Sie sind auf Seite 1von 16

Der Lübeck-Revaler-Totentanz:

Text und neuhochdeutsche Übersetzung

Der mittelniederdeutsche Text auf dem Schriftband und die neuhochdeutsche Übersetzung folgen der Edition des
Lübeck-Revaler Totentanzes von Hartmut Freytag, Der Totentanz der Marienkirche in Lübeck und der Nikolaikirche in
Reval (Tallinn). Edition, Kommentar, Interpretation, Rezeption, Köln-Weimar-Wien 1993, S. 132-339.

1
Im Jahr 1701 war das Lübecker Totentanz-Gemälde in einem so schlechten Zustand, dass es durch eine Kopie ersetzt
werden musste. Die Dialogtexte wurden dabei komplett geändert. Das ist schade, denn der ursprüngliche
mittelniederdeutsche Text besaß hohe Qualität. Deshalb hat Wim Trompert sich dafür entschieden, für seine
künstlerische Rekonstruktion auf die älteren Texte zurückzugreifen. Die Quelle für den ersten Teil ist das Revaler
Fragment von Notkes Totentanz aus Tallinn. Bei der Wiedergabe des erheblich größeren (nach dem König
beginnenden Teils) folgte er der Abschrift des Lübecker Textes, die Jacob von Melle, der Pastor der St. Marienkirche,
1701 angefertigt hatte, bevor das alte Gemälde durch die Kopie Anton Wortmanns ersetzt wurde.

Das Revaler Fragment Übersetzung


Der Prediger auf der Kanzel
Och redelike creatuer sy arm ofte ryke Ach, du vernunftbegabte Kreatur, seist du arm oder reich!
Seet hyr dat spegel junck vñ olden Schaut hier den Spiegel, jung und alt,
Vnde dencket hyr aen ok elkerlike und denkt auch alle daran,
Dat sik hyr nemant kan ontholden daß niemand hier bleiben kann,
Wanneer de doet kumpt als gy hyr seen wenn der Tod kommt, wie ihr hier seht.
Hebbe wi den vele gudes ghedaen Wenn wir dann viel Gutes getan haben,
So moghe wi wesen myt gode een so können wir zusammen mit Gott sein.
Wy moten van allen loen vntfaen Wir werden für alles (gerechten) Lohn empfangen.
Vñ lieven kynder ik wil ju raden Meine lieben Kinder, ich will euch raten,
Dat gi juwe scapeken verleiden nicht eure Schäflein nicht in die Irre zu leiten,
Men gude exempel en op laden sondern ihnen gute Beispiele zu geben,
Eer ju de doet sus snelle bi licht ehe der Tod sonst plötzlich neben euch steht.

Der Tod an alle


To dussem dantse rope ik al gemene Zu diesem Tanz rufe ich alle miteinander:
Pawes keiser vñ alle creatu... Papst, Kaiser und alle Kreaturen,

2
Arm ryke groet vñ kleine arm, reich, groß und klein.
Tredet vort went iu en helpet nen truren Tretet hervor, denn euch hilft kein Trauern!
Men dencket wol in aller tyd Aber bedenkt zu jeder Zeit,
Dat gy gude werke myt iu bringen daß ihr gute Werke mit euch bringt
Vñ iuwer sunden werden quyd und eure Sünden büßt;
Went gy moten na myner pypen springen denn ihr müßt nach meiner Pfeife tanzen.

Der Tod zum Papst


Her pawes du byst hogest nu Herr Papst, jetzt bist du der Höchste,
Dantse wy voer ik vñ du laß uns vortanzen, ich und du!
Al heuestu in godes stede staen Magst du auch Stellvertreter Gottes gewesen sein,
Een erdesch vader ere vñ werdicheit vntfaen ein Vater auf Erden, Ehre und Ansehen empfangen haben
Van alder werlt du most my von allen Menschen dieser Welt, so mußt du mir
Volghen vñ werden als ik sy doch folgen und werden, wie ich bin.
Dyn losent vñ bindent dat was vast Dein Lösen und Binden war gültig,
Der hoecheit werstu nu een gast aber jetzt verlierst du dein hohes Ansehen.

Der Papst
Och here got wat is min bate Ach, Herr Gott, was nützt es mir –
al was ik hoch geresen in state mag ich auch zu einem hohen Rang aufgestiegen sein,
Vnde ik altohant moet werden so muß ich doch jetzt sofort
gelik als du een slim der erden gleich dir ein Häuflein Erde werden.
Mi mach hocheit noch rickheit baten Mir können weder Ansehen noch Reichtum nützen;
wente al dink mot ik nalaten denn ich muß alles zurücklassen.
Nemet hir excempel de na mi sit Nehmt euch hieran ein Beispiel, die ihr nach mir
pawes alse ik was mine tit Papst sein werdet, wie ich es in meiner Zeit war.

3
Der Tod zum Papst
Die an den Papst gerichteten Worte des Todes sind nicht
erhalten.

her keiser, wi mote d... Herr Kaiser, wir müssen tanzen!

Der Kaiser
O dot du letlike figure O Tod, du häßliche Gestalt,
vor andert my alle myne natture veränderst mir mein ganzes Wesen.
Ik was mechtich vñ rike Ich war mächtig und reich,
hogest van machte sunder gelike der Höchste an Macht ohnegleichen.
Koninge vorsten vñ heren Könige, Fürsten und Edle
mosten my nigen vnde eren mußten sich vor mir verneigen und mich ehren.
Nu kumstu vreselike forme Jetzt kommst du, schreckliche Erscheinung,
van mi to maken spise der worme um aus mir Speise für die Würmer zu machen.

Der Tod zum Kaiser


Du werst gekoren wil dat vroden Du warst auserwählt – bedenke das wohl! –,
to beschermen vnde to behoden um zu beschirmen und zu behüten
De hilgen kerken de kerstenheit die heilige Kirche der Christenheit
myt deme swerde der rechticheit mit dem Schwert der Gerechtigkeit.
Men houardie heft di vor blent Aber die Hoffart hat dich verblendet,
du heft di suluen nicht gekent du hast dich selbst nicht gekannt (überschätzt).
Mine .kumste was nicht in dinem sinne Mit meiner Ankunft rechnetest du nicht. –
.u .er .. h.. .row .eiser Wende du dich jetzt her, Frau Kaiserin!

4
Die Kaiserin
Ick wet my ment de doet Ich weiß, mich meint der Tod.
was .. ny vor vert so grot Nie war ich so heftig erschreckt.
Ik mende he si nicht al bi sinne Ich glaubte, er sei nicht ganz bei Verstand,
bin ik doch junck vñ ok ein keiserinne denn ich bin doch jung und auch eine Kaiserin!
Ik mende ik hedde vele macht Ich meinte, ich besäße große Macht,
vp em hebbe ik ny gedacht an ihn habe ich nie gedacht,
Ofte dat jement dede tegen mi oder dass sonst jemand mir etwas antäte.
och lat mi noch leuen des bidde ik di Ach, laß mich noch leben, darum bitte ich dich!

Der Tod zur Kaiserin


Keiserinne hoch vor meten Ganz vermessene Kaiserin,
my duncket du hest myner vor gheten mir scheint, du hast mich vergessen.
Tred hyr an it is nu de tyt Tritt herzu! Es ist nun an der Zeit.
du mendest ik solde di schelden quit Du glaubtest, ich sollte dich ausnehmen?
Nen al werstu noch so vele Keineswegs! Und wärst du auch noch so viel,
du most myt to dessem spele du mußt doch mit zu diesem (Tanz-) Spiel
Vnde gi anderen alto male und ihr anderen allesamt! –
holt an volge my her kerdenale Halt an, folge mir, Herr Kardinal!

Der Kardinal
Ontfarme myner here salt schen Erbarme dich meiner, Herr, wenn es denn geschehen muß!
ik kan deme gensins entflen Auf keine Weise kann ich dir entfliehen.
Se ik vore efte achter my Ob ich nach vorn oder hinter mich blicke,
ik vole den dot my al tyt by so spüre ich den Tod immer nahe bei mir.
Wat mach de hoge saet my baten Was kann mir der hohe Rang nützen,
den ik besat ik mot en laten den ich innehatte? Ich muß ihn verlassen
Vñ werden vnwerdiger ter stunt und sogleich unwürdiger werden
wen en vnreine stinckende hunt als ein unreiner stinkender Hund.

5
Der Tod zum Kardinal
Du werest van state gelike Du warst an Ansehen gleich
en apostel godes vp ertryke einem Apostel Gottes auf Erden,
Vmme den kersten louen to sterken damit du den christlichen Glauben stärktest
myt worden vñ anderen dogentsammen werken mit Worten und anderen tugendsamen Werken.
Men du hest mit groter houardichit Aber du hast in deiner großen Hoffart
vp dinen hogen perden reden hoch zu Ross gesessen.
Des mostu sorgen nu de mere Deshalb mußt du dich jetzt um so mehr sorgen! –
Nu tret .. vort her konnink here Jetzt tritt auch du hervor, edler König!

Der König
O dot dyn sprake heft my voruert O Tod, deine Worte haben mich erschreckt!
Dussen dans en hebbe ik niht gelert Diesen Tanz habe ich nicht gelernt.
Hertogen rydder vñ knechte Herzöge, Ritter und Knappen
Dragen vor my durbar gerichte tragen mir kostbare Gerichte auf,
Vñ jwelik hodde sick de worde und jeder hütete sich, die Worte
To sprekende de ick node horde zu sprechen, die ich ungern hörte.
Nu komst. vnuorsenlik Jetzt aber kommst du unversehens
Vñ berouest my al myn ryk und raubst mir mein ganzes Reich!

Der Tod zum König


Al dynne danken heftu geleyt Alle deine Gedanken hast du
Na werliker herlicheyt auf weltlichen Prunk gerichtet.
Wat batet du most in den slik Was nützt dir das jetzt? Du mußt in die Erde
Werden geschapen myn gelik und mir gleich geschaffen werden.
Recht gewent vñ vorkeren Das Wenden und Verkehren des Rechts
Heftu vnder dy laten reigeren hast du unter dir herrschen lassen,

6
Den armen ..egene bedwank gegen die Armen Gewalt geübt (?) wie gegen (?)
Her bischop nu holt an de hant Leibeigene. –
Herr Bischof, reicht mir nun die Hand!

Mit der Strophe des Todes zum König endet der Text (und ebenso das Gemälde) des Revaler Totentanz-Fragments.
Dem nun folgenden Teil liegt die Abschrift der Dialoge zugrunde, die J. von Melle im Jahr 1701 vom alten Lübecker
Totentanz angefertigt hat. Es ist bis heute ungeklärt geblieben, warum die Reihenfolge der Dialoge, die von Melle
überliefert, in einigen Partien nicht der Figurenfolge im Gemälde entspricht. Unsere künstlerische Rekonstruktion
orientiert sich jedenfalls in der Reihenfolge der Figuren am Leitbild des Gemäldes. Deshalb entspricht sie im Dialog
zwischen dem Tod und dem Bürgermeister, dem Domherrn und dem Edelmann nicht dem Nacheinander der hier
wiedergegebenen Strophen des Textes.

Das Lübecker Fragment Übersetzung


Der Tod zum Kartäuser
Nu tret vort, di helpet nen klagen, Nun tritt hervor, dir hilft kein Klagen,
Du most din Part suluen dragen, du musst dein Geschick (Teil) selbst tragen!
It sal di wesen swar, Es wird dir schwer werden.
Di macht nicht volghen nar, Dir kann nichts nachfolgen,
Wen dine Werke gut ofte quat, nur deine Werke, seien sie gut oder schlecht.
Din Lon ist na diner Dat, Dein Lohn richtet sich nach deinem Tun,
Nemant mach di des vorbringen, niemand kann dir das abnehmen. –
Men kum an, ik wil di singhen. Mann, komm her, ich will dir zum Tanz aufspielen (singen).

Die Text- und die Figurenfolge stimmen bei den nächsten Dialogpartnern des Todes nicht miteinander überein; denn im Text
folgen auf den Tod, der dem Kartäuser antwortet, der Edelmann und darauf der Domherr. Das Gemälde zeigt dagegen nach

7
dem Kartäuser den Bürgermeister, dann den Domherrn und danach den Edelmann. Ihm folgt auf dem Gemälde der Arzt.
Hinzuzufügen ist im Hinblick auf die überlieferte Dialogfolge, dass die Antwort des Todes auf die Rede des Domherrn und die
Strophe des Bürgermeisters nicht überliefert sind.

Der Edelmann
Dot, ik bidde di vmme Respijt; Tod, ich bitte dich um Aufschub.
Late mi vorhalen, mine Tijt Lass mich mein (bisheriges) Leben wieder gut machen.
Ik hebbe ouel ouerbracht, Ich habe Böses vollführt.
Steruen hadde ik klene geacht. An das Sterben habe ich kaum gedacht.
Mine Gedancken weren, to vullenbringen, Meine Gedanken waren davon erfüllt,
To Lust in idelen Dingen, Lust an eitlen Dingen zu befriedigen.
Minen Vndersaten was ik swar, Meine Untertanen hatten unter mir zu leiden.
Nu mot ik reisen, vñ wet nicht war. Jetzt muss ich auf die Reise und weiß nicht wohin.

Der Tod zum Edelmann


Haddestu gedelt van dinem Gode Hättest du deinen Besitz ausgeteilt
Den Armen, so were di wol to Mode, an die Armen, so wäre dir wohl zumute.
De klegeliken klagen er Gebreken, Denen, die kläglich ihre Not vorbringen,
Nuwerle mochtestu se horen spreken. wolltest du nie Gehör schenken.
Dines Pachtes werstu gewert, Dir wird das gegeben, was dir zusteht.
Na mi haddestu ninen Begert, Nach mir hattest du kein Verlangen,
Dat ik ens vmmekame to Hants, dass ich plötzlich einmal vor dir stehe. –
Kannonik, tret her an den Dans. Domherr, tritt her zum Tanz!

Der Domherr
Mi dunckt, it is mi noch to vroch, Mir scheint, es ist noch zu früh für mich.
Van minen Prunden hadde ik genoch Aus meinen Pfründen konnte ich reichlich
To bruken went her min Leuen; Nutzen ziehen bisher in meinem Leben.

8
Late mi des Dansses noch begheuen. Laß mich noch auf den Tanz verzichten!
Nu scholde ik vullen min Schrin, Jetzt sollte ich meinen Schrank füllen.
Dine velen Worde don mi grote Pin. Deine vielen Worte bereiten mir großen Schmerz.
Late mi doch Gade denen bat, Laß mich doch Gott besser dienen,
Den ik in miner Jöget vergat. den ich in meiner Jugend vergaß.

Die Antwort des Todes auf die Rede des Domherrn und
die Strophe des Bürgermeisters sind nicht überliefert.

Der Tod zum Bürgermeister


Grot Lon schaltu entfan, Großen Lohn wirst du empfangen.
Vor din Arbeit, dat du hefst ghedan, Für deine Arbeit, die du getan hast,
Wil di God dusentvult belonen, wird dich Gott tausendfach belohnen
Vnde in deme ewighen Leuende kronen. und im ewigen Leben krönen.
Mer dine Bedrechlicheit mede Doch könnte dir dein betrügerisches Verhalten bei deinem Tun
Mochte di bringen in groten Vnurede. große Pein bereiten.
Wultu vmme dine Sunde ruwich syn, Mögest du deine Sünden bereuen! –
Volghe na, Meister Medecin. Folge mir, Doktor der Medizin!

Im Gemälde wendet sich der Tod nach dem Edelmann an


den Arzt.

Der Arzt
Ik hadde wol Vordrach, mochte it wesen. Ich erhielte wohl Aufschub, wenn es möglich wäre.
Vele Minsken hebbe ik ghenesen, Viele Menschen habe ich geheilt,
De van groter Suke leden Not. die wegen ihrer schweren Krankheit Not litten.
Mer jeghen di klene noch grot Aber gegen dich hilft überhaupt

9
En helpet nine Kunst noch Medecin. keine (ärztliche) Kunst und Arznei.
Nu beuole ik mi suluen de Pin. Nun befühle ich mir selbst den Schmerz;
Van deme Dode bin ik beseen, denn der Tod hat sein Auge auf mich geworfen.
Wat Ordel dat mi schal bescheen. Was ist das für ein Urteil, das mir zuteil werden wird?

Der Tod zum Arzt


Recht Ordel schaltu entfan, Ein gerechtes Urteil wirst du empfangen
Na den Wercken, de du hefst ghedan. den Werken entsprechend, die du getan hast.
Du hefst ghedan, dat God wol wet, Du hast, was Gott wohl weiß,
Mengen in grot Euentur gheset, manchen in großes Unglück gestürzt,
Den Armen swarlik beschat, den Armen (mit drückenden Kosten) schwer für das belastet,
Des he vaken billik hadde to bat. was ihm oft zu Recht zustand.
Al nemestu grote Summen darvan, Du nahmst jedenfalls eine hohe Summe dafür. –
Wokerer, volghe van Stunden an. Wucherer, folge sogleich!

Der Wucherer
O du aller vnuormodeste Dot, O Tod, niemand kommt unerwarteter als du.
Vp di en dacht ik klene noch grot. An dich dachte ich überhaupt nicht!
Ik hebbe al min Gut vorsaden, Ich habe so viel Besitz, um zufrieden zu sein.
Mine Böne sint vul Kornes geladen. Meine Speicher sind voll gefüllt mit Getreide.
Mot ik nu steruen, dat is mi swar, Muß ich jetzt sterben, so fällt mir das schwer,
Vñ latent hir, vñ wet nicht war. und alles hier lassen und nicht zu wissen, wohin.
Ik en wet nicht, war ik henne mot, Ich weiß nicht, wohin ich muß!
Vorbarme miner Her dor dinen Dot. Erbarme dich meiner, Herr, durch deinen Tod!

Der Tod zum Wucherer


Vorkerde Dor, olt van Iaren, Verrückter Tor, alt an Jahren,
Anders hefstu nicht vterkaren, du hast dir nichts anderes auserwählt

10
Den dat Gut vp desser Erden, als den Besitz auf dieser Erde!
Ik wet nicht, wat van di sal werden. Ich weiß nicht, was aus dir werden soll.
Vp mi so haddestu klene Acht, Auf mich achtetest du wenig,
Noch to steruende nicht gedacht. und ans Sterben dachtest du nicht.
Nu mustu int ander Lant, Jetzt musst du in das andere Land. –
Herr Kappelan, lange her de Hant. Herr Kaplan, reiche (mir) die Hand (zum Tanz)!

Der Kaplan
Ach leider, wo quelet mi de Dot! O weh, wie quält mich der Tod!
Ik hebbe Last van --- grot. Ich trage eine schwere Sündenlast,
Slaplik hebbe ik gequiten, nachlässig habe ich die Absolution erteilt.
Ik vruchte, God schalt nummer witen, Ich fürchte, Gott wird das nunmehr wissen (?).
De Werelt, de Viant, vnde dat Vlesch, Die Welt, der Feind (Teufel) und das Fleisch
Hebbet bedraghen minen Gest. haben meinen Geist betrogen.
Wat schal mi nu dat Gut, Was soll mir jetzt der Besitz,
Wente ik it hir al laten mot? da ich alles hier lassen muß!

Der Tod zum Kaplan


Haddestu van Iöget vp Gade bet Hättest du von Jugend an besser Gott
Recht vor di geset, auf rechte Weise dir vor Augen gehalten (?)
Vñ vlitliken gelert, und hättest du mit Fleiß gelehrt,
Dar du mennich Wort hefst vorkert, anstatt daß du so manches (Gottes-) Wort verkehrtest,
Dat Volk bracht to Gude, und hättest du das Volk zu Gott geführt,
Dat were got, nu schedestu vnnode. das wäre gut! Jetzt scheidest du gegen deinen Willen,
It mot sin sunder leiden, aber es muß unverzüglich sein. –
Kopman, wilt di ok bereiden. Kaufmann, halte auch du dich bereit!

11
Der Kaufmann
It is mi verne, bereit to sin, Es liegt mir fern, bereit zu sein.
Na Gude hebbe ik gehat Pin, Für Besitz habe ich mich abgemüht
To Lande vnde tor See, zu Lande und zu Wasser,
Dor Wind, Regen vñ Snee, durch Wind, Regen und Schnee.
Na Reise wart mi so swar, Aber keine Reise war mir so schwer.
Mine Rekenscop is nicht klar. Meine Abrechnung geht nicht auf.
Hadde ik mine Rekenscop ghedan, Hätte ich genaue Rechenschaft abgelegt,
So mochte ik vrolik mede ghan. so könnte ich fröhlich mitgehen.

Der Tod zum Kaufmann


Hefstu anders nicht bedreuen, Wenn du nichts anderes getan hast
In Kopenscop, alse di was gheuen, als Kaufmann, wie es dir bestimmt war,
It sal di ----- enheit, so wird dir … (Gnade widerfahren?),
Wen alle Dink to richten steit. wenn über alles gerichtet werden wird,
Hefstu di so vorwart, und wenn du dich (gegen alles Böse) verwahrt
Vñ din Dink gans wol geklart, und deine Angelegenheit ganz ins reine gebracht hast.
Westu anders, dat is nicht gut, Warst du aber anders, so ist das nicht gut. –
Koster, kum, it wesen mot. Küster, komm, es muß sein!

Der Küster
Ach, Dot, mot it sin gedan, Ach, Tod, muss es getan werden,
Nu ik erst to denen began! wo ich doch gerade erst zu dienen begonnen habe?
In miner Kosterie mende ik klar, In meiner Stellung als Küster glaubte ich, zweifellos
Noch hogher to komen vorwar, noch höher aufzusteigen.
En grot Officium was min Sin, Nach einem hohen Amt stand mein Sinn,
Alse mi dunckt, so krige ik nin. wie mir scheint, bekomme ich jetzt aber keines mehr.
Ik mach des nicht gebruken, Ich kann das jetzt auch nicht gebrauchen,
De Dot wil mi vorsluken. denn der Tod will mich verschlingen!

12
Der Tod zum Küster
Al werstu hogher gheresen, Wärest du in deiner Stellung höher aufgestiegen,
In groter Var mustestu wesen, so müßtest du in großer Gefahr sein.
It is diner Sele meiste Profit, Für deine Seele ist es der wichtigste Vorteil,
Dat gi nicht hogher resen sit. daß ihr nicht höher aufgestiegen seid.
Volghe na in mine Partie, Folge mir nach in meinem Gefolge;
Wente hoch sin maket Hovardie, denn hoch zu stehen bewirkt Hoffart!
Dat is al jeghen God. Das ist alles gegen Gott. –
Amtman, tret an, it is nen Spot. Handwerker, tritt herzu, es ist kein Spaß!

Der Handwerker
Ach leider, wat schal mi bescheen? O weh, was wird mit mir geschehen!
Ouel hebbe ik mi vorgeseen, Schlecht habe ich mich vorgesehen
Vñ hebbe mi ser ouel bedacht, und sehr schlimm für mich vorgesorgt.
Min Hantwerk so truwe nicht na getracht. Mein Handwerk habe ich nicht redlich betrieben,
Dat Gut prisede ik sere; nur der Besitz war mir wichtig.
Nu bidde ik di, leue Here, Jetzt bitte ich dich, lieber Herr Gott,
Du mi de Sunde wilt vorgheuen, daß du mir meine Sünde vergibst
Vñ late mi in din ewige Leuen. und mich aufnimmst in dein ewiges Leben!

Der Tod zum Handwerker


Gi Amtes Lude alghemeine, Ihr Handwerker alle miteinander
Achten vele Dinges kleine, schätzt viele Dinge gering ein,
Dat gi einen anderen bedreghen, wenn ihr einen anderen betrügt
Vñ vaken darinne leghen. und dabei oft lügt.
Vp steruen hebbe gi nicht gepast, Ans Sterben habt ihr keinen Gedanken verloren
Juwe Sele ser belast, und euer Seelenheil sehr belastet.

13
Dat wil juwer Sele wesen swar, Das wird für eure Seele schwer sein! –
Klusenaer, volghe naer. Klausner, folge mir nach!

Der Klausner
To steruen dat is mi nicht leit, Zu sterben fiele mir nicht schwer,
Were ik van binnen bereit, wenn ich in meinem Innern bereit wäre
Were mine Conciencien wol purgert, und mein Gewissen rein.
De Viant heft mi tentert Der Feind hat mich versucht
Mit menniger Temptacie swar. mit vielen schweren Versuchungen.
Vorbarme di Her openbar, Erbarme dich, Herr; offen
Ik di bekenne mine Sund, bekenne ich dir meine Sünde.
Wes mi gnedich tor lesten Stund. Sei mir gnädig in der letzten Stunde!

Der Tod zum Klausner


Do machst wol danssen blidelik, Du kannst wohl fröhlich tanzen,
Di hort dat hemmelske Rik. dir gehört das Himmelreich.
Dat Arbeit, dat du hefst ghedan, Die Arbeit, die du getan hast,
Sal diner Selen lustende stan. wird deine Seele mit Lust erfüllen.
Deden se alle so, it scholde en vromen, Handelten alle so, so würde es ihnen nützen,
Er scholde nicht vele ouel komen, und es sollte ihnen nicht viel Schlimmes widerfahren.
Men it wirde mengen sur, Aber es ist vielen sauer geworden. –
Kum to min Reigen, Veltgebur. Komm in meinen Reigen, Bauer!

Der Bauer
Des Danßes neme ik wol Respit, Diesen Tanz schiebe ich gerne hinaus.
Noch hebbe ik mine Tyt Bisher habe ich meine Zeit
Mit Arbeide hen ghebracht, mit Arbeit hingebracht
Vnde ghedacht Dach vnde Nacht, und Tag und Nacht darüber nachgedacht,

14
Wo ik min Lant mochte begaden, wie ich mein Feld bestellen könnte,
Dat it mit Vrucht wirde geladen, damit es reichlich Frucht trage,
To betalen mine Pacht. um meine Pacht zu bezahlen.
Den Dot hebbe ik nicht geacht. Den Tod habe ich nicht beachtet.

Der Tod zum Bauern


Grot Arbeit hefstu ghedan, Viele Arbeit hast du getan.
God wil di nicht vorsman, Gott wird dich nicht abweisen.
Mit dinem Arbeide vñ Not, Mit deiner Arbeit und Mühsal
It is recht, ik segge di blot, ist es recht. Ich sage dir nur,
God wilt di betalen, Gott wird dich entlohnen
In sinen ouersten Salen. in seinem höchsten Himmel.
Vruchte nicht en Twink, Fürchte dich nicht einen Augenblick! –
Tret her Iungelink. Tritt herzu, Jüngling!

Der Jüngling
Der Werlde Lust mi nu smaket, Die Verlockungen der Welt schmecken mir jetzt.
Du hefst de Tyt ouel raket, Du hast den Zeitpunkt schlecht gewählt.
Du kumpst slikende her geghan, Leise schleichend kommst du herbei
Vñ wult mi in din Nette beslan. und willst mich in deinem Netz einfangen.
De Werlde mi lauet Heil, Die Welt verheißt mir Glück,
Bedrucht se mi, so is se feil. und wenn sie mich täuscht, so ist sie trügerisch.
Wike wech, late mi ruseleren, Geh aus dem Weg, lass mir mein Vergnügen!
Int Older wil ik mi bekeren. Im Alter werde ich mich bekehren.

Der Tod zum Jüngling


In der Nacht der Deue Gank Wie nachts die Diebe gehen,
Slikende is min Ummewank, so ziehe ich schleichend umher.

15
En junk Man sik bi Tiden ker Ein junger Mensch soll sich zur rechten Zeit
To Gade, sin ---- dregen her, Gott zuwenden; denn seine Gelüste (?) trügen ihn sehr.
Hir is nene bliuende Stat, Hier ist keine bleibende Statt.
Haddestu west der Werlde hat, Wärest du der Welt verhasst gewesen,
Were di beter, vñ er minne, so wäre das besser für dich als ihre Liebe. –
Junkvrow, mit di ik danßen beghinne. Jungfrau, (nun) beginne ich mit dir zu tanzen.

Die junge Frau


Des Reiges were ik onich gherne Auf diesen Tanz würde ich gern verzichten,
Ik junghe schone Derne, ich schönes junges Mädchen.
Ik merke der Werlde Lust, Ich spüre die Freude an der Welt,
Van diner Kumpst nicht gewust. aber von deinem Kommen habe ich nichts gewußt.
Nu kumpstu snel, vñ mi voruerst, Jetzt bist du plötzlich da und erschreckst mich.
Ik wuste nicht, hir werst. Ich wußte nicht, dass du hier warst.
Were ik ene Kloster Vrowe worden, Wäre ich eine Nonne geworden,
So trede ich vro in dinen Orden. so träte ich froh in deine Gemeinschaft.

Die Antwort des Todes auf die Worte der ‘Jungen Frau’
ist nicht überliefert.

Das Kind
O Dot, wo schal ik dat vorstan? O Tod, wie soll ich das verstehen?
Ik schal danssen vñ kan nicht ghan. Ich soll tanzen und kann noch nicht gehen!

16

Das könnte Ihnen auch gefallen