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University of Zurich
University Library
Strickhofstrasse 39
CH-8057 Zurich
www.zora.uzh.ch
Year: 2022
Udris, Linards
Schweizer Medien stehen beim Ukrainekrieg, wie Medien in vielen anderen Ländern, vor
großen Herausforderungen: Das Berichten direkt aus der Ukraine oder aus Russland ist
gefährlich, Regierungen und Militärs haben Interesse, den Informationsfluss zu
kontrollieren, eine Vielzahl von ungeprüften Bildern prägt die sozialen Medien und der
Krieg wirkt sich auf eine große Vielzahl von Bereichen und auf verschiedene Länder aus,
erhöht also die Komplexität des Konflikts. Wir sind davon ausgegangen, dass Medien
bereits wegen ihrer Finanzierungsmodelle unterschiedlich strukturiert sind und
unterschiedlich gute Chancen und Anreize haben, auf diese Herausforderungen zu
reagieren. Deshalb haben wir drei Typen von Medien analysiert: erstens die Websites von
Abonnementsmedien (z.B. Neue Zürcher Zeitung), die sich vor allem am Lesermarkt
finanzieren, zweitens die Websites des öffentlichen Rundfunks (SRF und RTS) und
drittens Online-Angebote, die sich in erster Linie über Werbung finanzieren, wie zum
Beispiel das Boulevardmedium „Blick“ oder das kostenlose Pendler-Angebot „20
Minuten”, die mit Abstand reichweitenstärkste Online-Medienmarke in der Schweiz.
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Hohe Themenvielfalt mit blinden Flecken
Wenn wir die Gesamtberichterstattung über den Krieg in der Ukraine betrachten,
beobachten wir insgesamt eine hohe Themenvielfalt. Doch sie unterscheidet sich
zwischen den Medientypen. In Boulevard- und Pendlermedien macht die
aktualitätsbezogene Berichterstattung zum Kriegsgeschehen (39%) den größten Anteil
aus. Dieser Anteil ist deutlich höher als auf den Websites der Abonnementsmedien oder
des öffentlichen Rundfunks (jeweils 25%). In Abonnementsmedien (41%) und dem
öffentlichen Rundfunk (42%) stehen hingegen die politischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Folgen des Krieges stärker im Zentrum als in Boulevard- und
Pendlermedien (25%). Eine automatisierte Analyse zur geographischen Vielfalt der
Kriegsberichterstattung zeigt neben der erklärbaren Konzentration auf die Kriegsparteien
Ukraine (20%) und Russland (13%) auch eine Konzentration auf einige wenige Länder
des Westens (v.a. USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich, aber auch die
Schweiz). Andere, indirekt betroffene Regionen des globalen Südens, die vor einer
drohenden Hungersnot stehen, sind kaum sichtbar. Insofern spiegeln sich in dieser
eingeschränkten geografischen Vielfalt bekannte Nachrichtenwerte und generelle
Problemfelder der Auslandsberichterstattung wider.
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Einordnungsleistung im Vergleich zur Gesamtberichterstattung 17 Prozentpunkte höher
ist. Aber auch Boulevard- und Pendlermedien vermitteln mehr Hintergründe beim Thema
Ukrainekrieg (11% gegenüber 7% bei der Gesamtberichterstattung).
Bilder nehmen eine zentrale Funktion in der Darstellung von Krieg in den Medien ein.
95% der untersuchten Artikel, in denen das Kriegshandeln im Zentrum steht, sind
bebildert. Die Bilder decken ein breites Spektrum ab, von Waffen über prominente
Politiker (allen voran Wolodymyr Selesnkyj und Vladimir Putin) bis zu Zivilist:innen. Das
Grauen des Krieges wird auch vermittelt, steht aber nicht im Zentrum: 4 Prozent der
Kriegsberichterstattung zeigen Bilder von Verletzten oder Toten. Aus medienethischer
Perspektive lässt sich feststellen, dass die Medien bei solchen Bildern zurückhaltend
vorgehen. Alle Darstellungen von Toten sind anonymisiert, das heißt die Gesichter sind
nicht zu sehen oder sind verpixelt bzw. die Körper sind abdeckt oder ebenfalls verpixelt.
Neben diesen tendenziell positiven Leistungen werden aber auch einige Probleme
sichtbar. Manche Medientypen sind zum Teil sehr abhängig von einigen wenigen
Nachrichtenagenturen oder von externen Quellen. Die Auslandsberichterstattung zum
Ukrainekrieg von Boulevard- und Pendlermedien beruht zu 62 Prozent auf
Agenturbeiträgen (Abonnementsmedien: 10%, öffentlicher Rundfunk: 32%). Diese
Medien haben in der Regel auch kein eigenes Korrespondent:innen-Netzwerk, anders als
Abonnementsmedien und der öffentliche Rundfunk, deren Beiträge zu 32 bzw. 18 Prozent
von Auslandskorrespondent:innen stammen. Auch beim Ukraine-Krieg zeigt sich also,
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welche Medien überhaupt in eine Auslandsberichterstattung investieren.
Neben Nachrichtenagenturen sind journalistische Medien (23%) und Social Media (16%)
– allen voran Twitter – zentrale externe Quellen für Beiträge. Wir beobachten, dass
Boulevard- und Pendlermedien sich öfter auf solche Quellen stützen als die anderen
Medientypen. Ein Indiz dafür, dass es bei Boulevard- und Pendlermedien stärker Praxis
ist, das Netz auf mögliche verlässliche Quellen zu durchsuchen.
Wichtig bei allen Medientypen sind aber in erster Linie staatlich-militärische Quellen, die
im Durchschnitt in 31 Prozent der Beiträge verwendet werden – ukrainische Quellen
dabei einiges häufiger als russische Quellen. Wiederum ist es so, dass staatlich-
militärische Quellen bei Boulevard- und Pendlermedien häufiger vorkommen (38%) als
beim öffentlichen Rundfunk (27%) und bei Abonnementsmedien (21%). Auch sind sie
generell in Agenturbeiträgen (63%) sichtbarer als in redaktionellen Beiträgen (32%).
Gerade durch die Abhängigkeit von solchen externen Quellen besteht das Risiko, dass
Narrative von Kriegsparteien unkritisch übernommen werden. Entsprechend haben
Nachrichtenagenturen wie AFP und dpa sowie die Medien, die häufig solche offiziellen
Quellen verwenden, eine besonders hohe Verantwortung, die Aussagen von diesen
Quellen kritisch zu prüfen und einzuordnen.
Zur Studie:
Udris, L., Vogler, D., Eisenegger, M., Siegen, D., Weston, M., Schäfer, S. (2022): Die
Qualität der Berichterstattung über den Ukrainekrieg. Jahrbuch Qualität der Medien.
https://www.foeg.uzh.ch/dam/jcr:2491421c-950c-452e-9485-
9ea8e27dfcd3/JB_2022_Ukraine-Studie_final.pdf
Diese Studie ist Teil des Jahrbuchs Qualität der Medien, das im Herbst 2022 erscheint.
Sie kann hier heruntergeladen werden.
Bildquelle: Pixabay
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