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Intentionen – Lernziele und Kompetenzen 1/8

Was ist „Lernen“?


Alle Überlegungen zu Lernzielen setzen eine Verständigung über den Begriff des Lernens voraus. Die Lern-
psychologie bietet unterschiedliche Definitionen (vgl. Fachliteratur), die in zentralen Aussagen konvergieren.
Zusammengefasst lässt sich formulieren: Lernen ist
§ ein interner, nicht-beobachtbarer Prozess, der
§ aufgrund von Eigenaktivität, d. h. durch Interaktionen mit der Umwelt entsteht,
§ sich in einer individuellen „Konstruktion“ ausdrückt,
§ hilft, komplexe Situationen zu bewältigen,
§ relativ überdauernd ist
§ und von Reifung o. Ä. abzugrenzen ist.
Die Auseinandersetzung mit Lernzielen und Kompetenzen helfen den Lernprozess zu analysieren und Lehr-
intentionen zu erfassen.

Lernziele als intendierte Ziele von Lernprozessen


Was sind Lernziele?
Wenn Unterricht als organisierter Lernprozess aufzufassen ist, dann muss der Lehrende das intendierte Ziel
dieses Lernprozesses angeben können, und zwar so genau und unmissverständlich wie möglich. Eine vorläu-
fige Definition könnte daher lauten:
Ein Lernziel formuliert den Zuwachs an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, den Lernende am Ende des
Lernprozesses erworben haben sollen.
Ein Lernziel formuliert also, welchen Zuwachs an Kompetenz die Schüler nach dem Unterricht erworben
haben sollen. Lernziele beschreiben nicht den Prozess des Lernens, sondern das von Lehrenden angestrebte
Resultat auf der Seite des Lernenden.
Lernziele haben eine Inhaltskomponente, die sich auf die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegens-
tand bezieht (An welchen Gegenständen wird gelernt bzw. wird ein Lernzuwachs erzielt?), und eine Verhal-
tenskomponente, die die Art und Weise der Auseinandersetzung bezeichnet (Was kann ich beobachten?).
Vielfach können Lernvorgänge jedoch nicht unmittelbar an Verhaltensweisen „abgelesen“ werden, sondern
gehen in eine komplexe „Disposition“ (= dauerhafte Struktur) ein.

Was leisten Lernziele?


Die Formulierung von Lernzielen nötigt die Lehrenden dazu,
§ sich genaue Rechenschaft zu geben über die eigenen Lehrabsichten (heuristische Funktion)
§ sich Klarheit zu verschaffen über die didaktischen Schwerpunkte des Unterrichts (didaktische Reduktion)
§ den Lernprozess stringent nach lern- und kognitionspsychologischen Gesichtspunkten zu strukturieren

Lernziele bieten den Lehrenden


§ bei der Durchführung des Unterrichts einen „roten Faden“,
§ ein Instrumentarium für die Überprüfung des Lernerfolgs,
§ Kriterien für die Evaluation der Planung und Durchführung des Unterrichts.
„Lernziele stellen eine absichtliche Vereinfachung der komplexen Unterrichtswirklichkeit dar, weil nur so eine
Handlungsorientierung für die Lehrkraft deutlich wird. Anders formuliert: Ein Lernziel ist ein Aufforderung an
den Lehrer, bestimmte Verhaltensänderungen der Schüler sehr aufmerksam zu verfolgen, zu diagnostizieren
und zu fördern, andere aber (die gar nicht genannt werden) zu vernachlässigen:
Ein Lernziel ist eine Aufforderung zur Aufmerksamkeit! (H. Meyer)

Zum Abstraktionsniveau von Lernzielen


Lernziele können auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau formuliert werden. Dabei unterscheiden Lernziel-
theoretiker z. B. Richtziele, Grobziele und Feinziele.

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Allgemeine Richtziele der Schule und des Unterrichts wären beispielsweise die wissenschaftspropädeutische
Ausbildung, Mündigkeit oder die Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung.
Grobziele geben an, welche Lernergebnisse etwa im Verlauf einer Unterrichtsreihe, einer Unterrichtssequenz
oder einer einzelnen Stunde angestrebt werden sollen.
Feinziele beschreiben die konkreten Verhaltensänderungen/-dispositionen, die durch den Lernprozess her-
beigeführt werden sollen.
Ein besonderes Problem stellt die Differenzierung von Grobzielen und Feinzielen dar: Unklar ist u. a.,
§ ob sich das Grobziel aus den einzelnen Feinzielen zusammensetzt,
§ ob die Feinziele den einzelnen Unterrichtsphasen zugeordnet werden können,
§ ob die in den Feinzielen benannten Verhaltensänderungen unmittelbar beobachtbar sein müssen.
Diese Schwierigkeiten lassen sich vielleicht umgehen, wenn man für die konkrete Stundenplanung die Be-
griffe Grobziel und Feinziele gedanklich pragmatisch als Stundenziel und Teilziele versteht und verwendet.
Das Stundenziel formuliert somit das übergeordnete angestrebte Lernergebnis der gesamten Unterrichts-
stunde, der Begriff Teilziele bezieht sich auf solche Lernergebnisse, die für das Erreichen des Stundenziels
notwendig sind und im Verlauf der Stunde angestrebt werden. Dabei sollte der Versuch gemacht werden, die
Teilziele so aufeinander zu beziehen, dass der Fortschritt des Lernprozesses erkennbar wird.
Das Reihenziel - so es sich nachvollziehbar in die Darlegung der Planungsüberlegungen integrieren lässt -
würde somit auf einer relativ abstrakten Ebene das Gesamtziel der Unterrichtsreihe benennen.

Zur Operationalisierung von Lernzielen


§ „Die Beschreibung des Lernzieles ist in dem Maße nützlich, wie aus ihr genau zu entnehmen ist, was der
Lernende tun oder ausführen können muss, um zu zeigen, dass er das Ziel erreicht hat.“ (Robert F. Mager)
Mit dieser Formulierung forderte Mager in den 1970er Jahren, dass die Parameter des angestrebten Endver-
haltens des Lernenden so präzise wie möglich, d. h. operationalisiert anzugeben sind.
§ Und H. Meyer (2003) formuliert dazu: „Operationalisierte Ziele sind ganz konkrete Angaben über die
beobachtbaren Anteile einer gewünschten Verhaltensänderung von Lernenden.“
Operationalisierung von Lernzielen meint also eine überprüfbare, semantisch eindeutige Angabe der Verhal-
tensdisposition, die nach dem Lernprozess beobachtet und als Erfolg bewertet werden kann.
Es gilt jedoch: Nur Lernziele auf bestimmten - relativ einfachen - Ebenen können überhaupt mehr oder weni-
ger eindeutig formuliert werden. Jede Formulierung enthält semantische Probleme und muss in einem Ver-
ständigungsprozess interpretiert werden. Außerdem blenden operationalisierte Lernziele die Vielschichtigkeit
konkreter Unterrichts- und Lernsituationen aus.
Gleichwohl sollten Lernziele möglichst präzise beschrieben werden, damit sie zur Steuerung des Unterrichts
brauchbar werden. Eine Präzisierung unklarer Formulierungen hilft zudem, sich selbst Klarheit zu verschaffen
über das, was der Unterricht eigentlich leisten soll. Eine solche Präzisierung schließt daher auch immer mögli-
che Ziele, die auch angestrebt werden könnten, aus - ist also ein didaktischer Entscheidungsprozess (!).

Zur Dimensionierung von Lernzielen


Lernziele können in unterschiedlichen Dimensionen angestrebt werden. Üblich ist die Unterscheidung von
§ kognitiven Zielen (beziehen sich auf Denken, Wissen, Kenntnisse, intellektuelle Fähigkeiten)
§ instrumentellen oder psychomotorischen Zielen (beziehen sich auf manipulative und motorische Fertig-
keiten)
§ affektiven Zielen (beziehen sich auf die Veränderung von Interessenlagen, Einstellungen, Werte).
Gelegentlich werden auch methodische und soziale Ziele gesondert ausgewiesen.
Lernziele in den drei hauptsächlichen Dimensionen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bedingen
sich gegenseitig, d. h. Lernprozesse im kognitiven Bereich schließen entsprechende Prozesse im affektiven ein.
Die Ebenen sind daher nur analytisch voneinander zu trennen, im konkreten Unterrichtsprozess greifen sie
ineinander. Besonders schwierig ist die Frage, ob und ggf. welche affektiven Ziele der Unterricht verfolgen
darf, ohne Schüler zu manipulieren.

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Zur Hierarchisierung von Lernzielen


Zur Präzisierung von Lernzielen gehört es, Lernziele zu klassifizieren, d. h. sie nach bestimmten Ordnungs-
prinzipien zu gliedern. Sofern Lernziele in einer Taxonomie über- bzw. untergeordnet werden (etwa nach
dem Prinzip des Komplexitätsgrades), wird eine Hierarchisierung von Lernzielen angestrebt. Die Taxonomie
bezeichnet nicht den Wert von Lernzielen, sie gibt lediglich an, wie Lernziel-Definitionen in eine theoretisch
begründete und empirisch überprüfte Reihenfolge eingeordnet werden können.
Eine solche Klassifikation der Lernziele kann z. B. helfen, notwendige Lernziele nicht zu überspringen oder die
methodische Struktur einer Stunde so anzulegen, dass Schüler vom Einfachen zum Komplexen voranschreiten.
Eine mögliche Ordnung von Lernzielen nach dem Grad der Komplexität wäre:
Komplexitätsstufe Beschreibung
Wissen Klassifizierungen und Kategorien kennen, Informationen abrufen können, sich
an Ereignisse oder Sachverhalte erinnern
Verstehen extrapolieren, interpretieren, übersetzen, Ereignisse und Sachverhalte durch-
schauen, Erklärungen nachvollziehen
Anwenden in einzelnen und konkreten Situationen Kenntnisse und Einsichten übertragen
Analyse Organisationsprinzipien suchen, Relationen und Elemente finden, Strukturen
durchschauen
Synthese Ableitung abstrakter Beziehungen, Auffinden von Grundmustern, Auffinden von
Einzelheiten, Sachverhalte miteinander verknüpfen
Beurteilen, Werten beurteilen durch interne Kriterien, Beurteilung durch externe Belege, Sachver-
halte sichten, Kriterien suchen, Sachverhalt und Kriterien in Beziehung setzen

Affektive Ziele ließen sich nach dem Grad der Internalisierung von Prinzipien, Regeln und Werthaltungen
ordnen.
Eine weitere Taxonomie schlägt folgende Stufen vor:
§ Gelerntes steht auf Abruf im Gedächtnis zur Verfügung (Reproduktion).
§ Das Erlernte wird selbständig angeordnet und verarbeitet (Reorganisation).
§ Übertragung der Grundprinzipien des Gelernten auf ähnliche oder neue Aufgaben und Sachverhalte
(Transfer).
§ Selbständige, methodisch gesicherte Bearbeitung von neuen Problemstellungen (Problemlösendes
Denken).
Die Ausformung dieser Stufung konkretisiert sich in den Bildungsstandards für die einzelnen Fächer, die drei
sog. Anforderungsbereiche aufweisen.

Schwierigkeiten beim Formulieren von Lernzielen …


… lassen sich wie folgt umreißen:
1. Verwechselung von Lernzielen mit anderen Begriffen wie Schüleraktion, Unterrichtsschritt oder mit
unterrichtsmethodischen Maßnahmen;
2. das Grob- oder Stundenziel wird auf einer zu abstrakten Ebene formuliert;
3. Grob-/Stundenziele werden additiv als Summe bestimmter Operationen formuliert;
4. (gelegentlich vergebliche) Versuche, Feinziele bzw. Teilziele bestimmten Zeitabschnitten des Unter-
richts zuzuordnen;
5. Fein-/Teilziele werden nicht konkret genug formuliert, obwohl dies möglich wäre (Inhaltskomponente
zu allgemein, Verhaltenskomponente nicht als beobachtbares Verhalten); Lernziele sind so formuliert,
dass ihr Erreichen nachträglich nicht überprüft werden kann;
6. es werden Ziele formuliert, zu deren Erreichen unterrichtliche Maßnahmen und Schritte nicht
erkennbar sind.

Ratschläge zum Formulieren von Lernzielen


Erster Ratschlag:
Der Formalisierungsaufwand beim Lernzielformulieren muss in einem vernünftigen Verhältnis zum Informati-
onsgehalt der im Stundenentwurf vorgelegten Lernziele stehen. Lange Lernziellisten, die dann in den voran-

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gehenden oder nachfolgenden Abschnitten des Entwurfs nicht in inhaltliche und methodische Entscheidun-
gen übersetzt werden, sind ungeeignet.
Zweiter Ratschlag:
Lernzielformulierungen sollten sich argumentativ aus dem vorhergehenden Text (in der Regel: aus dem
Abschnitt „Didaktische Analyse“ oder „Transformation“) ergeben. Deshalb folgen sie bei Stundenentwürfen
konsequent auf die didaktischen Überlegungen und gehen damit aus der Transformation hervor.
Dritter Ratschlag:
Die Lernziele eines Stundenentwurfs sollten nach einem für den Leser erkennbaren Gesichtspunkt geordnet
sein. Dabei gibt es eine ganze Reihe sinnvoller Ordnungsgesichtspunkte:
§ Sie können Ihre Lernziele in der Reihenfolge anordnen, in der sie im geplanten Stundenverlauf auftauchen.
Dies ist sozusagen die schlichte Lösung: Sie ist theoretisch anspruchslos und deshalb kann man kaum
einen Fehler machen.
§ Sie können die Lernziele nach inhaltlichen Gesichtspunkten, also auf der Grundlage einer Analyse der
Struktur des Unterrichtsthemas ordnen.
§ Sie können die Einteilung in die drei Lernzieldimensionen kognitiv / instrumentell (psychomotorisch) /
affektiv wählen; Sie sollten dann jedoch darauf achten, dass im übrigen Text Ihres Stundenentwurfs aus-
reichend deutlich gemacht wird, dass es hier nur um eine analytische Unterscheidung geht, dass also im
konkreten Lernprozess die drei Dimensionen (unlösbar) miteinander verwoben sind.
§ Sie können schließlich die Ziele nach ihrem Schwierigkeits- oder Komplexitätsgrad ordnen. Dies setzt
jedoch voraus, dass Sie sie vorher auf der „Taxonomie-Skala“ für Lernziele (siehe oben) lokalisiert haben.
§ Denkbar sind auch Anordnungen gemäß der Gewichtung der Lernziele bzw. nach Kompetenzbereichen
der Bildungsstandards.
Vierter Ratschlag:
Sie sollten die Frage, ob Sie in Ihren Stundenentwurf operationalisierte Lernziele aufnehmen, davon abhängig
machen, welche Funktion die jeweiligen Ziele für Ihre Stundenplanung haben:
§ Im Bereich affektiver Ziele (z. B. dort, wo es um das soziale Lernen der Schüler geht) reichen in aller Regel
Zielformulierungen auf mittlerem Abstraktionsniveau, und zwar deshalb, weil die Anlässe für das Verfol-
gen solcher Ziele kaum präzise vorausgesagt werden können.
§ Im Bereich kognitiver Ziele sind hin und wieder Operationalisierungen angebracht. Wenn Sie einen Lehrer-
vortrag halten wollen, kann es sich z. B. lohnen, dabei sehr genau die zu vermittelnden Inhalte zu be-
schreiben und dann auch am Schluss der Stunde oder einige Tage später eine operationalisierte Lernziel-
kontrolle vorzunehmen.
§ Ziele, die sich auf die Selbstständigkeit und Mündigkeit der Schüler beziehen, können nicht operationa-
lisiert werden.
Fünfter Ratschlag:
Sie sollten sich bemühen, die zentralen (wesentlichen) Lernziele vollständig zu erfassen, aber auch nur diese.
Überlange Lernziellisten beeindrucken nur wenig - Sie sollten lieber knapp und präzis zusammenfassen, was
für Sie die „essentials“ sind!
Sechster Ratschlag:
Sie sollten bedenken, dass die Lernziele des Lehrers nicht automatisch zu Lernzielen der Schüler werden -
deshalb hier die Anregung, die Lehrziele der Lehrkraft von den Lern- oder Handlungszielen der Lernenden,
also von ihren wirklichen, im Unterricht handlungsleitenden Wünschen, Interessen, Vorlieben und Abneigun-
gen abzugrenzen.
Wird von der prinzipiellen Gegebenheit ausgegangen, dass in einem schülerorientierten Unterricht bei der
Planung bedacht werden muss, dass sich auch die Schülerinnen und Schüler Ziele setzen und diese im Unter-
richt verfolgen, so sollte im schriftlichen Stundenentwurf ausgelotet werden, wo die Ansatzpunkte sind, um
die Lehrziele und Lehrpflichten des Lehrers mit den Interessen und Handlungszielen der Schüler zumindest
ansatzweise in Übereinstimmung zu bringen (vgl. Werner Jank / Hilbert Meyer). Dies wäre z. B. bei den Lern-
voraussetzungen oder der didaktischen Analyse zu leisten.

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Indikatoren als Hilfe


§ Indikatoren nennen erwartete Ergebnisse eines Lernvorganges, ohne andere mögliche und ebenfalls
erwünschte Ergebnisse auszuschließen.
§ Indikatoren sind außerdem die Voraussetzung dafür, sich in der Auswertung des Unterrichts zu vergewis-
sern, ob und in welchem Grade Lernergebnisse erzielt worden sind.

Berücksichtigung von Bildungsstandards und Kompetenzen – ein MUSS


Unterricht wurde traditionell durch Ziele gesteuert. Inzwischen wird jedoch, insbesondere seit dem Vorliegen
von PISA und weiteren Erhebungen, eine andere Forderung erhoben:
Unterricht von den Ergebnissen her zu steuern - durch die Formulierung von „Standards“. Im Jargon der
Fachleute heißt das:
Wechsel von der „Input-Steuerung“ zur „Output-Steuerung“
Damit ist eine Schwerpunktverlagerung verbunden. Nicht mehr die Vermittlung von Wissen ist vorwiegendes
Ziel von Unterricht, sondern die Entwicklung von Kompetenzen und deren Nachweis in Können.
Dazu liegt eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) angeregte Expertise „Zur Entwick-
lung nationaler Bildungsstandards“ vor, die u. a. dazu führte, dass die Kompetenzen als Ziel von Unterricht
und Erziehung inzwischen Eingang in die Schulpraxis gefunden haben.
Das Qualitätsprogramm definiert allgemeine schulische Entwicklungsfelder und legt Schwerpunkte und
Arbeitsgebiete fest (z. B. Aufgabenkultur).
§ Bildungsstandards beschreiben allgemein die zu erreichenden Kompetenzen.
§ Erwartungshorizonte legen fest, welche Kompetenzen auf welchen Stufen erreicht werden sollen.
§ Arbeitspläne sind der schuleigene „Fahrplan“ zum Erreichen der Bildungsstandards (gestufter Kompetenz-
erwerb).
§ Aufgaben konkretisieren die Kompetenzen der Bildungsstandards in den einzelnen Fächern.
§ Evaluationen testen die erreichte Qualität.
Kompetenzdefinition nach Weinert (2001) als Referenzzitat:
Kompetenzen sind „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und
Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen
(d. h. absichts- und willensbezogenen) und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen
in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“

Kompetenz ist danach eine Disposition, konkrete Anforderungssituationen zu bewältigen. Deren individuelle
Ausprägung enthält nach WEINERT folgende Facetten:
§ Fähigkeit § Verstehen § Handeln § Motivation
§ Wissen § Können § Erfahrung

Es gelten folgende allgemeine Grundsätze zur Kompetenzentwicklung im Unterricht:


§ Unterricht ist auf die Kompetenzentwicklung hin auszurichten.
§ Die Kompetenzen werden im Unterricht gestuft und kumulativ langfristig entwickelt.
§ Kompetenzen entfalten sich an und mit Inhalten.

Von Kompetenz kann gesprochen werden, wenn Lernende


§ die ihnen gegebenen Fähigkeiten nutzen,
§ auf ihr Wissen zurückgreifen können oder sich Wissen zu verschaffen vermögen,
§ angemessene Handlungsentscheidungen treffen,
§ bei ihren Handlungen auf verfügbare Fertigkeiten zurückgreifen,
§ dabei bewusst und systematisch Erfahrungen sammeln,
§ durch die dabei gewonnenen Einsichten zu angemessenem Handeln bewogen werden.

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Grundsätze zur Kompetenzentwicklung in Unterrichtsstunden:


§ In einer Unterrichtsstunde werden in der Regel mehrere Kompetenzbereiche thematisiert.
§ Die Kompetenzentwicklung wird in Aufgabenstellungen konkretisiert.
§ Jede Unterrichtsstunde trägt zur Kompetenzentwicklung bei.

Die Ausrichtung auf Kompetenzen braucht drei Dinge:


§ Breite an Kompetenzen = Kompetenzbreite;
§ Tiefe der Anforderungen = Anforderungsbereiche;
§ Inhalte an denen Kompetenzen und Anforderungen festgemacht werden.

Zudem sollte bedacht werden, dass zwischen inhaltsbezogenen und prozessbezogenen (u. a. Argumentieren,
Kommunizieren, Bewerten) unterschieden wird.
Dieser Entwicklung, die Bildungsstandards und damit die entsprechenden Kompetenzbereiche für die Sach-
fächer zu berücksichtigen, soll auch in den Planungsentwürfen (u. a. für die Besonderen Unterrichtsbesuche
im Kapitel „Intentionen – Lernziele und Kompetenzen“) Rechung getragen werden. Dies kann geschehen,
indem z. B. im Anschluss an die aufgeführten Lernziele die für die konkrete Stunde zutreffenden Kompe-
tenzbereiche und ggf. Anforderungsstufen in einer knappen Darstellung dargelegt werden (z. B. tabellarisch).
Zumeist wird es sich dabei um den intendierten Aufbau bzw. die Erweiterung einer begrenzten Auswahl von
Kompetenzen handeln. Details hierzu sind den fachspezifischen Kompetenzrastern zu entnehmen (vgl. auch
Absprachen in den Fachseminaren).

Im Anschluss an die Auflistung der Lernziele können auch Kompetenzen aufgenommen werden (z. B. abge-
setzt und evtl. kursiv gedruckt), die in einer Stunde nicht erreicht werden können, die aber gezielt (d. h. expli-
zit und reflektiert!) gefördert werden sollen: z. B. „Die Schüler sollen das Formulieren von Beobachtungen
üben.“ Es wird dadurch ausgedrückt, dass die Förderung der entsprechenden Kompetenz einen Schwerpunkt
der Stunde darstellt.

Auf die Aufführung von Beispielen für Lernziel- und Kompetenzformulierungen wird hier zugunsten von
fachspezifischen Erörterungen und Vereinbarungen verzichtet. Diskussionen finden somit in den jeweiligen
Fachseminaren statt.

Literatur:
§ Bergius, R., Psychologie des Lernens, Stuttgart 1971
§ Berliner Bildungsserver, Bausteine für die Arbeit im Allgemeinen Seminar, Ein Informationssystem zu Allgemeiner
Didaktik und Schulpädagogik, http://bebis.cidsnet.de/weiterbildung/sps/allgemein/bausteine/index.htm
(Stand: 20.02.2007)
§ Gagné, R. M., Die Bedingungen des menschlichen Lernens, Hannover 1973
§ http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Lerndefinitionen.shtml (Stand: 20.02.2007)
§ Jank, W. / Meyer, H., Didaktische Modelle, Grundlegung und Kritik, Oldenburg 1990
§ Kiper, H., Lehrziele/Lernziele; in: Handbuch Unterricht (Hrsg. Arnold, K.-H., Sandfuchs, U., Wiechmann, J.),
Bad Heilbrunn 2006, S. 186ff.
§ Mager, R. F., Lernziele und Unterricht, Weinheim 1977
§ Meyer, H., Didaktische Modelle, Berlin 2003
§ Meyer, H., Trainingsprogramm zur Lernzielanalyse, Frankfurt 1965
§ Peterßen, W. H., Handbuch Unterrichtsplanung, München 2000
§ Staatliches Studienseminar für das Lehramt an Gymnasien,
http://www.studienseminar-koblenz.de/bildungswissenschaften/pflichtmodule.php (Stand: 20.02.2007)
§ Studienseminar für das Lehramt für die Sekundarstufe II Paderborn, Lernziele - Schneisen in das Dickicht,
http://wwwcs.uni-paderborn.de/schulen/sem/fundgrube/hauptsem/lernziele.html

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ADDITUM 1: Kritik an der Lernzielorientierung


Zur Kritik an der Lernzielorientierung hier einige Gesichtspunkte in Thesenform:
1. „Die Lehrerentscheidung für das Ziel ist stets eine Entscheidung über einen anderen Menschen, sie ist
eine Entscheidung für einen ganz bestimmten Zustand, eine ganz bestimmte Art von Existenz, die ein
anderer Mensch einnehmen soll. Eine solche Entscheidung ist immer ein Wagnis, wobei fraglich ist,
wieweit sie überhaupt als existentielle Entscheidung über andere möglich und verantwortbar ist.“
(W. H. Peterßen)
2. Die behavioristischen Implikationen der Lernzielorientierung reduzieren die Schülerinnen und Schüler auf
das Niveau einer Blackbox, die durch geeignete Stimuli einen entsprechenden Verhaltens-Output leisten.
Unterricht wird dadurch zu einem fremdbestimmten, potentiell manipulativen, unterrichtstechnologisch
bestimmten Vorgang.
3. Konsequente Lernzielorientierung bringt zwangsläufig eine lehrerzentrierte Anlage des Unterrichts und ein
entsprechendes - häufig kleinschrittiges - Unterrichtskonzept mit sich, die nicht mehr zeitgemäßen
Anforderungen an Unterricht entspricht.
4. Schüler werden durch konsequente Lernzielorientierung als Subjekte des Unterrichts nicht ernst genom-
men, ihre Bedürfnisse werden vernachlässigt.
5. Lernzielorientierung begünstigt eine kognitive Einseitigkeit des Unterrichts, da sich Lernziele in dieser
Dimension am einfachsten formulieren und überprüfen lassen. Wesentliche soziale, affektive, kommunika-
tive und interaktive Dimensionen des Unterrichts werden dagegen ausgeblendet.
6. Lernzielorientierter Unterricht erliegt der Illusion, die Lehrziele, die der Lehrende plant, würden automa-
tisch Lernziele der Lernenden werden; er übersieht, dass die kommunikative und Beziehungsebene letzt-
lich die Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler bestimmt, sich auf Lernen einzulassen.

Fazit: Lernziele haben eine begrenzte heuristische und pragmatische Funktion für die Planung, Durchführung
und Evaluation von Unterricht. Sie dürfen offenes, an den Schülern als Subjekten des Lernens orientiertes und
d. h. möglichst selbsttätiges und selbst bestimmtes Lernen nicht einschränken und verhindern.

Stand: April 2007 – Studienseminar Leer


Intentionen – Lernziele und Kompetenzen 8/8

ADDITUM 2: Verben zur Formulierung von Lernzielen


Wissen/ angeben erläutern zusammenfassen
Verständnis nennen darstellen übersetzen
aufzählen schildern auslegen
aufsagen beschreiben deuten
wiedergeben berichten interpretieren
anschreiben zeichnen abstrahieren
vortragen skizzieren extrapolieren
formulieren definieren illustrieren
bezeichnen erfassen zuordnen
aufzeigen herausstellen

Anwendung anwenden ordnen erläutern


übertragen anordnen erklären
aufstellen einordnen berichten
voraussagen unterscheiden beschreiben
vergleichen verallgemeinern
organisieren einteilen
berechnen quantifizieren

Analyse herausfinden unterscheiden bestimmen


entdecken klassifizieren erproben
ermitteln gegenüberstellen prüfen
ausmachen interpretieren überprüfen
beobachten erschließen erforschen
erkunden untersuchen mustern
auffinden testen

Synthese integrieren planen ableiten


zusammenfügen entwerfen überprüfen
kombinieren entwickeln begründen
konstruieren konzipieren erklären
erzeugen ordnen verallgemeinern
herstellen klassifizieren erstellen
modifizieren Schlüsse ziehen organisieren
berechnen Hypothesen bilden durchführen
lösen Theorien entwerfen

Beurteilung bewerten entscheiden durchschauen


beurteilen ermitteln hinterfragen
überprüfen vergleichen wählen
unterscheiden zuordnen Kriterien aufstellen
einschätzen folgern Auswirkungen abschätzen
gewichten ermessen Urteile bilden
einstufen begutachten Entscheidungen treffen

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