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N. Maass
B. Schiessl
Gynäkologie
und Geburtshilfe
IN 5 TAGEN
Unter Mitarbeit von
D. Bauerschlag, U. Heindrichs, R. Kirschner-Hermanns,
I. Meinhold-Heerlein, L. Najjari, J. Neulen, T. Papathemelis, V. Perlitz,
D. Piroth, B. Rösing, S. Trepels-Kottek, M. Wölfler
123
Prof. Dr. med. Nicolai Maass
Universitäts-Frauenklinik für
Gynäkologie und Geburtshilfe
RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52074 Aachen
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gebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
SPIN 80011415
Vorwort
Eine optimale Prüfungsvorbereitung in den Fächern Gynäkologie und Geburtshilfe in 5 Tagen erscheint
auf den ersten Blick fast unmöglich.
Nach dem Vorbild anderer in dieser Reihe bereits erschienener Werke behandelt das vorliegende Buch in
komprimierter Form sämtliche prüfungsrelevanten Themen der Frauenheilkunde, die es in 5 Tagen zu
erlernen gilt.
Dieses Buch dient als Ergänzung zu umfassenden Standardwerken, kann jedoch neben einer kurzfristigen
Prüfungsvorbereitung auch im Rahmen von Praktika und Famulaturen als übersichtliches und informati-
ves Nachschlagewerk genutzt werden.
Die einzelnen Kapitel wurden größtenteils von Spezialisten ihres jeweiligen Fachgebiets verfasst. Die Bei-
träge fügen sich jedoch zu einem einheitlichen und kohärenten Werk zusammen.
Unser Dank gilt deshalb allen an diesem Buch beteiligten Beitragsautoren sowie den Mitarbeitern des
Springer Verlages.
Inhaltsverzeichnis
6 Gynäkologische Erkrankungen
Tag 1 – Allgemeine Gynäkologie bei Neugeborenen, Säuglingen,
Kindern und Adoleszenten
1 Allgemeine Gynäkologie . . . . . . . . . 1 mit Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . 84
1.1 Entzündliche Erkrankungen . . . . . . . . . 2 6.1 Erkrankungen in verschiedenen
1.2 Erkrankungen der Brust . . . . . . . . . . . . 10 Altersgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
1.3 Gutartige Erkrankungen des Uterus, 6.2 Störungen der Pubertät . . . . . . . . . . . . 86
der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
und der Vagina . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 7 Kontrazeption . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
1.4 Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
7.2 Hormonelle Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . 90
7.3 Andere Kontrazeptiva . . . . . . . . . . . . . 91
Tag 2 – Gynäkologische Onkologie,
Lageveränderung des Genitals und 8 Hormonersatztherapie . . . . . . . . . . . 93
Harninkontinenz, Gynäkologische 8.1 Menopause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Endokrinologie 8.2 Klimakterische Beschwerden . . . . . . . . 94
11 Frühschwangerschaft . . . . . . . . . . . . 115
Tag 3 – Reproduktionsmedizin 11.1 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
bis Schwangerenvorsorge 11.2 Schwangerschaftsdauer . . . . . . . . . . . 118
11.3 Pathologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5 Prinzipien der Kinderwunsch-
behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 12 Schwangerenvorsorge . . . . . . . . . . . 120
5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 12.1 Mutterschaftsrichtlinien . . . . . . . . . . . . 121
5.2 Basisdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 12.2 Durchführung der Schwangeren-
5.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
VIII Inhaltsverzeichnis
Autorenverzeichnis
Dr. med. Dirk Bauerschlag Dr. med. Volker Perlitz
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie
und Geburtshilfe und Geburtshilfe
RWTH Aachen RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30 Pauwelsstr. 30
52074 Aachen 52074 Aachen
1 Allgemeine Gynäkologie
1.4 Endometriose – 24
M. Wölfer
Entzündliche Erkrankungen der Vulva und des Introitus bezeichnet man als
Vulvitis. Trotz multifaktorieller Genese, auf die wir im weiteren Verlauf
eingehen werden, existiert eine nahezu einheitliche klinische Manifestation
mit Pruritus, brennenden Schmerzen, Schwellung, Rötung, Fluor, Dysurie,
Dyspareunie, gelegentlich auch in Kombination mit schmerzhafter Schwel-
lung der inguinalen Lymphknoten.
Mykotische Vulvitis
Unter einer mykotischen Vulvitis versteht man eine Infektion mit Sprosspil-
zen der Gattung Candida. Überwiegend wird eine mykotische Vulvitis durch
Candida albicans ausgelöst, seltener wird Candida glabrata nachgewiesen.
1.1 · Entzündliche Erkrankungen
3 1
Diagnostik Eigene Notizen
Zur Diagnostik ist die Inspektion des äußeren Genitale essenziell. Charak-
teristisch sind ein weiß-krümeliger Ausfluss, rasenartige Beläge am Introi-
tus und oft eine erythematös veränderte, mit weißlichen Auflagerungen
versehene Scheidenhaut. Im Nativpräparat sind bei ausgeprägter Pilzbesied-
lung Sprosszellen und Pilzhyphen nachweisbar, allerdings berechtigt ein
negatives Ergebnis im Nativpräparat nicht zur Annahme, dass keine Pilz-
infektion vorliegt. Diesbezüglich sollte bei entsprechendem klinischem Ver-
dacht eine Pilzkultur mit selektiven Nährböden angelegt werden.
Therapie
Die Therapie der mykotischen Vulvitis erfolgt zunächst lokal mit Imida-
zolcremes und Vaginaltabletten oder Ovulae. Bei Nichtansprechen, Rezidiv
oder nachgewiesener Darmbesiedlung sollte eine systemische Behandlung
mit oralen Triazolen, Fluconazol, Itraconazol oder Nystatin in Erwägung
gezogen werden. Oft wird eine Partnerbehandlung simultan durchgeführt,
allerdings konnten Studienergebnisse bezüglich Partnerbehandlung keine
verbesserte Heilungsrate bezeugen.
Es ist zu betonen, dass ein Candida-Nachweis ohne entsprechende kli-
nische Symptomatik nicht behandlungsbedürftig ist; es handelt sich in
diesem Falle um eine Kolonisation und nicht um eine Infektion. In der
gesunden weiblichen Population geht man von einer Kolonisationsrate
zwischen 5 und 30% aus. Candida glabrata ist ein typischer Kolonisations-
keim.
Tinea inguinalis
Zu den mykotisch entzündlichen weiblichen Erkrankungen gehört, wenn
auch selten auftretend, eine durch Fadenpilze (Dermatophyten) hervorge-
rufene Infektion.
Klinik
Die Tinea inguinalis befällt die Außenseite der Labia majora, den Mons
pubis, die Genitokruralfalten und die angrenzende Haut. Leitsymptom ist
der Pruritus. Die infizierte Haut weist Rötung und Schuppung auf mit zen-
trifugaler Ausbreitung und scheinbar zentralen Abheilung.
Therapie
Die Therapie erfolgt durch lokal oder systemisch anwendbare Antimyko-
tika.
Bakterielle Vulvitis
Erysipel (Wundrose)
Die Erysipel Infektion wird durch β-hämolysierende Streptokokken der
Gruppe A ausgelöst.
Klinik
Es zeigt sich eine flächenhafte umschriebene, überwärmte, schnell fort-
schreitende Rötung. Eintrittspforte sind kaum sichtbare Rhagaden oder
4 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Eigene Notizen Mikrotraumen. Die Infektion geht mit einem ausgeprägten Krankheitsge-
1 fühl einher; die Patientinnen weisen Schüttelfrost, hohes Fieber und eine
Entzündungskonstellation im Blut auf.
Therapie
Therapie der Wahl ist die intravenöse Gabe von Penicillin G über 7–10 Tage.
Alternativ kommen Cephalosporine, Erythromycin oder Makrolide in Be-
tracht.
Bartholinitis
Die Bartholinitis ist eine isolierte Entzündung des Ausführungsgangs der
Bartholin-Drüse.
Klinik
Es zeigt sich eine Rötung und Schwellung des Ausführungsgangs der Drüse.
Dies führt zu hühnereigroßen, zystischen Veränderungen im hinteren Be-
reich des Vestibulums. Der Introitus kann eingeengt werden, Sitzen und das
Allgemeinempfinden werden zunehmend beeinträchtigt.
Therapie
Therapie der Wahl ist die Inzision, Entlastung und Marsupialisation der
Zyste. Postoperativ können der Patientin Kamillenextrakt-Sitzbäder emp-
fohlen werden. Bei bakterieller Superinfektion mit Scheiden- oder Darm-
bakterien sollte eine Antibiotikagabe in Erwägung gezogen werden.
Furunkel/Karbunkel
Furunkel sind Entzündungen eines Haarfollikels oder einer Talgdrüse, sie
werden durch eine Infektion mit koagulase-positiven Staphylokokken
(Staph. aureus) hervorgerufen. Wenn Furunkel flächenartig konfluierend
verschmelzen, dann spricht man von Karbunkel.
Klinik
Es zeigt sich eine flächenhafte Entzündung mit zentraler Einschmelzung an
den Haarfollikeln um die Vulva herum.
Therapie
Das therapeutische Vorgehen beinhaltet eine lokale antiseptische Behand-
lung, bei Fluktuation ist eine lokale Inzision und Drainage des Abszesses
indiziert. In diesem Falle sollte eine systemische antibiotische Therapie in
Erwägung gezogen werden. ! Cave Vorsicht ist geboten bei der Wahl des
geeigneten Antibiotikums; viele Staph.-aureus-Stämme sind oft resistent
gegenüber Penicillin. In diesem Falle kann die Gabe von Cephalosporinen
oder Aminopenicillinen in Kombination mit β-Laktamase-Hemmern emp-
fohlen werden.
Erythrasma
Unter dem Begriff Erythrasma fallen Hautinfektionen perivulvär, die durch
das Corynebacterium minutissimum hervorgerufen werden.
1.1 · Entzündliche Erkrankungen
5 1
Klinik Eigene Notizen
Die Infektion ähnelt klinisch einer Pilzinfektion, deswegen auch als Pseu-
domykose bezeichnet; es kommt zum Auftreten von rosafarbenen Flecken,
bedingt durch die Porphyrinbildung der Korynebakterien, welche im Ver-
lauf eine Braunfärbung annehmen. Die Infektion verläuft relativ asympto-
matisch und tritt häufiger bei älteren Frauen auf. Feuchtwarme Verhältnisse,
Adipositas, Diabetes mellitus sowie ein schlechter Hygienestatus begünsti-
gen diese bakterielle Infektion.
Therapie
Die Therapie erfolgt durch Imidazolpräparate.
Virale Vulvitis
Herpes simplex der Vulva
Übertragen durch Geschlechtsverkehr wird diese Erkrankung durch persis-
tierende Viren in den Spinalganglien hervorgerufen. HSV-Typ-1 verursacht
Herpes labialis, selten Herpes genitalis; HSV-Typ-2 verursacht überwiegend
Herpes genitalis.
Klinik
Klinisch zeigen sich zunächst unspezifische Allgemeinsymptome wie Fie-
ber, Abgeschlagenheit, Kopf- und Muskelschmerzen. Lokal bestimmen
Juckreiz, Schmerz, Fluor und Dysurie das Beschwerdebild.
Diagnostik
Pathognomonisch sind schmerzhafte ulzerierende Bläschen im Genitalbe-
reich. Zellkulturen, Fluoreszenztests vom Bläscheninhalt oder ELISA kön-
nen die virale Erkrankung nachweisen.
Differenzialdiagnostik
Abzugrenzen ist der Herpes zoster der Vulva; ausgelöst durch das Varizella-
Zoster-Virus beschränkt sich die Erkrankung auf bestimmte Dermatome
und weist ein dem Herpes simplex sehr ähnliches Krankheitsbild vor.
Therapie
Valaciclovir oder Aciclovir als systemische antivirale Therapie, lokale anti-
septische Maßnahmen um bakterielle Superinfektionen vorzubeugen,
Schmerztherapie.
Condylomata acuminata
Genotypen des Humanen Papillomavirus (HPV) induzieren Proliferatio-
nen des Hautepithels. Einige der so genannten High-Risk-Genotypen
(16,18, 31, 33, 39, 45,59 u.a.) sind an der Entstehung von Anogenitalkarzi-
nomen beteiligt und aus diesem Grunde auch von besonderer Bedeutung.
Klinik
Die meisten HPV-Infektionen verlaufen asymptomatisch oder subklinisch.
Kommt es zur Entstehung von genitoanalen Warzen, so handelt es sich hier
6 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt durch Inspektion, kolposkopische Untersuchung
und Essigsäureprobe (3%ig). Bei subklinischer Infektion und entspre-
chendem Verdacht ist auch ein alleiniger DNA-Nachweis der HPV-Typen
mit Hybridisierung oder PCR möglich.
Differenzialdiagnostik
Differenzialdiagnostisch ist die Entstehung einer intraepithelialen Neo-
plasie der Vulva (VIN) auszuschließen.
Therapie
In ca. 30% der Fälle kann es zu einer spontanen Remission kommen, sodass
ein abwartendes Verhalten durchaus gerechtfertigt sein kann. Alternativ
stehen sowohl operative als auch diverse sonstige Maßnahmen zur Verfü-
gung, z.B. elektrochirurgische Maßnahmen, Lasertherapie, Kryotherapie,
Podophyllotoxin, Interferon-β-Gel, Imiquimod oder Trichloressigsäure.
Bakterielle Vaginose/Aminkolpitis
Essenzieller Bestandteil der bakteriellen Kolpitis ist eine Störung der physio-
logischen Vaginalflora; Gardnerella vaginalis, anaerobe Bakterien, Myko-
plasmen und Ureaplasmen kommen gehäuft vor, während der Anteil der
milchsäurebildenden Döderlein-Bakterien reduziert ist.
Klinik
Rötung des Vaginalepithels, »fischig« riechender Ausfluss, Brennen, Pruri-
tus, Nässegefühl durch vermehrten Ausfluss. Im Rahmen einer Schwanger-
schaft kann eine bakterielle Kolpitis zu einer peripartalen Infektion führen.
Die Frühgeburtlichkeitsrate ist erhöht.
Diagnostik
pH-Wert des Vaginalsekrets >5,0. Die Zugabe einer KOH-Lösung zum Va-
ginalsekret verstärkt den charakteristischen »fischigen« Geruch (Amintest).
Die vermehrte Bakterienzahl ist in einem Kochsalzpräparat des Vaginalse-
krets bei adäquater Vergrößerung sichtbar. Nachweis von so genannten
»Clue Cells« (mit Bakterien besetzte Epithelzellen).
Therapie
Metronidazol, Clindamycin.
1.1 · Entzündliche Erkrankungen
7 1
Soorkolpitis Eigene Notizen
Die Candidainfektion der Vagina kann auf den Partner übertragen werden
und wird in der Mehrheit der Fälle durch Candida albicans verursacht.
Klinik
Juckreiz und ein meistens dickflüssiger weißkrümeliger Ausfluss sind cha-
rakteristisch für eine Candidainfektion der Vagina.
Diagnostik
Grau-weißliche Beläge an Introitus und Vagina, Ausfluss, erythematöse
Schwellung der Vagina, Nachweis von Pilzmyzelen im Nativausstrich.
Therapie
Lokale antimykotische Therapie mit z.B. Clotrimazol, Miconazol, Tiocona-
zol; bei rezidivierender Vaginalmykose systemische Therapie mit Flucona-
zol oder Itraconazol.
Trichomonaden-Kolpitis
Die Trichomoniasis ist bei Weitem die häufigste sexuell übertragbare Er-
krankung weltweit.
Klinik
Gelblich schaumiger übel riechender Fluor, Juckreiz, Dyspareunie.
Diagnostik
Typische klinische Symptomatik im Sinne des charakteristischen Fluors,
lokale Infektionszeichen, Scheiden-pH >4,5. Bei adäquater Vergrößerung
unter dem Mikroskop Nachweis der Trichomonaden-Flagellaten im Nativ-
präparat.
Therapie
Metronidazol systemisch; eine Partnertherapie und vorübergehend sexuel-
le Abstinenz tragen zum Erfolg der Therapie bei.
Streptokokken-Kolpitis
Streptokokken gehören zu den seltenen Kolpitis-Ursachen und sind oft Ko-
lonisationskeime. Sowohl A- als auch B-Streptokokken können allerdings
zu schwerwiegenden systemischen Erkrankungen führen (Erysipel, Phleg-
mone, nekrotisierende Fasziitis, Streptokokken-Toxic-Schock-Syndrom).
B-Streptokokken können im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft zu
peripartalen Komplikationen führen. So zählen die akute Chorioamnioni-
tis, der vorzeitige Blasensprung, eine erhöhte Frühgeburtlichkeitsrate und
potenzielle schwere Neugeborenen-Infektionen zu möglichen Folgen einer
B-Streptokokken Besiedlung der Vagina.
Klinik
Unspezifische lokale Beschwerdesymptomatik im Sinne von Fluor, Juckreiz,
Brennen, Rötung.
8 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Therapie
Penicilline, Cephalosporine, Lincosamide, Gyrasehemmer, Makrolide.
Endo(myo)metritis
Entzündliche Erkrankungen des Uterus können Zervix, Endometrium oder
Myometrium einbeziehen; dementsprechend unterscheidet man (eine Pa-
rametritis kann im Rahmen einer Endomyometritis ebenfalls auftreten):
4 die Zervizitis
4 die akute oder chronische Endometritis
4 die Endo(myo)metritis
4 die Endometritis puerperalis
4 die Pyometra
Die häufigste Infektion des Uterus ist mit dem Wochenbett assoziiert (En-
dometritis puerperalis) und entsteht durch eine mangelhafte Rückbildung
des Uterus postpartum. Die Endometritis ist eine meist aufsteigende geni-
tale Infektion bedingt durch Chlamydien, Anaerobier, Gonokokken oder
E.-coli-Bakterien. Als Risikofaktoren gelten die Mens, Aborte oder Entbin-
dungen, invasive Eingriffe (Hysteroskopie, Abrasio, Myomenukleation,
Polypentfernung) und natürlich ein meist seit längerer Zeit platziertes IUD.
Klinik
4 Uterine Blutungsstörung
4 Unterbauchschmerz
4 Druckempfindlichkeit und Auflockerung des Uterus (»Uteruskanten-
schmerz«)
4 zervikaler Fluor
4 Fieber
4 Entzündungskonstellation im Blut
Diagnostik
Anamnese, Risikofaktoren, die gynäkologische Tastuntersuchung, eine Ul-
traschalluntersuchung (Verifizierung einer Sero- oder Pyometra z.B.) und
die mikrobiologische Abstrichentnahme aus Vagina und Zervix können zur
Diagnosestellung führen.
1.1 · Entzündliche Erkrankungen
9 1
Therapie Eigene Notizen
Gabe von Breitspektrumantibiotika und Uterotonika (Methylergometrin),
falls notwendig IUD-Entfernung. Bei Endometritis puerperalis ist an Pla-
zentareste zu denken, sodass eine instrumentelle Nachtastung im Intervall
indiziert sein kann. Bei häufig älteren Patientinnen mit einer Zervikal-
kanalstenose und konsekutiver Sero- oder Pyometra sollte eine Dilatation
des Zervikalkanals zur Pusentleerung erfolgen.
Adnexitis
Der Begriff Adnexitis beschreibt die infektiöse meist aszendierende Er-
krankung des oberen weiblichen Genitaltrakts (Tube, Ovarien). In schweren
Fällen kann sich die Infektion entlang des Peritoneums bis zur Leberkap-
sel ausbreiten und zu perihepatischen Adhäsionen führen (Fitz-Hugh-
Curtis-Syndrom). Im angloamerikanischen Raum wird die Erkrankung
auch als »pelvic inflammatory disease« (PID) bezeichnet. Eine PID ent-
steht überwiegend durch sexuell übertragbare Erreger, z.B. Chlamydia tra-
chomatis und Neisseria gonorrhoe. Auch Streptokokken, Staphylokokken,
E. coli und Anaerobier können das klinische Bild einer Adnexitis hervor-
rufen.
Prädisponierende Faktoren sind, ähnlich wie bei den uterinen entzünd-
lichen Erkrankungen:
4 IUD
4 diagnostische bzw. operative Eingriffe
4 frühe Aufnahme sexueller Aktivität
Bei amenorrhoeischen Frauen kommt eine Adnexitis viel seltener vor; das
Menstruationsblut ist ein gutes Kulturmedium für die Erreger, zusätzlich
können aufsteigende Erreger die Zervixbarriere während der Mens leichter
durchbrechen.
Klinik
Das entzündliche Geschehen führt zur ödematösen Schwellung des Gewe-
bes, die Tuben inklusive Fimbrientrichter können verkleben, das Tubenlu-
men wird verlegt. Pyosalpinx kann eine mögliche Folge sein, Eiter kann
über die Fimbrienenden auch in den Douglas-Raum gelangen und dort eine
Pelveoperitonitis auslösen, sekundär kann dies zu einem ausgedehnten Ad-
häsionssitus führen. Bei eitriger Beteiligung der Ovarien spricht man auch
vom Tuboovarialabszess. Das klinische Erscheinungsbild kann von symp-
tomarm und verkannt bis zu akut und lebensbedrohlich sein.
Mögliche Symptome sind:
4 akuter Unterbauchschmerz
4 Abwehrspannung
4 Fieber oder subfebrile Temperaturen
4 Nausea
4 Meteorismus
10 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Diagnostik
Die bimanuelle gynäkologische Tastuntersuchung, die mikrobiologische
Abstrichentnahme, das Nativpräparat aus der Vagina oder dem Zervikalka-
nal und eine entsprechende Entzündungskonstellation im Blut können ers-
te diagnostische Hinweise liefern; mehr diagnostische Sicherheit erlangt
man allerdings durch Ultraschall und Laparoskopie.
Differenzialdiagnostik
4 Eileiterschwangerschaft
4 Septischer Abort
4 Endometriose
4 Ovarialzystenruptur
4 Ovarialtorsion
4 Nekrotische Myome
4 Appendizitis, Divertikulitis
4 Harnweginfektionen
4 Entzündliche Darmerkrankungen
Therapie
Gabe einer antibiotischen und antiphlogistischen Therapie, z.B. mit Ampi-
cillin/Sulbactam, Cephalosporinen, Clindamycin, Metronidazol, Doxy-
cyclin.
Die operative Therapie ist bei sonografisch nachweisbaren Tast-
befunden im kleinen Becken essenziell. Die operative Laparoskopie dient
simultan nicht nur der Diagnosestellung, sondern ermöglicht in einer
Sitzung auch die Sanierung eitriger Befunde, im Sinne einer Salpingotomie,
Peritoneallavage, Salpingektomie oder Salpingoovarektomie, falls not-
wendig.
U. Heindrichs
Thelitis
Es handelt sich um eine Mamillenentzündung, die in der Regel im Rahmen
des Stillens auftritt durch eine mechanische Gewebeläsion.
1.2 · Erkrankungen der Brust
11 1
Therapie Eigene Notizen
4 desinfizierende und kühlende Maßnahmen
4 evtl. Antiphlogistika
4 bei Bedarf Antibiotika und Abstillen (ultima ratio)
4 prinzipiell trockene Wundbehandlung
Prophylaxe
4 Stillen mit Anleitung (korrekte Stilltechnik)
4 Beachtung von allgemeiner Hygiene (Asepsis)
! Cave Infolge einer lymphogenen Erregerausbreitung kann eine
Mastitis resultieren.
Mastitis
Synonym für entzündliche Erkrankung der Brustdrüse, die in rund 90% der
Fälle im Wochenbett auftritt (Mastitis puerpuralis) mit einer Häufigkeit von
bis zu 2% der Wöchnerinnen (Kap. 14). Ursächlich sind meist bakterielle
Infektionen, in erster Linie Staphylokokken, aber auch Streptokokken,
Echerichia coli oder Proteus-Stämme. Sehr selten kommt in unseren Breiten
eine tuberkulöse Mastitis vor, die dann im Zusammenhang mit einer pul-
monalen Tuberkulose auftritt.
Klinik
An erster Stelle steht die lokalisierte Rötung und Überwärmung der Brust
mit entsprechender Schmerzsymptomatik. Je nach Ausprägungsgrad
kommt es zur Auffieberung mit Schüttelfrost sowie Druckschmerzhaftig-
keit der gesamten Brust. Im Verlauf ist dann eine Abszedierung mit zen-
traler Nekrosenbildung möglich.
Diagnostik
Die beschriebene klinische Symptomatik ist in der Regel pathognomonisch;
die Hinzuziehung serologischer Parameter zur Bestätigung des Entzün-
dungsprozesses (Leukozytose und CRP-Wert-Erhöhung) wie auch der Be-
stimmung der Körpertemperatur können zum einen die Verdachtsdiagno-
se bestätigen, zum anderen als Verlaufsbeurteilung dienen. Zum Nachweis
bzw. Klärung der Ausdehnung sowie Bestimmung der Konsistenz einer
möglichen Abszedierung ist die Ultraschalldiagnostik hilfreich. Im Rahmen
dieser kann eine zusätzlich durchgeführte Stanzbiopsie hilfreich sein, und
zwar zum einen um in Zweifelsfällen die Diagnose histopathologisch zu
klären, zum anderen um über einen Probeversand in die Mikrobiologie zu
einem Erregernachweis zu führen.
Differenzialdiagnostik
! Cave Insbesondere bei atypischem Verlauf ist rechtzeitig an ein inflamm-
atorisches, ggf. superinfiziertes Mammakarzinom zu denken. Hierzu gehört
auch die Röntgenmammografie, die jedoch in der Akutphase aufgrund der
Schmerzhaftigkeit nicht suffizient durchzuführen und daher ggf. nachzu-
holen ist.
12 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Mastopathie
Die Bezeichnung »mastopathische Brustdrüsenerkrankung« umfasst so-
wohl fibröse als auch zystische Veränderungen des Brustdrüsengewebes
in Abhängigkeit von der Lokalisation der Veränderung: so können Milch-
gänge erweitert sein mit oder ohne papillärer Gangepithelwucherung wie
auch der Ausbildung von Mikro- oder Makrozysten; im Falle der bindege-
webigen (fibrösen) Proliferation kommt es zur typischen lokalen Konsis-
tenzvermehrung mit entsprechendem Tastbefund.
Nicht selten liegt eine Kombination zystischer und fibröser Verände-
rungen vor, dementsprechend fibrozystische Mastopathie genannt. Grund-
sätzlich ist die einfache (chronisch) fibrös-zystische Mastopathie eine gut-
artige Erkrankung, allerdings ist der Übergang zu einer atypisch duktalen
Hyperplasie (ADH) möglich (Kap. 2.4).
Als Oberbegriff bezeichnet man die feingeweblichen Abweichungen des
Brustdrüsengewebes auch als Mammadysplasie, wobei der Zusatz »aty-
pisch« anzeigt, dass hier der Übergang zu einer Präkanzerose erfolgt.
1.2 · Erkrankungen der Brust
13 1
Ätiologie Eigene Notizen
Am ehesten wird von einer hormonellen Dysregulation ausgegangen, zumal
Frauen mit anovulatorischen Zyklen häufiger betroffen sind; außerdem fin-
det man die Mastopathie im Kontext einer Hyperprolaktinämie.
Therapie
Symptomorientiert, ggf. hormonelle Regulation nach entsprechender Dia-
gnostik. Im Falle einer tastbaren Resistenz mit lokaler Beschwerdesympto-
matik ist selten eine Exstirpation indiziert.
Mastodynie
Dieser Begriff beschreibt die einseitige oder beidseitige Schmerzhaftigkeit
(auch Berührungsempfindlichkeit) der Mammae. Sie tritt nicht selten zy-
klisch auf, insbesondere prämenstruell im Zusammenhang mit der ovariel-
len Lutealphase; jedoch ist auch eine zyklusunabhängige Symptomatik
möglich, ebenso eine Korrelation mit einer Mastopathie (s. oben). Dement-
sprechend sind sowohl Mastopathie als auch -dynie eher die Symptome der
prämenopausalen Frau.
Diagnostik
Anamnese, insbesondere auch den Zyklus betreffend, ggf. zyklische Hor-
monanalyse, Bildgebung (Sonografie, ggf. Mammografie).
Therapie
Zyklusregulation, manchmal sind lokale Progesterongele wirksam, ggf. Ein-
leitung von Entspannungsverfahren zur Dämpfung bzw. Balancierung der
hormonellen Dysregulation (auch Prolaktin) über die Stresshormone.
Angeborene Fehlentwicklungen
Es können sowohl eine oder beide Brustwarzen fehlen (Athelie) als auch
eine oder beide Brustdrüsen, ggf. auch der Brustmuskel (Aplasie, Poland-
Syndrom).
Therapeutisch sind plastisch-chirurgische Maßnahmen indiziert, wobei
sowohl autologe wie auch heterologe Verfahren zum Einsatz kommen.
Da der Mensch zu den Säugern gehört, sind entlang der ehemaligen
Milchleiste auch zusätzliche Anlagen von Brustwarzen (Polythelie) oder
auch Brustdrüsen (Polymastie) möglich. Sollten diese kosmetisch oder
funktionell störend sein, kommt eine chirurgische Entfernung in Betracht.
14 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Gynäkomastie
Gynäkomastie bezeichnet die ein- oder beidseitige Vergrößerung der
männlichen Brust. Bei der Gynäkomastia vera ist das Brustdrüsengewebe
proliferiert, während bei der Pseudogynäkomastie die Brust durch Vermeh-
rung des Fettgewebes (Lipomastie, z.B. bei allgemeiner Adipositas) an Vo-
lumen zunimmt.
1.2 · Erkrankungen der Brust
15 1
Ätiologie Eigene Notizen
Eine mögliche Ursache findet sich im Rahmen hormoneller Veränderungen:
so gibt es die Neugeborenengynäkomastie, die Pubertätsgynäkomastie und
die Altersgynäkomastie, bei denen entsprechende Verschiebungen hin zu
einer mehr östrogenhaltigen Stoffwechsellage stattfinden können. Aber
auch Erkrankungen der Gonaden, chronische Stoffwechselerkrankungen
(Niere, Leber), Alkoholmissbrauch und verschiedene Medikamente können
den Hormonhaushalt zugunsten einer Gynäkomastie verschieben. Manch-
mal findet sich keine fassbare Ursache, sodass in solchen Fällen von einer
höheren relativen Empfindlichkeit der Hormonrezeptoren des Brustdrü-
sengewebes ausgegangen wird. Je nach anamnestischer Konstellation ge-
winnt man zudem den Eindruck, dass auch diverse Stressoren – wiederum
durch ihren Einfluss auf hormonelle Kreisläufe (z.B. Kortison, Prolaktin)
eine Gynäkomastie begünstigen.
Fibroadenom
Dieser stellt neben den Zysten (s. unten) den häufigsten gutartigen Tumor
in der Mamma dar. Gemäß seiner Bezeichnung besteht er aus Binde- und
Drüsengewebe, ggf. multilokulär bzw. bilateral auftretend. Das häufig
schubweise Wachstum gilt als hormonabhängig, weshalb Fibroadenome
v.a. bei jungen Frauen (15.–30. Lebensjahr) und prämenopausalen Frauen
(45–55 Jahre) bemerkt werden, z.B. nach schubweisem Wachstum in der
Schwangerschaft bzw. hormonellen Inbalancen (Östrogen/Gestagen).
Diagnostik
Häufig neu aufgetretener Tastbefund mit Nachweis eines prall elastischen,
am ehesten glatt begrenzten und verschieblichen Tumors. In der Sonografie
ebenso relativ homogen glatt und mobil, in der Regel mit quer verlaufender
Längsachse mit so genannter bilateraler Schallauslöschung und dorsaler
Schallverstärkung bei ansonsten eher hypodensem Binnenecho.
16 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Zysten
Eine Mammazyste stellt eine aufgrund der Verlegung eines Ausführungs-
gangs mit Flüssigkeit gefüllte Erweiterung eines Drüsenläppchens dar.
Symptomatisch häufig bei Frauen im Alter von 30–50 Jahren bzw. zu Beginn
der Wechseljahre. Mikro- oder Makrozysten stehen häufig im Zusammen-
hang mit einer chronisch zystisch-fibrösen Mastopathie (s. oben).
Klinik
Zysten werden als prall-elastischer Tumor in der Brust wahrgenommen und
können aufgrund der Verdrängung des umgebenden Brustgewebes mit
Druckgefühl und Schmerzen einhergehen, wiederum auch zyklusabhängig.
Aufgrund des flüssigen Inhalts können sie in einigen Fällen gewissermaßen
über Nacht entstehen und führen dann zu entsprechender Besorgnis bei den
Patientinnen.
Diagnostik
Neben dem typischen Tastbefund stellt die Zyste eine ideale Domäne für
den Ultraschall dar: In der Regel sind Zysten rund, glatt berandet mit ent-
sprechendem bilateralem Schallschatten und dorsaler deutlicher Schallver-
stärkung, während der Inhalt echoleer ist. Es gibt jedoch auch so genannte
komplexe Zysten mit abweichendem Schallverhalten, z.B. einer Entrun-
dung, einer Septierung oder mit inhomogenen Binnenechos. Letztere be-
dürfen zumindest der engmaschigen Kontrolle (zweizeitiger Vergleich), bei
soliden Binnenechos, evtl. mit Durchblutung, sollten diese weitergehend
abgeklärt werden (z.B. bioptisch). Eine rein zytologische Abklärung mittels
Punktion ist zum einen eher problematisch, da meist keine eindeutige Dia-
gnose für den Pathologen zu treffen ist, zum anderen die vermeintliche
Malignität in der Zystenwand bzw. deren Wucherung zu finden wäre. Die
weitere Abklärung mittels Biopsie beinhaltet daher bei größerem solidem
Zysteninhalt entweder die gezielte Stanzbiopsie oder – falls nicht vorhanden
oder möglich – am ehesten die komplette Zystenexstirpation.
Blande Zysten können in ihrer Größe mit der Zeit variieren, sich ggf.
auch spontan zurückbilden; insbesondere nach der Menopause stellen sie
nur noch selten ein Problem dar.
1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
17 1
Milchgangspapillom Eigene Notizen
Milchgangspapillome sind primär gutartige Wucherungen in den Milch-
gängen; sie können mikroskopisch klein und quasi rasenförmig auftreten,
aber auch mehrere Millimeter bis wenige Zentimeter groß werden. Da sie
eher kleinvolumig sind, sind sie oft und lange asymptomatisch. Sie können
zur Sekretion des betroffenen Milchgangs führen, z.T. auch blutig; ihre Ent-
artungstendenz wird statistisch mit 2–5% angegeben. ! Cave Somit sollte
insbesondere jede einseitige Mamillensekretion, erst recht wenn sie blutig
ist, weiter abgeklärt werden.
Diagnostik
Das Mamillensekret kann zytologisch auf Blut und entartete Zellen unter-
sucht werden. Bei entsprechendem Verdacht sollte eine weitergehende Bild-
gebung angeschlossen werden (Ultraschall, Mammografie, ggf. Galaktogra-
fie bzw. MRT). In einzelnen Zentren werden auch so genannte Duktusko-
pien durchgeführt.
Therapie
In vielen Fällen, d.h. bei Verdacht auf Papillom, wird eine Operation zur
histologischen Sicherung nötig sein, je nach Bildgebung stanzbioptisch oder
durch offene Biopsie bzw. Milchgangsresektion. In einigen Fällen lässt sich
kein Papillom verifizieren, sodass bei blutiger Sekretion die Differenzial-
diagnose eines duktalen In-situ-Karzinoms besteht (Kap. 2.4). Daher ist die
sorgfältige Abklärung einer pathologischen Mamillensekretion begründet,
selbst wenn Tast- und Ultraschallbefund ohne pathologischen Befund
sind.
Lipom
Sehr seltener Tumor, der auch aus dem Fettgewebe der Mammae hervor-
gehen kann und dementsprechend weich und verschieblich imponiert.
Ultrasonografisch findet man das typische Echomuster des meist umge-
benden Fettgewebes, ggf. mit Kapselbildung. Ggf. Beweis durch stanz-
bioptische Sicherung. Eine Exstirpation sollte bei lokalen Beschwerden er-
folgen.
D. Bauerschlag
Klinik
Generell unterscheidet man symptomatische und asymptomatische Myome,
nur letztere stellen häufig eine Indikation zur Operation dar. Mögliche
Symptome eines Uterus myomatosus sind:
4 Sterilität
4 Blutungsanomalien
4 Dysmenorrhoe
4 Verdrängungserscheinungen/Kompression von Blase und Darm, ggf.
auch Inkontinenz
Diagnostik
Wegweisende Diagnostik besteht aus folgenden Schritten:
4 Bimanuelle vaginale Untersuchung: mehrknolliger vergrößerter Uterus
4 Vaginaler Ultraschall: Darstellung der Myome im Bezug zur Uterus-
wand
4 Abdominaler Ultraschall mit Darstellung der Nieren
Therapie
Prinzipiell stehen drei etablierte Therapieverfahren zur Verfügung, die sich
stark unterscheiden:
4 Endokrine Therapie mit Unterdrückung der Östrogenproduktion
4 Operative Therapie zur Myomresektion
4 Embolisation der zuführenden Gefäße
1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
19 1
Die endokrine Therapie, z.B. mittels GnRH-Analoga, nutzt die Östrogen- Eigene Notizen
abhängigkeit des Myoms aus. Durch Suppression der hypophysär-gonada-
len Achse kommt es zum Absinken des peripheren Östrogenspiegels und
konsekutiv zum Wachstumsstillstand oder zur Größenminderung des
Myoms. Dieser Effekt ist jedoch nur temporär und wird z.T. genutzt, um
eine Operation vorzubereiten.
Die klassische operative Therapie des Uterus myomatosus nach abge-
schlossener Familienplanung ist die Hysterektomie. Diese erfolgt in Abhän-
gigkeit von der Uterus/Myomgröße per Laparotomie, per vaginam oder
laparoskopisch.
Bei Patientinnen mit Kinderwunsch oder mit Wunsch nach Organer-
halt erfolgt die Entfernung der Myome wie folgt:
4 Per Laparoskopie, wenn das Myom subserös (gestielt) oder intramural
liegt
4 Per Hysteroskopie, wenn das Myom submukös liegt; hierbei sollte das
Myom das Endometriumniveau um mindestens die Hälfte überragen.
Entscheidend für den Organerhalt und die folgende Schwangerschaft ist der
suffiziente Nahtverschluss des Myombetts, um das Risiko einer Uterusrup-
tur im Narbenbereich zu senken. Häufig wird Patientinnen nach Myome-
nukleation eine Re-Laparoskopie empfohlen, um die Situation am Uterus
vor der Konzeption zu evaluieren.
Liegt bei einer Schwangeren ein Uterus myomatosus vor, so kann es zur
»Konkurrenz« um die Blutversorgung zwischen sich entwickelnder Schwan-
gerschaft und dem Myom kommen. Da sich operative Eingriffe am schwan-
geren Uterus verbieten, bleibt nur die konservative Therapie mit Analgetika
und Kühlung des Myoms. ! Cave Auch im Falle einer Sectio caesarea
sollte eine simultane Myomenukleation vermieden werden, da es in diesen
Fällen zu komplizierten Blutungen kommen kann, die schlussendlich die
Hysterektomie nach sich ziehen können.
Wünscht die Patientin keine Operation des Uterus myomatosus und
liegt keine diffuse Myomatose vor, so kann eine Embolisation des Myoms
erfolgen. Über eine arterielle Schleuse im Bereich der A. femoralis wird
unter radiologischer Kontrolle mittels Kontrastmittel ein Katheter bis in die
A. uterina vorgeschoben. Von dort aus werden Polymer-Mikropartikel ap-
pliziert, die die zuführenden Gefäßäste des Myoms verschließen. Durch den
Verschluss kommt es zur Nekrose des Myoms, was häufig zu starken bis
stärksten Schmerzen führen kann und eine suffiziente Schmerztherapie,
wenn möglich über eine patientinnenkontrollierte Schmerzpumpe, nötig
macht. In seltenen Fällen kann es im Rahmen der Nekrose zu Keimbesied-
lungen kommen, die einer chirurgischen Sanierung bedürfen.
Die Varianten mit Atypien weisen ein hohes Entartungsrisiko auf und gelten
als Vorstufen des Endometriumkarzinoms.
Kommt es, während der Menses, nicht zur ausreichenden Abstoßung
des Stratum functionale, können sich Endometriumpolypen bilden.
Klinik
Klinisch äußern sich krankhafte Veränderungen in Blutungsstörungen, z.B.
Dauerblutungen. Blutungen ex utero, die in der Postmenopause auftreten,
sollten bis zum Ausschluss als malignomverdächtig betrachtet werden (wei-
teres s. Endometriumkarzinom, Kap. 2).
Diagnostik
4 Bimanuelle gynäkologische Untersuchung
4 Rektovaginale Untersuchung
4 Vaginal-Ultraschall
Therapie
Die operative Therapie umfasst folgende Möglichkeiten:
4 Fraktionierte Abrasio (getrennte Gewinnung und Untersuchung von
Zervix- und Corpus-Abradat)
4 Operative Hysteroskopie
4 Endometriumablation bei ausgeschlossener Malignität und abgeschlos-
sener Familienplanung
4 Hysterektomie als ultima ratio
Klinik
Die Erkrankungen treten häufig als Zufallsbefund bei Routineuntersuchung
auf. Ansonsten können dumpfer, ansteigender Schmerz bei Torsion des
1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
21 1
Diagnostik
Diagnostisch wichtig sind:
4 Bimanuelle gynäkologische Untersuchung
4 Rektovaginale Untersuchung
4 Vaginal-Ultraschall
4 Labordiagnostik mit ggf. CA 125 und CEA
4 Regelanamnese/Dyspareunie
Ultraschallbefunde umfassen:
4 Zystengröße
4 Echogenität (»echoleer«, »echoreich«, gemischt)
4 Abgrenzung (glatt berandet, unscharft)
4 Kammerung (einkammerig, mehrkammerig mit Septen unterschied-
licher Dicke)
4 Aszitesdarstellung
Therapie
Abwartendes Vorgehen bei beschwerdefreier Patientin:
4 Prämenopausal: <5–7 cm im Durchmesser → Zysten-Kontrolle in
8–12 Wochen
4 Postmenopausal: <3 cm im Durchmesser → Zysten-Kontrolle in
8 Wochen
Eigene Notizen 1.3.3 Gutartige Erkrankungen der Vulva und der Vagina
1
Condylomata accuminata
Ausgelöst durch die venerisch übertragenen Humanen Papillomaviren,
inzwischen >70 Typen charakterisiert.
4 Low Risk: z.B. 6 und 11: Condylomata accuminata
4 High Risk: z.B. 16 und 18: Cervicale Intraepitheliale Neoplasie (CIN),
Zervixkarzinom
Klinik
4 Pruritus vulvae
4 Vulvodynie/Dyspareunie
4 Fremdkörpergefühl
Diagnostik
4 Anamnese (Sexualanamnese: Frage nach Analverkehr, da auch intra-
anal Condylome auftreten können)
4 Inspektion von Vulva, Vagina und Portio
4 PAP-Abstriche auch von Vulva (feuchter Tupfer)
4 Kolposkopie nativ und unter Betupfung mit 3% Essigsäure
4 PE-Entnahme
Therapie
Lokaltherapie mit:
4 Podophyllotoxin (Condylox, Wartec)
4 Imiquimodcreme (Aldara)
Klinik
4 Ausgeprägter Pruritus
4 Dyspareunie bis hin zur Unmöglichkeit des Geschlechtsverkehrs durch
z.T. ausgeprägte Synechien der Labien
4 Vulnerable Haut der Vulva mit Rhagaden
4 Porzellanweiße Hyperkeratosen
4 Vagina nicht betroffen
1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
23 1
Diagnostik Eigene Notizen
4 Anamnese
4 Inspektion mit Kolposkop
4 PE-Entnahme
Therapie
Lokale Steroidtherapie z.B. Dermatop, initial täglich, dann Reduktion bis
auf minimale Erhaltungsdosis (langfristige lokale Steroidtherapie kann
atrophisierend auf die Haut wirken).
Vulvaatrophie
Neben dem Lichen sclerosus et atrophicus zeigt die Vulvaatrophie aufgrund
von Östrogenmangel sehr ähnliche Symptome.
Therapie
Lokale Östrogenisierung mit Salben oder vaginal Ovula, zunächst täglich
für ca. 10 Tage, danach erfolgt die Absenkung auf die niedrigste mögliche
Erhaltungsdosis.
Klinik
4 Ausgeprägte Schmerzen im Bereich des Damms und/oder der Labien
4 Lokal zumeist unauffälliger Befund
Diagnostik
4 Ausschluss von bakterieller oder mykotischer Vulvitis
4 Positiver Wattetupfertest (Patientin verspürt schon bei der leichtesten
Berührung mit einem Tupfer Schmerzen)
4 Lokale Inspektion mit Kolposkop
4 Ggf. PE-Entnahme
Therapie
Weite Kleidung aus Baumwolle. Folgende Medikamente kommen infrage:
4 Lokale Therapie:
5 Lokalanästhetika haltige Salben
5 Östrogenhaltige Salben
5 Steroidhaltige Salben
4 Systemische Therapie:
5 Antihistaminikum (Cetirizin)
5 Trizyklische Antidepressiva (Amitryptilin)
5 Antiepileptika (Gabapentin)
Ätiologie
4 Transplantationstheorie: Der vermutete Mechanismus besteht in einer
Verschleppung von endometrialen Zellen in die Peritonealhöhle wäh-
rend der Menstruation (retrograde Menstruation). Allerdings wurde
retrograde Menstruation bei bis zu 90% aller Frauen nachgewiesen. Die
viel geringere Prävalenz der Endometriose lässt darauf schließen, das
auch andere Faktoren, wie veränderte peritoneale Clearance und verän-
derte humorale Immunität sowie Veränderungen der verschleppten
endometrialen Zellen (möglicherweise endometriale Stammzellen)
eine Rolle in der Entstehung der Erkrankung spielen.
4 Metaplasietheorie: Der vermutete Mechanismus besteht hier in der
Metaplasie aus embryonalem Zölomepithel. Nach dieser Theorie kön-
nen sich aus Zölomzellen unter dem Einfluss verschiedener Stimuli
(Inflammationsreize, Hormonschwankungen, Wachstumsfaktoren und
mechanische Umwandlungen) Zellen mit endometriumähnlicher Dif-
ferenzierung entwickeln – diese Theorie ist bis heute nicht gesichert.
Klinik
Das typische klinische Bild der Endometriose gibt es nicht, sondern häufig
sind unterschiedliche Beschwerden in unterschiedlich starker Ausprägung
1.4 · Endometriose
25 1
vorhanden, die meist auch unabhängig vom Stadium der Endometriose Eigene Notizen
sind.
Häufige Symptome sind:
4 Schmerzhafte, analgetikapflichtige Menstruation (Dysmenorrhoe)
4 Chronische Unterbauchschmerzen
4 Kohabitationsbeschwerden (tiefe Dyspareunie)
4 Subfertilität
4 Defäkationsbeschwerden (zyklusabhängig)
4 Darmblutungen (zyklusabhängig)
4 Miktionsbeschwerden (zyklusabhängig, selten: Hämaturie, Harnstau)
> Memo Analgetikapflichtige Dysmenorrhoe sowie zyklusabhän-
gige Beschwerden bei Miktion oder Defäkation sind verdächtig für
Endometriose und sollten durch spezialisierte Zentren abgeklärt
werden.
Diagnostik
4 Anamnese mit gezielten Fragen nach den oben genannten Symptomen
4 Gynäkologische Untersuchung:
5 Inspektion (Abdomen: Laparotomienarben; bei Spekulumeinstel-
lung: Vaginalepithel, insbesondere Fornix posterior vaginae)
5 Palpation (bimanuell, tief, rektal)
5 Sonografie (transabdominal, transvaginal, transrektal, Nierensono-
grafie)
4 Erweiterte Diagnostik:
5 Chirurgische Darmabklärung (Rektoendosonografie, Rektoskopie,
Sigmoidokoloskopie)
5 Urologische Diagnostik: Zystoskopie, Darstellung der ableitenden
Harnwege (i.v.-Pyelografie), Nierensonografie
5 Magnetresonanztomografie (Computertomografie nicht äquieffek-
tiv)
> Memo Die sichere Diagnosestellung von Endometriose ist nur
invasiv mittels Laparoskopie (oder Laparotomie) möglich, idealer-
weise erfolgt die Diagnosesicherung durch histomorphologische
Untersuchungen.
Therapie
Die operative Therapie der Endometriose sollte gut geplant und an die
Befunde und Ausgangssituation der Patientin angepasst erfolgen. Ziel der
operativen Therapie ist die möglichst vollständige Resektion aller Endomet-
rioseherde. Mittlerweile ist die operative Laparoskopie Standardtherapie
und nur selten ist eine Laparotomie erforderlich:
4 Oberflächliche Endometriose: Koagulation oder Exzision
4 Tief infiltrierende Endometriose: vollständige Exzision
4 Ovarielle Endometriosezysten: vollständige Exzision des Zystenbalgs,
Schonen des gesunden Ovargewebes (Fertilitätserhalt!)
4 Darmendometriose: bei Symptomatik ggf. Darmteilresektion
4 Adenomyosis uteri: bei abgeschlossener Familienplanung Hysterek-
tomie
26 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Eigene Notizen > Memo Zur Rezidivprophylaxe nach operativer Therapie soll bei
1 symptomatischer Endometriose oder Endometriose ab Stadium II im-
mer eine hormonelle Therapie (s.u.) angeschlossen werden.
2 Gynäkologische Onkologie
T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2
2.1.1 Endometriumkarzinom
Pathogenese
90% aller Endometriumkarzinome sind dem Typ I zuzuordnen. Es besteht
ein langjähriger östrogener Stimulus, dieser hormonelle Überschuss führt
über eine Endometriumhyperplasie mit zunehmender Atypie zur Tumor-
entstehung. Risikofaktoren für die Entstehung des Typ I endometrioiden
Karzinoms sind:
4 Frühe Menarche
4 Späte Menopause
4 Nicht opponierte, reine Östrogen-Hormonersatztherapie
4 Östrogen produzierende Tumoren
4 Metabolisches Syndrom
4 Infertilität und Nulliparität
4 Daneben sind ansteigendes Lebensalter, hoher sozioökonomischer Sta-
tus und die Einnahme von Tamoxifen weitere Risikofaktoren.
Diagnostik
Früherkennungsmaßnahmen, die ein adäquates Screening leisten würden,
gibt es nicht. So ist die Einleitung diagnostischer Maßnahmen bei mög-
lichen ersten klinischen Anzeichen der Erkrankung von großer Bedeutung.
Hauptsymptom ist die Postmenopausenblutung. Es sollte eine vaginale
Untersuchung zusammen mit einer Vaginalsonografie klären, wo sich die
Blutungsquelle befindet. Auffälligkeiten im Bereich des Endometriums,
des Myometrium bzw. der Zervix oder organübergreifend des Beckens
sollten ausgeschlossen werden. So müssen auch diverse Differenzial-
diagnosen erwogen werden, z.B. der Uterus myomatosus, Endometrium-
hyperplasien und Polypen wie auch funktionelle hormonell bedingte Blu-
tungen. Auch andere Tumorentitäten kommen infrage, z.B. das Zervixkar-
zinom.
Ausreichend für die Diagnosestellung Endometriumkarzinom sind
letztlich die Vaginalsonografie und eine Endometriumbiopsie, entweder
mittels Pipelle, hysteroskopisch oder mit Kürette entnommen. Weitere
Bildgebung ist nicht notwendig. Bei histologisch nachgewiesenem Karzi-
nom kann präoperativ zum Ausschluss von Fernmetastasen ein Röntgen-
Thorax und eine Oberbauchsonografie durchgeführt werden.
Therapie
Das Staging der Erkrankung erfolgt operativ, so ist die komplette systema-
tische Operation der Patientin entscheidend für die Notwendigkeit einer
adjuvanten Therapie. Die chirurgische Klassifikation erfolgt nach den Vor-
gaben der FIGO (Féderation Internationale de Gynécologie et Obstétrique
Mai 2009):
4 Tx: unklarer Primärtumor
4 T0: Primärtumor nicht darstellbar
4 Tis: Carcinoma in situ
4 FIGO I: Tumor auf Corpus uteri begrenzt
5 IA: Keine oder <50% Invasion des Myometriums
5 IB: Tumor infiltriert genau oder >50% des Myometriums
4 FIGO II: Tumor infiltriert das Stroma der Cervix uteri, ist aber nicht
organüberschreitend
5 T2a – Endozervikaler Drüsenbefall
5 T2b – Infiltration des Zervixstromas
4 FIGO III: Lokale oder regionale Ausbreitung
5 IIIA: Tumor infiltriert die Serosa oder die Adnexe
5 IIIB: Infiltration der Vagina und/oder Parametrien
5 N1 IIIC Pelvine und/oder paraaortale Lymphknotenmetastasen
J IIIC1 Positive pelvine Lymphknoten
J IIIC2 Positive paraaortale Lymphknoten mit oder ohne pelvine
Lymphknotenmetastasen
30 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Radiotherapie
Die Indikationsstellung zur Radiatio ist an die Einschätzung des Lokalrezi-
divrisikos als auch an die Lymphknotenmetastasierung gekoppelt. Patien-
tinnen mit niedrigem Risiko, z.B. mit FIGO Ia G1/G2 Tumoren, bedürfen
keiner weiteren adjuvanten Behandlung. Ab FIGO Ib G2 wird eine vaginale
Brachytherapie adjuvant durchgeführt; diese Maßnahme scheint das Rezi-
divrisiko zu senken, hat allerdings keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben
der Patientin. Patientinnen mit einer extrauterinen Erkrankung (FIGO Sta-
dium III, IV) und oder nachgewiesener Lymphknotenmetastasierung ha-
ben ein erhöhtes Rezidivrisiko und sollten nach Möglichkeit eine adjuvante
Radiatio erhalten in der Form der kombinierten Therapie, sowohl von
vaginal aus als auch perkutan. In der palliativen Situation ist die Radiothe-
rapie zur Schmerzkontrolle und lokaler Begrenzung des Tumorprogresses
indiziert.
Chemotherapie
Bei Endometriumkarzinomen ab FIGO II oder bei aggressiven Typ-II-
Tumoren kann alternativ zur Radiatio die Indikation zur adjuvanten
Chemotherapie gestellt werden. Substanzen im Einsatz sind aktuell Car-
boplatin/Paclitaxel oder Doxorubicin kombiniert mit Cisplatin. Diese
Kombinationstherapien können Vorteile im rezidivfreien Überleben er-
zielen, deren genauer Stellenwert im Vergleich zur Radiatio wird noch er-
forscht.
2.1 · Maligne Tumore des Uterus
31 2
Hormontherapie Eigene Notizen
Die Indikation für eine Hormontherapie ist hauptsächlich der Palliativ-
situation vorbehalten. Gestagene wie das Medroxyprogesteronacetat kön-
nen gegen gut differenzierte Hormonrezeptor-positive Endometriumkarzi-
nome eingesetzt werden; die Ansprechrate ist allerdings mit knapp 30%
moderat. Eine weitere spezielle therapeutische Indikation für die Hormon-
therapie besteht im Falle des Wunschs nach Fertilitätserhalt. So kann bei
gut differenziertem (G1) endometrioidem Adenokarzinom im Stadium
FIGO IA eine konservative Therapie in Erwägung gezogen werden. Die
orale Gabe von Megesterolacetat bzw. Medroxyprogesteronacetat über
mindestens 3 Monate ist die Therapie der Wahl. Ein engmaschiges Follow-
up mit erneuten Endometriumbiopsien im Intervall sollte erfolgen; nach
Abschluss der Familienplanung sollte die operative Therapie nachgeholt
werden.
Nachsorge
Eine symptomorientierte Nachsorge ist nach Abschluss der Behandlung
üblich, mit dem Ziel frühzeitig ein Lokalrezidiv zu erkennen. Etwa 25% der
Patientinnen erleiden ein Rezidiv, die Mehrheit der Rezidive treten in den
ersten 2 Jahren nach Primärtherapie auf. Die Tumorreduktion in der Rezi-
divsituation bringt einen Überlebensvorteil, falls keine operative Interven-
tion mehr möglich ist, sollte insbesondere beim Beckenwandrezidiv eine
erneute Radiotherapie favorisiert werden. Bei distanter Metastasierung ist
die zytostatische Systemtherapie eine Alternative.
Einteilung
Die histologische Heterogenität und die Seltenheit dieser Tumore (Inzidenz
<1/100000) erschwert standardisierte Angaben zu Ätiologie, Diagnose und
Therapie. Je nach Tumortyp bzw. Ursprung der Neoplasie unterscheiden wir
u.a. endometriale Stromasarkome, Leiomyosarkome, Adenosarkome und
mesodermale Mischtumore (Karzinosarkom oder Müller-Mischtumor).
Klinik
Die klinische Symptomatik ist unspezifisch; sie umfasst hauptsächlich ute-
rine Blutungsstörungen. Frühsymptome existieren selten, im frühen Stadi-
um handelt es sich meist um eine Zufallsdiagnose nach Hysterektomie. Es
existiert keine effektive Vorsorge asymptomatischer Patientinnen. Späte
Symptome insbesondere bei stattgefundener Fernmetastasierung sind Un-
ter- und Oberbauchschmerzen, Husten oder Atemnot.
Diagnostik
Frauen mit persistierenden Blutungsstörungen sollten einer histologischen
Abklärung des Cavum uteri unterzogen werden. Endometriale Stromasar-
kome weisen ein inhomogenes Endometrium auf, welches gegenüber dem
Myometrium schlecht abgegrenzt ist. Leiomyosarkome imponieren in der
32 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Therapie
Die Operation hat einen hohen Stellenwert in der Therapie der Sarkome,
zumal die meisten Tumore dieser Art schlecht auf eine Strahlen- und Che-
motherapie ansprechen. In den Grundsätzen unterscheidet sich die Thera-
pie nicht vom Vorgehen bei Endometriumkarzinom. Hysterektomie, bilate-
rale Adnektomie, Omentektomie und optional auch die Lymphadenektomie
pelvin/paraaortal sollten durchgeführt werden. Der therapeutische Benefit
der Lymphadenektomie wird kontrovers diskutiert.
Gemischt mesenchymale Uterusneoplasien sind aufgrund ihrer ag-
gressiven Wachstumspotenz selten kurativ behandelbar. Beckenrezidive
sollten einer Radiotherapie unterzogen werden, bei frühzeitiger extrapel-
viner Metastasierung sollte eine systemische Therapie erfolgen. Wirksame
Substanzen sind Cisplatin, Doxorubicin, Gemcitabine, Taxane und Ifos-
famid.
2.1.3 Zervixkarzinom
Epidemiologie
Die Inzidenz des Zervixkarzinoms in Deutschland liegt bei etwa 13 pro
100000 Frauen. Es gibt 2 Altersgipfel der Erkrankung. Der erste liegt im
Lebensalter von 35–55 Jahren und der zweite ab 60 Jahre. Die Inzidenz zer-
vikaler Präkanzerosen liegt um das 100-Fache höher. Das verhornende
(squamöse) oder nichtverhornende Plattenepithelkarzinom sowie das Ade-
nokarzinom sind die häufigsten histologischen Typen. Bei ca. 80% der Fäl-
le liegt ein Plattenepithelkarzinom vor. Ätiologisch ist für die Krebsentste-
hung eine chronische Infektion mit high-risk humanen Papillomviren
(hauptsächlich die HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 51, 52 und 56) in Kombi-
nation mit weiteren Konditionalfaktoren unabdingbar. Als Risikofaktoren
werden der Nikotinabusus, Promiskuität, die Langzeiteinnahme oraler
Kontrazeptiva, eine mögliche Immunschwäche und persistierende Genital-
infektionen diskutiert.
Prävention
Die Vermeidung genitaler Infektionen und auch die Verwendung von Kon-
domen vermindert das Übertragungsrisiko einer HPV-Infektion. Die pri-
märe Prävention des Zervixkarzinoms und seiner dysplastischen Vorstufen
ist mittels Impfung gegen einzelne HPV-Typen möglich. Die prophylak-
tische Vakzinierung mit einem bivalenten Impfstoff gegen HPV 16/18 bzw.
einem tetravalenten Impfstoff gegen HPV 16/18 sowie den Genitalwarzen
2.1 · Maligne Tumore des Uterus
33 2
verursachenden HPV-Typen 6/11 zeigte eine gute Verträglichkeit, eine Eigene Notizen
100%ige Serokonversion, und eine fast vollständige Verhinderung von per-
sistierenden Infektionen, Zervixdysplasien und Genitalwarzen. Aus diesem
Grunde propagiert die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland
seit kurzer Zeit die prophylaktische Vakzinierung gegen die HPV-Typen
16/18 bei Mädchen im Alter von 12–17 Jahren. Im Falle einer breiten Teil-
nahme der Bevölkerung am Impfprogramm ist von einem deutlichen Rück-
gang der Neuerkrankungsrate prospektiv auszugehen. Die Vakzinierung
ersetzt allerdings nicht regelmäßige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen,
zumal die Impfung nicht alle HPV-Typen erfasst. Die Früherkennbarkeit
der Erkrankung ist durch die Vorsorgeuntersuchungen (Portio-Zytologie,
HPV-Testung) hoch.
Diagnostik
Die Spiegeleinstellung und die gezielte zytologische Abstrichentnahme aus
Portio und Zervikalkanal, nach Möglichkeit kolposkopisch kontrolliert, ge-
hören sowohl zu den Vorsorgeuntersuchungen als auch zu den grundle-
genden diagnostischen Erstmaßnahmen bei Zervixkarzinomverdacht. Von
Bedeutung kann auch der Nachweis einer persistierenden risikohaften
HPV-Infektion mittels PCR oder Hybrid-Capture-II-Assay sein. Bei symp-
tomatischen Patientinnen und hochgradigem Verdacht auf ein Karzinom
werden diese Erstmaßnahmen ergänzt durch die bimanuelle rektovaginale
Untersuchung, (ggf. in Narkose) und gezielte Gewebeentnahmen zur histo-
logischen Sicherung (bei intrazervikalen Läsionen durch eine Zervixküret-
tage). Durchgeführt werden sollten auch eine Zystoskopie und Rektoskopie
zum Ausschluss eines Tumoreinbruchs in Harnblase oder Rektum. Bildge-
bende Untersuchungen wie CT und MRT geben einen Anhalt sowohl über
die potenzielle Tumorausdehnung im Becken als auch Hinweise über den
Lymphknotenstatus pelvin/paraaortal.
Röntgen des Thorax, Ober- und Unterbauchsonografie und die Be-
stimmung der Tumormarker (SCC beim Plattenepithelkarzinom, CEA
bzw. CA 125 beim Adenokarzinom) komplettieren die präoperativen
diagnostischen Maßnahmen.
Klinik
Die klinische Symptomatik umfasst initial vaginale Blutungen (in der Re-
gel Kontaktblutungen) und verstärkt übel riechenden Fluor; mit Fort-
schreiten der Erkrankung sind Lymphstau der unteren Extremität, Häma-
turie/Hämatochezie bis zur Anurie bei beidseitiger Ureterummauerung
möglich.
Die prätherapeutische Stadieneinteilung des Zervixkarzinoms nach
der FIGO-Klassifikation ist an die klinische Erfahrung des Untersuchers
gekoppelt, zumal das Staging der Erkrankung »klinisch« erfolgt:
4 FIGO I: Karzinom ist streng auf die Cervix uteri begrenzt
5 FIGO IA: Invasives Karzinom, das mikroskopisch identifiziert wird.
Die Invasion ist begrenzt auf eine gemessene Stromainvasion mit
einer maximalen Tiefe von 5 mm und einer Oberflächenausdeh-
nung von nicht mehr als 7 mm.
34 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen J FIGO IA1: Gemessene Stromainvasion von nicht mehr als 3 mm
in der Tiefe und einer Oberflächenausdehnung von nicht mehr
als 7 mm.
2 J FIGO IA2: Gemessene Stromainvasionstiefe von mehr als 3 mm
und nicht mehr als 5 mm bei einer Oberflächenausdehnung von
nicht mehr als 7 mm.
5 FIGO IB: Klinisch erkennbare Läsionen, begrenzt auf die Cervix
uteri oder subklinische Läsionen mit größeren Maßen als Sta-
dium IA.
J FIGO IB1: Klinisch erkennbare Läsionen <4 cm.
J FIGO IB2: Klinisch erkennbare Läsionen >4 cm.
4 FIGO II: Zervixkarzinom infiltriert jenseits des Uterus, aber nicht bis
zur Beckenwand und nicht bis zum unteren Drittel der Vagina
5 FIGO IIA: Ohne Infiltration des Parametriums. Infiltration der
oberen zwei Drittel der Vagina.
5 FIGO IIB: Mit Infiltration des Parametriums aber keine Ausbrei-
tung zur Beckenwand.
4 FIGO III: Zervixkarzinom breitet sich bis zur Beckenwand aus und
befällt das untere Drittel der Vagina und verursacht Hydronephrose
oder stumme Niere.
5 FIGO IIIA: Tumor befällt unteres Drittel der Vagina, keine Ausbrei-
tung zur Beckenwand.
5 FIGO IIIB: Tumor breitet sich bis zur Beckenwand aus oder verur-
sacht Hydronephrose oder stumme Niere.
4 FIGO IV: Tumor infiltriert Schleimhaut von Blase oder Rektum und/
oder überschreitet die Grenzen des kleinen Beckens.
5 FIGO IVA: Ausbreitung auf angrenzende Organe des Beckens.
5 FIGO IVB: Ausbreitung auf entfernte Organe (Fernmetastasen).
Therapie
Die Therapie des Zervixkarzinoms besteht heute in einer stadienadap-
tierten, individuell ausgerichteten therapeutischen Strategie; sie umfasst
diverse Operationsverfahren, die Strahlentherapie sowie die systemische
Zytostatika-Gabe.
Operation
Primärziel der operativen Strategie ist die komplette Resektion des Tumors
inklusiver tumoröser Absiedlungen in die drainierenden Lymphgefäße. Die
Radikalität der Operation richtet sich je nach FIGO-Stadium nach der
Wahrscheinlichkeit eines Lymphknotenbefalls. In frühen Stadien wird an-
gestrebt, die Radikalität der Operation zurückzunehmen und die periope-
rative Morbidität zu reduzieren. Bei jungen Frauen mit nicht abgeschlos-
sener Familienplanung kann in frühen Stadien (FIGO IA1 und IA2) eine
uteruserhaltende Operation erwogen werden.
Im Stadium FIGO IA1 G1 erscheint bei Wunsch nach Erhalt der Ferti-
lität die Konisation ausreichend. Sie sollte mit der elektrischen Schlinge
oder als Laserkonisation erfolgen. Durch die Konisation können prämalig-
ne oder mikroinvasive Veränderungen in sano entfernt werden. In einer
2.1 · Maligne Tumore des Uterus
35 2
darauffolgenden Schwangerschaft sollte das höher Risiko für Zervixinsuf- Eigene Notizen
fizienz und möglicher Zervixstenose beachtet werden.
Ebenfalls fertilitätserhaltend ist die radikale Trachealektomie. Bei G1-
und G2-Plattenepithelkarzinomen, fehlender Lymphangiosis und Häman-
giosis sowie einer Tumorgröße bis 2 cm kann diese Operation durchge-
führt werden; die dazugehörige pelvine Lymphadenektomie ist offen abdo-
minal oder endoskopisch möglich.
Die operative Therapie des Zervixkarzinoms im Stadium FIGO IB bis
IIA umfasst primär die radikale Hysterektomie nach Wertheim-Meigs und
Okabayashi. Die Grundprinzipien der Operation bestehen aus folgenden
Schritten:
4 Hysterektomie mit Scheidenmanschettenentfernung und Parakolpien-
resektion
4 Resektion von Parametrien mit Ligamenta sacrouterina und Ligamenta
vesicouterina
4 Pelvine Lymphadenektomie
Die Nähe der Resektionsränder zur Beckenwand hin ist abhängig von der
Tumorgröße. Ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Tumor sollte ge-
währleistet sein. Die Adenektomie ist bei prämenopausalen Frauen nicht
obligatorisch, allerdings sollte man diese insbesondere beim Adenokarzi-
nom der Zervix in Erwägung ziehen.
Die Operation nach Wertheim-Meigs kann sowohl offen abdominal als
auch minimal-invasiv durchgeführt werden. Der Fortschritt der minimal-
invasiven Chirurgie ermöglicht eine der Abdominalchirurgie ebenbürtige
onkologische Sicherheit.
Varianten der Operation nach Wertheim-Meigs sind die vaginale Ra-
dikaloperation nach Schauta-Amreich und die totale mesometriale Resek-
tion als Weiterentwicklung der Präparationstechnik in anatomisch-embryo-
nalen Entwicklungsgrenzen.
Radiochemotherapie
Ab dem Stadium FIGO IIB umfasst die Therapie der Wahl die primäre
simultane kombinierte Radiochemotherapie, bestehend aus Cisplatin
wöchentlich 40 mg/m2, externer Beckenradiatio und intrakavitärer Brachy-
therapie. Bei Kontraindikationen, z.B. Vorliegen einer schweren Nieren-
insuffizienz, entfällt die Chemotherapie und es wird kombiniert bestrahlt.
Die Radiochemotherapie kommt zusätzlich in der adjuvanten Situation
zum Einsatz, wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen, z.B. das Adenokar-
zinom, entdifferenzierte Tumore (G3), Lymph- oder Hämangiosis und der
positive Lymphknotenstatus.
Chemotherapie
Cisplatin, Carboplatin, Ifosfamid und Topotecan, evtl. auch in Kombination
mit Anthrazyklinen, Mitomycin, Bleomycin oder Taxanen, sind eine The-
rapieoption beim fortgeschrittenen, insbesondere fernmetastasierten Zer-
vixkarzinom (FIGO IVB). Als neoadjuvante Wahl kann eine intervallver-
kürzte platinhaltige Therapie die Operabilität verbessern. Insbesondere in
36 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen der Rezidivsituation und bei fehlender Bestrahlungsmöglichkeit bietet die
systemische Therapie eine Alternative.
2.2.1 Allgemeines
Diagnostik
Die gynäkologische bimanuelle Untersuchung und die Inspektion durch
Spiegeleinstellung gehören zu den grundlegenden und ersten diagnosti-
schen Maßnahmen. Der Nachweis von blutigem Fluor, das mögliche Ver-
drängen von Scheidenwand und Portio durch tumoröse Raumforderungen
im kleinen Becken oder der palpatorische Nachweis von knotigen Auflage-
rungen im Sinne einer Douglasperitonealkarzinose können auf ein mög-
liches Ovarialkarzinom hinweisen.
Die transvaginale Sonografie hat den höchsten Stellenwert in der Dia-
gnostik des Ovarialkarzinoms. Sonomorphologische Kriterien zur Be-
schreibung und letztlich Einschätzung des malignen Potenzials von Ova-
rialtumoren sind die Tumorgröße, Aszitesnachweis, Binnenstrukturen
innerhalb der zystischen Raumforderung, Septendicke, solide Anteile, pa-
pilläre und echogene Randstrukturen, Inhomogenität und Perfusionsmus-
ter. Es existiert kein einzelnes sonografisches Kriterium, welches patho-
gnomonisch ist für die Dignität einer ovariellen Raumforderung. Nimmt
allerdings der erfahrene Untersucher alle Teilaspekte in Betracht, so kann
er eine gute Einschätzung hinsichtlich Dignität erbringen.
Weitere apparative Diagnostik im Sinne von CT des Beckens/Abdo-
mens oder MRT ist nicht obligat und verbessert nicht die diagnostische
Sicherheit; letztlich ist die Operation mit histologischer Sicherung nicht
nur Teil des therapeutischen Konzepts, sondern auch beweisend für das
Ovarialkarzinom.
Differenzialdiagnostik
Differenzialdiagnostisch kommen alle tumorösen Raumforderungen des
Abdomens in Betracht, diese können gutartige Veränderungen sein, z.B.
funktionelle Zysten der prämenopausalen Frau, Kystome, Fibrome, Der-
moidzysten oder Endometrioseläsionen. Maligne Neoplasien sind differen-
zialdiagnostisch alle kolorektalen Tumoren, Gallenblasenkarzinome, Ma-
genkarzinome, das Pankreaskarzinom sowie Metastasen anderer Tumor-
entitäten.
Therapie
Etablierte Prognosefaktoren der Erkrankung sind:
4 das Tumorstadium
4 der postoperative Tumorrest
38 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
ein wichtiger prognostischer Parameter, der zudem auch prädiktive Bedeu- Eigene Notizen
tung für das erneute Ansprechen einer platinbasierten Chemotherapie
hat.
Platinresistente Rezidive haben kein Ansprechen im Sinne einer Re-
mission auf die Primärtherapie gezeigt und/oder die Patientinnen erleiden
bereits nach weniger als 6 Monaten nach Ersttherapie ein Rezidiv. Diese
Untergruppe der Patientinnen hat eine besonders eingeschränkte Progno-
se, es besteht eine umfassende Zytostatikaresistenz. In dieser Gruppe bietet
eine Kombinationstherapie bisher keinen Vorteil gegenüber einer Mono-
therapie. Einzusetzende Zytostatika sind in diesem Falle das pegylierte
liposomale Doxorubicin, Topotecan, Gemcitabine, Treosulfan, Etoposid,
Vinorelbin. Die Ansprechrate sämtlicher Substanzen liegt im besten Falle
zwischen 20 und 25%, das progressionsfreie Intervall ist kurz.
Davon ist die Gruppe der so genannten platinsensiblen Rezidive ab-
zugrenzen; diese Gruppe umfasst Patientinnen, welche auf eine platin-
basierte Primärtherapie mit einer objektiven Remission angesprochen
haben und ein rezidivfreies Intervall von mehr als 6 Monaten nach Ab-
schluss der Therapie aufweisen. In dieser Gruppe ist eine platinhaltige
Reinduktionstherapie möglich; die Kombinationstherapie ist hier der Pla-
tinmonotherapie überlegen. So zeigen die Kombination von Carboplatin/
pegyliertes liposomales Doxorubicin, Carboplatin/Paclitaxel, Carboplatin/
Gemcitabin ein erneutes gutes Ansprechen in bis zu 50% der Fälle. Wenn
eine platinhaltige Therapie bei einem rezidivfreien Intervall von 6–12 Mo-
naten nicht geeignet erscheint, ist pegyliertes liposomales Doxorubicin in
Kombination mit Trabectedin effektiv.
Eigene Notizen Die klassische chirurgische Therapie besteht aus einer zytoreduktiven
Operation mit beidseitiger Adenektomie, Hysterektomie, Omentektomie
und Entnahme multipler peritonealer Biopsien. Bei muzinöser Differen-
2 zierung ist zusätzlich die Appendektomie zum Ausschluss einer primären
Appendixneoplasie erforderlich. Ein sorgfältiges chirurgisches Staging
sollte durchgeführt werden. Der Lymphknotenstatus hat keine gesicherte
prognostische oder therapeutische Konsequenz. Demnach ist die Lym-
phonodektomie kein Bestandteil der Operation. ! Cave Im Falle von
noch bestehenden Kinderwunschs bzw. Wunschs nach Erhalt der ovariel-
len Funktion ist ein fertilitätserhaltendes Vorgehen möglich, allerdings
muss die Patientinnen über das erhöhte Rezidivrisiko aufgeklärt werden.
Der Nutzen einer adjuvanten Therapie wurde bislang für Tumore von
niedrigem malignem Potenzial nicht gezeigt. Die Nachbeobachtung muss
den langwierigen zeitlichen Verlauf der Erkrankung berücksichtigen und
sollte deshalb über mindestens 10–15 Jahre erfolgen.
2.2.4 Keimstrangstromatumore
T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
konsekutiv die des Vulvakarzinoms hat über die letzten Jahrzehnte zuge- Eigene Notizen
nommen. Die Ursachen sind nicht gänzlich geklärt, es wird u.a. postuliert,
dass eine verbesserte Diagnostik und die Teilnahme der Frauen an den
Vorsorgeuntersuchungen zu den Gründen gehören. Sowohl die Zunahme
der HPV-Neuinfektionsrate, insbesondere in den jüngeren Altersklassen,
als auch möglicherweise unbekannte lokale Faktoren tragen ebenso dazu
bei.
Klassifikation
Die vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN) wird je nach Schweregrad his-
tomorphologisch in VIN 1–3 unterteilt. Eine neuere Klassifikation (Inter-
national Society for the Study of Vulvovaginal Disease) unterscheidet zwi-
schen kondylomatösen reaktiven Veränderungen (alt VIN 1) und zwischen
differenzierten bzw. undifferenzierten intraepithelialen Neoplasien (alt VIN
2 und 3).
4 Die differenzierte VIN betrifft eher die ältere Patientin, ist meist unifo-
kal, hat eine hohe maligne Potenz und kann z.B. auf Basis eines Lichen
sclerosus entstehen.
4 Die undifferenzierte VIN ist in der Regel die Erkrankung der jüngeren
Patientin, HPV-assoziiert (z.B. HPV Typ 16, 33), multilokulär und mit
einer moderaten malignen Potenz.
Therapie
VIN-2- und -3-Läsionen sollten durch chirurgische Exzision und/oder
Laservaporisation im Gesunden entfernt werden. Ziel der operativen The-
rapie ist die Prävention des invasiven Vulvakarzinoms bzw. die Entfernung
okkulter Frühkarzinome. In der operativen Therapie der Vorstufen sollten
die Rezidivvermeidung und der Erhalt der normalen Anatomie und Funk-
tion gleichmäßig berücksichtigt werden.
Prävention
Ein Großteil der vulvären intraepithelialen Neoplasien und Karzinome der
jungen Frauen können durch die HPV-Impfung verhindert werden. Mäd-
chen vor Aufnahme des ersten Geschlechtsverkehrs haben nach 3-facher
Impfung einen hohen Impfschutz gegen durch HPV (6,11) 16, 18 induzierte
Läsionen.
2.3.2 Vulvakarzinom
Klinik
Frühsymptome des Vulvakarzinoms sind entweder in ca. der Hälfte der
Patientinnen nicht vorhanden oder sehr unspezifisch. In vielen Fällen ver-
geht oft >1 Jahr zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung. Haupt-
symptome dieser Erkrankung, wenn vorhanden, sind:
4 Pruritus
4 Vulvodynie
4 Dysurie
4 Perinealer Schmerz
4 Lokales Brenngefühl
4 Die Symptomatik wird durch das subjektive Erfassen palpabler oder
sichtbarer Veränderungen im Bereich der Vulva begleitet.
Diagnostik
Inspektion, Palpation, Vulvoskopie und Applikation von Essigsäure gehö-
ren zu den primären diagnostischen Maßnahmen. Lokalisation, Anzahl,
Verteilung, Größe, Begrenzung und Farbe von vulvären Veränderungen
sind zu beschreiben. Die häufigsten Lokalisationen sind die Labia majora,
gefolgt von der Klitoris, den Labia minora, dem Perineum, der Periurethral-
region und der Bartholin-Drüse. Hinweise für Malignität sind:
4 Rasche Größenprogredienz
4 Bildung eines Ulkus
4 Farbveränderung
4 Unscharfe Begrenzung
4 Asymmetrie
Klassifikation
Das Staging der Erkrankung erfolgt operativ nach folgender FIGO-Klassi-
fikation:
4 FIGO I: Tumor beschränkt auf die Vulva oder Vulva und den Damm,
größter Durchmesser <2 cm; ohne Lymphknotenmetastasen (T1N0)
5 FIGO IA: Stromainvasion ≤1,0 mm
5 FIGO IB: Invasionstiefe >1,0 mm
4 FIGO II: Tumor beschränkt auf die Vulva oder Vulva und den Damm;
>2 cm ohne Lymphknotenmetastasen (T2N0)
4 FIGO III: Tumor jeglicher Größe mit Ausdehnung auf die distale
Urethra, Vagina oder den Anus und/oder unilaterale inguinale Lymph-
knotenmetastasen
4 FIGO IV: Tumorinvasion in Nachbarorgane, bilaterale inguinofemora-
le Lymphknotenmetastasen
2.3 · Das Vulvakarzinom und seine Vorstufen
43 2
5 FIGO IVa: Tumor jeglicher Größe mit Infiltration der proximalen Eigene Notizen
Urethra, der Blasenmukosa, der Rektummukosa, des Beckenkno-
chens, bilaterale inguinofemorale Lymphknotenmetastasen
5 FIGO IVb: Fernmetastasen, inklusive pelviner Lymphknotenme-
tastasen
Therapie
Die lokale Therapie des Vulvakarzinoms umfasst stadienadaptiert die loka-
le radikale Exzision, die Vulvektomie und die primäre Radiochemotherapie.
Ziel der operativen Therapie ist die Resektion des Tumors in sano mit einem
10 mm gesunden Randsaum. Die operative Lokaltherapie hat in den letzten
Jahren eine Reduzierung der Radikalität zugunsten der Verminderung von
Komplikationen erfahren. So ist die 3-Schnitt-Technik, d.h. Vulvektomie
und inguinofemorale Lymphonodektomie von separaten Schnitten aus, der
En-bloc-Technik vorzuziehen. Weiterhin versucht man den vollständigen
Verlust der Vulva dann zu vermeiden, wenn eine radikale Exzision im
makroskopisch Gesunden möglich ist.
Therapie der Wahl beim Vulvakarzinom FIGO IA–II ist die lokale ra-
dikale Exzision. Im Stadium III kann die radikale Vulvektomie indiziert
werden, ab FIGO IV kommt die Radiochemotherapie primär in Betracht.
Ab einer Infiltrationstiefe von >1,0 mm (≥FIGO IB) ist die inguinofemo-
rale Lymphonodektomie obligat. Bei lateralem FIGO-I-Karzinom und
freien ipsilateralen Lymphknoten kann auf eine kontralaterale Lympho-
nodektomie verzichtet werden. Die Behandlung der pelvinen Lymphkno-
ten ist indiziert bei 3 oder mehr positiven unilateralen Leistenlymphkno-
ten, Kapseldurchbruch oder dem Vorliegen von Makrometastasen >10 mm.
Ungeklärt ist, ob in diesem Fall die Patientin von der pelvinen Lymphaden-
ektomie oder der Radiatio des Beckens mehr profitiert.
Prävention
Die Prävention dieser Erkrankung, bestehend aus primären und sekundär-
en Maßnahmen, beinhaltet die prophylaktische HPV-Impfung (primäre
Prävention) und frühzeitige diagnostische und therapeutische Maßnahmen
(sekundäre Prävention).
2.3.3 Vaginalkarzinom
Epidemiologie
Primäre Vaginalkarzinome sind Plattenepithelkarzinome und mit einer In-
zidenz von 0,3–0,4 pro 100000 Frauen im Jahr sehr selten. Häufiger ist ein
sekundärer Befall der Vagina durch kontinuierliche Ausbreitung anderer
lokaler Tumore. Analog zum Vulvakarzinom werden Vorstufen dieser Er-
krankung als vaginale intraepitheliale Neoplasien Grad I–III bezeichnet. Je
nach Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie ist die Beobachtung
(VAIN I) oder die Destruktion und lokale Exzision (VAIN II und III) das
Mittel der Wahl.
44 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Therapie
Beim Vaginalkarzinom wird häufig die primäre Strahlentherapie der Ope-
ration vorgezogen. Die Entscheidung, ob Operation oder (primäre) Strah-
lentherapie indiziert ist, richtet sich nach der primären Ausdehnung und
der Lokalisation des Tumors, der Erfahrung des Operateurs, dem Allge-
meinzustand der Patientin und der Abwägung möglicher Nebenwirkungen/
Komplikationen. Nebenwirkungen sind:
4 Strahlentherapie: Spätfolgen an Darm und Blase, trockene, verklebte
Vagina, Fistelbildungen
4 Operation: Verlust der Vagina, Neovagina nötig, sehr großer Eingriff,
häufig lokoregionäre Rezidive
Der operative Aufwand variiert je nach Größe und Lokalisation des Tumors
von einer Exzision im Gesunden, einer Kolpektomie mit Parakolpienentfer-
nung, einer radikalen Kolpohysterektomie bis zur Exenteration. Alternativ
ist stadienübergreifend die primäre Radiotherapie möglich.
U. Heindrichs
2.4.1 Grundlagen
können verschiedene Risikofaktoren benannt werden, die im Sinne einer Eigene Notizen
Prävention mehr oder weniger beeinflussbar sind: So gilt die Nulliparität
bzw. Schwangerschaft jenseits des 35. Lebensjahres, nicht stillen, ledig sein
oder familiär mit der Erkrankung vorbelastet zu sein als risikobehaftet;
ebenso der frühe Eintritt in die Menarche bzw. eine späte Menopause wie
auch bestimmte Hormonsubstitutionsschemata in der Postmenopause.
Somit erscheinen hormonelle Einflüsse das Brustkrebsrisiko maßgeb-
lich zu steuern, daneben spielen Faktoren der Lebensführung, z.B. Über-
gewicht, Bewegungsmangel und schädliche Genussmittel (Alkohol, Niko-
tin) ebenfalls eine erhebliche Rolle.
Das nachgewiesenermaßen erbliche Mammakarzinom (BRCA-Muta-
tion) macht derzeit <10% aller Mammakarzinomfälle aus, ist aber gerade
für betroffene Familien entsprechend bedeutsam.
Hinsichtlich der Therapie des Mammakarzinoms kommt der Früh-
erkennung die bedeutendste Rolle hinsichtlich der möglichen Heilungs-
chancen zu. Demzufolge sollte die entsprechende Diagnostik möglichst
zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Im Folgenden werden die
verschiedenen Diagnostika vorgestellt und hinsichtlich ihrer Möglich-
keiten bewertet.
Anamnese
Mithilfe der Krankengeschichte kann erfragt werden, inwieweit eine fami-
liäre Vorbelastung oder weitere Risikofaktoren bestehen. Sollte die Patientin
selber einen Tumor getastet haben, führt die Erfragung der Dynamik und
der Begleitfaktoren (Schmerzhaftigkeit, Rötung, Fieber) der Erkrankung
schon zu Rückschlüssen hinsichtlich der Differenzialdiagnosen.
Palpation
Es ist noch relativ häufig, dass Frauen mit selbst neu getasteten Herdbefun-
den der Mammae in die Sprechstunde kommen; in solchen Fällen können
anhand der Konsistenz und Verschieblichkeit von Tumoren Rückschlüsse
auf deren Dignität (benigne oder maligne) gemacht werden. Dabei sollten
die lokoregionären Lymphabflusswege einbezogen werden. Danach schließt
sich die weiterführende Bildgebung mit evtl. Biopsie an (s. unten).
Grundsätzlich ist zur Palpation festzustellen, dass hier die Detektions-
rate für Mammakarzinome häufig erst bei einem T1c- bis T2-Stadium be-
ginnt (vgl. TNM-Klassifikation), d.h. Tumoren ab einer Größe von 1,5 cm
und größer. Dabei findet man in rund 30% bereits axilläre Lymphknoten-
metastasen. Vergleicht man diese Daten mit Kollektiven aus Screening-
Mammografien, so findet man dort Tumoren vielfach im Stadium T1b–c,
also mit einer Größe von 1–1,5 cm, manchmal auch kleiner, selten größer.
In solchen Fällen geht der axilläre Lymphknotenbefall auf etwa 6% zurück.
Man geht von einer früheren Mammakarzinomdetektion von etwa 1 Jahr
aus im Vergleich zur Palpationsmethode. Ein solches Mammografie-Scree-
ning steht in Deutschland zurzeit für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren
zur Verfügung.
Nichtsdestotrotz kann auch die regelmäßige Selbstuntersuchung be-
fürwortet werden, wenn auch in großen Metaanalysen kein signifikanter
46 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen Benefit festzustellen war, was am ehesten der Ungenauigkeit der Methode
zuzuschreiben ist (T2-Stadium = 2–5 cm). Zum einen führt die Methode
in einzelnen Fällen dennoch zu einer früheren Erkennung eines Karzinoms
2 und zum anderen, so die Studien, führt die regelmäßige Selbstuntersu-
chung zu einer größeren Achtsamkeit hinsichtlich der eigenen Gesundheit
und damit auch zur besseren Nutzung der Früherkennungsprogramme.
Es gilt also, das Mammakarzinom unterhalb der Tastbarkeit erfassen zu
können, evtl. sogar vor seinem »Ausbruch«. Histopathologisch gesprochen
ist dieses denkbar und z.T. möglich. Daher sollen für das bessere Verstehen
der Karzinomerkrankung zunächst die so genannten Vorläuferläsionen
und Präkanzerosen besprochen werden:
Anatomisch betrachtet besteht die Brust aus Läppchen und Gängen, mikro-
skopisch spricht man von der tubulo-duktulo-lobulären Einheit. Kommt es
nun zur Adenose, also zunächst gutartigen proliferativen Veränderung der
Läppchen mit Hyperplasie der Epithel- und Myepithelzellen (klinisch der
Mastopathie entsprechend), so findet man histomorphologisch die so ge-
nannte Blunt-duct-Adenose (BDA). Bei fortschreitender Proliferation kön-
nen hieraus Mikrozysten oder die so genannte einfache duktale Hyperplasie
entstehen. Dieses könnte unter Umständen bereits eine klinische Sympto-
matik im Sinne einer Mastodynie hervorrufen, wäre im Übrigen jedoch
harmlos.
Bei weiterem Proliferationsanreiz könnte jedoch eine flache epitheliale
Atypie (FEA) erwachsen oder auch eine atypische duktale Hyperplasie
(ADH); Läsionen können nicht selten gemeinsam vorkommen, ebenso die
lobuläre Neoplasie (Vorläuferläsion in einem Lobulus). Die besagten Ver-
änderungen haben das Risiko eines assoziierten duktalen In-situ-Karzi-
noms oder gar invasiven Karzinoms, gelten somit als Risikomarker bzw.
sind bereits vergesellschaftet mit höhergradigen Läsionen.
Diagnostik
Die beschriebenen Precursor-Läsionen sind in der Regel nicht tastbar und
auch in der Sonografie nicht abzugrenzen. Nicht selten bilden sie jedoch so
genannten gruppierten Mikrokalk, der wiederum in der Mammografie –
auch bei höherer Gewebedichte – gut abgrenzbar ist. Im Falle eines solchen
suspekten Mikrokalks sollte eine histologische Sicherung am ehesten durch
Vakuumbiopsate erfolgen mit anschließender Besprechung in einer multi-
disziplinären Tumorkonferenz, wo geklärt wird, ob die Bildgebung konkor-
dant zum histopathologischen Befund ist (Treffgenauigkeit, Übereinstim-
mung zwischen Erwartung und Ergebnis). Sollte dies nicht der Fall sein,
muss sich eine weitere Abklärungsdiagnostik, z.B. mittels MRT der Mam-
mae, anschließen bzw. ggf. die Vakuumbiopsie wiederholt werden oder der
Herdbefund per Drahtmarkierung markiert und mittels offener Biopsie
komplett entfernt werden.
2.4 · Maligne Tumore der Mamma
47 2
Im Falle der suffizienten Gewebesicherung mit der erstmaligen Biopsie Eigene Notizen
erfolgt das weitere Vorgehen gemäß dem histologischen Typ der Läsion;
4 Bei der FEA sind laut der aktuellen Empfehlungen keine weiteren Maß-
nahmen erforderlich, vorausgesetzt, der wegweisende Mikrokalk wurde
komplett entfernt.
4 Im Falle der ADH (in Stanze oder Vakuumbiopsie) ist außer bei nied-
riggradigen Hyperplasien und sehr kleinen Läsionen in der Regel die
offene Exzisionsbiopsie erforderlich; Ausnahme ist wiederum, falls die
ADH den Randbefund eines In-situ- oder invasiven Karzinoms dar-
stellt: In dieser Konstellation bedarf es keiner weiteren Abklärung wegen
mangelnder prognostischer Relevanz bzw., weil die Patientin sowieso
weiter therapiert bzw. überwacht wird.
Therapie
Das pleomorphe CLIS sollte in sano reseziert werden (analog DCIS). Ab-
weichend hiervon wird eine Nachbestrahlungsindikation bei Vorliegen
eines CLIS nicht gesehen (u.a. unzureichender Datenlage geschuldet).
Auch diese Form der Präkanzerose zeigt sich am ehesten durch den Nach-
weis von gruppierten Mikroverkalkungen in der Mammografie (ca. 70% der
DCIS-Fälle mit Mikrokalk), nur selten findet sich ein Tastbefund und gele-
gentlich eine blutige Mamillensekretion.
Diagnostik
Sicherung der stereotaktische Stanzbiopsie bzw. Vakuumbiopsie. Es sollte
eine Präparateradiografie der Biopsate durchgeführt werden zum Nachweis,
dass die Mikrokalkareale erfasst wurden. Außerdem können die Proben
nach solchen mit und ohne Kalk separiert werden; in der abschließenden
histopathologischen Begutachtung kann dann abgeschätzt werden, ob auch
in den kalkfreien Gewebebereichen In-situ-Karzinomverbände vorliegen.
48 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen Zur präoperativen Größenabschätzung des DCIS kann eine Magnetreso-
nanztomografie herangezogen werden, wobei das DCIS Grad 1 (low-grade)
sich entsprechend schwer erfassen lässt, während die In-situ-Karzinome des
2 intermediate grade (G2) und high grade (G3) besser darstellbar sind.
Therapie
Operative Therapie
Es wird eine weite Exzision angestrebt, wobei in der Regel eine radiologische
Drahtmarkierung bei fehlender Tastbarkeit erforderlich ist. Das Exzidat
sollte wiederum präparateradiografiert werden und im Falle einer knappen
Randsituation (bezogen auf den Mikrokalk) sollte eine entsprechende
Nachresektion erfolgen. In der späteren histopathologischen Auswertung
gilt eine Resektionsrandsicherheit von <1 mm als zu knapp, während ein
Sicherheitssaum von 10 mm als sicher ausreichend gilt. Sicherheitsabstände
zwischen 1 und 10 mm sind somit diskutabel (aktuelle Empfehlung der
Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie: Sicherheitsabstand
von 2–5 mm anstreben). Sollten nach ggf. mehrfachen Nachresektionen
keine sicheren Ränder erzielbar sein bzw. auch bei initial großen Läsionen,
kommt nur eine Mastektomie in Betracht. In solchen Fällen sollte zusätzlich
die Abklärung der zugehörigen axillären Lymphknoten über die Wächter-
lymphknotendiagnostik erfolgen (s. unten).
Strahlentherapie
Nach brusterhaltender Operation ist regelmäßig die Nachbestrahlung der
betroffenen Brust indiziert (Senkung des Lokalrezidivrisikos um etwa
75%).
Antihormontherapie
Bei hormonrezeptorpositiven duktalen In-situ-Karzinomen sollte die The-
rapie mit einem Antiöstrogen (Tamoxifen) mit der Patientin individuell
besprochen werden im Sinne einer Risiko-Nutzen-Abwägung (Restrisiko
kann nochmals annähernd halbiert werden, wobei dieses Restrisiko oftmals
<10% zu veranschlagen ist).
T4 Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf Brustwand oder Haut
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Nachweisbare Fernmetastasen
Diagnostik
Hier gilt Ähnliches wie für die Vorläuferläsionen, d.h. Ziel sollte es sein,
einen Tumor vor seiner Tastbarkeit zu erfassen, was heutzutage mithilfe des
Mammografie-Screenings gelingt, im Rahmen dessen Frauen im Alter
zwischen 50 und 69 Jahren alle 2 Jahre zu einer Mammografie eingeladen
werden (Durchschnittsalter für das Mammakarzinom etwa 62 Jahre). Na-
türlich haben jüngere und erst recht ältere Frauen ein statistisch ähnliches
oder sogar höheres Risiko. Das gewählte Screeningalter beruht auf zugrun-
de liegenden Studiendaten und ist der Praktikabilität (Röntgentransparenz
der Mammae steigt mit dem Alter) wie auch der möglichen Finanzierbar-
keit geschuldet.
Außerhalb solcher Programme spricht man von einer so genannten
kurativen Mammografie, nicht selten tasten die Betroffenen in dieser Zeit
ihre Tumoren selber; man schätzt, die Erkrankung außerhalb von Scree-
ningprogrammen 1 Jahr später zu entdecken.
Selten führen auch ein- oder beidseitige Mamillensekretionen die
Frauen zum Arzt; insbesondere die einseitige und blutige Sekretion gehen
mit malignen Brusterkrankungen einher. Neben der zytologischen Abklä-
rung stehen hier die Galaktografie (Mammografie mit Kontrastmittel,
welches in den betroffenen Gang injiziert wird) oder eine Magnetreso-
nanztomografie zur Verfügung.
Einen hohen Stellenwert in der Mammadiagnostik hat bei der Beurtei-
lung von röntgenologisch auffälligen oder getasteten Herdbefunden auch
50 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen die Sonografie: Mittlerweile stehen Schallköpfe mit deutlich mehr als
10 MHZ zur Verfügung, sodass wenige Millimeter kleine Tumore (ca.
>3 mm) gesehen werden, insbesondere im dichten Brustdrüsengewebe
2 kann die Sonografie gewissermaßen Licht in die Schattenseiten der Mam-
mografie bringen, während diese insbesondere hinsichtlich der Detektion
von Mikrokalk oder kleinen Herden außerhalb des Hauptdrüsengewebes
ihre Stärken hat; somit sollte man die Verfahren als komplementär ver-
stehen.
Die Sonografie ist zeitintensiver und schwerer reproduzierbar als die
Röntgenmammografie, ein weiterer Grund, weshalb sie sich nicht als
Screeningmethode durchgesetzt hat.
Die Magnetresonanztomografie (MRT) stellt die Methode mit der
höchsten Sensitivität (>99%) hinsichtlich der Detektierbarkeit von Ma-
lignomen der Brust dar, sie beruht auf der Erfassung unterschiedlich stark
durchbluteter Gewebeareale, benötigt Kontrastmittel, jedoch keine Rönt-
genstrahlen. Auch mittel- bis schnellwachsende Vorläuferläsionen können
erfasst werden. Um die Rate an falsch positiven Befunden niedrig zu hal-
ten, ist eine hohe Expertise hinsichtlich der Handhabung der Methode
erforderlich.
Die Kostenträger stehen der Mamma-MRT sehr restriktiv gegenüber
(s. Indikationskatalog).
Vor jeder Therapieplanung sollte die suspekte Läsion histopatholo-
gisch geklärt werden, um eine optimale Therapieplanung zu gewährleisten.
Dieses kann mithilfe alle genannten bildgebenden Methoden erfolgen,
wobei die einfachste mögliche Methode gewählt wird. Zur Untersuchung
gelangen mittels der Stanzbiopsie (Core-Biopsie) wenigstens 3–5 Stanz-
zylinder von 2 mm Durchmesser und ca. 15–22 mm Länge. Durch so ge-
nannte Vakuumstanzen kann die Gewebemenge erhöht werden. Ziel ist die
repräsentative Histologie. Bereits an der Stanzbiopsie können Aussagen
zur minimalen Tumorgröße, dem Tumorgrading und dem Rezeptorstatus
(Östrogen-, Progesteron- und Her-2-neu) gemacht werden.
Therapie
Grundsätzlich stehen folgende Behandlungssäulen zur Verfügung:
4 Operation
4 Chemotherapie
4 Strahlentherapie
4 Antihormontherapie
4 Antikörpertherapie
4 Psychoonkologie
Operation
Ziel der Operation ist es, sämtliches Tumorgewebe zu entfernen und den
axillären Lymphknotenstatus zu erfassen. Etwa bis 25% (ein Quadrant) der
Brust können entfernt werden, sodass noch ein kosmetisch akzeptables Er-
gebnis rekonstruierbar ist, ggf. mit speziellen onkoplastischen Techniken
oder solchen, die aus der plastisch-ästhetischen Chirurgie bekannt sind
(Lifting, Reduktionsplastik). In gut 70% der Fälle gelingt dieses (wenigstens
2.4 · Maligne Tumore der Mamma
51 2
80% der T1-Stadien). In den anderen Fällen wird eine Amputation der Brust Eigene Notizen
notwendig; auf Wunsch stehen dann rekonstruktive Verfahren (Eigengewe-
be oder Implantate) zur Verfügung, wobei in der Zeitabfolge (sofort versus
später) der Gesamtbehandlungsplan zu berücksichtigen ist: So ist es z.B.
deutlich günstiger, eine Brust zunächst mit Implantat zu rekonstruieren und
anschließend zu bestrahlen, während das Vorgehen bei Verwendung von
Eigengewebe gerade andersherum erfolgen sollte.
Der Lymphknotenstatus wird durch die so genannte Wächtermethode
(Sentinel-Methode) durchgeführt. Durch Injektion von radioaktiven Tech-
netiums und/oder von Patentblau (subareolär) wird/werden der oder die
vordersten Lymphknoten, die das Brustdrüsengewebe drainieren, radioak-
tiv bzw. farblich markiert und können so gezielt entfernt werden. Da die
Axilla in mehr als 70% der Fälle metastasenfrei ist, stellt dies ein scho-
nendes Verfahren zur Erhebung des Lymphknotenstatus dar. Im Falle der
Metastasierung sollte derzeit noch eine komplettierende (klassische) Axil-
ladissektion erfolgen.
Chemotherapie
Die Chemotherapie dient dazu, okkulte Tumorzellen außerhalb des ope-
rierten Bereichs zu eliminieren. Dazu haben sich v.a. anthrazyklin- und
taxanhaltige Kombinationstherapien als besonders wirksam gezeigt. Es
handelt sich in der Regel um Infusionsschemata, die meist dreiwöchentlich
(seltener wöchentlich) über einen Zeitraum von wenigstens 18 Wochen
appliziert werden.
Um die Wirksamkeit in vivo zu verfolgen, kann auch eine neoadjuvante
(primäre) Chemotherapie erfolgen, d.h. bei gegebener Indikation vor der
Operation des Primarius. Gemäß der bisherigen Studienlage hierzu konn-
te die Rate an brusterhaltenden Operationen durch die primäre Chemo-
therapie erhöht werden. Hinsichtlich der Mortalität und des krankheits-
freien Überlebens ergaben sich keine Unterschiede. Hier könnten neue
Studiendesigns mit stärkerer Anpassung der Chemotherapie an das Tu-
morverhalten unter der laufenden Therapie weitere Vorteile bringen.
Der Mehrzahl der Frauen mit Brustkrebs wird eine adjuvante (=M0-
Status) Chemotherapie empfohlen, obwohl bekannt ist, dass insbesondere
bei so genanntem mittlerem Risiko gut zwei Drittel der Betroffenen nicht
profitieren werden. Daher steht im Fokus der heutigen Forschung, Verfah-
ren zu entwickeln, das Risiko für eine okkulte Metastasierung besser ab-
schätzen zu können. Hier haben sich molekularbiologische Verfahren etab-
liert bzw. werden aktuell in Studien überprüft. Hintergrund ist die Er-
kenntnis, dass Tumore ein spezielles genetisches Profil brauchen, um z.B.
hämatogen zu metastasieren. Im Falle eines »Niedrigrisikoprofils« wird
dann auf eine zusätzliche Chemotherapie verzichtet.
Strahlentherapie
Ziel der Strahlentherapie ist die Erhöhung der lokalen Sicherheit. Sie ist
indiziert nach brusterhaltender Therapie eines DCIS (s.o.) oder invasiven
Mammakarzinoms. Dadurch wird die lokale Rezidivgefahr um etwa 75%
reduziert. In der Regel brauchen die operierte Axilla oder die Brustwand
52 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Antihormontherapie
Etwa zwei Drittel aller Mammakarzinome sind hormonrezeptorpositiv, d.h.
haben entweder Östrogen- und/oder Progesteron-Rezeptoren. Das Anti-
östrogen Tamoxifen wurde vor mehr als 20 Jahren bis heute erfolgreich
eingesetzt, um entsprechende Brustkrebszellen zu blockieren. Die mittler-
weile langjährige Erfolgsstory zeigte, dass damit das Rezidivrisiko nahezu
halbiert werden konnte. Es handelt sich – ähnlich der Chemotherapie – auch
um eine Systemtherapie, um okkulte Tumorzellen zu vernichten. Es ist eine
jahrelange Therapie, meist fünfjährig, erforderlich.
Ergänzt werden kann die antihormonelle Therapie durch die zusätz-
liche Verabreichung eines GnRH-(Gonadotropin-Releasing-Hormon-)
Analogons. Dadurch wird ein künstlicher Postmenopausenstatus herge-
stellt, sodass die ovarielle Hormonproduktion sistiert.
Seit mehr als 10 Jahren werden in zunehmenden Maße Aromatase-
hemmer eingesetzt; diese Medikamentengruppe blockiert die Aromatase,
die in den extraovariellen Geweben (Nebenniere, Fettgewebe), aus Hor-
monvorstufen die wirksamen Formen synthetisiert. Daher dürfen diese
Medikamente nur bei sicherem Postmenopausenstatus angewendet wer-
den. Gemäß vergleichender Studien sind Aromatasehemmer der alleinigen
Tamoxifenbehandlung etwas überlegen, weshalb sie entweder alleine oder
in sequenzieller Kombination mit dem Antiöstrogen zum Einsatz kommen
(5 bzw. 10 Jahre).
Antikörpertherapie
Etwa bei jedem fünften Mammakarzinom ist der Her-2-neu-Rezeptor über-
exprimmiert. Bei Stimulation dieses Rezeptors wird ein Wachstumsreiz
ausgelöst. In den 1990er Jahren wurde ein entsprechender monoklonaler
Antikörper für diesen Rezeptor entwickelt und erfolgreich bei metastasier-
ten Krankheitsverläufen eingesetzt. Es folgten Studien in der adjuvanten
Situation, die zur Zulassung des Medikaments beim frühen Brustkrebs im
Jahr 2006 führten. Die Applikation erfolgt intravenös, in der Regel dreiwö-
chentlich für 1 Jahr.
2.4 · Maligne Tumore der Mamma
53 2
Psychoonkologie Eigene Notizen
Die Diagnose Brustkrebs führt neben den körperlichen Belastungen durch
die multimodale Behandlung auch zu psychosozialem Stress, dem frühest-
möglich Rechnung zu tragen ist. An erster Stelle der potenziellen Begleit-
diagnosen findet man Angst und Depression, gefolgt von anderen Psycho-
pathologien, die sowohl vorübergehend (im Sinne der »Reaktion«), aber
auch chronisch verlaufen können. Man schätzt, dass etwa ein Drittel der
Patientinnen dringend, ein weiteres Drittel deutlich und ein Drittel kaum
von einer psychoonkologischen Therapie profitieren. Zur bestmöglichen
Erfassung der entsprechenden Subgruppe wurden spezielle Fragebögen
entwickelt (mindestens HADS = Hospital Anxiety and Depression Scale
und so genannte Checkliste, gemäß Anforderungskatalog für zertifizierte
Brustzentren NRW).
Es hat relativ lange gedauert, bis die Psychoonkologie ihren Stellenwert
als fester Bestandteil in der Behandlung an Brustkrebs erkrankter Frauen
erhalten hat, evtl. bedingt durch Studiendaten aus der metastasierten Situ-
ation, in der nach Erfolgen (Senkung der Mortalität) Ende der 1980er Jah-
re eine Reevaluation um die Jahrtausendwende keinen solchen Benefit
mehr zeigen konnte.
In neueren Untersuchungen, die den Lifestyle (Bewegung, Ernährung)
berücksichtigten oder ihn mit psychologischen Faktoren (Stimmung,
Compliance, Motivation) kombinierten, konnten in der adjuvanten Situa-
tion hervorragende Ergebnisse erzielt werden (Halbierung von Rezidivge-
fahr bzw. der Mortalität).
Das Mammakarzinom des Mannes ist selten und macht <1% aller Brust-
krebsfälle aus (rund 550 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr).
Therapie
Grundsätzlich erfolgt die Behandlungsstrategie wie bei der Frau, wobei
die spezielle Datenlage aufgrund der geringen Inzidenz entsprechend ge-
ring ist.
Bei der Erstdiagnose sind die Fälle meist fortgeschrittener, sodass meist
(auch wegen der kleineren Brust) eine Mastektomie erfolgt. Die Lymph-
knotenabklärung kann analog zum weiblichen Mammakarzinom auch mit
der Wächtermethode erfolgen (falls klinisch nicht suspekt); ebenso Che-
mo- und Strahlentherapieindikation. Bei der Antihormontherapie stellt die
Therapie mit Tamoxifen den Standard dar, da zu den Aromatasehemmern
keine ausreichende Datenlage existiert.
In der metastasierten Situation gilt die Erkrankung als chronisch und
somit palliativ. Die Therapie zielt auf Symptom- bzw. Tumorkontrolle ab.
Aus sämtlichen genannten Disziplinen (zusätzlich nuklearmedizinische
Verfahren wie SIRT oder radiologisch unterstütze Maßnahmen wie Hoch-
frequenzablation) können Therapieformen (auch Kombinationen) heran-
gezogen werden, wobei die resultierende Lebensqualität an erster Stelle
54 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen steht. Nur bei höherem Remissionsdruck wird ein aggressiveres Verfahren
gewählt.
2
2.4.7 Interdisziplinäre Tumorkonferenz
L. Najjari
3.1.1 Allgemeines
3
Definition nach der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburts-
hilfe (DGGG):
4 Descensus genitalis: Verlagerung von Uterus und Vagina nach kaudal
bis zum Hymenalsaum.
4 Prolaps: Tiefertreten von Uterus und Vagina über den Hymenalsaum
hinaus. ! Cave Im englischsprachigen Raum wird jede Art von Des-
zensus als »prolapse« bezeichnet!
Unterschieden werden:
4 Harninkontinenz: Jeder unwillkürliche Harnabgang
5 Belastungsinkontinenz = Stressinkontinenz: unwillkürlicher
Harnabgang bei körperlicher Betätigung (50%)
5 Dranginkontinenz: Auftreten starken Harndrangs mit unmittel-
barem, unwillkürlichem Harnabgang (25%)
5 Weitere, seltenere Formen und Details s. entsprechendes Kapi-
tel 3.2
3.1.3 Einteilung
4 Nach Lokalisation:
5 Anteriorer Deszensus:
J Erschlaffen der medianen vorderen Vaginalwand → Deszensus
der vorderen Vaginalwand → Harnblase drückt sich nach (Pul-
sionszystozele)
J Abriss des lateral gelegenen Arcus tendineus → Einfallen der seit-
lichen vorderen Vaginalwände → Harnblase wird nachgezogen
(Traktionszystozele)
5 Apikaler Deszensus: Erschlaffen der Aufhängung von Uterus und
Vagina im Becken → Deszensus von Vagina, Uterus, Blase, Dünn-
darm (Enterozele) und Sigmoideum (Sigmoidozele) möglich
5 Posteriorer Deszensus: Erschlaffen der posterioren Vaginalwand
durch Riss in der Fascia rectovaginalis → Deszensus von Rektum
(Rektozele), Dünndarm und Dickdarm möglich.
4 Nach Schweregrad: . Tabelle
58 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen . Tab. 3.1 Deszensusklassifikation nach POP-Q (Pelvic organ prolapse Quantifica-
tion) der ICS (Internationale Continence Society)
Stadium Definition
0 Kein Prolaps
3 I Die größte distale Prolapsausdehnung befindet sich mehr als 1 cm
proximal des Hymenalsaums
3.1.4 Klinik
Anamnese
Befragung nach:
4 Symptomen (s.u.)
4 Bisherigen Therapien
4 Geburten (Spontangeburt/Sectio)
4 Früheren chirurgischen Eingriffen, v.a. im kleinen Becken
4 Beruflicher Tätigkeit (schweres Heben?)
4 Mobilität
4 Leidensdruck
4 Komorbiditäten (Inkontinenz/Blasenentleerungsstörungen)
4 Medikamenten (Hormone?)
4 Miktions- und/oder Stuhlbeschwerden
4 Harn- und Stuhlinkontinenz
3.1.5 Diagnostik
Eigene Notizen 5 Orientiert sich stets an einer anatomisch fixen Struktur, dem Hymen
→ bessere Reproduzierbarkeit der Untersuchung
5 Vorgehen:
J Vorsichtiges Fixieren der Portio mithilfe eines Entenschnabel-
spekulums → Patientin pressen lassen → Spekulum langsam, dem
3 Deszensus folgend herausziehen → maximales Ausmaß der Ab-
senkung notieren
4 Urologische Untersuchungen: Harninkontinenz/Harnverhalt = häu-
fige Komorbidität
5 Harnweginfekt ausschließen!
5 Restharn-Bestimmung: <100 ml
5 Stress-Test: Harnhaltevermögen unter Belastung (Husten)
J Patientin mit gefüllter Blase und reponiertem Deszensus stehend
und liegend husten lassen → Abgang von Urin notieren
5 Pad-Test: Quantifizierung von Harnabgang im Alltag
J Wiegen einer Damenbinde → Patientin legt Binde ein und führt
alltägliche Bewegungen durch, die den Abgang von Harn verur-
sachen können (Treppenlaufen, Heben, Laufen) → nochmaliges
Wiegen der Binde
5 Urethrozystoskopie: Abklären unklarer Befunde
5 Urodynamik:
J Detaillierte Darstellung des Druck- und Flussverlaufs während
der Blasenfüllung und der Miktion
J Keine Routineuntersuchung: zur weitergehenden Diagnostik der
Harninkontinenz und nach Expertenmeinung obligat zur prä-
operativen Vorbereitung
J Ausführlichere Beschreibung im Abschnitt 3.2
4 Bildgebende Untersuchungen:
5 Vaginalsonografie:
J Zur präoperativen Abklärung und Ausschluss weiterer Befunde
J Sonografische Hinweise auf Endometrialkarzinom oder Ovarial-
karzinom?
5 Perinealsonografie:
J Beurteilung von Urethralage und –verlauf (z.B. Abknicken), von
Harnblase
J Ausschluss von Pathologien der unteren Harnwege (Tumore, Zys-
ten, Abszesse, …).
J Kostengünstig, nicht invasiv und gut akzeptiert
5 MRT und Röntgen: kaum Relevanz in der klinischen Routine
3.1.6 Therapie
Konservative Therapie
Beobachtung und Physiotherapie
4 Bei Frauen mit geringgradigem Deszensus (POP-Q Grade I–II) ohne
Einschränkung im Alltag.
3.1 · Descensus genitalis
61 3
Lokale Östrogenisierung
4 Vaginale Applikation östrogenhaltiger Salbe
4 Indiziert bei allen postmenopausalen Frauen (außer bei vorhandener
systemischer Hormontherapie)
4 Wirkung: Wiederaufbau der atrophierten Schleimhaut → trägt zur Fes-
tigkeit des Bindegewebes bei und kann die Deszensus- und Inkonti-
nenzsymptomatik mildern
Pessare
4 Einzige nichtinvasive Therapie
4 Therapieziel:
5 Reduktion der Deszensusbeschwerden durch:
J Unterstützung der Beckenstrukturen
J Druckentlastung von Harnblase und Darm
4 Plastik- oder Silikonprodukte unterschiedlicher Form
4 Indikation:
5 Bei Patientinnen, die eine Operation ablehnen
5 Zur Überbrückung des Intervalls bis zur Operation
5 Bei Patientinnen, die wegen Komorbiditäten für eine Operation
nicht infrage kommen
5 Bei Schwangerschaftsbedingtem Deszensus mit Harninkontinenz
4 Passender Sitz des Pessars: ein Finger Platz zur Vaginalwand
4 Patientin sollte selbst in der Lage sein, den Pessar einzulegen und zu
entfernen
4 Applikation immer gemeinsam mit vaginaler Östrogensalbe (verein-
fachtes Einlegen des Pessars und gleichzeitige lokale Östrogenisierung
→ Verhinderung von Erosionen)
4 Regelmäßige Kontrolluntersuchungen:
5 Ausschluss von pessarbedingten Erosionen und Ulzerationen
5 Auftreten neuer Symptome ?
62 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
R. Kirschner-Hermanns
3.2.2 Blasenentleerungsstörungen
Pathogenese
4 Atone Blase, Detrusorhypotonie:
5 z.B. bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen, aber auch im Alter,
bei Diabetes mellitus etc.
5 Überlaufinkontinenz
4 Infravesikale Obstruktion:
5 Funktionell bei Detrusor/Sphinkterdyssynergie bei neurogenen
Blasenfunktionsstörungen
5 Organisch bei Frauen bei ausgeprägtem Prolaps
Klinik
4 Urinverlust bei körperlicher Bewegung, beim Husten, Niesen und La-
chen: Belastungsinkontinenz
4 Pollakisurie (häufiges Wasserlassen – definiert als >8 Miktionen am Tag
bei einer Trinkmenge von 1,5–2 l), Drangsymptomatik: überfallartiger,
nicht oder nur schwer unterdrückbarer Harndrang, Nykturie: nächt-
liches Wasserlassen ≥2-mal, Überaktives Blasensyndrom (ÜAB) ohne
oder mit Urinverlust (Dranginkontinenz))
4 Bei zentraler oder peripherer Nervenläsion Blasenspeicher- und Entlee-
rungsstörungen möglich: neurogene Blasenstörung
4 Ständiger Urinverlust ohne Sensorik: extraurethrale Inkontinenz
Diagnostik
Einfache Diagnostik umfasst:
4 Anamnese einschließlich Erfassung von Komorbidität, Trink- und Mik-
tionsverhalten (Blasen- oder Miktionstagebuch), Medikamentenanam-
nese
4 Körperliche Untersuchung bei Frauen rektovaginale Untersuchung (u.a.
Identifizierung verschiedener Formen eines Prolapses: Zystozele, Ente-
rozele, Rektozele, Gebärmuttervorfall)
4 Ultraschall von Blase (RH), ggf. Nierensonografie
4 Vorlagenwiegetest (Padtest)
4 Freier Uroflow ist eine sensitive, aber wenig spezifische Screeningme-
thode (nichtinvasive Bestimmung der Harnflussrate während der Mik-
tion [Menge pro Zeiteinheit gemessen in ml/s])
4 Grob neurologische Abklärung (Sensorik, Auslösbarkeit von Sphinkter-
und Bulbus-cavernosus-Reflex)
64 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Epidemiologie
4 Die deutsche Kontinenzgesellschaft schätzt die Anzahl der Betroffenen
auf 6–7 Mio. in Deutschland. Die Dranginkontinenz (ÜAB) ist dabei die
häufigste Inkontinenzform im Alter. (>60 Jahre 11% und bei >80-Jäh-
rigen nahezu 30%)
4 Hohe Bedeutung für Lebensqualität (z.B. Depression, Stürze, Hautkom-
plikationen, soziale Isolierung, Krankenhauseinweisungen, Pflegeheim-
aufnahmen und höhere Mortalität)
Pathophysiologie
Im Alter gilt:
4 Die Blasenkapazität nimmt ab.
4 Die Kontraktilität des Detrusors nimmt ab und die Restharnmengen
nehmen zu.
4 Bei Frauen nehmen der Harnröhrenverschlussdruck und die Harnröh-
renlänge ab.
4 Die Hauptflüssigkeitsmenge wird in der Nacht ausgeschieden.
4 Ein bis zwei Episoden von Nykturie bei leichterem Schlaf sind normal.
Therapie
4 Konservativ:
5 Blasen- und Miktionstraining – insbesondere Miktion nach der Uhr
oder nach Aufforderung
5 Beckenbodentraining zur besseren Wahrnehmung und zur Unter-
stützung des Blasentrainings
5 Anpassung der Trinkgewohnheit
5 Anpassung der häuslichen Umgebung (Toilettenstuhl, barrierefreier
Zugang zur Toilette, angemessene Kleidung)
4 Pharmakologische Therapie:
5 ! Cave Bei einer antimuskarinergen Therapie im Alter muss ins
Besondere auf zentralnervöse und kardiale Nebenwirkungen geach-
tet werden.
5 Es sind möglichst Medikamente zu wählen, die die Blut/Hirnschran-
ke weniger leicht passieren und/oder in der Rezeptorselektivität
Vorteile bieten.
5 Grundsätzlich ist bei der antimuskarinergen Therapie im Alter Fol-
gendes zu beachten:
J Die Blut-Hirn-Schranke wird durchlässig
J Altersbedingte Defizite bei den Neurotransmittern
J Metabolismus und Elimination von Arzneimitteln sind verlang-
samt
J Kumulative Effekte durch Einnahme mehrerer anticholinerger
Substanzen (Polypharmazie)
J Gefahr der Missdeutung medikamentös bedingter Nebenwir-
kungen als altersbedingte Veränderungen
5 Mögliche Nebenwirkungen einer antimuskarinergen Therapie:
J Auge: Mydriasis, Augeninnendruckerhöhung
J Gastrointestinaltrakt: Mundtrockenheit, Übelkeit, Obstipation
J Herzkreislaufsystem: Tachykardien
J Urogenitaltrakt: Restharnbildung
J Zentrales Nervensystem: Unruhe, Verwirrtheit, Delir
4 Operative Therapie:
5 Bei entsprechender Indikation auch im Alter gerechtfertigt.
5 ! Cave Operative Therapie bei Patienten mit neurogenen Erkran-
kungen, insbesondere Parkinson-Krankheit und Multiple Sklerose.
4
4 Gynäkologische Endokrinologie
B. Rösing und J. Neulen
4.1 Allgemeines – 69
4.3 Ovarialinsuffizienz – 70
4.3.1 Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz – 70
4.3.2 Hypothalamisch-hypogonadale Ovarialinsuffizienz – 72
4.3.3 Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz – 73
4.3.4 Primäre Ovarialinsuffizienz – 73
4.3 Ovarialinsuffizienz
Pathophysiologie
4 Häufigste Ursache der Ovarialinsuffizienz
4 Erhöhte Androgenwerte mit Dysbalance der Gonadotropinauschüttung
(LH > FSH)
4 Erhöhte LH-Konzentration stimuliert Androgensynthese in ovariellen
Thekazellen
4 Relativer FSH-Mangel mindert Aromatisierung der Androgene zu Ös-
trogenen in ovariellen Granulosazellen
4 Circulus vitiosus mit follikulärem Wachstumsarrest und Oligo-/Anovu-
lation
4.3 · Ovarialinsuffizienz
71 4
4 Eine Insulinresistenz mit konsekutiver Hyperinsulinämie kann die An- Eigene Notizen
drogenproduktion steigern. Insulin und Insulin like Growth Factor
(IGF) können als Co-Gonadotropine LH-artig wirken.
4 Androgene (Testosteron, Androstendion und DHEA) werden etwa zu
gleichen Anteilen ovariell und adrenal freigesetzt. DHEAS ist fast aus-
schließlich adrenaler Herkunft. Das hepatische Sexualhormonbindende
Globulin (SHBG) bindet freies Testosteron und vermindert dessen An-
drogenisierungseffekte.
Klinik
Das klinische Ausmaß der Symptomatik ist sowohl von der Serumkonzen-
tration der Androgene als auch der Dauer der Hyperandrogenämie ge-
prägt.
Klinische Symptome sind:
4 Oligo- und Amenorhoe
4 Seborrhoe, Effluvium, Hirsutismus – Umwandlung von Velushaar in
Terminalhaar mit männlichem Verteilungsmuster (Oberlippe, Kinn/
Wangen, Brust, Schulter, oberes Abdomen, unteres Abdomen, Rücken,
Oberschenkel, Glutealbereich)
4 Virilisierungserscheinungen sind irreversibel (Absinken der Stimmfre-
quenz, Klitorishypertrophie, Zunahme der Muskulatur, Vermännli-
chung der Körperkontur) und zeigen eine ausgeprägte Hyperandrogen-
ämie an.
4 Acanthosis nigricans findet sich bei Insulinresistenz
Diagnostik
Diagnostisch wichtig sind:
4 Zyklusanamnese
4 Gewicht, Größe, BMI, waist to hip ratio (W/H)
4 Ferriman-Gallwey-Score zur Beurteilung des Hirsutismus. Bewertung
der Intensität der Terminalbehaarung in 9 Körperregionen (Oberlippe,
Kinn/Wangen, Brust, Schulter, oberes Abdomen, unteres Abdomen,
Rücken, Oberschenkel, Glutealbereich) jeweils von Grad 0–4
4 Hormonuntersuchung am 3.–5. Zyklustag (LH, FSH, Androgene,
SHBG)
4 Sonografische Beurteilung der Ovarien, polyzystische Ovarien nach
Rotterdam-Kriterien = mehr als 12 Follikel <11 mm, Ovarvolumen
(h × b × t × 0,5) >10 mm3
4 Zyklusbeobachtung mittels Ultraschall und Hormonbestimmung (Zyk-
lusmonitoring)
4 ACTH-Test, GnRH-Test, oGTT, HOMA
Therapie
4 Ausdauersport, kohlenhydratarme Ernährung und Gewichtsreduktion
senken die Hyperinsulinämie.
4 Bei adrenal bedingter Hyperandrogenämie niedrig dosiert Dexame-
thason
72 Kapitel 4 · Gynäkologische Endokrinologie
Eigene Notizen 4 Bei Kinderwunsch ovarielle Stimulation mit Clomifencitrat, ggf. zusätz-
liche Metformingabe (off-label use) Gonadotropinbehandlung s.c.
! Cave Geringe therapeutische Breite der Medikamente. Engmaschige
Überwachung der Stimulationsbehandlung zur Vermeidung einer ova-
riellen Überreaktion ist obligat.
4 Ohne Kinderwunsch:
5 Erste Wahl ist ein Ovulationshemmer mit antiandrogen wirksamem
Gestagen
4 5 Alternativ antiandrogen wirksame Medikamente: Spironolacton,
Finasterid, Flutamid
Pathophysiologie
4 Verminderte hypothalamische GnRH-Pulsatilität in Frequenz und
Amplitude
4 Konsekutiv reduzierte Gonadotropinausschüttung in variablem Aus-
maß
4 Ursächlich sind starker Gewichtsverlust, Anorexie, Kachexie, starker
Stress, Leistungssport, Allgemeinerkrankungen (Hämochromatose,
Trypanomosiasis, Thalassämie, Multiple Sklerose, Histiozytose), Raum-
forderungen im Hypothalamus-Hypophysen-System, Kallmann-Syn-
drom
Klinik
Abhängig vom Schweregrad der Störung entwickeln sich Corpus-luteum-
Insuffizienz, Anovulation und Oligo-/Amenorrhoe.
Diagnostik
4 Zyklusanamnese
4 Gewichtsmessung
4 Gestagentest
4 GnRH-Test
Therapie
4 Korrektur des Körpergewichts auf BMI >20
4 Bei Kinderwunsch ovarielle Stimulation mit:
5 Pulsatiler GnRH-Therapie mit GnRH-Pumpe
5 Clomifenstimulation 50–100 mg/Tag an Zyklustag 4–9 nur bei ge-
ring reduzierter GnRH-Sekretion möglich
5 Gonadotropinbehandlung s.c.
4 Ohne Kinderwunsch:
5 Ovulationshemmer/Hormonersatztherapie mit Östrogen-Gestagen-
kombination
4.3 · Ovarialinsuffizienz
73 4
4.3.3 Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz Eigene Notizen
Pathophysiologie
4 Pharmakologisch (Psychopharmaka, Antimemetika, Antihypertensiva)
oder tumorbedingt gestörte hypothalamische Dopaminsekretion in das
Portalvenensystem
4 Verminderte Hemmung der hypophysären Prolaktinfreisetzung
4 Stress, Hypothyreose, physiologisch in der Schwangerschaft und Still-
zeit
4 Sehr selten renale und hepatische Insuffizienz, Thoraxwandtrauma
4 Entwicklung eines Mikro- oder Makroprolaktinoms (>1 cm)
Klinik
4 Hypogonadismus
4 Amenorrhoe
4 Infertilität
4 Galaktorrhoe
4 Hyperandrogenämie
4 Bitemporale Hemianopsie durch Druck eines Makroprolaktinoms auf
das Chiasma opticum
Diagnostik
4 Prolaktinmessung im Serum
4 Kovalent gebundene Prolaktinpolymere (big-big prolactin) haben ge-
ringere biologische Aktivität und können durch Polyethylenglukol
(PEG)-Fällung erkannt werden
4 MRT der Hypophyse bei hohen Prolaktinwerten zum Ausschluss eines
Makroprolaktinoms
Therapie
4 Behandlung mit Dopaminagonisten (Cabergolin, Bromocriptin, Quina-
golid, Lisurid) ! Cave Risiko einer Herzklappenveränderung unter
Cabergolintherapie berichtet.
4 Neurochirurgische Therapie bei pharmakoresistentem Makroprolakti-
nom
4 Kontraindikation gegen Dopaminagonisten bei durch Psychopharmaka
bedingter Hyperprolaktinämie
Pathophysiologie
4 Fehlende Follikelreifung mit verminderter Östrogenproduktion
4 Erschöpfung des Follikelpools durch Gonadendysgenesie, chromoso-
male Störungen, Galaktosämie, Virusinfektionen, Noxen, Chemo-Ra-
diotherapie bei onkologischer Erkrankung
4 Follikelresistenz gegen Gonadotropine (Resistent-Ovary-Syndrom)
74 Kapitel 4 · Gynäkologische Endokrinologie
Klinik
4 4 Klimakterische Ausfallserscheinungen, Hitzewallungen nur nach vor-
heriger Östrogenisierung
4 Symptomatik nach ursächlicher Begleiterkrankung
Diagnostik
4 Klinische Untersuchung des äußeren Genitale
4 Gonadotropinerhöhung, verminderte Östrogene, Oligo- und Amenor-
rhoe, Anti-Müller-Hormon (AMH) unterhalb der Nachweisgrenze
4 Sonografisch stark reduzierter ovarieller »antral follicle count« (AFC)
4 Karyotypisierung
4 Bildgebung und Laparoskopie zur Überprüfung des inneren Genitale
4 Funktionsuntersuchung Nebenniere, Schilddrüse, Nebenschilddrüse,
Pankreas bei Verdacht auf ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom
Therapie
4 Bei Kinderwunsch ovarielle Stimulation mit:
5 Bei residualer ovarieller Aktivität Östrogen-Gestagenkombination
vor hochdosierter Gonadotropingabe s.c.
5 Kryokonservierung von Eizellen, befruchteten Eizellen, Ovargewe-
be vor onkologischer Behandlung
5 Embryonen- oder Eizellspende
4 Ohne Kinderwunsch: Nach Ausschluss therapiebedürftiger Begleiter-
krankungen Behandlung mit Ovulationshemmer/Hormonersatzthera-
pie mit Östrogen-Gestagenkombination
Definitionen
4 Amenorrhoe, primär: Patientin hat nie eine Menarche erlebt.
4 Amenorrhoe, sekundär: Patientin hat früher normale Periodenblu-
tungen gehabt, seit 3 Monaten ist die Periode ausgeblieben.
4 Oligomenorrhoe: Die Abstände zwischen den Menstruation betragen
>32 Tagen
4 Polymenorrhoe: Die Abstände zwischen den Menstruationen betragen
<24 Tagen
4 Hypomenorrhoe: es gibt nur eine kurze (z.B. 1 Tag dauernde Schmier-
blutung)
4 Hypermenorrhoe: Der Blutverlust ist hoch (>80 ml); die Blutung stark
und/oder länger als 7 Tage.
4.4 · Störungen der Menstruationsblutungen
75 4
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
5 Prinzipien der
Kinderwunschbehandlung
R. Rösing und B. Neulen
5.1 Allgemeines – 78
5.2 Basisdiagnostik – 78
5.3 Therapie – 79
5.3.1 Verwendete Medikamente – 79
5.3.2 Therapieformen – 80
5.3.3 Risiken der Fertilitätsbehandlung – 82
5.3.4 Kontraindikationen gegen eine reproduktionsmedizinische Therapie – 83
5.2 Basisdiagnostik
Zyklusoptimierung/Ovulationsinduktion
4 Zyklusoptimierung mit Verkehr zum Ovulationszeitpunkt (VZO) (al-
ternative Bezeichnung optimierter Geschlechtsverkehr opt. GV):
5 Sonografisch und laborchemisch begleitete Zyklusbeobachtung in
der Follikelphase.
5 Zeitlich präzisierte Vorhersage der Ovulation und gezielte Wahl des
Zeitpunkts für den Verkehr in den vorangehenden 24 h
4 Insemination:
5 5 Wie opt. GV. Eingabe eines aus dem Nativejakulat aufgearbeiteten
Spermienkonzentrats, mit höherem Anteil progressiv motiler Sper-
mien
TESE
Bei der testikulären Spermienextraktion erfolgt eine Hodenbiopsie zur
Spermiengewinnung bei Verschluss oder Aplasie des Vas deferens.
82 Kapitel 5 · Prinzipien der Kinderwunschbehandlung
Klinik
4 Das milde OHSS ist Ergebnis der Stimulation und nicht behandlungs-
bedürftig:
5 Abdominale Spannung
5 Ovarielle Vergrößerung 5–10 cm
4 Moderates OHSS (wie mildes OHSS mit):
5 Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
5 Dyspnoe
5 Hämatokriterhöhung
5 Sonografisch Aszites
4 Schweres OHSS (wie moderates OHSS mit):
5 Perihepatischem Aszites
5 Pleuraergüssen, Perikardergüssen
5 Thrombembolischen Ereignissen
5 Elektrolytverschiebung
5 Renaler und hepatischer Insuffizienz
Diagnostik
4 Klinische Untersuchung
4 Sonografie
4 Serumbestimmung, Blutbild, Elektrolyte, CRP, Nierenretentionswerte,
Leberwerte, Gerinnungsparameter, Serumeiweiß
Therapie
4 Stationäre Aufnahme ab moderatem OHSS
4 Rehydratation, Albumingabe, Plasmaexpander
4 Thromboseprophylaxe
4 Schmerztherapie
4 Aszites und Pleurapuktion
4 Korrektur der Elektrolytverschiebung
4 ggf. intensivmedizinische Therapie
5.3 · Therapie
83 5
Mehrlingsschwangerschaft Eigene Notizen
4 Risiko der Frühgeburtlichkeit
4 Senken des Risikos durch Stimulationsüberwachung und Behandlungs-
abbruch bei polyfollikulärer Reaktion in geplant monofollikulärem Be-
handlungszyklus
4 Transfer von maximal 2 Embryonen im ART-Zyklus
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
6 Gynäkologische Erkrankungen
bei Neugeborenen, Säuglingen,
Kindern und Adoleszenten mit
Handlungsbedarf
J. Neulen, B. Rösing
Diagnostik
4 Postpartal: Ultraschall
4 Klinische Abklärung: abdominale Abwehrspannung
Therapie
4 Operative Zystenentfernung, wenn klinische Symptome vorhanden
sind.
4 Ohne klinische Symptome (kleine Zysten <2 cm) abwartendes Vorge-
hen; mit Ultraschall Verlaufskontrolle.
Differenzialdiagnose
4 Infektionen: Bei Kindern immer bakteriell; Pilzinfektion sind extrem
selten.
4 Diagnostik: mikrobiologischer Abstrich der Vulvaregion. Keimspekt-
rum: meist Darmkeime; weitere relevante Keime: Streptokokken beson-
ders problematisch Gruppe A und G.
5 Therapie: Antibiose systemisch und lokal nach Sensibilität.
4 Fremdkörper, die akzidentell in die Vagina eingeführt wurden.
5 Diagnostik und Therapie: operative Vaginoskopie, ggf. mit Fremd-
körperentfernung.
4 Selten Rhabdomyosarkom der Vagina.
5 Diagnostik: Vaginoskopie. Therapie: operative Entfernung des Tu-
mors
4 Missbrauch: Häufig wiederholte Verletzungen im Genitalbereich mit
frischen und älteren Verletzungen. Prellmarken an anderen Körperstel-
len. Analinspektion.
5 Diagnostik: Bilddokumentation der sichtbaren Verletzungen; Ab-
strichentnahme für mikrobiologische Untersuchungen, genetische
Untersuchungen
6.1.3 Labiensynechie
Diagnostik
4 Vulva-Inspektion
Therapie
4 Zunächst konservativ mit Östriol-haltiger Creme und Gerbsäure-Sitz-
bädern
4 Bei Therapieversagen: operative Lösung der Synechie (immer in Kurz-
narkose, da sehr schmerzhaft)
6 Differenzialdiagnose
4 Beim Hymen altus ist in der Regel der hintere Hymenalsaum bis unter
die Urethralmündung hochgewachsen.
4 Symptome wie bei Labiensynechie
4 Diagnose: Vulvainspektion
4 Therapie: operative Hymenalspaltung (immer in Kurznarkose, da sehr
schmerzhaft)
6.2.1 Definitionen
4 Pubertät vor dem 9. Lebensjahr: Pubertas präcox; zusammen mit ande- Eigene Notizen
ren Erkrankungen (McCune-Albright-Syndrom); hormonproduzieren-
de Tumore (NNR; Gonaden; Hypophyse)
4 Pubertät nach dem 15. Lebensjahr: Pubertas tarda
Klinik
4 Ausbleiben der Pubertät
Hypergonadotrope Gonadeninsuffizienz
Genetische Diagnostik
4 46, X0: Turner-Syndrom: 100% Kleinwuchs, bis zu 40% Pterygium colli,
ca. 20% Organfehlbildungen: Herz, Niere.
5 Therapie: Wachstumshormonsubstitution; Sexualsteroide
4 46, XX: (selten), Verlust der Follikel durch fehlende FSH-Wirkung im
Kindesalter (z.B. FSH-Rezeptordefekt), fehlende nächtlich FSH-Sekre-
tion im Kindesalter.
5 Bei operativer Abklärung finden sich histologisch leere Streakgona-
den. Übrige Genitalanlage unauffällig.
4 46, XY:
5 1. Androgen-Insensitivität durch Mutation des Androgenrezeptors
auf dem X-Chromosom. Pubertäre Brustentwicklung vorhanden.
Keine Menarche, keine oder extrem spärliche Pubes- und Achselbe-
haarung. Genitalanlage: Vagina vorhanden, kein Uterus, Gonaden
histologisch Testes. Entartungsrisiko der Gonaden möglich.
J Empfehlung Gonadenentfernung im Erwachsenenalter; anschlie-
ßend Sexualhormonersatz (Östrogene) nötig.
5 2. Swyer-Syndrom: Störung des SRY-Gens auf dem Y-Chromosom.
Fehlen des Anti-Müller-Hormons. Genitalanlage: phänotypisch
weiblich. Gonaden: histologisch undifferenziert, z.T. testikulär. Ent-
artungsrisiko der Gonaden sehr hoch.
J Entfernung der Gonaden sobald Diagnose gesichert. Sexualhor-
monersatz (Östrogene/Gestagene) nötig.
Normogonadotrope Ovarialinsuffizienz
Differenzialdiagnose
4 Anorektische Reaktion, Malabsorptionssyndrome, zystische Fibrose
Therapie
4 Änderung des Essverhaltens, Behandlung der Grundkrankheit
88 Kapitel 6 · Gynäkologische Erkrankungen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Adoleszenten
Differenzialdiagnose
4 Manifeste Anorexia nervosa, Hochleistungssport, Abklärung der hypo-
thalamisch/hypophysären Achse: destruierende Tumore mit Ausfall der
gonadotropen Achse
Therapie
4 Behandlung der Grunderkrankung; bei Ausfall der Steuerungsachse
Sexualhormonersatz (Östrogene/Gestagene); bei Kinderwunsch: Gona-
dotropine
6 6.2.3 Dysmenorrhoe
Diagnostik
4 Symptomatisch; ggf. operativ bei Verdacht auf Endometriose (Sympto-
matik zunehmend)
Therapie
4 Hormonale Ovulationshemmer
Diagnostik
4 Ultraschall der Genitalregion. Zystische Struktur in Ovarien: Follikel-
persistenz, Östrogenabfall (Labor), Durchbruchsblutung (klinisch)
Therapie
4 Östrogenersatz ca. 5 Tage, anschließend Gestagene zur Transformation
des Endometriums
4 Therapieversager oder Hb <10 g/l: Tranexamsäure, Cyclo-Oxygenase-
Hemmer (z.B. Ibuprofen; kein ASS); Blutung weiter persistierend oder
Hb< 7 g/l Sulproston-Infusionen (nur stationäre Behandlung)
4 Abklärung der Gerinnungsfunktion
7
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
7 Kontrazeption
J. Neulen, B. Rösing
7.1 Grundlagen – 90
Ein PI von 5 bedeutet, dass von 100 Frauen, die mit einer bestimmten Me-
thode ein Jahr (12 Zyklen) lang verhüten, 5 schwanger werden.
Es werden PI im »perfect use« und »typical use« unterschieden. »Typi-
cal use« beschreibt die übliche Anwendung mit Einnahmefehlern und hat
daher einen höheren PI.
7
7.2 Hormonelle Wirkstoffe
Östrogen (Ethinylestradiol)
4 Hemmung des Follikelwachstums durch FSH-Suppression
4 Zyklusstabilisierung durch Endometriumstimulation
Unerwünschte Wirkungen
4 Thrombembolische Ereignisse
4 Stimmungsschwankungen
4 Libidoverlust
4 Übelkeit
4 Kopfschmerzen
4 Brustspannen
4 Chloasmabildung
Kontraindikationen
4 Thrombembolisches Geschehen in der Vorgeschichte
4 Thromophilie
4 Vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen
4 Migräne
4 Nikotinabusus bei Frauen >35 Jahre
4 Nicht therapierter Diabetes mellitus, Hypertonus, Hypertriglyzeridämie
4 Hormonrezeptor-positive onkologische Erkrankung
4 Ein IUD kann auch bei einer Nullipara eingesetzt werden. Vor dem
Einsetzen der Spirale muss ein vaginaler Infekt ausgeschlossen bzw. be-
handelt werden. Das Adnexitisrisiko ist bei entsprechender Vorberei-
tung nicht erhöht. Pillenanwenderin hat ein reduziertes Adnexitisrisiko
(Schutzeffekt der Pille).
92 Kapitel 7 · Kontrazeption
Eigene Notizen 4 Einsetzen der Spirale auch als Notfallkontrazeptivum innerhalb von
5 Tagen nach dem Eisprung.
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
8 Hormonersatztherapie
J. Neulen, B. Rösing
8.1 Menopause – 94
8.2.1 Behandlungsmöglichkeiten
Hormonersatztherapie (HRT)
4 Ersatz der ovariellen endokrinen Funktion
4 Hormonpräparationen mit Östrogen und Gestagenanteil sowie Östro-
gen-Monopräparate
4 Östrogen-Monotherapie nur nach Hysterektomie
4 Präparate zur oralen und transdermalen (Pflaster, Gel, Vaginalring) Ap-
plikation
8.2 · Klimakterische Beschwerden
95 8
Hormonfreie Therapie Eigene Notizen
4 Bei Kontraindikationen gegen HRT sind Venlafaxin (SSRI), Gabapentin,
Veraliprid bei klimakterischen Beschwerden wirksamer als Placebo.
4 Phytoöstrogene und andere pflanzliche Produkte sind so wirksam wie
Placebo.
Kontraindikationen
4 Thrombembolisches Geschehen in der Vorgeschichte
4 Thromophilie
4 Vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen
4 Nicht therapierter Diabetes mellitus, Hypertonus, Hypertriglyzeridämie
4 Hormonrezeptor-positive onkologische Erkrankung
Risiken
4 Thromboembolische Erkrankungen besonders bei spätem Beginn
(>10 Jahre nach Menopause) einer HRT
4 Das Thromboembolierisiko ist deutlich geringer bei transdermaler ge-
genüber oraler Applikation
4 Das Brustkrebsrisiko ist mit einer zunehmenden Einnahmedauer der
HRT-Kombinationstherapie (Östrogen und Gestagen) erhöht, bei Ös-
trogen-Monotherapie unverändert gegenüber Nichtanwenderinnen
4 Irreguläre vaginale Blutungen und Endometriumkarzinom bei Östro-
gen-Monotherapie
Nutzen
4 Osteoporoserisiko sinkt
4 Kardiales Erkrankungsrisiko sinkt bei frühem Behandlungsbeginn in
den ersten Einnahmejahren
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
9 Gynäkologische Psychosomatik
V. Perlitz
9.1 Einleitung – 97
9.2 Epidemiologie – 97
9.3 Ausgangssituation – 98
9.3.1 Weiterbildung – 98
9.3.2 Wie »geht« Psychotherapie? – 99
9.3.3 Welchen Beitrag kann Psychotherapie in der Behandlung körperlich kranker
Frauen leisten? – 100
9.2 Epidemiologie
Eigene Notizen des Problems entspricht der, die viele Ärzte aufgrund ihrer Ausbildung und
des Primärauftrags teilen. Diese Dynamik dieser Arzt-Patienten-Bezie-
hung zeigt im Negativen, wie machtvoll ein von Patient und Arzt geteiltes
»Krankheitsmodell« sein kann, denn die Behandlungskosten dieser Stö-
rungen liegen weit höher als gemäß deren Prävalenz zu erwarten wäre.
Bagatellbefunde erhärten die biologische Sichtweise des Patienten und
iatrogene Schäden entsprechender organpathologischer Behandlungsver-
suche liefern den anfangs noch fehlenden organpathologischen Auslöser.
Gelingt der Zugang zu diesen Patientinnen und Patienten, kann in den
meisten Fällen eine zufrieden stellende psychotherapeutische Behandlung
erfolgen.
9.3 Ausgangssituation
Beide Fragen sind nicht ohne Weiteres zu beantworten. Die Antwort auf die
Frage, wie Psychotherapie »geht«, ist in der umfangreichen Fachliteratur
nicht leicht zu finden. Verweise in Lehrbüchern auf die großen Psychothe-
rapieverfahren (verbale Psychotherapien: Psychoanalyse, Verhaltens-, Ge-
sprächs-, Gestalttherapie; non-verbale Psychotherapien: Musiktherapie,
Kunsttherapie, etc.) helfen zum Verständnis von deren Wirkungen nur we-
nig. Die zweite Frage ist wesentlich: Wenn kein greifbarer Nutzen vorläge,
gäbe es keine Rechtfertigung für den zeitlichen Aufwand, den Psychothera-
pie oft erfordert.
9.3.1 Weiterbildung
Da es nicht immer Defizite der Patientin sind, die die Arzt-Patient-Bezie- Eigene Notizen
hung beeinträchtigen, ist ein externer Reflexionsraum erforderlich. Dort
können frühere Beziehungserfahrungen der Ärztin oder des Arztes erkannt
werden. Eigene Untersuchungen zeigen, dass dadurch gerade junge Ärzte
freier und unbelasteter arbeiten und lernen können.
Eigene Notizen zuhört und sich in ihr Erleben hineinversetzen möchte. Einfaches Nach-
fragen, ob Aussagen richtig verstanden wurden. Zuhören ist mitnichten
passiv!
4 Die Klage entgegen nehmen (»containing«): Die Patientin hat das Recht
zu klagen. Wenn nicht beim Arzt, bei wem sonst kann die Patientin »ihr
Herz ausschütten«? Während eines psychosomatischen Blockprakti-
kums »gesteht« eine 60-jährige Patientin einem 23-jährigen (männ-
lichen) Studierenden: »Zum ersten Mal in meinem Leben hat mir ein-
mal jemand eine Stunde zugehört!« Unvoreingenommenheit kann
schwer fallen, wenn die Wertesysteme von Arzt und Patientin aufgrund
soziokultureller Unterschiede sehr verschieden sind. Starke Affekte,
wie Angst vor Schuldzuweisungen und Verurteilungen und Scham als
Angst vor Bloßstellung, können die therapeutische Arbeitsbeziehung
vereiteln.
4 Fördern der Kommunikation: Der Patientin Worte verleihen, wenn sie
angesichts ihres Schicksals sprachlos ist: »Sie haben eine Katastrophe
überlebt!« kann schon Entlastung sein.
4 Reflexion und Deutung: Das Gehörte und das im Gespräch Erlebte neu
deuten. Dieser Schritt erfordert Vertrauen, um fremde Interpretationen
des (traumatisch) Erlebens ohne Abwehr annehmen zu können.
9
Diese allgemeinen Wirkmechanismen der Psychotherapie können körper-
liche Symptome positiv verändern. Daher sollte sie der somatisch arbeiten-
de Arzt gezielt nutzen, um seinen Handlungsspielraum zu erweitern. Des-
wegen werden zur Weiterbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Ge-
burtshilfe Kenntnisse der psychosomatischen Grundversorgung mittler-
weile gefordert. Deswegen werden zur Weiterbildung zum Facharzt für
Gynäkologie und Geburtshilfe Kenntnisse der psychosomatischen Grund-
versorgung gefordert.
Damit wird eine Behandlung seelischer und körperlicher Symptome Eigene Notizen
möglich, da zahlreiche seelische Leiden mit körperlicher Symptomatik ein-
hergehen (z.B. Zittern, Schwitzen, Obstipation, Diarrhoe).
9.5 Psychosomatisch-gynäkologische
Simultandiagnostik
Eigene Notizen vegetativen Beschwerden werden folgende Symptome v.a. von Angehöri-
gen zu erfragen sein:
4 Schlaflosigkeit
4 Gereiztheit
4 Krankheiten von Familienmitgliedern
4 Irrationale Sorgen
4 Schuldgefühle
4 Gewaltereignisse
4 Zwischenmenschliche Konflikte
4 Chronische Vereinsamung
4 Verluste durch Todesfälle
9.6 Abwehranalyse
9.7 Traumatisierung
Eigene Notizen höhtes Risiko für eine neuerliche akute PTBS besteht. Daher ist eine psy-
choonkologische Therapie zur Behandlung der alten PTBS sinnvoll, um
eine Stressreduktion herzustellen. Hochrangige Studien konnten zeigen,
dass Stressreduktionsmaßnahmen wesentlich zur Verbesserung der Tumo-
rabwehr beitragen. Dazu stehen heute spezialisierte psychotherapeutische
Verfahren aus dem Bereich der imaginativen Verhaltenstherapie zur Verfü-
gung. Dabei erfolgt die Behandlung traumatisierter Patientinnen nach Red-
demann in 6 Stufen:
1. stabilisieren,
2. stabilisieren,
3. stabilisieren,
4. stabilisieren,
5. verarbeiten,
6. neu starten.
9
10
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
Ätiologie
4 Vorausgegangene aszendierende Entzündungen der Adnexe:
5 Mit sexuell übertragbaren Erregern (Chlamydien oder Gonor-
rhoe)
5 Fieberhafte Aborte
5 Kürettagen
5 nach Extrauteringravidität (EUG)
4 Vorausgegangene Operationen des Bauchraums (Adhäsionsbildung)
4 Endometriose
4 Sterilitätsbehandlung
10 4 IUP-Trägerinnen
4 Nach Sterilisation
4 Funktionelle Störungen des Eitransports
Klinik
4 Sekundäre Amenorrhoe über 6–8 Wochen
4 Subjektives Schwangerschaftsgefühl mit Brustspannung und Übelkeit
4 Basaltemperaturerhöhung
4 Unterbauchschmerzen, krampfartig, häufig einseitig oder seitenbetont
mit und ohne vaginale Blutung
4 Bei Ruptur des Eileiters in fortgeschrittener Schwangerschaftswoche
Abwehrspannung im Unterbauch, Schocksymptomatik, intraabdomi-
nelle Blutung
Diagnostik
4 Gynäkologische Untersuchung mit Spekulumeinstellung und bimanu-
elle Untersuchung
4 Vaginalsonografie: freie Flüssigkeit im Douglas? Uterus cavum leer oder
mit Pseudogestationssack? Endometriumhöhe? Adnexe mit oder ohne
Raumforderung? Ringstruktur?
4 Labordiagnostik: β-HCG im Serum (ca. 9 Tage nach Konzeption nach-
weisbar), Blutbild (Anämie bei intraabdomineller Blutung), Gerinnung,
CRP (Ausschluss Entzündung), Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nie-
renstein), Blutgruppe, Kreuzblut für Erythrozytenkonserven bereit-
stellen
10.2 · Ovarialtorsion (Stieldrehung)
107 10
Differenzialdiagnose Eigene Notizen
4 Abortus completus oder incompletus
4 Intrauterine Frühgravidität mit Unterbauchschmerzen
4 Adnexitis, Tuboovarialabszess
4 Ovarialzystenruptur
4 Stieldrehung des Ovars
4 Appendizitis
4 Peritonitis anderer Ursache
Therapie
4 Diagnostisch-operative Laparoskopie mit Salpingotomie oder Salping-
ektomie je nach Sitz der extrauterinen Gravidität, Ausmelken der Tube
bei unklarem Befund (Ziel ist der Tubenerhalt)
4 Selten expektatives Vorgehen unter β-HCG und Sonografiekontrolle
4 Laparotomie nur bei laparoskopisch nicht operablem Befund oder
Schock
4 Bei Rhesus negativer Patientin Anti-D-Prophylaxe
4 Bei persistierenden β-HCG-Werten Gabe von Methotrexat i.v. oder i.m.
(0,4–0,5 mg/kg KG, max. 30 mg)
Klinik
4 Bei plötzlichen Ereignissen akutes Schmerzereignis aus Wohlbefinden
heraus
4 Diffuse bis akut einsetzende stärkste Unterbauchschmerzen (Vernich-
tungsschmerz)
4 Peritoneale Reizzeichen mit Abwehrspannung, Übelkeit, Erbrechen,
Tachykardie, Schweißausbrüchen (akutes Abdomen)
4 Schocksymptomatik
Diagnostik
4 Bimanuelle Untersuchung mit Beurteilung der Adnexregion (häufig
wegen akuter Schmerzen oder Adipositas der Patientin von einge-
schränkter Beurteilbarkeit)
4 Vaginalsonografie und Doppleruntersuchung der Ovarien
4 Selten CT, MRT, Röntgen
108 Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Differenzialdiagnose
4 Ovarialzystenruptur
4 Ovarialabszess
4 Ovarialkarzinom
4 Extrauteringravidität
4 Akute Appendizitis
Therapie
4 Kreislaufstabilisierung und Schmerzmittelgabe
4 Diagnostisch operative Laparoskopie mit Detorquierung des Ovars, ggf.
Entfernung des Ovars bei Nekrotisierung, Zystenausschälung
4 Laparotomie, bei laparoskopisch nicht operablem Befund
10.3 Ovarialzystenruptur
Allgemeines
10 4 Zerreißen der Oberfläche einer Zyste mit Ergießen des Inhalts in die
Bauchhöhle
4 Häufig bedingt durch gutartige Ovarveränderungen
4 Rupturen können in jeder Zyklusphase auftreten
4 Bei postmenopausalen Patientinnen an ein Ovarialkarzinom denken
4 Bei Ruptur von Gefäßen der Oberfläche können intraabdominelle Blu-
tungen auftreten
Klinik
4 Unterschiedliche Schweregrade der Schmerzen möglich
4 Akute bis schleichende Schmerzen, teilweise mit Vernichtungs-
schmerz
4 Einseitig und oder diffus
4 Vaginale Schmierblutung
4 Kohabitationsschmerzen
4 Peritoneale Reizzeichen mit Abwehrspannung, Übelkeit, Erbrechen,
Tachykardie, Schweißausbrüchen (akutes Abdomen)
4 Hämodynamische Instabilität bei intraabdomineller Blutung und
Schock
Diagnostik
4 Bimanuelle Untersuchung mit Beurteilung der Adnexregion (häufig
wegen akuter Schmerzen oder Adipositas der Patientin von einge-
schränkter Beurteilbarkeit)
4 Vaginalsonografie und Doppleruntersuchung der Ovarien
4 Selten CT, MRT, Röntgen
10.4 · Tuboovarialabszess
109 10
4 Labordiagnostik: β-HCG im Serum (ca. 9 Tage nach Konzeption nach- Eigene Notizen
weisbar), Blutbild (Anämie bei intraabdomineller Blutung), Gerinnung,
CRP (Ausschluss Entzündung), Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nie-
renstein), Tumormarker (CA 12-5), Kreuzblut für Erythrozytenkonser-
ven bereitstellen
Differenzialdiagnose
4 Stieldrehung des Ovars
4 Adnexitis, Ovarialabszess
4 Ovarialkarzinom
4 Extrauteringravidität
4 Akute Appendizitis
Therapie
4 Subakute Ereignisse mit Kreislaufstabilität können z.T. konservativ be-
handelt werden mit Schmerzmitteln und sonografischen Kontrollen
4 Ggf. Kreislaufstabilisierung bei akuten Volumenschock und Schmerz-
mittelgabe
4 Diagnostisch operative Laparoskopie mit Ovarialzystenausschälung,
Stillen der Blutung, ggf. Entfernung des Ovars und Entfernung von Zys-
teninhalt und Blut aus der Bauchhöhle
4 Laparotomie bei laparoskopisch nicht operablem Befund
10.4 Tuboovarialabszess
Komplikationen
4 Peritonitis
4 Eitrige Thrombophlebitis
4 Gerinnungsstörung
4 Ruptur des Konglomerattumors in die Bauchhöhle
4 Adhäsionen
4 Sterilität
4 Eileiterschwangerschaft
110 Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Diagnostik
4 Vitalparameter
4 Bimanuelle Untersuchung mit Beurteilung der Adnexregion (häufig
wegen akuter Schmerzen oder Adipositas der Patientin von einge-
schränkter Beurteilbarkeit)
4 Vaginalabstrich für Mikrobiologie und Nativpräparat
4 pH-Messung
4 Vaginalsonografie
4 Selten CT, MRT, Röntgen
4 Labordiagnostik: Blutbild (Leukozytose), CRP, BSG, Gerinnung, Urin-
sediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein)
10 Differenzialdiagnose
4 Akute Adnexitis
4 Stieldrehung des Ovars
4 Ovarialzystenruptur
4 Ovarialkarzinom
4 Extrauteringravidität
4 Akute Appendizitis
Therapie
4 Sofortiger Beginn einer antibiotischen intravenösen 2- oder 3-fach-
Therapie (Cephalosporin, Doxycyclin und Metronidazol) unter statio-
nären Bedingungen
4 Schmerzmittelgabe und Antiphlogistika
4 Bettruhe
4 Antikoagulation
4 Evtl. Entfernung des IUP, falls vorhanden
4 Diagnostisch operative Laparoskopie mit Abszessspaltung, ggf. Entfer-
nung des Konglomerattumors, Spülung der Bauchhöhle und Draina-
geneinlage
4 Laparotomie bei laparoskopisch nicht operablem Befund
10.5 · Genitale Blutungen
111 10
10.5 Genitale Blutungen Eigene Notizen
Gynäkologische Ursachen
4 Ektopie der Zervix uteri
4 Dysfunktionell bei Hormonschwankungen
4 Uterus myomatosus
4 Polypen der Zervix oder des Corpus uteri
4 Rupturierte Ovarialzyste
4 Entzündungen des inneren Genitale
4 Abort oder Eileiterschwangerschaft
4 Endometriumhyperplasie
4 Endometriose
4 Zervixkarzinom
4 Endometriumkarzinom
4 Uterussarkom
4 Verletzungen des Inneren Genitale
4 Fremdkörper
Klinik
4 Blutungsstärke und Dauer variabel
4 Seltener mit Schmerzen einhergehend
4 Bei akuter Blutung mit Anämie Schocksymptomatik möglich
Diagnostik
4 Inspektion des äußeren Genitale und Suchen nach Verletzungen
4 Spekulumeinstellung
4 Bimanuelle und rektale Untersuchung
4 Vaginalabstrich für Mikrobiologie und Nativpräparat
4 PAP-Abstrich
4 Vaginalsonografie
4 Kolposkopie
4 Ggf. Knipsbiopsie und Probeentnahme
4 Selten CT, MRT, Röntgen
112 Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Differenzialdiagnose
4 Makrohämaturie bei Blaseninfektion
4 Harnblasentumoren
4 Hämorrhoiden
4 Darmtumoren
4 Gerinnungsstörung
4 Herz-Kreislauf-Erkrankungen
4 Lebererkrankungen
4 Nierenerkrankungen
4 Medikamente (Gerinnungshemmer)
4 Tumoreinbruch aus Rektum oder Harnblase
4 Metastasen
Klinik
4 Blutungsstärke und Dauer variabel
4 Seltener mit Schmerzen einhergehend
4 Bei akuter Blutung mit Anämie Schocksymptomatik möglich
Diagnostik
4 Inspektion des äußeren Genitale und Suchen nach Verletzungen
4 Spekulumeinstellung
4 Bimanuelle und rektale Untersuchung
4 Vaginalabstrich für Mikrobiologie und Nativpräparat
4 PAP-Abstrich
4 Vaginalsonografie
4 Kolposkopie
4 Ggf. Knipsbiopsie und Probeentnahme
4 Selten CT, MRT, Röntgen
4 Labordiagnostik: Blutbild (Leukozytose), CRP, BSG, Gerinnung, Urin-
sediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein, Tumormarker, Blutgruppe
und Kreuzblut
Differenzialdiagnose
4 Makrohämaturie bei Blaseninfektion
4 Harnblasentumoren
4 Hämorrhoiden
4 Darmtumoren
4 Gerinnungsstörung
4 Herz-Kreislauf-Erkrankungen
4 Lebererkrankungen
4 Nierenerkrankungen
4 Medikamente (Gerinnungshemmer)
4 Tumoreinbruch aus Rektum oder Harnblase
4 Metastasen
114 Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
10
11
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
11 Frühschwangerschaft
B. Schiessl
11.1.1 Embryologie
Die Befruchtung der Eizelle erfolgt nach Ovulation durch ein Spermium im
Eileiter. Nach Imprägnation erfolgt die 2. Reifeteilung, die beiden haploiden
Chromosomensätze verschmelzen in der Konjugation: die Zygote ist ent-
standen. Unter Zellteilung über Morula zur Blastozyste erfolgt die Wan-
derung in das Cavum uteri, wo der Synzytiotrophoblast mit dem Endo-
metrium Kontakt aufnimmt. Die Nidation beginnt 5 Tage nach der Be-
fruchtung und ist nach bis zu 14 Tagen abgeschlossen (ggf. Auftreten einer
Nidationsblutung). Der aus der Blastozyste hervorgehende Trophoblast
differenziert weiter zum Chorion frondosum bzw. der Plazenta, der Embryo-
blast entwickelt sich zum Embryo.
Es kommt zur Einbettung der Chorionblase in die Zona compacta,
woraufhin die 1. Trophoblastinvasion mit Absiedlung von »plugs« in müt-
terlichen Gefäßen bis zur 12. SSW folgt. Die 2. Trophoblastinvasion be-
schreibt das Invadieren der extravillösen Trophoblasten in das innere Myo-
metrium und der endovaskulären Trophoblasten in die Spiralarterien, wo
die Muscularis-Schicht der arteriellen Gefäßwände durch Trophoblasten
ersetzt wird. Aus dieser Trophoblastinvasion resultiert eine Transforma-
tion der zuvor niedrigvolumigen Hochwiderstandsgefäße in hochvolumige
Niedrigwiderstandsgefäße. Hierdurch wird die ausreichende Versorgung
der fetoplazentaren Einheit gesichert.
11 Mit der Dopplersonografie der maternalen Aa. uterinae kann dieses
physiologische Phänomen nachvollzogen werden: ab 22–24 SSW ist das
Widerstandsprofil mit hohen Widerstandsindizes (wie PI und RI) sowie
die postsystolische Inzisur durch ein niedriges Widerstandprofil mit ver-
strichener Inzisur ersetzt. Wichtig zu beachten ist die oft vorhandene La-
teralisierung der Plazenta: physiologisch ist ein niedriger Widerstand auf
der Seite der A. uterina mit erhöhter Trophblastinvasion.
Plazenta
4 Funktionseinheit: Kotyledon, Basalplatte, Chorionplatte
4 Größe der reifen Plazenta am Entbindungstermin: 20 cm Durchmesser,
2–3 cm Dicke
4 Doppelte Gefäßversorgung:
5 Fetale Durchblutung Aa. umbilicales, V. umbilicalis
5 Maternale Durchblutung: Spiralarterien aus den beidseitigen
Aa. uterinae, Venen
4 Zottenreifung: Ankernde Stammzotten und aussprossende Zotten. Ziel
ist die Vergrößerung der maternofetalen Austauschfläche und Verkür-
zung der »Austauschstrecke«, Zottenoberfläche der reifen Plazenta
10–15 m2
4 Endokrine Funktion: Produktion von Gonadotropin-Releasing-Hormo-
nen (CRH, TRH, PRL, MSH), Proteohormonen, Steroidhormonen zum
Erhalt der Gravidität, Induktion maternaler genitaler und extragenitaler
SS-Veränderungen. Bildungsorte: Trophoblasten, Synzytiotrophoblast.
11.1 · Physiologie
117 11
Eihäute
4 Doppelte Wandung (Chorion/Amnion)
5 Chorion: verzahnt mit Dezidua, Bruchspannung 10 kg/cm3 (Para-
plazenta)
5 Intermediärschicht
5 Amnion fetalseitig mit Bruchspannung von 50 kg/cm3
4 Nabelschnur: 2 Arterien, 1 Vene, durchschnittliche Länge am Entbin-
dungstermin 50 cm, Wharton-Sulze, spiraliger Verlauf, Reißfestigkeit
5 kg
4 Amnionflüssigkeit: Sicherstellung des ungehemmten Wachstums des
Feten, v.a. der Lungenentwicklung, der aktiven und passiven Beweglich-
keit
4 Fetale Urinausscheidung:
5 etwa 40 ml/Tag ab 12 SSW,
5 Gesamtmenge mit 20 SSW = 500 ml, 38 SSW = 1000–1500 ml, ab
40 (+) SSW = 800 ml, Menge abnehmend.
4 Wichtige Entwicklungen des Embryo/Feten:
5 20.–23. Tag post conceptionem = 34.–37. Tag post menstruationem
(entsprechend 4+6 bis 5+2 SSW) misst die embryonale Scheitel-
Steiß-Länge (SSL) 1,5–2 mm
5 5+3 bis 5+6 = SSL 4 mm
5 6+0 SSW: ventraler Herzwulst: embryonales Herz beginnt zu schla-
gen, Größe des Embryo: 4–5 mm
5 9+0 SSW = SSL 30 mm, Differenzierung der Extremitäten
5 Gehirnentwicklung: 28. SSW, Phase der Neuronenteilung abge-
schlossen, postnatale Differenzierung der Neuronen bis zum 4. Le-
bensjahr
5 Lungenreife ab 24+0 SSW durch Bildung des Antiatelektasenfak-
tors, ab 34 SSW physiologischerweise ausreichend zur Verfügung
stehend. Induktion der Bildung ab 24+0 SSW durch Betamethason
möglich (s.a. Frühgeburtsbestrebungen).
118 Kapitel 11 · Frühschwangerschaft
11.3 Pathologien
11.3.1 Aborte
Definition
4 Abort/Fehlgeburt des Feten bis 23 SSW, der Übergang zur sehr frühen
Frühgeburt ist fließend.
4 Frühabort: bis 12 SSW
4 Spätabort: bis 23 SSW
11 4 Habituelle Aborte: ab 3 Aborten in Serie auftretende Spontanaborte
(laut WHO)
Klassifikation
4 Abortus imminens: drohender Abort, vaginale Blutung ohne Mutter-
munderöffnung bei intakter Schwangerschaft
4 Abortus incipiens: beginnender Abort, vaginale Blutung mit Mutter-
munderöffnung bei intakter Schwangerschaft (positive Herzaktion des
Feten)
4 Abortus incompletus: Schwangerschaftsmaterial ist bereits abgegangen,
die Schwangerschaft ist nicht mehr intakt, jedoch ist im Cavum uteri
noch Schwangerschaftsgewebe vorhanden
4 Abortus completus: die gesamte Schwangerschaftsanlage ist vaginal ab-
gegangen, das Cavum uteri ist leer
4 Missed abortion: verhaltener Abort, abgestorbener Embryo ohne Ge-
webeabgang oder vaginale Blutung
4 Molenschwangerschaft: Abortivei, leere Chorionhöhle ohne sonogra-
fisch darstellbaren Embryonalanteil
4 Blasenmole: proliferative Molenschwangerschaft mit degenerativer bla-
siger Wachstumsverstärkung des Trophoblasten. Sehr hohe Serum-
HCG-Werte (>200000 IU/l) komplette und inkomplette Form, typisches
sonografisches Bild (»Schneegestöber«)
4 Metastasierende gestationsbedingte Trophoblasterkrankungen: Inva-
sive Mole und Chorionkarzinom
11.3 · Pathologien
119 11
Klinik
Das Beschwerdebild kann von einer schmerzlosen vaginalen Blutung bis
hin zu starken krampfartigen, oft als wehenartig beschriebenen Unter-
bauchschmerzen reichen, bei septischem Abort bis hin zu Schockzeichen
und Kreislaufversagen.
Diagnostik
4 Sonografie: Herzaktion, Koagel, Restgewebe beurteilen
4 Spekulumuntersuchung: Vaginale Blutung und Muttermunderöffnung
beurteilen
Therapie
Eine Therapie des Abortus imminens und incipiens gibt es praktisch nicht.
Das Angebot der stationären Überwachung insbesondere bei vaginaler Blu-
tung wird von den Patientinnen meist gerne angenommen. Von höchster
Wichtigkeit ist die Kontrolle des Rhesusfaktors, um bei negativem Rhesus-
status eine Sensibilisierungsprophylaxe zu verabreichen.
Die Therapie des Abortus incipiens, Abortus incompletus und comple-
tus kann in konservativem Zuwarten bestehen, meist aber wird aufgrund
der vaginalen Blutungsstärke eine instrumentelle Nachtastung erfolgen –
bei noch geschlossenem Muttermund nach erfolgtem priming mit einem
Prostaglandinpräparat.
11.3.2 Extrauteringravidität
S. Kap. 10 Notfälle.
12
Tag 3 – Reproduktionsmedizin
bis Schwangerenvorsorge
12 Schwangerenvorsorge
B. Schiessl
12.3.1 Fallot-Tetralogie
Diagnostik
Sonografisch fällt ein abnormer 4-Kammerblick im Fall rechtsventrikulärer
Dilatation, eines AVSD (atrioventrikulärer Septumdefekt) oder einer »ab-
sent-pulmonary-valve« auf. Typisch sind der Malalignement-VSD (VSD:
Ventrikelseptumdefekt) und die darüber reitende Aorta mit farbdopplerso-
nografisch darstellbarer Füllung aus beiden Ventrikeln. Eine progrediente
Pulmonalstenose bewirkt eine retrograde Lungenperfusion über den Duc-
tus arteriosus botalli. In 20% liegt ein rechter Aortenbogen vor, ASD (atri-
aler Septumdefekt) sowie multiple VSDs und/oder Mitralstenose können
vorliegen. Bei Pulmonalatresie ist typischerweise ein reverse flow im Ductus
arteriosus zu sehen ohne antegrade Füllung der Pulmonalarterie, wohinge-
gen bei dem »Absent-pulmonary-valve-Syndrom« eine Regurgitation in die
Pulmonalarterie darstellbar ist.
124 Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen In 25% liegen chromosomale Anomalien wie Trisomie 21, Trisomie 18
und Triploidien, insbesondere aber Mikrodeletion am Chromosom 22
(catch 22) im Fall einer Fallot-Tetralogie vor. Um die Progression der Pul-
monalstenose bis hin zur Pulmonalatresie zu erfassen, sollten Verlaufs-
kontrollen durchgeführt werden.
Die Prognose hängt stark von Begleitfehlbildungen oder chromosoma-
len Anomalien ab, was die streuende postnatale Mortalität zwischen 35
und 75% erklärt. Postnatales Ziel ist die korrigierende Operation.
Diagnostik
Im Rahmen der fetalen Echokardiografie auffällig sind die gemeinsame
AV-Klappe, ein ASD und VSD unterschiedlicher Größe mit teils verscho-
bener Aorta-/Pulmonalarterienrelation zuungunsten der Aorta; nach wei-
teren Auffälligkeiten, z.B. einer persistierenden linken V. cava superior mit
einem dilatierten Sinus coronarius sollte gefahndet werden. Falls sich intra-
uterin keine kardialen Dekompensationszeichen entwickeln, kann die vagi-
nale Geburt mit neonatologischem Standby erfolgen. Die betroffenen Kin-
der entwickeln meist 4–8 Wochen postnatal eine Herzinsuffizienz.
12
12.3.3 Hypoplastisches Linksherzsyndrom
Diagnostik
In der fetalen Echokardiografie typisch ist der asymmetrische bzw. nicht
darstellbare Vierkammerblick und die oft retrograde Perfusion des Aorten-
bogens über den Ductus arteriosus botalli.
12.3 · Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen
125 12
Therapie Eigene Notizen
Das postnatale Management besteht meist in medikamentöser Therapie mit
Prostaglandinen bis zum herzchirurgischen Eingriff (Norwood-Operation
oder Herztransplantation), die Option der palliativen Betreuung ohne Ent-
scheidung zur Operation wird in Einzelfällen gewählt, insbesondere bei
zusätzlichen Komplikationen (Frühgeburt, syndromale Fehlbildungen).
Die frühe Diagnosestellung erleichtert es, mit interdisziplinärem Konsil die
Therapieoptionen und postnatalen Prognosen zu erörtern. Die vaginale
Geburt ist möglich, sollte aber im Perinatalzentrum mit neonatologischem
Standby geplant werden.
Nierenagenesie
Die Nichtanlage der Nieren wird als Nierenagenesie definiert, aufgrund
fehlender Fruchtwasserproduktion und konsekutiver Lungenhypoplasie ist
die Prognose bei beidseitiger Agenesie infaust, wohingegen die einseitige
Nierenagenesie eine gute Prognose aufweist.
Multizystische Nierendysplasie
Bei der Multizystischen Nierendysplasie (MCKD) unterscheidet man uni-
laterale und bilaterale multizystische Nierenveränderungen, in 25% sind
beide Nieren betroffen. Assoziierte Fehlbildungen zeigen sich bei bilate-
ralem Auftreten deutlich häufiger (67% versus 29%) als bei unilateralem
Auftreten. Sehr gute Prognose, falls keine weiteren Fehlbildungen vorliegen.
Die Funktion des Restgewebes ist entscheidend für die Prognose.
Polyzystische beidseitige Nieren (autosomal-rezessiver Erbgang) im-
ponieren durch ein überdimensionales Wachstum und ein typisch echo-
reiches Bild des Nierenparenchyms, in aller Regel entwickelt sich ein An-
hydramnion, die Prognose ist aufgrund der konsekutiven Lungenhypopla-
sie infaust.
Prune-belly-Megacystis
Eine meist männliche Feten betreffende Abflussbehinderung (als Urethral-
klappe bezeichnete Schleimhautfalte der Urethra) aus der Blase bewirkt
durch unzureichende Entleerung eine Megacystis mit Aufstau in Ureteren
und Nieren. Die Prognose ist sehr ungünstig bzw. abhängig von Restentlee-
rungsfunktion oder externen Entlastungsmaßnahmen, die eine Restmenge
an Fruchtwasser zur Ausbildung der Lungen sichern müssen. Häufig finden
sich begleitend eine Hypoplasie der Bauchdeckenmuskulatur und ein Mi-
krokolon.
Hydronephrose
Milde Nierenbeckendilatation bis massiver Nierenstau, ein- oder beidseitig,
keine frühzeitige Entbindung erforderlich, da kein Einfluss auf Entwicklung
des Nierenparenchyms, postnatale Sonografie.
126 Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Definition
Bauchwanddefekt auf Höhe der Nabelschnurinsertion, mit Austritt von
Darm- und auch Leberanteilen in das Fruchtwasser.
Diagnostik
Die typischen sonografischen Merkmale können schon früh im ersten Tri-
menon dargestellt werden. Typisch ist die Raumforderung vor dem Abdo-
men mit flottierendem Eindruck, Austrittspforte meist rechtslateral der
Nabelschnurinsertion. Risikofaktoren sind Rauchen, niedriges mütterliches
Alter und die Einnahme vasoaktiver Substanzen, ein genetischer Faktor
scheint zu existieren. ! Cave Sonografisch müssen weitere Fehlbildungen
ausgeschlossen werden, erhöhtes Risiko insbesondere für Herzfehler be-
steht (bei 15% zusätzlich vorliegender Herzfehler).
Trotz fehlendem erhöhtem Risiko für chromosomale Aberrationen
wird die Karyotypisierung bei Vorliegen einer Gastroschisis im Rahmen
der pränatalen Diagnosestellung und Beratung angesprochen und von den
Eltern die Durchführung gewünscht.
Beratung/Therapie
Zur pränatalen Beratung gehören das kinderchirurgische und neonatolo-
gische Konsil, die das postnatale Vorgehen erörtern. Auch wenn statistisch
kein evidenter Benefit für das Kind bei Durchführung eine Kaiserschnitts
gesichert ist, wird aus organisatorischen Gründen und Sicherheitsbedürfnis
der Eltern die elektive Schnittentbindung geplant und das Neugeborene
unmittelbar postnatal in die Kinderchirurgie innerhalb des Perinatalzent-
12 rums verlegt.
Verlauf, Prognose
Feten mit Gastroschisis haben ein erhöhtes Risiko für eine intrauterine
Wachstumsrestriktion (IUGR) und intrauterinen Fruchttod (IUFT) (10–
15%), daher werden regelmäßige sonografische, dopplersonografische und
Kardiotokografie-Verlaufskontrollen (CTG) durchgeführt. Die Prognose ist
abhängig von begleitenden vorliegenden Atresien oder Infarzierungen des
Darms sehr gut.
12.3.6 Omphalozele
Therapie
In der Regel erfolgt die elektive Schnittentbindung und unmittelbare Verle-
gung des Neugeborenen aus dem Operationssaal in die Kinderchirurgie.
Postnatale und postoperative Prognose sind in Abhängigkeit von Begleit-
fehlbildungen relativ gut, die perinatale Mortalität wird aber dennoch mit
19% angegeben, die neonatale Morbidität mit 25%.
12.3.7 Skelettdysplasien
Diagnostik
Sonografie mit abweichender Entwicklung des Skeletts (Dreigliedrigkeit der
Extremitäten, Länge, Dichte, Krümmung der Röhrenknochen, Achsenske-
lett, Thoraxform). Meist fallen verkürzte und/oder verkrümmte Röhren-
knochen, ein auffälliger Thorax oder eine auffällige Schädelform auf. Auf
weitere Fehlbildungen (Organe, Herz) ist zu achten. Die meisten letalen
Skelettdysplasien zeigen bereits im 2. Trimenon einen unter die 5. Perzentile
verkürzten Röhrenknochen. Ein großer Anteil der nicht letalen Skelettdys-
plasien wird jedoch erst spät im Schwangerschaftsverlauf oder postnatal
diagnostiziert.
Häufige Skelettdysplasien:
4 Achondrogenesie Typ I: autosomal-rezessiver Erbgang, seltene Skelett-
erkrankung mit massiv verkürzten langen Röhrenknochen, schlechter
Prognose mit intrauterinem IUFT oder postnatalem Versterben.
128 Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Das Gesamtrisiko wird in der Literatur mit 0,5 bis <1,0% angegeben. Risi- Eigene Notizen
koerhöhend sind Myome, Blutung in der Frühschwangerschaft, Uterusfehl-
bildungen.
Indikationen sind:
4 Karyotypisierung
4 Molekulardiagnostik
4 Selten Infektionsdiagnostik (Rötelninfektion der Mutter)
12.4.2 Amniozentese
12.4.3 Cordozentese
12.4.5 Punktionen
12.5.1 Allgemeines
Epidemiologie/Häufigkeit
4 Zwillinge: 1:85 (1,18%)
4 Drillinge: 1:852 (0,014%)
4 Vierlinge: 1:853 (0,0000016%)
Neonatale Risiken:
4 Frühgeburtlichkeit: <28 SSW (8,8%), <32 SSW (42,1%)
4 54,4% Beatmung/Sauerstoffgabe
4 Sepsis/Pneumonie (25%)
4 Intraventrikuläre Hämorrhagie (IVH) (4,3%)
4 Ikterus (11,3%)
4 38,0% der Neugeborenen wiegen <1500 g
4 Erhöhte perinatale Mortalität (PNM) 2,74%
Diagnostik
4 Ultraschall, Dopplersonografie.
Therapie
4 Lasertherapie mit Koagulation der Anastomosen, bestes outcome (neu-
rologische Langzeitmorbidität der überlebenden Kinder) im Vergleich
zur Entlastungspunktion oder Septostomie.
4 Überwachung der Schwangerschaft:
5 Ultraschall: Fruchtwassermengen beider Kinder, HB, MB, Biomet-
rie und Wachstumsverlauf (Größendiskrepanz), Dopplersonografie
(A. umbilicalis, A. cerebri media, Ductus venosus), Echokardiogra-
fie zur Einschätzung der fetalen Kreislaufsituation, CTG.
132 Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
12.5.3 Schwangerenvorsorge
bei Mehrlingsschwangerschaften
12
13
Tag 4 – Schwangerschaftspathologien
13 Schwangerschaftspathologien
B. Schiessl
13.1.1 Gestationsdiabetes
Epidemiologie
Die Inzidenz des Gestationsdiabetes steigt in den letzten Jahren stark an,
wahrscheinlich bedingt durch eine Mixtur aus steigender Diagnostik und
steigendem Anteil des Risikokollektivs. Derzeit geht man von 5% aus.
Ätiologie
Durch hormonelle Veränderungen in der SS (Produktion plazentarer Hor-
mone) kommt es zu einer maternalen Insulinresistenz, die durch Mehraus-
schüttung von Insulin kompensiert wird. Wenn diese Mehrproduktion er-
schöpft ist, kommt es durch den Insulinmangel zur gestörten Glukosetole-
ranz bzw. Gestationsdiabetes.
Risikofaktoren sind:
4 Erhöhtes Alter
4 Adipositas
4 Familiäre Belastung mit Diabetes
4 Zustand nach Geburt eines Kindes >4000 g
4 Zustand nach schweren kindlichen Fehlbildungen in früherer SS
4 Zustand nach Aborten bzw. intrauterinem Fruchttod (IUFT)
4 Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen (Pima-Indianer,
Hispanier, etc.)
4 Aktuelle SS: Makrosomie des Feten, Polyhydramnion
Klinik
Der Gestationsdiabetes verläuft ohne maternale klinische Symptome, häu-
fig fehlen anamnestische oder konstitutionelle Risikofaktoren, sodass es
eines Screeningtests bedarf, um einen Gestationsdiabetes auszuschließen.
136 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Therapie
Die Konsequenz aus einem auffälligen OGTT besteht zunächst in der Er-
stellung eines Blutzuckertagesprofils. Normwerte sind:
4 Nüchtern <90 mg%
4 1 h nach dem Essen <140 mg%
4 2 h nach dem Essen <120 mg%
Der Beginn einer Insulintherapie kann bei guter Compliance und engma-
schiger Überwachung auch ambulant erfolgen, typischerweise werden bei
pathologischen Nüchternwerten Verzögerungsinsuline zur Nacht und bei
pathologischen postprandialen Werten Altinsulin zu den Mahlzeiten ge-
geben.
Ziel:
4 Präprandial 60–90 mg%
4 Postprandial nach 1 h <140mg%, nach 2 h <120 mg%
4 Nächtliche Werte 60–90 mg%
> Memo Die Gabe von oralen Antidiabetika ist kontraindiziert.
Eigene Notizen Mit Beginn der Wehentätigkeit wird die Insulintherapie beendet. Im
Wochenbett erfolgt an Tag 2 oder 3 ein Blutzuckertagesprofil; wenn die
Werte im Normbereich liegen, wird ein OGTT nach 6–8 Wochen sowie
einmal jährlich durchgeführt.
Nachsorge/Prävention
Eine internistische/diabetologische Anbindung wird dringend angeraten,
da das Risiko eines Typ-II-Diabetes insbesondere bei zusätzlichen Risiko-
faktoren stark erhöht ist (60% nach 20 Jahren), hohes Wiederholungsrisiko
in den Folgeschwangerschaften.
Eigene Notizen Wesentlich ist die individuelle Erfassung und Einschätzung von Risiken für
das Auftreten einer Thromboembollie in der Schwangerschaft, unter der
Geburt und im Wochenbett, wobei präexistente und neu auftretende bzw.
vorübergehende Faktoren in die Evaluierung einfließen. Zu präexistenten
Risiken zählen:
4 Alter >35 Jahre
4 Parität >3
4 Nikotinabusus
4 Immobilität (Plegien)
4 Varikosis höheren Grades
4 Internistische Erkrankungen aus dem Autoimmun-/Kollagenosen-
kreis
4 Thrombophilien
4 Zustand nach kardialen Operationen (v.a. Klappenersatz)
Klinik
Das klinische Bild einer tiefen Venenthrombose (TVT) wird nicht selten
durch die schwangerschaftstypischen Symptome geschwollene Beine, Bein-
schmerzen und Dyspnoe verschleiert.
Diagnostik
Bei Verdacht auf eine TVT sollte als erste diagnostische Maßnahme eine
Duplexsonografie der Beinvenen erfolgen. Da dies nicht zwingend eine
Unterschenkelvenenthrombose ausschließt, wird die Wiederholung nach
1–2 Tagen zum Ausschluss des Thrombuswachstums empfohlen. Bei unzu-
verlässigen Befunden oder nicht zuverlässiger Auswertung kann in Einzel-
13.3 · Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
141 13
fällen eine Venografie oder ein MRT durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Eigene Notizen
eine Lungenembolie steht die Szintigrafie bei geringer Strahlenbelastung an
erster Stelle, die Diagnose Lungenembolie gilt als gesichert, wenn ein seg-
mentaler Perfusionsdefekt besteht. Die Bestimmung der D-Dimere hat in
der Schwangerschaft eine eingeschränkte Aussagekraft.
Therapie
Standard ist die intravenöse Applikation von Heparin bei einer TVT, die
Überwachung erfolgt über Messung der aPPT, was in der Schwangerschaft
erheblich komplizierter ist. Daher hat sich die Gabe niedermolekularer He-
parine als praktikabler erwiesen, wobei die Dosierung sich an der nicht
schwangerer Patienten anlehnt. Neben der Kontrolle des Anti-Xa-Spiegels
sollten Thrombozytenkontrollen erfolgen. Die früher empfohlene Immobi-
lisation hat sich im Sinne reduzierter Lungenembolien nicht bewährt, so-
dass von dieser wieder Abstand genommen wurde.
Die Therapie einer Unterschenkelthrombose wird kontrovers disku-
tiert, aufgrund der potenziellen Weiterentwicklung in eine TVT wird die
adäquate Therapie von vielen Autoren empfohlen. Die Applikation von
Thrombosestrümpfen unterstützt das Abschwellen und beugt dem post-
thrombotischen Syndrom vor. Die Indikation zur chirurgischen Thromb-
ektomie ist wenigen ausgedehnten Einzelfällen vorbehalten und wird dann
meist zeitgleich mit einer Sectio durchgeführt. Eine thrombolytische The-
rapie wird in der Schwangerschaft nicht routinemäßig durchgeführt und
bleibt vital bedrohlichen Indikationen vorbehalten.
13.3 Schwangerschaftsinduzierte
Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
Klinik
4 SIH/Präeklapsie: Reproduzierbar erhöhte Blutdruckwerte systolisch
>140 mmHg und/oder diastolisch >90 mmHg, Proteinurie >300 mg/
24 h, Gewichtszunahme ≥1 kg/Woche während des 3. Trimesters mit
Ödembildung, von besonderer Bedeutung im Gesicht.
4 Prodromi einer imminenten Eklampsie:
5 Oberbauchschmerzen
5 Übelkeit
13.3 · Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
143 13
Diagnostik
4 Veränderungen der Laborparameter:
5 Thrombozyten <100000/μl; ! Cave Progredienter Abfall!
5 GPT(ALT)- und GOT(AST)-Anstieg über den Normbereich
5 LDH-Anstieg über den Normbereich
5 Indirekte Bilirubinerhöhung >1,2 mg/dl
5 Ab 32 SSW Harnsäureerhöhung >5 mg/dl
5 Kreatinin >0,9 mg/dl
5 Proteinurieaggravierung
5 Haptoglobin-Abfall unter den Normbereich
4 Sonografische Erfassung einer intrauterinen Wachstumsretardierung
mittels Biometrie und Dopplersonografie.
4 Reflexstatus, ! Cave Hyperreflexie! Abfragen von Prodromi (zentral-
nervös, abdominell)
Indikationen zur Vorstellung in der Klinik sind die Hypertonie ≥160 mmHg
systolisch bzw. ≥100 mmHg diastolisch sowie die manifeste Präeklampsie,
eine Proteinurie und starke Gewichtszunahme im 3. Trimenon (≥1 kg/Wo-
che) ebenso wie eine drohende Eklampsie (vgl. Prodomalsymptome). Allein
der klinische Verdacht auf HELLP-Syndrom, v.a. persistierende Oberbauch-
schmerzen, sind Indikationen zur Klinikvorstellung. Von fetaler Seite sind
ein suspektes/pathologisches CTG sowie ein suspektes/pathologisches
Dopplersonogramm ebenso wie die intrauterine Wachstumsrestriktion mit
einem Schätzgewicht <10. Perzentile Gründe für eine Überweisung in die
Klinik. Ferner sind eine Hypertonie oder Proteinurie in Kombination mit
Risikofaktoren wie vorbestehender mütterlicher Erkrankungen (z.B. Diabe-
tes mellitus), Mehrlingsgravidität, frühes Gestationsalter (<34. SSW), An-
oder Oligohydramnion abklärungsbedürftige Befunde.
Weiteres Vorgehen bei Aufnahme in die Klinik/Kreißsaal:
4 Blutdruckmessung bei Aufnahme sowie im Verlauf kontinuierlich, ggf.
24-h-Blutdruckmonitoring
4 Proteinurie-Diagnostik mittels Teststreifen bei Aufnahme und quanti-
tative Eiweißbestimmung
4 Tägliche Gewichtskontrolle
4 Laborkontrollen im Verlauf von evtl. mehrmals täglich bis zu minimal
2-mal/Woche
4 Klinische Verlaufskontrolle bzw. Erfassung der Symptome (Oberbauch-
schmerzen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Hyperreflexie (Reflexsta-
tus!), Bewusstseinsstörungen, Dyspnoe, Blutungsneigung
144 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Therapie
Beginn einer medikamentösen antihypertensiven Therapie erfolgt zumeist
unter stationären Bedingungen, v.a. um die Indikation zur rechten Zeit zu
stellen. Der fetale Nutzen ist nach wie vor nicht mittelbar gesichert, daher
sollte erst ab reproduzierbaren Blutdruckwerten ≥170 mmHg systolisch
und/oder ≥110 mmHg diastolisch damit begonnen werden, ggf. bei prä-
existenten Konstellationen (Hypertonus, Nierenerkrankung, Diabetes mel-
litus), früher ab Blutdruckwerten von >160/100 mmHg.
Die antihypertensive Behandlung bei schwerer Hypertonie beugt ma-
ternalen zerebro-/kardiovaskulären Komplikationen (v.a. Blutung) vor, die
Eklampsieprophylaxe erfolgt durch Magnesium (s.u.).
Bei erforderlicher Langzeitbehandlung einer Hypertonie in der
Schwangerschaft ist α-Methyldopa das Mittel der Wahl, β-Blocker haben
als Nebenwirkung fetale Wachstumsrestriktion und Störung des fetalen
Glukosestoffwechsels (i.S. von Hypoglykämien) und sind deshalb nur zu-
rückhaltend einzusetzen.
Auch bei akuter Hypertension besteht der Konsens zur Therapieindi-
kation ab Blutdruckwerten ≥170/110 mmHg, auch wenn randomisierte
Studien zur Notwendigkeit einer akuten Blutdrucksenkung in der Schwan-
gerschaft fehlen. Die Wahl des Medikaments ist umstritten, in Deutschland
weit verbreitet eingesetzt werden Urapidil i.v, Dihydralazin i.v. oder Nife-
dipin oral. Dabei zu beachten ist der Off-Label-Use von Nifedipin und
13 Urapidil.
Während der antihypertensiven Behandlung einer schweren Prä-
eklampsie muss der Fetus durch CTG überwacht werden, da eine zu rasche
maternale Blutdruckabsenkung mit akuter fetaler Gefährdung verbunden
sein kann. Die Schwangeren sind ebenfalls streng zu überwachen, neben
den engmaschigen Blutdruckkontrollen (diastolisch sind Werte unter den
angestrebten 90–105 mmHg zu vermeiden) müssen Klinik und Labor
überwacht werden.
Bei schwerem HELLP-Syndrom: Methylprednisolon 32 mg/Tag i.v.
wird eingesetzt zur maternalen Therapie, Leberwerte und Thrombozyten-
werte zeigen günstigeren Verlauf.
Therapie der Eklampsie: Magnesiumsulfat 4–6 g initial i.v. über 15–
20 min, dann 1–2 g/h bis 48 h postpartum. Bezogen auf die Prävention von
Rekonvulsionen und das neonatale outcome ist Magnesium sowohl Phe-
nytoin wie auch Diazepam überlegen.
Bei Lungenödem ggf. Furosemid 10–20 mg i.v., Wiederholung bei Be-
darf möglich. ! Cave maternale Hypovolämie, CTG-Kontrolle.
Entbindung ist die einzige kausale Therapie einer Präeklampsie bzw.
HELLP-Syndroms für die Schwangere. Der Versuch der Schwanger-
13.3 · Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
145 13
schaftsprolongation mit Induktion der fetalen Lungenreife dient der peri- Eigene Notizen
natalen Morbiditäts- und Mortalitätsreduktion im Rahmen der Frühge-
burt. Die Indikation zur Entbindung wird wesentlich vom Schwanger-
schaftsalter getriggert und besteht in der Regel nach abgeschlossenen
37 SSW. Patientinnen mit schwerer Präeklampsie und bei HELLP-Syn-
drom jenseits vollendeten 34 SSW sollten entbunden werden.
Die Betreuung einer Präeklampsie zwischen 24+0 und 33+6 SSW
sollte in einem Perinatalzentrum Level I erfolgen. Primäres Ziel ist das
konservative Vorgehen, um unter kontinuierlicher Überwachung die
schwerwiegenden Auswirkungen auf die Mutter zu kontrollieren und dem
Kind den Benefit der Schwangerschaftsverlängerung zukommen zu lassen.
Auch beim HELLP-Syndrom scheint ein konservativer Therapieansatz ver-
tretbar. Die schwere fetale Wachstumsrestriktion <5. Perzentile allein stellt
noch keine Indikation zur Entbindung vor 34 SSW dar. Der hochpatholo-
gische Dopplerfluss jedoch bedeutet hier die Dekompensation der fetalen
Kreislaufsituation und indiziert die Schwangerschaftsbeendigung. Daher
sind tägliche Reevaluierungen der fetalen Situation erforderlich. Die ab-
geschlossene RDS-Prophylaxe (Betamethason 12 mg i.m. 2-malig im Ab-
stand von 24 h induziert die Produktion des Antiatelektasenfaktors in den
Alveozyten) spielt eine wichtige Rolle im Rahmen dieser Entscheidungs-
findung.
Maternale Indikationen zur Entbindung:
4 Therapierefraktäre schwere Hypertonie
4 Therapierefraktäre Niereninsuffizienz
4 Akutes Lungenödem
4 Disseminierte intravasale Gerinnung
4 Persistierende schwere Oberbauchschmerzen
4 Neu aufgetretene schwere zentralnervöse Symptome
4 Eklampsie
Vor 24+0 SSW ist bei schwerer Präeklampsie mit einer hohen maternalen
und perinatalen Morbidität und Mortalität zu rechnen, die Entscheidung
über Fortsetzung der Schwangerschaft wird hier individuell getroffen, wo-
bei hier die maternale Morbidität und Mortalität im Vordergrund stehen.
Der Geburtsmodus richtet sich nach Schwangerschaftswoche, fetalem
und maternalem Zustand. Je kritischer maternale und fetale Situation
sind, desto eher wird die Indikation zur Sectio als zur vaginalen Geburt
gestellt.
Postpartale Betreuung
Bis 48 h Fortsetzung der intensivierten bis intensivmedizinischen Über-
wachung, da sich in 7–30% ein HELLP-Syndrom und in bis zu 28% eine
Eklampsie postpartum manifestieren können. Deshalb wird auch die
Eklampsie-Prophylaxe mit Magnesiumsulfat i.v. ggf. bis 48 h postpartal
fortgeführt.
Die postpartale Blutdruckkontrolle muss bis zur Stabilisierung bzw.
Normalisierung der Werte erfolgen, Anbindung an Hochdruckambulanz
und Selbstmessung! Blutdruckzielwerte bei Entlassung aus der Entbin-
146 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen dungsklinik liegen bei <150/100 mmHg, antihypertensive Therapie aus-
schleichen, ggf. umstellen. Umsetzen auf orale stillkompatible Medikation
mit Metoprolol, Nifedipin, α-Methyldopa, Dihydralazin. Einschränkung:
ACE-Hemmer wie Captopril, Enalapril (Empfehlungen Deutsche Hoch-
druckliga).
Nach HELLP-Syndrom: Überweisung zur Thrombophiliediagnostik.
Die Nierenfunktion ist zu kontrollieren, bei Proteinurie ist eine Anbin-
dung an nephrologische Ambulanz wichtig. Stillen ist mit den gängigen
Antihypertensiva möglich und die Patientin sollte dazu motiviert werden!
Vor Entlassung aus der stationären Betreuung: Abschlussgespräch mit
der Patientin und Partner über Pathophysiologie generell und individuell
über den Verlauf der Erkrankung und die Geburt, Hinweis auf das inter-
nistische Risikokonstellation (Wiederholungsrisiko von PE und HELLP,
kardiovaskuläres Risiko mit Entwicklung einer Hypertension in 90% nach
25 Jahren!) und ggf. weitere Nachkontrollen sind von immenser Wichtig-
keit, ebenso wie das Angebot zur Beratung vor Planung/Eintritt einer er-
neuten Schwangerschaft mit Hinweis auf Prävention.
Prävention
Eine sichere Vorhersage der Präeklampsie mithilfe eines Testverfahrens ist
bis dato nicht möglich. Zur Risikoabschätzung können die Anamnese-An-
gaben und Dopplersonografie der Aa. uterinae mit 20–22 SSW herangezo-
gen werden. Risiken sind:
4 Familiäre Belastung
4 Diabetes mellitus Typ I
4 Chronische Hypertonie
4 Chronische Nierenerkrankungen
4 Nierentransplantation
4 Vorausgegangene Präeklampsie
13
Je früher die erste Präeklampsie in der SS aufgetreten war, umso höher ist
das Wiederholungsrisiko, es liegt bei >60% bei Zustand nach PE vor der
28. SSW. Bei Vorliegen eines bilateral auffälligen Dopplersonogramms mit
persistierenden »Notches« (persistierende postsystolische Inzisur) und/
oder erhöhtem Widerstandsindex ist das Risiko der Entwicklung einer Prä-
eklampsie signifikant erhöht, insbesondere bei Vorliegen weiterer Risiko-
faktoren.
Bei Zustand nach Präeklampsie bewirkt die Einnahme von niedrig do-
sierter Acetylsalicylsäure von 100 mg/Tag eine signifikante Reduktion des
Wiederholungsfalls. Die Einnahme sollte ab Erstdiagnose der Folge-
schwangerschaft bis spätestens 16. SSW begonnen werden. Weitere prä-
ventive Maßnahmen entziehen sich zur derzeitigen Studien- und Daten-
lage dem Nachweis der Wirksamkeit.
13.4 · Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung
147 13
13.4 Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Eigene Notizen
Blasensprung
13.4.1 Frühgeburt
Ätiologie
Ätiologisch werden verschiedene Prozesse akzeptiert, die sämtlich in einer
Endphase mit vorzeitigen Wehen, vorzeitigem Blasensprung, Blutungen,
Plazentalösung und erforderlicher Beendigung der Schwangerschaft mün-
den. Die Diagnose »vorzeitige Wehen« ist meist nicht erste Ursache einer
Frühgeburt, sondern wird durch weitere Faktoren hervorgerufen. Im Ein-
zelnen sind dies folgende Faktoren:
4 Die Infektion: lokale oder systemische Infektionen bewirken durch ver-
mittelte Prostaglandinfreisetzung aus Dezidua, Chorion und Amnion
eine Aktivierung der uterinen Kontraktilität. In der Folge kommt es zur
Zervixreifung und bei fortbestehender Wehentätigkeit zur Eröffnung
des Muttermundes.
4 Eine gestörte Plazentation: Die Etablierung einer physiologischen ute-
roplazentaren Zirkulation durch die so genannte erste und zweite Tro-
phoblastinvasion in die maternale Dezidua und das innere Myometri-
um stellt die Versorgung des Feten sicher. Dies ist messbar bzw. nach-
vollziehbar an der Veränderung des Strömungsprofils in der Doppler-
sonografie an den uterinen Arterien. Bei Persistenz eines erhöhten
Widerstandes und/oder eines »Notches« ist das Risiko für die Entwick-
lung einer Wachstumsretardierung und/oder einer Präeklampsie deut-
148 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen lich erhöht. Beide Entitäten gehen in einem hohen Prozentsatz mit Ent-
bindungen im Frühgeburtszeitraum einher. Die pathologische Lokali-
sation der Plazenta im Sinne einer Plazenta praevia ist ebenso wie die
vorzeitige Lösung der Plazenta von ihrer Haftfläche eine der Haupt-
ursachen für die Frühgeburtlichkeit.
4 Pathologien aufgrund der anatomisch funktionellen Gegebenheiten:
Uterusfehlbildungen wie Uterus duplex, bicornis, subseptus, arcuatus
sind Risiken bzw. Ursachen von rezidivierenden Aborten, Wachstums-
restriktionen und Frühgeburtlichkeit. Myome können in einem Spek-
trum von komplikationsloser Schwangerschaft bis zu massiven Kompli-
kationen mit vorzeitigen Wehen, Wachstumsrestriktion, vorzeitiger
Plazentalösung bis zur Myomerweichung zudem Ursachen für eine
frühzeitige Entbindung sein. Die Insuffizienz der Zervix mit Verkür-
zung in ihrer Länge und in der Folge Eröffnung des Muttermundes ist
eine weitere funktionelle/anatomische Ursache der Frühgeburtlichkeit.
Dabei ist es von nachgeordneter Bedeutung, worauf diese zurückzufüh-
ren ist (Voroperationen wie Konisationen, wiederholte intrauterine Ein-
griffe wie Abort- oder Interruptioeingriffe, lokale Infektionen, Uterus-
dehnung durch Mehrlinge, Polyhydramnion etc.).
4 Fetale Erkrankungen bzw. Mehrlinge im Sinne pathologischer Belas-
tung der uterinen Reserven: Generell bedeutet jede fetale Erkrankung
ein höheres Frühgeburtsrisiko, insbesondere Fehlbildungen oder Syn-
drome, die mit einer intrauterinen Wachstumsrestriktion und auffäl-
ligen Dopplerflussprofilen einhergehen, aber auch genetische Erkran-
kungen (Triploidie, Trisomie, Mikrodeletionen). Bei maternalem Ge-
stationsdiabetes, der nicht erkannt oder unzureichend therapiert ist,
kommt es zur Entwicklung eines Polyhdramnions. Die Atresie oder
tracheal fistelnde Ösophagusanlage beim Kind führt ebenfalls häufig
zu einem Polyhdramnion. Dieses bewirkt durch die Überdehnung des
13 Uterus eine erhöhte Wehenbereitschaft.
Klinik
Regelmäßige frühzeitige Wehentätigkeit (vor 37+0 SSW) mit Zervixwirk-
samkeit (Verkürzung, MM-Eröffnung), ziehende Schmerzen bis zur symp-
tomlosen MM-Eröffnung bei Zervixinsuffizienz. Bei lokalen Infektionen
wird zum Teil von den Schwangeren veränderter Ausfluss beklagt.
Diagnostik
4 Kardiotokografie (CTG) zur Erfassung der uterinen Aktivität und Kon-
trolle der fetalen Herzaktion
4 Vaginale Spekulumeinstellung mit Beurteilung des Zervixbefundes in
Länge und Geschlossenheit
4 Abnahme eines bakteriologischen Abstrichs zur Identifizierung patho-
logischer Keime
4 ggf. palpatorische Beurteilung der Zervix und des Muttermundes
4 Unter sterilen Bedingen ggf. Messung der vaginalen Zervixlänge (ent-
scheidend ist die Strecke des geschlossenen Anteils, Grenzwert 25 mm,
ein innerer Trichter erhöht das Frühgeburtsrisiko)
13.4 · Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung
149 13
Therapie – Allgemeines
Ziel ist die Outcome-Verbesserung des Feten ohne Morbiditätserhöhung
für die Mutter. Daher kann im Einzelfall sowohl die Schwangerschafts-
verlängerung oder aber die Entbindung indiziert sein. > Memo Nach
34+0 SSW werden keine schwangerschaftsverlängernden Maßnahmen er-
griffen.
Vor 34+0 SSW muss abgewogen werden, ob die Prolongation der
Schwangerschaft mit einem Benefit für den Feten einhergeht. Je früher die
SSW, desto größer ist der Gewinn. Die Verlegung der Schwangeren in ein
Perinatalzentrum soll vor dem Hintergrund der optimalen neonatolo-
gischen Versorgung erfolgen.
Therapiemaßnahmen
4 Fetal: Lungenreifeinduktion mit 2-malig 12 mg Betamethason i.m. im
Abstand von 24 h, volle Wirksamkeit nach 48 h erreicht. Betamethason
ist plazentagängig und induziert in den fetalen Alveozyten die Produk-
tion des Antiatelektasenfaktors. Dadurch werden im Fall einer früh-
zeitigen Entbindung weniger lange Beatmungszeiten und niedrigere
Beatmungsdrücke erforderlich, ebenso ist eine signifikante Reduktion
von Hirnblutungen die Folge. Die Wirksamkeit ist ab 24+0 SSW bis
34+0 SSW gegeben. Die Nebenwirkungen einer eingeschränkten
Oszillation im CTG, reduzierter Kindsbewegungen innerhalb der ersten
Tage nach Applikation dürfen nicht falsch interpretiert werden. Eine
Wiederholung des Zyklus ist nicht indiziert. ! Cave Eingriff in den
maternalen Kohlhydratstoffwechsel, erhöhter Insulinbedarf bei Dia-
betikerinnen.
4 Maternal: Tokolyse mit Kalziumantagonisten (Nifedipin, Off-label-use)
oral, β-Sympathomimetika (Fenoterol) intravenös (orale Gabe ohne Ef-
fekt), Oxytocinrezeptorantagonisten (Tracotile) intravenös möglich.
Kontraindikationen sind die fetale oder maternale Indikation zur
Schwangerschaftsbeendigung, ein nicht überlebensfähiger Fetus und
das manifeste Amnioninfektionssyndrom.
4 Antibiose: Da ein beträchtlicher Anteil der vorzeitigen Wehentätigkeit
auf einer Infektion beruht, muss auch bei unbekanntem Keimspektrum
eine Antibiose begonnen werden. Zu den Antibiotika oberster Priorität
gehören Amoxicillin ggf. in Kombination mit Clavulansäure, alternativ
150 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Prävention
Gewissenhafte Schwangerenvorsorge deckt anamnestische Risiken auf; im
Verlauf Erfassung dynamischer Risiken wie Veränderung der Zervixlänge,
des Vaginal-pH. Der Nutzen einer prophylaktischen Cerclage ist umstritten,
scheint aber im »Hochrisiko-Anamnese-Kollektiv« (z.B. Zustand nach
3-fachem Abort, 2-maliger Konisation, 1-maliger Frühgeburt) individuell
von schwangerschaftserhaltendem und -verlängerndem Gewinn zu sein.
Cerclage:
4 In der Literatur keine einheitliche Aussage zu Nutzen in Hinblick auf
fetales Outcome.
4 Methode: Operationen nach Shirodkar und McDonald, Modifikation
nach Katz. Allen Techniken gemeinsam ist die Applikation eines kräfti-
gen Bändchens im Zervixhalsbereich mit Verknotung und damit me-
chanischer Verschluss- und Stützkomponente.
4 Durchführung als prophylaktische Maßnahme ab 14 SSW, aktuell in
abnehmender Indikationsstellung, bis etwa 24 SSW als Notfalleingriff
bei bereits sich öffnendem Muttermund. In beiden Indikationsstellun-
gen sollten negative mikrobielle Abstrichergebnisse und negative syste-
mische Infektionsparameter vorliegen und bei notfallmäßigem Eingriff
unter antibiotischem Schutz erfolgen.
4 Kontraindikationen: Amnioninfektionssyndrom, PROM (vorzeitiger
Blasensprung), regelmäßige Wehentätigkeit.
13
13.4.2 Vorzeitiger Blasensprung
Klinik
Meist berichten die Schwangeren von vaginalem Flüssigkeitsabgang, der
auch als verstärkter Ausfluss beschrieben wird. Nicht zwingend begleitet
von Schmerzen, Blutung oder Wehentätigkeit.
Diagnostik
Die Spekulumeinstellung erlaubt die klinische Verifizierung in 90% der
Fälle. Falls dies nicht eindeutig gelingt, so wird mittels eines biochemischen
Testverfahrens die Diagnose PROM gesichert. Hierbei werden Bestandteile
des Fruchtwassers mithilfe eines Indikatortests nachgewiesen: IGFBP,
Fibronektin.
Sonografisch muss die Fruchtwassermenge (FW) beurteilt werden, ein
Anhydramnion oder Oligohydramnion untermauern die Diagnose, eine
normale FW-Menge schließt jedoch einen Blasensprung nicht aus! Die
fetale Biometrie erfolgt zur Überprüfung des Gestationsalters und Doku-
mentation einer zeitgerechten Entwicklung bzw. der Erkennung zusätz-
licher fetaler pathologischer Befunde.
Der mikrobiologische Abstrich der Zervix dient dem Erregernachweis.
Mütterlicherseits müssen Infektionsparameter überwacht und klinisch
frühzeitig ein Amnioninfektionssyndrom erkannt werden (Fieber, Tachy-
kardie, druckdolenter Uterus). In vereinzelten Fällen, insbesondere in sehr
frühen Schwangerschaftswochen kann die Bestimmung des Interleukin
aus dem Fruchtwasser (Amniozentese) bei der Entscheidungsfindung zur
Entbindung wegweisend sein.
Der Geburtsmodus ist von der SSW abhängig. Vor 24 SSW ist keine Eigene Notizen
Verbesserung des neonatalen Outcome durch eine Sectio-Entbindung zu
erzielen, dennoch wird in Einzelfällen eine Kaiserschnittentbindung
durchgeführt, auch wenn weitere Indikationen hierzu fehlen. Ab 24+0
SSW soll die für den Feten schonendste Geburtsmethode gewählt werden,
diese stellt meist die Sectio dar. Jenseits 32 SSW wird bei Schädellage, zeit-
gerechter Entwicklung und unauffälligem CTG bei reifem Muttermunds-
befund auch die vaginale Geburt möglich.
Ätiologie
Mögliche Ursachen auf maternaler Seite umfassen:
4 Diabetes mellitus
4 Lupus erythematodes
4 Antiphosphlipid-Syndrom
4 Infektionen aus dem »TORCH-Spektrum«, insbesondere Chlamydien,
Streptokokken und Lues
4 Ferner sind Alkohol- und Drogenabusus mit dem IUFT ursächlich
assoziiert.
Risikofaktoren sind:
4 Fetales Gewicht (50% <1500 g, 37% <1000 g)
4 Männlich > weiblich
4 Sozialstatus der Mutter (insbesondere Alleinstehende und Sozialhilfe-
empfänger)
4 Alter der Mutter (<18 und >40 am riskantesten)
154 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Klinik
4 Subjektiv: fehlende Kindsbewegungen
4 Objektiv: Fehlende kindliche Herztöne im CTG und Ultraschall.
4 Gefahren bestehen in einer Infektion der Fruchthöhle (AIS), Gerin-
nungsstörungen durch Einschwemmung thromboembolischen Mate-
rials in die maternale Blutbahn.
Diagnostik
4 CTG/Auskultation: keine Herztöne
4 Ultraschall: fehlende Herzaktion inklusive Dopplerkontrolle.
4 Todeszeitpunkt:
5 Mazerationsgrad:
J Grad I (wenige Stunden): Haut grauweiß, erweicht
J Grad II (wenige Tage): grauschmutzige Haut, abgehobene Blasen,
Hautfetzen, Subkutis und Fruchtwasser durch Hämolyse braun-
rötlich, Lockerung der Gelenk- und Knochenverbindungen.
J Grad III (2–3 Wochen p.m.): Haut schmutzig, vollständiger To-
nusverlust, Verflüssigung innerer Organe (Kolliquationsnekrose),
Flüssigkeitsansammlung in Kopf, Thorax und Abdomen.
13 J Fetus papyraceus: Eintrocknung
J Lithopädion: Inkrustation
Therapie
Je früher in der SS der Fruchttod eintritt, desto länger ist die Latenzzeit zur
spontanen Ausstoßung/Geburt. ! Cave Keine Maßnahmen, die zur Ver-
letzung der Mutter führen! Beendigung der SS erfolgt nach Diagnosesiche-
rung, wobei die Spontangeburt angestrebt wird. Die Weheninduktion er-
folgt mit lokaler Prostaglandinapplikation (Cergem) zur Zervixreifung, bei
reifer Zervix Weheninduktion mittels i.v.-Gabe (Nalador). Alternativ ist
auch eine Wehenunterstützung mit Oxytocin möglich.
4 Überwachung: Engmaschige Kontrolle des maternalen Gerinnungs-
status. Sectio oder Sectio parva bei schwerem maternalen Gerinnungs-
defekt, Plazenta praevia, vorzeitiger Lösung oder DIC.
4 Entbindung/Nachsorge: Obduktion und genetische Untersuchung des
Feten nur bei vorliegender Einverständniserklärung der Eltern.
4 Thromboseprophylaxe bei protrahiertem Verlauf, bei Verdacht auf In-
fektion Antibiose. FFP bei Fibrinogen <100 mg/dl, Thrombopenie
<20000/μl erfordert die Substitution mit Thrombozytenkonzentraten.
13.5 · Intrauteriner Fruchttod
155 13
4 Dead fetus syndrome: Innerhalb ersten 10 Tage selten, jedoch 5 Wo- Eigene Notizen
chen nach IUFT in 25–40%! Bei Retention des abgestorbenen Feten
schleichende Gerinnungsstörung mit Fibrinogenabfall <150 mg/dl,
Verlängerung der PTT, Thrombopenie <100000. Das Akutereignis einer
Fruchtwasserembolie erfordert bei sehr hoher maternaler Mortalität
Intensivtherapie und unmittelbare Entbindung.
4 IUFT eines Zwillings:
5 Chorionizität überprüfen
5 30 SSW anstreben
5 Bei FFTX Lasertherapie erwägen
5 Engmaschig BB, Gerinnung, CRP
5 CTG täglich
5 US/Doppler 2-mal/Woche
5 Entbindung: Spontangeburt anstreben, oft jedoch Sectio aufgrund
fehlender Einstellung des vitalen Zwillings. Unmittelbare Sectio bei
beginnender Gerinnungsstörung. Die Prognose für den überleben-
den Geminus ist bei monochorioter Situation mit 12% Mortalität
und 26% neurologischen Defekten ernst, hingegen bei dichorioter
Situation mit 4% Mortalität und 12% neurologischen Defekten
deutlich besser.
Der psychologischen Betreuung kommt große Bedeutung zu; wichtig ist die
Anerkennung der Schwangerschaft und des abgestorbenen Kindes unab-
hängig von SSW. Vorsichtige Wortwahl, Zeit geben. Möglichkeit professio-
neller Hilfe durch Psychosomatik bzw. Psychologie und Seelsorge sollte
aufgezeigt, Kind nach der Geburt im Kreißsaal/Zimmer belassen werden.
Sehr hilfreich neben oder im Rahmen professioneller Hilfe in der Verarbei-
tung sind Rituale, z.B. Lagerung des Kindes in einem Körbchen, Segnungs-
zeremonie durch SeelsorgerIn, Kerzen, Gebet, etc. Beerdigung ansprechen,
nach Gesetz Pflicht ab 500 g Geburtsgewicht. Besondere Beachtung gilt der
psychologischen Aspekte nicht nur im Akutfall und Nachbetreuung, son-
dern auch in der Folgeschwangerschaft.
Ätiologie
Ätiologisch zu unterscheiden ist die frühe symmetrische (20%, vor 20 SSW
beginnend) von der späten eher asymmetrischen (jenseits 20 SSW) IUGR.
Typische Ursachen für die frühe IUGR sind:
4 Chromosomale Störungen (Trisomie, Monosomie, Triploidie)
4 Infektionen (CMV, Toxoplasmose, Röteln, Listeriose, Malaria, etc.)
Klinik
Eine typische klinische Symptomatik ist nicht definiert. Auffällig kann ein
der Schwangerschaftswoche nicht entsprechender Bauchumfang bzw. Sym-
physenfundusabstand sein, bei adipösen Bauchdecken wird dies jedoch
verkannt. Gelegentlich berichten die Schwangeren über verminderte Kinds-
bewegungen, was bereits für Kompensations- bzw. beginnende Dekompen-
sation des fetalen Mangelzustandes sprechen kann.
Diagnostik
Vor der Diagnose IUGR/SGA steht die exakte Überprüfung und ggf. Kor-
rektur des Gestationsalters. Überprüft werden hierbei die Regelanamnese
und der in der Frühschwangerschaft durchgeführte Ultraschall. Eine Kor-
13.6 · Intrauterine Wachstumsrestriktion, »small for gestational age«
157 13
rektur des Gestationsalters soll nur anhand von Messdaten bis zur 12. SSW Eigene Notizen
erfolgen und wird meist ab einer Diskrepanz von mehr als 5 Tagen zwischen
Berechnung über die letzte Periode und Ultraschalluntersuchung im 1. Tri-
menon durchgeführt. Eine spätere Angleichung aufgrund bereits verzöger-
ten Wachstums ist falsch.
Wichtigstes Diagnostikum ist der Ultraschall, mit dem einerseits die
Biometrie vermessen und die Diskrepanz zur SSW festgestellt wird, ande-
rerseits mithilfe der morphologischen Beurteilung des Feten Hinweise auf
mögliche Ursachen gibt: Häufig sind Chromosomenstörungen mit Fehl-
bildungen (ZNS-Fehlbildungen, Herzfehler, Skelettanomalien etc.) und/
oder IUGR/SGA verbunden. Die Durchführung einer Amniozentese oder
Chorionzottenbiopsie bzw. Plazentazentese ermöglicht die Analyse der fe-
talen Zellen und Erstellung eines Karyogramms bzw. gezielte Suche nach
Auffälligkeiten (Mikrodeletionen). Der Ausschluss einer infektiösen Ursa-
che erfolgt über die mütterliche serologische Untersuchung, in Einzelfällen
kann der Erregernachweis aus Fruchtwasser, Chorionzellen oder Fetalblut
nötig sein (CMV, Röteln, Toxoplasmose).
Das pathologische dopplersongrafische Flussprofil der Aa. uterinae
mit erhöhtem Widerstand, persistierender postsystolischer Inzisur
(»Notch«) spricht für eine unzureichende bzw. mangelnde Trophoblastin-
vasion in das mütterliche Deziduagewebe und Myometrium mit nachfol-
gend nicht adäquater Etablierung des uteroplazentaren Kreislaufs. In der
Folge reicht das Plazentazeitvolumen nicht aus, den Feten entsprechend
seines Wachstumspotenzials zu ernähren, schließlich kommt es zur Sauer-
stoffunterversorgung, die eine entsprechende Umstellung der Flussverhält-
nisse im fetalen Kreislauf zugunsten der Gehirndurchblutung zur Folge hat
(»brain sparing«).
Eigene Notizen A. umbilicalis ist ab 32 SSW eine Indikation zur Entbindung, ebenso die
schweren Veränderungen im CTG mit tiefen späten Dezelerationen.
Eine evidenzbasierte Therapie der IUGR gibt es nicht, Zusatzrisiken
wie Stress, Noxen, schlechte Diabeteseinstellung sollen aber unbedingt re-
duziert werden.
Bei Zustand nach Präeklampsie und/oder schwerer IUGR ist der pro-
phylaktische Benefit einer ASS-Gabe (100 mg/Tag) ab Frühschwanger-
schaft erwiesen.
Klinik
Spektrum von subklinisch bis akutes septisches Vollbild. Meist auf der Stufe
der Chorioamnionitis diagnostiziert und therapiert, Vollbild des AIS ist
heute selten anzutreffen.
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
159 13
Diagnostik:
Klinische Kriterien:
4 Temperatur
4 Tachykardie (maternal, fetal)
4 Druckschmerzhafter Uterus
4 Kontraktionen
4 Riechendes Fruchtwasser
Erregernachweis:
4 Kulturell aus mikrobiologischen Abstrichen aus Zervix/Vagina/Frucht-
wasser, mikroskopisch im Gram-Präparat der Abstriche, Erregernach-
weis aus Blutkultur
4 Postpartal sollte ein Erregernachweis aus Plazenta und Eihäuten erfol-
gen, identifizierte Erreger sind insbesondere für die Therapie des Neo-
naten wichtig (Informationsfluss!).
Laborparameter:
4 CRP
4 Leukozyten
4 Engmaschige Verlaufskontrollen
4 Ggf. Zytokinbestimmung (IL-6) aus Blut und Fruchtwasser
4 Glukosespiegel im Fruchtwasser
4 Gerinnungsdiagnostik zum Ausschluss DIC
CTG:
4 Monitoring bzw. Erkennung fetaler Tachykardie und uteriner Kontrak-
tionen.
160 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Vorbeugung
Engmaschiges Monitoring der Schwangerschaft und der Parameter des AIS,
rechtzeitige hoch dosierte Antibiotikagabe.
Komplikation
Sepsis: Das AIS kann über Generalisation der »Lokalinfektion« Chorioam-
nionitis zu der typischen Klinik der Sepsis mit Fieber, Schüttelfrost, Blut-
druckabfall, Tachykardie, Bewusstseinseintrübung, Oligo/Anurie führen.
Laborparametrisch werden die Parameter Leukozytenzahlen, Thrombozy-
ten, Serumkreatinin, Procalcitonin, Gerinnungsparameter, Laktatspiegel
zur Definition herangezogen.
Oberstes Therapieziel ist die Eliminierung des Infektionsherdes und
die hoch dosierte Anitbiotikatherapie, die sich nach Erhalt des Erreger-
spektrums anpassen lässt.
Die interdisziplinäre intensivmedizinische Behandlung ist absolut er-
forderlich. ! Cave Auch ein infizierter Abort kann in ein Amnioninfek-
tionssyndrom und eine vital bedrohliche Sepsis münden. Das Erregerspek-
trum ist hier meist gemischt und die Infektion erfolgt durch Aszension,
13 Plazentareste oder operative Eingriffe sind prädisponierende Faktoren.
Therapeutisch sind auch hier die breit- und hoch dosierte Antibiotikaappli-
kation, die rasche Entfernung des Infektionsherdes (Kürettage, ggf. Hyster-
ektomie als ultima ratio) sowie intensivmedizinische interdisziplinäre Be-
treuung indiziert.
Epidemiologie
Etwa 15% aller Schwangeren weisen eine vaginale Streptokokkenbesiedlung
auf. In einem Drittel ist die Besiedlung des Urogenitaltrakts während der
gesamten Schwangerschaft nachweisbar, bei zwei Dritteln nur intermittie-
rend. Abhängig vom Ausmaß der mütterlichen Besiedlung erfolgt eine sub-
partale Kontamination bei etwa 50–60% der Neugeborenen. Hieraus kann
sich die konnatale Infektion vom Early-Onset-Typ in 1–2% oder Late-On-
set-Typ in 0,5% entwickeln.
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
161 13
Ätiologie Eigene Notizen
4 Erreger: Streptokokken der Gruppe B sind grampositive Kokken, un-
terschieden werden 4 verschiedene Serotypen und Subtypen, bilden
Exotoxine und Endotoxine.
4 Übertragung: Pränatale und subpartale Infektion des Un- bzw. Neuge-
borenen. Die postnatale Infektion ist als nosokomiale Infektion einzu-
stufen. Infektionen von Erwachsenen mit Streptokokken der Gruppe B
entstehen häufig durch Kontaktschmierinfektionen.
Klinik
Das Spektrum ist bei Erwachsenen sehr variabel (Harnweginfektionen, Sep-
tikämien, Pneumonien, Meningitis, Arthritis, Otitis etc.). Eine Streptokok-
keninfektion in der Schwangerschaft geht häufig mit vorzeitiger Wehentä-
tigkeit einher und kann zu septischen Aborten, Amnioninfektionssyndrom
und transitorischer Bakteriämie führen. Postpartal besteht ein Zusammen-
hang mit Sepsis, Endometritis und Harnweginfektionen.
Die Neugeboreneninfektion ist abhängig von verschiedenen Risikofak-
toren:
4 Hohe Keimdichte im Urogenitaltrakt der Mutter
4 Zeitspanne zwischen Blasensprung und Geburt (>18 h)
4 Fieber sub partu >38°
4 Frühgeburt vor 37+0 SSW
4 Bakteriurie mit Streptokokken der Gruppe B während der Schwanger-
schaft
4 Zustand nach Geburt eines an einer Streptokokkeninfektion erkrankten
Neugeborenen
Die Erkrankung des Neugeborenen verläuft meist sehr schwer; die Frühform
(Early Onset) beginnt überwiegend am 1.–5. Lebenstag mit Zeichen der
Sepsis mit Atemnotsyndrom und Schock, Meningitis, seltener Pneumonie,
der Verlauf meist foudroyant mit 50–60% Mortalität. Die späte Form (Late
Onset) beginnt zwischen der ersten Lebenswoche und dem 3. Lebensmonat
meist mit Manifestationsform Meningitis und relativ guter Prognose.
Diagnostik
Schwerpunkt liegt in:
4 Kultureller Erregeranzucht und anschließender serologischer Gruppen-
bestimmung
4 Material: Blut, Urin, Liquor, Eiter, Vaginalabstrich, Zervixabstrich,
Analabstrich
4 Empfohlen wird die Untersuchung mittels Vaginal-/Zervixabstrich in
der 32.–35. SSW
Therapie
Empfindlichkeit auf β-Laktamantibiotika, in der Schwangerschaft Therapie
mit Penicillin oder Ampicillin als Mittel erster Wahl.
Bei bekannter Besiedlung mit Gruppe-B-Streptokokken (GBS) oder
Zustand nach infiziertem Kind muss sub partu eine antibiotische Prophy-
162 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen laxe mit Penicillin G i.v. einmalig 5 Mio E, dann alle 4 h verabreicht wer-
den, alternativ Ampicillin 2 g, dann 1 g alle 4 h.
Bei negativem oder unbekanntem Status erfolgt keine Prophylaxe. Aus-
nahme:
4 Unbekannter GBS-Status und drohende Frühgeburt von 37+0 SSW
4 Blasensprung vor ≥18 h
4 Mütterliche Temperatur ≥38°C
Chlamydien-Infektion
Epidemiologie und Ätiologie
In Europa ist die Chlamydien-Infektion eine seltene Geschlechtskrankheit.
Der Erreger Chlamydia trachomatis mit Serovariationen L1–L3 wird über
sexuelle Kontakte übertragen.
Klinik
Regionäre Lymphknotenschwellung in 60%, einseitig, hart, schmerzlos.
Primärerscheinungen an der Portio sind möglich.
Lymphogranuloma venereum: Lymphangitis mit Hyperplasie des peri-
rektalen und intestinalen Gewebes. Weitere mögliche Folgen sind perianale
Abszesse, rektovaginale/anale Fisteln und Stenosen.
Diagnostik
Antikörpermarkierung macht Erreger im Fluoreszenzmikroskop sichtbar,
ferner ELISA und PCR. (Neue Regelung in der Schwangerenvorsorge: Urin-
13 kultur).
Therapie
Erythromycin 500 mg 4-mal täglich oral über 7 Tage. Bei Vorliegen eines
anorektalen Syndroms ist ggf. eine Entbindung per primärer Sectio indi-
ziert.
Prävention
Expositionsprophylaxe.
Neisseria gonorrhoeae (Gonorrhoe)
Epidemiologie und Ätiologie
Die Gonorrhoe gehört zu den häufigsten Geschlechtskrankheiten mit einer
weltweiten Ausbreitung von bis zu 25 Mio Neu(!)erkrankungen pro Jahr.
Besonders hohe Prävalenz in Entwicklungsländern, in Deutschland wird
mit 4 Erkrankten/100000 Einwohnern gerechnet, betroffen sind überwie-
gend Jugendliche und junge Erwachsene.
4 Erreger: Neisseria gonorrhoeae, gramnegative Diplokokken mit ver-
schiedenen serologischen Typen unterschiedlicher Pathogenität. Außer-
halb des menschlichen Organismus nicht überlebensfähig.
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
163 13
Prävention
Aufklärung über sexuelles Risikoverhalten. Es steht keine Impfung zur Ver-
fügung. Die Credé-Augenprophylaxe des Neugeborenen zur Vermeidung
der Gonoblenorrhoe mit Einträufeln 1%-iger Silbernitratlösung wird zu-
nehmend seltener durchgeführt.
Lues (Syphilis)
Epidemiologie und Ätiologie
4 Weltweit vorkommend, Abnahme in Industriestaaten.
4 Erreger: Schraubenförmiges Bakterium Treponema pallidum.
4 Übertragung: Hauptsächlich durch sexuelle Kontakte, Kontagiosität
am größten im Primär- und Sekundärstadium. Selten Übertragung bei
164 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Klinik
Erworbene und angeborene Syphilis sind zu unterscheiden.
Erworbene Syphilis ist zyklisch:
4 Primärstadium: nach 3-wöchiger Inkubationszeit im Bereich der La-
bien, Vulva, Portio mit typischer Konsistenz (harter Schanker) und
Lymphadenitis in den Leistenbeugen.
4 Sekundärstadium: 6–12 Wochen nach Primäraffekt auftretende Erschei-
nungen im Genitalbereich: Condyloma lata, syphilitisches Exanthem,
gelegentlich auch unter den Mammae, Achselhöhlen, und Mundschleim-
haut. Generalisierung der Infektion mit Allgemeinbeschwerden.
4 Latenzstadium: Symptomfreie Phase, in der die Symptome des Stadium
II wieder auftreten können.
4 Tertiärstadium, Spätsyphilis: Tuberonodöse Syphilitiden und Gummen
an der Haut, Befall des kardiovaskulären und zentralnervösen Systems
mit Aortenaneurysmen, Tabes dorsalis, und Apoplex, durchaus letaler
Ausgang.
Angeborene Syphilis:
4 Syphilis connata: Syphilis congenita praecox mit Manifestation bis
zum 2. Lebensjahr entsprechend dem Bild der Syphilis des Erwach-
13 senen.
4 Syphilis congenita tarda: entsprechend der Spätsyphilis des Erwachse-
nen, beginnt jenseits des 2. Lebensjahrs, charakteristisch ist die Hutchin-
son-Trias mit Keratitis parenchymatosa, Innenohrschwerhörigkeit und
Tonnenzähnen. Theoretisch können alle Organe betroffen sein.
4 In der Schwangerschaft keine Verschlechterung des Verlaufs, jedoch hat
das Erkrankungsstadium Einfluss auf den Ausgang der Schwanger-
schaft, Zeitpunkt der Infektion bestimmt die Schwere der kindlichen
Erkrankung. Erhöhte Rate an Spontanaborten, Tot- und Frühgeburten
und Hydrops fetalis, erhöhte perinatale Mortalität. 50% aller infizierten
Feten sterben intrauterin ab, postnatal frühe oder späte konnatale Sy-
philis mit den jeweiligen Defektzuständen.
Diagnostik
Hauptsächlich direkter Erregernachweis mittels Dunkelfeldmikroskopie
und serologische Nachweisverfahren.
Stadium I: Material aus Primäraffekt, serologische Stufendiagnostik:
4 TPHA erkennt IgG- und IgM-Antikörper (frühestens 2 Wochen nach
Infektion)
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
165 13
Schwangere sind so früh wie möglich im 1. Trimenon und vor der Geburt
serologisch auf Syphilis-Antikörper zu untersuchen. Nach Totgeburt sollte
ein Screening erfolgen. Bei positiver Serologie wird der Ausschluss einer
HIV-Infektion empfohlen. Sonografische Hinweiszeichen:
4 Restriktives fetales Wachstum
4 Hydrops
4 Hepatomegalie
4 Hydropische Plazenta
Therapie
Eine Behandlung sollte ausschließlich bei Vorliegen eindeutiger serologi-
scher Befunde bzw. erfolgtem Erregernachweis erfolgen. In allen Stadien ist
Penicillin das Mittel der Wahl, wenn auch in unterschiedlicher Dosierung
und Anwendungsdauer (s.a. Empfehlungen der Deutschen STD-Gesell-
schaft sowie der internationalen Gremien (CDC, CEG) zur Therapie in der
Schwangerschaft). In Deutschland wird Clemozolpenicillin G empfohlen.
! Cave Behandlung kann eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion hervorrufen,
meist mild und nach 48 h abgeklungen.
Alternative zu Penicillin sind Ceftriaxon oder Erythromycin. Präven-
tivbehandlung des Neugeborenen ist notwendig, wenn die Mutter noch gar
nicht, unzureichend oder erst gegen Ende der Schwangerschaft behandelt
wurde. Serologische und klinische Nachkontrollen sind nötig.
Prävention
Wichtig ist Vermeidung des Kontakts mit syphilitischen Effloreszenzen,
Kondomverwendung. Stillverbot gilt bei nicht ausreichender Therapie der
Mutter. Die erregerspezifischen serologischen Tests in der Schwangerschaft,
festgelegt in den Mutterschaftsrichtlinien, haben zur deutlichen Senkung
der konnatalen Lues beigetragen.
166 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Epidemiologie
Weltweite Verbreitung, Schwerpunkte liegen in Osteuropa, Zentralafrika,
Asien, Teile Südamerikas; 2000 Neuinfektionen treten in Deutschland/Jahr
auf, davon ca. 25% Frauen. Letalität ohne Behandlung liegt bei >60% nach
15 Jahren. Fortschritte in der antiretroviralen Therapie haben Lebenserwar-
tung und Lebensqualität deutlich verbessert, sodass HIV-positive Frauen
zunehmend schwanger werden bzw. den Wunsch nach einer Schwanger-
schaft äußern. Vor diesem Hintergrund ist die Betreuung HIV-diskordanter
Paare von großer Bedeutung. Aktuelle Zahlen und Entwicklung der HIV-
Infektionen werden regelmäßig vom Robert-Koch-Institut publiziert.
Ätiologie
4 Erreger: das humane Immundefizienzvirus gehört zu den Retroviridae.
Unterschieden werden das HIV-1- und das HIV-2-Virus mit jeweils
9 und 5 Subtypen.
4 Übertragung: v.a. sexuell, abhängig von Viruslast, die in Sperma, Vagi-
nalsekret und Blut besonders hoch ist. Weitere Übertragungswege sind
intravenös verabreichte Blutprodukte/Konserven, intravenöser Dro-
genkonsum und maternofetale Transmission. Diese kann sowohl wäh-
rend der Schwangerschaft, sub partu und postpartal durch die Mutter-
milch geschehen. Auffällig hoch ist die peri- und intrapartale Transmis-
sion. 75% der maternofetalen Übertragung erfolgen unter der Geburt
oder kurz davor. 25% der Transmissionen geschehen durch das Stillen.
Sowohl HIV-assoziierte als auch geburtsmechanische Risikofaktoren
beeinflussen die maternofetale-HIV-Transmission.
5 HIV-assoziierte Risikofaktoren sind:
J Erhöhte HIV-Virämie, HIV-RNA-Zahl und p24-Antigen-Ämie
13 J Verringerte CD4-Zell-Zahlen und neutralisierende Antikörper
J HIV-Varianten und eine progrediente HIV-Infektion
5 Geburtsmechanische Risiken sind:
J Vaginale Entbindung
J Dauer der Zeitspanne Blasensprung – Geburt
J Amnioninfektion
J Frühgeburt
J Vorzeitige Wehen
J Induzierter Spätabort
J Blutiges Fruchtwasser
J Führender Zwilling gefährdeter
Klinik
Der für den klinischen Verlauf entscheidende Faktor einer HIV-Infektion
besteht in der Unfähigkeit des Organismus die Viren zu eliminieren, die
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
167 13
Infektion verläuft progredient und mündet in einer starken Immunsuppres- Eigene Notizen
sion bzw. einem Zusammenbruch des Immunsystems mit letalem Ausgang.
Das Stadium der Primärinfektion ist oft klinisch inapparent bis hin zu einem
mononukleoseähnlichen Krankheitsbild, gefolgt von einer Latenzphase, die
bis zu 15 Jahre ohne Symptome verlaufen kann; die generalisierte Lymph-
adenopathie steht in 40% vor dem Übertritt in das Immundefizienzstadium
AIDS, welches als Endbild der HIV-Infektion durch zahlreiche opportunis-
tische Infektionen, Malignome und neurologische Erkrankungen gekenn-
zeichnet ist.
Schwangerschaft und Geburt führen nicht zu einer Verschlechterung
des Verlaufs einer vorbestehenden HIV-Infektion, ebenso fehlen Hinweise
auf ein HIV-spezifisches Syndrom oder Hinweise für bestimmte fetale
Fehlbildungsmuster. Dennoch ist ein erhöhtes Morbiditätsrisiko in der
Schwangerschaft zu erwarten, wie Abort, vorzeitiger Blasensprung und/
oder Wehentätigkeit, Frühgeburt, uteroplazentare Mangelversorgung, Ko-
infektionen (Candida, HPV, HSV), Chorioamnionitis, Anämie, Gestations-
diabetes, Hautaffektionen, zervikale Dys- bzw. Neoplasien.
Das fetale Risiko ist v.a. durch die intrauterine Wachstumsrestriktion
mit erniedrigtem Geburtsgewicht und erhöhter perinataler Morbidität und
Mortalität gekennzeichnet. Im Fall einer perinatalen Infektion kommt es
in bis zu 30% zu einer schweren Verlaufsform der HIV-Infektion mit früh
auftretenden AIDS-definierenden Erkrankungen in den ersten Lebens-
monaten bis Jahren; in 70–75% langsam progrediente Verlaufsform.
Diagnostik
So früh wie möglich sollte nach Aufklärung und Einverständnis der
schwangeren Patientin ein HIV-Test durchgeführt werden. Screening-Me-
thode in der Schwangerenvorsorge ist der Nachweis spezifischer Antikör-
per gegen HIV-1 und HIV-2, ein positives Ergebnis muss stets durch ein
weiteres Untersuchungsverfahren (z.B. Western-Blot) gesichert werden.
> Memo HIV-Test und Test-Ergebnis dürfen nicht im Mutterpass doku-
mentiert werden.
Im Fall einer HIV-Infektion bzw. Erstdiagnose in der Schwangerschaft
muss die Patientin in ein Schwerpunktzentrum überwiesen und einer in-
terdisziplinären Betreuung (Gynäkologen, Geburtshelfern, Internisten,
Pädiatern) zugeführt werden, wo spezialisierte Beratung und Behandlung
sowie psychosoziale Betreuung erfolgen. Allgemeine Schwangerenvorsor-
ge erfolgt gemäß den Mutterschaftsrichtlinien.
Therapie
Bei der Betreuung HIV-positiver Schwangerer geht es neben der gesund-
heitlichen Behandlung um die Verhinderung einer maternofetalen Virus-
transmission. Dies wird insbesondere erreicht durch:
4 Antiretrovirale Therapie (ART)
4 Primäre Sectio am wehenlosen Uterus (Ausnahmen s.u.)
4 Antiretrovirale Prophylaxe und generelles Stillverbot
168 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Prävention
Eine Impfung gibt es derzeit nicht. Prävention beschränkt sich auf Aufklä-
rung der Bevölkerung hinsichtlich der Gefährdung durch ungeschützten
Geschlechtsverkehr, sorgfältige Kontrolle von Blutkonserven und Blutpro-
dukten. Einem besonderen Risiko bei gemeinsamem Spritzen-/Kanülenge-
brauch sind Drogenabhängige ausgesetzt. Eine sekundäre Sectio ist unter
prophylaktischem Gesichtspunkt zur Verhinderung einer Transmission nur
bis 5 h nach Blasensprung und in der Eröffnungsperiode wirksam. Generell
gilt ein Stillverbot, da durch die Muttermilch selbst und durch blutige Ma-
millen eine Infektionsgefahr für das Neugeborene besteht.
Im 1. Trimenon wird die Durchführung eines Ersttrimester-Screening
mit Messung der Nackentransparenz empfohlen, um das individuelle An-
euploidierisiko einzugrenzen. Eine invasive Diagnostik sollte wegen Kon-
taminations- und Transmissionsgefahr nur bei strengster Indikationsstel-
lung und dann unter antiretroviraler Therapie bzw. Prophylaxe erfolgen.
Bei unbekanntem HIV-Status sollte vor invasiver Pränataldiagnostik ein
Test angeboten werden.
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
169 13
Klinik
Akute Parvo-B19-Infektion kann symptomlos verlaufen, hat als typische
klinische Manifestation das Erythema infectiosum (Ringelröteln) im Be-
reich von Gesicht und Extremitäten. Arthralgien können über längere Zeit
persistieren. Sistieren der Erythropoese führt selten zu einer aplastischen
Krise. Infektion in der frühen Schwangerschaft führt gehäuft zum Abort.
Infektionen im zweiten Trimenon können durch die Suppression auch der
fetalen Erythropoese zu einer fetalen Anämie mit konsekutivem Hydrops
170 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen fetalis mit Herzinsuffizienz bis hin zum intrauterinen Fruchttod führen.
Fehlbildungen, die durch das Parvo-B19-Virus verursacht werden, sind
nicht bekannt.
Diagnostik
Serologische Untersuchung mit Nachweis von Immunglobulin-M- und Im-
munglobulin-G-Antikörpern. Bei positivem IgM-Nachweis besteht eine
frische Infektion. Bei Erstinfektion in der Schwangerschaft müssen durch
wöchentliche Ultraschall- und Doppleruntersuchungen des Feten Hinweise
auf eine beginnende Anämie (systolische Maximalgeschwindigkeit der
A. cerebri media) und Anzeichen eines Hydrops fetalis (Aszites, Pleuraer-
güsse, Hautödem) überwacht werden. Eine Untersuchung des fetalen Bluts
und/oder Fruchtwassers sichert die Verdachtsdiagnose einer fetalen Infek-
tion (IgM und PCR-Nachweis in Blut und Fruchtwasser).
Therapie
Einzig kurative Therapie der fetalen Anämie ist die intrauterine Transfusion.
Eine aktive Impfung existiert nicht. Passivimpfung theoretisch möglich,
wird aber nach Kontakt mit infizierter Person derzeit von der STIKO (stän-
dige Impfkommission) nicht empfohlen.
Prävention
Eine spezifische Expositionsprophylaxe steht nicht zur Verfügung, serone-
gative Schwangere sollen den Kontakt mit Parvo-B19-infizierten Personen
meiden (seronegative schwangere Kindergärtnerinnen erhalten z.B. Be-
schäftigungsverbot).
Übertragung der Viren meist über die Muttermilch, in 50% der infizier- Eigene Notizen
ten Mütter positiver Milchnachweis. Säuglinge und Kleinkinder schei-
den die Erreger bis über Jahre in Speichel und Urin aus (weitere Infek-
tionsquelle).
Klinik
Abhängig vom Immunstatus des Patienten ist der klinische Verlauf variabel.
Meist besteht ein asymptomatischer Verlauf einer Erstinfektion bei immun-
kompetenten Patienten. Unspezifische Symptome (Fieber, Müdigkeit,
Lymphknotenschwellung) sind möglich, selten Mononukleose-ähnliches
Krankheitsbild. Nach Primärinfektion besteht meist chronisch-persistie-
rende Infektion, Reaktivierung möglich. CMV ist die häufigste prä- und
postnatale Virusinfektion in Deutschland. Hauptrisiko besteht für das Kind
bei Primärinfektion in der Schwangerschaft, dann 25%iges Risiko für kon-
genitales Zytomegaliesyndrom mit verschiedenen klinischen Manifestatio-
nen und eine Letalität von 10%.
Kongenitales CMV-Syndrom:
4 Zerebral: Mikrozephalie, Hydrozephalus, lymphozytäre Meningitis,
Enzephalitis, periventrikuläre Verkalkungen, Neugeborenenkrämpfe,
Chorioretinitis
4 Viszeral: Hepatosplenomegalie, Aszites, Leberenzymwerterhöhung,
Ikterus, Thrombozytopenie (Petechien), Purpura, Anämie
4 Weitere Komplikationen: Frühgeburtlichkeit, intrauterine Wachstums-
restriktion, Neugeborenensepsis, CMV-Ausscheidung im Urin
4 Spätschäden: Sprachstörungen, Taubheit, Intelligenzdefekte, geistige
und körperliche Entwicklungsverzögerung
Diagnostik
Immunstatus, akute sowie reaktivierte Infektion mittels Antikörperbestim-
mung, ggf. Aviditätsbestimmung diagnostizieren. Serologische Diagnostik
weist IgG-/IgM-AK im Rahmen der Serokonversion nach. Pränatale inva-
sive Diagnostik (Virusnachweis mittels PCR, Immunglobulin-M-Bestim-
mung in fetalem Blut und Fruchtwasser) sollte bei auffälligen serologischen
Befunden und auffälligen sonografischen fetalen Befunden erfolgen. Auf-
fällige fetale Sonografie jenseits 24 SSW (Mikrozephalie, Hydrozephalus,
IUGR, echoreicher Darm, Aszites, Hydrops etc.) weist auf eine kongenitale
Infektion und Erkrankung hin.
Therapie
Während Schwangerschaft und Stillzeit können human CMV-neutralisie-
rende Immunglobuline (Cytoglobulin, Cytotect CP) verabreicht werden,
der Einsatz ebenso wie Aciclovir sollte jedoch derzeit nur unter Studien-
bedingungen erfolgen, eine ausreichende Neutralisation des CMV durch
die Immunglobuline erfolgt laut derzeitiger Datenlage nicht. Die Beendi-
gung der Schwangerschaft ist bei schwerer fetaler Schädigung und zu erwar-
tender schlechter postnataler Prognose mit den Eltern zu diskutieren.
172 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
13.7.6 Varizella-Zoster-Virus-Infektion
Klinik
Varizellen sind durch das typische schubweise auftretende makulopapulöse
Exanthem gekennzeichnet, startend an Kopf, dann gesamten Körper ergrei-
fend, Abheilung nach 7–10 Tagen. Kopfschmerzen, Fieber, Unwohlsein,
Gliederschmerzen, nur in 5% subklinisch verlaufend.
Komplikationen:
4 Pneumonie
4 Meningoenzephalitis
13 4 Otitis media
4 Thrombozytopenie
4 Hämorrhagische Nephritis
4 Myokarditis
4 Bakterielle Superinfektionen
Diagnostik
Virusnachweis aus Bläscheninhalt und Liquor (PCR, nur bei atypischen
Verläufen), ZNS-Beteiligung, ggf. in der Schwangerschaft, Antikörpernach-
weis aus Blut und Liquor, Nachweis fetaler Infektion aus Fruchtwasser oder
fetalem Blut.
Diagnostisches Vorgehen bei Varizellenkontakt in der Schwanger-
schaft:
4 Nachweis VZV-IgG und IgM im Serum
4 Falls IgG postitiv: Immunität vorhanden; IgG negativ: fehlender Im-
munschutz
4 Nach Inkubationszeit anhand des klinischen Bildes, ggf. Virusnachweis
aus Bläschen
4 Sonografische Detaildiagnostik mit 20–22 SSW.
Therapie
Symptomatische Therapie mit Antipyretika, Juckreiz stillenden Mitteln,
Antibiose bei bakteriellen Superinfektionen, Aciclovirgabe innerhalb 24–
72 h nach Krankheitsbeginn möglich. In Terminnähe ist eine Tokolyse sinn-
voll, um die Geburt 3–4 Tage zu verzögern, damit die maternalen Immun-
globulin-G-AK auf den Feten übertragen werden können, der peak ist etwa
5–6 Tage nach akuter Infektion zu erwarten. Ggf. auch Gabe von Varizellen-
Immunglobulin.
Passive Immunisierung mit Varicella-Zoster-Immunglobulin (VZIG):
Eine postexpositionelle Varizellenprophylaxe mittels VZIG wird innerhalb
von 96 h nach Exposition in den ersten 20 Schwangerschaftswochen wegen
Gefahr des kongenitalen Varizellensyndroms empfohlen, wodurch jedoch
auch bei optimalem Zeitmanagement nur 50% der Infektionen abgewendet
werden können. In den übrigen Fällen kommt es zu einem attenuierten
oder typischen Verlauf. Indiziert ist die Gabe bei mütterlicher Infektion in
Terminnähe, um einen Transfer der IgG transplazentar zu erzielen. Bei
maternaler postpartaler Infektion erhält nur das Neugeborene die Immun-
globulingabe. Es müssen dann Mutter und Kind voneinander isoliert wer-
den und ein Stillverbot bis zum Nachweis mütterlicher Antikörper einge-
halten werden.
174 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Klinik
Schmerzhafte Infektionen der Haut und Schleimhäute; unterschieden wer-
den muss zwischen der Primärinfektion und dem Rezidiv:
4 Primärinfektion: Bei genitalem Herpes treten nach 4–5 Tagen Inkuba-
tionszeit erythematöse Papeln auf, die zu Vesikeln und Pusteln werden,
die auf Vulva, Vagina und Zervix verteilt sind. Nach 4–5 Tagen Entlee-
rung und Bildung von schmerzhaften Ulzerationen, die nach weiteren
13 6 Tagen eintrocknen und 1 Woche Heilung benötigen. Teils starker Lei-
densdruck durch Schmerzen, Pruritus, Fluor, gelegentlich Dysurie,
Lymphknotenschwellungen in 75% Fieber.
4 Rezidiv: Milderer und kürzerer Verlauf, Prodromi sind Parästhesien im
Genitalbereich, oft nur Fluorveränderung als klinisches Zeichen des
Rezidivs bemerkt.
Therapie
Ab 15. SSW wird sowohl bei primären als auch rezidivierenden Herpes-
genitalis-Infektionen Aciclovir appliziert (5-mal 200 mg/Tag über 5 Tage).
Bei akuter symptomatischer Herpes-genitalis-Infektion sollte eine Sectio
caesarea vor bis spätestens 4–6 h nach Blasensprung erfolgen. Im Falle eines
Rezidivs ist eine vaginale Entbindung unter 5-mal 200 mg Aciclovir/Tag
möglich. Die Therapie des neonatalen Herpes erfolgt über 10 Tage gewichts-
adaptiert.
Prävention
Wichtig ist die Vermeidung einer maternofetalen Transmission durch Sec-
tio caesarea bei akuten Läsionen im Genitalbereich zum Zeitpunkt der Ge-
burt, Aciclovirgabe bei v.a. primärer HSV-Infektion. Zu beachten ist die
Verwendung von Kondomen während der SS und Vermeidung orogenitaler
Kontakte bei HSV-1- und HSV-2-negativen Schwangeren. Verdächtige
Neugeborene müssen von anderen isoliert werden. Bei primärer Herpes-
simplex-Infektion der Brustregion ist Stillen nicht erlaubt. Bei Herpes
labialis muss die Mutter einen Mundschutz tragen.
13.7.8 Röteln-Infektion
Klinik
Auf fieberhafte erkältungsähnliche Prodromi folgen dann insbesondere
nuchale, postaurikuläre und okzipitale Lymphadenopathie mit kleinflecki-
gem Exanthem von Gesicht/Hals über Rumpf und Gliedmaßen ausbreitend,
Rückgang nach wenigen Tagen. Mit 50% subklinischem Verlauf, selten
Komplikationen. Primärinfektion kurz vor oder während der Schwanger-
schaft kann zu schweren Embryo- und Fetopathien führen. Während der
176 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen maternalen Virämie erfolgt die transplazentare Übertragung auf Embryo
bzw. Feten, je früher die Infektion erfolgt, desto größer die Gefahr von Fehl-
bildungen der in der angetroffenen Phase sich entwickelnden Organe.
Häufigkeit der Schäden bei Infektion in SSW:
4 2–6 SSW >60%
4 7–9 SSW 25%
4 10–12 SSW 20%
4 13–17 SSW 10%
4 18–21 SSW <3,5%
Diagnostik
13 Nachweis virusspezifischer Immunglobulin-M-Antikörper und signifi-
kanter IgG-Antikörperanstieg. Im Vordergrund steht meist die Einschät-
zung der Immunlage nach Rötelnkontakt in der Schwangerschaft:
4 HAH-Titer <1:8 keine Immunität
4 HAH-Titer 1:8–1:32 Immunität anzunehmen, wenn im ELISA nega-
tives IgM und positives IgG
4 HAH-Titer >1:32 Immunität anzunehmen
Therapie
Es ist keine spezifische Therapie verfügbar, daher symptomatische Behand-
lung. Indikation zur passiven Immunisierung besteht bei seronegativen
Schwangeren nach Rötelnkontakt bis 16 SSW, Effektivität ist aber umstrit-
ten, maternale Virämie und fetale Infektion sind nicht sicher verhinderbar.
Bei nachgewiesener Rötelninfektion sollte der Schwangeren im 1. Trimenon
aufgrund des hohen Risikos der kindlichen Schädigung die invasive prä-
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
177 13
natale Diagnostik angeboten werden, die bei positivem Ergebnis oft eine Eigene Notizen
Beendigung der Schwangerschaft zur Folge hat.
Prävention
Bestimmung der Immunitätslage vor bzw. in der frühen Schwangerschaft
(Pflicht nach Mutterschaftsrichtlinien), Impfung innerhalb der ersten 3 Mo-
nate nach Entbindung, Stillen ist möglich.
13.7.9 Toxoplasmose-Infektion
Klinik
4 Maternale Klinik: Meist verläuft die Toxoplasmose asymptomatisch
ohne Erkrankung. Symptome können grippeähnlich mit zervikaler
Lymphknotenschwellung und Lymphadenitis, Fieber, Gliederschmer-
zen sein.
4 Kindliche Manifestation bei Infektion im 1. Trimenon: Abort, 2./3. Tri-
menon: retinochorioditische Residuen, Hydrozephalus, intrazerebrale
Verkalkungen, postenzephalitische Schäden, Fieber, Splenomegalie,
Hepatomegalie, Lymphadenitis, Anämie, Retinochorioiditis bis hin zu
symptomlosen Verläufen mit Entwicklung von Spätmanifestationen.
178 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Therapie
Bei Bestätigung der Infektion bzw. begründetem Verdacht erfolgt eine Me-
dikation bis zum Ende der 15. SSW mit Spiramycin. Ab 16. SSW Sulfadiazin
und Pyrimethamin über 4 Wochen. Folinsäuregabe zur Vorbeugung von
Hämatopoesestörungen. Durch Antibiose erfolgt keine Verringerung der
13 pränatalen Infektionen, aber Verringerung der Anzahl geschädigter Feten.
Eine darüber hinaus dauernde Therapie ist bei negativer FW-PCR in ihrem
Benefit nicht erwiesen, wohl aber reduziert sich die Compliance bei erheb-
lichen Nebenwirkungen. Bei Nachweis einer fetalen Toxoplasmose wird
eine Therapie in 4-wöchigem Wechsel der beiden Regime bis zur Geburt
empfohlen.
Prävention
Beratung Schwangerer mit negativer Toxoplasmose-Immunität: kein Ver-
zehr von rohem Fleisch, sorgfältige Händereinigung nach Handling mit
rohem Fleisch, rohes Gemüse und Salat vor dem Verzehr gründlich wa-
schen, Handschuhe bei der Gartenarbeit, Kontakt zu insbesondere jungen
und unbekannten Katzen meiden. Katzenkot rasch aus der Wohnung – von
anderen Personen – entfernen und die entsprechenden Kästen reinigen
lassen.
13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
179 13
13.7.10 Listerieninfektion Eigene Notizen
Ätiologie
4 Erreger: Listeria monocytogenes, ein gramnegatives, fakultativ anaero-
bes Stäbchenbakterium mit hoher Umweltresistenz. Besonders gefähr-
det sind immunsupprimierte Personen, Schwangere, Neugeborene.
4 Übertragung durch Verzehr kontaminierter Nahrung, Kontakt mit in-
fizierten Tieren oder kontaminiertem Erdboden, transplazentare Über-
tragung, postnatale Übertragung durch Kontaktinfektion.
Klinik
Oft inapparente Infektion, die Besiedlung des Intestinaltrakts immunkom-
petenter Organismen bewirkt keine Infektion oder Erkrankung.
Krankheitsbild Listeriose: reduziertes Allgemeinbefinden, Glieder-
und Rückenschmerzen, Fieberschübe. Infektion in graviditate birgt die
Gefahr der intrauterinen Infektion (hämatogen oder lokal von vaginal auf-
steigend).
Symptome der Schwangeren mit Listerieninfektion:
4 Fieber
4 Rhinitis
4 Pharyngitis
4 Kopf- und Rückenschmerzen
4 Schüttelfrost
4 Abdominelle Symptomatik
4 Appendizitis
4 Pyelonephritis
Bei Aszension:
4 Vorzeitige Wehentätigkeit
4 Zervikaler Fluor
Neonatale Prognose ist vom Zeitpunkt der Infektion abhängig, hohe Mor-
talität besteht bei »Early onset«-, bessere Prognose bei »Late onset«-Liste-
riose des Neugeborenen.
Diagnostik
Erregernachweis aus Blut, Pus, Liquor, Zervixabstrich, Lochialabstrich, Me-
konium.
Therapie
Antibiose über 14 Tage mit Amoxicillin und Aminoglykosid (! Cave Per-
sistenz intrazellulär).
180 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Klinik
Symptome der Mutter sind:
4 Plötzlich auftretendes Fieber, Schüttelfrost, Schweißausbrüche
4 Starke Kopf- und Rückenschmerzen
4 Ggf. auch abdominale Symptomatik und Diarrhoe
4 Hepatosplenomegaile, Ikterus, zerebrale Eintrübung
4 Oligurie
Diagnostik
4 Mikroskopie: Dicker Tropfen oder Blutausstrich. Ag-Nachweis im Blut
(Quick-Test).
4 Überwachung fetal: Ultraschall, Dopplersonografie, CTG.
Therapie
In Abhängigkeit der Resistenzlage. Gabe von Chloroquin und Proguanil in
der SS möglich. Mefloquin aufgrund berichteter Fehlbildungsfälle v.a. im
1. Trimenon kontraindiziert.
13.8 · Maternale Erkrankungen
181 13
13.8 Maternale Erkrankungen Eigene Notizen
13.8.1 Schilddrüsenerkrankungen
Physiologie
Schilddrüsenhormone sind für intrauterine und postembryonale Entwick-
lung des Zentralnervensystems von zentraler Bedeutung. Ein Mangel an
Schilddrüsenhormonen führt zur »minimal brain dysfunction« und zu
neurointellektuellen Entwicklungsstörungen.
In der Schwangerschaft liegen physiologischerweise durch erhöhte TBG-
Spiegel erhöhte Gesamt-T4- und -T3-Werte vor. In der Frühschwangerschaft
kommt es in bis zu 20% durch den Anstieg des β-HCG zu einer TSH-Rezep-
tor-vermittelten passageren Erhöhung der SD-Hormonspiegel mit Abfall des
TSH. Diese Hyperthyreose verläuft in der Regel subklinisch.
Selten kommt es in 1–2% zu plazentarer Überstimulation mit manifes-
ter Hyperthyreose, die von anderen Hyperthyreosen abzugrenzen ist (Ba-
sedow-Krankheit, Autonomie). In der Regel Normalisierung der Hyper-
thyreose nach 18 SSW.
SD-Hormonbedarf steigt in der SS um 50% an, dementsprechend er-
höht sich das Organvolumen um 15%. Vermehrte Jodidzufuhr wegen ge-
steigerter Jodid-Clearance, Jodverlust an den Feten und Verminderung der
Plasmajodkonzentration notwendig.
Schwangerschaft gilt insgesamt als Jodmangelsituation.
Es besteht eine Wechselwirkung zwischen Mutter und Fetus; Vermitt-
lung oder Blockade über Plazenta:
4 T3, T4: möglicher diaplazentarer Übertritt
4 Antikörper und Thyreostatika: diaplazentarer Übertritt
4 TSH: blockiert
Klinik
Symptome/Befunde sind:
4 Struma: Kloß- und Druckgefühl
4 Hyperthyreose: Tachykardie, Nervosität, Wärmeintoleranz, Gewichts-
abnahme
5 Komplikationen: Abort (bis 85%), Frühgeburt (bis 25%), IUGR,
Präeklampsie, thyreotoxische Krise, Abruptio placentae
4 Hypothyreose: Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit,
Obstipation, Verlangsamung. Abort-, Frühgeburts-, Präeklampsierisiko
erhöht. ! Cave Subklinische Hypothyreose mit fetalen Entwicklungs-
störungen.
4 Thyreoiditis: Schmerzhaftigkeit
4 Schilddrüsenkarzinom: Schilddrüsenknoten, vergrößerte Lymphkno-
ten, Heiserkeit.
182 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
13 13.8.2 Nierenerkrankungen
Klinik
Anamnese: Verringertes eigenes Geburtsgewicht, familiäre schwanger-
schaftsinduzierte und sonstige Hpertonien/Proteinurien sowie Systemer-
krankungen sollten erfragt werden, da sie Risikobedeutung für die aktuelle
Schwangerschaft haben.
Hinweise auf eine vorbestehende Nierenerkrankung sind:
4 Blutdruck- oder Nierenfunktionsveränderungen (inkl. Auftreten einer
Proteinurie) außerhalb und in früheren eigenen Schwangerschaften
4 Präexistente eigene oder familiäre Blutdruck- oder Nierenerkran-
kungen
4 Präexistente Miktionsveränderungen: Dysurie, Pollakisurie, Nykturie,
Polyurie, Hämaturie, schaumiger Urin. Makrohohämaturie, auch inter-
mittierend nach Infekten
4 Ödeme vor der SS, Gewichtsverlauf vor und während der SS
4 Systemische/immunologische Erkrankung
4 Flanken-/abdominelle Schmerzen
4 Urämiesymptome
4 Dyspnoe mit und ohne Belastung
4 Fieber
184 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen Blutdruck: Physiologisches Absinken im 1. Trimenon mit der Folge, dass
80% der Schwangeren einen systolischen Blutdruck <124 mmHg haben. Im
SS-Verlauf ist ein leichter Wiederanstieg normal mit Erreichen der Start-
werte am Ende der SS. Ein Ausbleiben dieses Absinkens ist ebenso wie ein
Blutdruckanstieg in der Schwangerschaft als pathologisch zu werten, wei-
tere Abklärung ist notwendig.
Bei moderater bis schwerer Nierenfunktionseinschränkung tritt in bis
zu 85% eine Präeklampsie auf, sodass insbesondere bei Verschlechterung
eines eingestellten Blutdrucks diese ausgeschlossen werden muss.
Die physiologische Gewichtszunahme von etwa 12,5 kg wird im Fall
von Ödemen noch gesteigert, exzessive Gewichtszunahme sollte Anlass zu
weiteren Untersuchungen geben.
Einfluss der Schwangerschaft auf die Nierenerkrankung:
4 Hyperfiltration (Hämodynamik), vermehrte Proteinurie, erhöhter Blut-
druck, schwangerschaftsassoziiert: Präeklampsie, reversible Nieren-
funktionsverschlechterung, irreversible Nierenfunktionsverschlechte-
rung.
4 Einfluss der Nierenerkrankung auf die Schwangerschaft:
4 Erhöhte Risiken für Präeklampsie, Frühgeburt, intrauterine Wachs-
tumsrestriktion, intrauteriner Fruchttod, perinatale Morbidität und
Mortalität erhöht.
Diagnostik
Labordiagnostik:
4 Urinstatus und Urinsediment:
5 Urinstix mittels Teststreifen ist ein schnelles kostengünstiges Scree-
ning-Instrument. Spezifisches Gewicht: falls erniedrigt Hinweis auf
eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, falls erhöht Hinweis auf
prärenale Funktionseinschränkung.
13 5 Nachweis Leukozytenesterase mit oder ohne Nitrit als Hinweis auf
Harnweginfekt.
5 Positiver Albuminnachweis weist auf glomeruläre Proteinurie hin.
5 Höhergradige Ketonurie als Anzeiger einer Ketoazidose (Fastenzu-
stand, Hypermesis, Ketoazidose bei Diabetes)
5 Erhöhter Urobilinogenspiegel bei posthepatischer Cholestase oder
Hämolyse
5 Mikrohämaturie bei Hämolyse.
5 Urinsediment: Leukozyten/Bakterien bei bakterieller Infektion der
Nieren und ableitenden Systeme. ! Cave Leukozyten plus Mikro-
hämaturie: renoparenchymatöse nichtinfektiöse Erkrankung (z.B.
interstitielle Nephritis). Mikrohämaturie plus Proteinurie als Hin-
weis auf Glomerulonephritis.
5 Urinkultur bei Keimzahlen ≥105/ml inklusive Antibiogramm zur
gerichteten Antibiose.
4 Nierenfunktionsdiagnostik:
5 Serumkreatininspiegel: Durch Steigerung der GFR in der SS sinkt
der Kreatininspiegel um 30%, parallel dazu sinkt der Serumharn-
stoffwert um 25%. Daher liegt in der SS bereits ab 0,8 mg/dl Serum-
13.8 · Maternale Erkrankungen
185 13
Differenzialdiagnostik
4 ANV: Sepsis, Rhabdomyolyse, Hämolyse, schwere Präeklampsie/
HELLP, akute Schwangerschaftsfettleber, postpartales idiopathisches
Nierenversagen (HUS/TTP)
4 Chronisches Nierenversagen: idiopathische Glomerulonephritis, im-
munologische Systemerkrankung mit Glomerulonephritis, nicht im-
munologische Systemerkrankung, hypertensive Nephropathie/Nephro-
angiosklerose, genetisch determinierte Erkrankung,
4 Ferner: Kombinationen verschiedener Komponenten, akute Verschlech-
terung einer chronischen Nierenfunktionseinschränkung.
186 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Postpartaler Verlauf
Antihypertensive und ggf. immunsuppressive Medikation muss hinsichtlich
Muttermilchkonzentrationen individuell geprüft werden. Dosisanpassung
der Immunsuppressiva. Enge nephrologische Anbindung erforderlich.
13.8.3 Herz
Physiologie
Im Schwangerschaftsverlauf kommt es zu erheblichen Veränderungen im
kardiovaskulären System, die mit einer erhöhten Kreislaufbelastung im Sinn
einer hyperdynamen Kreislaufsituation einhergehen: Zunahme des zirku-
lierenden Blutvolumens um 40% (Maximum 30–32 SSW), Steigerung des
Herzminutenvolumens als Produkt aus steigender Herzfrequenz und stei-
gendem Schlagvolumen auf ca. 7 l/min um bis zu 50%, größter Anstieg im
1. Trimenon, ab 32 SSW plateauförmig.
Die relative Tachykardie ist bei maternalen Herzerkrankungen von Be-
deutung, da eine ausreichend andauernde Diastole für die linksventriku-
läre Füllung notwendig ist. Der Blutdruck nimmt im 1. Trimenon ab, eben-
so der systemische Gefäßwiderstand. Die Folgen dieser Veränderungen
sind eine Reduktion der Nachlast mit weiter steigendem Schlagvolumen,
durch Remodelling wird das Herz dehnbarer, die Ejektionsfraktion bleibt
unter geringer Kontraktilitätssteigerung etwa stabil. Klappeninsuffizienzen
und Links-Rechts-Shunts werden relativ gut toleriert, da sich die Verände-
rungen günstig auf die Regurgitations- bzw. Shuntvolumina auswirken.
Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz ist in der Schwangerschaft unverän-
dert. Die physiologische Ödembildung erschwert die Abgrenzung zu pa-
thologischen Ödemen.
Unter der Geburt wird das Herzminutenvolumens nochmals um 50%
gesteigert: neben Wehentätigkeit führen Schmerzen und Angst zu einer
Katecholaminfreisetzung (Tachykardie). Während einer Geburtswehe er-
folgt eine Akuttransfusion von bis zu 500 ml Blut in den maternalen Kreis-
lauf, was zu einer weiteren Vorlasterhöhung und Steigerung des Zeitvolu-
mens führt. Eine vorbestehende obstruktive Herzerkrankung kann unter
diesen Anforderungen zur Entwicklung eines Lungenödems führen. Wäh-
rend einer Sectio wird das Herzminutenvolumen in Regionalanästhesie
um 35% bzw. in Allgemeinnarkose um 25% gesteigert.
188 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen Bereits in den ersten Stunden nach Geburt werden die hämodyna-
mischen Ausgangswerte erreicht und nach 2 Wochen im Wesentlichen die
prägraviden Werte.
Klinik
Beschwerden wie Müdigkeit, Leistungsabfall, Dyspnoe bei Belastung und
Schwindel sind physiologische Herz-Kreislauf-Symptome in der Schwan-
gerschaft. Die kardiale Belastbarkeit wird auch in der Schwangerschaft nach
der Einteilung der New York Heart Association vorgenommen:
4 NYHA-I: Beschwerdefreiheit ohne Einschränkung
4 NYHA-II: leichte Einschränkung, Beschwerden bei stärkerer Belastung
4 NYHA-III: deutliche Einschränkung, Beschwerden bei leichter Belas-
tung
4 NYHA-IV: schwere Einschränkung, Beschwerden in Ruhe
Patientinnen der Klassen III und IV haben ein hohes Risiko für kardiale
Komplikationen, da keine Reservekapazität vorhanden ist.
Kardiale Dekompensation
Die klinischen Zeichen sind oft schwer von denen der physiologischen
Schwangerschaftsveränderungen abzugrenzen; folgende Befunde können
eine schwere kardiale Erkrankung anzeigen:
4 Schwere und zunehmende Dyspnoe, Orthopnoe, nächtliche Dyspnoe
4 Belastungssynkopen
4 Thorakale Schmerzen
4 Neu aufgetretene Zyanose
4 Deutliche Halsvenenstauung
4 Lautes Systolikum und Diastolikum
Fetale Überwachung
Entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien erfolgen je nach Risiken regel-
mäßige Wachstums- und Dopplerkontrollen. Da ein erhöhtes Risiko für ein
fetales kardiales Vitium besteht, sollte in der 20. SSW eine fetale Echokar-
diografie angeboten und durchgeführt werden. Bei Hochrisikopatientinnen
ist die Entbindungsrate ab 32 SSW mit 90% sehr hoch, je früher eine Entbin-
dung aus maternaler Indikation erforderlich ist, umso höher ist die perinatale
Mortalität und neonatale Morbidität aufgrund der Frühgeburtlichkeit.
Entbindung
Multidisziplinäre Betreuung durch Kardiologen, Anästhesisten, ggf. Kardio-
chirurgen, Geburtshelfer und Neonatologen ist bei steigenden Risiken un-
bedingt erforderlich. Eine vaginale Entbindung ist in den meisten Fällen
möglich, durch PDA sollte zusätzlicher Stress durch Wehenschmerz redu-
ziert werden, ggf. ist eine Verkürzung der Austreibungsperiode mit einer
vaginal-operativen Entbindung (Vakuum, Forceps) indiziert.
Die Schnittentbindung ist bei Hochrisikopatientinnen indiziert:
4 Aortendissektion
4 Marfan-Syndrom mit Aortendurchmesser >4,5 cm
4 Unkorrigierte Aortenisthmusstenose
4 Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten bei Klappenersatz
Die sub- und postpartale Überwachung erfolgt durch Kardiologen und An-
ästhesisten (Hämodynamik, Blutgase, invasive/nichtinvasive Blutdruck-
190 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen überwachung, Rechtsherzkatheter) ohne gängigen Konsens über das Aus-
maß derselben.
Typische Vitien
4 Vorhofseptumdefekt: meist gute Toleranz in der Schwangerschaft,
Komplikation supraventrikuläre Tachykardie.
4 Ventrikelseptumdefekt: meist asymptomatisch, da im Kindesalter bei
großen Defekten operiert, gute Toleranz in SS.
4 Offener Ductus Botalli: in der Schwangerschaft meist keine Probleme
bei kleinem Befund, bei großem offenem Ductus ! Cave pulmonale
Hypertonie! Plötzliche Shunt-Umkehr sub partu mit schwerer systemi-
scher Hypotonie.
4 Kongenitale Aortenstenose: bei linksventrikulärer Ausflusstraktob-
struktion Symptome einer Angina pectoris, Synkopen, Linksherzinsuf-
fizienz; v.a. peripartal kommt es zur Linksherzinsuffizienz, ggf. Ballon-
Valvuloplastie in entsprechendem Zentrum nach abgeschlossener Em-
bryogenese, kardiopulmonaler Bypass mit hoher fetaler Mortalität
verbunden, daher möglichst Entbindung ab guter Überlebensfähigkeit
per Sectio.
4 Pulmonalstenose: meist gute Toleranz in der SS, ! Cave Rechtsherz-
versagen, supraventrikuläre Tachykardie, Trikuspidalinsuffizienz.
4 Aortenisthmusstenose: Patientinnen mit unkorrigierter Aortenisth-
musstenose und Schwangerschaft sind selten, schwierige Behandlung
der Hypertonie, da Fetus in unterer Körperhälfte von Minimaldruck
abhängig ist, körperliche Belastung meiden, eine Ballonintervention ist
kontraindiziert wegen Rupturgefahr.
4 Fallot-Tetralogie: Zunahme des Rechts-Links-Shunts und der Zyanose,
deren Ausmaß das fetale und mütterliche Risiko bestimmen, körperlich
maximale Schonung, von SS sollte aus kardiologischer Sicht eher abge-
13 raten werden, hohes Risiko der Dekompensation peripartal durch
Shunt-Zunahme, ! Cave Rechtsherzversagen und Arrhythmien, teils
ursächlich für plötzliche Todesfälle spät nach Korrektur des Fallot, ge-
netische Beratung bzgl. Mikrodeletion 22q11 in Früh-SS.
4 Ebstein-Anomalie: in der Regel gute Toleranz trotz Gefahr des Rechts-
herzversagens, publizierte Daten ermutigen in der Schwangerschaftsbe-
ratung zur Schwangerschaftsplanung.
4 Eisenmenger-Syndrom = pulmonale Hypertonie mit Shunt-Umkehr:
symptomatische Patienten mit Belastungsdyspnoe und eingeschränkter
Belastbarkeit, weitere Symptome sind Synkopen, Angina pectoris,
Müdigkeit, Kopfschmerzen, mit bis zu 70% sehr hohe mütterliche Mor-
talität in der Schwangerschaft, weshalb aus kardiologischer Sicht zum
SS-Abbruch geraten wird. Verringerter systemischer Blutdruck im Rah-
men einer Blutung oder des Pressens, unter PDA oder postpartaler Blu-
tung kann zu Shunt-Verstärkung und kardialem Kollaps führen. Die
meisten Todesfälle treten unter oder nach der Geburt auf, die deshalb in
multidisziplinärem Setting – aus kardiologischer Sicht nicht zwingend
per Sectio – erfolgen sollte; eine Verkürzung der Austreibungsperiode
erscheint sinnvoll.
13.8 · Maternale Erkrankungen
191 13
Erworbene Vitien
4 Rheumatisches Fieber ist nach wie vor ursächlich in Entwicklungslän-
dern (Migranten!), interdisziplinäre Planung der Geburt in Abhängig-
keit der kardialen Morbidität der Schwangeren.
4 Mitral- und Aorteninsuffizienz: meist rheumatischer Genese, sonst
aufgrund Mitralklappenprolaps, Kollagenosen ursächlich, Klinik bis
Linksherzinsuffizienz, meist aber gute Toleranz in der SS, ! Cave letz-
tes Trimenon mit Nachlastanstieg und auftretender Herzinsuffizienz.
Schnittentbindung nur bei schwerer Herzinsuffizienz.
4 Mitralstenose: fast immer rheumatischer Genese, häufiges Vitium,
transmitraler Gradient in 2. und 3. Trimenon steigend, kleine Öffnungs-
fläche erhöht das Lungenödem- und Herzinsuffizienzrisiko. Fetales
Risiko: IUGR. Engmaschige Kontrollen auch bei klinisch primär unauf-
fälligen Patientinnen.! Cave pulmonale Hypertonie und Lungenödem,
Vorhofflimmern, kardiale Instabilität, Interventionen mit hohem feta-
len Verlustrisiko.
4 Aortenstenose: selten schwere Formen, Entbindung unproblematisch,
falls stabile kardiale Dynamik.
Peripartale Kardiomyopathie
Dies ist eine Sonderform der dilatativen Kardiomyopathie einer typischer-
weise zuvor gesunden Schwangeren. Definition erfolgt über Echokardiogra-
fie als linksventrikuläre Dysfunktion während letzten 4 Wochen vor bis
5 Monate nach Geburt auftretend, andere Ursachen müssen ausgeschlossen
werden. Inzidenz liegt bei 1: 3000–15000 Geburten.
Risikofaktoren sind:
4 Höheres Alter
4 Multiparität
4 Mehrlingsschwangerschaft
4 Langzeittokolyse
Verlauf/Maßnahmen
Schwere Verläufe in ersten postpartalen Tagen. Die kardiale vermeintliche
Entlastung nach der Entbindung wird bei »fehlendem Blutverlust« in Volu-
menbelastung umgekehrt, insbesondere bei Sectio und großzügiger Volu-
mensubstitution. Mitunter kommt es zum fulminanten Linksherzversagen
mit der Indikation zu interventionellen Maßnahmen (ventrikulärer Assist-
Device) bis hin zur Herztransplantation. Ventrikelfunktion erholt sich in
der Regel, daher ist zuwartendes Management indiziert.
Therapie
4 Entbindung bei Dekompensation
4 Vasodilatoren, ! Cave ACE-Hemmer sind in der Schwangerschaft, die
sonst indiziert wären, kontraindiziert, alternativ Dihydralazin.
4 β-Blocker senken Morbidität und Mortalität
4 Bromocriptin wird zunehmend eingesetzt, unter Inkaufnahme der Lak-
tationshemmung
Prognose
Letalität bei 25–50%! Erhöhtes Wiederholungsrisiko in Folgeschwanger-
schaft, bei persistierender Ventrikeldysfunktion wird von einer solchen
wegen nicht einschätzbarer Eskalation abgeraten.
13.8.4 Autoimmunerkrankungen
Physiologie
13 Im Rahmen einer Autoimmunerkrankung wird die »Selbsttoleranz« zuun-
gunsten autoreaktiver Mechanismen verschoben, beteiligt sind T-Zellen
(Suppressor-, Kontrasuppressor- und T-Helferzellen), HLA-Antigene,
durch Konjugation eines tolerierten Autoantigen mit z.B. bakteriellen An-
tigenen Umkehr der Toleranz, Aktivierung von B-Zellen und T-Zellen
(s. Lehrbücher Innere Medizin).
Unterschieden werden systemische und organische Autoimmuner-
krankungen:
4 Systemisch: Kollagenosen und Arthritiden
4 Organisch:
5 Endokrines System: Hashimoto, Basedow-Krankheit, Typ-I-Diabe-
tes, Addison-Krankheit
5 Gastrointestinales System: Autoimmunhepatitis, sklerosierende
Cholangitis, primär biliäre Leberzirrhose, Autoimmunhepatitis,
Crohn-Krankheit, Colitis ulcerosa, glutensensitive Enteropathie
13.8 · Maternale Erkrankungen
193 13
Ätiologie
Bei dieser entzündlichen Autoimmunerkrankung können verschiedene Or-
gansysteme beteiligt sein, Frauen erkranken 10-mal häufiger. Durch Auto-
antikörper und Immunkomplexe werden die Kapillaren der viszeralen Or-
gane geschädigt. Antiphospholipid-Antikörper sind mit erhöhter Abortrate
assoziiert, ebenso ist der Pathomechanismus der Endothelschädigung mit
gestörter Prostazyklinsynthese und Flussverminderung inklusive Bildung
kleiner Thromben als mögliche Ursache der Schwangerschaftskomplika-
tionen anzusehen.
Klinik
Hauptmanifestationsorgane sind Niere, Gelenke (mit 90% die primäre Ma-
nifestationsform), Haut, Gerinnungssystem. Optisch typisch ist das schmet-
terlingsförmige Erythem im Gesicht. Seltener ist eine Enzephalopathie im
Rahmen des SLE. Die schweren Manifestationen verlaufen mit Myokarditis,
Hypertonie, neurologischen Symptomen, Nephritis und Lungenerkran-
kungen (Restriktion). Schwangerschaftskomplikationen sind gehäuft.
Die Kriterien des American College of Rheumatology finden Anwen-
dung zur Klassifikation des SLE:
4 Arthritis
4 Serositis
4 Hautausschlag
4 Fotosensitivität
4 Nierenbeteiligung
4 Leukopenie
4 Anämie (hämolytisch)
4 Thrombopenie
4 Anti-DNA-, Anti-Sm-, Antiphospholipid-Antikörper, ANA (Titererhö-
hung)
Diagnostik
Typische Befunde sind:
4 Fluoreszenztest (ANA, Anti-DNA)
4 Thrombopenie
4 Leukopenie
4 Hämaturie
4 Serumkreatinin erhöht
4 Anti-Phospholipid-AK, Anti-Ro-AK, Anti-LA-AK, Anti-Sm-AK
4 ! Cave falsch positive Lues-Testung in bis zu 10% der SLE-Patienten.
4 Differenzialdiagnostik in der Schwangerschaft:
4 Nephrotisches Syndrom, Präeklampsie
Eigene Notizen tet, und das Risiko eines IUFT mit bis zu 30% angegeben! In gut 10% ver-
schlechtert sich das klinische Bild, in einem Viertel der Schwangerschaften
kommt es zur intrauterinen Wachstumsrestriktion (IUGR).
Eine weitere fetale Komplikation ist der AV-Block durch die plazenta-
gängigen Anti-Ro-AK, der dann in 5% zu erwarten ist. Durch fetale und
maternale Komplikationen (Hypertonie und Präeklampsie) kommt es zu
einem erhöhten Anteil an Frühgeburten.
Therapie
Eine routinemäßige Verabreichung von Glukokortikoiden ist in der Schwan-
gerschaft nicht indiziert. Bei positivem Anti-Ro-Status besteht die Gefahr
eines fetalen AV-Blocks, dem mit der Applikation von Glukokortikoiden ab
12 SSW begegnet werden kann, die Effizienz ist nicht einheitlich belegt. Bei
Nachweis von Anti-Cardiolipin-AK sollte ab 12 SSW Prednison und ASS
low dose verordnet werden um oder ggf. eine Kombination aus Gluko-
kortikoid und eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Weitere
Indikationen für eine Prednisontherapie in der Schwangerschaft bestehen
bei einer Nephritis, Peri-/Myokarditis, Pleuritis, hämolytischer Anämie,
Thrombopenie, Leukopenie, etc.
Die Symptome einer Exazerbation entsprechen denen einer Präe-
klampsie (!) mit Hypertonie, Proteinurie, Organbeteiligung (Leber, ZNS,
Gerinnungssystem etc.) und ggf. Nephritis begleitend, dann häufig Exazer-
bationen.
Unter der Geburt (die vaginal erfolgen kann) ist dann eine Stresspro-
phylaxe mit z.B. 100 mg alle 8 h erforderlich, wenn in den letzten 12 Mo-
naten eine Steroidtherapie erfolgt ist.
Rheumatoide Arthritis
13 Klinik
Es besteht eine durch die Schwangerschaft unbeeinflusste Klinik mit fol-
genden Symptomen:
4 Müdigkeit
4 Subfebrile Temperaturen
4 Symmetrische Polyarthritis
4 Rheumaknoten
4 Organmanifestationen (kardial mit Perikarditis, Klappenverände-
rungen, Myokarditis)
4 Pleuritis
4 Unspezifische Leberenzymerhöhung
4 Neuropathien
Diagnostik
Mittels Labor:
4 Unspezifische Entzündungszeichen, CRP-Erhöhung
4 Erniedrigtes Serumeisen
4 Immunologie (Rheumafaktoren im Verlauf in 80% positiv, Anti-CCP,
antinukleäre AK, evtl. Antiphospholipid-AK)
13.8 · Maternale Erkrankungen
195 13
4 Bildgebung nur mit strenger Indikationsstellung in der SS (MRT und Eigene Notizen
Sonografie vor Röntgen)
Typ-I-Diabetes
Kap. 13.2.1.1
Hashimoto-Thyreoiditis, Basedow-Krankheit
Kap. 13.8.1: Schilddrüse.
Pathophysiologie
Wichtigste Vertreter chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, geprägt
durch einen chronischen Verlauf mit intermittierend akuten Schüben. Wäh-
rend bei Crohn-Krankheit diskontinuierlich einzelne Segmente typischer-
weise des Dünndarms (bis 60% terminales Ileum, proximales Kolon bis
15%) von einer bis in tiefe Schichten reichenden Entzündung der Darm-
wand betroffen sind, verläuft die Colitis ulcerosa mit kontinuierlicher Aus-
breitung typischerweise der oberflächlichen Kolonschleimhaut vom dista-
len Rektum (80%) nach oralwärts sich ausbreitend. Bei Erstdiagnose sind
die Patienten zwischen 20 und 40 Jahren alt.
Autoimmunmechanismen mit Immunreaktivität gegen die eigene
Darmflora und Bildung von Auto-AK gelten als involvierte ätiologische
Mechanismen. Weitere Triggerfaktoren sind Stress und Infektionen. Eine
familiäre Belastung ist bekannt, dennoch ist aufgrund der meist guten
Therapierbarkeit nicht von einer Schwangerschaft abzuraten. Entscheidend
196 Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen für den Verlauf ist der Aktivitätszustand zu Beginn der Schwangerschaft
(Aktivitätsindex für Crohn-Krankheit).
Klinik
4 Crohn-Krankheit: Lange anhaltende Durchfälle (i.d.R. unblutig), abdo-
minelle Schmerzen (rechter Unterbauch), Koliken, Flatus, Fistelbildung,
Temperaturerhöhung.
4 Colitis ulcerosa: schleimig-blutige Durchfälle, abdominelle Schmerzen
(linker Unterbauch), Fieber, Erythema nodosum, Arthritis, Uveitis,
Gewichtsverlust, blande Proktitis bis septisches Krankheitsbild mit De-
hydratation, Elektrolytentgleisung, Schock.
Diagnostik
4 Anamnese
4 Körperliche Untersuchung, extraintestinale Symptome in bis zu 60%
4 Ausschluss anderer intestinaler Komplikationen (Ileus, Fisteln, Malab-
sorption, Abszesse)
4 Serologie (BB, CRP) zur Einschätzung der Aktivität, spezifische AK-
Suche (ASCA-AK, pANCA), bakteriologische Untersuchung bei Ver-
schlechterung bzw. akutem Schub.
4 Endoskopie mit Biopsie ist zur Primärdiagnostik Pflicht, um das kli-
nische Bild unter Zuhilfenahme der Histologie und des endoskopischen
Befundes (Befalltyp) einer Entität zuzuordnen.
4 Sonografie ist die Bildgebung der Wahl in der Schwangerschaft, die
Strahlenbelastung durch Röntgen- und CT-Untersuchungen sollten
vermieden werden, müssen aber bei Komplikationen (Verdacht auf
toxisches Megakolon) gegen die Schwere des Krankheitsbildes abge-
wogen werden.
13 Differenzialdiagnostik
4 Bakterielle Infektionen (Salmonellen, Yersinien, Shigellen, Clostridien,
Campylobacter, E. coli, Amöben)
4 Divertikulitis
4 Morbus Behçet
4 Systemische Vaskulitiden
4 Karzinome
Therapie
Nichtschwangere erhalten in Kombination je nach Aktivität 5-Amino-
salicylsäure, Antibiose im Schub, Antiphlogistika, ggf. Immunsuppression
(u.a. Kortikosteroide).
In der Schwangerschaft soll sowohl eine Kortikoid- wie auch Sulfa-
salazinbehandlung nicht abgesetzt werden. Medikamente sind:
4 1. Wahl: 5-ASA, Sulfasalazin, Kortikosteroide (Beclomethason, Bude-
nosid)
4 2. Wahl: 6-Mercaptopurin, Azathioprin, Cyclosporin, Metronidazol
4 Folsäure sollte im gesamten Verlauf substituiert werden.
13.8 · Maternale Erkrankungen
197 13
Komplikationen Eigene Notizen
4 Allgemein:
5 Toxisches Megakolon, akuter mechanischer Ileus, Fisteln (Crohn-
Krankheit), intestinaler Blutverlust, Abszessbildung (meist anorek-
tal), Malabsorption (! Cave Anämie durch Vitamin-B12-Mangel),
Kolonkarzinom als Langzeitrisiko bei Colitis ulcerosa, Iritis, Uveitis,
Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, Cholelithiasis,
Pericholangitis
4 Schwangerschaftsverlauf:
5 Erhöhte Frühgeburtlichkeit, erhöhte Abortrate, IUGR, erniedrigtes
Geburtsgewicht (small for gestational age), erhöhte perinatale Mor-
bidität und Mortalität
4 Geburt:
5 Vaginale Entbindung möglich, eine Indikation zur Sectio besteht bei
Beteiligung von Vagina, Damm, Zervix (Fistel)
13.8.5 Myome
Klinik
4 Meist symptomlos, ernährungsgestörtes Myom bis zur Nekrotisierung:
Schmerz, Fieber, durch Prostaglandinausschüttung
4 Vorzeitige Wehentätigkeit mit Frühgeburtsbestrebung, in Früh-SS:
Abort
Risiken
Im Schwangerschaftsverlauf entwickelt sich eine Plazentainsuffizienz durch
Minderperfusion der Plazenta, vorzeitige Plazentalösung, mechanische
Komplikationen durch Kompression des Ureter und der Blase.
Geburtsrisiken:
4 Geburtsmechanisches Hindernis mit fetalen Lageanomalien
4 Wehenschwäche, dystoke Wehenstörung
4 Postpartal: Wehenschwäche, Atonie, Rückbildungsstörung, Endo-
metritis
Differenzialdiagnostik
4 Abortus imminens (Hämatom)
4 Vorzeitige partielle Lösung (subplazentare Lokalisation)
4 Plazenta praevia (zervixnahe Lokalisation)
4 Adnexbefunde (Stieldrehung)
4 Appendizitis
4 Pyelonephritis
4 Urolithiasis
Therapie
Begrenzt auf symptomatische Maßnahmen:
4 Schmerz- und Entzündungstherapie
4 Tokolyse
Ultima ratio ist die operative Myomentfernung in graviditate. Auch bei Ge-
burt per Sectio sehr zurückhaltende Indikation zur Entfernung; postpartale
Involution der Myome macht eine spätere Therapie risikoärmer.
13
14
Tag 5 – Geburt
14 Geburt
B. Schiessl
14.1.1 Allgemeines
Schwangerschaftsdauer
Die physiologische Dauer einer Schwangerschaft wird mit 40 SSW angege-
ben, als reif geboren gilt ein Kind ab 37+0, von Terminüberschreitung
spricht man über 40+0 SSW, von Übertragung ab 40+10 SSW (keine ein-
heitliche Definition).
Die meisten »Übertragungen« beruhen auf Terminfehlern (falsche Be-
rechnung, Irrtum, ausgebliebene Korrektur des ET nach diskrepantem
Früh-Ultraschall).
Am Entbindungstermin wiegt das reife Kind 3300–4000 g. Einflussfak-
toren auf das kindliche Gewicht sind Genetik, Herkunft, Größe der Eltern,
was im Beratungsgespräch bedacht werden soll. Davon unabhängig wirken
Einflüsse durch den Schwangerschaftsverlauf (Plazentainsuffizienz, Infek-
tionen, Gestationsdiabetes usw.).
Geburtsauslösung
Die Ursachen der Geburtsauslösung sind nach wie vor nicht geklärt, vermutet
werden Regelkreise zwischen maternalem und fetalem Kreislauf. So sezer-
niert die Hypophyse des Feten vor Wehenbeginn Oxytocin und die entspre-
chende Rezeptorenzahl an Dezidua und Myometrium steigt zum Entbin-
dungstermin hin an. Ebenso spielen das CRH (Corticotropin-Releasing-Hor-
mone) und Cortisol aus dem fetalen Kreislauf in der Initiierung der Geburt
eine wichtige Rolle (wachstumsrestriktive Feten zeichnen sich durch eine
erhöhte Rate an vorzeitigem Wehenbeginn mit Frühgeburtlichkeit aus).
Geburtsbeginn
14
Zur geburtshilflichen Definition des Geburtsbeginns gehören die Faktoren:
4 Regelmäßige Wehen mindestens alle 10 min über mindestens 30 min
mit Muttermundswirksamkeit (Verkürzung der Portio, Eröffnung des
Muttermundes),
4 ggf. der Blasensprung und/oder
4 eine Zeichnungsblutung (ggf. blutige Ausstoßung des Zervixschleim-
pfropfs).
Wehen
4 Geburtskräfte = Geburtswehen, man unterscheidet Wehenstärke, -dauer,
-pause und -frequenz. > Memo Erfassung durch Palpation plus Uhr!
4 Verschiedene Wehenarten prä-, intra- und postpartal:
5 Schwangerschaftswehen: Alvarezwellen (geringe Intensität), Brax-
ton-Hicks-Kontraktionen (häufiger gegen Schwangerschaftsende),
übergehend in Senkwehen 3–4 Wochen vor dem Termin, Vorwehen
(unregelmäßig, aber stärker).
14.1 · Grundlagen
201 14
Geburtsmechanik
Der Geburtsablauf wird von der Reife des Kindes, den Geburtswegen und
Geburtskräften gestaltet. Das reife Kind wiegt zwischen 2500 und 4499 g,
eine Analyse der Geburten in Bayern erbrachte ein durchschnittliches Ge-
burtsgewicht von 3433–3414 g in den Jahren 2000–2007. Der meist voran-
gehende Kopf ist der geburtsmechanisch wesentliche Part des Kindes. Die-
ser ist zusammen mit Rücken und Steiß eines der großen Teile, kleine Teile
sind Arme und Beine.
Am Kopf tastbar sind Pfeilnaht, Lambdanaht, Kranznaht, Stirnnaht,
sowie die große und kleine Fontanelle. Die Kopfumfänge berechnen sich aus
den bezeichnenden Ebenen und unterscheiden sich in ihrem Umfang:
4 Circumferentia suboccipito-bregmatica
4 Circumferentia fronto-occipitalis
4 Circumferentia mento-occipitalis
Je nach Haltung und Stellung des Kindes wird ein unterschiedlicher Kopf-
umfang geburtsmechanisch wirksam.
Geburtsweg
Knochen-Weichteilkanal aus knöchernem Becken und Weichteilkanal (un-
teres Uterinsegment, Zervix, Vagina, Vulva, Beckenboden mit Diaphragma
pelvis und Diaphragma urogenitale).
Durchmesser des knöchernen Beckens:
4 Conjugata vera/anatomica 12 cm
4 Querdurchmesser im Beckeneingang 13 cm
4 Raumdiagonale des Beckeneingangsraums: I. und II. schräger Durch-
messer 12 cm
Nach der äußeren Drehung des Kopfs im Sinne einer Rückdrehung werden
die kindlichen Schultern geboren. Während der Geburt erfolgt die Höhen-
diagnose des kindlichen Kopfs durch äußere und innere (vaginale) Unter-
suchung.
Drei definierte Höhenstände des Kopfs im Becken:
4 Kopf tief und fest im Beckeneingang (größter Umfang hat die Terminal-
ebene überschritten)
4 Kopf in Beckenmitte
4 Kopf steht auf Beckenboden (sitzt dem Beckenboden fest auf)
Kardiotokografie
Apparative Ableitung der kindlichen Herztöne und der Wehentätigkeit. Fe-
tale Herzfrequenzregistrierung erfolgt über einen Ultraschalltransducer mit
Abgreifen des Dopplersignals des fetalen Herzschlags (Algorithmus, keine
Beat-to-beat-Ableitung) und eine mechanische Messung des Uterustonus
(relative, keine absolute Druckmessung). In der Beurteilung muss zwischen
antepartalem und intrapartalem CTG unterschieden werden.
Beurteilungskriterien sind:
4 Fetale Herzfrequenz
4 Oszillation
4 Akzelerationen
4 Dezelerationen
4 Wehentätigkeit (Frequenz und Dauer)
Normbefunde:
4 Fetale Herzfrequenz: 110–150 bpm, Oszillation 5–20 bpm, Akzelera-
tionen vorhanden, keine Dezelerationen
4 Antepartal: keine Geburtswehen
Subpartale Herzfrequenzmuster:
4 Dezelerationen: Absinken der fetalen Herzfrequenz um mehr als
15 Schläge von der Baseline über mehr als 0,5 min.
5 Unterschieden werden frühe, späte und variable Dezelerationen
(Typ I und Typ II):
J Dezelerationen Typ I (frühe Dezelerationen): treten wehensyn-
chron auf und sind meist Folge einer kompressionsbedingten
kurzen Ischämie des fetalen Gehirns (Nabelschnurkompression).
Ohne pathologische Bedeutung, falls keine weiteren Auffälligkei-
ten vorhanden sind.
J Dezelerationen Typ II (späte Dezelerationen): treten nach der
Wehe auf und zeigen eine hypoxische Gefährdung des Feten an.
Bei Wiederholung muss eine Abklärung durch eine Mikroblut-
untersuchung (MBU) erfolgen. Hierbei wird Blut aus dem kind-
lichen Köpfchen auf pH, base excess und pCO2 untersucht.
J Variable Dezelerationen treten häufig sub partu auf, ihre Progno-
se ist abhängig von den so genannten Zusatzkriterien (ungünstig:
flacher Wiederanstieg der Herzfrequenz, Oszillationsverlust in
der Dezeleration, Verlust der initialen Akzeleration, Fortbestehen
der kompensatorischen Akzeleration, Nichterreichen der initia-
len Baseline etc.). Auch hier muss bei ungünstigen Zusatzkrite-
rien eine Abklärung durch die MBU erfolgen.
4 Bradykardie: Fetale Herzfrequenz unter 100 bpm über mehr als 3 min
Dauer (kürzer als Dezeleration zu werten). Auftreten bei:
5 Mütterlicher Kreislaufstörung (akute Hypotonie, V. cava-Kompres-
sions-Syndrom)
14 5 Fetaler Erkrankung (Rhythmusstörung)
5 Länger anhaltendem O2-Mangel unter der Geburt als Ausdruck der
fetalen Hypoxie.
4 Tachykardie: Fetale Herzfrequenz über 160 bpm über mehr als 10 min
Dauer (falls kürzer: als Akzeleration zu werten). Häufigste Ursachen
sind:
5 Maternale Temperaturerhöhung (Fieber) oder Dehydrierung (Gas-
trointestinalinfekt)
5 Bei passagerer fetaler Hypoxie als Ausdruck der Kompensation
( ! Cave Bei zu langer Dauer pathologische Bedeutung.).
4 Akzelerationen:
5 Beschleunigung der fetalen Herzfrequenz bei fetalen Bewegungen,
mütterlichem Lagerungswechsel, vaginaler Untersuchung, Manipu-
lation am kindlichen Kopf (Anbringen einer Skalpelektrode), prog-
nostisch günstige Bedeutung.
5 Wehensynchrone Akzelerationen können eine Minderdurchblu-
tung und/oder Nabelschnurkompression anzeigen.
14.1 · Grundlagen
205 14
Mikroblutuntersuchung (MBU)
Synonym: Fetal blood sampling (FBS)
4 Indikationen: pathologisches CTG bei eröffnetem Muttermund
4 Kontraindikation: maternale HIV-Infektion
4 Zunächst intrauterine Reanimation mit Gabe von i.v.-Bolus-Tokolyse
und Umlagerung der Gebärenden. Bei Persistenz der Pathologie Durch-
führung wie folgt:
5 Mittels Amnioskop oder Spekulumeinstellung (Patientin liegt in
Steinschnittlage im Querbett oder in Linksseitenlage im Kreißbett)
Darstellung des fetalen führenden Teils (meist Köpfchen), unter
Sicht Punktion und Gewinnung einer Kapillarfüllung Blut. Analyse
des fetalen pH-Werts in Analysegerät im Kreißsaal.
5 Aziditätsstadien nach Saling:
J pH ≥7,25 ohne pathologische Bedeutung
J pH 7,24–7,20 = Präazidose
J pH 7,19–7,15 = leichte Azidose
J pH 7,14–7,10 = mittelgradige Azidose
J pH 7,09–7,00 = fortgeschrittene Azidose
J ≤pH 6,99 = schwere Azidose
4 Wiederholung der MBU bei Persistenz des pathologischen CTG nach
15 min in Abhängigkeit der Pathologie. Bei sinkenden pH-Werten ggf.
Dauertokolyse.
4 Die Geburtsbeendigung ist bei pH-Werten <7,20 in der Regel indi-
ziert.
14.1.3 Geburtsverlauf
Eröffnungsperiode (EP)
Als EP gilt die Dauer ab regelmäßiger Wehentätigkeit bis zur vollständigen
Muttermundseröffnung.
Bei Erstgebärenden beginnt die Eröffnung am inneren Muttermund
mit Erweiterung zum äußeren Muttermund, nach Entfaltung des Zervix-
kanals erfolgt die Dilatation. Bei Mehrgebärenden geschieht die Eröffnung
von innerem und äußerem Muttermund gemeinsam.
> Memo Faustregel: Eröffnung 1 cm/h Muttermundsweite, schneller
bei Mehrgebärenden.
Blasensprung in der Eröffnungsperiode = frühzeitiger Blasensprung
(vorzeitig wäre vor Beginn der EP). Auf regelmäßige Entleerung der ma-
ternalen Harnblase ist zu achten. Lagerung und Mobilität den Wünschen
der Gebärenden entsprechend, solange Geburtsfortschritt und fetaler Zu-
standsüberwachung unauffällig sind.
Vaginale Untersuchung erfolgt mindestens alle 4 h in der EP, um den
Geburtsfortschritt im Partogramm zu dokumentieren.
Die Schmerzempfindung unter der Geburt unterliegt starken indivi-
duellen Schwankungen. Bekannt ist der »Angst-Spannungs-Schmerz-
Kreis«, dem mit guter Vorbereitung auf die Geburt, Aufklärung, Gymna-
stik, Entspannungsübungen und Atemtechnik begegnet werden kann.
14 Starke Schmerzen führen zur Verspannung, und Angst der Gebärenden,
was beides die Wehentätigkeit negativ (Dystokie, Schwäche) beeinträchti-
gen kann. Zur Linderung der Wehenschmerzen stehen verschiedene Ebe-
nen der Schmerzbekämpfung zur Verfügung:
4 Akupunktur
4 TENS
4 Medikamentöse Schmerzlinderung (Nichtopioidanalgetika, Opioid-
analgetika [z.B. Pethidin], Leitungsanästhesie mittels PDA)
Sehr bedeutend ist die Betreuung und Anleitung durch die Hebamme be-
reits in der frühen und späteren Eröffnungsperiode.
Austreibungsperiode
Die Austreibungsperiode beginnt mit vollständig eröffnetem Muttermund,
endet mit der Geburt des Kindes, enthält die Pressperiode.
Blasensprung in der Austreibungsperiode = rechtzeitig. In der Press-
periode werden die uterinen Wehen durch aktives Einsetzen der Bauch-
14.1 · Grundlagen
207 14
und Rumpfpresse unterstützt. Wenn der kindliche Kopf auf dem Becken- Eigene Notizen
boden steht, erfolgt die reflektorische Auslösung der Presswehen über
spinale Nervenbahnen, nicht willentlich beeinfluss- oder gar unterdrück-
bar.
Anleitung zum aktiven Mitpressen erfordert:
4 vollständig eröffneten Muttermund,
4 gesprungene oder eröffnete Fruchtblase,
4 ausreichend tief stehenden Kopf (am besten auf BB),
4 Pfeilnaht ausrotiert im geraden Durchmesser.
Entscheidend ist die Betreuung und Anleitung durch die betreuende Heb-
amme. Dauerüberwachung durch CTG. Durch den Dammschutz der Heb-
amme wird der Kopfdurchtritt des Köpfchens verlangsamt und damit wer-
den mütterliche Weichteile geschützt. Bei drohendem Dammriss kann eine
Episiotomie nach rechts medio-lateral indiziert sein. ! Cave Nicht immer
wird durch die Episiotomie ein Dammriss verhindert: Untersuchungen ha-
ben gezeigt, dass die Anlage einer Episiotomie nicht zwingend einen Damm-
riss III. Grades (mit Riss des Sphincter ani externus) verhindert.
Als Geburtszeit gilt die beendete Geburt des gesamten kindlichen Kör-
pers (insbesondere bei Verzögerung durch Schulterdystokie von dokumen-
tatorischer Bedeutung!).
Abnabelung erfolgt in der Regel früh nach 1–2 min nach der Geburt.
Die Messung des pH aus Nabelschnurarterie und -vene wird im Kreiß-
saal durchgeführt und in Mutterpass, Kinderheft und Klinikakten doku-
mentiert.
Nachgeburtsperiode
Diese umfasst den Zeitraum nach Geburt und Abnabelung des Kindes,
beinhaltet Geburt der Plazenta (erst dann gilt eine Geburt als beendet) und
dauert bis ca. 2 h danach an. In Deutschland üblich ist die so genannte aktive
Nachgeburtsleitung mit Verabreichung von 3 IE Oxytocin i.v. an die Patien-
tin, um den Blutverlust in der Nachgeburtsperiode zu verringern. Die Lö-
sung der Plazenta geht mit einer physiologischen Lösungsblutung einher,
diese gilt ab >400 ml als verstärkt. Verzögerte Plazentalösung bedeutet, dass
>30 min seit Geburt des Kindes verstrichen sind. Wichtig sind Inspektion
der Plazenta auf Vollständigkeit der Plazenta (Oberfläche fetal und maternal
intakt?) und der Eihäute, Zählen der Nabelschnurgefäße. Bei unvollständi-
ger Plazenta müssen eine Spekulumeinstellung und oft eine instrumentelle
Nachtastung des Uterus erfolgen, um die Plazentareste zu gewinnen.
208 Kapitel 14 · Geburt
Operative Geburtshilfe
Es gibt 2 Indikationen für einen geburtshilflichen Eingriff:
4 Gefahr für das Kind
4 Gefahr für die Mutter
4 Die Gefährdung kann für Kind oder Mutter allein, oder beide be-
stehen.
Gefährdung des Kindes:
5 Vorgeburtlich gegeben durch:
J Fehlbildungen
J IUGR
J FFTX bei Mehrlingen
J fetale intrauterine Infektionen oder Anämie etc.
5 Subpartale Gefahren und dadurch Indikationen bestehen bei:
J drohender Asphyxie des Kindes
J akuter fetaler Bradykardie
J pathologischem CTG bei geschlossenem Muttermund
J Blutung aus velamentösen Gefäßen
J Nabelschnurvorfall etc.
Beiderseitige Indikationen bestehen unter Umständen bei:
5 Präeklampsie
5 SIH
5 HELLP-Syndrom
5 akuter Blutung prä- und subpartal
5 vorzeitiger Plazentalösung
5 Uterusruptur etc.
Zangenentbindung
Durch Zug mittels 2 angelegter Zangenlöffel erfolgt die wehensynchrone
Extraktion des führenden Teils (meist Kopf). Verschiedene Zangenmodelle
stehen zur Verfügung (Naegele, Kielland, Bamberger Divergenzzange,
Shute-Parallelzange etc.), in Deutschland wird die Naegelezange mit der
für sie typischen Beckenkrümmung der beiden Löffel am häufigsten ver-
wendet.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
4 Kind lebt
4 vollständig eröffneter Muttermund
4 Fruchtblase eröffnet
4 ausreichend Raum im Beckenausgang
4 zangengerechtes Stehen des kindlichen Köpfchens
4 normale Kopfgröße (kontraindiziert bei Hydrozephalus oder Anenze-
phalus)
14.1 · Grundlagen
209 14
Die Zangenlöffel werden einzeln, erst linker, dann rechter eingeführt und Eigene Notizen
vorsichtig geschlossen, die Zange fasst den Kopf quer bei gerade verlau-
fender Pfeilnaht, die Entwicklung des Köpfchens erfolgt in wehensynchro-
nen Traktionen. Die Gefahr dieser Methode liegt in Geburtsverletzungen
für die Mutter durch Vergrößerung des geburtsmechanisch wirksamen Um-
fangs des vorangehenden Teils (Dammriss, Scheidenriss, Levatorläsion,
Zervixriss, etc.).
Verletzungsgefahr für das Kind besteht durch Druck und Zug am Kopf
(Schädelfrakturen, intrakranielle Blutungen, Hautschürfungen, Verletzung
des N. facialis).
Vakuumextraktion
Durch Zug mittels einer Saugglocke Extraktion des führenden Teils. Ver-
schiedene Saugglockentypen und -größen stehen zur Verfügung (Metall-
glocken mit 4 cm, 5 cm oder 6 cm Durchmesser, Unterdruck mittels
Schlauch und Pumpe aufgebaut, ablesen am Gerät nach ca. 2–3 min). Alter-
nativ verwendet werden Silikonglocken insbesondere bei unreifen Kindern,
allerdings mit reduzierter Extraktionseffizienz. Jüngste Entwicklung ist die
so genannte Kiwi-Saugglocke, die mittels kleiner Handpumpe appliziert
wird (variabel in Akzeptanz und Effizienz bei ebenfalls geringerer Extrak-
tionseffizienz).
Die Voraussetzungen für die Vakuumextraktion (VE) sind dieselben
wie bei Zangengeburt, allerdings ist die VE auch am toten Kind möglich.
Es gibt keine direkten Gefahren für die Mutter, indirekte durch externe
Kraftverschiebung der Geburtsmechanik mit erhöhtem Risiko der Ge-
burtsverletzungen, kindliche Verletzungsgefahr durch Druckschwankun-
gen und Scher-/Zugkräfte mit der Folge eines Kephalhämatoms, intrakra-
nieller Druckschwankungen (! Cave große Fontanelle!) und konsekuti-
ven Blutungen intrakraniell und retinal, Schädelfraktur.
Kontraindikationen:
4 Frühgeburt <32 SSW
4 Gewichtsschätzung <1600 g
Eigene Notizen Die Indikation kann sowohl aus fetaler als auch maternaler oder aus
gemischten Befunden/Gründen gestellt werden. So zählen u.a. zu den fe-
talen Indikationen:
4 das Signal der fetalen Minderversorgung unter der Geburt, was durch
ein auffälliges CTG oder Mikroblutuntersuchung angezeigt wird
4 der Nabelschnurvorfall oder der Vorfall kleiner kindlicher Teile unter
der Geburt
4 Auch fetale Erkrankungen oder Fehlbildungen wie eine Gastroschisis,
komplexe Herzvitien, fetale Tumoren oder die Myelomeningozele stel-
len Indikationen zur Entbindung per Sectio dar.
Maternale Indikationen sind:
4 Protrahierter Geburtsverlauf
4 Plazenta praevia
4 Schwere maternale Erkrankungen, wie das HELLP-Syndrom, die schwe-
re Präeklampsie, schwere maternale Herzkrankung oder ein invasives
Zervixkarzinom. Bei Zustand nach Sectio ist bis auf einige Befunde
nicht zwingend eine erneute Sectio notwendig.
Vor der Sectio erfolgt in der Regel die Aufklärung der Patientin über die
Durchführung der Operation sowie über Risiken mit abschließender
schriftlicher Dokumentation derselben. Ebenfalls wird der fetale »Zustand«
des Feten vor dem Eingriff dokumentiert (Ultraschall, Lage des Kindes und
der Plazenta, CTG-Beurteilung).
Die Anästhesiemethode der Wahl ist heute das Regionalverfahren
14 (PDA, Spinalanästhesie), worüber die Patientin vom Team der Anästhesie
aufgeklärt wird und auch hier eine schriftliche Dokumentation und Ein-
willigung erfolgt.
Der Operationsverlauf ist weitgehend standardisiert. Heute wird von
den meisten Operateuren eine variierte Technik nach Misgav-Ladach be-
vorzugt. Der Hautschnitt verläuft quer im Unterbauch, der Uterus wird bis
auf spezielle Indikationen ebenfalls quer eröffnet. Die Entwicklung des
Kindes soll immer so schonend wie möglich erfolgen und nach Abnabe-
lung werden Kontraktionsmittel zur Verringerung des Blutverlusts und zur
Entwicklung/Entfernung der Plazenta sowie eine antibiotische Prophylaxe
verabreicht. Nach Kontrolle auf Vollständigkeit derselben durch die Heb-
amme wird der begonnene Verschluss des Uterus beendet und unter Kon-
trolle auf Bluttrockenheit und Stillung evtl. Blutungsquellen die Bauch-
decken wieder verschlossen.
Bei Regionalanästhesie ist die Patientin während der Operation wach,
ansprechbar und wird oft von ihrem Partner begleitet. Beide können un-
mittelbar nach Geburt ihr Kind sehen und in den Arm nehmen.
14.2 · Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie
211 14
Die maternale Letalität entspricht nach der derzeitigen Datenlage aus der
bayrischen Perinatalerhebung von Welsch bei der primären elektiven Sectio
mit 1:60000 der Letalität der Spontangeburt.
B. Schiessl
Diagnostik erfolgt ante- wie subpartal mittels Ultraschall und anhand der
typischen Klinik.
Therapie
! Cave Keine Tokolyse. I.v.-Zugänge, Entbindung! Meist erfolgt die Ent-
bindung durch Sectio, selten bei vollständigem Muttermund und entspre-
chendem Höhenstand des Köpfchens vaginal operativ (Forceps- oder Va-
kuumextraktion). Anästhesiologische Sicherung der Vitalparameter, Sub-
stitution EK; FFP, Gerinnungsfaktoren etc.
Definition
Der normale Blutverlust einer Geburt liegt bei 300–500 ml. Von einer post-
partalen pathologischen Blutung spricht man ab einem Verlust >500 ml.
Aufgrund der physiologischen Hämodilution in der SS werden Blutverluste
bis 1500 ml relativ gut kompensiert und gehen mit geringer klinischer
Symptomatik einher.
Primäre Blutung:
14 4 In Anlehnung an das ACOG (American) und RCOG (Royal College of
Obstetricians and Gynecologists) wird die PPH (»primary postpartum
hemorrhage«) als Blutverlust >500 ml innerhalb 24 h nach der Entbin-
dung definiert. Auftreten in 1:10 Geburten, nicht immer klinisch signi-
fikant.
4 »major PPH« ist durch Blutverlust >1500 ml postpartum charakteri-
siert, unmittelbar, gelegentlich auch erst nach einigen Stunden, Auftre-
ten in 1:500 Geburten.
> Memo Weltweit verblutet alle 4 min ein Patientin postpartum! 25–
43% der maternalen Todesfälle in den Entwicklungsländern und 10–
20% der maternalen Todesfälle in den westlichen Industrienationen
sind durch postpartale Blutungen bedingt.
Sekundäre Blutung:
4 Die so genannte sekundäre postpartale Blutung, SPH (»secondary post-
partum hemorrhage«) beschreibt den Blutverlust >500 ml zwischen 24 h
und 6 Wochen nach Entbindung, tritt bei 1:100 Entbindungen auf.
14.2 · Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie
213 14
Die »major PPH« stellt nach wie vor die häufigste Ursache für maternale
Morbidität und Mortalität in der Geburtshilfe dar, sie verlangt unmittel-
bares Erkennen und Handeln mit effektivem Management. Deshalb muss
nach jeder Geburt mit Blutung gerechnet werden.
Therapie
4 Tissue – Plazentaretention/Plazentareste in utero:
5 Manuelle Plazentalösung bzw. Curettage in Analgesie (PDA, Spinal,
Intubationsnarkose)
5 Antibiose und
5 Kontraktionsmittel i.v. (Oxytocin 15 IE in 500 ml, Alternative Nala-
dor (2 Ampullen à 500 μg in 500 ml)
4 Tonus – Atonie des Uterus:
5 Uterus manuell komprimieren!
5 Ultraschall zum Ausschluss Koagel/Plazentareste, ggf. Curettage,
ggf. Uterustamponade
5 Kontraktionsmittel Oxytocin 15 IE/500 ml oder Nalador (2 Ampul-
len à 500 μg in 500 ml)
5 Anästhesie im Standby zur Stabilisierung der Vitalparameter
5 Bei persistierender Blutung Substitution mit EK, FFP, Thrombozy-
tenkonzentraten, Gerinnungsfaktoren, Tranexamsäure, Fibrinogen
5 Laparotomie mit Anbringung der Bee-lynch Nähte (»Rucksack«-
naht, Fundus-Kompressionsnähte, Z-Naht) zur mechanischen Blut-
stillung
5 Hysterektomie bei Versagen aller konservativen Maßnahmen
4 Trauma: Geburtsverletzungen:
5 Inspektion mittels Spekulumeinstellung von Vulva/Vagina, Zervix,
Anus (Sphinkter!) auch nach bereits versorgter Episiotomie und/
oder Rissen bei persistierender Blutung!
5 Blutstillung primär durch Klemme/Druck, sodann Versorgung der
Verletzung in ausreichender Analgesie, ggf. Narkose
5 Kontraktionsprophylaxe
5 Antibiose
4 Thrombin:
5 Gerinnungsstörung als Ursache einer postpartalen Blutung: Labor
(Blutbild, erweiterte Gerinnungsparameter) Anästhesie im Standby
5 Kreuzen, bzw. Bereitstellen von EK, FFP etc.
214 Kapitel 14 · Geburt
Ätiologie
Hauptursachen sind:
4 Mangelnde Rückbildung
4 Plazentareste im Cavum uteri
4 Infektionen (Endomyometritis)
4 Übersehene Rissverletzungen (hoher Scheidenriss, Zervixriss)
Therapie
4 Kontraktionsmittel
4 Antibiose
4 Curettage
4 Operative Versorgung der Verletzungen (s.a. Wochenbettpathologie)
14.2.3 Uterusruptur
Klinik
Bei Uterusruptur liegt eine Notfallsituation sub partu mit akuter fetaler und
maternaler Gefährdung vor. Nach initial kräftiger Wehentätigkeit sistiert
diese nach erfolgter Ruptur. Die fetale Herzfrequenz zeigt eine akute Brady-
kardie, die Gebärende ggf. massive hypovoläme Schocksymptomatik, eine
vaginale Blutung ist nicht obligat, aber meist präsent.
14.2 · Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie
215 14
Diagnostik Eigene Notizen
4 Klinische Symptomatik
4 Ultraschall: freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle, ggf. fetale Lageverände-
rung, Bestätigung der Bradykardie
Therapie
4 Unmittelbare Entbindung, i.d.R. durch Sectio
4 Versorgung der rupturierten Uteruswand, ggf. interdisziplinär bei Ver-
letzung von Blase/Ureter
4 Anästhesiologische Sicherung der Vitalparameter, frühzeitig Substituti-
on erforderlicher EK, FFP, Gerinnungsfaktoren bei hohem Blutverlust,
bei nicht beherrschbarer Blutung Hysterektomie.
14.2.4 Eklampsie
14.2.5 Therapie
Eigene Notizen fall durchbrochen. Magnesium ist sowohl Phenytoin wie auch Diaze-
pam überlegen, auf die Prävention von Rekonvulsionen und neonatales
Outcome bezogen.
4 Weiteres Vorgehen: Stabilisierung der Patientin, fetale Überwachung
mit Sonografie und CTG, in den meisten Fällen zeitnahe Entbindung,
um vitale maternale und fetale Gefährdung durch rezidivierende Anfäl-
le zu reduzieren.
14.3 Wochenbett
B. Schiessl
Puerperium = die Zeit nach der Geburt, in der sich die durch Schwanger-
schaft und Geburt entstandenen Veränderungen zurückbilden. Beginn mit
Geburt der Plazenta, Dauer 6–8 Wochen, beinhaltet Rückbildungsvorgän-
ge, Wundheilung, Beginn und Aufrechterhaltung der Laktation, Wiederauf-
nahme der Ovarialtätigkeit.
Rückbildung
Nach Geburt der Plazenta entfallen die von ihr in den mütterlichen Orga-
nismus abgegebenen Hormone (Choriongonadotropin [HCG], humanes
plazentares Laktogen [HPL], Gestagene und Östrogene) und ihre Wirkung
auf den Organismus.
Rückbildungsvorgänge (Involution) betreffen Uterus, Beckenboden,
Bauchdecken, Beckengürtel, Blase, Darm, Bauchmuskulaturtonus, Aus-
schwemmung von Ödemen.
Wochenbettwehen beinhalten die Dauerkontraktion des Uterus in den
14 ersten Stunden bis Tagen postpartal, rhythmische Kontraktionen = Nach-
wehen für ebenfalls Stunden bis Tage postpartal, durch Saugreiz ausge-
schüttetes Oxytocin bewirkt Reizwehen (Stillwehen).
Folgen sind die dramatische Reduktion des uterinen Blutflusses,
Blutstillung der Plazentahaftfläche in Ergänzung zur Thrombosierung
der großen uteroplazentaren Gefäße. Ausstoßung des Wundsekrets =
Lochien. Uterusgewicht reduziert sich von präpartal 1000 g auf 50–70 g
am Ende des Puerperiums. Die Wundheilung ist nach 4–6 Wochen mit
Re-Epithelisierung des Stromas an der Plazentahaftfläche abgeschlossen.
Die Lochien enthalten Keime aus der Vaginalflora (Streptokokken,
Staphylokokken, E. coli etc.), die sich ab dem 2.–3. Tag darin reichlich
vermehren:
4 Tag 1–3 Lochia rubra (rein blutig)
4 1. Woche Lochia fusca (braunrot, dünnflüssig, Zumischung von Serum,
Lymphe und Leukozyten)
4 Ende 2. Woche Lochia flava (schmutzig-gelb, verflüssigtes nekrotisches
Material)
14.3 · Wochenbett
217 14
Laktation
Es werden 5 Prozesse unterschieden:
1. Entwicklung der Milchdrüse bis zur Funktionstüchtigkeit (Mammo-
genese) beginnt weit vor der Schwangerschaft in der Pubertät
2. Laktogenese während der Schwangerschaft: Brustdrüsenwachstum
mit Bildung neuer Läppchen, Parenchymzunahme durch Steroidhor-
mone, Drüsenzelldifferenzierung durch zunehmendes plazentares
HPL und hypophysäres Prolaktin, Hemmung der Milchsekretion in
der Schwangerschaft, aber wiederum durch die Steroidhormone, gele-
gentlich Vormilch, kein pathologischer Wert, jedoch sollten stimulie-
rende Behandlungen vermieden werden.
3. Mit Geburt der Plazenta abrupter Abfall der plazentaren Steroidhor-
monkonzentration im Blut und dadurch Auslösung der Milchsekre-
tion in den Drüsenzellen (Galaktogenese); Saugreflex des Neugebo-
renen unterstützt, bis die klinische Wirkung des Prolaktins ab Tag 3
einsetzt.
4. Die Galaktopoese bedeutet die Aufrechterhaltung der bestehenden
Laktation, hierzu am wichtigsten ist der Saugreiz an der Brustdrüse,
der in der Hypophyse die Prolaktinproduktion im Vorderlappen auf-
rechterhält sowie eine Oxytocinausschüttung aus dem Hinterlappen
bewirkt.
5. Letzteres Hormon (Oxytocin) ist für den Milchfluss, die Galaktokine-
se durch Kontraktion der Myoepithelien der Alveolarwand sowie der
feineren Milchgänge in der Brustdrüse verantwortlich. Nebeneffekt
der Oxytocinausschüttung sind Kontraktionen des Myometriums, die
der Rückbildung dienen.
Temperatur im Wochenbett
Normwerte:
4 normal 36,5–37,0°C axillär
4 subfebril 37,1–37,9°C
4 Ab 38,0°C spricht man von Fieber im Wochenbett.
Fundusstandkontrolle
Der Höhenstand des Uterus ist abhängig von Faktoren wie:
4 Größe des Kindes
4 Mehrlinge
4 Hydramnion
4 lange Geburtsdauer
4 Erst-/Mehrgebärende
4 Sectio (häufig verzögertes Tiefertreten des Fundus)
4 Plazenta/Eihautreste
4 Lochialstau
4 Unfähigkeit zu stillen (Stillen wäre rückbildungsfördernd)
14.3 · Wochenbett
219 14
Häufigste Gründe für einen zu hohen Fundusstand sind volle Blase und Eigene Notizen
Involutionsstörung.
Stillen
Muttermilch ist die natürliche und beste Ernährung für das Neugeborene
mit idealer Zusammensetzung von Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten und Sal-
zen, die durch keine künstliche Ernährung erreicht werden kann.
Die Vorteile liegen in niedrigerer Infektanfälligkeit gestillter Kinder,
insbesondere bzgl. Darminfektionen, Dermatitiden, Rhinitiden, chro-
nisch-pulmonaler Infekte und Allergien. Risikominderung von Autoim-
munerkrankungen. Voraussetzung ist die Stillbereitschaft der Mutter, Be-
treuung und Beratung durch die nachsorgende Hebamme.
Nachsorge
Im unauffälligen Wochenbettverlauf erfolgt die Nachsorge nach Entlassung
aus der Geburtsklinik durch eine Hebamme. Diese ist in Deutschland ge-
setzlich verankert (Kostenübernahme durch die Krankenkassen). Eine
gynäkologische Nachuntersuchung erfolgt 6–8 Wochen nach der Entbin-
dung beim betreuenden Gynäkologen.
Puerperalfieber
Ätiologie
Ursächlich für Kindbett- oder Wochenbettfieber ist eine Infektion im Be-
reich der Geburtswege: Ausgehend von einer Verletzung im Dammbereich
(insbesondere höhergradige Dammrisse), der Zervix, einer Episiotomie ge-
langen Keime in den mütterlichen Organismus. Von dieser Pathogenese
abzugrenzen ist das Fieber im Wochenbett, das auf verschiedenen Prozessen
beruhen kann, wie Harnweginfekt, Pyelonephritis, Mastitis etc.
Erreger des Puerperalfiebers sind anaerobe (Bacteroides, Clostridien,
Peptostreptokokken) und aerobe Keime (E. coli, Klebsiellen, Strepto- und
Staphylokokken); meist liegen Mischinfektionen vor.
Historie
Das Kindbettfieber wurde bereits von Hippokrates und Galen erwähnt, mit
Einrichtung der Geburtshäuser und Beginn der studentischen Ausbildung
am Krankenbett explodierte die Inzidenz des Kindbettfiebers und die ma-
ternale Sterblichkeit im Wochenbett, wie den Berichten aus dem »Hotel
Dieu, Paris«, dem ältesten Gebärhaus der Welt eindrücklich zu entnehmen
ist. Ignaz Philip Semmelweis (1818–1865) hat aufgezeigt, dass das Kindbett-
fieber durch übertragene Keime und damit hervorgerufene Infektionen
verursacht wird und führte die Hände- und Instrumentendesinfektion (da-
mals Chlorwaschung) ein. Diese Maßnahme senkte die Müttersterblichkeit
von 12% auf etwa 1%. Erst als die bakteriologischen Untersuchungen von
Pasteur und Lister die Semmelweis‘sche Lehre bestätigten, erlangte er die
verdient Anerkennung.
220 Kapitel 14 · Geburt
Klinik
Infektionen mit ödematöser Schwellung, Rötung der Wundränder, sich öff-
nende Nähte, klaffende Wunde, Wundflächen mit typisch schmierig, grün-
lich-schmutzigem Belag. Schmerzen (!)
Therapie
4 Vorlagen mit Rivanol- oder Octenisept
4 ggf. Entfernen einzelner Fäden (Vorteil der nicht komplett einfädig ge-
nähten Episiotomie)
4 nach Abfließen von gestautem Wundsekret rasche Besserung
4 ggf. Sitzbäder mit Tanolact
4 Sekundärheilung abwarten, bei großen klaffenden Wunden ist eine Se-
kundärnaht (erst bei reizlosen Wundrändern) sinnvoll.
Endometritis puerperalis
Hervorgerufen durch einen Aufstau des Wochenflusses, der zusammen mit
einer Keimaszension in den Bereich der Plazentahaftstelle eine Entzündung
derselben und des Endometriums zur Folge hat. Die Infektion kann sich
auch tiefer in das Myometrium ausbreiten, das dann im Sinne einer Endo-
myometritis mitbetroffen ist (Kap. 1).
Klinik
4 Auffällig ist oft primär der übel riechende Wochenfluss, der von subfe-
brilen Temperaturen und einer schlechten Uterusrückbildung mit ho-
14 hem Fundusstand begleitet wird.
4 Typisch ist der Uterusdruckschmerz, insbesondere im Bereich der Ute-
ruskanten.
4 Die Blutungen sind eher zu wenig wegen des Lochialstaus
4 Stirnkopfschmerz
Therapie
Zur lokalen »mechanischen« Therapie werden Kontraktionsmittel (meist
Oxytocininfusion) in Kombination mit Spasmolytika zur Relaxierung des
Zervikalkanals verabreicht in Kombination mit einer Antibiose, die vor
einer Erweiterung der lokalen Infektion schützen soll. Jede lokal begrenzte
Wochenbettinfektion kann eine Vorstufe der Puerperalsepsis sein, insbe-
sondere der reduzierte Allgemeinzustand einer Wöchnerin (Erschöpfung
nach protrahierter Geburt), ein hoher Blutverlust oder operative Eingriffe
sind Risikofaktoren für die Entwicklung einer Puerperalsepsis.
14.3 · Wochenbett
221 14
Ätiologie
Das traumatisierte Gewebe bietet den pathogenen Keimen (meist aus dem
kontaminierten Vaginalbereich) ideale Wachstumsbedingungen, sodass di-
ese lokale Infektion als Ausgangsort zur Einschwemmung der Keime in den
mütterlichen Organismus dient. Über kontinuierliche Ausbreitung, Lymph-
oder Blutbahn werden binnen kurzer Zeit sämtliche Organe involviert
und infiziert. Insbesondere die Virulenz der Erreger und ihre Toxine
(Hämolysine) lösen die klinischen Krankheitszeichen aus, die bis zum
Schock reichen.
Gefürchtetster und wichtigster Erreger ist Streptococcus pyogenes
(Gruppe A), der für die meisten Todesfälle durch Puerperalsepsis verant-
wortlich ist. Weitere Keime sind Streptokokken (Gruppe G oder Str. pneu-
moniae) sowie Staphylokokken, Anaerobier, Darmbakterien wie E. coli
und andere.
Eigene Notizen auch der geschilderte Allgemeinzustand, ernst genommen werden und an
eine beginnende Sepsis gedacht werden!
Im weiteren Verlauf kommt es durch die massive Erregerausbreitung
zu diffusen Schmerzen im Abdominalbereich mit Symptomen wie Erbre-
chen oder Diarrhoen, analgetische Medikamente wirken typischerweise
nur kurz. ! Cave Forensisch ist es wichtig, dass Patientin ärztlich gesehen
wurde. Die Patientin beklagt Glieder- und Kopfschmerzen, ein nun schwe-
res Krankheitsgefühl und wird dyspnoeisch, es kann sich eine Akrozynose
einstellen, die Temperatur steigt an, ggf. zeigt sich auch eine Hypothermie.
Im Labor sind nun Zeichen der Gerinnungsstörung, eine Leukopenie und
massiv erhöhtes CRP zu sehen. Die Oligo-/Anurie ist das klinische Korre-
lat zum Nierenversagen, es kommt zum Schock mit Hypotonie, Tachykar-
die und Tachypnoe mit respiratorischer Insuffizienz, das klinische Vollbild
der Sepsis ist gegeben.
Diagnostik
! Cave Jede auffällige Patientin im Wochenbett muss klinisch untersucht
werden. Dazu gehört die körperliche wie die gynäkologische Untersuchung,
an die seltene, aber dramatische A-Streptokokkensepsis muss gedacht
werden!
Eine Erregerisolierung aus Abstrichen von Dammriss, Naht, Zervix
und Blutkulturen sollte vor Beginn der Antibiose unbedingt angestrebt
werden. Es stehen Schnelltests für A-Streptokokken zur Verfügung, ein
genereller Einsatz in der Geburtshilfe erfolgt bis dahin nicht, die Antikör-
perdiagnostik für Streptolysin hilft bei fehlgeschlagenem Erregernach-
weis.
Labordiagnostik:
4 Blutbild mit Leukozyten, Thrombozyten, Hb, im Verlauf oft Absenken
der evtl. initialen Leukozytose, Kontrolle ggf. auch innerhalb von
Stunden.
4 Differenzialblutbild zeigt eine Linksverschiebung
14 4 CRP ist massiv erhöht, wichtig ist der Verlauf und die Dynamik, eine
Fehlinterpretation nach Geburt/Sectio wird dadurch vermieden
4 Gerinnungskontrolle: Durch die disseminierte intravasale Gerinnung
(DIC) hohe Letalität, bestimmt wird neben den Standardtests auch das
AT-III, typischerweise starker Abfall bei Sepsis.
Therapie
! Cave Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geburtsmedizin, Anästhe-
sie, Intensivmedizin und Mikrobiologie ist absolut erforderlich.
Je fulminanter der Verlauf ist, desto ausgedehnter und intensiver muss
die antibiotische Therapie erfolgen. Standardkombination ist Cephalospo-
rin (2. oder 3. Generation) in Kombination mit Metronidazol und Amino-
glykosid. Alternativ wird eine Monotherapie mit Meronem oder Imipenem
eingesetzt. Wichtig ist die Miterfassung der A-Streptokokken bei noch un-
bekanntem Erregerstatus. Falls dieser gesichert ist, so ist die Therapie der
Wahl der A-Streptokokken hochdosiertes Penicillin G, alternativ Cephalo-
sporine oder Erythromycin.
14.3 · Wochenbett
223 14
Die Patientin muss auf der Intensivstation betreut und engmaschig Eigene Notizen
überwacht werden (Kontrolle Temperatur, Atmung, Blutdruck, Ausschei-
dung, Labor: Blutgase, Elektrolyte, Kreatinin, Thrombozyten, Blutgerin-
nung etc.), venöse Infusionsmöglichkeiten möglichst über ZVK (inklusive
ZVD-Messung),
Chirurgische Intervention: Falls sich der klinische Zustand nicht bes-
sert oder gar verschlechtert, muss über eine Entfernung des primären In-
fektionsherdes eine Hysterektomie erwogen werden. Bei der A-Streptokok-
kensepsis liegt eine Multiorganerkrankung vor, sodass es auch Argumente
zum konservativen Vorgehen gibt. Die Indikation ergibt sich aus dem kli-
nischen Verlauf, der interdisziplinären Beratung und der Verantwortung
bzw. Erfahrung des behandelnden Geburtshelfers.
Komplikationen
Versagen einzelner Organe:
4 Niereninsuffizienz mit Folge Dialyse
4 Kardiorespiratorische Insuffizienz mit Folge Beatmung, pulmonale
Komplikationen sind oft im letalen Verlauf sehr schwer.
4 Gehirnblutung, Enzephalitis mit schlechter Langzeitprognose
4 Extremitätenverlust, großflächige Nekrosen
4 Gesamtletalität 20–60%
Blutungen im Wochenbett
Tagen bis Wochen nach Entbindung auftretende Blutung, die nicht den ty-
pischen Lochien entspricht.
Ätiologie
Ursachen sind:
4 Plazentareste oder -polypen im Cavum uteri
4 Endometritis puerperalis (verursacht zwei Drittel der postpartalen Blu-
tungen)
4 Funktionelle Ursachen
4 Selten geburtstraumatische Blutungen im Wochenbett
Plazentarest
Nach unvollständiger Plazentalösung, Leitsymptom Blutung ex utero, Poly-
pen durch Kontraktionen oft bei Spekulumeinstellung im Zervixkanal
sichtbar. Meist überraschend einsetzende Blutung, nicht selten stark und
bedrohlich blutend, Kontraktionsmittel ohne Effekt.
Komplikation ist die Infektion des Plazentarests und konsekutive
Endomyometritis.
Therapie
Operative Entfernung unter antibiotischem Schutz und wegen Perforations-
gefahr unter sonografischer Kontrolle. Ausnahmslos histologische Untersu-
chung, um Differenzialdiagnose Trophoblasttumor auszuschließen.
224 Kapitel 14 · Geburt
Puerperale Endometritis
Zweithäufigste Ursache, überwiegend schwache Blutung, Therapie s. oben.
Symphysenschaden
Therapie
Körperliche Schonung, Analgesie, ggf. Stützgürtel, orthopädische Nachbe-
handlung/-betreuung.
Mastitis puerperalis
Therapie
4 Schonung, Ruhe, stationäre Aufnahme, Analgesie!
4 Ausreichende Flüssigkeitssubstitution
4 Brust optimal entleeren (Stillschwester, Hebamme), Ruhigstellung der
Brust und Kühlung
4 Frühzeitiger Einsatz der Antibiose (Cephazolin, Flucloxacillin, Cla-
rithromycin etc.), um Abszessbildung zu reduzieren.
4 Abstillen bei Mastitis ist umstritten, in Frühstadien nicht empfohlen.
! Cave Beidseitige Mastitis: aggressivere Erreger zu vermuten.
Komplikation
4 Abszessbildung in der Brust:
5 Therapie: Chirurgische Inzision ggf. mit Gegeninzision, täglich
Spülung, Ausgranulation der Abszesshöhle.
5 Alternative ist die Punktion unter sonografischer Kontrolle (verhin-
dert in über zwei Dritteln der Fälle die operative Therapie)
5 Abstillen ist nicht erforderlich!
S. Trepels-Kottek
Das reife, gesunde Neugeborene wird zwischen 37 0/7 und 41 6/7 Schwan-
gerschaftswochen geboren. Normale Geburtsgewichte liegen zwischen
3000 g und 3500 g, jedoch abhängig von Geschlecht, Gestationsalter und
ethnischer Herkunft sehen wir eine größere Spanne zwischen 2500 g und
4200 g. Wenn das Gewicht im Bereich der 10. bis 90. Perzentile liegt, wird
das Kind als AGA-Neugeborenes bezeichnet (appropriate for gestational
age). Der Kopfumfang beträgt etwa 34 cm und die Länge 50 cm. Die Herz-
frequenz variiert zwischen 100–180/min und bei Aufregung, z.B. Hunger,
auch bis zu 220/min. Es atmet 40- bis 60-mal pro Minute.
226 Kapitel 14 · Geburt
14.4.4 APGAR
Parameter 0 1 2
14.4.6 Reanimationsmaßnahmen
Eigene Notizen 5 Laryngoskop mit Spatel Größe 0 und 1 (gerade und gebogen)
5 Magillzange und Führungsstab
5 Trachealtuben Größe 2.0, 2.5, 3.0 und 3.5
5 Stethoskop
4 Neugeborenen-Reanimation auf Grundlage der ERC-Leitlinien zum
»Newborn Life Support« 2010:
5 Abtrocknen und Warmhalten des Neugeborenen; Uhr starten
5 Kontrolle von Atmung und Herzfrequenz
5 Wenn das Neugeborene stöhnt oder nicht atmet → Freimachen der
Atemwege; 5 Beatmungen, SaO2-Monitoring
5 Reevaluation, Ausbleiben des Anstiegs der Herzfrequenz; ! Cave:
Thoraxbewegungen:
5 → Keine ausreichende Thoraxbewegung → Kontrolle der Kopfposi-
tion bei Beatmung, Korrektur der Kopfposition (nicht überstre-
cken!), Hilfe durch eine weitere Person, Erwägen einer alternativen
Atemunterstützung (Rachentubus, Larynxmaske), Wiederholen der
Beatmungen, SPO2-Monitoring, Beurteilung des Erfolgs
5 → Wenn Thoraxexkursion vorhanden, die Beatmung also suffizient
ist, Herzfrequenz aber weiterhin <60/min: Beginn der Herzdruck-
massage im Verhältnis 3:1 (kardiale Kompression:Beatmung)
5 Reevaluation von Herzfrequenz und Atmung alle 30 s. Wenn Herz-
frequenz nicht festzustellen ist oder <60/min → Erwägen von Medi-
kamentengabe, z.B. Suprarenin 0,01 mg/kg
4 Der/die verantwortliche Arzt/Ärztin sollte sich zu jeder Zeit fragen, ob
es sinnvoll und notwendig ist, Hilfe anzufordern (Neonatologischer In-
tensivtransport).
4 ! Cave Maskenbeatmung unter Raumluft, keine routinemäßige O2-
Gabe.
4 Nach erfolgter Intubation erfolgt die Herzdruckmassage ohne Unter-
brechung: kontinuierliche Beatmung und durchgehende Herzdruck-
massage.
14 4 Akzeptable präduktale Sauerstoffsättigungswerte bei suffizienter At-
mung und ausreichender Herzfrequenz sind wie folgt:
5 2 min 60%
5 3 min 70%
5 4 min 80%
5 5 min 85%
5 10 min 90%
14.4.7 pH und BE
5 pH-Werte <7,1 erfordern eine sofortige Kontrolle der Blutgasanaly- Eigene Notizen
se und eine weitere engmaschige klinische Überwachung des Kin-
des (Blutdruck, Blutzucker, Puls, Atmung und Temperatur) bis zur
Normalisierung.
4 Weitere notwendige Blutentnahme beim Neugeborenen sind Blutzu-
ckermessungen beim Vorliegen von:
5 Hypo- oder Hypertrophie des Neugeborenen; mütterlichem (Gesta-
tions-)Diabetes
5 Kontrollen erfolgen ca. 0,5, 1, 2, 4, 8, 12 und 24 h post partum
5 Unabhängig von der Zeit, wenn das Neugeborene zittrig ist
4 Wichtig ist, dass keine Blutuntersuchung, z.B. C-reaktives Protein oder
Interleukin-6, eine suffiziente Überwachung des klinischen Zustandes
des Kindes ersetzen kann. Sinnvoll ist es, bei einer potenziellen Gefähr-
dung des Kindes, wie mütterlichen Infektzeichen (CRP-Erhöhung, Fie-
ber) oder fetaler unklarer Tachykardie, das Kind mittels Messung von
Puls, Atmung und Temperatur regelmäßig zu überwachen und eine
ärztliche Untersuchung zu veranlassen, falls die Werte außerhalb des
Normbereichs liegen. Normwerte sind:
5 Atmung 40–60/min
5 Herzfrequenz 120–180/min
5 Temperatur 36,5–37,5°C
14.4.8 Erstuntersuchung
Wenn die Untersuchung unauffällig ist, können Mutter und Kind der Eigene Notizen
weiteren Wochenbettpflege zugeführt werden. Falls die Mutter nach am-
bulanter Entbindung mit ihrem Kind nach Hause geht, sollte im Rahmen
der U1 auch eine Blutentnahme zum Stoffwechselscreening erfolgen.
Diese muss jedoch erneut im Alter von 36–72 nach der Geburt wiederholt
werden.
233 A–E
Stichwortverzeichnis