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Jennifer Mayer
Sozialpsychologie –
Der Mensch in sozialen
Beziehungen
Interpersonale und Intergruppenprozesse
2. Auflage
Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen
Lioba Werth
Beate Seibt
Jennifer Mayer
Sozialpsychologie –
Der Mensch
in sozialen
Beziehungen
Interpersonale und Intergruppenprozesse
Jennifer Mayer
Zentrum für Soziales und Ökonomisches
Verhalten (C-SEB), Universität zu Köln
Köln, Deutschland
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V
Lioba Werths und Jennifer Mayers Einführung in die Sozialpsychologie vereint gute
Lesbarkeit mit thematischer Breite und wissenschaftlicher Sorgfalt. Von den Grund-
lagen der Informationsverarbeitung und Urteilsbildung über das Wechselspiel von
Fühlen und Denken bis zu klassischen Themen der Einstellungsforschung bietet der
erste Teil des Buches eine ausgezeichnete Einführung in den derzeitigen Forschungs-
stand zur sozialen Kognition. Der zweite Teil wendet sich dann interpersonellen Pro-
zessen zu und behandelt Themen des sozialen Einflusses, Beziehungen in und zwischen
Gruppen sowie Aspekte des prosozialen und antisozialen Verhaltens. Besonders beein-
druckend ist die Fähigkeit der Autorinnen, sozialpsychologische Grundlagenforschung
in alltagsrelevanter Weise zu präsentieren. Dieses Buch zu lesen ist eine Freude – es
wird vielen Studierenden den ersten Zugang zur Sozialpsychologie erleichtern.
Norbert Schwarz
Charles Horton Cooley Collegiate
Professor of Psychology
University of Michigan
Vorwort
Was bringt Sie dazu, dieses Buch zu lesen? Möglicherweise hat ein Dozent es zur
Pflichtlektüre gemacht. Vielleicht haben Sie auch Gutes darüber gehört oder ein Ver-
käufer hat es Ihnen empfohlen. Dies sind Beispiele für sozialen Einfluss, bei dem
andere Menschen beeinflussen, was Sie tun und welche Ziele Sie verfolgen. Sozialer
Einfluss funktioniert dabei immer nach den gleichen Prinzipien, unabhängig davon, ob
Ihnen jemand bei Ihren Vorhaben helfen oder Sie beispielsweise zu einem Spontankauf
überreden will, den Sie hinterher bereuen. Wenn Sie Regeln befolgen und im Sinne
des Allgemeinwohls handeln, etwa wenn Sie nach dem Picknick Ihren Müll wieder
mitnehmen, unterliegen Sie ebenfalls sozialem Einfluss und beeinflussen wiederum
andere. Welche Prinzipien dabei zum Tragen kommen, erfahren Sie in 7 Kap. 2.
Eine Dozentin, die Ihnen hilft, Theorien und Befunde zu einem Thema zu verstehen,
erhält Gehalt aus Steuergeldern, da Ihre Ausbildung für die Gesellschaft ein wichtiges
Anliegen ist. Kooperation und Hilfe sind also in modernen Gesellschaften in institutio-
nelle Zusammenhänge eingebettet, die weit über das gegenseitige Helfen hinausgehen.
Gerade deswegen sind sie beeindruckende Beispiele für die Kooperationsbereitschaft
und -fähigkeit von Menschen. Der Wikipedia-Artikelschreiber schließlich erhält nicht
direkt etwas von Ihnen, kann aber darauf bauen, dass andere auch Artikel schreiben,
von denen er wiederum profitiert. Man könnte dies als eine ausgedehnte Form von
Gegenseitigkeit bezeichnen. In 7 Kap. 6 erfahren Sie mehr darüber, wann Menschen
bereit sind, anderen zu helfen oder sich auf andere Art kooperativ zu verhalten.
Beziehungen können allerdings auch das Gegenteil sein: Wir können uns gegen-
seitig behindern, bedrohen oder beschädigen. Eine solche von Rivalität geprägte
Beziehung reicht vom sportlichen Wettbewerb bis zum blutigen Krieg. Gemeinsam
ist solchen Beziehungen, dass die Ziele des einen den Zielen des anderen zuwider-
laufen. In einem festen Rahmen und mit klaren Spielregeln, wie beim Fußballspiel
oder bei der Konkurrenz um einen Job, haben viele Menschen Spaß an Wettbewerben,
bei denen sie die eigenen Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Hat allerdings
eine Person die Absicht, eine andere zu schädigen, so wird dies im Fußball als Foul
gewertet. Auch außerhalb des Fußballs ist die Schädigung anderer durch aggres-
sive Handlungen ein grober Verstoß gegen die sozialen „Spielregeln“. Da Aggression
VII
Vorwort
ein zwischenmenschliches Verhalten ist, das viel Leid verursacht, beschäftigt sich die
Sozialpsychologie damit, wie Personen- und Situationsmerkmale aggressives Verhalten
vorhersagen. Ziel ist es, Aggression besser zu verhindern oder zumindest einzu-
dämmen. In 7 Kap. 5 erfahren Sie mehr über diese Forschung.
Insgesamt ist damit ein durchgehendes Thema dieses Buchs die Bedeutung sozialer
Beziehungen für die Erreichung lebenswichtiger Ziele, entweder in Kooperation oder
in Konkurrenz miteinander. Befunde der Evolutionsforschung zur Entstehung von
kooperativem und feindseligem Verhalten zwischen Individuen und Gruppen legen
nahe, dass sowohl Kooperation und Hilfeverhalten als auch Konkurrenz und feind-
seliges Verhalten eine angeborene Komponente haben, weil sie die Fitness steigern und
daher selektiert wurden. An vielen Stellen dieses Buchs werden die angenommenen
Mechanismen näher beschrieben. Ein weiterer Befund dieser Forschung ist, dass es
nicht eine optimale genetische Ausstattung gibt, sondern dass verschiedene Personen-
merkmale und die damit verbundenen Verhaltensstrategien soziale „Nischen“ aus-
füllen und so die Fitness ihrer Träger positiv beeinflussen können. Um es plakativ
zu machen: Menschen, die sehr großzügig sind, gewinnen damit Freunde, auf die sie
häufig auch bauen können. Damit ist Großzügigkeit eine fitnesssteigernde Strategie.
Geraten sie aber an jemanden, der sie ausnutzt, kann dies ihren Ruin bedeuten und
ihre Fitness deutlich schmälern. In manchen sozialen Umwelten haben daher großzü-
gige Menschen einen Fitnessvorteil, in anderen hingegen haben ihn geizige oder gar
ausnutzende Personen. Da im Durchschnitt betrachtet die verschiedenen möglichen
Strategien alle für sich häufig genug erfolgreich sind, ist keine davon ausgestorben.
Als empirische Wissenschaft hat die Sozialpsychologie es sich zum Ziel gesetzt,
menschliches Miteinander mithilfe von Theorien zu verstehen und zu erklären und
diese Theorien in der Praxis zu überprüfen. Sozialpsychologen überprüfen ihre
Theorien mit einer Reihe von Messmethoden, u. a. Selbstberichten, Verhaltens-
beobachtungen und physiologischen Messungen. Ende des 20. und Anfang des
21. Jahrhunderts haben zwei methodische Entwicklungen die Untersuchung von
Beziehungen stark beeinflusst. Zum einen hat die Neurowissenschaft enorme Fort-
schritte gemacht. So gelingt es inzwischen beispielsweise, die Synchronisation von
Hirnaktivitäten zwischen Personen zu messen, etwa zwischen einer Erzählerin und
ihren Zuhörern, zwischen zwei in eine Art Telefongespräch vertieften Personen
VIII Vorwort
oder auch zwischen Gitarristen beim Duett.1 Andere Beispiele sind zwei in 7 Kap. 1
beschriebene Studien, die die Aktivierung von Angstarealen in Abhängigkeit von
nonverbaler sozialer Unterstützung maßen. Zum anderen sind Menschen global
zunehmend medial vernetzt, und zwar sowohl durch stationäre Computer als auch
besonders durch mobile Smartphones mit zahlreichen Sensoren. Dies verbessert die
Erhebungssituationen u. a. dahingehend, dass nun Folgendes möglich ist:
5 Häufiges Messen von Gedanken, Gefühlen, Handlungen oder Interaktionen mit
Smartphone-Apps, als Selbstbericht, physiologische Messung (beispielsweise Herz-
ratensensor) oder Verhaltensstichprobe (z. B. Bewegungssensor, kurze Tonauf-
nahmen, Nutzungsdauer sozialer Medien). Insbesondere können auf diese Weise
auch Beziehungspartner gemeinsam teilnehmen, und so zu Erkenntnisgewinnen
hinsichtlich beispielsweise der Dynamiken zwischen Partnern beitragen.
5 Die Erhebung großer Stichproben online, was zu einer genaueren Schätzung der
Effektgrößen und zu größerer Generalisierbarkeit der Ergebnisse führt.
5 Die Auswertung komplett anonymer Daten, sog. Big Data, wie beispielsweise die
Vernetzung von Menschen bei sozialen Medien oder die Eingabe bestimmter Such-
begriffe in Suchmaschinen.
Die Erfassung großer Mengen Daten im Alltag statt im Labor führte auch zur
Notwendigkeit der Entwicklung neuer Auswertungsmethoden. Diese erlauben die
Verwendung komplexerer Versuchspläne, wie beispielsweise das Testen mehrerer ver-
mittelnder Prozesse in der gleichen Analyse. Aufgrund dieser methodischen Ent-
wicklungen sowie ihrer gesellschaftlichen Relevanz sind die Themen dieses Werks nach
wie vor Gegenstand intensiver Forschung.
Im Fokus dieses Buchs steht das Individuum in Interaktion mit anderen. In sechs
Kapiteln erhalten Sie Antworten zu unterschiedlichen Themen innerhalb dieses
Forschungsgebiets:
1 Quellen in der Reihenfolge der Beispiele im Text: Stephens, G. J., Silbert, L. J. & Hasson, U. (2010).
Speaker-listener neural coupling underlies successful communication. PNAS, 107, 14425–14430.
Pérez, A., Carreiras, M. & Duñabeitia, J. A. (2017). Brain-to-brain entrainment: EEG interbrain synchro-
nization while speaking and listening. Scientific Reports, 7, 4190. Sänger, J., Müller, V. & Lindenberger,
U. (2012). Intra- and interbrain synchronization and network properties when playing guitar in
duets. Frontiers in Human Neuroscience, 6, 312.
IX
Vorwort
Wir haben den Begriff „soziale Beziehungen“ damit bewusst weit gefasst, um deutlich
zu machen, dass soziale Prozesse zu einem großen Teil in überdauernden Beziehungen
stattfinden, d. h. zwischen Menschen, die sich kennen und wiederholt miteinander
interagieren (7 Kap. 1). Die jeweils beleuchteten Prozesse können aber genauso auch
zwischen Fremden ablaufen. Themen wie Medien und Aggression, Hilfeverhalten oder
sozialer Einfluss wurden sogar überwiegend zwischen Fremden untersucht. In die-
sem Buch, wie auch in 7 Sozialpsychologie I, legen wir Wert auf die Erläuterung und
X Vorwort
Wir danken Gelieza Kötterheinrich, Ida Pallin, Anni Jonesdatter Voll, Olivia Pich,
Henning Rognlien, Kamilla Steinnes und Karl Henrik Storhaug Reinås für die Hilfe bei
der Fertigstellung des aktuellen Werks. Thomas Schubert danken wir für hilfreiche Dis-
kussionen und Markus Denzler für die konstruktive Zusammenarbeit.
Lioba Werth
Beate Seibt
Jennifer Mayer
XI
-
diversen Extras
Für die Lehre – fertig zum Download:
Abbildungen und Tabellen für Dozentinnen
und Dozenten zum Download
- Kommentierte Weblinks
Dozentenmaterialien: Vorlesungsfolien,
Abbildungen und Tabellen -- Glossar mit über 100 Fachbegriffen
Verständisfragen und Antworten
Foliensätze sowie Tabellen und Abbildungen für
Dozentinnen und Dozenten zum Download
XIII
Inhaltsverzeichnis
1 Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Bedeutung sozialer Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.1 Arten von Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.1.2 Beziehungen und psychisches Wohlbefinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
1.1.3 Beziehungen und physische Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
1.1.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.2 Anziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
1.2.1 Nähe, Vertrautheit und Ähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
1.2.2 Körperliche Attraktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1.2.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1.3 Paarbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1.3.1 Was ist Liebe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1.3.2 Der Verlauf von Paarbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
1.3.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
1.4 Kapitelzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
2 Sozialer Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
2.1 Die Anwesenheit anderer beeinflusst die individuelle
Leistung – Soziale Erleichterung und soziale Hemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
2.1.1 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
2.2 Schwimmen mit oder entgegen dem Strom – Der Einfluss
von Mehr- und Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
2.2.1 Wenn der Strom uns mitreißt – Der Einfluss von Mehrheiten
(Konformität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
2.2.2 Wenn wenige die Strömung ändern – Der Einfluss von
Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.2.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2.3 Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
2.3.1 Soziale Einflussnahme mithilfe situativer Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
2.3.2 Soziale Einflussnahme mithilfe von Beziehungsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
2.3.3 Sozialer Einfluss durch Auslösen eines Verpflichtungsgefühls
beim Gegenüber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
2.3.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
2.4 Kapitelzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
4 Vorurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
4.1 Wodurch zeichnen sich Vorurteile aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
4.1.1 Was genau versteht man unter einem Vorurteil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
4.1.2 Welche Gruppen sind Gegenstand starker Vorurteile?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
4.1.3 Wie lassen sich Vorurteile messen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242
4.1.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
4.2 Wann und wie kommen Vorurteile zur Anwendung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
4.2.1 Stereotypaktivierung und ihre Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
4.2.2 Wann kommen aktivierte Stereotype zur Anwendung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
4.2.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
4.3 Woher kommen Vorurteile? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
4.3.1 Wir und die anderen – Soziale Kategorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
4.3.2 Wir gegen die anderen – Intergruppenwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
4.3.3 Kontakt als Mittel zur Reduktion von Vorurteilen – Die
Kontakthypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
4.3.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
4.4 Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
4.4.1 Wenn wir Zusammenhänge sehen, die gar nicht bestehen –
Illusorische Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
4.4.2 Was nicht ins Schema passt, wird rekategorisiert – Subtyping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
4.4.3 Mit verzerrten Ursachenzuschreibungen Vorurteile
rechtfertigen – Attributionale Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283
4.4.4 Sich selbst erfüllende Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289
4.4.5 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
4.5 Kapitelzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
XV
Inhaltsverzeichnis
Serviceteil
Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485
1 1
Beziehungen
1.1 Bedeutung sozialer Beziehungen – 3
1.1.1 Arten von Beziehungen – 3
1.1.2 Beziehungen und psychisches Wohlbefinden – 22
1.1.3 Beziehungen und physische Gesundheit – 24
1.1.4 Zusammenfassung – 28
1.2 Anziehung – 28
1.2.1 Nähe, Vertrautheit und Ähnlichkeit – 29
1.2.2 Körperliche Attraktivität – 31
1.2.3 Zusammenfassung – 40
1.3 Paarbeziehungen – 40
1.3.1 Was ist Liebe? – 42
1.3.2 Der Verlauf von Paarbeziehungen – 57
1.3.3 Zusammenfassung – 65
1.4 Kapitelzusammenfassung – 66
Literatur – 69
und Rechte von Kindern. Wie sich diese Ver- Illustration: Der Rückgang der
1 änderungen auf die Eltern-Kind-Beziehung Prügelstrafe in Deutschland
auswirken, wird im Folgenden beleuchtet. In Deutschland fanden Erhebungen an natio-
nal repräsentativen Stichproben große Rück-
z Die Rolle von Erziehung in der Eltern- gänge vor allem in den schwereren Formen
Kind-Beziehung körperlicher Bestrafung (Bussmann 2004).
Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen Vater Der Anteil Jugendlicher im Alter von zwölf
mit seiner Tochter im Supermarkt. Der bis 18 Jahren, der angab, die folgenden For-
Vater erklärt, dass es heute keine Süßigkei- men von Gewalt durch ihre Eltern schon
ten gibt. Die Tochter schnappt sich einen einmal erlebt zu haben, sank zwischen den
Schokoriegel und beginnt, ihn zu entpacken. Jahren 1992 und 2002:
Wie sollte der Vater auf diese „Ungezogen- 5 Leichte Schläge ins Gesicht: Von 81 % auf
heit“ reagieren? Die einhellige Meinung 69 %
lautet hier, dass körperliche Strafen weder 5 Schwerer Schlag ins Gesicht: Von 44 % auf
notwendig noch hilfreich und dass sie mora- 14 %
lisch falsch sind. Seit dem Jahr 2000 ist die 5 Schläge auf den Hintern mit einem Stock:
körperliche Bestrafung von Kindern in Von 41 % auf 5 %
Deutschland unzulässig. Dies war jedoch 5 Geschlagen bis zur Entstehung blauer
nicht immer so. Die aktuell in Deutschland Flecken: Von 31 % auf 3 %
lebende ältere Generation wuchs in einer
Zeit auf, in der auch schwere Prügelstrafen Das Beispiel der Prügelstrafe zeigt eindrück-
noch häufig vorkamen (. Abb. 1.1). West- lich, wie soziale Normen – sowohl deskriptive
europa steht hier an der Spitze eines welt- als auch injunktive (7 Abschn. 2.3.3) – Stan-
weiten Trends zu weniger Gewalt in der dards für Beziehungsrollen darstellen, die
Kindererziehung (Pinker 2011). die Qualität dieser Beziehungen tiefgreifend
. Abb. 1.1 Die körperliche Bestrafung von Kindern durch das Schlagen mit einem Stock auf die Hand war
bis ins 20. Jahrhundert hinein sowohl zu Hause als auch in der Schule üblich. Auch „Tatzengeben“ genannt,
wurde diese Form der Bestrafung als sinnvolle pädagogische Maßnahme in der Schule betrachtet, und erst in
den 1970er Jahren wurden körperliche Strafen in der Schule in der Bundesrepublik generell verboten. (© Klaus
Eppele/stock.adobe.com)
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
5 1
verändern. Denn auch wenn man eine liebe- wurde noch lange nicht zu allen Zeiten so
volle Eltern-Kind-Beziehung nicht gesetz- vertreten, geschweige denn praktiziert. Bei-
lich verordnen kann, so ist es aus Sicht des spielsweise galt es im viktorianischen 19. Jahr-
Kindeswohls auf jeden Fall ein Fortschritt, hundert und bis in die 1950er Jahre hinein als
eine weitgehend furchtfreie Beziehung zu Erziehungsfehler, Babys und Kleinkinder zu
seinen Eltern haben zu können. Der Rück- „verhätscheln“ (also ihnen Zuwendung, Auf-
gang der Prügelstrafe im 20. Jahrhundert merksamkeit und Zärtlichkeit zu geben), ins-
ging einher mit einer Abnahme autoritärer besondere Jungs (. Abb. 1.2). Diese Ansicht
Erziehungsziele (Erziehung zu Gehorsam und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Unterordnung) und einer Zunahme demo- auch von einigen Psychologierichtungen
kratischer Erziehungsziele (Erziehung zu geteilt (Bigelow und Morris 2001), z. B. dem
Selbstständigkeit und Eigenverantwortung; Behaviorismus, welcher zunächst nur auf
vgl. Fuß 2006, S. 118). Diese Änderungen des materielle Belohnungen und Bestrafungen
Erziehungsstils wirken sich positiv auf die fokussierte. John B. Watson (1928), ein füh-
Eltern-Kind Beziehung aus: Sowohl Eltern als render Vertreter des Behaviorismus, gab jun-
auch Kinder schätzten ihre Beziehung noch gen Müttern folgenden Rat: „Umarme oder
nie so gut und emotional warm ein wie gegen- küsse sie [die Babys] niemals, lass sie nie auf
wärtig (Fuß 2006, S. 118; Krieger et al. 2012, deinem Schoß sitzen. Wenn du musst, küsse
S. 47). Im nächsten Abschnitt geht es darum, sie einmal auf die Stirn, wenn sie Gute Nacht
warum ein emotional warmes Verhältnis in sagen. Begrüße sie morgens mit Handschlag.“
der Eltern-Kind-Beziehung wichtig ist. Dass sich das wissenschaftliche Denken und
die empfohlene Praxis der Kindererziehung
z Das Bedürfnis nach Nähe in der radikal verändert haben, verdanken wir u. a.
Eltern-Kind-Beziehung der Erforschung des tierischen Bindungs-
Was, glauben Sie, brauchen Babys? Liebe und verhaltens (Harlow und Zimmermann 1959;
Milch? Stimmt, doch diese einfache Tatsache 7 Beispielstudie 1.1).
. Abb. 1.2 Babys zu küssen und zu umarmen, galt im 19. Jahrhundert als Erziehungsfehler. Heute setzen viele
Eltern auf Tragetücher und Tragegestelle, um viel Körperkontakt zu ihren Babys zu halten, und sein Kind zu
küssen, ist erlaubt! (© STUDIO GRAND WEB/stock.adobe.com)
6 Kapitel 1 · Beziehungen
Beispielstudie 1.1
1
Bindung als Voraussetzung für die Emotionsregulation
Als Harry Harlow in den 1950er Affenbabys konnten zwischen zur Stoffmutter ließ. Sie
Jahren in guter Behavioris- diesen „Müttern“ wählen und verbrachten auch Zeit auf ihr,
mus-Tradition ein Tierlabor verbrachten den Großteil ihrer fanden aber keinen echten
eröffnete, um etwas über Zeit bei der Stoffmutter. Nur Trost: Bei Bedrohung rannten
menschliches Verhalten zu um zu trinken, kletterten sie sie weg oder hockten hilflos
lernen, entschied er sich zur Drahtmutter oder beugten in der Ecke, stereotype
anstelle der sonst üblichen sich zu ihr hinüber. Diese Bewegungen machend.
Ratten für Affen. Als er die Beobachtung widersprach den Harlows Forschung veränderte
Babys von ihren Eltern trennte Vorhersagen behavioristischer die Sicht auf Eltern-Kind-Be-
und sie einzeln in Käfige setzte, Theorien – nach diesen ziehungen bei Menschen
beobachtete er etwas, das hätte die Verstärkung durch nachhaltig. Bei Psychologen
nicht in das behavioristische Nahrung zu einer klaren und in der amerikanischen
Konzept jener Zeit passte: Bevorzugung der Drahtmutter Gesellschaft setzte sich
Die Tierbabys krallten sich an führen müssen. die Erkenntnis durch, dass
ihre Stoffwindeln, wenn diese Weitere Experimente zeigten, körperliche Nähe und
gewechselt werden sollten. dass die Affenbabys in neuen Verlässlichkeit der Eltern die
Als er diesem Phänomen und in angsteinflößenden psychosoziale Entwicklung von
nachging, entdeckte Harlow, Situationen besonders schnell Kleinkindern, insbesondere die
dass die Affenbabys eine klare zur Stoffmutter rannten und Fähigkeit zur Stressregulation,
Präferenz für Stoff anstelle sich an ihr festklammerten. entscheidend beeinflussen.
von Draht hatten. Er bastelte Diejenigen, die ganz ohne Diese Erkenntnisse
zwei Puppen, eine gab „Mütter“ großgezogen mündeten u. a. in größeren
Milch und war aus Draht, die wurden, hingegen reagierten Anstrengungen, Waisenkinder
andere gab keine Milch und anders, selbst wenn Harlow in Adoptivfamilien zu
war mit Stoff überzogen. Die sie nach acht Monaten vermitteln.
Strange-Situation-Test
In den Studien von Ainsworth Mutter wieder herein. Die auch auf die Mutter zu, wurde
et al. (1978) wurden Kinder reagierten dabei sehr aber dann sehr anhänglich und
Kleinkinder zwischen zwölf unterschiedlich. Ein Großteil klammerte sich an die Mutter.
und 24 Monaten mit ihren der Kinder rannte auf die Ein Erkunden der Umgebung
Müttern in einen Raum Mutter zu und umarmte sie, war für diese Kinder nach
voller Spielzeug gebeten. sichtbar froh und erleichtert. der Aufregung schwierig
Dort trennte sich die Mutter Nach einer Weile wandten sich (ängstlich-ambivalente
vom Kind, welches mit einer diese Kinder dann wieder dem Bindung). Andere Kinder
fremden Frau allein gelassen Spielzeug zu und erkundeten ignorierten die Mutter, als sie
wurde (und in einer zweiten ihre Umgebung. Dieses wieder ins Zimmer kam, und
Phase ganz allein), was viele Reaktionsmuster nannten die taten so, als hätte ihnen das
Kinder mit Weinen und Protest Forscher sichere Bindung. Ein Ganze gar nichts ausgemacht
quittierten. Dann durfte die kleinerer Teil der Kinder rannte (vermeidende Bindung).
angesehen, da sie hilft, den Stress des Klein- et al. 2007)2. Trennung der Eltern sowie
kinds zu regulieren, und ihm ermöglicht, die Krankheit oder Tod eines Elternteils sind
Welt zu erkunden. Die anderen Bindungs- häufig belastend für Kinder, u. a. weil sie
typen ergeben sich, so Ainsworth et al. (1978), die Gelegenheiten für körperliche Nähe zu
vor allem aus schwankenden oder fehlenden einem Elternteil reduzieren (Amato 2000;
Bindungsangeboten der Bezugsperson. Spendet Bowlby 1988). Allerdings gibt es auch große
die Bezugsperson nicht regelmäßig und ver- Unterschiede, wie gut die Anpassung gelingt
lässlich Trost in Stresssituationen, so entwickelt (Amato 2000). Umgekehrt sind auch Eltern
sich bei dem Kind ein ängstlicher Bindungsstil. an ihre Kinder gebunden. Starke Gefühle
Durch übermäßiges Festhalten versucht es, die elterlicher Liebe sowie Trauer bei Verlust
Gefahr, im Stich gelassen zu werden, zu mini- eines Kinds weisen auf eine biologische Kom-
mieren. Reagiert hingegen die Bezugsperson im ponente der elterlichen Bindung, während
Allgemeinen abweisend auf die Annäherungs- viele konkrete Verhaltensweisen elterlicher
versuche des Kinds, so lernt das Kind, dass es Fürsorge in der jeweiligen Kultur gelernt wer-
keinen Trost erhalten kann. Der Erwachsene den (Bowlby 1988, S. 5). Die wechselseitige
verliert seine Funktion als sicherer Hafen, ein Bindung zwischen Eltern und Kindern bleibt
vermeidender Bindungsstil entwickelt sich. auch im Erwachsenenalter häufig erhalten.
Ängstlich-ambivalente und vermeidende Bin- Insbesondere die heute 20- bis 30-Jähri-
dung werden manchmal auch zusammen- gen (Emerging Adulthood) haben sehr enge
fassend als unsichere Bindung bezeichnet.1 Beziehungen zu ihren Eltern, zum Teil aller-
Neben dem elterlichen Bindungsverhalten dings auch, weil Karriere und Familien-
beeinflussen auch genetische Determinanten gründung sich nach hinten verschieben
den Bindungsstil von Kindern (Costa et al. und mit mehr Unsicherheit belastet sind
2009; Gillath et al. 2008). (besonders bei Studierenden), wodurch die
Für Kinder, die mit beiden Eltern auf- Eltern auch weiterhin als schützender Hafen
wachsen, sind normalerweise beide Eltern und sichere Basis gefragt sind (Seiffge-Krenke
Bindungspartner (Bowlby 1988, S. 11; König 2017).
1 Ein vierter Bindungsstil, das unsicher-des- 2 Allerdings lag der Forschungsschwerpunkt lange
organisierte Bindungsmuster, wurde später von Zeit auf der Mutter-Kind-Bindung, wie beispiels-
Main und Solomon (1986) eingeführt. weise in 7 Beispielstudie 1.2.
8 Kapitel 1 · Beziehungen
Exkurs
1 Kitas
Mit der zunehmenden Kinderbetreuung, wobei auch Beziehung leidet dabei nicht
Berufstätigkeit von Frauen immer mehr Kinder bereits unter der temporären Trennung
und dem gleichzeitigen vor ihrem dritten Lebensjahr und der Verfügbarkeit weiterer
Rückgang der Großfamilie eine Kindertagesstätte Bindungspersonen, wenn die
im 19. Jahrhundert wurde besuchen (52 % der Kinder elterliche Bindungsperson in der
die Kinderbetreuung in in Ostdeutschland und 28 % verbleibenden Zeit einfühlsam
Deutschland mehr und in Westdeutschland; BMFSFJ und zugewandt ist (Ahnert und
mehr institutionalisiert. Der 2017). Insgesamt wurden im Lamb 2004).
erste Kindergarten (damals Jahr 2016 93,7 % der Kinder Damit findet weder die
Kleinkinderbewahranstalt zwischen drei und fünf Extremposition „Eine gute
genannt) wurde bereits Jahren in Westdeutschland in Mutter darf ihre Kinder nicht
in der ersten Hälfte des Kindertagesstätten betreut und weggeben“ noch das andere
19. Jahrhunderts gegründet rund 95,3 % in Ostdeutschland. Extrem „Es ist kein Problem,
(Buchenau et al. 2014). Während diese Entwicklungen schon sehr junge Kinder in
Nach Ende der Nazidiktatur durch wirtschaftliche und die Betreuung zu geben“
wandelten sich Kindergärten ideologische Faktoren bedingt empirische Unterstützung.
zunehmend von bloßen waren, begann man in den Vielmehr legt die Forschung
Aufbewahrungsanstalten zu letzten 20 Jahren verstärkt nahe, dass Eltern und Kind
Bildungseinrichtungen, die damit, psychologische dann von der Betreuung
die frühkindliche Entwicklung Forschungsergebnisse am meisten profitieren,
der Kinder fördern sollten. bei der Ausgestaltung wenn die optimale Form
Hierbei bestanden allerdings der Kinderbetreuung zu der Betreuung im richtigen
große Unterschiede in den berücksichtigen. Eine Alter mit kompetenten
konzeptuellen Grundlagen von wichtige Erkenntnis hierbei Betreuungskräften zur
Kindertagesstätten in Ost- und war, dass Kinder eine stabile Verfügung steht und wenn
Westdeutschland. Während und sichere Bindung zu ihrer auch die Eltern Unterstützung
in der Bundesrepublik in den Betreuungsperson aufbauen finden können, beispielsweise
1960er und 1970er Jahren der können und dass diese durch Beratungsangebote
demokratische Leitgedanke wichtig für ihr psychisches oder ganz praktisch durch
zentral war, nach welchem Wohlbefinden ist (z. B. Ahnert flexible Arbeitszeitregelungen.
sich Kinder zu selbstständig 2010). Dies gelingt jüngeren Verbringen kleine Kinder
denkenden Persönlichkeiten Kindern bis etwa 24 Monate allerdings viele Stunden
entwickeln sollten, beruhte mit Tagesmüttern leichter als täglich in großen Gruppen
das Konzept der Krippen und in Kinderkrippen (Ahnert et al. mit zu wenigen oder zu wenig
Kindergärten in der DDR auf der 2006) und bei kompetenten einfühlsamen Betreuungs-
Ausbildung der „sozialistischen Betreuungspersonen besser personen, so steigt das Risiko
Moral“ der Kinder, die sie zu als bei weniger kompetenten späterer Probleme durch
guten DDR-Bürgern machen (Ahnert et al. 2006; aggressives oder riskantes
sollte (Buchenau et al. 2014, Pierrehumbert et al. 2002). Auch Verhalten und Impulsivität
S. 12). Da in der DDR deutlich eine flexible Eingewöhnungszeit (McCartney et al. 2010;
mehr Frauen berufstätig (Ahnert et al. 2004) und kleine Vandell et al. 2010). Die
waren, existierte dort ein Gruppen (Ahnert 2007) helfen, Forschung unterstreicht die
flächendeckender Ausbau der Stress ab- und Bindungen Wichtigkeit der Eltern-Kind-
Kleinkinderbetreuung mit einer aufzubauen. Gelingt dies, so Beziehung, zeigt aber
Auslastung von beinahe 100 %. können Kinder in Kitas im auch, dass Kinder bereits in
Hierdurch ist es zu erklären, Spiel mit Gleichaltrigen und jungen Jahren von engen,
dass es auch heute noch eine in Gruppenaktivitäten neue kontinuierlichen Beziehungen
höhere Betreuungsquote in Kompetenzen aufbauen (z. B. zu anderen Erwachsenen
den neuen Bundesländern im Ahnert und Lamb 2004), und die und Gleichaltrigen
Vergleich zu Westdeutschland Nachteile unsicherer Bindung im profitieren können. Im
gibt. Heutzutage steht in Elternhaus können ausgeglichen Sinne der Bindungstheorie
Kindergärten bundesweit werden (Egeland und Hiester zeigt sich auch, dass diese
die frühkindliche Bildung 1995; Pierrehumbert et al. 1996; Beziehungen die Grundlage
im Vordergrund der . Abb. 1.3). Die Eltern-Kind- für Kompetenzerwerb sind.
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
9 1
. Abb. 1.3 Kitas waren in Deutschland lange ein ideologisch aufgeladenes Thema. Während sie in Ostdeutsch-
land der Erziehung zum sozialistischen Staatsbürger dienten, gab es in Westdeutschland vielerorts Vorbehalte
gegen Fremdbetreuung. Die aktuelle Forschung dazu zeigt, dass sich die Investition in gute Kitas lohnt. Sehr gut
ausgebildete Fachkräfte, kleine Gruppen und moderne pädagogische Konzepte helfen beim Aufbau sozialer
und kognitiver Fähigkeiten, ohne die notwendige enge Bindung an Bezugspersonen zu vernachlässigen. (©
dglimages/stock.adobe.com)
. Abb. 1.4 a–d Hochzeiten sind interkulturell wichtige Zeremonien. Ob die Brautleute sich gegenseitig
wählen oder ob die Verwandtschaft für sie wählt – eine Hochzeit hat traditionell immer Auswirkungen auf
eine ganze Gemeinschaft, da sie die Beziehungen der Freunde und Verwandten untereinander und zu den
erwarteten Kindern regelt. Da aktuell in Westeuropa die Kultur von Independenz geprägt ist, sind auch diese
Auswirkungen geringer und die Rollen der Verwandtschaft weniger festgelegt. Manche Paare betrachten Hoch-
zeit daher als Privatsache und geben ihrer Familie erst nach vollzogener Trauung Bescheid. (a: © goodluz/stock.
adobe.com, b: © Kadmy/stock.adobe.com, c: © TheFinalMiracle/stock.adobe.com, d: © Patrick Ebi Amanama/
africamediaonline/picture alliance)
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
11 1
1988). Normalerweise ist die Bindungs- Ein Großteil der Forschung zur Bindung
beziehung zwischen Lebenspartnern sym- bei Erwachsenen diente der Aufdeckung der
metrisch: Die Partner geben und erhalten Unterschiede zwischen sicher und unsicher
gegenseitig Trost und Unterstützung (Miku- gebundenen Erwachsenen. Es lassen sich
lincer und Shaver 2007). Die Bindungsstile, diesbezüglich zwei bedeutende Erkennt-
die Menschen in Paarbeziehungen zeigen, nisse festhalten: Zuerst und in Überein-
können – analog zu den oben beschriebenen stimmung mit der Bindungstheorie bitten
frühkindlichen Bindungsstilen – in die drei
Kategorien sicher, ängstlich/ambivalent und vermeidend (Bartholomew und Horowitz 1991;
vermeidend eingeteilt werden (z. B. Hazan Fraley et al. 2000). Die Dimension Bindungsangst
und Shaver 1987). Dabei sind, ähnlich wie beinhaltet Sorgen, abgelehnt und verlassen zu
bei den kindlichen Beziehungsmustern, etwa werden. Ein Beispielitem lautet: „Ich habe Angst,
60 % der Erwachsenen in Paarbeziehungen die Liebe meines Partners/meiner Partnerin zu
verlieren.“ Bindungsvermeidung, die zweite
sicher gebunden und je 20 % ängstlich/ambi- Dimension, betrifft den Grad, in dem man es
valent und vermeidend.3 unangenehm findet, von anderen abzuhängen
und anderen emotional nahe zu sein. Ein Bei-
spielitem ist: „Ich ziehe es vor, meinem Partner/
3 In neuerer Forschung werden Bindungsstile meist meiner Partnerin nicht zu nahe zu sein“ (Ehrenthal
anhand zweier Dimensionen gemessen: hoch et al. 2009). Ein sicherer Bindungsstil zeichnet sich
oder niedrig ängstlich und hoch oder niedrig durch niedrige Werte auf beiden Skalen aus.
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
13 1
sicher gebundene Erwachsene ihre Part- Personen mit hohen Werten für Vermeidung
ner häufiger um Unterstützung als unsicher investieren am wenigsten in ihre Beziehungen,
gebundene, wenn sie verängstigt sind. leiden am wenigsten unter Trennungsschmerz
Umgekehrt sind sie auch eher bereit, ihren und zeigen die geringsten Werte in Commit-
verängstigten Partnern Unterstützung zu ment (7 Abschn. 1.3.1) und Beziehungs-
bieten. Damit dient sicher gebundenen zufriedenheit (Mikulincer und Shaver 2007).
Erwachsenen ihr Lebenspartner als eine Dies gilt auch für gleichgeschlechtliche Paar-
sichere Basis, um Herausforderungen zu meis- beziehungen (Elizur und Mintzer 2003; Rami-
tern (z. B. Fraley und Davis 1997; vgl. auch rez und Brown 2010; Ridge und Feeney 1998),
Collins und Feeney 2000; 7 Beispielstudie 1.3). wobei hier die Unterstützung und Akzep-
Dies wurde beispielsweise in einer Studie tanz des sozialen Umfelds für die Beziehung
gezeigt, in der junge Frauen gefilmt wurden, eine wesentliche Voraussetzung für die Ent-
während sie gemeinsam mit ihrem Partner wicklung eines sicheren Bindungsstils dar-
auf eine angsteinflößende Aufgabe warteten. stellen (Elizur und Mintzer 2003).
Sicher gebundene Frauen baten häufiger um
Körperkontakt und emotionale Unterstützung z Stabilität des Bindungsstils
und erhielten auch häufiger unterstützende Eine Annahme Bowlbys (1969) war, dass
Kommentare als unsicher gebundene (Sim- der in der frühen Kindheit erworbene
pson et al. 1992). Bindungsstil eine Art „Arbeitsmodell“ dar-
Zweitens verschlimmern die Attributio- stellt, welches Beziehungen das ganze Leben
nen (Ursachenzuschreibungen; 7 Sozial- lang prägt. Er nahm also an, dass Kinder
psychologie I, Kap. 5), die unsicher gebundene entweder lernen, bei einer Bezugsperson
Personen hinsichtlich des Verhaltens ihres Trost und Unterstützung zu suchen und zu
Partners während und nach schwierigen finden, oder stattdessen eine Variante des
Situationen in der Beziehung machen, ihre unsicheren Bindungsstils erlernen. Danach
Unsicherheiten noch mehr, anstatt sie zu lin- würde man erwarten, dass Bindungsstile
dern (Collins 1996; Simpson et al. 1996). So über das Leben hinweg relativ stabil blei-
empfanden ängstlich-ambivalent gebundene ben. Empirische Untersuchungen dazu
Personen ihre Partner und ihre Beziehung zeigen gemischte Ergebnisse, mit einer
nach einem schwierigen Konfliktgespräch durchschnittlichen Stabilität von r = 0,27
als weniger liebevoll, engagiert, respektvoll zwischen dem Bindungsstil im Alter von
und offen, verglichen mit sicher gebundenen einem Jahr (gemessen mit dem Strange-Si-
Personen (Simpson et al. 1996). Die für tuation-Test; 7 Abschn. 1.1.1.1) und im Alter
einen ambivalenten Bindungsstil typischen von etwa 19 Jahren (gemessen mit Frage-
Ängste und Zweifel führten also zu nega- bögen). Die einzelnen Effekte sind allerdings
tiven globalen Einschätzungen, die diese heterogen und variieren zwischen r = −0,14
Befürchtungen scheinbar bestätigten (obwohl und r = 0,50 (Fraley 2002). Der Strange-Situ-
diese Einschätzungen vom Partner und von ation-Test wird normalerweise mit Müttern
Beobachtern nicht geteilt wurden). durchgeführt, da Babys und jüngere Klein-
In der Folge sind sicher gebundene kinder in vielen Kulturen, Deutschland ein-
Erwachsene in ihren Beziehungen eher zufrie- geschlossen, die stärkere Bindung zu ihren
dener als unsicher gebundene Erwachsene. Müttern haben.4 In einer Studie in Bielefeld
Sicher gebundene Personen sind vertrauens- über die ersten 16 Lebensjahre wurde der
voller und engagierter in ihren Beziehungen, Bindungsstil der Jugendlichen nicht durch
haben positivere Erwartungen an die
Beziehung und sind zufriedener damit als 4 Eine gleich starke Bindung an beide Eltern oder
unsicher gebundene Personen (z. B. J. A. Fee- eine stärkere an den Vater sind jedoch genauso
ney et al. 1994; Hirschberger et al. 2009). gut möglich.
14 Kapitel 1 · Beziehungen
Beispielstudie 1.3
1
Der Partner als sicherer Hafen: Unterstützung erhält vor allem der, der darum bittet
Heterosexuelle Paare (N = 93) umso mehr wurde ihm die ihre Beziehung sehr positiv
zwischen 17 und 33 Jahren oder ihr auch geholfen: sahen, eine Wahrnehmungs-
wurden ins Labor eingeladen durch Zuhören, Trösten, verzerrung auf: Sie nahmen
(Collins und Feeney 2000). Erteilen von Ratschlägen, mehr Unterstützung wahr, als
Ein Partner wurde gebeten, Zeigen von Verständnis tatsächlich gegeben worden
in Anwesenheit des anderen und Aufmerksamkeit. Dies war.
über ein persönliches Problem wiederum verbesserte Damit zeigt diese Studie vor
zu sprechen, welches nicht die Stimmung der allem zwei Dinge:
die Beziehung betraf. Die Hilfesuchenden. 1. Man erfährt insbesondere
Gespräche wurden auf Bindungsstile spielten in dann mehr Trost und
Video aufgenommen und dieser Studie ebenfalls Unterstützung von
anschließend das verbale eine Rolle: Während ein seinem Partner, wenn
und nonverbale Verhalten vermeidender Bindungsstil man deutliche Signale der
ausgewertet. Es zeigte des Hilfesuchenden zu eigenen Hilfsbedürftigkeit
sich, dass diejenigen, die mehr indirekten Versuchen, sendet.
angaben, deutlich unter Unterstützung zu erhalten, 2. Hohe Beziehungs-
ihrem Problem zu leiden, führte, zog eine ängstliche zufriedenheit führt
von ihrem Partner mehr Bindung des Unterstützers an dazu, dass man die
Unterstützung einforderten, den hilfesuchenden Partner Unterstützung des
z. B., indem sie das Problem eine schlechtere Unterstützung Partners als besonders
genau schilderten, ihre nach sich (ein starker Fokus unterstützend erlebt.
Gefühle offenbarten, um auf ihre eigenen Bindungs- Beides stellt vermutlich
Unterstützung baten, bedürfnisse schränkte eine Aufwärtsspirale dar,
weinten oder ein trauriges vermutlich ihre Aufmerksamkeit da eine solch erlebte
Gesicht machten. Je mehr für die Bedürfnisse des Unterstützung wiederum
der Hilfesuchende ein Partners ein). Schließlich die Zufriedenheit mit der
solches Verhalten zeigte, wiesen die Hilfesuchenden, Beziehung erhöhen sollte.
. Abb. 1.6 Familien, in denen mehrere Generationen unter einem Dach leben, sind in Deutschland selten
geworden. Aber weiterhin spielen die Großeltern häufig eine wichtige Rolle im Leben ihrer Enkel. (© Monkey
Business/stock.adobe.com)
Rollenverteilungen bestanden, die die Auf- Eltern nur relativ geringen Kontakt zwischen
gaben der Großeltern und die Beziehungen Großeltern und Enkeln zulassen, haben die
zwischen den verschiedenen Familien- Großeltern kaum Einflussmöglichkeiten, weil
mitgliedern innerhalb der Großfamilie klar in unserer Gesellschaft das Erziehungsrecht
definierten, bestehen in heutigen westlichen üblicherweise bei den Eltern liegt. Generell ist
Familiensystemen eine Vielzahl von ver- die Beziehung zwischen Enkeln und Großmüt-
schiedenen Beziehungskonzepten. In manchen tern mütterlicherseits am engsten, wodurch
Familien spielen Tanten, Onkel, Cousinen und diese Großmütter oft eine besonders wich-
Cousins eine große Rolle in der Erziehung und tige und prägende Rolle im Leben ihrer Enkel
Betreuung, aber auch als Freund, Ratgeber einnehmen (Hartshorne und Manaster 1983;
oder Unterstützer, und das emotionale Ver- 7 Exkurs: Warum sterben Frauen nicht nach der
hältnis kann sehr eng sein. Dies ist allerdings Menopause?).6
in Mitteleuropa nicht (mehr) der Normal- Somit lässt sich festhalten: Verwandt-
fall. Großeltern hingegen spielen weiterhin schaftsbeziehungen in westlichen Ländern
eine wichtige Rolle (. Abb. 1.6). Während sind, obwohl wenig festgelegt, doch vielfach
manche Großeltern aktiv an der Sozialisie- sehr eng und wichtig. Am konsistentesten
rung ihrer Enkel beteiligt sind, haben andere
ein mehr distanziertes oder formelles Ver-
hältnis (Roberto und Stroes 1992). Hierbei
6 Evolutionstheoretische Erklärungen für diese
wird das Verhältnis zwischen Großeltern und Befunde führen an, dass Großeltern durch das
Enkeln von einer Vielzahl von individuellen Investieren in ihre Enkel ihre inklusive Fitness
und situationsspezifischen Faktoren beein- steigern und dass Großmütter mütterlicherseits
flusst, z. B. dem Alter der Großeltern und der sich ihrer genetischen Verwandtschaft besonders
sicher sein können – ganz nach dem umgangs-
Enkelkinder, der räumlichen Distanz, aber
sprachlichen Motto „Mother’s baby, father’s
auch dem Verhältnis zwischen Großeltern maybe“ (Jamison et al. 2002; Voland und Beise
und Eltern (Roberto und Stroes 1992). Wenn 2002).
18 Kapitel 1 · Beziehungen
Exkurs
1 Warum sterben Frauen nicht nach der Menopause?
Besagt nicht die Anthropologen und kulturellen Kontexten
Evolutionstheorie, dass die Evolutionsbiologen konnten Großeltern die Aufgabe
biologische Fitness an der in gemeinsamer Forschung übernehmen, zentrale
erfolgreichen Weitergabe der zeigen, dass die Beiträge, Werte und Normen an ihre
eigenen Gene in die nächste die Großeltern zum sozialen Enkelkinder weiterzugeben
Generation hängt? Wenn und materiellen Erfolg ihrer (Bengtson 1985), und dass sie
keine solche Weitergabe mehr Enkel leisten, für diese einen einen wichtigen Beitrag zu
stattfinden kann, worin liegt Fitnessvorteil bringen, den materiellen Ressourcen,
dann der adaptive Vorteil was unsere Langlebigkeit zum sozialen Fortkommen
eines langen Lebens trotz evolutionär gesehen adaptiv und zur Betreuung ihrer Enkel
nachlassender Fruchtbarkeit macht. Dies zeigt sich leisten (Georgas 2003; Kaplan
beider Geschlechter? darin, dass in den meisten und Robson 2009).
ist dies für Beziehungen zu Großeltern der Situation erleben lässt (Cohen et al. 1986). Da
Fall. In nichtwestlichen Kulturen spielen Ver- die Definition von Freundschaft je nach Studie
wandtschaftsbeziehungen ebenfalls eine wich- sehr unterschiedlich ist und Befragte das Wort
tige Rolle, sind aber stärker festgelegt. Neben „Freund“ je nach Kontext und Kultur unter-
Familien und Verwandten haben die meisten schiedlich benutzen, lassen sich nur schwer
Menschen auch einen mehr oder weniger aus- Angaben über die durchschnittliche Zahl der
gedehnten Freundeskreis. Auch dieser erfüllt Freundschaften machen. In den Niederlanden
bedeutsame psychologische Funktionen, wes- gaben Erwachsene im Schnitt an, drei bis vier
halb im Folgenden die wichtigsten Befunde Freunde zu haben (Kalmijn 2003), wobei die
dazu kurz vorgestellt werden. Zahl der Freunde gemäß einer Metaanalyse
mit Datensätzen aus 28 Ländern innerhalb
1.1.1.5 Freundschaft der letzten 35 Jahre abgenommen hat (Wrzus
Im sozialpsychologischen Sinne sind Freund- et al. 2013; . Abb. 1.7).
schaften (damit sind nicht diejenigen auf
Facebook gemeint) freiwillige, auf Gegen- Freunde
seitigkeit beruhende Beziehungen, die wir Freunde sind Menschen, die man mag,
als belohnend empfinden (Wright 1969). deren Gesellschaft man genießt, mit
Genauer gesagt, sind Freunde Menschen, die denen man Interessen und Aktivitäten
man mag, deren Gesellschaft man genießt, mit teilt, die hilfreich und verständnisvoll sind,
denen man Interessen und Aktivitäten teilt, denen man vertrauen kann, mit denen
die hilfreich und verständnisvoll sind, denen man sich wohlfühlt und die emotionale
man vertrauen kann, mit denen man sich Unterstützung gewähren.
wohlfühlt und die emotionale Unterstützung
gewähren (Argyle und Henderson 1990). Für
Menschen jeden Alters sind enge Freund- Mit wem freunden wir uns an, und wel-
schaften ausgesprochen wichtig, sowohl für che Freundschaften bleiben erhalten? Viele
die psychische als auch physische Gesund- Faktoren, die hierfür eine Rolle spielen, wie
heit (Sherman et al. 2000). Freundschafts- physische Nähe, Vertrautheit, gegenseitige
beziehungen haben einen positiven Effekt Sympathie und Ähnlichkeit, sind die glei-
auf das Selbstwertgefühl und bieten soziale chen, die auch für die Partnerwahl wichtig
Unterstützung, die uns resistenter gegen Stress sind (7 Abschn. 1.2). So wurde die Dauer
macht, indem sie uns mehr Kontrolle über die von Freundschaften in einem vierjährigen
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
19 1
. Abb. 1.7 a, b Freunde sind eine wichtige Quelle der Unterstützung, und das weltweit, für beide Geschlechter
und in jedem Alter. Allerdings neigen wir dazu, diese zu vernachlässigen, wenn wir eine festere Partnerschaft
eingehen. Forschungsbefunde sprechen dafür, dass es sich lohnt, besonders in dieser Phase „am Ball zu blei-
ben“. (a: © lassedesignen/stock.adobe.com, b: © diego cervo/Fotolia)
Längsschnitt von der erlebten Unterstützung und das Kontrollerleben, zwei wichtige soziale
und Nähe sowie von der Kontakthäufigkeit Motive (Fiske 1991; 7 Abschn. 1.1.2). Aller-
vorhergesagt. Darüber hinaus wurde die Nen- dings ist nicht jeder in der Lage, Freund-
nung als bester Freund durch das Gefühl vor- schaften zu knüpfen und zu pflegen, die auch
hergesagt, dass diese Person unsere Identität soziale Unterstützung bieten. Vielmehr sagt
bestätigt und anerkennt (Weisz und Wood eine Reihe persönlicher Fertigkeiten wie der
2005). Dies unterstreicht die wichtige Rolle Mut, auf andere zuzugehen und sich ihnen
von Freundschaften für das Selbstwertgefühl gegenüber zu öffnen, oder die Bereitschaft, für
20 Kapitel 1 · Beziehungen
andere da zu sein, vorher, wem dies besonders Teil ihrer Zeit mit Kollegen und Mitarbeitern
1 gut gelingt (Cohen et al. 1986). und teilen wichtige berufliche Interessen
In der Kindheit und Jugend sind Freund- und Ziele. Dies ist oft die Grundlage für die
schaften äußerst bedeutsam für die Inter- Entstehung enger und lang anhaltender
nalisierung von sozialen Normen und Regeln. Freundschaften (Sias und Cahill 1998). Hierbei
Das ständige Feedback, das Kinder durch können Freundschaften am Arbeitsplatz die
Freunde erhalten, hilft ihnen, ihre Selbst- Zufriedenheit mit dem Arbeitsumfeld deut-
wahrnehmung zu entwickeln und eine eigene lich erhöhen und die Produktivität in Teams
Identität zu formen (Sherman et al. 2000). steigern (Berman et al. 2002). Andererseits
Freundschaften wirken auf Kinder intellek- können Freundschaften am Arbeitsplatz auch
tuell stimulierend (Asher und Parker 1991) zu Problemen führen, da sich persönliche
und stärken ihr Selbstwertgefühl (Sherman und professionelle Rollen vermischen. Wenn
et al. 2000), weil man anerkannt und gemocht Freundschaften am Arbeitsplatz durch Kon-
wird. Dies kann auf zwei Wegen passieren: flikte belastet sind, kann dies in emotionalem
Entweder der Freund oder die Freundin ist Stress und Frustration resultieren und in eini-
besonders empathisch und sozial kompetent gen Fällen gar die Aufgabe der Stelle nach
und deswegen ein guter Freund, oder er oder sich ziehen (Sias et al. 2004).
sie ist besonders populär, sodass der eigene Wie im privaten Bereich bestehen auch bei
Selbstwert dadurch steigt, dass man mit einer Freundschaftsbeziehungen am Arbeitsplatz
beliebten Person assoziiert wird (Lansu und einige bedeutende Geschlechtsunterschiede.
Cillessen 2012; Meuwese et al. 2017; Poorthuis Demnach suchen und finden Frauen in
et al. 2012). Freundschaften am Arbeitsplatz mehr emo-
In der Jugend verändern sich Freund- tionale Nähe und soziale Unterstützung, wäh-
schaftsbeziehungen meist und sind mehr rend für Männer funktionale Unterstützung
als in der Kindheit durch Vertrautheit und in arbeitsrelevanten Aufgabenbereichen und
emotionale Intimität geprägt (Sherman et al. Karrierevorteile durch Freundschaften an
2000). Durch die zunehmende Autonomie der erster Stelle stehen (Morrison 2009). Dies hat
Jugendlichen steigt die Bedeutung von Freun- zur Folge, dass Frauen mehr unter Konflikten
den und Freundescliquen, sodass Jugendliche und der Beendigung von Freundschaften am
im Durchschnitt die meiste Zeit mit Gleich- Arbeitsplatz leiden als Männer und aufgrund
altrigen verbringen. Die Unterstützung von dessen häufiger ihre Stelle kündigen. Dies
Freunden im Übergang zum Erwachsenen- kann auch (zumindest teilweise) erklären,
alter ist besonders wichtig und hilft, die nega- warum für Männer die Anzahl der Arbeits-
tiven Effekte von Stress und Unsicherheit in freundschaften einen wichtigen Faktor in der
dieser Lebensphase auszugleichen. Jugend- Jobzufriedenheit darstellt, für Frauen aber
liche Mädchen haben hierbei im Durchschnitt nicht.
mehr intime Freundschaften zu anderen Mäd-
chen als gleichaltrige männliche Jugendliche Im Laufe des Erwachsenenlebens nehmen
zu anderen Jungen (Lempers und Clark-Lem- die Anzahl der Freunde und die Häufigkeit
pers 1992). der Kontakte ab. So hatten junge Singles im
Schnitt 13 bis 14 Kontakte mit Freunden pro
Illustration: Freundschaften am Monat, während die Eltern erwachsener Kin-
Arbeitsplatz der gerade einmal noch fünf bis sechs hatten.
Neben dem privaten Bereich ist auch der Besonders der Beginn einer Paarbeziehung
Arbeitsplatz eine Umgebung, in der Men- und der Zeitpunkt des Zusammenziehens
schen in vielen verschiedenen Kulturen wich- mit einem Partner sind mit einem Verlust der
tige Freundschafsbeziehungen aufbauen. Anzahl der Freunde und der Kontakthäufig-
Viele Berufstätige verbringen einen großen keit mit diesen verbunden (Kalmijn 2003).
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
21 1
Dies bedeutet einen Wegfall der wichtigen Freundschaft bis dato durch Blutsbruderschaft
Funktionen, die Freundschaften aufgrund besiegelt. Auch Beziehungen innerhalb einer
einer Konzentration auf Partnerschaft und bestimmten Altersgruppe, die innerhalb einer
Familie erfüllen. Dies kann zu einer Über- Zeitspanne initiiert wurden (d. h. gemeinsam
frachtung der Partnerschaft oder Ehe mit ein Ritual durchliefen, welches sie in den
psychologischen Bedürfnissen – der Part- Kreis der Erwachsenen aufnahm), sind oft
ner als emotionale Stütze, zur Steigerung durch enge Freundschaft geprägt (Fiske und
des Selbstwertgefühls und für persönliches Fiske 2007). Zum Beispiel halten diese Per-
Wachstum – und damit zu Partnerschafts- sonen engen Kontakt zueinander, helfen sich
konflikten führen (Finkel et al. 2014). gegenseitig und besprechen gemeinsam wich-
Im Alter wird zunehmend deutlich, dass tige Entscheidungen.
Freundschaften auch eine wichtige Ressource Freundschaften sind universell und
für die Gesundheit sind. Schon in jungen gerade aufgrund ihrer Freiwilligkeit wichtige
Jahren stellen Freunde einen Puffer gegen soziale Beziehungen. Wir wählen Freunde,
Stress dar (z. B. Holtzman et al. 2017). So die uns guttun und die wichtige soziale
kann die Anwesenheit eines Freundes in einer Motive wie dasjenige nach Zugehörigkeit,
Stresssituation die Kortisolausschüttung als Selbstwertbestätigung, Vertrauen und Kon-
physiologische Stressreaktion abschwächen trolle befriedigen (7 Abschn. 1.1.2). Freund-
(Heinrichs et al. 2003). Entsprechend gehen schaften sind über die ganze Lebensspanne
auch Freundschaften im Alter mit besserer hinweg wichtig für unser Wohlbefinden und
psychischer und physischer Gesundheit ein- besonders im Alter auch für unsere physische
her (Adams und Blieszner 1995; Adams und Gesundheit (7 Abschn. 1.1.3). Da Freund-
Taylor 2015; Fiori et al. 2007; T. Li und Zhang schaften symmetrische Beziehungen sind,
2015; Litwin und Shiovitz-Ezra 2011; Litwin ist eine wichtige Voraussetzung dafür, gute
1998). Während ein Teil dieses Effekts dar- Freunde zu haben, anderen ein guter Freund
auf zurückzuführen ist, dass fittere Ältere zu sein.
Freundschaften besser pflegen können (T. Li
und Zhang 2015), weisen zahlreiche Befunde 1.1.1.6 Bekannte
darauf hin, dass Freundschaften durch ihre Neben echten Freundschaften hat jeder
emotionalen und instrumentellen Funktionen Mensch auch einen mehr oder minder
(7 Abschn. 1.1.3) auch kausal die Gesundheit umfangreichen Bekanntenkreis. Kenn-
beeinflussen (z. B. Berkman et al. 2000). zeichnend für Bekanntschaftsbeziehungen
Freundschaften haben in allen Kultu- ist, dass sie als sog. schwache Verbindungen
ren einen hohen Stellenwert. Bei den Jäger- (Weak Ties, Granovetter 1973) gelten, da
und Sammlerstämmen Agta und Bayaka in man mit jedem einzelnen Bekannten (z. B.
Afrika und Südostasien hat jeder Erwachsene einem Nachbarn) relativ wenig Zeit ver-
eine bis vier enge Freundschaftsbeziehungen bringt, die Beziehung emotional nicht inten-
neben seinen engen Verwandtschafts- siv und wenig intim ist und man sich wenig
beziehungen, was eine effiziente kulturelle verpflichtet fühlt, sich gegenseitig zu hel-
Wissensweitergabe sicherstellt (Migliano et al. fen. Das Aufrechterhalten einer immer
2017). Freundschaften können je nach Kultur größeren Anzahl von Bekanntschaften
entweder spontan entstehen oder durch Tra- wird durch soziale Medien sehr erleichtert.
ditionen festgelegt sein. So ist in katholischen Diese zunehmende Vernetzung im Web
Ländern traditionell die Beziehung zwischen 2.0 („jemanden zu kennen, der jemanden
dem Paten und den Eltern des Patenkinds, kennt“), ermöglicht nicht nur den Austausch
Compadrazgo, eine wichtige Freundschafts- sehr nützlicher Informationen, sondern
beziehung. In vielen afrikanischen Kulturen, zunehmend auch den Austausch von Gütern
aber auch anderen Teilen der Welt, wird enge und Dienstleistungen (bekannt geworden als
22 Kapitel 1 · Beziehungen
Sharing Economy7) sowie das heute gerade Sicherheit sowie eine sichere Basis finden
1 im Berufsleben wichtig gewordene Net- und Zuneigung erfahren. Beide Beziehungs-
working (Röll 2008). Insbesondere bringt die- arten werden zudem von gesellschaftlichem
ses Netzwerk Personen zusammen, etwa für Wandel beeinflusst. So hat die heute selbst-
Beziehungen, Karrieren und Informations- verständlichere Berufstätigkeit von Frauen
austausch, z. B. im Sinne von: „Die Tochter eine Reihe von Auswirkungen sowohl auf
einer Bekannten sucht einen Praktikumsplatz Eltern-Kind- als auch auf Paarbeziehungen,
in deiner Branche. Kennst du vielleicht wie beispielsweise eine stärkere Bindung auch
jemanden?“ So zeigten Angestellte, die mehr junger Kinder an ihre Väter und an außerfa-
Kollegen hatten, mit denen sie Ratschläge miliäre Betreuungspersonen sowie flexiblere
und Information austauschten, eine höhere Rollen in Paarbeziehungen. Darüber hinaus
Arbeitsleistung als solche, die weniger sozial ließ sich nachweisen, dass Geschwister oft
eingebettet waren (Sparrowe et al. 2001). ein Leben lang wichtige Beziehungspartner
Bekanntschaften verknüpfen Men- sind und dass unter den übrigen Verwandten
schen auch innerhalb von Gemeinschaften, insbesondere die Großeltern eine Beziehung
Clubs, politischen Bewegungen, z. B. die zu ihren Enkeln aufbauen und wichtige Auf-
Kirchengemeinde, die Dorf- oder Stadtteil- gaben bei der Kindererziehung übernehmen.
gemeinschaft oder eine Interessenvertretung Zudem zeigte sich, dass Freunde weltweit
Transsexueller. Damit stärken Bekannt- eine große Rolle spielen, da sie unser Selbst-
schaften soziale Identitäten und Gruppen- bewusstsein stärken, wir viel von ihnen ler-
zugehörigkeit (Ashmore et al. 2004; Kingsley nen und auf vielfältige Weise unterstützt
und Townsend 2006; 7 Abschn. 3.1.2). Dies werden. Nicht zuletzt sind auch Bekannt-
wiederum kommt den Gemeinschaften inso- schaftsbeziehungen wichtig, da sie Menschen
fern zugute, als eine große soziale Vernetzung, in ein Beziehungsgefüge einbetten, welches
auch Social Capital genannt, eine größere verschiedene Funktionen erfüllt.
Ressource für ihre Mitglieder darstellt, um
gemeinsam Ziele zu verfolgen und Unter-
stützung zu erhalten (Pretty 2003). Das feh- 1.1.2 Beziehungen und psychi-
lende Eingebettetsein in Gemeinschaften ist sches Wohlbefinden
ein Aspekt von Einsamkeit (7 Abschn. 1.1.2)
und geht damit mit schlechterem psychischem Sicherlich haben Sie schon an sich selbst
Wohlbefinden einher (Chipuer 2001; Pflum beobachtet, wie eine gute Party, ein gutes
et al. 2015). Diese Funktionen können durch Gespräch oder gemütlich zusammen auf
Begegnungen oder medial vermittelten Kon- der Couch zu sitzen, Ihre Laune verbessert.
takt (z. B. soziale Medien) oder eine Kombi- Menschen sind allgemein besser gelaunt,
nation daraus verwirklicht werden (Riedl et al. wenn sie mit anderen Menschen zusammen
2013). sind (z. B. Berscheid und Reis 1998; Kahn-
Zusammenfassend zeigt die sozial- eman et al. 2004). Des Weiteren führen ein
psychologische Forschung zu Eltern-Kind- größeres soziales Netzwerk sowie häufigere
Beziehungen und Paarbeziehungen, dass Sozialkontakte zu mehr Lebenszufrieden-
Bindung sowohl als Kind als auch später heit (Kawachi und Berkman 2001; Powdt-
als Partner eine bedeutsame Rolle spielt, havee 2008). Dies ist allerdings nur der Fall,
da wir bei geglückter Bindung Schutz und wenn man diese Personen auch regelmäßig
trifft, da man sich nur dann Freunden und
Familienmitgliedern nahe und von ihnen
7 Der Begriff Sharing Economy bezieht sich auf unterstützt fühlt (Lima et al. 2017). Negative
eine geteilte Nutzung von ganz oder teilweise Sozialkontakte (z. B. Menschen, die einen aus-
ungenutzten Ressourcen. nutzen oder verärgern) wirken sich hingegen
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
23 1
nachteilig auf das Wohlbefinden aus (Rook Einsamkeit
1984). Einsamkeit ist ein negatives Erleben
Kurzum: Gelingende Beziehungen steigern des Alleinseins oder der Stress sozialer
das psychische Wohlbefinden. Doch auch der Isolation. Einsam fühlen sich Menschen,
Umkehrschluss gilt: Einsamkeit stellt einen wenn sie gern mehr oder andere soziale
Risikofaktor für das Auftreten depressiver Beziehungen hätten, als sie tatsächlich
Erkrankungen dar, und depressive Symptome haben.
führen zu mehr Gefühlen von Einsamkeit (J.
T. Cacioppo et al. 2006). Einsam fühlen sich
Menschen, wenn sie gern mehr oder andere Wenn sowohl die Quantität als auch die
soziale Beziehungen hätten, als sie tatsächlich Qualität sozialer Kontakte gemessen werden,
haben (Peplau und Perlman 1982). Einsam- hat wiederum die Qualität einen stärkeren
keit ist ein negatives Erleben des Alleinseins Einfluss auf Gefühle der Einsamkeit als die
oder der Stress sozialer Isolation, welches sich Quantität (J. T. Cacioppo et al. 2000; Green
zwar auch dann einstellen kann, wenn man et al. 2001; L. C. Hawkley et al. 2005; Louise
mit anderen zusammen ist, in der Regel aber C. Hawkley et al. 2003; Pinquart und Sorensen
eher im Falle fehlender Sozialkontakte vor- 2003; Wheeler et al. 1983). Dies weist darauf
liegt (S. Cacioppo et al. 2015). Einsamkeit hin, dass Interventionen in jedem Lebensalter
beeinträchtigt sowohl das psychische Wohl- und jeder objektiven Lebenssituation Einsam-
befinden als auch die physische Gesundheit keitsgefühle reduzieren können, wenn sie die
und löst Prozesse aus, die die Einsamkeit noch Qualität von Beziehungen verbessern helfen
verstärken können (J. T. Cacioppo et al. 2017; (7 Exkurs: Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz
Layden et al. 2017, 2018). Damit ist das Vor- und psychisches Wohlbefinden). Zu beachten
handensein oder Fehlen sozialer Kontakte ein ist allerdings, dass Einsamkeit subjektiv defi-
wichtiger Prädiktor für Einsamkeit. So waren niert ist, da sich Personen in ihren Kontakt-
beispielsweise kinderlose Ältere einsamer und bedürfnissen unterscheiden; bei gleicher
depressiver als jene mit Kindern (bekannte Kontakthäufigkeit und -qualität kann sich eine
Einflussfaktoren wie Ehestatus oder Gesund- Person einsam fühlen und eine andere nicht.
heit wurden kontrolliert; Hongkong; Chou Die Forschung wiederum zeigt, dass es diese
und Chi 2004) und Verheiratete weniger ein- Gefühle sind und nicht die objektiven Krite-
sam als Unverheiratete (2.795 erwachsene rien, welche negative Auswirkungen auf das
Schweden; Tornstam 1992). In weiteren Stu- Gesamtwohlbefinden haben.
dien erwies sich das Alleinsein als bedeut- Warum fühlen sich die meisten Menschen
samster Prädiktor für berichtete Einsamkeit wohler, wenn sie mit anderen zusammen
(554 erwachsene Niederländer; de Jong-Gier- anstatt allein sind? Um das zu verstehen,
veld 1987; vgl. auch Henderson et al. 1986) hilft ein Blick auf die Evolutionstheorie
sowie innerhalb der Gruppe der allein leben- (7 Abschn. 6.2.1). Menschen und verwandte
den älteren Bürger der Mangel an Telefon- Primaten sind soziale Wesen: Wir brauchen
kontakten mit anderen (208 US-Amerikaner; Gruppen zum Überleben. Soziale Grup-
Fees et al. 1999). Schließlich beugt auch ein pen arbeiten zusammen und schützen vor
guter Kontakt mit Nachbarn Einsamkeit vor; Gefahren. Daher müssen Menschen an das
entsprechend sind Kontaktmöglichkeiten Leben in Gruppen angepasst sein, wir müs-
besonders im hohen Alter wichtig, da Einsam- sen innerhalb von Gruppen überleben. Soziale
keit mit dem Alter zunimmt (Mullins et al. Emotionen (wie Ärger; 7 Kap. 5) und soziale
1991; Prince et al. 1997; Victor et al. 2002). Motive (gemäß der Core-Social-Motive-Theorie
24 Kapitel 1 · Beziehungen
Exkurs
1 Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz und psychisches Wohlbefinden
Ein Scoping Review8 Zusammenfassend findet sich und verminderter
von Drössler et al. (2016) ein deutlicher Einfluss sozialer Arbeitszufriedenheit
untersuchte Einflüsse sozialer Beziehungen am Arbeitsplatz einhergeht, erweist sich
Beziehungen am Arbeitsplatz auf die mentale Gesundheit, im Speziellen Mobbing
auf mentale Gesundheit, das psychische Befinden, auf als Risikofaktor für eine
psychisches Befinden, psychische Störungen sowie die beeinträchtigte psychische
psychische Störungen Motivation, Arbeitszufriedenheit Gesundheit sowie für
sowie auf Motivation, und Leistung. Dies gilt eine Reduktion von
Arbeitszufriedenheit für Männer wie Frauen Leistung, Engagement und
und Leistung. Es wurden und für unterschiedliche Arbeitszufriedenheit. Soziale
123 Längsschnitt- und Berufsgruppen. Während Beziehungen am Arbeitsplatz
Interventionsstudien sowie fehlende soziale Unterstützung rücken daher zunehmend in
systematische Reviews von am deutlichsten mit einem den Fokus der betrieblichen
2005 bis 2015 einbezogen. erhöhten Burnout-Risiko Gesundheitsförderung.
Zugehörigkeit, Verstehen, Kontrolle, Selbst- sozialen Motive befriedigen. Die Sorge, nicht
werterhalt und Vertrauen; Fiske 1991) haben gemocht oder ausgeschlossen zu werden,
sich als Anpassungen an das Leben in Grup- kann allerdings unser Wohlbefinden in sozia-
pen herausgebildet. Soziale Motive lassen sich len Situationen beeinträchtigen und damit der
in sozialen Situationen befriedigen, was zum Erfüllung der sozialen Motive oftmals ent-
Aufsuchen solcher Situationen motiviert, in gegenstehen (Gable 2006, 2015).
der Situation selbst dann zur Aktivierung von
Belohnungszentren führt und als belohnend Soziale Motive
erlebt wird (Depue und Morrone-Strupinsky Menschen suchen soziale Situationen auf,
2005). Dies wiederum verstärkt das Sozial- um durch Sozialkontakte ihre sozialen
verhalten, das die Belohnung herbeiführte. Motive zu befriedigen.
Mit anderen Worten: Weil wir uns auf der
Party, beim Mannschaftssport oder beim
gemeinsamen Kochen zugehörig, anerkannt
und verstanden fühlen, wollen wir dies wie- 1.1.3 Beziehungen und physische
der tun. Kurzum, wir fühlen uns insbesondere Gesundheit
in sozialen Situationen wohl, welche unsere
Die Auswirkungen von sozialen Beziehungen
8 Scoping Reviews liefern eine deskriptive
auf psychisches Wohlbefinden haben Sie
Zusammenfassung der Literatur (in der Regel vielleicht nicht besonders erstaunt. Ver-
ohne Anspruch auf Qualitätsbewertung der blüffender sind da schon die beträchtlichen
Studien). Sie gelten als Vorstufe zum systemati- Auswirkungen, die soziale Beziehungen auf
schen Review und unterscheiden sich von ihm die physische Gesundheit haben: Beziehungen
u. a. darin, dass sie Forschungsfragen weit fassen,
Ein- und Ausschlusskriterien im Nachhinein fest-
sind lebenserhaltend! So hatten beispiels-
legen sowie Parameter und Lücken in der Literatur weise Menschen mit einer Herz-Kreislauf-Er-
identifizieren (Armstrong et al. 2011). Im Unter- krankung nach fünf Jahren eine 30 % höhere
schied zum Scoping Review ermöglichen sog. Überlebenswahrscheinlichkeit, wenn sie in
Metaanalysen (▶ Sozialpsychologie I, Abschn. 2.3) einer Paarbeziehung statt allein waren (R.
Aussagen über die Größe eines Effekts und resul-
tieren in einer gesamtstatistischen Auswertung
B. Williams et al. 1992). Auch die Qualität
(Schmidt und Hunter 2015). der Paarbeziehung spielt eine wichtige Rolle:
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
25 1
Beispielstudie 1.4
. Abb. 1.8 Werden wir von anderen ausgeschlossen, so fehlen uns nicht nur die Unterstützung und
Zuwendung, sondern wir sind auch in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, was beispielsweise zu Gereiztheit,
Impulsivität und Schlafproblemen führen kann. (© Christian Schwier/stock.adobe.com)
1.1 · Bedeutung sozialer Beziehungen
27 1
Welt quasi vom Kopf auf die Füße. Statt zu Social-Baseline-Theorie
fragen, was es mit uns macht, wenn uns Die Social-Baseline-Theorie nimmt an, dass
jemand die Hand hält, sollten wir gemäß unser Organismus an das Zusammensein
dieser Theorie eher die Frage stellen, was es mit anderen angepasst ist. Alleinsein
mit uns macht, wenn uns niemand die Hand versetzt damit Menschen in erhöhte
hält (7 Beispielstudie 1.5). Der kleine Unter- Alarmbereitschaft und vergrößert die
schied in der Fragestellung zeigt eine wesent- Bedrohlichkeit zahlreicher Gefahren. Es
liche Neuerung. Die Social-Baseline-Theorie führt zu einer Abweichung von normalen
besagt, dass sich der normale Funktions- und adaptiven Regulationsprozessen,
modus unseres Gehirns (also die Base- und soziale Unterstützung bringt den
line) dann einstellt, wenn wir mit anderen Organismus in seinen Ausgangs- oder
zusammen sind. Dann reagieren wir relativ Standardzustand zurück.
gelassen auf Stress und Bedrohungen, weil
wir auf soziale Unterstützung hoffen. Sind
wir getrennt und allein, so ist das Gehirn Gute Beziehungen sind also Ressourcen, die
schon allein aufgrund dieser Tatsache in die Umwelt weniger gefährlich erscheinen
erhöhter Alarmbereitschaft. Bedrohungen lassen, weil man sich aufeinander verlassen
und Stress führen dann zu besonders starken und die Herausforderungen gemeinsam
Angstreaktionen (Beckes und Coan 2011). bewältigen kann. Nicht nur die tatsächliche
Beispielstudie 1.5
Hilfe verringert den Stress, schon das Ver- rer machen, sein Leben zu bewältigen und froh
1 trauen auf zukünftige Hilfe bewirkt eine und zufrieden zu sein, sondern auch damit,
Stressreduktion. Entsprechend führen die dass der Einzelne etwas für andere tun kann
objektiv gleichen Stressoren bei Aussicht (Cole et al. 2015), da dies eine wichtige Quelle
auf soziale Unterstützung zu weniger star- unseres Lebenssinns ist (Schnell 2009).
ken Stress- und Angstreaktionen. Dies kann
erklären, warum bei Menschen in dauer-
haft guten Beziehungen stressbezogene 1.1.4 Zusammenfassung
Erkrankungen seltener auftreten (Uchino
et al. 1996). Auch lassen sich Menschen, Soziale Beziehungen sind der Grundstein aller
deren soziales Umfeld in der Kindheit von menschlichen Kulturen. Wir sind ein Leben
Vertrauen und Kooperation geprägt war, als lang existenziell auf soziale Beziehungen
Erwachsene leichter durch soziale Unter- angewiesen, denn sie sichern in Kindheits-
stützung beruhigen (Coan et al. 2013). Wenn tagen unser Überleben, lassen uns Glück und
die gesamte soziale Umgebung eher unter- Zufriedenheit als Erwachsene erleben und
stützend als bedrohlich ist, lernt man leichter, ermöglichen, dass wir uns von ernsthaften
sich auf andere zu verlassen. Gesundheitsproblemen erholen. Eine aktive
Sie haben nun erfahren, welche förder- Rolle in mehreren unterschiedlichen Gruppen
lichen Auswirkungen gelungene Beziehungen (z. B. Sportteams, beruflichen Teams, Nach-
haben – was jedoch, wenn die Beziehung eher barschaft, Freundschaftscliquen, Theater-
konfliktreich als glücklich ist? Konfliktreiche gruppen) zu spielen hilft, unterschiedliche
Beziehungen sind nicht nur keine Ressource, soziale Motive zu befriedigen. Mindestens
sondern können sogar Stress und Angst ebenso wichtig sind das Vorhandensein und
hervorrufen. Eine gesundheitliche Auswirkung die Qualität enger Beziehungen wie Partner-
häufiger ehelicher Konflikte kann eine Störung schaft und Freundschaften. Vermittelnd
des Immunsystems sein (für einen Überblick für diese persönlichen Funktionen von
vgl. Kiecolt-Glaser und Newton 2001), wobei Beziehungen wirkt das Bindungssystem,
eine schlechte Ehequalität eher die Gesund- welches uns ermöglicht, Ängste und Stress
heit von Frauen als diejenige von Männern mithilfe von Bezugspersonen zu regulieren,
beeinträchtigt. In einer Studie mit fast 2.000 indem deren Nähe und Trost beruhigend auf
US-Amerikanern sagte eine schlechte Ehe- uns wirkt. Wer in der Lage ist, diese Unter-
qualität die spätere Mortalität der Frauen, stützung aktiv zu suchen und Vertrauen in die
aber nicht die der Männer vorher (Hibbard Verlässlichkeit der Bezugsperson zu haben,
und Pope 1993). Da Konflikte wiederum auch kann hiervon im Besonderen profitieren.
aus gesundheitlichen Belastungen resultieren Wie aber finden wir enge Bezugs-
können, können gesundheitliche Probleme personen? Wonach richtet sich, wer ein enger
und Partnerschaftskonflikte einen Teufelskreis Freund oder Partner wird und wen wir links
bilden. So erhielten Frauen, die vier Monate liegenlassen? Welche Rolle spielt dabei das
nach der Diagnose psychisch stark unter ihrer Aussehen des Gegenübers? Und teilen andere
Brustkrebserkrankung litten (hier wurden Personen, wen ich attraktiv finde? Diesen Fra-
Angst, Ärger und Depression als psychische gen widmet sich der nächste Abschnitt.
Symptome zusammengefasst), in der Folge
weniger Unterstützung von ihrem Partner
als Frauen, die weniger darunter litten (Bol- 1.2 Anziehung
ger et al. 1996). Schließlich sind gesundheit-
liche Auswirkungen von sozialen Beziehungen Bevor wir mit jemandem eine Beziehung ein-
nicht nur damit zu erklären, dass Beziehungs- gehen, müssen wir ihm zunächst begegnen,
partner es dem Einzelnen leichter oder schwe- mit ihm in Kontakt kommen und dann
1.2 · Anziehung
29 1
sukzessive eine Beziehung aufbauen. In unse- links liegen. Dabei tut es uns durchaus gut, auch
rer Kultur wählen wir unsere Freunde und in solchen Situationen ins Gespräch zu kom-
Partner selbst aus (während z. B. in Indien men: In der U-Bahn oder im Bus eine Unter-
nach wie vor die Eltern in den meisten Fäl- haltung mit einem wildfremden Menschen
len die Ehepartner bestimmen). Dabei stel- anzufangen, kostet zwar etwas Überwindung,
len sich die folgenden Fragen: Wen erwählen hebt aber bei den meisten Menschen die Laune,
wir? Wovon hängt es ab, mit wem wir uns und die meisten empfinden diese Gespräche
zusammentun wollen und wem wir lieber auch als sehr angenehm, im Vergleich zu dem
aus dem Weg gehen? Die Antworten auf üblichen Aus-dem-Fenster oder Aufs-Telefon-
diese Fragen lassen sich grob in zwei Themen Starren (Epley und Schroeder 2014). Wenn also
unterteilen: in Vertrautheit und in Attraktivi- die meisten zufällig ausgewählten, wildfremden
tät. Zum einen fühlen wir uns von denen Menschen angenehme Gesprächspartner für
angezogen, die uns irgendwie vertraut sind, uns sind, so kann man sich gut vorstellen, dass
sei es, weil sie uns ähnlich sind, sei es, weil wir es gar nicht so unwahrscheinlich ist, bei wieder-
ihnen häufig begegnen (7 Abschn. 1.2.1). Zum holter Begegnung und wiederholten Inter-
anderen fühlen wir uns von denen angezogen, aktionen Freundschaften mit zufällig räumlich
die wir attraktiv finden. Als Erstes fällt uns nahen Personen zu schließen, beispielsweise sei-
dabei die körperliche Attraktivität ins Auge, nem direkten Nachbarn.
die daher unsere Wahl besonders stark beein- In einer klassische Studie dazu wurden
flusst, wenn wir die Person noch nicht gut die Kontakte von Bewohnern eines neuen
kennen. Später sehen wir auch die inneren Wohnkomplexes für Studenten des Massachu-
Werte und können jemanden attraktiv fin- setts Institute of Technology (MIT) und ihre
den, der beispielsweise besonders freundlich, Familien untersucht (Festinger et al. 1950).
humorvoll und verständnisvoll ist, der uns Die Wohneinheiten wurden 1946 bezogen,
also in anderen Bereichen (wie menschlichen und im selben Jahr begann die über zehn
Werten) anziehend und wohltuend erscheint Monate hinweg laufende Studie. Alle Woh-
(7 Abschn. 1.2.2). nungen waren für verheiratete Studenten,
von denen ungefähr die Hälfte Kleinkinder
hatten. Die Befragungen wurden ausschließ-
1.2.1 Nähe, Vertrautheit und lich mit den Ehefrauen durchgeführt, die ent-
Ähnlichkeit weder zu Hause waren oder arbeiten gingen,
während ihre Männer studierten. Auf die
Sie kennen sicher den Ausdruck „Jemand Frage „Welche drei Personen in dieser Wohn-
ist mir ans Herz gewachsen“. Damit ist keine heimsiedlung sehen Sie in Ihrer Freizeit am
Liebe auf den ersten Blick gemeint, sondern häufigsten?“ wurden mit der größten Wahr-
ein allmähliches Mögenlernen, das Entdecken scheinlichkeit die direkten Nachbarn genannt,
von Vorzügen am anderen, vielleicht auch dann die Nachbarn zwei Türen entfernt und
von liebenswerten Schwächen. Menschen äußerst selten schließlich die in entfernteren
immer wieder zu begegnen, ist tatsächlich Wohnblocks. Die Ergebnisse zeigen, dass die
eine gute Voraussetzung, sie auch schätzen zu meisten Menschen mit anderen, ihnen relativ
lernen (7 Abschn. 4.3.3, Sozialpsychologie I, ähnlichen Menschen in einer ähnlichen Lage
Abschn. 5.1.2: Vertrautheit). Es erhöht außer- recht gut auskommen, sodass sie gern Zeit
dem die Chance, dass wir uns irgendwann mit ihnen verbringen und sich wortwörtlich
trauen, sie anzusprechen. Die meisten Men- mit den nächstbesten Personen anfreunden
schen, denen wir nur flüchtig begegnen, z. B. auf (7 Beispielstudie 1.6). Dieser Befund wurde als
einer Busfahrt, lassen wir nämlich buchstäblich Effekt der räumlichen Nähe bekannt.
30 Kapitel 1 · Beziehungen
Beispielstudie 1.6
1
Räumliche Nähe führt zu Sympathie und Freundschaft
An der Universität Leipzig Ergebnisse zeigten, dass die Ergebnisse, dass räumliche
wurde eine Studie mit Studierenden einen besseren Nähe einen Einfluss darauf
Studienanfängern der ersten Eindruck von anderen hat, wen wir sympathisch
Psychologie durchgeführt, in ihrer Sitzreihe, besonders finden und mit wem wir uns
die ebenfalls in der Situation von ihren direkten Nachbarn, anfreunden. Auch hier wurden
waren, sich gegenseitig hatten als von weiter entfernt die vermittelnden Prozesse
nicht zu kennen, und die sitzenden Kommilitonen. nicht mit gemessen. Man
offen für neue Kontakte zu Dieses Muster zeigte sich kann sich aber gut vorstellen,
ihren Mitstudierenden waren auch nach einem Jahr noch: dass räumliche Nähe hier
(Back et al. 2008). In einer Die direkten Nachbarn und eine Voraussetzung war,
Vorstellungsrunde wurden in geringerem Maße auch die miteinander ins Gespräch zu
die Studierenden einzeln in Studierenden aus derselben kommen, sich gegenseitig
die Mitte gebeten, um sich Sitzreihe mochten sich immer genauer wahrzunehmen
vorzustellen, während die noch mehr als andere und und vielleicht auch zu
anderen 53 in Stuhlreihen waren häufiger miteinander unterstützen, und dass
saßen und zuhörten. Dabei befreundet als jene, die diese Aspekte wiederum zu
ging immer der ganz rechts weit entfernt voneinander größerer Sympathie führten.
Sitzende nach vorn, und die gesessen hatten. Wie die in Der Zufall hat also durchaus
anderen rückten nach, sodass diesem Abschnitt berichtete seine Hand im Spiel, wenn es
man sich wieder ganz links Studie von Festinger et al. darum geht, mit wem man
in seiner Reihe hinsetzte. Die (1950) zeigen auch diese sich anfreundet.
Effekt der räumlichen Nähe nur etwas engerer Kontakt während einer Ein-
(Proximity- oder Propinquity-Effekt) führungsveranstaltung zu mehr Vertrautheit
Der Effekt der räumlichen Nähe mit der anderen Person, was den anderen eben-
bezeichnet den Umstand, dass Menschen falls sympathischer erscheinen lässt, sogar dann,
die sich häufiger begegnen, sich wenn man sich nicht bewusst an eine Person
gegenseitig sympathischer finden und erinnern kann (z. B. Moreland und Beach 1992;
häufiger Freundschaften knüpfen als 7 Sozialpsychologie I, Abschn. 5.1.1 und 7.2.4).
Menschen, die sich seltener begegnen. Ein ähnlicher Effekt ist auch in sozialen Medien
zu beobachten, wo die häufige „Begegnung“ mit
Beiträgen anderer ebenfalls zu einem Gefühl
Warum ist räumliche Nähe ein guter Prädiktor der Vertrautheit und der Zugänglichkeit führt,
für Freundschaft? Zum einen hat eine Person einem Effekt, der Ambient Awareness genannt
eher die Chance, sich mit Menschen zu unter- wird (Levordashka und Utz 2016).
halten, die sie öfter sieht oder die sie unter lau-
ter Unbekannten schon mal ein bisschen kennt.
Dadurch entdeckt die Person leichter Ähnlich- Warum mögen wir jene mehr, die uns
keiten und gegenseitige Sympathie (s. unten). räumlich näher sind?
Hat eine Person mit jemandem einmal, wenn 5 Das Kennenlernen ist erleichtert
auch nur flüchtig, ein paar Worte oder Blicke und damit die Chance, sich
gewechselt, so ist leicht „das Eis gebrochen“, und näherzukommen.
sie traut sich auch mal, um eine Gefälligkeit, 5 Interdependenz entsteht: Man braucht
eine Auskunft oder einen Rat zu bitten. Damit sich gegenseitig.
entsteht Interdependenz, ein Schlüsselmerkmal 5 Vertrautheit entsteht, welche
von engen Beziehungen (Berscheid et al. 1989). wiederum zu Sympathie führt.
Daneben führt häufiges Begegnen oder auch
1.2 · Anziehung
31 1
Beispielstudie 1.7
Die Beziehung zwischen Attraktivität und Ähnlichkeit beim und nach dem Kennenlernen
In einer Studie in den das beobachtet hatten? nett und einem selbst ähnlich
1950er Jahren in den USA Newcombs Daten zeigten gehalten. Mit besserem
untersuchte Newcomb (1978) weder das eine noch das Kennenlernen näherten sich
den Kennenlernprozess in andere. Stattdessen beruhte die Fremd- und Selbstwahr-
zwei Gruppen von jeweils 17 der erste Eindruck vor nehmungen einander an:
männlichen, heterosexuellen allem auf der körperlichen Die Studierenden sahen die
Studierenden. Diese nahmen Attraktivität der Studierenden, anderen realistischer und
an wöchentlichen Treffen während mit zunehmendem bildeten Freundschaften mit
teil und lernten sich so über Kennenlernen die Sympathie anderen, die ihnen ähnlich
mehrere Monate hinweg stärker von Ähnlichkeiten waren, unabhängig von der
sehr gut kennen. Würde der geprägt wurde. Der Attraktivität.
erste Eindruck die weiteren erste Eindruck beruhte Diese Studie zeigt, dass
Beziehungen prägen? Oder also auf einem Halo- Attraktivität Menschen
würden sich vor allem Effekt („Heiligenschein“; anfangs ähnlicher erscheinen
Nachbarn zusammentun, 7 Sozialpsychologie I, Kap. 5). lässt, während Ähnlichkeit sie
wie Festinger et al. (1950) Schöne Menschen wurden für später attraktiver macht.
Ist es dann reiner Zufall, mit wem wir unsere Dauer von Beziehungen ist (Bryan et al. 2011;
Zeit verbringen, ja gar, in wen wir uns ver- Buss et al. 1990; N. P. Li et al. 2002). Dem Effekt
lieben? Dann gäbe es sicher nicht so viele liegt zugrunde, dass freundliche, mitfühlende
Partnervermittlungen. Stattdessen würden Menschen uns das Gefühl geben, gemocht zu
wir den nächsten freien Nachbarn des pas- werden, und wir diejenigen mögen, die uns
senden Geschlechts in unserer Altersklasse mögen (Curtis und Miller 1986).
heiraten. Schaut man sich ein paar Partner- Den in diesem Abschnitt geschilderten
gesuche durch, wird schnell klar, dass die Befunden zufolge erhöhen also räumliche Nähe,
meisten sich nach einem schönen, liebevollen Vertrautheit, Ähnlichkeit und Freundlichkeit die
Partner sehnen, mit einem ähnlichen Hinter- Chancen für eine Beziehungsaufnahme. Wäh-
grund in Bildung, Religion und sozialem Sta- rend wir die Ähnlichkeit und Freundlichkeit
tus. Sozialpsychologische Forschung hat sich von Menschen zwar schnell, aber nicht immer
mit der Rolle von Ähnlichkeit für Freund- sofort beurteilen können, fällt uns die körper-
schaften und Paarbeziehungen beschäftigt. liche Attraktivität eines Menschen unmittelbar
Der Hauptbefund dieser Forschung für ins Auge. Wie in 7 Beispielstudie 1.7 geschildert,
hetero- wie homosexuelle Paare (Boyden et al. spielt daher die körperliche Attraktivität für
1984) ist: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ das anfängliche Interesse an Personen eine
(7 Beispielstudie 1.7). Dies trifft nicht nur große Rolle, was sicherlich viele Nutzer der
für Ähnlichkeiten in Bereichen, die für eine Kennenlern-App Tinder aus eigener Erfahrung
Beziehung relevant sind, wie ähnliche Hob- bestätigen können. Der Frage, wann wir Men-
bys, Werte und politische Einstellungen, zu, schen schön finden, widmet sich der nächste
sondern auch für irrelevante Dimensionen, Abschnitt.
wie ähnliche Initialen (J. T. Jones et al. 2004;
7 Sozialpsychologie I, Abschn. 5.1.1).
Aber selbst unfreundliche Menschen finden 1.2.2 Körperliche Attraktivität
es angenehmer, mit freundlichen, mitfühlenden
und entgegenkommenden Menschen zu inter- Haben Sie sich schon einmal gefragt, was
agieren, weshalb Verträglichkeit (Agreea- denn Ihre Freundin oder Ihr Freund für einen
bleness) in zahlreichen Kulturen ein guter Männer- oder Frauengeschmack hat, weil Sie
Prädiktor für Interesse an Beziehungen und die selbst einen ganz anderen Typ bevorzugen?
32 Kapitel 1 · Beziehungen
Liegt Schönheit also „im Auge des Überblick vgl. Rhodes 2006). Welche Merkmale
1 Betrachters“, wie das Sprichwort behauptet, sind es dann also, die so übereinstimmend für
oder herrscht doch eher große Einigkeit dar- Attraktivitätsbeurteilungen herangezogen wer-
über, wer besonders schön ist und wer weni- den? Laut Forschung sind es insbesondere die
ger? Wie nachfolgend zu sehen ist, trifft beides nachstehend ausgeführten fünf Aspekte: Sym-
zu. Zunächst einmal zeigen Forschungsergeb- metrie, Durchschnittlichkeit, geschlechtsspezi-
nisse große Einigkeit darüber auf, welche fische Merkmale, ein jugendliches Aussehen
Menschen wir, sogar über Kulturen hinweg, sowie eine freundliche Ausstrahlung.
als schön empfinden. Nicht nur das, wir gehen
sogar davon aus, dass diese schönen Men- z Symmetrie
schen auch viele andere gute Eigenschaften Zunächst einmal bevorzugen wir sym-
mitbringen (vgl. auch 7 Sozialpsychologie metrische Gesichter, d. h. jene, bei denen
I, Abschn. 5.1.1). Nachfolgend geht es daher beide Gesichtshälften möglichst gleich sind
zunächst darum, wovon unser Attraktivi- (Perrett et al. 1999; Thornhill und Gangestad
tätsurteil abhängt, was universell als schön 1993). Diese Bevorzugung lässt sich mit dem
empfunden wird. Dann wird dargestellt, dass allgemeinen Prinzip erklären, dass leichter
Schönheitsideale ebenso davon beeinflusst zu verarbeitende Reize (wozu Gleiches und
werden, was in einer (Sub-)Kultur gerade „in“ Symmetrisches gehören) mehr gemocht wer-
ist, welche Körperformen, Frisuren, Haut- den (Enquist und Arak 1994; Reber 2002;
farbe, Make-up, Schmuck und Kleidungsstile Reber et al. 1998, 2004). Allerdings sprechen
mit Erfolg, Wohlstand und Macht assoziiert auch einige Befunde dafür, dass es sich hier-
und deshalb angestrebt werden. Schließlich bei um eine spezifische Adaptation handelt,
finden wir diejenigen besonders schön, die deren fitnesssteigernder Effekt darin besteht,
wir sehr mögen. Die innere Schönheit färbt dass sie die Wahl eines gesunden Partners
also umgekehrt auch auf die Wahrnehmung fördert und damit die Wahrscheinlichkeit
der äußeren Schönheit ab. Und das ist auch gesunder Nachkommen erhöht (Grammer
gut so. Denn es wäre traurig, wenn wir alle und Thornhill 1994; Rhodes et al. 2007; Sim-
denselben hochattraktiven Menschen hinter- mons et al. 2004). Der Einfluss von Sym-
herjagen würden und alle anderen links liegen metrie auf die eingeschätzte Attraktivität
ließen. Befunde zu diesem Aspekt werden am von Gesichtern ist dabei nicht auf poten-
Ende des Abschnitts vorgestellt. zielle Geschlechtspartner beschränkt. Viel-
mehr stimmen Beurteiler unterschiedlichen
1.2.2.1 Universelle Schönheits- Geschlechts und Alters darin überein, dass
merkmale symmetrische Gesichter schöner sind und
Bittet man Menschen, Porträtfotos von ihnen gesünder wirken.
unbekannten Mitmenschen nach Attraktivi-
tät zu bewerten, so stimmen sie in ihren Ein- z Durchschnittlichkeit
schätzungen weitgehend überein. Je nach Studie Attraktive Gesichter werden als überdurch-
und konkreter Art der Messung finden sich schnittlich schön wahrgenommen. Wie kön-
Korrelationen von .60 bis .909 zwischen den nen sie dann gleichzeitig durchschnittlich
Bewertern. Ähnlich hohe Übereinstimmungen sein? Mit Durchschnittlichkeit (Average-
finden sich sogar, wenn man Menschen aus ness-Effekt) ist in diesem Zusammenhang
verschiedenen Kulturkreisen fragt (für einen nicht gemeint, dass die Person gewöhn-
lich aussieht oder durchschnittlich schön
ist, sondern vielmehr, dass ein Gesicht den
9 Hinweis: Ein Korrelationskoeffizient von .00 Prototypen einer Gruppe darstellt. Man
bedeutet keine Übereinstimmung, 1.00 eine kann diesen Prototypen am Computer her-
100 %ige Übereinstimmung. stellen, indem man mehrere Gesichter
1.2 · Anziehung
33 1
durch Morphen in einem Bild verschmilzt. Effekt von Durchschnitt-
Dadurch werden die Gemeinsamkeiten lichkeit (Averageness-Effekt)
betont und treten in dem resultierenden Die Tendenz, mehrere gemittelte
Bild besonders deutlich hervor, während Gesichter schöner zu finden als die
individuelle Besonderheiten und Asym- einzelnen Gesichter, aus denen sich das
metrien maskiert werden. Das Ergebnis ist gemittelte Gesicht ergibt.
ein sehr symmetrisches Gesicht mit glat-
ter Haut und Gesichtszügen, die das jeweils
Typische für ein Geschlecht, eine ethnische Auf diese Art hergestellte Porträts, die dann
oder eine altersbezogene Gruppe wider- dem fotografischen Durchschnitt mehrerer
spiegelt. . Abb. 1.9 zeigt eine solche Durch- Individuen entsprechen, sind zugleich sym-
schnittsbildung mit acht Gesichtern. Je mehr metrischer als die ursprünglichen Porträts.
Gesichter in den Durchschnitt einbezogen Deshalb wurde in der Forschung untersucht,
werden, als umso schöner wird das Resul- ob der Averageness-Effekt auf die Erhöhung
tat wahrgenommen (Langlois und Roggman der Symmetrie zurückzuführen ist. Die Ergeb-
1990; Rubenstein et al. 2002). nisse sprechen jedoch dafür, dass es sich um
zwei unterscheidbare Effekte handelt und dass
beispielsweise der Durchschnitt aus mehreren
. Abb. 1.9 Das unten rechts abgebildete Gesicht ist der Durchschnitt der acht weiblichen Gesichter.
(© Thomas Schubert)
34 Kapitel 1 · Beziehungen
. Abb. 1.10 Studien (Landwehr et al. 2011) zufolge wird das in a abgebildete Auto als ärgerlich wahr-
genommen, während das in b abgebildete Auto als fröhlich angesehen wird. Die menschliche Expertise im Inter-
pretieren von Gesichtsausdrücken ist so ausgeprägt, dass ein stilisierter Mund mit zwei Augen darüber genug
sind, um ein Objekt als fröhlich (im Falle hochgezogener Mundwinkel) oder ärgerlich (Mundwinkel nach unten
und Augen zu einem Schlitz verengt) wahrzunehmen. (Originalaufnahmen aus Studie, © Jan Landwehr)
es bei Paarbeziehungen nicht nur um Fort- Männer, nicht aber Frauen, jüngere Partne-
pflanzung (und bei manchen Paaren über- rinnen. Diese Präferenz nahm in anderen Stu-
haupt nicht um Fortpflanzung) geht, sondern dien mit dem Alter der Männer zu, was mit
auch darum, gut miteinander auszukommen. Geschlechtsunterschieden in der Lebenszeit-
Wie bereits besprochen, besagt die entwicklung der Fruchtbarkeit (eine abruptere
evolutionstheoretische Sichtweise auf körper- Abnahme bei Frauen) und einer damit einher-
liche Attraktivität, dass sich heterosexuelle gehenden Evolution geschlechtsspezifischer
Menschen von denjenigen Personen des ande- Fortpflanzungsstrategien erklärt wird (Kenrick
ren Geschlechts besonders angezogen fühlen, et al. 1995; Kenrick und Keefe 1992).
bei denen die Aussicht auf viele, gesunde Nach- Weitere Signale für Fruchtbarkeit sind
kommen besonders groß ist (Deuisch et al. geschlechtstypische Merkmale in den
1986; Henss 1991; Mathes et al. 1985; Milord Gesichtszügen. Entsprechend werden femi-
1978). Nach dieser Logik sollten es nicht nur nine Gesichtszüge bei Frauen als attraktiv
auf Gesundheit hinweisende Merkmale sein, wahrgenommen (für einen Überblick vgl.
die Menschen attraktiv machen, sondern auch Rhodes 2006). Für die Einschätzung männ-
Merkmale, die auf die richtige Altersspanne licher Gesichter aus Sicht der Frau ergab eine
und eine geschlechtstypische Entwicklung hin- Untersuchung, dass Frauen eine moderate
weisen. Ein Merkmal, das auf sexuelle Reife Ausprägung von Maskulinität bevorzugen,
hindeutet, sind hohe Wangenknochen. Tat- während sie sehr wenig und sehr stark mas-
sächlich werden hohe Wangenknochen bei kuline Gesichter weniger attraktiv fanden
beiden Geschlechtern als besonders attrak- (Cunningham et al. 1990). Der Grund könnte
tiv empfunden. Außerdem sind geschlechts- sein, dass sehr maskuline Gesichtszüge zwar
reife, junge Menschen fruchtbarer als ältere als erwachsen und gesund, aber auch als sehr
Menschen, entsprechend werden jüngere dominant wahrgenommen werden, und damit
Erwachsene allgemein als schöner empfun- als bedrohlich (Scott et al. 2014).
den als ältere Erwachsene. In allen 37 von Buss Zusammenfassend betrachtet werden
(1989) untersuchten Ländern bevorzugten symmetrische, durchschnittliche, junge und
36 Kapitel 1 · Beziehungen
freundliche Gesichter und bis zu einem Körpergewichts durch Essen, Hungern oder
1 gewissen Grad auch geschlechtstypische Bewegung. Schmuck, Kleidung und andere
Gesichter als schön empfunden. Obwohl uni- Accessoires wie Sonnenbrillen oder Hand-
versell hohe Übereinstimmung darin besteht, taschen werden ebenfalls eingesetzt, um die
was als schön angesehen wird, gibt es auch Attraktivität zu steigern.
deutliche kulturelle Unterschiede, um die es Alle Kulturen haben ein Repertoire an sol-
im nächsten Abschnitt geht. chen Verzierungen entwickelt. Die kulturelle
Bedeutung dieser Verzierungen reicht von
1.2.2.2 Kulturelle Determinanten der Markierung der Zugehörigkeit zu einer
von Schönheit bestimmten Gruppe, über die Markierung
Was als schön empfunden wird, ist von von Status und Rolle innerhalb einer Gruppe
Kultur und Zeitgeschmack abhängig. Als oder einer Religion, bis zur Markierung des
attraktiv können dabei permanente Körper- Beziehungsstatus. Bei dieser letzteren Kate-
modifikationen, vorübergehende Körper- gorie spielen die kulturelle und die biologische
modifikationen sowie Kleidung und Evolution sich ergänzende Rollen, um das
Accessoires empfunden werden. Zu den Erkennen potenzieller Beziehungspartner
permanenten Körpermodifikationen zäh- zu erleichtern. So waren bis vor Kurzem ein
len beispielsweise gefeilte Zähne, Ringe, die Ehering bzw. Witwenkleidung in westlichen
den Hals strecken, Tätowierungen, Piercings, Kulturen Indikatoren des Beziehungsstatus.
Narbenmuster, Schönheitsoperationen oder In manchen afrikanischen Kulturen wer-
das Kleinhalten der Füße, wie es bei chinesi- den Narbenmuster oder Piercings und Ohr-
schen Frauen lange üblich war (. Abb. 1.11). läppchendehnung verwendet, um kulturell
Nichtpermanente Körpermodifikationen sind bedeutsame Lebensstadien zu markieren, wie
Frisuren, Rasuren, Make-up und normaler- den Eintritt ins heiratsfähige Alter, die Hoch-
weise auch das Bleichen und Bräunen der zeit oder das erste Kind.
Haut sowie Bleichen oder Färben der Haare, Wenngleich viele dieser Modifikationen
ebenso wie das Aufbauen von Muskulatur. willkürlich erscheinen, so lassen sich doch
Semipermanent ist die Modifikation des für einige Schönheitsideale auch Erklärungen
. Abb. 1.11 a, b Der Gebrauch von Körpermodifikationen ist universell, aber der Geschmack an bestimmten
Modifikationen ist kulturell erworben. (a: © hecke71/stock.adobe.com, b: © Andrey Zametalov/stock.adobe.com)
1.2 · Anziehung
37 1
finden. So wurde das Schönheitsideal für Schönheitsideale immer mehr medial ver-
Frauen in westlichen Kulturkreisen im Laufe mittelt, und die Werbungs- und Medien-
des 20. Jahrhunderts immer schlanker, wäh- industrie gibt Unsummen dafür aus, die
rend gleichzeitig die verfügbare Nahrung dargestellten Models digital „nachzubessern“,
immer reichlicher wurde (Voracek und Fisher um die Fotos noch mehr dem aktuell vor-
2002). Schlankheit war in der ersten Hälfte herrschenden Schönheitsideal anzugleichen.
des 20. Jahrhunderts meist ein Zeichen von Dies führt häufig zu Kontrasteffekten der-
Armut (ein negatives Merkmal), während sie gestalt, dass normale Menschen nach der
in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Betrachtung solcher Idealbilder als weniger
einem Zeichen erfolgreicher Selbstkontrolle attraktiv eingeschätzt werden (Kenrick et al.
wurde (ein positives Merkmal). Dadurch 1989). Problematisch ist daran allerdings,
wurde Schlankheit immer positiver bewertet. dass man nicht nur andere, sondern auch sich
Ein weiteres Beispiel für die Kontext- selbst mit solch unrealistischen Models ver-
abhängigkeit von Schönheitsidealen ist die gleicht und dabei schlecht abschneidet, was zu
Hautfarbe. Während früher eine sonnen- Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und
gebräunte Hautfarbe für Europäer und letztendlich zu einem reduzierten Selbstwert-
europäischstämmige Gruppen andernorts gefühl führen kann (Bissell und Rask 2010;
ein Zeichen für eine „niedrige“ Tätigkeit im Groesz et al. 2002; Hargreaves und Tigge-
Freien war (nur wer viel im Freien arbeiten mann 2004; N. Hawkins et al. 2004; Kim und
musste, hatte gebräunte Haut; wer hingegen Lennon 2007; Yu 2014).
nicht arbeiten musste oder intellektuellen Was können Sie tun, um sich hier selbst-
Tätigkeiten im Büro nachging, behielt eine wertdienlich zu verhalten? Nun, das Ergeb-
zarte, helle Haut), so ist sie heute ein Zeichen nis eines Vergleichsprozesses hängt davon
für Strandurlaube, Skifahren und Bräunungs- ab, ob man eher nach Gemeinsamkeiten oder
studios. Europäischstämmige Personen wur- nach Unterschieden sucht: Diejenigen, die
den auf 7 hotornot.com (einer Webseite, nach Gemeinsamkeiten zu hochattraktiven
bei der Besucher die Attraktivität von foto- Standards gesucht hatten, hatten anschlie-
grafierten Personen einschätzen) überwiegend ßend eine geringere Motivation, ihr Äußeres
attraktiver eingeschätzt, wenn ihre Haut per zu ändern (Häfner 2004; 7 Sozialpsychologie
Bildbearbeitung nachgebräunt wurde (Chung I, Kap. 6). Neben der Möglichkeit, nach
et al. 2010). Anders verhält es sich allerdings Gemeinsamkeiten mit sehr schönen Men-
für afrikanischstämmige Gruppen: Diese schen zu suchen, können Sie auch auf
haben in Gesellschaften wie den USA oder eine andere Dimension ausweichen: So kön-
Brasilien einen niedrigeren Status, weshalb nen Frauen sich bei sehr schönen, dünnen
für sie eine dunkle Hautfarbe eher mit nied- Models sagen, dass sie vielleicht nicht ganz
rigem Status assoziiert sein sollte. Genau dies so feminin, aber dafür wesentlich sportlicher
wurde auch in Studien gefunden. Afrikanisch- sind als das Model, und so ihren Selbstwert
stämmige Models wurden in einer Labor- aufrechterhalten (Häfner et al. 2008). Eine
studie am attraktivsten eingeschätzt, wenn die Reihe von Studien hat dementsprechend auch
Hautfarbe nachbearbeitet worden war, sodass gefunden, dass die Betrachtung idealisierter
sie mittelbraun erschienen, verglichen mit Frauenkörper in der Werbung nicht zwangs-
einer blasseren und einer dunkleren Haut- läufig zu einem schlechteren körperbezogenen
farbe der gleichen Personen (Frisby 2006). Selbstwertgefühl bei Frauen führt, sondern
Vor Aufkommen des Fernsehens orien- dass dies von Randbedingungen abhängt, die
tierten sich die meisten Menschen an den sich auf einen solchen Vergleich auswirken
Standards, denen sie im Alltag begegneten, können, wie etwa die wahrgenommene Ähn-
um ihre Attraktivität einzuschätzen und zu lichkeit zu den Modellen (Bluemke et al. 2013;
verbessern. Mittlerweile jedoch sind unsere Mills et al. 2002; Myers und Biocca 1992;
38 Kapitel 1 · Beziehungen
Papies und Nicolaije 2012) oder wie sehr man Symbolfunktion, indem sie Gruppenzuge-
1 dazu neigt, sein Äußeres mit anderen zu ver- hörigkeit, Lebensphase oder Rolle markie-
gleichen (Bissell und Rask 2010). ren. Schönheitsideale werden in unserem
Selbstverständlich bestünde auch die Kulturkreis durch Medien vermittelt, deren
Option, dass Werbe- und Modeagenturen rea- Betrachtung man sich nur schwer entziehen
listischere, d. h. durchschnittlichere Models kann. Solche medialen Darstellungen können
sowie nicht nachbearbeitete Bilder ein- die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper
setzen. Die Forschung zeigt allerdings, dass reduzieren. Um den eigenen Selbstwert zu
einerseits gerade Frauen die so beworbenen schützen, kann man selbstwertdienliche Ver-
Produkte zwar explizit (bewusst) positi- gleichsprozesse gezielt einsetzen.
ver bewerten als die mit unrealistischen Kurzum, welche Personen wir als körper-
Supermodels beworbenen Produkte (Aage- lich attraktiv wahrnehmen, hängt von evo-
rup und Scharf 2018; Häfner und Trampe lutionären, psychologischen und kulturellen
2009; Wan et al. 2013; Yu 2014), aber dass Faktoren ab. Um soziale Beziehungen zu
auf einer unbewussten, assoziativen Ebene verstehen, ist es nicht nur wichtig zu ver-
die Verknüpfung eines Produkts mit einem stehen, wann wir Menschen als attraktiv
schönen Menschen dennoch zu besserer wahrnehmen, sondern auch, welche Rolle
Produktbewertung führen kann (Häfner und dieses Urteil für unsere Vorlieben und Ent-
Trampe 2009; Wan et al. 2013). Der Effekt auf scheidungen spielt: Wählen wir letztlich den
die letztendliche Kaufentscheidung sollte sich netten Kerl mit der schiefen Nase oder den
also u. a. danach richten, wie bewusst sich eine etwas einsilbigen Schönling? Darum geht es
Frau mit der entsprechenden Werbung aus- im nächsten Abschnitt.
einandergesetzt hat und ob die abgebildeten
Models ihrem Schönheitsideal entsprechen. 1.2.2.3 Bedeutung von Schönheit
So hatten nur jene Frauen, für die extreme für Beziehungen
Dünnheit Teil des Schönheitsideals war, eine Wie schon in 7 Sozialpsychologie I,
höhere Kaufabsicht für Produkte, die mit ext- Abschn. 5.1.1 besprochen, wirkt sich
rem dünnen statt normalgewichtigen Models Attraktivität auf zahlreiche Urteile und in
beworben waren (Roberts und Roberts 2015). vielen Lebensbereichen aus, sodass attrak-
Zusammenfassend lassen sich kultu- tive Menschen eine Reihe von Vorteilen
relle Schönheitsideale als sich wandelnde haben (z. B. ein höheres Einkommen oder
Moden charakterisieren, die zum Teil durch Bevorzugungen in der Schule). Ebenso spielt
ihre Zusammenhänge mit Faktoren wie Sta- körperliche Attraktivität bei der Partnerwahl
tus und Lebensstil erklärt werden können. eine Rolle (für einen Überblick vgl. Eastwick
Manche dieser Ideale haben zusätzlich eine et al. 2014b; 7 Beispielstudie 1.8).
Beispielstudie 1.8
eigenen Partner als schöner an, als er oder Welche Dynamiken sich dabei entfalten
1 sie von anderen gesehen wird (Eastwick und und wie man die Herausforderungen meis-
Hunt 2014). Auch erkennen wir uns wort- tern kann, soll Gegenstand des nächsten
wörtlich gern in unseren Partnern wieder: Abschnitts sein.
Das Gesicht des eigenen Partners wird am
attraktivsten wahrgenommen, wenn es dem
eigenen Gesicht durch Morphing am Compu- 1.3 Paarbeziehungen
ter etwas ähnlich gemacht worden war (Laeng
et al. 2013). Dies kann damit zusammen- Zahlreiche Menschen sehnen sich nach einer
hängen, dass wir uns zu ähnlich aussehenden Partnerin oder einem Partner, andere leben in
Personen hingezogen fühlen (7 Abschn. 1.2.1), einer Beziehung, wieder andere betrauern das
oder der Effekt kann über die Fluency oder Ende einer Beziehung, ein paar Wochen oder
Leichtigkeit der Verarbeitung vermittelt sein, gar Jahrzehnte lang. Selbst eingeschworene
da den meisten ihr eigenes Gesicht sehr ver- Singles verlieben sich ab und zu; nur etwa
traut ist. 1 % der Bevölkerung gab in einer britischen
repräsentativen Befragung an, dass sie sich
noch nie von jemandem sexuell angezogen
1.2.3 Zusammenfassung gefühlt hätten (Bogaert 2004). Kurzum, das
Thema Liebe und Partnerschaft betrifft frü-
Wir fühlen uns insbesondere zu Perso- her oder später alle. . Tab. 1.1 gibt exempla-
nen hingezogen, denen wir öfter begegnen rische statistische Kennzahlen zum aktuellen
oder die uns aus anderen Gründen vertraut Beziehungsverhalten in Deutschland wieder.
erscheinen, die uns ähnlich sind und die Seit Urzeiten wird die Liebe besungen, z. B.
ein attraktives Wesen sowie ein attraktives im Hohelied der Liebe in der Bibel (1. Korin-
Äußeres haben. Was dabei als attraktiv wahr- ther 13), ebenso wie ihr auch Opern, Schau-
genommen wird, scheint teilweise universell, spiele, Lyrik seit Jahrhunderten gewidmet
zu einem großen Teil aber auch kulturell sind. Liebe ist vielleicht der größte Quell
geprägt zu sein. Die Bedeutung von körper- von Freud als auch von Leid im mensch-
licher Attraktivität für unser Interesse an lichen Leben. Warum das so ist und was man
einer Paarbeziehung ist anfangs hoch. Mit der tun kann, um möglichen Schwierigkeiten zu
Dauer der Bekanntschaft wächst jedoch der begegnen, davon handelt dieser Abschnitt.
Einfluss von Ähnlichkeit und angenehmer Zunächst soll es um die verschiedenen Facet-
Persönlichkeit auf die Entscheidung, sich zu ten von Liebe gehen (7 Abschn. 1.3.1) und
binden. Ob Freundlichkeit, Ähnlichkeit oder anschließend um den Verlauf von Partner-
körperliche Attraktivität den Ausschlag geben, schaften (7 Abschn. 1.3.2). Auch wenn dabei
meist beginnen ernsthaftere Paarbeziehungen überwiegend von heterosexuellen Paaren die
in unserem Kulturkreis mit einer Phase der Rede sein wird, so legt die bisherige Forschung
Verliebtheit, welche uns das Gefühl gibt, dass doch nahe, dass die Erkenntnisse sich auch
diese Beziehung die richtige ist. Entscheiden auf homosexuelle Partnerschaften übertragen
wir uns dann dafür, tritt die Beziehung in ein lassen (z. B. Duffy und Rusbult 1986; Kurdek
neues Stadium ein: Man lebt in Partnerschaft. 2004; Roisman et al. 2008).
1.3 · Paarbeziehungen
41 1
. Tab. 1.1 Exemplarische statistische Kennzahlen zum Beziehungsverhalten (basierend auf Statistiken
und Umfragen in Deutschland)
(Fortsetzung)
42 Kapitel 1 · Beziehungen
1.3.1 Was ist Liebe? ergeben: die drei Grundbausteine allein und
jede Kombination daraus.10
Der Aufgabe, „Liebe zu definieren“, haben sich
bereits Philosophen, Psychologen, Künstler Illustration: Leidenschaft in der
und viele andere gestellt. Dabei herrscht unter Weltliteratur
Wissenschaftlern weitgehend Einigkeit, dass Der prominenteste und universellste Plot
es sich bei Liebe nicht um etwas Einheitliches in der Weltliteratur ist vielleicht die Tren-
handelt, sondern dass verschiedene Kompo- nung zweier Liebender, ihre Verzweiflung
nenten zu unterscheiden sind. über die scheinbare Endgültigkeit der Tren-
Die in der Psychologie wohl bekannteste, nung und schließlich entweder ihr tragisches
weil auch sehr eingängige und veranschau- Ende oder ihre Wiedervereinigung gegen
lichende Sichtweise auf Liebe ist die von
Robert Sternberg. Nach Sternberg (1988)
setzt sich Liebe aus drei Facetten zusammen:
10 Diese Aufteilung nach Sternberg (1988) ist natür-
Leidenschaft, Intimität und Commitment. lich nur eine unter mehreren möglichen. Zwar
Leidenschaft kennzeichnet dabei die Erregung konnte gezeigt werden, dass fast alle Aspekte
und sexuelle Anziehung, die Sehnsucht und von Paarbeziehungen zu einem der drei Faktoren
das Verlangen nach dem anderen. Intimi- passen (Aron und Westbay 1996), doch heißt
tät bezeichnet die Vertrautheit miteinander, dies nicht, dass andere Aufteilungen nicht noch
geeigneter sein könnten. Eine Aufteilung nach
das gute Gespräch, die Empathie, Zärtlichkeit den adaptiven Funktionen Sexualität, Fürsorge
und Unterstützung füreinander. Commitment und Bindung (Shaver und Hazan 1988) oder Lust,
schließlich steht für die Entschlossenheit, Anziehung und Bindung (H. Fisher 2006) hat
beim anderen zu bleiben und die Beziehung beispielsweise den Vorteil, dass man begründete
aufrechtzuerhalten. Nach Sternbergs Theorie Annahmen zum evolutionären Ursprung der
Komponenten machen (beispielsweise, dass sich
können die drei Komponenten in jeder Kom- Fürsorge und Bindung aus der elterlichen Für-
bination vorkommen, woraus sich insgesamt sorge und Bindung entwickelt haben) und diese
sieben unterschiedliche „Arten von Liebe“ empirisch überprüfen kann.
1.3 · Paarbeziehungen
43 1
alle Widerstände (Hogan 2003). Dass es für oder nicht (Shaver et al. 1996). In diesem grö-
Romeo nichts anderes gibt als den Freitod, als ßeren Kontext wird deutlich, dass die drei
er (fälschlicherweise) erkennt, dass seine Julia Komponenten nicht zusammengehören müs-
tot ist, und dass dann Julia ihrerseits ohne zu sen (z. B. wird die Liebe zwischen Eltern und
Zögern ihrem geliebten Romeo in den Tod Kindern von Intimität und Commitment,
folgt, ist eine Folge ihrer großen Leidenschaft. nicht aber von Leidenschaft geprägt sein)
Ein jüngeres Beispiel dieses romantischen und dass es noch andere Facetten geben kann
Prototyps ist der Film Titanic, in dem sich der (Hendrick und Hendrick 1986, 1989; Lomas
Held für seine Geliebte aufopfert. In beiden 2018; Shiota et al. 2017).
Plots ist die Liebe riskant und von den Eltern Die drei Sternberg’schen Komponenten
sowie der gesellschaftlichen Etikette nicht sollen im Folgenden dazu dienen, die wich-
gewollt, was sie besonders intensiv macht. tigsten sozialpsychologischen Forschungs-
befunde zum Themenbereich „Liebe und
Untersuchungen von Paarbeziehungen mit Partnerschaft“ zu strukturieren.
dem dazugehörigen Messinstrument, welches
die drei Facetten operationalisiert, ließen sich 1.3.1.1 Intimität
zwar statistisch mit einer Dreifaktorenlösung Haben Sie sich schon einmal gewünscht, dass
abbilden, allerdings zeigten viele Items Ladun- Ihnen jemand tief ins Herz blicken kann?
gen auf mehreren Faktoren, und die Faktoren Ihre Sehnsüchte, Gefühle, Gedanken voll-
korrelierten deutlich miteinander (Acker und kommen verstehen kann? Ihr Seelenver-
Davis 1992; Hendrick und Hendrick 1989; wandter ist? Mit diesem Wunsch liegen Sie
Sternberg 1997). Dies bedeutet, dass sich intuitiv richtig, denn es tut Menschen in der
die meisten Personen in Paarbeziehungen Regel gut, sich anderen gegenüber zu öffnen.
in westlichen Kulturkreisen offenbar wenig Einen Vertrauten zu haben, mit dem man
in der Liebesform unterscheiden, sondern seine Geheimnisse teilen und offen über seine
mehr in der Ausprägung: Fühlen sie Leiden- Gedanken und Gefühle sprechen kann, ist
schaft für ihren Partner, so erleben sie mit nicht nur für die Psyche, sondern auch für die
hoher Wahrscheinlichkeit auch Intimität und körperliche Gesundheit wichtig (Pennebaker
Commitment; fehlt eine dieser Säulen, wan- 1997). Allein schon das Gefühl zu haben,
ken wahrscheinlich auch die anderen. verstanden zu werden, spendet Trost. Dem-
Anzumerken ist allerdings, dass sich der entsprechend gibt es einen engen Zusammen-
Begriff „Liebe“ nicht nur auf Paarbeziehungen hang zwischen (emotionaler) Empathie, dem
in westlichen Kulturkreisen bezieht (Stern- Verstehen der Gefühle anderer, und Sympa-
berg 1995) und dass andere Kulturen andere thie oder Mitgefühl, der sich sorgenden und
Vorstellungen von Liebe in Paarbeziehungen tröstenden Zuwendung, um das Leid eines
haben. In unserer eigenen Kultur wird der anderen zu mildern (Davis et al. 1994; Eisen-
Begriff „Liebe“ ebenso verwendet, um eine berg und Fabes 1991). Den Partner etwas
nahe Beziehung beispielsweise zu Gott, zu ähnlicher wahrzunehmen, als er eigentlich
den eigenen Eltern oder zur Lieblingsband ist, stärkt das Gefühl, verstanden zu werden,
zu beschreiben. Emotionstheoretiker haben und ist daher durchaus gut für die Beziehung
unterschiedliche Ansichten darüber, ob es (Murray et al. 2002a).
sinnvoll ist, all die unterschiedlichen Ver- Viele haben mehr als eine Bezugsperson,
wendungen des Begriffs „Liebe“ in einem der gegenüber sie sich öffnen können, bei-
psychologischen Konstrukt zu fassen, oder spielsweise gute Freunde, die Mutter, den
ob es angemessener ist, von unterschiedlichen Partner. Die wahrgenommene Intimität hängt
Phänomenen zu sprechen. Ebenso herrschen nicht nur davon ab, wie viel Persönliches man
unterschiedliche Meinungen darüber, ob es in einem solchen Gespräch preisgibt, sondern
sich bei Liebe um eine Grundemotion handelt auch davon, ob der Gesprächspartner das
44 Kapitel 1 · Beziehungen
Beispielstudie 1.9
1
Intimität in 45 min
Stellen Sie sich vor, Sie sind zu Experimentalbedingung (Self-Disclosure oder
einer psychologischen Studie einander sehr viel näher als Selbstenthüllung). Das ist
eingeladen. Ihre Aufgabe diejenigen in der Kontroll- spannend und aufregend,
ist es, sich 45 min lang mit bedingung. Dies wurde u. a. schafft Nähe und Vertrauen
einem Mitstudierenden mit einem Item erfasst, bei (Aron et al. 1997).11
zu unterhalten und dabei dem die Nähe zwischen Derselbe Fragenkatalog
einen Fragenkatalog von zwei Personen durch die wurde in späterer Forschung
36 Fragen abzuarbeiten, zunehmende Überlappung erfolgreich eingesetzt,
die Sie sich gegenseitig zweier Kreise repräsentiert um sowohl Freundschaft
stellen sollen. Die Fragen wird –eine Person, die sich zwischen Studierenden
beginnen mit persönlichen, einer anderen nahe fühlt, wird lateinamerikanischer und
aber noch nicht sehr intimen also ihre Beziehung in einer europäischer Abstammung
Fragen wie „Wärest du gern Grafik repräsentiert sehen, in an der UC Berkeley, USA, zu
berühmt? Auf welche Art?“, der sich die Kreise weitgehend fördern (Page-Gould et al.
später aber sollen Sie sich überlappen (. Abb. 1.13). Was 2008) als auch um Paaren
erkundigen: „Ergänze den ist der Prozess? Die Fragen zu helfen, sich mit anderen
Satz: Ich wünschte, ich hätte waren darauf ausgelegt, sich Paaren anzufreunden. Dabei
jemanden, mit dem ich … gegenseitig ein bisschen nahm nicht nur die Nähe
teilen könnte.“ Diese Aufgabe von dem zu enthüllen, was zwischen den Paaren zu,
gaben Aron et al. (1997) der einem als Person wichtig sondern die Partner fühlten
Hälfte ihrer Studienteilnehmer ist, was einen ausmacht: sich auch untereinander näher
(Experimentalbedingung). In Werte, Gefühle, wichtige (Slatcher 2010).
der Kontrollbedingung blieben Erinnerungen, wichtige Diese Studie zeigt, dass
die Fragen auf der Oberfläche, Beziehungen. Die Teilnehmer eine kurze Sequenz von
wie beispielsweise „Beschreibe konnten miteinander ehrlich Fragen zunehmender
dein letztes Haustier“. sein und sich trauen, sich Intimität Nähe und sich
Im Ergebnis fühlten sich zu offenbaren, auch über anbahnende Freundschaft
die Teilnehmer in der ihre Beziehung zueinander bewirken kann.
. Abb. 1.13 Grafische Skala zur Messung der wahrgenommenen Nähe zu einer anderen Person. Ähnliche
Items werden häufig auch zur Messung der Identifikation mit Gruppen verwendet. Eine typische Instruktion
lautet: „Welche Abbildung beschreibt Ihre Beziehung am besten?“
Exkurs
1 Homosexualität und biologische Fitness
In der gesamten Tierwelt beizutragen scheinen? Einige als man annehmen könnte:
kommt homosexuelles Erklärungen der Vererbbarkeit Wenn angeborene leichte
Verhalten vor, meist in Form homosexueller Präferenzen homosexuelle Neigungen
von Bisexualität, aber auch schlagen vor, dass Gene für bei den meisten nicht
strikter Homosexualität homosexuelle Neigungen ausschließlich homosexuellen
(für einen Überblick vgl. in hetero- oder bisexuellen Menschen die Fitness eher
Savolainen und Hodgson Individuen die Fitness steigern (beispielsweise
2016). Sexuelle Präferenz steigern, beispielsweise weil sie soziale Vorteile
oder Orientierung wird durch weil diese homosexuelle bringen), so führt dies zu einer
Umweltfaktoren beeinflusst Handlungen zur Selektion dieser Neigungen.
(laut einer Schätzung gehen Allianzbildung nutzen. Andere Nur in strikt homosexuellen
bei Männern 70 % der Variation Theorien gehen davon aus, Individuen erschweren diese
auf nichtgenetische Einflüsse dass diese Gene nicht an sich Gene dann die Reproduktion.
zurück). Der genetisch Homosexualität verursachen, Diese Erklärung geht davon
bestimmte Anteil teilt sich sondern nur in Kombination aus, dass sexuelle Präferenz
auf viele verschiedene Gene mit anderen Prozessen – ein Kontinuum von strikter
auf, von denen jedes einzelne ein sog. epigenetischer Heterosexualität bis hin zu
die Wahrscheinlichkeit Einfluss (Faktoren, die strikter Homosexualität ist.
homosexueller Präferenzen die Aktivität von Genen Anthropologische Studien
nur minimal beeinflusst. beeinflussen). Insgesamt stützen diese Annahme,
Warum haben Selektions- erscheint die Vererbung da Homosexualität und
mechanismen diese Gene homosexueller Präferenzen Bisexualität in fast allen
nicht längst eliminiert, obwohl damit für die biologische Kulturen und zu allen Zeiten
sie nicht zur Fortpflanzung Fitness weniger paradox, vorkamen.
transsexuell14 oder queer15 (. Abb. 1.14). Viele in den letzten Jahrzehnten hin zu mehr Frei-
Gesellschaften und Kulturen legitimieren nur heiten bei der Identitätsdefinition, Beziehungs-
wenige solcher Identitäten und Beziehungs- gestaltung und sexuellen Betätigung gewandelt
formen. In Deutschland und Westeuropa (7 Exkurs: Masturbation und Pornokonsum).
haben sich die sozialen Normen und Gesetze In den meisten aktuellen Kulturen herrscht
die soziale Norm, dass Sex nur innerhalb der
Ehe oder Partnerschaft erlaubt ist. Übertritte
14 Als transsexuelle Personen werden Menschen werden von Gesetzen und vom „gehörnten“
bezeichnet, deren Geschlechtsidentität von Partner dabei unterschiedlich hart bestraft,
ihrem biologischen oder gesellschaftlich von Missbilligung über Trennung bis Tötung
zugeschriebenen Geschlecht abweicht. Die (7 Exkurs: Sexuelle Doppelmoral).
Begriffe „transsexuell“, „Transgender“ oder „Trans-
identität“ bezeichnen daher keine sexuelle Orien-
Wie monogam sind Menschen heutzu-
tierung. Transsexuelle Personen können sowohl tage? Aktuelle Befragungen zeigen, dass ca.
hetero-, homo-, bi- als auch asexuell sein. Ope- 16 % der Personen in einer festen Partnerschaft
rative Veränderungen biologischer Geschlechts- schon außereheliche Sexualkontakte hatten
merkmale werden von manchen Personen in (Træen und Thuen 2013). Vor der ersten Ehe
dieser Gruppe gewünscht, von anderen abgelehnt.
oder festen Partnerschaft haben darüber hin-
15 „Queer“ ist ein Sammelbegriff, der Menschen
unterschiedlichster sexueller Orientierungen und
aus die meisten Menschen heute kürzere oder
geschlechtlicher Identitäten beschreibt, also z. B. längere Beziehungen oder One-Night-Stands
Lesben, Schwule, Bisexuelle oder transsexuelle (Paul et al. 2000). Schließlich gehen viele feste
Personen, die sich bewusst von normativen Beziehungen auseinander, und man bindet sich
Geschlechtervorstellungen abgrenzen wollen. im Laufe des Lebens mehrmals an neue Partner,
1.3 · Paarbeziehungen
49 1
. Abb. 1.14 Die passende Frisur und gekonntes Make-up (und ggf. den Bart epilieren) reichen oftmals aus, um
ein männliches Gesicht (rechte Hälfte der Abbildung) weiblich wirken zu lassen (linke Hälfte). Auch sozialpsycho-
logische Studien finden, dass solche Hinweisreize wie lange Haare bei Männern dazu führen, dass Menschen bei
der Betrachtung zunächst beide Geschlechtskategorien aktivieren. (Freeman et al. 2008; Macrae und Martin 2007;
Martin und Macrae 2007; für einen Überblick vgl. Quadflieg und Macrae 2011; © visivasnc/stock.adobe.com)
Exkurs
Masturbation und Pornokonsum
Ein unter Menschen heterosexuellen Männern Objektivierung von Frauen
verbreitetes sexuelles in Beziehungen wurde die fördern. Objektivierung
Verhalten, welches nicht Masturbationshäufigkeit bedeutet, dass Frauen
der Fortpflanzung dient, durch sexuelle Langeweile, vor allem als Sexobjekte
ist Masturbation, d. h. die häufigen Pornografiekonsum gesehen werden, unter
Selbststimulierung der und geringe Intimität in der Vernachlässigung sämtlicher
Genitalien, um sexuelle Beziehung vorhergesagt anderer Qualitäten
Erregung und Lust zu erleben (Daten aus drei europäischen (Fredrickson und Roberts
(. Abb. 1.15). Männer Ländern; Carvalheira et al. 1997; Milburn et al. 2000).
masturbieren früher und 2015). Daneben beeinflusst
häufiger als Frauen. So gaben Auch der Konsum von Pornografiekonsum die
74 % der Jungs zwischen Pornografie dient der sexuellen Skripte, also
14 und 17 an, schon einmal Erlangung sexueller Lust Schemata und Vorstellungen
masturbiert zu haben, aber und Erregung. Das Internet über typische sexuelle
nur 48 % der Mädchen (Daten sorgt für einen leichten Aktivitäten, in Richtung
aus den USA; Robbins et al. Zugang zu großen Mengen mehr Promiskuität und
2011). Masturbation war an pornografischen Bildern häufigeren Partnerwechsels
in dieser Altersgruppe das und Videos, und fast jeder (Braithwaite et al. 2015).
häufigste Sexualverhalten. hat schon einmal Pornografie Beides, die Objektivierung
Bei Frauen zwischen 46 und angeschaut (Træen et al. von Frauen und der häufigere
56 nahm die Zahl derer, die 2006). Dies kann eine Reihe Partnerwechsel, sind
angaben, gelegentlich zu positiver Funktionen haben Tendenzen, die langfristigen,
masturbieren, von 49 % auf und zur sexuellen Aufklärung gleichberechtigten
43 % ab (Daten aus den USA; beitragen (Carvalheira Partnerbeziehungen
Randolph et al. 2015). Unter et al. 2015), aber auch die entgegenwirken können.
50 Kapitel 1 · Beziehungen
. Abb. 1.15 In Befragungen gab über die Hälfte aller Männer und Frauen an, gelegentlich zu masturbieren.
Jugendliche masturbieren häufig, bevor sie beginnen, mit einem Partner sexuell aktiv zu werden. (© vchalup/
stock.adobe.com)
Exkurs
Sexuelle Doppelmoral
Soziale Normen, Regeln angeborene Unterschiede worden, dass beide
und Gesetze in vielen zwischen den Geschlechtern Geschlechter die gleichen
Ländern haben über in ihrer Neigung zu sexueller Rechte und Pflichten haben.
Jahrzehnte weibliche und Eifersucht zurück (Buss und Aber selbst heute noch
männliche Promiskuität Schmitt 1993; Buss 1995; halten sich Normen, nach
mit unterschiedlichem Buss et al. 1999, 1992; Buunk denen es eher der Frau
Maß gemessen. Ob aus et al. 1996; Sagarin et al. obliegt, außerehelichen Sex
biologischen, sozial-kul- 2003; Shackelford et al. 2002; abzublocken und keusch
turellen Gründen oder einer Wiederman und Allgeier 1993). zu sein. Partner, die einen
Mischung daraus, im Ergebnis Sozial-kulturelle Theorien Seitensprung entdecken oder
wurden Mädchen und Frauen hingegen führen sexuelle verlassen werden, empfinden
für sexuelle Affären stärker Doppelmoral auf soziale häufig Kränkung, Macht- und
bestraft. In verschiedenen Rollen der Geschlechter in den Kontrollverlust und reagieren
Teilen der Welt wurde untersuchten Kulturen zurück mit Eifersucht und Wut auf
Ehebruch definiert als Sex und weisen auf die großen den Nebenbuhler und den
zwischen einer Ehefrau und kulturellen Unterschiede Partner, was zu Aggressivität
einem anderen Mann. Oft im Sexualverhalten, in führen kann. In vielen
wurde dabei Ehebruch als Sexualnormen und in damit Kulturen wird angenommen,
Diebstahl behandelt, und einhergehenden individuellen dass eine solche Reaktion
der Mann hatte das Recht, Einstellungen und Präferenzen natürlich und schwer zu
sich zu rächen oder sich (mit hin (DeSteno und Salovey kontrollieren ist, sodass die
Erstattung des „Brautpreises“) 1996; Eagly und Wood 1999; Gesetzestexte mildernde
scheiden zu lassen. Eine solche Eastwick et al. 2014a; Harris Umstände vorsehen, wenn
Ungleichbehandlung der 2003). ein Ehepartner den anderen
Geschlechter wird als sexuelle Inzwischen sind in vielen in flagranti erwischt und den
Doppelmoral bezeichnet. Ländern, aber bei Weitem Nebenbuhler oder den Partner
Manche Evolutions- nicht allen, die Gesetze tätlich angreift (Wilson und
theoretiker führen diese auf dahingehend verändert Daly 1992).
1.3 · Paarbeziehungen
51 1
was als serielle Monogamie bezeichnet wird nicht sehr groß (Acker und Davis 1992). Ein
(Hirschberger et al. 2009; Toth und Kemmel- Grund für abnehmende Leidenschaft kann
meier 2009; Zimmermann und Easterlin 2006). sein, dass Leidenschaft durch eine Zunahme
Damit lässt sich aktuelles menschliches Sexual- an Intimität erzeugt wird (das Entdecken
verhalten vielleicht am ehesten so beschreiben, neuer Seiten am anderen, das Teilen neuer
dass es im Leben mehrere Abschnitte von Erfahrungen), während gleichbleibend hohe
Monogamie gibt, in denen Sexualkontakte aus- Intimität bedeutet, dass man den anderen in-
schließlich mit einem oder wenigen festen Part- und auswendig kennt und keine Leidenschaft
nern stattfinden und dazwischen Abschnitte erzeugt (Baumeister und Bratslavsky 1999;
von Singledasein, in denen sowohl Promiskuität Finkel et al. 2014). Wie gelingt es einem
als auch Abstinenz sozial akzeptiert sind. Paar, die Leidenschaft über Jahrzehnte zu
Ab der Menopause dient die Sexuali- erhalten? Eine Antwort liegt darin, dass sich
tät nicht mehr der Fortpflanzung. Von daher die Partner gegenseitig helfen, neue Heraus-
überrascht es nicht, dass auch die sexuelle forderungen zu meistern, sich weiterzuent-
Lust und die Häufigkeit von Sex mit dem wickeln und zu wachsen (Aron et al. 2000;
Alter abnehmen (Call et al. 1995). Dennoch B. C. Feeney und Thrush 2010; Impett et al.
ist auch für viele ältere und alte Menschen 2008; Overall et al. 2010). Auf diese Weise
Sexualität ein Quell der Nähe zum Partner, lernen sich die Partner immer wieder neu
der Lebensfreude und des Wohlbefindens. kennen, verändern sich fortwährend, und die
Deshalb lohnt sich ein Blick darauf, wie sich Beziehung bleibt spannend, was die Leiden-
Leidenschaft aufrechterhalten lässt. schaft fördert.
Entsprechend empfinden Paare, die lange
z Leidenschaft im Beziehungsverlauf glücklich verheiratet sind, oft auch weiter-
Leidenschaft (Erregung, Verlangen und hin Leidenschaft füreinander (. Abb. 1.16).
sexuelle Anziehung) nimmt mit Alter und In einer fMRT-Studie mit Personen, die nach
Beziehungslänge etwas ab, aber der Effekt ist eigenen Angaben lange (durchschnittlich
. Abb. 1.16 Auch wenn Sie sich Ihre Großeltern vielleicht nicht unbedingt im Bett vorstellen möchten – die
Forschung zeigt, dass Leidenschaft und Sexualität bis ins hohe Alter Teil der Partnerschaft sein können.
(© Kzenon/stock.adobe.com)
52 Kapitel 1 · Beziehungen
21 Jahre) und glücklich verheiratet Sexualität ist evolutionär gesehen für die
1 waren, erwiesen sich die dopaminreichen Fortpflanzung und die Paarbindung wich-
Belohnungszentren im Gehirn (insbesondere tig. Sexuelle Identitäten ergeben sich, da
die Area tegmentalis ventralis), wenn die biologisches und soziales Geschlecht sowie
Personen ein Foto ihres Partners sahen, als sexuelle Orientierung in verschiedenen Aus-
genauso aktiv wie bei frisch verliebten Paa- prägungen und Kombinationen vorkommen
ren (Acevedo et al. 2012). Eine Metaanalyse können. Soziale Normen bezüglich Sexualität
von 25 Studien fand, dass in Beziehungen sind kulturell sehr verschieden. In westlichen
unabhängig von ihrer Dauer romantische Kulturen ist das derzeit vorherrschende
Liebe (die aus Leidenschaft und Intimität Modell das der seriellen Monogamie, wobei
besteht) einen starken positiven Zusammen- Phasen unverbindlicher Beziehungen mit
hang mit Beziehungszufriedenheit aufwies, oder ohne sexuelle Aktivitäten sozial akzep-
während eine als unkontrollierbar erlebte tiert sind, ebenso wie Phasen, in denen man
gedankliche Beschäftigung mit dem Partner eine verbindliche, monogame Beziehung
(Obsession) einen negativen Zusammenhang zu einem Partner hat. Die Häufigkeit von
hatte (Acevedo und Aron 2009). Geschlechtsverkehr nimmt mit dem Alter
Zufriedenere Paare haben auch häufi- ab. Besonders zufriedene Paare erhalten sich
ger Geschlechtsverkehr, unabhängig von ihre Leidenschaft dennoch bis ins hohe Alter.
Alter und Beziehungsdauer (Call et al. Während viele Menschen das Gefühl haben,
1995). Allerdings nimmt die Häufigkeit von nur eine geringe verstandesmäßige Kontrolle
Geschlechtsverkehr in der Ehe im Schnitt über ihre Leidenschaft zu haben, spielen bei
mit dem Alter ab, von zwölfmal im Monat dem nachfolgend beschriebenen Commit-
bei 19- bis 24-Jährigen auf unter viermal ment sowohl Gefühle als auch bewusste Ent-
im Monat bei über 75-Jährigen. Viele Paare scheidungen eine Rolle.
geben Sex auch irgendwann ganz auf. Dar-
über hinaus haben verheiratete Paare im 1.3.1.3 Commitment
Schnitt in den ersten ein bis zwei Ehejahren Waren Sie schon einmal auf einer Hochzeit?
(der sog. Honeymoon-Phase) mehr Sex als im Falls ja, kennen Sie bestimmt die bewegende
weiteren Verlauf (Call et al. 1995). Stimmung, die eintritt, wenn sich die Braut-
Zusammenfassend betrachtet empfin- leute das Eheversprechen geben und die
den wir Leidenschaft für eine Person, wenn Ringe austauschen, z. B. mit folgenden Wor-
uns deren Anblick, der Gedanke an sie oder ten: „Ich verspreche dir die Treue in guten
Berührungen von ihr erregen können, wenn und in schlechten Tagen, in Gesundheit und
wir uns sexuell zu ihr hingezogen fühlen und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will
wenn wir ein Verlangen verspüren, dieser dich lieben, achten und ehren alle Tage mei-
Person körperlich, emotional und gedanklich nes Lebens.“ Mit dem Versprechen, an der
nahe zu sein. Verliebtheit ist ein Zustand gro- Beziehung festhalten zu wollen (ob in der
ßer Leidenschaft, der meist einige Wochen bis Kirche oder woanders, öffentlich oder privat),
Monate anhält. Sie kann als eine Emotion auf- gehen die Partner ein Commitment ein.
gefasst werden, die aus körperlicher Erregung Dieses Commitment kann aus zwei Quel-
und deren Attribution auf eine andere Person len gespeist sein: Wir können erstens den
gespeist wird. Sie ist geprägt von Anziehung, Wunsch verspüren, die Beziehung aufrecht-
Erregung, sexuellem Verlangen, starken zuerhalten (eine Annäherungsmotivation,
Gefühlen und kognitiven Veränderungen. Zu bei der die Beziehung als eine Quelle von
Beginn einer Paarbeziehung können diese Freude, Glück, Sicherheit und Zusammen-
Aspekte sehr stark sein und als unkontrollier- gehörigkeit geschützt werden soll), oder
bar erlebt werden. uns zweitens durch gesellschaftliche Nor-
men oder das Eheversprechen gebunden
1.3 · Paarbeziehungen
53 1
Nutzen
Beziehungs-
Kosten
zufriedenheit
Qualität der
Alternativen
oder verpflichtet fühlen (eine Vermeidungs- welches Ehen zusammenhält, schwächt. Wel-
motivation, bei der die Beziehung aufrecht- che Aspekte im Einzelnen das Commitment
erhalten wird, um soziale Missbilligung in einer Paarbeziehung beeinflussen, soll im
oder Ablehnung zu vermeiden). Je höher Folgenden dargestellt werden.
die Annäherungsmotivation beim Commit- Ein Modell, das Commitment und letzt-
ment ist, desto höher ist auch die wahr- endlich die Entscheidung, zu bleiben oder zu
genommene Beziehungsqualität. Je höher die gehen, vorhersagt, ist das Investment-Modell
Vermeidungsmotivation, desto länger währt (Rusbult 1980, 1983). Nach diesem ergibt sich
eine Beziehung unabhängig von ihrer Quali- Commitment zum einen aus der Zufrieden-
tät (Shaver und Hazan 1988). Seit den 1950er heit mit einer Beziehung. Zufriedenheit wie-
Jahren stieg die Zahl der Scheidungen in derum entsteht, wenn der Nutzen hoch ist
Deutschland beträchtlich (fällt jedoch seit und die Kosten niedrig sind (. Abb. 1.17).
ihrem Höchststand 2003 wieder ab; Statisti- Je mehr Nutzen und je weniger Kosten,
sches Bundesamt 2018). Parallel zum Anstieg umso zufriedener ist man. Der Nutzen ist
der Scheidungen hat die soziale Akzeptanz dabei weit gefasst und umfasst Faktoren wie
der Scheidung zugenommen, d. h., Eheleute Humor, Intelligenz oder eine angenehme
müssen heutzutage weniger befürchten, von Persönlichkeit des Partners. Die Kosten
Familie, Freunden und Nachbarn ausgegrenzt beinhalten Aspekte wie lange Wege, Verzicht,
und abgelehnt zu werden, wenn sie sich schei- Untreue und unangenehme Eigenschaften
den lassen, als dies noch vor 60 Jahren der Fall des Partners. Dabei vergleicht man aber auch
war (Pagnini und Rindfuss 1993; Thornton immer mit dem, was man glaubt erreichen zu
1985, 1989).16 Häufigere Scheidungen und können: Hat man Beziehungen vor Augen, in
soziale Akzeptanz der Scheidung verstärken denen die Partner sehr wenig voneinander
sich dabei gegenseitig, da die größere Akzep- haben, so ist man eher geneigt, sich mit wenig
tanz zu geringerer Vermeidungsmotivation zufrieden zu geben. Kennt man hingegen
führt und damit eine Säule des Commitments, Paare, die ihre Partnerschaft sehr genießen, so
erscheint der eigene Verzicht weniger erträg-
lich. Dieses Vergleichsniveau fließt gemäß der
16 Ein Zeichen, dass Scheidungen nicht mehr mit
einem Stigma verbunden, sondern vielmehr sozial
Theorie ebenfalls in die Beziehungszufrieden-
akzeptiert sind, ist der Trend, seine Scheidung mit heit ein, wird aber normalerweise nicht
einer Party zu feiern (Rinderspacher 2018). unabhängig gemessen, sodass der Beitrag
54 Kapitel 1 · Beziehungen
dieser Variablen auch nicht geschätzt werden Partner eine Affäre (South und Lloyd 1995).
1 kann. Eine große Längsschnittstudie über 17 Jahre
Neben der Zufriedenheit ergibt sich hinweg ergab, dass Fremdgehen sowohl
Commitment nach diesem Modell zum Ursache als auch Folge einer Beziehungsver-
Zweiten aus der Qualität von möglichen schlechterung sein kann (Previti und Amato
Alternativen, d. h. alternativen Partnern 2004). Attraktive Alternativen „hautnah“
oder einem Singledasein, sowie zum Drit- zu erleben, führt also zu weniger Commit-
ten aus dem bisherigen Investment in ment in der Beziehung, aber umgekehrt führt
die Beziehung. Investment umfasst dabei Unzufriedenheit in der Beziehung auch dazu,
sowohl materielle und immaterielle Res- dass man sich nach Alternativen umschaut.
sourcen, die in die Beziehung eingeflossen Jüngere Forschung zeigt, dass der Einfluss
sind, als auch immaterielle Werte wie emo- auch in die andere Richtung geht: Commit-
tionale Anstrengung oder Selbstenthüllung, ment sorgt dafür, dass alternative Partner,
einen gemeinsamen Freundeskreis, geteilte besonders die attraktivsten, ausgeblendet und
Erfahrungen oder gemeinsame Kinder. nicht beachtet werden, und schützt so die
Diese Vorhersagen wurden in empirischen Beziehung vor potenziellen Versuchungen.
Studien weitgehend bestätigt: Die Beziehungs- Diesen Effekt bezeichnet man auch als
zufriedenheit sagte ebenso wie das Investment Relationship Shielding (Johnson und Rus-
das Commitment positiv vorher, während bult 1989; Karremans und Verwijmeren 2008;
die Qualität von möglichen Alternativen das Koranyi und Rothermund 2012; Pronk et al.
Commitment negativ vorhersagte. Empi- 2011; Ritter et al. 2010).
risch gut bestätigt für homo- und hetero- Wenn Sie sich gefragt haben, wie man
sexuelle Paare ist ebenfalls die Vorhersage von das denn um alles in der Welt machen soll,
Beziehungszufriedenheit durch den erlebten all die unterschiedlichen Kosten und Nut-
Nutzen.17 Die erlebten Kosten hingegen wirk- zen im Kopf zu behalten und miteinander zu
ten sich deutlich weniger auf die Zufrieden- verrechnen, so seien Sie beruhigt: Kosten-
heit aus als der erlebte Nutzen (Bui et al. 1996; Nutzen-Abwägungen sind eigentlich eher
Le und Agnew 2003; Rusbult et al. 1986; Rus- ein Zeichen, dass es in einer Beziehung nicht
bult und Martz 1995; Rusbult 1980, 1983). wie geschmiert läuft. Wenn einem sehr am
Das Rusbult-Modell verdeutlicht, dass Wohlergehen des Partners gelegen ist, stellt
nicht nur die aktuelle Zufriedenheit wichtig man keine Kosten-Nutzen-Rechnungen
ist für die Entscheidung, an einer Beziehung auf, sondern tut für ihn, was man kann, bei-
festzuhalten, sondern auch die Geschichte spielsweise bei der Pflege eines Angehörigen.
der Beziehung sowie die Attraktivität der Die nachfolgend dargestellte Relational-Mo-
Alternativen, die man für sich sieht (häu- dels-Theorie schlägt deshalb vor, zwischen
fig entweder eine andere Beziehung oder Beziehungsmodellen zu unterscheiden, bei
das Singledasein). Ist man einer alternativen denen Kosten-Nutzen-Abwägungen wichtig
Beziehung gegenüber aufgeschlossen, so lässt sind, und solchen, bei denen sie keine Rolle
man sich eventuell auf eine sexuelle Affäre spielen.
ein. Laut einer nationalen Befragung in den
USA hatte bei über einem Drittel der Ehen, z Beziehungsmodelle (Relational Models)
die in Scheidung endeten, zumindest ein Nach der Relational-Models-Theorie haben
Menschen vier verschiedene Beziehungs-
modelle zur Verfügung, die alle ihre
17 In die Messung des Nutzens fließt ein, wie viele
zwischenmenschlichen Beziehungen struk-
positive Beziehungsaspekte erlebt werden und
in welchem Ausmaß diese vorhanden sind (z. B. turieren (Fiske 2004). Diese Modelle sind
„Mein Partner ist intelligent“ oder „Ich fühle mich ähnlich wie kognitive Schemata (7 Sozial-
von meinem Partner akzeptiert“; Bui et al. 1996). psychologie I, Abschn. 2.1), haben aber
1.3 · Paarbeziehungen
55 1
stärker angeborene, emotionale und moti- der Gegenseitigkeit, welches insbesondere
vationale Elemente, als es bei den meisten das Zusammenleben in Wohngemein-
anderen Schemata der Fall ist. Die Annahme, schaften oder die finanziellen Transaktionen
dass die Beziehungsmodelle angeboren sind, von frisch zusammengekommenen Paaren
heißt auch, dass sie kulturübergreifend vor- zu regeln vermag: Man wechselt sich ab oder
handen sind, wobei sie durch die jeweilige tauscht Gleiches aus (Tit for Tat): „Hast du
Kultur erst ihre eigentliche Ausprägung heute im Restaurant gezahlt, zahl ich beim
erfahren – ähnlich wie die Fähigkeit zum nächsten Mal“ oder „Warst du gestern dran
Spracherwerb angeboren ist, aber jede Kul- mit kochen, bin ich es heute und du mor-
tur ihre eigene Sprache entwickelt hat. gen wieder“ usw. Es ist auch möglich, zwei-
Die Modelle sind: Rangordnung, Gegen- oder dreimal hintereinander zu kochen,
seitigkeit, Proportionalität und Gemein- bevor der Partner wieder dran ist. Bei grö-
schaftlichkeit. Jedes dieser Modelle kann in ßeren Abweichungen wird es allerdings
Paarbeziehungen vorkommen: Zum einen schwierig, den Überblick zu behalten. Die in
werden unterschiedliche Lebensbereiche 7 Abschn. 6.2.3 und 2.3.3 beschriebene Rezi-
häufig nach unterschiedlichen Modellen prozitätsnorm entspricht diesem Beziehungs-
strukturiert, beispielsweise wechselt man modell der Gegenseitigkeit.
sich mit dem Kochen ab (Gegenseitigkeit), Wenn das Gefühl, dass es in einer
hat aber ein gemeinsames Konto (Gemein- Beziehung unfair zugeht, zu Konflikten
schaftlichkeit); zum anderen entwickeln führt, ist Gegenseitigkeit ein guter Weg,
sich Paarbeziehungen oft auch von einer um für nachvollziehbare Fairness zu sor-
anfangs eher durch Gegenseitigkeit geprägten gen. Gegenseitigkeit kann dann zu erhöhtem
Beziehung hin zu mehr Gemeinschaftlichkeit. Commitment führen, wenn einer oder beide
Das Commitment zu einer Beziehung sollte Partner unter der Unfairness gelitten hatten.
dann hoch sein, wenn das Modell eine gute Auch Partner, die die Beziehung als Aus-
Koordinierung ermöglicht, also beide Part- tauschbeziehung sehen (denen also wich-
ner dasselbe Modell anwenden, und wenn tig ist, so viel zurückzubekommen, wie sie
sie die sich daraus ergebenden Erwartungen gegeben haben), sind zufriedener, wenn auf
erfüllen. Im Folgenden werden die Modelle diese Weise die Reziprozitätsnorm tatsäch-
kurz charakterisiert und skizziert, wie sie lich befolgt wird (Clark und Mills 1979).
Paarbeziehungen zugrunde liegen können.
Proportionalität (Market Pricing) Doch ist es
Rangordnung (Authority Ranking) Dieses nicht immer so, dass wir eine Gegenseitigkeit
Modell liegt Ehen in vielen Kulturen zugrunde. haben, bei der wir uns 1:1 abwechseln oder
In den weit verbreiteten patriarchalischen miteinander etwas teilen können. Manchmal
Gesellschaften ist der Mann das Oberhaupt der geht es eher um die Verhältnismäßigkeit der
Familie; Frauen und Mädchen sind ihm unter- partnerschaftlichen Beiträge. Im Falle eines
geordnet. Die ranghöhere Person hat Anrecht proportionalen Beziehungsmodells wer-
auf Respekt, Unterordnung und Gehorsam, den daher unterschiedliche Arten von Bei-
die rangniedrigere Person auf Schutz und trägen miteinander verrechnet, beispielsweise
Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse. Commit- die Jugend und Attraktivität der 20 Jahre
ment ist in einer solchen Paarbeziehung jüngeren Geliebten gegen ein gutes Aus-
hoch, wenn beide Partner die an sie gestellten kommen durch den wohlsituierten Firmen-
Erwartungen erfüllen. mogul (Baumeister und Vohs 2004). Selbst
gut eingespielte Partner können in einzelnen
Gegenseitigkeit (Equality Matching) Vermut- Bereichen davon profitieren, Proportionali-
lich trifft auf Sie ein in der heutigen Zeit ver- tät einzusetzen, z. B. wenn sie das Erledigen
breiteteres Beziehungsmodell zu, das Modell unangenehmer Aufgaben besonders belohnen
56 Kapitel 1 · Beziehungen
getrennten Eltern im Schnitt mehr psychische setzt man auf Gemeinschaftlichkeit? In wel-
1 Probleme haben als Kinder, deren Eltern sich chen auf Gegenseitigkeit? Unterschiedliche
nicht getrennt haben (Amato 2000; Bergström Erwartungen und auch die eigene Ambivalenz
et al. 2019; Cherlin et al. 1991; Hetherington können hier zu Koordinierungsproblemen,
et al. 1985; Wallerstein 1991; . Abb. 1.18). Unsicherheit oder Konflikten führen.
Die wenigsten unter uns heiraten heutzu- Das Relational-Turbulence-Modell beschreibt
tage die erste Person, mit der sie eine roman- diese Phase, in der eine Beziehung verbindlicher
tische Beziehung haben. Häufiger geht man wird, als Turbulenzphase. Diese ist geprägt von
eine Beziehung ein und trennt sich auch wie- Reibereien als Folge von Beziehungsunsicher-
der, sei es, weil man merkt, dass man nicht heiten und Einmischung („sich gegenseitig in
zueinander passt, sei es, weil man sich neu die Quere kommen“) bei mittlerer Intimität
verliebt oder auch einfach in eine andere Stadt (Knobloch und Donovan-Kicken 2006; Kno-
zieht. Aber irgendwann finden sich die meis- bloch et al. 2007; Knobloch 2007; Solomon
ten unter uns in einer festeren und verbind- und Knobloch 2004; Theiss und Knobloch
licheren Partnerschaft ein. Dieser Übergang 2014). Typische Beziehungsunsicherheiten
von der unverbindlichen Beziehung zur ver- sind Fragen, ob man selbst „sich binden“ will,
bindlichen Partnerschaft verläuft, Forschung ob der Partner oder die Partnerin es ernst
zufolge, meist nicht ganz reibungslos. Denn meint und ob die Beziehung Bestand haben
immer verliert man durch eine Partner- kann (Knobloch und Solomon 1999). Zweifel
schaft auch ein Stück Unabhängigkeit. Bei- bezüglich dieser Fragen gehen mit Gefühlen
spielsweise wird es plötzlich zu unserer und von Eifersucht und Trauer einher (Knobloch
nicht mehr nur zu meiner Entscheidung, ob et al. 2007). Die Wahrnehmung, dass die
ich ein Auslandssemester mache. Man muss Beziehung mit anderen Lebenszielen kolli-
lernen, Kompromisse zu machen, nachzu- diert, ob absichtlich („Kannst du bitte heute
fragen, manche Grenzen einzureißen und Abend mit mir ins Theater gehen, statt deine
andere zu verteidigen. In welchen Bereichen Freunde zu treffen?“) oder unabsichtlich, wird
. Abb. 1.18 Für Kinder kann es besser sein, wenn sich die Eltern trennen, statt zu Hause immer Konflikte aus-
zutragen. Am besten für ihre psychische Gesundheit ist es allerdings, wenn die Eltern sich weder streiten noch
trennen. (© gstockstudio/stock.adobe.com)
1.3 · Paarbeziehungen
59 1
als Einmischung bezeichnet und geht mit miteinander tolle Dinge zu tun. Was könn-
Ärgergefühlen einher. In dieser Phase steigt ten Sie nun tun, um Ihre Beziehung in dieser
die Beziehungszufriedenheit erst mal nicht Phase zu schützen?
weiter an, oder sie geht leicht zurück (Eidel-
son 1980). Ist sie überwunden, kommt die z Daily Hassles
Beziehung wieder in ruhigeres Fahrwasser. Im Alltag können Kleinigkeiten regel-
Wird die Beziehung dann in der Folge- recht zermürben. Man denke nur an die
zeit noch enger, so folgt bei Paaren, die berühmten Streitigkeiten um falsch aus-
heiraten, die schon erwähnte ein- bis zwei- gedrückte oder offene Zahnpastatuben,
jährige Honeymoon-Phase um die Hochzeit herumliegende Socken, Haare im Wasch-
(Lucas et al. 2003; Zimmermann und Easter- becken (. Abb. 1.19). Regt man sich jedes
lin 2006). Die Schwierigkeiten, die Ehe- oder Mal von neuem über die gleichen Dinge
Lebenspartner im weiteren Beziehungsver- auf, so drückt das die Stimmung und das
lauf erleben, lassen sich grob vereinfachend Beziehungsglück (Bolger et al. 1989). Diese
in zwei Phasen aufteilen: eine frühe Phase mit auch Daily Hassles genannten Stressoren
Abkühlung und eine spätere Phase mit Rollen- lassen sich manchmal mit einem kurzen
konflikten, eigenen Kindern und größeren Gespräch beseitigen, oft aber auch nicht. Es
Kompromissen bei Lebensentscheidungen, ist nicht leicht, Gewohnheiten zu ändern,
die häufig mit Krisen einhergehen. Ent- selbst wenn einen ein geliebter Partner
sprechend lassen sich auch zwei Täler in der darum bittet. Und handelt es nicht nur um
Beziehungszufriedenheit ausmachen: Etwa eine Gewohnheit, die den Partner stört, son-
nach einem Jahr Ehe und dann nochmals dern um vielleicht fünf oder zehn Gewohn-
etwa nach acht Jahren findet sich typischer- heiten, mit denen der andere sich schwertut,
weise ein Rückgang der Zufriedenheit (Kurdek so entsteht leicht der Eindruck, dass man
1999). Kinder spielen hier keine kleine Rolle. ihm nichts recht machen kann, dass der
Zwar sind sie ein Quell der Freude, aber, Partner alles kritisiert und kein gutes Haar
wie die Forschung zeigt, auch ein Quell des an einem lässt. Zum Glück ist der Ver-
Stresses, von Beziehungskonflikten und such, den Partner zu ändern, vielleicht die
Auseinandersetzungen (Ducharme und Kollar erste, aber bei Weitem nicht die einfachste
2012; Lawrence et al. 2008). Auf diese beiden und häufig auch nicht die beste Möglich-
Phasen wird im Folgenden näher eingegangen. keit, Daily Hassles zu beseitigen. Eine weitere
gute Möglichkeit ist die sog. vorbeugende
1.3.2.1 Zunahme negativer und Emotionsregulierung.
Abnahme positiver Erleb- Der eigene Ärger über etwas, z. B. über
nisse in Paarbeziehungen die herumliegenden Socken des Partners,
Stellen Sie sich vor, Sie und Ihr Partner oder lässt sich regulieren, indem entweder das
Ihre Partnerin waren ein Jahr lang heftig Entstehen der Emotion Ärger oder das Aus-
verliebt (7 Abschn. 1.3.1) und Sie beschlie- drücken des Ärgers verhindert wird. Versucht
ßen jetzt zusammenzuziehen. Nach ein paar man lediglich, seinen Ärger nicht zu zeigen,
Wochen oder Monaten könnten auch Sie so hat das die gleichen negativen Konse-
mit zwei Problemen zu kämpfen haben, von quenzen auf das eigene Wohlbefinden, wie
denen viele Paare in dieser Phase berichten: ihn zu zeigen (Gross 1998). Dies sollte also
Sie könnten beginnen, sich über Angewohn- nicht die Strategie der ersten Wahl sein. Wie
heiten der anderen Person zu ärgern, die aber lässt sich Ärger verhindern? Man kann
Ihnen vorher nicht aufgefallen sind (Daily den Auslöser vermeiden oder beseitigen,
Hassles), und Sie beide könnten in Ihren die Aufmerksamkeit von ihm abziehen oder
Bemühungen nachlassen, füreinander und ihn anders interpretieren. Wenn die Socken
60 Kapitel 1 · Beziehungen
. Abb. 1.19 Es ist schon erstaunlich: Hatte man gerade noch im gemeinsamen Urlaub beim romantischen
Abendessen Schmetterlinge im Bauch, so können einen plötzlich im Alltag ganz nebensächliche Angewohn-
heiten des Partners unheimlich aufregen, wie die herumliegenden Socken (a) oder die falsch ausgedrückte
Zahnpastatube (b). (a: © Nomad_Soul/stock.adobe.com, b: © Monkey Business/stock.adobe.com)
im Schlafzimmer liegen, kann man die Tür (Kubany et al. 1995; Kubany und Richard
zumachen, oder man räumt sie dorthin, wo 1992). . Abb. 1.20 fasst die möglichen Strate-
man sie nicht sieht (Situationsauswahl und gien zusammen. Diese sind geeignet, um die
Situationsveränderung). Man kann auch ver- eigenen negativen Emotionen zu regulieren,
meiden, dorthin zu schauen, wo die Socken beispielsweise weil man diese als übertrieben,
liegen, oder etwas davorstellen (Aufmerk- ungerechtfertigt oder beziehungsschädigend
samkeitssteuerung). Achtsamkeitstraining tut erlebt. Im Folgenden geht es darum, welche
gute Dienste dabei zu lernen, die Aufmerk- Möglichkeiten gibt, wenn das Problem eher
samkeit dorthin zu lenken, wo man sie haben im Fehlen positiver Emotionen liegt, weil beide
will. Schließlich kann man die Socken anders Partner im Alltagsstress in ihren Bemühungen
interpretieren (kognitive Veränderung): Statt nachlassen, gemeinsam Zeit für schöne Erleb-
das Verhalten als Zeichen fehlenden Respekts nisse zu finden.
zu interpretieren (interne Attribution) kann
man sich vor Augen führen, dass der Partner z Nachlassen der Bemühungen
abends sehr müde und morgens unter Zeit- Typischerweise findet man, dass Personen
druck ist (externe Attribution), und schon in dem Moment, in dem der oder die Aus-
nimmt das Ärgergefühl ab (Bradbury et al. erwählte in eine Beziehung eingewilligt
1996; Bradbury und Fincham 1990, 1992; Fin- hat, in ihren Anstrengungen etwas nach-
cham und Bradbury 1993; Finkel et al. 2013). lassen und sich um all die anderen wichti-
Hat man es nicht geschafft, dem Ärger vorzu- gen Dinge im Leben kümmern: Karriere,
beugen (durch Situationsauswahl, Situations- Hobbys, Freunde. Das kann sogar dazu füh-
veränderung, Aufmerksamkeitssteuerung oder ren, dass sie sich gehen lassen: Sie kochen
kognitive Veränderung, zusammenfassend als seltener, machen sich weniger hübsch für
Reappraisal bezeichnet), kann es trotzdem gut den Partner, küssen und umarmen ihn sel-
für die Beziehung sein, ihn nicht sehr direkt tener (Huston et al. 2001). Und Paare, die
auszudrücken. Ausdruck des Ärgers, ins- zusammenwohnen, verabreden sich oft nicht
besondere in einer Du-Botschaft („Du ärgerst mehr, wodurch das Zusammensein alltäg-
mich“), wird meist nicht gut aufgenommen licher wird. Eine Folge dieses Nachlassens
1.3 · Paarbeziehungen
61 1
Emotionale
Vorläufer
Antwort
der Bemühungen kann sein, dass der andere oder Konflikten. Enttäuschungen können ent-
sich zurückgesetzt fühlt. stehen, weil der Partner nicht dem Idealbild
Zum Glück ist die Lösung für die entspricht, welches man sich von ihm gemacht
Abnahme positiver Zuwendung relativ hat, oder weil man sich mit manchen Gewohn-
einfach: Man tätige wieder gemeinsame heiten des anderen nicht arrangieren kann (s.
Urlaube, Unternehmungen, Partnerzeiten, oben). Krisen treten auf, wenn schwere Ent-
Verwöhnprogramme. Plant man gemeinsame scheidungen anstehen, wie die Wahl zwischen
schöne Erlebnisse in den Alltag ein, so steigt einem tollen, ortsfremden Job und Wochen-
der Belohnungswert in jedem Stadium der endbeziehung versus zusammenwohnen blei-
Beziehung. Natürlich muss es nicht die ben und Abstriche bei der Karriere machen,
Kreuzfahrt oder das 5-Sterne-Restaurant oder wenn sich Probleme häufen, die die
sein. Worauf es ankommt, ist, Gelegenheiten Bewältigungsmöglichkeiten der Partner über-
zu finden, wechselseitiges Interesse und steigen. Dazu zählen häufig Gesundheits-
Zuneigung zu zeigen, sowie Anteil zu neh- probleme in der Familie, Pflegebedürftigkeit
men an den Freuden, Erfolgen und positiven der Eltern, ungewollte Kinderlosigkeit, Stress
Erlebnissen des anderen (Carstensen et al. auf der Arbeit, Arbeitslosigkeit, finanzielle Sor-
1996; Cowan und Cowan 1988; Gable et al. gen, Konflikte um Erziehungsfragen, unverein-
2006, 2004; Huston et al. 2001). Solche posi- bare Bedürfnisse hinsichtlich der Sexualität,
tiven Erlebnisse schaffen Nähe und Intimität Fragen von Treue und Freiräumen, Babys, die
und puffern den Ärger ab, den man im All- nachts nicht schlafen, Anstrengungen und
tag trotz der besten Absichten hin und wie- Sorgen wegen der Kinder (Huston et al. 2001).
der erlebt. Denn die wenigsten schaffen es, Elternwerden geht im Schnitt mit einer Ver-
wenn sie gestresst sind, noch optimal auf den schlechterung der Beziehungszufriedenheit
Partner zu reagieren (Neff und Karney 2009). einher; typische Klagen sind in dieser Zeit
Geht der Ärger bereits auf ausgewachsene Schlafmangel, Stress, Überforderung, fehlende
Krisen und Konflikte zurück, so helfen Zeit füreinander, Erziehungs- und Rollen-
gelegentliche schöne Erlebnisse und eine konflikte (Cowan und Cowan 1988; Ducharme
reine Emotionsregulation nicht mehr wei- und Kollar 2012; Lawrence et al. 2008). Vor-
ter. In diesen Fällen kommt man vermutlich beugende Trainings sollen Paaren helfen, Kri-
nicht umhin, den Konflikt anzusprechen und sen zu lösen, statt sich zu trennen (7 Exkurs:
zu lösen. Paartraining).
Traumatisch sind Beziehungskrisen,
1.3.2.2 Krisen in Paarbeziehungen wenn sie mit psychischer, körperlicher oder
In den meisten Beziehungen kommt es früher sexueller Gewalt einhergehen. Die dabei ent-
oder später auch zu Enttäuschungen, Krisen stehenden Beziehungsdynamiken sind oft
62 Kapitel 1 · Beziehungen
Exkurs
1 Paartraining
Um im Problemgespräch brachte schon eine einzelne fertigkeiten ab (Thurmaier
den richtigen Ton zu treffen, 20-minütige Intervention et al. 1992).
kann man sich mit Konflikt- einen spürbaren Zuwachs Ein weiterer Trainingsansatz
lösetrainings vorbereiten. an Beziehungszufriedenheit besteht darin, das emotionale
In Paartrainings oder über die folgenden zwei Klima in der Beziehung
Partnerschaftsseminaren Jahre (Finkel et al. 2013). insgesamt und speziell
können Paare das gute Trainiert wurde hier die bei Problemgesprächen
Gespräch trainieren. Ehepaare, Emotionsregulations- zu verbessern (Babcock
die an einem solchen Training strategie „Kognitive et al. 2013; Bradley et al.
teilgenommen hatten, Veränderung“ (Reappraisal), 2011; Garanzini et al. 2017;
zeigten später ein höheres indem die Paare lernten, die Gottman et al. 2005; Shapiro
Maß an Zufriedenheit und Situation aus der Sicht eines et al. 2015; Shapiro und
Engagement in der Ehe, Unbeteiligten zu betrachten. Gottman 2005). Dieser Ansatz
weniger Konflikte und auch Ähnlich wirksam ist es, die baut auf Erkenntnissen auf,
geringere Scheidungsquoten Perspektive des Partners dass positive Emotionen
als vergleichbare Paare, die einzunehmen (Arriaga und wie Humor, Zuneigung und
nicht teilgenommen hatten (A. Rusbult 1998). Weitere Empathie in einem Konflikt-
J. Hawkins et al. 2008; Stanley auf die innere Einstellung gespräch der beste Prädiktor
et al. 2006). abzielende Interventionen für die Beziehungsstabilität
Die Regeln sind dabei bestehen darin, den Fokus über sechs Jahre hinweg
nicht sehr schwierig. Aber weg von gegenseitigen waren (Carstensen et al.
diese anzuwenden, wenn Schuldzuweisungen und hin 1995; Gottman et al. 1998),
man gerade emotional zu gemeinsamen Lösungen während der nonverbale
involviert ist und eigene, ggf. zu bringen (Canary et al. oder verbale Ausdruck von
zuwiderlaufende Ziele hat, 2001; Canary 2003). Andere Verachtung ein negativer
ist eine Herausforderung. Trainings zielen stärker Prädiktor war (Gottman
Immerhin, in einer Studie auf die Kommunikations- 1994).
besonders destruktiv. Ein Partner sollte schüt- und häufigeren Trennungen einher als eine
zender Hafen und sichere Basis sein, nicht sichere Bindung (J. A. Feeney und Noller
Quelle von Bedrohung. Deshalb spricht man 1992). Im nächsten Abschnitt geht es um die
auch in Partnerbeziehungen von Missbrauch, Frage, wie wir Trennungen erleben.
wenn diese Bindungsfunktionen in ihr Gegen-
teil verkehrt werden. Andere Krisen, wie 1.3.2.3 Beziehungsende
Alkohol- oder Drogenmissbrauch, schwere Haben Sie schon einmal eine Trennung erlebt?
Verluste, Depression oder Psychosen, kön- Falls ja, sind Sie damit nicht allein. Aktu-
nen die Beziehungsfähigkeit des Betroffenen elle Daten aus Großbritannien zeigen, dass
selbst beeinträchtigen und damit die Quelle die durchschnittliche Beziehungsdauer bei
zwischenmenschlicher Unterstützung Personen in ihren Zwanzigern bei 4,2 Jah-
abschneiden (Allen 2001). ren liegt (Nationwide 2017). Mit anderen
Ob man bei einer Beziehungskrise alles Worten: Trennungen sind normal. Trotz-
versucht, um die Beziehung zu retten, oder dem schmerzen sie häufig – ganz gleich, ob
ob man schnell über Trennung nachdenkt, man zusammenlebte oder nicht, einen Trau-
hängt insbesondere vom Commitment ab schein hatte oder keinen. Dennoch lohnt
(7 Abschn. 1.3.1). Das Commitment wiede- sich ein genauerer Blick speziell auf Schei-
rum wird auch durch Bindungsstile vorher- dungen, denn seit statistisch gesehen auf drei
gesagt (7 Abschn. 1.1.1.2). Eine vermeidende geschlossene Ehen eine Scheidung kommt,
Bindung geht mit geringerem Commitment ist es offensichtlich, dass Menschen, die einen
1.3 · Paarbeziehungen
63 1
Bund für das Leben eingehen, entweder dieses Sie unabhängig vom Partner/von der Partne-
Ziel doch nicht ganz ernst meinen oder, was rin haben. Hält diese Phase länger an, so lei-
wahrscheinlicher ist, später herausfinden, dass det die Lebenszufriedenheit darunter, weil
die Aufgabe doch schwieriger ist, als sie sich Sie nicht nach vorn blicken und Ihre eige-
vorgestellt hatten. nen Ziele definieren und verfolgen können
Auch wenn wir häufiger Trennungs- (Mason et al. 2012). Manche finden sich gar
erfahrungen machen, so bleibt es dennoch nicht mit der Trennung ab und versuchen,
dabei, dass diese belastend sind, häufig für durch Stalking Kontrolle über die Situation zu
eine lange Zeit (Lucas 2005, 2007). Nicht nur behalten (7 Exkurs: Stalking). Was hilft also bei
derjenige, der verlassen wird, leidet sehr, im Trennung? Wichtig ist, sich selbst mit Wohl-
Allgemeinen ist auch derjenige, der geht, wollen zu begegnen. Die eigene Trauer zu
belastet. Die Hauptemotionen auf beiden Sei- akzeptieren, sich Zeit zu geben, sich schöne
ten sind Ärger und Trauer. Zunächst herrscht Sachen vorzunehmen und mit Freunden zu
Ärger vor, nimmt aber rasch ab, während verabreden, statt cool sein zu wollen und den
die Trauer manchmal sehr lange anhält. Die- Verlust herunterzuspielen, hilft, über eine
jenigen, die ihren Partner weiterhin lieben, Trennung hinwegzukommen (Sbarra et al.
sowie jene mit einem ängstlichen Bindungs- 2012).
stil trauern besonders lange (Sbarra 2006). Bis Ende des 19. Jahrhunderts hätte man
Kommt man leichter über eine Trennung nach der Eheschließung, selbst wenn man
hinweg, wenn man sich weiterhin sieht oder gewollt hätte, kaum an Trennung denken
wenn man den Kontakt abbricht? In einer können, denn man hätte ohne den Partner
Studie, in der Studierende einen Monat nach kaum überlebt: Eheleute konnten zumeist
ihrer Trennung befragt wurden, waren die- nur gemeinsam genug für sich und die Kin-
jenigen, die sich weiterhin trafen, trauriger als der erwirtschaften. Dies hat sich gründlich
diejenigen, die den Kontakt abgebrochen hat- gewandelt. Dass beide Partner wirtschaftlich
ten (Sbarra und Emery 2005). Etwas anders auf eigenen Füßen stehen können, ermög-
verhält es sich, wenn der Partner stirbt. Hier licht es Ehepartnern heutzutage, sich nach
hat man Trauernde früher eher dazu gedrängt, Belieben scheiden zu lassen. Dies beantwortet
sich abzukoppeln, hat aber erkannt, dass es allerdings weder die Frage, warum sie das
für manche hilfreicher ist, die Beziehung wollen, noch, ob es eine gute Idee ist. In vielen
aufrechtzuerhalten (Klass et al. 1996). Letz- Fällen scheint ein Mangel an Motivation und
teres kann beispielsweise durch Gespräche, zwischenmenschlichen Fertigkeiten Ehen in
E-Mails, Briefe, Besuche am Grab oder an die Trennung zu treiben. So können Forscher
einem besonderen Ort in der Wohnung von kurzen Problemgesprächen zwischen
geschehen. Partnern zu Beginn einer Ehe vorhersagen, ob
Nach einer Trennung stehen Sie vor der und wann sich das Paar trennen wird. Nega-
Aufgabe, sich als Person neu zu definie- tive Kommunikation wie Kritik, Verachtung
ren – weil die Zeit als Paar und damit das (z. B. mit den Augen rollen), Leugnen und
Selbstkonzept, „liiert zu sein“ bzw. „Partner Rückzug sagten Trennung innerhalb der ers-
von Max Mustermann zu sein“, nicht mehr ten Jahre vorher, während ein Mangel an posi-
zutreffend ist. Deshalb geht diese Zeit mit tiven, unterstützenden Beiträgen eine spätere
Veränderungen des Selbstkonzepts einher Trennung vorhersagte (Gottman, 1993a, b).
(7 Sozialpsychologie I, Abschn. 6.1: Selbst- Ein Mangel an Fertigkeiten lässt sich aller-
konzept), und eine Weile lang werden Sie dings mit einer neuen Partnerschaft nicht
sich vermutlich unsicher sein, wer Sie ohne beheben. Entsprechend ist die hohe Zahl an
den Partner/die Partnerin eigentlich sind Scheidungen nicht allein darauf zurückzu-
und was Sie anstreben, beispielsweise wel- führen, dass Personen einfach noch nicht die
che Lebensziele, Vorlieben und Interessen passende Person gefunden haben. Vielmehr
64 Kapitel 1 · Beziehungen
Exkurs
1 Stalking
Der Begriff „Stalking“ kommt 5 Bindungsorientiertes Prävalenzrate liegt bei rund
aus dem Englischen und Stalking: Unangemeldete 12 %. 85 % der Täter sind
bedeutet „heranpirschen“. Besuche, Geschenke, Männer. In etwa 91 % der
Unter Stalking ist das „zufällige“ Begegnungen, Stalking-Fälle mit weiblichem
wiederholte Belästigen Leugnen, dass eine Opfer und 44 % derjenigen
und Verfolgen einer Person Beziehung beendet ist etc. mit männlichem Opfer ist
zu verstehen, wobei das der Stalker männlich. In den
konkrete Verhalten ganz Diese Formen kommen übrigen Fällen handelt es sich
unterschiedlich ausfallen kann. meist auch gemischt um Stalkerinnen (Dressing
Das Hauptkriterium ist die vor. Unerwünschte et al. 2006).
wiederholte und andauernde Kontaktaufnahme ist dabei Da Stalking ein
Natur der einzelnen am häufigsten zu verzeichnen: beziehungsorientiertes
Verhaltensweisen (Voß und 91 % der Betroffenen Verhalten ist, welches
Hoffmann 2006; . Abb. 1.21). berichten von Telefonterror durch Dysfunktionalität,
Daneben gelten die Kriterien, (zum Teil mit bedrohlichem Normabweichung und häufig
dass Stalking-Verhalten. oder obszönem Inhalt), 52 % auch Realitätsverkennung
5 auf eine Person zielt, wurden von ihrem Stalker gekennzeichnet ist, kann man
5 von dieser als verfolgt, 35 % erhielten Stalking auch als pathologische
unerwünscht E-Mails. Auch bedrohliches Beziehungsgestaltung
oder belästigend und schädigendes Verhalten bezeichnen. Entsprechend
wahrgenommen wird treten auf: Jeweils 40 % stellen Expartner auch die
5 und bei ihr Angst, Sorge erlitten körperliche und größte Gruppe der Stalker.
oder Panik auslöst. sexuelle Gewalt, 57 % erfuhren Besonders gefährdet sind
Rufschädigungen, 55 % Expartner, die die Trennung als
Stalker sind obsessiv mussten erleben, dass ihr Kontrollverlust empfinden. Sie
(zwanghaft) auf die Zielperson Eigentum zerstört wurde, versuchen, durch Stalking diese
fixiert, d. h., ihre Gedanken und 35 % der Opfer wurden Kontrolle wiederzuerlangen.
Gefühle kreisen fortwährend bedroht, und bei 10 % Die „zurückgewiesenen Stalker“
um diese (Voß und Hoffmann wurden Wohnungseinbrüche beschäftigen sich den ganzen
2006, S. 12). Dabei verfolgen verübt. Schließlich ist auch Tag mit der Person, der sie
sie unterschiedliche Ziele, die Beziehungskomponente nachstellen – das Opfer wird
beispielsweise Kontakt zu einer nicht selten Teil von Stalking: zum Lebensinhalt.
Person aufzunehmen und 56 % erhielten unerwünschte Andere Täter, die sog.
eine Beziehung aufzubauen, Liebesbeweise und 15 % beziehungssuchenden
Kontrolle über sie auszuüben Waren, die auf ihren Namen Stalker, idealisieren das Opfer,
oder eine Trennung bestellt worden waren glorifizieren es und bauen
rückgängig zu machen. (Wondrak et al. 2005; sich eine Fantasie auf. Dieses
Es lassen sich unterscheiden: Dressing et al. 2006). Luftschloss kann aber auch
5 Klassisches Stalking: Häufig wird nicht nur die schnell platzen, z. B. wenn das
Unerwünschte Zielperson zum Opfer, Opfer zu verstehen gibt, keinen
Kommunikation (E-Mails, sondern auch deren Freunde, Kontakt mehr zu wollen. Dies
Briefe, Telefonanrufe, Familienmitglieder, Kinder, ist eine extreme Form der
räumliche Nähe Arbeitskollegen oder zur Verliebtheit gehörenden
suchen, Beobachten, Nachbarn. Männliche Stalker Merkmale, insbesondere
Nachspionieren) benutzen gemeinsame der starken Aufmerksamkeit
5 Bedrohliches Stalking: Kinder oft als Druckmittel auf die Person, in die man
Anrufe mit bedrohlichem zur Kontaktaufnahme oder verliebt ist, der unwillentlichen
oder obszönem Inhalt, als Informationsquelle über gedanklichen Beschäftigung
Gewalt und Drohungen die Expartnerin (Stadler et al. mit ihr und ihrer Idealisierung
(auch gegen Familien- 2005). Über 90 % der Opfer (7 Abschn. 1.3.1; Fisher 2006).
angehörige), Vandalismus von Stalking sind weiblich Wie sollte man auf Stalking-
etc. (Stadler et al. 2005). Die Verhalten reagieren?
1.3 · Paarbeziehungen
65 1
Wichtig ist, nach einmaligem erschweren. Daneben ist auch das Einschalten der
deutlichem Ablehnen des es nützlich, andere darüber Polizei oder das Aufsuchen
Verhaltens möglichst nicht zu informieren und sich einer Beratungsstelle
weiter auf den Stalker zu beraten. Dabei werden können wichtige Schritte sein,
einzugehen und das Familien und Freunde oft die praktische und emotionale
Verhalten möglichst zu erste Anlaufstelle sein, aber Unterstützung zu erhalten.
. Abb. 1.21 Hinter Stalking steht oft das Nichtakzeptieren, dass diese Person sich abgrenzt, keinen Kontakt
oder keine Beziehung (mehr) wünscht. (© oneinchpunch/stock.adobe.com)
einer Paarbeziehung erhöht im Schnitt die wann sich Menschen zueinander hingezogen
1 Lebenszufriedenheit, verglichen mit dem fühlen, wie man Liebe aus wissenschaftlicher
Singledasein. Bei Paaren, die heiraten, lässt Sicht verstehen kann und welche typischen
sich zudem eine Honeymoon-Phase erhöhter Verläufe sich bei Paarbeziehungen finden.
Zufriedenheit von ein bis zwei Jahren nach Um soziale Beziehungen zu unter-
der Hochzeit ausmachen. Das Verbindlicher- suchen, ist es sinnvoll, verschiedene Arten
werden einer Beziehung hingegen ist mit Tur- von Beziehungen zu unterscheiden, da diese
bulenzen aufgrund von Unsicherheiten und mit kulturell geteilten Erwartungen ver-
Reibereien verbunden. Nach dem Zusammen- bunden sind: Welche Aufgaben und Rechte
ziehen kommt es häufig vor, dass sich Part- haben wir in der Beziehung? Welche Funk-
ner wechselseitig über Angewohnheiten des tionen erfüllt sie für uns und andere? Welche
anderen ärgern. Hier können Strategien der Verhaltensnormen müssen wir beachten? Für
Emotionsregulation helfen, nicht „aus einer Eltern-Kind-Beziehungen zeigte sich, dass
Mücke einen Elefanten zu machen“. Das Ein- das Bindungssystem eine bedeutsame Rolle
planen positiver Erlebnisse in den Alltag spielt, da wir bei geglückter Bindung Schutz
schafft einen „Puffer“ an positiven Gefühlen und Sicherheit sowie eine sichere Basis fin-
miteinander und füreinander, die eine wich- den und Zuneigung erfahren. Diese Sicht-
tige Ressource für die Bewältigung schwieri- weise auf Erziehung hat sich in unserem
ger Situationen sind. Paartrainings helfen, in Kulturkreis als die vorherrschende etabliert.
Konfliktgesprächen den richtigen Ton zu tref- Entsprechend fördern soziale Normen die
fen, und tragen damit zu stabilen und zufrie- gewaltfreie, warme Beziehung zwischen Eltern
denen Beziehungen bei. Allerdings kommen und Kindern, was sich in über die Jahrzehnte
Trennungen häufig vor, und auch die Zahl positiver gewordenen Selbsteinschätzungen
und Akzeptanz von Scheidungen haben in der Beziehung widerspiegelt. Kulturvergleiche
Mitteleuropa in den letzten 100 Jahren stark und Studien in Kitas zeigten, dass Kinder
zugenommen. Verlassen zu werden, ist für nicht nur zu den eigenen Eltern, sondern auch
viele Menschen eine starke Belastung. Stal- zu weiteren Bezugspersonen enge Bindungen
king ist ein beziehungsorientiertes Verhalten, aufbauen, wenn diese Personen verlässlich
welches u. a. durch fehlende Abfindung mit sind und auf ihre emotionalen Bedürfnisse
einer Trennung und damit einhergehendem eingehen. Bindungsstile sind auch für Paar-
Kontrollverlust ausgelöst werden kann. Typi- beziehungen wichtig, denn sicher gebundene
sche Verhaltensweisen sind unerwünschte Partner geben sich gegenseitig Trost und
Kontaktaufnahme und Liebesbeweise sowie Unterstützung und gehen lösungsorientierter
Bedrohung und Schädigung des Opfers. mit Konflikten um.
Geschwister sind oft ein Leben lang wich-
tige Beziehungspartner. Unter den übrigen
1.4 Kapitelzusammenfassung Verwandten bauen häufig die Großeltern eine
besonders enge Beziehung zu ihren Enkeln
Eine soziale Beziehung besteht dann, wenn auf und übernehmen wichtige Aufgaben bei
Menschen miteinander interagieren und der Kindererziehung. Freunde spielen welt-
wenn sie sich in ihrem Erleben und Verhalten weit eine große Rolle, da Freundschaften in
gegenseitig beeinflussen. Sozialpsychologen besonderem Maße unsere sozialen Motive
beschäftigen sich u. a. damit, was unterschied- erfüllen und Freunde sich gegenseitig häu-
liche Beziehungsarten kennzeichnet, wie fig auf vielfältige Weise unterstützen. Auch
soziale Beziehungen zu Gesundheit, Glück Bekanntschaften erfüllen eine wichtige Rolle,
und Wohlergehen beitragen können und wie da sie zum einen die Zugehörigkeit zu einer
man sie verbessern kann. Andere Forschungs- Gemeinschaft stärken und zum anderen ein
schwerpunkte beschreiben und erklären, soziales Netzwerk schaffen, welches nützliche
1.4 · Kapitelzusammenfassung
67 1
Kontakte ermöglicht, wenn ein beruflicher gelten Symmetrie, bestimmte Gesichtsmerk-
oder privater Bedarf für diese entsteht. male wie große Augen oder geschlechts-
Wir suchen Freundschaften, Gruppen typische Gesichter und Durchschnittlichkeit.
und Kontakt zu Bekannten und Verwandten, Die Frage, mit wem wir eine Paar-
weil wir uns dabei zugehörig, anerkannt beziehung eingehen, ist in unserem Kultur-
und verstanden fühlen. Wir haben also eine kreis selten eine rationale Entscheidung.
Reihe sozialer Motive, die wir besonders gut Vielmehr steht häufig eine Phase der Ver-
befriedigen können, wenn wir mit anderen liebtheit, die von Leidenschaft und anderen
zusammen sind. Deshalb steigern sowohl Symptomen geprägt ist, am Beginn einer
die Qualität als auch die Menge und Viel- langjährigen Paarbeziehung, die nach eini-
falt an Sozialkontakten das psychische Wohl- gen Wochen, Monaten oder in selteneren
befinden. Sozialer Ausschluss hingegen wird Fällen Jahren in ihrer Intensität nachlassen.
als schmerzlich erlebt. Einsam fühlen sich In dieser Zeit wachsen hingegen die weiteren
Menschen, wenn sie gern mehr oder andere Liebesaspekte Intimität und Commitment,
soziale Beziehungen hätten, als sie tatsäch- neben Leidenschaft die Hauptkomponenten
lich haben. Einsamkeit ist ein negatives der Liebe gemäß dem Sternberg’schen Liebes-
Gefühl der sozialen Isolation, welches sich dreieck. Dieses generierte unter den psycho-
sogar einstellen kann, wenn man mit ande- logischen Modellen zur Liebe besonders viel
ren zusammen ist, häufiger aber mit fehlen- Forschung.
den Sozialkontakten einhergeht. Einsamkeit Intimität ist ein Fundament für Paar-
beeinträchtigt sowohl das psychische Wohl- beziehungen und auch in anderen nahen
befinden als auch die physische Gesundheit Beziehungen wichtig. Sie entsteht durch Ver-
und löst Prozesse aus, die die Einsamkeit noch trautheit miteinander und Verständnis für-
verstärken können. Für die Wirkung sozia- einander, welche wiederum durch häufigen
ler Beziehungen auf physische Gesundheit ist Kontakt und Selbstenthüllung zunehmen. Hat
zudem das Bindungssystem wichtig, welches man Kontakt zu einer Person, so erlebt man
uns ermöglicht, Ängste und Stress mithilfe ihre Reaktionen, erfährt ihre Einstellungen
von Bezugspersonen zu regulieren, indem und teilt ihre Erlebnisse. Selbstenthüllung ist
deren Nähe und Trost beruhigend auf uns eine Kommunikationsform, bei der Intimes
wirkt. Wer in der Lage ist, diese Unterstützung und Privates mitgeteilt wird, wie Gefühle,
aktiv zu suchen und Vertrauen in die Ver- Erlebnisse, Einstellungen oder Geheimnisse,
lässlichkeit der Bezugsperson zu haben, kann die man (noch) nicht öffentlich machen will.
hiervon im Besonderen profitieren. Selbstenthüllung setzt also Vertrauen in das
Wie aber finden wir enge Bezugs- Gegenüber voraus. Damit beinhaltet Intimität
personen? Wonach richtet sich, auf wen wir auch gegenseitiges Wohlwollen, wechselseitige
zugehen und welche Beziehungen halten? Zuneigung und deren verbale, nonverbale
Entscheiden wir nach dem Aussehen oder oder tatkräftige Kommunikation. Aus Intimi-
nach inneren Werten? Räumliche Nähe, Ver- tät kann eine Liebesbeziehung entstehen, aber
trautheit, Ähnlichkeit und Freundlichkeit man kann sich auch in eine Person verlieben,
erhöhen die Chancen für eine Beziehungs- die man noch kaum kennt, in welchem Fall
aufnahme, sind aber auch im weiteren die nachfolgend beschriebene Leidenschaft zu
Beziehungsverlauf wichtig. Körperliche Beginn der Beziehung steht.
Attraktivität spielt für das anfängliche Inter- Wir empfinden Leidenschaft für eine Per-
esse an Personen eine große Rolle. Wann fin- son, wenn uns deren Anblick, der Gedanke
den wir Menschen schön? Was als attraktiv an sie oder Berührungen von ihr erregen kön-
wahrgenommen wird, ist teilweise universell, nen, wenn wir uns sexuell zu ihr hingezogen
zu einem großen Teil aber auch kulturell fühlen und wenn wir ein Verlangen ver-
geprägt. Als universelle Schönheitsmerkmale spüren, dieser Person körperlich, emotional
68 Kapitel 1 · Beziehungen
und gedanklich nahe zu sein. Verliebtheit ist Das Commitment zu einer Beziehung sollte
1 ein Zustand großer Leidenschaft, der meist dann hoch sein, wenn die Partner die sich aus
einige Wochen bis Monate anhält. Sie ist dem jeweiligen Beziehungsmodell ergebenden
geprägt von Anziehung, sexuellem Verlangen, Erwartungen erfüllt sehen. Im Einzelnen
Erregung, starken Gefühlen, dem Erleben, ist eine Beziehung beim Beziehungsmodell
voller Energie zu sein, und einer Fokussie- Rangordnung hierarchisch aufgebaut, wie es
rung von Wahrnehmung und Gedanken auf in vielen Kulturen, in denen die Frau in der
die andere Person. Zu Beginn einer Paar- Paarbeziehung dem Mann als untergeben
beziehung können diese Aspekte sehr stark angesehen wird, der Fall ist. Das Beziehungs-
sein und als unkontrollierbar erlebt werden. modell Gegenseitigkeit ist durch die Reziprozi-
Sexualität ist evolutionär gesehen für die tätsnorm geprägt, welche durch das Prinzip
Fortpflanzung und die Paarbindung wich- „Wie du mir, so ich dir“ für Fairness sorgt.
tig. Sexuelle Identitäten ergeben sich, da bio- Beim Beziehungsmodell Proportionalität
logisches und soziales Geschlecht, also die gehen die Beziehungspartner einen Handel
Ausprägung der biologischen Geschlechts- ein und tauschen unterschiedliche Dinge aus.
merkmale und die Selbstwahrnehmung Viele haben eine intuitive Abneigung dagegen,
als Mann, Frau oder beides, sowie sexuelle ihre Paarbeziehung als Handelsbeziehung zu
Orientierung in verschiedenen Ausprägungen sehen, und sind empört, wenn sie Dinge, die
und Kombinationen vorkommen können. ihre Liebe repräsentieren, verkaufen sollen.
Soziale Normen bezüglich Sexualität sind Beim Beziehungsmodell Gemeinschaftlich-
kulturell sehr verschieden. In westlichen Kul- keit bemühen sich Partner, die Bedürfnisse
turen ist das derzeit vorherrschende Modell des anderen zu erfüllen, und empfinden
das der seriellen Monogamie, wobei Phasen Dankbarkeit, wenn er oder sie das Gleiche
unverbindlicher Beziehungen mit oder ohne tut. Die Trennung von Mein und Dein wird
sexuelle Aktivitäten sozial akzeptiert sind, aufgehoben, und die emotionale Nähe und
ebenso wie Phasen, in denen man eine ver- wechselseitige Bindung sind besonders hoch.
bindliche, monogame Beziehung zu einem Einzelnen Bereichen einer Beziehung kön-
Partner hat. Die Häufigkeit von Geschlechts- nen unterschiedliche Modelle zugrunde lie-
verkehr nimmt mit dem Alter ab. Besonders gen, aber Uneinigkeit darin, welches Modell
zufriedene Paare erhalten sich ihre Leiden- das richtige ist, wird zu Fehlkoordination und
schaft bis ins hohe Alter. abnehmendem Commitment führen.
Commitment umfasst den Wunsch, an Der Verlauf von Paarbeziehungen ist indi-
einer Beziehung auf Dauer festzuhalten, und viduell sehr verschieden. Im Schnitt über viele
die Entscheidung dafür, manchmal im Sinne Paare hinweg zeichnen sich dennoch einige
eines öffentlichen Commitments in Form Regelmäßigkeiten ab. Der Beginn einer Paar-
eines gegenseitigen (Ehe-)Versprechens. Laut beziehung erhöht in den meisten Fällen die
Rusbult-Modell ist das Commitment einer Lebenszufriedenheit deutlich. Das Verbindli-
Person besonders hoch, wenn sie sehr zufrie- cherwerden einer Beziehung hingegen ist mit
den mit der Beziehung ist, sie schon viel in die Turbulenzen aufgrund von Unsicherheiten und
Beziehung investiert hat und wenn die mög- Reibereien verbunden. Nach dem Zusammen-
lichen Alternativen zur aktuellen Beziehung ziehen kommt es häufig vor, dass sich Part-
wenig attraktiv erscheinen. Die Beziehungs- ner wechselseitig über Angewohnheiten des
zufriedenheit wiederum steigt mit dem anderen ärgern. Verschiedene Reappraisal-
Nutzen und sinkt mit den Kosten. Die Rela- Strategien können helfen, den Ärger zu
tional-Models-Theorie hingegen unterscheidet regulieren. Ebenso wichtig ist es, sich trotz All-
zwischen Beziehungsmodellen, bei denen tagshektik Zeit füreinander zu nehmen, sich
Kosten-Nutzen-Abwägungen wichtig sind, gegenseitig zuzuhören, Anteil zu nehmen am
und solchen, bei denen sie keine Rolle spielen. Leben des anderen und Liebe und Zuneigung
Literatur
69 1
zu zeigen. Bei Paaren, die heiraten, ist die Ahnert, L. (2007). Entwicklungspsychologische Aspekte
Hochzeit selbst ein solch positives Ereignis, das der Erziehung, Bildung und Betreuung von Klein-
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Paare meist für viele Monate besonders zufrie-
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den miteinander macht. Um späteren Proble- Landtag NRW.
men vorzubeugen, kann das frisch verheiratete Ahnert, L. (2010). Wie viel Mutter braucht ein Kind?
Paar gleich noch ein Paartraining absolvieren, Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
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87 2
Sozialer Einfluss
2.1 Die Anwesenheit anderer beeinflusst die individuelle
Leistung – Soziale Erleichterung und
soziale Hemmung – 88
2.1.1 Zusammenfassung – 93
Beispielstudie 2.1
Bei einfachen Aufgaben wirkt sich ein Publikum positiv, bei schwierigen Aufgaben negativ
auf die Leistung des Akteurs aus
2 Michaels et al. (1982) ließen Tischen und schaute den entsprechend spielten sie
Billardspieler von einem Spielern zu. vor Publikum besser als
Beurteilerteam in zwei In Anwesenheit dieses ohne Publikum. Leistungs-
Gruppen einteilen: Spieler, die Publikums verbesserten schwache Spieler – für
bei mindestens zwei Dritteln die überdurchschnittlichen die die Aufgabe schwierig
ihrer Stöße erfolgreich waren, Spieler ihre Leistung von war – wurden dagegen in
wurden als „überdurch- etwa 70 % auf ca. 80 % Anwesenheit von Zuschauern
schnittlich“, solche, die bei erfolgreiche Versuche. Die noch schlechter. Bei
weniger als einem Drittel unterdurchschnittlichen einfachen Aufgaben wirkt
Erfolg hatten, als „unterdurch- Spieler verschlechterten sich sich die Anwesenheit anderer
schnittlich“ klassifiziert. Ein dagegen von 36 % auf 24 %. somit leistungsförderlich,
Team, bestehend aus vier Für leistungsstarke Spieler bei schwierigen Aufgaben
Vertrauten des Versuchsleiters, stellt Billardspielen eine relativ dagegen leistungshinderlich
begab sich dann zu den leichte Aufgabe dar, und aus.
soziale Erleichterung und Hemmung wenn dies der Fall ist, beispielsweise wenn
beispielsweise auch bei elektronischer der Koakteur in der Aufgabe besser ist als
Arbeitsüberwachung auf (z. B. auto- man selbst (z. B. Huguet et al. 1999; Muller
matischer Aufzeichnung von Computer- et al. 2004; Sanders et al. 1978).
eingaben oder produzierten Stückzahlen;
Aiello und Kolb 1995): Arbeiter, denen Bei einfachen Aufgaben kann man sich
aufgrund hoher Fähigkeiten ihre Tätig- diese Bewertungserwartung als den nötigen
keit leichtfiel, verbesserten ihre Leistung „Kick“ vorstellen, das Beste aus sich heraus-
bei Computerüberwachung. Weniger zuholen, bei schwierigen Aufgaben eher als
befähigte Arbeiter, für die ihre Tätigkeit unangenehme Anspannung, die die Leistung
entsprechend eine schwierige Aufgabe dar- hemmt.
stellte, zeigten dagegen bessere Leistungen, Wir haben bisher gesehen, dass im
wenn sie nicht überwacht wurden. Zusammenhang mit Leistungsveränderungen
5 Cottrell et al. (1968) fanden keinen Ein- in Anwesenheit anderer eine erhöhte physio-
fluss der Anwesenheit von Zuschauern, logische Erregung sowie die mögliche
wenn diese die Augen verbunden hatten Bewertung durch die Anwesenden eine
oder an der Ausführung der Aufgabe Rolle spielen. Gemäß der Distraction-Con-
offensichtlich uninteressiert waren, d. h. flict-Theorie jedoch werden die Effekte sozia-
wenn sie nicht in der Lage oder nicht ler Erleichterung und Hemmung vielmehr
willens waren, den Akteur zu beurteilen. ursächlich durch kognitive Faktoren ver-
5 Handelt es sich bei den anwesenden mittelt: Die Anwesenheit anderer versetzt in
Personen nicht um ein passives Publikum, einen Zustand erhöhter Wachsamkeit und
sondern um sog. Koakteure (d. h. Perso- lenkt Aufmerksamkeitsressourcen von der
nen, die unabhängig die gleiche Aufgabe Aufgabenbewältigung ab – vorausgesetzt der
bearbeiten), so ist zudem von Bedeutung, Akteur hält eine Bewertung seiner Leistung
inwieweit diese im sozialen Vergleich zu für möglich. Für den Akteur entsteht dann
einer negativen Selbstbeurteilung führen ein Aufmerksamkeitskonflikt: Zum einen
(und damit das Selbstbild bedrohen) erfordert die Aufgabenbewältigung Aufmerk-
könnten. Effekte sozialer Erleichterung samkeit, zum anderen haben Menschen die
bzw. Hemmung finden sich nur dann, Tendenz, auf die anwesenden Personen zu
2.1 · Die Anwesenheit anderer beeinflusst die individuelle Leistung …
91 2
. Abb. 2.1 Aufmerksamkeitskonflikte wie der zwischen Telefonieren und Autofahren sind extrem ablenkend
und können beim Autofahren gefährlich werden. Haben wir schwierige Aufgaben zu lösen, brauchen wir unsere
ganze ungeteilte Aufmerksamkeit. Die bloße Anwesenheit anderer vermag unsere Aufmerksamkeit auf eine
schwierige Aufgabe so weit zu reduzieren, dass Leistungseinbußen entstehen. (© ashtproductions/stock.adobe.
com)
achten (. Abb. 2.1). Dies wiederum kann eine Ressourcen für die Aufgabenbewältigung
erhöhte Erregung zur Folge haben (Baron „auszukommen“, neigt der Akteur bei
1986; Sanders et al. 1978). Anwesenheit anderer dazu, sich auf einzelne,
zentrale Aspekte der Aufgabe zu konzent-
Distraction-Conflict-Theorie rieren und weniger wichtige oder periphere
Die Anwesenheit anderer Personen lenkt Aspekte „auszublenden“. In dem Falle, dass
ab, wodurch für die Aufgabenbewältigung es für eine – einfache oder schwierige – Auf-
weniger Ressourcen zur Verfügung gabe förderlich ist, sich auf wenige Schlüssel-
stehen. Die Aufmerksamkeit konzentriert merkmale zu konzentrieren bzw. unwichtige
sich dann auf wenige Schlüsselaspekte Details zu vernachlässigen, verbessert sich
der Aufgabe, periphere Merkmale werden die Leistung in Anwesenheit anderer. Sind
vernachlässigt. hingegen bei einer Aufgabe viele Aspekte
gleichzeitig zu beachten (was bei schwierigen,
komplexen Aufgaben häufig der Fall ist), so
Die Anwesenheit anderer Personen bindet verschlechtert sich durch die Aufmerksam-
somit Aufmerksamkeitsressourcen, sodass keitsfokussierung die Leistung eher (Klauer
für die Aufgabenbewältigung dann weniger et al. 2008; Sharma et al. 2010).
kognitive Ressourcen zur Verfügung stehen, In vielen Fällen führen Distraction-Con-
als wenn man alleine, d. h. ohne Ablenkung, flict-Theorie und die zu Anfang beschriebene
arbeiten würde.1 Um mit den knappen Drive-Theorie der sozialen Erleichterung
zu den gleichen Vorhersagen, da schwie-
rige Aufgaben sich häufig eben nicht durch
1 Dieselben Auswirkungen auf die Leistung wie
wenige wichtige Merkmale auszeichnen,
die Anwesenheit anderer Personen haben auch
andere ablenkende Reize, wie beispielsweise ein sondern eher komplex sind und erfordern,
blinkendes Licht (Baron 1986). dass viele verschiedene Aspekte gleichzeitig
92 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
beachtet werden müssen. Dann wirkt sich Aufgabe selbst abhängen, zum anderen auch
eine begrenzte kognitive Kapazität negativ davon, wie gut der einzelne Prüfling vorbereitet
aus. Zeichnet sich allerdings eine schwierige ist. Je besser er vorbereitet ist, desto einfacher
2 Aufgabe nur durch wenige wichtige Merk- ist die Aufgabe für ihn bzw. desto eher sind ihm
male aus, so sind auch hier Leistungsver- die wichtigen Aspekte der Aufgabe bekannt, auf
besserungen möglich (Chajut und Algom die die zur Verfügung stehenden Kapazitäten
2003; Huguet et al. 1999; Monteil und Huguet gerichtet werden sollten. Besteht die Aufgabe
1999; Muller et al. 2004; zusammenfassend aus wenigen wichtigen Schlüsselmerkmalen
. Abb. 2.2). und ist der Prüfling gut vorbereitet, erbringt
Kommen wir noch einmal auf unser er möglicherweise in Anwesenheit anderer
Prüfungsbeispiel zu Anfang dieses Abschnitts eine bessere Leistung als alleine. Ist die Auf-
zurück. Wie wird die mündliche Prüfungs- gabe dagegen sehr komplex bzw. der Prüfling
leistung im vollen Klassenzimmer bzw. in schlecht vorbereitet, dürfte es besser sein, wenn
Anwesenheit der Kommilitonen ausfallen, wie er alleine und damit weniger abgelenkt ist.
wäre sie ohne die Anwesenheit anderer? Dies In dieser beispielhaften Prüfungssituation
wird weitgehend davon bestimmt sein, ob die wird ebenfalls eine Rolle spielen, für wie
Aufgabe einfach oder komplex ist bzw. ob sie schlau der Prüfling seine Klassenkameraden
davon profitiert, wenn sich die Aufmerksamkeit bzw. Kommilitoninnen hält. Ist der Prüf-
auf einige wenige Schlüsselaspekte konzent- ling in einer Klasse von Überfliegern, so hat
riert. Zum einen wird dies von der Struktur der er weniger Selbstvertrauen in seine schuli-
. Abb. 2.2 Andere Personen lenken ab, und es entsteht ein Aufmerksamkeitskonflikt. Die für die Aufgaben-
bewältigung verbleibende Aufmerksamkeit fokussiert sich auf wenige, zentrale Aspekte, periphere Aspekte
werden vernachlässigt. Ist dies für die korrekte Lösung der Aufgabe förderlich, verbessert sich in Anwesenheit
anderer die Leistung (soziale Erleichterung; linker Teil der Abbildung). Ist diese Fokussierung für die Aufgaben-
bewältigung ungünstig, so verschlechtert sie sich (soziale Hemmung; rechter Teil der Abbildung)
2.1 · Die Anwesenheit anderer beeinflusst die individuelle Leistung …
93 2
. Abb. 2.3 Die Metapher „großer Fisch im kleinen Teich“ bezeichnet eine leistungsstarke Person in einer
leistungsschwächeren Gruppe. Befunde zeigen, dass eine ausgezeichnete Schülerin in einer durchschnittlichen
Klasse ein höheres akademisches Selbstbewusstsein hat als dieselbe Schülerin in einer Klasse voller aus-
gezeichneter Schüler (kleiner Fisch im großen Teich). (© WunderBild/stock.adobe.com)
anderer Menschen auf das Individuum aus – einen eher kritischen Blick auf den Umgang,
beispielsweise wenn die Mitglieder einer Dis- den ihre Kinder pflegen. Und nicht sel-
kussionsrunde unterschiedliche Meinungen ten bereitet ihnen dieser einiges an Kopf-
2 zu einem bestimmten Thema äußern. Mit zerbrechen, z. B. wenn von neu gewonnenen
dem Einfluss von anderen Personen, seien Freunden bekannt ist, dass sie immer
es Mehr- oder Minderheiten, auf die eigene mal wieder die Schule schwänzen. Sorgen
Meinungsbildung beschäftigt sich der folgende bereitet ihnen das selbst dann, wenn der
Abschnitt. eigene Sprössling bisher ein sehr interessier-
ter und äußerst zuverlässiger Schüler war.
Besorgt sind sie, dass sich diese Einstellung
2.2 Schwimmen mit oder durch den (schlechten) Einfluss der Peer-
entgegen dem Strom – Der group ändern könnte. Die meisten Eltern
Einfluss von Mehr- und werden diese Befürchtungen gut nachvoll-
Minderheiten ziehen können, auch wenn der betroffene
Jugendliche sich vehement gegen eine sol-
Denken Sie einmal an eine Gruppe von Schü- che Unterstellung verwehren würde. Warum
lern, in der die Meisten Rauchen „cool“ finden trauen wir ihm nicht? Ganz einfach, weil wir
und nur einige wenige anderer Meinung sind. den überzeugenden Einfluss der Mehrheit
Im Rahmen eines Projekttags in der Schule fürchten. Und diese Befürchtung hat ihre
wird Rauchen ganz allgemein thematisiert, Berechtigung, der Einfluss von Mehrheiten
und in besagter Gruppe entwickelt sich eine bzw. der Druck, Übereinstimmung mit der
angeregte Diskussion. Werden sich die wenigen Mehrheitsmeinung oder Konformität zu zei-
Gegner des Rauchens im Laufe der Diskussion gen, ist groß (. Abb. 2.4).3 Wie kommt es
der Meinung der Mehrheit anschließen? Falls dazu?
das der Fall wäre: Wären sie nur nach außen Zwei bedeutende Triebfedern mensch-
hin konform, behielten insgeheim aber ihre lichen Verhaltens spielen hier eine wichtige
abweichende (Anti-Raucher-)Meinung bei? Rolle: zum einen das Bedürfnis, mit der eige-
Oder wäre auch ihre innere Überzeugung ver- nen Meinung richtig zu liegen, zum Zweiten
ändert? Wie sieht es mit den Chancen der das Bedürfnis, von den anderen gemocht und
Minderheit aus, die Mehrheit der „coolen“ anerkannt zu werden (7 Abschn. 3.1.2). Diese
Raucher in deren Meinung zu beeinflussen? Motive werden wirksam, wenn jemand in
In 7 Abschn. 2.2.1 werden wir uns damit einer Gruppe eine Meinung oder ein Urteil
beschäftigen, wie sich Mehrheitsmeinungen abgeben soll. Aufgrund unseres Bedürf-
auf öffentlich geäußerte und privat gehaltene nisses nach Richtigkeit haben andere Perso-
Überzeugungen von Individuen auswirken. nen informativen Einfluss auf uns, welcher
In 7 Abschn. 2.2.2 wird der umgekehrte Ein-
fluss näher betrachtet, nämlich ob und unter
welchen Umständen Minderheiten die Mehr-
heitsmeinung beeinflussen können.
. Abb. 2.4 Haben wir den Eindruck, dass die Mehrheit einer Gruppe, zu der wir gehören, andere Musik cool
findet, andere Ansichten vertritt oder sich anders kleidet als wir selbst, werden wir schnell verunsichert. Wir
erleben Konformitätsdruck, der häufig dazu führt, dass wir uns der wahrgenommenen Mehrheit anschließen.
(© pholidito/stock.adobe.com)
Beispielstudie 2.2
Nehmen wir zur Illustration einmal an, es ist Was in diesem Fall wirksam war, wird als
Sommer und Sie sind am See zum Baden. In informativer Einfluss bezeichnet. Aus dem
einiger Entfernung von Ihnen tobt und lärmt Bedürfnis heraus, in mehrdeutigen Situatio-
bereits seit einiger Zeit eine Gruppe Jugend- nen ein richtiges Urteil zu fällen, schließen
licher im Wasser. Plötzlich fängt einer der sich Personen der Meinung anderer Personen
Jugendlichen an, um Hilfe zu rufen und wild an (Cialdini 2001; Cialdini und Trost 1998;
mit den Armen zu rudern – was Anzeichen Deutsch und Gerard 1955; 7 Beispielstudie
dafür sein könnten, dass er zu ertrinken droht. 2.2). Grundlage hierfür ist das Prinzip sozia-
Andererseits hat sich ein solches Verhalten ler Bewährtheit, das im Sinne einer Faustregel
schon allzu oft als Alberei herausgestellt. Was besagt: „Was alle machen, ist gut/richtig“ (auch
tun Sie also? Springen Sie sofort – möglicher- Consensus Implies Correctness; z. B. Axsom
weise noch in voller Montur – ins Wasser, nur et al. 1987).4 Das Verhalten anderer Personen
um dann festzustellen, dass sich die Kids einen wird als Information über die Realität und
Scherz erlaubt haben? In dieser Situation ist damit als Orientierung dafür herangezogen,
nicht eindeutig, welches Verhalten angemessen was bzw. welches Verhalten in der momenta-
ist, und vermutlich werden Sie sich erst ein- nen Situation angemessen ist.
mal unter den anderen Badegästen nach deren
Reaktionen umsehen. Wenn von diesen keiner Prinzip sozialer Bewährtheit
Anstalten macht, eine Rettungsaktion zu starten,
Faustregel, die besagt: „Was alle machen,
werden Sie daraus vermutlich schließen, dass
ist gut bzw. richtig.“
die anderen das Vorkommnis als Alberei ein-
gestuft haben, und sich selbst auch nicht weiter
darum kümmern – vor allem wenn die Hilfe- Der informative Einfluss resultiert – im
rufe mittlerweile verstummt sind. Vielleicht Gegensatz zum rein normativen sozialen
liegen Sie und die anderen Badegäste mit ihrer
Einschätzung richtig, es könnte aber auch sein,
4 Das Prinzip sozialer Bewährtheit kann auch
dass sich alle in gleicher Weise wie Sie selbst an
strategisch – beispielsweise in der Werbung –
dem Verhalten der anderen orientiert haben eingesetzt werden, um bewusst das Verhalten
und aus diesem Grund gerade – mehr oder anderer zu beeinflussen, und gehört damit zu den
weniger unbemerkt – ein Kind ertrunken ist. sog. Judostrategien (7 Abschn. 2.3).
2.2 · Schwimmen mit oder entgegen dem Strom …
97 2
Einfluss (s. unten) – zumeist nicht nur als Vierter Ihr Urteil abgeben sollten? Wür-
in öffentlicher, sondern auch in privater den Sie Ihre Antwort revidieren? Vermutlich
Konformität. In diesem Fall spricht man von würden Sie das jetzt ebenso bestreiten, wie der
Konversion, d. h., die Person schließt sich Jugendliche bestreitet, dass er in seiner neuen
nicht nur öffentlich der Meinung bzw. dem Clique anfangen würde, die Schule zu schwän-
Verhalten der anderen an, sondern ist auch zen. Eine leichte Aufgabe mit einer ein-
innerlich überzeugt, dass sie damit richtig deutigen Lösung – trotzdem geben Personen
liegt bzw. handelt. Kritischer Faktor ist – wie in dieser Situation häufig falsche Antworten
bereits zu Anfang dieses Abschnitts erwähnt – ab, weil sie sich der (falsch urteilenden) Mehr-
die Mehrdeutigkeit der Situation. Mit stei- heit anpassen (7 Beispielstudie 2.3).
gender Unsicherheit, welches Urteil in einer Wie kommt es zu diesen hohen Konformi-
Situation richtig ist, steigt auch der Bedarf an tätsraten in Anwesenheit einer einmütig,
Informationsquellen. Entsprechend ist man in aber offensichtlich falsch urteilenden
solchen Situationen umso empfänglicher für Gruppe? Zum einen greift auch hier der
informativen sozialen Einfluss (Baron et al. zuvor beschriebene informative Einfluss:
1996; Tesser et al. 1983). In einer Variation der Asch-Studie, in der
die Vertrauten des Versuchsleiters wiede-
2.2.1.2 Normativer Einfluss rum öffentlich falsch urteilten, durfte der
Sehen Sie sich zunächst einmal . Abb. 2.5 an: echte Teilnehmer – angeblich, weil er zu spät
Welche der drei Vergleichslinien (rechts) ist gekommen war – nicht mehr „richtig“ teil-
genauso lang wie die Referenzlinie (links)? nehmen, jedoch sein Urteil (nicht öffentlich)
Eine leichte Aufgabe, finden Sie nicht? Die nach dem sechsten der sieben Vertrauten
mittlere Vergleichslinie hat dieselbe Länge wie auf einem Zettel notieren. Die Fehlerraten
die Referenzlinie. Was aber würden Sie tun, waren unter diesen Umständen um etwa
wenn Ihnen diese Aufgabe in einer Gruppe zwei Drittel niedriger, als wenn das Urteil
gestellt worden wäre und vor Ihnen drei öffentlich abgegeben wurde, aber dennoch
andere Personen die rechte Vergleichslinie als höher, als wenn das Urteil alleine und damit
richtige Lösung bezeichnet hätten und Sie nun ohne Beeinflussung durch andere abgegeben
Beispielstudie 2.3
Die Urteile anderer Gruppenmitglieder führen zu einer nach außen hin konformen
Meinungsäußerung (Compliance)
2 Die Teilnehmer der Meinung kundtun sollten, korrekte Antworten ab, in der
Untersuchung von Asch (1951, durch die Sitzordnung Mehrheit der Fälle wählten
1956, Exp. 1) waren aufgefordert, vorgegeben. Was die sie jedoch einheitlich eine
18 Aufgaben – beispielhaft Teilnehmer nicht wussten, offensichtlich falsche
in . Abb. 2.5 dargestellt – zu war, dass sie in ihrer Lösung, sodass der echte
lösen, d. h., die Teilnehmer Achtergruppe jeweils der Teilnehmer mit einer zwar
sollten jeweils entscheiden, einzige „echte“ Teilnehmer falsch urteilenden, aber
welche von drei dargebotenen waren – die restlichen einmütigen Mehrheit
Linien genauso lang war wie die Mitglieder waren Vertraute konfrontiert war. Unter
Referenzlinie. Die Teilnehmer des Versuchsleiters. Der dieser Bedingung stieg die
lösten diese Aufgaben entweder echte Teilnehmer wurde Fehlerrate bei den echten
alleine oder aber gaben ihr Urteil zudem immer so platziert, Teilnehmern stark an: 74 %
öffentlich in Gruppen zu je acht dass er sein Urteil als einer gaben bei dieser einfachen
Personen ab. der Letzten abzugeben Aufgabe fehlerhafte
In der Gruppenbedingung hatte. Die Vertrauten des Antworten. Wurde das Urteil
war die Reihenfolge, in Versuchsleiters gaben in alleine abgegeben, lagen nur
der die Anwesenden ihre einigen der 18 Durchgänge 5 % der Teilnehmer falsch.
worden war (Asch 1956, Exp. 4). Das Ver- ausgelacht bzw. für dumm gehalten zu wer-
halten der anderen wurde auch hier als den) oder Sanktionen rechnen. Konformität
Informationsquelle in einer mehrdeutigen aufgrund normativen Drucks bedeutet ana-
Situation benutzt. Der informative Einfluss log, dass sich jemand normgerecht verhält
kann jedoch nur einen kleinen Teil (nämlich bzw. sich in seinem Urteil oder auch Ver-
etwa ein Drittel) der konformen, falschen halten dem anderer Personen anschließt, um
Antworten erklären. Die größere Rolle (näm- von diesen anerkannt und gemocht zu werden
lich zu etwa zwei Dritteln) spielt hier der sog. (Allison 1992; Cialdini et al. 1991; Cialdini
normative Einfluss: Die Teilnehmer urteilten und Trost 1998; Deutsch und Gerard 1955).
in der Gruppensituation vor allem deswegen Um normativen Einfluss auszuüben, müs-
konform, um nicht „unangenehm“ aufzufallen sen die diesen ausübenden Personen nicht
oder ausgelacht zu werden.5 notwendigerweise physisch anwesend sein –
Normativ bedeutet wörtlich so viel wie „als bereits die gedankliche Aktivierung von für
Norm dienend“. Normen dienen in Gruppen das Individuum bedeutsamen Personen oder
dazu, das Verhalten der Mitglieder zu regeln, auch von allgemein geteilten Erwartungen
und sorgen für eine gewisse Einheitlichkeit in reicht aus, um unser Verhalten zu beeinflussen
deren Verhalten (7 Abschn. 3.1.4.1). Hält man (z. B. Aarts und Dijksterhuis 2003; Shah 2003).
sich an die Normen, erhält man Bestätigung; So senken wir normalerweise – der allgemein
hält man sich nicht daran, muss man mit geteilten Erwartung entsprechend und ohne
negativen Folgen (z. B. von den anderen darüber nachzudenken – die Stimme, wenn
wir eine Kirche betreten. Oder stellen Sie
5 In einer Variation des Experiments bestand die sich ein Kind vor, das an die Ermahnung der
Gruppe aus einem Vertrauten des Versuchsleiters Mutter denkt und deswegen auf dem Heim-
und 15 echten Teilnehmern. Der Vertraute gab weg von der Schule kurz vor dem Mittagessen
sein Urteil als Siebter ab und war instruiert, eine nicht mehr nascht.
falsche Antwort zu geben. Er wurde von den
Teilnehmern offen ausgelacht, und sogar der Ver-
Wird – bei widersprüchlicher inne-
suchsleiter musste lachen (Asch 1965, S. 479 f.). rer Überzeugung – Konformität nur bzw.
2.2 · Schwimmen mit oder entgegen dem Strom …
99 2
. Abb. 2.6 Konfrontiert mit einer einmütigen Mehrheit kommt es in eindeutigen Situationen vor allem auf-
grund normativen Einflusses zu Compliance. In diesem Fall ist nur das Bedürfnis nach Anerkennung befriedigt.
In mehrdeutigen Situationen kommt es vor allem aufgrund informativen Einflusses zu Konversion. Hier sind
sowohl das Bedürfnis nach Anerkennung als auch das Bedürfnis nach Korrektheit befriedigt
hauptsächlich aufgrund normativen Einflusses Verantwortlich sind hierfür zum einen das
gezeigt, so ändert sich dadurch die innere Bedürfnis, von den anderen gemocht und
Überzeugung häufig nicht, sondern resultiert anerkannt zu werden (bzw. nicht ausgelacht
vielmehr in Compliance, d. h. in öffentlicher oder für dumm gehalten zu werden), zum
Konformität ohne innere Überzeugung. Die anderen das Bedürfnis, mit dem eigenen
Person gibt nach außen hin ein mit der Mehr- Urteil richtig zu liegen (. Abb. 2.6). Es ist
heitsmeinung konformes Urteil ab, ist dabei anzunehmen, dass häufig beide Bedürfnisse
aber (weiterhin) davon überzeugt, dass eigent- gleichzeitig wirksam sind, mal jedoch das
lich eine andere Lösung oder Meinung richtig
wäre (Maass und Clark 1984).
Eine einmütige Mehrheitsmeinung bewirkt 6 Diese Einflüsse sind u. a. ursächlich für Effektivi-
tätshindernisse bei Gruppenentscheidungen wie
in vielen Fällen über normativen und infor- dem Effekt des gemeinsamen Wissens oder der
mativen Einfluss eine Anpassung der indivi- Gruppenpolarisierung, die in 7 Kap. 3 detailliert
duellen Meinung an die Mehrheitsmeinung.6 beschrieben werden.
100 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
eine, mal das andere im Vordergrund steht. können. Ein solcher Fall läge – im Gegen-
Verhält sich eine Person – im Widerspruch satz zur Urteilssituation in den bisher
zu ihrer inneren Überzeugung – in inhaltlich berichteten Studien – dann vor, wenn wir
2 eindeutigen Situationen konform, ist anzu- nicht davon ausgehen, dass es für ein Urteil
nehmen, dass ihr Bedürfnis nach Gemocht- eine einzige, eindeutig richtige Lösung gibt.
werden und Anerkennung das Bedürfnis nach In solchen Fällen wäre das Verhalten anderer
Korrektheit überwiegt. keine gute Informationsquelle, und zudem
Kommen wir an dieser Stelle noch ein- bestünde kaum Gefahr, bei abweichender
mal auf unser anfängliches Beispiel zurück: Meinung ausgelacht zu werden. So besteht
Die Sorge der Eltern, dass ihr Spröss- bei „reinen Geschmackssachen“ – beispiels-
ling durch seine neuen Freunde selbst zum weise, welches von zwei Kunstwerken man
Schulschwänzer werden könnte, ist nicht schöner findet – häufig kein Grund, sich
unbegründet. Allein aus dem starken Bedürf- einer Mehrheit anzugleichen (z. B. Crutch-
nis heraus, von den anderen anerkannt field 1955).
und gemocht zu werden, könnte er sich in
seinem Verhalten anpassen. Zudem kann z (Persönliche) Bedeutsamkeit eines kor-
der Jugendliche aus dem Verhalten seiner rekten Urteils
Freunde schließen, dass Schule schwänzen Mit steigender Motivation, ein korrek-
so schlimm gar nicht sein kann, wie Eltern tes Urteil zu fällen (z. B. aufgrund von
und Lehrer immer sagen, sonst würden seine Belohnungen für richtige bzw. negative
Freunde es ja nicht tun (7 Sozialpsychologie I, Folgen für falsche Antworten oder bei
Abschn. 7.2.2). persönlicher/moralischer Bedeutsamkeit des
Urteils), sinkt der normative und steigt der
2.2.1.3 Was normativen und informative Einfluss (7 Beispielstudie 2.4).
informativen Einfluss In eindeutigen Situationen kann das
moderiert Bedürfnis, korrekt zu sein, wichtiger werden
Gehen wir demnach immer konform? Sie als das Bedürfnis nach Akzeptanz durch die
würden das sicher bestreiten, und damit Gruppe. In solchen Fällen sinkt der norma-
haben Sie ganz Recht. Ob und wie stark wir tive Einfluss. In mehrdeutigen Situationen ist
mit anderen konform gehen, hängt von einer dagegen vor allem der informative Einfluss
Reihe von Faktoren ab. Im Folgenden wird wirksam, welcher bei persönlicher Bedeut-
berichtet, wie sich die Art des Urteilsgegen- samkeit sogar noch ansteigt. Auch hier ist
stands, die persönliche Bedeutsamkeit eines das Bedürfnis nach Korrektheit entscheidend,
korrekten Urteils, die persönliche Bedeut- allerdings wirkt es sich umgekehrt aus: Sind
samkeit der Gruppenzugehörigkeit, die die Meinungen anderer Personen – noch
Glaubwürdigkeit/Expertise der anderen, die dazu, wenn sie sich einig sind – die beste ver-
Gruppengröße sowie der Grad der Einmütig- fügbare Orientierungshilfe, werden sie, um
keit der Gruppe auf das Konformitätsver- ein möglichst korrektes Urteil zu fällen, bei
halten auswirken. persönlicher Bedeutsamkeit verstärkt berück-
sichtigt (vgl. hierzu auch Apanovitch et al.
z Art des Urteilsgegenstands 2002; Hornsey et al. 2003).
Konformität macht sozusagen „keinen Sinn“,
wenn wir dadurch weder unser Bedürfnis z Bedeutsamkeit der Gruppenzugehörigkeit
nach Anerkennung/Nichtausgrenzung noch Je wichtiger die Gruppe bzw. die Gruppen-
das Bedürfnis nach Korrektheit befriedigen zugehörigkeit für den Einzelnen ist, desto
2.2 · Schwimmen mit oder entgegen dem Strom …
101 2
Beispielstudie 2.4
In einer eindeutigen Situation sinkt, in einer mehrdeutigen Situation steigt der Einfluss
anderer Personen mit der Bedeutsamkeit des Urteils
In einer Studie von Baron et al. sollte, um die Fähigkeit/ Urteil nicht so wichtig sei,
(1996) wurden die Teilnehmer Glaubwürdigkeit von dieser Meinung an (Bedingung
mit der Aufgabe konfrontiert, Augenzeugen einzuschätzen niedrige Relevanz). Jeweils etwa
aus einem Gruppenbild von (Bedingung hohe Relevanz). ein Drittel der Teilnehmer ging
vier Personen einen vorher Aus den Ergebnissen sollten also – aufgrund normativen
einzeln dargebotenen angeblich die erforderlichen oder informativen Einflusses
„Täter“ zu identifizieren. Testnormen erstellt werden. – konform, wenn das Urteil
Zur Untersuchung des Um die Genauigkeits- nicht so wichtig war. In der
normativen Einflusses wurde motivation noch weiter zu Bedingung hohe Relevanz
diese Aufgabe für einen Teil erhöhen, wurde zudem eine zeigte sich ein anderes
der Probanden sehr leicht Belohnung in Höhe von Bild: Während sich in der
gemacht: Sie hatten genügend 20 US$ für den Teilnehmer Gruppe normativer Einfluss
Zeit, um die Bilder zu mit dem besten Testwert die Konformität mit der
betrachten. Für einen anderen versprochen. Dem jeweils falschen Mehrheitsmeinung
Teil wurde die Aufgabe sehr anderen Teil der Teilnehmer von 33 % auf nur noch 16 %
schwer gemacht, indem wurde hingegen gesagt, verringerte, erhöhte sich in der
die Bilder nur ganz kurz (für dass die Studie nur ein erster Gruppe informativer Einfluss
eine halbe Sekunde) gezeigt Versuch sei, die Fähigkeit von der Prozentsatz dagegen
wurden. Letztere Teilnehmer Augenzeugen zu untersuchen von 35 % auf 51 %. Diese
befanden sich demnach in und dafür nützliche Hinweise Fehlerraten waren signifikant
einer mehrdeutigen Situation zu erhalten. Eine Belohnung höher als die in den Kontroll-
und waren damit empfänglich wurde hier nicht in Aussicht bedingungen ohne Vertraute
für informativen Einfluss. gestellt (Bedingung niedrige der Versuchsleitung (7 % in
Um zu analysieren, wie sich die Relevanz). der Bedingung informativer
Wichtigkeit eines korrekten Gaben die drei anderen Einfluss bzw. weniger als 1 %
Urteils auf die Stärke der Gruppenmitglieder (in in der Bedingung normativer
beiden Einflussarten auswirkt, Wirklichkeit Vertraute der Einfluss).
wurden die Teilnehmer Versuchsleitung) vor dem Diese Studie demonstriert,
unterschiedlich informiert. In echten Teilnehmer eine dass Konformität aufgrund
beiden Gruppen wurde einem einmütig falsche Antwort an, so normativen Einflusses mit der
Teil der Teilnehmer gesagt, schlossen sich 33 % (Bedingung Bedeutsamkeit eines korrekten
dass es sich bei der Aufgabe normativer Einfluss) bzw. 35 % Urteils sinkt, während sie in
um einen echten Test handle, (Bedingung informativer mehrdeutigen Situationen
der bald von der Polizei bzw. Einfluss) der Teilnehmer, die aufgrund informativen
vor Gericht eingesetzt werden der Meinung waren, dass ihr Einflusses ansteigt.
stärker ist deren normativer Einfluss (z. B. unsere Selbstdefinition, unser Zugehörig-
Abrams et al. 1990; Latané und L’Herrou keitsbedürfnis und unser Selbstwertgefühl,
1996; 7 Exkurs: Kulturelle Unterschiede in der und entsprechend sind Sanktionen von sol-
normativen Beeinflussbarkeit, 7 Abschn. 3.1.4). chen Gruppen oder gar der Ausschluss aus
Dies resultiert aus dem Nutzen, den einer solchen in starkem Maße bedrohlich.
Gruppenzugehörigkeiten für den Menschen Dies löst eine erhöhte Bereitschaft aus, sich
haben (7 Abschn. 3.1.2): Gruppen, mit denen anzupassen, um nicht unangenehm bzw. als
wir uns stark identifizieren, sind wichtig für Abweichler aufzufallen.
102 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
. Abb. 2.7 Es ist zur sozialen Norm geworden, Selfies zu machen und diese ins Netz zu stellen oder zu ver-
schicken. Als Teil dieses Trends sind Selfie-Stangen, Hilfsmittel für fotografische Selbstporträts, in wenigen Jah-
ren so populär geworden, dass inzwischen vor ihrer Verwendung in gefährlichen Situationen gewarnt werden
muss. (© jeffreyjcoleman/stock.adobe.com)
Erinnern Sie sich zur Veranschaulichung der einmütigen, falsch urteilenden Mehr-
nochmals an das Beispiel, in welchem nicht heit variiert: War der Teilnehmer mit nur
klar war, ob der um Hilfe rufende Jugend- einem Vertrauten konfrontiert, so wurde er
liche tatsächlich in Gefahr war zu ertrinken nicht beeinflusst. Waren es zwei Vertraute,
oder es sich nur um eine Alberei handelte so zeigte sich ein geringer Einfluss. Waren
(7 Abschn. 2.2.1.1). Fügen wir diesem Szena- es dagegen drei Vertraute, so zeigte sich das
rio nun noch eine Badeaufsicht hinzu. Wenn volle Ausmaß an Konformität wie in der
Sie die Wahl hätten zwischen den ande- ursprünglichen Studie. Vier oder mehr Ver-
ren Badegästen oder dem Bademeister als traute führten zu keiner weiteren Steigerung
Informationsquelle, würden Sie sich vermut- mehr. Damit der normative Einfluss anderer
lich an letzteren, d. h. an den Experten, halten. wirksam wird, bedarf es also keiner Massen,
Zeigte auch dieser keine Reaktion, wären Sie sondern er erreicht ein bedeutsames Ausmaß
vermutlich überzeugt davon, dass kein Notfall bereits in relativ kleinen Gruppen.
vorliegt, und vollends beruhigt. Problematisch Auch der informative Einfluss kann mit
ist dies dann, wenn der andere nur als sachver- der Gruppengröße steigen, allerdings nur
ständig erscheint, es aber gar nicht ist. Schließ- dann, wenn die Person den Eindruck hat,
lich kann sich auch ein Bademeister irren bzw. dass die anderen unabhängig voneinander
könnte es sich auch um einen Berufsanfänger zu ihrem Urteil gekommen sind, bzw. wenn
an seinem ersten Arbeitstag handeln. diese offensichtlich nicht redundante Gründe
oder Argumente für ihr Urteil haben. Ist
z Gruppengröße diese Unabhängigkeit nicht gegeben, so
Der normative Einfluss steigt an, wenn haben die Aussagen weiterer Personen kei-
die Gruppe größer wird (z. B. Asch 1951; nen zusätzlichen Informationswert und
Campbell und Fairey 1989; Gerard et al. erhöhen damit auch nicht den informativen
1968). In einer weiteren Studie von Asch Einfluss (z. B. Campbell und Fairey 1989;
(1951; 7 Abschn. 2.2.1.2) wurde die Größe Kaplan und Miller 1987; Wilder 1977, 1978).
104 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Exkurs
Verschwörungstheorien
Schon mal von Chemtrails bei, bis hin zur narzisstischen Die psychologische Analyse
2 gehört? Solche und andere Glorifizierung der Eigengruppe von Verschwörungstheorien
Verschwörungstheorien sind (Cichocka et al. 2016; Imhoff beantwortet nicht die Frage,
in sozialen Gruppen geteilte und Bruder 2014; Imhoff und ob diese wahr sind. Vielmehr
Überzeugungen, dass sich Lamberty 2017). Ein Beispiel beschäftigt sie sich mit den
eine fremde Minderheit (z. B. für eine solche Aufwertung Bedingungen, die deren
eine politische, religiöse der Kompetenz und Weltsicht Auftreten begünstigen, den
oder ethnische Gruppe) der Eigengruppe ist die psychologischen Funktionen,
heimlich zusammengetan Äußerung Donald Trumps die sie erfüllen, und den
hat, um ihre eigenen Ziele am 6. November 2011 Konsequenzen, die sie für das
zu unserem Schaden zu auf der Social Media Seite Wohlbefinden des Einzelnen
verfolgen (Bantimaroudis Twitter: „Das Konzept der und für das gesellschaftliche
2016; Bessi et al. 2015; Erderwärmung wurde von und Miteinander haben. In Europa,
Graumann und Moscovici für Chinesen geschaffen, um aber auch in den Vereinigten
1987). Verschwörungstheorien die amerikanische Produktion Staaten und im arabischen
verbreiten sich insbesondere wettbewerbsunfähig zu Raum waren beispielsweise
durch normativen Einfluss. machen.“ Juden besonders häufig das
Ihren Nährboden erhalten Kurzum, da sie soziale Ziel von Verschwörungs-
sie, indem sie klassische Grundmotive befriedigen, theorien, was dann
psychologische Bedürfnisse ist es nicht verwunderlich, wiederum als Rechtfertigung
bedienen (Kruglanski dass Verschwörungstheorien für Diskriminierung und
1989): unser Bedürfnis nach so populär sind; Studien offene Verfolgung bis
Zugehörigkeit, Verstehen, zufolge hing zwischen hin zum Genozid diente
Kontrolle, Selbstwerterhöhung 2006 und 2011 jeder zweite (Kruglanski 1987). Damit
und Vertrauen (Fiske 2010). Das Amerikaner mindestens sind Verschwörungstheorien
Bedürfnis nach Zugehörigkeit einer davon an (Oliver und sowohl Ausdruck als auch
wird erfüllt, da die geteilte Wood 2014). In Deutschland Ursache von Vorurteilen,
Theorie die Gruppe zusammen- distanzierte sich weniger als und es ist dringlich, deren
schweißt und von Ungläubigen die Hälfte der Befragten einer Ausbreitung in den sozialen
abgrenzt. Gleichzeitig bietet repräsentativen Befragung Medien etwas entgegen-
die Theorie Erklärungen für von dem von den National- zusetzen. Dies ist durchaus
eigene Probleme und weist sozialisten geprägten Begriff auch rechtlich möglich,
die Schuld dafür anderen „Lügenpresse“ (mit dem wenn solche Beiträge
zu (Douglas et al. 2016). Das insbesondere Printmedien Gewaltaufrufe, Beleidigungen
Kontrollerleben wird verstärkt, als verschwörerisch oder Verleumdungen
da man endlich etwas diffamiert werden sollen), beinhalten (JunIT 2016). Ein
unternehmen und vermeintlich mehr als die Hälfte stimmte augenfälliges Beispiel ist die
gemeinsam das Schlimmste zumindest teilweise zu Verschwörungstheorie, dass
abwenden kann. Misstrauen (Decker et al. 2016). Einer Barack Obama nicht in den
gegenüber mächtigen in Deutschland populären USA geboren worden sei (sog.
oder offiziellen Quellen wie Verschwörungstheorie Birthers), welche sehr gut zu
Regierungserklärungen, zufolge wollen dem Vorurteil passt,
Medien oder Wissenschaftlern „US-Oligarchen“ (jüdische dass Afroamerikaner
wertet die eigene Kompetenz „Geldaristokraten“ die das „irgendwie weniger
und die der Eigengruppe auf Finanzsystem dominieren) amerikanisch“ seien als
und trägt so zum Selbstwert Deutschland mithilfe Amerikaner europäischer
und zu Vertrauen in die der „Migrationswaffe“ Herkunft (vgl. auch Hehman
Weltsicht der eigenen Gruppe ausschalten (Butter 2018). et al. 2011).
2.2 · Schwimmen mit oder entgegen dem Strom …
105 2
z Einmütigkeit der anderen Personen als gute Informationsquelle angesehen wird
Die Ergebnisse der berichteten Studien (informativer Einfluss). Wie ist es nun mit
bezogen sich jeweils auf Situationen, in denen Minderheiten? Sie haben in der Regel keinen
das Individuum mit einer falschen, aber ein- normativen Einfluss auf die Mehrheit, und das
mütigen Mehrheit konfrontiert war. Wie ver- Prinzip „Was alle machen, ist gut“ spricht auch
liefe die Situation, wenn man mit seiner von dafür, der Mehrheit als Informationsquelle zu
der Mehrheit abweichenden Meinung nicht vertrauen. Können Minderheiten dann über-
ganz alleine dastünde, sondern noch einen haupt Einfluss auf die Mehrheit nehmen?
Verbündeten hätte? Asch untersuchte dies in Dass dem so sein kann, dafür sprechen
einer Variation seines Experiments (1951): allein verschiedenste historische Beispiele:
Sobald ein anderer Teilnehmer von der Galilei, der unser heutiges heliozentrisches
(offensichtlich falschen) Mehrheitsmeinung Weltbild gegen massive Widerstände der
abwich und die korrekte Lösung nannte, Kirche auf den Weg brachte, Freud, der das
verringerte sich der normative Konformi- Unterbewusste salonfähig machte, oder die
tätseinfluss. Schloss sich der Abweichler im Frauenbewegungen, die gegen alle gesellschaft-
Laufe der Urteilsabgabe doch noch der Mehr- lichen Überzeugungen für die Gleich-
heitsmeinung an, war der normative Ein- berechtigung der Frauen kämpf(t)en. In
fluss allerdings genauso stark, als hätte es den der jüngsten Geschichte wurden die ersten
Abweichler nie gegeben, d. h., die Konformi- Umweltschützer als „Ökos“ und „Spinner“
tätsraten waren in diesem Fall genauso hoch, belächelt, doch heute sind Dinge wie beispiels-
wie wenn vorher alle konstant einmütig die- weise die Mülltrennung selbstverständlich. Was
selbe falsche Meinung abgegeben hatten (vgl. haben diese Menschen, die es trotz des starken
auch Allen 1965; Allen und Levine 1969, Einflusses der Mehrheit geschafft haben, Gehör
1971; Nemeth und Chiles 1988). zu finden, gemeinsam? Nun, sie alle sind kon-
Kurzum: Wird durch eine (Ein-Mann-) sequent und langfristig mit Überzeugung für
Minderheit die Einmütigkeit der Gruppe ihren Standpunkt eingetreten. Was könnten
durchbrochen, können dadurch auch andere sich die Jugendlichen von ihnen abschauen,
ermutigt werden, ihr ebenfalls abweichendes die auf dem Schulprojekttag die mehrheitliche
Urteil zu äußern. Im folgenden Abschnitt Meinung ihrer Mitschüler, dass Rauchen „cool“
werden wir uns näher mit dem Einfluss von sei, beeinflussen möchten?
Minderheiten auseinandersetzen. Für den Minderheiteneinfluss ist die Kon-
sistenz ihres Verhaltens/ihrer Meinung (und
natürlich deren öffentliche Äußerung) von
2.2.2 Wenn wenige die Strömung entscheidender Bedeutung, d. h., Minder-
ändern – Der Einfluss von heiten müssen zu einem Sachverhalt eine
Minderheiten klare und gleichbleibende Position beziehen
und diese über verschiedene Personen und
Wie wir im vorangehenden Abschnitt gesehen die Zeit hinweg aufrechterhalten. Zeigt die
haben, hat die Mehrheit gute Chancen, Minderheit keine Konsistenz, sinkt ihr Ein-
einzelne Personen/eine Meinungsminderheit fluss und wird unbedeutend (Moscovici und
„auf Kurs zu bringen“, d. h. diese zu mehr- Lage 1976). Während Mehrheiten eher einen
heitskonformem Verhalten zu bewegen. Gute direkten und kurzfristigen Einfluss auf die
Chancen hat sie deshalb, weil die Mehr- öffentliche Meinung von Personen haben,
heit zum einen die Möglichkeit hat, mit beeinflussen Minderheiten eher indirekt und
Anerkennung zu belohnen bzw. mit Sanktio- langfristig, indem sie die anderen zum Nach-
nen zu bestrafen (normativer Einfluss), und denken anregen (Martin et al. 2003; Mosco-
zum anderen das Verhalten der Mehrheit im vici 1976, 1985, 1994; Moscovici und Nemeth
Sinne der Regel „Was alle machen, ist gut“ 1974; 7 Beispielstudie 2.5).
106 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Konsistente Minderheiten nehmen vor allem Einfluss auf die private Meinung
Moscovici et al. (1969) ließen Beurteilte die Minderheit die die Farbwahrnehmung
ihre Teilnehmer die Farbe Dias konsistent als „grün“, so bezüglich des Grünspektrums
von Dias beurteilen. Die Dias gaben auch 8,4 % der echten erweitert, d. h., sie beurteilten
unterschieden sich nur in Teilnehmer das Urteil „grün“ Farben noch als „grün“, die
der Helligkeit, zeigten aber ab, was signifikant häufiger die Kontrollgruppe bereits
alle den gleichen Blauton. ist als in der Kontrollgruppe. als „blau“ klassifizierte. Dies
Teilnehmer der Kontrollgruppe War die Minderheit dagegen traf dabei nicht nur auf die
bearbeiteten diese Aufgabe nicht konsistent, so konnte sie 8,4 % der Teilnehmer zu,
allein und beurteilten die nur 1,25 % der Teilnehmer auf die sich von der Minderheit
Farbe auch fast immer ihre Seite ziehen (im Vergleich auch tatsächlich hatten
korrekt als „blau“ (nur 0,25 % zur Kontrollgruppe nicht überzeugen lassen, sondern
beurteilten sie als „grün“). signifikant). für die gesamte Gruppe, die
Ein anderer Teil der Die Teilnehmer wurden vorher mit der konsistenten
Teilnehmer wurde mit dieser zum Schluss noch gebeten, Minderheit konfrontiert
Aufgabe in Gruppen von sechs an einer anderen – gewesen war.
Personen konfrontiert. Die vorgeblich unabhängigen Die Studie zeigt damit, dass
„echten“ Teilnehmer wussten – Studie teilzunehmen, konsistente Minderheiten
dabei nicht, dass zwei der deren Versuchsleiter auf einen Teil der Mehrheit
Gruppenmitglieder Vertraute sich jedoch auch für einen direkten Einfluss
des Versuchsleiters waren. die Farbwahrnehmung ausüben können, indem sie
Diese beurteilten in einer interessierte. Dazu wurden diese öffentlich auf ihre Seite
der Experimentalgruppen ihnen verschiedene Dias aus ziehen. Auf einen größeren
die Diafarbe konsistent als dem Blau-Grün-Spektrum Teil der Mehrheitsmitglieder
„grün“, in der anderen zufällig zur Beurteilung vorgelegt. hat sie jedoch vielmehr
mal als „grün“, mal als „blau“. Registriert wurde, bei welcher einen indirekten Einfluss,
Da „blau“ und „grün“ leicht Farbnuance sie die Trennung indem diese zwar öffentlich
ineinander übergehen können, zwischen „blau“ und „grün“ bei ihrer ursprünglichen
musste dies den echten vollzogen. Bei Teilnehmern, Meinung „blau“ bleiben,
Teilnehmern zwar als falsches, die vorher einer konsistenten sich ihre Farbwahrnehmung
aber dennoch nicht völlig Minderheit ausgesetzt bzw. -unterscheidung aber
abwegiges Urteil vorkommen. gewesen waren, hatte sich längerfristig verändert.
Beispielstudie 2.6
Ebenso wie der Einfluss der Mehrheit ist Minderheit einige Mitglieder der Mehr-
auch der Minderheiteneinfluss nicht immer heit überzeugen, erscheint es den Übrigen
gleich stark. Welche Faktoren bestimmen mit, wahrscheinlicher, dass die Minderheit
wie stark der Einfluss einer Minderheit ist? Recht haben könnte.
Neben der Konsistenz sind dies Punkte, die 5 Gute Argumente: Da Minderheiten darü-
die Minderheit glaubwürdig erscheinen lassen ber Einfluss nehmen, dass sie die Mehrheit
(z. B. Hart et al. 1999), d. h. dafür sprechen, dazu bringen, die Minderheitsmeinung
dass sie richtig liegt, und damit zu vermehrt systematisch zu verarbeiten, ist es von
systematischer Informationsverarbeitung moti- besonderer Bedeutung, dass ihre Aussagen
vieren. Im Einzelnen lassen sich hier nennen: einer systematischen Verarbeitung auch
5 Größe der Minderheit: Der Einfluss von standhalten, d. h., dass es starke oder gute
Minderheiten steigt, je größer sie ist (nach Argumente sind (z. B. Clark 1990, 1998;
dem Motto „Wenn verhältnismäßig mehr Martin und Hewstone 2003). Tatsächlich
Leute daran glauben, ist es mit größerer haben Minderheiten häufig gute Argu-
Wahrscheinlichkeit richtig“). In einer mente, da sie ihre unpopuläre Meinung
Studie von Clark und Maass (1990, Exp. 2) immer wieder aufs Neue rechtfertigen
sank beispielsweise der Einfluss einer müssen und sich auch selbst mit der Mehr-
Pro-Abtreibungs-Minderheit mit steigen- heitsmeinung auseinander setzen (Zda-
der Größe der (Contra-)Mehrheit. niuk und Levine 1996). Dementsprechend
5 Zügiges Gewinnen von Überläufern: haben sie auch ein erhöhtes Bedürfnis
Minderheiten bekommen mehr Gewicht, nach Korrektheit (z. B. Kenworthy und
wenn sie zügig mehr als ein Mitglied der Miller 2001).
Mehrheit auf ihre Seite bringen kön- 5 Vermeiden von unnötigen Widerständen:
nen (Clark 1998, 1999a, b). Kann die Minderheiten haben größere Chancen,
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
109 2
die Mehrheit zu interessieren und diese nicht auch versucht, Ihre Eltern mit dem
dazu zu bringen, ihre Sichtweise in Argument „Alle anderen dürfen aber auf die
Betracht zu ziehen, wenn sie ihre Argu- Party gehen“ zu überreden, Ihnen ebenfalls
mente originell und spannend verpacken, die Erlaubnis zu geben? Ja? Nun, dann sind
gleichzeitig gemäßigt auftreten und nicht auch Sie ein „Judostratege“!
rigide und dogmatisch erscheinen (z. B.
Mugny 1975), um auf diese Weise keinen Judostrategien
unnötigen Widerstand zu erzeugen Strategien sozialen Einflusses, die
(7 Sozialpsychologie I, Abschn. 7.3.3). sich der Mechanismen menschlicher
Informationsverarbeitung – im Speziellen
der Urteilsheuristiken und sozialen
Faktoren, die den Einfluss von Normen – bedienen, um andere dazu zu
Minderheiten steigern bringen, etwas Bestimmtes zu tun oder zu
5 Konsistenz der Position unterlassen.
5 Größe der Minderheit
5 Zügiges Gewinnen von „Überläufern“
5 Qualität der Argumente Denn: Bei den beiden Beispielen handelt es
5 Vermeiden von Widerständen sich um strategische soziale Einflussnahmen,
im Speziellen wurde im ersten Fall Sympa-
thie als Einflussfaktor (7 Abschn. 2.3.2) und
im zweiten das Prinzip sozialer Bewährtheit
2.2.3 Zusammenfassung (7 Abschn. 2.3.1) eingesetzt. Solche Prinzi-
pien werden als Judostrategien bezeichnet, da
Mehrheiten können Einfluss auf die indi- sie – bildlich gesprochen – verwendet wer-
viduelle Meinung nehmen, indem sie über den, um den anderen „zu Fall zu bringen“.
Anpassung an die Mehrheitsmeinung die Ein weiteres Merkmal lässt sich ebenfalls in
Bedürfnisse nach Anerkennung und/oder Analogie zum Kampfsport darstellen: Hat uns
Korrektheit befriedigen. Minderheiten regen der andere durch seine Judostrategie erst ein-
zum Nachdenken an und können darüber die mal „im Griff “, ist es nicht so einfach, wieder
individuelle Meinung langfristig verändern. herauszukommen bzw. sich zu wehren, denn
Die Beeinflussung geschieht in beiden Fällen dieser Einfluss ist technisch gesehen ein ech-
allein dadurch, dass und wie andere Men- ter Kunstgriff. Der soziale Einfluss erfolgt
schen ihre Meinung kundtun und ob sie dabei hier, indem typische Urteilsheuristiken oder
in der Mehr- oder Minderheit sind. Häufig ist Normen ausgenutzt werden, um den ande-
dabei die Beeinflussung gar nicht das eigent- ren (meist sehr subtil) dazu zu bringen, etwas
liche Ziel – ganz im Gegensatz zu strategisch Bestimmtes zu tun oder zu lassen (. Abb. 2.8).
geplanten Einflussnahmen, mit denen wir uns Mit dem wohl bekanntesten Prinzip sozia-
im Folgenden detailliert auseinandersetzen len Einflusses werden wir schon von klein auf
werden. konfrontiert: mit Belohnung und Bestrafung.
Beide werden in der Erziehung – mehr oder
weniger strategisch konsequent – eingesetzt,
2.3 Bewusste soziale um zu erreichen, dass Kinder erwünschtes
Einflussnahme – Die Verhalten zeigen und unerwünschtes unter-
Judostrategien lassen. Wer während der Schulstunde ständig
„schwätzt“ oder gar gröberen Unfug treibt,
Haben Sie schon einmal jemandem „Honig bekommt Strafarbeiten aufgebrummt, muss
um den Bart geschmiert“, weil Sie etwas von nachsitzen oder erhält gar einen Verweis (der
ihm wollten? Oder haben Sie als Jugendlicher meist eine Bestrafung durch die Eltern nach
110 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
. Abb. 2.8 Bei der japanischen Kampfsportart Judo ist das Ziel, durch ein Minimum an Aufwand maximale
Wirkung zu erzielen. (© Dusan Kostic/stock.adobe.com)
sich zieht). Für gutes Betragen gibt es an der was allerdings seinen Profit schmälert. Den-
einen oder anderen Grundschule immer noch noch möchte der Hersteller uns natürlich
die guten alten Fleißbildchen. dazu bewegen, seinem Fabrikat den Vorzug zu
Belohnung und Bestrafung begleiten uns geben, ohne Gewinneinbußen hinnehmen zu
aber weiter durch unser ganzes Leben. Wenn müssen. Dies gelingt ihm auch durch den Ein-
wir bei Rot über die Ampel fahren und dabei satz nachfolgend dargestellter Judostrategien.
erwischt werden, müssen wir ein Bußgeld Da diese gerne zur Profitsteigerung im Ver-
zahlen. Arbeitgeber versuchen, über Bonus- kaufsbereich eingesetzt werden, werden auch
oder Belohnungssysteme ihre Mitarbeiter viele Beispiele aus diesem Bereich stammen.
zu mehr Anstrengung zu bewegen, und in Selbstverständlich lassen sich diese Prinzipien
Beziehungen „belohnen“ wir unsere Partner ebenso nutzen, um positives Verhalten zu för-
mit einer Überraschung oder „bestrafen“ sie dern. So sind beispielsweise gemeinnützige
mit Liebesentzug, um nur einige wenige Bei- Vereine darauf angewiesen, dass wir ihre
spiele zu nennen (7 Exkurs: Ungewollter und Sache durch eine Spende oder Mitgliedschaft
strategischer sozialer Einfluss durch soziale Ver- unterstützen – und um uns dazu zu bewegen,
stärker). kommen ebenfalls Judostrategien zum Ein-
Belohnung und Bestrafung sind eine satz. Wird der Beeinflussungsversuch aller-
Methode, das Verhalten von anderen bewusst dings durchschaut, kann man zuweilen auch
zu steuern oder dies zumindest zu versuchen. einen gegenteiligen Effekt erzielen (dies ist
Doch häufig steht uns diese Möglichkeit gar eine Form der Reaktanz; 7 Sozialpsychologie
nicht zur Verfügung. So kann ein Wasch- I, Abschn. 7.3.3). Schließlich sind manche
mittelkonzern uns nicht bestrafen, wenn der im Folgenden dargestellten Techniken,
wir statt seines Produkts das der Konkur- wie beispielsweise die in 7 Abschn. 2.3.3.2
renz kaufen. Möchte er uns daher auf andere dargestellte Low-Ball-Technik, in vielen Län-
Weise dazu bewegen, sein Waschmittel zu dern illegal. Entsprechend geht es hier nicht
kaufen, kann er uns mit einem günstigeren darum, diese Techniken zu propagieren, son-
Preis für den Kauf seiner Produkte belohnen, dern deren sozialpsychologische Grundlage
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
111 2
Exkurs
Ungewollter und strategischer sozialer Einfluss durch soziale Verstärker
Unerwünschtes Verhalten – und zu vervielfältigen, bieten oder das Veranlassen einer
wie beispielsweise das soziale Netzwerke optimale Löschung herabsetzender
Kasperverhalten eines Bedingungen für soziale Beiträge (durch Einfluss auf
Schülers – wird manchmal Verstärkung: Lob, Tadel, Autoren, Moderatoren oder
dadurch aufrechterhalten, Bloßstellung oder einfach nur Betreiber).
dass wir es unabsichtlich Aufmerksamkeitszuwendung Shitstorms (Stürme der
belohnen, beispielsweise, sind beispielsweise nach Entrüstung) können spontan
indem der Lehrer dem einem Statement in sozialen dadurch entstehen, dass sich
Schüler seine (wenn auch Medien binnen weniger Menschen in ihrem negativen
schimpfende) Aufmerksamkeit Augenblicke erfahrbar. Urteil gegenseitig verstärken.
schenkt oder die anderen Trolls (Personen, die durch Dabei verstärken sich die
Schüler ihn durch ihr emotional provozierende Entrüsteten gegenseitig
Gelächter belohnen. Solche Beiträge auffallen) scheinen positiv, während das
sozialen Verstärker spielen dabei – ähnlich wie der attackierte Verhalten des
eine große Rolle im Alltag, eingangs erwähnte Kasper – Opfers negativ verstärkt
da sie leicht einzusetzen vor allem die Aufmerksamkeit wird. Beispielsweise wollte
und sehr wirkungsvoll sind zu suchen, während die Deutsche Bahn über ihre
(Shore und Heerey 2011). So Fake-News (absichtliche Facebook-Fanseite 2010 das
fungieren z. B. Blickkontakt, Fehlinformation, die neue Produkt „Chef-Ticket“
Lächeln, Zuwendung, Lob, verbreitet wird, um finanzielle verkaufen. Viele nutzten die
Umarmungen als positive oder politische Vorteile Plattform jedoch dafür, ihren
soziale Verstärker, d. h., sie daraus zu ziehen) sich das Ärger über die Deutsche
erhöhen die Wahrschein- Prinzip sozialer Bewährtheit Bahn kundzutun. Da die
lichkeit, ein Verhalten zu (s. unten) zunutze machen: Deutsche Bahn nicht mit der
zeigen, während Missachtung, Häufige Wiederholung und Netzgemeinde kommunizierte,
Missbilligung, Ignorieren und die Übereinstimmung mit der wuchs sich die Kritik zu einem
Tadel negative Verstärker sind eigenen Überzeugung lässt Shitstorm aus (Raßmus 2014).
und diese Wahrscheinlichkeit sie wahr erscheinen. Soziale Verstärker wie
verringern (Heerey und Online-Shaming (Beschämen Anerkennung und
Crossley 2013; Mühlberger im Internet) und Wettbewerb werden auch
et al. 2011). Hate-Speech (hasserfüllte sehr erfolgreich in neuen
Soziale Verstärkung spielt Äußerungen) werden Internetanwendungen
natürlich auch in der bewusst eingesetzt, um eingesetzt (Gamification),
Online-Kommunikation eine Menschen einzuschüchtern, beispielsweise in
wichtige Rolle. Durch die zu beschämen, von ihrem Sprach-Lern-Apps, aber
Möglichkeit der schnellen Verhalten und ihren Zielen auch in Spielen mit hohem
Verbreitung in großen abzubringen und ihren Ruf Suchtpotenzial. (Auch bei
sozialen Netzwerken, zu ruinieren. Da wie oben klassischen Glücksspielen
durch die relative beschrieben selbst tadelnde wie Poker oder Roulette
Anonymität und durch Aufmerksamkeit verstärkend machen Anerkennung und
die einfache Möglichkeit, wirken kann, ist die beste Wettbewerb einen Teil des
Informationen über Strategie gegen solche Reizes aus, der zu Spielsucht
Menschen aufzubewahren Angriffe oft das Ignorieren führen kann.)
offenzulegen und eine kritische Konsu- Knappheit und das Kontrastprinzip. Andere
mentenhaltung zu fördern. Judostrategien nutzen Beziehungsmerkmale
Im Folgenden werden zunächst Judo- aus (7 Abschn. 2.3.2), wozu beispielsweise
strategien beschrieben, die sich situ- Sympathie und Autorität/Status gehören. Die
ative Gegebenheiten zunutze machen dritte Kategorie von Judostrategien erzeugt
(7 Abschn. 2.3.1), so beispielsweise das Prin- beim Gegenüber Verpflichtungsgefühle und
zip sozialer Bewährtheit, das Prinzip der nutzt diese in der Folge (7 Abschn. 2.3.3).
112 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Nutzung von Verpflichtungsgefühlen Die Forschung legt auch hier nahe, dass diese
5 Durch Reziprozität situativen Gegebenheiten eine solch rationale
5 Durch Commitment Entscheidung mitbestimmen. Die hier ursäch-
lichen Prinzipien der sozialen Bewährtheit,
der Knappheit sowie des Kontrasts werden im
2.3.1 Soziale Einflussnahme Folgenden detailliert beschrieben.
mithilfe situativer
Gegebenheiten 2.3.1.1 Was (angeblich) alle tun,
muss gut sein – Das Prinzip
Stellen Sie sich folgende Situation aus dem sozialer Bewährtheit als
Sportunterricht vor: Zwei Schüler wäh- Judostrategie
len abwechselnd unter ihren Mitschülern Probieren Sie doch einfach einmal Folgen-
aus, um Mannschaften für ein Fußballspiel des aus: Stellen Sie sich zunächst alleine in
zusammenzustellen. Wird dabei ein Mit- die Fußgängerzone und betrachten Sie eine
schüler eher gewählt, weil alle anderen ihn gut Minute lang einen imaginären Punkt am
finden – auch wenn man ihn selbst noch nie Himmel. Was wird passieren? Vermutlich
hat spielen sehen? Wird ein sportliches Mäd- nicht viel. Probieren Sie nun das Gleiche noch
chen vielleicht eher ins Team gewählt, wenn einmal. Dieses Mal lassen Sie sich jedoch von
es das einzige unter lauter Jungen ist? Oder vier Verbündeten begleiten und fixieren Sie
gewinnt ein potenzieller Mitstreiter an Wert, alle gemeinsam den gleichen Punkt. Nun wer-
wenn außer ihm nur noch extrem schlechte den Ihrem Verhalten vermutlich etwa 80 %
Fußballer zur Auswahl stehen? Forschungs- der Passanten folgen (nach Milgram et al.
befunde deuten darauf hin, dass solche situati- 1969).
ven Gegebenheiten unsere Wahl beeinflussen. Personen orientieren sich – vor allem,
Wie sieht es analog bei rationalen Ent- wenn sie unsicher sind, wie sie sich in einer
scheidungen aus, die uns nicht selten eine bestimmten Situation verhalten sollen –
Menge Geld kosten? Nehmen wir beispiels- am Verhalten anderer. Das Prinzip sozialer
weise an, Sie wollen sich endlich eine eigene Bewährtheit (7 Abschn. 2.2.1) kann als Judo-
strategie bewusst eingesetzt werden, um
andere Menschen zu beeinflussen – sei es von
7 Für soziale Einflüsse (z. B. Suggestion) auf die Jugendlichen, um ihre Eltern zu überzeugen,
Erinnerung (7 Sozialpsychologie I, Abschn. 2.5). dass sie, wie (angeblich) alle anderen auch, zu
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
113 2
der begehrten Party gehen dürfen, oder sei es der Haushalte in Gebieten mit verunreinigtem
in Werbung und Verkauf, um den Umsatz zu Trinkwasser unterwiesen werden, ihr Trink-
steigern, oder in Gesundheitskampagnen. wasser an der Sonne in Plastikflaschen zu
Wird ein Produkt als „meist verkauftes“ desinfizieren (genannt SODIS). Studien in
seiner Art beworben, hält man es spontan Nikaragua und Zimbabwe fanden, dass die
für gut (Friedman und Fireworker 1977) – Absicht, SODIS anzuwenden, u. a. durch
wenn sich der Großteil der Kunden für die- soziale Normen (z. B. wie viele Nachbarn
ses Produkt entschieden hat, muss es den SODIS benutzen) gefördert wird (Kraemer und
Konkurrenzprodukten schließlich etwas vor- Mosler 2010; Meierhofer und Landolt 2009).
aus haben. Fernsehshows, Stars und Politi-
ker nutzen dieses Prinzip, indem sie eigene Was (angeblich) alle gut finden, muss gut sein,
Gruppen zum Klatschen und Jubeln ins Pub- und was alle anderen haben, müssen wir auch
likum setzen. Diskothekenbetreiber bilden haben. Wollen alle das Gleiche haben – d. h.
künstliche Schlangen vor den Eingängen ihrer wenn die Nachfrage steigt –, kann es natürlich
Lokale, um den Eindruck zu erwecken, dass passieren, dass das Gut knapp wird. Wie sich
das Lokal „in“ bzw. der Einlass heiß begehrt Knappheit auswirkt und wie das Prinzip der
ist (Cialdini 2001, S. 101). Personen lassen Knappheit genutzt werden kann, um andere
sich selbst dann von dieser Begeisterung zu beeinflussen, wird im folgenden Abschnitt
anstecken und beeinflussen, wenn sie um beschrieben.
deren Künstlichkeit wissen (Fuller und Shee-
hy-Skeffington 1974; Nosanchuk und Lights-
2.3.1.2 Was (angeblich) schwer
tone 1974; Smyth und Fuller 1972, zitiert
nach Cialdini 2001). Im Gesundheitsbereich
zu kriegen ist, ist umso
wird das Prinzip sozialer Bewährtheit bei- erstrebenswerter – Das
spielsweise für Kampagnen zur Reduktion des Prinzip der Knappheit
Alkoholkonsums von Jugendlichen eingesetzt. Stellen Sie sich vor, eine Freundin bittet Sie
Erfahren Jugendliche, dass ihre Peers gar in folgender Angelegenheit um Rat: Sie hat
nicht so viel trinken wie erwartet (die meis- auf einer Party jemanden kennengelernt
ten Jugendlichen überschätzen den Alkohol- und sich Hals über Kopf verliebt. Die beiden
konsum ihrer Peers), so reduzieren sie ihren haben sich den ganzen Abend angeregt unter-
Konsum (Lewis und Neighbors 2006). halten und zum Schluss Telefonnummern
ausgetauscht. Am liebsten würde sie sofort
Illustration: Solare Wasserdesinfektion anrufen, ist sich aber nicht sicher, ob das tak-
Kampagnen zur Verhaltensänderung in der tisch geschickt ist. Was würden Sie ihr raten?
Bevölkerung machen sich das Prinzip sozialer Möglicherweise würden Sie – einen weisen
Bewährtheit durch Konzentration auf einzelne Rat Ihrer Großmutter erinnernd – empfehlen,
Gemeinschaften zunutze. Dabei wird ver- sich eher „rar zu machen“ und das Objekt der
sucht, in einem Dorf, Stadtbezirk oder Betrieb Begierde etwas zappeln zu lassen? Auf keinen
durch Treffen, Plakate, Sticker, Broschüren, Fall sollte die Freundin den Eindruck ver-
Annoncen etc. möglichst viele Menschen zu mitteln, sie sei „leicht zu haben“. Und wozu
erreichen (Community-Based Social Marke- das Ganze? Um sich für das Gegenüber inte-
ting, McKenzie-Mohr 2000a, b). Damit ist der ressanter zu machen! Nimmt die Freundin
Einzelne umgeben von Personen, die das diesen „weisen Rat“ an und ruft nicht (wie es
neue Verhalten an den Tag legen, was den vielleicht emanzipierteres Denken nahelegen
Druck erhöht, sein Verhalten ebenfalls zu würde) sofort an, so nutzt sie das Prinzip der
ändern. Ein Beispiel ist eine Kampagne, mit Knappheit.
114 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Prinzip der Knappheit allerdings nur suggeriert, kann uns das bei-
Möglichkeiten erscheinen umso spielsweise zum Kauf von Dingen verleiten,
erstrebenswerter, je schwerer sie zu die wir eigentlich gar nicht wollten. Das Prin-
2 erreichen sind. Knappheit bewirkt zip der Knappheit spielt in verschiedensten
extremere Beurteilungen und Reaktanz. Bereichen eine Rolle.
. Abb. 2.10 Eine Freigabe ab 18 erhöht die Attraktivität von Filmen für Kinder (besonders Jungen) und
Jugendliche (beide Geschlechter). (© Jamrooferpix/stock.adobe.com)
Beispielstudie 2.7
2.3.1.3 „Alles ist relativ“ – Das vermutlich erleichtert oder enttäuscht. Wie
Kontrastprinzip als man solche Kontraste strategisch einsetzen
Judostrategie kann, wird im Folgenden beschrieben.
„Gerade noch eine 2“ oder „Knapp an der
1 vorbei“ haben Sie vielleicht manchmal zu Illustration: Die Studentin und das
Abiturzeiten gedacht, je nachdem, ob Sie die Kontrastprinzip
minimale oder die maximale Punktzahl für Liebe Mutti, lieber Papa!
eine 2 erreicht hatten. Damit kontrastierten Ich bin etwas schreibfaul geworden, seit ich zum
Sie Ihr erreichtes Ergebnis mit einem schlech- Studium von zu Hause weggegangen bin, und
teren oder besseren Ergebnis und fühlten sich es tut mir leid, dass ich nicht schon früher mal
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
117 2
geschrieben habe. Ich werde Euch jetzt auf den Was ist hier passiert? Sharon hat einen sozia-
neuesten Stand bringen, aber ehe Ihr weiterlest, len Einfluss, das sog. Kontrastprinzip ein-
setzt Euch bitte erst einmal hin. Lest erst weiter, gesetzt, um ihre schlechten Leistungen
wenn Ihr Euch gesetzt habt, okay? weniger gravierend aussehen zu lassen. Die
Also dann, mittlerweile geht es mir eigent- Vier in Geschichte und die Sechs in Che-
lich schon wieder ganz gut. Der Schädel- mie würden die Eltern unter „normalen“
bruch und die Gehirnerschütterung, die ich Umständen vermutlich als gravierend
mir zugezogen hatte, als ich aus dem Fenster betrachten. Wird ihnen jedoch ins Gedächtnis
gesprungen war, nachdem im Wohnheim kurz gerufen, was wirklich schlimm wäre (würde
nach meiner Ankunft ein Feuer ausgebrochen die Tochter verletzt, infiziert und schwanger
war, sind schon ganz gut verheilt. […] Zum im Krankenhaus liegen), beurteilen sie die
Glück waren das Feuer im Wohnheim und schlechten Zensuren der Tochter wahrschein-
mein Sprung von einem Tankwart von der lich als „halb so wild“ – angesichts dessen,
Tankstelle nebenan beobachtet worden, und dass sie gesund ist.
er war es auch, der die Feuerwehr und den Das Kontrastprinzip beruht darauf,
Krankenwagen rief. Er besuchte mich auch im dass Menschen Dinge bzw. Ereignisse
Krankenhaus und weil ich ja wegen des Wohn- meist kontextabhängig (und nicht absolut)
heimbrands nicht wusste, wo ich hin sollte, war beurteilen. So mag eine Zwei in der Mathe-
er so lieb, mir anzubieten, erst mal in seiner klausur als ausnehmend gute Leistung
Wohnung unterzukommen. Die ist eigentlich erscheinen, wenn man weiß, dass es auch
mehr ein Kellerraum, aber irgendwie hat sie einige Fünfen und Sechsen gegeben hat. Ist
Etwas. Er ist echt ein toller Typ, und wir haben hingegen der Klassenspiegel sehr gut aus-
uns wahnsinnig ineinander verliebt und wollen gefallen (man hört zuvor von vielen Einsen),
heiraten. Das genaue Datum steht noch nicht verliert die Zwei an Wert. Ebenso erscheinen
fest, aber das Ganze soll noch über die Bühne die eigenen Alltagsprobleme häufig völlig tri-
gehen, ehe man mir meine Schwangerschaft vial, wenn man von der lebensbedrohlichen
ansieht. Erkrankung eines Verwandten oder einem
[…] Der Grund dafür, dass wir jetzt noch nicht Katastrophenfall erfährt.
heiraten, ist, dass mein Freund eine kleine Infek-
tion hat, weswegen es Schwierigkeiten mit den Kontrastprinzip
Bluttests gibt, die für die Eheschließung verlangt Je nach Vergleichsgrundlage nehmen wir
werden, und ich mich dummerweise angesteckt ein und dieselbe Sache unterschiedlich
habe. Ich weiß, dass Ihr ihn mit offenen Armen in wahr. Urteilsgegenstände gewinnen an
unsere Familie aufnehmen werdet. Er ist sehr nett Attraktivität, wenn sie zusammen mit
und hat zwar keine abgeschlossene Ausbildung, weniger positiven Alternativen präsentiert
ist aber ehrgeizig. werden, und verlieren an Wert im
Jetzt, wo ich Euch auf den neuesten Stand Zusammenhang mit extrem attraktiven
gebracht habe, möchte ich Euch mitteilen, dass Alternativen.
es keinen Brand im Wohnheim gab, ich keine
Gehirnerschütterung und keinen Schädelbruch
hatte, nicht im Krankenhaus war, nicht schwan- Kurzum, ein und dieselbe Sache kann sehr
ger, nicht verlobt, nicht infiziert bin und dass es unterschiedlich wahrgenommen werden, je
keinen Freund gibt. Allerdings habe ich eine Vier nachdem, was ihr als Vergleichsgrundlage
in Geschichte und eine Sechs in Chemie, und ich vorausging (Illustration: Kontrasteffekt zum
will, dass Ihr diese Zensuren im richtigen Verhält- Ausprobieren). Ist die Vergleichsgrundlage
nis seht. repräsentativ gewählt, ist dieses Vorgehen
Es grüßt Euch herzlich Eure Tochter Sharon hilfreich, um die richtige Entscheidung deut-
(Aus Cialdini 1997, S. 32) licher heraustreten zu lassen. Werden die
118 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Alternativen allerdings absichtlich so gewählt, so hässlich erscheinen. Das Gleiche gilt letzt-
dass beispielsweise ein eigentlich minder- endlich auch für Personen: Eine Person wirkt
wertiges Produkt unverhältnismäßig attraktiv attraktiver, wenn sie in einem gemeinsamen
2 wirkt (weil die Alternativen noch schlechter Kontext mit weniger attraktiven Menschen
und zudem überteuert sind), basiert unser gesehen wird. Beispielsweise schätzten Pro-
Urteil womöglich auf einer schlechten banden, die zunächst Bilder von äußerst gut
Grundlage. Beim Kontrastprinzip handelt aussehenden Menschen gesehen hatten, Per-
es sich somit um einen Mechanismus, den sonen von durchschnittlichem Aussehen als
man in einer Situation gezielt herbeiführen weniger attraktiv ein als Teilnehmer, denen
kann, um andere Menschen zu beeinflussen. man zuvor keine Bilder gezeigt hatte (Ken-
Fälschlicherweise wirkt der Stratege dabei rick und Gutierres 1980; Kenrick et al. 1993).
vordergründig sehr fair – hat er doch dem Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Gegenüber die Wahl gelassen, sodass dieser Situative Gegebenheiten können den sub-
sich selbst davon überzeugen konnte, dass die jektiven Wert von Personen, Konsumgütern
gewählte auch die beste Alternative war. oder Entscheidungsalternativen verändern.
So steigt der subjektive Wert, wenn etwas
Illustration: Kontrasteffekt zum sozial bewährt (Prinzip sozialer Bewährt-
Ausprobieren heit) oder schwer zu haben ist (Prinzip der
Alles, was Sie brauchen, sind drei Schüsseln Knappheit) bzw. im Vergleich zu weniger
mit Wasser: Eine füllen Sie mit eiskaltem, die attraktiven Alternativen dargeboten wird
zweite mit sehr warmem und die dritte Schüs- (Kontrastprinzip). Diese Prinzipien können
sel mit lauwarmem Wasser. bewusst eingesetzt werden, um sich selbst
Tauchen Sie nun zunächst Ihre linke Hand in als Person oder auch ein Produkt attraktiver
das eiskalte, die rechte in das sehr warme Was- erscheinen zu lassen und damit bestimmte
ser. Nach einer Minute wechseln Sie mit beiden Ziele – sich für einen potenziellen Partner
Händen in die dritte Schüssel. Was passiert? interessant zu machen, ein Produkt zu ver-
Mit Ihrer rechten Hand wird sich das lau- kaufen – zu erreichen.
warme Wasser kalt anfühlen, während Ihre Ob wir das tun, was ein anderer von
linke Hand dasselbe Wasser als warm oder uns will, hängt jedoch nicht nur davon ab,
sogar als heiß empfinden wird. Es handelt sich wie attraktiv es uns erscheint, sondern ganz
um einen typischen Kontrasteffekt. wesentlich auch davon, wer bzw. wie dieser
andere ist. Wie sich im Speziellen Sympathie
z Steigerung der Attraktivität von und Autorität darauf auswirken, inwieweit
Konsumgütern wir tun, was ein anderer von uns will, ist
Das Kontrastprinzip wird im Verkaufs- Gegenstand des folgenden Abschnitts.
bereich bewusst eingesetzt: Immobilien-
makler, die ihren Kunden zunächst sehr
unattraktive Objekte zeigen, können dadurch 2.3.2 Soziale Einflussnahme
den Wert von später angebotenen, attrakti- mithilfe von
veren Objekten steigern, da diese dem Kun- Beziehungsmerkmalen
den dann im Vergleich umso interessanter
erscheinen (Cialdini 2001, S. 14). Menschen geben viel Geld dafür aus, um
attraktiv zu erscheinen, und in bestimmten
z Steigerung der Attraktivität von Berufen sind Uniformen die übliche Arbeits-
Personen kleidung (z. B. Militär, Polizei). Macht das
Das hässliche Entlein lässt den Schwan noch Sinn? Ja, denn der soziale Einfluss kann sich
schöner erscheinen bzw. würde einem das durch beides erhöhen. Während Attraktivi-
Entlein ohne den Kontext „Schwan“ gar nicht tät beispielsweise dazu beiträgt, wie
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
119 2
sympathisch wir jemanden finden, lassen die Tatsache, ob der andere uns zu mögen
Uniformen jemanden als legitimierte Autori- bzw. sich für uns zu interessieren scheint,
tät erscheinen. Und wir sind eher bereit, das bestimmen mit, ob und wie sympathisch wir
zu tun, was andere von uns wollen, wenn wir andere Menschen finden und wie stark wir
diese mögen oder sie für uns eine Autorität uns von ihnen beeinflussen lassen. Sympathie
darstellen. Warum, in welchem Ausmaß und lässt sich sogar recht einfach bewirken, wie
mit welchen Konsequenzen dies der Fall ist, man nachfolgend sieht (Impression Manage-
wird im Folgenden dargestellt. ment, Fletcher 1989).
der Verkäufer beispielsweise im Auto des verbunden wird (z. B. „Ich finde es echt toll,
Interessenten Tennisschläger liegen, erzählt dass ihr so fortschrittliche und überhaupt
er, dass er ebenfalls Tennis spielt. Kommt nicht spießige Eltern seid! Ihr habt sicher
2 der Kunde mit einem fremden Autokenn- nichts dagegen, wenn ich mir ein Augen-
zeichen, hat der Verkäufer „zufällig“ Ver- brauenpiercing machen lasse?“). Wird diese
wandte in jener Gegend. So belanglos diese Strategie allerdings übertrieben oder zu
Ähnlichkeiten auch erscheinen mögen, sie exzessiv betrieben, schlägt die Wirkung ins
haben Wirkung. Deswegen sind auch Werbe- Gegenteil um, wird als aufgesetzt und beein-
spots, in denen „Otto Normalverbraucher“ flussend wahrgenommen (Baron et al. 1990)
als (dem Konsumenten ähnlicher) Produkt- und erzeugt Reaktanz (7 Sozialpsychologie I,
verwender auftritt, extrem erfolgreich (Las- Abschn. 7.3.3).
key und Fox 1994) – erfolgreicher als reine Schafft man es, sympathisch zu wirken,
Präsentationen der Produkte (Gleich 2000a, ist das Gegenüber eher bereit, das zu tun, was
b, zitiert nach Felser 2001). Ebenso unter- wir von ihm wollen. Es haben aber nicht nur
schreiben Personen eher eine Petition bzw. Personen einen stärkeren Einfluss auf uns,
schließen eher Versicherungen oder Kaufver- die wir mögen, sondern auch solche, die für
träge ab, wenn das Gegenüber ihnen ähnlich uns eine Autorität darstellen. Wie Autorität
ist – sei es hinsichtlich Kleidung, Alter, Reli- und sozialer Einfluss zusammenhängen, wird
gion, politischer Einstellung oder des Tabak- im nächsten Abschnitt genauer beleuchtet.
konsums (Evans 1963; Gadel 1964; Lombard
1955; Suedfeld et al. 1971; Woodside und 2.3.2.2 Gehorsam – Autorität als
Davenport 1974). Auch Präventionsmaß- Einflussfaktor
nahmen gegen das Rauchen in Schulen sind Ein sehr offensichtlicher Versuch sozialer
erfolgreicher, wenn diese von der Zielgruppe Einflussnahme ist, wenn uns jemand eine
ähnlichen Personen – in diesem Fall von Anweisung gibt und erwartet, dass wir die-
gleichaltrigen Peers – durchgeführt werden ser Folge leisten. In vielen Fällen folgen
(Murray et al. 1984). wir solchen Anweisungen schlichtweg des-
wegen, weil sie uns sinnvoll erscheinen oder
z Sympathie durch das Erzeugen von weil Gehorsam im Vergleich zu den sonst zu
positiven Gefühlen im anderen erhöhen erwartenden Konsequenzen ganz einfach die
(Other-Enhancement) bessere Alternative ist. So nehmen wir die
Wir mögen diejenigen, die uns mögen vom Arzt verordneten Medikamente gemäß
(Byrne und Rhamey 1965; Condon und Anweisung ein, um gesund zu werden, oder
Crano 1988). Beim anderen positive Gefühle leisten der Anordnung eines Polizisten Folge,
auszulösen, ist deshalb eine sehr häufige weil ein Bußgeld die schlechtere Alternative ist,
und durchaus effektive Strategie, um jeman- und Kinder folgen (manchmal) ihren Eltern,
den dazu zu bringen, einer Bitte nachzu- weil sie zwei Tage Fernsehverbot schlimmer
kommen (Godfrey et al. 1986). Dies lässt sich finden als eine Stunde Zimmeraufräumen.
erreichen, indem man z. B. Interesse an der Möglicherweise haben Sie dabei das Gefühl,
anderen Person zeigt, ihr zustimmt, lächelt, dass Sie sich im Falle unsinniger oder fragwür-
Blickkontakt hält oder sich in ihre Rich- diger Befehle jedoch relativ leicht gegen diese
tung neigt (Liden und Mitchell 1988; Purvis verwehren könnten. Doch würde Ihnen das
et al. 1984; Wayne und Ferris 1990; Wort- auch gelingen, wenn diese Anordnungen von
man und Linsenmeier 1977). Auch Eltern einer Autoritätsperson stammten?
lassen sich von ihren Kindern möglicher- Anweisungen von Autoritätspersonen
weise leichter erweichen, wenn eine Bitte zeichnen sich typischerweise dadurch aus,
mit der Auslösung von positiven Gefühlen dass sie uns weniger wie ein Befehl, sondern
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
121 2
Beispielstudie 2.8
. Abb. 2.11 a Uniformen kennzeichnen die Autorität u. a. von Polizei, Militär oder Flugpersonal. Bürger sind
verpflichtet, solchen Amtspersonen zu gehorchen. b Arztkittel kennzeichnen ebenfalls Autorität. Ärzten sind
wir zwar nicht zu Gehorsam verpflichtet, glauben ihnen aber dennoch mehr als medizinischen Laien und leisten
ihnen auch eher Folge. (a © stigmatize/stock.adobe.com, b © BRIAN_KINNEY/stock.adobe.com)
z Faktoren, die Gehorsam gegenüber zwischen Lehrer und Schüler (Opfer), indem
Autoritätspersonen begünstigen beispielsweise der Schüler im gleichen Raum
platziert wurde oder der Teilnehmer zur Ver-
Distanz zum Opfer Milgram (1974) vari- abreichung des Schocks sogar die Hand des
ierte in einer weiteren Studie die Distanz Schülers eigenhändig auf eine Platte drücken
124 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
. Tab. 2.1 Ausgewählte Proteste des Schülers in dem Experiment von Milgram (1974, Exp. 5, S. 56 f.)
2 75 Ugh!
105 Ugh! (louder)
120 Ugh! Hey, this really hurts
150 Ugh!!! Experimenter! That’s all. Get me out of here. I told you I had heart trouble. My heart’s start-
ing to bother me now. Get me out of here, please. My heart’s starting to bother me. I refuse to go
on. Let me out
180 Ugh! I can’t stand the pain. Let me out of here! (shouting)
255 Ugh! Get me out of here
270 (Agonized scream) Let me out of here. Let me out of here. Let me out of here. Let me out. Do you
hear? Let me out of here
300 (Agonized scream) I absolutely refuse to answer any more. Get me out of here. You can’t hold me
here. Get me out. Get me out of here
315 (Intensely agonized scream) I told you I refuse to answer. I’m no longer part of this experiment
330 (Intense and prolonged agonized scream) Let me out of here. Let me out of here. My heart’s bot-
hering me. Let me out, I tell you. (Hysterically) Let me out of here. Let me out of here. You have no
right to hold me here. Let me out! […]
musste. Unter der letztgenannten Bedingung zu machen ist – nicht wir selbst –, und sind
war ein erheblich geringerer Teil (aber immer- dadurch eher bereit, den Anweisungen Folge
hin noch 30 %!) der Teilnehmer bereit, bis zu leisten.
zum Maximalschock von 450 V zu gehen. Mit
zunehmender Nähe des Opfers sinkt bzw. mit Gradueller Anstieg der Anforderungen Hätte
zunehmender Distanz steigt somit die Bereit- Milgram (1963, 1974) seine Versuchs-
schaft, den Anweisungen des Versuchsleiters personen aufgefordert, dem „Schüler“
Folge zu leisten. gleich beim ersten Fehler einen Schock von
450 V zu verabreichen, hätten sich mit gro-
Verantwortungsverschiebung auf die Autori- ßer Wahrscheinlichkeit viele Teilnehmer
tätsperson Die Verantwortung für mög- geweigert. Die Hemmung, einen harm-
liche Folgen der Befehlsausführung wird zu losen Schock von 15 V zu verabreichen, ist
großen Teilen der anweisenden Autoritäts- dagegen viel schwächer. Durch die geringen
person zugeschrieben, der untergeordnete Steigerungsraten von nur 15 V war es zudem
Befehlsempfänger wird dagegen vornehm- schwer, ein Ende zu finden. Wie sollte man
lich als ausführendes Organ wahrgenommen es schließlich rechtfertigen, dass man einen
(z. B. Blass 1996; Hamilton 1978; Meeus und Schock von 180 V verabreicht hat, sich aber
Raaijmakers 1995; Milgram 1963, 1974). Die – trotz der vom Versuchsleiter betonten
häufig vorgebrachte Erklärung für verübte Wichtigkeit weiterzumachen – standhaft
Grausamkeiten „Ich habe nur einen Befehl weigert, die 195-V-Taste zu drücken? Die-
ausgeführt“ bringt das zum Ausdruck: Wir ses Prinzip der kleinen Schritte kann ent-
gehen davon aus, dass die Autoritätsperson sprechend auch „ganz normale Menschen“
für potenzielle und vor allem für negative zu Folterknechten machen (z. B. in der
Konsequenzen ihrer Befehle verantwortlich griechischen Militärdiktatur in den späten
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
125 2
1960er Jahren; Haritos-Fatouros 1988; Foot- Milgrams Experimente sind ein Klassi-
in-the-Door-Prinzip, 7 Abschn. 2.3.3.2). ker der sozialpsychologischen Forschung,
aber nicht unproblematisch. Seine Metho-
Voranschreiten der Situation Viele Situatio- den stimmen mit modernen ethischen
nen, in denen destruktiver Gehorsam auf- Anforderungen nicht überein. Das Verhalten
tritt, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie des Versuchsleiters war improvisierter und
rasch voranschreiten. Häufig sind wenig Zeit seine Darstellung der Ergebnisse unvoll-
und Kapazität für eine gründliche Reflexion ständiger, als es heutige Standards verlangen
der Anweisung selbst bzw. der möglichen (Griggs 2016; . Abb. 2.12).
Konsequenzen, die ein Befolgen bzw. ein
Nichtbefolgen haben könnten. Auch dieser z Unkritischen Gehorsam verringern
Faktor war beispielsweise in den Studien von Gehorsam gegenüber Autoritäten ist ein
Milgram (1963, 1974) gegeben: Innerhalb Grund für viele Gräueltaten in der Mensch-
weniger Minuten nach Betreten des Labors heitsgeschichte. Aber auch in alltäglicheren
sahen sich die Teilnehmer mit der Situation Situationen kann unkritischer Gehorsam
konfrontiert, einer anderen Person elektri- negative Folgen haben – man denke nur
sche Schocks verabreichen zu sollen. einmal daran, dass ein (wirklicher) Arzt
sich bei seinen Anweisungen an das Pflege-
Identifizierung mit der Autoritätsperson Eine personal einmal irrt und aus Versehen eine
Autorität repräsentiert typischerweise eine zu hohe Dosis verschreibt. In einem solchen
Institution. Entsprechend trat der Versuchs- Fall wäre es wünschenswert, dass nicht ein-
leiter der Milgram-Studien (1963, 1974) als fach der Autorität Folge geleistet, sondern
typischer Wissenschaftler mit weißem Kittel die Anweisung infrage gestellt wird. Wie aber
auf und erteilte die ersten drei Appelle „im lässt sich unkritischer Gehorsam verringern?
Namen der Wissenschaft“ (7 Beispielstudie
2.10, z. B. Appell 2: „Das Experiment ver- Eigenverantwortung betonen Erinnert man
langt, dass Sie weitermachen“). Dies ist kein Befehlsempfänger daran, dass sie – zumindest
Befehl, in welchem eine Person kraft ihrer anteilig – sehr wohl Verantwortung für das,
Autorität einer anderen ein bestimmtes Ver- was sie tun, übernehmen müssen, kann dies
halten diktiert, wie man es etwa vom Militär die Tendenz, den Anweisungen einer Autori-
kennt. Vielmehr vereinte der Wunsch, zum tätsperson zu folgen, drastisch reduzieren
wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen, (z. B. Kilham und Mann 1974).
Versuchsleiter und Versuchsteilnehmer (Rei-
cher und Haslam 2011). Am ehesten kam der
vierte und letzte Appell einem Befehl gleich:
„Sie haben keine andere Wahl. Sie müssen
Versuchsleiter
weitermachen.“ In einer Replikationsstudie,
und Experiment
in der der Erfolg der vier Appelle erfasst
wurde, zeigte sich, dass kein einziger Ver- Lehrer
suchsteilnehmer dem vierten Appell folgte
(Burger 2011; vgl. auch Haslam et al. 2014).
Damit ist der Grund für Gehorsam in Mil- Lerner
grams Experimenten möglicherweise eher
darin zu sehen, dass man sich mit der Autori-
tät identifiziert und überzeugt ist, einer guten
Sache zu dienen, als darin, dass man sich . Abb. 2.12 Position des Lehrers zwischen
dem Willen einer anderen Person unter- Versuchsleiter und Lerner in der Milgram’schen
ordnet (Haslam et al. 2015). Versuchsanordnung
126 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Expertise und Motive der Autorität hinter- Menschen aufgrund von Expertise und Sta-
fragen Bei fragwürdigen Anweisungen tus zugeschrieben, welche wiederum u. a. aus
kann es helfen, die Expertise und auch die äußeren Zeichen (Statussymbolen) abgeleitet
2 Motive der Autoritätsperson zu hinterfragen. werden. Diese Faktoren lassen sich gezielt beto-
Ist die Person tatsächlich ein Experte oder nen oder einsetzen und auf diese Weise Sympa-
wirkt sie nur so? Ist der Befehl angemessen thie und Autorität als Judostrategie verwenden.
oder nicht? Dient unser Gehorsam mög- Wir haben uns bisher damit beschäftigt,
licherweise nur egoistischen Zielen dieser wie der soziale Einfluss einer Person von
Person? Dieses Hinterfragen ist von großer situativen Gegebenheiten (7 Abschn. 2.3.1)
Bedeutung, weil sich äußere Anzeichen von und Merkmalen der Beziehung (aktueller
Autorität leicht fälschen lassen – man denke Abschnitt) beeinflusst wird und wie sich dies
nur an Hochstapler, die sich dieses Phäno- im Sinne einer Judostrategie zur bewuss-
men sehr erfolgreich zunutze machen. Steven ten Einflussnahme nutzen lässt. Der nächste
Spielberg erzählt in seinem Kinofilm Catch Abschnitt zeigt, dass wir auch dann eher
me if you can über Frank W. Abagnale Jr., bereit sind zu tun, was ein anderer von uns
dessen Karrieren als falscher Arzt, Pilot und will, wenn er in uns zuvor ein Gefühl der Ver-
Rechtsanwalt vortreffliche Beispiele hierfür pflichtung geschaffen hat.
darstellen.
. Abb. 2.13 Ein Geschenk zu erhalten, ist eine tolle Sache. Macht man sich allerdings in dem Moment bewusst,
dass man dies zu gegebener Zeit erwidern sollte, und hat man absolut keine Idee, keine Lust oder keine Zeit, ein
passendes Geschenk zu finden, so kann dies die Freude etwas schmälern. Dass dieses Verpflichtungsgefühl über-
haupt aufkommt, ist eine Folge der Reziprozitätsnorm. (© Monet/stock.adobe.com)
der andere fühlt sich verpflichtet, diese mit Ladens/Restaurants, die wir im Briefkasten
einer größeren Gefälligkeit zu erwidern. Auf vorfinden. Schickt man Personen einen Dol-
dem Mechanismus der Reziprozität basieren lar mit, wenn man ihnen einen Fragebogen
entsprechend verschiedene, sehr wirksame zusendet, so erhöht das die Wahrschein-
Beeinflussungsprinzipien, die im Folgenden lichkeit, dass sie den Fragebogen ausgefüllt
näher beschrieben werden. zurücksenden, von 20 % auf 40 % (James
und Bolstein 1992). Wie bereits besprochen,
z Auf Reziprozität basierende muss diese Gefälligkeit oder das Geschenk
Judostrategien weder erwartet noch erwünscht sein, damit
der soziale Druck entsteht, der dieses Prin-
(Werbe-)Geschenke, Kostproben Die Rezi- zip erfolgreich sein lässt. Selbst wenn man
prozitätsnorm machen sich verschiedenste vorher weiß, worum es gehen wird (wie es
Vereinigungen (Religionsgemeinschaften, bei den typischen Kaffeefahrten der Fall ist,
politische Vereinigungen, Vereine etc.) immer die bereits als Verkaufsfahrten deklariert
wieder zunutze. Sie überreichen per Post oder sind), befindet man sich unversehens in
auf der Straße ein kleineres Geschenk wie bei- einem psychologischen Dilemma: Man wird
spielsweise Postkarten, Luftballons, Anstecker mit Werbegeschenken überhäuft und weiß
oder eine Blume und verbinden dies mit der kaum, wie man die Fahrt, ohne etwas zu kau-
Bitte um eine Spende oder um den Beitritt in fen, überstehen soll. Möglicherweise lassen
ihren Verein. Ziel dieses Vorgehens ist es, dass sich Eltern auch eher dazu hinreißen, auf die
sich der Empfänger aufgrund des Geschenks Frage der Metzgereiverkäuferin „Darf ’s auch
verpflichtet fühlt, sich zu revanchieren, d. h. etwas mehr sein?“ mit Ja zu antworten, wenn
in diesem Fall, dass er der Bitte nachkommt der Sprössling kurz vorher eine Scheibe Wurst
(Church 1993; James und Bolstein 1992). geschenkt bekommen hat.
Und das funktioniert: Werden beispielsweise Ob dies allerdings auch immer zu höhe-
kleine Geschenke wie Adresssticker mit- ren Einnahmen führt, muss man im Einzelfall
geschickt, steigt die Spendenbereitschaft deut- abwägen. In einer Feldstudie zur Spenden-
lich an (Smolowe 1990). Nach dem gleichen bereitschaft für einen Nationalpark in Costa
Prinzip wirken Gratisproben im Supermarkt Rica führte das kleine Geschenk zwar durch-
oder Gutscheine zur Neueröffnung eines aus dazu, dass mehr Personen bereit waren,
130 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Beispielstudie 2.12
um andere zu beeinflussen – allerdings ist der Wie 7 Beispielstudie 2.13 zeigt, reicht bereits
vermittelnde Mechanismus dann ein anderer.9 ein auf den ersten Blick sehr unbedeutendes
Wird zunächst eine kleine und darauf folgend Commitment, um die Hilfsbereitschaft zu
2 eine größere Bitte zum gleichen Thema gestellt, erhöhen.
so bewirkt eine erste Zustimmung ein sog.
Commitment, das die Ablehnung einer zweiten
Bitte schwermacht. Darum soll es in den folgen- Commitment
den Abschnitten gehen. Verpflichtung gegenüber bzw.
Engagement für eine Sache. Äußerungen
2.3.3.2 Wer A sagt, muss auch B oder Verhalten führen zu besonders
sagen – Commitment durch starkem Commitment, wenn sie
Streben nach Konsistenz 5 öffentlich gemacht werden,
Mögen Sie Menschen, die heute so und mor- 5 explizit,
gen so sagen bzw. die „ihr Fähnchen nach 5 nicht zurückziehbar,
dem Wind richten“? Möchten Sie von ande- 5 wiederholt,
ren als „so jemand“ angesehen werden? 5 folgenreich,
Vermutlich nicht. Menschen streben ganz 5 schwierig, anstrengend oder mit
allgemein danach, in ihren Aussagen und Kosten verbunden sind, und
Handlungen konsistent zu sein, d. h., wenn 5 freiwillig sowie
wir A gesagt haben, fühlen wir uns häufig ver- 5 aus innerem Antrieb getätigt werden.
pflichtet, auch B zu sagen – wenn auch das
eine oder andere Mal zähneknirschend. Es Wirkmechanismen sind:
kann durchaus vorkommen, dass wir inner- 5 Konsistenzbestreben
lich unsere Meinung kurzfristig ändern, 5 Selbstwahrnehmungsprozess
wenn uns das vorteilhaft erscheint. Sehr
viel schwerer ändern wir jedoch eine ein-
mal geäußerte Meinung bzw. handeln ent- Der Vorteil der auf Commitment basieren-
gegen dieser: Wir fühlen uns an unsere erste den Taktiken ist, dass sie sozusagen von
Aussage gebunden oder, anders ausgedrückt, alleine arbeiten – sie kosten nur eingangs die
wir haben uns zu einer bestimmten Haltung Anstrengung, das Commitment zu erzeugen.
„committet“ (Cialdini 2001). Für die Wirk- Danach bewirkt das Konsistenzstreben der
samkeit dieser Verpflichtung ist es wichtig, Betroffenen, dass das gewünschte Verhalten
dass das Commitment öffentlich, explizit, mit auch eintritt. In manchen Fällen reicht als
Anstrengung verbunden und nicht zurück- Commitment bereits ein „Mir geht es gut“
ziehbar ist sowie freiwillig aus innerem (7 Beispielstudie 2.13) oder auch das eigen-
Antrieb getätigt wird (Allison und Messick händige Ausfüllen eines Mitgliedsantrags aus,
1988; Cialdini 2001, S. 67; Fazio et al. 1982; um die gewünschten Effekte zu erzeugen.
Freedman 1965; Kiesler und Sakumura 1971;
Illustration: Selbst etwas tun
Schlenker et al. 1994). Wird es darüber hin-
aus mehrfach wiederholt und hat es weit- Bringt man potenzielle Käufer dazu, selbst
reichende Folgen, so fühlt sich die Person aktiv zu werden, indem man sie beispiels-
noch stärker gebunden (Joule et al. 2007). weise bittet, ein Produkt auszuprobieren
und zu bewerten, so schafft dies bereits
ein gewisses Commitment gegenüber Ver-
käufer und Produkt. Kaffeemaschinen oder
9 Für einen Effizienzvergleich der beiden Prinzipien
Door in the Face und Foot in the Door, die eine
Fahrräder kann man ausprobieren, Bücher
entgegengesetzte Abfolge von kleiner und großer Probe lesen. Aber wie lässt sich Commitment
Bitte benutzen, vgl. Pascual und Gueguen (2005). für Mitgliedschaften oder Versicherungen
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
133 2
Beispielstudie 2.13
erzeugen? Hier lassen Verkäufer den Kunden 1995; 7 Exkurs: Bezug zur Persönlichkeit erhöht
Verkaufsformulare oder Mitgliedsanträge die Wirkung von Commitment; 7 Sozialpsycho-
selbst ausfüllen (Cialdini 2001, S. 71). Das Ziel logie I, Abschn. 7.2).10
des auf diese Weise erzeugten Commitments Das Konsistenzbestreben beruht auf der
ist, dass Personen von ihrem gesetzlich vor- kulturellen Norm, situationsübergreifend
geschriebenen Widerrufsrecht möglichst sel- gleich zu handeln. Damit richten Menschen
ten Gebrauch machen. in individualistischen Kulturen ihr Verhalten
stärker danach aus, was sie selbst in der Ver-
Worauf beruht dieser Commitment-Effekt? gangenheit getan haben (vgl. auch 7 Sozial-
Commitment wirkt über das Zusammen- psychologie I, Abschn. 5.2.2). Demgegenüber
spiel eines Selbstwahrnehmungsprozesses herrscht in kollektivistischen Kulturen die
und des Konsistenzbestrebens einer Person. Norm, sich nach anderen zu richten, sich
Mit dem Commitment ist häufig eine Ver- also an situative soziale Normen anzupassen.
änderung des aktiven Selbstkonzepts (der Entsprechend werden Menschen in kollekti-
zu einem Zeitpunkt zugängliche Teil des vistischen Kulturen stärker von Informatio-
Selbstbilds; Wheeler et al. 2014) verbunden. nen über das Verhalten anderer beeinflusst
Menschen versuchen, sich in Bezug auf ihr (soziale Bewährtheit; 7 Abschn. 2.3.1.1). Ein
Selbstbild konsistent zu verhalten. So kann solches Muster zeigte sich auch in einem
beispielsweise jemand aus der Tatsache, dass
er für einen guten Zweck (z. B. für die Kinder-
hilfsorganisation UNICEF e. V.) gespendet
hat, schließen, dass er ein im Allgemeinen
10 Das Konsistenzbestreben tritt in der Kindheit
wohltätiger Mensch ist. Bei ähnlichen erst im Rahmen eines erweiterten Verständnisses
Gelegenheiten – beispielsweise bei einem dafür auf, dass Personeneigenschaften stabil (und
Spendenaufruf der SOS-Kinderdörfer – wird er damit Meinungen konsistent) sind. So zeigten in
sich mit diesem Selbstbild konsistent verhalten einer Studie von Eisenberg et al. (1987) Kinder im
wollen, wodurch sich die Wahrscheinlich- Kindergartenalter nach einem Commitment noch
keine konsistenten Reaktionen; dies begann erst
keit zu spenden erhöht (Burger 1986; Cialdini im Alter von sieben bis acht Jahren – parallel zu
1993; Cialdini et al. 1995; DeJong 1979; Dillard dem erweiterten Verständnis für die Stabilität von
1991; Dillard, et al. 1984; Gorassini und Olson Personeneigenschaften.
134 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Exkurs
Bezug zur Persönlichkeit erhöht die Wirkung von Commitment
Fointiat et al. (2004) ließen eine als in den beiden anderen ein solches Label zugleich
2 junge Frau Besucher eines Parks Gruppen. die Erwartung aus, dass die
nach dem Weg fragen. Die Die Wirkung des Person weiterhin hilfsbereit
Frau bedankte sich entweder Commitments war somit sein wird. Da die meisten
mit einem einfachen „danke“ verstärkt, wenn die Menschen sich auch selbst
(kein Labeling), mit „Danke, junge Frau durch eine für hilfsbereit halten, aktiviert
Sie haben mir den Weg gut entsprechende Formulierung eine solche Bemerkung das
gezeigt“ (funktionales Labeling) die freundliche Handlung Selbstbild als hilfsbereite
oder mit „Danke, Sie sind sehr der angesprochenen Person Person und damit verbunden
hilfsbereit“ (soziales Labeling). (den Weg zu erklären) auf ihre eigene Erwartungen, auch
Kurz darauf fiel der jungen Frau hilfsbereite Persönlichkeit in Zukunft hilfsbereit zu
„unbemerkt“ ein Geldschein aus attribuierte, statt die handeln. Dies unterstreicht
der Manteltasche. War der Dank Handlung selbst zu loben die Bedeutsamkeit sozialer
vorher auf die Persönlichkeit des oder sich nur zu bedanken. Erwartungen und eines
anderen bezogen (d. h. soziales Da sich eine hilfsbereite salienten, d. h. durch den
Labeling), gaben ihr erheblich Person dadurch auszeichnet, Kontext hervorgehobenen
mehr der angesprochenen in vielen Situationen Selbstbilds für die Wirksamkeit
Besucher den Schein zurück hilfsbereit zu handeln, drückt von Commitment.
Vergleich von Studierenden aus einer eher meistens nichts, die Mitgliedschaft, die wir uns
kollektivistischen und einer eher individualis- daraufhin leichter aufschwatzen lassen, aller-
tischen Kultur (Polen versus USA; Zou et al. dings schon. Personen werden gefragt, ob sie
2009; 7 Beispielstudie 2.14). eine kleine – vollkommen risikofreie – Bitte
Judostrategien, die Commitment als erfüllen könnten. Haben sie dieser kleineren
Mechanismus nutzen, sind das Foot-in-the- Bitte erst einmal zugestimmt, werden sie mit
Door- und das Low-Ball-Prinzip. größerer Wahrscheinlichkeit auch einer nach-
folgenden größeren Bitte zustimmen (Dillard
z Auf Commitment basierende 1991; Dillard et al. 1984; Freedman und Fraser
Judostrategien 1966; 7 Beispielstudie 2.15). Hat man sozusagen
erst einmal den kleinen Finger gegeben, fällt es
Foot-in-the-Door-Prinzip11Nehmen wir an, Sie schwer, die ganze Hand zu verwehren.
werden in der Fußgängerzone angesprochen,
ob Sie nicht eine Minute Zeit hätten, man Foot-in-the-Door-Prinzip
würde Ihnen gerne etwas über die Organi- Durch eine vorgeschobene kleine Bitte
sation XY erzählen. Sie willigen ein, schließ- erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass
lich kostet Zuhören ja nichts. Ist das wirklich einer nachgeschobenen größeren Bitte
so? Tatsächlich kostet das Zuhören zunächst zum gleichen Inhaltsbereich zugestimmt
wird.
11 Die Formulierung Foot in the Door stammt aus Personen erschließen aus ihrer ersten Reaktion
der Zeit, in der Vertreter von Tür zu Tür gingen. auf die Eingangsbitte ihre Einstellung, d. h.
Die Verkaufsraten derjenigen Vertreter, die es
geschafft hatten, in die jeweiligen Wohnungen
wie sie selbst zu dieser Sache stehen, bzw.
gelassen zu werden (die den Fuß wahrlich in die integrieren dieses Verhalten in ihr Selbstbild.
Tür setzen durften), um ihre Produkte vorzu- Da sie die erste (kleine) Bitte aus freien Stü-
führen, waren deutlich höher. cken bejaht haben, haben sie dem Inhalt an
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
135 2
Beispielstudie 2.14
Beispielstudie 2.15
Einer großen Bitte wird eher zugestimmt, wenn vorher bereits einer kleineren Bitte zum
gleichen Thema zugestimmt wurde
Freedman und Fraser (1966, großen Bitte zustimmten. In Fremden an ihrer Haustür
Exp. 1) riefen im Rahmen einer Gruppe A dagegen stimmten nach. Eine andere Gruppe
Telefonstudie Hausfrauen an. 53 % der Teilnehmerinnen – von Hausbesitzern wurde
Eine erste Gruppe (Gruppe nachdem sie schon zuerst gefragt, ob sie eine
A) wurde in diesem Telefonat vorher Fragen zu ihrem Petition für sichereres Fahren
gebeten, ein paar Fragen Seifengebrauch beantwortet unterschreiben würden. Fast
zu ihrem Seifengebrauch zu hatten – der Bestands- jeder Gefragte kam dieser
beantworten (kleine Bitte). aufnahme im eigenen Haus Bitte nach. Bei dieser Gruppe
Einige Tage später riefen sie zu. Die Foot-in-the-Door- klingelte eine Woche später
diese Haushalte noch einmal Strategie erhöhte also die wiederum ein Fremder an
an und fragten, ob fünf bis Zustimmung auf mehr als das der Haustür und fragte, ob
sechs Mitarbeiter zu ihnen Doppelte. sie das o. g. Schild in ihren
nach Hause kommen dürften, In einer weiteren Studie Vorgarten stellen würden. Die
um alle im Haus verwendeten zeigten Freedman und Personengruppe, die zuvor
Produkte zu registrieren. Diese Fraser (Freedman und Fraser die Petition unterschrieben
Bestandsaufnahme würde 1966, Exp. 2), dass dieser hatte, war dreimal so
zwei Stunden in Anspruch Foot-in-the-Door-Effekt auch häufig bereit, das Schild
nehmen, und die Mitarbeiter dann auftritt, wenn beide aufzustellen, wie die andere
müssten in alle Schränke und Bitten von unterschiedlichen Personengruppe. Der einzige
Schubladen schauen dürfen Personen vorgetragen Unterschied zwischen beiden
(große Bitte). Eine zweite werden: Sie baten Gruppen besteht darin, dass
Gruppe von Hausfrauen kalifornische Hausbesitzer, die einen zuvor die Petition
(Gruppe B) wurde nur einmal ein großes, aufdringliches unterschrieben hatten, d. h.
angerufen und ausschließlich Schild mit der Aufschrift der ersten kleineren, das
mit dieser letzteren, großen „Drive Carefully“ in ihren Commitment erzeugenden
Bitte konfrontiert. Vorgarten zu stellen. Nicht Bitte zum gleichen
Die Ergebnisse zeigten, dass einmal 20 % der Hausbesitzer Inhaltsbereich gefolgt
nur 22 % der Gruppe B dieser kamen dieser Bitte eines waren.
136 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
sich zugestimmt und fühlen sich dann ver- Umständen kann es uns jedoch „teuer zu
pflichtet, bei der zweiten Bitte genauso zu stehen“ kommen – nämlich dann, wenn wir
handeln (Burger und Caldwell 2003; Cialdini dadurch beispielsweise einer Mitgliedschaft
2 et al. 1995; DeJong 1979; Gorassini und Olson zustimmen, die uns viel Geld kostet und uns
1995; . Abb. 2.14). Der Wunsch, konsistent dieses Geld eigentlich nicht wert ist. Doch
zu sein, ist dabei größer als der Wunsch, die lassen sich Judostrategien auch dazu nutzen,
mit der Zustimmung verbundenen Kosten positives Verhalten – wie beispielsweise die
zu vermeiden. Die Wirksamkeit des Foot-in- Spendenbereitschaft für einen (wirklich) guten
the-Door-Prinzips ist dabei nicht auf münd- Zweck – zu erhöhen. Dies gilt auch für das im
liche Bitten beschränkt, sondern es ist auch in Folgenden beschriebene Low-Ball-Prinzip.
schriftlicher Form, beispielsweise per Frage-
bogen oder im Internet, erfolgreich (Girandola Low-Ball-Prinzip Bei dem Low-Ball-Prinzip
2002a, b; Gueguen und Jacob 2001). spielt Commitment ebenfalls eine wich-
In vielen Situationen ist unser Streben tige Rolle. Commitment wird hier jedoch
nach Konsistenz durchaus sinnvoll und ziel- nicht durch eine vorgeschobene kleine Bitte
führend (z. B. um Zeit und Kapazitäten zu erzeugt, sondern durch einen von außen
sparen, indem wir nicht jedes Mal bei einer gesetzten Anreiz (z. B. eine Belohnung).
Frage zum gleichen Inhaltsbereich neu über- Aufgrund dieses Anreizes wird ein Verhalten
legen und entscheiden müssen). Unter verändert (bzw. einer Bitte entsprochen).
Entfernt man später den Anreiz aus Grün-
den, für die der Bittsteller nichts kann,
haben sich bis dahin neue Gründe für das
Verhalten gefunden, u. a. auch – wie beim
Foot-in-the-Door-Prinzip – ein verändertes
Selbstbild. Dadurch wird das Verhalten auch
bei Wegfallen des Anreizes aufrechterhalten
(7 Beispielstudie 2.16). Das Prinzip eignet
sich besonders für Verhalten, das im Eigen-
interesse der Person liegt, wie beispiels-
weise Gesundheitsverhalten, und für die
Person zunächst sehr schwierig wirkt (z. B.
18-stündige Tabakabstinenz für Raucher),
und wenn zwischen dem ursprünglichen
Anreiz und der anschließenden Rücknahme
eine gewisse Zeit verstreicht, in der sich eine
Zielbindung aufbauen kann (Joule 1987;
Pascual et al. 2016).
Low-Ball-Prinzip
Durch einen äußeren Anreiz wird ein
Commitment erzeugt. Nach einiger
Zeit wird der Anreiz entfernt. In der
Zwischenzeit haben sich neue Gründe
für das Verhalten gefunden und erhalten
. Abb. 2.14 Foot in the Door: Bekommt man einen
dieses auch ohne den ursprünglichen
Fuß in die Tür, verhindert man damit, dass einem
diese gleich wieder vor der Nase zugeschlagen wird. Anreiz aufrecht.
(© Racle Fotodesign/stock.adobe.com)
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
137 2
Beispielstudie 2.16
Selbst nach Entfernen des Anreizes behalten Personen ihr Verhalten bei
Pallak et al. (1980) baten des Projekts namentlich mit beseitigt. Erstaunlicherweise
Hausbesitzer an einem ihrer Energiesparleistung sparten diese Teilnehmer in
Projekt zum Energiesparen in der Zeitung genannt den folgenden Monaten sogar
teilzunehmen. Eine würden (namentlich in der noch mehr Energie als zuvor.
Teilnehmergruppe erhielt Zeitung zu erscheinen, ist in Dies ist auf das Low-Ball-
Tipps zum Energiesparen den USA ein durchaus hoher Prinzip zurückzuführen –
und wurde gebeten, ihren Anreiz). Die nach vier Wochen selbst nachdem der
Energieverbrauch zu senken. erfolgte Überprüfung ergab ursprüngliche Anreiz für
Die nach vier Wochen eine deutliche Senkung des das Verhalten wegfällt, wird
erfolgte Überprüfung Energieverbrauchs. das Verhalten aufrecht-
des Energieverbrauchs Nach einiger Zeit wurden erhalten, da sich inzwischen
ergab keine nennenswerte die Hausbesitzer darüber zusätzliche Gesichtspunkte
Einsparung. Einer weiteren unterrichtet, dass es doch und Argumente gefunden
Teilnehmergruppe wurde nicht möglich sei, sie in der haben, die das neue Verhalten
hingegen in Aussicht Zeitung zu erwähnen, d. h., der stützen und rechtfertigen
gestellt, dass sie bei Erfolg ursprüngliche Anreiz wurde (. Abb. 2.15).
. Abb. 2.15 Low-Ball-Prinzip. Zunächst wird ein Verhalten durch einen äußeren Reiz gestützt. Mit der Zeit fin-
den sich andere Gründe für das Verhalten (Selbstwertgefühl, Selbstbild, Energierechnung, weniger Abhängigkeit
von der Ölindustrie etc.), die das Verhalten auch dann aufrechterhalten, wenn der ursprüngliche Anreiz wegfällt.
(Modifiziert nach Cialdini 1997, S. 130, Abb. 3.5)
138 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
. Abb. 2.16 Was würden Sie tun? Würden Sie Ihren Kaffeebecher zum nächsten Papierkorb mitnehmen oder
einfach fallen lassen? Forschungsergebnisse zeigen, dass die Entscheidung vor allem von wahrgenommenen
sozialen Normen abhängt. (© weixx/stock.adobe.com)
zwei Drittel ihn mitnehmen, so stimmt bei- vermittelt eine injunktive Norm oder Soll-Norm
des – viele lassen ihren Müll liegen, aber die über erwünschtes und unerwünschtes Ver-
meisten nehmen ihn wieder mit. Die jeweils halten (Cialdini et al. 1990, 1991). Soll-Normen
verwendete Formulierung entscheidet also können von Autoritäten aufgestellt werden, wie
darüber, welche der beiden Gruppen für die beispielsweise von der Parkverwaltung oder
Adressaten salient, also auffällig gemacht wird einer Verkehrsbehörde (Autorität als Einfluss-
(7 Sozialpsychologie I, Kap. 2) – ein sog. Fra- faktor; 7 Abschn. 2.3.2). Aber viele Soll-Normen
ming-Effekt (7 Sozialpsychologie I, Kap. 7). sind auch gruppenspezifisch: In jeder Gruppe
Indem man das richtige Verhalten vieler Men- herrschen andere Regeln, was erwünscht oder
schen beschreibt, macht man eine positive unerwünscht, gebilligt oder abgelehnt wird.12
deskriptive Norm salient, die dann von den Man denke nur daran, wie verschiedene Grup-
Adressaten nachgeahmt werden kann. Gelingt pen (religiöse oder politische Gruppen, Schul-
es, eine neue deskriptive Norm in einer gro- klassen oder Gangs) Homosexualität begrüßen,
ßen Mehrheit zu etablieren (z. B. wenn die billigen oder ablehnen. An diesem Beispiel wird
meisten Hundebesitzer den Hundekot auf- deutlich, dass wir auch bei Soll-Normen vor
sammeln), so wird das Verhalten moralisiert,
und andere reagieren auf Übertretungen
mit Empörung, Ärger, Ekel und Verachtung 12 Für gruppenspezifische injunktive Normen hat
(Lindenberg und Steg 2007; Rozin et al. sich auch die Unterscheidung zwischen sog. Mini-
mal- und Maximalzielen als bedeutsam erwiesen,
1997). Ein solcher Prozess hat beispielsweise wobei eine Übertretung von Minimalzielen einen
in Bezug auf das Rauchen in den letzten Jahr- Ausschluss aus der Gruppe bedeutet, während
zehnten stattgefunden (Rozin et al. 1999). Maximalziele erwünschtes Verhalten beschreiben,
Eine weitere Möglichkeit, Parkbesucher dazu welches die Werte der Gruppe besonders gut aus-
anzuregen, ihren Müll mitzunehmen, besteht drückt (Berthold et al. 2012; Fritsche et al. 2009;
Kessler et al. 2010). So könnte ein Minimalziel für
darin, sie dazu aufzufordern („Bitte wirf deinen eine Umweltgruppe sein, keinen Müll zurückzu-
Müll nicht auf die Wiese!“ oder „Bitte nimm lassen, während ein Maximalziel darin besteht, ein
deinen Müll mit!“). Eine solche Aufforderung Strandstück von Müll zu säubern.
140 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Beispielstudie 2.17
Deskriptive Norm
Problemverhalten Viele Besucher haben die Wege verlassen und damit den Zustand Niedrig
der Sequoias und Pflanzen dieses Parks verändert
Viele Besucher haben versteinertes Holz aus dem Park entfernt und
damit den Zustand des versteinerten Waldes verändert
Wunschverhalten Die meisten Besucher blieben auf den Wegen und halfen damit, die Mittel
Sequoias und Pflanzen dieses Parks zu schützen
Die meisten Besucher haben das versteinerte Holz im Park gelassen
und damit den natürlichen Zustand des versteinerten Waldes erhalten
Injunktive Norm
Verbotsform Bitte verlassen Sie die Wege nicht, um die Sequoias und Pflanzen Sehr hoch
dieses Parks zu schützen
Bitte entfernen Sie kein versteinertes Holz aus dem Park
Gebotsform Bitte bleiben Sie auf den Wegen, um die Sequoias und Pflanzen Mittel
dieses Parks zu schützen
Bitte lassen Sie das versteinerte Holz im Park
Kein Schild Nur in der Studie zum Verlassen der Wege –
Beispielstudie 2.18
Handtücher in Hotels
Eine berühmt gewordene aufgestellt mit der Bitte an die wiederverwendet hatten,
Studie untersuchte in Hotelgäste, ihre Handtücher so kamen signifikant mehr
den USA die Wirkung von wiederzuverwenden, um die Personen (44 %) der Bitte nach
deskriptiven Normen auf Umwelt zu schonen, so kamen (. Abb. 2.17).
die Wiederverwendung 35 % der Gäste dieser Bitte In dieser Studie erhöhte die
von Handtüchern in Hotels nach. Enthielten die Schilder zusätzliche Salienz einer
(Goldstein et al. 2008, zusätzlich die Information, positiven deskriptiven Norm
Studie 1). Wurden in den dass 75 % der anderen das Wunschverhalten (s. aber
Hotelzimmern Schilder Hotelgäste ihre Handtücher Replikationsstudie 2.1).
Replikationsstudie 2.1
2 R
Handtuchrecycling blieb in deutschen und Schweizer Hotels von der Art der
Botschaft unbeeinflusst
Eine Wiederholung der Studie die Schweiz und Österreich etwa sechs Jahren zwischen
mit einem sehr ähnlichen berichten Reese et al. 2014). den beiden Studien hat sich
Aufbau im deutschsprachigen Ganz ohne Botschaft lag sie das Handtuchrecycling in
Raum konnte diese Ergebnisse immerhin noch bei 64 %. Hotels deutlich etabliert. Viele
allerdings nicht replizieren Man kann zur Erklärung Menschen werden es sich zur
(Bohner und Schlüter 2014). dieser Diskrepanzen sowohl Gewohnheit gemacht haben,
Hier führte schon die Bitte, kulturelle Unterschiede ihr Handtuch wiederzu-
Handtücher wiederzu- heranziehen – die verwenden, sodass sie gar
verwenden, um die Umwelt europäischen Gäste sind keine Botschaft mehr dafür
zu schonen, zu 84 % und 93 % allgemein umweltbewusster brauchen. Und die Botschaften
Wiederverwendung, was von und lassen sich deswegen mit werden vermutlich auch nicht
keiner anderen Bedingung einer Umweltbotschaft sehr mehr sorgfältig gelesen, da
deutlich überboten wurde gut überzeugen – als auch den viele Menschen den Inhalt
(ähnliche Ergebnisse für späteren Zeitpunkt – in den schon kennen (. Abb. 2.17).
die zeitnah umgesetzt werden können, bei- höhere Norm kann mit zusätzlichen Maß-
spielsweise könnten Sie dazu aufrufen, Lap- nahmen abgefedert werden, z. B., indem die
tops und Bildschirme auszuschalten, statt injunktive Norm der Nachhaltigkeit betont
sie im Standby-Modus zu lassen. Weiterhin wird (Allcott 2011; Schultz et al. 2007). Ver-
könnten Sie Normen durch Bilder, Videos pflichtung gegenüber der Allgemeinheit ist in
oder Informationstexte in den Vordergrund diesem Beispiel nur eines der Motive für die
rücken. Eine weitere Option zeigen Kam- Senkung des Energieverbrauchs. Ähnlich wie
pagnen auf, welche Rückmeldungen über beim Low-Ball-Prinzip halten andere Motive
deskriptive Normen erfolgreich zur Ver- (z. B. Geld zu sparen, besser als die Nachbarn
haltensänderung nutzen (7 Beispielstudie zu sein oder die neugewonnene Identität als
2.18). Zahlreiche Interventionen zur Reduk- umweltfreundlich handelnder Bürger zu sta-
tion des Energieverbrauchs in Haushalten bilisieren) das Verhalten aufrecht, selbst wenn
(was gut für die Umwelt, aber auch gut für die normative Rückmeldung wegfällt (Allcott
den Geldbeutel des Einzelnen ist) arbeiten und Rogers 2014).
mit diesem Prinzip. Eine Rückmeldung auf Schließlich bietet es sich an, Normen auch
der Stromrechnung darüber, wie viel Energie nonverbal in den Fokus zu rücken bzw. salient
vergleichbare Haushalte in der Nachbarschaft zu machen. Beispielsweise lassen sich Men-
verbrauchen, führt zu einer deutlichen Reduk- schen durch zahlreiche Aufkleber an ande-
tion des Energieverbrauchs derjenigen Haus- ren Briefkästen (eine deskriptive Norm) dazu
halte, die besonders viel verbrauchen (Allcott animieren, ebenfalls einen Keine-Werbung-
und Rogers 2014; Ayres et al. 2013; vgl. auch Aufkleber anzubringen (Reese et al. 2013).
Nolan et al. 2008). Damit wird insgesamt der Wenn man vor einer Person Müll in den
Energieverbrauch gesenkt. Der umgekehrte Papierkorb oder auf die Straße wirft, so macht
Effekt eines Mehrverbrauchs der sparsamen man diese auf die Ist-Norm aufmerksam, etwa
Haushalte aufgrund einer Anpassung an die wie sauber oder wie vermüllt die Umgebung
2.3 · Bewusste soziale Einflussnahme – Die Judostrategien
143 2
ist. Um die Soll-Norm der Sauberkeit salient zu diesen ein Gefühl der Verpflichtung. Tut
machen, könnte man etwas Müll auflesen oder uns jemand anderes etwas Gutes, fühlen wir
kehren (Cialdini et al. 1990; Reno et al. 1993). uns dieser Person gegenüber verpflichtet,
Kurzum, sozialer Einfluss durch Aufmerksam- die Gefälligkeit zu erwidern (Reziprozitäts-
keitslenkung auf Normen hat also viele For- norm). Entsprechend können Geschenke,
men, nicht nur Bitten und Aufforderungen. das Herunterschrauben einer Bitte (beim
Die Kunst besteht darin, die richtige Norm Door-in-the-Face-Prinzip) oder eine spon-
auszuwählen, um so tatsächlich Aufmerksam- tane Dreingabe (beim That’s-not-all!-Prinzip)
keit in die gewünschte Richtung zu erzielen. dazu führen, dass wir eher tun, was der andere
Insgesamt sind Menschen folglich dann will, um uns zu revanchieren. Diese auf der
eher bereit, im Sinne des Allgemeinwohls Reziprozitätsnorm basierenden Prinzipien
zu handeln, wenn passende soziale Normen wirken vor allem kurzfristig (für eine Inter-
salient gemacht werden. Aufforderungen, aktion) und wenn Gefälligkeitsgeber und Ent-
etwas zu tun oder zu lassen, machen injunk- schädigungsnehmer ein und dieselbe Person
tive Normen salient. Auch Handlungen kön- sind.
nen injunktive Normen salient machen, wie Langfristiger und personenunabhängiger
das Auflesen von Müll oder das Löschen von wirken Judostrategien, die auf Commitment
Licht, das jemand anderes angelassen hat. basieren. Durch eine vorgeschobene kleine
Injunktive Normen wirken im Allgemeinen Bitte (beim Foot-in-the-Door-Prinzip) bzw.
sehr gut. Allerdings kann es hier auch zu einen in Aussicht gestellten äußeren Anreiz
Reaktanz kommen (7 Sozialpsychologie I, (beim Low-Ball-Prinzip) wird erreicht, dass
Abschn. 7.3.3), d. h. zu einem gegenteiligen Personen einer Forderung zustimmen bzw.
Verhalten, insbesondere, wenn die Per- ein bestimmtes Verhalten zeigen. Dieses
son infrage stellt, dass die Autorität legitim Commitment wirkt sich auf das Selbstbild der
ist und zur Eigengruppe gehört. Die Rück- Personen aus und erhöht über das Bestreben,
meldung deskriptiver Normen kann dann zu konsistent zu sein, die Wahrscheinlich-
erwünschten Effekten führen, wenn man den keit, dass sie einer weiteren Bitte zum glei-
Fokus darauf lenkt, dass viele das erwünschte chen Inhaltsbereich ebenfalls zustimmen
Verhalten bereits zeigen. Commitment für bzw. dass ein Verhalten/eine Entscheidung
das Allgemeinwohl (z. B. Umweltschutz) ist auch dann aufrechterhalten wird, wenn der
dabei ein wichtiger Grund für die Verhaltens- ursprüngliche Anreiz wegfällt. Dass diese
änderung, aber nicht der einzige: Normen Prinzipien sogar in virtuellen Welten wirk-
werden auch befolgt, um nicht negativ aufzu- sam sind, zeigt der 7 Exkurs: Sozialer Einfluss
fallen (7 Abschn. 2.2.1). in Computerspielen. Ein Commitment für das
Allgemeinwohl lässt sich erreichen, indem
die deskriptive Norm salient gemacht wird,
2.3.4 Zusammenfassung dass viele schon das Richtige tun, und indem
injunktive Normen über verantwortungs-
Mehrere wirksame Prinzipien zur Beein- volles Verhalten im Sinne der Nachhaltigkeit
flussung anderer Personen erzeugen in salient gemacht werden.
144 Kapitel 2 · Sozialer Einfluss
Exkurs
Sozialer Einfluss in Computerspielen
In einer virtuellen Welt zunächst eine große Bitte vor anschließende moderate
2 (7 There.com) ließen (zwei Stunden lang gemeinsam Bitte reagieren würden. Es
Eastwick und Gardner (2008) teleportieren und Fotos zeigte sich, dass in beiden
Avatare in der Kontroll- machen), die von den meisten Experimentalbedingungen
bedingung eine moderate Teilnehmern abgelehnt deutlich mehr Teilnehmer
Bitte gegenüber einem wurde. In der Foot-in-the- der moderaten Bitte
anderen Avatar vorbringen Door-Bedingung hingegen nachkamen als in der Kontroll-
(gemeinsam zu einem Ort bat der Avatar zunächst um bedingung. Demnach wirken
teleportieren und dort ein einen kleinen Gefallen („Kann die Verpflichtungsgefühle,
Foto machen). Daneben gab ich einen Screenshot von dir die dem Door-in-the-Face-
es noch zwei unterschiedliche machen?“), womit die meisten und dem Foot-in-the-
Experimentalbedingungen: Teilnehmer einverstanden Door-Effekt zugrunde liegen,
In der Door-in-the-Face- waren. Interessant war nun, auch in virtuellen Welten
Bedingung brachte der Avatar wie die Teilnehmer auf die (. Abb. 2.18).
. Abb. 2.18 In virtuellen Welten greifen die gleichen Verpflichtungsgefühle wie in der realen Welt. (© Db
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157 3
Prozesse in Kleingruppen –
Intragruppenprozesse
3.1 Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus? – 158
3.1.1 Was verstehen wir unter einer Gruppe? – 159
3.1.2 Wozu bilden Menschen Gruppen? – 161
3.1.3 Welche Kriterien sind bei Gruppenauswahl und
Gruppenbildung bedeutsam? – 162
3.1.4 Welche Strukturelemente bilden das Grundgerüst einer
Gruppe und welchen Einfluss haben sie auf das Verhalten der
Mitglieder? – 164
3.1.5 Zusammenfassung – 178
. Abb. 3.1 Oft braucht es mehrere Hände (oder Köpfe), um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen. Im besten
Fall ergänzt man sich dabei perfekt und hat auch noch Spaß an der Zusammenarbeit. Anstatt sich synergetisch
zu verzahnen, kann sich allerdings bei dem Zusammenspiel aller auch einiges verhaken und ins Stocken geraten
(7 Abschn. 3.2.2). (© fotomek/stock.adobe.com)
Gruppe überhaupt ist (7 Abschn. 3.1.1). Um dabei um mehrere Menschen handelt, die
nachvollziehen zu können, warum Grup- in irgendeiner Form etwas miteinander zu
pen immer wieder drastische und sogar tun haben“. Damit wären bereits zwei der
gefährliche Effekte haben können, werden Definitionskriterien für eine Gruppe im
wir in 7 Abschn. 3.1.2 die Bedeutung von psychologischen Sinne (Cartwright und Zander
Gruppen für ihre Mitglieder beleuchten, in 1968; Lewin 1948; Weinert 1998) genannt –
7 Abschn. 3.1.3 Kriterien für die Gruppen- der Mensch in der Mehrzahl und eine wie
bildung bzw. Gruppenauswahl besprechen auch immer geartete Interaktion.1 Betrachten
und in 7 Abschn. 3.1.4 einflussreiche struktu-
relle Gegebenheiten, wie beispielsweise Rollen
und Normen, in einer Gruppe betrachten. 1 Welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit man von
einer Gruppe sprechen kann, wird sehr unterschied-
lich gesehen. Turner (1982) beispielsweise fordert
3.1.1 Was verstehen wir unter nur, dass es sich um zwei oder mehr Personen
einer Gruppe? handelt, die sich selbst als Mitglieder der gleichen
sozialen Kategorie wahrnehmen. Als Gruppen gelten
demnach auch das Geschlecht, dem man angehört,
Was würden Sie spontan sagen, wenn Sie und die eigene ethnische Gruppe. Für die nach-
gebeten würden zu erklären, was eine Gruppe folgend beschriebenen Phänomene wird jedoch eine
ist? Wohl etwas in der Art wie „dass es sich engere Definition des Gruppenbegriffs verwendet.
160 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
wir zunächst das erste Kriterium: Die Basis 5 Gemeinsame Ziele oder Interessen:
einer Gruppe bilden zwei oder mehr Perso- Die Mitglieder einer Gruppe haben
nen. Viele Gruppenphänomene sind bereits bei gemeinsame Ziele oder Interessen, wie
der Dyade, d. h. bei einer aus zwei Personen beispielsweise eine wichtige außenpoliti-
bestehenden Gruppe, beobachtbar, andere, wie sche Entscheidung zu fällen (7 Illustration:
beispielsweise die Koalitionsbildung, benötigen Die amerikanische Invasion in der Schweine-
3 für ihr Auftreten mindestens drei Personen. bucht 1961), eine Prüfung zu bestehen
oder auch sich körperlich fit zu halten
Gruppe und gemeinsam Spaß zu haben (z. B. eine
Ansammlung von zwei oder mehr Gruppe von Joggern). Auch das bedingt
Personen, die die Kriterien Interaktion, Interdependenz der Mitglieder.
gemeinsame Ziele, Wir-Gefühl sowie 5 Wir-Gefühl: Die Mitglieder einer Gruppe
zeitliche Stabilität aufweist. nehmen sich selbst als Gruppe wahr und
grenzen sich damit gegenüber anderen
Personen ab („wir“ und „die anderen“). Im
Damit eine Ansammlung von Menschen Sinne dieser Abgrenzung wird die Gruppe
zur Gruppe wird, müssen jedoch noch wei- auch von Außenstehenden als eine solche,
tere Kriterien erfüllt sein, die man unter dem d. h. als Einheit, wahrgenommen.
Schlagwort „zielgerichtetes Miteinander“ 5 Zeitliche Stabilität: Eine über wenige
zusammenfassen kann: Augenblicke hinausgehende Dauer der
5 Interaktion: Die Mitglieder einer Gruppe Interaktion ist das vierte definierende
interagieren miteinander, d. h., sie neh- Kriterium, da sich gruppentypische
men sich gegenseitig bewusst wahr und Strukturen (7 Abschn. 3.1.4) erst mit der
kommunizieren untereinander. Dieses Zeit herausbilden3 und gruppenspezifische
Kriterium bedingt auch eine Begrenzung Phänomene deshalb unter Umständen
der Gruppengröße nach oben, da bei einer auch erst nach einer gewissen Bestands-
größeren Personenanzahl eine wechsel- dauer auftauchen.
seitige Interaktion von Angesicht zu Ange-
sicht aller Gruppenmitglieder unrealistisch Eine Ansammlung von Personen, wie beispiels-
wird.2 weise mehrere Studierende, die unabhängig
voneinander im Lesesaal der Bibliothek lernen,
stellt hingegen noch keine Gruppe im enge-
ren Sinne dar, da eine Ansammlung sich allein
durch die Anwesenheit anderer Personen defi-
2 Gemäß soziologischer Theorien und Befunde sind
niert und damit nur eines der verschiedenen
unsere sozialen Netzwerke hierarchisch aufgebaut,
mit typischerweise drei bis fünf verlässlichen Definitionskriterien einer Gruppe erfüllt.
Unterstützern, neun bis 15 engen Freunden und
ca. 150 Freunden in unterschiedlichen Gruppen
oder Cliquen (Dunbar 1993). Diese Zahlen ergeben
sich zum einen aus kognitiven Grenzen in der
Verarbeitungskapazität sozialer Informationen
und zum anderen aus Beschränkungen hin- 3 Forschungsbefunden zufolge durchlaufen Grup-
sichtlich der zur Beziehungspflege verfügbaren pen, die neu zusammengestellt werden, typischer-
Zeit. Obwohl Online-Kommunikation in sozialen weise verschiedene Entwicklungsphasen, in deren
Medien effizienter ist, scheinen diese Zahlen auch Verlauf aus einer Ansammlung von Personen eine
für Online-Netzwerke zu gelten (Dunbar 2016; arbeitsfähige Gruppe werden kann (Tuckman 1965;
Grabowicz et al. 2012; Kietzmann et al. 2011). vgl. auch Eisenstat 1990; Gersick 1990; Long 1984;
Unabhängig vom Medium haben Frauen und Moreland und Levine 1988; Tuckman und Jensen
Jugendliche größere Netzwerke als Männer und 1977; Wheelan 1994; für einen Überblick vgl. Werth
ältere Erwachsene. 2009, 7 Kap. 6).
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
161 3
Auch eine Masse – wie beispielsweise meh- können, weniger Spaß am Leben zu haben
rere Tausend Studierende auf einer Demons- oder schrecklich einsam zu sein.
tration gegen Studiengebühren – ist nicht Letztendlich schließen wir uns Gruppen
mit einer Gruppe zu verwechseln. Kenn- an, weil wir in irgendeiner Form einen Nut-
zeichnend ist hier, dass sehr viele Personen zen daraus ziehen (Levine und Moreland
anwesend sind, die aber nicht alle wechsel- 1994), auch wenn dieser Nutzen nicht immer
seitig miteinander interagieren. Dennoch offensichtlich oder der bewussten Über-
gibt es Theorien, wie beispielsweise das Social legung zugänglich ist. Der Begriff „Nutzen“
Identity Model of Deindividuation Phenomena hört sich in diesem Zusammenhang recht
(7 Abschn. 3.1.4.2), die sowohl für Massen als ökonomisch-rational an, und tatsächlich ist
auch für Gruppen relevant sind. auf der einen Seite ein – im weitesten Sinne –
Sie wissen nun, was unter einer Gruppe materieller Nutzen gemeint.
im psychologischen Sinne zu verstehen ist. So finden sich Menschen in Gruppen
Wenn Sie sich kurz Zeit zum Überlegen neh- zusammen, um gemeinsame Interessen bzw.
men, werden Sie feststellen, dass Sie einer Ziele zu verfolgen, die alleine überhaupt
ganzen Reihe von Gruppen angehören: zum nicht, nicht in einem angemessenen Zeit-
einen Ihrer Familie, zum anderen aber auch rahmen oder nur sehr viel mühsamer zu
beruflichen Gruppen, wie z. B. der Abteilung/ erreichen wären. Ein komplexes Projekt,
Arbeitsgruppe oder einer Lerngruppe. Nicht wie die Entwicklung eines neuen Flugzeug-
zu vergessen sind all die Gruppen, denen wir typs, kann schwerlich von einer Person
uns in unserer Freizeit anschließen – seien es allein bewältigt werden – selbst wenn deren
der Sportverein, ein Volkshochschulkurs, der Lebenszeit dazu ausreichte, so wäre doch
Ortsverein einer politischen Partei oder die mit Sicherheit die Technik bei Fertigstellung
Jugendgruppe der Kirchengemeinde. Wes- des Flugzeugs längst überholt. Eine Gruppe
halb gehören Sie solchen Gruppen an und von Experten aus den verschiedensten Fach-
bezahlen nicht selten sogar einen Mitglieds- bereichen ist dagegen sehr wohl in der Lage,
beitrag? Was würde Ihnen fehlen, wenn Sie ein solches Produkt wettbewerbsfähig auf
diesen Gruppen nicht mehr angehören wür- den Markt zu bringen. In einer Lerngruppe
den? Beeinflussen „Ihre“ Gruppen, wie Sie könnte der Nutzen darin bestehen, das
denken, handeln und fühlen? Exzerpieren der Prüfungsliteratur auf die Mit-
glieder aufzuteilen, sodass sich nicht jeder
einzeln durch die komplette Originalliteratur
3.1.2 Wozu bilden Menschen kämpfen muss.
Gruppen? Auch die Überzeugung anderer Perso-
nen kann neben der Produktivität ein wich-
Dass wir alle verschiedenen Gruppen tiges Ziel sein. So wollen die Mitglieder einer
angehören und die Zugehörigkeit zu diesen Arbeitsgruppe Umwelt vielleicht Mitschüler
Gruppen uns häufig sehr wichtig ist, haben oder Kollegen dazu bewegen, weniger Müll
Sie wahrscheinlich bemerkt, als Sie sich mit zu produzieren. In der Gruppe fühlen sie
den Fragen am Ende des vorhergehenden sich dabei sicherer und wirken im Sinne von
Abschnitts auseinandergesetzt haben. Müss- „Gemeinsam sind wir stark“ unter Umständen
ten Sie Ihre Zugehörigkeit zu diesen Grup- auch überzeugender. Die Zugehörigkeit zu
pen aufgeben, hätten Sie möglicherweise das einer Gruppe gewährt uns also auch Sicher-
Gefühl, bestimmte Ziele nicht erreichen zu heit, Schutz und Macht.
162 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Gruppen sind weiterhin dann attraktiv, wenn Für die Gruppenbildung ist ein Faktor sehr
man in die Gruppe „passt“, d. h., wenn man entscheidend: die gegenseitige Sympathie.
ein typisches Mitglied dieser Gruppe darstellt. Ob eine Person uns sympathisch ist oder
Personen neigen deshalb dazu, Gruppen zu nicht, wird durch verschiedenste Faktoren
wählen, mit denen die eigenen Einstellungen beeinflusst (▶ Sozialpsychologie I, Kap. 5)
und Verhaltensweisen übereinstimmen und beschrieben werden. Vermittelnd für Sym-
in denen sie als typisch wahrgenommen wer- pathie sind u. a. die wahrgenommene Ähn-
den (Hogg 1992; Niedenthal et al. 1985). Dies lichkeit (Byrne 1971, 1997) und die räumliche
ist von Vorteil, da Übereinstimmungen bei den Nähe bzw. die Kontakthäufigkeit (Bornstein
anderen Gruppenmitgliedern – im Sinne eines 1989; Festinger et al. 1950; Zajonc 1968). Man
psychischen Nutzens – zu Anerkennung führen. könnte auch sagen: Bei der Gruppenauswahl
Im Falle von abweichenden Ansichten besteht (7 Abschn. 3.1.3.1) entscheiden wir uns eher
164 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.2 Viele Gruppen beruhen auf ähnlichen Interessen. So bilden Menschen Gruppen, um gemeinsam
Schach, Fußball oder Videospiele zu spielen, zu musizieren, auf das Examen zu lernen oder für den Umwelt-
schutz zu kämpfen. Bei Cliquen und Freundeskreisen gesellt sich ebenfalls häufig gleich und gleich (7 Kap. 1) –
und das sowohl in Bezug auf Charaktereigenschaften als auch auf soziale Kategorien wie Alter und Geschlecht.
(© fizkes/stock.adobe.com)
für die Gruppe, für die wir ein typisches Mit- und wo sich die Umkleidekabinen befinden.
glied darstellen, und bei der Gruppenbildung Sie betreten nun das erste Mal den Umkleide-
suchen wir uns Mitstreiter aus, die uns ähnlich raum, begrüßen die übrigen Anwesenden
sind. Für den Lerngruppenfall hieße das, dass eher schüchtern und ziehen Ihre Sport-
wir diejenigen Kommilitonen auswählen, die kleidung an. In der Anfangszeit werden Sie
etwas mit uns gemeinsam haben. Dabei kön- eher vorsichtig sein und beobachten, wie sich
nen nicht nur eine Ähnlichkeit im Leistungs- die „alten Hasen“ verhalten – sei es gegenüber
niveau oder in der Einstellung zum Studium dem Trainer, gegenüber den anderen Mit-
bzw. zum Lernen relevant sein, sondern auch streitern oder hinsichtlich der bevorzugten
ähnliche allgemeine Wertvorstellungen, die Gesprächsthemen. Mit der Zeit bekommen
gleiche Art von Humor oder dieselbe Lieb- Sie mit, wer in der Gruppe besonders beliebt
lingsfernsehsendung den Ausschlag geben. ist und wer das Sagen hat. Sie fühlen sich
in der Gruppe immer sicherer und wissen
nach einiger Zeit recht genau, was von Ihnen
3.1.4 Welche Strukturelemente erwartet wird und was Sie von den anderen
bilden das Grundgerüst Mitgliedern erwarten können. Im Fachjargon
einer Gruppe und welchen könnte man sagen, Sie haben nach und nach
Einfluss haben sie auf das die Gruppenstruktur ergründet.
Verhalten der Mitglieder? Welche Strukturmerkmale machen nun
eine Gruppe aus, und warum beschäftigen wir
Nehmen wir an, Sie sind soeben einer Gruppe uns damit? Zur Gruppenstruktur gehören die
frisch beigetreten, vielleicht einem Sportver- offiziellen und inoffiziellen Verhaltensregeln,
ein. Sie bekommen vom Trainer eine erste die alle Mitglieder gleichermaßen betreffen
kurze Einführung, wann die Trainingsstunden (7 Abschn. 3.1.4.1), Verhaltenserwartungen,
beginnen, welche Kleidung mitzubringen ist die für einzelne Mitglieder unterschiedlich
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
165 3
sein können (7 Abschn. 3.1.4.2), das Pres- Da die Gruppenzugehörigkeit für den Men-
tige, das jedes Mitglied in der Gruppe inne- schen sehr wichtig ist, wird er versuchen, sol-
hat (7 Abschn. 3.1.4.3), sowie das Ausmaß che Sanktionen so gut es geht zu vermeiden.
des Zusammenhalts innerhalb der Gruppe Daraus ergibt sich ein starker Einfluss von
(7 Abschn. 3.1.4.4). Eine ausführliche Normen auf das Verhalten der Gruppenmit-
Beschäftigung mit diesen Merkmalen ist des- glieder. Da man weiterhin damit rechnen
halb von entscheidender Bedeutung, weil kann, dass sich auch die anderen Mitglieder
eben diese Merkmale einen starken Einfluss weitestgehend an die gruppeninternen
auf das Verhalten der Gruppenmitglieder Regeln halten, werden das Verhalten der
haben und auch mit verursachen, dass und anderen Gruppenmitglieder und auch deren
inwiefern es in Gruppen zu Schwierigkeiten Reaktionen auf eigenes Verhalten zu einem
verschiedenster Art kommen kann. gewissen Grad vorhersagbar. Verhält man sich
normgerecht, bewegt man sich auf sicherem
3.1.4.1 Normen Boden. Tut man dies nicht, weiß man, dass
Soziale Normen sind allgemein geteilte mit Sanktionen zu rechnen ist (. Abb. 3.3).
Erwartungen darüber, wie man, d. h. jeder
in der Gruppe, sich unabhängig von sei- Normen
ner Rolle zu verhalten hat und welche Ein- Allgemein geteilte Erwartungen darüber,
stellungen erwünscht sind (Deutsch und wie sich alle Gruppenmitglieder zu
Gerard 1955; Kelley 1955; Miller und Prentice verhalten haben.
1996). Ähnlich wie Regelwerke im Sport oder
bei Gesellschaftsspielen sorgen Normen –
häufig in Form „ungeschriebener Gesetze“ – Des Weiteren haben Normen die Funktion
dafür, die Interaktion möglichst reibungslos einer Grundsatzentscheidung, die in häufig
zu gestalten. Gerade im Gruppenkontext, wiederkehrenden Situationen Diskussionen
der sich durch eine intensive Interaktion der über angemessenes Verhalten unnötig macht
Mitglieder auszeichnet, spielen Normen des- und damit Ressourcen spart. Frei werdende
halb eine wichtige Rolle. Dieser Bedeutung Kapazitäten können dann dazu eingesetzt
entsprechend wird in der Gruppe auch dafür werden, sich der Erfüllung der Gruppenziele
gesorgt, dass Normen eingehalten werden: zu widmen. Sind Personen mit den gruppen-
Mitglieder, die sich nicht an die gruppen- internen Normen noch nicht vertraut – wie
internen Gesetze halten, müssen mit Sanktio- es zu Beginn einer Mitgliedschaft bzw. einer
nen der Gruppe rechnen bzw. werden unter Gruppenbildung der Fall ist –, so versuchen sie
Druck gesetzt, ihr Verhalten zu ändern oder trotzdem bereits, Normen nicht zu verletzen,
die Gruppe zu verlassen (Schachter 1951). indem sie zunächst vorsichtig agieren und sich
am Verhalten der anderen orientieren.
Illustration: Normabweichung Normen haben also eine wichtige Funk-
Normabweichungen können in Extrem- tion für das menschliche Zusammenleben.
fällen gravierende Auswirkungen für die Wie jedoch schon angeklungen ist, wer-
Betroffenen haben. So berichtete die den diese Normen nicht immer freiwillig
Washington Post im Jahr 1996 von Mobbing eingehalten und können damit als Ein-
in japanischen Schulen (Jordan 1996): Schü- schränkung der eigenen Entfaltungsmög-
ler, die in irgendeiner Form „anders“ waren, lichkeiten erlebt werden (7 Abschn. 2.2.1).
wurden demnach systematisch von ihren Mit- Wie stark der Einfluss einer Norm auf die
schülern schikaniert. Einige der Betroffenen Gruppenmitglieder ist, hängt von den Kon-
begingen daraufhin Selbstmord. sequenzen ab, die auf eine Normverletzung
166 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.3 Auf dem Spielfeld zeigen Linien an, wo die Spieler beispielsweise den Ball in beide Hände nehmen
dürfen oder mit dem Ball auf dem Boden aufkommen dürfen und wo sie das nicht dürfen. Ein Schiedsrichter
überwacht die Einhaltung dieser Regeln. In Teams hingegen sind die meisten Regeln unausgesprochen. Die
Rückmeldung, wann man eine Regel übertreten hat, kann sehr subtil, aber auch sehr deutlich ausfallen. Wie bei
einer Sportart, die man nicht kennt, muss man erst mal die Regeln in einer Gruppe erlernen. (© fotofox33/stock.
adobe.com)
hin zu erwarten sind (z. B. Hertel et al. 1998). Verstärkt werden kann dies beispiels-
2002), sowie davon, wie gerne das Indi- weise durch das Tragen von Uniformen oder
viduum Teil der Gruppe bleiben möchte Masken (Rehm et al. 1987; Worchel et al.
(7 Abschn. 3.1.4.4). Je stärker wir uns mit 1998; 7 Abschn. 3.1.4.2), wodurch zum einen
einer Gruppe identifizieren, desto mehr die Anonymität steigt und zum anderen die
identifizieren wir uns auch mit den Gruppen- Gruppenidentität kognitiv verfügbarer wird.
zielen, und umso wirksamer werden Verhalten, das durch Normen geregelt
Gruppennormen für unser Verhalten (Ash- ist, kann dabei in verschiedenste Richtungen
fort und Mael 1989; Fielding und Hogg 2000; gehen – abhängig davon, was die Norm inhalt-
Haslam et al. 1996; Turner 1991). Kurzum: lich besagt (Johnson und Downing 1979; Post-
Nimmt die Identifikation mit der Gruppe zu, mes et al. 2001). Wird in der Gruppe Gewalt
steigen auch Loyalität sowie die Bereitschaft, als adäquates Mittel zur Konfliktlösung
die Interessen der Gruppe zu unterstützen, angesehen, resultiert in brenzligen Situatio-
ihre Regeln einzuhalten und zusätzlichen nen mit hoher Wahrscheinlichkeit aggressives
Einsatz zu bringen (Haslam et al. 2000; van Verhalten. Ebenso kann aber auch die Hilfs-
Knippenberg 2000; van Knippenberg und van bereitschaft erhöht sein, wenn jemandem die
Schie 2000). Auch die Gruppengröße spielt Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppie-
in diesem Zusammenhang eine Rolle. Da rung verfügbarer ist, in welcher Nächstenliebe
mit der Größe einer Gruppe die Anonymität bzw. die Unterstützung von Hilfsbedürftigen
der Mitglieder ansteigt, wird im Zuge dessen als wichtig angesehen wird.
das eigene Verhalten immer weniger wahr- Normen betreffen beinahe jeden Lebens-
genommen und reflektiert, die Anpassung bereich und können von Gruppe zu Gruppe
an bzw. das Befolgen von Gruppennormen sehr unterschiedlich sein. So ist beispielsweise
nimmt zu (Diener 1980; Postmes und Spears häufig auch das äußere Erscheinungsbild
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
167 3
durch Normen geregelt. Dabei ist offensicht- Leistungsanforderungen von offizieller Seite
lich, dass sich die Bekleidungsnorm in einer erhöht werden. Wie stark sich eine solche
Gruppe jugendlicher Punks stark von der Norm auswirkt, hängt wie bereits angedeutet
einer Gruppe Bankangestellter unterscheidet. davon ab, wie sehr sich die Mitglieder mit der
In beiden Fällen bestimmen sie jedoch gleich- Gruppe identifizieren.
ermaßen wirksam das äußere Erscheinungs-
bild der Gruppenmitglieder. Illustration: Hohe Leistung kann von
Für den Schul- und Arbeitskontext ist in Vorgesetzten belohnt und zugleich von
besonderem Maße bedeutsam, dass auch die der Eigengruppe bestraft werden
Leistungsbereitschaft in einer Gruppe von Eine aus Vorgesetztensicht wünschenswert
Normen gesteuert wird. So gilt in bestimmten hohe Leistung zeigte Adolf Hennecke 1948
Altersgruppen häufig die Norm, dass es in der Sowjetischen Besatzungszone – dies
besonders „cool“ ist, nichts zu lernen und jedoch ganz entgegen den Vorstellungen der
sich weniger durch aktive Beteiligung am Bergarbeiterkollegen. In einer von der SED
Unterricht als vielmehr durch das Wider- vorbereiteten Hochleistungsschicht förderte
setzen gegenüber dem Lehrer oder das er an einem Tag 24,4 m3 Steinkohle, fast das
Spielen von Streichen hervorzutun. Doch Vierfache der geforderten Menge. Die Partei
ist ebenso anzutreffen, dass die Leistungs- belohnte dies mit 50 Mark, 1,5 kg Fettzulage,
höhe der Gruppenmitglieder nicht nur nach einer Flasche Branntwein, drei Schachteln
unten, sondern interessanterweise auch nach Zigaretten sowie einem Blumenstrauß. Später
oben eingegrenzt wird. Denken Sie in die- erhielt er u. a. für diese Leistung den National-
sem Zusammenhang einmal an Schüler, die preis der DDR I. Klasse, den Vaterländischen
besonders eifrig lernen und sich aufmerksam Verdienstorden in Gold sowie den Karl-Marx-
am Unterricht beteiligen. Diese laufen leicht Orden.
Gefahr, unter ihren Klassenkameraden als Unter seinen Arbeitskollegen machte sich
„Streber“ verschrien und dementsprechend Hennecke allerdings durch diese Aktion als
ausgegrenzt zu werden. Somit können sowohl „Normbrecher“ äußerst unbeliebt, da sie als
eine Abweichung nach unten („Drücke- Argument zur Anhebung der Leistungsan-
berger“) als auch eine sehr hohe Leistung forderungen diente (welche wiederum der
(„Streber“) Sanktionen durch die Gruppe Anstoß für den Aufstand am 17. Juni 1953
bewirken (Boehnke et al. 2004; Roethlisberger war). Indem Hennecke dem Wunsch seiner
und Dickson 1975). Vorgesetzten, eine sehr hohe Leistung zu zei-
Solche Leistungsbegrenzungen durch gen, nachkam, brach er gleichzeitig die Norm
Normen nach oben finden sich nicht nur seiner Kollegen (Eigengruppe), eine moderate
im schulischen Bereich, sondern auch im Leistung zu zeigen. Dies führte dazu, dass
Arbeitskontext. Bedenkt man, dass Leistungs- diese ihn sanktionierten, indem ihm beispiels-
bewertungen häufig aus einem sozialen Ver- weise die Fensterscheiben eingeworfen und
gleich heraus entstehen („Mitarbeiter X die Reifen seines neuen Autos zerstochen
ist besser als Mitarbeiter Y“) und sich die wurden.
Leistungserwartungen des Arbeitgebers an
der durchschnittlichen Leistung orientieren, 3.1.4.2 Rollen
so wird eine Leistungsnorm auch hier bedeut- Neben Normen wird die Struktur einer
sam. Eine überdurchschnittliche Leistung Gruppe auch durch Erwartungen bestimmt,
von einzelnen Gruppenmitgliedern lässt die die nicht für alle Mitglieder gleich sind. Diese
Leistung von weniger eifrigen oder weni- Erwartungen unterscheiden sich vielmehr in
ger fähigen Mitgliedern schlecht aussehen Abhängigkeit von der Rolle, die ein Indivi-
und könnte zudem dazu führen, dass die duum innerhalb der Gruppe einnimmt.
168 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Rollen
Rollen sind allgemein geteilte
Erwartungen darüber, wie sich eine
bestimmte Person in einer bestimmten
Situation – in diesem Fall in der Situation
Gruppe – zu verhalten hat.
3
So wird beispielsweise von einem Lehrer
erwartet, dass er über fundiertes Wissen hin-
sichtlich des Lernstoffs verfügt, dass er die
Klasse im Griff hat, bei der Vergabe von
Noten, Strafen und Belohnungen gerecht vor-
geht und insgesamt ein Verhalten an den Tag
legt, das für seine Schüler als Vorbild die-
nen kann. Im Gegensatz zu früheren Rollen-
vorstellungen wird in unserem Kulturkreis
heutzutage erwartet, dass er bei seinen Erzie-
hungsmaßnahmen ohne körperliche Züchti-
gung auskommt.
Ebenso wie bei den Normen wird auch bei
den Rollen erwartungskonformes Verhalten
von der Gruppe positiv bewertet und belohnt,
Abweichungen hingegen werden sanktio-
niert. Sorgt der Klassenkasper für die Unter- . Abb. 3.4 Bereits mit der Kleidung einer Person
haltung und Belustigung seiner Mitschüler verbinden wir bestimmte Rollenerwartungen. Ein
(erwartungskonformes Verhalten gegen- Anzug vermittelt Professionalität, eine Schürze eher
über den Mitschülern), so hat er die Lacher Häuslichkeit. (© shipwell/stock.adobe.com)
auf seiner Seite. Verhält sich dieser Schüler
plötzlich ruhig und strebsam, kann dadurch
sein Ansehen in der Klasse leiden, was einer Vorgesetzten und den Eltern mit jeweils
Sanktion gleichkommt. Der Klassenkasper unterschiedlichen Rollenerwartungen an
ist jedoch mit unterschiedlichen Rollen- sich als „Lehrer“ konfrontiert. Daneben ist
erwartungen und den jeweils dazugehörigen zu beachten, dass dieser Lehrer zudem meh-
Konsequenzen konfrontiert, denn der Leh- rere Rollen gleichzeitig unter einen Hut zu
rer wiederum stellt an den Klassenkasper bringen hat: Meist ist ein Banker nicht nur
die Rollenerwartungen, die er mit der Rolle Banker, sondern möglicherweise auch Vater,
„Schüler“ verbindet: Im Gegensatz zu den Ehemann, Kollege, Vermieter oder Mitglied
Klassenkameraden belohnt er ein ruhiges und im Sportverein (. Abb. 3.4). Nicht selten
strebsames Benehmen (erwartungskonformes widersprechen sich die Rollenerwartungen
Verhalten gegenüber dem Lehrer) und sank- verschiedener Gruppierungen (z. B. die
tioniert das Kasperverhalten. Rollenerwartungen, die Schüler versus Eltern
Wie dieses Beispiel verdeutlicht, muss der an einen Lehrer haben) bzw. die unterschied-
Einzelne zumeist verschiedenen, teils auch lichen, gleichzeitig zu erfüllenden Rollen (z. B.
widersprüchlichen Rollen und den jeweils die Rolle des Lehrers versus des Vaters), was
damit verbundenen Rollenerwartungen in unter Umständen schwer lösbaren Rollen-
gerecht werden. So sieht sich beispielsweise konflikten resultieren kann (vgl. z. B. Green-
ein Lehrer von Schülern, Kollegen, seinem haus und Beutell 1985; Rudman 1998).
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
169 3
Nichtsdestotrotz sind Rollen in einer Rudman et al. 2012). Die Metapher gläserne
Gruppe wichtig. Im Sinne einer Arbeits- Decke resultiert daraus, dass die ursächlichen
teilung helfen sie zum einen, die Über- Hindernisse, derentwegen Frauen im mittleren
lastung einzelner Mitglieder zu vermeiden Management „hängen bleiben“, häufig mit den
und das Erreichen von Gruppenzielen wahr- Organisationsstrukturen untrennbar verwoben
scheinlicher zu machen. Ähnlich wie die und somit schwer erkennbar sind. Sie wirken
Gruppenzugehörigkeit selbst tragen Rollen daher wie eine unsichtbare Aufstiegsbarriere
des Weiteren zu unserer Selbstdefinition bei (. Abb. 3.5). Doch auch für Männer gibt es
und sorgen zudem für eine gewisse Ordnung vergleichbare Barrieren: Männliche Arbeit-
innerhalb der Gruppe, indem sie das Ver- nehmer, die in den USA um unbezahlten
halten der Gruppenmitglieder vorhersehbarer Urlaub zur Pflege Angehöriger bitten (was
machen (Brown 2000, S. 72). Rollen bieten nicht zu den geschlechtstypischen Rollenvor-
jedem Mitglied einen Verhaltensspielraum, in stellungen passt), werden als schwach und
dem es sich weitgehend sicher und ohne Angst unsicher wahrgenommen und daher eher
vor Sanktionen bewegen kann. Das umso herabgestuft oder gekündigt (Rudman und
mehr, je klarer die Rolle definiert ist, d. h., je Mescher 2013).
klarer ist, was von dem Rollenträger erwartet Neben positiven Effekten können Rol-
wird. Entsprechend sind beispielsweise auch len demnach auch Probleme aufwerfen. Dies
Arbeitszufriedenheit und Leistung höher, umso mehr, weil der Einfluss von Rollen auf
wenn Rollen klar definiert sind und von den das Verhalten von Menschen – gerade im
Rollenträgern auch erfüllt werden (Jackson Vergleich zum Einfluss der Persönlichkeit –
und Schuler 1985; Tubré und Collins 2000). häufig stark unterschätzt wird (z. B.
Rollen geben somit einen Rahmen bzw. Humphrey 1985; Jones und Harris 1967;
Grenzen vor, die Sicherheit bieten: Solange Ross et al. 1977; ▶ Sozialpsychologie I,
man wie bei einem Schutzwall innerhalb des Abschn. 5.2.2: Fundamentaler Attributions-
umgrenzten Bereichs bleibt, hat man nichts zu fehler). So können durch die Übernahme
befürchten. So wie eine Mauer jedoch gleich- einer Rolle sogar grundlegende persönliche
zeitig den Bewegungsspielraum eingrenzt, Wertvorstellungen irrelevant werden (Zim-
so grenzen auch Rollen den Verhaltensspiel- bardo 1969) und Personen in der Folge ein
raum des Einzelnen ein. Verhalten sich Perso- Verhalten zeigen, das man diesen – würde
nen nicht rollenkonform, weil sie bestimmte man sie außerhalb dieser Rolle kennen –
Rollenerwartungen z. B. für überholt, unsinnig niemals zutrauen würde. Auch die Per-
oder moralisch ungerecht halten, so müssen son selbst würde sich vor Übernahme der
sie mit Sanktionen rechnen. Ein immer noch Rolle entschieden dagegen verwehren, dass
aktuelles Beispiel dafür sind die verschiedenen sie beispielsweise in der Lage wäre, andere
Rollenerwartungen, die traditionell für Män- Menschen zu schikanieren oder gar körper-
ner und Frauen gelten. Sowohl der „Haus- lich zu quälen. Genau diese Auswirkungen
mann und Vater“ als auch die „zielstrebige können Rollen jedoch haben, wie das legen-
Karrierefrau“ passen wenig zu den geschlechts- däre Stanford-Prison-Experiment (Haney
typischen Rollenvorstellungen und führen et al. 1973a) – vielen bekannt durch den
immer wieder zu negativen Konsequenzen Film Das Experiment (2001) – erschreckend
für die betroffenen Personen (Phelan und deutlich macht (7 Beispielstudie 3.1). Das
Rudman 2010; Rudman und Mescher 2013; in diesem Zusammenhang ausschlag-
Rudman 1998). Eine Folge davon ist, dass gebende Phänomen wird in der Psychologie
Frauen in höheren Managementebenen nach Depersonalisierung genannt. Wenn Men-
wie vor unterrepräsentiert sind – ein Phäno- schen persönlich anonym sind und gleich-
men, das als Glass Ceiling („gläserne Decke“) zeitig einer salienten Gruppe angehören,
bezeichnet wird (Rudman und Fairchild 2004; so handeln sie laut Social Identity Model of
170 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.5 Rollenerwartungen wirken oft wie eine gläserne Decke. Streben Frauen Führungspositionen an,
so passt das in einer solchen Position erforderliche Führungsverhalten nicht zur weiblichen Geschlechtsrollen-
erwartung als nachgiebig, denn von einer Führungskraft werden selbstbewussteres und durchsetzungsfähigeres
Auftreten erwartet, als man Frauen im Allgemeinen gerne zuschreibt. Diese Erwartungsverletzung kann zu einer
Abwertung – in ihrer Führungsrolle angemessen – dominant auftretender Frauen führen und ist damit eine
Karrierebremse. (© Juriah Mosin/stock.adobe.com)
Deindividuation Phenomena vor allem im Dass Rollen vor allem durch die
Sinne ihrer sozialen Identität und nicht ihrer Erwartungen charakterisiert sind, die
personalen Identität.5 Demnach bestimmen wir mit ihnen verbinden, also mit Ereig-
dann die Normen und Werte der Gruppe das nis- und Personenschemata oder Stereo-
persönliche Verhalten, selbst wenn diese nicht typen verbunden sind (▶ Sozialpsychologie I,
den persönlichen Normen und Werten ent- Abschn. 2.1), macht sie Theater- oder Schau-
sprechen (Reicher et al. 1995). spielrollen ähnlich. Wenn wir eine Rolle ein-
nehmen, so spielen wir diese Rolle immer
auch bis zu einem gewissen Grade. Wir fol-
gen also zum Teil einem Drehbuch, das wir
5 Salienz bedeutet Auffälligkeit eines Reizes in Bezug uns entweder abgeschaut haben – wie etwa,
auf seinen Hintergrund (vgl. 7 Sozialpsychologie wenn wir im eigenen Erziehungsverhalten auf
I, Kap. 2). Als salient bezeichnet man daher eine Methoden unserer Eltern zurückgreifen – oder
Gruppenzugehörigkeit, die durch den Kontext in
den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. So wird im
das wir in Studium und Ausbildung gelernt
Fußballstadion die soziale Identität Fußballfan haben – wie etwa Methoden der Unterrichts-
salient. gestaltung für den Lehrerberuf.
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
171 3
Beispielstudie 3.1
Man kann Menschen durch Zuweisung bestimmter Rollen relativ leicht dazu bringen,
extremes Verhalten zu zeigen
Wie stark der Einfluss Kleidung, einer Trillerpfeife, ihnen das Bett wegnahmen
sozialer Rollen selbst in einer einem Gummiknüppel und oder ihnen die Kleidung
experimentellen Situation verspiegelten Sonnenbrillen auszogen und sie mit einem
und ohne offensichtliche ausgestattet. Die übrigen Feuerlöscher abspritzten. Die
Notwendigkeit sein kann, Studierenden, die per in der Rolle der „Häftlinge“
zeigt das Stanford-Prison- Münzwurf zu „Häftlingen“ steckenden Studierenden
Experiment von Zimbardo wurden, erhielten als wurden passiv, zeigten
und Kollegen (Haney et al. Kleidung ein langes verstärkt Hilflosigkeit und
1973b). Dieses wurde im Jahre Hemd mit aufgedruckter zogen sich in sich selbst
2001 durch die deutsche Identifikationsnummer, zurück. Manche wurden so
Verfilmung mit dem Titel Das Gummisandalen und ängstlich und depressiv, dass
Experiment und im Jahre 2015 eine aus Nylonstrümpfen sie noch vor Ablauf der sechs
durch die US-amerikanische gefertigte Kappe. An einem Tage aus dem Experiment
Verfilmung The Stanford Prison Fußgelenk wurde eine Kette entlassen werden mussten.
Experiment auch über die angeschlossen, und jeweils Diese Ergebnisse sind umso
psychologischen Kreise hinaus drei „Häftlinge“ wurden alarmierender, da jeder der
bekannt. gemeinsam in eine Zelle Beteiligten zu jedem Zeitpunkt
Für dieses Experiment gesperrt. wusste, dass es sich um eine
wurde im Untergeschoss Zimbardo brach das Studie handelt. Allen war
des psychologischen Experiment nach sechs der demnach bekannt, dass es
Lehrstuhls der Universität ursprünglich geplanten eigentlich gar kein Gefängnis
Stanford ein Flur zu einem 14 Tage ab, da eine gab und ein Universitätsflur
Pseudogefängnis umgebaut, Weiterführung ethisch nur für den Zweck eines
und 21 Studierende wurden nicht vertretbar gewesen psychologischen Experiments
als Teilnehmer angeworben. wäre: Die Studierenden umgebaut worden war.
Diese sollten für zwei hatten sich in ihren Des Weiteren wussten alle
Wochen die Rolle eines jeweiligen Rollen „verloren“ Teilnehmer, dass die Rollen nur
Gefängniswärters oder und das entsprechende per Zufall zugewiesen worden
eines Häftlings spielen. Die Rollenverhalten in waren und ihr Verhalten die
Rollen wurden nach dem extremem Maße ausgelebt. ganze Zeit über von den
Zufallsprinzip – genauer Beleidigungen und Forschern beobachtet werden
gesagt durch das Werfen Machtmissbrauch auf konnte. Trotz dieser Umstände
einer Münze – vergeben Seiten der „Wärter“ waren war der Einfluss der Rollen so
und hatten demnach nichts an der Tagesordnung. Die stark, dass die Studierenden
mit Persönlichkeitseigen- „Häftlinge“ (in der Realität Verhaltensweisen an den Tag
schaften oder anderen Kommilitonen!) wurden auf legten, die sie sich vermutlich
Merkmalen der Studenten zu vielfältige Weise schikaniert selbst niemals zugetraut
tun. Teilnehmer, die auf diese und gedemütigt. Bereits in hätten. Die heutigen ethischen
Weise zufällig zur Rolle eines der ersten Nacht wurden Standards verbieten die
„Wärters“ gekommen waren, aufmüpfige „Häftlinge“ Wiederholung einer solchen
wurden mit khakifarbener bestraft, indem die „Wärter“ Studie.
. Abb. 3.6 Ein Mann, der in eine körperliche Zwangslage gebracht wurde. Solche (und noch deutlich extre-
mere) Zwangslagen werden bei Folter eingesetzt. Obwohl die UN-Antifolterkonvention Folter verbietet, wurde
in jüngerer Zeit laut einem Bericht von Amnesty International (2014) in 141 Ländern gefoltert. (© Innovated
Captures/stock.adobe.com)
Versuchsleiter Zimbardo (2007, S. 55) allerdings club? So I consciously created this persona. I
gab den Wärtern zu Beginn der Studie deut- was in all kinds of drama productions in high
liche Hinweise, welche Ergebnisse er erwartete: school and college. It was something I was
„[…] We can create a sense of frustration. We very familiar with: to take on another perso-
can create fear in them, to some degree. We can nality before you step out on the stage.“
create a notion of the arbitrariness that governs
their lives, which are totally controlled by us.“ Wozu Situationen wie die im Stanford-Pri-
Diese Ansprache nennt keine konkreten Ver- son-Experiment hergestellten führen kön-
haltensweisen. Um sich rollenkonform ver- nen, zeigt ein Blick in die Geschichte. Seien
halten zu können, müssen Menschen über das es der Holocaust der Nazis, die Völkermorde
passende Verhaltensrepertoire verfügen und im Kosovo, in Ruanda und in Darfur, die
natürlich auch bereit sein, so zu agieren. Ihr Schreckensherrschaft der Terrormiliz Islami-
Verhaltensrepertoire werden die Versuchsteil- scher Staat u. a. im Irak, in Syrien und Libyen,
nehmer zum Teil aus Filmen und Erzählungen Folter in russischen und chinesischen Gefäng-
genommen haben. Daneben hat möglicher- nissen oder die Folterskandale der US-ameri-
weise Zimbardo selbst konkrete Vorschläge kanischen Armee im irakischen Gefängnis Abu
gemacht, beispielsweise zum Einsatz von Ghraib (. Abb. 3.6).6 Bei all diesen Beispielen
Schlafentzug (Mark 2011; Prescott 2005). Der fand bei den Tätern vermutlich ein Prozess
größte Antreiber unter den Wächtern, Eshel- der Deindividuierung statt, bei dem persön-
man (2011), beschreibt sein Bemühen, eine liche Normen außer Kraft gesetzt wurden
gute Vorstellung zu geben, wie folgt: „I set out und stattdessen extreme Gruppennormen das
with a definite plan in mind, to try to force the
action, force something to happen, so that the
6 Zur Zeit des zweiten Golfkriegs im Jahre 2004
researchers would have something to work
gelangten Fotos von folternden US-Soldatinnen
with. After all, what could they possibly learn und -Soldaten an die Presse und lösten weltweit
from guys sitting around like it was a country Bestürzung aus.
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
173 3
Handeln der Einzelnen bestimmten. Die jewei- Status ist also von der Position im Unter-
lige Rolle, beispielsweise Kommandant eines nehmen und von der Rolle in der Gruppe
Konzentrationslagers, beinhaltet Erwartungen zu unterscheiden. Bei formalisierten hie-
bezüglich der Grausamkeit des Verhaltens rarchischen Strukturen ist die Person, die
gegenüber der Fremdgruppe. Anders als im die Führungsposition innehat, auch mit der
Stanford-Prison-Experiment speisen sich die Führungsrolle betraut und wird mit teilweise
Gruppennormen in realen Konflikten aber widersprüchlichen Rollenerwartungen unter-
immer auch aus einer entsprechend förder- schiedlicher Akteure (z. B. Mitarbeitern, Vor-
lichen Ideologie, welche die Gegner zu Fein- gesetzten, Kunden) konfrontiert (für einen
den, Untermenschen oder Ungläubigen erklärt Überblick vgl. Steiger 2013). Macht sie ihre
und entsprechendes Verhalten rechtfertigt und Sache gut, steigt normalerweise ihr Status
legitimiert. innerhalb der Gruppe. Aber auch in Teams
ohne formelle Führungsposition ergibt sich
3.1.4.3 Status oftmals eine Notwendigkeit, dass eine oder
mehrere Personen die Führungsrolle ein-
Neben Rollen und Normen ist der Status als nehmen (7 Exkurs: Shared Leadership).
weiteres Strukturmerkmal von Gruppen zu Ein hoher Status wird gemäß der Theorie
unterscheiden. Aus dem unterschiedlichen Sta- der Erwartungszustände (Expectation-Sta-
tus der jeweiligen Gruppenmitglieder ergibt te-Theorie; Berger et al. 1980) denjenigen Mit-
sich letztendlich so etwas wie eine interne gliedern zugewiesen, von denen die Gruppe
Machtverteilung oder Rangordnung. Dabei han- erwartet, dass sie in besonderem Maße zur
delt es sich um die sozial bewertete Stellung aus Erreichung der Gruppenziele beitragen kön-
Sicht der Gruppenmitglieder, die sich von der nen. Um diese Mitglieder zu identifizieren,
offiziellen Position, die ein Gruppenmitglied werden zum einen Fähigkeiten bzw. Fertig-
beispielsweise in einer Organisation innehat keiten, die für eine erfolgreiche Bewältigung
(z. B. Abteilungsleiter), unter Umständen dras- der Aufgabe unmittelbar von Bedeutung sind
tisch unterscheiden kann. Der Einfluss, den ein (sog. spezifische Statusmerkmale) heran-
Gruppenmitglied ausüben kann, wird umso gezogen. Zum anderen werden Erwartungen
größer, je höher sein Status ist. auch aufgrund von diffusen Statusmerkmalen
Der Status definiert – ebenso wie o. g.
entwickelt. Für letztere kommen prinzipiell
Rollen und Normen – den Handlungsspiel- alle Eigenschaften/Merkmale einer Person
raum eines Gruppenmitglieds. Von ihm ist infrage, solange diese von der Gruppe mit
beispielsweise abhängig, was sich der Einzelne einer erfolgreichen Aufgabenbewältigung im
„erlauben“ kann. So können sich Personen mit Zusammenhang gesehen werden (z. B. Alter,
hohem Status (z. B. eine Führungskraft) viel Geschlecht, ethnische Abstammung, Titel oder
eher erlauben, sich der Einhaltung bestimmter der Status in anderen Gruppen; für eine Über-
Normen zu entziehen. In für die Gruppe kri- sicht vgl. Berger und Zelditch 1993). Diffuse
tischen Bereichen und im Umgang mit ande-
Statusmerkmale spielen insbesondere dann
ren Gruppen ist dagegen zu erwarten, dass eine Rolle, wenn der Gruppe die spezifischen
Mitglieder mit hohem Status Modellfunktion
(noch) nicht bekannt sind. Personen, die einen
haben und sich deswegen besonders strikt hohen Status innehaben, werden von der
an die entsprechenden Normen halten (z. B.
Gruppe in der Folge entsprechend behandelt:
Nagata 1980; Sherif und Sherif 1964). Das Wort wird häufiger an sie gerichtet, sie
werden verstärkt zu Aktivität aufgefordert,
Status
und ihre Beiträge werden von den übrigen
Sozial bewertete Stellung einer Person aus Mitgliedern zudem mit größerer Wahrschein-
Sicht der übrigen Gruppenmitglieder. lichkeit bereitwillig aufgenommen. Dadurch
haben diese Personen einen stärkeren Einfluss
174 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Exkurs
Shared Leadership
Verteilte Führung wird als hoch komplexe Aufgaben Problemverständnis
dynamischer Prozess unter profitieren von verteilter sowie Vertrauen
den Gruppenmitgliedern Führung. Im Falle massiven zueinander. Liegt all dies
verstanden, dessen Ziel es ist, Zeitdrucks hingegen ist vor, so bringt verteilte
3 sich gegenseitig zu führen, verteilte Führung aufgrund Führung Zufriedenheits-
um Gruppenziele zu erreichen der mit ihr einhergehenden und Motivationsvorteile
(Pearce und Conger 2003, S. 1). hohen Koordinationsprozesse und kann die prompte
Es liegen Befunde vor, denen ungeeignet. Mitglieder- und Weitergabe wichtiger
zufolge verteilte Führung bei Gruppencharakteristika sind Informationen begünstigen,
guten Voraussetzungen zu ebenfalls entscheidend für da die Teammitglieder mehr
besseren Ergebnissen führt den Erfolg verteilter Führung: miteinander interagieren und
als vertikale Führung (Gruppe Teammitglieder müssen über so die Koordination innerhalb
mit formal autorisierter angemessene Führung- und der Gruppe verbessern.
Führungskraft; Avolio et al. Selbstführungskompetenzen Für einen Überblick zu
1996; Bolden 2011; Pearce und verfügen, fachlich kompetent Ansätzen und Instrumenten
Sims 2002; Piecha et al. 2012). und dem Thema gegenüber zur Erfassung des Ausmaßes
Doch die Aufgabenart ist aufgeschlossen sein, sie verteilter Führung vgl. Gockel
bedeutsam: Insbesondere benötigen ein gemeinsames und Werth (2010).
auf die Gruppe (für empirische Unterstützung Sie wirkt sich positiv aus, wenn ein fähiges
vgl. z. B. Berger et al. 1980; De Gilder und Mitglied die richtige Lösung aufgrund seines
Wilke 1994; Greenstein und Knottnerus 1980; hohen Status auch durchsetzen kann.
Ridgeway 1978; Torrance 1954) und kön-
nen ihre Lösungen/Vorschläge mit größerer 3.1.4.4 Kohäsion –
Wahrscheinlichkeit durchsetzen (. Abb. 3.7). Gruppenzusammenhalt
Wichtig ist an dieser Stelle, sich noch einmal Gruppen können sich in ihrer Geschlossen-
zu verdeutlichen, dass der Status aufgrund heit bzw. ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl
von Erwartungen zugewiesen wird und diese oder, anders ausgedrückt, hinsichtlich der
nicht notwendigerweise nur auf objektiven Stärke ihrer Kohäsion unterscheiden.
Fähigkeiten beruhen. Erhält beispielsweise
ein Mitglied aufgrund auffälliger diffuser Kohäsion
Statusmerkmale (z. B. sehr selbstbewussten Kohäsion beschreibt den Zusammenhalt
Auftretens) einen hohen Status und damit einer Gruppe, der aus allen Kräften
starken Einfluss, obwohl es keine aufgaben- resultiert, die die Mitglieder motivieren, in
relevanten Fähigkeiten hat, setzt sich dieses der Gruppe zu bleiben (Festinger 1950).
Mitglied eher durch – selbst dann, wenn es
eine falsche Meinung vertritt (Torrance 1954).
Statusdifferenzierung hat folglich dann nega- Kohäsion spiegelt die Stärke der Bindung an
tive Folgen für die Gruppenleistung, wenn die Gruppe wider (Dion 2000; Hogg 1993;
ein unfähiges Mitglied, das wegen aufgaben- Prentice et al. 1994). Je kohäsiver eine Gruppe
irrelevanter Merkmale einen hohen Status ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die
zugesprochen bekommt, sich irrt und trotz- Mitglieder in der Gruppe bleiben, an den
dem die Gruppenentscheidung dominiert. Gruppenaktivitäten teilnehmen und neue,
3.1 · Wodurch zeichnet sich eine Gruppe aus?
175 3
. Abb. 3.7 Aufgrund der Ausprägung von spezifischen und diffusen Statusmerkmalen entwickelt die Gruppe
eine bestimmte Erwartung (z. B. ↑ hoch, → mittel oder ↓ niedrig) darüber, wie viel ein Mitglied zur erfolgreichen
Bewältigung der Aufgabe beitragen kann. Von dieser Erwartung hängen die Statushöhe sowie die Stärke des
sozialen Einflusses ab
gleich gesinnte Mitglieder für die Gruppe desto eher ist norm- und rollenkonformes
werben (Levine und Moreland 1998; Spink Verhalten zu erwarten.
und Carron 1994). Ob sich eine hohe Kohäsion positiv oder
Man mag dazu neigen, einen starken negativ auswirkt, hängt folglich davon ab,
Zusammenhalt als etwas grundsätzlich sehr was Normen (oder auch Rollen) inhaltlich
Positives anzusehen. Eine hohe Kohäsion besagen. So ist es bei einer hoch kohäsiven
führt jedoch lediglich dazu, dass die Mit- Gruppe von Freizeitjoggern viel wahrschein-
glieder sich verstärkt den Gruppennormen licher, dass sich die Mitglieder über längere
verpflichtet fühlen (Berkowitz 1954; Festin- Zeit hinweg sportlich betätigen werden, als
ger et al. 1950; Schachter et al. 1951). Dies wenn es sich um eine Gruppe mit wenig
wirkt leicht vorstellbar, wenn man bedenkt, Zusammenhalt handeln würde. Hier hat die
dass eine der härtesten Sanktionen für norm- hohe Kohäsion einen positiven Effekt. Ent-
abweichendes oder nicht rollenkonformes sprechend ist es jedoch bei einer hoch kohäsi-
Verhalten der Ausschluss aus der Gruppe ist. ven „Gang“ Jugendlicher auch ausgenommen
Die Wirksamkeit einer solchen „Strafe“ bzw. schwierig, gewalttätige oder leistungs-
Drohung ist dann davon abhängig, wie attrak- hemmende Normen zu durchbrechen. Wie
tiv die Gruppe für ihre Mitglieder ist und wie sich Kohäsion auf die Leistungsbereitschaft
gern diese Teil der Gruppe bleiben wollen. einer Gruppe auswirkt, wird im 7 Exkurs:
Je lieber sie Teil der Gruppe bleiben wollen, Kohäsion und Leistung sowie in 7 Abschn. 3.2
desto härter wird die Strafe empfunden, und beleuchtet.
176 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Exkurs
Kohäsion und Leistung
Mit steigender Kohäsion entsprechen, und sind sich dann leistungsförderlich
fühlen sich die Mitglieder damit hoch produktiv. aus, wenn die Aufgabe enge
einer Gruppe umso mehr den 5 Auch bei niedriger Zusammenarbeit erfordert
Gruppennormen verpflichtet. Leistungsnorm sorgt eine (Gully et al. 1995). In hoch
3 Entsprechend hängt der hohe Kohäsion dafür, kohäsiven Gruppen verhalten
Einfluss der Kohäsion auf die dass die Mitglieder sich sich die Mitglieder insgesamt
Leistung davon ab, was die verstärkt an die Norm kooperativer zur Erreichung der
leistungsbezogene Norm zu halten versuchen. Gruppenziele und konkurrieren
inhaltlich besagt: Dies resultiert dann in weniger untereinander (Turner
5 Ist die Leistungsnorm geringerer Produktivität. et al. 1987). Hohe Kohäsion
hoch, bemühen sich die wirkt zudem sog. Motivations-
Mitglieder bei hoher Die Auswirkungen von Kohäsion und Koordinationsverlusten
Kohäsion verstärkt auf die Leistung hängen zudem entgegen (Mullen und Copper
darum, dieser Norm zu von der Aufgabe ab. Sie wirkt 1994).
. Tab. 3.1 Die Strukturmerkmale einer Gruppe können danach eingeteilt werden, ob sie inhaltlicher
Natur sind oder nur in der Intensität variieren (Ausprägungsart) sowie ob sie für alle Gruppenmitglieder
gleich versus individuell unterschiedlich sind (Gültigkeit)
Ausprägungsart
Motivationsverluste
Aufgabenarten
5 Additive Aufgaben: Unabhängige
3 Koordinationsverluste Einzelleistungen addieren sich zur
Gruppenleistung.
5 Disjunktive Aufgaben: Die
beste Einzelleistung stellt die
Gruppenleistung dar.
1 2 3 4 5 6
5 Konjunktive Aufgaben: Die Leistung
Gruppengröße
des schlechtesten Mitglieds bestimmt
Potentielle Produktivität einer Gruppe die Gruppenleistung.
Produktivität einer Pseudogruppe 5 Kompensatorische Aufgaben: Die
Produktivität einer interagierenden Gruppe Gruppenleistung ergibt sich aus den
aggregierten Einzelleistungen, wobei die
. Abb. 3.8 Schematische Darstellung der einzelnen Fehler kompensiert werden.
Prozessverluste in Gruppenarbeit. (In Anlehnung an 5 Komplementäre Aufgaben: Durch
Latané et al. 1979) die Interaktion im Team gelingt
eine Gruppenleistung, die kein
Ausgehend von der potenziellen Produktivi- Einzelmitglied allein geschafft hätte.
tät der Gruppe sind die Prozessgewinne zu
addieren und die Prozessverluste zu sub-
trahieren. In vielen Fällen wird es sowohl 3.2.1.1 Additive Aufgaben
Prozessgewinne als auch -verluste geben. Um ein Klavier in die zweite Etage zu schaffen,
Gruppenarbeit führt zu insgesamt besseren reicht die Anstrengung von einer Person alleine
Leistungen als die Einzelleistungen, wenn die nicht aus. Kommt jedoch die Anstrengung
Bilanz aus Prozessgewinnen und -verlusten einer zweiten Person oder weiterer Personen
positiv ist (Zysno 1998). hinzu, so kann die Aufgabe bewältigt werden.
Die Gruppenleistung ergibt sich bei Aufgaben
dieser Art (sog. additiven Aufgaben) aus der
3.2.1 Aufgabenarten Addition der Anstrengung jedes einzelnen Mit-
glieds. Häufig führt dabei jedes Mitglied die
Die potenzielle Produktivität der Gruppe gleiche Handlung aus (z. B. Tragen, Anfeuern,
und damit die potenzielle Überlegenheit der Tauziehen, Briefe eintüten). Wenn keine
Gruppen- gegenüber der Einzelleistung sind Prozessverluste auftreten, sollte die Gruppe
grundlegend davon abhängig, welche Art von eine bessere Leistung (insgesamt mehr Kraft,
Aufgabe vorliegt. So ist eine Gruppe gegen- lauteres Anfeuern, mehr eingetütete Briefe)
über einer Einzelperson deutlich im Vorteil, erbringen als eine Person alleine. Genauer
wenn es darum geht, ein Klavier in den zwei- gesagt sollten zwei Personen doppelt so viel leis-
ten Stock zu tragen. Wie sieht es aber aus, ten wie eine, eine Vierergruppe viermal so viel.
wenn eine Gruppe versus eine bzw. mehrere Rechnet man zudem mit Prozessgewinnen, so
Einzelperson(en) ein kniffliges Rätsel lösen sollte die Zweiergruppe mehr als doppelt so viel
sollen? Ist auch hier die Gruppe notwendiger- leisten wie eine Person, die Vierergruppe mehr
weise im Vorteil bzw. effizienter? Um diese als viermal so viel. Und tatsächlich leistet eine
Frage zu beantworten, ist die Berücksichtigung Gruppe im Falle additiver Aufgaben fast immer
3.2 · Leistungsverhalten in Gruppen
181 3
. Abb. 3.9 Bei der Beurteilung von Gruppen- versus Individualleistung ist entscheidend, welche Vergleiche
man anstellt. In vielen Situationen ist die Gruppe besser als ein Individuum alleine. Ist sie aber auch besser als
eine gleich große Anzahl Individuen?
. Abb. 3.10 Sind Sie schon einmal umgezogen? Wenn ja, haben Sie sich vielleicht die Frage gestellt, ob Sie
die Aufgabe allein schultern oder um Hilfe bitten sollten. Kisten schleppen ist eine additive Aufgabe: Sind Sie zu
zweit, müssen Sie nur halb so oft gehen wie allein. Wenn sich viele Umzugshelfer einfinden, gibt es allerdings
Stau beim Einstapeln in den Umzugswagen (Prozessverlust), gleichzeitig hat man aber auch mehr Spaß und
ermüdet weniger (Prozessgewinne). Hinzu kommt, dass Sie manche schweren Gegenstände sicherlich allein gar
nicht tragen könnten und das Umzugsauto keine vier Tage mieten wollen – insgesamt spricht also vieles dafür,
sich helfen zu lassen. (© emeraldphoto/stock.adobe.com)
1998; Steiner 1972).7 Auch reine Wissensaufgaben durchsetzt: In einer Untersuchung von Bau-
(„Was ist die Hauptstadt von Pakistan?“) sind dis- mann und Bonner (2004) wurde die Meinung
junktive Aufgaben (. Abb. 3.11). des besten Gruppenmitglieds selbst dann nur
Disjunktive Aufgaben erfordern eini- in etwa zwei Drittel der Fälle gewählt, wenn
ges an Koordination, da sich die Gruppe auf das beste Mitglied von allen klar identifiziert
einen Lösungsvorschlag einigen muss. Um die worden war.
potenziell maximale Gruppenproduktivität zu
erreichen, muss nicht nur das fähigste Mit- Disjunktive Aufgaben
glied bzw. die richtige/beste Lösung gefunden Potenzielle Gruppenproduktivität =
werden, sondern die Gruppe muss diese – und Leistung des fähigsten Mitglieds
nicht einen der anderen Lösungsvorschläge –
als Gruppenprodukt auswählen (Davis und Prozessgewinne
Harless 1996). Ist den Gruppenmitgliedern 5 Soziale Erleichterung
bekannt, wer von ihnen in der aktuellen Auf- 5 Gegenseitige Inspiration
gabe wie gut ist, dann wird den Beiträgen des
besten Mitglieds mehr Gewicht beigemessen Prozessverluste
(z. B. Bonner et al. 2002). Damit ist jedoch 5 Trittbrettfahren
nicht gesichert, dass sich das beste Mitglied 5 Soziale Hemmung
5 Koordinationsverluste, die dazu
7 Rätsel können allerdings auch von der Gruppe führen, dass nicht die beste Lösung
gemeinsam gelöst werden, was dann als gewählt wird
komplementäre Aufgabe bezeichnet wird
(7 Abschn. 3.2.1.5).
3.2 · Leistungsverhalten in Gruppen
183 3
. Abb. 3.11 Bei disjunktiven Aufgaben reicht es, wenn ein Gruppenmitglied auf die richtige Lösung kommt
und diese dann als Gruppenergebnis ausgewählt wird. (© metamorworks/stock.adobe.com)
Zu einer negativen Prozessbilanz kommt Gruppen diese auch häufig aus. Soll eine
es entsprechend, wenn diese Koordination Gruppe beispielsweise aus einem Wort durch
nicht gelingt (Koordinationsverlust): Wird Entnehmen und Vertauschen von Buchstaben
nicht der beste Lösungsvorschlag von der ein möglichst langes Anagramm bilden, so
Gruppe ausgewählt, so ist die Leistung der kann die beste Lösung durch Abzählen der
Gruppe schlechter als die ihres besten Mit- Buchstaben leicht demonstriert werden. Hier
glieds. Häufig ist dies die Folge, wenn sich gilt prinzipiell: Je größer die Gruppe, umso
einzelne Mitglieder in den Vordergrund höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mit-
drängen und die Gruppenlösung dominie- glied auf die Lösung kommt, und je besser
ren, obwohl sie die beste Lösung nicht kennen demonstrierbar die Lösung, umso höher die
(Watson et al. 1998). Da bei dieser Aufgaben- Wahrscheinlichkeit, dass diese Lösung auch
art vor allem die fähigeren Mitglieder bzw. von allen gewählt wird (Laughlin und Ellis
Experten gefragt sind, treten hier zudem 1986; Laughlin 2011). Damit ist Demonstrier-
Motivationsverluste auf wie das Trittbrett- barkeit also ein Faktor, der Koordinations-
fahren, eine Variante des sozialen Faulenzens verluste bei disjunktiven Aufgaben reduziert.
(7 Abschn. 3.2.2), bei der die schwächeren Die Demonstrierbarkeit ist dabei nicht allein
Mitglieder ihre Leistung reduzieren. Schließ- eine Frage der Aufgabe, sondern hängt auch
lich kann auch soziale Hemmung die Leistung davon ab, wie überzeugend der erfolgreiche
reduzieren, dann nämlich, wenn das beste Problemlöser ist und wie skeptisch die ande-
Mitglied durch die Anwesenheit der Gruppe ren sind. Man kann sich gut vorstellen, dass
eine schlechtere Leistung erbringt, als wenn es ein mathematischer Beweis zwar korrekt sein
allein wäre (7 Abschn. 2.1). kann, aber Gruppen ohne den nötigen Sach-
Bei Aufgaben, bei denen sich die beste verstand nicht notwendigerweise überzeugen
Lösung beweisen oder vorführen lässt, wählen muss. Daher gilt für solche Aufgaben zwar
184 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.12 Wandern ist eine typische konjunktive Aufgabe. Das Gruppenziel ist erreicht, wenn auch die lang-
samste Person im Ziel ist. (© Polifoto/stock.adobe.com)
im Allgemeinen das Motto „Die Wahrheit kommen, auf die die Mitglieder in Einzel-
gewinnt“ (Truth Wins), aber nicht unbedingt arbeit nicht gekommen wären. So kann im
auch im Einzelfall. Falle des kniffligen Rätsels beispielsweise
Soll ein Team viele unterschiedliche dis- ein Gruppenmitglied einen Lösungsansatz
junktive Aufgaben lösen, so erhöht sich die vorbringen, ein weiteres Mitglied ihn auf-
Gruppenleistung, wenn die Mitglieder mög- greifen und weiterdenken und schließlich
lichst unterschiedliche, aufgabenrelevante ein drittes Mitglied die Sache zu Ende den-
Kompetenzen mitbringen. Jeder ist dann Spe- ken und die Lösung nennen. Damit sind
zialist für sein Gebiet (eine Sprache, ein Beruf, an der Lösung mehrere Personen beteiligt,
ein Wissensgebiet, eine bestimmte Fertigkeit) deren Beiträge komplementär zueinander sind
und kann bei der passenden Aufgabe seine (7 Abschn. 3.2.1.5). Der Aufgabentyp hängt
Lösung einbringen. Koordinationsverluste also nicht nur von den Anforderungen, son-
werden also durch nichtüberlappende Kennt- dern auch von der Ressourcenverteilung und
nisse und Fähigkeiten reduziert. So würde der Strategie innerhalb der Gruppe ab.
man beispielsweise ein Notfallteam aus unter-
schiedlichen Spezialisten zusammenstellen, 3.2.1.3 Konjunktive Aufgaben
wenn die genaue Art des Notfalls im Vor- Im Gegensatz zu den gerade besprochenen
hinein noch nicht feststeht. Wenn Sie sich disjunktiven Aufgaben, bei denen es aus-
ein Team zusammenstellen, um an einem reicht, wenn nur ein Gruppenmitglied die
Quiz teilzunehmen, empfiehlt es sich eben- Aufgabe lösen kann, müssen konjunktive Auf-
falls, möglichst unterschiedliche Experten zu gaben von allen Gruppenmitgliedern erfolg-
wählen. reich ausgeführt werden. Die potenzielle
Prozessgewinne können dadurch ent- Gruppenproduktivität ist hier in der Regel so
stehen, dass das beste Mitglied durch soziale gut wie die Leistung des schlechtesten Mit-
Erleichterung (7 Abschn. 2.1) besser arbeitet glieds (Steiner 1972). So ist beispielsweise eine
als in Einzelarbeit. Ebenso kann die Gruppe Wandergruppe nur so schnell am Ziel, wie die
durch gegenseitige Inspiration zu einer Lösung langsamste Person vorankommt (. Abb. 3.12).
3.2 · Leistungsverhalten in Gruppen
185 3
was den Vorteil mit sich bringt, dass einzelne
Konjunktive Aufgaben Fehler rausgemittelt und damit kompen-
Potenzielle Gruppenproduktivität = siert werden. Die am häufigsten angewandte
Leistung des schwächsten Mitglieds Methode der statistischen Integration ist die
Mittelung (meist in Form des arithmetischen
Prozessgewinne Mittels). Aber auch andere Algorithmen kön-
5 Unverzichtbarkeit nen für die statistische Integration gewählt wer-
den, indem man beispielsweise stets das Urteil
Prozessverlust der Person wählt, die am meisten von ihrer
5 Trittbrettfahren Lösung überzeugt ist (7 Beispielstudie 3.2).
Berühmt geworden ist Galtons (1907) Befund,
dass das Mittel aus 800 Laienschätzungen
Da die Gruppenleistung bei konjunktiven des Gewichts eines Ochsen bei einer Auktion
Aufgaben durch das schlechteste Mitglied genauer war als jede individuelle Schätzung
determiniert ist, entsteht eine negative von Experten (. Abb. 3.13). Galton zeigte
Prozessbilanz hauptsächlich infolge von damit die Vorteile einer statistischen Integ-
Motivationsverlusten. Auch hier tritt das ration von Einzelleistungen, die sich gegen-
Trittbrettfahren als Variante des sozialen seitig nicht beeinflussen. Die erstaunliche
Faulenzens (7 Abschn. 3.2.2) auf, wobei in Genauigkeit, die sich hierbei durch Aggrega-
diesem Fall in der Regel nicht die schwä- tion von Einzelurteilen erreichen lässt, wurde
cheren, sondern die fähigen Mitglieder als Weisheit der Masse (Wisdom of the Crowd)
ihre Leistung reduzieren. Um dem ent- bezeichnet (Surowiecki 2004).
gegenzuwirken, kann es sinnvoll sein, Statt Experten aufwendig zusammenzu-
solche Aufgaben – sofern möglich – in bringen, ist es somit durchaus eine ernst zu
Unteraufgaben aufzuteilen (Kerr und Bruun nehmende Möglichkeit, schlicht deren Einzel-
1983), beispielsweise die Schulklasse in urteile zu mitteln und als Gruppenergebnis zu
zwei Untergruppen mit unterschiedlichen nehmen (Solomon 2006; vgl. auch Kerr und
Wandergeschwindigkeiten. Tindale 2011).
Werden diese Unteraufgaben den Fähig-
keiten der Gruppenmitglieder entsprechend Illustration: Vorhersagemärkte als
verteilt, kann die Prozessbilanz positiv Spezialform kompensatorischer Aufgaben
werden. Eine positive Prozessbilanz kann Besondere Formen kompensatorischer Auf-
weiterhin entstehen, wenn die schwächeren gaben sind Wetten und Vorhersagemärkte
Mitglieder aufgrund ihrer Unverzichtbar- (Prediction Markets). Die Iowa Electronic Mar-
keit (7 Abschn. 3.2.3) für die Gesamtleistung kets sind ein Beispiel für einen solchen Vorher-
ihre Anstrengungen erhöhen. Dann kann sagemarkt, mit ähnlichen Regeln wie an einer
die Gruppenleistung besser sein als die des modernen Börse. Bei diesem Online-Markt
schwächsten Mitglieds, wenn es die Aufgabe können Teilnehmer virtuelle Wettscheine für
allein zu bewältigen hätte. verschiedene Vorhersagen erwerben, bei-
spielsweise dafür, dass die Demokraten bei
3.2.1.4 Kompensatorische der nächsten US-amerikanischen Präsident-
Aufgaben schaftswahl die Mehrheit der Stimmen (Popu-
Kompensatorische Aufgaben sind beispiels- lar Vote) auf sich vereinigen werden. Trifft
weise Schätz- oder Vorhersageaufgaben, bei ihre Vorhersage ein, erhalten sie den Wert
denen mehrere Personen einzeln eine Schät- des Wettscheins ausgezahlt, wenn nicht, ver-
zung oder Vorhersage abgeben. Die jeweiligen lieren sie ihren Einsatz. Die Iowa Electronic
Urteile der Gruppenmitglieder werden statis- Markets sind bekannt geworden, weil sie oft
tisch zusammengefasst (statistisch integriert), recht genaue Schätzungen über den Ausgang
186 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.13 Bittet man viele Laien, das Gewicht eines Ochsen zu schätzen, und mittelt man diese Schätzun-
gen, so ergibt sich daraus ein Wert, der nah am tatsächlichen Gewicht ist (Wisdom-of-the-Crowd- Effekt).
(© janny2/stock.adobe.com)
. Abb. 3.14 Bei Vorhersagemärkten wird mit Wettscheinen über den Ausgang zukünftiger Ereignisse
gehandelt, beispielsweise den Ausgang von Wahlen. Der Preis der Wettscheine richtet sich nach Angebot und
Nachfrage und sagt den tatsächlichen Ausgang oft sehr genau vorher. (© iQoncept/stock.adobe.com)
. Abb. 3.15 Fußballspiele (a) und Orchesterkonzerte (b) sind Beispiele für komplementäre Aufgaben. Hier
müssen sich die einzelnen Spieler optimal koordinieren, um ihre Gruppenaufgabe erfolgreich auszuführen.
Die Einzelhandlungen ergänzen sich zu einem komplexen Ganzen. (a © Thaut Images/stock.adobe.com,
b © yang yu/stock.adobe.com)
immer eine Effizienzeinbuße: Gruppen sind Aufgabe lösen will. Ganz unabhängig von der
aufgrund von Prozessverlusten im Schnitt nicht Aufgabenart muss man bei jeder Gruppen-
doppelt so schnell wie Individuen (Arisholm arbeit mit Motivationsverlusten rechnen, und
et al. 2007; Balijepally et al. 2009; Hannay et al. das sogar dann, wenn gar keine Interaktion
2009). Damit kann paarweises Programmieren stattfindet. Mit diesem Phänomen beschäftigt
dann sinnvoll sein, wenn die Aufgabe heraus- sich der folgende Abschnitt.
3 fordernd und die Qualität oder der Abgabe-
termin wichtiger ist als die Effizienz.
3.2.2 Wenn wir in der Menge
untergehen – Soziales
Komplementäre Aufgaben Faulenzen und seine
Potenzielle Gruppenproduktivität = Varianten
Leistung des fähigsten Mitglieds
Worin unterscheidet sich das Arbeiten in
Prozessgewinne einer Gruppe von der Einzelarbeit? Letzt-
5 Gemeinsam lernen endlich interessiert bei der Gruppenarbeit
5 Korrektur individueller Fehler häufig der Gesamtoutput aller Mitglieder
5 Gegenseitige Inspiration und Ergänzung zusammengenommen. Die Leistung des
Einzelnen ist nur insofern interessant, als sie
Prozessverluste zu diesem Gruppenprodukt beiträgt, sie steht
5 Soziales Faulenzen aber nicht im Fokus der Aufmerksamkeit.
5 Koordinationsverluste Sind für eine Werbeaktion 1000 Briefe einzu-
tüten, so interessiert den Beauftragten, dass
alle Briefe zu einem bestimmten Zeitpunkt
Als typische Prozessgewinne bei komplemen-
zum Versand bereitliegen – wer von den
tären Aufgaben ergeben sich, dass die Gruppe
beteiligten fünf Mitarbeitern dabei wie viele
Fehler korrigieren, sich gegenseitig ergänzen
Briefe verpackt hat, interessiert nur peripher
und voneinander lernen kann. Dabei lernen
und wird häufig gar nicht erfasst. Und nicht
die Gruppenmitglieder auch Fertigkeiten,
nur das – mitunter ist es sogar sehr schwie-
die sie anschließend allein anwenden können
rig, äußerst aufwendig oder sogar unmöglich,
(Brodbeck und Greitemeyer 2000; Kirschner
die Individualleistung zu erfassen bzw. zu
et al. 2009a, b, 2011a, b, c; Laughlin et al. 2008;
bewerten.8 Wenn beispielsweise fünf Perso-
Salleh et al. 2011). Als Prozessverluste sind
nen gemeinsam über eine Seilwinde Material
soziales Faulenzen und Koordinationsverluste
auf ein Hausdach befördern – wie will man
zu nennen. Soziales Faulenzen kann auftreten,
da bestimmen, wer wie viel zu der Gesamt-
da der Gruppenerfolg von mehreren Perso-
leistung beigetragen hat?
nen abhängt, was zu einem Motivationsverlust
Wenn der individuelle Beitrag zur Gesamt-
führen kann, und Koordinationsverluste
leistung der Gruppe nicht identifiziert wer-
ergeben sich, wenn beispielsweise einer auf
den kann oder zumindest nicht bewertet
den anderen warten muss, Aufgaben doppelt
wird, tritt ein Phänomen auf, welches soziales
oder gar nicht gemacht werden.
Die hier beschriebene Aufteilung in
additive, disjunktive, konjunktive, kompensa-
torische und komplementäre Aufgabenarten ist 8 Darin unterscheidet sich die Situation grund-
vereinfachend. Häufig kommen Mischformen legend von solchen, in denen soziale Erleichterung
vor, beispielsweise kann ein und dieselbe Auf- und soziale Hemmung (7 Abschn. 2.1) beobachtet
werden: Die letzteren beiden Phänomene treten
gabe auf unterschiedliche Arten gelöst wer-
dann auf, wenn der Einzelne mit seiner Leistung
den, wobei die Gruppe entscheidet, wie sie die sozusagen nicht im Rampenlicht steht.
3.2 · Leistungsverhalten in Gruppen
191 3
Faulenzen (Social Loafing) genannt wird. Die
Bezeichnung „Faulenzen“ impliziert dabei zwei
Aspekte: Wir haben es mit einer Leistungsver-
minderung zu tun, und diese ist motivational
bedingt (Motivationsverlust). Das Attribut
„sozial“ zeigt an, dass dieses Phänomen durch
die Anwesenheit anderer Personen bedingt ist,
d. h. in der Gruppe im Vergleich zur Einzel-
arbeit auftritt. Soziales Faulenzen tritt auf,
wenn der Einzelne mit seiner Leistung nicht
im Rampenlicht steht, sondern in der Menge
verschwindet. In diesem Fall reduzieren Indi-
viduen unter bestimmten Bedingungen ihre
Anstrengung. Es kommt in der Folge zu . Abb. 3.16 Manch einer mag unter Teamarbeit ver-
stehen, „Toll, ein anderer macht’s“, und seine Leistung
einer negativen Prozessbilanz, die Gruppen- zurücknehmen, in der Hoffnung, dass die Arbeit von
leistung ist im Endeffekt geringer als die jemand anderem übernommen wird (soziales Faulen-
potenzielle Produktivität (7 Beispielstudie 3.3; zen). Zum Glück gibt es aber auch Faktoren, die ein
. Abb. 3.16). Team leistungsstark machen (7 Abschn. 3.2.3). (© Felix
Pergande/stock.adobe.com)
(Klassisches) soziales Faulenzen
Leistungsreduktion, wenn der persönliche Soziales Faulenzen wurde bei sportlichen Auf-
Beitrag nicht identifizierbar ist bzw. gaben (z. B. Tauziehen; Ingham et al. 1974)
zumindest nicht bewertet wird. ebenso gefunden wie bei Wahrnehmungs-
oder Denkaufgaben (. Abb. 3.18). Beispiele
Beispielstudie 3.3
Je mehr Personen mitarbeiten, desto mehr reduziert der Einzelne seine Anstrengung
Die Versuchsteilnehmer von Sechsergruppe. Für jede Person Hemmung; 7 Abschn. 2.1). Es
Latané et al. (1979) waren wurde dabei die individuelle genügte, dass die Teilnehmer
aufgefordert, so laut zu Leistung mit einem Lautstärke- annahmen, es wären noch
schreien, wie sie nur konnten, messgerät aufgezeichnet, weitere Mitstreiter im Raum. In
gerade so, als ob sie jemanden wobei die Teilnehmer der einer Variation der Studie von
anfeuern würden. Damit die beiden Gruppenbedingungen Latané et al. (1979) wurde den
Teilnehmer nicht abgelenkt der Meinung waren, dass nur Teilnehmern nur gesagt, dass
wurden und außerdem die Gruppenleistung gemessen weitere Personen mit ihnen
nicht hören konnten, wie würde, nicht aber die von schreien würden, obwohl sie
laut sie selbst oder auch jedem Einzelnen erzielte tatsächlich alleine im Raum
andere anwesende Personen Lautstärke. Die Teilnehmer der waren. Diese Täuschung war
schrien, wurden ihnen die Zweiergruppen erbrachten nur deswegen leicht möglich, weil
Augen verbunden, und über 66 %, die der Sechsergruppen die Teilnehmer aufgrund der
Kopfhörer wurde laute Musik nur 36 % der Lautstärke, die Augenbinden nichts sehen
eingespielt. Die Teilnehmer die Teilnehmer erreichten, und aufgrund der Kopfhörer
der ersten Bedingung schrien die einzeln geschrien hatten nichts hören konnten. Die
jeder für sich alleine, die (. Abb. 3.17). Ergebnisse dieser Variation
Teilnehmer der zweiten Es war dabei nicht notwendig, glichen denen der bereits
Bedingung zusammen mit dass die anderen Personen berichteten „echten“ Gruppen:
einem zweiten Versuchs- tatsächlich physisch Die Einzelleistung wurde mit
teilnehmer und die Teilnehmer anwesend waren (soziale vorgeblich zunehmender
der dritten Bedingung in einer Erleichterung bzw. soziale Gruppengröße geringer.
192 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.17 Mit steigender Gruppengröße nimmt die Leistung des Einzelnen ab (soziales Faulenzen). Die Pro-
zentzahlen geben jeweils die anteilige Leistung des Einzelnen an
. Abb. 3.18 Beim Tauziehen werden die Einzelbeiträge normalerweise nicht getrennt erfasst – nur die Team-
leistung ist sichtbar. Unter solchen Umständen wird soziales Faulenzen wahrscheinlicher. (© EpicStockMedia/
stock.adobe.com)
für letztere sind Gedächtnis-, Überwachungs-, Für das soziale Faulenzen spielt die
Entscheidungsfindungsaufgaben, Kreativitäts- Schwierigkeit der Aufgabe eine wichtige
probleme und Brainstorming (Harkins 1987; Rolle9: Soziales Faulenzen tritt vor allem bei
Harkins und Szymanski 1989; Jackson und
Harkins 1985; Jackson und Williams 1985;
9 Die Aufgabenschwierigkeit wirkt sich beim sozialen
Karau und Williams 1993, 1995; Petty et al. Faulenzen genau umgekehrt auf die Leistung aus
1980; Shepperd 1995; Williams et al. 1981, wie bei der sozialen Erleichterung bzw. Hemmung
1993; Zaccaro 1984; 7 Exkurs: Brainstorming). (7 Abschn. 2.1).
3.2 · Leistungsverhalten in Gruppen
193 3
Exkurs
Brainstorming
Nach wie vor ist die Meinung Prozessverluste treten hier nicht inspirierend, sondern
weit verbreitet, dass man in aufgrund von sozialem verhindern vielmehr, dass
interaktiven Brainstorming- Faulenzen, Bewertungsangst eigene Ideen geäußert
Sitzungen (Osborn 1957) und gegenseitiger Blockierung werden.
kreativer sei als alleine. Spätere auf. Letzteres ist dabei Die Effektivität eines
Forschung zeigte allerdings, der entscheidende Faktor Brainstormings lässt sich
dass Gruppen nicht nur (Diehl und Stroebe 1987, beispielsweise dadurch
quantitativ weniger, sondern 1991; Stroebe und Diehl erhöhen, dass die Teilnehmer
auch qualitativ weniger 1994): Indem die Mitglieder zunächst getrennt
kreative Ideen hervorbringen aufeinander Rücksicht voneinander ihre Ideen zu
als dieselbe Anzahl von nehmen (z. B. den anderen Papier bringen und diese
Personen, welche getrennt ausreden lassen), werden erst später in der Gruppe
voneinander arbeiten (Bond eigene Ideen überlagert oder gesammelt, diskutiert und
und Van Leeuwen 1991; Diehl währenddessen vergessen. bewertet werden (Step-Lad-
und Stroebe 1991; McGrath Die von anderen geäußerten der-Methode; Rogelberg et al.
1984; Mullen et al. 1991). Gedanken wirken also 1992; West 1994).
einfachen (häufig additiven) Aufgaben auf Soziales Faulenzen ist immer dann, d. h.
(z. B. Ringelmann 1913; vgl. auch Harkins auch bei einfachen Aufgaben, reduziert,
und Petty 1982; Ingham et al. 1974; Jackson wenn die Beteiligten intrinsisch motiviert
und Williams 1985; Kravitz und Martin 1986; sind. Dies kann dadurch entstehen, dass die
Latané et al. 1979; Shepperd 1993). So laut zu Aufgabe für die Gruppenmitglieder inte-
schreien wie möglich (7 Beispielstudie 3.3) ressant oder wichtig ist und sie involviert
oder an einem Tau zu ziehen, erfordert bei- (Brickner et al. 1986; George 1992; Zaccaro
spielsweise keine besonderen Fähigkeiten der 1984). Die folgenden Beispiele illustrieren
Teilnehmer. Häufig haben solche Aufgaben den Beitrag von intrinsischer Motivation am
zudem per se keine persönliche Bedeutsam- Gruppenerfolg in Unternehmen und Online-
keit, d. h., es fehlt zum einen die extrinsische Projekten.
Motivation durch Bewertung oder Belohnung
und zudem auch eine intrinsische Motivation Illustration: Gruppenproduktivität und
(▶ Sozialpsychologie I, Abschn. 6.2.2). intrinsische Motivation
Bei schwierigen Aufgaben kann die Nicht- Gruppenproduktivität spielt für moderne
identifizierbarkeit des individuellen Bei- Unternehmen eine zentrale Rolle. An Kon-
trags sogar einen leistungssteigernden Effekt zepte wie Lean Production und teilautonome
haben (vorausgesetzt, man ist motiviert): Arbeitsgruppen ist die Hoffnung geknüpft,
Das „Untergehen in der Menge“ bewirkt eine dass flache Hierarchien mit Teams, die weit-
Art Entspannung; man ist in gewisser Weise gehende Autonomie für Entscheidungen,
ungehemmter (7 Abschn. 3.1.4 und 5.4.1) und Koordinierung und Umsetzung ihrer Arbeit
traut sich beispielsweise auch einmal etwas haben, die Produktivität steigern. Glückt
zu, von dem man sich nicht sicher ist, ob es eine solche Umstellung, so kann sie tat-
richtig ist. Dadurch kann sich die Leistung sächlich dazu führen, dass für die einzelnen
insgesamt erhöhen (Jackson und Williams Mitarbeiter die Gruppe und die Aufgaben
1985). interessanter und wichtiger werden. Dies
194 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.19 Trittbrettfahren kann auf dem Tandem durchaus gewollt sein, etwa wenn die hinten sitzende
Person sich zwischendurch etwas ausruhen darf. Allerdings sollte sie dann nicht die Wichtigkeit ihres Beitrags
unterschätzen, nach dem Motto: „Mein Partner kriegt das ja auch wunderbar alleine hin, da muss ich mich ja gar
nicht so anstrengen!“ (© Bernard 63/stock.adobe.com)
entscheidend ist und dies von den Beteiligten in größeren als auch Teilnehmer in räumlich
auch so wahrgenommen wird (Harkins und getrennten Teams weniger Ideen generierten.
Petty 1982; Shepperd und Taylor 1999; Wel- Über Fragebogen wurde die Wahrnehmung
don und Mustari 1988). der Situation erhoben. In größeren Teams
fühlten sich die einzelnen Mitglieder weniger
z Gimpel-Effekt – Ausgewogenheit der verantwortlich für das Gruppenergebnis (Ver-
3 Beiträge antwortungsdiffusion; 7 Abschn. 6.1.3), nahmen
Hatten Sie schon einmal das Gefühl, der die anderen etwas weniger als menschliches
Dumme zu sein, der die Arbeit macht, wäh- Gegenüber wahr (Dehumanisierung) und mach-
rend sich die anderen „auf die faule Haut ten stärker die fehlende Anstrengung anderer
legen“? Um sich nicht auf diese Weise aus- verantwortlich für ein suboptimales Gruppen-
gebeutet zu fühlen, reduzieren viele – ergebnis (Schuldzuschreibung, vergleichbar
sozusagen vorsichtshalber – die eigenen dem Gimpel-Effekt). Darüber hinaus resul-
Anstrengungen. Steht dieser Aspekt im tierte eine räumliche Trennung in mehr
Vordergrund, spricht man auch vom Gimpel- Dehumanisierungsempfinden. Alle drei Fakto-
Effekt (Sucker-Effekt). ren waren verbunden mit weniger generierten
Ideen. Obwohl hier also Bewertungsangst und
Gimpel-Effekt gegenseitige Rücksichtnahme (7 Exkurs: Brain-
Leistungsreduktion, wenn man den storming) kaum eine Rolle spielten, da die Bei-
Eindruck hat, dass die anderen sich träge anonymisiert wurden, griffen dennoch die
nicht oder nicht so sehr wie man selbst Mechanismen sozialen Faulenzens.
anstrengen.
Zum gleichen Ergebnis wie der Gimpel-
Effekt führt letztendlich auch die Illusion der
Der Gimpel-Effekt ist entsprechend dann Gruppenproduktivität. Hier wird nicht der
reduziert, wenn sich die Beteiligten sicher sein Beitrag der anderen als zu gering angesehen,
können, dass die anderen Gruppenmitglieder sondern stattdessen der eigene Beitrag über-
die Aufgabe ernst nehmen (Kerr und Bruun schätzt. Personen halten ihren Anteil an der
1983). Das folgende Beispiel illustriert den Gesamtproduktivität für größer, als es der
Gimpel-Effekt bei Online-Zusammenarbeit. Realität entspricht, und schreiben sich selbst –
bewusst oder unbewusst – (auch) die Bei-
Illustration: Soziales Faulenzen – träge der anderen zu (z. B. im Sinne von „Das
Gruppengröße und räumliche Nähe in wollte ich auch gerade sagen“; Paulus und
virtuellen Teams Dzindolet 1993; Stroebe und Diehl 1994).
In einer Studie teilten Forscher 140 Studierende Im Zusammenhang mit dem sozialen
der Wirtschaftswissenschaften in 32 Teams Faulenzen und seinen Varianten Trittbrett-
ein, die jeweils zwischen drei und zehn Mit- fahren und Gimpel-Effekt wurden bereits
glieder hatten (Alnuaimi et al. 2010). Die Hälfte Bedingungen genannt, die einer gruppen-
der Teams saß miteinander am selben Tisch, bedingten Leistungsreduktion entgegen-
während die anderen auf verschiedene Räume wirken. Unter bestimmten Umständen kommt
verteilt waren und somit als virtuelles Team es jedoch dazu, dass sich die Gruppenmit-
fungierten. Die Aufgabe war, an individuellen glieder in der Gruppe sogar mehr anstrengen,
Computern Ideen zu generieren, um das Image als wenn sie alleine arbeiten. In diesem Fall
eines Unternehmens zu verbessern. Dabei kann die Gruppenarbeit insgesamt eine
konnte jedes Teammitglied die anderen Ideen positive Prozessbilanz und damit auch eine
live mitlesen, aber nicht kommentieren. Die erhöhte Leistung aufweisen, was im folgenden
Ergebnisse zeigten, dass sowohl Teilnehmer Abschnitt beschrieben wird.
3.2 · Leistungsverhalten in Gruppen
197 3
3.2.3 Wenn uns die Gruppe Soziale Kompensation
zusätzlich motiviert – Leistungssteigerung von fähigeren
Soziale Kompensation und Mitgliedern, um eine erwartete geringe
Unverzichtbarkeit Leistung von weniger fähigen bzw.
unmotivierten Mitgliedern auszugleichen.
Wenn sich in einer Gruppe Mitglieder mit Voraussetzungen für das Auftreten sind
unterschiedlich hohen Leistungsniveaus die individuelle Bedeutsamkeit des
finden, kann es dazu kommen, dass sich Gruppenergebnisses sowie die Nichtiden-
entweder die leistungsstarken oder die tifizierbarkeit der Einzelbeiträge.
leistungsschwachen Mitglieder vermehrt
anstrengen und somit insgesamt sogar eine
positive Prozessbilanz resultiert (Tziner und z Unverzichtbarkeit
Eden 1985). Voraussetzung ist in beiden Fäl- Auch dieses Phänomen beschreibt eine
len, dass die Aufgabe bzw. der Gruppenerfolg zusätzliche Anstrengung in der Gruppe im
für die Gruppenmitglieder wichtig ist (Wil- Vergleich zur Einzelsituation. Im Unter-
liams und Karau 1991) und sich durch eine schied zur sozialen Kompensation motiviert
Steigerung der eigenen Anstrengung die- die Gruppensituation hier jedoch die schwä-
ser (individuell bedeutsame) Gruppenerfolg cheren Mitglieder zu erhöhter Leistung.
erhöhen lässt (Hertel et al. 2000). Wahrschein- Wie die Bezeichnung Unverzichtbarkeit ver-
licher werden Motivationsgewinne dieser mittelt, tritt diese Art von Prozessgewinn
Art zudem, je höher die Kohäsion (Mullen dann auf, wenn Mitglieder das Gefühl haben,
und Copper 1994), je attraktiver die Gruppe dass ihr individueller Beitrag wesentlich –
(Brown 2000) und je größer die gegenseitige und damit unverzichtbar – für das Gruppen-
Sympathie ist (Latané 1986). ergebnis ist. Genau das ist beispielsweise für
konjunktive Aufgaben der Fall, bei denen
z Soziale Kompensation das Gruppenergebnis durch das schwächste
Gruppenmitglieder können sich zu zusätz- Mitglied determiniert wird. Um die anderen
lichen Anstrengungen motiviert sehen, wenn nicht „auszubremsen“, strengen sich schwä-
sie davon ausgehen, dass andere Mitglieder chere Gruppenmitglieder verstärkt an.
nur geringe Leistungen erbringen können Motivationsgewinne dieser Art wur-
oder wollen. Dieser Motivationsgewinn wird den bereits in den 1920er Jahren von Otto
als soziale Kompensation bezeichnet (Williams Köhler (1926, 1927) berichtet, weshalb das
und Karau 1991). Neben der persönlichen Phänomen der Unverzichtbarkeit auch als
Bedeutsamkeit des Gruppenerfolgs scheint Köhler-Effekt bezeichnet wird. Anstrengungs-
für das Auftreten dieses Effekts gerade die steigerung aufgrund von Unverzichtbarkeit
Nichtidentifizierbarkeit der persönlichen Leis- in Gruppen konnte für einfache physika-
tung eine wichtige Voraussetzung zu sein. Um lische (z. B. das gemeinsame Halten eines
dann beispielsweise in additiven Aufgaben das Gewichts) sowie für komplexe Aufgaben
eigene Leistungsniveau unter Beweis zu stellen, (z. B. das computergestützte Zusammen-
müssen die leistungsstarken Mitglieder eine stellen von Verkaufsangeboten) gezeigt wer-
für ihre Person überdurchschnittliche Leistung den (Hertel et al. 2000, 2003). Im Vergleich
erbringen, damit letztendlich die durchschnitt- zur Einzelarbeit wurden in der Gruppe
liche Leistung der Gruppenmitglieder ihr durchaus bedeutsame Leistungssteigerungen
normales/eigentliches Leistungsniveau wider- (zwischen durchschnittlich 10 % und 50 %)
spiegelt (7 Beispielstudie 3.4, . Abb. 3.20). erreicht.
198 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
. Abb. 3.20 Soziale Kompensation tritt in dieser Studie nur auf, wenn die Individualleistung nicht bewertet
wird (sondern nur das Teamergebnis), der Partner unmotiviert erscheint und die Aufgabe für den Einzelnen
wichtig ist (blau unterlegte Zelle). Wird nur das Teamergebnis bewertet, so ergibt sich die Einzelleistung aus
dem Durchschnitt des Teamergebnisses. (Die Zahlen sind exemplarisch gewählt und bezeichnen die Anzahl der
produzierten Ideen bzw. die Ausprägung der Intelligenz.)
Beispielstudie 3.4
Des Weiteren ist die Gruppenleistung Mitglieder in der Gruppensituation auch tat-
davon abhängig, welche Leistung jedes sächlich zur Verfügung (7 Abschn. 3.3.1)? Wie
Gruppenmitglied unter dem Einfluss der beeinflusst die Diskussion in der Gruppe die
sozialen Situation Gruppe erbringt. Ist die Meinungsbildung und in der Folge die zu tref-
Leistung in der Gruppe im Vergleich zur fenden Entscheidungen (7 Abschn. 3.3.2)?
Einzelarbeit höher, spricht man von einem Abschließend werden wir uns kritisch mit
3 Prozessgewinn, ist sie dagegen vermindert, einem gruppenspezifischen Phänomen aus-
ergibt sich ein Prozessverlust. Um eine motiva- einandersetzen, das immer wieder als Erklärung
tional bedingte Leistungsverminderung han- für fatale Fehlentscheidungen in Grup-
delt es sich beim sozialen Faulenzen. Dieses pen herangezogen wird (Gruppendenken;
tritt auf, wenn die individuelle Leistung nicht 7 Abschn. 3.3.3).
identifizierbar ist bzw. nicht bewertet wird.
Soziale Kompensation und Unverzichtbarkeit
beschreiben ebenfalls motivational bedingte 3.3.1 Wenn wir nicht sagen,
Leistungsveränderungen; in diesem Fall han- was nur wir wissen – Der
delt es sich jedoch um durch die Gruppen-
Effekt des gemeinsamen
situation bedingte Anstrengungssteigerungen.
Welcher der genannten Einflüsse wie stark
Wissens
zum Tragen kommt, hängt von Faktoren ab,
wie beispielsweise dem Aufgabentyp, der Auf- Wichtige Entscheidungen werden häufig in
gabenschwierigkeit, der Identifizierbarkeit der Gremien, d. h. in Gruppen, getroffen. Zum
Individualleistung oder der Bedeutsamkeit einen soll dadurch sicherlich der Willkür bzw.
der Aufgabe für den Einzelnen. Die Gruppen- dem Egoismus einzelner Personen vorgebeugt
situation kann demnach die Leistungsbereit- werden, zum anderen erhofft man sich von
schaft der einzelnen Mitglieder entscheidend Gruppen häufig auch eine qualitativ bessere
mitbestimmen. Entscheidung – schon allein deswegen, weil
Im Folgenden geht es um eine spezielle Gruppen im Vergleich zu Einzelpersonen auf
Art von Leistung in Gruppen, das Treffen eine breitere Wissensbasis zurückgreifen kön-
von Entscheidungen, und es wird dargestellt, nen und damit eine solidere Entscheidungs-
wie sich die soziale Situation Gruppe auf die grundlage haben sollten. Dieser potenzielle
Meinungsbildung und damit letztendlich auf Vorteil einer Gruppe kann aber nur dann zum
die Entscheidungsfindung auswirkt. Tragen kommen, wenn jeder den anderen
Gruppenmitgliedern genau das mitteilt, was
nur er allein weiß. Sie stimmen vermutlich zu,
3.3 Wie beeinflusst die dass es wenig Sinn machen würde bzw. reich-
soziale Situation Gruppe lich ineffizient wäre, in der Gruppe nur das zu
Meinungsbildung und diskutieren, was bereits allen bekannt ist.
Entscheidungen? Genau das ist jedoch häufig der Fall:
Gruppendiskussionen drehen sich vornehm-
Wir beschäftigen uns nun mit den ver- lich um die Informationen, die bereits alle
schiedenen Einflussfaktoren und Gruppen- kennen, oder, anders ausgedrückt, um das
phänomenen im Zusammenhang mit gemeinsame Wissen (Gigone und Hastie
Meinungsbildung und Entscheidungsprozessen 1993, 1997; Stasser und Titus 1985, 1987).
(für einen Überblick vgl. Kerr und Tindale Dabei bringen die Gruppenmitglieder
2004): Inwieweit steht – als solide Basis für ihr jeweils spezielles, nur ihnen persön-
eine Gruppenentscheidung – das Wissen aller lich zur Verfügung stehendes Wissen kaum
3.3 · Wie beeinflusst die soziale Situation …
201 3
. Abb. 3.21 Effekt des gemeinsamen Wissens: Personen tauschen sich oft nur über das Wissen aus, das sie
ohnehin gemeinsam haben. Dadurch resultiert im Vergleich zum potenziell vorhandenen Gesamtwissen ②,
welches sich aus dem jeweiligen Wissen der beteiligten Personen ① und deren Überschneidungen (schraffierte
Fläche) ergibt, ein deutlich geringeres tatsächliches Gesamtwissen ③
zur Sprache (Stasser et al. 1989; Stewart Stasser 1996) bezeichnet. Das Nichtmitteilen
et al. 1998; Stewart und Stasser 1998; für wichtiger Informationen kann dazu führen,
eine Metaanalyse vgl. Mesmer-Magnus und dass die beste Lösung unerkannt bleibt, weil
DeChurch 2009). So beteiligten sich bei- relevante, aber über die Gruppenmitglieder
spielsweise in einer Studie von Sargis und verteilte Informationen gar nicht zur Sprache
Larson (2002) Personen, denen hauptsächlich kommen oder nicht genügend Aufmerksam-
einzigartige Informationen zur Verfügung keit erhalten (7 Beispielstudie 3.5).
standen, insgesamt weniger an der Dis-
kussion und brachten weniger Information Effekt des gemeinsamen Wissens
in die Diskussion ein als jene, die hauptsäch- Die Gruppe konzentriert sich auf
lich über gemeinsames Wissen verfügten. Das Informationen, die bereits allen bekannt
tatsächlich resultierende – weil geäußerte – sind, d. h. auf das gemeinsame Wissen.
Gesamtwissen einer Gruppe ist damit häu- Informationen, die nur einzelnen
fig geringer als der potenziell vorhandene Mitgliedern bekannt sind (nicht geteiltes
Informationspool (. Abb. 3.21). Wissen), kommen häufig nicht zur Sprache
Dieses Phänomen wird als Effekt des oder erhalten weniger Aufmerksamkeit.
gemeinsamen Wissens (Wittenbaum und
202 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Beispielstudie 3.5
In der Gruppe wird hauptsächlich das von allen geteilte Wissen diskutiert, wodurch es zu
verzerrten Entscheidungen kommen kann
Die Versuchsteilnehmer Kandidaten (B und C) aller Gruppenmitglieder
von Stasser und Titus (1985; überlegen war. zusammengenommen der
3 vgl. auch Diskussion in Wurde jedem Teilnehmer Gesamtinformation entsprachen
Stasser und Titus 2003) jeweils das komplette und somit wiederum Kandidat A
waren aufgefordert, den Informationspaket vorgelegt, die beste Alternative darstellte.
für die Präsidentschaft in so entschieden sich 67 % Diese (richtige) Lösung war
einer Studentenvereinigung der Teilnehmer vor der jedoch nur zu erkennen, wenn
geeignetsten Kandidaten Gruppendiskussion für die die Teilnehmer die nicht
auszuwählen. Dazu erhielt beste Alternative, von den gemeinsame Information
jeder Teilnehmer zunächst darauffolgenden Gruppenent- in der Gruppendiskussion
schriftliche Informationen scheidungen entfielen sogar austauschten (Hidden Profile;
über die zur Wahl stehenden 83 % auf Kandidat A. Wurde Stasser 1992).
drei Kandidaten und sollte jedem Teilnehmer jedoch Gerade das war jedoch
nach der Beschäftigung jeweils nur ein Teil der nicht der Fall: Die
mit diesen Unterlagen Gesamtinformation vorgelegt, Gruppenmitglieder
eine persönliche Wahl der für sich genommen sprachen hauptsächlich
treffen. Danach waren nahelegte, dass Kandidat B über das allen gemeinsame
jeweils vier Teilnehmer oder C die beste Alternative Wissen und brachten ihre
aufgefordert, im Rahmen wäre, so entschieden sich jeweiligen einzigartigen für
einer Gruppendiskussion erwartungsgemäß vor der Kandidat A sprechenden
zu einer gemeinsamen Gruppendiskussion weniger Informationen nicht in die
Entscheidung zu gelangen. Teilnehmer für Kandidat A (ca. Diskussion ein. Auch nach
Die Informationen über ein Viertel der Teilnehmer). der Gruppendiskussion
die drei Kandidaten waren Die Informationspakete entschied sich nur etwa ein
so konstruiert, dass – der Teilnehmer, die später Viertel der Gruppen für die
würden alle Informationen gemeinsam eine Gruppe beste Alternative Kandidat A
berücksichtigt – ein Kandidat bildeten, waren nun aber so (vereinfachte Darstellung des
(A) den anderen beiden gestaltet, dass die Informationen Prinzips in . Abb. 3.22).
Warum vergeuden Gruppen Zeit damit, sich Information berichtet, so werden die anderen
über Informationen zu unterhalten, die bereits Gruppenmitglieder darauf positiv reagieren,
allen bekannt sind? Zunächst einmal ist es indem sie die Information für den aktuellen
ganz einfach statistisch wahrscheinlicher, dass Kontext als relevant und korrekt bestätigen.
gemeinsame Information im Laufe der Dis- Somit wird derjenige, der gemeinsames Wis-
kussion zur Sprache kommt, da die Informa- sen kommuniziert, als jemand angesehen, der
tion mehrfach (nämlich bei jedem Mitglied korrektes, relevantes und informatives Wis-
bzw. der Mehrzahl der Mitglieder) vorhanden sen beiträgt, und damit als kompetent und
ist (Stasser 1992). Vergegenwärtigen wir uns gebildet wahrgenommen (Wittenbaum et al.
an dieser Stelle noch einmal die immense 1999; Wittenbaum und Park 2001). Diese Form
Bedeutung, die Gruppenzugehörigkeiten für sozialen Einflusses wird als normativer Druck
den Einzelnen haben, ergibt sich eine wei- bzw. normativer Einfluss (7 Abschn. 2.2.1)
tere Ursache: Personen sind bestrebt, ihre bezeichnet (z. B. Deutsch und Gerard 1955).
Gruppenmitgliedschaft aufrechtzuerhalten und Mitglieder mit hohem Status, die es nicht
zu verhindern, dass sie zum Außenseiter wer- (mehr) nötig haben, ihre Kompetenz unter
den (Schachter 1951). Wird von allen geteilte Beweis zu stellen, neigen entsprechend
3.3 · Wie beeinflusst die soziale Situation …
203 3
. Abb. 3.22 Prinzip des Effekts des gemeinsamen Wissens am Beispiel einer Personalauswahlsituation (nach
Stasser und Titus 1985). Die Buchstaben a und b stehen jeweils für positive Eigenschaften der Kandidaten, fett
gedruckte Buchstaben bezeichnen Informationen, die alle Teilnehmer haben (gemeinsames Wissen)
Der Effekt des gemeinsamen Wissens fin- Verantwortlichkeit für bestimmte Informa-
det sich in einer Vielzahl organisationaler Set- tionen Spezialwissen wird dann eher aus-
tings, beispielsweise bei Jury-Entscheidungen getauscht, wenn jedem Gruppenmitglied klar
(Tindale et al. 1996), Produktentscheidungen ist, wer für welche Art von Informationen
(Kelly und Karau 1999), medizinischen Dia- zuständig ist. Ist für alle Mitglieder transparent,
gnosen (Larson et al. 1996; Larson et al. wer Experte – und damit zuständig – für wel-
3 1998) oder auch Personalentscheidungen chen Bereich ist, hat dies zur Folge, dass sich
(7 Beispielstudie 3.5, . Abb. 3.22). der jeweilige Spezialist dafür verantwortlich
Die Gruppenentscheidung hängt jedoch fühlt, den anderen sein Expertenwissen mit-
nicht nur davon ab, welche Information am zuteilen (Franz und Larson 2002), und außer-
häufigsten in der Diskussion genannt wird, son- dem die anderen Gruppenmitglieder diese
dern vor allem davon, für welche Alternative Beiträge auch eher aufgreifen bzw. sogar ein-
das individuelle Wissen vor der Gruppendis- fordern (Stasser et al. 1995, 2000; Stewart und
kussion spricht. So konnten beispielsweise Stasser 1995). Es ist anzunehmen, dass hier die
Greitemeyer und Schulz-Hardt (2003) zeigen, Tatsache, dass man aus seiner Rolle – nämlich
dass Personen, auch nachdem ihnen alle rele- der des Experten – heraus agiert, einem den
vanten Informationen vorgelegt wurden, bei nötigen Schutz bietet, um auch anderes, nicht
ihrer ursprünglichen (falschen) Entscheidung geteiltes Wissen mitzuteilen.
bleiben, welche nur auf einem Teil der Gesamt- Geht es um das Erinnern von ver-
information beruhte (vgl. auch Faulmüller et al. schiedenen Informationen, so kann man
2010; Reimer et al. 2010). Auch die Kenntnis solche Zuständigkeiten bewusst schaf-
der Präferenzen der anderen Gruppenmit- fen, indem jedem Gruppenmitglied die
glieder zu Beginn der Diskussion wirkt sich „Erinnerungsverantwortung“ für einen
nachteilig auf die Qualität der Entscheidung anderen Informationsbereich (z. B. Namen
aus, da den vorgebrachten Argumenten dann versus Termine/Zahlen) übertragen wird.
weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird (Moj- Wenn eine solche Arbeitsteilung für das
zisch und Schulz-Hardt 2010). Das Teilen aller Erinnern bestimmter Informationen besteht
Informationen ist also noch keine Garantie und zudem jedem Gruppenmitglied klar
dafür, dass eine richtige Entscheidung getroffen ist, wer für welche Informationen zuständig
wird, wohl aber ist es eine grundlegende ist, so spricht man von einem transaktiven
Voraussetzung dafür und hat einen positiven Gedächtnissystem (Wegner et al. 1991;
Einfluss auf die Entscheidungsqualität (Win- Wegner 1995). Auch hier kann eine klare
quist und Larson 1998). Aufteilung von Verantwortlichkeiten dazu
Die Forschung hat inzwischen Bedin- führen, dass sich die gesamte Erinnerungs-
gungen identifiziert, unter denen auch nicht leistung (Liang et al. 1995; Moreland 1999;
gemeinsame Informationen wahrscheinlicher Moreland et al. 1996) und letztendlich auch
zur Sprache kommen. Diese sind: das Zusammenführen dieser Informationen
(Stasser 2000) verbessern.
Zeit Es hat sich gezeigt, dass im Dis-
kussionsverlauf zunächst hauptsächlich die Normen Normen regeln das Verhalten der
gemeinsamen Informationen diskutiert werden Gruppenmitglieder und können auch beein-
und nicht geteiltes Wissen erst zu einem späte- flussen, wie Informationen genutzt werden.
ren Zeitpunkt zur Sprache kommt (Larson et al. So konnten beispielsweise Postmes et al.
1998; Larson et al. 1994, 1998). Diskussionen (2001) zeigen, dass einzigartige Informa-
sollten deshalb lange genug andauern, um die- tion dann eher in den Entscheidungsprozess
ser Tendenz Rechnung zu tragen. einbezogen wird und sich in der Folge die
3.3 · Wie beeinflusst die soziale Situation …
205 3
Entscheidungsqualität erhöht, wenn als Norm Diskussionsstrategien Strategien für den
„kritisch denken“ statt „Konsens erzielen“ vor- Diskussionsprozess können ebenfalls dafür
gegeben wird. sorgen, dass die Sprache mehr auf ungeteilte
Informationen kommt. Eine erfolgreiche
Unterschiedliche Meinungen Wie gerade Intervention besteht darin, die Diskussion
neuere Befunde zeigen, sind für das Mit- in zwei Phasen aufzuteilen. Zunächst sollen
teilen und Beachten von nicht gemeinsamer die Gruppenmitglieder vorhandene Infor-
Information die Präferenzen der Mitglieder mationen zusammentragen, ohne ihre Ent-
vor der Diskussion von entscheidender scheidungspräferenzen zu äußern. Erst
Bedeutung. Brodbeck et al. (2002) konn- danach sollen sie in einer zweiten Phase über
ten zeigen, dass nicht geteilte Informatio- die Entscheidung beratschlagen (Mojzisch
nen dann mehr Beachtung finden, wenn und Schulz-Hardt 2010; vgl. auch Brod-
zumindest ein Mitglied der Gruppe vor der beck et al. 2007; Mojzisch und Häuser 2013;
Gruppendiskussion eine von der Meinung Schulz-Hardt und Mojzisch 2012). Darü-
der übrigen Mitglieder abweichende Alter- ber hinaus kann man Entscheidungsträgern
native favorisiert (vgl. auch Brodbeck et al. Planungsstrategien vermitteln: Bevor sie sich
2007; Schulz-Hardt et al. 2006). Selbst wenn endgültig entscheiden, sollen sie nochmal
der oder die Abweichler eine suboptimale die Vorteile der nichtgewählten Alternativen
Alternative favorisiert, entscheidet sich die durchgehen (Thürmer et al. 2014).
Gruppe nach der Diskussion häufiger für die
richtige Alternative, als wenn alle die gleiche Aufgabenstellung Wird von der Gruppe
suboptimale Alternative favorisieren. Noch nicht nur verlangt, die beste Entscheidung
besser fallen die Entscheidungen aus, wenn bzw. lediglich eine gemeinsame Lösung zu
der Abweichler die richtige Alternative favori- finden, sondern vielmehr, alle möglichen Ent-
siert. Ist ein solcher „Abweichler“ nicht natür- scheidungsalternativen in eine Rangreihe zu
licherweise vorhanden, so kann die Gruppe bringen, so können sich dadurch das Teilen
ein Mitglied beauftragen, die Rolle eines sol- einzigartiger Informationen und die Ent-
chen zu übernehmen (d. h. den Advocatus scheidungsqualität verbessern (Hollingshead
Diaboli zu spielen).10 Dadurch werden gezielt 1996). Dies lässt sich dadurch erklären, dass
Alternativen eingebracht, die diskutiert und zur Bildung einer Rangreihe die verschiedenen
berücksichtigt werden müssen. Allerdings Alternativen sehr differenziert betrachtet und
garantiert eine solche Prozedur noch nicht, gegeneinander abgewogen werden müssen.
dass tatsächlich bessere Entscheidungen Für eine solche Differenzierung ist es nötig,
getroffen werden, was daran liegen könnte, möglichst viele Informationen auszutauschen.
dass der eigenen Präferenz widersprechende
sowie Informationen anderer Teilnehmer Zusammenfassend wurde dargestellt, dass
abgewertet werden (Greitemeyer et al. 2006). der Informationsaustausch in einer Gruppe
eine wichtige Determinante für die Quali-
tät der Gruppenentscheidung ist. Im Rahmen
10 Im Zusammenhang mit dem Confirmation des Effekts des gemeinsamen Wissens erweist
Bias (7 Abschn. 4.4.1) konnten Schulz-Hardt sich als für die Entscheidungsqualität hinder-
et al. (2002) zeigen, dass sowohl das Ernennen lich, dass von allen geteilte Informationen
eines Advocatus Diaboli als auch eine natür-
bevorzugt zur Sprache kommen (Brodbeck
liche Meinungsheterogenität der Mitglieder
der Tendenz entgegenwirken, vor allem nach et al. 2007). Unter anderem bringt das Aus-
bestätigender Information zu suchen, wobei die sprechen mehrheitlich bekannter Informatio-
natürliche Heterogenität einen größeren Effekt hat. nen – oder auch Konformität in der geäußerten
206 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Information – die soziale Anerkennung der zu sehen und eine entsprechend verzerrte
Gruppe ein. Die Wirksamkeit eines Advocatus Entscheidung zu treffen. Läge es nun nicht
Diaboli zeigt auf, dass abweichende Minder- nahe anzunehmen, dass diese Einseitigkeit bei
heiten einflussreich sein und die Entscheidungs- einer Gruppenentscheidung vermieden wird
qualität verbessern können (7 Abschn. 2.2.2). und das Urteil einer Gruppe – im Sinne eines
Kompromisses – weniger extrem ausfällt als
3 so manche Einzelmeinung?
3.3.2 Gemeinsam sind wir extrem – Im Gegensatz zur intuitiven Erwartung
Gruppenpolarisierung zeigt die Gruppe eine größere Risikobereit-
schaft als ihre Mitglieder im Durchschnitt,
Ein erstes Hindernis für den potenziellen Vor- was als Risky-Shift-Phänomen (Myers und
teil von Entscheidungen in der Gruppe haben Lamm 1976; Stoner 1961; 7 Beispielstudie 3.6)
wir im vorangehenden Abschnitt kennen- bezeichnet wird. Gruppenentscheidungen wer-
gelernt: Potenziell steht der Gruppe zwar den aber nicht prinzipiell riskanter, sondern die
meist ein größerer Informationspool zur Ver- Gruppenentscheidung kann in anderen Fällen
fügung als einer Einzelperson, häufig wird auch konservativer sein, als man angesichts der
dieser Vorteil jedoch nicht ausgenutzt, weil durchschnittlichen Meinung ihrer Mitglieder
das wirklich wichtige – das einzigartige – Wis- erwarten würde (7 Exkurs: Kulturelle Unter-
sen nicht zur Sprache kommt. schiede in der Risikobereitschaft). Entscheidend
Selbst wenn im Idealfall alle wichtigen ist dabei, in welche Richtung die Meinungen der
Informationen zur Verfügung stehen, gibt es Gruppenmitglieder vor der Diskussion tendie-
bei vielen Entscheidungen keine eindeutig ren. Die Diskussion mit anderen, die zu diesem
richtige Lösung. Für welche Alternative man Thema eine ähnliche Meinung vertreten wie
sich entscheidet, wird auch durch Faktoren man selbst, führt dann zu einer Extremisierung
wie beispielsweise die Risikobereitschaft der dieser Ausgangspositionen – dieses Phänomen
beteiligten Personen beeinflusst. wird als Gruppenpolarisierung bezeichnet
Was passiert nun, wenn eine Gruppe (Moscovici und Zavalloni 1969; für einen Über-
eine gemeinsame Entscheidung fällen soll? blick vgl. Myers und Lamm 1976). Das Ris-
Zunächst einmal bringen die Mitglieder ihre ky-Shift-Phänomen ist also nur eine mögliche
individuellen Ansichten ein, es wird dis- Ausprägung dieser Extremisierung, und zwar
kutiert und letztendlich eine gemeinsame Ent- für den speziellen Fall, dass die Gruppenmit-
scheidung gefällt. Jedes Mitglied für sich mag glieder bereits vor der Gruppendiskussion zum
dabei dazu neigen, die Dinge recht einseitig Risiko tendierten.
Beispielstudie 3.6
. Tab. 3.2 Vorläuferbedingungen und Symptome des Gruppendenkens nach der Theorie von Janis
(1972, 1982)
Stresslevel fehlen (z. B. Tindale et al. 1996; Chapman 2006). Im Falle von persönlichen
Wittenbaum und Stasser 1996; 7 Abschn. 3.3.1 Risiken neigen Individuen dazu, ihre eigene
bzw. 7 Abschn. 3.3.2). Es ist vielmehr anzu- Gefährdung und die ihrer Angehörigen zu
nehmen, dass schlechte Entscheidungsquali- optimistisch einzuschätzen, um sich nicht
tät bzw. die Symptome, die in der Theorie des permanent zu sorgen und zu ängstigen (Brock
Gruppendenkens beschrieben werden, Folge und Balloun 1967; Weinstein 1989; ▶ Sozial-
der bereits beschriebenen Effektivitätshinder- psychologie I, Absch. 6.3.2). Verantwort-
nisse in Gruppen bzw. einer Kombination aus lich für diese optimistische Verzerrung sind
diesen sind, insbesondere eine Folge von nor- Mechanismen der selektiven Informationsver-
mativem Einfluss, Gruppenpolarisierung und arbeitung und der Informationsverzerrung in
Unterordnung unter Autoritäten. Richtung der gewünschten Schlussfolgerung
Effektivitätshindernisse treten in Grup- (Bastardi et al. 2011; Dunning 2015). Was
pen typischerweise auf (7 Abschn. 3.3.1 bzw. nun bedeutet dieser emotional-motivatio-
7 Abschn. 3.3.2); doch was unterscheidet nale Mechanismus für den Fall, dass eine
solch „normale“ Entscheidungssituationen Gruppe von Personen von den gleichen Risi-
von jenen, in denen es zum Gruppendenken ken betroffen ist und ihr damit der Effekt des
kommt? Eine bedeutsame Randbedingung Gruppendenkens droht?
für das Auftreten von Gruppendenken ist Ein Beispiel für eine solche Situation ist
eine gefühlte Bedrohung von außen (z. B. sich die Vortäuschung niedrigerer Abgaswerte bei
rechtfertigen zu müssen, die eigene Position VW-Dieselfahrzeugen (z. B. Becker 2016).
zu verlieren, sanktioniert zu werden; vgl. auch Von außen betrachtet scheint es kurzsichtig
3.3 · Wie beeinflusst die soziale Situation …
211 3
Exkurs
Leugnung und Informationsvermeidung als Folge riskanter Situationen
Möglicherweise sah die berücksichtigen. Je länger eine Vermeidung nicht nur in
Welt für die Mitwisser solche Situation anhält, umso stark kohäsiven Gruppen
der Manipulationen der teurer wird es zum Schluss. ansteckend, sondern auch
Abgassteuerung bei VW Fest steht: Bei zwischen unabhängig
anders aus als für Unbeteiligte, Risikosituationen, an denen agierenden Individuen.
weil sie im Falle einer mehrere beteiligt sind, Voraussetzung ist lediglich,
Aufdeckung viel zu verlieren erhöhen das fortgesetzte dass die Konsequenzen
hatten. Um nicht vor lauter Leugnen und Nichthandeln der Einzelhandlungen
Sorgen nicht mehr schlafen zu der anderen letztendlich das Auswirkungen auf die
können, zeigen Menschen in Risiko für jeden Beteiligten. zukünftige Lage anderer
solchen Risikosituationen zwei Unter solchen Bedingungen, haben. Bénabou (2013)
spezielle Verhaltensweisen: so ein Modell von Bénabou wendet diese Analyse
Wishful Thinking (Leugnung (2013), entsteht eine positive beispielsweise auf die
schlechter Nachrichten) und Rückkopplung zwischen Finanzkrise im Jahre 2008 an,
Willful Blindness (Informations- dem Leugnen der einzelnen bei der praktisch alle Banken
vermeidung; Benabou Beteiligten. Gruppendenken einen Teil des Risikos trugen
2013). Konkret könnte ist diesem Modell zufolge und damit zum Wegschauen
jemand in einer solchen das gemeinsame motivierte motiviert waren. Ein anderes
Situation Informationen Wegschauen von Risiken. Beispiel für ein gemeinsam
über auffällige Messwerte Dieses Modell erklärt getragenes Risiko ist der
zur Luftverschmutzung zwei zentrale Aspekte von Klimawandel. Für uns alle
ignorieren und den Beitrag Gruppendenken, nämlich verdüstern sich die Zukunfts-
der VW-Dieselfahrzeuge an die gemeinsame Leugnung aussichten, wenn andere
diesen Ergebnissen leugnen. schlechter Nachrichten den Klimawandel leugnen
Gleichzeitig könnte er den und die Vermeidung und sich so verhalten, als
Gedanken an die übliche Höhe widersprechender wäre unsere Klimagasbilanz
von Schadensersatzklagen Informationen, als allgemeine unproblematisch. Genau
in den USA vermeiden, Folge eines gemeinsam deswegen, so Bénabou, sind
also diesen Aspekt bei getragenen Risikos. Damit wir noch mehr motiviert, sie
Entscheidungsprozessen nicht wirken Leugnung und auch weiterhin zu leugnen.
der Bereitstellung von Informationen sind Wie konnte es zu diesen Fehlplanungen kom-
zudem die Art, wie diese verarbeitet werden, men? Spielen sozialpsychologische Phäno-
und die Offenheit für abweichende Meinun- mene hier überhaupt eine Rolle, oder geht es
gen von Bedeutung. nur um Politik? Die Sozialpsychologie kann
mit den Theorien zum Effekt des gemeinsamen
Optimierung der Informationsverarbeitung Bei Wissens, zum Konformitätsdruck, zur Gruppen-
3 technologievermittelt (per E-Mail, Video, Tele- polarisation, zum Planungsfehler (Planning
fon etc.) getroffenen Entscheidungen fand Fallacy; Buehler et al. 1994; Sanna et al. 2005;
sich eine geringere Anfälligkeit für Symptome ▶ Sozialpsychologie I, Kap. 3) und zu Urteils-
des Gruppendenkens und für Polarisierung verzerrungen einiges zur Erklärung und auch
(McGuire et al. 1987), was allerdings von der zur Prävention solcher Probleme beitragen.
Art des Settings abhängt (Lea und Spears 1991) Kahneman und Tversky (1977) kamen in
und häufig auch mit Effektivitätseinbußen ein- einem Bericht für das US-amerikanische Ver-
hergeht (Baltes et al. 2002). Auch ein systemati- teidigungsministerium zu dem Schluss, dass
sches Vorgehen bei der Informationssammlung Urteilsverzerrungen, ähnlich wie optische Täu-
und -auswertung bzw. das Hinzuziehen von schungen, nicht vermieden werden können.
strukturierten Entscheidungshilfen kann sich Sie schlugen daher eine Planungsstrategie vor,
positiv auswirken (vgl. hierzu Turner und die sich weniger auf Vorhersagen und Schät-
Pratkanis 1998). Besonders bei der Planung zungen stützt (was sie Inside View nannten)
von Großprojekten ist es wichtig, strukturiert und stärker bemüht, die Erfahrungen einer
vorzugehen, da sonst leider oft große Kosten- Klasse ähnlicher Projekte zu untersuchen,
steigerungen resultieren, wie die folgenden Bei- eine grobe Verteilung der Ergebnisse für diese
spiele illustrieren. Referenzklasse darzustellen (Outside View)
und dann das aktuelle Projekt in dieser Ver-
Illustration: Gruppenentscheidungen – teilung zu positionieren (vgl. auch Kahneman
Großprojekte und Lovallo 1993; Lovallo und Kahneman
Ohne die Entscheidungsprozesse im Einzel- 2003). Dieses Vorgehen, genannt Reference
nen zu untersuchen, ist es schwierig zu Class Forecasting oder Estimate Validation,
bestimmen, welchen Anteil welcher Prozess findet zunehmend bei der Planung von Groß-
bei Fehlplanungen hat. Fest steht jedoch, dass projekten Einsatz (Flyvbjerg 2006, 2009). Es
die Auswirkungen oft massiv sind. Um nur kann helfen, nicht nur den Einfluss von Urteils-
einige Beispiele zu nennen: So beanspruchte verzerrungen und ungünstigen Gruppen-
der Bau der Hamburger Elbphilharmonie bei prozessen zu minimieren, sondern auch den
ihrer Fertigstellung im Jahre 2017 866 Millio- Einfluss von Täuschung (Flyvbjerg 2009).
nen Euro anstelle der im Juli 2005 geschätzten
186 Mio. (die Kosten für den Steuerzahler Offenheit der Gruppe und des Gruppen-
verzehnfachten sich gar von ursprünglich leiters für andere Meinungen Symptome
geplanten 77 auf 789 Mio. EUR; Wikipedia von Gruppendenken resultieren u. a. aus
2017). Und das LKW-Mautsystem Toll Col- einem „ungesunden“ Streben nach Konsens,
lect kostete letztendlich das 11,5-Fache der bei dem Uneinigkeit störend und bedroh-
ursprünglich veranschlagten Summe (Spiegel lich wirkt. Um die Entscheidungsquali-
Online 2016); dabei fehlte es auch hier nicht tät zu fördern, können entsprechend die
an warnenden Stimmen. Horrende Kosten- Offenheit gegenüber anderen Meinungen
steigerungen und Verzögerungen plagen den sowie das Auftreten von Uneinigkeit bzw.
derzeitigen Bau des Bahnhofs Stuttgart 21 die zeitweise Akzeptanz von Uneinigkeit
sowie den des Flughafens Berlin Brandenburg bedeutsam sein (Nemeth und Nemeth 2003;
(BER). im Hinblick auf die Gruppenleitung z. B.
3.3 · Wie beeinflusst die soziale Situation …
213 3
Peterson 1997; Peterson et al. 1998; Smith Fehlentscheidungen begünstigen, über
und Mackie 2000). Im Allgemeinen scheint Bedingungen, die diese verstärken, und
eine eher offene und nichtdirektive Führung Möglichkeiten, ihnen vorzubeugen.
förderlich für die Entscheidungsqualität zu
sein. So konnte beispielsweise gezeigt wer-
den, dass dann im Vergleich zu Gruppen 3.3.4 Zusammenfassung
mit direktiver Führung mehr Lösungsvor-
schläge eingebracht und mehr Informationen Entscheidungen bzw. der damit verbundene
berücksichtigt werden (Flowers 1977; Fodor Prozess der Meinungsbildung in Gruppen
und Smith 1982). Aufgrund seiner einfluss- unterliegen vielfältigen Einflüssen. Die Vor-
reichen Position hat der Gruppenleiter die teile, die man sich von Entscheidungen in der
Möglichkeit, dies zu fördern, indem er bei- Gruppe erhofft, werden dadurch gefährdet.
spielsweise immer wieder dazu ermutigt, Der potenzielle Vorteil eines größe-
Kritik und Zweifel zu äußern, und indem ren Gesamtwissens der Gruppe gegenüber
er Meinungsminderheiten Schutz gewährt. einem Individuum wird durch den Effekt des
In einem solchen Gruppenklima kann auch gemeinsamen Wissens gefährdet: Gruppen
ein eigens ernannter Advocatus Diaboli hilf- diskutieren hauptsächlich das Wissen, das
reich sein (7 Abschn. 3.3.1). Die Offenheit für alle bereits vor der Diskussion gemeinsam
abweichende Meinungen und Informationen hatten, und einzigartige Informationen kom-
sollte auch nach der Entscheidung gefördert men kaum zur Sprache. Werden durch diese
werden, um eine eventuell erforderliche Tendenz wichtige Informationen nicht in den
Revision bzw. Anpassung der Entscheidung Entscheidungsprozess einbezogen, kann eine
zu ermöglichen. falsche Gruppenentscheidung resultieren.
Entscheidungsprozesse in Gruppen wer-
Zusammenfassender Überblick über wirk- den des Weiteren durch Gruppenpolarisierung
same Maßnahmen12 Die Forschung hat gefährdet. So extremisieren sich durch die
eine Reihe an Maßnahmen nachgewiesen, Diskussion die individuellen Meinungen,
um Entscheidungsprozesse in Gruppen und die Gruppenentscheidung fällt polari-
zu verbessern und Fehlplanungen zu ver- sierter aus, als man angesichts der ursprüng-
meiden. Dabei kann auf eine reiche Literatur lichen Meinungen der Gruppenmitglieder
zurückgegriffen werden, die sich sowohl mit erwarten würde. Dadurch kann es zu sehr ris-
Heuristiken und daraus entstehenden syste- kanten oder auch zu sehr konservativen Ent-
matischen Verzerrungen bei Entscheidungs- scheidungen kommen.
prozessen von Individuen als auch speziell Für das Zustandekommen von Fehlent-
mit Prozessen in Gruppen beschäftigt (z. B. scheidungen mit katastrophalen Folgen wurde
Kahneman et al. 2011; Sunstein und Has- lange Zeit die Theorie des Gruppendenken
tie 2015). . Tab. 3.3 zeigt eine Übersicht als Erklärung herangezogen: Demnach ist
über solche psychologischen Prozesse, die für die schlechte Entscheidungsqualität ein
ungesundes Streben nach Konsens verantwort-
lich. Wichtige Annahmen der Theorie konnten
12 Der Vollständigkeit halber werden hier auch Quel-
jedoch nicht bestätigt werden, vielmehr las-
len von Entscheidungsfehlern und vorbeugende sen sich die Symptome des Gruppendenkens
Maßnahmen genannt, die sich aus individuellen als Folge verschiedener ungünstiger Einflüsse
Urteilsverzerrungen ergeben und deshalb in auf Gruppenentscheidungen ansehen (z. B.
7 Sozialpsychologie I behandelt wurden. Diese Effekt des gemeinsamen Wissens, Gruppen-
gelten aber ebenso für Gruppen, aufgrund von
Polarisierungseffekten sogar häufig noch stärker
polarisierung). Eine zentrale Variable der
als bei Entscheidungen von Einzelpersonen Theorie des Gruppendenkens, die Bedrohung
(Whyte 1989) von außen bzw. die den Gruppenmitgliedern
3
214
Vermeiden und Leugnen schlechter Nach- Vorhandenes Eigeninteresse Team mit Menschen unterschiedlicher Interessenslagen
richten besetzen
Konformitätsdruck Einstimmigkeit, kohäsive Eigengruppen Rollen zuweisen: Advocatus Diaboli
Auslassen von Information (7 Abschn. 3.3.1) Nicht geteiltes Wissen vorhanden Strukturierte Teamtreffen zum Einholen aller Informatio-
nen, gute Gesprächsmoderation
Confirmation Bias (positive Teststrategie; Frühe und geteilte Präferenzen Späte Festlegung oder Entscheidung
7 Abschn. 4.4.1)
Durch Verfügbarkeits- oder Ankerheuristik ver- Kürzliche, saliente, häufig wiederholte Beispiele Gründliche Recherche, Spezialisierung innerhalb des
zerrte Informationssuche (7 Sozialpsychologie und Informationen vorhanden Teams, Evidenz für einen Standpunkt und für das Gegen-
I, Kap. 3) teil sammeln
Prozessverluste (7 Abschn. 3.2) Redundante Expertise, schlechte Koordination, Komplementäre Expertise, individuelles Brainstorming,
unklare Verantwortlichkeit klare Verantwortungen und Ziele, guter Informationsfluss
Polarisierung: zu extreme Entscheidungen Gruppe neigt anfänglich mehrheitlich in dieselbe Menschen mit komplementären Meinungen und Fertig-
(7 Abschn. 3.3.2) Richtung keiten ins Team holen
Planungsfehler; Unterschätzen von Kosten und Hohe Motivation zur Zielerreichung, großes Einnehmen einer Perspektive von außen; Reference Class
Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
Dauer eines Projekts (7 Sozialpsychologie I, Eigeninteresse, große und komplexe Projekte Forecasting: Planung ausgehend von vergleichbaren
Kap. 3) Projekten (statt vorwärts planen)
Sunk Cost, Endowment: zu spätes Aufgeben Größere Investitionen wurden schon getätigt Blick von außen, Kultur des Ausprobierens und Auf-
unrentabler Projekte gebens
Direktive Führung Starke Führungsposition Fragen, auch zu Widerspruch ermutigen, eigene Zweifel
auch zeigen
Loss Aversion: zu vorsichtige Entscheidungen Risiken stärker gewichtet als Chancen Chancenorientierung
(7 Sozialpsychologie I, Kap. 4)
Temporal Discounting: spätere Kosten oder Nut- Spätere Konsequenzen werden von anderen Verschiedene Zeithorizonte berücksichtigen, alle
zen werden nicht genug berücksichtigt Gruppen getragen Interessengruppen einbeziehen
Für die Entscheidungsträger sind vor allem die Risiken und Chancen, Kosten und Nutzen sind Alle Betroffenen einbeziehen, gesetzliche Regelungen
Kosten oder der Nutzen relevant ungleich auf öffentlich und privat verteilt (z. B. Verursacherprinzip, Rücklagen), „wasserdichte“
Verträge
Literatur
215 3
durch die letztendlich zu treffende Ent- den Meinungsbildungs- und Entscheidungs-
scheidung entstehenden Risiken, kann jedoch prozess auswirkt. Dieser Prozess wird beispiels-
die Entscheidungsprozesse noch zusätzlich weise dadurch beeinträchtigt, dass Gruppen
beeinträchtigen, da sich individuelle Ten- hauptsächlich die Informationen diskutieren,
denzen zum Leugnen und Ignorieren poten- die bereits vorher allen Gruppenmitgliedern
zieller Gefahren in der Gruppe gegenseitig bekannt waren (Effekt des gemeinsamen Wis-
verstärken. sens) und einzigartiges Wissen vernachlässigen.
Auch sind Gruppenmeinungen im Vergleich
zu den Einzelmeinungen nicht etwa gemäßigt,
3.4 Kapitelzusammenfassung sondern erfahren häufig eine Extremisierung
(Gruppenpolarisierung). Kommen verschiedene
Die soziale Situation Gruppe unterscheidet hinderliche Prozesse zusammen, so können
sich von anderen Situationen, in denen soziale Entscheidungen mit katastrophalen Folgen das
Einflüsse wirksam werden. Gruppen haben Resultat sein, wie sie im Rahmen der Theorie
für Menschen große Bedeutung, weil sie aus des Gruppendenkens analysiert wurden.
der Gruppenzugehörigkeit sowohl materiel- Die Arbeit und das Treffen von Ent-
len als auch psychischen Nutzen ziehen. Im scheidungen in Gruppen sind also viel-
Gegenzug sind Personen bereit, persönliche fältigen Gefahren ausgesetzt. Damit die
Interessen den Spielregeln der Gruppe unter- potenziellen Vorteile der Gruppe zum Tra-
zuordnen. Dies ist für die Ordnung in der gen kommen können, ist es wichtig, die ent-
Gruppe und damit für deren Funktionieren scheidenden Einflussfaktoren zu kennen und
von großer Wichtigkeit. Strukturmerkmale entsprechend günstige Rahmenbedingungen
der Gruppe wie Normen, Rollen, Status und zu schaffen.
Kohäsion haben starke und mitunter auch
gefährliche Auswirkungen auf das Verhalten
der einzelnen Mitglieder. Literatur
Der Nutzen der Gruppenzugehörig-
keit besteht u. a. darin, mit der Gruppe Ziele Aad, G., Abbott, B., Abdallah, J., Abdinov, O., Aben, R.,
zu erreichen, die alleine nicht oder nur sehr Abolins, M., et al. (2015). Combined measurement
schwer zu erreichen wären. Doch finden of the higgs boson mass in pp collisions at s = 7
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mit diesen im Rahmen einer Gruppe positiv
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oder negativ auswirkt, hängt dabei von Fak- 29, 97–119.
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besteht, eine möglichst gute Entscheidung Alnuaimi, O. A., Robert, L. P., & Maruping, L. M. (2010).
zu treffen. Hier ist von besonderem Inter- Team Size, dispersion, and social loafing in tech-
esse, wie sich die soziale Situation Gruppe auf nology-supported teams: A perspective on
216 Kapitel 3 · Prozesse in Kleingruppen – Intragruppenprozesse
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Vorurteile
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4.1.1 Was genau versteht man unter einem Vorurteil? – 229
4.1.2 Welche Gruppen sind Gegenstand starker Vorurteile? – 232
4.1.3 Wie lassen sich Vorurteile messen? – 242
4.1.4 Zusammenfassung – 244
Exkurs
. Abb. 4.1 Ein und dieselbe sportliche Leistung wurde in einer Studie in den USA unterschiedlich beurteilt,
je nachdem, ob sie angeblich von einem Weißen oder einem Schwarzen erbracht wurde. (© Rob Byron/stock.
adobe.com)
4.1 · Wodurch zeichnen sich Vorurteile aus?
231 4
Illustration: Vorurteile und die Diskriminierung von Juden gutheißen
Diskriminierung (7 Abschn. 2.3.3, 7 Abschn. 3.1.4). Wer-
Viele Menschen hassen Juden, ohne je einen den zudem deindividuierende Situationen
Juden getroffen zu haben. Wäre offen dis- geschaffen, so macht dies Diskriminierung
kriminierendes Verhalten ein notwendiges noch wahrscheinlicher (7 Abschn. 5.4.1).
Kriterium für Vorurteile, müsste man zu dem
paradoxen Schluss gelangen, dass diese Die Differenzierung zwischen den ver-
Menschen keine Vorurteile haben. Doch dem schiedenen Komponenten ist durchaus
ist nicht so, denn sozial geteilte Vorurteile bedeutsam, denn das Vorhandensein stereo-
bilden einen wichtigen Nährboden für Dis- typen Wissens allein (kognitive Komponente)
kriminierung; die Normen und Reaktionen bedeutet nicht automatisch, dass dieses eine
der Eigengruppe auf vorurteilsbehaftetes Wertung enthält, d. h. mit einer positiven oder
Verhalten haben entscheidenden Einfluss: negativen Empfindung einhergeht (affektive
Werden diejenigen, die diskriminieren, unter- Komponente) oder in Verhalten umgesetzt
stützt, angefeuert, geachtet und gelobt, so wird (Diskriminierung). Von einem ech-
motiviert dies, weiter und extremer zu dis- ten Vorurteil sprechen wir erst dann, wenn
kriminieren. Werden sie hingegen von ihrer kognitive Komponente (z. B. „Von Männern
Eigengruppe geächtet, ausgegrenzt und wird gesagt, sie seien schlechte Zuhörer“),
getadelt, so sinkt die Motivation zur Dis- affektive Komponente (z. B. „Mich stört,
kriminierung. Wird also in der Clique schlecht dass Männer schlechte Zuhörer sind“) und
über Juden und bewundernd oder ent- Verhaltenskomponente (z. B. Vermeidungs-
schuldigend über Menschen gesprochen, tendenz gegenüber Männern, wenn man einen
die jüdische Mitmenschen drangsalie- guten Zuhörer braucht) gemeinsam auftreten
ren, so etabliert dies soziale Normen, die (. Abb. 4.2).
. Abb. 4.2 Die Wissensstruktur über eine Personengruppe (Stereotype) bildet die kognitive Grundlage von
Vorurteilen. Kommt die affektive Bewertung hinzu, handelt es sich um ein wirkliches Vorurteil. Vorurteile, aber
auch Stereotype allein, können sich auf das Verhalten auswirken (Diskriminierung)
232 Kapitel 4 · Vorurteile
Stereotype sind nützlich, indem sie kog- beurteilt, ohne weitere Informationen oder
nitive Kapazitäten sparen (z. B. Macrae et al. Ausnahmen von der Regel in Betracht zu zie-
1994a): Wir müssen über Dinge, die wahr- hen (z. B., dass es sich ebenfalls um einen Tou-
scheinlich auf die große Mehrheit einer risten handeln könnte).
Gruppe zutreffen (z. B., dass die meisten
Menschen in England Englisch sprechen),
nicht bei jeder Begegnung wieder neu nach- Vorurteile
denken, um zu entscheiden, wie wir beispiels- Vorurteile bezeichnen Einstellungen
4 weise unser Gegenüber ansprechen sollen. gegenüber Angehörigen einer
Wir brauchen nur das Stereotyp abrufen. Fremdgruppe allein aufgrund deren
Insbesondere in Situationen, die unsere Gruppenzugehörigkeit und weisen
Informationsverarbeitungskapazitäten heraus- folgende Komponenten auf:
fordern, ist dies äußerst nützlich (Boden- 5 Kognitive Komponente = Stereotyp
hausen und Lichtenstein 1987; Stangor und 5 Affektive Komponente = Bewertung
Duan 1991), beispielsweise wenn wir unter 5 Verhaltenskomponente = Diskriminierung
Zeitdruck stehen und/oder das Urteil sehr
komplex ist. Häufig müssen wir zudem Urteile
bilden, für die wir eigentlich mehr Informa-
Die affektive Komponente trägt dazu bei, dass
tionen bräuchten, als uns in der aktuellen
Vorurteile unter Umständen geradezu fana-
Situation zur Verfügung stehen. Braucht bei-
tisch vertreten werden und häufig schwer zu
spielsweise jemand dringend Hilfe bei einem
verändern sind – jeder, der schon einmal mit
Computerproblem, wendet er sich möglicher-
jemandem über ein tief sitzendes Vorurteil dis-
weise als Erstes an einen jüngeren Mann, was
kutiert oder gar gestritten hat, weiß das nur
das Ergebnis zweier Stereotype sein kann:
zu gut: Wenn es um Vorurteile geht, sind oft
„Männer kennen sich gut mit Computern
selbst die vernünftigsten Menschen gegenüber
aus“ und „Jüngere Menschen kennen sich gut
rationalen und logischen Argumenten immun.
mit Computern aus“.
Da Vorurteile und Diskriminierung
Illustration: Nützliche und problematische gegenüber Einzelnen auf deren Kategorien-
Seiten von Stereotypen zugehörigkeit beruhen, wird im folgenden
Abschnitt aufgezeigt, wer typischerweise
Ein Tourist geht in England automatisch
Gegenstand starker Vorurteile ist.
davon aus, dass die Menschen dort Englisch
sprechen. Er wird deshalb versuchen, in der
Landessprache mit ihnen Kontakt aufzu-
nehmen, ohne sich über die Englischkennt- 4.1.2 Welche Gruppen sind
nisse seines Gegenübers vorher Gewissheit Gegenstand starker
zu verschaffen. Dieses Vorgehen ist sehr Vorurteile?
adaptiv, denn es wird überwiegend sinnvoll
und hilfreich sein. Unterstellt der Tourist aber Damit Vorurteile auch bei der Begegnung
zugleich allen Engländern, dass sie einen mit Menschen unmittelbar Urteile, Gefühle
„besonderen, englischen Humor“ haben, der und Verhalten beeinflussen können, müs-
von Sarkasmus, Selbstironie und der Über- sen sie uns schnell und ohne großen Auf-
tretung sexueller Tabus geprägt ist, kann er wand „einfallen“. Da dies nur möglich ist,
damit bei den angesprochenen Personen wenn Angehörige von Gruppen, für die
durchaus falsch liegen. Genau hier liegt eine wir Vorurteile „auf Lager“ haben, leicht
Schwierigkeit von Vorurteilen: Einzelpersonen erkennbar sind, knüpfen Vorurteile meist an
werden anhand von Merkmalen einer äußere Merkmale an, die besonders auffällig
bestimmten Gruppe (hier: der Engländer) (auch salient) sind (Kawakami et al. 2017).
4.1 · Wodurch zeichnen sich Vorurteile aus?
233 4
Insbesondere Hautfarbe, Geschlecht sowie The Nature of Prejudice (1954) vor allem mit
andere Besonderheiten im Aussehen erfüllen Vorurteilen von Euroamerikanern gegenüber
diese Kriterien und sind dementsprechend Afroamerikanern. Seither haben Sozialpsycho-
mit zum Teil massiven Vorurteilen assoziiert logen kontinuierlich zu Fremdenfeindlichkeit,
(Allport 1954). Rassismus und religiöser Intoleranz geforscht,
So betrachtet ist auch niemand davor da leider die Problematik bis heute aktuell ist
gefeit, Gegenstand von Vorurteilen zu werden, (7 Exkurs: Ideologien als Quelle von Vorurteilen).
denn jeder von uns gehört zumindest einem Schon vor 2002 war in Westeuropa ein
bestimmten Geschlecht an und hat eine Haut- Anstieg der Ausländerfeindlichkeit, auch der
farbe. Ob man vermehrt negativen Vorurteilen offen ausgedrückten, zu verzeichnen (Gang
und Diskriminierung ausgesetzt ist, wird sehr et al. 2002). Die allgemeine Ausländerfeind-
davon abhängen, welcher ethnischen Gruppe lichkeit in Deutschland stieg laut Umfrage-
und welchem Geschlecht – zu welcher Zeit und ergebnissen von 2002 bis 2012 nur in den
in welchem Kulturkreis – man angehört. Exem- neuen Bundesländern weiter kontinuierlich
plarisch wird nachfolgend auf aktuell bedeut- an (möglicherweise eine Folge der Wirt-
same Vorurteile eingegangen, welche auf der schaftskrise, die 2008 ihren Höhepunkt
Geschlechts- oder der ethnischen Zugehörig- hatte; 7 Abschn. 4.3.2), hat sich seither aber
keit (Sexismus und Rassismus1), dem Alter wieder an die Werte der alten Bundesländer
(Ageism) und der körperlichen Erscheinung angenähert (mit Ausnahme der unter 30-Jäh-
(Appearance Prejudice) beruhen. Weitere rigen). Ein Drittel der Befragten stimmte
wichtige Bereiche von Vorurteilen sind zudem jeweils den folgenden Aussagen zu: „Die
Religion, Behinderung (die Diskriminierung Ausländer kommen nur hierher, um unseren
bezüglich dieser Merkmale ist nach Art. 3, Sozialstaat auszunutzen“ und „Die Bundes-
Grundgesetz, verboten) sowie sexuelle Orien- republik ist durch die vielen Ausländer
tierung und Geschlechtsidentität. in einem gefährlichen Maß überfremdet“
(Decker et al. 2016).
z Vorurteile aufgrund von Herkunft und Allerdings wurden Muslime, Sinti
Religion (Fremdenfeindlichkeit und reli- und Roma sowie Asylbewerber 2016 im
giöse Intoleranz) Vergleich zu den Vorjahren verstärkt
Rassismus/Fremdenfeindlichkeit und religiöse abgewertet. Die Hälfte der Befragten gab
Intoleranz sind klassische Anwendungsbereiche 2016 an, sich manchmal „wie ein Frem-
der Vorurteilsforschung. So beschäftigte sich der im eigenen Land“ zu fühlen, und über
das einflussreiche Buch Gordon Allports (1954) 40 % sind der Meinung, „Muslimen sollte
die Zuwanderung nach Deutschland unter-
sagt werden“. Der Aussage „Sinti und Roma
1 Der Begriff „Rasse“ ist biologisch überholt, da
neigen zur Kriminalität“ stimmten 58,5 %
sich gezeigt hat, dass die äußeren Merkmale, die der Befragten zu. Großzügigkeit bei der
zur Unterscheidung von Rassen herangezogen Prüfung von Asylanträgen lehnen 80 % der
werden, keine genetisch unterscheidbaren Befragten ab. Damit übereinstimmend sind
Populationsgruppen definieren: Es gibt keine
fast 60 % der Meinung, dass die meisten
menschlichen Rassen im Sinne von abgrenz-
baren Unterarten. In Deutschland ist daher der Asylbewerber nicht wirklich befürchten, in
Begriff des Herkunftslands oder der Ethnie oder ihrem Heimatland verfolgt zu werden. Diese
Ethnizität gebräuchlich, in den USA wird dennoch Zahlen legen nahe, dass viele Deutsche einen
auch heute noch der Begriff der Rasse benutzt, Intergruppenkonflikt zwischen ethnisch
besonders im Zusammenhang mit Euro- versus
Deutschen und insbesondere muslimischen
Afroamerikanern. Für ethnisch begründete Vor-
urteile im Speziellen wird der Begriff „Rassismus“ Flüchtlingen wahrnehmen (worin sie sich
verwendet, da diese Vorurteile häufig mit Bezug nicht von anderen europäischen Ländern
auf biologische Unterschiede begründet werden. unterscheiden; Bansak et al. 2016).
234 Kapitel 4 · Vorurteile
Exkurs
. Abb. 4.3 In Deutschland haben Umfragen zufolge negative Einstellungen gegenüber muslimischen Flücht-
lingen in den letzten Jahren zugenommen. Mit dem muslimischen Kopftuch verbinden Deutsche oft das Stereo-
typ einer islamistischen Einstellung und Ablehnung westlicher Werte. Muslima tragen aus den verschiedensten
Gründen Kopftuch, z. B., um ihren Glauben auszudrücken oder um nicht nur durch ihr Äußeres definiert zu
werden. (© Riccardo Niels Mayer/stock.adobe.com)
236 Kapitel 4 · Vorurteile
auf. Eine solche Diskrepanz zwischen den und im Nahen und Mittleren Osten lässt
Vorstellungen der Einwanderer und den- sich deren feindselige Einstellung gegen-
jenigen der aufnehmenden Bevölkerung führt über christlich geprägten westlichen Gruppen
zu Konflikten (Florack et al. 2003; Piontkow- am besten mit einem wahrgenommenen
ski et al. 2002; Rohmann et al. 2006). Wertekonflikt erklären (Obaidi et al. 2018).
Konkret bedeutet dies, werden Ein-
wanderer wegen ihrer muslimischen Identi- Dehumanisierung Ein seit Jahrzehnten
tät diskriminiert (wird die integrative anhaltender Konflikt ist der zwischen Israelis
4 Akkulturationsstrategie also erschwert), so und Palästinensern. Welche psychologischen
reagieren sie mit Segregation (bleiben also Mechanismen halten einen solchen Kon-
lieber unter sich), wenn ihnen diese Identität flikt aufrecht? Die Aggressionsbereitschaft
wichtig ist (Kunst et al. 2016). Dadurch sin- ist damit verknüpft, inwieweit man andere
ken die Kontaktmöglichkeiten, und Vorurteile Personen als vollwertige Menschen ansieht
verfestigen sich. Staatliche Integrationspolitik (7 Abschn. 5.3.3). Besonders verachtete Per-
kann einer solchen Fehlentwicklung ent- sonen (wie etwa Pädophile) werden häufig als
gegenwirken, indem sie Möglichkeiten erfolg- Tiere, Bestien oder Unmenschen bezeichnet
reicher wechselseitiger Akkulturation schafft, und sind unseres Mitgefühls unwürdig
beispielsweise wechselseitige Kenntnis und (7 Beispielstudie 4.1).
Teilhabe an der Kultur, Begegnungsmöglich- In einer Untersuchung in vier europäi-
keiten und Verständnis für die wechselseitigen schen Ländern (Tschechien, Ungarn, Spanien
Erwartungen (Bourhis et al. 1997). Nationalis- und Griechenland) wurde Dehumanisierung
mus – der Glaube, dass die eigene Nation muslimischer Flüchtlinge mit der in
allen anderen überlegen ist – führt neben der . Abb. 4.4 gezeigten Skala „Evolution des
Abwertung spezifischer Einwanderergruppen Menschen“ gemessen (Bruneau et al. 2018b).
ebenfalls zu geringerem Integrationswillen In allen vier Ländern wurden muslimische
bei Mitgliedern der Mehrheitsbevölkerung Flüchtlinge dehumanisiert, aber in man-
(Verkuyten 2009), besonders wenn sie die chen Ländern deutlich mehr als in anderen.
Vorstellung haben, Nationalität sei ein Auch in dieser Studie sagte die gemessene
Geburtsrecht (die vorherrschende Sicht in Dehumanisierung vorher, inwieweit die Teil-
Europa; Pehrson et al. 2009; Pehrson und nehmer bereit waren, aggressive Maßnahmen
Green 2010; Wike et al. 2016). In diesem Falle gegen Flüchtlinge zu unterstützen und eine
können sich Einwanderer noch so zugehörig Unterschriftenaktion zu nutzen, um die Politi-
fühlen, sie werden trotzdem als Fremde ker aufzufordern, die Flüchtlingshilfe nicht zu
behandelt. erhöhen.
Wie lassen sich europäische Unter-
Gefühle der Bedrohung Der Hauptgrund für schiede im Grad der Dehumanisierung mus-
feindselige Einstellungen gegen Muslime ist limischer Flüchtlinge erklären? Neben den
dabei nicht in erster Linie die subjektive Gefahr in 7 Abschn. 4.3 erläuterten Faktoren sei
terroristischer Anschläge oder der wahr- an dieser Stelle ein Faktor hervorgehoben,
genommene Wettbewerb um Arbeitsplätze der geeignet ist, im Sinne einer Spirale die
und andere Ressourcen, sondern häufig eher Intergruppenbeziehungen in einem Land
der wahrgenommene Wertekonflikt (symbo- zunehmend zu verbessern oder zu ver-
lische Bedrohung; 7 Abschn. 4.3.2) zwischen schlechtern: die Systemrechtfertigung.
muslimisch und christlich geprägten Gruppen Gemäß der Theorie der Systemrechtfertigung
(González et al. 2008; Pereira et al. 2009; Uenal haben Menschen eine Tendenz, die Hand-
2016). Darin gleichen sich die Reaktionen bei- lungen ihrer Regierung und die aktuellen
der Gruppen: Auch für Muslime in Europa Gesetze, Regelungen und Institutionen – den
4.1 · Wodurch zeichnen sich Vorurteile aus?
237 4
Beispielstudie 4.1
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Durchschnitt für HAMAS-Mitglieder Palästinenser Europäer Israelis
israelische
Teilnehmer
Durchschnitt für
palästinensische
Teilnehmer Israelische Siedler Israelis Europäer Palästinenser
. Abb. 4.4 Die in 7 Beispielstudie 4.1 verwendete Skala und darauf abgetragen die Ergebnisse der Studie,
d. h. die mittlere Dehumanisierung der einzelnen Gruppen aus der Sicht von Palästinensern und israelischen
Juden. Auffällig ist, dass beide Gruppen den Kriegsgegner in gleichem Maße dehumanisierten
Status quo – zu rechtfertigen (Jost und Banaji und in den Medien positiv dargestellt wird,
1994; Jost et al. 2015; Kay et al. 2009). Dies Bedrohungsgefühle zurückgehen und Ein-
hat zur Folge, dass in dem Maße, in dem Ein- stellungen positiver werden (Esses et al. 2013;
wanderung von der Regierung unterstützt Feygina et al. 2010). Eine kanadische Studie
238 Kapitel 4 · Vorurteile
zeigte, dass die Einstellung in der Bevölkerung (Biernat und Wortman 1991) und bei gleicher
gegenüber muslimischen Einwanderern in Qualifikation weniger verdienen als Männer
der Folge eines Politikwechsels zugunsten von (Stroh et al. 1992). Zahlreiche Befunde weisen
mehr Einwanderung ebenfalls positiver wurde darauf hin, dass auch die heutige Form des
(Gaucher et al. 2018). Systemrechtfertigung ist subtilen, eher verdeckt ausgedrückten Sexis-
also ein psychologischer Mechanismus, der mus Informationsverarbeitungsprozesse und
die Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung Verhalten mitbestimmt (Eckes und Six-Ma-
in Richtung der offiziellen Regierungspolitik terna 1998; Hodson et al. 2005; Lepore und
4 verändert, wodurch wiederum Pro- oder Brown 1997; Swim et al. 1995; Tougas et al.
Kontra-Einwanderungspolitiker Aufwind 1995). Eine Studie von Barreto und Ellemers
erhalten und die Bevölkerung noch stärker in (2005) zeigte, dass der moderne, subtile Sexis-
diese Richtung tendieren lässt. mus bei den betroffenen Frauen eher Angst
statt wie der traditionelle Sexismus Feind-
z Vorurteile aufgrund der Geschlechts- seligkeit auslöst. Feindseligkeit führt eher zu
zugehörigkeit (Sexismus) Gegenwehr, während Angst eher mit Rück-
Bis vor einigen Jahren wurden sexisti- zugsverhalten verknüpft ist. Entsprechend
sche Vorurteile, wie beispielsweise, dass es könnte es sein, dass der subtile Sexismus eine
unmännlich sei, Gefühle zu äußern, oder verminderte Gegenwehr gegenüber sexisti-
dass Frauen ausschließlich für die Erledigung schem Verhalten zur Folge hat und dadurch
häuslicher Aufgaben geeignet seien, noch leichter weiterbestehen kann.
offen geäußert (sog. traditioneller Sexismus;
Moir und Moir 1998). Heutzutage gilt es aller- » Kinder, Küche, Karriere? Nicht bei uns
dings nicht mehr als „politisch korrekt“, sol- […] Nach Zeitbudget-Untersuchungen des
che Auffassungen öffentlich zu vertreten. Wer Statistischen Bundesamts setzen Väter,
es dennoch tut, verletzt aktuelle soziale Nor- verglichen mit kinderlosen Männern,
men und läuft Gefahr, als Sexist beschimpft zu ganze sechs zusätzliche Minuten am Tag
werden (Dovidio und Gaertner 1998). für Hausarbeit ein. 80 Prozent der gesam-
Nichtsdestotrotz existieren weiterhin ten Haushalts- und Fürsorgearbeit in Fami-
sexistische Vorurteile in der Gesellschaft – lien leisten nach wie vor die Frauen.
sie werden jedoch anders geäußert. Wäh- In diesem Punkt ist die Emanzipations-
rend Messungen mit traditionellen Verfahren bewegung kläglich gescheitert, sie hat das
eine kontinuierliche Abnahme stereotyper Geschlechterverhältnis im praktischen All-
Überzeugungen widerspiegeln, weisen sub- tag kein bisschen revolutioniert. Im Gegen-
tilere Messmethoden wie beispielsweise die teil: Während junge Männer bis 25 Anfang
Modern-Sexism-Skala (Swim et al. 1995) das der neunziger Jahre „nur“ zu 25 Prozent von
Fortbestehen sexistischer2 Einstellungen nach Frauen bekocht wurden, sind es heute 70
(Eckes und Six-Materna 1998; Förster et al. Prozent, die bei Mama, Oma oder Freundin
2004; Swim et al. 1995; Werth et al. 2000). essen. „Verbale Aufgeschlossenheit bei weit-
Der sog. moderne Sexismus zeigt sich gehender Verhaltensstarre“ hat der Soziologe
beispielsweise darin, dass auch berufstätige Ulrich Beck die moderne männliche Haltung
Frauen nach wie vor einen ungleich größe- genannt. (Gaschke 2005, Die Zeit, S. 3)
ren Anteil an der Hausarbeit übernehmen
z Vorurteile aufgrund des Alters (Ageism)
Alter ist relativ – oder können Sie sagen,
ab wann ein Mitarbeiter alt ist? Finden Sie
2 Für einen Überblick über modernen Sexismus vgl. nicht auch, dass ein 30-jähriger Fußballer alt,
Benokraitis und Feagin (Benokraitis und Feagin ein 30-jähriger Manager hingegen jung ist?
1995).
4.1 · Wodurch zeichnen sich Vorurteile aus?
239 4
Kurzum, Alter ist subjektiv: Wenn Sie etwas weil sie wichtiger für die inklusive Fitness
vergessen, ist das so, wenn hingegen ein 80-Jäh- sind, also die Generhaltung durch Fort-
riger etwas vergisst, gilt er als dement. Und den- pflanzung (Burnstein et al. 1994).
noch halten sich in der Gesellschaft hartnäckig 5 Soziokulturelle Theorien weisen dar-
diverse Altersvorurteile, insbesondere gegen- auf hin, dass wirtschaftlich-technische
über älteren Mitarbeitern, inzwischen aber auch Entwicklungen der letzten 400 Jahre
gegenüber jüngeren Mitarbeitern (Ageism). Ent- die Bedeutung älterer Menschen für die
sprechend sind derzeit ältere Menschen sowohl Weitergabe von Wissen und Fertigkeiten
in der Gesellschaft allgemein (Cuddy et al. 2005; und als Arbeitskräfte reduziert haben,
T. D. Nelson 2002, 2005) als auch am Arbeits- wodurch diese an Ansehen verloren (Todd
platz im Speziellen (z. B. Duncan und Loretto D. Nelson 2005).
2004) mit Diskriminierungen konfrontiert, bei-
spielsweise bei der Personalauswahl/Jobvergabe Auch Intergruppenwettbewerb (7 Abschn. 4.3.2)
oder aber auch angesichts des Drucks seitens kann eine Quelle für Vorurteile gegenüber
des Arbeitsgebers, in Rente zu gehen. Erzieher, älteren Menschen sein, und der zunehmende
Berater, Mediziner und andere Experten des Anteil Älterer an der Bevölkerung weckt bei
Gesundheits- und Bildungsbereichs erweisen vielen Ängste, dass junge Menschen einen
sich dabei ihren Klienten oder Patienten gegen- immer größeren Anteil ihres Einkommens
über ebenso vorurteilsbehaftet wie andere Per- für Renten aufbringen müssen. Die Steige-
sonen auch (Levenson 1981; Pasupathi und rung der Anzahl, der Gesundheit und der
Lockenhoff 2002; Troll und Schlossberg 1971; gesellschaftlichen Teilhabe Älterer erhöht
Wilkinson und Ferraro 2002). So zeigt sich die aber auch deren Sichtbarkeit und kann zu
Diskriminierung darin, dass Therapeuten die einer Abnahme von Vorurteilen führen (für
Probleme älterer Patienten weniger ernst neh- einen Überblick vgl. North und Fiske 2012;
men, als wenn dieselben Probleme von jüngeren . Abb. 4.5). Aber auch Kinder werden als
Patienten geschildert werden (Ivey et al. 2000). Opfer von Vorurteilen und Diskriminierung
Jedoch sind viele der gängigen Alters- gesehen (Westman 1991), beispielsweise wenn
vorurteile Mythen, die einer empirischen die Bedürfnisse und Fähigkeiten von Kin-
Betrachtung nicht standhalten. Wie lässt dern nicht ausreichend berücksichtigt und
sich das Entstehen von Vorurteilen gegen- gefördert werden oder „kinderfreie Bereiche“
über älteren Menschen erklären? Hierzu sind eingerichtet werden.
mehrere Theorien zu nennen:
5 Die Theorie des Halo-Effekts (7 Sozial- z Vorurteile aufgrund der äußerlichen
psychologie I, Abschn. 5.3.1) besagt, dass Erscheinung (Appearance Prejudice)
die Wahrnehmung älterer Menschen als Attraktiven Menschen werden mehr positive
weniger attraktiv auf die Einschätzung Eigenschaften wie Begabung, Ehrlichkeit oder
anderer Attribute wie Eigenschaften auch Intelligenz zugeschrieben als unattraktiven,
und Fähigkeiten abfärbt im Sinne einer und sie werden insgesamt besser bzw. bevor-
ganzheitlichen negativen Wahrnehmung zugt behandelt. Kinder zeigen diese Tenden-
(Langlois et al. 2000). zen von klein auf in vergleichbarer Weise wie
5 Die Terror-Management-Theorie nimmt an, Erwachsene, selbst untereinander (Beauty-is-
dass ältere Menschen abgewertet werden, good-Stereotyp; Clifford 1975; Dion und Ber-
um Gedanken an das eigene Altern und scheid 1974; Dion et al. 1972; Eagly et al. 1991;
Sterben zu verdrängen (E. Becker 1973). Langlois et al. 2000; van Leeuwen und Macrae
5 Evolutionäre Theorien sagen vor- 2004; 7 Sozialpsychologie I, Abschn. 5.1.1).
her, dass jüngere Menschen bei Ent- Besonders problematisch erweist sich die-
scheidungen bevorzugt werden sollten, ses Beauty-is-good-Stereotyp angesichts der
240 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.5 Vorurteile gegenüber älteren Menschen speisen sich aus verschiedenen Quellen. So werden ältere
Menschen als weniger attraktiv wahrgenommen, was auch andere Bewertungen (im Sinne eines Halo-Effekts)
negativ beeinflusst. Darüber hinaus erinnern sie Menschen an ihre eigene Sterblichkeit und rufen Ängste vor
hohen finanziellen Belastungen aufgrund einer alternden Bevölkerung wach. (© GordonGrand/stock.adobe.com)
Diskriminierung von denjenigen, die in ihrer sogar weniger finanzielle Unterstützung für
Gesellschaft als unattraktiv angesehen werden die universitäre Ausbildung von ihren Eltern
(Appearance Prejudice; Baron und Byrne 2003, (Crandall 1991). Auch Psychotherapeuten
S. 230). Ein bedeutsames und tendenziell sind vor Vorurteilen gegenüber Über-
zunehmendes Problem in diesem Bereich sind gewichtigen nicht gefeit (Agell und Rothblum
Vorurteile gegenüber und Diskriminierung 1991), und selbst unter Kindern sind diese
von übergewichtigen Menschen (Fatism; Cran- bereits existent (z. B. Powlishta et al., 1994;
dall und Biernat 1990; Swim und Stangor 1998, Sigelman et al. 1986). Die Auswirkungen
S. 125 ff.; 7 Beispielstudie 4.2). können dabei sehr subtil sein: Bessenoff und
Übergewichtige werden auf dem Arbeits- Sherman (2000) zeigten, dass automatische
markt auch bei Jobs, bei denen Aussehen und Bewertungen gegenüber übergewichtigen
Gewicht keinerlei Rolle spielen, benachteiligt Menschen negativer sind als gegenüber
(z. B. Rothblum et al. 1988) und erhalten schlanken. Dies äußerte sich beispielsweise
Beispielstudie 4.2
Fatism im Kulturvergleich
Crandall et al. (2001) negativer Übergewicht in („Fat people are bad“) dabei
untersuchten Vorurteile der Kultur besetzt ist, desto erheblich ausgeprägter als in
gegenüber übergewichtigen stärker sind die Vorurteile. In kollektivistischen Kulturen.
Menschen in sechs individualistischen Kulturen Dies wird damit erklärt, dass
verschiedenen Ländern. ist der Zusammenhang in individualistischen Kulturen
Die Ergebnisse zeigten zwischen der kulturell die Überzeugung herrscht,
folgende Zusammenhänge: negativen Bewertung von dass jeder „seines Glückes
Je stärker Übergewicht als Übergewicht („Fat is bad“) und Schmied“ ist und auch an
von der Person kontrollierbar der Abneigung gegenüber seinem Gewicht jeder selbst
angesehen wird und je übergewichtigen Personen schuld ist (7 Abschn. 4.4.3).
4.1 · Wodurch zeichnen sich Vorurteile aus?
241 4
Exkurs
. Abb. 4.6 „Ehe für alle“ – Vorurteile wandeln sich im Laufe der Zeit. So galt Homosexualität lange Zeit als
widernatürlich und krankhaft. Homosexuelle Männer wurden in Deutschland in der Zeit des Naziregimes ver-
folgt und in Konzentrationslagern inhaftiert. Inzwischen betrachten nur noch sehr wenige Homosexualität als
Krankheit (sie wurde 1992 aus dem internationalen Klassifikationskatalog für Krankheiten, ICD-10, entfernt), und
seit 2017 dürfen Homosexuelle in Deutschland zivilrechtlich heiraten. (© SHS Photography/stock.adobe.com)
. Abb. 4.7 Aussagen und Verhalten werden durch bewusst zugängliche (explizite), aber auch durch bewusst
nicht zugängliche (implizite) Anteile von Vorurteilen gesteuert. Die Auswirkungen der expliziten Anteile auf Aus-
sagen und Verhalten werden zudem hinsichtlich sozialer Erwünschtheit „gefiltert“
244 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.8 Für den Einfluss von Vorurteilen auf Urteile und Verhalten spielt die Aktivierung der kognitiven
Komponente (Stereotypaktivierung) eine wichtige Rolle. Aktivierte Stereotype können sich über automatische
und über kontrollierte Prozesse auswirken. Insbesondere die kontrollierte Stereotypanwendung wird davon
beeinflusst, inwieweit die Person die Stereotype für wahr hält (Stereotypakzeptierung) und sie negativ bewertet
(affektive Komponente). Letztere beiden ergeben gemeinsam das Vorurteilslevel
. Abb. 4.9 Elemente der Körpersprache, wie Zugewandtheit oder Sitzabstand, werden von kulturell geteilten
Stereotypen beeinflusst. So hielten beispielsweise nichtschwarze Studierende in den USA in einer simulierten
Umgebung größeren Abstand von afroamerikanischen virtuellen Personen (McCall et al. 2009). (© G. Lombardo/
stock.adobe.com)
Beispielstudie 4.3
Beispielstudie 4.5
Beispielstudie 4.6
Durch Priming aktivierte Stereotype wirken sich auf das Verhalten aus
Bargh, Chen und Burrows abhängig, hilflos), der anderen liefen, vom vorangegangenen
(1996, Exp. 2a und 2b) Teilnehmergruppe wurden Priming beeinflusst wurde:
ließen ihre insgesamt 60 neutrale Wörter vorgelegt. Personen, bei denen zuvor
Teilnehmer in einer Studie, Nach dieser Aufgabe konnten das Altenstereotyp aktiviert
die angeblich die sprachlichen die Teilnehmer gehen. Ohne worden war, gingen
Fähigkeiten untersuchte, Wissen der Teilnehmer stoppte langsamer als Teilnehmer,
aus vorgegebenen Wörtern ein Versuchsleiter die Zeit, die die neutrale Wörter vorgelegt
Sätze bilden. Tatsächlich sie nach der Verabschiedung bekommen hatten.
diente diese Aufgabe jedoch vom Verlassen des Raums bis Anschließende Interviews
als Priming-Prozedur: Für zum Aufzug benötigten (ca. mit den Teilnehmern
die Hälfte der Teilnehmer 10 m Flur). ergaben, dass ihnen diese
waren die Wörter auf das Die Ergebnisse zeigten, dass Verlangsamung nicht bewusst
Altenstereotyp bezogen die Geschwindigkeit, mit der war und sie diese auch nicht
(z. B. alt, grau, vergesslich, die Personen durch den Flur begründen konnten.
. Abb. 4.10 Stereotype können durch Hinweisreize aktiviert werden und stereotypkonsistentes Verhalten
bewirken (von links nach rechts). Allerdings ist auch die umgekehrte Einflussrichtung möglich: Wird stereotyp-
konsistentes Verhalten induziert, kann darüber das Stereotyp aktiviert werden (von rechts nach links)
Replikationsstudie 4.1
Die Assoziationsstärke kann durch Trai- und Monteith 2013). Allerdings war dieser
ning beeinflusst werden. Dafür spricht bei- Effekt schon nach einem kurzen Intervall von
spielsweise der Befund, dass ein Training zur ein paar Tagen nicht mehr nachweisbar (Lai
Stereotypverneinung am PC (wiederholte et al. 2016).
Nein-Reaktionen auf Kombinationen von Führt ein solches Training nachfolgend
Skinheadbildern mit stereotypkonsistenten auch zu verändertem Verhalten gegenüber
und Ja-Reaktionen auf Kombinationen mit den betroffenen Fremdgruppen? Nur wenige
stereotypinkonsistenten Konzepten) die Studien haben diesen Zusammenhang bis-
4 automatische Stereotypaktivierung nach- her untersucht, und obwohl einige von die-
folgend verringerte (Kawakami et al. 2000; sen einen Effekt der Trainingsbedingung
. Abb. 4.11). Andere Befunde legen aller- auf die Anwendung von Stereotypen fanden
dings nahe, dass einfaches, relativ auto- (Burns et al. 2017, Exp. 3; Dasgupta und
matisches Verneinen nicht reicht, um Rivera 2008; Kawakami et al. 2005; Kawa-
stereotype Assoziationen zu verändern kami et al. 2007), hat keine eine vermittelnde
(Gawronski et al. 2008; I. R. Johnson et al. Rolle veränderter stereotyper Assoziationen
2018). Andere Trainings zielen darauf ab, nachweisen können. Ein Grund dafür könnte
positive Assoziationen aufzubauen, indem sein, dass das Umlernen von Stereotypen
die Teilnehmer üben, bei Darbietung eines weniger automatisch erfolgt als ursprüng-
Prime – beispielsweise des Porträts einer lich angenommen, sondern vielmehr auf
afroamerikanischen Person – stets das posi- bewussten Repräsentationen der neu zu ler-
tive, nichtstereotype Wort zu wählen. Diese nenden Assoziationen beruht (Van Dessel
Art von Counterstereotyp-Training führt zu et al. 2017). Zusammenfassend ist die Ver-
einer Reduktion von direkt im Anschluss änderung automatischer Stereotypaktivierung
implizit gemessenen negativen Assoziationen bei Erwachsenen ohne Veränderung des kul-
(Burns et al. 2017; Lai et al. 2014; Woodcock turellen Umfeldes keine leichte Aufgabe. Das
. Abb. 4.11 Nicht nur Springerstiefel, sondern auch Gewalt und Aggressivität werden typischerweise mit
Skinheads assoziiert. In einer Umlernaufgabe sollten Personen diese Assoziationen verneinen, was zu geringerer
Stereotypaktivierung führte. Allerdings fehlt bisher noch der Nachweis, dass solche Effekte lange anhalten.
(© Bernd Wüstneck/dpa/picture alliance)
4.2 · Wann und wie kommen Vorurteile zur Anwendung?
253 4
Vorurteils-Gewohnheits-Modell (Prejudi- eher die positiven, eine zwielichtige Gegend
ce-Habit-Modell; Devine et al. 2012; Forscher dagegen eher die negativen Stereotypbestand-
und Devine 2014) geht entsprechend davon teile (. Abb. 4.12). Diese Kontextabhängigkeit
aus, dass für eine erfolgreiche Veränderung bedeutet auch, dass neue, positive Informatio-
stereotyper Assoziationen eine Bewusstheit nen über eine Fremdgruppe auf die Bewertung
der eigenen Vorurteile, eine Motivation, diese dieser Gruppe in einem bestimmten Kon-
zu verändern, und Anstrengung, das eigene text beschränkt bleiben können und damit
Verhalten zu regulieren, erforderlich sind. das Vorurteil nicht generell beseitigt wird
(Gawronski und Bodenhausen 2006, 2017;
z Kontext Gawronski et al. 2018; Ma et al. 2016).
Stereotypaktivierung wird auch durch den
Kontext beeinflusst. So zeigte sich beispiels- z Ziele
weise in einer Studie von Wittenbrink et al. Die Stereotypaktivierung erweist sich zudem
(2001) eine erheblich geringere Aktivierung als abhängig von aktuell oder chronisch akti-
negativer Stereotype in Reaktion auf Porträts vierten Zielen. So verfügen Menschen, die
schwarzer Personen, wenn der Hintergrund prinzipiell Gleichheitsziele vertreten, und
das Innere einer Kirche anstelle eines bau- solche, die das nicht tun, gleichermaßen über
fälligen Straßenabschnitts zeigte. Dies wird geschlechterstereotypes Wissen. Eine Stereo-
damit erklärt, dass Stereotype häufig sowohl typaktivierung durch Priming zeigte sich
positive (hier: z. B. Religiosität, Sportlich- jedoch nur bei Personen, die keine Gleich-
keit) als auch negative (z. B. Aggressivität, heitsziele aufwiesen (Moskowitz et al. 1999).
Kriminalität) Attribute beinhalten. Welche Auch die Darbietung von Porträts unter-
dieser Attribute leichter zugänglich wer- schiedlicher Rassenzugehörigkeit (Weiße
den, hängt u. a. vom Kontext ab: Eine Kir- versus Schwarze) führte nicht unvermeidlich
che (oder auch ein Sportplatz) aktivieren zur Aktivierung des Schwarzenstereotyps.
. Abb. 4.12 Afroamerikaner gelten als religiös. Religiosität wird in den USA von vielen als positiver Wert
angesehen und ist verbunden mit Verhaltensnormen der Nächstenliebe. Entsprechend wecken Porträts von
Schwarzen positivere Assoziationen, wenn sie in einer Kirche statt an einer Straßenecke dargestellt werden. (©
Rawpixel.com/stock.adobe.com)
254 Kapitel 4 · Vorurteile
Exkurs
Think different! – Kreatives Denken und Stereotypaktivierung
Sassenberg und Moskowitz automatischer Stereotyp- denen sie durch ihr Handeln
(2005) konnten zeigen, aktivierung. Ihre Reaktions- Genauigkeit gezeigt hatten,
dass sich die Denkweise auf geschwindigkeit in einer wiesen dagegen in der
die Stereotypaktivierung Wortentscheidungsaufgabe Wortentscheidungsaufgabe
auswirkt. Teilnehmer, die war unabhängig davon, die typischerweise
zunächst drei Situationen ob dem Wort das Porträt beobachtete Aktivierung des
beschreiben sollten, in einer weißen oder Schwarzenstereotyps auf. Ein
denen sie sich kreativ einer schwarzen Person kreativer Verarbeitungsstil
verhalten hatten, zeigten vorausging. Teilnehmer, scheint demnach für ein
in einer darauffolgenden die zuvor drei Situationen „Andersdenken“ förderlich
Aufgabe keine Anzeichen beschreiben sollten, in zu sein.
4.2 · Wann und wie kommen Vorurteile zur Anwendung?
255 4
vorurteilsbehaftetem Verhalten. Einflüsse auf überlagert werden, beispielsweise wenn der
die Stereotypanwendung werden im folgen- Selbstwert bedroht ist (7 Exkurs: Sexistische
den Abschnitt beschrieben. Urteile nach negativem Feedback).
Exkurs
Sexistische Urteile nach negativem Feedback
Die Motivation, vorurteilsfrei Feedback erhalten hatten: Dozenten für gleichermaßen
zu handeln, kann von anderen Kam die Rückmeldung von kompetent gehalten.
Bedürfnissen überlagert einer Dozentin, wurde diese Die Motivation, den Selbstwert
werden, beispielsweise als weniger kompetent durch Abwertung des
von dem Bedürfnis nach eingeschätzt als der männliche Beurteilers zu retten, führte
Erhaltung des Selbstwerts. Kollege, der ebenfalls ein hier dazu, dass Stereotype
So zeigte sich in einer negatives Feedback gegeben (hier: „Frauen sind weniger
Studie von Sinclair und hatte. Hatten die Dozenten kompetent als Männer“)
Kunda (2000) eine verstärkte dagegen ein positives benutzt wurden, die unter
Stereotypanwendung, wenn Feedback gegeben, wurden anderen Umständen nicht zur
Studierende ein negatives weibliche und männliche Anwendung gekommen wären.
256 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.13 Sind Personen motiviert, vorurteilsfrei zu handeln, können sie die Stereotypanwendung kontrol-
lieren. Eine Kontrolle ist nur dann wahrscheinlich, wenn ihnen zum einen bewusst ist, dass sie gerade durch das/
ein Stereotyp beeinflusst sein könnten, und ihnen ausreichende Kapazitäten zur Selbstregulation zur Verfügung
stehen
Beispielstudie 4.9
. Abb. 4.14 Wir verbinden mit Berufen verschiedene Stereotype, beispielsweise bezüglich der dazugehörigen
Kleidung und typischer Hobbys (z. B. „Ein Arzt kleidet sich seriös und liest gern“). Das Stereotyp widerlegende
Informationen, beispielsweise die Aussage einer Ärztin, sie gehe gern in die Disco und trage gern Miniröcke, sind
überraschend, auffällig und erregen unsere Aufmerksamkeit, sodass wir sie uns auch gut merken können – aller-
dings nur, wenn wir die kognitiven Kapazitäten dazu haben. Sind wir hingegen abgelenkt, verarbeiten wir ins-
besondere erwartungskonforme Informationen (z. B., dass sie gern Bücher liest), welche auch unter Ablenkung
leicht zu merken sind. (Quelle: Zentrum für Training und Weiterbildung)
. Abb. 4.15 Waren die Teilnehmer abgelenkt, erinnerten sie verhältnismäßig mehr stereotypkonsistente
Informationen und fällten zudem stereotypere Urteile
258 Kapitel 4 · Vorurteile
sie unter Ablenkung eine asiatische Versuchs- Teilnehmer jeweils entscheiden sollen zu
leiterin als schüchterner (Gilbert und Hixon schießen, wenn sie bei einer auf dem Com-
1991). Dies zeigte sich paradoxerweise in ver- puter abgebildeten Person eine Waffe
stärktem Maße, wenn gleichzeitig versucht erkennen, und nicht zu schießen, wenn es
wurde, Vorurteile zu unterdrücken. Der Ver- sich um einen anderen Gegenstand handelt,
such, stereotype Gedanken zu unterdrücken, zeigt mehr fälschliche virtuelle Schüsse auf
kann sozusagen „nach hinten losgehen“, indem schwarze als auf weiße Männer (Correll et al.
deren Zugänglichkeit dadurch noch erhöht 2002, 2006, 2014; Mekawi und Bresin 2015;
4 und vorurteilsbehaftetes Verhalten gefördert Plant et al. 2011).
wird (Förster und Lieberman 2001; Liber- Lassen sich mit diesen Befunden tra-
man und Förster 2000; Macrae et al. 1994b; gische Fehlentscheidungen von Polizisten
Macrae et al. 1998; Monteith et al. 1998; Wyer erklären, die den Tod unschuldiger Afro-
et al. 1998). Unter Ablenkung werden Vor- amerikaner zur Folge haben? Diese Frage
urteile dann noch stärker ausgelebt, als wenn ist noch nicht ganz geklärt: Einerseits lie-
nicht versucht wird, diese zu unterdrücken – ßen sich in Studien Polizisten in ihren Ent-
unabhängig davon, ob und wie starke scheidungen nicht durch die Hautfarbe
Vorurteile der Betreffende hatte (7 Sozial- beeinflussen, andererseits zeigten sie in
psychologie I, Abschn. 2.6: Bumerangeffekt). ihren Reaktionszeiten die gleiche auto-
matische Stereotypaktivierung wie andere
z Zeitdruck Bevölkerungsgruppen (Correll et al. 2014).
Unter Zeitdruck kommen Stereotype ver- Diese Befunde sprechen dafür, dass Poli-
stärkt zur Anwendung. Beispielsweise identi- zisten geübt darin sind, ihre Reaktionen
fizierten US-Amerikaner, die möglichst zu kontrollieren (Stereotypanwendung).
schnell angeben sollten, ob es sich bei einem Da solche Kontrollprozesse in realen Ein-
Objekt um ein Werkzeug oder eine Waffe satzsituationen (häufig geprägt von Stress,
handelt, Werkzeuge häufiger fälschlicher- Müdigkeit und Angst) leicht beeinträchtigt
weise als Waffe, wenn diesen das Porträt werden können, ist es also dennoch vor-
einer schwarzen anstelle einer weißen Per- stellbar, aber noch nicht nachgewiesen, dass
son vorausging (7 Beispielstudie 4.5, bei der tödliche Fehlentscheidungen von Polizisten
ein schnelleres Erkennen von Waffen auf- durch automatische Stereotypanwendung
grund von Stereotypaktivierung gefunden erklärt werden können. In Deutschland
wurde, während die hier gefundenen Fehl- ergaben sich vergleichbare Ergebnisse, wenn
entscheidungen auf Stereotypanwendung anstelle schwarzer Personen Porträts von
zurückzuführen sind). Dieser Effekt ver- arabisch-muslimischen Männern verwendet
stärkte sich unter Zeitdruck (B. K. Payne wurden (Essien et al. 2017; Unkelbach et al.
2001), was auf mangelnde kognitive Kon- 2008; Unkelbach et al. 2009).
trolle zurückgeführt werden kann (B. K. Zeitdruck herrscht aber nicht nur, wenn
Payne et al. 2005). Um die Logik hinter die- es um Leben oder Tod geht. Soll ein Personal-
ser Art von Aufgaben zu verstehen, stellen verantwortlicher beispielsweise in kurzer
Sie sich einen Polizisten im Berufsalltag vor. Zeit Hunderte Bewerbungen durchschauen,
Dieser muss sehr schnell entscheiden, ob so hängt zwar für die Bewerber viel von der
ein Gegenüber gerade eine Waffe zückt oder Entscheidung ab, für die Entscheider ist aber
lediglich nach seinen Papieren kramt, um eine sorgfältige Prüfung praktisch unmöglich.
sich auszuweisen. Der Zeitdruck ergibt sich Eine solche Situation wurde in einer Studie
hier aus der Lebensgefahr für den Polizis- nachgestellt, in der Teilnehmer Jobkandidaten
ten, wenn die Gefahr zu spät erkannt wird. aufgrund von kurz eingeblendeten Noten und
Eine Laboraufgabe, die diese Situation nach- Fotos beurteilen sollten. Es zeigte sich, dass
stellt, indem US-amerikanische, studentische Bewerber-Fotos mit Hijab, dem traditionell
4.2 · Wann und wie kommen Vorurteile zur Anwendung?
259 4
muslimischen Kopftuch, bei gleicher Eignung Stimmung (Bless et al. 1996; Bodenhausen et al.
weniger häufig in die engere Wahl gezogen 1994; Krauth-Gruber und Ric 2000; Park und
wurden (Unkelbach et al. 2010). Banaji 2000; Stepper und Strack 1993; 7 Beispiel-
studie 4.11; . Abb. 4.17).
z Alkohol Es ist anzunehmen, dass auch bei Per-
Alkohol verschlechtert die Verhaltens- sonen in negativer Stimmung die ent-
hemmung (z. B. Fillmore und Vogel-Sprott sprechenden Stereotype aktiviert werden, dass
1999, 2000) und beeinträchtigt entsprechend sie ihre Urteile jedoch eher korrigieren, wenn
auch die Kontrolle der Stereotypanwendung sie das aktivierte Stereotyp für unangebracht
(Bartholow et al. 2006; Schofield et al. 2017; halten. Darauf weist eine Studie von Lambert
7 Beispielstudie 4.10; . Abb. 4.16). et al. (1997) hin, in der negativ gestimmte
Teilnehmer vor allem hinsichtlich negativer
Stereotype, die vermehrt als unangebracht
4.2.2.3 Stimmung angesehen werden, nicht aber hinsichtlich
Personen in guter Stimmung greifen bei der positiver Stereotype korrigierten.
Informationsverarbeitung vermehrt auf über- Allerdings zeigten auch positiv gestimmte
geordnete Wissensstrukturen zurück, während Personen unter bestimmten Bedingungen
in negativer Stimmung eher auf situations- weniger stereotype Urteile:
spezifische Reize geachtet wird (z. B. Bless 5 Bedeutsamkeit des Urteils: Ist Personen
2001; Clore et al. 1994; Fiedler 2001; Isen 1984; in guter Stimmung eindringlich bewusst,
7 Sozialpsychologie I, Abschn. 4.1.2). Stereotype dass sie für ihr Urteil verantwortlich sind
stellen Verallgemeinerungen über Personen- und dieses rechtfertigen können müssen,
gruppen dar und gehören wie Schemata zu den fällen sie weniger stereotype Urteile (z. B.
übergeordneten Wissensstrukturen. In positiver Bodenhausen et al. 1994).
Stimmung findet sich deshalb eine stärkere Ten- 5 Stereotypinkonsistente Informationen:
denz zur Stereotypanwendung als in negativer Die Verarbeitung von Informationen, die
. Abb. 4.16 Unter Alkoholeinfluss fällt es schwerer, stereotype Assoziationen zu hemmen. Dies kann dazu
führen, dass unter Alkoholeinfluss sexistische oder rassistische Witze und Bemerkungen gemacht werden, die
man sich sonst eher verkniffen hätte. Allerdings zeigen andere Befunde, dass allein die Erwartung einer ent-
hemmenden Alkoholwirkung schon zu einer Enthemmung führen kann, auch wenn das Getränk tatsächlich gar
keinen Alkohol enthält (7 Kap. 5). (© mhp/stock.adobe.com)
260 Kapitel 4 · Vorurteile
Beispielstudie 4.10
. Abb. 4.17 In positiver Stimmung wird vermehrt auf übergeordnete Konzepte zurückgegriffen, in negativer
Stimmung eher auf situationale Details. Entsprechend findet sich in positiver Stimmung typischerweise eine
stärkere Stereotypanwendung als in negativer Stimmung
4.2 · Wann und wie kommen Vorurteile zur Anwendung?
261 4
Beispielstudie 4.11
4.3.1 Wir und die anderen – Warum aber haben wir dieses Bedürfnis, die
Soziale Kategorisierung Welt in Schubladen zu sortieren? Zwei wich-
tige Faktoren wollen wir im Folgenden näher
Männer und Frauen, Deutsche und Aus- betrachten: Zum einen vereinfachen Kate-
länder, Alte und Junge, Dicke und Dünne, gorisierungen dieser Art unsere Informations-
verarbeitung (kognitive Ursache), zum
anderen dienen sie unserem Selbstwertgefühl
3 Unter Gruppe verstehen wir in diesem Zusammen-
hang nicht nur wechselseitig interagierende Grup- (motivationale Ursache).
pen mit bestimmten, definierenden Merkmalen
(7 Abschn. 3.1), sondern vor allem Gruppen im 4.3.1.1 Kognitive Ursachen der
weiteren Sinne, deren Definition nur erfordert, dass Kategorisierung
sich zwei oder mehr Personen selbst als Mitglieder
Angesichts der Komplexität unserer Umwelt
der gleichen sozialen Kategorie wahrnehmen. Als
Gruppen gelten demnach auch das Geschlecht, sowie unserer begrenzten kognitiven Kapazi-
dem man angehört, und die eigene ethnische täten sind wir darauf angewiesen, unsere
Gruppe (z. B. J. C. Turner 1982). Informationsverarbeitung zu vereinfachen,
4.3 · Woher kommen Vorurteile?
263 4
beispielsweise durch die Anwendung von (Beispiel in Anlehnung an E. Aronson et al.
Heuristiken und das Heranziehen über- 2004, S. 486)
geordneter Wissensstrukturen (Boden-
hausen 1988; Bodenhausen und Lichtenstein Häufig sind mit der Kategorisierung auch
1987; Macrae und Bodenhausen 2000; vgl. unmittelbar bestimmte Reaktionstendenzen
7 Sozialpsychologie I, Kap. 2 und 7). Stereo- verknüpft. Beispielsweise mögen Vorurteile
type bzw. Vorurteile stellen genau solche über- gegenüber Skinheads dazu führen, dass eine
geordneten Wissensstrukturen dar. liberal denkende Person diese aufgrund der
Menschen in Gruppen einzuteilen, erlaubt ihnen zugeordneten politischen Einstellung
uns, deren Verhalten vorherzusagen, ohne sie spontan meidet (sich z. B. in der Straßenbahn
im Einzelnen zu kennen. Geschlecht, Her- einen weit entfernten Sitzplatz sucht), ohne
kunft, Alter, Berufsausbildung sind willkom- jeden einzelnen Skinhead persönlich kennen-
mene Hilfen, um Menschen zu kategorisieren zulernen und daraufhin zu entscheiden, ob
(Fiske et al. 1991; Judd et al. 1991). Bereits und in welchem Ausmaß dieser tatsächlich
wenn Sie nur eine Straße entlanggehen, werden die angenommenen rechtsradikalen Tenden-
die Ihnen begegnenden Menschen in Ihnen zen aufweist. Im Großteil der Fälle dürfte die
automatisch einen Kategorisierungsprozess Person damit auf der sicheren Seite sein und
auslösen; Sie werden jede dieser Personen zudem Zeit und Kapazitäten gespart haben –
automatisch auf den Dimensionen ethnische auch wenn ihr dadurch möglicherweise der
Abstammung, Alter und Geschlecht einordnen eine oder andere interessante Kontakt entgeht.
(Bargh 1994; Brewer 1988; Fiske und Neuberg Kategorisierungen und damit auch Vor-
1990; Hamilton und Sherman 1994). urteile sind also zum einen schlicht und ein-
fach Nebenprodukte von Prozessen, die dazu
Illustration: Soziale Gruppen als dienen, unsere Informationsverarbeitung zu
übergeordnete Wissensstrukturen vereinfachen – und das seit Kindesbeinen an.
Schließen Sie Ihre Augen. Lassen Sie vor Neben diesen kognitiven Ursachen wird die
Ihrem geistigen Auge das Bild eines aggres- Tendenz zur Kategorisierung aber auch von
siven Skinheads entstehen: Wie ist diese motivationalen Faktoren angetrieben.
Person in Ihrer Vorstellung gekleidet? Wo
befindet sie sich? Was tut die Person genau, Illustration: Entwicklung von
um ihre Aggression auszudrücken? Wie wür- Kategorisierungen
den Sie sich fühlen, wenn Sie in der Situation Kinder lernen ungefähr im Alter von drei
anwesend wären? Jahren, Menschen in Kategorien einzuteilen
Denken Sie nun an einen aggressiven Anwalt. (wenngleich nicht notwendigerweise in die-
Beantworten Sie wiederum die genannten selben, die Erwachsene benutzen würden). Ein
Fragen. Video, das zu einem viralen Hit im Netz wurde,
Wahrscheinlich werden Sie soeben die illustriert diese Entwicklung anschaulich. Dabei
Erfahrung gemacht haben, dass sich Ihre fragt der Rapper Fard den vierjährigen Nik-
Vorstellung eines aggressiven Skinheads las: „Sind in deinem Kindergarten auch Aus-
deutlich von der eines aggressiven Anwalts länder?“. Die Antwort: „Nein, da sind Kinder.“
unterscheidet. Diese unterschiedlichen Vor-
stellungen spiegeln gängige Stereotype 4.3.1.2 Motivationale Ursachen der
wider, nach denen Skinheads eher körperliche Kategorisierung
und Anwälte eher verbale Aggression zeigen Was ist eine wichtige Motivation für das, was
würden. Entsprechend fallen die in unserer wir tun? Wir wollen uns gut fühlen. Und
Vorstellung konstruierten Bilder von Aggres- genau dabei kann die Kategorisierung in
sion je nach stereotyper Person sehr unter- Eigen- und Fremdgruppe helfen, indem sie
schiedlich aus. unserem Bedürfnis nach positiver sozialer
264 Kapitel 4 · Vorurteile
Identität nachkommt. Unser Selbstwert- auf unser Selbstbild auswirken könnte, zei-
gefühl basiert zum Teil auf der Identifikation gen wir zudem die Neigung, uns die eigene
mit „unseren“ Gruppen, und entsprechend Gruppe – salopp formuliert – schönzureden,
streben wir danach, uns bezüglich unserer indem wir auf eine Vergleichsdimension aus-
Gruppen positiv zu fühlen (Oakes et al. 1994, weichen, auf der die Eigengruppe im Ver-
S. 80 ff.; Tajfel und Turner 1986). Dies ist gleich zu einer Fremdgruppe gut abschneidet
recht einfach, wenn unsere Gruppe erfolg- (. Abb. 4.19).
reich und allgemein beliebt ist. In solchen Bedeutsame Auswirkungen sozialer Kate-
4 Fällen identifizieren wir uns stärker mit der gorisierung sind im Zusammenhang mit
eigenen Gruppe und zeigen dies auch ver- Vorurteilen zum einen der Fremdgruppen-
stärkt nach außen (Basking in reflected glory). homogenitätseffekt und zum anderen die
Beispielsweise verwendeten amerikanische Eigengruppenaufwertung. Beide werden im
Studierende nach einem Erfolg ihres Uni- folgenden Abschnitt näher beschrieben.
versitätsfootballteams eher die Formulierung
„Wir haben gewonnen“ („We are the cham- 4.3.1.3 Auswirkungen sozialer
pions“), nach einer Niederlage formulier- Kategorisierung
ten sie den Ausgangs des Spiels eher mit „Sie Soziale Kategorisierung zieht zwei im
haben verloren“, was eine verstärkte Identi- Zusammenhang mit Vorurteilen bedeut-
fikation respektive Distanzierung ausdrückt same Effekte nach sich: die Überschätzung
(Cialdini et al. 1976; . Abb. 4.18). der Einheitlichkeit der Fremdgruppe (Fremd-
Neben der Tendenz, uns stärker mit gruppenhomogenitätseffekt; Outgroup-Ho-
„unseren“ Gruppen zu identifizieren, wenn mogeneity-Effekt) sowie die Bevorzugung bzw.
diese erfolgreich waren, und uns stärker von Aufwertung der Eigengruppe (Eigengruppen-
diesen zu distanzieren, wenn sich dies negativ aufwertung; Ingroup Favoritism).
. Abb. 4.18 Positiv besetzte Eigengruppen sind eine Quelle von Selbstwertgefühl. Ein Sieg der eigenen
Mannschaft führt zu Identifikation und stärkt das Selbstbewusstsein. Nach einem Sieg der deutschen National-
mannschaft die Nationalfarben zu tragen, drückt beides aus: Identifikation und ein positives Selbstbild. (©
mangostock/stock.adobe.com)
4.3 · Woher kommen Vorurteile?
265 4
. Abb. 4.19 Eine Möglichkeit, eine positive soziale Identität zu erhalten, wird als Basking in reflected glory
bezeichnet. Ist die Eigengruppe positiv besetzt, identifizieren wir uns mehr, ist sie negativ besetzt, identifizieren
wir uns weniger mit ihr. Eine zweite Möglichkeit ist, sich die Eigengruppe sozusagen schönzudenken bzw.
schönzureden
z Fremdgruppenhomogenitätseffekt4 Fremdgruppenhomogenitätseffekt
(Outgroup-Homogeneity-Effekt) Tendenz, Mitglieder der Fremdgruppe als
„Die sind doch alle gleich!“ – nicht selten einander ähnlicher wahrzunehmen, als
hört man solche Aussprüche insbesondere diese tatsächlich sind, bzw. als ähnlicher
über Gruppen, denen gegenüber massive als Mitglieder der Eigengruppe (Brigham
Vorurteile gehegt werden (z. B. gegenüber und Malpass 1985; E. E. Jones et al. 1981;
Asylbewerbern). Dieser Satz drückt das aus, Park und Rothbart 1982; Wilder 1984).
was in der Psychologie als Fremdgruppen-
homogenitätseffekt bezeichnet wird.
Dies lässt sich leicht veranschaulichen: Wenn
4 Der Fremdgruppenhomogenitätseffekt kann Sie Europäer sind, so stellen Sie sich vor,
sich unter bestimmten Umständen in einen dass Ihnen eine Gruppe asiatischer Touristen
Eigengruppenhomogenitätseffekt umkehren, begegnet. Wahrscheinlich werden deren Mit-
d. h., dass Mitglieder der Eigengruppe als ähn- glieder für Sie alle recht ähnlich aussehen, und
licher wahrgenommen werden als Mitglieder
Sie hätten Schwierigkeiten, eine bestimmte
der Fremdgruppe (Simon 1992b; Simon und
Pettigrew 1990). Dies tritt insbesondere in Minder- Person wiederzuerkennen. Seien Sie beruhigt,
heitsgruppen auf, d. h. wenn die Eigengruppe Asiaten geht es umgekehrt genauso: Für Asia-
erheblich kleiner ist als die Fremdgruppe (R. ten sehen Europäer alle recht ähnlich aus,
Brown und Smith 1989; Guinote 2001; Simon und denn Gesichter anderer Kulturkreise zu unter-
Brown 1987; bei Kindern: Stephan 1977), sowie
scheiden, fällt erwiesenermaßen schwer, es
auf Urteilsdimensionen, die für die Eigengruppe in
besonderem Maße bedeutsam sind (R. Brown und sei denn, man hat lange unter ihnen gelebt
Wooton-Millward 1993; Kelly 1989; Simon 1992a). (Bothwell et al. 1989; Brigham und Barkowitz
266 Kapitel 4 · Vorurteile
Beispielstudie 4.12
1978; Platz und Hosch 1988). Dies ist u. a. verstärkt, wenn beide Gruppen in Wettbewerb
darauf zurückzuführen, dass uns prinzipiell zueinander standen, beispielsweise bei einem
Mitglieder der Eigengruppe vertrauter sind, Spiel, bei dem nur eine Gruppe gewinnen
wir detaillierteres Wissen über sie haben und konnte (Zero-Sum-Spiel bzw. Nullsummen-
daher besser in der Lage sind, sie zu diffe- spiel; Judd und Park 1988; Sassenberg et al.
renzieren (Linville et al. 1989; Wilder 1986). 2007).
So wissen wir eher, worin sich Mitglieder Je homogener eine Gruppe wahrgenommen
der Eigengruppe im Detail unterscheiden, wird, desto mehr negative Eigenschaften (z. B.
und achten verstärkt auf diese Dimensionen. erhöhte Aggressivität) werden ihr beispiels-
Ebenso nehmen wir Personen unserer eigenen weise zugeschrieben (Abelson et al. 1998; Das-
Altersgruppe wesentlich heterogener wahr als gupta et al. 1999; 7 Beispielstudie 4.12). Zudem
deutlich ältere bzw. jüngere Menschen (Lin- werden homogen erscheinende Gruppen stär-
ville et al. 1989; . Abb. 4.20). Der Effekt war ker diskriminiert (z. B. Vanbeselaere 1991).
Beispielstudie 4.13
Allerdings ist für diese Effekte – insbesondere Paradigma der minimalen Gruppen
für das Auftreten der Eigengruppenauf- (Minimal Group Paradigm)
wertung – eine Bedrohung der sozialen Identi- Experimentelle Prozedur, in der Personen
tät nicht unbedingt nötig, und ebenso wenig willkürlich in minimale Gruppen aufgeteilt
muss es sich um für das Individuum bedeut- werden, denen die Merkmale echter,
same Eigen- und Fremdgruppen handeln. Es gewachsener Gruppen fehlen. Damit
genügt häufig, Personen in irgendwie unter- kann der Einfluss untersucht werden,
scheidbare Gruppen aufzuteilen, auch wenn den die bloße Gruppenzugehörigkeit auf
4 dies aufgrund vollkommen willkürlicher Intergruppenverhalten ausübt.
Merkmale erfolgt (Minimal Group Paradigm;
Tajfel et al. 1971). Die bloße Zugehörigkeit
zu einer (an sich bedeutungslosen!) Gruppe Neben motivationalen werden hierfür auch
reicht bereits aus, um Prozesse der Kate- kognitive Ursachen diskutiert: Mangels anderer
gorisierung mit anschließender Tendenz zur Informationen über die Gruppen bestimmen
Diskriminierung auszulösen (z. B. DeSteno wir den Wert der Eigengruppe, indem wir von
et al. 2004; K. Stroebe et al. 2005; Tajfel et al. der eigenen – positiv beurteilten – Person auf
1971; 7 Beispielstudie 4.14). die Eigengruppe schließen, wodurch diese
Beispielstudie 4.14
. Abb. 4.21 Bei der Verteilung von Ressourcen wurden eher Optionen gewählt, die die Eigen- im Vergleich zur
Fremdgruppe besser stellten (z. B. Option A), auch wenn dadurch die Eigengruppe betragsmäßig weniger erhielt
als durch eine andere Möglichkeit (z. B. Option X). (Nach Tajfel et al. 1971)
automatisch vergleichsweise gut abschneidet (. Abb. 4.22). Gruppen stehen oder mei-
(7 Sozialpsychologie I, Abschn. 6.3.2: Selbst- nen zumindest, sie stünden (7 Exkurs: Rela-
wertschützende Strategien). Entsprechend kann tive Deprivation und relative Gratifikation)
die Eigengruppenaufwertung auftreten („Meine miteinander im Wettbewerb um Ressour-
Leute sind toll“), ohne dass gleichzeitig eine cen (z. B. Deutsche mit Ausländern auf dem
Abwertung der Fremdgruppe stattfindet („Was/ Arbeitsmarkt bzw. im Sozialsystem), um
wie andere sind, ist mir egal“; vgl. Otten 2002). Religionen und Ideologien (z. B. Katholiken
Zusammenfassend lässt sich festhalten, und Protestanten in Irland; Globalisierungs-
dass an der Entstehung von Vorurteilen durch befürworter und -gegner), sozialen Status
soziale Kategorisierung neben der Verein- oder Macht (z. B. Parteien um das Kanzler-
fachung der Informationsverarbeitung als amt).
kognitive Ursache auch soziale Identitäts- Dies ist in der Theorie des realistischen
bedürfnisse als motivationale Ursache beteiligt Gruppenkonflikts zusammengefasst. Es wird
sind. In der Folge treten typischerweise angenommen, dass Einstellungen und Ver-
Eigengruppenaufwertung und/oder Fremd- haltensweisen zwischen Gruppen deren
gruppenabwertung sowie der Fremdgruppen- jeweilige Interessen und reale Konflikte
homogenitätseffekt auf. Nachfolgend wird widerspiegeln (Campbell 1965; LeVine und
dargestellt, welchen Beitrag sozialer Wett- Campbell 1972; Sherif 1967). Sind diese Inte-
bewerb an der Entstehung und Akzentuierung ressen vereinbar (positive Interdependenz), so
von Vorurteilen und Diskriminierung hat. führt dies zu Fairness, Toleranz und Freund-
schaft. Besteht dagegen ein Konflikt (negative
Interdependenz), d. h., stehen die Gruppen
4.3.2 Wir gegen die anderen – im Wettbewerb um wertvolle, aber knappe
Intergruppenwettbewerb materielle Ressourcen miteinander, so sind
negative Einstellungen und Feindseligkeiten
Blickt man in die Medien, ist Konkurrenz gegenüber der anderen Gruppe die Folge
die wohl offensichtlichste Ursache von Kon- (z. B. Zárate et al. 2004; . Abb. 4.23). Dem-
flikten, Vorurteilen und Diskriminierung entsprechend ergab eine repräsentative Studie
270 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.22 Konflikte verschärfen Vorurteile. Fühlen sich Mitglieder einer Gruppe von einer anderen
Gruppe bedroht, so identifizieren sie sich besonders stark mit der Eigengruppe und neigen zu verstärkter
Kategorisierung, Stereotypisierung und feindseligen Unterstellungen gegenüber der Fremdgruppe. Der seit
Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern macht diese Dynamik besonders deutlich
(hier: Mauer zwischen Jerusalem und Palästina). (© Dominika Zarzycka/NurPhoto/picture alliance)
Exkurs
Relative Deprivation und relative Gratifikation
Vorurteile können nicht das Gefühl haben, keinen die Jobchancen für die
nur dann entstehen, wenn Einfluss auf die Politik zu Eigengruppe steigen und für
Ressourcen objektiv knapp haben und von dieser nicht eine relevante Fremdgruppe
sind, sondern auch aus sog. repräsentiert zu werden), sinken) zu erhöhten
relativer Deprivation, d. h. ihre Gruppe als relativ Vorurteilen gegenüber der
aus der Diskrepanz zwischen depriviert erleben (Pettigrew Fremdgruppe führten (vgl.
den eigenen Erwartungen et al. 2008). Jugendliche auch LeBlanc et al. 2015).
und dem Erreichten (Gurr Muslims marokkanischer oder Als Erklärung hierfür wird
1970, S. 24). Gruppen erleben türkischer Abstammung in u. a. die Tendenz angesehen,
relative Deprivation, wenn den Niederlanden, die sich Opfern unglücklicher
sie sich im Vergleich zu einer relativ depriviert fühlten, Umstände die Schuld für
relevanten Fremdgruppe waren eher bereit, zu Gewalt ihre missliche Lage selbst
benachteiligt fühlen zu greifen, um ihre eigene in die Schuhe zu schieben
(Stephan und Stephan Gruppe und Religion zu (7 Abschn. 4.4.3). Diese
1996). Menschen, die sich verteidigen (Van Bergen et al. Befunde legen also nahe, dass
relativ depriviert fühlen, 2015). Dies zeigt, dass relative sowohl die Wahrnehmung
weisen häufig erhöhte Deprivation ein Faktor ist, von Benachteiligung als
Vorurteilslevel auf (Appelgryn der Intergruppenkonflikte auch die Wahrnehmung von
und Nieuwoudt 1988; verschärft und der bei Bevorteilung der Eigengruppe
Pettigrew und Meertens 1995; Deeskalationsbemühungen im Vergleich zur Fremdgruppe
Tripathi und Srivastava 1981). berücksichtigt werden muss. Vorurteile erhöhen, was
Europaweite Daten zeigen, Eine Studie von Guimond zu einem U-förmigen
dass innerhalb der jeweiligen und Dambrun (2002) ergab, Zusammenhang zwischen
ethnischen Mehrheitsgruppen dass relative Deprivation, dem Ergebnis des Vergleichs
besonders Mitglieder der aber insbesondere auch und Vorurteilen führen sollte
Arbeiterklasse, die von der relative Gratifikation (hier (für Südafrika vgl. Dambrun
Politik entfremdet sind (die die Information, dass et al. 2006).
4.3 · Woher kommen Vorurteile?
271 4
aus Großbritannien, dass eine Zunahme der feindseliges Verhalten aus dem Aufeinander-
Arbeitslosigkeit um 1 % mit einer Zunahme treffen von Gruppen und ihrem Kampf um
selbstberichteter ethnischer Vorurteile um 4 % begrenzte Ressourcen entstehen können.
einherging (Johnston und Lordan 2016). In 7 Abschn. 4.3.1 wurde beschrieben,
dass Eigengruppenaufwertung bzw. Fremd-
Theorie des realistischen gruppenabwertung auch ohne Wettbewerb,
Gruppenkonflikts im Speziellen bereits aufgrund der Gruppen-
Diese Theorie beschreibt das Entstehen zugehörigkeit entstehen können. Auch in den
von Konflikten zwischen Gruppen durch Ferienlagerstudien von Sherif et al. (1961)
den Wettbewerb um wertvolle, aber fanden sich hierfür Hinweise: Feindseligkeiten
knappe Ressourcen. Feindseligkeit, zwischen den Gruppen traten teilweise auch
vermehrte Vorurteile und Diskriminierung schon auf, bevor die Wettbewerbssituation
sind die Folge. induziert wurde. Dies war in den Studien der
Fall, in denen die Kinder bereits von Anfang
an von der Existenz der jeweils anderen
Der Wettbewerb um Ressourcen führt umso Gruppe wussten. Die Konkurrenz um wich-
wahrscheinlicher zum Entstehen von Vor- tige Ressourcen zeigte jedoch eine deutliche
urteilen und Diskriminierung, je knapper die Extremisierung der negativen Einstellungen.
Ressourcen sind. In den legendären Ferien- Die Forschung hat zudem gezeigt, dass es
lagerexperimenten von Sherif und Kollegen keines aktuellen realen Interessenskonflikts
(z. B. Sherif et al. 1961; 7 Beispielstudie 4.15) bedarf, sondern dass allein die Wahrnehmung
zeigte sich, wie leicht Vorurteile und eines Konflikts ausreicht, damit vermehrt
Beispielstudie 4.15
Vorurteile auftreten (z. B. Esses et al. 1998; sind Männern untergeordnet“ miteinander
Riek et al. 2006; Stephan und Stephan 2000; unvereinbar. Wenn eine Gruppe die Werte
vgl. auch Stephan et al. 1999). Deshalb wurde einer anderen als unvereinbar mit den eige-
die Theorie des realistischen Gruppen- nen ansieht, so nimmt sie die Beziehung zur
konflikts erweitert zum Unified-Instrumen- Fremdgruppe ebenfalls als Nullsummenspiel
tal-Modell von Gruppenkonflikten (Esses wahr. Forderungen und Kritik von Seiten
et al. 2001). Die zentrale Annahme ist, dass der Fremdgruppe erhöhen häufig die Wahr-
die Diskriminierung einer Fremdgruppe nehmung einer realistischen oder symboli-
4 von der Wahrnehmung der Intergruppen- schen Bedrohung. So waren israelische Juden
beziehungen als Nullsummenspiel getrieben in einer Studie weniger bereit, Maßnahmen
wird. Diese Wahrnehmung kann durch zur Gleichberechtigung von israelischen Ara-
Ressourcenknappheit gefördert werden (realis- bern zu unterstützen, wenn diese zuvor eine
tische Bedrohung), wie in 7 Beispielstudie 4.15 Beschwerde damit begründet hatten, dass
beschrieben. Wenn beispielsweise die Eigen- sie ein Recht auf Gleichbehandlung haben,
gruppe Arbeitsplätze als eine begrenzte als wenn dies mit unangenehmen persön-
Ressource wahrnimmt, so sieht sie die Kon- lichen Auswirkungen begründet worden war
kurrenz mit einer Fremdgruppe um Arbeits- (. Abb. 4.23). Das Betonen der eigenen Rechte
plätze als ein Nullsummenspiel. seitens der Araber führte dazu, dass die Juden
Darüber hinaus kann auch ein Werte- die Gruppenbeziehungen stärker als Null-
konflikt als Nullsummenspiel wahrgenommen summenspiel wahrnahmen: Gewinnen die Ara-
werden (symbolische Bedrohung). So sind ber, verlieren die Juden (Shnabel et al. 2016b).
beispielsweise die Werte „Beide Geschlech- Immer wieder sind Ressourcen
ter haben die gleichen Rechte“ und „Frauen jedoch knapp, ohne dass dies auf einen
. Abb. 4.23 Stehen Gruppen miteinander im Wettbewerb, d. h., schließen sich ihre Ziele gegenseitig aus
(oben), entstehen negative Einstellungen gegenüber der jeweiligen Fremdgruppe. Stehen die Ziele ver-
schiedener Gruppen jedoch im Einklang, d. h., wenn alle am gleichen Strang ziehen bzw. ziehen müssen (unten),
ist der Umgang miteinander von Fairness, Toleranz und Freundschaft geprägt
4.3 · Woher kommen Vorurteile?
273 4
Interessenkonflikt mit einer spezifischen ihrer Intensität steigen (z. B. Rogers und Pren-
Fremdgruppe zurückgeführt werden kann tice-Dunn 1981). Dieser Prozess kann auch
(z. B. angespannte Wirtschaftslage, Massen- auf automatischer Ebene ablaufen (DeSteno
arbeitslosigkeit, Börsencrash, Missernten et al. 2004).
aufgrund der Weltwirtschaftslage oder einer Im Rahmen der Sündenbocktheorie wird
Dürreperiode). In solchen Situationen sind angenommen, dass durch Frustration aus-
Menschen frustriert durch die missliche Lage gelöster Ärger zur Beschuldigung einer macht-
und neigen in der Folge dazu, sich einen losen Gruppe führt. Erlebt die machtlosere
Sündenbock zu suchen. Insbesondere leicht zu Minderheit Frustration im Konflikt mit der
identifizierende, nicht gemochte und macht- machtvolleren Mehrheit, so spielen Ärger-
lose Fremdgruppen werden dadurch zum gefühle ebenfalls eine Rolle dafür, in wel-
Opfer von Vorurteilen und Diskriminierung cher Form die Minderheit Widerstand leistet
(Sündenbocktheorie, Scapegoat-Theorie; (Dual Path Model of Collective Action; Spears
Berkowitz und Green 1962; Blanchard et al. 2010). Der entscheidende Faktor ist hier, ob
1975; N. E. Miller und Bugelski 1948). Der sie die Situation als instabil und damit ver-
Antisemitismus in Deutschland nach dem änderbar ansieht oder als stabil. Sehen die
Ersten Weltkrieg ist dafür ein klassisches Bei- Mitglieder der Minderheit die Situation als
spiel: Die Menschen waren arm, demoralisiert instabil an, greifen sie zu normativen, lega-
und resigniert, die Arbeitslosigkeit extrem len Mitteln des Widerstands, sehen sie sie
hoch. Als die Nazis in den 1930er Jahren an als stabil an, neigen sie vermehrt zu gewalt-
die Macht kamen, sahen sie sich einer mas- samen und illegalen Mitteln. Damit einher
siv frustrierten Bevölkerung gegenüber. Den gehen verschiedene Intergruppenemotionen:
Anhängern des Nationalsozialismus gelang Ärger bei instabilen Verhältnissen, Verachtung
es, der Bevölkerung für diese Frustration bei stabiler Benachteiligung. Dieses Modell
einen Sündenbock zu präsentieren: die Juden. wurde beispielsweise überprüft anhand stu-
Auch wenn die Juden in keinster Weise für dentischer Reaktionen zur Einführung von
die missliche Wirtschaftslage in Deutsch- Studiengebühren in Deutschland (Tausch
land verantwortlich waren, konnten die Nazis et al. 2011). Es zeigte sich, dass Studierende,
die Illusion verbreiten, dass die Bestrafung die ihre Gruppe für machtlos und nicht in der
und letztendlich die Vernichtung der Juden Lage hielten, daran etwas zu ändern, stärker
die Probleme lösen würden. Die Juden „eig- gewaltsame Formen des Protests wie Brand-
neten“ sich insofern als Sündenbock, da sie stiftung in Erwägung zogen, besonders wenn
schon vorher eher unbeliebt gewesen waren sie Verachtung für die verantwortlichen Poli-
(Berkowitz 1993). tiker empfanden. Diese Reaktion wird als Ver-
zweiflungsreaktion (Nothing to Lose) gedeutet
Sündenbocktheorie (Spears 2010) und führt zu weniger Identi-
Diese Theorie bezeichnet die Tendenz, bei fizierung mit der Eigengruppe, wenn diese die
Frustration eine leicht zu identifizierende, Radikalisierung nicht unterstützt (J. C. Becker
nicht gemochte und machtlose und Tausch 2015). Diejenigen, die optimisti-
Fremdgruppe verantwortlich zu machen, scher waren, was ihre Einflussmöglichkeiten
obwohl diese nicht Ursache der misslichen betraf, erlebten eher Ärger, der ihre Bereit-
Lage ist. schaft zu friedlichen Aktionen wie Demonstra-
tionen erhöhte. Die Eskalation von Konflikten
hängt also von Intergruppenemotionen ab, die
Vorurteile und Diskriminierung gegenüber nicht nur aus der wahrgenommenen Fairness
einer Fremdgruppe können in Reaktion auf zwischen den Gruppen, sondern auch aus den
Frustration bzw. Ärger demnach sozusagen wahrgenommenen Veränderungsmöglich-
aus dem Nichts entstehen oder plötzlich in keiten der Situation resultieren.
274 Kapitel 4 · Vorurteile
Sind wertvolle Ressourcen knapp, fördert sowie die Idee integrativer Schulen und
dies Vorurteile, Feindseligkeiten und Dis- Kindergärten spiegeln diese Annahmen
kriminierung gegenüber der konkurrierenden wider. So wird durch vermehrten Kontakt
Gruppe oder – so eine solche nicht existiert – zwischen behinderten und nichtbehinderten,
gegenüber einer Gruppe, die zum Sünden- ausländischen und einheimischen Kindern
bock gemacht wird. Ob real tatsächlich ein versucht, Vorurteile gegenüber den stigmati-
Konflikt besteht oder nicht, ist dabei unerheb- sierten Gruppen abzubauen.
lich. Entscheidend ist, dass eine Wettbewerbs-
4 situation wahrgenommen wird. Was passiert Kontakthypothese
nun aber, wenn sich die Lage ändert, indem Annahme, dass Feindseligkeiten und
z. B. die Wettbewerbssituation entfernt wird? Vorurteile durch vermehrten Kontakt
Verschwinden dann auch automatisch Feind- zwischen den Gruppen vermindert
seligkeiten und Vorurteile? Was ist nötig, um werden können (Allport 1954).
negative Einstellungen gegenüber der Fremd- Statusgleichheit, Kooperation und
gruppe zu reduzieren? gemeinsame Ziele sowie Unterstützung
durch Autoritäten/Institutionen
erleichtern/verbessern die positiven
4.3.3 Kontakt als Mittel zur Effekte von Intergruppenkontakt.
Reduktion von Vorurteilen –
Die Kontakthypothese
Und tatsächlich hat sich in zahlreichen
Wären Vorurteile rein kognitiv, würde es rei- Studien immer wieder gezeigt, dass Inter-
chen, die Stereotype durch Wissensvermittlung gruppenkontakt zur Reduktion von Vor-
und Bildung neuer Assoziationen zu ändern. urteilen zwischen Gruppen beitragen kann
Dies hat sich jedoch als Illusion erwiesen. (z. B. Deutsch und Collins 1951; Levin et al.
Das entscheidende Merkmal von Vorurteilen 2003; Sherif et al. 1961; für einen Überblick
ist ihre affektive Komponente, gegen die mit vgl. Pettigrew und Tropp 2006; Tropp und
logischen Argumenten bzw. reinem Wissen Pettigrew 2005; 7 Beispielstudie 4.16). So zeig-
kaum anzukommen ist. Wie sieht es aus, wenn ten in einer Studie von Brown et al. (2003)
eine konfliktverursachende Wettbewerbs- beispielsweise weiße studentische Sportler,
situation entfernt wird bzw. die Ressourcen- die Teamsportarten mit einem hohen Anteil
knappheit ein Ende nimmt? Hören dann auch an schwarzen Mannschaftskollegen betrieben,
automatisch die Vorurteile und Feindselig- positivere Gefühle gegenüber Schwar-
keiten auf? Das ist ebenfalls nicht der Fall. In zen im Allgemeinen als Kommilitonen, die
den Ferienlagerstudien von Sherif et al. (1961) Individualsportarten betrieben (. Abb. 4.24).
eskalierten die Feindseligkeiten zwischen den Traditionell war man der Meinung, dass
Rattlers und Eagles sogar weiter, obwohl die Intergruppenkontakt nur unter bestimmten
Wettkampfsituation entfernt worden war. Bedingungen zu einer Vorurteilsreduktion
Wie könnte man es schaffen, Vorurteile, führen kann bzw. sich Vorurteile und Feind-
Feindseligkeiten, verzerrte negative Ein- seligkeiten eher noch verstärken, wenn diese
stellungen und negatives Verhalten gegenüber nicht gegeben sind (z. B. Eitle und Eitle 2003;
einer Fremdgruppe zu reduzieren? Es scheint Stephan 1978). Allport formulierte diese
wohl nötig, aktiv etwas dagegen zu unter- Bedingungen bereits 1954:
nehmen. Ein immer wieder diskutiertes Mittel 5 Statusgleichheit: Vorurteilsreduktion
ist ein vermehrter Kontakt zwischen den ver- durch Kontakt wird gefördert, wenn die
feindeten Gruppen. Sätze wie „Wenn die sich Mitglieder bzw. ihre Gruppen in der
erst mal näher kennengelernt haben …“ oder Kontaktsituation den gleichen Status
„Die müssen sich halt noch zusammenraufen“ haben, d. h., wenn zwischen ihnen kein
4.3 · Woher kommen Vorurteile?
275 4
Beispielstudie 4.16
Hierarchiegefälle – wie es beispielsweise und in der Folge steigt auch die Sympathie
zwischen einer Führungskraft und einem (Mere-Exposure-Effekt; Bornstein 1989; Har-
Angestellten der Fall wäre – besteht. mon-Jones und Allen 2001; Rhodes et al.
5 Kooperation und gemeinsame, über- 2001; Zajonc 1968). Schon vorgestellter Kon-
geordnete Ziele: Zusammenarbeit und takt reicht aus, um sowohl explizite Vorurteile
gemeinsame, übergeordnete Ziele, wie als auch implizite negative Assoziationen zu
beispielsweise die Bergung des LKWs in reduzieren (Turner und Crisp 2010). Auch
den berichteten Ferienlagerstudien, zu indirekter, medienvermittelter Kontakt kann
deren Erreichung die beiden Gruppen Vorurteile und Dehumanisierung von Fremd-
zusammenarbeiten müssen und damit gruppen reduzieren, indem er Gefühle der
voneinander abhängig sind, optimieren die Verbundenheit, Empathie, Vertrauen und
Kontaktbedingungen. Perspektivenübernahme erhöht und Ängste
5 Unterstützung durch Autoritäten/Institu- abbaut (Bartsch et al. 2018; Krämer et al. 2017;
tionen: Unterstützen Autoritäten, wie bei- Lai et al. 2014; Oliver et al. 2015; Vezzali et al.
spielsweise Lehrer und Lehrerinnen in der 2012; Visintin et al. 2017).
Schule oder auch gesetzliche Vorschriften,
den Kontakt zwischen den Gruppen, för- Illustration: Vorurteilsreduktion durch
dert dies den Vorurteilsabbau. Fernsehen?
Menschen reagieren auf Charaktere im
In einer Metaanalyse von Pettigrew und Tropp Fernsehen vergleichbar wie auf jene Men-
(2006), die über 500 Studien zum Thema schen, denen sie im Alltag begegnen, da
Intergruppenkontakt auswerteten, sowie in das menschliche Gehirn medienvermittelte
verschiedenen Langzeitstudien (z. B. Eller Erfahrungen ähnlich wie direkte Erfahrungen
und Abrams 2003, 2004; Levin et al. 2003; verarbeitet (Kanazawa 2002).
Pettigrew 1997) zeigte sich, dass optimale Schiappa et al. (2005) untersuchten die Wir-
Bedingungen, wie sie eben genannt wurden, kung von medienvermitteltem, sog. para-
die Vorurteilsreduktion im Intergruppen- sozialem Kontakt mittels mehrerer Folgen der
kontakt deutlich verbessern. Allerdings schei- Fernsehserie Six Feet Under, in der zwei zent-
nen diese Bedingungen nicht unbedingt rale männliche Charaktere homosexuell sind.
notwendig zu sein. Bereits dadurch, dass Teilnehmer, die mehrere Folgen gesehen
man der Fremdgruppe vermehrt ausgesetzt hatten, wiesen eine Reduktion in ihren Vor-
ist, erhöht sich die Vertrautheit mit dieser, urteilen gegenüber homosexuellen Männern
276 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.24 a, b Teamsportarten sind eine gute Möglichkeit zum Intergruppenkontakt für Menschen aller
Altersgruppen. Sie tragen dazu bei, Vorurteile zu reduzieren. (a: © Sergey Novikov/stock.adobe.com,
b: © biker3/stock.adobe.com)
auf.5 Parasozialer Kontakt scheint positivere Entscheidend für den positiven Effekt von
Reaktionen gegenüber der Fremdgruppe und Kontakt ist die Reduktion von Angst-,
Änderungen in den Vorstellungen von deren Bedrohungs- und Unsicherheitsgefühlen
Eigenschaften hervorzurufen. dahingehend, wie man sich gegenüber Fremd-
gruppenmitgliedern verhalten soll, wie man
von diesen wahrgenommen und ob man
von diesen akzeptiert werden wird (Blair
5 Die Vorurteile gegenüber homosexuellen Frauen et al. 2003; Blascovich et al. 2001; Hewstone
hatten sich dagegen nicht verändert. 2003: Paolini et al. 2004; Stephan et al. 2002;
4.3 · Woher kommen Vorurteile?
277 4
Stephan und Stephan 1985; Voci und Hew- Im Schulbereich hat sich das sog. Jigs-
stone 2003; vgl. auch Gudykunst 1985). Durch aw-Classroom-Konzept als wirkungsvoll
den vermehrten Kontakt wird demnach die erwiesen, um Vorurteile unter Schülern – die
bedeutsame affektive Komponente von Vor- beispielswese aufgrund unterschiedlicher eth-
urteilen beeinflusst, besonders wirkungs- nischer Herkunft bestehen – zu reduzieren.
voll in engen Freundschaften, da diese durch
Selbstenthüllung (7 Kap. 1) geprägt sind (Fed- Jigsaw Classroom
des et al. 2009; McLaren 2003; R. N. Turner Bezeichnung für eine bestimmte
und Feddes 2011). Nicht nur der persönliche Klassensituation, die Vorurteile
Kontakt ist hier entscheidend, sondern ins- vermindern und das Selbstwertgefühl der
gesamt die Kontaktmöglichkeiten im eigenen Schüler erhöhen soll. Die Schüler arbeiten
Umfeld: So haben Menschen in Gegenden in in gemischten Kleingruppen, und jeder
Deutschland mit einem höheren Anteil Mig- Schüler ist hinsichtlich Erarbeitung des
ranten tolerantere Einstellungen unabhängig Unterrichtsstoffs und guter Leistungen
davon, ob sie persönlich mehr Kontakte haben von den anderen Schülern abhängig.
(Christ et al. 2014). Entsprechend können
die in den neuen Bundesländern nach wie
vor fehlenden Kontaktmöglichkeiten (Lexas Der Unterrichtsstoff wird hier so aufgeteilt,
2016) die dort bestehenden negativeren Ein- dass jedes Mitglied der Kleingruppe einen
stellungen gegenüber Ausländern weitgehend Teil davon bekommt, diesen bearbeitet und
erklären (Wagner et al. 2003). dann den anderen Gruppenmitgliedern ver-
Im Erwerbsleben ist der Kontakt mit Perso- mittelt. Der Unterrichtsstoff kann somit nur
nen unterschiedlicher Herkunft für die meisten erlernt werden, wenn jedes Gruppenmitglied
zum Alltag geworden. Hier zeigt sich allerdings seinen Teil beiträgt und der Stoff sozusagen
auch, dass die Vielfalt an kulturellen Prägungen wie ein Puzzle (Jigsaw) zusammengesetzt wird
neben Chancen, auch Konfliktpotenzial birgt (E. Aronson und Bridgeman 1979; E. Aronson
(7 Exkurs: Diversity Management). und Gonzalez 1988; E. Aronson und Patnoe
Exkurs
Diversity Management
Die Belegschaften vieler Management. Diente Diversity Insbesondere bei
Unternehmen und Management einst vor allem der multikulturellen Gruppen
Organisationen werden Beseitigung von Diskriminierung ist zu beobachten, dass sie
zunehmend ethnisch (ausgehend von den USA in entweder besonders effektiv
heterogener. Wird mit den 1960er/1970er Jahren), oder besonders ineffektiv
dieser kulturellen Vielfalt so wurde zunehmend die sind – abhängig davon, ob
oder Diversität nicht optimal Möglichkeit gesehen, sich sie das Synergiepotenzial
umgegangen, kommt es durch Diversity Wettbewerbs- der Unterschiede zu nutzen
zu Schwierigkeiten, die der vorteile zu erschließen. und die Koordinations- und
Leistungsfähigkeit erheblich Entsprechend versteht man Integrationsprobleme zu
entgegenstehen können. unter Diversity Management lösen vermögen oder nicht
Beispielsweise können aufgrund den bewussten Einsatz und (Podsiadlowski, 2002,
unterschiedlicher kultureller die Steuerung personeller S. 93 f.). In diesem Sinne
Normen Konflikte über Vielfalt als Ressource. Das Ziel sind mit Vielfalt potenzielle
Pünktlichkeit oder das Verhalten ist, die Unterschiedlichkeit Probleme verknüpft,
gegenüber Autoritäten als Quelle von Produktivität die durch reine
entstehen. Daher betreiben und Wettbewerbsfähigkeit zu Nichtbeachtung nicht
Unternehmen ein sog. Diversity erschließen. verschwinden werden.
278 Kapitel 4 · Vorurteile
1997; Walker und Crogan 1998; Wolfe und Mitarbeiter des statushöheren Ausgangsunter-
Spencer 1996). nehmens (Fischer et al. 2007).
Führt Intergruppenkontakt langfristig In einer weiteren experimentellen Studie
auch zu weniger Diskriminierung und mehr zeigte sich, dass der gemeinsamkeitsfokussierte
Chancengleichheit? Die Antwort auf diese Intergruppenkontakt zu Erwartungen bei der
Frage hängt davon ab, wie der Kontakt statusniedrigeren Gruppe führte, dass sich die
gestaltet ist. Wird bei dem Kontakt vor allem statushöhere Gruppe fair verhalten würde –
über Gemeinsamkeiten gesprochen, so sinken eine Erwartung, die völlig unrealistisch war,
4 bei der Gruppe mit dem geringeren Status die da diese sich letztlich unfair verhielt (Saguy
Wahrnehmung von Diskriminierung und die et al. 2009). Wird hingegen bei dem Kon-
Bereitschaft, sich zu wehren (Glasford und takt auch über Unterschiede gesprochen, und
Dovidio 2011; Saguy und Chernyak-Hai 2012; die statushöhere Gruppe erklärt sich mit der
Ufkes et al. 2016). Beide Gruppen fühlen sich statusniedrigeren Gruppe solidarisch, so hat
besser und nehmen weniger Ungleichheiten der Kontakt keine negativen Auswirkungen
wahr. Die Ungleichheiten bestehen jedoch auf die Bereitschaft der statusniedrigeren
unvermindert, werden aber nicht mehr hinter- Gruppe, gegen Diskriminierung vorzugehen
fragt und auf diese Weise sozusagen zemen- (J. C. Becker et al. 2013). Die Bereitschaft der
tiert. Auch Mitglieder einer diskriminierten statushöheren Gruppe wiederum, sich mit der
Gruppe, die vor allem Freundschaften mit statusniedrigeren Gruppe zu solidarisieren
Mitgliedern der höhergestellten Gruppe und ihre Anliegen zu unterstützen, wird durch
haben, nehmen weniger Diskriminierung positiven Intergruppenkontakt gefördert (Rei-
wahr und sind weniger bereit, sich für mehr mer et al. 2017), was dann wiederum auch die
Gleichberechtigung zu engagieren (Saguy et al. statusniedrige Gruppe darin bestärkt, sich für
2009; Tropp et al. 2012). Chancengleichheit und gegen Diskriminierung
Besteht eine Gesellschaft, ein Unternehmen einzusetzen (Kauff et al. 2016). Diese Befunde
oder eine Nachbarschaft aus mehreren Teil- zeigen auf, wie Intergruppenkontakt gestaltet
gruppen, so bevorzugen statusniedrigere Teil- werden kann, wenn das Ziel Chancengleich-
gruppen einen Dialog über Unterschiede heit ist (Dovidio et al. 2016): Erst wenn
zwischen den Teilgruppen, während Mit- bei dem Kontakt auch über Unterschiede,
glieder der statushöheren Teilgruppe lieber Diskriminierung und Ungerechtigkeiten
über Gemeinsamkeiten sprechen. Außerdem gesprochen wird und die privilegierte Gruppe
identifiziert sich die statusniedrigere Gruppe die Gleichberechtigungsziele unterstützt, trägt
stärker mit ihrer Teilgruppe und weniger mit Kontakt zu einer langfristigen Verbesserung
der übergeordneten Gruppe, als eine status- der Situation der benachteiligten Gruppe bei.
höhere Gruppe dies tut (Dovidio et al. 2009; Sozialpsychologisch basierte Interventionen
Fischer et al. 2007; Hehman et al. 2012). Dies in politischen Konflikten, bekannt als inter-
kann zu Problemen führen. Nehmen wir ein- aktives Problemlösen (Interactive Problem Sol-
mal das Beispiel einer Unternehmensfusion: ving), nutzen Intergruppenkontakt gemeinsam
Nach der Fusion zweier Unternehmen identi- mit strukturierten Gesprächsrunden zur
fizierten sich Mitarbeiter des statusniedrigeren Vorbereitung und Begleitung offizieller Ver-
Ausgangsunternehmens weniger mit dem handlungen, etwa im Zypernkonflikt, im Kon-
neuen Gesamtunternehmen, behielten stär- flikt zwischen Israelis und Palästinensern oder
ker ihre alte Identität bei und waren weniger im Libanonkonflikt (Fisher 2005; Kelman 1998,
zufrieden mit der Unternehmensfusion als 2005, 2008, 2009; Rouhana und Kelman 1994).
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
279 4
Fremdgruppe beitragen: Dies liegt an der Ten-
Voraussetzungen zur Förderung denz, sich in solchen Situationen eine nega-
der Chancengleichheit durch tiv bewertete, machtlose Fremdgruppe als
Intergruppenkontakt Sündenbock zu suchen.
5 Unterschiede in den Chancen und Negativ verzerrte Einstellungen zwi-
der Behandlung von Mitgliedern schen den verfeindeten Gruppen ver-
der einzelnen Gruppen müssen zur schwinden nicht von selbst – aufgrund der
Sprache gebracht werden. verschiedenen Faktoren, die zur Entstehung
5 Es muss die Bereitschaft bestehen, von Vorurteilen und vor allem auch zu ihrer
diese Unterschiede zu akzeptieren. Aufrechterhaltung beitragen (7 Abschn. 4.4),
5 Erklärtes Ziel aller Gruppen muss sein, muss man ihnen aktiv begegnen. Als wirk-
Bedingungen und Verhaltensweisen, same Methode hat sich hierbei der vermehrte
die Mitglieder einer Gruppe Kontakt zwischen Fremdgruppen erwiesen,
gegenüber Mitgliedern der anderen insbesondere wenn dieser unter optimalen
Gruppe benachteiligen, zu verändern. Bedingungen stattfindet.
zu unseren Stereotypen und Vorurteilen nicht alle Informationen, denen wir begegnen,
passt – ist u. a. unsere Fähigkeit zur Rekate- gleichermaßen abspeichern, sondern vor allem
gorisierung (Subtyping; 7 Abschn. 4.4.2) ver- Auffälligkeiten, d. h. alles, was nicht normal
antwortlich. Auch die allgemeine Tendenz in oder typisch ist.
der sozialen Wahrnehmung, dispositionale
Attributionen für das Verhalten anderer vor- Illustration: Was fällt Ihnen hier auf?
zunehmen, spielt hier eine wichtige Rolle 2+4=6
(attributionale Verzerrungen; 7 Abschn. 4.4.3). 9 + 3 = 12
4 Des Weiteren tragen Vorurteilsopfer – natür- 11 + 7 = 21
lich ungewollt – tatsächlich in gewisser Weise 23 + 17 = 40
dazu bei, dass unsere Erwartungen erfüllt 39 + 24 = 63
werden (7 Abschn. 4.4.4): Vorurteilsbehaftete 46 + 53 = 99
Behandlung durch ihr Gegenüber (sich selbst
erfüllende Prophezeiung) sowie Bedrohung Haben Sie nun gedacht „In Zeile 3 ist ein Feh-
durch Stereotype (Stereotype Threat) führen ler“? Dann wäre es Ihnen gegangen wie den
dazu, dass Vorurteilsopfer tatsächlich ver- meisten Menschen. Doch warum sagen Sie
mehrt stereotypes Verhalten zeigen. Diese nicht, „5 Zeilen sind richtig gerechnet?“ Weil
Mechanismen sollen im Folgenden näher aus- wir dazu neigen, die Abweichung, in diesem
geführt werden. Fall den Rechenfehler, wahrzunehmen.
Nehmen wir dazu ein einfaches Beispiel an: 4.4.2 Was nicht ins Schema passt,
An einer Links-vor-rechts-Kreuzung nimmt wird rekategorisiert –
Ihnen jemand die Vorfahrt. Sie können Subtyping
gerade noch rechtzeitig bremsen und so einen
Unfall verhindern. Sie sind erschrocken und Wie wir gesehen haben, neigen wir dazu,
regen sich fürchterlich auf. In dem Moment Ereignisse, die unser Stereotyp widerlegen
sehen Sie, dass eine Frau am Steuer sitzt. Ins- könnten, vergleichsweise wenig zu beachten.
besondere, wenn Sie selbst ein Mann sind, aber In manchen Situationen sind solche Fälle
durchaus auch als Frau, könnte Ihnen jetzt jedoch kaum zu ignorieren, weil sie eben-
leicht ein „Kein Wunder, Frau am Steuer!“ ent- falls sehr auffällig sind. Dies ist beispielsweise
fahren. Es stimmt also: Frauen können einfach der Fall, wenn Sie in einer angesehenen Kli-
nicht Auto fahren, das Vorurteil wäre damit nik einem türkischen Chefarzt begegnen.
wieder einmal bestätigt (. Abb. 4.25). Bei dieser Person handelt es sich um ein
Ist das wirklich so? Bei all den ande- stereotypinkonsistentes Exemplar, da man
ren Gelegenheiten, in denen Ihnen Auto- Türken in Deutschland eher mit körper-
fahrerinnen gemäß der Verkehrsordnung licher Arbeit und weniger mit einflussreichen
282 Kapitel 4 · Vorurteile
Exkurs
Bestätigung von Stereotypen durch Vorstellungsbilder
Die Überprüfung unserer wird ein Gesichtsbild die Vorstellungsbilder von
Stereotype nehmen wir zum generiert und wiederholt Managern (Imhoff et al. 2013).
einen anhand von realen mit per Zufall generierten Ebenso konnte gezeigt werden,
Ereignissen vor, zum anderen Parametern verzerrt. dass Personen mit starken
aber auch, indem wir uns an Die entstandenen Bilder Vorurteilen auch stereotypere
entsprechende Ereignisse werden von Teilnehmern Vorstellungsbilder haben
erinnern. Neben der Tendenz, (einzeln oder im Vergleich) als Personen mit geringen
4 dabei bevorzugt nach unser nach ihrer Ähnlichkeit zu Vorurteilen (Dotsch et al. 2008;
Stereotyp bestätigenden einer Zielkategorie, z. B. Lei und Bodenhausen 2017). So
Ereignissen zu suchen Marokkaner, Europäer, generierten Niederländer mit
(Confirmation Bias), trägt hierbei Arme, Sozialhilfeempfänger stark negativen Assoziationen
auch noch die sog. Quellenver- oder Einwanderer, zu Marokkanern Ergebnis-
wechslung (z. B. M. K. Johnson beurteilt. In über 300 porträts, die als krimineller und
et al. 1993) zur Aufrecht- Durchgängen werden weniger vertrauenswürdig
erhaltung von Vorurteilen dabei die Parameter eingeschätzt wurden als die
bei: Wenn wir nämlich über ermittelt, die ein Porträt Porträts von Niederländern
Angehörige stereotyper für eine Person besonders mit positiveren Assoziationen
Gruppen nachdenken, dann typisch erscheinen (Dotsch et al. 2008). Darüber
entspricht unsere bildhafte lassen. Diese werden zur hinaus generierten sowohl
Vorstellung von diesen, Erstellung des Ergebnis- Portugiesen als auch Deutsche
gemessen anhand von verbalen porträts verwendet. Porträts von typischen
Beschreibungen dieser 2. Die Ergebnisporträts Europäern, die jeweils ihrer
Vorstellung, dem zugehörigen werden dann einer zweiten Eigengruppe ähnlicher sahen
Stereotyp. Auch solche Gruppe Teilnehmender (also portugiesischer respektive
vorgestellten, das Stereotyp vorgelegt, die diese deutscher aussahen als die
bestätigenden Episoden können nach Attributen wie Porträts der jeweils anderen
wir erinnern. Allerdings können Aggressivität, Wärme, Gruppe; Imhoff et al. 2011; vgl.
wir uns unter Umständen nicht Kompetenz oder Rasse auch Imhoff und Dotsch 2013).
mehr daran erinnern, dass wir beurteilen, ohne die Dieses Phänomen wurde auch
uns diese Episode eben nur Zielkategorie aus Schritt bei der Zuschreibung typischer
vorgestellt haben, sondern 1 zu kennen (für einen Eigenschaften beobachtet
halten sie womöglich für ein real Überblick vgl. Todorov et al. und wird als Eigengruppen-
erlebtes Ereignis. Der Inhalt der 2015). Diese Beurteilungen projektion bezeichnet (Bianchi
Vorstellung dient dann ebenso dienen dann als Maß et al. 2010; Kessler et al. 2010;
(und entsprechend verzerrend) für Verzerrungen der Waldzus et al. 2003; Wenzel
als Evidenz für das Stereotyp in Schritt 1 generierten et al. 2007; Wenzel et al. 2003).
(imaginale Bestätigung; Slusher Vorstellungsbilder. Da Prototypikalität als gut
und Anderson 1987). angesehen wird, führt dieser
Mithilfe der Reverse-Correla- In den so generierten Prozess zu einer Abwertung
tion-Technik lassen sich nun die Vorstellungsbildern über der Fremdgruppe.
Vorstellungsbilder, die wir uns die zu beurteilenden Kurzum: Stereotype über
von sozialen Gruppen machen, Gruppen spiegeln sich die Fremdgruppen führen zu
direkt visualisieren. Damit Stereotype der Teilnehmer verzerrten Vorstellungsbildern,
lässt sich überprüfen, ob die über diese Gruppen wider welche wiederum dazu
Vorstellungsbilder von sozialen (Brown-Iannuzzi et al. 2017; beitragen, das Stereotyp
Gruppen dem Stereotyp Dotsch et al. 2013; Imhoff aufrechtzuerhalten – ein
entsprechen, insbesondere et al. 2013; Kunst et al. 2018). echter Teufelskreis. Des
im Falle eines hohen So werden beispielsweise Weiteren sieht man die eigene
Vorurteilslevels. Das Vorgehen die in Schritt 1 entstandenen Gruppe als prototypisch
besteht aus zwei aufeinander- Vorstellungsbilder für eine übergeordnete
folgenden Schritten und von männlichen Kategorie, woraus dann ein
gestaltet sich folgendermaßen: Kindergärtnern in Schritt höherer Status und Wert
1. Aus Fotos oder computer- 2 als weniger kompetent, der Eigengruppe abgeleitet
generierten 3-D-Modellen aber wärmer beurteilt als werden.
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
283 4
. Abb. 4.25 Stereotype leiten unsere Aufmerksamkeit: Situationen, in denen Stereotype bestätigt werden, fal-
len uns eher auf als solche, die nicht zum Stereotyp passen. Beispielsweise bemerken wir Situationen, in denen
Frauen schlecht Auto fahren leichter als solche, in denen sie gut Auto fahren oder in denen Männer schlecht
Auto fahren. (© aletia2011/stock.adobe.com)
. Abb. 4.26 Haben wir eine Annahme über eine Personengruppe im Kopf (z. B. „Frauen können nicht Auto
fahren“), nehmen wir bevorzugt Informationen wahr, die dieser Annahme entsprechen. Dadurch wird unser
Vorurteil immer wieder bestärkt. Der Annahme widersprechende Ereignisse bzw. Informationen („Frau fährt
nicht schlecht“, „Mann fährt schlecht“ und „Mann fährt nicht schlecht“) werden vernachlässigt bzw. nicht mit der
Annahme in Verbindung gebracht und können damit auch nicht zur Vorurteilsreduktion beitragen
Illustration: Schuldzuweisung
Eine spezifische Form der verzerrten
Auch wenn wir das Verhalten von Eigen- Ursachenzuschreibung ist, eine ganze
versus Fremdgruppenmitgliedern erklären, Fremdgruppe für die Handlungen Einzel-
spielen dabei situationale und dispositionale ner zu beschuldigen, was „stellvertretende
Erklärungen in unterschiedlichem Maße eine Vergeltung“ gegen jedes Gruppenmitglied
Rolle – allerdings zudem in Abhängigkeit rechtfertigt, um Rache zu üben (Lickel et al.
davon, ob es sich um positives oder nega- 2006; 7 Abschn. 4.4.3). Dabei wird implizit
tives Verhalten handelt. Wir neigen dazu, die Ursache für das negative Verhalten in
erwünschtes Verhalten unserer eigenen der Gruppenzugehörigkeit gesehen. Zudem
Gruppe stabilen, internalen Ursachen (z. B. erleichtert die Wahrnehmung der Fremd-
unseren guten Charaktereigenschaften) zuzu- gruppe als homogen (7 Abschn. 4.3.1) die
schreiben, während wir positives Verhalten Verallgemeinerung auf die ganze Gruppe.
der Fremdgruppe auf externale und vorüber- Dieser Tendenz kann man wirksam begegnen,
gehende Ursachen zurückführen. Diese indem man Personen darauf aufmerksam
Tendenz wird ultimativer Attributionsfeh- macht, dass es heuchlerisch ist, alle Muslime
ler genannt (vgl. auch Hewstone et al. 1983; für den Anschlag Anis Amris auf den Berliner
Pettigrew 1979). Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche
. Tab. 4.2 Ultimativer Attributionsfehler. In Abhängigkeit davon, ob positives oder negatives Verhalten
und ob dieses von der Eigen- oder Fremdgruppe gezeigt wird, werden unterschiedliche Ursachen-
zuschreibungen vorgenommen
. Abb. 4.27 „Hätte sie sich nicht allein im Dunkeln rumgetrieben, wäre ihr das nicht passiert.“ Solche Aus-
sagen geben dem Opfer die Schuld für seine Gewalterfahrungen und helfen uns dabei, uns selbst sicherer zu
fühlen und die Welt als gerecht zu erleben. (© sorapop/stock.adobe.com)
1980). Wir wollen glauben, dass letztendlich damit, dass das uns eben nicht passiert wäre,
„Jeder bekommt, was er verdient“ bzw. „Jeder denn wir hätten anders, beispielsweise vor-
verdient hat, was er bekommt“. Personen mit sichtiger, gehandelt als der Betroffene (C.
einem ausgeprägten Glauben an eine gerechte Jones und Aronson 1973). Folglich müssen
Welt zeigten entsprechend auch negativere die Betroffenen (zumindest in Teilen) selbst
Einstellungen bzw. stärkere Vorurteile gegen- schuld an dem Unglück sein, denn sie hätten
über Armen, Obdachlosen, Kranken und Ver- ja auch anders handeln können.
lierern als Personen, die das Weltgeschehen Weit verbreitete Einstellungen, die den
für weniger gerecht hielten (Furnham und Opfern die Verantwortung für Gewalt geben,
Gunter 1984; Rubin und Peplau 1973; Schäfer führen allerdings letztlich dazu, dass das
und Dalbert 2013). Daraus resultieren auch Verhalten der Täter toleriert wird und den
negativere Gefühle gegenüber solchen „selbst Opfern nicht die Anteilnahme und Unter-
verschuldeten“ Opfern (Shepherd und Gerend stützung zuteilwird, die sie brauchen. Dies
2014) sowie eine geringere Bereitschaft, ihnen hat im Falle häuslicher Gewalt zur Folge, dass
zu helfen (Gracia et al. 2009; Kogut 2011). das Umfeld weniger gegen die Gewalt unter-
Vor allem wenn Personen mit einem nimmt und die Betroffenen selbst seltener
Ereignisausgang konfrontiert werden, der Hilfe suchen und seltener Anzeige erstatten,
schwer zu erklären ist (z. B. wenn ein offen- wie vergleichende Studien in Europa gezeigt
sichtlich Unschuldiger Opfer einer sinn- haben (Gracia und Herrero 2006; Gracia
losen Gewalttat wird), neigen sie dazu, dem 2014). Darüber hinaus fühlen sich Täter in
Opfer die Schuld zu geben (Lerner 1980). einem solchen Klima eher im Recht und müs-
Gerade solche Situationen führen uns näm- sen weniger negative Konsequenzen (z. B.
lich vor Augen, dass niemand unverletzlich Strafe, Kritik oder Ausschluss) befürchten
ist und es möglicherweise auch uns selbst (Gracia und Tomás 2014; Gracia 2014). Damit
treffen könnte. Um diese beängstigenden hat der Versuch, unsere eigene Verletzlich-
Gedanken zu vertreiben, beruhigen wir uns keit zu verneinen, indem wir den Opfern die
288 Kapitel 4 · Vorurteile
Exkurs
Vergewaltigungsmythos und Vergewaltigungsneigung
Vergewaltigungen und in Form von Postern und Frauen keinerlei Schuld an
deren Folgen werden Bildschirmschonern) sowie ihrer Vergewaltigung tragen,
von Personen mit einem eine stärkere Akzeptanz des reduziert das ihre Akzeptanz
traditionellen Rollenver- Vergewaltigungsmythos dieses Mythos und damit ihre
ständnis eher heruntergespielt zu finden als bei anderen Vergewaltigungsneigung
(Ben-David und Schneider Studenten (Bleecker und (Bohner et al. 2010; Bohner
2005). Zu diesem Rollenver- Murnen 2005). 2006; Eyssel et al. 2006). Damit
4 ständnis gehört eine stärkere Die Akzeptanz des Mythos kann also normativer Einfluss
Objektivierung von Frauen ist von praktischer Relevanz, zum Schutze von Frauen
als Sexobjekte. So waren bei denn je stärker Männer den genutzt werden (7 Kap. 2).
amerikanischen Studenten, die Vergewaltigungsmythos als Auch Interventionen, die
einer Verbindung angehörten wahr akzeptieren, desto stärker darauf abzielen, dass sich
(was mit einem traditionellen ausgeprägt ist auch ihre eigene Männer in die Lage des Opfers
Rollenverständnis korreliert) Vergewaltigungsneigung hineinversetzen, können
zum einen mehr und vor (z. B. Bohner et al. 2005). Mythenakzeptanz und
allem stärker erniedrigende Erfährt ein Mann umgekehrt, Tatneigung reduzieren (Diehl
Bilder von Frauen (z. B. dass andere meinen, dass et al. 2014).
Schuld geben, den paradoxen Effekt, dass wir in einer Welt leben, in der Frauen immer
ein gesellschaftliches Klima entsteht, in dem einer gewissen Gefahr ausgesetzt sind, ver-
unzureichend gegen Täter vorgegangen wird gewaltigt zu werden (Bohner 1998). Dieses
(7 Exkurs: Vergewaltigungsmythos und Ver- als Vergewaltigungsmythos bezeichnete Phä-
gewaltigungsneigung). nomen hat vielfältige Forschung nach sich
gezogen (z. B. Burt 1980; Feild 1978; Gerger
Vergewaltigungsmythen et al. 2007; Helmke et al. 2014; Krahé 1991;
„Überzeugungen über Vergewaltigung Lonsway und Fitzgerald 1995; Süssenbach
(d. h. über Ursachen, Kontext, Folgen, et al. 2012, 2017; für einen Überblick vgl. Boh-
Täter, Opfer und deren Interaktion), ner et al. 2009; Lonsway und Fitzgerald 1994;
die dazu dienen, sexuelle Gewalt von 7 Beispielstudie 4.17).6 Unter anderem zeigte
Männern gegen Frauen zu leugnen, zu sich, dass die in 7 Abschn. 4.1.2 besprochene
verharmlosen oder zu rechtfertigen“ Dominanzorientierung auch die Akzeptanz
(Bohner 1998, S. 14). von Vergewaltigungsmythen vorhersagt: Män-
ner, die die Dominanz ihrer Gruppe anstreben,
akzeptieren Vergewaltigungsmythen stärker
Einer Umfrage in England zufolge ver- (Hockett et al. 2009).
traten 33 % der Befragten die Meinung, dass
Opfer von Vergewaltigungen gewöhnlich in
irgendeiner Weise selbst schuld seien (Wag-
6 Viele Annahmen des Vergewaltigungsmythos wie
staff 1982). Eine repräsentative Befragung in beispielsweise, dass Frauen einen unbewussten
Deutschland fand ebenfalls durchschnittlich Wunsch hätten, vergewaltigt zu werden (D. L.
35 % Zustimmung zu den neun Aussagen einer Payne et al. 1999), oder selbst dafür verantwort-
Skala zur Erfassung von Vergewaltigungs- lich seien, ihrer Vergewaltigung vorzubeugen
mythen (Süssenbach und Bohner 2011). (Costin 1985), lassen sich nur sehr schwer auf
ihren Wahrheitsgehalt überprüfen oder aus
Sowohl Männer als auch Frauen können auf logischen Gründen überhaupt nicht widerlegen
diese Weise negative Gefühle vermeiden, die (Bohner 1998). Dies bedeutet jedoch noch lange
sich aus der Erkenntnis ergeben würden, dass nicht, dass sie in irgendeiner Form zutreffen.
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
289 4
Beispielstudie 4.17
Nach einem tragischen Ereignisausgang wird das Verhalten des Opfers als unangemessen
beurteilt
Die Teilnehmer von inwieweit das in dem Szenario geendet hatte, waren viel
Janoff-Bulman et al. (1985, beschriebene Verhalten stärker der Meinung, dass
Exp. 2) lasen zunächst eine der Frau angemessen war. das beschriebene Verhalten
ausführliche Beschreibung Dazu sollten sie angeben, der Frau unangemessen
über die Interaktion eines inwieweit sie Aussagen wie war und sie anders
Mannes und einer Frau. „Sie hätte ihm nicht erlauben hätte handeln sollen, als
Demnach hatten diese sich auf sollen, sie zu küssen“ oder Teilnehmer, bei denen
dem College kennengelernt „Sie hätte darauf bestehen die Beschreibung harmlos
und waren daraufhin sollen, dass er sie nach Hause geendet hatte.
miteinander ausgegangen. bringt, sobald ihr klar wurde, Diese Untersuchung zeigt,
Diese Beschreibung war für dass sonst niemand zu dem dass wir ein und dasselbe
alle Teilnehmer identisch – ‚Picknick‘ kommen würde“ Verhalten einer Person je
bis auf den abschließenden zustimmten. nach Ereignisausgang sehr
Satz: Für die eine Hälfte der Je nachdem, wie der unterschiedlich bewerten
Teilnehmer lautete dieser letzte Satz des Szenarios und bei negativem Ausgang
„Dann brachte er mich nach gelautet hatte, wurden die dazu neigen, dem Opfer
Hause“, für die andere Hälfte Handlungen der Frau sehr unangemessenes Verhalten –
„Dann vergewaltigte er mich“. unterschiedlich bewertet: und damit zumindest eine
Im Anschluss sollten die Teilnehmer, deren Szenario Mitschuld an der Misere – zu
Teilnehmer beurteilen, mit einer Vergewaltigung unterstellen.
> Vorurteile werden aufrechterhalten, Prophecies), zum anderen direkt durch Stereo-
indem Personengruppen für die type Threat (Bedrohung durch Stereotype)
negativen Ereignisse, die ihnen beeinflusst.
widerfahren, zumindest eine Teilschuld
zugeschoben wird (Blaming the Victim). 4.4.4.1 Sich selbst erfüllende
Sie sind Prophezeiung (Self-Fulfilling
Prophecy)
Aufgrund unserer Vorurteile oder Vor-
4.4.4 Sich selbst erfüllende informationen über jemanden haben wir
Erwartungen bestimmte Erwartungen an das Verhalten die-
ser Person („Mädchen tun sich in Mathema-
Vorurteile können dazu führen, dass sich tik schwerer als Jungen“). Diese Erwartungen
Menschen, die vorurteilsbehafteten Gruppen wiederum verändern zum einen unsere
angehören, tatsächlich so verhalten, als wür- Wahrnehmung – sie wird selektiv – und zum
den die Vorurteile stimmen. Beispielsweise anderen unser Verhalten den betreffenden
schneiden Frauen bei Mathematiktests tat- Personen gegenüber, was wiederum ent-
sächlich häufig schlechter ab als ihre männ- scheidende Auswirkungen auf deren Verhalten
lichen Kollegen. Damit werden die Vorurteile haben kann.
anscheinend als richtig bestätigt. Allerdings Im Extremfall kann dies eine sich selbst
spielen hier in Wirklichkeit zwei andere Pro- erfüllende Prophezeiung bewirken (für einen
zesse als die tatsächlichen mathematischen Überblick vgl. Darley und Fazio 1980; Jussim
Fähigkeiten von Frauen eine Rolle: Zum einen 1986; Merton 1948; D. T. Miller und Turnbull
wird das Verhalten indirekt über sich selbst 1986; Snyder 1984), d. h., unsere Erwartungen
erfüllende Prophezeiungen (Self-Fulfilling bestimmen unser Verhalten derart, dass
290 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.28 Sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Erwartungen einer Person A beeinflussen deren Inter-
aktionsverhalten und führen darüber beim Gegenüber (Person B) zu entsprechendem Verhalten, wodurch die
eigenen Erwartungen bestätigt werden
unser Interaktionspartner darauf in einer Art Im negativen Fall heißt es hingegen, dass ohne
und Weise reagiert, die unsere Annahmen Leistungsvertrauen auch geringere Leistun-
bestätigen. Auf diese Weise erzeugt man letzt- gen ausgebildet werden (. Abb. 4.28). Gerade
endlich, was man erwartet hat. im Schulbereich scheinen jedoch vor allem
die negativen Erwartungen einen leistungs-
Sich selbst erfüllende Prophezeiung vermindernden Einfluss auf die Schüler zu
Die Erwartungen an das Verhalten haben (z. B. Madon et al. 1997). Sogar die
einer Person werden Realität, indem sie Erwartungen von Lehrern bezüglich ganzer
ein Verhalten hervorrufen, welches sie Klassen („gute“ versus „schlechte“ Klasse) wir-
bestätigt. ken sich über das Schuljahr aus: Auch wenn
die Klassen sich zu Beginn des Schuljahrs nicht
in ihren Leistungen unterschieden, so taten sie
Im positiven Sinne kann dies bedeuten, es doch am Ende des Schuljahres. Schüler der
dass Personen, deren Lehrer, Ausbilder oder Klasse, an die die Lehrer zu Beginn des Jahres
Führungskräfte großes Vertrauen in ihre niedrigere Erwartungen hatten („schlechte“
Leistungsfähigkeit haben, diese eher entwickeln. Klasse), zeigten tatsächlich geringere Leistungen
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
291 4
und zudem auch ein niedrigeres Selbstbewusst- gewählten Videomitschnitt einer Unterrichts-
sein (Rubie-Davies 2006). situation konnten sowohl Kinder als auch
Unzählige Studien sind inzwischen Erwachsene eindeutig beurteilen, ob ein Leh-
zur Wirkung von Erwartungen im Sinne rer annahm, ein begabtes oder unbegabtes
von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen Kind vor sich zu haben (Babad et al. 1991;
durchgeführt worden, mehr als ein Vier- 7 Beispielstudie 4.18, 7 Beispielstudie 4.19).
tel davon bezogen sich im Speziellen auf die Doch nicht nur hierarchisch Höher-
Erwartungen von Lehrern (Brophy 1983; gestellte (Lehrer, Führungskräfte), sondern
Jussim 1986; R. Rosenthal 1987). Bereits auch Schüler oder Mitarbeiter haben im glei-
aus einem zehn Sekunden langen, zufällig chen Sinne Einfluss auf das Verhalten ihrer
Beispielstudie 4.18
Beispielstudie 4.19
Die eigenen Vorurteile gegenüber einem Bewerber wirken sich selbst erfüllend
Word et al. (1974) führten Stottern und Wortwieder- wie zuvor gegenüber einem
eine Studie zu Bewerbungs- holungen als Maß für das afroamerikanischen Bewerber
situationen durch. Aufgabe Unwohlsein) machten und (setzten sich weiter weg,
der Teilnehmer war es, sich selbst um 7 % weiter machten mehr Sprachfehler,
mehrere Bewerbungs- entfernt setzten als im Falle beendeten das Interview
gespräche zu führen und den weißer Bewerber. eher) oder so normal wie
geeignetsten Kandidaten Während in o. g. Studie das gegenüber weißen Bewerbern.
auszuwählen. Die Bewerber Verhalten des Bewerbers Die Analysen des Bewerber-
waren Vertraute der Autoren, konstant gehalten war, verhaltens ergaben, dass
die darauf trainiert waren, sich um ausschließlich das der Bewerber, die diskriminierend
standardisiert, d. h. stets gleich Interviewer zu untersuchen, behandelt wurden, sich
zu verhalten. wurde in einer Folgestudie deutlich schlechter verkauften
Die Analysen der Gespräche das Verhalten der Interviewer als freundlich behandelte
ergaben, dass Interviews standardisiert, um die Bewerber.
mit afroamerikanischen Reaktionen der Bewerber zu Dies ist ein Beispiel dafür,
Bewerbern mehr als 35 % analysieren. Die Interviewer wie sich Stereotype und
kürzer dauerten, die verhielten sich nun so wie die Vorurteile auf die Leistung
Interviewer mehr als 50 % Teilnehmer der o. g. Studie, d. h. eines Gegenübers auswirken
mehr Versprecher (z. B. entweder so diskriminierend können.
292 Kapitel 4 · Vorurteile
. Abb. 4.29 Denkt ein Mädchen bei einer Mathearbeit an das Stereotyp, dass Mädchen angeblich schlechter
in Mathe sind als Jungs, kann dieser Gedanke zu Besorgnis führen, die letztlich tatsächlich zu einem schlechte-
ren Abschneiden in der Mathearbeit führt
294 Kapitel 4 · Vorurteile
Beispielstudie 4.20
Sind negative Stereotype in einer Leistungs- Mitglied der Eigengruppe könnte ein negati-
situation aktiviert, die für das Selbstbild der ves Stereotyp erfüllen, kann die beschriebenen
Betroffenen7 relevant ist, wirken diese als leistungsverschlechternden Effekte bewirken
Bedrohung, was zu Stress und in der Folge (Collective Threat; Cohen und Garcia 2005).
häufig zu verminderten, dem Stereotyp Wie Stereotype im Allgemeinen
entsprechenden Leistungen führt (Stereo- (7 Abschn. 4.2.1) können auch Selbststereo-
type Threat; Steele 1997). Die Leistungsver- type sehr leicht aktiviert werden. Bereits das
schlechterung tritt insbesondere dann auf, Bearbeiten eines Mathematiktests in Anwesen-
wenn Personen annehmen, dass eine Aufgabe heit männlicher Teilnehmer kann dazu führen,
für die stereotyprelevanten Fähigkeiten dia- dass weibliche Teilnehmerinnen eine schlech-
gnostisch ist, nicht aber, wenn sie die gleiche tere Leistung zeigen als in Anwesenheit aus-
Aufgabe für eine reine Problemlöseaufgabe schließlich weiblicher Teilnehmer (Inzlicht und
halten (Johns et al. 2005; Steele und Aronson Ben-Zeev 2000). Auch ein Nebenkommentar
1995; 7 Beispielstudie 4.20). oder eine Information wie beispielsweise,
Bedrohung durch Stereotype und ihre dass es in diesem Test in der Vergangenheit
Auswirkungen konnten in einer Vielzahl von Geschlechtsunterschiede gegeben habe, kön-
Bereichen gezeigt werden (z. B. J. Aronson nen bereits solche Leistungsverschlechterungen
et al. 1999; Cadinu et al. 2003; Cadinu et al. hervorrufen (Spencer et al. 1999). Gleiches gilt,
2006; Cadinu et al. 2005; Croizet und Claire wenn zu Beginn einer stereotyprelevanten Auf-
1998; Inzlicht und Ben-Zeev 2000; Levy 1996; gabe Geschlecht oder Rasse angegeben werden
Shih et al. 1999; Spencer et al. 1999; Stangor sollen (Steele und Aronson 1995; . Abb. 4.30).
et al. 1998; Stone et al. 1999; Yopyk und Pren- Allerdings wurden die negativen Effekte der
tice 2005). Selbst die Besorgnis, ein anderes Stereotypaktivierung nicht immer repliziert
(Cullen et al. 2004, 2006; Ganley et al. 2013;
Stricker et al. 2015; Stricker und Ward 2004;
7 Effekte von Stereotype Threat treten nicht nur Wei 2012; 7 Replikationsstudie 4.2).
aufgrund tatsächlich bestehender Vorurteile bzw.
Stereotype über die Gruppe, der man angehört,
z Mechanismen der Stereotypenbedro-
auf, sondern auch wenn man – unabhängig von
irgendwelchen Gruppenzugehörigkeiten – auf hung
einem Gebiet, das in der Aufgabe geprüft wird, Worüber wird diese Leistungsver-
keine Erfahrung besitzt (z. B. Huguet et al. 2001). schlechterung vermittelt? Die Besorgnis, dass
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
295 4
. Abb. 4.30 Aktivierung eines Selbststereotyps (z. B. durch Angabe des Geschlechts in einem Mathetest) kann
über Stereotypenbedrohung bzw. die dadurch ausgelöste Angst/Besorgnis zu schlechteren Leistungen führen.
Das Vorurteil eines Beobachters wird somit scheinbar bestätigt
man das Stereotyp durch das eigene Verhalten und Harvey 2000; Schmader 2002; Steele und
möglicherweise bestätigen könnte und/oder Aronson 1995), so zeigt sie sich doch auf non-
dass die Beurteiler der eigenen Leistung durch verbaler Ebene (Bosson et al. 2004). Auch
das Stereotyp beeinflusst sein könnten, ist hier Enttäuschung und Frustration können durch
bedeutsam (z. B. Steele 1997). Diese Besorgnis Stereotypenbedrohung ausgelöst werden (Kel-
hat verschiedene Effekte, die sich wiederum ler und Dauenheimer 2003). Leistungsbeein-
auf die Leistung auswirken: trächtigend wirken dabei vor allem störende
negative Gedanken, die kognitive Kapazität
Negative Gefühle und negatives Denken Unter von der Aufgabenbearbeitung abziehen (z. B.
anderem wird angenommen, dass die Deffenbacher 1980; Schmader et al. 2008;
Bedrohung durch Stereotype Angst hervorruft Schmader und Johns 2003; Tyron 1980). Unter
und diese sich wiederum negativ auf die Leis- Stereotypenbedrohung zeigten Frauen wäh-
tung auswirkt (z. B. Osborne 2001). Auch wenn rend eines Mathetests tatsächlich vermehrt
durch Stereotype bedrohte Personen nicht negative Gedanken (z. B. „Ich bin nicht gut
unbedingt mehr Angst berichten (z. B. J. Aron- in Mathe“, „Die Übungen sind für mich zu
son et al. 1999; R. P. Brown et al. 2000; Oswald schwer“ oder „Ich habe Mathe schon immer
296 Kapitel 4 · Vorurteile
Replikationsstudie 4.2
R
In einer Studie wurden zum Teil widersprechenden Kontrollversuche ins Stocken
asiatische Studentinnen in Befunde zur Stereotypen- geraten (Beilock et al. 2006).
den USA vor einem Mathetest bedrohung erklären? Ein Eine andere Erklärung
entweder subtil an ihre Grund ist, dass der Einfluss könnte sein, dass Personen
4 asiatische Identität erinnert von Stereotypen nur einer unterschiedlich auf Stereotyp-
(und damit das Stereotyp von vielen Faktoren ist, die aktivierung reagieren (Picho
aktiviert: Asiaten sind eine Leistungssituation et al. 2013): Bei negativen
mathematisch begabt) oder beeinflussen. So mildern Stereotypen machen sich
an ihre weibliche Identität beispielsweise die gleichzeitige manche Sorgen und werden
(und damit das Stereotyp Aktivierung einer anderen, zusätzlich gestresst, andere
aktiviert: Frauen sind schlecht positiven Identität (Picho et al. hingegen fühlen sich zu mehr
in Mathe) oder an keine 2013; Rydell et al. 2009) ebenso Leistung angestachelt, nach
Identität (Kontrollgruppe). wie eine sehr offensichtliche dem Motto „Jetzt erst recht!“
Die an ihre asiatische Identität Aktivierung des Geschlechts- (De Lemus et al. 2013; Hakim
erinnerten Teilnehmerinnen stereotyps (Nguyen und et al. 2017; Wei 2012).
waren genauer bei der Ryan 2008) die Stereotypen- Schließlich ist die Effektgröße
Lösung als die an ihre bedrohung ab. Des Weiteren ist bedeutsam. Ist der Effekt
weibliche Identität erinnerten, bedeutsam, ob die zu lösenden im Durchschnitt klein, wie
die Kontrollgruppe lag Aufgaben in hohem Maße aus den Metaanalysen
dazwischen (Shih et al. 1999). von der aktuell zur Verfügung hervorgeht, so kann er nur
In einer Replikationsstudie stehenden Arbeitsgedächt- mit sehr großen Stichproben
konnte dieses Muster repliziert niskapazität abhängen, denn verlässlich gefunden werden
werden, in einer weiteren Stereotype-Threat-Effekte (er kann aber dennoch
jedoch nicht (Gibson et al. scheinen insbesondere praktisch bedeutsam sein;
2014; Moon und Roeder 2014). aus einer Reduktion der Danaher und Crandall 2008;
Inzwischen wurden mehrere Arbeitsgedächtniskapazität Stricker und Ward 2008).
Metaanalysen durchgeführt, zu resultieren (Beilock et al. Bei Verwendung zu kleiner
die die Effekte zahlreicher 2007; Pennington et al. 2016; Stichproben findet man
Studien miteinander Rydell und Boucher 2017; dann häufig keinen Effekt,
kombinieren und so zu einer Rydell et al. 2014; Schmader manchmal aber auch durch
Schätzung kommen, die auf et al. 2008; Schmader und Zufall deutlich größere Effekte.
den Daten mehrerer Tausend Johns 2003). Eine Ausnahme Da bestätigende Befunde
Teilnehmer basiert. Die dabei stellen stark automatisierte mit höherer Wahrschein-
gefundenen Effekte erwiesen oder prozedurale Aufgaben lichkeit veröffentlicht
sich als klein (Flore und dar (z. B. wenn ein Experte Golf wurden als Nulleffekte, kann
Wicherts 2015; Nguyen und spielt). Dabei können Effekte die Verwendung kleiner
Ryan 2008; Picho et al. 2013; von Stereotypenbedrohung Stichproben dadurch zu einer
Walton und Cohen 2003) bis durch zu viel Aufmerksamkeit Überschätzung des Effekts
mittel (Walton und Spencer entstehen, da unbewusste führen (Flore und Wicherts
2009). Wie lassen sich die Bewegungsabläufe durch 2015).
gehasst“), als wenn keine Bedrohung durch betroffenen Personen, welches sich bei ein-
Stereotype bestand. Die negativen Gedanken fachen Aufgaben positiv, bei schweren Auf-
waren mit einem starken Leistungsabfall ver- gaben negativ auf die Leistung auswirken
bunden (Cadinu et al. 2005). kann (z. B. Ben-Zeev et al. 2005; O’Brien und
Crandall 2003; 7 Abschn. 2.1). Frauen unter
Erregung Bedrohung durch Stereo- Stereotype Threat zeigten in einer Studie von
type erhöht zudem das Erregungslevel der Ben-Zeev et al. (2005) bei leichten Aufgaben
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
297 4
eine bessere, bei schwierigen, stereotyp- Wissen über Stereotypenbedrohung Bei
relevanten Aufgaben jedoch eine schlechtere Teilnehmern, die über mögliche negative
Leistung als Frauen, die nicht durch Stereo- Auswirkungen von Stereotypenbedrohung
type bedroht waren. Die Erregung hatte vor auf die Mathematikleistung von Frauen
allem dann Einfluss, wenn die Frauen diese informiert wurden, zeigten sich unter Stereo-
auch auf die Bedrohung zurückführten und type-Threat-Bedingungen nicht die üblichen
nicht auf eine andere, harmlose Quelle (z. B. Leistungsverschlechterungen (Johns et al.
Lärm) fehlattribuierten. 2005). Wissen über Stereotypenbedro-
hung kann demnach die normalerweise
Herangehensweise Stereotypenbedrohung beobachteten Auswirkungen vermindern
kann sich zudem auf die Art, wie an eine oder sogar eliminieren.
Aufgabe herangegangen wird, auswirken.
So induzieren negative Stereotype bei den Informationen über erfolgreiche Eigen-
Betroffenen einen Vermeidungsfokus, wäh- gruppenmitglieder Informationen, dass
rend positive Stereotype einen Annäherungs- Eigengruppenmitglieder in der relevanten
fokus bewirken. Der Vermeidungsfokus Aufgabe erfolgreich sein können, verhindert
ist mit höherer Genauigkeit und stärker unter Stereotype-Threat-Bedingungen die
analytischer Bearbeitung verknüpft, Per- normalerweise beobachteten Leistungs-
sonen im Annäherungsfokus arbeiten verschlechterungen. Zum Beispiel kann
dagegen schneller und sind kreativer (Seibt man Frauen vor einem Mathetest Zeitungs-
und Förster 2004). Demzufolge tritt eine berichte vorlegen, die nahelegen, dass Frauen
Leistungsverschlechterung im Sinne einer allgemein gut in Mathematik sind, oder
Stereotypenbedrohung nicht generell, son- Berichte über eine Frau, die in Mathema-
dern nur aufgabenspezifisch auf. tik sehr erfolgreich war (Marx und Roman
2002; Marx et al. 2005; McIntyre et al. 2003;
> Vorurteile werden aufrechterhalten, McIntyre et al. 2005). Eine Studie zum sog.
indem sich die Besorgnis der Betroffenen, Obama-Effekt zeigte, dass Afroamerikaner
ein negatives Stereotyp zu erfüllen dann besser in Leistungstests abschnitten,
(Stereotype Threat), negativ auf ihre wenn Barack Obama gerade Erfolge feierte
Leistungen in diesem Bereich auswirkt. (Studie erfolgte rund um seine Erstwahl im
Dies führt dazu, dass ihr Verhalten dem Jahr 2008; Marx et al. 2009).
Stereotyp entspricht und das Vorurteil
somit scheinbar bestätigt wird. Selbstbestärkung Stereotypenbedrohung
tritt nur auf, wenn der Leistungsbereich
z Interventionen zur Vorbeugung von für die Person bedeutsam ist, d. h., wenn
Stereotypenbedrohung schlechte Leistungen auf diesem Gebiet
Stereotypenbedrohung trägt zum einen ihr Selbstbild negativ beeinflussen wür-
zur Aufrechterhaltung von Vorurteilen bei, den (z. B. Stone et al. 1999). Die Bedrohung
zum anderen hat sie aber auch bedeutsame des Selbstbilds kann abgemildert werden,
negative Auswirkungen für die Betroffenen. indem andere, selbstrelevante Bereiche ins
Die Forschung versucht entsprechend, Gedächtnis gerufen werden. Frauen, die sich
Wege zu finden, um die Auswirkungen vor einem Mathematiktest mit einer ande-
von Bedrohungen durch Stereotype zu ver- ren, positiven selbstrelevanten Dimension
mindern. Da diese Auswirkungen sich (z. B. Sinn für Humor, Kreativität, physische
kumulieren können, sind frühe Inter- Attraktivität, soziale Kompetenz, Familien-
ventionen sinnvoll (7 Exkurs: Dem Stereotyp und Freundschaftsbeziehungen) beschäftigt
entgegenwirken). Im Folgenden seien bei- hatten, zeigten unter Stereotype-Threat-
spielhaft einige Ansätze beschrieben: Bedingungen keine Leistungsverschlechterung
298 Kapitel 4 · Vorurteile
Exkurs
Dem Stereotyp entgegenwirken
Auch wenn Stereotypen- breiter Basis entgegengewirkt schaftlichen Fächern zu
bedrohung in einer einzelnen werden sollte, bevor sie sich fördern. Das Programm
Testsituation nur einen sehr verfestigen. Interventionen, setzt auf anspruchsvolle
kleinen Effekt hat, so können die die Lernbarkeit von Inhalte und Gruppenarbeit.
doch viele Situationen im Fähigkeiten (statt genetischer Damit werden gleichzeitig
Laufe der Sozialisation einen Festlegung) betonen, zeigten Stereotype infrage
kumulativen Effekt haben. dabei gute Erfolge (Good et al. gestellt (statt in ein
4 Wenn Kinder wiederholt 2003; vgl. auch Keller 2005). Nachholprogramm werden
enttäuscht werden, weil sie Bei diesen Interventionen wird diese Studierenden
nicht die erhoffte Note erzielen, die Botschaft vermittelt, dass in ein Eliteprogramm
oder immer wieder in einer gute Leistung das Ergebnis eingeladen), Lernroutinen
Testsituation erleben, dass sie von Übung und Anstrengung verändert (Gruppenarbeit
unkonzentriert sind und die ist und nicht das Ergebnis mit gegenseitigen Fragen
Aufgaben nicht verstehen, angeborener Begabung. und Hilfestellungen) und
besteht die Gefahr, dass Damit werden Stereotype soziale Normen verändert
sie sich nach einer Zeit von entkräftet, die sozialen (gemeinsam mit anderen
diesem Fach (z. B. Mathematik) Gruppen unterschiedliche schwarzen Studierenden
abwenden und keinen Ehrgeiz Begabungen zuschreiben Matheaufgaben zu lösen, wird
mehr haben, darin gut zu und diese Begabungen direkt ein positiver Teil der Identität
sein (Steele 1997). Auch beim für Leistungsunterschiede als afroamerikanische
Lernen kann Stereotypen- verantwortlich machen. Noch Studierende). Diese Prinzipien
bedrohung hinderlich sein, besser wirkt hingegen eine werden übrigens auch im
sodass Kinder stereotypisierter Kombination verschiedener Film Fack ju Göhte vorgeführt.
Gruppen mit der Zeit den Elemente in einem Programm, Die Erfolge des Programms
Anschluss verpassen können wie das nachfolgende Beispiel sind beeindruckend
(Rydell und Boucher 2017). zeigt. (Asera 2001; Fullilove und
Aus diesen Gründen kann eine Das Emerging-Scholars- Treisman 1990), was zeigt,
Testleistung das Ergebnis von Programm (deutsch dass die Berücksichtigung
früher erlebter Stereotypen- etwa „aufstrebende sozialpsychologischer
bedrohung sein, auch wenn in Gelehrte“) wurde an einer Mechanismen gemeinsam
der gegebenen Situation gar kalifornischen Universität mit einem durchdachten
kein Stereotyp aktiviert wurde. entwickelt, um insbesondere Lehrplan dazu beitragen, dass
Für die Praxis bedeutet dies, afroamerikanische Angehörige aller sozialen
dass der negativen Wirkung von Studierende in Gruppen ihr Potenzial
Stereotypen frühzeitig und auf mathematisch-naturwissen- entfalten können.
(Martens et al. 2006), ebenso Schülerinnen, mehrfach die Gelegenheit, ihre eigenen
wenn sie vor einem Mathetest einen verbalen Werte (z. B. Sporttalent, Familie, Humor) zu
Test absolviert hatten (Smeding et al. 2013). bekräftigen, indem sie auswählten, welche zwei
Ähnliche Effekte zeigte die grafische Dar- bis drei Werte ihnen besonders wichtig waren,
stellung des eigenen Selbst mit möglichst vie- und kurze Begründungen darüber schrieben,
len relevanten Bestandteilen (z. B. Schule, so wirkte sich das positiv auf die Leistungs-
Hobbys, Familie, Freunde; Gresky et al. 2005) entwicklung dieser Schüler aus (Borman et al.
oder ein zuvor verabreichter Fragebogen zu 2016; Cohen et al. 2006; Cohen et al. 2009; D.
Lieblingsgericht, -film, -buch und weiteren K. Sherman et al. 2013). Eine Replikations-
speziellen Interessen und Hobbys (bewirkt studie mit einer besonders großen Stichprobe
eine Individuierung; Ambady et al. 2004). (449 Schüler ethnischer Minderheiten) zeigte
Gab man Schülern, die ethnischen Minder- allerdings keinen Effekt, und eine metaana-
heiten angehörten, im Laufe eines Schuljahrs lytische Zusammenfassung aller Ergebnisse
4.4 · Welche kognitiven Mechanismen tragen zu Vorurteilen bei?
299 4
mit diesem Paradigma ergab eine sehr kleine werden, dass wahrgenommene
standardisierte Effektgröße von 0,07 (Hansel- Unterschiede wertgeschätzt und nicht als
man et al. 2017). Es sind folglich noch weitere Abweichungen negativ beurteilt werden.
Interventionsstudien vonnöten, um zu sehen, 5 Bei der Personalauswahl und Personalent-
ob Selbstbestärkung eine gute Möglichkeit ist, wicklung die Aktivierung von Stereotypen
der Auswirkung von Stereotypenbedrohung in vermeiden. Eine Bewerbungssituation
der Schule vorzubeugen. Eine Intervention, die kann so gestaltet werden, dass
darauf abzielte, Misserfolge nicht auf Fähigkeit Gruppenmerkmale nicht erfragt werden
(internal), sondern auf die Aufgabenschwierig- und dass keine einzelnen Mitglieder
keit (external) zu attribuieren, bewirkte eine einer Minderheit gemeinsam mit vielen
Leistungsbesserung (Good et al. 2003). Mehrheitsmitgliedern getestet werden
(zur leistungsmindernden Wirkung eines
Verwischen von Gruppengrenzen Die Suche Minderheiten- oder Solostatus vgl. Keller
nach Gemeinsamkeiten zwischen Eigen- und und Sekaquaptewa 2008; Kiefer et al.
Fremdgruppe hat sich als wirksam in der 2006; Sekaquaptewa und Thompson
Reduktion der Eigen- und Fremdgruppen- 2002, 2003; Sekaquaptewa et al. 2007; J.
differenzierung gezeigt (z. B. Crisp und Beck B. White 2008). Weiterhin kann versucht
2005). Rosenthal und Crisp (2006, Exp. 3) werden, Leistungstests entweder nicht mit
ließen Frauen vor einem Mathematiktest stereotypisierten Domänen in Verbindung
Gemeinsamkeiten zwischen Männern und zu bringen (z. B. indem bei älteren
Frauen auflisten und fanden in der Folge Bewerbern die Gedächtniskomponente
keine Leistungsverschlechterungen aufgrund eines Tests nicht betont wird; Hess
von Stereotypenbedrohung. Diese Inter- et al. 2003; Rahhal et al. 2001) oder
vention scheint zu verhindern, dass Stereoty- durch nichtstereotypisierte Indikatoren
penbedrohung überhaupt entsteht, denn sie zu ergänzen (wie Teamfähigkeit oder
erwies sich nur dann als wirksam, wenn sie Kreativität).
vor der Stereotype-Threat-Manipulation (in 5 Insbesondere Angehörige von
diesem Fall vor der Mitteilung, das Ziel der unterrepräsentierten Gruppen von Anfang
Studie sei, die Ergebnisse von Männern und an einbinden und vielfältige Kontakte
Frauen zu vergleichen und etwaige Unter- fördern, um so die Unsicherheiten zu
schiede zwischen den Gruppen festzustellen) zerstreuen. Dazu können Mentoren-
stattfand. programme, soziale Programme und
räumliche Treffmöglichkeiten (z. B.
Illustration: Stereotypenbedrohung im Pausenareale) dienen.
Arbeitskontext reduzieren 5 Beim Feedbackgeben betonen, dass man
Wendet man die in diesem Kapitel sich sicher ist, dass die Person die hohen
geschilderten Befunde auf den Arbeitskontext Standards des Arbeitsgebers auch erfüllen
an, so lassen sich folgende Empfehlungen zur kann. Damit wird signalisiert, dass man
Reduktion von Stereotypenbedrohung aus nicht an der Eignung der Person zweifelt
Sicht des Arbeitgebers ableiten (Walton et al. und dass die Aufgaben anspruchsvoll
2015): sind. So werden Rückschläge eher auf
5 Bei der Personalrekrutierung betonen, die Aufgabenschwierigkeit und nicht auf
dass Diversität (Anerkennung eigenes Unvermögen attribuiert.
der Vielfalt von Gruppen- und 5 Die Befürchtung, aufgrund von
individuellen Merkmalen) und Inklusion Stereotypen beurteilt zu werden, wirkt
(Wertschätzung und Einbeziehung sich auf zahlreiche Bereiche, in denen
aller) in der Unternehmenskultur fest man von anderen bewertet werden kann,
verankert sind. Damit kann erreicht aus oder, vereinfacht gesprochen, auf
300 Kapitel 4 · Vorurteile
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323 5
Aggressives Verhalten
5.1 Die biologische Grundlage von Aggression und
Gewalt – 330
5.2 Einfluss von Gefühlen auf die Entstehung von
Aggression – 334
5.2.1 Provokation und Zurückweisung als Auslöser von
Aggression – 335
5.2.2 Frustration als Auslöser von Aggression – 339
5.2.3 Wenn aversive Bedingungen negative Gefühle bewirken –
Der Einfluss situativer Bedingungen auf Aggression – 341
5.2.4 Aggressionsverschiebung und Katharsishypothese –
Kann „Frust ablassen“ Aggressionen reduzieren? – 343
5.2.5 Zusammenfassung – 347
Exkurs
Definitionslücken
Bei einigen Verhaltensweisen Angewohnheit handeln, Schädigungsabsicht
ist die gängige Definition und trotzdem würden vorliegt, würden die
von Aggression uneindeutig. wir einen solchen meisten Menschen
Folgende Beispiele sollen dies Fahrstil als aggressiv Notwehr nicht als
verdeutlichen: bezeichnen. aggressiven Akt
5 Ein Autofahrer fährt im 5 Eine Person verletzt in verstehen.
Straßenverkehr zu dicht Notwehr ihren Angreifer. 5 Ein General befiehlt
auf, und zwar ohne dies Diese Person handelt mit seinen Untergebenen
vorsätzlich zu tun oder dem Ziel, den Angreifer in einer kriegerischen
damit eine Schädigung zu schädigen, allerdings Auseinandersetzung, das
zu beabsichtigen. in erster Linie deswegen, Feuer zu eröffnen. Handelt
Beispielsweise könnte um den anderen davon es sich bei dem Befehl um
es sich bei diesem abzuhalten, die eigene aggressives Verhalten,
Verhalten nur um eine Person zu schädigen. oder tut die Person nur
„dumme“, unbewusste Auch wenn hier eine ihre Pflicht?
Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
327 5
. Abb. 5.1 Während bei feindseliger Aggression die Schädigung selbst das Endziel der Handlung ist, zeich-
net sich instrumentelle Aggression dadurch aus, dass die Schädigung nur Mittel zum Zweck ist, um ein über-
geordnetes Ziel (z. B. eine materielle Belohnung) zu erreichen
Exkurs
Anwendungsfall instrumenteller Aggression: Terrorismus
Terrorismus lässt sich Identifizierung mit einer Gruppe 5 Der Feind wird als
definieren als die Verbreitung und Einsatz für deren Ziele kann essenziell böse betrachtet,
von Schrecken durch eine Person ihr individuelles d. h., dass nur dessen
Ausübung von Gewalt gegen Ziel, größere persönliche Vernichtung die
Personen oder Sachen zur Bedeutung zu erlangen, Eigengruppenbedrohung
Erreichung politischer Ziele erfüllen: Indem der Einzelne beseitigen kann (Halperin
(z. B. Waldmann 2005). Damit Opfer für die Gruppenziele et al. 2011).
ist Terrorismus eine Form von bringt, erlangt er Bedeutung 5 Eine Strategie, die den
instrumenteller Aggression, und Status in den Augen der Einsatz terroristischer
5 d. h. zielgerichtet. Als anderen Gruppenmitglieder. Mittel umfasst, wird
Triebfeder zur Radikalisierung Die meisten Ideologien sind als wirksam für die
erwies sich insbesondere nicht terrorismusfördernd. Sie Verwirklichung des
die Suche nach persönlicher sind es dann, wenn sie Gewalt Gruppenziels propagiert.
Bedeutung (Personal als effektives und moralisch
Significance; Kruglanski et al. lobenswertes Mittel darstellen. Der Radikalisierungsprozess
2009, 2012, 2013, 2014). Die folgenden Elemente des Einzelnen verläuft in
Persönliche Bedeutung zu tragen insbesondere zu dieser Etappen, die eine stärkere
haben, ist ein grundlegendes Gewaltverherrlichung bei: Identifizierung mit der
menschliches Bedürfnis und 5 Eine Wahrnehmung Gruppe (soziale Identität;
umfasst sowohl das Bedürfnis der Gruppe als von 7 Abschn. 3.1.2), eine
nach einem positiven außen bedroht wird Verinnerlichung von deren
Selbstwert als auch dasjenige induziert oder verstärkt Ideologie und eine stärkere
nach Kontrolle über die eigene (7 Abschn. 4.3.2). Fokussierung auf das Ziel der
Umwelt (z. B. Deci und Ryan Damit wird das Ziel persönlichen Bedeutung zu
2000; S. T. Fiske 2010; White der Verteidigung Lasten aller anderen wichtigen
1959). Der drohende oder des Bestands, des Lebensziele (Familie, Liebe,
schon erlebte Verlust von Wohlergehens, der Wohlstand, Bequemlichkeit,
Kontrolle und Selbstwert Werte und des Status der Karriere etc.) beinhalten. In
führt zum Wunsch nach einer Gruppe oberstes Ziel ihrer Gruppen mit gewaltverherr-
Wiederherstellung persönlicher Mitglieder (Sacred Value; lichender Ideologie
Bedeutung und kann damit Atran und Axelrod 2008; unterstützt normalerweise
zu Radikalisierung führen. Atran und Ginges 2012; eine breite Masse die
Erlebte Diskriminierung, Ginges et al. 2007). Ideologie, aber nur wenige
Diffamierung oder Kränkung 5 Der Feind wird Gruppenmitglieder sind
der Eigengruppe, aber auch dehumanisiert (Bandura bereit, ihr Leben und damit
persönliche Kränkung oder et al. 1975; Bruneau alle anderen Ziele für das eine
Scheitern werden häufig als ein et al. 2017; Bruneau Ziel zu opfern (. Abb. 5.2).
solcher Verlust erlebt. und Kteily 2017; Haslam Diese identifizieren sich
Aber bei Weitem nicht jeder, 2006; Kelman 1973; besonders stark mit der
der einen solchen Verlust Kteily und Bruneau Gruppe und ihren Werten
erlebt, radikalisiert sich auch. 2017b; 7 Abschn. 4.1.2), (Atran et al. 2014; Swann
Eine weitere Voraussetzung beispielsweise indem et al. 2009, 2010, 2012, 2014a,
ist, dass die Person eine Feinde als Ratten 2014b; Whitehouse et al.
Ideologie übernimmt, die dargestellt werden 2014).
terroristische Mittel als und damit aus dem Die Elemente des
geeignet erscheinen lässt, Geltungsbereich religiöser Radikalisierungsprozesses –
um persönliche Bedeutung Tötungsverbote entfernt persönliche Motivation,
wiederherzustellen. Eine (Gebote wie „Du sollst ideologische Gewaltrecht-
Ideologie ist ein in einer Gruppe nicht töten“ werden fertigung und Wichtigkeit der
geteiltes Glaubenssystem, normalerweise so Gruppenzugehörigkeit –
welches Überzeugungen, verstanden, dass sie sich müssen dabei in keiner
Verhaltensnormen und auf andere Menschen bestimmten Reihenfolge
Gruppenziele umfasst. Durch beziehen). durchlaufen werden. So
Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
329 5
. Abb. 5.2 Selbstmordattentaten geht immer ein Radikalisierungsprozess voraus, in dessen Verlauf individuelle
Bedürfnisse immer stärker zugunsten von ideologisch begründeten Gruppenzielen zurücktreten. (© ra2 studio/stock.
adobe.com)
330 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Insbesondere für die instrumentelle Kompo- Model, GAM; Anderson und Bushman 2002;
nente von Aggression spielen Kosten-Nutzen- DeWall et al. 2011). So können beispiels-
Überlegungen eine Rolle (Tedeschi und weise verschiedenste situative Bedingungen
Felson 1994). Die Entscheidung für oder gegen wie Provokation, Hinweisreize oder Hitze im
aggressives Verhalten kann beispielsweise von Zusammenspiel mit individuellen Charak-
Einschätzungen der eigenen Fähigkeiten, mög- teristika der Person (z. B. Reizbarkeit, Ein-
licher Widerstände sowie von Wahrscheinlich- stellungen gegenüber Aggression, aber auch
keit und Ausmaß von Rache bzw. Bestrafung biologische Bedingungen oder Waffenfertig-
abhängen. Die Befürchtung von Bestrafung keiten) zu offener Aggression führen, indem
kann entsprechend Aggression vermindern sie auf den Gefühls- und Erregungszustand
(Baron 1983; Zillmann 1979). Dieses Ziel sowie auf die Kognitionen der Person Ein-
5 wird auch mit der staatlichen Bestrafung von fluss nehmen. Für aggressives Verhalten ist
Aggression verfolgt: Die Kosten von Aggres- also nicht die Persönlichkeit oder die Situation
sion sollen als so hoch empfunden werden, allein verantwortlich, sondern verschiedenste
dass sich aggressives Verhalten nicht mehr situative und personale Faktoren wirken
„lohnt“. Bestrafung vermindert Aggression ins- zusammen. Angesichts einer solch multi-
besondere dann, wenn der potenzielle Aggres- kausalen Verursachung von Aggression ist
sor nicht sehr ärgerlich ist, einen eher geringen es nicht verwunderlich, dass sich Individuen
Nutzen durch das aggressive Verhalten hat oder auch ganze Kulturen in der Aggressions-
sowie wenn das Ausmaß der zu befürchtenden bereitschaft zum Teil deutlich unterscheiden.
Bestrafung groß ist (Baron 1983).1 Auch die Aggressionsbereitschaft bei ein und
Kurzum: Aggression tritt in den ver- derselben Person kann von Situation zu Situa-
schiedensten Formen im menschlichen tion sehr unterschiedlich sein.
Zusammenleben auf und wird meist als pro- Im Folgenden geht es zunächst um die
blematisch und veränderungsbedürftig emp- biologischen und kulturellen Grundlagen
funden. Doch wie kommt es dazu, dass wir aggressiven Verhaltens (7 Abschn. 5.1). In den
uns überhaupt aggressiv verhalten, obwohl nachstehenden Abschnitten werden die Rolle
wir wissen, dass Gewalt keine Lösung ist? von Gefühlen, insbesondere von negativem
Moderne Aggressionstheorien (z. B. Affekt (7 Abschn. 5.2) sowie von Normen und
Anderson und Bushman 2002; siehe auch sozialem Lernen (7 Abschn. 5.3) für die Ent-
Berkowitz 1993a; Zillmann 1994) gehen stehung bzw. Auslösung von aggressivem Ver-
davon aus, dass für die Entstehung aggres- halten beschrieben. In 7 Abschn. 5.4 werden
siven Verhaltens verschiedene Faktoren wichtige situative Einflussfaktoren auf aggres-
eine Rolle spielen (z. B. General Aggression sives Verhalten aufgezeigt, und in 7 Abschn. 5.5
wird – aufgrund der zunehmenden Relevanz –
der Einfluss der Medien auf aggressives Ver-
1 Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die gleiche halten gesondert behandelt.
Strafe nicht für alle gleichermaßen kostspielig ist.
Während Arme oft schon wegen einer Geldstrafe
eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen müssen, weil
sie die Tagessätze nicht bezahlen können,
5.1 Die biologische Grundlage
verbringen Reiche selbst bei Steuerhinterziehung von Aggression und Gewalt
in Millionenhöhe selten lange Zeit im Gefängnis.
Durch Hinterlegen einer Kaution entgehen sie der Ebenso wie für pro- wird für antisozial-
Untersuchungshaft, und mithilfe eines Staranwalts aggressives Verhalten angenommen, dass
erkämpfen sie sich Freispruch, Aussetzung der
Haftstrafe zur Bewährung, Geldstrafe oder -buße,
es sich im Laufe der Evolution als adap-
was selten den Verlust ihrer Existenzgrundlage tiv erwiesen hat, d. h., dass Individuen mit
bedeutet (EinfachRente 2013; Kleinhubbert 2008; einer gewissen Aggressionsneigung einen
Thurm 2016). Fortpflanzungsvorteil hatten und sich diese
5.1 · Die biologische Grundlage von Aggression und Gewalt
331 5
Neigung dadurch bis heute erhalten hat Dieser Fortpflanzungsvorteil kann prinzipiell
(vgl. z. B. Duntley und Buss 2004; vgl. auch durch zwei verschiedene Strategien erreicht wer-
Kalveram 1999; für die psychoanalytische den: Zum einen können Individuen ihre bio-
Sichtweise Freuds und den ethologischen logische Fitness durch eine „positive“ Strategie
Erklärungsansatz von Lorenz s. 7 Exkurs: erhöhen, indem sie beispielsweise besondere
Aggression in Psychoanalyse (Freud) und Ver- Anstrengungen unternehmen, um an wert-
haltensforschung (Lorenz)). Biologische Fitness volle Ressourcen zu kommen, oder ihren Kin-
oder Fortpflanzungsvorteil bezieht sich auf dern bzw. genetisch ähnlichen Personen helfen
die Zahl, Überlebens- und Fortpflanzungs- (7 Abschn. 6.2.1). Zum anderen kann im Kampf
chancen der eigenen Nachkommen sowie um begrenzte Ressourcen wie Nahrung, Terri-
naher Verwandter. torium oder potenzielle Partner auch die Schä-
digung von Konkurrenten das eigene und das
Überleben der eigenen Gene begünstigen. Damit
Exkurs können Individuen mit einer genetischen Anlage
zu aggressivem Verhalten einen Fortpflanzungs-
Aggression in Psychoanalyse (Freud) und
vorteil erlangen, was zu einer Selektion dieser
Verhaltensforschung (Lorenz)
genetischen Anlage führt. Beide Strategien zei-
Psychoanalytische Theorien (Freud 1940) und
gen Menschen beispielsweise bei der Partner-
ethologische Ansätze (Lorenz 1969) nehmen
einen biologisch verankerten Aggressionstrieb suche: Zum einen werden im Sinne einer
an, der aggressives Verhalten motiviert: Indem positiven Strategie Versuche unternommen, den
sich Triebenergie mit der Zeit anstaut, erhöht Partner etwa durch physische Attraktivität oder
sich die Aggressionsbereitschaft. Wird die auch das Zurschaustellen von Prestigeobjekten
aggressive Energie entladen, reduziert sich die
anzuziehen (Buss 1988), zum anderen werden –
Aggressionsbereitschaft wieder (Katharsis;
7 Abschn. 5.2.4). im Sinne einer negativ-aggressiven Strategie –
Beide Theorien gehen davon aus, dass mögliche Konkurrenten schlecht gemacht (Buss
unkontrollierte Entladungen durch und Dedden 1990; Schmitt und Buss 1996).
Ersatzhandlungen wie beispielsweise Sport Es wird angenommen, dass sich in
bzw. das Bearbeiten eines Boxsacks vermieden
Reaktion auf bzw. simultan mit der evolutio-
werden können.
nären Herausbildung aggressiven Verhaltens
Schutzstrategien gegen dieses Verhalten – ins-
besondere gegenüber der biologisch sehr kost-
spieligen Form Tötung – herausgebildet haben
Biologische Fitness (z. B. Duntley und Buss 2004, 2005). Schließ-
Der Begriff biologische Fitness lich kann in einer Gesellschaft, in der Aggres-
(Fortpflanzungsvorteil) bezieht sich sion zum Verhaltensrepertoire gehört, nur der
auf die Anzahl fortpflanzungsfähiger überleben, der sich gut zu schützen weiß. Als
Nachkommen. Je mehr eigene ein Beispiel für eine solche Schutzstrategie
Nachkommen eines Individuums wird das Misstrauen gegenüber bzw. die Angst
überleben, umso höher ist die direkte vor Fremden gesehen, die bereits bei Klein-
Fitness seiner genetischen Ausstattung. kindern in Form des Fremdelns auftritt (z. B.
Da ein Teil des Erbguts bei nahen Feinman 1980; Heerwagen und Orians 2002;
Verwandten identisch ist, ist für die Marks und Nesse 1994). Auch diese frühen
Selektion von genetischen Merkmalen die Reaktionsmuster sind schon kulturell geprägt.
Gesamtfitness wichtig, die den eigenen So zeigen die meisten Einjährigen bei den Nso
Fortpflanzungserfolg sowie den naher in Kamerun ebenso wie bei den Beng an der
Verwandter umfasst. Elfenbeinküste keine Angst vor Fremden, son-
dern lassen sich bereitwillig von ihnen auf den
332 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Arm nehmen2 (Gottlieb 2004, S. 160; Keller Zwillingen, leiblichen und Adoptivkindern
2011, S. 107 f.). und ähnlichen Methoden), fanden einen
Für eine biologisch-genetische Basis aggres- beträchtlichen genetischen Anteil (Rhee
siven Verhaltens sprechen verschiedenste und Waldman 2002; Rushton et al. 1986).
Befunde aus der kulturvergleichenden und Die Aggressionsneigung erwies sich zudem
biologischen Forschung, die im Folgenden als recht stabil über die Lebensspanne hin-
dargestellt werden. weg (Peters et al. 1992). Das Gen, für wel-
ches sich die klarsten Zusammenhänge mit
z Kulturübergreifendes Auftreten von Aggressionsneigung zeigen ließen, kodiert
Aggression Monoaminoxidase A, ein Enzym, welches
Aggressives Verhalten findet sich in nahezu verschiedene Neurotransmitter abbaut. Ein
5 Allel3 dieses Gens führt zur Synthese von
allen Kulturen (Ramirez und Richardson
2001). Selbst in als friedlich bezeichneten weniger Monoaminoxidase A (und damit
Kulturen wie beispielsweise den Kung San in zu langsamerem Abbau dieser Neurotrans-
Botswana (südliches Afrika) wird gemordet – mitter) und zu erhöhter Aggressionsneigung.
tatsächlich sind dort die Mordraten sogar Kurzum, wer eine bestimmte Variante dieses
höher als beispielsweise in Los Angeles oder Gens in sich trägt, neigt zu höherer Aggres-
Detroit (Duntley und Buss 2004, S. 109; sion, besonders nach Provokation oder sozia-
Ghiglieri 1999). Die Aggressionsbereitschaft lem Ausschluss (Eisenberger et al. 2007;
sowie die Ausdrucksformen aggressiven Ver- McDermott et al. 2009).
haltens variieren jedoch deutlich zwischen
verschiedenen Kulturen, bei Kindern bei- z Neurobiologische Basis von Aggression
spielsweise in Abhängigkeit vom Verhalten Welche Hirnregionen und Neurotrans-
der Erwachsenen als Modelle (z. B. Fry 1992; mitter sind an der Steuerung aggressiven
7 Abschn. 5.3). Aggressives Verhalten ist Verhaltens beteiligt? Zur Beantwortung die-
demnach trotz seines biologischen Anteils ser Frage lassen sich verschiedene Befunde
stark von Umweltbedingungen abhängig. heranziehen. Beispielsweise kann durch
(schmerzfreie) elektrische Stimulation des
z Vererbung der Aggressionsbereitschaft Hypothalamus bei Katzen Angriffsverhalten
Für eine biologische Grundlage sprechen ausgelöst werden (z. B. Egger und Flynn
Hinweise darauf, dass ein Teil der Unter- 1962). Beim Menschen wirken sich ins-
schiede in der Aggressionsbereitschaft von besondere Veränderungen in Hirnregionen,
Mensch und Tier auf Vererbung zurück- die der Steuerung defensiver Aggression
geführt werden kann. Dies legen beispiels- dienen, auf die Aggressivität aus: So nimmt
weise Kreuzungsversuche bei Mäusen nahe diese beispielsweise zu bei Tumoren im
(Benus et al. 1991; Kenneth Sandnabba medialen Hypothalamus und im Septum
1996; Lagerspetz 1961; Miczek et al. 2001). sowie bei Anfällen, die mit einer erhöhten
Studien, die den Einfluss von Umwelt- und Aktivität der Amygdala einhergehen (Albert
genetischen Faktoren auf Aggressions- et al. 1993). Insbesondere die Amygdala wird
neigung beim Menschen schätzten (durch mit aggressivem und gewalttätigem Verhalten
Vergleich von eineiigen und zweieiigen in Verbindung gebracht (z. B. Gontkovsky
2005). Serotonin scheint aggressives Ver-
halten zu hemmen; eine Reduktion ist eher
2 Dort wird ein Fremder nicht als bedrohlich
angesehen, und der Besuch eines Fremden ist ein
besonderes, positives Ereignis, bei welchem Kin-
der für ein offenes auf diesen Zugehen von ihren 3 Allele sind die verschiedenen Ausprägungsformen
Eltern verstärkt werden. eines Gens (z. B. normal oder mutiert).
5.1 · Die biologische Grundlage von Aggression und Gewalt
333 5
mit einer Zunahme aggressiven Verhaltens wiederum in aggressivem Verhalten äußern
verbunden (Bjork et al. 1999; Davidson et al. kann. Ein Indiz für soziales Dominanzver-
2000; Douzenis et al. 2004; vgl. allerdings halten ist das Verhalten als Empfänger in
Krämer et al. 2011). Neuere Befunde zeigen einem sog. Ultimatumspiel. Hierbei erhält ein
eine Beteiligung des dorsalen Striatums – Teilnehmer eine bestimmte Summe, beispiels-
eines Teils des Belohnungszentrums – bei weise 20 EUR, und soll diese zwischen sich
aggressiver Ausübung von Rache (Krämer und seinem Mitspieler aufteilen. Der Emp-
et al. 2007) und der anterioren Insula bei fänger kann den angebotenen Teil annehmen
der reaktiven Aggression (Dambacher et al. und damit die Aufteilung besiegeln oder
2015).4 Allerdings ist zu beachten, dass sich ablehnen; in diesem Falle gehen beide leer
die Aggressionsneigung eines Menschen aus aus. Ein Angebot von deutlich weniger als
einem komplexen Zusammenspiel zwischen 10 EUR kann man also als unfair ansehen.
Genen, biologischen Signalen, neuronalen Personen mit hohem Dominanzstreben soll-
Regelkreisen und Umwelteinflüssen ergibt, ten sich dadurch leichter provoziert, beleidigt
das erst in Ansätzen und überwiegend am und herausgefordert fühlen und das Angebot
Tiermodell erforscht ist (Nelson und Trainor eher ablehnen, obwohl sie dadurch persönlich
2007). Geld verlieren. Entsprechend lehnten Perso-
nen mit höherem Testosteronspiegel solche
z Zusammenhang zwischen Testosteron unfairen Angebote häufiger ab als Personen
und Aggression mit geringerem Testosteronspiegel (Burnham
Schließlich findet sich ein schwach positiver 2007; Mehta und Beer 2010).
Zusammenhang zwischen dem Testosteron- Der Zusammenhang zwischen Testos-
spiegel einer Person und ihrer Aggression: teron und sozialer Dominanz wird auch
Je höher der Testosteronspiegel, desto mehr durch Befunde gestützt, wonach nicht nur
aggressives Verhalten wird gezeigt (Archer chronisch aggressive, sondern auch sozial
2006; Book et al. 2001; van Bokhoven et al. sehr dominante (aber nicht physisch aggres-
2006). So wiesen männliche wie weibliche sive) Gefängnisinsassen deutlich höhere
Gewaltverbrecher (Dabbs et al. 1995, 1987; Testosteronwerte aufwiesen als Gefangene, die
bei Frauen: Dabbs et al. 1988) sowie auch weder chronisch aggressiv noch sozial domi-
Jugendliche und junge Männer, die zu Delin- nant waren (Ehrenkranz et al. 1974). Wäh-
quenz, Drogen und Aggression neigten, rend die Befundlage zum kausalen Einfluss
höhere Testosteronwerte auf (Archer 1991; von Testosteron auf Dominanzverhalten beim
Dabbs und Morris 1990; Olweus et al. 1988). Menschen noch unklar ist, findet sich ein
Der Zusammenhang ist allerdings schwach, umgekehrter Einfluss von Dominanzverhalten
und es wird infrage gestellt, ob überhaupt bzw. sozialem Status auf das Testosteronle-
ein direkter Zusammenhang zwischen Tes- vel (vgl. Archer 2006). Die Testosteronwerte
tosteron und vermehrter Aggression besteht steigen an, wenn Männer im Wettbewerb
(z. B. Albert et al. 1993; Archer 1991). Mög- sind (Mazur und Booth 1998), und sind spä-
licherweise besteht der Zusammenhang zwi- ter zudem bei Gewinnern deutlich höher
schen Testosteron und Aggression darüber, als bei Verlierern (Booth et al. 1989; Mazur
dass Testosteron (zumindest bei Männern) et al. 1992). Ebenso nimmt bei Männern mit
soziales Dominanzverhalten fördert (Archer Erreichen eines höheren Status in der sozia-
2006; Mazur und Booth 1998), welches sich len Rangordnung das Testosteron zu (Jeffcoate
et al. 1986).
Neuere Befunde weisen zudem darauf
4 Einen Überblick zur Beteiligung verschiedener
hin, dass nicht der chronische Testosteron-
Himregionen und zu hormonellen Einflüssen bei spiegel, sondern der Testosteronanstieg in
aggressivem Verhalten gibt Adams (2006). Wettbewerbssituationen mit Aggressivität
334 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
korreliert ist (Carré und Olmstead 2015; Carré Supermarkt nicht die gewünschten Süßig-
et al. 2017a, b). Schließlich scheint auch der keiten bekommt. Prompt fängt es an, laut zu
Testosteronspiegel des Fötus im Mutterleib brüllen und nach der Mutter bzw. dem Vater
eine Auswirkung auf die spätere Aggressivität zu schlagen. Oder erinnern Sie sich an das
zu haben. Das Verhältnis zwischen der Länge Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006,
des Zeige- und des Ringfingers (2D:4D-Ver- in dem der französische Starfußballer Ziné-
hältnis) gilt als Indikator für das Verhältnis dine Zidane dem italienischen Gegenspieler
von fötalem Östradiol- zu fötalem Testoste- Marco Materazzi mit voller Absicht den Kopf
ronspiegel. Es zeigt einen signifikanten, aller- in den Oberkörper rammte und vom Platz
dings sehr schwachen Zusammenhang mit gestellt wurde – was möglicherweise zur
Aggressivität (Pratt et al. 2016; Reed und Niederlage der Franzosen beigetragen hat.
5 Meggs 2017; Turanovic et al. 2017). Ihnen fallen sicher spontan diverse ähnliche
Vorfälle ein.
Diese Beispiele haben gemeinsam,
Argumente für eine biologische Basis dass aggressives Verhalten durch aversive
von Aggression Bedingungen ausgelöst wird, die mit negativen
5 Kulturübergreifendes Auftreten Gefühlen einhergehen: Im ersten Beispiel
5 Hinweise auf Vererbbarkeit wird das Ziel des Kindes, die Süßigkeiten zu
5 Neurobiologische Basis bekommen, von den Eltern blockiert, und im
5 Zusammenhang mit Testosteron zweiten Fall wurde der Fußballer offensicht-
lich von seinem Opfer durch harte Worte
über seine Mutter und Schwester provoziert.
Wie wir in diesem Abschnitt aufgezeigt Gerade das zweite Beispiel zeigt deutlich auf,
haben, gibt es diverse Hinweise darauf, dass dass im Falle starker Emotionen die mög-
aggressives Verhalten eine biologische Grund- lichen Kosten aggressiven Verhaltens keine
lage hat und für die Durchsetzungskraft der wesentliche Rolle mehr zu spielen scheinen:
eigenen Gene von Vorteil sein kann. Fakto- Der Fußballer kannte die Regeln, d. h., er
ren, die in konkreten Situationen aggressives wusste, dass sein Foul mit einem Platzver-
Verhalten auslösen bzw. begünstigen, sind weis geahndet würde und sich dies denkbar
Gefühle (z. B. Ärger aufgrund von Provoka- ungünstig auf den möglichen Weltmeistertitel
tion) und gesellschaftliche Normen, die im für sein Land auswirken könnte.
Laufe der Sozialisation verinnerlicht werden. Negative Gefühle jeglicher Art und ver-
Des Weiteren können bestimmte situative schiedenster Ursache – und insbesondere die
Bedingungen aggressives Verhalten wahr- Emotion Ärger – können die Aggressions-
scheinlicher machen. Diese Faktoren werden bereitschaft erhöhen bzw. Aggression frei-
in 7 Abschn. 5.2, 5.3 und 5.4 beschrieben. setzen (Berkowitz 1989, 1993a). Andere
Gefühle wie beispielsweise Empathie, d. h.
Mitgefühl mit dem Opfer, wirken sich dagegen
5.2 Einfluss von Gefühlen auf die eher hemmend auf Aggression aus (Miller und
Entstehung von Aggression Eisenberg 1988) und sind wichtige Motive für
prosoziales Verhalten (7 Abschn. 6.2.2).
Auch wenn die Gründe für aggressives Ver- Gefühle, die aggressives Verhalten för-
halten aus Sicht des Opfers häufig nicht nach- dern, sind häufig eine Reaktion auf Angriffe
vollziehbar sind, so ist aggressives Verhalten gegen die eigene Person (z. B. auf Provokation
doch selten völlig grundlos. Würde man Sie oder soziale Zurückweisung; 7 Abschn. 5.2.1)
fragen, warum Personen aggressiv werden, oder auf die Bedrohung bzw. Blockierung
welche Gründe würden Sie nennen? Den- eigener Ziele (Frustration; 7 Abschn. 5.2.2).
ken Sie beispielsweise an ein Kind, das im Eine weitere wichtige Quelle negativer
5.2 · Einfluss von Gefühlen auf die Entstehung von Aggression
335 5
Gefühlszustände, die Aggression wahrschein- Eine der ersten Fragen an das aggressiv agie-
licher machen, sind situative Faktoren wie rende Kind wird vermutlich sein, was der
beispielsweise Schmerz, Hitze, Kälte oder attackierte Spielkamerad ihm denn getan
Lärm (7 Abschn. 5.2.3; zusammenfassend hätte. Dies spiegelt wider, dass wir schon bei
. Abb. 5.3). In 7 Abschn. 5.2.4 wird abschlie- Kindern davon ausgehen, dass Aggression
ßend diskutiert, inwieweit das Abreagieren von selten grundlos ist, sondern häufig irgend-
Frust bzw. negativen Gefühlen aggressions- eine Reaktion auf eine Provokation dar-
reduzierend oder -vermehrend wirkt. stellt, beispielsweise darauf, dass das Opfer
den Angreifer zuvor gezwickt hat. Aber auch
die Erklärung, dass das aggressive Kind vom
5.2.1 Provokation und Spiel ausgeschlossen wurde und daraufhin
Zurückweisung als Auslöser aggressiv reagierte, würde uns als Erklärung
von Aggression plausibel erscheinen (. Abb. 5.4). Werden
wir – wie das Kind im Sandkasten oder auch
Nehmen wir an, Sie beobachten, wie einige der Fußballer Zidane – physisch oder verbal
Kinder zunächst friedlich im Sandkasten spie- angegriffen oder von anderen ausgeschlossen,
len. Plötzlich zieht eines der Kinder einen provoziert dies neben Gefühlen wie Angst
Spielkameraden an den Haaren, was zu gro- oder Traurigkeit häufig Ärger und Feind-
ßem Geschrei führt. Nehmen wir weiter an, seligkeit (z. B. Ayduk et al. 1999; Buckley
die anwesenden Erwachsenen greifen ein. et al. 2004; Bushman und Baumeister 1998;
. Abb. 5.3 Negative Gefühle (insbesondere das Gefühl Ärger) können die Aggressionsbereitschaft erhöhen.
Typische Quellen für solche aggressionsförderlichen, negativen Gefühle sind Angriffe gegen die eigene Person
(Provokation, soziale Zurückweisung), Bedrohung bzw. Blockierung eigener Ziele (Frustration) sowie unan-
genehme Umweltfaktoren (situative Bedingungen wie z. B. Hitze oder Lärm)
336 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
. Abb. 5.4 Selbst wenn genügend Spielzeug da ist, streiten sich Kinder häufig um ein bestimmtes Spielzeug.
Dies lässt sich schwer begreifen, wenn man die sozialen Dimensionen des Spiels wie Konkurrenzdenken, Koali-
tionen und sozialen Ausschluss, außer Acht lässt. Elterliches Eingreifen auf dem Spielplatz dient oft der Sozia-
lisation: Friedliche Konfliktlösung wird angeregt, vorgemacht und gelobt, Aggression wird bestraft (7 Abschn.
5.3.3). (© zabavna/stock.adobe.com)
Harmon-Jones und Sigelman 2001; Leary werden, ohne dass anschließend noch ein-
et al. 2006; Zadro et al. 2003). Dabei kommt es mal der Provokateur zum Zuge kommt (der
nicht darauf an, ob eine Bemerkung tatsäch- normalerweise ein Vertrauter des Versuchs-
lich als Beleidigung gemeint war oder ob uns leiters oder eine fiktive Person ist). Im All-
die anderen absichtlich ausgeschlossen haben. tag hingegen hängt die Reaktion einer Person
Was zählt ist, ob wir uns angegriffen fühlen. auf eine Provokation auch von den wahr-
In der Folge erhöht sich die Wahrschein- genommenen Ressourcen des Provokateurs
lichkeit aggressiven Verhaltens (z. B. Donner- ab: So beeinflussen dessen körperliche Stärke,
stein und Wilson 1976; Harmon-Jones und
Sigelman 2001; Ramírez und Andreu 2006;
Twenge et al. 2001, 2007; Warburton et al., Exkurs
2006; 7 Beispielstudie 5.1, 7 Exkurs: Die Rolle Die Rolle sozialer Zurückweisung
sozialer Zurückweisung in Schulschießereien). in Schulschießereien
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Soziale Zurückweisung spielt vermutlich
Verletzungen solcher Art in der Öffentlich- häufig auch bei Gewalttaten in der Schule
keit erfahren werden (z. B. Bond und Venus eine Rolle. Leary et al. (2003) analysierten alle
1991; Felson 1978). Persönliche Beleidigungen dokumentierten Schulschießereien, die zwischen
1995 und 2001 in den USA aufgetreten waren.
werden aufgrund dieser Wirkung häufig in In 13 der 15 Fälle hatten die Täter akute oder
der Aggressionsforschung eingesetzt, um chronische Zurückweisung erfahren. Zusätzlich
Ärger und aggressives Verhalten zu erzeugen tendierten die Täter zu einem oder mehr von
(Bushman et al. 2001; Donnerstein und drei weiteren Risikofaktoren: Interesse an
Wilson 1976; Harmon-Jones und Sigelman Feuerwaffen oder Bomben, Faszination für Tod
oder Satanismus und psychische Probleme
2001). Allerdings ist die übliche Sequenz in (Depression, Impulskontrolle oder sadistische
dieser Forschung, dass die Versuchsteilnehmer Tendenzen).
provoziert und ihre Reaktionen gemessen
5.2 · Einfluss von Gefühlen auf die Entstehung von Aggression
337 5
Beispielstudie 5.1
die Zahl der anwesenden Freunde und der Ruf sich gezeigt, dass bei sozialer Ausgrenzung
des Provokateurs allesamt die Wahrscheinlich- ähnliche Gehirnaktivitäten auftreten wie bei
keit einer aggressiven Antwort. Trauen sich die körperlichen Schmerzen (Eisenberger et al.
provozierten Personen nicht, direkte Rache 2003). Da physische Schmerzen bei Mensch
auszuüben, so nehmen sie verstärkt in ihrer und Tier aggressives Verhalten induzieren
Fantasie Rache (Archer und Benson 2008). können (z. B. Azrin 1967; Berkowitz 1993b),
Wahrgenommene Angriffe gegen die ist die erhöhte Aggressivität bei sozialen
eigene Person machen aggressives Verhalten Verletzungen möglicherweise über diesen
wahrscheinlicher. Insbesondere bei sozialer Mechanismus (mit)bedingt (Leary et al. 2006;
Zurückweisung erscheint Aggression auch vgl. auch MacDonald und Leary 2005).
gegenüber der ursprünglichen Quelle des Angriffe gegen die eigene Person bedrohen
Angriffs als wenig zielführende Reaktion, da zudem häufig den Selbstwert. Aggression
aggressives Verhalten in den meisten Fällen kann eine Reaktion auf diese Bedrohung
nicht dazu geeignet ist, von den anderen bes- darstellen (Baumeister et al. 1996), eine
ser akzeptiert zu werden bzw. mehr Wert- Möglichkeit, den Selbstwert durch Vergeltung
schätzung zu erhalten. Eine Erklärung dafür, wiederherzustellen (z. B. Feshbach 1964).
dass trotzdem aggressiv reagiert wird, könnte Ob Personen mit hohem oder mit niedrigem
darin liegen, dass Angriffe gegen die eigene Selbstwertgefühl verstärkt aggressiv auf soziale
Person nicht nur Ärger provozieren, sondern Zurückweisung reagieren, ist bislang nicht
häufig auch „schmerzen“ bzw. „verletzen“. eindeutig geklärt (z. B. Baumeister et al. 2003;
Diese Analogie zu physischen Schmerzen Donnellan et al. 2005). So finden sich Befunde
findet sich nicht nur in der Sprache: Es hat dafür, dass Personen mit niedrigem Selbstwert
338 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
. Abb. 5.5 Absicht oder keine Absicht? Tritt uns jemand auf unsere Zehen, so kann das sehr schmerzhaft sein.
Ob wir jedoch auf Rache sinnen, hängt entscheidend davon ab, ob wir der Meinung sind, die Person habe das
mit Absicht getan. (© beeboys/stock.adobe.com)
Die Ärgerreaktion wird zudem davon negativer Gefühle und damit auch aggressiven
beeinflusst, unter welchen Umständen der Verhaltens ist Frustration, d. h. die Blockie-
Provokateur handelt – sind uns mildernde rung eines wichtigen Ziels.
Umstände bekannt (z. B. dass der andere
wegen einer schlechten Note sehr besorgt und
aufgebracht ist; 7 Abschn. 5.2.4), reagieren wir 5.2.2 Frustration als Auslöser von
mit weniger Ärger und Aggression (John- Aggression
son und Rule 1986). Auch die Frage, ob der
Angriff kontextspezifische Normen verletzt, ist Vielleicht ist Ihnen folgende Situation
bedeutsam (Löschper et al. 1984): Bei Norm- nicht unbekannt: Sie haben einen wichti-
verletzungen erscheint aggressives Verhalten gen Abgabetermin, und Ihr Computer ist
als Gegenreaktion angemessener. abgestürzt. Seit einer Stunde versuchen Sie
(Gegen-)Aggression als Antwort auf eine vergeblich, Ihren Rechner wieder zum Laufen
Provokation folgt typischerweise der Regel zu bringen, aber es funktioniert einfach nicht.
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ bzw. „Glei- Sie sind schon völlig entnervt und probieren
ches wird mit Gleichem vergolten“ (Rezi- gerade die neuesten Tipps der Hotline aus, als
prozität). Allerdings ist auch hier die Absicht ein Kollege Ihr Büro betritt und Sie um einen
entscheidend: Wie hart die Vergeltung aus- Gefallen bittet. Sie fahren ihn an, dass Sie
fällt, hängt vor allem vom Ausmaß der selbst genug zu tun hätten und dass es ja wohl
beabsichtigten Schädigung ab und nicht nicht angehen könnte, dass jeder mit seinen
so sehr von der tatsächlichen Schädigung Anliegen immer zu Ihnen käme. Der Kollege
(Ohbuchi und Kambara 1985). macht eine beschwichtigende Geste und ver-
Wie wir gesehen haben, provozieren lässt mit einem irritierten Gesichtsausdruck
Angriffe gegen die eigene Person häufig nega- Ihr Büro. Nach einer halben Stunde – Ihr
tive Gefühle und können aggressives Ver- Computer läuft mittlerweile wieder, und Sie
halten auslösen. Eine weitere wichtige Quelle können Ihren Termin einhalten – beschleicht
340 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
. Abb. 5.6 Wer hat das nicht schon mal erlebt? Der Computer hängt sich auf, das Internet streikt, die wichtige
Datei wurde aus Versehen überschrieben – und das alles kurz vor dem Abgabetermin. Da kommt Stress auf, und
man ist „geladen“. In der Fantasie zerstört man vielleicht den Rechner, in der Realität bekommen es eher die
Kollegen ab. (© alphaspirit/stock.adobe.com)
Sie das Gefühl, dass Sie überreagiert haben, Theorie bald revidiert, da Frustration nicht
und Sie entschuldigen sich bei dem Kollegen unweigerlich zu Aggression führt, sondern häu-
(. Abb. 5.6). Was haben der kaputte Compu- fig auch mit anderem, nichtaggressivem Ver-
ter und die unangemessen aggressive Reaktion halten beantwortet wird (N. E. Miller 1941),
gegenüber dem Kollegen miteinander zu tun? beispielsweise mit Rückzug oder der Suche
nach Unterstützung. Auch die Annahme, dass
Frustration Aggression immer ein Frustrationserlebnis
Frustration ist die unerwartete Blockade vorausgeht, ist nicht haltbar: Beispielsweise han-
eines wichtigen Ziels. delt ein Profiboxer im Ring durchaus aggressiv,
allerdings nicht aufgrund von Frustration. Frus-
tration ist entsprechend nicht die einzige, son-
Mit dem Computerabsturz ist ein wichtiges dern vielmehr eine Quelle negativer Gefühle, die
Ziel (nämlich die Abgabe von Unterlagen, aggressives Verhalten fördern kann (Berkowitz
die für den beruflichen Erfolg wichtig sind) 1989). Frustration aufgrund des Verhaltens einer
unerwarteter Weise bedroht und Sie sind frus- anderen Person führt insbesondere dann zu
triert. Frustration ist eine wichtige Quelle Ärger und Aggression, wenn dieses absichtlich,
negativer Emotionen und begünstigt aggressi- ungerecht bzw. ungerechtfertigt erscheint oder
ves Verhalten. Diese Sichtweise wurde bereits vermeidbar gewesen wäre (z. B. Berkowitz 1981;
früh als Frustrations-Aggressions-Hypothese Dill und Anderson 1995; Folger und Baron
bekannt (Dollard et al. 1961, 1939). In der 1996; Kulik und Brown 1979; Rule et al. 1978;
ursprünglichen Fassung wurde davon aus- 7 Exkurs: Frustration im Straßenverkehr).
gegangen, dass Aggression auf Frustration – Negative Gefühle, die die Aggressions-
definiert als unerwartete Blockade eines bereitschaft erhöhen können, entstehen häu-
wichtigen Ziels – zurückgeht, und umgekehrt fig, weil wir aufgrund unerwarteter – und
Frustration immer zu Aggression führt. Aller- insbesondere unnötiger – Hindernisse die
dings wurde diese ursprüngliche Form der Erreichung wichtiger Ziele bedroht sehen.
5.2 · Einfluss von Gefühlen auf die Entstehung von Aggression
341 5
Exkurs
Frustration im Straßenverkehr
Verärgerung während des anderen Autos die Grünphase losfuhr und entsprechend den
Autofahrens ist nicht nur an der Ampel, so äußert sich Verkehr blockierte, hupten die
unangenehm und lästig, aggressives Verhalten u. a. im blockierten Fahrer schneller, als
sondern zudem gefährlich, Betätigen der Hupe. wenn kein Mobiltelefon im Spiel
da Ärger aggressives Eine Studie von McGarva war. Erscheint die Blockade
Verhalten fördert. Frustration et al. (2006) zeigt, dass auch durch das vermeidbare
ist ein wichtiger Grund hier die Vermeidbarkeit der (und seit 2001 verbotene)
für Verärgerung im Situation eine Rolle spielt: Telefonieren während des
Straßenverkehr. Verpassen wir Telefonierte der Fahrer eines Fahrens verursacht, ist die
beispielsweise aufgrund eines Autos, das bei Grün nicht Aggressionsneigung erhöht.
Neben solchen Frustrationen und den zuvor als „mildernde Umstände“ für aggressive
beschriebenen persönlichen Angriffen können Reaktionen gelten können.
aber auch situative Bedingungen zu einer nega- Die Forschung hat gezeigt, dass aver-
tiven Gefühlslage beitragen und dadurch die sive situative Bedingungen negative Gefühls-
Aggressionsbereitschaft (zusätzlich) erhöhen. zustände bewirken bzw. verschärfen und
die Aggressionsbereitschaft erhöhen können.
Schmerz und verschiedene Umweltfaktoren, wie
5.2.3 Wenn aversive Bedingungen beispielsweise Hitze, Lärm oder unangenehme
negative Gefühle bewirken – Gerüche, sind diesbezüglich untersucht worden.
Der Einfluss situativer
Bedingungen auf Aggression z Schmerz
Physische Schmerzen können bei Mensch
Unsere Gefühlslage wird nicht nur durch und Tier aggressives Verhalten induzieren
persönliche Angriffe oder unerwartete Ziel- bzw. aggressive Tendenzen verstärken (z. B.
blockaden negativ beeinflusst, sondern kann Azrin 1967; Berkowitz 1983, 1993b). In
auch durch unangenehme Begleitumstände einer Studie von Berkowitz et al. (1981)
bedingt sein. Vielleicht haben Sie schon ein- reagierten beispielsweise Studentinnen auf
mal die Erfahrung gemacht, dass ein an sich die Arbeit einer anderen Person mit weni-
friedlicher Mensch Sie wegen einer Kleinig- ger Belohnung und mehr Bestrafung (unan-
keit angefahren hat, als hätten Sie wer weiß genehmes Geräusch), wenn sie während der
was verbrochen. Es fällt im Allgemeinen Bewertungsaufgabe ihre Hand in schmerz-
schwer, für solch „grundlose“ Aggressio- haft kaltes Wasser halten mussten.
nen Verständnis aufzubringen – wir sind
beleidigt und reagieren darauf möglicher- z Hitze
weise ebenso aggressiv. Wie aber würde Unangenehm hohe Temperaturen sind mit ver-
sich Ihre Reaktion verändern, wenn Sie mehrt negativem Affekt und einer erhöhten
wüssten, dass die Person gerade unter einer Aggressionsbereitschaft verbunden (Anderson
massiven Migräneattacke leidet und vor 1989; Anderson et al. 1997, 1995; Baron und
Kopfschmerzen kaum die Augen offen hal- Bell 1975, 1976; Baron und Ransberger 1978;
ten kann? In solchen Fällen würden Sie mög- Carlsmith und Anderson 1979; Cohn 1993;
licherweise von Vornherein vorsichtiger an Cohn und Rotton 1997; Griffitt 1970; vgl. auch
die Person herantreten bzw. ihre aggressive Bushman et al. 2005; Reifman et al. 1991; Rotton
Reaktion weniger ernst nehmen und weni- und Cohn 2000). So werden in heißen Jahres-
ger auf sich selbst beziehen. Schmerzen sind zeiten und heißen Jahren mehr Straftaten – und
ein Beispiel dafür, wie aversive Bedingungen insbesondere mehr gewalttätige Straftaten wie
342 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Beispielstudie 5.2
Beispielstudie 5.3
Boxen auf einen Sandsack führt zu anschließend erhöhter Aggression gegenüber dem
Provokateur
In der Studie von Bushman und über körperliche Fitness die beim Boxen an den
(2002) erhielten die nachdenken (Gruppe B) oder Provokateur gedacht hatten
Teilnehmer zunächst eine zwei Minuten ruhig dasitzen (Gruppe A), im Anschluss
negative Bewertung für einen (Kontrollgruppe), während der ärgerlicher waren als
Kurzaufsatz, den sie verfasst Versuchsleiter sich angeblich Teilnehmer, die während
hatten. Die Bewertung kam um den Computer kümmerte des Boxens über körperliche
angeblich von einem weiteren (. Abb. 5.7). Fitness nachgedacht
Teilnehmer, der in einem Danach bearbeiteten hatten (Gruppe B), und
5 anderen Raum saß. Tatsächlich
gab es diesen jedoch gar nicht,
die Teilnehmer eine
Computeraufgabe über
ärgerlicher als Teilnehmer
der Kontrollgruppe. Beim
und alle Teilnehmer erhielten 25 Runden, in denen der Verabreichen der Geräusche
das gleiche Feedback. Dieses jeweilige Verlierer ein zeigten Teilnehmer der
enthielt neben negativen unangenehmes Geräusch Gruppe A die meiste,
Einzelbewertungen von verabreicht bekam. Die Teilnehmer der Gruppe
Aufbau, Originalität, Schreibstil Teilnehmer konnten im B mittelmäßige und
etc. den Kommentar „Das Voraus die Intensität des die Kontrollgruppe am
ist einer der schlechtesten Geräuschs festlegen, das wenigsten Aggression
Aufsätze, die ich je gelesen ihr Gegner hören würde, (zusammenfassend
habe!“, um die Teilnehmer zu sollte er verlieren. Verlor der . Abb. 5.8).
provozieren. Anschließend Provokateur, konnten die Diese Studie zeigt, dass
sollten die Teilnehmer Teilnehmer zudem durch das reine Abreagieren von
entweder auf einen Sandsack Gedrückthalten der Taste Aggressionen nicht zu einer
boxen und dabei über die Dauer der Geräuschsalve Verringerung, sondern
den Partner/Provokateur bestimmen. zu einer Verstärkung
nachdenken (Gruppe A), Die Ergebnisse zeigten, nachfolgender Aggressionen
auf einen Sandsack boxen dass diejenigen Teilnehmer, führt.
Wie kommt es dazu, dass aggressives Verhalten Verfügbarkeit sinnvoll, um zu vermeiden, dass
nachfolgende Aggressionen sogar noch erhöht? diese mit neuen Zielen interferieren.
Eine wichtige Rolle spielen hierbei vermut- Auf Aggressionen übertragen bedeutet
lich Priming-Prozesse (vgl. Denzler et al. 2009; dies: Aggressive Ziele (z. B. Vergeltung) kön-
Förster und Liberman 2007): Zielunspezifische nen beispielsweise – wie in 7 Beispielstudie 5.3
Aggression erhöht die Zugänglichkeit aggres- von Bushman (2002) – durch Provokation oder
siver Konzepte und Verhaltensweisen. Nach Frustration aktiviert werden. Durch aggressi-
Förster et al. (2005) sind für die Verfügbar- ves Verhalten, das nicht zur Erfüllung dieses
keit von bestimmten Inhalten und Verhaltens- Ziels beiträgt, wird die Aktivierung aggressi-
weisen aktivierte Ziele bzw. deren Erfüllung ver Konstrukte nur noch mehr genährt statt
von entscheidender Bedeutung. Sie gehen verringert. Denzler et al. (2009) zeigten bei
davon aus, dass ein Ziel die Verfügbarkeit von Erfüllung des aggressiven Ziels einen katharti-
zielrelevanten Konstrukten erhöht, diese Ver- schen Effekt, d. h., die Verfügbarkeit aggressiver
fügbarkeit aber nach Zielerfüllung wieder Konstrukte sowie aggressives Verhalten waren
reduziert ist. Dies beinhaltet eine funktionale nachfolgend reduziert (vgl. auch Denzler
Sicht: Solange ein Ziel verfolgt wird, ist es für und Förster 2012). Da Ziele meist durch ver-
die Zielerreichung nützlich, wenn Inhalte, die schiedene Mittel erfüllt werden können (Prin-
bei der Zielerreichung helfen könnten, akti- ciple of Equifinality; Kruglanski et al. 2002),
viert und damit leichter abrufbar sind. Nach sollte auch eine konstruktive Konfliktlösung
der Zielerfüllung ist eine Reduktion dieser Aggression reduzieren. Dies konnte ebenfalls
5.2 · Einfluss von Gefühlen auf die Entstehung von Aggression
345 5
. Abb. 5.7 Fühlen Menschen sich provoziert und verärgert, funktioniert das reine Abreagieren von Aggres-
sion, beispielsweise durch Boxen auf einen Sandsack, im Allgemeinen nicht. Vielmehr erhöhte dies in einer
Studie von Bushman (2002) aggressives Verhalten, insbesondere dann, wenn die provozierte Person beim Boxen
an den Provokateur denken sollte. (© diego cervo/stock.adobe.com)
. Abb. 5.8 Skizzierung des Versuchsablaufs und vereinfachte Ergebnisdarstellung der Studie von Bushman
(2002). Nach Provokation durch die Versuchsleitung sollten die Teilnehmer auf einen Sandsack boxen und dabei
entweder über den Provokateur (Gruppe A) oder über körperliche Fitness nachdenken (Gruppe B). Die Kontroll-
gruppe boxte nicht auf einen Sandsack, sondern sollte zwei Minuten ruhig dasitzen. Selbstberichteter Ärger
sowie aggressives Verhalten waren im Anschluss bei Teilnehmern der Gruppe A am höchsten; am wenigsten
aggressives Verhalten zeigen Teilnehmer der Kontrollgruppe
346 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Beispielstudie 5.4
gezeigt werden, sowohl für die Verfügbar- Die momentane Befundlage legt nahe, dass sich
keit aggressiver Gedankeninhalte als auch für dazu das aggressive Verhalten gegen den Pro-
aggressives Verhalten (7 Beispielstudie 5.4). vokateur richten und die Rache zudem „erfolg-
Wie die vorangegangenen Ausführungen reich“ verlaufen muss. Ist dies nicht gegeben,
zeigen, sind kathartische Effekte durch aggres- erhöhen Rachegedanken oder zielunspezi-
sives Verhalten, wenn überhaupt, nur unter fisches aggressives Verhalten die Aggressivität.
sehr spezifischen Bedingungen zu erreichen. Insbesondere zu beachten ist jedoch, dass
5.3 · Die Bedeutsamkeit von Normen und sozialem Lernen für Aggression
347 5
. Abb. 5.9 Skizzierung des Versuchsablaufs und vereinfachte Ergebnisdarstellung der Studie von Denzler
et al. (2009, Exp. 2). Während die Verfügbarkeit aggressiver Inhalte nach Zielfrustration gleich blieb, war sie nach
aggressiver und nichtaggressiver Zielerfüllung vermindert. In der Aggressionsmessung zeigten Teilnehmer mit
Zielfrustration am meisten, Teilnehmer mit nichtaggressiver Zielerfüllung am wenigsten aggressives Verhalten
friedliche Konfliktlösungen am besten geeignet auf Angriffe gegen die eigene Person (z. B. auf
scheinen, aggressives Verhalten zu reduzieren. Provokation oder soziale Zurückweisung) oder
Bezieht man zudem ein, dass „erfolgreiche“ auf die Bedrohung bzw. Blockierung eigener
Aggression zwar kurzfristig aggressionsver- Ziele (Frustration). Als weitere wichtige Quelle
ringernd wirken mag, langfristig aggressi- negativer Gefühlszustände, die Aggression
ves Verhalten aber ebenfalls fördern kann wahrscheinlicher machen, wurden situative
(7 Abschn. 5.3), sind konstruktive, friedliche Faktoren wie beispielsweise Schmerz, Hitze,
Problemlösungen in jedem Fall die beste Wahl. Kälte oder Lärm beschrieben. Das Abreagieren
von Frust bzw. negativen Gefühlen ist – ent-
> Wissenschaftliche Befunde sprechen
gegen der weit verbreiteten Annahme –, wenn
gegen einen Katharsiseffekt und zeigen
überhaupt, nur unter ganz speziellen Rahmen-
vielmehr gegenteilige Effekte: Das
bedingungen aggressionsreduzierend, meist
Ausführen aggressiver Handlungen
jedoch eher aggressionsfördernd.
erhöht nachfolgend negativen Affekt
und die Aggressionsbereitschaft.
sollen. Wie nachfolgend zu sehen ist, kann Belohnungen bringt, eher aggressiv (Patterson
Aggression durch Normen auch gepuscht et al. 1967; Perry et al. 1986). Bei instrumen-
werden – man denke nur an Prügelstrafe, teller Aggression besteht die Belohnung häufig
Ehrenmorde oder Kriege. darin, dass man das intendierte Ziel erreicht,
Einen entscheidenden Einfluss darauf, wel- beispielsweise wenn man sich aggressiv vor-
che Normen vermittelt und wie stark diese gedrängelt hat und daraufhin die begehrten
verinnerlicht werden, haben Sozialisations- Restkarten an der Abendkasse noch erwischt.
bedingungen. Diese vermitteln Normen und Ebenso waren jene Teenager, deren Väter vor
damit auch Regeln für aggressives Verhalten allem bei aggressiver Spielweise applaudier-
insbesondere durch die Konsequenzen, die auf ten und damit das aggressive Verhalten ihrer
aggressives Verhalten folgen (7 Abschn. 5.3.1) Kinder verstärkten, die aggressivsten Hockey-
5 und durch Modelllernen (7 Abschn. 5.3.2). spieler im Team (Ennis und Zanna 1991).
Nachfolgend werden Befunde hierzu vorgestellt Unterschiedliche Konsequenzen auf ihr
und der Einfluss wichtiger Sozialisations- aggressives Verhalten erleben Kinder schon sehr
quellen beschrieben (7 Abschn. 5.3.3). früh. So zeigte sich, dass bei Streitigkeiten unter
Geschwistern Eltern unterschiedlich auf aggres-
sives Verhalten von Jungen und Mädchen reagie-
5.3.1 Auswirkungen von ren: Bei Mädchen wird aggressives Verhalten mit
Belohnung und Bestrafung größerer Wahrscheinlichkeit verboten, während
auf aggressives Verhalten zumindest für milde physische Aggression bei
Jungen mehr Toleranz gezeigt wird (Martin und
Konsequenzen, die auf aggressives Verhalten Ross 2005; 7 Exkurs: Geschlechtsunterschiede im
folgen, haben bedeutsamen Einfluss darauf, aggressiven Verhalten).
ob Aggression gezeigt wird oder nicht. So ver- Schließlich werden auch manche Arten
halten sich Kinder, die die Erfahrung gemacht aggressiven Verhaltens weniger geahndet als
haben oder annehmen, dass ihnen Aggression andere, beispielsweise wenn sie subtilere Formen
Exkurs
Geschlechtsunterschiede im aggressiven Verhalten
Prominentes Beispiel für typischerweise 85–95 % der sie jedoch getrennt, so finden
den Einfluss sozialer Rollen Tötungsdelikte; vgl. auch sich Geschlechtsunterschiede.
auf Aggression sind die Pinker 2011; 7 Abschn. 5.3.3.4). Beispielsweise schlossen
Geschlechterrollen. Diese Dies kann damit erklärt Mädchen Neulinge in einer
sind neben biologischen werden, dass Frauen über Gruppe häufiger spontan
Faktoren verantwortlich für geringere physische Kräfte aus als Jungen (Feshbach
Geschlechtsunterschiede verfügen und so bereits früh 1969). Umgekehrt gaben
im Auftreten aggressiven lernen, andere Strategien zu männliche Befragte häufiger
Verhaltens. Aggression ist keine entwickeln, beispielsweise an, Akte sexueller Aggression
Männerdomäne, und es gibt verbale oder indirekte begangen zu haben, als
keinen Grund anzunehmen, Aggression (Strategien, bei weibliche Befragte, was sich
dass Männer aggressiver denen der Aggressor nicht mit polizeilichen Statistiken
seien als Frauen – sie äußern unbedingt identifizierbar ist; deckt (Krahé et al. 2015,
es nur anders (für einen z. B. manipulieren, jemanden 2014; Schär Moser und Strub
Überblick vgl. Björkqvist 1994). ausschließen). Betrachtet man 2010). Folglich sind nicht
Betrachtet man ausschließlich all diese Strategien gemeinsam, nur quantitative (In welchem
körperliche Aggression, so finden sich beispielsweise im Ausmaß ist jemand aggressiv?),
so findet sich eine höhere Bereich der häuslichen Gewalt sondern auch qualitative
Aggression bei Männern keine Geschlechtsunterschiede Aspekte von Aggression
(so begehen Männer über (Ellis et al. 2008, S. 756; Straus bedeutsam (Auf welche Weise
Kulturen und Epochen hinweg et al. 1988). Betrachtet man ist jemand aggressiv?).
5.3 · Die Bedeutsamkeit von Normen und sozialem Lernen für Aggression
349 5
aufweisen als körperliche Gewalt, indem sie z. B. Form drangsalierenden und schikanierenden
mit Ausgrenzung, Sabotage, verbalen Angriffen Verhaltens ist die sexuelle Belästigung am
(wie Drohungen und Verleumdungen), ständi- Arbeitsplatz (7 Exkurs: Sexuelle Belästigung).
ger Kritik und nonverbal gezeigter Ablehnung
arbeiten. Dies ist häufig beim Mobbing bzw. Für Mobbing und Bullying spielen sowohl per-
Bullying der Fall – systematischen und lang- sonale als auch situative Faktoren eine Rolle:
fristig angelegten Aggressionsformen, die ins- 5 Personale Faktoren der Täter: Die Täter
besondere am Arbeitsplatz (Mobbing) und in weisen eine hohe Stabilität von aggressivem
Schulen (Bullying) bedeutsam sind. Verhalten auf. Jugendliche Mobber haben
im Vergleich zu unauffälligen Jugendlichen
z Mobbing und Bullying eine wesentlich höhere Wahrscheinlich-
Systematische Aggression in Form von Mob- keit als junge Erwachsene, mindestens eine
bing (vom englischen to mob für „anpöbeln“, Vorstrafe zu haben (Olweus 1996). Außer-
„sich auf jemanden stürzen“, „über jemanden dem sind sie häufig charakterisiert durch
herfallen“) bzw. Bullying (vom englischen to ein niedriges Selbstwertgefühl, fehlende
bully für „schikanieren“, „drangsalieren“, „tyran- soziale Kompetenz und das Austragen von
nisieren“) hat zum Teil dramatische Konse- Rivalitäten und Wettbewerb durch Drang-
quenzen für die Opfer. Diese weisen häufig salierung (Zapf und Einarsen, 2011).
ein niedriges Selbstwertgefühl auf, leiden an 5 Personale Faktoren der Opfer. Opfer im
Depressionen, psychosomatischen sowie Angst- schulischen Kontext sind häufig Schüler,
und Leistungsstörungen. Diese ziehen häufig die in ihrer Klasse abgelehnt (Schuster
den Verlust des Arbeitsplatzes und manchmal 1999) und/oder als andersartig empfunden
sogar Selbstmord nach sich (z. B. Bowling und werden (Lease et al. 2003; . Abb. 5.11).
Beehr 2006; Kolodej 2018; Leymann 1993a, b; Auch für Schüler mit Einschränkungen
Niedl 1995; vgl. auch Schuster 1996). wie beispielsweise Lernbehinderungen
Eine Form des Mobbing und Bullying, die (Mishna 2003) oder Stottern (Davis et al.
in den letzten Jahren rasant zugenommen hat, 2002) wird ein erhöhtes Risiko, zum Opfer
ist das Cyber-Mobbing (Mobbing über soziale von Bullying zu werden, angenommen.
Medien im Internet). Jeder fünfte Jugend- Opfer von Bullying sind oft schon vor der
liche wurde schon einmal online gemobbt, Tat ängstlicher, unsicherer, ruhiger und
und nicht einmal die Hälfte davon sprach mit vorsichtiger als ihre Altersgenossen, was
ihren Eltern darüber (Felling 2017). Opfer und potenzielle Täter als Signal deuten, dass
Täter kennen sich auch bei Cyber-Mobbing sie sich nicht wehren werden, wenn sie
häufig. Schulhof- bzw. Arbeitsplatzmobbing angegriffen oder beleidigt werden (Olweus
tritt oft gemeinsam mit Cyber-Mobbing auf, 2003).
beispielsweise, wenn die Taten gefilmt und 5 Situative Faktoren: Im Arbeitskontext för-
dann ins Internet gestellt werden (Kowal- dern eine schlechte Arbeitsorganisation,
ski et al. 2014). Besonders belastend ist bei schlechte Führung durch die Führungs-
Cyber-Mobbing, dass die Taten potenziell kraft (Leymann 1993a, b) sowie die
öffentlich sind und sich Beiträge oft auch nur Wahrnehmung von Ungerechtigkeit
schwer löschen lassen. Dies erleben Opfer (Hershcovis et al. 2007) das Auftreten von
meist als zusätzlich demütigend. Ein weite- Mobbing oder Bullying. Sowohl Opfer als
rer Faktor ist, dass die Taten nach Schul- oder auch Täter erleben häufig Rollenstress in
Arbeitsschluss oft weitergehen und das Opfer Form von unklaren oder widersprüch-
damit rund um die Uhr drangsaliert wird. Ist lichen Anforderungen und Erwartungen
der Täter anonym, kann zudem als belastend (Matthiesen und Einarsen 2007). Im
empfunden werden, ihn nicht zur Rede stel- Schulkontext hat sich ein schlechtes
len zu können (Felling 2017). Eine weitere Klassenmanagement durch den Lehrer
350 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Exkurs
Sexuelle Belästigung
Sexuelle Belästigung rückte Nichtbetroffene, was ihre missglückten Flirtversuch
2017 durch die #MeToo- Karriere beeinträchtigen handelt oder dass die
Kampagne ins Blickfeld einer kann (N. T. Buchanan Frau zu aufreizend war,
breiten, globalen Öffentlichkeit. et al. 2009; Shannon et al. um ihr widerstehen zu
Innerhalb der ersten 24 h nach 2007). Auch können sie können) führen zu deren
dem Ursprungstweet von psychische Störungen wie Bagatellisierung und
Alyssa Milano am 15. Oktober Depression, Essstörungen zur Schuldverschiebung
2017 hatten über fünf Millionen und Alkoholismus entwickeln von Tätern auf Opfer
Nutzer sozialer Medien das (Harned und Fitzgerald 2002). (7 Abschn. 4.4.3).
5 Hashtag verwendet (Respers Einige situative Faktoren 5 Sexuelle Belästigung
France 2017; Santiago und Criss machen es besonders tritt häufiger in einem
2017; Sini 2017). Bereits vier schwierig, sexuelle Arbeitsumfeld auf, in
Jahre zuvor hatte Anne Wizorek Belästigung einzudämmen: welchem Männer in der
für den deutschen Sprachraum 5 Unbeteiligte Mehrzahl sind (Fitzgerald
den Hashtag #aufschrei unterschätzen im et al. 1997). Dies reduziert
etabliert, um eine Diskussion Allgemeinen, wie die Möglichkeit von
über sexuelle Belästigung schwer es ist, sich gegen Betroffenen, Rückhalt bei
anzustoßen (Fetscher et al. Belästigung zu wehren anderen Frauen zu suchen.
2016). Beide Kampagnen (Woodzicka und LaFrance 5 Das Problembewusstsein
sollten das Ausmaß sexueller 2001). Daraus resultiert ist innerhalb von
Belästigung deutlich machen. die Idee, das Opfer habe Organisationen und
Laut Umfragen haben 58,2 % es doch eigentlich leicht Unternehmen noch
aller Frauen in Deutschland vermeiden können, sehr unterschiedlich
schon einmal sexuelle belästigt zu werden. ausgeprägt, und oft
Belästigung erlebt, 22 % im 5 Sexuelle Belästiger werden Täter geschützt
Kontext von Arbeit, Schule oder nutzen häufig ein und Opfer beschuldigt
Ausbildung (Müller 2004, S. 7). Hierarchiegefälle oder die oder unglaubwürdig
Bei Männern liegt der Anteil bei prekäre Beschäftigungs- gemacht. Eine
10 % (Schär Moser und Strub situation einer Organisationskultur,
2010; vgl. auch Krahé et al. Untergebenen aus, was in der Opfer ernst
2014). In der Folge erleben die Gegenwehr besonders genommen und geschützt
Betroffene durchschnittlich riskant macht (Diehl et al. sowie Täter wirksam
mehr Unsicherheit, Stress, 2014; . Abb. 5.10). sanktioniert werden, ist
Angst, psychosomatische 5 Mythen über sexuelle damit eine wirksame
Beschwerden und Belästigung (z. B., dass es Gegenmaßnahme
Konzentrationsprobleme als sich häufig nur um einen (Fitzgerald et al. 1997).
(Roland und Galloway 2002) als bedeut- evaluierten Programms wie des von Olweus
sam für das Auftreten von Mobbing oder (2003) entwickelten Präventionsprogramms
Bullying gezeigt. oder auch eines der in 7 Abschn. 5.3.3
genannten schulbasierten Programme.
Um sich einen Überblick zu verschaffen, ob Kurzum: Ob Aggression ein wirksames
und in welchem Ausmaß eine Schule oder Verhalten ist, wird gelernt, indem der Aggres-
ein Arbeitsplatz von Mobbing oder Bullying sor auf sein aggressives Verhalten hin ent-
betroffen sind, haben sich anonyme Frage- sprechende Belohnung bzw. Bestrafung erfährt.
bögen als wirkungsvoll erwiesen (Smith und Daneben gibt es, wie nachfolgend ausgeführt
Thompson 1991). Um ein Mobbing-Prob- wird, im Rahmen der Sozialisation weitere Ein-
lem zu lösen, empfiehlt sich der Einsatz eines flussfaktoren auf aggressives Verhalten.
5.3 · Die Bedeutsamkeit von Normen und sozialem Lernen für Aggression
351 5
. Abb. 5.10 Täter nutzen häufig ein Hierarchiegefälle aus (wie das zwischen Chef und Sekretärin), da
Betroffene unangenehme Konsequenzen befürchten müssen (z. B. schlechtes Klima, feindselige Bemerkungen,
Mehrarbeit, schlechtere Aufstiegschancen, schlechtere Arbeitszeugnisse oder gar Rauswurf), wenn sie sich in so
einer Lage zur Wehr setzen. (© Racle Fotodesign/stock.adobe.com)
. Abb. 5.11 Besonders gute oder besonders schlechte Leistungen zu zeigen, sich für die falsche Musik zu interes-
sieren, die falschen Kleider zu tragen, besonders religiös zu sein oder im Gegenteil nicht an Gott zu glauben –
es gehört nicht viel dazu, in der Klasse als Außenseiter abgestempelt und Opfer von Schikanen zu werden. Die
psychischen Auswirkungen sind häufig gravierend. (© pressmaster/stock.adobe.com)
352 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Beispielstudie 5.5
Beispielstudie 5.6
. Abb. 5.12 Zusammenfassend wird dargestellt, wie sich Sozialisationserfahrungen auf aggressives Verhalten
auswirken können. In einem potenziell aggressiven Kontext sind Annahmen (schraffierter Kasten) hinsichtlich
Angemessenheit, Wirksamkeit und Konsequenzen aggressiven Verhaltens bedeutsam; sind aggressive (fried-
fertige) Normen salient und werden Erfolg (Misserfolg) bzw. Belohnung (Bestrafung) von Aggression antizipiert,
wird aggressives Verhalten wahrscheinlicher (+) (unwahrscheinlicher; –). Die entscheidenden Annahmen
bzw. Erwartungen werden durch die Konsequenzen, die auf aggressives Verhalten folgen, sowie durch die
Beobachtung von Modellen beeinflusst. Handeln Modelle aggressiv, so legt dies nahe, dass aggressives Ver-
halten angemessen und wirksam ist sowie dass es belohnt wird
. Abb. 5.13 Eltern belohnen, bestrafen und sind vor allem Vorbilder für den Umgang mit Konflikten. Daher
führt die Bestrafung aggressiven Verhaltens vielleicht unmittelbar zu weniger, im weiteren Verlauf aber häufig
zu mehr aggressivem Verhalten. (© scusi/stock.adobe.com)
die nicht in einer Gang sind. Des Weiteren sind aktiviert und ausgelebt werden, sondern bie-
Mitglieder in einer Gang überproportional tet zugleich eine gute Möglichkeit zur frühen
häufig an schweren Straftaten (z. B. Schieße- Prävention aggressiver Verhaltenstendenzen.
reien) beteiligt (Thornberry et al. 2003). Dabei Wohlweislich wurde daher eine Vielzahl an
sind Gangmitglieder, bevor sie in die Gang schulbasierten Programmen entwickelt, deren
eintreten, im Vergleich zu Nichtmitgliedern Ziel es ist, die Anwendung aggressiver Mit-
keineswegs häufiger delinquent oder drogen- tel bei allen Kindern (Primärprävention) oder
abhängig. Sobald sie jedoch Mitglied geworden speziell bei gefährdeten bzw. auffälligen Kin-
sind, steigt ihre Delinquenzrate; verlassen sie dern und Jugendlichen (Sekundärprävention)
die Gang wieder, so sinken typischerweise die zu reduzieren. Diese Programme setzen vor
Raten wieder (Thornberry et al. 1993). allem auf die Einübung sozialer und emotiona-
ler Fertigkeiten wie der gewaltfreien Konflikt-
5.3.3.3 Schule lösung, Empathie, Perspektivenübernahme und
Einen großen Teil ihrer Zeit verbringen Kin- das Erkennen, Verbalisieren und Regulieren
der/Jugendliche in der Schule, entsprechend eigener Emotionen. Zahlreiche Studien und
groß ist der Einfluss der Altersgenossen dort. Metaanalysen belegen den Erfolg dieser Pro-
Aggressivität, Ausgrenzung und Mobbing gramme (Durlak et al. 2011; Grossman et al.
in der Schule werden als ernsthaftes Prob- 1997; Mytton et al. 2002, 2009; Şahin 2012;
lem gesehen. Die Schule stellt jedoch nicht Smith und Ananiadou 2003; Vreeman und
nur einen Ort dar, an welchem Aggressionen Carroll 2007).
356 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Die eigene Kultur stellt eine bedeutsame Sozialisationsquelle für aggressives Verhalten dar
In einer Studie von Cohen anders: Sie sahen durch den in den Kognitionen,
et al. (1996) wurden aus Vorfall ihre männliche Ehre Emotionen, Verhalten und
dem Norden oder dem bedroht, waren aufgebracht physiologischen Reaktionen
Süden der USA stammende (sichtbar im Cortisolanstieg), von Personen manifestieren.
amerikanische Teilnehmer zeigten aggressionstypische Im vorliegenden Fall wird im
von einem Verbündeten des physiologische Veränderungen Speziellen ein Kränkungs-
Versuchsleiters angerempelt (Anstieg des Testosterons), Aggressions-Kreislauf deutlich,
und als „Arschloch“ bezeichnet. waren kognitiv auf Aggression in welchem typischerweise
Während die aus dem Norden ausgerichtet und zeigten eher nach Kränkungen der eigenen
stammenden Teilnehmer aggressives und dominantes Ehre diese über aggressives
dies eher unberührt ließ, Verhalten. oder gewalttätiges Verhalten
reagierten die aus dem Süden Diese Studie zeigt, wie wiederherzustellen versucht
kommenden Teilnehmer sich kulturelle Normen wird.
. Abb. 5.14 Der „Stinkefinger“ ist ein Beispiel für eine in unserem Kulturkreis beleidigende Geste, welche
im übertragenen Sinne die Verachtung und damit die Verletzung der Ehre des anderen demonstriert. Auch
strafrechtlich wird das Zeigen des Stinkefingers in Deutschland als Beleidigung angesehen. Wer beispielsweise
einem Polizisten einen Stinkefinger zeigt, muss mit einer Anklage rechnen. Im Gegensatz zu unserer Würde-
kultur werden in den sog. Ehrkulturen Männer daran gemessen, wie sie auf beleidigende Worte und Gesten
reagieren. Eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Herausforderer – oder zumindest deren Androhung –
zeigt, dass „Mann“ kein „Weichei“ ist und Ehre hat. (© DDRockstar/stock.adobe.com)
d. h., sie als weniger menschlich wahrzu- und Bruneau 2017a, b). Auch Frauen wurden
nehmen und damit weniger Empathie für sie in europäischen Kulturen lange Zeit nicht die
aufzubringen (Bandura et al. 1975; Bruneau gleichen Rechte zuerkannt wie Männern. Dies
et al. 2018; Bruneau und Kteily 2017; Castano ist beispielsweise daran abzulesen, dass das
und Giner-Sorolla 2006; Goff et al. 2008; Frauenwahlrecht in Deutschland und Öster-
Haslam und Loughnan 2014; Haslam 2006; reich erst vor 100 Jahren (1918) und in der
Kelman 1973; Kteily et al. 2015, 2016; Kteily Schweiz erst 1971 eingeführt wurde und dass
358 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 in andere sich uns gegenüber aggressiv verhalten
Deutschland gesetzlich verboten ist. Auch könnten. Und wir haben damit gar nicht
bei dieser Ungleichbehandlung zwischen den Unrecht, denn bestimmte situative Gegeben-
Geschlechtern spielt Dehumanisierung oder heiten fördern aggressives Verhalten.
Objektivierung von Frauen eine Rolle (Heflick Zu den wichtigen situativen Einflüssen auf
und Goldenberg 2014; Rudman und Mescher die Aggressionsbereitschaft zählen das Ausmaß
2012; Vaes et al. 2011). Nicht zuletzt spielt an Anonymität bzw. Deindividuierung (im
die Wahrnehmung essenzieller Ähnlichkeiten Dunkeln höher; 7 Abschn. 5.4.1) sowie spezi-
oder Unterschiede zwischen Mensch und Tier fische Hinweisreize (7 Abschn. 5.4.2). Des Wei-
ebenfalls eine Rolle beim Verzehr von Fleisch: teren wird Aggression wahrscheinlicher, wenn
Je mehr Ähnlichkeiten wir zwischen Tieren die Situation eine oberflächliche Informations-
5 und Menschen wahrnehmen, umso weni- verarbeitung fördert oder nur eingeschränkte
ger bereit sind wir, Leiden und Tötung dieser Selbstkontrolle gegeben ist (7 Abschn. 5.4.3)
Tiere für unsere Ernährung in Kauf zu neh- und wenn physiologische Erregung fehlinter-
men (Bratanova et al. 2011; Kunst und Hohle pretiert wird (7 Abschn. 5.4.4).
2016; Loughnan et al. 2014; Piazza et al. 2015;
Rothgerber 2014; Zickfeld et al. 2018).
5.4.1 Deindividuierung
5.3.4 Zusammenfassung Kennen Sie den Ku-Klux-Klan? Dabei handelt
es sich um einen rassistischen Geheimbund in
Unsere Sozialisationserfahrungen haben einen den Südstaaten der USA, dessen Mitglieder auf
entscheidenden Einfluss darauf, inwieweit Bildern häufig in den typischen weißen Roben
aggressives Verhalten gezeigt und aufrecht- mit spitz zulaufenden Kapuzen und zudem
erhalten wird. Dieser Einfluss erfolgt ins- häufig mit Gesichtsmasken zu sehen sind
besondere über die Konsequenzen, die auf (Allport 1924). Diese „Uniformen“ – und ins-
aggressives Verhalten hin erlebt werden, sowie besondere auch die Masken – haben nicht nur
durch Modelllernen. Verschiedene Quel- Symbolfunktion, sondern verbergen gleich-
len der Sozialisation haben sich in Bezug zeitig individuelle Merkmale der dahinter ver-
auf aggressives Verhalten als einflussreich borgenen Menschen oder, anders ausgedrückt,
erwiesen, insbesondere das Verhalten von erhöhen die Anonymität. Auch die Ver-
Eltern und Altersgenossen sowie der Kultur- mummung bei Demonstrationen hat einen sol-
kreis, in dem man aufwächst. Diese Befunde chen Effekt. Sowohl der Ku-Klux-Klan als auch
weisen darauf hin, dass Aggression auch vermummte Demonstranten werden immer
durch soziale Faktoren beeinflussbar ist. wieder mit erhöhter Aggression in Zusammen-
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, dass hang gebracht. Die Aggression wird durch eine
das Auftreten aggressiven Verhaltens dar- Reduktion der personalen Identität (weil man
über hinaus auch durch situative Faktoren den Einzelnen nicht mehr als Person identi-
determiniert wird. fizieren kann) und der Selbstaufmerksam-
keit (Self-Awareness) hervorgerufen (Mullen
et al. 2003). Nicht nur im Falle von Anonymi-
5.4 Situative Einflüsse auf tät durch Masken oder Uniformen, sondern
aggressives Verhalten im Speziellen auch im Dunkeln und in großen
Gruppen besteht eine erhöhte Gewaltbereit-
Haben auch Sie mehr Angst im Dunkeln als schaft (Mann 1981; Mann et al. 1982). So sind
im Hellen, mehr Scheu vor alkoholisierten Personen, wenn die Gruppe groß ist – wie die
als vor nüchternen Personen? In bestimmten Geschichte zeigt –, eher bereit, beispielsweise
Situationen rechnen wir eher damit, dass jemanden grausam zu lynchen (Mullen 1986).
5.4 · Situative Einflüsse auf aggressives Verhalten
359 5
Der beim Untertauchen in Gruppen 2. Deindividuierung verstärkt den Einfluss
oder im Dunkeln erzielte Effekt ist die sog. von Gruppennormen und vermindert
Deindividuierung (Zimbardo 1969, 1976). gleichzeitig den Einfluss anderer (z. B.
Deindividuierungseffekte bestehen darin, dass gesellschaftlicher) Normen (Postmes und
sich das Verhalten von Menschen an die Nor- Spears 1998). Die Normen der Gruppe, in
men einer Gruppe anpasst, wenn in der Situa- der man sich gerade befindet, sind dann
tion ihre Gruppenmerkmale im Vordergrund ausschlaggebender als gesellschaftliche
stehen, also salient sind (Lea und Spears 1991; Normen. Ob daraus aggressives Verhalten
Postmes und Spears 1998; Reicher et al. 1995; resultiert, hängt entscheidend vom Inhalt
Spears und Lea 1994). Dadurch sind individu- der Gruppennormen ab: Unterstützen diese
elle und allgemeine Standards nicht mehr hand- Gewalt, wird aggressives Verhalten durch
lungsleitend (sondern vielmehr situationale und Deindividuierung wahrscheinlicher; schrei-
gruppenspezifische Standards), und Personen ben sie dagegen friedliches Verhalten vor,
tun Dinge, die sie einzeln nicht tun würden kann Deindividuierung auch prosoziales
(7 Abschn. 3.1.4; Festinger et al. 1952; Vilanova Verhalten fördern (Gergen et al. 1973;
et al. 2017). Aber auch gesellschaftliche bzw. in Johnson und Downing 1979; . Abb. 5.15).
einer Gruppe übernommene Rollen können
zu Deindividuierung führen. Deindividuie- Während Situationen, die Deindividuierung
rung spielt insbesondere auch bei Massenver- fördern, aggressives Verhalten wahrscheinlicher
anstaltungen, wie z. B. großen Demonstrationen machen können, wird durch das Gegenteil von
oder beim Aufeinandertreffen von Fußballfans, Deindividuierung, d. h., wenn die Aufmerk-
eine Rolle und kann dort gewalttätige Aus- samkeit verstärkt auf die eigene Person gerichtet
schreitungen fördern (Stott et al. 2001). ist, aggressives Verhalten eher gehemmt. Diese
selbstfokussierte Aufmerksamkeit (Carver und
Deindividuierung (Deindividuation) Scheier 1981; Duval und Lalwani 1999; Duval
Macht eine Situation die soziale und Wicklund 1972) führt dazu, dass persön-
Identität einer Person auf Kosten der liche Standards in den Vordergrund treten, und
personalen Identität salient, so spricht bewirkt so eine stärkere Ausrichtung an inter-
man von Deindividuierung. Diese kann nalisierten Normen und persönlichen Moral-
zu einem Verlust normaler Verhaltens- standards (Bailey et al. 1983; Mullen et al. 2003;
beschränkungen führen und dadurch 7 Sozialpsychologie I, Abschn. 6.1.1).
einen Anstieg aggressiven Verhaltens Indem sie Deindividuierung fördern,
in Übereinstimmung mit aktuellen können bestimmte offensichtliche situative
Gruppennormen bewirken. Gegebenheiten (z. B. die Anonymität des
Internets, Dunkelheit, die Anwesenheit einer
Menschenmasse oder das Tragen einer Maske)
Zwei Prozesse liegen diesem Phänomen Aggression und gewalttätige Ausschreitungen
zugrunde: fördern (Harman et al. 2005; Zimbardo 1969;
1. Deindividuierung bewirkt, dass sich 7 Abschn. 2.1). Insbesondere wenn wir relativ
Personen für ihre Handlungen persönlich wenig über uns preisgeben und wenig über
weniger verantwortlich fühlen (Diener et al. die anderen wissen, wie etwa beim Chatten
1980; Zimbardo 1969), denn die Wahr- im Internet, können Deindividuierungseffekte
scheinlichkeit, in einer solch anonymisier- entstehen und bei entsprechenden Gruppen-
ten Situation zur Verantwortung gezogen normen zu aggressivem Verhalten führen (Lee
zu werden, ist eher gering, z. B. weil man 2007; Suler 2004; 7 Kap. 3). Allerdings kann
im Dunkeln von niemandem gesehen wird aggressives Verhalten auch durch weitaus sub-
oder man in der Masse untergeht (Ver- tilere situative Faktoren erleichtert werden, die
antwortungsdiffusion; 7 Abschn. 6.1.3). im nächsten Abschnitt beschrieben werden.
360 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
. Abb. 5.15 Situative Gegebenheiten können individuelle Merkmale in den Hintergrund treten lassen bzw. die
Anonymität erhöhen. Dies führt zu Deindividuierung, wodurch das Gefühl persönlicher Verantwortung sinkt und
der Einfluss gruppenspezifischer Normen steigt. Dadurch kann – bei Vorherrschen aggressiver Normen – aggres-
sives Verhalten gefördert werden (rechts unten). Sind die gruppenspezifischen Normen dagegen friedfertiger
Natur, kann Deindividuierung auch genau das Gegenteil bewirken und beispielsweise prosoziales Verhalten
fördern (links unten)
Beispielstudie 5.8
Beispielstudie 5.9
Ein Foto des amerikanischen Präsidenten kann als Hinweisreiz für Aggression dienen
In Studien von Konrath nachdem ihnen zuvor Donald mehr aggressive
et al. (2004) wurden den Präsident Bush präsentiert Eigenschaften zu nach
Teilnehmern entweder Fotos worden war. Somit waren Darbietung (Priming) von
von Präsident Bush (als ihnen nach dem Bush-Priming Fotos des Präsidenten Bush als
Priming für Aggression) oder aggressionsbezogene nach einem anderen Priming
neutrale Reize (hier: Foto von Kategorien verfügbarer als (hier: Clinton).
einem Stuhl) dargeboten. hilfebezogene. Dieser Befund Diese Studien zeigen,
Anschließend sollten sie in trat unabhängig von der dass – selbst in Bezug auf
einer Reaktionszeitaufgabe politischen Zugehörigkeit der Aggression sehr subtile bzw.
5 Wörter kategorisieren, und es Teilnehmer auf. indirekte – Hinweisreize wie
zeigte sich, dass Teilnehmer In einer weiteren Aufgabe Fotos bestimmter Personen
schneller auf aggressive Wörter sollte eine mehrdeutig aggressionsbezogene
und langsamer auf Wörter, beschriebene Person namens Konzepte aktivieren und
die mit Hilfeverhalten in Donald eingeschätzt werden. unsere Wahrnehmungen
Verbindung stehen, reagierten, Die Teilnehmer schrieben beeinflussen können.
Zwei Prozesse vermitteln die Wirkung von wahrscheinlicher. Auf Grundlage aktuel-
Hinweisreizen (zusammenfassend . Abb. 5.16): ler Literatur zum Waffeneffekt lässt sich
1. Schemaaktivierung: Umgebungsreize schlussfolgern, dass Waffen im seman-
aktivieren mit diesen Reizen assoziierte tischen Gedächtnis der meisten unter-
Verhaltensschemata und machen das suchten Personen klar mit Aggression
entsprechende Verhalten verfügbarer verknüpft sind (Benjamin und Bushman
(Anderson et al. 1998). Entsprechend 2016). Dieser Effekt konnte auch für auf
aktivieren Hinweisreize, die mit Aggres- Facebook-Seiten eingeblendete Werbung
sion assoziiert sind, das Schema für mit aggressiven Hinweisreizen gezeigt
aggressives Verhalten und machen dieses werden (T. Buchanan 2015). Nach dem
. Abb. 5.16 Negative Gefühle, beispielsweise ausgelöst durch Provokation, Frustration oder aversive situative
Bedingungen, erhöhen die Aggressionsbereitschaft (7 Abschn. 5.2, . Abb. 5.3). Hinweisreize für Aggressivität
(z. B. Waffen) können dies über die Aktivierung aggressiver Normen und Schemata noch verstärken
5.4 · Situative Einflüsse auf aggressives Verhalten
363 5
General Aggression Model beeinflusst anzunehmen, sondern auch Gewalt in den
diese Aktivierung Appraisal- und Ent- Medien kann wie ein Priming wirken und
scheidungsprozesse, was letztlich zu aggressive Konstrukte – situativ oder chro-
verstärkt aggressivem Verhalten führen nisch – verfügbarer machen (Bushman 1998;
kann. Wie genau Entscheidungen durch 7 Abschn. 5.5). Außerdem kann der Anblick
den Anblick von Waffen beeinflusst von Waffen, selbst wenn er keine zusätzliche
werden, ist Gegenstand des Modells des Information liefert, Menschen dazu brin-
Waffeneffekts als Folge operanten Kondi- gen, eine härtere Strafe für ein Verbrechen zu
tionierens. Demnach hängt das aggressive fordern. Personen in einem nachgestellten
Verhalten nach Aktivierung aggressiver Geschworenengericht attribuierten mehr
Konzepte von den erwarteten Konse- Schuld und forderten höhere Strafen, wenn sie
quenzen ab: Kommt ein bewaffneter Ein- die Tatwaffe in den Händen hielten, als wenn
brecher auf uns zu, werden die meisten sie nur über sie lasen (Dienstbier et al. 1998).
eher zurückweichen, da sie befürchten, Sahen sie Abbildungen von Tatwaffen, so fielen
bei Gegenwehr erschossen zu werden Schuld- und Strafzuschreibung bei typischen
(Schmidt 1974). Demnach würde der Angriffswaffen höher aus als bei Jagdwaffen,
Anblick einer Waffe nur dann aggressives besonders für Täterinnen (Meyer et al. 2009).
Verhalten fördern, wenn wir uns davon Letzterer Befund lässt sich damit erklären, dass
Erfolg versprechen. dies dem weiblichen Stereotyp widerspricht.
2. Normaktivierung: Hinweisreize für Wie wir gesehen haben, kann unsere
Aggression können darüber hinaus sig- Umgebung Hinweisreize beinhalten, die über
nalisieren, dass aggressives Verhalten in eine automatische Assoziation Aggressivi-
dieser Situation angemessen sei (Kallgren tät verfügbarer und damit das dazugehörige
et al. 2000). Diese Normaktivierung kann, Verhalten wahrscheinlicher machen. Des
muss aber nicht vorhanden sein, um den Weiteren können situative Faktoren, die ober-
Effekt auszulösen. flächliches Denken und eine eingeschränkte
Selbstkontrolle fördern, aggressives Verhalten
Bereits nicht bewusst wahrnehmbares, unter- wahrscheinlicher machen.
schwelliges Priming aggressionsbezogener
Konstrukte kann bewirken, dass Personen
mehrdeutiges Verhalten als aggressiver wahr- 5.4.3 Oberflächliches Denken
nehmen und dazu tendieren, selbst aggres- und eingeschränkte
siver zu handeln (Todorov und Bargh 2002). Selbstkontrolle
Dies wurde sowohl für subliminal eingeblitzte
Begriffe (Bargh und Pietromonaco 1982) als Wann würden Sie – beispielsweise auf eine
auch für Worträtsel gezeigt (Bargh et al. 1996; beleidigende Äußerung hin – eher eine
Carver et al. 1983): Personen, die Wörter aggressive Reaktion befürchten: Wenn der
zu Sätzen geordnet hatten (Priming), gaben Beleidigte sorgfältig über die Situation und
in einer nachfolgenden „Lernstudie“ stär- verschiedene Möglichkeiten, auf die Provo-
kere Elektroschocks aus bzw. waren ruppiger kation zu reagieren, nachdenkt, oder wenn
gegenüber dem Versuchsleiter, wenn in dem er gerade dazu neigt, Informationen nur
Worträtsel aggressive Wörter enthalten waren, sehr oberflächlich zu verarbeiten? Wenn er
als wenn dies nicht der Fall war. nüchtern oder wenn er alkoholisiert ist? Ver-
Ist man anhaltend Gewalt ausgesetzt, kön- mutlich hätten Sie bei einer sorgfältig nach-
nen aggressive Konstrukte zudem chronisch denkenden und nüchternen Person eher die
verfügbar werden und Wahrnehmung und Hoffnung, dass der Konflikt friedlich, d. h.
Verhalten entsprechend beeinflussen. Dies ist ohne aggressive Äußerungen oder Hand-
nicht nur bei Konfrontation mit realer Gewalt lungen, ausgeht.
364 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Und genau dies zeigt auch die Forschung: versehentlichen – Stoß oder Schlag als
Wer über eine provokante Situation sorgfältig Aggression zu werten und entsprechend eher
nachdenken und sich konstruktive Reaktions- mit Gegenaggression zu reagieren (Dodge
möglichkeiten überlegen kann, reagiert weni- und Somberg 1987).
ger wahrscheinlich mit Aggression (Fraser
et al. 2005; Olweus 1979; Palmer 2005). z Alkoholkonsum
Inwieweit wir oberflächlich oder sorgfältig ver- Alkoholgenuss und Gewalt treten häufig
arbeiten (7 Sozialpsychologie I, Abschn. 2.1), zusammen auf (Metaanalyse von Bushman und
ist sowohl individuell unterschiedlich Cooper 1990; Ito et al. 1996; Illustration: Alko-
(7 Exkurs: Individuelle Unterschiede in der Nei- hol und Aggression). Unter starkem Alkohol-
gung und Fähigkeit, sorgfältig zu verarbeiten) als einfluss neigen Personen eher dazu, auf
5 auch durch situative Faktoren beeinflusst. Bei- Provokationen mit Gewalt zu reagieren, als
spielsweise verarbeiten wir bei starker emo- Personen, die wenig oder nichts getrunken
tionaler Erregung oder unter Alkoholeinfluss haben (Bushman 1993; Lipsey et al. 1997; Tay-
vermehrt oberflächlich und weisen zudem eine lor und Chermack 1993). Der Zusammenhang
verringerte Selbstkontrolle auf (Giancola 2000). ist jedoch indirekt und basiert darauf, dass
unter Alkoholeinfluss die Verarbeitungsfähig-
keit abnimmt (Josephs und Steele 1990; Steele
Exkurs und Josephs 1990; Taylor und Sears 1988), d. h.,
Alkohol als solches macht nicht automatisch
Individuelle Unterschiede in der Neigung
aggressiv. Insbesondere in Kombination mit
und Fähigkeit, sorgfältig zu verarbeiten
Frustration (Ito et al. 1996) oder Bedrohung
Unterschiede in der Aggressionsneigung zeigen
sich bereits bei Kindern in Abhängigkeit ihrer
macht Alkohol aggressives Verhalten wahr-
Intelligenz (Huesmann et al. 1987) sowie ihrer scheinlicher (Taylor et al. 1976). Unter Alkohol
chronischen Informationsverarbeitung (Dodge ist man nicht nur weniger in der Lage, alter-
und Crick 1990; Dodge et al. 2003; Harvey native Reaktionsmöglichkeiten zu bedenken,
et al. 2001; Nasby et al. 1980; Pakaslahti 2000): sondern auch die Fähigkeit, Konsequenzen des
Kinder, die in komplexen Situationen an ihre
sozialen und kognitiven Fähigkeitsgrenzen
eigenen Handelns zu bedenken (7 Abschn. 4.2.2
geraten, reagieren besonders aggressiv und 6.1.5), sowie Selbstaufmerksamkeit und
(Dodge et al. 1986; Vansteelandt 1999; Wright Selbstregulation sind reduziert (Giancola 2000;
und Mischel 1987). Dementsprechend ist Hull und Bond 1986; Steele und Southwick
ein wichtiger Baustein zur Prävention von 1985). Damit vermindert Alkohol den Ein-
Aggression das Training sozialer Fertigkeiten in
Kindergarten und Schule (Ang 2003; Bierman
fluss jener Faktoren, die normalerweise von
und Greenberg 1996; Choi und Kim 2003; Aggression abhalten (Graham 2004): Potenzielle
Dandeneau und Baldwin 2009; Fung und Tsang Kosten und Gefahren aggressiven Verhaltens,
2007; Rotheram-Borus et al. 2001). aggressionshemmende soziale Normen und
weitere Faktoren wie beispielsweise Schmerzens-
schreie des Opfers sind unter Alkoholeinfluss
für das Verhalten weniger von Bedeutung als
z Emotionale Erregung im nüchternen Zustand (Schmutte und Taylor
Starke Emotionen stehen einer sorgfältigen 1980; Steele und Southwick 1985).
Verarbeitung oft entgegen (Knight et al. Neben der aggressionsförderlichen phar-
2002). Der in 7 Abschn. 5.4.2 genannte makologischen Wirkung von Alkohol, ist
Waffeneffekt ist beispielsweise verstärkt, Alkohol auch auf kognitiver Ebene mit
wenn Personen bereits erregt und ver- Aggression verknüpft. So ist beispielsweise
ärgert sind oder Schmerzen haben (Berko- bereits ein Priming (z. B. die Darbietung
witz 1993a, b). Ebenso neigen Jungen dazu, alkoholbezogener Werbung) ausreichend, um
wenn sie sehr ängstlich sind, jeden – auch aggressionsbezogene Konzepte und aggressives
5.4 · Situative Einflüsse auf aggressives Verhalten
365 5
Handeln zu aktivieren und verfügbarer zu machen. Erregung – im Speziellen physio-
machen (Bartholow und Heinz 2006; Peder- logische Erregung – kann jedoch auch über
sen et al. 2014; Subra et al. 2010), und das einen anderen Weg die Aggressionsbereit-
sogar schon bei Jugendlichen (Brown et al. schaft erhöhen, was Gegenstand des nächsten
2010). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Abschnitts ist.
Person erwartet, dass Alkohol zu Aggression
führt, und es ist die angenommene, nicht die
tatsächlich konsumierte Menge Alkohol ent- 5.4.4 Fehlattribution
scheidend, um aggressives Verhalten vorherzu- (Misattribution) von Erregung
sagen (Bègue et al. 2009; Friedman et al. 2007).
Entsprechend zeigte sich, dass die Erwartung, Stellen Sie sich vor, Sie waren beim Jog-
dass Alkohol Aggression fördert, sowohl häus- gen und machen sich mit dem Auto auf den
liche Gewalt als auch sexuelle Gewalt durch Heimweg. Gleich nachdem Sie losgefahren
männliche Studenten unter Alkoholeinfluss sind, nimmt Ihnen jemand die Vorfahrt. Ent-
wahrscheinlicher machte (Kachadourian et al. gegen Ihrer sonstigen Reaktion auf eine sol-
2012, 2014; Tuliao und McChargue 2014). che Situation, hupen Sie nicht nur, sondern
beschimpfen den anderen zudem als „Blöd-
Illustration: Alkohol und Aggression mann“. Was denken Sie: Könnte es einen
Irland Zusammenhang zwischen dem Joggen und
5 46 % der Mord- und Totschlagdelikte Ihrer ungewöhnlich heftigen Reaktion geben?
wurden unter Alkoholeinfluss verübt. Die Forschung würde eine solche Ver-
5 Für Männer gilt: Ein Anstieg des mutung nahelegen, denn es hat sich gezeigt,
durchschnittlichen jährlichen dass physiologische Erregung (wie sie z. B. durch
Alkoholkonsums um einen Liter ist körperliche Aktivität entsteht und erst nach und
verbunden mit einem 21 % Anstieg in der nach wieder abgebaut wird) unter bestimmten
Tötungsrate. Umständen die Aggressionsbereitschaft erhöhen
5 In 34 % der Fälle von häuslicher Gewalt kann. Dieser bereits in anderem Zusammen-
wurde Alkohol als möglicher Auslöser der hang kennengelernte Erregungstransfer
Gewalt identifiziert. (7 Kap. 1, 7 Sozialpsychologie I, Abschn. 6.2.2)
5 16 % der Männer zwischen 18 und spielt vermutlich auch für gewalttätiges Ver-
29 Jahren berichten, in den vergangenen halten unter Fußballfans eine Rolle, bei denen
zwölf Monaten wegen Alkohol in eine die physiologische Erregung nicht durch körper-
körperliche Auseinandersetzung geraten liche Aktivität, sondern durch die Aufregung
zu sein. (Hope 2008) beim Spiel entsteht (vgl. auch Kerr 1994).
Deutschland Erregungstransfer
5 Drei von zehn Gewaltdelikten wurden Erregung aus einer vorausgegangenen
2016 von Tatverdächtigen unter Aktivität kann auf eine neue Erregungs-
Alkoholeinfluss begangen. Der gleiche situation übertragen werden. Dabei
Anteil findet sich auch für Totschlag wird die Erregung fälschlicherweise
(Bundeskriminalamt 2017). für eine Folge der neuen Erregungs-
situation gehalten, also fehlattribuiert.
Fassen wir zusammen: Starke emotio- Eine solche fehlattribuierte Erregung kann
nale Erregung und Alkohol können sich die Aggressionsbereitschaft erhöhen,
negativ auf Verarbeitungsfähigkeit und wenn sie beispielsweise als Ärger oder
Selbstkontrolle auswirken und auf diesem Frustration interpretiert wird.
Wege aggressives Verhalten wahrscheinlicher
366 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
Beispielstudie 5.10
Unter welchen Umständen kommt es dazu, In verschiedenen Studien hat sich gezeigt,
dass physiologische Erregung, die zunächst dass physiologische Erregung einen solchen
unspezifisch ist und nichts mit Aggression zu Effekt haben kann (Bornewasser und Mum-
tun hat, dennoch die Aggressionsbereitschaft mendey 1981; Ferguson et al. 1982; Zillmann
erhöhen kann? Dies ist dann der Fall, wenn 1971; 7 Beispielstudie 5.10).
physiologische Erregung – wodurch auch Eine Aggressionssteigerung durch
immer hervorgerufen – derart interpretiert unspezifische Erregung ist immer dann zu
wird, dass ein aggressiver Verhaltensausdruck erwarten, wenn die Person die wirkliche Ursa-
als Reaktion geeignet erscheint (Zillmann 1971; che ihrer Erregung nicht kennt oder sie ihr
Zillmann et al. 1974). In unserem Eingangsbei- zumindest nicht bewusst ist. Nur dann ist eine
spiel würde das bedeuten, dass die – tatsäch- Fehlattribution der Erregung als Ärger wahr-
lich vom Joggen herrührende – physiologische scheinlich (Bornewasser und Mummendey
Erregung als Ärger darüber, dass einem die 1982; 7 Beispielstudie 5.11).
Vorfahrt genommen wurde, (fehl)interpretiert Physiologische Erregung kann also aggres-
wird, was in der Folge aggressives Verhalten sives Verhalten verstärken, wenn der Ursprung
und damit eine ungewöhnlich heftige Reaktion der Erregung nicht bewusst ist und die
wahrscheinlicher macht. Erregung somit als anderweitig, beispielsweise
5.4 · Situative Einflüsse auf aggressives Verhalten
367 5
Beispielstudie 5.11
Der zeitliche Abstand zur erlebten Erregung ist für die Fehlattribution und das daraus
resultierende Aggressionsverhalten entscheidend
Die Teilnehmer am Die Ergebnisse zeigten, dass Lernenden und nicht mehr auf
Lernexperiment von Zillmann der zeitliche Abstand zu der die körperliche Anstrengung.
et al. (1974) wurden im durch das Fahren auf dem Stärkere Stromschläge wurden
ersten Teil der Studie wie Hometrainer erzeugten gegeben, wenn die Teilnehmer
in 7 Beispielstudie 5.10 Erregung für die Aggressivität noch mittel und stark erregt
verärgert. Anschließend der Teilnehmer entscheidend waren. Teilnehmer, die
sollten sie einmal auf einem war. War keine Pause zwischen weniger erregt waren, gaben
Stuhl sitzend und einmal auf Radfahren und Bestrafungs- schwächere Stromschläge
einem Hometrainer fahrend situation (d. h., die Teilnehmer (zusammenfassend
Bilder betrachten. Variiert hatten die Bilder erst sitzend . Abb. 5.17).
wurde, ob die Teilnehmer und dann fahrend betrachtet), Diese Studie zeigt, dass
die Bildbetrachtungsaufgabe attribuierten die Teilnehmer eine Fehlattribution der
zuerst sitzend und dann ihr Erregungslevel auf den Erregung nur dann erfolgt,
fahrend oder zuerst Hometrainer und zeigten keine wenn die eigentliche
fahrend und dann sitzend bedeutsamen Unterschiede Ursache, beispielsweise
durchführten. Unmittelbar in der ausgeteilten durch einen zeitlichen
danach erfolgte der letzte Teil Schockintensität. War hingegen Abstand, nicht bewusst
der Studie, in der wiederum eine Pause gegeben (d. h., die und die Situation somit
die Rollen getauscht wurden: Teilnehmer hatten die Bilder mehrdeutig ist. Ist hingegen
Der Teilnehmer wurde zum erst fahrend und dann sitzend kein Abstand vorhanden
Lehrer und der Vertraute betrachtet), so attribuierten und die Erregungsursache
des Versuchsleiters zum die Teilnehmer ihre (Rest-) damit eindeutig, so tritt keine
Lernenden (7 Beispielstudie Erregung eher auf ihren Ärger Auswirkung der Erregung auf
5.10). über den Versuchsleiter/ die Aggressionsbereitschaft auf.
durch eine Provokation, verursacht fehlinter- machen kann. Des Weiteren können Situatio-
pretiert werden kann. Die Quelle der Erregung nen spezifische Hinweisreize beinhalten, die
(ob Sportübung, erotische Stimulation etc.) ist mit Aggression assoziiert sind und darüber die
dabei von untergeordneter Bedeutung. Aggressionsbereitschaft erhöhen (z. B. Waffen-
effekt). Sobald in einer Situation oberflächliche
Informationsverarbeitung und eingeschränkte
5.4.5 Zusammenfassung Selbstkontrolle vorherrschen, wie es im
Falle von Alkoholeinfluss oder emotionaler
Situative Merkmale können die Aggressions- Erregung der Fall ist, wird aggressives Ver-
bereitschaft beeinflussen. So konnte gezeigt halten wahrscheinlicher. Auch die Fehlattribu-
werden, dass Anonymität einer Situa- tion unspezifischer physiologischer Erregung
tion Deindividuierung auslösen und darü- hat häufig vermehrt aggressives Verhalten zur
ber Aggressionsverhalten wahrscheinlicher Folge.
368 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
. Abb. 5.17 Skizzierung des Versuchsablaufs und vereinfachte Ergebnisdarstellung der Studie von Zillmann
et al. (1974). Ohne Pause nach dem Hometrainerfahren (Gruppe A) war den Teilnehmern die Quelle der Erregung
bewusst, und sie attribuierten die Erregung auf die eben ausgeführte körperliche Aktivität. Es zeigten sich in
Abhängigkeit von der Resterregung keine bedeutsamen Unterschiede in der ausgeteilten Schockintensität (links
unten). Mit Pause (Gruppe B) attribuierten die Teilnehmer ihre (Rest-)Erregung eher auf ihren Ärger über den
Versuchsleiter/Lernenden. Stärkere Stromschläge wurden gegeben, wenn die Teilnehmer noch mittel und stark
erregt waren. Teilnehmer, die weniger erregt waren, gaben schwächere Stromschläge (rechts unten)
5.5 Einfluss der Medien die Darstellung von Gewalt in den Medien dis-
kutiert. Dabei geht es in erster Linie darum, ob
Seit dem vermehrten Konsum von Filmen und und in welchem Umfang ein Konsument durch
spätestens seit dem Aufkommen von Video- die Darstellung von Gewalt in den Medien
spielen wird immer wieder kontrovers über positiv oder negativ beeinflusst werden kann.
5.5 · Einfluss der Medien
369 5
mit ihren Auswirkungen dargestellt werden.
Dabei fokussieren wir auf jene Medien und
Themen, die bezüglich ihrer Auswirkungen
am stärksten in der öffentlichen Diskussion
stehen: Gewalt in Film und Fernsehen
(7 Abschn. 5.5.1), gewalthaltige Pornografie
(7 Abschn. 5.5.2) sowie Gewalt in Video-
spielen (7 Abschn. 5.5.3).
Exkurs
Negative Auswirkungen des Fernsehens
Ein hoher Fernsehkonsum mehr in jungen Jahren zum dritten Lebensjahr mit den
in Kindheit und Jugend ferngesehen wird, desto kognitiven Leistungen im Alter
ist mit schlechteren eher wird die Schule ohne von sechs oder sieben Jahren
Gesundheitswerten (z. B. Abschluss verlassen, und im Zusammenhang steht: Je
verstärktem Übergewicht, desto seltener wird ein mehr in der frühen Kindheit
geringerer körperlicher Universitätsabschluss erreicht ferngesehen wurde, desto
Fitness, vermehrtem Rauchen) (Hancox et al. 2005). Diese schlechter waren die späteren
im Erwachsenenalter assoziiert Zusammenhänge blieben kognitiven Leistungen (selbst
(Hancox et al. 2004). auch dann bedeutsam, dann, wenn die kognitive
5 Des Weiteren steht wenn andere, beispielsweise Stimulation des Kindes
die durchschnittliche sozioökonomische Faktoren, durch die Eltern und sowohl
Fernsehdauer in Kindheit und kontrolliert wurden. Bildungsstand als auch IQ der
Jugend im Zusammenhang In einer Studie von Zimmerman Mutter bei der statistischen
mit der im Erwachsenenalter und Christakis (2005) zeigte Analyse kontrolliert, d. h.
erreichten Bildung: Je sich, dass Fernsehkonsum bis berücksichtigt wurden).
. Abb. 5.19 Medien wie beispielsweise das Fernsehen wirken als Modelle und beeinflussen wie andere
Sozialisationserfahrungen (. Abb. 5.12) die für aggressives Verhalten bedeutsamen Annahmen über Ange-
messenheit, Wirksamkeit und Konsequenzen aggressiven Verhaltens. Da Aggression in den Medien häufig als
angemessen, zum Erfolg führend und von Belohnung gefolgt dargestellt wird, kann der Konsum von Gewalt in
den Medien zu einer Steigerung aggressiven Verhaltens führen
Amygdala aktiviert, die zuständig ist, Gefahr Eine weitere Studie zeigte, dass Jungen,
aus der Umwelt zu signalisieren. Zum ande- die viel und häufig Gewalt im Fernsehen
ren werden prämotorische und motorische sahen, auf einen mäßig gewalthaltigen Film
Cortexregionen aktiviert, welche in motori- ein deutlich verringertes Erregungsniveau
sche Programme (wie fliehen oder kämpfen) aufwiesen (Hautwiderstand und Blutdruck;
involviert sind. Dadurch werden Verhaltens- Cline et al. 1973). Der dahinterliegende
skripte aktiviert, welche mit Aggression Mechanismus ist die sog. Habituation.
assoziiert sind. Auf den Alltag übertragen Dabei handelt es sich um ein grundlegendes
bedeutet dies: Obwohl jemand möglicher- physiologisches Phänomen, dass Organis-
weise weiß, dass er nur eine Fernsehsendung men auf emotionale Reize bei wiederholter
sieht, werden dennoch ähnliche Systeme des Darbietung zunehmend geringere physio-
5 Gehirns aktiviert wie bei vergleichbaren rea- logische Reaktionen (z. B. Hautwiderstand
len Erlebnissen. Dies lässt vermuten, dass als Indikator ängstlicher Erregung) zei-
Gewalt im Fernsehen zu implizitem Lernen gen. Während Habituation auf einen spezi-
von Auslösern, Reaktionen und Konsequen- fischen Reiz erfolgt, kann diese über den
zen führt. Prozess einer Reizgeneralisierung auch
die Reaktionen auf andere Reize in ande-
z Verminderte Sensibilität gegenüber ren Kontexten vermindern. Studien zur
Gewalt Wirkung von Mediengewalt zeigen sowohl
Personen, die viel Gewalt im Fernsehen Habituationseffekte (Ballard et al. 2006; Griz-
beobachten, sind gegenüber Gewaltdar- zard et al. 2015 , 2017; Mangelsdorff und
stellungen verhältnismäßig unsensibel. So Zuckerman 1975) als auch deren Generali-
zeigen sich beispielsweise Konsumenten sierung (d. h. verminderte Angstreaktion/
von Slasher-Filmen9 als recht unberührt von Abstumpfung) auf neue Reize (Bartholow
Gewalt gegenüber Frauen, berichten bei- et al. 2006; Carnagey et al. 2007; Engel-
spielsweise weniger Empathie gegenüber hardt et al. 2011; Grizzard et al. 2015; Griz-
Vergewaltigungsopfern (Linz et al. 1988). zard et al. 2017; Kelly et al. 2007; Krahé
Bei ihnen sind demnach Empfindungen ver- et al. 2011; Linz et al. 1989; Mangelsdorff
mindert, die normalerweise Aggression hem- und Zuckerman 1975). Längsschnittliche
men bzw. prosoziales Verhalten auslösen. Daten über die Folgen von real erlebter
Ebenso waren Kinder und Erwachsene, die oder gesehener Gewalt in der Kindheit auf
in einer aggressionsbeladenen Sendung (z. B. Aggressivität in der Jugend legen nahe, dass
Polizeifilm) Gewalt gesehen hatten, anschlie- auch hier Habituierungsprozesse eine ver-
ßend von Gewaltdarstellungen weniger emo- mittelnde Rolle spielen: Sehr viel Gewalt mit-
tional berührt als jene Teilnehmer, die zuvor erlebt zu haben, führte bei den Jugendlichen
ein aufregendes, aber gewaltfreies Sport- über einen Prozess der „Abstumpfung“
match gesehen hatten (Thomas et al. 1977). (weniger Internalisierung in Form von
Ängstlichkeit und Depression) zu höherer
Aggressivität (Mrug et al. 2016).
. Abb. 5.20 Kinder (ebenso wie Erwachsene), die häufig fernsehen, überschätzen die Bedrohungen in ihrer
Umwelt, da im Fernsehen häufig realistische Gewalt gezeigt wird, was den Eindruck erweckt, dass diese häufiger
vorkommt, als es tatsächlich der Fall ist. (© Brocreative/stock.adobe.com)
eine sexuelle Stimulation entsteht, zu einer bei Männern als auch bei Frauen nach mehr-
verstärkten Ausführung der vorherrschenden, stündigem Sehen gewalthaltiger Pornofilme
dominanten Reaktion (7 Abschn. 2.1). Wer- die Einstellungen: Sie sehen Vergewaltigung
den wir provoziert, verärgert oder frustriert, als weniger schlimm an, berichten weni-
so ist Aggression bei vielen von uns die domi- ger Sympathie gegenüber den Opfern und
nante Reaktion. Aber auch instrumentelle akzeptieren eher Vergewaltigungsmythen
Aggression kann eine dominante Reaktion (7 Abschn. 4.4.3; z. B. Mullin und Linz 1995).
sein, beispielsweise, wenn man die Aufgabe Als Mechanismus wird ein Gewöhnungseffekt
hat, eine Person effektiv zu bestrafen (z. B. zugrunde gelegt. Durch vermehrte Exposition
Jaffe et al. 1974; vgl. auch Jaffe 1981; 7 Bei- des angstauslösenden Reizes (Gewalt gegen
spielstudie 5.8). Zum anderen ist sexuelle Frauen, Vergewaltigung) verschwindet die
5 Erregung eine Form physiologischer Erregung Angstreaktion, und über eine Generalisierung
und kann somit auf eine nachfolgende dieses Effekts verändert sich auch die negative
aggressionsauslösende Situation transferiert Valenz des Reizes (Mullin und Linz 1995). In
werden (7 Abschn. 5.4.4). Umgekehrt kann weiteren Studien konnte gezeigt werden, dass
auch eine aus Ärger oder Frustration stam- für die Auswirkungen gewalthaltiger Porno-
mende Erregung als sexuelle Erregung fehl- grafie nicht die im Film gezeigte Sexualität,
attribuiert werden und damit die sexuelle sondern die in diesem Zusammenhang dar-
Erregung verstärken (zum Zusammenhang gestellte Gewalt entscheidend ist (7 Beispiel-
von Fehlattribution und sexueller Anziehung studie 5.12).
s. auch 7 Kap. 1). Wie wir in diesen Abschnitten gesehen
Obgleich männliche Personen auf den haben, kann sich der Konsum gewalthaltiger
Konsum gewalthaltiger, pornografischer Filme Sendungen und gewalthaltiger Pornografie
extremer reagieren als Frauen, gelten die Pro- aggressionsförderlich auf Denken, Erleben
zesse und Auswirkungen jedoch prinzipiell und Verhalten der Zuschauer auswirken.
für beide Geschlechter (Malamuth und Briere Während den Konsumenten im Medium
1986; vgl. auch Linz et al. 1984; Zillmann Film eine eher passive Rolle (als Zuschauer)
und Bryant 1984). So verändern sich sowohl zukommt, nehmen sie im Rahmen von
Beispielstudie 5.12
Auch Belohnung und Bestrafung gewalt- ursächlich ist (interne Validität). Daher wäre
bezogenen Verhaltens in Videospielen wirk- es ideal, größere Kontrolle über die Manipu-
ten sich aus: Wurden gewalttätige Aktionen lationen zu erlangen, indem man Spiele her-
im Spiel belohnt, so stiegen die erlebte Feind- stellt, die sich nur darin unterscheiden, ob
seligkeit, aggressive Kognitionen sowie Gewalt gezeigt wird oder nicht (Ceteris-pari-
aggressives Verhalten (Carnagey und Ander- bus-Bedingung)12. Dies kann durch Manipu-
son 2005). Die Bestrafung derselben Aktionen lation der Spiele erreicht werden (Modding13;
führte zwar ebenfalls zu einem Anstieg der Elson und Quandt 2016). Bisherige Studien,
Feindseligkeit, nicht jedoch zu aggressiverem die die Gewalthaltigkeit von Videospielen
Denken oder Handeln. durch Modding manipulierten, brachten
keine Anhaltspunkte für einen Zusammen-
5 z Aktuelle Kontroversen zum Zusammen- hang zwischen Gewaltdarstellung und Aggres-
hang von gewalthaltigen Videospielen sion (Elson et al. 2015; Kneer et al. 2016).
und Aggression Dies stellt die bisher gefundenen Effekte
Das bisher Gesagte legt den Schluss nahe, nicht infrage, zeigt aber, dass es lohnend ist
dass es einen breiten Konsens unter For- zu untersuchen, welche Aspekte von Video-
schern gibt, dass gewalthaltige Medien spielen welche Effekte haben (Elson et al.
Aggression befördern, was bereits 2003 2014). Die nachstehend genannten Aspekte
so konstatiert wurde (Anderson et al. der Spiele selbst oder der Spiele in Interaktion
2003a). Dennoch wird gerade diese Frage mit Teilnehmermerkmalen zeigten Effekte
für Videospiele aktuell kontrovers dis- auf aggressionsbezogene Maße: Erfolg versus
kutiert.11 Manche Forscher halten den Misserfolg (Frustration) während des Spiels
Kausalzusammenhang zwischen dem Spie- (Breuer et al. 2015; K. D. Williams 2009),
len gewalthaltiger Videospiele und aggres- Erfahrung mit dem Spiel (Matthews 2015),
sivem Verhalten für erwiesen und stützen das Durchschauen der Untersuchungsabsicht
sich auf zahlreiche Einzelstudien sowie die verbunden mit dem Wunsch, sich als nicht-
oben erwähnten Metaanalysen. Andere For- aggressiv darzustellen (Bender et al. 2013),
scher sind der Meinung, dass die Studien- und Konkurrenzdenken (Competitiveness;
ergebnisse bisher keine eindeutigen McGloin et al. 2016). Wird ein Spiel mit dem
Schlussfolgerungen zulassen, und zwar aus Ziel gespielt, Aggressionen abzubauen, so
den folgenden Gründen: gelingt dies auch tatsächlich (Denzler et al.
2011).
Spiele unterscheiden sich in vielen Aspek-
ten Bei den zahlreichen experimentellen
Studien zu diesem Thema werden typischer-
weise gewalthaltige mit nichtgewalthaltigen
Videospielen verglichen. Nun ist kein Spiel 12 Ceteris paribus kommt aus dem Lateinischen und
genau wie das andere, und daher unter- bedeutet „unter sonst gleichen Umständen“. Eine
scheiden sich die benutzten Spiele auch in Ceteris-paribus-Bedingung ist bei Experimenten
von Bedeutung: Will man feststellen, wie eine
diversen Dimensionen. Dies gefährdet die
erste Variable eine zweite beeinflusst, stellt man
kausale Interpretation, dass die Gewalthaltig- mehrere Situationen her, die sich idealerweise
keit des Spiels für die gefundenen Effekte nur in der Ausprägung der ersten Variable unter-
scheiden, und misst jeweils die zweite Variable
(7 Sozialpsychologie I, Kap. 1).
13 Modding (vom englischen to modify für „ver-
ändern“) bezeichnet umgangssprachlich die
11 Siehe z. B. die „Special Section on Video Games Veränderung von Videospielen durch die Nutzer,
and Children’s Mental Health“ der Perspectives on wodurch neue Varianten des Spiels (Mods) ent-
Psychological Science, 10(5), 2015. stehen.
5.5 · Einfluss der Medien
377 5
. Abb. 5.21 Zahlreiche Befunde legen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Spielen gewalt-
haltiger Videospiele und der Aggressionsneigung einer Person nahe. Allerdings ist es sowohl im Labor als auch
bei Feldstudien eine Herausforderung, den Aspekt der Gewalthaltigkeit eines Spiels von anderen Aspekten, wie
Tempo, Spielmodus, Konkurrieren oder Kooperieren, zu isolieren. (© bilderstoeckchen/stock.adobe.com)
Lernt man Gewalt anzuwenden, oder, all- was ihre Wirkung möglicherweise mode-
gemeiner ausgedrückt, lernt man zu konkurrie- riert. Außerdem stellt sich die Frage, ob das
ren? Eine Reihe neuerer Befunde stützen die Kooperieren in Teams oder Clans14 gegen
These, dass es nicht die Gewalthaltigkeit von andere Teams oder Clans vielleicht prosoziale
Videospielen ist, die Aggression bedingt, son- Tendenzen gegenüber der Eigengruppe, aber
dern deren kompetitiver Charakter (Adachi verstärkte Fremdgruppenaggression hervor-
und Willoughby 2011a; Schmierbach 2010; ruft (. Abb. 5.21).
vgl. Adachi und Willoughby 2011b). So zeig-
ten zwei vierjährige Längsschnittstudien unter Wie valide sind die aktuellen Messungen von
Jugendlichen, dass das Spielen kompetitiver Aggression? In Experimenten wird oft eine
nichtgewalthaltiger Spiele (z. B. Sport, Auto- Aggressionsmessung genutzt, bei der Teil-
rennen) und das Spielen gewalthaltiger Spiele nehmer ein Reaktionszeitspiel gegen einen
(z. B. Call of Duty, Counter-Strike), nicht aber vermeintlich anderen Teilnehmer spielen,
das Spielen nichtkompetitiver Spiele zu einer wobei der Gewinner einer Runde den Ver-
Zunahme aggressiven Verhaltens führten lierer mit Lärm bestraft. Da es keinen ech-
(Adachi und Willoughby 2013, 2016). Auch ten Gegner gibt, sind die Reihenfolge der
wenn ein und dasselbe gewalthaltige Spiel als Gewinne und Verluste sowie die vom Geg-
Team oder einzeln gespielt wurde, erhöhte ner gewählten Einstellungen in der Regel
sich die Aggressivität nur in der Einzel- zufällig und voreingestellt. Im Allgemeinen
bedingung (Velez et al. 2016). Diese Befunde werden laute und längere Lärmbelästigungen
werfen neue Fragen auf, da viele Spiele in
unterschiedlichen Modi gespielt werden kön-
nen (in der virtuellen Welt: im Team, ein- 14 Ein Clan ist eine organisierte Gruppe von Spie-
zeln, gegen den Computer, gegen andere; in lern, die regelmäßig in einem oder mehreren
der realen Welt: allein oder in der Gruppe), Multiplayer-Spielen zusammen spielen.
378 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
als Anzeichen für höhere Aggressivi- Experten hinsichtlich des typischen Gewalt-
tät angesehen (7 Beispielstudie 5.3). In den inhalts eingeschätzt, und ein Gesamtwert
diversen Studien wird dieses Maß auf unter- gebildet, der die Häufigkeit und die Gewalt-
schiedliche Arten ausgewertet (z. B. mittlere haltigkeit der Medieninhalte reflektierte. Die
Lautstärke, maximale Lautstärke, Dauer). Autoren fanden auch bei Kontrolle anderer Ein-
Diese fehlende Standardisierung erschwert flussfaktoren einen längsschnittlichen Effekt der
einen Vergleich zwischen den Studien (Elson Gewalthaltigkeit zu Beginn der Erhebung mit
et al. 2014). Forschungsarbeiten zur Standar- selbsteingeschätzter (β = 0,18) und von Leh-
disierung und Validierung der Aggressions- rern eingeschätzter (β = 0,15) offener physi-
maße würden helfen, Effekte zu vergleichen scher Aggressivität zum Ende der Studie. Diese
und das beste Maß zu wählen. Ergebnisse sprechen gemäß der Sozialisations-
5 hypothese dafür, dass der häufige Konsum
Längsschnittstudien zeigen nur kleine gewalthaltiger Medien mit der Zeit im Schnitt
Effekte Die Frage, wie sich das Spie- zu mehr körperlicher Gewalt führt.
len gewalthaltiger Videospiele im Alltag, Der längsschnittliche metaanalytische
insbesondere im Falle von Kindern und Effekt ist zwar klein (β = 0,075 bis 0,113, bei
Jugendlichen, auswirkt, lässt sich nur mit Kontrolle für anfängliche Aggressionsneigung;
Längsschnittstudien beantworten, da Quer- Anderson et al. 2010; Prescott et al. 2018),
schnittsstudien keinen Test der Kausal- bleibt aber auch bei statistischer Kontrolle für
richtung erlauben. Die dazu vorliegenden weitere Einflussfaktoren signifikant und lässt
Studien weisen allerdings keine konsistenten sich nicht auf die selektive Veröffentlichung
Befunde auf. Manche sprechen dafür, dass bestätigender Befunde zurückführen. Ein
eine vorbestehende Aggressivität den Kon- solch kleiner Effekt ist für den Alltag durchaus
sum gewalthaltiger Videospiele vorhersagt bedeutsam, da jede Maßnahme, die Gewalt
(Selektionshypothese; Breuer et al. 2015; von eindämmen oder verhindern kann, einen
Salisch et al. 2011). Manche zeigen umgekehrt, wichtigen Beitrag für unser aller Sicherheit
dass dieser Konsum tatsächlich über die Zeit darstellt und in Einzelfällen lebensrettend sein
hinweg aggressiver macht (Sozialisationshypo- kann.
these; Anderson et al. 2008; Hopf et al. 2008; Dennoch sind diese kleinen Effekte ange-
Krahé et al. 2012; Möller und Krahé 2009; sichts der experimentellen Befunde erstaun-
Rydell 2016; Shibuya et al. 2007; Willoughby lich, da das häufige Spielen über Jahre
et al. 2012). Wieder andere können keinen hinweg eigentlich einen größeren Effekt
der beiden Effekte nachweisen (Ferguson haben sollte als das einmalige Spielen im
et al. 2013; Ferguson et al. 2012; Ferguson Labor. Möglicherweise wirken gewalthaltige
2011; Wallenius und Punamäki 2008; D. Wil- Spiele auch nur auf bestimmte Personen-
liams und Skoric 2005). Die oben genannten gruppen nachteilig, welche aber noch nicht
Längsschnittstudien zu kompetitiven Spielen ausreichend identifiziert sind (Furuya-Kana-
finden beide Effekte (Adachi und Willoughby mori und Doi 2016; Valkenburg und Peter
2013, 2016), ebenso wie eine Studie zu gewalt- 2013). Gemäß einer weiteren Theorie kön-
haltigen Videospielen (Slater et al. 2003). nen die Auswahl und die Effekte gewalt-
Beispielhaft sei hier eine Studie mit über haltiger Medien als eine sich wechselseitig
1700 Berliner Schülern der 7. und 8. Klasse verstärkende Spirale beschrieben werden
genannt (Krahé et al. 2012). Diese gaben zu drei (ähnlich positiver Feedbackschleifen in der
Zeitpunkten über zwei Jahre hinweg an, welche Systemtheorie). Nach dieser Theorie sind
Art von Filmen, Serien und Videospielen sie Selektion (Wer fühlt sich zu diesen Spielen
wie oft sahen oder spielten. Diese wurden von hingezogen?) und Sozialisation (Wie wird
5.6 · Kapitelzusammenfassung
379 5
derjenige dadurch geprägt?) Teil des gleichen 5.6 Kapitelzusammenfassung
Prozesses und müssen gemeinsam untersucht
werden (Slater 2007). Im sozialpsychologischen Sinne wird Aggres-
Zusammenfassend zeigen diese neuen sion meist definiert als nicht versehentliches
Befunde und Paradigmen, dass eine bessere Handeln mit dem unmittelbaren Ziel, eine
Kontrolle der experimentellen Stimuli und andere Person, sich selbst oder einen Gegenstand
der abhängigen Variablen jene Aspekte von zu schädigen. Da in diese Definition nicht alle
Videospielen zu differenzieren helfen, die pro- alltagstypischen Aggressionsformen integrier-
blematische Auswirkungen haben. Dies ist die bar sind, ist es für die weitere Abgrenzung
Basis dafür, auch in Felduntersuchungen die und Beschreibung von Aggression hilfreich,
richtigen Fragen stellen zu können (z. B. nach zwischen instrumenteller und feindseliger
kompetitiven Spielen oder nach Spielmodi). Aggression zu unterscheiden: Feindselige
Auch das umgekehrte Vorgehen, nämlich Aggression bezeichnet impulsives, von nega-
in Feldstudien breit zu erheben, womit Kin- tiven Gefühlen getriebenes Verhalten (heiße
der und Jugendliche ihre Freizeit verbringen, Aggression), während instrumentelle Aggression
dies zu kategorisieren und die Auswirkungen vorsätzliches, geplantes, überlegtes Verhalten
auf verschiedene Ergebnisvariablen zu unter- ist, das einem übergeordneten Ziel dient (kalte
suchen, scheint vielversprechend, da hier Aggression). Auch Mischformen sind typisch,
zahlreiche gefährdende und schützende Fak- in welchen feindseliges Verhalten durchaus
toren gleichzeitig betrachtet werden können. geplant ist, oder schädigendes Verhalten, das
Die vorliegenden Ergebnisse sprechen für einem übergeordneten Ziel dient, auch feind-
einen Kausaleinfluss gewalthaltiger Medien selig-emotionale Komponenten beinhaltet.
auf Aggressivität. Aufgrund der rasanten Ent- Verschiedenste Ursachen und Deter-
wicklung des Spielemarkts und der Spiele- minanten aggressiven Verhaltens sind bedeut-
technik hin zu immer größerem Realismus sam. So gibt es diverse Hinweise darauf, dass
sowie angesichts der immensen Bedeutung aggressives Verhalten eine biologische Grund-
von stabiler psychischer Gesundheit und lage hat und für die Durchsetzungskraft der
Sozialkompetenz von Kindern und Jugend- eigenen Gene von Vorteil sein kann. Zum Ers-
lichen bleibt dieses Forschungsfeld für die ten spricht dafür das kulturübergreifende Auf-
Sozialpsychologie zentral. treten von Aggression, zum Zweiten, dass ein
Teil der Unterschiede in der Aggressionsbereit-
schaft von Mensch und Tier auf Vererbung
5.5.4 Zusammenfassung zurückgeführt werden kann, zum Dritten die
neurobiologische Basis sowie zum Vierten der
Wie diese Ausführungen gezeigt haben, kann immer wieder aufgezeigte Zusammenhang
Gewalt in den Medien aggressives Verhalten zwischen Testosteron und Aggression.
erhöhen – und das sogar langfristig, indem Faktoren, die in konkreten Situatio-
die eigenen Wahrnehmungen, Normen und nen aggressives Verhalten auslösen bzw.
Bewertungen von Aggression verändert werden. begünstigen, sind u. a. Gefühle, insbesondere
Selbstverständlich ist dieser Zusammenhang – negativer Affekt (z. B. Ärger aufgrund von
wie in allen psychologischen Bereichen – sehr Provokation). Gefühle, die aggressives Ver-
komplex und damit zwar eine Aussage über die halten fördern, sind häufig eine Reaktion auf
(Kausal-)Zusammenhänge und vermittelnden Angriffe gegen die eigene Person (z. B. auf
Prozesse möglich, doch das Ausmaß, in wel- Provokation oder soziale Zurückweisung)
chem sich dies negativ auswirkt, hängt von oder auf die Bedrohung bzw. Blockierung
vielen weiteren Faktoren (z. B. der Qualität des eigener Ziele (Frustration). Eine weitere wich-
sozialen Umfelds) ab. tige Quelle negativer Gefühlszustände, die
Aggression wahrscheinlicher machen, sind
380 Kapitel 5 · Aggressives Verhalten
situative Faktoren wie beispielsweise Schmerz, und Bewertungen von Aggression verändert
Hitze, Kälte oder Lärm. Das Abreagieren von werden. Gewalthaltiger Fernsehkonsum hat
Frust bzw. negativen Gefühlen ist – entgegen Auswirkungen auf das Denken, Erleben und
der weit verbreiteten Annahme – wenn über- Handeln der Konsumenten. Eine speziel-
haupt nur unter ganz speziellen Rahmen- lere Form von Gewalt in Filmen ist gewalt-
bedingungen aggressionsreduzierend, meist haltige Pornografie, d. h. die Kombination
jedoch eher aggressionsfördernd. von Gewalt und Erotik. Die Befunde hierzu
Schließlich können auch Normen und zeigen u. a. einen Effekt auf Einstellungen: Der
soziales Lernen die Entstehung bzw. Auslösung Konsum gewalthaltiger Pornografie führt zur
von aggressivem Verhalten in konkreten Situ- Bagatellisierung von Vergewaltigung, zu weni-
ationen begünstigen. Unsere Sozialisations- ger Sympathie gegenüber den Opfern und zu
5 erfahrungen haben einen entscheidenden größerer Akzeptanz von Vergewaltigungs-
Einfluss darauf, inwieweit aggressives Ver- mythen. Gewalthaltige Videospiele unter-
halten gezeigt und aufrechterhalten wird. scheiden sich von anderen Medien darin,
Dieser Einfluss erfolgt insbesondere über die dass aggressionsrelevante Erwartungen, Ver-
Konsequenzen, die auf aggressives Verhalten haltensskripte und Reaktionen durch das
hin erlebt werden, sowie durch Modelllernen. aktive Spielen und Handeln unmittelbar
Verschiedene Quellen der Sozialisation haben gelernt, geübt und verstärkt werden. Aggres-
sich in Bezug auf aggressives Verhalten als sives Verhalten wird dadurch wahrschein-
einflussreich erwiesen, insbesondere das Ver- licher. Neue Befunde und Paradigmen hierzu
halten von Eltern und Altersgenossen sowie differenzieren jene Aspekte von Videospielen,
der Kulturkreis, in dem man aufwächst. die problematische Auswirkungen haben (und
Darüber hinaus machen bestimmte situa- etablieren damit eine Ausgangsbasis für Inter-
tive Bedingungen aggressives Verhalten wahr- ventionsprogramme).
scheinlicher. So konnte gezeigt werden, dass
Anonymität einer Situation Deindividuierung
auslösen und darüber Aggressionsverhalten Literatur
begünstigen kann. Des Weiteren können Situ-
ationen spezifische Hinweisreize beinhalten, Acid Survivor Foundation. (2018). Statistics. 7 http://
www.acidsurvivors.org/Statistics. Zugegriffen: 31.
die wiederum mit Aggression assoziiert März 2018.
sind und darüber automatisch Aggressivi- Adachi, P. J. C., & Willoughby, T. (2011a). The effect of
tät aktivieren. Sobald in einer Situation ober- video game competition and violence on aggres-
flächliche Informationsverarbeitung und sive behavior: Which characteristic has the grea-
eingeschränkte Selbstkontrolle vorherrschen, test influence? Psychology of Violence, 1, 259–274.
Adachi, P. J. C., & Willoughby, T. (2011b). The effect
wie es bei Alkoholeinfluss oder emotionaler of violent video games on aggression: Is it more
Erregung der Fall ist, wird aggressives Ver- than just the violence? Aggression and Violent
halten ebenfalls wahrscheinlicher. Schließlich Behavior, 16, 55–62.
ist auch die Fehlattribution von autonomer Adachi, P. J. C., & Willoughby, T. (2013). Demolishing
Erregung eine typische situative Determinante the competition: The longitudinal link between
competitive video games, competitive gambling,
von Aggression. and aggression. Journal of Youth and Adolescence,
Aufgrund der aktuellen Relevanz wurde 42, 1090–1104.
der Einfluss der Medien auf aggressives Ver- Adachi, P. J. C., & Willoughby, T. (2016). The longitudi-
halten abschließend gesondert behandelt. nal association between competitive video game
Nach derzeitigem Forschungsstand ist davon play and aggression among adolescents and
young adults. Child Development, 87, 1877–1892.
auszugehen, dass in den Medien gezeigte Adams, D. B. (2006). Brain mechanisms of aggressive
Gewalt nachfolgend aggressives Verhalten behavior: An updated review. Neuroscience and
erhöhen kann – und das sogar langfristig, Biobehavioral Reviews, 30, 304–318.
indem die eigenen Wahrnehmungen, Normen
Literatur
381 5
AGF-Videoforschung. (2019). Sehdauer. 7 https:// priming effects of weapon pictures and weapon
www.agf.de/daten/tvdaten/sehdauer/. names. Psychological Science, 9, 308–314.
Albert, D. J., Walsh, M. L., & Jonik, R. H. (1993). Aggres- Anderson, C. A., Berkowitz, L., Donnerstein, E., Hues-
sion in humans: What is its biological foundation? mann, L. R., Johnson, J. D., Linz, D., Malamuth, N.,
Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 17, 405– & Wartella, E. (2003a). The influence of media vio-
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Allen, M., D’Alessio, D., & Brezgel, K. (1995). A Interest, 4, 81.
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399 6
Prosoziales Verhalten –
Wann und warum wir
anderen helfen
6.1 Warum Hilfe unterlassen wird –
Situative Determinanten von Hilfeverhalten – 403
6.1.1 Stufe 1: War da nicht was? – Auf einen möglichen Notfall
aufmerksam werden – 404
6.1.2 Stufe 2: Ein Notfall oder nicht? – Ereignis als Notfall
interpretieren – 407
6.1.3 Stufe 3: Bin ich gemeint? – Verantwortung übernehmen – 411
6.1.4 Stufe 4: Wie könnte ich helfen? – Das Wissen, wie Hilfe zu
leisten ist – 416
6.1.5 Stufe 5: Schaffe ich das? – Frage der Handlungsinitiierung
(sich entscheiden zu helfen, einzugreifen und Hilfe
anzubieten) – 417
6.1.6 Zusammenfassung – 422
Exkurs
Zivilcourage
Wenn Menschen Risiken in folgen, erwartet denjenigen Situationen hinweisen, als
Kauf nehmen, um öffentlich für mit zivilcouragiertem auch effektive Verhaltens-
zentrale Werte und Normen Verhalten die reale oder strategien praktisch
einzustehen so nennt man vorgestellte Gefahr, einzuüben. Dabei ist es
das Zivilcourage. In einer beschimpft, ausgegrenzt, besonders wichtig, die in
Situation, in der Menschen, bedroht oder verletzt zu 7 Abschn. 6.1 besprochenen
Werte oder Güter bedroht werden (Greitemeyer et al. Fehlschlüsse zu kennen und
werden, ist Zivilcourage 2006). Dementsprechend zu vermeiden. Auf diese
gefragt, um diese zu schützen ist Zivilcourage definiert Weise lässt sich die nötige
oder zu verteidigen. Dabei als ein mutiges Verhalten, Kompetenz aufbauen,
kann Zivilcourage viele Formen das dazu beiträgt, um sich das Handeln im
annehmen: Es erfordert Mut, als gesellschaftlich-ethische „Ernstfall“ auch zuzutrauen.
Mobbing-Opfer für sich selbst Werte ohne Rücksicht auf Schließlich ist es effektiv, im
und seine Würde einzustehen, eigene potenziell negative Vorfeld von Situationen, die
in einer Organisation gegen Konsequenzen durchzusetzen möglicherweise ein Eingreifen
die Benachteiligung einzelner (Greitemeyer et al. 2006). erfordern, Verhaltens-
Gruppen einzutreten, illegale Kurzum, die schlechte intentionen zu fassen: „Wenn
Unternehmenspraktiken Nachricht lautet: Zivilcourage Situation X auftritt, tue ich
öffentlich zu machen oder im beinhaltet immer ein Y.“ Im Erwachsenenbereich
öffentlichen Raum zugunsten gewisses Risiko, sonst würde arbeiten die beiden Trainings-
anderer einzugreifen. kein Mut dazugehören! programme „Kleine Schritte
Zivilcourage gehört zwar zum Die gute Nachricht ist: Wer statt Heldentaten“ und
Themenbereich prosozialen zivilcouragiertes Verhalten „Göttinger Zivilcourage-Im-
Verhaltens, ist jedoch zeigen will, kann eine Reihe pulstraining“ erfolgreich
mit Hilfeverhalten nicht weniger riskanter und dabei mit diesen Prinzipien, um
gleichzusetzen. Das wichtigste dennoch wirkungsvoller Zivilcourage zu stärken
Unterscheidungsmerkmal Verhaltensstrategien (Jonas et al. 2007; Jonas und
ist, dass im Falle von trainieren! Dazu zählen Brandstätter 2004). Auch
Zivilcouragesituationen verbale Deeskalations- Bücher (Meyer et al. 2004;
die Anwesenheit eines strategien und das Alarmieren Singer 2003), Broschüren
oder sogar mehrerer Täter von Rettungskräften. Um im (Jäger und Minarek 2006) und
vorliegt, von denen meist entscheidenden Moment Online-Material (z. B.
negative Konsequenzen das Richtige zu tun, ist es 7 www.zivilcourage.it) sind
ausgehen: Während auf eine wichtig, sowohl das Erkennen nützliche Werkzeuge, um
Hilfeleistung typischerweise von Schlüsselreizen, die mehr über das Thema zu
Lob und Anerkennung auf potenziell bedrohliche lernen (. Abb. 6.1).
402 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
. Abb. 6.1 In Trainings, aber auch mithilfe von schriftlichem Material kann man sich mit dem Thema Zivil-
courage beschäftigen und darauf vorbereiten, im Ernstfall wirksam handeln zu können, ohne sich selbst unnötig
zu gefährden. (© kamasigns/stock.adobe.com)
Verhalten abzugrenzen ist das altruistische motiviert. Eine weitere Unterart prosozialen
Verhalten1, welches eine Unterart prosozialen Verhaltens ist zivilcouragiertes Verhalten, das
Verhaltens darstellt. Altruistisches Verhalten aus dem öffentlichen Eintreten für zentrale
dient in erster Linie dem Hilfeempfänger, Werte und Normen resultiert und mit Risiken
ohne dass egoistische Beweggründe des Hel- verbunden ist 7 Exkurs: Zivilcourage).
fers ersichtlich sind; dementsprechend ist es
durch Perspektivenübernahme und Empathie Prosoziales Verhalten
Prosoziales Verhalten bezeichnet eine
freiwillige Handlung mit der Absicht, einer
anderen Person etwas Gutes zu tun, die
1 Im Folgenden werden wir auf die Unterscheidung
zwischen prosozialem und altruistischem Ver-
aber auch einen Nutzen für den Helfer
halten weitestgehend verzichten. Zum einen beinhalten kann.
lässt sich schwer ausschließen, „dass sich hinter
altruistischer Motivation letztendlich doch wieder
egoistische Beweggründe verbergen“ (Wiswede Altruistisches Verhalten
2004, S. 233), zum anderen ist die Frage, ob und
inwieweit es rein altruistisches Verhalten gibt, Altruistisches Verhalten stellt einen
d. h. prosoziales Verhalten, das in keinster Weise Spezialfall prosozialen Verhaltens
eigennützig ist und nur aus altruistischen Motiven dar, der durch Empathie mit dem
gespeist wird, eher philosophischer Natur und Opfer motiviert ist. Es nützt vorrangig
hat für eine sozialpsychologische Betrachtung
dessen, unter welchen Bedingungen Menschen
dem Hilfeempfänger und hat keinen
Hilfeverhalten zeigen bzw. nicht zeigen, weniger offensichtlichen Nutzen für den Helfer.
Relevanz.
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
403 6
6.1 Warum Hilfe unterlassen wird – Nehmen wir an, Sie laufen nachts durch die
Situative Determinanten von Straßen und sehen einen etwas herunter-
Hilfeverhalten gekommen aussehenden Mann auf dem Geh-
weg liegen. Braucht dieser Mensch Hilfe,
Was bringt einen ganz durchschnittlichen Men- oder ist es „nur“ ein Obdachloser, der seinen
schen dazu, zu helfen oder auch nicht? – Denn Rausch heute Nacht zufällig an dieser Stra-
selbst der hilfsbereiteste Mensch hilft nicht ßenecke ausschläft (. Abb. 6.2)? Oder stellen
immer und überall. Worauf ist das zurückzu- Sie sich vor, Sie liegen am Strand und hören
führen? Wie kommt es dazu, dass in Situatio- plötzlich aus dem Wasser jemanden um Hilfe
nen, wie wir sie zu Anfang beschrieben haben rufen. Machen sich hier Jugendliche einen
(Unfall von Wang Yue, Vergewaltigung in der Spaß, oder ertrinkt gerade jemand? Wie diese
S-Bahn), sogar kein einziger der Anwesenden Beispiele zeigen, müssen wir in vielen Situ-
hilft? In den allermeisten Fällen liegt es ationen zunächst einmal entscheiden, ob es
ganz sicher nicht daran, dass ausschließlich sich überhaupt um einen Notfall handelt, d. h.,
besonders egoistische Menschen anwesend sind ob ein Hilfeverhalten angebracht wäre oder
(7 Exkurs: Persönlichkeit und prosoziales Ver- nicht (7 Abschn. 6.1.2) – immer vorausgesetzt,
halten). Ob und inwieweit Hilfe geleistet wird, wir bemerken die Situation (7 Abschn. 6.1.1).
ist, wie im Folgenden gezeigt wird, weniger von Doch selbst wenn wir zu dem Schluss kom-
der Persönlichkeit oder Herkunft, sondern viel- men, dass es sich um einen Notfall handelt
mehr von situativen Determinanten abhängig. und wir eingreifen sollten, stellen sich weitere
Fragen, so beispielsweise, ob man selbst Ver-
antwortung für die Hilfeleistung übernehmen
Urteilsprozess in einer Notsituation sollte (7 Abschn. 6.1.3), wie denn überhaupt zu
1. War da nicht was? – Aufmerksamkeit helfen wäre (7 Abschn. 6.1.4), und ob man sich
auf das Ereignis richten zu dieser Form der Hilfeleistung in der Lage
2. Ein Notfall oder nicht? – Ereignis als fühlt (7 Abschn. 6.1.5).
Notfall interpretieren Die Altruisten von heute können die pas-
3. Bin ich gemeint? – Maß persönlicher siven Zuschauer von morgen sein – es ist nur
Verantwortung bestimmen eine Frage der sozialen Situation. (Aus Bier-
4. Wie könnte ich helfen? – Sich für eine hoff 1997, S. 395) Ob Menschen helfen oder
bestimmte Hilfehandlung entscheiden nicht, ist in erster Linie von ihrer Beurteilung
5. Schaffe ich das? – Handlung initiieren der Situation abhängig. Diese wird – wie
jeder andere Urteilsprozess auch – von diver-
sen Faktoren beeinflusst, die prosoziales
Exkurs
Persönlichkeit und prosoziales Verhalten
Längsschnittstudien zufolge 1991; Penner und Finkelstein Altruismuswert in Persönlich-
sind individuelle Unterschiede 1998; Penner et al. 1995; Switzer keitstests nicht höher als bei
in spontanem Hilfeverhalten et al. 1991), hat sich insgesamt Personen mit niedrigen Werten
vom Vorschulalter bis ins frühe die Aussagekraft von Persönlich- (Magoo und Khanna 1991).
Erwachsenenalter relativ stabil keitstests zur Vorhersage Damit lässt sich der Schluss
(vgl. auch Caprara et al. 2000; konkreten prosozialen ziehen, dass sowohl
Eisenberg et al. 1999, 2002). Verhaltens als eher gering Merkmale der Situation als
Auch wenn sich feststellen lässt, erwiesen (Latané und Darley auch Interaktionen zwischen
dass Personen mit prosozialer 1970; J. A. Piliavin und Charng Situation und Persönlichkeit für
bzw. altruistischer Persönlichkeit 1990). So ist beispielsweise die Vorhersagekraft und Verständnis
allgemein stärker zu prosozialem Bereitschaft, Blut zu spenden, prosozialen Verhaltens
Verhalten neigen (Bierhoff et al. bei Personen mit hohem entscheidender zu sein scheinen.
404 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
6
. Abb. 6.2 Ein Notfall? Oder schläft hier jemand seinen Rausch aus? (© Claudia Schmoldt 2016)
. Abb. 6.3 Ob Menschen helfen oder nicht, hängt davon ab, wie sie die Situation beurteilen. Damit es zur
Hilfeleistung kommt, müssen in diesem Urteilsprozess sozusagen verschiedene Hürden genommen werden
Verhalten fördern oder hemmen können. Die 6.1.1 Stufe 1: War da nicht was? –
Überlegungen von Latané und Darley (1970) Auf einen möglichen Notfall
sowie Piliavin et al. (1981) lassen sich, wie in aufmerksam werden
. Abb. 6.3 dargestellt, integrieren. Im Folgen-
den werden die einzelnen Stufen des Urteils- Im Gegensatz zu Profis, wie Wachleuten oder
prozesses sowie die situativen Einflussfaktoren Rettungsdienstmitarbeitern, laufen wir als
beschrieben. Ottonormalverbraucher gewöhnlich nicht
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
405 6
durch die Straßen und halten Ausschau nach Briefe nachzusenden, spontane Umfragen
potenziellen Notfällen, bei denen unser Ein- mitzumachen, einem Kind, das sich ver-
greifen gefragt sein könnte. Vielmehr sind laufen hat, zu helfen oder jemandem eine
wir meist mit irgendwelchen anderen Dingen kleine Gefälligkeit zu erweisen (Hedge und
beschäftigt, möglicherweise sogar geradezu Yousif 1992; Steblay 1987).
in unsere Gedanken vertieft und nehmen Studien zufolge liegt dies nicht an der
gar nicht wirklich wahr, was um uns herum grundsätzlichen Hilfsbereitschaft der jeweili-
geschieht. Viele Dinge entgehen so unse- gen Bewohner, sondern am situativen Einfluss
rer Aufmerksamkeit. Hilfeverhalten kann auf das Hilfeverhalten: In (Groß-)Städten strö-
also schon daran scheitern, dass wir eine men erheblich mehr Reize auf den Einzelnen
Notsituation überhaupt nicht bemerken. ein als in ländlichen Gegenden, sodass dort
Ob wir einen Notfall bemerken oder nicht, die Gefahr einer Reizüberflutung deutlich grö-
hängt natürlich auch von seiner Auffälligkeit ßer ist (Urban-Overload-Hypothese; Milgram
(Salienz) ab, also beispielsweise ob er mit lau- 1970; Steblay 1987). Dies führt zum einen
ten Geräuschen (wie Schreien, Hupen oder dazu, dass eine Notsituation in großen Städten
Materialbruch) einhergeht oder nicht. nur einen Reiz unter vielen darstellt und damit
Da neben der Auffälligkeit eines Ereig- grundsätzlich mit geringerer Wahrscheinlich-
nisses weitere situative Faktoren, wie die ver- keit bemerkt wird als in ländlichen Gebieten.
fügbaren kognitiven Kapazitäten oder unsere Zum anderen schotten sich die Menschen in
Stimmung2, beeinflussen, ob wir einen Notfall Städten gegenüber Außenreizen stärker ab,
bemerken oder nicht, kann auch ein und der- um eine unkontrollierte Reizüberflutung zu
selbe Notfall von ein und derselben Person je vermeiden. Daher halfen Personen in Städten
nach Situation mal wahrgenommen werden mit größerer Bevölkerungsdichte, Einwohner-
und mal nicht. Der Einfluss dieser situativen zahl und durchschnittlicher Gehgeschwindig-
Determinanten auf unser Hilfeverhalten wird keit anderen seltener als in kleineren Städten
nachfolgend dargestellt. mit langsamerer Gehgeschwindigkeit (Levine
et al. 2008; vgl. auch Boles und Hayward 1978;
z Kognitive Kapazitäten Levine et al. 1994).
Zunächst einmal stehen der Wahrnehmung
einer Notsituation und damit hilfsbereitem Urban-Overload-Hypothese
Verhalten Ablenkung bzw. Reizüberflutung In Städten ist die Überfrachtung mit
entgegen. Dies ist in Städten wahrschein- Reizen für den Einzelnen so groß,
licher als in ländlichen Gegenden, und die dass dieser sich eher gegenüber
Forschung zeigt, dass auf dem Land gegen- Außenreizen abschottet. Je höher
über Fremden mehr prosoziales Verhalten die Bevölkerungsdichte, desto
gezeigt wird als in Städten und in Klein- unwahrscheinlicher sind spontane
mehr als in Großstädten (Eisenberg 1991; Hilfsleistungen gegenüber Fremden.
Hedge und Yousif 1992; Korte 1980; Steblay
1987). Einwohner in Großstädten sind bei-
spielsweise weniger bereit, Telefonnach- Neben der reinen Reizüberflutung schränkt
richten auszurichten, verloren gegangene auch Zeitdruck die eigenen kognitiven Kapazi-
täten und damit die Wahrnehmungschance
einer Notsituation ein, sodass Personen, die
in Eile sind, weniger helfen als Personen, die
2 Einflüsse der Stimmung auf das Hilfeverhalten nicht unter Zeitdruck stehen (Darley und
werden immer an den jeweils entscheidenden
Stellen im Urteilsprozess dargestellt. Stim-
Batson 1973; 7 Beispielstudie 6.1). Des Weite-
mung als Motiv für Hilfeverhalten wird in ren ist von Bedeutung, wie wichtig die Sache
7 Abschn. 6.2.2 behandelt. ist, derentwegen sie in Eile sind: Es wird
406 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Beispielstudie 6.1
. Abb. 6.4 Zeitdruck wirkt sich negativ auf Hilfeverhalten aus. Teilnehmer, die keinem Zeitdruck ausgesetzt
waren, halfen zu 63 % (Gruppe A), Teilnehmer, die mittlerem Zeitdruck ausgesetzt waren, halfen seltener (zu
45 %, Gruppe B), und Teilnehmer, bei denen starker Zeitdruck induziert worden war, halfen am wenigsten (in
10 % der Fälle, Gruppe C)
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
407 6
umso mehr geholfen, je weniger wichtig sie ist Situation in einem zweiten Urteilsschritt über-
(Batson et al. 1978). Schließlich kann auch die haupt als Notfall interpretiert oder nicht.
Aktivierung prosozialer Normen, beispiels-
weise durch das vorhergegangene Lesen des
Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, 6.1.2 Stufe 2: Ein Notfall oder
das Hilfeverhalten erhöhen (Greenwald 1975). nicht? – Ereignis als Notfall
interpretieren
z Stimmung
Menschen in negativer Stimmung sind stärker Nehmen wir an, Sie bemerken eine auf einer
auf sich selbst konzentriert (z. B. Pyszczynski Bank zusammengesunkene Person – was tun
und Greenberg 1987; Wood et al. 1990; 7 Sozial- Sie? Die meisten Menschen würden vermutlich
psychologie I, Kap. 4) und nehmen deswegen die weitergehen, in der Annahme, dass hier einfach
Bedürfnisse anderer Personen weniger wahr- jemand seinen Rausch ausschläft. Versuche,
scheinlich wahr als Personen in guter Stimmung der Person zu helfen, wären in diesem Fall
(Salovey et al. 1991). Teilnehmer von McMil- nicht notwendig bzw. sogar übertrieben und
len et al. (1977) berichteten beispielsweise nach unerwünscht. Es könnte aber auch sein, dass
einem negativen Feedback deutlich öfter, einen die Person gerade einen Schlaganfall erlitten hat
Notfall nicht bemerkt zu haben, als Teilnehmer, oder aufgrund einer Alkoholvergiftung in aku-
die eine positive Rückmeldung erhalten hatten. ter Lebensgefahr schwebt und dringend unse-
Damit Hilfeverhalten gezeigt wird, muss rer Hilfe bedürfte (. Abb. 6.5). Gleiches gilt,
der potenzielle Helfer die Notfallsituation wenn Schwimmer um Hilfe rufen – ist wirklich
zunächst wahrnehmen, d. h. seine Aufmerk- jemand in Lebensgefahr oder albern lediglich
samkeit auf diese Situation richten. Doch ein paar Jugendliche im Wasser herum? Auch
selbst wenn er dem Geschehen seine Aufmerk- hier wäre es beinahe peinlich, eine Rettungs-
samkeit schenkt, heißt dies nicht zwingend, aktion zu starten, wenn Letzteres der Fall wäre.
dass er auch in irgendeiner Form helfend ein- Im pädagogischen Bereich stehen Lehrer und
greift – dies hängt vielmehr davon ab, ob er die Betreuer häufig vor der schwierigen Frage, wie die
. Abb. 6.5 Sehen wir beim Spazieren gehen eine auf einer Parkbank zusammengesunkene Person, kann es
sich um einen Notfall, aber auch um eine gänzlich harmlose Situation handeln – eine Frage der Interpretation!
408 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Beispielstudie 6.2
Situation zu beurteilen ist, wenn ein Kind ständig uns bei der Entscheidung helfen, wie die Situa-
mit blauen Flecken übersät ist. Handelt es sich tion zu interpretieren ist. Eine wichtige Quelle
wirklich um harmlose Ungeschicklichkeiten, wie hierfür ist das Verhalten anderer Anwesender,
das Kind hartnäckig behauptet, oder wird das das wir als Information über die Realität heran-
Kind regelmäßig misshandelt, und es bedürfte ziehen können. Häufig schließen wir uns in der
dringend eines Eingreifens? Wie diese Beispiele Folge deren Meinung bzw. Verhalten an (Cial-
zeigen, ist die Interpretation der Situation ent- dini 2001; Cialdini und Trost 1998; Deutsch
scheidend dafür, ob wir agieren oder nicht. Auch und Gerard 1955; 7 Abschn. 2.2.1.1). Um bei
Notfälle, die im Nachhinein (7 Sozialpsychologie unserem Beispiel zu bleiben, würden Sie auf
I, Abschn. 3.3.1: Rückschaufehler) vollkommen der Straße wahrscheinlich zögern und sich erst
eindeutig anmuten, können durchaus in der einmal umschauen, ob die anderen Passanten
Gegenwart mehrdeutig erscheinen. Es kommt die zusammengesunkene Person beachten –
zum einen darauf an, inwieweit die Situation und wenn sie dies nicht tun, darauf schließen,
selbst mehrdeutig ist. So sind beispielsweise Situ- dass real kein Notfall vorzuliegen scheint, und
ationen, die offene Gewalt und Gefahr beinhalten, weitergehen. Problematisch daran ist, dass nicht
eindeutiger als Notfall zu erkennen (vgl. Fischer nur Sie, also eine Person, so vorgeht, sondern
et al. 2006). Wie gut wir die Situation inter- alle. Jeder zögert, versucht die Situation zu deu-
pretieren können, hängt zudem davon ab, wie viel ten und sich an der Reaktion der anderen zu
Information uns im entscheidenden Moment vor- orientieren. Dieser soziale Vergleichsprozess
liegt. Wird beispielsweise ein Notfall nur gehört kann zu der irrtümlichen Schlussfolgerung füh-
statt gehört und gesehen, sind sich Personen des ren, dass die anderen – da sie nicht handeln –
Hilfebedarfs unsicherer und interpretieren die die Situation als ungefährlich einschätzen.
Situation mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht Letztendlich handelt dann womöglich keiner,
als Notfall (R. D. Clark und Word 1974; L. Z. obwohl Hilfe dringend notwendig gewesen
Solomon et al. 1978; 7 Beispielstudie 6.2). wäre. Dies wird als pluralistische Ignoranz
In mehrdeutigen Situationen suchen wir bezeichnet (R. D. Clark und Word 1972; D.
entsprechend nach Informationsquellen, die T. Miller und McFarland 1991; Smith et al.
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
409 6
1973; L. Z. Solomon et al. 1978; 7 Beispiel- Doch diese Orientierung an anderen kann
studie 6.3, . Abb. 6.6). Entsprechend ist sich auch positiv auswirken, nämlich dann,
Hilfeverhalten gerade in mehrdeutigen Situatio- wenn andere helfend eingreifen, d. h., wenn
nen typischerweise wahrscheinlicher, wenn nur prosoziale Modelle verfügbar sind, an denen
ein potenzieller Helfer den Notfall beobachtet, wir uns orientieren und somit ebenfalls zu
als wenn mehrere dies tun (z. B. Latané 1981; helfen beginnen. Das Handeln dieser Modelle
Latané und Nida 1981; Schwartz und Gottlieb reduziert Mehrdeutigkeit, da es Hilfeverhalten
1976; Bystander-Effekt; 7 Abschn. 6.1.3). als richtiges Verhalten impliziert. So spenden
Leute eher Geld in der Fußgängerzone (Bryan
und Test 1967) bzw. sind eher zum Blut-
Pluralistische Ignoranz spenden bereit (Rushton und Campbell 1977),
Untätigkeit, die aus der Beobachtung der wenn sie andere sehen, die dies auch tun.
fehlenden Reaktionen anderer resultiert. Autofahrer boten Frauen mit einer Reifen-
Beruht auf der Annahme, dass andere die panne häufiger Hilfe an, wenn sie eine Viertel-
Situation als harmlos einschätzen, woraus meile vorher jemanden gesehen hatten, der
man schließt, dass die Situation tatsächlich einer anderen Frau beim Reifenwechsel half
ungefährlich ist. Daraus kann folgen, dass (Bryan und Test 1967).
keiner dem Opfer zu Hilfe kommt. Inwieweit Personen eine mehrdeutige Situ-
ation als Notfall interpretieren, wird durch
. Abb. 6.6 In mehrdeutigen Situationen orientieren wir uns am Verhalten anderer Anwesender, um zu einer
Einschätzung der Lage zu kommen. Tun diese nichts, schließen wir daraus, dass sie die Situation als ungefährlich
einschätzen. Gehen alle so vor, kommt es zur pluralistischen Ignoranz und Hilfe bleibt aus
410 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Beispielstudie 6.3
die Möglichkeit zur Kommunikation unter- erschwert, weil sich die anderen beispielsweise
einander beeinflusst. So besteht beispiels- extrem unkommunikativ verhalten (7 Beispiel-
weise bei einer Gruppe von Freunden eine studie 6.3) oder weil die räumliche An- bzw.
geringere Tendenz zu pluralistischer Ignoranz Sitzordnung keinen Blickkontakt zulässt, wird
als bei Fremden, was u. a. damit erklärt wird, weniger geholfen (z. B. Darley et al. 1973).
dass sich Freunde eher über die Situation Auch das Verhalten des Opfers kann zur Ein-
austauschen und weniger dazu neigen, die bzw. Mehrdeutigkeit der Situation beitragen:
Inaktivität des anderen falsch zu interpretieren Macht dieses den Vorfall für potenzielle Hel-
(Latané und Rodin 1969). Neben verbaler hat fer eindeutig als Notfall erkennbar, wird eher
sich in diesem Zusammenhang auch visuelle geholfen (7 Exkurs: Als Opfer – Mehrdeutigkeit
Kommunikation als wichtig erwiesen. Ist diese reduzieren!).
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
411 6
Exkurs Sie das Opfer wären, lieber: ein einzelner
potenzieller Helfer oder eine ganze Gruppe?
Als Opfer – Mehrdeutigkeit reduzieren!
Rein gefühlsmäßig würden Sie womöglich
Die Forschung zeigt, dass Opfern, die um Hilfe
die Gruppe vorziehen – schließlich ist die
rufen, eher geholfen wird, als Opfern, die das
nicht tun (Yakimovich und Saltz 1971; s. a. R. Wahrscheinlichkeit, dass bei mehreren Per-
D. Clark und Word 1972, 1974; Gaertner und sonen eine hilfsbereite Person dabei ist, grö-
Dovidio 1977). Je spezifischer – und damit je ßer und zudem wären dann noch vereinte
eindeutiger – der Hilfsbedarf klar gemacht Kräfte vorhanden, wenn es tatkräftiger Hilfe
wird, desto eher agieren potenzielle Helfer:
bedarf (z. B. einen Peiniger abwehren).
Insbesondere in mehrdeutigen Situationen sind
deshalb Ausrufe wie „Hilfe, Vergewaltigung, Natürlich hätten Sie mit diesen Ein-
rufen Sie die Polizei!“ bei einer drohenden schätzungen prinzipiell recht. Die Forschung
Vergewaltigung wirksamer als allgemeinere zeigt jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass
Ausrufe wie nur „Hilfe!“ (Shotland und Stebbins im Notfall geholfen wird, mit der Anzahl der
1980; . Abb. 6.7).
Zuschauer abnimmt. Die Hilfsbereitschaft des
Einzelnen ist am höchsten, wenn er der ein-
zige Zuschauer ist (Bystander-Effekt; Latané
6.1.3 Stufe 3: Bin ich gemeint? – und Nida 1981; . Abb. 6.8).
Verantwortung übernehmen
Bystander-Effekt
Wie wir bereits gesehen haben, schätzen Individuen zeigen typischerweise
mehrere Personen eine Situation eher als umso weniger Hilfeverhalten, je mehr
ungefährlich ein als eine einzelne Person. potenzielle Helfer (Bystander) anwesend
Nehmen wir nun an, eine Gruppe und eine sind. Wichtige vermittelnde Prozesse sind
Einzelperson haben einen Notfall gleich- pluralistische Ignoranz (7 Abschn. 6.1.2)
ermaßen bemerkt und auch als einen sol- und Verantwortungsdiffusion.
chen eingeschätzt. Was wäre Ihnen, wenn
. Abb. 6.7 Um Hilfe rufen ist eine wirksame Strategie, um tatsächlich Hilfe zu erhalten. (© Rainer
Fuhrmann/stock.adobe.com)
412 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
. Abb. 6.8 Sind Sie in einer Notfallsituation allein, so werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit Ver-
antwortung übernehmen. Sobald jedoch noch andere Personen anwesend sind, teilen Sie gemeinsam die
Verantwortung. Damit hoffen möglicherweise alle, dass jemand anderes handelt und dass unter den anderen
jemand ist, der kompetenter, entschlossener und mutiger ist! (© Gina Sanders/Fotolia)
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
413 6
Beispielstudie 6.4
. Abb. 6.9 Ob in einer Notfallsituation Hilfe geleistet wird oder nicht, ist u. a. entscheidend davon abhängig,
inwieweit sich der Einzelne verantwortlich fühlt. Sind mehrere potenzielle Helfer anwesend (rechter Teil
der Abbildung), verteilt sich die Verantwortung über die Mitglieder (Verantwortungsdiffusion), und es wird
unwahrscheinlicher, dass der Einzelne eingreift (Bystander-Effekt). Ist nur eine Person anwesend (linker Teil der
Abbildung), ist es erheblich wahrscheinlicher, dass diese sich verantwortlich fühlt und eingreift
414 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
. Abb. 6.10 Aufeinander achten: Andere Badegäste zu bitten, auf die eigenen Sachen aufzupassen, während
man ins Wasser geht, bringt Commitment und Sicherheit. (Anmerkung: Das Foto dient der Illustration und
stammt nicht aus der Studie). (© visualpower/stock.adobe.com)
. Abb. 6.11 Hier braucht ganz sicher jemand Hilfe. Je besser man vorbereitet ist und sich kompetent fühlt, die
notwendigen Schritte einzuleiten, umso eher wird man hier anhalten. (© Stefan Körber/stock.adobe.com)
besondere bieten sie mit größerer Wahrschein- 6.1.5 Stufe 5: Schaffe ich
lichkeit tatkräftige, lebensrettende Hilfe an das? – Frage der
(z. B. Wunde selbst abbinden anstatt den Arzt Handlungsinitiierung (sich
rufen; Cramer et al. 1988; Shotland und Heinold entscheiden zu helfen,
1985). Medizinische Laien, die einen Film über einzugreifen und Hilfe
Erste-Hilfe-Maßnahmen gesehen hatten, griffen anzubieten)
in einem medizinischen Notfall drei Wochen
später schneller ein als Personen, die keinen Selbst wenn der potenzielle Helfer den Not-
solchen Film gesehen hatten (. Abb. 6.11); ihr fall bemerkt und als solchen interpretiert hat,
Eingreifen war zudem unabhängig davon, ob sich zudem verantwortlich und sogar kompe-
sie allein oder zusammen mit anderen Personen tent fühlt, kann es dennoch sein, dass er sich
Zeuge des Notfalls wurden (Pantin und Carver dagegen entscheidet, Hilfe zu leisten. Maß-
1982).3 geblich für diese Entscheidung ist an dieser
Maßgeblich ist dabei weniger die tatsäch- Stelle die Frage, inwieweit die Hilfeleistung
liche Kompetenz, sondern vielmehr das (sub- auch negative Konsequenzen für den Helfer
jektive) Kompetenzgefühl einer Person. Ist hat. Diese reichen von der aufzubringenden
dieses gegeben, sind Personen sogar bereit, Zeit und Anstrengung über die mögliche
auch dann Hilfe zu leisten, wenn diese mit Peinlichkeit, unnötigen Aktionismus zu zei-
körperlichen Unannehmlichkeiten einhergeht gen, bis hin zur Gefährdung des eigenen
(z. B. Midlarsky und Midlarsky 1976; Schwartz Lebens. So mag sich ein potenzieller Helfer
und David 1976; 7 Beispielstudie 6.5). aufgrund des erst vor Kurzem besuchten Ers-
te-Hilfe-Kurses durchaus in der Lage fühlen,
eine zusammengesunkene Person auf der
3 Eine weitere Erhebung nach sechs Wochen legte
jedoch nahe, dass das einmalige Sehen eines Straße in die stabile Seitenlage zu bringen.
Erste-Hilfe-Films das Kompetenzgefühl nicht Handelt es sich dabei um eine ungepflegte
dauerhaft erhöht (Pantin und Carver 1982). Person, könnte uns allein ein gewisser Ekel
418 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Beispielstudie 6.5
. Tab. 6.1 Beispiele für mögliche Vorteile (Nutzen) sowie potenzielle Nachteile (Kosten) von
Hilfeleistung bzw. unterlassener Hilfe
Möglicher Nutzen von Mögliche Kosten von Hilfeleistung Mögliche Kosten bei
Hilfeleistung unterlassener Hilfeleistung
Exkurs
Impulsives Helfen
Typischerweise sind die Dies ist beispielsweise der Beziehung zwischen Opfer
antizipierten Kosten für Fall, wenn jemand dem und Helfer besteht (J. A.
Hilfeleistung (und weniger Opfer einer Gewalttat Piliavin et al. 1981, S. 161 ff.).
die Kosten für unterlassene ohne nachzudenken Möglicherweise spielt hier
Hilfe) entscheidend (Dovidio zu Hilfe eilt und dabei auch die durch einen solchen
1984, S. 386). Allerdings gegenüber Angreifern in Notfall starke Erregung eine
gibt es Situationen, in der Unterzahl ist. Solch Rolle, indem der Aufmerksam-
denen mögliche Kosten impulsive Hilfeleistung keitsfokus verengt wird und
für Helfen keine oder nur ist wahrscheinlicher in die rationale Abwägung
eine sehr untergeordnete eindeutigen, realistischen potenzieller Kosten sinkt (vgl.
Rolle zu spielen scheinen. Situationen und wenn eine auch Dovidio et al. 1991).
6
Gefahr bringen müssen, Schmerzen oder Ver- Dilemma, dass sowohl die Kosten für direkte
legenheit die Folge sein könnten oder das Helfen Hilfe als auch die Kosten für unterlassene
zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde, nimmt Hilfe hoch sind, wird er indirekt helfen oder
die Hilfeleistung ab (Dovidio et al. 1991; I. M. subjektiv die Kosten für unterlassene Hilfe-
Piliavin et al. 1975; 7 Exkurs: Impulsives Helfen). leistung senken (zusammenfassend . Tab. 6.2).
Auch wenn wir helfen, hängt die Art der Letzteres ist möglich, indem er die Situation
Hilfe von Kosten-Nutzen-Abwägung ab. als weniger gefährlich umdefiniert, das Opfer
Direkte Hilfe (z. B. jemandem, der auf der schlecht macht oder die Verantwortung zu
Straße hingefallen ist, beim Aufstehen helfen) handeln auf andere abwälzt (7 Abschn. 6.1.3).
ist vor allem dann wahrscheinlich, wenn die Entscheidend sind insbesondere die Kos-
Hilfekosten gering, die Kosten für unterlassene ten für Hilfe: Steigen diese, wird Hilfeverhalten
Hilfeleistung jedoch hoch sind (z. B., weil unwahrscheinlicher (Dovidio 1984; McVittie
soziale Missbilligung oder potenziell schwer- et al. 2006; J. A. Piliavin et al. 1981; J. A. Pilia-
wiegende Folgen für das Opfer zu fürchten vin und Piliavin 1972; 7 Beispielstudie 6.6).
sind, wenn die Person beispielsweise auf einer Auch konkurrierende Ziele – und sei es das
viel befahrenen Straße gestürzt ist). Indirekte Ziel, nicht zu spät zu einem psychologischen
Hilfe (z. B. den Rettungswagen rufen) tritt Experiment zu kommen – können helfendes
regelmäßig dann auf, wenn die Kosten für Verhalten unwahrscheinlicher machen (Darley
direkte Hilfe hoch sind, relativ selten dagegen, und Batson 1973; 7 Abschn. 6.1.1). Ebenso ist
wenn diese niedrig sind (J. A. Piliavin et al. die bereits berichtete Verantwortungsdiffusion
1981, S. 86 ff.; J. A. Piliavin und Piliavin 1972). im Falle hoher Hilfekosten ausgeprägter (z. B.
Befindet sich der potenzielle Helfer in dem I. M. Piliavin et al. 1975).
. Tab. 6.2 Unterschiedliches Verhalten in Abhängigkeit von den Kosten für direkte bzw. unterlassene
Hilfeleistung
Niedrig Hoch
Kosten unter- Hoch Direkte Hilfe Indirekte Hilfe oder Kosten für Nichthelfen
lassener Hilfe reduzieren
Niedrig Normabhängig Problem ignorieren, leugnen, Szene verlassen
6.1 · Warum Hilfe unterlassen wird – Situative Determinanten …
421 6
Beispielstudie 6.6
Beispielstudie 6.7
Sinken die Kosten für unterlassene Hilfe (Easy Escape), wird weniger geholfen
Die Teilnehmerinnen von Elektroschocks. (Tatsächlich ohnehin beendet, und sie
Batson et al. (1986) hatten die kam die zu beobachtende durften bei Ablehnen gehen
Aufgabe, eine junge Frau, die Sequenz vom Band, und der (Easy Escape); hatten sie sich
unter aversiven Bedingungen jungen Frau waren selbstver- jedoch einverstanden erklärt,
arbeitete (diese erhielt während ständlich keine Elektroschocks alle absolvierten Durchgänge
der Aufgabenbearbeitung verabreicht worden.) zu beobachten, mussten sie
milde elektrische Schläge in Unerwartet wurden die echten die Aufgabe fortführen und
zufälligen Abständen), über Teilnehmerinnen gegen Ende trotz Ablehnen das Opfer und
einen Monitor zu beobachten des zweiten Durchgangs über dessen Unbehagen weiter
und sich einen Eindruck von eine Sprechanlage gefragt, beobachten (Difficult Escape).
ihr zu bilden. Einem Teil der ob sie bereit wären, mit der War es einfach, die Hilfe zu
Beobachterinnen wurde beobachteten Frau die Plätze verweigern (Easy Escape,
mitgeteilt, dass es ausreiche, zu tauschen und ihr somit zu d. h. niedrige Kosten für
wenn sie zwei Durchgänge helfen, oder ob sie lieber ihre unterlassene Hilfe), lehnten
beobachteten, die andere Beobachterrolle beibehalten 70 % der Teilnehmer den
Hälfte wurde darauf vorbereitet, würden. Platztausch ab; waren die
alle absolvierten Durchgänge Die Teilnehmerinnen hatten Kosten für unterlassene Hilfe
(maximal zehn) zu beobachten. es dabei je nach Anzahl der zu dagegen hoch (Difficult Escape),
Im Laufe des Beobachtungs- beobachtenden Durchgänge waren es nur 36 %.
zeitraums reagierte die unterschiedlich leicht, ihre Diese Studie zeigt, dass
junge Frau offensichtlich mit Hilfe zu verweigern. Sollten mit sinkenden Kosten für
steigendem Unbehagen auf sie nur zwei Durchgänge unterlassene Hilfe weniger
die willkürlich verabreichten beobachten, war die Aufgabe geholfen wird.
422 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Es hat sich gezeigt, dass prosoziales Ver- gegeben. Sind in solch mehrdeutigen Situ-
halten unter Alkoholeinfluss ansteigen kann. ationen noch andere Personen anwesend,
Dies wird damit erklärt, dass Alkohol die hem- orientiert sich typischerweise jeder an der
mende Wirkung von antizipierten negativen Reaktion des anderen, was zu pluralisti-
Konsequenzen der Hilfe (Kosten) durch seine scher Ignoranz führen kann: Jeder denkt, die
enthemmende Funktion aufhebt (Steele et al. Untätigkeit des anderen spiegelt dessen Ein-
1985). Entsprechend wirkte sich Alkohol nur schätzung der Situation als harmlos wider,
dann förderlich auf Hilfeverhalten aus, wenn und schließt daraus, dass die Situation tat-
beispielsweise die Hilfehandlung unangenehm sächlich ungefährlich ist – letztendlich
war (hohe Kosten); er hatte jedoch keinen Ein- kommt dann keiner dem Opfer zu Hilfe.
fluss, wenn die Teilnehmer die Hilfehandlung Selbst wenn ein Notfall als ein sol-
mochten (geringe Kosten). cher erkannt wird, kann es sein, dass sich
Hilfe ist also umso wahrscheinlicher, der potenzielle Helfer nicht für die Hilfe-
6 je geringer die Kosten für die Hilfestellung leistung verantwortlich fühlt – dies ist ins-
und je höher die Kosten für unterlassene besondere dann der Fall, wenn aufgrund der
Hilfe sind. Letztere steigen beispielsweise, Anwesenheit anderer die Möglichkeit der
wenn man mit dem Opfer persönlich Verantwortungsdiffusion besteht. Die Wahr-
bekannt ist oder zukünftige Interaktionen scheinlichkeit, dass ein potenzieller Helfer
mit ihm erwartet. Entsprechend wird in sol- eingreift, ist entsprechend höher, wenn die-
chen Situationen eher geholfen (Gottlieb ser alleine und nicht in Anwesenheit ande-
und Carver 1980; Latané und Rodin 1969). rer Personen ist (Bystander-Effekt). Auch ein
Sie sinken dagegen unter sog. Easy-Escape- potenzieller Helfer, der sich verantwortlich
Bedingungen, d. h., wenn beispielsweise fühlt, kann sich dennoch gegen eine Hilfe-
zukünftige Interaktionen unwahrschein- leistung entscheiden, nämlich dann, wenn
lich sind, der potenzielle Helfer eine er sich nicht als kompetent ansieht, die not-
Rechtfertigung für das Unterlassen der Hilfe- wendigen Handlungen auszuführen oder – so
leistung hat oder keine negative Bewertung die nötige Kompetenz gegeben ist – ihm die
durch das soziale Umfeld erwarten muss; Kosten für die Hilfeleistung einfach zu groß
in solchen Fällen ist das Hilfeverhalten ver- wären. Kosten-Nutzen-Überlegungen wie sie
ringert (Batson et al. 1986, 1988; Toi und im Arousal-Cost-Reward-Modell beschrieben
Batson 1982; 7 Beispielstudie 6.7). sind, können bei gegebener Kompetenz immer
noch zu unterlassener Hilfeleistung führen.
In manchen Fällen können wir eine Ent-
6.1.6 Zusammenfassung scheidung zur unterlassenen Hilfeleistung
nachvollziehen; meistens sind wir jedoch wie
Wie wir in diesem Abschnitt gesehen haben, in den eingangs beschriebenen Fällen des
ist die Entscheidung, helfend einzugreifen, Unfalls von Wang Yue bzw. der Vergewaltigung
häufig gar nicht so einfach, wie es im Nach- in der Hamburger S-Bahn ob der verweigerten
hinein bzw. von außen aussieht. Zunächst Hilfe nahezu sprachlos: Eigentlich hätten die
einmal muss der Notfall von dem poten- Zeugen unbedingt eingreifen müssen. Diese
ziellen Helfer überhaupt bemerkt werden, Erwartung erwächst aus der grundlegenden
was beispielsweise unter Zeitdruck bzw. all- Annahme, dass Hilfeverhalten auf irgendeine
gemein bei begrenzten kognitiven Kapazi- Art und Weise in der menschlichen Natur
täten weniger wahrscheinlich ist. Nicht alle verankert ist bzw. im Laufe der Entwicklung
Notfälle sind zudem eindeutig als Notfall verankert wird. Mit den unterschiedlichen
zu erkennen, sondern in vielen Situationen Motiven prosozialen Verhaltens wollen wir uns
ist ein gewisser Interpretationsspielraum daher im nächsten Abschnitt beschäftigen.
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
423 6
6.2 Warum wir grundsätzlich Ginsburg 1991; de Waal 1997). Ausprägung
hilfsbereit sind – Motive und Ausmaß prosozialen Verhalten variie-
prosozialen Verhaltens ren z. T. deutlich in Abhängigkeit von den
Sozialisationsbedingungen, was zusätzlich zur
Im vorangehenden Abschnitt haben wir biologischen Grundlage die Bedeutung von
Determinanten der Situation betrachtet, die Umwelteinflüssen für dieses Verhalten deut-
dazu führen können, dass Menschen nicht lich macht.
helfen – ein Umstand der uns immer wieder In 7 Abschn. 6.2.1 wird zunächst die bio-
erschreckt, denn grundsätzlich erwarten wir, logische Grundlage – die erfolgreiche Weiter-
dass Menschen einander in Notsituationen gabe der eigenen Gene – dargestellt und
beistehen. Doch wie kommen wir zu dieser deren Konsequenzen dafür, welchen Perso-
Erwartung? Warum helfen Menschen über- nen vermehrt und welchen weniger geholfen
haupt – und das sogar recht häufig? Was wird. Durch welche spezifischen Motive pro-
sind die Motive, die uns antreiben, Zeit und soziales Verhalten in Hilfesituationen hervor-
Energie für das Wohlbefinden anderer auf- gerufen wird, wird anschließend beschrieben.
zubringen? Unabhängig von den direkten Dazu gehören Gefühle wie Empathie oder
Konsequenzen einzelner Hilfeleistungen persönliches Unbehagen (7 Abschn. 6.2.2)
(7 Abschn. 6.1.5) wollen wir nun die sowie prosoziale Normen (7 Abschn. 6.2.3;
Ursprünge und Motive prosozialen Verhaltens zusammenfassend . Abb. 6.12).
betrachten – und damit letztendlich auch, wie
es überhaupt dazu kommt, dass wir bei unter-
lassener Hilfeleistung sogar soziale Ächtung 6.2.1 Biologische Grundlage –
fürchten müssen. Erhöhung der biologischen
Die Tatsache, dass prosoziales Verhalten Fitness durch prosoziales
in allen Kulturen auftritt, d. h. universell ist Verhalten
(vgl. Bierhoff 2006; Fiske 1991), legt nahe,
dass prosoziales Verhalten sich im Laufe der Stellen Sie sich vor, Sie lesen in der Zeitung
Evolution als adaptiv erwiesen und eine bio- von der spektakulären Rettung eines Jugend-
logisch-genetische Basis hat. Bereits 18-mona- lichen, der ins Eis eingebrochen war. Was
tige Kinder halfen fremden Erwachsenen, würde Sie nun mehr beeindrucken: wenn im
beispielsweise indem sie ihnen Dinge gaben, folgenden Satz berichtet würde, dass es sich
an die die Erwachsenen nicht herankamen; bei dem Retter um den Vater des Jugend-
dies taten selbst Schimpansen, wenngleich lichen handelte, oder wenn dort stünde, dass
viel seltener als die Kleinkinder (Warneken Retter und Geretteter einander völlig fremd
und Tomasello 2006). Darüber hinaus finden waren? Vermutlich fänden Sie den zweiten
sich auch bei zahlreichen anderen Arten, ins- Fall bewundernswerter als den ersten. Auch
besondere bei Primaten, aber auch bei Vögeln die Carnegie Hero Fund Commission, die
und anderen Säugetieren, Belege für Empathie mehrmals im Jahr Preise für besonders heroi-
und prosoziales Verhalten (für einen Über- sche Hilfeakte vergibt, sieht dies so: Rettungen
blick vgl. de Waal 2008; Silk und House 2011). naher Verwandter sind ebenso wie berufsmä-
Das heißt jedoch nicht, dass es ein Gen für ßige Hilfeakte weitestgehend von der Preisver-
prosoziales Verhalten gibt. Vielmehr dürfte leihung ausgeschlossen.
prosoziales Verhalten eine der Folgen unserer Wie kommt es zu dieser unterschied-
angeborenen Fähigkeiten zur Kommunikation lichen Bewertung des gleichen Hilfeakts in
von Gefühlen, zur Ausbildung sozialer Bin- Abhängigkeit vom Verwandtschaftsgrad? Ver-
dungen sowie zur Entwicklung sozialer Nor- wandte liegen uns meist mehr am Herzen, und
men und deren Durchsetzung sein (Buck und wir finden es natürlich, dass wir um deren
424 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
. Abb. 6.12 Prosoziales Verhalten wird von verschiedenen Motiven gespeist. Das biologische Motiv, die eige-
nen Gene erfolgreich weiterzugeben, könnte man als Basis für prosoziales Verhalten ansehen. Eine direkte Folge
daraus ist, dass wir Personen, die uns genetisch ähnlich sind, eher helfen (Verwandtenselektion). Unsere Fähig-
keiten zur Kommunikation von Gefühlen bilden die Basis dafür, dass Gefühle als Motiv für prosoziales Verhalten
wirken können. Des Weiteren spielen Normen eine wichtige Rolle für prosoziales Verhalten
. Abb. 6.13 Mit biologischer Fitness wird erklärt, dass genetisch ähnlichen Personen vermehrt geholfen wird.
Genetische Ähnlichkeit ist zum einen mit dem Verwandtschaftsgrad assoziiert, zum anderen mit Ähnlichkeit und
Kontakt
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
427 6
Exkurs Darüber hinaus verfügen wir über ver-
mutlich angeborene Beziehungsschemata;
Berührung erhöht prosoziales Verhalten
entsprechend findet sich weltweit, dass wir
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass
Gruppen, insbesondere Verwandte (Familien,
Berührungen dazu führen, dass mehr geholfen
wird: Beispielsweise halfen Wartende an einer Clans), aber auch enge Freunde und Eigen-
Bushaltestelle einer Person, die sie zuvor nach gruppen, als durch eine gemeinsame Essenz
dem Weg gefragt und dabei kurz am Arm geprägt wahrnehmen (Gemeinschaftlichkeit,
berührt hatte, eher, heruntergefallene Disketten Fiske 1992, 2004; 7 Kap. 1). Menschen inner-
aufzuheben, als wenn die Person sie zwar
halb dieser Gruppen empfinden wir als zu uns
ebenfalls nach dem Weg gefragt, jedoch nicht
berührt hatte (Guéguen und Fischer-Lokou selbst und zueinander essenziell gleich, da nur
2003). Ebenso ließen Busfahrer (weibliche) wir diese Essenz (repräsentiert als Blut, Gene
Fahrgäste, die nicht genügend Geld für die oder auch etwas Abstrakteres) miteinander
Fahrkarte hatten, eher dennoch mitfahren, teilen (Kashima et al. 2005; Prentice und Mil-
wenn diese sie berührten (Guéguen und
ler 2007; Rhodes et al. 2012; Verkuyten 2003).
Fischer-Lokou 2003; siehe auch Hornik 1987;
Paulsell und Goldman 1984). Als Folge sind wir eher bereit, diese Personen
zu unterstützen, ohne Gegenleistungen zu
erwarten, berühren sie, ohne Ekel zu emp-
finden, teilen Essen mit ihnen, bewegen uns
2003). Des Weiteren kann die Ähnlichkeit synchron zu ihnen und imitieren uns gegen-
hinsichtlich Alter, ethnischer Zugehörigkeit, seitig (Fiske 2004). Aufgrund des adaptiven
Geschlecht oder Wertvorstellungen bestehen Vorteils dieser Fürsorge hat sich Gemein-
(Hayden et al. 1984); selbst Mimikry, d. h. schaftlichkeit vermutlich unter Verwandten
das Nachahmen des Gegenübers, kann pro- entwickelt, allerdings – und hier wird es
soziales Verhalten erhöhen (van Baaren et al. besonders spannend – erweitert auf eine Viel-
2004; 7 Beispielstudie 6.8) oder auch das zahl von Beziehungen unter Nichtverwandten.
bloße Berühren des anderen (z. B. Guéguen Diese besonderen Beziehungen der Fürsorg-
und Fischer-Lokou 2003; 7 Exkurs: Berührung lichkeit ohne jegliche Blutsverwandtschaft
erhöht prosoziales Verhalten). fallen u. a. durch ihre Begrifflichkeiten auf, in
Beispielstudie 6.8
denen häufig Verwandtschaftsbezeichnungen Sie das Leid anderer Lebewesen nicht einfach
auftauchen: Bro4, Adoptivkinder, Patenkinder, untätig mitansehen können und einfach hel-
Waffenbrüder, Doktorvater, Blutsbruder, fen müssen.
Ordensschwester, Krankenschwester etc. Empfangen wir Notsignale von anderen,
Insgesamt zeigt sich, dass wir Menschen löst dies in uns häufig Gefühle aus, die wiede-
eher helfen (und mehr Empathie ihnen gegen- rum das Bedürfnis, das Leid des anderen zu
über zeigen; 7 Abschn. 6.2.2), die wir als „zu beenden, bewirken. Grundlegend hierfür ist
uns gehörig“ ansehen. Indizien dieser Zuge- unsere (angeborene) Disposition zur Kommu-
hörigkeit sind Imitation, Ähnlichkeit, Ver- nikation von Gefühlen: Wir alle senden – häufig
trautheit und körperliche Nähe. unbewusst und auch unbeabsichtigt – Informa-
Wie in diesem Abschnitt beschrieben, tionen über unseren Gefühlszustand und sind
gibt es eindrucksvolle Befunde, dass Hilfe- zudem in der Lage, von anderen gesendete
verhalten für die Durchsetzung der eigenen affektive Signale zu entschlüsseln.
6 Gene von Vorteil sein kann. Weitere Motive,
die uns in konkreten Situationen dazu brin-
gen, Hilfeverhalten einzugehen, sind Gefühle Unterschiedliche emotionale
(z. B. der andere tut uns leid) und prosoziale Reaktionen auf Notfälle
Normen (z. B. „Hilf dem, der Hilfe benötigt“). 5 Persönliches Unbehagen:
Diese werden in den beiden nachfolgenden Selbstzentrierte Gefühle wie Angst
Abschnitten beschrieben. und Unruhe, die egoistisch motiviertes
Hilfeverhalten bewirken können
5 Empathie: Auf den anderen gerichtete
6.2.2 Gefühle als Motiv – Gefühle wie Mitleid und Besorgnis, die
Empathie und altruistisch motiviertes Hilfeverhalten
Stimmungsverbesserung als bewirken
Gründe für Hilfeverhalten
Warum begeben wir uns in Lebensgefahr, um Wird man Zeuge der Not einer anderen Per-
ein wildfremdes Kind aus dem Eis zu retten? son, kann dies zwei qualitativ unterschied-
Wieso werfen wir einem Obdachlosen 1 EUR liche emotionale Reaktionen zur Folge haben:
unseres mühsam verdienten Geldes in seine zum einen auf den anderen gerichtete Empa-
Sammelbüchse? Wie kommt es dazu, dass thie, d. h. Gefühle wie Mitleid und Besorgnis,
wir in Einzelfällen sogar die Feuerwehr rufen, und zum anderen selbstzentriertes persön-
um ein Kätzchen zu retten, das nicht mehr liches Unbehagen, verbunden mit Gefühlen
vom Baum herunterkommt und nun herz- wie Angst und Unruhe (z. B. Batson et al.
zerreißend miaut? Mit dem Erfolg der eige- 1981). Beide Gefühlsarten können Hilfever-
nen Gene ist dies nur schwer zu erklären. Was halten motivieren, jedoch auf unterschied-
meinen Sie, wie es zu diesen Verhaltensweisen liche Art und Weise. Überwiegt persönliches
kommt? Vermutlich werden Sie sagen, dass Unbehagen, steht hinter dem Hilfeverhalten
hauptsächlich das Ziel, dadurch die eigene
Gefühlslage zu verbessern, d. h., ein solches
Hilfeverhalten ist eigentlich egoistisch moti-
viert. Helfen wir hingegen überwiegend aus
4 Ein Bro ist die Kurzform des englischen Wortes Empathie mit dem Opfer heraus, steht nicht
brother. Nicht nur Blutsverwandte, sondern einem
die eigene Gefühlslage im Vordergrund,
emotional nahestehende Personen, insbesondere
die engsten Kumpels, werden in der heutigen sondern die des Opfers (. Abb. 6.14). Im
Umgangssprache als Bros bezeichnet (7 https:// Folgenden wird zunächst diese letztere (alt-
de.wikihow.com/Ein-Bro-sein). ruistische) Form des Hilfeverhaltens aufgrund
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
429 6
. Abb. 6.14 Beobachten wir die Not einer anderen Person, kann dies verschiedene Gefühle auslösen, die
wiederum Hilfeverhalten motivieren. Wird überwiegend Empathie empfunden, so wird aus dem eher altruis-
tischen Ziel heraus, das Leid des Opfers zu reduzieren, geholfen. Steht dagegen persönliches Unbehagen im
Vordergrund, ist Hilfeverhalten eine Möglichkeit, dieses Unbehagen zu reduzieren. Hilfeverhalten dient dann
eher egoistischen Zielen, die auch durch anderes Verhalten (z. B. Flucht oder anderweitige Maßnahmen zur
Stimmungsverbesserung) erreicht werden können
Da empathisch motiviertes Helfen also in zu helfen versuchen, findet sich in der glei-
erster Linie darauf fokussiert, die Not des chen Situation dagegen keine Stimmungs-
anderen zu lindern, zählt für empathisch verschlechterung (Batson und Weeks 1996).
motivierte Personen nicht die Tatsache, alles Des Weiteren helfen empathisch-altruistisch
versucht zu haben, den anderen aus seiner motivierte Personen – im Gegensatz zu eher
misslichen Lage zu befreien, sondern nur egoistisch motivierten – auch dann, wenn die
tatsächlich erfolgreiche Hilfe. Dies führt bei- Kosten für unterlassene Hilfe gering wären,
spielsweise dazu, dass sich bei empathisch d. h., wenn sie der Situation leicht entfliehen
motivierten Personen die Stimmung nach könnten (Batson et al. 1981, 1983; Toi und
einem missglückten Hilfeversuch auch dann Batson 1982; 7 Beispielstudie 6.9).
verschlechtert, wenn der Misserfolg voll- Empfinden wir Empathie, sind Kos-
kommen gerechtfertigt ist. Bei Personen, ten-Nutzen-Relationen für die Entscheidung,
die eher aus egoistischen Motiven heraus ob man hilft oder nicht, weniger wichtig – die
6
Beispielstudie 6.9
Wird Hilfe durch Empathie motiviert, wird auch dann geholfen, wenn die Kosten für
unterlassene Hilfe gering sind
Toi und Batson (1982) spielten bei einem Autounfall beide nach der Teilnehmerin
ihren Teilnehmerinnen eine Beine gebrochen und deshalb richten würde (Easy Escape).
Testfolge der geplanten die Lehrveranstaltungen Teilnehmerinnen, die
Nachrichtensendung News eines ganzen Monats gebeten worden waren,
from the Personal Side vor, die verpasst hätte. Sie berichtete, möglichst objektiv zu sein,
der Universitätsradiosender dass sie dringend eine waren im ersten Fall, d. h.,
möglicherweise ins Programm Kommilitonin suche, die mit wenn sie davon ausgingen,
aufzunehmen plane. Eine ihr den versäumten Lehrstoff dass sie Carol auf jeden
Hälfte wurde dabei instruiert, durchgehe. Fall begegnen würden,
so objektiv wie möglich zu Zusammen mit den eher bereit zu helfen als
sein und sorgfältig auf alle Beurteilungsbögen für im letzten (76 % versus
präsentierten Informationen die Sendung erhielten die 33 %). Teilnehmerinnen, die
zu achten (niedrige Teilnehmerinnen einen Brief, durch die Instruktion dazu
Empathie), die zweite Hälfte der „An die Studentin, die die gebracht worden waren, sich
sollte dagegen versuchen, Carol-Marcy-Testfolge hört“ in Carol hineinzuversetzen,
sich möglichst gut in die adressiert war. Dieser enthielt halfen dagegen unabhängig
interviewte Person hineinzu- ein Schreiben von Carol, in davon, ob das Nein-Sagen
versetzen und sich deren dem sie die Teilnehmerin ihnen schwer oder leicht
Gefühle vorzustellen (hohe konkret um Hilfe mit den (81 % versus 76 %) gemacht
Empathie). Aufzeichnungen bat. worden war.
Den Teilnehmerinnen wurde Für eine Hälfte der Wie diese Studie zeigt,
des Weiteren mitgeteilt, Teilnehmerinnen endete der kann Empathie Personen
dass es sich um reale Fälle Brief damit, dass sie Carol in motivieren, anderen zu
handelte und von den fünf zur einem von ihnen ohnehin helfen. In diesem Falle
Auswahl stehenden Folgen besuchten Psychologiekurs steht das Bedürfnis im
jede jeweils nur von einer treffen würden (Difficult Vordergrund, die Not
Testperson beurteilt würde. Escape), für die andere der anderen Person
Tatsächlich enthielt jedes Hälfte schloss er damit, dass zu lindern, während
Band das gleiche Interview, Carol noch nicht wieder Kosten-Nutzen-Überlegungen
in dem die Studentin Carol mobil sei, sich aber den eine vergleichsweise geringe
Marcy berichtete, dass sie sich Treffpunkt betreffend gerne Rolle spielen.
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
431 6
Hilfsbereitschaft ist generell eher hoch.5 Aller- beispielsweise ein Zusammenhang zwischen
dings besteht die Einschränkung, dass auch bei dem erwachsenen Bindungsstil (erwünschte
empathischen Personen die Hilfsbereitschaft Nähe oder Distanz zu Beziehungspartnern;
sinkt, wenn die Hilfeleistung mit hohen Kos- 7 Kap. 1) und der Fähigkeit, Mitgefühl zu
ten verbunden ist (z. B. relativ starke Elektro- empfinden. Ein vermeidender Bindungsstil –
schocks für eine andere Person übernehmen; bei dem Nähe und Vertrautheit zum Partner
z. B. Batson et al. 1983; Neuberg et al. 1997). oder zur Partnerin gemieden werden – hat
Da Empathie als ein wichtiges Motiv für häufig Wurzeln in der frühkindlichen Sozia-
Hilfeverhalten angesehen werden kann, stellt lisation und war in dieser Studie mit einer
sich natürlich die Frage, wovon es abhängt, ob geringeren Disposition zu empathischem
und wie viel Empathie wir in einer konkreten Empfinden assoziiert (Wayment 2006).
Notsituation empfinden. Zum einen spielen Menschen unterscheiden sich in ihrer all-
hier interindividuelle Unterschiede aufgrund gemeinen Tendenz, Mitgefühl mit anderen
von Veranlagung und Sozialisation eine Rolle, zu empfinden, und in der Folge auch in ihrer
zum anderen können auch situative Faktoren Hilfsbereitschaft (Penner und Finkelstein
Empathie fördern oder hemmen (zusammen- 1998; Penner et al. 1995; vgl. auch McHoskey
fassend . Abb. 6.15). 1999). Des Weiteren finden sich Geschlechts-
unterschiede im empathischen Empfinden
z Unterschiede in der dispositionalen dahingehend, dass Frauen mehr Empathie
Empathie zeigen als Männer (MacGeorge 2003; Trobst
Unterschiede in der Tendenz, vermehrt mit et al. 1994). Mit dem höheren Empathieemp-
Empathiegefühlen oder eher mit persön- finden von Frauen wird beispielsweise auch
lichem Unbehagen zu reagieren, sind erklärt, dass jüdische Mitbürger während
zum einen genetisch bedingt (Davis et al. des Zweiten Weltkriegs deutlich häufiger von
1994), zum anderen durch die Sozialisa- (nichtjüdischen, deutschen) Frauen als von
tion beeinflusst. In einer Studie, die das Mit- Männern vor den Nazis versteckt worden
gefühl mit Hinterbliebenen von Opfern des waren (V. L. Anderson 1993).
Terroranschlags auf das World Trade Cen-
ter im Jahre 2001 untersuchte, fand sich z Unterschiede in der situativen Empathie
Inwieweit wir Empathie für eine andere Per-
son empfinden oder nicht, hängt zudem von
verschiedenen situativen Faktoren ab. So
empfinden wir beispielsweise mehr Empathie
5 Inwieweit empathische Helfer tatsächlich selbstlos für Personen, mit denen wir uns verbunden
handeln oder ob nicht letztendlich andere, in
letzter Konsequenz egoistische Faktoren die ent-
fühlen, weil sie uns vertraut oder ähnlich
scheidende Rolle spielen, ist umstritten (Batson sind (z. B. Batson et al. 1981; Cialdini et al.
1997; Batson et al. 1997; Cialdini et al. 1987, 1997; 1997; Levy et al. 2002; vgl. auch Toi und
Neuberg et al. 1997). In einer Studie von Cialdini Batson 1982; 7 Abschn. 6.2.1). Ebenso emp-
und Kollegen (1997) verschwand beispielsweise finden wir mehr Empathie für Personen, die
der Einfluss von Empathie als Motivator für Hilfe-
verhalten, wenn das Gefühl von Einssein (Oneness)
unverschuldet statt aus eigenem Verschulden
mit dem Opfer berücksichtigt wurde. Dieses in eine Notlage geraten sind (Rudolph et al.
Gefühl beruht darauf, dass wesentliche Bestand- 2004). Auch der Umkehrschluss gilt: Über-
teile unseres Selbstkonzepts außerhalb der nimmt jemand die Perspektive einer ande-
eigenen und in anderen Personen lokalisiert sein ren Person, so bewirkt dies eine geringere
können. Je stärker dies der Fall ist, desto eher wird
geholfen, und diese Hilfe käme dann in letzter
Schuldzuschreibung für ihre missliche Lage,
Konsequenz wieder dem eigenen Selbstkonzept mehr Empathie sowie eine größere Hilfs-
und damit der eigenen Person zugute. bereitschaft ihr gegenüber (Betancourt 1990).
432 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
. Abb. 6.15 Ob und wie stark ein potenzieller Helfer Empathie empfindet, hängt von dessen Merkmalen sowie
in bedeutsamem Maße von Merkmalen der Situation ab. Empathieförderliche Charakteristika sind auf der linken,
empathiehinderliche Faktoren auf der rechten Seite der Abbildung abgetragen
Beispielstudie 6.10
Ist Hilfe möglich, aber kostspielig, werden eher Informationen gewählt, die keine Empathie
auslösen
Die Teilnehmer von Shaw et al. Person tatsächlich zu helfen. den verschiedenen Gruppen
(1994) waren der Meinung, Dabei wurde der Hilfsaufwand die objektive und wie viele die
dass sie als Testpersonen für allerdings unterschiedlich emotional berührende Version
ein neues Radioprogramm dargestellt: Der einen Hälfte wählten. War den Teilnehmern
dienten, in dem Aufrufe der Teilnehmer wurde gesagt, zuvor nicht gesagt worden,
zu freiwilliger Hilfe für sie müssten für die Hilfe nur dass sie später tatsächlich um
obdachlose Menschen etwa eine Stunde einplanen, Hilfe gebeten würden oder
gesendet werden sollten. und diese bestünde darin, wenn die angekündigte Hilfe
Eine Teilnehmergruppe (A) Briefe mit der Bitte um eine nur mit geringem Aufwand
wurde nach den einführenden Spende für den Obdachlosen verbunden war (Gruppe A und
Informationen direkt vor die vorzubereiten (Gruppe B, B), entschieden sich jeweils
6 Wahl gestellt, ob sie lieber geringe Kosten für Hilfe). Für die etwa 70 % der Teilnehmer für
Testperson für eine objektive, andere Hälfte wurde die Hilfe als die emotional berührende
eher distanzierte Darstellung recht aufwendig beschrieben Aufnahme. Waren die Kosten
eines realen Falls sein wollten (Gruppe C, hohe Kosten für für die später erwartete
oder lieber für eine emotional Hilfe): Sollten sie sich bereit Bitte um Hilfe jedoch hoch
berührende Version. erklären, dem Obdachlosen (Gruppe C), wählten nur noch
Den übrigen Teilnehmern zu helfen, würden sie in den etwa 30 % die emotional
wurde vor dieser nächsten Wochen insgesamt berührende – und damit
Wahlmöglichkeit noch etwa fünf bis sechs Stunden mit stärker Empathie auslösende –
mitgeteilt, dass sie – für dem Obdachlosen verbringen, Version.
einen realistischen Test der was dem Hilfsbedürftigen Diese Studie zeigt, dass im
Wirksamkeit des Aufrufs – nach soziale Unterstützung und Falle hoher Kosten für die
der Hörprobe die Möglichkeit Stabilität gewähren sollte. Hilfeleistung Informationen,
erhalten würden, der in der Die Forscher interessierte nun, die Empathie auslösen würden,
Aufnahme beschriebenen wie viele der Teilnehmer in vermieden werden.
unterlassene Hilfe dringend benötigte Hilfe- werden die positiven Gefühle, die uns pro-
leistungen möglich werden (7 Abschn. 6.1.5). soziales Handeln beschert, sogar als Helper’s
Allerdings sind Gefühle als Motiv nicht High bezeichnet (Luks 1988). Aus diesem
immer bzw. häufig nicht nur altruistischer Grunde kann Hilfeverhalten instrumentell
Natur, sondern können auch egoistische Züge dazu benutzt werden, die eigene Stimmung
aufweisen. Dies soll im nächsten Abschnitt positiv zu beeinflussen. Hierbei handelt es sich
näher ausgeführt werden. letztendlich um egoistisch motiviertes Hilfever-
halten, da das Helfen nur Mittel zum Zweck ist,
6.2.2.2 Wenn wir des guten Gefühls sich selbst besser zu fühlen. Die theoretischen
wegen helfen – Negative- Ansätze unterscheiden sich darin, worin diese
State-Relief- und Mood- Belohnung genau besteht, ob in der Aufhebung
Maintenance-Hypothese eines negativen Zustands (Negative-State-Relief-
Hilfeverhalten kann – zumindest im Hypothese) oder im Erhalt einer positiven
Erwachsenenalter6 – belohnenden und Stimmung (Mood-Maintenance-Hypothese).
stimmungsverbessernden Charakter haben
(Harris 1977; Stich et al. 1987; Weiss et al. 1971,
prosozialem Verhalten zur Stimmungsver-
1973; Williamson und Clark 1989). Manchmal besserung im Laufe der Sozialisation gelernt
werden muss; damit können Befunde erklärt wer-
6 Es wird angenommen, dass die belohnende den, dass Kinder in schlechter Stimmung weniger
Wirkung und damit der gezielte Einsatz von helfen als Erwachsene (Cialdini und Kenrick 1976).
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
435 6
z Negative-State-Relief-Hypothese Negative-State-Relief-Hypothese
Sehen wir eine andere Person (oder auch Hilfe kann aus dem Motiv heraus
ein Tier) in Not, machen sich häufig neben erfolgen, eine – beispielsweise durch
Mitgefühl auch noch andere Gefühle breit: den Notfall oder den Anblick des Opfers
Wir fühlen uns womöglich traurig, ängst- hervorgerufene – negative Stimmung
lich oder unruhig – kurzum, unsere Stim- zu verbessern. Wird die Stimmung
mung verschlechtert sich, und wir fühlen anderweitig gehoben, wird prosoziales
uns gestresst. Hilfeverhalten ist aufgrund sei- Verhalten als Stimmungsverbesserer
nes belohnenden Charakters eine Möglich- unnötig, und es wird weniger geholfen.
keit, die Stimmung wieder zu verbessern.
Die Negative-State-Relief-Hypothese nimmt
genau dies an, d. h., dass negative Gefühle Allerdings ist Hilfeverhalten nur eine von ver-
uns zu Hilfeverhalten motivieren, weil wir schiedenen Möglichkeiten der Stimmungsver-
dadurch unsere Stimmungslage verbessern besserung. Entsprechend kann hier prosoziales
können (Cialdini und Kenrick 1976; Cial- Verhalten – im Gegensatz zum empathisch
dini et al. 1987; Schaller und Cialdini 1988). motivierten Helfen – „unnötig“ werden, wenn
Dabei muss die negative Stimmungslage nicht die negative Stimmung auf andere Art und
notwendigerweise durch die Notsituation Weise verbessert wird (Cialdini et al. 1973;
selbst hervorgerufen sein, um Hilfeverhalten 7 Beispielstudie 6.11). Des Weiteren kann
zu begünstigen. So war beispielsweise die Hilfeverhalten „sinnlos“ werden, wenn man
Spendenbereitschaft für eine wohltätige Orga- damit keine Stimmungsverbesserung erzielen
nisation vor der Beichte größer als danach zu können glaubt (z. B. Cialdini et al. 1987;
(Feldstudie von Harris et al. 1975), d. h., die Manucia et al. 1984; 7 Beispielstudie 6.12).
negativen Gefühle hatten weniger etwas mit Den belohnenden Effekt von Hilfever-
dem Leid der Hilfsbedürftigen zu tun, son- halten schätzen wir allerdings nicht nur in
dern rührten eher von den Schuldgefühlen negativer Stimmung, sondern auch, wenn
aufgrund begangener (und noch nicht ver- wir gut gelaunt sind. Hier ist das Motiv nicht
gebener) Sünden her. unbedingt eine Stimmungsverbesserung,
Beispielstudie 6.11
Beispielstudie 6.12
Wird die eigene Stimmung als unveränderlich erlebt, wird weniger geholfen
Die Teilnehmer von Manucia Mundtrockenheit empfinden zeigten sie keine größere
et al. (1984) waren der würden, der anderen Hälfte Hilfsbereitschaft als neutral
Meinung, dass sie an einer wurde zusätzlich gesagt, gestimmte Teilnehmer.
Studie zum Erinnerungs- dass Mnemoxine die aktuelle War zuvor jedoch nicht von
vermögen teilnehmen würden, Stimmung einfriere, d. h., dass einer stimmungsfixierenden
bei der die Auswirkungen ihre Stimmung für etwa eine Wirkung gesprochen worden,
eines Gedächtnismedikaments halbe Stunde nicht veränderlich halfen in traurige Stimmung
interessierten. sei. versetzte Teilnehmer deutlich
Angeblich als Kurz darauf wurden die mehr als neutral gestimmte
Übungsdurchgänge (tatsächlich Teilnehmer von einem Mitglied Teilnehmer. Teilnehmer in
zur Stimmungsinduktion) sollten einer gemeinnützigen Blutspen- positiver Stimmung halfen
die Teilnehmer sich zunächst deorganisation um Hilfe ebenfalls mehr als neutral
6 entweder zwei neutrale gebeten. Sie wurden gefragt, gestimmte Teilnehmer,
Ereignisse vorstellen oder ob sie bereit wären, einige kurze allerdings unabhängig davon,
aber an freudige bzw. traurige Telefonanrufe mit regelmäßigen ob sie annahmen, dass ihre
Erfahrungen zurückdenken. Blutspendern durchzuführen. Stimmung veränderlich sei
Im Anschluss daran wurde Die Forscher interessierte nun, oder nicht.
ihnen das Medikament zu wie viel Hilfe, d. h. zu wie Diese Studie zeigt, dass
Mnemoxine verabreicht, und vielen Telefonanrufen, die Hilfeverhalten instrumentell
die Teilnehmer wurden über Teilnehmer bereit waren. dazu benutzt wird, um die
mögliche Nebenwirkungen Waren traurig gestimmte eigene negative Stimmung
informiert. Der einen Hälfte Teilnehmer der Meinung, zu verbessern. Erscheint dies
der Teilnehmer wurde dass ihre Stimmung sinnlos, weil die Stimmung
diesbezüglich nur mitgeteilt, wegen des Medikaments nicht veränderbar ist, sinkt die
dass sie möglicherweise nicht veränderlich sei, Hilfsbereitschaft.
sondern der Erhalt der positiven Stimmung einen als indirekter Effekt der Auswirkungen, die
(zusammenfassend für die Auswirkungen von positive Stimmung auf unser Denken hat, erklärt
Stimmung auf das Hilfeverhalten . Abb. 6.16). (z. B. Manucia et al. 1984; 7 Sozialpsychologie I,
Abschn. 4.1.2; 7 Exkurs: Feel good, do good!).
z Mood-Maintenance-Hypothese Zum anderen wird Hilfeverhalten in
Diverse Studien haben gezeigt, dass in guter guter Stimmung als Mittel angesehen, um
Stimmung typischerweise mehr geholfen wird eine bestehende positive Stimmungslage zu
(Berkowitz 1987; Carlson et al. 1988; George
und Brief 1992; Isen 1999; Salovey et al. 1991). Exkurs
So sind Personen eher bereit, einem Fremden
zu helfen, wenn sie vorher eine lustige Ton- Feel good, do good!
bandaufnahme gehört (Wilson 1981), einen In guter Stimmung erscheint uns die Welt
in Ordnung (7 Sozialpsychologie I, Kap. 4).
kleinen Geldbetrag gefunden (Isen und Levin
Dementsprechend haben wir auch eher
1972), etwas Zeit im Sonnenschein verbracht positive als negative Handlungsfolgen vor
(Cunningham 1979) oder positiv stimmende Augen (z. B. Dankbarkeit und Wertschätzung für
Musik gehört haben (North et al. 2004). Auch die Hilfeleistung), sehen vermehrt die positiven
angenehme Gerüche erhöhen unsere Hilfs- Seiten des anderen und halten ihn für wert,
dass ihm geholfen wird (z. B. M. S. Clark und
bereitschaft (Baron 1997b; Baron und Thom-
Waddell 1983; Forgas und Bower 1987; Forgas
ley 1994) oder wenn uns der Hilfsbedürftige et al. 1984). Diese Auswirkungen positiver
anlächelt (Guéguen und De Gail 2003). Wieso Stimmung können die Hilfsbereitschaft
kommt es jedoch in positiver Stimmung zu erhöhen (Manucia et al. 1984).
einem erhöhten Hilfeverhalten? Dies wird zum
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
437 6
. Abb. 6.16 Sowohl positive (rechter Teil der Abbildung) als auch negative (linker Teil der Abbildung)
Stimmung kann sich förderlich (+) oder hemmend (–) auf Hilfeverhalten auswirken. Zum einen beruht dies auf
Auswirkungen, die Stimmungen auf unsere Informationsverarbeitung haben (oberer Teil der Abbildung); zum
anderen kann Stimmungsverbesserung bzw. -erhalt direkt ein Motiv für Hilfe sein (unterer Teil der Abbildung).
Ist die Stimmung selbst das Motiv, kann Hilfeverhalten immer noch durch bestimmte Faktoren (z. B. wenn die
Hilfehandlung die Stimmung zu verschlechtern droht) gehemmt werden (–)
erhalten (Mood Maintenance; Isen 1987). Gefühle stellen wichtige Motive prosozialen
Allerdings ist die Hilfsbereitschaft in positiver Verhaltens dar. Zum einen können wir durch
Stimmung nur dann erhöht, wenn die zu leis- Mitgefühl mit dem Opfer zu eher altruis-
tende Hilfe die gute Stimmung nicht zu ver- tischem Hilfeverhalten motiviert werden,
derben droht, beispielsweise weil sie mit einer zum anderen kann Hilfeverhalten aber auch
schwierigen oder unangenehmen Handlung egoistisch motiviert sein, um die belohnende
verbunden ist (Forest et al. 1979; Isen 1984; Wirkung von geleisteter Hilfe zu erfahren.
Isen und Levin 1972; Isen und Simmonds Sind wir aufgrund von Empathie motiviert,
1978; Shaffer und Graziano 1983; 7 Beispiel- gilt unser Hauptaugenmerk dem Opfer und
studie 6.13). Da in diesem Fall Hilfeverhalten der Linderung seiner Not. Wollen wir vor
zum Erhalt der guten Laune ungeeignet wäre, allem egoistisch unsere eigene Stimmungs-
kann hier manchmal sogar weniger Hilfe- lage erhalten bzw. verbessern, ist Hilfe-
leistung erfolgen als in neutraler Stimmung. verhalten stärker davon beeinflusst, was
Hilfeverhalten uns selbst bringt. Scheint
Mood-Maintenance-Hypothese Hilfeverhalten nicht geeignet, unsere Stim-
Hilfe kann aus dem Motiv heraus erfolgen, mung zu verbessern, oder droht es gar,
eine momentan positive Stimmung zu diese zu verschlechtern, wird Hilfeverhalten
erhalten. Dies ist eine Ursache dafür, dass unwahrscheinlicher.
in positiver Stimmung typischerweise mehr Neben dem biologischen Motiv und
geholfen wird. Droht die Hilfehandlung Gefühlen, die uns unter bestimmten
jedoch die gute Laune zu verderben, findet Umständen dazu bringen, Hilfe zu leisten,
sich bei positiv gestimmten Personen eine gibt es noch einen weiteren wichtigen Motor
geringere Hilfsbereitschaft. für Hilfeverhalten: soziale Normen. Diese sind
Thema des nächsten Abschnitts.
438 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Beispielstudie 6.13
In positiver Stimmung wird mehr geholfen, wenn die Hilfe nicht die gute Laune zu
verderben droht
Shaffer und Graziano (1983) andere Personen gesagt angeblich zu guter Stimmung
richteten es so ein, dass hätten, die Aussagen hätten geführt hatten. Waren die
ihre Teilnehmer „zufällig“ sie in gute Stimmung versetzt; Aussagen dagegen als
die Unterhaltung von zwei der anderen Hälfte sagte sie, stimmungsverschlechternd
Vertrauten der Forscher dass die Aussagen bei anderen beschrieben worden, war das
mitbekamen. Je nachdem, Personen eine schlechte Ergebnis genau umgekehrt,
welche Stimmung induziert Stimmung bewirkt hätten. d. h., dann erwiesen sich
werden sollte, war der Die Forscher interessierte nun, sowohl gut als auch schlecht
Inhalt dieser Unterhaltung zu wie viel Hilfe die jeweiligen gestimmte Teilnehmer im
unterschiedlich: freudig, Teilnehmer bereit waren, Vergleich zu den neutral
neutral oder traurig. d. h., wie viele Aussagen sie Gestimmten als weniger
6 Kurz darauf wurde der vorlasen und wie viel Zeit hilfsbereit.
Teilnehmer von einer weiteren sie sich dazu nahmen. Es Diese Studie zeigt, dass
Person angesprochen, ob er zeigte sich, dass dies davon in guter und in schlechter
bei einer Studie behilflich abhängig war, 1) in welche Stimmung (vgl. auch Negative-
sein könnte, die sich mit Stimmung die Teilnehmer State-Relief-Hypothese; s.
Stimmungen beschäftigte. versetzt worden waren oben) mehr geholfen wird,
Aufgabe wäre es, so viele und 2) welche Wirkung die wenn der potenzielle Helfer
Aussagen aus einer Liste Aussagen angeblich hatten. davon ausgehen kann, dass die
laut vorzulesen, bis er sich Sowohl gut als auch schlecht Hilfe seine Stimmung positiv
eine Meinung gebildet habe, gestimmte Teilnehmer beeinflusst. Ist die Hilfe jedoch
ob diese seine Stimmung zeigten sich hilfsbereiter als nicht geeignet, die eigene
beeinflussten. Bei einer Hälfte Teilnehmer, die das neutrale Stimmung zu verbessern bzw.
der Teilnehmer fügte die Gespräch gehört hatten, wenn zu erhalten, wird weniger
Versuchsleiterin hinzu, dass die Aussagen bei anderen geholfen.
6.2.3 Prosoziale Normen als deswegen, weil es sich so gehört (. Abb. 6.17).
Motiv – Wenn wir helfen, Jeder kennt das christliche „Gebot der
weil es sich so gehört Nächstenliebe“ oder Goethes oft gebrauchtes
Zitat „Edel sei der Mensch, hilfreich und
Warum bieten wir anderen Menschen in gut“. Spätestens wenn wir den Führer-
einer überfüllten U-Bahn unseren mühe- schein machen, erfahren wir zudem, dass in
voll ergatterten Sitzplatz an? Was bringt uns bestimmten Situationen Hilfeverhalten sogar
dazu, einem Passanten, dessen Kleingeld sich gesetzlich vorgeschrieben und damit unter-
über den Bürgersteig verteilt hat, beim Ein- lassene Hilfeleistung strafbar ist. Wir helfen
sammeln zu helfen? Warum gehen wir für den also nicht nur des guten Gefühls wegen, son-
Nachbarn, der sich den Fuß verletzt hat, zum dern auch, um gesellschaftlichen Regeln, den
Einkaufen? Auch hier mag der belohnende sozialen Normen (7 Abschn. 3.1.4), gerecht zu
Effekt von Hilfeverhalten eine Rolle spielen, werden bzw. diese nicht zu verletzen.
wichtiger dürfte jedoch etwas anderes sein: Ebenso wie die Fähigkeit, Gefühle zu kom-
Wer sich gerade erschöpft auf den U-Bahn- munizieren, haben auch die Entwicklung und
Sitz hat fallen lassen, nur um diesen im Durchsetzung sozialer Normen, die unser
nächsten Moment einer gebrechlichen, alten Zusammenleben regeln, eine biologische
Dame anzubieten, tut dies nicht selten einfach Grundlage (z. B. de Waal 1997, S. 10). Wer in der
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
439 6
eher an, wenn ihre soziale Verantwortlichkeit
durch eine Bemerkung („Wir sollten das mel-
den.“) aktiviert worden war.
Sind prosoziale Normen aktiviert, kann
sich zusätzlich eine hohe Selbstaufmerksam-
keit förderlich auf Hilfeverhalten auswirken,
da Personen sich bei hoher Selbstaufmerk-
samkeit vermehrt im Einklang mit aktivier-
ten, eigenen Werten verhalten (Gibbons 1990;
Gibbons und Wicklund 1982; 7 Sozialpsycho-
logie I, Kap. 6). Beispielsweise halfen Passan-
ten, die zuvor selbst fotografiert worden waren
(Selbstaufmerksamkeit hoch), nachfolgend
einer hilfsbedürftigen Person eher als Passan-
ten, die eine andere Person fotografiert hatten
(Hoover et al. 1983). Auch das Betrachten des
eigenen Bilds auf einem Bildschirm (Duval
et al. 1979) oder das Arbeiten vor einem Spie-
gel kann die Hilfsbereitschaft erhöhen (Gib-
bons und Wicklund 1982, Exp. 3).
Kurzum: Wir befolgen prosoziale Nor-
men zum einen, weil sie uns wichtig sind, also
aus einer altruistischen Motivation heraus
(7 Abschn. 6.2.2), und das unabhängig davon,
ob andere uns dabei beobachten. Zum ande-
ren handeln wir prosozial, weil wir als höf-
liche, hilfsbereite Menschen gelten wollen. Da
. Abb. 6.17 Es wird immer weniger selbstverständ- es hier um unseren Ruf geht, werden bevor-
lich, spontan aufzustehen, um den eigenen Sitzplatz
zugt öffentlich sichtbare Handlungen eine
einer am Stock gehenden Person anzubieten. Wer dies
ohne nachzudenken tut, hat diese Gewohnheit häufig Auswirkung auf unser Hilfeverhalten haben
von seinen Eltern gelernt und folgt damit einer sozia- (Ariely et al. 2009). Dabei können wir ent-
len Norm. Diejenigen, für die dies weniger selbstver- weder bestrebt sein, unseren guten Ruf nicht
ständlich ist, werden durch Schilder und Piktogramme zu verlieren, also nicht stigmatisiert zu wer-
auf diese Norm aufmerksam gemacht. (© takeke/
den, oder gelobt und geehrt zu werden.
stock.adobe.com)
Für Verhalten, das sich so gehört, herrscht
ein starker Konformitätsdruck (7 Kap. 2).
Nicht helfen führt hier zu einem Stigma, da
Lage ist, soziale Normen gut zu lernen und zu man von der Norm abweicht (nahezu jeder
erfüllen, hat – evolutionstheoretisch gesehen – andere hätte geholfen). Auf der anderen Seite
einen Überlebensvorteil (Simon 1990). stehen Handlungen, die der Person viel Lob
Prosoziale Normen wirken sich ins- und Ehre einbringen – sein Leben für jeman-
besondere dann auf Hilfeverhalten aus, wenn den riskieren, eine großzügige Geldspende
sie salient sind bzw. in der Situation akti- oder eine Organspende. Hier ist die Ehre
viert werden (z. B. Sarason et al. 1991; S. H. umso größer, je ungewöhnlicher oder seltener
Schwartz 1968, 1975). So zeigten in einer die Handlung ist. Da zusätzliche Belohnungen
Studie von Bickman und Rosenbaum (1977) ein Verhalten wahrscheinlicher, zusätzliche
Personen, die in einem Supermarkt auf einen Bestrafungen hingegen dieses unwahrschein-
Ladendiebstahl aufmerksam wurden, diesen licher machen und zugleich eine zusätzliche
440 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
Begründung für das Verhalten sind, vergrö- Austauschbeziehung als Erster helfen und
ßern sie das Stigma der Übertretung sozialer damit dem anderen sozusagen einen Vor-
Normen, verkleinern aber die Ehre heroi- schuss geben, von dem wir nicht sicher
scher oder extrem großzügiger Handlungen sein können, ob wir ihn tatsächlich jemals
(Overjustification-Effekt, auch Crowding-out „zurückgezahlt“ bekommen (S. H. Schwartz
genannt; Bénabou und Tirole 2006). Eine 1975). Ebenso geht es um die Norm sozialer
Politik zur Förderung prosozialen Verhaltens Verantwortung, wenn wir umweltfreund-
muss also verschiedene Motive dieses Ver- liches Verhalten zeigen, uns für soziale Ein-
haltens berücksichtigen. richtungen engagieren, Blut spenden oder
Im Folgenden sollen zunächst wichtige Hilfsorganisationen unterstützen (De Groot
prosoziale Normen beschrieben werden. Im und Steg 2009; Steg und Groot 2010).
Anschluss daran wird näher ausgeführt, wel-
chen Einfluss unterschiedliche Sozialisations- z Gerechtigkeit
6 bedingungen auf das Verinnerlichen von Das Prinzip der Fairness fordert, dass vor
Normen und die Hilfsbereitschaft haben. allem den Personen geholfen wird, die unsere
Hilfe auch verdienen. Hilfe verdient, wer gut
6.2.3.1 Wichtige prosoziale Normen ist oder gut handelt (Bierhoff 2002; vgl. auch
Wichtige allgemeine Normen, die prosoziales Lerner 1980). Entsprechend helfen wir mehr,
Verhalten fordern, basieren auf Prinzipien wenn wir glauben, jemand sei unverschuldet
sozialer Verantwortung, Gerechtigkeit und in die Notlage geraten (externale Attribu-
Reziprozität (z. B. S. H. Schwartz 1977). tion), und bieten seltener Hilfe an, wenn
wir der Meinung sind, die Person habe ihre
missliche Lage selbst verschuldet (internale
Wichtige prosoziale Normen Attribution; Higgins und Shaw 1999; Reisen-
5 Soziale Verantwortung: Hilf denen, die zein 1986; Schmidt und Weiner 1988; Weiner
Hilfe benötigen! 1980; 7 Sozialpsychologie I, Kap. 5). Bereits
5 Gerechtigkeitsprinzip: Hilf denen, die 18-monatige Kleinkinder helfen eher einem
Hilfe verdient haben! Erwachsenen, der unverschuldet durch einen
5 Reziprozitätsprinzip: Hilf denen, die dir anderen geschädigt wurde, als einem, der
helfen! nicht geschädigt wurde (Vaish et al. 2009).
Auch die Anstrengungen, die eine Per-
son unternimmt, um ihre Probleme selbst zu
z Soziale Verantwortung lösen, haben einen Einfluss auf unsere Hilfs-
Bei der Norm sozialer Verantwortung han- bereitschaft: Je mehr sich das Opfer anstrengt,
delt es sich um eine übergreifende, vor- desto eher sind wir bereit zu helfen (Karasawa
nehmlich altruistische Verhaltensregel, die 1991; Schwarzer und Weiner 1991). Zudem
fordert, dass wir Personen helfen, die auf gilt die Regel, dass Hilfe eher verdient, wer
Hilfe angewiesen sind, also beispielsweise einen wichtigen Grund dazu hat (Regan
alten Menschen, Kindern, Kranken, Hilf- und Gutierrez 2006): Der Bitte um Geld für
losen oder von uns Abhängigen (Berkowitz Essen kamen Kunden in einem Supermarkt
und Daniels 1964; S. H. Schwartz 1975). am ehesten nach, wenn dafür ein Grund-
Diese Norm kommt insbesondere in Hilfe- nahrungsmittel (hier: Milch) gekauft werden
situationen zum Ausdruck, in denen eine sollte, und weniger, wenn es sich um Genuss-
Gegenleistung des anderen unwahrschein- mittel (hier: tiefgekühlter Plätzchenteig) han-
lich oder unsicher ist. Das ist beispielsweise delte. Am wenigsten Hilfsbereitschaft war
der Fall, wenn wir einer fremden Person hel- zu beobachten, wenn das Geld für das sozial
fen, die wir voraussichtlich nie wieder sehen nicht akzeptierte Genussmittel Alkohol ver-
werden, oder wenn wir in einer sozialen wendet werden sollte.
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
441 6
z Sozialer Austausch/Reziprozität Das Reziprozitätsprinzip ist deshalb auch
Das Reziprozitätsprinzip dient letztlich vor allem für längerfristige Kooperationen
einem egoistischen Motiv: Wir helfen, damit bzw. Situationen, in denen zukünftige Inter-
uns auch geholfen wird (Barkow et al. 1992; aktionen zumindest erwartet werden kön-
Baron 1997a; vgl. auch reziproker Altruis- nen, von Bedeutung.
mus, Trivers 1971). Häufig ist das kurz- Dann erweist sich kooperatives, altruis-
fristig gesehen für den Helfenden riskant, tisches Verhalten als adaptiv und zahlt sich
da er nicht sicher sein kann, dass er tat- in vielen Fällen aus. Dies liegt daran, dass
sächlich irgendwann eine Gegenleistung die Reziprozitätsnorm (7 Abschn. 2.3.3)
erhalten wird. Entsprechend groß ist die Ver- dafür sorgt, dass wir uns verpflichtet fühlen,
suchung, nicht prosozial, sondern egoistisch Kooperation bzw. geleistete Hilfe zu erwidern,
zu handeln (7 Exkurs: Soziale Dilemmata). denn es ist nicht gern gesehen, Schulden zu
Exkurs
Soziale Dilemmata
Prosoziales, kooperatives eindeutig und lässt zunächst daraus ableiten, welche
Verhalten kann riskant für den nur eine Verurteilung Entscheidung man selbst
Einzelnen sein, insbesondere aufgrund eines kleineren im einen oder anderen Fall
dann, wenn er den anderen Delikts (z. B. illegaler treffen sollte (. Abb. 6.18):
nicht kennt und damit Waffenbesitz) zu. Die beiden 5 Annahme „Der andere
nicht weiß, inwieweit er auf werden nun getrennt leugnet“: In diesem Fall ist
kooperatives Verhalten bei voneinander verhört (d. h., es individuell am besten
diesem hoffen kann. Diese sie müssen ihre Entscheidung zu gestehen, da man
Merkmale kennzeichnen treffen, ohne zu wissen, was dann straffrei ausgeht. Im
ein soziales Dilemma: der andere tut) und dabei Vergleich zu einem Jahr
Kooperatives Verhalten ist mit folgendem Angebot Gefängnis bei Leugnen
für den Einzelnen riskant konfrontiert: wäre das die bessere
und damit die individuell 1. Gesteht nur einer von Alternative.
schlechtere Wahl, würde beiden (und belastet 5 Annahme „Der andere
aber insgesamt gesehen dadurch den anderen), gesteht“: Hier ist es am
zum besten Ergebnis führen geht dieser straffrei aus, günstigsten, ebenfalls zu
(Dawes 1980). der andere muss eine gestehen, da 5 Jahre Haft
Insbesondere in einmaligen Haftstrafe von zehn im Vergleich zu 10 Jahren
Interaktionen sind Menschen Jahren absitzen. bei Leugnen wiederum
deshalb aufgrund individueller 2. Gestehen beide (und die bessere Alternative
Kosten-Nutzen-Über- belasten sich damit sind.
legungen häufig versucht, sich gegenseitig), werden
unkooperativ zu verhalten. beide zu einer moderaten In beiden Fällen ist es also
Um die Reaktionen in sozialen Haftstrafe von fünf Jahren theoretisch vom individuellen
Dilemmata experimentell verurteilt. Standpunkt aus gesehen am
zu untersuchen, wurde 3. Gesteht keiner von beiden günstigsten zu gestehen.
klassischerweise das sog. (beide leugnen), können Wenn jedoch beide gestehen,
Gefangenendilemma beide nur aufgrund des erreichen sie ein individuell
verwendet, das auf folgender geringfügigen Delikts und kollektiv schlechteres
Anekdote beruht: verurteilt werden und Ergebnis (fünf Jahre Haft für
Klassische Anekdote zum müssen mit einem Jahr jeden; Szenario 2), als wenn
Gefangenendilemma Gefängnis rechnen. beide kooperieren und damit
Das kollektiv beste Ergebnis Welche Überlegungen leugnen würden (ein Jahr
wird mangels Kooperation nicht kann der Einzelne hier nun Haft für jeden; Szenario 3).
erreicht. anstellen? Vergegenwärtigt Zu kooperieren wäre also
Zwei Personen werden eines man sich die beiden für beide der sinnvollste
Bankraubs verdächtigt. Die Entscheidungsmöglichkeiten Kompromiss – aber nur dann,
Beweislage ist jedoch nicht des anderen, so kann man wenn sie jeweils darauf
442 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
vertrauen könnten, dass der kooperiert und damit eigenes Kommunikation hat
andere tatsächlich kooperiert kooperatives Verhalten diesen Effekt (für einen
und die Situation nicht nicht ausgenutzt wird. Überblick vgl. Boone
ausnutzt. Kann erwartet werden, und Buck 2003): In einer
Kooperation wird dass der andere kooperiert, Studie von Kurzban (2001)
allerdings unter wird entsprechend eher führten nonverbale Signale
bestimmten Bedingungen kooperatives Verhalten (z. B. Blickkontakt, leichte
wahrscheinlicher, nämlich gezeigt (Pruitt und Kimmel Berührungen) zu erhöhten
dann, wenn kooperatives 1977). Es hat sich gezeigt, Kooperationsraten in einem
Verhalten nicht nur lang-, dass die Möglichkeit sozialen Dilemma.
sondern auch kurzfristig zur Kommunikation Auch verfügbare prosoziale
attraktiver wird. Das ist dann untereinander kooperativeres Normen können kooperatives
der Fall, wenn die Kosten Verhalten zur Folge haben Verhalten fördern. Dabei ist
für kooperatives Verhalten kann (Bornstein und Rapoport von Bedeutung, inwieweit
sinken oder die Kosten für 1988; Dawes et al. 1977; Gefahr besteht, dass
6 egoistisches, unkooperatives Jorgenson und Papciak normabweichendes Verhalten
Verhalten steigen (Komorita 1981; Orbell et al. 1988). Ist von den anderen bemerkt und
und Barth 1985; Pruitt und Kommunikation möglich, sanktioniert wird: So findet
Rubin 1986). können Versprechen sich beispielsweise vermehrt
Prosoziales, kooperatives abgegeben werden, wie sich kooperatives Verhalten,
Verhalten ist weniger die Beteiligten verhalten wenn die individuellen
kostspielig, wenn man bzw. dass sie kooperieren Entscheidungen öffentlich zu
sich darauf verlassen kann, werden (Chen 1996; Orbell fällen sind (De Cremer und
dass der andere auch et al. 1988). Auch nonverbale Bakker 2003).
. Abb. 6.18 Beispiel für eine Variante des Gefangenendilemmas mit den entsprechenden Wahlmöglichkeiten
der zwei „Gefangenen“ (links/dunkelblau bzw. oben/hellblau)
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
443 6
haben bzw. diese nicht zu begleichen (Ger- scheinlichkeit ein Gefühl der Verpflichtung
gen et al. 1975). Wer dieses Prinzip der aus, den Gefallen bei nächster Gelegenheit
Kooperation bzw. Reziprozität ausnutzt, wird zu erwidern. Jemandem zu helfen, kann auf
in aller Regel entlarvt – der Mensch hat im diese Weise eine Investition in die Zukunft
Laufe der Evolution spezielle Fähigkeiten ent- sein (7 Abschn. 2.3.3). Insbesondere Schuld-
wickelt, um Betrüger zu entdecken (Cosmides und Dankbarkeitsgefühle scheinen diesem
1989; Cosmides und Tooby 2005) – und auch Prinzip Geltung zu verschaffen (Baumeister
sanktioniert (Geldbußen, sozialer Ausschluss, et al. 1994). So ist Helfen häufig dadurch moti-
Kooperationsverweigerung etc.), selbst wenn viert, Schuld zu vermeiden bzw. zu begleichen
dies für den Bestrafenden kostspielig ist (Gin- (Estrada-Hollenbeck und Heatherton 1998). In
tis et al. 2003; vgl. auch Carpenter et al. 2004; einer Studie von Cunningham et al. (1980) hal-
7 Exkurs: Evolution der Kooperation). fen beispielsweise 80 % der Teilnehmer beim
Dadurch, dass wir einer anderen Person Aufsammeln heruntergefallener Papiere, wenn
helfen, lösen wir in dieser mit großer Wahr- sie glaubten, sie hätten zuvor eine Kamera
Exkurs
Evolution der Kooperation
In der Forschung wird ähnlicher zu machen. Dabei Gruppenarbeit mitmacht,
das Gefangenendilemma zeigte sich, dass unter dann aber beginnt, faul
eingesetzt, um die zahlreichen Bedingungen zu werden, sodass alle
Entstehung von Kooperation eine „großzügige“ anderen mehr arbeiten
im Laufe der Evolution zu Variante einer Wie-du-mir- müssen (7 Abschn. 3.2.1).
verstehen. So finden seit so-ich-dir-Strategie Menschliche Mitspieler, die
den 1970er Jahren sog. (7 Abschn. 2.3.3.1) das mit solchen „ausnutzenden“
Turniere statt, in denen beste Gesamtergebnis Strategien konfrontiert
Computerprogramme brachte (Wu und Axelrod sind, bestrafen diese, selbst
mit verschiedenen 1995). Bei dieser Strategie wenn sie damit das eigene
Strategien (eingereicht macht ein Spieler im Ergebnis auch schmälern
u. a. von Mathematikern, Allgemeinen das (Kooperation (Hilbe et al. 2014a). Macht
Informatikern, Sozialwissen- oder Nichtkooperation), was man die Randbedingungen
schaftlern, Wirtschaftswissen- der andere in der letzten der erforschten Szenarien
schaftlern und Psychologen) Runde getan hat, kooperiert hinreichend komplex (um
Entscheidungen in aber im jeweils ersten damit die Komplexität der
Gefangenendilemmata Zug und etwa jede zehnte Bedingungen lebender
treffen. Getestet wird, welche Runde trotzdem (daher der Organismen zu modellieren),
Strategie über mehrere Begriff „großzügig“). Neuere so findet man, dass keine
Runden hinweg das beste Forschung untersucht die Strategie sich allein
Ergebnis liefert, d. h. andere Bedingungen, unter denen durchsetzt, sondern sich
Strategien am besten eine solche Taktik durch ein Gleichgewicht aus
„parieren“ kann – sozusagen sog. Erpressung ausgenutzt verschiedenen Strategien
am wenigsten Zeit im werden kann (Adami und einpendelt (Szolnoki und Perc
Gefängnis zubringen muss – Hintze 2013; Hilbe et al. 2015). Dies überrascht nicht,
(Axelrod und Hamilton 1981; 2014b; Press und Dyson 2012; kennen wir doch alle nicht
Axelrod 2012). Verschiedene Stewart und Plotkin 2012, nur kooperative Menschen,
Randbedingungen werden 2013, 2014; Szolnoki und Perc sondern auch generell
variiert, um diese Spiele 2014). Die dabei erforschten unkooperative, streng auf
tatsächlich auftretenden Szenarien entsprechen in Reziprozität bedachte sowie
sozialen Dilemmata bei etwa der Situation, in der ein Ausnutzer, die nur so lange
Menschen und im Tierreich Kommilitone zunächst in der etwas beisteuern wie nötig.
444 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
beschädigt. Waren sie der Meinung, dass der auch Hilfeverhalten gegenüber einer anderen
Kameradefekt nicht ihre Schuld war, halfen nur Person erhöhen – allerdings nur, solange der
47 %. Wenn Menschen einander helfen, unter- potenzielle Helfer sich über die Ursache sei-
schätzen sie in der Regel den Wert von Hilfe, ner Gefühle nicht bewusst ist (Bartlett und
die sie selbst leisten, und überschätzen den DeSteno 2006; 7 Beispielstudie 6.14).
Wert von Hilfe, die sie von anderen erhalten. Prosoziale Normen sind auf der gan-
Dies trägt dazu bei, dass Verpflichtungsgefühle zen Welt zu finden, allerdings variieren
gegenüber anderen langfristig bestehen bleiben sie beispielsweise in Abhängigkeit von der
und Hilfeverhalten langfristig aufrechterhalten Kultur. Auch innerhalb einer Gesellschaft
wird (McGuire 2003). unterscheiden sich die Individuen darin, mit
Neben (negativen) Schuldgefühlen kann welchen Normen sie konfrontiert sind, wie
Hilfeverhalten auch durch ein (positives) ihnen diese vermittelt werden und inwieweit sie
Gefühl der Dankbarkeit gefördert werden sich diesen verpflichtet fühlen. Entsprechend
6 (Bartlett und DeSteno 2006; McCullough haben Sozialisationsbedingungen einen wich-
et al. 2002). Schuld- und Dankbarkeits- tigen Einfluss auf die Hilfsbereitschaft, was im
gefühle, ausgelöst durch eine Person, können nächsten Abschnitt dargestellt wird.
Beispielstudie 6.14
Exkurs
Ehrenamtliche Hilfe über längere Zeiträume hinweg
Hilfe wird nicht nur in Dass Personen ein solches (beispielsweise „Ich bin
Notfällen benötigt, sondern Hilfeverhalten eingehen, regelmäßiger Blutspender“;
auch in vielen anderen basiert oft auf eher J. A. Piliavin et al. 1984,
Bereichen: Beispielsweise externalen Gründen, wie 2002).
beruht ein nicht unerheblicher den Erwartungen anderer, Insgesamt haben sich eher
Teil der AIDS- und Krebshilfe eigenen Erfahrungen mit der egoistische Motive wie die
auf der Arbeit Freiwilliger; Notsituation oder prosozialen persönliche Entwicklung
ebenso erfolgen Blutspenden Modellen. Als entscheidend und Verbesserung des
meist unbezahlt und dafür, dass sie über lange Zeit Selbstwertgefühls als
freiwillig. Auch für solche bei diesem Hilfeverhalten besser geeignet gezeigt,
nicht spontanen, sondern bleiben, scheint jedoch langfristiges soziales
längerfristigen Hilfeleistungen zu sein, dass mit der Zeit Engagement vorherzusagen,
sind die berichteten immer mehr internale als das klassisch altruistische
situativen und motivationalen Gründe hinzukommen und Motiv, anderen etwas Gutes
Determinanten von die Identität als Helfer Teil zu tun (Omoto und Snyder
Bedeutung (. Abb. 6.19). des Selbstkonzepts wird 1995).
446 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
. Abb. 6.19 Blutspenden ist ein prosoziales Verhalten, bei dem eine Person Kosten auf sich nimmt, um ihr
unbekannten Personen das Leben zu retten. Ebenso ist die Knochenmarkspende ein prosoziales Verhalten mit
wenig Aufwand und großer Wirkung. Zunächst muss man sich nur per Post registrieren; ggf. kommt dann irgend-
wann im Leben der Anruf, dass man geeigneter Spender ist, und man kann dann entscheiden, ob man ein Leben
retten will. a Freiwillige beim Blutspenden. b Entnahme von Speichel zur Bestimmung der für die Knochenmark-
spende wichtigen Parameter. (a: © lightpoet/stock.adobe.com, b: © Ralf Geithe/stock.adobe.com)
6.2 · Warum wir grundsätzlich hilfsbereit sind – Motive prosozialen Verhaltens
447 6
Beispielstudie 6.15
Sendungen mit prosozialen Vorbildern haben vermehrt prosoziales Verhalten zur Folge
Sprafkin et al. (1975) ließen Danach durften die Kinder Helfer das Signal hörte, je länger
Erstklässler zunächst eine von ein Spiel spielen, bei dem die Kinder den Knopf drückten.
drei Fernsehsendungen mit sie durch Drücken eines Die Apparatur war zudem so
verschiedenem Inhalt sehen: Knopfs Punkte erzielen eingerichtet, dass die Kinder
1. Lassie-Folge mit konnten. Je mehr Punkte sie nicht gleichzeitig den Spiel-
prosozialem Inhalt (Die insgesamt erreichten, desto und den Hilfeknopf drücken
Hündin Lassie versucht, besser würde die Belohnung konnten, sondern sich zwischen
einen ihrer Welpen zu ausfallen. Gleichzeitig bat die Helfen und dem Erzielen von
verstecken, damit dieser Versuchsleiterin die Kinder, Punkten entscheiden mussten.
nicht weggegeben wird. auf ihr anvertraute Welpen Es zeigte sich, dass Kinder, die
Im Laufe der Sendung aufzupassen und diesen bei die prosoziale Lassie-Sendung
rutscht das Junge in einen Bedarf zu helfen. Dazu wurde gesehen hatten, den Hilfeknopf
Schacht, aus dem Lassie den Kindern erklärt, dass die deutlich länger drückten
es nicht selbst befreien Welpen ein Stück weit weg (ca. 93 s) als Kinder, die entweder
kann. Die Hündin holt untergebracht seien, über die neutrale Lassie-Folge
ihr Herrchen zu Hilfe, Kopfhörer aber gehört werden (ca. 50 s) oder die neutrale
der den Welpen unter könnten. Wenn das Kind ein Kindersendung ohne Beteiligung
Lebensgefahr rettet.) Bellen hörte, sollte es einen eines Hundes (ca. 44 s) gesehen
2. Lassie-Folge mit neutralem Knopf drücken, der wiederum hatten.
Inhalt einem Helfer das Zeichen gab, Diese Studie zeigt, dass
3. Neutrale Kindersendung, nach den Welpen zu sehen. Es durch prosoziale Modelle
in der kein Hund wurde betont, dass es umso nachfolgendes Hilfeverhalten
vorkommt wahrscheinlicher war, dass der erhöht werden kann.
neutralem oder aggressivem Inhalt gesehen Frauen, sondern ist vielmehr von der Art
hatten (Coates et al. 1976; Forge und Phemis- der geforderten Hilfe und dem diesbezüg-
ter 1987; Friedrich und Stein 1975; Johnston lichen Kompetenzgefühl abhängig. Män-
und Ettema 1986; Sprafkin et al. 1975; Stein ner helfen nur bei solchen Aufgaben mehr,
und Friedrich 1972; 7 Beispielstudie 6.15).7 die „männliche“ Eigenschaften wie körper-
Entsprechend der unterschiedlichen liche Kraft oder technische Fähigkeiten
Sozialisationsbedingungen finden sich erfordern und für die sich Männer typischer-
Geschlechts- und Kulturunterschiede in der weise kompetenter fühlen als Frauen. Was
Ausprägung prosozialen Verhaltens, die im „männlich“ und was „weiblich“ ist, ist in den
Folgenden erörtert werden. Geschlechterrollen festgelegt, d. h., männ-
liche und weibliche Rollen sind mit unter-
z Geschlechtsunterschiede schiedlichen Normen assoziiert, und für
In der Forschung zum Hilfeverhalten hat Männer und Frauen ist auch unterschied-
sich immer wieder gezeigt, dass Männer ins- liches Hilfeverhalten typisch: Die weibliche
besondere in Notfallsituationen eher helfen Rolle ist verstärkt mit fürsorglichem Hilfe-
als Frauen. Dies liegt weniger daran, dass verhalten assoziiert, das sich eher im All-
Männer grundsätzlich hilfsbereiter sind als tag und über längere Zeiträume manifestiert
(z. B. Krankenpflege). Dagegen wird die
männliche Rolle eher mit heldenhaft-ritter-
lichem Hilfeverhalten in Zusammenhang
7 Dieser Einfluss von Medien gilt auch in gebracht, das sich in Notfallsituationen
umgekehrter Richtung: Wer gewalttätige Video-
spiele spielte, zeigte eine Reduktion des pro-
manifestiert, die häufig auch ein Risiko für
sozialen Verhaltens (C. A. Anderson und Bushman den Helfer beinhalten (für einen Überblick
2001; 7 Abschn. 5.5.2). vgl. Eagly und Crowley 1986).
448 Kapitel 6 · Prosoziales Verhalten – Wann und warum wir anderen helfen
gesorgt wird, sondern auch über prosoziale positiv bzw. Normabweichung dagegen nega-
Handlungen gegenüber genetisch ähnlichen tiv sanktioniert wird. Wichtige und weit ver-
Personen. Insbesondere in Situationen, bei breitete prosoziale Normen basieren auf
denen tatsächlich das Überleben auf dem sozialer Verantwortung, sozialer Gerechtigkeit
Spiel steht, wird deshalb vorrangig Blutsver- und Gegenseitigkeit (Reziprozität). Allerdings
wandten (Theorie der Verwandtenselektion) variieren Normen und ihre Verinnerlichung
geholfen, die sich potenziell fortpflanzen kön- u. a. in Abhängigkeit von den Sozialisations-
nen. Ebenso wird jenen verstärkt geholfen, bedingungen, im Speziellen prosozialen
die uns ähnlich sind oder zu denen Kontakt Modellen. Da Normen und Erziehung zudem
besteht. in verschiedenen Kulturen oder für ver-
In konkreten Hilfesituationen lösen zwei schiedene soziale Rollenbilder unterschied-
Motive prosoziale Verhaltenstendenzen in uns lich sein können, finden sich kultur- und
aus: Gefühle der Empathie oder des persön- geschlechtsspezifische Unterschiede im Hilfe-
6 lichen Unbehagens sowie prosoziale Normen. verhalten.
Gefühle können uns auf unterschiedliche Prosoziales Verhalten wird aus ver-
Weise zu Hilfeverhalten motivieren: Zum schiedenen Motiven gespeist und – was
einen kann das Leiden einer anderen Per- manchmal angesichts spektakulärer Fälle von
son in uns Mitgefühl auslösen. Gemäß der unterlassener Hilfeleistung womöglich in den
Empathie-Altruismus-Hypothese ist bei Hilfe Hintergrund rückt – tagtäglich in den ver-
aus Mitgefühl heraus das entscheidende Ziel, schiedensten Ausprägungen gezeigt. Nichts-
das Opfer von seinem Leid zu erlösen, und destotrotz ist es von wichtiger Bedeutung,
damit altruistischer Natur. Da dieses Ziel förderliche und hemmende Bedingungen für
nicht dadurch erreicht werden kann, dass Hilfeverhalten zu kennen, um das prosoziale
man der Situation entflieht, helfen empathisch Potenzial des Menschen fördern zu können.
motivierte Personen auch in Situationen, in
denen eine Flucht leicht möglich wäre oder
die Kosten für Hilfe verhältnismäßig hoch
sind, vermehrt. Literatur
Zum anderen hat Hilfeverhalten selbst
Adami, C., & Hintze, A. (2013). Evolutionary instability
einen belohnenden Charakter, sodass es ins-
of zero-determinant strategies demonstrates that
trumentell genutzt werden kann, um ent- winning is not everything. Nature Communicati-
weder eine eigene negative Stimmungslage ons, 4, 2193.
zu verbessern (Negative-State-Relief-Hypo- Anderson, C. A., & Bushman, B. J. (2001). Effects of vio-
these) oder einen positiven Gemütszustand lent video games on aggressive behavior, aggres-
sive cognition, aggressive affect, physiological
zu erhalten (Mood-Maintenance-Hypothese).
arousal, and prosocial behavior: A meta-analytic
In beiden Fällen dient Hilfe letztlich egois- review of the scientific literature. Psychological Sci-
tischen Zielen, die – im Gegensatz zu Zielen ence, 12, 353–359.
empathischen Helfens – auch anderweitig Anderson, V. L. (1993). Gender differences in altruism
erreicht werden können, beispielsweise indem among Holocaust rescuers. Journal of Social Beha-
vior and Personality, 8, 43–58.
man die unangenehme Situation, in der man
Ariely, D., Bracha, A., & Meier, S. (2009). Doing good
mit dem Leid anderer konfrontiert ist, verlässt or doing well? Image motivation and monetary
oder andere Methoden der Stimmungsver- incentives in behaving prosocially on JSTOR. The
besserung anwendet. American Economic Review, 99, 544–555.
In jeder Gesellschaft finden sich zudem Axelrod, R. (2012). Launching „The Evolution of
cooperation“. Journal of Theoretical Biology, 299,
soziale Normen, die hilfreiches Verhalten
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Does affect induce self-focused attention? 427–428.
6
461
Serviceteil
Glossar – 462
Stichwortverzeichnis – 485
Advocatus Diaboli Person, die bei Diskussionen im Ankerheuristik (Ankereffekt) Unter Urteilsunsicher-
Auftrag der → Gruppe Gegenpositionen zur aktuellen heit bewirkt ein Ausgangswert (sog. Anker) eine
Gruppenmeinung vertritt; kann Verzerrungen bei Angleichung des Urteils in Richtung auf diesen Anker.
Gruppenentscheidungen entgegenwirken.
Annäherungsmotivation Motivation den Abstand
Affekt Bezieht sich auf die → Valenz, d. h. positive bzw. zu einem erwünschten Zustand physisch oder sym-
negative Aspekte, von Dingen und ist damit auch der bolisch zu verkleinern (siehe auch → Vermeidungs-
Oberbegriff eines breiten Spektrums an → Gefühlen; motivation).
umfasst sowohl → Emotionen als auch → Stimmungen.
Anschlussmotiv (Need to belong) Bedürfnis nach Kon-
affektiv Auf → Affekte bezogen. takt zu anderen Menschen bzw. danach, den Kontakt zu
anderen Menschen zu suchen.
Ageism → Vorurteile gegenüber Personen aufgrund
ihres Alters. Appearance Prejudice → Vorurteile gegenüber Perso-
nen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung.
Aggression Nicht versehentliches bzw. absichts-
volles Verhalten mit dem Ziel, eine andere Person, sich Arousal Körperliche Erregung.
selbst oder einen Gegenstand zu schädigen (siehe
auch → feindselige Aggression und → instrumentelle Arousal-Cost-Reward-Modell Das Leid einer anderen
Aggression). Person verursacht eine unangenehme emotionale
Erregung (→ Arousal). Der potenzielle Helfer versucht,
Aggressionsverschiebung (Displaced Aggres- diese mit möglichst geringen Kosten so schnell und
sion) Aggressives Verhalten wird gegen Personen vollständig wie möglich zu reduzieren. Kosten-Nutzen-
oder Objekte gerichtet, die nicht Auslöser der negati- Abwägungen (Cost-Reward) sind ausschlaggebend
ven → Gefühle sind. dafür, wie der potenzielle Helfer reagiert, d. h., ob er
(in-)direkt hilft oder beispielsweise die Situation neu
aggressive Hinweisreize Reize, die mit → Aggres- definiert bzw. verlässt.
sionen/aggressiven Handlungen assoziiert sind (z. B.
Schusswaffen); können die Auftretenswahrscheinlich- Assimilation → Akkulturationsstrategie, bei der eine
keit von Aggression erhöhen. Gruppe weitgehend den Bezug zu ihrer Herkunftskultur
aufgibt und kulturelle Merkmale der anderen Gruppe
Akkulturation Prozess, in dem sich die kulturelle übernimmt.
Identität zweier Gruppen durch Kontakt wandelt. Der
463
Glossar
Assoziation Besteht eine Assoziation zwischen zwei Bedrohung durch Stereotype (Stereotype
Reizen/→ Kategorien, so wird bei Wahrnehmung eines Threat) Befürchtung einer Person, dass sie durch ihr
dieser Reize/einer dieser Kategorien auch der/die Verhalten ein negatives → Stereotyp über die → Eigen-
andere aktiviert bzw. ins Bewusstsein gerufen. gruppe bestätigen bzw. im Sinne dieses negativen
Stereotyps bewertet werden könnte.
Attribution Prozess der Ursachenzuschreibung;
unterschieden werden u. a. → internale/dispositio- Belohnung Positive Konsequenz eines Verhaltens, die
nale und → externale/situationale Ursachen (siehe – wenn sie unmittelbar auf das Verhalten folgt – dazu
auch → selbstwertdienliche Attribution und → Fehlattri- führt, dass das Verhalten in der Zukunft in ähnlichen
bution). Situationen häufiger gezeigt wird. Das Verhalten wird
mit Absicht oder unbeabsichtigt verstärkt.
Attributionsfehler →fundamentaler Attributionsfeh-
ler, → ultimativer Attributionsfehler. Bestrafung Negative Konsequenz eines Verhaltens,
die – wenn sie unmittelbar auf das Verhalten folgt
Auffälligkeit → Salienz. – dazu führt, dass das Verhalten in der Zukunft in
ähnlichen Situationen seltener gezeigt wird (siehe
Aufgabenarten Aufgaben können sich darin unter- auch → Belohnung).
scheiden, wie die Einzelleistungen mehrerer Personen
in einer → Gruppe die Gesamtleistung determinieren; Bewertungsangst Ist das Handeln einer Person poten-
unterschieden werden → additive, → konjunktive ziell durch andere bewertbar, kann ihr Verhalten durch
und → disjunktive Aufgaben. die Angst beeinflusst werden, etwas falsch zu machen
und sich zu blamieren; kann beispielsweise → pro-
Aufmerksamkeitskonflikt → Distraction-Conflict soziales Verhalten hemmen (→ Bystander-Effekt).
Theory.
Bewertungserwartung Erwartung, dass die eigene
autokinetischer Effekt Wahrnehmungstäuschung, Leistung oder Person durch andere bewertet wird
die verwendet wurde, um → sozialen Einfluss zu unter- (→ sozialer Einfluss).
suchen. Die Täuschung besteht darin, dass sich ein
Lichtpunkt in einem ansonsten abgedunkelten Raum Beziehungsmodell → Relational-Models-Theorie.
vermeintlich bewegt, de facto aber fix ist.
Bias(es) → Urteilsverzerrungen.
Autoritarismus (Right-Wing Authoritarianism
RWA) → Ideologie, die durch Unterordnung unter Bindungsstil Interaktionsverhalten zwischen Kindern
starke Autoritäten, autoritäre Aggression und Kon- und engen Bezugspersonen in der frühen Kindheit;
ventionalismus geprägt ist. wird überwiegend von der Feinfühligkeit und Verläss-
lichkeit der Bezugsperson beeinflusst. Die drei Haupt-
Autorität Auf → soziale Normen gestützter Macht- bindungsstile sind sicher, ängstlich-ambivalent und
status; wichtiger Faktor bei der Untersuchung vermeidend.
von → sozialem Einfluss.
Bindungssystem Motivationssystem, welches durch
Availability → Verfügbarkeit. Trennung von der Bindungsperson sowie durch
Bedrohung, Schmerz und Gefahr aktiviert wird, um
Averageness-Effekt → Effekt von Durchschnittlichkeit. Schutz und Sicherheit bei der Bindungsperson zu
suchen und damit Angst und Stress zu regulieren.
B
biologische Fitness (Fortpflanzungsvorteil) Bezieht
Basking in reflected glory Ist die → Eigengruppe erfolg- sich auf die Anzahl fortpflanzungsfähiger Nach-
reich und allgemein beliebt, identifiziert man sich stär- kommen. Je mehr eigene Nachkommen eines Indivi-
ker mit dieser und zeigt dies auch verstärkt nach außen. duums überleben, umso höher ist die direkte Fitness
Dies trägt über die → soziale Identität zu einer positiven seiner genetischen Ausstattung. Da ein Teil des Erbguts
Sicht der eigenen Person bei. bei nahen Verwandten identisch ist, ist für die Selektion
von genetischen Merkmalen die Gesamtfitness wichtig,
Beauty-is-good-Stereotyp Tendenz attraktiven Men- die den eigenen Fortpflanzungserfolg sowie den naher
schen mehr positive Eigenschaften (z. B. Begabung, Verwandter umfasst.
Ehrlichkeit oder auch Intelligenz) zuzuschreiben als
unattraktiven. biologisches Motiv Annahme, dass → prosoziales
Verhalten gezeigt wird, um den → genetischen Erfolg zu
464 Glossar
erhöhen, d. h. die eigenen Gene erfolgreich weiterzu- Cautious-Shift-Phänomen Form der → Gruppen-
geben. polarisierung, bei der die Gruppenentscheidung
vorsichtiger ausfällt, als man angesichts der ursprüng-
Black Sheep Effect → Schwarzes-Schaf-Effekt. lichen Neigungen ihrer Mitglieder erwarten würde. Tritt
auf, wenn die Mitglieder schon vor der Diskussion zur
Blaming the Victim Tendenz, einer anderen Person für Vorsicht tendieren.
das, was ihr widerfährt/zustößt, zumindest eine Teil-
schuld zu geben, indem die unglücklichen Umstände Cocktailparty-Phänomen Im Prozess der Wahr-
auf deren Charakter oder „falsches“ Verhalten zurück- nehmung werden Informationen gefiltert; nur wenige
geführt werden (→ Glaube an eine gerechte Welt). Reize erhalten die knappe Ressource Aufmerksamkeit;
bezeichnet das Phänomen, dass die Nennung des
Bogus-Pipeline-Methode Subtile Methode, Menschen eigenen Namens (z. B. am Nachbartisch) automatisch
dazu zu bewegen, ihre wahren → Einstellungen preiszu- die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
geben. Die Versuchspersonen nehmen dabei an, dass
sie an eine Art Lügendetektor angeschlossen sind, der Collective Threat Besorgnis, ein anderes Mitglied
ihre wahren, unverfälschten Einstellungen erkennt. der → Eigengruppe könnte ein negatives → Stereo-
Häufig werden unter diesen Umständen die tatsäch- typ erfüllen; kann leistungsverschlechternd wirken
lichen Einstellungen (z. B. → Vorurteile) angegeben, (→ Stereotype Threat).
da die Teilnehmer befürchten, andernfalls als Lügner
entlarvt zu werden. Commitment Verpflichtung gegenüber bzw. Engage-
ment für eine Sache oder Beziehung; besonders ver-
Brainstorming Gruppenproblemlösetechnik, bei der haltenswirksam, wenn es aktiv, öffentlich geäußert, mit
alle Ideen eingebracht werden sollen, ohne dass diese Anstrengung verbunden und freiwillig ist. Im Kontext
sofort einer Wertung unterzogen werden. Dadurch sol- von Paarbeziehungen ist Commitment eine Facette
len Qualität und Quantität der Ideenproduktion erhöht oder Komponente von Liebe, durch Rituale wie Ver-
werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies nicht der lobung und Hochzeit auch öffentlich bekräftigt.
Fall ist: → Gruppen bringen in typischen Brainstorming-
sitzungen nicht nur quantitativ weniger, sondern auch Community-Based Social Marketing Kampagnen zur
qualitativ weniger kreative Ideen hervor als die gleiche Verhaltensänderung in der Bevölkerung, die sich das
Anzahl Personen in Einzelarbeit (→ Step-Ladder-Me- Prinzip sozialer Bewährtheit durch Konzentration auf
thode). einzelne Gemeinschaften zunutze machen. Dabei wird
versucht, in einem Dorf, Stadtbezirk oder Betrieb durch
Bullying Insbesondere unter Schülern systematisch Treffen, Plakate, Sticker, Broschüren, Annoncen etc.
eingesetzte Form der instrumentellen → Aggression, möglichst viele Menschen zu erreichen.
mit der meist ein spezifisches Opfer geschädigt werden
soll; hat zum Teil dramatische Konsequenzen für das Compliance Form von → Konformität, bei der die
Opfer. Person nach außen hin ein mit der Mehrheitsmeinung
konformes Urteil abgibt, dabei aber (weiterhin) davon
Bumerangeffekt Zu starke und offensichtliche Beein- überzeugt ist, dass eigentlich eine andere Lösung oder
flussungsversuche sind kontraproduktiv und führen Meinung richtig wäre (→ normativer Einfluss) (siehe
eher zu einer Verfestigung oder erhöhten → Zugäng- auch → Forced/Induced Compliance).
lichkeit der ursprünglichen → Kognitionen (→ Reaktanz).
Confirmation Bias Tendenz, die eigenen Annahmen
Bystander-Effekt Individuen zeigen typischerweise bestätigende Informationen bevorzugt zu suchen bzw.
umso weniger Hilfeverhalten, je mehr potenzielle Helfer wahrzunehmen.
(Bystander) anwesend sind. Wichtige vermittelnde Pro-
zesse sind → pluralistische Ignoranz, → Verantwortungs- Consensus Implies Correctness → Prinzip sozialer
diffusion und → Bewertungsangst. Bewährtheit.
(Dispositionen) zu erschließen, selbst wenn das Ver- Dissonanz kognitive → kognitive Dissonanz.
halten stark durch situative Faktoren bedingt ist
(→ fundamentaler Attributionsfehler). Dissonanzreduktion Versuch, den als unangenehm
erlebten Zustand der → kognitiven Dissonanz zu über-
Cues →Hinweisreize. winden und → Konsistenz herzustellen; kann direkt
(durch Änderung von einem oder mehreren Elementen
D der dissonanten Beziehung, durch Hinzufügen neuer
konsonanter → Kognitionen, durch Vermindern der
Deadline-Prinzip Der Wert eines Angebots steigt, Bedeutung der dissonanten Elemente) und indirekt
wenn dieses zeitlich nur begrenzt verfügbar ist. (durch Beeinflussung der mit Dissonanz verbundenen
negativen → Gefühle) erfolgen.
Deindividuierung (Deindividuation) Tritt ein, wenn
eine Situation die soziale Identität einer Person auf Distraction-Conflict Theory Die Anwesenheit ande-
Kosten der personalen Identität salient macht; kann zu rer Personen lenkt ab, wodurch für die Aufgaben-
einem Verlust normaler Verhaltensbeschränkungen bewältigung weniger → kognitive Ressourcen zur
führen und dadurch einen Anstieg aggressiven Ver- Verfügung stehen. Die Aufmerksamkeit konzentriert
haltens in Übereinstimmung mit aktuellen Gruppen- sich dann auf wenige Schlüsselaspekte der Aufgabe,
normen (→ soziale Norm) bewirken. periphere Merkmale werden vernachlässigt.
Dehumanisierung Wahrnehmung von Angehörigen divergentes Denken Kreativer Denkprozess, bei dem
anderer Gruppen als weniger menschlich als vielfältige und zum Teil ungewöhnliche Alternativen
Angehörige der Eigengruppe; verknüpft mit weniger in Betracht gezogen werden und bei dem nicht davon
Empathie. Auch Tiere können dehumanisiert werden, ausgegangen wird, dass es für ein Problem nur eine
womit gemeint ist, dass sie als weniger menschenähn- richtige Lösung gibt.
lich wahrgenommen werden, als ihre Physiologie und
ihr Verhalten nahelegen (z. B., dass sie keine Gefühle dominante Reaktion Diejenige Reaktion im Ver-
haben oder keinen Schmerz empfinden können). haltensrepertoire einer Person, deren Auftreten in einer
bestimmten Situation am wahrscheinlichsten ist bzw.
Denken divergentes → divergentes Denken. die in der Reaktionshierarchie am höchsten steht, z. B.
weil sie gut gelernt ist (→ Drive Theory of Social Facili-
Desensibilisierung Abnahme der Sensibilität gegen- tation).
über einem bestimmten Stimulus; beispielsweise
hervorgerufen durch die wiederholte Darbietung ähn- Door-in-the-Face-Technik Durch eine vorgeschobene
licher Stimuli. große Forderung erhöht sich die Wahrscheinlich-
keit, dass einer nachgeschobenen kleineren Bitte
deskriptive Norm Wahrnehmung dessen, was andere, zugestimmt wird – vorausgesetzt die erste Forderung
insbesondere die Mehrheit der Eigengruppenmit- liegt in einem realistischen Bereich.
glieder, in der Situation tun oder unterlassen (was
getan wird). Drive-Theorie der sozialen Erleichterung Die
Anwesenheit anderer Personen bewirkt eine Steige-
disjunktive Aufgabe → Aufgabenart, bei der der rung der physiologischen Erregung und fördert damit
Beitrag eines Gruppenmitglieds als Gruppenprodukt die Ausführung der → dominanten Reaktion. Dies
ausgewählt wird (z. B. bei der Lösung eines Rätsels). kann bei einfachen oder gut geübten Aufgaben zu
Die → potenzielle Produktivität der → Gruppe ist maxi- einer Leistungsverbesserung (→ soziale Erleichterung),
mal so gut wie die Leistung des besten Mitglieds. bei schwierigen oder ungeübten Aufgaben zu einer
Leistungsverschlechterung (→ soziale Hemmung) füh-
Diskriminierung Ungleichbehandlung; Personen ren.
werden allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu
einer → Gruppe anders, meist schlechter, behandelt als Dual Path Model of Collective Action Erlebt die macht-
andere Personen; bildet die Verhaltenskomponente losere Minderheit die Situation als instabil und damit
eines → Vorurteils. veränderbar, erlebt sie Ärger und greift zu normativen,
legalen Mitteln des Widerstands. Sieht sie die Situation
dispositionale Attribution → Attribution des als stabil an, neigt sie vermehrt zu gewaltsamen und
Verhaltens von Personen auf deren → internale, illegalen Mitteln und erlebt Verachtung.
überdauernde Eigenschaften, Fähigkeiten oder
Reaktionstendenzen (gemeinsam als Dispositionen Duncker-Aufgabe Problemlöseaufgabe zur Messung
bezeichnet). kreativen Denkens; beispielsweise hat eine Versuchs-
466 Glossar
person eine Schachtel mit Reisnägeln, eine Kerze und wenn sie gern mehr oder andere soziale Beziehungen
eine Streichholzschachtel zur Verfügung und soll hätten, als sie tatsächlich haben.
die Kerze so an der Wand befestigen, dass nach dem
Anzünden kein Wachs auf den Boden tropft. Einstellung Eine kognitive Repräsentation, die aus
einer zusammenfassenden Bewertung eines Ein-
E stellungsobjekts besteht. Einstellungsobjekte können
Personen, Sachverhalte, Objekte, Ideen und vieles mehr
Easy-Escape-Bedingungen Bedingungen, unter denen sein. Einstellungen bestehen aus einer → kognitiven,
die Kosten für unterlassene Hilfe gering sind; führen einer → affektiven und einer Verhaltenskomponente,
zu einer Verringerung des Auftretens von Hilfever- haben eine kognitive und eine motivationale Funktion
halten; sind gegeben, wenn zukünftige Interaktionen und können im Gedächtnis gespeichert oder situativ
mit der hilfsbedürftigen Person unwahrscheinlich konstruiert sein. Man unterscheidet weiterhin zwischen
sind, der potenzielle Helfer eine Rechtfertigung für das deliberativen/→ expliziten und automatischen/→ impli-
Unterlassen der Hilfeleistung hat oder keine negative ziten Einstellungen.
Bewertung durch das soziale Umfeld erwarten muss.
emotionale Unterstützung Eine Person tröstet,
Effekt der räumlichen Nähe (Proximity- oder Pro- beruhigt und ermutigt eine andere Person, freut sich
pinquity-Effekt) Der Effekt der räumlichen Nähe mit ihr, hört ihr zu und signalisiert Verständnis, Nähe
bezeichnet den Umstand, dass Menschen die sich häu- und Verlässlichkeit (siehe auch → instrumentelle Unter-
figer begegnen, sich gegenseitig sympathischer finden stützung).
und häufiger Freundschaften knüpfen als Menschen,
die sich seltener begegnen. Emotionen Starke → Gefühle, die einen Objektbezug
aufweisen, d. h. auf einen Gegenstand oder eine Person
Effekt des gemeinsamen Wissens Die → Gruppe gerichtet sind. Emotionen sind im Vergleich zu → Stim-
konzentriert sich auf Informationen, die bereits allen mungen meist von kürzerer Dauer und größerer Intensi-
bekannt sind, d. h. auf das gemeinsame Wissen. Infor- tät.
mationen, die nur einzelnen Mitgliedern bekannt sind
(nicht geteiltes Wissen), kommen häufig nicht zur Spra- Empathie Fähigkeit/Zustand des Einfühlens in eine
che oder erhalten weniger Aufmerksamkeit. andere Person; begünstigt → altruistisches Verhalten.
Einsamkeit Negatives Erleben des Alleinseins oder der Erregungstransfer Erregung aus einer voraus-
Stress sozialer Isolation. Einsam fühlen sich Menschen, gegangenen Aktivität kann auf eine neue
467
Glossar
Erregungssituation übertragen werden. Dabei wird die schaden; auch heiße → Aggression genannt (siehe
Erregung fälschlicherweise für eine Folge der neuen auch → instrumentelle Aggression).
Erregungssituation gehalten, also fehlattribuiert. Eine
solche fehlattribuierte Erregung kann die Aggressions- Fischteicheffekt (Big-Fish-Little-Pond-Effekt) Das grö-
bereitschaft erhöhen, wenn sie beispielsweise als Ärger ßere akademische Selbstvertrauen eines guten Schülers
oder → Frustration interpretiert wird. in einer leistungsschwächeren Klasse.
explizit Bewusst deutlich (Gegenteil: → implizit). Fremdgruppe (Outgroup) → Gruppe, der man nicht
angehört.
explizite Einstellungsmessung Messung von → Ein-
stellungen, indem diese mittels direkter, selbst- Fremdgruppenabwertung (Outgroup
berichtender Verfahren erhoben werden (z. B. Derogation) Tendenz, in Intergruppenvergleichen
durch → Ratingskalen) (siehe auch → implizite Ein- die → Fremdgruppe abzuwerten.
stellungsmessung).
Fremdgruppenhomogenitätseffekt Tendenz, Mit-
external Außerhalb der Person liegend; situations-, glieder der → Fremdgruppe als einander ähnlicher
umweltbedingt (Gegenteil: → internal). wahrzunehmen, als diese tatsächlich sind, und ähn-
licher als Mitglieder der → Eigengruppe.
extrinsische Motivation Von außen kommende Moti-
vation aufgrund von → Belohnungen und/oder äuße- Freunde Menschen, die man mag, deren Gesellschaft
rem Druck (Gegenteil: → intrinsische Motivation). man genießt, mit denen man Interessen und Aktivi-
täten teilt, die hilfreich und verständnisvoll sind, denen
F man vertrauen kann, mit denen man sich wohlfühlt und
die → emotionale Unterstützung gewähren.
Fatism → Vorurteile gegenüber übergewichtigen Per-
sonen, Unterform des → Appearance Prejudice. Frustration Unerwartete Blockade eines wichtigen
Ziels.
Faustregel → Heuristik.
Frustrations-Aggressions-Hypothese Annahme,
Fehlattribution Falsche Ursachenzuschreibung bzw. dass → Frustration eine wichtige Quelle negativer
Verwechslung der Ursache, beispielsweise des eige- Gefühle ist und die Bereitschaft zu → Aggression erhöht.
nen → Arousal.
fundamentaler Attributionsfehler Tendenz, den Ein-
feindselige Aggression Erfolgt aus Emotionen (wie fluss dispositionaler Faktoren auf das Verhalten anderer
Ärger, Wut) heraus und dient dazu, jemandem zu Personen zu über- und den Einfluss situativer Faktoren
zu unterschätzen. Dadurch kommen häufig Fehlurteile
468 Glossar
zustande; eine der Ursachen für den → Correspondence liche Stabilität. Diese Kriterien grenzen eine Gruppe
Bias. gegenüber einer bloßen Ansammlung von Menschen
sowie gegenüber einer → Masse ab. Im weiteren Sinn:
G Erfordert nur, dass sich zwei oder mehr Personen
selbst als Mitglieder der gleichen sozialen → Kategorie
Gamification Gestaltung von Internetanwendungen wahrnehmen. Solche sozialen Kategorien sind bei-
und Apps, die nicht primär als Spiele konzipiert sind, spielsweise das Geschlecht oder die eigene ethnische
mit Elementen, die an Spiele erinnern (z. B. Wett- Zugehörigkeit.
bewerb, Herausforderung, Glück, Humor, Vorstellungs-
welten, Rollenübernahme). Ziel ist eine Erhöhung der Gruppenauswahl Wenn Menschen zwischen ver-
Attraktivität der Apps und damit häufigerer oder länge- schiedenen → Gruppen wählen können, streben sie die
rer Gebrauch. Zugehörigkeit zu der Gruppe an, von der sie sich den
größten Nutzen versprechen. Für die Gruppenauswahl
Gedächtnissystem, transaktives → transaktives sind neben materiellem und psychologischem Nutzen
Gedächtnissystem. zudem frühere Erfahrungen mit ähnlichen Gruppen
und die Ähnlichkeit/→ Passung der eigenen Person zu
Gefühl Begriff, der umgangssprachlich für eine Vielzahl den bestehenden Gruppenmitgliedern relevant.
von Empfindungen verwendet wird. Wichtige Formen
sind → Stimmungen und → Emotionen. Gruppenbildung Personen bilden Gruppen, um
gemeinsam Ziele zu erreichen, Sicherheit, Schutz
General Aggression Model (GAM) Modellhafter Ver- und Macht zu erhalten, ihre sozialen Bedürfnisse zu
such, bestehende Annahmen zur Entstehung von befriedigen und ihr → Selbstwertgefühl zu stärken.
Aggression zu integrieren. Dieses Modell berücksichtigt Gruppenzugehörigkeiten machen einen wichtigen Teil
sowohl personale als auch situative Faktoren. der → sozialen Identität aus.
Hidden Profile Liegt vor, wenn im Rahmen einer Illusion der Gruppenproduktivität Bei der Arbeit in
Gruppenaufgabe die korrekte Lösung aus den ver- der → Gruppe überschätzt der Einzelne die Höhe des
schiedenen Informationspaketen, die den einzelnen eigenen Beitrags zur gesamten → Gruppenleistung. Dies
Gruppenmitgliedern vorliegen, nicht zu erkennen ist, wohl trägt auch dazu bei, dass sich der Glaube, eine Gruppe
aber, wenn die Gruppenmitglieder ihre Informations- leiste grundsätzlich mehr als ihre Einzelmitglieder, hart-
pakete zusammennehmen. Spielt bei der Untersuchung näckig hält.
des → Effekts des gemeinsamen Wissens eine Rolle.
Illusion der Unanfechtbarkeit Symptom, das in der
Hilfeverhalten → prosoziales Verhalten. Theorie des → Gruppendenkens beschrieben wird und
die verzerrte Wahrnehmung der Gruppenmitglieder
Hinweisreize (Cues) Auf diese wird beispielsweise bei bezeichnet, nichts und niemand könne der → Gruppe
der oberflächlichen Verarbeitung von Persuasionsbot- etwas anhaben. Dadurch entsteht ein überzogener
schaften zurückgegriffen (siehe auch → Hinweisreize für Optimismus.
Aggressivität).
illusorische Korrelation Wahrgenommene Zusammen-
Hinweisreize für Aggressivität Reize, die mit → Aggres- hänge, obwohl diese gar nicht oder zumindest nicht in
sion/aggressiven Handlungen assoziiert sind, wie dem angenommenen Ausmaß bestehen.
beispielsweise Schusswaffen. Im Falle emotionaler
Erregung können sie aggressionsintensivierend wirken. imaginale Bestätigung Im Rahmen der Bestätigung
von → Vorurteilen kann eine nur vorgestellte Episode
Hypothesentesten, selektives/positives → selektives/ ebenso wie eine tatsächlich erlebte Episode als (ver-
positives Hypothesentesten. zerrende) Evidenz für ein → Stereotyp fungieren.
der valenzkompatibel besetzten als mit einer valenz- instrumentelle Aggression Dient als Mittel, um ein
inkompatibel besetzten Antworttaste auf assoziierte Ziel zu erreichen, das über die Schädigung des anderen
Konzepte zu reagieren. Aus der Reaktionszeitdifferenz hinausgeht; auch als kalte → Aggression genannt (siehe
zwischen einer valenzkompatiblen Bedingung, in der auch → feindselige Aggression).
assoziierte Konzepte jeweils der gleichen Antworttaste
zugeordnet sind (z. B. alter Mensch – negativ), und einer instrumentelle Unterstützung Eine Person hilft einer
inkompatiblen Bedingung, in der assoziierte Konzepte anderen praktisch (siehe auch → emotionale Unter-
jeweils verschiedenen Antworttasten zugeordnet sind stützung).
(z. B. alter Mensch – positiv), wird die Stärke der → Asso-
ziation und damit letztendlich die → Einstellung der Integration → Akkulturationsstrategie, bei der eine
Person erschlossen. Gruppe weitgehend den Bezug zu ihrer Herkunftskultur
behält, aber auch kulturelle Merkmale der anderen
implizit Nicht unmittelbar zugänglich, nicht bewusst Gruppe übernimmt.
(Gegenteil: → explizit).
interaktives Problemlösen Interventionstechnik
implizite Einstellungsmessung Messung von → Ein- in politischen Konflikten, die Intergruppenkontakt
stellungen, indem diese aus den Leistungsdaten gemeinsam mit strukturierten Gesprächsrunden zur
einer Person (z. B. Reaktionszeiten oder Fehlerraten Vorbereitung und Begleitung offizieller Verhandlungen
in einem → Stroop-Test) erschlossen werden (siehe nutzt.
auch → explizite Einstellungsmessung).
Interdependenz Gegenseitige Abhängigkeit; Merk-
implizite Theorien Annahmen bzgl. bestimmter Sach- mal vieler überdauernder Beziehungen. Je enger die
verhalte (z. B. dem Zusammenhang von Intelligenz und Beziehung ist, umso mehr Interdependenz besteht
Attraktivität), die nicht explizit sind, d. h. nicht bewusst normalerweise auch, in Form von Austausch oder
formuliert und vertreten werden. gemeinsamer Nutzung von Ressourcen, gemeinsamen
Zielen, gegenseitiger Unterstützung und nicht zuletzt
Impression Management Strategien, mit denen ver- emotionalen Bedürfnissen wie dem Bedürfnis nach
sucht wird, einen bestimmten (meist einen guten) Intimität.
Eindruck bei anderen zu hinterlassen.
interkulturelle Beziehung →Soziale Beziehung, bei
impulsives Helfen Sonderfall → prosozialen Verhaltens, der Personen aus unterschiedlichen → Kulturen kom-
bei dem die rationale Abwägung potenzieller Kosten men.
für Helfen keine oder nur eine sehr untergeordnete
Rolle zu spielen scheint; findet sich beispielsweise internal Innerhalb der Person liegend, durch die Per-
in eindeutigen, realistischen Situationen, wenn eine son bedingt (Gegenteil: → external).
Beziehung zwischen Opfer und Helfer besteht und/
oder eine starke Erregung (z. B. durch Leiden des internale Attribution → dispositionale Attribution.
Opfers) empfunden wird.
Intimität Eine Facette von Liebe, die durch gegen-
individualistische Kultur Kulturkreis, in dem individu- seitiges wohlwollendes Verständnis, positive, warme
elle Fähigkeiten und persönlicher Erfolg im Fokus der Gefühle füreinander sowie die Kommunikation von
Aufmerksamkeit stehen; als individualistische Kultu- Zuneigung (durch Worte, tatkräftige Unterstützung
ren gelten z. B. Westeuropa oder Nordamerika (siehe und nonverbale Signale) geprägt ist.
auch → kollektivistische Kultur).
intrinsische Motivation Aus einem inneren Antrieb
informativer Einfluss → Sozialer Einfluss, der auf dem entstehende Motivation durch Interesse und/oder
angenommenen Informationswert der Meinung ande- Spaß an der Tätigkeit (Gegenteil: → intrinsische Moti-
rer beruht; führt meist zu → Konversion. vation).
Komponenten der Einstellungen in einem harmoni- Eine von der eigenen Meinung abweichende Minder-
schen, spannungsfreien Zustand zueinander befinden, heit setzt einen Validierungsprozess in Gang („Warum
und streben daher einen solchen Zustand an (→ Konsis- sagen sie das?“) und beeinflusst indirekt und langfristig
tenz, → kognitive Dissonanz). Die Judostrategie „Erzielen – über divergentes Denken und systematische Ver-
von → Commitment“ macht sich Konsistenzstreben arbeitung – die private, nicht notwendigerweise aber
zunutze, um → sozialen Einfluss auszuüben. die öffentliche Meinung der Mehrheit.
Kontrollvariable Variable, deren Einfluss im → Experi- Kultur Die von Personen durch → Sozialisation
ment nicht systematisch variiert wird (z. B. das erworbenen, für eine → Gruppe spezifischen Hand-
Geschlecht der Versuchspersonen), die aber erhoben lungs- und Denkmuster, Erwartungen, Einstellungen,
wird, um ungewollte Einflüsse auf die → abhängige Werte, (auch affektive) Reaktionsweisen sowie die
Variable zu erfassen. Praktiken und Artefakte, die die Gruppe als Ganzes
kennzeichnen. Die deutsche Sprache kennzeichnet
Konversion Form von → Konformität, die vorliegt, beispielsweise die Kulturen Deutschlands, Österreichs
wenn sich eine Person nicht nur öffentlich der Meinung und vieler schweizerischer Regionen, während Dia-
bzw. dem Verhalten anderer anschließt, sondern auch lekte, Religion, politische Einstellungen oder Kleidung
innerlich davon überzeugt ist, dass sie damit richtig bestimmte Regionen oder Bevölkerungsgruppen kenn-
liegt bzw. handelt (→ informativer Einfluss). zeichnen. Bezieht man sich auf die spezifische Kultur
einer Unter- oder Teilgruppe, spricht man auch von
Konversionstheorie Zwei-Prozess-Theorie, die Subkultur (z. B. Regionalkultur, Jugendkultur).
annimmt, dass der Einfluss von Mehr- und Minder-
heiten auf qualitativ unterschiedlichen Prozessen Kultur der Ehre (Culture of Honor) Kultur, in der Nor-
beruht. Eine von der eigenen Meinung abweichende men (→ soziale Norm)herrschen, die → Aggressionen
Mehrheit setzt einen Vergleichsprozess in Gang („Was legitimieren, beispielsweise die Bereitschaft, auf Gewalt
sagen sie?“) und führt meist auf direktem Wege zu und Bedrohungen mit Gewalt zu reagieren (siehe
öffentlicher, aber nicht notwendigerweise zu priva- auch → individualistische Kultur und → kollektivistische
ter → Konformität mit der Mehrheit (→ Compliance). Kultur).
473
Glossar
L M
Lean Production → teilautonome Arbeitsgruppe. Masse Große Ansammlung von Menschen, die eine
geringe Strukturierung (→ Gruppenstruktur) aufweist
Leichtigkeit der Verarbeitung (Fluency) Kognitives und sich von einer → Gruppe im engeren Sinn dadurch
Gefühl, das entsteht, wenn Wahrnehmungsinhalte unterscheidet, dass die anwesenden Personen nicht
einfach zu erkennen sind, beispielsweise, weil man sie alle wechselseitig miteinander interagieren.
schon oft gesehen hat, weil sie sich gut vom Hinter-
grund abheben oder weil sie symmetrisch sind. Fluency Mehrheit Teilgruppe innerhalb einer über-
ist ein positives Gefühl, das auch dem Eindruck von geordneten → Gruppe, die entweder mehr Mitglieder
Vertrautheit zugrunde liegt. oder einen höheren Status als die → Minderheit hat.
Leichtigkeit des Abrufs (Ease of Retrieval) Sind Infor- Meinungswächter Das Auftreten selbst ernannter
mationen für → kognitive Operationen leicht verfügbar, Meinungswächter wird als Symptom in der Theorie
so stellt sich ein → Gefühl der Leichtigkeit des Abrufs des → Gruppendenkens beschrieben; bringen Zweifler
ein. Dieses „kognitive Gefühl“ wird als heuristischer Hin- aktiv zum Schweigen.
weisreiz für die Urteilsbildung herangezogen und kann
dazu führen, dass Wahrscheinlichkeiten nicht richtig Mere-Exposure-Effekt Effekt, der allein dadurch ent-
eingeschätzt werden (→ Verfügbarkeitsheuristik). steht, dass man einem Reiz (wiederholt) ausgesetzt ist;
beispielsweise löst die wiederholte Darbietung eines
Leidenschaft Facette oder Komponente von Liebe, Reizes in uns Vertrautheit aus, was wiederum zu höhe-
gekennzeichnet durch Erregung und sexuelle rer Sympathie gegenüber dem Stimulus führt.
Anziehung, die Sehnsucht und das Verlangen nach
dem anderen. Michelangelo-Phänomen Mit ihrer Paarbeziehung
zufriedene Personen neigen dazu, ihre Partner zu ideali-
Leistungsnorm → Soziale Norm, die das Leistungs- sieren, die sich im Laufe der Zeit häufig tatsächlich dem
niveau von Mitgliedern einer → Gruppe bestimmt. Idealbild annähern. Man könnte also sagen, dass glück-
liche Partner sich gegenseitig zu idealen Menschen
Lexical Decision Task →Wortentscheidungsaufgabe. „modellieren“, so wie Michelangelo Stein zu idealen
Statuen modellierte.
Likert-Skala Zur → Einstellungsmessung
benutzte → Ratingskala. Dabei wird den einzel- Mimikry Nachahmung des → nonverbalen Ver-
nen Items ein Kontinuum von positiv bis negativ haltens eines Gegenübers; erhöht die Wahrscheinlich-
abgestuften Antwortkategorien zugeordnet, das in keit → prosozialen Verhaltens.
numerisch gleich große Abschnitte eingeteilt ist (z. B.
von „stimme vollkommen zu“ bis „stimme überhaupt Minderheit Teilgruppe innerhalb einer über-
nicht zu“). Der Befragte kreuzt für jedes Item die für ihn geordneten → Gruppe, die entweder weniger Mit-
am ehesten zutreffende Antwort an; das Einstellungs- glieder oder einen geringeren Status als die → Mehrheit
maß ergibt sich dann aus dem Mittelwert aller Items in hat.
einem Themenbereich.
Minderheiteneinfluss Prozess, in dem die → Minder-
Lost-Letter-Technik In → Quasiexperimenten ein- heit die → Mehrheit von ihrer Meinung oder Einstellung
gesetzte Technik, mit der untersucht wird, unter überzeugt.
welchen Umständen „verloren gegangene“ Briefe
von Passanten eher aufgehoben und abgeschickt Minimal Group Paradigm → Paradigma der minimalen
werden; ein großer Prozentsatz zugesandter Briefe Gruppen.
spricht beispielsweise für hohe Hilfsbereitschaft in der
betreffenden Region. Missattribution → Fehlattribution.
Teil des → Selbstkonzepts, der sich nicht auf Gruppen- Priming, → prozedurales Priming und → semantisches
zugehörigkeiten bezieht. Priming).
persönliches Unbehagen (Distress) Negative → selbst- Prinzip der Knappheit Möglichkeiten erscheinen
zentrierte Gefühle (Angst, Unruhe, Stress). umso erstrebenswerter, je schwerer sie zu erreichen
sind. Knappheit bewirkt extremere Beurteilungen und
Persuasion Bemühen, die → Einstellung einer Person Reaktanz.
durch den Einsatz diverser Botschaften zu verändern.
Prinzip sozialer Bewährtheit (Consensus implies Cor-
Persuasive Arguments Explanation Bei Gruppenent- rectness) Faustregel (→ Heuristik), die besagt: „Was alle
scheidungen bringen andere Gruppenmitglieder Argu- machen, ist gut bzw. richtig.“
mente vor, die man selbst noch nicht bedacht hat und
die die eigene Meinung zusätzlich stützen; kann dazu Propinquity-Effekt →Effekt der räumlichen Nähe.
führen, dass extremere Positionen vertreten werden
(→ Gruppenpolarisierung, → Risky-Shift-Phänomen). prosoziale Norm →soziale Norm, die sich auf → pro-
soziales Verhalten bezieht.
Planungsfehler (Planning Fallacy) Unterschätzen von
Kosten und Dauer eines Projekts. prosoziales Verhalten Bezeichnet eine freiwillige
Handlung mit der Absicht, einer anderen Person etwas
pluralistische Ignoranz Untätigkeit, die aus der Gutes zu tun, die aber auch einen Nutzen für den Helfer
Beobachtung der fehlenden Reaktionen anderer resul- beinhalten kann (→ altruistisches Verhalten).
tiert. Beruht auf der Annahme, dass andere die Situa-
tion als harmlos einschätzen, woraus man schließt, dass Prototyp Charakteristischer Vertreter einer → Kategorie
die Situation tatsächlich ungefährlich ist. Daraus kann von Objekten oder Wesen, der die mit der Kategorie
folgen, dass in einer Notsituation keiner dem Opfer zu assoziierten Merkmale am besten repräsentiert.
Hilfe kommt (→ Bystander-Effekt).
Proximity-Effekt →Effekt der räumlichen Nähe.
pluralistische Ignoranz → Gruppenpolarisierung.
Prozessbilanz Variable zur Bestimmung
Position Offizielle Stellung innerhalb einer der → Gruppenleistung, die sich aus der Summe
Organisationsstruktur. von → Prozessverlusten und → Prozessgewinnen ergibt.
positive Teststrategie Tendenz, solche Informatio- Prozessgewinne Leistungszuwachs, der sich bei
nen zu suchen, die Vorannahmen bestätigen; z. B. der Arbeit in → Gruppen gegenüber der Einzelarbeit
werden bei einem Interview solche Fragen an eine ergeben kann; wird zurückgeführt auf gegenseitiges
Person gestellt, die den bereits bestehenden Eindruck Motivieren, wechselseitiges Lernen und Inspiration.
bestätigen (→ Confirmation Bias).
Prozessverluste Leistungsverminderung, die
potenzielle Produktivität Variable, die bei Gruppen- sich bei der Arbeit in → Gruppen gegenüber der
arbeit beschreibt, was die → Gruppe leisten könnte, Einzelarbeit ergeben kann; man unterscheidet zwi-
wenn jedes Mitglied seine Ressourcen optimal zur Auf- schen → Motivationsverlusten und → Koordinationsver-
gabenbewältigung einsetzen würde. lusten.
Priming Voraktivierung durch Reize, die assozia- Quellenverwechslung Die menschliche Erinnerung
tiv mit dem Zielreiz verknüpft sind oder werden; arbeitet häufig recht ungenau, d. h., sie gibt kein
„bahnt“ dem Zielreiz den Weg bzw. führt dazu, dass exaktes Abbild von vergangenen Ereignissen wider.
die voraktivierten Inhalte leichter zugänglich sind Aus diesem Grund können Menschen manchmal nicht
(siehe auch → affektives Priming, → konzeptuelles unterscheiden, aus welcher Quelle eine Erinnerung
476 Glossar
stammt; beispielsweise verwechselt man Fiktion mit Reference Class Forecasting → Outside View.
Erinnerung oder aber zwei Erinnerungen unterschied-
licher Kontexte. Regel der Gegenseitigkeit →Reziprozitätsnorm.
R Rekategorisierung → Subtyping.
wenn die Mitglieder schon vor der Diskussion zum Schwarzes-Schaf-Effekt (Black Sheep Effect) Um die
Risiko tendieren. Gruppenidentität und damit letztendlich einen wichti-
gen Teil der eigenen → sozialen Identität zu schützen,
Robbers-Cave-Experiment Klassische Studie werden Mitglieder der → Eigengruppe, die schlechte
zur → Theorie des realistischen Gruppenkonflikts. Leistung bringen („schwarze Schafe“), abgewertet, und
man distanziert sich von ihnen.
Rolle Allgemein geteilte Erwartung darüber, wie sich
eine bestimmte Person in einer bestimmten Situation Segregation → Akkulturationsstrategie, bei der eine
– beispielsweise in der → Gruppe – zu verhalten hat. Gruppe weitgehend den Bezug zu ihrer Herkunftskultur
Rollen bilden einen Teil der → Gruppenstruktur. behält und nur minimal kulturelle Merkmale der ande-
ren Gruppe übernimmt.
Rollenerwartungen Erwartungen, die an das
Handeln und das Auftreten von Inhabern sozialer Selbst Umfasst das → Selbstkonzept und das prozess-
→ Rollen/→ Positionen gerichtet werden; Rollen sind hafte Geschehen der → Selbstwahrnehmung, → Selbst-
unabhängig von der jeweils diese Rolle ausfüllenden aufmerksamkeit und → Selbstregulation. Die
Person. verschiedenen Anteile des Selbst haben wesentlichen
Einfluss auf Denken, Fühlen und Handeln.
Rollenkonflikt Personen haben häufig unter-
schiedliche → Rollen gleichzeitig zu erfüllen. Selbstaufmerksamkeit (Self-Awareness) Zustand des
Widersprechen sich die mit den einzelnen Rollen ver- Nachdenkens über sich selbst; wird die eigene Auf-
bundenen → Rollenerwartungen, besteht ein Rollen- merksamkeit auf die eigene Person gerichtet, so neigen
konflikt. wir dazu, unser Verhalten anhand unserer innerer
Maßstäbe und Werte zu vergleichen und danach zu
Rollenkonformität Verhalten einer Person gemäß der bewerten.
mit ihrer → Rolle verbundenen → Rollenerwartungen;
kann in Extremfällen zur → Deindividuierung führen. Selbstbestärkung Stärkung des Selbstwerts durch
Aktivierung positiver Aspekte der eigenen Person,
S z. B. positiv eingeschätzte Fähigkeiten, Hobbys, Eigen-
schaften oder Werte.
Salienz Auffälligkeit eines Stimulus in Bezug zu seinem
jeweiligen Hintergrund; spielt für die → Verfügbar- Selbstbild → Selbstkonzept.
keit/→ Zugänglichkeit von Informationen – beispiels-
weise im Rahmen der → Verfügbarkeitsheuristik – eine Selbstdefinition Prozess oder Ergebnis der Klärung der
Rolle. eigenen Identität, also der Frage, wer oder was man ist.
Schema(ta) Wissensstruktur, die auf → Kategorien Selbstenthüllung (Self-Disclosure) Strategie, sich sym-
aufbaut und das Wissen einer Person über einen pathisch darzustellen, indem man persönliche Informa-
Themenbereich (Objekt, Person, Handlung) sowie die tionen preisgibt, auch wenn diese nicht erfragt wurden.
dazugehörigen Attribute (Eigenschaften, Merkmale)
und die Beziehung zwischen den Attributen enthält. Selbsterhöhung (Self-Enhancement) Strategie, sich
durch vorteilhafte Präsentation einem anderen sympa-
Schemaaktivierung Unter anderem durch thisch zu machen.
Umgebungsreize werden damit assoziierte Wissens-
strukturen aktiviert; das entsprechende Verhalten, selbstfokussierte Aufmerksamkeit (Self-Focus-
Denken, Empfinden wird dadurch verfügbarer. sing) Starke Beschäftigung mit der eigenen Person und
den eigenen Empfindungen; eine solche nach innen
schemakonsistente Informationen Informationen, gerichtete Aufmerksamkeit zeigt sich beispielsweise bei
die mit den bestehenden Wissensstrukturen überein- Prüfungsängsten, wobei die selbstfokussierte Aufmerk-
stimmen, beispielsweise ein österreichischer Ski- samkeit in einer Testsituation eine der Hauptursachen
springer (→ Konsistenz). für das große Unbehagen und die Beeinträchtigung
darstellt.
Schießhemmung Biologisch begründeter Widerstand
dagegen, eigene Artgenossen zu töten. Selbstgenerierung Durch eigenes Nachdenken
erschlossene Antwort oder Lösung eines Problems;
führt zu intensiverer Auseinandersetzung mit der
478 Glossar
sich selbst erfüllende Prophezeiung (Self-Fullfilling soziale Beziehung Eine solche Beziehung besteht
Prophecy) Die Erwartungen an das Verhalten einer dann, wenn Menschen miteinander interagieren und
Person werden Realität, indem sie ein Verhalten hervor- wenn sie sich in ihrem Erleben und Verhalten gegen-
rufen, welches sie bestätigt. seitig beeinflussen.
Skript(e) Wissensstruktur, die routineartige Hand- soziale Erwünschtheit Tendenz, ein Verhalten zu
lungsepisoden in bestimmten Gegenstandsbereichen zeigen, das die eigene Person in günstigem Licht
repräsentiert (z. B. für den Ablauf eines Restaurantbe- erscheinen lässt, d. h. Verhalten, von dem man glaubt,
suchs). dass es von den anderen erwartet und gebilligt wird.
Social-Baseline-Theorie Diese Theorie nimmt an, dass soziale Hemmung (Social Inhibition) Die Anwesen-
unser Organismus an das Zusammensein mit anderen heit anderer führt zu einer erhöhten physiologischen
angepasst ist. Alleinsein versetzt damit Menschen Erregung. Dadurch wird die Leistung bei schwierigen
in erhöhte Alarmbereitschaft und vergrößert die oder ungeübten Aufgaben verschlechtert.
Bedrohlichkeit zahlreicher Gefahren. Es führt zu einer
Abweichung von normalen und adaptiven Regulations- soziale Identität Teilaspekt der Identität, der auf
prozessen, und → soziale Unterstützung bringt den der Gruppenzugehörigkeit beruht. Hierfür spie-
Organismus in seinen Ausgangs- oder Standardzustand len → Gruppen im weiteren Sinn, wie beispielsweise das
zurück. Geschlecht, die Rasse oder die ethnische Zugehörigkeit,
eine wichtige Rolle.
Social Capital Persönliche Ressourcen, also für die
Umsetzung eigener Ziele nutzbare Mittel, die aus der soziale Kategorisierung Tendenz, die soziale Welt
Einbettung in soziale Netzwerke entstehen. in → Kategorien bzw. in → Eigengruppen und → Fremd-
gruppen aufzuteilen. Die Ursachen sind → kognitiver
Social Facilitation →soziale Erleichterung. Natur (Vereinfachung der Informationsverarbeitung)
und motivationaler Natur (Sicherung der sozialen
Social Identity Model of Deindividuation Pheno- Identität/Erhöhung des → Selbstwertgefühls).
mena Besagt, dass Menschen vor allem im Sinne
ihrer → sozialen Identität und nicht ihrer → personalen soziale Kognition Art und Weise, wie Informationen
Identität handeln, wenn sie persönlich anonym sind über die soziale Realität verarbeitet und verwandt
und gleichzeitig einer salienten Gruppe angehören. werden, wie sie durch den sozialen Kontext beeinflusst
Demnach bestimmen dann die Normen und Werte der werden und wie sie den Urteiler in seinem Denken,
Gruppe das persönliche Verhalten, selbst wenn diese Handeln und Erleben beeinflussen.
nicht den persönlichen Normen und Werten ent-
sprechen. soziale Kompensation → Prozessgewinn bei der Arbeit
in → Gruppen. Leistungssteigerung von fähigeren
Social Identity Theory → Theorie der sozialen Identität. Mitgliedern, um eine erwartete geringe Leistung von
weniger fähigen bzw. unmotivierten Mitgliedern aus-
Social Inhibition → soziale Hemmung. zugleichen. Voraussetzungen für das Auftreten sind die
individuelle Bedeutsamkeit des Gruppenergebnisses
Social Loafing → soziales Faulenzen. sowie die Nichtidentifizierbarkeit der Einzelbeiträge.
soziale Bewährtheit Merkmal eines Verhaltens, das soziale Motive Menschen suchen soziale Situationen
in einer bestimmten Situation von einer Mehrheit der auf, um durch Sozialkontakte ihre sozialen Motive zu
Personen gezeigt wird (entspricht hohem Konsens in befriedigen.
der Kausalattribution; siehe auch → deskriptive Norm).
480 Glossar
soziale Norm Allgemein geteilte Erwartung darüber, soziales Faulenzen (Social Loafing) Wenn die Einzel-
wie sich alle Mitglieder einer Gruppe unabhängig leistung in der Gruppe nicht identifiziert werden kann
von ihrer Rolle zu verhalten haben; leitet das Ver- oder zumindest nicht bewertet wird, vermindern
halten der Gruppenmitglieder und bildet einen Teil Gruppenmitglieder ihre Anstrengung im Vergleich zur
der → Gruppenstruktur (siehe auch → deskriptive Norm). Einzelarbeit. Dieser → Motivationsverlust tritt vor allem
bei einfachen, uninteressanten Aufgaben auf.
soziale Rolle → Rolle.
Sozialisation Prozess, in dem sich Mitglieder einer
soziale Unterstützung Ein Beziehungspartner geht auf gesellschaftlichen → Gruppe deren → Kultur, einschließ-
die Bedürfnisse eines anderen ein (siehe auch → emo- lich der in dieser geltenden Normen (→ soziale Norm)
tionale Unterstützung und → instrumentelle Unter- aneignen.
stützung).
sozial-kognitive Lerntheorie Lernen erfolgt durch
soziale Verantwortung Übergreifende, vornehmlich Beobachtung des Verhaltens anderer und Beurteilung
altruistische → soziale Norm, die fordert, dass wir Per- von dessen Konsequenzen (→ Modelllernen).
sonen helfen, die auf Hilfe angewiesen sind, also bei-
spielsweise alten Menschen, Kindern, Kranken, Hilflosen Sozialpsychologie Teilgebiet der → Psychologie, das
oder von uns Abhängigen; kommt insbesondere in untersucht, wie Denken, Fühlen und Verhalten von
Hilfesituationen zum Ausdruck, in denen eine Gegen- Individuen durch die tatsächliche, vorgestellte oder
leistung des anderen unwahrscheinlich oder unsicher implizite Anwesenheit anderer beeinflusst werden.
ist.
Soziologie Sozialwissenschaft, die das Zusammen-
soziale Verstärker Als → Belohnung wirkende leben in Gemeinschaften und Gesellschaften erforscht
soziale Signale oder Reize, z. B. Blickkontakt, Lächeln, und dabei besonderes Augenmerk auf soziale Systeme,
Zuwendung, Lob, Umarmungen oder auch nur der Institutionen, → Gruppen und Organisationen legt.
Anblick einer geliebten Person.
Stalking Dieser Begriff kommt aus dem Englischen
soziale Wahrnehmung Teilbereich der → Sozialpsycho- und bedeutet „heranpirschen“; bezeichnet das wieder-
logie, der sich damit beschäftigt, wie und auf welcher holte Belästigen und Verfolgen einer Person, wobei
Grundlage Individuen andere Personen wahrnehmen das konkrete Verhalten ganz unterschiedlich ausfallen
und sich ein Urteil über diese bilden. kann. Das Hauptkriterium ist die wiederholte und
andauernde Natur der einzelnen Verhaltensweisen.
soziale Zurückweisung Bedrohung des → Selbst,
welche auf die Erfahrung des Ausschlusses aus Status Sozial bewertete Stellung (Rang oder Prestige)
einer → Gruppe zurückgeht; kann Menschen aufgrund einer Person oder Gruppe; beeinflusst den Handlungs-
ihres grundlegenden Bedürfnisses nach Zugehörigkeit spielraum und die → Gruppenstruktur.
und Anerkennung (→ Need to belong) stark belasten
und zu psychischen und physischen Erkrankungen Statusmerkmale →Theorie der Erwartungszustände.
führen.
Step-Ladder-Methode Maßnahme, um Informations-
sozialer Einfluss Beabsichtigte oder unbeabsichtigte verluste beim → Brainstorming zu vermindern. Die
Einflussnahme einer oder mehrerer Personen auf die Gruppenmitglieder sammeln zunächst getrennt von-
Einstellungen, Überzeugungen, Wahrnehmungen oder einander Ideen. In einem zweiten Schritt diskutieren
das Verhalten einer oder mehrerer anderer Personen. und bewerten sie diese in einer gemeinsamen Sitzung.
sozialer Vergleich Selbsterkenntnis durch den Stereotyp Wissensstruktur, die sozial geteilte
Vergleich mit anderen; resultiert – je nachdem, ob Überzeugungen über Merkmale und Verhalten
auf Ähnlichkeiten oder Unterschiede fokussiert von → Gruppen und deren Mitgliedern enthält; bildet
wird – in → Assimilation oder → Kontrast; dient die → kognitive Komponente eines → Vorurteils.
u. a. der → Selbstmotivation, → Selbsterhöhung
und → Selbsterkenntnis. Stereotypaktivierung Verfügbarmachen der Gruppen-
zugehörigkeit; kann durch eine Vielzahl von Reizen auf
soziales Dilemma Situation, in der kooperatives Ver- bewusstem wie unbewusstem Wege geschehen.
halten für den Einzelnen riskant ist (und damit die indi-
viduell schlechtere Wahl), insgesamt aber zum besten Stereotypakzeptierung (stereotype Über-
Ergebnis führen würde. zeugung) Positive oder negative Empfindung
gegenüber Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu
481
Glossar
systematische Verarbeitung Hierbei setzt sich der Theorie des realistischen Gruppen-
Rezipient mit einer persuasiven Botschaft sorgsam aus- konflikts Beschreibt das Entstehen von Konflikten
einander und denkt über deren Argumentation nach zwischen Gruppen durch den Wettbewerb um wert-
(→ Heuristisch-Systematisches Modell). volle, aber knappe Ressourcen. Feindseligkeit, ver-
mehrte → Vorurteile und → Diskriminierung sind die
Systemrechtfertigung Gemäß der Theorie der System- Folge.
rechtfertigung haben Menschen eine Tendenz, die
Handlungen ihrer Regierung und die aktuellen Gesetze, Tiefschlagprinzip → Low-Ball-Prinzip.
Regelungen und Institutionen – den Status quo – zu
rechtfertigen.
482 Glossar
Tit for Tat Strategie der „absoluten Gegenseitigkeit“ chen, negatives Verhalten auf internale Ursachen
nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“ (→ Reziprozi- zurückgeführt.
tätsnorm).
unabhängige Variable (UV) Variable, die in → Experi-
Tit for Tat plus one Um sicherzugehen, dass die Gegen- menten systematisch variiert wird, um ihren Einfluss
leistung als mindestens gleichwertig zur erhaltenen auf → abhängige Variablen zu untersuchen.
Leistung akzeptiert wird, geben Personen eine Gegen-
leistung, die gemäß ihrer Einschätzung den Wert der Unified-Instrumental-Modell von Gruppen-
erhaltenen Leistung übersteigt. konflikten Die zentrale Annahme des Modells ist,
dass die Diskriminierung einer Fremdgruppe von der
transaktives Gedächtnissystem Bezeichnet die effek- Wahrnehmung der Intergruppenbeziehungen als
tive Kombination der Gedächtnisse von zwei oder Nullsummenspiel getrieben wird. Diese Wahrnehmung
mehr Personen, indem eine klare Aufteilung besteht, kann durch Ressourcenknappheit gefördert werden
wer für das Erinnern welcher Arten von Informationen (realistische Bedrohung). Darüber hinaus kann auch ein
zuständig ist. Dadurch kann Informationsverlusten Wertekonflikt als Nullsummenspiel wahrgenommen
entgegengewirkt und die gesamte Erinnerungsleistung werden (symbolische Bedrohung).
einer → Gruppe verbessert werden.
Unverzichtbarkeit (Köhler-Effekt) Leistungssteigerung
Triade In der → Balance-Theorie verwendete schwächerer Mitglieder, um die Gruppe nicht „auszu-
Bezeichnung für ein Einstellungsdreieck, welches aus bremsen“; tritt auf, wenn der eigene Beitrag als für das
zwei Personen und einem Einstellungsobjekt besteht. (individuell bedeutsame) Gruppenergebnis wesentlich
Stimmen die → Einstellungen der beiden Personen wahrgenommen wird, wie es beispielsweise in → kon-
zueinander und die jeweils von den Personen ver- junktiven Aufgaben der Fall ist.
tretene Einstellung zu dem Einstellungsgegenstand
überein, spricht man von einer balancierten Triade; Urban-Overload-Hypothese Annahme, dass in Städ-
kommt es zu Unstimmigkeiten (z. B. Person A mag den ten die Überfrachtung mit Reizen für den Einzelnen so
Einstellungsgegenstand, Person B mag den Gegen- groß ist, dass dieser sich eher gegenüber Außenreizen
stand nicht, Person A mag aber Person B), so entsteht abschottet. Je höher die Bevölkerungsdichte ist, desto
eine nicht balancierte Triade, die als unangenehm emp- unwahrscheinlicher sind spontane Hilfsleistungen
funden wird (→ Konsistenz, → Konsistenzbestreben). gegenüber Fremden.
U V
Überrechtfertigung (Overjustification Effect) Eine vor- Valenz Wertigkeit; beispielsweise positive (Freude)
handene → intrinsische Motivation kann durch Zugabe oder negative (Ärger) Konnotation von Empfindungen.
einer Belohnung (→ extrinsische Motivation) zerstört
werden. Validität → externe Validität, → interne Validität.
verfügbarer; kann beispielsweise durch kürzliche oder Verwandtenselektion (Kin Selection) Tendenz, engen
häufige Aktivierung (z. B. durch Medienberichte), Verwandten eher zu helfen als Fremden. Dies kann
durch → Auffälligkeit oder eigene Erfahrung bedingt den Erfolg der eigenen Gene (→ biologische Fitness)
sein. erhöhen, da Verwandte eine hohe genetische Ähnlich-
keit aufweisen.
Verfügbarkeitsheuristik → Mentale Vereinfachung/
Faustregel(→ Heuristik), bei der Personen ihr Urteil auf Vorurteil → Einstellungen gegenüber Angehörigen
die Leichtigkeit stützen, mit der ihnen ein Gedächtnis- einer → Fremdgruppe allein aufgrund deren
inhalt in den Sinn kommt. Das Urteil basiert auf dem Gruppenzugehörigkeit gründet; Vorurteile weisen
Motto: „Wenn mir ein Ereignis leicht einfällt, dann wird eine → kognitive (→ Stereotyp), eine → affektive
es wohl häufig auftreten“ oder „Wenn ich mir ein Ereig- (→ Stereotypakzeptierung) und eine Verhaltens-
nis leicht vorstellen kann, dann wird es wohl häufig komponente (→ Diskriminierung) auf und können
vorkommen“. sowohl positiv als auch negativ sein.
Stichwortverzeichnis
A – externale 440
– internale 286, 440
Belohnung 109, 110
– und Hilfeverhalten 445
Ablenkung, 256, 405 Attributionsfehler, ultimativer 284, – von Aggression, 348
– und kognitive Kapazität 255 286 Berührung
Active Self 248 Aufgabe, 180 – und prosoziales Verhalten, 427
Advocatus Diaboli 106, 205, 213 – additive 180 – und Stressreduktion 27
Ageism, 238 – disjunktive, 181, 182 Bestätigung, imaginäre 282
Aggregation 187 – kompensatorische, 185, 187 Bestrafung 109, 110
Aggression – komplementäre, 187, 190 – von Aggression, 348
– Definition, 325 – konjunktive, 184, 185 Bewährtheit, soziale 96, 112, 135
– feindselige, 327 Aufgabenstellung, 205 Bewertung, 229
– instrumentelle, 327 Aufmerksamkeit 405 Bewertungsangst 193
– kulturübergreifendes Auftreten, – selbstfokussierte, 359 Bewertungserwartung, 89, 90
332 Aufmerksamkeitskonflikt, 90, 93 Beziehungen
– neurobiologische Basis, 332 Aufnahmeritual 162 – Arten von 3
– und Gefühle, 334 Aufstiegsbarriere 169 – Bedeutung 3
– zielführende, 346 Auftreten, selbstbewusstes 174 – Eltern-Kind 3, 66
– zielunspezifische, 346 Augenscheinvalidität 209 – Geschwister, 14
Aggressionsauslöser 335 Ausgewogenheit der Beiträge, 196 – interkulturelle 2
Aggressionsverschiebung 343, 343 Auslassen von Information 214 – soziale 2
Agreeableness 31 Äußerung, wiederholte, 207 – und physische Gesundheit 24
Ähnlichkeit 31 Austausch – und psychisches Wohlbefinden 22
– und prosoziales Verhalten, 426 – informeller, 189 – Verwandtschaft 16
Akkulturation 235 – sozialer, 441 Beziehungsende, 62
Alkoholkonsum Authority Ranking 55 Beziehungsmodelle, 54
– und Aggression, 364, 365 Autoritarismus 234 Bias 187
– und Hilfeverhalten 422 Autorität Big-Fish-Little-Pond-Effekt 93
– und kognitive Kapazität, 259 – als Einflussfaktor, 120 Bindung 6
Allgemeinwohl 143 – hinterfragen, 126 – in Paarbeziehungen 10
Altenstereotyp, 250 Averageness-Effekt 33 – und Lebensdauer 25
Altersbeschränkung 116 Bindungsmuster 6
Altersgenossen, 354 – ängstlich-ambivalentes 6
Angriff
– Absichtlichkeit und Umstände,
B – sicheres 6
– vermeidendes 6
Basking in reflected glory 264
338 Bindungsstil 6, 12–14, 431
Beauty-is-good-Stereotyp 239
Anonymität 166 – gleichgeschlechtliche Partner-
Bedeutsamkeit der Gruppenzuge-
Ansammlung 160 schaften 10
hörigkeit, 100
Anschlussmotiv, 162 – Stabilität 13
Bedingung, situative
Anwesenheit, bloße 89 Bindungssystem 6
– von Aggression 341
Anziehung 28 Bitten, 131
Bedrohung durch Stereotype, 292,
Appearance Prejudice, 239 Blaming the Victim 286, 286
Arbeitsgruppe, teilautonome 193
293 Blockierung, gegenseitige 193
– Angst und negatives Denken, 295
Arbeitsteilung 169 Blutspende 436, 446
– Erregung, 296
Arousal, 419 Blutsverwandte, 424
– Herangehensweise, 297
Arousal-Cost-Reward-Modell, 419 Bogus-Pipeline-Methode 243
– im Arbeitskontext, 299
Aschs Konformitätsstudien 97 Brainstorming, 193
– Vorbeugung, 297
Assimilation 235 Bullying s. Mobbing und Bullying
Bedürfnis
Assoziationsstärke, 251 Bystander-Effekt, 411
486 Stichwortverzeichnis