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in der Automobilindustrie
Gerhard Hab • Reinhard Wagner
Projektmanagement
in der Automobilindustrie
Effizientes Management
von Fahrzeugprojekten
entlang der Wertschöpfungskette
Springer Gabler
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2004, 2006, 2010, 2013
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Vorwort zur 4. Auflage
Die Automobilindustrie hat in den letzten beiden Jahren wieder zur gewohnten Stärke
zurückgefunden. Die konjunkturelle Delle der Jahre 2008 und 2009 mit dramatischen
Absatzeinbrüchen in nahezu allen Segmenten und Ländern scheint vergessen zu sein.
Allerdings hat der Markt in Nordamerika noch längst nicht zur alten Stärke zurückge-
funden. Zudem schwächelt der Absatz im krisengeschüttelten Westeuropa. Selbst das
außergewöhnliche Wachstum in China scheint sich langsam aber sicher dem Ende
zuzuneigen. Neue, attraktive Absatzmärkte abseits von Triade und BRIC-Staaten sind
erst im Entstehen.
Es kommt heute also vor allem auf ein überzeugendes Angebot und ein geschicktes
Management an, um im internationalen Verdrängungswettbewerb erfolgreich zu sein -
und beides scheint bei den meisten Unternehmen der deutschen Automobilindustrie
momentan reichlich vorhanden zu sein! In Manager-Magazinen häufen sich Berichte
über die Stärken deutscher Unternehmen und ihrer Manager. Vom Streben nach Qua-
lität und Perfektion, von Präzision, Verlässlichkeit und von der Liebe zum Detail ist
dann die Rede. Dabei wird häufig vergessen, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr
ausreicht, nur technisch perfekt zu sein, sondern es immer mehr auch auf die Fähig-
keit zum Management der Projekte ankommt.
Innovative und qualitativ hochwertige Fahrzeuge müssen in kurzer Zeit unter Einsatz
möglichst geringer Ressourcen auf den Markt gebracht werden. Eine Sisyphusarbeit,
die höchste Professionalität erfordert. Erfreulicherweise haben viele Unternehmen in
den letzten Monaten wieder verstärkt ins Projektmanagement investiert. Neben der
Weiterbildung der Projektmanager werden zunehmend auch die Verbesserung inner-
betrieblicher Projektmanagement-Standards sowie das Multiprojektmanagement als
wichtige Hebel zur Steigerung von Effektivität und Effizienz gesehen. Das sind ermu-
tigende Signale, allerdings bleibt noch viel zu tun.
V
Vorwort zur 1. Auflage
Schon wieder ein Buch zum Projektmanagement? So könnte der erste Eindruck bei der
flüchtigen Lektüre des Titels sein. Wir wollten aber nicht der großen Zahl an PM-
Fachliteratur noch ein weiteres Grundlagen-Werk hinzufügen. Vielmehr ging es uns
darum, einen praxisorientierten Leitfaden über das Projektmanagement in einer spezi-
fischen Branche, nämlich der Automobilindustrie, zu schreiben – ein weißer Fleck in
der Fachliteratur, wie wir festgestellt haben! Damit wollen wir den Fach- und Füh-
rungskräften bei Automobilherstellern, -zulieferern und -dienstleistern spezifisches
Know- how für die Praxis im Projektmanagement zur Verfügung stellen.
In Kapitel 1 haben wir deshalb die wichtigsten Trends in der Automobilindustrie so-
wie die Anforderungen und Erfolgsfaktoren für das Projektmanagement dargestellt.
Auf dieser Basis entwickeln wir dann in den zentralen Kapiteln 2 bis 4 die aus unserer
Sicht wichtigsten Aspekte des Projektmanagements in der Automobilindustrie. Kapitel
2 beschäftigt sich mit dem Management von einzelnen Automotive-Projekten („Single-
Projektmanagement“), Kapitel 3 mit dem Management von mehreren Automotive-
Projekten („Multi-Projektmanagement“) und Kapitel 4 mit dem Management von
unternehmensübergreifenden Automotive-Projekten („Cross-Company-Collaboration-
Projektmanagement“). Zur besseren Orientierung haben wir einen einheitlichen Auf-
bau der Kapitel gewählt, der neben den wichtigsten Rahmenbedingungen auch die
einzelnen Phasen im Projektablauf wiedergibt. Kapitel 5 fasst die wesentlichen Aussa-
gen des Buches noch einmal zusammen und zeigt die zukünftigen Herausforderungen
für das Projektmanagement in der Automobilindustrie auf.
VI
Vorwort zur 1. Auflage
An dieser Stelle möchten wir uns deshalb bei all denjenigen bedanken, die uns dabei
geholfen haben diese Erfahrungen zu sammeln oder mit uns im Dialog über das The-
ma Projektmanagement waren. Wir würden uns natürlich sehr freuen, diesen Dialog
auch in Zukunft weiter fortzuführen. Vieles ist noch nicht zu Ende gedacht und nur
durch eine intensive Auseinandersetzung werden wir es gemeinsam zur Reife bringen.
Wir freuen uns über alle Anregungen und Rückmeldungen.
Besonderer Dank gilt unseren Familien, die es uns ermöglicht haben, neben dem nor-
malen Tagesgeschäft an diesem Buch zu arbeiten.
VII
Geleitwort zur 1. Auflage
Es gibt "zwei Dinge, auf denen das Wohlgelingen in allen Verhältnissen beruht. Das
eine ist, dass Zweck und Ziel der Tätigkeit richtig bestimmt sind. Das andere aber
besteht darin, die zu diesem Endziel führenden Handlungen zu finden." Das sagte der
griechische Philosoph Aristoteles. Offenbar wusste man also schon vor fast 2.000 Jah-
ren, was Projektmanagement im Kern bedeutet. Im Grunde hat diese Definition nichts
an Aktualität verloren. Nur die Projekte sind komplexer geworden, wobei dieser Pro-
zess heute durch die Globalisierung kräftig angetrieben wird.
Das gilt auch für die Automobilindustrie, die als Global Player diese Entwicklung zum
einen mit voranbringt und gestaltet und zum anderen ganz entscheidend von ihr
geprägt wird. So durchläuft unsere Branche strukturelle Umwandlungsprozesse, die
sich auf alle Bereiche von der Produktentstehung bis hin zum Vertrieb auswirken. Der
Wettbewerbsdruck wird stärker. Innovations- und Marktzyklen werden kürzer.
Marktspezifische Produkte müssen in kürzerer Zeit zu attraktiven Preisen und in
hervorragender Qualität entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Zudem gilt
es in unserer globalen Branche, geographische, zeitliche, kulturelle und sprachliche
Barrieren zu überwinden. Diese neuen Herausforderungen kann man nur schwer oder
gar nicht mit klassischen Vorgehensweisen in Angriff nehmen und umsetzen. Genau
so, wie sich Produkte verändern und an die Ansprüche der Kunden angepasst wer-
den, müssen auch die Prozesse, die bei der Produktidee beginnen und sich über die
Entwicklung und Produktion bis hin zur Vermarktung ziehen, neu gesteuert werden.
Was ist heute wichtig? Voraussetzung ist zuerst einmal, dass die Bedeutung eines
effektiven Projektmanagements erkannt wird. Außerdem muss das Projekt mit dem
entsprechenden Zeitvorlauf in Gang gebracht werden, damit der Projektmanager -
weil zu spät eingesetzt - nicht zum Trouble Shooter wird. Das würde letztlich wie in
einer Kettenreaktion zu noch mehr Feuerlöschaktionen führen. Dann kommt es darauf
an, Projektziele klar zu definieren und zeitgemäße Methoden und Organisationsfor-
men zum Einsatz zu bringen. Projektcontrolling, Qualitätsmanagement oder Risiko-
management sind hier wichtige Teilbereiche des Projektmanagements. Es geht aber
auch - und das darf nicht unterbewertet werden - um Mitarbeiterführung, Motivation
und Kommunikation.
All dies stellt neue Herausforderungen an das in unserer Branche weit verbreitete
Berufsbild des Ingenieurs, das ohnehin schon lange nicht mehr dem Cliché des einsa-
men Tüftlers und Entwicklers entspricht. Besonders in global tätigen Unternehmen
müssen Ingenieure aber noch weiter über den Tellerrand ihres Fachgebietes hinaus-
schauen und die Aufgaben von Projektmanagern übernehmen.
IX
Geleitwort zur 1. Auflage
Damit sind sie nicht mehr nur für einzelne fachliche Komponenten, sondern für ein
Projekt in seiner Ganzheit - für Kosten, Technik, Termine, Qualität und Kundenzufrie-
denheit - verantwortlich.
Das kann nur dann zum Erfolg führen, wenn das Projektmanagement akzeptiert und
mit den gewachsenen Strukturen eines Unternehmens in Einklang gebracht wird so-
wie Projektmanager ausgebildet und gefördert werden. Für die Automobilindustrie
sind aufgrund ihrer Internationalität und ihrer Rolle als Schwergewicht in Sachen
Wirtschaftskraft, aber auch wegen des scharfen Wettbewerbs und der hohen Taktzah-
len, in denen hier agiert wird, effizientes Projektmanagement und fähige Projektma-
nager der Schlüssel für den künftigen Erfolg. Das Potenzial an fähigen Mitarbeitern ist
zweifellos vorhanden und der Bedarf noch nicht gedeckt.
Dieses Buch gibt einen Einblick in die zentralen Elemente des modernen Projektmana-
gements und soll helfen, diese in einem Unternehmen zu etablieren und weiterzuent-
wickeln. Ich hoffe, dass die Leser den einzelnen Beiträgen viele zündende Ideen ent-
nehmen und diese nutzbringend in die Praxis umsetzen können.
X
Inhaltsübersicht
Vorwort V
Geleitwort IX
Inhaltsübersicht XI
Inhaltsverzeichnis XIV
Abkürzungsverzeichnis XXI
Automobilindustrie 26
Projekt 46
XI
Inhaltsübersicht
(Projektportfolio-Management) 223
(Programm-Management) 238
XII
Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis 365
Abbildungsverzeichnis 373
Stichwortverzeichnis 385
XIII
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Geleitwort IX
Inhaltsübersicht XI
Inhaltsverzeichnis XIV
Abkürzungsverzeichnis XXI
beteiligten 44
XIV
Inhaltsverzeichnis
2.4.4 Projektübergabe 70
XV
Inhaltsverzeichnis
maßnahmen 162
Projektmanagement 200
im Automobilunternehmen 207
Multi-Projektmanagements 208
im Multi-Projektmanagement 216
XVI
Inhaltsverzeichnis
(Projektportfolio-Management) 223
(Programm-Management) 238
industrie 238
XVII
Inhaltsverzeichnis
Kostenplanung 294
Projekten 299
steuerung 301
XVIII
Inhaltsverzeichnis
industrie 313
XIX
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis 365
Abbildungsverzeichnis 373
Stichwortverzeichnis 385
XX
Abkürzungsverzeichnis
AP Arbeitspaket
C3PM Cross-Company-Collaboration-Projektmanagement
EDL Entwicklungsdienstleister
GM General Motors
XXI
Abkürzungsverzeichnis
IT Informationstechnik
KBA Kraftfahrt-Bundesamt
Kfz Kraftfahrzeug
KM Konfigurationsmanagement
MPM Multi-Projektmanagement
MTA Meilensteintrendanalyse
Nfz Nutzfahrzeug
PEP Produktentstehungsprozess
Pkw Personenkraftwagen
PL Projektleiter
PM Projektmanagement
PMM Programm-Management
PPM Projektportfolio-Management
PPS Produktionsplanungssystem
QM Qualitätsmanagement
QSV Qualitätssicherungsvereinbarungen
SE Simultaneous Engineering
XXII
1 Projektmanagement als
Herausforderung in einer
dynamischen Branche
Die Automobilindustrie hat in den letzten vierzig Jahren eine wahre Erfolgsgeschichte
geschrieben. So hat sich beispielsweise der Fahrzeugbestand in Deutschland von ca. 14
Millionen im Jahr 1970 auf heute knapp über 50 Millionen mehr als verdreifacht (vgl.
Abbildung 1-1). 1 Damit stieg die Fahrzeugdichte im gleichen Zeitraum von 229 Kfz
auf heute über 612 Kfz je 1000 Einwohner an. International ist eine ähnliche Entwick-
lung zu beobachten. Vor allem durch die hohen Wachstumsraten in Ländern wie Chi-
na, Indien und Brasilien wuchs der Fahrzeugbestand auf nahezu eine Milliarde Fahr-
zeuge weltweit an. Diese Entwicklung hat Automobilherstellern wie Zulieferern
bislang enorme Wachstumsraten beschert. Insbesondere im Premium-Segment konn-
ten die deutschen Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes, Porsche und Co. ihren Markt-
anteil aufgrund hervorragender Qualität, innovativer Technologien und einer großen
Zuverlässigkeit stetig ausbauen. „Made in Germany“ und „German Engineering“
galten dabei immer als Basis für den weltweiten Erfolg deutscher Unternehmen.
60
50
40
30
20
10
0
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
1 Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
1
G. Hab, R. Wagner, Projektmanagement in der Automobilindustrie,
DOI 10.1007/978-3-8349-4369-9_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Im Herbst 2008 legte die Automobilindustrie allerdings eine „Vollbremsung“ hin. 2
Nach der Finanz- bzw. Immobilienkrise in den USA und dem Zusammenbruch mehre-
rer großen Banken brach auch die Nachfrage nach Automobilen weltweit drastisch ein.
Die deutschen Hersteller konnten sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Hatten sie
in den vorangegangenen Jahren die Schwäche in den Triade-Märkten USA, West-
Europa und Japan noch durch Wachstum in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland,
Indien und China) ausgleichen können, so ging auch hier plötzlich nichts mehr. Die
global aufgestellte Branche durchlebt eine der schwierigsten Phasen der letzten (sehr
erfolgreichen) Dekaden.
Experten hatten schon längere Zeit vor einem Crash gewarnt. 3 Sie führen strukturelle
Probleme in der Autoindustrie und gravierende Managementfehler als Hauptursachen
für die Misere an. So werden die Überkapazitäten der weltweiten Automobilindustrie,
die verfehlte Modellpolitik mit dem Trend zu immer größeren, wenig umweltscho-
nenden Fahrzeugen und die zu geringe Profitabilität von Volumenherstellern wie auch
Zulieferern gerügt. 4
In der Krise mussten dann wohl oder übel die Kapazitäten massiv heruntergefahren
und gleichzeitig neue, sparsamere Modelle entwickelt werden. Dies kostet natürlich
zusätzliches Geld, Geld das aufgrund einer oft zu geringen Profitabilität fehlte und am
Kapitalmarkt nicht mehr zu beschaffen war. Diesem Teufelskreis fielen zahlreiche,
auch namhafte, Unternehmen zum Opfer.
Die Krise hat auch die deutschen Player hart getroffen. Spezialisiert auf das Premium-
Segment, blieben plötzlich zahlungskräftige Kunden weg, was zu Verlustmeldungen
bei BMW, Mercedes & Co. sorgte, die daraufhin flächendeckend mit Kurzarbeit und
harten Einschnitten reagierten. Volkswagen und Opel konnten temporär von der
„Abwrackprämie“ profitieren. Die staatliche Stützungsaktion für 2 Mio. geförderte
Fahrzeuge löste eine Sonderkonjunktur bei Klein- und Kleinstwagen aus und half, die
Zahl der deutschen Neuzulassungen in 2009 zu stabilisieren.
2
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
1.1
VDA-Präsident Wissmann geht davon aus, dass die deutsche Autobranche stärker aus
der derzeitigen Krise hervorgehen wird und sieht sogar Chancen: „Die weltweite
Wirtschafts- und Finanzkrise wirkt sich nun auch schmerzhaft auf die Automobilin-
dustrie aus. Die Unternehmen handeln entschlossen und passen ihre Produktion in-
nerhalb kürzester Zeit an die rückläufige Nachfrage an. Hierzu sind der Abbau von
Arbeitszeitkonten, verlängerte Werksferien und teilweise auch Kurzarbeit notwendig.
Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die deutschen Hersteller und Zulieferer mit
ihrer Innovationskraft und ihren hervorragenden Produkten schneller und stärker als
andere aus dieser Krise hervorgehen werden." 5
Allerdings haben die Auswirkungen der Globalisierung nicht Halt vor der Automobil-
industrie gemacht. So hat es in den letzten Jahrzehnten auf Seiten der Automobilher-
steller eine dramatische Konzentrationsbewegung gegeben. Existierten 1964 noch 52
selbständige Hersteller, so hat sich deren Zahl bis heute auf ein Dutzend global tätige,
unabhängige Konzerne reduziert. In Schwellenländern wie z.B. China und Indien
etablieren sich zwar zunehmend neue Anbieter, allerdings sind deren Versuche, sich
auf der internationalen Bühne zu betätigen, bislang noch nicht sonderlich erfolgreich.
3
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Die Krise traf auch die Zulieferer hart. So mussten allein in Deutschland 2008 und 2009
mehrere Dutzend Unternehmen Insolvenz anmelden, die Gewinne bei den restlichen
Unternehmen fielen zumeist negativ aus. Es wird verstärkt zu Zusammenschlüssen
(wie z.B. Continental/Schaeffler oder Webasto/Edscha) kommen und neue Geschäfts-
modelle geben. Experten konstatieren, dass deutsche Zulieferer aufgrund ihrer Inno-
vationskraft und ihres unternehmerischen Handelns stärker als ihre Wettbewerber aus
der Krise hervorgehen werden. Auch wenn sich Umsatz und Ergebnis erst wieder 2014
auf dem Niveau von 2007 einpendeln werden, so profitieren die Zulieferer vom hohen
Anteil an der automobilen Wertschöpfung. 9
903
weltweit in Mrd. €
645
700 Zulieferer
(77%) inkl. Dienstleister
417
(65%)
Allerdings haben die Original Equipment Manufacturer (OEM) in letzter Zeit wieder
verstärkt Kapazitäten ins eigene Unternehmen zurückgeholt, so z.B. Entwicklung und
Fertigung von Derivaten wie Sport- und Geländewagen, die keine großen Stückzahlen
bringen, nichtsdestotrotz mit einer hohen Flexibilität zusammen mit anderen Model-
len auf einem Band montiert werden können.
9 Pressemitteilung von VDA und Oliver Wyman, Frankfurt am Main/München, 19. Mai 2009
10 vgl. die Studie „Future Automotive Industry Structure (FAST) 2015“ von Oliver Wyman
(vormals) Mercer Management Consulting und Fraunhofer Gesellschaft, München, 2003
4
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
1.1
Technologische Veränderungen bewirken auch ein Umdenken bei den OEM, was die
eigenen Kernkompetenzen angeht. Vor allem im Bereich Elektrik/Elektronik nehmen
die Hersteller wieder verstärkt selbst das Ruder in die Hand. Der Entwicklungsleiter
für Elektrofahrzeuge bei Daimler geht sogar noch einen Schritt weiter: „Getriebesteue-
rungen entwickeln wir heute zu 100% selbst. Bei Motorsteuerungen wird das ab 2012
der Fall sein und die Power Control Units für Hybrid- und Elektroautos entwickeln
wir ebenfalls inhouse.“ 11 Volkswagen reagiert auch bei konventioneller Technik mit
einer Erhöhung des Eigenanteils. Durch eine bessere Auslastung der eigenen Kompo-
nentenwerke mit Ingenieur-Leistungen, Produktion, Prototypen- und Werkzeugbau
soll eine jährliche Produktivitätssteigerung von zehn Prozent realisiert werden. 12 Es
bleibt also abzuwarten, wie sich die Wertschöpfungsanteile zukünftig weiter entwi-
ckeln werden.
Das Stichwort „Elektroauto“ macht deutlich, dass sich für Hersteller wie Zulieferer die
strategischen Schwerpunkte verschoben haben. Waren in den letzten Jahren Themen
wie z.B. die Ausweitung der Modellpaletten, die Verbesserung der Produktqualität,
die globale Aufstellung und Verknüpfung von Wertschöpfungsketten im Zentrum des
Interesses, steht die Automobilindustrie heute am Beginn einer technologischen Zei-
tenwende. „Erstmals in der mehr als hundertjährigen Geschichte des Automobils
bestehen realistische Chancen, dass fossile Kraftstoffe beim Antrieb der Fahrzeuge
nicht mehr die alleinige Lösung sind. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Treiber:
Erstens verlangt die Umwelt- und Klimapolitik – angesichts der Gefahren des Klima-
wandels – eine Verringerung der CO2-Emissionen von Autos. Zweitens haben der
rasante Anstieg des Ölpreises bis zur Jahresmitte 2008 sowie die Erwartung, dass der
aktuelle Ölpreisrückgang lediglich ein vorübergehendes Phänomen ist, dazu geführt,
dass die Automobilwirtschaft ihre Forschungsanstrengungen im Bereich alternative
Antriebe intensiviert hat.“ 13
Primär wurde die Entwicklung also durch externe Einflussfaktoren getrieben, obwohl
gerade die deutschen Automobilhersteller schon lange an alternativen Antrieben und
umweltfreundlichen Technologien arbeiten. Hinzu kommt, dass sich die Käufer von
Fahrzeugen heute eher für sparsame Modelle entscheiden und gesellschaftlich „klein
und sauber“ einfach besser ankommt. Die Zulassungszahlen im Zeitraum von Juli
2008 bis Juli 2009 zeigen ein klares Wachstum bei Kleinst- und Kleinwagen sowie im
Bereich der Kompaktklasse. Mittelklasse, obere Mittelklasse, Oberklasse und Sportwa-
gen sind die klaren Verlierer dieser Entwicklung (vgl. Abbildung 1-3). Allerdings sind
Premium und Umweltverträglichkeit auch kein Widerspruch, das beweist Toyota mit
seinen Hybrid-Modellen des Lexus genauso wie deutsche Premiumanbieter.
5
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Abbildung 1-3: Veränderungen bei Pkw-Neuzulassungen nach Segmenten 14
Mini + 144,1
Kleinwagen + 67,5
Kompaktklasse + 43,8
Mittelklasse - 16,8
Oberklasse - 15,1
Geländewagen + 6,3
Sportwagen - 29,1
Vans + 10,6
Utilities + 18,7
Die Analyse der Entwicklungen in der Automobilindustrie muss heute mehr denn je
auf globaler Ebene vorgenommen werden. Nach einer weitgehenden Sättigung der
wichtigsten Absatzmärkte in der Triade (Nord-Amerika, West-Europa und Japan) und
dem Erstarken der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) ist die Auto-
mobilindustrie wesentlich komplexer geworden.
Der nordamerikanische Markt hatte in den letzten beiden Jahren besonders unter der
Rezession zu leiden. So wurden in den USA 2009 nur noch 10,4 Mio. Light Vehicles
abgesetzt, 21 Prozent weniger als im Vorjahr. 15 Hohe Kraftstoffpreise, schärfere Kre-
ditbedingungen, fallenden Aktien- und Häuserpreise sowie eine zunehmende Arbeits-
losigkeit ließen die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen weiter einbrechen. Der Absatz
in West-Europa (+1%) konnte nur Dank stattlicher Massnahmen stabilisiert werden, in
Japan nahm dagegen die Zahl der Neuzulassungen wie in den Vorjahren ab (-7%).
Damit wird deutlich, dass sich die klassischen Absatzmärkte in einer Sättigungsphase
befinden.
14 KBA
15 VDA
6
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
1.1
Die Krise hat aber auch den Absatz in einigen Ländern betroffen, die zu den Wachs-
tumsmärkten der Automobilindustrie zählen. So konnten zwar in Brasilien die Ver-
käufe um 13 % auf mehr als 3 Mio. Fahrzeuge gesteigert werden, das Nachbarland
Argentinien verbuchte hingegen einen Absatzrückgang um ein Fünftel. In Russland
hat sich 2009 das Pkw-Geschäft aufgrund der wirtschaftlichen Lage nahezu halbiert,
auch in Rumänien und Bulgarien ging der Absatz um mehr als die Hälfte zurück,
lediglich in Polen, Tschechien und der Slowakei waren leichte Zuwächse zu verzeich-
nen. In China und Indien hat sich der Absatz nach einer kurzen Schwächephase An-
fang 2009 weiter sehr dynamisch entwickelt, so konnten in China im Gesamtjahr 8,4
Mio. Fahrzeuge abgesetzt werden, fast 50% mehr als im Vorjahr, Indien konnte eine
Steigerung um 17 % auf 1,8 Mio. Pkw verzeichnen.
In den nächsten Jahren erwarte Analysten für die BRIC-Staaten ein überproportionales
Wachstum (vgl. Abbildung 1-4). Dieses Wachstum speist sich überwiegend aus dem
wirtschaftlichen Erstarken der Schwellenländer mit einer parallel steigenden Kaufkraft
der Bevölkerung und einem erhöhten Bedarf an Transportmitteln. Die Triade wird
dagegen rückläufige Absatzzahlen verzeichnen bzw. stagnieren.
7
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Die Automobilhersteller versuchen wie schon in den letzten Jahren mit immer neuen
Modellen und Varianten Marktanteile zu halten oder neue hinzu zu gewinnen. BMW
hat beispielsweise in den letzten Jahren seine Modellpalette kontinuierlich erweitert
(vgl. Abbildung 1-6). Die Ausweitung der Modellvielfalt erhöht allerdings die Kom-
plexität in den Produktentstehungsprozessen - von der Entwicklung über die Ferti-
gung bis hin zu den After-Sales-Services. Vielfältige Abhängigkeiten und die Gefahr
der Kannibalisierung, d.h. der Erhöhung der Absatzzahlen eines Modells auf Kosten
eines anderen, sind Herausforderungen für das Management. Dabei müssen die inter-
national tätigen Automobilhersteller ihre Marken und Modelle auch noch zunehmend
auf regionale Käufergruppen abstimmen, was den Aufwand zusätzlich erhöht.
Premium/
high cost
Rolls Royce
Coupé
X6
Practical, X5 Touring 7er 6er Z4
5er Enthusiasm,
rational X3 1er 3er Cabrio M emotional
X1
Compact
Mini
Budget,
low cost
Durch die expansive Modellpolitik der letzten Jahre sind die Automobilhersteller
gezwungen worden, große Teile ihrer Wertschöpfung an kompetente Zulieferer auszu-
lagern. Zulieferer spielen heute eine wesentliche Rolle bei Entwicklung und Fertigung
von Fahrzeugteilen, Modulen und Systemen. Teilweise übernehmen sie komplette
Fahrzeuge (Derivate) mit einem geringen Volumen wie z.B. Cabrios, geländegängige
Fahrzeuge oder Sportwagen).
8
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
1.2
Die Systemlieferanten sind für große Anteile verantwortlich und steuern die Unter-
nehmen der nachgelagerten Wertschöpfungsstufen aus. Neue Formen der Zusammen-
arbeit zwischen Herstellern und Zulieferern entstehen (vgl. Abbildung 1-7). In Zu-
kunft wird die automobile Wertschöpfung in komplexen Netzwerken erbracht.
Vergangenheit:
Unabhängige Lieferanten
Gegenwart:
Strategische Partnerschaften
unter den Lieferanten
Zukunft:
Vernetzte Unternehmen
18 Kurek (2004), S. 23
9
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Das „magische Dreieck“ des Projektmanagements von Qualität, Kosten und Terminen
wandelt sich zum „teuflischen Dreieck“ (vgl. Abbildung 1-7). Es stehen immer gerin-
gere Budgets für die Erzielung hochwertiger Fahrzeuge bei einem verkürzten „Time-
to-market“ zur Verfügung. Damit schränkt sich der Handlungsspielraum deutlich ein
und die Anforderungen an Effizienz und Effektivität in der Projektabwicklung steigen.
Zeit
Qualitätsmängel Kosten
Das Potenzial ist gewaltig. So konnten wir schon vor Jahren nachweisen, dass sich die
Effizienz in Fahrzeugentwicklungsprojekten um annähernd 30 Prozent (!) steigern
lässt. In der Gemeinschaftsstudie mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft
und Organisation (IAO) unter dem Titel „Automobilentwicklung in Deutschland –
wie sicher in die Zukunft?“ kommt das Autorenteam zu dem Schluß, dass man sich
ernsthafte Sorgen um den Entwicklungsstandort Deutschland machen müsse. 19 Dann
werden die Probleme klar beim Namen genannt: So wird das Projektmanagement als
Schlüsseldisziplin in der Fahrzeugentwicklung offensichtlich nicht mit der erforderli-
chen Professionalität praktiziert. Es wird deshalb gefordert, den Stellenwert des Pro-
jektmanagements zu erhöhen und als zentrale Funktion in der Unternehmensorgani-
sation zu verankern. Würde dem Thema Projektmanagement in den Unternehmen der
Automobilindustrie der nötige Stellenwert beigemessen, dann ließen sich die Projekte
erheblich effizienter abwickeln und die festgelegten Ziele besser erreichen, so eine der
zentralen Aussagen der Studie.
10
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
1.2
Voraussetzung für ein professionelles Projektmanagement ist - neben einer projektori-
entierten Kultur mit einer ausgewogenen Balance zur Linienorganisation und einer
starken Position des Projektleiters - vor allem eine standardisierte Vorgehensweise von
der Projektdefinition bis zum -abschluss.
11
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Abbildung 1-8: Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
Stellenwert des Projektmanagements erhöhen und als zentrale Funktion in der Unterneh-
mensorganisation verankern
Projektmanagement standardisieren
wichtige Partner wie Systemlieferanten und Entwicklungsdienstleister frühzeitig zu Projekt-
beginn einbeziehen
kein Projektstart ohne klar definierte Ziele und klares Lastenheft
frühzeitig die Projektplanung zwischen den Entwicklungspartnern abstimmen
zu Projektstart Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Partner verbindlich
festlegen
klare Messgrößen mit Hilfe von Meilensteinen und Arbeitspaketbeschreibungen definieren
Einrichten eines Change-Board, das Änderungen und ihre Auswirkungen auf das Gesamtpro-
jekt bearbeitet
Änderungen so früh wie möglich und offen kommunizieren
Die Vielzahl der parallel ablaufenden Projekte bei Herstellern wie Zulieferern erfor-
dert neben der professionellen Abwicklung einzelner Projekte zusätzlich noch ein
systematisches Multi-Projektmanagement. Von strategischer Bedeutung ist dabei das
bewusste Auswählen von Projekten in das Projektportfolio. Knappe Ressourcen ma-
chen deshalb eine Bündelung auf wenige Projekte notwendig. Dies betrifft die finanzi-
ellen Ressourcen ebenso wie das spezifische Know-how einzelner Mitarbeiter bzw. die
in der Regel nur begrenzt verfügbaren Managementkapazitäten. Eine Verzettelung
verursacht sonst unnötig Probleme.
Darüber hinaus ist die Planung und Steuerung der vielfältigen Abhängigkeiten im
Projektportfolio zentrale Herausforderung des Multi-Projektmanagements. Ob kriti-
sche Ressourcen optimal geplant und gesteuert werden, kann überlebenswichtig im
Verdrängungswettbewerb der Automobilindustrie sein. Das Aufzeigen der Abhängig-
keiten, die vernetzte Planung und das frühzeitige Reagieren auf Probleme in der über-
greifenden Projektarbeit sind zentrale Aufgaben für eine übergeordnete (Multi-) Pro-
jektmanagementinstanz – oft als „Programm-Management“ bezeichnet. Die Vielzahl
der Abhängigkeiten und die Dynamik der Veränderungen im Projektportfolio erfor-
dern sicher auch Unterstützung durch ein leistungsfähiges Multi-Projektmanagement-
Werkzeug. Dies kann mit Hilfe vordefinierter Frühindikatoren wertvolle Informatio-
nen für die Steuerung der vielen Projekte geben und notwendige Berichte in dem
dafür vorgesehenen Format zur Verfügung stellen. Damit kann der verantwortliche
Manager den Überblick bewahren und sich auf seine wesentlichen Aufgaben konzent-
rieren.
12
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
1.2
Die Projektarbeit in der Automobilindustrie findet heute überwiegend im Rahmen von
unternehmensübergreifenden Kooperationen statt. Dabei gibt es eine Vielzahl an prak-
tizierten Modellen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern (vgl.
Abbildung 1-9).
35 %
29 %
20 %
11 %
5%
Die Ursache für diese Situation ist sicherlich in der weitgehenden Verlagerung von
Wertschöpfungsanteilen vom Automobilhersteller in Richtung der nominierten Zulie-
ferer zu sehen. Teilweise erreicht der Anteil der Zulieferer heute schon mehr als 2/3
der automobilen Wertschöpfung. So widmen sich die Automobilhersteller zukünftig
wesentlich stärker den der Produktion nachgelagerten Aufgaben wie z.B. Vertrieb,
Service und Kundenbetreuung. 21 Ausgewählte Zulieferer übernehmen als System-,
Technologie-, Entwicklungs- oder Produktionsspezialist Aufgaben, die vom Hersteller
früher selbst erledigt wurden. 22 Um das Zuliefernetzwerk zukünftig besser steuern zu
können, müssen die Hersteller – ausgehend vom Branding bzw. der Modellpolitik
Klarheit bezüglich der Differenzierungsmerkmale einzelner Modelle sowie der einge-
setzten Technologien schaffen und sich verstärkt um die Fahrzeugintegration küm-
mern.
20 VDA (2001), S. 68
21 Pressemitteilung der Mercer Management Consulting, München, vom 15. Dezember 2003
22 VDA (2001), S. 11
13
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Schließlich gewinnt die Auswahl und das Management der strategischen Zulieferer als
Partner im Produktentstehungsprozess für den Automobilhersteller eine zentrale
Rolle. Die Zusammenarbeit im Netzwerk zwischen Zulieferern und Herstellern stellt
eine Reihe neuer Anforderungen an die beteiligten Unternehmen und deren Mitarbei-
ter (vgl. Abbildung 1-10).
Strategie
Organisation Mitarbeiter
- Konzentration auf
- projektbezogene Kernprozesse - Interdisziplinäres Arbeiten
Organisation - Best-in-Class-Communities - wechselnde Aufgaben und Rollen
- Benefit Sharing - Projektmitarbeit
SL 1
- selbstregulierende - Ergebnisverantwortung
Elemente (Regelkreis)
- Unternehmens- OEM 1 SL 2 Wissen
übergreifende
Zielvereinbarungen - Know-how Sharing
Value
- permanentes Lernen
Prozesse Network
- Partnermanagement
- unternehmensüber-
greifende Kernprozesse
OEM 2 EDL Kultur
- Standardisierung der
Kernprozesse - offene Kultur, Vertrauen
- Reduktion der Schnittstellen durch Technologie- - Kooperation / Entscheidung
partner durch Konsens
Aufbau von selbstregulierenden
Einheiten - Ergebnisverantwortung
In diesem Szenario werden sich die Unternehmen entlang der Wertschöpfung entspre-
chend ihrer jeweiligen Kernkompetenzen zu „Best-in-Class-Communities“ zusam-
menschließen und projektbezogen organisieren. Die möglichst selbständigen Einhei-
ten werden dabei durch unternehmensübergreifende Zielvereinbarungen und eine
faire Verteilung von Chancen („benefits“) und Risiken („risks“) ausgesteuert. Prozesse
werden unternehmensübergreifend standardisiert und möglichst frei von Schnittstel-
len an den übergreifenden Wertschöpfungsprozessen ausgerichtet.
Für die Mitarbeiter bedeutet die Arbeit in Netzwerken vor allem eine vermehrte Ver-
antwortungsübernahme in der Projektarbeit sowie wechselnde Aufgaben und Rollen
in einem interdisziplinären Umfeld. Permanentes Lernen und der offene Austausch
von Wissen nehmen im veränderlichen Umfeld der Projektarbeit sicherlich weiter an
Bedeutung zu.
14
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
1.2
Wichtig wird es zukünftig sein, die Partner mit Hilfe eines zielgerichteten Manage-
ments auf die neuen Aufgaben vorzubereiten und im Verlauf der Kooperation tatkräf-
tig zu unterstützen. Diese Form der Netzwerkarbeit funktioniert allerdings nur bei
einer Kultur des gegenseitigen Vertrauens und des offenen Umgangs miteinander,
wobei Entscheidungen auf „gleicher Augenhöhe“ und im Konsens getroffen werden,
jeder aber für die Erreichung seiner Ergebnisse verantwortlich ist.
Fahrzeugentwicklung 3,0
Prozesssteuerung 3,1
Projektorganisation 2,3
15
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Statt partnerschaftlichem Umgang dominiert in den meisten Fällen die klassische
„Kunde-Lieferanten“-Beziehung. Ein Zulieferer formulierte die wahren Grundsätze
der Zusammenarbeit wie folgt: „Wir versuchen, mit dem Kunden zu kooperieren, aber
im Endeffekt hat der Kunde das letzte Wort.“ Und so endet das Ziel „Partnerschaft“
allzu oft in einem „Partner, schafft!“
Bei den Mitarbeitern fehle es, so die Experten, vor allem an den Fähigkeiten, selbst-
ständig persönliche Netzwerke aufzubauen und richtig zu kommunizieren. Oft fehle
die Zeit, „um Verständnis für den Partner zu entwickeln, da man sich zu schnell in die
Technik stürze“, so der Tenor vieler Gesprächspartner. Das persönliche Gespräch
komme vielfach zu kurz. Im technisch geprägten Umfeld der Automobilindustrie
mangele es darüber hinaus an wichtigen sozialen Fähigkeiten. Mitarbeiter würden
zwar über eine hervorragende fachliche Ausbildung verfügen, müssten sich soziale
Fähigkeiten aber erst mühsam „on-the-job“ erwerben. Reibungsverluste und unnötige
Probleme in der Zusammenarbeit seien zwangsläufig die Folge. Der Weg zur Zusam-
menarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken in der Automobilindustrie führt deshalb nur
über tiefgreifende Veränderungen bei Herstellern und Zulieferern. Diese betreffen den
organisatorischen Rahmen, die Prozesse und die IT-Infrastruktur in der Zusammenar-
beit genauso wie die Kultur der Zusammenarbeit (vgl. Abbildung 1-12).
Rahmenwerk Prozesse
• rechtliche und qualitative Absicherung • unternehmensübergreifende
wechselnder Partnerschaften Prozessabläufe
• Benefit-Sharing-Modelle über das • Spielregeln der Zusammenarbeit
gesamte Wertschöpfungsnetzwerk
• real-time und unternehmens-
• unternehmensübergreifendes übergreifender Informationsfluss /
Zielmanagement -zugriff
16
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
1.3
1.3 Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der
Automobilindustrie
Kapitel 1.1 hat verdeutlicht, dass die Branche vor großen Herausforderungen steht, die
es erfolgreich zu meistern gilt. Wenn die Automobilindustrie in Deutschland so weiter
macht wie bisher, wird sie die kommenden Herausforderungen nicht meistern. Um
der steigenden Komplexität und dem zunehmenden Druck auf Kosten und Termine
zu begegnen, ist ein Umdenken bei Herstellern wie Zulieferern notwendig.
Wie kann eine Branche die Herausforderungen des Marktes bestehen, wenn sie schon
jetzt die Projektabwicklung nicht mehr beherrscht? Wunsch und Wirklichkeit klaffen
in der Branche weit auseinander. Dabei fehlt es oft nur an der konsequenten Umset-
zung. Um die Projektarbeit entscheidend zu verbessern, ist ein Umdenken bei allen
Unternehmen der Wertschöpfungskette erforderlich.
17
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Mit dem in Abbildung 1-13 aufgezeigten „KI4-Success“-Modell beschreiben wir vier
zentrale Schlüssel („keys“) zum erfolgreichen Management von Fahrzeugprojekten.
Dabei gehen wir von einem ganzheitlichen Projektmanagement-Verständnis aus, das
ausgehend von den Marktanforderungen und den strategischen Vorgaben die Abhän-
gigkeiten zu den wertschöpfenden Prozessen, den organisatorischen Strukturen sowie
den kulturellen Einflussfaktoren aufzeigen will. Diese Beschreibung dient uns zu-
gleich als Ausgangsbasis für eine detaillierte Behandlung des Projektmanagements in
der Automobilindustrie in den darauf folgenden Kapiteln.
18
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
1.3
Schlüssel 1: Konzentration und Innovation
In einem Markt mit typischen Sättigungssymptomen, wie dies im Automobilmarkt mit
Verdrängungswettbewerb und Preiskämpfen der Fall ist, liegt der erste Schlüssel für
die Projektarbeit in der Konzentration auf den wirklichen Kundennutzen. Die Modell-
offensive der Hersteller hat zu einer Vielfalt an neuen Fahrzeugen geführt, die mit
Innovationen, technischen Neuerungen und Raffinessen den Kunden umwerben.
Jedoch erhält der Endkunde mittlerweile auch Produktmerkmale, die er zum Teil nur
noch marginal wahrnimmt und oft nicht einmal nutzt. 27 Hier ist ein Umdenken nötig.
Weniger komplexe Produkte können in der Projektabwicklung besser beherrscht wer-
den und haben auch weniger komplexe Prozesse zur Folge. Dabei ist es notwendig,
die Erwartungen des Endkunden wieder deutlich stärker in den Mittelpunkt zu rü-
cken. „Wir überfordern den Kunden, wenn wir alles, was technisch realisierbar ist,
gleichzeitig ins Auto bringen“, so die Erkenntnis bei einem Automobilhersteller. 28 Die
Projektverantwortlichen sollten sich deshalb deutlich früher und intensiver mit dem
wahren Kundennutzen auseinandersetzen, um durch eine bessere Klärung der Pro-
duktziele unnötigen Aufwand zu vermeiden.
Neben der Konzentration auf den Kundennutzen ist auf strategischer Ebene auch die
Konzentration auf die eigenen Stärken und Kernkompetenzen notwendig. Ausgehend
von einem klaren Markenprofil und -image müssen sich alle Unternehmen der Lie-
ferpyramide - vom Hersteller über die Systemlieferanten bis hin zu den Teileherstel-
lern - auf klare technische Kompetenzen fokussieren und diese gezielt im Sinne eines
„best-in-class“-Ansatzes in die Zusammenarbeit einbringen. Darauf aufbauend kann
der jeweilige Automobilhersteller ein effizientes Netzwerk zusammenstellen, in dem
die Aufgaben klar verteilt sind und möglichst wenige Überschneidungen der techni-
schen Kompetenzen vorkommen.
27 vgl. Spiegel, Ausgabe 19/2004, S. 214 bzw. auto motor sport, Ausgabe 2/2004, S. 32
28 AUTOMOBILINDUSTRIE, Online-Ausgabe vom 27.04.2004
29 Automobilwoche, Ausgabe 10/2004, S. 24
19
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Schlüssel 2: Koordination und Integration
Ausgehend von einem Wertschöpfungsnetzwerk in der Produktentstehung, das den
Kundennutzen klar im Blick hat, müssen nun zunächst die Prozesse und dann die
Strukturen in der Zusammenarbeit optimal koordiniert und integriert werden. Nur so
kann der gewünschte positive Effekt für die Verbesserung in der Projektarbeit erreicht
werden. Deshalb steht dieser Schlüssel auch im Mittelpunkt unserer Betrachtungen
zum Projektmanagement in der Automobilindustrie.
Hierzu ist eine Kombination und Abstimmung der wichtigsten Prozesse aller Beteilig-
ten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg notwendig. Schnittstellen müssen
professionell ausgesteuert und synchronisiert werden. Diese Steuerungs- und Koordi-
nationsaufgaben fallen hauptsächlich in den Aufgabenbereich der Automobilherstel-
ler, ggf. kann aber auch ein spezialisierter Dienstleister bei dieser komplexen Aufgabe
mit Hilfe geeigneter Werkzeuge und Ressourcen unterstützen.
Die zentrale Botschaft dieses Buches ist die Stärkung des Projektmanagements. Das
Projektmanagement hält die Fäden im Projekt zusammen und benötigt daher klare
Kompetenzen gegenüber den Fachabteilungen und den beteiligten Partnern. Das Pro-
jektmanagement plant und steuert die operative Umsetzung des Projektes in Richtung
der vereinbarten Ziele unter Berücksichtigung der vorgegebenen Kosten und Termine.
Um diese Koordinationsaufgaben zu optimieren, müssen vor allem das Anforde-
rungsmanagement, die Projektplanungs- und Startphase sowie das Änderungsma-
nagement deutlich verbessert werden (vgl. hierzu auch Kapitel 1.2).
20
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
1.3
Abbildung 1-14: Projektmanagement und Produktintegration
Projektmanagement
Produktentstehung
(Wertschöpfungsprozesse)
Produktintegration
In der Projektarbeit, die stark vom Wissen und den Erfahrungen der Mitarbeiter ab-
hängt, darf der Mensch nicht nur als „Mittel zum Zweck“ gesehen werden. Er muss
vielmehr mit seinen individuellen Wünschen und Fähigkeiten deutlich stärker in den
Mittelpunkt der Betrachtungen rücken. 30
21
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
Personalinstrumente für Auswahl, Einsatz, Entwicklung und Führung der Mitarbeiter
müssen an die besonderen Anforderungen der Projektarbeit und die Situation der
unterschiedlichen Rollen im Projekt angepasst werden, damit die Potenziale der Mit-
arbeiter möglichst optimal zur Wirkung kommen. 31
Dabei spielt die direkte bzw. persönliche Kommunikation eine besondere Rolle. Gera-
de im Rahmen von Kooperationen ist sie in ihrer Verbindlichkeit und Wirkung durch
nichts zu ersetzen. Moderne Informations- und Kommunikations-Technologien kön-
nen zwar bei der Überbrückung von Barrieren - wie z.B. räumlichen Entfernungen -
helfen, wirkliche Beziehungen, die später schnelle Problemlösung und unkomplizierte
Anpassungsleistungen im Projekt versprechen, entstehen dadurch aber sicherlich
nicht. Der offene Dialog, als besondere Form der Kommunikation zwischen gleichbe-
rechtigten Partnern, erscheint uns hier besonders geeignet zu sein. Im „KI4-Success“-
Modell dient die Kommunikation somit als zentrale Drehscheibe und verbindendes
Element im Rahmen der Projektabwicklung.
22
2 Management einzelner
Automotive-Projekte („Single-
PM“)
In der Automobilindustrie und auch innerhalb der Unternehmen der Branche herr-
schen relativ unterschiedliche Vorstellungen über Projekte. Vielfach werden Aufga-
benstellungen zum Projekt erklärt, um sie für die Verantwortlichen und Beteiligten
interessanter zu machen. Deshalb werden zu Anfang dieses Kapitels einige grundle-
gende Begriffe in Kurzform geklärt, soweit dies für das Verständnis erforderlich ist.
Generelle Projektmanagement-Grundlagen und Methoden werden allerdings nur im
Zusammenhang mit den Besonderheiten von Automotive-Projekten erläutert. Insbe-
sondere wird auf Projektmanagement-Vorgehensweisen und Methoden eingegangen,
die bei Automotive-Projekten verbreitet sind oder denen aufgrund der Erfahrung der
Autoren und der Erkenntnisse aus einschlägigen Untersuchungen 32 besondere Bedeu-
tung zukommt.
Nach DIN 69901-5 ist ein Projekt ein Vorhaben, das gekennzeichnet ist durch: 33
Einmaligkeit
Zielvorgabe (Kosten, Termin, Qualität)
Zeitliche, finanzielle und personelle Begrenzungen
Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben (Rahmenbedingungen)
Projektspezifische Organisation (Team...)
Durch die oben genannten Projektkriterien ergeben sich zwangsläufig besondere An-
forderungen an die Führung und das Management eines solchen Vorhabens, das ei-
gentliche „Projektmanagement“.
23
G. Hab, R. Wagner, Projektmanagement in der Automobilindustrie,
DOI 10.1007/978-3-8349-4369-9_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Projekte sind keine Routinevorgänge, sondern zeichnen sich durch eine gewisse Ein-
maligkeit aus. Das heißt, dass Anforderung und Aufgabenstellung in aller Regel un-
terschiedlich sind. Das bedeutet aber nicht, dass Strukturen und Methoden unter-
schiedlich sein müssen. In der Automobilindustrie geht es auf Herstellerseite immer
um gesamte Fahrzeuge und bestimmte Komponenten. Auf der Seite der Zulieferer
findet man meist eine relativ große Spezialisierung auf einzelne Produk-
te/Komponenten oder bestimmte Systeme bzw. Module. Dadurch sind die Strukturen
von Projekt zu Projekt relativ ähnlich, auch wenn durch ständige Innovation immer
neue Anforderungen und Erkenntnisse in die Projekte einfließen. Damit lassen sich
zumindest die Projektmanagement-Prozesse und Methoden zum großen Teil standar-
disieren.
Wir wollen uns in den folgenden Ausführungen auf die klassischen Projektarten in der
automobilen Wertschöpfungskette konzentrieren, das sind im Wesentlichen die Fahr-
zeugentwicklungs- und Betriebsmittel-Projekte. Diese Projektarten sind typisch für die
Automobilindustrie und bringen auch die „automotive-spezifischen“ Anforderungen
mit sich. Sie finden sich im Modell des VDA wieder. 34
24
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
1.3
Automotive-Projekte dauern in vielen Fällen länger als ursprünglich erwartet, spren-
gen den Kostenrahmen und benötigen mehr Ressourcen als vorgesehen. Wichtige
Termine und entscheidende Arbeitsergebnisse werden nicht systematisch vorbereitet
und „wandern“ deshalb auf der Zeitachse. Abhängigkeiten der verschiedenen Aktivi-
täten untereinander werden zu spät oder gar nicht erkannt. Meist werden aber durch-
aus hohe Erwartungen mit der Aufgabenstellung verbunden und Auftraggeber wollen
konkrete Ergebnisse sehen. Dadurch entstehen Frustration und Konflikte bei allen
Beteiligten. 35
Systematisches Projektmanagement kann hier Abhilfe schaffen. Der Prozess, nach dem
Projekte ablaufen, ist vielschichtig und komplex. Alle Aktivitäten beeinflussen sich
gegenseitig und bauen aufeinander auf. Die Frage ist, auf welchem Weg und wie
schnell ein Projektleiter zu einem fundierten Projektplan und dann zu einer erfolgrei-
chen Realisierung des Projekts kommen kann. Dieses Thema steht im Mittelpunkt
dieses Kapitels.
Management Führung
(Sache) (Mensch)
Systematik Ziele Rollenverteilung
und Strukturen Teamarbeit
Planung Kommunikation
Methodik Analyse Moderation
Steuerung Zielvereinbarungen
Formulare Organigramm
Checklisten Funktionsdiagramm
Hilfsmittel DV-Tools Spielregeln
und Vorlagen- und Besprechungen
Standards Präsentationstechn.
Werkzeuge
25
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Projektmanagement ist eine Vorgehensweise zur ergebnisorientierten Planung und
Steuerung. Damit steht die Frage nach der „Effektivität“ (die „richtigen“ Dinge tun)
im Vordergrund. Denn was nützt es dem Projektleiter, wenn er mit viel Aufwand und
Engagement ein perfektes Produkt entwickelt hat, die Anforderungen des Kunden
aber nicht ausreichend berücksichtigt sind? In zweiter Linie wird natürlich auch die
„Effizienz“ der Projektarbeit gesteigert, indem bewährte Methoden und Tools (Check-
listen, Vorlagen...) zur Anwendung kommen, die das Vorankommen erleichtern. Diese
ergebnisorientierte Sichtweise wird im folgenden Kapitel erläutert.
26
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
2.1
Abbildung 2-3: Erklärungsmodell zum Automotive Projektmanagement-Prozess
Projektmanagement-Prozess
Projektorganisation
Qualitätsmanagement-System
Kommunikation + Teamarbeit
Steuerung+
Definition Planung Änderung Abschluss
Standard-Automotive Geschäftsprozesse
27
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Im Projektmanagement-Prozess werden alle Themen behandelt, die Planung und
Steuerung des Projekts betreffen (Managementaufgaben). Hier werden folgende Fra-
gen beantwortet: Wer? Macht Was? Bis Wann? Und damit wird der terminliche Fort-
schritt gewährleistet. Der fachliche Inhalt, die eigentliche „Arbeit“ wird im „Fahrzeug-
entwicklungs-Prozess“, geleistet. Hier stellt sich die Frage nach dem Wie.
Projektorganisation
Kommunikation + Teamarbeit
Steuerung+
Definition Planung Änderung Abschluss
Konzeption
Produktentwicklung und Verifizierung
Serienanlauf
Serienproduktion
A B C D E F G
Projekt- Freigabe Freigabe Freigabe z. Freigabe Freigabe Ab-
auftrag/ zur Grob- zur Detail- Detailplanung Beschaffung u. zur Serien- schluß
-anfrage entwicklung entwicklung Produktions- Herstellung Produktion (Kamm
Prod. + Proz. Produkt prozess Produktions- (SOP/Job#1) -linie)
mittel
28
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
2.1
Wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes Projektmanagement in der Fahr-
zeugentwicklung sind stabile technische Prozesse. In den meisten Unternehmen der
Automobilindustrie sind diese auch mehr oder weniger standardisiert vorhanden.
Problematisch ist, dass die Prozesse bei manchen Automobilzulieferern nur zu „Zerti-
fizierungszwecken“ eingeführt wurden und nicht richtig „gelebt“ werden. Damit wird
auch das Projektmanagement erschwert.
Besondere Komplexität für das Projektmanagement ergibt sich aus dem Sachverhalt,
dass in Fahrzeugentwicklungsprojekten in der Regel parallel am Produkt und an der
Produktionsanlage entwickelt wird. Abbildung 2-5 zeigt am Beispiel eines Fahrzeug-
herstellers den Zusammenhang nochmals deutlich auf.
Produktentwicklung
Design
Konstruktion Freigabe PVS O-S SOP
Vor-Prototypen Prototypen
Optimierung Abnahme
Produktionsanlagenentwicklung
Für die Koordination der parallel laufenden Prozesse spielen Meilensteine und Syn-
chronisationspunkte eine wesentliche Rolle. Im Kapitel 2.4 wird auf dieses Thema im
Detail eingegangen. Wichtige „Top-Meilensteine“, die sogenannten „Quality Gates“
(nach VDA 6 und QS 9000) und die wesentlichen Prozesse in der Gesamtfahrzeugent-
wicklung zeigt das folgende Beispiel (Abbildung 2-6).
40 Quelle: Volkswagen AG
29
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-6: Gesamtfahrzeugentwicklungsprozess 41
Die große Bedeutung der Meilensteine für ein erfolgreiches Projektmanagement in der
Automobilindustrie ist hinreichend bekannt. Besonders wichtig erscheinen uns die
Meilensteine in den frühen Phasen eines Projektes. Gerade die strategischen Meilen-
stein-Entscheidungen in der Angebotsphase wie Anfrageselektion, Angebotsfreigabe
und Projektfreigabe werden bei den Automobilzulieferern noch vielfach vernachläs-
sigt. Auf die praktische Umsetzung der Meilensteinplanung im Projekt wird in Kapitel
2.4 vertiefend eingegangen.
41 Quelle: Bertrandt
30
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
2.1
In der folgenden modellhaften Darstellung des Projektmanagement-Prozess sind die
Methoden und Ereignisse zusammengefasst, mit denen der Projektmanager sein Au-
tomotive-Projekt planen und steuern kann. Sie lassen sich auf eine Vielzahl von Pro-
jektarten und –ebenen anwenden und sind wie die „Tasten eines Klaviers, auf dem der
Projektleiter spielt“. Wie bereits am Anfang des Kapitels erwähnt, lässt sich der PM-
Prozess in die Phasen Definition, Planung, Steuerung und Abschluss gliedern. Diesen
Phasen können dann die entsprechenden Methoden und Ereignisse zugeordnet wer-
den. Damit entsteht ein Modell, das wie ein Baukasten aufgebaut ist und analog zum
Entwicklungsprozess als Standard für bestimmte Projektarten im Unternehmen ver-
einbart werden kann. Ganzheitlich betrachtet fehlt in dieser sachorientierten Darstel-
lung allerdings noch der Faktor „Mensch“. Nachdem empirisch nachgewiesen ist, dass
die „weichen Faktoren“ der Führung, Kommunikation, Beziehungen und Zusammen-
arbeit zu mehr als 50% über den Erfolg von Projekten entscheiden, wurde dieser As-
pekt in Abbildung 2-7 besonders hervorgehoben.
Projektmanagement-Prozess
Projektorganisation
Kommunikation + Teamarbeit
Steuerung+
Definition Planung Änderung Abschluss
31
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Der „PM-Prozess“ stellt die PM-Methoden und Ereignisse, die in den einzelnen Pha-
sen der Fahrzeugprojekte zur Anwendung kommen im Überblick dar. Werden die hier
aufgeführten Methoden konsequent angewandt, so können besonders in der kritischen
Anlaufphase von Fahrzeugprojekten die Früchte geerntet werden. Der Nutzen der
Investition in professionelles Projektmanagement äußert sich dann in reduzierten
Änderungsschleifen, geringerem „Troubleshooting“ und höherer Produktqualität zum
Serienbeginn. Faktoren, die gerade in der aktuellen Situation der Automobilindustrie
besonders wichtig sind. Abbildung 2-8 visualisiert diesen Zusammenhang.
Planungs-/
Koordinations- Projektabwicklung ohne PM Eskalation der Probleme
aufwand Projektabwicklung mit PM
Problem-
erkennung
Endtermin Zeit
Die richtige Projektorganisation und die Person des Projektleiters spielen bei all diesen
Überlegungen eine zentrale Rolle.
42 Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 7
32
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
2.2 Organisation im Automotive-Projekt
Die Person des Projektleiters spielt erfahrungsgemäß eine zentrale Rolle in Projekten.
In Automotive-Projekten scheinen die Anforderungen besonders hoch zu sein, weil sie
durch ihren technologischen Anspruch Projektleiter erfordern, die zum einen gute
Manager sind und zum anderen ein Gesamtverständnis für die Prozesse und Techno-
logien der Fahrzeugentwicklung und –produktion besitzen. Damit ist der Automotive-
Projektleiter eher ein Generalist. Abbildung 2-9 zeigt schematisch die Abgrenzung des
Kompetenzprofils zu klassischen Fach- bzw. Führungskräften.
Fachkompetenz
_
Methodenkompetenz
_
Sozialkompetenz
Fachmann ---
Führungskraft ........
_
_
_
Projektleiter ____
_
Persönlichkeitskompetenz
Als Projektleiter sehen wir hier nicht nur die Stars, die auf oberster Ebene eines Fahr-
zeugprogramms als Gesamtprojektleiter agieren. Den gleichen Anforderungen, wenn
auch mit eingeschränktem Verantwortungsbereich, unterliegen auch Projektleiter und
Arbeitspaketverantwortliche auf den darunter liegenden Ebenen eines Gesamtpro-
jekts, sei es beim OEM oder bei Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern.
33
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das organisatorische Zusammenwirken der verschiedenen Projektebenen und Hierar-
chien, auf denen Projektleiter agieren, wird im folgenden Abschnitt unter „Projektor-
ganisation“ erläutert. Die folgende Auflistung (Abbildung 2-10) zeigt eine unvollstän-
dige Auswahl von Projektleiter-Positionen in der Automobilindustrie, die sowohl auf
Hersteller- als auch auf Zuliefererseite relevant sind.
Fahrzeug-/Baureihen-Programm Manager
Gesamtfahrzeugprojektleiter/-manager
Entwicklungs-Projektleiter/-manager
Betriebsmittel-/Produktionsanlagen-Projektleiter/-manager
Bereichsprojektleiter
Funktionsgruppen-Sprecher / Modul-Teamleiter
Teilprojektleiter Bereich xy
SE-Teamsprecher, etc.
Arbeitspaketverantwortliche
Abhängig von der jeweiligen Projektleiter-Rolle, Ebene der Projekthierarchie und vom
Unternehmensumfeld sollte für jeden Projektleiter eine klare Funktionsbeschreibung
vorliegen. Sie definiert Befugnisse/Kompetenzen, Aufgaben, Verantwortung und not-
wendigen Fähigkeiten. In Unternehmen der Automobilindustrie mit einer reifen Pro-
jektmanagement-Organisation gibt es Standard-Funktionsbeschreibungen für ver-
schiedene Führungsfunktionen im Projekt. Durch den unternehmensspezifischen
Standard muss nicht von Projekt zu Projekt neu ausgehandelt werden, was der Pro-
jektleiter darf oder nicht. Abbildung 2-11 zeigt beispielhaft eine Auswahl wesentlicher
Funktions-Kriterien für Projektleiter in der Automobilindustrie. Sie kann als Checklis-
te für die Entwicklung eines unternehmensspezifischen Standards verwendet werden.
Dabei liegt die schwierigste Aufgabe darin, für die Projektleiter ausreichende Rechte
und Kompetenzen durchzusetzen. Die Aufgaben und die Verantwortung sind meist
schnell definiert. Widerstände gibt es bei der „Machtfrage“, weil größere Befugnisse
der Projektleiter meist zu Lasten des etablierten Linienmanagements gehen.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Projektleitung ist die Regelung der „Mannschafts-
aufstellung“ im Projekt. Begrifflich wird dies oft als Projektorganisation und teilweise
fälschlich auch als Projektstruktur bezeichnet. Wir gebrauchen hier den Begriff Projek-
torganigramm, als Synonym für Darstellung und Inhalt der Projektorganisationsstruk-
tur.
34
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Abbildung 2-11: Beispiel: Projektleiter – Funktionsbeschreibung
Rechte + Kompetenzen:
Präsentationsgeschick, Humor
Fachliche Kompetenz
DV-Hilfsmittel anwenden können, Organisationstalent
„Rückgrat“ intern und gegenüber Kunden
35
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.2.2 Projektorganigramm als Instrument der Rollen-
klärung
„Die richtigen Leute einzustellen ist das Beste, was ein Manager tun kann." Lee Iacocca, US-
amerikanischer Industriemanager
Projektleiter (PL) PL
Kernteam /
Teilprojekt- TPL TPL TPL TPL TPL
Leiter (TPL)
Erweitertes
ooo
Team / APV APV APV APV APV
Arbeitspaket-
Verantwortliche
(APV)
36
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Das Ganze kann natürlich beliebig um übergeordnete Lenkungsgremien wie den Pro-
jekt-Steuerkreis, Auftraggeber, Partner im Projekt bzw. Lieferanten und sonstige pro-
jektrelevante Fach-Experten erweitert werden. Das folgende Beispiel (Abbildung 2-13)
zeigt die Teamorganisation eines Systemlieferanten.
Projektrahmenorganisation
Kunde Projekteinzelorganisation
PL
Contr.
Q AV
PMA
Vertrieb
PMA L
PMA
AV Werk
Kernteam
Fachteam
Entwicklung PI PMA PMA
Ein-
kauf
PMA ...
PMA Q
Lieferanten
Die Aufteilung der Verantwortungsbereiche hängt immer von der Art des Projektes
ab. Bei Fahrzeugentwicklungsprojekten kann das Kernteam folgende Funktionen
beinhalten:
Gesamtprojektleiter/Programm Manager
Teilprojektleiter Entwicklung/Design
Teilprojektleiter Einkauf/Beschaffung
Teilprojektleiter Produktionsvorbereitung/Betriebsmittel
Qualitätsmanager
Projektcontroller/-supporter
43 Quelle: Webasto
37
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das erweiterte Team erfordert neben den klassischen Arbeitspaket-Verantwortlichen
bei Fahrzeugentwicklungsprojekten z.B. Vertreter folgender Funktionen:
Vertrieb
Logistik
Lieferanten
Produktion
Serienbetreuung/Service
Fabrikplanung/Arbeitsvorbereitung
44 Quelle: Bertrandt
38
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Abbildung 2-15 zeigt das Projektorganigramm für eine neue Fahrzeug-Baureihe eines
Automobilherstellers.
Strategischer
Projektunterstützer
Projektleiter
Auf der Ebene der Teilprojekte innerhalb eines Gesamtfahrzeugprojekts spielt der
Bereich Produktionsanlagen eine besondere Rolle. Aufgrund der Komplexität dieses
Projektumfangs und der unterschiedlichen Aufgabenstellung im Gegensatz zur klassi-
schen Entwicklung sehen die Verantwortungsbereiche im Projektorganigramm etwas
anders aus. Es findet sich häufig folgende Aufteilung:
Projektleiter
Projektkaufmann/-controller
Teilprojektleiter Engineering
Teilprojektleiter Mechanik
Teilprojektleiter Elektrik
Einkäufer
Baustellenleiter
Abbildung 2-16 zeigt das fiktive Beispiel für ein Anlagenprojekt.
45 Quelle: Daimler
39
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-16: Beispiel: Projektorganigramm Produktionsanlagen (fiktiv)
Projektleiter
Franz Fleissig Maria Fein Einkauf Fremdumfänge und Großteile
Ass.: Helga Gut Lieferantenkoordination
NN Qualitätsmanagement
Generell gilt, dass ein Projektorganigramm immer durch Personen definiert ist und
deshalb diese auch namentlich dort dokumentiert sein müssen. Eigentlich selbstver-
ständlich, aber die Erfahrung hat uns gelehrt, dies explizit zu fordern. Für jeden Pro-
jektleiter und Teilprojektleiter ist eine verbindliche Stellvertreterregelung zu treffen,
die auch namentlich im Organigramm dokumentiert sein muss. Damit wird Klarheit
geschaffen, Verfügbarkeit sichergestellt (zumindest auf dem Papier) und Mehrfachbe-
lastung von Mitarbeitern offenbar.
Das Kernteam sollte nicht mehr als 7 Personen umfassen (Effizienz, Kommunikation
und Zusammenarbeit), d.h. bei größeren Projekten muss aus Gründen der Effizienz
mehr Verantwortung in Form von Arbeitspaketen delegiert werden. Bei kleineren
Projekten müssen mehrere Verantwortungsbereiche von einer Person abgedeckt wer-
den bzw. bestimmte Funktionen in der Linienorganisation durch Arbeitspakete abge-
wickelt werden.
Der Projektleiter erstellt und pflegt das Organigramm. Die Besetzung der einzelnen
Verantwortungsbereiche wird im Regelfall im Vorfeld des Projektstarts bzw. des Pro-
jektübergabegesprächs mit dem Linienmanagement abgestimmt. Die Art und Weise,
wie diese Abstimmung erfolgt und welchen Einfluss das Linienmanagement auf das
Projektgeschehen hat, hängt von der generellen Einbindung des Projekts in die Unter-
nehmensorganisation ab.
40
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
2.2.3 Einbindung in die Unternehmensorganisation
Automobil-Unternehmen stehen in wachsendem Maße vor dem Problem, dass die
gegebene Organisationsstruktur nicht den Anforderungen innovativer Produktent-
wicklungsprojekte gerecht wird. Als Folge wird eine Projektorganisation als zusätzli-
che Dimension zur Koordination der Produktentwicklung eingeführt. Dadurch steigt
natürlich die Komplexität der Gesamtorganisation.
Abbildung 2-17 zeigt das Schema einer Matrixorganisation mit den funktionalen Lini-
enbereichen (vertikal) und den Projekten als Querschnittsfunktion (horizontal). Die
interne Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zwischen Projekt und Linie wird
durch die symbolisch dargestellten Arbeitspaket-Aufträge verdeutlicht.
41
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-17: Projektorientierte Matrixorganisation, schematisch
Unternehmensleitung
Projekt ..
A .. .. .. .
. . .
Projekt ..
B ..
. .. . ..
. .
Abbildung 2-18 zeigt auf 2 Ebenen das Beispiel der Matrixorganisation eines Gesamt-
fahrzeugentwicklers mit Produktionsanlagensparte. Bereichsübergreifend werden
Gesamtfahrzeugprojekte abgewickelt und die Projektleiter berichten direkt an den
Vorstand. Bereichsintern werden Dienstleistungs- und Anlagenprojekte abgewickelt.
Die Matrixorganisation, wie sie hier dargestellt ist, soll eine Klammerfunktion darstel-
len, zwischen der Linienorganisation einerseits und der Projektorganisation ander-
seits. Bedingt durch die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Organisationsformen
(Linie = fachorientiert; Projekt = ergebnisorientiert), die beide berechtigt und notwen-
dig sind, ergeben sich zwangsläufig Konfliktpotenziale. Diese sollen mit Hilfe von
klaren Rollenverteilungen und Spielregeln minimiert werden. Details dazu erläutern
wir in Kapitel 3.4.
42
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Abbildung 2-18: Beispiel: Matrixorganisation eines Gesamtfahrzeugentwicklers 47
PM: Projektmanager
PM AB: Anlagenbau
Fachbereiche Partnerfirmen
TE MP BM AB
PMO PMO PMO PMO PMO PMO
Int. NL´s
LA
PM
LA
PM
47 Quelle: EDAG
43
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.2.4 Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der
Projektbeteiligten
Wesentliche Effizienzverluste in der Projektarbeit entstehen vor allem durch Unklar-
heit bei Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungsbereichen. Deshalb ist ein klares
Rollenkonzept bezogen auf die Aufgabenpakete und Meilensteine im Projekt unab-
dingbar. Auf dieser Basis kann ein ebenso einfaches wie wirkungsvolles Instrument
zur klaren Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen eingesetzt wer-
den, das sogenannte Funktionendiagramm. Mit Hilfe einer Matrix werden die Zu-
ständigkeiten der Aufbauorganisation mit den Prozessschritten und Aktivitäten der
Ablauforganisation abgestimmt. Doppelarbeit und Verantwortungsvakuum werden
durch dieses Instrument vermieden. Es ist einfach in der Handhabung und stärkt das
Verständnis für das Zusammenwirken von verschiedenen Beteiligten im Rahmen eines
Projekts. Abbildung 2-19 zeigt das Schema.
Aufbauorganisation / Struktur
X = Verantwortlich
Projektsteuerkreis
Projektcontroller
o = Mitwirkung
Linienmanager
Teammitglied
Projektleiter
Grundaufgaben
Vollständige Zielsetzung o o X
Ablauforganisation / Prozess
Projektstruktur / -Plan X o
Ressourcenplan / -Antrag X o
Ressourcen- / Gesamtfreigabe o X
Erarbeiten Detaillösungen X o
Stimmigkeit Gesamtlösung o o X
Istwerterfassung (Projektstatus) o o X
Bewertung Projektstatus X o
Vorschlag Korrekturen X o
Projektsteuer-Entscheidungen o X
Projektberichtswesen X o
44
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Durch eine frühzeitige Erarbeitung des Funktionendiagrammss (schon in Angebots-
phase) und entsprechende Diskussionen im Vorfeld eines Projektes wird die Identifi-
kation des einzelnen Mitarbeiters mit seiner Aufgabe gestärkt und Konflikte vermie-
den. Abbildung 2-20 zeigt das Beispiel eines Funktionendiagramms für ein „Key 1“-
Projekt.
Teilprojekt-
Teilprojekt-
Verwaltung
männische
Infor-
Geschäfts-
Gesamt-
lieferant
(Konstruktion) mations-
Leitung
leiter 1
leiter 2
leitung
Kunde
Office/
führer
Back-
Kauf-
transfer
Sub-
Aufgabenbereich / Aufgaben
Sonderprojekte / Mehrleist.
1.3 K I I P P 1x / Woche
(Fuktionsm ., RPS, PDM,DMU)
Schnittstellenbetreuung
2. E,P I I I Eg 1x / Woche
(Datentransfer ...)
7. Personal / Ressourceneinsatz E M M M P
45
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das in der Praxis immer wieder auftretende Phänomen, dass nachgelagerte Prozess-
funktionen Informationen für vorgelagerte Prozessfunktionen bewusst nicht zur Ver-
fügung stellen, um sich am Ende als „Retter des Projektes“ feiern zu lassen, wird
dadurch vermieden. Auch „Kompetenzgerangel“ zwischen Linie und Projekt kann
mittels Funktionendiagrammen unterbunden werden. 49
Abbildung 2-21 auf der nächsten Seite zeigt das Beispiel einer SE-Team-Struktur in der
Fahrzeugentwicklung. Im SE-Hauptteam werden Vorgaben, Lösungen und Entschei-
dungen abgestimmt, die das gesamte Fahrzeug bzw. die Schnittstellen zwischen den
Modulen oder Haupt-Funktionsgruppen betreffen. Dies ist die Ebene des technischen
Projektmanagements. Innerhalb der Module gibt es je nach Komplexität des Moduls
noch eine Unterstruktur, die wieder ein entsprechendes Team erforderlich macht. Für
den Entwicklungsprozess eines jeden Submoduls oder einer jeden Funktionsgruppe
arbeiten dann die einzelnen Fachabteilungen prozessorientiert zusammen. Deren
Koordination erfolgt in einem interdisziplinären, prozessorientierten SE-Team mit je
einem Vertreter aus jeder Abteilung.
46
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Abbildung 2-21: Beispiel: SE-Teamstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung 51
Interieur
Elektrik Exterieur
SE-Hauptteam
Fachliche Abstimmung
Gesamtfahrzeuge
Dichtungen Klappen
Türen Modulorientierung
Entwicklung Prozessorientierung
Montageein-
Elektrik Modulteam / richtungen
Funktionsgruppe (Serie)
Presswerk-
CAE
zeuge
(Serie)
Versuch
Prototypen Rohbau-
anlagen (Serie)
Projektarbeit ist in den meisten Fällen Teamarbeit. Vielfach sind die Beteiligten aber
noch kein Team, weil ihnen das Bewusstsein dafür fehlt oder sie mehr oder weniger
wegen der „Verfügbarkeit“ oder „Anordnung von oben“ zusammenarbeiten. Zwi-
schenmenschliche Probleme und Konflikte sind dann vorprogrammiert.
Aus der Erfahrung vieler schwieriger oder gescheiterter Projekte haben sich einige
Erfolgsfaktoren für Teamarbeit herauskristallisiert (siehe Abbildung 2-22).
51 Quelle: EDAG
47
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-22: Erfolgsfaktoren von Projektteams
Ein erfolgreiches Projektteam zeichnet sich im Wesentlichen durch folgende Kriterien aus:
Je nach Größe und Zusammensetzung (Teammitglieder kennen sich bereits, bzw. ar-
beiten zum ersten Mal zusammen) eines Projektteams ist eine aktive Teamentwick-
lungsmaßnahme Voraussetzung dafür, dass ein Team optimal zusammenarbeitet. Der
Faktor „Mensch“, also die Fähigkeit zur Kommunikation und Zusammenarbeit, ent-
scheidet zu über 50% über den Erfolg / Misserfolg eines Projektes. Somit ist eine
Zeitinvestition in die Teamentwicklung ratsam. Damit die Phasen zügig durchlaufen
werden, kann die Teamentwicklung „aktiv“ durch einen professionell moderierten
Workshop gefördert werden.
Die Realität zeigt, dass die einzelnen Phasen nicht übersprungen werden können,
ohne sich negativ auf das Leistungsniveau des Teams auszuwirken. Es gibt jedoch
viele Teams, die in den Phasen 1 oder 2 „stecken bleiben“ und sich in der Folge relativ
schlecht zusammenarbeiten und keine Effizienz zeigen.
48
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
In immer mehr Automotive-Projekten kommen „virtuelle Teams“ zum Einsatz, die
nicht an einem Standort zusammenarbeiten sondern sich nur temporär persönlich
sehen. Bei dieser Art von Teamarbeit sind die Entwicklungsphasen besonders deutlich
und müssen, aufgrund der räumlichen Distanz, bewusst gestaltet werden. Ein echtes
und tragfähiges Wir-Gefühl, das effiziente Hochleistungsteams charakterisiert, kann
ohne das Durchlaufen dieser Phasen nicht entstehen.
Hierin liegt jedoch häufig das Problem: Nicht selten wird gerade die “unangenehme“
Aufbruchphase umschifft oder ihr Durchleben unterdrückt bzw. kontraproduktiv
abgekürzt. Obwohl gerade in dieser Phase die Grundlage erfolgreicher Teamarbeit
geschaffen wird. Die Distanz bei virtuellen Teams „lädt“ förmlich dazu ein, Mei-
nungsverschiedenheiten, Akzeptanzprobleme und Reibungspunkte zu verdrängen
und das bewusste Durchleben dieser Phase zu vernachlässigen. Das äußert sich dann
in Leistungsabfall, erkennbar u.a. durch folgende Signale: Termine werden nur noch
bedingt eingehalten oder geschoben; das Projekt nimmt in der „Prioritätenliste“ der
Teammitglieder eine zunehmend nachrangige Position ein; Team-Mitglieder springen
ab; Missverständnisse häufen sich; Anzahl von Absprachen aufgrund widersprüchli-
cher Wahrnehmungen steigt....
Spielregeln
Teampositionen und -rollen
ein klarer Arbeits- und Ablaufplan
echtes Commitment der Teammitglieder zur Rollenverteilung, Aufgabenstellung
und Vorgehensweise
49
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-23: Beispiel: Agenda Teamentwicklungs-Workshop
Es wird ein verbindlicher Grobterminplan für das gesamte Projekt erstellt und gepflegt
Die Abstimmung der Arbeitspakete erfolgt auf Basis der Detailtermine, die zwischen den
Teilprojektleitern und der Linie vereinbart wurden.
Projektorganisation und Verantwortlichkeiten
50
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Abbildung 2-25: Beispiel: Spielregeln im Projektteam Teil 2
Wir investieren Vertrauen und reden „mit einander“ und nicht „über einander“
Konflikte werde offen und sofort angesprochen und gemeinsam gelöst
Statusbesprechungen im Kernteam
Wenn eine Aktivität mit Verantwortlichkeit und Termin vereinbart wurde, so kümmert sich der
Verantwortliche selbständig und eigenverantwortlich um die Abarbeitung.
Eine Verfolgung der gleichen Aktivität durch mehrere Kernteammitglieder ist nicht effektiv und
nur in Ausnahmefällen (nach Abstimmung im Kernteam) möglich.
Den Teammitgliedern ist Ziel, Sinn und Zweck des Projektes klar; die einzelnen
Personen können sich mit der Aufgabe identifizieren und sehen einen echten per-
sönlichen Sinn in der Mitarbeit – das Verhältnis zwischen individuellen Interessen
und den Möglichkeiten, sich in das Projekt einzubringen, sind geklärt.
Der Vorgehensplan des Projektes ist von den Teammitgliedern gemeinsam erar-
beitet und verabschiedet worden.
51
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das Verhältnis der Teammitglieder zueinander kann mit „funktionaler Vertraut-
heit“ umschrieben werden. Jedes Mitglied hat zu den anderen Teammitgliedern so
weit Vertrauen, dass es sich auf die anderen tatsächlich verlässt oder mögliche
Probleme aufgrund einer tragfähigen Beziehung sofort ansprechen kann.
Kommunikationskanäle sind eingerichtet, deren Einsatz ist eindeutig und für alle
Teammitglieder klar definiert. Alle halten sich an die getroffenen Vereinbarungen.
52
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
2.3.2 Kommunikation im Projekt regeln
Ein Großteil der fehlgeschlagenen Projekte scheiterte nicht an der Technik, Organisati-
on oder fehlenden Teamfähigkeit sondern schlichtweg an der Kommunikation. Damit
ist die Kommunikation zu einem der größten Risikofaktoren in der Projektarbeit ge-
worden. Wird berücksichtigt, dass für Projekte heute immer weniger Zeit zur Verfü-
gung steht und auch das Budget stark begrenzt ist, wird die Bedeutung einer optima-
len Kommunikation schnell deutlich.
Zeit
elektronische
Postsysteme
spez. Datenbanken
versetzt
spez. Planungssysteme
Groupware
Raum
zusammen entfernt
52 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), Schulz von Thun (1983) und Mayershofer (1999)
53
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Technisch gesehen lässt sich Kommunikation im Projekt unterscheiden nach:
Sprachkommunikation
Textkommunikation
Bildkommunikation
Bei der Sprachkommunikation spielt die klassische persönliche Besprechung und das
Telefon sicher noch die größte Rolle. Erfahrungsgemäß wird dies so bleiben, weil ge-
rade im Projektmanagement nicht nur reine Sachinformationen ausgetauscht werden,
sondern viele Führungs- und Steuerungsinformationen auf der „nonverbalen“ und
„emotionalen“ Ebene fließen. Dafür sind gute Beziehungen und persönliche Begeg-
nungen erforderlich. Ohne diese würde die Arbeit auch wenig Spaß machen...
Projektmanagement
Qualität
hoch Projekt-
workshop
mittel Projekt-
sitzung
Einzel-
niedrig
gespräche
Ressourcen-
niedrig mittel hoch bedarf
54
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Damit diese persönlichen Begegnungen auch bei räumlich verteilten Projektteams und
trotz des hohen Drucks des Tagesgeschäfts verbindlich stattfinden, braucht es klare
Regeltermine, die über einen langen Zeitraum von allen Beteiligten im Terminkalender
„geblockt“ werden. Der Aufwand, einen Besprechungstermin ad hoc zu vereinbaren,
ist um ein vielfaches höher, als einmal einen Regeltermin abzusagen. Das sollten alle
erfahrenen Projektleiter wissen. Abbildung 2-29 zeigt Regeltermine mit entsprechen-
der Frequenz bei einem Automobilhersteller.
Die digitalen Medien spielen durch die zunehmende Internationalisierung und stand-
ortübergreifendes Arbeiten eine immer größere Rolle. Die Internet-Technologie bietet
hier sinnvolle Möglichkeiten.
54 Quelle: Daimler
55
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Nach der Offenheit bzw. Sicherheit für die Nutzer lassen sich drei Anwendungsberei-
che unterscheiden:
Das Intranet steht einer begrenzten geschlossenen Gruppe zur Verfügung, z.B.
einem Unternehmen, oder auch nur einer Projektgruppe.
Im Extranet wird dieser Kreis bereits erweitert, so wird z.B. ein externer Projekt-
partner oder Kunde in das interne Intranet mit einbezogen.
Das Internet stellt die Möglichkeit einer völligen Öffnung dar, also zur weltweiten
Kommunikation und einem entsprechenden Informationsaustausch.
Als gängige Kommunikationsform für Text und Bild im Projekt gilt die E-Mail. Das
Versenden von „elektronischer Post“ ist heute sicherlich eine der am meisten verbreite-
ten Kommunikationsmöglichkeiten. Neben der eigentlichen Textnachricht lassen sich
Dokumente aller Art als sogenannte „attachments“ anhängen und elektronisch ver-
senden. In der Projektarbeit wird dies insbesondere für den Austausch von elektroni-
schen Formularen und Vorlagen zwischen den Projektmitgliedern genutzt. Auch im
Bereich Terminplanung und bietet sich dieses Medium an. So lassen sich z.B. zur Pro-
jektorganisation die Termine der Teammitglieder per Rückmeldung mittels E-Mail
koordinieren. Über die Zusammenstellung von Gruppen lassen sich für bestimmte
Themenbereiche die Empfänger festlegen. Die Auswahl der Gruppe hat dann eine
Verteilerfunktion. Der Vorteil dabei ist, dass auch wirklich nur die relevanten Empfän-
ger Nachrichten erhalten.
Für die Kommunikation von Sprache und Bild auf analoge oder digitale Weise bietet
sich die Videokonferenz an, eine bereits seit längerem bekannte, jedoch aufgrund der
Einschränkung hinsichtlich Sprach- und Bildqualität wenig genutzte, Kommunikati-
onsmöglichkeit.
Projektportale im Internet sind ebenfalls auf die Unterstützung der Teamarbeit ausge-
richtet. Für die Kommunikation im Projekt stehen verschiedene Funktionselemente
zur Verfügung:
56
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Messaging, Calendaring und Scheduling (also gemeinsame Nachrichten und Pla-
nungsräume), gemeinsamer „Projektnachrichten-Eingang“;
Aber die komfortable Kommunikationstechnik hat auch ihre Schattenseiten. Durch die
einfache Anwendung wird oftmals zu viel Information an einen zu großen Kreis ver-
teilt. Wer kennt z.B. nicht das Problem einer mit nicht relevanten Daten überlaufenden
Mailbox. Eine solche unnötige Informationsflut ist Ressourcenverschwendung und
lähmt die Kommunikation. Die Verwendung von unterschiedlichen Formaten und
Anwendungen oder auch die Nichterreichbarkeit des Kommunikationspartners führt
oft zu Aggressionen, Frust und Konflikten. Das Fehlen des persönlichen Kontakts
zwischen den Beteiligten kann ebenfalls durchaus mit Nachteilen verbunden sein. Da
die modernen Kommunikationskanäle immer nur einen Ausschnitt der gesamten
Kommunikation abbilden, können leicht Irritationen oder Fehlinterpretationen entste-
hen, die im direkten Gespräch erst gar nicht auftreten bzw. wesentlich leichter ausge-
räumt werden können.
57
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Wer mit Menschen aus fremden Kulturen zusammenarbeitet, muss deren Sitten und
Gebräuche, Gefühle und Befindlichkeiten kennen und respektieren. Und er muss
umgekehrt auch dazu fähig sein, seinen Partnern aus anderen Kulturkreisen die eige-
nen Verhaltensweisen verständlich zu machen. Nur wer Unterschiede bewusst wahr-
nimmt, vermeidet Kosten, Zeitverluste, „Fettnäpfchen“ und Konflikte. Und er kann
die Synergieeffekte multikultureller Zusammenarbeit besser nutzen.
Der Projektmanager muss sich der kulturellen Unterschiede in der sozialen Etiket-
te (Begrüßungsrituale, Tischrituale, Sitzordnungen...) bewusst sein.
Alle Projektteilnehmer sollten das Projekt dazu nutzen, ihr Repertoire an sozialen
Verhaltensweisen im Arbeitsumfeld auszubauen.
58
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Die vielleicht wichtigste Herausforderung internationaler oder interkulturell besetzter
Projekte besteht darin, kulturelle Unterschiede nicht nur zu integrieren, sondern als
echten Produktivfaktor im Projekt zu verankern. Gerade die Kreativität und Vielfalt
im Vorgehen unterscheiden internationale Projektteams positiv von rein nationalen
Teams. So kann z.B. die in Deutschland weit verbreitete Fokussierung auf qualitativ
hochwertige Produkte und technische Perfektion mit der in Frankreich eher vorherr-
schenden Orientierung an den Bedürfnissen des Kunden durchaus eine glückliche
Konstellation ergeben.
Ob es so weit kommt, hängt letztendlich von den Projektleitern und den Entscheidern
im Top-Management ab. Entscheidend ist deren Bereitschaft, internationale Projekt-
teams angemessen zu unterstützen und ihnen – auch über die unmittelbaren operati-
ven Erfordernisse hinaus – Freiraum zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es etwa um
die Schaffung von Transparenz über die Ziele des Projekts, aber auch um das Aushan-
deln gemeinsamer Regeln der Zusammenarbeit sowie die Einigung auf Vorgehens-
weisen und Tools im Projektmanagement.
Hinzu kommt der Faktor Vertrauen, auf den international arbeitende Teams aufgrund
der geographischen Entfernung und der schwierigen Kommunikationsbedingungen
weitaus stärker angewiesen sind als herkömmliche Projektteams. Wird in der Definiti-
onsphase gezielt in dieses Vertrauen investiert, ist in späteren Phasen mit erheblichen
Kosteneinsparungen aufgrund von gesteigerter Produktivität zu rechnen. In der Praxis
hat es sich bewährt, Start-Workshops mit dem gesamten Kernteam und mit Unterstüt-
zung von (internen oder externen) Prozessbegleitern durchzuführen. Während solcher
Start-Workshops lernen sich die Teilnehmer persönlich kennen und klären ihre Erwar-
tungen, Ziele, die Kommunikationswege und -medien sowie die Rollen einzelner
Teammitglieder im Projekt (siehe 2.3.1).
59
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.3.4 Informationsfluss im Projekt gestalten
Das klassische Informationsmanagement in den Unternehmen der Automobilindustrie
ist häufig noch nicht optimal auf die Projektarbeit ausgerichtet. Bei der Entwicklung
der IT-Infrastruktur und Installation entsprechender Software haben in der Vergan-
genheit die Anforderungen kommerzieller (ERP-System) und technischer Prozesse
(CAD, Simulation, DMU) klar dominiert. Über das weit verbreitete „Office-Paket“ sind
viele Unternehmen nicht hinausgekommen. Dementsprechend unübersichtlich sind
die Ablagen und elektronischen Verzeichnisse der Projektteams. Das Ablegen und
Wiederfinden von Dokumenten in der aktuell gültigen Version bereitet Projektleitern
und –mitarbeitern immer wieder „Kopfzerbrechen“.
Damit alle Projektbeteiligten auf dem aktuellen Informationsstand sind, sollte das
Projektmanagement einige Punkte beherzigen: 55
Sorgen Sie dafür, dass die strategische Ausrichtung des Projekts (Vision, Ziele,
Planung) dokumentiert und für jeden Mitarbeiter zugänglich ist, zum Beispiel auf
einer Projekt-Homepage im Intranet.
Legen Sie sich im Voraus auf die Dokumentationsform der Arbeitsergebnisse fest,
die im Projekt erzeugt werden sollen. Orientieren Sie sich dabei an den Projektpro-
zessen. Verwenden Sie standardisierte Dokumentvorlagen.
Erstellen Sie eine Übersicht Ihrer Werkzeuglandschaft und bilden Sie Ihren Infor-
mationsbedarf darauf ab.
Legen Sie Verteilerkreise für die verschiedenen Ergebnistypen fest. Orientieren Sie
sich an diesen, wenn Sie zu Besprechungen einladen. Verteilerkreise können Sie
z.B. in einem Groupware-Server einrichten.
Einigen Sie sich auf eine Ablagestruktur und ordnen Sie die Ergebnistypen festen
Ablageorten zu. Diese Ordnung erleichtert es speziell Mitarbeitern ohne Detailwis-
sen, Informationen zu finden.
60
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Erstellen Sie eine Übersicht der Daten, die für die Steuerung nötig sind. Prüfen Sie
dann, in welchen Werkzeugen diese Daten vorgehalten werden. Ergänzen Sie die
Funktionen der Werkzeuge. Die meisten lassen sich flexibel konfigurieren.
Über Intra- oder Internet können damit alle Projektbeteiligten immer die aktuellen,
verbindlichen Dokumente, Schriftverkehr, Zeit- und Kostenpläne abrufen. So vermei-
det die Projektleitung Konflikte zwischen unterschiedlichen lokalen Versionen von
Dokumenten. Bearbeitet ein Projektmanager gerade sein Projekt, so ist es in der Da-
tenbank für Änderungen durch andere gesperrt.
56 www.pm-software.info
61
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4 Definitionsphase als strategische Investition
im Automotive-Projekt
Der richtige Start eines Projekts hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg. Der Spruch
„Sag mir, wie dein Projekt startet, und ich sag dir, wie es endet!“ ist ja in der Projekt-
management-Welt hinreichend bekannt. Die Aktivitäten zum Start im Rahmen der
Definitionsphase behandelt dieses Kapitel. Besonders in der Zusammenarbeit zwi-
schen Auto-Hersteller und Zulieferer gibt es da viele Hürden zu überwinden. Von der
Initiierung über die Klärung der Ziele und Anforderungen (Lastenheft) bis zum Kick-
Off werden die wesentlichen Methoden, die Automotive-Projekten zum Erfolg verhel-
fen, erläutert.
Die Projektdefinition beinhaltet die Klärung der Ziele (Lastenheft), Strategien, Struktu-
ren, Verantwortlichkeiten und Zusammenarbeit im Projekt. Die klare Zieldefinition
bzgl. Produktergebnissen, Qualität, Termine und Kosten hilft allen Beteiligten „zielge-
richtet“ zu arbeiten und sich nicht mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen oder sich
zu verzetteln. Eine Projektstrategie, die über die Ziele des Unternehmens informiert,
hilft alle Projektmitarbeiter durch „Informationen über den Sinn und Zweck des Pro-
jekts“ zu motivieren. Strukturen wie ein Meilensteinplan und eine Produkt- oder An-
lagenstruktur bringen Transparenz und Übersichtlichkeit. Die Klärung von Verant-
wortlichkeiten und Informationsflüssen mit Hilfe von Organigrammen, Funktionen-
diagrammen (AKV) und Spielregeln liefern die Grundlage für eine reibungsarme,
effiziente Zusammenarbeit.
In vielen Fällen fehlt vor allem den Zulieferern eine klare Systematik für den Start von
Fahrzeugentwicklungsprojekten. Handlungsorientierung bestimmt das Geschäft. D.h.,
wenn vom Auftraggeber „grünes Licht“ erteilt wurde, wird sofort mit der Entwick-
lung begonnen. Für die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie und eines entspre-
chenden Projektplanes haben die Beteiligten vermeintlich „zu wenig Zeit“. Da sie eh
zu spät dran sind, darf also „keine Minute verloren werden“. Das führt zu operativer
Hektik und Plan- bzw. Ziellosigkeit, das Gegenteil von Effektivität.
62
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Eine Situation, mit der viele Unternehmen der Branche zu kämpfen haben. Spätestens
zum Serienanlauf eskalieren dann Probleme, die bei frühzeitiger Klärung gar nicht erst
aufgetreten wären. Abbildung 2-30 verdeutlicht diesen Negativ-Kreislauf.
Reklamationen
vom Kunden
Ressourcen für
Eskalation von Brandbekämpfung
Problemen im gebunden
Serienanlauf
Notlösungen Anfrage/Auftrag
und Improvisation vom Kunden
Für einen professionellen Projektstart ist in erster Linie die Projektleitung verantwort-
lich. Sie muss sich um die notwendigen Ressourcen kümmern (Kernteam) und voll-
ständige Informationen und Unterlagen vom Auftraggeber (Management, Vertrieb,...)
einfordern. Gerade beim „Stapellauf“ des Projekts kann ein interner oder externer
Projektcoach wertvolle Unterstützung leisten. Die verschiedenen Aktivitäten des Pro-
jektstarts lassen sich am besten im Team erledigen. Damit steigt die Akzeptanz und
Transparenz für alle Teammitglieder. Hierfür werden verschiedene Gespräche und
Workshops organisiert. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass die Planungsarbeit, die ja
oft von dringlichem Tagesgeschäft verdrängt wird, einen festen Platz hat. Planungsge-
spräche und Workshops mit zielgerichteter Moderation erzeugen brauchbare Ergeb-
nisse und Entscheidungen in kurzer Zeit. Es ist wichtig, diesen Zeitaufwand zu inves-
tieren, damit alle Projektbeteiligten die gleiche Sprache sprechen und den gleichen
Informationsstand bekommen. Generell gilt, dass der Umfang der Aktivitäten zum
Projektstart stark von der Projektgröße und Komplexität abhängt.
63
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Bei kleinen Projekten lassen sich viele Dinge zusammenfassen und werden evtl. vom
Projektleiter alleine erledigt. Abbildung 2-31 zeigt den systematischen Prozess der
Projektdefinition im Überblick.
Auftragsklärung
Einlader: Auftraggeber
Projektübergabe- Teilnehmer: Projektleiter +
gespräch Linienmanagement
Moderation: PM-Coach
Projektdefinitionsphase
Start-
workshop
Einlader: PL
„Team- Teilnehmer: PL + Team
entwicklung“ Moderation: PM-Coach
Einlader: PL
Auftakt Teilnehmer: PL + Teams der
Workshop Vertragspartner
Moderation: PM-Coach
Einlader: PL
Teilnehmer: PL + Team + betroffene
Kick-Off-Meeting Mitarbeiter / Abteilungen
Moderation: PM-Coach
Meilenstein „Projektfreigabe“
Einen Überblick über die Ereignisse, PM-Methoden und –Unterlagen, die im Rahmen
der Projektdefinition zur Anwendung kommen können zeigt beispielhaft die Checklis-
te in Abbildung 2-32. Checklisten dieser Art helfen dabei, dass keine Aktivität verges-
sen wird und innerhalb eines Unternehmens eine einheitliche Vorgehensweise
herrscht.
64
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-32: Beispiel: Checkliste Projektdefinitionsphase
Checkliste Projektdefinition
Legende : AG = Auftraggeber, PL = Projektleiter, KT = Kernteam, PC = Projektcoach, VT = Vertrieb
47 . . . . . . .
(Projekt-Nr.) (Kunde) (Projektbezeichnung)
Wer Erledigt
1. Auftragsklärung
- kommerziell / Konditionen AG, VT
- technisch / Mengengerüst, Lastenheft (Ergebnisse)
- Generelle Anforderungen und Randbedingungen
2. Projektsteckbrief PL
5. Teamentwicklung PL + KT, PC
- Rollenverteilung und Persönliche Stärken
- Verantwortung / Aufgaben / Funktionen
- Information / Kommunikation
- Entscheidungsordnung
- Zusammenarbeit / Spielregeln
6. Auftaktworkshop PL + KT + Kunde
- Vorstellung der Projektorganisation und Aufgabenzuordnung + ggfs.
- Abstimmung der Grob-Meilensteinplanung Vertragspartner
- Abstimmung der Lastenheftvorgaben + Rahmenbedingungen PC
8. Vertragsprüfung / Auftragsbestätigung PL
65
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.2 Frontloading als Projektmanagement-Strategie
Generell beklagen viele Zulieferer eine zu späte und oft nicht klar geregelte Einbin-
dung in die frühen Entwicklungsphasen. In vielen Fällen dominieren noch Ausschrei-
bungen und Vergabeprozeduren wie Wettbewerbe das Verhältnis zwischen Hersteller
und Zulieferer. Eine frühzeitige Partnerschaft im Sinne einer gemeinsamen Optimie-
rung des Projektstarts und der Projektplanung ist dadurch nicht möglich. Innovatio-
nen werden dabei verhindert. Besonders die Regelung der Aufgaben, Kompetenzen
und Verantwortlichkeiten (AKV) wird vernachlässigt und führt später zu Schnittstel-
lenproblemen, Fehlern und Konflikten zwischen den beteiligten Partnern. Aus Angst,
eine genaue Festlegung könne zu Forderungen der Gegenseite führen, verzichten viele
OEMs und Systemlieferanten auf dieses mächtige Instrument. Es fehlt die Verbind-
lichkeit in der Projektabwicklung. Doppelarbeit und Fehler bzw. Versäumnisse sind
vorprogrammiert. 57
100%
Kostenverantwortung
Produktwissen
Erweiterung des
Produktwissens durch
Stärkung der frühen Phase
Freiheitsgrad
für Entscheidungen
Fertigungs-
vorbereitung
Konzept Entwurf Ausarbeitung ...
0%
Projektvorbereitung Serienentwicklung Serienlauf
66
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Ein modifizierter Fahrzeugentwicklungsprozess mit stärkerer Gewichtung der frühen
Phasen reduziert das Planungsrisiko durch eine starke Verkürzung der Entwicklungs-
zeit. 59 Dies wird durch die weitgehende Parallelisierung der Entwicklungsprozesse
und den (fast) gleichzeitigen Start aller produktdefinierenden Teilprozesse zu Beginn
der Projektvorbereitung erreicht.
67
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.3 Auftragsklärung und Projektumfeldanalyse
"Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu
schmieden." Konfuzius, chinesischer Philosoph
Besonders bei komplexen und strategischen Projekten, die viele externe und interne
Schnittstellen haben, liefert das Instrument der Projektumfeldanalyse wichtige Infor-
mationen zur Auftragsklärung. Darüber hinaus bilden die daraus gewonnenen Er-
kenntnisse auch eine wichtige Grundlage für die Zielklärung, spätere Risikoanalysen
und die Informationspolitik im Rahmen der Projektsteuerung.
68
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Nicht wenige Projekte sind schon an der Missachtung des politischen und sozialen
Umfeldes gescheitert oder haben zumindest vermeidbare Störungen und Behinderun-
gen dadurch erlebt.
Kunden Wettbewerber
Politik Lieferanten
Vertrieb Produktion
Projekt ...
Personal Fachabt.
Technik
Finanzen ...
Partner
Unternehmen
Wissenschaft
Kapitalgeber
Gesellschaft
69
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.4 Projektübergabe
Das Projektübergabegespräch 61 soll einen schnellen und erfolgreichen Projektstart
sicherstellen, indem es frühzeitig zur Klärung fehlender Informationen und Entschei-
dungen beiträgt. Außerdem dient es dazu, langfristig die Disziplin im Vertrieb und die
Qualität der Angebotserstellung zu verbessern, weil unvollständige Unterlagen und
ungeklärte bzw. ungenaue Vertragsverhältnisse frühzeitig offenbar werden. Für den
Projektleiter bietet es die wichtigsten Informationen über das Projekt und seinen Sta-
tus. Es ist eine Besprechung im kleinen Kreis zwischen dem internen Auftraggeber des
Projekts (z.B. Geschäftsleitung bzw. Vertrieb), dem Projektleiter und ggfs. den be-
troffenen Ressourcenverantwortlichen aus der Linie. Im Focus steht die Informations-
weitergabe und den Stabwechsel von der vorgelagerten Phase (z.B. Vorstudie, Vor-
entwicklung, Akquisition, Vertrieb, Angebotserstellung) zum Projektleiter für die
Serienentwicklung, Produktionsanlage oder Auftragsabwicklung. Der Ablauf ist aus
folgender Agenda ersichtlich (Abbildung 2-36):
70
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Eine Checkliste zur Projektübergabe ist ein wesentliches Führungsinstrument für den
Projektleiter. Mit ihr wird geklärt, welche Informationen für den Start des Projekts
vorhanden sind und welche noch fehlen. Abbildung 2-37 zeigt ein Beispiel.
Checkliste Projektübergabe
Kunde/Auftraggeber:
Projekt/Kundenauftrag:
Projektleiter:
übergeben erstellen/überarbeiten
Stand E Ü verantwortlich Termin
Angebotsunterlagen
• Anfragespezifikation
• Angebot mit Anlagen
• Angebotsschriftverkehr
• Angebotskalkulation
• Grobterminplan
• Projektsteckbrief
•
Verhandlungsergebnisse
• Auftragssumme + Währung
• Zahlungsvereinbarungen/Finanzierung
• Ein- und Ausfuhrbestimmungen
• Garantievereinbarungen
• Verhandelte Stundensätze
• Ecktermine, Meilensteine
• Standorte
• zus. techn. Vereinbarungen
• zus. kaufm. Vereinbarungen (z.B. local content)
• Projektorganisation vom Kunden, Ansprechpartner
• Auftragsnummer des Kunden
• letter of intent
• Verhandlungsprotokolle
•
Liefer- und Leistungsumfang:
• Verzeichnis und Beschreibungen
• Spezifikation/Lasten- und Pflichtenheft
• Fremdumfänge mit Angeboten
• Projektmanagement
• Beistellumfänge vom Kunden
• Ersatzteile
• Service/Wartung
•
Nachdem der Projektleiter jetzt in „Amt und Würden“ ist, muss er seine Projektstrate-
gie erarbeiten, die Mannschaft aufstellen und auf das Projekt einschwören. Dies ge-
schieht am Besten in einer konzentrierten Teamklausur.
71
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.5 Projektstartklausur / -workshop
Um wichtige Projekte professionell einsteuern zu können, brauchen Projektleitung
und –team eine Phase der Kreativität und Konzentration frei vom Tagesgeschäft. Eine
je nach Projektgröße und Komplexität, 1-5-tägige Startklausur kann da wahre Wunder
bewirken. In diesem Rahmen wird alles geklärt und erarbeitet, was für eine professio-
nelle Projektdefinitionsphase erforderlich ist. Nicht nur Ziele, Strukturen, Methoden
und Strategien, sondern auch die Zusammenarbeit im Team spielen dabei eine wichti-
ge Rolle. Am Ende steht eine Präsentation vor dem internen Auftraggeber des Projekts,
dem Projektsteuerkreis und/oder der Geschäftsleitung.
Der Startworkshop dient in erster Linie dazu, das Projekt zielgerichtet „in Fahrt zu
bringen“. Er informiert alle Projektmitglieder über die Inhalte und Organisation sowie
die Ziele des Projekts und trägt somit zum systematischen, zielgerichteten Start bei.
Versäumnisse in der Definitionsphase des Projekts können später nur mit unverhält-
nismäßig großem Aufwand wieder kompensiert werden. Deshalb ist der systemati-
sche Projektstart ein Erfolgsfaktor für jedes Projekt.
Organigramm (Verantwortlichkeiten)
Projektziele (Strategische-, Sach-, Termin- und Kostenziele)
Liefer- und Leistungsumfang/ Projektergebnisstruktur
Meilensteine / Mastertiming
Projektinfrastruktur, -ablage
Ablauf Änderungsmanagement
Mit der guten Vorbereitung durch den Projektleiter, ggf. unterstützt durch einen Mo-
derator, steht und fällt die ganze Veranstaltung. Je mehr Standards in einem Unter-
nehmen schon vorhanden sind, desto weniger Vorarbeit ist natürlich zu leisten. Gene-
rell gilt, dass der Umfang der Aktivitäten zur Projektdefinition stark von der
Projektgröße abhängt. Bei kleinen Projekten lassen sich viele Dinge zusammenfassen
und werden evtl. vom Projektleiter alleine erledigt. Bei größeren Projekten ist eine
Vorbereitung des Workshops im Team erforderlich.
Abbildung 2-38 zeigt anhand einer Agenda, wie eine Startklausur ablaufen kann.
72
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-38: Beispiel: Agenda für Projektstartklausur/-workshop
73
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-39 zeigt das Workshop-Konzept eines Systemlieferanten. „PACT“ steht
für „Project Acceleration by Coaching and Teamwork“. Es geht also um eine Beschleu-
nigung des Projektes durch gezielten Einsatz von Coaching und Teamarbeit. In mehre-
ren, aufeinander aufbauenden, moderierten Workshops werden die wesentlichen
strategischen und Projektmanagement relevanten Pläne erarbeitet und Entscheidun-
gen vorbereitet. Als Zusammenfassung erfolgt dann eine Präsentation vor dem Ma-
nagement.
62 Quelle: Siemens
74
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.6 Zielklärung und Lastenheft
„Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind günstig.“ Seneca, römischer
Politiker, Redner, Philosoph und Schriftsteller
Lastenheft SOP
100% Kenntnisstand
Produkteigenschaften
Änderung
Realisierung Fehlerbeseitigung
Produkt
Test/
Konzept Definition Entwicklung Produktion
Integration
= Bestrebungen zur frühzeitigen Absicherung von Entwicklungsergebnissen
75
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Die Kette der Erfolgsfaktoren für eine frühzeitige Absicherung von Entwicklungser-
gebnissen in Fahrzeugprojekten stellt sich wie folgt dar:
Das Lastenheft ist zu Beginn der Entwicklungsphase vorhanden, geprüft und aus-
reichend detailliert
Alle Beteiligten sollen in die gleiche Richtung arbeiten, deshalb ist neben dem Lasten-
heft eine Konkretisierung weiterer Anforderungen in Form von Projektzielen zu Be-
ginn des Projekts unerlässlich. Die Erfahrung zeigt, dass fehlende Zielklarheit zu Rei-
bungsverlusten, Konflikten und mangelnder Effektivität in der Projektabwicklung
führen. Ein Projektziel ist ein nachzuweisendes Ergebnis und / oder eine vorgegebene
Realisierungsbedingung der Gesamtaufgabe eines Projektes. 66 Es werden Maßstäbe
für den Erfolg des Projektes definiert. Wir sprechen von sogenannten Sachzielen oder
Ergebniszielen in den Bereichen Produkt und Prozess (Abnahmekriterien des Auf-
traggebers), Abwicklungsziele (Kosten, Termine, Organisation), strategische Ziele
(Anforderungen des Managements) und Rahmenbedingungen (unumstößliche Gege-
benheiten) bzw. Einflüsse des Projektumfeldes. 67 Die folgende Abbildung zeigt die
verschiedenen Zielkategorien.
76
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-41: Zielkategorien im Projekt
Rendite
Markt/Kunde
Technologie
Strategische Unternehmensentwicklung
Ziele /
Firmenziele
Qualitäts- und
Sach- / Ergebnisziele Leistungsdaten
Abnahmekriterien
Ressourcen
(Eigen/Fremd)
Abwicklungs- / Durchführungsziele Termine, Kosten
Ablauforganisation
Normen
Rahmenbedingungen / Projektumfeldeinflüsse
Gesetze
Standort
Kultur/Sprache
Die professionelle Formulierung der Ziele ist nicht trivial und hat schon manches
Projektteam zum Schwitzen gebracht. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Krite-
rien, die dabei berücksichtigt werden sollten.
lösungsneutral
überprüfbar
vollständig
konkret S pezifisch
verständlich M essbar
widerspruchsfrei A bgestimmt
attraktiv R ealistisch
realistisch T erminiert
akzeptiert
schriftlich fixiert
priorisiert
77
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Die Ziele sollten gemeinsam von Projektleiter und Kernteam im Rahmen der Aktivitä-
ten zur Projektdefinition (Startworkshop) erarbeitet werden. Brainstorming, Mind-
maps und Metaplantechnik bieten sich als hilfreiche Methoden an. Die Ziele werden
vom internen Auftraggeber freigegeben. Zum Aufstellen der strategischen Ziele (aus
Sicht der Unternehmensleitung) helfen folgende Fragen weiter:
Sach-/Systemziele:
Gewicht (kg)
Herstellkosten p. Teil/Fahrzeug, Stückkosten (Euro)
Anforderungen an Prüfmittel
Qualitätskriterien und Kennzahlen (cpk..) pro Teil
Prototypen/Musterteile (Anzahl, Funktion, Qualitätsstand)
Dokumentation, Datenqualität...
Abwicklungs-/Durchführungsziele:
Entwicklungskosten (Euro)
Invest-, Anlagen-, Werkzeugkosten (Euro)
Ecktermine für Reviews
Anforderungen an Kommunikation (Regeltermine)
Anforderungen an Entscheidungsprozesse (Gremien, Reporting, Eskalation)
Anforderungen an den Infofluss (Medien, Datenaustausch, Turnus)
Methodeneinsatz (FMEA, QFD, FEM, Simulation, DMU...)
Systemeinsatz (CAD, Test, Termincontrolling)
78
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Bei der Definition der Sachziele (Abnahmekriterien, abgeleitet aus dem Lastenheft des
Kunden) helfen folgende Fragen weiter:
Welche Kernanforderungen sind an das Werkzeug/ die Anlage gestellt? (nach wel-
chen Kriterien nimmt der Kunde den Liefer- und Leistungsumfang ab?)
Generell muss auf eine ergebnisorientierte Formulierung der Ziele (mess- und über-
prüfbar) geachtet werden. Sind die Ziele nicht messbar formuliert, kann der Erfolg in
Form der Zielerreichung auch nicht nachgewiesen werden. Projektleiter und –team
können dann auch nicht „erfolgreich“ Ziele erreichen. Die folgende Abbildung zeigt
ein Beispiel für einen Zielkatalog.
79
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-44: Beispiel: Zielkatalog eines Betriebsmittelprojekts (fiktiv)
1. Strategische Ziele:
80
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
In komplexen Fahrzeugentwicklungsprojekten ist es mit einer globalen Zieldefinition
nicht getan. Hier müssen die technischen Ziele und Anforderungen auf die einzelnen
Komponenten und Funktionen des Produktes heruntergebrochen werden. Aus der
Produktentwicklungsmethodik und dem Qualitätsmanagement gibt es einschlägige
Methoden und Vorgehensweisen, die im Folgenden beispielhaft behandelt werden.
Abbildung 2-45 zeigt eine Auswahl relevanter Methoden in Fahrzeugentwicklungs-
prozessen im Überblick
Produktanforde- Produkt
rungen ermitteln entwerfen
Prozessanforde- Prozess
rungen ermitteln entwerfen
• QFD (Quality function
Deployment)
• Target costing
81
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-46: House of Quality, schematische Darstellung 72
82
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Leistungsanforderungen verbalisiert und erwartet der Kunde als Leistung. Das Fehlen
empfindet er als negativ (Airbags, Radio etc.). Begeisterungsanforderungen stellen für
den Kunden eine unerwartete, aber angenehme Überraschung dar. Diese definieren
die Alleinstellungsmerkmale des Produkts. Basis für den Zielvereinbarungsprozess ist
die Identifikation der Produktanforderungen im Zielfindungsprozess. Dies erfolgt
beispielsweise im Rahmen einer QFD, deren Ergebnis in der ersten Phase die Erstel-
lung der nach Kundenrelevanz gewichteten Produktmerkmale ist. Im konventionellen
Fahrzeugentwicklungsprozess wird hieraus ein Projektzielkatalog entsprechend der
Unternehmensstrategie abgeleitet. Der Projektzielkatalog stellt aber einen Kompro-
miss dar, weil aufgrund von Zielkonflikten nicht alle Kundenwünsche gleichermaßen
berücksichtigt werden können. Abbildung 2-47 zeigt die hierarchische Gliederung des
Zielvereinbarungsprozesses.
73 ebenda, S. 59ff
83
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das Projektmanagement organisiert und moderiert diesen Zielfindungs- und Ziel-
vereinbarungsprozess. Im Projektzielkatalog werden auch wesentliche Meilensteine,
wie der Markteinführungstermin, festgelegt. Auf Basis der Produktspezifikationen
und den festgelegten Zeitpunkten erstellt das Projektteam dann später den Projektab-
laufplan, der neben der Bestimmung aller notwendigen Arbeitspakete auch einen
detaillierten Zeitplan mit allen Meilensteinen sowie eine Ressourcenplanung enthält.
Bei der Definition der Rahmenbedingungen für das jeweilige Projekt spielen vor allem
die einschlägigen Normen und Vorschriften der Automobilhersteller und die gesetzli-
chen Vorgaben eine große Rolle. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für kun-
denspezifische Forderungen der Marke Mercedes.
74 Quelle: Daimler
84
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.7 Projektergebnisstruktur (Produkt- bzw. Anlagen-
struktur)
Für eine effektive Projektabwicklung ist es unabdingbar, dass sich das Projektteam
bereits beim Start auf die wesentlichen, vom Auftraggeber geforderten Projektergeb-
nisse fokussiert. Dieser Ansatz entspricht dem Denken der klassischen Wertanalyse,
wo die Frage nach den Funktionen eines Produkts, die auch wirklich vom Kunden
wahrgenommen und bezahlt werden, im Vordergrund steht. Die Projektergebnisstruk-
tur 75 stellt den Liefer- und Leistungsumfang des Projekts zum Zeitpunkt der Überga-
be (oder Abnahme) an den Auftraggeber graphisch dar. Wir sprechen deshalb je nach
Projektart von der Produktstruktur (Entwicklungsprojekt) bzw. Anlagenstruktur (Pro-
duktionsanlagen- bzw. Betriebsmittelprojekt). Die Projektergebnisstruktur definiert
alle Liefergegenstände (Objekte), die dem Kunden bis zum letzten Meilenstein des
Projekts übergeben wurden und Leistungen, die dann noch zu erbringen sind (z.B.
Service, Produktionsbetreuung). Für das Projektteam schafft diese Vorgehensweise
Transparenz und sie hilft bei der Klärung der Auftragsinhalte mit dem Auftraggeber.
Des Weiteren bildet die Projektergebnisstruktur die Basis für die nächsten systemati-
schen Planungsschritte. Abbildung 2-49 zeigt den Zusammenhang auf.
OEM: Lieferant:
Die Darstellung der Projektergebnisse erfolgt in einer Baumstruktur. Diese ist in meh-
reren Ebenen gegliedert, wobei jede Ebene aus in sich logisch abgeschlossenen Teilum-
fängen besteht. Die erste Ebene ist die Grobgliederung des gesamten Produkts (Fahr-
zeug, Modul...) oder der Anlage.
85
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
In Summe ergeben alle Teilumfänge das gesamte Projektergebnis. Jede weitere, tiefer-
gestufte Ebene ist eine Detaillierung des entsprechenden Teilumfangs. Abbildung 2-50
zeigt das Beispiel eines Systemlieferanten für ein komplettes Fahrzeugmodul.
Ergebnisstruktur Frontend
Hierbei sind Methoden wie das Brainstorming oder Mindmapping sehr hilfreich. Die
Strukturierung erfolgt zunächst am besten Top Down an der Pinwand mit Kartentech-
nik. Es geht nicht um den Detaillierungsgrad einer Stückliste, bis auf die letzte
Schraube, sondern um die wesentlichen Elemente/logischen Einheiten aus (Projekt-)
Management-Perspektive.
Für die weitere Dokumentation kann das Ergebnis als Baumstruktur dann elektro-
nisch mit Hilfe von PM-Tools oder Grafikprogrammen festgehalten werden. Abbil-
dung 2-51 zeigt als Beispiel die Produktstruktur einer Gesamtfahrzeugentwicklung.
86
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-51: Produktstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung
Entwicklung
Derivat-Fahrzeug
Qualitäts-
CAD-Daten Surfaces ICEM Surfaces ICEM Surfaces ICEM
dokumentation
1 Cubing
Toleranzstudien Toleranzstudien
Innen
87
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-52: Beispiel Projektergebnisstruktur Produktionsanlage
Vorrichtungen und
Roboter Laser Zellen-Steuerung Bauteile Dokumentation
Infrastruktur
Betriebs-
Mechanik Greifer Strahlquelle Steuerschrank Pilotteile
anleitung
Installation + Wartungsan-
Steuerschrank Konsolen Steuerschrank Probeteile
Kabel leitung
Layout und
Sensorik Gestelle Software Software i.O. Bauteile
Pläne
Sicherheits-
Software Strahlführung Schaltpläne
technik
Software-Doku
Ist das Ergebnis klar definiert und damit eine Vision auf das Projekt-Ende hin geschaf-
fen, kann das Projektteam damit beginnen den Weg dorthin - mit seinen Etappen -
grob zu planen.
Projekte in der Automobilindustrie können heute nicht mehr als serielle Prozessketten
angesehen werden, sondern haben aufgrund von Überlappungen und Parallelprozes-
sen vielmehr den Charakter von Prozessnetzen.
88
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Die Endpunkte der Prozessschritte sind als Meilensteine in einem Entwicklungszyklus
zu sehen und geben Auskunft über die Erreichung eines gewünschten Zustandes bzw.
eines vorgegebenen Ziels. Sie stellen die Übergabepunkte einer Vorleistung zu einer
Nachfolgeleistung dar. Wenn sich also ein Meilenstein verschiebt, hat dies direkte
Auswirkungen auf den Gesamterfolg, den Projektabschluss. Die Auswirkungen einer
Meilensteinverschiebung sind bei dieser Sichtweise umfassender zu sehen als bei einer
seriellen Prozesskette. Es verschieben sich zum einen Nachfolgeprozesse, zum ande-
ren aber auch parallele und überlappende Prozesse und haben somit Auswirkungen
auf das gesamte Netzwerk. Durch den harten Wettbewerb in der Automobilindustrie
müssen Entwicklungszeiten immer mehr verkürzt werden, so dass Pufferzeiten meist
gänzlich entfallen und immer mehr Prozessschritte parallel ablaufen. Die Verschie-
bung eines einzigen Meilensteins kann daher die Überschreitung von Lieferterminen
oder die Verzögerung von Folgeaufträgen nach sich ziehen, was im Extremfall direkte
Konsequenzen für die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens haben kann. Um
frühzeitig auf negative Entwicklungen reagieren zu können, ist es nötig, Meilensteine
systematisch zu planen und konsequent zu kontrollieren. Im Produktentwicklungs-
prozess (PEP) spielen sogenannte Quality Gates und Synchronisationspunkte dabei
eine zentrale Rolle. Abbildung 2-53 zeigt den Zusammenhang.
Messgröße 1 Messgröße 1 RP
89
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Ausgehend vom Standard-Produktentwicklungsprozess des Unternehmens müssen
die jeweiligen Meilensteine für die Projekte sauber definiert werden. Abbildung 2-54
zeigt schematisch den Zusammenhang auf.
Zwischen-Gate-Review
1 2 Abschluss-Gate-Review
Absicherung Qualität
Prototypen
3
4
Zeit
5
Kosten
6
7 8 9
Auftrag SOP
Der Phasen- und Meilensteinplan ist ein wesentliches Hilfsmittel für eine koordinierte
und systematische Projektdurchführung. Insbesondere bei komplexen Projekten ist es
sehr hilfreich, wenn die Beteiligten auf definierte Zwischenergebnisse mit bestimmten
Realisierungsterminen hinarbeiten, anstatt nur das komplexe Endprodukt „im Visier“
zu haben. Damit steigt die Motivation und Leistungsbereitschaft aller Projektbeteilig-
ten. „Die Lebenserfahrung lehrt, dass sich die Menschen um fünf vor zwölf schneller bewegen
als um halb zwölf.“ 79
79 Georg Kofler, Premiere-Geschäftsführer, über die Verhandlungen zur Rettung des Abosenders
(aus: Wirtschaftswoche, Nr. 21 vom 16.05.2002)
90
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Es ist darauf zu achten, dass der Phasen- und Meilensteinplan zu den definierten Mei-
lensteinen konkrete Etappenziele in Form von messbaren und überprüfbaren Ergeb-
nissen enthält, keine Aktivitäten! Diese sind im Terminplan enthalten. Insbesondere
für längere Realisierungsphasen ist es sinnvoll, eine Unterteilung in mehrere Unter-
phasen/Meilensteine vorzunehmen.
Kammlinie/
Beschaffungs- Interne End of
Projekt-
Projektstart Projektauftrag Projektfreigabe Planungsfreigabe freigabe Serienfreigabe Production
abschluss
Phase 1:
Initiierung
Phase 2:
Konzeption
Phase 3:
Applikationsentwicklung
Phase 4:
Produktionsvorbereitung
Phase 5:
Serienanlauf
Phase 6:
Absicherung
Bestätigung Serie
C - Muster &
B-Muster &
Grob- Fein- Entwicklung Vorbereitung
Entwicklung
konzeption konzeption B-Muster Erstbemusterung
C - Muster
durch Kunden
(A - Muster) Design freeze Entwicklungsfreeze D - Muster
(B - Muster)
Die modellhafte Darstellung allein schafft natürlich noch keine Klarheit über die Ziele,
Detail-Meilensteine und Inhalte einer jeden Phase. Diese Informationen sind in der
folgenden Tabelle dargestellt (Tabelle 2-1). Im Sinne eines Standard „Phasen- und
Meilensteinschemas“ lässt sich damit eine gute Informationsgrundlage für den Pro-
jektmanagement-Prozess im Automobilunternehmen legen.
91
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Tabelle 2-1: Ziele, Meilensteine und Inhalte des Phasenkonzepts eines Systemlieferanten
Applikations- Produktions-
Phase: Initiierung Konzeption Serienanlauf
entwicklung vorbereitung
92
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Damit die Meilensteine auch als effektives Hilfsmittel zur Fortschrittskontrolle dienen,
müssen klare Messgrößen pro Meilenstein festgelegt werden, die sogenannten „De-
liverables“. Sie definieren mess- und überprüfbare Sachergebnisse, die zum jeweiligen
Meilenstein vorliegen müssen und wie bei einer Abnahme „abgehakt“ werden kön-
nen. Abbildung 2-56 zeigt Beispiele von Meilensteinergebnissen.
Produktergebnisse
• Konstruktionszeichnungen / -daten
• Designmodelle, Berechnungen
Meilenstein • Prototypen, Funktionsmuster
Produktionsprozessergebnisse
• Anlagenlayout
• Anlagenspezifikation
• Produktionsfreigaben
Ergebnisse: Testergebnisse
• Materialprüfung
• Erprobung im Kundenfahrzeug
• Werkzeugfreigabe
• Nullserienfreigabe
projektbezogene Ergebnisse
• Projektkalkulation
• Projektterminplan
• Projektberichte
Aus Sicht der Autoren ist hier „weniger“ oft „mehr“. Um den Reifegrad eines Fahr-
zeugentwicklungsprojektes zu beurteilen, sollten pro Meilenstein nur die wesentlichs-
ten Kriterien abgefragt werden. Komplexe „Quality-Gate-Systematiken“, die dann
auch noch eigener Software-Tools bedürfen, sollten vermieden werden.
Der Phasen- und Meilensteinplan wird vom Projektleiter und -team erstellt. Er muss
mit den Linienverantwortlichen abgestimmt werden. Die gemeinsame Abstimmung
und Klärung der Etappenziele ist ein wesentlicher Motivationsfaktor im Projekt. Ab-
bildung 2-57 zeigt das Beispiel eines Meilenstein-Schemas für ein Produktionsanlagen-
projekt.
93
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-57: Beispiel: Meilensteinplan Projekt „Roboterzelle mit Laser“(fiktiv)
Projektübergabe o Projektsteckbrief
00
o Technische und kommerzielle Vorgaben
o Projektleiter ist benannt
o Projektteam ist benannt
Projektabschluss o Nachkalkulation
8
o Übergabe an Service
o Projektreview und -bericht
o Projektorganisation aufgelöst
94
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
In Gesamtfahrzeug-Entwicklungsprojekten ist die Welt noch etwas komplexer als in
den oben dargestellten Grafiken erkennbar ist. Innerhalb einer Phase gibt es hier eine
Vielzahl von funktionalen Meilensteinen, zu denen Aussagen über den Reifegrad des
Produktes und den Entwicklungsfortschritt gemacht werden müssen. Darüber hinaus
spielen die sogenannten Synchronisationspunkte zur Abstimmung der unterschiedli-
chen Module, Komponenten und Funktionen eine wesentliche Rolle. Abbildung 2-58
zeigt einen Ausschnitt aus einer Gesamtfahrzeug-Entwicklung.
Programm Specification
Clay
Freeze structure
Freeze SF UDR ext/int VDR ext/int DKM
relevant items
Styling Process
CAE
Concept Appr.
Component Development Testing
KPC RPS / MT CT MP
Prototyping
Aufgrund der Komplexität und dem hohen Abstimmungsbedarf der parallel laufen-
den Prozesse und Entwicklungsaktivitäten in Fahrzeugprojekten ist die Planung und
Koordination der Meilensteinketten und Synchronisationspunkte sinnvoll nur mit
entsprechenden DV-gestützten PM-Tools zu leisten. Nur wenige Systeme sind am
Markt verfügbar, die an dieser Stelle eine entsprechende Funktionalität aufweisen.
Hier verweisen wir auf die entsprechenden Marktübersichten für PM-Software. 82
Abbildung 2-59 zeigt die Bildschirmdarstellung von Synchronisationsverbindungen
im Terminplan eines Fahrzeugentwicklungsprojekts.
81 Quelle: EDAG
82 www.pm-software.info
95
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-59: Synchronisationspunkte im Fahrzeugprojekt, Screenshot 83
a e a age
Synchronisations
-Verbindungen
Teilprojekt-
leiter
Externer
Engineering-
dienstleister
83 Quelle: Actano
96
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Bei der Kostenfestlegung kann auf das Konzept des Target Costing zurückgegriffen
werden. Der Grundgedanke dabei ist, die Kosten an den Kundenerwartungen zu
orientieren, so dass marktseitig erfolgreiche Preise realisiert werden können. Im Rah-
men einer Fahrzeugentwicklung legt der Automobilhersteller die Modul- und Kom-
ponentenpreise und damit verbunden die Herstellkosten grob fest und entscheidet
auch über die Höhe des zur Verfügung stehenden Entwicklungsbudgets.
Aggregation des
Auftraggeber
(OEM, Tier1) Festlegung des Gesamt-
Angebots
Zielpreises/-budgets
Abschätzung der
Ableitung der
Herstellkosten
Entwicklungskostenziele
Abschätzung der
Entwicklungs- Ableitung der
kosten Herstellkostenziele
Kostencontrolling
Lieferant + Änderungs-
Lieferant
(Tier1, Tier2) management
97
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Damit diese Aggregation leicht fällt, sollte bereits die Kostenabschätzung mit Hilfe
eines entsprechend standardisierten Vorkalkulationsblattes erfolgen. Auf Basis der
aggregierten Gesamtentwicklungs- und Gesamtherstellkosten für das Modul / System
werden nun erste Zielpreise und Entwicklungsbudgets berechnet und dem Automo-
bilhersteller angeboten. Mit diesem Schritt ist die erste Phase der Kostenzielermittlung
abgeschlossen. Wenn der Auftraggeber das Angebot generell akzeptiert, wird ein
Abgleich der Preisvorstellungen zwischen Hersteller und Modullieferant in intensiven
Verhandlungsrunden erfolgen. Bei positivem Abschluss ist das Ergebnis ein gemein-
sam definiertes, neues Entwicklungsbudget sowie ein neuer Zielpreis, der in der Regel
unter dem ersten Angebotszielpreis liegen wird. Beide Kostenziele müssen nun top-
down auf die einzelnen Komponenten bzw. Arbeitspakete heruntergebrochen werden.
Eine einfache Vorgehensweise, die hierzu angewendet werden kann, zeigt Abbildung
2-61.
Bottom-Up
Top-Down
98
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Aufbauend auf den Ergebnissen der bottom-up-Abschätzung der Herstell- und Ent-
wicklungskosten wird zunächst die Kostenstruktur des Angebotes, d. h. die prozentu-
ale Zusammensetzung der Herstell- und Entwicklungskosten, ermittelt. Die Kostenlü-
cken, die aufgrund des Abgleichs mit dem Hersteller entstanden sind, werden
anschließend gemäß der Kostenstruktur verteilt. Problematisch bei dieser Vorgehens-
weise ist, dass kein Unterschied zwischen Bereichen bzw. Komponenten mit hohen
und niedrigen Kosteneinsparungspotentialen gemacht wird („Gießkannenprinzip“).
Eine weniger systematische, dafür aber genauere Vorgehensweise zur komponenten-
spezifischen Kostenzielermittlung kann unter Zuhilfenahme der Erfahrungswerte aus
vergleichbaren Projekten oder von Einkaufs-Know-how realisiert werden. Abhängig
von den realisierbaren Einsparpotentialen im Rahmen des Entwicklungs- und Verga-
beprozesses werden die Zielpreisreduzierungen unterschiedlich stark vorgenommen.
Basis für fundierte Schätzpreise ist eine gut strukturierte Kostenkalkulation. Für Fahr-
zeugentwicklungsprojekte bedeutet dies, dass die Stückzahlen, die Produktstruktur
sowie die relevanten Meilensteine des Entwicklungsprozesses bekannt sind. Das Las-
tenheft und die vorangegangenen PM-Aktivitäten in der Projektdefinitionsphase soll-
ten alle notwendigen Informationen liefern. Das Kalkulationsblatt wird mit einer Zeit-
achse und einer Kostenachse als Tabelle aufgebaut. Wichtig ist dabei, dass abhängig
von der Projektphase Serienentwicklung oder -produktion verschiedene Zeitskalen
verwendet werden. Abbildung 2-62 zeigt ein Schema.
(Entwicklungsprozess) (Serienproduktion) t
t1 1 3 ... t2
2
Perioden
Projektmeilensteine
¦
(laufende Produktion)
Entwicklungskosten
• Entwicklung
• Konstruktion
• Versuch
• Sim ulation
• Musterbau Entwicklungskosten (EK)
• Beschaffung
• .......
Herstellkosten ¦ EK
• Material /Kaufteile
• Prod.Personal
• Qualitätswesen
Herstellkosten (HK)
• Logistik
• Abschreibungen
• ....... ¦øHK
99
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
In der Entwicklungsphase werden die vorgegebenen Meilensteine zur Skalierung
genutzt. Die Produktionsphase wird hingegen durch feste Perioden gegliedert. Ähnli-
ches gilt auch für die Gliederung der Kosten. Auch hier werden abhängig von der
betrachteten Projektphase spezifische Gliederungen der Kostenarten gewählt. Für die
Entwicklungsphase wird eine ressourcenorientierte Kostengliederung verwendet
(Entwicklung, Versuch, Material, ...). Die Herstellkosten werden klassisch nach dem
Produktionsablauf (Fertigungskostenstellen) und dem eingesetzten Material bzw.
Kaufteilvolumen gegliedert. Die zwei Kalkulationsbereiche (Entwicklungs-, Herstell-
kosten) können im Detail folgendermaßen gegliedert werden:
Entwicklungskosten
Zeitachse
KA PH DM/MU
Entwicklungskosten h l €/h Euro h €/h Euro h €/h
ressourcenorientiert
Personal
Kostengliederung
Material
Arbeits- und Betriebsmittel
Flächen und Gebäude
100
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Herstellkosten
Vertriebskosten sind alle für den Vertrieb der jeweiligen Business-Unit anfallen-
den Kosten für Vertriebspersonal, Akquisition, Werbung, Marketing.
Umlagen für die dem Produkt bzw. Produktionsprozess nicht direkt zuordenbaren
Kosten für z.B. Serienbetreuung und -verbesserung, Service, Ersatzteilverwaltung
während der Serienproduktion...
Anders als bei der Entwicklungsphase wird die Zeitachse der Serienproduktion nicht
durch Meilensteine untergliedert, sondern in Perioden (jährlich oder monatlich) unter-
teilt. Die Abschätzung der einzelnen Kostenblöcke muss dementsprechend periodisch,
gemäß der vom Kunden angegebenen Stückzahlen pro Periode ermittelt werden.
Abbildung 2-64 zeigt das Schema.
Zeitachse
Fertigungsgemeinkosten
Sondereinzelkosten
Materialkosten
Materialeinzelkosten
Materialgemeinkosten
Verwaltungskosten
Vertriebskosten
Umlagen
86 ebenda, S. 108
101
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Im nächsten Schritt müssen die Kalkulationsdaten für die Wirtschaftlich-
keitsberechnung zusammengefahren und aufbereitet werden. Aus dem Zielpreis des
Kunden, der Stückzahl-Prognose und den Kalkulationsdaten lassen sich dann Margen,
Deckungsbeiträge, Amortisationszeiten, Break-Even-Points und weitere Wirtschaft-
lichkeits-Kennzahlen ermitteln. Für die Entscheidung zur Projektfreigabe bzw. An-
nahme eines Auftrags sind diese Informationen am besten in einem standardisierten
„Businessplan“ aufzubereiten. Einschlägige Tabellenkalkulationsprogramme leisten
hierzu im Regelfall gute Dienste. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel.
Produktivität, Jahresstückzahlen
Jahr 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr 6. Jahr Gesamt
Produktivitätssteigerung Kundenforderung (%) 0 3 2 2 0 0 7
Produktivitätssteigerung machbar (%) 0 2 2 0 0 0 4
Auftrags-Stückzahl (Tsd.) 300 1.000 1.000 1.100 800 600 4.800
Vorschau-Stückzahl (Tsd.) 200 600 1.100 1.200 1.000 700 4.800
Für das Management lassen sich die wesentlichen Kennzahlen grafisch aufbereiten.
Abbildung 2-66 zeigt ein Beispiel.
102
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-66: Beispiel: Projektwirtschaftlichkeit grafisch
6,0
4,0
0,0
Start SOP 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr
-2,0
-4,0
-6,0
Ist die Wirtschaftlichkeit gesichert und der Wille zur Zusammenarbeit bekundet (meist
durch einen LOI = Letter of Intent / Absichtserklärung), so sollten sich Auftraggeber
und Auftragnehmer im Fahrzeugprojekt an einen Tisch setzen und die wesentlichen
Informationen und Festlegungen aus der Projektdefinitionsphase abgleichen.
103
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Ein Auftakt-Workshop dauert in der Regel 1,5 – 2,5 Tage, bei internationalen Projekten
muss durchaus mit höherem Aufwand gerechnet werden. Die Veranstaltung beinhal-
tet z.B. folgende Themen:
5. Qualitätsmanagement
Sind die grundsätzlichen Themen und die strategischen Fragen im Projekt intern wie
extern geklärt, so sollte die Projektleitung darauf dringen, eine klare Zielvereinbarung
mit ihrem internen Auftraggeber - meist der Geschäftsleitung - zu treffen. Der Projek-
tauftrag dokumentiert diesen Vorgang und bildet die Basis für das weitere Agieren
von Projektleiter und –team.
104
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.11 Interner Projektauftrag
Der Projektauftrag soll die Absprachen bezüglich Zielen, Aufgabenstellung, Projekter-
gebnissen, Eckterminen, Voraussetzungen und Projektorganisation zwischen dem
internen Auftraggeber/ der Geschäftsleitung und dem Projektleiter/-team als schriftli-
che Vereinbarung eindeutig dokumentieren. Damit stellt er eine Zielvereinbarung
zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Projektleiter) des Projekts dar. Er dient
als Freigabedokument für die Bearbeitung des Projekts und stellt sicher, dass alle Pro-
jektbeteiligten und Linienabteilungen darüber informiert sind.
Der Projektauftrag fasst die Eckdaten des Projekts und die Kompetenzen des Projekt-
leiters in einem Dokument zusammen. Weitere Informationen und Unterlagen, die
Bestandteil des Projektauftrags sind, finden sich in der Anlage:
Projektzielkatalog
Projektergebnisstruktur (Produkt/Anlage)
Meilensteinplan
Projekt-Organigramm
Für die Erstellung des Projektauftrags ist der Projektleiter verantwortlich. Die Freigabe
erfolgt durch den internen Auftraggeber (i.d.R. die Geschäftsleitung). Abbildung 2-67
zeigt ein Beispiel:
105
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-67: Beispiel: Projektauftrag(fiktiv)
Datum Heute
Projektauftrag Aussteller Franz Fleissig
106
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.12 Kick-Off Meeting intern
Umfassende Information über das Projekt (technisch oder organisatorisch) ist die
Voraussetzung dafür, dass alle „am gleichen Strang ziehen“ und Ideen und Kreativität
im Rahmen der Auftragsabwicklung einbringen. Das Kick-Off Meeting ist eine „inter-
ne Marketingveranstaltung“ für das Projekt, mit dem Ziel, alle Beteiligten zu informie-
ren und für die Mitarbeit im Projekt zu begeistern.
Je nach Projektgröße und –umfang wird der Rahmen der Kick-Off Veranstaltung (Zeit
und Örtlichkeit) so gewählt, dass die Projektbeteiligten im Sinne des internen Marke-
tings für das Projekt entsprechend begeistert werden können. Abbildung 2-68 zeigt
das Beispiel einer Agenda:
Mit dem Kick-Off Meeting ist das Projekt offiziell in das Unternehmen eingesteuert
worden. Die Projektdefinition ist damit abgeschlossen. Im nächsten Schritt geht es um
die weitere Ausarbeitung der Projektplanung. Sie bildet die Grundlage für eine erfolg-
reiche Realisierung des Projekts.
107
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.5 Projektplanungsphase
„Man sollte mit Prophezeiungen und Vorhersagen, wenn sie die Zukunft betreffen, sehr vor-
sichtig sein!“ Hermann-Josef Abs, ehemaliger Vorstand Deutsche Bank AG
Im Rahmen der Projektplanung werden die Strukturen und Inhalte des Projekts fest-
gelegt und die Vorgaben bzgl. Kosten, Termin und Qualität detailliert. Der systemati-
sche Zusammenhang zwischen Projektstruktur, Ablaufplanung, Aufwandsschätzung
und Terminplan wird in diesem Kapitel erläutert. Der Projektplan bildet die Basis für
Projektsteuerung, Änderungs- und Claimmanagement.
Zeitplanung
unrealistisch
Produktkostenziele
unrealistisch
Mängel in der
Projektorganisation
Andere
technische Ziele
unrealistisch
Entwicklungskosten-
planung unrealistisch
Qualifikation der
Partner ungeeignet
108
Projektplanungsphase
2.5
Aufbauend auf unklaren Anforderungen zum Projektstart werden auch die Projekt-
pläne häufig nicht abgestimmt. Zum einen mangelt es an einheitlichen Vorstellungen
und Vorgaben zu den verwendeten PM-Methoden und Systemen, zum anderen wer-
den Ecktermine oft einseitig vom Auftraggeber vorgegeben, ohne dass die Deliverab-
les zu den jeweiligen Terminen klar abgestimmt wären. Der zeitliche Aufwand für die
Abstimmung von Projektstrukturen und Terminplänen wird vielfach gescheut.
Dadurch entstehen Schnittstellenprobleme und Blindleistung bei allen Beteiligten,
sowie unnötige Konflikte im Rahmen der Realisierung.
2.5.1 Einführung
„Der 'richtige' Zeitplan ist der, dessen Einhaltung völlig unmöglich ist, dem man dies aber
nicht auf den ersten Blick ansieht.“ Tom DeMarco, Schriftsteller
109
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Allerdings kann man auch über das Ziel hinaus schießen. Deshalb ist es wichtig, den
Planungsaufwand auf das Nötigste zu beschränken, damit sich das Projekt durch die
Planung nicht in Selbsthemmung bringt, sondern den oben beschriebenen Nutzen
generiert. Abbildung 2-70 zeigt dieses Spannungsfeld auf.
Die Projektplanung liegt in der Verantwortung des Projektleiters. Aufbauend auf den
Ergebnissen der Projektdefinition, werden in der Planungsphase folgende Unterlagen
erstellt bzw. projektspezifisch aus den vorhandenen Standards und Templates (Vorla-
gen) angepasst (siehe Abbildung 2-71 auf der nächsten Seite):
Projektstruktur (5)
Arbeitspakete und Aufwandsschätzung (6)
Termin- und Kapazitätsplan (7)
Detailterminplan und Standard-Durchlaufzeiten(8)
Kostenplan / Kalkulation (9)
Den Ausgangspunkt für die Projektplanung bilden die Projektinformationen aus dem
Angebot und der Projektdefinition, wie z.B.
Projektziele (2)
Projektergebnisstruktur (3)
Meilensteinplan (4)
110
Projektplanungsphase
2.5
Auf Basis dieser Informationen wird in einem Planungsworkshop die Projektstruktur
und die Anzahl und Bezeichnung der Arbeitspakete erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt
auf der Strukturierung der Aufgaben im Projekt, wodurch die Komplexität von Fahr-
zeugprojekten wesentlich reduziert wird. Im nächsten Schritt werden Aufgaben lo-
gisch und zeitlich zusammengefasst und als Arbeitspakete spezifiziert. Nach Abschät-
zung der Aufwände und Vereinbarung mit den jeweiligen Arbeitspaket-
Verantwortlichen ergeben sich verbindliche Werte für die Ressourcen- und Kostenpla-
nung, sowie Dauern / Durchlaufzeiten für den Terminplan. Abbildung 2-71 zeigt den
Zusammenhang der einzelnen Planungsschritte.
1 Startworkshop
Angebot
2
Wirtschaftlichk.
Projektziele Lastenheft
Umfeldanalyse
Vertrag/Risiko Projektergebnisstruktur
4 3
Meilensteine
Projektstruktur Planungsworkshop
6 5
Aufwands-
schätzung Standard
Durchlaufzeiten
8
6
Arbeits-
pakete Terminplan Detailterminplan
7
Kalkulation
Kapazitätsplan 8
9 7
Eine systematische Projektplanung ist die Basis für die erfolgreiche Steuerung von
Projekten. Die Erfahrung zeigt, dass der Wille zur Projektplanung vorhanden ist, je-
doch oftmals den aktuellen Anforderungen des Tagesgeschäfts und der „Machermen-
talität“ zum Opfer fällt.
111
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
„Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“
Albert Einstein, deutscher Physiker
Deshalb macht es Sinn, wenn das Projektteam für die Planungsarbeit „in Klausur“
geht. Wir bezeichnen diese Veranstaltung dann als Planungsworkshop.
2.5.2 Planungsworkshop
Die Durchführung eines Planungsworkshops ermöglicht die Projektplanung in kon-
zentrierter Form, so dass in kürzester Zeit die wesentlichen Planungsunterlagen er-
stellt werden können. Zusätzlich bietet der Planungsworkshop den Vorteil, dass das
Projektteam gemeinsam plant und somit ein gemeinsames Verständnis für das Projekt
entwickelt. Für die Unterstützung bei der PM-Methodik, sowie für die Moderation des
Planungsworkshops kann ein Coach eingebunden werden. Abbildung 2-72 zeigt mög-
liche Inhalte einer solchen Planungsklausur:
Tagesordnung Planungsklausur
Projektstruktur auf Basis der Ergebnisstruktur sowie Phasen- und Meilensteinplans (Ergeb-
nisse des Startworkshops) aufstellen
Arbeitspakete inhaltlich definieren bzw. Standard-Arbeitspakete anpassen
Aufwand und Dauer der Arbeitspakete abschätzen
Terminplan aufbauen bzw. Standard-Terminplan anpassen (Vorwärtsterminierung)
Terminplan entsprechend der Meilensteinvorgaben optimieren
Wirtschaftlichkeit bzw. Kostenplanung aktualisieren und optimieren
Arbeitspaket-Termine, Budgets und Kapazitätsbedarf als Entwurfsvorlage für die Vereinbarung
mit den Fachabteilungen zusammenfassen
Risikoanalyse durchführen
2.5.3 Projektstrukturplan
Die Projektstruktur ist der Dreh- und Angelpunkt für die Projektplanung und – steue-
rung hinsichtlich Kosten, Terminen und Aufgaben. Sie dient dazu, das Projekt in über-
schaubare und abgrenzbare Einheiten zu zerlegen. Diese können dann zu Arbeitspa-
keten zusammengefasst und als solche innerhalb des Unternehmens oder extern
delegiert werden. Erst dadurch wird eine erfolgreiche Abwicklung von großen und
komplexen Umfängen möglich.
112
Projektplanungsphase
2.5
Der Projektstrukturplan enthält alle Aktivitäten, die für die Durchführung eines Pro-
jekts notwendig sind. Das wesentliche Merkmal des Projektstrukturplans ist, dass er
im Gegensatz zur Projektergebnisstruktur sowie dem Phasen- und Meilensteinplan
keine Ziele/Ergebnisse enthält, sondern Aktivitäten. Er umfasst genau die Tätigkeiten,
die bezogen auf ein Element der Ergebnisstruktur, bis zu einem bestimmten Meilen-
stein durchgeführt werden müssen. Hierbei werden bestimmte Aktivitäten zu Ar-
beitspaketen zusammengefasst. Dadurch lässt sich der gesamte „Arbeitsberg“ in über-
sichtliche Einheiten gliedern. In Anlehnung an die Teilziele („Etappen“) des Phasen-
und Meilensteinplans erhält man somit eine strukturierte Planung der Aufgaben. Der
Projektstrukturplan wird gemeinsam durch das Projektteam im Rahmen eines Pla-
nungsworkshops erstellt. Mit Hilfe der Ergebnisstruktur sowie des Phasen- und Mei-
lensteinplans stellt man die Frage: „Was ist in zum Meilenstein X bzgl. des Elements Y
des Liefer- und Leistungsumfangs zu tun?“ Diese Frage wird für jedes Element der
Produkt-/Anlagenstruktur, bezogen auf jeden Meilenstein, gestellt. Die Produkt-
/Anlagenstruktur dient in diesem Fall als Checkliste. Bei zeitlicher Ausdehnung einer
Aktivität über mehrere Meilensteine, ist diese dem Meilenstein zuzuordnen, zu dem
sie abgeschlossen wird. Abbildung 2-73 zeigt schematisch die Matrix einer Projekt-
struktur auf Basis der Dimensionen Produktstruktur/Leistungsumfang (horizontal)
und Meilensteinplan (vertikal).
113
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Folgende Fragen helfen bei der Strukturierung:
Ist bei der Strukturierung auch die Kalkulation und Kostenverfolgung ausreichend
berücksichtigt worden?
AAF, Roboterzelle
mit Laser
Vorrichtungen + Zellen-
Roboter Laser
Infrastruktur Steuerung
Disposition +
MS4
Aktivität Beschaffung Aktivität
MS5
Aktivität Aktivität Aktivität
MS6
114
Projektplanungsphase
2.5
2.5.4 Arbeitspakete
Mit Hilfe von Arbeitspaketen lässt sich ein Fahrzeugprojekt auf der operativen Ebene
in überschaubare fachlich und inhaltlich abgrenzbare Einheiten (Ergebnis, Termin +
Kosten) mit eindeutiger Verantwortung gliedern. Auf dieser Ebene in der Projekthie-
rarchie befinden wir uns in der Regel in einem Teilprojekt bzw. Modul oder in einer
Funktionsgruppe. In der Zulieferer-Pyramide kann dies allerdings auch die Kompo-
nenten- oder Teilsystem-Ebene sein. Für die effiziente Planung und Steuerung sollte
eine Anzahl von 30-40 Arbeitspaketen pro Automotive-Teilprojekt nicht überschritten
werden. Der Projektleiter kann mit den Zielvereinbarungen für jedes Arbeitspaket
effektiv führen und Verantwortung delegieren. Die Auftragnehmer (der Arbeitspake-
te) haben definierte Aufträge, die eine Kapazitätsplanung bedeutend erleichtern und
Schnittstellenprobleme vermeiden helfen. Außerdem sind eindeutig abgegrenzte Ar-
beitspakete die Basis für das Projektcontrolling, weil die Arbeitspaket-
Verantwortlichen potentielle Abweichungen über den Statusbericht frühzeitig melden
können und definierte Ergebnisse eine objektive Fortschrittskontrolle ermöglichen.
Budget / Kostendruck
Arbeitspaket XY
Verantwortlich: N.N.
• Ergebnis Termindruck
• Inhalt / Aufgabenstellung
• Voraussetzungen
• Aufwand und Dauer
• Ressourcen
• Kosten /Budget
• Rahmenbedingungen /Schnittstellen Zeit
115
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Externe Leistungserbringer / Lieferanten erhalten Arbeitspakete in Form von Beauf-
tragungen/Bestellungen. Die Summe aller Arbeitspakete ergibt das Gesamtprojekt. Ein
Arbeitspaket wird beschrieben durch ein mess- und überprüfbares Ergebnis, das zu
einem bestimmten Termin und Budget erbracht werden soll. Jedes Arbeitspaket hat
nur einen Verantwortlichen der als „Unternehmer“ den definierenden Leistungsum-
fang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen (Fachabteilung) eigenverantwort-
lich abwickelt.
Die Verwaltung der Arbeitspakete erfolgt innerhalb des Projektstrukturplans und auch
im Terminplan durch über ein Nummernsystem, den sog. „PSP–Code“ (Projekt-
Struktur-Plan-Code). Der PSP-Code dient zur eindeutigen Bezeichnung eines Arbeits-
paketes und setzt sich zum Beispiel wie folgt zusammen:
PSP-Code: ppp:m.aa(.nn)
Für die Definition der Arbeitspakete sind der Projektleiter und die Kernteammitglie-
der zuständig. Die Benennung der Arbeitspaket-Verantwortlichen erfolgt in der Regel
durch die Fachabteilung. Bei der Definition der Arbeitspakete müssen im ersten Schritt
die Randbedingungen und Zielgrößen für jedes Paket erstellt werden. Folgende Pla-
nungsunterlagen liefern hierzu Informationen:
116
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-76: Beispiel: Arbeitspaket in einem Produktionsanlagenprojekt (fiktiv)
Arbeitspaket
Projekt: Roboterzelle mit Laser
Projektleiter: Franz Fleissig Kunde: AAF, Augsburg
Arbeitspaket: Entwurfskonstruktion Mechanik
PSP-Code: 319.3.01 AP-Verantwortlich: Ernst Entwurf
Budget (Euro): 50.000 Ausführende Abteilung/NL: Konstruktion ME/Ulm
Kapazität (h): 600 Frühester Start-Termin: 15.2.
Dauer 20 AT Spätester End-Termin: 15.4.
Aufgabenstellung:
Auskonstruierte Entwürfe aller Sondervorrichtungen, Greifer und Spanntechnik erstellen.
Geometrien und Zugänglichkeit absichern. Layout-Auswirkungen berücksichtigen.
Schlüsselkomponenten und Langlaufteile spezifizieren. Mechan. Schnittstellen zu Roboter und
Transporttechnik definieren.
Konstruktionsrichtlinie für Detailkonstruktion erstellen. Stücklistenstruktur festlegen.
Voraussetzungen:
Zellen-Layout, Greiferkonzept, Spannkonzept, Fügekonzept, Bauteildatensätze
Randbedingungen/Bemerkungen:
AAF-Vorschriften und Werksnormen, Landessprache (Schwäbisch), AAF-Lastenheft,
Fertigungsphilosophie und –Standards von AAF
Dokumente und Unterlagen zum Arbeitspaket (Anlagen):
AAF-Vorschriften und Werksnormen, AAF-Lastenheft, Greifer-, Spann-, und Fügekonzept,
Bauteildatensätze, Zellen-Layout
Freigabe:
30.1. 30.1.
Projektleiter: AP-Verantwortliche(r ):
Wie bei allen PM-Unterlagen gilt auch hier: wenn im Unternehmen für die Fahrzeug-
projekte bestimmte Standard-Arbeitspakete und Vorlagen definiert wurden, so müs-
sen diese nur noch projektspezifisch angepasst und ergänzt werden. Das gilt natürlich
auch für den Terminplan, der dann im nächsten Schritt erstellt werden kann.
117
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.5.5 Terminplan
Die Terminplanung dient dazu, den Projektfortschritt transparent und überprüfbar zu
machen. Es werden kritische Pfade, miteinander kollidierende Vorgänge und zeitliche
Puffer sichtbar. Auswirkungen von Planabweichungen auf den Endtermin können
frühzeitig erkannt und Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden.
Eine aktuelle Terminplanung ist die Voraussetzung für die Kapazitätsplanung. Aus
diesem Grund sollte eine grobe Terminplanung bereits in der Angebotsphase einset-
zen, um Wechselwirkungen mit laufenden Aufträgen schon frühzeitig zu erkennen.
Unter Terminplanung versteht man die projektspezifische Planung von:
Abfolge, Dauer und Abhängigkeiten der Arbeitspakete und Vorgänge bzw. intern
oder extern zu erbringende Leistungen
Die grobe Abfolge der Arbeitspakete im Terminplan ergibt sich aus der Zuordnung zu
den Meilensteinen (siehe Abbildung 2-77).
Ö Arbeitspaket 2.1
Ö Arbeitspaket 2.2
Ö Arbeitspaket 2.3
Die Terminplanung wird vom Projektleiter mit dem Kernteam erstellt. In den Unter-
nehmen der Automobilindustrie kann vielfach schon auf Standard-Terminpläne zu-
rückgegriffen werden. Diese werden dann projektspezifisch angepasst. Liegt kein
Standard vor, so muss der Terminplan von Grund auf neu entwickelt werden.
118
Projektplanungsphase
2.5
Ausgehend von der Projektstruktur und der Arbeitspaket-Definition wird der Ter-
minplan dann meilensteinorientiert aufgebaut:
Aktivität für Aktivität bzw. Arbeitspaket für Arbeitspaket zum jeweiligen Meilen-
stein wird aus der Projektstruktur in den Terminplan übertragen, jedes Arbeitspa-
ket ist mit dem entsprechenden AP-Code (siehe auch Methode ´Arbeitspaket´) zu
kennzeichnen
Abgleich mit den Meilensteinen des Kunden und Angebots durchführen und Ter-
minplan optimieren (welche Vorgänge liegen auf dem kritischen Pfad und können
wie beschleunigt bzw. verkürzt werden?).
89 www.pm-software.info
119
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Der besondere Vorteil vernetzter Balkenpläne, bei denen die Beziehungen zwischen
den Arbeitspaketen als dynamische Verknüpfung im System gepflegt sind, liegt in der
Möglichkeit der Simulation von alternativen Planungsszenarien. Dies ist zum einen
für die Optimierung der Planung von Vorteil und zum anderen lassen sich die Aus-
wirkungen von Plan-Aktualisierungen im Rahmen der Projektsteuerung sofort erken-
nen. Die Visualisierung des kritischen Pfades ist ein weiterer Nutzen des vernetzten
Balkenplans. Abbildung 2-79 zeigt dies am Beispiel eines Produktionsanlagenprojekts.
120
Projektplanungsphase
2.5
Wichtig ist dabei, dass die wesentlichen Ecktermine (Meilensteine und Synchronisati-
onspunkte) miteinander möglichst dynamisch verknüpft werden, bzw. regelmäßig
abgestimmt werden (Terminbesprechung). Abbildung 2-80 zeigt dies schematisch.
121
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-81: Ebenen der Terminplanung im Fahrzeugprojekt eines OEM 90
Strategischer Gesamt
Projektplan Vertrieb
Entwicklung
Einkauf
Prod.-Pl.
Werk A
Werk B
Werk C
Produktion
Einkauf
Vertrieb Gesamtfzg.
Entwicklung Gesamtfzg.
Gesamtfzg. Rohbau
Gesamtfzg. Rohbau
Rohbau Antrieb
Rohbau Antrieb
Antrieb
Antrieb
Funktionsgruppen Querschnittsfunktionen
Abbildung 2-82 zeigt das Beispiel einer Bildschirmdarstellung für ein Fahrzeugent-
wicklungsprojekt:
90 Quelle: Daimler
122
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-82: Bildschirmdarstellung eines vernetzten Fahrzeugterminplans 91
Projektleitung
CAD-
Konstruktion
Entwicklung
Produktions-
planung
Alle bisherigen Überlegungen zur Terminplanung haben ihre Gültigkeit in den Berei-
chen und Ebenen eines Projektes, wo es nicht um die Steuerung einzelner Komponen-
ten, Bauteile und Vorgänge im Rahmen der Beschaffungs- und Produktionsprozesse
eines Unternehmens geht. Speziell bei Produktionsanlagenprojekten ab dem Start der
Beschaffungsaktivitäten und bei Entwicklungsprojekten ab Prototypenbeschaffung
sind Feinterminpläne in Tabellen- oder Listenform erforderlich. Die Vielzahl der Paral-
lelaktivitäten würde einen Balkenterminplan völlig unübersichtlich machen. Außer-
dem geht es meist um die Steuerung der Prozesskette Beschaffung, Fertigung und
Montage, deren Prozessschritte sequentiell voneinander abhängen. Diese Abhängig-
keit muss in der Terminplanung auch rechnerisch erfasst werden. In großen Unter-
nehmen ist dies die Domäne der PPS-Systeme, die allerdings oft keine vernünftigen
Schnittstellen bzw. Berichtsgeneratoren haben, so dass in vielen Fällen die bewährte
Excel-Tabelle für einen Feinterminplan die einfachste Lösung darstellt.
91 Quelle: Actano
123
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.5.6 Feinterminplan
Die Feinterminplanung ist ein Hilfsmittel, um alle erforderlichen Projektaktivitäten
auf Bauteil- oder Baugruppenebene in der Prozesskette Konstruktion bis Monta-
ge/Zusammenbau zu koordinieren. Sie regelt zudem auch die funktionale Zusammen-
arbeit zwischen den Linienabteilungen entlang der Prozesskette der Auftragsabwick-
lung im Unternehmen. Die Feinterminplanung ist ein Informations- und
Steuerungshilfsmittel vor und während der Realisierungsphase. Die Planung der Fein-
termine unter Berücksichtigung der Durchlaufzeiten für die einzelnen Komponen-
ten/Baugruppen in den Abteilungen ist ein wesentliches Hilfsmittel zur Priorisierung
im Projekt. Durch konsequente Rückwärtsterminierung auf dieser Ebene kann eine
Reihenfolgeplanung erfolgen, die es ermöglicht, die Gesamt-Durchlaufzeit eines Pro-
jektes drastisch zu verkürzen.
Die Feinterminplanung plant alle Prozessschritte ab dem Ende der Konstruktion auf
Basis der Projektstruktur und des detaillierten Mengengerüsts (wie z.B. Baugruppen
oder Komponenten) in einer sachlogischen und terminlichen Abfolge. Sie ist somit die
Feinplanung der Umsetzungsphase eines Projekts. Diese Planung erfordert einen
hohen Detaillierungsgrad und berücksichtigt auch Abhängigkeiten, die durch die
Prozessabläufe der Linienorganisation (z.B. Planung - Konstruktion - Fertigung) vor-
gegeben und nicht bzw. nur bedingt beeinflussbar sind.
Die Verantwortung für die Durchführung der Feinterminplanung trägt der Projektlei-
ter. Häufig wird sie allerdings auch von einer zentralen Fertigungsplanung und –
steuerung im Unternehmen wahrgenommen. Die Planung und Kontrolle einzelner
Feintermin-Aktivitäten (Termine, Durchlaufzeiten,...) erfolgt durch ein Teammitglied,
das für die Terminkoordination verantwortlich ist oder durch eine zentrale Stelle im
Unternehmen. Die Zulieferung der Termine wird durch die Arbeitspaket-
Verantwortlichen (intern und extern) bzw. Linienabteilungen durchgeführt.
Die Struktur des Feinterminplans wird durch das Kernteam, in Abstimmung mit allen
Projektbeteiligten, festgelegt. Basierend auf dem detaillierten Mengengerüst werden
alle erforderlichen Prozessschritte der einzelnen Linienabteilungen (Arbeitspakete) in
einer Tabelle aufgelistet (siehe Abbildung nächste Seite). Hierbei werden alle relevan-
ten Informationen und Teilschritte zu einer Komponente/Baugruppe erfasst.
Der Feinterminplan wächst mit dem Projektfortschritt. Begonnen wird mit den Kom-
ponenten/Baugruppen aus dem Lieferumfang, die die längste Gesamt-Durchlaufzeit
haben (kritischer Pfad) und somit als erste in die Prozesskette eingesteuert werden
müssen.
124
Projektplanungsphase
2.5
Festlegung der Reihenfolge aufgrund der Erfordernisse am Ende der Prozesskette
und der längsten Durchlaufzeiten (Rückwärtsterminierung)
125
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Lässt sich ein Arbeitspaket nicht mit einer dafür vorgesehenen Ressource abdecken, so
können bereits im Planungsstadium zur Sicherstellung des Projektablaufs alternative
Lösungen erarbeitet werden. Für Entscheidungen zur Annahme von neuen Aufträgen
ist eine Kapazitätsplanung unumgänglich, um sicherzustellen, dass Ressourcen für
eine Realisierung zur Verfügung stehen. Die Funktion und Aufgabenstellung einer
zentralen Ressourcenplanung und –steuerung im Unternehmen wird im Rahmen des
Multiprojektmanagement in Kap. 3 erläutert. Im einzelnen Projekt steht zunächst die
Ermittlung des Ressourcenbedarfs im Vordergrund. Dafür liefern die Aufwandsschät-
zungen der Arbeitspakete die wesentlichen Informationen. Abbildung 2-84 zeigt
schematisch die meilensteinbezogene Ermittlung des Ressourcenbedarfs auf Basis der
Arbeitspakete.
Personentage: 20 Personentage: 30
Kosten: € 2000,-
Ö A, B, C, D: Ressourcen
Ö Ressourcen: Einsatzmittel aller Art wie z.B. Personen, Geräte, Räume
Ö (n): Personentage (z.B. à 8 Arbeitsstunden)
Der Projektleiter fordert Ressourcen über die Arbeitspakete bei den Linienabteilungen
an. Basis hierfür ist die Aufwandsschätzung der Arbeitspakete, die ja mit dem jeweili-
gen Auftragnehmer (Arbeitspaketverantwortlicher bzw. Linienmanagement) vorher
abgestimmt wurde. Die Dauer und zeitliche Lage des Arbeitspaketes und damit auch
des Kapazitätsbedarfes über der Zeit ergibt sich aus dem Terminplan. Gängige PM-
Systeme bieten vielfältige Möglichkeiten, den Ressourcenbedarf zu erfassen bzw. au-
tomatisch aus dem Terminplan in Verbindung mit der Arbeitspaket-Information abzu-
leiten. Als Entscheidungshilfe lassen sich dann entsprechende Grafiken (z.B. Histo-
gramme) erzeugen. Ressourcenplanung ist generell mit hohem administrativem
Aufwand verbunden und sollte deshalb mit aller gebotenen Vorsicht praktiziert wer-
den. Weil die Ressourcenplanung und –steuerung oft selbst sehr viele Ressourcen
bindet, wird sie vielfach nur halbherzig praktiziert oder nicht zeitnah gepflegt. Dann
sollte gleich darauf verzichtet werden!
126
Projektplanungsphase
2.5
Oft sind regelmäßige Termin- und Kapazitätsgespräche zwischen Projekt- und Linien-
abteilungen, die die Ressourcen verwalten, ohnehin sinnvoller als die Verwaltung von
„Zahlenfriedhöfen“. Abbildung 2-85 visualisiert die Ableitung des Ressourcenbedarfs
aus dem Terminplan.
Ressource Anzahl
Ressourcen- Kapazität
Histogramm: 3
"Schranke"
(hier für die Ressource A) Einsatzmittelbestand
(= Verfügbarkeit)
2
Zeit
Ist der Ressourcenbedarf aus dem Projekt generiert, hat das Linienmanagement alle
Informationen, die es zur Kapazitätsplanung benötigt. Jetzt ist es Aufgabe der Linie zu
prüfen, ob auch genügend Kapazität verfügbar ist. Bei Engpässen muss die nächste
Planungsschleife durchlaufen werden (Fremdvergabe, Änderung des Ablaufs...). Da-
mit ist klar, dass die eigentliche Kapazitätsplanung Aufgabe der Linie und nicht des
Projektmanagements ist. Allenfalls im Rahmen eines „Multiprojektmanagements“
kann Ressourcenplanung zentral für alle Projekte unter der Hoheit eines PM-Office
oder eines Projektcontrollings praktiziert werden (siehe Kapitel 3).
127
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Bei der Angebotserstellung, wenn es um die Preisfindung und Beurteilung der Wirt-
schaftlichkeit geht, ist das Thema Kalkulation erfolgsentscheidend. Mit unscharfen
Informationen muss die „Zukunft“ möglichst genau bewertet werden. Das ist vielfach
die Sache von Kalkulationsexperten, die über jahrelange Erfahrung in ihrem Geschäft
verfügen. Umfangreiche Unterlagen und Datenbanken kommen hier zum Einsatz.
Etwas anders verhält es sich, wenn bereits eine systematische Projektplanung erfolgt
ist. Im engeren Sinne ist die Projektkalkulation eine Zusammenfassung der Kostenin-
formationen aus den Arbeitspaketen. Im Zuge der Arbeitspaket-Vereinbarung wurde
bereits ein Budget ermittelt, das sich aus unterschiedlichen Kostenarten zusammen-
setzt. Die folgende Abbildung zeigt die Budgetermittlung auf der Ebene der Meilen-
steine (1) und Arbeitspaket (2).
1
Master-
Meilensteine
2
Funktionale
Meilensteine
• Arbeitspaket 1
• Arbeitspaket 2
• ...
Meilensteinspezifische
1
Kostenplanung
2 Arbeitspaketspezifische
Jedem Meilenstein wird ein Kostenplanung
Kostenbudget zugeordnet
Einem Arbeitspaket wird ein
Kostenbudget zugeordnet
128
Projektplanungsphase
2.5
Sachkosten (Material, Kaufteile, Fremdleistungen, Reisekosten...):
Damit liegen alle notwendigen Informationen für die Kostenplanung vor und können
in einer Kalkulationstabelle zusammengeführt werden. Es bietet sich an, die Zeilen
dieser Tabelle nach den Kostenarten, die das Rechnungswesen des Unternehmens
definiert hat, zu gliedern. Damit ist die Basis für einen späteren Soll-Ist-Vergleich im
Rahmen der Kostenkontrolle gelegt. Die Spalten der Tabelle sollten nach den verschie-
denen Arbeitspaketen gegliedert werden. Neben der Gesamtsumme des Projekts kön-
nen Zwischensummen für die einzelnen Phasen/Meilensteine ausgewiesen und dann
später kontrolliert werden.
Mit Hilfe der Zuordnung der Kalkulationswerte zu Meilensteinen und damit zum
zeitlichen Verlauf des Fahrzeugprojekts, lässt sich die Kostenentwicklung über der
Zeit auch grafisch darstellen (siehe Abbildung 2-87).
Kosten
Kostensummenlinie
(kumuliert)
Sachfortschritt n.
Meilensteinen
(geplant)
Kostenganglinie
129
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Je nach Projektart, Produkt- und Unternehmensstruktur sieht die Gliederung einer
Projektkalkulation in die entsprechenden Kostenarten unterschiedlich aus. Die we-
sentlichen Kostenarten beim Entwicklungsprojekt sind bereits in Kapitel 2.4 im Rah-
men der Kostenschätzung erläutert. Abbildung 2-88 zeigt nun das Beispiel einer Pro-
jekt-Kalkulationstabelle für Produktionsanlagen mit den spezifischen Kostenarten.
1 Umsatzerlöse
2 Gewinn / Verlust von Pos. 21
Bemerkungen:
Abhängig vom Stadium, in dem sich ein Projekt befindet, nimmt die Genauigkeit der
Kalkulation kontinuierlich zu. Im Rahmen der Projektsteuerung wird auf die Mitkal-
kulation eingegangen. Abbildung 2-89 zeigt die unterschiedlichen Kalkulationsstadien
im Fahrzeugprojekt.
130
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-89: Stadien der Projektkalkulation in Fahrzeugprojekten 93
Geplante
Erfahrungs-
Projekt-
daten
größen
Aufwands- Kostenrechnung +
Kostenrechnung
schätzverfahren Abschätzung
Mit der Kostenplanung ist die Systematik der ersten Projektplanung abgeschlossen.
Nur in seltenen Fällen steht damit der Projektplan für unser Fahrzeugprojekt. In der
Praxis bedarf es mehrerer Optimierungsschleifen, bis sich die Plangrößen einigerma-
ßen mit den Projektzielen und Vorgaben des Auftraggebers decken.
131
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Natürlich steht im Projektmanagement die Erfüllung der Kundenbedürfnisse und –
vorgaben an oberster Stelle. Diese Vorgaben können nur mit einer realistischen Pla-
nung auch wirtschaftlich und professionell erreicht werden. Deshalb wird die Planung
nach dem „ersten Wurf“ noch einmal optimiert, um die Ziele erreichen zu können.
Diese „Planungs-Schleife“ hat den Vorteil, dass wir uns jetzt genau auf die Punkte im
Projektplan konzentrieren können, die auch das Ergebnis und die Ziele beeinflussen.
Weiterhin müssen alle Optimierungsmaßnahmen im überarbeiteten Projektplan do-
kumentiert werden. Man weiß dann, warum die eine oder andere zusätzliche An-
strengung im Projekt unternommen werden muss.
Welche Maßnahmen greifen, wenn der Endtermin aus der ersten Planung einige Wo-
chen später als die Vorgabe des Auftraggebers liegt?
Welche Maßnahmen greifen, wenn die Gesamtkosten der ersten Kalkulation 20% über
der Vorgabe des Auftraggebers liegen?
132
Projektplanungsphase
2.5
Leistungsbereitschaft und Produktivität der Abteilungen bei kostentreibenden
Arbeitspaketen steigern (Coaching, Arbeitsvorbereitung, Infrastruktur...)
Welche Maßnahmen greifen, wenn die geplanten Ressourcen in der Linie, oder bei
Lieferanten nicht im entsprechenden Zeitraum zur Verfügung stehen?
Ist die Planung optimiert und mit allen Beteiligten abgestimmt, so könnten Projektlei-
ter und –team mit ruhigem Gewissen in die Realisierung starten, wenn nicht immer
wieder gewisse Risiken, die zu jedem Fahrzeugprojekt gehören, eintreten würden.
2.5.10 Risikomanagement
„Risiko ist die Bugwelle des Erfolges.“ Carl Amery, Schriftsteller und Publizist
133
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-90: Generelle Risikoarten im Projektverlauf
134
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-91: Elemente des Risikomanagements in Fahrzeugprojekten
Risikopolitik
• Aufbau einer Risikophilosophie
• Festlegung der prinzipiellen Risikobereitschaft
in Abhängigkeit von den Unternehmenszielen
• Quantifizierung risikopolitischer Ziele
• Dokumentation in einem Risikomanagement-Handbuch
Der Risikomanagement-Prozess
135
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-92: Risikomanagement-Prozess 94
Risikomanagement
Risiko-
Risiko- Risiko-
Risiko- Risiko-
Risiko-
identifikation
identifikation analyse
analyse maßnahmen
maßnahmen
Für die Analyse technischer Risiken in der Produktentwicklung hat sich die Methode
der FMEA etabliert. Sie wird im Rahmen der QM-Systeme ohnehin gefordert und ist
in der einschlägigen Literatur zum Entwicklungs- und Qualitätsmanagement erschöp-
fend behandelt. Das Automotive-Projektmanagement muss allerdings eine umfassen-
dere Risikobetrachtung auf Management-Ebene anstellen, was wir unter dem Begriff
„Risikomanagement“ verstehen. Abbildung 2-93 zeigt die Einordnung des Risikoma-
nagements und seiner Methoden in die verschiedenen Ebenen der Prozesse und Struk-
turen der Fahrzeugentwicklung.
136
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-93: Risikomanagement und FMEA in den Prozessen und Strukturen der Fahr-
zeugentwicklung 95
Entwicklung Produktion
Komponente
technische Modul / Merkmal, Prozeß- Prozeß-
Betrachtungstiefe Teilsystem parameter schritt
System an Eigenschaften
intern
Schnittstelle
Abtastung
Gehäuse Schock- Abtastrate
des
Beispiele Frontend Scheinwerfer Befestigungs- Reflektor festigkeit Design-
Design-
elemente Schwingungen Modell
Modells
Prozeß - Ebene
Entwick- ...
lungs- Entwicklungsprozess-FMEA
prozeß
Versuchs- Risiko-
prozeß
management
physikalische Ebene
Produkt
Prozess-FMEA
Teil- Kom- Konstruktions- /
system ponente System-FMEA
Entwicklungs-FMEA
95 ebenda, S. 177
137
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-94: Entwicklungsprozess-FMEA als Instrument des Risikomanagements 96
Risikomanagement Durchführung
Für die Durchführung der Risikoanalyse im Projekt ist der Projektleiter verantwort-
lich. Die erste Risikoanalyse sollte bereits in der Angebotsphase durchgeführt werden.
Folgende Fragen helfen dabei (siehe auch Risikocheckliste auf der nächsten Seite):
138
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-95: Beispiel: Projektrisiko-Checkliste
2. Kommerzielle Risiken
in Verbindung mit der technischen Leistung
- Pönalen o
- Zulieferer-Risiko o
- Produkthaftung/Folgeschäden o
- Baustelle/Inbetriebnahme o
innere Risiken
- hoher Auftragswert o
- Kalkulationsrisiko o
- Abnahmebedingungen und -zeitpunkte o
Risiken aus dem Umfeld
- politisches/wirtschaftliches Risiko o
- Währungsrisiko o
- geltendes Recht o
- Schiedsgerichts-Klausel o
- Behördenrisiko (Genehmigungsverfahren) o
- Konsortialrisiko o
- Finanzierungsrisiko (extern), Zahlungsziel des Kunden o
- lokale Steuern und Abgaben o
- höhere Gewalt o
- Zollabwicklung o
3. Organisatorische Risiken
intern
- verfügbare Ressourcen (Kapazität) o
- Besetzung Projektleiter/Kernteam o
- Auslastung der Firma o
- neue oder geänderte Abläufe o
- Projektabwicklung überregional o
extern
- Generalunternehmerschaft (Einfluß) o
- Kundenbeistellungen (Daten, Infrastruktur, etc.) o
- Projektteam beim Kunden (Zusammenarbeit) o
- Kommunikation in Fremdsprache o
- DV-Kommunikation (Datentausch) o
Im Rahmen der Projektplanung wird die Risikoanalyse aktualisiert und ggf. verfeinert.
139
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Hilfreich ist die Befragung von Experten sowie die Analyse des Projektumfeldes und
des Projektstrukturplanes. Ergebnisse aus FMEAs, Simulationen und Versuchen kön-
nen ebenfalls Informationen liefern. Die potentiellen Risiken werden dann am Besten
im Rahmen einer Planungsklausur gemeinsam im Team analysiert. Das Projektteam
trägt in einem Brainstorming mögliche Risiken zusammen und bewertet sie bzgl.
Auswirkung auf Kosten, Termine und Eintrittswahrscheinlichkeit. Dabei helfen zum
einen die Risikocheckliste und zum anderen ein systematisches „Abklopfen“ jeder
einzelnen Position in der Projektstruktur bzw. im Terminplan. Das Ergebnis wird in
einer Risikotabelle dokumentiert (siehe Abbildung 2-96). 97 Die Risikotabelle unter-
stützt dabei, die Risiken systematisch zu erfassen und zu bearbeiten. Folgender Ablauf
ist empfehlenswert:
Priorisierung der Risiken vornehmen z.B. anhand der Risikokennzahl (RKZ), damit
die Anzahl der Maßnahmen auf ein realisierbares Maß reduziert werden kann
140
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-96: Beispiel: Projekt-Risikotabelle
141
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Entscheidend für ein effektives Risikomanagement ist die Auswahl der größten Risi-
ken, die minimiert werden sollen. Die Klassifizierungsmöglichkeiten in A-, B- und C-
Risiken verdeutlicht die folgende Abbildung.
hoch
A
Eintrittswahrscheinlichkeit
möglich
gering B
unwahr- C
scheinlich
142
Projektplanungsphase
2.5
Versicherung: Die Versicherung von Risiken beeinflusst nicht die Eintrittswahr-
scheinlichkeit, reduziert jedoch das Schadensmaß, das bei Eintritt des Ereignisses
getragen werden muss. Typische Risikoversicherungen stellen die Produkthaft-
pflichtversicherung oder eine Rückrufkostenversicherung dar.
In bestimmten Fällen macht es durchaus Sinn, ein Risiko zu akzeptieren. Bei der Ak-
zeptanz eines Risikos werden die Konsequenzen eines möglichen Eintretens des Er-
eignisses bewusst in Kauf genommen. Dies ist besonders sinnvoll, wenn es sich um
Risiken einer niedrigen Risikoklasse handelt oder bei Risiken, deren Aufwand zur
Vermeidung oder Verminderung unverhältnismäßig groß wäre.
Die Wahl der jeweiligen Maßnahmen zur Risikobewältigung muss sich an der Klassi-
fizierung der Risiken orientieren. Im Folgenden ist eine denkbare Zuordnung von
Risikoklasse und Dringlichkeit und Art der Maßnahme aufgezeigt:
143
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.6 Projektsteuerungsphase, Änderungs- und
Claimmanagement
Einhaltung von Terminen und Kostenbudgets ist nach wie vor ein zentrales Thema in
der Fahrzeugentwicklung. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Studie „Fahrzeugent-
wicklung in Deutschland.“ 98 Bei 20% der befragten Unternehmen werden die Anlauf-
termine nicht eingehalten und 30% der Automobilunternehmen überschreiten die
Zielkosten. Um ein Automotive-Projekt auf Kurs zu halten, ist eine Reihe von PM-
Methoden anzuwenden. Die „Systematik des Projektcontrollings“ zeigt den Zusam-
menhang der einzelnen Methoden von der Abweichungsanalyse bis zum Berichtswe-
sen. Die Statusbesprechung spielt dabei eine zentrale Rolle. Als wesentlicher Erfolgs-
faktor in Automotive-Projekten hat sich ein professionelles Änderungs- und
Claimmanagement herauskristallisiert. Dieser Prozess muss eng mit dem Projektcon-
trolling verzahnt werden.
144
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Der Controller liefert in vielen Fällen, zumindest bei größeren Projekten, die Planungs-
und Steuerungsdaten und pflegt die entsprechenden Systeme. Er kümmert sich auch
um Informationsbeschaffung, die Analyse von Ursachen bei Planabweichungen und
Dokumentation der Ergebnisse (Planungsunterlagen, Abweichungs-Berichte, Tabellen
etc.). Der Projektleiter trifft Entscheidungen und veranlasst Maßnahmen, die zur Ziel-
erreichung bzw. Kurskorrektur dienen. Abbildung 2-98 zeigt das Regelkreis-Modell
der Projektsteuerung.
T Änderungen?
Reporting
Aktualisierte K Q
Planung Steuerungsmaßnahmen
Korrekturmaßnahmen
vorschlagen
Entscheiden Soll-Ist-Vergleich
Im Gesamtüberblick Bewertung
Bewertung+ Prognose
Einwirken/ Wahrnehmung
Steuern Ist-Wert-Erfassung
145
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Projektsteuerung in einem Fahrzeugprojekt ist ein fortlaufender Prozess. Die prinzi-
piellen Controlling-Aktivitäten wiederholen sich periodisch (Controlling-Schleife), z.B.
in einem monatlichen Rhythmus, so dass immer wieder aktuelle Ist-Daten zur Verfü-
gung stehen. Der Steuerungs-Kreislauf in einem Projekt lässt sich wie folgt darstellen
(Abbildung 2-99):
• Abweichungs-
Meilenstein- • Berichts- Analyse / analyse
Freigabe wesen Maßnahmen
• Risikomanagement
Statusbericht • • Steuerungs-
Änderungs-
/Reporting maßnahmen
PB management
PB
LOP LOP
• Änderungsliste
• Änderungsbewertung
• Änderungsentscheidung
• Claimmanagement
Die Projektsteuerung beinhaltet grundsätzlich alle Maßnahmen, die dazu dienen, das
Projekt im Sinne der definierten Ziele „auf Kurs“ zu halten. Hierzu gehören im We-
sentlichen die Informationen über den Projektstatus (Soll/Ist-Termine, Soll/Ist-Kosten,
Soll/Ist-Qualität und Produktreife) und Projektfortschritt (erledigte Arbeitspakete und
Vorschau auf das Ende des Projektes). Dann werden Abweichungen von der Projekt-
planung analysiert, Entscheidungen über Korrekturmaßnahmen getroffen und die
Aktivitäten zu deren Umsetzung eingeleitet. Änderungen des Kunden und deren
effektive Einsteuerung ins Projekt (Änderungsmanagement) und auch die daraus
entstehenden Mehrkostenforderungen (Claimmanagement) gehören ebenfalls in den
Bereich der Projektsteuerung. Abbildung 2-100 zeigt mögliche Statusinformationen in
einem Fahrzeugprojekt.
146
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-100: Statusinformationen und Soll-Ist-Vergleiche im Fahrzeugprojekt
„Die Aktualität
ist wichtiger als Sachfortschritt Kosten
die Genauigkeit • Entwicklungsstand • Entwicklungs-
der Daten!“ • Gewicht kosten
• Herstellkosten • Invest
• ... • .....
2. Soll-Ist-Vergleich:
Termine
Plan-Daten Ist-Daten
Sach-
fortschritt Kosten
„Nur ein Vergleich auf Basis des Sachfortschritts (Zwischenergebnisse) ist sinnvoll !“
147
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Hierzu gehören im Wesentlichen Aussagen über
Signal Definition
grün Der Ist-Wert der Messgröße stimmt mit dem Soll überein.
99 Quelle: Daimler
148
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Ein Thema ist, dass seitens der Auftraggeber Freigaben oft zu spät oder verzögert
erteilt werden, weil es offensichtlich an der Entscheidungsfreude oder am Verantwor-
tungsbewusstsein fehlt (Angst vor Fehlentscheidungen und deren Konsequenzen).
Viele Methodiker und QM-Experten haben sich mit der sogenannten Quality-Gate
oder Reifegrad-Systematik - vor allem bei den OEMs - beschäftigt. Zahlreiche Mess-
größen führen zu einer Bewertung nach den Kategorien rot, gelb, grün. Allerdings
wird nach dem Motto „Was nicht sein darf, kann auch nicht sein“ in den meisten Pro-
jektkulturen allenfalls „gelb“ akzeptiert. Wenn jemand „rot“ meldet, wird das Thema
so lange diskutiert und „gesund gebetet“ bis „gelb“ daraus wird. Damit werden Prob-
leme verschleppt und nicht gelöst. Spätere Eskalationen kosten ein Vielfaches und
haben fatale Auswirkungen auf Termine und Qualität. Aussage eines Systemlieferan-
ten im Rahmen der Studie: “ Unternehmer-Geist in frühen Phasen der Fahrzeugent-
wicklung wird durch die intolerante „Fehlerkultur“ in Deutschland verhindert“. Dis-
ziplin, Transparenz, Ehrlichkeit und eine fehlertolerante Projektkultur sind
Voraussetzungen, die für eine professionelle Fortschrittskontrolle in Fahrzeugentwick-
lungsprojekten notwendig sind. Gerade in größeren Unternehmen gibt es dazu massi-
ven Handlungsbedarf. Job-Rotation-Programme und eine Kultur der „weißen Weste“,
verbunden mit „Druck von oben“ züchten geradezu angepasste „Ja-Sager“, die kaum
Entscheidungen treffen und nur „gewünschte Informationen“ nach „oben“ weiterge-
ben. Eine neue Projektkultur muss im Sinne von mehr Effektivität Raum greifen. 100
Ist eine offene Projektkultur im Automotive-Projekt vorhanden, so lässt sich mit Mei-
lensteinen und Quality Gates als Instrumentarien der Projektfortschrittskontrolle her-
vorragend arbeiten. Abbildung 2-102 zeigt die Systematik Fortschrittskontrolle mit
Quality Gates. Die Sachergebnisse der Arbeitspakete einer Projektphase werden an-
hand vorher definierter Messkriterien (siehe Kapitel 2.4) in einem Meilenstein-Review,
das in diesem Fall „Quality-Gate-Klausur“ heißt, überprüft. Diese Review-
Veranstaltung wird als Entscheidungssitzung organisiert. D.h. es ist seitens des Pro-
jektteams eine Statusbesprechung vorzubereiten (siehe „Statusbesprechung“ weiter
unten im Kapitel), in der die aktuellen Ergebnisse und Messgrößen präsentiert wer-
den. Anhand einer Ampelbewertung wird pro Kriterium - und dann aggregiert für das
gesamte Fahrzeugprojekt - eine Bewertung vorgeschlagen. Das Entscheidungsgremi-
um, meist der Steuerkreis des Projektes evtl. erweitert um Fachexperten, bildet sich
anschließend seine eigene Meinung und bestätigt oder korrigiert die Einschätzung des
Projektteams. Jetzt muss entschieden werden, wie mit dem Projekt bzw. Teilprojekt,
dessen Meilenstein freigegeben werden soll, weiter verfahren wird. Je nach Ampelbe-
wertung stehen drei alternative Wege zur Auswahl:
149
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Gelb: Meilenstein/Quality-Gate unter Auflagen passieren. D.h. es muss ein
Maßnahmenplan vorliegen, der notfalls im Meilenstein-Review gemeinsam erar-
beitet wurde. Dieser Maßnahmenplan mit konkreten, meist kurzfristigen Terminen
ist dann konsequent abzuarbeiten. Parallel können die Arbeitspakete und Aktivitä-
ten der Folgephase gestartet werden.
2. Das Projektteam bekommt die Auflage zur „Nacharbeit“ und einen neuen
Termin, zu dem eine neue Bewertung der Messgrößen vorgelegt werden soll
(in der Praxis sehr selten, da dadurch das Projekt „angehalten“ wird und das
will ja, wie oben erwähnt, kaum jemand verantworten).
3. Das Projekt wird abgebrochen (diesen Fall haben wir in der Praxis bei Fahr-
zeugprojekten in der Entwicklungs- bzw. Serienphase ganz selten erlebt).
Projekt
abbrechen
(gelb) passieren
Maßnahmen
mit Maßnahmen
abarbeiten
150
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Betrachten wir die Ebene der einzelnen Arbeitspakete, so lässt sich mit gewissem
Aufwand auch zwischen den Meilensteinen, innerhalb einer Phase eine einigermaßen
objektive Aussage über den Projektfortschritt treffen, wenn die Sachergebnisse der
Arbeitspakete und evtl. weitere Messkriterien klar definiert sind (siehe Kap 2.5.4).
Aufgrund der Relation zwischen fertigen Ergebnissen/erreichten Messgrößen und den
unerledigten/unerreichten Punkten kann zumindest näherungsweise ein Fertigstel-
lungsgrad ermittelt werden. Dazu ist viel Erfahrung und Gespür seitens der Projektlei-
tung erforderlich. Nach Auffassung der Autoren ist diese Vorgehensweise in jedem
Fall realistischer und seriöser als viele aufwändige Berechnungsalgorithmen, die in
der Projektmanagement-Literatur viel Verbreitung gefunden haben. Im Sinne einer
effizienten und pragmatischen Projektsteuerung, die sich nicht durch „Über-
Administration“ in Selbsthemmung bringt, empfehlen wir „Management by walking
around“ und gesunden Menschenverstand statt mathematischer Modelle zur Fort-
schrittsbewertung.
Sachfortschritt
Stichtag
151
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Moderne Projektmanagement-Software-Tools bieten viele komfortable Möglichkeiten,
die Fortschrittsdaten zu erfassen und den aktuellen Terminstatus zu visualisieren. Mit
Hilfe der Funktion „Überwachung“ kann z.B. in MS Project das ganze Projekt oder
einzelne Vorgänge aktualisiert werden. Um Abweichungen vom Basis-Terminplan zu
visualisieren, kann dieser in der Balkenplandarstellung mit angezeigt werden. Der
obere Balken zeigt dann den ursprünglichen Plan und der untere die neue Situation.
Der Fortschritt des jeweiligen Arbeitspaketes wird mit einem dunklen Bereich inner-
halb des neuen Balkens visualisiert. Abbildung 2-104 zeigt ein Beispiel als Druckaus-
gabe aus MS-Project.
152
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Da ein Feinterminplan aufgrund der Vielzahl der Termine und Komplexität der Ab-
hängigkeiten am Besten in Tabellenform gepflegt wird (siehe Kapitel 2.5), bietet sich
diese Darstellung auch für die Kontrolle an. Eine Beispiel-Tabelle für einen Soll-Ist-
Vergleich der Termine auf Baugruppen-Ebene zeigt Abbildung 2-105.
Eine umfassende Information über den terminlichen Status und Fortschritt des Pro-
jekts ist für eine vorausschauende Projektleitung in der Automobilindustrie allerdings
nicht ausreichend. Regelmäßig, mindestens zu den Meilenstein-Reviews, sollte sich
der Projektmanager Gedanken über den weiteren Projektverlauf und terminlichen
Trend machen. Ein Projektsteuerkreis als übergeordnetes Entscheidungsgremium
erwartet vom Projektleiter Prognosen unter Berücksichtigung der aktuell bekannten
Risiken und Probleme im Fahrzeugprojekt. Ein Instrument das diese Prognose metho-
disch unterstützt und visualisiert ist die sogenannte „Meilensteintrendanalyse“.
153
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Bei langjährigen Projekten ist es unwahrscheinlich, dass eine Verzögerung den Ab-
schlusstermin gefährdet, wird der Termin eines Arbeitspaketes sehr oft verschoben,
kann man von weiteren Verzögerungen ausgehen. Als Bezugspunkt für eine Trend-
aussage bieten sich die Meilensteine als projektentscheidende Ereignisse an. Die "Mei-
lenstein-Trendanalyse" (MTA) erfasst die Veränderungen der Plan-Meilensteintermine
und bildet sie in grafischer Form ab. "Meilenstein-Trendanalysen" (MTA) werden be-
reits in vielen Fahrzeugentwicklungsprojekten erfolgreich eingesetzt; allerdings wer-
den sie nach wie vor häufig manuell erstellt und nicht von den eingesetzten PM-Tools
erzeugt. Als sehr übersichtliche grafische Form hat sich diese Darstellungsart durchge-
setzt (Abbildung 2-106):
Berichtszeitraum (X-Achse)
6/05
4/05 5 5 5 5 5
Planungszeitraum (Y-Achse)
4 4
2/05 4 4 4
1 Projektfreigabe
12/04 3 3
3 3 2 Funktionsmuster
10/04 3 2
3 Konzeptfreigabe
2 2
8/04 2 4 Komponentenfreigabe
5 Modulintegration
6/04 1 1
4/04
Auf der waagerechten Achse des Dreiecksrasters werden die Berichtstermine von links
nach rechts aufgetragen, auf der senkrechte Achse von unten nach oben die Planter-
mine der Meilensteine mit identischem Kalender. Die Meilensteine werden durch
Symbole oder Farben unterschieden und an den Berichtszeitpunkten aktualisiert.
154
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Bei jeder Aktualisierung wird die komplette Meilensteinkette in der vertikalen Flucht
unterhalb dem Berichtstermin neu eingetragen. Dadurch entsteht für jeden betrachte-
ten Meilenstein ein horizontaler Polygonzug. Weicht der neu berichtete Plan-
Meilensteintermin von dem ursprünglich geplantem Termin ab, verlässt der Polygon-
zug den waagerechten Verlauf.
Typische MTA-Kurvenverläufe:
Zwischenzeitlich gibt es einige PM-Tools, die eine MTA automatisch aus den vorhan-
denen Termininformationen zu generieren. Abbildung 2-107 zeigt ein Beispiel.
155
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-107: Bildschirmdarstellung Meilensteintrendanalyse 102
156
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-108: Zusammenhang Soll-Ist-Kosten mit Hochrechnung und Sachfortschritt
Kum. Istkosten
Kosten
+ Hochrechnung
Basisplan
(Soll)
Sachfortschritt n.
Meilensteinen (Ist)
Monatl. Istkosten
Erreicht: 40% Stichtag Zeit + Hochrechnung
Sachfortschritt
Geplant: 50%
157
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-109: Beispiel-Tabelle: Mitkalkulation für ein Arbeitspaket 103
Pos. Kostenart mtl. Istkosten kum. Istkosten Obligo zu erw. Summe Budget
Nr. per 28.2. per 28.2. Kosten + Erlöse (Vorschau)
% % % % % %
In vielen Unternehmen der Automobilindustrie sind heutzutage bereits PM- und Re-
porting-Systeme installiert, die in der Lage sind, aus den Daten der Kostenrechnung
und den periodischen Rückmeldungen der Mitarbeiter und Fachabteilungen Kosten-
verläufe und Trendaussagen zu generieren. Ein weiterer wichtiger Indikator für die
Projektsteuerung ist der Reifegrad des Produktes bzw. des Produktionsprozesses.
158
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Zum anderen müssen Abweichungen analysiert und visualisiert werden und dann
entsprechende Steuerungsmaßnahmen erfolgen. Die folgende Abbildung zeigt den
Reifegradverlauf in Fahrzeugentwicklungsprojekten und macht die Auswirkungen auf
den Projektfortschritt deutlich.
Zeit-
verlust
100%
Fortschrittsgrad
Soll-Ablauf
Projektfortschritt
Ist-Ablauf
Überarbeitung
der Serien-
entwicklung Risiko
• Funktion
Reifegrad- • Kosten
verlust • Zeit
159
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-111: Reifegradindikatoren in Fahrzeugprojekten 105
160
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-112: Zeitliche Relevanz von Reifegradindikatoren im Projektverlauf 106
Lieferantenfestlegung
Aufbau- u. Erprobungsergebnisse
Qualitätsbeurteilungen
Anlaufkriterien
Produktivität
Ein generell hilfreicher Indikator ist die Anzahl der offenen Problempunkte (aus der
LOP-Liste) im Projekt. Abbildung 2-113 zeigt dazu eine Grafik.
Anzahl
Problem-
punkte erkannte
Kumuliert Problempunkte
erledigte
Problempunkte
161
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-114: Datentabelle zur Berechnung eines Gesamtreifegrades (fiktiv)
1 2 3 4 1-((4-1)/4) 1-((4-3)/4)
1-((4-3)/4)
Packaging Anzahl Teile 40 50 90 100 40,0 50,0 90,0 90,0 80,0 schlechter
Konstruktionsfreigabe "Stufe 1" Anzahl kum. 1.800 2.000 1.800 2.000 90,0 90,0 90,0 schlechter
Konstruktionsfreigabe "Stufe 2" Anzahl kum. 1.400 1.600 1.900 2.000 70,0 65,0 95,0 95,0 90,0 schlechter
Konstruktionsfreigabe "Stufe 3" Anzahl kum. 800 1.300 1.700 2.000 40,0 35,0 85,0 85,0 90,0 schlechter
Gewicht kg pro Fzg. 1.282 1.310 1.290 1.300 101,4 95,0 100,0 100,0 99,0 besser
Kosten Euro pro Fzg. 36.500 35.500 35.080 35.000 95,7 97,0 99,8 99,8 99,0 schlechter
Liegen alle Informationen über den aktuellen Projektstatus und die Prognose vor, so
muss im Rahmen der Projektsteuerung Ursachenforschung betrieben werden, soweit
sich Abweichungen vom Plan und damit verbundene Probleme ergeben haben.
162
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-115: Beispiel-Tabelle zur Abweichungsanalyse (fiktiv)
1 Bauteildaten des Kunde hat Fahrzeug Weniger Zeit 50.000 4 Mit Vorabdaten aus altem Vorabdaten
Kunden kommen 4 noch in der für Bauteilstand beginnen: kurzfristig
Wochen später Entwicklung, konstruktive Änderungsrisiko anfordern
Geometrie ist noch Absicherung
nicht abgesichert
4 Aufstellort beim Neubau des Kunden 100.000 4 Probebetrieb der Anlage beim Projektplan
Kunden nicht Hersteller ändern
rechtzeitig fertig
163
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
fehlende Transparenz im Projekt (Planung wird nicht gepflegt und nachgehalten)
unklare Aufgabenverteilung (keine Funktionspläne, „SE“-Chaos)
Ausfall von Spezialisten oder Lieferanten (Krisenmanagement bei Parallelprojek-
ten)
2.6.8 Steuerungsmaßnahmen
„An irgendeinem Punkt muss man den Sprung ins Ungewisse wagen. Erstens, weil selbst die
richtige Entscheidung falsch ist, wenn sie zu spät erfolgt. Zweitens, weil es in den meisten
Fällen so etwas wie eine Gewissheit gar nicht gibt.“ Lee Iacocca, US-amerikanischer In-
dustriemanager
Je nachdem, ob die Störungen im Projekt Auswirkung auf Termine, Kosten oder Quali-
tät haben, müssen unterschiedliche Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen wer-
den. Grundsätzlich werden dabei folgende Kategorien unterschieden:
164
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Tabelle 2-3: Steuerungsmaßnahmen zur Reduzierung der Kosten
165
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Tabelle 2-5: Steuerungsmaßnahmen zur Terminverkürzung
ein Problemlösungsprozess
eine Standardmethode
eine Berichtsform.
Die meisten Automobilhersteller und Systemlieferanten haben die 8D-Methode als
Standard-Problemlösungsprozess etabliert. Sie taucht als Berichtsinstrument in den
meisten Einkaufsrichtlinien und Management-Handbüchern auf. Die Abbildung 2-116
beschreibt die 8 Schritte der Methode anhand des VDA-Formulars.
166
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-116: Stufen der 8D-Methode 109
Mache dir das Problem klar. Überlege, um welches Problem es geht, und prüfe, ob ein Vorgehen
nach 8D angemessen ist.
Gehe das Problem im Team an: Stelle ein kleines Team aus Personen zusammen, mit ent-
sprechenden Prozess/Produktkenntnissen, Zeit, Bereitschaft zur Mitarbeit, Kompetenz und
Kenntnisse in den notwendigen Techniken, um das Problem zu lösen und Abstellmaßnahmen
umsetzen zu können. Für das Team muss ein offizieller Pate (Champion) ernannt werden.
Beschreibe das Problem: Definiere das Problem des internen/externen Kunden so genau wie
möglich. Arbeite den Kern des Problems heraus und quantifiziere es. Sammle und analysiere
statistische Daten. Erfasse und bestimme das Ausmaß des Problems (Anzahl betroffener Tei-
le, Versionen, Fahrzeuge etc).
Veranlasse temporäre Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und kontrolliere ihre Wirkung:
Veranlasse Maßnahmen, die die Auswirkungen des Problems vom internen/externen Kunden
möglichst fernhalten, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. Prüfe ständig die Wirksamkeit
dieser temporären Maßnahmen und veranlasse gegebenenfalls weitere Maßnahmen. Sollten
fehlerhafte Teile/Systeme bereits beim "End-Kunden" angelangt sein, müssen entsprechende
Service/Kundendienstmaßnahmen eingeleitet werden. Der 8D-Bericht sollte in jedem Falle
Stellung zu eventuellen Servicemaßnahmen beziehen!
Ermittle die Grundursache(n) und beweise, dass es wirklich die Grundursache(n) ist/sind:
Suche nach allen möglichen Ursachen, die das Auftreten des Problems erklären könnten. Be-
stimme die wahrscheinliche(n) Ursache(n) und prüfe durch Vergleiche mit der Problembe-
schreibung und den vorhandenen Daten, ob eine wahrscheinliche Ursache die Grundursache
ist. Beweise die Annahme durch Tests und Experimente.
Lege Abstellmaßnahmen fest und beweise ihre Wirksamkeit: Suche nach allen möglichen
Maßnahmen, durch die die Ursache(n) beseitigt und das Problem gelöst werden könnte:
Wähle die optimale(n) dauerhafte(n) Abstellmaßnahme(n) aus und beweise durch entspre-
chende Versuche, dass diese das Problem aus Kundensicht auch wirklich löst/lösen und kei-
ne unerwünschten Nebenwirkungen hat / haben.
Setze die Abstellmaßnahme(n) um und kontrolliere ihre Wirkung: Erstelle einen Aktionsplan
zur Umsetzung der gewählten Abstellmaßnahme(n) und lege gegebenenfalls flankierende
Maßnahmen zur Absicherung fest: Bestimme, durch welche laufenden Kontrollen sicherge-
stellt werden soll, dass die Problemursache wirklich beseitigt ist. Führe den Aktionsplan aus,
beobachte die Auswirkungen und führe gegebenenfalls die flankierenden Maßnahmen durch.
Überprüfe die Wirksamkeit der Abstellmaßnahme beim Endkunden.
Bestimme Maßnahmen, die ein Wiederauftreten des Problems verhindern: Verändere die
Management- und Steuerungssysteme, Anweisungen und üblichen Vorgehensweisen, um zu
verhindern, dass gleiche oder ähnliche Probleme wieder auftreten. Erstrebenswert wäre die
Einführung eines Systems, das eine Teile-Prozess-Historie erfasst, um sicherzustellen, dass
bei Neuentwicklungen oder Design-Überarbeitungen ähnliche Fehler nicht wiederholt werden.
Würdige Leistung und Erfolg des Teams: Schließe die Teamarbeit ab; erkenne die gemeinsa-
men Anstrengungen und Erfahrungen und freue dich über den Erfolg.
167
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-117: Formular 8D-Report 110
Lieferant (Supplier)
Anschrift (Adress/Location)
8 D – REPORT
Beanstandung Beanstand.-Nr. Eröffnet am:
(Concern Title) (Ref. No.) (Start Date)
Berichtsdatum Teilebezeichnung:
(Status Date) (Part Name)
Zeichnungsnummer/Index:
(Part Number/Index)
1 Team 2 Problembeschreibung
Name,Abt.(Depmt) (Problem Description)
Fehlercharakter
Teamleit.(Champ.) (Problem Profile Data)
168
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
2.6.9 Projektstatusbesprechung
„Es ist kein Drama, wenn das Projekt nicht nach Plan läuft. Es ist ein Drama, wenn der Pro-
jektmanager nichts davon weiß.“ Peter Hobbs, Unternehmensberater und Buchautor
Die Projektstatusbesprechung ist die (in der Regel) wöchentlich, monatlich oder min-
destens zu den Meilensteinen stattfindende Informations- und Entscheidungssitzung
des Projektteams. Es empfiehlt sich dafür einen festen Termin (Jour Fixe) zu reservie-
ren. Teilnehmer sind der Projektleiter und das Kernteam (siehe Kap. 2.2 Projektorgani-
sation) ggf. ergänzt um aktuell betroffene Mitarbeiter. Natürlich kann es auch beson-
dere Ereignisse oder Projektkrisen geben, die eine außerordentliche
Statusbesprechung notwendig machen. Abbildung 2-118 zeigt dies schematisch auf.
Zeit
„Jour Fixe“ „Krise“
Meilenstein
Wann? Wann?
• Regelmäßig oder bei Erreichen • bei einer Projektkrise
eines Meilensteines • bei erheblichen Abweichungen
Wer? • bei plötzlichen Personalproblemen
• Projektteam + Steuerkreis / Auftraggeber • bei gravierenden technischen Problemen
Wer?
Was? • Projektteam und alle relevanten Experten
• Berichtswesen (Termin-, Kosten-, der betroffenen Abteilungen
Sachfortschritt-, Risikosituation) • Steuerkreis + ggf. Auftraggeber
• Meilenstein-Review (Ergebnisse)
• bei negativer Beurteilung: Maßnahmen Was?
erarbeiten, Verantwortliche benennen, • Situationsanalyse
Auflage für erneute Freigabe treffen • Maßnahmenplanung
• bei positiver Beurteilung: Freigabe der • Entscheidung über weiteres Vorgehen
nächsten Arbeitspakete / Projektphase
169
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Nicht zuletzt entsteht durch diesen Termin auch eine gewisse Projekt- und Teamkul-
tur. Insbesondere bei räumlich verteilten oder sogar internationalen Projektteams stellt
die Projektstatusbesprechung einen wichtigen Kristallisationspunkt dar. Hier werden
nicht nur Sachinformationen ausgetauscht und Problemlösungen angestoßen, sondern
auch die Kultur und der Geist des Teams gepflegt (siehe Kap. 2.3). Wissensmanage-
ment-Experten haben diese Art von Zusammenkünften bereits als existenziell wichtig
für den Know-how-Transfer und für eine Lernende Organisation erkannt. Die
Schwerpunkte einer Projektstatusbesprechung sind:
170
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Folgende Punkte sind für die Durchführung der einzelnen Besprechung wichtig:
Jedes Teammitglied bereitet sich so gut als möglich vor (z.B. Präsentationsfolien
etc.), damit die Zeit des Teams nicht unnötig in Anspruch genommen wird. Die
Projektbesprechung ist eine Entscheidungssitzung und keine Diskussions- oder
Problemlösungsrunde!
Der Moderator achtet auf die Zeit! Detailthemen und Problemlösungen müssen
mit Hilfe der Aktivitätenliste/LOP verlagert werden (Lösung im kleinen Kreis).
171
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-119: Informationsfluss und Dokumente in der Projektstatusbesprechung
Aktualisierte Plandaten
Fein- Analyse
Mit- Termin- der
termin-
kalkulation plan Abwei-
liste
chungen
Status-
besprechung Feedback
Ergebnis-
Protokoll
Umgesetzte
Aktivitäten-
Maßnahmen
Liste/LOP
172
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-120: Informationen zum Projektreview und Entscheidungsprozess
Review- Unterlagen:
• Projektstatusberichte
• Projektrisiken /FMEAs
• Lastenheft/ Spezifikat.
• Kennzahlen /Reifegrad
Projekt-Review
• Zeichnungen / Daten
• Wirtschaftlichkeit
• QS-Pläne (APQP) Projekt
abbrechen
Sie dient weiterhin zur schriftlichen Information aller Teammitglieder über offene und
173
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
erledigte Aktivitäten mit Historie des Projektes. In jeder Projektbesprechung dient sie
als Checkliste und Erledigungsprotokoll. In der Aktivitätenliste/LOP werden im Sinne
einer Zielvereinbarung alle Aktivitäten der Projektteammitglieder, die bei der Vertei-
lung von Aufgaben im Rahmen der Projektstatusbesprechung anwesend sind, festge-
halten. Die Aktivitäten werden kurz und präzise formuliert. Für jede Aktivität gibt es
genau einen Verantwortlichen und einen fixen Zieltermin (Basistermin). Sie ist folgen-
dermaßen aufgebaut:
Laufende Nummer
Aktivität
Bearbeiter (ein Verantwortlicher, zusätzlich Mitarbeiter)
Termin (Basis und Neu)
Status (erledigt/offen )
Ggf. weitere Bemerkungen
Der Projektleiter pflegt diese Liste entweder selbst oder delegiert dies an ein Mitglied
des Projektteams (z.B. Projektcontroller). In jedem Fall ist die Aktivitätenliste/LOP sein
zentrales Steuerungsinstrument, mit dem er Vereinbarungen mit den Teammitgliedern
treffen und deren Erfüllung periodisch abfragen kann („Führungsinstrument des
Projektleiters“). Weil Projektleiter im Regelfall keine disziplinarische Macht besitzen,
ist dieses Führungsinstrument besonders wichtig. Deshalb macht es auch wenig Sinn,
wenn wie vielfach praktiziert, jeder Mitarbeiter Punkte in solch eine Liste einstellen
darf. Dafür ist eher ein elektronisches “schwarzes Brett“ geeignet. Als Führungs-
instrument im Projektteam sollte die Aktivitätenliste/LOP ausschließlich in den ge-
meinsamen Teambesprechungen gepflegt werden, damit die dokumentierten Aktivitä-
ten auch wirklich als Vereinbarung zwischen den Anwesenden begriffen und gelebt
werden.
174
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-121: Beispiel einer Aktivitätenliste/LOP
2 Dokumentation der Hr. Mustermann Hr. X, 16.08. 25.08. Offen Kunde muss
Projektplanung noch zu-
Fr. Y
stimmen
175
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Je nach Unternehmen und Projektart sind für das Berichtswesen die unterschiedlichs-
ten Informationen über den Projektstatus und Reifegrad der Produktentwicklung bis
hin zu Wirtschaftlichkeits-Kennzahlen aufzubereiten. Die Abbildungen 2-123 bis 2-125
zeigen Beispiele für Statusberichte in verdichteter Form.
Gewicht
Modul 60
[kg]
55 Gewichts-
Zielgewicht
controlling
50
Herstellkosten 318 €
Modul 300
[€] 218 €
200 Zielkosten-
controlling
100 Zielkosten
Entwicklungs-
Gesamtbudget
budget 600
Modul
[T€] 400 Budget-
controlling
200
4 6 8 10 12 2 4 6
Meile nstein-
Trenda nalys e
4 6 8 10 12 2 4 6
4 5 5 5 5 5
4 4
2 4 4 4
5 Modulintegration
6 1 1
176
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-124: Reporting-Inhalte eines Systemlieferanten 112
177
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Leistungsfähige PM-Tools bieten die Statusinformationen nutzerspezifisch aufbereitet
an. So gibt es für verschiedene Rollen im Projekt (Projektleiter, -controller, Teilprojekt-
leiter...) spezielle Online-Reports oder Infoplattformen. Ein Beispiel zeigt Abbildung 2-
126.
178
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Beim DV-gestützten Reporting setzt sich auch immer mehr das sogenannte „Cockpit“
als Visualisierungsinstrument durch. 115 Im „Projekt-Cockpit“ werden die wesentli-
chen Kennzahlen und Fortschrittsgrößen im Überblick grafisch dargestellt. Abbildung
2-127 zeigt ein Beispiel.
Kostenkontrolldiagramm Meilenstein-Trendanalyse
K IST Zeit Maßnahme Ziel-
Zeit Maßnahme vorgabe
Trend
KI: Kostenüber-
schreitung
(KIST < KSOLL) Meilen-
KE
steine
KE: Kostenunter-
KI schreitung
(KIST > KSOLL)
179
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-128: Dimensionen einer Projekt-Scorecard als Reportinginstrument
Projektziele
Projektziele
und
undRahmen-
Rahmen-
bedingungen
bedingungen
Projekt-Scorecard
Projekt-Scorecard Projekt-
Projekt- Projekt-
Projekt- ergebnisse,
ergebnisse,
Organisation,
Organisation, Termine,
Personal Termine,
Personal Projektstatus
Projektstatus Kosten
Kosten
per
per......
Internes
Internes Externes
Externes
Projektumfeld
Projektumfeld Projektumfeld
Projektumfeld
Eine Änderung ist die vereinbarte Festlegung eines neuen Zustands anstelle des
bisherigen Zustandes und die zugehörige Transformation. 117
Das Änderungsmanagement umfasst die Prozesse und Regeln für die Änderung
von Projektzielen und -prozessen und deren Prioritäten, sichert die Erfassung, Be-
wertung und Entscheidung über die Änderungen von Projektzielen und steuert
deren Umsetzung. 118
180
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Neuerungsbedingte Änderungsursachen wie z.B. neue Kundenanforderungen,
veränderte Gesetze, neue Technologien, neue Materialien
Update
Produkt-,
Prozess-, Änderungs-
Projektdoku Verhandeln und
Korrekturmaßnahmen antrag
Aktualisierte entscheiden
vorschlagen
Planung
T
Entscheiden
Beteiligte Stellen Soll-Ist-Vergleich
Analysieren und K Q
Im Gesamtüberblick
informieren Bewertung
Bewerten (T,K,Q)
Einwirken/
Umsetzung Erkennen und Änderungs-
Steuern
einsteuern Erfassen (Antrag) antrag
181
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Am Anfang des Änderungskreislaufs steht die Erfassung der Änderungssituation, am
besten mit einem formalisierten Dokument (Antrag) in elektronischer Form (Daten-
bank). Im nächsten Schritt müssen die Auswirkungen auf das Projekt hinsichtlich
Kosten, Termin und Qualität/Leistung beurteilt und bewertet werden. Dann kann eine
Entscheidung durch die Projektleitung gemeinsam mit dem Auftraggeber erfolgen.
Dies erfolgt im Regelfall durch ein Änderungsangebot mit anschließendem Verhand-
lungsprozess. Wird eine positive Entscheidung gefällt, so müssen alle Projektbeteilig-
ten informiert werden und die betroffenen Dokumente (Lastenheft, Spezifikationen,
Zeichnungen...) und Projektpläne angepasst werden. Damit erfolgt die Einsteuerung
der Änderungsumsetzung in das Projekt.
Laut Aussage einiger Experten führt das beschleunigte Tempo bei der Einführung
neuer, komplexer Produkte und die sich wandelnden Anforderungen der Kunden zu
einer gestiegenen Bedeutung der Änderungskosten am Gesamtentwicklungsbudget.
Darüber hinaus kann sich der Abschluss von Fahrzeugentwicklungsprojekten durch
späte Änderungen maßgeblich verzögern. Ziel des Änderungsmanagements ist es, die
Reaktionsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen und gleichzeitig die Aktualität von
Daten sowie die Information der Beteiligten sicherzustellen. „Man bräuchte wieder
den Chefentwickler, der das Gesamte im Blick hat“, so die Aussage eines OEM im
Rahmen unserer Studie.120 In der Praxis ist diese Qualifikation leider nicht mehr vor-
handen. Das notwendige Know-how für die komplexen Entscheidungsprozesse bei
Änderungen muss über ein interdisziplinäres Team generiert werden. Ein sogenanntes
„Change-Board“, in dem alle Beteiligten Partner im Entwicklungsprojekt vertreten
sind und sowohl Produkt- als auch Projektbelange erörtert und entschieden werden,
zeichnet sich als zeitgemäße Lösung ab. Im Rahmen eines Regeltermins (Jour Fixe)
werden anstehende Änderungen präsentiert und deren Auswirkungen auf die ver-
schiedenen Bereiche des Fahrzeugs und den Entwicklungsprozess analysiert. Professi-
onell moderiert, kann dieses Change-Board schnelle Entscheidungen liefern und damit
die Zeitachse im Änderungsmanagement drastisch verkürzen. Generell gilt, dass Än-
derungen im Sinne des Frontloading-Gedankens (siehe Kapitel 2.4.) so früh wie mög-
lich in den Entwicklungsprozess einfließen sollten.
Abbildung 2-130 verdeutlicht dieses Bestreben unter dem Aspekt des „Frontloading“.
182
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Abbildung 2-130: Pro-aktive Änderungskultur durch Frontloading
Kosten
„frontloading“
Kostenverlauf durch
Verlagerung von
Änderungen in
frühe Phasen
Das Änderungsmanagement regelt den Umgang mit Änderungen, die der Kunde oder
interne Stellen im Laufe des Projekts einbringen. Diese Änderungen betreffen im Re-
gelfall den Liefer- und Leistungsumfang, die Abwicklung/Terminsituation oder quali-
tative Merkmale. Im Einzelnen sollte in jedem Fahrzeugprojekt durch einen standardi-
sierten Änderungsprozess der Ablauf der Änderungen von der Initiierung bis zur
Durchführung beschrieben sein und ein entsprechender Formalismus gelebt wer-
den.121 In solch einer Beschreibung wird geregelt, wer wen wann zu informieren hat
und wer wann über Änderungen entscheidet. Dieses Procedere muss bereits zu Be-
ginn eines Projektes mit allen Beteiligten (vor allem dem Auftraggeber) abgestimmt
werden. Abbildung 2-131 zeigt ein Beispiel.
Für die Meldung der vom Kunden gewünschten Änderungen sind die Projektteam-
mitglieder bzw. die beteiligten Fachabteilungen verantwortlich. Die administrative
Seite des Änderungsmanagement (erfassen, verwalten, bewerten, dokumentieren)
erfolgt durch ein hierfür verantwortliches Mitglied im Kernteam (z.B. den Projektcon-
troller) oder den Projektleiter und bei komplexen Änderungen mit großer Tragweite
durch ein übergeordnetes interdisziplinäres Gremium wie z.B. ein „Change-Board“.
Die Freigabe von Änderungen erfolgt ausschließlich durch Projektleiter und Auftrag-
geber, da diese in der Regel die Mehrkosten tragen müssen.
183
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-131: Beispiel für einen Standard-Änderungsprozess 122
1. Änderungsantrag
(Antragsteller)
Veranlassung
und
Beantragung
2.1 Registrierung und
formale Prüfung
(Änderungsstelle)
Ja Nein
4. Änderungsauftrag
Ablehnung
schreiben
(Projektleitung)
(Änderungsstelle)
Einführung
und
Durchführung
5. Durchführung der
Änderung
(Betroffene Stellen)
6. Änderungsdienst und
Verteilung
(Änderungsstelle)
184
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
Wichtig ist, dass Änderungen im Tagesgeschäft des Projekts nicht untergehen und der
aktuelle, vertragsrelevante Änderungsstand verwaltet und dokumentiert wird. Dies
geschieht zum einen über den Änderungsantrag/-auftrag als Formular bzw. Datensatz
und zum anderen über eine Änderungsliste oder -datenbank, in der die Historie und
der Status der jeweiligen Änderungen verwaltet werden. Die Abbildungen 2-132 und
2-133 zeigen schematische Beispiele dieser Dokumente.
Änderungsantrag
Projekt:
Kunde:
Antragsteller:
Beschreibung der
Änderung:
(vom Antragsteller
auszufüllen)
Bekannte
Auswirkungen:
(Termin, Kosten,
Ablauf etc.)
Datum:
(Antragsteller)
Freigabe/Ablehnung der Änderung
Unterschriften:
185
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-133: Beispiel: Formular Änderungsliste
Kunde: Projekt:
Claimmanagement
Es ist ein schwieriges Unterfangen, Mehrleistungen, die durch den Kunden oder ande-
re Vertragspartner verursacht werden, bezahlt zu bekommen. Außerdem muss der
Projektleiter auch dafür Sorge tragen, dass Ansprüche von Kunden, Lieferanten und
anderen Vertragspartnern abgewehrt bzw. minimiert werden. In Automobilprojekten
ergeben sich über die Laufzeit durch Planungsunsicherheiten, Änderung der Absatz-
zahlen und gesetzlichen Anforderungen eine Reihe von Situationen in denen „ge-
claimt“ werden muss.
186
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6
sprünglich zwischen den Vertragsparteien geregelten Forderungen. Diese ergeben sich
oft erst aus Abweichungen zum vorgestellten Vertragsverlauf. 123 In Automotive-
Projekten sind das in den meisten Fällen Design- und Bauteiländerungen aber Ter-
minverschiebungen, Qualitätsprobleme und verzögerte Entscheidungen bzw. Freiga-
ben. Das Claimmanagement definiert, dokumentiert und realisiert die Ansprüche der
eigenen Organisation/ des eigenen Projekts gegenüber den Vertragspartnern (im We-
sentlichen Kunden und Lieferanten bzw. interne Partner) und dient dazu, externe
Ansprüche abzuwehren. Es basiert auf den Informationen des Vertrags, des Ände-
rungsmanagements und der Statusberichte aus den Arbeitspaketen des Projekts.
Somit stellt das Claimmanagement eine übergreifende Funktion dar, die Einfluss auf
Vertragsgestaltung, Verhandlungen und vor allem das wirtschaftliche Ergebnis des
Projekts nimmt. Somit leistet Claimmanagement einen wesentlichen Beitrag zur Ver-
besserung des Projektergebnisses.
187
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.7 Projektabschlussphase
„Verbessern heißt verändern. Perfekt sein heißt demnach, sich oft verändert zu haben.“
Winston Churchill, englischer Politiker und Schriftsteller
Mit diesem Slogan sollte die Projektleitung in die Abschlussphase starten. Hier geht es
neben kommerziellen und organisatorischen Themen nämlich hauptsächlich um die
Erfahrungssicherung und die Realisierung von Lerneffekten im Sinne eines professio-
nellen Qualitäts- und Wissensmanagement.
„Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edels-
te, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der
bitterste.“ Konfuzius, chinesischer Philosoph
Die Erfahrung zeigt, dass Projekte, wenn sie nicht aktiv abgeschlossen werden, kein
richtiges Ende finden. Das hat zur Folge, dass wichtige Ressourcen (Projektleiter,
Teammitglieder, Montageleiter etc.) gebunden werden und damit für neue Projekte
nicht zur Verfügung stehen. Außerdem dient der Projektabschluss als Informations-
quelle für die kontinuierliche Verbesserung der Projektabwicklung im Sinne des Qua-
litätsmanagement-Systems. Speziell bei Fahrzeugentwicklungsprojekten ist die Ab-
grenzung zwischen Entwicklungs- und Produktionsverantwortung ein heikles, aber
wichtiges Thema.
Der Projektleiter und das Projektteam sind verantwortlich für einen kontrollierten
Abschluss des Projektes. Dabei ist sicherzustellen, dass die Ergebnisse aus dem Projek-
tabschluss in zukünftige Projekte einfließen (Projektabschlussbericht und Erfahrungs-
datenbank). Abbildung 2-135 vermittelt einen Überblick der Aktivitäten zum systema-
tischen Projektabschluss.
188
Projektabschlussphase
2.7
Abbildung 2-135: Überblick Projektabschluss 124
Auftraggeber Auftrag-
nehmer
STOP
5. Projektabschluss- 6. Erfahrungssicherung
gespräch
Projekt-
abschluss-
bericht
189
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Einen Überblick über die einzelnen Aktivitäten zum Projektabschluss gibt die folgen-
de Checkliste.
190
Projektabschlussphase
2.7
Das Projektabschlussgespräch hat die Aufgabe, diese Informationen in einer Veranstal-
tung zu bündeln, damit durch die gegenseitigen Erfahrungsberichte und die Diskussi-
on das Erinnerungsvermögen und das Problembewusstsein gesteigert wird und mög-
lichst alle wichtigen Punkte festgehalten bzw. Probleme gelöst werden. Der
„Projektabschlussbericht“ bündelt dann die Ergebnisse in Form von Maßnahmen und
bildet die Dokumentationsbasis für den Verbesserungsprozess. Abbildung 2-136 zeigt
Beispiele wie Erfahrung aus Projekten genutzt werden kann.
• „soft skills“
Übernahme von Ergebnissen
• Teamgeist
in die Linienorganisation
• Imagegewinn
• Effizienzsteigerung • Kompetenz
• Ausbau Marktanteile • ...
• Steigerung
Wettbewerbsfähigkeit
Projekterfahrung
Das Projektabschlussgespräch ist eine interne Besprechung, an der das Kernteam, die
Arbeitspaketverantwortlichen und das Linienmanagement teilnehmen. Die positiven
und negativen Erfahrungen aus dem Projekt werden präsentiert und diskutiert. Aus
diesen Erfahrungen werden Maßnahmen für den kontinuierlichen Verbesserungspro-
zess im Projektmanagement abgeleitet. Im Mittelpunkt stehen die Themen des Pro-
jektmanagements (Organisation, Zusammenarbeit, Planung, Steuerung....) und nicht
so sehr die Technik. Der Projektleiter lädt ein und veranlasst Moderation und Proto-
kollführung. Der Projektleiter, die Teammitglieder und Arbeitspaketverantwortlichen
präsentieren ihre Erfahrungen. Mit Hilfe des „Projektabschlussberichts“ wird die
Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen veranlasst. Folgende Checkliste zeigt die
wesentlichen Schritte der Durchführung:
191
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-137: Vorbereitung der Projektabschlussbesprechung
Termin festlegen (wenn der wesentliche Leistungsumfang des Projekts erbracht ist, unabhän-
gig von der Abnahme beim Kunden)
Teilnehmerkreis festlegen (Projektteammitglieder, AP-Verantwortliche, Linienmanagement +
evtl. „besonders Betroffene“)
Raum reservieren (Anz. Teilnehmer)
Einladung versenden
Moderator und Protokollführer bestimmen
Besprechung effizient durchführen
Protokoll in Form des Projektabschlussberichts erstellen
Maßnahmen veranlassen und
Umsetzung kontrollieren
192
Projektabschlussphase
2.7
2.7.3 Der Projektabschlussbericht
Der Projektabschlussbericht dient als Managementinstrument für den kontinuierlichen
Verbesserungsprozess des Projektmanagements. Er soll durch seine Form sicherstel-
len, dass die Themen aus dem Projektabschlussgespräch als konkrete Maßnahmen mit
Verantwortlichkeit formuliert und dann auch umgesetzt werden. Außerdem dient er
als Informationsinstrument quer über die Projekte hinweg und soll das „Lernen aus
Erfolgen und Fehlern der Anderen“ unterstützen. Der Projektabschlussbericht doku-
mentiert die Ergebnisse und vereinbarten Maßnahmen aus dem „Projektabschlussge-
spräch“. Er ist tabellarisch aufgebaut im Sinne einer Aktivitätenliste/LOP und zur
besseren Auswertung und Verfolgung mit Kategorien versehen. Abbildung 2-139 zeigt
die Inhalte.
Projektbeteiligte, Gesamtbeurteilung
Randbedingungen des Projekts
Für die Erstellung und Verteilung des Berichts, für die Einleitung der Maßnahmen
und die Kontrolle der Umsetzung sind in der Regel der Projektleiter, das Projektcon-
trolling bzw. das PM-Office oder das Qualitätsmanagement verantwortlich. Abbildung
2-140 zeigt das Formular für einen Abschlussbericht in tabellarischer Form.
193
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-140: Beispiel: Formular Projektabschlussbericht
Projektabschlußbericht
xxxxx
(Auftr.-Nr.) (Kunde/Land) (Projektbezeichnung) (Projektleiter)
Verantw Auftr.-
Kateg. Thema Maßnahmen/Vereinbarungen Ergebnis an Termin erl.
./Abt. Nr.
Zum Ende dieses Kapitels und passend zum Thema Projektabschluss schließen wir
mit einem Zitat, das den kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Projektmanage-
ment treffend beschreibt:
194
3 Management mehrerer
Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Ursachen
195
G. Hab, R. Wagner, Projektmanagement in der Automobilindustrie,
DOI 10.1007/978-3-8349-4369-9_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Das Management von mehreren Projekten im Sinne eines „Projektportfolios“ stellt
besondere Anforderungen an die Organisation und die Systeme. Besondere Wichtig-
keit hat die Selektion und Priorisierung der „richtigen“ Projekte durch das Manage-
ment. Die Dramatik der Ressourcenvergeudung durch ein fehlendes strategisches
Projektmanagement bei Entwicklungen im Elektronikbereich zeigt Abbildung 3-2.
Technologie-Strategie
führen 57 zum techn. Risiko
Technischen Erfolg, Wo sind Entwickungsaufwendungen
Zur Know-How-Sicherung notwendig?
werden 31 am Produkt-Markt-Strategie
Markt eingeführt
Wo ist eine Marktpräsenz für
Anschlussentwicklungen notwendig?
Sind 12 wirt-
schaftlich wirtschaftliches Risiko Gewinn-Strategie
erfolgreich
Führt ein Unternehmen viele kleinere oder mehrere große, komplexe Projekte gleich-
zeitig durch, stellt sich die Frage nach einer übergreifenden Steuerung aller Projekten
Denn durch die Vielzahl und die Komplexität der Projekte sowie durch ihre gegensei-
tige Abhängigkeit entsteht permanenter Koordinierungsbedarf: Abbildung 3-3 ver-
deutlicht dies anhand der Einflussfaktoren und Restriktionen, die das Multi-
Projektmanagement zu koordinieren hat.
126 ebenda, S. 26
196
Projektabschlussphase
3
Abbildung 3-3: Einflussgrößen und Restriktionen im Multi-PM
Ressourcen, Unternehmensplanung
Infrastruktur, und -strategie
Markt,
Produktionsanlagen
Kunden-
Anforderungen,
Mitarbeiter Wettbewerb
Hilfsmittel
Projekt A
Termine Projekt B
Multi- Projekt C
PM Projekt D
Projekt E
Projekt F
Kapazität
Kosten (Euro)
Innovation,
Know-How,
Technologien
Es gibt zu viele Projekte, die gleichzeitig realisiert werden sollen. Eine Priorisie-
rung fehlt bzw. alles wird mit gleicher (hoher) Priorität vorangetrieben.
Einzelne Projekte sind inhaltlich, zeitlich und personell nicht fundiert genug abge-
stimmt.
197
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Neben der Steuerung der einzelnen Projekte rücken somit die strategische Planung
und Steuerung des Projektportfolios in den Vordergrund. Das Projektportfolio-
Management befasst sich mit folgenden Fragen:
Welche Projekte führen wir zurzeit durch, welche werden wir durchführen?
Deckt sich unser Portfolio voll mit der Unternehmensstrategie?
Wie gut laufen die Projekte in unserem Portfolio?
Wer arbeitet jetzt und künftig an welchem Projekt?
Decken sich für unsere Ressourcen Angebot und Nachfrage?
Was sind die genauen Aufwände und Kosten für jedes Projekt?
Welche Risiken gehen wir derzeit ein?
Wie sollen wir im Konfliktfall priorisieren?
Liefern unsere Projekte den versprochenen Nutzen?
Neue Anfragen oder Projektideen müssen sich vor der Freigabe an objektiven
Kriterien der Unternehmensstrategie messen lassen.
198
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements
3.1
3.1 Erklärungsmodell des Multi-
Projektmanagements
Das folgende Modell (Abbildung 3-4) dient der begrifflichen Abgrenzung der ver-
schiedenen Ebenen, Rollen und Bereiche im Multi-Projektmanagement (MPM). Im
Mittelpunkt steht die Unterscheidung von Projektportfolio-Management (PPM) als
strategischem Ansatz und dem Programm-Management (PMM) als operativem Multi-
Projektmanagement-Ansatz. Das zentrale Ressourcenmanagement bildet sozusagen
die „Klammer“ zwischen der strategischen und operativen Ebene. Die Bereitstellung
und Ausrichtung der Ressourcen muss strategisch geplant und gefördert werden, die
Nutzung erfolgt durch die operativen Projekte.
Geschäfts-/
Geschäfts-/
Bereichsleitung
Bereichsleitung
Portfolio-Board/
Portfolio-Board/ Projektportfolio-
Projektportfolio- Strategisches
Strategisches
Ressourcenmanagement
Ressourcenmanagement
Projekt-Ausschuss
Projekt-Ausschuss management PM
management PM
Multi-PM-Office,
Multi-PM-Office,
Multi-Projektmanager,
Multi-Projektmanager,
Projektcontrolling
Projektcontrolling
Projekt-
Projekt- Programm-
steuerkreise
Programm-
steuerkreise management
management
Programm-,
Programm-,Projekt-
Projekt- Operatives
Operatives
Office
Office(PMO)
(PMO) PM
PM
Projekt-, Einzel-Projekt-
Einzel-Projekt-
Projekt-,
Programmleitung management
management
Programmleitung
199
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
3.1.1 Abgrenzung strategisches und operatives
Multi-Projektmanagement
In der Praxis sind mit Multi-Projektmanagement unterschiedliche Konzepte, Ziele und
Organisationsformen verbunden. Prinzipiell müssen zwei Organisationsformen unter-
schieden werden:
Das Management operative Projektcluster aus einer vernetzten Anzahl von Einzel-
projekten, die teilweise parallel aber auch zeitlich versetzt ablaufen können. Der
Gesamtprojektleiter ist dann der Multi-Projektmanager. Hierfür hat sich der Be-
griff Programm-Management durchgesetzt.
Koordinationsaufgabe Führungsaufgabe
Analysiert die Probleme und stellt sie dem Muss unmittelbar in die Projekte eingreifen,
Projektleiter, dem Auftraggeber und dem Port- wenn die Situation es verlangt
folio-Board dar.
Daueraufgabe, solange das Projektportfolio zu Endet mit der Beendigung des Programms
koordinieren ist
Muss sich oft mit der internen Politik, mit Be- Ist oft dem rauen Wind ausgesetzt, der vom
reichsdenken auseinandersetzen Kunden kommt
200
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements
3.1
3.1.2 Begriffsklärung Projektportfolio-Management
Alle allein stehenden und zu Programmen zusammengefassten Projekte einer strategi-
schen Geschäftseinheit bilden zusammen ein Projektportfolio. Da Projekte und Pro-
gramme laufend abgeschlossen, neu priorisiert, verworfen oder der strategischen
Ausrichtung des Unternehmens angepasst werden, verändert sich dieses Projektport-
folio ständig. PPM kontrolliert und steuert die Summe der Projekte und Programme
eines projektorientierten Unternehmens. Es stellt sicher, dass die Unternehmen die
richtigen Projekte und Programme zum richtigen Zeitpunkt mit den am besten geeig-
neten Ressourcen und den notwendigen Finanzmitteln durchführen.
201
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-5: Projektportfoliodarstellung als Management-Summary 130
Gewinn
hoch B C
mittel D
niedrig A E
Die Projekte innerhalb eines Programms können funktional oder nach Zielsetzung
zusammengefasst werden. Dies geschieht in der Praxis mit Hilfe eines Programm-
plans. In diesem Plan werden die Arbeitspakete aller Personen aufgeführt, die am
Programm beteiligt sind. Er beinhaltet Aufwandswerte, Start- und Endzeitpunkte
sowie Vorgänger-Nachfolgerbeziehungen zwischen allen Arbeitspaketen des Pro-
gramms. Im Gegensatz zum Projektportfolio ist ein Programm zeitlich befristet.
130 ebenda
202
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Mitarbeiter des Programm-Management-Office (PMO) pflegen den Programmplan
zentral. So vermeidet das Unternehmen Doppelarbeiten. Außerdem bewertet und
steuert das PMO laufend alle wichtigen Beziehungen zwischen den Projekten eines
Programms. Auf diese Weise werden Synergieeffekte genutzt und Doppelarbeit ver-
mieden. Konkret heißt das beispielsweise: Alle Projekte für einen strategischen Kun-
den (OEM oder Systemlieferant) oder alle Projekte zur Entwicklung, zum Produkti-
onsaufbau und zur Vermarktung einer neuen Technologie bzw. Produktinnovation
werden in einem Programm zusammengefasst. Es ist abgeschlossen, sobald die
Markteinführung erledigt ist und die ersten Aufträge wieder als operative Projekte im
Hause abgewickelt werden. Prozess und Methoden des Programm-Managements
werden in Kapitel 3.6 näher erläutert.
203
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Der Multi-Projektmanager plant und steuert das Projektportfolio eines Unter-
nehmensbereichs oder einer Projektart. In Konzernen mit einer kaum mehr über-
schaubaren Zahl mehr oder weniger komplexer Projekte und Programme erscheint
der Anspruch, alle Projekte einem einzigen Projektportfolio zu koordinieren, unre-
alistisch. In diesem Fall muss sich das Projektportfolio-Management auf einen be-
stimmten Bereich oder eine Projektart beziehen, die durch gemeinsame Ressourcen
und strategische Ausrichtung eine Vernetzung aufweisen. Beispielsweise sind dies
Projekte eines Geschäftsbereichs, Organisations-/IT-Projekte, Forschungs- und
Entwicklungsprojekte oder Investitionsprojekte.
Der Multi-Projektmanager beschäftigt sich nur mit dem Portfolio der strategisch
besonders relevanten Projekte. Das Unternehmen verzichtet bewusst auf die Ko-
ordination der mittleren und kleineren Projekte, um sich gezielt auf die Planung
und Steuerung der strategisch relevanten Vorhaben zu konzentrieren. Dieser An-
satz besitzt seine Tücken, denn kleinere oder mittlere Projekte binden Ressourcen
und können deshalb erhebliche Auswirkungen auf größere Projekte haben.
In jedem Fall sollten die Aufgaben des Multi-Projektmanagers eindeutig definiert und
mit klaren Verantwortlichkeiten und entsprechenden Kompetenzen verbunden sein.
Der Multi-Projektmanager muss Probleme erkennen, Lösungen einleiten sowie Wi-
dersprüche und Blockaden, die durch unrealistische oder unklare Vorgaben entstehen,
erkennen und kommunizieren, damit die Geschäftsleitung diese Widersprüche auflö-
sen kann. Seine Kernaufgaben sind im Einzelnen:
Der Multi-Projektmanager muss das Gesamtsystem der Projekte beachten und den
Entscheidungsträgern sowie den einzelnen Projektleitern regelmäßig einen Über-
blick über den Zustand der Vorhaben bieten.
Der Multi-Projektmanager ist Initiator von und Wächter über Standards, Metho-
den und Tools. Er definiert die infrastrukturellen Grundlagen für das Multi-
Projektmanagement und entwickelt sie weiter. So sorgt er dafür, dass ihm die be-
nötigten Informationen aus den einzelnen Projekten vorliegen – denn nur dann
kann er sie aufbereiten. Diese Aussage klingt trivial, trifft aber einen wunden
Punkt in vielen Unternehmen: Notwendige Informationen werden nicht immer ge-
liefert, bzw. nicht rechtzeitig oder unvollständig.
204
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Der Multi-Projektmanager ist auch Berater für Projektleitung, für Entscheidungs-
träger wie Auftraggeber und Projekt-Ausschuss.
Projektportfolio planen
Projektportfolio steuern
Infrastruktur für professionelles Projektmanagement entwickeln
einen Pool von erfahrenen Projektleitern zu Verfügung stellen
Projektportfolio planen
Projektportfolio steuern
Der Multi-Projektmanager muss auf Basis der Statusberichte der einzelnen Projekte
deren Auswirkungen auf das Projektportfolio analysieren und transparent machen.
MPM ist auf die Statusberichte der einzelnen Projekte angewiesen. Die Projektleiter
müssen deshalb in den vereinbarten Zeitintervallen qualifizierte Informationen über
den Projektstatus an das MPM liefern. Dafür gibt es eine standardisierte Statusbericht-
Vorlage. Solange qualifiziertes Projektmanagement im Unternehmen als Fundament
fehlt, kann Multi-Projektmanagement nicht funktionieren.
205
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Infrastruktur für professionelles Projektmanagement entwickeln
206
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
2. Er arbeitet als Moderator und Methodenberater im Projektabschlussgespräch
mit. Dabei bringt er seine Erfahrungen und sein analytisches Know-how ein
und informiert die Projektbeteiligten über den Stand des Projektportfolios
nach Beendigung des Projekts. Die verdichteten Ergebnisse verschiedener Pro-
jektauswertungen sollen mindestens einmal jährlich im Unternehmen präsen-
tiert werden, um die Erfolge gebührend zu feiern und an den Schwachstellen
arbeiten zu können.
In manchen Firmen bietet das MPM einen Pool von erfahrenen Projektleitern oder
Projektberatern an, die den Projekten für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung
stehen. Sie können
207
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-6: Organisatorische Einbindung des Multi-Projektmanagers
GF
GF
Multi-
Multi-
Projektportfolio-Board
Projektportfolio-Board Projektmanager
Projektmanager
(Projekt-Ausschuss)
(Projekt-Ausschuss)
Multi-PM-Office
Multi-PM-Office
Geschäftsbereich
Geschäftsbereich Geschäftsbereich
Geschäftsbereich
Steuerkreis
Steuerkreis Steuerkreis
Steuerkreis Programm-
Programm-
Manager
Manager
Projektleiter
Projektleiter Projektleiter
Projektleiter
Projektleiter Projektleiter
Projektleiter
Projektleiter Projektleiter
Projektteam
Projektleiter
Projektteam Projektleiter
Projektleiter Projektteam
Projektteam
Projektteam Projektleiter Projektteam
Projektteam
Projektleiter Projektteam
Projektteam
Projektteam Projektleiter
Projektteam
Projektleiter
Projektteam
Projektteam
Projektteam
Projektteam
Projektteam
208
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Aus Sicht des Multi-Projektmanagement mit seinem strategischen und operativen
Fokus gibt es prinzipiell 3 Ebenen, auf denen ein PMO in der Unternehmensorganisa-
tion angesiedelt werden kann. Abbildung 3-7 zeigt diese Ebenen.
GF
Bereichs-
Vertrieb Entwicklung Produktion Bereichs-
PM-Office
Ebene
Projekt- Projekt-
Projekte Ebene
Office
Die organisatorische Verankerung eines strategischen PM-Office sollte direkt bei der
Unternehmensleitung erfolgen. Damit wird eine projektorientierte Unternehmensphi-
losophie dokumentiert. Das PM-Office kann entweder als Stabsstelle oder als operati-
ve Einheit im Sinne eines Geschäftsbereiches geführt werden. Bei Großunternehmen
macht es Sinn PM-Office-Satelliten je Geschäftsbereich zu installieren, die mit dem
zentralen PM-Office im Rahmen des Multi-Projektmanagement/-controlling zusam-
menarbeiten. Eine wichtige Hilfe für die Arbeit des strategischen PM-Office und für
die Umsetzung des PM allgemein, sind dokumentierte PM-Geschäftsprozesse. Sie
bilden die Grundlage für Verbindlichkeit und Auditierung der „lebensnotwendigen“
Regeln und Abläufe im Projektmanagement. Abbildung 3-8 zeigt dies beispielhaft am
Organigramm eines Gesamtfahrzeugentwicklers. Die Aufgaben eines Projekt-
Management-Office (PMO) hängen stark von seiner Position in der Unternehmenshie-
rarchie ab. Je nachdem, ob der Schwerpunkt auf strategischem Projektportfolio-
Management liegt oder auf mehr operativem Programm-Management ergeben sich
unterschiedliche Anforderungen. Abbildung 3-9 zeigt schematisch die verschiedenen
Ebenen.
209
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-8: Organisatorische Einordnung des strategischen PM-Office bei einem Ge-
samtfahrzeugentwickler 134
PM: Projektmanager
Vorstand LA: Lenkungsausschuss
TE: Entwicklung + Versuch
Multiprojektmanagement (Portfolio): MP: Modell + Prototypenbau
Strat. • Projektportfolio-Reporting BM: Betriebsmittelkonstruktion
PM • Ressourcenübersicht AB: Anlagenbau
Office • PM-Handbuchpflege
PMO: PM-Offices dezentral
• PM-Coaching und Moderation
Fachbereiche Partnerfirmen
TE MP BM AB
PMO PMO PMO PMO PMO PMO
Int. NL´s
LA
PM
LA
PM
Auf der untersten Ebene beziehen sich die Aufgaben neben allgemeinen Diensten zur
Bereitstellung der Infrastruktur, wie z.B. Erstellung und Pflege eines Projektleitfadens,
Einrichtung und Betreuung des PM-Tools, Bereitstellung von weiteren PM-Methoden
im wesentlichen auf das Einzelprojekt-Coaching und das Einzelprojekt-Controlling.
Zielgruppe des PMOs sind die Projektleiter. Als Schnittstelle zwischen der Einzelpro-
jektsicht und der Multiprojektsicht erhält das PMO mit dem Ressourcenmanagement
eine übergreifende Aufgabe. Hier gilt es, in Abhängigkeit der hierarchischen Position
die Ressourceneinplanung und -steuerung für eine Abteilung oder einen Bereich zu
koordinieren.
210
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Auf der obersten Ebene steht die Koordination aller Programme und Projekte im Vor-
dergrund. Hier hat das Projekt-Management-Office die Aufgabe, eine zielgerichtete
Steuerung des gesamten Projektportfolios zu gewährleisten.
Strategisches
Unter- PM-Office strate-
nehmens- Portfolio-Management gische
Leitung Ebene
Ressourcen-Management
Programm
-Office
Bereichs- Programm-Management
Leitung
operative
Projekt Ebene
-Office
Projekt- Projekt-
Projekt- Coaching Controlling
Leitung
Im Großen und Ganzen ergeben sich abhängig von der jeweiligen Ebene in der Unter-
nehmenshierarchie generell folgende Aufgaben für ein Projekt-Management-Office:
211
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Implementierung PM-Abläufe und Methodik, PM-Leitfaden pflegen
PM-Coaching und PM-Training
= Projektportofolio-Management /
Steuerkreis F&E Strategische Ebene
Steuerkreis GB A
Moderation: Leiter Bereichs-PM-Office
Steuerkreis GB B Teilnehmer: GBL A/B/C/IT, Abteilungsleiter des
Bereichs, Bereichscontroller,
Programm-/Projektmanager
Steuerkreis GB C
= Programm-/Projekt-Management
Steuerkreis IT/Org. Operative Ebene
GF = Geschäftsführung
= Wissensmanagement /
GB = Geschäftsbereich
Emotionale / Kulturelle Ebene
GBL = Geschäftsbereichsleiter
212
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
3.2.3.1 Der strategische Projektausschuss (Projektportfolio-Board)
Der strategische Projektausschuss setzt sich im Regelfall aus den für die Projekte und
Ressourcen verantwortlichen Vertretern der Unternehmensleitung bzw. Bereichslei-
tung zusammen. Ergänzt wird er um den Multi-Projektmanager oder Projektcontrol-
ler, der meist auch die Vorbereitung (Reporting) und Dokumentation übernimmt. Er
stellt die oberste Eskalationsstufe und Entscheidungsinstanz in Konfliktfällen oder bei
bereichsübergreifenden strategischen Entscheidungen dar. Abhängig von der Anzahl
der Projekte, deren Laufzeit und der Veränderungsgeschwindigkeit des Projektportfo-
lios sollte der strategische Projektausschuss monatlich bis mindestens vierteljährlich
zusammenkommen. Bewährt haben sich eher kürzere Meetings im monatlichen Tur-
nus gegenüber langen „Klausuren“ in großen Abständen. Dann wird häufig nur noch
„berichtet“ und nichts mehr „entschieden“. Intensive Planungsklausuren sind ohnehin
1-2mal pro Jahr fällig. Details dazu erläutern wir in Kapitel 3.4. Wesentliche Aufgaben-
und Verantwortungsbereiche des Projektausschuss sind die
213
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Die wesentliche Basis für die strategischen Entscheidungen des Projektausschuss bil-
den drei Informationsbereiche, die aus allen Projekten eingefordert werden müssen:
Projektausschuss
Projektantrag Statusbericht Projektabnahme
Termingetreue
Anfrage/ Ergebnisablieferung
Veränderung
Projektidee
zum Vormonat
Projektrealisierung
214
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Statusbericht: Anhand einer Ampeldarstellung können die projektspezifischen Sta-
tusinformationen für das Gesamtportfolio verdichtet werden. Zu den Entscheidungs-
terminen des Gremiums wird ein Projektportfolio-Bericht aufbereitet (im Regelfall
vom Multi-Projektmanager bzw. Projektcontroller), der mit weiteren Kennzahlen zu
Terminen, Kosten und Fortschritt/Reifegrad angereichert ist.
Offene Punkte
Der Projektausschuss spielt nicht nur eine rein strategische Rolle im Sinne der Projek-
tauswahl und Priorisierung, sondern er leistet einen ganz entscheidenden Beitrag zur
Projektmanagement-Disziplin und -Kultur im Unternehmen. Die Abgrenzung zu dem
mehr operativen Gremium des Projektsteuerkreises ist hier je nach Unternehmensgrö-
ße und Struktur nicht eindeutig möglich. Für den Steuerkreis gelten vielfach die glei-
chen Aussagen.
215
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
3.2.3.2 Der Projektsteuerkreis als operatives Lenkungsgremium
im Multi-Projektmanagement
Projekte leben oft als Firmen in der Firma, haben eigene Organisationen und Struktu-
ren und entwickeln in vielen Fällen sogar eine eigene Kultur. All das ist wunderbar
geregelt - innerhalb der Projektgrenzen. Wie sieht es aber mit der Einbindung in das
Gesamtunternehmen aus? Von der Sache her gibt es mehr oder weniger klare Struktu-
ren und Spielregeln, aber emotional fehlt den Projekten vielfach die Heimat. Oft füh-
len sich Projektleiter alleingelassen und „verheizt“. Ihnen fehlt die Lobby, die Auf-
merksamkeit des Managements, der Zugriff auf Ressourcen und der „Schiedsrichter“
bei Konflikten. So entstehen oft unnötige Reibungsverluste und Frustrationen.
Projektsteuerkreise
216
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Abbildung 3-14: Beispiel einer Steuerkreis-Funktionsbeschreibung
Der Steuerkreis besteht aus drei bis fünf Führungskräften aus der Ebene Geschäftsführung,
Bereichsleitung, Abteilungsleitung und dem jeweiligen Leiter des PM-Office als Moderator.
Er stellt das organisatorische Bindeglied zwischen Projekt und Linienorganisation dar. Durch
dieses Gremium werden die Projektleiter unternehmerisch geführt.
Die Mitglieder des Steuerkreises repräsentieren die Leitung der am Projekt beteiligten Fach-
bereiche und die Kundenbeziehung. Bei bereichsübergreifenden Projekten ist ein Geschäfts-
führungsmitglied Vorsitzender des Gremiums.
Der Steuerkreis ist der interne Auftraggeber des Projektes und beurteilt somit die Ergebnisse
des Projekts und das Projektmanagement.
Die Mitglieder werden bei bereichsübergreifenden Projekten durch die Geschäftsführung
berufen. Bei bereichsinternen Projekten erfolgt die Berufung durch den Bereichsleiter.
Der Steuerkreis gibt Ziele (Strategie) vor bzw. vereinbart diese mit dem Projektteam.
Der Steuerkreis ist die Eskalationsstufe für Konflikte zwischen Projekt/Linie und Pro-
jekt/Kunde, die operativ nicht gelöst werden können.
Der Steuerkreis schafft Rahmenbedingungen, damit sich das Projekt im Unternehmensumfeld
optimal entwickeln kann und erfolgreich ist (Ressourcen, Infrastruktur, Spielregeln ...).
Der Steuerkreis sorgt für eine langfristige und nachhaltige Entwicklung und Qualifizierung der
Projektleiter/Teilprojektleiter. Er beauftragt gezielt Coaching-Aktivitäten und Trainingsmaß-
nahmen, die dem Projektpersonal helfen erfolgreicher zu sein.
Der Steuerkreis wird zeitnah über Status, Fortschritt, Ergebnisse, Probleme und Konflikte im
Projekt durch die Projektleitung informiert - mindestens aber zu den regelmäßigen Sitzungs-
terminen. Abweichungen bzw. Risiken bzgl. der Erreichung der vereinbarten Ziele werden von
der Projektleitung ohne eigene Aufforderung kommuniziert.
Der Steuerkreis erhält einen monatlichen Statusbericht von der Projektleitung.
Der Steuerkreis trifft kritische Entscheidungen im Projekt (Risiken, Vertrag, Technologie).
Kritische Meilensteine (Quality Gates) im Projekt werden vom Steuerkreis freigegeben.
Teilnehmer an Steuerkreis-Sitzungen:
Steuerkreis-Mitglieder
Projektleitung und ggf. Teammitglieder
Turnus der Sitzungen: Jeden 1. Montag im Monat, 14:00 Uhr – 18:00 Uhr
217
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
3.2.3.3 Die Projektleiter-Runde als Plattform für das
projektübergreifende Wissensmanagement
Projektleiter fristen in der Regel ein „Nomaden-Dasein“ im Unternehmen. Sie haben
keine richtige Heimat. Als Führungskräfte sind sie zwar für ihre Projekte verantwort-
lich, aber meist nicht in die üblichen Regelmeetings des Linienmanagements einge-
bunden. Damit sind sie oft abgeschnitten von wichtigen Informationen und haben als
„Einzelkämpfer“ auch untereinander kaum Erfahrungsaustausch. Es fehlt ein Gremi-
um zur gegenseitigen Information und zur Interessensvertretung gegenüber dem
etablierten Management. Die Projektleiter-Runde kann als moderne „PM-Tafelrunde“
diese Rolle übernehmen. Diese Idee ist inspiriert von der Sage des König Artus und
seiner Tafelrunde, mit der er es geschafft hat, die verfeindeten Ritter Englands an ei-
nen Tisch zu bringen und gemeinsame Ziele zu verfolgen. 137 Eine durchaus ver-
gleichbare Situation vieler Projektleiter in unseren Unternehmen heute. Diese Regelbe-
sprechung der Projektleiter mit monatlichem, in manchen Unternehmen auch
wöchentlichem Turnus, hat folgende Ziele und damit auch Erfolgsfaktoren:
Erfahrungsaustausch der PL
Qualifizierung zu Schwerpunktthemen
Einleiten von Verbesserungsprozessen
Stärkung der Identität und des Status der PL
Kooperation und Absprache bzgl. knapper Ressourcen
Bündelung der Interessen und Meinungen gegenüber dem Management
Vereinbarung von PM-Standards, Methoden und Tools
Abbildung 3-15 zeigt das Beispiel einer Standard-Agenda für eine PL-Runde.
218
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2
Nicht zuletzt ist die PL-Runde ein wesentlicher Promotor und Multiplikator der PM-
Kultur und somit ein wichtiger Baustein zur Steigerung des Reifegrades des Projekt-
managements im Unternehmen. Abbildung 3-16 zeigt das Beispiel einer Funktionsbe-
schreibung.
Der Erfolg der PL-Runde steht und fällt mit der Bereitschaft der Projektleiter „gemein-
sam“ das Projektmanagement und die Stellung Ihrer Rolle im Unternehmen voranzu-
bringen. Diese Kooperationsbereitschaft und Offenheit untereinander zu erzeugen
und zu pflegen, ist wohl die größte Herausforderung, weil Projektleiter gerne zum
„Einzelkämpfertum“ neigen. Große Veränderung in der Unternehmenskultur, hin
zum projektorientierten Unternehmen lassen sich aber nur gemeinsam erreichen.
219
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
3.3 Kommunikation und Zusammenarbeit in der
Multi-Projekt-Umgebung
Geht es beim einzelnen Projekt im Wesentlichen um die Zusammenarbeit und Kom-
munikation im Projektteam und mit den beteiligten Partnern, so liegt der Fokus beim
Multi-Projektmanagement auf der Kommunikation und Kooperation zwischen den
Projekten. Die oben beschriebenen Gremien wie Projektleiter-Runden, Projektaus-
schüsse und Steuerkreise bilden dazu eine wesentliche Grundlage. Durch regelmäßige
Besprechungstermine wird eine sogenannte „Regelkommunikation“ aufgebaut, die
dafür sorgt, dass neben den klassischen Reportinginformationen (siehe Kap. 3.4.4)
auch ein informeller Informationsfluss gepflegt wird. Viele „weiche“ Informationen
über aktuelle Probleme, drohende Risiken und Konflikte in den Projekten und Pro-
grammen können dabei ausgetauscht werden. Dies ist die „unsichtbare“ aber nicht
minder wichtige Seite des Multi-Projektmanagement. Abbildung 3-17 zeigt das fiktive
Beispiel für einen Regelkommunikationsplan bei einem Automobilzulieferer.
220
Kommunikation und Zusammenarbeit in der Multi-Projekt-Umgebung
3.3
Einen weiteren Erfolgsfaktor für die Kommunikation und Zusammenarbeit in der
Multiprojektumgebung des Automobilunternehmens bilden klare Vereinbarungen
und Spielregeln zwischen der Projekt- und der Linienorganisation. Der Multi-
Projektmanager hat hier in vielen Fällen die Aufgabe der Moderation, da beide Partei-
en aus eigener „Kraft“ oft keine Regelungen zustande bringen.
Aufgabe der Linienabteilungen ist es, die erforderlichen Ressourcen für die Projekte
bereitzustellen und diese Ressourcen (Personal, Werkzeuge und Hilfsmittel) ständig
weiterzuentwickeln und an die Erfordernisse anzupassen. Die Linienorganisation
vertritt somit die „fach- und funktionsorientierte“ Sicht. Aufgabe der Projektleiter und
-teams ist es, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen die Projekte erfolgreich im
Sinne der vereinbarten Ziele abzuwickeln. Die Projektorganisation hat somit die „ab-
wicklungs- und ergebnisorientierte“ Sichtweise. Diese zweidimensionale Organisati-
onsform stellt aufgrund ihrer Komplexität bedeutend höhere Anforderungen an Füh-
rungskräfte und Mitarbeiter, besonders dann, wenn eine Vielzahl von Projekten
parallel abgewickelt wird. Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit haben dann
einen sehr hohen Stellenwert. Auch die Regelung von Schnittstellen und die Vermei-
dung der daraus resultierenden Konflikte ist entsprechend wichtig. Abbildung 3-18
zeigt die Rollenverteilungen an einem Beispiel.
Vorstand
PV = Projektverantwortliche
Sammelbegriff für alle Ergebnis-
Verantwortlichen innerhalb
FB 1 FB 2 FB 3 FB 4 FB 5 FB 6 einer Projektorganisation.
PL = Projektleiter
Ergebnis-Verantwortung für
Gesamtprojekt
PL
PK = Projektkoordinator
PK PK
Stabsfunktion der Projektleitung
bezüglich Querschnittsaufgaben
PV TPL TPL TPL TPL TPL für alle Teilprojekte
TPL = Teilprojektleiter
APV Ergebnis-Verantwortung für
Teilprojekt
APV = Arbeitspaketverantwortlicher
PL Ergebnis-Verantwortung für
PK definierte Projektaufgabe die
innerhalb der Linienstruktur
(Fachabteilung, Team, etc.)
TPL TPL TPL PV abgewickelt wird.
APV
221
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Es macht Sinn das Zusammenspiel zwischen Projekt und Linie mit Hilfe von generel-
len Spielregeln zu definieren. In einer sogenannten „Rahmenvereinbarung“ können
Erwartungen, Interessen und Strategien zur Konfliktvermeidung unabhängig vom
einzelnen Projekt geregelt werden. Dann muss nicht in jedem Projekt das Revier neu
abgesteckt werden und die Rechte des Projektleiters gegenüber der Linie neu ausge-
handelt werden. Ein Beispiel für mögliche Spielregeln zeigt Abbildung 3-19.
Diese generellen Regeln dienen dazu, die Zusammenarbeit zwischen Linie und Projekt
zu optimieren. Vorfahrtsregelungen im Sinne des Projektes verhindern, dass bei-
spielsweise Linienfunktionen eines Unternehmens den Beweis antreten wollen, wes-
halb ein Projekt nicht funktionieren kann.
222
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
3.4 Prozess und Methoden des strategischen
Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Das klassisch wohl größte Anliegen des Multi-Projektmanagement ist neben der Aus-
wahl und Priorisierung der „richtigen“ Projekte die Vernetzung und Verdichtung der
Projektpläne und Statusinformationen hinsichtlich Ressourcen, Kalkulation (Ergebnis-
rechnung) und Finanzmittelbedarf. Diese Aufgabe komplexen EDV-Tools zu überlas-
sen, scheitert regelmäßig. Die Verzahnung der Planungsinformationen stellt hohe
Anforderungen an eine einheitliche Planungsmethodik in den Einzelprojekten und
erfordert die geschickte Hand, systematische Vorgehensweise und intelligente Mode-
ration eines Multiprojektmanagers oder –controllers. Die einzelnen Prozessschritte
und Methoden hierzu werden im Folgenden beschrieben.
Projektportfolio-Initiierung
Projektportfolio-Planung
Projektportfolio-Controlling inklusive Berichtswesen
Projektportfolio-Bereinigung
Am Ende der Planungsphase erfolgt die strategische Projektentscheidung in Form der
„Selektion + Freigabe“. Dies ist erfahrungsgemäß der wichtigste und auch kritischste
Punkt im Portfoliomanagement. Die Controllingphase stellt den eigentlichen zykli-
schen Prozess dar. Periodisch werden die aktuell im Portfolio befindlichen Projekte
verfolgt und strategische Entscheidungen bzgl. Priorität und Ressourcen getroffen.
Das Portfolio wird laufend durch neue Projekte angereichert aber auch bereinigt,
wenn ein einzelnes Projekt abgeschlossen ist. Abbildung 3-20 stellt den Projektportfo-
lio-Management-Prozess modellhaft dar.
223
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-20: Zyklischer Projektportfolio-Management-Prozess
Selektion
+ Freigabe
C
B G
Projekte D
F
A
E
3.4.2 Projektportfolio-Initiierung
Die Projektportfolio-Initiierung umfasst alle notwendigen Schritte, um geeignete Vor-
haben auszuwählen und in das Projektportfolio zu integrieren. Projektideen und Pro-
jektanfragen der Kunden werden kontinuierlich gesammelt, zu möglichen Projekten
und Programmen für das Projektportfolio zusammengestellt und zu den Entschei-
dungsterminen im Projektausschuss vorgestellt. Dieser Prozess der Selektion ist der
entscheidende Hebel für ein effektives Multi-Projektmanagement im Unternehmen.
Den Autoren ist kein Unternehmen der Automobilbranche bekannt, dessen Projekt-
manager und Linienmanagement nicht kontinuierlich über zu knappe Ressourcen
klagen. Die Negativspirale dieses Ressourcenmangels, der meist zu unprofessionellem
Projektstart führt wurde bereits in Kapitel 2 aufgezeigt. Hier können viele Automoti-
ve-Unternehmen noch einen Quantensprung der Performance-Steigerung tun, wenn
sie über ein professionelles Projektportfolio-Management die Anzahl der Projekte in
der „Pipeline“ auf das „richtige“ Maß beschränken. Abbildung 3-21 zeigt den Zusam-
menhang am Trichtermodell.
224
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
Abbildung 3-21: Trichtermodell zur Selektion der „richtigen“ Projekte
Selektion
Controlling + Berichtswesen
Freigabe
Anfragen,
Projektideen
Bereinigung
Als Entscheidungskriterien für die Vorauswahl von Ideen und Anfragen dienen die
Geschäftsgrundsätze und strategischen Ziele des Unternehmens. Diese bilden die
Rahmenbedingungen für die Initiierung von Projekten oder Programmen durch die
jeweiligen Bereichsleiter, Vertriebsleiter, Key Account Manager, Projektleiter oder
Programm Manager. Als formales Mittel zur Entscheidungsvorbereitung dient im
Regelfall ein sogenannter Projektantrag. Er sollte unter anderem Informationen zum
Kunden bzw. Projektziel, Chancen, Risiken, den Beteiligten und der Terminsituati-
on/Dringlichkeit sowie zum Ressourcenbedarf enthalten. Abbildung 3-22 zeigt die
Kriterien der Portfoliobildung schematisch auf.
Wirtschaft- Gesetzliche
Strategie
lichkeit Auflagen
Risiko
Projektportfolio
225
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Aufgabe des strategischen PM-Office ist es, besonders in dieser Initiierungsphase für
Transparenz im Projektportfolio zu sorgen. Dazu sind von allen laufenden Projekten
und von jedem potentiellen neuen Projekt bestimmte Eckdaten in einer zentralen Da-
tenbasis zu erfassen und zu verwalten. In Tabellenform dargestellt, schaffen diese
Daten dann einen Gesamtüberblick über das Portfolio. Zur besseren Übersichtlichkeit
empfiehlt es sich, die Projekte nach Projektart in Kategorien einzuteilen und bei größe-
ren Unternehmen den jeweiligen Geschäftsbereichen zuzuordnen. In Verbindung mit
den terminlichen und wirtschaftlichen Eckdaten ergeben sich dann viele Auswer-
tungsmöglichkeiten als Entscheidungsgrundlage für die Projektselektion. Abbildung
3-23 zeigt die Multi-Projekt-Liste eines Systemlieferanten.
Risiko
(1=grün.....1
Stammdaten Termin Wirtschaftlichkeit 0=tiefrot)
kategorie
Nummer
Projekt-
Qualität
Technik
Projekt
Termin
Kosten
Geschäfts- Projekt- Gesamt- Stückzahl Teilepreis Entwickl.- Werkzeu
bereich Kunde leiter SOP umsatz (€) p.a. VP (€) kosten (€) Invest (€) gk. (€)
Türen S BMW Fleissig Feb. 04 20.672.000 11.000 304 312.000 688.986 83.116 5 8 1 5
Elektronik S SVDO 470 Fertig Mrz. 04 948.000 8.000 24
Türen S Porsche 377 Schnell Apr. 04 19.183.500 35.000 110 100000 ange 650.000 131.861
Türen S Jaguar 426 Fleissig Mai. 04 39.934.000 40.000 200 170000 ange 910.000 75.000
Elektronik E BMW 378 Stark Jun. 04 12.600.000 15.000 140 250.000 360.000 250.000 8 10 8 8
Elektronik E Rover 379 Stark Jul. 04 2.591.100 1.000 288 245.000 110.000 0 2 2 5 5
Elektronik S DC 309 Schnell Sep. 04 19.558.710 27.000 553 920.000 1.620.000 614.000
Elektronik E Bentley 377 Stark Okt. 04 4.641.000 3.000 221 39.000 10.000 35.000 3 3 2 5
in PR459
Türen E DC 458 Fleissig Apr. 05 513 360.000 enthalten 7 6 6 3
Elektronik E DC 381 Stark Jun. 05 12.000.000 20.000 100 559.000 285.000 50.000 5 4 4 4
Elektronik S DC 501 Lang Jun. 05 2.520.000 4.000 105 0 0 0 8 2 2
Elektronik S DC 503 Lang Jun. 05 9.450.000 15.000 105 120.000 350.000 25.000 8 2 2
Elektronik A VW 376 Stark Sep. 05 9.000.000 15.000 100 ?? ?? ?? 8 6
Türen S Volvo 472 Schnell Dez. 05 22.000 220 400.000 900.000 1 10 10
Türen E DC 459 Hurtig Dez. 05 5.262.611 5.130 293 219.654 190.000 240.000 5 7 7 6
Türen A Opel 471 Hurtig Jan. 06 41.845.121 26.200 282 300.000 754.820 60.000
Türen E DC 322 Hurtig Feb. 06 66.717.160 40.000 242 544.000 1.353.000 156.195 1 8 4 6
Elektronik S DC 384 Lang Jun. 06 3.300.000 2.000 165 130.000 60.000 155.000 8 5 5
Elektronik E DC 380 Stark Jun. 06 2.400.000 4.000 100 50.000 40.000 12.000 2 4 4 4
Elektronik S DC 502 Lang Jun. 06 11.880.000 15.000 132 250.000 25.000 50.000 2 8 8
Elektronik S Rover 505 Gut Sep. 06 196.200 600 109 33.000 45.000 10.000 3 3 3
Türen S BMW 496 Fleissig Nov. 06 85.170.000 60.000 284 325.000 195.000 2 2 2 2
Elektronik A BMW 373 Fertig Mrz. 07 9.000.000 15.000 100 ?? ?? ?? 1
Türen A Opel 499 Hurtig Mai. 07 5.652.000 3.000 314 380.000 214.100 80.000
Elektronik S DC 331 Schnell Jun. 07
Elektronik A DC 374 Fertig Jun. 07 12.000.000 20.000 100 ?? ?? ?? 1
Elektronik A Volvo 375 Fertig Jun. 07 6.000.000 20.000 100 ?? ?? ?? 1
Elektronik E Renault 382 Lang Jun. 07 7.356.250 11.000 134 495.000 300.000 26.000 4 6 7 7
Elektronik S BMW 383 Lang Jun. 07 24.570.000 30.000 117 70.000 300.000 120.000 1 2 2
Elektronik S VW 504 Gut Jun. 07 2.214.000 3.000 123 130.000 10.000 20.000 2 2 2
78,92
32000 4990
Elektronik S Faurecia Schnell Jun. 07 31,28 2 3 4 2
Elektronik S Bosch 372 Fertig Dez. 07 10.175.760 9.000 141
Elektronik S VW 506 Gut Sep. 08 7.931.520 6.000 220 333.000 150.000 26.000 2 4 4
Türen S Ford 422 Fleissig 10.000 460 170.000 79.500 1 5 5
Projekt- Entwicklung
kategorie: A= Akquise/ Anfrage I= Interne Entwicklung E= Serie/Kunde S= Serienbetreuung
226
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
Die formale Vorbereitung von Projektanträgen erfolgt meist mit Unterstützung des
zentralen PM-Office bzw. Projektcontrolling. Abbildung 3-24 zeigt das Beispiel eines
Projektantrags.
Gesamt-Stückzahl
X Verkaufspreis
= Umsatz
- Herstellkosten X Stückzahl
Business Plan
= Deckungsbeitrag I
- Entwicklungskosten (versch. Kategorien)
- Investitionskosten
- Musterkosten
+ Kostenbeteiligung des Kunden
= Deckungsbeitrag II`
- Zuschlag Grundlagenentwicklung
- Zuschlag für Vertrieb und Verwaltung
= Verkaufsergebnis (= Umsatzerlöse – Selbstkosten)
3.4.3 Projektportfolio-Planung
Auf Basis der laufenden Projekte und der vorliegenden Projektanträge aktualisiert das
strategische PM-Office regelmäßig zu den Entscheidungsterminen des strategischen
Projektausschusses die Projektportfolio-Planung mit Szenarien für die neu initiierten
Projekte. Dabei liegt besonderes Augenmerk auf der Bewertung der Machbarkeit
(Termin, Kosten, Qualität), den wirtschaftlichen und technischen Chancen und Risiken
sowie den finanziellen und personellen Ressourcen. Eine erste Analyse des Projektum-
feldes ist besonders bei Neukunden angebracht (siehe auch 2.5). Abbildung 3-25 zeigt
diesen Zusammenhang schematisch.
227
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-25: Systematik der Portfolioplanung
Aktuelles
Projekt-
portfolio
Laufende
Projektportfolio-
Projekte
Planung
Neue Projekt-
ideen/-anfragen
Ideenspeicher
Neues
Projekt-
portfolio
Laufende
Projekte
Neue Projekt-
ideen/-anfragen
Ideenspeicher
228
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
Abbildung 3-26: Beispiel Projektauftrag als Entscheidungsvorlage
Auftrags-Nr.:
Projektauftrag
Projekt: Name of project
Starttermin 01.07.2004 Endtermin/SOP 01.07.2007
Kategorie: Serienentwicklung
Kunde OEM
Projektleiter Leiter
PLENK
Projektziele:
Anlagen:
Inhalte+
Vereinbarungen:
Anlagen:
Projektantrag-
Steller/Vertrieb __________________________________________
Datum Unterschrift
Projektauftrag-
geber/GF __________________________________________
Datum Unterschrift
Projektleiter
__________________________________________
Datum Unterschrift
229
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Da Businesspläne alleine oft nicht als Entscheidungsgrundlage ausreichen, sollte eine
Entscheidungssystematik mit strategischen Kriterien zur Anwendung kommen, wie
sie z.B. Abbildung 3-28 zeigt. Dadurch wird der Entscheidungsprozess versachlicht
und kann dann oft mit weniger Diskussion und Zeitaufwand erfolgen. Jedes Mitglied
des strategischen Projektausschusses bewertet das Projekt subjektiv nach vereinbarten
Kriterien mit standardisierter Gewichtung. Wie bei einer Nutzwertanalyse wird dann
ein Punktwert ermittelt der dann zur Priorisierung dient. Wesentliche Kriterien wie
strategische Bedeutung, wirtschaftlicher Nutzen und das Projektvolumen lassen sich
dann im Portfolio visualisieren (Abbildung 3-29).
Abbildung 3-28: Beispiel für eine Systematik zur strategischen Bewertung von Projekten
¦
PM-Office Vertrieb (V) Entwicklung (E) Logistik (L) Produktion (P)
Datum / Unterschrift Datum / Unterschrift Datum / Unterschrift Datum / Unterschrift Datum / Unterschrift
G
Strategische Bedeutung
4 A I K
3 L J
E
2
H
D F
1
B
C
0
1 2 3 4 5
Wirtschaftlicher Nutzen
230
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
In größeren Unternehmen mit mehr als 20 parallel laufenden Projekten bietet es sich
an, das Gesamtportfolio nach Geschäftsbereichen bzw. Projektarten aufzuspalten.
Abbildung 3-30 zeigt dies schematisch.
Projektportfolio (Gesamt)
positionierung hoch
Beitrag zur
Markt-
niedrig
niedrig hoch
Wirtschaftlichkeit
Beitrag Marktpos.
Beitrag Marktpos.
231
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-31: Beispiel: Planungskalender strategische Projekt-/Programmplanung
Verantw. Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb
Strategische Planung
Strategieabgleich
= Freigabe
Portfolioplanung
2. Planungsreview
(aktuelles Jahr)
F&E-Planung
Neue Technologien...
Priorisierungs- und
Abstimmungsrunden
F&E-Programm fertig
Detailplanung Portfolio
Genehmigung durch GF
1. Planungsreview
(aktuelles Jahr)
3.4.4 Projektportfolio-Controlling
Permanent und unabhängig von der sequenziell ablaufenden Initiierungs- und Pla-
nungsphase sowie der Freigabe des Projektportfolios überwacht das zentrale Mul-
tiprojekt-Controlling (Projektmanagement Office) das Projektportfolio. Dazu ist eine
professionell und systematisch aufgebaute Projektmanagement-Infrastruktur nötig, zu
der beispielsweise ein standardisiertes Projektportfolio-Berichtswesen gehört. Im mo-
natlichen Turnus, aber mindestens zu den regelmäßigen Sitzungen des strategischen
Projektausschusses (siehe 3.2) wird eine aktuelle Übersicht aller Projekte und Pro-
gramme des Portfolios erstellt. Die Basisinformationen dafür liefern die Statusberichte
der Einzel-Projekte und Programme, die vom PM-Office verdichtet werden. Abbil-
dung 3-32 zeigt das Zusammenspiel im Zeitverlauf.
232
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
Abbildung 3-32: Zusammenspiel der PM-Ebenen im Portfoliocontrolling
GF/Bereichs- Portfolio-
Freigabe
Strategische Ebene
leitung
Portfolio-
Portfolio-
planung
planung
Projekt Portfolio-
Management
initiierung
initiierung
Portfolio-
Controlling
Portfolio-
Office
Konsolidierung
Statusberichte
Fach-
abteilungen
Operative Ebene
P4
Lenkungs- P2
ausschuss
Eskalation
P1
Einzelprojekt-/ P3
Programm- Statusberichte
Management Einzelprojekt-/Programmcontrolling für P1 bis Pn
233
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-33: Ebenen des Multiprojekt-Reporting
Multi-
Top GF Projekt-
Liste
Management
management
Eskaltions-
Multi-Projekt
GB1 GB2 GB3
Reviews
Geschäftsbereiche
Projekt-
Cockpit
Single-Projekt
Fachabteilungen E V P Cockpit
Kritische Projekte des Portfolios müssen auf den ersten Blick ersichtlich sein (Ampel-
funktion), genauso wie Engpassressourcen, die dann in den Steuerungsgremien prio-
risiert werden. Eine Multiprojektliste eines Systemlieferanten zeigt Abbildung 3-34.
234
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
Um die Aktualität der Multi-Projekt-Liste sicher zu stellen und kritische Projekte und
Programme im Detail verfolgen zu können, ist eine professionelle Vernetzung der
Terminpläne auf allen Ebenen des Projektportfolios anzuraten. Leistungsfähige PM-
Tools bieten diese Funktionalität. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Vernetzung
nicht übertrieben wird, weil damit die Performance der Systeme radikal sinkt und das
gesamte System aufgrund der Komplexität nicht mehr beherrschbar ist. In der Praxis
hat sich eine Struktur auf 3 Ebenen bewährt: Portfolio-Ebene, Geschäftsbereichs / Pro-
gramm-Ebene und Projekt-Ebene (Master-Terminplan). Abbildung 3-35 zeigt die Ter-
minplanstruktur eines Systemlieferanten.
Gesamt-Projektportfolio
Projekt 1
Projekt 2
Projekt 3
Projekt 4
Projekt 5
Projekt 6
Projekt 7
Projekt 8
Geschäftsbereich BMW
Geschäftsbereich DC
Projekt 1 Projekt 7
Projekt 2
Geschäftsbereich VW Projekt 8
Projekt 3
Projekt 4
Projekt 5
Projekt 6
DS [W255] DS [S275]
MX [E63] MX [E85] MX [E92]
Bezogen auf eine begrenzte Anzahl von Projekten innerhalb eines Geschäftsbereichs
oder innerhalb einer Projektart oder eines Programms können aktuelle Statusinforma-
tionen über die Projekte natürlich weitaus detaillierter berichtet werden. Das Mul-
tiprojekt-Cockpit ist ein Instrument, das analog zum Singleprojekt-Cockpit (siehe 2.7)
die vier wesentlichen Reporting-Bereiche Kosten, Termine, Fortschritt und Wirtschaft-
lichkeit übersichtlich für mehrere Projekte visualisiert. Abbildung 3-36 zeigt das Prin-
zip.
235
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-36: Multiprojekt-Cockpit als Berichtsinstrument 140
Kostenverfolgung Sachfortschritt
abgeschlossene Aufgaben
Soll
Projekt A Projekt A Projekt E bis 02/2006
Projekt C Projekt C
03 05 07 09 11 03 05 07 09 11
2004 2005 2004 2005
heute heute
Terminverfolgung Wirtschaftlichkeit
Abweichung in KW (Kalenderwochen)
Verzug Plan Vorsprung SOP Break-Even-
ROI-Prognose
+1 -2 -3 geplant Prognose
+3 +2 0 -1
Projekt A 01.06.04 letzte Aktuelle +/- % letzte Aktuelle +/- %
Periode Periode Periode Periode
Projekt B 07.08.04
Projekt A
Projekt C 04.06.05
Projekt B
Projekt D 15.09.05
Projekt C
Stand aktueller Bericht
Stand letzter Bericht Projekt D
3.4.5 Projektportfolio-Bereinigung
In der Controllingphase des strategischen Multi-Projektmanagements spielen die
Projektreviews zu den Meilensteinen und zum Abschluss der Einzel-Projekte eine
wichtige Rolle für den Wissenstransfer zwischen Projekten. Außerdem setzt ein sys-
tematischer Abschluss die Ressourcen frei, die das Nachbarprojekt dringend benötigt.
Aus Sicht des Projektportfolio-Managements ist der Abschluss eines Einzel-Projektes
(siehe 2.7) auch der Zeitpunkt zu dem eine Bereinigung des Portfolios durchgeführt
wird. Das abgeschlossene Projekt wird zu diesem Zeitpunkt letztmalig vom Steuer-
kreis bzw. Projektausschuss begutachtet. Das PM-Office entfernt das Projekt dann aus
allen Übersichten und Berichtsstrukturen. Dadurch bleibt das Portfolio langfristig
überschaubar, weil nur wirklich aktive Projekte verfolgt werden.
236
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
3.4.6 Softwareunterstützung
Die Tätigkeiten während der Initiierungs-, Planungs- und Controllingphase des stra-
tegischen Multi-Projektmanagements sollte ein leistungsfähiges Werkzeug unterstüt-
zen. Es sollte die wesentlichen Stammdaten und Statusinformationen aus den Einzel-
projekten zentral verwalten (Einmal-Erfassung). Darüber hinaus bieten verschiedene
Tools die Unterstützung von Genehmigungs- und Freigabeprozessen mit entspre-
chenden elektronischen Vorlagen und Workflows. Für die Projektselektion und die
Priorisierung von Vorhaben sind Portfolioauswertungen und flexibel generierbare
Berichtslisten und Projektübersichten notwendig. Weiterhin benötigt das Multiprojekt-
controlling einen „Cockpit-Generator“ mit Hilfe dessen die Statusberichte der Einzel-
projekte zum Multiprojekt-Cockpit (siehe oben) verdichtet werden können. Abbildung
3-37 zeigt das Zusammenspiel der verschiedenen DV-Werkzeuge im Multiprojektcon-
trolling.
Legende:
Projektleiter
IST Projekt-Welt
Plan
Obligo
Stundenerfassung Rechnungs- Terminplanung
Stammdatenpflege wesen Fachabteilungen
(Ressourcen)
Unternehmens-Welt Standard-
terminpläne
Controlling
Finanz-
Kosten- Kosten- Leistungs-
wesen ver-
arten- stellen-
rechnung rechnung rechnung
Multi-
Projekt-
Rechnung Rechnungs- Reporting
eingang Portfolio-
management
Material-
wirtschaft
Bestellung
Einkauf PM-Office
237
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
3.5 Prozess und Methoden des operativen
Multi-PM (Programm-Management)
Ein Programm ist eine Menge von Projekten und zeitlich begrenzter Aufgaben inner-
halb eines Unternehmens, die in einem Zusammenhang stehen. Programme sind zeit-
lich und organisatorisch begrenzt. Die Kopplung der im Rahmen eines Programms zu
erfüllenden Projekte erfolgt nicht nur durch gemeinsame Ziele, sondern auch durch
ein Programmbudget, Programmtermine, Programmstrategien, organisatorische Re-
geln und ggf. ein gemeinsames Programmmarketing. Im Gegensatz zum strategisch
ausgerichteten Projektportfolio-Management, bei dem der Multi-Projektmanager oder
das PM-Office eine reine Koordinations- und Controllingfunktion ausübt, hat der
Programm Manager die volle operative Verantwortung für alle Projekte, die seinem
Programm zugeordnet sind. Er muss deshalb auch in viel stärkerem Maße Führungs-
aufgaben wahrnehmen und als Unternehmer im Unternehmen agieren. Folgende
Aufgaben nehmen Programm Manager im Regelfall wahr: 141
238
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
3.5
Automotive-Programme haben je nach Projektgegenstand einen unterschiedlichen
Aufbau und weisen damit auch verschiedene Strukturen auf. Typische Programme in
der Automobilindustrie sind z.B.
Programm
DC BR 999
Anlauf Einzel-Projekt
Teilprojekt
Synchronisation
239
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
schen Programmorganisation. Typische Programmrollen sind der Programmauftrag-
geber, der Programm Manager und das Programmteam, das aus den Projektleitern der
Einzelprojekte im Programm besteht. Der Programmauftraggeber kann sich durchaus
von den Auftraggebern der Einzel-Projekte im Programm unterscheiden. Abbildung
3-39 zeigt diesen Zusammenhang.
P r og
ra m
Programm- m or
ganis
Auftraggeber ation
(GF)
Strategischer
Projekt-Ausschuss
eam Programm-
m mt Manager
gra
P ro
Programm-
Office Projekt Z
240
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
3.5
Abbildung 3-40: Programm-Management-Prozess schematisch
Programmmanagement
Projekt A
Programm
Projekt B Projekt E
Projekt D
Projekt C Projekt F
3.5.3 Programm-Initiierung
Die Initiierung von Programmen in der Automobilindustrie erfolgt je nach Art des
Programms auf unterschiedliche Weise.
241
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Der Kunde fordert einen zentralen Ansprechpartner als Programm Manager (mit
entsprechenden Vollmachten und Weisungsbefugnis gegenüber den Projektleitern)
für alle Projekte die dieser Kunde beauftragt.
Ein großes Projekt ist aufgrund seiner Komplexität und internen wie externen
Schnittstellen so „ausgeufert“ dass es nicht mehr beherrschbar ist und muss jetzt in
einzelne separate Projekte zerlegt werden die dann eigenständig vom jeweiligen
Projektleiter geführt werden. Die Gesamtkoordination erfolgt dann über einen ge-
meinsamen Masterplan und den Programm Manager.
Einzelne, bereits laufende Projekte weisen Redundanzen auf und haben eine Viel-
zahl von Schnittstellen und/oder gemeinsamen Ressourcen. Zur Optimierung wird
eine Gesamtsicht angestrebt. Ein Programm Manager wird eingesetzt und ein ge-
meinsamer Masterplan entwickelt.
242
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
3.5
Abbildung 3-41: Terminplanungs- und –controllingstruktur von Programmen
DaimlerChrysler-Programm Volkswagen-Programm
BMW-Programm
Projekt 1 Projekt 1 Projekt 1
Ein wichtiger Erfolgsfaktor liegt dabei in der sinnvollen dynamischen Vernetzung der
Einzelprojekte an den Stellen, wo gemeinsame Informationen, Technologien, Ressour-
cen etc. genutzt werden. Nur so lassen sich die Synergiepotenziale ausschöpfen und
Risiken durch gegenseitige Abhängigkeiten minimieren. In Kapitel 2.4.8 sind wir be-
reits auf das Thema Quality Gates und Synchronisationspunkte eingegangen. Diese
Methoden spielen vor allem bei technischen Abstimmungsprozessen zwischen Projek-
ten eines Programms eine große Rolle. Um die Komplexität der wechselseitigen Ab-
hängigkeiten beherrschen zu können, nutzen die Programm-Manager PM-Tools, die
eine dynamische Verlinkung zwischen Projekten erlauben. Abbildung 3-42 zeigt das
Beispiel eines dynamisch vernetzten Masterplanes für ein Programm als Screenshot.
243
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-42: Screenshot eines vernetzten Programmmasterplanes 143
3.5.5 Programm-Abschluss
Der Abschluss eines Programms erfolgt sobald dessen letztes Projekt abgeschlossen
ist. Analog dem Abschluss eines Einzel-Projektes (siehe 2.7) wird ein Programm-
Abschluss-Review durchgeführt, ein Abschlussbericht dokumentiert und die Pro-
gramm-Organisation aufgelöst.
244
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
3.6
3.6 Prozess und Methoden des
Ressourcenmanagements
Das Ressourcenmanagement stellt sozusagen die Klammer über alle Hierarchieebenen
der Multi-Projektportfolio dar (siehe auch Abbildung 3-4). Aus Sicht eines „Pro-
gramms“ oder „Projekt-Portfolios“ geht es im Wesentlichen um das Erkennen und
Verwalten von „Engpässen“. Den Autoren ist kein Unternehmen in der Automobilin-
dustrie bekannt, deren Projektmanagement nicht regelmäßig mit Ressourcenkonflik-
ten und Engpässen zu kämpfen hat. Ein zentral z.B. durch ein PM-Office koordiniertes
Ressourcenmanagement liefert wertvolle Informationen für die Notwendigkeit der
Priorisierung von Projekten und ein effektive Einsteuerung neuer Projekte unter Be-
rücksichtigung der verfügbaren Ressourcen.
245
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-43: Organisation des Ressourcenmanagements
PM-Office / Unternehmensleitung
Ressourcen- (strategischer Projektausschuss)
management
Projekt B
.. .. .. ..
. . . .
Projekt C Arbeitspakete
.. als Leistungs-
. vereinbarung
Projekt D ..
.
.. .. ..
. . .
Projekt D
Projekt C
Projekt B
regelmäßige Termin- und
Kapazitätsbesprechung Projekt A
pro Engpassressource Grundlast
Abteilung Entwicklung
246
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
3.6
Abbildung 3-44: Beispiel: Ressourcenplanung der Abteilung Konstruktion eines Zulieferers
Sonst. Projekte AB/AE 11.400 8.400 7.400 5.800 5.500 5.200 4.900 4.600 4.400 4.400 4.400 4.400 4.200
521 Daimler (8 Mio) 1.000 3.000 3.000 4.000 2.000 1.000 500 500 1.000 1.000 1.000 500 500
522 VW (5 Mio.) 3.800 3.600 3.600 2.300 1.300 1.300 1.300 500 500 500 500 300 300
617 Volvo (4 Mio.) 1.500 1.500 2.000 5.000 5.000 5.000 3.000 1.000 1.000 1.000 1.000 500 500
803 BMW (6 Mio.) 500 1.000 2.000 2.000 1.000 500 500 500
......... ................
Fremdkapazität 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000 30.000
Summe Aufträge 18.350 17.500 18.000 19.100 14.800 13.000 10.200 7.100 6.900 6.900 6.900 5.700 5.500
Konstr. Mech. Freie Kapazität (EK+FK - 26.650 27.500 27.000 25.900 30.200 32.000 34.800 37.900 38.100 38.100 38.100 39.300 39.500
25.000
20.000
Eigenkapazität
15.000
10.000
5.000
247
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Als Querschnittsfunktion im Multi-Projektmanagement hat ein zentraler Ressourcen-
manager eine Reihe von Eingangsinformationen zu verarbeiten und Festlegungen mit
den Beteiligten zu treffen. Als Ergebnis stehen dann Informationen über die Gesamt-
auslastung des Unternehmens zur Verfügung. Abbildung 3-45 zeigt diesen Zusam-
menhang im Überblick.
B C Fachabteilungen
Basisvorgaben und
(dezentrale Ress.-Mgr.)
Kennzahlen (Kalender,
D Arbeitszeiten,
Planungsschema...)
PPr rio
io ri
A E
r i t tä
Standardkurve
ät te
enn
Optimierung Multikapazitätsplan
Multikapazitätsplan optimiert
Alternativen
Aus den Einzelprojekten wird, abgeleitet aus der Aufwandsermittlung der Kapazi-
tätsbedarf ermittelt. Dieser wird in Form von Arbeitspaketen mit den jeweiligen
Ressourcenverantwortlichen (i.d.R. Abteilungsleiter) vereinbart (siehe 2.6).
248
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
3.6
Aus der Phase Initiierung und Planung des Projektportfolio-Management werden
immer wieder neue Projektanträge als Szenarien in die Gesamtressourcenplanung
eingelastet, um eine Entscheidungsgrundlage für den strategischen Projektaus-
schuss bei der Selektion und Priorisierung der Projekte zu erhalten (siehe Kap. 3.4)
1. Standardauslastungskurven je Projektart
Auf Basis obiger Informationen liefert das zentrale Ressourcenmanagement dann eine
Multiprojekt-Ressourcensicht, mit der verschiedene Planungsszenarien simuliert wer-
den können. Die Frage ist in vielen Fällen, ob ein neues Projekt termintreu oder kapa-
zitätstreu eingelastet werden soll. Dies hängt von der Priorität und den Zielen des
Projekts ab und ist letztendlich vom Projektausschuss zu entscheiden.
249
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Abbildung 3-46: Vernetzung von Terminplänen an Engpassressourcen
Projekt Projekt
BMW E99 DC V99
i i
i i
i i i
optimale Verteilung der Einsatzmittel/Ressourcen auf die Projekte nach den Priori-
täten des Projektportfolios (Projektausschuss)
250
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
3.6
frühzeitiges Beheben vorhersehbarer Ressourcen-Engpässe durch Regelbespre-
chungen (Termin- und Kapazitätsbesprechung pro Bereich) mit Moderation (PM-
Office)
251
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3
Das zentrale Ressourcenmanagement koordiniert bereichsübergreifend und projekt-
übergreifend die gesamte Ressourcensituation, ohne operativ in die Befugnisse der
Ressourcenverantwortlichen einzugreifen. Es bedient sich der dezentralen Informatio-
nen und bereitet diese für Planungsszenarien und Portfolioentscheidungen auf. Ab-
bildung 3-48 zeigt ein Ressourcenszenario anhand eines Screenshots.
RPlan Ressourcenmanager
Trennung von
Anforderungs- und
Freigabesichten
Szenario-
Planung
252
4 Management
unternehmensübergreifender
Automotive-Projekte („C3PM“)
2008 2020
zu mehr Projektwirtschaft
Mehr Spezialisierung
Unternehmen, Forschungsinstitute immer
spezialisierter (sonst droht „Ertrinken in Lösung:
Wissens-/Informationsflut“) Kooperation von
Mehr Kombinationsprodukte
+ Spezialisten!
(„Projektwirtschaft“)
erfolgreiche Produkte immer öfter nur durch
Kombination verschiedener Wissensfelder
146 www.expeditiondeutschland.de
253
G. Hab, R. Wagner, Projektmanagement in der Automobilindustrie,
DOI 10.1007/978-3-8349-4369-9_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Die „Projektwirtschaft“ steht für zumeist temporäre, außerordentlich kooperative und
oft globale Wertschöpfungsprozesse. Sie fußt auf dem Nährboden klassischen Wirt-
schaftens, reifer Informationstechnologien und ist insbesondere für den deutschen
Mittelstand von Vorteil: „Das Erzeugen und erfolgreiche Vermarkten von Spitzentech-
nologie und innovativen, wissensintensiven Dienstleistungen erfordert daher heute
eine Kompetenz- und Wissensbreite, die von einem Unternehmen nur noch selten
allein bereitgestellt werden kann – zumal nicht in der Geschwindigkeit, mit der die
Märkte die nächste Produktgeneration verlangen. Zwar gibt es auch zu Beginn des
dritten Jahrzehnts noch viele Reibungsverluste, wenn Spezialisten verschiedener Fel-
der eng kooperieren. Nach einer Phase des Experimentierens der Unternehmen hat
sich dennoch in vielen dieser Märkte eine flexible, oft temporäre Kooperation speziali-
sierter Unternehmen als das effizientere und – in einigen Bereichen – sogar als das
einzig praktikable Modell erwiesen.
Diese Kooperationsprojekte sind meist organisatorisch und oft auch rechtlich eigen-
ständig. Die Mutterunternehmen verleihen ihre spezialisierten Organisationsteile an
das Projekt (und stellen oft Kapital zur Verfügung). Ein wachsender Teil der deutschen
Wirtschaft ist heute daher als Folge eigenständiger Projekte mit nach Bedarf wech-
selnden Teilnehmern organisiert. Dieses Wertschöpfungsmuster passt sich der gestie-
genen (Wissens-)Dynamik der Wirtschaft flexibler an, beschleunigt den Prozess der
„schöpferischen Zerstörung“ und hilft, unnötige Fixkosten zu vermeiden. Zudem
reduziert es die Markteintrittsbarrieren für den einzelnen Projektpartner: Die Kapital-
kosten können geteilt werden.“ 147
254
Bedeutung unternehmensübergreifender Projektarbeit
4.1
Abbildung 4-2: Projektarbeit zwischen Hierarchie und Netzwerk
Netzstruktur
hoch
Prozessstruktur
Marktorientierung
Hierarchische
b eit
Struktur tar
ek
P ro j
d er
e in
hm
na
ts zu
x itä
m ple
gering Ko
Projektkomplexität
Dabei wird der Hersteller seine Vorstellungen über das Fahrzeugkonzept und die
erwünschten Ziele frühzeitig mit den ausgewählten Zulieferern abstimmen müssen.
Die Wahl der Partnerunternehmen wird von deren spezifischem Know-how, der Pro-
zessflexibilität und Reaktionsfähigkeit sowie der jeweiligen Unternehmenskultur ab-
hängig sein. 149 Die unternehmensübergreifende Projektarbeit wird also durch die
enge Symbiose von Herstellern und Zulieferern bestimmt - die Komplexität der Pro-
jektabwicklung steigt.
255
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Das Projektmanagement steht in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit
vor neuen Herausforderungen. Wie lässt sich durch die flexible Vernetzung der Pro-
jektpartner eine Dynamisierung in den Prozessen erreichen? Welche strukturellen
Anpassungsleistungen sind notwendig? Wie kann die Transparenz in der Wertschöp-
fungskette erhöht und eine Kultur des Vertrauens geschaffen werden? Wann und wie
müssen die Zulieferer in die Projekte eingebunden werden? Wie sieht die übergreifen-
de Planung und Steuerung der Projekte aus? Welche Möglichkeiten der Erfahrungssi-
cherung existieren im unternehmensübergreifenden Kontext?
Wir beschränken uns im Folgenden auf die operative Ausgestaltung von kooperativen
Beziehungen zwischen selbständigen – rechtlich wie wirtschaftlich unabhängigen -
Unternehmen, die allein im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung bzw. in Form einer
Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zusammenarbeiten.
Allerdings nimmt damit auch zwangsläufig die organisatorische Komplexität zu. Wir
gehen hier nicht mehr im Einzelnen auf die verschiedenen Gestaltungsformen von
Projektorganisationen ein (vgl. hierzu Kapitel 2.3), sondern nur auf die Besonderheiten
unternehmensübergreifender Projekte. Dabei stehen spezifische Organisationsformen
wie Projekthäuser, virtuelle Zusammenarbeit bzw. Fragen des Informationsaustau-
sches zwischen den Projektpartnern sowie das „Resident Engineering“ im Mittelpunkt
der Betrachtungen. Schließlich werden wir auch noch auf die Instanzen zur unter-
nehmensübergreifenden Projektsteuerung eingehen und die notwendige Klärung von
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten behandeln.
256
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
4.2
Abbildung 4-3: Die „Emanzipation“ des Projektmanagements
Autonomes
Projektteam
Projekt-
büro/-haus
Projektmanagement-Form
Matrix
b eit
Projekt- tar
jek
leitung P ro
er
Funktionales gd
un
Team lis ier
a
on
fe ssi
Pro
Projekt-
koordination
Projektkomplexität
257
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.2.1 Das Projekthaus als zentrale Drehscheibe
Die fast durchgängige Einführung von „Simultaneous Engineering“ in den Unter-
nehmen der Automobilindustrie hat eine weitgehende Integration der unterschiedli-
chen Funktionen, wie z.B. Marketing, Design, Produktentwicklung, Erprobung und
Fertigung erreicht. „Simultaneous Engineering (SE)“ ist dabei ein ganzheitlicher Lö-
sungsansatz, der besonderen Schwerpunkt auf die Organisation der Beteiligten und
den Informationsaustausch legt. 150 Dabei werden Aktivitäten entlang des Produktent-
stehungsprozesses parallelisiert, um diese Prozesse zu beschleunigen. Der damit ein-
hergehenden Erhöhung der Abstimmungskomplexität wird durch eine Standardisie-
rung von Produkten (Plattformen, Modularisierung und Gleichteilestrategien),
Prozessen und Informationssystemen begegnet. Regelmäßige Treffen der am Projekt
beteiligten Mitarbeiter schaffen ein gemeinsames Verständnis über das gemeinsame
Ziel, erleichtern die Kommunikation und verbessern damit die Lösung von Schnittstel-
lenproblemen. Diese Gestaltungsprinzipien lassen sich ebenfalls auf die Zusammenar-
beit in unternehmensübergreifenden Projekten übertragen. Dabei dient das „Projekt-
haus“ als zentrale Drehscheibe.
So hat z.B. BMW mit dem Bau des Projekthauses im Rahmen des Forschungs- und
Innovationszentrums FIZ voll auf Simultaneous Engineering gesetzt. 151 Anstatt wie
bisher Entwicklung, Fertigung und Einkauf klassisch hintereinander ablaufen zu las-
sen, arbeiteten alle drei Funktionsbereiche nicht nur parallel, sondern darüber hinaus
auch in räumlicher Nähe zueinander. Von Anfang an in den Entwicklungsprozess
integriert wurden auch Logistik, Controlling und Personalwesen. Selbst die Zulieferer
werden bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingebunden. All dies führte zu deut-
lich weniger Schnittstellen und damit weniger Reibungsverlusten.
Die räumliche Organisation des Projekthauses ermöglicht eine neue Dimension der
Zusammenarbeit: Die nach Baureihen organisierten Spezialisten aus den unterschied-
lichsten Fachbereichen haben ihre Arbeitsplätze rund um ein Atrium, in dessen Mitte
ein ovales, verglastes Gebäude steht. Auf den einzelnen Ebenen dieses Studio- und
Werkstattgebäudes wird der jeweilige Stand der Entwicklung bei jedem Fahrzeugpro-
jekt in virtuellen Welten und realen Modellen dargestellt.
258
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
4.2
Im Organisationsmodell von BMW werden Mitarbeiter aus ihren Fachbereichen für
die Dauer der Konzeptphase in Projektteams entsandt. In der späteren Umsetzungs-
phase, die bis zur Serienreife des Fahrzeugs reicht, kehren die Mitarbeiter zu ihren
Fachbereichen zurück. Die mit der Projektgruppe geknüpften Bande bleiben dabei
erhalten.
Die räumliche Nähe zum Automobilhersteller ist auch für die Zulieferer von großem
Vorteil. Abgekoppelt von den regulären Organisationsstrukturen des Zulieferers ent-
steht - in räumlicher Nähe des Automobilherstellers – ein Zentrum, in dem die von
den beteiligten Unternehmen entsandten Mitarbeiter über die Projektlaufzeit hinweg
unmittelbar zusammenarbeiten. Ein Beispiel: Die Entwicklung des Astra von Opel.
„Die kurzen und direkten Kommunikationswege zwischen den, je nach Bauphase, bis
zu 200 Mitarbeitern waren ein Schlüssel zum Erfolg der pünktlichen Markteinführung.
... Die Zulieferer arbeiteten mit uns im Astra-Projektzentrum. Wir involvierten sie so
weit, dass sie permanent über den Projektstatus des Gesamtfahrzeugs informiert wa-
ren.“ 152
Inzwischen wird das Konzept Projekthaus auch verstärkt für die Integration von
Hochschulen und Forschungseinrichtungen genutzt. So haben das Karlsruher Institut
für Technologie (KIT) und die Daimler AG Ende 2008 mit der Gründung des "Projekt-
haus e-drive" am KIT eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der Elektroantriebe
gestartet: „Mit der erstmaligen Bündelung der Bereiche Leistungselektronik, Steue-
rungs- und Regelungstechnik sowie elektrische Energiespeicher und Elektromaschi-
nen unter einem Dach im "Projekthaus e-drive" werden wertvolle Synergien generiert,
um die Forschungsaktivitäten zur nachhaltigen Mobilität effizient voranzutreiben.“ 153
Allerdings sollten auch mögliche Nachteile des Projekthauses beachtet werden, u.a.
der Aufwand für die Einrichtung und die Auflösung des Projekthauses, die aufwendi-
ge Synchronisation der elektronischen Daten- und Informationssysteme sowie die
Sicherstellung der Geheimhaltung.
259
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-4: Daten- und Informationsmanagement im Projekthaus 154
OEM
Fertigungs-
Produktdaten-
daten
verwaltung
Freigabe
Strat. OEM-Partner
Fertigungs-
daten Produktdatenmanagement
und Prozessgestaltung
Projektmanagement
(Koordination aller Aktivitäten)
Produktentwicklung
(Realisierung des Projektergebnisses)
Produktdaten
Zulieferer EDL
(Supply Chain) (Stammhaus)
260
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
4.2
Abbildung 4-5: Systemarchitektur zur Unterstützung virtueller Projektarbeit
Moderne Systeme für das Product Data Management (PDM) bzw. Engineering Data
Management (EDM) beinhalten neben der Beschreibung der Produkte (Produktmo-
dell) auch eine Abbildung der technisch/organisatorischen Geschäftsprozesse (Pro-
zessmodell) - und damit auch Funktionalitäten für das Projektmanagement. 156 Neben
der Planung und Steuerung der Projekte ist vor allem die übergreifende Bearbeitung
von notwendigen Änderungen möglich. Der Informationsfluss zwischen den Prozess-
beteiligten wird mit Hilfe eines „Workflow Managers“ gesteuert, d.h. die Mitarbeiter
erhalten vom System die jeweils relevanten Vorgänge zur Bearbeitung zugewiesen.
Alle Vorgänge werden automatisch dokumentiert. Statusreports bzw. ein sogenanntes
„Dashboard“ stellen den aktuellen Status von Projekten oder Programmen übersicht-
lich dar (vgl. Abbildung 4-6).
261
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-6: Beispiel für ein Dashboard
In der Praxis scheitert die konsequente Umsetzung der virtuellen Projektarbeit an der
Vielzahl von unterschiedlichen Systemen, die häufig wenig kompatibel sind oder
große Schnittstellenprobleme verursachen. Aber auch die Angst vor Know-how-
Verlust und die teilweise übertriebene Geheimhaltungspolitik der Automobilhersteller
erschweren die Einbindung der Zulieferer in die IT-Infrastruktur und errichten neue
Barrieren zwischen den Projektpartnern, was einer effizienten Zusammenarbeit sicher-
lich abträglich ist.
Es gibt aber auch natürliche Grenzen der virtuellen Projektarbeit. Diese liegen einer-
seits in der immanenten „Distanz“ der Mitarbeiter, die einen persönlichen bzw. infor-
mellen Austausch untereinander nur schwer möglich macht. Andererseits gibt es bis-
lang nur begrenzte Möglichkeiten zur Virtualisierung bestimmter Teilschritte des
Produktentstehungsprozesses (wie z.B. der Erprobung oder dem Versuch). Schließlich
setzt auch die hohe Komplexität der eingesetzten Systeme deren Einsatz Grenzen. In
den nächsten Jahren werden sich die jeweils vorteilhaften Elemente der Projekthäuser
und der virtuellen Organisationsformen vermischen und zu hybriden Organisationen
auswachsen.
262
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
4.2
4.2.3 Resident Engineering
Inzwischen hat sich in der Automobilindustrie zur Überwindung der Nachteile einer
rein virtuellen Projektarbeit das Resident Engineering durchgesetzt. Für die Dauer der
Zusammenarbeit stellt der Zulieferer einen Resident Engineer in die Projektorganisa-
tion bzw. in die Fachabteilung des Kunden ab. Er dient als Verbindungsingenieur
zwischen dem räumlich dislozierten Zulieferer und dem Projektteam des Kunden. Als
Schnittstellenmanager koordiniert er in erster Linie beim Kunden vor Ort alle Aktivitä-
ten, die für eine hochwertige fachliche Ausführung erforderlich sind.
Je nach Modell arbeitet der Resident Engineer in unmittelbarer räumlicher Nähe zum
Kunde, im "Zimmer nebenan" oder sogar "Schreibtisch-an-Schreibtisch" und erhält
somit die Möglichkeit, seinen Ansprechpartner ad-hoc zu kontaktieren und mit ihm
gemeinsam anstehende Probleme zeitnah zu lösen. Durch die Anwesenheit des Resi-
dent Engineers kann auch der Zugriff auf projektspezifische Daten besser geregelt
werden. Der Resident Engineer erhält während seiner Arbeit im Partnerunternehmen
definierte Zugriffsrechte auf einen gemeinsamen Datenpool. Diese kontrollierte Form
des Zugriffs auf sensible Daten unterstützt das Sicherheitsdenken des Partners und
reduziert Misstrauen. 158 Mit Resident Engineering erfolgt auch ein wertvoller Transfer
von Know-how zwischen den Partnern und wirkt für die Mitarbeiter des Kunden als
auch für den Resident Engineer wie ein informelles Training-on-the-job. 159
Der Resident Engineer benötigt über die fachlichen und methodischen Kompetenzen
hinaus eine Vielzahl weiterer Fähigkeiten und Fertigkeiten. So spielen die sozialen
Fähigkeiten für die Kontaktaufnahme mit den Kundenmitarbeitern, die Integration in
das „soziale System“ des Kunden und die Konfliktprävention bzw. -lösung eine große
Rolle. Darüber hinaus muss er auch eine hohe Eigenständigkeit, Initiative und Selbst-
bewusstsein mitbringen, um als Schnittstellenmanager erfolgreich zu sein. An diesem
Punkt macht sich auch der Wandel in der Projektarbeit bemerkbar. Aufgrund der
Verschiebung von Schnittstellen im Produktentstehungsprozess und die Zunahme der
Integrationskomplexität ist die Entwicklung der bisherigen Resident Engineers hin
zum Netzwerkmanager zukünftig für viele Zulieferer von herausragender Bedeutung.
Toyota setzt z.B. in der Zusammenarbeit mit Lieferanten auf die sogenannten „Guest
Engineers“. Dabei entsenden nicht nur Lieferanten Mitarbeiter in die betreffenden
Werke von Toyota, Toyota setzt auch spezielle Mitarbeiter bei seinen Lieferanten vor
Ort ein. Diese sind für die langfristige Vernetzung zwischen Toyota und Lieferanten
verantwortlich, werden über ein einzelnes Projekt hinaus eingeplant und stellen so
eine nachhaltige Lieferantenqualifizierung sicher. 160
263
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.2.4 Instanzen zur übergeordneten Projektsteuerung
Gesamtfahrzeugprojekte erfordern einen hohen Koordinationsaufwand. In definierten
zeitlichen Abständen finden hierzu (Regel-)Meetings statt, zu denen alle beteiligten
Unternehmen Vertreter entsenden, um über den Status des Projektes, mögliche Ab-
weichungen und geeignete Maßnahmen zu sprechen. Abhängig vom jeweiligen Au-
tomobilhersteller gibt es unterschiedliche Gremien und Instanzen zur übergeordneten
Projektsteuerung. Abbildung 4-7 zeigt ein Beispiel.
„Sponsor Team“
“Eskalation”
Lenkungskreis
(Vertreter von OEM / Zulieferer / Engineering Partner)
Modulleiterrunden (Modulleiter)
Projektarbeit
SE-Meetings (SE-Teams)
Die eigentliche Projektarbeit findet hier auf der Ebene der SE-Teams statt. Diese setzen
sich aus den für die fachliche Projektarbeit notwendigen Mitarbeitern aus dem Hause
des Automobilherstellers sowie der beteiligten Zulieferer zusammen. In regelmäßigen
Sitzungen (SE-Meetings) berichten die Teammitglieder über den Stand der Arbeiten
und fassen die Ergebnisse in einem Bericht zusammen. Wichtiges Hilfsmittel ist die
„Liste offener Punkte“ (LOP), die den aktuellen Handlungsbedarf widerspiegelt und
die Aktivitäten auf die kritischen Punkte fokussiert.
264
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
4.2
Ein Gesamtfahrzeugprojekt wird in verschiedene - oft bis zu fünfzig verschiedene -
Module aufgeteilt. Module sind abgegrenzte Baugruppen mit einer technischen Spezi-
fikation und klar definierten Schnittstellen. 161 Modulleiter sind für die Erreichung der
spezifizierten Ziele verantwortlich und stimmen sich regelmäßig mit den anderen
Modulleitern ab.
Eine zentrale Rolle kommt der Projektsteuerung auf der Steuerkreisebene zu (vgl.
hierzu auch Kapitel 2.3.6). In unserem Beispiel ist ein Steuerkreis Technik abgebildet,
der für alle technischen Belange und die Einhaltung der Qualität zuständig ist sowie
ein Steuerkreis Projekt/Prozesse, der die Einhaltung der definierten Termine und Bud-
gets sowie der sonstigen Anforderungen im Projekt überwacht. Beide Steuerkreise
sollten sich interdisziplinär aus einflussreichen Vertretern der am Projekt beteiligten
Bereiche des Herstellers sowie der wesentlichen Projektpartner zusammensetzen. Der
Steuerkreis lässt sich von den (Teil)Projektverantwortlichen den jeweiligen Status
melden, bewertet diesen und entscheidet dann über geeignete Maßnahmen. Dabei ist
unbedingt darauf zu achten, dass es nicht zu Überschneidungen bei den Aufgaben,
Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Steuerkreisen und den be-
troffenen (Teil-)Projektverantwortlichen kommt.
Die höchste Projektinstanz in unserem Beispiel ist der Lenkungskreis, der sich aus
hochrangigen Entscheidungsträgern des Herstellers sowie der wichtigsten Projekt-
partner zusammensetzt. Der Lenkungskreis wird angerufen, wenn es zu kritischen
Situationen im Projekt kommt, die der Steuerkreis und der Gesamtfahrzeug-
Projektleiter nicht mehr alleine lösen können. Der Lenkungskreis kann entweder vom
Steuerkreis oder dem Projektleiter angerufen werden. Ansonsten trifft sich der Len-
kungskreis in der Regel nur ein- oder zweimal im Jahr. Als letzte Möglichkeit der
„Eskalation“ kann im Bedarfsfall noch der „Sponsor“, d.h. der Vorstand des Automo-
bilherstellers als Auftraggeber des Fahrzeugprojektes, eingeschaltet werden.
Noch vor Projektbeginn sollte festgelegt werden, in welchem Rhythmus die Treffen
der oben genannten Gremien stattfinden, wer welche Entscheidungen treffen darf und
welche Spielregeln in der Zusammenarbeit gelten. Dabei können die in Kapitel 2.4
dargestellten Instrumente und Verfahren auch auf die unternehmensübergreifenden
Projekte angewandt werden. Ferner ist es unbedingt erforderlich, eine projektorientier-
te Kultur mit einer ausgewogenen Balance zu den Linienorganisationen zu schaffen
und die Position der Projektleiter zu stärken.
265
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.2.5 Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
in unternehmensübergreifenden Projekten
Nicht nur im innerbetrieblichen Kontext (vgl. Kapitel 2.3.5) kommt der Klärung von
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten eine wichtige Rolle zu, sondern
vor allem in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. Unklare organisatori-
sche Zuordnungen und (Vorfahrts-)Regelungen führen in der kooperativen Projektar-
beit zu unnötigen Doppelarbeiten bzw. Reibungsverlusten. 162 Vor dem eigentlichen
Projektstart müssen deshalb die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
(AKV) mit allen Projektpartnern in einem mehrstufigen Verfahren vereinbart, mit
Hilfe von geeigneten Hilfsmitteln - wie z.B. dem Funktionendiagramm (vgl. Kapitel
2.2) – dokumentiert und schließlich im Projekthandbuch abgebildet werden.
Mit der Unterschrift unter dieses Dokument verpflichten sich die Projektpartner nicht
nur dazu, die aufgeführten Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, sondern übernehmen
auch die Last aller sich ergebenden Folgen, falls das definierte Ergebnis nicht erreicht
wird. Diese Betonung der Ergebnisverantwortung ist gerade im unternehmensüber-
greifenden Projektgeschäft bei einer Vielzahl von unabhängigen Partnern notwendig.
Nur wenn sich alle Beteiligten darauf verlassen können, dass jeder Partner seiner Ver-
antwortung im Projekt gerecht wird, kann die Zusammenarbeit auch langfristig funk-
tionieren.
266
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
4.3 Projektarbeit im Spannungsfeld von
Kooperation und Wettbewerb
Um das Klima zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern ist es in den
letzten Jahren nicht sonderlich gut bestellt. Insbesondere das Preisgebaren der OEM
bringt die Zulieferer oft auf die Barrikaden. Zielpreisvorstellungen nahe oder sogar
unter den Materialpreisen, anonyme Auktionen im Internet mit schwer nachvoll-
ziehbaren Verläufen und Vergabeentscheidungen, nachträgliche Preiszugeständnisse
im zweistelligen Bereich auf das laufende Geschäft, nachträgliche Rabattforderungen
des Kunden auf längst abrechnete Volumina, um im Geschäfts zu bleiben und die
Vielzahl an Vertragsklauseln zu Lasten der Zulieferer, um nur einen kleinen Einblick
zu geben.
Da verwundert nicht, dass Studien immer wieder das schlechte Klima in der Automo-
bilindustrie bemängeln. So zeichnet auch eine Untersuchung der Fachgruppe „Auto-
motive-Projektmanagement“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement
e.V. mit der Universität Augsburg (Prof. Dr. Fritz Böhle) zum C3PM in der Fahrzeug-
entwicklung ein ernüchterndes Bild der Zusammenarbeit in der Branche: besonders
die für Aufbau und Pflege von kooperativen Beziehungen wichtigen Aspekte der
kulturellen Rahmenbedingungen sowie der individuellen Fähigkeiten schneiden mit
Abstand am schlechtesten ab (vgl. Abbildung 4-8).
Fahrzeugentwicklung 3,0
Prozesssteuerung 3,0
Projektorganisation 2,4
Zufriedenheit der Experten bezüglich der Einflussfaktoren (von 1 = sehr gut bis 6 = mangelhaft)
267
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Zu den Defiziten im Bereich der kulturellen Rahmenbedingungen zählen mangelndes
Vertrauen zwischen Herstellern und Zulieferern, die Angst der Zulieferer, aufgrund
der ungleichen Machtverhältnisse „unter die Räder zu kommen“ und schließlich der
wenig konstruktive Umgang mit Fehlern, der meistens in einseitigen Schuldzuwei-
sungen an die Zulieferer endet. Statt partnerschaftlichem Umgang dominiert in den
meisten Fällen die klassische „Kunde-Lieferanten-Beziehung.“ Ein Zulieferer formu-
lierte die wahren Grundsätze der Zusammenarbeit in der Studie wie folgt: „Wir versu-
chen, mit dem Kunden zu kooperieren, aber im Endeffekt hat der Kunde das letzte
Wort.“ Und so endet das Ziel „Partnerschaft“ allzu oft in einem „Partner, schafft!“.
Die Folgen sind verheerend. Viele Zulieferer haben inzwischen eine zu geringe Eigen-
kapitalbasis, was zu zahlreichen Insolvenzen in den Jahren 2008 und 2009 geführt hat,
sie können nicht mehr genügend in Forschung und Entwicklung investieren oder
sparen an der Qualität. Das kann alles nicht im Sinne der Automobilhersteller sein.
Viel schlimmer: diese müssen im Insolvenzfall Zulieferer finanziell unterstützen, um
keinen Bandstillstand zu erleiden, weil die Abhängigkeiten inzwischen schon viel zu
groß sind. Große Rückrufaktionen und Qualitätsprobleme sind ebenfalls oft auf das
zweifelhafte Geschäftsgebaren der OEM zurückzuführen, was immense Kosten nach
sich zieht, Geld, das besser in Prävention und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit
angelegt worden wäre.
Nicht alle Automobilhersteller verhalten sich nach diesem Muster. Toyota wird in
diesem Zusammenhang oft als sehr partnerschaftlich gelobt. So zitiert Jeffrey Liker in
seinem Bestseller „Der Toyota Weg“ einen Automobilzulieferer wie folgt: „Toyota ist
eher zupackend und davon getrieben, seine eigenen Systeme zu verbessern und seinen
Partnern dann zu zeigen, wie sie sich selbst dadurch verbessern können … Toyota hat
uns geholfen, unsere Produktionsanlagen neu anzuordnen, und Toyota hat unsere
Mitarbeiter geschult. Auch im kaufmännischen Bereich greifen sie einem unter die
Arme – sie sind gekommen, haben sich alles angesehen und daran gearbeitet, die
Systemkosten zu senken … Im Vergleich mit anderen Unternehmen, die wir beliefern,
ist Toyota am besten.“ 164
Das Verhalten von Toyota resultiert aus der eigenen Historie (nur mit tatkräftiger
Unterstützung der Lieferanten konnte Toyota den Bankrott nach dem Zweiten Welt-
krieg abwenden) und einem klaren Respekt den Partnern gegenüber, der für alle ver-
pflichtend im „Toyota Way“ kodifiziert ist. U.a. ist dort zu lesen: „Wir respektieren
andere, unternehmen jede erdenkliche Anstrengung, unser Gegenüber zu verstehen,
übernehmen Verantwortung für unsere Handlungen und geben unser Bestes, um
gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, d.h. allen Stakeholdern wird gleichermaßen Res-
pekt entgegengebracht, wir glauben an gegenseitiges Vertrauen und Verantwortung
und bemühen uns um eine ehrliche Kommunikation.“ 165
268
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
Dass dies nicht nur frommer Wunsch sondern in der Praxis erlebbares Verhalten ist,
wird durch etliche Untersuchungen in Nordamerika und Westeuropa bestätigt. So
sieht eine in der europäischen Automobilindustrie von Simon-Kucher & Partners im
Jahre 2006 durchgeführte Benchmark-Studie ebenfalls Toyota aus Sicht der Lieferanten
ganz weit vorne und macht dies vor allem an der intensiveren Zusammenarbeit zwi-
schen den Lieferanten und Toyota fest. Die Lieferanten fühlen sich demnach respek-
tiert und fair behandelt – Vereinbarungen werden eingehalten und zuverlässig umge-
setzt. Es findet ein offener Informationsaustausch statt und beide Seiten sind auf Basis
langfristiger Beziehungen auch eher bereit, in die Verbesserung der gemeinsamen
Aktivitäten zu investieren. Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus die faire Vertei-
lung von F&E-Kosten (vgl. Abbildung 4-9).
Dabei spielt die tatkräftige Unterstützung, die Toyota seinen Lieferanten im Tagesge-
schäft und bei Problemen gewährt, eine wichtige Rolle bei der Bewertung. Betrachtet
man die Unterstützung der Lieferanten als Investition, so zahlt sich diese Investition
gleich mehrfach wieder aus. Sie schlägt sich einerseits in der hohen Attraktivität des
Automobilherstellers bei den Zulieferern nieder, was insbesondere in Zeiten knapper
F&E-Ressourcen und einem konstant hohen Bedarf an Innovationen bei einer eigenen
Wertschöpfungstiefe von nur noch 30 Prozent überlebenswichtig sein kann.
166 Quelle: International Pricing Benchmarking Study in the European Automotive Supplier
Industry, Simon-Kucher & Partners, 2006
269
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Darüber hinaus stärkt es aber auch die Wettbewerbsposition des Automobilherstellers
durch leistungsfähige Lieferanten, die auf Basis einer langfristigen und ganzheitlichen
Betrachtungsweise in der Lage sind, ihre Kostenstrukturen zu optimieren und das
gemeinsame Geschäft auf einem hohen Produktivitätsniveau zu betreiben. Es schafft
gleichwohl ein hohes Vertrauen, das den offenen Austausch von Informationen und
Know-how sowie eine gegenseitige Unterstützung bei Problemen erleichtert.
Wettbewerbsmodell Partnerschaftsmodell
vs.
270
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
Allerdings sind mit dieser Vorgehensweise auch unbeabsichtigte und negative Aus-
wirkungen verbunden, nämlich z.B. Qualitätsprobleme und eine geringere Innovati-
onsleistung auf Seiten der Zulieferer. Die Auswahl der Zulieferer erfolgt von Fahr-
zeugprojekt zu Fahrzeugprojekt mit Hilfe von Ausschreibungen und Auktionen auf
Basis des niedrigsten Preises. Dieser Preis wird dann noch mehrfach „nachverhandelt“
und mit einem über die Projektlaufzeit festgelegten, jährlichen Preisnachlass versehen.
Teilweise üben Automobilhersteller auch noch rückwirkend Druck auf die Preise ihrer
Zulieferer aus, was unweigerlich zu Konflikten und einer aufwändigen Abstimmung
führt. Verhandlungen mit den Lieferanten werden mit einem hohen Zeitaufwand
geführt. Die in Fahrzeugprojekten üblichen Änderungen dienen den Lieferanten dann
auch oft als Anlass, mit saftigen Nachforderungen auf ihre gewünschten Margen zu
kommen. Das Klima zwischen Herstellern und Lieferanten leidet unweigerlich.
Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Modells sind u.a. langfristige Part-
nerschaften mit einem intensiven Informationsaustausch, gemeinsamen Anstrengun-
gen zur Verbesserung der Wertschöpfung sowie ein straffes Kostenmanagement.
271
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
In der Projektarbeit finden wir Coopetition auf unterschiedlichen Ebenen. Innerbe-
trieblich („Intra-Coopetition“) z.B. zwischen „Linie“ und „Projekt“ oder zwischen
zwei konkurrierenden Projekten. In beiden Fällen sorgen knappe Ressourcen für einen
Wettbewerb zwischen den Parteien. Andererseits ist das „Projekt“ natürlich auf die
Zusammenarbeit mit der „Linie“ angewiesen, dort kommen nämlich in der Regel die
Kapazität und das Know-how für die Projektarbeit her. Auch im zweiten Fall der kon-
kurrierenden Projekte sind beide auf das Know-how des anderen angewiesen.
Chancen Risiken
Know-how-Gewinn Know-how-Verlust
Imagegewinn Identitätsverlust
272
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
Damit unterschiedliche Interessen, Chancen und Risiken in der Projektarbeit ausba-
lanciert werden können, müssen Sie von den Partnern aufgedeckt und anerkannt wer-
den. Gemeinsame Normen und Werte sowie gegenseitiges Vertrauen erleichtern den
Auf- und Ausbau kooperativer Beziehungen. Vertrauensbildende Maßnahmen sind
u.a.: (1) das klare Commitment der Partner zu den vereinbarten Zielen, (2) Flexibilität
und Autonomie der durch Verträge koordinierten Partner, (3) die faire Verteilung von
Chancen und Risiken der Zusammenarbeit, (4) die gegenseitige Bevorzugung beim
Abschluss von Verträgen, (5) der Ausschluss von gegenseitiger Konkurrenz und Aus-
beutung, (6) die demokratische Verfassung des Netzwerks, (7) Möglichkeiten für den
Ein-/Austritt von Netzwerkpartnern sowie (8) der Ausschluss von Partnern bei Nicht-
beachtung der Regeln. 170 Nalebuff und Brandenburger geben uns zum Schluss noch
einen bemerkenswerten Satz mit auf den Weg: „Sie mögen glauben zu wissen, welches
Spiel sie spielen, aber dieses Spiel ist unweigerlich Teil eines größeren Spiels.“ 171
Die meisten Zulieferer nehmen diese Machtunterschiede als Tatsache hin und versu-
chen das Beste aus der Situation zu machen: „Einerseits geht es sehr partnerschaftlich
zu, das ist wie auf einem Tandem, der Kunde sitzt vorne und lenkt und wir sitzen
hinten und treten dafür ein bisschen kräftiger in die Pedale.“
273
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Der Organisationsanthropologe Hofstede sieht Machtdistanz als wichtige Kulturdi-
mension einer Gesellschaft und versteht darunter das Ausmaß, in dem die Mitglieder
einer Gesellschaft eine Ungleichverteilung der Macht erwarten und akzeptieren. „Au-
torität kann nur dort bestehen, wo sie auf Gehorsam trifft.“ 172 Und manche Hersteller
wissen ihre Macht als Auftraggeber bewusst auszunutzen - frei nach dem Motto: „Wer
zahlt, schafft an.“ Dies relativiert dann auch die Vision der kreativen Freiräume der
Zulieferer bei der Gestaltung von Produkten und Prozessen im automobilen Netz-
werk.
Sicherlich ist Macht Teil einer jeden kooperativen Beziehung. Die Frage ist nur, wie
man mit dieser Macht umgeht: „Der eigene Einfluss in einer Kooperation hängt davon
ab, wie wichtig die eigenen Handlungen für den Partner sind und ob man für diesen
ersetzbar ist oder nicht.“ 173 Allerdings führen unterschiedliche (implizite) Erwartun-
gen über angemessenes Verhalten oftmals zu Konflikten. Beim Umgang mit Partnern
im Rahmen von Netzwerkbeziehungen ist es daher ratsam, durch einen langfristigen
Entwicklungsprozess allgemein respektierte Verhaltensnormen auszubilden. Auf
dieser Basis wird die Stabilität zwischenbetrieblicher Kooperation gestärkt und der
Austausch von Leistungen erleichtert. Wir empfehlen deshalb, beim Umgang mit
Machtmitteln im C3PM sehr vorsichtig zu sein. Ein Einsatz ist nur dann ratsam, wenn
sie helfen, Blockaden zu überwinden und neue Handlungsoptionen zu eröffnen.
Auch auf Seiten der OEM wird diese Sichtweise geteilt: „Vertrauen kann durch Zuver-
lässigkeit und Berechenbarkeit aufgebaut werden. Vertrauen entsteht, wenn Probleme
früh angezeigt werden, wenn Rücksprache geführt wird. Kurz: Ob ich von meinem
Partner das bekomme, was ich erwarte, entscheidet über das Vertrauen zu ihm. Offen-
heit und Ehrlichkeit sind hier ganz wichtig.“ In der Realität belasten allerdings nicht
nur der knallharte Druck auf Preise und Termine, sondern vor allem auch Misstrauen
das kooperative Miteinander.
Deshalb sollten sich die Automobilhersteller darum bemühen, durch ein aktives
„Partnermanagement“ die Zulieferer frühzeitig mit einzubeziehen, eindeutige Spiel-
regeln für die Zusammenarbeit zu schaffen - die allen Beteiligten eine klare Orientie-
rung für das operative Handeln geben - und Entscheidungen ohne Diktat eines Part-
ners zu treffen, um bei allen anderen Partnern die nötige Akzeptanz zu finden.
Transparenz und offene Kommunikation im Netzwerk sind genauso wichtig wie das
zuverlässige Einhalten einmal getroffener Absprachen und Vereinbarungen.
274
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
Denn auf dem „Beziehungskonto“ einer unternehmensübergreifenden Zusammenar-
beit werden negative Erfahrungen lange gespeichert und erschweren bzw. verhindern
so den Aufbau langfristiger Beziehungen. Dabei sollte eine positive Vertrauenskultur
von oberster Ebene her gefördert und vorgelebt werden.
In der Praxis werden unterschiedliche Begriffe für den gleichen Sachverhalt verwendet
und die Beteiligten merken oft erst später, dass sie aneinander vorbeireden. Durch eine
genaue schriftliche Fixierung der wichtigsten Begriffe (z. B. als Glossar in einem ge-
meinsamen Projekthandbuch) kann diese Barriere - zumindest in fachlicher Hinsicht –
sicher verringert werden. Durch Kontinuität in den Beziehungen kann langfristig eine
gemeinsame Terminologie entwickelt werden.
Darüber hinaus sind Begriffe oft mit wertenden Bedeutungen besetzt, die bei den
Partnern ganz unterschiedliche Assoziationen hervorrufen und die Gedanken bzw.
Handlungen in unterschiedliche Richtungen lenken. Deshalb wird empfohlen, sich im
Vorfeld einer Kooperationsbeziehung intensiv mit der Unternehmenskultur eines
Partners auseinander zu setzen.
275
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Folgende Fragen können dem Projektleiter dabei helfen, verfestigten Denkhaltungen
auf die Spur zu kommen: 174
Für den Projektleiter und seine Mitarbeiter heißt deshalb einer der zentralen Heraus-
forderungen in der Projektarbeit: Beziehungen gestalten - nicht nur formell sondern
vor allem persönlich zwischen den Beteiligten. Deshalb sollte die informelle Kommu-
nikation wesentlich stärker gefördert werden. 176 So wird von den Mitarbeitern häufig
kritisiert, dass ein intensiver Austausch mit den Kooperationspartnern kaum möglich
ist, da im Projektplan keine Zeiten für informelle Treffen eingeplant werden. Sie for-
dern deshalb unabhängig von der Position im Netzwerk den Wunsch nach mehr per-
sönlichen Zusammenkünften, abseits geregelter Meetings. 177
276
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
Das setzt vor allem Offenheit, Interesse für andere Menschen bzw. Perspektiven, Tole-
ranz und Risikobereitschaft voraus. Es gelte, „durch Diskussion eine soziale Identität
und durch Interaktion eine gemeinsame Wirklichkeit zu schaffen“, so Christian Scholz
in einem Essay zur „Formel für den sozialen Klebstoff“ in Netzen. 178
Daniel Golemann beschreibt die für die Kooperation notwendigen Fähigkeiten der
Mitarbeiter in seinem Konzept der „Emotionalen Intelligenz“ wie folgt: „Das ist die
Fähigkeit, unsere eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen, uns selbst zu motivie-
ren und gut mit Emotionen in uns selbst und in unseren Beziehungen umzugehen.“
179 Neben der Fähigkeit zur Selbstreflexion ist deshalb Empathie (sich in die Lage des
anderen versetzen) und die Fähigkeit zur Gestaltung sozialer Beziehungen im Rahmen
der Projektarbeit notwendig. 180 In der Praxis stellen wir dagegen fest, dass nicht alle
Mitarbeiter „von Natur aus“ über diese Fähigkeiten verfügen. Darüber hinaus drängt
die starke Technikorientierung - wie sie in vielen Bereichen der Autoindustrie vor-
herrscht - die „weichen Faktoren“ noch weiter in den Hintergrund.
Durch die Förderung der Mitarbeiter durch spezielle Trainings-, bzw. Coaching-
Angebote, die Förderung von Job Rotation und die Bildung von „gemischten“ Teams
kann eine Verbesserung der Kooperationsfähigkeit erreicht werden. Dabei können
erfahrene Mitarbeiter mit jungen arbeiten, fachlich spezialisierte mit sozial versierten
usw. Schließlich ist auch noch die Unterstützung des Projektleiters bei der Teambil-
dung und -entwicklung in unternehmensübergreifenden Projekten ein Punkt, der über
Erfolg oder Misserfolg im C3PM entscheidet. 182
So setzen sich die Projektteams oft aus Mitarbeitern zusammen, die vorher noch nie
zusammengearbeitet haben. Kommt die Teamentwicklung in diesem Falle zu kurz, so
rächt sich dies im Projektverlauf – nicht nur mit fatalen Folgen für Termine, Kosten
und Qualität, sondern vor allem zu Lasten des Klimas in der Zusammenarbeit.
277
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.4 Projektziele und Anforderungen
gemeinsam definieren
Der Klärung von Projektzielen und Anforderungen kommt gerade im unternehmens-
übergreifenden Kontext eine hohe Bedeutung zu, da die beteiligten Firmen sehr unter-
schiedliche Vorstellungen über die Ziele haben können. „Projektziele sollten vor Be-
ginn eines Projektes schriftlich fixiert werden“, so die einhellige Meinung der Experten
- allerdings klaffen Anspruch und Realität in der Automobilindustrie in diesem Punkt
besonders deutlich auseinander.
In der Realität werden die Projektziele vor Projektbeginn zumeist nur unvollständig
bzw. recht oberflächlich geklärt. Teilweise gibt es noch weit über den Projektstart hin-
aus unterschiedliche Zielvorstellungen - mit gravierenden Folgen für die Effizienz in
der Zusammenarbeit. „Viele sehen es als lästige Aufgabe an, das Ziel im voraus genau
zu definieren“, so der Projektleiter eines Zulieferers. Demgegenüber bemängeln die
Hersteller vor allem die hohe Zahl von Ansprechpartnern bei den Zulieferern, mit
denen das Projekt abgestimmt werden müsse. Dies mache die Abstimmung umständ-
lich und zeitaufwändig. Selten werden die Zulieferer von Anfang an in die Ausarbei-
tung des Lastenheftes bzw. bei der Festlegung der Projektziele einbezogen. Dabei
könnten sich die Automobilhersteller bei einer frühzeitigen Einbindung aller beteilig-
ten Partner wichtiges Know-how sichern und damit zu insgesamt besseren Lösungen
kommen.
278
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
4.4
Allerdings gehen die Automobilhersteller hier sehr unterschiedlich vor. Während
einige OEM noch in der Konzeptphase auf die Lieferanten zugehen und sich intensiv
mit ihnen abstimmen184 arbeiten andere erst einmal das Lastenheft aus und wählen
dann über Konzeptwettbewerbe die geeigneten Lieferanten aus.
PK Fahrzeugphase
J I H G F
Vergaberoadmap
Lieferanten, beteiligt an
Lieferanten von Lieferanten, beteiligt Konzeptdetaillierung /
Innovationen an Konzeptklärung Komponenten-LH
LOI Entwicklungsbeauftragungen
Serienvergaben
279
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Die Lastenhefte spielen gerade in unternehmensübergreifenden Projekten eine zentra-
le Rolle. Sie legen die Ausführungsqualität von Komponenten, Baugruppen bzw. dem
Gesamtfahrzeug (ggf. getrennt in kaufmännische und technische Aspekte) fest und
bilden die Grundlage für die Beauftragung der Lieferanten. Dennoch wird heute gera-
de die Qualität der Lastenhefte heftig kritisiert und dafür plädiert, die Lastenhefte
unterhalb der Gesamtfahrzeugebene durch die Lieferanten erstellen zu lassen, da
diese ohnehin in vielen Fällen über das System-/Entwicklungs-Know-how verfügen.
186
In Kapitel 2.5 sind wir schon ausführlich auf die Methode der Quality Function
Deployment (QFD) und das „House of Quality“ eingegangen (vgl. Abbildung 2-53).
Gezielt werden durch die Anwendung der Methode die folgenden Fragen beantwor-
tet: (1) Was wird erwartet bzw. gefordert [WAS?], (2) Wie erfüllen wir die Forderungen
[WIE?], (3) Welche Zielwerte sollen konkret erreicht werden [WIEVIEL?] und wie gut
erfüllen Wettbewerbsprodukte die eingangs definierten Anforderungen [WARUM?].
In der vierstufigen QFD werden diese Fragen noch für Komponenten, Prozesse sowie
die Produktionsplanung beantwortet (vgl. Abbildung 4-9).
Produkt-
planung
Komponenten-
planung
Prozess-
planung
Produktions
Produkt-
-planung
merkmale
Teile-
merkmale
Kundenanforderungen
Prozess-
merkmale
Produktions-
Produktmerkmale
mittel
Teilemerkmale
Prozessmerkmale
Zielwerte
Zielwerte
Phase I Zielwerte
Phase II Zielwerte
Phase III
Phase IV
280
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
4.4
Mit Hilfe von intensiven Workshops, unter Beteiligung der in den einzelnen Phasen
betroffenen Partnern, können so frühzeitig Festlegungen getroffen werden, die später
eine effiziente Projektabwicklung ermöglichen und unnötigen Änderungsaufwand
verhindern („front loading“). Darüber hinaus erhöht dieses Vorgehen sicherlich auch
die Akzeptanz der Ergebnisse, an denen man ja schließlich mitgewirkt hat. Die Ver-
pflichtung der am Projekt beteiligten Unternehmen, diese Ziele auch gemeinsam zu
erfüllen, beendet schließlich den Zielvereinbarungsprozess und führt zur Umsetzung.
Die Balanced Scorecard (BSC) wurde von Kaplan und Norton als Bewertungs- und
Managementsystem zur besseren Planung wie auch Steuerung von Unternehmen
entwickelt und hat sich bis heute in vielen Unternehmen bewährt. Die BSC ist das
Bindeglied zwischen der Strategie eines Unternehmens und ihrer Umsetzung in den
verschiedenen Bereichen und soll dazu beitragen, die Vision und Strategie des Unter-
nehmens zu operationalisieren und umsetzungsfähig zu machen. Ein wesentlicher
Vorteil der BSC ist, dass es sich hierbei um ein Tool mit Zukunftsbezug handelt und
eine permanente Überprüfung der Ziele in allen Bereichen des Unternehmens möglich
ist. Darüber hinaus bezieht die BSC bezieht neben den finanziellen Kennzahlen auch
nicht finanzielle Erfolgsfaktoren und Indikatoren wie z.B. Prozessgrößen, Fluktuati-
onsquote, Innovationsprozesse oder Kundenzufriedenheit mit ein. Diese werden übli-
cherweise in vier Perspektiven abgebildet, nämlich der Finanzperspektive, der Kun-
denperspektive, der Prozessperspektive sowie der Lern- bzw. Entwicklungs-
perspektive (vgl. Abbildung 4-13).
Jede Perspektive beinhaltet mehrere Ziele mit den dazugehörigen Kennzahlen (Key
Performance Indicators KPI) und vorgegebenen Soll-Werten sowie den zur Erreichung
notwendigen Massnahmen. Die Nutzung der BSC ermöglicht so einen umfassenden
Blick auf das Unternehmen sowie eine ausgewogene Planung und Steuerung über die
an der Strategie ausgerichteten Kennzahlen. 189
281
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-13: Klassische Darstellung der Balanced Scorecard
Finanzen
Lernen
Verfolgt man den Ansatz der BSC konsequent weiter und überträgt die Methodik auf
das Projektgeschäft, so lässt sich eine Project Scorecard (PSC) herleiten. Die PSC ist mit
den übergeordneten, strategischen Zielen des Unternehmens verknüpft und definiert
die projektspezifischen Ziele ebenfalls in den vier Perspektiven „Kunden“, „Finan-
zen“, „Prozesse“ und „Lernen“.
Durch ihre individuellen Gestaltungsmöglichkeiten kann die PSC sowohl für strategi-
sche als auch für operative Projekte nutzbar gemacht werden. Jedes Projekt wird ein-
zeln definiert, gesteuert und kommuniziert. Bei einem konsequenten Einsatz der PSC
im Projektgeschäft können die einzelnen Scorecards zu einer Programm- oder Portfo-
lio-Scorecard verdichtet werden und im Sinne eines Multiprojektmanagements als
Drehscheibe zwischen strategischer und operativer Ebene dienen (vgl. Abbildung 4-
14).
282
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
4.4
Abbildung 4-14: Herleitung der Project Scorecard
Vision
Unternehmen Mission
Strategie
Geschäftsbereiche
Zielfelder Balanced Scorecard
Projektziele
Projekte
Die Vorteile des Scorecard-Ansatzes bei der Klärung von Zielen mit den dazugehöri-
gen Kennzahlen, Vorgaben und Massnahmen können auch in der bereichs- oder un-
ternehmensübergreifenden Zusammenarbeit genutzt werden.
Mit einer Collaborative Project Scorecard (CPS) lassen sich unterschiedliche Sichtwei-
sen und Zielvorstellungen der Projektpartner klären und verbindlich vereinbaren. Die
CPS kategorisiert die Projektziele auch in vier Perspektiven. Da die finanziellen Ziele
in einem partnerschaftlichen Projekt aber oft unterschiedlichen Interessen unterliegen,
wurde die Finanzperspektive im Rahmen der CPS in die Perspektive „Projektergeb-
nis“ umbenannt. Hier kann z.B. Produktreifegrad gemäß Lastenhaft als Ziel definiert
werden. Darüber hinaus liegt bei der CPS der Fokus nicht mehr auf dem Endkunden,
sondern in der Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern. Deshalb hat auch die
Kundenperspektive eine neue Bezeichnung bekommen, und zwar „Zusammenarbeit“.
Ziel kann z.B. die Effektivität der Kommunikation sein. Die Prozessperspektive wird
bei der CPS nicht mehr intern, sondern vor allem extern gesehen, und deshalb auch
allgemein „Prozesse“ genannt, ein mögliches Ziel ist die Durchlaufzeit. Die Perspekti-
ve „Lernen & Entwicklung“ bleibt erhalten, hier kann beispielsweise der gemeinsame
Kompetenzaufbau bewertet werden.
Die Partner steigen vor Projektbeginn mit Hilfe ihrer eigenen Vorgaben (z.B. BSC, PSC
oder den individuellen Projektzielen) in einen intensiven Dialog ein und versuchen
sich mit Hilfe der CPS auf gemeinsame Ziele, Messgrößen, Zielwerte und Maßnahmen
zu verständigen. 191
283
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Bei einer längerfristigen Zusammenarbeit zwischen den Partnern kann die Methodik
auch auf der strategischen Ebene genutzt werden. Mit Hilfe einer „Strategic Collabora-
tive Scorecard“ werden dann für gemeinsame Projekte einzelne Collaborative Project
Scorecards abgeleitet (vgl. Abbildung 4-15). 192
Unternehmen A Unternehmen B
Strategic
Balanced Scorecard Collaborative Balanced Scorecard
Scorecard
Zusammen
arbeit
Projekt-
Prozesse
ergebnisse
Lernen
Projekt-
Prozesse
ergebnisse
Lernen
284
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
4.4
4.4.3 Vom Zielkonflikt zur Zielverträglichkeit
Obwohl die Vereinbarung der Ziele zwischen den unterschiedlichen Partnern sehr
professionell eingefädelt wird, birgt sie dennoch eine latente Gefahr des Zielkonflikts
in sich. So kann sich die Bedeutung oder die Bewertung der Ziele im Projektverlauf
verändern. Oder es wird erst bei der Projektabwicklung erkannt, dass die Partner
tatsächlich sehr unterschiedliche Vorstellungen von ein und demselben Ziel haben.
Möglicherweise erkennt man aber auch erst später die wahren Absichten und Ziele
des Kooperationspartners und ist mit denen gar nicht einverstanden. Deshalb sollten
schon in der Phase der Kooperationsanbahnung bzw. bei der Zieldefinition geeignete
Maßnahmen eingeleitet werden, wie solche Konflikte vermieden werden können bzw.
wie im Falle des Eintritts damit umzugehen ist.
Idealerweise ist eine möglichst hohe Zielverträglichkeit über die gesamte Dauer der
Zusammenarbeit anzustreben. Dabei ist die höchste Zielverträglichkeit erreicht, wenn
die Ziele der unterschiedlichen Unternehmen im Projekt vollständig deckungsgleich
sind („alle ziehen an einem Strang und in die gleiche Richtung“). Bei Zielkonkurrenz
(siehe Abbildung 4-10) beeinträchtigen sich die Ziele der Kooperationspartner gegen-
seitig („alle ziehen an einem Strang, aber in unterschiedliche Richtungen“). Der Fall
der Zielneutralität, bei dem die von den Partnern verfolgten Ziele unabhängig vonei-
nander sind und sich gegenseitig nicht stören („alle ziehen an ihrem eigenen Strang“)
wird im Rahmen von Kooperationen nur theoretische Bedeutung haben, da per Defi-
nition alle über die Kooperation eine gemeinsame Zielsetzung erreichen wollen.
Für die Konfliktprävention ist eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen
spielen die Wertauffassung und die Motivation der Partner in Bezug auf die Koopera-
tion sowie das Ausmaß an Konflikt- bzw. Konsensfähigkeit eine große Rolle. Wichtige
Fragen sind hierbei u.a.: (1) Wie ist meine Einstellung zu Kooperationen im Allgemei-
nen und zu meinen Kooperationspartnern im Speziellen? (2) Nehme ich die Interessen
des Partners als gleichberechtigt wahr oder hat sich dieser meinen Interessen unterzu-
ordnen? (3) Wie viel Handlungsspielraum gewähre ich dem anderen und unter wel-
chen Bedingungen findet die Koordination der Aktivitäten statt? (4) Wie erfolgt die
Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern, bzw. welche Spielregeln gelten
hierbei?
Andererseits wird auch die bisherige Erfahrung mit den Partnern die Bereitschaft zur
Kooperation prägen. Liegen negative Erfahrungen (z.B. Vertrauensbruch) in der Ver-
gangenheit vor, so wird man sich eher vorsichtig an die Kooperation herantasten oder
die eigenen Absichten nur soweit wie nötig offen legen. Versteckte Ziele, die erst im
Projektverlauf offenbar werden und sich ggf. gegen einen der Projektpartner richten,
erzeugen ein Klima des Misstrauens und provozieren neue Konflikte – ein Teufels-
kreis. Deshalb sind die frühzeitige Klärung von Einstellungen, Motiven und Wertauf-
fassungen der möglichen Partner sowie der offene Dialog über die eigenen Ziele eine
Grundvoraussetzung für die Kooperation in Projektnetzwerken.
285
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-16: Möglichkeiten zur Zielabstimmung
stark
Kooperation
Anpassung
„alle können
„dem Anderen
gewinnen
nachgeben“
Berücksichtigung der
(Win-Win)“
Interessen anderer
Kompromiss
„jeder muss
etwas nachgeben“
Vermeidung
Machteinsatz
„Problemen
„mit Autorität
aus dem
schwach siegen“
Weg gehen“
schwach stark
Vielfach werden Zielkonflikte schon durch die Art und Weise, wie die Zielabstim-
mung zwischen den Projektpartnern erfolgt, verursacht (vgl. Abbildung 4-16). Der
Einsatz von Machtmitteln von Seiten des stärkeren Kooperationspartners kann dazu
führen, dass sich der „Schwächere“ zwar unterordnet – sich anpasst – später aber
seine Energie bzw. seine Ressourcen in andere Vorhaben investiert oder sich nur
„halbherzig“ engagiert. Auch die Vermeidung von Zielkonflikten oder die Hoffnung,
Differenzen werden sich im Projektverlauf von alleine erledigen, führen zwangsläufig
zu Reibungsverlusten im Projektverlauf. Schließlich können auch Kompromisse, bei
denen jeder etwas von seiner Position abgegeben hat zu späteren Konflikten führen.
Nach Ludwig Erhard ist ein Kompromiss nämlich die Kunst, einen Kuchen so zu
teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen. Entpuppen sich die auf
dem Verhandlungsweg erzielten Ergebnisse als „fauler Kompromiss“, so lässt das
Folgeproblem nicht lange warten.
286
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
4.4
Ein Durchbruch auf dem Weg zu einer für alle Seiten optimalen Lösung ist darüber
hinaus oft nur dadurch möglich, dass man die Annahme, der „Kuchen“ sei begrenzt,
fallen lässt. Eine Annäherung von unterschiedlichen Interessen der Partner in der
Zielabstimmung kann mit Hilfe einer Priorisierung der Ziele oder durch die Eintei-
lung in „Muss“-, „Kann“- oder „Wunsch“-Ziele erreicht werden. So können sich die
Partner in der Projektarbeit auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren und ver-
meiden Ärger an Stellen, die nur geringe Priorität besitzen.
Da sich der Inhalt und die Priorität von Zielen über den Projektverlauf hinweg ändern
können, ist es notwendig, in regelmäßigen Abständen mit allen Partnern über die
möglicherweise notwendige Anpassung der Ziele zu sprechen. Vereinbarte Zielanpas-
sungen müssen zeitnah dokumentiert und an alle Mitarbeiter kommuniziert werden.
Drohende Konflikte zu erkennen und das Problem offen gegenüber seinem Partner
anzusprechen, ist der erste Schritt in Richtung Problemlösung. Eine schnelle und ko-
operative Problemlösung kann erreicht werden, wenn schon zu Beginn der Kooperati-
onsbeziehungen klare Konfliktlösungsmechanismen bzw. Spielregeln vereinbart wur-
den. Diese sollen sicherstellen, dass keiner der Beteiligten bei der Konfliktlösung
benachteiligt und eine für alle Seiten optimale Lösung gefunden wird. Konfliktlösung
kann dabei bedeuten, den paritätisch besetzten Lenkungsausschuss anzurufen oder
die Möglichkeiten der Mediation bzw. Schlichtung zu nutzen.
Bei Projekten mit hohem Kosten- und Termindruck kann evtl. sogar der präventive
Einsatz eines neutralen Mediators sinnvoll sein, der aufkommende Konflikte schon
frühzeitig erkennt und hilft, eine Eskalation der Probleme zu vermeiden. Möglicher-
weise einigen sich die Parteien bei der Kooperationsanbahnung auch auf einen neutra-
len Schlichter, der im Falle von Streitigkeiten eine für beide Seiten bindende Entschei-
dung fällt, ohne dass ein ordentliches bzw. ein Schiedsgericht angerufen werden muss.
287
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.5 Unternehmensübergreifende Planung
(„Cross Company Planning“)
Auf der Basis gemeinsam vereinbarter Projektziele beginnt die Abstimmung der Pla-
nung zwischen den am Projekt beteiligten Unternehmen – hier als „Cross Company
Planning (CCP)“ bezeichnet. 194 Dabei ist eine Reihe von Besonderheiten zu beachten:
In der Praxis ist die Planungsvernetzung noch eher gering ausgeprägt. Oft existieren
Planungsinseln zwischen den Automobilherstellern und ihren Zulieferern, aber auch
zwischen den Systemlieferanten und deren nachgelagerten (Komponenten-/Teile-)
Lieferanten. Darüber hinaus erschweren verschiedenartige Tools und unterschiedliche
Kommunikations- und Informationssysteme den Planungsabgleich.
Heute werden in der Planung neben dem Einsatz von professionellen Programmen
(z.B. von Microsoft oder SAP) immer noch Listen bzw. Pläne mit MS Excel erstellt und
per Fax oder E-Mail verteilt. Unnötige Doppelarbeiten und Informationsverluste sind
vorprogrammiert. Einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft195 zu Folge liegen die
Schwachstellen im kooperativen Entwicklungsprozess vor allem an aufwändigen
Absprachen mit externen Partnern (48%), an mangelnder Kommunikation zwischen
den Partnern (33%) sowie an einer zu aufwändigen Informationsbeschaffung (24%).
So kommt es auch nicht von ungefähr, dass die Qualität der Planung leidet und eine
unrealistische Zeit- und Produktkostenplanung als wichtigste Ursache für die Abwei-
chung von den Projektzielen identifiziert wurde. 196
Im Folgenden stellen wir die wesentlichen Aspekte des CCP dar und zeigen mögliche
Lösungen für eine vernetzte Planung auf. Dabei sind im Planungsprozess die Beson-
derheiten der Projektarbeit im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Wettbewerb
(vgl. Kapitel 4.3) zu berücksichtigen.
194 dieser Begriff wurde maßgeblich durch die Firma Actano in München geprägt
195 Fraunhofer-Studie „Engineering Cooperation“ der Institute IAO und IPA, 2001
196 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 159
288
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
4.5
4.5.1 Synchronisation von Herstellern und Zulieferern
Die Synchronisation der Aktivitäten von Automobilherstellern und ihren Zulieferern
entlang des Produktentstehungsprozesses erforderte eine Abstimmung auf ver-
schiedensten Ebenen. Die „Collaborative Project Management“- Empfehlung des
ProSTEP iViP-Vereins nennt in seinem Referenzmodell explizit die Prozesse, Metho-
den, Rollen, Informationsaustausch bzw. Kommunikation und die Kultur als relevante
Aspekte (vgl. Abbildung 4-17) und schreibt dazu: „This Recommendation focuses on
project management (PM) across companies. The document describes the project man-
agement tasks within the product development process (PDP) in the automotive in-
dustry that extend across the borders of partner enterprises, and focuses on time man-
agement, activity management and communication management. It covers the
processes, roles, methods, information, language and culture in collaboration pro-
jects.” 197
Partner A
CPM - SCOPE Partner B
Prozesse
Steuerung des Projektplanes
Rollen Methoden
Informationsgehalt
Sprache
Kultur
289
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-18: Interaktion zwischen Projektpartnern 199
290
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
4.5
Abbildung 4-19: Ausschnitt aus einem Synchronisationsplan in der Serienentwicklung
Diese Vorgaben seitens des Automobilherstellers reichen für eine weitere Detaillierung
der Planung durch die Projektpartner völlig aus. Trotz leistungsfähiger Planungstools
sind heutzutage nur wenige Automobilhersteller in der Lage, eine zentrale Projektpla-
nung über den gesamten Produktentstehungsprozess und die Wertschöpfungskette
hinweg zu bewerkstelligen. Dazu ist die Komplexität und Dynamik des Planungspro-
zesses viel zu hoch.
291
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Die Planungsverantwortung wird im Rahmen der Beauftragung bzw. bei der Klärung
von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten an die Zulieferer delegiert.
Nun übernimmt der Gesamt-Projektleiter auf der Ebene des Systemlieferanten die
Planung und informiert alle Arbeitspaketverantwortlichen über die Planungsergebnis-
se und so weiter und so fort (vgl. Abbildung 4-20).
Kunde zentrale
Planung
0. Ebene
GPLSL
Top-down
1. Ebene
PLMEW PLMF
2. Ebene
TKEW_SL TKPV_SL PLSW PLMM
dezentrale
Planung
Die starre „Algorithmierung“ der Netzpläne wird dabei durch eine dynamische Ver-
knüpfung der Beteiligten ersetzt. Durch die Bereitstellung von relevanten Informatio-
nen über automatisierte Kommunikationskanäle (bei einer Änderung in der Planung
werden alle betroffenen Projektpartner sofort informiert) kann der Aufwand für die
Plananpassung spürbar gesenkt werden (vgl. Abbildung 4-21). Allerdings steigen
dadurch die Anforderungen an die Mitarbeiter. Sie bekommen weniger Vorgaben und
müssen die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich planen sowie sich mit
den Mitarbeitern an den korrespondierenden Schnittstellen abstimmen.
292
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
4.5
Abbildung 4-21: Kommunikation/Interaktion statt Algorithmierung 202
Algorithmierung Kommunikation/Interaktion
...
...
Zulieferer Zulieferer
i
Hersteller Hersteller
Die am Projekt beteiligten Unternehmen können nun mit Hilfe der Termine aus dem
Meilensteinplan ihre eigene Ablaufplanung erstellen. Aus den Umfängen des Projekt-
strukturplanes lässt sich schließlich der Kapazitätsbedarf bestimmen.
293
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.5.2 Von der gemeinsamen Kostenzielermittlung zur
individuellen Kostenplanung
Durch den Verdrängungswettbewerb in der Automobilindustrie stehen Hersteller wie
Zulieferer unter einem enormen Kostendruck. Deshalb wird an keinem anderen Punkt
in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit so hart miteinander gerungen
wie bei den Kosten. Die Ermittlung der Zielkosten sowie die Umsetzung in die Kos-
tenplanung erfolgt in der Regel iterativ über mehrere Etappen und ist ein Abstim-
mungsprozess zwischen der „bottom-up“-Planung der beteiligten Zulieferer und der
„top-down“-Planung des Automobilherstellers (vgl. Abbildung 4-22).
Angebot
Zulieferer Hersteller
bottom-up- top-down-
Planung Planung
Anfrage Auftrag
Verhandlung / Auktion
294
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
4.5
Der Hersteller geht dabei im Rahmen seiner „top-down“-Planung marktorientiert vor
und ermittelt mit Hilfe der „Target Costing“-Methode die aus seiner Sicht sinnvollen
partner- bzw. produktspezifischen Kostenziele. So ergeben sich aus der Analyse des
Marktes und der gesammelten Erfahrungswerte wesentliche Informationen über die
für das spezifische Fahrzeug (Qualität, Ausstattungsmerkmale, Absatzmenge etc. sind
zu berücksichtigen) erzielbaren Preise. Unter Abzug der Gewinnanteile können so die
„allowable costs“ ermittelt und mit den Angeboten der Zulieferer verglichen werden
(vgl. Abbildung 4-23).
Markt-
positionierung Zielpreis
-
Produktanteiliger Gewinn-
Gewinn planung
Abgleich
- Motivations-
aspekte Kostenreduktions-
- Wettbewerbs- bedarf
fähigkeit
Über intensive Verhandlungen bzw. den Einsatz von (elektronischen) Auktionen wer-
den letztendlich die Zielkosten ermittelt und in einer Beauftragung verbindlich fixiert.
Damit ist die Basis für die nun folgende Feinplanung der Projektbeteiligten gelegt.
Ausgehend von den vereinbarten Zielkosten werden die Zielkostenanteile für be-
stimmte Leistungen, Funktionen oder Komponenten - bis zu einem sinnvollen Detail-
lierungsgrad – ermittelt und in die unternehmensspezifische Kostenplanung über-
nommen. Im Ergebnis wird durch diese Vorgehensweise schon in einer frühen Phase
des Projektes das Kostenbewusstsein geschärft und eine geeignete Basis für die Pro-
jektsteuerung gelegt.
295
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.5.3 Absicherung von Kooperationsrisiken
In Kapitel 2.6.10 haben wir die grundlegenden Methoden des Risikomanagements
beim Management von einzelnen Automotive-Projekten dargestellt. Durch die Einbe-
ziehung von Zulieferern in die Projektabwicklung oder durch die komplette Verlage-
rung von Entwicklungs- und Produktionsumfängen entstehen für den Automobilher-
steller zusätzliche Abhängigkeiten und Risiken. Durch unzureichend qualifizierte
Zulieferer kann es z.B. zu Verzögerungen im Projektverlauf oder sogar zum Abbruch
kommen. Die Risiken bezüglich Qualität, Kosten und Terminen sind zu berücksichti-
gen. Eine Vielzahl an Projektbeteiligten erhöht die Komplexität und damit den Koor-
dinationsaufwand in der Projektabwicklung. Risiken durch Informationsverluste und
Schnittstellenprobleme sind deshalb bei der Risikobetrachtung mit einzubeziehen.
Kostensteigerungen und Terminschwierigkeiten können durch ein unzureichendes
Projektmanagement entstehen. Unklare Ziele, Planungsfehler sowie eine mangelhafte
Fortschrittskontrolle können sich im Projektverlauf schnell als Problem entpuppen.
Von grundlegender Bedeutung für die Risikoprävention sind die speziellen Regelwer-
ke der Automobilindustrie. Die deutschen Automobilhersteller erwarten in der Regel
von ihren Zulieferern die Zertifizierung nach VDA 6.1. Diese Norm besteht aus einem
Fragenkatalog mit 23 Elementen zu den Bereichen Unternehmensführung sowie Pro-
dukt und Prozess. Darüber hinaus sind in dem VDA-Band 4 die wesentlichen Metho-
den zur Sicherung der Qualität vor Serieneinsatz zusammengefasst.
296
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
4.5
Die enge Verzahnung des Automobilherstellers mit seinen Zulieferern erfordert eine
frühzeitige Einbindung aller Beteiligten in die Risikoabsicherung. 208 Denn auch ein
noch so kleines Risiko bei einem Teile-Lieferanten kann sich zum kritischen Engpass
für das gesamte Projekt entwickeln. Im Rahmen von Risikoanalyse-Workshops sam-
meln und bewerten ausgewählte Vertreter der beteiligten Unternehmen die relevanten
Risiken und entscheiden gemeinsam über geeignete (Gegen-)Maßnahmen. 209
Die erforderlichen und im Projekt anzuwendenden Verfahren sind zwischen den Pro-
jektpartnern mit Hilfe von Qualitätssicherungsklauseln (vgl. Abbildung 4-24) oder
speziellen Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) vertraglich zu vereinbaren. Die
wichtigsten Regelungen sind für das Projektteam im Rahmen des Projekthandbuchs
oder in Form von Qualitäts-/Prüfplänen zu dokumentieren.
„Der Auftragnehmer (AN) unterhält für die Dauer des Vertrages ein Qualitätssicherungssystem
das den in der Qualitätssicherungsvereinbarung dargestellten Forderungen genügt. Er hat dieses
Qualitätssicherungssystem für sämtliche nach diesem Vertrag zu erbringende Leistungen anzu-
wenden und fortlaufend auf Verbesserungsfähigkeit zu prüfen. Der AN wird die Anwendung der
Qualitätssicherungsmaßnahmen und die gewonnenen Mess- und Prüfergebnisse dokumentieren
und für einen Zeitraum von … Jahren aufbewahren. Der Auftraggeber (AG) erhält nach Voran-
kündigung unverzüglich Zutritt zu den Betriebsstätten des AN, um die Dokumentation der Quali-
tätssicherungsmaßnahmen sowie die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen zu können. Der
AG wird regelmäßig (mindestens … mal im Kalenderjahr) Qualitätsaudits beim AN durchführen.“
297
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-25: Qualitätswerkzeuge im Produktentstehungsprozess 212
Produkt-FMEA
Risiko-
filter
Prozess-FMEA
Der Einsatz der FMEA ist nicht nur zur Absicherung der Systeme, Produkte oder Pro-
duktionsprozesse sinnvoll, sondern kann genauso gut auch für die spezifischen Risi-
ken der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit nutzbar gemacht werden.
Schwachstellen in der Zusammenarbeit können so beleuchtet und Maßnahmen pro-
aktiv eingeleitet werden. Mit den Ergebnissen der FMEA stehen auch wichtige Er-
kenntnisse für die gemeinsame Abwicklung zukünftiger Projekte bzw. für die strategi-
sche Optimierung des Netzwerkes zur Verfügung.
298
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6
In Kapitel 1.2 haben wir gezeigt, wie sich der Handlungsspielraum im Projektma-
nagement innerhalb der wichtigen Bezugsgrößen von Qualität, Terminen und Kosten
immer weiter einschränkt. Für das Management von unternehmensübergreifenden
Projekten kommen weitere Anforderungen hinzu: Handlungsbedarf besteht bei der
Schaffung von Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und bei
der Dynamisierung der gemeinschaftlichen Prozesse. Schließlich müssen die beteilig-
ten Zulieferer optimal integriert und flexibel ausgesteuert werden. 215 Vergegenwärti-
gen wir uns die vielfältigen Beziehungen entlang der Wertschöpfungskette und über
den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs, so wird schnell klar, wie anspruchsvoll
diese Aufgabe ist. Projektmanagement wird zum kritischen Erfolgsfaktor.
So ernennt doch jedes am Projekt beteiligte Unternehmen einen Projektleiter, der ge-
meinsam mit seinem Projektteam die gestellte Aufgabe erfüllen soll. Überschaubare
Strukturen, klare Unterstellungsverhältnisse und kurze Entscheidungswege im Unter-
nehmen erleichtern die Projektsteuerungsaufgabe. Ganz anders die Situation im
C3PM. Dort finden wir in der Regel wenig überschaubare Strukturen zwischen relativ
unabhängigen Unternehmen vor (vgl. Abbildung 4-26).
299
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-26: Projekthierarchie im C3PM
OEM PL
PL
Tier 1
PL
PL PL
PL PL
PL
Tier 2 ... PL
PL
PL
PL PL
PL
...
... ...
Tier 3 PL PL
PL PL PL PL
PL PL
Sonst wird der Projektleiter von den Partnern und den internen Linienfunktionen nur
als „Kümmerer“ wahrgenommen – mit fatalen Folgen für Durchsetzungskraft und
Einflussmöglichkeiten auf den Projekterfolg. Da eine Person mit der übergreifenden
Steuerung im C3PM überfordert wäre, wird der Projektleiter in der Regel durch ein
kompetentes Team und eine - je nach Projektumfang – mehr oder minder große Zahl
von Gremien unterstützt (vgl. hierzu auch 4.2.3). Auf Basis von Projektdefinition und –
planung können so gemeinsam die in Kapitel 2 schon ausführlich dargestellten Auf-
gaben der integrierten Projektsteuerung (Ist-Wert-Erfassung, Soll-Ist-Vergleich mit
Bewertung sowie Entscheidung über geeignete Maßnahmen). Im Folgenden greifen
wir einige Besonderheiten der integrierten Projektsteuerung im C3PM heraus und
stellen geeignete Lösungsansätze vor.
300
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6
4.6.2 Reifegradmessung als Grundlage der
integrierten Projektsteuerung
Die Komplexität der Steuerungsaufgabe im C3PM erfordert die systematische Erfas-
sung und Kontrolle des Reifegrades anhand von aggregierten Steuerungsgrößen, um
jederzeit einen Überblick über den Status des Gesamtprojektes zu haben und fundierte
Entscheidungen über geeignete Maßnahmen (evtl. sogar den Abbruch des Projektes)
treffen zu können (vgl. auch 2.7.3).
Je nach Festlegung kann der Reifegrad über das gesamte Projekt, d.h. über die kom-
plette Wertschöpfungskette und den gesamten Produktlebenszyklus oder nur für
einzelne Aspekte ermittelt werden. In der Projektdefinition bzw. -planung werden
hierfür geeignete Reifegradindikatoren festgelegt. Dies können u.a. sein: 216
Reifegradparameter Expertenprognosen
Reifegradermittlung
Bewertung
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Berichterstattung
301
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Ausgehend von der Synchronisations- bzw. Meilensteinplanung lassen sich die defi-
nierten Reifegrade zum jeweiligen Zeitpunkt oder in regelmäßigen Abständen ermit-
teln und mit Hilfe geeigneter Bewertungssysteme – z.B. einem Bewertungssystem mit
Ampelfunktion – visualisieren (siehe Abbildung 4-27).
Dabei können die Ampelfarben rot, gelb und grün noch feiner untergliedert (vgl. Ta-
belle 4-2) und über dem Zeitablauf abgetragen werden (vergleichbar mit der Meilen-
stein-Trendanalyse218).
In der Praxis werden allerdings - aus psychologischen oder politischen Gründen - oft
geschönte Statusberichte abgegeben. Da „Rot“ in den meisten Projektkulturen nicht
gerne gesehen wird, beten die Beteiligten das Problem solange „gesund“, bis „Gelb“
herauskommt – mit fatalen Auswirkungen für die Erreichung der Projektziele. 219
Verbindliche Spielregeln (wie z.B. Offenheit, Aufrichtigkeit, Disziplin und Verantwort-
lichkeit) sind deshalb grundlegende Voraussetzungen für eine ehrliche Bewertung des
Gesamtprojekts.
302
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6
Die Akzeptanz der Reifegradsystematik wird auch wesentlich von der Beteiligung der
Partner bei der Implementierung und Ausgestaltung abhängen. So können Hersteller
wie Zulieferer profitieren. Der Hersteller wird durch die dezentrale Erfassung und
Bewertung der Reifegrade entlastet und erhält dennoch zu den vereinbarten Zeitpunk-
ten die für die Gesamtsteuerung notwendigen Informationen. Die Aufmerksamkeit
aller Beteiligten wird auf die wesentlichen (kritischen) Erfolgsfaktoren im Projekt
beschränkt und die Komplexität in der Zusammenarbeit entscheidend reduziert. Die
Autonomie der beteiligten Zulieferer wird weitgehend gewahrt, da die Einflussnahme
des Herstellers sich auf die Vorgabe der Ziele beschränkt.
Die Energie aller Beteiligten kann mit Hilfe einer gemeinsam abgestimmten Aktivitä-
tenliste auf die notwendigen Maßnahmen fokussiert werden. Dort werden die wesent-
lichen Steuerungsmaßnahmen vermerkt (wer macht was bis wann?) und in regelmäßi-
gen Abständen aktualisiert. Geeignete Informations- und Kommunikations-Tools
erleichtern diesen Prozess über die Unternehmensgrenzen hinweg.
Doch aktuell ist es um das Änderungsmanagement nicht besonders gut bestellt. „Alle
reden von Änderungsmanagement, doch kaum einer tut es konsequent und richtig“,
so Erfahrungen aus der Praxis. 222 Ferner kommt das Konfigurationsmanagement
auch nur in den wenigsten Fällen zur Anwendung. Dabei kann das Konfigurations-
management eine bedeutsame Mittlerfunktion im Projektmanagement übernehmen
(vgl. Abbildung 4-28).
221 Innovationsagenda 2006 des WZL der RWTH Aachen und PTC, April 2004
222 Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 41
303
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Abbildung 4-28: Mittlerfunktion des Konfigurationsmanagements 223
Projektmanagement
Fachlich-inhaltliche
Produktsicherungs- Adm inistrative
Koordination
disziplinen Disziplinen
wie z.B. System s
wie z.B. wie z.B.
Engineering-, Design-
Qualitätssicherungs-, Projektcontrolling,
oder Produktions-
Management Doku.-Management
Management
Konfigurationsmanagement
Dabei werden die fachlich-inhaltlichen (auf das Produkt bezogenen) Prozesse ebenso
einbezogen wie die für die Erreichung der Projektziele (Qualität, Kosten, Termine)
notwendigen Disziplinen der Qualitätssicherung und des Managements von Kosten
und Terminen.
Eine Konfiguration wird nach der DIN EN ISO 10007 wie folgt definiert: „funktionelle
und physische Merkmale eines Produkts, wie sie in seinen technischen Dokumenten
beschrieben und im Produkt verwirklicht sind“ (vgl. Abbildung 4-29 für die Beschrei-
bung von Konfigurationsmanagement).
304
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6
Das Konfigurationsmanagement basiert auf einer Referenzkonfiguration und unter-
scheidet vier Teildisziplinen. Abbildung 4-30 stellt die Teildisziplinen vor.
Bezugskonfiguration
Wie komme ich zu einer Konfiguration?
(Referenzkonfiguration)
305
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Ziel des Änderungsmanagements im C3PM ist die professionelle Abwicklung unver-
meidbarer und neuerungsbedingter Änderungen sowie die möglichst weitgehende
Vermeidung fehlerbedingter Änderungen (vgl. hierzu auch Kapitel 2.7.11). Dabei sind
eine Reihe von Aktionsfeldern zu beachten (vgl. Tab. 4-3).
Problemfelder Aktionsfelder
Hohe Häufigkeit der Wiederholung von Vermeidung und Vorverlagerung von Ände-
Fehlern rungen
Die in den vorhergehenden Kapiteln aufgezeigten Methoden des C3PM schaffen – bei
konsequenter Umsetzung - gute Voraussetzungen für die Beherrschung von Ände-
rungen. So sollten die Projektpartner ein gemeinsames Verständnis über Änderungen
erzielen und schon zu Beginn des Projekts die Methoden, Hilfsmittel und organisatori-
schen Strukturen für das Änderungsmanagement vereinbaren und implementieren.
Eine stringente Steuerung der Reifegradparameter ist ein nützliches Frühwarnsystem
und hilft Änderungen zu vermeiden oder nach vorne zu verlagern („Frontloading“).
Die Meilensteinplanung gibt allen Beteiligten eine klare Orientierung und synchroni-
siert die Aktivitäten im Änderungsmanagement in Richtung der vereinbarten Ziele.
Treten Änderungen auf, so kann durch synchrone Aktivitäten der Partner im Ände-
rungsablauf wertvolle Zeit eingespart werden (siehe Abbildung 4-27). Entscheidend ist
auch hier, alle betroffenen Stellen und Personen in den Entscheidungsprozess mit
einzubeziehen. Moderne Informations- und Kommunikationsmittel unterstützen die-
sen Prozess über Unternehmens- und Standortgrenzen hinweg.
306
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6
Abbildung 4-31: Änderungsaktivitäten ohne/mit Synchronisation der Partner 228
Analyse
Artikelkonstruktion
Anfrage
Partner 1 Auftrag Bemusterung
Bemusterung
Partner 2 Angebot
Planung, Durchführung
Zeit [Tage]
5 10 21
Anfrage-Angebotsphase
Klärung Durchführung
Bemusterung
Prüfung der
Partner 1 Vorschläge
Anfrage Auftrag
Gemeinsam
Auswertung Abstimmung
Versuche Lösung
Bemusterung
Partner 2
Prüfung, Beratung, Fest- Planung, Durchführung
Richtangebot angebot
Zeit [Tage]
4 17
Klärung Durchführung
307
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Moderne Engineering Data Management (EDM) bzw. Product Data Management
(PDM)-Systeme unterstützen die Abbildung und das Management von Produkt- und
Prozessdaten in der Produktentstehung. Beides zusammen erlaubt eine lückenlose
Konfiguration beliebiger Konstruktions- und Fertigungsstände über den gesamten
Produktlebenszyklus hinweg.
Product Lifecycle Management (PLM)-Systeme verfügen sogar noch über eine größere
Integrationstiefe / -breite der Anwendungen. So werden insbesondere unternehmens-
übergreifende Projekte durch Funktionen wie Requirement Traceability Management
(Anforderungsmanagement und –nachverfolgung), dem Engineering Warehouse
(webbasierter Zugriff auf diverse interne und externe Informationsquellen), Supply
Chain Management (Zugriff auf elektronische Marktplätze, Beschaffungskanälen etc.)
und (Engineering) Collaboration Tools wie z.B. dem Computer Supported Cooperative
Work (CSCW) unterstützt. 230 In Abbildung 4-4 haben wir eine Systemarchitektur
abgebildet, die eine integrierte Projektsteuerung im standort- und unternehmensüber-
greifenden Kontext optimal unterstützt.
308
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6
Heute beklagen sich viele Hersteller darüber, dass Zulieferer Änderungen zur Preiser-
höhung nutzen würden. Andererseits kritisieren die Zulieferer den Hersteller, durch
unnötige und späte Änderungen Termin- und Kostenprobleme zu verursachen. Letzt-
lich hilft die konsequente Umsetzung der oben aufgeführten Empfehlungen, Transpa-
renz zu schaffen, Misstrauen zwischen den Partnern abzubauen und das Klima in der
Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und Zulieferern zu entspannen.
Kunde zentraler
Bericht
-------- Bericht
--------
0. Ebene
GPLSL
Bericht
--------
--------
1. Ebene
Bottom-Up
PLMEW PLMF
Bericht
--------
--------
2. Ebene
TKEW_SL TKPV_SL PLSW PLMM
dezentrale
Berichte
309
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Dabei verläuft der Informationsfluss bottom-up, d.h. von den ausführenden Einheiten
hinauf bis zum Automobilhersteller (vgl. Abbildung 4-32). Um die Komplexität und
Informationsflut zu beschränken, werden die Informationen nach vorab definierten
Formaten aggregiert und entsprechend dem Berichtstermin dem Empfänger zur Ver-
fügung gestellt.
310
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
4.7
Dabei können Berichte bei Erledigung von einzelnen Arbeitspaketen oder bei Errei-
chung eines Meilensteins eingefordert werden. Wir plädieren aufgrund der Informa-
tionsfülle in unternehmensübergreifenden Projekten eher auf die zweite Variante zu-
rückzugreifen. Allerdings kann es – bei zeitkritischen oder kostenintensiven
Arbeitspaketen – sinnvoll sein, auch zwischen den geplanten Meilensteinterminen
über den jeweiligen Fortschritt zu berichten.
Unternehmen wollen voneinander lernen. Dies ist zumindest erklärtes Ziel beim Ein-
gehen von projektbezogenen Kooperationen. So sehen gerade viele mittelständische
Unternehmen der Automobilzulieferindustrie den Know-how-Gewinn im Rahmen
von zwischenbetrieblichen Kooperationen als wichtige Zielsetzung an. 234 Gerade hier
bereitet der Know-how-Schutz im Rahmen von Kooperationen in der Praxis vielfach
Probleme. 235 So lässt sich der Schutz von unternehmensspezifischem Know-how in
überbetrieblichen Projekten nur schwer realisieren. Ein allzu rigider Schutz, z.B. durch
vertragliche oder organisatorische Regelungen, würde das arbeitsteilige Arbeiten
unverhältnismäßig erschweren. Deshalb ist eine Vertrauenskultur notwendig. Die
beteiligten Unternehmen müssen „lernen, zu kooperieren.“
311
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
4.7.1 Barrieren auf dem Weg zum kooperativen Lernen
„Wenn wir nur wüssten, was wir wissen...“ oder „Wir wissen viel, aber wir nutzen es
nicht ...“, so zwei gängige Aussagen aus der Praxis. 236 Vielfach beginnen die Probleme
schon bei dem „know what“ und „know why“. Was ist es, was wir aus Kooperationen
wirklich lernen wollen, welche Ziele verfolgen wir damit und welches Wissen benöti-
gen wir für einen nachhaltigen Erfolg in der unternehmensübergreifenden Zusam-
menarbeit? Ist die Kooperation im Projekt nur auf die Erzielung definierter (Projekt-)
Ziele aus, oder sollen konkrete Handlungs- und Problemlösungspotenziale für die
weitere Zusammenarbeit erzielt werden?
Unsere Erfahrung ist, dass es in der Praxis leider selten eindeutige Antworten auf
diese Fragen gibt. Wie können sich die Beteiligten auf das Wesentliche konzentrieren,
wie orientieren, wenn sie keine klaren Ziele vor Augen haben? Wie können Prozesse,
organisatorische Strukturen und Management-Systeme vernünftig ausgerichtet wer-
den, wenn das entsprechende Wissen bzw. die Fähigkeiten nicht verfügbar sind? Das
führt dann allzu oft dazu, dass das Tagesgeschäft zur dominierenden Perspektive im
Projekt wird und die Chance zur strategischen Weiterentwicklung ungenutzt ver-
streicht. Wertvolle Erfahrungen gehen dann unweigerlich durch die „Tyrannei des
Dringlichen“ verloren.
Darüber hinaus wird der Wissensaustausch zusätzlich dadurch behindert, dass expli-
zitem Wissen Vorrang vor implizitem Wissen gegeben wird. Explizites Wissen ist
Wissen, das in kodifizierbarer Form vorliegt, nicht mehr an den Wissensträger gebun-
den ist und sich deshalb auch leicht in Datenbanken dokumentieren lässt. Implizites
Wissen ist dagegen eng an die Personen oder Teams gebunden, und steht in direktem
Bezug zur Lernsituation oder zum Erfahrungsumfeld. Implizites Wissen liegt oft un-
bewusst vor und ist deshalb auch nur schwer zu vermitteln. Statt auf den regelmäßi-
gen Erfahrungsaustausch seiner Projektteams zu setzen – und damit dem impliziten
Wissen Vorrang zu geben – installieren Unternehmen mit großem Aufwand komplexe
Wissens-Datenbanken, die gar nicht so schnell aktualisiert werden können, wie das
Wissen veraltet. Ein reicher Erfahrungsschatz bleibt so meistens ungenutzt. 237
312
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
4.7
Unterschiedliche Machtpositionen in der Lieferpyramide sowie ständig wechselnde
Partnerschaften in der Projektarbeit vergrößern dieses Problem noch zusätzlich. Her-
steller wie große Lieferanten fordern Know-how und Innovationen von ihren Zuliefe-
rern, schotten sich aber selbst relativ stark gegenüber den nachgelagerten Stufen der
Lieferpyramide ab. So bleibt der elektronische Zugriff auf die wichtigsten Datenbe-
stände beim Hersteller nur einigen wenigen Zulieferern vorbehalten. Das Misstrauen
ist damit vorprogrammiert.
313
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
So sind z.B. bei F&E-Projekten, die eine gemeinsame Entwicklung von Produkten oder
Technologien zum Ziel haben, eher technologische Kompetenzen der Partner oder des
gesamten Netzwerkes gefragt. Dagegen wird bei Projekten, die eine Verbesserung von
Beschaffung oder Absatz zum Ziel haben, eher die Marktkompetenz der Teilnehmer
interessant sein.
Die kooperative Kompetenz, also die Fähigkeit und Fertigkeit auf individueller, inner-
betrieblicher wie überbetrieblicher Ebene Beziehungen aufzubauen und zu pflegen
sowie arbeitsteilige Prozesse auch über Unternehmensgrenzen hinweg zu koordinie-
ren, ist sicherlich für alle Arten von Projekt-Netzwerken wichtig (vgl. auch 4.3).
Neben der Klärung der eigentlichen Projektziele ist es also auch notwendig, die ge-
meinsamen Entwicklungs- bzw. Lernziele festzulegen und möglichst weitgehend zu
operationalisieren. Welche Kompetenzen sind für die Zusammenarbeit langfristig
wichtig? Welche Prioritäten sollen gesetzt werden? Wie verteilen sich die Kompeten-
zen auf die beteiligten Unternehmen? Hier sind insbesondere die Automobilhersteller
bei der Initiierung und dem Aufbau eines Projekt-Netzwerkes gefordert, für die nötige
Klarheit zu sorgen. Auf der Basis ihrer eigenen Kernkompetenzen sollten sie die Kom-
petenzprofile der anderen Unternehmen entsprechend der Zielsetzung aufeinander
abstimmen und auf Überschneidungen hin überprüfen. Entsprechende Lücken kön-
nen so erkannt und durch gezielte Maßnahmen vor, während oder nach dem Projekt
beseitigt werden. Die Entwicklungs- bzw. Lernziele sind im Folgenden handlungslei-
tend.
Zunächst müssen die Partner-Unternehmen und deren Mitarbeiter für das Projekt
lernen („Lernen für das Projekt.“) 241 Dabei sollten die Beteiligten von anderen Aufga-
ben befreit werden und die Gelegenheit zu einem ausführlichen Treffen erhalten. In
aufgelockerter Atmosphäre können gegenseitig Erfahrungen ausgetauscht, Kompe-
tenzprofile abgeglichen und die Teambildung unterstützt werden. Notwendige Quali-
fizierungsmaßnahmen können rechtzeitig initiiert und noch vor der Projektdurchfüh-
rung umgesetzt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, Lernerfahrungen aus
vorangegangenen Projekten gezielt aufzubereiten und ihre Relevanz für das neue
Projekt zu diskutieren. Unternehmen und Mitarbeiter werden viel eher bereit sein,
systematisch Erfahrungen zu sammeln und zu verwerten, wenn sie schon zum Pro-
jektstart den konkreten Nutzen eines Erfahrungsaustausches spüren.
314
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
4.7
„Lernen im Projekt“ bedeutet, sämtliche Gelegenheiten im Projektverlauf, von der
Zielabstimmung, der gemeinsamen Planung, der technischen Realisierung, der Pro-
jektsteuerung über die Abschlussphase hinweg als Möglichkeiten zum Lernen zu
nutzen. Schon bei der gemeinsamen Formulierung der Projektziele können alle Part-
ner ihre Erfahrungen in die Diskussion mit einbringen und so sicherlich zu einem
insgesamt besseren Ergebnis kommen, als wenn nur der Hersteller seine Vorgaben
macht.
Diese „Lessons learned“ leiten über zum „Lernen durch das Projekt“, nämlich der
Reflexion über die möglichen Konsequenzen, die sich u.a. in einer Anpassung der
organisatorischen Strukturen und Prozesse oder in einer Qualifizierung der Mitarbei-
ter äußern können. Schon das „laute Nachdenken“ - was und wie etwas getan wird -
kann helfen, Lernprozesse auszulösen und eine Neuausrichtung von Abläufen zu
bewirken. Angelehnt an den oben erwähnten Entwicklungs- und Lernzielen kann man
die Reflexion kanalisieren und gezielt die Bereiche abfragen, die für eine strategische
Weiterentwicklung der Kompetenzen im Projekt-Netzwerk notwendig sind.
315
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4
Einer der wichtigsten Voraussetzungen für kooperatives Lernen ist der Faktor Zeit.
Zum einen benötigen die Partner Zeit, um sich aufeinander einzustellen und eine
Vertrauenskultur aufzubauen. Erst wenn das notwendige Vertrauen in der Beziehung
zwischen den unterschiedlichen Teammitgliedern erreicht ist, werden diese durch das
gemeinsame Lösen von Problemen lernen und sich ständig weiterentwickeln.
Zum anderen muss für die gemeinsame Lernerfahrung Zeit investiert werden, was
viele Manager heute angesichts des enormen Wettbewerbsdrucks nicht mehr gewillt
sind zu tun. Wie soll sich das Netzwerk aber weiterentwickeln und damit Wettbe-
werbsvorteile verschaffen, wenn keine Zeit dafür da ist?
Eine weitere Voraussetzung für das kooperative Lernen ist der sorgsame Umgang mit
Fehlern und Problemen im Projektverlauf. Unser Rat lautet, Fehler zu erkennen und
daraus zu lernen, anstatt einer „Null-Fehler-Kultur“ zu frönen - die letztlich die Prob-
lemlösung verhindert oder zumindest hinauszögert. Das frühzeitige Melden von Prob-
lemen und nicht die sonst übliche Suche nach dem Schuldigen sollte in Projekt-
Netzwerken gefördert werden. Gerade hier kann der Automobilhersteller mit seinem
Verhalten ein Vorbild für die gesamte Lieferpyramide sein.
Da das implizite Wissen den größten Nutzen bei der Kompetenzentwicklung bietet,
eine Übertragung aber nur durch enge persönliche Kontakte möglich ist, sollte die
direkte zwischenmenschliche Kommunikation in den Projekt-Netzwerken gefördert
werden. Gemeinsame Erfahrungsräume, z.B. im Rahmen eines Projekthauses (vgl.
Kapitel 4.2.1), verbessern die Kommunikation und ermöglichen den Mitarbeitern, sich
mit der Arbeit des Partners, seinen Problemen und seinen Erfahrungen auseinander zu
setzen. Dabei spielt auch die informelle Kommunikation eine große Rolle für das ko-
operative Lernen. Auf dem Weg zur Kantine oder in kommunikationsfreundlichen
Pausenräumen können enge Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden – eine wich-
tige Grundlage für die spätere Problemlösung. Das Management sollte hier eine aktive
Rolle einnehmen, denn „so wichtig die aktive Beteiligung der Mitarbeiter ist, so wenig
nützt dies, wenn nicht auch das Management selbst solche Veränderungen aktiv trägt,
persönlich dafür eintritt und nicht nur anordnet.“ 243
So schließt sich der Kreis bezüglich der eingangs schon erwähnten Doppeldeutigkeit
des Lernens in Projekt-Netzwerken. Zum einen gilt es zu „kooperieren, um zu lernen“,
zum anderen aber auch „lernen zu kooperieren.“ Die Art und Weise der Kooperation
kann nämlich Lernprozesse erschweren oder erleichtern. Gelingt es, die Barrieren
zwischen den Projektbeteiligten zu überwinden und eine intensive Kommunikation
im Rahmen von persönlichen Netzwerken zu erreichen, so steht dem kooperativen
Lernen und damit dem Erfolg im C3PM sicherlich nichts im Weg.
316
5 Organisationale Kompetenz im
Projektmanagement entwickeln
317
G. Hab, R. Wagner, Projektmanagement in der Automobilindustrie,
DOI 10.1007/978-3-8349-4369-9_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Der Kompetenzbegriff kann aber auch in einem weiteren Sinne verwendet werden, so
z.B. als: „Sach- und Fachverstand, den ein Individuum, eine Personengruppe oder eine
Organisation, ein Wirtschaftszweig oder eine Gesellschaft auf einem bestimmten Ge-
biet oder in definierten Bereichen besitzt.“ 245
MARKT / UMFELD
Kultur Strategie
€$
Struktur Prozesse
Organisationale
Organisationale
PM-Kompetenz
PM-Kompetenz
318
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.2
Organisationen verfolgen einen bestimmten Zweck und stellen hierfür unter anderem
Regelwerke, Strategien, Prozesse, Strukturen und Kulturen bereit. So bilden beispiels-
weise Vision, Mission, Leitbilder sowie die Corporate Identity mit ihren grundlegen-
den Werthaltungen und Führungsgrundsätzen das strategische Fundament einer
Organisation. Auf dieser Basis können übergeordnete „Unternehmensstrategien“
sowie bereichsspezifische „Business-Strategien“ und „Funktions-Strategien“ (z.B. die
für das Projektmanagement) abgeleitet werden. Diese orientieren sich am relevanten
Markt/Umfeld und den Erwartungen betroffener Stakeholder. Die Koordination der
Abläufe („Prozesse“) sowie alle aufbauorganisatorischen Regelungen („Struktur“)
schaffen die Voraussetzungen für eine optimale Zusammenarbeit der Beteiligten – hier
als strukturelle Kompetenz subsumiert. Schließlich ist eine kulturelle Prägung not-
wendig, die alle Mitarbeiter im Sinne der übergeordneten Zielsetzung ausrichtet.
Die Vermögenswerte einer Organisation können vielfältiger Natur sein, so z.B. die
finanziellen (z.B. Eigen-, Fremdkapital), die materiellen (z.B. Anlagen, Rohstoffe) oder
die immateriellen (z.B. Patente, Know-how). Je großzügiger die Ausstattung einer
Organisation mit diesen Vermögenswerten, umso leichter lassen sich die übergeordne-
ten Ziele erreichen.
319
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
5.2.1 Analyse der Ausgangssituation
Zu Beginn stellt sich die Frage, welche Bedeutung Projekte für eine Organisation (d.h.
ein Unternehmen, eine Unternehmenseinheit und so weiter) haben. Wie in Kapitel 2
ausgeführt, sind Projekte keine Routinevorgänge, sondern zeichnen sich durch eine
gewisse Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit aus. Dazu zählen einerseits
die Anforderungen und Projektziele sowie andererseits Rahmenbedingungen, wie z.B.
Termine, Budgets und Ressourcen. Schließlich können auch andere Faktoren darüber
entscheiden, ob ein Vorhaben als Projekt umgesetzt wird oder nicht. Die Komplexität
einer Aufgabenstellung (z.B. die Einführung eines Fahrzeugs auf einem neuen Markt),
die Neuartigkeit eines Themas (z.B. Entwicklung einer neuen Antriebstechnologie)
oder die Zusammenarbeit verschiedener Einheiten (z.B. die kooperative Entwicklung
einer Fahrzeugkomponente) kann eine Bearbeitung in Form von Projekten bedingen.
Dabei ist wichtig, dass nicht alles zum Projekt erklärt wird. Projektmanagement be-
deutet nämlich einen Koordinationsaufwand, der sich nicht für alle Aktivitäten lohnt.
Fertigt ein Zulieferer beispielsweise einfach Stanzteile nach einer Zeichnung, so kann
diese Arbeit auch als „Auftrag“ im Rahmen der üblichen Routine abgearbeitet werden.
Wird aber ein komplexerer Zusammenbau gefordert, oder übernimmt der Zulieferer
Entwicklungsarbeiten in enger Abstimmung mit dem Kunden, dann empfiehlt sich
sicherlich die Definition eines Projekts.
Der Anteil von Projekten an der Wertschöpfung von Unternehmen hat in den letzten
Jahren signifikant zugenommen. So zeigt eine aktuelle Studie, dass mittlerweile rund
ein Drittel aller Arbeitsabläufe in Unternehmen in Form von Projekten organisiert
sind, Tendenz weiter steigend. 248 Projekte findet man in den unterschiedlichsten
Funktionsbereichen, so z.B. in der IT, im Vertrieb, in der Forschung und Entwicklung
sowie der Produktion, also Bereichen, in denen innovatives Handeln, Flexibilität und
schnelle Reaktion auf neue, anspruchsvolle Aufgaben gefragt ist. Deshalb ist auch eine
differenzierte Betrachtung der Projekte notwendig.
Projekte können intern oder extern verursacht sein. Interne Projekte dienen z.B. der
Implementierung, der Veränderung bzw. der Verbesserung von Standards und Tools
(Projekte zur Einführung neuer IT-Systeme, zur Optimierung, Rationalisierung oder
kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen usw.), der Entwicklung neuer Produkte
und Technologien, oder der Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation. Diese
Projekte werden in der Regel von der Geschäftsführung initiiert und mit Hilfe einer
Stabsorganisation oder aus der Linienorganisation heraus koordiniert (vgl. 2.2.3). Bei
externen Projekten bildet dagegen die Anfrage des Kunden die Initialzündung für ein
Projekt. Je nach Komplexität der Aufgabenstellung können die Aufgaben der Projekt-
führung bzw. –koordination in einer reinen Projektorganisation, einer Matrixorganisa-
tion oder aus der Linienorganisation abgewickelt werden.
320
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.2
5.2.2 Abgrenzung des Betrachtungsbereichs
Die Analyse der Ausgangssituation liefert wertvolle Informationen darüber, wo in der
Organisation welche Projekte abgearbeitet werden. Damit lässt sich der Betrachtungs-
bereich für die weitergehende Analyse der Organisationalen Kompetenz definieren. Es
reicht für eine fundierte Analyse nicht aus, nur diejenigen Teile einer Organisation zu
betrachten, die unmittelbar mit der Projektabwicklung befasst sind. Mittelbar sind
nämlich in den meisten Fällen auch die Linienorganisation (Vertrieb, Entwicklung,
Fertigung etc.), die Stabsabteilungen (Personal, Einkauf etc.), die Geschäftsleitung und
externen Partnern in die Projektabwicklung einbezogen (vgl. Abbildung 5-2). Einer-
seits stellen diese Stakeholder (vgl. 2.4.3) Anforderungen an das Projekt bzw. das Pro-
jektmanagement, andererseits sollten diese über grundlegende Kompetenzen in der
Projektabwicklung verfügen.
Organisation Geschäfts-
führung
Personal Einkauf ...
PL 1
PL 2
Kunde
PL 3
PL 4
321
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
5.2.3 Projektmanagement-Assessment
Ein Assessment dient zur Analyse und Bewertung des Entwicklungstands, der Reife
bzw. der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement. Die Bewertung wird
nach bestimmten Kriterien und Bewertungsmaßstäben vorgenommen. 250 Das Asses-
sment orientiert sich an bestimmten Normen, Standards oder Referenzen, die sowohl
die Frage, was analysiert wird, als auch die Frage, wie analysiert wird, regeln. Neben
dem Begriff „Assessment“ gibt es noch eine Vielzahl weiterer Begriffe abhängig vom
Anwendungsbereich, so z.B. Audit, Appraisal, Rating, Diagnose oder Review. Sie
verfolgen eine ähnliche Zielsetzung und unterscheiden sich zumeist nur in Details von
einem Assessment.
322
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.2
Oberstes Ziel eines Projektmanagement-Assessments ist die Bestimmung des Status
quo, die Ergebnisse sollen der Organisation aufzeigen, wo sie im Projektmanagement
steht und was zu tun ist, um einen selbstgewählten SOLL-Zustand zu erreichen. Das
Assessment kann hierzu hilfreiche Hinweise liefern, die Umsetzung der Maßnahmen
ist allerdings kein Bestandteil des Assessments. Mit Hilfe eines Referenzmodells kann
auch der langfristige Handlungsbedarf einer Organisation bestimmt werden. Er dient
dem Top-Management dazu, Entscheidungen über die strategische Ausrichtung und
hierfür nötige Investitionen zu treffen. Best practices im Projektmanagement können
im Zuge der Untersuchungen ans Licht kommen, die den Verantwortlichen bisher
nicht bekannt waren und für ein Benchmarking nützlich sind. Dabei vergleicht die
Organisation die Daten einer Einheit mit denen einer anderen. Diese kann sowohl
intern als auch extern sein. Auch eine Zertifizierung im Projektmanagement wird mit
Hilfe eines externen Assessments möglich. Schließlich ist das Assessment Grundlage
für die systematische Weiterentwicklung einer Organisation im Projektmanagement.
Auf den Ergebnissen des Assessment können interne und / oder externe PM-Berater,
PM-Trainer und PM-Coaches aufsetzen und das Projektmanagement auf das ge-
wünschte Ziel hin verbessern. 252
In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Assessment-Ansätzen entwickelt worden,
die sich teilweise deutlich hinsichtlich Philosophie, Umfang und Aufwand unterschei-
den. Insbesondere die in Nord-Amerika entwickelten Ansätze orientieren sich fast
ausschließlich an den Prozessen einer Organisation und messen z.B. der Strategie oder
der Kultur wenig Bedeutung bei. Bekannte Assessment-Modelle, wie z.B. das Capabili-
ty Maturity Model Integrated (CMMI), sind nicht explizit für das Projektmanagement
entwickelt worden und fragen deshalb auch nur in einzelnen Aspekten nach Projekt-
management. Sie sind deshalb auch nur bedingt geeignet zur Analyse der Organisati-
onalen Kompetenz im Projektmanagement.
323
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Abbildung 5-4: Aufbau des IPMA Assessment of Organisations 254
Fremd-Assessment
Modul O („Organisation“)
Organisationale Kompetenz
im Projektmanagement
Selbst-Assessment
Der vor-Ort Besuch im Assessment dient dazu, die Ergebnisse des Selbst-Assessments
zu verifizieren und sich einen Einblick in das Projektmanagement zu verschaffen.
Zwei oder mehr Assessoren befragen dazu Geschäftsleitung, Führungskräfte, Projekt-
leiter, -mitarbeiter und für die Projektabwicklung notwendige Unterstützungskräfte
(z.B. Vertrieb, Einkauf und Personalentwicklung). Die Assessoren greifen dabei auf
einen umfangreichen Fragebogen zurück, der in Abbildung 3-4 als Modul O („Organi-
sation“) bezeichnet wird. Dieser Fragebogen deckt verschiedene Dimensionen der
Organisationalen Kompetenz ab (siehe Abbildung 5-5), von der Verankerung des Pro-
jektmanagements in der Strategie, über die Prozesse des Projekt-, Programm- und
Projektportfoliomanagements bis hin zum Kompetenzmanagement und den Kon-
textfaktoren. Dabei wird eine Frage immer von mehreren Perspektiven her beleuchtet.
Die Frage „Bietet die Organisation Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung
für Projektleiter und -mitarbeiter?“ wird demnach der Geschäftsleitung, ausgewählten
Projektleitern und –mitarbeitern sowie der Personalentwicklung gestellt, um heraus-
zufinden, welche Standards implementiert sind, wie diese tatsächlich umgesetzt wer-
den und welche Wirkung das auf die Betroffenen hat. Dabei werden stichprobenartig
Unterlagen und Dokumente geprüft, so z.B. im vorgenannten Fall Unterlagen über die
Projektlaufbahn, die Schulungsmaßnahmen und sonstige Personalentwick-
lungsmaßnahmen.
324
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.2
Abbildung 5-5: Dimensionen des IPMA Assessment of Organisations
Dimensions Areas
• Mission / Vision & Strategy
• Effectiveness & Efficiency
• Organisation
Governance • Culture
• Leadership & Communication
• Development
• PP&P decision making
• PP processes
• Portfolio processes
Processes • Integration & alignment
• Cooperation & contracting
• Reporting & documenting
• Personnel management
• HSSE, Finance, Legal
• Procurement & logistics
Context • System, products & technology
• Business
• Knowledge management
325
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Abbildung 5-6: Entwicklungspfad im Projektmanagement
Optimised
Optimised
There are fully defined PP&P
Managed
Managed standards, structures and processes
There are
There are fully
fully defined
defined PP&P
PP&P in place which are fully applied
standards, structures
standards, structures andand throughout the organisation, which
processes in
processes in place
place which
which are
are the Management actively controls and
fully applied
fully applied throughout
throughout the
the continuously improves.
Standardised
Standardised organisation, which
organisation, which the
the
There are
There are fully
fully defined
defined PP&P
PP&P Management actively
Management actively controls
controls
standards, structures
standards, structures and
and
processes in
processes in place
place which
which are
are
mostly applied
mostly applied throughout
throughout the
the
organisation
organisation
Defined
Defined
There are
There are partially
partially defined
defined
PP&P standards,
PP&P standards, structures
structures
and processes
and processes in in place
place which
which
are partially
are partially applied
applied inin the
the
organisation
organisation
Initialised
Initialised
The achievements
The achievements of of
Project Management
Project Management are are
at aa personal
at personal level.
level.
There are individuals who
perform well,
perform well, but
but PP&P
PP&P
performance is
performance is coincidental.
coincidental.
The organisation
The organisation has
has nono
formal PP&P
formal PP&P standards,
standards,
structures and
structures and processes
processes
in place
in place PP&P = Projekte, Programme und Projektportfolio
Erreicht die Organisation die Stufe 3 („Standardised“), dann verfügt sie schon über
eine gute Organisationale Kompetenz im Projektmanagement. Die Stufen 4 und 5
setzen eine enge Führung durch das Top-Managements voraus, die das Projektmana-
gementsystem mittels Kennzahlen planen, überwachen, steuern und kontinuierlich
weiterentwickeln.
Assessments sind „Schnappschüsse der Wirklichkeit“ und verlieren mit der Dauer
ihre Aussagekraft. Deshalb sollten in regelmäßigen Abständen Wiederholungs-
Assessments durchgeführt werden, um die Veränderungen aufzunehmen und den
weiteren Entwicklungsbedarf abzuleiten.
326
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
5.3 Ausgestaltung der Organisationalen PM-
Kompetenz
Die Ausgestaltung der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement ist ein
Projekt und sollte als solches auch realisiert werden. Initiiert wird das Projekt in der
Regel von der Geschäftsleitung, die den Handlungsbedarf erkennt und einen internen
(oder externen) Projektleiter mit der Aufgabe betraut.
Zu Beginn sollte der Auftrag genau hinterfragt werden. Folgende Fragen können u.a.
dem Projektleiter dabei helfen, die Ausgangssituation zu klären:
Diese und weitere Fragen helfen von Anfang an, Missverständnisse zu vermeiden und
eine klare Basis für den Projektleiter zu schaffen. Die Aussagen des Auftragsklärungs-
gesprächs sollte dokumentiert und die wichtigsten Rahmendaten in einem Projektauf-
trag fixiert werden.
327
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
5.3.1 Organisation und Planung
Im ersten Schritt bildet der Projektleiter ein (Kern-)Team aus Experten der Fach- und
Stabsabteilungen sowie dem Projektmanagement. Umfang und Zusammensetzung
des Teams wird von der Zielsetzung und der Komplexität des Projekts abhängen. Für
die Einführung einer Projektmanagement-Laufbahn sollten beispielsweise neben dem
Disziplinarvorgesetzten (z.B. Leiter Projektmanagement) je ein Vertreter der Personal-
abteilung und des Controllings sowie ausgewählte Projektmanager in das Projektteam
integriert werden. Gegebenenfalls ist auch ein Vertreter des Betriebsrats zu beteiligen,
da Laufbahnsysteme in bestimmten Bereichen die Mitbestimmung berühren. Bei der
Ausgestaltung von Prozessen, Methoden oder organisatorische Strukturen kann das
Projektteam auch noch um je einen Vertreter aus dem Qualitätsmanagement, der Or-
ganisationsentwicklung, der IT sowie dem Prozessmanagement erweitert werden. Je
umfassender also die Aufgabenstellung, umso größer kann das Projektteam werden.
Bevor das Team allerdings zu groß wird, sollte die Bildung von Teilprojektteams er-
wogen werden. Dies bietet sich z.B. auch bei einer verteilten Organisation an, die an
mehreren Standorten Projekte abwickelt. Jeder Standort sollte angemessen im Projekt
vertreten sein, sonst läuft der Projektleiter Gefahr, dass die Standorte ein Eigenleben
entwickeln und die Projektziele dadurch gefährdet werden.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Einbindung der Entscheider in die Organisation. Das
kann z.B. durch die Einrichtung eines Steuerkreises mit der Geschäftsführung, den
Linienvorgesetzten sowie Vertretern relevanter Stabsabteilungen geschehen (vgl. dazu
auch 3.2.3.2) oder die Nutzung schon existierender Steuerkreise auch für diese Art von
Projekten (Abbildung 5-7). Wichtig ist dabei, all diejenigen Organisationseinheiten mit
einzubinden, die von den Veränderungen betroffen sind, damit vermeidet man unnö-
tige Konflikte Reibungsverluste. Sind vom Gestaltungsprojekt auch externe Partner
betroffen (z.B. Kunden oder Lieferanten), so sollten diese selbstverständlich auch ein-
gebunden werden, gegebenenfalls durch die Gründung eines neuen Steuerkreises mit
externer Beteiligung.
In 2.4.11. wurde schon darauf hingewiesen, wie wichtig klare Absprachen zwischen
dem Auftraggeber (der Geschäftsführung) und dem Projektleiter sind. Auch in diesem
Fall sollten diese Absprachen in einem Dokument („Projektauftrag“) festgehalten
werden, das Ziele, Aufgabenstellung, erwünschte Ergebnisse, Voraussetzungen und
Projektorganisation regelt. In diesem Fall kommt es insbesondere darauf an, dass die
Rechte („Kompetenzen“) und Pflichten („Verantwortlichkeiten“) zwischen Projekteiter
und Steuerkreis klar abgestimmt sind, da es sonst schnell zu Konflikten kommen
kann. Zu den wichtigsten Kompetenzen zählen dabei insbesondere die Entscheidungs-
und Weisungsbefugnisse, Möglichkeiten zur Eskalation in Richtung Steuerkreis oder
Geschäftsführung sowie die Zuordnung von bestimmten Ressourcen (z.B. Schlüssel-
personal) für die Dauer des Projekts.
328
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Abbildung 5-7: Steuerkreis für Gestaltungsprojekt
Organisation Geschäfts-
führung
Personal Einkauf ...
PL 1
PL 2
Kunde
PL 3
PL 4
Auch wenn der Projektauftrag in dieser Phase voraussichtlich nur grobe Eckpunkte
beinhaltet, stellt er doch eine wichtige Grundlage für die Arbeitsbeziehungen und das
Vertrauen zwischen Auftraggeber und Projektleitung dar. Der Projektauftrag sollte in
diesem Fall auch Aussagen zu den Risiken, den Auswirkungen auf das Projekt sowie
möglichen Konsequenzen beinhalten.
Schließlich sollte ein Projektstartworkshop (vgl. 2.4.5) eingeplant werden, in dem der
Projektleiter das Kernteam über die wichtigsten Aspekte des Projekts informiert und
gemeinsam mit dem Team die (grobe) Planung erstellt. Inhalte der Planung können
z.B. die Abgrenzung der Projektergebnisstruktur (vgl. 2.4.7), die Projektstruktur mit
den Teilprojekten und Arbeitspaketen (vgl. 2.5.3), ein Meilenstein- und Terminplan
(vgl. 2.4.8 und 2.5.5) sowie einen Ressourcenbedarfs- und Kostenplan sein. Auf Basis
dieser Planung kann das Projektteam dann detailliertere Betrachtungen von Chancen
und Risiken vornehmen.
Dabei spielen bei der Veränderung von Aufbau- und Ablauforganisation oft vielfältige
Ängste der Beschäftigten und daraus resultierend Widerstände eine Rolle. Deshalb
sollte in der Planung auch die Kommunikation mit den Betroffenen berücksichtigt
werden. Einerseits erfordert diese Kommunikation Zeit und sollte deshalb großzügig
im Terminplan vorgesehen werden, andererseits ist bei Veränderungsprojekten über
das normale Maß an Kommunikation hinaus Projektmarketing zu betreiben.
329
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
5.3.2 Bestandsaufnahme und Standortbestimmung
Mit der Bestandsaufnahme und der Standortbestimmung wird ein differenziertes Bild
der Ausgangssituation im Projektmanagement gezeichnet, auf dem dann die nächsten
Schritte der Soll-Konzeption und Realisierungsplanung aufbauen. Dabei sollten die
Anforderungen diverser Anspruchsgruppen („Stakeholder“) möglichst vollständig
identifiziert und für die Ausgestaltung des Projektmanagements nutzbar gemacht
werden.
Gesellschaft
Natur
Technologie
Wirtschaft
Unternehmensumfeld
Wettbewerber Kapitalgeber
(Strategie, Prozesse, Struktur, Unternehmenskultur)
Projektkontext n
Projektkontext
(Auftraggeber/Anspruchsgruppen, Projektauftrag,
Risiken, weitere interne und externe Einflüsse)
Projekt
Kunden
Definition &
Steuerung Abschluß
Ressourcen Planung
Lieferanten
Produktentstehung Rollen des
Individuums
Interaktion
Rolle im
Ressourcen
Projekt Rollen im
Linienorganisation, Rolle(n) Privatleben
Tagesgeschäft in Linie
Staat Mitarbeitende
Anspruchsgruppen Öffentlichkeit
Umweltsphären des
des Unternehmens Unternehmens
330
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Die Anspruchsgruppen bzw. Anforderungen der externen Umwelt an die Projektarbeit
sind vielfältig. Die folgende Auflistung zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus den
Anspruchsgruppen und deren Anforderungen:
Damit wird deutlich, dass (wie schon in 1.2 ausgeführt) der Handlungsspielraum für
die Unternehmen der Automobilindustrie stark eingeschränkt wird und vor allem
Effektivität („Wirksamkeit“) und Effizienz („Wirtschaftlichkeit“) in der Projektabwick-
lung gefragt sind. Darüber hinaus stellen Kunden projektspezifische Anforderungen,
so z.B. den Einsatz des V-Modell XT bei der Entwicklung von elektronischen Systemen
mit der dazugehörigen Software unter Einsatz von Automotive SPICE (Software Process
Improvement and Capability Determination) geprüften Entwicklungsprozessen. Je nach
Einflussstärke der Anspruchsgruppen und projektspezifischen Besonderheiten (u.a.
Projektart, -umfang und -inhalt) nimmt der Druck auf die Organisation zu, das Pro-
jektmanagement auf diese Anforderungen auszurichten.
331
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Für das unternehmensinterne Umfeld ist demnach besonders wichtig, dass Strategie-
und Projektarbeit aufeinander abgestimmt, die Ziele gemäß Vorgaben erreicht und
wichtige Stakeholder (extern wie intern) zufriedengestellt werden. Natürlich spielen
hierbei auch Effektivität und Effizienz eine Rolle. Darüber hinaus sind aber auch Ent-
wicklungschancen für die Mitarbeiter sowie das Miteinander von Linie und Projekten
wichtig. Weitere Anforderungen können aus dem Managementsystem des Unterneh-
mens, der Risikopolitik, den Bilanzierungs- und Buchhaltungssystemen sowie der
Informations- und Kommunikationstechnologie erwachsen. Damit werden die vielfäl-
tigen Wechselwirkungen deutlich, die zwischen der Projektarbeit und dem unterneh-
mensinternen Umfeld bestehen.
332
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Abbildung 5-9: Beispiel: Ergebnisse eines PM-Quick-Checks
Die Analyse kann aber auch nur einzelne Bereiche abdecken, so z.B. die PM-Prozesse,
die organisatorische Strukturen in der Projektarbeit, die eingesetzten PM-Methoden
und Tools, die Kommunikation und Kooperation sowie die Projektkultur. 256 Auf die
zahlreichen Analysewerkzeuge und –methoden kann an dieser Stelle nicht weiter
eingegangen werden, in der einschlägigen Literatur 257 finden sich hier wertvolle
Hinweise.
Die Ergebnisse aus Bestandsaufnahme und Standortbestimmung als Basis für die Soll-
Konzeption. Sie zeigen (selbst)kritisch Stärken und Schwächen im Projektmanagement
sowie den Verbesserungsbedarf auf. Die identifizierten „best practices“ können für die
weitere Ausgestaltung des Projektmanagements genutzt werden.
333
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Bei der Erarbeitung der Soll-Konzeption kommt es darauf an, das vorhandene Know-
how der Organisation zu nutzen und möglichst viele Mitarbeiter zu beteiligen. Die
Implementierung neuer Lösungen scheitert nämlich oft an dem „not invented here“
Syndrom, d.h. die Mitarbeiter identifizieren sich nicht mit den neuen Lösungen bzw.
lehnen diese sogar ab. Das Veränderungsprojekt wird erfolgreich sein, wenn die Mit-
arbeiter möglichst früh in den Veränderungsprozess eingebunden werden, wenn sie
den Sinn und den Nutzen für die Organisation und sich selbst verstehen, und wenn
ihre Rolle als Experten durch die Beteiligung anerkannt wird. Welche Mitarbeiter in
welcher Phase des Projekts mit welcher Rolle eingebunden werden hängt sicherlich
von der Analyse der Ausgangssituation, der Abgrenzung des Betrachtungsbereichs,
dem Themenbereich sowie den Ergebnissen der Standortbestimmung ab.
Unternehmenssicht Projektsicht
Wettbewerbsvorteile, Fähigkeiten Projekterfolg (Zeit, Kosten, Umfang)
Top Management Projekt-/Programmleiter
Formierung, „evolutionär“ Implementierung, „linear“
Unpräzise, oft informelle „Handwerk“,
strategische Prozesse Ingenieurwissenschaften
Balance zwischen Stabilität und Veränderung
Wandel
334
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Die Strategie einer Organisation orientiert sich an den Anforderungen des externen
Umfeldes und gibt eine „Marschrichtung“ für die anderen Funktionsbereiche vor. Die
Aufgabenstellung des Strategischen Managements ist vielfältig und kann wie folgt
definiert werden: „Das Strategische Management befasst sich mit der zielorientierten
Gestaltung unter strategischen, das heißt langfristigen, globalen, umweltbezogenen
und entwicklungsorientierten Aspekten. Es umfasst die Gestaltung und gegenseitige
Abstimmung von Planung, Kontrolle, Information, Organisation, Unternehmenskultur
und Strategischen Leistungspotenzialen.“ 259
Das Projektmanagement ist dagegen eher mit der operativen Umsetzung der strategi-
schen Vorgaben beschäftigt. Projektarbeit und Projektmanagement werden aber in
diesem Sinne in einen weiteren Kontext eingebunden. Projekte hängen von der Strate-
gie ab, werden ausgelöst durch strategische Entscheidungen (z.B. Markteinführung
eines neuen Fahrzeuges) und helfen, den „Strategischen Fit“ zwischen der Umwelt
einer Organisation und deren langfristigen Ausrichtung herzustellen (vgl. Abbildung
5-11). Die Rolle des Projektmanagements wandelt sich dabei vom „Management von
Projekten“, bei dem der Fokus auf der effizienten Abwicklung einzelner Projekte liegt,
über das „Management durch Projekte“, bei dem eine Vielzahl von Projekten im Zu-
sammenhang mit der strategischen Ausrichtung gesehen und entsprechend gesteuert
wird, hin zu einem projektorientierten Unternehmen, bei dem Projekte als „Kernge-
schäft“ und Projektmanagement als Führungskonzeption zur Steuerung des Unter-
nehmens gesehen werden. 260
335
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Abbildung 5-11: Strategischer Fit des Projektmanagements 261
Umfeldbedingungen
• Globalisierung bei Fit ! Wettbewerbsstrategische
Ausrichtung
gleichzeitiger Wahrung • Globaler Anbieter
lokaler Zusammenhänge • Lokale Markt- und Kunden-
• Weltweite Verteilung von ausrichtung
Expertenwissen • Technologieführer
• Kürzere Technologie- • Hohes Kostenbewußtsein
lebenszyklen • Management flexibler Netzwerke
• Erhöhte wirtschaftliche Dynamik • Systemanbieter und
durch wechselseitige Systemintegrator
Vernetzung der
Volkswirtschafen
Hilfreich für die Verzahnung ist auch eine Abstimmung der verwendeten Methoden,
so kann zum Beispiel die auf strategischer Ebene gebräuchliche Balanced Scorecard
auch für die Projektarbeit nutzbar gemacht werden. Die Ziele können so top-down –
von der Strategie über das Portfolio auf Projekte – aufeinander abgestimmt und im
Gegenzug die Ergebnisse bottom-up verdichtet werden (vgl. Abbildung 5-12).
Bei der kulturellen Zusammenführung von Strategie- und Projektarbeit geht es um die
Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses, dass (strategische) Planung und (opera-
tive) Umsetzung zwei Seiten einer einzigen Medaille sind und dementsprechend zu-
sammen gehören. Durch die funktionale Auftrennung in das strategische Management
und das operative Projektmanagement haben sich nämlich Subkulturen gebildet, die
nur mit Hilfe eines intensiven Dialogs zwischen den Beteiligten, durch die Erzeugung
einer gemeinsamen Vision und die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache wieder
zusammengeführt werden können.
336
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Abbildung 5-12: Verzahnung von Strategie und Projekten über die Balanced Scorecard
Viele Organisationen sind heute stark durch die Projektarbeit geprägt. Dennoch finden
sich nur selten Aussagen zum Projektmanagement in der Vision, der Mission bzw.
dem Leitbild. Damit vergibt die Organisation die Chance, die strategische Ausrichtung
des Projektmanagements für interne wie externe Beteiligte (Kunden, Lieferanten, etc.)
herauszustreichen.
Mit Vision, Mission und Leitbildern formuliert das Top-Management, wie sie sich die
Zukunft der Organisation vorstellt und zeigt damit den Beteiligten die Richtung auf.
Die Vision ist ein Idealbild der Organisation. Sie ist eher langfristig ausgerichtet und
deshalb in der Regel eher bildhaft vage. Das Management zeigt damit auf, wohin sich
die Organisation zukünftig entwickeln soll. Die Mission beschreibt dagegen die Auf-
gabenstellung der Organisation und fokussiert die einzelnen Aktivitäten auf ein ge-
meinsames Ziel hin. Das Leitbild einer Organisation fasst wichtige Werthaltungen,
Ansichten und Führungsgrundsätze zusammen. Vision, Mission und Leitbilder entfal-
ten sowohl außerhalb der Organisation also auch intern ihre Wirkung. So prägen sie
beispielsweise das Image einer Organisation am Markt: Kunden können erkennen,
dass die Organisation projektorientiert ist und professioneller Projektabwicklung
großen Wert beimisst, Lieferanten können erkennen, dass sie sich ebenfalls um ihr
Projektmanagement kümmern müssen, wenn sie für diese Organisation arbeiten wol-
len und für Bewerber ist erkennbar, dass die Organisation interessante Aufgaben in
Form von Projekten bietet. All das transportiert ein positives Image am Markt. Intern
schaffen Vision, Mission und Leitbild Klarheit bezüglich der angestrebten Ziele und
motiviert die Mitarbeiter, diese Ziele mit aller Kraft zu erreichen. Für das Management
selbst stellen Vision, Mission und Leitbilder Vorgaben für die Strategieentwicklung
und für wichtige Entscheidungen dar.
337
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
5.3.3.2 Synchronisation der Prozesslandschaft
Wenn man die Automobilindustrie mit anderen Branchen vergleicht (z.B. mit der
Schienenfahrzeug- oder der Luft- und Raumfahrtindustrie), dann sticht insbesondere
die hohe Stückzahl in der Automobilindustrie hervor. Diese sind auch der Grund,
warum die auf Wiederholvorgänge ausgelegten Prozesse in der Automobilindustrie so
wichtig sind - oft wichtiger als das auf Einmaligkeit ausgelegte Projektmanagement.
Die Prozessorientierung ist ein genereller Trend in der Industrie. Hohe Anforderungen
an die Flexibilität der Arbeitswelt haben deshalb bei vielen Organisationen die Abkehr
von herkömmlichen, starren Strukturen eingeläutet und die Hinwendung zu einer
ganzheitlichen, an Prozessen orientierten Sichtweise herbeigeführt. Die Einführung
von Managementsystemen auf Basis der DIN EN ISO 9000 hat darüber hinaus zur
Verbreitung der Prozessorientierung in Organisationen beigetragen. Prozesse und ihre
Vorteile werden dort wie folgt beschrieben: „Jede Tätigkeit oder jeder Satz von Tätig-
keiten, die beziehungsweise der Ressourcen verwendet, um Eingaben in Ergebnisse
umzuwandeln, kann als Prozess angesehen werden… Ein erwünschtes Ergebnis lässt
sich effizienter erreichen, wenn Tätigkeiten und dazugehörige Ressourcen als Prozess
geleitet und gelenkt werden.“ 262
338
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Abbildung 5-13: Prozessmodell der DIN 69901-2
Die Gestaltungsaufgabe besteht nun darin, die für eine effiziente Projektabwicklung
notwendigen Projektmanagement-Prozesse zu modellieren (z.B. auf Basis des umfang-
reichen Prozessmodells der DIN 69901-2) und anschließend möglichst optimal auf die
gesamte Prozesslandschaft abzustimmen. So ist für die Koordination arbeitsteiliger
Prozesse die Synchronisation der Projektmanagement-Prozesse mit den Führungs-
Prozessen (z.B. über Freigaben oder Entscheidungspunkte) sowie den Unterstützungs-
und Wertschöpfungs-Prozessen (z.B. über Meilensteine, Quality Gates oder Synchro-
nisationspunkte) nötig (vgl. 2.4.8). Anschließend sollten auch noch die Prozesse in
Richtung externer Partner synchronisiert werden (vgl. 4.5.1).
339
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Arbeitsteilige Prozesse erfordern klare Regeln in Bezug auf die Aufgaben, Befugnisse
und Verantwortlichkeiten der Beteiligten. Sonst kommt es unweigerlich zu Reibungs-
verlusten. Projekte sind zeitlich befristete, temporäre Organisationsformen, die in
besonderem Maße mit den permanenten Teilen der Organisation abgestimmt werden
müssen.
In der Praxis findet man je nach organisatorischer Komplexität und Reife – unter-
schiedlichste Formen der Arbeitsorganisation vor. Erwähnenswert sind die formalen
Formen der Aufbauorganisation – wie zum Beispiel die Stabs-Projektorganisation, die
matrixförmige und die reine Projektorganisation (vgl. 2.2.3), übergeordnete Steue-
rungsgremien sowie Spezialformen wie das Projekthaus, das Project Office und das
Projektmanagement-Office (vgl. 3.2.2). Die Vernetzung mit externen Partnern erhöht
die organisatorische Komplexität und erfordert zusätzliche organisatorische Vorkeh-
rungen (vgl. 4.2). Das Organigramm ist der Versuch, die Aufbauorganisation grafisch
abzubilden (vgl. 2.2.2), allzu oft sind die horizontalen und vertikalen Abhängigkeiten
so verschachtelt, dass visuelle Darstellungsformen schnell an ihre Grenzen stoßen.
340
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Abbildung 5-14: Die drei Ebenen der Unternehmenskultur 265
Sichtbare Organisations-
Artefakte strukturen und –prozesse
(schwer zu entschlüsseln)
Durch die Arbeit in und mit Projekten entwickelt sich eine projektspezifische Kultur.
Diese wird vor allem von der zeitlichen Begrenzung der Projekte geprägt („temporäre
Projektorganisation“). Das Projektteam bearbeitet eine „einmalige“ Aufgabenstellung
in einem vorgegebenen Zeitrahmen. In der Linie („permanente Organisation“) werden
dagegen Routineaufgaben erledigt, die auf Kontinuität und Wiederholung setzen.
Projekte werden deshalb oft als Störgröße erlebt. Sie stören die Kontinuität, bringen
„Unruhe“ in die Organisation und unterbrechen „althergebrachte“ Abläufe. Darüber
hinaus versucht die Linie, Risiken möglichst zu vermeiden. Zu diesem Zweck werden
Regelungen wie z.B. Verfahrensanweisungen, Handbücher und Formblätter einge-
führt. In Projekten gehören Risiken dagegen zum Alltag, Risiken werden als etwas
Normales betrachtet und entsprechen behandelt. Ähnliche Unterschiede existieren im
Umgang mit Veränderungen und Dynamik. Die Linie ist mit ihren Strukturen und
Abläufen eher auf Stabilität und Beständigkeit ausgerichtet, wohingegen sich Projekte
allein schon durch ihre Aufgabenstellung durch eine hohe Veränderlichkeit auszeich-
nen. Die jeweiligen Mitarbeiter stellen sich mit ihrem Denken und Handeln darauf ein.
341
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Aber auch bei der Zusammenarbeit im Inneren gibt es Unterschiede. So setzt Führung
in der Linie auf geregelte Unterstellungsverhältnisse und Macht, wohingegen die
Projektleiter weitgehend ohne Macht (d.h. disziplinarer Macht) führen. Deshalb wird
in Projekten auch verstärkt auf Selbstorganisation und Teamwork gesetzt. Tabelle 5-1
fasst die wichtigsten Unterschiede der beiden Kulturen noch einmal zusammen.
Projekt Linie
temporär permanent
einmalig wiederholend
riskant sicher
veränderlich stabil
offen geschlossen
flexibel starr
selbstorganisiert hierarchisch
342
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Die Verfahren decken unterschiedliche Annahmen und Sichtweisen in den Subkultu-
ren auf und erleichtern die Aufgabe für Management und „Kulturschaffende“ (z.B.
Organisations- und Personalentwicklung), kulturelle Unterschiede erklärbar zu ma-
chen und im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung aufeinander abzustimmen. So
kann beispielsweise das Bild von Linienmanager bezüglich der Projekte („stören“ die
Routine und Ordnung der Linie) in den Gesamtkontext der Organisation eingeordnet
werden. Auf der anderen Seite sehen Projektmanager und ihre Teams die Linie oft als
Hüter der Ordnung, die den Erfolg im Projekt zu „verhindern“ suchen, um ungestört
ihren eigenen Geschäften nachgehen zu können, obwohl die Linie doch wichtiger
Know-how- und Ressourcenlieferant für das Projekt ist.
Es gilt also beide Sichtweisen im Sinne einer „projektfreundlichen Kultur“ in der Ge-
samtorganisation zu verankern. Dabei sollte oberstes Ziel sein, wichtige Vorhaben im
Rahmen der vereinbarten Termine, Kosten und Qualitätsanforderungen zum Wohle
der gesamten Organisation realisieren zu können.
In jedem Veränderungsprozess spielen auch Werte und Rituale eine Rolle, sei es,
Werte bewusst zu machen oder neue Werte in den Mittelpunkt zu stellen, sei es,
Veränderungen durch Rituale zu stützen
343
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Veränderung einer komplexen Organisation bedeutet in der Regel Unterbrechung
von Regelkreisen: Regelkreise stabilisieren soziale Systeme und stehen damit Ver-
änderungen entgegen. Veränderung einer Organisation schließt damit die Verän-
derung von Regelkreisen ein: neue Lösungen zu finden und umzusetzen, die die
bisherigen Muster unterbrechen
Veränderung einer komplexen Organisation betrifft immer auch die Beziehung zur
Systemumwelt: Dazu gehören mögliche räumliche und technische Veränderungen
PM-Kultur
18. PM-Anwendung....
17. PM-Trainings, -Coaching....
16. PM-Assessments
15. KickOff/PR für Rollout
14. PM-Geschäftsprozess dokumentieren
13. PM-Office/Projektcontrolling installieren
12. PM-Karriere verankern
11. Lenkungsausschuss f. Projekte einrichten
10. PM-Tafelrunde einrichten
9. Abstimmung Spielregeln
8. Entwicklung PM-Handbuch PM-(Pilot-)
7. Lastenheft Anwendung
6. Coaching Pilotprojekte
5. Stakeholder KickOff
4. Basisworkshops
3. Projektteam
2. Umsetzungskonzept PM-Regelwerk, Prozesse, Methoden, Werkzeuge
1. Analyse
344
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Der Veränderungsprozess sollte zunächst als Projekt aufgesetzt werden, allerdings ist
darauf zu achten, dass nach Abschluss des Projekts ein Mitarbeiter für die Nachbe-
treuung zur Verfügung steht und ggf. weitere Veränderungen vornimmt. Dies ist auch
eine wichtige Frage bei der Klärung der Verantwortlichkeiten für die Realisierung des
Veränderungsprojekts. Soll das Projekt von einem externen Berater durchgeführt wer-
den, oder mit internen Ressourcen? Für einen externen Berater sprechen die Unbefan-
genheit des Externen, das Einbringen neuer Ideen und Ansätze sowie die Entlastung
eigener Ressourcen. Die Kehrseite der Medaille sind möglicherweise hohe Kosten,
unangepasste Lösungsansätze mit Abwehrreaktionen bei den Betroffenen sowie die
fehlende Nachbetreuung.
345
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Nach Auftragsklärung (vgl. 2.4.3), Teambildung (vgl. 2.3.1) und Projektstartworkshop
(vgl. 2.4.5) geht es an die Planung und Abstimmung des Umsetzungskonzepts. Ab-
hängig von der Komplexität der Gestaltungsaufgabe können dabei vielfältige Inter-
ventionen, Unterstützungsleistungen (u.a. Consulting, Coaching oder Training) und
Kommunikationsformen zum Einsatz kommen (vgl. Abbildung 5-16).
definieren
Projekte
Internes Coaching
Externes Coaching
PM-Prozess
Umsetzungs-
konzept
Die Implementierung sollte eng mit dem Top-Management abgestimmt werden. Dazu
bietet sich die Einrichtung eines Steuerkreises an (siehe auch 3.2.3.2 und 5.3.1). Dieser
beauftragt den Projektleiter, trifft Entscheidungen, unterstützt den Projektleiter mit
Rat und Tat und nimmt zum Schluß das Projekt ab. Der Projektleiter berichtet regel-
mäßig über den Projektfortschritt und eskaliert gegebenenfalls Konflikte und Proble-
me in den Steuerkreis. Der Steuerkreis kann insbesondere die Interessen des Projekts
in der Linie durchsetzen, falls das Projektteam hier an seine Grenzen stößt. Allerdings
sollte dieses Machtmittel nur in letzter Konsequenz zum Einsatz kommen, sonst sind
Widerstände und Konflikte vorprogrammiert.
Schon vor Beginn der Implementierung sollte das Top-Management klare Erwartun-
gen hinsichtlich der Ergebnisse formulieren: Was soll nach der Implementierung er-
reicht sein? Woran kann die Organisation den Erfolg erkennen? Mit welchen Kriterien
können die Ergebnisse überprüft werden? Welche Abbruchkriterien gelten, sollte die
Implementierung nicht erfolgreich verlaufen? Die Erfolgskontrolle findet dann zum
Abschluss der Implementierung mit Hilfe definierter Kriterien statt. Schließlich sind
noch Abschlussaktivitäten einschließlich einer Erfahrungssicherung durchzuführen.
346
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.4
5.4 Kontinuierliche Verbesserung der
Organisationalen PM-Kompetenz
Allzu oft geschieht nach der Einführung oder Anpassung des Projektmanagements
nichts mehr – trotz steigender Anforderungen an das Projektmanagement. So zeigt die
aktuelle Umfrage der GPM-Fachgruppe „Automotive-PM“ sehr deutlich, dass nur bei
einem Viertel der befragten Unternehmen der Reifegrad im Projektmanagement re-
gelmäßig überprüft, kontinuierliche Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt und abge-
schlossenen Projekten gelernt wird. Als Gründe hierfür werden u.a. fehlende Zeit für
die Umsetzung von Verbesserungsaktivitäten, andere Prioritäten im Tagesgeschäft,
Angst vor Transparenz bzw. vor der Offenlegung von Schwächen und mangelhafte
Nutzung des in Projekten generierten Wissens angeführt. Dabei besteht ein direkter
Zusammenhang zwischen der Effektivität des Projektwissensmanagement und dem
Projekterfolg: 270 „Unternehmen, die hohe Aktivitäten im Projektwissensmanagement
aufweisen, erzielen signifikant höhere Erfolge bei der Durchführung von Projekten.“
Zur Verbesserung der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement können
drei Arten von Wissen genutzt werden: Wissen im Projekt, Wissen über Projekte und
Wissen aus Projekten (vgl. Abbildung 5-17).
Allokation/
Anwendung
Projektwissensbasis
Wissen aus Projekten Wissen im Projekt Wissen über Projekte
ex post aktuell aktuell
347
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Die drei aufgezeigten Wissensarten stellen also zentrale Hebel zur Verbesserung dar.
Dazu ist es aber nötig, dass das Top-Management zuerst eine Strategie und Ziele für
den Umgang und die Nutzung von Wissen in, über und aus Projekten definiert und
kommuniziert. Beispielsweise welches Wissen besonders wichtig für die Organisation
ist (u.a. Markt-, Kunden, Produkt- oder Prozesswissen), wann, wie, welches Wissen
gesammelt und aufbereitet wird, wie dieses Wissen für die Verbesserung des Projekt-
managements genutzt werden soll und wer dafür verantwortlich ist. Das Top-
Management sollte eine zentrale Stelle einrichten, die alle Aktivitäten im Projektwis-
sensmanagement plant und steuert, z.B. das Projektmanagement-Office, eine Person
aus dem Projekt-, Qualitäts- oder Wissensmanagement bzw. eine Stabs- oder Linien-
funktion.
348
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.4
5.4.1 Wissen in Projekten zur Verbesserung nutzen
In Projekten wird auf vielfältige Weise Wissen erworben. Bei „Wissen in Projekten“
handelt sich um aktuelles, tätigkeitsbezogenes Wissen aus eine operativ-ausführenden
Perspektive, das einerseits in der Projektarbeit selbst, und andererseits auch für die
kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen Kompetenz genutzt werden kann.
Das gemeinsame Projektziel begünstigt das kooperative Lernen und fokussiert die
Lernaktivitäten auf dieses Ziel hin
Die weitgehende Autonomie und relativ große Freiräume von Projektteams unter-
stützen Innovation und Kreativität
Wie kann nun die Organisation das „Wissen in Projekten“ nutzen? Projekte können
bewusst initiiert werden, um spezielle Aufgabenstellungen bzw. Probleme zu lösen
und die oben dargestellten Potenziale auszunutzen. Darüber hinaus können Projekte
als kreatives Lernfeld zur Entwicklung innovativer Lösungsansätze dienen – eine
Form des „learning on the job“. Durch eine geschickte Durchmischung des Projekt-
teams mit erfahrenen und unerfahrenen Mitarbeitern kann Personalentwicklung auf
Basis konkreter Projektarbeit („erfahrungsbasiert“) erfolgen. Abhängig vom Reifegrad
der Organisation können Projekte auch als Experimentierfeld zur Entwicklung bzw.
Erprobung neuer Prozesse, Strukturen, Methoden und Tools genutzt werden.
349
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Das in 5.2.3 vorgestellte Assessment ist eine Möglichkeit zur Bestimmung des Status-
quo im Projektmanagement und zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen. Je
nach Wissenszielen und –strategie können einzelne Bereich besonders intensiv be-
leuchtet werden, so z.B. die Aufbau- oder die Ablauforganisation. Besonders nützlich
ist die Identifikation von „best practices“ in der Organisation. Diese sind sowohl als
Referenz für externe Kunden wie auch für interne Verbesserungsaktivitäten hilfreich.
So können Vertreter aus dem Bereich der „best practice“ andere Bereiche bei der Ver-
besserung des Projektmanagements unterstützen. Diese werden aufgrund des Praxis-
bezugs eine viel höhere Akzeptanz genießen als Stabsmitarbeiter oder externe Berater.
Best practices können auch für Schulungszwecke genutzt werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Erhebung von Wissen über Projekte ist die Methode des
„Benchmarking“, ein „Prozess des (ständigen) Vergleichens und Messens der eigenen
Organisation oder bestimmter (komplexer) Prozesse mit weltweit führenden anderen
Organisationen oder Prozessen mit dem Ziel, die eigene Leistungsfähigkeit kontinu-
ierlich zu verbessern.“ 274 Dazu ist wie beim Projektmanagement-Assessment ein
Referenzmodell notwendig, mit dem beide Organisationen bzw. Organisationseinhei-
ten verglichen werden. Aus den Unterschieden werden dann Erkenntnisse über den
Verbesserungsbedarf abgeleitet. Schließlich kann auch durch die Verdichtung verfüg-
barer Messgrößen und –werte im Multiprojekt- bzw. Projektportfoliocontrolling (vgl.
3.4.4) die Performance im Projektmanagement analysiert und verbessert werden.
In vielen Unternehmen ist der Begriff „Lessons learned“ für die Aufbereitung des
Wissens aus Projekten bekannt. Nur selten wird darunter aber verstanden, dass eine
konkrete Liste von Maßnahmen (wer macht was, womit bis wann und mit welchem
Ergebnis?) erstellt und an den internen Auftraggeber oder die oben angesprochene
zentrale Stelle zur Erledigung weitergegeben wird. Der Projektleiter und sein Team
stehen in der Regel für die Umsetzung der „Lessons learned“ nicht mehr zur Verfü-
gung, deshalb muss jemand aus der permanenten Organisation dafür verantwortlich
gemacht werden.
350
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.4
Doch warum das Wissen erst am Ende eines Projektes sammeln und auswerten? Bei
lang andauernden Projekten ist vieles schon wieder vergessen, was im Projektverlauf
passiert ist. Deshalb sollte das Wissen nicht nur in der Abschlussphase gesammelt und
aufbereitet werden, sondern über den gesamten Projektverlauf hinweg. So eignen sich
z.B. Statusbesprechungen dazu, das bis dahin gesammelte Wissen aufzubereiten, Ver-
besserungspotenziale zu identifizieren und konkrete Maßnahmen anzustoßen bzw.
umzusetzen. Dazu reichen oft zehn Minuten auf der Agenda einer Statusbesprechung.
Eine Möglichkeit zur Durchführung des Audits bietet das „Project Excellence Model“
der GPM. In den Audits wird nach der Anwendung von Projektmanagement und nach
den erzielten Projektergebnissen gefragt. Die Projekte müssen deshalb abgeschlossen
sein bzw. kurz vor dem Abschluss stehen. In beiden Bereichen können jeweils 500
Punkte erreicht werden. Das ausführliche Audit mit mehreren Stufen ermöglicht eine
kritische Analyse eines einzelnen Projekts aus neutraler Sicht. Die Ergebnisse fließen
dann in die Verbesserung des Projektmanagements ein (vgl. Abbildung 5-18).
351
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5
Abbildung 5-18: Project Excellence Model 275
Ziel- Ziel-
MItarbeiter Prozesse
orientierung Mitarbeiterzufriedenheit (80) erreichung
(70) (140)
(140) (180)
275 www.gpm-ipma.de
352
6 Fazit und Ausblick
Was sind die Gründe für den noch unzureichenden Reifegrad des Projektmanage-
ments in der Automobilindustrie? Einige lassen sich aus unserer Erfahrung anführen,
andere sicherlich noch weiter ergänzen:
Vielleicht konnte sich die Branche diese Versäumnisse bzw. Defizite bis heute noch
leisten. Die Herausforderungen der kommenden Jahre werden den Unternehmen
schnell deutlich machen, dass nur die konsequente Umsetzung des hier Behandelten
sowie die stetige Weiterentwicklung des Erreichten das Überleben in der global kon-
kurrierenden Welt der Automobilindustrie ermöglichen werden.
353
G. Hab, R. Wagner, Projektmanagement in der Automobilindustrie,
DOI 10.1007/978-3-8349-4369-9_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013
Fazit und Ausblick
6
6.1 Mit Projektorientierung und
professionellem Projektmanagement zum
Erfolg
Die Automobilindustrie ist heute immer noch stark von Spezialisierung, Taylorisie-
rung und hierarchischem Denken geprägt, anstatt sich auf die rasanten Veränderun-
gen der Gegenwart einzustellen. Mehr als hundert Jahre nach der Erfindung des Au-
tomobils, im Zeitalter der flexiblen Fertigung von immer neuen kundenspezifischen
Fahrzeugvarianten, kommt der Projektorientierung immer stärkere Bedeutung zu.
Dabei werden sogar Tugenden frühindustrieller Kleinbetriebe in der Herstellung von
Automobilen wieder in Erinnerung gerufen: Der Kunde eines solchen Automobils war
damals im direkten Kontakt mit dem „handwerklichen“ Betrieb und konnte den ge-
samten Werdegang „seines Autos“ mit verfolgen. Der Produktionsprozess war unmit-
telbar auf den Kunden ausgerichtet und hatte damit einen starken Projektcharakter. 278
Schon 1982 haben Peters und Waterman in ihrem Bestseller „In Search of
Excellence“279 die Abkehr von den tayloristischen Prinzipien und die konsequente
Ausrichtung aller Geschäftsprozesse auf den Kundennutzen propagiert und damit der
Projektorientierung den Weg bereitet. Die Veränderungen lassen sich wie folgt auf den
Punkt bringen: „Projekte und Projektmanagement sind richtige Antworten der Unter-
nehmen ... auf die Dynamik und die Veränderungen in ihrer Aufgabenumwelt. Die
Fähigkeit zur effektiven Steuerung und Kontrolle von Neuerungsprozessen in der
Qualität von »Quantensprüngen« und ihren Reaktionen darauf mittels Projekten und
Projektmanagement ist kurzfristig für den Erfolg und langfristig für das Bestehen von
Organisationen umso entscheidender, je vielschichtiger und dynamischer der Wandel
abläuft. Diejenigen Organisationen, die diese Fähigkeiten als eine der ersten entfalten,
somit das schnellste »organisationale Lernen« verwirklichen, werden die erfolgreichs-
ten Unternehmen im globalen Wettbewerb sein.“ 280
Ist es nicht genau das, was alle Unternehmen wollen: erfolgreich im globalen Wettbe-
werb sein, sich einen Vorsprung sichern und damit die Grundlage für langfristiges
Überleben in einer von Übernahmen geprägten Branche zu legen?
354
Mit Projektorientierung und professionellem Projektmanagement zum Erfolg
6.1
Übertragen wir diese Gedanken auf den bekannten Slogan eines Automobilherstellers,
dann lautet die einprägsame Formel: „Vorsprung durch Projektmanagement!“
Wenn die Automobilindustrie so weiterarbeitet wie bisher, wird sie die kommenden
Herausforderungen nicht meistern! Deshalb ist eine wirksame Neuausrichtung der
Unternehmen im Sinne der Projektorientierung jetzt dringend nötig. Angefangen bei
der Strategie, in der die klare Ausrichtung an der Projektarbeit zentral verankert ist
und den Prozessen, die sich nicht so sehr der fachlichen Wertschöpfung widmen,
sondern die Projektmanagementprozesse deutlicher hervorheben, eventuell sogar
priorisieren. Dann gilt es natürlich auch die organisatorischen Strukturen innerhalb
des Unternehmens sowie in Richtung der Kunden und Lieferanten an die Bedürfnisse
des Projektmanagements anzupassen. Schließlich muss die Unternehmenskultur in
der von uns an verschiedenen Stellen aufgezeigten Weise beeinflusst werden, so dass
die Projektarbeit in einem positiven internen Klima und auch nach außen ohne größe-
re Komplikationen erfolgen kann.
Insgesamt gilt es also, den Stellenwert der Projektarbeit in den Unternehmen der Au-
tomobilindustrie deutlich zu erhöhen und dem Projektmanagement eine wesentlich
zentralere Funktion zuzuweisen, als dies bislang der Fall ist. Ein Beispiel ist die Positi-
onierung des Projektleiters im Unternehmen sowie entsprechende Kompetenzen und
Entwicklungsmöglichkeiten (Karrierepfade). Uns ist bewusst, dass nicht alle Bereiche
der Unternehmen von der Projektarbeit dominiert werden und dort noch immer fach-
liche „Routinearbeiten“ zu erledigen sind. Dies ändert aber nichts an der grundlegen-
den Aussage, dass wir einen klaren Wandel hin zum projektorientierten Unternehmen
brauchen.
Wir haben in den zentralen Teilen unseres Buches die grundlegenden Aspekte des
Single-, Multi- und des Cross-Company-Collaboration-Projektmanagements aufge-
zeigt. Diese gilt es nun konsequent umzusetzen und als professionellen Standard in
den Unternehmen zu etablieren. Nur wer dies schafft, wird für die kommenden Her-
ausforderungen in der Automobilindustrie genügend vorbereitet sein.
Darüber hinaus fragen wir uns, wie lange es sich die Automobilindustrie in Deutsch-
land noch leisten kann, ohne klare PM-Standards - vergleichbar mit denen im Quali-
tätsmanagement - auszukommen. Gerade im internationalen Wettbewerb würde es
der Branche in Deutschland gut anstehen, sich im Rahmen des VDA oder auf einer
anderen Ebene zu treffen und einen Dialog über die wichtigsten Standards im Auto-
motive-Projektmanagement zu beginnen. Vielleicht können sich die deutschen Unter-
nehmen damit einen weiteren Vorteil sichern, den sie sich bereits auf Seiten der tech-
nologischen Innovationsfähigkeit erworben haben.
355
Fazit und Ausblick
6
6.2 Zukünftige Herausforderungen
Zum Schluss möchten wir es nicht versäumen, noch einen Blick in die Zukunft zu
werfen und die wichtigsten Trends mit ihren Auswirkungen auf das Projektmanage-
ment zu beleuchten. Denn eines ist sicher: die heute schon hohen Anforderungen an
die Unternehmen der Branche werden weiter zunehmen, auch wenn nicht genau klar
ist, wann welche Entwicklung mit welcher Wirkung zu spüren sein wird.
Folgende Trends haben eine hohe Relevanz für das Projektmanagement in der Auto-
mobilindustrie:
Der Verdrängungswettbewerb wird also anhalten und damit der Druck auf Kosten
und Termine in der Projektarbeit weiter steigen. Nur wem es gelingt, die gestiegenen
Anforderungen der Märkte durch flexibles und vor allem professionelles Management
der Produktentstehungsprozesse zu befriedigen, wird langfristig überleben. Dies be-
trifft Automobilhersteller wie Zulieferer in gleichem Maß.
356
Zukünftige Herausforderungen
6.2
Konsequentes Benchmarking von Prozessen und eingesetzten Technologien kann
helfen, den Time-to-market und die Produktkosten spürbar zu senken. So hat z.B.
Audi das Sparprogramm „ForMotion“ im VW-Konzern dazu genutzt, jeden Entwick-
lungsschritt unter Kostengesichtspunkten zu analysieren, um diesen als Benchmark
für spätere Projekte zu nutzen und so die Entwicklungszeiten sowie die -kosten spür-
bar zu senken. 281 Aber auch Benchmarking über die Branchengrenzen hinweg kann
hilfreich sein. So hat eine Studie zu „Transferpotentialen im Projekt- und Prozessma-
nagement von Produktentwicklungsprojekten in den Branchen Automotive, Aeros-
pace und Transportation (A2T)“ der GPM zusammen mit der European Business
School interessante Erkenntnisse zu den Unterschieden und Lernfelder der jeweiligen
Branche geliefert. Dort zeigt sich z.B., dass die Schienenfahrzeugindustrie in puncto
Projektmanagement viel professioneller agiert, als viele Unternehmer der Automobil-
industrie. Das sollte zu denken geben!
Neben einer professionellen Planung und Steuerung der Fahrzeugprojekte rückt auch
die konsequente Auswertung der gesammelten Erfahrungen in der Projektabschluss-
phase (vgl. Kapitel 2.8) verstärkt in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Gelänge es,
die kritischen Prozessschritte oder Technologien in der Projektabwicklung eindeutig
zu identifizieren und im Rahmen des Folgeprojektes systematisch zu eliminieren,
könnte die Effizienz sicherlich spürbar verbessert werden. 282 Die investierte Zeit
rechnet sich im Zeitablauf. Viele Unternehmen können allerdings das Verhältnis von
Kosten und Nutzen einmal eingeleiteter Maßnahmen oft gar nicht quantifizieren – es
fehlt schlicht an den Zahlen bzw. den Messgrößen für die Effizienz. 283 Wie soll aber
die Effizienz gesteigert werden, wenn die Fragen nach dem Woher und dem Wohin
noch nicht einmal geklärt sind?
Zu Beginn von Kapitel 2 haben wir die Einmaligkeit der Aufgaben im Projektma-
nagement betont und Projekte auch entsprechend definiert. Durch die Vielzahl der
Produktprojekte in der Automobilindustrie und den immer wiederkehrenden Abläu-
fen wird die Projektabwicklung eher zur Routine. 284 Gerade dann lohnt es sich aus
unserer Sicht, mittels Standardisierung der Prozesse und Professionalisierung des
entsprechenden Know-hows die gewünschten Lerneffekte zu erzielen. 285 Ob sich dies
nur innerhalb von einzelnen Unternehmen, einem Cluster kooperierender Unterneh-
men oder in der gesamten Branche umsetzen lässt, wird sich zeigen. Das Beispiel von
Toyota zeigt jedenfalls, dass durch kontinuierliche Verbesserungen in allen Bereichen
des Produktentstehungsprozesses die Durchlaufzeiten und Kosten reduziert werden
können und somit profitables Wachstum möglich ist.
357
Fazit und Ausblick
6
6.2.2 Internationalisierung der Projektarbeit nimmt zu
Kein Zweifel, die Internationalisierung der Automobilindustrie ist weit fortgeschritten.
Die Öffnung der Märkte in Mittel- und Osteuropa im Zeichen der EU-Osterweiterung,
das rasante Wachstum in Asien und in Teilen Südamerikas, beides eröffnet neue
Chancen für die deutsche Automobilindustrie. Auch wenn die Märkte – mit Ausnah-
me des Marktes in China - im Vergleich mit der Triade noch relativ klein sind, so in-
vestieren die Automobilhersteller schon gewaltige Summen in den Aufbau von Pro-
duktionskapazitäten sowie die Ansiedlung von Vertriebs- und Entwicklungszentren in
diesen Ländern.
Auch der Trend zur Verlagerung von Produktionskapazitäten hält weiter an, teilweise
aus Kostengründen, oft aber auch, um näher an den Absatzmärkten zu sein, oder gar,
um Ingenieurkapazitäten (z.B. in Indien) an den Produktionsstandorten aufzubauen.
Aber nicht nur die Produktion, sondern auch Forschung und Entwicklung sind von
der Verlagerung betroffen, wie das Beispiel von Continental zeigt, die vor einigen
Jahren mit der Fertigung auch Entwicklungsbereiche nach Rumänien verlagerte.
Im gleichen Maß, wie Kapazitäten international verteilt werden, nimmt der Anteil der
internationalen Projekte zu. So werden nicht nur Projektteams ins Ausland entsandt,
um neue Produktionsstätten zu errichten oder gemeinsam mit Entwicklungsteams vor
Ort ein neues Fahrzeugprojekt zu stemmen, sondern vielfältige Verflechtungen in der
globalen Automobilindustrie führen zu einer zunehmenden Internationalisierung der
Projektarbeit. Da arbeiten deutsche Entwicklungsingenieure eines Automobilherstel-
lers gemeinsam mit einem österreichischen Systemlieferanten und brasilianischen
Spezialisten an einem neuen Fahrzeug für die südamerikanischen Länder. Oder die
Niederlassung eines deutschen Ingenieurbüros in Detroit erstellt mit Unterstützung
seiner brasilianischen Kollegen für einen amerikanischen Fahrzeughersteller die Pla-
nung einer Fabrik in Mexiko. Die Liste der Beispiele könnte hier weiter fortgesetzt
werden. Die Beispiele haben eines gemeinsam: die Komplexität der Projektabwicklung
steigt enorm.
Abbildung 6-1 auf der nächsten Seite zeigt die wichtigsten Problemfelder internationa-
ler Projekte. So müssen die Projektbeteiligten nicht nur räumliche, zeitliche und
sprachliche Barrieren überwinden, sondern vor allem die kulturellen Unterschiede
berücksichtigen, um den Projekterfolg nicht zu gefährden. Dabei können internationa-
le Projekte zwar eine Vielzahl an Problemen verursachen, gleichzeitig bieten sie aber –
richtig angepackt - auch die Chance auf deutlich bessere Ergebnisse.
358
Zukünftige Herausforderungen
6.2
Abbildung 6-1: Wichtigste Problemfelder internationaler Projektarbeit 286
50
45
40
35
30
25
20
15
10
0
Technische Arbeitskultur Politisch- Infrastruktur Projekt- Sprache andere
Aspekte rechtliche management
Aspekte
Durch die ausgewogene und auf die Aufgabenstellung abgestimmte Kombination von
unterschiedlichen (Arbeits-)Kulturen und Verhaltensmustern lässt sich ein optimales
Projektteam formen. Allerdings benötigt der Projektleiter ausgeprägte sozio-kulturelle
Fähigkeiten zur Auswahl und Entwicklung des Teams (vgl. 2.4.3). So unterscheiden
sich z.B. die Inhalte und Ausprägungen der Teamentwicklungsphasen (Forming,
Storming, Norming, Performing, Adjourning) gravierend von denen in rein nationalen
Teams. 288 Die Teammitglieder müssen sich situativ und flexibel auf andere Kulturen
einstellen, ohne die eigene Identität zu verlieren. In Abbildung 6-2 sind die wichtigs-
ten Kulturdimensionen im Überblick dargestellt.
359
Fazit und Ausblick
6
Abbildung 6-2: Kulturdimensionen von Trompenaars und Hampden-Turner 289
Every culture distinguishes itself from others by the specific solutions it chooses to certain prob-
lems which reveal themselves as dilemmas. It is convenient to look at these problems under
three headings: those which arise from our relationships with other people; those which come
from the passage of time; and those which relate to the environment.
From the solutions different cultures have chosen to these universal problems, we can further
identify seven fundamental dimensions of culture:
289 www.7d-culture.nl
290 Hoffmann/Schoper/Fitzsimons (2004)
360
Zukünftige Herausforderungen
6.2
Mit Hilfe vorab definierter Kriterien müssen die Projekte aus dem Portfolio ausge-
wählt werden, so dass die strategische Erfolgsposition des Unternehmens bzw. Netz-
werks im Wettbewerb gestärkt wird. Knappe Ressourcen müssen möglichst optimal
den verschiedenen Projekten zugeteilt werden, Ressourcenkonflikte sind übergeordnet
im Rahmen von Steuerkreisen anhand von transparenten Kriterien zu lösen.
Ferner müssen noch viele der verfügbaren Software-Tools für den Einsatz im Multi-
Projektmanagement weiter entwickelt werden. So ist die Unterstützung des Ressour-
cenmanagements in der Multi-Projektlandschaft noch unzureichend. Eine übersichtli-
che Darstellung der verfügbaren Ressourcen mit der Einplanung in den verschiedenen
Projekten sowie deren tatsächliche Auslastung würden helfen, Kapazitätsprobleme
frühzeitig zu erkennen und Steuerungsmaßnahmen ergreifen zu können. Hier besteht
noch Handlungsbedarf.
Nun, die Komplexität der Projektabwicklung nimmt tatsächlich zu. Die technologische
Komplexität der Fahrzeugprojekte steigt durch die Integration neuer Technologien
(z.B. Elektronik oder Infotainment-Systeme) ins Fahrzeug und neue, innovative Ver-
fahren zur Fertigung von immer kleiner werdenden Serien. Darüber hinaus steigt die
der Zulieferpyramide, die es später im Projekt wieder zu integrieren gilt. Schließlich
führt auch das Simultaneous Engineering zu einer starken Parallelisierung, die – in-
tensiv genutzt – den Koordinationsaufwand und damit die Komplexität erhöht.
Das Eintreten von in der Planung nicht berücksichtigten Ereignissen, wie z.B. Geset-
zesänderungen, neue Kundenanforderungen oder die kurz vor dem SOP bei einer
Probefahrt des Vorstands geänderte Meinung bezüglich technischer Details, fordern
das Projektmanagement bis an seine Grenzen.
361
Fazit und Ausblick
6
Die in der deutschen Mentalität verhaftete Ansicht „erst Denken (Planen), dann Han-
deln“ hilft zukünftig nur begrenzt weiter. Einerseits erhöht sich der Planungsaufwand
ins Unermessliche, um alle Eventualitäten schon vor Projektbeginn zu berücksichtigen,
andererseits sind eben Änderungen der Normalfall in Fahrzeugprojekten und können
in den wenigsten Fällen vorhergesehen werden. Sie sind nicht „Störgrößen“, die von
bestimmten Personen initiiert werden, um den Projektleiter an seiner Aufgabenerfül-
lung zu hindern. Diese Erkenntnis ist wichtig, um die aus der Projektabwicklung re-
sultierenden Schwierigkeiten nicht auf die zwischenmenschliche Ebene zu verlagern.
„Werden Grenzen der Planbarkeit anerkannt, hat dies auch Auswirkungen auf die
Definition der Projektziele. Es bleibt nicht nur offen, in welcher Weise ein bestimmtes
Ziel erreicht wird, sondern auch, wie das Ergebnis eines bestimmten Projekts aussieht
... damit wird dem Tatbestand Rechnung getragen, dass gerade bei innovativen Projek-
ten praktisches Handeln nicht nur der Vollzug vorangegangener Planungen ist, son-
dern erst im (!) praktischen Handeln sowohl das Prozedere als auch die (möglichen)
Ergebnisse entstehen.“ 291 Das alternative Konzept des „erfahrungsgeleiteten Han-
delns“ baut auf der Erkenntnis auf, dass theoretisches Wissen, abstraktes Denken und
systematisches Vorgehen zwar notwendig sind, zur Bewältigung der Unwägbarkeiten
hoch komplexer Systeme bzw. Projekte aber alleine nicht ausreichen. „Neben dem
Fachwissen ist dazu auch ein besonderes Erfahrungswissen notwendig. Dieses Erfah-
rungswissen besteht nicht nur in detaillierten Kenntnissen praktischer Gegebenheiten
oder bestimmten Arbeitsroutinen. Vielmehr handelt es sich um ein Wissen, das auf
einer besonderen Arbeitsweise beruht und hierin eingebunden ist.“ 292
Gleiches gilt auch für die Antizipation zukünftiger Entwicklungen auf der Grundlage
von „sticky informations“. Analytisches Denken wird hier ergänzt durch die Assozia-
tion vergleichbarer Situationen sowie die Aktualisierung eines entsprechenden Erfah-
rungswissens.
362
Zukünftige Herausforderungen
6.2
Des Weiteren aber auch durch das Sich-Einlassen auf „prospektive“ Erfahrungen und
imaginative (praktische) Auseinandersetzungen mit möglichen Entwicklungs-
Szenarien. Man analysiert dabei nicht nur zukünftige Entwicklungen, sondern stellt
sie sich konkret vor und erlebt sie.“ 293
Wir betonen gleichwohl, dass dies nicht einem Vernachlässigen der Planung das Wort
reden soll. Vielmehr ist das Konzept des „erfahrungsgeleiteten Handelns“ eine sinn-
volle Erweiterung der bisher praktizierten Planungsmethoden, die aufgrund der stei-
genden Komplexität und Dynamik an ihre Grenzen stoßen. Diese müssen – da wo
sinnvoll und notwendig - weiter entwickelt und an die neue Situation angepasst wer-
den. Dies betrifft sicherlich auch die einschlägigen Software-Tools, die eine „Be-
herrschbarkeit“ aller Eventualitäten suggerieren.
Damit wird noch einmal deutlich, wie wichtig die Funktion des Projektleiters in Fahr-
zeugprojekten ist und dass diese Stellung noch weiter gestärkt werden sollte. Darüber
hinaus ist bei der Aus- und Weiterbildung der Projektleiter noch mehr Wert auf den
Umgang mit Unwägbarkeiten im Projekt zu legen. Vielmehr ist das „Gespür“ für die
aktuellen Entwicklungen im Projekt und die richtigen Reaktionen darauf in der jewei-
ligen Situation beim Projektleiter zu entwickeln. Das schließt das richtige „Händchen“
für den Umgang mit den Stakeholdern (alle, die am Projekt beteiligt oder vom Projekt
in irgendeiner Weise betroffen sind) ein.
Einige der Punkte haben wir bereits beschrieben, so z.B. die durch die Internationali-
sierung und die Überschreitung der Unternehmensgrenzen notwendigen sozialen
Fähigkeiten der Projektmanager zur Kooperation und Kommunikation. Das vorherge-
hende Kapitel hat deutlich gemacht, dass eine stärkere Berücksichtigung der Men-
schen aufgrund der steigenden Komplexität unumgänglich ist.
293 ebenda
294 vgl. projektMANAGEMENT aktuell, Ausgabe 4/2002, S. 38
363
Fazit und Ausblick
6
Die befragten PM-Experten nennen ständige Weiterbildung, Lernfähigkeit und
Selbstmanagement, Motivation und Führungsqualifikation, kulturelle Sensibilität
sowie Teamfähigkeit und Kreativität als wichtige Erfolgsfaktoren der Zukunft. Dabei
spielen die Unternehmen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, diese Faktoren bei
ihren Mitarbeitern zu fordern und zu fördern. Doch leider bleiben die Bekundungen
vieler Unternehmen, die Mitarbeiter seien das „wertvollste Kapital“, nur Lippenbe-
kenntnisse. „In Wirklichkeit tun die Unternehmen wenig, damit die Potenziale ihrer
Mitarbeiter zur Entfaltung kommen. Insbesondere auf Seiten der Projektleiter besteht
deutlicher Nachholbedarf an zielgerichteten Instrumenten für deren Auswahl, Einsatz
und Entwicklung.“ 295 Fehlende Zeit, knappe Budgets oder ganz allgemein „der
Druck“ durch die anspruchsvolle Projektarbeit werden als Gründe angegeben.
Nach unserer Meinung sind gerade Investitionen in die Mitarbeiter richtige Entschei-
dungen hin zu mehr Motivation und damit Effizienz in der Projektarbeit. Erfolgreiche
Unternehmen investieren 5-9 Schulungstage pro Jahr für ihre Mitarbeiter. Allerdings
müssen die Qualifizierungs-Maßnahmen individuell und bedarfsorientiert ausgelegt
werden. Coaching oder „training-on-the-job“ bringen weit mehr als bloße Vermittlung
von Inhalten im Rahmen eines Seminars. Insbesondere die „soft skills“ können nur im
Tun erlebt und damit erlernt werden. Deshalb sind gerade in diesem Bereich andere
Formen des Lernens notwendig. Hier sind besonders die Personalabteilungen gefragt,
sich mit den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Projektleiter und –
mitarbeiter auseinander zu setzen und maßgeschneiderte Lösungen für Auswahl,
Einsatz und Entwicklung des Personals zu erarbeiten.
Dennoch wird es die integrierte Betrachtung von „harten“ und „weichen“ Aspekten
im Projektmanagement 296 bzw. das ausgewogene Verhältnis von fachlichen, methodi-
schen, persönlichen und sozialen Fähigkeiten des Projektleiters sein (vgl. Abbildung 2-
12), die uns dem Ziel ein Stück näher bringt, unsere Projekte möglichst optimal zum
Erfolg zu führen.
364
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Heidelberg, dpunkt
371
Abbildungsverzeichnis
industrie 12
entwicklung 15
Projekte 25
Prozess 27
373
Abbildungsverzeichnis
management-Prozess 31
definitionsphase 63
374
Abbildungsverzeichnis
aufwand 75
entwicklungsprozess (PEP) 89
entwicklungsprozesses (PEP) 90
projekten 93
375
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-65: Beispiel: Businessplan für ein Projekt beim Systemlieferanten 102
Abb. 2-69: Wichtigste Gründe für das Nichterreichen von Projektzielen 108
Screenshot 120
Abb. 2-84: Ermittlung des Ressourcenbedarfs auf Basis der Arbeitspakete 124
376
Abbildungsverzeichnis
managements 138
Druckausgabe 152
fortschritt 157
377
Abbildungsverzeichnis
besprechung 172
378
Abbildungsverzeichnis
organisation 221
379
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3-28: Beispiel für eine Systematik zur strategischen Bewertung von
Projekten 230
planung 232
380
Abbildungsverzeichnis
entwicklung 291
Zulieferern 294
381
Abbildungsverzeichnis
382
Abbildungsverzeichnis
Systemlieferanten 91
383
Stichwortverzeichnis
8 Aufwandsermittlung 248
Aufwandsschätzung 126
8D-Methode 166 Automobilentwicklung 10
Automobilindustrie 1, 3, 17
A Automotive SPICE 331
Ablauforganisation 340
Ablaufplanung 293
B
Abnahme 215 Balanced Scorecard 179, 281, 336
Abweichung 215 Balkenterminplan 119, 151
Abweichungsanalys 166 Befugnisse 34
Abwrackprämie 2 Benchmarking 323, 350, 356
Action Item List 173 Berichtswesen 175, 223, 309, 311
Aktivitäten 115 Best practices 323, 333, 350
Aktivitätenliste 152, 169, 173, 193 Bestandsaufnahme 330
Amortisation 102 Break-Even-Point 102
Ampel 302 BRIC-Staaten 2, 7
Ampel-Bewertung 148 Budget 128
Analyse 321, 333, 334, 345 Businessplan 102, 228
Änderung 180, 303, 305
Änderungsantrag 185
C
Änderungsauftrag 181
Änderungskosten 182 Capability Maturity Model Integrated
Änderungskultur 182 (CMMI) 323
Änderungsliste 185 Change-Board 182, 183
Änderungsmanagement 11, 20, 146, 181, Claim 186
183, 186, 233, 284, 303 Claimliste 187
Änderungsprozess 183 Claimmanagement 146, 186, 187
Änderungsumsetzung 182 Coaching 74, 210, 212, 277, 346, 363
Anforderungen 75, 78, 278 Collaborative Project Management 289
Anordnungsbeziehungen 290 Collaborative Project Scorecard (CPS) 283
APQP 27, 261, 296 Commitment 49, 273
Arbeitspaket 112, 115 Computer Supported Cooperative Work
Audit 322, 351 (CSCW) 308
Aufbauorganisation 340 Coopetition 272
Aufgaben, Kompetenzen und Cross Company Planning (CCP) 288
Verantwortlichkeiten (AKV) 43, 66, 266 Cross-Company-Collaboration
Auftaktworkshop 103 Projektmanagement (C3PM) 15, 253
Auftragsklärung 68, 346
385
Stichwortverzeichnis
F J
Fahrzeugbestand 1 Joint Venture 257
Fahrzeugdichte 1
Fehlerkultur 149, 275, 348 K
Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse
(FMEA) 82 Kalkulation 127, 130, 294
Feinterminplan 124, 153 Kalkulationsblatt 99
Forming 48 Kennzahlen 179
Fortschritt 215 Kernkompetenzen 5, 14, 254, 314
Fortschrittsgrad 156 Kernteam 37, 40
Fortschrittskontrolle 147 Key Performance Indicators 281
4
Freigabe 215 KI -Success 18, 22
386
Stichwortverzeichnis
387
Stichwortverzeichnis
Netzwerk 14, 16, 19, 254, 274, 276, 313, Programm-Initiierung 240
316 Programm-Management 199, 200, 209,
Netzwerkmanager 255 240, 244
Norming 48 Programm-Management-Office 203
Programm-Manager 202
O Programm-Organisation 240, 242
Programmplanung 202
Obligo 157 Programm-Planung 240, 242
Open Issue List 173 Programm-Reporting 242
Organisation 340, 343 Programm-Ziele 242
Organisationale Kompetenz 318 Project Excellence Model 323, 351
Organisationsentwicklung 327, 328 Project Office 340
Outsourcing 4 Project Scorecard (PSC) 282
Projekt 23, 320
P Projektabschluss 188, 190
Projektabschlussbericht 188, 190, 191,
Parallelisierung 132, 360 193
Partnerschaft 16, 21, 268 Projektabschlussgespräch 190, 191
Performance 350 Projektakte 61
Performing 48 Projektantrag 214, 225, 227
Personalentwicklung 206, 324, 343, 349 Projektarten 338
Planabweichung 145 Projektauftrag 105, 328, 329
Planungskalender 231 Projektausschuss 214, 215, 224, 232
Planungsklausur 67 Projekt-Cockpit 179
Planungsszenarien 120 Projektcontroller 37, 145
Planungsworkshop 111, 112 Projektcontrolling 144
PM-Audits 211 Projektdefinition 62, 64, 72
PM-Netzwerk 206 Projektergebnisstruktur 85, 87
PM-Office (PMO) 41, 42, 193, 208 Projektfortschritt 146, 151, 346
PM-Quick-Check 332 Projekthandbuch 266, 291, 293
PM-Software 95 Projekthaus 258, 340
PM-Standards 218, 289, 354 Projektkontext 330
PM-Tafelrunde 218 Projektkrise 169
Priorisierung 196, 215, 223, 230, 237, Projektkultur 149, 333
245, 249, 287 Projektlandschaft 198, 360
Product Data Management (PDM) 261, Projektleiter 33, 36
308 Projektleiter-Runde 218
Product Lifecycle Management (PLM) 308 Projektmanagement 10, 18, 23, 25, 28,
Produktionsanlagen 39 256, 320, 335, 338, 352, 354
Produktstruktur 85, 86 Projektmanagement-Assessment 322,
Professionalisierung 256 323, 350
Programm 196, 202, 238 Projektmanagement-Laufbahn 328
Programm Manager 37, 242 Projektmanagement-Office (PMO) 335,
Programm-Abschluss 240 340
Programm-Controlling 240, 242
388
Stichwortverzeichnis
389
Stichwortverzeichnis
390
Stichwortverzeichnis
391
Die Autoren
Gerhard Hab
hab.projekt.coaching
Werner-Heisenberg-Str. 3
86156 Augsburg
Tel.: 0821/444 884 0
Fax: 0821/444 884 9
E-Mail: gerhard.hab@hab-projekt-coaching.de
Dipl. Wirtschaftsingenieur Gerhard Hab, zert. Projektmanager (GPM), Jg. 1964, ver-
heiratet, 2 Kinder, war 10 Jahre in verschiedenen Controlling- und Projektmanage-
ment-Positionen in der Automobilzulieferindustrie tätig. Seit 1998 begleitet er Unter-
nehmen der Automobilbranche als Berater und Coach für Projektmanagement. Er
trainiert und coacht Projektleiter und –teams, ist Autor verschiedener Studien und
Veröffentlichungen und Dozent für Projektmanagement an der Universität Augsburg.
Im Rahmen der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. gründete er
die Regionalgruppe Augsburg, das PM-Forum-Augsburg sowie die Fachgruppe „Au-
tomotive-PM“.
Reinhard Wagner
Shift Consulting AG
Bozener Str. 1
86316 Friedberg
Mobil: 01522/2936871
E-Mail: reinhard.wagner@shift-ag.com
Dipl.-Ing. Dipl.-Kfm. Reinhard Wagner, Jg. 1966, verheiratet, 2 Kinder, studierte Elekt-
rotechnik und Betriebswirtschaftslehre in Deutschland sowie den USA. Erste Füh-
rungserfahrung übernahm er als Offizier in der Bundeswehr. Nach fünfzehn Jahren in
verschiedenen Führungspositionen im Engineering mit dem Schwerpunkt Automobil-
industrie gründete er die Shift Consulting AG, eine auf die Verbesserung von Projekt-
management-Systemen spezialisierte Unternehmensberatung. Er konzentriert sich bei
seiner Arbeit auf die Organisations- und Personalentwicklung sowie die Themenfelder
Projekt-, Prozess- und Key Account Management. Reinhard Wagner hat als einer der
ersten Berater in Deutschland bei der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement
e.V. (GPM) eine Ausbildung und Zertifizierung als Executive Project Management
Consultant absolviert. Er ist Obmann des Arbeitsausschusses „Projektmanagement“
beim DIN, Vorstand für F&E/Internationales sowie Leiter Fachgruppe „Automotive
PM“ bei der GPM und lehrt Projektmanagement an verschiedenen Hochschulen.
393