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DIGITALE 3D- TECHNOLOGIEN

IN DER KONSERVIERUNG
UND RESTAURIERUNG –
EINE ­TECHNIK MIT TÜCKEN

Von 3D-Scan-Methoden über
­deren Verarbeitung bis hin zu
­3D-Druckverfahren
Kulturgut, Platzhalter, 3D-Scannen, 3D-Druck, Materialien, Rapid Prototyping

ALEXANDER GATZSCHE alexander.gatzsche@amricha.com


Alexander Malios Forschungsinstitut zur zypriotischen Kultur
und Archäologie / AMRICHA gGmbH

IRENE PAMER
GbR CulturARTis

ELEONORA WEIXELBAUMER
Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften,
Donau Universität Krems

DIGITAL 3D SCANNING AND


PRINTING TECHNOLOGIES
IN CONSERVATION AND
­RESTORATION – A TECHNO­
LOGICAL CHALLENGE

cultural heritage, placeholder, 3D-Scanning, 3D printing, materials,


rapid prototyping

RESTAURATORENBLÄTTER
PAPERS IN CONSERVATION № 37 131
Digitale 3D-Scan- und Drucktechnologien kommen vermehrt im Feld der Kon-
servierung und Restaurierung in unterschiedlichen Projekten zur Anwendung.
Dabei herrscht unter den Restauratoren und Restauratorinnen auf der einen Seite
bis heute eine große Abneigung gegen diese Technik und auf der anderen Seite
eine große Anwendungsfreude, ohne jedoch deren Sinnhaftigkeit zuvor zu beden-
ken. Dieser Artikel soll daher aus mehrjährigen Erfahrungen heraus und mittels
Anwendungsbeispielen zum einen die Hemmschwelle abbauen digitale 3D-Tech-
nologien anzuwenden und zum anderen Eigenschaften unterschiedlicher Tech-
nologien mit zusätzlichen Hinweisen zu ihrer Anwendung verknüpfen. Ziel ist
es, mittels einer kurzen Einführung mit dem Fokus auf die Konservierung und
Restaurierung und indem Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt werden, Res-
tauratoren_innen zu motivieren, diese Techniken selbst anzuwenden. Gegliedert
wird der Artikel dabei in eine Einführung in die digitalen 3D-Scantechnologien,
deren Weiterverarbeitung und die Ausgabe, mit einem konkreten Beispiel zu
deren Anwendung unter konservatorischen Aspekten, anhand eines ledernen
Kelchfutterals aus den Landessammlungen Niederösterreichs.

Digital 3D scanning and printing technologies are increasingly used in the field
of conservation and restoration in various projects. Still, many conservators and
restorers are very reluctant to use this technology, while others are very enthu-
siastic about using it without first considering its usefulness beforehand. This
article is based on several years of experience in using these technologies for
conservation and restoration. It attempts to reduce the inhibition to apply digital
3D technologies and to combine properties of different technologies with addi-
tional information on their application. By providing a short introduction with a
focus on conservation and restoration and by showing possibilities and limits,
the aim of the paper is to motivate restorers to apply these techniques them-
selves. The text is structured in an introduction to digital 3D scanning technolo-
gies, their further processing and their output with a case study of their applica-
tion under conservation aspects, using the example of a leather goblet case from
the State Collections of Lower Austria.

English summary, see page 00

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EINFÜHRUNG Methoden umgesetzt werden kann.1 Das Ergebnis stellt
Der Einsatz von digitalen 3D-Technologien in der Restau- dabei ein 3D-Modell dar, welches mithilfe eines Computers
rierung rückt seit einigen Jahren immer mehr ins Blickfeld betrachtet werden kann. Dies geschieht wiederum „nur“
des ansonsten – von außen eher traditionell eingestuften – auf der zweidimensionalen Fläche des Bildschirmes, wenn
möglichen Anwenderkreises. Immer mehr Einrichtungen man nicht in der Lage ist, das Modell mit einer Virtual-Rea-
und auch selbstständige Restauratorinnen und Restaurato- lity-Brille (VR-Brille)2 zu betrachten. Der Unterschied zur
ren machen sich diese Innovationen zu Nutze, um ihre Betrachtung eines Fotos ist dabei aber, dass wir dank digi-
Arbeiten sinnvoll zu ergänzen. Nach den ersten „wilden taler Datenverarbeitung in der Lage sind, das Modell unse-
Jahren“, in denen auf der einen Seite große Ablehnung ren gewünschten Eindrücken gemäß anders zu betrachten.
gegenüber den neuen Instrumenten herrschte – man So lassen sich Modelle mit einer absichtlichen Linsenver-
befürchtete, sie würden Aufgaben ersetzen, die sonst der zerrung optisch unserer Sehgewohnheit der Tiefenkrüm-
Restaurierung oblagen – und auf der anderen Seite Begeis- mung anpassen, so dass das Modell „natürlich“ aussieht,
terung dazu führte, dass sie eher naiv und ohne großartig als würde man es vor sich stehen haben. Wesentlich inter-
zu hinterfragen angewandt wurden, wird in letzter Zeit essanter ist aber die Möglichkeit, die Objekte plan entzerrt
immer mehr reflektiert. Aus den Erfahrungen der ersten darstellen zu lassen, wodurch es möglich ist, mit nebenlie-
Stunde werden Schlüsse für die Zukunft von 3D-Scan und gendem Maßstab direkt Messungen an der 2D-Darstellung
-Druck in der Restaurierung gezogen. Welche Anwendungen durchzuführen. Dies war bisher nur möglich, indem maß-
sind wo wirklich sinnvoll und helfen uns, sie besser und zum getreue Zeichnungen vom Objekt oder der architektoni-
Vorteil des Objekts einzusetzen? Welche Materialien sind schen Struktur angefertigt wurden. Allein dieser Punkt,
wirklich für das Objekt verträglich und besitzen selbst eine dass man mit 3D-Technik eine natürliche, wie auch maß-
entsprechende Langzeitstabilität? Welche Probleme getreue Darstellung erzeugen kann, ermöglicht es den Res-
bestehen weiterhin bei bestimmten Objektgruppen und wie taurator_innen, ihrem hohen Dokumentationsanspruch mit
kann man sie lösen, um die Vorteile der Technologien auch gleichzeitig reduziertem Aufwand (im Verhältnis zum hän-
dort zur Anwendung zu bringen? Vor allem Details der zuvor dischen Zeichnen) nachzukommen. Objekte können dabei
genannten Fragen bilden heute die Basis für viele For- mit und ohne Textur3 und in verschiedenen Lichtsituationen
schungsvorhaben und Abschlussarbeiten. Daneben gibt es virtuell dargestellt werden. Dies ermöglicht es, schwer oder
aber auch immer wieder Beispiele aus dem restauratori- gar nicht sichtbare Strukturen zu visualisieren (Abbildung
schen Alltag, wo versucht wird, mit möglichst weitreichen- 1).
den Vorteilen für die Praxis, konzeptionelle Prozesse zu Bei allen Vorteilen der neuen Technologie herrscht oft
etablieren und zu ergänzen. Einige dieser Projekte in Kom- noch der Gedanke der Unfehlbarkeit der Modelle. Es wird
bination mit Ergebnissen aktueller Forschung sollen im häufig davon ausgegangen, dass das, was wir im Modell
folgenden Artikel vorgestellt und diskutiert werden. Dabei sehen, auch der Wirklichkeit entspricht. So verhält es sich
wird besonders auf die Gegenüberstellung von Vor- und auch bei Fotografien. Einmal abgesehen von digitalen Mani-
Nachteilen Wert gelegt, um für die Leser_innen eine eigene pulationsmöglichkeiten, müssen auch 3D-Modelle hinter-
Evaluierung der Vorgehensweise, der Ergebnisse und Chan- fragt werden. Das sollte vor allem in doppelter Hinsicht
cen für eigene Projekte zu ermöglichen. geschehen, da es zum einen darauf ankommt, mit welcher
Scantechnologie Objektoberflächen aufgenommen wurden,
DIGITALER 3D-SCAN – TECHNOLOGIE MIT TÜCKEN und zum anderen auch, welche Dateiformate zur Anwen-
Bei der Anwendung von digitalen 3D-Daten von realen dung kommen.
3D-Objekten, egal ob sie nun aus dem Kulturbereich oder
aus der industriellen Anwendung stammen, stellt sich 3D-Scan-Methoden – Aktive vs. Passive Methoden
immer die Frage nach der Verlässlichkeit der Daten, die auf- Alle 3D-Scanmethoden beruhen auf dem Grundprinzip der
genommen werden. Ähnlich wie auch bei fotografischen Triangulation. Dabei müssen mindestens zwei Positionen
Aufnahmen, welche technisch gesehen die Abbildung eines bekannt sein und deren Ausrichtung/Winkel zueinander,
dreidimensionalen Raums auf einer zweidimensionalen um die fehlenden Strecken und Winkel zur dritten Position
Fläche darstellen, ergibt sich die Frage, ob das Abgebildete im Raum berechnen zu können. Die digitalen dreidimen-
auch der Realität entspricht. Dies hängt in bekannter Weise sionalen Aufnahmemethoden von Objekten kann man in
von der Optik und vom Aufnahmemedium (Film/Sensor) zwei Haupttypen unterteilen.
ab und davon, wie die Bilder anschließend entwickelt, bezie- Zum einen gibt es passive Methoden, wo mit der von
hungsweise noch in der Kamera oder am Rechner bearbei- Außen bestehenden Lichtsituation Korrelationen zwischen
tet werden. Fast gleich verhält es sich mit der digitalen zwei und mehreren Planaufnahmen gefunden werden sol-
3D-Technik, die, wie ihr Name schon sagt, nur mit digitalen len, woraus wiederum Abstände und damit Raumpunkte

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ermittelt werden können. Die zwei notwendigen Positionen Gängige 3D-Dateitypen
werden dabei von zwei Kameraaufnahmen und deren Ein- Bei den Dateitypen unterscheiden sich verschiedene For-
stellungen übernommen. Bekannte passive Systeme sind mate in ihrem Aufbau. Wie auch bei der Speicherung von
dabei Programme die mittels „Structure from Motion“ Rohdaten bei digitalen Bildern, zum Beispiel im TIFF-For-
(SfM) die Positionen der zuvor vom Objekt aufgenommenen mat6 gehen bei einer Änderung des Dateiformates, unter
Bilder zueinander berechnen und anschließend mittels Foto- anderem in JP(E)G7, Informationen verloren, die aber für
grammmetrie aus den nun bekannten Positionen heraus die einfache Betrachtung nicht notwendig sind. Die unter-
dreidimensionale Raumpunkte berechnen (Abbildung 2). schiedlichen gebräuchlichsten Dateiformate bei 3D-Auf-
Daneben bestehen aktive Systeme, die ihr eigenes nahmen sind, in abgekürzter Form, die Formate OBJ8 , STL 9
Licht projizieren, welches durch (Kamera-) Sensoren auf- und PLY10. Die klaren Dateistrukturen, die in OBJ und auch
gefangen wird. Da zuvor eine Kalibrierung des Dreiecks- in STL vorliegen, sind bei PLY-Dateien nicht mehr vorhan-
systems vorgenommen wurde, lassen sich alle folgenden den, da hier wie auch beim JPG-Format der Speicherplatz
„Scans“ direkt dreidimensional aus der Abweichung gegen- und die damit verbundene Ladefähigkeit des Rechners im
über der Kalibrierfläche erstellen. Dazu gehören sowohl Vordergrund steht. Da STL vor allem von 3D-Druckern ver-
Laserscanner als auch so genannte Structured Light Scan- wendet wird, ist das Dateiformat auch bereits darauf aus-
ner. Beim ersten wirft ein Laser und beim zweiten ein Pro- gelegt, mittels Algorithmen die Vektoren horizontal zu
jektor das aktive Licht (Abbildung 3). Zusätzlich erwähnt schneiden, um den entsprechenden Schichtaufbau umzu-
sei bei den aktiven Methoden auch der Computertomograph, setzen. OBJ und PLY geben im Gegensatz zu STL-Dateien
bei dem der Röntgenstrahlenemitter die Funktion der Strah- Raumpunkte und deren Ausrichtung zueinander wieder.
lungsquelle übernimmt und der Flächen- oder Leistensensor STL stellt ein Volumenmodell dar, wodurch sich in diesem
jene der Kamera, im Vergleich zu den anderen Systemen. Format keine Punktwolken11 speichern lassen. Um aus einer
Stellt man aktive und passive Methoden gegenüber, so Punktwolke ein Modell für den 3D-Drucker zu erstellen,
bieten beide unterschiedliche Vor- und Nachteile. Der Vor- muss somit immer mindestens eine Oberfläche aus den
teil der aktiven Methoden ist vor allem, dass sich das Sca- Punktkoordinaten erstellt werden, was dazu führt, dass bei
nergebnis direkt kontrollieren lässt, wogegen bei den passi- aus passiven Methoden gewonnenen Punktwolken auch
ven Methoden erst nach umfassender Rechnerleistung fest- Fehler im Oberflächenmodell entstehen, da eine Oberflä-
gestellt werden kann, ob Bereiche fehlen, das heißt ob der chenberechnung aus einer Punktwolke immer eine Rekons-
Prozess im Detail erfolgreich war oder nicht (Abbildung 4). truktion aus den Mittelwerten der Punktwolken darstellt
Je nach Größe des Objektes und dessen Komplexität (vor (Abbildung 6).
allem bei Hinterschneidungen) sind unterschiedliche
Methoden zu wählen. Auch ist die Maßstabstreue bei den Speicherplatz und die Illusion von Details durch Textur
passiven Methoden abhängig von der Arbeitsweise, da hier 3D-Modelle nehmen darüber hinaus in einer entsprechen-
die maßgetreue Skalierung des Modells erst nach Erstellung den Qualität auch die entsprechende Quantität im Sinne
anhand von Referenzlängen4/Messpunkten5 vorgenommen von Speicherplatz ein. Man kann die Größe reduzieren,
werden kann, wogegen bei den aktiven Methoden bereits indem die vorliegenden Dreiecke eines 3D-Modells zusam-
durch die Kalibrierung vor dem Scannen die Maßtreue mengelegt werden (Abbildung 7). Dabei spielt die Speicher-
gewährleistet ist. platzkapazität wie auch die Ladefähigkeit der Modelle auf
Auch finden sich bei den passiven Methoden viele Fehl- Anwendungsrechnern eine Rolle. Auch wenn in den letzten
punkte, die bei einer nachträglichen Berechnung der Posi- Jahren immer mehr Speicherkapazitäten zur Verfügung ste-
tionen der Kameras zueinander nahezu unvermeidlich sind, hen, ist die Lade- und damit Betrachtungsfähigkeit der
auch wenn sie sich durch sorgfältiges Arbeiten reduzieren Modelle vor allem von weiteren Komponenten, wie der Pro-
lassen (Abbildung 5). Vor allem hohe Kontraste bei Objekten zessorleistung, der Arbeitsspeichergröße und vor allem der
(hell/dunkel) führen dazu, dass manche Bereiche nur unzu- Performance der Grafikkarte (und deren Grafikspeicher)
reichend aufgenommen werden können, da man bei fester abhängig. Da derzeit der Trend aber eher in Richtung mobi-
Belichtungszeit in sehr dunklen (unterbelichteten) und sehr ler Wiedergabegeräte geht (Tablets und Smartphones), ist
hellen (überbelichteten) Bereichen, wie vergleichbarerweise für die einfache Anwendung ein entsprechend reduziertes
bei einer Fotografie, keine Informationen gewinnen kann. Oberflächenmodell notwendig. Dabei wird oft der Fehler
Die vorausgehende Planung einer Objektdigitalisierung begangen, dass die aufgelegte Farbtextur die Rolle der drei-
mittels passiver Methoden spielt demnach eine wesentlich dimensionalen Oberflächendetails übernimmt, die zuvor
größere Rolle als bei den aktiven Methoden. im Prozess der Dreieckszusammenlegung entfernt wurden.
Das Modell sieht dann zwar aufgrund der höher aufgelösten
Fototextur immer noch sehr detailliert aus, ist es aber in

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Abb. 1 3D Modell eines Faustkeils in entzerrter Abb. 2 Berechnung von Raumpunkten aus foto- Abb. 3 Darstellung des Scanvorgangs eines
Ansicht mit (rechts) und ohne Farbtex- grafischen Aufnahmen einer römisch- Streifenlichtprojektionsscanners: Das
tur (links). ägyptischen Granitstatue. vom Projektor variierend ausgestrahlte
Fig. 1 3D model of a hand ax in an equalized Fig. 2 Calculation of spatial points from Streifenmuster wird auf der Objektober-
view with (right) and without color text- photographic images of a Roman-Egyp- fläche gebeugt (links) und von einer
ure (left). tian granite statue. Kamera aufgezeichnet (rechts). Durch
die Abweichung gegenüber der Kalib-
rierfläche wird die räumliche Oberfläche
im Computer rekonstruiert.
Fig. 3 Scanning process of a structured light
scanner: The stripe pattern emitted by
the projector is diffracted on the object
surface (left) and recorded by a camera
(right): The deviation from the calibrat-
ion surface reconstructs the spatial
surface in the computer.

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seiner dreidimensionalen räumlichen Auflösung nicht mehr art des Druckers abhängt. Bei der dann herrschenden Raum-
(Abbildung 8). Dies macht sich vor allem dann bemerkbar, temperatur kühlt das extrudierte Filament wieder ab, und
wenn das Modell über die reine Betrachtung hinaus verwen- Schicht für Schicht wird das zu druckende Modell nach oben
det werden soll. Es wäre demnach fatal, nach der Fertigstel- hin aufgebaut. Durch diesen Schichtaufbau entsteht die
lung der reduzierten Daten die höher aufgelösten Rohdaten typische Form einer Treppenstrukutur13 , wobei die Schicht-
zu löschen, da sich die digitale Aufnahme eines historischen stärke dieser Treppen von verschiedenen Faktoren abhängig
Objektes mit entsprechendem Aufwand selten noch einmal ist, z.B. dem Durchmesser der Düsenöffnung und der damit
bietet. Ist mit weiteren Aufgaben zu rechnen, wie Objekt- einhergehenden Stärke der einzelnen extrudierten Faden-
kopie, Ergänzung oder Aufstellung des Originals, bietet es schichten (0,1–0,3 mm), oder dem Winkel, in dem die
sich an, ein reduziertes Modell mit simulierten Details durch Schichten aufgebaut werden (Haghi 2014) (Abbildung 9).
eine Fototextur für die reine Betrachtung zu erstellen und Das FDM-3D-Druckverfahren ist nach wie vor das kos-
für die weitere Bearbeitung die höher aufgelösten Daten zu tengünstigste Druckverfahren mit der größten Auswahl an
benutzen. Druckfilamenten, wobei nicht nur das Grundmaterial unter-
schiedlich sein kann, sondern auch die Farbe und Füllstoffe,
3D-DRUCK – SCHICHTWEISER ERFOLG welche für das Endprodukt und dessen Materialität aus-
3D-Druckmethoden schlaggebend sind.
Unter 3D-Druck versteht man im weitesten Sinne die phy- Die Druckmaterialien bzw. Druckfilamente für das
sisch reale Ausgabe eines virtuellen, computergenerierten, FDM-3D-Druckverfahren sind grundsätzlich thermoplas-
dreidimensionalen Modells. Mittlerweile kann dieser Pro- tische Kunststoffe, wobei die gängigsten aus PLA (Polylac-
zess von mehreren unterschiedlichen Techniken mit unter- tid), ABS (Acrylbutaidenstyrol), PA (Polyamid), PET (Poly-
schiedlichen Druckmaterialien ausgeführt werden. Als die ethylenterephthalat), PLA/PHA-Blends (Mischungen aus
gängigsten 3D-Druckmethoden in der Reihe der generativen Polylactid und Polyhydroxyalkanoat), Styrol-Polymeren und
bzw. additiven Fertigungstechniken seien Selective Laser diversen Co-Polymeren bestehen können und meist mit
Sintering (SLS) Pulverdruckverfahren, PolyJet und Fused Füllstoffen, Pigmenten, Weichmachern und unterschied-
Deposition Modeling (FDM) genannt. Ergänzend können lichsten Additiven versetzt sind14 (Abbildung 10).
sie alle unter dem Begriff Rapid Prototyping (RP) zusam- Die am häufigsten verwendeten Druckfilamente für
mengefasst werden. Beim SLS wird ein Pulverwerkstoff FDM sind PLA und ABS, da sie für das Druckverfahren am
(Kunststoff- oder Metallpulver) mittels eines Lasers durch einfachsten zu handhaben sind. PLA ist ein Biopolymer15
Hitze versintert (Fastermann 2014, S. 28). Ähnlich, aber basierend auf Milchsäure, biologisch abbaubar und sehr
ohne Hitzeeinwirkung, funktioniert das Pulverdruckver- licht-, feuchtigkeits- und wärmeempfindlich16 (Koltzenburg
fahren, bei dem ein Pulverwerkstoff durch ein Bindemittel 2014: 561). ABS ist aufgrund seiner hohen Schlagfestigkeit
verklebt wird. Das Pulver wird Schicht für Schicht aufgetra- (Baumgärtner 2014) aus keiner Küche wegzudenken, da es
gen, und das Bindemittel verklebt die Schichten unterein- häufig z.B. für den Bau von Kunststoffgehäusen von Haus-
ander. Dadurch wird ein dreidimensionales Objekt von haltsgeräten verwendet wird, aber sehr lichtempfindlich ist.
unten nach oben aufgebaut. Beim PolyJet-Druckverfahren Für besonders anspruchsvolle Drucke können ebenso PA,
werden photosensitive bzw. (UV-)lichthärtende Polymere PET oder PMMA (Polymethylmethacrylat) verwendet wer-
Schicht für Schicht auf eine Bauplattform aufgetragen und den, wobei aber die Anforderungen an den Drucker steigen.
durch eine im Drucker befindliche UV-Lampe gehärtet (Fas- Die Problematik des 3D-Druckverfahrens in der Res-
termann 2014: 38).12 taurierung liegt in den für den Druck verwendeten Materia-
lien, u.a. der Verwendung von relativ neuen Kunststoffen
Fused Deposition Modeling (FDM) - Selbst sind die Res- wie PLA und den noch nicht durchgeführten Langzeittests.
tauratorInnen Zudem werden die Druckfilamente laufend verbessert bzw.
Das FDM-3D-Druckverfahren, welches auch in dem hier neue Materialien auf den Markt gebracht, was auch eine
vorgestellten Projekt eingesetzt wurde, basiert auf der Ver- dauernde Veränderung der „Rezepturen“ beinhaltet. Ver-
wendung von thermoplastischen Kunststoffen. Diese wer- änderungen der Materialrezeptur werden von Herstellern
den in Form eines Kunststoffdrahtes, auch Druckfilament kaum bekannt gegeben, außer es schlagen sich dadurch Ver-
genannt, in den Druckkopf eingebracht, bis zur benötigten besserungen in den Druckeigenschaften nieder. Doch was
Schmelztemperatur erhitzt, durch die Druckerdüse extru- genau verändert wurde, wird nicht transparent kommuni-
diert und auf ein optional beheizbares Druckbett aufge- ziert.
bracht (Fastermann 2014: 25; Novakova 2012: 24). Dabei Um ein für die Restaurierung und die Verwendung mit
bewegt sich der Druckkopf auf der x-, y- und z-Achse, bzw. Kunst- und Kulturgut geeignetes Material für das FDM-
kann auch das Druckbett beweglich sein, was von der Bau- 3D-Druckverfahren zu detektieren, wurden im Zuge einer

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Abb. 4 Gegenüberstellung der „Structure from Abb. 5 Falsche „Artefakte“ oder auch Fehl- Abb. 6 Querschnitt durch die Punktwolke der
Motion“-Methode mit anschließender punkte aus der Fotogrammetrie zuvor gezeigten Heiligenstatue aus der
Fotogrammmetrie und Oberflächenre- nehmen Einfluss auf die Oberflächen- Rekonstruktion mittels SfM mit einer
konstruktion (links) und des Streifen- rekonstruktion der 3D-Punktwolke und Dicke von 0,5 mm – deutlich werden die
lichtprojektionsscanners. Die etwas verfälschen somit die Ergebnisse. teilweise doppelten Oberflächen
nach innen gewölbte Kinnpartie der Fig. 5 False “artifacts” or missing points (oben), aus denen in der eigentlichen
Statue wurde beim Fotografieren aus from photogrammetry influence the Oberflächenrekonstruktion die
Versehen nicht beachtet und die surface reconstruction of the 3D point geschlossene Modelloberfläche
Höhlung unter der Pendilie wurde cloud and thus distort the results. berechnet werden muss.
geschlossen. Aber auch bei der SLS Fig. 6 ross-section through the point cloud of
Methode fehlen kleine Bereiche, die zu the previously shown statue from the
weit hinterschnitten sind. reconstruction by means of SfM with a
Fig. 4 Comparison of the “Structure from thickness of 0.5 mm – the partly double
Motion” method with subsequent surfaces (above) become clear, from
photogrammetry and surface recons- which in the actual surface reconstruc-
truction (left) and the structured Light tion the closed model surface must be
scanner. The slightly inwardly arched calculated.
chin part of the statue was accidentally
ignored when photographing and the
cavity under the pendulum was closed,
but also in the SLS method are small
missing areas with a too deep under-
cut.

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Masterarbeit unterschiedliche Druckfilamente mittels dies geschieht, desto besser können statische Lasten von
Oddytest und Gaschromatographie-Massenspektroskopie diesen Teilen abgefangen und austariert werden. Dabei ist
(GCMS)17 analysiert. Es zeigte sich, dass PET ohne Additive es sogar möglich, im 3D-Modell den Schwerpunkt des
als einziges Druckmaterial als weitgehend unproblematisch Objektes in einer bestimmten Position einfach zu bestim-
betrachtet werden kann, wobei auch erste Versuche mit men (Abbildung 11) und damit die Stütz- und Aufsteller-
PMMA-Filament vielversprechend sind (Pamer 2015). Konstruktion genau darauf auszurichten.
Bei der Auswahl der 3D-Drucktechnik und des dabei
verwendeten Materials sollte man sich vorher im Klaren ERGÄNZUNGEN – SCHUTZ BIS ZUR LETZTEN MINUTE
sein, ob das gedruckte Objekt in Kontakt mit empfindlichem Bei der (teilweise auch statischen) Ergänzung von Objekten
Kunst- und Kulturgut tritt, folglich Langzeit- und Material- geht vor allem ein möglichst neutraler optischer Eindruck
stabilität im Vordergrund stehen, oder ob man nur eine mit einer bestmöglichen Langzeitstabilität einher. Zudem
Kopie anfertigen möchte, um z.B. für eine Ausstellung zu sollte das Material auch soweit stabil sein, dass es die
planen oder eine Objektkopie selbst auszustellen. Bei letz- Objekte selbst nicht gefährdet. Grund dafür ist vor allem,
terem ist mit der hier genannten additiven Fertigungstech- dass Ergänzungen eines Objekts oft in sichtbaren Bereichen
nik eine unbegrenzte Reproduzierbarkeit möglich und die nötig sind, also der Form folgend oft fest mit einem Objekt
Problematiken um Material- und Langzeitstabilität werden verbunden werden sollen. Ergänzungen dienen dabei auch
hinfällig. häufig der Lesbarmachung eines ansonsten für Betrach-
ter_innen teilweise nur schwer erkennbaren Objektes in
OBJEKTAUFSTELLER UND STÜTZSTRUKTUREN – seiner Darstellung und/oder Funktion. Die Diskussion, wie
­GENAUIGKEIT AUF TASTENDRUCK und womit solche Ergänzungen umgesetzt werden sollten,
Objektaufsteller und Stützkonstruktionen dienen vor allem bildet dabei eine wiederkehrende Grundlage für teils grö-
dazu, einem Objekt, welches von sich aus nicht in einer ßere Forschungsvorhaben in der Restaurierung.18 Eine Mög-
bestimmten Position stehen oder liegen kann, Halt zu geben lichkeit, wie sie oft in der musealen Ausstellung und weniger
oder eben eine bestimmte Position einzunehmen. Daneben in der Denkmalpflege angewandt wird, ist dabei eine voll-
erfüllen Aufsteller und Stützstrukturen weitere Zwecke, wie kommen materialfremde Ergänzung, die lediglich die zu
eine bessere Handhabbarkeit besonders fragiler Objekte rekonstruierende Form aufgreift und das Objekt somit
oder die statische Unterstützung von ansonsten bruchge- optisch schließt.
fährdeten Bereichen. Die digitale 3D-Technik bietet zusätzliche Vorteile
Bei der Fertigung solcher Elemente muss immer auf beim Erstellen von Objektergänzungen und dem Rekonst-
die Form der betreffenden Objekte Rücksicht genommen ruieren von Fehlstellen bzw. fehlenden Objektteilen. Die
werden, was oft zu besonders langwierigen Fertigungspro- Grundformen von Stützkonstruktionen und Aufstellern
zessen führt, um eine möglichst gute Positionierung und können eher schlicht gewählt werden und dienen nicht unbe-
statische Stabilisierung des Objektes zu gewährleisten. Auch dingt der optischen Ergänzung des zu stützenden Objektes.
um das Objekt selbst nicht zusätzlich zu gefährden, erfolgt Ergänzungen von Fehlstellen müssen demgegenüber der
eine möglichst genaue Anpassung des Aufstellers an das Anforderung folgen, Formen aufzugreifen und gegebenen-
Objekt. Hierbei bietet die digitale 3D-Technologie beson- falls diese auch großteilig nachzubilden, da oft nur noch ein
dere Möglichkeiten. Ohne die teilweise fragilen Objekte kleinerer Teil des Objektes erhalten ist. Dabei kommt
wiederholt mechanischer Belastung auszusetzen, indem sie Anwender_innen wieder zu Gute, dass mehrere Versionen
im Fertigungsprozess mit einbezogen werden, um die oben dieser Ergänzungen an digitalen 3D-Modellen der Objekte
genannten Bedingungen zu erfüllen, geben sie den Restau- geplant und im Druck auch umgesetzt werden können. Dazu
ratorInnen die Möglichkeit, den Aufsteller digital am stehen verschiedene digitale Skulpturierungsprogramme
3D-Modell zu planen und anschließend auszugeben. Dabei zur Verfügung. So ist es möglich, bei geometrisch gespie-
gewinnt der Prozess vor allem durch seine Genauigkeit in gelten Bereichen Teile vom Original zu kopieren und sie an
der Wiedergabe von Oberflächenverläufen. anderer Stelle, auch gespiegelt aber originalgetreu, einzu-
Das vorgestellte FDM-3D-Druckverfahren bietet dabei fügen. In Fällen, in denen mehrere (ähnliche) Exemplare
Stufen von bis zu 0,1 mm Schichtdicken im Druck, wobei in eines Objektes in unterschiedlichen Sammlungen und
der praktischen Anwendung selbst 0,3 mm Schichtdicken Museen weltweit verstreut existieren – z.B. bei römischen
immer noch oft genauer sind als von Hand geformte Auf- Skulpturen oder Keramiken – können die fehlenden Teile
steller. Dabei kommt es weniger darauf an, wie bestimmte auf das zu bearbeitende Objekt projiziert werden und For-
Ebenen das Objekt berühren, sondern wie der gesamte Ver- scher_innen haben somit eine objektivere und durchaus
lauf einer Oberfläche, an der die Stützkonstruktion das schnellere Methode, Fehlteile zu ergänzen.
Objekt berührt, an der Auflage nachgebildet wird. Je genauer Wie auch beim Erstellen von Stützkonstruktionen oder

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Abb. 7 Dreiecksreduktion eines 3D-Oberflä- Abb. 8 Ansicht eines digitalen 3D-Modells
chenmodells mit benötigter Speicherka- einer renaissancezeitlichen Wappenta-
pazität vorher (links), nachher (Mitte) fel mit Inschrift – die Fototextur (links)
und mit geschlossener Darstellung der „simuliert" eine Qualität, die so nicht in
Dreiecke (rechts) – optisch ist zum der eigentlichen Oberfläche vorhanden
Vorzustand kaum ein Detailverlust zu ist (rechts).
verzeichnen. Fig. 8 View of a digital 3D model of a Renais-
Fig. 7 Triangle reduction of a 3D surface sance coat of arms with an inscription –
model with required storage capacity the photo texture (left) “simulates” a
before (left), after (center) and with quality that is not present in the actual
closed representation of the triangles surface (right).
(right) - visually there is hardly a loss of
detail to the pre-state.

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Aufstellern ist es möglich, das Modell des Originals mit Fehl- Die Innenseite ist mit dünnem Rauleder ausgeschlagen.
teilen vom vollständigerem Modell auszuschneiden, (Abbildung 12)
wodurch die Teile übrig bleiben, die beim Original fehlen. Nur der Kelch wird in der Dauerausstellung präsentiert
Dabei werden die Bruchkanten vom Original im Negativ und das Futteral verbleibt in den Depots der Landessamm-
auf die Fehlteile mit übertragen. lungen Niederösterreich, weswegen es wichtig wurde,
Erfahrungen in bereits durchgeführten Projekten sowohl für die unterschiedlichen Verwendungszwecke, als
haben gezeigt, dass die Qualität der Passgenauigkeit der auch für die heterogenen Materialgruppen die ideale kon-
Negativkanten sogar weit über die Qualität einer manuellen servatorische und restauratorische Vorgehensweise auszu-
Ergänzung hinausgeht und sich damit neue Prozesse in den wählen.19 Da das Etui für eine längere Zeitspanne leer ver-
Arbeitsablauf integrieren werden müssen. Da in einem wahrt wird, besteht ein Verformungsrisiko des hygroskopi-
3D-Scan auch kleinere Hinterschneidungen mit aufgenom- schen Korpus aus Holz. Um weiteren Deformierungen vor-
men werden und diese somit auch in der Ergänzung vor- zubeugen, sollte als Platzhalter ein formgebender Ersatz des
handen sind, ist die Form der Berührungskante so detailliert Kelches präventiv im Inneren der Hülle positioniert werden.
nachgebildet, dass sich die Ergänzung oft nicht ohne weite- Der Platzhalter sollte dabei mithilfe additiver Fertigungs-
res in eine Fehlstelle am Original einfügen lässt. In diesen verfahren in einem konservatorisch akzeptablen Material
Fällen müssen diese Hinterschneidungen reduziert werden, hergestellt werden.
die bei der händischen Fertigung mit Anpassen und Korri- Um jedoch ein brauchbares und druckbares 3D-Modell
gieren gar nicht vorhanden gewesen wären. des Landhauskelches zu generieren, musste zuerst die Her-
ausforderung gemeistert werden, die hochreflektierende
EIN 3D PLATZHALTER – EIN GLÄNZENDER KELCH Oberfläche digital dreidimensional zu erfassen. Jeder, der
UND SEIN LEDERFUTTERAL bereits Erfahrungen beim 3D-Scannen von Objekten hat,
Eine mittels digitaler 3D-Technologien gedruckte Kopie weiß, dass ein erfolgreiches Ergebnis bei der Aufnahme von
eines zu erhaltenden Objektes in der Funktion eines Platz- spiegelnden Oberflächen die Königsdisziplin darstellt. Mit
halters muss ähnlichen Anforderungen gerecht werden wie Hilfe eines speziellen 3D-Laserscangerätes20, dessen Flying-
die bereits erwähnten Beispiele des Objektaufstellers und Dot-Technologie21 die Erfassung der vergoldeten und silber-
der Ergänzung. Die Form des wiederzugebenden Objektes nen Oberflächen in höchster Detailgenauigkeit ermöglichte,
muss entsprechend der weiteren spezifischen Funktion im konnten die Anforderungen bewältigt werden. Der produ-
Druckverfahren so präzise wie möglich nachgebildet wer- zierte Datensatz wurde modifiziert und in Originalgröße
den. Besonderes Augenmerk liegt jedoch hier auf der sorg- gedruckt.22 Bei Scan und Druck wurde nicht auf die 100%ige
fältigen Auswahl des Druckmaterials, welches in weiterer Wiedergabe der filigranen ornamentalen Einzelheiten
Folge in direkten Kontakt mit originaler Substanz kommt geachtet, da diese Details für die Einpassung in das Futteral
und langfristig stabil bleiben sollte, ohne durch voranschrei- ohne Belang sind. Dieses erste Ergebnis des 3D-Platzhalters
tende Alterungsprozesse zusätzliche Probleme zu erzeugen. wurde von der ausführenden Firma aus Polylactid (PLA)
Ein konkretes Anwendungsbeispiel eines im Zuge eines hergestellt. Zwar wurde die raue Oberfläche des zweiteiligen
Restaurierungsprojektes innerhalb der Landessammlungen Druckes mit einem konservatorisch unbedenklichen Lack
Niederösterreich durch 3D-Druckverfahren hergestellten isoliert, um etwaige Ausdünstungen des Kunststoffes inner-
Platzhalters sowie mögliche Herausforderungen der drei- halb des Futterals zu vermeiden, jedoch ergaben die ver-
dimensionalen Digitalisierung von hoch reflektierenden tiefte Auseinandersetzung und die Forschungsergebnisse
Oberflächen sollen hier Erwähnung finden. der Oddytests und GC/MS-Analysen massive Risiken bei
Im Zuge des 2018 neu eröffneten „Hauses der der Verwendung von PLA-Drucken 23 in direktem Kontakt
Geschichte“ im Museum Niederösterreich in St. Pölten und mit Kunstwerken (siehe auch Punkt 2.2).
der damit einhergehenden Neukonzeption von weitläufigen Basierend auf den bisherigen Ergebnissen und Erfah-
Dauerausstellungsbereichen war ein barockes liturgisches rungen, die sowohl die Langzeitstabilität als auch die Ver-
Gefäß, der sogenannte Landhauskelch, für eine dauerhafte arbeitungseigenschaften und somit Anwendbarkeit berück-
Präsentation ausgewählt worden. Der 28 cm hohe Kelch sichtigen, fiel die Wahl auf ein PMMA-Filament (Pamer
wurde aus Silber getrieben, ist partiell vergoldet und mit 2015). Das Acrylglas mit Weißmattoptik kann mit Langzeit-
kunstvoll gestalteten Applikationen christlicher Ikonografie stabilität und einer guten Verträglichkeit gegenüber Origi-
verziert. Das dazugehörende zweiteilige Futteral entspricht nalmaterialien aufwarten. Nachteile liegen hier lediglich
in seiner gesamten Form, wie es für Lederhüllen des 18. Jh. innerhalb der Anwendung aufgrund von hohen Verarbei-
üblich ist, der Vorgabe des innenliegenden Kelches. Ein tungstemperaturen. Die Drucktemperatur liegt bei ca.
Weichholzkorpus sorgt für die Stabilität der Hülle, deren 265°C und die Druckbetttemperatur bei 110°C und einer
Außenseite mit rötlichbraunem Ziegenleder bespannt ist. längeren Verarbeitungszeit als beispielsweise bei PLA. Als

140
Abb. 9 Schematische Darstellung eines FDM- Abb.10 Mit Holzmehl gefülltes PLA-Filament Abb. 11 Schwerpunktermittlung einer Bronze-
3D-Druckers. der Firma ColorFabb. statue des Petrus zur Berechnung einer
Fig. 9 Schematic representation of an FDM Fig.10 Wood flour filled PLA filament from möglichen Stützkonstruktion.
3D printer. ColorFabb. Fig. 11 Determining the center of gravity of a
bronze statue of Saint Peter for the
calculation of a possible supporting
structure.

178 dpi

RESTAURATORENBLÄTTER
PAPERS IN CONSERVATION № 37 141
zusätzliche Verbesserung wurde die digitale Datei noch vor
dem Druck modifiziert. Der Kelch wurde in drei Elemente
geteilt und mit Steckverbindungen versehen. Diese sollten
dann bei der Verbindung der gedruckten Teile das Einbrin-
gen eines zusätzlichen Klebemittels auf ein Minimum redu-
zieren oder sogar völlig vermeidbar machen. 24 Zusätzlich
wird so die Objektsicherheit und Stabilität erhöht (Abbil-
dung 13).

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK – CHANCEN


UND HERAUSFORDERUNGEN
Die laufend anwachsenden Erfahrungen im Umgang mit
digitalen 3D-Technologien in der Restaurierung – von der
Digitalisierung, über die Verarbeitung bis hin zur Ausgabe
– zeigen, dass wir bereits einen gewissen Erfahrungsschatz
besitzen, der uns hilft, die Anwendungen dieser Technolo-
gien und ihre Vor- und Nachteile besser abschätzen können.
Es ist allerdings immer noch ein weiter Weg, bevor man
davon sprechen kann, dass solche Anwendungen in allge-
meinem Arbeitsalltag der Restaurierung angekommen sind.
Vor allem muss das Bewusstsein über tatsächliche Quali-
täten von Methoden geschaffen werden, um einschätzen zu
können, inwieweit sich eine Anwendung für das konkrete
Problem eignet. Dabei sollten wir uns nicht Qualitäten ver-
kaufen lassen, die am Ende keine sind.
Ob diese Technologien am Ende wirklich Teil der res-
tauratorischen Praxis werden, wird sich zeigen – eine grund-
sätzlich ablehnende Haltung sollte aber vermieden werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann man mit Sicherheit sagen, dass
sich einige Anwendungen bereits bewährt haben. Es ist dem-
nach der nächste logische Schritt, dass wir uns als Restau-
ratorinnen und Restauratoren selbst in die Lage versetzen
– gleich unserer sonstigen Arbeitsweise, Methoden anderer
Bereiche zu adaptieren – diese Methoden in unser Repertoire
aufzunehmen und selbst anzuwenden. Nur wenn wir die
Scheu vor dem Neuen verlieren und anfangen, es für uns
selbst nutzbar zu machen, kommen wir auch in den ange-
strebten ökonomischen Bereich. Weg also von kostspieligen
Kooperationsprojekten, die bisher den Weg der Technologie
geebnet haben und sie auch oft ausmachten. Die Möglich-
keiten sind vielseitig und neue Entwicklungen, die uns die
Anwendung auch leichter und günstiger machen werden,
sind bereits in den Startlöchern. Es liegt also nun an uns,
herauszufinden, ob und wie wir uns das zu Nutze machen!

142
Abb.12 Der Landhauskelch vor dem geöffneten Abb.13 Der dreiteilige 3D-Platzhalter mit einge-
Lederfutteral. bauten Steckverbindungen aus PMMA
Fig. 12 The silver goblet in front of the opened im originalen Lederfutteral.
original leather case. Fig. 13 The placeholder made of three parts,
which can be assembled to each other.

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PAPERS IN CONSERVATION № 37 143
English Summary

Digital 3D scanning and printing technologies are increas-


ingly used in the field of conservation and restoration in
various projects. Still, many conservators and restorers are
very reluctant to use this technology, while others are very
enthusiastic about using it without first considering its use-
fulness beforehand. This article is based on several years
of experience in using these technologies for conservation
and restoration. It attempts to reduce the inhibition to apply
digital 3D technologies and to combine properties of differ-
ent technologies with additional information on their appli-
cation. Following an introduction to different digital 3D
scanning technologies, their further processing and han-
dling, up to their output from a 3D printer, some practical
examples from selected projects are presented in the text.
The aim is to motivate conservators and restorers – working
at institutions, museums, or freelance – to apply these tech-
niques themselves. Nevertheless, the possibilities and lim-
its of these 3D technologies have to be pointed out as well,
for example when working with a large amount of data or
unknown printing materials on the market.
As an example for 3D printing, a placeholder, produced
as a result of a conservation project at the State Collections
of Lower Austria is mentioned, as well as the challenges for
the 3D scan of highly reflective surfaces during this project.
This 3D printed copy of an object functioning as a place-
holder had to fulfil appropriate specifications similar to
those of supports and additions for storage and display of
museum objects. The shape of the copied object must be
reproduced as precisely as possible in order to its future
function. A careful selection of the printing material in terms
of detail resemblance abilities and of long term stability is
required, since it will be in direct contact to the case which
is part of the original object. Based on previous results and
experiences, considering both the long-term stability and
the processing properties and thus applicability, polymethyl
methacrylate (PMMA) filament and Fused Deposition Mod-
elling (FDM) as 3D printing technique were chosen.

144

ANMERKUNGEN 8 So genanntes Object file. 3D-Druckgerät: Spectrum Z#TM# 510.
NOTES 9 Standard Triangulation Language. 23 Auch die weiteren Zusatzstoffe des
10 Polygon File Format. Druckes wie z.B. Bisphenol A und Weich-
1 Alternativ seien dazu die analoge Stereo- 11 Von Punktwolken spricht man im Zusam- macher sind als hochgradig ungeeignet
skopie und Photogrammmetrie genannt. menhang mit digitalen 3D-Technologien bis hin zu gesundheitsgefährdend und
Erstere war bereits um 1900 bekannt immer bei digitalen Koordinaten, die in stabilitätsmindernd einzustufen.
und vermittelte durch zwei mit Augenab- Relation zueinander stehen. Punktwol- 24 Der zweite Platzhalter wurde durch die
stand aufgenommene Bilder den ken bestehen also aus einer größeren CulturARTis GbR, Grimma bei Leipzig
Betrachter_innen dieser Doppelbilder Anzahl von digitalen Raumkoordinaten/- ausgeführt (www.culturartis.de).
einen räumlichen Eindruck der aufge- punkten die im Fachjargon auch Voxel
nommenen Situation. Die Photogramm- genannt werden (im Vergleich zu Pixel
metrie geht dabei noch weiter und bei Bildpunkten auf einer zweidimensio-
ermöglichte es auch, bei bekannten nalen Ebene).
Kamerapositionen und Filmgrößen, 12 Detaillierte Informationen über die
genaue Oberflächenprofilpläne zu erstel- unterschiedlichen 3D-Drucktechniken
len. Dies fand vor allem bei militärischen bieten: Fastermann 2014, Novakova und
Überflügen, bei der Landvermessung, Kuric 2012, Breuninger 2013.
aber auch in der Dokumentation von 13 Auch “stair-step effect” oder “stair-case
historischen Gebäuden Anwendung effect” genannt.
(siehe dazu als herausragendes analoges 14 Genaue Zusammensetzungen und
Beispiel die photogrammetrische Doku- Bestandteile werden von den Herstellern
mentation des kleinen Tempels von Abu nur bedingt genannt und auch auf Nach-
Simbel / Ägypten bei seiner Versetzung frage aufgrund von Herstellergeheimnis-
zum Schutz vor dem entstehenden sen nicht offen dargelegt.
Assuan-Staudamm (Desroches-Noble- 15 PLA gehört zu den „Abbaubaren, auf
court und Kuentz 1968). Die Grundlagen nachwachsenden Rohstoffen basieren-
dieser analogen Anwendungen finden den Polymeren. Diese Werkstoffe
sich auch bei den digitalen Methoden werden aus nachwachsenden Rohstof-
wieder. fen synthetisiert und sind kompostier-
2 Virtual Reality (VR) – basiert auf dem bar“ (Hirth 2012: 1312).
Prinzip der analogen Stereoskopie, 16 Basierend auch auf den Oddy-Testergeb-
indem zwei Bilder im Augenabstand von nissen in Pamer 2015.
dem digitalen 3D-Modell berechnet und 17 Die GC/MS-Analysen wurden an der
in der „Brille“ auf zwei Bildschirmen oder Bundesanstalt für Materialprüfung und
direkt nebeneinander wiedergegeben Forschung (BAM) Berlin unter der Anlei-
werden, so dass unser Auge beide tung von Dr. Olaf Wilke gemacht.
Aufnahmen parallel aufnimmt und diese 18 Als Beispiele: Hamann 2005, Bauer und
dann im Gehirn zu einem dreidimensio- Praus 2011 und Gatzsche 2015.
nalen Körper wieder „zusammensetzt“. 19 Im vorliegenden Bericht werden die
3 In diesem Falle bezeichnet Textur die konservatorischen und restauratori-
Farbigkeit der Oberfläche, wobei Textur schen Maßnahmen an dem Landhaus-
im Bereich der 3D-Technik dazu benutzt kelch außer Acht gelassen. Detaillierte
wird, Oberflächenbeschaffenheiten zu Informationen sind nachzulesen unter:
imitieren, um die Dateigrößen der Weixelbaumer, Eleonora: Eine neue Fülle
Modelle möglichst gering zu halten, aber für die Fülle. Zur Konservierung und
den optischen Eindruck des Objektes Restaurierung des Landhauskelches und
möglichst komplex und natürlich wirken seines historischen Lederfutterals in:
zu lassen. Laussegger, Armin; Sam, Sandra (Hg.):
4 Referenzlängen können entweder direkt Tätigkeitsbericht 2017 der Landessamm-
am zu digitaliserenden Objekt abgelesen lungen Niederösterreich und des Zent-
werden oder anhand eines Gegenstan- rums für Museale Sammlungswissen-
des, der neben die zu digitaliserende schaften, Krems 2018, S. 166-171.
Oberfläche gelegt wird (Maßstab, oder 20 Der Scan wurde mit dem Scanner HP-L-
auch ein einfaches Holzbrett dessen 20.8 durch die Firma Hexagon erstellt.
Dimensionen möglichst genau manuell Die Durchführung des Scans erfolgte in
abgemessen werden). Im 3D-Modell wird Unterstützung von Boris Stummer, Amt
diese Strecke dann gemessen und den der NÖ Landesregierung Abteilung
realen Dimensionen ins Verhältnis Hydrologie und Geoinformation, 3D
gesetzt. Mit dem berechneten Verhältnis Scan, Datenaufbereitung und Fotografie.
wird das Modell entsprechend skaliert. 21 Bei der so genannten „Flying-Dot-Tech-
Beispiel: Länge im Modell 45 cm, reale nologie“ werden einzelne Messstrahlen
Länge 1 m, Verhältnis: ca. 2,22222. Das mittels Laser auf das Objekt geworfen
Modell muss um den Faktor 2,22222 und durch deren Reflektion kann die
skaliert werden. Entfernung der Oberfläche zum Gerät
5 Messpunkte kommen vor allem bei bestimmt werden. Ähnlich verhält es
größeren Flächen und Architekturele- sich bei der Vermessung mittels Total-
menten zum Einsatz und werden mittels station, bei der durch die Dauer des
Totalstation / Tachimeter aufgenommen Laserstrahles vom Aussenden bis zur
und können so auch in bestehende Wiederaufnahme des reflektierten
(Welt-) Koordinatensysteme übertragen Strahles innerhalb eines bekannten
werden. Systems Messpunkte ermittelt werden
6 Tagged Image File Format. können.
7 JPEG ist dabei die Abkürzung für Joint 22 Diese Arbeiten wurden von 7reasons
Photographic Experts Group, die das Medien GmbH, Absdorf Niederösterreich
Format dereinst standardisiert hat. (www.7reasons.net) durchgeführt.

RESTAURATORENBLÄTTER
PAPERS IN CONSERVATION № 37 145

QUELLEN unveröffentlichte Masterarbeit an der
MATERIALIEN UND GERÄTE
SOURCES HTW Berlin 2015
3D Laserscanner: Scanner HP-L-20.8, c/o
Bauer, Thomas/Prau, Mark: 3D Scannen statt Hexagon Metrology GmbH, Brown-
Zeichnen, Ein Anwenderbericht, PDF Boveri-Straße 8, 2351 Wiener Neudorf
11/2011, Berlin 2011 3D-Druckgerät: Spectrum ZTM 510, 7reasons
Baumgärtner, Sebastian: FDM-3D-Druck: ABS Medien GmbH, Sachensplatz 4 – 6 | 1200
oder PLA? Was sind die Unterschiede, Wien
2014. http://3druck.com/lieferanten-
haendler/fdm-3d-druck-abs-oder-pla-
sind-dieunterschiede-2020380/ (Stand
28.09.2015)
Breuninger, Janis/Becker, Ralf/Wolf, Andreas/
Rommel, Steve/Verl, Alexander: Genera-
tive Fertigung mit Kunststoffen. Konzep-
tion und Konstruktion für SelektivesLa-
sersintern, Berlin 2013
Coon, Carolien/Thomas, Llewelyn Jacob/Strlic,
Matija: Assesment of microfading as a
tool for the rapid identification of photo-
sensitive polymer based additive manu-
facturing materials. Munich Future Talks
lecture 2017
Desroches-Noblecourt, Christiane/Kuentz,
Charles: Le petit Temple d’Abou Simbel,
Nofretari pour qui se lève le Dieu-Soleil, I
Étude Archéologique et Épigraphique
Essai d’Interprétation, II Plaches, Kairo
1968
Fastermann, Petra: 3D-Drucken. Wie die gene-
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Haghi, Nevin Hill Mehrdad: Deposition direc-
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ten Tafelbildes durch eine Aramidwaben-
platte, Anwendung von 3D-Lasertechno-
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tauro, Zeitschrift für Restaurierung,
Denkmalpflege und Museumstech-
nik<k>, Ausgabe 2, München 2005, S.
104-111
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Koltzenburg, Sebastian/Maskos, Michael/
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Eigenschaften und Anwendungen, Berlin
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bedeutsame Ausstattungsstücke aus
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haus, Wien 2006, S. 230
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verarbeitung, München 2010
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Pamer, Irene: Anwendungsmöglichkeiten des
Fused Deposition Modeling (FDM) in der
Restaurierung. Analyse und Adaption,

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