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Aggressionsmanagement. Agressionsprävention im Akutspital: Präventive Massnahmen und Umgang mit Aggressionsereignissen View project
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ersten Monaten gefühlt hat. So folgt eine Interaktion auf Zu wenig Zeit für die Bewohnenden und
die nächste und es entsteht eine Beziehung zwischen trotzdem ein gutes Gefühl der Sicherheit
beiden Personen. Durch diese Beziehung werden emo-
tionale Sicherheit und Vertrauen aufgebaut. Diese sind
unabdingbar für unser Wohlbefinden und das Gefühl von Um eine gute Beziehung aufzubauen ist es wichtig, dass
Geborgenheit. sich Bewohnende als Individuen mit Vorlieben und per-
sönlicher Lebensgeschichte wahrgenommen und behan-
delt fühlen und dass sie vertrauensvolle und bedeutsame
Beziehung, Vertrauen, Sicherheit Beziehungen zum Personal pflegen können. Genau diese
Fragen zur personenzentrierten Pflege stellten wir den
und Lebensqualität
Teilnehmenden der Studie RESPONS 2019. Rund ein Drit-
tel der Bewohnenden gab an, dass das Personal manchmal
Wie wichtig Beziehungen sind, belegen Studien. Beispiels- bei ihnen zu einem Gespräch vorbeikommt, ohne dabei
weise haben Personen mit adäquaten sozialen Beziehun- weitere Tätigkeiten erledigen zu müssen. Knapp 60 % der
gen verglichen mit Personen mit unbefriedigenden oder befragten Bewohnenden bemängelten, dass sich das Per-
unzureichenden sozialen Beziehungen generell eine 50 % sonal nicht oder nur teilweise für ihre Lebensgeschichte
höhere Überlebenswahrscheinlichkeit (Holt-Lunstad interessierte. Trotzdem beurteilte eine deutliche Mehrheit
et al., 2010). Soziale Beziehungen können somit bis zu ei- der Bewohnenden, dass das Personal sie gut kennt und
nem gewissen Grad vorhandene Risikofaktoren wie bei- weiss, was ihnen wichtig ist. Gut zwei Drittel konnten sich
spielswese Übergewicht oder Bewegungsmangel kompen- ganz oder teilweise jemandem vom Personal anvertrauen.
sieren. Dies scheint unabhängig von Alter und Geschlecht, Eine Mehrzahl der Bewohnenden gab jedoch an, im Pfle-
dem anfänglichen Gesundheitszustand, dem Nachbeob- geheim keine Vertrauensperson unter den Mitbewohnen-
achtungszeitraum und den Todesursachen Gültigkeit zu den zu haben (s. Abb. 1).
haben. So zeigt die Studie bei insgesamt über 308000 Per-
sonen eindrücklich auf, dass auf soziale Beziehung basier-
ten Interventionen nicht nur die Lebensqualität, sondern
auch das Überleben der Betroffenen verbessert (Holt-Lun-
stad et al., 2010).
Pflege- und Lebensqualität im Alters- und Pflegeheim
hängt also stark von der Beziehungsgestaltung und der
Beziehungsqualität ab. Die Studie RESPONS 2019 (Resi-
dents’ Perspectives of Living in Nursing Homes in Swit-
zerland) ist ein Projekt der Berner Fachhochschule, in
welchem die Lebens- und Pflegequalität in Schweizer
Pflegeheimen mittels Befragungen der Bewohnenden
untersucht wurden. Für die Erhebung der Pflegequalität
müssen, neben objektiven Qualitätsindikatoren wie Man-
gelernährung, bewegungseinschränkenden Massnahmen, Abbildung 1. Dimensionen der personenzentrierten Pflege
Polymedikation und Schmerz, die persönlichen Sichtwei-
sen von Pflegeheimbewohnenden zur Lebens- und Pfle-
gequalität ein integrativer Bestandteil sein. Dies ist leider Die Gestaltung eines positiven psychosozialen Umfel-
noch nicht umfassend gewährleistet. Die Studie RESPONS des im Pflegeheim, in dem die Bewohnenden das Gefühl
2019 liefert diesbezüglich einen wichtigen Beitrag, indem haben, wertgeschätzt zu werden und Unterstützung zu er-
die Heimbewohnenden, wie in der Studie RESPONS 2013, halten, so dass sie sich wohlfühlen, zeichnet eine perso-
durch strukturierte Einzelinterviews eine Stimme erhiel- nenzentrierte Atmosphäre aus. In einer solchen Atmo-
ten (Hahn et al., 2019). Insgesamt haben 1264 Bewohne- sphäre können vertrauensvolle Beziehungen gelebt
rinnen und Bewohner aus der Deutschschweiz und der werden. Daher erfragten wir, wie die Bewohnenden die
Romandie an der Studie teilgenommen. Sie waren durch- Atmosphäre in Bezug auf Sicherheit, Vertrautheit und
schnittlich 85 Jahre alt, mehrheitlich weiblich (70 %) und Gastlichkeit auf den Abteilungen wahrnahmen. Eine At-
56 % schätzten ihren Gesundheitszustand als gut bis sehr mosphäre der Sicherheit fokussiert auf einen sicheren Ort,
gut ein. Gut 30 % zeigten keine, 50 % eine leichte und an dem die Bewohnenden betreut werden und auf die pro-
20 % eine mittelschwere kognitive Beeinträchtigung auf. fessionelle Pflege, die sie erhalten. Zwei Drittel der Be-
Leider konnten wir Bewohnende mit einer schweren kog- wohnenden beurteilten die Kommunikation mit dem Per-
nitiven Beeinträchtigung nicht interviewen. Basierend auf sonal sowie dessen Kompetenz positiv. Über 80 % der
den Ergebnissen von RESPONS 2013 wurden 2019 zusätz- Bewohnenden schätzten die Abteilung als einen Ort ein,
liche Vertiefungsthemen zur personenzentrierten Pflege an dem sie sich sicher und willkommen fühlten und der
erhoben, wodurch spannende Erkenntnisse gewonnen sauber und ordentlich ist. Weniger gut bewertet wurden
werden konnten. diejenigen Punkte, die mit den Zeitressourcen des Perso-
dere der Zeitmangel bzw. beschränkte finanzielle und und Sicherheit zu vermitteln. Die generelle Bewertung
personelle Ressourcen scheinen die Umsetzung negativ fällt überwiegend positiv aus, es verwundert daher nicht,
zu beeinflussen. Eingeschränkte Ressourcen und knappe dass die befragten Personen ihre Abteilungen mehrheit-
Personalbestände scheinen neben Tätigkeiten wie Körper- lich als einen Ort einschätzen, an dem sie sich willkom-
pflege, Medikamentenabgabe, Wundpflege etc. wenig Zeit men und zuhause fühlten. Damit dies so bleibt, sollten wir
für andere Aktivitäten zuzulassen. In den Interviews mit als Gesellschaft für ausreichende Ressourcen im Bereich
den befragten Bewohnenden wurde immer wieder betont, der Alters- und Langzeitpflege einstehen und dadurch
dass das Personal sicher häufiger oder schneller kommen den Betreuungs- und Pflegepersonen das Wertvollste zu
würde, wenn es mehr Zeit hätte und dass diese Versäum- ermöglichen: sich Zeit für die Bewohnenden zu nehmen.
nisse nicht am mangelnden Willen der Pflegepersonen lä-
gen. Dies bedeutet auch, dass Heimbewohnende durchaus
wahrnehmen, wie knapp die personellen Ressourcen zur- Literatur
zeit in der Langzeitpflege sind.
Ebrahimi, Z., Patel, H., Wijk, H., Ekman, I. & Olaya-Contreras, P.
(2020). A systematic review on implementation of person-
centered care interventions for older people in out-of-hospital
Sich einsetzen für Beziehungspflege settings. Geriatric Nursing (New York, N.Y.). https://doi.org/
10.1016/j.gerinurse.2020.08.004
und genügend Zeit Hahn, S., Bernet, N., Laimbacher, S. & Gugler, E. (2019). Gute Pflege
ist kein Zufall – Pflegequalität verbessern in Zusammenarbeit
von Praxis und Forschung. NOVAcura, 50(9), 21 – 25.
Um Beziehungen aufzubauen und emotionale Sicherheit Hedman, M., Häggström, E., Mamhidir, A. G. & Pöder, U. (2019).
und Vertrauen und somit Lebensqualität im Pflegeheim zu Caring in nursing homes to promote autonomy and participa
fördern, wird Zeit benötigt. Zeit, um gemeinsame Erfah- tion. Nursing Ethics, 26(1), 280 – 292. https://doi.org/10.1177/
0969733017703698
rungen machen zu können, um Bewohnenden zuzuhören,
Holt-Lunstad, L., Smith, T. B. & Layton, J. B. (2010). Social Relation-
sich gegenseitig Wichtiges zu erzählen oder die Bewoh- ships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review. PLOS Medi-
nenden zum Erzählen der Lebensgeschichte anzuregen. cin, 7(7), e1000316. https://doi.org/10.1371
Dies ist auch eine Voraussetzung, um Ressourcen, Pfle- Kang, B., Scales, K., McConnell, E. S., Song, Y., Lepore, M. &
Corazzini, K. (2020). Nursing home residents’ perspectives on
ge- und Unterstützungsbedarf bei der betroffenen Person
their social relationships. Journal of Clinical Nursing, 29(7-8),
zu identifizieren, die zusammen mit anderen Untersu- 1162 – 1174. https://doi.org/10.1111/jocn.15174
chungen genutzt werden, um gemeinsam die Alltagsge- McCormack, B. & McCance, T. (2010). Person-centred nursing
staltung zu planen und die Gesundheit zu fördern. Zent- theory and practice Wiley-Blackwell. https://doi.org/10.1002/
9781444390506
rale ist, neben der altersbedingten Beeinträchtigung und
Melé, D. (2014). Relational Dimensions of the Human Being. In
den Diagnosen vor allem den Menschen zu sehen: einen D. Melé & C. González Cantón (Eds.), Human Foundations of
Menschen mit Erfahrungen und Wissen, Traditionen und Management. Basingstoke, Hampshire: Palgrave Macmillan.
Werten (McCormack & McCance, 2010; University of Go- Moody, L., Nicholls, B., Shamji, H., Bridge, E., Dhanju, S. & Singh, S.
(2018). The Person-Centred Care Guideline: From Principle to
thenburg, 2021). Wenn zudem innerhalb der Heime eine Practice. Journal of patient experience, 5(4), 282 – 288. https://
Kultur herrscht bzw. genügende Ressourcen vorhanden doi.org/10.1177/2374373518765792
sind, die es dem Personal erlauben, den Bewohnenden Roberts, T. J. (2018). Nursing home resident relationship types:
einmal einen Sonderwunsch zu erfüllen oder Zeit ausser- What supports close relationships with peers & staff? Journal
of Clinical Nursing, 27(23-24), 4361 – 4372. https://doi.org/
halb der absolut notwendigen Pflegehandlungen gemein- 10.1111/jocn.14554
sam zu verbringen, fördert dies die Vertrautheit zwischen Schmidt, J. F. K. (2007). Beziehung als systemtheoretischer Begriff.
dem Personal und den Bewohnenden (Roberts, 2018). Soziale Systeme, 13(1 and 2), 516–527.
Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung zwischen Be- University of Gothenburg. (2021). Centre for Person-centred Care
– GPCC University of Gothenburg. Retrieved 18.01.2021 from
wohnenden und dem Pflegepersonal stärken zudem das https://www.gu.se/en/gpcc/about-person-centred-care#
Gefühl der Zugehörigkeit und Sinnhaftigkeit (Kang et al., More-information-about-person-centred-care-and-person-
2020). Die Gründe, warum manche Bewohnende keine centredness
Vertrauensperson beim Personal haben, können vielfältig
sein, etwa erschwerende strukturelle Einflussfaktoren wie
bspw. eine hohe Fluktuationsrate bei den Pflegepersonen
oder fehlende Zeitressourcen (Kang et al., 2020). Erfreu-
lich ist, dass trotz des in RESPONS 2019 aufgedeckten
Ressourcenmangels eine deutliche Mehrheit der Befrag-
ten angab, dass das Personal sie gut kenne und wisse, was Prof. Dr. Sabine Hahn, Dipl. Pflege
ihnen wichtig sei und beinahe 80 % angaben, dass sich das expertin, MSc Nursing, PhD, FEAN,
Personal besonders für ihr Wohlbefinden einsetze. Dies ist Leiterin Fachbereich Pflege,
Department Gesundheit, Berner Fach-
zeigt auf, mit welch hoher Motivation Pflege- und Betreu-
hochschule und Projektverantwort
ungspersonen in den teilnehmenden Pflegeheimen arbei-
liche der Studien RESPONS 2019 und
ten, um auf den Abteilungen eine kommunikative Atmo- RESPONS-Fam 2019.
sphäre zu ermöglichen und den Bewohnenden Kompetenz