Karzinoms
5 Verbesserung der Harnstoffsyn-
these: L-Ornithin-L-Aspartat Ätiologie
(3-mal 5 g/Tag p. o.) z Infektionen mit primär hepatotropen
5 Substitution von Zinkaspartat Viren (HBV, HCV, HDV); häufigste
(15–30 mg/Tag; Zn2+-abhängiger Ursachen: HCV-Infektion, alkoholi-
Harnstoffzyklus) sche und nichtalkoholische Steatohe-
5 Nierenersatzverfahren: meist patitis
CVVH/CVVHD bei hypotonen z Toxische Schädigungen durch Alko-
Kreislaufverhältnissen hol und Medikamente
5 ggf. Leberersatzverfahren z NASH im Rahmen eines metaboli-
(z. B. Prometheus, MARS) als schen Syndoms bzw. bei manifestem
»bridging« bis zur Transplantation Diabetes mellitus
45.2 · Chronische Hepatitiden 429 45.2
z Autoimmunerkrankungen: Auto- digung kann spontan oder unter
immunhepatitis, -cholangitis, PBC, Immunsuppression reaktiviert
Zöliakie werden → Bild der Hepatitis
z Stoffwechselerkrankungen: z. B. he- z Bei klinischem Verdacht: zunächst
reditäre Hämochromatose, Morbus Bestimmung von HBs-Antigen und
Wilson, hepatische Porphyrie Anti-HBc-Antikörpern →
5 beide positiv → zusätzlich Bestim-
Klinik und Diagnostik mung von HBe-Antigen, Anti-
z Asymptomatischer Zufallsbefund HBe-Antikörpern sowie HBV-
erhöhter Transaminasenaktivitäten bis DNA (quantitativ mittels PCR)
schwere Lebererkrankung 5 nur Anti-HBc-Antikörper po-
z Symptomatik: unspezifische Symp- sitiv → zusätzlich Bestimmung
tome wie Leistungsminderung, An- von Anti-HBs-Antikörpern →
triebslosigkeit, Druckgefühl im rech- z ≥10 IU/l: ausgeheilte Hepatitis B
ten Oberbauch, Ikterus oder Juckreiz z <10 IU/l: Anti-HBc-Only-Status/
z Leberbiopsie mit Histologie: entzünd- okkulte Hepatitis B
liche Aktivität und Stadieneinteilung z Weitere Diagnostik zum Ausschluss
der Fibrose von Ko-Infektionen (Anti-HDV-,
z Differenzialdiagnostische Hinweise: Anti-HCV-, Anti-HIV-Antikörper)
Histologie, spezielle immunologische z Hepatitis-A-Serologie → evtl. Impfung
Untersuchungen z Abdomensonographie
z Weiterführende virologische Unter- z Klinische und laborchemische
suchungen → Therapieplanung, -kon- Kontrollen:
trolle 5 zunächst alle 3, später alle 12 Mo-
nate: Screening bezüglich eines
Hepatitis B hepatozellulären Karzinoms
( Kap. 45.10)
Definition, Klinik und Diagnostik 5 unter antiviraler Therapie mit In-
z Persistierende HBV-Infektion mit la- terferon: Kontrolle alle 4 Wochen
borchemisch oder histologisch nach- 5 unter Therapie mit Nukleos(t)
weisbarem Leberzellschaden: idanaloga: Kontrolle alle 3 Monate
5 hochvirämischer (»immuntoleran- mit quantitativer Bestimmung der
ter«) HBs-Antigen-Träger-Status: HBV-DNA
hochreplikative, HBe-Antigen-
positive, chronische HBV-Infektion > Reaktivierungen der Hepatitis B unter
ohne Zeichen der Leberzellschä- Chemotherapie bzw. Immunsuppression
digung, meist nach vertikaler möglich → Indikation zur Prophylaxe ei-
Transmission oder Infektion im ner Reaktivierung mit Lamivudin für alle
Kleinkindesalter, kann in chroni- HBs-Antigen-positiven Patienten sowie
sche Hepatitis B übergehen für Patienten vor Knochenmark-/Stamm-
5 niedrigvirämischer (»inaktiver«) zelltransplantation mit Anti-HBs- und/
HBs-Antigen-Träger-Status: nied- oder Anti-HBc-Antikörper-Nachweis.
rigreplikative, HBe-Antigen-nega- > Anti-HBc-Antikörper-positive Pati-

tive, persistierende HBV-Infektion enten: engmaschig überwachen, bei


ohne Zeichen der Leberzellschä- Anstieg der Viruslast therapieren
430 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

Therapie 5 Therapie 12 Monate über die Se-


z In der Regel nicht behandlungsbe- ronkonversion hinaus fortsetzen,
dürftig: HBs-Antigen-Träger, die bei HBe-Antigen-negativen Pati-
wiederholt HBV-DNA-negativ oder enten Dauertherapie
niedrigreplikativ (<2000 IU/ml) sind, 5 die Auswahl der Substanzen
mit wiederholt normalen Transa- (Lamivudin 100 mg, Telbivudin
minasenaktivitäten und höchstens 600 mg, Entecavir 0,5 mg bzw. bei
minimaler Entzündungsaktivität oder Lamivudinresistenz 1 mg, Adefovir
geringer Fibrose → geringes Risiko 10 mg, Tenofovir 245 mg) muss die
für die Entwicklung von Zirrhose und antivirale Effektivität, die Resis-
hepatozellulärem Karzinom tenzbarriere und das Stadium der
z Alle anderen Patienten sind prinzipiell Lebererkrankung berücksichtigen
behandlungsbedürftig, d. h. es bedarf 5 als ausreichendes Ansprechen gilt
einer guten Begründung, warum nicht eine Viruslast von <200 IU/ml
behandelt werden soll, insbesondere nach 6 Monaten
bei Patienten mit deutlicher Fibrose 5 ggf. Umstellung oder Kombinati-
bzw. Zirrhose onstherapie
z Ziel: Senkung der Morbidität und 5 Behandlung durch Ärzte oder
Mortalität einer HBV-Infektion, Zentren mit hepatologischer Er-
idealerweise durch Serokonversion fahrung
von HBs-Antigen-positiv zu Anti-
HBs-Antikörper-positiv, die aber nur Hepatitis D
in 5–10 % der Fälle erreicht werden
kann; ansonsten sind Kriterien des z Verläuft in der Regel schwerer als eine
Therapieansprechens: dauerhafter HBV-Monoinfektion (5-Jahres-Morta-
Abfall der Viruslast auf <2000 IU/ lität etwa verdoppelt, Progression zur
ml (50–90 %), dauerhafte Serokon- Leberzirrhose ungefähr 10–15 Jahre
version von HBe-Antigen-positiv zu früher)
Anti-HBe-Antikörper-positiv (etwa z Dauerhafte Viruselimination gelingt
20–30 %) mit INF α (3-mal 9–10 Mio. IU/Wo-
z Pegyliertes INFα-2a (Pegasys; 1-mal che s. c. über 12 Monate) bei 0–20 %
180 μg/Woche s. c. über 12 Monate) und mit pegyliertem INF α nach
bei fehlenden Kontraindikationen 12–18 Monaten bei 17–43 % der Pati-
(Schwangerschaft, Stillzeit, ALT-Ak- enten
tivität >10fach erhöht, Leberzirrhose z Bei entzündlicher Aktivität und/oder
im Child-Stadium B/C); besonders Fibrose: Behandlung durch Ärzte oder
empfohlen bei: Zentren mit hepatologischer Erfah-
5 HBV-Genotyp A rung
5 Viruslast von <200.000 IU/ml
5 ≥2fach, ideal ≥5fach erhöhten ! Für eine Therapie mit Nukleos(t)id-
Transaminasenaktivitäten analoga gibt es keine evidenzbasierte
5 nicht vorbehandelten Patienten Grundlage.
z Nukleos(t)idanaloga:
5 bei HBe-Antigen-positiven Patien- z Bei erfolgloser INF-Therapie einer
ten Hepatitis D und persistiernder HBV-
45.2 · Chronische Hepatitiden 431 45.2
Replikation (>2000 IU/ml) sollte 5 nicht behandelte oder nicht
die chronische Hepatitis B mit Nuk- behandelbare Patienten: alle
leos(t)idanaloga behandelt werden 6–12 Monate; Screening bezüglich
z Bei fortgeschrittener Leberzirrhose eines hepatozellulären Karzinoms
kommt die Lebertransplantation in- ( Kap. 45.10) im Fall einer nachge-
frage wiesenen Zirrhose
5 Patienten unter antiviraler Thera-
Hepatitis C pie mit INF: alle 4 Wochen; quan-
titative HCV-RNA-Bestimmung
Allgemeines nach 4, 12 (nicht erforderlich bei
z Hohe Variabilität der Transaminasen- Genotyp 2/3) und 24 Wochen, bei
aktivitäten: normal bis 10fach erhöht Therapieende sowie 24 Wochen
im Langzeitverlauf nach Ende der Therapie
z Bei 2–35 % der Patienten wird nach
20–25 Jahren das Stadium der Leber- Therapie
zirrhose erreicht, danach beträgt die z Ziel: Senkung der Morbidität und
jährliche Rate an hepatozellulärem möglicherweise auch der Mortalität
Karzinom 2–5 % einer HCV-Infektion durch die an-
z Die regelmäßige Zufuhr auch geringer haltende Viruselimination, die als
Mengen Alkohol beeinträchtigt den negativer Befund in einem sensitiven
Therapieerfolg bzw. begünstigt die Nukleinsäureamplifikationsverfahren
Fibrose 6 Monate nach Therapieende definiert
z Günstige prognostische Faktoren für ist (je nach Viruslast 70–95 % bei
den Therapieerfolg: Nicht-Genotyp 1, Genotyp 2/3 bzw. 30–70 % bei Geno-
niedrige Viruslast, keine Zirrhose, typ 1)
weibliches Geschlecht, kurzer Verlauf z Therapie mit pegyliertem INFα-2a
der Erkrankung (Pegasys; 1-mal 180 μg/Woche s. c.)
z Prinzipielle Therapieindikation bei oder pegyliertem INFα-2b (PegIn-
histologisch nachgewiesener Entzün- tron; 1-mal 1,5 μg/kg KG/Woche) in
dung oder Fibrose; bei minimalen Kombination mit Ribavirin (gewichts-
Veränderungen: Behandlung oder adaptiert <75 kg: 1000 mg/d, >75 kg:
Kontrollbiopsien im Abstand von 1200 mg/d; Copegus: nur zur Kombi-
3–5 Jahren nation mit INFα-2a zugelassen; oder
z Weitere Diagnostik zum Ausschluss Rebetol: nur zur Kombination mit
von Ko-Infektionen (HBs-Antigen, INFα-2b zugelassen); Therapiedauer:
Anti-HBs- und Anti-HIV-Antikörper) abhängig von Genotyp und Viruslast
bzw. des Vorliegens von Anti-HAV- z Behandlung durch Ärzte oder Zen-
Antikörpern → evtl. Hepatitis-A- tren mit hepatologischer Erfahrung
bzw. -B-Impfung z Bei nicht optimaler Vortherapie und
z Abdomensonographie Therapienotwendigkeit ist eine Re-
z Nur vor Einleitung einer antiviralen Therapie mit guten Chancen sinnvoll
Therapie: quantitative HCV-RNA- bei: »relapse«, Nicht-Genotyp 1,
Bestimmung, Genotypisierung geringer Fibrose, geringem Alter,
z Klinische und laborchemische Kon- niedriger Viruslast, histologisch
trollen: fehlender Steatose
432 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

> Bei fortgeschrittener Fibrose ist ein 5 hohes MCV


Screening bezüglich eines hepatozellu- 5 De-Ritis-Quotient: >2
lären Karzinoms auch nach erfolgreicher 5 erhöhte IgA-Spiegel
Viruselimination erforderlich.
! »Carbohydrate-deficient-transferrin«
(CDT)-Bestimmung kann bei fortgeschrit-
45.3 Alkoholhepatopathie tenen Lebererkrankungen falsch-negativ
sein → diagnostische Wertigkeit einge-
Allgemeines schränkt
z Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alko-
hol (Deutschland): etwa 10–12 l/Jahr; Therapie bei schweren Verläufen
die zum Schaden führende Menge ist z Behandlung wie ein akutes Leber-
von Individuum zu Individuum ver- versagen
schieden z Gabe von Glukokortikoiden:
z Generell tolerieren Frauen Alkohol umstritten
schlechter als Männer z Substitution von Vitaminen: Vita-
z Etwa 20 % der chronischen Trinker min B1, Folsäure, Vitamin B6
erkranken an einer Leberzirrhose z Gegebenenfalls Lebertransplantation
z Verträglichkeitsgrenze hinsichtlich → danach bleiben die meisten Pati-
Hepatotoxizität: bei Frauen etwa 20 g/ enten »trocken«, das Rückfallrisiko
Tag, bei Männern 40 g/Tag scheint niedrig zu sein
z Spektrum der alkoholischen Schädi-
gung: von der reinen Fettleber über
die Steatohepatitis bis zur Leberzir- 45.4 Nichtalkoholische
rhose (typischerweise kleinknotig) Fettleber (NAFL) und
nichtalkoholische
Klinik und Diagnostik Steatohepatitis (NASH)
z Fettleber: meist asymptomatisch,
evtl. Druckgefühl im rechten Ober- > NAFL und NASH stellen die hepati-
bauch bei rascher Entwicklung; sche Komponente des metabolischen
unter Alkoholkarenz komplett rück- Syndroms dar.
bildungsfähig
z Akute alkoholische Fettleberhepatitis: Allgemeines
Übelkeit, Erbrechen, Ikterus, u. U. En- z Prävalenz der NAFL: in der allge-
zephalopathie, Leukozytose; Letalität: meinen Bevölkerung etwa 20 %,
bis zu 40 % bei Patienten mit Diabetes mellitus
z Zieve-Syndrom nach akutem Alkohol- ungefähr 25 %
exzess: alkoholtoxischer Leberschaden z Prävalenz der NASH: in der allge-
(Ikterus, rechtsseitige Oberbauch- meinen Bevölkerung etwa 2–3 %,
schmerzen), hämolytische Anämie und bei Übergewichtigen ungefähr
Hyperlipoproteinämie, häufig Fieber 5–10 %, bei Patienten mit Adipositas
z Labordiagnostik: etwa 20 %
5 erhöhte γ-GT-Aktivität: typischer z NAFL und NASH sind die häufigsten
schneller Abfall unter Alkoholka- Ursachen (70–90 %) einer Aktivitäts-
renz steigerung der Transaminasen, wenn
45.5 · Autoimmune Lebererkrankungen 433 45.5
andere Ursachen einer chronischen 45.5 Autoimmune
Lebererkrankung ausgeschlossen sind Lebererkrankungen
(inzwischen die häufigste Ursache pa-
thologischer Leberwerteerhöhungen Allgemeines
bei Erwachsenen in den USA) z Autoimmune Lebererkrankungen:
Autoimmunhepatitis, PBC, PSC,
Ätiologie Autoimmuncholangitis, Überlap-
z Metabolisches Syndrom pungssyndrome
z Diabetes mellitus Typ 2 z Ätiologisch ungeklärte Erkrankungen,
z Pharmaka: z. B. Amiodaron, Gluko- bei denen die Hepatozyten (AIH), die
kortikoide, Hormone, Medikamente kleinsten Gallengänge (PBC, Auto-
der hochaktiven antiretroviralen immuncholangitis) oder das gesamte
Therapie Gallengangsystem (PSC) Ziel eines
z Vorangegangene Eingriffe/Erkran- chronisch-entzündlichen Prozesses
kungen: ausgedehnte Dünndarm- sind
resektion, jejunoilealer Bypass, total z Assoziation mit anderen Autoimmu-
parenterale Ernährung, Sprue nerkrankungen: z. B. rheumatoide
Arthritis, Autoimmunthyreoiditis,
Diagnostik CREST-Syndrom, Colitis ulcerosa
z Erhöhte γ-GT-Aktivität z Überlappungssyndrome in etwa
z Führende Aktivitätssteigerung der 10–20 % der Fälle (AIH und PBC
ALT (De-Ritis-Quotient: <1) oder AIH und PSC): immer dann zu
z Abdomensonographie vermuten, wenn kein Ansprechen
z Leberbiopsie zum Nachweis entzünd- auf die Therapie der primär diagnos-
licher Aktivität tizierte Erkrankung erfolgt, sich das
cholestatische oder hepatitische labor-
Therapie chemische Profil im Verlauf ändert
z Langsame Gewichtsreduktion und oder sich nach initialem Ansprechen
Steigerung der körperlichen Aktivi- ein Rezidiv bzw. ein Progress einstellt
tät z Bevorzugt werden bei AIH und PBC
z Adäquate Einstellung eines Diabetes Frauen im mittleren Alter betroffen,
mellitus und Behandlung einer Fett- außerdem Assoziation mit bestimm-
stoffwechselstörung ten HLA-Haplotypen (HLA-DR3,
z Eine gesicherte medikamentöse The- -DR4, -DR8)
rapie der NASH existiert nicht; erste z Möglicherweise ist auch die Leberbe-
erfolgreiche Studien mit Glitazonen, teiligung bei der Sprue durch Autoan-
aber auch mit Metformin und Angio- tikörper vermittelt
tensinrezeptorblockern
Autoimmunhepatitis (AIH)
Prognose
z Reine Fettleber/NAFL: günstige Prog- Epidemiologie
nose z Etwa 10–20 % aller Fälle einer chroni-
z NASH: Entwicklung einer Leberzir- schen Hepatitis
rhose (häufigste Ursache der krypto- z Frauen 4-mal häufiger betroffen als
genen Zirrhose) Männer
434 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

Diagnostik z Therapieregime: Initial- und Rezidiv-


z Scoring-System: ermöglicht sensitive therapie (standardisiert; ⊡ Tab. 45.3)
und spezifische Diagnosestellung, z Initialtherapie: erfolgt über 24 Mo-
wurde aber nicht für die Therapieent- nate; anschließend Auslassversuch,
scheidung entwickelt falls eine laborchemische und his-
z Labordiagnostik: tologische Remission (normalisierte
5 Aktivitätssteigerung der Transami- Transaminasenaktivitäten, fehlende
nasen histologische Aktivitätszeichen) der
5 quantitative Immunelektropho- Erkrankung erreicht wurde (etwa
rese: Vermehrung der γ-Globuline 65 % der Patienten)
und/oder des IgG z Therapieversager (10 % der Fälle;
5 zirkulierende Autoantikörper unter laufender Therapie klinische,
(zur Abgrenzung und Sub- serologische oder histologische Ver-
klassifizierung, haben jedoch schlechterung): Vorstellung in einem
keine differenzialtherapeutische Lebertransplantationszentrum, ggf.
Bedeutung): ANA, SMA, LKM- alternative Immunsuppressiva
Antikörper, SLA/LP-Antikörper
z AIH-Typ 1: Nachweis von ANA Prognose
und SMA (80 % der Fälle; meist z Rezidive: 70–80 % innerhalb von
langsamer Beginn) z AIH Typ 2: 3 Jahren; nur etwa 17 % der Patienten
Nachweis von LKM-Antikörpern erreichen nach Absetzen der Therapie
(Erkrankung auch schon im Kin- eine dauerhafte Remission
desalter, akute Verläufe möglich) z 10-Jahres-Überlebensrate unter im-
z AIH-Typ 3: Nachweis von SLA/ munsuppressiver Therapie: >90 %
LP-Antikörpern (Abgrenzung z 5-Jahres-Überlebensrate nach Trans-
kontrovers; verläuft wie Typ 1) plantation: >90 %; Rezidive möglich

> LKM-Antikörper können u. a. auch Primär biliäre Zirrhose (PBC) und


bei Hepatitis C (2–5 %) oder Hepatitis D Autoimmuncholangitis
(6–12 %) auftreten.
Definition
z Patienten mit Zirrhose sollten hin- z PBC: chronische, nichteitrige, destru-
sichtlich eines hepatozellulären Karzi- ierende Cholangitis der kleinen intra-
noms überwacht werden hepatischen Gallengänge
z Autoimmuncholangitis: AMA-nega-
Therapie tive Cholangitis, klinisch und histolo-
z Behandlungsindikation: symptoma- gisch wie PBC
tische Patienten mit histologischen
und laborchemischen Zeichen der Klinik
entzündlichen Aktivität z Asymptomatische Phase der PBC: im
z Keine Behandlungsindikation: Mittel 6 Jahre
asymptomatische Kranke mit gering z Symptomatische, stabile Phase: kann
erhöhten Transaminasenaktivitäten bis zu 10 Jahre andauern
oder inaktiver bzw. dekompensierter z Ausgeprägte Müdigkeit
Zirrhose z Pruritus
45.5 · Autoimmune Lebererkrankungen 435 45.5
⊡ Tab. 45.3. Therapie der AIH

Substanz Dosierung Therapiedauer

Prednison (Monotherapie) 60 mg/Tag 1 Woche

40 mg/Tag 1 Woche

30 mg/Tag 2 Wochen

15–20 mg/Tag oder weniger Erhaltungstherapie

Azathioprin/Prednison 50/30 mg/Tag 1 Woche


(Kombinationstherapie)
50/20 mg/Tag 1 Woche

50/15 mg/Tag 2 Wochen

50/10 mg/Tag oder weniger Erhaltungstherapie

Alternative Remissionserhaltung

Azathioprin 2 mg/kg KG/Tag Erhaltungstherapie

Rezidivtherapie

Wiederholung der Initialtherapie oder

Prednison (Monotherapie) 60 mg/Tag 4 Wochen, danach wie oben

Azathioprin/Prednison 150/30 mg/Tag 4 Wochen, danach wie oben


(Kombinationstherapie)

z Osteoporose 5 Hyperlipidämie
z Steatorrhö 5 PBC: z AMA z Anti-M2-Anti-
z Vitaminmangel (Vitamine A, D, E, K) körper → PBC-spezifisch (>95 %
z Xanthelasmen, Xanthome der Fälle)
z Extrahepatisch: Sjögren-Syndrom, 5 Autoimmuncholangitis: keine
Hashimoto-Thyreoidits, weitere Auto- AMA, stattdessen finden sich
immunerkrankungen ANA sowie Antikörper gegen
SMA
Diagnostik z Leberbiopsie:
z Labordiagnostik: 5 histologische Sicherung bei Ver-
5 Cholestasezeichen: Aktivitäten dacht auf Autoimmuncholangitis
von AP und γ-GT sowie Bilirubin- 5 bei Nachweis von Anti-M2-Anti-
spiegel erhöht körpern nur zur prognostischen
5 quantitative Immunelektropho- Abschätzung und zur Indikations-
rese: Hyper-γ-Globulinämie und stellung für eine eventuelle Leber-
hoher IgM-Wert transplantation
436 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

Therapie Vielzahl angeborener oder erworbener


z Ursodeoxycholsäure (Ursofalk; Speicher- und Stoffwechselkrankheiten
12–15 mg/kg KG/Tag): mit betroffen, die häufig bereits im Kin-
5 PBC: Verbesserung der Histologie desalter symptomatisch werden. Eine
und der Laborwerte, wahrschein- Blasenbildung im Bereich der lichtexpo-
lich Auswirkung auf transplantati- nierten Hautareale weist auf eine Por-
onsfreies Überleben; Anwendung phyria cutanea tarda hin, die mit der
auch bei Autoimmuncholangitis Entwicklung sowohl einer Leberzirrhose
5 bei Nichtansprechen: z PBC: (hepatische Porphyrie) als auch eines
Kombination mit Budesonid hepatozellulären Karzinoms verbunden
(Budenofalk; 3-mal 3 mg/Tag) ist. Im Erwachsenenalter muss bei der
z Autoimmuncholangitis: Predni- Differenzialdiagnostik erhöhter Leber-
son oder Azathioprin werte in erster Linie an folgende Er-
z Osteoporoseprophylaxe: Kalzium krankungen gedacht werden: hereditäre
(1000 mg/Tag) und Vitamin D (Chole- Hämochromatose, Morbus Wilson, α1-
calciferol, 1000 IU/Tag) Antitrypsin-Mangel.
z Cholestyramin: zur Behandlung von
Pruritus und Hypercholesterinämie Hereditäre Hämochromatose
(4–12 g/Tag, einschleichend dosieren;
Einnahme anderer Substanzen ≥4 h Ätiologie
zeitversetzt) z Mutation im HFE-Gen, jedoch sehr
z Bei Steatorrhö: mittelkettige Tri- variable Penetranz; autosomal-rezessi-
gylzeride, parenterale Substitution ver Erbgang
fettlöslicher Vitamine (A, D, E, K), z Meist homozygote Mutation C282Y;
Pankreasenzyme, Reduktion der Cho- nur eine Minderheit weist den Ge-
lestyramindosis notyp C282Y/H63D (Compound-
Heterozygotie) auf
Prognose z Auch ohne diese Mutationen kann eine
z Bester prognostischer Faktor: Höhe des phänotypische Hämochromatose auf-
Bilirubinspiegels: 100 μmol/l (5,8 mg/ treten (v. a. bei Nichtnordeuropäern)
dl) → Lebenserwartung: etwa 2 Jahre z Neben Mutationen des HFE-Gens
→ Vorbereitung zur Transplantation wurden Defekte an weiteren Struk-
z 5-Jahres-Überlebensrate nach Trans- turen (z. B. Hepcidin, Hemojuvelin,
plantation: >75 %; Rezidive möglich Transferrinrezeptor 2, Ferroportin)
z Patienten mit Zirrhose müssen hinsicht- definiert, die durch pathologische
lich der Entwicklung eines hepatozellu- Eisenablagerung ähnliche Bilder her-
lären Karzinoms überwacht werden vorrufen können

Klinik
45.6 Metabolische z Manifestation der hereditären Hä-
Lebererkrankungen mochromatose: bei Männern im
20.–40. Lebensjahr, bei Frauen nach
Allgemeines der Menopause
Die Leber spielt im Stoffwechsel eine z Frühsymptom: Arthralgien (Metakar-
zentrale Rolle und ist daher bei einer pophalangealgelenke II und III)
45.6 · Metabolische Lebererkrankungen 437 45.6
z Kardiomyopathie mit Herzrhythmus- kontraindiziert sind (meist sekundäre
störungen (häufige Todesursache) Hämochromatosen bei schweren,
z Diabetes mellitus (»Bronzediabetes«) transfusionsbedürftigen Anämien,
z Dunkle Pigmentierung der Haut, v. a. z. B. Thalassämie)
an lichtexponierten Stellen
z Impotenz Morbus Wilson (hepatolentikuläre
z Leberzirrhose mit Hepatosplenome- Degeneration)
galie
Ätiologie
Komplikation z Autosomal-rezessiver Erbgang
z Entwicklung eines hepatozellulären z Defekt im ATP-7B-Gen (ATP-ab-
Karzinoms (30 % der Fälle), auch hängiges Kupfertransportprotein der
nach erfolgreicher Aderlasstherapie Hepatozyten) → verminderte biliäre
→ Überwachung Kupferausscheidung → pathologische
Kupferablagerung in Geweben; zudem
Diagnostik ist der Spiegel des kupferbindenden
z Transferrinsättigung: >45 % Proteins Coeruloplasmin erniedrigt
z Ferritinspiegel: >300 μg/l bei Män-
nern, >200 μg/l bei Frauen Klinik
z Leberbiopsie mit Histologie → Be- z Manifestation nach dem 6. Lebensjahr,
stimmung des Lebereisengehaltes sehr selten nach dem 32. Lebensjahr
(indiziert bei Patienten mit erhöhten z Sehr variable klinische Verläufe: fulmi-
Transaminasenaktivitäten und Trans- nante Hepatitis (meist jüngere, weib-
ferrinsättigung von >50–60 %) liche Patienten, auffallend niedrige
z Bei nachgewiesenem Gendefekt AP-Aktivitäten), Coombs-negative
(s. oben): Untersuchung der Familien- hämolytische Anämie (Folge der
angehörigen massiven Kupferfreisetzung aus den
nekrotischen Hepatozyten), akute oder
> Durch frühzeitige Diagnosestellung chronische Hepatitis mit nachfolgen-
können die durch die Eisenablagerung der Entwicklung einer Leberzirrhose
entstehenden Organschäden verhindert z Eventuell neurologische und psy-
werden → normale Lebenserwartung im chiatrische Auffälligkeiten: Tremor,
Vergleich zur Normalbevölkerung. Spastik, Dysarthrie, Affektausbrüche,
Wesensveränderungen, Psychose
Therapie z Etwa 80 % der Patienten zeigen einen
z Eisendepletierende Aderlassbehand- bei der Spaltlampenuntersuchung
lung (etwa 250 mg/500 ml Blut): erkennbaren Kayser-Fleischer-
wöchentlich bis zu einem Ferritin- Kornealring (typisch, aber nicht pa-
spiegel von <50 μg/l (in der Regel thognomonisch, da gelegentlich auch
über 1,5–2 Jahre), danach lebenslang bei PBC und anderen cholestatischen
4–8 Aderlässe/Jahr Lebererkrankungen nachzuweisen)
z Chelattherapie: Deferasirox (Exjade;
20 mg/kg KG/Tag p. o.) oder Defero- Diagnostik
xamin (Desferal; 20–40 mg/kg KG/ z Coeruloplasmin- und Kupferkonzen-
Tag s. c. oder i. v.), wenn Aderlässe tration im Serum: niedrig (90 % der
438 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

Fälle → Normwerte schließen einen tungstherapie: 150 mg elementares


Morbus Wilson nicht aus) Zink/Tag in 3 Dosen
z Kupferausscheidung im 24-h- z Lebertransplantation:
Sammelurin: >100 mg/24 h (normal: 5 korrigiert den Defekt
<40 mg/24 h) → begründet die Ver- 5 indiziert bei fulminanter Hepati-
dachtsdiagnose tis oder terminaler Leberinsuffi-
z In unklaren Fällen Penicillaminsti- zienz
mualtionstest: Gabe von 600 mg D- 5 kontraindiziert bei fortgeschritte-
Penicillamin am Abend → Sammlung nen neuropsychiatrischen Sympto-
von 24-h-Sammelurin am nächsten men
Tag; eine Kupferausscheidung von
>600 mg/24 h ist pathologisch α1-Antitrypsin-Mangel
z Leberbiopsie: Leberkupfergehalt von
>250 μg/g Trockengewicht sichert die Ätiologie
Diagnose z Autosomal-rezessiver Erbgang
z Bei nachgewiesenem Morbus z Mutationen bewirken eine vermin-
Wilson: Untersuchung der Familien- derte und/oder fehlerhafte Synthese
angehörigen und Freisetzung von α1-Antitrypsin
(Synonym: α1-Proteinase-Inhibitor)
> Bei frühzeitiger Diagnosestellung
können die durch die Kupferablagerung Klinik
entstehenden Organschäden verhindert z Klinische Manifestation zwischen 30.
werden → normale Lebenserwartung im und 40. Lebensjahr mit pulmonalen
Vergleich zur Normalbevölkerung. Symptomen
z Bei einem Teil der Homozygoten
Therapie (PiZZ): Entwicklung einer Hepatitis
z Kupferarme Diät: Verzicht auf Inne- oder Leberzirrhose im Kindesalter
reien, Krustentiere und Nüsse (Folge der Ablagerung großer poly-
z Kupferdepletierende Chelattherapie merisierter Molekülverbände in He-
(lebenslang): patozyten)
5 Penicillamin (Metalcaptase): ein- z Heterozygote (PiMZ/PiMS): Entwick-
schleichend dosieren; Zieldosis lung einer Leberzirrhose (<2 % der
1 g/Tag p. o. (verteilt auf 1–2 Do- Fälle)
sen)
5 bei Penicillaminunverträglichkeit: Diagnostik
Trientine (750–1500 mg/Tag in z Spiegel des α1-Antitrypsins im
2–3 Dosen, jeweils 1–2 h vor dem Serum: vermindert (Homozy-
Essen) gote: <50 mg/dl; Heterozygote:
5 zusätzlich: 25 mg Pyridoxin (Vita- 50–250 mg/dl)
min B6)/Tag z Elektrophorese: fehlende α1-Zacke
5 Ziel: Kupferausscheidung im Urin oder verminderte α1-Gobulin-
von 200–500 μg/Tag Spiegel → Phänotypisierung des α1-
5 wenn die Konzentration des freien Antitrypsins
Kupfers im Serum normalisiert z Leberbiopsie: typische PAS-positive
ist (<10 μg/l), folgt eine Erhal- hepatozytäre Einschlusskörperchen
45.7 · Leberzirrhose 439 45.7
z Bei nachgewiesenem α1-Antitrypsin- alkoholtoxische Leberzirrhose) und die
Mangel: Untersuchung der Familien- chronischen Virushepatitiden B, C und D,
angehörigen (weltweit dominierend → posthepatiti-
z Patienten mit Zirrhose sollten hinsicht- sche Leberzirrhose).
lich der Entwicklung eines hepatozel-
lulären Karzinoms überwacht werden z Autoimmune Lebererkrankungen:
Autoimmunhepatitis, PBC, PSC
Therapie z NASH
z Substitutionstherapie: humanes α1- z Toxische Schädigungen: Medikamente
Antitrypsin aus Spenderblut → kein (z. B. Methotrexat, Amiodaron)
Einfluss auf die Lebererkrankung, z Stoffwechselerkrankungen: u. a.
verzögert aber die fortschreitende Hämochromatose, Morbus Wilson,
Einschränkung der Lungenfunktion α1-Antitrypsin-Mangel, hepatische
z Lebertransplantation: bei Leberzir- Porphyrie
rhose und terminaler Leberinsuffizienz z Venöse Abflussbehinderung: z. B.
Pericarditis constrictiva, Budd-Chiari-
Syndrom
45.7 Leberzirrhose z Sogenannte kryptogene Zirrhose
(etwa 30 %) ohne erkennbare Ursache
Definition und Allgemeines
z Die Leberzirrhose ist gekennzeichnet Klinik
durch Nekrose des Parenchyms, no- z Das klinische Spektrum reicht vom
duläre Regenerate (Regeneratknoten) asymptomatischen Zufallsbefund bis
und bindegewebigen Umbau mit zum Patienten mit allen Zeichen der
fortschreitender Zerstörung der Ar- schweren Lebererkrankung
chitektur, die insbesondere die Gefäß- z Unspezifische Symptome: Leis-
versorgung der Leberläppchen sowie tungsminderung, Antriebslosigkeit,
die Mikrozirkulation betrifft Schwäche, Konzentrationsstörungen,
z Die Komplikationen der Erkrankung Ikterus, Juckreiz
ergeben sich einerseits aus der Leber- z Leberhautzeichen
insuffizienz mit gestörter Synthese- z Pathologischer Tastbefund der Leber
und Entgiftungsleistung und anderer- z Splenomegalie
seits aus der portalen Hypertonie, die
ihrerseits Folge des erhöhten intrahe- Komplikationen
patischen Widerstands und des gestei- Portale Hypertension
gerten portalen Zuflusses im Rahmen z Überschreiten eines portosyste-
der systemischen Vasodilatation mit mischen Druckgradienten von
Hyperzirkulation ist; die Leberzir- 10–12 mm Hg (normal: 3–6 mmHg)
rhose kann zudem als Präkanzerose → Umgehungskreisläufe, z. B. gastro-
angesehen werden ösophageale oder anorektale Varizen
z Blutungsrisiko: 30–50 % in 3 Jahren
Ätiologie z Letalität der akuten Blutung: 20–70 %
> Die häufigsten Ursachen der Leber- ohne bzw. 20–40 % mit Therapie
zirrhose sind der Alkoholabusus (in z Blutungsrezidivrisiko ohne Rezidiv-
der westlichen Welt dominierend → prophylaxe: 50–70 % in 1 Jahr
440 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

z Prophylaxe: Drucks → Ödeme → RAAS-Aktivie-


5 nichtkardioselektive β-Blocker: rung → Steigerung der Natriumrück-
Propranolol (Dociton); Ziel: resorption)
HF-Senkung um 25 % der Aus- z Stufentherapie:
gangs-HF 5 salzreduzierte Diät (bis 3 g Koch-
5 Ligatur bei Hochrisikopatienten salz/Tag)
5 Spironolacton (max. 400 mg/Tag)
Akute Varizenblutung 5 Schleifendiuretikum (Furosemid,
z Notfallendoskopie (Erfolgsrate: max. 160 mg/Tag)
85–95 %) mit Sklerosierung (Aethoxy- 5 Ziel: Gewichtsverlust von etwa
sklerol) oder Gummibandligatur 500 g/Tag, bei zusätzlichen Öde-
z Ballontamponade als Überbrückungs- men von bis zu 1 kg/Tag → tägli-
maßnahme: Sengstaken-Blakemore- ches Wiegen
Sonde bei Ösophagusvarizen (Ma- z Trinkmengenbegrenzung und Pausie-
genballon: Füllung mit etwa 150 ml; ren der Diuretika bei Hyponatriämie
Ösophagusballon: Maximaldruck von <125 mmol/l
40 mmHg, Entblockung alle 6 h) oder z Parazentese: Ersatz von
Linton-Nachlas-Sonde bei Fundusva- 6–8 g Humanalbumin/l Aszites bei
rizen (Ballonfüllung: etwa 350 ml) mit Punktionsmengen >5 l; bei geringerer
einem Zuggewicht von 0,5 kg Menge ist Hydroxyäthylstärke (glei-
z Blutkonserven und FFP bereitstellen che Dosis) zur Vermeidung der sog.
lassen Postparazentesekreislaufdysfunktion
z Anlage eines großlumigen zentralen gleichwertig
Zugangs, z. B. Shaldon-Katheter z Eventuell TIPSS
z Medikamentöse portale Drucksen-
kung: Terlipressin (Gycylpressin; Spontan bakterielle Peritonitis
1–2 mg/4–6 h i. v.; Cave: KHK → z >250 neutrophile Granulozyten oder
häufig in Kombination mit Nitraten) >500 Leukozyten/μl Aszites
oder Somatostatin (250 μg i. v., dann z Klinisches Bild: nicht eindrucksvoll
250 μg/h via Perfusor über 3–5 Tage) → bei jeder Verschlechterung eines
z Gegebenenfalls TIPSS: Stentimplanta- Patienten mit Zirrhose daran denken
tion zwischen V. portae und Lebervene z Initialtherapie: Cefotaxim (3-mal 2 g/
durch interventionellen Radiologen Tag i. v.) oder Amoxicillin/Clavulan-
säure (4-mal 1,2 g/Tag i. v.), zusätzlich
> Lactulose- (Bifiteral-) und Antibioti- Albumin (1,5 g/kg KG an Tag 1, 1,0 g/
kagabe (z. B. Cefotaxim, 3-mal 2 g/24 h kg KG an Tag 3)
i. v.) bei gastrointestinaler Blutung und z Effektivitätskontrolle: Aszitespunktion
Leberzirrhose zur Prophylaxe einer spon- nach 48 h (Bestimmung der Konzent-
tanen bakteriellen Peritonitis ration der neutrophilen Granulozyten)
z Therapieendpunkt: <250 neutrophile
Aszites Granulozyten/μl Aszites
z Ursachen: portale Hypertonie, Hypal- z Engmaschige Kontrolle der Bewusst-
buminämie und Natriumretention bei seinslage und der Nierenfunktion
sekundärem Hyperaldosteronismus z Sekundärprophylaxe: Norfloxazin
(Abnahme des kolloidosmotischen (400 mg/Tag) und Laktulose
45.7 · Leberzirrhose 441 45.7
Hepatische Enzephalopathie von 2 Wochen auf >2,5 mg/dl oder
z Ätiologie: multifaktoriell → Neuroto- Kreatinin-Clearance <20 ml/min
xinhypothese (z. B. Ammoniak, Phe- z Typ 2: langsamer Kreatininspiegelan-
nole, freie Fettsäuren), Neurotrans- stieg auf >1,5–2,4 mg/dl oder Kreati-
mitterhypothese (Ungleichgewicht nin-Clearance von <40 ml/min
von aromatischen und verzweigten z Insgesamt schlechte Prognose:
Aminosäuren zugunsten aromati- Letalität 90 % innerhalb von
scher), Schwellung der Gliazellen, 10 Wochen
veränderte zerebrale Durchblutung, z Therapieversuch: Terlipressin (Glycyl-
Veränderungen an der Blut-Hirn- pressin; 1–2 mg/4–6 h i. v.) plus Albu-
Schranke etc. minsubstitution (100 g an Tag 1, dann
z Diagnosestellung einer manifesten 25 g/Tag) über ≥5 Tage
hepatischen Enzephalopathie anhand
des klinischen Bildes Hepatopulmonales Syndrom
z Diagnosestellung einer latenten he- z Pulmonale Vasodilatation und Shunt
patischen Enzephalopathie nur durch mit Orthodesoxämie (Hypoxämie/
psychometrische Tests möglich (Be- SaO2-Abfall im Stehen/in sitzender
ginn meist schleichend, von Patient Position mit Zunahme der Luftnot →
und Arzt unbemerkt) Besserung im Liegen; sog. Platypnoe-
z Maßnahmen: Orthodeoxie-Syndrom) sowie u. U.
5 Beseitigung der auslösenden schwere Hypoxämie
Ursache
5 250 ml Laktulose plus 750 ml Was- Portopulmonale Hypertonie
ser als Einlauf oder 3-mal 30 ml z Pulmonale Vasokonstriktion mit
Laktulose/Tag p. o.; Ziel: 2–3 wei- nachfolgendem Rechtsherzversagen
che Stühle/Tag
5 nichtresorbierbare Antibiotika Diagnostik
p. o. (über max. 10–14 Tage): z Labordiagnostik:
Neomycin (4-mal 0,5–2 g/Tag) 5 Aktivitäten der Transaminasen:
oder Paromomycin (4-mal normal bis erhöht (typischerweise
250 mg/Tag) AST > ALT) → Normwerte schlie-
5 Substitution verzweigtkettiger ßen eine Zirrhose nicht aus
Aminosäuren, allenfalls kurzfris- 5 Lebersyntheseleistung: Cholineste-
tige Eiweißrestriktion (30 g/Tag) raseaktivität, Albuminspiegel und
5 Verbesserung der Harnstoffsyn- Quick-Wert erniedrigt
these: L-Ornithin-L-Aspartat 5 Blutbildveränderungen: Anämie,
(3-mal 5 g/Tag p. o.) Leukopenie, Thrombopenie als
Folge der Sequestration bei Sple-
Hepatorenales Syndrom nomegalie (Hypersplenismus) und
z Funktionelles, prinzipiell reversibles durch verminderte hepatische Syn-
Nierenversagen bei Leberinsuffizienz these von Erythro-/Thrombopoetin
z Typischerweise Natriumspiegel im 5 Hypergammaglobulinämie
Urin von <10 mmol/l 5 Hyponatriämie (≤135 mmol/l):
z Typ 1: rasch progredient, Verdopp- meist durch gesteigerte ADH-
lung des Kreatininspiegels innerhalb Sekretion bedingt
442 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

z Bildgebung: z Aggressive antibiotische Therapie bei


5 nur indirekter Hinweis auf eine Infektionen
Zirrhose z Konsequente Behandlung der Kom-
5 Diagnosesicherung: Laparoskopie plikationen
(weniger zuverlässig: Leberblind- z Früherkennung eines primären Le-
punktion) berzellkarzinoms durch regelmäßige
z Child-Pugh-Score (⊡ Tab. 45.4): Schwe- Überwachung
regradeinteilung der Zirrhose, die z Mittlere Überlebensdauer nach
für klinische Belange gut mit dem 1. Dekompensation: 1,6 Jahre, d. h.
Überleben korreliert → 2-Jahres- bei fehlender Kontraindikation An-
Überlebensraten: meldung zur Lebertransplantation mit
5 Child A: 85 % 5-Jahres-Überlebensrate von 75–80 %,
5 Child B: 60 % je nach Indikation
5 Child C: 45 %
z Besser lässt sich die Mortalität und
damit die Dringlichkeit für eine Le- 45.8 Schwangerschaft und Leber
bertransplantation durch den MELD-
Score (Model for End-Stage Liver z Hepatobiliäre Erkrankungen in der
Disease) vorhersagen (www.unos. Schwangerschaft müssen danach
org/resources/MeldPeldCalculator. differenziert werden, ob es sich um
asp?index=98): MELD = 3,8 × loge eine Erkrankung handelt, die zufällig
(Bilirubinspiegel in mg/dl) + 11,2 × in der Schwangerschaft aufgetreten
loge (INR) + 9,6 × loge (Serumkrea- ist (Icterus in graviditate), oder ob die
tininkonzentration in mg/dl) + 6,4 Schwangerschaft selbst den Auslöser
der Erkrankung darstellt (Icterus e
Therapie graviditate)
z Kausaltherapie: verursachende Noxe
auszuschalten, z. B. Alkohol > Hepatobiliäre Erkrankungen in der
z Prävention der Malnutrition: ausge- Schwangerschaft erfodern eine enge
wogene, eiweißreiche, kochsalzarme Zusammenarbeit zwischen Gynäkolo-
Ernährung; Proteinrestriktion – wenn gen, Gastroenterologen, Chirurgen und
überhaupt – nur für wenige Tage Neonatologen.

⊡ Tab. 45.4. Child-Pugh-Klassifikation der Leberzirrhose

Parameter 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte

Bilirubinspiegel [mg/dl] <2,0 2,0–3,0 >3,0

Albuminkonzentration [g/dl] >3,5 2,8–3,5 <2,8

Aszites Nein Gering Stark

Enzephalopathie Keine Grad I/II Grad III/IV

Quick-Wert [%]/INR >70/<1,7 40–70/1,8–2,3 <40/>2,3

Auswertung: Child A: 5–6 Punkte, Child B: 7–9 Punkte, Child C: 10–15 Punkte
45.9 · Benigne Lebertumoren 443 45.9
z Etwa 42 % der Fälle eines Ikterus sind akutes Leber- und Nierenversagen mit
Folge einer Virushepatitis erhöhter mütterlicher und kindlicher
z Biliäre Obstruktion: bei etwa 6 % der Sterblichkeit → die Schwangerschaft
Erkrankten sollte möglichst unverzüglich beendet
werden
Schwangerschaftsspezifische
Erkrankungen mit Leberbeteiligung 45.9 Benigne Lebertumoren
z Hyperemesis gravidarum (6 %)
z Schwangerschaftscholestase (21 %) z Kavernöse Hämangiome:
z Präeklampsie und HELLP-Syndrom (5 %) 5 häufigste gutartige Lebertumoren
z Akute Schwangerschaftsfettleber (0,05 %) 5 typischerweise sonographisch
Diese Erkrankungen sind mit der Entbin- echoreich; bei KM-Gabe: Iris-
dung voll reversibel, allerdings manifestiert blendenphänomen, d. h. frühe
sich das HELLP-Syndrom in 30 % der Fälle periphere Anreicherung mit zent-
erst nach der Entbindung. ripetaler Füllung
5 Therapie: bei Komplikationen (z. B.
z Schwangerschaftscholestase Ruptur) Operation/Embolisation
(idiopathischer Schwangerschaft- z Hepatozelluläre Adenome:
ikterus): 5 überwiegend bei Frauen, assoziiert
5 Auftreten: in 1/3 der Fälle bereits mit der Einnahme von Ovulati-
im späten II. Trimenon onshemmern
5 Prognose: für die Mutter gut, für 5 eher echoarme Raumforderung
das Kind besteht das Risiko von 5 keine sichere Differenzierung mit-
Früh- und Fehlgeburtlichkeit tels bildgebender Verfahren
5 Ätiologie: Mutationen im MDR3- 5 eine neue molekulare und patho-
Gen → auch erhöhtes Risiko für logische Klassifikation ermöglicht
Gallensteinentwicklung die Risikoabschätzung für eine
5 Labordiagnostik: Gallensäuren- maligne Transformation in ein
spiegel im Serum erhöht, Aktivi- hepatozelluläres Karzinom →
tätssteigerungen der Transamina- Punktion und Resektion, insbe-
sen, meist normale γ-GT-Aktivität sondere bei Größenzunahme oder
5 Therapie: Ursodeoxycholsäure Rupturgefahr
(10–15 mg/kg KG/Tag) unter regel- z Fokal noduläre Hyperplasie:
mäßiger Überwachung des Fetus 5 überwiegend bei Frauen; Ovula-
z Hyperemesis gravidarum (Erkran- tionshemmer spielen bei der Ent-
kung des I. Trimenon): Übelkeit und stehung keine Rolle, fördern aber
Erbrechen als Leitsymptom, Ikterus u. U. das Größenwachstum
und erhöhte Transaminasenaktivitä- 5 kein Entartungsrisiko
ten bei etwa 50 % der Patientinnen 5 eher echoarm mit zentralem Nar-
z HELLP-Syndrom und die sehr seltene benstern und typischer Radspei-
akute Schwangerschaftsfettleber: chenstruktur der Gefäße bei der
treten typischerweise im letzten Farbdoppleruntersuchung
Trimenon auf, und zwar mit Kompli- 5 Therapie großer symptomatischer
kationen wie DIC, Leberruptur sowie Herde: Resektion/Embolisation
444 Kapitel 45 · Erkrankungen der Leber

z Neben diesen vergleichsweise häu- > Das Überleben der Patienten hängt
figen fokalen Leberläsionen gibt es auch vom Schweregrad der Lebererkan-
eine Reihe weiterer Tumoren und Ha- kung ab, der wesentlich über das weitere
martome, die aber zahlenmäßig eine Vorgehen entscheidet.
untergeordnete Rolle spielen
Diagnostik
z Regelmäßige Überwachung von Ri-
45.10 Maligne Lebertumoren sikopatienten erforderlich, da durch
frühzeitige Entdeckung kurativer
Metastasen Anspruch erhalten bleibt → bei
prinzipiell transplantablen Patienten
z Häufigste Tumoren der Leber besonders sinnvoll
z Sehr variable sonographische Präsen- z Scoring-Systeme: z. B. CLIP-, BCLC-
tation Klassifikation
z Bei Läsionen mit einer Größe von z Bildgebung:
<1 cm: Verlaufskontrolle nach 5 KM-verstärkte Abdomensono-
3–4 Monaten graphie, CT und MRT der Leber
z Bei Läsionen mit einer Größe von zum Nachweis der typischen
>1 cm ohne bekannte Lebererkran- früharteriellen Hypervaskula-
kung oder extrahepatisches Malig- risation mit schnellem Auswa-
nom: weitere bildgebende Diagnostik schen in der Parenchymphase
(CT, MRT oder kontrastmittelver- 5 Läsionen bei Leberzirrhose mit
stärkte Sonographie) einer Größe von <1 cm: Ver-
z Bei bekanntem extrahepatischem laufskontrolle nach 3 Monaten
Malignom und einer Läsion mit einer 5 Läsionen bei Leberzirrhose mit
Größe von >1 cm: histologische Siche- einer Größe von 1–2 cm und ty-
rung mittels Biopsie pischem Muster in 2 bildgeben-
den Darstellungen: Einstufung
Hepatozelluläres Karzinom (HCC) als hepatozelluläres Karzinom
5 Läsionen bei Leberzirrhose mit
Epidemiologie einer Größe von >2 cm Einstu-
z Höchste Inzidenzen (bis 150/100.000) fung als hepatozelluläres Karzi-
in den Verbreitungsgebieten der He- nom bei typischem Vaskularisa-
patitis B tionsmuster oder AFP >200 ng/
ml (europäische Leitlinie sieht
Ätiologie eine Grenzwert von 400 ng/ml
z Leberzirrhose (etwa 90 %) vor)
z Hepatitiden B auch ohne Leberzirrhose 5 bei untypischem Vaskularisati-
onsmuster, Diskrepanz zwischen
Klinik den bildgebenden Verfahren
z Gewichtsverlust oder Läsion in nichtzirrhotischer
z Rechtsseitige Oberbauchschmerzen Leber erfolgt die histologische
z Leistungsminderung Sicherung mittels Biopsie
z Ikterus z Labordiagnostik: alleinige AFP-
z Aszites (Spätsymptom) Spiegelbestimmung ungenügend
45.10 · Maligne Lebertumoren 445 45.10
(Sensitivität: 39–64 %; Spezifität: 5 Afrikaner mit einem Lebensalter von
76–91 %) ≥20 Jahren
z Staging: CT von Abdomen und 5 HBV-Infizierte ohne Zirrhose mit aus-
Thorax geprägter Virämie und nekroinflamm-
atorischer Aktivität in der Leber
Therapie z Nicht-HBV-assoziierte Zirrhose bei:
z Kurativ: orthotope Lebertransplanta- 5 chronischer Hepatitis C
tion unter Einhaltung der Mailand- 5 alkoholischer Hepatitis
Kriterien (1 Herd mit einer Größe von 5 genetischer Hämochromatose
≤5 cm oder ≤3 Herde mit einer Größe 5 PBC
von jeweils ≤3 cm); Unter diesen Be- z Patienten auf der Warteliste für eine Le-
dingungen 5-Jahres-Überlebensrate bertransplantation
von 70 % Die regelmäßige Überwachung in Hinblick
z Palliative Lokaltherapie: Radiofre- auf die Entwicklung eines hepatozellulären
quenzablation (RFA) oder transarteri- Karzinoms sollte durch Abdomensono-
elle Chemoembolisation (TACE) graphien alle 6–12 Monate erfolgen. Bei
z Palliative systemische Therapie: orale nachgewiesener fokaler Läsion muss sich
Chemotherapie mit dem Tyrosinkina- der Nachweis des typischen Vaskularisati-
seinhibitor Sorafenib (Nexavar) onsmusters anschließen, danach ggf. Spie-
gelbestimmung des AFP.
Fibrolamelläres hepatozelluläres
Karzinom

z Variante des hepatozellulären Karzi- Erkrankungen mit einem erhöhten


noms in nichtzirrhotischer Leber Risiko, aber ohne eindeutige
z Weitere maligne epitheliale und me- Empfehlung zur Überwachung
senchymale Tumoren spielen eine z α1-Antitrypsin-Mangel
untergeordnete Rolle z Nichtalkoholische Steatohepatitis
z Meist jüngere Patienten betroffen z Autoimmunhepatitis
z 5-Jahres-Überlebensrate nach Resek- z PSC
tion: 40–60 % z Morbus Wilson
z Hepatische Porphyrie

Risikogruppen für die regelmäßige


Überwachung in Hinblick auf ein
hepatozelluläres Karzinom
z HBV-Infizierte:
5 asiatische Männer mit einem Lebens-
alter von ≥40 Jahren
5 asiatische Frauen mit einem Lebens-
alter von ≥50 Jahren
5 alle Patienten mit HBV-assoziierter
Zirrhose
5 Patienten mit positiver Familienanam-
nese für ein hepatozelluläres Karzinom
446 Ausgewählte Literatur zu Sektion E

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F

F Nephrologie

46 Glomeruläre Erkrankungen – 452

47 Tubulointerstitielle Erkrankungen – 466

48 Infektionen des harnableitenden Systems – 470

49 Akutes Nierenversagen (ANV) – 474

50 Chronische Niereninsuffizienz – 482

51 Diabetische Nephropathie – 491

52 Angeborene Erkrankungen des Tubulusapparats


und der Glomeruli – 495

53 Tumorerkrankungen – 499

54 Nephrolithiasis – 502

55 Zystische Nierenerkrankungen – 504

56 Nierenersatzverfahren – 506

57 Nierentransplantation – 513

58 Störungen des Wasserhaushalts – 518

59 Störungen des Elektrolythaushalts – 524

60 Störungen des Säure-Basen-Haushalts – 537

Ausgewählte Literatur zu Sektion F – 545


452 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

> Glomeruläre Erkrankungen


G. Michels, N. Andriopoulos, M. Pollok

Glomeruläre Erkrankungen können 5 immunkomplexvermittelt


prinzipiell jede Zellart bzw. jede Struk- (30–40 %): Lupusnephritis, IgA-
tur des Glomerulus involvieren: Nephropathie, postinfektiöse GN,
z Endothelzellen Kryoglobuline
z Glomeruläre Basalmembran 5 pauci-immun (ANCA-assoziiert;
z Viszerales Epithel (Podozyten) 40–50 %): Morbus Wegener
z Parietales Epithel der Bowman-Kapsel (cANCA-assoziiert), mikroskopi-
sche Polyangiitis (pANCA-asso-
Das klinische Erscheinungsbild hängt ziiert), Churg-Strauss-Syndrom
entscheidend von der Schädigung des (pANCA-assoziiert)
Zelltyps bzw. von der Lokalisation der z Asymptomatische Mikro- bzw.
Entzündung im Glomerulus ab. Die ge- rezidivierende Makrohämaturie:
naue Diagnosestellung einer GN kann 5 Alport-Syndrom
nur mittels Nierenbiopsie und anschlie- 5 Syndrom der dünnen Basal-
ßender histopathologischer Aufarbei- membran
tung erfolgen. 5 mesangioproliferative GN (am
häufigsten bei IgA-Nephropahtie)
Einteilung glomerulärer Nephritiden z Nephrotisches Syndrom (⊡ Tab. 46.1)
und asymptomatische Proteinurie:
⊡ Abbildungen 46.1 u. 46.2 5 fokal-segmentale Glomeruloskle-
rose (FSGS)
Klinische Einteilung nach 5 unter- 5 membranöse GN
schiedlichen Erscheinungsbildern 5 »Minimal-change« GN
z Akutes nephritisches Syndrom 5 diabetische Nephropathie
(⊡ Tab. 46.1.): ( Kap. 51)
5 postinfektiöse GN 5 Amyloidose
5 Lupusnephritis 5 »light chain deposition disease«
5 membranoproliferative GN z Chronische Niereninsuffizienz (mög-
(MPGN) liche Endstrecke vieler glomerulärer
z Rapid progressive GN (RPGN) als Erkrankungen)
Maximalvariante des nephritischen
Syndroms → nephrologischer Notfall: Strukturelle Einteilung
5 Antikörper gegen die glomeruläre z Nach der Ausdehnung:
Basalmembran (GBM; 10–20 %): 5 segmentale GN: Befall einzelner
Goodpasture-Syndrom Kapillarschlingen im Glomerulus
Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen 453 46
Mesangiumzelle

Endothelzellen

Blutlumen Blutlumen

Basalmembran

subendotheliale Ablagerung Podozyt


subepitheliale Ablagerung

⊡ Abb. 46.1. Glomerulonephritiden / Ablagerungsmuster

Viel Wenig
Mesangioproliferative GN

Rapid progressive GN

Membranoproliferative GN

Proteinurie
Hämaturie

Fokal-segmental sklerosierende GN

Membranöse GN

»Minimal-change«-GN

Diabetes mellitus, Amyloidose,


arterielle Hypertonie
Wenig Viel

⊡ Abb. 46.2. Einteilung der Glomerulopathien nach Hämaturie und Proteinurie

5 globale GN: Befall aller Kapillar- 5 endokapilläre GN: Mesangium-


schlingen im Glomerulus und Endothelzellen
5 fokale GN: Befall einzelner Gome- 5 intrakapilläre GN: Mesangium-
ruli und Endothelzellen sowie Podo-
5 diffus: Befall aller Glomeruli zyten
z Nach den befallenen Zellen: 5 extrakapilläre GN: parietales Epi-
5 mesangiale GN: Mesangiumzellen thel (sog. Halbmondbildung)
454 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

⊡ Tab. 46.1. Nephritisches und nephrotisches Syndrom

Parameter Nephritisches Syndrom Nephrotisches Syndrom

Ziel der Schädigung Endothelzellen mit oder ohne Podozyten (Epithelzellen)


Basalmembran, Mesangium

Ätiologie  Postinfektiöse GN  »Minimal-change«-GN


 Membranoproliferative GN  Membranöse GN
 Rapid progressive GN  Fokal-segmental sklerosie-
rende GN

Ödeme Möglich Ja

Auftreten Akut Akut oder chronisch

GFR Vermindert Normal bis vermindert

Hypertonie Deutlich Nicht vorhanden oder


vorhanden

Proteinurie <3,5 g/Tag >3,5 g/Tag

Hämaturie Überwiegt Kaum

Hypoproteinämie Nein Ja

Hypoalbuminämie Nein Ja

Hypercholesterinämie Nein Ja

z Nach der Lokalisation von Immun- Perkutane Nierenbiopsie


komplexen:
5 subepithelial Indikationen
5 subendothelial z Nephrotisches Syndrom im Erwach-
z Nach dem Vorhandensein entzünd- senenalter
licher Komponenten: z Eingeschränkte Nierenfunktion und
5 fibrinös-exudative Prozesse pathologisches Harnsediment (dys-
5 mit oder ohne Infiltration/Proli- morphe Erythrozyten, Akanthozyten,
feration von Entzündungszellen Erythrozytenzylinder) → nephri-
bzw. Zellen und Strukturen des tisches Syndrom oder Proteinurie
Glomerulus (>1 g/Tag)
z Diabetes mellitus mit Proteinurie
Einteilung nach primärer und (1–3,5 g/Tag) trotz optimaler antipro-
sekundärer GN teinurischer Therapie
z Primäre GN: ohne fassbare Grund- z Akutes intrarenales Nierenversagen
krankheit unklarer Genese: Verdacht auf z.B.
z Sekundäre GN: Mitbeteiligung bei im- RPGN
munologischen, infektiösen, malignen z Transplantatniere: Verdacht auf akute
oder metabolischen Erkrankungen Transplantatabstoßung
46.2 · Postinfektiöse GN 455 46.2
Kontraindikationen (absolut) (Erysipel, Impetigo) Auftreten eines
z Erhöhte Blutungsneigung oder nephritischen Syndroms
hämorrhagische Diathese z Flankenschmerzen (durch Nieren-
z Unkontrollierbare Hypertonie schwellung)
z Kooperationsunfähiger und/oder z Ödeme
nicht einwilligungsfähiger Patient z Gegebenenfalls Enzephalopathie
z Terminale Niereninsuffizienz bei be-
kannter chronischer Niereninsuffizienz Diagnostik
z Anamnese
z Labordiagnostik:
46.1 Nephritisches Syndrom 5 Antistreptolysintiter (bei Hautinfek-
ten: nur in 50 % der Fälle erhöht)
z Progredienter, rascher Kreatinin- 5 Anti-DNAse-B-Spiegel (in Er-
spiegelanstieg durch ein (sub-)akutes gänzung zum Antistreptolysin)
Nierenversagen, vergesellschaftet 5 Konzentrationen der Komple-
mit Hypertonie, Hämaturie und glo- mentfaktoren: C3 vermindert, C4
merulärer Entzündung, welche sich meist normal
diagnostisch fassbar durch ein nephri- z Pathologie (Biopsiebefund):
tisches Sediment äußert 5 subendotheliale Ablagerung zir-
z Ort der Läsion: Endothel mit oder ohne kulierender Antigen-Antikörper-
Beteiligung der GBM, Mesangium Komplexe mit Komplementakti-
vierung und Leukozytenadhäsion
> Nephritisches Sediment: → Verschluss des Kapillarlumens
z Hämaturie (ggf. auch Leukozyturie) → nephritisches Syndrom
z Subnephrotische Proteinurie 5 ggf. in der Heilungsphase sube-
(d. h. Proteinurie von <3,5 g/Tag) pitheliale Immunkomplexablage-
z Erythrozytenzylinder rung (elektronenmikroskopische
z Dysmorphe Erythrozyten, Akantho- »humps«) mit konsekutivem Po-
zyten (»Micky-Maus-Erythrozyten«) dozytenschaden → nephrotisches
Syndrom

46.2 Postinfektiöse GN Therapie


(endokapilläre, exsudativ- z Symptomatisch: salzarme Kost, Was-
proliferative GN-Form) serrestriktion, Diuretika, Hypertonie-
behandlung
Ätiologie z Dialysebehandlung: bei nicht be-
z Meist nach β-hämolysierenden Strep- herrschbarer Überwässerung, Elek-
tokokken Typ A-infekt trolytstörungen oder urämischen
z Auch andere Bakterien, Viren oder Symptomen
Parasiten können eine postinfektiöse z Herdsanierung, antibiotische Therapie
GN bedingen (Penicilline) innerhalb von 36 h: kann
GN verhindern; keine gesicherten Da-
Klinik ten für späteren Beginn einer Antibio-
z Etwa 1–3 Wochen nach Pharyngitis tikatherapie im Fall eines nicht mehr
bzw. 3–6 Wochen nach Hautinfektion nachweisbaren Fokus
456 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

z Gegebenenfalls Steroidtherapie: Predni- komplexen (v. a. Hepatitis C und


son (500–1000 mg/1,73 m2 KOF/Tag für systemischer Lupus erythemato-
3–5 Tage) bei progredientem Verlauf des), bakterielle Endokarditis, infi-
zierter ventrikuloatrialer Shunt)
Verlauf und Prognose z Typ II:
z Bei 95 % der betroffenen Kinder und 5 dichte intramembranöse Ablage-
bei 70 % der Erwachsenen gute Pro- rungen (»dense deposit disease«)
gnose mit Möglichkeit der Restitutio 5 Ursachen: Autoimmunerkrankung
ad integrum mit Produktion eines IgG-Auto-
z Bei spontanem Krankheitsverlauf antikörpers (sog. C3-Nephritis-
meist Besserung der Symptome inner- faktor), der eine Inaktivierung der
halb einer Woche C3-Konvertase verhindert und
z Bei fehlender Besserung innerhalb somit zu einer überschießenden
einer Woche bzw. bei progredientem Komplementaktivierung mit Ver-
Kreatininspiegelanstieg sollte eine brauch von C3 führt
Nierenbiopsie durchgeführt werden z Typ III:
(Ausschluss einer RPGN) 5 subendotheliale, subepitheliale
und mesangiale Ablagerungen von
Immunkomplexen
46.3 Membranoproliferative GN 5 Ursachen: Systemerkrankungen
(MPGN; mesangiokapilläre (z. B. IgA-Nephropathie)
GN) 5 Oft Kombination von nephriti-
schem und nephrotischem Syn-
Definition drom
z Immunkomplexerkrankung mit
Komplementaktivierung, welche zur Diagnostik
Aktivierung und Proliferation des z Anamnese
Mesangiums führt → Mesangiumzel- z Nephritisches Sediment: manchmal
len schieben sich zwischen Endothel Kombination aus nephritischem und
und GBM → das Endothel bildet eine nephrotischem Syndrom
zweite GBM → die eingewanderten z Labordiagnostik:
Mesangialzellen bedingen eine licht- 5 Komplementfaktoren C3 und C4 (↓)
mikroskopische Aufhellung der GBM 5 C3-Nephritisfaktor
(Doppelkontur, »tramtracks«) 5 Hepatitis- und HIV-Serologie
z Durch den GBM-Umbau kommt es 5 ANA
im Verlauf zu einer Podozytenschädi- 5 Immunglobuline (besonders IgA)
gung mit Fußfortsatzverschmelzung 5 Ausschluss hämatoonkologischer
(Proteinurie) Neoplasien z. B. CLL (Differenzial-
blutbild)
Einteilung 5 Bestimmung der Kryoglobuline
z Typ I (etwa 80 %): (Immunglobuline, welche bei Kälte
5 subendotheliale und mesangiale präzipitieren): z Typ I: monoklo-
Depots nales IgG bei Morbus Waldenström
5 Ursachen: chronische Entzündun- und multiplem Myelom z Typ II:
gen mit Produktion von Immun- polyklonales IgG und monoklo-
46.4 · Lupusnephritis 457 46.4
nales IgM (Rheumafaktor) → sog. 46.4 Lupusnephritis
essenzielle, gemischte Kryoglobuli-
nämie bei chronischer Hepatitis C Epidemiologie
z Typ III: polyklonales IgG und z 50–75 % aller Patienten mit systemi-
polyklonales IgM (Rheumafaktor) schem Lupus erythematodes zeigen
bei systemischem Lupus erythema- eine renale Beteiligung (im Rahmen
todes, Lymphomen und Hepatitis C von Nierenbiopsien ist der Anteil
noch höher)
Therapie
z Behandlung der Grunderkrankung Klinik
(z. B. Hepatitis-C-Therapie) z Ausgeprägte Variabilität: vom neph-
z Symptomatische Therapie von Hyper- ritischen bis hin zum nephrotischen
tonie und Poteinurie Syndrom bis hin zu einer Kombina-
z Gegebenenfalls Plasmapherese und tion aus beidem, je nach WHO-Klasse
Immunsuppression bei Kryoglobulin-
ämie Typ II > Die Indikation zur Nierenbiopsie ist
z Steroide und Immunsuppressiva bei systemischem Lupus erythematodes
haben keinen wesentlichen Effekt großzügig zu stellen.
(Ausnahme: Kryoglobulinämie)
z Kleinere Studien zeigen positive Wir- Einteilung
kungen von ASS/Dipyridamol (z. B. ⊡ Tabelle 46.2
500/75 mg) als Langzeitmedikation
Therapie
Prognose z Klassen I und II: nur renoprotektive
z Etwa 50 % der Patienten sind nach Maßnahmen (ACE-Hemmer, AT1-
10–15 Jahren dialysepflichtig Antagonisten, Statine)

⊡ Tab. 46.2. WHO-Klasseneinteilung der glomerulären Lupusnephritis

Klasse Glomeruläre Läsion Häufigkeit [%] Prognose

I Normale Glomeruli Etwa 5 Sehr gut

II Mesangioproliferative GN Etwa 20 Gut

III Fokal-proliferative GN Etwa 20 Variabel, abhängig von der


Anzahl betroffener Glomerula

IV Diffus-proliferative GN Etwa 40 Schlecht: nach etwa 10 Jah-


ren sind 60 % der Patienten
dialysepflichtig

V Membranöse GN Etwa 10 Variabel

VI Skerosierende GN <5 Langsamer Verlust der


Nierenfunktion
458 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

z Klasse III: Fall-zu-Fall-Entscheidung Kapsel), welche das Kapillarkon-


z Klasse IV: volut zunehmend verdrängt; Ursa-
5 Induktionstherapie: Methylpred- chen: Austritt von zirkulierenden
nisolon (500–1000 mg/Tag i. v. Leukozyten durch eine rupturierte
über 3 Tage) und/oder Predniso- Basalmembran und Proliferation
lon (1 mg/kg KG/Tag p. o. über ortsständiger Zellen
4 Wochen) → Ausschleichen plus
Cyclophosphamidbolus (1-mal Einteilung, Ätiologie, Diagnostik
0,5–1 g/m2 KOF/Monat i. v. für und Klinik
6 Monate; alternativ: Mycophe- z ⊡ Tab. 46.3
nolatmofetil) z Typ I: Antibasalmembranantikörper-
5 Erhaltungstherapie: Prednisolon RPGN (bei Nieren- und Lungenbeteili-
(5–7,5 mg/Tag) plus Mycophe- gung: Goodpasture-Syndrom):
nolatmofetil (1–2 g/Tag) oder 5 Häufigkeit: <10 %
Azathioprin (1–2 mg/kg KG) oder 5 lineare Immunfluoreszenz durch
Ciclosporin (3–5 mg/kg KG, je Ablagerung von Antibasalmem-
nach Spiegel) branantikörpern (IgG) an die
z Klasse V: es existieren verschiedene α3-Kette des Typ-IV-Kollagens der
medikamentöse Ansatzpunkte, z. B. Basalmembran
Steroide mit oder ohne Azathioprin 5 Auslöser/Ätiologie: Rauchen,
oder Steroide plus Ciclosporin bzw. Lymphome, Kohlenwasserstoffver-
Cyclophosphamid bindungen, virale Infekte
5 oft junge Patienten (6–30 Jahre)
Prognose betroffen, Männer/Jungen 7-mal
z ⊡ Tab. 46.2 häufiger als Frauen/Mädchen
z 5-Jahres-Überlebensrate: etwa 82 % 5 aufgrund der schlechten renalen
z Ungefähr 11–48 % aller Klasse-IV-Pa- Prognose der Erkankung bei be-
tienten erleiden innerhalb von 5 Jahren reits fortgeschrittener Niereninsuf-
eine terminale Niereninsuffizienz fizienz (renale Läsionen bei Anti-
GBM-RPGN sind irreversibel)
nach momentaner Studienlage ag-
46.5 Rapid progressive GN gressive Therapie wahrscheinlich
(RPGN) nur dann sinnvoll, wenn der Kre-
atininspiegel bei Diagnosestellung
> Nephrologischer Notfall <7 mg/dl beträgt bzw. wenn pul-
monale Hämorrhagien bestehen
Definition 5 Klinik: renopulmonales Syndrom
z Sammelbegriff für schwer verlaufende mit Dyspnoe, Hämoptysen,
Entzündungsreaktionen des Glomeru- nephritischem Syndrom und
lus mit akutem bis subakutem Verlauf Urämiesymptomen; Differenzi-
(Tage bis Monate) mit: aldiagnosen des renopulmonalen
5 nephritischem Syndrom Syndroms: Goodpasture-Syndrom,
5 Halbmondbildung: Folge einer Vaskulitiden, Kollagenosen, Endo-
extrakapillären Zellproliferation karditis, Legionellose, Sarkoidose,
(parietales Epithel der Bowman- Thrombose der V. renalis plus
46.5 · Rapid progressive GN (RPGN) 459 46.5
⊡ Tab. 46.3. Rapid-progressive Glomerulonephritis

Typ Syndrom Anti-GBM- C3- und C4- ANCA-


Antikörper Konzentration Konzentration

I Goodpasture-Syndrom Vermehrt Normal Normal

II Immunkomplexablagerungen Normal Vermindert Normal

III Vaskulitis Normal Normal Erhöht

IV Wie Typen I und III Vermehrt Normal Erhöht

Lungenembolie, Herzinsuffizienz z Weitere Diagnostik:


plus Urämie 5 Klinik: neu aufgetretener Hyperto-
5 Diagnostik: Anti-GBM-Antikör- nus, Müdigkeit, Abgeschlagenheit,
per, pulmonale Infiltrate (Hämor- Fieber, Myalgien, Arthralgien,
rhagien), C3-Spiegel normal Ödeme, Oligurie (<400 ml/Tag)
z Typ II: Immunkomplex-RPGN: bis Anurie (<100 ml/Tag)
5 Häufigkeit: <20 % 5 Labordiagnostik: progredienter
5 granuläre Immunfluoreszenz Anstieg der Retentionswerte,
durch Immunkomplexe erhöhte Entzündungsparameter
5 Ätiologie: meist schwer verlau- (BSG, CRP-Konzentration, Fib-
fende Lupusnephritis, seltener rinogenspiegel, Leukozytenzahl),
postinfektiöse GN, IgA-Nephropa- Anämie
thie, Purpura Schoenlein-Henoch, 5 Urindiagnostik: Sediment (dys-
Kryoglobulinämie Typ II morphe Erythrozyten, Akanthozy-
5 Diagnostik: Anti-ds-DNA- ten, Erythrozytenzylinder)
Antikörper, ANA, Kryoglobuline, 5 Serologie: cANCA, pANCA, ANA,
Komplementfaktoren (C3- und C3, C4, Anti-DNAse B, Anti-
C4-Konzentration vermindert) streptolysin, Hepatitisserologie,
z Typ III: pauci-immune RPGN: Kryoglobuline, Immunoglobuline,
5 Häufigkeit: >70 % Anti-GBM-Antikörper
5 ohne Immunglobulinablagerungen 5 Bildgebung: Röntgenuntersuchung
bzw. Immunfluoreszenz (pauci- des Thorax, CT von Lunge und
immun; pauci: wenig) Nasennebenhöhlen
5 Ätiologie: ANCA-assoziierte 5 obligate Nierenbiopsie
Vaskulitiden → Nachweis von
pANCA (mikroskopische Poly- Therapie
angiitis) oder cANCA (Wegener- z Allgemeine Therapie (Typen I–III):
Granulomatose); Churg-Strauss- 5 Kortikosteroide: 500–1000 mg
Syndrom (pANCA, Eosinophilie, Methylprednisolon i. v. für 3 Tage,
Mononeuritis multiplex, Asthma dann Prednisolon (2 mg/kg KG/
bronchiale, flüchtige pulmonale Tag p. o.; im Verlauf langsam auf
Infiltrate) Erhaltungsdosis von 10 mg/Tag
5 Diagnostik: cANCA, pANCA einstellen)
460 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

5 Cyclophosphamid: 500–700 mg/ z Zusätzliche subendotheliale Ablage-


m2 KOF/Monat für bis zu 6 Mo- rung von IgA kann zum nephritischen
nate, dann Remissionserhaltung Syndrom mit RPGN (einschließlich
mit Azathioprin Halbmondbildung) oder bei subepi-
z Spezielle Therapie → Plasmapherese thelialer Ablagerung zu einem neph-
(Austauschmenge: 40 ml FFP/kg KG): rotischen Syndrom führen (selten)
5 Typ I: z wenn Histologie nicht
irreversible Läsionen der Niere Einteilung
aufweist oder z wenn pulmonale z Primäre IgA-Nephropathie: reine IgA-
Hämorrhagien vorliegen oder Nephropathie, Purpura Schoenlein-
z bei gleichzeitigem Nachweis von Henoch, Mischformen
cANCA z Sekundäre IgA-Nephropathie: alkoho-
5 Typ II: nur sehr selten indiziert lische Leberzirrhose, Morbus Crohn,
5 Typ III: wenn pulmonale Hä- Dermatitis herpetiformis, Sarkoidose,
morrhagien und/oder ein akutes »Minimal-change«-Glomerulopathie,
dialysepflichtiges Nierenversagen Infektionen (HIV-Infektion, Hepati-
vorliegen tis B)

Klinik
46.6 IgA-Nephropathie z Sehr variabler Verlauf: asymptomati-
(Morbus Berger, mesangial sches Krankheitsbild bis zum nephri-
proliferierende GN) tischen Syndrom bzw. bis zur RPGN
z Asymptomatisch: persistierende
Allgemeines Mikrohämaturie mit Episoden von
z Immunkomplexerkrankung mit Abla- rezidivierenden Makrohämaturien
gerung von IgA im Mesangium (und (oft getriggert durch Infekte der
in anderen Anteilen des Glomerulus) oberen Atemwege; im Gegensatz zur
z Häufigste Form der idiopathischen GN postinfektiösen GN keine Latenzzeit
z Imponiert meist als isolierter Defekt zwischen Infekt und Auftreten der
(persistierende Mikrohämaturie) Mikro-/Makrohämaturie)
z 25 % der terminal niereninsuffizienten z Chronische Niereninsuffizienz (etwa
Patienten in Europa betroffen, Frauen 20 % der Fälle)
doppelt so häufig wie Männer
Diagnostik
Ätiologie z Urinsediment mit dysmorphen Ery-
z Unklar, möglicherweise inadäquate throzyten/Akantozyten und/oder
mukosale IgA-Ablagerung (sekretori- Erythrozytenzylindern (glomeruläre
sches IgA) und vermehrte IgA-Bildung Hämaturie), unselektive Proteinurie,
im Knochenmark (B-Lymphozyten) Mikrohämaturie
z IgA-Ablagerung im Mesangium führt z Serum: erhöhter IgA-Spiegel in etwa
zur Aktivierung von Mesangialzellen, 50 % der Fälle (IgA1 > IgA2)
zur Stimulation von Zytokinen und z Nierenbiopsie (Diagnosesicherung):
zur Proliferation von Mesangiumzel- mesangiale IgA-Ablagerung (Immun-
len (sog. mesangioproliferative Glo- fluoreszenz) und mesangiale Prolife-
merulonephritis) ration (mesangioproliferative GN)
46.7 · Nephrotisches Syndrom 461 46.7
Therapie 46.7 Nephrotisches Syndrom
z Antihypertensive/antiproteinurische
Therapie: Definition
5 Zielwerte: Blutdruck von z Das nephrotische Syndrom wird
<125/75 mmHg, Proteinurie von durch das Auftreten folgender Merk-
<0,5 g/Tag male definiert:
5 Substanzen: ACE-Hemmer/AT1- 5 Proteinurie von >3,5 g/Tag
Rezeptor-Blocker mit Dosistitra- 5 Hypoproteinämie
tion 5 Ödeme
z Vorgehen bei Kreatininspiegel von 5 Hyperlipidämie (durch Absinken
<1,5 mg/dl (GFR: >70 ml/min) und des onkotischen Drucks synthe-
5 Poteinurie von <0,5 g/Tag: keine tisiert die Leber reaktiv vermehrt
Therapie, wenn GFR und Blut- VLDL bzw. LDL)
druck normal sind z Die gemeinsame Endstrecke sowohl
5 Proteinurie von 0,5–1 g/Tag: ACE- primärer als auch sekundärer Ursa-
Hemmer/AT1-Rezeptor-Blocker, chen des nephrotischen Syndroms ist
ggf. Fischöl; bei ausbleibendem eine Schädigung der Podozyten mit
Abfall auf <0,5 g/Tag: Steroide histopathologischen Merkmalen wie
5 Proteinurie von >1 g/Tag: Pozzi- z. B. Fußfortsatzverschmelzung
Schema: z Methylprednisolon:
1 g/Tag i. v. an den Tagen 1–3 in Einteilung
den Monaten 1, 3 und 5 z konti- z Primär glomeruläre Erkrankungen:
nuierliche Gabe von Prednisolon 5 »Minimal-change«-GN
(0,5 mg/kg KG p. o. jeden 2. Tag für 5 membranöse GN
6 Monate) z begleitende Osteo- 5 fokal-segmentale Glomeruloskle-
poroseprophylaxe (Vitamin D plus rose (FSGS)
Kalzium, ggf. Bisphosphonate) z Nephrotisches Syndrom im Rahmen
z Vorgehen bei progredientem Krea- von Systemerkrankungen:
tininspiegelanstieg (GFR: 30–70 ml/ 5 diabetische Nephropathie ( Kap. 51)
min): 5 Lupusnephritis
5 Induktionstherapie: Prednisolon 5 Amyloidose
(40 mg/Tag über 3 Monate, danach 5 Neoplasien (Lymphome, chro-
langsam auf 10 mg/Tag einstellen) nische lymphatische Leukämie,
plus Cyclophosphamid (1,5 mg/ solide Tumoren)
kg KG/Tag über 3 Monate) 5 Infektionen (z. B. chronische
5 Erhaltungstherapie: Azathioprin Hepatitis B)
(1,5 mg/kg KG/Tag über 2 Jahre) z Nephrotisch-nephritische Erkrankungen
z Vorgehen bei Patienten mit RPGN: 5 IgA-Nephropathie
Behandlung wie RPGN Typ II 5 membranoproliferative GN

Prognose Klinik
z Gut, falls IgA-Ablagerung auf das z Ödeme durch Natriumretention
Mesangium beschränkt bleibt (aufgrund einer Hypovolämie bzw.
(klinisch meist nur Mikrohäma- hypalbuminämisch)
turie) z Arterielle Hypertonie
462 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

z Erhöhte Infektanfälligkeit (Verlust stieg bis 30 % bezogen auf den


von Immunglobulinen) Ausgangswert, Kaliumkonzentrati-
z Gesteigertes Thromboembolierisiko onsanstieg bis 5,5 mmol/l
(ggf. Sinusvenen-, Nierenvenenthrom- 5 ggf. Diät: eiweißarm (etwa 0,8–1 g/
bose; renaler AT-III-Verlust und ver- kg KG/Tag)
mehrte Bildung von Fibrinogen) z Ödemtherapie:
z Atheroskleroserisiko durch Hyper- 5 Salzrestriktion (<5 g NaCl/Tag)
lipidämie 5 Schleifendiuretika (z. B. Furose-
z Im fortgeschrittenen Stadium Nieren- mid: Dosis in Abhängigkeit von
insuffizienz der Nierenfunktion wählen, bis zu
2 g/Tag sind möglich)
Diagnostik 5 ggf. sequenzielle Nephronblockade
z »Nephrologisches Standardlabor« 5 zur Ödemmobilisierung ggf. vor-
(Elektrolytwerte, BGA, Harnstoff- übergehend Humanalbumin 20 %:
und Kreatininspiegel) einschließlich z. B. 3-mal 50 ml i. v.
AT-III-Konzentration und Immunglo- z Statine: z. B. Pravastatin oder
buline (Serumelektrophorese), ANAs, Atorvastatin (Ziel: LDL-Wert von
ANCAs, C3, C4, Kryoglobuline, <100 mg/dl)
Syphilis, Antistreptolysin-Titer, Anti- z Antikoagulation (Prophylaxe/Thera-
DNAse B, Hepatitis B/C, HIV pie):
z Urindiagnostik: 5 Prophylaxe: bei Serumalbumin-
5 Bestimmung der Proteinausschei- wert von <2,5 g/dl
dung im 24-h-Sammel- oder Spot- 5 Substanzen: Phenprocoumon (bei
Urin (Eiweiß-Kreatinin-Quotient): stattgehabtem thromboemboli-
schen Ereignis und sehr niedrigem
Proteinkonzentration AT-III-Spiegel) oder Heparin
Proteinurie im Urin [mg/dl] (wenn AT-III-Spiegel normal ist)
[g/Tag] = Kreatininkonzentration z Osteoporoseprophylaxe (Hypokalzä-
im Urin [mg/dl] mie durch Albuminverlust, welches
50 % des Kalziums bindet)
5 Urinelektrophorese
z Nierenbiopsie > Proteinurie
z Normal: <100–150 mg/dl
Therapie z Pathologisch: >150 mg/dl
z Prinzip: z Prärenale (Überlauf-)Proteinurie:
5 primäre GN: spezifische Therapie 5 Bence-Jones-Protein (Anfall von
5 sekundäre GN: Therapie der Leichtketten, Plasmozytom)
Grunderkranung 5 Hämoglobinurie (z. B. Hämolyse)
z Reduktion der Proteinurie: 5 Myoglobulinurie (z. B. Rhabdomyo-
5 Ziel: <1 g/Tag lyse oder Marschproteinurie durch
5 Pharmakotherapie: ACE-Hem- Traumatisierung von Erythrozyten)
mer/AT1-Antagonisten (Senkung z Renale Proteinurie:
des intraglomerulären Drucks): 5 selektive glomeruläre Proteinurie:
z supramaximale Dosen z Tole- Albuminurie (meist diabetische
ranzgrenzen: Kreatininspiegelan- Nephropathie)
46.9 · Fokal-segmentale Glomerulosklerose 463 46.9
5 unselektive glomeruläre Prote- Therapie
inurie: alle Serumproteine im Urin z Standardtherapie mit Prednisolon:
(GN-Formen) 1 mg/kg KG/Tag über 4–8 Wochen,
5 tubuläre Proteinurie: kleine Prote- dann langsames Ausschleichen; bei
ine (α1-Mikroglobulin) Rückfall erneuter Versuch, beim
z Postrenale Proteinurie: alle Serum- »frequent relapser« (4 Rezidive/Jahr)
proteine im Urin, z. B. bei Harnwegs- 0,5 mg/kg KG/Tag jeden 2. Tag für
infekt 6 Monate
z Vorgehen bei Steroidabhängig-
keit (d. h. Rückfall innerhalb von
46.8 »Minimal-change«- 2 Wochen nach Steroidentzug) bzw.
Glomerulopathie -resistenz: Cyclophosphamid (2 mg/
kg KG/Tag für 8–10 Wochen, dann
Epidemiologie ggf. Fortsetzung mit niedrigerer
z Häufigste Ursache des nephrotischen Dosis), Ciclosporin A (4 mg/kg KG/
Syndroms im Kindesalter Tag in 2 Dosen mit einem Zielspiegel
z Im Erwachsenenalter selten (10–15 % von 100–150 ng/ml) oder Mycophe-
der nephrotischen Syndrome) nolatmofetil (500–1000 mg/Tag)
z Bei Steroidresistenz: ggf. erneute
Ätiologie und Einteilung Biopsie zum Ausschluss einer FSGS
z Primär (idiopathisch): wahrscheinlich
T-Zell-Funktionsstörung
z Sekundär: Lymphome (Morbus 46.9 Fokal-segmentale
Hodgkin), Medikamente (z. B. NSAR, Glomerulosklerose (FSGS)
Lithium, ACE-Hemmer, Interferone,
Rifampicin) Epidemiologie
z Zweithäufigste Ursache des nephroti-
Klinik und Diagnostik schen Syndroms
z Plötzlicher Beginn z Zunehmende Inzidenz
z Geringgradige Kreatininspiegelerhö-
hung bei 60 % der Erwachsenen Ätiologie und Einteilung
z Arterielle Hypertonie in 20 % der z Primäre FSGS:
Fälle 5 Ursache unbekannt, wahrschein-
z Mikrohämaturie bei 20–30 % der lich T-Zell-Funktionsstörung
Patienten 5 Erkrankung der Podozyten → die
z Entwicklung eines ANV innerhalb primäre FSGS geht mit einem ne-
der ersten 4 Wochen nach Diagnose- phrotischen Syndrom einher
stellung z Sekundäre FSGS:
z Nierenbiopsiebefund: 5 kongenitale Ursachen, Reflux,
5 Lichtmikroskopie: oft keine Auf- fokale Schädigung (systemischer
fälligkeiten Lupus erythematodes, Vaskulitis,
5 Elektronenmikroskopie: Fußfort- IgA-Nephropathie), Diabetes mel-
satzverschmelzung der Podozyten litus mit Hyperfiltration etc.
z Auslösende Ursache ausschließen: 5 kein diffuser Podozytenschaden
z. B. Medikamente, Lymphome → die sekundäre FSGS geht nicht
464 Kapitel 46 · Glomeruläre Erkrankungen

mit einem nephrotischen Syndrom 46.10 Membranöse GN


einher (Proteinurie meist nur um
1 g/Tag) Epidemiologie
5 meist chronischer Verlauf mit re- z Häufigste Ursache des nephroti-
lativ stabiler Nierenfunktion über schen Syndroms im Erwachsenen-
Jahre alter
z Häufigkeitsgipfel: 30.–50. Lebensjahr
Histologie (Nierenbiopsiebefund) z Männer 3-mal häufiger betroffen als
z <50 % der Glomeruli sind betroffen Frauen
(fokal), außerdem nur einige Schlin-
gen des Kapillarkonvoluts des Glome- Ätiologie und Einteilung
rulus (segmental) z Primäre membranöse GN (etwa 75 %):
z Hyalinisierung und Sklerosierung von idiopathisch
Kapillarschlingen z Sekundäre membranöse GN (unge-
z Diffuse Ablagerung von IgM und C3 fähr 25 %): Neoplasien (5–20 % der
in sklerosierten Arealen Fälle; z. B. Lunge, Mamma, Kolon,
Magen), Infektionen (Immunkom-
Klinik und Verlauf plexe verschiedener Genese, z. B. He-
z Plötzlicher Beginn mit schwerem ne- patitis B), Autoimmunerkrankungen
phrotischen Syndrom innerhalb von (z. B. systemischer Lupus erythemato-
Wochen des, rheumatoide Arthritis), Medika-
z Oft Nierenfunktionsverschlechterung mente (ACE-Hemmer, NSAR, Gold,
innerhalb von Monaten → bei 1/3 der Penicillamin)
Patienten nach 3–10 Jahren terminale
Niereninsuffizienz > Bei Vorliegen einer membra-
z Arterielle Hypertonie (häufig) nösen GN immer ein Tumorleiden
z Hämaturie (gelegentlich) ausschließen
z Unselektive Proteinurie mit Ödemen
z Hohe Rekurrenz nach Nierentrans- Histologie (Nierenbiopsiebefund)
plantation (etwa 50 % der Fälle) z Diffuse Verdickung der Basalmemb-
ran mit subepithelialen IgG- und C3-
Therapie Ablagerungen
z Renoprotektive Maßnahmen: z »Spikes« auf der Außenseite (sube-
5 nichtpharmakologisch: Nikotinka- pitheliale Ablagerungen, »electron-
renz, Gewichtsnormalisierung, dense humps«) mit Verdickung der
moderate Eiweißrestriktion Basalmembran (Immunkomplexne-
5 pharmakologisch: ACE-Hemmer phritis)
oder AT1-Antagonisten, Statine
z Immunsuppression: Klinik
5 Kortikosteroide: Prednison z Leitsymptome des nephrotischen
(1–1,5 mg/kg KG/Tag für Syndroms:  Kap. 46.7
4–12 Wochen) z Mikrohämaturie (etwa 50 % der
5 bei Steroidresistenz: Ciclosporin A Fälle)
oder Cyclophosphamid, ggf. Tac- z Arterielle Hypertonie (<30 % der
rolimus oder Mycophenolatmofetil Fälle)
46.10 · Membranöse GN 465 46.10
z Hyperkoagulabilität (u. a. AT-III- Ponticelli-Schema
Verlust): Nierenvenenthrombose
(etwa 10–50 % der Fälle) → Gefahr z Durchführung: 3 repetitive Zyklen bis zu
der LE einer Gesamtdauer von 6 Monaten
z Meist stabile Nierenfunktion über z Monate 1, 3 und 5: 1 g Methylprednisolon
längeren Zeitraum i. v. über 3 Tage, dann 0,4 mg Prednisolon/
z Risikofaktoren für die Entwicklung kg KG/Tag p. o. über 27 Tage
einer terminalen Niereninsuffizienz z Monate 2, 4 und 6: 0,2 mg Chlorambucil/
bei membranöser GN: männliches kg KG/Tag p. o. über 28 Tage
Geschlecht, Alter von >60 Jahren,
reduzierte GFR bei Diagnosestellung,
tubulointerstitielle Fibrose Steroid-Cyclophosphamid-Therapie

Therapie z Monate 1, 3 und 5: 1 g Methylprednisolon/


Tag i. v. über 3 Tage
z Primäre membranöse GN:
z Prednisolon: 0,5 mg/kg KG p. o. jeden
5 Beobachtung für 6 Monate (in
2. Tag über 6 Monate
1/3 der Fälle Spontanremission,
in 1/3 Teilremission, nur in 1/3
z Cyclophosphamid: 1,5–2 mg/kg KG/Tag
p. o. über 6–12 Monate
Progress), anschließend Risi-
kostratifizierung: z niedriges
Risiko (Proteinurie von ≤4 g/Tag,
normale Nierenfunktion): »wait
and see«, zusätzlich optimale
Blutdruckeinstellung, regelmä-
ßige Überwachung der Nieren-
funktion und der Proteinurie
z intermediäres Risiko (Prote-
inurie von 4–8 g/Tag, normale
Nierenfunktion): wie geringes
Risiko; falls die Proteinurie nach
weiteren 6 Monaten persistiert:
Ponticelli-Schema oder – wahr-
scheinlich besser – kombinierte
Steroid-Cyclophosphamid-
Therapie (s. unten; falls unzurei-
chend: zusätzlich Ciclosporin A)
z hohes Risiko (Proteinurie von
>8 g/Tag mit oder ohne Nieren-
insuffizienz): kombinierte Ste-
roid-Ciclosporin-Therapie; falls
unzureichend: Ponticelli-Schema
oder Steroid-Cyclophosphamid-
Therapie (s. unten)
z Sekundäre membranöse GN: Behand-
lung der Grunderkrankung
466 Kapitel 47 · Tubulointerstitielle Erkrankungen

> Tubulointerstitielle
Erkrankungen
G. Michels, N. Andriopoulos, M. Pollok

47.1 Interstitielle Nephritiden z Arthralgien


z Proteinurie
z Heterogene Gruppe von Erkrankun- z Anfangs oft Polyurie, dann Oligurie
gen, die mit akuten oder chronischen
inflammatorischen Veränderungen > Bei der akuten renalen Schädi-
einhergehen, welche sich im Inter- gung durch NSAR fehlen oft Sym-
stitium der Niere und/oder an den ptome wie Fieber, Exanthem und
Tubuli abspielen Eosinophilie.

Akute interstitielle Nephritis Diagnostik


z Anamnese und körperliche Unter-
Ätiologie suchung
z Unbelebte Noxen: medikamentös z Labordiagnostik:
(allergisch oder toxisch: Allopu- 5 Eosinophilie/Eosinophilurie
rinol, Antibiotika wie Ampicillin 5 erhöhte Retentionswerte
oder Methicillin, NSAR, Diuretika, 5 Urindiagnostik: tubuläre
Protonenpumpenhemmer), stoff- (z. B. α1-Mikroglobulin) Pro-
wechselassoziiert (Hypokaliämie, teinurie (<1 g/Tag), Mikro-
Hyperkalzämie, Uratnephropathie) hämaturie ohne glomeruläre
und andere (Sarkoidose, Sichel- Zeichen wie Akanthozyten
zellenanämie, Strahlennephritis, oder Erythrozytenzylinder,
Sjögren-Syndrom) sterile Leukozyturie mit Eo-
z Belebte Noxen: Bakterien (z. B. Strep- sinophilen, Leukozytenzylin-
tokokken), Viren (CMV, Epstein- der, Tubuluszylinder
Barr-Virus, Hantavirus), Protozoen z Histologie: interstitielle Infiltrate
z Unbekannt: TINU-Syndrom (tubu- durch mononukleäre Zellen,
lointerstitielle Nephritis mit Uveitis), Eosinophile bei allergischer Me-
häufig bei Kindern dikamentenreaktion, interstitielles
Ödem, Tubuluszellnekrosen; Glo-
Klinik meruli in der Regel unauffällig
> Typische Trias (etwa 30 % der Fälle):
z makulopapulöses Exanthem (<50 %) Therapie
z Fieber (75 %) z Absetzen des auslösenden Agens,
z Eosinophilie (80 %) Behandlung der Grunderkrankung
47.1 · Interstitielle Nephritiden 467 47.1
z Supportive Therapie bei Elektrolytstö- z Chemikalien (Blei, Cadmium)
rungen sowie Störungen des Säure- z Balkannephritis und/oder »Chinese-
Basen-Haushalts herb«-Nephropathie
z Gegebenenfalls Dialysebehandlung
bei konservativ nicht beherrschbarer Klinik
Überwässerung z Zunehmende Niereninsuffizienz, ggf.
z Steroide haben in kontrollierten Stu- mit Urämiezeichen
dien einen positiven Effekt gezeigt: z Ureterkoliken bei Abgang einer nek-
Prednisolon in einer Dosis von 1 mg/ rotischen Papille
kg KG/Tag, nach 1–2 Wochen aus- z Haufig psychopathologische Auffällig-
schleichen keiten
z Kopfschmerzen
Prognose z Aschfahles Hautkolorit
z Allgemein gut z Bei Analgetikaabusus oft Auffälligkei-
z Re-Exposition gegenüber auslösenden ten des oberen Gastrointestinaltrakts
Faktoren vermeiden (Blutungen, Ulzera)

Chronische tubulointerstitielle Komplikationen


Nephritis z Papillennekrose (Flankenschmerz,
Hämaturie, Koliken)
> Die chronische tubulointerstitielle z Tubulusschädigung (renal-tubuläre
Nephritis ist je nach Region in 5–20 % Azidose)
der Fälle für eine terminale Niereninsuffi- z Karzinomentstehung (Urothel-
zienz verantwortlich. tumoren, Blasen- oder Nierenzell-
karzinom)
Ätiologie z Superinfektion der ableitenden Harn-
z Pharmaka: wege
5 Analgetika (Gefahr der Nieren- z Niereninsuffizienz
schädigung ab einer kumulierten
Gesamtdosis von 1 kg) → »Phe- Diagnostik
nazetinnephropathie« mit Gefahr z Anamnese
der Papillennekrose z Labordiagnostik:
5 Lithium 5 renale Anämie
z Chronische Strahlennephritis 5 Elektrolytstörungen
z Autoimmunerkrankungen: Sjögren- 5 Störungen des Säure-Basen-Haus-
Syndrom, systemischer Lupus erythe- halts
matodes, Vaskulitiden 5 Urin: sterile Leukozyturie, tubu-
z Metabolische Störungen: Uratne- läre Proteinurie, Hyposthenurie
phropathie, Oxalose, Cystinose, (verminderte Harnkonzentrations-
chronische Hypokaliämie (z. B. bei fähigkeit des geschädigten Inter-
Diuretika- oder Laxanzienabusus), stitiums), Analgetikametabolite im
chronische Hyperkalzämie (z. B. Urin
primärer Hyperparathyreoidismus, z CT: Papillenkalzifikationen, verklei-
Sarkoidose, Vitamin-D-Intoxikation, nerte Nieren, grobbuckelige Verfor-
Tumoren) mung der Außenkonturen
468 Kapitel 47 · Tubulointerstitielle Erkrankungen

z Histologie: meist keine Nierenbiopsie rumkreatininspiegelerhöhung und


notwendig, da histologische Zeichen Thrombopenie
unspezifisch sind (interstitielle Fib- 5 Letalität: <1 %
rose, Tubulusatrophie) z Hantavirusinduziertes kardiopulmo-
nales Syndrom (»Hanta virus pulmo-
Therapie nary syndrome«, HPS):
z Einstellen des Analgetikaabusus 5 Vorkommen: USA
z Behandlung der Komplikationen 5 Übertragung: Ratte
5 Klinik: Fieber, Myalgien, Übelkeit,
Prognose Abdominalschmerzen, später Dys-
z Renale Prognose von Nierenfunktion pnoe und pulmonale Infiltration
zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bis zum ARDS
abhängig 5 Labortrias: Leukozytose (Links-
verschiebung), atypische Lympho-
zyten, Thrombopenie
47.2 Hantavirusinfektion 5 Letalität: >30 %
(Kriegs- oder Feldnephritis)
Diagnostik
Erreger und Ausbreitung z Anamnese
z Hantavirus (Gruppe der Bunyaviridae, z Serologie: IgM-Antikörper-Konzent-
RNA-Viren), v. a. Serotyp Puumala ration erhöht (»Hantaschnelltest«)
(Rötelmaus, Myodes glareolus); sel- z Erregernachweis mittels PCR
tene Serotypen: Dobrava (Brandmaus,
Apodemus agrarius), Tula (Feldmaus, Therapie
Microtus arvalis) z Symptomatisch: Analgetika/Antipy-
z Inkubationszeit: 2–4 Wochen retika (möglichst keine NSAR) bis
z Infektionsweg: Speichel, Urin und Kot intensivmedizinische Maßnahmen
von Nagetieren z Bei renaler Beteiligung: Kontrolle/
z Übertragung auf den Menschen: Ausgleich des Flüssigkeits-, Elektro-
Inhalation virushaltiger Aerosole, lyt- und Säure-Basen-Haushalts, Nie-
Kontakt der verletzten Haut mit kon- renersatzverfahren bei ANV
taminiertem Staub oder Bisse z Eventuell Ribavirin (frühzeitig)

Verlaufsformen
z Hämorrhagisches Fieber mit renalem 47.3 Balkannephritis
Syndrom (HFRS):
5 Vorkommen: Mittel- und Nord- Allgemeines
europa z Vorkommen (endemisch): Balkanre-
5 Übertragung: Rötelmaus gion, Bosnien, Bulgarien, Kroatien,
5 Klinik (3 Phasen): plötzliche Rumänien, Serbien nach langjährigem
Fieberentwicklung (>38,5°C) → Aufenthalt (>15 Jahre)
Lumbalgien/Rückenschmerzen
durch Kapselspannung → inter- Ätiologie
stitielle Nephritis (Proteinurie/ z Genaue Ätiologie ist noch unklar
Oligurie bis Anurie) sowie Se- z Hypothesen:
47.3 · Balkannephritis 469 47.3
5 chronische Intoxikation mit Aris- z Bei 50 % der Patienten in der 5.–6. Le-
tolochia (Pfeifenblume, Osterluzei; bensdekade Auftreten von urothelia-
wächst in Getreidefeldern → len Neoplasien
verunreinigtes Mehl); u. a. auch
für die »Chinese-herb«-Neph- Therapie
ropathie verantwortlich, deren z Keine spezifische Therapie bekannt
histopathologisches Bild dem der → Behandlung der Komplikationen
Balkannephropathie sehr ähnelt z Jährliche urologische Vorstellung zum
(⊡ Tab. 47.1.) Ausschluss urothelialer Tumoren
5 Mykotoxin (Schimmelpilzgift)
5 polyzyklische Hydrocarbone Prognose
z Wahrscheinlich Kombination aus z In der Regel in der 5.–6. Lebensdekade
genetischer Prädisposition und Um- dialysepflichtige Niereninsuffizienz
weltfaktoren

Klinik
z Bereits früh Partialstörungen der
Tubulusfunktion (Aminoazidurie,
Glukosurie, niedermolekulare Prote-
inurie)
z Unfähigkeit der Harnkonzentration
mit Polyurie
z Oft ausgeprägte renale Anämie

⊡ Tab. 47.1. Differenzialdiagnostik zwischen Balkannephritis und »Chinese-herb«-Nephro-


pathie

Parameter Balkannephropathie »Chinese-herb«-Nephropathie

Familiäre Häufung Ja Nein

Progression Langsam (>20 Jahre) Schnell (6 Monate bis 2 Jahre)

Nierengröße Schrumpfnieren Schrumpfnieren

Nierenoberfläche Glatt Irregulär

Nierenatrophie Symmetrisch Asymmetrisch

Ätiologie Unbekannt Bekannt

Urotheliale Neoplasien Möglich Möglich

Steroidtherapie Nicht beschrieben Verlangsamt die Abnahme der GFR

Ein ähnliches Krankheitsbild zeigt sich bei der Intoxikation mit dem Orellanustoxin (Gift des
Pilzes Cortinarius speciocissimus).
470 Kapitel 48 · Infektionen des harnableitenden Systems

> Infektionen des


harnableitenden Systems
G. Michels, N. Andriopoulos

48.1 Harnwegsinfekt Epidemiologie


z Meist Frauen betroffen
Einteilung z Männliches Geschlecht meist nur im
z Nach der Klinik: symptomatisch oder Säuglingsalter oder nach dem 80. Le-
asymptomatisch bensjahr; sonst komplizierende Fakto-
z Nach dem Verlauf: akut oder chronisch ren in Betracht ziehen
z Nach der Lokalisation: unterer (Ure-
thritis, Zystitis, Prostatitis) oder oberer Ätiologie
Harnwegsinfekt (Pyelonephritis, intra- z Harnabflussstörungen: anatomische
renaler/perinephritischer Abszess) Anomalie, Obstruktion, Blasenfunkti-
z Nach den Risikofaktoren: unkompli- onsstörung, Nephrolithiasis
ziert oder kompliziert z Analgetikaabusus
z Metabolisch: Diabetes mellitus, Gicht
> Unterscheidung unkomplizierter z Immunschwäche
vs. komplizierter Harnwegsinfekt: z Gravidität, sexuelle Aktivität (Honey-
moon-Zystitis)
z Unkomplizierter Harnwegsinfekt:
Harnwegsinfekte bei sonst gesunden
z Erregerspektrum:
5 allgemein: z Escherichia coli
Frauen ohne komplizierende Fak-
(>80 % der Fälle bei unkomplizier-
toren, meist Beschränkung auf die
ten Harnwegsinfekten) z Kleb-
Harnblase
siella pneumoniae z Proteus
z Komplizierter Harnwegsinfekt: Harn- mirabilis z Pseudomonas aerugi-
wegsinfekt in Assoziation mit kompli- nosa z Enterokokken
zierenden Faktoren: 5 Blasenkatheterträger: Staphylo-
5 angeborene oder erworbene kokken, Bakterien der Pseudomo-
Anomalie des Urogenitaltrakts nasgruppe, Serratia spp.
5 Nierenfunktionsstörungen (Paren- 5 sexuell aktive Frauen: Chlamydia
chymerkrankungen, Zystennieren) trachomatis, Trichomonaden,
5 Begleiterkrankungen (Diabetes Neisseria gonorrhoeae, Staphylo-
mellitus, Immunsuppression, coccus saprophyticus
Urolithiasis) 5 Patienten mit Immunsuppression:
5 Kinder, Schwangere und Männer Candida spp.
5 Dauerkatheteranlage und/oder
Ureterstenting Risikofaktoren
5 vorangegangene Harnwegs- z Restharnbildung
operation z Dauerkatheter
48.2 · Urethritis 471 48.2
z Ureterperistaltikstörung (Schwan- z Blutuntersuchung: Retentionswerte,
gerschaft, subvesikale Obstruktion, Entzündungsparameter, Differenzialb-
Fremdkörper, Harnsteine, anatomi- lutbild (Linksverschiebung), ggf. Blut-
sche/funktionelle Anomalien) kulturen (insbesondere bei Verdacht
z Immunsuppression auf Urosepsis)
z Katheterisierung z Sonographie: Nachweis/Ausschluss
z Weibliches Geschlecht von Harnstau, Blasenfüllung, Stein-
z Neurogene Harnblasenfunktions- schatten
störung z Eventuell i. v. Urographie zum Aus-
schluss einer Obstruktion sowie von
Diagnostik Nierensteinen und Divertikeln
> Kennzeichen eines Infekts der
ableitenden Harnwege: Klinik und Therapie
z Leukozyturie z Asymptomatische Bakteriurie (posi-
z Signifikante Bakteriurie: tiver Erregernachweis ohne Klinik):
5 Mittelstrahlurin: ≥105 Keime/ keine Indikation zur antibiotischen
ml Urin (2-malig; sog. Kass-Zahl) Behandlung; Ausnahmen: Schwan-
5 Katheterurin: ≥103 Keime/ml Urin gere, Kinder mit Vorliegen einer Ob-
z Nitritnachweis (bakterielle Nitratre- struktion, Struvitsteine (um ein wei-
duktase): da Nitrit ohne Bakterien im teres Steinwachstum zu verhindern),
Urin nicht vorkommt, bestätigt ein präoperativ/präinterventionell bei
Nachweis eine bakterielle Infektion geplantem urologischen Eingriff oder
Nierenbiopsie → Fluorochinolone
z Anamnese: urologische Operatio- oder Cephalosporine der 3. Generation
nen, Harnabflussbehinderungen, z Symptomatische Bakteriurie: unkom-
Miktions-/Trinkverhalten, Immun- pliziert (Fehlen von prädisponieren-
suppression (Medikamente, Diabetes den Risikofaktoren) oder kompliziert
mellitus) etc. (Vorhandensein von prädisponie-
z Körperliche Untersuchung: Flanken- renden Risikofaktoren) mit Dysurie,
schmerzen etc. Algurie, Pollakisurie und ggf. Blasen-
z Urinanalyse (Nativ-, Mittelstrahl- tenesmen → Fluorochinolone oder
urin): Cephalosporine der 3. Generation
5 Leukozyturie z Sterile Leukozyturie (Leukozyturie,
5 Nachweis von Nitrit, Eiweiß und/ Klinik, negativer mikrobiologischer
oder Erythrozyten Urinbefund): Infektion mit atypischen
5 Indikationen für eine Urinkultur: Erregern (Mykoplasmen, Chlamydien,
komplizierter Harnwegsinfekt, sys- Ureaplasma), Tuberkulose, Nephroli-
temische Zeichen (Pyelonephritis, thiasis, interstitielle Nephritis etc.
Urosepsis), Nichtansprechen nach
48-stündiger Antibiotikatherapie,
Bakteriurie in der Schwanger- 48.2 Urethritis
schaft
5 mikrobiologische Untersuchung: Definition
innerhalb von 2–3 h oder gekühlt z Isolierte Entzündung der Pars anterior
innerhalb von 48 h urethrae
472 Kapitel 48 · Infektionen des harnableitenden Systems

Einteilung 48.4 Pyelonephritis


z Nichtgonorrhoische Urethritis:
5 Chlamydia trachomatis, Urea- Erregerspektrum
plasma urealyticum, Mycoplasma z Escherichia coli (70–90 %)
hominis z Klebsiellen
5 Therapie: Doxycyclin (2-mal z Proteus spp.
100 mg/Tag) z Pseudomonas spp.
z Gonorrhö: z Serratia spp.
5 Neisseria gonorrhoeae (gram- z Enterokokken
negative Diplokokken in Leuko- z Staphylokokken
zyten)
5 Frauen: Zervizitis bis Adnexitis Formen
(ggf. Tubargravidität) z Akute bakterielle abszedierende
5 Männer: Urethritis mit Jucken, Pyelonephritis: keilförmige Abszess-
Brennen, morgendlicher straßen zwischen Papille und Rinde
Bonjour-Tropfen bis Prostatitis, (Glomerula intakt)
Epididymitis z Chronische herdförmige destruie-
5 Therapie: Fluorochinolone (Cipro- rende Pyelonephritis: keilförmige
floxacin) oder Cephalosporine der Narbenbildungen mit Einziehung der
3. Generation Nierenoberfläche

Therapie Klinik und Diagnostik


z Allgemeines: viel trinken (Spül- z Akute Pyelonephritis: Fieber,
effekt), Partnerbehandlung/Sexual- Schüttelfrost, Dysurie, Klopf-
hygiene schmerzen im Nierenlager/Flan-
z Antibiotikatherapie (s. oben), ggf. kenschmerzen
Metronidazol bei Trichomonaden z Chronische Pyelonephritis:
5 uncharakteristische Symptome:
Kopfschmerzen, Abgeschlagen-
48.3 Zystitis heit, Anämie, Brechreiz, dumpfe
Rückenschmerzen
z Erregerspektrum: meistens Escheri- 5 Leukozytenzylinder
chia coli 5 Entwicklung nur bei Vorhanden-
z Klinik: Dysurie, Pollakisurie, suprapu- sein prädisponierender Faktoren,
bische Schmerzen, Hämaturie die den Harnfluss behindern
z Differenzialdiagnostik: tuberkulöse, (Obstruktion, vesikoureteraler Re-
parasitäre (Schistosoma haemato- flux, Blasenentleerungsstörungen,
bium), radiogene oder hämorrhagi- Schwangerschaft etc.)
sche Zystitis
z Therapie: β-Laktam-Antibiotika Differenzialdiagnostik der Leukozyturie
(Amoxicillin/Clavulansäure) oder bei »sterilem Urin« (sterile Leukozyturie)
Gyrasehemmer (z. B. Ciprofloxacin, z Mit Antibiotika anbehandelter Harn-
2-mal 250 mg/Tag) über 1–3 Tage wegsinfekt
(unkomplizierte Zystitis) bzw. über z Gonorrhö
7–14 Tage (komplizierte Zystitis) z Nichtgonorrhoische Urethritis
48.4 · Pyelonephritis 473 48.4
z Infektion mit atypischen Erregern
(Mykoplasmen, Chlamydien, Urea-
plasma spp.)
z Urotuberkulose
z Reiter-Syndrom (Urethritis, Arthritis
und Konjunktivitis, zusätzlich Reiter-
Dermatose)
z Interstitielle Nephritis, z. B. Analgeti-
kanephropathie
z Selten Lupus erythematodes

Komplikationen
z Eitrige Nephritis
z Urosepsis
z Paranephritischer Abszess mit Psoas-
verschattung
z Pyonephrose
z Hypertonie
z Niereninsuffizienz

Therapie
z Allgemein: Flüssigkeitszufuhr (Spül-
effekt)
z Unkomplizierte Pyelonephritis:
Chinolone (Ciprofloxacin, 2-mal
250–500 mg/Tag; oder Norfloxacin,
2-mal 400 mg/Tag) oder Breitband-
penicillin (Amoxicillin plus Clavulan-
säure, 3-mal 1 g/Tag); Therapiedauer:
7–14 Tage
z Komplizierte Pyelonephritis: Cipro-
floxacin (2-mal 500 mg/Tag p. o./i. v.),
bei zusätzlichen Risikofaktoren Ceft-
riaxon i. v.; Therapiedauer: 10–14 Tage
z Urosepsis:
5 Fokussanierung
5 Antibiotika: z Ampicillin/
Sulbactam (z. B. Unacid; 3-mal
3 g/Tag) oder Cefuroxim z bei
nosokomialer Infektion: Pipera-
cillin/Tazobactam (z. B. Tazobac;
3-mal 4,5 g/Tag) oder Imipenem
(z. B. Zienam; 3-mal 1 g/Tag) über
≥14 Tage z ggf. Spülkatheteran-
lage
474 Kapitel 49 · Akutes Nierenversagen (ANV)

> Akutes Nierenversagen


(ANV)
G. Michels, N. Andriopoulos, M. Pollok

Definition Risikofaktoren
z Rasche Abnahme der GFR inner- z Beeinträchtigung der renalen
halb von Stunden bis Wochen mit Perfusion:
Anstieg der Retentionswerte, die 5 reduzierter Blutzustrom: Herz-
prinzipiell reversibel sein können; insuffizienz, Nierenarterienste-
eine genaue Definition des ANV nose
existiert nicht 5 gesteigerter Blutabstrom: Sepsis,
z Akute Nierenschädigung (⊡ Tab. 49.1): Leberzirrhose
5 Anstieg des Serumkreatininspie- z Hypoproteinämie:
gels um ≥0,5 mg/dl (≥44 μmol/l) 5 nephrotisches Syndrom
oder um 50 % des Ausgangswerts 5 Leberzirrhose
innerhalb von 48 h und/oder 5 Verbrennungen
5 Rückgang der Diurese auf <0,5 ml/ 5 Malabsorptionssyndrom
kg KG/h für >6 h und/oder (chronisch-entzündliche
5 Abfall der errechneten Kreatinin- Darmerkrankungen)
Clearance auf <50 % des Ausgang- z Einschränkung der Gefäß-
werts reagibilität:
z Klinische Präsentation des ANV 5 Diabetes mellitus
(⊡ Tab. 49.1): 5 Alkoholerkrankung
5 anurisches ANV: Urinaus- 5 Amyloidose
scheidung von <100 ml/Tag 5 andere Polyneuropathien
5 oligurisches ANV: Urinaus- z Einschränkung der Nierenfunktion
scheidung von <400 ml/Tag
5 nichtoligurisches ANV: Urinaus- Einteilung und Ätiologie
scheidung von >400 ml/Tag
Einteilung des ANV
Epidemiologie
z Prärenal (55–60 %)
z Bis zu 5 % aller stationärer Patienten z Intrarenal (35–40 %):
z 5–30 % der Patienten auf Intensivsta- 5 akute Tubulusnekrose
tionen, meist im Rahmen eines Multi-
5 akute GN
organversagens
5 akute interstielle Nephritis
z >50 % der Patienten im septischen 5 vaskuläre Schädigung
Schock
z Postrenal (5 %)
z Mortalität des ANV: etwa 50 %
Kapitel 49 · Akutes Nierenversagen (ANV) 475 49
⊡ Tab. 49.1. Schweregradeinteilung des ANV nach den RIFLE-Kriterien

Schädigung Kreatininspiegel- GFR-Abfall Urinmenge


anstieg [%] [%] [ml/kg KG/h]

Hohes Risiko (»risk«) >50 >25 <0,5 für 6 h

Nierenschädigung (»injury«) >100 >50 <0,5 für 12 h

Nierenversagen (»failure«) >200 >75 <0,3 für 24 h oder


Anurie für 12 h

Totales Nierenversagen (»loss«) Kompletter Verlust der Nierenfunktion für >4 Wochen

»End-stage renal disease« Terminale Niereninsuffizienz

z Prärenales Nierenversagen: (bei prolongierter Hypoperfusion)


5 Hauptursache: renale Hypoperfu- oder toxisch: exogen toxisch (Anti-
sion: z intravaskulärer Volumen- biotika, jodhaltige KM, Zytostatika)
mangel: Blutung, gastrointestinale oder endogen toxisch (Hämolyse,
Verluste, Verbrennungen, renale z. B. bei Transfusionszwischenfall
Verluste (z. B. Diabetes insipi- mit Hämoglobulinurie, Rhabdo-
dus), osmotische Diurese, »third myolyse mit Myoglobulinurie,
spacing« (z. B. Pankreatitis, Ileus, Trauma mit Crush-Niere, Dro-
Hypalbuminämie) z verminder- genabusus, Alkoholentzug, Kom-
tes HZV: z. B. Herzinsuffizienz, binationstherapie mit Statinen und
Myokardinfarkt, kardiogener Fibraten → Myositissyndrom)
Schock, Perikarderguss, Vitien, z Pathogenese: Untergang von
pulmonale Hypertonie, Beatmung Tubulusepithelzellen mit konseku-
mit PEEP z systemische Vaso- tiver Verstopfung von Tubuli und
dilatation: Sepsis, Anaphylaxie, Sammelrohren durch nekrotisches
Leberzirrhose, Antihypertensiva Zellmaterial (Detritus) z typischer
z renale Vasokonstriktion: Hyper- Verlauf: Schädigung → oligurisches
kalzämie, Katecholamine, ACE- Nierenversagen (oft Nierenersatz-
Hemmer, NSAR, Kontrastmittel therapie erforderlich; Dauer: Tage
5 innerhalb von Stunden bis Tagen bis 3 Monate) → polyurische Phase
immer vollständig reversibel, so- (Dauer: Tage bis Wochen) → Re-
bald zugrunde liegende Ursache generation der Tubulusepithelien
beseitigt ist (Dauer: Monate)
5 bei prolongiertem Verlauf des prä- 5 entzündlich: z GN: RPGN, akute
renalen ANV (z. B. bei inadäqua- postinfektiöse GN, »Minimal-
ter Therapie) folgt der Übergang change«-GN → systemische Sym-
in ein intrarenales ANV ptome wie Arthralgien, Fieber,
z Intrarenales Nierenversagen: Serositis, Sinusitis etc. z akute
5 Hauptursache: parenchymatös interstitielle Nephritis: allergische
(meist akute tubuläre Nekrose: interstitielle Nephritis (NSAR, An-
etwa 90 %): z Ursache: ischämisch tibiotika), Infektionen, Infiltration
476 Kapitel 49 · Akutes Nierenversagen (ANV)

(Lymphome, Leukämie, Sarkoi- 5 erworben: Prostatahypertrophie,


dose) retroperitoneale Fibrose (Morbus
5 makrovaskulär: Nierenarterienver- Ormond)
schluss, Nierenvenenthrombose, 5 Malignome: Prostatakarzinom,
Cholesterinembolien Zervixtumoren
5 mikrovaskulär: thrombotische
Mikroangiopathien (Thrombozy- Klinik und Komplikationen
topenie, Anämie, Nierenversagen, z Pulmonal: »fluid lung«, ARDS
Fragmentozyten): z HUS oder z Kardiovaskulär: Hypertonie, urämi-
Gasser-Syndrom: im Kindesalter, sche Perikarditis, Arrhythmien bei
mit blutigen Durchfällen einher- Hyperkaliämie
gehend; enteropathisch (EHEC, z Gastrointestinal: urämische Gastro-
Serotyp O157) oder nichtenteropa- enteritis, Peritonitis
thisch (Pneumokokken) z HUS z Hämatologisch: Anämie, Thrombo-
des Erwachsenen (bei zusätzlichen zytopathie, Leukozytose
neurologischen Ausfällen spricht z Immunologisch: Immunsuppression
man vom TTP bzw. vom sog.
Moschkowitz-Syndrom) Diagnostik
z Postrenales Nierenversagen (durch > Ziel der diagnostischen Bestrebungen
Harnabflussstörungen): muss die Klärung der Ursache des ANV und
5 obstruktiv, Abflussbehinderung damit – aufgrund der therapeutischen Im-
oder Blasenatonie plikationen – die Zuordnung zur prä-, intra-
5 kongenital: Harnröhrenklappen oder postrenalen Genese sein (⊡ Tab. 49.2).

⊡ Tab. 49.2. Unterscheidung zwischen prä- und intrarenalem Nierenversagen

Parameter Prärenal Intrarenal


Urinosmolalität [mOsmol/l] >400 <300
Urinnatrium [mmol/l] <201 >20
FeNa [%] <1 >2
Harnstoff im Urin/Harnstoff im Serum >8 <4
Kreatinin im Urin/Kreatinin im Serum >40 <20
FeHST [%] <35 >35
Harnstoff im Serum/Kreatinin im Serum >40 <40
Spezifisches Uringewicht >1020 <1020
Urinsediment Hyaline Tubulusepithelien, Pigmentzylinder
Zylinder (»muddy brown casts«), Akantho-
zyten, dysmorphe Erythrozyten,
Erythrozytenzylinder
1 Beim prärenalen Nierenversagen ist die Urinnatriumkonzentration niedrig, weil – bedingt

durch die RAAS-Aktivierung – viel Natrium rückresorbiert wird.


Kapitel 49 · Akutes Nierenversagen (ANV) 477 49
z Anamnese: Nephrotoxine (KM, An- z Sonographie: Nierengröße, Abfluss-
algetika), Infekte, Volumenzufuhr/- störung?
verluste, Gewichtszunahme, abdomi- z Röntgenuntersuchung des Thorax:
nelle Schmerzen »fluid lung«
z Klinik und körperliche Untersuchung:
z. B. Oligurie, Anurie, Ödeme, Dys-
pnoe, Urämiesymptome (Perikarditis, Diagnostischer Handlungsablauf bei ANV
Enzephalopathie, Blutungen, Übel- z Sonographie:
keit/Erbechen), Schmerzen bei abo- 5 volle Blase, Harnstauung: postrenales
mineller Palpation, Blutungszeichen ANV → Urologen hinzuziehen
z Labordiagnostik: 5 Nieren klein: chronische Niereninsuf-
5 Retentions- und Elektrolyt- fizienz (Cave: »acute on chronic renal
werte, BGA, Gerinnungswerte, failure« möglich)
Differenzialblutbild (Anämie?), z Urinindizes: FeNa <1 % (Cave: Diuretika
CRP-Konzentration, BSG, LDH- → FeHST <35 %) plus klinische Zeichen des
Aktivität, Bilirubin- und Hapto- intravaskulären Volumenmangels/der ein-
globinkonzentration, CK-Aktivität geschränkten Hämodynamik: prärenales
(Rhabdomyolyse?), Lipaseaktivität ANV
(häufig falsch erhöht wegen einge- z Urinsediment:
schränkter renaler Elimination) 5 »muddy brown casts«: akute Tubulus-
5 Urin (Spot-Urin): Osmolalität, nekrose
Harnstoff-, Natrium- und Krea- 5 dysmorphe Erythrozyten, Akanto-
tininkonzentration, spezifisches zyten (>5 %), Erythrozytenzylinder:
Gewicht, Sediment Glomerulonephritis → Nierenbiopsie
5 evtl. Biomarker: Cystatin C (glo- 5 Leukozyturie, Urineosinophilie, Leu-
meruläre Marker) oder Neutrophil kozytenzylinder: akute interstitielle
Gelatinase-associated Lipocalin / Nephritis
KIM-1 (tubuläre Marker) z Gegebenenfalls Nierenbiopsie
z Abschätzung der GFR: Cockcroft-
Gault oder MDRD-Formel (bei ANV
kaum aussagekräftig, gelten nur im Therapie
»steady state«) Allgemeine Therapieprinzipien
z Berechnung der Urinindizes: Volumenmanagement
5 fraktionelle Natriumexkretion z Wenn Diuretika gegeben werden
(FeNa; UNa: Urinnatriumkonzentra- müssen, sollte dies unter Berücksich-
tion; SKrea: Serumkreatininkonzen- tigung der aktuellen GFR erfolgen,
tration; SNa: Serumnatriumkon- d. h. es sind u. U. deutlich höhere
zentration; UKrea: Urinkreatinin- Dosierungen notwendig, z. B. bis zu
konzentration): max. 2 g Furosemid p.o. oder 0,5–1 g
U Na × S Krea Furosemid über 24 h als i.v.-Perfusor
Fe Na = × 100
S Na × UKrea z Diuretika verbessern nicht das renale
5 allerdings problematisch, wenn Outcome, sie dienen nur der Bilanzie-
bereits Furosemid appliziert wurde rung
→ Berechnung der fraktionellen z Flüssigkeitszufuhr an den Flüssig-
Harnstoffexkretion (FeHST) keitsverlust adaptieren:
478 Kapitel 49 · Akutes Nierenversagen (ANV)

5 Perspiratio insensibilis: etwa 1 l/Tag mie, Hyperphosphatämie und meta-


5 Oxidationswasser: etwa 0,5 l/Tag bolischer Azidose)
5 renale und extrarenale Ausschei-
dung Dialysetherapie
5 bei ANV: extrarenale Ausschei- z Indikationen:
dung + 500 ml oder 500 ml/Tag 5 Urämie (Enzephalopathie, Perikar-
plus Ausscheidung des Vortags ditis, starke Übelkeit/Erbrechen,
z Behandlung von Elektrolytstörungen, urämische Blutungen)
insbesondere der Hyperkaliämie: 5 konservativ nicht beherrsch-
5 Furosemid bare metabolische Azidose
5 Bikarbonat (50–100 ml NaHCO3 5 konservativ nicht beherrsch-
8,4 % über 30 min) bare Hyperkaliämie
5 Glukose und Insulin (ZVK: 5 konservativ nicht beherrsch-
50 ml 40%ige Glukoselösung plus bare Überwässerung (Lungen-
10 IE Altinsulin über 30 min; ödem)
peripher: 200 ml 20%ige Gluko- 5 Intoxikation mit dialysierbaren
selösung plus 20 IE Altinsulin über Substanzen (die Entfernung
30 min) inflammatorischer Mediatoren
5 β2-Mimetika (per inhalationem) bei Sepsis mittels Dialyse konnte
5 Kalziumglukonat (bei Arrhyth- bislang wissenschaftlich nicht
mien) überzeugend gezeigt werden und
z Gegebenenfalls Ausgleich einer meta- stellt somit keine Indikation zur
bolischen Azidose Dialysetherapie dar)
z Dosisanpassung von Medikamenten
(z. B. Antibiotika) an die aktuelle Spezielle Therapie
GFR Postrenales ANV
z Vermeidung weiterer Nephrotoxine z Urologen hinzuziehen
(Kontrastmittel, NSAR), ACE-Hem- z Harnabfluss gewährleisten, z. B. An-
mer/AT1-Rezeptor-Blocker absetzen lage eines Dauerkatheteres bei Pros-
tatahyperplasie
Ernährungstherapie
z Hochkalorisch (trotz eiweißarmer Prärenales ANV
Ernährung) z Volumensubstitution
z Eiweißrestriktion: 0,5 g/kg KG/Tag z Optimierung des HZV (z. B. nach
(bei reduzierender Nephronenzahl Myokardinfarkt)
kommt es in Abhängigkeit von der z Auslösende Ursache/Grunderkran-
Proteinzufuhr zu einem Druckanstieg kung behandeln (z. B. Pankreatitis,
in noch intakten Nephronen mit Sepsis)
Hyperfiltration → eine Überbean-
spruchung und somit verstärkte Schä- > Diuretikatherapie beim prärenalen
digung der restlichen Nephrone führt ANV: wenn überhaupt, dann erst nach
zur Sklerosierung der verbleibenden Volumenrepletion → es bringt nichts,
Glomeruli) »Gas zu geben« (zu hydrieren) und
z Kalium- und phosphatarm im Sta- gleichzeitig zu »bremsen« (mittels Diure-
dium der Anurie (wegen Hyperkaliä- tika zu dehydrieren).
49.1 · Spezielle Formen 479 49.1
Intrarenales ANV (Ziel: Alkalisierung → Steigerung
z Akute Tubulusnekrose: der Löslichkeit von Myoglobin)
5 eine großzügige Volumengabe bei
Oligurie/Anurie ist weniger sinn- Prognose
voll z 5–30 % der Patienten bleiben langfris-
5 die Volumengabe muss balanciert tig dialysepflichtig
erfolgen: eine Hypovolämie, die z Prärenales ANV: in Abhängigkeit
eine tubuläre Hypoperfusion un- von Ko-Morbiditäten sehr gute (z. B.
terhält, sollte vermieden werden einfache Gastroenteritis) bis katas-
5 ist jedoch eine oligo-anurisch trophale Prognose (z. B. septischer
verlaufende akute Tubulusnekrose Schock mit Multiorganversagen)
einmal eingetreten, droht eine z Intrarenales ANV:
Überwässerung mit den Folgen 5 akute Tubulusnekrose: je nach Ur-
eines Lungenödems und einer sache Restitutio ad integrum nach
schwer kontrollierbaren arteriellen Tagen bis Monaten möglich
Hypertonie 5 GN: je nach Stadium der bei Dia-
5 meist passagere Dialysebehand- gnosestellung an der Niere festge-
lung notwendig stellten Veränderungen
5 akute interstitielle Nephritis: meist
> Patienten mit oligurischer akuter gut
Tubulusnekrose nicht überwässern, z Postrenales ANV: gute Prognose, so-
sofern nach initialer Volumengabe keine fern Ursache behoben werden kann
hinreichende Ausscheidung stattfindet, z Neuere Untersuchungen zeigen, dass
sondern – falls ein adäquates Volu- das Risiko für die spätere Entwicklung
menmanagement, z. B. mit Hilfe einer einer chronischen Niereninsuffizienz
hochdosierten Diuretikatherapie, nicht trotz überstandenem ANV deutlich
gelingt – dialysieren erhöht ist

z GN:
5 Behandlung nur nach exakter Dia- 49.1 Spezielle Formen
gnosestellung mittels Nierenbiopsie
5 Ausnahme: bei klinisch-anamnes- Multiples Myelom und Niere
tisch eindeutigem Vorliegen einer
postinfektiösen GN kann evtl. z Cast Nephropathie (Myelomniere):
zunächst von einer Biopsie abgese- durch Ausfällung von Leichtketten
hen werden (Tamm-Horsfall Proteinen) bis zur
z Interstitielle Nephritis: Absetzen des Entwicklung eines akuten Nierenver-
auslösenden Agens, Behandlung der sagens
Grunderkrankung z Light chain deposition disease: Ab-
z Rhabdomyolyse: lagerung von Leichtketten an der
5 initial: Flüssigkeitssubstitution Basalmembran mit nephrotischem
(1,5 l NaCl 0,9 %/h), bis Diurese Syndrom und progredienter Nierenin-
etwa 300 ml/h beträgt suffizienz
5 anschließend: 0,45%iges NaCl plus z AL-Amyloidose
10 g Mannitol in 40 mmol NaHCO3 z Tubuläre Dysfunktionen
480 Kapitel 49 · Akutes Nierenversagen (ANV)

z Hyperkalzämie
z Hyperviskositätssyndrom (bei sehr Risikofaktoren für eine CIN
hohem Paraproteinlevel) z Ausgeprägte Multimorbidität
z Plasmazellinfiltration der Niere z Chronische Niereninsuffizienz (Serumkre-
z Uratnephropathie atininspiegel: >1,5 mg/dl)
z Tumorlysesyndrom mit Hyperphos- z Diabetes mellitus
phatämie (>2,56 mmol/l), Hyperuri- z Hypo-/Hypertonie
kämie (>15-20mg/dl), Hypokalzämie, z Alter von >75 Jahren
Hyperkaliämie, Harnsäurekristalle im z Herzinsuffizienz mit eingeschränkter
Urinsediment, fraktionelle Harnsäu- Pumpfunktion
reexkretion > 1 (normal:0,6-0,75) und z Kardiogener Schock
akutem Nierenversagen z Anämie
z Prädisposition für Pyelonephritiden z Begleitmedikation (z. B. Diuretika, NSAR,
z Prädisposition für ANV bei Verab- Aminoglykoside, ACE-Hemmer, AT1-Anta-
reichung nephrotoxischer Substanzen gonisten)
(Cave: KM, NSAR, Aminogykoside) z Hohe KM-Menge
z Plasmozytom mit Ausscheidung von
KM-induzierte Nephropathie Leichtketten
(»contrast-induced nephropathy«, z Amyloidose
CIN)

Definition Klinik und Diagnostik


z Progrediente Nierenfunktionsein- z Kreatininspiegelanstieg innerhalb von
schränkung innerhalb von 24–48 h 24–48 h nach KM-Gabe → Kreatinin-
nach KM-Applikation (Kreatinin- spiegelbestimmung vor jeder KM-Gabe
spiegelanstieg um ≥25–50 % des Aus-
gangswerts bzw. Anstieg des Absolut- Differenzialdiagnostik
werts um 0,5–1 mg/dl oder Abfall der z Atheroembolische Ursachen: z. B.
GFR um 25–50 % des Ausgangswerts) Cholesterinembolien nach Herzka-
z Die CIN stellt die dritthäufigste Ur- theteruntersuchung, insbesondere bei
sache eines ANV bei hospitalisierten begonnener oraler Antikoagulation →
Patienten dar »blue toe« und Livedo reticularis, evtl.
Niereninfarkt
Ätiologie z Akute interstitielle Nephritis
z Veränderung der renalen Hämody- z Niereninfarkt
namik durch jodhaltige KM: kurz 5 Trias: LDH ↑, Hämaturie und
anhaltende initiale Vasodilatation und Flankenschmerzen
anschließende, länger andauernde z Cholesterinemboliesyndrom (CES)
Vasokonstriktion des Vas afferens mit 5 Ätiologie: atheroembolisch →
Veränderung der Mikrozirkulation → z. B. Cholesterinembolien nach
GFR-Abnahme Herzkatheteruntersuchung, ins-
z Toxische Wirkung von KM direkt auf besondere bei begonnener oraler
den Tubulusapparat Antikoagulation
z Viskositätszunahme durch Beein- 5 Klinik: »blue toe« und Livedo reti-
trächtigung der Rheologie cularis
49.1 · Spezielle Formen 481 49.1
5 Labordiagnostik: Anstieg der ximaler Kreatininspiegelanstieg nach
Retentionswerte, Leukozytose, etwa 3 Tagen)
Eosinophilie z Langfristig scheint eine durchge-
5 im Ggs. zum CIN treten Klinik machte CIN für die Entwicklung einer
und Laborveränderungen etwa chronischen Niereninsuffizienz zu
3–4 Tage nach dem Ereignis (z. B. prädisponieren
nach Herzkatheteruntersuchung)
auf Nephrogene systemische Fibrose
5 Perfusionsstörungen: »blue toe« nach Verabreichung gadoliniumhal-
(Zehenarterienverschluss), abdo- tiger KM
minesse Beschwerden (Mesenteri-
alischämie), Sehstörungen (Befall Definition
der Retinagefäße) z Schwere Systemerkrankung nach
5 Periphere Form: kutane Läsionen Applikation gadoliniumhaltiger KM
→ Livedo reticularis, Zehengang- (insbesondere Gadodiamid) bei nie-
rän (»blue toe«), akrale Ulzera reninsuffizienten Patienten (Stadium 4
5 Viszerale Form: Systemerkran- oder 5)
kung mit Multiorganbefall: Niere
(akutes Nierenversagen), Magen- Klinik
Darm-Trakt (Mesenterialischämie, z Initial: Hautrötung, Hautschwellung,
Pankreatitis), ZNS (TIA, Amauro- Hautfibrose und Sklerose, an den
sis fugax) Akren beginnend nach proximal vo-
ranschreitend (Beugekontrakturen)
Maßnahmen zur Prophylaxe → sklerodermieartige fibrosierende
z Verwendung niedrigosmolarer KM Hauterkrankung
z »Wässerung« vor, während und nach z Anschließend: Organmanifestation
der KM-Exposition: isotone, 0,9%ige (Herz, Lunge/Pleura, Leber, Muskel-
NaCl-Lösungen für 24 h (1 ml/ apparat, Skelett)
kg KG/h; Cave: Herzinsuffizienz)
z Gabe von N-ACC (ACC; 2-mal Maßnahmen
600 mg/Tag p. o. über 2 Tage: 1 Tag z Aktuell: keine Empfehlung einer be-
vor und am Tag der Untersuchung): stimmten Therapie
wirkt antioxidativ und unterhält eine z Mögliche Therapieoptionen: Physio-
renale Vasodilatation therapie, ggf. Nierentransplantation
z Absetzen von nephrotoxischen oder extrakorporale Photopherese
Pharmaka: Diuretika, NSAR, Ami-
noglykoside (Metformin: Gefahr der Prognose
Laktatazidose) z Letalität: etwa 30 %
z prophylaktische Hämodialyse: obsolet
> Verabreichung gadoliniumhaltiger KM
Prognose im Rahmen einer MRT bei einer GFR von
z Passagere Dialysepflichtigkeit in <30 ml/min/1,73m2 KOF nur bei lebens-
1–7 % der Fälle wichtiger Indikation
z Meist Rückgang der erhöhten Krea-
tininwerte nach einigen Tagen (ma-
482 Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz

> Chronische
Niereninsuffizienz
G. Michels, N. Andriopoulos, M. Pollok

Definition Verlauf
z Irreversibler Verlust der Nieren- Versagen der exkretorischen Nieren-
funktion, unabhängig von der funktion mit Störungen des Wasser-,
zugrunde liegenden Ursache, mit Elektrolyt- und Säuren-Basen-Haushalts
entweder stabilem Verlauf oder z Natrium- und Wasserretention →
Progress bis hin zur terminalen Hypertonie, Ödeme (meist erst im
Niereninsuffizienz späteren Stadium)
z Nierenschaden während ≥3 Mo- z Hyperurikämie → sekundäre Gicht
naten mit oder ohne Funktions- z Gestörte tubuläre Kaliumsekretion →
einschränkung (GFR-Abnahme); ggf. Hyperkaliämie
manifestiert sich durch strukturelle z Retention von Urämietoxinen mit toxi-
Veränderungen (Histopathologie) schen Organschäden → Neuropathie,
oder Marker des Nierenschadens Enzephalopathie, Perikarditis, Hämo-
(Proteinurie, Albuminurie, Hämatu- lyse, Thrombozytenfunktionsstörung
rie, sonographische Veränderungen) z Hyperphosphatämie: erhöhtes
und/oder eine GFR von <60 ml/ Kalzium-Phosphat-Produkt mit Hy-
min/1,73 m2 KOF während ≥3 Mo- pokalzämie und sekundärem Hyper-
naten mit oder ohne Nachweis eines parathyreoidismus → renale Osteopa-
Nierenschadens thie, extraossäre/vaskuläre Kalzifika-
tion, Anstieg des Parathormonspiegels
Ätiologie (auch um die exkretorische Funktion
z Diabetische Nephropathie (etwa der Restnephrone zu erhöhen), u. a.
30–35 %) urämische Enzephalopathie, Kardio-
z Vaskuläre Nephropathien (ungefähr myopathie und Neuropathie – Para-
20–25 %) thormon als Urämietoxin
z Glomerulonephritiden/Glomerulo- z Entwicklung von Schrumpfnieren:
pathien (etwa 10–15 %) auslösende Noxen → GFR-Abnahme
z Interstitielle Nephritiden (ungefähr → Zunahme der Proteinurie → An-
5–10 %) stieg der tubulären Re-Absorption
z Unbekannte Ursachen (etwa 10 %) → Einbau von Eiweiß in die Zellen
z Kongenitale Nierenerkrankungen, → Entzündungsreaktion durch Ak-
z. B. polyzystische Nephropathien tivierung des Komplementsystems
(ungefähr 5 %) (C3) mit Fibroblastenanregung →
z Systemerkrankungen (etwa 5 %) verstärkte Fibrogenese
Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz 483 50
Störungen der inkretorischen z Vaskulär: Hypertonie durch Was-
Nierenfunktion mit hormonellen ser- und Salzretention sowie RAAS-
Adaptationsvorgängen Aktivierung, Gefäßkalzifikationen
z Vitamin-D-Mangel (renale 1-Hydro- z Hämatologisch/laborchemisch: nor-
xylase) → renale Osteopathie, sekun- mochrome Anämie (Urämiegifte,
därer Hyperparathyreoidismus EPO-Mangel, verkürzte Erythrozyten-
z Verminderte EPO-Synthese → renale lebensdauer), urämische Dyslipopro-
Anämie teinämie, urämische Blutungsneigung
z Gestörte Reninproduktion → sekun- (Thrombozytenfunktionsstörung,
däre Hypertonie (hoher Reninspiegel) Thrombozytopenie)
oder Hyperkaliämie (niedriger Renin- z Ossär: renale Osteopathie
spiegel) z Immunsystem: Immunsuppression
z Inadäquates Ansprechen der distalen (Funktionsstörung der weißen Zell-
Tubuli/Sammelrohre auf ADH → Po- reihe)
lyurie, renaler Diabetes insipidus z Elektrolythaushalt: Hyperkaliämie,
Hyperphosphatämie, Hyponatriämie
> Kardiovaskuläre Erkrankungen wie (Verdünnungseffekt)
KHK oder Bluthochdruck sind Hauptur- z Säure-Basen-Haushalt: metabolische
sache der Morbidität und Mortalität von Azidose (verminderte Säureexkreti-
Patienten mit chronischer Niereninsuf- onskapazität)
fizienz.
Diagnostik
Klinik z ⊡ Tab. 50.1
z Gastrointestinal: urämischer Fötor z Anamnese und körperliche Unter-
durch Abbau von Harnstoff und suchung
Ammoniak im Speichel (u. a. mit z Labordiagnostik: Retentions- und
Geschmacksstörungen assoziiert), Elektrolytwerte, BGA (pH-Wert, Bi-
autonome Gastroparese, urämische karbonatkonzentration, Basenexzess,
Magenblutung, Kolonulzera pCO2), HbA1c-Wert, Eisen-, Ferritin-
z Dermatologisch: »Café-au-lait«-Farbe und Transferrinspiegel, Konzentration
der Haut (Anämie und Urochrome) des intakten Parathormons, 1,25-
mit Pruritus, Einblutungen (hämor- Dihydroxycholecalciferol-Spiegel,
rhagische Diathesen), verminderte Blutfettwerte, Urinanalyse
Schweißproduktion, Haarausfall, Käl- z Bestimmung bzw. Abschätzung der
teempfindlichkeit Kreatinin-Clearance (endogener GFR-
z Neurologisch: Konzentrationsschwä- Marker): 120 ± 25 (Männer) bzw.
che, Bewusstseinsstörungen bis Koma, 95 ± 20 ml/min/1,73 m2 KOF (Frauen)
Reflexsteigerung, periphere Poly- und z Berechnung der GFR (in ml/min/
Mononeuropathien, »Restless-legs«- 1,73 m2 KOF) nach der MDRD4-
Syndrom Formel (MDRD: Modification of
z Pulmonal: »fluid lung«, Lungenödem Diet in Renal Disease; Nachteil: keine
z Kardial: urämische Perikarditis, KHK, Anwendung der Formel bei Kindern
Klappenvitien (Aortenklappenste- oder bei Patientin über 70 Jahren so-
nose), Herzrhythmusstörungen durch wie bei sich schnell verändernder Nie-
Elektrolytentgleisungen renfunktion, extremer Körperlänge/
484 Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz

⊡ Tab. 50.1. Niereninsuffizienz

Parameter Akutes Nierenversagen Chronische Niereninsuffizienz

Kreatininspiegel ↑ ↑

Harnstoffspiegel ↑ ↑

Hb-Konzentration Normal (bis ↓) ↓

Kalziumspiegel Normal ↓

Phosphatkonzentration Normal bis ↑ ↑

AP-Aktivität Normal ↑

Nierengröße (Sonographie) Normal bis vergrößert Klein, Schrumpfniere

extremem Körpergewicht und zur Stadieneinteilung


Dosisanpassung von nephrotoxischen ⊡ Tabelle 50.2 u. ⊡ Abb. 50.1
Substanzen bei instabiler Nierenfunk-
tion, d. h. bei ANV): Therapie
GFR = 186,3 × Serumkreatinin–1,154 × > Entscheidend für die Prognose des
Alter–0,203 × 0,742 (nur bei Frauen) Patienten mit chronischer Niereninsuffi-
z Berechnung der Kreatinin-Clearance zienz ist die rechtzeitige nephrologische
(in ml/min) nach der Cockcroft- Anbindung.
Gault-Formel:
Verhinderung einer Progression zur
Frauen: GFR [ml/min] = terminalen Niereninsuffizienz
0,85 ×
(140 – Alter) × Körpergewicht [kg] z Proteinurie verringern:
72 × Serumkreatinin [mg/dl] 5 Ziel: Proteinurie von <1 g/Tag
5 Gabe von ACE-Hemmern und/
Männer: GFR [ml/min] = oder AT1-Antagonisten → können
(140 – Alter) × Körpergewicht [kg] auch bei fortgeschrittener Nieren-
72 × Serumkreatinin [mg/dl] insuffizienz eingesetzt werden
z Sorgfältige Kaliumspiegelkontrolle
z Alternativer endogener GFR-Marker: (Werte bis 5,5 mmol/l können to-
Cystatin-C-Konzentration im Serum leriert werden); nötigenfalls durch
z Nierensonographie: Strukturbeschrei- Schleifendiuretika, kaliumarme Kost
bung und Größenbestimmung und Kationenaustauscherharze gegen-
z Röntgenuntersuchung des Thorax: steuern
pulmonal-venöse Stauung, Zeichen z Kreatininspiegelanstieg unter ACE-
eines Lungenödems? Hemmer-/AT1-Antagonisten-The-
z Echokardiographie: Hypertrophie, rapie wird bis zu etwa 30 % bewusst
Vitien, Perikarditis? toleriert; der Patient soll auf die
z Nierenbiopsie: keine Indikation bei höchste tolerierbare Dosis auftitriert
fortgeschrittener Niereninsuffizienz werden
Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz 485 50
⊡ Tab. 50.2. Stadien der chronischen Niereninsuffizienz (»Chronic-kidney-disease«- bzw.
CKD-Klassifikation)

CKD- Bezeichnung GFR Maßnahmen


Stadium [ml/min/1,73 m2
KOF]

1 Nierenschädigung ≥90 Diagnostik und Progressions-


bei normaler Nieren- verzögerung, optimales
funktion Risikofaktorenmanagement
(z. B. Mikroalbuminurie)

2 Nierenschädigung 60–89 Progressionsabschätzung und


mit milder Funktions- -verzögerung
einschränkung

3 Moderate Nieren- 30–59 Zusätzlich Diagnostik und


insuffizienz Therapie der Komplikationen
(v. a. kardiovaskulär), Dosisan-
passung von Medikamenten →
Anbindung an Nephrologie

4 Schwere Nieren- 15–29 Vorbereitung einer


insuffizienz Nierenersatztherapie

5 Terminale Niereninsuf- <15 Einleitung einer Nierenersatz-


fizienz, Nierenversagen therapie

Stadium 5
8 Stadium 4
Stadium 3
Serumkreatininspiegel [mg/dl]

7 Stadium 2
6 Stadium 1

5
4
3
2
⊡ Abb. 50.1. Korrelation
1
zwischen Serumkrea-
0 tininspiegel und GFR in
0 20 40 60 80 100 120 140 160 Abhängigkeit vom CKD-
GFR [ml/min] Stadium der chroni-
Serumkreatinin- Serumkreatininspiegel insensitiv schen Niereninsuffizienz
spiegel sensitiv
(⊡ Tab. 50.2)
486 Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz

Optimale Blutdruckkontrolle Metabolische Azidose


z Proteinurie von <1 g/Tag → Blutdruck z Meist ab CKD-Stadium 3
von <130/85 mmHg z Ziel: Bikarbonatwert von etwa
z Proteinurie von >1 g/Tag → Blut- 22 mmol/l
druck von <125/75 mmHg z Substanz: Natriumbikarbonat, z. B.
z Bei Vorhandensein von Ödemen: BicaNorm (3-mal 1 Tbl./Tag)
Salzrestriktion von <6 g/Tag
Renale Anämie
Bilanzierung z Normozytäre, normochrome Anämie
z Bei Überwässerung: Einsatz von z Ab CKD-Stadium 3
Schleifendiuretika (z. B. Furosemid, z Labordiagnostik: Hb-Wert, MCV,
bis zu 2 g/Tag; Torasemid, bis zu MCH, Ferritin-, Transferrin- und
400 mg/Tag), evtl. in Kombination Eisenspiegel, Transferrinsättigung,
mit Hydrochlorothiazid (bis 50 mg/ Vitamin-B12- und Folsäurekonzent-
Tag) zur sequenziellen Nephron- ration, Differenzialblutbild, Retiku-
blockade lozytenzahl, Haptoglobin-, LDH-,
z In Stadien 1–3 Flüssigkeitszufuhr auf Bilirubin-, Albumin- und Parathor-
<3 l/Tag beschränken, ab Stadium 4 monspiegel
je nach Überwässerungszustand und
Vorhandensein einer Herzinsuffizienz > Die Bestimmung des EPO-Spiegels ist
weitere Beschränkung auf etwa 1 l/ unerheblich.
Tag; tägliche Gewichtskontrolle > Der Hb-Zielwert für den niereninsuffi-

zienten Patienten liegt bei 11–12 g/dl.


Kontrolle weiterer Faktoren > Vor Beginn einer Therapie mit EPO

z Optimale Einstellung des Blutzucker- sollten andere Anämieursachen ausge-


spiegels (HbA1c-Wert: <7 %) schlossen werden (z. B. mittels Haemoc-
z Optimale Einstellung der Blutfett- cult-Test oder Koloskopie).
werte (LDL-Spiegel: <100 mg/dl)
z Kontrolle des Kalzium-Phosphat- z Eisensubstitution vor EPO-Gabe:
Haushalts 5 bei fortgeschrittener Niereninsuf-
z Gewichtsreduktion, körperliche Akti- fizienz besteht meist gleichzeitig
vität ein Eisenmangel
z Nikotinkarenz 5 Hämoglobin enthält Eisen, da-
z Meidung jeglicher Art von Exposition her sollte vor der Anregung der
gegenüber nephrotoxischer Substan- Erythropoese durch EPO ein
zen (NSAR, KM etc.) suffizienter Eisenhaushalt wieder-
hergestellt werden
Eiweißreduktion 5 Zielwerte für den Eisenhaushalt:
z Klinische Studien hinsichtlich der Ver- z Transferrinsättigung: >20 %
ringerung einer GFR-Abnahme durch (wichtigster Parameter) z Fer-
Eiweißreduktion sind uneindeutig ritinspiegel: >100 ng/dl bei chroni-
z Sinnvoll scheint eine Reduktion auf scher Niereninsuffizienz, >200 ng/
0,8–1 g/kg KG/Tag; eine Mangeler- dl bei Hämodialysepatienten; eine
nährung muss dabei aber unbedingt Anhebung auf >500 mg/dl soll
vermieden werden nicht erfolgen
Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz 487 50
5 Eisensubstitution: bei urämischen eingestellter sekundärer Hyperpa-
Patienten sollte Eisen bevorzugt rathyreoidismus, Vitaminmangel,
i. v. gegeben werden, da es unter Aluminiumtoxizität bei alumi-
Urämiebedingungen schlecht re- niumhaltigen Phosphatbindern,
sorbiert wird Hämolyse, hämatologische Erkran-
5 Vorgehen: z Ferritinspiegel von kungen (»pure red cell aplasia«),
<100 ng/dl: Aufsättigung mit Fe-III, Medikamente wie z. B. ACE-Hem-
z. B. 10 Amp. (1 Amp. Ferrlecit = mer, EPO-Antikörper-Bildung
62,5 mg Eisenglukonat), dann Er- 5 keine Gabe von Erythrozytenkon-
haltungstherapie mit 1–3 Amp. Fe- zentraten bei Patienten, die für
III/Woche z Ferritinspiegel von eine Nierentransplantation gelistet
<200 ng/dl: Aufsättigung mit sind (Immunisierung); Ausnah-
5 Amp. Fe-III, dann Erhaltungsthe- men: stattgehabte Blutungen mit
rapie mit 1 Amp. Fe-III/Woche relevantem Hb-Wert-Abfall, sym-
5 Kontrolle des Eisenstatus: zu ptomatische Anämie, begleitende
Beginn der Therapie alle 2–4 Wo- Risikofaktoren wie KHK
chen, dann alle 1–3 Monate
z EPO-Substitution: Kalzium-Phosphat-Haushalt und
5 Applikation: s. c. oder i. v. sekundärer Hyperparathyreoidismus
5 kurz wirksame EPO-Präparate: z. B. z 4 Parameter zur Überwachung des
Epoetin alfa (z. B. Erypo), Epoetin Kalzium-Phosphat-Haushalts bzw. ei-
beta (z. B. NeoRecormon), jeweils nes sekundären Hyperparathyreoidis-
3-mal 20–40 IE/kg KG/Woche mus (⊡ Tab. 50.3): Serumphosphatkon-
5 mittelfristig wirksame EPO-Prä- zentration, korrigierter Kalziumwert,
parate: z. B. Darbepoetin alfa (z. B. Spiegel des intakten Parathormons,
Aranesp), 1-mal 0,45 μg/kg KG/ und 1,25-Dihydroxycholecalciferol-
Woche Konzentration
5 lang wirksame EPO-Präparate: z Komplikationen eines schlecht einge-
»continuous erythropoetin recep- stellten sekundären Hyperparathyreo-
tor activator« wie Methoxy-Poly- idismus bzw. Kalzium-Phophat-Haus-
ethylenglykol-Epoetin beta (z. B. halts betreffen vorwiegend Knochen
Mircera), 1-mal/Monat (renale Osteopathie in unterschliedli-
5 bei Dosisänderung: Hb-Wert- chen Formen) und Gefäße (Kalzifika-
Kontrolle alle 2–4 Wochen tionen)
5 Ziel: Anstieg des Hb-Wertes um z Der sekundäre Hyperparathyreo-
1–2 g/dl/Monat idismus wird unterhalten durch:
5 bei Hb-Werten von >13 mg/dl: Hypokalzämie, Mangel an aktivem
EPO nicht komplett absetzen, Vitamin D3, Hyperphosphatämie
lediglich Dosisreduktion z Diät: maximale Phosphatzufuhr von
5 Ursachen für mangelhaftes Thera- 800–1000 mg/Tag, Zufuhr von elemen-
pieansprechen: Eisenmangel, ent- tarem Kalzium (max. 1500 mg/Tag)
zündliche Erkrankungen, schlechte z Behandlung der Hyperphosphatämie
Dialysequalität (Urämietoxine mit Phosphatbindern:
hemmen die Blutbildung), chro- 5 kalziumhaltige Phosphatbinder:
nischer Blutverlust, insuffizient z sollten in der Phase sehr hoher
488 Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz

Phosphatwerte vermieden werden, z Suppression der Nebenschilddrüsen


da Erhöhung des Ca2+–PO43– Pro- nach initialer Stabilisierung des Phos-
duktes z Cave: Hyperkalzämie phathaushalts:
5 Aluminiumhydroxid (z. B. Alu- 5 Vitamin-D3-Präparate: z z. B. Cal-
drox): z bis zu 3-mal 1–3 Tbl./ citriol (z. B. Rocaltrol), 0,25–0,5 μg/
Tag z jeweils etwa 15 min vor Tag oder jeden 2. Tag; Cave: Hyper-
den Mahlzeiten z Cave: Alu- kalzämie, gesteigerte Phosphatre-
miniumintoxikation (Knochen, sorption aus dem Darm z synthe-
Gehirn) → über max. 3 Monate tisches Vitamin-D-Analogon
verabreichen Paricalcitol (z. B. Zemplar) scheint
5 Lanthanumcarbonat (z. B. Fosre- selektiv auf die Nebenschilddrüse
nol): z z. B. 3-mal 750 mg/Tag zu wirken und zeigt kein gehäuftes
(Kautabletten) zu den Mahlzeiten Auftreten von Hyperkalzämien;
z nahezu äquipotent zu Alumi- sehr hohe Therapiekosten
niumhydroxid z bislang keine 5 Kalzimimetikum Cinacalcet (Mim-
Toxizität bekannt z vorwiegend para): z wirkt auf den Kalzium-
gastrointestinale Nebenwirkungen Sensing-Rezeptor der Neben-
z teuer schilddrüsen und führt so zu einer
5 Sevelamer (z. B. Renagel): z z. B. selektiven Hemmung z initial
3-mal 1 Tbl./Tag z weniger 30 mg/Tag, dann Steigerung auf bis
potent als die anderen Phosphat- zu 180 mg/Tag z hohe Kosten
binder z häufig gastrointestinale 5 Ultima Ratio: Parathyreoidektomie
Nebenwirkungen z senkt u. a. bei unkontrollierbarem sekun-
den LDL-Cholesterin-Wert dären Hyperparathyreoidismus
5 nach initialer Phosphatspie- bzw. unkontrollierbaren Störungen
gelsenkung und v. a. bei Hypo- des Kalzium-Phosphat-Haushalts,
kalzämie können kalziumhaltige therapieresistentem Pruritus,
Phosphatbinder eingesetzt wer- therapieresistenter Myopathie,
den: z. B. Kalziumazetat, 3-mal schweren extraossären Kalzifikati-
500 mg/Tag (3-mal 1–3 Tbl.) zu onen, schwerer »High-turnover«-
den Mahlzeiten Osteopathie, Kalziphylaxie

⊡ Tab. 50.3. Zielwerte für den Kalzium-Phosphat-Haushalt

CKD- Spiegel des Korrigierte Serum- Kalzium-


Stadium intakten Kalzium- phosphat- Phosphat-
Parathormons konzentration spiegel Produkt
[pmol/l] [mmol/l] [mmol/l] [mmol2/l2]

3 35–70 2,1-2,37 0,87-1,49 < 55

4 70–110 2,1-2,37 0,87-1,49 < 55

5 150–300 2,1-2,37 1,13-1,78 < 55


Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz 489 50
Hyperkaliämie kontrollierbare Volumenüberladung
z Allgemein: der chronisch niereninsuf- (Lungenödem), Urämiesymptome
fiziente Patient toleriert oft erstaun- (Perikarditis, Enzephalopathie, urämi-
lich hohe Kaliumwerte, ohne dabei sche Blutungen, Übelkeit, Erbrechen),
symptomatisch zu sein, dennoch sind Entgleisungen des Elektrolyt- und
Kaliumspiegelkontrollen erforderlich, Säure-Basen-Haushalts
insbesondere bei Behandlung mit z Die Listung des Patienten zur
Medikamenten, die sich auf den Kali- Nierentransplantation soll, sofern
umhaushalt auswirken keine Kontraindikationen bestehen,
z Maßnahmen: erfolgen; eine präemptive (d. h. vor
5 kaliumarme Kost Eintritt der Dialysepflichtigkeit
5 Verabreichung von Austauscher- durchgeführte) Nierentransplanta-
harzen, z. B. Kalzium-Polystyrol- tion kann bei Vorhandensein eines
Sulfonat-Pulver (CPS), 3-mal Lebendspenders bei manchen Patien-
1 Beutel/Tag ten sinnvoll sein

Vorbereitung des Patienten auf Peritonealdialyse


die Behandlung der terminalen z Besonders geeignet für Patienten mit
Niereninsuffizienz guter Restausscheidung, z. B. 1 l Ei-
genausscheidung/Tag
Nierenersatztherapie/Dialyseverfahren z Geringere Volumenschwankungen
mit geringerer Alteration der renalen
z Hämodialyse: besonders um Kalium
Perfusion als bei der Hämodialyse →
und Harnstoff zu eliminieren (über eine
Restnierenfunktion kann länger erhal-
semipermeable Membran)
ten werden
z Hämofiltration: Filtrationsvorgänge im
z Vorteil: Behandlung kann kurzfristig
Glomerulum werden hier nachgeahmt;
nach Anlage eines Peritonealdialyse-
dem Blut wird ein Ultrafiltrat entzogen
katheters (z. B. Tenckhoff-Katheter)
und dieses durch eine Substitutionslö-
begonnen werden, evtl. schon ab einer
sung ersetzt
GFR von 15–20 ml/min (z. B. bei dia-
z Hamödiafiltration: Kombination aus
betischer Nephropathie)
Hämodialyse und Hämofiltration
z Nachteil: nur bei kooperativen Pati-
z Hämoperfusion: Blut wird über Aktivkohle
enten möglich (Patient muss Umgang
oder Kunstharz geleitet (bei Intoxikatio-
mit den nötigen Utensilien beherr-
nen mit adsorbierbaren Giften, z. B. Knol-
schen/erlernen, nicht für adipöse
lenblätterpilztoxin, Digoxin)
Patienten geeignet)
z Plasmapherese: Elimination hochmoleku-
larer Immunkomplexe
Hämodialyse
z Peritonealdialyse: Peritoneum als semi-
z Frühzeitige Schonung der Armvenen
permeable Membran, besonders in der
für eine eventuelle Shuntanlage →
Pädiatrie
Blutentnahmen/Venenverweilkanülen
nach Möglichkeit nur am Handrücken
z Indikationen zur Nierenersatzthe- durchführen/anlegen
rapie: CKD-Stadium 5, unkontrol- z ZVK/Shaldon-Katheter nicht in
lierbarer arterieller Hypertonus, un- V. subclavia legen, da hier ein hohes
490 Kapitel 50 · Chronische Niereninsuffizienz

Risiko für Stenosen besteht und die


betreffende Seite evtl. für eine Shunt-
anlage ungeeignet wird
z Rechtzeitige Anlage eines Hämodialy-
sezugangs: native arteriovenöse Fistel,
Polytetrafluorethyleninterponat oder
– zeitlich begrenzt (etwa 1 Jahr) – s. c.
getunnelter Vorhofkatheter (Demers-
Katheter)
z Shunts benötigen durchschnittlich
etwa 2 Monate bis zur Ausreifung
und Benutzbarkeit, Vorhofkatheter
können unmittelbar nach Anlage ver-
wendet werden

> Eine notfallmäßige Dialyseeinleitung


sollte unbedingt vermieden werden
(starke Urämiesymptome, Hyperkaliä-
mie, schwere metabolische Azidosen,
entgleister Kalzium-Phosphat-Haushalt,
starke Volumenüberladung).
Kapitel 51 · Diabetische Nephropathie 491 51

> Diabetische Nephropathie


G. Michels, N. Andriopoulos

Definition Risikofaktoren für die Entwicklung einer


z Diabetes mellitus plus persistierende diabetischen Nephropathie
Mikroalbuminurie von >20–30 mg/ z Genetische Prädisposition
Tag bei 2 unterschiedlichen Messun- z Glomeruläre Hyperfiltration
gen innerhalb von 3–6 Monaten oder z Arterielle Hypertonie
Proteinurie von >500 mg/Tag (nor- z Lange Dauer des Diabetes mellitus
mal: <150 mg/Tag) z Hyperglykämie
z Frühphase der diabetischen Nephro- z Hypercholesterinämie
pathie: Hyperglykämie führt zur Dila- z Rauchen
tation des Vas afferens mit Erhöhung
des intraglomerulären Drucks und
Nephro-/Urologische Manifestationen
konsekutiver Hyperfiltration sowie
bei Diabetes mellitus
Bildung von »advanced glycation end
products« (AGE), d. h. irreversible Bin- z Diabetische Nephropathie
dung von Glukose an zelluläre Proteine z Neurogene Blasenentleerungsstörungen
z Spätphase der diabetischen Neph- z Rekurrierende Harnwegsinfekte
ropathie: mesangiale Expansion, z Papillennekrose
Verdickung der Basalmembran und z Hohes Risiko für KM-induzierte Nephro-
Glomerulosklerose (noduläre Verän- pathie
derungen Typ Kimmelstiel-Wilson) z Hyporeninämischer Hypoaldosteronismus
(renal-tubuläre Azidose Typ IV)
> Das Fehlen einer Mikroalbuminurie/
Proteinurie schließt die diabetische
Nephropathie als Ursache einer chro- Stadieneinteilung
nischen Niereninsuffizienz praktisch aus. ⊡ Tabelle 51.1
Die Screening-Untersuchung der Wahl
zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Diagnostik
diabetischen Nephropathie ist daher die z Anamnese und körperliche Unter-
Bestimmung der Albuminausscheidung. suchung
z Kontrolluntersuchungen:
Epidemiologie 5 Typ-2-Diabetiker: ab dem Zeit-
z Häufigste Ursache für ein terminales punkt der Diagnosestellung jährli-
Nierenversagen che Urinuntersuchung
z Etwa 30–35 % aller Dialysepatienten 5 Typ-1-Diabetiker: ab dem 5. Jahr
sind Diabetiker nach Diagnosestellung sowie bei
492 Kapitel 51 · Diabetische Nephropathie

⊡ Tab. 51.1. Stadien der diabetischen Nephropathie

Stadium Albuminaus- Kreatinin- Bemerkungen


scheidung Clearance
[mg/l] [ml/min]

Ia: Nierenschädigung mit 20–200 <90 Serumkreatininspiegel noch


normaler Nierenfunktion im Normbereich,
mit Mikroalbuminurie beginnende Hypertonie,
Dyslipoproteinämie,
Ib: Nierenschädigung mit >200 <90 Progression einer KHK
normaler Nierenfunktion
mit Makroalbuminurie

II: Nierenschädigung mit >200 60–89 Anstieg des Serumkreatinin-


leichtgradiger Nieren- spiegels, Entwicklung einer
insuffizienz arteriellen Hypertonie, KHK-
und AVK-Progression,
III: Nierenschädigung mit Abnehmend 30–59 Anämieentwicklung,
mäßiggradiger Einschrän- Störung des Knochenstoff-
kung der Nierenfunktion wechsels

IV: Nierenschädigung mit Abnehmend 15–29


hochgradiger Einschrän-
kung der Nierenfunktion

V: Nierenschädigung mit Abnehmend <15


terminaler Einschränkung
der Nierenfunktion

Kindern und Jugendlichen mit 5 Lipidstatus: Gesamt-, HDL- und


Einsetzen der Pubertät LDL-Cholesterin-Konzentration,
5 jährliches Screening auf Mikroal- Triglyzeridspiegel
buminurie: z Schnelltest (spezi- z Urinanalyse
elle Teststreifen) z Urinalbumin/
Urinkreatinin-Ratio im Sponta-
nurin Albuminurie (>30 mg/Tag, 24-h-
z Labordiagnostik: Sammelurin)
5 Retentionswerte z Hinweis auf diabetische Nephropathie
5 Elektrolyte: häufig Ausbildung z Unterscheidung:
eines hyporeninämischen Hypoal- 5 Mikroalbuminurie: 30–300 mg/Tag
dosteronismus 5 Makroalbuminurie: >300 mg/Tag
5 Blutglukosespiegel und HbA1c- z Ursachen:
Wert 5 Diabetes mellitus
5 Blutbild (eine renale Anämie tritt 5 Fieber
häufig früher auf) 5 Herzinsuffizienz
5 Harnwegs-/systemische Infekte
Kapitel 51 · Diabetische Nephropathie 493 51
5 schlecht eingestellte arterielle Hyper- Therapie
tonie Prävention und Therapie
5 Adipositas z Interdisziplinäre Therapie: insbeson-
5 Rauchen dere Endokrinologie, Kardiologie und
5 andere Nierenerkrankungen mit Nephrologie
Proteinurie z Normotensive Diabetiker mit persis-
5 starke körperliche Anstrengung und tierend erhöhter Albuminausschei-
langes Stehen dung:
z Diagnostik: 5 ACE-Hemmer
5 24-h-Sammelurin (Goldstandard): häu- 5 bei Unverträglichkeit:
fig jedoch Sammelfehler → befristete AT1-Hemmer
Sammelperiode (z. B. 6 h) ausreichend z Hypertensive Diabetiker: Blutdruck-
5 alternativ: Bestimmung der Albumi- einstellung:
nausscheidung im morgendlichen 5 Typ-1-Diabetiker: ACE-
Spontanurin Hemmer, bei Unverträglichkeit
5 Normwerte: z 24-h-Sammelurin: AT1-Hemmer, ggf. in Kombina-
<30 mg/Tag z Morgen- oder 6-h- tion bzw. in Kombination mit
Sammelurin: Albuminausscheidungs- Diuretika und/oder anderen
rate von <20 μg/min bzw. <20–30 mg/ Substanzen
Tag (Grenzwerte der Albumin- 5 Typ-2-Diabetiker: AT1-Hemmer
konzentration: 20–200 μg/mg/l) oder ACE-Hemmer, allein oder in
5 Bestätigung durch 2. Untersuchung Kombination bzw. in Kombination
im Abstand von 2–4 Wochen mit Diuretika und/oder anderen
z Cave: Eine Mikroalbuminurie kann nicht Substanzen
mit einem einfachen Urinteststreifen 5 Gegebenenfalls Aliskiren (direkter
erfasst werden. Mit speziellen Teststreifen Reninantagonist) plus AT1-Hem-
(Micral-Test) ist ein semiquantitativer mer (AVOID-Studie)
Nachweis einer erhöhten Albuminkon- 5 Zielblutdruck: z ohne Albumin-
zentration im Urin aber möglich. Bei urie: <130/85 mmHg z mit Albu-
positivem Befund sollte allerdings eine minurie: <125/75 mmHg
Bestimmung mit validierten Labormetho- z Blutzuckereinstellung:
den aus Sammelurin erfolgen. 5 HbA1c-Zielwert: <7 %
5 aufgrund der Limitierung oraler
Antidiabetika frühzeitiger Start
z Blutdruckmessung: ggf. Langzeitblut- einer Insulintherapie
druckmessung z Weitere Zielwerte:
z Nierensonographie: häufig typisch 5 Proteinurie: <0,5 g/Tag
große Nieren bei mäßiger Funktions- 5 Lipidstatus:
einschränkung z LDL-Wert: <100 mg/dl
z Fundoskopie: z Triglyzeridspiegel: <150 mg/dl
5 Retinopathie korreliert mit nodu-
lärer Glomerulosklerose Weitere Maßnahmen
5 Patienten ohne Retinopathie z Thrombozytenaggregationshemmung:
haben meist nur mesangiale/ ASS (100 mg/Tag)
GBM-Verbreiterung z Nikotinkarenz
494 Kapitel 51 · Diabetische Nephropathie

z Meiden von Nephrotoxinen, insbe-


sondere KM

Maßnahmen bei fortgeschrittener


Niereninsuffizienz
z Frühzeitige Planung einer Nieren-
ersatztherapie
z Frühzeitig an eine Listung zur Nieren-
transplantation denken

Prognose
z Im Stadium der Mikroalbuminurie:
bei optimaler Therapie noch reversi-
bel
z Ab dem Stadium der Makroalbumi-
nurie: hier lässt sich die Verschlech-
terung der Nierenfunktion nur noch
verlangsamen; irreversible Schädigung
z Die Prognose wird hauptsächlich
durch kardiovaskuläre Komplikatio-
nen bestimmt
z 5-Jahres-Überlebensrate bei diabeti-
scher Nephropathie und terminaler
Niereninsuffizienz:
5 unter Dialyse: etwa 30 %
5 nach Nierentransplantation: >45 %
5 nach Nieren-Pankreas-Transplan-
tation (Typ-1-Diabetiker): >70 %
52.1 · Angeborene tubuläre Erkrankungen 495 52.1

> Angeborene Erkrankungen


des Tubulusapparats und
der Glomeruli
G. Michels, N. Andriopoulos, M. Pollok

52.1 Angeborene tubuläre Erkrankungen

⊡ Tabelle 52.1

⊡ Tab. 52.1. Primäre Salzverlustnephropathien

Betroffenes Nephron- Primäre Salzverlust- Vererbungsmodus


segment nephropathie

Proximaler Tubulusanteil Fanconi-Syndrom mit oder Autosomal-dominant


ohne Niereninsuffizienz

Dicker aufsteigender Teil der Bartter-Syndrome I–V Autosomal-rezessiv


Henle-Schleife (Ausnahme: Typ V)

Distaler Tubulusanteil Gitelman-Syndrom Autosomal-rezessiv

Kortikales Sammelrohr Pseudohypoaldostero- Autosomal-dominant/


nismus -rezessiv

Bartter Syndrome

⊡ Tabelle 52.2

⊡ Tab. 52.2. Bartter-Syndrome

Typ Chromosom/ Genprodukt Erbgang Hauptmerkmale


Gen

I 15q15-21/ NKCC2 Autosomal- Nephrokalzinose, Frühgeburt


SLC12A1 (Na+-K+-2-Cl–- rezessiv
Ko-Transporter)

II 11q24-25/ ROMK1 Autosomal- Nephrokalzinose, Frühgeburt


KCNJ1 (KATP-Kanal) rezessiv

496 Kapitel 52 · Angeborene Erkrankungen des Tubulusapparats und der Glomeruli

⊡ Tab. 52.2. Fortsetzung

Typ Chromosom/ Genprodukt Erbgang Hauptmerkmale


Gen

III 1p36/CLCNKB hClC-Kb Autosomal- Keine Nephrokalzinose, in der


(Cl–-Kanal) rezessiv Regel termingerechte Geburt

IV 1p31-32/BSND BART (Barttin- Autosomal- Keine Nephrokalzinose, Früh-


Protein) rezessiv geburt, Schwerhörigkeit

V 3q13-21/CASR FHH/CaSR Autosomal- Hypokalzämie, Parathormon-


(Kalzium-Sen- dominant spiegel erniedrigt
sing-Rezeptor)

Familiärer Phosphatdiabetes Diabetes renalis

z Definition: hypophosphatämische, z Definition: reduzierte Ausstattung der


Vitamin-D-resistente Rachitis Tubuluszellen mit Glukose-Carriern
z Vererbungsmodus: X-chromosomal- z Einteilung:
dominant 5 Typ A: verminderte Zahl von Glu-
z Ätiologie: proximaler tubulärer koserezeptoren
Resorptionsdefekt für Phosphat → 5 Typ B: verminderte Affinität der
Hyperphosphaturie und Hypophos- Glukoserezeptoren
phatämie z Folge: gestörte Glukoserückresorption
z Klinik: Minderwuchs, Skelettdeformi- z Klinik: Glukosurie bei intakter Blut-
täten, Mineralisationsstörung zuckerhomöostase, selten Hypoglykä-
z Therapie: Substitution von Phosphat mie
(1–4 g/Tag) und Vitamin D (Calcitriol, z Therapie: nicht notwendig (kein
0,5 μg/Tag) Krankheitswert)

Diabetes insipidus renalis Hartnup-Erkrankung mit


(nephrogener Diabetes insipidus) Zystinurie

z Definition: mangelnde Wirkung von z Definition: Defekt der intestinalen


Vasopressin und tubulären Resorption von neu-
z Vererbungsmodi: tralen Aminosäuren mit Rückre-
5 X-chromosomal-rezessiv: Vaso- sorptionsstörung für Zystin, Lysin,
pressin-/ADH-Typ-2-Rezeptor- Arginin und Ornithin → Hyperami-
Defekt der Sammelrohre noazidurie
5 autosomal-rezessiv: Aquaporin-2- z Vererbungsmodus: autosomal-rezessiv
Ionenkanal der Sammelrohre z Klinik: Nephrolithiasis mit Zystinstei-
z Klinik: Polyurie, Polydipsie, Asthen- nen und rezidivierenden Harnwegs-
urie (fehlende Konzentrationsfähig- infekten
keit) z Therapie: reichlich Flüssigkeit und
z Therapie: Thiaziddiuretika Harnalkalisierung
52.1 · Angeborene tubuläre Erkrankungen 497 52.1
De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom 5 Ätiologie: meist mit Fanconi-Syn-
drom assoziiert → generalisierter
z Definition: tubuläre Funktionsstörung Defekt des proximalen Tubulus
mit Verlust von Phosphaten, Glukose mit Bikarbonaturie, Glukosurie,
und Aminosäuren sowie begleiten- Urikosurie, Phosphaturie und
dem Bikarbonatverlust mit dem Bild Aminoazidurie; isoliertes Vorkom-
einer proximalen tubulären Azidose men nur selten
z Klinik: Gedeihstörung, Minderwuchs, 5 Pathogenese: Störung der Bi-
Muskelschwäche, Polyurie, Rachitis karbonatrückresorption im
z Therapie: ggf. eiweiß- und phosphat- proximalen Tubulus → Bikarbo-
reiche Diät natverlust
5 Kennzeichen: hypokaliämisch-
Renal-tubuläre Azidosen (RTA) hyperchlorämische metabolische
Azidose, keine Osteomalazie,
z Typ I: keine Nephrokalzinose
5 distale/klassische RTA 5 Urindiagnostik: pH-Wert von >6
5 Ätiologie: sporadisches Auftreten, trotz systemischer Azidose
angeborene tubuläre Funktions- 5 Therapie: nicht notwendig (selbst-
störungen (autosomal-dominant limitierend); bei Azidoseausgleich
oder -rezessiv vererbt) oder Folge massive Hypokaliämie
sekundärer Schädigungen des z Typ IV:
distalen Tubulus (z. B. interstitielle 5 hyperkaliämische Azidose
Nephritis, Medikamente, Plasmo- 5 Ätiologie: chronische Schädigung
zytom, Schwermetalle, Nieren- des distalen Tubulusapparats (z. B.
transplantation) Diabetes mellitus, Lupusnephritis),
5 Pathogenese: Defekt der renalen medikamentös (Natriumkanalb-
H+-Ionen-Sekretion des distalen locker), Beeinflussung der Renin-
Tubulus → verminderte H+-Aus- Angiotensin-Achse (β-Blocker,
scheidung ACE-Hemmer, Spironolaktone,
5 Kennzeichen: hypokaliämisch- Amilorid, Triamteren), Natrium-
hyperchlorämische metabolische retention bei Leberzirrhose oder
Azidose, Hyperkalziurie, ossäre Herzinsuffizienz
Demineralisation, Rachitis, Neph- 5 Pathogenese: durch Aldosteron-
rolithiasis/Nephrokalzinose, Hy- mangel oder -resistenz induzierte
pokaliämie (mit Muskelschwäche) verminderte Natriumrückresorp-
5 Urindiagnostik: pH-Wert von >6 tion und H+-/K+-Sekretion des
bei gleichzeitiger Azidose im Blut, distalen Tubulus/der Sammel-
auch unter Säurebelastung (Urin- rohre
pH-Wert fällt nicht unter 6) 5 Kennzeichen: mäßige hyperkali-
5 Therapie: gleichmäßig über den ämische metabolische Azidose,
Tag verteilte Bikarbonatgaben Hyperkaliämie
(Neigung zur Dekompensation) 5 Urin-Diagnostik: pH-Wert von <6
z Typ II: 5 Therapie: kaliumarme Diät und/
5 proximale RTA, Überlaufbikarbo- oder Diuretikatherapie
naturie
498 Kapitel 52 · Angeborene Erkrankungen des Tubulusapparats und der Glomeruli

52.2 Angeborene glomeruläre z Risiko für die Entwicklung eines


Erkrankungen Goodpasture-Syndroms nach Nieren-
transplantation, da dem Organismus
Syndrom der dünnen Basalmembran neue Kollagene präsentiert werden
(benigne familiäre Hämaturie)
Morbus Fabry (Angiokeratoma
z Häufigste angeborene Glomerulo- corporis diffusum)
pathie
z Ätiologie: autosomal-dominant ver- z Ursache: X-chromosomal-rezessiv
erbt, strukturelle Kollagenveränderun- vererbt, Defekt der α-Galaktosidase A
gen der GBM (α-4/5-Kette des Kol- mit Speicherung von Ceramidtrihexo-
lagens Typ IV; Differenzialdiagnose: sid im gesamten Organismus (lysoso-
Alport-Syndrom) mit homogener male Speichererkrankung)
Verdünnung der GBM z Klinik:
z Klinik: persistierende Mikrohämaturie, 5 Hautläsionen: Angiokeratoma
evtl. minimale Proteinurie, normale corporis diffusum (Badehosenbe-
Nierenfunktion reich)
z Diagnostik: Klinik, Nierenbiopsie 5 Nervensystem: Akroparästhesien
z Therapie: keine spezifische Therapie (krisenhaft brennende Schmerzen
z Gute Prognose an Händen und Füßen), Hypohi-
drosis (verminderte Schweißpro-
Alport-Syndrom (progressive duktion)
hereditäre Nephritis) 5 Augen: Korneatrübungen, Cornea
verticillata (Differenzialdiagnose:
z Ursache: X-chromosomal (klas- amiodaroninduziert)
sische Form, 80 % der Fälle) oder 5 Herz: hypertrophe Kardiomyopa-
autosomal-dominant/-rezessiv thie, sog. Fabry-Kardiomyopathie
(nichtklassische Form) vererbte chro- 5 ZNS: TIA bis Schlaganfall (»early
nisch-progrediente Glomerulopathie stroke«)
mit Innenohrschwerhörigkeit und 5 Nieren (lipidhaltige Einschlusskör-
fakultativen Augenveränderungen perchen in glomerulären Epithel-
(Katarakt, Keratokonus) durch struk- zellen: »zebra bodies«): Nieren-
turelle Kollagenveränderungen der insuffizienz bis Nierenversagen
Basalmembranen (α-4/5-Kette des z Diagnostik:
Kollagens Typ IV) mit Aufsplitterung 5 Ceramidtrihexosidspiegel
der GBM 5 α-Galaktosidase-A-Aktivität
z Klinik: Mikro-/Makrohämaturie, Pro- 5 Lipidzylinder im Urin (»Malteser-
teinurie, Innenohrschwerhörigkeit, kreuz«)
Lenticonus anterior/posterior (Lin- 5 ophthalmologische Untersuchung
sendeformierung), »macula spots« der 5 Echokardiographie
Netzhaut 5 genetische Testung
z Diagnostik: Familienanamnese, Hoch- z Therapie: Enzymersatztherapie (Agal-
tonschwerhörigkeit, ophthalmologi- sidase)
sches Konsil, Nierenbiopsie
z Therapie: ggf. ACE-Hemmer
53.1 · Nephroblastom (Wilms-Tumor) 499 53.1

> Tumorerkrankungen
G. Michels

53.1 Nephroblastom Klinik


(Wilms-Tumor) z Palpabler Abdominaltumor (Tumor-
schwellung)
Definition z Abdominalschmerzen
z Dysontogenetischer Mischtumor aus z Appetitlosigkeit, Nausea, Erbrechen
undifferenzierten metanephrischen z Fieber
Blastenzellen z Hypertonie (Differenzialdiagnostik
z Assoziation mit: der Hypertonie beim Kind: Phäo-
5 WAGR-Syndrom (Wilms-Tumor, chromozytom, Nierenarterienstenose,
Aniridie, urogenitale Defekte, Aortenisthmusstenose)
mentale Retardation)
5 Denys-Drash-Syndrom (Wilms- Diagnostik
Tumor, urogenitale Defekte, reno- z Anamnese und körperliche Unter-
mesangiale Sklerose) suchung
5 Beckwith-Wiedemann-Syndrom z Bildgebung: Sonographie, CT des
(Wilms-Tumor, Organomegalie, Abdomens, MRT
Hypoglykämie, Umbilikalhernie, z Gegebenenfalls Urographie: Fehlen
Prädisposition für Nebennieren- der KM-Darstellung → stumme
rindenkarzinom, Hepatoblas- Niere
tom)
5 Perlmann Syndrom > Die kontralaterale Niere präoperativ
stets darstellen (Möglichkeit des Vorlie-
Epidemiologie gens einer Einzelniere)
z Vorkommen im Kindesalter
(3.–4. Lebensjahr) z Tumorbiopsie: kontraindiziert
z Vorkommen im Erwachsenenalter:
selten (junges Erwachsenenalter) Therapie
z Operation: Gefahr der Tumorruptur
Ätiologie und -aussaat
z 3 Wilms-Tumorgene: z Kinder unter 6 Monaten: Nephrekto-
5 WT1: Chromosom 11p13 (Zink- mie, ggf. präoperative Chemotherapie
fingerprotein, Transkriptionsfak- z Kinder über 6 Monaten: initiale Che-
tor) motherapie zur Tumorverkleinerung
5 WT2: Chromosom 11p15.5 z Junge Erwachsene: Einbindung in pä-
5 WT3: Chromosom 16q diatrische oder onkologische Studien
500 Kapitel 53 · Tumorerkrankungen

53.2 Nierenzellkarzinom z Bei Tumoreinbruch in die linke V. re-


(Hypernephrom, nalis oder in die V. cava: Varikozele
Grawitz-Tumor) des linken Hodens, LE, Budd-Chiari-
Syndrom
Epidemiologie z Eventuell Kolik durch abgegangene
z Inzidenz (Deutschland): Blutkoagel
6 Fälle/100.000 Einwohner/Jahr z Paraneoplastische Syndrome: Hy-
z Männer betroffen, meist älter als perkalzämie (»parathormone-related
50. Jahre → Erkrankung des höheren protein«), Hypertonie (Renin), Po-
Lebensalters lyglobulie (Erythropoetin), Stauffer-
z Bei Diagnosestellung können in etwa Syndrom (nichtmetastatische Leber-
30 % der Fälle Fernmetastasen nach- dysfunktion)
gewiesen werden z Metastasierung: primär hämatogen
nach dem Kavatyp (früher Einbruch
Ätiologie in die V. renalis → Lunge, Leber, Kno-
z Inaktivierung/Verlust eines Tumor- chen, Gehirn, Nebenniere)
suppressorgens (von-Hippel-Lindau-
Gen) → Überproduktion von Wachs- Diagnostik
tumsfaktoren wie VEGF und PDGF z Anamnese (Risikofaktoren) und
z Risikofaktoren: Rauchen, Karzinogene körperliche Untersuchung
(Cadmium, Asbest), Adipositas, se- z Labordiagnostik: Anämie, Aktivitäts-
kundäre Nierenzysten bei chronischer steigerung der Transaminasen, Hy-
Niereninsuffizienz, Analgetikaneph- perkalzämie, hormonelle Störungen,
ropathie, familiäre Häufung (Hippel- BSG-Erhöhung
Lindau-Erkrankung: autosomal- z Bildgebung: Farbdopplersonographie,
dominant vererbt; Gefäßdysplasie der Spiral-CT, MRT, Multidetektor-CT
Augen und der Meningen) z Metastasensuche (Staging): Röntgen-
untersuchung des Thorax, Skelettszin-
Pathologische Einteilung tigraphie, CT, kraniale CT
z Klarzelliger Typ (75 %): Mutation z Gegebenenfalls CT-gesteuerte perku-
oder Deletion des von-Hippel- tane Nierenstanzbiopsie
Lindau-Gens z Stadieneinteilung nach TNM-System,
z Papillärer Typ (10 %): c-met-Mutatio- UICC oder Flocks (Nierenkapsel- und
nen V.-renalis-Infiltration)
z Chromophober Typ (5 %)
z Weitere Typen: Sammelgangstyp, Therapie
tubulomuzinöser Typ, Transitional- > Das Nierenzellkarzinom ist ein zyto-
zelltyp, neuroendokriner Typ (Chro- statikarefraktärer Tumor (Ansprechrate:
mogranin A als Marker) <10 %).

Klinik z Interdisziplinäre Therapie: Onkologe,


z Häufig lange asymptomatisch Urologe, Nephrologe
z Trias (nur in etwa 10 % der Fälle): z Operation (in limitierten Stadien):
Makrohämaturie, Flankenschmerz, 5 radikale Tumornephrektomie in-
palpabler Tumor klusive Fettkapsel, Gerota-Faszie,
53.2 · Nierenzellkarzinom 501 53.2
ipsilateraler Nebenniere und regi-
onalen Lymphknoten
5 organerhaltene Operation: wie
Nierentumorenukleation → Kryo-
ablation, Tumorkoagulation
z »Targeted therapy«:
5 Tyrosinkinaseinhibitoren: Suniti-
nib, Sorafenib
5 mTOR-Inhibitoren: Temsirolimus
5 Zytokine: INF-α oder IL-2
5 Antikörpertherapie: Bevacizumab
(gegen VEGF)
502 Kapitel 54 · Nephrolithiasis

> Nephrolithiasis
G. Michels

Allgemeines rie, Hyperoxalurie, Hypozitraturie,


z Inzidenz: 0,5 %/Jahr (USA, Europa) verminderte Trinkmengen, hoher
z Harnsteinbestandteile: Matrix (Uro- Eiweißgehalt des Urins
mukoid) plus Urinkristallisation z Urat-(Harnsäure-)Steine: Hyperuri-
z Steinarten: kosurie (>750–800 mg/Tag; meist liegt
5 Kalziumoxalat/-phosphatsteine ein normaler Harnsäurestoffwechsel
(etwa 75 %) vor), Urin-pH-Wert von <5
5 Uratsteine (ungefähr 15 %) z Zystinsteine: autosomal-rezessive
5 selten Struvite (Infektsteine) Zystinurie (Zystin: schlecht lösliche
5 Zystinsteine Aminosäure)
5 2,8-Dihydroxyadenin-Steine z Struvit-(Infekt-)Steine: Urin-pH-Wert
z Steine mit einer Größe von <5 mm: von >7 → Präzipitation von Phosphat,
häufig Spontanabgang Carbonat und Magnesium
z Steine mit einer Größe von >10 mm:
Spontanabgang unwahrscheinlich Klinik
z Kolik mit Schmerzausstrahlung bis in
Ätiologie die Hoden bzw. die Labia majores
z Wohlstandszeiten: eiweißreiche Kost z Vegetative Begleitsymptome: Nausea,
(Harnsäure, Oxalat, Kalzium) Blasentenesmen, Unruhe etc.
z Verstärkte Ausscheidung lithogener z Obligate Mikrohämaturie, ggf. Mak-
Substanzen: z. B. Kalzium, Harnsäure rohämaturie
z Verminderte Ausscheidung antilithoge-
ner Substanzen: z. B. Zitrat, Magnesium Diagnostik
z Kritische Urin-pH-Wert-Bereiche: z Anamnese: Trink- und Essverhalten
<5 und >7 (oxalathaltig: Rhabarber, Kakao, Spinat;
z Hohe Urinkonzentration: spezifisches Harnsäureausscheidung verstärkend:
Gewicht von >1015 g/l Milch, Alkohol, Tee), Harnwegsinfek-
z Begleiterkrankungen/-umstände: tion, positive Familienanamnese
Harnwegsinfekt, Harnstauung, Durs- z Labordiagnostik: Kalzium-, Phos-
ten, Immobilisation, distale renal- phat-, Natrium-, Kalium- und Harn-
tubuläre Azidose säurespiegel, Gesamteiweißgehalt,
Kreatinin- und Harnstoffkonzentra-
Risikofaktoren tion, Aktivität der alkalischen Phos-
z Kalziumsteine: Hyperkalziurie phatase, Bikarbonat-, Parathormon-
(>250–300 mg/Tag), Hyperurikosu- und Calcitriolspiegel
Kapitel 54 · Nephrolithiasis 503 54
z Urinanalyse: Urinstatus mit pH-Wert- 5 Pethidin (Dolantin; 25–75 mg)
Bestimmung (>7,5 bei Infektsteinen, oder Piritramid (Dipidolor;
<5,5 bei Uratsteinen), ggf. Steinana- 7,5–15 mg) i. v.
lyse 5 ggf. N-Butylscopolamin (Busco-
z Bildgebung: Sonographie, Abdomen- pan): 20 mg i. v.
leeraufnahme (kalziumhaltige Steine 5 keine »Schwemm«- oder Diu-
→ Kalzifikationen), KM-Aufnahmen retikatherapie (Zunahme der
(Urat- und Zystinsteine erkennt man Ausscheidung bei obstruktiven
an der KM-Aussparung), CT des Ab- Verhältnissen bis hin zur Nieren-
domens becken- bzw. Fornixruptur)
z Rezidivprophylaxe:
Therapie 5 Voraussetzung: Kenntnis der
z Therapie bei Steinnachweis: Harnsteinzusammensetzung →
5 kalziumhaltige Steine: z extra- Steinanalyse
korporale Stoßwellenlithotripsie: 5 Diät: Restriktion der Proteinzu-
elektrohydraulisch, elekromagne- fuhr auf 0,8 g/kg KG/Tag, vermei-
tisch oder piezoelektrisch z ggf. den von Äpfeln und Grapefruits
perkutane Nephrolithotomie 5 Trinkprophylaxe: z Empfehlung:
z selten operative Steinentfernung Früchte-, Kräuter-, Nieren-, Bla-
z ggf. bei idiopathischer Hyperkal- sentee z Verlaufskontrolle: spezi-
ziurie Gabe von Thiaziden fisches Uringewicht von <1010 g/l
5 Uratsteine: z Litholyse durch (Urometer, Teststreifen)
Harnneutralisierung mit Kalium-
Natrium-Zitrat (Ziel-pH-Wert:
6,2–6,8) z purinarme Ernährung
(meiden von Fleisch, Fisch, Geflü-
gel und Innereien) z ggf. Allopu-
rinol
5 Oxalatsteine: Harnsteininhibitoren
wie z. B. Magnesium, Zitrat oder
Orthophosphat
5 Zystinsteine: Erhöhung der Flüs-
sigkeitszufuhr (Ziel: Zystinkon-
zentration im Urin von <300 mg/l)
5 Infektsteine: Infektsanierung, An-
säuerung des Urins
5 Phosphatsteine: Gabe des Phos-
phatbinders Aluminiumhydroxid
5 Harnleitersteine: z gehen oft
spontan ab z ggf. extrakorporale
Stoßwellenlithotripsie z endouro-
logisches Vorgehen (z. B. Splinting)
z Therapie bei Koliken:
5 Metamizol (Novalgin): 500–
1000 mg langsam i. v.
504 Kapitel 55 · Zystische Nierenerkrankungen

> Zystische
Nierenerkrankungen
G. Michels

> Die ursprüngliche Einteilung der 5 pädiatrische Form: autosomal-


zystischen Nierenerkrankungen nach rezessiv vererbte polyzystische
Potter (Typ I: infantile polyzystische Nie- Nierenerkrankung: zystische Di-
renerkrankung; Typ II: angeborene Nie- latation der Sammelrohre beider
rendysplasie; Typ III: adulte polyzystische Nieren, dysgenetische Gallen-
Nierenerkrankung; Typ IV: angeborene gangsveränderungen mit peripor-
multizystische Dysplasie) wurde verlas- taler Leberfibrose
sen. Heute unterscheidet man: z Medulläre zystische Nieren-
z Vererbte zystische Nierenerkrankungen erkrankungen:
z Angeborene zystische Nierenerkran- 5 autosomal-dominant vererbte
kungen medulläre zystische Nierenerkran-
z Erworbene zystische Nierenerkran- kung
kungen 5 autosomal-rezessiv vererbte Form,
sog. juvenile Nephronophthise
(s. unten)
55.1 Vererbte zystische z Andere zystische Nieren-
Nierenerkrankungen erkrankungen:
(Zystennieren) 5 tuberöse Sklerose (autosomal-
dominant vererbt)
z Zystische Nierenerkrankungen: 5 von-Hippel-Lindau-Erkrankung
5 adulte Form: autosomal-dominant (autosomal-dominant vererbt)
vererbte polyzystische Nierener-
krankung oder klassische Zys- Nephronophthise-MCKD-
tennieren: sehr stark vergrößerte Komplex
Nieren (komplett durchzogen von
Zysten) mit renalen (Hämaturie, Definition
Proteinurie, rezidivierende Zys- z Angeborener Krankheitskomplex aus
teninfektion, arterielle Hypertonie, Nephronophthise und medullärer
Abdominal-/Flankenschmerzen, zystischer Nephropathie (MCKD:
Nephrolithiasis) und extrarenalen »medullary cystic kidney disease«)
Manifestationen, z. B. Leber-, Pan- mit gemeinsamer Pathogenese der
kreaszysten, Herzklappenverän- Zell-Zell- und Zell-Matrix-Sig-
derungen, Hirnbasisaneurysmen naltransduktion, welche zu Zysten-
(A. basilaris) nieren führt
55.3 · Erworbene zystische Nierenerkrankungen 505 55.3
z Vererbungsmodus: 5 ein autosomal-dominanter
5 Nephronophthise: autosomal- Vererbungsgang wird auch hier
rezessiv (Genprodukte: Nephro- diskutiert
cystine, Inversin) 5 Unterscheidung: unilaterale
5 MCKD: autosomal-dominat (häufig) und bilaterale Dysplasie
z Pathologie: makroskopische und (selten), d. h. meist einseitiger
histopathologische Gemeinsamkeiten Befall mit großen Zysten, bei der
→ Befall beider Nieren, Ausbildung i. v. Polygraphie meist als stumme
von Zysten, ausgehend vom distalen Niere imponierend
Tubulus und vom Sammelrohr an der z Dysplasie als Folge einer Harn-
»Rinde-Mark-Grenze« obstruktion:
5 bedingt durch eine intrauterine
Klinik Harntraktobstruktion
z Nephronophthise: Harnkonzentrie- 5 Folge: bilaterale multizystische
rungsdefekt mit Salzverlust, Polyurie, Dysplasie
Wachstumsretardierung, Enuresis z Markschwammniere:
(Bettnässen), Anämie, terminale 5 Ausdruck zystisch erweiterter
Niereninsuffizienz im Kindesalter Sammelrohre
(5–10 Jahre nach Diagnosestellung), 5 klinisch zeigen sich Nierensteine,
extrarenale Symptome (z. B. Retinitis Hämaturie und Harnwegsinfektio-
pigmentosa) nen ab der 2. Lebensdekade
z MCKD: Hyperurikämie, Gicht, Uroli- 5 Diagnosestellung erfolgt meist
thiasis, Hämaturien, Harnwegsinfekte, radiologisch: Nephrokalzinose mit
terminale Niereninsuffizienz im Er- zahlreichen Kalzifikationen der
wachsenenalter Nierenpapillen
z Weitere angeborene zystische
Diagnostik Nierenerkrankungen:
z Familienanamnese 5 multilokuläre Zysten
z Bildgebung (Sonographie, CT/MRT) 5 Kelchzysten

Therapie
z Interdisziplinäre Behandlung: Urologe 55.3 Erworbene zystische
und Nephrologe Nierenerkrankungen
z Symptomatisch bis Dialyse und/oder (Nierenzysten)
Nierentransplantation
z Erworbene zystische Nierenerkran-
kung: meist Folge der Hämodialyse
55.2 Angeborene zystische wegen terminaler Niereninsuffizienz,
Nierenerkrankungen ggf. maligne Transformation
(Zystennieren) z Einfache Zysten: meist Zufallsbefund,
Entstehung aus tubulären Divertikeln
z Kongenitale zystische Nierendysplasie: oder als Folge der Obstruktion von
5 Ausdruck einer frühembryonalen Tubuli oder kleiner Infarkte
Anlagestörung mit traubenartig
angeordneten Zysten
506 Kapitel 56 · Nierenersatzverfahren

> Nierenersatzverfahren
S. Teschner

56.1 Allgemeines 56.2 Allgemeines zur


Untersuchung und
⊡ Tabellen 56.1 u. 56.2 Diagnostik bei
Dialysepatienten
> Eine Nierenersatztherapie sollte ge-
mäß den CKD-Richtlinien im Stadium IV z Anamnese:
der chronischen Nierenerkrankung 5 seit wann Dialyse und wann
( Kap. 50, ⊡ Tab. 50.2; Kreatinin-Clea- zuletzt?
rance von 15–29 ml/min/1,73m2 KOF) 5 aktuelles Soll(trocken)gewicht
vorbereitet und mit Erreichen des Stadi- in der Dialysepraxis (Zielge-
ums V (Kreatinin-Clearance von <15 ml/ wicht; definiert Flüssigkeits-
min/1,73m2 KOF) begonnen werden. entzug während einer Dialyse-
Entscheidend ist die Vermeidung einer behandlung)
Notfalleinleitung, die mit einer erhöhten 5 bei PD: Bilanzbogen, Ein-/
Morbidität einhergeht. Auslaufschmerz beim Dialysat-
wechsel, trübes Dialysat (Lesen
von Text durch den Auslauf-
Notfallindikationen zur Dialyse beutel hindurch möglich?),
z Überwässerung1 Restdiurese, Fieber, Schmerzen,
z metabolische Azidose1 Durchfall
z Hyperkaliämie1, 3 z Untersuchung:
z Urämie2 5 Dialyseshunt: vorhanden, perfun-
Selbst wenn eine Notfalldialyseindikation diert, Infektzeichen?
vorliegt, muss die konservative Therapie bis 5 Dialysekatheterexit: Sekretion,
zum Beginn der Dialyse maximal fortgesetzt Rötung?
werden. 5 gründliche Untersuchung bezüg-
1 Nach Ausschöpfung aller konservativen lich Infektzeichen
Maßnahmen (Diuretika, Bikarbonat etc.) 5 Erhebung des Volumenstatus
2 Zum Beispiel bei Auftreten von Perikard- (Schleimhäute, Halsvenen, Haut-
reiben oder einer Enzephalopathie
turgor, Ödeme, Pleuraergüsse)
3 Bei der Anlage eines ZVK im Rahmen einer z Labordiagnostik: komplette Labor-
schweren Hypo-/Hyperkaliämie kann es zu
diagnostik inklusive Kalzium- und
gefährlichen Herzrhythmusstörungen kom-
Phosphatkonzentration, Transferrin-
men → Monitoring obligat.
sättigung, Ferritinspiegel, venöse
BGA und Kreuzblut
56.2 · Allgemeines zur Untersuchung 507 56.2
⊡ Tab. 56.2. Auswahl der Behandlungsmethode nach dem Primärziel (3 E)

Eliminationsziel HD HF »Slow
(intermit- (intermit- continuous
tierend) tierend) therapies«

Entgiftung Niedermolekular (<500 D): ++ + –


(Urämie- Harnstoff
toxine)
Mittelmolekular (0,5–5 kD): (+) ++ +
Vitamin B12

Hochmolekular (5–50 kD): – + ++


Inulin, β2-Mikroglobulin

Elektrolyt- Rasch (<4 h) ++ ++ –


ausgleich
Langsam (>4 h) + + ++

Entwässe- Rasch (<2 h) ++ ++ +


rung
Langsam (>2 h) ++ ++ ++

++ sehr gut geeignet; + gut geeinget; – ungeeignet

⊡ Tab. 56.1. Nierenersatzverfahren

Verfahren Technik/Laufzeit Möglichkeiten/Formen

Hämodialyse Intermittierend  Hämodialyse (HD): Diffusion über semipermeable


(HD) Membran
 Hämofiltration (HF): Filtrationsvorgänge im
Glomerulum werden hier nachgeahmt (Konvektion),
dem Blut wird ein Ultrafiltrat entzogen und dieses
durch eine Substitutionslösung ersetzt
 Hämodiafiltration (HDF): Kombination aus
Hämodialyse und Hämofiltration

Kontinuierlich  CVVH (»continuous veno-venous hemofiltration«)


 CVVHD (»continous veno-venous hemodialysis«)
 CVVHDF (»continous veno-venous hemodia-
filtration«)
 SLEDD (»slow extended daily dialysis«)

Peritoneal- Manuell  CAPD (»continous ambulatory peritoneal dialysis«)


dialyse (PD)  Intermittierende PD

Maschinell  Cycler
 APD (»automated peritoneal dialysis«)

Nierentrans- Postmortale Organspende


plantation
Lebendspende
508 Kapitel 56 · Nierenersatzverfahren

z Gegebenenfalls mikrobiologische 5 seltene, jedoch gefürchtete Komplika-


Untersuchung: tion: nephrogene systemische Fibrose
5 Blutkulturen aus Dialysekatheter mit hoher Mortalität (aktuell keine
und peripher bei Verdacht auf Ka- etablierte Therapieoption vorhanden)
theterinfekt
5 bei Verdacht auf PD-Peritonitis:
Kulturen aus Blut und Dialysat,
Leukozytenzählung aus Dialysat 56.3 Krankheitsbilder
z Apparative Untersuchungen/Bildge-
bung: EKG, Röntgenuntersuchung Dialysepflichtige Patienten sind multi-
des Thorax, Duplexsonographie bei morbide und haben durch den Orga-
Verdacht auf Shuntverschluss, Rönt- nausfall und die Ersatztherapie ein stark
genuntersuchung des Abdomens bei erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Er-
Verdacht auf PD-Katheter-Disloka- eignisse sowie einen immunsuppri-
tion, Sonographie im Verlauf des PD- mierten Zustand mit hoher Infektanfäl-
Katheters (Abszess, Flüssigkeitssaum?) ligkeit und weisen daher neben den all-
gemeinen internistischen Krankheitsbil-
dern zusätzlich spezifische Probleme und
KM bei Patienten mit Nierenersatz- Besonderheiten auf. Insgesamt ist die
therapie Mortalität für Dialysepatienten höher als
z Jodhaltige KM: die von Patienten mit einigen soliden
5 generell sehr strenge Indikationsstel- malignen Tumoren und geht mit einer
lung für i. v. KM-Gabe, ggf. Rückspra- drastisch reduzierten Lebenserwartung
che mit Radiologe oder Nephrologe einher (z. B. Lebenserwartung für Pati-
5 Problem: Diureseverlust bei CAPD/ enten in einem Alter von 60–65 Jahren:
Nierentransplantation und Überwäs- gesund: 20,5 Jahre; mit dialysepflichtiger
serung nach KM-Gabe bei Anurie Erkrankung und Dialysetherapie: 4,3 Jah-
5 Prophylaxe durch gute Hydrierung re; nach Transplantation: 11,5 Jahre).
z Maßnahmen:
5 Pausierung von Diuretika, NSAR, ACE-
Hemmern, AT1-Blockern und potenzi- Notfälle des Dialysepatienten
ell nephrotoxischen Medikamenten z Elektrolytstörungen (in der Regel Hypo-
5 Hydrierung: Infusion von 1 l 0,9%iger oder Hyperkaliämie)
NaCl-Lösung jeweils 12 h vor und z Überwässerung mit Lungenödem und/
nach KM-Gabe (bei Herzinsuffizienz oder kardialer Dekompensation
mit EF von <40 % die Hälfte) z Exsikkose mit orthostatischer Synkope
5 ACC: 2-mal 600 mg/Tag p. o. am Tag z Zugangskomplikationen: Shuntnach-
vor und am Tag der Untersuchung blutung, Shuntruptur, Shuntverschluss,
z Gadolinium für die MRT: Katheterdislokation, Katheterinfekt mit
5 Kontraindikation: Kreatinin-Clearance Bakteriämie/Sepsis
von <30 ml/min/1,73m2 KOF → sehr z Kardiovaskuläre Ereignisse: insbesondere
eingeschränkte Verwendung bei Dia- Arrhythmien, akutes Koronarsyndrom
lysepatienten (hier vor und nach KM- z Dysäquilibriumsyndrom: besonders bei
Gabe Dialysebehandlung planen, Azi- intermittierender Hämodialyse kann es bei
doseausgleich vor der Untersuchung) schwerer Azotämie zu einer abrupten Ent-
56.3 · Krankheitsbilder 509 56.3
fernung von Urämietoxinen kommen, was und eines anaerob); Lagerung bei
zu einer raschen Abnahme der Plasmaos- Raumtemperatur
molalität führt → Missverhältnis von intra- 5 50 ml Dialysat für Kultivierung
vasaler und intrazellulärer Osmolalität mit und Gramdirektpräparat; Lage-
Einstrom von Flüssigkeit nach intrazellulär, rung im Kühlschrank
Zellhydrops und Hirnödem mit Anstieg z Pathologie: 10 ml Dialysat für Zell-
des intrakraniellen Drucks möglich differenzierung; Lagerung im Kühl-
z Peritonitis bei PD-Patienten schrank

Therapie
PD-Peritonitis z Empirische antibiotische Therapie
(in Abhängigkeit vom örtlichen Keim-
Diagnostik spektrum)
z Klinik: abdominelle Beschwerden, 5 Vancomycin: 1 g/1–2 l intraperi-
Fieber, trübes Dialysat (Lesen von toneal (in frischen Dialysatbeutel
Text durch den Beutel mit Auslauf injizieren), Wiederholung nach
möglich?) Spiegel plus Ceftazidim: initial
z Labordiagnostik: >100 Leukozyten/μl 500 mg/l intraperitoneal, dann
mit >50 % Neutrophilen im Dialysat 125 mg/l intraperitoneal
z Mikrobiologische Diagnostik: Keim- 5 oder Claforan (2 g/Tag intraperi-
nachweis toneal) plus Refobacin (0,6 mg/
kg KG/Tag intraperitoneal)
> Bei Zutreffen von 2 der 3 genannten plus z 5 ml Mecain/Scandi-
Kriterien: dringender Verdacht auf infek- cain 1 %/Dialysatbeutel: bei
tiöse Peritonitis → antibiotische Therapie starken abdominellen Schmerzen
z 5000 IE Heparin/Dialysatbeutel:
z Inspektion: Exit → Abstrich bei loka- bei starken Proteinflocken oder
len Infektzeichen oder Nachweis eines Fibrinfäden
Tunnelinfekts z Falls keine Besserung der Symptoma-
z Sonographie des Kathetertunnels: tik oder kein Rückgang der Zellzahl
Nachweis/Ausschluss eines Tunnelin- innerhalb von 24–96 h eintritt:
fekts (Flüssigkeitssaum: >2 mm) 5 Wiederholung der initialen Pro-
bengewinnung
Probengewinnung (vom Dialysat- 5 Suche nach Ursachen, z. B. intra-
auslauf in der Klinik vor Therapie- abdominelle Pathologie bei multi-
beginn) und -lagerung plen Darmkeimen (z. B. gedeckte
z Hauptlabor: Dialysat in Blutbild- Darmperforation)
röhrchen (Zellanalyse); Lagerung bei 5 evtl. Katheterexplantation (immer
Raumtemperatur bei Pilznachweis)
z Zytologisches Labor (Mikroskopie):
Dialysat in 10-ml-Spritze; Lagerung Kardiovaskuläre Ereignisse
im Kühlschrank
z Mikrobiologisches Labor: z Etwa 50 % der Todesfälle von Dialyse-
5 2 Blutkulturenflaschen mit je patienten sind kardiovaskuläre Ereig-
10 ml Dialysat (je eines aerob nisse:
510 Kapitel 56 · Nierenersatzverfahren

5 Arrhythmien: Elektrolytstörungen orthostatischem Kollaps bis hin zum


(Hyper-/Hypokaliämie) Schock kommen → ggf. Infusion von
5 linksventrikuläre Hypertrophie, 500–1000 ml NaCl 0,9 %, evtl. Gabe
generalisierte Atherosklerose und von Katecholaminen
KHK: Progredienz durch chro-
nischen Entzündungszustand, ! Reanimation und Abstand von >1 Tag
Anämie, sekundären Hyperpa- zur letzten HD:
rathyreoidismus und Volumen- z Abweichend von den ERC-Guidelines
schwankungen primäre Pufferung mit Bikarbonat
z Ziel-Hb-Wert bei Dialysepatienten: möglich
11–12 g/dl; bei KHK-Beschwerden und z Ausgleich einer metabolischen Azi-
niedrigerem Hb-Wert → Transfusion dose, zusätzlich Translokation des
z Die arterielle Hypertonie bei Dialy- Kaliums nach intrazellulär
sepatienten ist in der Regel ein Vo- z Dialysebeginn bei schwerer Hyperkali-
lumenproblem, d. h. es bestehen ein ämie unter fortlaufender Reanimation
Volumenüberschuss und ein zu hohes (Herzrhythmusstörungen bleiben an-
Soll-/Trockengewicht → normoten- sonsten häufig therapierefraktär)
sive Blutdruckeinstellung trotz me-
dikamentöser Kombinationstherapie
häufig nicht möglich 56.4 Dialysezugang
z Zur Optimierung des Soll-/Trockenge-
wichts sollten Dialysepatienten am Tag z ⊡ Tab. 56.3 u. 56.4
der Hämodialyse vor der Behandlung z Der funktionierende Dialysezugang
keine Antihypertensiva einnehmen (Shunt, Fistel oder Katheter) ist für den
z Postdialytisch kann es durch die Dialysepatienten überlebenswichtig
eingeschränkte Autoregulation zu z Aufgrund der generalisierten Gefäß-
prolongierten hypotonen Phasen mit beteiligung bei chronischer Nierenin-

⊡ Tab. 56.3. Möglichkeiten des Dialysezugangs

Zugang Lage

PD

Temporärer Zugang –

Definitiver Zugang, z. B. Tenckhoff-Katheter Transabdominal in der Peritonealhöhle

HD

Temporärer Zugang: Shaldon-Katheter Zentralvenös: Katheteterspitze in oberer oder


unterer Hohlvene

Definitiver Demers-Katheter als Zentralvenös mit s. c. Tunnel, Katheteter-


Zugang Atriumkatheter spitze im rechten Vorhof

Shunt/arteriovenöse Fistel, Unter- oder Oberarm, native Fistel oder


z. B. Brescia-Cimino-Shunt Polytetrafluorethylen-Graft/-Loop
56.4 · Dialysezugang 511 56.4
suffizienz sind die Möglichkeiten für ! Am gesamten Shuntarm sind Blut-
eine erfolgreiche Shuntanlage begrenzt abnahmen, Anlagen von Verweilka-
z Eine nicht sachgemäße Verwendung nülen und Blutdruckmessungen nicht
eines Dialysezugangs kann lebens- erlaubt.
bedrohliche Folgen nach sich ziehen Dialyseverweilkatheter sind nur für die
(z. B. bakterielle Besiedlung mit Sepsis Dialyse vorhanden und dürfen nicht für
bei Verweilkatheter, Shuntruptur/- Infusionen oder gar Blutabnahmen ge-
thrombose) nutzt werden.

⊡ Tab. 56.4. Zugangskomplikationen

Komplikation Diagnostik Erstmaßnahmen


Shuntverschluss Duplexsonographie  Gefäßchirurgisches Konsil
 Bei akutem Verschluss Vollheparinisierung
 Venöse BGA (Kaliumkonzentration, Azidose,
Dialysebedarf?)
Shuntinfekt Blutkulturen, ggf.  Antibiotische Therapie (i. v.)
Abstriche,  Kühlen
Duplexsonographie  Hochlagern
 Keine Punktion
 Gefäßchirugisches Konsil bei Abszess oder
Polytetrafluorethylenshuntprothese
(ggf. Explantation)
Shuntruptur –  Kompression
 Kreuzblut bereitstellen,
ggf. Notfalltransfusion
 Notfalloperation
Shunt-Steal- Duplexsonographie  Schmerztherapie
Syndrom  Hand polstern, wärmen und nach unten lagern
 Gefäßchirugisches Konsil, ggf. Shuntverklei-
nerung, -verschluss oder Modifikation (z. B.
PAVA-Operation, sog. Proximalisierung der
AV-Anastomose)
Shuntherz- Duplexsonographie,  Herzinsuffizienztherapie
insuffizienz Echokardiographie,  Gefäßchirugisches Konsil, ggf. Shunt-
EKG verkleinerung oder -verschluss
Katheter- Blutkulturen aus  Shaldon-Katheter: Entfernung,
infektion dem Katheter und mikrobiologische Untersuchung
peripher  Demers-/Tenckhoff-Katheter: antibiotische
Therapie
 Bei Sepsis oder Pilznachweis sofortige
Explantation
PD-Katheter- Röntgen-  Gegebenenfalls Spülung mit Lagewechsel
Dislokation untersuchung des unter Durchleuchtung
Abdomens  Eventuell Re-Positionierung
512 Kapitel 56 · Nierenersatzverfahren

56.5 Durchführung der Dialysezentrum); in dieser kurzen


Nierenersatztherapie Zeit müssen die Therapieziele (Nor-
malisierung der Elektrolytwerte,
z PD: Entgiftung, Entwässerung) erreicht
5 Durchführung durch Patient werden
selbst → der Patient muss ma- z Kontinuierliche Dialyseverfahren:
nuell, kognitiv, räumlich und 5 meist bei instabilen Patienten
logistisch in der Lage sein, den mit intensivmedizinischen Pro-
Dialysatwechsel unter sterilen blemen
Bedingungen mehrmals täglich 5 hier kommen die verschiedenen
durchzuführen kontinuierlichen venovenösen
5 Entgiftung und Entwässerung fin- Therapieverfahren (CVVHD,
den auf der gesamten peritonealen CVVH, CVVHDF, SLEDD) zum
Fläche entlang eines osmotischen Einsatz, die sich hauptsächlich be-
und Konzentrationsgradienten züglich der Parameter »Blutfluss«
statt, der zwischen Dialysat und und »Therapiedauer« unterschei-
dem Blut in den peritonealen Ka- den (z. B. CVVHD/CVVHDF:
pillaren besteht 24 h/Tag mit einem Blutfluss
5 eine Alternative zur klassischen von 100–150 ml/min; SLEDD:
CAPD ist die Cycler-Therapie, die 10–18 h/Tag mit einem Blutfluss
durch eine lange Verweildauer des von 120–180 ml/min)
Dialysats während des Tages und
viele automatisierte Wechsel in der
Nacht charakterisiert ist 56.6 Begleitmedikation bei
z Intermittierende HD: in der Regel Nierenersatztherapie
3-mal wöchentlich für 4–5 h unter
Vollantikoagulation (meist in einem ⊡ Tabelle 56.5

⊡ Tab. 56.5. Begleitmedikation

Indikation Wirksubstanz Handelsnamen (Beispiele)

Anämie EPO (α oder β) Erypo, Neorecormon, Dynepo, Aranesp, Retacrit

Eisen-III-Ion Ferrlecit, Ferrinject, Venofer

Azidose Bikarbonat Nephrotrans, Nabic, Bicanorm

Hyperkaliämie Austauscherharz Resonium, CPS-Pulver

Sekundärer Phosphatbinder Calciumacetat, -carbonat, Renagel, Phos-Ex,


Hyperparathy- Phosphonorm, Aludrox, Fosrenol, Antiphosphat
reoidismus
Kalzimimetika Mimpara

Vitamin D 1-Alpha, Rocaltrol, Decostriol


Kapitel 57 · Nierentransplantation 513 57

> Nierentransplantation
S. Teschner

> Die Nierentransplantation ist die Diagnostik bei nierentrans-


beste Nierenersatztherapie. Nach einer plantierten Patienten
erfolgreichen Transplantation leben Anamnese
die Patienten länger und haben eine z Zeitpunkt der Transplantation
bessere Lebensqualität als Dialyse- z Bisherige Abstoßungen
patienten. z CMV-Status
z Letzter Kreatininwert
Epidemiologie z Veränderungen der Medikation,
z Derzeit warten in Deutschland speziell der Immunsuppression oder
>8000 Patienten auf eine Nierentrans- neue Antibiotika
plantation z Zeitpunkt und Ergebnis der letzten
z Jedes Jahr können nur etwas mehr Spiegelkontrolle der Immunsuppres-
als 25 % der wartenden Patienten siva
transplantiert werden, wobei ungefähr z Gewichtsverlauf
20 % der Organe von Lebendspendern z Diuresemenge und -auffällig-
stammen keiten
z Fieber, Schmerzen, Durchfall,
Formen der Nieren- Erbrechen?
transplantation
Postmortale Organspende Körperliche Untersuchung
z Niere eines hirntoten Organspenders z Dialyseshunt vorhanden und per-
z Sonderform »Eurotransplant Senior fundiert?
Program« (auch »old for old«): Niere z Infektzeichen (am Shunt oder allge-
eines hirntoten Organspenders über mein)
65 Jahren für einen Empfänger über z Transplantat in der Fossa iliaca,
65 Jahren meist rechts → Druckschmerz oder
verhärtetes Organ?
Lebendspende z Tremor (Hinweis auf eventuelle
z Niere einer nahestehenden Person Tacrolimusüberdosierung, selten
z Blutgruppenkompatibel oder -inkom- auch Ciclosporinüberdosierung)
patibel
z »Cross over«: zwischen 2 blutgrup- Weiterführende Diagnostik
peninkompatiblen Paaren werden z Labordiagnostik:
blutgruppenkompatibel Lebendspen- 5 (Differenzial-)Blutbild, CRP-
den realisiert Konzentration, Retentionswerte
514 Kapitel 57 · Nierentransplantation

(Kreatinin-, Harnstoffspiegel), 5 Nephrotoxizität bei Überdosie-


Blutzuckerwert rung der Immunsuppressiva (spe-
5 Spiegelbestimmung bei Ciclospo- ziell Ciclosporin/Tacrolimus)
rin, Tacrolimus, Everolimus und 5 interstitiell-allergische Nephritis,
Sirolimus z. B. durch neue Medikation
5 Durchblutungsstörung → Embo-
> Spiegelbestimmungen immer als lie, Thrombose, Anastomosenste-
12-h-Talspiegel vor der morgendlichen nose
Einnahme der Immunsuppression 5 Rekurrenz der Grunderkrankung
oder De-novo-Erkrankung
5 Urinuntersuchung: Urinstix oder 5 Abstoßung
Urinsediment, ggf. Spontanurin- 5 Harnaufstau → postrenales Nie-
untersuchung mit Bestimmung renversagen (z. B. Ureterstenosen,
von Eiweißgehalt und Kreatinin- v. a. früh postoperativ)
konzentration (Quotient ergibt z Klassische (z. B. CMV-) und oppor-
tägliche Proteinurie) tunistische Infektionen (z. B. Asper-
5 Virologie: bei Transplantatfunk- gillose, Nocardiose, Infektion mit
tionsverschlechterung PCR mit Pneumocystis jiroveci) unter Immun-
Viruslastbestimmung von CMV suppression
und Polyomavirus Typ BK im Blut z Weitere Nebenwirkungen der Immun-
z Sonographie: Beurteilung des Trans- suppressiva, z. B. Zytopenien
plantats (Größe, Harnstau, akute
Schädigungszeichen wie verwaschenes Immunsuppression
und echoreiches Parenchym, Lympho- z Lebenslange Einnahme immunsup-
zele?); ggf. farbkodierte Duplexsono- pressiver Medikamente (⊡ Tab. 57.1)
graphie bei Verdacht auf Durchblu- z Umgang mit Immunsuppressiva:
tungsstörung oder Abstoßung Rücksprache mit einem in der Trans-
plantation erfahrenen Arzt bzw.
> Kontrastmittelprophylaxe: Nephrologen und dem Transplantati-
z Strenge Indikationsstellung von onszentrum
KM-Untersuchungen z Neben den gemeinsamen Neben-
z Hydrierung wirkungen der Immunsuppression
z ACC: 2-mal 600 mg/Tag am Unter- mit erhöhter Infektanfälligkeit und
suchungstag und am Tag danach einem erhöhten Risiko für Neoplasien
z Pausierung von Diuretika und potenzi- besitzen die Substanzen spezifische
ell nephrotoxischen Substanzen (NSAR) Nebenwirkungsprofile (⊡ Tab. 57.2)

Probleme bei nierentrans- > Speziell Ciclosporin A, aber auch


plantierten Patienten die anderen Medikamente weisen
z Kreatininspiegelanstieg – mögliche eine Vielzahl von Arzneimittelinterak-
Ursachen: tionen auf. Vor der Erweiterung der
5 Exsikkose Medikation müssen unbedingt die
5 Harnwegsinfekt Fachinformationen beachtet werden,
5 CMV- und BK-Polyomavirus- um gefährliche Spiegelschwankungen
Infektion zu vermeiden.
Kapitel 57 · Nierentransplantation 515 57
Abstoßung Sonderform: AB0-inkompatible
z Es gibt 2 Hauptformen der Abstoßung Nierentransplantation
(⊡ Tab. 57.3), die aber auch parallel z Sonderform der Lebendspende, sog.
vorkommen können blutgruppeninkompatible Nieren-
z Im 1. Jahr und speziell in den ersten transplantation
1–6 Monaten nach der Transplanta- z Wird seit einigen Jahren vermehrt
tion besteht ein hohes Risiko für eine durchgeführt
Abstoßung, daher ist in dieser Zeit die z Ziele: Erhöhung der Anzahl an
Immunsuppression am intensivsten Lebendspenden, Verkürzung der
z Eine Abstoßung muss rasch und Wartezeiten
sicher, d. h. in der Regel durch eine z Prinzip: Elimination der CD20-positi-
Nierenbiopsie, erkannt und behandelt ven B-Zellen mittels Rituximab (Mab-
werden, da das Organ sonst u. U. Thera), Adsorption der Isoagglutinine
teilweise oder komplett irreversibel z Gezielt ausgewählte Patientengruppe:
geschädigt wird besonders Patienten mit der seltenen
z Vor einer empirischen Abstoßungsbe- Blutgruppe B oder der Blutgruppe 0
handlung müssen die anderen Ursa- profitieren
chen für einen Kreatininspiegelanstieg z Postoperativ bleiben die CD20-
ausgeschlossen sein positiven B-Zellen für >6 Monate

⊡ Tab. 57.1. Aktuell eingesetzte Immunsuppressiva

Substanzklasse Wirksubstanz Handelsname (Beispiele)

Calcineurininhibitoren Ciclosporin A Sandimmun, Cicloral, Neoral

Tacrolimus (FK-506) Prograf, Advagraf

mTOR-Inhibitoren Rapamycin/Sirolimus Rapamune

Everolimus Certican

Purinantimetabolit Azathioprin Imurek

Purinsyntheseinhibitoren Mycophenolat(mofetil) CellCept

Mycophenolat(natrium) Myfortic

Steroide Prednison und andere Decortin

Antikörper Basiliximab Simulect

Daclizumab Zenapax

T-Zell-depletierende Anti-Thymozyten-Globu- Thymoglobulin, ATG, OKT3


Anitkörper lin, Anti-Lymphozyten-
Globulin, OKT3
516 Kapitel 57 · Nierentransplantation

eliminiert, danach kommt es zu einer


Erholung dieser Zellpopulation
z Obwohl die Blutgruppenantikör-
pertiter im postoperativen Verlauf
erneut ansteigen, kommt es nicht zu
einer antikörpervermittelten Absto-
ßung
z Vorgehen bei Transfusionen:
⊡ Tab. 57.4

⊡ Tab. 57.2. Nebenwirkungsprofil wichtiger Immunsuppressiva

Nebenwirkung mTOR- Ciclosporin Tacrolimus Myco- Steroide


Inhibitoren A phenolat

Nephropathie – +++ +++ – –

Neuropathie – ++ +++ + (+)

Bluthochdruck – +++ ++ – +

Fettstoffwechsel- +++ ++ + – –
störungen

Diabetes mellitus – + +++ – ++

Leberschäden + + + + –

Pankreasschäden + + ++ – –

Gingivahyper- – ++ + – –
plasie

Hypertrichose – ++ + – –

Gastrointestinale +++ + + +++ ++


Beschwerden

Leukopenie + + + +++ –

Thrombopenie ++ + + + –

Ödeme – + + – ++

Wundheilungs- ++ – – + ++
störungen

+++ stark ausgeprägt; ++ mittelgradig ausgeprägt; + schwach ausgeprägt; (+) sehr schwach
ausgeprägt; – nicht vorhanden
Kapitel 57 · Nierentransplantation 517 57
⊡ Tab. 57.3. Abstoßungen und Therapieoptionen

Typ Hauptmechanismus Therapie


Zellulär Schädigung des Organs Intravenöser Steroidstoß für 3 Tage, ggf. zusätz-
nach T-Lymphozyten- lich T-Zell-Depletion mit speziellen Antikörpern
Aktivierung (z. B. Anti-Thymozyten-Globulin, OKT3)
Humoral Schädigung des Organs Intravenöser Steroidstoß für 3 Tage und Entfer-
oder durch Antikörper und nung der Antikörper durch Plasmaaustausch
antikörper- Komplement oder Immunadsorption, evtl. B-Zell-Depletion
vermittelt mit speziellen Antikörpern (z. B. Rituximab)
Gemischt Siehe oben Siehe oben
akut
Chronisch Subakute T-Zell- oder Steigerung der Immunsuppression und Ver-
antikörpervermittelte zicht auf nephrotoxische Immunsuppressiva
Abstoßung

Wichtig: Abstoßungstherapie nur in Absprache mit Transplantationszentrum

⊡ Tab. 57.4. Transfusionsregime bei AB0-inkompatibler Nierentransplantation

Empfängerblutgruppe Blutgruppe des empfangenen Transfusion mit Blutgruppe


Organs
0 A  EK: 0
 FFP: AB
 TK: 0
B  EK: 0
 FFP: AB
 TK: 0
AB  EK: 0
 FFP: AB
 TK: 0
A AB  EK: A oder 0
 FFP: AB
 TK: A
B  EK: A oder 0
 FFP: AB
 TK: A
B AB  EK: B oder 0
 FFP: AB
 TK: B
A  EK: B oder 0
 FFP: AB
 TK: B

EK Erythrozytenkonzentrat; FFP »fresh frozen plasma«; TK Thrombozytenkonzentrat


518 Kapitel 58 · Störungen des Wasserhaushalts

> Störungen des


Wasserhaushalts
S. Teschner

Pathophysiologie z Eine Abweichung zwischen bestimm-


z Der Volumenhaushalt des Körpers ist ter und errechneter Osmolalität von
eng mit dem Natriumhaushalt ver- >10 mosm/kg ergibt eine positive
bunden und wird durch hormonelle Osmolalitätslücke → u. a. Hinweis
Systeme (RAAS, ADH, ANP) zentral auf Intoxikationen mit Alkoholen im
und renal gesteuert (⊡ Abb. 58.1) Rahmen einer metabolischen Azidose
z Es ist grundsätzlich zu unterscheiden,
ob eine isotone Störung vorliegt oder > Zusammenfassend sind 6 Zustände
ob auch die Serumosmolalität von der möglich:
Norm abweicht z Hypo-, iso- oder hypertone Dehydra-
tation (intra- und/oder extrazellulärer
> Generell lassen sich isotone Stö- Volumenmangel)
rungen rasch, einfach und relativ z Hypo-, iso- oder hypertone Hyper-
ungefährlich beheben. Bei hypo- oder hydratation (intra- und/oder extrazel-
hypertonen Hydratationszuständen ist luläre Überwässerung)
Vorsicht geboten, da eine fehlerhafte z Die hypo- und hypertonen Störungen
Korrektur gravierende neurologische werden unter den Natriumstörungen
Defekte bedingen kann. behandelt.

z Serumosmolalität: Klinik und Diagnostik der


5 Referenzbereich: 280–300 mosm/kg isotonen Dehydratation
5 Bestimmung im Serum und/oder z ⊡ Tab. 58.1
Kalkulation: z Anamnese:
5 Diureserückgang
Serumosmolalität = 2 ×
(Serumnatriumkonzentration +
5 konzentrierter Urin
Serumkaliumkonzentration) + 5 Blutdruckverlauf
5 Orthostasereaktion beim Aufset-
Glukosekonzentration [mg/dl] zen/Aufstehen
+
18 5 Polyurie
Harnstoffkonzentration [mg/dl] 5 Durchfall, Erbrechen
5 Fieber
6
5 Drainagen, Stomata
z Faustformel: 2 × Serumnatriumkon- 5 geringe Flüssigkeitszufuhr: Diät,
zentration + 20 Bettlägerigkeit, Fixierung
Kapitel 58 · Störungen des Wasserhaushalts 519 58
Volumenmangel

lOsmorezeptoren lTubuloglomeruläres nBarorezeptoren nVorhofdehnung


Hypophyse/Hypothalamus Feedback Karotissinus Herz
Niere

lADH nANP

lRenin

lDurst lAngiotensin I/II

lAldosteron

lNatrium-/Wasserrückresorption
Niere

⊡ Abb. 58.1. Hormonelle Steuerung des Volumenhaushalts

⊡ Tab. 58.1. Isotone Dehydratation

Ursache Klinik und Befunde Diagnostik/Therapie

Flüssigkeits- Erbrechen Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung


verlust
Diarrhö, Duodenalsonde Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung,
ggf. Kalium-/Bikarbonatersatz

Beatmung Anfeuchtung des Atemgases

Fieber Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung,


Fiebersenkung

Wundsekrete, Brandwunden Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung

Diuretikaüberdosierung Reduktion von Diuretika, freies Trinken,


Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung

Polyurie Abklärung der Polyurie (osmotische Diurese,


Diabetes insipidus, Polydipsie), kausale
Therapie (Senkung des Blutzuckerspiegels,
ADH-Gabe etc.), Rehydrierung (je nach
Serumnatriumkonzentration mit 5%iger
Glukose- oder 0,9%iger NaCl-Lösung)

Mangelnde Immobilität, Lähmung, Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung


Flüssigkeits- Koma, nicht interagierender (Cave: Hypernatriämie),
zufuhr Patient, Trinkbehinderung ggf. Kalium-/Bikarbonatersatz
520 Kapitel 58 · Störungen des Wasserhaushalts

5 Veränderungen der Medikation, Bedarf in mmol = ml 8,4%iger


speziell der Diuretika Natriumbikarbonatlösung (Cave:
5 Bilanz, Gewichtsverlauf hohe Osmolalität → nur verdünnt
z Körperliche Untersuchung: oder zentralvenös infundieren)
5 Hautfalten, Schleimhäute z Verluste stoppen, bilanzieren
5 Jugularvenenfüllung
5 Puls, Blutdruck, Temperatur Klinik und Diagnostik der
z Sonographie: Füllungszustand der zen- isotonen Hyperhydratation
tralen Venen, Kollaps bei Inspiration? z ⊡ Tab. 58.2
z Labordiagnostik: z Anamnese:
5 Urin-/Serumglukosespiegel, bei 5 Gewichtsverlauf
Polyurie zusätzlich Urinosmolalität 5 Diureserückgang?
5 Urinnatriumkonzentration 5 Blutdruckverlauf (Hypertonie)?
(<10 mmol/l: Hinweis auf Volu- 5 Zufuhr: Infusionen (z. B. paren-
menmangel, jedoch unter Diure- terale Ernährung), Polydipsie, i. v.
tikamedikation nicht verwertbar); Antibiotika
besser: fraktionelle Harnstoffex- 5 Veränderungen der Medikation,
kretion (FeHarnstoff; <35 %: Hinweis speziell der Diuretika
auf Volumenmangel): 5 Dyspnoe, Ödeme (Beine, Bauch-
Fe Harnstoff = decke)
[Harnstoff] Urin × [Kreatinin]Plasma 5 Gewichtsverlauf
[Harnstoff] Plasma × [Kreatinin] Urin
× 100 5 Diuresemenge, Diureseauffällig-
keiten
5 Einheiten von Urin/Plasma müs- z Körperliche Untersuchung:
sen identisch sein 5 Schleimhäute
5 Hämatokrit 5 Jugularvenenfüllung
5 Kreatinin-, Harnstoff- und Harn- 5 Puls, Blutdruck, Atemfrequenz
säurekonzentration 5 Auskultation der Lunge
5 venöse BGA 5 hepatojugulärer Reflux
5 Ödeme (Beine, Bauchdecke)
Therapie der isotonen z Sonographie: Füllungszustand der zen-
Dehydratation tralen Venen, Pleuraergüsse, Aszites?
z ⊡ Tab. 58.1 z Röntgenuntersuchung des Thorax:
z Rehydrierung mit isotoner Natrium- pulmonalvenöse Stauung, Ergüsse?
chloridlösung (Cave: Herzinsuffizenz) z Labordiagnostik:
z Je nach Kaliumspiegel und BGA- 5 (Differenzial-)Blutbild, Reten-
Befund Substitution von Kalium und tionswerte, Gesamteiweiß- und
Natriumbikarbonat: Albuminkonzentration
5 Kalium: 1 Kalinor-Brausetablette/ 5 Urinstix oder Urinsediment
Tag (enthält 40 mmol Kalium), 5 ggf. Untersuchung des Spontan-
alternativ 20–40 mmol Kalium pro urins und Bestimmung von Eiweiß-
Liter 0,9%iger NaCl-Lösung als und Kreatininkonzentration (Quo-
Infusion tient ergibt tägliche Proteinurie;
5 Natriumbikarbonatbedarf: weitere Differenzierung wie beim
0,3 × BE × Körpergewicht [kg] = nephrotischen Syndrom;  Kap. 46.7)
Kapitel 58 · Störungen des Wasserhaushalts 521 58
⊡ Tab. 58.2. Isotone Hyperhydratation

Ursache Klinik und Befunde Diagnostik/Therapie

Nierenversagen Anstieg von Kreatinin- Abklärung eines akuten


und Harnstoffspiegel, Nierenversagens, Diuretika-
Diureserückgang gabe, ggf. Ultrafiltration durch
Dialyse

Eiweißmangel Nephrotisches Syndrom, Proteinuriediagnostik, ggf.


Kachexie, Malnutrition Nierenbiopsie, Reduktion der
Proteinurie mittels ACE-Hemmer/
AT1-Blocker, hochkalorische Nah-
rung, ggf. Albuminsubstitution,
Diuretika, ggf. Ultrafiltration
durch Dialyse

Leberzirrhose Diureserückgang, Aszites, Sonographie, Parazentese, Diu-


Abnahme der retika, ggf. Albuminsubstitution
Lebersyntheseparameter und Terlipressin-(Haemopressin-)
(Albuminspiegel, Aktivität Gabe bei hepatorenalem
der Cholinesterase, Syndrom
AT-III-Konzentration,
Quick-Wert/INR)

Herzinsuffizienz Diureserückgang Konzentrationsbestimmung


des proBNP, Echokardiogra-
phie, Intensivierung einer
Herzinsuffizienztherapie,
Ausschluss von Myokardinfarkt
und Rhythmusstörungen
(z. B. Vorhofflimmern), Diureti-
kagabe

Überinfusion (hohe – Überprüfung der Medikation,


i. v. Flüssigkeitszufuhr Ein- und Ausfuhrkontrolle,
bei Patienten mit ein- Natriumspiegel- und Osmolali-
geschränkter Nieren- tätsbestimmung, Bilanzierung,
funktion, parenterale Reduktion des Lösungs-
Ernährung) volumens, bei parenteraler
Ernährung Wechsel auf hoch-
kalorische/hochkonzentrierte
Lösungen

Salzintoxikation Polydipsie als mögliche Natriumspiegel- und


Folge einer Penicillin-/ Osmolalitätsbestimmung,
Nabic-/Hyper-Haes-Therapie Bilanzierung
522 Kapitel 58 · Störungen des Wasserhaushalts

Therapie der isotonen 5 falls kein Effekt einsetzt: Diure-


Hyperhydratation tika absetzen (Vermeidung von
z ⊡ Tab. 58.2 Nebenwirkungen), Kontakt zu
z Entwässerung Dialyseeinrichtung aufnehmen
z Basismaßnahmen: und ggf. Beginn der Ultrafiltra-
5 kochsalzarme Kost tion
5 tägliche Trinkmenge: 500 ml plus
Diuresemenge
Probleme bei der Entwässerung
5 Reduktion des Infusionsvolumens
5 unter Entwässerung: Thrombose- z Diuretika/Dialyse → primäre Reduktion
prophylaxe des intravasalen Volumens und Viskosi-
5 Kompressionsstrümpfe tätserhöhung
z Maximale Gewichtsabnahme: 1–2 kg/ z Thrombosegefahr
Tag (bei höherer Ausschwemmung: z Gefahr des Nierenversagens
Thrombosegefahr) Zwischen den Körperkompartimenten gibt
z Diuretika: es verschiedene Ausgleichskonstanten →
5 korrekte Dosisintervalle, adäquate max. Gewichtsverlust von 1–2 kg/Tag, um
Dosen (⊡ Tab. 58.3) ausreichend Zeit für eine Umverteilung der
5 Nephronblockade: Schleifendi- Flüssigkeit zu geben und Komplikationen zu
uretikum plus Thiazid plus ggf. vermeiden.
Carboanhydrasehemmer

⊡ Tab. 58.3. Diuretika

Substanzklasse Wirksubstanz Handelsname Dosis


(Beispiel)

Thiaziddiuretika Hydrochlorothiazid Esidrix, HCT Maximal 2-mal 25 mg/Tag

Xipamid Aquaphor 10–40 mg/Tag, max. 2-mal


40 mg/Tag

Schleifendiuretika Furosemid (p. o., i. v.) Lasix 40–125 mg/6 h, max.


1 g/Tag (p. o.) bzw.
500 mg/50 ml → max.
4 ml/h bzw. 40 mg/h (i. v.)

Torasemid (p. o.) Torem 10–200 mg/24 h

Kaliumsparende Amilorid, Triamteren Dytide H (Immer als


Diuretika Kombinationspräparat)

Aldosteron- Spironolacton Aldactone 1- bis 2-mal 25–50 mg/


antagonisten Tag, max. 200 mg/Tag

Äquivalenzdosis von Torasemid: 1/4 der Furosemiddosis (z. B. 10 mg Torasemid entsprechen 40


mg Furosemid)
Abweichend von der Fachinformation wird gelegentlich an einigen Zentren »off label« mit 2-mal
1000 mg Furosemid/Tag p. o. therapiert.
Kapitel 58 · Störungen des Wasserhaushalts 523 58
Praxistipps
Konzept der sequenziellen
Nephronblockade z Diuretika stets ausreichend hoch
dosieren
z Über die gesamte Strecke des Nephrons
z Natriumarme Kost erleichtert die
finden Natrium- und somit Wasserrückre-
Entwässerung
sorptionsvorgänge statt
z Tägliche Gewichtskontrollen sind
z Wenn ein Transporter durch ein Diureti-
besser als die Bilanzierung von Flüs-
kum gehemmt ist, wird der diuretische
sigkeiten (präziser und verlässlicher)
Effekt häufig von anderen Transportern
teilkompensiert; wenn nun auch diese Ka-
z Tägliche Trinkmenge bei ANV:
500 ml plus Diuresemenge
näle gehemmt werden, lässt sich ein stär-
kerer diuretischer Effekt erzielen (hierbei
z Furosemidperfusor: lichtgeschützte
Spritze und Infusionsleitung
kann es allerdings zu schweren Elektrolyt-
störungen kommen → eine engmaschige
z Bei Nierenversagen: keine kaliumhal-
tigen Infusionen (z. B. Ringer oder
Kontrolle der Diurese, der Serumelektro-
Sterofundin)
lytwerte und der BGA-Befunde ist obligat)
z Beispiel einer maximalen Nephronblo-
ckade:
5 dual: 2-mal 500 mg Furosemid/Tag
p. o. plus 2-mal 25 mg Hydrochloro-
thiazid/Tag
5 3fach: 2-mal 500 mg Furosemid/Tag
p. o. plus 2-mal 25 mg Hydrochloro-
thiazid/Tag plus 2-mal 250 mg Azeta-
zolamid (Diamox)

Diuretika und GFR-Einschränkung


z Diuretika wirken endotubulär, d. h. sie
müssen in ausreichend hoher Konzent-
ration dorthin gelangen; bei einer stark
reduzierten GFR und renalen Perfusion
sind hierfür wesentlich höhere Dosen
erforderlich, allerdings nimmt auch die
Serumkonzentration zu, was zu Neben-
wirkungen (z. B. Ototoxizität) führen kann
z bei einem Kreatininwert von >2 mg/dl
sollte z. B. ein minimaler Furosemidbolus
von ≥40 mg i. v. appliziert werden; bei
fehlender Wirkung: Steigerung auf 80 mg
→ weitere Steigerung auf 120 mg →
kontinuierliche Infusion (Perfusor über
24 h); falls darunter keine Diurese eintritt:
Stoppen des Perfusors → Konsultation
eines Nephrologen
524 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

> Störungen des


Elektrolythaushalts
S. Teschner

Elektrolytstörungen sind bei fast jedem z Bei chronischen Veränderungen erfol-


Patienten während eines Krankenhaus- gen erst Diagnostik und Nachdenken,
aufenthaltes anzutreffen. Viele Faktoren dann die Therapie.
beeinflussen das komplexe Regelsystem
zwischen Endokrinium, Nieren, Gastro- Da die Elektrolytkonzentrationen zwar
intestinaltrakt und Atmung, z. B. der Er- hauptsächlich renal, aber auch zusam-
nährungsstatus und die aktuelle Medika- men mit anderen Organen gesteuert
tion. Die klinisch relevantesten Elektro- werden, sollte man bei einer Elektrolyt-
lytstörungen betreffen Natrium, Kalium störung im Rahmen der Labordiagnos-
und Kalzium. Das Management dieser tik immer folgende Parameter bestim-
Störungen wird auf den folgenden Seiten men bzw. folgende Untersuchungen
detailliert dargestellt. ⊡ Tabelle 59.1 gibt durchführen:
einen Überblick über die klinischen Ma- z Blut: Natrium-, Kalium-, Chlorid-,
nifestationen. Kalzium-, Phosphat-, Kreatinin-,
Eine adäquate Therapie dieser poten- Harnstoff- und Eiweißkonzentration,
ziell lebensbedrohlichen Störungen be- venöse BGA
darf großer Sorgfalt in der Diagnosestel- z Urin: Natrium-, Kalium-, Chlorid-,
lung und der Durchführung sowie v. a. Kreatinin-, Harnstoff- und Eiweiß-
engmaschiger Kontrollen, um dem Pati- konzentration, pH-Wert
enten nicht mehr zu schaden als zu hel-
fen. Beispielsweise geht eine chronische Praktische Besonderheiten der BGA
Hypernatriämie von >160 mmol/l mit z Die Messung des Natriumspiegels
einer Mortalität von >60 % einher. Bei mittels Ionometrie ist in der Regel
zu schneller Korrektur droht ein Hirnö- ungenauer als bei der Untersu-
dem mit der Gefahr der zerebralen Ein- chung im Zentrallabor → bei
klemmung und des Todes. Hyponatriämie immer Kontrolle
im Zentrallabor.
> Generell gilt: z Die Messung des Kaliumsspiegel
z Akute Veränderungen können akut mittels Ionometrie ist in der Regel
(rasch) behoben werden genauer als bei der Untersuchung im
z Chronische Veränderungen müs- Zentrallabor → bei Hyperkaliämie
sen langsam über Tage korrigiert immer Kontrolle mittels ionometri-
werden. scher BGA.
59.1 · Hyponatriämie 525 59.1
⊡ Tab. 59.1. Überblick der wichtigsten Störungen des Elektrolythaushalts

Störung Auswirkungen
ZNS Kardiovaskuläres Nieren Gastroin- Muskulatur
System testinal-
trakt
[Na+] ↓ Gangstörung, Eventuell – – Krämpfe,
Krampfanfälle, Hypotonie Schwäche
Verwirrtheit,
Koma
[Na+] ↑ Koma, Durst, Orthostase Poly- oder Obsti- –
Lethargie Oligure pation
[K+] ↓ Hyporeflexie, U-Welle im EKG, Harnverhalt, Obstipa- Schwäche,
Adynamie, Rhythmus- interstitielle tion, Ileus Rhabdomyo-
Apathie, Koma störungen Nephritis lyse, Paralyse
[K+] ↑ Parästhesien, Hohe T-Welle, Polyurie – Schwäche,
Hypo-/ U-Welle, AV-Block schlaffe
Areflexie und QRS-Kom- Paresen
plex-Verbreite-
rung im EKG
[Ca2+] ↓ Krampfanfälle, QT-Zeit-Ver- – Diarrhö Pfötchen-
Parästhesien längerung im stellung der
EKG, Rhythmus- Hände, Mus-
störungen kelkrämpfe
[Ca2+] ↑ Psychose, QT-Zeit-Verkür- Polyurie, Übelkeit, Schwäche,
Somnolenz bis zung im EKG, Polydipsie, Erbrechen, Lähmung
Koma Rhythmusstö- Exsikkose Obstipa-
rungen tion

59.1 Hyponatriämie Primärdiagnostik


Serumosmolalität
Definition z <280 mosmol/l: echte Hyponatriä-
z Serumnatriumkonzentration von mie → hypoosmolare Hyponatriä-
<135 mmol/l mie (mit Ödemen: Herz-Nierenin-
suffizienz, Leberzirrhose, nephroti-
> Eine Hyponatriämie ist bis auf seltene sches Syndrom; mit Exsikkose: z. B.
Ausnahmen eine Wasserintoxikation. M. Addison, Diarrhö, Diuretika;
> Rationale für eine aktive Therapie ist mit Euvolämie: z. B. SIADH, Hypo-
die ZNS-Symptomatik bei ZNS-Ödem. thyreose)
Ansonsten ist Abwarten häufig sicherer. z >280 mosmol/l: Pseudohyponatriämie
> Bei Hypovolämie und Nebennierenin- (bei erhöhten Lipid-, Eiweiß- oder
suffizienz ist leicht eine ungewollt schnelle Glukosewerten)
Korrektur der Hyponatriämie möglich.
526 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

Urinosmolalität Ausgleich mit einer hoch-


z ADH adäquat supprimiert? konzentrierten NaCl-Infusion
5 <100 mosmol/l: adäquat; Ur- z Rationale für eine Spezialnatrium-
sachen: z primäre Polydipsie infusionslösung: die Osmolalität der
z Malnutrition z »reset osmos- Infusion muss höher sein als die Uri-
tat« (z. B. Schwangerschaft) nosmolalität (kein Risiko des weiteren
5 >100 mosmol/l: inadäquat; Natriumspiegelabfalls)
Ursachen: z SIADH z Hypo- z Vorgehen:
volämie z Herzinsuffizienz 5 Berechnung des Natriumdefi-
z Stress, Medikamente z Hypo- zits bis zu einem Serumnatri-
thyreose z Nebennierenrinden- umwert von 120 mmol/l bzw.
insuffizienz 12 mmol/l höher als der aktuelle
Natriumwert:0,5 × Körperge-
Urinnatriumkonzentration wicht [kg] × (120 – Serumnatrium-
z Hypovolämie? konzentration)
5 <15 mmol/l: Volumendepletion 5 Berechnung der Natrium-
(außer bei Diuretikagabe) infusionsmenge zum Ausgleich
5 >20 mmol/l: SIADH mit Normo- des Defizits (s. unten)
volämie oder andere Ursachen 5 Berechnung der Infusions-
5 wenn unklar, evtl. fraktionelle geschwindigkeit der Natrium-
Harnstoffexkretion bestimmen infusion (s. unten)
(s. unten)
> Maximale Veränderung des Serum-
Rasche Aggravierung natriumspiegels: 12 mmol/24 h (sonst
z Falls die Summe aus Urinnatrium- Gefahr der pontinen Myelinolyse)
und Urinkaliumkonzentration grö- z Primärkorrektur des Serumnatrium-
ßer ist als der Serumnatriumwert, spiegels auf 120 mmol/l
ist mit einer weiteren Abnahme der z Bei Natriumkonzentration von
Serumnatriumkonzentration zu >120 mmol/l und fehlenden
rechnen neurologischen Auffälligkeiten
primär Trinkmengenbeschränkung,
Therapie Kaliumausgleich und sorgfältige
z Wasserrestriktion: bei SIADH, Öde- Diagnostik
men und Polydipsie
z Kaliumsubstitution: bei Hypokaliämie z Anfänglich besonders bei symptoma-
und Hyponatriämie tischen Patienten oder großem Defizit
z Hochkonzentrierte NaCl-Infusion auf stündliche Kontrolle von Natrium-
der Intensivstation: bei lebensbedroh- und Kaliumkonzentration sowie der
lichem SIADH Osmolalität im Serum und parallel im
z Aufhebung der Urinkonzentrierung Urin
(Schleifendiuretikum): bei lebensbe- z Unbedingt auf Trinkmengenbeschrän-
drohlichem SIADH kung achten → Einfuhrbilanzierung
z Hemmung der ADH-Wirkung (ADH- z Bei paralleler Hypokaliämie sollte
Antagonist Tolvaptan): bei therapiere- zunächst mit der Kaliumsubstitution
fraktärer Hyponatriämie begonnen werden
59.2 · Hypernatriämie 527 59.2
Rezepte und Dosisberechnung 5 <1 %: Volumenmangel
einer adäquaten und sicheren 5 >1 %: renales Problem
Infusionslösung z Fraktionelle Harnstoffexkretion (diu-
2,8%ige NaCl-Infusionslösung retikaunabhängig; Einheiten: mg/dl):
(478 mmol Natrium/l)
z Herstellung: 100 ml 20%ige NaCl- [Harnstoff] Urin × 100 × [Kreatinin]Serum
× 100
Lösung (10 Amp.) + 900 ml 0,9%ige [Harnstoff]Serum × [Kreatinin]Urin
NaCl-Lösung
z Natriumgehalt: 478 mmol/l 5 <35 %: Volumenmangel
z Osmolalität: 956 mosmol/l → Infu- 5 >35 %: renales Problem
sion nur zentralvenös über ZVK z Natriumspiegelanstieg nach Infusion
z benötigtes Volumen in ml: von 1000 ml einer gewählten Infusi-
onslösung (Adrougé-Madias-Formel):
Natriumdefizit
× 1000
478 Veränderung der Natrium-
konzentration =
z Infusionsgeschwindigkeit in ml/h:
Infusionsnatriumkonzentration –
Bedarfsmenge Serumnatriumkonzentration
24 0,5 × Körpergewi cht [kg] + 1
3%ige NaCl-Infusionslösung (514 mmol
Natrium/l)
z Herstellung: 100 ml 10%ige NaCl-Lö-
sung + 318 ml 0,9%ige NaCl-Lösung 59.2 Hypernatriämie
z Osmolalität: 1028 mosmol/l → Infu-
sion nur zentralvenös über ZVK Definition
z benötigtes Volumen in ml: z Serumnatriumkonzentration von
>145 mmol/l
Natriumdefizit
× 1000
514 Ursachen
z Infusionsgeschwindigkeit in ml/h: z Exsikkose (auch bei Hyperkalzämie)
Bedarfsmenge z Unfähigkeit zu trinken
z Beatmung
24
z Massive Flüssigkeitsverluste bei Ver-
Tolvaptan (in Deutschland nicht brennungen, Ekzemen, Fisteln oder
zugelassen) osmotischer Diurese, z. B. bei diabeti-
z Start mit 1-mal 15 mg/Tag schem hyperosmolaren Koma
z Steigerung auf 30, 45 oder 60 mg/Tag,
je nach Verlauf des Natriumwertes Diagnostik
z Bestimmung von Urin- und Plasma-
Formeln osmolalität: ⊡ Abb. 59.1
z Fraktionelle Natriumexkretion z Störungslokalisierung bei intravasaler
(Cave: Diuretika): Hypovolämie:
+
5 Urinnatriumgehalt von <20 mmol/l:
[Na ]Urin × [Kreatinin]Serum gesteigerter Flüssigkeitsverlust über
× 100
[Na +] Serum × [Kreatinin]Urin Gastrointestinaltrakt oder Haut
528 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

5 Urinnatriumgehalt von 5 Ausgleich der Hypernatriämie


>40 mmol/l: gesteigerter renaler mit 5%iger Glukoselösung
Flüssigkeitsverlust z Chronische Hypernatriämie:
z Berechnung des Wasserdefizits: maximale Korrektur um
12 mmol/24 h (Cave: Hirnödem)
Wasserdefizit [l] =
([Na+]soll – [Na+]ist) × Körpergewicht [kg] × 0,6 Vorgehen bei Diabetes
[Na+]soll insipidus
z Kontrollen: z Nach Möglichkeit endokrinologi-
5 Serumnatriumkonzentration: sches/nephrologisches Konsil
alle 4–6 h z Kompletter zentraler Diabetes in-
5 Serumosmolalität: bei ADH- sipidus: Hormonsubstitution mit
Substitution ADH-Analoga (z. B. Minirin)
5 intranasal: 10–20 μg alle
Differenzialdiagnostik 6–12 h
z 6D: 5 i. v.: 2–4 μg (Wirkungsdauer:
5 Diuretika 5–20 h)
5 Dehydratation z Schwerer nephrogener Diabetes
5 Diabetes insipidus insipidus:
5 »doctor« (iatrogen) 5 Absetzen tubulotoxischer Medika-
5 Diarrhö mente
5 »diseases«, z. B. Diabetes mellitus, 5 Ausgleich von Hypokaliämie oder
primärer Hyperaldosteronismus Hyperkalzämie
5 Thiazid: z. B. 1- bis 2-mal 25 mg
Korrektur Hydrochlorothiazid/Tag (Cave:
z Akute Hypernatriämie: Hypovolämie Hyperkalzämie)
mit Kreislaufinsuffizienz: 5 ADH-Analogon: >0,15 μg/kg KG/
5 initial Rehydratation mit 20 ml Tag in 2–3 Einzeldosen
NaCl 0,9 %/kg KG 5 ggf. Indometacin (25–50 mg/Tag)

Urinosmolalität

700 mosmol/l
>700–800 mosmol/l < 300 (< 100) mosmol/l
bis Plasmaosmolalität

z Ungenügende z Partieller Diabetes z Kompletter Diabetes


Flüssigkeitszufuhr insipidus insipidus
z Exzessiver extrarenaler z Niereninsuffizienz z Kongenitaler renaler
Flüssigkeitsverlust z Schleifendiuretika Diabetes insipidus
z Osmorezeptordefekt z Osmotische Diuretika/ z Schwerer sekundärer
Diurese renaler Diabetes
z Sekundärer renaler insipidus
Diabetes insipidus

⊡ Abb. 59.1. Beurteilung der Urinosmolalität


59.3 · Hyperkaliämie 529 59.3
59.3 Hyperkaliämie z Kalium eliminieren:
5 renal: forcierte Diurese: z pro
Definition Liter NaCl 0,9 % 20–40 mg Furo-
z Serumkaliumkonzentration von semid i. v. z bei Herzinsuffizi-
>5,0 mmol/l enz: unbedingt Bilanzierung und
Überwachung
Ursachen 5 intestinal: Austauscherharze:
z Niereninsuffizienz z Calcium-Polystyrol-Sulfonat
z Erhöhte Kaliumzufuhr (CPS), Natriumpolystyrensul-
z Azidose fonat (Resonium) z binden
z Zellzerfall Kalium, u. a. aus der Nahrung, im
z Hypoaldosteronismus Darm und werden ausgeschieden
z Renal-tubuläre Azidose z mit Laxanzien kombinieren
z Bluttransfusionen z 2 Beutel des Pulvers alle 6 h
p. o. plus Laktulose, ggf. Einläufe
> Häufig falsch-hoher Kaliumwert z Kontraindikation: Ileussympto-
(Pseudohyperkaliämie) durch lange matik
Venenstauung im Rahmen der Blutab- 5 Dialyse: effektivste und schnellste
nahme → bei erhöhten Kaliumwerten Elimination
stets Kontrolle durch BGA z Senkung des Serumkaliumspiegels
(Verschiebung in die Zellen):
Diagnostik 5 β2-Mimetika: z. B. 2 Hübe Fenote-
z Venöse BGA: Blutabnahme ohne rol alle 30 min
venöse Stauung aus großkalibrigem 5 Insulin-Glukose-Infusion:
Gefäß (Azidose, begleitende Störung 250 ml Glukose 20 % plus 20 IE
des Natrium-, Kalzium- oder Laktat- Altinsulin (Perfusor: 50 ml Glu-
haushalts?) kose 40 % plus 10 IE Altinsulin
z Diagnostik im Hauptlabor: Elektrolyt- über 30 min)
werte (bei Hyponatriämie an Morbus 5 Ausgleich einer metabolischen
Addison denken), Kreatinin-, Harn- Azidose mit Natriumbikarbonat:
stoff- und Harnsäurekonzentration, 0,3 × BE × Körpergewicht [kg]
LDH-Aktivität, Blutbild, Haptoglobin- = mmol NaHCO3 = ml 8,4%ige
spiegel NaHCO3-Lösung (peripher stets
z EKG: spitzes, hohes T, QT-Zeit-Verkür- verdünnt oder zentral infundie-
zung → stets Vergleich zum Vor-EKG ren)
(⊡ Abb. 7.7) z Vorgehen bei Hyperkaliämie und
kardialen Arrhythmien:
Therapie 5 Stabilisierung des Membranpo-
z Zufuhr unterbinden: Überprüfung von: tenzials: z 1 Amp. Kalziumglu-
5 Medikation: Infusionen, parente- konat 10 % (2,25 mmol/10 ml)
rale/enterale Ernährung, kalium- fraktioniert über 10 min i. v.
haltige Medikation z 1 Amp. Kalziumchlorid 10 %
5 Patiententisch: Obst, Fruchtsäfte, (6,8 mmol/10 ml) fraktioniert über
Salzersatz (häufig kaliumreich) 10 min i. v. z EKG-Überwachung
5 Anordnung kaliumarmer Kost 5 anschließend Dialyse
530 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

> Translokationsmaßnahmen nur Therapie


passager wirksam → nach Beendigung z Verlust unterbinden: Überprüfung
Rückverteilung des Kaliums mit erneuter von Medikation (kaliumarme paren-
Hyperkaliämie terale/enterale Ernährung, Diuretika)
> Bei symptomatischer Hyperkaliämie und Drainagen
immer Translokationsmaßnahmen be- z Substitution:
ginnen und erst danach Patiententrans- 5 p. o.: z z. B. Kalium retard P
port zur Dialyse (1 Kps. enthält 8 mmol Kalium)
> Falls Azidose ursächlich war, weitere z z. B. Kalinor Brausetablette
Abklärung mittels Anionenlücke etc., um (1 Tbl. enthält 40 mmol Kalium)
erneutes Auftreten zu vermeiden z Obst, z. B. Bananen (1 Banane
enthält etwa 40 mmol Kalium)
5 i. v.: z periphervenös:
59.4 Hypokaliämie 20–40 mmol KCl in 500–1000 ml
0,9%iger NaCl-Lösung über
Definition 2 h z zentralvenös: Perfusor
z Serumkaliumkonzentration von mit unverdünntem KCl (1 ml
<3,5 mmol/l enthält 1 mmol Kalium), max.
10–20 mmol/h z bei rascher
Ursachen Substitution Monitorüberwa-
z Kaliumverlust: chronische Diuretika- chung
therapie, Erbrechen, Diarrhö, enterale
Fisteln und Drainagen, Hyperaldo- > Bei Hypokaliämie besteht häufig ein
steronismus, kontinuierliche oder hoher Kaliumbedarf, da das extrazellu-
peritoneale Dialysetherapie, Stress/ läre Kalium ein ausgeprägtes intrazellu-
Katecholamintherapie, G-/GM-CSF- läres Defizit anzeigt. Dies bedeutet aber
Therapie (vermehrter Bedarf durch auch, dass die Konzentration des extra-
Zellproliferation), Hypothermie, zellulären Kaliums unter kontinuierlicher
Amphotericin-B-Therapie, vermehr- Substitution sehr schnell ansteigt, wenn
tes Schwitzen die intrazellulären Speicher erst einmal
z Verteilungsstörung: Alkalose, Insulin- gefüllt sind
therapie, Hypomagnesiämie
z Pseudohypokaliämie bei verzögerter
Bearbeitung von Blutproben

Diagnostik
z Venöse BGA: Blutabnahme ohne
venöse Stauung aus großem Gefäß
z EKG: flache T-Welle, U-Welle, PQ-
Zeit-Verkürzung, Veränderungen
zum Vor-EKG? (⊡ Abb. 7.6)
z Kaliumspiegelbestimmung im Urin:
5 <20 mmol/l: enteraler Verlust
5 >20 mmol/l: renaler Verlust
59.5 · Hyperkalzämie 531 59.5
59.5 Hyperkalzämie Albumin bindet 0,2 mmol Kal-
zium) z Eiweiß- und Immun-
Definition elektrophorese in Serum und Urin
z Gesamtkalziumkonzentration von z ggf. Knochenmarkpunktion
>2,6 mmol/l 5 >1,3 mmol/l: »echte« Hyperkalzä-
mie: z Anamnese: Immobili-
Korrekturformeln sation, Medikamente z Klinik:
z Korrektur des Serumkalziumspiegels Knochenschmerz, Nierenin-
anhand des Serumeiweißgehalts: suffizienz, organspezifische
Symptome z Labordiagnostik:
korrigierte Kalziumkonzentration [mmol/l] = Phosphatkonzentration im Se-
rum, Magnesium-, Kalium- und
gemessene Kalziumkonzentration [mmol/l]
Vitamin-D3-Spiegel, Konzentrati-
Gesamtproteingehalt [g/l]
(
0, 6 +
194 ) onen des Parathormons und des
»parathormon-related protein«,
z Korrektur des Serumkalziumspiegels AP-Aktivität (knochenspezifisch),
anhand des Serumalbumingehalts Eiweißelektrophorese, ggf. Kon-
zentrationen von ACE und lösli-
korrigierter Kalziumspiegel [mmol/l] = chem IL-2-Rezeptor z apparative
gemessener Kalziumspiegel [mmol/l] + Diagnostik: Sonographie, Rönt-
0,02 × (40 – Albumingehalt [g/l]) genuntersuchung/CT des Thorax,
organspezifische Diagnostik
! Nur orientierende Korrekturen
(Formeln können im jeweiligen Labor Differenzialdiagnostik der
abweichen) Hyperkalzämie
z Kalziumzufuhr und verminderte Kal-
Diagnostik ziumausscheidung: pharmakaindu-
z Anamnese, klinische Untersuchung, zierte Hyperkalzämie (z. B. Thiazid-
Röntgenuntersuchung des Thorax, diuretika, Kalziumsupplemente,
Labordiagnostik mit Elektrophorese → Vitamin-D-haltige Medikamente),
korrekte Diagnose in 95 % der Fälle Milch-Alkali-Syndrom
z Zusätzlich Konzentrationsbestim- z Endokrine Erkrankungen (Hyperpa-
mung des intakten Parathormons: rathyreoidismus): Nebenschilddrü-
korrekte Diagnose in 99 % der Fälle senadenom
z Proliferative Erkrankungen: Bron-
Differenzialdiagnostische Unter- chialkarzinom, Lymphom, Metas-
scheidung zwischen Pseudo- und tasen, Granulomatosen, Nierenzell-
»echter« Hyperkalzämie karzinom
z Korrektur des Kalziumwertes anhand z Differenzialdiagnostik durch
der Albumin- oder Gesamteiweißkon- Konzentrationsbestimmungen:
zentration (s. oben) 5 Parathormonkonzentration nor-
z Bestimmung des Spiegels des ioni- mal, Vitamin-D3-Konzentration
sierten Kalziums: erhöht: Granulomatosen (Sarko-
5 <1,3 mmol/l: Pseudohyperkalzä- idose, Tuberkulose, Lymphome
mie: z Hyperproteinämie? (1 g und seltene Formen)
532 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

5 Parathormon- und Vitamin-D3- kontrollen (ggf. zu jedem oder zu


Konzentration normal: Knochen- jedem zweiten Liter NaCl 20 mmol
metastasen KCl hinzugeben)
5 Konzentration des »parathormon- 5 Dialyse: bei neurologischen Sym-
related protein« erhöht: paraneo- ptomen und/oder Konzentration
plastische Hyperkalzämie des ionisierten Kalziums von
5 Parathormonkonzentration >2 mmol/l
erhöht: primärer oder renaler
Hyperparathyreoidismus ! Anlage eines ZVK bei Verdacht auf
primären Hyperparathyreoidismus nicht
Therapie in die V. jugularis (Operationsgebiet für
z Unterbindung sämtlicher Kalzium- den Notfall).
zufuhr:
5 Absetzen von Infusionen und z Kausaltherapie:
parentaler Ernährung 5 bei primärem Hyperparathyreoi-
5 Absetzen von Thiaziddiuretika dismus: Operation
sowie von kalzium- und Vitamin- 5 bei Plasmozytom: Chemo-
D-haltiger Medikation therapie
z Hemmung der Osteoklasten- 5 bei Knochenmetastasen:
aktivität: Bestrahlung
5 i. v. Gabe eines Bisphosphonats:
z z. B. Pamidronat, 30 mg (Kal-
ziumspiegel von <3,0 mmol/l), 59.6 Hypokalzämie
60 mg (Kalziumspiegel von
3–4 mmol/l) oder 90 mg (Kal- Definition
ziumspiegel von >4 mmol/l); z Konzentration des ionisierten Kalzi-
Kontraindikation: Kreatinin- ums von <0,9 mmol/l
Clearance von <30 ml/min
z z. B. Bondronat: 2–4 mg als i. v. Ursachen
Kurzinfusion z Chronische Niereninsuffizienz
5 Prednison: 1 mg/kg KG/Tag bei z Hyperventilation, Alkalose
Vitamin-D- oder Vitamin-A- z Chronische Diuretikatherapie
abhängiger Hyperkalzämie z Nebenschilddrüseninsuffizienz: Ope-
5 ggf. Calcitonin alle 4–6 h intra- ration, Bestrahlung, Autoimmuner-
nasal (1 Hub entspricht 100 oder krankungen, Entzündung
200 IE) z Rhabdomyolyse
z Ausgleich der Exsikkose: isotone z Pankreatitis
NaCl-Lösung i. v. (häufig Bedarf von z Bisphosphonattherapie
5–8 l; Cave: Herzinsuffizienz) z Hypomagnesiämie
z Elimination von Kalzium: z Malassimilation, Mangelernährung,
5 forcierte Diurese: begleitend Vitamin-D-Mangel
zur Infusionstherapie Gabe von z Vitamin-D-Synthesestörung bei
Schleifendiuretika, z. B. pro Liter Leber-/Niereninsuffizienz
Infusion 20–40 mg Furosemid z Zitratgabe (Hämodialyseantikoagu-
→ Bilanzierung, Kaliumspiegel- lation, Massentransfusion)
59.7 · Weitere relevante Störungen 533 59.7
Labordiagnostik 59.7 Weitere relevante Störungen
z Konzentrationsbestimmungen:
Eiweiß, Albumin, Magnesium, Hypomagnesiämie
Phosphat, Parathormon, 1-(OH-)
und 1-25-(OH)-Cholecalciferol, Definition
Kreatinin, Harnstoff z Magnesiumkonzentration von
z Enzymaktivitäten: Cholinesterase, <0,7 mmol/l bzw. <1,7 mg/dl
Transaminasen, CK, Lipase
z BGA Ursachen
z Korrektur des Serumkalziumspiegels z Gastrointestinaler Verlust:
anhand des Serumeiweiß- und Se- 5 Diarrhö
rumalbumingehalts:  Kap. 59.5 5 Erbrechen
5 Malabsorptionssyndrom
Differenzialdiagnostik 5 akute Pankreatitis
⊡ Tabelle 59.2 z Verminderte Aufnahme:
5 Alkoholmissbrauch
Therapie 5 Mangelernährung
z Akuttherapie: Kalziumglukonat/- z Vermehrte Ausscheidung:
chlorid i. v. (10 ml fraktioniert mit 5 Polyurie
anschließender BGA-Kontrolle) 5 chronische Niereninsuffizienz
z Bei normalem Phosphatwert: Kal- 5 Tubulusfunktionsstörung
zium- und Vitamin-D3-Substitution, 5 Diuretika
z. B. Kombinationspräparat mit 5 Phosphatmangel
1000 mg Kalzium und 1000 IE Vita- 5 Hyperparathyreoididmus
min D3 5 Cisplatintherapie
z Bei erhöhtem Kalzium-Phosphat- 5 osmotische Diurese
Produkt:  Kap. 59.7 (»Hyperphos- 5 Alkoholkonsum
phatämie«) z Vermehrter Bedarf: Schwangerschaft

⊡ Tab. 59.2. Konstellationen der wichtigsten Laborparameter für die Differenzialdiagnostik

Differenzial- Kalzium- Phosphat- 1-25-(OH-) Parathormon-


diagnosen konzentration konzentration Vitamin-D3- konzentration
Konzentration

Nieren- ↓ ↑ ↓ ↑
insuffizienz

Hypoparathy- ↓ Normal Normal ↓


reoidismus

Zitrat- ↓ Normal Normal Normal


intoxikation

Vitamin-D- ↓ Normal ↓ ↑
Mangel
534 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

Auswirkungen z Sonstiges:
z Nicht spezifisch, da häufig mit Hypo- 5 Rhabdomyolyse
kaliämie/Hypokalzämie kombiniert 5 Eklampsie
z ZNS: 5 Lithiumtherapie
5 Reizbarkeit 5 Zytostatika
5 Depressionen
5 Tetanie Auswirkungen
5 Parästhesien z Neuromuskulär:
5 Koma 5 Muskelschwäche
5 Krampfanfälle 5 Parästhesien
z Gastrointestinaltrakt: Spasmen 5 Hypoventilation
z Herz: 5 Koma
5 Extrasystolen z Kardiovaskulär: Blutdruckabfall
5 erhöhte Digitalisempfindlichkeit (EKG: PQ-Zeit-Verlängerung,
5 Koronarspasmen (EKG: ST-Stre- QRS-Komplex-Verbreiterung)
cken-Senkung, T-Wellen-Abfla- z Gastrointestinal:
chung, QT-Zeit-Verlängerung) 5 Erbrechen
5 Obstipation
Therapie 5 Ileus
z Kausal
z Symptomatisch: Therapie
5 akute Symptome (Eklampsie, »tor- z Kausal
sade de pointes« etc.): Gabe von z Symptomatisch: wie bei Hyperkaliämie:
Magnesiumsulfat, initial 4 mmol 5 Insulin und Glukose
über 15 min, dann 1 mmol/kg KG/h 5 fraktionierte Gabe von 1 Amp.
5 chronischer Mangel: magnesium- 10%igem Kalziumglukonat
reiche Kost (Obst, Nüsse) oder 5 Hämodialyse
Magnesiumsalze
Hyperphosphatämie
Hypermagnesiämie
Definition
Definition z Phosphatkonzentration von
z Magnesiumkonzentration von >1,4 mmol/l bzw. >4,4 mg/dl
>1,6 mmol/l bzw. >3,9 mg/dl
Ursachen
Ursachen z Verminderte Ausscheidung: Nieren-
z Verminderte Ausscheidung: Nieren- insuffizienz
insuffizienz z Vermehrter Anfall: Zellzerfall
z Erhöhte Zufuhr: (Tumor/Rhabdomyolyse)
5 Antazida z Laktat-/Ketoazidose
5 Laxanzien z Laxanzien
z Endokrin: z Vermehrte Resorption
5 Morbus Addison z Akromegalie
5 Morbus Cushing z Hypoparathyreoidismus
5 Hypothyreose z Bisphosphonattherapie
59.7 · Weitere relevante Störungen 535 59.7
Chronische Niereninsuffizienz. Die Vitamin-D- und Kalziumsubstitution,
Hauptursache einer Hyperphosphatämie um den Stimulus für die Parathormon-
ist die chronische Niereninsuffizienz. sekretion zu unterbinden. Zur Senkung
Eine seltenere Ursache ist eine erhöhte des Phosphatspiegels existieren ver-
Zufuhr, z. B. durch parenterale oder spe- schiedene Typen von Phosphatbindern
zielle Ernährung (Schmelzkäse, Gepö- (⊡ Tab. 59.3) und die Dialyse.
keltes) bei eingeschränkter Nierenfunk-
tion. Bei der chronischen Niereninsuf- Kalzium-Phosphat-Produkt bei
fizienz kommt es zu einer Kombination sekundärem Hyperparathyreoi-
aus verminderter Phosphatausscheidung dismus
und gehemmter renaler Hydroxylierung z Gesamtkalziumkonzentration
von Vitamin D und damit zu einer kon- [mmol/l] × Phosphatkonzentration
sekutiven Hypokalzämie. In der Folge [mmol/l]: >4,5
wird von den Nebenschilddrüsen sekun- z Gesamtkalziumkonzentration
där Parathormon ausgeschüttet. Dieses [mmol/l] × Phosphatkonzentration
aktiviert Osteoklasten und führt zur [mg/dl] × 4: >55
Ausbildung einer Osteopathie sowie bei
erhöhten Kalzium- und Phosphatwerten > Ein Produkt von >4,5 bzw. >55 zeigt
zu einer akzelerierten Atherosklerose eine Überschreitung des Löslichkeitspro-
(kardiovaskuläre Ereignisse). Therapeu- dukts an, und es droht eine systemische
tisches Ziel ist die Kontrolle der Serum- Ausfällung von Kalziumphosphatkristal-
phosphatkonzentration mit begleitender len (Vorsicht bei Kalziumsubstitution).

⊡ Tab. 59.3. Phosphatbinder

Substanzklasse Präparate (Beispiele) Vor- und Nachteile


Kalziumhaltige Calciumacetat-  Am schwächsten wirksam
Phosphatbinder: Nefro,  Nicht bei Kalzium-Phosphat-Produkt von
Kalziumkarbonat, Calciumacetat >4,5 bzw. >55 einzusetzen (bei Werten von
Kalziumazetat Prorenal AM, <4,5 bzw. <55 gute Kombination aus Phos-
CC-Nefro, phatbindung und Kalziumsubstitution)
Dreisacarb, Phos-Ex  Kalziumkarbonat bei Hemmung der
Magensäuresekretion nicht wirksam
Aluminiumhaltige Aludrox,  Am stärksten wirksam
Phosphatbinder Phosphonorm  Nicht chronisch einzusetzen
(Gefahr der Aluminiumtoxizität)
Kalzium- und Renagel, Fosrenol  Mittelwirksam
aluminiumfreie  Teuer
Phosphatbinder  Indikation bei Unverträglichkeit anderer
Substanzen oder grenzwertigem
Kalzium-Phosphat-Produkt
Kalzimimetika Mimpara  Teuer
 Gute Therapieoption bei sekundärem
Hyperparathyreoidismus
 Unterbindet Parathormonsekretion
536 Kapitel 59 · Störungen des Elektrolythaushalts

z Vorgehen bei Produkt von >4,5 bzw. z Phosphattranslokation in die Zellen


>55: bei Therapie eines Coma diabeticum
5 Pausierung aller kalziumhaltigen oder auch bei »refeeding« nach Hun-
Medikamente gerzustand
5 phosphatarme Kost
5 Gabe eines aluminiumhaltigen Auswirkungen
oder alternativ eines kalziumfreien z Selten bei Phosphatkonzentration von
Phosphatbinders, bis das Produkt >2 mmol/l
bei <4,5 bzw. <55 liegt z Erythrozyten: Absinken der 2,3-Di-
z Vorgehen bei Produkt von <4,5 mmol phosphoglyzerat-Spiegel → sinkende
bzw. <55: Hb-Affinität für Sauerstoff, Abnahme
5 ggf. Umstellung auf kalziumhaltige der Sauerstofftransportkapazität und
Phosphatbinder und bei niedri- der Oxygenierung
gem Vitamin-D3-Spiegel Substitu- z Zellulär: fallende ATP-Spiegel → Aus-
tion mit 1-25-(OH-)Cholecalcife- fall von Transportern, enzymatischen
rol (z. B. 0,25–0,5 μg Rocaltrol alle Reaktionen etc.
1–2 Tage) z ZNS: alle Symptome einer Ischämie
z Zielwerte: z Herz: abnehmendes Herzminutenvo-
5 Kalzium- und Phosphatkonzentra- lumen bei sinkender Kontraktilität
tion: normwertig z Lunge: respiratorische Insuffizienz
5 Parathormonspiegel: 20–70 pg/ml; durch Zwerchfellschwäche
bei Niereninsuffizienz:
z Stadium III (GFR: 30–59 ml/ Therapie
min/1,73 m2 KOF): 35–70 pg/ml z Phosphatreiche Kost (z. B. Milch,
z Stadium IV(GFR: 15–29 ml/min/ Schmelzkäse, Gepökeltes)
1,73 m2 KOF): 80–100 pg/ml z Medikamentös:
z Stadium V (GFR: <15 ml/min/ 5 geringer Bedarf: z. B. Reducto spe-
1,73 m2 KOF, Notwendigkeit der zial, 3-mal 2 Kps./Tag (Cave: 1 Kps.
Dialyse): 150–300 pg/ml enthält 4,4 mmol Kalium)
5 hoher Bedarf/Intensivpatient: z. B.
Hypophosphatämie Natriumphosphat Braun (z. B.
5–10 mmol/h i. v., max. 80 mmol/
Definition Tag → verdünnt infundieren)
z Phosphatkonzentration von
<0,8 mmol/l bzw. <2,5 mg/dl ! Natriumzufuhr durch Gabe von
Natriumphosphat
Ursachen Keine Mischung von Natriumphosphat
z Mangelnde Zufuhr: z. B. bei Alkoholis- mit kalzium- und magnesiumhaltigen
mus, Fehl-/Mangelernährung, Vitamin- Lösungen
D-Mangel, Malabsorptionssyndrom
z Renaler Verlust von Phosphat im
Rahmen einer Tubulusfunktions-
störung (Fanconi-Syndrom, akute
Tubulusnekrose, vorangegangene Nie-
rentransplantation)
60.1 · Allgemeines zum Säure-Basen-Haushalt 537 60.1

> Störungen des Säure-


Basen-Haushalts
S. Teschner

60.1 Allgemeines zum Säure- bonat zum Anfall von Wasser


Basen-Haushalt und CO2 kommt; dies kann bei
überwässerten oder respiratorisch
z Mit dem Leben vereinbar ist eine H+- eingeschränkten Patienten zu Pro-
Konzentration von 16–160 nmol/l, blemen führen
was einem pH-Wert von 7,8–6,8 5 die Protonenkonzentration be-
entspricht (pH-Wert von 7,4: einflusst in beide Richtungen:
40 × 10–6 mol/l = 40 nmol Protonen/l, z Bindung von ionisiertem Kal-
was etwa 1 ‰ der Konzentration zium an die Plasmaproteine: pH-
anderer Elektrolyte wie z. B. Natrium, Wert ↓ → [Ca2+] ↑, Gesamtkal-
Kalium, Chlorid oder Bikarbonat ent- zium unverändert z Verteilung
spricht) von Kalium: pH-Wert ↓ → [K+] ↑
z Regulationsmechanismen des (durch Verschiebung von H+ nach
Säure-Basen-Haushalts: intrazellulär und Kaliumausstrom
5 Pufferung: durch extra- und in- aus den Zellen)
trazelluläre Puffer (Bikarbonat-,
Phosphat-, Proteinatpuffer) > Bei Pufferung ändern sich also auch
5 Kontrolle des pCO2 im Blut durch die Konzentrationen von Kalium und
Veränderung der alveolären Venti- ionisiertem Kalzium.
lation
5 renale Kompensation: z Bikar- z pH-Wert und Sauerstoffbindungs-
bonatresorption z H+-Exkretion kurve:
(etwa 60 mmol/Tag) z Ausschei- 5 Linksverschiebung durch Al-
dung von titrierbaren Säuren und kalose und Hypokapnie (sowie
Ammoniumionen Temperaturerniedrigung und
5 hepatisch: Harnstoffsynthese Konzentrationsverminderung
(HCO3 + NH4 + 2 ATP + H2O → von 2,3-Biphosphoglyzerat)
Carbonylphosphat, somit Bikar- → O2-Affinitätsabnahme
bonat- und Ammoniumelimina- (Haldane-Effekt in den Lunge-
tion) kapillaren)
5 im Rahmen der Pufferung gilt: 5 Rechtsverschiebung durch Azi-
CO2 + H2O ↔ H2CO3 ↔ H+ + dose und Hyperkapnie → O2-
HCO –3 , woraus deutlich wird, Affinitätszunahme (Bohr-Effekt
dass es nach Zugabe von Bikar- in den Gewebekapillaren)
538 Kapitel 60 · Störungen des Säure-Basen-Haushalts

60.2 Diagnostik von Störungen


des Säure-Basen-Haushalts Essenzielle Komponenten der Diagnostik
z Säure-Basen-Haushalt:
z ⊡ Abb. 60.1 5 Säuren und Basen: pH-Wert (7,35–
z Venöse BGA (ohne lange Blutstau- 7,45)*, Bikarbonatkonzentration**
ung) zur Diagnostik einer metaboli- (22–26 mmol/l)*, BE (±2 mmol/l)*
schen Störung 5 Serumelektrolytwerte: Natrium*,
z Arterielle BGA bei Verdacht auf eine Kalium*, Chlorid, Gesamtkalzium,
respiratorische Störung oder eine ionisiertes Kalzium*
schwerwiegende Störung der Ho- 5 Blutgaswerte: paO2 (75–100 mmHg)*,
möostase (am einfachsten: Punktion paCO2 (35–45 mmHg)*
der A. femoralis) z Hauptlabordiagnostik zur weiteren
Ursachenklärung:
> Schnelle Messung, um Artefakte zu 5 Kreatinin-, Harnstoff- und Harnsäure-
verhindern spiegel
z Probe vor der Messung vorsichtig 5 Laktatkonzentration
mehrfach mischen 5 Blutzuckerspiegel*
z Bei einer vollständigen respiratori- 5 Transaminasenaktivitäten
schen oder metabolischen Kompen- z Spezielle Analysen bei vergrößerter
sation kann der pH-Wert normal sein, Anionenlücke: Serumosmolalität, Etha-
aber dennoch eine schwere Säure- nolspiegel
Basen-Störung vorliegen → immer * Parameter in der Regel im Rahmen der
komplette Analyse der BGA BGA bestimmt
** aktuell (im Plasma des Vollbluts),
z Unterscheidung zwischen metaboli- Standard (unabhängig vom aktuellen pCO2,
scher und respiratorischer Störung: nach Interpolation auf 5,3 kPa)
⊡ Tab. 60.1

pH-Wert >7,45: Alkalose Cave pH-Wert <7,35: Azidose

Bikarbonatspiegel pCO2 * <35 mmHg: Bikarbonatspiegel pCO2 * >45 mmHg:


>26 mmol/l: respiratorisch <22 mmol/l: respiratorisch
metabolisch metabolisch

Kompensiert? pH-Wert Normal?


Nicht/teilkompensiert: pH-Wert >7,45 Nicht/teilkompensiert: pH-Wert <7,35

l pCO2 * n Bikarbonatspiegel n pCO2 * l Bikarbonatspiegel

* für korrekte Interpretation arterielle BGA

⊡ Abb. 60.1. Algorithmus zur Diagnostik von Störungen des Säure-Basen-Haushalts


60.3 · Azidose 539 60.3
⊡ Tab. 60.1. Unterscheidung zwischen metabolischer und respiratorischer Störung

Störung pH-Wert pCO2 [HCO3–]

Respiratorische Azidose ↓ ↑ ↑

Respiratorische Alkalose ↑ ↓ ↓

Metabolische Azidose ↓ ↓ ↓

Metabolische Alkalose ↑ ↑ ↑

Metabolische Störung: gleichsinnige Veränderungen


Immer Verlaufsuntersuchungen, um Zeichen der Dekompensation frühzeitig zu erkennen
(z. B. pCO2-Anstieg/pH-Wert-Abfall bei respiratorischer Erschöpfung)

60.3 Azidose Respiratorische Azidose

Auswirkungen einer Azidose auf Ätiologie und Pathophysiologie


den Gesamtorganismus z Obstruktive Lungenerkrankungen
oder zentrale Atemdepression →
z Kardiovaskulär: CO2-Retention
5 verminderte kardiale Kontraktili- z Relative oder absolute Hypoventila-
tät tion → Anstieg des paCO2 (in einer
5 arterielle Vasodilatation Akutsituation erzeugt dies einen
5 Zentralisation verstärkten Atemantrieb, der jedoch
5 erhöhter pulmonaler Gefäßwider- nicht ausreichend sein kann)
stand z Anhaltende respiratorische Azidose
5 Arrhythmieneigung → vermehrte renale Bikarbonatre-
5 vermindertes Ansprechen auf sorption aus dem Primärharn mit
Katecholamine dem Resultat einer metabolischen
z Pulmonal: (Teil-)Kompensation
5 Hyperventilation
5 Schwächung der Atemmuskulatur Diagnostik
5 Dyspnoe z Anamnese:
z Metabolisch: 5 bekannte Lungenerkrankung
5 erhöhter Energiebedarf (COPD, Asthma bronchiale,
5 Insulinresistenz Lungenfibrose, Heimsauerstoff-
5 ATP-Synthese-Störung therapie)
5 gesteigerter Proteinkatabolismus 5 auffälliges Atemmuster oder
5 Hyperkaliämie auffälliger Verlauf (einseitige
z Zentralnervös: Atemexkursionen, flache Atmung,
5 verminderter Metabolismus Apnoephasen, initial Tachypnoe
5 verminderte Volumenkontrolle und jetzt Erschöpfung)
5 Koma 5 atemabhängige Schmerzen
540 Kapitel 60 · Störungen des Säure-Basen-Haushalts

z Körperliche Untersuchung: > Anionenlücke als differenzialdia-


5 Atemantrieb: Atemfrequenz (Bra- gnostische Hilfe bei metabolischer
dypnoe: <10/min), Apnoephasen Azidose:
5 neurologische Untersuchung z Anionenlücke: [Na+] – ([Cl–] + [Bikarbo-
5 Atemmechanik: einseitige nat]) = 10–12 mmol/l (laborabhängig)
Atemexkursionen z Große Anionenlücke: hier muss
5 Perkussion (Pleuraerguss?) weniger Chlorid oder Bikarbonat
5 Auskultation: einseitige Belüftung vorhanden sein
nach Fremdkörperaspiration, z Bei einem Anfall von sauren Valen-
Bronchusokklusion, Tumorwachs- zen (Laktat, Ketonkörper etc.) wird
tum oder einseitige Intubation, Bikarbonat während des Pufferns
obstruktive Rasselgeräusche verbraucht → die Anionenlücke
z Sonographie: Pleuraergüsse, vergrößert sich und zeigt indirekt an,
Aszites? dass zusätzlich Säure vorhanden ist
z Röntgenuntersuchung des Thorax: (sog. Additionsazidose).
Infiltrate, Stauung, Ergüsse, Belüf- z Besteht keine zusätzliche Säure-
tung? zufuhr, bleibt die Anionenlücke
z Labordiagnostik: arterielle BGA, normal groß.
»Infektlabor«
Ätiologie
Therapie z Normale Anionenlücke:
z Akute respiratorische Azidose: 10–12 mmol/l:
Sauerstoffgabe und vermehrte, ggf. 5 Bikarbonatverlust (Subtrak-
assistierte Ventilation tionsazidose): renal-tubuläre
z Chronische respiratorische Azidose: Azidose Typ II (proximale
falls möglich Reduktion der Sauer- renal-tubuläre Azidose, Rück-
stoffzufuhr (speziell bei COPD erhält resorptionsdefekt von Bikar-
die relative Hypoxie den Atemantrieb bonat), Diarrhö, Drainagen,
aufrecht) Carboanhydrasehemmer
z Assistierte Hyperventilation bei be- 5 Protonenexkretionsstörung (Re-
wusstseinsgetrübten Patienten mittels tentionsazidose): renal-tubuläre
Beatmungsbeutel und Maske (Cave: Azidose Typ I (distale renal-tubu-
Magenblähung und Aspiration) läre Azidose, Sekretionsstörung
z Kontaktaufnahme mit Intensivstation, für Protonen), Hypoaldostero-
ggf. nichtinvasive Maskenbeatmung nismus (renal-tubuläre Azidose
oder Intubation Typ IV), Hyperkaliämie, Nieren-
insuffizienz
Metabolische Azidose 5 selten Säurezufuhr: Argininhydro-
chlorid
z Eine metabolische Azidose entsteht z Vergrößerte Anionenlücke:
durch: >(12–) 20 mmol/l: Protonenentste-
5 Bikarbonatverlust hung oder -zufuhr (Additionsazi-
5 Bikarbonatmangel dosen):
5 Säureanfall mit Bikarbonatver- 5 Ketoazidose
brauch 5 Urämie
60.3 · Azidose 541 60.3
5 Salizylatintoxikation Osmolalität =
5 Methanolintoxikation
2 × (Serumnatriumkonzentration
5 Ethylenglykolintoxikation
+ Serumkaliumkonzentration)
5 Laktatazidose
Glukosekonzentration [mg/dl]
Diagnostik +
18
z Anamnese:
Harnstoffkonzentration [mg/dl]
5 Hinweis auf Intoxikation +
5 Nierenerkrankung 6
5 Ikterus z Faustformel: 2 × Serumnatrium-
5 Polyurie/Polydipsie bei Diabetes konzentration + 20
mellitus 5 vergrößerte Osmolalitätslücke:
5 Atemmuster (oft Kussmaul- Verdacht auf Intoxikation mit Al-
Atmung als kompensatorische koholen (Frostschutzmittel, Me-
Hyperventilation) thanol etc.) → Rücksprache mit
z Körperliche Untersuchung Giftzentrale sowie Intensiv- und
z Labordiagnostik: Dialyseeinrichtung bezüglich des
5 BGA weiteren Vorgehens
5 Notfalllabordiagnostik: Chlo-
ridkonzentration, Osmolalität, Therapie
Kreatinin-, Harnstoff- und Harn- Metabolische Azidose mit normaler
säurekonzentration, Leberwerte, Anionenlücke
Laktat- und Blutzuckerspiegel, z Substitution von Bikarbonat nach
Ethanolbestimmung, ggf. Drogen- BGA-Befunden
Screening z Dosis: 0,3 × BE × Körperge-
5 Urin: Urinstix (pH-Wert, Keto- wicht [kg] = mmol Bikarbonat (ml
nurie?), Natrium-, Kalium- und 8,4%ige NaHCO3-Lösung)
Kreatininkonzentration, Osmola- z Initial 50 % infundieren, den Rest
lität im Spontanurin, ggf. Drogen- nach erneuter Kontroll-BGA
Screening
Metabolische Azidose mit vergrößer-
> Bei Verdacht auf Intoxikation ter Anionenlücke (sog. Additionsazi-
umgehende Asservierung von Ma- dose)
gensaft, Urin, Blut und Medikamen- z Primär Unterbrechung der Säurezu-
tenschachteln für die Rechtsmedizin fuhr (z. B. Insulingabe bei Ketoazidose
(Lagerung im Kühlschrank und bei im Rahmen eines Diabetes mellitus
Verdachtserhärtung Versendung zur Typ I, Behebung eines Schockzu-
Untersuchung) stands, Detoxifikation)
z Zusätzlich wiederholte Substitution
z Weiteres diagnostisches Vorgehen bei von Bikarbonat nach BGA-Befunden
vergrößerter Anionenlücke: unter Beachtung der Grenzen der Bi-
5 Bestimmung der osmotischen Lü- karbonatgabe, ggf. Dialyse
cke: bestimmte Osmolalität minus z Behandlung spezieller Intoxikationen
errechnete Osmolalität: z Kalku- gemäß Anweisungen der Giftzentrale,
lation: Rücksprache mit Nephrologie
542 Kapitel 60 · Störungen des Säure-Basen-Haushalts

Sonderfall: Pufferung bei Hyper- 60.4 Alkalose


natriämie
z Problem: die Gabe von NaHCO3 führt Auswirkungen einer Alkalose auf
zur Verstärkung der Hypernatriämie den Gesamtorganismus
z Gegebenenfalls zusätzliche Infusion
von 5%iger Glukoselösung, jedoch z Kardiovaskulär:
Gefahr der Überwässerung 5 verminderter »cardiac output«
z Maßnahmen bei Hypernatriämie: 5 herabgesetzter peripherer Wider-
5 Gabe von Trometamol (Tris stand
36,34 %) 5 Hypotonie
5 Berechnung des Defizits: 5 Arrhythmieneigung
0,3 × BE × Körpergewicht [kg] 5 koronare Vasokonstriktion
5 Substitution über Infusion oder z Pulmonal:
Perfusor: z z. B. 5 Amp. (100 ml) 5 Hypoventilation (Kompensation)
Tris in 1 l 5%iger Glukoselösung 5 Hyperventilation (Ursache)
(etwa 0,3 M/l; 1 Amp. Tris enthält z Metabolisch:
20 ml, entsprechend 60 mmol) 5 Hypokaliämie
z strenge BGA-Kontrollen (stünd- 5 Hyperlaktatämie
lich) z nicht bei Anurie z Zentralnervös:
z Eventuell Dialyse 5 Krampfneigung
5 Parästhesien
Problem Laktat- und Additions- 5 zerebrale Minderperfusion (bis zu
azidose 50 %)
5 Verwirrung
Eine metabolische Azidose mit vergrö- 5 Tetanie
ßerter Anionenlücke, auch Additionsa-
zidose genannt, kann therapeutische > Der Körper ist wesentlich besser und
Schwierigkeiten bereiten, wenn es um schneller in der Lage, eine Azidose zu
den Ausgleich der Azidose geht. Ent- tolerieren als eine Alkalose. Speziell eine
scheidend ist hier, dass meist kontinu- metabolische Alkalose kann nur sehr
ierlich weitere saure Valenzen freige- begrenzt respiratorisch kompensiert
setzt oder produziert werden. Ein werden, sodass hier besondere Sorgfalt
Beispiel ist die Generierung von Keton- in der Überwachung und Therapie erfor-
körpern bei Insulinmangel oder der derlich ist.
Anfall von Laktat bei anaerobem Ge-
webestoffwechsel (z. B. Darmischämie). Respiratorische Alkalose
Solange diese ursächliche metabolische
Störung nicht behoben ist, wird eine Ätiologie
Korrektur der Säure-Basen-Störung z Gesteigerter Atemantrieb mit Hyper-
ebenfalls nicht dauerhaft gelingen. So- ventilation und konsekutivem pCO2-
mit muss bei einer Additionsazidose Abfall
meist so lange kontinuierlich gepuffert z Ursachen der Hyperventilation: psy-
werden, bis der weitere Anfall von Lak- chogene Faktoren, Ängste, Panik- und
tat, Ketonkörpern oder weiteren Säuren Erregungszustände, pH-Wert-Verän-
unterbrochen ist. derungen, Elektrolytverschiebungen
60.4 · Alkalose 543 60.4
(insbesondere von Phosphat-, Magne- 5 Elektrolytwerte
sium- und Kaliumionen) 5 Blutbild
z Die Niere reagiert mit einer vermehr-
ten Ausscheidung von Bikarbonat, be- Therapie
nötigt jedoch einige Zeit, bis hierdurch z Hypoxie:
eine Kompensation erreicht wird 5 Sauerstoffgabe
5 ggf. Beatmung
Diagnostik z Agitation, Entzugsdelir:
z Anamnese: 5 »Abschirmung« mit Benzo-
5 Schmerzen diazepinen
5 Dyspnoe 5 Sedierung, z. B. mit fraktioniertem
5 Fieber Midazolam (i. v.)
5 Exanthem 5 bei Entzug: Clonidin (150 μg s. c.
5 neurologische Auffälligkeiten, und i. v. über Perfusor)
psychische Veränderungen, Angst, z Hyperventilationstetanie:
Erregung 5 Beruhigung
5 Medikamente (z. B. ASS) 5 Sedierung, z. B. mit fraktioniertem
5 Alkohol-/Drogenkonsum mit Midazolam (i. v.; die Tütenrückat-
eventueller Entzugssymptomatik mung wird nicht mehr empfohlen)
5 metabolisches Delir, Leberinsuffi- z Hepatische Enzephalopathie: Laktu-
zienz, Sepsis lose p. o. und als Einlauf
5 Anämie, Hypoxie z Prüfung der Beatmungseinstellung
5 ventilatorassoziiert, z. B. nach (Tidalvolumen, Atemfrequenz, Unter-
Korrektur einer mechanischen stützungsdruck bei CPAP/assistierter
Obstruktion (z. B. Punktion eines Spontanatmung)
Pleuraergusses oder Korrektur z Gegebenenfalls Intubation und
einer einseitigen Intubation) ohne kontrollierte Beatmung
Anpassung der Beatmungspara-
meter Metabolische Alkalose
z Körperliche Untersuchung:
5 Atemfrequenz (>15/min) Ätiologie
5 Auskultation z Bikarbonatzufuhr:
5 neurologische Untersuchung, ggf. 5 Substitutionstherapie
Lumbalpunktion nach kranialer 5 Milch-Alkali-Syndrom
CT z Bikarbonatresorption:
5 Hinweise für eine Tetanie (peri- 5 ausgeprägter Volumenmangel
phere oder periorale Parästhesien, 5 intensive Diuretikatherapie (u. a.
Krämpfe) über Hypokaliämie: »Volumen-
5 Hinweise für Drogenkonsum mangel«- bzw. »Kontraktionsalka-
(z. B. Einstichstellen) lose«)
z Labordiagnostik: z Säureverlust: Verlust von Magensäure
5 »Infektlabor« (Sonde, Erbrechen)
5 Leberenzymwerte z Chloridverlust:
5 Retentionsparameter 5 Laxanzienabusus
5 Blutzuckerspiegel 5 villöses Adenom
544 Kapitel 60 · Störungen des Säure-Basen-Haushalts

5 Mukoviszidose Therapie
5 Tubulusfunktionsstörung (Gitel- z Hypovolämie: Volumenrepletion
mann-, Bartter-Syndrom) (NaCl 0,9 %; Urin-pH-Wert steigt bei
z Endokrin: erfolgreicher Therapie auf >7)
5 primärer Hyperaldosteronismus z Hypochlorämie, Hypokaliämie: Gabe
5 sekundärer Hyperaldosteronis- von Kaliumchlorid
mus bei Leber- oder Herzinsuffi- z Schwerer Kaliummangel: evtl. zusätz-
zienz lichen Magnesiummangel ausgleichen
5 Nierenarterienstenose z Bikarbonatretention: Gabe von Aze-
5 Cushing-Syndrom tazolamid (Diamox; 250–500 mg/Tag;
z Ein Sonderfall ist die chronische Cave: Hypokaliämie; Therapieüberwa-
respiratorische Azidose mit renaler chung: Urin-pH-Wert steigt auf >7)
Kompensation, die sich akut verbes- z Erbrechen/Magensonde: Gabe von
sert und mit einem pCO2-Abfall ein- Protonenpumpeninhibitoren
hergeht; hier ist der Bikarbonatspiegel z Nierenversagen: ggf. Dialyse
physiologischerweise erhöht, und z Hyperaldosteronismus:
Bikarbonat wird in der Folge rasch 5 Kaliumausgleich
spontan eliminiert 5 Gabe von Spironolacton und
ACE-Hemmern
Diagnostik 5 Tumorentfernung
z Anamnese: 5 ggf. Dexamethasontherapie
5 Nierenerkrankung, Diuretika- z Therapierefraktäre Alkalose: paren-
therapie, Durst terale Säuregabe (z. B. Argininhydro-
5 Blutdruck- und Gewichtsverlauf, chlorid oder HCl):
Orthostase 5 Bedarf: 0,3 × BE × Körperge-
5 Diarrhö, Erbrechen, Magen- wicht [kg] = mmol Säure
sonde 5 initial 50 % infundieren
5 Medikation
5 Ernährungsgewohnheiten in
Hinblick auf Milchprodukte
z Körperliche Untersuchung:
5 Volumenstatus (Halsvenen,
Schleimhäute, Hautturgor etc.)
5 Hypoventilation (Atemfrequenz
von <8/min) oder flache
Atmung
z Labordiagnostik:
5 Urin-pH-Wert
5 Hypokaliämie oder Hypochlorid-
ämie?
5 Kortisolspiegel
5 Plasmareninaktivität und Aldoste-
ronspiegel bei Verdacht auf Hype-
raldosteronismus
Ausgewählte Literatur zu Sektion F 545

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion F

Danovitch GM (2004) Handbook of kidney


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Daugirdas JT, Blake PG, Ing TS (2006) Hand-
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G

G Rheumatologie

61 Rheumatologische Untersuchung, Diagnostik


und Therapieprinzipien – 548

62 Rheumatoide Arthritis – 557

63 Spondylarthritiden – 561

64 Infektiöse Arthritiden – 568

65 Arthropathien bei metabolischen und


endokrinologischen Erkrankungen – 570

66 Arthrose – 573

67 Kollagenosen – 575

68 Vaskulitiden – 586

69 Weichteilrheumatismus – 591

Ausgewählte Literatur zu Sektion G – 592


548 Kapitel 61 · Rheumatologische Untersuchung, Diagnostik und Therapieprinzipien

> Rheumatologische
Untersuchung, Diagnostik
und Therapieprinzipien
O. Schultz

61.1 Schmerzanamnese z Mundschleimhautveränderungen:


Morbus Behçet, systemischer Lupus
z Schmerzlokalisation genau erfassen erythematodes
→ artikulär, periartikulär, Muskeln, z Infektionen: Streptokokkenangina
Sehnen/Sehnenansätze, Unterhaut, (rheumatisches Fieber), Hepatitis
segmental (Vaskulitis), Zeckenstiche (Borreliose)
z Schmerzcharakteristik: kontinuierlich, z Fieber: septische Arthritis, Gicht,
schubweise, bewegungsabhängig, ge- Kollagenosen, Vaskulitis, Still-
neralisiert, Assoziation mit Schwäche/ Syndrom, rheumatisches Fieber,
Sensibilitätsstörungen, Ausstrahlung, Polymyalgia rheumatica
Anlaufschmerz (Arthrosen), Ruhe-
schmerz (Entzündungen: nächtliche
Verschlimmerung), Morgensteifigkeit 61.2 Klinische Untersuchung
(>30 min)
Gelenkuntersuchung
Zusatzinformationen bei Arthritis
z Hautmanifestationen: Psoriasis, z Schwellungen, Erwärmung, Druck-
systemischer Lupus erythemato- schmerz
des, Sklerodermie etc. z Funktionseinschränkungen
z Augenentzündungen: Iritis/ z Hautveränderungen
Uveitis (z. B. Spondylarthritiden), z Fehlstellungen, Deformationen
Konjunktivitis (reaktive Arthritis), z Muskelatrophie
Augentrockenheit (Sjögren-Syn- z Erguss, Krepitation
drom)
z Gastrointestinaltrakt: Diarrhöen, Spezielle Untersuchungen
Schmerzen (entheropathische Ar-
thritis bei chronisch-entzündlichen z Gaenslen-Handgriff (Kompressions-
Darmerkrankungen) schmerz an Hand/Vorfuß): frühes
z Urogenitaltrakt: Urethritis (reaktive Arthritiszeichen
Arthritis), Aphthen/Ulzera (Morbus z Volarbeugeschmerz am Handgelenk:
Behçet) Arthritiszeichen
61.3 · Labordiagnostik 549 61.3
z »Tanzende Patella«: Kniegelenks- z »Tender points« (lokaler Druck-
erguss schmerz mit typischem Verteilungs-
muster; bei Fibromyalgie)
Funktionsprüfung
Haut
z Aktives und passives Bewegungs-
ausmaß z Erytheme/Exantheme
z Bandstabilität z Psoriasisherde (gezielte Suche)
z Endphasenschmerz z Pustulöse Veränderungen (palmo-
z Fehlstellung plantare Pustulose, SAPHO-Syn-
z Kraftminderung drom)
z Rheumaknoten (Prädilektionsstellen:
Wirbelsäule Extremitätenstreckseiten)
z Erythema nodosum (livide, druck-
z Haltung, Beckenstand, Krümmungen, dolente Knoten, meist an den Unter-
Achsenabweichungen schenkelstreckseiten, z. B. bei Sarkoi-
z Tonus (Muskelhartspann) dose, Colitis ulcerosa)
z Klopf- und Erschütterungsschmerz z Tophi (Ohrmuschel, Ellenbogen,
(Entzündung, osteoporotische Fraktur) juxtaartikulär bei Gicht)
z Funktionsprüfungen: z Ulzera (Vaskulitis)
5 LWS-Beweglichkeit nach Schober: z Raynaud-Syndrom (anfallartige, kält-
Abstand zwischen S1 und einem einduzierte, peripherakrale Ischämie/
10 cm kranial davon liegenden Blässe mit Zyanose und reaktiver Hy-
Punkt → maximale Vorwärtsnei- perämie)
gung → Verlängerung des Ab- z Petechien/Purpura (Vaskulitis, Kolla-
stands um 4–6 cm genosen, Kryoglobulinämie)
5 Finger-Boden-Abstand z Nagelveränderungen (Psoriasis,
5 Kinn-Jugulum-Abstand paraneoplastisch bei hypertropher
5 Hinterhaupt-Wand-Abstand Osteoarthropathie)
5 Atembreite
5 Wirbelsäulenbeweglichkeit in
allen Ebenen 61.3 Labordiagnostik
5 Menell-Handgriffe (Verschiebe-
schmerz im Sakroiliakalgelenk bei z Entzündungsparameter:
Entzündung oder Blockierung) 5 Differenzierung entzündlicher
und nichtentzündlicher (degenera-
Weichteile tiver, funktioneller) Prozesse
5 Verlaufsbeurteilung
z Juxtaartikuläre Schwellungen 5 Akute-Phase-Proteine: z. B. CRP:
(Bursitis, Tenosynovitis) z spiegelt Aktivierungsmechanis-
z Konsistenz/Abhebbarkeit von Falten men des angeborenen Immunsys-
(eingeschränkt bei Sklerodermie) tems wider z gute Korrelation
z »Trigger points« (fortgeleiteter myo- der CRP-Konzentration mit dem
faszialer Schmerz, oft mit Sensibilitäts- Ausmaß der systemischen Entzün-
und vegetativen Begleitsymptomen) dungsaktivität z unabhängig von
550 Kapitel 61 · Rheumatologische Untersuchung, Diagnostik und Therapieprinzipien

Alter, Geschlecht und Medika- z Ferritin: Hämochromatose, Still-Syn-


menten drom (oft starke Konzentrationserhö-
z BSG: hung)
5 Sedimentationsgeschwindigkeit z CK (Muskelenzyme): Myositis
der Erythrozyten
5 abhängig von Erythrozytenmor-
phologie und -aggregation sowie 61.4 Autoantikörper
von der Plasmafibrinogenkonzent-
ration z ⊡ Tab. 61.1
5 einfach zu bestimmen z Spezifische Immunantwort gegen
5 zahlreiche Einflussfaktoren (Alter, körpereigene Proteine
Geschlecht, Medikamente) z Versagen der zentralen und periphe-
z Blutbild/Differenzialblutbild: ren immunologischen Toleranzme-
5 hämatologische Erkrankungen chanismen
5 Entzündungen (Thrombozytose, z Physiologisches Vorkommen von
Leukozytose, auch Zytopenien Autoantikörpern; Autoimmunerkran-
möglich) kungen erst bei Effektorkaskade nach
5 Anämie (Entzündung, Blutung Aktivierung der Lymphozyten (Auto-
unter NSAR Therapie) antikörperproduktion, Zytotoxizität,
5 Intoxikationen, Infektionen Produktion proinflammatorischer
5 Therapiekontrolle (Immunsup- Zytokine, zelluläre Interaktionen)
pression)
z Kryoglobuline:
5 Immunglobuline, die bei niedrigen 61.5 Gelenkpunktion und
Temperaturen reversible Aggregate Synovialanalyse
bilden
5 monoklonal: Typ I (bei myelo- z Diagnostische Abklärung einer septi-
und lymphoproliferativen Erkran- schen Arthritis (Gramfärbung, mik-
kungen) robiologische Diagnostik) und einer
5 polyklonal: Typ III (bei Entzün- Kristallarthropathie (z. B. Uratkristalle
dungen, Infektionen) im polarisierten Licht)
5 gemischt: Typ II (z. B. gemischte z Therapeutischer Effekt (Ergussentlas-
essenzielle Kryoglobulinämie) tung)
z Komplementfaktoren:
5 Teil der angeborenen Immun-
antwort 61.6 Bildgebende Diagnostik
5 Konzentrationserniedrigung bei
gesteigertem Verbrauch aufgrund z Röntgendiagnostik:
immunkomplexvermittelter Akti- 5 Arthritiszeichen: periartikuläre
vierung (z. B. systemischer Lupus Weichteilschwellung, gelenknahe
erythematodes, Immunkomplex- Osteoporose, konzentrische Ge-
vaskulitis) lenkverschmälerung, Usuren/Ero-
z Harnsäure: Hyperurikämie/Gicht (im sionen (rheumatoide Arthritis),
Anfall kann der Harnsäurespiegel Osteolysen, Pseudozysten, Anky-
normal sein) losen, Deviationen, Subluxationen,
61.6 · Bildgebende Diagnostik 551 61.6
⊡ Tab. 61.1. Übersicht Autoantikörper

Autoantikörper Antigen Bedeutung


Rheumafaktor Fc-Teil des IgG, Rheumatoide Arthritis (bis 80 %;
meist IgM Prognosefaktor: hoher Titer) und andere
rheumatische Erkrankungen,
Infektionen, zu 5–20 % bei Gesunden
CCP-Antikörper Zyklische zitrullinierte Rheumatoide Arthritis (hohe Spezifität)
Peptide (posttranslati-
onale Modifikation von
Proteinen)
Antinukleäre Anti- Unterschiedliche Zell- Hoher Titer bei Kollagenosen, typische
körper (ANA) kernstrukturen Immunfluoreszenzmuster, weitere
Differenzierung (Immunoblot)
ds-DNA-Anti- Doppelsträngige DNS Hohe Spezifität bei systemischem Lupus
körper bzw. Komplexe mit erythematodes (Korrelation mit
Proteinen Krankheitsaktivität)
SS-A-, SS-B- Ribonukleid-Protein- Systemischer Lupus erythematodes,
(Ro-, La-)Antikörper Komplexe Sjögren-Syndrom
U1-RNP-Anti- Ribonukleid-Protein- Mischkollagenose (Overlap-Syndrom)
körper RNA-Komplex
SCL-70-Antikörper DNA-Topoisomerase I Sklerodermie (20 %)
Zentromer- Zentromerprotein B Limitierte Sklerodermie
Antikörper (CREST-Syndrom)
Antineutrophile Proteinase 3 (cANCA), Anti-Proteinase bei Wegener-Granuloma-
zytoplasmatische Myeloperoxidase tose und mikroskopischer Polyangiitis,
Antikörper (ANCA) (pANCA) Anti-Myeloperoxidase bei Polyangiitis,
Churg-Strauss-Vaskulitis, Glomerulone-
phritis und Polyarteriitis nodosa
Antiphospholi- Phospholipide und Beeinflussung der Blutgerinnung (Throm-
pidantikörper assoziierte Proteine bophilie), Antiphospholipidsyndrom (re-
(Kardiolipin, zidivierende Aborte, venöse und arterielle
β2-Glykoprotein, thromboembolische Ereignisse)
Lupusantikoagulans)

Luxationen, proliferative Verände- Osteochondrose (zusätzlich Deck-


rungen plattensklerose), Spondylose
5 Arthrosezeichen: exzentrische Ge- 5 Sakroiliitis: Spaltverschmälerun-
lenkspaltverschmälerung, subchon- gen, fleckige Sklerosierungen,
drale Sklerosierung, Osteophyten, Ankylosen (buntes Bild)
Ossikelbildung (Fingerpolyarthrose) 5 entzündliche Wirbelsäulenverän-
5 degenerative Wirbelsäulenverän- derungen: Diszitis, Formverände-
derungen: Chondrose (Verschmä- rungen der Wirbelkörper, Erosio-
lerung des Zwischenwirbelraums), nen, Bandverknöcherungen
552 Kapitel 61 · Rheumatologische Untersuchung, Diagnostik und Therapieprinzipien

z Sonographie: 5 Prostaglandinsynthesehemmung
5 schnelle Verfügbarkeit, dynamische (COX-1/-2)
Untersuchung, keine Kontraindi- 5 rasche Wirkung
kationen, gezielte Gelenkpunktion 5 topisch häufig unzureichender
möglich Effekt
5 gute Beurteilbarkeit artikulärer 5 nicht unbeträchtliches Nebenwir-
(Erosionen, Synovitis, Pannus, kungsprofil: gastrointestinale Ne-
Erguss) und periartikulärer Struk- benwirkungen (v. a. bei höherem
turen (Tenosynovitis, Bursitis, Alter, Frauen und Ulkusanamnese;
Sehnenruptur) Gastritis, Kolitis, Ulzera, Blutun-
5 dopplersonographische Untersu- gen), erhöhtes kardiovaskuläres
chungen (lokale Entzündung) Risiko, Nierenfunktionsstörungen
z Skelettszintigraphie: (ANV), ZNS-Symptome (Schwin-
5 sensitives, aber unspezifisches del, Verwirrtheit, Sehstörungen)
Verfahren 5 nach Möglichkeit bedarfsorien-
5 Beurteilung über Ausdehnung und tierte Gabe, ggf. zusätzlich Proto-
Intensität entzündlicher Verände- nenpumpenhemmer
rungen z Speziell: COX-2-Inhibitoren:
5 Auffindung schwer zugänglicher 5 vergleichbare Wirkung und
Entzündungsherde Nebenwirkungen wie klassische
5 Frühdiagnostik entzündlich-rheu- NSAR, aber geringere gastrointes-
matischer Erkrankungen tinale und höhere kardiovaskuläre
5 Differenzialdiagnostik von Kno- Risiken
chenerkrankungen (Tumoren, 5 Substanzen: z. B. Celecoxib, Etori-
Osteomyelitis, Morbus Paget) coxib
z MRT/CT: z Analgetika:
5 aufwendige, teure Untersuchungen 5 additiv, alternativ (Nebenwirkungs-
5 Indikationen: v. a. Wirbelsäulen- profil)
diagnostik (HWS-Dislokation, 5 Substanzen: Paracetamol, Metami-
Bandscheibenprozesse, Sakroiliitis, zol, schwach wirksame Opioide,
Osteonekrosen; gute Weichteildar- Opiate
stellung, Differenzialdiagnostik) z Adjuvante Therapie: Antidepressiva
(Amitriptylin), Gabapentin, Pregaba-
lin, Lokalanästhetika (topische Thera-
61.7 Therapieprinzipien pie), Muskelrelaxanzien (Tetrazepam)
in der Rheumatologie z Glukokortikoide:
5 ⊡ Tab. 61.2
Entzündungshemmung und 5 hocheffektive Entzündungs-
Analgesie hemmung, Einsatz bei vielen
entzündlich-rheumatischen Er-
z Physikalische Maßnahmen: Physio- krankungen
therapie, Ruhigstellung, Kälte 5 komplexer Wirkmechanismus und
z NSAR: ubiquitäre Effekte (Nebenwirkun-
5 Substanzen: z. B. Ibuprofen, Dic- gen): antiphlogistisch, antiexsuda-
lofenac, Indometacin, Naproxen tiv, immunmodulierend
61.7 · Therapieprinzipien in der Rheumatologie 553 61.7
⊡ Tab. 61.2. Glukokortikoidtherapie

Prednisolondosis Anwendung

Bolustherapie: Komplikationen oder schwere Organmanifestationen von


500–1000 mg/Tag Kollagenosen oder Vaskulitiden: 1–3(–5) Tage; Cave: Blutdruck-
anstieg, Hyperglykämie, Psychose, aseptische Osteonekrose

Hohe Initialdosis: Schwere Kollagenosen, Vaskulitis,


1–2 mg/kg KG schwere Polymyalgia rheumatica/Arteriitis temporalis

Kleine (15–30 mg) bis Rheumatoide Arthritis und andere Arthritiden, Kollagenosen,
mittlere (30–50 mg) Uveitis, Polymyalgia rheumatica, Purpura Schoenlein-Henoch
Initialdosis

Sehr kleine Dosis: Erhaltungstherapie bei chronischen Verläufen, Hemmung der


bis 5 mg radiologischen Progredienz bei rheumatoider Arthritis

Anmerkungen:
 Rasche Reduktion bei hoher Initialdosis
 Langsame Reduktion bei niedriger Initialdosis
 Kein abruptes Absetzen nach langer Glukokortikoidtherapie (Nebennierenrindeninsuffizienz,
Krankheitsrezidiv)
 Osteoporoseprophylaxe bei Langzeittherapie (Vitamin D, Kalzium)

5 Substanzen: Prednisolon/Predni- z Verzögerter Wirkungseintritt


son (alternativ: Methylprednisolon (oft nach Wochen bis Monaten)
in Äquivalenzdosis) z Therapiekontrollen notwendig
5 keine absolute Kontraindikation; (Nebenwirkungen)
Vorsicht bei Infektionen, Diabetes
mellitus, kardiovaskulärer Dekom- Biologika (Biologicals)
pensation, schwerer Osteoporose,
Glaukom, Thrombosen und Psy- z Immunmodulatorische Medikamente
chosen mit definierter biologischer Wirkung
5 umfangreiche Nebenwirkungen auf immunpathologisch relevante
bei Langzeittherapie, Kurzzeitan- Zielstrukturen (proinflammatorische
wendung meist unbedenklich Zytokine, zelluläre Rezeptoren,
Transkriptionsfaktoren etc.)
Basistherapeutika z Meist Antikörper oder lösliche Rezep-
(»disease-modifying drugs«) torkonstrukte
z TNF-Inhibitoren:
z ⊡ Tab. 61.3 5 Inhibitoren von TNF-α
z Heterogene Medikamente mit (Tumornekrosefaktor mit
immunmodulatorischer (immun- zentraler Rolle in der Entzün-
suppressiver) Wirkung dungskaskade): Infliximab (Re-
z Keine primär antiphlogistische oder micade), Etanercept (Enbrel),
analgetische Wirkung Adalimumab (Humira)
554 Kapitel 61 · Rheumatologische Untersuchung, Diagnostik und Therapieprinzipien

⊡ Tab. 61.3. Übersicht klassische Basistherapeutika (immunmodulatorische Therapie)

Medikament Anwendung Charakteristika

Methotrexat, Rheumatoide Arthritis  Wirkung nach 4–8 Wochen


7,5–25 mg/Woche (häufigste Therapie),  Folsäureantimetabolit
(p. o., s. c., i. v.) Psoriasisarthritis, Kolla-  Nebenwirkungen: Mukositis,
genosen, Vaskulitis Haarausfall, Übelkeit, Hepatopathie,
Zytopenie, Pneumonitis

Sulfasalazin, Rheumatoide Arthritis  Wenig schwere Nebenwirkungen


2 g/Tag mittlerer Aktivität,  Häufige Nebenwirkungen: Exantheme,
Spondylarthropathien gastrointestinale Nebenwirkungen,
(Psoriasisarthritis) Oligospermie

Antimalariamittel Rheumatoide Arthritis  Beeinflussung des angeborenen


(Chloroquin, Hy- mäßiger Aktivität, Immunsystems
droxychloroquin) systemischer Lupus  Gute Verträglichkeit
erythematodes (v. a.  Sehr selten irreversible Retinopathie
Haut- und Gelenk- (augenärztliche Kontrollen)
sowie Allgemein-
symptome)

Azathioprin, Systemischer Lupus  Beeinflussung des zellulären


50–150 mg/Tag erythematodes und Purinstoffwechsels
andere Kollagenosen,  Nebenwirkungen: Zytopenie,
Morbus Behçet, Hepatopathie, Fieber, Übelkeit, Diarrhö
rheumatoide Arthritis

Mycophenolat- Systemischer Lupus  Guanosinsyntheseinhibition


mofetil, bis 3 g/ erythematodes (auch  Nebenwirkungen: gastrointestinale
Tag bei Lupusnephritis), Nebenwirkungen, Infekte, Zytopenie
Kollagenosen

Ciclosporin, Rheumatoide Arthritis,  Polypeptid aus Pilmyzel


2–4 mg/kg KG/Tag Psoriasisarthritis,  Wirkung über Calcineurininhibition
(Spiegelbestim- systemischer Lupus  Nebenwirkungen: Hypertrichose,
mung nicht zwin- erythematodes und Gingivahyperplasie, Blutdruckanstieg,
gend notwendig) andere Kollagenosen Nephropathie

Cyclophos- Vaskulitis, schwere Kol-  Zytostatikum


phamid, lagenosen (z. B. Lupus-  Nebenwirkungen: Zytopenie, Übelkeit,
500–1000 mg als nephritis, Sklerodermie hämorrhagische Zystitis
i. v. Bolus oder mit Lungenbeteiligung), (Blasenkarzinomrisiko →
2 mg/kg KG p. o. rheumatoide Arthritis Urothelprotektion mit Mesna), Infekte
mit viszeraler Manifesta-
tion oder Vaskulitis

Leflunomid, Rheumatoide Arthritis  Pyrimidinsynthesehemmung


10–20 mg/Tag (Wirkung ähnlich wie  Nebenwirkungen: gastrointestinale
Methotrexat), Nebenwirkungen, Hepatopathie,
Psoriasisarthritis Zytopenie
61.7 · Therapieprinzipien in der Rheumatologie 555 61.7
⊡ Tab. 61.4. Weitere Biologika

Substanz Charakteristika

IL-1-Antagonist (Anakinra), Zentrales proinflammatorisches Zytokin; Einsatz bei


IL-1-Antikörper rheumatoider Arthritis, Morbus Still und periodischen
Fiebersyndromen

CTLA4-Ig (Abatacept) Ko-stimulatorisches Molekül, Inhibition der lymphozytären


Aktivierung; gute Wirksamkeit bei rheumatoider Arthritis

IL-6 (Tocilizumab) Wichtiges inflammatorisches Zytokin; bei rheumatoider


Arthritis effektive Therapie im Rahmen klinischer Studien

5 bei rheumatoider Arthritis hoch- Kollagenosen und Vaskulitiden so-


effektive und schnelle Besserung wie bei Immunthrombozytopenien
der Beschwerden und Progres-
sionshemmung (inbesondere als Weitere Therapieformen
Kombinationstherapie mit Me-
thotrexat); weitere Indikationen: z Intravenöse Immunglobuline:
Spondylarthritis, Uveitis, Vaskuli- 5 Wirkung über verschiedene im-
tis, systemischer Lupus erythema- munregulatorische Mechanismen
todes, Sarkoidose 5 Einsatz bei Immunthrombozyto-
5 meist ausgezeichnete Verträglich- penie, Guillain-Barré-Syndrom,
keit Vaskulitis (Kawasaki-Syndrom),
5 i. v. Infusionen oder s. c. Applika- Polymyositis/Dermatomyositis
tion (z. B. 1-mal 30 g Pentaglobin/Tag
i. v. über 5 Tage)
! Infektionsrisiko (insbesondere myko- z Extrakorporale Therapieverfahren
bakterielle Infekte/Tuberkulose → Scree- (Plasmapherese, Immunadsorption):
ning vor Therapie), demyelinisierende 5 Entfernung von inflammatorisch
Erkrankungen, Infusions- oder Injekti- aktiven Molekülen und pathologi-
onsreaktionen schen Antigenen aus der Zirkula-
tion
z B-Zell-Inhibitoren: 5 Kombination mit hochdosierter
5 Anti-CD20 Antikörper (Ritu- Glukokortikoidtherapie
ximab – MabThera) 5 Einsatz bei thrombotisch-throm-
5 Depletion reifer B-Zellen (wich- bozytopenischer Purpura/HUS,
tige Rolle bei Antigenpräsentation Myasthenia gravis, Goodpasture-
und T-Zell-Interaktion) Syndrom, systemischem Lupus
5 hocheffektive und sichere Thera- erythematodes
pie (Cave: Infusionsreaktionen) z Autologe Stammzelltransplantation:
5 bei therapierefraktären Verläufen 5 Rekonstitution des Immunsystems
der rheumatoiden Arthritis, zu- nach knochenmark- und immuna-
nehmende Anwendung auch bei blativer Chemotherapie
556 Kapitel 61 · Rheumatologische Untersuchung, Diagnostik und Therapieprinzipien

5 Einsatz bei schweren, therapie-


refraktären Autoimmunopathien
und Vaskulitiden
z Radiosynoviorthese:
5 intraartikuläre Injektion radio-
aktiver Substanzen (β-Strahler:
Yttrium, Rhenium, Erbium)
5 Einsatz bei therapieresistenter
Synovitis

Physikalische Medizin

z Wichtige und eigenständige Therapie-


form bei zahlreichen rheumatischen
Erkrankungen zur Schmerzlinderung
und Entzündungshemmung sowie zur
Funktionsverbesserung, Prävention
und Rehabilitation
z Krankengymnastik, manuelle Thera-
pie/Massagen, Elektrotherapie, Ergo-
therapie
z Serielle Therapie
z Spezielle Indikationen und Kontra-
indikationen
z Vorsichtige Dosierung bei hoch-
aktiven Kranheitsprozessen
Kapitel 62 · Rheumatoide Arthritis 557 62

> Rheumatoide Arthritis


O. Schultz

Definition z Atypische Verläufe:


z Entzündliche Systemerkrankung mit 5 höheres Lebensalter
chronisch-rezidivierender Polyarthritis 5 initial große Gelenke betroffen
z Typisches Befallsmuster: symmetrisch- 5 asymmetrischer Befall
peripher (Finger- und Zehengelenke) 5 akuter/fieberhafter Beginn
z Synovitis und Pannusbildung (Pan- z Leitsymptomatik:
nus: Lappen; destruktives synoviales 5 synovitische persistierende Ge-
Proliferationsgewebe) lenkschwellungen mit Morgen-
z Weichteil-, Knorpel und Knochen- steifigkeit
destruktionen 5 Kraftlosigkeit
z Extraartikuläre Manifestationen 5 juxtaartikuläre Muskelatrophie
möglich 5 Schmerzen, z. B. schmerzhafter
Händedruck (Gaensslen-Zeichen)
Epidemiologie z Fortgeschrittene Gelenkverände-
z Frauen 3-mal so häufig betroffen wie rungen:
Männer 5 Befall aller Gelenke möglich
z Hauptmanifestationsalter: 30–50 Jahre 5 destruktive Veränderungen,
Auftreibungen, Fehlstellungen,
Ätiologie Deformierungen, Ankylosen, Su-
z Genetische Disposition (HLA-Gene: bluxationen, Mutilationen, Rheu-
HLA-DR4), Auslösemechanismus maknoten
unklar (Infektion, unspezifische Ge- 5 Befall der HWS (30 %): atlantoaxi-
webeschädigung) ale/okzipitale Subluxation, Dens-
z Hormonelle Faktoren (Östrogene, dislokation, subaxiale Subluxation
Hypothalamus-Hypophysen-Neben- mit neurologischer Symptomatik
nieren-Achse) (Paresen, vertebrobasiläre Insuffi-
z Rauchen zienz, Sensibilitätsstörungen, pa-
thologische Reflexe, Querschnitts-
Klinik lähmung, Halsmarkkompression
z Frühe Symptome: → rheumatologischer Notfall)
5 Morgensteifigkeit über 30 min, 5 später: Gelenkfehlstellungen
Kraftlosigkeit (Schwanenhalsdeformität der
5 Schmerzen und Schwellungen, Finger durch Überstreckung im
meist symmetrisch an Fingergrund- Mittelgelenk, Ulnardeviation,
und -mittelgelenken (MCP, DIP) Strecksehnenruptur, Knopflochde-
5 Tenosynovitis formität)
558 Kapitel 62 · Rheumatoide Arthritis

z Extraartikuläre Manifestationen: 2. Weichteilschwellung (Arthritis) von


5 kardial: Perikarditis, Myokarditis ≥3 Gelenken
5 Gefäße: Vaskulitis (typisch: Unter- 3. Schwellung (Arthritis) der proxi-
schenkelulkus) malen interphalangealen, meta-
5 Lunge: Pleuritis, interstitielle karpophalangealen oder Handge-
Lungenfibrose, pulmonale Rheu- lenke
maknoten 4. Symmetrische Schwellung
5 Nervensystem: Neuropathie, Myo- (Arthritis)
sitis 5. Rheumaknoten
5 Augen: Episkleritis (rotes Auge), 6. Nachweisbare Rheumafaktoren
Keratitis, Keratoconjunctivitis 7. Radiomorphologisch Erosionen
sicca und/oder gelenknahe Osteoporose
5 Blut: Anämie in Finger- und/oder Handgelen-
5 Nieren: Amyloidose ken
5 Tumoren: häufiger Lymphome z Beurteilung:
5 Kriterien 1–4 müssen für
Klassifikation (ACR-Kriterien) ≥6 Wochen vorhanden sein
1. Morgensteifigkeit: in und um die 5 ≥4 Kriterien müssen erfüllt sein
Gelenke für ≥1 h z Sonderformen: ⊡ Tab. 62.1

⊡ Tab. 62.1. Sonderformen der rheumatoiden Arthritis mit systemischer Manifestation

Erkrankung Grundlagen und Klinik Diagnostik und Therapie

Felty-  Immunpathologische Variante  Diagnostik: Leukopenie,


Syndrom einer seropositiven nodösen hochtitriger Rheumafaktor, ANA,
rheumatoiden Arthritis mit ANCA, Knochenmarkpunktion
Splenomegalie und Neutropenie (Differenzialdiagnose: hämatolo-
 Häufig Vaskulitis gische Systemerkrankung)
 Rezidivierende Infektionen  Therapie: Glukokortikoide,
 Sjögren-Syndrom Methotrexat, Gold, Cyclosporin
 Hepatomegalie
 Lymphadenopathie
 Erhöhtes Risiko für Lymphome
(Non-Hodgkin-Lymphom)

Adultes Still-  Erwachsenenform der juvenilen  Diagnostik: stark erhöhte Entzün-


Syndrom systemischen Arthritis (Morbus dungsparameter, ausgeprägte
Still) Leukozytose, Anämie, Leberwert-
 Hauptsymptome: persistieren- erhöhung, Hyperferritinämie,
des hohes Fieber, Arthralgien/ kein Rheumafaktor, keine ANA
Arthritis, Exanthem (lachsfarben,  Therapie: NSAR, ASS, Glukokorti-
flüchtig) koide, Methotrexat, Ciclosporin,
 Außerdem: Splenomegalie, Lym- TNF-Inhibitoren, IL-1-Antagonis-
phadenopathie, Hepatopathie, im ten (Anakinra)
Frühstadium Pharyngitis, Serositis
Kapitel 62 · Rheumatoide Arthritis 559 62
Diagnostik 5 chronisch: zahlreiche viszerale
z Labordiagnostik: Manifestationen möglich
5 Entzündungsparameter: BSG,
CRP-Konzentration Therapie
5 Blutbild: normozytäre Anämie, > Kombination unterschiedlicher
evtl. Thrombozytopenie, Neutro- Medikamente und Therapieverrfahren
penie > Aktivitätsadaptierte und individuelle

5 Rheumafaktoren Therapie; Ziel: Remission


5 Antikörper gegen zyklische zitrul- > Frühe und intensive Therapie

linierte Peptide: hohe Spezifität, (»window of opportunity«)


Auftreten bereits lange vor Krank-
heitsbeginn möglich Symptomatische Therapie
5 ANA (30 %) z NSAR, COX-2-Hemmer, Analgetika
z Bildgebende Diagnostik: z Glukokortikoide:
5 typische Arthritiszeichen (s. oben), 5 rasche Wirksamkeit
insbesondere erosive Veränderun- 5 initiale Überbrückungstherapie,
gen, v. a. an Hand-, Finger- und Schubkontrolle
Zehengrundgelenken 5 können radiologische Progression
5 schwerer Verlauf: Subluxation, Lu- aufhalten
xation, Fehlstellungen, Ankylosen, 5 niedrigstmöglichste Dosis
Mutilationen (Nebenwirkungen bei Langzeit-
5 HWS: atlantoaxiale Dislokation therapie)
(seitliche Aufnahme in Ventral- 5 intraartikuläre Injektion (in Kom-
und Dorsalflexion); ggf. MRT bination mit Lokalanästhetika)
5 radiologische Progression meist z Krankheitsmodifizierende Basis-
innerhalb der ersten Jahre therapie:
5 Sonographie zur Beurteilung arti- 5 frühzeitiger Beginn
kulärer und periartikulärer Struk- 5 regelmäßige Therapiekontrollen
turveränderungen notwendig (Nebenwirkungen)
z Gelenkpunktion: differenzialdiag- 5 heterogene Gruppe von Medika-
nostische Abklärung von infektiöser menten
Arthritis und Kristallarthropathie 5 keine kausale Therapie
5 Kombinationstherapie mit höherer
Differenzialdiagnostik Wirksamkeit
z Kollagenosen (systemischer Lupus z Biologika:
erythematodes, Overlap-Syndrom, 5 gezielte Hemmung inflammatori-
undifferenzierte Kollagenosen) scher und immunpathologischer
z Kristallarthropathien Prozesse
z Septische Arthritis (Synovialanalyse) 5 Antizytokine: gegen TNF-α (Eta-
z Reaktive Arthritis (Befallsmuster, nercept, Infliximab, Adalimumab),
Anamnese) IL-1/-6/-15/-17
z Arthritis bei Sarkoidose: 5 Antikörper gegen CD20/B-Zell-
5 akut: Arthritis der unteren Extre- Depletion (Rituximab)
mität, bihiläre Lymphadenopathie, 5 Blockierung ko-stimulatorischer
Erythema nodosum Signale (Abatacept)
560 Kapitel 62 · Rheumatoide Arthritis

5 Inhibition zellulärer Aktivierungs- Verlauf und Prognose


mechanismen (Kinasen, Tran- z Verlauf sehr variabel, häufig
skriptionsfaktoren) schubweise, in 10–15 % der Fälle
z Physikalische Therapie: unkontrollierbar/»maligner« Verlauf
5 individuelles Programm in Ab- z Atypische Verläufe möglich (Alters-
hängigkeit von der Krankheits- erkrankung, lupoide rheumatoide Ar-
aktivität thritis, maligne rheumatoide Arthritis
5 Schmerzlinderung (Thermo- mit Vaskulitis)
therapie) z Erhöhte Mortalität bei ausgeprägter
5 Krankengymnastik (Muskelkräf- Krankheitsaktivität (Mortalität ähn-
tigung, Funktionsverbesserung, lich wie bei KHK): Infektionen, kar-
Gelenkstabilisierung) diovaskuläre Erkrankungen
5 Ergotherapie (Funktionsverbesse-
rung, Gelenkschutz)
z Operative Therapie:
5 Tenosynovektomie
5 Sehnenkorrektur
5 Endoprothetik
5 Fixation/Stabilisierung (HWS)

Therapieempfehlung (Beispiel)
z Milde Arthritis:
5 Prednisolon (initial 10–20 mg/Tag,
dann schrittweise Dosisreduktion)
und Hydroxychloroquin
5 alternativ: Sulfasalazin, Methot-
rexat, Minocyclin (Antibiotika
mit antiinflamatorischer Wir-
kung, Hemmung von Metallo-
proteinasen)
z Moderate Arthritis:
5 Prednisolon (initial 20–30 mg)
und Methotrexat (15 mg/Woche)
5 alternativ: Leflunomid
(10–20 mg/Tag)
z Schwere Arthritis:
5 Prednisolon (initial 30 mg/Tag)
und Methotrexat (bis 25 mg/
Woche)
5 alternativ: Leflunomid (20 mg/
Tag)
5 frühzeitig Kombinationstherapie
und Biologika
63.1 · Ankylosierende Spondylitis 561 63.1

> Spondylarthritiden
O. Schultz

Definition 5 Synovitis, asymmetrisch oder vor-


z Gruppe von entzündlich-rheumati- wiegend an den unteren Extremi-
schen Erkrankungen mit potenzieller täten
Beteiligung des Achsenskeletts z Zusatzkriterien:
z Eine der häufigsten rheumatischen 5 familiäre Belastung
Erkrankungen (2 % der Erwachsenen 5 Psoriasis
im Alter von >20 Jahren) 5 chronisch-entzündliche Darm-
erkrankung
Einteilung 5 Gesäßschmerz mit Seitenwechsel
z Ankylosierende Spondylitis (Morbus 5 Enthesiopathie (Achillessehne,
Bechterew) plantare Fasziitis)
z Reaktive Arthritis 5 akute Diarrhö oder Urogenitalinfekt
z Juvenile Spondylarthropathien innerhalb eines Monats vor rheumati-
z Psoriasisarthropathie scher Symptomatik
z Enteropathische Arthropathien 5 radiologischer Nachweis einer Sakroi-
z SAPHO-Syndrom liitis
z Undifferenzierte Spondylarthropa- Es müssen 1 Hauptmerkmal und mindestens
thien (und Abortivformen) 1 Zusatzmerkmal erfüllt sein.

Ätiologie
z Genetische Prädisposition, Assozia-
tion mit HLA-B27 (20fach erhöhtes 63.1 Ankylosierende
Risiko für Spondyloarthropathie) Spondylitis (Morbus
z Infektionen, Persistenz bakterieller Bechterew)
Antigene bei defekter Immunant-
wort Definition
z Durch molekulare Mimikry be- z Chronisch-entzündliche Erkrankung
dingte Kreuzreaktion zwischen mit Hauptmanifestation am Achsen-
Darmbakterien und HLA-B27 (?) skelett
z Entzündliche, destruktiv-proliferative
und ossifizierende Veränderungen mit
Klassifikationskriterien der Spondylo- Ankylosenbildung
arthritiden z Bei 90 % der Patienten Nachweis von
z Hauptkriterien: HLA-B27
5 entzündlicher Wirbelsäulenschmerz z Manifestationsalter: 16.–40. Lebens-
von ≥3-monatiger Dauer jahr
562 Kapitel 63 · Spondylarthritiden

Klinik 5 Fleche-Test: Abstand zwischen


z Persistierender, tief sitzender Rü- Hinterkopf und Wand
ckenschmerz mit Zunahme in Ruhe z Labordiagnostik:
(nachts, morgens) und Ausstrahlung 5 häufig erhöhte Entzündungswerte
in das Gesäß (Differenzialdiagnose: 5 HLA-B27 bei 90 % der Patienten
Bandscheibenvorfall) sowie Besserung positiv (Cave: auch bei 5–10 % der
durch Bewegung, Dauer ≥3 Monate Normalbevölkerung positiv)
z Steifigkeit, gürtelförmiger Thorax- z Röntgendiagnostik:
schmerz → verminderte respirato- 5 Sakroiliitis: Randsklerosen, Usu-
rische Beweglichkeit des Brustkorbs ren, Ankylose
(Thoraxumfangsdifferenz ex-/inspira- 5 Spondylitis: Syndesmophyten
torisch: <6 cm) (Verknöcherungen des Anulus
z Arthralgien/Arthritiden: meist fibrosus und des subligamentären
stammnah, später peripher Gewebes), knöcherne Versteifung
z Sehnenansatzschmerz an Fersen und (»Bambusstabwirbelsäule«), Wir-
Sitzbein: Enthesiopathien belkörperumbau (u. a. Kastenwir-
z Allgemeinsymptome: u. a. Iritis/Uvei- bel), Spondylodiszitis (Verkalkung
tis anterior (rotes Auge) des Bandapparats bei Erhalt der
z Fortgeschrittene Veränderungen: Bandscheibenhöhe)
5 Sakroiliitis (bilateral) mit Kreuz- 5 Arthritiszeichen: an Rippen-,
und Gesäßschmerzen (Pseudoi- Wirbel-und Intervertebral- sowie
schias); CT-Befund: Destruktion, peripheren Gelenken
subchondrale Sklerose, knöcherne z MRT: frühe Diagnostik einer Sakroili-
Ankylose (»buntes Bild«) itis und entzündlicher Wirbelsäulen-
5 Haltungs- und Habitusveränderun- manifestationen (z. B. Diszitis)
gen durch progrediente Ankylose
z Extraartikuläre Manifestationen: Differenzialdiagnostik
5 Augen: Iritis (20 %) z Bakterielle Sakroiliitis/Spondylitis
5 urogenital: Prostatitis, Urethritis z Spondylosis hyperostotica
5 Darm: entzündliche Darmverän- z Degenerative Wirbelsäulen- und
derungen Bandscheibenleiden
5 selten: Aortitis → Aorteninsuf- z Osteomalazie
fizienz, diastolische Funktions- z Hyperparathyreoidismus
störung, Oberlappenfibrose der
Lungen, Myositis Therapie
z Medikamentöse Behandlung:
Diagnostik 5 NSAR: häufig gutes Ansprechen
z Funktionsprüfung der Wirbelsäule: (individuell variabel), alternativ
5 Finger-Boden-Abstand COX-2-Hemmer
5 Schober-Maß: 5. Lendenwirbel- 5 Analgetika
körper + 10 cm → Rumpfbeugung 5 Glukokortikoide: als intraartikuläre
→ Abstandszunahme um 4 cm Injektionen in die Sakroiliakalge-
5 Ott-Maß: 7. Halswirbelkörper – lenke, systemisch nur bei speziellen
30 cm → Rumpfbeugung → Ab- Indikationen (therapieresistente
standszunahme um 2 cm Polyarthritis, Augenentzündungen)
63.2 · Psoriasisarthritis 563 63.2
5 TNF-Blocker: hocheffektive Kont- Ätiologie
rolle der Krankheitsaktivität z Genetische Disposition
z Physikalische Therapie: Physiothera- z Infektionen (Aids kann Psoriasis-
pie/Krankengymnastik (dauerhaft, arthritis auslösen)
frühzeitig, Hausübungsprogramm) → z Immunpathologische Mechanismen:
»Bechterew-Gymnastik« T-Zell-Aktivierung durch Keratino-
z Operative Behandlung: Synovekto- zyten, Arthritis als Generalisation
mien, Endoprothetik, Korrekturo- der Dermatose (?)
perationen, Fixierungsoperation bei
atlantoaxialer Lockerung, Aufrich- Klinik
tungsoperation bei massiver Kyphose z Psoriasis:
5 Hautmanifestationen (in 60 %
Verlauf und Prognose der Fälle vor der Arthritis, in
z Variabler Verlauf (von blande bis 20 % danach): Psoriasis vulga-
rasch ankylosierend), häufig schub- ris, Psoriasis pustulosa, Psoria-
weise und aszendierend sis erythrodermatica, Psoriasis
z Schmerz und Ossifizierungstendenz inversa, Psoriasis intertriginosa
nicht parallel verlaufend (gezielte Suche nach Efflores-
zenzen)
5 silberweiße Schuppen (scharf
63.2 Psoriasisarthritis begrenzt) an den Streckseiten
5 Ausspitz-Phänomen: blutiger
Definition Tau, letztes Häutchen
z In Assoziation mit einer Psoriasis 5 Tüpfelnägel, subunguale Ke-
auftretende destruktive/proliferativ- ratosen, Ölfleck, Onycholyse
osteoplastische Gelenkerkrankung (Nagelbefund; korreliert häufig
mit fakultativer Achsenskelettbetei- mit den Endgelenkverände-
ligung rungen)
5 Koebner-Phänomen: lokal pro-
Formen vozierte Psoriasis
z Asymmetrische Arthritis (50 %): 5 Kerzenphänomen: talgartige
Befall von proximalen und distalen Schuppenpartikel
Interphalangealgelenken, evtl. Strahl- z Gelenksymptomatik:
daktylitis mit »Wurstfingern« 5 klassische Arthritis psoriatica:
z Symmetrische Arthritis (25 %): wie dominierende Endgelenkarthri-
rheumatoide Arthritis tis (Differenzialdiagnose: Finger-
z Psoriatische Spondylitis/Sakroiliitis polyarthrose)
(25 %): Befall des Achsenskeletts 5 Mon-/Oligoarthritis: asymmet-
risch, Strahlbefall
Epidemiologie 5 Arthritis mutilans: schwerer,
z Psoriasis bei 1–2 % der Bevölkerung destruierender Verlauf mit aus-
z Arthritis bei Psoriasis bei 10–25 % der geprägten Deformationen
Patienten 5 symmetrische Arthritis: Polyar-
z Manifestation in jedem Alter möglich, thritis ähnlich wie bei rheumato-
bevorzugt im 30.–40. Lebensjahr ider Arthritis
564 Kapitel 63 · Spondylarthritiden

5 Daktylitis psoriatica: diffuse Therapie


Schwellung eines Fingers/Zehs z Ähnlich wie bei rheumatoider Arthritis
(»Wurstfinger«) z Symptomatisch: NSAR, COX-2-
5 Spondylitis psoriatica: Achsen- Hemmer
skelettbeteiligung mit Sakroiliitis z Methotrexat (15–25 mg/Woche),
und Spondylitis Sulfasalazin (2–3 g/Tag), Leflunomid
(20 mg/Tag), Ciclosporin (2–5 mg/
> Die Gelenkveränderungen können kg KG/Tag)
vor, mit oder nach einer Psoriasis z TNF-Inhibitoren, Antikörper gegen
auftreten, selten kann es zu einer Pso- IL-12/-23 (Ustekinomab)
riasisarthritis »sine (ohne) Psoriasis« z Therapie des SAPHO-Syndroms:
kommen. NSAR, Sulfasalazin, Bisphosphonate,
> Das gleichzeitige Auftreten von Calcitonin, Azithromycin
rheumatoider Arthritis oder ankylo-
sierender Spondylitis und Psoriasis ist
möglich. 63.3 Enteropathische
Arthritiden
Sonderform: SAPHO-Syndrom
z Synovitis, Akne, Pustulose, Hyperos- ⊡ Tabelle 63.1
tose, Osteitis (auch als Abortivformen,
selten volle Ausbildung)
z Pustulosis palmoplantaris 63.4 Reaktive Arthritiden
z Vorderes Thoraxwandsyndrom:
schmerzhafte Schwellung der Sterno- Definition
klavikularregion z Gleichzeitiges (parainfektiös) oder
z Achsenskelettbeteiligung (Spondylitis, nachfolgendes (postinfektiös) Auftre-
Sakroiliitis) ten von Arthritiden im Rahmen einer
Infektion
Diagnostik z Infektion als Triggermechanismus
z Labordiagnostik: für immunpathologisch vermittelte
5 wenig richtungsweisend Gelenkentzündung (Abgrenzung
5 im Vergleich zur rheumatoiden gegenüber infektiösen/septischen Ar-
Arthritis häufig nur gering er- thritiden)
höhte Entzündungswerte
5 keine Rheumafaktoren Einteilung
z Röntgendiagnostik: z Klassische reaktive Arthritis nach
5 häufig Endgelenkbeteiligung, gastrointestinalem oder urogenitalem
oft asymmetrischer Befall Infekt
5 Osteolysen, keine gelenknahe z Rheumatisches Fieber
Osteoporose z Borrelienarthritis
5 proliferative Veränderungen, z Arthritis bei Virusinfektionen (?)
Periostitis
5 Synostosierungen, Deformationen, Klinik, Diagnostik und Therapie
Mutilationen ⊡ Tabelle 63.2
63.4 · Reaktive Arthritiden 565 63.4
⊡ Tab. 63.1. Übersicht enteropathische Arthritiden

Enteropathie Klinik Diagnostik Therapie

Chronisch-  Bei 10–20 % der  Endoskopisch-histologi-  Intraartikuläre


entzündliche Patienten sche Diagnostik oder
Darmerkran-  Intestinale Mani-  Keine Rheumafaktoren systemische
kungen festation (Diarrhö,  Differenzialdiagnostik: Glukokortikoide
Bauchschmerzen, reaktive Arthritis, Gicht,  Sulfasalazin
Tenesmen) rheumatoide Arthritis,  Methotrexat
 Uveitis rheumatisches Fieber  TNF-Inhibitoren
 Stomatitis
 Erythema nodosum
 Enthesiopathien
 Meist asymmetri-
sche Oligo- oder
Monarthritis der
unteren Extremi-
täten
 Häufig Achsen-
skelettbeteiligung

Sprue  Bei 30 % der  Antikörper gegen  Glutenfreie Diät


Patienten Gelenk- Gliadin, Endomysium  Meiden von
beteiligung (meist und Gewebetransglut- Milchzucker
größere Gelenke) aminase  Gegebenenfalls
 Intestinale Sym-  Dünndarmbiopsie Kortikosteroide
ptome (Diarrhö, (Zottenatrophie plus
Schmerzen, Meteo- Kryptenhyperplasie:
rismus) Kolonisation)
 Malabsorptions-
folgen
 Dermatitis herpeti-
formis Duhring

Morbus  Malabsorption  Tiefe Dünndarm-  Langfristige


Whipple  Diarrhö biopsie (PAS-positive (1 Jahr) Anti-
 Gewichtsverlust Einschlüsse in biotikatherapie,
 Zahlreiche variable Makrophagen/»sickle- z. B. Doxycyclin
Organmanifesta- form particles contai- (ohne Behand-
tionen ning cells«) lung tödlich)
 Bei bis zu 90 %  Tropheryma whippelii
der Patienten sehr nicht kultivierbar (→
schmerzhafte mi- PCR)
gratorische Oligo-
oder Polyarthritis/
Arthralgien
566 Kapitel 63 · Spondylarthritiden

⊡ Tab. 63.2. Übersicht reaktive/infektassoziierte Arthritiden

Klinik Diagnostik Therapie

Rheumatisches Fieber

 Nach Streptokokkeninfek-  CRP-Konzentration und  Antibiotikatherapie


tion der oberen Atemwege BSG erhöht (Penicillin)
(Tonsillitis)  Antistreptolysintiter  Salizylate oder NSAR
 Häufig blande Verläufe (Verlauf )  Prednisolon (bis 100 mg)
 Nach Latenz von 10–20 Ta-  EKG-Veränderungen bei Karditis
gen Fieber, Verschlech-  Echokardiographie  Rezidivprophylaxe: z. B.
terung des Allgemein- (Perikarditis, Endokar- Benzathinpenicillin, alle
zustands, akute, sehr ditis) 3 Wochen 1,2 Mio. IE
schmerzhafte migratorische über ≥5 Jahre
Polyarthritis (Arthralgien),
Karditis, Erythema margi-
natum/anulare, subkutane
Knötchen, Chorea minor
 Benigne Form: Poststrepto-
kokkenarthritis
(selten Karditis)

Klassische reaktive Arthritis

 Nach Urogenital- oder  Erreger der postenteriti-  Infektsanierung, danach


Darminfektion (Enteritis, schen reaktiven Arthriti- meist selbstlimitierender
Urethritis) Oligo- oder den: Yersinia enterocoli- Verlauf über Wochen bis
Monarthritis der unteren tica/pseudotuberculosis, Monate
Extremitäten Campylobacter jejuni,  Antibiotische Behandlung
 Achsenskelettbeteiligung Salmonella typhimu- ohne Effekt auf Arthritis
möglich rium, Shigella flexneri,  Symptomatische Therapie
 Enthesiopathien, Brucellen  Gegebenenfalls
Tenosynovitis, Myalgien  Erreger der posture- Sulfasalazin oder
 Konjunktivitis, Uveitis thritischen reaktiven Methotrexat bei
 Haut- und Schleimhaut- Arthritiden: Chlamydia chronischen Verläufen
beteiligung trachomatis, Neisseria
gonorrhoeae, Urea-
plasma urealyticum,
Mykoplasmen
 Erregernachweis
schwierig
 Serologische Diagnostik
problematisch und
▼ ungenau
63.4 · Reaktive Arthritiden 567 63.4
⊡ Tab. 63.2. Fortsetzung

Klinik Diagnostik Therapie

Borrelien-Arthritis

 Stadium I: grippale  Klinische Diagnose  Stadium I: Doxycyclin,


Symptome, Erythema (Zeckenstich, Erythem) 200 mg/Tag über
chronicum migrans  Serologie (Immunfluo- ≥3 Wochen; alternativ:
 Stadium II: lymphozytäre reszenz, ELISA, Bestä- Amoxicillin,
Meningoradikulitis Bann- tigung durch Western- 3-mal 500 mg/Tag
warth, Lymphozytom der blot): hohe Spezifität  Ab Stadium II bzw. bei
Haut, Meningitis/Enzepha- der Antikörper gegen Neuroborreliose:
litis, Arthralgien, Arthritis, OspA/B/C (spezifische Ceftriaxon, 2 g/Tag über
entzündliche Augenmani- Oberflächenantigene), 2 Wochen
festationen, kardiale Beteili- Flagellinprotein; häufig
gung (AV-Block, Perikarditis) schwierige Interpreta-
 Stadium III: Acrodermatitis tion der serologischen
chronica atrophicans (Per- Befunde
gamenthaut), lymphozytäre  PCR-Nachweis
Meningitis
 Klassische Borrelien-Arth-
ritis: variables Bild, meist
mon- oder oligoartikulär,
intermittierender Verlauf,
in 80 % der Fälle Kniege-
lenkbefall (ausgeprägte
schmerzlose Ergussbildung
möglich)
568 Kapitel 64 · Infektiöse Arthritiden

> Infektiöse Arthritiden


O. Schultz

! Intraartikuläre Erregerinvasion → klinischen Entzündungszeichen und


Gefahr der raschen Gelenkzerstörung starken Schmerzen (Knie > Hüfte >
durch eitrige Gelenkentzündung (bakte- Schulter > Ellenbogen)
rielle Arthritis) → frühe und aggressive z Allgemeinsymptomatik: Fieber,
Therapie Verschlechterung des Allgemein-
zustands
Ätiologie z Bei Gonokokkeninfektion: initiale
Erregerspektrum Polyarthralgien, wandernde Polyar-
z Staphylokokken (60 %) thritis (häufig Knie- und Handge-
z Streptokokken (20 %) lenke), häufig Tenosynovitis, Haut-
z Gonokokken veränderungen (papulöse Dermatitis,
z Andere: gramnegative Keime Vesikel, Pusteln, hämorrhagische
(Pseudomonas spp., Proteus spp., Blasen), Fieber
Haemophilus pp.), Anaerobier, z Differenzialdiagnostik: Gichtarthritis,
Mycobakterien, Mycoplasmen Schub einer rheumatoiden Arthritis,
reaktive Arthritis
Disponierende Faktoren
z Gelenkerkrankungen (rheumatoide Diagnostik
Arthritis) z Labordiagnostik: Entzündungs-
z Gelenkoperationen, Endoprothesen parameter, Leukozytose mit Links-
z Diabetes mellitus verschiebung
z Alkoholismus, Leberzirrhose z Mikrobiologie: Blutkulturen,
z Myeloproliferative Erkrankungen Gram- und Ziehl-Neelsen-Färbung,
z HIV-Infektion Kultur, ggf. PCR-Nachweis, ggf.
z Drogenabhängigkeit Virologie
z Immunsuppression z Gelenkpunktion (obligat): Leuko-
z Bekannter Infektionsfokus: infekti- zytenzahl von >20.000/μl
öse Bursitis, infektiöse Sakroiliitis z Biopsie: Wirbelkörper, Knochen
nach gynäkologischen Erkrankun- z Röntgenuntersuchung: destruktive
gen oder Operationen, infektiöse Veränderungen, Knorpelschwund,
Spondylitis Osteolysen, Ankylosen im späteren
z Infektiöse Grunderkrankung Verlauf
z Szintigraphie: Technetiumszinti-
Klinik graphie (alternativ: Szintigraphie
z Akute Mon- oder Oligoarthritis der mit Indium-111-markierten Leuko-
größeren Gelenke mit deutlichen zyten) früh positiv
Kapitel 64 · Infektiöse Arthritiden 569 64
z Sonographie: empfindliche früh-
Erreger der virusbedingten Arthritis
diagnostische Maßnahme
z MRT/CT: Ausdehnung und Grad der z Häufig: HBV, HCV, Parvovirus B19, Röteln-
destruktiven Veränderungen virus, Arboviren (Dengue-Fieber, Chikun-
im Knorpel-, Knochen-und Weich- gunya)
teilgewebe z Weniger häufig: Mumpsvirus, Pocken-
virus (auch Impfvirus), Enteroviren
Therapie (Coxsackie-, ECHO-Viren)
z Rasche und aggressive Therapie, z Selten: Adenovirus, Influenza- und
interdisziplinär mit Orthopäden/ Parainfluenzavirus, Herpesviren, Epstein-
Chirurgen → stationäre Behand- Barr-Virus, CMV, HIV, HTLV (humanes
lung T-lymphotropes Virus)
z Kalkulierte Antibiotikatherapie:
z. B. Aminopenicillin/β-Laktamase-
Hemmer (Unacid, 3-mal 3 g/Tag; Klinik
alternativ: Cefotaxim, 3-mal 2 g/Tag, z Oft fehlende klassische Entzündungs-
plus Flucloxacillin, 3-mal 4 g/Tag), zeichen
sonst nach Antibiogramm z Blande klinische Symptomatik mög-
z Lokaltherapie: Punktion, Drainage lich
zur Dekompression z Kurzzeitige Arthralgien bis schwere
z Physiotherapie: nach der Akutphase persistierende Arthritiden
(Gefahr der Gelenkversteifung) z Myalgien (»Gliederschmerzen«)
z Bei chronischer Infektion: Arthroto- z Allgemeinsymptomatik: Krankheits-
mie und Synovektomie gefühl, Abgeschlagenheit, Fieber
z Hautsymptomatik: Exantheme
! Eine intraartikuläre Injektion von z HCV-Infektion: essenzielle gemischte
Antibiotika ist kontraindiziert, da Anti- Kryoglobulinämie möglich (Vas-
biotika zu einer »chemischen Synovitis« kulitis, Polyneuropathie, Raynaud-
führen. Syndrom, GN), Assoziation mit
Sjögren-Syndrom und anderen Auto-
Spezielle Form: Virale Arthritiden immunopathien

Definition Labordiagnostik
z Entzündliche Gelenkerkrankungen z Wenig richtungsweisend, laborche-
und Arthralgien im Rahmen unter- mische Entzündungszeichen können
schiedlicher Virusinfektionen mit fehlen
meist guter Prognose z Reaktive Lymphozytose
z Zuordung sowohl zu infektiösen als z Serologische Diagnostik nicht immer
auch zu reaktiven Arthritiden (meist verlässlich
kein Erregernachweis im Gelenk
möglich) Therapie, Verlauf und Prognose
z Symptomatisch: NSAR, Schonung
Ätiologie z Meist völlige Remission
z Direkte Invasion (Rubellavirus, Parvo- z Selten chronische und destruierende
virus, Enterovirus) Verläufe (Rötelnarthritis)
570 Kapitel 65 · Arthropathien

> Arthropathien bei


metabolischen und
endokrinologischen
Erkrankungen
O. Schultz

65.1 Übersicht

⊡ Tabelle 65.1

⊡ Tab. 65.1. Übersicht metabolisch und endokrinologisch bedingte Arthropathien

Krankheitsbild Klinik Diagnostik und Therapie

Arthropathie  Hämosiderinablagerung in den Gelen-  Diagnostik: HFE-Gen-


bei Hämo- ken (bei 50 % der Patienten), häufig in Mutationsnachweis,
chromatose den Fingergelenken (Metakarpopha- Ferritinspiegel und
langealgelenk, symmetrisch), aber auch Transferrinsättigung
in den großen Gelenken; keine ausge- erhöht, Organdia-
prägte Entzündung, Knorpelschwund gnostik, Biopsie
 Organmanifestationen: Hepatopathie,  Therapie: symptoma-
Bronzediabetes, Kardiomyopathie tisch, Aderlass (kaum
Effekt auf Arthropathie)

Diabetische  Steifigkeit der Finger- und Handgelenke  Therapie: Physiothera-


Arthropathie  Sklerodermieartige Veränderungen peutische Behandlung,
 Kontrakturen Diabeteseinstellung
 Vaskulopathie, Neuropathie
(Charcot-Arthropathie)

Arthropathie bei  Wachstumsstimulation durch  Diagnostik: IGF-1-Spie-


Akromegalie Somatotropin an Gelenk-, Weichteil- und gel-Erhöhung, typische
Knochenstrukturen radiomorphologische
Veränderungen, Hypo-
physenadenom (MRT)
 Therapie: symptoma-
tisch, Behandlung der
▼ Grunderkrankung
65.2 · Arthropathie bei Gicht (Arthritis urica) 571 65.2
⊡ Tab. 65.1. Fortsetzung

Krankheitsbild Klinik Diagnostik und Therapie

Arthropathie  Kalzium- und Phosphatstoffwechsel-  Diagnostik: Labordia-


bei Hyperpara- störung mit Skelett- und Gelenkverän- gnostik (Parathormon-,
thyreoidismus derungen: diffuse Knochenschmerzen, Kalzium- und Phos-
erosive Arthropathie, Spondylosis phatspiegel), Röntgen-
hyperostotica, Ostitis fibrosa cystica, untersuchungen
Myopathie  Therapie: Behandlung
der Grunderkrankung

Arthropathie bei  Hyperthyreose: Myopathie, Akropachie  Diagnostik: Labordia-


Schilddrüsen- (Trommelschlägelfinger, Schwellungen) gnostik (Schilddrüsen-
funktionsstö-  Hypothyreose: Arthralgien/Arthritiden, hormonwerte)
rungen geringe Entzündung, destruierende  Therapie: Behandlung
Veränderungen an Finger- und Zehen- der Grunderkrankung
gelenken, Myopathie

65.2 Arthropathie bei Gicht 5 Kelley-Seegmiller-Syndrom:


(Arthritis urica) Hyperurikämie, Nephrolithiasis,
keine Selbstverstümmelung
Definition z Sekundäre Hyperurikämie:
z Bei Hyperurikämie auftretende, meist 5 verstärkte Harnsäurebildung als
akute (anfallartige), kristallinduzierte Folge von Erkrankungen mit star-
Arthritis (durch Phagozytose der kem Zellzerfall (erhöhter Nuklein-
Uratkristalle ausgelöste Entzündungs- säure-Turnover, z. B. bei Leukämie)
kaskade) 5 verminderte Harnsäureausschei-
z Assoziation mit Übergewicht, Hy- dung: Niereninsuffizienz, Keto-
pertonus, Fettstoffwechselstörungen, azidosen, Hyperlaktatazidämien
Insulinresistenz und Atherosklerose (Alkohol), medikamentös-toxisch
z Auslöser eines akuten Gichtanfalls:
Ätiologie vermehrte Purinzufuhr, Medikamente
z Fehl-/Überernährung (Diuretika, Allopurinol, Insulin), Fas-
z Primäre Hyperurikämie: ten, Alkohol, Operationen, Traumata
5 meist Minderexkretion von Harn-
säure (tubuläre Harnsäureexkreti- Klinik
onsstörung) Trias der Gicht
5 Lesch-Nyhan-Syndrom: z X- z Hyperurikämie
chromosomal-rezessiv vererbt z Akuter Gichtanfall
z verminderte Hypoxanthin-Gu- z Tophi
anin-Phosphoribosyl-Transferase
z Trias: Hyperurikämie, progre- 4 Stadien der Hyperurikämie
diente Niereninsuffizienz, Selbst- z Asymptomatische Hyperurikämie
verstümmelung (>6,4 mg/dl)
572 Kapitel 65 · Arthropathien

z Akuter Gichtanfall z Gelenkpunktion: >10.000 Leukozyten/


z Interkritisches Stadium (symptom- μl, polarisationsoptisch nachweisbare
loses Intervall zwischen 2 Gichtan- nadelförmige Kristalle
fällen) z Röntgenuntersuchungen: bei chroni-
z Chronifizierung schen Verläufen tophöse Destruktio-
nen, degenerative Veränderungen
Gichtanfall
z Initial meist Monarthritis (polyartiku- Differenzialdiagnostik
lärer Verlauf selten) z Pseudogicht (Chondrokalzinose als
z Dauer der Anfälle: Stunden bis Tage Kristallarthropathie): Ablagerung von
z Übergang in chronische Gicht mög- Kalziumpyrophosphatdihydratkristal-
lich → mit Tophi und irreversible len, höheres Lebensalter, akute Anfälle
Gelenkveränderungen (v. a. Kniegelenk), chronische Verläufe
z Ausgeprägte, stark schmerzhafte (ähnlich wie rheumatoide Arthritis
Arthritis und Periarthritis, Beginn oder destruierende monoartikuläre
häufig nachts oder frühmorgens Arthropathie), Kristallnachweis im Ge-
z Häufig (bis 80 %) Großzehengrund- lenkpunktat unter polarisiertem Licht,
gelenk betroffen (Podagra), weiterhin radiomorphologisch Kalkablagerungen
Fuß-, Sprung- und Kniegelenke im Knorpel; Therapie: Kryotherapie,
(obere Extremität seltener betroffen; ggf. Colchizinlangzeitherapie, NSAR
Daumengrundgelenk: Chiragra) z Infektiöse Arthritis
z Allgemeinsymptomatik: Fieber z Andere akute Arthritiden: reaktive
z Atypische Verläufe möglich (rezidivie- Arthritis, Löfgren-Syndrom etc.
rende Kniegelenkergüsse)
Therapie
Tophi Gichtanfall
z Nach mehreren Jahren auftretende z NSAR (z. B. Ibuprofen, 1- bis 3-mal
Uratansammlungen in Weichteilen 400–800 mg/Tag), COX-2-Hemmer
(Ohrmuschel, Bursen, Sehnen), z Colchizin (alle 1–2 h 1 mg Colchizin,
Knochen, Gelenken und Haut max. 8 mg/Tag; häufig gastrointesti-
z Deformierungen, destruierende nale Nebenwirkungen)
Arthropathie, sekundäre Ulzerati- z Glukokortikoide (20–50 mg/Tag)
onen
! Keine harnsäurespiegelsenkende
Nierenbeteiligung Therapie im Anfall beginnen
z Uratnephrolithiasis
z Uratnephropathie in 70 % der Fälle Dauerterapie
tophöser Gicht z Lebensstiländerung: Diät (purinarme,
z Chronische interstitielle und tubuläre d. h. fleischarme Ernährung, Alkohol-
Entzündung restriktion)
z Medikamentös: Urikostatika (Allo-
Diagnostik purinol als Xanthinoxidasehemmer,
z Labordiagnostik: Hyperurikämie (im 100–300 mg/Tag), Urikosurika →
Anfall bei 20 % der Patienten normale Steigerung der Harnsäureausscheidung
Werte), Entzündungsparameter (Benzbromaron, 50–100 mg/Tag)
Kapitel 66 · Arthropathien 573 66

> Arthrose
O. Schultz

Definition z Schmerzen: Anlaufschmerz,


z Degenerative Erkrankung einzelner Belastungsschmerz, später auch
oder mehrerer Gelenke durch Verän- Dauerschmerz
derungen am Gelenkknorpel und am z Im Reizstadium: aktivierte Arthrose
subchondralen Knochen mit sekundärer Entzündung
z Häufigkeitszunahme mit steigendem z Bewegungseinschränkung, periartiku-
Lebensalter (>80 % ab dem 70. Lebens- läre Tendomyosen
jahr) z Im Verlauf Deformationen, Fehl-
stellungen, Muskelatrophie
> Nur ein Teil der pathologisch und z Arthrosetypen: aktivierte/kompen-
radiologisch nachweisbaren Arthrosen sierte/latente Arthrose
sind auch klinisch relevant. z Fingerpolyarthrose:
5 wichtige Differenzialdiagnose
Ätiologie zu entzündlich-rheumatischen
z Genetische Prädisposition Gelenkerkrankungen (bis zu 30 %
z Präarthrotische Deformationen aller Frauen betroffen sowie 4 %
(Trauma, Fehlbildung etc.) aller Männer)
z Stoffwechselerkrankungen, endokrine 5 Heberden-Arthrose: distale Inter-
Ursachen phalangealgelenke (DIP); nodöse
z Biomechanische Faktoren (Überge- (fluktuiernd-zystisch und knö-
wicht, Fehlbelastung, Mikrotraumen, chern-osteophytär) Veränderungen
Immobilisierung) 5 Bouchard-Arthrose: Fingermittel-
z Knochendichteveränderungen gelenke betroffen (PIP)
5 Rhizarthrose: Daumensattelgelenk
Stadien betroffen, isoliert oder in Kombi-
1. Abrieb hyalinen Knorpels nation mit oben genannten For-
2. Abriss hyalinen Knorpels men
3. Knochenglatze (Sklerosierung) 5 Fingergrundgelenke: seltener
4. Einbruch der Knochenglatze (Geröll- betroffen
zysten) 5 erosive Verläufe möglich (Dif-
5. Einbruch des Markraums mit Faser- ferenzialdiagnose: rheumatoide
knorpelersatz Arthritis)

Klinik Diagnostik
z Steifigkeit, Kälteempfindlichkeit z Labordiagnostik: nicht richtungs-
(Wetterfühligkeit) weisend
574 Kapitel 66 · Arthrose

z Röntgenuntersuchungen:
5 asymmetrische Gelenkspalt-
verschmälerung
5 subchondrale Sklerosierung
5 Geröllzysten als zystoide Spon-
giosadefekte
5 Knochenabbau: Osteophyten,
Deformierung, Chondrokalzinose

Therapie
z Bisher keine adäquate Arthrose-
therapie verfügbar
z Schmerzlinderung
z Symptomatische Therapie: NSAR,
COX-2-Hemmer, Analgetika
z Lokaltherapie: intraartikuläre Gluko-
kortikoide (befristete Anwendung)
und Hyaluronsäurepräparate
z Verbesserung der funktionellen Be-
weglichkeit: physikalische Therapie
(Wärme, Physio- und Elektrotherapie)
z Gelenkschutz: orthopädietechnische
Maßnahmen
z Operative Therapie: Osteotomien,
Débridement, endoprothetische Ver-
sorgung
z Radiosynoviorthese
67.1 · Systemischer Lupus erythematodes (SLE) 575 67.1

> Kollagenosen
O. Schultz

Definition Ätiologie
z Systemische Bindegewebeerkrankun- z Genetische Prädisposition
gen, die durch immunpathologische z Infektionen als Auslöser (Viren?)
Mechanismen und eine variable kli- z Beeinflussung durch hormonelle
nische Symptomatik mit unterschied- (Östrogene) und Umweltfaktoren
licher Organmanifestation charak- (UV-Strahlung, Stress, Infektionen,
terisiert sind (bessere Bezeichnung: Medikamente)
systemische Autoimmunopathien)
Klinik
Einteilung Allgemeinsymptomatik
z Systemischer Lupus erythematodes z Leistungsinsuffizienz
z Progressive systemische Sklerodermie z Erschöpfung
z Dermato- und Polymyositis z Fieber
z Mischkollagenose (Overlap-/Sharp- z Gewichtsabnahme
Syndrom)
z Sjögren Syndrom Variable Hautmanifestationen
z Klassisches Schmetterlingserythem
(50 %) mit Aussparung der Nasolabi-
67.1 Systemischer Lupus alfalten
erythematodes (SLE) z Erythematosquamöse Plaques, morbil-
liformes Exanthem, diskoider Lupus
Definition z Vaskulitiseffloreszenzen (Ulzera, Pur-
z Prototyp einer systemischen Auto- pura, Livedo, subkutane Knoten)
immunopathie z Urtikaria, Pannikulitis, Vesikel etc.
z Generalisierte entzündlich-rheuma- z Haarausfall (Alopezie bei bis zu 70 %
tische Erkrankung mit Autoimmun- der Patienten)
pathogenese und variablem Befall z Raynaud-Syndrom
zahlreicher Organsysteme
Lupusnephritis
Epidemiologie z Bei 50 % der Patienten
z Zu >80 % Frauen betroffen (Östro- z Lupus-GN als Immunkomplexnephri-
gene als Trigger) tis; WHO Stadieneinteilung:
z Erstmanifestation häufig nach UV- 5 Klasse-I-Läsion: Normalbefund
Exposition 5 Klasse-II-Läsion: mesangiale GN
z Mittleres Erkrankungsalter: 30. Le- 5 Klasse-III-Läsion: fokal-segmen-
bensjahr tale GN
576 Kapitel 67 · Kollagenosen

5 Klasse-IV-Läsion: diffuse GN dingte Deformationen und Subluxati-


5 Klasse-V-Läsion: membranöse GN onen/Fehlstellungen
5 Klasse-VI-Läsion: sklerosierende z Myalgien und Fibromyalgie
GN
z Charakteristika: nephritisches Sedi- Weitere Manifestationen
ment (Zylinder, Erythrozyten), Prote- z Gastrointestinale Beschwerden:
inurie von >0,5 g/Tag (Nierenbiopsie Bauchschmerzen, Diarrhö, Nausea,
zur Prognoseeinschätzung und Thera- Ulzera bei Arteriitis mesenterialis
pieplanung) z Lymphadenopathie
z Hepatomegalie, Splenomegalie
Herzbeteiligung z Thromboembolische Ereignisse (Anti-
z Bei bis zu 60 % der Patienten phospholipidsyndrom;  Kap. 64.2)
z Klappenveränderungen: verruköse
Veränderungen (meist Mitralklappe Klassifikation
betroffen), Regurgitation, Libman- ⊡ Tabelle 67.1
Sacks-Endokarditis
z Perikarditis mit Erguss Diagnostik
z Myokarditis z Allgemeine Labordiagnostik:
5 Entzündungsparameter: BSG,
ZNS-Beteiligung weniger CRP-Konzentration (Dif-
z Bei 20–50 % der Patienten ferenzialdiagnose: Infekt)
z Psychiatrische/neurologische Mani- 5 Blutbild: normochrome Anämie,
festationen: Psychosen, Depressionen, Leukopenie (5 0%), Thrombopenie
affektive Veränderungen, Verwirrt- 5 Komplementverbrauch (C3- und
heit, kognitive und mnestische De- C4-Konzentration vermindert):
fizite, Krampfanfälle, schwere Kopf- häufig Korrelation mit Krank-
schmerzen heitsaktivität; Nierenbeteiligung,
z Fokalneurologische Manifestationen: genetische Komplementdefekte
zerebrovaskuläre Ausfälle, kraniale (ätiologischer Faktor?)
Neuropathie, Myelitis transversa 5 positiver Coombs-Test
z Bewegungsstörungen: zerebelläre Ata- 5 verlängerte PTT (Phospholipidan-
xie, Athetose, Chorea, parkinsonartige tikörper)
Manifestationen 5 Nachweis von Immunkomplexen
z Peripheres Nervensystem: Neuropa- (Serum, Gewebe)
thien (Polyneuropathien, Mononeuri- z Autoantikörpernachweis:
tis multiplex, autonome Neuropathie, 5 ANA z in >90 % der Fälle nach-
Guillain-Barré-Syndrom) weisbar z bei positiven ANA →
Kernfluoreszenzmuster: homoge-
Muskuloskeletale Beschwerden nes Fluoreszenzmuster auf Hep-2-
z Sehr variables Ausprägungsmuster Zellen
z Arthritis/Arthralgien unterschiedli- 5 spezifische ANA: z ds-DNS
cher Lokalisation (90 %), Morgenstei- Antikörper (60–90 %): Krank-
figkeit, Tenosynovitis heitsaktivität, Nephritis, ZNS-
z Jaccoud-Arthropathie (10 %): durch Erkrankung z Sm-Antikörper
Sehnen- und Muskelbeteiligung be- (hohe Spezifität)
67.1 · Systemischer Lupus erythematodes (SLE) 577 67.1
⊡ Tab. 67.1. SLE-Klassifikationskriterien (ARA-Kriterien)

Kriterium Definition

Schmetterlingserythem Erythem beider Wangen mit Aussparung der Nasolabialfalten

Diskoide Hautläsionen Erythematöse, erhabene Flecken, keratotische Schuppung,


atrophische Narben

Photosensibilität Erythem nach UV-Exposition

Ulzerationen Orale oder nasopharyngeale Schleimhautulzera

Arthritis Nichterosive Arthritis an ≥2 Gelenken

Polyserositis Pleuritis, Perikarditis

Nierenbeteiligung Persistierende Proteinurie, Zylindurie

ZNS-Beteiligung Krampfanfälle, Psychosen

Hämatologische Hämolytische Anämie, Leukopenie, Thrombopenie


Erkrankungen

Immunologische Befunde Anti-ds-DNS-Antikörper, Anti-Sm-Antikörper,


Antiphospholipidantikörper, ANA

Zur Diagnosestellung eines wahrscheinlichen systemischen Lupus erythematodes müssen ≥4


Kriterien erfüllt sein.

5 krankheitsunspezifische ANA: Therapie


z Ro-(SS-A-)Antikörper: Allgemeinmaßnahmen
Sjögren-Syndrom, Pneumoni- z UV-Schutz
tis, Lymphopenie, kongenitaler
Herzblock z La-(SS-B-)- Geringe Aktivität, keine Organ-
Antikörper: Sjögren-Syndrom beteiligung
z U1-RNP: Mischkollagenose, z Symptomatische Therapie: NSAR
Myosistis, Raynaud-Syndrom (Arthralgien)
z Antiphospholipidantikörper: z Antimalariamedikamente: Chloroquin
Antikardiolipinantikörper (Resochin), Hydroxychloroquin
(Antiphospholipidsyndrom)
z pANCA: mit Nephritis asso- Mittlere bis hohe Aktivität ohne
ziiert Befall von Herz, Niere oder ZNS
z Weitere Diagnostik: bei Nephritis z Glukokortikoide
Biopsie zur Diagnosesicherung, z Antimalariamedikamente
Klassifikation und Prognoseein- z Azathioprin
schätzung (schwerste Formen bei z Methotrexat
diffus-membranöser/Typ-V- und z Mycophenolatmofetil
sklerosierender/-Typ-VI-GN) z Cyclosporin
578 Kapitel 67 · Kollagenosen

Hohe Aktivität mit Organbefall arteriellen Thromboembolien, rezidi-


z Medikamentös: vierenden Aborten und Thombozyto-
5 Glukokortikoide (Pulstherapie) penie
5 Cyclophosphamid (z. B. Bolusthe-
rapie mit 500–1000 mg/m2 KOF Ätiologie
i. v. über 4 Wochen) z Heterogene Gruppe von Immung-
5 Remissionsinduktion: monatliche lobulinen gegen Plasmaproteine mit
Cyclophosphamid-Pulstherapie Affinität zu Phospholipidoberflächen
über 6 Monate
5 Remissionserhaltung: Cyclo- Einteilung
phosphamid; alternativ Mycofe- z Primäres Antiphospholipidsyndrom:
nolatmofetil 5 zu etwa 90 % sind Frauen betroffen
z Extrakorporale Verfahren: Plasmaphe- 5 Charakteristika: rezidivierende
rese, Immunadsorption, Photochemo- Thrombosen und Aborte
therapie 5 labordiagnostische Merkmale:
z Immunglobuline: z. B. während der Thrombozytopenie, PTT-Verlän-
Schwangerschaft oder bei Thrombo- gerung, Nachweis von Cardiolipi-
penie nantikörpern mit falsch-positivem
z Rituximab: Anti-CD20-Antikörper → VDRL-Luestest
Depletion von B-Zellen z Sekundäres Antiphospholipid-
z Autologe Stammzelltransplantation syndrom: meist im Rahmen eines
z Dapson, Tacrolimus: bei kutanen Ma- systemischen Lupus erythematodes
nifestationen sowie bei Autoimmunerkrankungen,
Infektionen und lymphoproliferativen
Prognose und Verlauf Erkrankungen
z Sehr unterschiedlicher Verlauf: von
subklinischen (oligosymptomatischen) Klinik
Verläufen bis zu schwersten, multiplen z Venöse und arterielle thrombotische
Organmanifestationen (Multisystem- Ereignisse: tiefe Beinvenenthrombose
befall) innerhalb kurzer Zeit (häufigste Manifestation), Thrombo-
z Kann unterschiedliche Erkrankungen phlebitis, TIA/Hirninfarkt, Amaurosis
imitieren (»Chamäleon«) fugax, Myokardinfarkt, mesenteriale
z Mortalität 2- bis 3-mal höher als in Ischämie, renale arterielle oder venöse
der Normalbevölkerung (v. a. Afro- Thrombose, LE
amerikaner, hohes Alter bei Erkran- z Hautmanifestationen: Livedo reticu-
kungsbeginn, Nieren- und Lungenbe- laris, »blue toe syndrome«, Hautin-
teiligung, hohe Krankheitsaktivität) farkte, Ulzera
z Kardiovaskuläre Sterblichkeit erhöht z Blut: Thrombopenie, hämolytische
z Schwangerschaft kann Krankheit exa- Anämie
zerbieren, erhöhtes Abortrisiko z Abortneigung: rezidivierende, späte
Aborte, HELLP-Syndrom, Oligohyd-
67.2 Antiphospholipidsyndrom ramnion
z Katastrophales Antiphospholipidsyn-
Definition drom: Beteiligung von 3 oder mehr
z Immunpathologisch bedingte Hy- Organen in kurzer Zeit, hohe Mortali-
perkoagulopathie mit venösen und tät (>50 %)
67.3 · Progressive systemische Sklerodermie 579 67.3
Diagnostik Ätiologie
z Labordiagnostik: verlängerte PTT, z Genetische Prädisposition
Thrombopenie (HLA-Assoziation)
z Autoantikörpernachweis: Anti- z Exogene Faktoren: Chemikalien,
kardiolipinantikörper, Anti-β2- Quarzstäube
Glykoprotein-Antikörper, Lupusanti-
koagulans Dermatologische Einteilung
z Weiterführende Organdiagnostik: z Limitierte oder akrale progressive
CT/MRT, Dopplersonographie, systemische Sklerodermie:
Angiographie 5 Hautveränderungen an distalen
Extremitäten, Hals und Gesicht
Therapie 5 labordiagnostische Merkmale:
z Primärprävention: ASS (100 mg/Tag) kein Nachweis von Anti-SCL-70
zur Prophylaxe arterieller Throm- -Antikörpern, jedoch Nachweis
bosen von Antizentromerantikörpern
z Nach Thrombose: Langzeitantiko- 5 Beginn an den Händen mit zentri-
agulation, z. B. mit Phenprocoumon petalem Fortschreiten
(Ziel-INR: 2–3), zur Prophylaxe venö- 5 klinische Merkmale: Raynaud-
ser Thrombosen Syndrom, Madonnenfinger mit
z Behandlung der Grunderkrankung Rattenbissnekrosen, mimische
(bei sekundärem Antiphospholipid- Starre, Mikrostomie und Tabaks-
syndrom) beutelmund
z Bei schwerer Organmanifestation/ 5 Sonderform: CREST-Syndrom
ausgeprägter Thrombopenie: Gluko- (s. unten)
kortikoide, Plasmapherese, i. v. Im- z Diffus-kutane progressive systemische
munglobuline Sklerodermie (zusätzliche Manifesta-
tion am Stamm):
5 ausgedehnte und rasch progre-
67.3 Progressive systemische diente Hautmanifestation mit Nei-
Sklerodermie gung zu schwerer Organbeteiliung
5 Nachweis von Anti-SCL-70-Anti-
Definition körpern (Anti-Topoisomerase-1-
z Generalisierte fibrosierende und Antikörper: ANA-Subtyp)
sklerosierende Erkrankung des Binde- 5 je ausgedehnter der Hautbefall,
gewebes von Haut und unterschiedli- umso intensiver die Organbetei-
chen Organen mit entzündlichen und ligung
degenerativen Gefäßveränderungen 5 klinische Merkmale: z gastroin-
testinal: Dysphagie/Ösophagus-
Epidemiologie motilitätsstörungen, adynamischer
z Selten (Inzidenz: 1–15/1 Mio., aller- Ileus z pulmonal: Lungenfibrose,
dings zunehmend) pulmonale Hypertonie z kardial:
z Frauen 3-mal so häufig betroffen wie Myokardfibrose, Perikarditis
Männer z renal: Renovaskulopathie, Mik-
z Hauptmanifestationsalter: 30.–50. Le- roinfarkte mit renaler Hypertonie
bensjahr und Niereninsuffizienz
580 Kapitel 67 · Kollagenosen

Klinik 5 Nierenbeteiligung: Ischämie und


z Hautmanifestation (bei 100 % der Niereninfarkte mit rasch progre-
Patienten): dientem Nierenversagen (renale
5 Hände mit ödematösen, später Krisen), Erythrozyturie, Prote-
indurierenden, atrophischen und inurie, renale Hypertonie
fibrosierenden Veränderungen z CREST-Syndrom (Sonderform):
5 straffe Hautspannung: »Engerwer- »calcinosis«, »Raynaud’s syn-
den der Haut«, Hautfalten nicht drome«, »esophageal hypomobi-
mehr abhebbar lity«, »sclerodactyly«, »teleangiecta-
5 Sklerodaktylie: diffuse »Wurst- sia«; charakteristische Antizentro-
finger«, livide Verfärbung, kral- merantikörper
lenartig fixierte Beugestellung,
»Madonnenfinger« Diagnostik
5 akrale Ulzerationen, Rattenbiss- z Labordiagnostik:
nekrosen 5 ANA in >90 % der Fälle positiv
5 Raynaud-Syndrom (90 %): 5 Antikörper gegen unterschiedliche
Frühsyndrom; kälteinduzierte nukleäre Antigene (Autoanti-
akrale Durchblutungsstörung, körperdiagnostik): z SCL-70/
Trikolorephänomen (weiß: Isch- Topoisomerase 1 → diffus-kutane
ämie; blau: Zyanose; rot: reaktive Sklerodermie z Zentromer →
Hyperämie) akrale Form der Sklerodermie,
5 Gesicht: Mikrostomie, Lippenatro- CREST-Syndrom z PM-SCL-An-
phie, Tabaksbeutelmund, masken- tikörper → diffuse Sklerodermie,
artiger Gesichtsausdruck, Zungen- Polymyositis z Rheumafaktoren
bandverdickung und -verkürzung, → rheumatoide Arthritis z Anti-
Teleangiektasien histonantikörper → medikamen-
5 subkutane Verkalkungen tös induzierter systemischer Lupus
z Arthralgien/Arthritis (Frühsymptom; erythematodes
bis 60 %): zusätzlich Myopathie und/ z Weiterführende Diagnostik:
oder lokalisierte Myositis 5 bei Lungenbeteiligung:
z Organbeteiligung: Röntgenuntersuchung/»High-
5 Ösophagusmotilitätsstörungen resolution«-CT des Thorax (inter-
(90 %): Dysphagie, Reflux, retro- stitielle Veränderungen, Fibrose,
sternale Schmerzen Alveolitis), Lungenfunktionstest
5 gastrointestinale Beteiligung: Mo- (Restriktionsstörungen, vermin-
tilitätsstörungen, Malabsorption derte Diffusionskapazität), Bron-
5 Lungenbeteiligung (bis 80 %): choskopie
Lungengerüstveränderungen, 5 Röntgenuntersuchung der Hände:
Fibrose, pulmonale Hypertonie Akroosteolysen
5 Herzbeteiligung: Perikarditis, 5 Echokardiographie: Perikarder-
Myokardfibrose, Rhythmusstö- guss, pulmonale Hypertonie
rungen, Rechtsherzinsuffizienz bei 5 bei gastrointestinaler Beteili-
pulmonaler Hypertonie gung: Ösophagusszintigraphie/-
5 Gefäße: Mikro- und Makroangio- breischluck, Kolonkontrastunter-
pathie suchungen
67.4 · Mischkollagenose 581 67.4
5 Kapillarmikroskopie: dysmorphe Verlauf und Prognose
und rarefizierte Kapillaren z Extrem variabel, bei schwerer Ausprä-
gung oft therapierefraktär
Differenzialdiagnostik z Prognostisch ungünstig: rasche zentri-
z Zirkumskripte Skerodermie: befällt petale Fibrosierung, kardiopulmonale
nie die Hände und renale Manifestationen
z Sharp-Mischkollagenose: Nachweis
von Anti-U1-RNP-Antikörpern,
Überlappung mit anderen Autoim- 67.4 Mischkollagenose
munerkrankungen (rheumatoide
Arthritis, systemischer Lupus erythe- Definition
matodes, Polymyositis) z Systemische Autoimmunopathie mit
z Sklerodermieartige Krankheitsbilder überlappenden (Overlap-Syndrom)
durch chemische Noxen, z. B. Vinyl- Merkmalen unterschiedlicher
chlorid rheumatischer Erkrankungen wie
z Shulmann-Syndrom: eosinophile systemischer Lupus erythematodes,
Fasziitis mit Schwellung proximaler Sklerodermie, Polymyositis und rheu-
Extremitäten (Hände und Füße nicht matoide Arthritis in unterschiedlicher
betroffen) Ausprägung und mit spezifischem
z Lyme-Krankheit mit Acrodermatitis Autoantikörperprofil (Anti-U1-RNP-
chronica atrophicans Antikörper)

Therapie Klinik
z Physikalische Therapie: hyperämi- z Raynaud Syndrom (90 %): häufig
sierende Maßnahmen, Kälteschutz, Erstsymptom
Lymphdrainage, Krankengymnastik z Polyarthritis (90 %): ähnlich wie bei
z Vasoaktive Therapie bei Raynaud- rheumatoider Arthritis (seltener
Syndrom, akraler Ischämie und Erosionen); im Frühstadium diffuse
pulmonaler Hypertonie: Kalzium- (ödematöse) Hand- und Finger-
antagonisten, i. v. Prostaglandi- schwellungen, Sklerodaktylie/Akro-
nanaloga (Ilomedin, Prostavasin), sklerose
Endothelinantagonisten (Bosen- z Hautveränderungen (40 %): ähnlich
tan), Sildenafil wie bei systemischem Lupus erythe-
z Glukokortikoide: kurzfristig, im matodes oder Sklerodermie
Frühstadium (Cave: renale Krise) z Sjögren-Syndrom: Sicca-Sympto-
sowie bei Alveolitis, Serositis und matik
Myositis z Myositis (80 %): Muskelschwäche und
z Immunsuppressive Therapie: Cyc- Myalgien der proximalen Extremitä-
lophosphamid, D-Penicillamin, Me- tenmuskulatur
thotrexat, Ciclosporin, Azathioprin z Lungenbeteiligung (80 %): oft asym-
z ACE-Hemmer: bei renaler Beteili- ptomatisch; Pleuritis, pulmonale Hy-
gung pertonie
z Experimentelle Therapieansätze: z Herzbeteiligung: Perikarditis
autologe Stammzelltransplantation, z Ösophagusmotilitätsstörungen (80 %),
Rituximab, Imatinib Malabsorptionssyndrom
582 Kapitel 67 · Kollagenosen

Diagnostik licher Hautbeteiligung, Assoziation


z Labordiagnostik: mit malignen Tumoren möglich
5 erhöhte Entzündungsparameter,
Anämie, Leukopenie Einteilung
5 CK-Aktivitätssteigerung (Myositis) z Dermatomyositis mit Muskel- und
5 Autoantikörper: hoher ANA-Titer, Hautbeteiligung
Anti-U1-RNP-Antikörper, Rheu- z Polymyositis mit symmetrischem
mafaktoren Befall der proximalen Skelettmusku-
z Weiterführende Diagnostik (in Ab- latur
hängigkeit vom klinischen Befund): z Einschlusskörpermyositis mit asym-
kardiale Diagnostik, Lungenfunkti- metrischem Befall der distalen Ske-
onstestung, EMG/Muskelbiopsie lettmuskulatur
z Dermato-/Polymyositis bei Vaskulitis
Differenzialdiagnostik im Kindesalter
z Differenzialdiagnostische Abgrenzung z Dermato-/Polymyositis bei Kollage-
gegenüber anderen Kollagenosen oft nosen (»overlap group«)
schwierig
Klinik
Therapie > Leitsymptom »Muskelschwäche«:
z Symptomatische Therapie: NSAR z Proximal betonte Muskelschwäche
z Vasoaktive Therapie (bei Raynaud- z Symmetrischer Befall (Schulter- und
Syndrom und pulmonaler Hypertonie) Beckengürtel)
z Glukokortikoide (bei Arthritis, z Im Verlauf distale Ausprägung möglich
Handödemen, Serositis und Myositis) (zentrifugal)
z Bei Organmanifestationen (Alveolitis,
Vaskulitis): immunsuppressive Thera- z Allgemeinsymptomatik: Leistungsin-
pie (Cyclophosphamid, Methotrexat, suffizienz, Gewichtsabnahme, Fieber
Azathioprin) z Myalgien (»Muskelkater«; 50 %)
z Muskelatrophie
Verlauf und Prognose z Meist symmetrische Polyarthralgien
z Oft ungünstiger Verlauf (schlechter und Polyarthritis, Morgensteifigkeit
als bei systemischem Lupus erythema- z Lungenbeteiligung: Lungenfibrose
todes) und Alveolitis → Antisynthetasen-
z Letale Verläufe bei pulmonaler Hy- oder auch Anti-Jo1-Syndrom genannt
pertonie mit konsekutivem Rechts- (Myositis, Raynaud-Syndrom, Arthri-
herzversagen tis plus Lungenfibrose)
z Ausgeprägte Nierenbeteiligung z Herzbeteiligung: Kardiomyopathie,
(Vaskulopathie, Nephritis) möglich Arrhythmien
z Gastrointestinal: Schluckstörungen/
Dysphagie
67.5 Dermato- und Polymyositis z Raynaud-Syndrom
z Polymorphe Hautmanifestationen bei
Definition Dermatomyositis:
z Seltene generalisierte entzündliche 5 periorbitales Ödem und livides
Erkrankung der Muskulatur mit mög- (heliotropes) Exanthem
67.6 · Sjögren-Syndrom 583 67.6
5 erythematöse Dermatitis: schup- Differenzialdiagnostik
pende Gottron-Papeln, z. B. auf z Polymyalgia rheumatica
dem Handrücken z Parainfektiöse Myopathie
5 stammbetonte livide Erytheme mit z Neurologische Systemerkrankungen:
u. a. fliederfarbenen Erythemen z. B. Muskeldystrophien mit Muskel-
im Gesicht (Lila-Krankheit) schwund, Myasthenia gravis
5 Nagelfalzveränderungen (Schwel- z Medikamentös-toxische Myopathie
lung, Rötung, Teleangiektasien) (z. B. Statine)
5 Rhagaden (»mechanics hands«) z Metabolisch-endokrine Myopathie:
5 Kalzinosen, Kontrakturen Morbus Cushing, Hypothyreose
z Assoziation mit Malignomen (20 %):
Mamma-, Magen-, Lungen-, Ovarial- Therapie
karzinom z Glukokortikoide als Bolustherapie (z. B.
z Sonderform Einschlusskörperchenmy- 1 g Methylprednisolon) oder 1–2 mg/
ositis: kg KG; schrittweise Dosisreduktion
5 Assoziation mit anderen Autoim-
munerkrankungen ! Steroidmyopathie durch Glukokorti-
5 meist Männer betroffen koide möglich
5 schlechtes Ansprechen auf Stero-
ide z Immunsuppressive Therapie: Cyclo-
5 histologische Diagnosestellung phosphamid, Methotrexat, Azathiop-
(hypertrophe Fasern mit Vakuolen rin, Mycophenolsäure, i. v. Immunglo-
und hyalinen Einschlüssen) buline, Rituximab

Diagnostik
z Labordiagnostik: 67.6 Sjögren-Syndrom
5 Entzündungsparameter
5 Muskelenzyme (CK, Aldolase, Definition
LDH, GOT) z Autoimmune Exokrinopathie bzw.
5 Antikörper: ANA (20 %), Rheu- Sialadenitis mit charakteristischer
mafaktor (30 %), myositisspezi- Sicca-Symptomatik
fische Antikörper (Antisynthe- z Häufig Assoziation mit anderen Au-
tasenantikörper: Assoziation mit toimmunerkrankungen: rheumatoide
Lungenfibrose/Alveolitis) mit Arthritis, systemischer Lupus ery-
Anti-Jo-1-Antikörpern thematodes, Vaskulitis, Hashimoto-
z EMG: Kombination von myopathi- Thyreoiditis
schen und Denervierungszeichen (Po-
lyphasie, Fibrillationen, pathologische Epidemiologie
Spontanaktivität) z Zu 90 % Frauen betroffen
z MRT: Nachweis der Myositis, Planung z Hauptmanifestationsalter: 50. Lebens-
der Biopsie jahr
z Muskelbiopsie: entzündliche Zellinfil-
tration, Nekrosen, Fibrose, Regenera- Ätiologie
tionszeichen z Genetische Prädisposition (HLA-
z Tumorsuche Assoziation)
584 Kapitel 67 · Kollagenosen

z Virale Infektionen (?): HTLV, HIV, 5 rezidivierende Bronchitis,


HCV, Epstein-Barr-Virus, CMV Tracheitis, Rhinitis sicca
z Sekundäres Sicca-Syndrom bei rheu- 5 Hypazidität des Magens, Pank-
matoider Arthritis, systemischem reasfunktionsstörungen, Pank-
Lupus erythematodes, Polymyositis, reatitis
Sklerodermie, Hepatitis C, PBC etc. 5 Trockenheit der Vaginalschleim-
haut
Klinik z Extraglanduläre Manifestationen:
> Leitsymptome des Sjögren-Syndroms: 5 Allgemeinsymptome: subfebrile
z Xerophthalmie (Keratoconjunctivitis Temperaturen, Arthralgien, Myal-
sicca) gien
z Xerostomie 5 Fibromyalgiesyndrom (häufig)
5 Pneumonitis und interstitielle
z ⊡ Tab. 67.2 Lungenveränderungen
z Sicca-Syndrom und Exokrinopathie: 5 sklerosierende Cholangitis, PBC
5 Keratoconjunctivitis sicca: Augen- 5 ZNS-Manifestationen, Neuropa-
trockenheit, Fremdkörpergefühl, thie, Mononeuritis multiplex
Hornhautdefekte 5 Nierenbeteiligung: interstitielle
5 Xerostomie: Mundtrockenheit, Nephritis, Glomerulonephritis,
Pharyngitis, Neigung zu Karies, renal-tubuläre Azidose
Dysphagie 5 Vaskulitis
5 Parotisschwellung 5 Thyreopathie

⊡ Tab. 67.2. Klassifikationskriterien des Sjögren-Syndroms

Kriterium Definition

1. Okuläre Symptome Augentrockenheit für >3 Monate, Fremdkörpergefühl, Einsatz von


künstlicher Tränenflüssigkeit häufiger als 3-mal täglich

2. Orale Symptome Tägliches Mundtrockenheitsgefühl über >3 Monate,


rezidivierende Speicheldrüsenschwellungen,
erschwertes Schlucken trockener Speisen

3. Augenbefunde Schirmer-Test: <5 mm/5 min

4. Lippenbiopsie Charakteristische Histologie: fokale lymphoplasmazelluläre


Aggregate, Drüsenatrophie (sog. Mikulicz-Krankheit)

5. Speicheldrüsentest Speicheldrüsenszintigraphie, Sialographie (Parotis)

6. Labordiagnostik Anti-Ro- und Anti-La-Antikörper

Beurteilung:
Primäres Sjögren-Syndrom: 4 Kriterien erfüllt
Sekundäres Sjögren-Syndrom: Kriterium 1 oder 2 plus 2 Kriterien von 3–5
67.6 · Sjögren-Syndrom 585 67.6
Diagnostik Verlauf und Prognose
z Labordiagnostik: BSG-Erhöhung, z Meist unkomplizierter, aber therapie-
Anämie, Leukopenie, Eosinophilie, resistenter Verlauf
Hypergammoglobulinämie (80 %), z Bei generalisiertem Verlauf: multiple
Kryoglobuline Lymphome, Hepatosplenomegalie,
z Autoantikörpernachweis: Anti-La- lymphozytäre Organinfiltration
(Anti-SS-B-)Antikörper (50–70 %),
Anti-Ro-(SS-A-)Antikörper > Risiko für maligne Lymphome auf das
(50–70 %), Rheumafaktor, ANA 50fache erhöht
z Augenkonsil: Spaltlampenuntersu-
chung (Keratitis), Schirmer-Test
z Lippendrüsenbiopsie

Differenzialdiagnostik
z Speicheldrüsenerkrankungen und
-tumoren: z. B. Küttner-Tumor (chro-
nische Sialadenitis der Glandula sub-
mandibularis)
z Lymphoproliferative Erkrankungen
z Virusinfektionen: z. B. virale Sial-
adenitis (Parotitis epidemica bzw.
Mumps)
z Heerfordt-Syndrom: extrapulmonale
Manifestation des Morbus Boeck mit
Fieber, Uveitis, Parotisschwellung und
Fazialisparese
z Medikamentös induziertes Sicca-
Syndrom

Therapie
z Symptomatisch: künstliche Tränen-
flüssigkeit, Zahnpflege/Kariespro-
phylaxe, Kaugummikauen, Pilokar-
pin (Parasympathomimetikum),
Bromhexin (Ambroxol als aktiver
Metabolit; Stimulation der Sekre-
tion)
z Bei sekundärem Sjögren-Syndrom:
Behandlung der Grunderkrankung,
Antimalariamedikamente
z Bei schwerer Organmanifestation
oder Vaskulitis: Glukokortikoide,
Cyclophosphamid, Immunsuppres-
siva, Rituximab, i. v. Immunglobu-
line
586 Kapitel 68 · Vaskulitiden

> Vaskulitiden
O. Schultz

Definition Differenzialdiagnostik der


z Gruppe von ätiopathologisch un- »Sturzsenkung«
terschiedlichen Erkrankungen mit z Plasmozytom
variabler klinischer Symptomatik z Morbus Horton
und zahlreichen möglichen Organ- z Polymyalgia rheumatica
manifestationen z Takayasu-Arteriitis
z Endokarditis
Ätiologie
z Weitgehend unklar Klinik
z Immunpathologisch vermittelte leu- z Häufig ausgeprägte Allgemeinsymp-
kozytäre Infiltration der Gefäßwand tomatik: Fieber, Gewichtsverlust, Er-
nach Interaktion mit aktivierten En- schöpfung, Krankheitsgefühl, Gelenk-
dothelzellen und reaktive Schädigung und Muskelschmerzen
der Wandstrukturen → Blutung, Isch- z Klassifikation der primären Vaskuliti-
ämie, Nekrose den anhand der Gefäßgröße bzw. des
Gefäßtyps; Chapel-Hill-Konsensus-
Diagnostik Klassifikation (⊡ Tab. 68.1–68.4)
z Aufgrund der variablen Manifestati-
onen und Überlappungen sowie feh- Therapie
lender spezifischer Laborbefunde sehr z Art der Behandlung in Abhängig-
schwierig keit von Aktivität, Organbefall und
z Labordiagnostik: Stadium
5 erhöhte Entzündungsparameter z Glukokortikoide bei den meisten
wie Leukozytose Vaskulitisformen mit guter Wirksam-
5 Autoantikörper: ANCA: keit: 1 mg/kg KG; ggf. Bolustherapie
z cANCA: Zielantigen ist die Pro- (bis 1 g Methylprednisolon i. v.), oft
teinase 3; weitgehend spezifisch langfristige Therapie (z. B. Arteriitis
für die Wegener-Granulomatose temporalis/Polymyalgia rheumatica)
z pANCA: Zielantigen ist die My- z Immunsuppressiva: Methotrexat,
eloperoxidase; bei Churg-Strauss- Azathioprin, Mycophenolsäure
und mikroskopischer Vaskulitis z Zytostatika bei rasch progredienten
z Biopsie: zur Diagnosesicherung Verläufen mit viszeraler Beteiligung:
z In Abhängigkeit von der klinischen Cyclophosphamid als Dauertherapie
Symptomatik weiterführende Diag- (2 mg/kg KG/Tag) oder i. v. Bolus-
nostik: CT, (Angio-)MRT, Angiogra- therapie (z. B. 500–1000 mg in unter-
phie, PET (Riesenzellarteriitis) schiedlichen Intervallen)
Kapitel 68 · Vaskulitiden 587 68
⊡ Tab. 68.1. Vaskulitiden der großen Gefäße

Krankheitsbild Beschreibung

Riesenzellarteriitis /  Granulomatöse Arteriitis der Aorta und ihrer Hauptäste;


Arteriitis temporalis Prädilektion: extrakranielle Äste (A. temporalis); Manifestations-
(Morbus Horton) alter: >50 Jahre
 Häufig akuter Beginn, diffuse Kopfschmerzen/Schläfenkopf-
schmerzen, druckdolente, verdickte, schmerzhafte und pulslose
Temporalarterie, Kauschmerz (Masseterschmerz/Claudicatio
masticatoria)
 Augenschmerzen/Sehstörungen (Erblindung möglich), kirsch-
roter Fleck auf der Fovea centralis bei Verschluss der A. centralis
retinae → bei Verdacht rasche Therapieeinleitung mit Glukokor-
tikoiden (bei Augenbeteiligung bis 1 g Methylprednisolon als
Bolus)
 Biopsie: Destruktion der Lamina elastica interna mit riesenzelliger
Reaktion
 Assoziation mit Polymyalgia rheumatica (hochentzündliche
Erkrankung des höheren Lebensalters mit ausgeprägten sym-
metrischen Muskelschwächen im Bereich des Schulter- und
Beckengürtels, Depressionen, Morgensteifigkeit für >1 h und
Druckempfindlichkeit der Oberarme; u. U. Riesenzellarteriitis
der Koronargefäße, periartikuläre Entzündung, Sturzsenkung;
rasches und gutes Ansprechen auf Steroide)

Takayasu-Arteriitis  Granulomatöse Arteriitis der Aorta und ihrer Hauptäste, sog. ent-
(Aortenbogen- zündliche Form des Aortenbogensyndroms; jüngere Patientinnen
syndrom, »pulseless betroffen (Manifestationsalter: <40 Jahre)
disease«)  Klinik: Claudicatio intermittens der oberen und unteren Extremi-
tät (Blutdruckdifferenz), Nierenarterienstenose, Hypertonie mit
Blutdruckdifferenz an den Armen von systolisch >20 mmHg,
Angina abdominalis, KHK, Aortenklappeninsuffizienz
 Diagnostik: hohe Entzündungsparameter, Farbdopplersono-
graphie, Angiographie
 Therapie: Steroide, evtl. Cyclophosphamid

! Nebenwirkungen der Zytostatika:


hämorrhagische Zystitis unter Cyc-
lophosphamid (→ Gabe von Mesna),
karzinogene Wirkung, Knochenmark-
depression

z Biologika: z. B. Rituximab, TNF-


Blocker; experimentell, in Einzelfällen
sehr erfolgreich
588 Kapitel 68 · Vaskulitiden

⊡ Tab. 68.2. Vaskulitiden der mittleren Gefäße

Krankheitsbild Beschreibung

Polyarteriitis nodosa  Nekrotisierende Vaskulitis mit Zerstörung der gesamten


Arterienwand
 Assoziation mit Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV
 Sehr variable Organmanifestationen: Hautmanifestationen
(Livedo, Nekrosen), Niereninsuffizienz (keine GN), Hypertonus,
KHK, mesenteriale Ischämie, Leberinfarkte, ZNS-Beteiligung,
Polyneuropathie, Hodenschmerzen
 Angiographisch charakteristische Aneurysmata und segmentale
Stenosen

Kawasaki-Syndrom  Sogenanntes mukokutanes Lymphknotensyndrom


 Häufigste Vaskulitis im Kleinkindalter
 Klinik: antibiotikaresistentes Fieber, Konjunktivitis, Stomatitis/
Erdbeerzunge, Palmarerythem, Lacklippen, Exantheme,
Halslymphknotenschwellung
 Komplikation: Aneurysmen der Koronararterien oder auch der
Mesenterialgefäße
 Therapie: i. v. Immunglobuline, ASS, Steroide

⊡ Tab. 68.3. Vaskulitiden der kleinen Gefäße

Krankheitsbild Beschreibung

Wegener-  ANCA-assoziierte granulomatöse Entzündung und


Granulomatose nekrotisierende Vaskulitis
 Klassische Trias: Granulome (HNO-Bereich, Lunge, Haut),
Vaskulitis (Haut, Augen, peripheres Nervensystem), GN
 Initialstadium: Befall des oberen Respirationstrakts mit
chronischem Schnupfen, Sattelnase, Schleimhautulzera,
Sinusitis und Bronchitis
 Generalisationsstadium mit pulmorenalem Syndrom:
rapid-progressive GN, Episkleritis (rotes Auge), Arthralgien,
Myalgien, Polyneuropathie
 cANCA (Antikörper gegen Proteinase 3) in bis zu 90 % der Fälle
positiv
 Therapie: Fauci-Schema (Cyclophosphamid plus Steroide),
Erhaltungstherapie mit Methotrexat, neue Therapieansätze
▼ (Rituximab, TNF-Blocker)
Kapitel 68 · Vaskulitiden 589 68
⊡ Tab. 68.3. Fortsetzung

Krankheitsbild Beschreibung

Mikroskopische  Nekrotisierende Vaskulitis der kleinen Gefäße ohne ausge-


Polyangiitis prägte Immunkomplexablagerungen, d. h. ohne ausgeprägte
granulomatöse Entzündung
 Hauptmanifestationen: GN (100 %), pulmorenales Syndrom
(rapid-progressive GN, pulmonale Hämorrhagien), Purpura,
Neuropathien, Episkleritis, gastrointestinale Manifestationen
 pANCA- und cANCA-Nachweis (40–60 %)

Churg-Strauss-  Granulomatöse Entzündung des Respirationstrakts und


Syndrom Vaskulitis kleiner bis mittlerer Gefäße
 Trias: Asthma bronchiale, nekrotisierende Vaskulitis, Eosino-
philie
 Arthralgien/Arthritis, Neuropathie, Nasennebenhöhlen-
affektionen, kardiale Beteiligung mit eosinophiler granu-
lomatöser Myokarditis (häufigste Todesursache), seltener
Nierenbeteiligung
 pANCA-Nachweis (Antikörper gegen Myeloperoxidase; 60 %)

Purpura Schoenlein-  IgA-Immunkomplexvaskulitis (Hypersensitivitätsvaskulitis,


Henoch leukozytoklastische Vaskulitis)
 Meist benigner Verlauf (spontane Remission bei 90 % der
Patienten innerhalb von 2 Wochen)
 Vor allem Kinder und Jugendliche betroffen (vorausgegange-
ner Atemwegsinfekt)
 Gelenk- und Abdominalschmerz, palpable Purpura an Beinen
und Gesäß, Arthralgien, Fieber, gastrointestinale Manifestatio-
nen (Bowel-Angina, Purpura abdominalis, blutige Diarrhöen),
Ödeme, Glomerulitis/GN (bis 50 %)

Kryoglobulinä-  Assoziation mit Serumkryoglobulinen (in der Kälte präzipitie-


mische Vaskulitis rende IgM-IgG-Immunkomplexe)
 In etwa 90 % der Fälle besteht eine chronische Hepatitis C
 Klinik: Purpura, Nekrosen, Bauchschmerzen, Neuropathie,
Hyperviskositätssyndrom, GN, Kälteempfindlichkeit, sekun-
däres Raynaud-Syndrom

Kutane Vaskulitiden  Ätiopathologisch unterschiedliche Entzündungen der


(Kutane leukozyto- kleinen bis mittleren Hautgefäße (häufig sekundäre Vas-
klastische Angiitis) kulitis)
 Nekrotisierende Vaskulitis, Hypersensitivitätsvaskulitis
(medikamentös-toxisch), urtikarielle Vaskulitis, Erythema
nodosum
 Purpura, Knoten, urtikarielle Läsionen, Erytheme, Ulzeratio-
nen, Nekrosen, Livedo reticularis
590 Kapitel 68 · Vaskulitiden

⊡ Tab. 68.4. Weitere Vaskulitiden

Krankheitsbild Beschreibung

Morbus Behçet  Chronische, inflammatorische, rezidivierende Erkrankung mit


Iritis, oralen und genitalen Aphthen, Erythema nodosum und
Arthralgien
 Befall von Arterien und Venen unterschiedlicher Größe, v. a. in
der Mittelmeerregion und Asien (Seidenstraße)
 Trias: Mund-, Genital- und Augenaffektionen
 Klinik: rezidivierende orale Aphthen (≥3-mal jährlich), rezidivie-
rende genitale Aphthen, Uveitis/Iritis (mit Hypopyon, Retinitis),
Hautveränderungen (Erythema nodosum, Follikulitis, sterile
Pusteln), positiver Pathergietest (Auftreten einer papulopustu-
lösen Effloreszenz an der Stelle eines einfachen Nadelstichs in
die Haut oder einer intrakutanen Injektion von Kochsalz nach
einer Latenzzeit von 24–48 h), gastrointestinale Ulzera,
Thrombophlebitis, AVK, Aneurysmen und Stenosen großer
Gefäße, ZNS-Beteiligung, Neuropathie, kardiale Beteiligung
 Therapie: bei mukokutanem Befall topische Steroide, Colchizin
p. o., ggf. systemische Steroide, Thalidomid, Azathioprin und
Methotrexat; bei Systemerkrankung systemische Steroide und
Immunsuppressiva (Azathioprin, Methotrexat, Cyclophospha-
mid, Ciclosporin A)

Thromboangiitis  Segmentale multilokuläre Vaskulopathie der kleinen bis


obliterans (Morbus mittleren Arterien und Venen, überwiegend der unteren
Winiwarter-Bürger) Extremität
 Meist durch Tabakkonsum ausgelöst (strikte Karenz not-
wendig)

Sekundäre  Bei anderen rheumatischen Erkrankungen


Vaskulitiden  Paraneoplastisch
 Bei Infektionen
 Medikamentös-toxische Ursachen
69.4 · Tendopathien 591 69.4

> Weichteilrheumatismus
O. Schultz

69.1 Tendomyosen 69.3 Periarthropathia


humeroscapularis
z Muskelverspannungen und -verhär-
tungen z Degenerative Veränderung der peri-
z Triggerpunkte als Auslöser für weiter- artikulären Strukturen des Schulterge-
geleiteten Schmerz lenks → Kapsulitis, Ruptur/Teilruptur
z Therapie: physikalische Therapie der Rotatorenmanschette, Verkalkun-
gen, Versteifung und Blockierung der
Schulter, ausgeprägte Schmerzen und
69.2 Fibromyalgie Bewegungseinschränkungen (»Pseu-
doparalyse«)
z Trias: multilokuläres Schmerzsyn- z Therapie: Physiotherapie, symptoma-
drom mit typischen Druckpunkten tisch, intraartikuläre Glukokortikoide,
(»tender points«), Müdigkeit/Schlaf- operativ
störungen, vegetativer Begleitsym-
ptomatik (kalte Akren, trockener
Mund) und psychischen Verände- 69.4 Tendopathien
rungen
z Meist Frauen betroffen z Schmerz- und Reizzustände an
z Multiple Druckschmerzpunkte: Sehnen und deren Ansätzen (z. B.
subokzipitale Muskelansätze, Quer- Epikondylitis)
fortsätze der Halswirbelkörper C5–7,
M. trapezius, M. supraspinatus, Kno-
chen-Knorpel-Grenze der 2. Rippe,
Epicondylus lateralis humeri, Regio
glutealis lateralis, Trochanter major,
medial des Kniegelenks
z Therapie: langwierig, schwierig
(Erkrankung oft therapierefraktär),
multimodale Konzepte (Physio-, Trai-
nings-, Psychotherapie, Analgetika,
Antidepressiva, Pregabalin)
z Häufig Invalidisierung
592 Ausgewählte Literatur zu Sektion G

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion G

Hochberg MC, Smolen JS, Weinblatt ME (2007)


Rheumatology. Mosby, Philadelphia
Firestein G (2008) Kelley’s textbook of rheu-
matology. Elsevier, Oxford
Klippel JH (2007) Primer on the rheumatic
diseases. Springer, Berlin Heidelberg New
York Tokyo
Zeidler H, Zacher J, Hiepe F (2007) Interdis-
ziplinäre klinische Rheumatologie: Innere
Medizin. Orthopädie. Immunologie. Sprin-
ger, Berlin Heidelberg New York Tokyo
H

H Endokrinologie

70 Diabetes mellitus – 594

71 Erkrankungen der Schilddrüse – 611

72 Erkrankungen der Nebenschilddrüsen – 624

73 Erkrankungen der Nebennieren – 630

74 Erkrankungen der hypothalamisch-


hypophysären Achse – 641

75 Erkrankungen der Gonaden – 649

76 Osteoporose – 654

77 Adipositas und
Fettstoffwechselstörungen – 660

Ausgewählte Literatur zu Sektion H – 665


594 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

> Diabetes mellitus


G. Michels, C. Schumann, M. Faust

Definition z HNF-1β (MODY 5) z NeuroD1


z Sammelbegriff für eine Gruppe hete- (MODY 6) z mitochondriale
rogener Störungen des Stoffwechsels, DNA z Proinsulin- oder Insulin-
deren Leitbefund die chronische Hy- konversion
perglykämie ist 5 genetische Defekte der Insulinwir-
z Ursache: gestörte Insulinsekretion, kung: z Typ-A-Insulinresistenz
gestörte Insulinwirkung (Insulinresis- z Leprechaunismus (kongenitaler
tenz) oder eine Kombination Dysendokrinismus) z Rabson-
Mendelhall-Syndrom z Lipodys-
Allgemeines und Epidemiologie trophiesyndrom
z Etwa 170 Mio. Menschen weltweit und 5 Erkrankungen des exokrinen Pan-
>5 Mio. Menschen in Deutschland kreas: Pankreatitis, Pankreatekto-
leiden an einem Diabetes mellitus mie, Neoplasie, zystische Fibrose,
z Anteil an Diabetes mellitus Typ 1: Hämochromatose, fibrokalkulöse
ungefähr 10 % Pankreatopathie
z Anteil an Diabetes mellitus Typ 2: 5 Endokrinopathien: Akromegalie,
etwa 90 % (Inzidenz in Deutschland: Cushing-Syndrom, Glukagonom,
9–11/100.000/Jahr; Prävalenz in Phäochromozytom, Hyperthyreose,
Deutschland: altersabhängig bis 8 %) Somatostatinom, Aldosteronom
z Erkrankungswahrscheinlichkeit: 5 medikamenten- oder chemika-
⊡ Tab. 70.1 lieninduziert: z. B. Pentamidin,
Nikotinsäure, Glukokortikoide,
Ätiologische Klassifikation (American Schilddrüsenhormone, Diazoxid,
Diabetes Association, 2008) Katecholamine, Thiazide, Pheny-
z Diabetes mellitus Typ 1: toin, α-Interferon, Proteaseinhibi-
5 immunologisch bedingt toren, Clozapin, β-Blocker
5 idiopathisch 5 Infektionen: kongenitale Röteln-
z Diabetes mellitus Typ 2 infektion, CMV-Infektion, Coxsa-
z Andere spezifische Typen: ckievirusinfektion
5 Genetische Defekte der β-Zell- 5 seltene Formen des immunver-
Funktion; Genmutationen: mittelten Diabetes: »stiff person
z »hepatocyte nuclear transcrip- syndrome«, Antiinsulinrezeptor-
tion factor« (HNF) 4α (MODY 1) antikörper
z Glukokinase (MODY 2) 5 andere, gelegentlich mit einem
z HNF-1 (MODY 3) z »insulin Diabetes mellitus assoziierte gene-
promotor factor« 1 (MODY 4) tische Syndrome: Down-Syndrom,
Kapitel 70 · Diabetes mellitus 595 70
Klinefelter-Syndrom, Turner-Syn- ⊡ Tab. 70.1. Erkrankungswahrscheinlich-
drom, Wolfram-Syndrom, Fried- keit für Diabetes mellitus in Deutschland
reich-Ataxie, Chorea Huntington,
Laurence-Moon-Biedl-Syndrom, Voraussetzungen Typ 1 Typ 2
myotone Dystrophie, Prader-Willi- Allgemein 0,2 % 5–8 %
Syndrom
z Gestationsdiabetes 1 Elternteil erkrankt 4% 10–15 %

> Alte Bezeichnungen wie Diabetes Geschwister 7% 10–15 %


erkrankt
melltius Typ IIa, insulinpflichter Diabetes
mellitus und »insulin-dependent diabe- Monozygoter 33 % 90–100 %
tes mellitus« sind obsolet und sollten Zwilling erkrankt
nicht mehr verwendet werden.

Diagnostik
Allgemeines > Zur Diagnosestellung eines Diabe-
z Bei Verdacht auf Diabetes mellitus mit tes mellitus gemäß WHO eignet sich
typischen Symptomen wie Polyurie, allein die BZ-Bestimmung, die mit einer
Polydipsie, nicht erklärter Gewichts- validierten Labormethode erfolgen
verlust und Leistungsschwäche: un- muss. Geräte zur BZ-Selbstmessung
verzügliche Diagnostik (»Teststreifengeräte«) sind zur Diagno-
z Auch bei asymptomatischen Personen sestellung nicht hinreichend, ebenso
mit Verdacht auf Diabetes mellitus kann die Diagnose nicht aufgrund von
sollte eine Diagnostik eingeleitet HbA1c-Wert-Messungen, Konzentra-
werden; hierzu gehören z. B. Personen tionsbestimmungen von Insulin oder
über >45 Jahren (bei Normalbefun- C-Peptid, dem Vorhandensein von
den: Wiederholung der Diagnostik Autoantikörpern oder einer Glukosurie
nach 3 Jahren) gestellt werden.
> Die Diagnose eines Diabetes mellitus
Indikationen für eine Frühdiagnostik darf nicht während akuter Erkrankungen
oder eine Testung in kürzeren Ab- (z. B. Infektionen) oder während der
ständen Einnahme ergebnisverfälschender Medi-
z Übergewicht: BMI von ≥27 kg/m2 kamente (z. B. Glukokortikoide) gestellt
z Erstgradiger Verwandter mit Diabetes werden.
mellitus Typ 2
z Vorliegen einer arteriellen Hypertonie BZ-Bestimmung
(Blutdruck von ≥140/90 mmHg) z Gelegenheits-BZ:
z Vorliegen einer Dyslipidämie: HDL- 5 Bestimmung zu jeder Tageszeit
Cholesterin-Spiegel von ≤35 mg/dl 5 die Beziehung zu Mahlzeiten ist
und/oder Triglyzeridkonzentration unerheblich
von ≥250 mg/dl 5 bei BZ-Werten ≥100 mg/dl
z Gestörte Glukosetoleranz (≥5,6 mmol/l) ist eine weitere
z Vorliegen einer Albuminurie Diagnostik erforderlich (Bestim-
z Vorliegen makrovaskulärer Erkran- mung des Nüchtern-BZ oder
kungen oGTT)
596 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

5 bei typischen Symptomen (Poly- > Sofern keine Spezialröhrchen zur BZ-
urie, Polydipsie, sonst nicht erklär- Bestimmung verwendet werden, ist da-
ter Gewichtsverlust) ist die einma- mit zu rechnen, dass die Glukosekonzen-
lige Messung eines Gelegenheits-BZ tration um bis zu 6 mmol/l/h abnehmen
von ≥200 mg/dl (≥11,1 mmol/l) zur kann. Bei Aufbewahrung im Kühlschrank
Diagnosestellung hinreichend ist die Abnahme geringer, beträgt aber
z Nüchtern-BZ: nach >24 h immer noch 20 %. Dieses
5 Bestimmung nach 8-stündiger Phänomen geht auf die weiter statt-
Nahrungskarenz findene Glykolyse der Blutkörperchen
5 wird hierbei 2-malig ein BZ im zurück. Spezialröhrchen enthalten des-
venösen Plasma von ≥126 mg/ halb Glykolysehemmstoffe, z. B. Fluorid.
dl (≥7 mmol/l) gemessen, ist die > Außerdem muss bei der Interpretation

Diagnose eines Diabetes mellitus der Glukosewerte berücksichtigt werden,


gesichert in welchem Medium (⊡ Tab. 70.2) diese
5 bei Nüchternwerten von 100– bestimmt worden sind. Die oben ge-
125 mg/dl (5,6–6,9 mmol/l) wird nannten Werte beziehen sich jeweils auf
ein oGTT durchgeführt Messungen in venösem Plasma.

⊡ Tab. 70.2. Beurteilung des Nüchtern-BZ und des 2-h-Wertes beim oGTT, Angaben in
mg/dl (mmol/l)

Parameter Diagnose Plasma, Plasma, Vollblut, Vollblut,


venös kapillär venös kapillär

Nüchtern- Normal <100 (<5,6) <100 <110 (<5,6) <110 (<5,6)


BZ (<5,6l)

Diabetes ≥126 (≥7,0) ≥126 (≥7,0) ≥110 (≥6,1) ≥110 (≥6,1)


mellitus

Gestörte Nüch- 100–125 100–125 100–109 100–109


ternglukose (»im- (5,6–6,9) (5,6–6,9) (5,6–6,1) (5,6–6,1)
paired fasting
glucose«, IFG)

oGTT Normal <140 (<7,8) <160 (<8,9) <120 (<6,7) <140 (<7,8)
(2-h-Wert)
Diabetes ≥200 ≥220 ≥180 ≥200
mellitus (≥11,1) (≥12,2) (≥10,0) (≥11,1)

Gestörte 140–199 160–219 120–179 140–199


Glukosetoleranz (7,8–11,1) (8,9–12,2) (6,7–9,9) (7,8–11,1)
(»impaired gluco-
se tolerance«,IGT)

Eine IFG und eine IGT stellen keine eigenständigen Erkrankungen dar, sondern bezeichnen eine
Risikokonstellation für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Innerhalb von 6 Jahren ent-
wickeln statistisch gesehen 40 % dieser Patienten einen Diabetes mellitus Typ 2. Darüber hinaus
ist das kardiovaskuläre Risiko gegenüber der Normalbevölkerung erhöht.
Kapitel 70 · Diabetes mellitus 597 70
Kontrolle der langfristigen BZ-Einstel- klinischen und anamnestischen
lung mittels HbA1c-Wert Merkmalen (⊡ Tab. 70.3) ggf. Bestim-
z HbA1c: Unterform eines glykosylierten mung des C-Peptid-Spiegels und
Hämoglobins, »BZ-Langzeitgedächt- Autoantikörpernachweis
nis« der vorangegangenen 120 Tage z Autoantikörper: bei Verdacht auf
z Falsch-niedrige Werte: Hämolyse, Diabetes mellitus Typ 1 kann in
Blutverlust, Transfusionen, Hämoglo- der Frühphase der Erkrankung
binopathien die einmalige Bestimmung folgen-
z Falsch-hohe Werte: Niereninsuffi- der Autoantikörper sinnvoll sein
zienz, Alkoholismus, Leberzirrhose, (die Wahrscheinlichkeit, dass in
Eisenmangelanämie, Polyzythämie den ersten 10 Erkrankungsjahren
z Bestimmung des HbA1c-Wertes bei zumindest einer dieser Autoan-
Diabetikern: alle 3 Monate tikörper vorhanden ist, liegt bei
z Ziel-HbA1c-Wert: <6,5–7 % (keine etwa 80 %):
aggressive Senkung auf <6,5 %; AD- 5 ICA (»islet cell antibody«)
VANCE-, ACCORD-, VADT-Studie) 5 IAA (»insulin autoantibody«)
5 GADA (»glutamatdecarboxylase
Oraler Glukosetoleranztest (oGTT) antibody«)
z Durchführungszeitpunkt: morgends 5 IA-2 (»tyrosine-phosphatase-like
nach 16-stündiger Nahrungskarenz protein antibody«)
z C-Peptid-Spiegel:
> Drei Tage vor dem Test sollte nicht 5 da für jedes endogen hergestellte
gefastet werden (Aufnahme von nicht Molekül Insulin auch ein Molekül
weniger als 150 g Glukose/Tag, sonst C-Peptid produziert und dieses
falsch-positive Ergebnisse). langsamer abgebaut wird, kann
der C-Peptid-Spiegel als Maß für
z Während des Tests: sitzende oder lie- die endogene Insulinproduktion
gende Position genutzt werden
z Durchführung: BZ-Bestimmung mit 5 Anwendung: schwierige Abgren-
einer validierten Labormethode → zung zwischen Diabetes mellitus
Trinken von 75 g Glukoseäquivalent Typ 1 und Typ 2
in 300 ml Flüssigkeit innerhalb von 5 Konzentrationsverminderung bei
5 min → nach 120 min erneute BZ- Insulinmangel (Diabetes mellitus
Bestimmung Typ 1 oder Erkrankungen des exo-
krinen Pankreas)
Klassifikation des Diabetes mellitus 5 Konzentrationserhöhung in der
z Nach der Diagnosesicherung erfolgt Frühphase des Diabetes mellitus
die Einteilung → ätiologische Klas- Typ 2 sowie falsch-hohe Werte bei
sifikation des Diabetes mellitus (z. B. Niereninsuffizienz wegen vermin-
Typ 2) derter Clearance
z Auftreten eines Diabetes mellitus
erstmalig in der Schwangerschaft → Akute Komplikationen
Gestationsdiabetes z Hypoglykämie
z Differenzierung zwischen Diabetes z Ketoazidotisches und hyperosmolares
mellitus Typ 1 und Typ 2: neben Koma
598 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

⊡ Tab. 70.3. Differenzialdiagnostische Abgrenzung von Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2

Parameter Typ 1 Typ 2

Häufigkeit Etwa 10 % Etwa 90 %

Pathogenese Absoluter Insulinmangel Insulinresistenz und


Insulinsekretionsdefizit

Manifestationsalter Eher jüngere Patienten Eher ältere Patienten, jedoch zu-


nehmend frühere Manifestation
(auch bei Kindern)

Auftreten/Beginn Oft akut, oft symptomatisch Schleichend, häufig


asymptomatisch

Körpergewicht Oft normal Oft erhöht

Ketoazidoseneigung Ja Nein

Notfallsituationen Ketoazidotisches Koma, Hyperosmolares Koma,


Hypoglykämie Hypoglykämie

Familiäre Häufung Selten Typisch

Plasma-C-Peptid- Niedrig bis nicht In der Frühphase normal bis erhöht


Spiegel nachweisbar

Autoantikörper In der Frühphase häufig Nein

⊡ Tab. 70.4. Diagnostische Richtwerte für den Gestationsdiabetes. Angaben in mg/dl (mmol/l)

Parameter Plasma, venös Vollblut, venös Vollblut, kapillär

Nüchternglukosespiegel <95 (<5,3) <90 (<5) <90 (<5)

oGTT, 1-h-Wert <180 (<10) <165 (<9,2) <180 (<10)

oGTT, 2-h-Wert <155 (<8,6) <140 (<7,8) <155 (<8,6)

Spezielle Form: Gestationsdiabetes z Liegen 2 Werte eines Tests oberhalb


z Screeningtest mit 50 g Glukose; falls der in ⊡ Tab. 70.4 definierten Grenz-
der BZ-Wert nach 60 min >140 mg/ werte, wird die Diagnose eines Ge-
dl (>7,8 mmol/l) beträgt, besteht der stationsdiabetes gestellt; findet sich
Verdacht auf einen Gestationsdiabetes lediglich ein pathologischer Wert,
→ Bestätigung mittels standardisier- spricht man von einer pathologischen
tem oGTT mit 75 g Glukose und BZ- Glukosetoleranz in der Schwanger-
Bestimmung nach 0, 60 und 120 min schaft
70.1 · Hypoglykämie 599 70.1
70.1 Hypoglykämie z Zufuhr einer zu großen Alkoholmenge
→ Inhibierung der Glukoneogenese
Definition → Hypoglykämie; die Gabe von Glu-
z Es existiert keine allgemeingültige kagon hilft in diesen Fällen nicht
Definition der Hypoglykämie
z Modifizierte Definition (Diabetes > Häufiges Auftreten von Hypogly-
Control and Complications Trial): kämien bei Diabetikern in der Nacht
die Hypoglykämie ist nicht nur durch (1–3 Uhr: Phase der höchsten Insulinemp-
einen isolierten Laborwert definiert, findlichkeit) und am späten Nachmittag
sondern durch die sog. Whipple-Trias:
5 Plasmaglukosespiegel von <50 mg/ Klinik
dl (<2,8 mmol/l) z Vegetative Gegenregulation (plötzli-
5 hypoglykämische Symptome cher Beginn der Klinik):
5 Besserung der Klinik nach 5 initial Heißhunger, Speichelfluss,
Glukosegabe Nausea
z Eine schwere Hypoglykämie kann de- 5 innere Unruhe, ausgeprägtes
finitionsgemäß nur durch Fremdhilfe Schwitzen, Tachykardie, Tremor,
überwunden werden Mydriasis
z Neuroglukopenische Symptomatik
Ätiologie durch ungenügende Glukoseversor-
z Relativ zu geringe Nahrungsaufnahme gung des Gehirns:
z Zu hohe Dosis an Insulin oder ora- 5 Automatismen, Grimassieren
len Antidiabetika (akzidentell oder 5 Verwirrtheit, Verhaltensänderungen
absichtlich: Hypoglycaemia factitia); 5 Müdigkeit, Verlangsamung
unter einer Insulintherapie treten in 5 Kopfschmerzen
25 % der Fälle asymptomatische Hy- 5 Schwindel
poglykämien auf 5 Sehstörungen: verschwommenes
z Ungeplante starke körperliche Aktivität Sehen, Doppelbilder
→ insulinunabhängige Aufnahme von 5 Sprachstörungen: Aphasie
Glukose in Muskelzellen → BZ-Abfall 5 Gedächtnisstörungen
z Autonome Neuropathie mit Gastropa- 5 fokalneurologische Defizite:
rese: verzögerte Magenentleerung → Hemiplegie
verzögerte Aufnahme von Kohlenhy- 5 Somnolenz bis hypoglykämisches
draten Koma
z Großer Normalinsulinbolus (späte
Hypoglykämie): bei der Injektion > Die Hypoglykämie kann die Sym-
großer Mengen Normalinsulin wirkt ptome eines akuten Schlaganfalls nach-
das Insulin nicht nur stärker, sondern ahmen → BZ-Bestimmung bei jedem
auch länger; insbesondere wenn rasch bewusstlosen Patienten.
resorbierbare Kohlenhydrate gegessen
werden, kann dies dazu führen, dass Therapie
das Insulin noch wirkt, die Kohlenhy- z Bei noch bewusstseinsklaren Patienten
drate aber schon »verbraucht« sind → gilt die Devise »erst essen, dann mes-
4–5 h nach der Insulininjektion kommt sen«; die Patienten sollten bei Sympto-
es zu einer »späten« Hypoglykämie men eine schnelle und eine langsame
600 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

BE zuführen, z. B. ein Glas Cola, Limo- z Weitere Labordiagnostik: Elektrolyt-


nade oder Fruchtsaft (keine Diät- oder werte, Plasmaglukosespiegel, Blutbild,
Light-Produkte) oder 2–4 Plättchen BGA, Serumosmolalität, Urinstix
Traubenzucker (10–20 g Kohlenhyd- z Berechnung der Anionenlücke
rate) sowie anschließend z. B. Cracker, (Na+ – Cl– – HCO3; Normwert:
1 Scheibe Brot oder 2 Tassen Milch 8–16 mmol/l; bei metabolischer Azi-
z Bei Bewusstlosigkeit parenterale Ap- dose: >16 mmol/l)
plikation von Glukose: z Berechnung der Serumosmolalität:
5 Glukagon (GlucaGen Hypokit) 1,89 × [Na+] + 1,38 × [K+] + 1,03 ×
i. m. (notfalls durch die Hose in [Harnstoff] + 1,08 × [Glukose] + 7,45
den Oberschenkel) z Urinosmolalität: wird bestimmt und
5 50 ml Glukose 40 % i. v. durch den nicht berechnet
Rettungsdienst
5 Glukose 10 % oder 20 % i. v. im Therapie
Krankenhaus Volumensubstitution

 Dosierung
70.2 Ketoazidotisches und Volumensubstitution:
hyperosmolares Koma z Defizit: 3–5 l (400–800 mmol Na+)
z 0,5–1 l NaCl 0,9 %/h, ZVD-gesteuert und
Ätiologie unter Berücksichtigung des Serumnatri-
z Erstmanifestation eines Diabetes mel- umwerts
litus, sog. Manifestationskoma: in 25 %
der Fälle im Rahmen von Infektionen z BZ von <300 mg/dl (<16 mmol/l):
(Pneumonie, Harnwegsinfekt etc.) NaCl 0,9 % sukzessiv durch Glukose
z Fehlende Insulinzufuhr, z. B. Vergess- 5 % ersetzen
lichkeit, Insulinpumpendefekt z BZ von <120 mg/dl (<7 mmol/l):
z Inadäquate Dosierung von Antidi- Glukose 10 % (>10 % nur über ZVK);
abetika oder Insulin, z. B. erhöhter Insulinsubstitution ggf. reduzieren,
Insulinbedarf: aber nicht absetzen
5 Begleiterkrankungen: Infektion,
Hyperthyreose, Myokardinfarkt Kaliumsubstitution
5 Steroidtherapie z Menge nach Serum-pH- und Serum-
5 Operation (mit erhöhten Adrena- kaliumwert bestimmen (stündliche
lin- und Kortikoidkonzentrationen) Kontrollen)
5 Diätfehler bei unzureichender z Maximal 240 mmol/Tag
Schulung z Zielserumkaliumwert: 4–5 mmol/l

Klinik Insulinsubstitution
⊡ Tabelle 70.5 z Voraussetzung: Serumkaliumwert von
>3,3 mmol/l
Diagnostik
z Anamnese und körperliche Unter- Â Dosierung
suchung Normalinsulin:
z BZ-Bestimmung z Bolus: etwa 0,1 IE/kg KG
70.2 · Ketoazidotisches und hyperosmolares Koma 601 70.2
⊡ Tab. 70.5. Differenzialdiagnostische Unterscheidung zwischen ketoazidotischem und
hyperosmolarem Koma

Parameter Ketoazidotisches Koma Hyperosmolares Koma

Vorkommen Diabetes mellitus Typ 1 Diabetes mellitus Typ 2

Inzidenz Etwa 5–8/1000/Jahr Etwa 1/1000/Jahr

Symptomdauer Stunden Tage

Klinik Mäßige Exsikkosezeichen (Durst, tro- Ausgeprägte Exsikkosezei-


ckene Haut), Bauchschmerzen (Pseudo- chen (Durst, trockene Haut
peritonitis; Differenzialdiagnose: akutes und Schleimhäute, stehen-
Abdomen), Nausea, Emesis (zentralner- de Hautfalten), Hypotonie,
vöse emetische Ketonwirkung), Hypo- Tachykardie; meist Fehlen
tonie, Tachykardie, Azetonfötor (Geruch von Nausea, Emesis und
nach süßlich-faulem Obst) Pseudoperitonitis

Atemmuster Kussmaul-Atmung Normal

pH-Wert <7,3 (metabolische Azidose) Normal (meist >7,3),


evtl. Laktatazidose

Serumosmolalität Variabel Erhöht (>350 mosmol/kg)

Ketonkörper- Positiv Negativ


nachweis im Urin

Exsikkose Unterschiedliche Ausprägung Stark ausgeprägt

z Anschließend Insulinperfusor: etwa einer Hypokaliämie führen). Als Faust-


0,1 IE/kg KG/h bei BZ von >1000 mg/dl regel gilt: BZ in den ersten 4–6 h um
(>55 mmol/l) und 0,02 IE/kg KG/h bei BZ max. 50 % des Ausgangswerts senken,
um 200 mg/dl (11 mmol/l) anschließend für 24–48 h bei ungefähr
220 mg/dl (12 mmol/l) halten.
z Ziel: stündliche BZ-Senkung um
55–70 mg/dl (3–4 mmol/l) Phosphatsubstitution
z Ziel-BZ: etwa 220–250 mg/dl z Indikation: Serumphosphatspiegel
(12–14 mmol/l) von <1,5 mg/dl (<0,48 mmol/l)
z Beginn: 6–8 h nach Therapie
! Die BZ-Senkung sollte langsam erfol- z Substitution mit Natriumphosphat
gen, da Glukose schlecht schrankengän- (4 mmol/h)
gig ist und somit nur langsam aus dem
Liquorraum diffundiert → Gefahr eines Azidosekorrektur mit NaHCO3
latenten Hirnödems (Dysäquilibriumsyn- z Indikation: pH-Wert von <7,0 oder
drom; des Weiteren kann eine zu rasche Bikarbonatspiegel von <5 mmol/l
Senkung der Glukosekonzentration zu nach einstündiger Hydratation
602 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

z Bedarf an NaHCO3 in mmol: Diabetische Retinopathie


0,1 × BE × Körpergewicht (in kg), d. h.
1/3 des errechneten Basendefizits Epidemiologie
(normalerweise 0,3 × BE × Körper- z Häufigste Ursache für Erblindung im
gewicht in kg) als 8,4%ige NaHCO3- Erwachsenenalter
Lösung z 2–4 % aller Typ-1-Diabetiker erblin-
z Infusionsdauer: 1–2 h den
z Kontrollen: 1- bis 2-stündlich BGA z 20 % aller Typ-2-Diabetiker haben
und Kaliumspiegel (Hypokaliämie- bereits bei Diagnosestellung eine Reti-
gefahr: Verminderung der H+-Kon- nopathie
zentration bedingt eine Abnahme der z 85 % aller Typ-1-Diabetiker haben
K+-Konzentration) nach 20-jähriger Erkrankungsdauer
z Ziel-pH-Wert: ≥7,2 eine Retinopathie

! Bikarbonat ist schlecht und CO2 ist > Die diabetische Retinopathie ist die
gut ZNS- bzw. schrankengängig, sodass Komplikation, die am stärksten mit der
der pH-Wert bei der Azidosekorrektur BZ-Einstellung korreliert. Allerdings stellt
nur langsam angehoben werden sollte, auch die arterielle Hypertonie einen ent-
um eine paradoxe Liquorazidose zu scheidenden Risikofaktor dar.
vermeiden.
Diagnostik
z Augenärztliche Kontrollen beim
70.3 Chronische asymptomatischen Patienten:
Komplikationen 5 bei unauffälligem Befund ≥1-mal
jährlich
Übersicht 5 Sehtests (z. B. beim Optiker) sind
nicht ausreichend
z Mikrovaskulär: z Unterscheidung der Retinopathie:
5 Augenerkrankungen: Retinopathie 5 nichtproliferative diabetische
(proliferativ/nichtproliferativ), Retinopathie: retinale Mikroaneu-
Makulaödem rysmen, intraretinale Blutungen,
5 Neuropathie: sensibel und moto- »Cotton-wool«-Herde
risch (meist Polyneuropathie) 5 proliferative diabetische Retino-
5 Nephropathie pathie: Auftreten von Neovaskula-
z Makrovaskulär: risationen in der Nähe des N. op-
5 KHK ticus und/oder der Makula →
5 pAVK Ruptur → Glaskörperblutungen,
5 zerebrovaskuläre Erkrankungen Fibrose, Traktionsamotio (Netz-
z Andere Komplikationen: hautablösung durch Zugkräfte
5 gastrointestinal: Gastroparese, nach Glaskörpervernarbung)
Diarrhö
5 sexuell: erektile Dysfunktion Therapie
5 dermatologisch z Effektivste Therapie: Prävention
5 infektiös z Strenge BZ-Einstellung und Blut-
5 Katarakt, Glaukom druckkontrolle (ggf. temporäre Ver-
70.3 · Chronische Komplikationen 603 70.3
schlechterung der Retinopathie trotz der Nylonfaden etwa 1 cm weit
Optimierung der BZ-Einstellung) durchbiegt
z Eventuell prophylaktische Laserbe- 5 Testung erfolgt plantar im Bereich
handlung der Netzhaut der Zehen, des Ballens, des Mittel-
fußes und der Ferse
Diabetische Neuropathie 5 Nicht testen sollte man über stark
überhornten Hautarealen
> Die häufigste Form der diabetischen z Überprüfung der Vibrationsempfin-
Neuropathie ist die distale symmetrische dung (Pallästhesie) mit 128-Hz-Stimm-
Polyneuropathie. gabel nach Rydell-Seiffer (⊡ Tab. 70.6)

Klinik und Diagnostik Therapie


z Sensible Defizite, Hyperästhesien, z Meist symptomatisch
Parästhesien, Dysästhesien z Vermeidung von Neurotoxinen
z Gegebenenfalls Schmerzen, meist der (z. B. Alkohol)
unteren Extremität; Ruheschmerz, z Ausgleich von Vitaminmangelzustän-
Zunahme in der Nacht den (z. B. Vitamin B6/B12, Folsäure)
z Meist Poly-, selten Mononeuropathie z Regelmäßig Fußinspektion
z Autonome Neuropathie: Ruhetachy- z Gegebenenfalls klassische Analgetika
kardie, orthostatische Dysregulation, (NSAR oder Opioide), Amitriptylin
diabetische Gastroparese, Blasenent- (z. B. Saroten), Carbamazepin (z. B.
leerungsstörungen, Dysfunktion des Tegretal), Gabapentin (z. B. Neuron-
sudomotorischen (Schweiß-)Systems tin) oder Duloxetin (z. B. Cymbalta)
mit Hyperhydrose der oberen und
Anhydrose der unteren Extremität, Diabetische Nephropathie
ggf. Sekretionsstörung der kontrain-
sulinären Hormone → Störung der  Kapitel 51
Hypoglykämiewahrnehmung
z Überprüfung der Druckempfindung: Makrovaskuläre Komplikationen
5 10 g Monofilament (Thio-Feel) →
Aufdrücken des Filaments, bis sich z Diabetes mellitus Typ 1 plus Mikro-
albuminurie oder Diabetes mellitus
Typ 2: erhöhtes Risiko für kardiovas-
⊡ Tab. 70.6. Richtwerte bei der Prüfung kuläre Ereignisse
der Pallästhesie (Vibrationsempfinden) z Ursachen: Dyslipoproteinämie, Hy-
pertriglyzeridämie, vermindertes
Lokalisation Alter Intensität HDL-Cholesterin, erhöhter oder
[Jahre] normwertiger LDL-Cholesterin-
Spiegel; LDL-Partikel sind dichter und
Großzehen- <30 ≥6/8
grundgelenk
zeigen eine erhöhte Atherogenität
≥30 ≥5/8
Sexuelle Funktionsstörungen
Malleolus <40 ≥6/8
medialis
≥40 ≥5/8
z Mann: erektile Dysfunktion, Ejakula-
tionsstörungen
604 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

z Frau: Lubrikationsstörungen, Vaginis- ⊡ Tab. 70.7. Stadieneinteilung des Syn-


mus, Dyspareunie droms des diabetischen Fußes nach Wagner
z Ursachen der erektilen Dysfunktion:
Stadium Klinik
psychogen, neuropathisch, vaskulär
z Therapie der erektilen Dysfunktion 0 Risikofuß, keine offene Läsion
(rein symptomatisch): PDE-5-Hem- I Oberflächliche Läsion
mer (Erfolgsrate von Sildenafil: etwa
60–70 %) II Läsionen, die bis zur Gelenk-
kapsel reichen und Sehnen
und Knochen mit einbeziehen
Syndrom des diabetischen Fußes
III Läsionen mit Abszedierung,
Ätiologie Osteomyelitis und Infekti-
onen der Gelenkkapsel
z Neuropathie, gestörte Fußbiomecha-
nik, pAVK, schlechte Wundheilung IV Begrenzte Vorfuß-/Fersen-
z Sensible Polyneuropathie → Reduk- nekrose
tion der Schutzmechanismen → Ver- V Nekrose des gesamten Fußes
letzungen
Unterscheidung:
z Störung der Propriozeption → ge-  neuropathischer diabetischer Fuß (war-
störte Gewichtsverteilung → Kallus- mer Fuß, rosiges Aussehen, tastbare
bildung/Ulzerationen Fußpulse, jedoch Störung der Tiefensen-
z Motorische/sensible Polyneuropthie sibilität und schmerzlose neuropathische
→ veränderte Fußmuskulaturmecha- Ulzera mit Mal perforans, evtl. hyperosto-
nik, strukturelle Veränderungen des tische Osteoarthropathie Charcot)
 ischämischer diabetischer Fuß (kühler
Fußes
Fuß, blasses Aussehen, Gangrän)
z Autonome Neuropathie → Anhy-  kombinierte Mischvariante
drose → Hauttrockenheit, Fissu-
renbildung

Stadieneinteilung 70.4 Therapie des Diabetes


⊡ Tabelle 70.7 mellitus

Therapie Allgemeines
z Beste Therapie: Prävention (Patien-
tenschulung: u. a. sorgfältige Schuh- Therapieziele
auswahl, tägliche Selbstinspektion der z Vermeidung akuter hyperglykämi-
Füße, tägliche Fußhygiene) scher Komplikationen
z Nikotinkarenz z Verhinderung von Spätschäden
z Behandlung der Dyslipidämie und der
arteriellen Hypertonie Therapieprinzipien
z Optimierung der BZ-Einstellung z Diabetes mellitus Typ 1: absoluter
z Bei Ulkus: konsequente Druckentlas- Insulinmangel → Insulinsubstituti-
tung (z. B. orthopädisch angepasste onstherapie
Schuhe), stadiengerechtes Wundma- z Diabetes mellitus Typ 2: relativer In-
nagement, ggf. Antibiotika und Rheo- sulinmangel → Lebensstilumstellung,
logika sowie Fußpflege orale Antidiabetika, ggf. Insulinthera-
70.4 · Therapie des Diabetes mellitus 605 70.4
pie, Therapie der Dyslipoproteinämie Kurzzeitinsuline (intensivierte kon-
sowie der arteriellen Hypertonie ventionelle Therapie bzw. »intensive
conventional therapy«, ICT) oder
Diabetes mellitus Typ 1 Insulinpumpentherapie; im Rahmen
der ICT kommen außer Normal- und
z Langzeit- oder Intermediärinsuline NPH-Insulin auch andere kurz- oder
zur Substitution des basalen Insulin- langwirksame Insuline, oft sog. Ana-
bedarfs sowie mahlzeitenangepasste loga, zur Anwendung (⊡ Tab. 70.8)

⊡ Tab. 70.8. Gegenüberstellung verschiedener Insulinpräparate

Insulintypen Beginn Erreichen Wirkdauer Besonderheiten


der Initial- des Wirk-
wirkung maximums
Kurz Normal-/ 15–30/ 1–3 h/ 4–8 h Spritz-Ess-Abstand:
wirk- Altinsulin 5–7 min 10–30 min 15–20 min; intensiv-
same (s. c./i. v.) medizinisch als i. v.
Insuline Perfusor einsetzbar
Insulinana- 5–15 min 1h 2–5 h Spritz-Ess-Abstand
loga: Insulin entfällt
lispro, Insulin
aspart, Insu-
linglulisin
Verzöge- Interme- 30–90 min 4–10 h 10–20 h Vor dem injizieren
rungs- diärinsulin Rollen (zwischen den
insuline (NPH-Insulin, Handflächen) oder
neutrales Schwenken, um die
Protamin Suspension in Mi-
Hagedorn) schung zu bringen
Insulinana- 2–4 h bzw. Langes ≥24 h bzw. Insulin glargin:
loga: Insulin 2–3 h Plateau 20–24 h fraglich erhöhtes
glargin, Insu- bzw. 4–14 h Krebsrisiko laut retro-
lindetemir spektiver Studien
Kombi- Z. B. 30 % 30 min 3–8 h Unter- Vorgefertigte
nations- Normalin- schiedlich, Mischungen aus
insuline sulin + 70 % je nach Mi- Normal- oder kurz
mit NPH- NPH-Insulin schungs- wirksamen Analog-
Anteil verhältnis und NPH-Insulinen
Z. B. 30 % 5–15 min 1–8 h Vor dem Injizieren
Insulin lispro intensives Rollen
+ 70 % NPH- (zwischen den
Insulin lispro Handflächen) oder
Schwenken, um die
Suspension in Mi-
schung zu bringen
606 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

z Voraussetzung: umfassende Schulung, z Ein Bolus wird nach entsprechender


hohe Motivation, tägliche BZ-Selbst- BZ-Bestimmung vor den Mahlzeiten
messungen (vor jeder Mahlzeit und mittels schnell wirkendem Insulin
vor dem Schlafengehen sowie in be- appliziert (z. B. Normalinsulin), wobei
sonderen Situationen häufiger: Sport, die Berechnung auf der zu erwarten-
Infektionen, bei Verdacht auf nächtli- den Menge an Kohlenhydraten, die
che Hypoglykämien BZ-Messung um verzehrt werden sollen, und dem ak-
3 Uhr nachts) tuellen BZ beruht; der Bolus soll den
BZ-Anstieg nach einer Mahlzeit ver-
hindern (Mahlzeitenfaktor) und auch
Insulintagesbedarf
der Korrektur erhöhter BZ-Werte
z Insulinbasalsekretion: 0,7–1,0 IE/h (Ruhe- dienen (Korrekturfaktor)
stoffwechsel) z Der Diabetiker muss also den Koh-
z Prandiale Insulinsekretion: etwa lenhydratgehalt der Mahlzeit schät-
1–3 IE/10 g Kohlenhydrate (BE) zen, die er zu sich nehmen möchte;
z Bedarf bei Normalgewicht: etwa 40–60 IE/ als Schätzeinheit dienen die Begriffe
Tag bzw. 0,7 IE/kg KG/Tag »Broteinheit« (BE) und »Kohlenhyd-
z Bedarf bei Adipositas: >100 IE/Tag bzw. rateinheit« (KHE)
bis zu 2 IE/kg KG/Tag; höhere Basalinsulin-
sekretionsrate → Insulinresistenz
z Niereninsuffizienz: etwa 90 % des Insulins BE bzw. KHE
werden unverändert renal ausgeschieden z 1 BE bzw. 1 KHE entspricht 10–12 g
(ein geringer Teil wird durch die Insulinase verwertbarer Kohlenhydrate → 1 BE
abgebaut) → bei progredienter Nierenin- bzw. 1 KHE hebt den BZ im Mittel um
suffizienz ist weniger Insulin notwendig 40–50 mg/dl
z Korrektur des BZ (Zielwert: 100–150 mg/ z 1000 kcal entsprechen 10 BE bzw. 10 KHE
dl): tagsüber 30er-, nachts 50er-Schritte (bei einer gesunden Mischkost mit
z Insulinmenge (Dosisanpassung): 50%igem Anteil von Kohlenhydraten an
Zielwert Insulin- der Gesamtkalorienaufnahme)
BZ aktuell − (120 mg/dl) tagesbedarf
× z 1 IE Normalinsulin senkt den BZ beim
30 40
insulinempfindlichen Diabetiker um etwa
30 mg/dl, bei Insulinresistenz (Diabetes
mellitus Typ 2) kann der Effekt deutlich
ICT geringer sein; bei länger andauernden
z Prinzip: Trennung von basaler Insul- hohen BZ-Werten lässt die Insulinempfind-
inversorgung und Bolusgabe → Basis- lichkeit ebenfalls nach (Glukosetoxizität)
Bolus-Therapie
z Die basale Insulinversorgung wird mit
Verzögerungsinsulinen (z. B. NPH- z Bei einem Gesamtkalorienbedarf von
Insuline) imitiert; aufgrund der Wirk- etwa 2400 kcal/Tag sollten etwa 50 %
dauer müssen die Patienten in der in Form von Kohlenhydraten zuge-
Regel 2- bis 3-mal/Tag NPH-Insulin führt werden, dies entspricht etwa
injizieren, wobei die Einheiten kaum 24 BE (z. B. 3-mal 8 BE)
variieren (z. B. jeweils 7 IE NPH- z Die Insulinempfindlichkeit schwankt
Insulin) im Tagesverlauf: morgens am ge-
70.4 · Therapie des Diabetes mellitus 607 70.4
ringsten, nachts am stärksten → der Diabetes mellitus Typ 2
Insulinbedarf pro BE (BE-Faktor) ist
zu den verschiedenen Tageszeiten und z ⊡ Tab. 70.9–70.11
von Patient zu Patient unterschiedlich; z Nichtpharmakologische Interventio-
eine typische BE-Faktor-Verteilung nen: Schulung, Lebensstiländerung,
wäre z. B. 2–1–1,5 (mit oben genann- gesunde Ernährung, Bewegung; im
ter BE-Verteilung ergäben sich also Rahmen der UKPD-Studie konnte
16–8–12 IE Insulin) gezeigt werden, dass eine initiale
z Vereinbarung eines »normnahen« nichtmedikamentöse Intervention
BZ-Zielwertes, z. B. bei 100 mg/dl eine Senkung des HbA1c-Wertes von
z Vor der Mahlzeit soll der Diabetiker etwa 2 % erzielt
seinen aktuellen BZ kontrollieren; z Orale Antidiabetika: Senkung des
überschreitet dieser den vereinbarten HbA1c-Wertes im Mittel um 1 %; kli-
Zielwert → Anwendung der 30er-Re- nische Endpunktdaten für Metformin,
gel: pro 30 mg/dl BZ-Überschreitung Glibenclamid und Pioglitazon
zusätzlich 1 IE Normalinsulin
z Da die Wirkung des Normalinsulins
erst nach 15–20 Minuten einsetzt (bei Stufentherapie des Diabetes mellitus
s. c. Injektion), die Kohlenhydrate Typ 2 (evidenzbasierte Leitlinien der
aber rasch in das Blut aufgenommen DDG)
werden, ist es notwendig, einen Spritz-
z Schritt 1:
Ess-Abstand einzuhalten, um post-
5 Schulung und Bewegungstherapie
prandiale BZ-Spitzen zu vermeiden plus Metformin (Ziel-HbA1c-Wert:
z Der Spritz-Ess-Abstand liegt norma- ≤6,5–7 %)
lerweise bei 15–20 min
5 falls nach 3–6 Monaten HbA1c-
5 wenn der BZ vor der Mahlzeit Wert von >6,5 %, aber <7,5 % →
niedrig ist, sollte der Spritz-Ess- Schritt 2
Abstand verkürzt werden
5 falls nach 3–6 Monaten HbA1c-Wert
5 wenn der BZ vor der Mahlzeit von >7,5 % → Schritt 3
sehr hoch ist, sollte der Spritz-Ess-
z Schritt 2:
Abstand verlängert werden
5 zweites Antidiabetikum (Acarbose,
5 wenn postprandiale Spitzen DPP-4-Inhibitor, Exenatide, Glitazone,
vermieden werden sollen, sollte Sulfonylharnstoff oder Sulfonylharn-
der Spritz-Ess-Abstand verlän- stoffanalogon)
gert werden (z. B. während der
5 falls nach 3–6 Monaten HbA1c-Wert
Schwangerschaft) von >6,5–7 % → Schritt 3
z Schritt 3:
> Komplikationen der Insulintherapie
5 Kombinationstherapie mit Insulin
z Hypoglykämien
(entweder plus Basalinsulin oder plus
z Gewichtszunahme
prandiales Insulin)
z Insulinödem (nur temporär und mittels
5 falls nach 3–6 Monaten HbA1c-Wert
Diuretika gut behandelbar)
von >6,5 % → Schritt 4
z Lokale Reaktionen am Injektionsort
z Schritt 4: Intensivierung der Insulin-
(Liphypertrophie oder allergische Re-
therapie
aktionen; selten)
608
⊡ Tab. 70.9. Antidiabetika

Substanzgruppe Substanz Tagesdosis Wirkung Nebenwirkungen Beachte


(Handelsname)

α-Glukosidase- Acarbose 3-mal 50–100 mg Hemmung der intesti- Meteorismus, Einnahme vor den
Hemmer (z. B. Glucobay) nalen α-Glukosidase Flatulenz, Diarrhö Mahlzeiten

Biguanide Metformin 1- bis 3-mal 500– Hemmung der Laktatazidose Einnahme nach den
(z. B. Glucophage) 1000 mg, hepatischen Mahlzeiten, bei Nie-
max. 2-mal 1000 mg Glukoneogenese reninsuffizienz
kontraindiziert
Kapitel 70 · Diabetes mellitus

Thiazolidindione Pioglitazon (Actos) 1-mal 15–30 mg Aktivierung des Zellkern- Gewichtszunahme Kontrolle der Leber-
(Glitazone)1 rezeptors PPAR-γ enzymwerte

Sulfonyl- Glibenclamid 1- bis 3-mal 3,5 mg, Blockade von KATP-Kanälen Hypoglykämien, Einnahme zu Beginn
harnstoffe (z. B. Euglucon N) max. 10,5 mg → Steigerung der Insulin- Gewichtszunahme der Mahlzeit
freisetzung
Glimepirid 1-mal 1–4 mg,
(z. B. Amaryl) max. 6 mg

Gliquidon 1- bis 3-mal 15–


(z. B. Glurenorm) 120 mg, max. 120 mg

Glibornurid 1-mal 12,5 mg,


(z. B. Glutril) max. 75 mg

Gliclazid 1-mal 30 mg,


(z. B. Daimicron Uno) max. 240 mg

Tolbutamid 1- bis 2-mal 0,5–1 g,


▼ (z. B. Orabet) max. 2 g
Glinide Repaglinide 0,25–4 mg, Blockade von KATP-Kanälen Hypoglykämien Einnahme vor der
(z. B. NovoNorm) max. 16 mg → Steigerung der Insulin- Mahlzeit
freisetzung
Nateglinide 60–120 mg,
(z. B. Starlix) max. 3-mal 180 mg

DPP-4-Hemmer Sitagliptin 1-mal 100 mg Glukoseabhängige DPP-4 Nasopharyngitis, Diar- –


(Gliptine) (z. B. Januvia) Enzyminhibierung → Ver- rhöen, Arthralgien
zögerung des Abbaus von
Vildagliptin 1- bis 2-mal Inkretinen (Glucagon-like
(z. B. Galvus) 50–100 mg Peptide-1 [GLP-1, aus L-Zel-
len], Glucose-dependent
70.4 · Therapie des Diabetes mellitus

insulinotropic Peptid [GIP,


aus K-Zellen]) → Steige-
rung der Insulinfreisetzung
aus β-Zellen und Hem-
mung der Glukagonfrei-
setzung aus α-Zellen sowie
Appetitreduktion

Inkretinmimetika Exenatide 2- bis 3-mal 5–10 μg Nachahmung des natür- Induktion von Übel- Nur s. c. Applikation
(GLP-1-Analoga) (z. B. Byetta) s. c. (etwa 60 min vor lichen Inkretinhormons keit (durch Aktivierung möglich
609

dem Frühstück und »glucagon-like peptide 1« von Chemorezeptoren


der Abendmahlzeit) der Area postrema
und Verzögerung der
Magenentleerung;
meist nur in der
Anfangsphase),
Niereninsuffizienz

DPP-4 Dipeptidylpeptidase IV; PPAR-γ »peroxisome proliferator activating receptor γ«


1
Für Rosiglitazon besteht ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko.
70.4
610 Kapitel 70 · Diabetes mellitus

⊡ Tab. 70.10. Gegenüberstellung verschiedener Insulinregimes

Regime Prinzip Injektionen/Tag Indikation

Intensivierte Basis-Bolus-Konzept 1- bis 3-mal Ver- Diabetes mellitus Typ 1


konventionelle (spezielle Schulung zögerungsinsulin/ (auch bei Typ 2 möglich)
Therapie (ICT) erforderlich) Tag + schnell wirk-
sames Insulin zu
den Mahlzeiten

Konventionelle ≥2-mal täglich mit 2–3 Insulinbedürftige Dia-


Therapie (CT) Mischinsulinen → betiker, die für eine ICT
Zwischenmahlzeiten nicht (mehr) geeignet
erforderlich sind

Basal unterstützte (Meist abendliche) 1–2 Morgendliche Hyper-


orale Therapie Gabe von Verzö- glykämien bei Typ-2-
(BOT) gerungsinsulin Diabetikern unter
zusätzlich zu oralen oralen Antidiabetika
Antidiabetika

Supplementäre Präprandiale Gabe Vor jeder Mahlzeit Postprandiale Hypergly-


Insulintherapie von kurz wirksamem kämien bei Typ-2-
(SIT) Insulin zusätzlich zu Diabetikern unter
oralen Antidiabetika oralen Antidiabetika

Kontinuierliche Insulinpumpen- Wechsel des Diabetes mellitus Typ 1


subkutane therapie (spezielle Systems alle in der Schwangerschaft
Insulininfusion Schulung erforder- 1–3 Tage sowie bei ausgeprägtem
(CDII) lich) Dawn-Phänomen1
1 Dawn-Phänomen: erhöhter Insulinbedarf in der 2. Nachthälfte, bedingt durch nächtliche

Sekretion von kontrainsulinären Hormonen

⊡ Tab. 70.11. Therapieziele beim Diabetes mellitus Typ 2

Parameter Zielwerte
Glukosespiegel im Plasma 80–120 mg/dl (4,4–6,7 mmol/l)
HbA1c-Wert ≤6,5–7 %
BMI ≤25 kg/m2 bzw. Gewichtsreduktion um 5–10 %/Jahr
Albuminurie <20 mg/l
Blutdruckwerte  Ohne Albuminurie: <130/85 mmHg
 Mit Albuminurie (>1 g/Tag): <125/75 mmHg
Lipidkonzentrationen  Gesamtcholesterin: <150 mg/dl
 LDL-Cholesterin (auch ohne Atherosklerose): <100 mg/dl
 LDL-Cholesterin bei KHK: evtl. <70 mg/dl
 HDL-Cholesterin: >60 mg/dl
 Triglyzeride: <150 mg/dl
71.2 · Schilddrüsenfunktionsstörungen 611 71.2

> Erkrankungen der


Schilddrüse
G. Michels, M. Faust

71.1 Allgemeines 71.2 Schilddrüsen-


funktionsstörungen
z ⊡ Tab. 71.1
z Bei Erkrankungen der Schilddrüse ⊡ Tabellen 71.2 u. 71.3
muss zwischen morphologischen
Veränderungen (Struma, Schilddrü- Hypothyreose
senknoten) und funktionellen Ver-
änderungen (Hypo-/Hyperthyreose) Ätiologie
unterschieden werden; morphologi- z Primär (thyreogen):
sche Veränderungen können, müssen 5 Autoimmunthyreopathien
aber nicht mit funktionellen Störun- 5 iatrogen (vorangegangene Thyreo-
gen einhergehen und umgekehrt idektomie, Radiojodtherapie oder
zervikale Bestrahlung, Medika-
> In der Regel genügt die Bestim- mente wie Thyreostatika, Lithium,
mung des TSH-Wertes. Ist dieser Interferon, Amiodaron etc.)
normwertig, sind die häufigsten Schild- 5 kongenital (Agenesie, ektope
drüsenfunktionsstörungen bereits Schilddrüse, TSH-Rezeptor-Muta-
ausgeschlossen. tionen etc.)

⊡ Tab. 71.1. Schnellinterpretation von Schilddrüsenfunktionsstörungen

Parameter Latente Manifeste Latente Manifeste


Hyperthyreose Hyperthyreose Hypothyreose Hypothyreose

fT3-Spiegel Normal ↑ Normal ↓

fT4-Spiegel Normal Normal bis ↑ Normal ↓

TSH-Spiegel ↓ ↓ ↑ ↑

Bei der Bestimmung des Gesamt T3-/T4-Spiegels muss beachtet werden, dass der überwiegende
Teil der Hormone an Proteine gebunden ist (thyroxinbindendes Globulin, Transthyretin, Albu-
min). In Situationen mit abnormem Bluteiweißgehalt (z. B. Schwangerschaft, orale Antikon-
zeption, Lebersynthesestörungen, nephrotisches Syndrom etc.) kann es zu Veränderungen der
Gesamt-T3-/T4-Spiegel kommen, ohne dass tatsächlich Funktionsstörungen vorliegen.
612 Kapitel 71 · Erkrankungen der Schilddrüse

⊡ Tab. 71.2. Klinische Unterscheidung zwische Hypo- und Hyperthyreose

Hypothyreose Hyperthyreose

Gewichtszunahme Gewichtsabnahme

Kälteintoleranz Wärmeintoleranz

Bradykardie Tachykardie, Extrasystolen, Vorhofflimmern

Hypo-/Areflexie, verzögerte Muskeleigen- Hyperreflexie


reflexe

Depression, Verlangsamung Übererregbarkeit, Nervosität

Langsame Bewegungen Fingertremor

Trockene Haut Feuchte Haut, vermehrtes Schwitzen

Brüchiges Haar bis Haarausfall Dünnes Haar bis Haarausfall

Obstipation Diarrhö

Rezidivierende Pleura-/Perikardergüsse Endokrine Orbitopathie

Hypercholesterinämie Osteoporose

Kloßige Sprache Schwirren über der Schilddrüse

Die klinische Ausprägung bei manifesten Störungen ist sehr variabel. Insbesondere bei älteren
Menschen können auch schwere Schilddrüsenfunktionsstörungen oligo- bis asymptomisch
verlaufen. Allgemein gilt, dass die Klinik und die Schwere der Erkrankung nicht mit den Schild-
drüsenwerten korrelieren.

z Transient (»silent« Thyreoiditis wie torischer und geistiger Retardierung,


Postpartum oder subakute Thyreoidi- die dem Alter nicht entspricht
tis) z Extremform (selten): Myxödem-
z Sekundär (hypophysäre oder hypotha- koma: Hypothermie (Rektal-
lamische Erkrankungen mit mangeln- temperatur oft nicht messbar),
der Bildung von TRH bzw. TSH) Hypoventilation (CO2-Retention),
Schock, myxödematöser Aspekt,
> Levothyroxinpräparate gehören in Perikarderguss
Deutschland zu den am häufigsten ver-
schriebenen Medikamenten. Oft ist die Diagnostik
Indikation der Therapie jedoch unklar. Nur z Anamnese: Schilddrüsenoperation
bei nachgewiesenen Hypothyreosen sollte oder Strahlentherapie, Medikamente,
eine lebenslange Substitution erfolgen. andere Autoimmunerkrankungen,
Familienanamnese
Klinik z Labordiagnostik: Bestimmung
z ⊡ Tab. 71.2 von TSH-, fT3- und fT4-Spiegel
z Hypothyreose beim älteren Men- sowie Autoantikörpernachweis
schen: oligosymptomatisch mit mo- (⊡ Tab. 71.4)
71.2 · Schilddrüsenfunktionsstörungen 613 71.2
⊡ Tab. 71.3. Ungewöhnliche Schilddrüsenhormonkonstellationen und mögliche Erklä-
rungen

TSH- fT3- fT4- Mögliche Erklärung Konsequenz


Spiegel Spiegel Spiegel

Normal Normal ↑ Blutabnahme nach In der Regel keine;


morgendlicher Einnahme ggf. Spiegelkontrolle
eines T4-Präparats vor Einnahme
(Resorptionsspitze)

Normal ↓ Normal Low-T3-Syndrom bei schwer- Behandlung der


kranken Patienten Grunderkrankung
(z. B. auf der Intensivstation);
gelegentlich können auch
der TSH- und der fT4-Wert
erniedrigt sein

Normal/↓ ↓ ↓ Sekundäre oder tertiäre Konsultation eines


Hypothyreose durch man- Endokrinologen
gelnde Bildung von TRH
oder TSH; meist hypothala-
mische oder hypophysäre
Erkrankungen

Normal/↑ ↑ ↑ Sekundäre Hyperthyreose Konsultation eines


(TSH-produzierender Hypo- Endokrinologen
physentumor) oder Schild-
drüsenhormonresistenz

⊡ Tab. 71.4. Schilddrüsenautoantikörper

Abkürzung Antikörper (Ak) Bedeutung

TPO (MAK) Thyroxinperoxidase-Ak  Bei Hashimoto-Thyreoiditis in 90–95 % der


(mikrosomale Ak) Fälle positiv
 Bei Morbus Basedow in bis zu 70 % der Fälle
positiv

TAK (Tg- Thyreoglobulin-Ak  Bei Hashimoto-Thyreoiditis in bis zu 70 % der


Antikörper) Fälle positiv
 Bei Morbus Basedow in bis zu 20 % der Fälle
positiv

TRAK TSH-Rezeptor-Ak  Bei Hashimoto-Thyreoiditis in bis zu 20 % der


Fälle positiv
 Bei Morbus Basedow in 90 % der Fälle positiv
614 Kapitel 71 · Erkrankungen der Schilddrüse

z Sonographie der Schilddrüse (typisch > Vor einer L-Thyroxin-Therapie der


für eine Autoimmunthyreopathie sekundären Hypothyreose erst eine
sind die relative Echoarmut und ein Nebenniereninsuffizienz ausschließen
echounruhiges Bild)
z Szintigraphie (z. B. mit 99mTc): nur in Hashimoto-Thyreoiditis
Ausnahmefällen notwendig (z. B. Ver-
dacht auf ektope Schilddrüse) Ätiologie und Epidemiologie
z T-Zell-vermittelte Autoimmunthy-
Therapie reopathie → Antikörperbildung und
 Dosierung lymphozytäre Infiltration → Destruk-
Dauersubstitution mit Levothyroxin: tion von Thyreozyten und Schilddrü-
Erhaltungsdosis von 1,6 μg/kg KG/Tag senfollikel
z Begünstigende Faktoren: Rauchen,
z Latente Störung: hohe Jodversorgung, ggf. Östrogene
5 die Indikation zur Substitutions- z Prävalenz: 5–10 %
therapie hängt von der Klinik ab z Frauen bis zu 9-mal häufiger betrof-
5 TSH-Werte von >6 mU/l und An- fen als Männer
ti-TPO-Antikörper-Nachweis →
Beginn einer Substitutionstherapie Klinik
5 kein Antikörpernachweis: Sub- z Anfangs meist asymptomatisch
stitution bei TSH-Wert von z Transiente (milde) Hyperthyreose:
≥10 mU/l durch den destruierenden Prozess
z Eventuell Anwendung von T3-/T4- kann im Follikel gespeichertes Schild-
Kombinationspräparaten (in kontrol- drüsenhormon freigesetzt werden (da
lierten Langzeitstudien kein Nutzen), Thyreostatika nur die Neubildung von
keine Anwendung von reinen T3- Schilddrüsenhormonen hemmen, ist
Präparaten (kurze Halbwertszeit) ihr Einsatz hier sinnlos)
z Ziel: TSH-Wert in der unteren Hälfte z Manifeste Hypothyreose durch progre-
des Normbereichs (0,3–3 mU/l) diente Destruktion der Thyreozyten
z Kontrolle der Schilddrüsenwerte nach
Therapiebeginn: alle 2 Monate Diagnostik
z Kontrolle nach stabiler Einstellung: z Labordiagnostik: TSH-, fT3- und
jährlich fT4-Spiegel, Autoantikörpernachweis
z Dosisanpassungen: »25-μg-Schritte« (⊡ Tab. 71.4)
z Myxödemkoma: z Schilddrüsensonographie: vergrö-
5 Intensivmedizin (Beatmung, Sub- ßertes oder vermindertes Volumen;
stitution von T3/T4, Kortikostero- typisch ist eine echoarme, unruhige
ide, Volumensubstitution) Binnenstruktur
5 500 μg Levothyroxin i. v. über 24 h, z Szintigraphie: meist nicht erforderlich
anschließend 50–100 μg/Tag p. o. (99mTc-Uptake ist in der Regel vermin-
dert)
> Langsamer Beginn der Schilddrüsen-
hormonsubstitutionstherapie bei älteren Therapie
Menschen mit kardialer Vorgeschichte, z Keine immunmodulatorische Thera-
z. B. 25 μg/Tag pie (z. B. mit Kortison)
71.2 · Schilddrüsenfunktionsstörungen 615 71.2
z Jodzufuhr gering halten z Schilddrüsensonographie: bei Morbus
z Gegebenenfalls symptomatische Basedow häufig Struma, meist keine
Therapie mit unselektiven β-Blockern Knoten, echounruhiges Signal, farb-
(z. B. Propranolol) dopplersonographisch Hypervaskula-
z Levothyroxinsubstitutionstherapie bei risation
Entwicklung einer Hypothyreose z Szintigraphie: bei Autonomie und
z Die Höhe des TPO-Antikörper- Morbus Basedow erhöhter 99mTc-
Spiegels hat keine Auswirkung auf Uptake, ggf. fokale Mehranreicherung
den Verlauf der Erkrankung, weshalb bei fokaler Autonomie (»heiße Kno-
es nicht sinnvoll ist, sie im Verlauf zu ten«); wenn die Diagnose eines Mor-
kontrollieren bus Basedow sehr wahrscheinlich ist,
kann auf eine Szintigraphie verzichtet
Hyperthyreose werden
z Gegebenenfalls Bestimmung des Thy-
Ätiologie reoglobulin (TG)-Spiegels bei Verdacht
z Immunogene Hyperthyreose (Morbus auf Hyperthyreosis facticia (typischer-
Basedow) weise deutlich erniedrigt, bei Morbus
z Schilddrüsenautonomie Basedow dagegen in der Regel erhöht)
z Medikamente: Jodexzess, Amio-
daron, Überdosierung von Schild- Differenzialdiagnostik
drüsenhormonen, Hyperthyreosis ⊡ Tabelle 71.5
facticia
z seltene Formen: passager bei Has- Therapie
himoto-Thyreoiditis oder subakuter z Therapieziel: Wiederherstellung der
Thyreoiditis de Quervain, Schilddrü- Euthyreose (außer bei transienten Hy-
senkarzinommetastasen, sekundäre perthyreosen, bei denen lediglich eine
Hyperthyreose mit TSH-Überpro- symptomatische Therapie erfolgt)
duktion, Marine-Lenhart-Syndrom z Bei Morbus Basedow und Schilddrü-
(Kombination aus Morbus Basedow senautonomie: Thyreostatika vom
und Schilddrüsenautonomie), HCG- Thionamidtyp (Thiamazol, Carbima-
produzierende Tumoren etc. zol, Propylthiouracil; vermindern die
Neubildung von Schilddrüsenhormo-
Klinik nen, haben aber fast keinen Einfluss
z ⊡ Tab. 71.2 auf bereits gebildete Schilddrüsen-
z Klinik und Schweregrad der Erkran- hormone, die sich in der Zirkulation
kung korrelieren nicht mit der Höhe oder im Kolloid des Follikelinneren
der Schilddrüsenhormonwerte befinden)
z Extremform: thyreotoxische Krise z Thyreostatika-/Thionamidtherapie:
5 ⊡ Tab. 71.6
Diagnostik 5 Prinzip: hohe Anfangsdosen (bei
z Anamnese und körperliche Unter- schweren, jodinduzierten Hy-
suchung perthyreosen sogar länger und ggf.
z Labordiagnostik: TSH-, fT3- und i. v.) → im Verlauf Erhaltungsdosis
fT4-Spiegel, Autoantikörpernachweis 5 Nebenwirkungen der Thionamide:
(⊡ Tab. 71.4) allergische Reaktionen (insbe-
616 Kapitel 71 · Erkrankungen der Schilddrüse

sondere Hautveränderungen), ein Wechsel von Thiamazol auf


gastrointestinale Störungen, Arth- Carbimazol (und umgekehrt) hat
ralgien, cholestatische Hepatitis, hingegen keinen Sinn
selten Blutbildveränderungen bis z Gegebenenfalls symptomatische
Agranulozytose → Kontrolle von Therapie (insbesondere zu Beginn
Blutbild, Transaminasenaktivitäten der Therapie) mit nichtselektivem
und Cholestaseparametern β-Blocker (z. B. Propranolol):
5 bei Nebenwirkungen: Wechsel von 5 Titrierung anhand der Klinik
Thiamazol oder Carbimazol auf (Pulsfrequenz)
Propylthiouracil oder umgekehrt, 5 hemmt u. a. Konversion von T4
da Kreuzallergien selten sind; zu T3

⊡ Tab. 71.5. Differenzialdiagnostik bei Hyperthyreose

99mTc-
Erkrankung fT3- fT4- TSH- Tg- TRAK- TPO-
Spiegel Spiegel Spiegel Spiegel Nach- Antikörper- Uptake
weis Nachweis

Morbus Basedow ↑ ↑ ↓ ↑ + (+) ↑↑

Autonomie ↑ ↑ ↓ ↑ – – ↑

Hyperthyreosis
↑ ↑↑ ↓ ↓ – – ↓↓
facticia

Sekundäre Normal/ Normal/


↑ ↑ – – Normal/↑
Hyperthyreose ↑ ↑

Transiente Hy-
perthyreose, z. B. Normal/
↑ ↑ ↑ (+) ++ ↓
bei Hashimoto- ↓
Thyreoiditis

⊡ Tab. 71.6. Thyreostatika

Thyreostatikum Äquivalenz- Startdosis Erhaltungsdosis


(Handelsname) dosis [mg/Tag] [mg/Tag]

Thiamazol (z. B. Favistan) 1 10–40 2,5–10

Carbimazol (z. B. Carbimazol) Etwa 1,5 15–60 5–15

Propylthiouracil (z. B. Propycil) Etwa 15 150–300 30–150

Carbimazol ist ein sog. Prodrug und wird im Körper in das aktive Thiamazol umgewandelt. Auf-
grund der Kinetik können Thiamazol und Carbimazol in einer einmal täglichen Dosis appliziert
werden, während Propylthiouracil in 3 tägliche Dosen aufgeteilt werden sollte.
71.2 · Schilddrüsenfunktionsstörungen 617 71.2
5 nach Erreichen einer peripheren Vorliegen eines Morbus Basedow
Euthyreose kann die symptomati- z in <10 % der Fälle keine TRAK
sche Therapie beendet werden nachweisbar z in seltenen Fällen
z Der weitere Verlauf der Therapie ist werden TRAK produziert, die nicht
von der Grunderkrankung abhängig aktivierend, sondern inhibierend
(s. unten, »Morbus Basedow« und auf den TSH-Rezeptor wirken →
»Schilddrüsenautonomie«) Entwicklung einer Hypothyreose
z Schilddrüsensonographie:
Morbus Basedow 5 Volumen erhöht bis normal
5 typisch ist eine echoarme, unru-
Ätiologie und Epidemiologie hige Binnenstruktur
z Autoimmunthyreopathie: T-Helfer- 5 Farbdopplersonographie: massive
Zellen aktivieren B-Zellen → Bildung thyreoidale Perfusionszunahme
von TSH-Rezeptor-Antikörpern → z Szintigraphie: meist nicht erforderlich
Antikörperbindung an TSH-Rezeptor (gesteigertes 99mTc-Uptake)
der Thyreozyten → TSH-unabhängige
Stimulation der Schilddrüsenhormon- Therapie
produktion und -sekretion z Wiederherstellung einer Euthyreose:
z Weitere pathogenetische Faktoren: ggf. initiale supportive, symptomati-
Genetik, Hormone (Frauen 7-mal sche Therapie
häufiger betroffen), Psychosomatik z Hohe Spontanremissionsrate:
z Rauchen verdoppelt das Risiko für die 5 Erhöhung dieser Rate durch
Erkrankung euthyreote Einstellung über
z Inzidenz: 50/100.000 Einwohner/Jahr 6–18 Monate → medikamentöse
z Altersgipfel: 30–50 Jahre Einstellung einer Euthyreose für
etwa 12 Monate, anschließend
Klinik Therapie beenden und Kontrolle
z Meist plötzlicher Beginn mit Sympto- der Schilddrüsenwerte
men einer Hyperthyreose (⊡ Tab. 71.2) 5 in etwa 50 % der Fälle kommt es
z Gegebenenfalls mit endokriner Orbi- nach Absetzen zu einem Rezidiv
topathie (etwa 50 % der Fälle; s. un- 5 aufgrund der hohen Remissions-
ten), gleichzeitig oder zeitlich versetzt rate ist initial nicht zu einer sog.
mit Zeichen der Hyperthyreose; nur definitiven Therapie (Operation
selten geht eine endokrine Orbitopa- oder Radiojodtherapie) zu raten
thie der Hyperthyreosesymptomatik z Der Bedarf an Thyreostatika kann im
voraus, sehr selten zeigt sie sich ohne Verlauf stark schwanken
Schilddrüsenfunktionsstörung z Auftreten von wechselnden hyper-
und hypothyreoten Phasen (sind für
Diagnostik Patienten belastend und können den
z Labordiagnostik: Verlauf einer endokrinen Orbitopa-
5 TSH-Spiegel (vermindert), fT3- thie verschlechtern): Kombination
und fT4-Konzentration (erhöht) aus Thyreostatika und Levothyroxin
5 TRAK-Nachweis (⊡ Tab. 71.4): (Thyreostatika supprimieren die en-
z auch eine nur geringe Erhöhung dogene Schilddrüsenhormonproduk-
ist ein deutliches Indiz für das tion, Levothyroxin zur Vermeidung
618 Kapitel 71 · Erkrankungen der Schilddrüse

einer Hypothyreose – Vorteil: in der z Schwere Verlaufsformen sollten von


Regel stabile Einstellung; Nachteil: einem spezialisierten Team aus erfah-
höhere Dosis der Thyreostatika) renen Schilddrüsenspezialisten, Au-
z Gegebenenfalls definitive Therapie: genärzten und ggf. Psychosomatikern
bei Rezidiventwicklung nach kor- behandelt werden
rekter Behandlung/Euthyreose über
mindestens 6 Monate Schilddrüsenautonomie

Endokrine Orbitopathie Ätiologie und Epidemiologie


z Somatische (Punkt-)Mutationen im
Allgemeines TSH-Rezeptor-Gen → konstitutive
z Autoimmunerkrankung mit TRAK Aktivierung (nicht mehr TSH-regu-
z Infiltration mit autoreaktiven T- lierte, sondern autonome Produktion/
Lymphozyten und Einlagerung von Sekretion von Schilddrüsenhormo-
Glykosaminoglykanen nen)
z Häufig mit immunogener Hyperthy- z Vorkommen autonomer einzelner
reose assoziiert (etwa 90 %) Zellen/Zellnester auch in gesunden
z Weitere Faktoren: Rauchen, Psycho- Schilddrüsen (diese sind aber in
somatik ihrer Gesamtzahl so gering, dass sie
z Eventuell Radiojodtherapie als Auslöser bezüglich der Gesamtfunktion primär
keine Rolle spielen); Vermehrung
Klinik und Wachstum dieser autonomen
z Seltener Lidschlag (Stellwag-Zeichen) Zellverbände unter Jodmangel → pro-
z Sichtbarer Sklerastreifen oberhalb der grediente Überfunktion; eine erhöhte
Hornhaut (Dalrymple-Zeichen) Jodzufuhr führt zur Manifestation
z Zurückbleiben des Oberlids bei oder Verstärkung der Überfunktion
Blicksenkung (Graefe-Zeichen) z Verteilungsmuster der Autonomie-
z Konvergenzschwäche (Möbius- bezirke: unifokale, multifokale oder
Zeichen) disseminierte Autonomieareale;
z Schwellung der lateralen Partie der häufig ist eine Autonomie (aufgrund
Augenbrauen der ähnlichen Pathogenese) mit einer
z Lichtscheu, Fremdkörpergefühl, (Knoten-)Struma assoziiert
Brennen der Augen z Prävalenz und Inzidenz: kaum An-
z Protrusion gaben, häufig in Jodmangelgebieten,
z Doppelbilder, Sehstörungen altersabhängig
z Personen über 60 Jahre (Deutschland)
Therapie mit Struma oder Schilddrüsenknoten:
z Wiederherstellung einer stabilen Eu- in 50 % der Fälle zusätzliches Vorlie-
thyreose (Hypothyreose vermeiden) gen einer Autonomie
z Nikotinkarenz
z Gegebenenfalls psychosomatische Klinik
Mitbehandlung z Zunächst klinisch inapparent
z Eventuell Kortikosteroide z Entwicklung von Hyperthyreosesym-
z Gegebenenfalls Retrobulbärbestrahlung ptomen bei Entwicklung einer laten-
und/oder operative Dekompression ten oder manifesten Überfunktion
71.2 · Schilddrüsenfunktionsstörungen 619 71.2
z Häufig findet sich eine Vergrößerung z Operation: bei sehr großen Strumen,
der Schilddrüse, ggf. mit Knoten suspekten Knoten oder wenn ein
schneller Effekt angestrebt wird (z. B.
Diagnostik Hyperthyreose und Unverträglichkeit
z Labordiagnostik: TSH-, fT3- und fT4- von Thyreostatika)
Spiegel (initial Euthyreose, später ggf. z Radiojodtherapie: bei kleineren
latente/manifeste Hyperthyreose) Schilddrüsen
z Schilddrüsensonographie: häufig z Thyreostatische Therapie (bis zur
vergrößerte Schilddrüse und/oder ein Durchführung einer definitiven The-
oder mehrere Knoten rapie): bei manifester oder latenter bis
z 99mTc-Schilddrüsenszintigraphie: symptomatischer Hyperthyreose
5 starke Radionuklidaufnahme
(»heisse Areale«) bei uni- oder > Bei Vorliegen einer Autonomie (ggf.
multifokaler Autonomie bei latenter Hyperthyreose) sind jodhal-
5 mitunter kommt das gesunde tige Medikamente und KM kontraindi-
Schilddrüsengewebe gar nicht ziert. Bei obligaten KM-Untersuchungen
mehr zur Abbildung (z. B. Akutherzkatheterisierung) sollten
5 korrelieren die mehrspeichernden spätestens 2–4 h vor der KM-Applikation
Areale mit sonographisch fassba- 45 Trpf. Perchlorat eingenommen wer-
ren Knoten, wird auch von »heis- den. Im Anschluss an die Untersuchung
sen Knoten« gesprochen sollte man täglich 3-mal 20 Trpf. Perchlo-
5 bei der disseminierten Autonomie rat über 14 Tage geben. Einige Experten
kommt es zu einer gesteigerten Ra- empfehlen die zusätzliche Gabe einer
dionuklidaufnahme der gesamten geringen Dosis Thyreostatika. Eine Kon-
Schilddrüse (erhöhter »uptake«) trolle der Schilddrüsenwerte erfolgt bis
6 Wochen nach der KM-Applikation.
> Ein »uptake« von >2 % unter TSH-
Suppression ist bei Ausschluss einer Ba- Thyreotoxische Krise
sedow-Erkrankung praktisch beweisend
für das Vorliegen einer Autonomie. Ätiologie
z Meist Exazerbation einer vorbestehen-
5 bei Verdacht auf eine Autonomie den Schilddrüsenerkrankung wie Base-
und noch normalen TSH-Werten dow-Hyperthyreose oder Autonomie
kann durch eine kurzfristige z Exzessive Jodaufnahme bei Schilddrü-
Schilddrüsenhormongabe eine senautonomie (jodhaltige KM, Amio-
TSH-Suppression herbeigeführt daron)
werden (Suppressionsszintigraphie)
Stadieneinteilung nach Hermann
Therapie z Stadium 1: psychomotorische Unruhe,
z Definitive Therapie: Radiojodtherapie Tremor, Fieber, Dehydratation/Ex-
oder Operation (bei relevanter Auto- sikkose (trockene, heiße, rote Haut),
nomie) Adynamie, Tachykardie (>150/min)
z Unifokale Autonomie: Radiojodthera- bis Tachyarrhythmie, tachysystolische
pie → Ausschaltung des Autonomie- Herzinsuffizienz (»high cardiac out-
zentrums put failure«), Nausea, Emesis, Diar-
620 Kapitel 71 · Erkrankungen der Schilddrüse

rhö, neu auftretende Psychose, keine z Vor Amiodarontherapie: Überprüfung der


Bewusstseinsstörungen Schilddrüsenmorphologie/-funktion
z Stadium 2: zusätzlich Bewusstseins- z Schilddrüsenfunktionsstörungen unter
störungen (Somnolenz) Amiodarontherapie:
z Stadium 3: zusätzlich Koma 5 akute, transiente Suppression der
Schilddrüsenfunktion (meist mild)
Therapie 5 amiodaroninduzierte Hypothyreose
z Verlegung auf Intensivstation (Mechanismus ungeklärt, evtl. Wolff-
z Laborchemische Bestätigung der Ar- Chaikoff-Effekt durch hohen Jodanteil;
beitsdiagnose selten)
z Volumensubstitution 5 amiodaroninduzierte Hyperthyreose
z Thyreostatika: Thiamazol (z. B. Favis- Typ 1: z jodinduziert bei vorbeste-
tan; initial 40–80 mg alle 8 h i. v., dann hender Autonomie oder subklini-
langsame Reduktion auf eine Erhal- schem Morbus Basedow (verstärkte
tungsdosis von 20–40 mg/Tag) Durchblutung bei der farbkodierten
z Glukokortikoide: Prednisolon (z. B. Dopplersonograhie) z früh ein-
100 mg/Tag i. v. als Kurzinfusion) zur setzend z gefährlich z Therapie:
Hemmung der T4-T3-Konversion und Thyreostatika
zur Behandlung der häufig begleiten- 5 amiodaroninduzierte Hyperthyre-
den relativen Nebennierenrindenin- ose Typ 2: z amiodaronbedingte
suffizienz Autoimmunthyreopathie mit Zerfall
z β-Blocker: titrierende i. v. Gabe von der Schilddrüsenfollikel und Freiset-
Propranolol, alternativ Metoprolol zung der im Kolloid gespeicherten
z Hochkalorische Ernährung (etwa Schilddrüsenhormone (verminderte
8000 kcal/Tag) Durchblutung bei der farbkodierten
z Physikalische Kühlung und/oder Dopplersonograhie) z spät einset-
Antipyretika zend z milder Verlauf z Therapie:
z Gegebenenfalls Sedierung (Benzodia- Steroide
zepine)
z Eventuell frühzeitige Thyreoidektomie
z Gegebenenfalls Plasmapherese (Eli-
mination der proteingebundenen 71.3 Morphologische
Schilddrüsenhormonfraktion; nur von Schilddrüsenerkrankungen
temporärem Nutzen)
Struma
Prognose
z Hohe Mortalität: 20–50 % Definition
z Vergrößerung der Schilddrüse
(Frauen: >18 ml; Männer: >25 ml)
Amiodaron und Schilddrüse
z Amiodaron: Klasse-III-Antiarrhythmikum, Einteilung
Strukturähnlichkeit mit Schilddrüsenhor- z Stadieneinteilung nach WHO:
monen, Jodanteil von 37–39 %, Akku- 5 Stadium I: tastbare, nicht sichtbare
mulation im Fettgewebe (monatelange Struma (Ia) bzw. bei Reklination
Belastung) sichtbare Struma (Ib)
71.3 · Morphologische Schilddrüsenerkrankungen 621 71.3
5 Stadium II: bei normaler Kopfhal- z Gegebenenfalls zeitlich limitierte
tung sichtbare Struma Kombinationstherapie aus Levothy-
5 Stadium III: gut sichtbare Struma, roxin und Jodid (Ziel: TSH-Wert im
ggf. mit Stauungszeichen unteren Normbereich)
z Ätiologische Einteilung: z Nach Volumenreduktion: Struma-
5 euthyreote Struma: Vergrößerung prophylaxe (100 μg Jodid/Tag)
der Schilddrüse ohne Knoten
5 Knotenstruma: Vergrößerung der Schilddrüsenknoten
Schilddrüse mit oder ohne einen
oder mehrere Knoten Allgemeines
5 entzündliche Struma (Morbus z Prävalenz: etwa 10 % der Gesamtbe-
Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, völkerung, altersabhängige Prävalenz,
subakute Thyreoiditis etc.) Vorkommen in Jodmangelgebieten
5 Struma maligna (Neoplasien) z Differenzialdiagnostik: häufig gutar-
tige und selten maligne Knoten
Euthyreote Struma z 1 Schilddrüsenkarzinom auf 3000
nodöse Strumen
Ätiologie
z Endemisch: intrathyreoidaler Jod- Diagnostik
mangel → gesteigerte Expression von z Anamnese und körperliche Unter-
Wachstumsfaktoren (EGF, IGF-1) → suchung
Thyreozytenhyperplasie z Labordiagnostik: basaler TSH-Wert
z Sporadisch: endokrine Belastungen (Ausschluss einer Funktionsstörung),
mit erhöhtem Schilddrüsenhormon- Calcitoninspiegel (Ausschluss eines
bedarf bzw. -mangel (z. B. Pubertät, medullären Schilddrüsenkarzinoms)
Gravidität, Klimakterium) → TSH- z Sonographie:
Konzentrationsanstieg (TSH wirkt als 5 Dokumentation der Anzahl, der
Wachstumsfaktor) → Anpassungshy- Lage und der genauen Größe der
pertrophie Schilddrüsenknoten (Volumen-
angaben oder Angabe von Länge,
Epidemiologie Breite und Tiefe)
z Etwa 20 Mio. Bundesbürger haben 5 Beschreibung der Echogenität
eine vergrößerte Schilddrüse (echoreich, echoarm, echokomplex,
ggf. zystische Veränderungen) und
Diagnostik der Begrenzung (scharf begrenzt,
z Labordiagnostik: basaler TSH-Spiegel unscharf begrenzt, ggf. Infiltration,
(zum Ausschluss einer Funktionsstö- echoarmer Randsaum: »Halo«)
rung) 5 suspekt sind unscharf begrenzte,
z Sonographie: echoarme, eher solide Knoten
Länge × Breite × Tiefe × 0,5 (Frauen: ohne Halo sowie Knoten mit Ver-
>18 ml; Männer: >25 ml) kalkungen
z 99mTc-Schilddrüsenszintigraphie: bei
Therapie sonographisch echoarmen oder echo-
z Jodid (200 μg/Tag) bei Erwachsenen: komplexen Knoten mit einer Größe
erst nach Ausschluss einer Autonomie von ≥1 cm
622 Kapitel 71 · Erkrankungen der Schilddrüse

z Feinnadelpunktion: bei allen szin- Diagnostik


tigraphisch »kalten« oder sonogra- z Labordiagnostik: hohe BSG bei
phisch suspekten Knoten normalen Leukozytenzahlen, CRP-
Konzentrationserhöhung
Therapie z Szintigraphie: verminderte Radionuk-
z Operation: alle bioptisch malignen lidaufnahme
oder suspekten Knoten z Sonographie: echoarme Struktur;
z Experten hinzuziehen: insbesondere häufig unscharf begrenzte, sehr echo-
bei Schilddrüsenknoten mit erhöh- arme, rundliche Herde
tem Calcitoninwert oder szintigra- z Histologie: Fremdkörpergranulome,
phisch »heissen« Knoten mit Auto- viel Bindegewebe, Riesenzellen, De-
nomie struktion des Schilddrüsengewebes
z Isolierte Knoten bei Jugendlichen: (narbig-granulomatöser Vorgang mit
engmaschig kontrollieren, ggf. Opera- Folge der Hypothyreose)
tion (da suspekt)
z Bei nicht suspekten Knoten und Therapie
Ausschluss einer Autonomie: The- z NSAR (z. B. Ibuprofen)
rapie mit Levothyroxin mit oder z Wenn keine Besserung eintritt: Pred-
ohne Jodid, jährliche sonographische nison (z. B. 1 mg/kg KG; dies führt oft
Kontrollen (bessere Ansprechrate bei zu einer schlagartigen Besserung der
kleinen Knoten, u. a. auch höhere Symptomatik und kann bei Unklar-
Spontanremissionsrate) heit deshalb auch diagnostisch an-
gewendet werden → Dosisreduktion
über 2–3 Monate)
71.4 Weitere
Schilddrüsenerkrankungen Verlauf und Prognose
z In etwa 75 % der Fälle Restitutio ad
Entzündliche Schilddrüsen- integrum
erkrankungen z Im Velauf kann sich eine substituti-
onsbedürftige Hypothyreose entwi-
⊡ Tabelle 71.7 ckeln
z Gelegentlich kommt es zu Rezidiven
Subakute Thyreoiditis de Quervain
Schilddrüsenmalignome
Ätiologie
z Granulomatöse Thyreoiditis, oft im Schilddrüsenmalignome sind selten
Anschluss an einen Virusinfekt der (jährliche Inzidenz: etwa 30/1 Mio. Ein-
oberen Luftwege (häufig Frauen ab wohner). Am häufigsten finden sich die
dem 50. Lebensjahr betroffen – Kli- sog. differenzierten, epithelialen Schild-
makterium) drüsenkarzinome: papilläres (50–60 %)
z Membran der Follikel wirkt antigen und follikuläres Schilddrüsenkarzinom
z HLA-B35-assoziiert (20–30 %). Diese weisen – insbesondere
bei früher Entdeckung und konse-
Klinik quenter Therapie (totale Thyreoidekto-
z ⊡ Tab. 71.7 mie mit nachfolgender Radiojodtherapie
71.4 · Weitere Schilddrüsenerkrankungen 623 71.4
⊡ Tab. 71.7. Entzündliche Schilddrüsenerkrankungen (Schilddrüsenentzündungen)

Entzündung Klinik

Bakterielle  Akuter Beginn


Thyreoiditis  Zum Teil schmerzhaft
 Leukozytose
 Fieber (Erregerbestimmung durch Punktion, gezielte Antibiotika-
therapie)

Hashimoto-  Initial meist asymptomatisch


Thyreoiditis  Temporär hyperthyreot
 Später hypothyreot

Subakute  Abgeschlagenheit
Thyreoiditis  Krankheitsgefühl
de Quervain  Subfebrile Temperaturen bis Fieber
 Druckschmerzhaftigkeit bis schmerzlos (»silent thyreoiditis«)
 Initial häufig temporäre hyperthyreote Stoffwechsellage
 Charakteristisch sind die wechselnde Intensität und das Wandern der
Schmerzen von einem Lappen zum anderen

Postpartale  Meist milde Thyreoidits, die möglicherweise durch die hormonelle


Thyreoiditis Umstellung nach der Entbindung ausgelöst wird
 Ähnelt der Hashimoto-Thyreoiditis (Sonographiebefund, Antikörper
etc.): zunächst milde/nicht behandlungsbedürftige Hyperthyreose bis
hin zur substitutionsbedürftigen Hypothyreose

Seltene  Medikamentös bedingte Thyreoiditis (IFN, Amiodaron etc.)


Thyreoiditis-  Strahlenthyreoiditis nach Radiatio
formen  Invasiv-sklerosierende Thyreoidits (sog. eisenharte Riedel-Struma)

und TSH-suppressiver Levothyroxinthe- sporadisch, familiär oder im Rahmen


rapie) – insgesamt eine gute Prognose sog. multipler endokriner Neoplasien
auf. Als Tumormarker dient Thyreoglo- auftreten. Calcitonin dient als spezi-
bulin, welches nach erfolgreicher Be- fischer Tumormarker. Eine frühzeitige
handlung nicht mehr nachweisbar sein Diagnosestellung sowie eine radikale
sollte. Die postoperative Behandlung ist Operation (totale Thyreoidektomie mit
eine Domäne der Nuklearmedizin. ausgedehnter Lymphknotenentfernung)
Eine Sonderstellung nimmt das C- sind für die Prognose entscheidend. Die
Zell-Karzinom (medulläres Schilddrü- Behandlung sollte stets in endokrinolo-
senkarzinom) ein, da es nicht von den gischen und endokrinochirurgischen
Thyreozyten, sondern von den calci- Zentren erfolgen.
toninproduzierenden C-Zellen ausgeht. Thyreoidale Lymphome, das entdiffe-
Somit ist es auch keiner Radiojod- oder renzierte anaplastische Schilddrüsen-
TSH-suppressiven Levothyroxintherapie karzinom sowie Schilddrüsenmetasta-
zugänglich. C-Zell-Karzinome können sen anderer Malignome sind Raritäten.
624 Kapitel 72 · Erkrankungen der Nebenschilddrüsen

> Erkrankungen der


Nebenschilddrüsen
G. Michels, M. Faust

72.1 Primärer Hyper- 5 Steigerung des Knochenumsatzes


parathyreoidismus (pHPT) mit (zumindest initial) Nettover-
lust von (insbesondere kortikaler)
Definition Knochenmasse (peripher mehr als
z Meist solitäre Adenome der Neben- zentral)
schilddrüsen (etwa 80 %) 5 Knochenschmerzen
z Im Rahmen von MEN und bei der z Komplikationen des ZNS und der
hereditären Form sind alle Epithel- neuromuskulären Über tragung:
körperchen betroffen 5 Depressionen, bei sehr hohen
Kalziumwerten auch Psychosen
Epidemiologie 5 proximale Muskelschwäche
z Inzidenz (>60 Jahre): etwa 0,2 %/Jahr 5 rasche Ermüdbarkeit
z Prävalenz: ungefähr 1 % 5 Muskelatrophie
z Altersgipfel: 3.–5. Dekade z Gastrointestinale Komplikationen:
5 Übelkeit, Erbrechen
Klinik 5 abdominelle Schmerzen
> Der früher verbreitete Merkspruch 5 Magenulzera (heute selten)
»Stein, Bein, Magenpein« ist heute
obsolet, da die Spätformen des pHPT Diagnostik
aufgrund eines verbesserten Screenings z Anamnese und körperliche Unter-
(Kalziumspiegelbestimmungen im Rah- suchung
men der Routinelabordiagnostik) kaum z Labordiagnostik: Konzentrationen
noch festgestellt werden. Im Gegenteil: von Kalzium, Phosphat (Serum,
Heute sind ≥50 % der Patienten mit Sammelurin), Parathormon, 25-OH-
pHPT asymptomatisch. Vitamin D und Kreatinin
z Bildgebung:
z Nierenkomplikationen (etwa 20 %): 5 Sonographie: Schilddrüse und
5 Nephrokalzinose Nebenschilddrüsen
5 Nephrolithiasis (Kalziumoxalat- 5 99mTc-Sestamibi-Szintigraphie

oder Kalziumphosphatsteine) (nur bei Operationsindikation)


z Knochenkomplikationen: 5 Knochendichtemessung (z. B.
5 Osteodystrophia fibrosa genera- DEXA, quantitative CT) an Schen-
lisata (Recklinghausen): multiple kelhals oder Radius
Knochenzysten (selten)
72.1 · Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT) 625 72.1
Differenzialdiagnostik bei MEN Entfernung von 3,5 Epithel-
Hyperkalzämie (»vitamins trap«) körperchen)
z Vitamin-D- und/oder -A-Überdosie-
rung > Operationsindikationen bei pHPT
z Inflammatorische Darmerkrankungen z Serumkalziumspiegel: ≥3 mmol/l
z Thyreotoxische Krise z Urinkalziumgehalt: >400 mg/24 h
z Addison-Krise (Nebenniereninsuffizi- z Kreatinin-Clearance: um >30 % redu-
enz) ziert
z Milch-Alkali-Syndrom z Knochendichtemessung: T-Score von
z Immobilisation weniger als –2,5
z Neoplasien (Tumorhyperkalzämie) z Alter: <50 Jahre
z Sarkoidose
z Thiazide (Benzothiadiazine) z Asymptomatischer Verlauf: Überprü-
z Rhabdomyolyse fung der Notwendigkeit der Therapie
z Aids → Kontrollen:
z (Morbus) Paget, parenterale Ernäh- 5 Serumkalziumspiegel (2-mal/Jahr)
rung 5 Serumkreatininkonzentration
(jährlich)
Veränderungen der Parathormon- 5 Knochendichtemessung (jährlich)
und Kalziumwerte z Symptomatische Patienten, bei denen
⊡ Tabelle 72.1 eine Operation nicht möglich ist oder
abgelehnt wird:
Therapie 5 ausreichende Trinkmenge
z Therapie der Wahl: operative Ent- 5 eine spezielle kalziumarme Diät
fernung des Nebenschilddrüsenade- scheint den Verlauf nicht zu be-
noms (bei der hereditären Form und einflussen

⊡ Tab. 72.1. Differenzialdiagnostik bei Veränderungen der Parathormon- und Kalziumwerte

pHPT sHPT Familiäre Tumor-


hypokalziurische hyperkalzämie
Hyperkalzämie1

Plasma Urin Plasma Plasma Urin Plasma

Phosphat- ↓ ↑ ↑/normal Normal Normal ↑/normal/↓


spiegel

Kalzium- ↑ ↑ Normal ↑ ↓ ↑↑
spiegel bis ↓

Konzentration ↑ bis ↑↑ Normal bis ↑ ↓


des intakten hochnormal
Parathormons
1 Gutartig verlaufende Erkrankung durch autosomal-dominant vererbte Mutation im Kalzium-

Sensing-Rezeptor (eine Entfernung der Nebenschilddrüsen sollte nicht erfolgen)


626 Kapitel 72 · Erkrankungen der Nebenschilddrüsen

5 Bisphosphonate: temporäre Sen- 5 Cholestase → Verminderung der


kung der Kalziumwerte (keine Vitamin-D-Resorption
Langzeiterfahrungen) 5 kompensatorisch steigt der Para-
5 Kalziummimetika (z. B. Cinacal- thormonspiegel deutlich an
cet): aktuell für diese Indikation 5 der Kalziumspiegel bleibt im unte-
nicht zugelassen ren Normbereich oder ist erniedrigt
5 der Vitamin-D-Mangel führt im
> Kalziumspiegel von <0,7 mmol/l und Kindesalter zur Rachitis, im Er-
>3,7 mmol/l sind lebensbedrohlich. wachsenenalter zur Osteomalazie
mit mangelnder Mineralisation
des Knochens → Knochenverbie-
Hyperkalzämische Krise (≥3,5 mmol/l)
gungen und Knochenschmerzen,
z Exazerbierter pHPT oder Tumorhyper- die bis zur Immobilisation führen
kalzämie können
z Verdünnung durch Hydratation (0,9%ige 5 auf der Röntgenaufnahme finden
NaCl-Lösung): 10 ml/kg KG i. v. über 1 h, sich ggf. Looser-Umbauzonen
anschließend 3–4 l über 24 h 5 Therapie: hochdosierte Gabe von
z Glukokortikoide: Prednisolon, 100–250 mg/ Vitamin D, zunächst i. m.
Tag i. v.
z Forcierte Diurese, d. h. Kombination aus
Volumensubstitution (5–8 l 0,9%ige NaCl- 72.3 Tumorhyperkalzämie
Lösung/24 h i. v.) und Diuretikatherapie
(Furosemid, 20–60 mg/6 h i. v.) unter Die Hyperkalzämie kann entweder durch
Elektrolytkontrolle (Cave: bei Herz- und direkte osteolytische Metastasen oder
Niereninsuffizienz) durch eine paraneoplastische Bildung
z Bisphosphonate i. v. (Cave: bei Nieren- eines parathormonähnlichen Peptids
insuffizienz, außer bei Pamidronat) (»parathormone-related peptide«) unter-
z Calcitonininfusion (Osteoklastenhem- halten werden. Die Sekretion des intak-
mung) ten Parathormons ist jedoch supprimiert.
z Gegebenenfalls Hämodialyse

72.4 Hypoparathyreoidismus

72.2 Sekundärer Hyper- Definition


parathyreoidismus (sHPT) z Erniedrigter Parathormonspiegel

z Renale Ursache (chronische Nieren- Ätiologie


insuffizienz) → renale Osteopathie z Idiopathisch (selten): isoliert oder im
(⊡ Abb. 72.1) Rahmen eines autoimmun-polyglan-
z Extrarenale Ursache (Vitamin-D- dulären Syndroms (APS)
Mangel): z Postoperativer Hypoparathyreoidis-
5 enterale/hepatische Störung → mus: nach operativer Entfernung aller
Mangel an 25-Hydroxylase Epithelkörperchen oder Ligatur der
5 kutane Störung → Mangel an epithelkörperchenversorgenden A. thy-
Sonnenlicht reoidea inferior nach Strumektomie
72.4 · Hypoparathyreoidismus 627 72.4
GFR n

Spätphase Verminderte Phosphatausscheidung; Frühphase


Folge: Hyperphosphatämie

Komplexe Bindung
Hemmung der renalen
von ionisiertem Kalzium
1-Hydroxylase
(Kalzium-Phosphat-Produkt l)

Verminderte Vitamin-D- Parathormonresistenz


Hypokalzämie
Synthese und Urämie (ossär)

Gestörte Knochenmineralisation, sHPT


verminderte Kalziumresorption

Osteomalazie Ostitis fibrosa

Renale Osteopathie
(u.a. Looser-Umbauzonen im
Bereich von Sitz- und Schambein)

⊡ Abb. 72.1. Renale Osteopathie und sHPT

z Neonataler Hypoparathyreoidismus: Taubheitsgefühl, Kribbeln, Amei-


Di-George-Syndrom (Syndrom der senlaufen
3. und 4. Schlundtasche; CATCH-22- 5 hypokalzämische Tetanie mit Pa-
Gruppe: »cardiac defect«, »abnormal rästhesien, Pfötchenstellung und
face«, »thymic hypoplasia«, »cleft Stimmritzenkrampf
palate«, »hypocalcemia«, »22q11 dele- 5 Chvostek-Zeichen: Beklopfen des
tion«) N. facialis → Mundwinkelbewe-
z Sekundäre Ursachen: Operation, Tu- gungen
mor, Bestrahlung, Hypomagnesiämie 5 Trousseau-Zeichen: Anlegen einer
Blutdruckmanschette → Pfötchen-
Klinik stellung (Karpopedalspasmen)
z Akute Hypokalzämie: 5 generalisierter Krampfanfall
5 Allgemeinsymptome: Müdigkeit, 5 EKG-Veränderungen: QT-Zeit-Ver-
Schwäche, periorale Parästhesien, längerung und/oder Arrhythmien
628 Kapitel 72 · Erkrankungen der Nebenschilddrüsen

z Chronische Hypokalzämie: z Normokalzämische Tetanie (häufiger


5 dermatologisch: Hautatrophie, als hypokalzämische Tetanie)
Alopezie, Nagelbrüchigkeit
5 neurologisch: muskuläre Hypo- Therapie
tonie, Basalganglienverkalkung, z Akuttherapie:
Konzentrationsschwäche, Depres- 5 Schritt 1: BGA zum Ausschluss
sion, endokrines Psychosyndrom einer metabolischen oder respira-
torischen Alkalose ([H+] ↓ → [K+]
Diagnostik ↓ → [Ca+] ↓)
z Anamnese, körperliche Untersuchung 5 Schritt 2: z Konzentrations-
und funktionelle Tests (s. oben, »Kli- bestimmung von Magnesium
nik«) (bei Hypo-/Hypermagnesiämie
z Labordiagnostik: → Normalisierung des Mag-
5 Elektrolytkontrollen (Kalzium- nesiumspiegels) und Phosphat
und Magnesiumkonzentration (Kalziumsubstitution unter
vermindert) Hyperphosphatämie → Gefahr
5 Phosphatspiegel erhöht der Präzipitation von Kalzium-
5 Albumin- und Kreatininkonzent- phosphat mit Organschäden)
ration z ggf. Konzentrationsbestim-
5 AP-Aktivität mung von Parathormon und
5 Parathormonspiegel (normal bis Kalzitriol
vermindert) 5 Schritt 3 bei Hypokalzämie
5 Urin (Kalzium-, Phosphat- und (<2 mmol/l; lebensbedrohlich:
cAMP-Konzentration vermindert) <0,7 mmol/l): i. v. Kalziumsubs-
z Differenzierte Kalziumdiagnostik: titution (20–40 ml 10%iges Kal-
5 Gesamtkalzium: 2,1–2,6 mmol/l ziumglukonat über 10–15 min;
5 ionisiertes Kalzium: 1,1– Cave: digitalisierte Patienten →
1,3 mmol/l Digitalisintoxikation)
z Langzeittherapie: Vitamin-D-Meta-
> Bei erniedrigtem Serumkalziumwert bolite wie Calcitriol (z. B. Rocatrol,
immer Mitbestimmung der Albuminkon- 0,5–1,5 μg/Tag) und Kalzium (1–3 g/
zentration; 50 % des Serumkalziums sind Tag) p. o.
an Plasmaproteine (Albumin) gebunden
→ bei gleichzeitig bestehender Hypal-
buminämie ist der Spiegel des freien 72.5 Pseudohypo-
Kalziums oft normal. parathyreoidismus
(Albright-Syndrom)
Differenzialdiagnostik der
Hypokalzämie Ätiologie
z Gleichzeitig bestehende Hypalbumin- z Typ I: Parathormonrezeptordefekt
ämie mit Verminderung der cAMP-Kon-
z Massivtransfusionen zentration
z Vitamin-D-Mangel: Ernährung z Typ II: Postrezeptordefekt mit
(Malabsorptionssyndrom), Leber-/ normaler bis erhöhter cAMP-
Nierenerkrankungen Konzentration
72.5 · Pseudohypoparathyreoidismus 629 72.5
Klinik und Diagnostik z MEN-Typ II a (Sipple-Syndrom)
z Körperbau: rundes Gesicht, Rund- 5 Autosomal-dominanter Erbgang,
schädel, Brachymetakarpie, Minder- Ch 10q11, Ret-Protoonkogen
wuchs 5 Befallsmuster: medulläres Schild-
z Hypokalzämische Symptome drüsenkarzinom, Phäochromozy-
z Labordiagnostik: tom und Nebenschilddrüsenade-
5 Hypokalzämie nom
5 Hyperphosphatämie z MEN-Typ II b (Gorlin-Syndrom)
5 erhöhte Konzentration des intak- 5 Autosomal-dominanter Erbgang,
ten Parathormons Ch 10 q 11, C-Ret-Protoonkogen
5 bei klinischen Stigmata ohne 5 Befallsmuster: medulläres Schild-
Hypokalzämie: Pseudopseudo- drüsenkarzinom, Phäochromo-
hypoparathyreoidismus zytom, Ganglioneuromatose und
z Parathormontest (Ellsworth-Howard- marfanoides Syndrom
Test): z MEN-Typ III a
5 Parathormonapplikation (0,5 mg/ 5 Neurofibromin, Ch 17 q 11
kg KG) als Kurzinfusion 5 Befallsmuster: Neurofibromatose
5 Blutentnahme und Urinsammlung: von Recklinghausen und duode-
vor und nach Parathormongabe nale Karzinoide
5 physiologisch: Anstieg des cAMP- z MEN-Typ III b
Spiegels und der Phosphataus- 5 Transkriptionsfaktor, Ch 3 p 25
scheidung 5 Befallsmuster: Von-Hippel Lindau
5 Typ I: konstante cAMP- und Phos- Erkrankung, pankreatische neuro-
phatausscheidung endokrine Peptidome, Phäochro-
5 Typ II: Anstieg des cAMP-Spiegels mozytom
bei konstanter Phosphatausschei- z MEN-Typ III c
dung 5 Proteine Hamartin und Tuberin
5 Hypoparathyreoidismus: gestei- 5 Befallsmuster: tuberöse Sklerose
gerte cAMP- und Phosphataus-
scheidung Autoimmun-polyglanduläre
Syndrome (APS)
Therapie z APS Typ 1 (juvenile Form) oder
z Vitamin-D3-Substitution, ggf. zusätz- Blizzard-Syndrom
lich Kalziumsubstitution 5 Autosomal-rezessiv, AIRE-Gen
5 Befallsmuster: M. Addison, muko-
Endokrine Syndrome kutane Candidiasis, Hypoparathy-
Multiple endokrine Neoplasien reoidismus
(MEN) z APS Typ 2 (adulte Form) oder Car-
z MEN-Typ I (Wermer-Syndrom) penter-Syndrom
5 Autosomal-dominanter Erbgang, 5 polygen, HLA-DR3 und HLA-
Ch 11q13, Tumorsuppressorgen DR4 assoziiert
Menin 5 Befallsmuster: M. Addison,
5 Befallsmuster: Nebenschilddrü- Hashimoto-Thyreoiditis, Diabetes
senadenom, Tumoren der Hypo- mellitus Typ 1
physe und des Pankreas
630 Kapitel 73 · Erkrankungen der Nebennieren

> Erkrankungen
der Nebennieren
G. Michels, M. Faust

> Hormone der Nebennieren»rinde« spiegel deutlich unterschiedlich


(⊡ Abb. 73.1): sind, kann kein allgemein gültiger
z Mineralokortikoide (Aldosteron; Zona Grenzwert für den Quotienten
glomerulosa) angegeben werden (Grenzwert im
z Glukokortikoide (Kortisol; Zona Labor erfragen)
fasciculata, auch Zona reticularis) z Urindiagnostik:
z Androgene (Dehydroepiandrosteron, 5 Natriumkonzentration: normal
Androstendion, Testosteron; Zona reti- 5 Kaliumkonzentration: >30 mmol/l
cularis)
Hormone des Nebennieren»marks«: > Die Hypokaliämie ist ein Spätsyn-
Katecholamine drom des Conn-Syndroms. Das Basis-
screening sollte daher nicht auf der
Bestimmung des Serumkaliumspiegels
73.1 Hyperaldosteronismus beruhen.

Allgemeines z Bestätigungstest → Kochsalz-


⊡ Tabelle 73.1 belastungstest:
5 Durchführung: Bestimmung des
Diagnostik Serumaldosteronspiegels (Ba-
z Screeningtest → Aldosteron-Renin- salwert) → i. v. Infusion von 2 l
Ratio: 0,9%iger NaCl-Lösung über 4 h →
5 Bestimmung von Plasmaaldoste- erneute Bestimmung des Serum-
ron- und Plasmareninspiegel aldosteronspiegels; der Serumka-
(→ Aldosteron-Renin-Quotient) liumgehalt sollte, falls erniedrigt,
5 Absetzen von Aldosteronantago- zuvor ausgeglichen werden
nisten über mindestens 4 Wochen, 5 Interferenzen: Spironolacton, Di-
möglichst Verzicht auf β-Blocker uretika, β-Blocker, ACE-Hemmer,
(zulässig sind ACE-Hemmer, AT1- AT1-Antagonisten
Antagonisten, Kalziumantagonis- 5 physiologisch: Aldosteronspiegel
ten und Diuretika) von <50–130 pg/ml (abhängig von
5 der Serumkaliumspiegel sollte aus- der Labormethode)
geglichen sein 5 primärer Hyperaldosteronismus:
5 da die Bestimmungsmethoden für Aldosteronspiegel von >50–130 pg/
den Aldosteron- und den Renin- ml (fehlende Suppression)
73.1 · Hyperaldosteronismus 631 73.1
Cholesterin
StAR (»steroidogenic acute
regulatory protein«),
17α-Hydroxylase Desmolase Kortisol, Kortison
(Zona fasciculata)
17α-OH-Pregnenolon Pregnenolon e
las
xy e
3β-Hydroxy-
d ro ylas
Dehydrogenase Hy ox
β- dr
11 1-Hy
2
Dehydroepiandrosteron Progesteron Aldosteron
Kortikosteron (Zona glomerulosa)
(DHEA)
17α-Hydroxylase
3β-Hydroxy-
Dehydrogenase
17α-Hydroxyprogesteron
oder 17-OH-Progesteron

Androstendiol Androstendion

Testosteron 17β-Östradiol
(Zona reticularis)

5α-Reduktase Aromatase

5α-Dihydrotestosteron 17β-Östradiol

⊡ Abb. 73.1. Steroidsynthese

z Aldosteron-18-Glucuronid-Spiegel im 5 Durchführung: nach ≥2-wöchi-


24-h-Sammelurin: gem Absetzten von Spironolac-
5 Indikation: falls Kochsalzbelas- ton und Diuretika sowie nach
tungstest kontraindiziert ≥1-wöchigem Absetzen von
5 Normbereich 3,5–20 μg/24 h β-Blockern, ACE-Hemmern
5 Voraussetzung: Natriumkonzentra- und AT1-Blockern muss der
tion im 24-h-Urin von >200 mmol/l Patient ab 5 Uhr strenge Bett-
z Lokalisationsdiagnostik: CT und/oder ruhe einhalten → um 8 Uhr
MRT (immer erst nach biochemischer erfolgt eine Blutabnahme (Plas-
Diagnostik) maaldosteron-, -renin- und
z Renin-Aldosteron-Orthostase-Test: -kortisolspiegel) → anschlie-
5 bei nachgewiesenem primären Hy- ßend soll der Patient über 4 h
peraldosteronismus und einseitiger eine aufrechte Körperhaltung
Raumforderung in der Bildgebung einnehmen, ehe wieder dieselbe
zur Unterscheidung zwischen al- Blutabnahme am stehenden
dosteronproduzierendem Adenom Patienten erfolgt
(Conn-Syndrom) und idiopati- 5 die Befunde des Tests sind nur
schem Hyperaldosteronismus aussagekräftig, wenn der Kortisol-
632 Kapitel 73 · Erkrankungen der Nebennieren

⊡ Tab. 73.1. Hyperaldosteronismus1

Parameter Primärer, adrenaler Hyperaldoste- Sekundärer, extraadrenaler


ronismus (Morbus Conn) Hyperaldosteronismus

Ursache  Aldosteronproduzierendes  RAAS-Aktivierung: Nieren-


Adenom (Morbus Conn; etwa arterienstenose,
30 %); unilateral reninproduzierender Tumor,
 Idiopathischer Hyperaldosteronis- chronische Herzinsuffizienz
mus (etwa 60 %); bilateral (renale Minderperfusion:
 Makronoduläre Nebennierenrin- RAAS-Aktivierung)
denhyperplasie (<5 %); uni- oder  Bartter-Syndrome
bilateral  Essenzielle Hypertonie unter
 Aldosteronproduzierendes Diuretikatherapie
Karzinom (adrenal oder ektop,  Verminderter
z. B. ovariell; <1 %) Aldosteronmetabolismus bei
 Familiärer Hyperaldosteronismus Leberzirrhose
(<5 %), Typ I (glukokortikoidsensi-  Lakritzeabusus
tiver Hyperaldosteronismus) und
II (glukokortikoidintensive Form)

Serumkalium- Normal bis ↓ Normal bis ↓


spiegel

Serumnatrium- Normal bis ↑ Normal bis ↑


spiegel

Aldosteron- ↑ ↑
konzentration

Renin- ↓ ↑
konzentration

Klinik  Sekundäre Hypertonie  Ödeme


 Hypokaliämische Alkalose (selten)  Hypokaliämische Alkalose
 >50 % der Patienten sind normo- (selten)
kaliämisch
1
Aldosteronwirkung: Natriumrückresorption, Kaliumsekretion

spiegel entsprechend der Tages- Differenzialdiagnostik der


rhythmik ansteigt »hypokaliämischen Hypertonie«
5 bleibt die Serumaldosteronkon- z Mineralokortikoidhypertonie
zentration nach Orthostase gleich ( Kap. 10)
oder fällt ab, spricht dies deutlich z Essenzielle arterielle Hypertonie unter
für ein Conn-Syndrom Diuretikatherapie
z Seitengetrennte Nebennierenvenenka- z Renale Ursachen:
theterisierung mit Bestimmung von 5 Nierenarterienstenose (mit sekun-
Plasmaaldosteron- und -kortisolkon- därem Hyperaldosteronismus)
zentration zur Kontrolle 5 maligne Nephrosklerose
73.3 · Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) 633 73.3
5 Nierentumor mit Reninstimulation Diagnostik
z Adrenokortikale Ursachen: z Labordiagnostik: Hyperkaliämie,
5 Conn-Syndrom als primärer Hyponatriämie, metabolische Azidose
Hyperaldosteronismus (häufigste (renal-tubuläre Azidose)
Form der sekundären Hypertonie) z Genetik: 18-Hydroxylase-Mangel
5 Cushing-Syndrom: primärer Hy-
perkortisolismus (mineralokorti- Differenzialdiagnostik
koide Wirkung von Kortisol) z Pseudohypoaldosteronismus mit
5 hypertensive Form des adre- Aldosteronrezeptordefekt und evtl.
nogenitalen Syndroms (11β- Na+-Ionenkanaldefekt im distalen
Hydroxylase-Defekt) Tubulus mit erhöhtem Reninspiegel
5 Lakritzeabusus (Inhibierung der
11β-OH-Dehydrogenase durch Therapie
Glyzyrrhetinsäure) z Primäre Form: Substitution von Mine-
ralokortikoiden (z. B. Fludrocortison,
Therapie 0,1–0,2 mg/Tag)
z Nebennierenrindenadenom: einseitige z Sekundäre Form: Absetzen von Medi-
Adrenalektomie (nach 6- bis 8-wöchi- kamenten wie z. B. NSAR, ggf. Substi-
ger Vorbehandlung mit Spironolacton) tution von Mineralokortikoiden
z Bilaterale Nebennierenrindenhyper- z Pseudohypoaldosteronismus: Elekt-
plasie: Pharmakotherapie (Antihy- rolytausgleich und Thiazide
pertensiva, insbesondere Aldostero-
nantagonisten, z. B. Spironolacton,
25–100 mg/Tag) 73.3 Hyperkortisolismus
z Glukokortikoidsensitive Form: Dexa- (Cushing-Syndrom)
methason
Ätiologie
z Iatrogen (häufigste Form): Steroid-
73.2 Hypoaldosteronismus dauertherapie (Überschreiten der
Cushing-Schwellendosis von 7,5 mg
Ätiologie Prednisolonäquivalent über >4 Wo-
z Primärer Hypoaldosteronismus mit chen)
erhöhtem Reninspiegel (hyperrenin- z Endogen: zentral, adrenal, paraneo-
ämischer Typ): primäre Nebennie- plastisch (⊡ Tab. 73.2)
renrindeninsuffizienz (z. B. Morbus z Pseudo-Cushing-Syndrom: bei Alko-
Addison) oder Defekte der Aldoste- holabusus und Depressionen
ronbiosynthese
z Sekundärer Hypoaldosteronismus Klinik
mit erniedrigtem Reninspiegel (hypo- z Habitus: Vollmondgesicht mit Plethora,
reninämischer Typ): Diabetes mellitus Stier-/Büffelnacken, Stammfettsucht
(diabetische Nephropathie), Analgeti- z Muskuloskeletales System: Osteopo-
kanephropathie rose, Myopathie, Adynamie, Wachs-
tumsstillstand (Kinder)
Klinik z Arterielle Hypertonie: in etwa 85 %
z Hypotonie der Fälle
634 Kapitel 73 · Erkrankungen der Nebennieren

⊡ Tab. 73.2. Formen des endogenen Hyperkortisolismus

Parameter Hypothalamisch- Paraneoplastische, Adrenale Form


hypophysäre Form ektope Form
(Morbus Cushing)

Häufigkeit 50–70 % 5–25 % 25 %

Ätiologie ACTH-produzie- Paraneoplastische Nebennierenrinden-


rendes Adenom der ACTH- oder CRH-Bil- hyperplasie, kortisol-
Hypophyse dung durch kleinzelliges produzierendes Ade-
Bronchialkarzinom, nom, Nebennieren-
Thymom, Karzinoide, karzinom
Pankreaskarzinom etc.

ACTH- ↑ ↑↑ ↓
Konzentration
im Plasma

CRH-Test Positiv (etwa 50 %) Negativ Negativ

Hochdosis- Suppression Keine Suppression Keine Suppression


dexamethason- (etwa 50 %)
hemmtest

z Diabetogene Stoffwechsellage z Bestätigungstests des Hyperkortiso-


z Haut: Akne, Furunkulose, Ulzera, lismus:
Striae distensae (Dehnungsnarben), 5 Kortisolspiegelbestimmung im
Pergamenthaut 24-h-Sammelurin: Kortisolspiegel
z Vita sexualis: erhöht (wiederholen)
5 Frau: Virilisierung, Hirsuitismus, 5 Dexamethasonhemmtest: Ein-
Zyklus-/Menstruationsstörungen nahme von 1 mg Dexamethason
5 Mann: Libidoverlust, Impotenz um etwa 23 Uhr → Bestimmung
z Psyche: Depression, Angststörung, des Serumkortisolwerts um 8 Uhr
Psychose → unzureichende Suppression
z Verminderte Knochendichte bis Osteo- (Serumkortisolkonzentration von
porose, aseptische Hüftkopfnekrose <1,8 μg/dl bei Suppression)
5 Bestimmung des Mitternachtskor-
Diagnostik tisolspiegels: z physiologischer-
z Anamnese und körperliche Untersu- weise ist der Kortisolspiegel um
chung Mitternacht sehr niedrig (0–5 μg/
z Labordiagnostik: Hypercholesterinä- dl) z beim Pseudo-Cushing-Syn-
mie, Leukozytose mit Lymphopenie drom können die Kortisolspiegel-
(Infektanfälligkeit), Thrombozytose bestimmung im Sammelurin und
mit Thromboseneigung, Anstieg der auch der Dexamethasonhemmtest
Erythrozytenzahlen, Hypokaliämie pathologisch ausfallen; sinkt der
73.3 · Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom) 635 73.3
Mitternachtskortisolwert jedoch z Bildgebung:
auf <18 μg/dl (Norm: <5 μg/dl), 5 bildgebende Verfahren sind stets
handelt es sich mit hoher Wahr- erst nach biochemischer Diagnos-
scheinlichkeit um ein Pseudo- und tik sinnvoll (sowohl in der Hypo-
kein echtes Cushing-Syndrom physe als auch in der Nebenniere
5 Kortisoltagesprofil im Speichel: finden sich bei Gesunden häufig
eine aufgehobene zirkadiane Raumforderungen ohne jede kli-
Rhythmik weist auf ein Cushing- nische Bedeutung, sog. Inzidenta-
Syndrom hin (8 Uhr: 4–22 μg/ lome)
dl; 12 Uhr: 4–20 μg/dl; 24 Uhr: 5 adrenales Cushing-Syndrom:
0–5 μg/dl) MRT oder CT der Nebennieren
z Test zur Frage der ACTH-Abhängig- 5 zentrales Cushing-Syndrom:
keit: ACTH-Spiegel im Serum zur MRT der Sella (Cave: 10 % Inzi-
Unterscheidung zwischen ACTH-ab- dentalome)
hängigen (ACTH-Wert normal oder
erhöht; Morbus Cushing und ektopes Therapie
Cushing-Syndrom) und ACTH-un- z Hypophysäres Cushing-Syndrom:
abhängigen Formen (ACTH suppri- 5 transsphenoidale Adenomektomie
miert; adrenales Cushing-Syndrom) oder Radiotherapie (Protonenbe-
z Differenzierung zwischen zentralem strahlung, Gamma-Knife, Linear-
und ektopem Cushing-Syndrom: beschleuniger)
5 CRH-Test: ACTH- und Korti- 5 Alternativen: medikamentöse,
solspiegelbestimmung → i. v. adrenostatische Therapie, beid-
Gabe von 100 μg CRH → erneute seitige Adrenalektomie (→ le-
ACTH- und Kortisolspiegelbe- benslange substitutionspflichtige
stimmungen nach 15, 30, 60, 90 Nebennierenrindeninsuffizienz);
und 120 min nach Adrenalektomie bei zent-
5 Liddle-Test: Gabe von 0,5 mg ralem Cushing-Syndrom kann
Dexamethason p. o. alle 6 h über ein unkontrolliertes Wachstum
2 Tage → dann Gabe von 2 mg des hypophysären Adenoms mit
Dexamethason p. o. alle 6 h über massiver ACTH-Produktion (sog.
2 Tage; Bestimmung der Kortiso- Nelson-Tumor) resultieren
lausscheidung (Urin) und der Se- z Nebennierenrindentumoren: unila-
rumkortisolkonzentration an den terale Adrenalektomie → postope-
Tagen 3 und 5 (jeweils um 8 Uhr) rative passagere Substitution von
5 Sinus-petrosus-Katheterisierung: Glukokortikoiden, da das gesunde
Bestimmung der ACTH-Konzen- Nebennierenrindengewebe suppri-
tration vor und nach Stimulation miert ist
mit CRH zeitgleich aus dem z Medikamentöse adrenostatische The-
rechten und linken Sinus petrosus rapie (bei Nebennierenrindenhyper-
(venöses Abflussgebiet der Hypo- plasie, ektopem Cushing-Syndrom,
physe) sowie peripher; beträgt der unvollständiger Operation): Ketoco-
Gradient zwischen zentral und nazol (Antimykotikum), Metopiron,
peripher >2, spricht dies für ein Orimeten, Mitotan, zukünftig auch
zentrales Cushing-Syndrom lang wirksame Octreotidanaloga
636 Kapitel 73 · Erkrankungen der Nebennieren

73.4 Nebennierenrinden- chen) → Hemmung der CRH- und


insuffizienz (Morbus ACTH-Sekretion → Atrophie des
Addison) Nebennierenrindengewebes

Ätiologie Klinik
z Primäre Nebennierenrindeninsuffizi-
enz (Morbus Addison): Addison-Krise (akute Nebennieren-
5 autoimmunologisch: Autoimmu- rindeninsuffizienz)
nadrenalitis mit Nebennierenrin-
z Auslöser:
denantikörpern 5 akuter Hypokortisolismus (z. B.
5 Sonderformen (autoimmun-po- hämorrhagische Infarzierung bei
lyglanduläre Syndrome): z z. B. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom,
Carpenter-Syndrom: Morbus Etomidatebehandlung)
Addison plus Hashimoto-Thyreo- 5 Exazerbation einer bekannten chroni-
iditis plus Typ-1-Diabetes mellitus schen oder einer unerkannten laten-
z z. B. Schmidt-Syndrom: Morbus ten Nebennierenrindeninsuffizienz
Addison plus Hashimoto-Thyreoi- (Trauma, Operation, Infektion)
ditis plus Hypothyreose 5 abrupter Abbruch einer Glukokortiko-
5 Enzymdefekte der Steroidbiosyn- idtherapie
these (z. B. adrenogenitales Syn- z Leitsymptome:
drom) 5 allgemeine Schwäche und Abgeschla-
5 infektiös: Tuberkulose, CMV- genheit
Infektion (Aidspatienten) 5 Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit,
5 Metastasen: primäres Nierenzell- Übelkeit, Erbrechen, abdominelle
karzinom, Bronchial-, Mamma- Schmerzen
karzinom 5 Hypotonie, ggf. Reflextachykardie
5 Ursachen einer akuten Neben- 5 Erhöhung des Kalium-, Erniedrigung
nierenrindeninsuffizienz: Wa- des Natriumspiegels: [Na+]/[K+] <30
terhouse-Friderichsen-Syndrom 5 Dehydratation (bis Koma)
(Meningokokkensepsis), Neben- 5 Hypoglykämie
nierenrindenblutung (unter Anti- z Maßnahmen:
koagulation), bilaterale Nebennie- 5 sofortige Bestimmung von Kortisol-
renvenenthrombose und ACTH-Konzentration
5 beidseitige Adrenalektomie (z. B. 5 Volumensubstitution (2–4 l 0,9%ige
bei Nierenzelltumoren) NaCl- oder 5- bis 10%ige Glukoselö-
z Sekundäre Nebennierenrinden- sung)
insuffizienz: 5 Glukokortikoide: z Hydrokortison
5 hypophysäre oder hypothalami- (Kortisol): initial 100 mg i. v. als Kurz-
sche Erkrankungen (Hypophysen- infusion, anschließend über 24 h via
insuffizienz) Perfusor z Prednisolon (Decortin H):
5 iatrogen: Langzeittherapie mit Kor- initial 50 mg i. v. (nur wenn kein Hyd-
tikosteroiden (häufigster Grund rokortison verfügbar ist)
für eine Nebennierenrindeninsuffi-
zienz; Steroidtherapie mit ≥7,5 mg z Weitere klinische Zeichen: gastroin-
Prednisonäquivalent über 4 Wo- testinale Beschwerden, Verlust von
73.4 · Nebennierenrindeninsuffizienz 637 73.4
Libido und Schambehaarung bei der Nebennierenrindeninsuffizienz
Frau (Abnahme der Androgenwerte) z Gabe von 0,1 IE Normalinsulin/
z Gegebenenfalls Hinweise auf wei- kg KG i. v. → Hypoglykämie (BZ:
tere Autoimmunerkrankungen <40 mg/dl) z starker Stimulus
(z. B. Hashimoto-Thyreoiditis) zur Ausschüttung kontrainsuli-
närer Hormone (hier: Kortisol
Diagnostik und Wachstumshormon) z ein
z Anamnese und körperliche Unter- Anstieg des Kortisolspiegels auf
suchung >180 μg/dl spricht gegen eine
z Labordiagnostik Nebennierenrindeninsuffizienz
5 ⊡ Tab. 73.3 z Kontraindikationen: aktive Epi-
5 Elektrolyte: Erhöhung des Serum- lepsie, KHK z der Test sollte nur
kalium-, Erniedrigung des Serum- von endokrinologisch Erfahrenen
natriumspiegels durchgeführt werden
5 Basalwerte: Kortisol, Androgene 5 Nachweis von Nebennierenrin-
(Dehydroepiandrosteron, Andros- denautoantikörpern bei Morbus
tendion), ACTH, Renin Addison (fehlende Antikörper
5 ACTH-Test: z ACTH-Gabe schließen einen Morbus Addison
beim Gesunden → Anstieg des jedoch nicht aus)
Serumkortisolspiegels z ein An- z Bildgebung:
stieg des Serumkortisolspiegels 5 Röntgendiagnostik: Verkalkungen
60 min nach i. v. Gabe von 250 μg der Nebennieren bei Tuberkulose
ACTH (Synacthen) auf >200 ng/ 5 primäre Nebennierenrindeninsuf-
ml schließt eine primäre Ne- fizienz: CT des Abdomens
bennierenrindeninsuffizienz aus 5 sekundäre Nebennierenrindenin-
z auch bei länger bestehender suffizienz: MRT der Sella
sekundärer/tertiärer Nebennie-
renrindeninsuffizienz kann der Therapie
Test verwendet werden (z. B. vor Primäre Nebennierenrinden-
Absetzen einer Steroid-Langzeit- insuffizienz (Morbus Addison)
therapie) z Glukokortikoide:
5 Insulin-Hypoglykämie-Test: 5 Hydrokortison: 15–25 mg/Tag
z Goldstandard zum Nachweis p. o., aufgeteilt in 2–3 Einzeldosen
einer sekundären oder tertiären (z. B. 8 und 15 Uhr)

⊡ Tab. 73.3. Labordiagnostik bei Nebennierenrindeninsuffizienz

Hormon- Primäre (adrenale) Sekundäre (zentrale)


konzentrationen Nebennierenrindeninsuffizienz Nebennierenrindeninsuffizienz
ACTH ↑ Normal bis ↓
Kortisol ↓ ↓
Aldosteron ↓ Normal
Renin ↑ Normal
638 Kapitel 73 · Erkrankungen der Nebennieren

5 zirkadianer Rhythmus: Minimum Defekt (etwa 8 %) mit Androgenüber-


etwa um 2 Uhr, Produktionsmaxi- produktion (Virilisierung)
mum zwischen 6 und 8 Uhr (hier z Unterscheidung:
erfolgt die Gabe von etwa 2/3 der 5 klassische Form mit oder ohne
Tagesdosis) Salzverlust: »early onset«, Symp-
5 bei Stress (Fieber, Operation, tome im Neugeborenenalter
starke körperliche oder seelische 5 nichtklassische Form: »late onset«,
Belastung): Erhöhung der Substi- Symptome im Erwachsenenalter
tutionsdosis auf das 2- bis 3fache z Das Ausmaß des Kortisolmangels ist
5 bei Malabsorptionssyndrom, Er- unterschiedlich
brechen, Diarrhö: i. v. Substitution
z Mineralokortikoide: 21-Hydroxylase-Defekt (häufigste
5 Fludrocortison (z. B. Astonin H, Variante)
0,1–0,2 mg morgens p. o.) z Bei Frauen kann lediglich ein »Late-
5 Ziele: normaler Plasmareninspie- onset«-AGS mit milder Hyperandro-
gel, normaler Blutdruck genämie, ggf. Zyklusunregelmäßigkei-
z Zusätzliche Gabe von Androgenen ten und unerfülltem Kinderwunsch
(Dehydroepiandrosteronsulfat) bei resultieren
Frauen mit primärer Nebennieren- z Bei homozygoter Mutation kann es
rindeninsuffizienz, z. B. zur Verbesse- zum sog. klassischen AGS kommen,
rung der Libido: umstritten, aktuell in welches entweder mit oder ohne Salz-
Deutschland nicht zugelassen verlust (»einfach virilisierende Form«)
vorkommt
Sekundäre Nebennierenrinden- z Bei betroffenen Mädchen kann es
insuffizienz beim klassischen AGS intrauterin zu
z Nur Glukokortikoidgabe, da die Aldo- einer Virilisierung der Geschlechtsor-
steronproduktion infolge des ACTH- gane kommen (Klitorishypertrophie
Mangels kaum betroffen ist bis hin zu einem intersexuellen Geni-
tale)
z Bei beiden Geschlechtern ist eine ver-
73.5 Adrenogenitales Syndrom frühte Pubertätsentwicklung möglich
(AGS)
Therapie
Definition und Ätiologie
z Gruppe autosomal-rezessiv vererbter  Dosierung
Erkrankungen der Kortisolbiosynthese Glukokortikoide (lebenslange Substitution):
z Durch kompensatorische hypotha- z Hydrokortison (Kortisol): 15–25 mg p. o.
lamisch-hypophysäre Stimulation (in 2–3 Einzeldosen)
kommt es »vor« dem Enzymdefekt zu z Dexamethason (z. B. Fortecortin): 0,25 mg
einer gesteigerten Steroidproduktion (Einnahme am Abend, um den morgend-
und zu einer Nebennierenrindenhy- lichen ACTH-Peak zu supprimieren)
perplasie (»congenital adrenal hyper- Eventuell Mineralokortikoide bei Aldoste-
plasia«) ronmangel
z Häufigste Formen: 21-Hydroxylase- Gegebenenfalls Antiandrogen (Flutamid) in
Defekt (90 %), 11β-Hydroxylase- Kombination mit Aromataseinhibitor
73.7 · Phäochromozytom/Paragangliom 639 73.7
73.6 Inzidentalom der >1 cm im Verlauf: relative Operati-
Nebenniere onsindikation

Definition
z Zufällig entdeckte Nebennierenraum- 73.7 Phäochromozytom/
forderung (meist bei CT oder MRT Paragangliom
des Abdomens, die aus anderer Indi-
kation durchgeführt werden) Allgemeines
z Katecholaminproduzierende neuroen-
> Die meisten Inzidentalome sind klinisch dokrine Tumoren chromaffiner Zellen:
unbedeutend und zeigen keine Wachs- 5 85–90 % adrenal (im Nebennie-
tumstendenz. Dennoch sollte die mögliche renmark lokalisiert), etwa 90 %
hormonelle Aktivität der Raumforde- einseitig
rungen abgeklärt und durch eine bildge- 5 10–15 % extraadrenal: meist sog.
bende Kontrolluntersuchung eine Wachs- Paragangliome des abdominellen
tumstendenz ausgeschlossen werden. oder thorakalen Grenzstrangs, z. B.
am Abgang der A. mesenterica su-
Diagnostik perior (Zuckerkandl-Ganglion)
z Hormonelle Abklärung: 5 85–90 % gutartig (Paragangliome:
5 Dexamethasonhemmtest: Aus- nur etwa 70 %)
schluss eines Hyperkortisolismus 5 75 % sporadisch, 25 % hereditär
5 Untersuchung des 24-h-Sammelu-
rins: Konzentrationen von frakti-
Hereditäre Syndrome mit möglicher
onierten Metanephrinen und Ka-
Bildung von Phäochromozytomen
techolaminen → Ausschluss eines
Phäochromozytoms ( Kap. 73.7) z MEN Typ 2 (Ret-Protoonkogen)
5 Bestimmung des Aldosteron- z Von-Hippel-Lindau-Syndrom (VHL-Gen-
Renin-Quotienten: bei arterieller Mutationen)
Hypertonie z Neurofibromatose Typ (Morbus Reckling-
z Bildgebung (CT): Raumforderung mit hausen; Neurofibromatose-Typ-1-Gen)
>10 Hounsfield-Einheiten → Verdacht z Familiäres Paragangliom (Mutationen im
auf Phäochromozytom, Metastase SDHB- bzw. SDHD-Gen)
oder Nebennierenrindenkarzinom;
nach Ausschluss eines Phäochromo- Klinik
zytoms sollte eine Biopsie durchge- z Arterielle Hypertonie: etwa 50 %
führt werden Dauerhochdruck und ungefähr 50 %
z Verlaufskontrollen: intermittierende Hypertonie, ggf. mit
5 Bildgebung: nach 6, 12 und krisenhaften Blutdruckanstiegen
24 Monaten z Plus Trias: Kopfschmerzen, Schwit-
5 Hormondiagnostik: 1-mal/Jahr zen, Tachykardie; typisch ist auch die
über 4 Jahre während der Krisen zu beobachtende
Gesichtsblässe (im Gegensatz zu
Therapie »flush« bei Karzinoiden)
z Raumforderungen mit einer Größe z Eventuell B-Symptomatik: Fieber,
von >4 cm und Wachstum um Nachtschweiß, Gewichtsverlust
640 Kapitel 73 · Erkrankungen der Nebennieren

Diagnostik 5 123Jod-Metajodobenzylguanidin-

z Anamnese und körperliche Unter- Szintigraphie (Sensitivität: etwa


suchung 90 %; hohe Spezifität) oder PET
z Screeningtest: (höhere Sensitivität, aber geringere
5 Bestimmung der Metanephrin-/ Spezifität)
Katecholaminwerte im Plasma z Gegebenenfalls molekularbiologische
mittels »high performance liquid Untersuchungen bei sicherer Diag-
chromatography« (Vorteil: höchste nose eines bilateralen oder extraadre-
Sensitivität und Spezifität; Nach- nalen Phäochromozytoms
teil: kaum verfügbar)
5 alternativ: 3-malige Konzentra- Therapie
tionsbestimmung der Katechola- z Laparoskopische Tumorentfernung:
mine und der fraktionierten Me- 5 präoperative α-Blocker-Gabe und
tanephrine im angesäuerten 24-h- Volumensubstitution
Urin (etwa 40 ml 20%ige Salzsäure
in 2-l-Gefäß) sowie Spiegelbestim- Â Dosierung
mung der Plasmakatecholamine α-Blocker
sowie evtl. der Metanephrine im z Prazosin (z. B. Minipress): initial 1- bis
Anfall 3-mal 0,5–1 mg p. o., Steigerung auf max.
5 Chromogranin A im Serum: Mar- 20 mg/Tag
ker für neuroendokrine Tumoren z Phenoxybenzamin (z. B. Dibenzyran): ini-
(enge Korrelation der Serum- tial 1-mal 10 mg/Tag p. o., Steigerung auf
konzentration mit sekretorischer max. 100 mg/Tag
Aktivität und Tumormasse; hohe
Sensitivität und geringe Spezifität) 5 keine β-Blocker (sonst krisenhafte
5 interferierende Medikamente Hypertoniespitzen)
(Clonidin, Methyldopa, Levodopa, 5 erst nach 48-stündiger α-Blocker-
Labetolol) und sympathomime- Therapie kann einschleichend mit
tische Präparate sollten 14 Tage einer β-Blocker-Gabe zur Tachykar-
zuvor abgesetzt werden, da sie zu diebehandlung begonnen werden
falsch-positiven Ergebnissen füh- 5 ggf. weitere Antihypertensiva, falls
ren können eine ungenügende Blutdruckkont-
z Bestätigungstest (Clonidinhemmtest): rolle besteht
5 bei unklaren oder grenzwertigen z Konservative Therapieoptionen:
Befunden 5 medikamentös: α-Blocker und ggf.
5 Suppressionstest mit Bestimmung andere Antihypertensiva
der Plasmakatecholaminwerte vor 5 Inhibition der Umwandlung von
und 3 h nach Gabe von 300 μg p-Tyrosin zu Dopa (Blocker der
Clonidin p. o. Tyrosinhydroxylase: α-Methyl-p-
5 Bewertung: eine Suppression um Tyrosin – z. B. Demser; aktuell in
<40 % ist pathologisch Deutschland nicht zugelassen)
z Bildgebende Lokalisationsdiagnostik: 5 Strahlentherapie: 131Jod-Metajodo-
5 CT oder MRT des Abdomens und benzylguanidin bei metastasieren-
des Thorax dem Phäochromozytom
5 (Endo-)Sonographie 5 palliative Chemotherapie
74.1 · Allgemeines 641 74.1

> Erkrankungen der


hypothalamisch-
hypophysären Achse
G. Michels, M. Faust

74.1 Allgemeines z »thyrotropin releasing hormone«


(TRH): stimuliert die Bildung und
Hypophysenhormone Freisetzung von TSH
z »gonadotropin releasing hor-
z Adenohypophyse (Hypophysenvor- mone« (GnRH): stimuliert die
derlappen): Bildung und Freisetzung von LH
5 adrenok(c)orticotropes Hormon und FSH
(ACTH) z »growth hormone releasing
5 thyreoideastimulierendes Hormon hormone« (GHRH): stimuliert
(TSH) die Bildung und Freisetzung
5 Wachstums- oder somatotropes von GH
Hormon (»growth hormone«, GH; z Dopamin (kein Releasing-
STH) Hormon im eigentlichen Sinne):
5 Prolaktin hemmt die Bildung und Freiset-
5 Gonadotropine: luteinisierendes zung von Prolaktin
Hormon (LH), follikelstimulieren-
des Hormon (FSH) Unterscheidung der Hypophysen-
z Neurohypophyse (Hypophysen- adenome
hinterlappen):
5 antidiuretisches Hormon (ADH) z Größe:
5 Oxytozin 5 <1 cm: Mikroadenome
5 ADH und Oxytozin werden im 5 >1 cm: Makroadenome
Hypothalamus gebildet und über z Hormonverhalten:
den Hypophysenstiel in den Hypo- 5 hormonaktiv: z. B. Prolaktinom,
physenhinterlappen transportiert, Akromegalie, Cushing-Syndrom,
wo sie sezerniert werden können TSHom, Gonadotropinom, Misch-
tumoren
Hypothalamische Releasing-Hormone: 5 hormoninaktiv: chromophobe
Adenome
z »corticotropin-releasing hormone« z Färbeverhalten:
(CRH): stimuliert die Bildung und 5 basophil: ACTH-Produktion
Freisetzung von ACTH (Morbus Cushing)
642 Kapitel 74 · Erkrankungen der hypothalamisch-hypophysären Achse

5 eosinophil: Prolaktinom, Akrome- physenstiels → das prolaktininhi-


galie bierende Dopamin gelangt nicht
5 chromophob: hormoninaktiv mehr ungehindert zum Hypo-
z Ausdehnung: physenvorderlappen → »Entzüge-
5 intrasellär lungshyperprolaktinämie«
5 suprasellär (in Richtung Chiasma
opticum wachsend) Epidemiologie
5 parasellär (in den Sinus caverno- z Etwa 0,1 % der Bevölkerung be-
sus wachsend) troffen
z Etwa 2/3 der Tumoren sind Pro-
laktinome
74.2 Hypophysenadenome z Hormoninaktive Hypophysenade-
nome: zweithäufigste Gruppe (etwa
Allgemeines 15 % der Fälle), gefolgt von GH-
z Hypophysenadenome sind praktisch produzierenden Adenomen (Akro-
immer gutartige, meist monoklonale megalie) und ACTH-produzierenden
Tumoren bestimmter Hypophysen- Adenomen (Morbus Cushing)
zellen z TSH- und LH-/FSH-bildende Tumo-
z Mikroadenome: ren sind selten
5 produzieren keine Hormone
5 zeigen keine Wachstumstendenz Diagnostik
5 meist ohne klinische Bedeutung z Anamnese und körperliche Unter-
5 Zufallsbefund (sog. Inzidenta- suchung
lome) z Bildgebung:
z Hormonaktive Hypophysen- 5 MRT der Sella: Beurteilung der
adenome: T1-gewichteten Sequenz vor und
5 fallen klinisch durch eine über- nach KM-Gabe
steigerte, nicht mehr regulierte 5 CT: nur bei MRT-Kontraindikatio-
Hormonproduktion auf nen (z. B. Herzschrittmacher) und
5 Klinik: richtet sich nach der Hor- zur Abgrenzung von Tumoren mit
monüberproduktion Verkalkungen, z. B. Kraniopharyn-
z Makroadenome: können durch ihr geom
verdrängendes (langsames) Wachstum 5 Sellazielaufnahme: heute obsolet
folgende Probleme verursachen: z Perimetrie: bei Tumoren mit Wachs-
5 supraselläres Wachstum: Kom- tum in Richtung Chiasma opticum
pression des Chiasma opticum z Labordiagnostik zur Abklärung der
mit bitemporaler Gesichtsfeldein- endokrinen Aktivität:
schränkung 5 basale Konzentrationsbestim-
5 intraselläres Wachstum: Kom- mung von ACTH, Kortisol, TSH,
pression der gesunden Hypophy- fT3, fT4, Prolaktin, LH, FSH,
senzellen mit Minderfunktion Östradiol bzw. Testosteron, GH
einzelner oder aller Hypophysen- sowie IGF-1
hormonachsen 5 bei Verdacht auf Hyperkortisolis-
5 Wachstum in Richtung Hypophy- mus: zusätzlich Dexamethason-
senstiel: Kompression des Hypo- hemmtest
74.2 · Hypophysenadenome 643 74.2
Prolaktinom sollten auch die Konzentrationen der
übrigen Hypophysenhormone be-
Definition stimmt werden
z Adenom der laktotrophen Zellen des
Hypophysenvorderlappens mit konse- Differenzialdiagnostik der
kutiver Hyperprolaktinämie Hyperprolaktinämie
z Bei Mikroprolaktinomen liegen die z Physiologisch: Gravidität, Stillen,
Prolaktinspiegel im Blut meist bei Stress, vorherige Manipulation der
>100 ng/l, bei Makroprolaktinomen Mamma, kurz zurückliegender Ge-
fast immer schlechtsverkehr
z Erhöhte Prolaktinspiegel führen zur z Pathologisch: Prolaktinom, Ent-
Inhibierung der pulsatilen Gonadotro- zügelungshyperprolaktinämie bei
pinfreisetzung (FSH, LH) und somit Kompression des Hypophysen-
zum sekundären Hypogonadismus stiels, schwere primäre Hypothyre-
ose, Niereninsuffizienz, Leberzir-
Einteilung rhose
z Mikroprolaktinome: Durchmesser von z Pharmakologisch: Neuroleptika (Do-
<1 cm, meist keine Wachstumstendenz paminantagonisten), Antidepressiva,
z Makroprolaktinome: Durchmesser weitere Dopaminantagonisten (z. B.
von >1 cm, häufig Wachstumstendenz Metoclopramid), Antihypertensiva,
H2-Blocker, Hormone (Östrogene,
Klinik TRH etc.)
z Frauen: Zyklusunregelmäßigkeiten,
unerfüllter Kinderwunsch, sekundäre Therapie
Amenorrhö, Libidoverlust, gelegent- z Dopaminagonisten (Dopamin wirkt
lich Galaktorrhö als Inhibiting-Hormon → Hemmung
z Männer: Libido-/Potenzverlust, gele- der Prolaktinfreisetzung aus den
gentlich Gynäkomastie, selten Galak- eosinophilen Zellen des Hypophy-
torrhö senvorderlappens; typische Neben-
z Bei Makroprolaktinomen mit Chias- wirkungen: Orthostasebeschwerden,
makompression: Gesichtsfelddefekte Schwindel, Nausea → einschleichen-
z Bei großen Adenomen: Entwicklung der Beginn):
einer Hypophyseninsuffizienz 5 ohne Chiasmasyndrom: zur Re-
z Kopfschmerzen (selten, gelegentlich duktion des Tumorvolumens; Bro-
bei Einblutung) mocriptin (z. B. Pravidel, 3-mal
2,5 mg/Tag), Quinagolid (z. B.
Diagnostik Norprolac, 1-mal 75–150 μg/Tag)
z Anamnese, Medikamentenanamnese oder Cabergolin (z. B. Dostinex,
und klinische Untersuchung 0,5–1 mg/Woche)
z Bestimmung des Serumprolaktin- 5 mit Chiasmasyndrom: kontrollier-
spiegels ter Versuch (mit hochdosierten
z Bildgebung: MRT Dopaminagonisten, z. B. Caber-
z Perimetrie golin, 1 mg/Tag); ggf. Operation,
z Zum Ausschluss eines Mischtumors falls innerhalb weniger Tage keine
oder einer Hypophyseninsuffizienz Verbesserung eintritt
644 Kapitel 74 · Erkrankungen der hypothalamisch-hypophysären Achse

5 Frauen sollten darauf hingewiesen drom (nächtliches Kribbeln, Dau-


werden, dass bereits rasch nach menballenatrophie, Parästhesien
Beginn einer dopaminagonisti- in den ersten 3 Fingern)
schen Therapie eine Konzeption 5 erhöhte Inzidenz von Kolonpo-
möglich ist; besteht Kinder- lypen sowie fraglich auch von
wunsch, sollte aufgrund der grö- Kolonkarzinomen
ßeren Erfahrungen vorzugsweise 5 etwa 3fach erhöhtes Mortali-
Bromocriptin eingesetzt und nach tätsrisiko, am ehesten durch die
Eintritt einer Schwangerschaft so- kardiovaskulären Veränderungen
fort abgesetzt werden (Hypertonie, Kardiomyopathie,
z Mikroprolaktinome: in erfahrenen Schlafapnoesyndrom)
Zentren kann alternativ zur medika-
mentösen Therapie eine transsphenoi- Diagnostik
dale Operation diskutiert werden z Anamnese und körperliche Unter-
suchung
Akromegalie z Labordiagnostik:
5 Basalserumspiegel: GH und
Ätiologie IGF-1 (Korrektur nach Alter und
z GH-produzierendes Hypophysen- Geschlecht) → normale IGF-1-
adenom Spiegel schließen eine Akromega-
z Extrem selten: GHRH-produzierender lie praktisch aus
hypothalamischer Tumor oder para- 5 Bestätigungstest: Bestimmung der
neoplastische Bildung von GH und/ GH-Konzentration vor und nach
oder GHRH oraler Belastung mit 75 g Glukose-
äquivalent (Hyperglykämie → phy-
Klinik siologische Suppression von GH):
z Leitsymptome: Veränderung der Phy- z keine GH-Suppression: Akrome-
siognomie, Vergrößerung von Hän- galie z GH-Suppression (<1 μg/l):
den (Pratzenhand), Füßen (Zunahme Ausschluss einer Akromegalie
der Schuhgröße) und Schädel, Ma- 5 Begleithyperprolaktinämie in
kroglossie, wulstige Auftreibung der 25–75 % der Fälle
Orbitaränder (Hyperostosis frontalis), z Lokalisationsdiagnostik: MRT
Prognathie, erweiterte Interdental- z Perimetrie
spalten, Arthralgien
z Organomegalie: insbesondere Hepato- > Zum Ausschluss eines Mischtumors
megalie, Struma, Kardiomegalie (ggf. oder einer Hypophyseninsuffizienz
Kardiomyopathie mit Ausbildung sollten auch die Konzentrationen der
einer Herzinsuffizienz) übrigen Hypophysenhormone bestimmt
z Fakultativ: werden.
5 Kopfschmerzen, arterielle Hyper-
tonie, Schlafapnoesyndrom, Therapie
Sehstörungen (bitemporale z Operativ: transsphenoidale mikrochi-
Hemianopsie), Hyperhidrose, rurgische Adenomentfernung
Hypertrichose, pathologische z Gegebenenfalls bei Tumorrest: Radia-
Glukosetoleranz, Karpaltunnelsyn- tio (konventionelle Bestrahlung oder
74.3 · Hypophysenvorderlappeninsuffizienz 645 74.3
stereotaktische Einzeldosiskonver- ryngeom, Mittellinienmeningeom,
genzbestrahlung: LINAC, Gamma- Germinom etc.)
Knife etc.) 5 Hypophysenapoplexie unter/
z Konservativ: Dopaminagonisten, während der Geburt (Sheehan-
Somatostatinanaloga (Octreotid), Syndrom, Ursache: häufig atone
GH-Rezeptor-Antagonisten (Pegvi- Nachblutungen, Unvermögen zu
somant) Stillen)
5 »Empty-sella«-Syndrom (bild-
morphologische Beschreibung,
74.3 Hypophysenvorder- möglicher Endzustand einer Hy-
lappeninsuffizienz bzw. pophysitis, Zustand nach totaler
Hypopituitarismus Hypophysektomie etc.)
5 Hämochromatose (Eisenablage-
Allgemeines und Einteilung rung führt zur Zerstörung der
z Komplette Insuffizienz (Panhypopitu- Hypophysenzellen)
itarismus): alle Hypophysenvorderlap- 5 idiopathisch
penhormonachsen sind gestört (Man-
gel an ACTH, TSH, LH/FSH, GH und Klinik
ggf. auch Prolaktin) z Je nach Hormonausfall
z Partielle Insuffizienz (häufiger): nur z Typisch: helle, wächserne Haut, Ady-
einzelne Achsen sind betroffen namie, Verlust der sekundären Ge-
schlechtsbehaarung, ggf. Verlust der
Ätiologie lateralen Augenbrauen
z Meist hypophysäre Adenome bzw.
deren Behandlung (Operation, Be- Diagnostik
strahlung) z Anamnese: Wachstumsverlauf (bei
z Andere Ursachen: Kindern), Libido, Periodenblutungen,
5 Schädelbestrahlung (z. B. bei Lym- Geburten, Vorerkrankungen (Bestrah-
phomen, Leukämien) lung, Schädel-Hirn-Trauma, Hämo-
5 Schädel-Hirn-Trauma chromatose etc.)
5 genetisch (Mutationen von Tran- z Bildgebung: MRT der Sella
skriptionsfaktoren, die für die z Labordiagnostik: basale Konzentrati-
Ausbildung der Hypophyse von onsbestimmung von ACTH, Kortisol,
Bedeutung sind, wie Prop-1, PIT-1 TSH, fT3, fT4, LH, FSH, Östradiol/
etc.) Testosteron, GH, IGF-1 und Prolaktin
5 Kallmann-Syndrom (Migrations- z Stimulationstest zum Ausschluss einer
störung GnRH-bildender Neu- sekundären Nebennierenrindenin-
rone; isolierter Gonadotropinman- suffizienz (und eines GH-Mangels):
gel) Goldstandard (im Erwachsenenalter)
5 Entzündungen der Hypophyse ist der Insulin-Hypoglykämie-Test:
(lymphozytäre Hypophysitis) oder Gabe von 0,1 IE Normalinsulin/kg KG
der Schädelbasis (Sarkoidose, His- i. v. → Bestimmung des ACTH-,
tiozytose, Tuberkulose etc.) Kortisol- und GH-Spiegels zu den
5 Tumoren im hypothalamisch-hy- Zeitpunkten –15, 0, 15, 30, 45, 60, 90
pophysären Bereich (Kraniopha- und 120 min; wenn eine suffiziente
646 Kapitel 74 · Erkrankungen der hypothalamisch-hypophysären Achse

Hypoglykämie erreicht wird (BZ: reicht; die Dosisanpassung erfolgt


<40 mg/dl), zeigt ein Anstieg der nach dem Wachstumsverlauf), im
Kortisolkonzentration von <180 ng/l Erwachsenenalter ist sie fakultativ
eine Nebennierenrindeninsuffizienz (Dosisanpassung anhand des IGF-
und ein Anstieg des GH-Spiegels von 1-Spiegels)
<3 ng/l einen schweren GH-Mangel an

Therapie 74.4 Diabetes insipidus


z Kausal: Behandlung der Grunder-
krankung (Operation eines Adenoms, Einteilung und Ätiologie
Behandlung einer Entzündung etc.) z Zentral:
z Hormonsubstitution: 5 ungenügende ADH-Bildung und/
5 aufgrund der besseren Steuerbar- oder -Freisetzung: entzündliche
keit werden in der Regel nicht die oder tumoröse Prozesse des Hy-
hypophysären Steuer-, sondern die pothalamus/Hypophyse (Hypophy-
effektiven Endhormone substitu- sitis, Sarkoidose, Histiozytose etc.)
iert 5 nach Operationen in der hypo-
5 kortikotrope Achse: z 15–20 mg physären/hypothalamischen Re-
Hydrokortison, aufgeteilt auf gion, z. B. bei Kraniopharyngeom
2–3 Einzeldosen (z. B. 10– (ggf. nur passager bei Hypophy-
5–0 mg) z bei Fieber und Stress senstielkompression)
Dosiserhöhung auf das 2- bis 3fa- 5 genetisch (autosomal-dominant,
che z bei Erbrechen parenterale autosomal-rezessiv oder X-chro-
Verabreichung z Dosisanpas- mosomal-rezessiv), meist durch
sung nach klinischen Gesichts- Mutationen im Arginin-Vasopres-
punkten sin-Neurophysin-Gen
5 thyreotrope Achse: z Levothy- z Renal:
roxin (etwa 1,6 μg/kg KG/Tag) 5 selten
z Kontrolle mittels fT4-Spiegel 5 ungenügende Wirkung von ADH
(Blutabnahme vor Einnahme der 5 angeboren (autosomal-dominant,
Medikation) autosomal-rezessiv oder X-chro-
5 gonadotrope Achse: Substitution mosomal-rezessiv), meist durch
von Östrogenen bzw. Testosteron Mutationen im Vasopressin-Typ-
5 somatotrope Achse: z Subs- 2-Rezeptor- oder Aquaporin-2-
titution von rekombinantem Ionenkanalgen
humanen GH (etwa 0,2–0,6 mg/ 5 erworben: Tubulopathien unter-
Tag s. c.), wenn klinische Hinweise schiedlicher Genese
auf einen GH-Mangel bestehen
(verminderte Knochendichte, Klinik und Diagnostik
vermehrte abdominale Adipositas, z Klinische Trias: Polyurie (>30 ml/
verminderte Lebensqualität etc.) kg KG/Tag), Polydipsie, Asthenurie
z im Kindesalter ist die GH-The- (fehlende Konzentrationsfähigkeit);
rapie bei vermindertem Wachs- ggf. Diarrhö statt Polyurie bei Klein-
tums obligat (es werden zum Teil kindern, hypertone Enzephalopathie
deutlich höhere Dosen verab- bei längerem Dursten
74.4 · Diabetes insipidus 647 74.4
z Durstversuch mit Desmopressin z MRT: bei einigen Formen des zentra-
(Miller-Test): len Diabetes insipidus geht das typi-
5 am Testtag ab 6 Uhr keine Flüssig- sche hyperintense Signal in der T1-
keitsaufnahme (bis 16 Uhr) gewichteten mittsagittalen Sequenz
5 stündliche Kontrollen von (»bright spot«) verloren
Blutdruck, Puls, Temperatur,
Körpergewicht, Urinvolumen, Se- Differenzialdiagnostik der
rumnatriumkonzentration sowie Polyurie
Serum- (280–295 mosmol/kg) und z Psychogene Polydipsie (⊡ Tab. 74.1)
Urinosmolalität (200–1400 mos- z Chronische Nephritis
mol/kg) z Diabetes mellitus
5 ggf. ADH-Spiegelbestimmung z Diuretikaabusus
zu Beginn und gegen Ende des z Hyperkalzämie (>3,5 mmol/l)
Durstversuchs z Alkoholexzess (Alkohol hemmt die
5 Abbruchkriterien: Gewichtsverlust ADH-Sekretion und die Glukoneoge-
von >5 %, unerträglicher Durst, nese)
Hypotonie, Fieber, Tachykardie,
deutliche Hypernatriämie Therapie
5 um 16 Uhr werden 4 μg Desmo- z Zentraler Diabetes insipidus:
pressin (z. B. Minirin) i. v. verab- 5 Desmopressin (z. B. Minirin; 2- bis
reicht, und der Versuch wird für 3-mal 10–40 μg/Tag): gegenüber
weitere 3 h fortgesetzt dem natürlichen ADH zeigt dieses
5 ein Defekt der ADH-Bildung/- Analogon keinen vasokonstrik-
Freisetzung kann angenommen torischen Effekt und eine verlän-
werden, wenn exogen zugeführtes gerte Halbwertszeit
ADH die Urinosmolalität nach 5 ggf. Stimulation der Vasopressin-
Dursten um ≥10 % erhöht sekretion mittels Chlorpropamid

⊡ Tab. 74.1. Differenzialdiagnostische Unterscheidung zwischen Diabetes insipidus und


psychogener Polydipsie

Parameter Zentraler Renaler Psychogene


Diabetes insipidus Diabetes insipidus Polydipsie

Serumosmolalität ↑ ↑ Normal bis ↓


beim Durstversuch

Urinosmolalität Bleibt niedrig Bleibt niedrig ↑


beim Durstversuch

Serum-ADH-Spiegel ↓ ↑ ↑
beim Durstversuch

Auswirkung der ADH-/ Anstieg der Urinos- Keine Auswirkung Anstieg der
Desmopressintestdosis molalität auf die Urinosmo- Urinosmolalität
lalität
648 Kapitel 74 · Erkrankungen der hypothalamisch-hypophysären Achse

(Sulfonylharnstoff) oder Clofibrat z Urinbefunde: relative Hypernatriämie,


(Lipidsenker); des Weiteren wird Hyperosmolarität (>300 mosmol/l),
Desmopressin bei Faktor-VIII- erhöhtes spezifisches Gewicht
Mangel eingesetzt
z Renaler Diabetes insipidus: Behand- Therapie
lung der Grunderkrankung (Tubulo- z Bei neurologischen Symptomen: hy-
pathien), ggf. Thiazide pertone NaCl-Lösung (Cave: zu rasche
Normalisierung → Gefahr der ponti-
nen Myelinolyse; maximaler Anstieg:
74.5 Schwartz-Bartter-Syndrom 10 mmol/l/Tag)
z Bei Wasserintoxikation: hypertone
Definition NaCl-Lösung plus Furosemid
z Pathologische erhöhte ADH- z Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr,
Sekretion mit Wasserretention und ggf. Dursten
Verdünnungshyponatriämie, sog. z Zukünftig evtl. medikamentöse
Syndrom der inadäquaten ADH- Blockade der ADH-Wirkung mittels
Sekretion (SIADH) sog. Vasopressinrezeptorantagonisten
(Vaptane: z. B. Lixivaptan oder Moza-
Ätiologie vaptan)
z Paraneoplastisch: kleinzelliges Bron-
chialkarzinom
z Entkopplung der endogenen, hypo-
physären ADH-Sekretion:
5 ZNS-Erkrankungen (Tumoren,
Meningoenzephalitis)
5 transitorisch (Schwangerschaft,
vorangegangene operative Ein-
griffe)
5 medikamentös (Thiazide, Antide-
pressiva etc.)
5 Hypothyreose
5 passager nach Infektionen, z. B.
der Atemwege

Klinik
z Appetitlosigkeit
z Nausea
z Kopfschmerzen (Hirnödem)
z Bewusstseinsstörungen

Diagnostik
z Hypotone Hyperhydratation, meist
ohne Ödeme
z Serumbefunde: Hyponatriämie,
Hypoosmolarität (<295 mosmol/l)
75.2 · Hirsutismus und Hyperandrogenämie 649 75.2

> Erkrankungen
der Gonaden
G. Michels, M. Faust

75.1 Amenorrhö z Hypothyreose (Erhöhung des TRH-


Spiegels → Steigerung der Pro-
Primäre Amenorrhö laktinsekretion), Diabetes mellitus,
Cushing-Syndrom, Morbus Addison,
Definition Adipositas, adrenogenitales Syndrom
z Ausbleiben der Regelblutung, d. h. z Tumoren
keine Menarche bis zum 16. Lebens- z Psychogen (Anorexia nervosa), Stress
jahr

Ätiologie 75.2 Hirsutismus und


z Ovarialinsuffizienz: Turner-Syndrom Hyperandrogenämie
(X0-Syndrom), testikuläre Feminisie-
rung Definition und Klinik
z Hypophyseninsuffizienz bzw. hy- z Hyperandrogenämie: Konzentrati-
pothalamische Störung onsanstieg der Androgene Testos-
z Syndrom der polyzystischen Ovarien teron (eher ovariell), Dehydroepi-
z Hymenalatresie, Uterusaplasie androsteronsulfat (eher adrenal)
z Adrenogenitale Syndrome und/oder Androstendion (ovariell/
z Hypo-/Hyperthyreose adrenal) über den jeweiligen Norm-
z Leistungssport, Anorexia nervosa bereich für Frauen
z Hirsutismus: verstärkter männ-
Sekundäre Amenorrhö licher Behaarungstyp (Gesichts-
behaarung, vergrößerte Zone der
Definition Schambehaarung, perimammiläre
z Amenorrhö nach der Menarche Behaarung etc.)
z Ausbleiben der Regelblutung für z Weitere Zeichen: androgenetische
>6 Monate Alopezie (Geheimratsecken), Akne,
Zyklusunregelmäßigkeiten (Oligo-,
Ätiologie Amenorrhö), unerfüllter Kinder-
z Hypothalamisch-hypophysär: Psycho- wunsch
pharmaka, Sheehan-Syndrom, Hyper-
prolaktinämie, Kallmann-Syndrom Einteilung
z Gonadal: Syndrom der polyzystischen z Score-System von Ferriman und Gall-
Ovarien, Gonadendysgenesie way
650 Kapitel 75 · Erkrankungen der Gonaden

Ätiologie und Diagnostik z Eine Hyperandrogenämie verstärkt


z Die häufigsten Gründe für einen u. a. eine Insulinresistenz, andererseits
Hirsutismus/eine Hyperandrogenä- begünstigt die Hyperinsulinämie
mie sind das Syndrom der polyzys- wiederum die Hyperandrogenämie
tischen Ovarien sowie ein (meist (Circulus vitiosus)
heterozygotes) adrenogenitales
Syndrom Diagnostik
z Bei sehr starker und rasch progre- > Das Syndrom der polyzystischen Ova-
dienter Hyperandrogenämie sollten rien ist eine Ausschlussdiagnose. Andere
androgenproduzierende Tumoren, Erkrankungen, die zu Zyklusstörungen
z. B. Nebennierenrindenkarzinome, und/oder einer Hyperandrogenämie
ausgeschlossen werden führen, müssen demnach zuvor ausge-
schlossen werden.
Differenzialdiagnostik
z Allgemein verstärkte Behaarung z Anamnese: Menarche, Zyklus etc.
(Hypertrichose) z Körperliche Untersuchung:
BMI, Taillenumfang, Hirsutismus,
Akne etc.
75.3 Syndrom der polyzystischen z Labordiagnostik: LH-, FSH-,
Ovarien (PCOS) Östradiol-, Testosteron-, Dehydro-
epiandrosteron-, Androstendion-
> Eine der häufigsten endokrinolo- und SHBG-Konzentration, Nüch-
gischen Erkrankungen bei Frauen. In terninsulin- und Blutzuckerspiegel
Deutschland sind schätzungsweise (Berechnung des HOMA-Index),
1 Mio. Frauen betroffen. ggf. oraler Glukosetoleranztest
z Gynäkologisches Konsil: transvagi-
Ätiologie nale Sonographie der Ovarien
z Ungeklärt
z Häufige Assoziation mit Überge-
wicht und Insulinresistenz → er- Rotterdam-Kriterien
höhtes kardiovaskuläres Risiko Ein Syndrom der polyzystischen Ovarien
z Erhöhte LH-Konzentration auf- liegt dann vor, wenn 2 der folgenden Krite-
grund erhöhter Frequenz und Am- rien erfüllt sind:
plitude der pulsatilen Ausschüttung z Oligo- oder Amenorrhö
gegenüber dem FSH → pathologi- z Polyzystische Ovarien
scher LH/FSH-Quotient z Laborchemischer oder klinischer
z Folge: verstärkte ovarielle (konse- Hyperandrogenismus
kutiv auch adrenale) Androgenpro-
duktion → Hyperandrogenämie
z Verstärkung der Hyperandrogenä- Therapie
mie durch erhöhten SHBG-Spiegel z Reduktion eines evtl. bestehenden
(SHBG: sexualhormonbindendes Übergewichts
Globulin) → gesteigerte periphere z Optimierung des kardiovaskulären
Konversion von Androgenen in Ös- Risikos (Hypertonie, Dyslipidämie
trogene etc.)
75.4 · Männlicher Hypogonadismus 651 75.4
z Die spezifische Therapie richtet sich Formen und Ätiologie
nach dem Therapiewunsch der Pati- ⊡ Tabelle 75.1
entinnen:
5 Hirsutismus, Akne: antiandrogen Klinik
wirkende Pille (z. B. Diane 35; ggf. z Verminderte Libido, Potenz und
in Kombination mit zusätzlichem Zeugungsfähigkeit
Cyproteronazetat: z. B. Androcur; z Abnahme der Muskel- und Knochen-
Cave: Thromboembolierisiko) masse sowie (relative) Zunahme des
5 unerfüllter Kinderwunsch, Zyklus- Körperfetts
unregelmäßigkeiten, Übergewicht: z Gegebenenfalls Schweißausbrüche
Metformin (für diese Indikation und Stimmungsschwankungen
jedoch nicht zugelassen), ggf. Clo-
mifemstimulation (durch Repro- Diagnostik
duktionsmediziner) z Labordiagnostik:
5 Testosteron- und SHBG-Spiegel →
Berechnung des Index der freien
75.4 Männlicher Androgene (Testosteronspiegel in
Hypogonadismus ng/ml × 347/SHBG-Konzentration
in nmol/l)
Definition 5 LH-, FSH- und Prolaktinspiegel
z Unterfunktion der Hoden mit unge- 5 ggf. Karyogramm
nügender Testosteronproduktion 5 PSA-Konzentration

⊡ Tab. 75.1. Formen des männlichen Hypogonadismus

Form LH- Testosteron- Ursachen


Spiegel spiegel

Primäre oder testikuläre Form ↑ ↓  Kryptorchismus


(hypergonadotrop)  Anorchie
 Orchitis
 Klinefelter-(47-XXY-)
Syndrom
 Leydig-Zell-Aplasie
 Hodentumoren
 Andere

Sekundäre oder hypophysäre ↓ ↓  Hypopituitarismus


Form (hypogonadotrop)  Hyperprolaktinämie
 Erniedrigte LH- und FSH-
Spiegel

Tertiäre oder hypothalamische ↓ ↓  Hypothalamus-


Form (hypogonadotrop: dysfunktion
erniedrigter GnRH-Spiegel) (z. B. Kallmann-Syndrom)

LH: Testosteronsynthese (Leydig-Zellen); FSH: Spermatogenese


652 Kapitel 75 · Erkrankungen der Gonaden

5 Blutbild: normochrome, normozy- z Pathologische Gynäkomastie:


täre Anämie 5 Östrogenüberschuss: Leberzir-
z Urologisches Konsil: bei primärem rhose (verminderte Synthese von
Hypogonadismus zum Ausschluss Testosteron und Induktion von
einer Hodenerkrankung, bei den Aromatasen in der Peripherie mit
übrigen Formen zur Frage der Pros- gesteigerter peripherer Aromati-
tatagröße vor Beginn einer Substituti- sierung), Hodentumoren
onstherapie 5 Androgenmangel: Klinefelter-Syn-
z Riechtest: bei Verdacht auf Kallmann- drom, Kallmann-Syndrom, Morbus
Syndrom, da hier neben dem hypo- Addison, Defekte des Androgenre-
gonadotropen Hypogonadismus auch zeptors (testikuläre Feminisierung),
eine Anosmie vorliegt Prolaktinom, Hodentumoren
z Knochendichtemessung 5 iatrogen/medikamentös: Omep-
razol, Cimetidin, Spironolacton,
Therapie Östrogene
z Bei fehlenden Kontraindikationen 5 idiopathisch (am häufigsten)
(Hodentumor, Prostataerkrankung,
Polyglobulie) Substitutionstherapie Klinik
mit Testosteron: z Meist beidseitige Vergrößerung der
5 Testosteronenanthat (z. B. Testovi- Mamma beim Mann
ron; alle 3 Wochen i. m.) z Gegebenenfalls Symptome eines Tes-
5 Testosteronundecanoat (z. B. Ne- tosteronmangels
bido; alle 12 Wochen i. m.)
5 Testosterongel (z. B. Testogel; Diagnostik
25–50 mg/Tag) z Labordiagnostik:
5 Überwachung der Therapie (Tes- 5 Testosteron- und SHBG-Spiegel →
tosteronspiegel, Prostatagröße, Berechnung des Index der freien
Hämatokrit) Androgene ( Kap. 75.4)
z Bei Kinderwunsch: Überweisung 5 LH-, FSH-, Prolaktin- und Östro-
an reproduktionsmedizinisch genkonzentration
erfahrenen Endokrinologen oder 5 β-HCG-Spiegel (Hodentumoren)
Andrologen z Urologisches Konsil: zum Ausschluss
eines Hodentumors
z Mammasonographie: zur Differen-
75.5 Gynäkomastie zierung zwischen Gynäkomastie und
Lipomastie
Definition z Mammographie: bei einseitiger Gynä-
z Vergrößertes Brustdrüsengewebe komastie und suspekten sonographi-
beim Mann (nicht zu verwechseln mit schen Befunden zum Ausschluss eines
Lipomastie: Fettgewebeansammlung Mammakarzinoms
bei fehlendem Drüsenkörper)
Therapie
Einteilung und Ätiologie z Gegebenenfalls Behandlung der
z Physiologische Gynäkomastie: Grunderkrankung (z. B. Substitution
Neugeborene, Pubertät, Seneszenz bei Hypogonadismus)
75.5 · Gynäkomastie 653 75.5
z Tamoxifen, Aromataseinhibitoren
(durch erfahrenen Endokrinologen
oder Andrologen; keine Zulassung für
die Behandlung der Gynäkomastie)
z Eventuell Operation (Kostenüber-
nahme meist nur bei Verdacht auf
Malignom oder bei durch psychologi-
sches Gutachten bewiesener schwerer
seelischer Beeinträchtigung); die
operative Behandlung der Lipomastie
ist in der Regel nicht sinnvoll, da sie
rezidiviert
654 Kapitel 76 · Osteoporose

> Osteoporose
G. Michels, C. Schumann, M. Faust

Allgemeines und Definition weichung der Knochendichte von der


z Die Osteoporose ist pathophysiolo- eines 30-Jährigen wird als »T-Wert«
gisch gesehen eine systemische Ske- bezeichnet
letterkrankung, die durch eine nied-
rige Knochenfestigkeit charakterisiert Epidemiologie
ist, die zu einem erhöhten Frakturri- z Die Prävalenz einer Osteoporose auf
siko prädisponiert (NIH Consensus der Grundlage der WHO-Definition
Development Panel on Osteoporosis) einer erniedrigten Knochendichte
z Sind bereits eine oder mehrere liegt bei postmenopausalen Frauen
Frakturen als Folge der Osteoporose bei etwa 7 % im Alter von 55 Jahren
aufgetreten, spricht man von einer und steigt im Alter von 80 Jahren auf
manifesten Osteoporose 19 %
z Nach einer operationalen Definition z Für Männer liegen für den deutschen
der WHO aus dem Jahre 1994 liegt Sprachraum keine ausreichenden An-
eine Osteoporose dann vor, wenn der gaben vor
Knochenmineralgehalt im Rahmen
einer DXA-Knochendichtemessung Einteilung und Ätiologie
an der Lendenwirbelsäule und/oder z Primäre Osteoporose (95 %):
am proximalen Femur um mehr als 5 postmenopausale oder Typ-I-
–2,5 Standardabweichungen vom Mit- Osteoporose (Östrogenmangel):
telwert eines 30-Jährigen der gleichen Auftreten im 50.–70. Lebensjahr,
Rasse und des gleichen Geschlechts überwiegend trabekulärer und
abweicht (⊡ Tab. 76.1); die in Stan- schneller Knochenverlust, häufig
dardabweichungen angegebene Ab- Wirbelkörperfrakturen

⊡ Tab. 76.1. Operationale Osteoporosedefinition der WHO

Stadium Kriterien

Osteopenie DXA-T-Score: weniger als –1,0 bis –2,5 SD

Osteoporose DXA-T-Score: weniger als –2,5 SD

Manifeste Osteoporose DXA-T-Score: weniger als –2,5 SD + Frakturen

DXA »dual X-ray absorptiometry«; SD »standard deviation«


Diese Definition gilt nur für postmenopausale Frauen und für Männer über 50 Jahren.
Kapitel 76 · Osteoporose 655 76
5 senile oder Typ-II-Osteoporose chen: blaue Skleren, Minderwuchs,
(Alterungsprozess): Auftreten Hörstörungen, Skelettdeformitäten
nach dem 70. Lebensjahr, Frauen (Glasknochenkrankheit) z Ehlers-
häufiger betroffen als Männer, Danlos-Syndrom: verschiedene
trabekulärer und kortikaler (lang- Kollagenbildungsdefekte (Kollagen
samer) Knochenverlust, häufig Typ I oder Typ III betreffend oder
Schenkelhalsfrakturen Defekt der Lysinhydroxylase);
5 idiopathisch bei jungen Patienten Kennzeichen: Hyperelastizität
(selten) der Haut (Gummimensch),
z Sekundäre Osteoporose (5 %): überstreckbare Gelenke (Schlan-
5 endokrine Ursachen: Hyperkor- genmensch), Wundheilungsstö-
tisolismus (Cushing-Syndrom), rungen, Linsenektopie, Aneurysma
Hypogonadismus (erniedrigter z Marfan-Syndrom: Mutationen
Östrogenspiegel), Hyperthyreose, des kalziumbindenden Teiles
primärer Hyperparathyreoidisms, des EGF; Kennzeichen: Arach-
Diabetes mellitus Typ 1 nodaktylie (Spinnenfingrigkeit),
5 Malassimilation (z. B. glutensen- Dolichostenomelie (lange, schmale
sitive Enteropathie, Laktoseinto- Extremitäten), Trichter-/Hühner-
leranz) brust, Kyphoskoliose, Großwuchs,
5 Anorexia nervosa übersteckbare Gelenke, Aorten-
5 Immobilisation klappeninsuffizienz, Aneurysma,
5 medikamentös: systemische An- Mitralklappenprolaps, Linsenluxa-
wendung von Glukokortikoiden tion, Dysmorphie der Kornea
(Hemmung der Osteoblastogenese
und Aktivitätssteigerung der Diagnostik
Osteoklasten), Einnahme von z ⊡ Tab. 76.2
Antiepileptika, Antikoagulation z Spezifische Anamnese:
mit unfraktioniertem Heparin 5 Rückenschmerzen
(>15.000 IE/Tag über ≥3 Monate, 5 Allgemeinzustand
v. a. während einer Schwanger- 5 Fraktur- und Sturzanamnese
schaft – nicht jedoch bei fraktio- (Alter >70 Jahre)
nierten Heparinen oder Vitamin- 5 Krankheiten oder Medikamente
K-Antagonisten), immunsuppres- mit Einfluss auf das Skelett oder
sive Therapie nach Transplantation auf Stürze
5 höhergradige Niereninsuffizienz 5 Nikotinkonsum
5 rheumatoide Arthritis und Kolla- 5 Immobilität
genosen z Körperliche Untersuchung:
5 multiples Myelom 5 Körpergröße und -gewicht
5 entzündliche Darmerkrankungen 5 Hinweise auf sekundäre Osteo-
(Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) porose oder Malignome
5 COPD 5 »Timed-up-and-go«-Test: Zeit,
5 hereditäre Erkrankungen mit Kol- die ein Patient vom Aufstehen
lagensynthesestörungen: z Osteo- von einem Stuhl (mit Armlehne)
genesis imperfecta: defektes Pro- bis zur einer 3-m-Markierung
kollagen von Kollagen I; Kennzei- und zurück (inklusive Hinsetzen)
656 Kapitel 76 · Osteoporose

⊡ Tab. 76.2. Empfehlung zur Diagnostik

Alter [Jahre] Diagnostik bei Vorliegen eines/einer oder mehrerer der


folgenden Befunde/Situationen
Frauen Männer

50–60 60–70  Wirbelkörperfraktur(en)


 Periphere Fraktur(en) als Einzelfallentscheidung

60–70 70–80  Wirbelkörperfraktur(en)


 Periphere Fraktur(en)
 Schenkelhalsfraktur eines Elternteils
 Untergewicht (BMI: <20 kg/m2)
 Nikotinkonsum
 Multiple Stürze
 Immobilität

>70 >80  Falls therapeutische Konsequenzen folgen sollen/können

benötigt; Beurteilung: z ≤10 s: > Im Gegensatz zur Osteomalazie sind

keine Mobilitätsstörung z ≥30 s: Serumkalziumspiegel, Phosphatkonzentra-


Mobilitätsstörung mit Sturzgefahr tion, AP-Aktivität und Parathormonspiegel
5 »Chair-rising«-Test: Zeit, die ein bei der Osteoporose im Normbereich.
Patient für das 5-malige Aufste-
hen (durchgestreckte Beine) und Therapie
Wiederhinsetzen auf einen Stuhl Basismaßnahmen und Prophylaxe
(ohne Armlehne) benötigt; Be- z Koordination, Muskelkraft, Sturzver-
urteilung: ≥11 s als Zeichen einer meidung:
Gangunsicherheit (normal: ≤10 s) 5 regelmäßige körperliche Aktivität
z Röntgendiagnostik: Brust- und Len- 5 Vermeidung von Immobilisation
denwirbelsäule in 2 Ebenen zur Frak- 5 Therapie vermeidbarer Sturzursa-
turabklärung chen
z Osteodensitometrie: 5 ggf. adaptierte Hilfsmittel inklu-
5 Methode: DXA-Knochendichte- sive Hüftprotektoren
messung 5 ausreichende Versorgung mit Vita-
5 Messung der gesamten Lenden- min D zur Sturzprävention
wirbelsäule und des gesamten z Ernährung und Lebensstil:
Femurs (für die Beurteilung ist der 5 ausreichende Ernährung (Ziel-
niedrigste Messwert der Gesamta- BMI: >20 kg/m2)
reale ausschlaggebend) 5 kalziumreiche Ernährung (1000–
5 bei multiplen typischen osteopo- 1500 mg Kalzium/Tag), ggf. Sup-
rotischen Wirbelkörperfrakturen plementierung
ist ein Verzicht auf eine Knochen- 5 ausreichende (≥30 min/Tag) Son-
dichtemessung vor Therapieeinlei- nenlichtexposition zur Bildung von
tung möglich Vitamin D; ggf. Supplementation
z Labordiagnostik: ⊡ Tab. 76.3 mit 1000 IE Vitamin D/Tag p. o.
Kapitel 76 · Osteoporose 657 76
⊡ Tab. 76.3. Basislabordiagnostik bei Osteoporose

Laborparameter Wichtige damit verbundene Fragestellungen

Serumkalziumspiegel  ↑: pHPT oder andere Ursachen einer Hyperkalzämie


 ↓: z. B. sHPT, Malabsorption

Serumphosphatspiegel ↓: sHPT, Malabsorption

AP-Aktivität im Serum ↑: Osteomalazie

Aktivität der γ-GT Zur Differenzialdiagnostik einer hepatisch bedingten AP-Aktivi-


tätssteigerung

Serumkreatininkonzen- ↑: renale Osteopathie (je nach Muskelmasse ab Kreatininwerten


tration von >2–3 mg/dl zu erwarten)

BSG/CRP-Konzentration ↑: zur Differenzialdiagnostik entzündlicher Ursachen von


Wirbelkörperdeformitäten

Serumeiweißelektro- Hinweise auf ein multiples Myelom


phorese

TSH-Spiegel <0,3 mU/l: endogen oder durch L-Thyroxin-Medikation bedingt;


Risikofaktor für Frakturen

5 ausreichende Zufuhr von Vitamin Therapie bei Frakturen


B12 und Folsäure z Schmerztherapie (WHO-Schema)
5 Vermeidung von Nikotin (unabhän- z Schnellstmögliche Mobilisation,
giger Risikofaktor für Frakturen) ggf. Stabilisierung durch eine
5 Vermeidung von erhöhtem Alko- Orthese
holkonsum (>30 g/Tag) z Ambulante/stationäre Rehabilitation,
z Vermeidung/Anpassung sturz- bzw. Physiotherapie, Funktionstraining,
osteoporosefördernder Medikamente: psychosoziale Betreuung, ggf. qualifi-
5 Überprüfung der Notwendigkeit zierte Selbsthilfegruppe
und individuelle Anpassung: z. B. z Vertebro-/Kyphoplastie:
Antiepileptika, sedierende bzw. 5 Knochenzementstabilisierung von
Orthostasebeschwerden auslösende osteoporotischen Wirbelkörpern
Medikamente, orale Glukokorti- oder drohenden Wirbelkörpersin-
koide, L-Thyroxin (der TSH-Wert terungen
sollte unter einer L-Thyroxin- 5 bei therapieresistenten Schmerzen
Therapie bei >0,3 mU/l liegen; durch Wirbelkörperfrakturen
Ausnahme: Schilddrüsenkarzinom) nach in der Regel >3-monatigem,
5 bei Glukokortikoidtherapie: konservativem, multimodalem
zeitgleiche Einnahme von 1 g Kal- Therapieversuch sowie nach
zium/Tag und 1000 IE Vitamin D/ überprüfbarer interdisziplinärer
Tag (bei Malassimilation ggf. i. m. Begutachtung und konsensueller
Verabreichung) Indikationsstellung
658 Kapitel 76 · Osteoporose

Spezifische medikamentöse Therapie  Dosierung


z Eine spezifische medikamentöse Spezifische medikamentöse Therapie
Therapie wird empfohlen, wenn der Osteoporose:
bereits eine Wirbelkörperfraktur ein- z Bisphosphonate zur Hemmung der
getreten ist oder das geschätzte 10- Osteoklastenfunktion (antiresorptiv): z. B.
Jahres-Risiko für Wirbelkörper- und Alendronsäure (1-mal 10 mg/Tag p. o.
proximale Femurfrakturen >30 % oder 1-mal 70 mg/Woche p. o.; für Frauen
beträgt; dies ist in verschiedenen Al- und Männer zugelassen), Risedronsäure
tersklassen bei Männern und Frauen (1-mal 5 mg/Tag p. o. oder 1-mal 35 mg/
bei unterschiedlichen T-Werten der Woche p. o.; für Frauen zugelassen),
Fall (⊡ Tab. 76.4) Zoledronsäure (1-mal 5 mg/Jahr i. v.; für
z Während einer Steroidtherapie Männer und Frauen zugelassen)
(>3 Monate) ist ein DXA-T-Wert z Strontiumranelat (1-mal 2 g/Tag p. o.;
von weniger als –1 für eine spe- für Frauen zugelassen): knochenaffines
zifische medikamentöse Therapie Kation; steigert den Knochenaufbau,
hinreichend hemmt den Knochenabbau

⊡ Tab. 76.4. Empfehlung für oder gegen eine spezifische medikamentöse Therapie

Alter [Jahre] T-Wert (nur anwendbar auf DXA-Werte)

Frauen Männer –2,0 bis –2,5 bis –3,0 bis –3,5 bis Weniger
–2,5 –3,0 –3,5 –4,0 als –4,0

Keine Wirbelkörperfrakturen

50–60 60–70 Nein Nein Nein Nein Ja

60–65 70–75 Nein Nein Nein Ja Ja

65–70 75–80 Nein Nein Ja Ja Ja

70–75 80–85 Nein Ja Ja Ja Ja

>75 >85 Ja Ja Ja Ja Ja

Wirbelkörperfrakturen

Jedes Alter Ja (rasche Therapie)

DXA »dual X-ray absorptiometry«


Der niedrigste T-Wert der DXA-Knochendichtemessung an LWS oder proximalem Gesamtfemur
ist relevant.
Bei Vorliegen von Risikofaktoren (periphere Fraktur, Schenkelhalsfraktur eines Elternteils, Niko-
tinkonsum, multiple Stürze oder Immobilität) wird eine max. um 1 T-Wert höher liegende Thera-
pieschwelle empfohlen (d. h. Therapie z. B. ab einem T-Wert von max. –2,5 statt –3,5).
In Abhängigkeit von der klinischen Gesamtsituation ist eine um max. 1 T-Wert niedriger liegende
Therapieschwelle möglich (d. h. Therapie z. B. ab einem T-Wert von max. –3,5 statt –2,5).
Kapitel 76 · Osteoporose 659 76
z Raloxifen (1-mal 60 mg/Tag p. o.; für
Frauen zugelassen): selektiver Östrogen-
rezeptormodulator (»selective estrogen-
receptor modulator«, SERM)
z Östrogene: in der Regel nur, wenn
vasomotorische (postmenopausale)
Beschwerden der Haupteinnahmegrund
sind; absolut kontraindiziert ist die allei-
nige Östrogensubstitutionstherapie (ohne
Gestagenzusatz) bei Frauen mit intaktem
Uterus (hohes Risiko eines Endometrium-
karzinoms)
z Parathormon zur Osteoblastenstimu-
lation: Teriparatid (1-mal 20 μg/Tag s. c;
für Männer und Frauen zugelassen),
Parathormon (1-mal 100 μg/Tag s. c.; für
Frauen zugelassen)
660 Kapitel 77 · Adipositas und Fettstoffwechselstörungen

> Adipositas und Fettstoff-


wechselstörungen
G. Michels, M. Faust

77.1 Adipositas Labhart-Willi-Fanconi-Syndrom


(Hypogenitalismus, kognitive
Epidemiologie Störungen, Muskelhypotonie im
z Etwa 50 % der Deutschen sind Säuglingsalter, Hypothalamusdys-
übergewichtig, ungefähr 25 % funktion)
adipös 5 monogenetische Störungen (sehr
z Prävalenz: stark ansteigend (auch selten): z. B. Leptindefizienz
im Kindesalter)
Klassifikation
Ätiologie ⊡ Tabelle 77.1
z Primäre Formen der Adipositas
(häufig): Komplikationen
5 Missverhältnis zwischen > Die 3 wichtigsten Komplikationen des
Energieaufnahme und Ener- Übergewichts:
gieabgabe z Kardiovaskuläre Erkrankungen
5 Faktoren: (poly-)genetische z Diabetes mellitus Typ 2
Suszeptibilität, Lebensstil mit hy- z Tumorerkrankungen
perkalorischer Ernährung, Bewe-
gungsmangel, psychosomatische Diagnostik
Aspekte z Fettverteilung: bezüglich der Ent-
z Sekundäre Formen der Adipositas wicklung eines Typ-2-Diabetes mel-
(selten): litus und einer KHK bei Adipösen ist
5 Endokrinopathien: Cushing- der Taillenumfang aussagekräftiger als
Syndrom, Hypothyreose oder der BMI; abdominelle Fettsucht (an-
Insulinom, Syndrom der poly- droide Fettverteilung): Taillenumfang
zystischen Ovarien für Europäer von ≥94 cm bei Män-
5 hypothalamische Störungen: nern und ≥80 cm bei Frauen
Kraniopharyngeom, Mittellinien- z Labordiagnostik: Blutfettwerte ein-
tumoren, Laurence-Moon-Bar- schließlich Cholesterin, Harnsäure-
det-Biedl-Syndrom (Hypogona- und Nüchternblutzuckerspiegel,
dismus, kognitive Störungen, Po- TSH-Konzentration (Hypothyreose?),
lydaktylie, Nierenveränderungen, Dexamethasonhemmtest (Cushing-
Retinitis pigmentosa), Prader- Syndrom?)
77.1 · Adipositas 661 77.1
⊡ Tab. 77.1. Klassifikation der Adipositas nach dem BMI

Adipositasklasse BMI [kg/m2]

Normalgewicht 18,5–24,9

Übergewicht oder Präadipositas 25,0–29,9

Adipositas I 30,0–34,9

Adipositas II 35,0–39,9

Adipositas III ≥40

z Erhebung des kardiovaskulären Basisprogramm


Status: Blutdruckmessungen, EKG, z Kalorienreduktion: Ernährungsthera-
Ergometrie pie, Bewegungstherapie, Verhaltens-
modifikation
z Risikofaktorenmanagement
Metabolisches Syndrom (International z Therapie der Ko-Morbiditäten
Diabetes Federation)
z Abdominelle Fettsucht (Taillenumfang Medikamentöse Therapie
für Europäer ≥94 cm bei Männern und z Bisher keine überzeugende medi-
≥80 cm bei Frauen) plus ≥2 der folgen- kamentöse Therapie der primären
den Bedingungen: Adipositas
5 Hypertriglyzeridämie (≥150 mg/dl z Sibutramin (Serotonin-Noradrenalin-
bzw. ≥1,7 mmol/l) Wiederaufnahmehemmer) und Orlis-
5 erniedrigter HDL-Cholesterol- tat (intestinaler Lipasehemmer): füh-
Wert: ren nur zu einer mäßigen Reduktion
z Männer: <40 mg/dl (<1,03 mmol/l) des Körpergewichts
z Frauen: <50 mg/dl (<1,29 mmol/l) z Keine Übernahme der Behandlungs-
5 arterielle Hypertonie kosten durch gesetzliche Kranken-
(≥130/85 mmHg) kassen
5 erhöhter Nüchternglukosespiegel z Rimonabant (Cannabinoidrezeptor-
(≥100 mg/dl bzw. ≥5,6 mmol/l) antagonist): wurde wegen der Ent-
oder bereits diagnostizierter Dia- wicklung und Verstärkung von De-
betes mellitus pressionen vom Markt genommen

Adipositaschirurgie (bariatrische
Therapie Chirurgie)
Indikationen z Indikation: BMI von >40 kg/m2 und
z BMI von ≥30 kg/m2 und/oder BMI gleichzeitig bestehender Diabetes mel-
von 25–29,9 kg/m2 mit Ko-Morbidi- litus
täten, z. B. Typ-2-Diabetes mellitus, z Methoden: z. B. laparoskopisches
Hypertonie oder stammbetonte Fett- »gastric banding«, vertikale Gastro-
verteilung plastik, Magenbypass
662 Kapitel 77 · Adipositas und Fettstoffwechselstörungen

77.2 Fettstoffwechselstörungen z Hypobetalipoproteinämie: 50%ige


Verminderung von Apo-B, keine kli-
> Die früher verwendete Einteilung nach nischen Symptome
Fredrickson spielt im klinischen Alltag
eine untergeordnete Rolle. Klinisch wer- Sekundäre Hyperlipoprotein-
den eine Hypercholesterinämie, eine Hy- ämien → ein Symptom
pertriglyzeridämie und eine kombinierte z Alkoholkrankheit: Alkohol fördert die
Fettstoffwechselstörung unterschieden. Fettsäuresynthese (Zieve-Syndrom),
Hypertriglyzeridämie
Primäre Hyperlipoproteinämien z Lebererkrankungen: Verminderung
→ eigenständige Erkrankungen der Synthese von Lipoproteinen und
z Primäre Hypercholesterinämien: Mangel an hepatischen Lipasen mit
5 polygenetische Form (häufig): z. B. vermehrter Bindung von Triglyzeri-
Apo-E-Polymorphismen den an LDL
5 monogenetische, familiäre Form z Diabetes mellitus: Insulinmangel ver-
(selten): Mutationen des LDL- mindert die Aktivität der Lipoprotein-
Rezeptor-Gens lipase mit Verzögerung des Chylomi-
5 monogenetischer, familiärer De- kronen- und VLDL-Abbaus; vermehrt
fekt des Apo-B-100-Gens (selten) kleine, dichte LDL-Partikel, verstärkte
z Primäre Hypertriglyzeridämie Glykierung und Oxidation der LDL-
z Primäre kombinierte Hyperlipoprote- Partikel, niedrige HDL-Cholesterin-
inämie: Überproduktion von Apo-B- Spiegel
100 (polygenetisch) z Nephrotisches Syndrom: vermehrte
z Familiäre Dysbetalipoproteinämie kompensatorische Proteinsynthese
oder familiäre Typ-III-Hyperlipopro- mit Lipidsynthese
teinämie: Mutation des Apo-E-Gens z Hypothyreose: Abnahme der Ex-
(meist Apo-E2/E2-Homozygotie), die pression von LDL-Rezeptoren an der
zusammen mit weiteren Faktoren (Di- Oberfläche peripherer Zielzellen →
abetes mellitus, Hypothyreose, Adipo- verzögerter LDL-Abbau; zusätzlich
sitas etc.) zur Manifestation führt ist die Aktivität der Lipoproteinlipase
z Lipoprotein-(a-)Hyperlipoproteinä- vermindert
mie (Risiko bei >300 mg/l) z Hyperthyreose: verstärkter Lipidab-
z Hypoalphalipoproteinämie (Tangier- bau
Krankheit): fehlerhafte Synthese von
Apo-A-I sowie Mangel an HDL; Leit- Klinik der familiären Hyper-
symptom: orangefarbene, vergrößerte cholesterinämie
Tonsillen z Xanthelasmen (innerer Augenwinkel)
z Abetalipoproteinämie (Bassen- z Arcus lipoides (Kornearand)
Kornzweig-Syndrom): vollständiger z Hautxanthome
Mangel an Apo-B, Beginn etwa 4 Wo- z Sehnenxanthome
chen nach der Geburt mit Zöliakie-
symptomen; da β-Lipoproteine fehlen, Diagnostik
können Chylomikronen, VLDL und z Anamnese: Hyperlipoproteinämien,
LDL nicht synthetisiert und sezerniert KHK, vorangegangene Apoplexie,
werden; schlechte Prognose Rauchen, rezidivierende Pankreatitis,
77.2 · Fettstoffwechselstörungen 663 77.2
Medikamentenanamnese (β-Blocker, Therapie
Thiazide, Hormone etc.) Hypercholesterinämie
z Labordiagnostik: z ⊡ Tab. 77.2
5 Lipidstatus: Gesamtcholesterin-, z Mittel der Wahl: Statine (sowohl in
LDL-/HDL-Cholesterin-, Trigly- der Primär- als auch in der Sekundär-
zeridspiegel (Blutabnahme nach prävention):
12-stündiger Nahrungskarenz) 5 Atorvastatin (z. B. Sortis): stärkster
5 spezielle bzw. erweiterte Diagnos- LDL-Spiegel-Senker (40 %) und
tik: Lipoprotein-(a-) und Apolipo- stärkster HDL-Spiegel-Anheber
proteinspiegel, Enzymaktivitäten (7 %), außerdem Senkung der Tri-
(Lipoproteinlipase, hepatische glyzeridkonzentration (15 %)
Lipase, Lecithin-Cholesterin- 5 Fluvastatin (z. B. Locol)
Acyltransferase), Konzentration 5 Lovastatin (z. B. Mevacor)
des Cholesterintransferproteins 5 Simvastatin (z. B. Zocor)
und des LDL-Rezeptors 5 Pravastatin (z. B. Pravasin)
5 Abklärung sekundärer Hyperli- z Ziel: etwa 30%ige Senkung des Aus-
poproteinämien: Diabetes melli- gangswerts
tus (Nüchternblutzuckerspiegel, z Ziel-LDL-Wert bei KHK und Diabe-
HbA1c-Wert), Hypothyreose tes mellitus Typ 2: <100 mg/dl, ggf.
(TSH-Wert), Lebererkrankungen <70 mg/dl bei Hochrisikopatienten
(Transaminasenaktivitäten), Nie- z Gegebenenfalls Kombination mit
renerkrankungen (Kreatininspie- Ezetimib, Ionenaustauschharzen
gel, Albuminurie), Pankreatitis (Colestyramin, Colestipol) und/oder
(Amlyase- und Lipaseaktivität, Nikotinsäurepräparaten (Acipimox,
CRP-Konzentration, Kalzium- Inositolnicotinat)
spiegel) z In schweren Fällen (z. B. familiäre Hy-
percholesterinämie): LDL-Apherese
> Liegen die Triglyzeridwerte >400 mg/
dl, kann die Friedewald-Formel zur Be- Hypertriglyzeridämie
rechnung des LDL-Cholesterin-Spiegels z Auslösefaktoren meiden: Gewichtsre-
nicht mehr angewendet werden. Al- duktion, Meidung rasch resorbierba-
ternativ lässt sich die LDL-Cholesterin- rer Kohlenhydrate, absolute Alkohol-
Konzentration durch Direktbestimmung karenz
oder Ultrazentrifugation bestimmen. z Gegebenenfalls Fastentag
Bei schweren Hypertriglyzeridämien z Mittel der Wahl sind Fibrate: Fenofi-
kommt es immer auch zu einem Anstieg brat (z. B. Durafenat), Bezafibrat (z. B.
der Gesamtcholesterinkonzentration Cedur), Gemfibrozil (z. B. Gemfi),
(z. B. durch vermehrte Bildung von VLDL- Etofibrat (z. B. Lipo-Merz); ggf. in
Partikeln); der LDL-Cholesterin-Wert ist Kombination mit Omega-3-Fettsäure-
in der Regel jedoch nicht erhöht. und/oder Nikotinsäurepräparaten
(Acipimox, Inositolnicotinat)
z Zusatzuntersuchungen: Dopplersono- z Statine und Ezetimib helfen bei
graphie der Karotiden (Intima-Media- schweren Hypertriglyzeridämien
Dicke, Plaques), Ergometrie (KHK), kaum, Ionenaustauschharze können
Abdomensonographie (Fettleber) etc. sie sogar verschlechtern
664 Kapitel 77 · Adipositas und Fettstoffwechselstörungen

⊡ Tab. 77.2. Nationales Cholesterinschulungsprogramm und Behandlungsstrategien für


Erwachsene nach dem Adult Treatment Panel III

Risikokategorie LDL-Cholesterin- Therapeutische Medikamentöse


Zielwert [mg/dl] Lebensstiländerung Therapie
ab LDL-Cholesterin- erwägen ab LDL-
Wert [mg/dl] von Cholesterin-Wert
[mg/dl] von

Hoch: KHK oder KHK- <100, ≥100 ≥100


Äquivalent mit einem optional <70
10-Jahres-Risiko von
>20 %

Mittelhoch: ≥2 Risiko- <130 ≥130 ≥130


faktoren mit einem
10-Jahres-Risiko von
10–20 %

Mittel: ≥2 Risikofak- <130 ≥130 ≥160


toren mit einem 10-
Jahres-Risiko von <10 %

Niedriges Risiko: <160 ≥160 ≥190


0–1 Risikofaktor

KHK: vorangegangener Myokardinfarkt, Angina pectoris, vorangegangene PTCA oder ACVB


KHK-Äquivalent: pAVK, Bauchaortenaneurysma, Stenose der A. carotis, Diabetes mellitus Typ 2
Risikofaktoren: Rauchen, arterielle Hypertonie (≥130/85 mmHg oder antihypertensive Thera-
pie), niedriger HDL-Cholesterin-Wert (<40 mg/dl), positive Familienanamnese (KHK bei erstgra-
digen männlichen bzw. weiblichen Verwandten unter 55 bzw. 65 Jahren), Alter (Männer: >45
Jahre; Frauen: >55 Jahre)
Ein HDL-Cholesterin-Wert von ≥60 mg/dl zählt als »negativer Risikofaktor« und kann von der
Anzahl der Risikofaktoren subtrahiert werden.
Ausgewählte Literatur zu Sektion H 665

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion H

Gagliardi L, Wittert G (2007) Management of


obesity in patients with type 2 diabetes
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diabetes mellitus. Am J Med 121: S3–S8
I

I Hämatologie
und Onkologie

78 Blutbildveränderungen – 668

79 Tumorerkrankungen des hämatologischen


Systems: Hämoblastosen – 677

80 Solide Tumoren – 684

81 Chemotherapieinduzierte Übelkeit – 691

82 Onkologische Notfälle – 695

83 Tumorschmerzen – 697

84 Knochenmetastasen – 699
668 Kapitel 78 · Blutbildveränderungen

> Blutbildveränderungen
M. Weihrauch

> Blutbildveränderungen können durch z Blässe bzw. Graufärbung der Haut


eine Vielzahl von Erkrankungen oder z Eventuell positiver Schockindex
toxischen Einflüssen entstehen. Sie sind (Cave: Hinweis auf Sepsis)
durch Abweichungen von den jeweiligen
Referenzbereichen (bei Frauen und Män- Diagnostik bei »erstem Fieber«
nern unterschiedlich) gekennzeichnet. z Obligat:
5 körperliche Untersuchung
5 komplette Labordiagnostik: CRP-
78.1 Veränderungen der weißen Konzentration, ggf. Lactat- und
Reihe Procalcitoninspiegel bei Verdacht
auf Sepsis
Definition 5 Blutkulturen (aerob, anaerob) von
z Abweichungen vom Referenzbereich 2 getrennten Lokalisationen (z. B.
der Leukozytenzahlen (3800–10.500/μl) zentral und peripher)
5 Röntgenuntersuchung des Thorax
Diagnostik (2 Ebenen)
z Allein anhand des Laborbefunds kann 5 Sonographie des Abdomens
nie eine Diagnose gestellt werden, al- 5 Urinprobe, Stuhlprobe
lerdings lässt sich die weiterführende 5 danach tägliche Labordiagnostik
Diagnostik nach den in ⊡ Tab. 78.1 u. mit Bestimmung der CRP-Kon-
78.2 dargestellten Kriterien verfeinern zentration und klinische Untersu-
chungen
Fieber in Aplasie z Fakultativ (oder bei entsprechender
Klinik):
Definition 5 mikrobiologische Abstriche von
z Temperatur von >38°C bei Leukozy- auffälligen Befunden oder Wun-
tenzahl von <1000/μl oder Neutrophi- den
lenzahl von <500/μl, meist nach Che- 5 Echokardiographie
motherapie oder bei Leukämien bzw. 5 Entfernung eines ZVK (Einstich-
Erkrankungen, die das Knochenmark stelle gerötet?)
infiltrieren 5 Suche nach Aspergillusantigen
5 BAL bei Verdacht auf Pilz- oder
Klinik und Befunde Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie
z Fieber von >38°C oder Tuberkulose
z Schüttelfrost 5 Liquorpunktion bei entsprechen-
z Abgeschlagenheit der Klinik
78.1 · Veränderungen der weißen Reihe 669 78.1
⊡ Tab. 78.1. Isolierte Leukozytose (Leukozytenzahl von >10.000/μl)

Ausprägung/ Häufige/mögliche Maßnahmen


Graduierung Ursachen

Niedrig  Infekt  Anamnese


(10.000–20.000/μl)  Rauchen  Kontrollen, bei steigenden Leu-
kozytenzahlen weiterführende
Diagnostik

Mittel  Kortisontherapie  Wenn kein Steroid bzw. G-CSF


(20.000–40.000/μl) (Granulozytose) verabreicht wurde und ein Infekt aus-
 G-CSF-Therapie geschlossen werden kann: periphere
(Granulozytose) Blutausstriche, ggf. FACS-Analyse

Hoch  CLL (Lymphozytose  Periphere Blutausstriche, ggf. FACS-


(>40.000/μl) → Differenzialblut- Analyse, ggf. Knochenmarkpunktion
bild)
 CML
 G-CSF-Therapie
(Granulozytose)

⊡ Tab. 78.2. Isolierte Leukozytopenie (Leukozytenzahl von <5000/μl)

Ausprägung/ Häufige/mögliche Maßnahmen


Graduierung Ursachen

Leicht  Bei unauffälliger Anam-  Kontrollen


(3000–3800/μl) nese möglicherweise
Normvariante
(Ausschlussdiagnose)

Mittel  Verbrauch durch  Patienten auf Infektionsrisiko


(1000–3000/μl) schwere bakterielle hinweisen
Infektionen  Gegebenenfalls
 Medikamentös/toxisch Knochenmarkpunktion
(Chemotherapie)  In jedem Fall Abklärung
 Knochenmarkinfiltra-
tion durch Tumoren

Aplasie  Medikamentös/toxisch  Patienten auf Infektionsrisiko


(<1000/μl; (Chemotherapie; Agra- hinweisen
Neutrophile: nulozytose z. B. durch  Sofortige Wiedervorstellung bei
<500/μl) Metamizol, NSAR, Fieber von >38°C
Sulfonamide oder  Gegebenenfalls Infektionsprophylaxe
Thyreostatika) mit 3-mal 1 Tbl. Cotrimoxazol/Woche,
 MDS z. B. Montag – Mittwoch – Freitag
 Gegebenenfalls Einsatz von G-CSF
670 Kapitel 78 · Blutbildveränderungen

Diagnostik bei »persistierendem > Nach 72-stündigem Fieber:


Fieber« (unter Antibiotikatherapie) z Infektiologisches Konsil
nach 72 h z Erweiterte Diagnostik
z Erneut Blutkulturen z Umstellen der Antibiotikatherapie und
z CT des Thorax (nativ, hochauflösend) empirischer Beginn einer pilzspezifi-
zum Ausschluss einer Pilzpneumonie schen Therapie
z Gegebenenfalls Sonographie oder CT z Bei positiven Blutkulturen Therapie
der Leber bei Verdacht auf hepatische nach Antibiogramm
Candidiasis

Therapie 78.2 Veränderungen der


z Sofortiger Therapiebeginn Thrombozytenzahl
z Ausreichende Flüssigkeitssubstitution
z Die Antibiotikatherapie kann nach Definition
3 nichtneutropenischen und fieber- z Abweichungen vom Referenzbereich
freien Tagen oder nach 7 neutrope- der Thrombozytenzahl (140.000–
nischen fieberfreien Tagen abgesetzt 420.000/μl)
werden
Diagnostik
Antibiotikatherapie z Allein anhand des Laborbefunds
z Erwartete kurze Aplasie: kann nie eine Diagnose gestellt
5 Chinolon p. o. in Kombination werden, allerdings lässt sich die wei-
mit Amoxicillin/Clavulansäure terführende Diagnostik nach den in
(Empfehlung der Paul-Ehrlich- ⊡ Tab. 78.3 u. 78.4 dargestellten Krite-
Gesellschaft) oder Chinolonmo- rien verfeinern
notherapie (Levofloxacin, 500 mg/
Tag) > Nur in 2 % der Fälle mit reaktiver
5 bei Risikofaktoren (schlechter All- Thrombozytose liegen die Thrombo-
gemeinzustand, Begleiterkrankun- zytenzahlen bei >1.000.000/μl. Dies
gen, hohes Alter, Sepsis, Schock, spricht eher für das Vorliegen einer
Compliance-Probleme): stationäre myeloproliferativen Erkrankung.
Therapie Sollte eine deutliche Thrombozy-
z längere Aplasie (z. B. Leukämie- tose dauerhaft bestehen bzw. eine
therapie): symptomatische Thrombozytose mit
5 Kombinationstherapie: Cephalo- rheologischen Problemen (z. B. Apo-
sporin der Gruppe 3 oder 4 plus plexie) vorliegen, ist dringend eine
Aminoglykosid (z. B. Ceftriaxon, hämatologische Abklärung indiziert
2 g/Tag, plus Gentamicin, 5 mg/ (Knochenmarkpunktion, ggf. mit
kg KG/Tag; Cave: Kreatininspiegel) Zytogenetik).
oder Acylaminopenicillin plus
Aminoglykosid Therapie
5 Monotherapie: Piperacillin/Ta- z Eine Thrombozytose im Rahmen
zobactam, Ceftazidim, Cefepim, eines Infekts ist in der Regel harmlos
Imipenem/Cilastatin oder Mero- und führt meist nicht zu rheologi-
penem schen Problemen
78.2 · Veränderungen der Thrombozytenzahl 671 78.2
⊡ Tab. 78.3. Isolierte Thrombozytose (Thrombozytenzahl von >400.000/μl)

Häufige/mögliche Ursachen Maßnahmen

 Infekt  Anamnese
 Medikamentös  Bei deutlich erhöhter Thrombozytenzahl
(>600.000/μl) Absetzen des Medikaments

 Essenzielle Thrombozythämie  Weitere Abklärung


 Andere chronisch myeloproliferative  ASS (100 mg/Tag) als Prophylaxe
Erkrankungen  Therapie der essenziellen Thrombozythämie:
Hydroxyurea oder Anagrelide

⊡ Tab. 78.4. Isolierte Thrombozytopenie (Thrombozytenzahl von <140.000/μl)

Ausprägung Häufige/mögliche Maßnahmen


Ursachen

Leicht  Pseudothrombozytopenie  Zitratblutbild (Ausschluss


(100.000–140.000) (durch EDTA → Aggregation einer Pseudothrombozy-
von Thrombozyten) topenie)
 Bei leerer Anamnese mögli-  Kontrollen
cherweise Normvariante
 Medikamentös/toxisch
 Infektiös
 Hypersplenismus

Mittel  Pseudothrombozytopenie  Zitratblutbild (Ausschluss


(50.000–100.000) (durch EDTA) einer Pseudothrombozy-
 HIT ( Kap. 21) topenie)
 Verbrauch durch schwere  Weitere hämatologische
bakterielle Infektion Abklärung
 Medikamentös/toxisch
(Chemotherapie)
 Knochenmarkinfiltration
durch Tumor
 Autoimmunthrombozyto-
penie
 Hypersplenismus

Stark (<50.000)  Wie oben  Sofortige Abklärung


 Autoimmunthrombozyto- (Blutungsgefahr)
penie
 TTP (meist in Kombination
mit Hämoglobinspiegelab-
fall) bei Hämolyse
672 Kapitel 78 · Blutbildveränderungen

z Bei Vorliegen einer essenziellen vital gefährdenden Blutungen,


Thrombozythämie sollte eine throm- da die Erkrankung ansonsten noch
bozytenzahlsenkende Therapie aggraviert werden kann
zusammen mit einer Thrombozyten- z Knochenmarkpunktion zum Aus-
aggregationshemmung (ASS, 100 mg/ schluss anderer Ursachen
Tag) eingesetzt werden; als Therapie z Beginn einer Kortisontherapie
kommt heute entweder Hydroxyurea (Dexamethason – Fortecortin;
oder Anagrelide zum Einsatz (bezüg- 40 mg/Tag)
lich der Kombination von Anagrelide z Bei Versagen der Kortisontherapie:
mit ASS in einer Dosierung von Immunglobuline (30 g/Tag i. v.)
100 mg/Tag gab es Hinweise auf Blu- z Bei Versagen der Immunglo-
tungskomplikationen) bulintherapie: evtl. Rituximab
z Abklärung und Behandlung einer (Anti-CD20-Antikörper; für diese
essenziellen Thrombozythämie oder Indikation nicht zugelassen, kann
einer myeloproliferativen Erkrankung allerdings in einer Vielzahl der Fälle
sollten durch einen Hämatologen er- eine Splenektomie vermeiden)
folgen z Therapierefraktäre Fälle: Splenekto-
z Allgemeine Maßnahmen: mie
5 Thrombozytenzahlen von <10.000/
μl: Substitution von Thrombozyten ! Vor einer Splenektomie muss eine
(am besten durch Thrombozyten- Pneumokokkenimpfung durchgeführt
aphereseprodukte, d. h. von einem werden, um ein späteres »Overwhel-
Spender → nur ein HLA-Muster); ming-post-splenectomy-infection« OPSI-
Ausnahme: Autoimmunthrombo- Syndrom zu vermeiden.
zytopenie
5 Thrombozytenzahlen von >10.000/ Thrombotisch-thrombozytopenische
μl: Substitution bei Blutungszei- Purpura (TTP, Moschcowitz-Syndrom)
chen (Petechien, Nasenbluten etc.)
Definition
Autoimmunthrombozytopenie z Seltene Erkrankung, die durch
eine Inhibition/einen Mangel des
Definition Enzyms ADAMTS13 entsteht,
z Häufigste Ursache einer echten welches große Multimere des
Thrombozytopenie (in der chroni- vWF spaltet → Hämolyse und
schen Form auch Morbus Werlhof Mikrothromben, oft mit neurologi-
genannt) schen Symptomen

Ätiologie Klinik und Diagnostik


z Autoantikörper, welche an den z Gegebenenfalls neurologische
Thrombozyten haften und zu einem Störungen
verfrühten Abbau in der Milz führen z Labordiagnostik: Hämolyse, Throm-
bozytopenie, erhöhte Konzentration
Diagnostik und Therapie an Fragmentozyten (gerissene Ery-
z Autoimmunthrombozytopenie: throzyten), erniedrigter Spiegel der
Thrombozytensubstitution nur bei »vWF-cleaving enzymes«
78.3 · Veränderungen der roten Zellreihe: Anämien 673 78.3
Therapie 5 Blutausstriche, Malariaschnelltest
> Die TTP kann durch Mikrothrombosen, bei Verdacht auf Malaria (Tropen-
Gerinnungsstörungen, Infarkte und Anä- aufenthalt, intermittierendes Fieber)
mie unbehandelt rasch zum Tod führen.

Einteilung der Anämien nach Erythro-


z Die TTP ist ein Notfall → Überwei- zytenvolumen (MCV) und mittlerem
sung in ein hämatologisches Spezial-
Farbstoffgehalt der Erythrozyten (MCH)
zentrum
z Plasmapherese und Gabe von FFPs z Hypochrom, mikrozytär (MCV: <80 fl;
MCH: <28 pg)
z Medikamentöse Therapie: Steroide,
Vincristin, ggf. Rituximab (»off-label 5 Ferritinspiegel erhöht: Thalassämie
use«, aber häufig effektiv) 5 Ferritinspiegel erniedrigt: Eisenman-
gelanämie
z Normochrom, normozytär:
78.3 Veränderungen der roten 5 Retikulozytenzahl erhöht: hämolyti-
Zellreihe: Anämien sche Anämie, Hämoglobinopathien,
Blutungsanämie

Definition 5 Retikulozytenzahl erniedrigt: renale


Anämie, aplastische Anämie
z Frauen: Hb-Wert von <12 g/dl z Hyperchrom, makrozytär (MCV: >100 fl;
z Männer: Hb-Wert von <13 g/dl MCH: >32 pg): megaloblastäre Anämie
(Vitamin-B12-/Folsäuremangel), MDS
Klinik
z Blässe (Konjunktiven)
z Müdigkeit, Leistungsminderung Therapie
z Dyspnoe Allgemeine Maßnahmen
z Ohrensausen, Schwindel, Kopf- z Akutstadium: Transfusion bei klini-
schmerzen schen Symptomen
z Hb-Wert von <8 g/dl: ≥2 Erythrozy-
Diagnostik tenkonzentrate (1 Erythrozytenkon-
z Zur Beurteilung einer Anämie sind zentrat hebt den Hb-Wert um etwa
folgende Laborparameter von Bedeu- 1 g/dl und den Hkt um ungefähr 3 %)
tung: z Patienten mit kardiovaskulären Er-
5 Hb-Wert krankungen (KHK, vorangegangene
5 Retikulozytenzahl Apoplexie): Ziel-Hb-Wert von ≥10 g/dl
5 MCV/MCH z Patienten in Aplasie: bestrahlte und
5 Hämolyseparameter: LDH-Aktivi- ggf. Anti-CMV-negative Erythrozy-
tät, Konzentrationen von Hapto- tenkonzentrat
globin und indirektem Bilirubin
5 Eisen- und Ferritinspiegel
z Weiterhin können bei unklarer Anä- Regeln zur Transfusion
mie bestimmt/durchgeführt werden: z Identität des Patienten und des Erythro-
5 Konzentrationen von Vitamin B12 zytenkonzentrats (Nummer) genau über-
und Folsäure prüfen
5 Hämoglobinelektrophorese (Ab- z Bedside-Test für den Patienten durchfüh-
klärung von Thalassämien) ren (für die Richtigkeit der Blutgruppe des
674 Kapitel 78 · Blutbildveränderungen

Erythrozytenkonzentrats ist in der Regel 1000 μg/Woche, anschließend


der Transfusionsmediziner zuständig → 1000 μg alle 1–3 Monate)
krankenhausinterne Regelung erfragen) 5 gleichzeitige Eisen- und Folsäure-
z Ein Erythrozytenkonzentrat nach dem substitution
anderen verabreichen (außer im Notfall) 5 bei Folsäuremangel: 15 mg Fol-
z Bei Autoimmunhämolyse ggf. biologische säure/Tag p. o. (bei schweren Diar-
Vorprobe nach Oehlecker (10–30 ml eines rhöen: 5 mg/Tag i. v.)
Erythrozytenkonzentrats verabreichen,
danach Pause, um eventuelle Reaktionen Hämolytische Anämien
abzuwarten) z Definition: Verkürzung der Erythro-
zytenüberlebenszeit durch verschie-
dene Ursachen
Spezielle Maßnahmen bei einzelnen z Unterscheidung: hereditäre und er-
Anämieformen worbene hämolytische Anämien
Eisenmangelanämie 5 hereditär: Thalassämien, Sphäro-
z Eine Eisenmangelanämie besteht zytose, Sichelzellenanämie, Glu-
nicht »per se« und muss weiter abge- kose-6-Phosphat-Dehydrogenase-
klärt werden Mangel
z Ursachen: bei Frauen starke Mens- 5 erworben: immunhämolytische
truationsblutungen und Schwanger- Anämien, medikamentös-toxisch,
schaft; weitere Gründe: chronische Lebererkrankungen, Fehltransfu-
Blutungen (v. a. gastrointestinal), sion, mechanisch durch Herzklap-
ungenügende Eisenzufuhr bei Man- penersatz oder Herzklappenfehler
gelernährung, verminderte Eisenre- (z. B. VSD), TTP, paroxysmale
sorption (Malabsorptionssyndrom) nächtliche Hämoglobinurie
z Unklare Eisenmangelanämie (v. a. z Diagnostik: verminderte Haptoglo-
im höheren Alter) → Blutungsquelle binkonzentration (sehr sensitiv),
suchen (Gastroskopie, Koloskopie, gesteigerte LDH-Aktivität, Konzentra-
gynäkologische Abklärung) tionsanstieg des indirekten Bilirubins,
z Therapie: orale Eisen-II-Therapie erhöhter Serumeisenspiegel, erhöhte
mit 100–200 mg Eisenpräparat/Tag Retikulozytenzahl (evtl. Bestimmung
(Einnahme nüchtern mit Wasser bis des freien Hb im Serum bei intravasa-
2–3 Monate über Normalisierung des len Hämolysen, evtl. Hämoglobinurie)
Ferritinwerts hinaus)
Thalassämien
Megaloblastäre/perniziöse Anämie z Meist β-Thalassämie (Menschen aus
z Ursachen: Vitamin-B12-Mangel durch dem Mittelmeerraum)
vegetarische Diät, unzureichende Pro- z Unterscheidung: klinisch meist inap-
duktion von »intrinsic factor« nach parente Minorform (heterozygot) und
Gastrektomie oder bei atrophischer Majorform (homozygot)
Gastritis bzw. Malabsorptionssyndro- z Diagnostik: Hb-Elektrophorese
men (kompensatorische Vermehrung von
z Therapie: γ- oder δ-Ketten)
5 tägliche Gabe von 1000 μg Vita- z Minorform: keine kausale Therapie,
min B12 i. m. über 7 Tage (dann wobei die Verläufe gutartig und die
78.4 · Kombinierte Blutbildveränderungen 675 78.4
Patienten nur selten in ihrem All- Wärmeantikörper (inkomplette
gemeinbefinden beeinträchtigt sind IgG); in diesem Fall sollte eine
(evtl. Müdigkeit durch leicht vermin- sekundäre AIHA ausgeschlossen
derte Hb-Konzentration) werden (Medikamentenanamnese,
z Majorform (Diagnosestellung oft Diagnostik hinsichtlich systemi-
kurz nach Geburt): schwere Anämie schem Lupus erythematodes und
(Cooley-Anämie) mit Gedeihstörun- Lymphomen)
gen und Skelettveränderungen; ein- 5 BSG-Beschleunigung bei Raum-
zige kausale Therapie ist die allogene temperatur oder erschwerte
Stammzelltransplantation Blutabnahme → AIHA durch
Kälteantikörper; die sichere Di-
Sichelzellenanämie agnose wird durch Bestimmung
z Häufigste Hämoglobinopathie, v. a. des Kälteagglutinin-Titers gestellt
bei Patienten aus Afrika (auch hier sollte eine Abklärung
z Klinik: hämolytische Krisen mit aus- hinsichtlich Lymphomen erfolgen)
geprägten Schmerzzuständen (häufig z Therapie:
abdominell) durch Mikrookklusion 5 Differenzierung zwischen Kälte-
der Gefäße durch Sichelzellen mit und Wärmeagglutininen (keine
Organinfarkten (Nieren, Milz, Leber, Wirksamkeit von Steroiden bei
Lunge, Knochen) IgG-AIHA)
z Diagnostik: luftdicht abgeschlossener 5 Behandlung der Grunderkrankung
Blutausstrich → Ausbildung der Si- (z. B. Lymphome)
chelzellen; Hb-Elektrophorese 5 Steroide (z. B. initial 100 mg Pred-
z Symptomatische Therapie: Hydrie- nison/Tag → langsam ausschlei-
rung, Sauerstoff, Analgetika (Opiate), chen, wenn Grunderkrankung
Transfusion, ggf. Austauschtrans- behandelt wird)
fusion über Aphereseverfahren; bei 5 Immunglobuline
häufigen Krisen kann Hydroxyurea 5 Rituximab (»off-label use« → zu-
(Litalir; 10–15 mg/kgKG/Tag) erfolg- vor Kostenabklärung mit Kranken-
reich eingesetzt werden kasse; etwa 2000 Euro/Infusion)
5 Immunsuppression mit z. B. Cy-
Autoimmunhämolytische Anämien clophosphamid
(AIHA) 5 ggf. Splenektomie
z Definition: durch Autoantikörper
hervorgerufene Hämolyse, welche
meistens (v. a. bei IgG-Antikörpern 78.4 Kombinierte
vom Wärmetyp) durch ein Grund- Blutbildveränderungen
leiden hervorgerufen wird; die AIHA
durch Kälteantikörper ist durch IgM- z Häufig stellen sich Patienten vor, die
Antikörper bedingt Blutbildveränderungen aufweisen, wel-
z Diagnostik: che mehr als eine Zellreihe betreffen
5 direkter/indirekter Coombs-Test, z ⊡ Tabelle 78.5 ersetzt in keinem Fall
Hämolysediagnostik, Elektro- eine eingehende Diagnostik, kann
phorese; positiver direkter jedoch Hinweise auf die vorliegende
Coombs-Test → AIHA durch Erkrankung geben
676 Kapitel 78 · Blutbildveränderungen

⊡ Tab. 78.5. Kombinierte Blutbildveränderungen

Blutbildveränderungen Mögliche Ursachen Maßnahmen


(keine Diagnosen)

 Leukozytenzahl:  Akute Leukämie (AML, Akute Leukämien: Patienten


↓ oder ↑ seltener ALL) sofort im Spezialzentrum vor-
 Hb-Wert: ↓ (<10 g/dl)  MDS stellen; eine neu diagnostizierte/
 Thrombozytenzahl:  Bei erniedrigten Leuko- vermutete akute Leukämie ist
↓ (<50.000/μl) zytenzahlen: aplastische immer ein Notfall
Anämie oder toxischer
Knochenmarkschaden

 Leukozytenzahl: im  TTP (selten; eher junge Eine TTP ist immer ein akut
Normbereich Frauen betroffen, evtl. lebensbedrohlicher Zustand und
 Hb-Wert: ↓ (<10 g/dl) mit neurologischen muss sofort in einem Spezial-
 Thrombozytenzahl: Störungen) zentrum behandelt werden
↓ (<50.000/μl)  Akute Leukämie/MDS
(auch in dieser Konstel-
lation möglich)

 Leukozytenzahl:  CML oder andere chro- Außer bei einer Leukozytose


↑ (>20.000/μl) nische myeloprolifera- von >100.000/μl stellt eine
 Hb-Wert: im Norm- tive Erkrankung chronische myeloproliferative
bereich Erkrankung keine akut lebensbe-
 Thrombozytenzahl: drohliche Erkrankung dar (Cave:
↑ (>500.000/μl) Verlauf der Lymphozytenzahlen),
sollte aber trotzdem zügig abge-
klärt werden

 Leukozytenzahl: im  Polycythaemia vera Die Polycythaemia vera rubra


Normbereich rubra zählt zu den chronischen mye-
 Hb-Wert: ↑ (>16 g/dl) loproliferativen Erkrankungen;
 Thrombozytenzahl: im Therapie: Aderlässe oder ggf.
Normbereich oder ↑ Hydroxyurea (Ziel-Hkt: <45 %)
Kapitel 79 · Tumorerkrankungen 677 79

> Tumorerkrankungen des


hämatologischen Systems:
Hämoblastosen
M. Weihrauch

Allgemeines (z. B. Imatinib, allogene Stammzell-


z ⊡ Tab. 79.1 transplantation) mit Heilungen und
z Ähnlich wie in viszeralen Organen teils jahrzehntelangen Verläufen an
können Neoplasien auch durch Ent- Bedrohlichkeit verloren.
artung von Zellen des lymphatischen
Systems (Lymphome) bzw. des häma- Diagnostik und Therapie
topoetischen Systems (Leukämien) z ⊡ Tab. 79.2
entstehen z Erstdiagnostik und Therapie: 100%ig
z Im Gegensatz zu den soliden Tu- akkurate Durchführung → Diagnos-
moren gelten Hämoblastosen als tik/Behandlung in Spezialzentren
Systemerkrankungen, also prinzipiell
als das gesamte lymphatische/häma- > Die Therapie von Lymphomen/Leu-
topoetische System betreffend → man kämien gehört immer in die Hand eines
spricht nicht von »Metastasen«, son- erfahrenen Hämatoonkologen. Jedes
dern von »Lymphomen« Rezidiv oder jede insuffizient behandelte
z Die meisten Hämoblastosen sind heil- Erkrankung bedeutet generell eine
bar, wenn auch in sehr unterschiedli- schlechtere Ausgangssituation (und Pro-
chem Maße gnose) für den Patienten.

> Generell sollten Tumorerkran- z Außer bei Notfällen (akute Leukä-


kungen im Rahmen von Studien be- mie, vital gefährdende Symptome
handelt werden, um die Heilungsrate wie obere Einflussstauung, Hyper-
durch neue Erkenntnisse immer weiter kalzämie) sollte vor der Therapie ein
zu erhöhen. So starben noch in den überlegtes und komplettes Staging
1950er Jahren die meisten Patienten durchgeführt werden – nach der
mit Hodgkin-Lymphom, heute liegt ersten Gabe von Kortison oder
die Heilungschance bei deutlich über Zytostatika kann die Diagnose
80 %. Ebenso waren akute Leukämien verschleiert werden → es gilt, das
und die Non-Hodgkin-Lymphome Staging zügig, aber nicht überstürzt
unheilbar. Heutzutage haben auch durchzuführen (alle Untersuchun-
chronische Hämoblastosen wie CLL gen innerhalb von etwa 1 Woche,
und CML durch innovative Therapien danach Therapiestart)
678 Kapitel 79 · Tumorerkrankungen des hämatologischen Systems: Hämoblastosen

⊡ Tab. 79.1. Überblick häufiger Hämoblastosen

Hämoblastose Therapie Prognose

Hodgkin-Lymphom Immer Chemotherapie, Kurationschance von >90 % in


evtl. in Kombination mit frühen Stadien ohne Risikofak-
Radiatio toren und von >80 % in fortge-
schrittenen Stadien; auch im
Rezidiv sind noch Kurationen
durch Hochdosischemothera-
pie möglich

NHL

Follikuläres NHL Radiatio bei limitiertem Vom Verlauf abhängig; Grad-1-


(niedrigmaligne: Stadium; »watch and wait« Lymphome können jahrelang
Grad 1 oder 2) im Stadium III/IV; Therapie in Remission bleiben; evtl.
nur bei Symptomen oder Kuration (niedriger Prozent-
Progress/Organinfiltration satz) möglich
mit Rituximab mit oder
ohne Chemotherapie/
Radiatio

Diffus großzelliges Rituximab + Chemothera- Abhängig vom prognostischen


B-Zell-NHL (hoch- pie mit oder ohne Radiatio Index; ohne Risikofaktoren und
maligne) bei jungen Patienten hohe Ku-
rationschance (v. a. durch den
Antikörper Rituximab konnten
die Ergebnisse deutlich verbes-
sert werden)

Multiples Myelom Hochdosischemotherapie, Keine Heilung möglich; Pro-


bei weiteren Rezidiven gnose konnte durch Hochdo-
Bortezomib, Revlimid; sischemotherapie verbessert
Chemotherapien sowie werden (mittleres Überleben:
evtl. Radiatio bei lokalen etwa 4–6 Jahre)
Beschwerden

CLL »Watch and wait«; The- Zählt zu den niedrigmalignen


rapie im Stadium Binet C NHL und kann – abhängig
(s. unten, ⊡ Tab. 79.5) von Risikofaktoren – u. U.
oder bei Symptomen: für viele Jahre in Remission
Rituximab, Chemothera- bleiben; Heilung nur durch
pie, Alemtuzumab, evtl. allogene Stammzelltransplan-
allogene Stammzelltrans- tation möglich, allerdings erst
plantation nach mehrfachen Rezidiven
sinnvoll


Kapitel 79 · Tumorerkrankungen 679 79
⊡ Tab. 79.1. Fortsetzung

Hämoblastose Therapie Prognose

Leukämien

AML Behandlung in Leukämie- Außer bei der AML M3 (Kuration


zentrum; intensive Che- in >80 % der Fälle) ist die Hei-
motherapie, evtl. allogene lungschance insgesamt relativ
Stammzelltransplantation, schlecht (etwa 40 % bei Patienten
wenn Geschwisterspender unter 60 Jahren, <40 % bei Pati-
vorhanden ist und das Alter enten über 60 Jahren, ungefähr
bei <50 Jahren liegt 10 % bei Patienten über >70 Jah-
ren); gewisse Mutationen spre-
chen für eine bessere Prognose
(NPM1+, inv16, t18;21)

ALL Behandlung in Leukämiezen- Prognose der Erwachsenen-ALL


trum; intensive Chemothera- deutlich schlechter als bei Kinder-
pie über 1 Jahr, evtl. bei Risi- ALL (nur zu etwa 40 % Kurati-
kokonstellation mit allogener onen); sehr ungünstig: Philadel-
Stammzelltransplantation phia-Chromosom (10 %; Kuration
durch alleinige Chemotherapie
nicht möglich); ungünstig: hohe
Leukozytenzahlen (>30.000/μl),
Vorläufer-ALL, späte Remission

CML Behandlung initial durch Imatinib brachte den Durchbruch


Zellzahlsenkung mittels Hy- in der Therapie: ohne Therapie
droxyurea, danach Therapie betrug die durchschnittliche
mit dem Tyrosinkinaseinhibi- Lebenserwartung 3–5 Jahre, mit
tor Imatinib; neue Präparate: Imatinib befinden sich 93 % der
Dasatinib, Nilotinib Patienten nach 5 Jahren noch
in der chronischen Phase, 83%
zeigen sogar ein komplettes zy-
togenetisches Ansprechen → die
allogene Stammzelltransplantati-
on (Heilung) ist nur bei Therapie-
versagen vorgesehen

MDS Bei RA/RARS »watch and Mittlere Überlebenszeiten:


wait«, bei sekundärer Leukä-  RA: 37 Monate
mie evtl. Leukämietherapie;  RARS: 49 Monate
Patienten mit 5q-Syndrom  RAEB: 9 Monate
können von Revlimid pro-  Chronische myelomonozytäre
fitieren Leukämie: 22 Monate
Die allogene Stammzelltrans-
plantation kann bei jüngeren
Patienten zur Heilung führen

RA refraktäre Anämie; RAEB »refractory anemia with excess of blasts« (refraktäre Anämie mit
Blastenüberschuss); RARS refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
680 Kapitel 79 · Tumorerkrankungen des hämatologischen Systems: Hämoblastosen

⊡ Tab. 79.2. Therapieschemata zu den häufigsten Hämoblastosen

Hämoblastose Erstlinientherapie Rezidivtherapie


Hodgkin- Je nach Stadium: Hochdosischemotherapie mit
Lymphom  Früh: 2-mal ABVD + Radiotherapie autologer Stammzelltransplan-
 Intermediär: 2-mal BEACOPP eska- tation, wenn möglich
liert + 2-mal ABVD + Radiatio
 Fortgeschritten: 8-mal BEACOPP
eskaliert
NHL
Follikuläres »Watch and wait« (außer Stadien I Gegebenenfalls Hochdosische-
NHL (niedrig- und II), 6-mal R-CHOP + Rituximaber- motherapie oder z. B. Benda-
maligne: haltung, Hochdosischemotherapie mustin + Rituximab
Grad 1 oder 2) in Studien
Diffus großzel- 6-mal R-CHOP, bei Hochrisikopati- Hochdosischemotherapie +
liges B-Zell-NHL enten ggf. Hochdosischemotherapie autologe Stammzelltransplan-
(hochmaligne) in Studien tation
Multiples Je nach Alter und Allgemeinzustand Verschiedene Möglichkeiten,
Myelom Induktion, gefolgt von Hochdosische- z. B. Melphalan, Thalidomid,
motherapie und autologer Stamm- Bortezomib, Lenalidomid,
zelltransplantation Dexamethason
CLL »Watch and wait«; Therapie im Stadi- Verschiedene Schemata mög-
um Binet C (s. unten, ⊡ Tab. 79.5) oder lich: Bendamustin + Rituximab,
bei Symptomen: FC-R, bei älteren FC-Campath, Campathmono-
Patienten z. B. Chlorambucil therapie, ggf. allogene Stamm-
zelltransplantatinon
Leukämien
AML Stationäre, hochdosierte, cytarabin- Allogene Stammzelltransplan-
haltige Chemotherapie; bei Risikopa- tation oder palliatives Vor-
tienten allogene Stammzelltransplan- gehen (z. B. niedrigdosiertes
tation erwägen Cytarabin)
ALL Stationäre, hochdosierte Chemothe- Allogene Stammzelltransplan-
rapie über etwa 1 Jahr; bei Risikopati- tation oder palliatives Vor-
enten allogene Stammzelltransplan- gehen (z. B. niedrigdosiertes
tation erwägen Cytarabin)
CML Imatinib (Glivec) Dasatinib, Nilotinib, ggf. allo-
gene Stammzelltransplantati-
on als kuratives Verfahren
MDS Bei RA/RARS »watch and wait«, bei Gegebenenfalls allogene
sekundärer Leukämie evtl. Leukämie- Stammzelltransplantation
therapie; Patienten mit 5q-Syndrom
können von Revlimid profitieren

ABVD Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbacin; BEACOPP Bleomycin, Etoposid, Adriamy-


cin, Cyclophosphamid, Oncovin/Vincristin, Procarbacin, Prednison; CHOP Cyclophosphamid,
Hydroxydaunomycin, Oncovin, Prednison; FC Fludarabin, Cyclophosphamid; R Rituximab; RA
refraktäre Anämie; RARS refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
Kapitel 79 · Tumorerkrankungen 681 79
z Jede Histologie sollte von einem Re- reichen fast nie zur sicheren Diagno-
ferenzpathologen bestätigt werden, da sestellung aus, ggf. Mediastinoskopie
es insbesondere bei Lymphomen nicht bei alleinigem mediastinalem Befall
selten zu Fehldiagnosen kommen z Referenzhistologie
kann; dies wird in der Regel nur im z Anamnese: B-Symptome (Fieber von
Rahmen von Studien durchgeführt, >38°C, Nachtschweiß mit Wechsel
sollte aber aufgrund der häufigen von Kleidung, Gewichtsabnahme von
Komplexität der Erkrankung und der >10 % innerhalb von 6 Monaten), Be-
Therapierelevanz in die Regelversor- ginn der Erkrankung, Symptome
gung aufgenommen werden z Körperliche Untersuchung: komplett,
z Lymphome sind durch alleinige Chi- einschließlich Lymphknotenstatus
rurgie nicht heilbar; auch die alleinige (zervikal, axillär, inguinal), Größe und
Strahlentherapie ist heute – außer zur Gewicht → obere Einflussstauung/
Symptomkontrolle und bei niedrig- Ödeme?
malignen NHL in limitierten Stadien z Labordiagnostik: immer mit LDH-
– nicht mehr indiziert Aktivität und BSG (Risikofaktoren)
z Der Patient sollte über die Ernsthaf- z Virologie: Hepatitis B/C (therapierele-
tigkeit der Erkrankung aufgeklärt vant), HIV-Infektion (Lymphome sind
werden (auch Lymphome sind aidsdefinierende Erkrankungen)
»Krebs«), jedoch sollte man bei der z Bildgebung: CT von Hals, Thorax
Nennung von Prozentzahlen oder und Abdomen, zusätzlich Röntgen-
mittleren Überlebensdauern vor- untersuchung des Thorax bei Morbus
sichtig sein, da sie keine individuelle Hodgkin (Definition eines großen
Vorhersage ermöglichen und den Mediastinaltumors nur über Röntgen-
Patienten verunsichern diagnostik möglich)
z Die Applikation von Zytostatika ist z Knochenmarkpunktion: obligat
nicht trivial und sollte nur von er- z Vor Chemotherapie: Echokardiogra-
fahrenen Pflegekräften oder Ärzten phie, EKG, Lungenfunktionstestung
durchgeführt und überwacht werden;
ebenso müssen die Ärzte erfahren Akute Leukämien
im Umgang mit Komplikationen sein z Kein Staging, sondern sofortige Über-
(z. B. Fieber in Aplasie) weisung in ein hämatologisches Spezi-
alzentrum
Staging
z Das Staging kann (bis auf wenige CLL
Ausnahmen) beim Erstbehandler z Periphere Blutausstriche
durchgeführt werden – so geht keine z Immunphänotypisierung (EDTA-
Zeit durch evtl. verzögerte Termine Blut) mittels Durchflusszytometrie
verloren, und eine suffiziente Diag- z Lymphozytenverdopplungszeit (prog-
nose kann rasch gestellt werden nostisch relevant)
z Anamnese: B-Symptomatik
Lymphome z Körperliche Untersuchung: komplett,
z Ausreichende Biopsie (z. B. komplet- einschließlich Lymphknotenstatus
ter Lymphknoten → HNO-ärztliche (zervikal, axillär, inguinal), Milz, Le-
Operation); CT-gesteuerte Punktionen ber, Größe und Gewicht → Ödeme?
682 Kapitel 79 · Tumorerkrankungen des hämatologischen Systems: Hämoblastosen

z Labordiagnostik: BSG, Tyrosinkinase- z Bildgebung: Röntgenuntersuchung des


und LDH-Aktivität Thorax, Sonographie des Abdomens
z Virologie: Hepatitis B/C, HIV-Infek- z Vor Chemotherapie: Echokardiogra-
tion (therapierelevant) phie, EKG, Lungenfunktionstestung
z Bildgebung: Röntgenuntersuchung des
Thorax, Sonographie des Abdomens, Multiples Myelom
CT bei speziellen Fragestellungen z Knochenmarkpunktion mit Ausstri-
z Vor Chemotherapie: Echokardiogra- chen und Stanze
phie, EKG, Lungenfunktionstestung z Periphere Blutausstriche
z Anamnese: B-Symptomatik
CML z Körperliche Untersuchung einschließ-
z Knochenmarkpunktion mit Ausstri- lich Größe und Gewicht
chen und Stanze z Labordiagnostik: IgG-, IgA- und IgM-
z Periphere Blutausstriche Konzentration, Elektrophorese, Im-
z Zytogenetik munfixation, Nachweis von Leichtket-
z Immunphänotypisierung (EDTA- ten (aus Serum und 24-h-Sammelurin)
Blut) mittels Durchflusszytometrie z Virologie: Hepatitis B/C, HIV-Infek-
z Anamnese tion (therapierelevant)
z Körperliche Untersuchung: komplett, z Bildgebung: Plasmozytomröntgenpro-
einschließlich Lymphknotenstatus gramm (Aufnahme jedes einzelnen
(zervikal, axillär, inguinal), Milz, Le- Knochens) oder Ganzkörper-MRT,
ber, Größe und Gewicht → Ödeme? Röntgenuntersuchung des Thorax,
z Labordiagnostik: LDH-Aktivität, BSG, Sonographie des Abdomens
Normoblasten-, Eosinophilen- und z Vor Chemotherapie: Echokardiogra-
Basophilenanzahl (wichtig zur Berech- phie, EKG, Lungenfunktionstestung
nung des prognostischen Scores)
z Virologie: Hepatitis B/C, HIV-Infek- Klassifikationen und Einteilungen
tion (therapierelevant) ⊡ Tabellen 79.3–79.5

⊡ Tab. 79.3. Ann-Arbor-Klassifikation für Lymphome

Stadium Kriterien
I Befall einer einzigen Lymphknotenregion oder eines einzigen extranodalen
Herdes
II Befall von ≥2 Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells
III Befall von ≥2 Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells
(III-1: oberhalb des Truncus coeliacus; III-2: unterhalb des Truncus coeliacus)
IV Disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit/
ohne Befall von Lymphknoten (z. B. Knochenmarkbefall: immer Stadium IV)

Lymphatische Organe: Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyer-Rachenring, Appendix


A: ohne Allgemeinerscheinungen
B: mit B-Symptomatik (Fieber unklarer Ursache mit einer Temperatur von >38°C, Nachtschweiß
mit Wechsel von Kleidung, Gewichtsverlust von >10 % innerhalb von 6 Monaten)
Kapitel 79 · Tumorerkrankungen 683 79
⊡ Tab. 79.4. Stadieneinteilung des multiplen Myeloms nach Salmon und Durie

Stadium Kriterien

I Alles muss zutreffen:


 Hb-Wert: >10 g/dl
 Normaler Serumkalziumspiegel
 Keine oder max. 1 Osteolyse
 IgG-Spiegel von <50 g/l oder IgA-Spiegel von <30 g/l
 Bence-Jones-Proteine im Urin (<4 g/24 h)

II Weder I noch III

III ≥1 Kriterium muss zutreffen:


 Hb-Wert: <8,5 g/dl
 Serumkalziumspiegel: >3 mmol/l
 Ausgeprägte Knochendestruktion
 IgG-Spiegel von >70 g/l oder IgA-Spiegel von >50 g/l
 Bence-Jones-Proteine im Urin (>12 g/24 h)

A: ohne eingeschränkte Nierenfunktion


B: Serumkreatininkonzentration von >2 mg/dl

⊡ Tab. 79.5. Stadieneinteilung der CLL nach Binet

Stadium Kriterien

Binet A  <3 Lymphknotenregionen befallen


 Hb-Wert: >10 g/dl
 Thrombozytenzahl: >100.000/μl

Binet B  ≥3 Lymphknotenregionen befallen


 Hb-Wert: >10 g/dl
 Thrombozytenzahl: >100.000/μl

Binet C  Von Lymphknotenregionenen unabhängig


 Hb-Wert: <10 g/dl
 Thrombozytenzahl: <100.000/μl
684 Kapitel 80 · Solide Tumoren

> Solide Tumoren


M. Weihrauch

> Solide Tumoren entstehen aus nicht- (Bronchial-, Prostata-, Kolonkarzinom)


hämatologischen Organen. Sie stellen die sind durch Prävention und Vorsorgeunter-
»klassischen« Krebserkrankungen dar, suchungen entweder fast vollständig zu
welche hinsichtlich der Inzidenz viel be- vermeiden oder frühzeitig zu erkennen.
deutender sind als die Hämoblastosen.
z Bronchialkarzinom:
Allgemeines 5 nicht rauchen – 90 % der Bronchi-
z Im Gegensatz zu den Hämoblastosen alkarzinome sind durch Zigaret-
müssen solide Tumoren im lokalisier- tenrauchen bedingt
ten Stadium erkannt werden, um eine 5 eine effektive Vorsorgeuntersu-
Heilung zu ermöglichen (Ausnahmen: chung existiert (noch) nicht
Keimzelltumoren wie das Hodenkar- z Kolorektale Karzinome:
zinom und lokalisierte Metastasen 5 medizinisch ist die Vorsorge
beim kolorektalen Karzinom) mittels hoher Koloskopie ab dem
z Leider sind die Fortschritte in der 50. Lebensjahr zu empfehlen (von
Therapie solider Tumoren bei Weitem den Kassen ab dem 56. Lebensjahr
nicht so groß wie in der Behandlung bezahlt); hierdurch können – durch
von Hämoblastosen; trotzdem stellen Unterbrechung der Adenom-
insbesondere Diagnostik und Thera- Karzinom-Sequenz – die meisten
pie große interdisziplinäre Herausfor- Karzinome verhindert werden
derungen dar, die möglichst über sog. 5 werden Adenome festgestellt, ist
Tumorboards geplant werden sollten eine Koloskopie alle 3 Jahre indi-
z Liegt eine metastasierte Erkrankung ziert, ansonsten alle 10 Jahre
vor, sind heutzutage in den meisten 5 die jährliche Testung auf okkul-
Fällen durchaus relevante Lebensver- tes Blut ist recht ineffektiv (nur
längerungen möglich 30%ige Detektion) und sollte da-
z Bei allen Patienten mit metastasierter her nur Patienten vorbehalten sein,
Erkrankung sollten frühzeitig suppor- die eine Koloskopie (oder zumin-
tive Maßnahmen (Schmerztherapie), dest Sigmoidoskopie) ablehnen
Palliativdienste und psychologische 5 leider wird die Vorsorgeunter-
Unterstützung eingebunden werden suchung nur von etwa 10 % der
deutschen Bevölkerung wahrge-
Prävention und Früherkennung nommen
> Die wichtigste Strategie bei soliden z Gynäkologische Tumoren:
Tumoren ist die Prävention. Die 3 häu- 5 Impfung von Mädchen und
figsten Tumorerkrankungen des Mannes jungen Frauen gegen humane Pa-
Kapitel 80 · Solide Tumoren 685 80
pillomaviren zur Prävention von Resektion (Ausnahme: Keim-
Zervixkarzinomen zelltumoren)
5 Abstrichuntersuchung ab dem 5 die neoadjuvante oder adjuvante
20. Lebensjahr Radio-/Chemotherapie führt bei
5 Brustuntersuchung ab dem vielen Karzinomen in bestimmten
30. Lebensjahr Stadien zu einem Überlebensvor-
5 monatliche Selbstuntersuchung teil und sollte daher – außer bei
der Brust Kontraindikationen – empfohlen
5 erste Basismammographie ab werden (hohes Alter ist kein Aus-
dem 35. Lebensjahr, dann ab dem schlussgrund für eine adjuvante
40. Lebensjahr etwa alle 2–3 Jahre, Chemotherapie)
ab dem 50. Lebensjahr alle 5 die Therapie – gleich ob Chirur-
1–2 Jahre und ab dem 65. Lebens- gie, Radio- oder Chemotherapie
jahr ungefähr alle 3 Jahre – sollte von erfahrenen Ärzten
z Prostatakarzinom: urologische/rektale geleitet bzw. durchgeführt werden
Untersuchung und jährliche PSA- (Zentrenbildung für höhere Kom-
Wertbestimmung ab dem 45. Lebens- petenz)
jahr; PSA-Screening jedoch fraglich 5 palliative Therapien sollten die
Lebensqualität verbessern, Sym-
Klinik, Diagnostik, Therapie und ptome lindern und/oder Leben
Prognose verlängern; dies darf jedoch nicht
z ⊡ Tab. 80.1–80.3 durch Risiken oder zu hohe Toxi-
z Paradigmen der Tumordiagnostik und zitäten erkauft werden
-therapie: 5 Tumormarkerwerte sind nicht
5 eine histologische Sicherung der zum Stellen einer Tumordia-
Tumorerkrankung ist unabding- gnose und nicht als »Vorsor-
bar, auch wenn die radiologische geparameter« zu verwenden,
Diagnostik eine bestimmte Entität sondern bieten in vielen Fällen
nahe legt lediglich eine Möglichkeit der
5 Staging zügig veranlassen, aber Verlaufsbeurteilung während
nicht überstürzen einer Therapie; Screening mittels
5 Patienten über die Erkrankung Tumormarkern (PSA beim Pros-
und deren Charakter aufklären; tatakarzinom) bzw. Staging beim
besteht »Unheilbarkeit«, sollte Hodenkarzinom (AFP, β-HCG)
dies auch schonend mitgeteilt und evtl. beim hepatozellulären
werden (Prozentzahlen und Le- Karzinom (AFP)
benserwartungsabschätzungen 5 Knochenmetastasen sollten mit
sind individuell so gut wie nie Bisphosphonaten behandelt wer-
zutreffend und sollten daher ver- den (z. B. Pamidronat, 90 mg über
mieden werden, außer der Patient 90 min, oder Zoledronat, 4 mg
wünscht es) über 15 min)
5 die einzige Möglichkeit, bei 5 Schmerzen sind behandelbar
soliden Tumoren (Karzinome, 5 Übelkeit und Erbrechen sind (in
Sarkome) eine Heilung zu er- den meisten Fällen) verhinderbar
reichen, ist eine chirurgische und fast immer behandelbar
686 Kapitel 80 · Solide Tumoren

⊡ Tab. 80.1. Vom Symptom zum möglichen Tumor

Symptome → möglicher Tumor Weitere Diagnostik

Trockener Reizhusten, Hämoptysen →  Röntgenuntersuchung des Thorax


Bronchialkarzinom  Bronchoskopie mit Biopsie
 Bei Bronchialkarzinom: CT des Thorax/
Abdomens, Skelettszintigraphie, ggf. MRT
des Schädel, Tumormarkerbestimmungen
(CEA und CYFRA bei NSCLC, NSE bei SCLC)

Blut im Stuhl (Meläna: Teerstuhl; Häma-  Hohe Koloskopie mit Biopsien


tochezie: frisches Blut), Änderungen der  CT des Thorax/Abdomens
Stuhlgewohnheiten, wechselnd Diarrhö  Bei Kolonkarzinom: Tumormarker-
und Obstipation, schmale Stühle bestimmungen (CEA, CA19-9)
(»Bleistiftstühle«), Bauchschmerzen →
Kolon- bzw. Rektumkarzinom

Inappetenz, Gewichtsabnahme, evtl.  Gastroskopie, evtl. ERCP


epigastrischer Druck, Ikterus → Magen-,  CT des Thorax/Abdomens
Pankreas-, Gallengangskarzinom  Bei Diagnose: Tumormarkerbestimmungen
(CEA, CA19-9)
 Bei Magenkarzinom ohne Fernmetastasen:
Laparoskopie zum Ausschluss einer
Peritonealkarzinose

Schluckbeschwerden → Ösophagus-  Gastroskopie/Endosonographie


karzinom  CT des Thorax/Abdomens
 Tumormarkerbestimmungen (CEA, CA19-9)

Knochenschmerzen → multiples Myelom,  Skelettszintigraphie


Knochenmetastasen – typisch bei:  Bei multiplem Myelom:
 Schilddrüsenkarzinom (follikuläres) Plasmozytomröntgendiagnostik oder
 Mammakarzinom Ganzkörper-MRT
 Bronchialkarzinom  Bei Prostatakarzinom: PSA-Wert, digitale
 Prostatakarzinom Untersuchung, transrektaler Ultraschall,
 Nierenzellkarzinom Stanzbiopsie

Knoten in der Brust/tastbare  Punktion des Tumors


Lymphknoten in der Axilla →  Sonographie der Mamma
Mammakarzinom  MRT der Mamma
 Bei Karzinom: Mammographie der Gegen-
seite, Röntgenuntersuchung des Thorax,
Sonographie des Abdomens,
Skelettszintigraphie, Tumormarkerbestim-
mungen (CEA, CA15-3)

Hämaturie →  Sonographie der Niere/Blase


Nierenzell-, Blasenkarzinom  Bei Karzinom: CT von Thorax und Abdomen,
ggf. Zystoskopie, Skelettszintigraphie
Kapitel 80 · Solide Tumoren 687 80
⊡ Tab. 80.2. Erklärungen zu den häufigsten soliden Tumoren

Tumor Therapie Prognose

Bronchial- Stadien I und II: Operation mit Schlechte Prognose – selbst in


karzinom adjuvanter Chemotherapie; Sta- den operablen Stadien ist die
dium IIIA: neoadjuvante (Radio-) Heilungschance relativ gering;
Chemotherapie; Stadium IIIB: mittlere Überlebenszeit im Stadi-
Radio-Chemo-Therapie; um IV: 1 Jahr
Stadium IV: palliative Therapie

Kolorektale UICC-Stadien I–III: Operation, Insgesamt in den operablen


Karzinome gefolgt von adjuvanter Chemo- Stadien recht gute Prognose
therapie (UICC-Stadium III); bei (im Stadium III 5-Jahres-Rezi-
Rektumkarzinom in den Stadi- divfreiheit von etwa 50–70 %);
en II und III neoadjuvante Radio- im Stadium IV unbedingt die
Chemo-Therapie, im Stadium IV Resektabilität von Metastasen
bei diffuser Metastasierung prüfen – hierdurch können
palliative Therapie 30 % der Patienten geheilt
werden

Mammakarzinom Sehr komplexer Therapiealgo- 50 % der Patientinnen mit


rithmus, der von Stadium, Rezep- Mammakarzinom können
torstatus, Her2/neu-Status und langfristig geheilt werden;
(prä-)menopausalem Status ab- Metastasierungen werden bis
hängig ist; Operation, Radiatio, zu 10 Jahre nach Operation be-
Chemotherapie, antihormonelle obachtet; auch Patientinnen mit
Therapie, Trastuzumab Metastasen (v. a. Knochen- und
Hautmetastasen) können u. U.
längere Überlebenszeiten (Jahre)
aufweisen

Prostatakarzinom Bei höherem Alter evtl. »watch Die Prognose wird hauptsächlich
and wait«, ansonsten alleinige durch die Art der Metastasierung
Operation oder Kombination (z. B. nur Knochen) bestimmt;
von Operation, Strahlentherapie, Langzeitverläufe sind auch mit
Seed-Implantation, Hormonthe- Metastasierung möglich
rapie und/oder Chemotherapie

Unteres Operation in Kombination mit Insgesamt schlechte Prognose


Ösophagus- neoadjuvantem Therapiekon- – das fortgeschrittene Magenkar-
karzinom/Magen- zept, im metastasierten Stadium zinom hat eine Heilungsrate von
karzinom Chemotherapie 30 %; im metastasierten Stadium
(Adenokarzinom) leben die Patienten selten länger
als 1 Jahr

Pankreaskarzinom Operation fast nie möglich, da Sehr schlechte Prognose


Tumor nur selten im limitierten (mittlere Überlebenszeit: etwa
Stadium erkannt wird; Therapie 6 Monate)
▼ mit Gemcitabine
688 Kapitel 80 · Solide Tumoren

⊡ Tab. 80.2. Fortsetzung

Tumor Therapie Prognose

Nierenzell- Operation in limitierten Stadi- Die Prognose variiert individuell


karzinom en (das Nierenzellkarzinom ist stark; längere Verläufe sind v. a.
ein chemotherapierefraktärer bei älteren Patienten auch im
Tumor); Remissionen sind mit metastasierten Stadium möglich
den Tyrosinkinaseinhibitoren
Sunitinib und Sorafenib sowie
mit IFN und Bevacizumab
möglich

Hodenkarzinom Operation, ggf. Radiatio und Gute Prognose, selbst im meta-


Polychemotherapie stasierten Stadium (bei Seminom
5-Jahres-Rezidivfreiheit im
Stadium IIIc mit Metastasen: bis
zu 85 %) → immer Behandlung
durch Experten

⊡ Tab. 80.3. Therapieschemata der häufigsten soliden Tumoren

Tumor Adjuvante Schemata Palliative Schemata

Bronchial- Cisplatin/Vinorelbin (bei NSCLC)  NSCLC: Bevacizumab, Paclitaxel,


karzinom Carboplatin (oder Ähnliches)
 Erlotinib (»second line«)
 Pemetrexed
 Gemcitabinemonotherapie

Kolorektale FOLFOX-4 (5-FU/Folinsäure plus  XELOX oder FOLFOX +


Karzinome Oxaliplatin) adjuvant bzw. bei Bevacizumab
Rektumkarzinom neoadjuvant  XELIRI oder FOLFIRI +
5-Fluorouracil/Radiatio Bevacizumab (»first line«,
»second line«
 Cetuximab + Irinotecan oder
Panitumumab (»third line«)

Mammakarzinom Sehr komplexer Therapieal-  Antihormonelle Therapie


gorithmus, der von Stadium,  Taxane (Paclitaxel, Docetaxel)
Rezeptorstatus, Her2/neu-Status  Capecitabine
und (prä-)menopausalem Status  Anthrazykline
abhängig ist; Operation, Radia-  Trastuzumab
tio, Chemotherapie, antihormo-  Bevacizumab
nelle Therapie, Trastuzumab  Jeweils je nach Remissionsdruck
Kombinations- oder Mono-
▼ therapie
80.1 · Tumorsuche und CUP-Syndrom 689 80.1
⊡ Tab. 80.3. Fortsetzung

Tumor Adjuvante Schemata Palliative Schemata

Prostatakarzinom Bei höherem Alter evtl. »watch  Taxane


and wait«, ansonsten alleinige  Antihormonelle Therapie
Operation oder Kombination
von Operation, Strahlenthera-
pie, Seed-Implantation,
Hormontherapie und/oder
Chemotherapie

Unteres Operation in Kombination mit  IFL


Ösophagus- neoadjuvantem Therapiekon-  FOLFIRI
karzinom/ zept; im metastasierten Stadium  ECF
Magenkarzinom Chemotherapie  DCF
(Adenokarzinom) (ECF- oder PLF-Schema)  Capecitabine

Pankreas- Gemcitabine  Gemcitabine


karzinom  Eventuell Gemcitabine +
Erlotinib
 Capecitabine

Nierenzell- Operation, chemotherapie-  Sunitinib


karzinom refraktärer Tumor  Sorafenib
 Interferon

Hodenkarzinom Kurativer Ansatz durch palliative Chemotherapie


Operation, evtl. Radiatio und
Chemotherapie (PEB-Schema)

DCF Docetaxel, Cisplatin, 5-Fluorouracil; ECF Epirubicin, Cisplatin, 5-Fluorouracil; FOLFIRI 5-Fluo-
rouracil, L-Folinsäure, Irinotecan; FOLFOX 5-Fluorouracil, L-Folinsäure, Oxaliplatin; IFL Irinotecan,
5-Fluorouracil, Leukovorin; PEB Platinol, Etoposid, Bleomycin; PLF Platinol, Leucovorin, 5-Fluorou-
racil; XELIRI Capecitabine, Irinotecan; XELOX Capecitabin, Oxaliplatin

80.1 Tumorsuche und z Bei 5 % aller Karzinompatienten mit


CUP-Syndrom Metastasierung kann kein sicherer
Primärtumor identifiziert werden →
Allgemeines und Definition CUP (»cancer of unknown primary«;
z Bei unklaren Symptomen oder meistens liegen Adenokarzinome vor)
Metastasen ist die Tumorsuche z Das CUP-Syndrom hat eine schlechte
wichtig, um später eine entspre- Prognose (durchschnittliche Lebenser-
chend effektive Therapie einsetzen wartung: 4–6 Monate); es gibt jedoch
zu können Subgruppen mit besserer Prognose
690 Kapitel 80 · Solide Tumoren

Diagnostik
z Allgemein (in der folgenden Reihen-
folge):
5 CT des Thorax/Abdomens (ggf.
kraniale CT/MRT bei neurologi-
scher Symptomatik sowie immer
bei SCLC)
5 Histologie (nach CT, um den
einfachsten Zugangsweg für die
Biopsie zu wählen)
5 komplette Labordiagnostik
5 Skelettszintigraphie
5 Echokardiographie, Lungenfunk-
tionstestung, EKG → Operabilität,
Chemotherapievorbereitung
5 Virologie: Ausschluss von Hepa-
titiden B und C sowie einer HIV-
Infektion
z Zusätzliche Untersuchungen bei Ver-
dacht auf unklaren Primarius:
5 ggf. histologische Nachfärbungen
(z. B. TTF-1: bei 90 % der Ade-
nokarzinome der Lunge positiv;
Östrogen-/Progesteronrezeptoren:
bei Verdacht auf Mammakarzi-
nom; CK8/18/20: Ausschluss oder
Beweis von gastrointestinalen Tu-
moren; PSA: Prostatakarzinom)
5 Gastroenterologie: Gastroskopie,
Koloskopie, Endosonographie
5 gynäkologisches Konsil: Unter-
suchung, vaginale Sonographie,
Mammographie
5 Schilddrüsensonographie (Aus-
schluss eines Schilddrüsenkarzi-
noms)
5 Tumormarker: β-HCG, AFP (Aus-
schluss eines Keimzelltumors sehr
wichtig, da auch im metastasierten
Stadium gute Prognose besteht),
PSA, ggf. CA19-9 (gastrointestina-
ler Tumor etwas wahrscheinlicher,
aber kein Beweis), CYFRA (Bron-
chialkarzinom etwas wahrscheinli-
cher)
Kapitel 81 · Chemotherapieinduzierte Übelkeit 691 81

> Chemotherapieinduzierte
Übelkeit
M. Weihrauch

Allgemeines phamid oder Anthrazykline); hier wirken


Während Patienten in den 1970er und die 5-HT3-Antagonisten meist nicht gut –
1980er Jahren sogar kurative Chemothe- es gilt, mehrere Präparate auszuprobieren,
rapien teils aufgrund starker Übelkeit und da die Patienten individuell verschieden
Erbrechen abbrachen, ist diese gefürch- auf die unterschiedlichen Substanzklas-
tete Nebenwirkung nach dem Einzug der sen ansprechen
5-HT3-Antagonisten eher nebensächlich.
Heutzutage sieht man oft Patienten mit
laufender Zytostatikatherapie gleichzeitig Emetogenes Potenzial von Chemo-
essen. Betroffen sind am stärksten junge therapeutika
Patienten und Frauen, während Patienten
z Minimal (<10 %): Bleomycin, Busulfan,
mit hohem bzw. regelmäßigem Alkohol-
Cladribin, Fludarabin, Vinbastin, Vincristin,
konsum oft kaum Übelkeit aufweisen.
Vinorelbin
z Niedrig (10–30 %): Cytarabin, Docetaxel,
! Jeder Arzt, der Chemotherapien an-
Etoposid, Fluorouracil, Gemcitabin, Me-
wendet, muss sich in der Behandlung
thotrexat, Mitomycin, Mitoxantron, Paclit-
der chemotherapieinduzierten Übelkeit
axel, Pemetrexed, Topotecan
gut auskennen, um seinen Patienten
z Moderat (31–90 %): Carboplatin, Cyclo-
unnötiges Leid und Einschränkungen der phosphamid, Cytarabin (>1 g/m2 KOF),
Lebensqualität zu ersparen. Daunorubicin, Doxorubicin, Epirubicin, Ida-
rubicin, Ifosfamid, Irinotecan, Oxaliplatin
z Hoch (>90 %): Carmustin, Cisplatin, Cyclo-
Formen der chemotherapieinduzierten
phosphamid (>1,5 g/m2 KOF), Dacarbazin,
Übelkeit
Mechlorethamin, Streptozocin
z Antizipatorische Übelkeit: Übelkeit/Er- In Anlehnung an Hesekth PJ (2008) Chemo-
brechen, welches vor der Applikation der therapy-induced nausea and vomiting. New
Chemotherapie entsteht (Konditionierung Engl J Med 358: 2482–2494
nach »schlechter Erfahrung«)
z Akute Übelkeit: Übelkeit/Erbrechen
während der Chemotherapie bzw. inner- Antiemetische Medikamente
halb der ersten 24 h 5-HT3-Antagonisten
z Verzögerte Übelkeit: Übelkeit/Erbre- z Wirkansatz: Inhibierung zentraler
chen >24 h nach Applikationsende der und peripherer Serotonin-(5-HT3-)
Chemotherapie (durch Platin, Cyclophos- Rezeptoren
692 Kapitel 81 · Chemotherapieinduzierte Übelkeit

z Prophylaktische Gabe bei allen Che- 5 immer zusammen mit Dexa-


motherapien mit Medikamenten aus methason (8–12 mg/Tag) und
einer Gruppe mit mittlerem oder mit einem 5-HT3-Antagonisten
höherem emetogenen Potenzial (evtl. an Tag 1
schon bei gering emetogenen Subs-
tanzen) Metoclopramid (MCP, Paspertin
z Kaum wirksam bei verzögerter Übel- Tropfen oder Tabletten)
keit → Kombination mit Steroiden z Wirkansatz: Dopamin-D2-Rezeptor-
z Substanzen: Dolasetron (Anemet; Antagonist
100 mg), Granisetron (Kevatril; 1 mg z Anwendung: Therapie der verzö-
oder 3 mg bei hoch emetogenen gerten Übelkeit (insbesondere nach
Schemata), Ondansetron (Zofran; Entlassung aus dem Krankenhaus);
2-mal 8 mg/Tag), Palonsetron (Aloxi; 5-HT3-Antagonisten sind hier nur
0,25 mg), Tropisetron (Navoban; selten effektiv
5 mg) z Empfohlene Maximaldosis: 3-mal
30 Trpf./Tag
Dexamethason (Steroid) z Antidot bei Athetosen: Biperiden
z Ziel: Potenzierung der Wirkung von (Akineton)
5-HT3-Antagonisten
z Einsatz: moderat emetogene Schemata Dimenhydrinat (Vomex)
z Dosierung: z Wirkansatz: Histamin-H1-Rezeptor-
5 Tage 1–3: 8 mg/Tag Antagonist
5 an Tag 1 Kombination mit 5-HT3- z Bei Chemotherapie relativ schwaches
Antagonist Antiemetikum (kann bei verzögerter
5 bei hoch emetogenen Schemata: Übelkeit versucht werden oder als
20 mg Dexamethason an Tag 1 zusätzliches Präparat nach Gabe von
5 in der Kombination mit Apre- 5-HT3-Antagonisten und Kortison
pitant plus 5-HT3-Antagonisten unter Chemotherapie)
sollten 8–12 mg/Tag verwendet
werden (Tage 1–3) Alizaprid (Vergentan)
z Wirkansatz: Dopamin-D2-Rezeptor-
Aprepitant (Emend) Antagonist
z Wirkansatz: Neurokinin-1-Rezeptor- z Anwendung: Hochdosischemothe-
Antagonist rapien oder bei hoch emetogenen
z Ziel: Verbesserung der antiemetischen Chemotherapien mit verzögerter
Wirkung von 5-HT3-Antagonisten Übelkeit
und Dexamethason z Dosierung: 6 Amp./24 h als Dauer-
z Einsatz: hoch emetogene Schemata infusion (Steroid in Kombination
z Anwendung: 1 h vor der Chemothera- empfohlen)
pieapplikation (nicht danach → keine
bis geringe Wirkung) > Wenn ein Patient trotz adäquater
z Dosierung: antiemetischer Behandlung an Übelkeit
5 125 mg an Tag 1 leidet, sollte immer an eine Hirnmeta-
5 80 mg an den Tagen 2 und 3 zu- stasierung und Elektrolytentgleisungen
sammen mit Dexamethason (Hyperkalzämie etc.) gedacht werden.
Kapitel 81 · Chemotherapieinduzierte Übelkeit 693 81
Therapieregime Empfehlungen bei anti-
zipatorischer Übelkeit
z Regime bei hoch emetogenen
Chemotherapieschemata: z Die antizipatorische (erwartete)
Übelkeit ist erfreulicherweise eher
5 Tag 1: z 5-HT3-Antagonist (z. B. Gra-
nisetron, 3 mg i. v. kurz vor der Chemo-
selten geworden, da die Erfahrun-
therapie) z 20 mg Dexamethason,
gen, die die Patienten mit der Che-
z. B. als Kurzinfusion vor der Chemo-
motherapie machen, nicht mehr so
therapie z Aprepitant (125 mg p. o.
verheerend sind wie früher
≥1 h vor der Chemotherapie) z Die Behandlung der antizipa-
torischen Übelkeit wird mittels
5 Tage 2 und 3: z Aprepitant (1-mal
80 mg/Tag p. o.) z Dexamethason
Benzodiazepinen durchgeführt;
(1-mal 8 mg/Tag p. o.)
am besten eignet sich aufgrund der
anxiolytischen Wirkung Lorazepam
z Regime bei moderat emetogenen
Chemotherapieschemata:
(Tavor; z. B. 1 mg morgens vor der
Chemotherapie)
5 Tag 1: z 5-HT3-Antagonist (z. B.
Granisetron, 3 mg i. v. kurz vor der
! Patienten, denen man Benzodia-
Chemotherapie) z 20 mg Dexame-
zepine, Opiate oder Antihistaminika
thason, z. B. als Kurzinfusion vor der
verschreibt, sind immer darauf hinzu-
Chemotherapie
weisen, dass sie wegen der deutlich
5 Tage 2 und 3: z Dexamethason
reduzierten Reaktionsfähigkeit nicht
(1-mal 8 mg/Tag p. o.) z Metoclop-
aktiv am Straßenverkehr teilnehmen
ramid (max. 3-mal 30 Trpf./Tag) als Be-
dürfen.
darfsmedikation z wenn nicht nur
am 1. Tag, sondern auch an den dar-
Empfehlungen bei verzögerter
auf folgenden Tagen eine Chemothe-
Übelkeit
rapie verabreicht wird, muss entspre-
chend mit einem 5-HT3-Antagonisten z Die verzögerte (protrahierte) Übel-
kombiniert werden z wenn nach
keit kann sehr hartnäckig sein und
dem 1. Zyklus starke Übelkeit bestand,
die Lebensqualität vermindern
muss Aprepitant zum Schema hinzu- z Generell gelten folgende Empfeh-
gefügt werden
lungen:
z Regime für niedrig emetogene 5 beim nächsten Zyklus: stärker
Chemotherapieschemata:
wirksame antiemetische The-
rapie (z. B. Kombination mit
5 Dexamethason (8 mg ≥1 h vor der
Chemotherapie)
Aprepitant, immer mit Dexame-
thason)
5 falls während des 1. Zyklus Übelkeit
bestand, sollte beim 2. Zyklus mit 5 »Ausprobieren« von preisgüns-
einem 5-HT3-Antagonisten kombiniert
tigen Medikamenten wie Meto-
werden
clopramid, Dimenhydrinat oder
Alizaprid (bei stationären Patien-
5 bei Bedarf z. B. Metoclopramid
(max. 3-mal 30 Trpf./Tag)
ten und starker protrahierter
Übelkeit 6 Amp. Vergentan/24 h
z Regime für minimal emetogene
Chemotherapieschemata: keine Maß-
als Dauerinfusion); jeder Patient
nahmen notwendig
spricht unterschiedlich auf die
verschiedenen Medikamente an
694 Kapitel 81 · Chemotherapieinduzierte Übelkeit

5 sollten die preisgünstigen Me-


dikamente nicht wirken, kann
auch ein oraler 5-HT3-Antagonist
versucht werden (z. B. Zofran oder
Kevatril), wobei diese Substanzen
bei verzögerten Übelkeit weniger
effektiv sind
5 evtl. Kombination mit einem
Benzodiazepin (z. B. Lorazepam
– Tavor) → keine Teilnahme am
Straßenverkehr
82.3 · Obere Einflussstauung 695 82.3

> Onkologische Notfälle


M. Weihrauch

82.1 Fieber in Aplasie Diagnostik und Therapie


z Sauerstoffgabe, Oberkörperhoch-
 Kapitel 75.1 lagerung, evtl. Diuretika
z CT von Thorax und Abdomen
z Histologische Sicherung (vor erster
82.2 Hyperkalzämie bei Kortisongabe, da bei Hodgkin-Lym-
Tumorerkrankungen phom/NHL sonst evtl. Diagnosever-
schleierung): Stanzbiopsie (z. B. bei
z Häufig durch Skelettmetastasen bei Halstumor), CT-gesteuerte Punktion
Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzi- (Sensitivität bei NHL: 70 %), ggf. Me-
nom, Mammakarzinom, Prostatakar- diastinoskopie (Sensitivität bei NHL:
zinom und multiplem Myelom oder 100 %)
paraneoplastisch z Gegebenenfalls Tumormarkerbestim-
z Diagnostik und Therapie:  Kap. 54 mung:
5 CEA, CYFRA, NSE: bei erhöhten
Markern ist ein Lymphom eher
82.3 Obere Einflussstauung unwahrscheinlich
5 ggf. β-HCG und AFP bei jungen
Allgemeines Männern mit Verdacht auf Ho-
z Die obere Einflussstauung ist durch denkarzinom
die Kompression der oberen Lym- z Steroide (z. B. Dexamethason, 40 mg/
phwege und der venösen Abflusswege Tag, oder Prednison, 250 mg/Tag,
bedingt, meist durch eine mediasti- jeweils über etwa 3 Tage, danach aus-
nale Raumforderung schleichen)
z Die häufigsten Gründe für eine obere z Prophylaktische Antikoagulation
Einflussstauung sind Bronchialkarzi- (wenn keine Blutung, keine Thrombo-
nome und Lymphome penie und keine Gerinnungsstörun-
gen bestehen)
Klinik z Gegebenenfalls V.-cava Stent
z Schwellungen im Gesicht und an der z Therapie der Grunderkrankung
oberen Körperhälfte (evtl. Arme) mit (Chemo-, Strahlentherapie)
Ödembildung
z Verstärkte Venenzeichnung
z Rotfärbung der Haut (bis zur Zyanose)
z Dyspnoe
z Hirnödem möglich
696 Kapitel 82 · Onkologische Notfälle

82.4 Tumorlysesyndrom

Allgemeines
z Ein Tumorlysesyndrom entsteht
durch den raschen Zerfall von Tu-
morzellen und die Freisetzung von
Metaboliten, v. a. bei akuten Leukä-
mien und hochmalignen NHL

Klinik
z Übelkeit, Erbrechen
z Schwäche, Müdigkeit
z Muskelschmerzen
z Dunkelfärbung des Urins

Labordiagnostik
z Hyperurikämie
z Hyperkaliämie
z Hyperphosphatämie
z Hypokalzämie
z Laktatazidose

Therapie
z Behandlung der Elektrolytstörungen
und des akuten Nierenversagens

Prävention
z Therapie evtl. niedriger dosieren oder
über einen längeren Zeitraum appli-
zieren
z Ausreichende Hydrierung: z. B. 3 l
0,9%ige NaCl-Lösung/Tag
z Pufferung: z. B. 250 ml 8,4%iges
Natriumbikarbonat/24 h
z Urikostatika: Allopurinol, ggf.
Uratoxidaseenzym Rasburicase
für 3–4 Tage
z Urin-pH-Wert-Bestimmungen
Kapitel 83 · Tumorschmerzen 697 83

> Tumorschmerzen
M. Weihrauch

Allgemeines präsentation kann es sinnvoll sein,


Tumorschmerzen treten nicht bei je- zusätzlich zur Schmerztherapie ein
der Tumorerkrankung auf, sind bei Antidepressivum einzusetzen und
manchen Entitäten jedoch häufig. Im psychologische/psychosomatische
Prinzip sind Tumorschmerzen bei Hä- Hilfe einzuschalten
moblastosen (außer dem multiplen
Myelom) eine Seltenheit, während sie > Jeder Patient mit Schmerzen muss
z. B. bei Bronchial-, Pankreas- und fachgerecht schmerztherapeutisch be-
Mammakarzinom durchaus häufig handelt werden.
vorkommen. Schmerzen können sehr
schnell die Lebensqualität und den Le- Stufentherapie
benswillen beeinträchtigen und sollten z Obwohl in der Regel mit einem nied-
daher sofort und nachhaltig behandelt rig potenten Analgetikum begonnen
werden. wird, sollte bei Patienten mit initial
sehr starker Schmerzsymptomatik
> Eine Zurückhaltung bei der Verord- (z. B. Wirbelkörpereinbruch bei Kno-
nung von Opiaten aus Respekt vor ihrer chenmetastasen) direkt eine Opioid-
Potenz oder der Möglichkeit, »den Pati- therapie eingeleitet werden
enten abhängig zu machen«, ist im Rah- z Tramadol (4-mal 50–100 mg/Tag)
men der Tumorschmerztherapie völlig kann in höheren Dosen Übelkeit
fehl am Platz. hervorrufen und sollte daher mit Me-
toclopramid kombiniert werden
Schmerzquantifizierung z Tramadol gibt es auch als retardiertes
z Schmerzen lassen sich – da subjektiv Präparat (1- bis 2-mal 50–100 mg/
empfunden – nicht objektiv messen Tag) und sollte nach Dosisfindung als
z Schmerzskalen (z. B. von 1 bis 10 oder solches verschrieben werden
Angabe durch den Patienten anhand z Opioide stets mit einem Laxans kom-
von Smilies) haben sich mehr oder binieren, z. B. Macrogol (Movicol)
weniger bewährt oder Lactulose (Bifiteral)
z Es kann sein, dass die Präsentation
von Schmerzen auch psychisch be-
dingt oder verstärkt sein kann und Stufentherapie der Schmerzbehandlung
eine Möglichkeit für den Patienten (WHO-Stufenschema)
darstellt, Aufmerksamkeit zu er- z Stufe 1 (periphere Analgetika):
halten; bei Hinweisen auf eine psy- 5 Paracetamol: 6- bis 8-stündlich 500–
chische Kompenente der Schmerz- 1000 mg (Tageshöchstdosis: 4000 mg)
698 Kapitel 83 · Tumorschmerzen

5 Metamizol: z. B. Novalgin (20 Trpf. Antiemetika, Protonenpumpen-


enthalten 500 mg), 4- bis 6-stündlich hemmer, Laxanzien
500–1000 mg (Tageshöchstdosis: z Ko-Analgetika:
5000 mg) 5 oft Antidepressiva, v. a. trizykli-
5 Diclofenac*: 8-stündlich 50 mg sche: können die Schmerzwahr-
(Tageshöchstdosis: 200 mg) nehmung ändern und wirken
5 Ibuprofen*: 6- bis 8-stündlich 200– daher bei Patienten mit Tumor-
600 mg (Tageshöchstdosis: 2400 mg) schmerz günstig (z. B. Amitriptylin
z Stufe 2 (peripheres Analgetikum plus – Saroten; 1-mal 25–50 mg/Tag)
niederpotentes Opioidanalgetikum): 5 weitere Ko-Analgetika: Antikon-
5 Tramadol: z. B. Tramal (20 Trpf. enthal- vulsiva (z. B. Carbamazepin – Te-
ten 50 mg), 6-stündlich 50–100 mg gretal), Steroide (z. B. Dexametha-
(Tageshöchstdosis: 400 mg); oder son – Fortecortin), Bisphospho-
5 Tilidin/Naloxon: z. B. Valoron N nate (z. B. Pamidronat – Aredia)
(20 Trpf. enthalten 50/4 mg), 6-stünd-
lich 50–100 mg
5 peripheres Analgetikum: z. B. Novalgin
z Stufe 3 (peripheres Analgetikum plus
hochpotentes Opioidanalgetikum):
5 Morphin: z. B. retardiert (verschiedene
Dosierungen: 10, 30, 60, 100 mg; als
Tablette: Sevredol), Beginn in der Re-
gel mit 12-stündlich 10 mg; oder
5 Fentanyl: TTS (Start mit 25 μg/h; Pflas-
terwechsel alle 3 Tage); oder
5 Oxycodon (alle 12 h)
5 peripheres Analgetikum: z. B. Novalgin
Auf allen Stufen kann zusätzlich ein Adju-
vans und/oder Ko-Analgetikum verabreicht
werden.
* Immer in Kombination mit Protonenpum-
penhemmern (z. B. Pantoprazol, 40 mg/Tag)

! Patienten, denen man Benzodiaze-


pine, Opiate oder Antihistaminika ver-
schreibt, sind immer darauf hinzuweisen,
dass sie wegen der deutlich reduzierten
Reaktionsfähigkeit nicht aktiv am Stra-
ßenverkehr teilnehmen dürfen.

Adjuvanzien und Ko-Analgetika


z Adjuvanzien (um analgetikaindu-
zierte Nebenwirkungen wie Übelkeit,
Obstipation etc. zu vermeiden):
Kapitel 84 · Knochenmetastasen 699 84

> Knochenmetastasen
M. Weihrauch

Allgemeines 5 obligat, da diese Frakturen, Hyper-


z Knochenmetastasen bei: kalzämien und Schmerzen verhin-
5 Schilddrüsenkarzinom (folliku- dern kann
läres) 5 z. B. Zoledronat (alle 4 Wochen
5Mammakarzinom 4 mg über 15 min i. v.) oder Pa-
5Bronchialkarzinom midronat (alle 4 Wochen 90 mg
5Prostatakarzinom über 90 min i. v.)
5Nierenzellkarzinom z Vorstellung beim Strahlenthera-
5multiplem Myelom peuten: ggf. Lokalbehandlung bei
z Außer bei Letzterem können die Schmerzen sowie großer Ausdehnung
Metastasen im Rahmen einer mit Frakturgefährdung
Skelettszintigraphie nachgewiesen z Spezifische Therapie der Grunder-
werden (beim multiplen Myelom krankung
empfiehlt sich ein Plasmozytom-
röntgenprogramm oder eine Ganz- ! Bisphosphonate können zu Kiefer-
körper-MRT) osteonekrosen mit sehr schlechter
Heilungstendenz führen → vor zahnärzt-
> Knochenmetastasen bedürfen beson- lichen und kieferchirurgischen Eingriffen
derer medizinischer Aufmerksamkeit, da unbedingt für längere Zeit absetzen; ggf.
sie zu Instabilitäten/Frakturen führen, Erhebung des Zahnstatus vor Einleitung
Schmerzen verursachen und Hyperkalz- einer Therapie mit Bisphosphonaten.
ämien auslösen können.

Vorgehen bei Knochenmetastasen


z Lokalisationsdiagnostik: Skelettszin-
tigraphie, danach Röntgenzielaufnah-
men, ggf. MRT
z Vorstellung bei Orthopäden/Unfall-
chirurgen: Frage nach Frakturgefähr-
dung
z Schmerztherapie, falls notwendig
z Bestimmung des Serumkalziumspie-
gels: frühzeitige Erkennung von Hy-
perkalzämien
z Einleitung einer Bisphosphonat-
therapie:
J

J Infektiologie

85 Umgang mit Antibiotika und


Antimykotika – 702

86 Patient mit Fieber außerhalb und innerhalb der


Klinik/nosokomiale Infektionen – 717

87 Tropen- und Reisekrankheiten – 726

88 »Systemic inflammatory response syndrome«


(SIRS), Sepsis und septischer Schock – 735

89 HIV-Erkrankung und Aids – 741

Ausgewählte Literatur zu Sektion J – 753


702 Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

> Umgang mit Antibiotika


und Antimykotika
P. Hartmann, J. Vehreschild, M. Rüping

85.1 Allgemeines lerangaben eingehalten werden, da


sowohl eine Unterdosierung als auch
z Antibiotika sind eine »potente Waffe« eine Überdosierung schwerwiegende
der modernen Medizin, deren un- Folgen haben kann
überlegter Einsatz grundsätzlich zum z Die Wirkung vieler Antibiotika (z. B.
Erstarken des Feindes, nämlich der Penicilline) hängt von der Zeit über
bakteriellen Erreger, führt der MHK (minimale Hemmkonzen-
z Grundsätzlich ist jede Antibiotikagabe tration) ab; insbesondere bei einer
ein Kompromiss zwischen effektiver kurzen Halbwertszeit müssen die
Therapie, Nebenwirkungen und der Einzeldosen der Antibiotika in einem
potenziellen Induktion einer Resistenz- engen zeitlichen Abstand zueinander
entwicklung aufseiten des Erregers verabreicht werden, damit die Se-
z Eine Resistenzentwicklung wird u. a. rumspiegel möglichst lange über der
begünstigt durch: MHK liegen
5 zu niedrige Dosierung des Anti- z Nierendosis: bei Substanzen, die über-
biotikums wiegend renal ausgeschieden werden,
5 lange Therapiedauer sollte die Nierenfunktion der Patien-
5 wiederholte Therapie mit Substan- ten regelmäßig überwacht bzw. die
zen, die den gleichen Resistenzme- antibiotische Therapie entsprechend
chanismus aufweisen der Nierenleistung angepasst werden

> Grundsätzlich hat jedes Krankenhaus Therapiedauer


seine eigene Resistenzsituation, die einer
regelmäßigen Kontrolle unterliegen z Die Therapiedauer muss der klini-
sollte. schen Situation angepasst werden
und ist u. a. von der Virulenz des
Erregers und dem Fokus der Infek-
85.2 Grundsätzliche Aspekte tion abhängig
z Sequenzialtherapie:
Dosierung 5 orale Fortführung einer parentera-
len Antibiotikatherapie
z Die empfohlene Dosierung und die 5 wichtiger Bestandteil der moder-
zeitliche Verabreichung von Antibio- nen Antibiotikatherapie – nicht
tika sollten entsprechend der Herstel- nur weil die orale Medikation
85.3 · Einteilung und Übersicht 703 85.3
einen subjektiven Vorteil für den stetig zunimmt, v. a. bei immunsup-
Patienten darstellt, sondern viel- primierten Patienten
mehr auch, weil eine orale The-
rapie ambulant durchgeführt und > Der Einsatz insbesondere von sys-
durch die frühzeitige Entlassung temischen Antimykotika bedarf einer
des Patienten der Selektionsdruck engen Indikationsstellung durch einen
für die Erreger gering gehalten erfahrenen Behandler.
werden kann, was wiederum Re-
sistenzen vorbeugt
z Die aufgeführten Grundsätze gelten 85.3 Einteilung und Übersicht
auch für Antimykotika, deren Bedeu-
tung für Prophylaxe und Therapie ⊡ Tabellen 85.1–85.4

⊡ Tab. 85.1. Einteilung der Antibiotika

Gruppe Untergruppen und Substanzen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

β-Laktam-Antibiotika

Penicilline  Benzylpenicillin: Penicillin G (i. v.)


 Phenoxymethylpenicillin oder Oralpenicilline: Penicillin V (p. o.)
 Phenoxypropylpenicillin: Propicillin
 Isoxazolyl- oder Staphylokokkenpenicilline: Oxacillin, Flucloxacillin,
Dicloxacillin
 Aminopenicilline: Amoxicillin, Ampicillin
 Acylamino-/Ureidopenicilline: Azlocillin, Mezlocillin, Piperacillin

Cephalosporine  1. Generation: Cefazolin, Cefalexin, Cefadroxil, Cefaclor


 2. Generation: Cefuroxim, Cefotiam
 3a. Generation: Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftibuten
 3b. Generation: Cefepim, Cefpirom, Ceftazidim
 4. Generation: Cefoxitin

Carbapeneme  Imipenem + Cilastatin


 Meropenem (ohne Enzymhemmer)
 Ertapenem

Monobactame  Aztreonam

β-Laktamase-  Sulbactam, Clavulansäure, Tazobactam


Inhibitoren

Aminoglykoside  Streptomycingruppe: Streptomycin


 Neomycingruppe: Neomycin B, Paromomycin
 Kanamycingruppe: Kanamycin, Gentamycin, Amikacin, Tobramycin

Tetrazykline  Tetrazyklin, Oxytetrazyklin, Doxycyclin, Minocyclin

Makrolide  Ältere: Erythromycin


▼  Neuere: Clarithromycin, Roxithromycin, Azithromycin, Spiramycin
704 Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

⊡ Tab. 85.1. Fortsetzung

Gruppe Untergruppen und Substanzen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)


Chinoloncarbonsäuren oder Gyrasehemmer oder Fluorchinolone
 1. Generation: Norfloxacin
 2. Generation: Ofloxacin, Ciprofloxacin
 3. Generation: Levofloxacin, Sparfloxacin
 4. Generation: Moxifloxacin, Clinofloxacin, Gatifloxacin
Folsäureantagonisten
Sulfonamide  Kurzzeit: Sulfacarbamid
 Mittelzeit: Sulfadiazin, Sulfamethoxazol
 Langzeit: Sulfamethoxydiazin
 Ultralangzeit: Sulfalen, Sulfaoxin
Diaminobenzyl-  Trimethoprim, Tetroxoprim, Pyrimethamin
pyrimidine
Kombinationen  Cotrimoxazol: Trimethoprim + Sulfamethoxazol
 Cotrimazin: Trimethoprim + Sulfadiazin
Nitroimidazole  Metronidazol
 Nimorazol
 Tinidazol
Lincosamide  Lincomycin, Clindamycin
Glykopeptide  Vancomycin, Teicoplanin
Oxazolidinone  Linezolid
Lipopeptid  Daptomycin
Ketolide  Telithromycin
Glycylcycline  Tigecyclin

⊡ Tab. 85.2. Einteilung der Antimykotika

Gruppe Substanzen
Polyene  Nystatin
 Amphotericin B
Azole  Ketoconazol
 Fluconazol
 Itraconazol
 Voriconazol
 Posaconazol
Pyrimidinanaloga  5-Flucytosin
Echinocandine  Micafungin
 Caspofungin
 Anidulafungin
⊡ Tab. 85.3. Überblick »klinisch gängiger« Antibiotika

Name (Stoffklasse, Dosierung Nebenwirkungen Schwangerschaft Stillzeit


Beispiel eines
Handelsnamens)

Amikacin 15 mg/kg KG (bei 70 kg) i. v. Nephrotoxizität, Ototoxi- Kontraindiziert Relativ Kontraindiziert


(Aminoglykosid, zität, Allergie, neuromus-
Biklin) kuläre Blockade bei sehr
rascher Infusion
85.3 · Einteilung und Übersicht

Amoxicillin (Amino- 3-mal 1 g p. o. Gastrointestinale Sym- Unbedenklich Unbedenklich


penicillin, Amoxypen) ptome, Hepatotoxizität

Amoxicillin + 3-mal 250–500 mg p. o. Gastrointestinale Sym- Keine bekannte Embryo- Tritt in die Muttermilch über,
Clavulansäure ptome, Hepatotoxizität toxizität, erhöhtes Risiko wahrscheinlich geringe
(Augmentan) einer fetalen nekrotisie- Gefährdung
renden Enterokolitis bei
vorzeitigem Blasensprung
während der Therapie

Ampicillin Indikationsabhängig, Vermehrt Allergien, anson- Unbedenklich Unbedenklich


705

(Aminopenicillin, 4-mal 2–5 g sten wie Penicillin G


Binotal)

Azithromycin  Urethritis: 2 g als Einmal- Übelkeit, Diarrhö Im Tierversuch nicht to- Nicht bekannt, ob die
(Makrolid, Zithromax) gabe xisch, keine kontrollierten Substanz in die Muttermilch
 Mukoviszidose: <40 kg: Studien, plazentagängig; übergeht
3-mal 250 mg/Woche p. o.; empfohlen bei maternaler
>40 kg: 3-mal 500 mg/ Infektion mit Chlamydien
▼ Woche p. o. oder Mycobacterium avium
85.3
706
⊡ Tab. 85.3. Fortsetzung

Name (Stoffklasse, Dosierung Nebenwirkungen Schwangerschaft Stillzeit


Beispiel eines
Handelsnamens)

Aztreonam 3- bis 4-mal 2 g Allergie, gastrointestinale Keine ausreichenden Daten Nicht bekannt, ob die Sub-
(Monobactam, Symptome vorhanden stanz in die Muttermilch
Azactam) übergeht.

Cefazolin  Therapie: 3-mal 2 g i. v. Allergie, Blutungsneigung, Unbedenklich Unbedenklich


(Cephalosporin der  Prophylaxe: 1-mal 2 g i. v. Neutropenie
1. Generation,
Cefazolin)

Cefepim 3-mal 2 g Wie Ceftriaxon Unbedenklich Unbedenklich


(Cephalosporin der
3b. Generation,
Maxipime)

Cefpodoxim Variiert, s. Angabe bei der Exanthem, Diarrhö, Nausea, Unbedenklich Tritt in die Muttermilch über,
Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

(Oralcephalosporin entsprechenden Indikation Schleimhautcandidose geringe Gefährdung


3. der Generation,
Orelox)

Cefotaxim 3-mal 2 g i. v. Wie Ceftriaxon Unbedenklich Unbedenklich


(Cephalosporin der
3a. Generation,
Claforan)

Ceftazidim  Allgemein: 3-mal 2 g Wie Ceftriaxon Unbedenklich Unbedenklich
(Cephalosporin  Mukoviszidose: 3-mal 4 g
der 3b. Generation,
Fortum)

Ceftriaxon  Allgemein: 1-mal 2 g Allergie, Blutungsneigung, – –


(Cephalosporin der  Meningitis: 2-mal 2 g Sludge-Bildung in der
3a. Generation, Gallenblase
Rocephin)
85.3 · Einteilung und Übersicht

Cefuroxim i. v., Variiert, s. Angabe bei der Aplastisches Syndrom, – –


Cefuroximaxetil p. o. entsprechenden Indikation reversible Hämatotoxizität
(Cephalosporin der
2. Generation,
Zinacef )

Chloramphenicol 3-mal 1 g Gastrointestinale Symptome, Kontraindiziert Kontraindiziert


(Paraxin) Blutbildveränderungen

Ciprofloxacin Variiert, s. Angabe bei der Neurotoxizität, gastrointes- – –


(Gyrasehemmer der entsprechenden Indikation tinale Störungen, (Photo-
2. Gruppe, Ciprobay) sensitivität)
707

Clarithromycin  Mycobacterium avium: Gastrointestinale Im Tierversuch embryoto- Nicht bekannt, ob die


(Makrolid, Klacid) 2-mal 250–500 mg Symptome, xisch, keine ausreichenden Substanz in die Muttermilch
 Helicobacter pylori (Eradi- QT-Zeit-Verlängerung Beobachtungen beim übergeht.
kation): 2-mal 500 mg Menschen

Clindamycin 3-mal 600 mg Hepatotoxizität, pseudo- Relativ unbedenklich Geht in die Muttermilch über;
(Lincosamid, Sobelin) membranöse Kolitis nicht empfohlen

85.3
708
⊡ Tab. 85.3. Fortsetzung

Name (Stoffklasse, Dosierung Nebenwirkungen Schwangerschaft Stillzeit


Beispiel eines
Handelsnamens)

Cotrimoxazol  Allgemein: 2-mal 960 mg/ Allergie, aplastisches Kontraindiziert Kontraindiziert


(Trimethoprim + Tag p. o. (800 mg Sulfame- Syndrom, reversible Häma-
Sulfamethoxazol; thoxazol + 160 mg Trime- totoxizität, Hepatotoxizität,
Antifolat, thoprim) Anämie, Steven-Johnson-/
Sulfonamidkombi-  Pneumocystis-jiroveci- Lyell-Syndrom
nation; Eusaprim) Pneumonie-Prophylaxe (arzneimittelallergische
bei HIV-Patienten mit CD4- toxische epidermale
Zell-Zahl von <200/μl: Nekrolyse)
1-mal 960 mg/Tag p. o.
 Pneumocystis-jiroveci-
Pneumonie-Prophylaxe
bei Aplasie über >10 Tage:
3-mal 960 mg/Woche p. o.
 Pneumocystis-jiroveci-
Pneumonie-Therapie:
Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

3-mal 2400 mg/Tag i. v.


(2000 mg Sulfamethoxazol
+ 400 mg Trimethoprim,
entspricht 5 Amp.)

Daptomycin  Haut- und Weichteilinfek- Insgesamt gute Verträglich- Im Tierversuch nicht tera- Nicht bekannt, ob die
(Lipopeptid, Cubicin) tion: 1-mal 4 mg/kg KG/Tag keit; beobachtet wurden: togen, Erfahrungen beim Substanz in die Muttermilch
 Bakteriämie, Endokarditis: Anämie, gastrointestinale Menschen liegen nicht vor übergeht
1-mal 6 mg/kg KG/Tag (In- Störungen, Neurotoxizität,
▼ fusion über ≥30 min) kardiovaskuläre Störungen,
Hypokaliämie, Exanthem, He-
patotoxizität, CK-Aktivitäts-
steigerung, Nephrotoxizität

Doxycyclin  Chlamydieninfektion: 2-mal Allergie, Photodermatosen, Kontraindiziert Kontraindiziert


(Tetrazyklin, 100 mg/Tag für 7 Tage Hepatotoxizität,
Doxyhexal)  Epididymitis: 2-mal Neurotoxizität
100 mg/Tag für 10 Tage
 Gonorrhö: 2-mal 100 mg/
Tag für 7 Tage
85.3 · Einteilung und Übersicht

 Granuloma inguinale: 2-mal


100 mg/Tag für ≥21 Tage
 Borreliose (frühes Sta-
dium): 2-mal 100 mg/Tag
für 14 Tage
 Neuroborreliose: 2-mal
200 mg/Tag für 14–21 Tage
 Malariaprophylaxe: 1-mal
100 mg/Tag bis 4 Wochen
nach Expositionsende
(kein Unterschied
zwischen oraler und i. v.
709

Applikation)

Ethambutol 3-mal 400 mg (oder Neuritis nervi optici Teratogen im Tierversuch; Tritt in die Muttermilch über;
(Antituberkulotikum, 15–20 mg/kg KG in 3 Einzel- sehr restriktiv einzusetzen restriktiver Einsatz
Myambutol) dosen)

Erythromycin  3- bis 4-mal 0,5–1 g i. v. Intrahepatische Cholestase, Unbedenklich Tritt in die Muttermilch über;
(Makrolid, Erythrocin)  3-mal 500 mg p. o. gastrointestinale Krämpfe, restriktiver Einsatz
Exanthem, QT-Zeit-Verlän-
gerung
85.3
710
⊡ Tab. 85.3. Fortsetzung

Name (Stoffklasse, Dosierung Nebenwirkungen Schwangerschaft Stillzeit


Beispiel eines
Handelsnamens)

Fosfomycin 3-mal 5 g Hepatotoxizität, pseudo- Im Tierversuch nicht embry- Tritt in die Muttermilch über,
(Epoxydantibiotikum, membranöse Kolitis, Hyper- otoxisch, Plazentaschranke nicht empfohlen
Infectofos) natriämie wird überschritten; bisher
wenige Fallberichte, bisher
kein Hinweis auf embry-
onale Schädigung beim
Menschen

Flucloxacillin 4- bis 6-mal 2–4 g Wie Penicillin G – –


(Isoxazolylpenicilline,
Staphylex)

Gentamicin 5 mg/kg KG i. v. in 1 Nephrotoxizität, Kontraindiziert Relativ kontraindiziert


(Aminoglykosid, Einzeldosis, bei Endokarditis Ototoxizität, Allergie,
Refobacin) 3-mal 1 mg/kg KG neuromuskuläre Blockade
(Talspiegelkontrolle) bei sehr rascher Infusion
Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

Imipenem + 3-mal 1 g i. v. Allergie, Blutungsneigung, Im Tierversuch embryoto- Tritt in geringen Konzentra-


Cilastatin Neurotoxizität, xisch, unzureichende Erfah- tionen in die Muttermilch
(Carbapenem, gastrointestinale Störungen rungen beim Menschen über, wahrscheinlich geringes
Zienam) Risiko

Isoniazid (Antituber-  300 mg p. o. (in Kombina- Polyneuritis, Hepatopathie Passiert die Plazenta- Tritt in die Muttermilch über;
kulotikum, Isozid) tion mit 16 mg Pyridoxin) schranke, Risiko nicht restriktiver Einsatz
▼  5 mg/kg KG i. v. ausgeschlossen; strenge
Indikationsstellung
Linezolid  Infektionen durch Neurotoxizität, Exanthem, Im Tierversuch embryoto- Nicht bekannt, ob die Sub-
(Oxazolidinon, vancomycinresistente gastrointestinale xisch, Erfahrungen beim stanz in die Muttermilch
Zyvoxid) Enterokokken, nosok- Störungen, Zytopenie Menschen liegen nicht vor übergeht
omiale und ambulant
erworbene Pneumonien,
komplizierte Haut-/
Weichteilinfektionen:2-
mal 600 mg/Tag
 Unkomplizierte Haut-/
Weichteilinfektionen:2-
85.3 · Einteilung und Übersicht

mal 400 mg/Tag

Meropenem  3-mal 1 g i. v. Allergie, Blutungsneigung, Im Tierversuch nicht embry- –


(Carbapenem,  Mukoviszidose: 80– Neurotoxizität, keine otoxisch, unzureichende Er-
Meronem) 120 mg/kg KG i. v. in 3 Ein- Krampfanfälle fahrungen beim Menschen
zeldosen (max. 3-mal 2 g)

Metronidazol  3-mal 400 mg p. o. Periphere Neuropathie Relativ kontraindiziert Kontraindiziert


(Nitroimidazol, Clont)  3-mal 500 mg i. v.

Moxifloxacin 1-mal 400 mg p. o. oder i. v. Herzrhythmusstörungen Im Tierversuch teratogen, Nicht bekannt, ob die Sub-
(Gyrasehemmer der (über ≥60 min) (QTc-Zeit-Verlängerung), Erfahrungen beim Men- stanz in die Muttermilch
711

4. Gruppe, Avalox) Exanthem, gastrointestinale schen liegen nicht vor übergeht


Störungen, Hepatotoxizität,
Neurotoxizität, Sehnen-
reizung

Penicillin G 4-mal 2–5 Mio. IE Allergie, Krampfanfälle, Unbedenklich Unbedenklich


(Benzylpenicillin, Herxheimer-Reaktion
Penicillin) (therapiebedingter Zerfall
▼ von Erregern mit Freiset-
zung von Endotoxinen)
85.3
712
⊡ Tab. 85.3. Fortsetzung

Name (Stoffklasse, Dosierung Nebenwirkungen Schwangerschaft Stillzeit


Beispiel eines
Handelsnamens)

Penicillin V (Pheno- 3-mal 1 Mio. IE Wie Penicillin G Unbedenklich Unbedenklich


xymethylpenicillin,
Megacillin)

Piperacillin 3-mal 4 g; Anwendung in der Wie Penicillin G Unbedenklich Unbedenklich


(Ureidopenicillin, Regel in Kombination mit
Piperacillin) dem β-Laktamase-Hemmer
Sulbactam (1 g)

Piperacillin/Tazobac- 3-mal 4,5 g i. v. Wie Penicillin G Unbedenklich Unbedenklich


tam (Ureidopenicillin
+ β-Laktamase-
Hemmer, Tazobac)

Pyrazinamid 1-mal 2 g (30 mg/kg KG) Hepatopathie, Arthralgien, Keine Erkenntnisse über Tritt in geringen Konzentrati-
(Antituberkulotikum, Hyperurikämie Embryotoxizität; wird nicht onen in die Muttermilch über
Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

Pyrafat) zur Tuberkulosetherapie


während der Schwanger-
schaft verwendet

Rifabutin 1-mal 300 mg Hepatopathie, Leukopenie, Überschreitung der Plazen- Nicht bekannt, ob die Sub-
(Antituberkulotikum, Uveitis taschranke unbekannt, kei- stanz in die Muttermilch
Alfacid) ne Daten aus kontrollierten übergeht.
Studien oder Tierversuchen,
wahrscheinlich vergleichbar
▼ mit Rifampicin
Rifampicin 1-mal 600 mg p. o. oder i. v. Hepatopathie Relativ kontraindiziert (I. Tri- Tritt in die Muttermilch über;
(Antituberkulotikum, (10 mg/kg KG) menon), bei dringender In- restriktive Handhabung
Rifa) dikation Einzelfallabwägung
Streptomycin Amino- 1-mal 1 g i. v. (15 mg/kg KG) Neurotoxizität, Ototoxizität, Kontraindiziert Kontraindiziert
glykosid, Antituberku- Nephrotoxizität
lotikum, Strepto-Fatol)
Sulbactam 3-mal 1 g Allergie, gastrointestinale – –
(β-Laktamase- Störungen
Hemmer,
85.3 · Einteilung und Übersicht

Combactam)
Sulfadiazin Toxoplasmose: 4-mal 1 g Neurotoxizität, Exanthem, Im Tierversuch nicht tera- Tritt in signifikanter Konzen-
(Sulfonamid, (mit Pyrimethamin) für gastrointestinale Stö- togen, Erfahrungen beim tration in die Muttermilch
Sulfadiazin-Heyl) 6 Wochen, dann 2-mal 1 g rungen, Zytopenie, Nephro- Menschen liegen nicht vor; über, kontraindiziert
(Erhaltungstherapie) toxizität, Hepatotoxizität, verursacht bei Applikation
hepatische Cholestase nach der 32. Schwanger-
schaftswoche Neugebore-
nenikterus
Tigecyclin 100 mg als Erstgabe, dann Gastrointestinale Stö- Im Tierversuch embryoto- Tritt bei der Ratte in signi-
(Glycylglycin,Tygacil) 2-mal 50 mg/Tag rungen, Leukozytose, xisch, plazentagängig, Er- fikanter Konzentration in
Thrombozytose, Nephro- fahrungen beim Menschen die Muttermilch über, Ge-
713

toxizität, Hepatotoxizität, liegen nicht vor; allerdings fährdung für den Säugling
Pankreatitis strukturverwandt mit Tetra- unbekannt
zyklinen (beim Menschen
embryotoxisch)
Vancomycin 2-mal 1 g (Talspiegelbe- Ototoxizität, Allergie; selten: Kontraindiziert Kontraindiziert
(Glykopeptid, stimmung bei gleichzeitiger Nephrotoxizität,
Vancomycin) Gabe potenziell nephroto- Blutbildveränderungen
xischer Substanzen empfoh-
len; Ziel: 5–12 μg/ml)
85.3
714
⊡ Tab. 85.4. Überblick »klinisch gängiger« Antimykotika

Name (Beispiel eines Handelsnamens) Indikationen Nebenwirkungen Schwangerschaft


und Dosierung

Amphotericin B Desoxycholat (Amphotericin B): Kryptokokkose Renal und hepatisch, Schüttel- Ausreichende Er-
wegen hoher Frequenz allergischer Reaktionen frost, Fieber, gastrointestinale fahrungen über die
Testgabe von 1 mg in 20 ml 5%iger Glukoselösung Symptome Anwendung beim Men-
über 20–30 min i. v.; 1 mg/kg KG/Tag über 1–4 h i. v. schen liegen nicht vor
Liposomales Amphotericin B (AmBisome): Zweitlinientherapie der Kryp- Renal Ausreichende Er-
 Aspergillose, invasive Candidiasis, persistierendes tokokkose und auch seltener fahrungen über die
Fieber in Neutropenie: 3 mg/kg KG/Tag i. v. invasiver Mykosen, empirische Anwendung beim
 Zygomykose: 5 mg/kg KG/Tag i. v. Behandlung persistierenden Menschen liegen
 Viszerale Leishmaniose: bei immunkompetenten Fiebers in Neutropenie, Zweit- nicht vor
Patienten 1–1,5 mg/kg KG/Tag i. v. über 21 Tage linientherapie der viszeralen
oder 3 mg/kg KG/Tag i. v. über 10 Tage, bei Leishmaniose (Leishmania
immunsupprimierten Patienten (z. B. mit HIV- donovani)
Infektion) 1,9 mg/kg KG/Tag i. v. über 21 Tage
oder 4 mg/kg KG/Tag i. v. über 10 Tage
Anidulafungin (Ecalta): 200 mg/Tag i. v. an Tag 1, Invasive Candidiasis, v. a. Candidä- Hautrötung, hepatisch –
dann 100 mg/Tag i. v. mie bei erwachsenen, nichtneu-
Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika

tropenischen Patienten
Caspofungin (Cancidas): 70 mg/Tag i. v. an Tag 1, Invasive Candidiasis, Zweitlini- Hitzewallungen, hepatisch Ausreichende Er-
dann 50 mg/ Tag i. v. (bei Körpergewicht von entherapie der invasiven Asper- fahrungen über die
>80 kg: Erhaltungsdosis von 70 mg/Tag; gillose, empirische Behandlung Anwendung beim
bei Child-Score von 7–9: Erhaltung mit 35 mg/Tag; bei persistierendem Fieber in Menschen liegen
bei Child-Score von >9: keine Erfahrungen; bei Neutropenie nicht vor
gleichzeitiger Gabe von Stoffwechselinduktoren:
Erhaltungsdosis von 70 mg/kg KG)

Fluconazol (Diflucan): Hefepilzinfektionen, Candidämie, Gastrointestinal, hepatisch; Ausreichende Er-
 Invasive Candidiasis/Candidämie: 800 mg/Tag i. v. Candidurie, invasive Candidose, Wechselwirkungen, z. B. mit Anti- fahrungen über die
an Tag 1, dann 400 mg/Tag i. v. Candidosen oberflächlicher koagulanzien (CYP2C9-Substrat; Anwendung beim
 Candidosen oberflächlicher Schleimhäute, Schleimhäute, Kryptokokkenme- Senkung des Quick- Wertes) oder Menschen liegen
z. B. oropharyngeale/ösophageale Candidose: ningitis Midazolam (CYP3A4-Substrat; nicht vor
50–100 mg/Tag p. o. Anstieg der Plasmaspiegel)

Flucytosin (Ancotil): bei Kryptokokkenmeningitis Kryptokokkenmeningitis Gastrointestinal, Anämie, Leu- Kontraindikation im


100 mg/kg KG/Tag i. v. plus Amphotericin B kopenie, Thrombozytopenie, I. Trimenon, strenge
(0,7–1 mg/kg KG/Tag); Anwendung nur in hepatisch, renal Indikationsstellung im
85.3 · Einteilung und Übersicht

Kombination mit Amphotericin B II. und III. Trimenon

Micafungin (Mycamine): Candidosen oberflächlicher Fieber, Kopfschmerzen Ausreichende Er-


 Invasive Candidiasis und Candidämie: Schleimhäute, invasive Candidia- fahrungen über die
100 mg/Tag i. v. sis und Candidämie Anwendung beim
 Candidosen oberflächlicher Schleimhäute, Menschen liegen
z. B. oropharyngeale/ösophageale Candidose: nicht vor
150 mg/Tag i. v.

Posaconazol (Noxafil): Zweitlinientherapie der invasiven Wechselwirkungen: Ausreichende Er-


 Prophylaxe: 3-mal 200 mg/Tag p. o. Aspergillose, Fusariose, Chromo-  Posaconazol ist ein CYP3A4- fahrungen über die
 Therapie: 4-mal 200 mg/Tag p. o., blastomykose/Myzetom, Kokzi- Inhibitor und erhöht die Anwendung beim
715

nach Stabilisierung 2-mal 400 mg/Tag p. o. dioidomykose, oropharyngeale Plasmaspiegel u. a. von Tacro- Menschen liegen
Candidose, Prophylaxe invasiver limus und Ciclosporin nicht vor
Mykosen bei remissionsinduzie-  Induktoren von UDP-Glucu-
render Chemotherapie bei AML ronidase und P-Glykoprotein-
oder MDS und bei allogener Effluxpumpen (z. B. Rifam-
Stammzellentransplantation mit picin, Rifabutin, Cimetidin,
»Graft-versus-host«-Erkrankung bestimmte Antiepileptika
etc.) → vermindern Posaco-
▼ nazolspiegel
85.3
716
⊡ Tab. 85.4. Fortsetzung

Name (Beispiel eines Handelsnamens) Indikationen Nebenwirkungen Schwangerschaft


und Dosierung

Voriconazol (VFEND): Invasive Aspergillose, Candidämie Sehstörungen, gastrointestinal, Ausreichende Er-


 Candidämie: 2-mal 6 mg/kg KG/Tag i. v. an Tag 1, bei nichtneutropenischen Pati- Hautausschlag, hepatisch, fahrungen über die
dann weiter mit 2-mal 3 mg/kg KG/Tag i. v. enten, Zweitlinientherapie der Halluzinationen, QTc-Zeit-Ver- Anwendung beim
 Aspergillose: 2-mal 6 mg/kg KG/Tag i. v. an Tag 1, invasiven Candidiasis, Scedospori- längerung; Wechselwirkungen: Menschen liegen nicht
dann 2-mal 4 mg/kg KG/Tag i. v. ose, Fusariose Cimetidin, Methadon, HIV- vor; der Tierversuch er-
Protease-Hemmer (z. B. Saqui- brachte Hinweise auf
navir, Amprenavir, Nelfinavir) embryotoxische/tera-
→ erhöhen den Plasmaspiegel togene Wirkungen
von Voriconazol
Kapitel 85 · Umgang mit Antibiotika und Antimykotika
86.1 · Fieber unbekannter Ursache 717 86.1

> Patient mit Fieber


außerhalb und innerhalb
der Klinik/nosokomiale
Infektionen
P. Hartmann

86.1 Fieber unbekannter Möglichkeiten der modernen ambu-


Ursache (»fever of lanten Diagnostik sicherlich einer Re-
unknown origin«, FUO) Evaluation. Darüber hinaus trägt sie
Sondersituationen wie nosokomialen
Fieber ist ein Symptom, das viele Er- Infektionen, Fieber bei Neutropenie und
krankungen begleitet. Viele fieberhafte HIV-assoziierten Fiebersyndromen
Erkrankungen münden in einer vollstän- nicht Rechnung.
digen Restitution des Patienten, noch
ehe eine definitive Diagnose gestellt wer- Etablierung der Diagnose
den kann. Andere fieberhafte Erkran- z Eine fieberhafte Erkankung eines Pa-
kungen sind von spezifischen Sym- tienten wird gemeinhin dann als FUO
ptomen begleitet, die in Kombination bezeichnet, wenn folgende Untersu-
mit charakteristischen Laborwerten eine chungen durchgeführt wurden, ohne
Diagnosestellung ermöglichen. Eine be- dass eine Diagnosestellung möglich
sondere Situation stellt das FUO dar, war:
eine prolongierte febrile Erkrankung, für 5 Anamnese
die trotz intensiver Evaluation und Dia- 5 körperliche Untersuchung
gnostik keine Ursache zu finden ist. 5 Blutbild mit Differenzialblutbild
und Thrombozytenzahl
Definition 5 Blutkulturen (3 Paare; Blutentnah-
z Fieber von >38,3°C (mehrfach zu un- men an unterschiedlichen Punk-
terschiedlichen Zeitpunkten gemessen) tionsstellen über einen Zeitraum
z Dauer des Fiebers: ≥3 Wochen von mehreren Stunden, ohne dass
z Unklare Diagnose trotz 1-wöchiger der Patient antibiotisch therapiert
stationärer Abklärung wurde)
5 Routineuntersuchung der klinisch-
Diese im Jahre 1961 von Petersdorf und chemischen Laborparameter in-
Beeson definierte Trias ist auch heute klusive Leberenzyme und Bilirubin
noch die gebräuchlichste Definition für 5 Hepatitisserologie (falls Leber-
das FUO. Sie bedarf aufgrund der neuen werte von der Norm abweichen)
718 Kapitel 86 · Patient mit Fieber außerhalb und innerhalb der Klinik

5 Urinstatus, mikroskopische urgische Eingriffe z Divertikulitis


Untersuchung des Urinsediments, z chronisch-entzündliche Darmer-
Urinkultur krankungen
5 Röntgenuntersuchung des Thorax 5 Osteomyelitis: lokale Symptome sind
z Symptome bzw. im Rahmen der auf- nicht immer apparent (inbesondere
geführten Untersuchungen erhobene bei vertebraler und mandibulärer Os-
Parameter, die auf die Dysfunktion teomyelitis)
eines spezifischen Organsystems hin- 5 Endokarditis: Blutkulturen sind in
weisen, bestimmen dann die weitere 2–5 % der Fälle negativ (die Wahr-
Diagnostik (zusätzliche Laboruntersu- scheinlichkeit negativer Blutkulturen
chungen, Bildgebung, ggf. Biopsien). steigt, wenn die Patienten antibiotisch
vorbehandelt sind); negative Blutkul-
Ätiologie turen sind besonders häufig, wenn
z Ätiologisch lässt sich das »klassische« folgende Erreger Verursacher der
FUO 3 großen Kategorien von Erkran- Endokarditis sind: z Coxiella burneti
kungen zuordnen: (Q Fieber) z seltene Endokarditis-
5 Infektionen erreger: Brucella spp., Mycoplasma
5 Malignome spp., Chlamydia spp., Histoplasma
5 Erkrankungen des Bindegewebes spp., Legionella spp., Bartonella spp.
(Kollagenosen, Vaskulitis, rheuma- (bedürfen einer speziellen mikrobio-
toide Arthritis) logischen Diagnostik) z Erreger der
HACEK Gruppe: Haemophilus spp.,
> Bei etwa 50 % der Patienten mit FUO Actinobacillus spp., Cardiobacterium
lässt sich keine Diagnose stellen. Etwa spp., Eikenella spp., Klingella spp.
25 % der Patienten leiden an einer Bin- (lassen sich nicht nachweisen, wenn
degewebeerkrankung, und die restlichen die Blutkulturen nicht für 7–21 Tage
Diagnosen entfallen auf Infektionskrank- bebrütet werden)
heiten sowie zum geringsten Teil auf z Bindegewebeerkrankungen:
Malignome. 5 Morbus Still (Erwachsenenform): ähn-
liche Symptomatik wie Beginn einer
juvenilen Arthritis (täglich Fieber,
Häufige Ätiologien für FUO Arthritis, flüchtiges Exanthem)
z Infektiöse Ursachen: 5 Riesenzellarteriitis: Fieber in Kombina-
5 Tuberkulose: häufigste Ursache; tion mit Kopfschmerzen, plötzlichen
entzieht sich oft einer frühen Diagno- Sehstörungen, Polymyalgiesymp-
sestellung bei: z extrapulmonalem tomen, hohe BSG und Alter von
Befall z Manifestation im Rahmen >50 Jahren
einer prädisponierenden chronischen 5 Wegener-Granulomatose: Fieber,
Lungenerkrankung z Immunsup- Nachtschweiß, Gewichtsabnahme im
pression, z. B. HIV-Infektion vaskulitischen Generalisationsstadium
5 Abszesse: okkulte Abszesse finden mit pulmorenalem Syndrom
sich am häufigesten im Bauch- und z Malignome:
Beckenraum; Prädispositionen: 5 Lymphome/Leukämien: okkulte Ma-
z Leberzirrhose z Steroide und lignome verursachen häufig Fieber
andere Immunsuppressiva z chir- retikuloendothelialen Ursprungs
86.2 · Sonderfälle 719 86.2
5 Nierenzellkarzinom: Fieber in 20 % der 5 Immunsuppression (angeboren,
Fälle, Urinsediment meist unauffällig erworben, iatrogen)
5 hepatozelluläres Karzinom/Leberme- 5 Medikamente (Antibiotika)
tastasen: Fieber ist hier häufig von 5 Kontakt mit potenziell toxischen
anderen paraneoplastischen Sympto- Noxen
men (z. B. Polyglobulie) begleitet 5 lokale Symptome
z Medikamente: z Weiterführende Untersuchungen:
5 Merkmale: allergische Reaktion, zusätzlich zu den bereits genannten
Überempfindlichkeitsreaktion oder Untersuchungen, welche die Diagnose
direkter Effekt des Medikaments auf des FUO definieren, sind mindestens
die Thermoregulation (Hautreakti- die folgenden diagnostischen Maß-
onen und Eosinophilie treten nur nahmen zu empfehlen:
in 25 % der Fälle einer allergischen 5 Labordiagnostik: BSG, CRP-Kon-
Reaktion auf ) zentration, Prokalzitoninspiegel,
5 Antibiotika: Sulfonamide, Penicillin, LDH- und CK-Aktivität, ANA-
Nitrofurantoin, Vancomyin, Antimala- Nachweis, Serumelektrophorese
riamittel 5 Tuberkulinhauttest und/oder
5 Antihistaminika: H1- und H2-Blocker Quantiferon-Assay zum Aus-
5 Weitere Substanzen: NSAR, Anti- schluss einer Tuberkulose
arrhythmika, Antiepileptika, Thyreo- 5 HIV-Test
statika 5 wiederholt Blutkulturen, jeweils
2 Paare von 2 verschiedenen Punk-
tionsstellen über einen Zeitraum
Diagnostik von mehreren Stunden, ohne dass
> Die Höhe der Temperatur sowie die Antibiotika appliziert werden
Art der Fieberkurve haben sich für die 5 Bildgebung: CT von Abdomen
Diagnostik des FUO als eher unspezi- und Thorax
fische Kriterien erwiesen. Bei älteren
Patienten zeigen sich häufig ungeachtet
der Schwere der Ätiologie mildere Fie- 86.2 Sonderfälle
berverläufe. Fieber als Symptom kann
durch Steroide und NSAR kupiert sein. FUO bei Neutropenie

z Sorgfältige Anamnese als Grundlage Definition


der Diagnostik (sollte berücksichti- z Neutrophilenzahl: <500/μl
gen, dass sich häufige Erkrankungen z Temperatur: ≥38,0°C
durchaus mit ungewöhnlichen Sym-
ptomen präsentieren können); insbe- Ätiologie
sondere sollte die Anamnese folgende z Neutropenieassoziierte febrile Epi-
Informationen enthalten: soden sind am häufigsten durch eine
5 Reisen Bakteriämie verursacht, auch wenn
5 Kontakte (Personen mit Fieber sich in vielen Fällen kulturell kein
und ähnlichen Symptomen im Erreger nachweisen lässt; Ursache des
Umfeld, Sexualanamnese, Tier- Fiebers können Infektionen mit fol-
kontakte) genden Erregern sein:
720 Kapitel 86 · Patient mit Fieber außerhalb und innerhalb der Klinik

5 grampositive Erreger: z. B. koa- Ätiologie


gulasenegative Staphylokokken, z Fieber im Rahmen eines HIV-Kon-
vergrünende Streptokokken, versionssyndroms ( Kap. 89)
Enterokokken, Staphylococcus z Wie bei immunkompetenten
aureus Patienten ist Fieber auch bei HIV-
5 gramnegative Erreger: Entero- Infizierten ein Symptom, das viele
bacteriaceae, selten Pseudomo- HIV-assoziierte, aber auch nicht-
nas spp. HIV-assoziierte Erkrankungen be-
5 Pilze: Aspergillus spp., Candida gleitet, deren Diagnose sich anhand
spp., seltene Arten spezifischer weiterer Symptome und
z Bei persistierendem neutropenischen Laborparameter stellen lässt; die
Fieber treten Pilzinfektionen als mög- wichtigsten Ätiologien unklaren Fie-
liche Ursache vor bakteriellen Infekti- bers bei HIV-Infizierten, bei denen
onen in den Vordergrund weitere Symptome häufig inapparent
z Die Klärung der Ätiologie des neu- sind, zeigt die nachfolgende Über-
tropenischen Fiebers ist dadurch sicht
erschwert, dass die schwere Grunder-
krankung selbst Ursache des Fiebers
sein kann Häufige Ursachen von FUO bei
z Darüber hinaus können die meist HIV-Infektion
zahlreichen Medikamente und eine
z Aidsdefinierende Erkrankungen:
Reaktion auf die häufig verabreichten
5 Tuberkulose: z kommt auch bei
Blutprodukte bzw. eine »Graft-versus- normaler CD4-Zell-Zahl vor z bei
host«-Erkrankung Ursachen des Fie- schlechtem Immunstatus aufgrund
bers sein unzureichender Granuloformation
z Das Fieber klärt sich häufig mit der radiologisch oft ungewöhnliche Prä-
Rekonstitution der Neutrophilen sentation (Cave: Miliartuberkulose)
z extrapulmonaler Befall!
> Bei Fieber in Neutropenie ist die
5 Infektionen mit atypischen Myko-
rechtzeitige und konsequente Einleitung
bakterien: z am häufigsten extra-
einer risikoadaptierten antibiotischen
pulmonal: Darm, Gallenwege, Milz,
Stufenprophylaxe bzw. -therapie erfor-
Knochenmark, Lymphknoten z Erre-
derlich (⊡ Tab. 86.1).
gernachweis häufig schwierig
Auch der Nachweis eines spezifischen
5 NHL/Burkitt Lymphom
Erregers schließt eine Mischinfektion
5 Histoplasmose: auch disseminiert
nicht aus. Deshalb wird die Therapie
oder extrapulmonal (Knochenmark,
des Fiebers in Neutropenie nicht
Leber)
auf Basis eines Resistogramms ver-
5 Pneumocystispneumonie: Fieber kann
schmälert.
lange vor pulmonalen Symptomen
auftreten
FUO bei HIV-Infektion
z Nichtaidsdefinierende Erkrankun-
gen: Hodgkin Lymphom (fast regelhaft
Definition
fortgeschrittene Stadien mit Organ-
z Nachgewiesene HIV-Infektion und befall)
Temperatur von ≥38,0°C
⊡ Tab. 86.1. Empirische Prophylaxe/Therapie des neutropenischen Fiebers nach O.A. Cornely

Risikofaktoren/ Prophylaxe Diagnostik Therapie der Wahl Therapie bei Allergie/


Klinische Situation Unverträglichkeit
86.2 · Sonderfälle

Chemotherapie, Posaconazol (3-mal 200 mg/ Blutkulturen (2-mal 2); Ceftriaxon (1-mal 2 g/Tag Piperacillin/Tazobactam
hämatologische Tag p. o.; gilt für AML und Bildgebung nur bei i. v.) + Gentamicin (1-mal (3-mal 4,5 g/Tag i. v.) oder
Systemerkrankung MDS unter Induktions- Verdacht auf Pneumonie 5 mg/kg KG/Tag i. v., max. Aztreonam (3-mal 2 g/Tag
chemotherapie), Trime- (CT des Thorax) 360 mg/Tag), Beginn i. v.) + Clindamycin
thoprim-Sulfamethoxazol innerhalb von 1 h nach (3-mal 600 mg/Tag i. v.)
(3-mal 160/800 mg/Woche) Auffiebern

Persistierendes Fieber Mit Posaconazolprophylaxe CT des Thorax Antibiotika auf Piperacillin/ Meropenem
ohne klinische (falls nicht bereits erfolgt), Tazobactam (3-mal 4,5 g/ (3-mal 1 g/Tag i. v.)
Besserung, Blutkulturen (2-mal 2) Tag i. v.) umsetzen
keine rückläufige
CRP-Konzentration Ohne Posaconazol- Zusätzlich: Caspofungin Liposomales Amphotericin B
prophylaxe (70 mg/Tag i. v. an Tag 1, (3 mg/kg KG/Tag i. v.)
dann 50 mg/Tag i. v.)

Nachweis eines – Obligat CT des Thorax, falls Zusätzlich: Caspofungin Liposomales Amphotericin B
Lungeninfiltrats nicht bereits erfolgt (70 mg/Tag i. v. an Tag 1, (3 mg/kg KG/Tag i. v.)
721

dann 50 mg/Tag i. v.)


86.2
722 Kapitel 86 · Patient mit Fieber außerhalb und innerhalb der Klinik

Fieber bei Tropenrückkehrern z roher Fisch (Clonorchiasis)


z rohes Fleisch (Trichinose und
z Nur etwa 15 % der Tropenrückkehrer, andere Wurmerkrankungen, To-
die sich mit dem Leitsymptom »Fie- xoplasmose) z Höhlenforschen
ber« vorstellen, haben tatsächlich eine (Histoplasmose) z Zeckenbisse
Tropenkrankheit im engeren Sinne (Rickettsiosen, Borreliose, Ehr-
z Um die spezifischen Tropenerkran- lichiose, Krim-Kongo-Fieber,
kungen von den viel häufigeren Tularämie) z Mücken-/Moski-
nichttropenspezifischen Erkrankun- tostiche (Malaria, Dengue- und
gen zu unterscheiden, bedarf es bei Gelbfieber) z ungeschützter Sex
Patienten, die aus tropischen Regio- (Hepatitis, HIV-Infektion, Lues
nen zurückkehren, einer speziellen und andere sexuell übertragbare
anamnestischen und diagnostischen Erkrankungen)
Aufarbeitung
> Die Dynamik/Periodik des Fiebers hat
Diagnostik sich in großen Studien als ein für die Di-
z ⊡ Abb. 86.1 agnostik unzuverlässiger Parameter er-
z Anamnese: wiesen und findet deswegen bei den dif-
5 spezielle Informationen: z Reise- ferenzialdiagnostischen Überlegungen
daten: Abreise, Ankunft, Stationen keine Berücksichtigung.
der Reise z Grund der Reise:
Geschäftsreise, Abenteuertour z Basisdiagnostik:
z Unterkünfte: Campingplatz, 5 Blutausstrich
Hotel z Aktivitäten: Schwim-
men (in welchen Gewässern), > Malaria bleibt bei Tropenrückkehrern
Dschungelwanderung, sexuelle die Differenzialdiagnose Nummer 1. Sie
Kontakte, Kontakt mit wilden muss durch mehrfach im Fieberanstieg
Tieren z Qualität von Nahrung angefertigte Blutausstriche sicher ausge-
und Trinkwasser: Genuss ein- schlossen werden.
heimischer Küche, rohes Fleisch,
Fisch etc. z Insektenbisse 5 Labordiagnostik: Blutbild/Dif-
z Medikamente: regelmäßige und ferenzialblutbild, Leberenzym-
aktuelle Medikation, Prophylaxen, werte, LDH- und CK-Aktivität,
Impfungen z Symptome: Fieber Retentionswerte, Glukosespiegel,
(Schüttelfrost), Exanthem, Lymph- Elektrolytwerte, BSG, CRP-Kon-
knotenschwellungen, Durchfall, zentration, Urinstatus
Erbrechen 5 Mikrobiologie: Blut- und Urin-
5 spezielle Risikofaktoren (po- kultur
tenzielle tropenspezifische 5 EKG
Erkrankungen): z Süßwasser- 5 Bildgebung: Röntgenuntersuchung
baden (Bilharziose, Leptospirose) des Thorax, Sonographie des Ab-
z Tierkontakt (Tollwut, Leptospi- domens
rose, Pest, Tularämie) z rohe z Erweiterte Stufendiagnostik:
Milch/Käse (Brucellose, Listeriose, 5 ergänzende Laboruntersuchungen:
Salmonellose, Tuberkulose) Pankreasenzymwerte, Gerin-
86.2 · Sonderfälle 723 86.2
Leitsyndrom »Fieber während oder nach
Tropenaufenthalt«

Anamnese, Befund, Basisuntersuchungen

Aufenthalt in Malariagebiet?

Ja Nein
Zusätzliche Leit-
Malariadiagnostik symptome/Leitbefunde
Negativ

Positiv Wiederholen
Ja Nein

Abklärung spezieller Stufendiagnostik und


Infektionssyndrome Zusatzuntersuchungen
oder
Organinfektionen
sofortige
Behandlung
Nachweis einer (importierten) Infektionskrankheit

Ja Nein

Differenzialdiagnostik
Spezielle Therapie
nichtinfektiöser Fieberursachen

⊡ Abb. 86.1. Diagnostischer Algorithmus für Fieber bei Tropenrückkehrern

nungsparameter, Elektrophorese, 5 zusätzliche bildgebende Diag-


Anti-Streptolysin-Titer, Nachweis nostik: z Wiederholung der
von Rheumafaktor, ANA und Sonographie z CT, MRT und
ANCA Szintigraphie
5 Mikrobiologie: Wiederholung der 5 Biopsien und Endoskopie:
Blutausstriche, Blutkultur, Urin-, z Endoskopie des Verdauungs-
Stuhl- und Sputumkulturen trakts z Bronchoskopie z Kno-
5 Serologie/Immundiagnostik: je chenmarkpunktion z Organbiop-
nach expositionellem Risiko (HIV- sien (Leber, Lunge etc.)
Test, CD4/CD8-Quotient, Tuber-
kulinhauttest, Quantiferon-Assay, Differenzialdiagnostik
Luesserologie etc.) ⊡ Tabellen 86.2–86.4
724 Kapitel 86 · Patient mit Fieber außerhalb und innerhalb der Klinik

⊡ Tab. 86.2. Differenzialdiagnostik anhand von Inkubationszeiten

<10 Tage 10–30 Tage >3 Monate

 Lassa-Fieber  Amöbiasis  Leberabszesse (Enta-


 Leptospirose  Hepatitis A moeba histolytica)
 Dengue-Fieber (Flavivirus)  Trypanosomiasis  Malaria
 Typhus abdominalis (Salmonella  Malaria  Trypanosomiasis
typhi)  Lassa-Fieber  Tuberkulose
 Typhus (Rickettsia typhi)  Hämorrhagisches  Hepatitis B/C
 Rückfallfieber (Borrelia recurrentis) Fieber (Hantavirus)  Viszerale Larva
 Gelbfieber  Brucellose migrans (Toxocara
 Pest  Schistosomiasis canis)
 »Trench fever« (Bartonella quintana)  »Typhoid fever«  HIV-Infektion
 Meningitis/Meningokokkensepsis (Salmonella typhi)
 »Rocky Mounted spotted fever«  Babesiosis
(Rickettsia rickettsii) (Protozoonose)

⊡ Tab. 86.3. Differenzialdiagnostik anhand von Begleitsymptomen

Fieber plus Denken an


Haut-  Hämorrhagische Fieber (Lassa, Ebola)
einblutungen  Meningokokkensepsis
Spleno-  Malaria
megalie/  Typhus
Lymphadeno-  Leishmaniose (Kala Azar)
pathie  Pest
 Lymphogranuloma inguinale (Clamydien)
 Rickettsiosen
 Leptospirose
 Toxoplasmose
 (Epstein-Barr-Virus-, CMV-Infektion)
 HIV-Infektion
 Dengue-Fieber
 Gelbfieber
Exanthem  Dengue-Fieber
 Rickettsiosen
 HIV-Infektion
 Lues II
 Typhus (Roseolen)
 Borreliose (Erythema migrans)
Diarrhö  Shigellose
 Salmonellose
 Lebensmittelintoxikation (Staphylococcus aureus, Bacteroides subtilis)
 Cholera
 Enteroviren
 Amöbiasis
86.2 · Sonderfälle 725 86.2
⊡ Tab. 86.4. Differenzialdiagnostik anhand des Differenzialblutbilds

Befund Häufige Erkrankungen

Leukozytose  Amöbenleberabszess
 Sepsis
 Pyogene Infektionen
 Miliartuberkulose
 Rheumatisches Fieber

Leukopenie  Viruserkrankungen
 Malaria
 Typhus/Paratyphus
 Tuberkulose
 Viszerale Leishmaniose
 Brucellose

Lympho-/Monozytose  Epstein-Barr-Virus-, CMV- und andere Virusinfektionen


 Brucellose
 Lues
 Tuberkulose
 Toxoplasmose

Eosinophilie  Helminthosen
 Kokzidioidomykose
 Allergische pulmonale Aspergillose

Eosinopenie  Typhus abdominalis

Thrombopenie  Malaria tropica


 Viruserkrankungen
 Kala Azar
 Trypanosomiasis
 Borreliosen
 Rickettsiosen
 Leptospirosen
 Sepsis
726 Kapitel 87 · Tropen- und Reisekrankheiten

> Tropen- und


Reisekrankheiten
J. Rybniker, P. Hartmann

Reiserückkehrer, insbesondere solche, Epidemiologie


die aus tropischen Ländern zurückkeh- z Malaria tritt in tropischen und sub-
ren, bedürfen einer besonderen dia- tropischen Regionen aller Kontinente
gnostischen Aufarbeitung. – außer Australien – in etwa 100 Län-
dern endemisch auf
> Nur etwa 15 % der Tropenrückkehrer, z Etwa 40 % der Weltbevölkerung leben
die sich mit Krankheitssymptomen vor- in Malariaendemiegebieten
stellen, insbesondere mit Fieber, haben z Ungefähr 300–500 Mio. Neuerkran-
tatsächlich eine Tropenkrankheit im kungen pro Jahr
engeren Sinne. Meist handelt es sich um z 1,5–2,7 Mio. Menschen sterben welt-
Erkrankungen, die nicht durch Tropenerre- weit jährlich an Malaria
ger hervorgerufen sind. Die häufigste tro- z Malaria wird überwiegend in Ländern
penspezifische Erkrankung ist die Malaria. Afrikas (90 %), Asiens und Südameri-
kas erworben

87.1 Malaria Klinik


Allgemein
Erreger z Anfangs uncharakteristische Be-
z Protozoen der Gattung Plasmodium; schwerden wie Fieber, Kopf- und
humanpathogen: Plasmodium falci- Gliederschmerzen sowie allgemeines
parum (Erreger der Malaria tropica), Krankheitsgefühl
Plasmodium ovale und Plasmodium z Verläuft ähnlich wie grippaler Infekt
vivax (Erreger der Malaria tertiana) oder Magen-Darm-Infektion
sowie Plasmodium malariae (Erreger
der Malaria quartana) Malaria tropica
z Morphologie der Parasiten: für jede z Malariaart mit der höchsten Leta-
Art und jedes Entwicklungsstadium lität
charakteristisch z Klinisches Bild ist variantenreich:
z Plasmodien sind intrazelluläre Para- Abgeschlagenheit, Kopf- und
siten, deren Entwicklungszyklus in Gliederschmerzen, unregelmäßige
2 Teilen verläuft: fieberhafte Temperaturen
5 im menschlichen Wirt (exoeryth-
rozytäre und erythrozytäre Phase) > Der Fiebertyp ist kein diagnostisches
5 in der Überträgermücke Kriterium für eine Malaria tropica, da es
87.1 · Malaria 727 87.1
nur selten zum Auftreten eines rhyth- Malaria tertiana
mischen Wechselfiebers kommt. z Beginnt plötzlich mit Fieber und
uncharakteristischen Beschwerden
z Splenomegalie (etwa 26 % der Fälle), z Oft Rhythmisierung der Fieberanfälle
Hepatomegalie (ungefähr 14 % der (bis 40°C alle 48 h) mit Schüttelfrost
Fälle), Diarrhö z Verläuft nur selten tödlich
z Zentralnervöse Erscheinungen, z. B. z Inkubationszeit: etwa 7–21 Tage
Krampfanfälle und Bewusstseins-
trübungen bis zum Koma (zerebrale Malaria quartana
Malaria) z Seltener als andere Malariaarten
z Komplikationen: akutes Nierenversa- z Fieber im 72-h-Rhythmus
gen, pulmonale Verlaufsformen, Kreis- z Rückfälle können bis zu 40 Jahre nach
laufkollaps, hämolytische Anämie, DIC der Erstinfektion auftreten
z Inkubationszeit: etwa 7–14 Tage z Inkubationszeit: etwa 3–7 Wochen

Diagnostik
Komplizierte bzw. schwere Verlaufsform z  Kap. 86, ⊡ Abb. 86.1
der Malaria tropica z Anamnese: Herkunft des Patienten,
Vorerkrankungen etc.
z Lebensbedrohliche Form mit Indika-
tion für Intensivbehandlung: z Körperliche Untersuchung
5 Bewusstseinseintrübung bis Koma, z Labordiagnostik: Thrombopenie
zerebraler Krampfanfall
(60 % der Fälle), geringer Hb-Wert,
Bilirubinämie, hohe LDH-Aktivität
5 Lungenödem, respiratorische Insuffizi-
enz bis ARDS z Mikroskopie: sog. Dicker Tropfen
oder dünner Blutausstrich (EDTA-
5 Hypoglykämie (Blutzuckerspiegel:
<40 mg/dl)
Blut, Giemsa-Färbung) für den Plas-
modiennachweis:
5 Azidose (pH-Wert: <7,3)
5 Hyperkaliämie 5 Goldstandard der Malaria-
diagnostik
5 Hypotension bis Schock
5 Spontanblutungen bis DIC 5 bei negativem Befund, jedoch
weiter bestehendem Verdacht
z Bedrohliche Form mit Indikation zur
engmaschigen Überwachung:
Untersuchung nach 24 h wieder-
holen
5 hämolytische Anämie (Hb-Wert:
<8 g/dl) 5 Differenzierung der 4 Spezies ist
aufgrund morphologischer Krite-
5 Makrohämaturie/Hämoglobinurie
(Schwarzwasserfieber)
rien möglich
5 Niereninsuffizienz bis ANV z Antigen-Malaria-Schnelltest:
5 Aktivitätssteigerung der Transamina- 5 Nachweis parasitenspezifischer
sen (3fach erhöht)
Antigene (immunchromatographi-
scher Nachweis)
5 Ikterus/Bilirubinämie (Bilirubinspiegel:
>3 mg/dl) 5 Nachteil: auch bei ausgeprägten
Parasitämien treten falsch-nega-
5 Hyperparasitämie (>5 % der Erythro-
zyten zeigen Plasmodienbefall oder
tive Befunde auf
>100.000 Plasmodien/μl Blut) z Antikörperbestimmung: hat keinen
Stellenwert
728 Kapitel 87 · Tropen- und Reisekrankheiten

z Wichtiger Parameter: Parasitenzahl Supportive Maßnahmen


pro mm3 oder Anzahl der befallenen z Fiebersenkung: physikalische Maß-
Erythrozyten → Einschätzung der nahmen, Paracetamol (wegen Throm-
Schwere der Erkrankung bopenie kein ASS)
z Engmaschige Blutzuckerspiegel-
> Der Nachweis von Plasmodien ist für kontrollen
das Vorliegen einer Malaria beweisend, z Gesteuerte Volumensubstitution unter
dagegen schließt ein negatives Unter- Berücksichtigung der pulmonalen
suchungsergebnis die Erkrankung nicht Situation
sicher aus. Zu Beginn der klinischen z Gegebenenfalls Nierenersatzverfahren
Erscheinungen kann die Parasitendichte z Lungenprotektive Beatmung
im peripheren Blut noch sehr gering
sein. Bei klinischem Verdacht und nega- Prophylaxe
tiven Befunden muss die Untersuchung z ⊡ Tab. 87.2
mehrmals wiederholt werden. Die z Grundsätzlich muss in den Malaria-
mikroskopische Beurteilung erfordert gebieten ein intensiver Schutz vor In-
einen erfahrenen Untersucher. Die Ma- sektenstichen erfolgen (Auftragen von
lariaschnelltests sind nicht geeignet, Repellent-Lösungen oder -Cremes,
Reisenden eine Entscheidungsgrundlage Tragen von heller, die Haut bedecken-
für eine evtl. erforderliche notfallmäßige der Kleidung, Schlafen unter Repel-
Selbstbehandlung zu bieten. lent-behandelten Moskitonetzen)
z Während der Schwangerschaft sollte
Therapie bei Erwachsenen grundsätzlich von Reisen in Mala-
⊡ Tabelle 87.1 riaendemiegebiete abgeraten werden

⊡ Tab. 87.1. Therapie der Malaria1

Erkrankung Besonderheiten Therapie der ersten Therapie bei Allergie/


Wahl Unverträglichkeit

Malaria Häufig Chloro-  Initial: 600 mg Chlo-  Mefloquin (Lariam;


tertiana, quinresistenz bei roquinbase (4 Tbl. 1 Tbl. enthält 250 mg
Malaria Plasmodium vivax Resochin) Mefloquin) nach
quartana in Indonesien/  Nach 6 ,24 und dem 3-2-1-Schema:
Pazifikregion → 48 h jeweils 300 mg initial 750 mg, nach
Empfehlung: (2 Tbl.) Resochin 6 h 500 mg, nach 12 h
Mefloquin  Nach Abschluss 250 mg
(s. Malaria tropica) der Initialtherapie:
Primaquin2 (15 mg
bzw. 1 Tbl./Tag über
14 Tage; Import aus
dem Ausland) zur
Vermeidung von
▼ Rezidiven
87.1 · Malaria 729 87.1
⊡ Tab. 87.1. Fortsetzung

Erkrankung Besonderheiten Therapie der ersten Therapie bei Allergie/


Wahl Unverträglichkeit

Malaria Mefloquinresis-  Mefloquin (Lariam;  Atovaquon/Progua-


tropica, tenz in Südost- 1 Tbl. enthält 250 mg nil3 (Malarone; 1 Tbl.
unkompliziert asien (Thailand, Mefloquin) nach enthält 250 mg Ato-
Kambodscha, dem 3-2-1-Schema: vaquon und 100 mg
Laos, Vietnam, initial 750 mg, nach Proguanil): 1-mal
Myanmar); immer 6 h 500 mg, nach 4 Tbl./Tag über 3 Tage
stationäre 12 h 250 mg  Oder Artemether/
Behandlung Lumefantrin3 (Riamet;
erforderlich 1 Tbl. enthält 20 mg
Artemether und
120 mg Lumefantrin):
initial 4 Tbl., nach 8,
24, 36, 48 und 60 h je-
weils weitere 4 Tbl.

Malaria Intensivmedizi-  Chinin7: initial 20 mg/  Artesunat6: initial


tropica, nische Behand- kg KG über 4 h in sowie nach 12 und
kompliziert4, 5 lung erforderlich3; 250–500 ml 5%iger 24 h 2,4 mg/kg KG i. v.,
Konsultation ak- Glukoselösung i. v., dann 1-mal 2,4 mg/
tueller Leitlinien dann 10 mg/kg KG kg KG/Tag i. v., bis orale
dringend emp- alle 8 h, bis orale Therapie möglich ist
fohlen5 Aufnahme möglich (2 mg/kg KG/Tag p. o.);
ist (3-mal 0,5 g bzw. Therapiedauer: insge-
3-mal 2 Tbl.) samt 1 Woche
 Plus Doxycyclin3  Plus Doxycyclin (2-mal
(2-mal 100 mg/Tag 100 mg/Tag i. v. oder
i. v. oder p. o.) p. o.); Therapiedauer:
 Therapiedauer: 1 Woche
7–10 Tage
1 Bei Verdacht auf Malaria: EDTA-Blut über Notfallschein an das Zentrallabor schicken, keine

Blutausstriche an das Zentrallabor versenden; bei negativem Befund und weiter bestehendem
Verdacht: Untersuchung nach 24 h wiederholen
2 Cave: Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (vorher ausschließen, da Hämolysegefahr

besteht)
3 Kriterien für das Therapieansprechen: klinische Besserung, Normalisierungstendenz von

Thrombozyten- und LDH-Werten, Reduktion der asexuellen Parasiten im Blutausstrich nach


spätestens 48 h (ansonsten Verdacht auf das Vorliegen einer Resistenz; kurz nach Therapiebe-
ginn Anstieg der Parasitenzahl möglich)
4 Definition der komplizierten Malaria: Bewusstseinstrübung, Hb-Wert von <5 g/dl, ANV, Lun-

genödem/ARDS, Glukosespiegel von <40 mg/dl, Schock, Spontanblutungen, DIC, Krampfanfäl-


le, pH-Wert von <7,25, Bikarbonatkonzentration von <15 mmol/l, Makrohämaturie
5 Von entscheidender Bedeutung bei komplizierter Malaria tropica sind die supportiven Maß-

nahmen (Leitlinien: www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/042-001.htm) und die engmaschige


Überwachung des Therapieansprechens
6 In Deutschland noch nicht zugelassen
7 Verursacht häufig Herzrhythmusstörungen → Monitorkontrolle
730 Kapitel 87 · Tropen- und Reisekrankheiten

⊡ Tab. 87.2. Allgemeine Dosierungsanleitung zur Malariaprophylaxe

Medikament Anmerkungen Dosierung für Dosierung für Kinder


Erwachsene

Mefloquin (Lariam) Mefloquinresistenz in 250 mg (1 Tbl.)/ Ab 3. Lebensmonat


Südostasien (Thailand, Woche1 (Notfall- bzw. bei Körperge-
Kambodscha, Laos, selbstbehand- wicht von >5 kg: 5 mg/
Vietnam, Myanmar) lung: s. unten) kg KG/Woche1 (Not-
fallselbstbehandlung:
s. dort)

Atovaquon/Pro- Maximale Malarone: Malarone Junior:


guanil (Malarone, Aufenthaltsdauer: 250 mg/100 mg 62,5 mg/25 mg/Tbl.;
Malarone Junior) 28 Tage (1 Tbl.)/Tag2 (bei körpergewichts-
Körpergewicht adaptierte Dosierung2
von >40 kg; (11–20 kg: 1 Tbl./Tag;
Notfallselbst- 21–30 kg: 2 Tbl./Tag;
behandlung: 31–40 kg: 3 Tbl./Tag;
s. unten) Notfallselbstbehand-
lung: s. dort)

Doxycyclin Für diese Indikation 100 mg/Tag3 Kinder ab 8 Jahren:


in Deutschland nicht 1,5 mg/kg KG/Tag3
zugelassen
1
1–3 Wochen vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt im Malariagebiet; Cave: selten Auslösung
schwerer Psychosen; Kontraindikationen: Psychosen, Epilepsien, schwere Lebererkrankungen,
Erregungsleitungsstörungen
2 1–2 Tage vor bis 7 Tage nach Aufenthalt im Malariagebiet; Kontraindikationen: schwere Leber-

erkrankungen, Niereninsuffizienz
3 1–2 Tage vor bis 4 Wochen nach Aufenthalt im Malariagebiet; Cave: phototoxische Reaktionen;

Kontraindikationen: schwere Lebererkrankungen, Kinder unter 8 Jahren

(eine Malaria in der Schwangerschaft (www.dtg.org), WHO (www.who.int/


stellt ein hohes Risiko für Mutter und topics/malaria/en)
Kind dar); sollte ein Aufenthalt unum-
gänglich sein, wird Mefloquin ab dem > Die aktuellen Resistenzdaten der
II. Trimenon empfohlen (in Deutsch- Endemiegebiete sollten den Internet-
land »off-label use«; Chloroquin/Pro- quellen entnommen werden.
guanil kann nach bisherigem Erkennt-
nisstand während Schwangerschaft Notfallselbstbehandlung
und Stillzeit prophylaktisch eingesetzt (»Stand-by«-Therapie)
werden, es ist jedoch mit Infektionen z ⊡ Tab. 87.3
durch resistente Erreger zu rechnen) z Die Notfallselbstbehandlung sollte
z Aktuelle Informationen zur länder- nur in speziellen Situationen empfoh-
spezifischen Prophylaxe: Deutsche len werden (reisemedizinische Bera-
Tropenmedizinische Gesellschaft tung als Voraussetzung)
87.2 · Leishmaniose 731 87.2
⊡ Tab. 87.3. Notfallselbstbehandlung

Medikament Dosierung für Erwachsene Dosierung für Kinder

Mefloquin (Lariam) Siehe »Therapie bei Ab 3. Lebensmonat oder


Erwachsenen« ab Körpergewicht von 5 kg:
15 mg/kg KG sowie 6–24 h
später 10 mg/kg KG

Atovaquon/Proguanil Siehe »Therapie bei Siehe Fachinformation


(Malarone, Malarone Junior) Erwachsenen« (www.dtg.org)

Chloroquin (Resochin; Initial 600 mg Base (4 Tbl. Re- 10 mg/kg KG, dann nach 6,
300 mg Chloroquinbase sochin), dann nach 6, 24 und 24 und 48 h jeweils 5 mg/
entsprechen 500 mg 48 h jeweils 300 mg Base (2 Tbl. kg KG
Chloroquinsalz) Resochin); ausschließlich zur
Notfallselbstbehandlung in
Mittelamerika und Mexiko

Arthemether/Lumefantrin Initial 80 mg/480 mg (4 Tbl.), Ab dem 12. Lebensjahr


(Riamet) dann nach 8 h weitere 4 Tbl., bzw. ab einem Körperge-
dann 2-mal 4 Tbl./Tag an den wicht von 35 kg wie bei
Tagen 2 und 3 (entspricht Erwachsenen
insgesamt 24 Tbl.)

87.2 Leishmaniose Klinik


Viszerale Leishmaniose oder
Allgemeines Kala-Azar (Mittel-/Südamerika,
z Eine der »klassischen Parasitosen« Indien, China, Mittelmeerraum)
z Erreger: z Uncharakteristischer Krank-
5 Leishmania donovani, Leishmania heitsbeginn: Bauchschmerzen,
infantum (Asien, Afrika, Europa) Appetitlosigkeit, Durchfälle, Ge-
→ viszerale Leishmaniose wichtsverlust, Schwächegefühl,
5 Leishmania tropica, Leishmania Fieberepisoden (intermittierend
aethiopica, Leishmania major oder typischerweise remittierend:
(Asien, Afrika) → kutane Leish- 2 Fieberzacken pro Tag; seltener:
maniose Febris continua)
5 Leishmania brasiliensis (Süd- und z Später: Lymphknotenschwellungen,
Mittelamerika, Mexiko) → muko- Hepatosplenomegalie
kutane Leishmaniose z Bei Knochenmarkbefall: Anämie,
z Übertragung: Leukopenie, Thrombopenie, Hyper-
5 natürlich: abend- und nachtaktive gammaglobulinämie mit zirkulieren-
Schmetterlings-/Sandmücken (alle den Immunkomplexen, Immunkom-
Leishmanioseformen) plexnephritis
5 nichtnatürlich: Nadelstichverlet- z Bei fortschreitender Erkrankung
zung (»needle sharing«), Transfu- oder HIV-Infektion: Ulzerationen im
sion, Transplantation Magen/Darm
732 Kapitel 87 · Tropen- und Reisekrankheiten

! Die viszerale Leishmaniose kann letal z Anzucht (Material an spezielle Tro-


verlaufen. Die Patienten versterben an peninstitute versenden)
Hämorrhagien oder Anämiefolgen oder z PCR aus Knochenmark oder Biopsie-
aufgrund des geschwächten Immunsys- material, bei HIV-Infektion auch aus
tems an Sekundärinfektionen. Bei Patien- peripherem Blut (guter Verlaufspa-
ten mit Aids verläuft die Erkrankung oft rameter für das Therapieansprechen;
atypisch mit multiplen Organmanifesta- Material an spezielle Tropeninstitute
tionen (häufig Hautbeteiligung). Außer- versenden)
dem bestehen bei Aids häufig Rezidive
und ein schlechtes Therapieansprechen. > Bei HIV-Co-Infektion Möglichkeit der
Kombinationstherapie in Erwägung zie-
Mukokutane Leishmaniose (Mexiko, hen (Rücksprache mit Infektiologen)
Zentral-/Südamerika)
z Meist ebenfalls Ulkus zu Beginn Mukokutane Leishmaniose
z Nach Abheilung des Ulkus: Befall der z Biopsie (mikroskopischer Direkt-
Schleimhäute des Nasenrachenraums nachweis, Anzucht, PCR; Material an
→ behinderte Nasenatmung, häufiges spezielle Tropeninstitute versenden)
Nasenbluten, Nasenseptum kann per- z Speziesbestimmung über PCR anstre-
forieren (Tapirnase) ben
z Mundhöhle, Rachen und Kehlkopf
sind häufig befallen, seltener Luft- Kutane Leishmaniose oder Orient-/
röhre und Genitalschleimhaut Aleppobeule
z Biopsie (mikroskopischer Direkt-
Kutane Leishmaniose oder Orient-/ nachweis, Anzucht, PCR; Material an
Aleppobeule (Asien, Afrika) spezielle Tropeninstitute versenden)
z Umschriebene Rötung und Schwel-
lung an der Einstichstelle: Therapie
5 entwickelt sich meist größenpro- Viszerale Leishmaniose oder
gredient zu einem schmerzlosen, Kala-Azar
flachen Ulkus mit erhabenem z 1. Wahl: Liposomales Amphotericin B:
Randwall Gesamtdosis von 20–30 mg/kg KG,
5 kann krustig bedeckt sein verteilt auf ≥5 Einzeldosen von jeweils
z Läsion bleibt meist solitär, es können 3–4 mg/kg KG über einen Zeitraum
jedoch auch multiple Ulzera vorliegen von 10–21 Tagen (z. B. 3–4 mg/kg KG/
bis hin zu einer diffusen Ausbreitung Tag an den Tagen 0, 1, 2, 3, 4 und 10)
z Abheilung nach mehreren Monaten z Bei Allergie/Unverträglichkeit: Milte-
unter Narbenbildung (Selbstheilungs- fosin (1,5–2,5 mg/kg KG/Tag p. o. über
rate nach 3–18 Monaten: >90 %) 28 Tage)

Diagnostik Mukokutane Leishmaniose


Viszerale Leishmaniose oder Kala-Azar z 1. Wahl: Pentamidin (300 mg; 3 mg/
z Serologie kg KG/Tag i. v. über 15 Tage)
z Mikroskopischer Direktnachweis z Bei Allergie/Unverträglichkeit: liposo-
(Knochenmark, Leber, Milz, Lymph- males Amphotericin B (3 mg/kg KG/
knoten) Tag i. v. über 20–30 Tage)
87.3 · Schistosomiasis (Bilharziose) 733 87.3
Kutane Leishmaniose oder Orient-/ Klinik und Verlauf
Aleppobeule z Verläuft oft asymptomatisch
z Paromomycinsalbe 15 % (2-mal täg- z Urogenitale Schistosomiasis: Befall
lich über 4 Wochen) des Urogenitaltrakts → Schmerzen
z Topische Therapie nur bei kleinen, beim Wasserlassen, Hämaturie, Zys-
singulären Läsionen titis
z Bei Indikation für systemische The- z Intestinale Schistosomiasis: Darmbil-
rapie: liposomales Amphotericin B harziose → abdominelle Schmerzen,
(3 mg/kg KG/Tag i. v. über 6 Tage) intermittierende Durchfälle
z hepatolienale Schistosomiasis: Hepa-
tomegalie bis Leberzirrhose (Symmer-
87.3 Schistosomiasis Fibrose) mit Ösophagusvarizen; Infek-
(Bilharziose) tionen mit Schistosoma intercalatum
können zu einer Beteiligung des
Allgemeines Genitaltrakts und zu rektalen Blutun-
z Eine der bedeutendsten Wurminfekti- gen führen, Eier werden mit dem Urin
onen (Trematodiase) weltweit bzw. mit dem Kot ausgeschieden
z Gehört zu den größten globalen me- z Katayama-Fieber: nach Erstinfek-
dizinischen Problemen tion kann es zum akuten Auftreten
z Schistosoma: getrenntgeschlechtliche eines hochfebrilen, teilweise le-
Trematoden, Männchen und Weib- bensbedrohlichen Krankheitsbilds
chen legen sich paarweise zusammen kommen (allergische, fieberhafte
z Zwischenwirt: Süßwasserschnecke Reaktion auf Schistosomenanti-
z 5 Spezies: Schistosoma haematobium gene): rascher Fieberanstieg mit
(Blasenbilharziose), Schistosoma in- Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Diar-
tercalatum (zentralafrikanische Darm- rhö und Husten → bei Verdacht auf
bilharziose), Schistosoma mansoni Katayama-Fieber evtl. Kortisonthe-
(Süd-/Mittelamerika: Darmbilharzi- rapie und Rücksprache mit tropen-
ose), Schistosoma japonicum (Asien), medizinischer Klinik
Schistosoma mekongi (China, Südost- z Wanderungsphase/Zerkariender-
asien); Mischinfektionen matitis: freilebende Larven (Gabel-
z Klinische Einteilung: schwanzzerkarien) durchdringen
5 urogenitale Schistosomiasis: die intakte Haut beim Aufenthalt in
Schistosoma haematobium zerkarienhaltigem Süßwasser; die
5 intestinale Schistosomiasis: Schis- Larven werfen ihren Schwanz ab und
tosoma mansoni, Schistosoma gelangen als Schistosomulum in den
intercalatum, Schistosoma japoni- Blutstrom
cum, Schistosoma mekongi z pulmonales Stadium: Wanderung in
5 hepatolienale Schistosomiasis: die Lunge über das Blut- und Lymph-
Schistosoma japonicum, Schisto- system mit Pneumonitis, ggf. hämor-
soma mansoni rhagisches Sputum
z Vorkommen: tropische Zonen mit z hepatisches Stadium: Krankheits-
stehenden oder langsam fließenden erreger wandert in seiner weiteren
Gewässern (Staudämme, Bewässe- Entwicklung in die Leber → im
rungsanlagen) Pfortadersystem Ausreifung zum
734 Kapitel 87 · Tropen- und Reisekrankheiten

Adultwurm und Paarung → gepaarte


Egel wandern in das Venengeflecht
der Blase (Schistosoma haematobi-
um), des Mesenteriums (Schistosoma
mansoni, Schistosoma japonicum,
Schistosoma mekongi) oder des
Rektums (Schistosoma intercalatum)
→ Eiablage im Kapillarsystem mit
Bildung von Eigranulomen mit Ver-
kalkungen und narbiger Abheilung →
Durchblutungsveränderung der Blase
oder des Mesenterialbereichs

Diagnostik
z Mikroskopie: Einachweis im Urin/
Stuhl
z Analschleimhaut- und Blasenbiopsie
(Quetschpräparat)
z Serologie

Therapie
z Praziquantel:
5 40 mg/kg KG/Tag über 3 Tage:
Schistosoma haematobium, Schis-
tosoma intercalatum, Schistosoma
mansoni
5 60 mg/kg KG/Tag verteilt auf
2 Dosen im Abstand von 4–6 h
(über insgesamt 3 Tage): Schis-
tosoma japonicum, Schistosoma
mekongi, Mischinfektionen
z Kortikosteriodgabe bei ZNS-Befall:
z. B. Prednisolon (1-mal 40 mg/Tag
über 5 Tage)
Kapitel 88 · SIRS, Sepsis und septischer Schock 735 88

> »Systemic inflammatory


response syndrome«
(SIRS), Sepsis und
septischer Schock
M. Kochanek, G. Michels

Definition ursache auf internistischen Inten-


z Sepsis ist eine oftmals lebensbedrohli- sivstationen
che systemische Entzündungsreaktion 5 28-Tages-Mortalität: z SIRS: etwa
mit multiplen pathophysiologischen 10 % z Sepsis: ungefähr 20 %
Veränderungen als Reaktion auf eine z schwere Sepsis: etwa 20–40 %
Infektion; dabei werden biologische z septischer Schock: ungefähr
Kaskaden- und spezielle Zellsysteme 40–80 %
aktiviert sowie Bildung und Freiset- z Behandlungskosten (schwere Sepsis,
zung humoraler und zellulärer Media- septischer Schock): etwa 18.000 Euro/
toren ausgelöst Patient → 1–2 Mrd. Euro/Jahr
z Die Komplexität der pathophysiologi-
schen Vorgänge macht eine Definition Ätiologie
schwer; zurzeit steht kein sicherer Pa- z Infektiöse Ursache (»klassische Sepsis«):
rameter zur Verfügung, der allein zur 5 überwiegend gramnegative Keime:
Diagnose einer Sepsis führen kann Escherichia coli, Klebsiellen,
z Sepsis, schwere Sepsis und septischer Pseudomonas aeruginosa, Proteus
Schock definieren ein Krankheitskon- mirabilis
tinuum, das über eine Kombination 5 grampositive Keime: Staphylococ-
aus Vitalparametern, Laborwerten, cus aureus, Staphylococcus epi-
hämodynamischen Daten und Organ- dermidis, Streptococcus viridans,
funktionen definiert wird Enterokokken
5 Sepsisherde: z Respirationstrakt
Epidemiologie (40 %; Pneumonie: häufigste
z Inzidenz: Ursache für eine Sepsis auf in-
5 Deutschland: etwa 150.000 Fälle/ ternistischen Intensivstationen)
Jahr, steigend z intraabdomineller Fokus (25 %)
5 USA: ungefähr 750.000 Fälle/Jahr z Körperoberfläche (10 %) z En-
z Mortalität: dokarditis (2,5 %) z Meningitis/
5 Sepsis: dritthäufigste Todesursache Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
(allgemein) und häufigste Todes- (2,5 %) z Fremdkörper (2 %; z. B.
736 Kapitel 88 · SIRS, Sepsis und septischer Schock

Demers-Katheter) z Harnwege/ nisten, IL-4, IL-10) sowie Apoptose


Urosepsis (<1 %) z andere Herde immunkompetenter Zellen
(<5 %; z. B. gynäkologisch, Arthri-
tis, vorangegangene Reanimation Funktionsstörungen bei Sepsis
→ »sepsis-like syndrome«) bzw. Organdysfunktion:
z Nichtinfektiöse Ursache: z Herz: Störung der myokardialen Kon-
5 Minderperfusion und Hypovolä- traktilität (septische Kardiomyopathie:
mie → Abnahme des mesente- TNF-α als »myocardial depressant
rialen Blutflusses (Hypoxie) → factor«) mit links- und rechtsventri-
Verlust der Mukosabarriere → kulären Dyskinesien sowie erhöhtem
Translokation von Bakterien aus enddiastolischen und endsystolischen
dem Gastrointestinaltrakt in die Volumen
Zirkulation z Gefäße: Zunahme der Gefäßpermea-
5 Darm als »Starter« der Sepsis nicht- bilität durch Endothelschädigung mit
infektiöser Genese und als »Motor« intravasaler Hypovolämie und inter-
sowohl der Sepsis nichtinfektiöser stitieller Hypervolämie (generalisierte
als auch infektiöser Genese Ödembildung)
z Kreislauf: hyperdynamer Kreislauf
Pathophysiologie (CI: >4,0 l/min/m2 KOF; Norm: 2,2–
z Schlüsselrolle: Zusammenwirken von 4,4 l/min/m2 KOF) mit Tachykardie
Infektion und Immunantwort bei normalem Blutdruck; reduzierter
z Eindringen (Invasion) von Erregern peripherer Systemwiderstand (SVR:
oder von deren Toxinen in den Kreis- <600 dyn × s × cm–5; Norm: 1000–
lauf 1500 dyn × s × cm–5) mit peripherer
z Prädisposition: immungeschwächte Mikrozirkulationsstörung
Patienten (z. B. Diabetes mellitus, z Lunge: Anstieg des pulmonalarteri-
Leberzirrhose, Malignome, Kollage- ellen Gefäßwiderstands bis hin zum
nosen, vorangegangene Splenektomie, akuten Lungenversagen (ARDS)
hohes Alter, männliches Geschlecht), z Regionale Organdysfunktion durch
Immunsuppression (z. B. HIV-Er- Störung der Gewebeoxygenierung/-
krankung, Chemotherapie) perfusion bzw. der O2-Extraktion:
z Alle Erreger (viral, bakteriell, para- verlängerte Diffusionsstrecke durch
sitär) sind in der Lage, eine Sepsis interstitielle Flüssigkeitsvermehrung,
auszulösen Entkopplung der oxidativen Phospho-
z Aktivierung immunkompetenter Zellen rylierung (zytopathische Hypoxie),
→ Ausschüttung primärer Inflammati- Laktatämie (>4 mmol/l) als Zeichen
onsmediatoren (TNF-α, IL-1) → Ver- der metabolischen Azidose
stärkung durch sekundäre Mediatoren z Darm: mesenteriale Hypoperfusion
z Folge: primäres Hyperinflammations- mit Hypoxie und Zunahme der Mu-
syndrom bzw. proinflammatorische kosapermeabilität sowie Abnahme
Reaktion (z. B. TNF-α, IL-1, IL-6) der Barrierefunktion → bakterielle
und sekundäre Immunparalyse bzw. Translokation (Aufrechterhaltung der
antiinflammatorische Reaktion (sog. Sepsis bzw. »Motor des Multiorgan-
Bremszytokine: z. B. lösliche TNF-α- versagens«); weiterhin Abnahme der
Rezeptoren, IL-1-Rezeptor-Antago- Darmmotilität → paralytischer Ileus
Kapitel 88 · SIRS, Sepsis und septischer Schock 737 88
z Nieren: Abnahme der GFR bis ANV, 5 Tachykardie: HF von ≥90/min
meist kombiniert prärenal (Hypovolä- 5 Tachypnoe (Frequenz: ≥20/min)
mie) und renal (tubuläre Ischämie, oder Hyperventilation (paCO2:
direkte Tubulusschädigung durch ≤32 mmHg)
Lipopolysaccharide) 5 Leukozytose (>12.000/mm3) oder
z Leber: Synthese- und Exkretionsstö- Leukopenie (<4000/mm3)
rung (Gerinnungsstörungen, Hypo- z Sepsis: SIRS plus Nachweis einer
albuminämie, Hyperbilirubinämie Infektion (mikrobiologisch oder
von >4 mg/dl) bis hin zum septischen klinisch):
Leberversagen 5 Abszess
z Gerinnung: Störungen der Hämostase 5 Infiltrate im Röntgenbild/Compu-
(Störung der plasmatischen Gerinnung tertomogramm des Thorax
und Thrombopenie) bis hin zur DIC 5 positive mikrobiologische Befunde
z ZNS: Reduktion des zerebralen Blut- (Blutkultur, Urinkultur etc.)
flusses, Abnahme der zerebralen Sauer- 5 Labordiagnostik: Procalcitonin-
stoffaufnahme, septische Enzephalopa- und CRP-Konzentration etc.
thie mit neurologischen Störungen z Schwere Sepsis: Sepsis plus ≥1 Zei-
z Peripheres Nervensystem: im weiteren chen der Organdysfunktion:
Verlauf »Critical-illness«-Polyneuro- 5 pulmonal: arterielle Hypoxä-
pathie mie (paO2: ≤75 mmHg unter
Raumluftatmung; paO2/FiO2:
Phasen des septischen Schocks ≤250 mmHg unter Sauerstoffgabe)
z Hyperdyname Frühphase: 5 kardiozirkulatorisch: systolischer
5 Abnahme des SVR (toxin- und Blutdruck von ≤90 mmHg oder
NO-vermittelte Vasodilatation) MAP von ≤70 mmHg für >1 h
5 Abnahme der arteriovenösen Sau- trotz adäquater Volumenzufuhr
erstoffgehaltsdifferenz (avDO2) 5 hämatologisch: Abfall der Throm-
5 HZV-Zunahme durch Tachykardie bozytenzahl um >30 %/24 h oder
und Öffnung von AV-Shunts Thrombozytenzahl von ≤100.000/
5 warme Haut bei Hypotonie mm3
(warme Hypotension) 5 renal: Diurese von ≤0,5 ml/
z Hypodyname Spätphase: kg KG/h (für ≥2 h) trotz adäquater
5 Zunahme des SVR Volumensubstitution und/oder
5 Zunahme der avDO2 (verstärkte Kreatininspiegelanstieg auf ≥2fa-
periphere Ausschöpfung) che des Referenzbereichs
5 HZV-Abnahme durch myokardi- 5 mikrozirkulatorisch: metabolische
ale Depression und Zunahme der Azidose (BE: höchstens –5 mmol/l;
Gefäßpermeabilitätsstörung Laktatkonzentration: ≥1,5fach über
(»capillary leakage syndrome«) dem Referenzbereich)
5 blasse, feuchte Haut 5 neurologisch: akute Enzephalo-
pathie
Klinik z Septischer Schock: schwere Sepsis plus
z SIRS: ≥2 der folgenden Kriterien: 5 für ≥2 h systolischer Blutdruck
5 Fieber (≥38°C) oder Hypothermie von ≤90 mmHg bzw. MAP von
(≤36°C) ≤70 mmHg oder Katecholamin-
738 Kapitel 88 · SIRS, Sepsis und septischer Schock

einsatz, um den systolischen z Labordiagnostik: Sepsismarker (Pro-


Blutdruck bei ≥90 mmHg bzw. calcitonin-, CRP- und IL-6-Konzent-
den MAP bei ≥70 mmHg zu hal- ration), Blutbild
ten (trotz adäquater Volumen- z Hämodynamisches Monitoring:
gabe) Arterienkatheter, ZVK, ggf. PiCCO-
5 refraktärer septischer Schock: System
Notwendigkeit der Gabe von
Dobutamin (>15 μg/kg KG/min), Hämodynamische Stabilisierung
Noradrenalin oder Epinephrine z Sofortiger Therapiebeginn nach
(>0,25 μg/kg KG/min) zur Auf- Schema (⊡ Abb. 88.2) innerhalb der ers-
rechterhaltung eines MAP von ten 6 h (»early goal-directed therapy«)
>60 mmHg → »If it doesn’t get better it is worse«
z Volumenmanagement und Gabe von
Diagnostik und Therapie Vasopressoren:
z Umgehende Diagnostik und Thera- 5 Ziel: Optimierung der Organperfu-
pieinleitung (⊡ Abb. 88.1) sion bzw. der Sauerstoffversorgung
z Fokussuche: Röntgenuntersuchung 5 Substanzen: kristalline und kolloi-
des Thorax, Untersuchung von Bron- dale Infusionslösungen (Verhältnis
chial-/Trachealsekret, Abdomensono- 1 : 1), Katecholamine
graphie, Urinanalyse, Liquorpunktion, 5 Volumensubstitution: Hydroxy-
TTE/TEE etc. ethylstärke (6 % HES 130/0,4) und
z Erregersuche/Mikrobiologie: An- Gelatinelösung (Gelafundin)
lage von Blutkulturen, Urin- und
Liquoruntersuchung (nativ), Stuhl- ! HES führt vermehrt zu ANV
diagnostik (SepNet-/VISEP-Studie).

Diagnose einer Sepsis

Allgemeine Therapie Spezielle Therapie

1. Hämodynamische
Stabilisierung
3. Hydrokortisongabe
2. Herdsanierung
5. Beatmung 4. Gabe von aktiviertem
+ Antibiotika
6. Blutzuckereinstellung Protein C
7. Dialyse
8. Ernährung
9. Sonstiges

⊡ Abb. 88.1. Diagnostisch-therapeutischer Pfad bei Sepsis


Kapitel 88 · SIRS, Sepsis und septischer Schock 739 88
5 kein Einsatz von Albumin und führt zu einer Mortalitätserhöhung von
FFP zur Volumensubstitution etwa 7 %.
5 Katecholamine: Noradrenalin
und ggf. Dobutamin (max. 20 μg/ Organsupport
kg KG/min; ⊡ Abb. 88.2) z Beatmungstherapie:
5 kein Einsatz von »Low-dose«- 5 lungenprotektive Beatmung
Dopamin zur Nierenprotektion (ARMA trial), druck- vor volu-
menkontrolliert
Herdsanierung und Antibiotika- 5 Tidalvolumen: 6 ml/kg KG (»low
therapie tidal volume concept«)
z Asservierung/Gewinnung von Material 5 inspiratorische Druckbegrenzung:
für die mikrobiologische Untersuchung 30 cm H2O
(≥2 Paare von Blutkulturen: peripher/ 5 ausreichend hoher PEEP und hohe
zentral, wenn möglich perkutane AF
Punktion; Kulturen aus weiterem Mate- 5 Tolerierung einer permissiven Hy-
rial, wenn klinisch indiziert: z. B. Urin, perkapnie zur Senkung des oberen
Trachealsekret, Punktionsmaterial) Beatmungsdrucks
z Kalkulierte empirische Antibiotika- 5 Oberkörperhochlagerung
therapie (30–45°), ggf. Bauchlagerung
z Unbedingt chirurgische Herdsanie- 5 Einsatz von Beatmungs- und
rung, falls erforderlich (Abszessspal- Sedierungsprotokollen
tung) 5 Vermeidung einer Relaxation
z Nierenersatztherapie:
> Jede Stunde der Zeitverzögerung bis 5 Möglichkeiten: intermittierende
zum Start der antibiotischen Therapie Hämodialyse und kontinuierliche

Sauerstoffgabe, Sedierung, Intubation, Beatmung

ZVK- und Arterienkatheteranlage

Kreislaufstabilisierung

<8 mmHg
ZVD Volumentherapie

8–12 mmHg
<65 mmHg
MAP Katecholamingabe
Nein
>65 mmHg
<70 % Gabe von Erythrozyten- <70 % Gabe von
Zentralvenöse
konzentraten, bis Hkt Inotropika
Sauerstoffsättigung
von >30% erreicht ist

Ja
Ziel erreicht? Neuevaluierung

⊡ Abb. 88.2. Management der Sepsis nach Rivers


740 Kapitel 88 · SIRS, Sepsis und septischer Schock

Verfahren (z. B. CVVH; kein Un- 5 Substanz: rekombinantes humanes


terschied zwischen Hämodialyse aktiviertes Protein C (aktiviertes
und CVVH) Drotrecogin α – Xigris; Wirkprofil:
5 bessere Handhabung unter CVVH antithrombotisch, profibrinoly-
bei hämodynamisch instabilen tisch, antiinflammatorisch)
Patienten 5 Dosierung: 24 μg/kg KG/h über
5 ggf. SLEDD 4 Tage
5 Zeitpunkt des Beginns der Nieren- z Blutzuckereinstellung (SeptNet): Ziel:
ersatztherapie: bislang nicht klar Blutzuckerspiegel von <150 mg/dl →
definiert konventionelle Insulintherapie

Adjuvante Therapie ! Keine intensivierte Insulintherapie


z Hydrokortisontherapie (CORTICUS- (Erhöhung des Risikos schwerer hypogly-
Studie): kämischer Komplikationen)
5 Indikation: therapierefraktärer
Schock trotz Volumensubstitution z Ernährungstherapie:
und Katecholamingabe 5 Ernährung, wenn keine adäquate
5 Hydrokortison: 200–300 mg/Tag orale Kostzufuhr in den folgenden
(Perfusor: 4 mg/ml → 2,1 ml/h) 7 Tagen möglich ist
5 Hintergrund: sepsisinduzierte 5 grundsätzlich enteral vor parente-
Dysfunktion der Hypothalamus- ral
Hypophysen-Nebennierenrinden- 5 Stufenaufbau und Ernährungs-
Achse mit relativer Nebennieren- programm
rindeninsuffizienz sowie ernied-
rigter Glukokortikoidsensitivität Sonstiges
z Bikarbonattherapie: Einsatz von
> Keine Gabe von Dexamethason, Bikarbonat bei einem pH-Wert von
kein ACTH-Test, keine Kortisolspiegel- >7,15 wird nicht empfohlen (keine
bestimmung Verbesserung der Hämodynamik)
z Thromboseprophylaxe:
5 Hydrokortisontherapie frühzeitig 5 empfohlen wird die prophylakti-
beenden (spätestens nach 7 Tagen; sche Antikoagulation (unfrakti-
Ausnahme: vorangegangene Korti- onierte oder fraktionierte Hepa-
sonlangzeittherapie) rine)
z Gabe von aktiviertem Protein C 5 Kontraindikationen: Thrombope-
(PROWESS-Studie): nie, schwere Koagulopathie (DIC),
5 Indikation: schwere Sepsis (APA- aktive Blutung, kürzlich stattgeha-
CHE-Score: ≥25; Berechnung: bte zerebrale Blutung
www.sfar.org/scores2/apache22. z Stressulkusprophylaxe: H2-Blocker
html) und Multiorganversagen oder Protonenpumpeninhibitoren
(Ausfall von ≥2 Organsystemen) (Cave: erhöhtes Risiko einer venti-
bei Fehlen von Kontraindikati- latorassoziierten Pneumonie)
onen (Thrombozytenzahl von z Selektive Darmdekontamination:
<50.000/μl nicht durch Sepsis aktuell kontrovers diskutiert, keine
erklärbar, erhöhtes Blutungsrisiko) einheitliche Empfehlung
Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids 741 89

> HIV-Erkrankung und Aids


P. Hartmann

Definition und Allgemeines Pathogenese


z Erworbene Immunschwäche, die z Übertragungswege:
prädominant mit der Zerstörung der 5 parenteral: i. v. Drogenabusus,
CD4+-T-Zellen einhergeht Nadelstichverletzung (Hepati-
z Ursache: Infektion mit den HI-Viren 1 tis B > Hepatitis C > HIV; etwa
und 2 20 % : 2 % : 0,2 %
z Erstbeschreibung von HIV-1 durch 5 sexuell: Sperma, Vaginalsekret
Gallo und Barré-Sinoussi (1983) und 5 vertikal: Übertragung von der
von HIV-2 durch Clavel (1986) Mutter auf das Kind
z Die Erkrankung verläuft unbehandelt z Voraussetzung: Mikrotraumata von
mehr oder weniger schnell progre- Haut und Schleimhaut
dient mit letalem Ausgang; dabei z Andocken des Virus an den CD4-
werden anhand klinischer und immu- Rezeptor und an spezifische Ko-Re-
nologischer Parameter verschiedene zeptoren (Chemokinrezeptoren CCR5
Stadien der HIV-Infektion definiert und CXCR4), um den Eintritt des
z Das letzte Stadium der Erkrankung – Virusgenoms in die Zelle zu gewähr-
Aids (»acquired immune deficiency leisten
syndrome«) – ist mit schweren oppor- z Umschreibung des Virusgenoms
tunistischen Erkrankungen assoziiert durch reverse Transkription (RNA →
(aidsdefinierende Erkrankungen) DNA)
z HIV: umhülltes RNA-Virus, Gattung z Integration der DNA in den Zellkern
Lentivirus, Familie Retroviridae z Transkription (DNA → RNA)
z HIV-1: weltweit verbreitet, 3 Haupt- z RNA-Verpackung, »Zusammenbau«
gruppen (M: Major; O: Outlier; N: unter Mitwirkung von Proteasen
»new variant«), mehrere Subtypen
z HIV-2: vorwiegend in einigen Regio- Klinik
nen Westafrikas (weltweit <1 % der Schrittweiser Verlauf der HIV-Krank-
HIV- Infektionen) heit in mehreren Stadien
z Der klinische Verlauf der HIV-1- und z Nach einer Inkubationszeit von
-2-Infektion ist nahezu identisch 2–6 Wochen grippeähnliche Symp-
tomatik über mehrere Wochen mit
Epidemiologie Fieber und Lymphadenopathie, mo-
z >40 Mio. Menschen weltweit sind infi- nonukleoseähnlich
ziert oder erkrankt
z Etwa 5 Mio. Neuerkrankungen pro > Die Infektion kann auch inapparent
Jahr verlaufen.
742 Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids

Asymptomatische Latenzphase Kategorie A


z Das Vollbild »Aids« manifestiert sich z Asymptomatische HIV-Infektion
häufig erst nach einer sehr langen In- z Akute, symptomatische (primäre)
kubationszeit von ungefähr 10 Jahren HIV-Infektion
(Cave: Infektiosität des Virusträgers, z Persistierende generalisierte Lymph-
Ansteckungsgefahr) adenopathie
z Prädominant betroffen sind die
T-Helfer-Zellen, deren Konzen- Kategorie B
tration im peripheren Blut durch z Krankheitssymptome oder Erkran-
Apoptose (induziert durch das sich kungen, die nicht in die Kategorie
replizierende Virus) kontinuierlich C fallen, aber dennoch ursächlich
abnimmt der HIV-Infektion zuzuordnen sind
z Abnahme der Helferzellzahl → An- oder auf eine Störung der zellulären
stieg der Viruslast (quantitative HIV- Immunabwehr hinweisen:
RNA-Bestimmung) 5 bazilläre Angiomatose
z Im Verlauf Entwicklung einer parti- 5 Entzündungen des kleinen Beckens,
ellen Immunschwäche, die das Auf- besonders bei Komplikationen ei-
treten opportunistischer Infektionen nes Tuben- oder Ovarialabszesses
begünstigt, die jedoch nicht aidsdefi- 5 Herpes zoster (Befall mehrerer
nierend sind Dermatome oder Rezidive in ei-
z Basierend auf der CD4-Zell-Zahl nem Dermatom)
und klinischen Parametern wird 5 ITP
die Erkrankung in 9 klinisch- 5 Fieber von >38,5°C oder eine für
immunologische Stadien eingeteilt >1 Monat bestehende Diarrhö
(⊡ Tab. 89.1) 5 Listeriose
5 orale Haarleukoplakie
> Bei Patienten, die durch unge- 5 oropharyngeale Candidose
wöhnlich häufige Infektionen auffal- 5 vulvovaginale Candidose (chro-
len, immer auch an eine HIV-Infektion nisch über >1 Monat oder thera-
denken pierefraktär)

⊡ Tab. 89.1. CDC-Klassifikation der HIV-Infektion

CD4-Helferzell- Kategorie A Kategorie B1 Kategorie C1


Zahl (asymptomatisch) (symptomatisch, (Aidsindikator-
weder Kategorie A noch C) erkrankungen)

≥500/μl A1 B1 C1

200–499/μl A2 B2 C2

<200/μl A3 B3 C3

CDC Centers for Disease Control


1
Übersicht der assoziierten Erkrankungen/Symptome unter www.cdc.gov/mmwr/preview/
mmwrhtml/00018871.htm
Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids 743 89
5 zervikale Dysplasien oder Carci- >1 Monat bestehend oder Her-
noma in situ pesbronchitis, -pneumonie oder
5 periphere Neuropathie -ösophagitis)
5 rezidivierende Salmonellenseptik-
Kategorie C: aidsdefinierende Erkran- ämie
kungen (Aidsindikatorkrankheiten) z Aidsdefinierende Malignome:
z HIV-assoziierte Enzephalopathien: 5 invasives Zervixkarzinom
5 JCV-bedingte progressive multi- 5 Kaposi-Sarkom
fokale Leukenzephalopathie 5 Burkitt-Lymphom
5 Toxoplasmose 5 immunoblastisches Lymphom
5 primär zerebrales NHL
5 HIV-bedingte Enzephalopathie Diagnostik
z Wasting-Syndrom (HIV-bedingte z Die Diagnostik und ihr Umfang
Kachexie) richten sich danach, ob bei einem Pa-
z Andere opportunistische Infektionen: tienten erstmalig eine HIV-Infektion
5 Pneumocystis-jiroveci-Pneu- nachgewiesen wird oder ob bei einer
monie bereits bekannten HIV-Infektion die
5 bakteriell rezidivierende Pneumo- Abklärung einer opportunistischen
nien (>2 innerhalb eines Jahres) Infektion/Erkrankung erfolgt
5 Mycobacterium-avium-Komplex
oder Mycobacterium kansasii, Verdacht auf HIV-Infektion
disseminiert oder extrapulmonal z Antikörpersuchtest (ELISA): Nach-
vorkommend weis von Antikörpern gegen HIV
5 Mycobacterium, andere oder z Bestätigung mittels Immunoblot:
nicht identifizierte Spezies, dis- Nachweis von spezifischen Antigenen
seminiert oder extrapulmonal
vorkommend > Ein HIV-Test darf nicht ohne Einver-
5 Tuberkulose ständnis des Patienten durchgeführt
5 extrapulmonale Kryptokokkose werden.
5 Isosporiasis, chronisch, intestinal, Das Ergebnis sollte immer in einem per-
für >1 Monat bestehend sönlichen Gespräch und keinesfalls am
5 Kryptosporidiose, chronisch, in- Telefon mitgeteilt werden.
testinal, für >1 Monat bestehend
5 außereuropäische Systemmykosen Weitere Basisdiagnostik bei Erstdiag-
(Kokzidioidomykose und Histo- nosestellung einer HIV-Infektion
plasmose, disseminiert oder extra- z Anamnese und körperliche Unter-
pulmonal vorkommend) suchung: sorgfältige Erhebung des
5 Soorösophagitis körperlichen Untersuchungsbefunds
5 Candidose von Bronchien, Tra- einschließlich Größe, Gewicht, BMI
chea oder Lungen und orientierender neurologischer
5 CMV-Re-Aktivierung (Retinitis, Untersuchung
Kolitis) z Labordiagnostik (auch zur Einschät-
5 Re-Aktivierung einer HHV-1- zung potenzieller metabolischer Ne-
oder -2-Infektion (Herpes sim- benwirkungen einer antiretroviralen
plex) mit chronischen Ulzera (für Therapie):
744 Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids

5 Plasma-HIV-RNA (Bestimmung 5 Sonographie des Abdomens


der Viruslast mittels PCR) 5 Röntgenuntersuchung des Thorax
5 Resistenztest (Genotyp) mit HIV- (bei Hinweis auf kardiopulmonale
Subtypbestimmung Erkrankung oder kardiopulmona-
5 Absolute CD4-Zellzahl und CD4/ les Risiko)
CD8-Quotient z Spezielle Untersuchungen:
5 großes Blutbild (30–40 % unbe- 5 Tuberkulinhauttest nach Mendel-
handelter HIV-infizierter Patien- Mantoux (Cave: bei HIV-Infizier-
ten haben eine Anämie, Neutrope- ten bereits ab 5 mm Durchmesser
nie oder Thrombopenie) positiv)
5 Elektrolytwerte, Kreatininkonzen- 5 Frauen: PAP-Abstrich bei Erstdi-
tration, Enzymaktivitäten (GOT, agnosestellung und dann jährlich
GPT, γ-GT, AP, LDH, Lipase) (erhöhtes Zervixkarzinomrisiko)
5 Blutzuckerspiegel (nüchtern) 5 Männer: analer PAP-Abstrich alle
5 Fettstoffwechselwerte (Cholesterin 1–3 Jahre empfohlen (erhöhtes
gesamt, LDL, HDL, Triglyzeride) Risiko für Analkarzinome)
5 Kreatinin-Clearance, Urinstatus 5 Bei <100 CD4-Zellen/μl: obligat
(Cave: HIV-assoziierte Nephropa- augenärztliche Untersuchung
thie) (Fundoskopie zum Ausschluss
z Ausschluss anderer sexuell über- einer aktiven CMV-Retinitis und
tragbarer Erkrankungen: von Narben), bei gutem Immun-
5 anamnestisch: Gonorrhö status Baseline-Untersuchung
5 Hepatitisserologie (A, B, C); z Impfstatus überprüfen (ggf. Impf-
Patient geimpft? schutz erneuern)
5 Luesserologie: TPPA-Test
z Ausschluss einer Exposition gegen- > Auch asymptomatische Patienten
über potenziellen opportunistischen mit gutem Immunstatus sollten sich alle
Pathogenen: 3–6 Monate einer Kontrolluntersuchung
5 Toxoplasmoseserologie: z kein (Immunstatus und Basisuntersuchungen)
IgG-Nachweis → Präventionsbe- unterziehen.
ratung: kein rohes Fleisch (Cave: Je nachdem, auf Basis welcher Initial-
Katzentoilette) z IgG-Nachweis symptomatik sich die Verdachtsdiagnose
→ medikamentöse Prophylaxe bei »HIV-Infektion« ergibt, können bereits vor
<200 CD4-Zellen/μl der Diagnosestellung dringend weitere
5 CMV-Serologie: z kein IgG- Untersuchungen erforderlich sein (z. B. CT
Nachweis → Präventionsberatung: des Schädels bei neurologischen Ausfäl-
»safer sex«, im Bedarfsfall Transfu- len und Verdacht auf Toxoplasmose).
sion CMV-negativer Blutprodukte
z IgG-Nachweis → bei <100 CD4- Therapie
Zellen/μl Fundoskopie zum Aus- Allgemeines
schluss einer CMV-Retinitis > Eine HIV-Therapie sollte nur in Ab-
5 Varizellenserologie sprache mit einem ausgewiesenen Ex-
z Apparative Basisuntersuchungen: perten auf dem Gebiet der Behandlung
5 EKG HIV-infizierter Patienten vorgenommen
5 Lungenfunktionstest werden. Daher wird hier lediglich das
Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids 745 89
Prinzip der HIV-Therapie erklärt und 5 Proteaseinhibitoren: führen zur Bil-
auf beispielhafte Standardschemata dung nichtinfektiöser Viruspartikel
verzichtet. 5 Fusionsinhibitoren: neue Stoff-
gruppe; Enfuvirtide bindet an
z Grundsätzlich lassen sich die Thera- das Transmembranprotein GP41
peutika, die in den Replikationszyklus und verhindert dadurch die
des HIV eingreifen, in verschiedene virale Fusion des Virus mit der
Stoffklassen unterteilen: Zellmembran
5 Nukleosidanaloga (nukleosidale/ 5 Entry-Inhibitoren: die neuesten
nukleotidale Reverse-Tran- Präparate sind die CCR5-Inhi-
skriptase-Inhibitoren, NRTI): bitoren, die über die Blockade
kompetitive Hemmer des viralen dieser wichtigen Ko-Rezeptoren
Enzyms reverse Transkriptase, den Eintritt des Virus in die Zelle
das die virale RNA in DNA um- verhindern
schreibt; NRTI werden anstelle der 5 Integraseinhibitoren: hemmen
zellulären Nukleoside in die neu die Integration viraler DNA in
zu bildende DNA eingebaut → die Wirt-DNA im Zellkern und
Behinderungen der Doppelstrang- verhindern dadurch die HIV-
bindung → DNA-Strang-Abbruch Replikation
5 nichtnukleosidische Reverse-
Transkriptase-Inhibitoren Prinzipien
(NNRTI): binden direkt nahe der z ⊡ Tab. 89.2
Substratbindungsstelle für Nukle- z Immer Kombination von 3 Präpara-
oside an das virale Enzym reverse ten: hochaktive antiretrovirale Thera-
Transkriptase und behindern pie (HAART)
dadurch ebenfalls die reverse z In der Regel Kombination von 2 Nu-
Transkription kleosidanaloga und einem NNRTI,

⊡ Tab. 89.2. Einleitung einer antiretroviralen Therapie in Abhängigkeit vom Helferzellstatus

CD4-Helferzell-Zahl Therapieentscheidung

<200/μl Rascher Beginn der antiretroviralen Therapie1

200–350/μl Therapiebeginn empfehlen

350–500/μl Therapiebeginn erwägen bei:


 Ausgeprägter Dynamik
 Abfall der Helferzellzahlen
 Hepatitis-Ko-Infektion
 Viruslast von >105/ml

>500/μl Zuwarten
1
Es gibt (fast) keine Notfallindikation für die Einleitung einer antiretroviralen Therapie bei
chronisch Infizierten. Notwendige Untersuchungen (CD4-Zell-Zahl, Menge an HIV-RNA, HIV-
Resistenztest) sollten zuvor durchgeführt und die Ergebnisse abgewartet werden
746 Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids

einem Proteaseinhibitor oder einem > Ziele der antiretroviralen Therapie:


3. Nukleosidanalogon z Senkung der Viruslast unter die Nach-
z Antiretrovirale Medikamente haben weisgrenze
ein breites Spektrum komplexer z Erhöhung der CD4-Zell-Zahl
Neben- und Wechselwirkungen, die
bei einer Akutvorstellung eines HIV- Antiretrovirale Medikamente
Infizierten Patienten berücksichtigt ⊡ Tabellen 89.3–89.7
werden müssen

⊡ Tab. 89.3. Nukleosidale/Nukleotidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI)

Präparat Dosierung Neben- und Wechselwirkungen


(Handelsname)

Abacavir (Ziagen) 2-mal 1 Tbl./Tag Bei 5 % der Patienten Hypersensitivitäts-


syndrom (potenziell lebensbedrohlich;
Substanz absetzen, lebenslang keine
Re-Exposition; kann durch Testung auf
HLA-B5701 ausgeschlossen werden:
kommt nur bei Nachweis von HLA-
B5701 vor)

Emtricitabine 1 Tbl./Tag Kaum vorhanden


(Emtriva)

Didanosin (Videx) 1 Tbl./Tag Lipoatrophiegefahr, Pankreatitis, Poly-


(<60 kg: 250 mg; neuropathie
>60 kg: 400 mg)

Lamivudin (Epivir) 2-mal 150 mg/Tag oder Kaum vorhanden


1-mal 300 mg/Tag

Stavudin (Zerit) 2-mal 1 Kps./Tag Hohe Lipoatrophiegefahr, besonders bei


(<60 kg: 30 mg; gleichzeitiger Gabe von Didanosin; nur
>60 kg: 40 mg) noch selten verordnet

Tenofovir (Viread) 1 Tbl./Tag Nierenfunktionsstörungen → Vorsicht


auch bei leichtgradig eingeschränkter
Nierenfunktion und renalen Risikofaktoren
(Hypertonie, Diabetes mellitus etc); im
1. Behandlungsjahr monatliche Kontrollen
von Kreatinin-Clearance und Serumphos-
phatspiegel erforderlich

Zidovudin 2-mal 1 Kps./Tag Makrozytäre Anämie, Lipoatrophiegefahr,


(Retrovir) (250 mg oder 300 mg) Übelkeit

Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids 747 89
⊡ Tab. 89.3. Fortsetzung

Präparat Dosierung Neben- und Wechselwirkungen


(Handelsname)

Kombinationspräparate

Tenofovir (245 mg) 1 Tbl./Tag Siehe Einzelsubstanzen


+ Emtricitabine
(200 mg) +
Efavirenz (600 mg)
(Atripla)

Zidovudin (300 mg) 2-mal 1 Tbl./Tag Siehe Einzelsubstanzen


+ Lamivudin
(300 mg) (Combivir)

Abacavir (300 mg) 1 Tbl./Tag Bei 5 % der Patienten Hypersensitivitäts-


+ Lamivudin syndrom (s. Abacavir)
(300 mg) (Kivexa)

Retrovir (300 mg) + 2-mal 1 Tbl./Tag Hypersensitivitätsreaktion (s. Abacavir),


Abacavir (300 mg) makrozytäre Anämie, Lipoatrophiegefahr
+ Lamivudin
(300 mg) (Trizivir)

Tenofovir DF 1 Tbl./Tag Nierenfunktionseinschränkung


(245 mg) + (s. Tenofovir)
Emtricitabine
(200 mg) (Truvada)

⊡ Tab. 89.4. Nichtnukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren

Präparat Dosierung Neben- und Wechselwirkungen


(Handelsname)
Nevirapin 2-mal 200 mg/Tag Hepatotoxizität und mukokutane aller-
(Viramune) (erste 2 Behandlungs- gische Reaktion, v. a. während der ersten
wochen: 1-mal 6 Behandlungswochen → engmaschige
200 mg/Tag) Rücksprache mit HIV-Experten bezüglich
weiterem Vorgehen bei Auftreten von
Nebenwirkungen
Efavirenz (Sustiva) 1-mal 600 mg/Tag Zentralnervöse Nebenwirkungen, Schlaf-
störungen, Depressionen, Hautausschlag
(meist selbstlimitierend)
Etravirine 2-mal 100 mg/Tag Häufigste Nebenwirkung: Hautausschlag
(Intelence) (meist selbstlimitierend); Dosisanpassung
an antiretrovirale Begleitmedikation, keine
Kombination mit NNRTI, Fosamprenavir,
Atazanavir und Tipranavir, Vorsicht bei
Lopinavir/Ritonavir
748 Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids

⊡ Tab. 89.5. Proteaseinhibitoren

Präparat Dosierung Neben- und Wechselwirkungen


(Handelsname)

Atazanavir 1-mal 300 mg/Tag Hyperbilirubinämie (harmlos), gastrointe-


(Reyataz) (+ 100 mg Ritonavir) stinale Nebenwirkungen, selten QT-Zeit-
Verlängerung; Cave: keine Ko-Medikation
mit Protonenpumpenhemmern

Darunavir 2-mal 600 mg/Tag Gastrointestinale Nebenwirkungen


(Prezista) (jeweils + 100 mg (Diarrhö, Flatulenz),
Ritonavir) Erhöhung der Lipidwerte

Fosamprenavir 2-mal 700 mg/Tag Gastrointestinale Nebenwirkungen


(Telzir) (jeweils + 100 mg (Diarrhö, Flatulenz),
Ritonavir) Erhöhung der Lipidwerte

Lopinavir/ 2-mal 2 Tbl. Gastrointestinale Nebenwirkungen


Ritonavir (Kaletra) (200 mg/50 mg)/Tag (Diarrhö, Flatulenz),
Erhöhung der Lipidwerte

Indinavir (Crixivan) 2-mal 800mg/Tag Nephrolithiasis, Lipodystrophie, gastroin-


(jeweils + 100 mg testinale Nebenwirkungen (Diarrhö, Fla-
Ritonavir) tulenz), Erhöhung der Lipidwerte; ausrei-
chende Flüssigkeitsaufnahme erforderlich

Ritonavir (Norvir) Je nach Protease- Lipodystrophie, Erhöhung der Lipidwerte,


inhibitor-Ko- gastrointestinale Nebenwirkungen; nur
Medikation als Booster für andere Proteaseinhibitoren
100–400 mg/Tag (Hemmung der hepatischen Metabolisie-
rung), ausgeprägtes Interaktionspotenzial

Saquinavir 2-mal 1000 mg/Tag Gastrointestinale Nebenwirkungen


(Invirase) (jeweils + 100 mg (Diarrhö, Flatulenz),
Ritonavir) Erhöhung der Lipidwerte

Tipranavir 2-mal 500 mg/Tag Hepatotoxizität → keine Anwendung bei


(Aptivus) (jeweils + 200 mg Leberfunktionsstörung; gastrointestinale
Ritonavir) Nebenwirkungen (Diarrhö, Flatulenz),
Erhöhung der Lipidwerte

⊡ Tab. 89.6. Integrasehemmer

Präparat Dosierung Neben- und Wechselwirkungen


(Handelsname)

Raltegravir 2-mal 1 Tbl./Tag Kaum vorhanden


(Isentress)
Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids 749 89
⊡ Tab. 89.7. Fusionshemmer/Entry-Inhibitoren

Präparat Dosierung Neben- und Wechselwirkungen


(Handelsname)

Enfuvirtide 2-mal 90 mg/Tag s. c. Lokale Nebenwirkungen an


(GP-41-Inhibitor) Injektionsstelle
(Fuzeon)

Maraviroc Dosisanpassung an an- Aktivitätssteigerung der Transaminasen


(CCR5-Antagonist) tiretrovirale Begleitme-
(Celsentri) dikation erforderlich

Chemoprophylaxe nach Exposition und einer HIV-infizierten Person


gegenüber HIV-haltigem Material: (Indexperson)
HIV-Postexpositionsprophylaxe 5 bei unbekanntem Serostatus der
(HIV-PEP) Indexperson sollten die PEP-
z Allgemeine Sofortmaßnahmen nach Empfehlungen zurückhaltend
Punktions- oder Schnittverletzungen: gehandhabt werden; Ausnahme:
5 Blutfluss fördern (≥1 min) z. B. hohe klinische oder anam-
5 Ausspülen der Haut nestische Wahrscheinlichkeit des
5 Desinfektion (etwa 10 min) Vorliegens einer HIV-Infektion
5 Vorstellung beim Durchgangsarzt z Zeitlicher Rahmen und Zusammen-
5 Serologie (HIV, HCV, HBV) setzung bei HIV-PEP:
5 Risikoeinschätzung zur Veranlas- 5 optimal: innerhalb von 2 h
sung einer PEP durch HIV-Exper- 5 nicht mehr zu empfehlen, wenn
ten z Schutzwirkung einer me- seit der Exposition >72 h vergan-
dikamentösen PEP bei beruflicher gen sind
Exposition: >80 %, jedoch <100 % 5 Standardregime: 2 NRTI plus 1 ge-
z die erforderlichen Medikamente boosterter Proteaseinhibitor, z. B.
sind für diese Indikation formal Combivir plus Kaletra (⊡ Tab. 89.8)
nicht zugelassen, weshalb die Indi- 5 Einnahme der PEP: jeweils zur
kation nur durch Experten gestellt gleichen Uhrzeit mit Nahrung
werden sollte 5 ggf. kann das Regime individu-
z Wahrscheinlichkeit der Übertragung: ell verändert werden (z. B. bei
hängt von verschiedenen Faktoren ab schlechter Verträglichkeit oder
(v. a. Viruslast beim Indexpatienten, Vorliegen von Resistenzen beim
Art des übertragenen Materials, Art Indexpatienten)
der Exposition) z Nebenwirkungen einer HIV-PEP:
z Voraussetzungen für die ärztliche 5 im Vordergrund stehen akute
Empfehlung einer HIV-PEP: Nebenwirkungen (v. a. gastrointes-
5 ein mit relevantem Übertra- tinale Nebenwirkungen sowie Ab-
gungsrisiko erfolgter Kontakt geschlagenheit) bei etwa 70–90 %
zwischen einer HIV-negativen der Behandelten
750 Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids

⊡ Tab. 89.8. Standardregime der HIV-PEP

Präparat Einnahmemodus

Combivir (Zidovudin/Lamivudin) 2-mal 1 Tbl./Tag (300 mg/150 mg)

Kaletra (Lopinavir/Ritonavir) 2-mal 2 Tbl./Tag (200 mg/50 mg)

5 die Nebenwirkungen sind nach 5 Haut- oder Schleimhautkontakt mit


Absetzen der PEP reversibel nichtinfektiösen Körperflüssigkeiten:
z Nachkontrollen: nicht empfehlen
5 PEP-Patienten sollten im Verlauf 5 Stichverletzung durch herumliegende
der Einnahmezeit individuell be- gebrauchte Kanülen unbekannter
treut werden Herkunft: nicht empfehlen
5 Kontrolle der HIV-Serologie übli- z Bei nichtberuflicher Exposition:
cherweise 6 Wochen, 12 Wochen 5 ungeschützter insertiver oder rezepti-
und evtl. 6 Monate nach Beendi- ver vaginaler oder analer Geschlechts-
gung der PEP-Einnahme verkehr mit HIV-positiver Person:
dringend empfehlen
5 ungeschützter oraler Geschlechtsver-
Indikationen zur PEP kehr mit Aufnahme von Sperma des
z Bei beruflicher Exposition: HIV-infizierten Partners in den Mund:
5 perkutane Verletzung mit Hohlraum- nur bei zusätzlichen Risikofaktoren
nadel (Körperflüssigkeiten mit hoher (orale Ulzera, Verletzungen im Mund-
Viruskonzentration: Blut, Liquor, Punk- bereich)
tat-, Organ- und Viruskulturmaterial): 5 Küssen und andere Sexualpraktiken
empfehlen ohne Sperma-/Blut-Schleimhaut-
5 tiefe Verletzung, sichtbares Blut: drin- Kontakte: nicht empfehlen
gend empfehlen 5 Verletzung an gebrauchtem, herum-
5 Nadel nach i. v. Infusion: dringend liegendem Spritzenbesteck: nicht
empfehlen empfehlen
5 oberflächliche Verletzung (z. B. chirur-
gische Nadel): anbieten
5 Indexpatient mit hoher Viruslast (z. B.
Stadium »Aids«): empfehlen Opportunistische Infektionen
5 Kontakt von Schleimhaut oder ver- im Rahmen der HIV-Erkrankung
letzter/geschädigter Haut mit Flüssig- Im Folgenden sollen einige wichtige
keiten mit hoher Viruskonzentration: opportunistische Infektionen kurz
anbieten aufgeführt werden.
5 perkutaner Kontakt mit anderen
Körperflüssigkeiten als Blut: nicht > Die kritische Grenze der CD4-Zell-
empfehlen Zahl für das vermehrte Auftreten
5 Kontakt von intakter Haut mit poten- opportunistischer Infektionen bei
ziell infektiösen Körperflüssigkeiten: HIV-infizierten Patienten liegt bei
nicht empfehlen 200/μl.
Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids 751 89
Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie z Therapie:
z Pneumocystis jiroveci: ein Pilz, der 5 Pyrimethamin (200 mg/Tag an
eine interstitielle atypische Pneumo- Tag 1, danach 75 mg/Tag p. o.) plus
nie verursacht Sulfadiazin (4-mal 1–1,5 g/Tag
z Pneumonie tritt bei Helferzellzahlen p. o.) plus Calciumfolinat (Leuko-
von <200/μl auf vorin; 15 mg/Tag p. o.)
z Häufig Erstmanifestation von Aids 5 bei Allergie oder Unverträglich-
z Klinik: Fieber, Dyspnoe, oft schlei- keit: Pyrimethamin (200 mg/Tag
chender Verlauf an Tag 1, danach 75 mg/Tag p. o.)
z Diagnostik: plus Clindamycin (2-mal 1200 mg/
5 Röntgenuntersuchung des Tag i. v. oder p. o.) plus Calciumfo-
Thorax linat (Leukovorin; 15 mg/Tag p. o.)
5 CT des Thorax
5 Labordiagnostik: LDH-Aktivität Kryptokokkose
(deutlich erhöht), arterielle BGA z Erreger: Cryptococcus neoformans
(PaO2 erniedrigt) z Klinik:
5 BAL (Immunfluoreszenz) 5 ZNS-Manifestation mit enzepha-
5 ggf. Histologie litischem Bild ist am häufigsten
z Therapie: (etwa 80 %): Kopfschmerzen, Fie-
5 Trimethoprim/Sulfamethoxazol ber und innerhalb weniger Tage
(20 mg bzw. 100 mg/kg KG/Tag zunehmende Bewusstseinsstörun-
i. v.; entspricht in der Regel 3-mal gen (Verwirrung) sind typisch;
2400 mg Cotrimoxazol/Tag) Hirndruck fast immer erhöht,
5 bei Allergie oder Unverträglich- meningeale Reizsymptomatik fehlt
keit: Pentamidin (4 mg/kg KG/Tag dagegen meist
i. v.) 5 pulmonaler Befall: atypische
5 bei PaO2 von <70 mmHg: zusätz- Pneumonie mit unproduktivem
lich Prednison (2-mal 40–50 mg/ Husten und Brustschmerzen
Tag p. o. oder i. v. für 5 Tage) 5 Hautläsionen: wie Mollusken; spä-
ter größere ulzerative Läsionen
Zerebrale Toxoplasmose z Therapie:
z Erreger: Toxoplasma gondii 5 Amphotericin B (1-mal 0,5–
z Toxoplasmose tritt in der Regel bei 0,75 mg/kg KG/Tag) oder Am-
sehr niedrigen Helferzellzahlen (100– Bisome (1-mal 3 mg/kg KG/Tag)
150/μl) auf plus Fluconazol (2-mal 200 mg i. v.
z Klinik: unterschiedliche klinische oder p. o.) plus Flucytosin (4-mal
Manifestation, je nach Lokalisation 2,5 g/Tag i. v. für ≥6 Wochen)
der Läsion im ZNS 5 ggf. Erhaltungstherapie mit Fluco-
z Diagnostik: nazol (1-mal 1–2 Kps. à 200 mg/
5 Serologie Tag; Absetzen bei CD4-Zell-Zahl
5 MRT, CT mit KM (radiologisch von >200/μl)
verzögertes KM-Enhancement im
Bereich des zerebralen Fokus) CMV-Re-Aktivierung
5 ggf. Liquor-PCR z Erreger: CMV (hohe Durchseuchung
5 Histologie in der Bevölkerung: 90 %)
752 Kapitel 89 · HIV-Erkrankung und Aids

z Viruspersistenz v. a. in Monozyten z Diagnostik: MRT, Liquorpunktion,


und Speicheldrüsen PCR
z Re-Aktivierung bei CD4-T-Zell- z Therapie: keine spezifische Therapie,
Depletion klinischen Status optimieren
z Klinik: Manifestation als interstitielle
Pneumonie (hohe Letalitätsrate, Reti- VZV-Erkrankung
nitis, Kolitis, Enzephalitis) z Erreger: VZV (Varizella-Zoster-Virus)
z Diagnostik: z Klinik:
5 CMV-PCR aus Blut und Liquor 5 Hauteffloreszenzen
5 Nachweis des CMV-pp65-Anti- 5 Bläschen (häufig nicht auf Derma-
gens im Blut tome begrenzt, sondern generali-
5 Ophthalmoskopie siert)
5 Endoskopie 5 Neuralgien
z Therapie: z Diagnostik: klinisches Bild, PCR aus
5 Ganciclovir (2-mal 5 mg/kg KG/ Blasengrundabstrich, Serologie
Tag i. v. über 14–21 Tage) z Therapie: Aciclovir (3-mal 10 mg/
5 bei Allergie oder Unverträglich- kg KG/Tag i. v. über 7 Tage) oder
keit: Foscarnet (2-mal 90 mg/ Valaciclovir (3-mal 1 g/Tag p. o. über
kg KG/Tag i. v. über 14–21 Tage) 7 Tage)
oder Cidofovir (5 mg/kg KG/Tag
an den Tagen 1 und 8, ggf. an Tuberkulose/Infektionen mit
Tag 21 fortführen) oder Valgan- atypischen Mykobakterien
ciclovir (2-mal 900 mg/Tag für  Kap. 35.5 u. 35.6
21 Tage)
Besonderheit: HPV-bedingtes
JCV-bedingte progressive multifokale Zervixkarzinom
Leukenzephalopathie z Zervikale Dysplasien aufgrund einer
z Erreger: JCV (Jakob-Creutzfeldt- Infektion mit HPV-Typ 16 oder 18
Virus) sind bei HIV-infizierten Patientinnen
z Schwerwiegende opportunistische Er- häufig
krankungen mit in der Regel schlech- z Die Übergänge in ein Zervixkarzinom
ter Prognose sind fließend
z Viruspersistenz nach Infektionen im z Regelmäßige Vorstellungen beim
Kindesalter in latenter Form lebens- Gynäkologen erforderlich
lang in Nieren, ZNS und Leukozyten;
Re-Aktivierung mit zytolytischer
Zerstörung infizierter Oligodendro-
gliazellen
z Klinik:
5 kognitive Störungen von leichten
Konzentrationsbeeinträchtigungen
bis hin zur Demenz
5 prädominant: fokale Ausfälle
(Mono- oder Hemiparesen,
Sprach- und Visusdefizite)
Ausgewählte Literatur zu Sektion J 753

> Ausgewählte Literatur


zu Sektion J

Brunkhorst FM (2006) Epidemiologie, Öko-


nomie und Praxis – Ergebnisse der deut-
schen Prävalenzstudie des Kompetenz-
netzwerkes Sepsis (SepNet). Anästhesi-
ologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin,
Schmerztherapie (AINS) 41: 43–44
Martin GS, Mannino DM, Eaton S, Moss M
(2003) The epidemiology of sepsis in the
United States from 1979 through 2000. N
Engl J Med 248: 1546–1554
Rivers E, Nguyen B, Havstad S et al. (2001) Ea-
rly goal-directed therapy in the treatment
of severe sepsis and septic shock. N Engl J
Med 345: 1368–1377
Surviving Sepsis Campaign (2008) Interna-
tional guidelines for management of se-
vere sepsis and septic shock. Crit Care
Med 36: 1
754 Stichwortverzeichnis

> Stichwortverzeichnis

– Ätiologie 306, 307


A – Auskultation 311, 312
– Diagnostik 308–312
– Differenzialdiagnostik 313
Abdomen, akutes s. akutes Abdomen – Klinik 308
ACE-Hemmer 30, 120, 125, 143 – Palpation 310
Achalasie 324, 325 – rektal-digitale Untersuchung 311
Achlorhydrie 337 – Schmerzanamnese 309, 310
ACR-Kriterien 558 – Therapie 314–316
Acrodermatitis chroncia atrophicans 581 akutes Koronarsyndrom s. Koronarsyndrom,
Acute lung injury 224 akutes
Acute respiratory distress syndrome s. ARDS Albright-Syndrom 628
Addison-Krise 64, 636 Albumintest 356
Additionsazidose 541, 542 Albuminurie 492
Adenokarzinom, bronchoalveoläres 285 Aldosteronantagonisten 121, 126
Adenom, hepatozelluläres 443 Aleppobeule 732, 733
Adipositas 660, 661 Alkalose
– Chirurgie 661, 662 – metabolische 543
– Diagnostik 660, 661 – respiratorische 542, 543
– Klassifikation 661 – therapierefraktäre 544
– primäre 660 Alkoholabusus 398, 439
– sekundäre 660 Alkoholhepatopathie 432
– Therapie 661 Alport-Syndrom 498
– Transfusion 673 Alveolitis
Adrenalektomie 635 – exogen-allergische 275, 280–282
Adrenogenitales Syndrom 638 – lymphozytäre 278
Afibrinogenämie 210 Amenorrhö 649
AIDS 741–752 Aminoglykoside 703
– s.a. HIV-Infektion Amiodaron 89, 620
– Indikatorkrankheiten 743 Amöbenleberabszess 424, 425
Air-trapping-Phänomen 255 AMPEL-Schema 36
Akromegalie 644, 645 Ampulla-Vateri-Karzinom 414
– Arthropathie 570 Amsterdam-Kriterien 389
– Diagnostik 140 ANA s. Antikörper
Akrozyanose 178 Analgetika 314, 315
Akutes Abdomen 306–316 Anämie 673–675
Stichwortverzeichnis 755 A
– autoimmunhämolytische 675 – Vitamin-K-Antagonisten 188
– Einteilung 673 Antikörper
– hämolytische 674 – antineutrophile zytoplasmatische (ANCA)
– megaloblastäre 337, 674 551
– perniziöse 337, 674 – antinukleäre (ANA) 551, 576
– renale 486 Antimykotika 703, 704
ANCA s. Antikörper antineutrophile zytoplasmatische Anti-
Ancylostoma duodenale 369 körper 551
Aneurysma Antiphospholipidantikörper 186, 441
– dissecans 172 Antiphospholipidsyndrom 578, 579
– falsum 172 α1-Antitrypsin-Mangel 256, 257, 438,
– spurium 172 439
– verum 172 Antrektomie 342
Angina Aortenaneurysma 172, 173
– decubitus 26 Aortendissektion 8, 174–176
– intestinalis 164 – akute 147, 175
– pectoris – Diagnostik 175
– – atypische 25 – Klinik 175
– – instabile 35 Aortenisthmusstenose 7, 8
– – typische 25 – Diagnostik 7
Angiokeratoma corporis diffusum – Klinik 7
498 – paraduktale 7
Anionenlücke 540, 541, 600 – postduktale 7
Ankle-brachial-Index 162 – präduktale 7
Ankylose 562 – Therapie 7
Ann-Arbor-Klassifikation 682 Aortenklappenersatz, interventioneller 6
Antibiotika 702–716 Aortenklappeninsuffizienz 8–10
– Dosierung 702 – Diagnostik 9
– Einteilung 703 – Klinik 8
– Resistenzentwicklung 702 – Therapie 10
– Sequenzialtherapie 702 Aortenklappenstenose 2–7
Anticholinergika 248 – Antikoagulation 6, 7
Antidiabetika 608 – Diagnostik 3
Antiemetika 691–693 – Einteilung 2
Antihypertensiva 142, 143, 148 – Klinik 2
Antikoagulation – Therapie 5–7
– akutes Koronarsyndrom 42 Aortensyndrom, akutes 147
– Aortenklappenstenose 6 APC-Resistenz 185
– Cumarine 198 Aplasie, Fieber 668
– Endokarditis 59 Apnoe
– Heparine 196, 197 – Definition 300
– Herzinsuffizienz 122 – zentrale 300
– Herzklappenerkrankungen 7 Appendizitis
– Lungenembolie 196–199 – akute 313
– tiefe Beinvenenthrombose 188 – Diagnostik 313
756 Stichwortverzeichnis

ARA-Kriterien 577 – Formen 239


ARDS 224, 225 – GINA-Klassifikation 242
arterielle Verschlusskrankheit 160–164 – Infektexazerbation 245
– akute 165–168 – Klinik 240
– Diagnostik 166 – Komplikationen 241
– Klinik 166 – Langzeittherapie 244, 245
– Lokalisation 160 – Lungenfunktionstest 241, 242
– Stadienteinteilung 161 Aszites 440
– Therapie 162–164, 167, 168 AT1-Antagonisten 143
Arteriitis temporalis 587 Atemgeräusch 241
Arthritis Atemwegswiderstand 220
– psoriatica 563 AT-III-Mangel 186
– urica 571, 572 Atlanta-Kriterien 395
– Diagnostik 548 Atriumseptumdefekt 17, 18
– enteropathische 564, 565 Austin-Flint-Geräusch 9
– infektiöse 568, 569 Autoimmuncholangitis 434, 435
– reaktive 561, 564, 566 Autoimmunhepatitis 433, 434
– rheumatoide 557–560 autoimmun-polyglanduläres Syndrom
– – Diagnostik 559 626
– – Klassifikation 558 Autoimmunthrombozytopenie 672
– – Klinik 557, 558 Autoimmunthyreopathie 617
– – Therapie 559 AV-Block 101
– virale 569 – Grad 1 101
Arthropathie – Grad 2
– diabetische 570 – – Typ, Mobitz I 101
– endokrinologische 570 – – Typ Mobitz II 101
– metabolische 570 AV-Knoten-Reentry-Tachykardie 90–92
Arthrose 573, 574 Azidose
Asbestose 284 – metabolische 486, 540, 541
Ascaris lumbricoides 368 – renal-tubuläre 497
Asphyxie 257 – respiratorische 539, 540
Aspiration 226
– akute 226
– chronische 226
– Fremdkörper 228
Aspirationspneumonie 229, 230, 263
B
Aspirationsthromboembolektomie,
perkutane transluminale 168 Bacillus cereus 364
Asthma bronchiale 239–245 Bakteriurie 470
– akutes 252 Balkannephritis 468
– Akuttherapie 243, 244 Ballonatrioseptostomie 155
– Ätiologie 239 Ballonvalvuloplastie 6
– Definition 239 Bandwürmer 367
– Diagnostik 241–243 Barlow-Syndrom 14
– Differenzialdiagnostik 242 Barotrauma 260
Stichwortverzeichnis 757 A–B
Barrett-Adenofrühkarzinom 331 Boerhaave-Syndrom 39, 326
Barrett-Ösophagus 328, 330 Borrellien-Arthritis 566
Bartter-Syndrom 495 Borrmann-Klassifikation 344
Bayley-Block 101 Bouchard-Arthrose 573
Beatmungspneumonie 268 Bouveret-Syndrom 409
Beck-Trias 65 Bowditch-Effekt 113
Befeuchterfieber 281 Bradykardie 98–102
Beinaheertrinken 226 – Ätiologie 98
Beinvenenthrombose, tiefe 183–190, – Diagnostik 99–101
578 – infranodale 98
– Diagnostik 185, 186 – Therapie 102
– Klinik 184 Breitkomplextachykardie 82, 94,
– Pathophysiologie 183 95
– Prophylaxe 189, 190 Brescia-Cimino-Shunt 510
– Risikofaktoren 183 Bridenileus 313
– Therapie 186–188 Brittle-Asthma 239
Bernard-Soulier-Syndrom 206 Bronchialkarzinom 284–294
Bernouilli-Gleichung 3 – Adenokarzinom 285
Beta-Rezeptorenblocker 30, 43, 121, 125, – Ätiologie 284
143 – Diagnostik 286, 287, 291, 292
Biguanide 608 – Differenzialdiagnostik 287
Bilharziose 733, 734 – Einteilung 285
Billroth-II-Operation 342 – kleinzelliges 285, 290
Binet-Einteilung 683 – Klinik 285, 686
Biologika 553, 555 – limited diease 292
Bisphosphonate 658, 659, 699 – nicht-kleinzelliges 285, 289
Bivalirudin 42 – Prognose 290
Blähung 384 – Schwartz-Bartter-Syndrom 648
Blalock-Taussig-Shunt 23 – Therapie 287, 289, 687, 688
Blasenkarzinom 686 – TNM-Klassifikation 287, 288
Block, sinuatrialer 100 Bronchiektase 235, 236
Blumberg-Zeichen 313 Bronchitis
Blutbildveränderungen 668–676 – akute 233
Blutdruckmessung 134 – chronische 234, 235
– 24 h 135 Bronchodilatatoren 249
– durch den Patienten 135 Bronchoskopie 230, 276, 286
– unter Belastung 135 Bronchospasmolysetest 221
Bluthusten 231, 232 Bronchospasmolytika 259
Blutung, akute gastrointestinale 317–321 Bronzediabetes 437
– obere 317–319 Broteinheit 606
– untere 319–321 Brugada-Syndrom 96
Blutungszeit 203 Burkitt-Lymphom, HIV-Infektion 743
Blutzuckerbestimmung 595, 596 Buruli-Geschwür 274
BODE-Index 249 Bypass-Operation 32
Bodyplethysmographie 219, 220
758 Stichwortverzeichnis

Cholezystitis, akute 313, 406


C – Therapie 316, 410
Cholezystolithiasis 409
chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
13C-Harnstoff-Atemtest
338 s. COPD
Café-au-lait-Flecken 483 chronisch-venöse Insuffizienz 179, 180
Caisson-Krankheit 260 Churg-Strauss-Syndrom 68, 280, 589
Calgary-Score 129 Chvostek-Zeichen 627
Cambridge-Klassifikation 398 Chylothorax 297
Campylobacter 359, 566 Chymotrypsinaktivitätsbestimmung 394
Candidose Claudicatio intermittens spinalis 162
– oropharyngeale 743 Clonidinhemmtest 640
– vulvovaginale 743 Clostridium
Caplan-Syndrom 284 – botulinum 365
Carbapeneme 703 – difficile 361
Carpenter-Syndrom 636 – perfringens 364
Cast-Nephropathie 479 CMV-Kolitis 357
CCP-Antikörper 551 CMV-Re-Aktivierung 751
CEAP-Klassifikation 179 Cockcroft-Gault-Formel 477, 484
Cephalosporine 703 CO-Intoxikation 257
CHADS2-Score 90 Colitis s.a. Kolitis
Chagas-Krankheit 324 – Crohn-Kolitis 377
Chair-rising-Test 656 – indeterminata 380
Charcot-Arthropathie 570 – Diagnostik 379
Charcot-Trias 406 – Differenzialdiagonstik 379, 380
Chediak-Higashi-Syndrom 206 – Therapie 380, 381
Child-Pugh-Score 442 – ulcerosa 377–382
Chinese-herb-Nephropathie 469 Conn-Syndrom 630, 633
Chirurgie, bariatrische 661, 662 COPD 246–254
Chlamydia trachomatis 566 – Definition 246
Cholangiopathie 405 – Diagnostik 246, 247, 251
– Systematik 412, 413 – Einteilung 246
Cholangitis 316 – Exazerbation 250–254
– akute 406 – Klinik 246
– autoimmune 434, 435 – Stufentherapie 248
– primär sklerosierende 378, 411–414 – Therapie 247–249, 251–254
– Therapie 410 Cor pulmonale 150
Choledocholithiasis 409 Corrigan-Zeichen 9
Cholelithiasis 408, 409 Courvoisier-Zeichen 308, 393, 406
Cholestase Cowden-Syndrom 385
– chronische 406 COX-2-Inhibitoren 552
– Definition 405 CPAP 301
– nichtobstruktive 419 CRB-65-Index 265
Cholesterinembolie 480 CREST-Syndrom 579, 580
Cholestyramin 436 CRH-Test 635
Stichwortverzeichnis 759 C–D
Cronkhite-Canada-Syndrom 386 – – Autoantikörper 597
CSE-Hemmer 30 – – Definition 594
Cullen-Zeichen 313, 393 – – Diagnostik 595–597
Cumarine 212 – – Hypoglykämie 599, 600
CUP-Syndrom 689 – – Klassifikation 597
Cushing-Syndrom 633–635 – – Komplikationen 602–604
– Diagnostik 140, 634 – – koronare Herzkrankheit 34
– hypophysäures 635 – – Neuropathie 603
– Therapie 635 – – Retinopathie 602
C-Zell-Karzinom 623 – – sexuelle Funktionsstörungen 603
– – Stufentherapie 607
– – Therapie 604–610
– – Typ 1 594, 598, 605, 606
D – – Typ 2 594, 598, 607–610
– renalis 496
diabetischer Fuß 604
Da-Costa-Syndrom 39 Dialysetherapie 478, 489, 490
Dallas-Klassifikation 63 – Zugang 510, 511
Dalrymple-Zeichen 618 Diaminobenzylpyrimidine 704
Darmerkrankungen Diarrhö
– chronisch-entzündliche 375–382 – HIV-Infektion 357
– infektiöse 357, 358 – osmotische 354
– parasitäre 366–370 – Therapie 384
– toxische 364, 365 Diathese
Darmtuberkulose 362 – hämorrhagische 202, 204, 205
Dawn-Phänomen 610 – thrombophile 202
DeBakey-Klassifikation 174 Dickdarmpolyp 385
Defibrillation 79 – Einteilung 385
Degeneration, hepatolentikuläre s. Morbus – neoplastischer 385
Wilson – nichtneoplastischer 385
Dehydratation, isotone 518, 519 – Screening 386
Dekompressionssyndrom 260, 261 – Therapie 386
Demers-Katheter 490, 510 Dieulafoy-Läsion 317
Dengue-Fieber 569 Diffusionstestung 221
De-Ritis-Quotient 432, 433 Di-George-Syndrom 627
Dermatomyositis 582, 583 Digitalis 121, 126
De-Toni-Debre-Fanconi-Syndrom 497 Dip-Plateau-Phänomen 67
Dexamethasonhemmtest 634 disseminierte intravasale Gerinnung 213,
Diabetes 214
– insipidus 646, 647 Diuretika 522
– – nephrogener 496, 527 – arterielle Hypertonie 144
– – renalis 496, 527 – COPD 253
– – Therapie 527 – Herzinsuffizienz 121, 125
– mellitus 594–610 Divertikel
– – Ätiologie 594 – echtes 323, 324
760 Stichwortverzeichnis

– epiphrenisches 324 – Mitralklappeninsuffizienz 14


– falsches 324 – Osteoporose 655
Divertikelblutung 372 EIEC 360
Divertikelkrankheit 372–374 Einflussstauung, obere 695
Divertikulitis 372–374 Einschlusskörperchenmyositis 583
Divertikulose 372–374 Einsekundenkapazität 218
Dobutaminstressechokardiographie 4, 13 Eisenmangelanämie 674
Dopaminagonisten 643 Eisenmenger-Syndrom 150
Douglas-Abszess 374 Eisensubstitution 486
Douglas-Schmerz 313 Eiweißverlustsyndrom, enterales 355,
DPP-4-Hemmer 609 356
Drescherlunge 281 Ejektionsfraktion 38
Dressler-Syndrom 40, 64 Ekchymose 204, 313
Druckgradient Elastaseaktivitätsbestimmung 394
– instantaner 4 Elektrolythaushalt, Störungen 524–536
– mittlerer 4 Ellsworth-Howard-Test 629
Ductus arteriosus Botalli, persistierender Embolie 165
23, 24 Emesis 323
Duke-Kriterien 57 Endocarditis
Dumping-Syndrom 342 – lenta 54
Dünndarm, Fehlbesiedelung 354, 355 – parietalis fibroplastica 54
Dünndarmileus 313 Endokarditis 54–62, 718
Dünndarmtumoren 371 – abakterielle 54
Duroziez-Zeichen 9 – Diagnostik 56
Durstversuch 647 – Duke-Kriterien 57
Dysfibrinogenämie 210 – infektiöse 54–56
Dyspepsie 335 – – Erreger 55, 56
Dysphagie 226, 322, 580 – – Therapie 58, 59
Dysplasie, arrhythmogene, rechts- – Prophylaxe 60, 61
ventrikuläre 68, 75, 76 – Therapie 58
Dyspnoe 240 Endothelin-1-Rezeptor-Antagonisten
– Differenzialdiagnostik 243 155
Entamoeba histolytica 366
Enterocolitis regionalis s. Morbus Crohn
Enteroklysma 376
E Enteropathie, glutensensitive 349, 350
Enzephalopathie
– hepatische 427, 440, 543
EAEC 361 – HIV-assoziierte 743
Echinococcus Eosinopenie 725
– granulosus 367, 425 Eosinophilie 725
– multilocularis 425 EPEC 360
EHEC 360 EPH-Gestose 149
Ehlers-Danlos-Syndrom Epistaxis 204
– Aortendissektion 174 EPO-Substitution 486
Stichwortverzeichnis 761 D–G
Erdbeerzunge 588 Fick-Prinzip 22, 49
Ergometrie Fieber
– Blutdruckmessung 135 – Aplasie 668
– Kontraindikationen 29 – Differenzialdiagnostik 724
– koronare Herzkrankheit 28 – hämorrhagisches 468
Ergotismus 167 – persistierendes 670
Erythema nodosum – rheumatisches 61, 566
– Colitis ulcerosa 378 – Tropenrückkehrer 722, 723
– Morbus Crohn 375 – unbekannter Ursache 717–719
Escherichia coli Fluorchinolone 704
– enteroaggregative 361 Foetor
– enterohämorrhagische 360 – hepaticus 427
– enteroinvasive 360 – urämischer 483
– enteropathogene 360 Foramen ovale, persistierendes 18
– Enterotoxin-bildende 360 Fox-Zeichen 313
ETEC 360 Fremdkörperaspiration 228
Exit-Block 107
Exsikkose 532
Exsudat 297
Extrasystolie, ventrikuläre 94
G
Gaenslen-Zeichen 548, 557

F Gallenblasendyskinesie 411
Gallenblasenkarzinom 414
Gallenblasenpolyp 414
Fadenwürmer 368 Gallenblasenstein 408
Faktor-VII-Mangel 210 Gallengangskarzinom 414, 686
Faktor-XI-Mangel 209 Gallengangsstein 408
Faktor-XIII-Synthesestörung 21 Gallenkolik 406
Fallot-Tetralogie 22, 23 – Therapie 409
Fanconi-Syndrom 495 Gasser-Syndrom 206, 476
Farmerlunge 281 Gastrektomie
Fasziotomie 168 – erweiterte 347
Felty-Syndrom 558 – subtotale 347
Fettleber, nichtalkoholische 432 – totale 347
Fettstoffwechselstörungen 662, 663 Gastrinom 403
Fibrinogen 203 Gastritis 336
Fibrinogensynthesestörung 210 – akute 336
Fibrinolyse 168, 189 – chronische 336, 337
Fibrolipomatose 75 – Eradikationstherapie 338
Fibromyalgie 591 – Typ A 336
Fibrose – Typ B 337
– nephrogene systemische 481 – Typ C 338
– zystische s. Mukoviszidose – Typ D 339
762 Stichwortverzeichnis

gastroösophageale Refluxkrankheit Gray-Platelet-Syndrom 206


– Ätiologie 328 Grey-Turner-Zeichen 313, 393
– Diagnostik 328, 329 Gynäkomastie 652, 653
– Einteilung 328 Gyrasehemmer 704
– erosive 328
– Klinik 328
– nichterosive 327
– Therapie 329
Gerinnung, disseminierte intravasale 213, 214
H
Gerinnungsstörungen 202
– s.a. Diathese, hämorrhagische H2-Atemtest 354, 383
– Diagnostik 202 Haarleukoplakie, orale 742
– Grundlagen 202, 203 HAART 745
Gestationsdiabetes 595, 598 HACEK-Endokarditis 59
Gestose, hypertensive 149 Hakenwürmer 369
Giardia lamblia 357, 366 Haldane-Effekt 537
Gicht 571, 572 Hämangiom, kavernöses 443
Giemen 241 Hämarthros 204
GINA-Klassifikation 242 Hämatemesis 417
Gitelman-Syndrom 495 Hämaturie 686
Gleithernie, axiale 323 – benigne familiäre 498
Glinide 609 Hamman-Rich-Snydrom 275
Glitazone 608 Hämoblastose 677
Globalinsuffizienz 115 Hämochromatose 645
– respiratorische 249 – Arthropathie 570
glomeruläre Filtrationsrate 483 – hereditäre 436, 437
Glomerulonephritis 452–456 Hämodialyse 489, 507
– Einteilung 452 – intermittierende 512
– membranoproliferative 456 Hämolyse 675
– membranöse 464, 465 Hämophilie 208, 209
– mesangiokapilläre 456 Hämoptoe 231
– postinfektiöse 455 Hämoptyse 231
– primäre 454 Hämorrhagie, diffuse alveoläre 231
– proliferierende 460 Hantavirusinfektion 468
– rapid progressive 452, 458–460 Harnsäure 550
– sekundäre 454 Harnwegsinfekt 470, 471
– fokal-segmentale 463, 464 – komplizierter 470
Glossitis, atrophische 337 – unkomplizierter 470
Glukagonom 404 Hartnup-Erkrankung 496
Glukokortikoide 552, 553 Hashimoto-Thyreoiditis 583, 614, 615,
Glukosetoleranztest, oraler 597 623
α-Glukosidase-Hemmer 608 Heberden-Arthrose 573
Glykopeptide 704 Hedinger-Syndrom 54
Gonorrhö 471 Heerfordt-Syndrom 278, 585
Graham-Steel-Phänomen 12 Heide-Syndrom 3
Stichwortverzeichnis 763 G–H
Heimlich-Handgriff 229 Herzkrankheit, koronare s. koronare Herz-
Helicobacter-pylori-Infektion 338, 340 krankheit
HELLP-Syndrom 314, 443 Herz-Kreislauf-Stillstand 51
Hemmkörperhämophilie 209 – reflektorischer 227
Heparin Herzmuskelentzündung s. Myokarditis
– niedermolekulares 42, 188, 196, 197 Herzrhythmusstörungen 77–110
– unfraktioniertes 188, 196, 197 – s.a. Bradykardie
Hepatitis – s.a. Tachykardie
– A 420 – s.a. Vorhofflattern
– akute 419–428 – s.a. Vorhofflimmern
– autoimmune 433, 434 – bradykarde 80
– B 420, 421, 429 – Diagnostik 78, 79
– C 422, 423, 431 – Klinik 78
– chronische 428–431 – schrittmacherinduzierte 106
– D 422, 430 – tachykarde 80–98
– E 423 – – Differenzialdiagnostik 80
– fulminante 426 – – Therapie 80
– toxische 425, 426 – Therapie 79, 80
hepatolentikuläre Degeneration s. Morbus Herzschrittmacher s. Schrittmacher
Wilson Herztod, plötzlicher 75, 97, 98
hepatopulmonales Syndrom 441 Herztransplantation 124
hepatorenales Syndrom 441 Hiatushernie 323
hepatozelluläres Karzinom 444 Hill-Phänomen 9
Hermansky-Pudlak-Syndrom 206 Hirsutismus 649
Hernie, paraösophageale 323 Histiozytosis X 275, 280
Herzenzyme 37, 115 Hitzeinhalation 257
Herzfehler, angeborene 2–24 HIV-Infektion 741–752
Herzinsuffizienz 111–126 – Diagnostik 743, 744
– akute 111 – Fieber 720
– – Therapie 118, 119 – gastrointestinale Manifestationen 357,
– Antikoagulation 122 358
– Ätiologie 113 – Helferzellstatus 745
– chronische 111, 113 – Integrasehemmer 748, 749
– – Therapie 125 – Klassifikation 742
– Diagnostik 115–118 – Klinik 741, 742
– diastolische 114 – opportunistische Infektionen 743,
– Einteilung 111, 112 75–752
– Herztransplantation 124 – Pathogenese 741
– Klinik 115 – Proteaseinhibitoren 748
– Pathophysiologie 113 – Reverse-Transkriptase-Inhibitoren 746,
– Resynchronisationstherapie 123 747
– systolische 114 – Therapie 744–750
– Therapie 118–126 HIV-Postexpositionsprophylaxe 749, 750
– – medikamentöse 118–124 Hodenkarzinom 687, 689
Herzklappenfehler 2–24 Hodgkin-Lymphom 678, 680
764 Stichwortverzeichnis

Homans-Zeichen 185 – amiodaroninduzierte 620


Horner-Syndrom 175, 285 – Arthropathie 571
Husten – Diagnostik 615
– chronischer 234, 235 – Kontrastmittelexposition 28
– Differenzialdiagnostik 234 – Therapie 615, 616
– produktiver 234 Hypertonie
21-Hydrdoxylase-Defekt 638 – arterielle 133–145
Hyperaldosteronismus 630–633 – – Ätiologie 134
– Diagnostik 630 – – Blutdruckmessung 134
– primärer 139 – – Definition 133
Hyperandrogenismus 650 – – Diagnostik 137–140
Hypercholesterinämie – – Klinik 136, 137
– familiäre 662 – – Risikostratifizierung 140, 141
– Therapie 663 – – Therapie 141–145
Hyperemesis gravidarum 443 – endokrine 139
Hyperfibrinolyse 214, 215 – – hypokaliämische 632
– lokale 214 – – maligne 133
– systemische 214 – maligne 133, 147
Hypergastrinämie 403 – portopulmonale 441, 442
Hyperhydratation, isotone 520–522 – pulmonale 150–155, 580
Hyperinflammationssyndrom 736 – – Diagnostik 151–153
Hyperkaliämie 489, 528 – – postkapilläre 151
Hyperkalzämie 531, 532 – – präkapilläre 150
– Differenzialdiagnostik 625 – – Therapie 153, 249
– tumorbedingte 695 – renoparenchymatöse 139
hyperkalzämische Krise 626 – renovaskuläre 139
Hyperkalziurie 502 – sekundäre 137–139
Hyperkortisolismus 633–635 Hypertriglyzeridämie 663
– s.a. Cushing-Syndrom Hyperurikämie 550, 571
Hyperlipoproteinämie Hyperurikosurie 502
– primäre 662 Hyperventilationstetanie 543
– sekundärer 662 Hypoaldosteronismus 633
Hypermagnesiämie 534 – primärer 633
Hypernatriämie 527 – sekundärer 633
Hyperparathyreoidismus Hypoglykämie
– Arthropathie 571 – Diabetes mellitus 599, 600
– primärer 140, 624–625 – Therapie 599, 600
– sekundärer 487, 535, 626 Hypogonadismus, männlicher 651, 652
Hyperphosphatämie 482, 487, 534 Hypokaliämie 529, 630
Hyperplasie, fokale noduläre 443 Hypokalzämie 532, 533
Hyperprolaktinämie 643 – akute 627
Hypersensitivitätspneumonitis 280 – chronische 628
Hypertension, portale 439 Hypomagnesiämie 533
hypertensiver Notfall s. Notfall, hypertensiver Hyponatriämie 525
Hyperthyreose 615–618 Hypoparathyreoidismus 626, 627
Stichwortverzeichnis 765 H–K
Hypophosphatämie 536 Inotropika 119
Hypophysenadenom 641–645 Insuffizienz, chronisch-venöse 179, 180
– Diagnostik 642 Insulinom 402, 403
– Einteilung 641 Insulintherapie 605
– hormonaktives 642 Insult, ischämischer 148, 149
– Makroadenom 642 Integrasehemmer 748, 749
– Mikroadenom 642 Inzidentalom 639
Hypophysenhormone 641 Iridozyklitis, Colitis ulcerosa 378
Hypophysenvorderlappeninsuffizienz 645, Ischämie
646 – akute 167
Hypopnoe, obstruktive 300 – Extremitäten 167
Hypoproteinämie 474 – myokardiale 27
Hypothermie, therapeutische 52 Isospora belli 357
Hypothyreose 611–614
– Arthropathie 571
– Diagnostik 612, 613
– Therapie 614
Hypotonie 127–132
J
– Ätiologie 127
– Definition 127 Jaccoud-Arthropathie 576
– Diagnostik 129 Jones-Kriterien 61
– essenzielle 127 Jüngling-Syndrom 278
– Klinik 128
– orthostatische 127
– primäre 127
– sekundäre 127
– Therapie 131, 132
K
Hypoxie 153
Kala-Azar 731, 732
Kallmann-Syndrom 645, 652
Kalziumantagonisten 125, 144, 154
I Kalziumoxalatstein 502
Kalzium-Phosphat-Haushalt 487, 488
Kalziumsensitizer 119
IABP 53 Kammerflattern 94
Icterus in gravidate 442 Kammerflimmern 94
IgA-Nephropathie 460, 461 – Therapie 96
Ikterus Kaposi-Sarkom, HIV-Infektion 743
– Definition 405 Kardiomyopathie 68–76
– Diagnostik 407, 408 – dilatative 68–70
Immunsuppressiva 515 – hypertrophe 68, 70–73
– Nebenwirkungen 516 – – Ätiologie 70, 71
Influenza, aviäre 262 – – Diagnostik 71
Inhalationstrauma 257–259 – – familiäre 70
Inkretinmimetika 609 – – Klinik 71
766 Stichwortverzeichnis

– – nichtobstruktive 70 Kollagenose 575–585


– – obstruktive 70 Koller-Test 416
– – Therapie 73 Kolonkarzinom, Klinik 686
– ischämische 104 Kolonpolyp s. Dickdarmpolyp
– restriktive 68, 73–75 kolorektales Karzinom s. Karzinom, rektales
– stressinduzierte 76 Koma
Kardioversion 79 – hyperosmolares 600, 601
– elektrische 87 – ketoazidotisches 600, 601
Karnofsky-Score 286 Komplementfaktoren 550
Karotisdruckversuch 130 Kompressionstherapie 187
Karotispulskurve 3 Kontrastmittelallergie, Prophylaxe 28
Kartagener-Syndrom 235 Korkstaublunge 281
Karzinoid, bronchiales 290, 294 koronare Herzkrankheit 25–34
Karzinoidsyndrom 371 – Diabetes mellitus 34
Karzinom – Diagnostik 25, 26
– hepatozelluläres 444 – Epidemiologie 25
– – fibrollamelläres 44 – instabile 35
– kolorektales 387–391, 684 – Klinik 25
– – Diagnostik 389, 390 – Pathophysiologie 25
– – hereditäres nicht-polypyses 389 – Rehabilitation 46
– – Klinik 389 – Sekundärprävention 32, 33
– – Stadieneinteilung 390 – Therapie 30–34
– – Therapie 390, 391, 687, 688 Koronarintervention, perkutane 31, 43
Käsewäscherlunge 281 Koronarsyndrom, akutes 35–46
Katayama-Fieber 733 – Diagnostik 36
Katecholamine 52 – Differenzialdiagnostik 39
Kawasaki-Syndrom 588 – Einteilung 35
Keratoconjunctivitis sicca 584 – Lysetherapie 44, 45
Ketolide 704 – Medikamente 43
Killip-Klassifikation 48 – Therapie 40, 147
Kipptischuntersuchung 130 Kortikoide, inhalative 249
Klappenthrombose 7 Kraniopharyngeom 645
Klatskin-Tumor 414 Kreatinin-Clearance 483
Knochenmetastasen 699 Kreislaufdysregulation, hypotone 127–132
Knollenblätterpilzvergiftung 427 Krise
Koagulopathie – hyperkalzämische 626
– angeborene 207, 208 – thyreotoxische 619, 620
– erworbene 212–215 Krogh-Index 221
Kochsalzbelastungstest 630 Kryoglobuline 550
Kohlenhydrateinheit 606 Kryptokokkose 751
Kolitis Kryptosporidien 357
– s.a. Colitis Kumarine s. Cumarine
– kollagene 381 Kunstklappenendokarditis 56, 58
– lymphozytäre 382 Kussmaul-Zeichen 65, 74
– mikroskopische 381 Kyphoplastie 657
Stichwortverzeichnis 767 K–L
Lipopeptide 704
L Lipoprotein a 662
Löffler-Syndrom 280
Löfgren-Syndrom 278
β-Laktamase-Inhibitoren 703 Löhlein-Herdnephritis 57
Laktatazidose 542 Los-Angeles-Klassifikation 329
Laktoseintoleranz 353, 354 Loslassschmerz 313
Lambert-Eaton-Syndrom 285 Low-cardiac-output-Syndrom 50
Landouzy-Sepsis 270 Lowenberg-May-Zeichen 185
Laryngospasmus, funktioneller 223 Lungenabszess 268, 269
Laurell-Erikson-Syndrom 256 Lungenbiopsie 276
Laurence-Moon-Biedl-Syndrom 595 Lungenembolie 191–199
Lauren-Klassifikation 344 – Diagnostik 192–194
LDL-Apherese 663 – Differenzialdiagnostik 195
Leberabszess, pyogener 424, 425 – Einteilung 191, 192
Leberhautzeichen 418 – Klinik 191
Lebermetastasen 444 – massive 198
Lebertransplantation 428 – Risikofaktoren 191
Leberversagen, akutes 426, 427 – Therapie 195–199
Leberzirrhose 213, 439–442 Lungenemphysem 254, 255
– Aszites 440 Lungenerkrankung, chronisch-obstruktive
– Child-Pugh-Klassifikation 442 s. COPD
– Klinik 439 – granulomatöse 275
– portale Hypertension 439 – interstitielle 275–282
Lebensmittelvergiftung, Erreger 364 – – Diagnostik 275, 276, 278
Leishmaniose 731–733 – – Einteilung 275
– kutane 732 – – idiopathische 276
– mukokutane 732 – – Klinik 275
– viszerale 731, 732 – – medikamenteninduzierte 276
Leprechaunismus 594 – – Therapie 279, 280
Leukämie Lungenfibrose, idiopathische 275–277
– akute myeloblastische 679, 680, 683 Lungenfunktionsprüfung 218–222
– chronisch-lymphatische 678, 680–682 Lungenkarzinom s. Bronchialkarzinom
– chronisch-myeloische 679, 680, 682 Lungenresektion 290, 293
Leukenzephalopathie 752 Lungentransplantation 155
Leukopenie 725 Lungenversagen
Leukozytopenie 669 – hyperkapnisches 241
Leukozyturie 470 – hypoxämisches 241
Leukozytose 669, 725 Lupus erythematodes, systemischer
Liddle-Test 635 575–578
Lincosamide 704 – Diagnostik 576, 577
Linksherzinsuffizienz 115 – Klassifikation 576, 577
Linksherzversagen 47 – Klinik 575, 576
Links-rechts-Shunt 21 – Therapie 577
Lipodystrophiesyndrom 594 Lupusnephritis 457, 458, 575
768 Stichwortverzeichnis

Lutembacher-Syndrom 17 – Mitralklappenprolaps 11
Lyme-Krankheit 581 – Osteoporose 655
Lymphadenektomie 347 Marie-Baberger-Syndrom 286
Lymphknotensyndrom 588 Markschwammniere 505
Lymphoblastenleukämie, akute 679, 680 Mc-Burney-Punkt 313
Lymphozytose 725 MDRD4-Formel 483
Lysetherapie 44, 189, 198 Medianecrosis Erdheim-Gsell 174
Megakolon, toxisches 315, 375, 378
Meigs-Syndrom 298
Meläna 686
M MELD-Score 442
MEN
– Typ 1 403
Mackler-Trias 326 – Typ 2 639
Madenwürmer 370 Menell-Handgriff 549
Magenkarzinom 343–347 Meningokokkensepsis 636
– Diagnostik 346 Menorrhagie 204
– Einteilung 344, 345 Merkel-Zell-Tumor 290
– Klinik 686, 689 Mesaortitis luetica 8, 174
– Therapie 346, 347, 687 Mesenterialinfarkt 169, 170, 313
Magentumoren, gutartige 342, 343 Mesenterialischämie, akute 315
Mahorn-Ochsner-Test 181 metabolisches Syndrom 141, 661
Makrohämaturie 452 Methylxanthine 244, 249
Makrolide 703, 704 Metrorrhagie 204
Malabsorption 348 Mikroalbuminurie 603
Malaria 726–731 Mikrohämaturie 452
– Fieber 722 Mikroprolaktinom 644
– Prophylaxe 730 Mikrosporidien 357
– quartana 727 Mikrostomie 580
– tertiana 727 Miliartuberkulose 270
– Therapie 728–731 Miller-Test 647
– tropica 726 β2-Mimetika 248
Malassimilation 348, 349 Mineralokortikoidhypertonie 140
Maldigestion 348 Minimal-change-Glomerulopathie 463
Mallory-Weiss-Läsion 326 Mischkollagenose 581, 582
Malzarbeiterlunge 281 Mitralklappeninsuffizienz 14–16
Mammakarzinom – Diagnostik 14
– Klinik 686 – Klinik 14
– Therapie 687, 688 – Therapie 16
Marfan-Syndrom Mitralklappenprolapssyndrom 11
– Aortenaneurysma 173 Mitralklappenstenose 12, 13
– Aortendissektion 174 Mönkeberg-Mediasklerose 162
– Aortenklappeninsuffizienz 8 Monobactame 703
– dilatative Kardiomyopathie 69 Monozytose 725
– Mitralklappeninsuffizienz 14 Montreal-Klassifikation 328
Stichwortverzeichnis 769 L–N
Morbus – Ätiologie 62
– Addison 636–638 – Diagnostik 63
– Basedow 615, 617, 618 – Einteilung 62, 63
– Bechterew 561–563 – infektiöse 62
– Behçet 590 – nichtinfektiöse 62
– Boeck-Besnier-Schaumann 277 – Therapie 64
– Crohn 375–378 Myositis, Mischkollagenose 581
– – Diagnostik 376 Myxödemkoma 614
– – Klinik 375
– – Therapie 377, 378
– Fabry 68, 498
– Horton 587
– Ménétrier 339
N
– Still 558
– Uhl 76 Nachlast 50, 113
– Weil 418 Nebennierenrindeninsuffizienz 636–636
– Werlhoff 206 Nebennierenrindentumoren 635
– Whipple 352, 353 Neisseria gonorrhoeae 566
– Wilson 437, 438 Nematoden 368
– Winiwarter-Bürger 590 Nephritis
Moschcowitz-Syndrom 672 – glomeruläre s. Glomerulonephritis
Mukoviszidose 237, 238 – interstitielle
– Bronchiektase 235 – – akute 466
– Diagnostik 237 – – chronische 467
– Klinik 237 nephritisches Syndrom 454, 455
– Therapie 238 Nephroblastom 499
Murphy-Zeichen 308, 406 Nephrolithiasis 502, 503
Muskelvenenthrombose 189 Nephronblockade, sequenzielle 523
Musset-Zeichen 9 Nephronophthise 505
Mycobacerium Nephropathie
– avium 273, 274 – diabetische 482, 491–494
– intracellulare 273, 274 – – Diagnostik 491
– tuberculosis 269 – – Einteilung 492
myelodysplastisches Syndrom 679 – – Therapie 493, 494
Myelom, multiples 479–481, 678, 680, 682, – – kontrastmittelinduzierte 28, 480
683 – vaskuläre 482
Myelose, funikuläre 337 Nephrosklerose, maligne 632
Mykobakterien 269 nephrotisches Syndrom 452, 461, 462
Mykobakteriose NET
– s.a. Tuberkulose – Dickdarm 371, 372
– nicht tuberkulöse 273, 274 – Dünndarm 371, 372
Myokardinfarkt neuroendokrine Tumoren s. NET
– Bradykardie 98 Neurofibromatose Typ 1 639
– Rehabilitation 46 Neuropathie, diabetische 603
Myokarditis 62–64 Neutropenie, Fieber 719, 721
770 Stichwortverzeichnis

Nicht-Reentry-Tachykardie, atriale 84 NOMI 169


Nicht-ST-Strecken-Elevantions-Myokard- Non-Hodgkin-Lymphom 678
infarkt S. NSTEMI – diffus-großzelliges 678, 680
Nierenarterienstenose 632 – follikuläres 678, 680
Nierenbiopsie 454 Noroviren 363
Nierendysplasie, kongenitale zystische 505 Notfall, hypertensiver 145–149
Nierenersatzverfahren 506–512 – Ätiologie 146
– Begleitmedikation 512 – Definition 145
– Durchführung 512 – Diagnostik 146, 147
– Indikationen 508, 509 – Klinik 146
– Notfälle 508 – Therapie 147, 148
Niereninfarkt 480 NSTEMI 35, 42, 44
Niereninsuffizienz Nüchternblutzucker 596
– chronische 213, 452, 482–490 Nussknackerösophagus 325
– – Ätiologie 482
– – Diagnostik 483
– – Dialyse 489
– – Klinik 483
– – Stadieneinteilung 484, 485
O
– – Therapie 489, 490
– terminale 489 Obstipation, Therapie 384
Nierenkolik 503 Odynophagie 322
Nierentransplantation 507, 513–517 Orbitopathie, endokrine 618
– AB0-inkompatible 515, 517 Orientbeule 732, 733
– Abstoßung 515 Osborn-Welle 39
– Immunsuppression 514 Osler-Knötchen 57
– Lebendspende 513 Ösophagitis 322, 331, 332
– postmortale Organspende 513 Ösophagus, hyperkontraktiler 325
Nierenversagen Ösophaguskarzinom 333, 334
– akutes 474–481 – Klinik 686
– – Diagnostik 476 – Therapie 687, 689
– – Dialyse 478 Ösophagusruptur, spontane 326
– – Einteilung 474 Ösophagusspasmus, diffuser 325
– – Ernährungstherapie 478 Ösophagustumoren, gutartige 331, 332
– – Therapie 477–479 Ösophagusvarize 326. 327
– intrarenales 475 Ösophagusvarizenblutung 317
– postrenales 476 Ösophagusverletzung 327
– prärenales 475 Osteodensitometrie 656
Nierenzellkarzinom 500 Osteomyelitis 718
– Therapie 687 Osteopathie, renale 627
Nierenzyste Osteoporose 654–659
– erworbene 505 – Definition 654
– vererbte 504 – Diagnostik 655, 656
Nitrate 30, 43, 125 – Einteilung 654, 655
Nitroimidazole 704 – primäre 654
Stichwortverzeichnis 771 N–P
– sekundäre 655 paraneoplastisches Syndrom 285
– Therapie 656–659 Parasympatholytika 80
Ostium-primum-Defekt 17 Parathormon 625, 659
Ostium-secundum-Defekt 17 Payr-Zeichen 185
Oversensing 108 Penicilline 703
Oxazolidinone 704 Periarthropathia humeroscapularis 591
Oxygenierung, hyperbare 261 Pericarditis constrictiva 64, 67, 74
Oxyuris vermicularis 370 Peridivertikulitis 374
Perikarderguss 66
Perikarditis 64–67
– Ätiologie 64
P – Diagnostik 65
– Klinik 64
– Mischkollagenose 581
Paget-von-Schrötter-Syndom 190 Perikardresektion 299
Pallästhesie 603 Perikardtamponade 74
Pancoast-Tumor 286 Peritonealdialyse 489, 507
Panhypopituarismus 645 – Durchführung 512
Pankreas – Peritonitis 509
– Amylase 393 Peritonismus 308
– Lipase 393 Peritonitis 440
Pankreasinsuffizienz, exokrine 392 Perthes-Test 181
Pankreaskarzinom 400–402 Pertussis 233
– Therapie 689 Petechie 204
Pankreastumoren, neuroendokrine 402–404 Peutz-Jeghers-Syndrom 385
Pankreatikolithiasis 400 Pfortaderthrombose 171
Pankreatitis Phäochromozytom 639, 640
– akute 394–398 – Diagnostik 140
– – Ätiologie 395 Phlegmasia coerulea dolens 167
– – Diagnostik 393 pH-Metrie 328
Pankreatitis, akute, Diagnostik 395 Phosphatbinder 535
– – Differenzialdiagnostik 313 Phosphatdiabetes 496
– – Differenzialdiagnostik 397 Phosphodiesterase-5-Hemmer 155
– – Pseudozyste 395, 398 Phosphodiesterase-3-Hemmer 52, 119
– – Therapie 397, 398 Pickwick-Syndrom 300
– biliäre 316 Pilocarpiniontophoresetest 237
– chronische 398–400 Plasmapherese 555
– – Diagnostik 399 Plasmodien 726
– – Klinik 399 Pleuraerguss 296–298
– – Stadieneinteiung 399 Pleuramesotheliom 299
– – Therapie 400 Pleuropneumektomie 299
Pankreolauryltest 394 Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie 268,
Papillotomie 400, 408 668, 751
Paracetamolintoxikation 426 Pneumokoniose 282–284
Paragangliom 639 Pneumonie 262–269
772 Stichwortverzeichnis

– ambulant erworbene 263, 265, 266 Pseudo-Cushing-Syndrom 633


– Ätiologie 263 Pseudodivertikel 324
– atypische 263 Pseudohyperkaliämie 528
– Definition 262 Pseudohyperkalzämie 531
– Diagnostik 264 Pseudohypoaldosteronismus 495, 633
– Einteilung 263 Pseudohyponatriämie 525
– eosinophile 280 Pseudohypoparathyreoidismus 628, 629
– Immundefizienz 268 Pseudoobstruktion, intestinale 314
– interstitielle 263 Pseudookklusionssyndrom 162
– Klinik 263, 264 Pseudothrombozytopenie 671
– nosokomiale 263, 266–268 Psoriasisarthritis 563, 564
– Risikostratifizierung 265 Pulmonalarterienkatheter 49
– ventilationsassoziierte 268 Pulmonalklappenstenose 20
Pneumonitis 262 Pulsionsdivertikel 324
Pneumothorax 295, 296 Pulsus paradoxus 65
Polyangiitis, mikroskopische 589 Purpura 204
Polyarteriitis nodosa 588 – Schoenlein-Henoch 589
Polycythaemia vera 213, 676 – thrombotisch-thrombozytopenische
Polydipsie 646 672
Polymyalgia rheumatica 587 Pyelonephritis 472, 473
Polymyositis 582, 583 Pyoderma gangraenosum 375
Polyp s. Dickdarmpolyp
Polypose
– familiäre adneomatöse 388
– hamartomatöse 389 Q
– hyperplastische 389
Polyurie 647
Poplitealaneurysma 162 Quincke-Zeichen 9
Porphyrie, akute intermittierende 315
Postcholezystektomiesyndrom 410, 411
Postkardiotomiesyndrom 64
Präinfarktsyndrom 35
Proktosigmoiditis 377
R
Prolaktinom 643
Prostanoide 154 Rabson-Mendelhall-Syndrom 594
Prostatakarzinom 685 Radiosynoviorthese 556
– Therapie 687, 689 Raucherentwöhnung 248
Proteaseinhibitoren 748 Raynaud-Syndrom 167, 177, 178, 549
Protein-C-Mangel 185 – Kollagenose 580, 581
Protein-S-Mangel 185 Reanimation, kardiopulmonale 51
Proteinurie 462 Rechtsherzinsuffizienz 115
Protonenpumpeninhibitoren 329, 341 Rechtsherzkatheterisierung 153
Provokationstest 221 Reentry-Tachkardie
Pseudoaortenklappenstenose 4 – schrittmacherinduzierte 106
Pseudoappendizitis 375 – atriale 84
Stichwortverzeichnis 773 P–S
Refluxkrankheit, gastroösophageale – follikuläres 622
s. gastroösophageale Refluxkrankheit – medulläres 623
Reisekrankheiten 726–734 – papilläres 622
Reizdarmsyndrom 382–385 Schilddrüsenknoten 621, 622
Reizgase 257 Schilddrüsenmalignom 622, 623
Rektumkarzinom, Klinik 686 Schilling-Test 349
Renin-Aldosteron-Orthostase-Test 631 Schirmer-Test 584
Resynchronisationstherapie 123 Schistosomiasis 733, 734
Retinopathie, diabetische 602 – hepatolienale 734
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren Schlafapnpoesyndrom
– nichtnukleosidale 747 – obstruktives 300, 301
– nukleosidale 746, 747 – zentrales 300
Reye-Syndrom 427 – Diagnostik 140
Rhabdomyolyse 479 Schleifendiuretika 121
Rheumafaktor 551 Schmalkomplexbradykardie 99
rheumatisches Fieber 61, 566 Schmalkomplextachykardie 80, 82
Rhizarthrose 573 Schmerztherapie 697
Rhythmusstörungen s. Herzrhythmus- Schmetterlingserythem 575
störungen Schober-Maß 562
Riedel-Struma 623 Schock
Riesenzellarteriitis 587 – kardiogener 47–53
Rivaroxaban 42 – – Ätiologie 47, 48
ROM-III-Kriterien 382 – – Diagnostik 48
Rotaviren 363 – – Differenzialdiagnostik 50
Rotterdam-Kriterien 650 – – Klinik 48
Rovsing-Zeichen 313 – septischer
– – Klinik 737, 738
– – Pathophysiologie 737
Schrittmacher
S – antibradykarde 102
– antitachykarde 102
– Auswahl 103
Sakroiliitis 551, 562 – Fahrtüchtigkeit 104
Salmonellen, enteritische 358 – Indikationen 103
Salzverlustnephropathie 495 – Komplikationen 106–109
SAPHO-Syndrom 561, 564 – Oversensing 108
Sarkoidose 277, 278 – Programmierung 105
SARS 261 – transkutaner externer 109
Sauerstofftherapie, hyperbare 261 – Undersensing 107
Säure-Basen-Haushalt, Störungen 537–544 Schrittmachersyndrom 107
Schaufensterkrankheit 160 Schwanenhalsdeformation 557
Schellong-Test 130 Schwangerschaftscholestase 443
Schilddrüsenautoantikörper 613 Schwartz-Bartter-Syndrom 285, 648
Schilddrüsenautonomie 615, 618, 619 Sekretin-Pankreozymin-Test 393
Schilddrüsenkarzinom Sengstaken-Blakemore-Sonde 440
774 Stichwortverzeichnis

Sepsis – Klassifikation 561


– Ätiologie 735, 736 – Morbus Crohn 375
– Diagnostik 738 Spondylitis 562
– klassische 735, 736 Spontanpneumothorax 296
– Klinik 737 Sportlerherz 72
– Pathophysiologie 736 Sprue
– schwere 735, 737 – einheimische 349, 350
– Therapie 739, 740 – tropische 351
Serumosmolalität 518, 525, 600 Spulwürmer 368
severe adult respiratory syndrome Spure 565
s. SARS Stammzelltransplantation, autologe
Sharp-Mischkollagenose 581 555
Shigellen 359 Standford-Klassifikation 174
Shulmann-Syndrom 581 Statine 30, 123
Shunt 21, 22 Status asthmaticus 239
Sichelzellenanämie 675 Steatohepatitis 432
Sick-sinus-Syndrom 98–100 Steatorrhö 436
Sigmadivertikulitis 373 Stellwag-Zeichen 618
Silikose 282 STEMI 35, 44
sinuatrialer Block 100 Stent, medikamentenfreisetzender 7, 31
Sinusbradykardie 100 Stentthrombose 31
Sinus-petrosus-Katheterisierung 635 Steroidsynthese 631
SIRS, Definition 737 Still-Syndrom, adultes 558
Situationssynkope 128 Stoßwellenlithotripsie 503
Sjögren-Syndrom 557, 583–585 Stressechokardiographie 14
– Diagnostik 585 Stridor 227
– Klassifikation 584 – exspiratorischer 227
– Klinik 584 – inspiratorischer 227, 228
– Kollagenose 581 Strongyloides stercoralis 369
– Therapie 585 Struma 620, 621
Sklerodaktylie 580 – euthyreote 621
Sklerodermie, progressive systemische Struvitstein 502
579–581 Sturzsenkung 586
Sklerotherapie 182 Sulfonamide 704
Sodbrennen 328 Sulfonylharnstoffe 608
Sokolow-(Lyon-)Index 12, 152 Sympathomimetika 80
Somatostatinom 404 Syndrom
Sphinkter-Oddi-Dysfunktion 411 – adrenogenitales 638
Spider-Nävi 418 – autoimmun-polyglanduläres 626
Spiroergometrie 152 – der inadäquaten ADH-Sekretion 648
Spirometrie 218 – der polyzstischen Ovarien 650
Splenektomie 672 – des hypersensitiven Karotissinus 98
Splenomegalie 726 – hepatopulmonales 441
Spondylarthritis 561–567 – hepatorenales 441
– ankylosierende 561–563 – metabolisches 141, 661
Stichwortverzeichnis 775 S–T
– myelodysplastisches 679 Thrombose
– nephrotisches 452, 454, 455, 461, 462 – arterielle 184
– paraneoplastisches 285 – Diagnostik 185, 186
Synkope – venöse 184
– Definition 128 Thrombosthenie Glanzmann-Naegeli 206
– Diagnostik 129 Thrombozytenfunktionsanalyse 203
– Klinik 128 Thrombozythämie, essenzielle 213
Synovektomie 563 Thrombozytopathie
systemischer Lupus erythematodes s. Lupus – erworbene 206
erythematodes, systemischer – hereditäre 206
Thrombozytopenie 671
– erworbene 206
– heparininduzierte 187
T – hereditäre 206
Thrombozytose 670
Thromoangiitis obliterans 590
Tabaksbeutelmund 580 Thyreoiditis
Tachykardie – bakterielle 623
– atriale 83, 84 – de Quervain 615, 622
– ektope atriale 84 – invasiv-sklerosierende 623
– fokale atriale 84 – postpartale 623
– multifokale atriale 84 – strahlenbedingte 623
– unifokale atriale 84 Thyreostatika 615, 616
– ventrikuläre 92–97 thyreotoxische Krise 619, 620
– – Einteilung 93, 94 Tietze-Syndrom 39
– – instabile 96 Tiffeneau-Manöver 219
– – Therapie 94–97 Timed-up-and-go-Test 655
Takayasu-Arteriitis 587 TIPSS 440
Tako-Tsubo-Kardiomyopathie 39, 76 Tophi 549
Target-Zeichen 374 Torsade-de-pointes-Tachykardie 94
Teerstuhl 311 – Therapie 96
Tenckhoff-Katheter 489 Toxoplasmose, zerebrale 751
Tendopathie 591 Tracheobronchitis, akute 233
Tenosynovitis 557 Traktionsdivertikel 324
Tetrazykline 703 Transplantatabstoßung 515
Thalassämie 674, 675 Transsudat 297
Thiaziddiuretika 121 Traube-Zeichen 9
Thorakotomie 229 Trendelenburg-Operation 198
Thrombendarteriektomie 168 Trendelenburg-Test 181
Thrombininhibitoren 197 Trikolorephänomen 177, 580
Thromboembolieprophylaxe 89, 90 Trikuspidalinsuffizienz 152
Thrombopenie 725 Tropenkrankheiten 726–734
Thrombophlebitis Troponin T 37
– aszendierende 189 Trousseau-Zeichen 393, 627
– migrans 393 Tuberkulinhauttest 270
776 Stichwortverzeichnis

Tuberkulose 269–273 Variezlla-Zoster-Virusinfektion 752


– Definition 269 Varikosis 181, 182
– Diagnostik 270, 271 Varizenblutung, akute 440
– extrapulmonale 270, 271 Vaskulitis 586–590
– Klinik 270 – kryoglobulinämische 589
– meningeale 271 – kutane 589
– offene 269 – nekrotisierende 588
– Therapie 271–273 Ventrikelseptumdefekt 19, 20
– zerebrale 271 Venturi-Effekt 71
Tuberkulostatika 272, 273 Verbrauchskoagulopathie 213, 214
Tubulusnekrose 479 Verner-Morrison-Syndrom 403
Tumoren, neuroendokrine s. NET Verschlusskrankheit, arterielle s. arterielle
Tumorhyperkalzämie 626 Verschlusskrankheit
Tumorlysesyndrom 480, 696 Vertebroplastie 657
Tumorschmerz 697, 698 Vibrio cholerae 359
Typhus 358 VIPom 403, 404
Virchow-Trias 183
Vitalkapazität 218
Vitamin-K-Antagonisten 188, 189
U Vitamin-K-Mangel 212
Vogelgrippe 262
Vogelhalterlunge 281
Übelkeit, chemotherapieinduzierte 691–694 Vogelstein-Sequenz 385
Ulcus Volumenhaushalt 519
– cruris venosum 180 Von-Hippel-Lindau-Syndrom 401,
– duodeni 317 639
– ventriculi 317 Von-Willebrand-Antigen 203
Ulkusblutung 318 Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
Ulkuskrankheit, gastroduodenale 340–342 207, 208
Undines-Fluch-Syndrom 300 Vorhofflattern 85, 86
Uratnephrolithiasis 572 – atyptisches 86
Uratstein 502 – Therapie 86, 87
Urethritis 470, 471 – typisches 86
Urinnatriumkonzentration 520, 526 Vorhofflimmern 86–90
Urinosmolalität 526, 527 – akutes 86
Urinsediment 477 – Antikoagulation 7
Urosepsis 473 – Ätiologie 86
– Diagnostik 86
– paroxysmales 86
– permanentes 86
V – persistierendes 86
– Therapie 87–90
Vorhofseptumaneurysma 18
Vagotomie 242 Vorhofseptumdefekt 17, 18
Vagusstimulationsmanöver 80 Vorlast 50, 113
Stichwortverzeichnis 777 T–Z
Zirrhose, primär biliäre 434, 435
W Zöliakie 349, 350
Zystenniere 504, 505
Zystinstein 502
Wasserhaushalt, Störungen 518–523 Zystinurie 496
Wasting-Syndrom 357, 743 Zystitis 472
Waterhouse-Friderichsen-Syndrom 636 Zytomegalie-Virusinfektion 751
WDHA-Syndrom 403
Wegener-Granulomatose 588
Weichteilrheumatismus 591
Weingarten-Syndrom 280
Wells-Score 185, 195
Whipple-Trias 599
Widmer-Klassifikation 179
Wilms-Tumor 499
Winnipeg-Klassifikation 250
Wiskott-Aldrich-Syndrom 206
Wolfram-Syndrom 595

X
Xanthelasmen 662
Xerophthalmie 584
Xerostomie 584

Y
Yersinia enterocolitica 359, 566

Z
Zenker-Divertikel 324
Zerkariendermatitis 733
Zervixkarzinom 685, 752
Zestoden 367
Zieve-Syndrom 432
Erratum
G. Michels, T. Schneider: Klinikmanual Innere Medizin
ISBN 978-3-540-89109-3
Springer Medizin Verlag 2010

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Therapiemanagement: suprarenales Aortenaneurysma

Therapie
> Therapiemanagement: infrarenales Aortenaneurysma
z Aneurysmadurchmesser <4 cm und asymptomatisch: konservativ und
sonographische Kontrollen alle 2 Jahre
z Aneurysmadurchmesser 4–5,4 cm und asymptomatisch: konservativ und
sonographische Kontrollen 1- bis 2-mal/Jahr
z Aneurysmadurchmesser ≥5,5 cm oder symptomatisch: operativ oder inter-
ventionell
> Therapiemanagement: suprarenales Aortenaneurysma
z Aneurysmadurchmesser <4 cm und asymptomatisch: konservativ und CT-/
MRT-Kontrollen 1-mal/Jahr
z Aneurysmadurchmesser 4–5,4 cm und asymptomatisch: konservativ und
CT-/MRT-Kontrollen 1- bis 2-mal/Jahr
z Aneurysmadurchmesser ≥5,5 cm oder symptomatisch: operativ

Springer Medizin Verlag Heidelberg


Normalbereiche ausgewählter Laborwerte

Laborwert konventionelle Einheit SI-Einheit


Hämatologische Parameter
Hämoglobin m 13,5–17,5 g/dl 8,4–10,9 mmol/l
w 12,0–16,0 g/dl 7,4–9,9 g/dl
Erythrozyten m 4,5–5,9 × 106/mm3 4,5–5,9 × 1012/l
w 4,0–5,20 × 106/mm3 4,00–5,20 × 1012/l
Hämatokrit m 41–53 0,41–0,53 w 36–46 0,36–0,46
MCV m 78–100 μm3 78–100 fl
w 78–102 mm3 78–102 fl
MCH/HbE 26–34 pg/Zelle 26–34 pg/Zelle
MCHC 31–37 g/dl 310–370 g/l
Retikulozyten 0,5–2,5% rote Zellen 0,005–0,025 rote Zellen
Leukozyten 4,5–11,0 × 103/mm3 4,5–11 × 109/l
Neutrophile 40–70% 0,40–0,70
Stabkernige 0–10% 0,0–0,10
Eosinophile 0–8% 0,0–0,8
Basophile 0–3% 0,0–0,3
Lymphozyten 22–44% 0,22–0,44
Monozyten 4–11% 0,04–0,11
Thrombozyten 150–350 × 103/mm3 150–350 × 109/l
Entzündungsparameter
Blutkörperchensenkung m 0–17 mm/h 0–17 mm/h
w 1–25 mm/h 1–25 mm/h
CRP (C-reaktives Protein) <3 mg/l <3 mg/l
Serumelektrophorese
Gesamtprotein 5,5–8,0 g/dl 33–55 g/l
Albumin 2,5–3,5 g/dl (50–60%) 20–35 g/l
α1-Globulin 0,2–0,4 g/dl (4,2–72%) 2–4 g/l
α2-Globulin 0,5–0,9 g/dl (6,8–12%) 5–9 g/l
β-Globulin 0,6–1,1 g/dl (9,3–15%) 6–11 g/l
γ-Globulin 0,7–1,7 g/dl (13–23%) 7–17 g/l
Immunglobuline
IgA 60–3,09 mg/dl 60–309 g/l
IgE 10–179 IU/ml 24–430 μg/l
IgG 614–1295 mg/dl 6,14–12,95 g/l
IgM 53–334 mg/dl 0,53–3,34 g/l
Elektrolyte, Elemente und Transportproteine
Natrium 136–145 meq/l 136–145 mmol/l
Kalium 3,5–5,0 meq/l 3,5–5,0 mmol/l
Calcium 9–10,5 mq/dl 2,2–2,6 mmol/l
Magnesium 1,8–3,0 mg/dl 0,8–1,2 mmol/l
Chlorid 98–106 meq/l 98–106 mmol/l
Phosphor anorg. 3–4,5 mg/dl 1,0–1,4 mmol/l
Laborwert konventionelle Einheit SI-Einheit
Eisen 50–150 μg/dl 9–27 μmol/l
Eisenbindungskapazität 250–370 μg/dl 45–66 mmol/l
Transferrin 230–390 mg/dl 2,3–3,9 g/l
Ferritin m 15–400 ng/ml 15–400 μg/l
w 10–200 ng/ml 10–200 μg/l
Kupfer 70–140 μg/dl 11–22 μmol/l
Coeruloplasmin 27–37 mg/dl 270–370 mg/l
Kardiologische Parameter
Kreatinkinase CK m 60–400 U/l 1,00–6,67 μkat/l
w 40–150 U/l 0,67–2,50 μkat/l
Kreatinkinase MB (CKMB) 0–7 ng/ml 0–7 μg/l
NT-proBNP 100–500 pg/ml –
Troponin I 0–0,4 ng/ml 0–0,4 μg/l
Troponin T 0–0,1 ng/ml 0–0,1 μg/l
Digoxin 0,8–2,0 ng/ml 1,0–2,6 nmol/l
Nephrologische Parameter
Kreatinin ≤1,2 mg/dl ≤106 μmol/l
Harnstoff 10–50 mg/dl 2–8 mmol/l
Gastroenterologische Parameter
Bilirubin
gesamt 0,3–1,0 mg/dl 5,1–17 mmol/l
direkt 0,1–0,3 mg/dl 1,7–5,1 mmol/l
indirekt 0,2–0,7 mg/dl 3,4–12 mmol/l
GOT (AST) 0–35 U/l 0–0,58 μkat/l
GPT (ALT) 0–35 U/l 0–0,58 μkat/l
Gamma-GT <55 U/l <55 U/l
alk. Phosphatase 30–120 U/l 0,5–2,0 nkat/L
Laktatdehydrogenase 100–190 U/l 1,7–3,2 μkat/l
Amylase 60–180 U/l 0,8–3,2 μkat/l
Lipase 0–160 U/l 0–2,66 μkat/l
Stoffwechselparameter und Hormone
Glukose 75–115 mg/dl 4,2–4,6 mmol/l
HbA1c 3,8–6,4% 0,038–0,064 Hb-Fraktion
Cholesterin
gesamt 200–240 mg/dl 5,18–6,22 mmol/l
HDL >40 mg/dl >1,0 mmol/l
LDL ≤160 mg/dl ≤4 mmol/l
Triglyzeride <160 mg/dl <1,8 mmol/l
Thyroxin frei (fT4) 0,8–2,7 ng/dl 10,3–35 pmol/l
Trijodthyronin frei (fT3) 1,4–4,4 pg/ml 0,22–6,78 pmol/l
TSH 0,5–4,7 μU/ml 0,5–4,7 mU/l
Cortisol (8–12h) 5–25 μg/dl 138–690 nmol/l
Erythropoetin (EPO) – 5–36 U/l
Harnsäure m 2–8 mg/dl 150–480 mmol/l
w 1,5–6,0 mg/dl 90–360 mmol/l

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