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Armin Töpfer
Herausgeber
123
Prof. Dr. Armin Töpfer
Technische Universität Dresden
Fakultät Wirtschaftswissenschaften
Lehrstuhl für BWL,
insb. Marktorientierte Unternehmensführung
Helmholtzstraße 10
01062 Dresden
armin.toepfer@tu-dresden.de
DOI 10.1007/978-3-540-85060-1
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987654321
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Vorwort
Vorwort .................................................................................................................. V
Inhalt
Qualität Effektivität
Erfüllen der CTQs
= Wesentliche
Kundenanforderungen
Inno-
vation/
Wachs-
tum
Effektivität
Wesentlich und
wahrnehmbar
= CTQs besser
erfüllt
Beitrag zur Effizienz Zeit Kosten Effizienz
Verkürzte Durch- Zeitstabilität Keine Ressourcen-
laufzeit verschwendung
= Ressourceneinsparung
Beitrag zur Effektivität
Reduzierung der Time to
Market/ Lieferzeit und schnellere Reaktion
Abb. 1: Wirkungen von Lean Management und Six Sigma auf das erweiterte Magische
Dreieck für erfolgreiches Management
Das Kriterium Zeit bildet einen wesentlichen Werttreiber und Erfolgsfaktor des
Lean Managements. Der Beitrag zur Effizienzsteigerung, also einer höheren Pro-
duktivität und Wirtschaftlichkeit, liegt darin, dass durch weitgehend verschwen-
dungsfreie Prozesse eine Ressourceneinsparung stattfindet, die neben der Zeitein-
sparung vor allem auch Sachmittel und Personalressourcen schont. Die verkürzte
Durchlaufzeit verringert die Time to Market und verbessert die Liefer- und Reak-
tionszeit des Unternehmens. Hierdurch können Interessenten bzw. Kunden schnel-
ler und besser beliefert werden. Alle Effekte wirken dadurch auch effektivitätsstei-
gernd, da sie den Grad der Zielerreichung fördern (vgl. Töpfer 2007a, S. 71 ff.).
Die positiven Wirkungen, die durch die Qualitätsverbesserung und durch die
Zeiteinsparung bestehen, führen zugleich zu Kostensenkungen, da hierdurch Res-
sourcenverschwendung reduziert respektive vermieden wird. Dies sind Auswir-
kungen, die sowohl mit Six Sigma als auch mit Lean Management angestrebt
werden.
Das Magische Dreieck und seine Wirkungen beziehen sich auf eingefahrene
Wertschöpfungsprozesse und damit das erreichte Normalniveau. Anders sieht es
aus, wenn Innovationen in Produkten und ggf. in den Prozessen realisiert werden.
Dann wird mit den verbesserten Marktleistungen für den Kunden zwar eine besse-
re Erfüllung seiner CTQs angestrebt, die für ihn wesentlich und wahrnehmbar ist.
Innovationen bringen es aber nicht selten mit sich, dass die bisherigen Routine-
prozesse und -ergebnisse in der Wertschöpfung nicht mehr gegeben sind. Dadurch
steigt das Fehlerpotenzial und die Qualität sinkt. Dies führt meistens zu einem zu-
sätzlichen Zeitverbrauch, auf jeden Fall aber zu steigenden Kosten. Das Ziel einer
höheren Effektivität für den Kunden wird dann aber oftmals nur über eine redu-
Mehrere Wege zur Null-Fehler-Qualität 5
zierte Effizienz und Effektivität für das Unternehmen erkauft. Eine angestrebte
Stabilität der Wertschöpfungsprozesse und -ergebnisse über die Zeit wird häufig
über eine längere Periode nicht realisiert. Gelingt es jedoch, diese Zeitstabilität si-
cher zu stellen, dann wird auch bei dem um die Innovation erweiterten Magischen
Dreieck von vornherein eine positive Wirkung erreicht.
Das Ziel besteht dementsprechend darin, Defizite in der Prozessgestaltung aus
Sicht der Kunden möglichst frühzeitig und ganzheitlich zu erkennen, um durch
nachhaltige Verbesserungsmaßnahmen zum einen die Zufriedenheit des Kunden
zu steigern und zum anderen aus Sicht des Unternehmens die Wirtschaftlichkeit
zu verbessern, dadurch dass Fehlerkosten ausgemerzt werden und die Umsätze mit
fehlerfreien und kundenorientierten Produkten erhöht werden können. Hierdurch
lassen sich die Erträge steigern und höhere Überschüsse erzielen. Lean Six Sigma
ist also ein Konzept, das wie die meisten Managementkonzepte die Kundensicht
und die Unternehmenssicht verbindet. Der markt- und ressourcenorientierte An-
satz der Unternehmensführung werden dadurch kombiniert und integriert.
Folgende Erkenntnisse lassen sich nach diesen einführenden Aussagen bereits
an dieser Stelle zusammenfassen:
• Lean Six Sigma ist auf alle Prozesse anwendbar.
• Six Sigma macht die Wertschöpfung besser – Lean Management macht sie
schneller.
• Six Sigma verbessert die Prozessfähigkeit und reduziert die Variation/ Abwei-
chung dadurch, dass Fehlerquellen und Fehlerkosten eliminiert wurden respek-
tive werden.
• Lean Management merzt – als 1. und direkte Wirkung – Verschwendung aus
und schafft einen „Flow“, also einen ausschließlich auf Wertschöpfung ausge-
richteten Prozessablauf, der nur verschwendungsarme und schnelle Aktivitäten
enthält; denn er ist von allen unnötigen Phasen und Abläufen befreit. Hierdurch
wird der Prozessablauf – als 2. und indirekte Wirkung – insgesamt besser,
schneller und eher störungsfrei.
• Mit Lean Management lässt sich also – mit einem Terminus aus der Elektro-
technik argumentiert – das „Rauschen“ als beeinträchtigendes Hintergrundge-
räusch, das die Qualität mindert, aus dem Prozess entfernen. Six Sigma lässt
sich dann ausschließlich in den Prozessabschnitten, die noch hartnäckige Feh-
lerquellen und damit Variationen/ Abweichungen aufweisen, gezielt anwenden.
Abbildung 2 fasst diese beiden sich ergänzenden und teilweise überlagernden
Konzepte noch einmal grafisch zusammen. Lean Management ist primär intern
ausgerichtet und wirkt durch die Beseitigung von Verschwendung positiv auf den
internen Werttreiber „Durchlaufzeit im Unternehmen“, der sich dann auch positiv
auf den externen Erfolgsfaktor „Lieferzeit für den Kunden“ auswirkt. Six Sigma
ist vom Ansatz her zunächst extern ausgerichtet, weil die kundenorientierte Quali-
tät über die Erfüllung der Critical to Quality Characteristics (CTQs) als externer
Erfolgsfaktor definiert wird. Im Unternehmen übersetzt wird dieser Erfolgsfaktor
durch die internen Werttreiber „Standardisierte Prozesse“ mit möglichst geringer
Variation und dadurch bewirkter „Null-Fehler-Qualität“.
6 Armin Töpfer, Swen Günther
Abweichungen
Six Sigma
und
Reduzierte
Variation
„Null-Fehler-
Qualität“ für
Erfolgs-
faktoren
„Erfüllte
CTQs“
Lean Management und „Kunden-
orientierte
Untere Grenze Qualität“
Soll-Prozess
Optimierter Ist-Prozess
Reduzierung der Verschwendung
Abb. 2: Kombination der Wirkungen des integrierten Einsatzes von Lean Management und
Six Sigma
Den Einstieg und ersten Ansatzpunkt zur Verbesserung von Prozessen sowie
der Qualität ihres Durchflusses und ihrer Wertschöpfungsergebnisse bilden also
immer die Lean-Prinzipien, wie sie in Abbildung 3 aufgeführt sind (vgl. Hender-
son/ Larco 1999). Grundvoraussetzung für schlanke und fehlerfreie sowie damit
wirtschaftliche Prozesse ist die Arbeitsplatzgestaltung als Ausdruck organisatori-
scher Qualität. Eine Just-in-Time-Produktion vermeidet eine unwirtschaftliche La-
gerhaltung. Die laufende Qualitätssicherung im Prozess mit dem Ziel der Null-
Fehler-Qualität schafft bereits die Verbindung zwischen Lean Management und
Six Sigma. Verantwortlich für die operative Prozesssteuerung und Qualitätssiche-
rung sind die Mitarbeiter vor Ort. Diese Prozesseignerschaft erfordert erhöhte
Kompetenzen sowohl fachlicher als auch organisatorischer Art und führt zu einem
nicht unerheblichen Empowerment der Mitarbeiter. Gesteuert werden die Prozesse
und ihre Ergebnisse über ein Visuelles Management, um allen Beteiligten die In-
formationen über die Qualität der Prozesssteuerung offen zugänglich zu machen.
Durch den kontinuierlichen Verbesserungsprozess sollen alle auftretenden und er-
kannten Störungen des Ablaufes von Prozessen und der Qualität von Prozesser-
gebnissen sofort beseitigt werden, um auf diese Weise ein immer höheres Niveau
in Richtung Perfektion zu erreichen.
Mehrere Wege zur Null-Fehler-Qualität 7
Arbeitsplatzgestaltung
! Gestaltung von effizienten, sauberen, ergonomischen, geordneten,
sicheren Arbeitsplätzen
Just-in-Time-Produktion
! Anlieferung von Teilen/ Vorleistungen möglichst zeitnah vor der
Verwendung/ dem Einbau
Qualitätssicherung im Prozess
! Integration der Qualität in die Prozessgestaltung mit dem Ziel der Null-
Fehler-Qualität
Kompetenz / Prozesseignerschaft
! Mitarbeiter vor Ort haben Verantwortung für das Teamergebnis und treffen
Schlüsselentscheidungen
Visuelles Management
! Sicherstellung offener Informationen für alle betroffenen Mitarbeiter und
Verfolgung der Leistung
Perfektion
! Ständiges Streben nach Verbesserung
Basis: Henderson/ Larco 1999
Aus dem bisher Gesagten zu den beiden Konzepten sind nicht nur die unter-
schiedlichen Ansatzpunkte und Zielrichtungen erkennbar, sondern auf dieser Basis
lässt sich zugleich auch die gemeinsame Zielsetzung herausarbeiten. Sie besteht
darin, unter dem jeweils fokussierten Blickwinkel Prozesse nachhaltig zu verbes-
sern. Beide Konzepte schlagen dabei unterschiedliche Wege und Stoßrichtungen
ein. Abbildung 4 verdeutlicht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten:
• Bei Lean Management werden Wertschöpfungsprozesse in ihrer Gesamtheit
einbezogen; häufig wird sogar das gesamte Unternehmen dieser Philosophie
„unterworfen“. Das Ziel besteht dann darin, in allen einzelnen Phasen von Wert-
schöpfungsprozessen die Verschwendung von Material respektive Vorproduk-
ten und damit Kosten und Zeit zu erkennen und zu vermeiden. Der instrumen-
telle Ansatz basiert auf der Wertschöpfungsanalyse und dem Wertschöpfungs-
design, wie er im Beitrag von Vollmer erklärt wird.
• Der Six Sigma-Ansatz konzentriert sich von vornherein nur auf Wertschöp-
fungsprozesse, bei denen nachweislich Abweichungen von wesentlichen Kun-
denanforderungen (CTQs) und damit hohe Fehlerkosten aufgrund unzureichen-
der Qualität auftreten. Der Ansatz ist grundsätzlich selektiv. Es werden, nach-
dem häufig Lean Management-Projekt bereits durchgeführt worden sind,
schwierig zu lösende Probleme in der Wertschöpfungskette ausgewählt und
mithilfe des DMAIC-Zyklus nachhaltig gelöst. Auf diesen wird im Beitrag von
Günther/ Garzinsky im Detail eingegangen.
8 Armin Töpfer, Swen Günther
Gemeinsame Zielsetzung
! Prozesse nachhaltig verbessern
Umsetzung in Projekten
Abb. 4: Gemeinsames Ziel, aber unterschiedlicher Weg von Lean Management und Six
Sigma
Beide Konzepte, also Lean Management nach dem Toyota-Prinzip und Six
Sigma nach dem Vorbild von Motorola und General Electric, lassen sich getrennt
anwenden. Der Einsatz bringt dann die jeweils spezifischen Vorteile und Erfolge.
Bei Lean Management resultieren hieraus in ihrer Durchlaufzeit verkürzte und ih-
ren Kosten reduzierte standardisierte Prozesse. Sie kommen durch die Messung,
Analyse und Beseitigung der Komplexität und Verschwendung als Wertverlust im
Rahmen von Wertstrom-Untersuchungen und -Verbesserungen zustande.
Six Sigma verkleinert die Abweichungen von wesentlichen Kundenanforderun-
gen (CTQs) und führt über die erhöhte Qualität, verkürzte Durchlaufzeiten und
eingesparte Kosten zu Standards für fehlerfreie Prozesse und Produkte. Durch den
kombinierten, noch besser integrierten Einsatz der beiden Managementkonzepte
werden die angestrebten Wirkungen vergrößert und z.T. potenziert.
Die Ansatzpunkte und strategischen Zielsetzungen der Managementkonzepte
Lean Management, Six Sigma, Design for Six Sigma (DFSS) und Lean Six Sigma
lassen sich aus Abbildung 5 noch einmal nachvollziehen. Wie hieraus ersichtlich
ist und vorstehend bereits ausgeführt wurde, bewirkt und erreicht erst Lean Six
Sigma eine Kombination und Integration aller strategischen Zielsetzungen. Lean
Six Sigma stellt damit den umfassendsten Steuerungs- und Verbesserungsansatz
dar.
Mehrere Wege zur Null-Fehler-Qualität 9
Wachstum
- Größer -
Innovation
- Innovativer -
Qualität Lean
- Besser - Six Sigma
DFSS
Durchlaufzeit
Six Sigma
- Schneller - Lean
Manage-
Kosten ment
- Schlanker -
Die (statistische) Forderung des Six Sigma-Konzeptes besteht darin, dass bezogen
auf ein – hochgerechnetes und damit angenommenes – Produktionsvolumen von 1
Mio. Einheiten – in Absolutzahlen – nur 3,4 fehlerhafte Prozessoutputs auftreten
dürfen. Dies entspricht einem Qualitätsniveau von 99,99966% und kennzeichnet
damit eine praktikable Null-Fehler-Qualität, da kein Prozess auf Dauer absolut
fehlerfrei ablaufen kann (vgl. Töpfer 2007c, S. 53 ff.; Harry/ Schroeder 2005).
Viele Anwender begegnen dieser Qualitätsanforderung zunächst mit Skepsis
und z.T. Ablehnung. Zum einen begründen sie dies damit, dass sie nicht 1 Million
Produkteinheiten herstellen und das Konzept schon deshalb nicht in ihrem Unter-
nehmen gut anwendbar ist. Dieses formale Missverständnis kann durch die Infor-
mation leicht behoben werden, dass die Hochrechnung auf die große Produktzahl
durch die geringe Fehlergröße begründet ist, die sich dann ganzzahlig (ca. 3 Fehler
pro 1 Million Einheiten) ausdrücken lässt. Dies entspricht dem Bild, dass das ge-
ringe Gewicht einer Gänsefeder auf einer LKW-Waage ermittelt wird.
Zum anderen argumentieren sie, dass das geforderte Niveau praktizierter Null-
Fehler-Qualität im Vergleich zu beispielsweise 99% Qualität – dem Qualitäts-
durchschnitt der deutschen Wirtschaft – viel zu aufwändig und deshalb praxisfern
ist. Die Ergebnisse erfolgreicher Six Sigma-Unternehmen insbesondere in den
USA zeigen aber genau das Gegenteil. Denn folgender Sachverhalt ist nachvoll-
ziehbar: Diese restlichen 1% Fehler bei 99% Qualität sind erfahrungsgemäß sehr
hartnäckige und kostenträchtige Fehler, die immer nur schwer und mit erhebli-
10 Armin Töpfer, Swen Günther
Preis
Gewinnmarge Gewinnmarge
Auswirkungen von
Prozesse + Prozesse +
Gesamter schlechter schlechter Kosten schlechter
Kostenblock Prozesse + Qualität
Preisverfall
Qualität Qualität Gewinnmarge
zur
Herstellung
+
und
Lieferung Optimal Optimal Optimal Optimal
von erreichbare erreichbare erreichbare erreichbare
Markt- Kosten Kosten Kosten Kosten
leistungen
Zeit
! Xerox
Be
! Launch von 250 Projekten für sich und Kunden in 2002 is pie
! Investitionen von 14 Mio. US-Dollar in Lean Six Sigma le
! Ersparnis im ersten Jahr: 6 Mio. US-Dollar
In den nächsten Jahren steigende Tendenz
! Lockheed Martin
! 1998 Operational Excellence Program „LM21“ gestartet
! Umfasst mehr als 5.000 Projekte
! Dokumentierte Einsparungen: ca. 4 Mrd. US-Dollar
! Bank One " JP Morgan Chase
! Initiierte in 2002 Verbesserungsprogramm „Focus 2.0“
! Erhöhte Konzentration auf Lean-Ziele
! Reduzierung der Durchlaufzeiten zwischen 30 und 75 %
! Grace / Fresenius Medical Care
! Einführung von Lean Six Sigma 2005 in den nordamerikanischen Werken
! Ziel: Bessere Resultate bei kürzeren Fertigungszeiten
Basis: George 2003
Die Mutterunternehmen wollen bei ihren „neuen Töchtern“ ein hohes Quali-
tätsniveau über schlanke Prozesse ohne Verschwendung in schnell realisierten und
vom Aufwand überschaubaren Projekten umsetzen. Aus diesem Grund beginnen
die Unternehmen heute üblicherweise den Verbesserungsprozess mit Lean Mana-
gement Aktivitäten und führen dann nur sehr selektiv – bei den angesprochenen
hartnäckigen Qualitätsproblemen – Six Sigma-Projekte durch. Die Kombination
Mehrere Wege zur Null-Fehler-Qualität 13
von Lean Management und Six Sigma eröffnet also die Chance, akquirierte Un-
ternehmen in kurzer Zeit fit und wettbewerbsfähig zu machen sowie besser mit ih-
ren Prozessen in den Netzwerkverbund des Mutterunternehmens einzupassen.
Mit dem vorliegenden Buch wollen wir keine Schrift zu der vorhandenen umfang-
reichen – überblicksartig in Kapitel 4 zusammengestellten – Literatur hinzufügen,
die eine detaillierte Unterweisung in die statistischen Methoden und die Instru-
mente des Qualitäts- und Projektmanagements liefert. Hier gibt es bereits spezifi-
sche Six Sigma- und Lean Six Sigma-Publikationen (vgl. z.B. Pande et al. 2001,
George 2003, Magnusson et al. 2004, Harry/ Schroeder 2005). Die Zielsetzung
geht vielmehr dahin, Lean Six Sigma als ein Konzept erfolgreicher Unterneh-
mensführung darzustellen und dabei wesentliche Anforderungen, Inhalte, aber
auch Stolpersteine aufzuzeigen. Richtschnur und Maßstab ist die Fähigkeit des in-
tegrierten Konzeptes, zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit und zur Steigerung
des Unternehmenswertes beizutragen. Neben der operativen Umsetzung von
Lean- und Six Sigma-Projekten steht damit also die strategische Ausrichtung und
Einordnung des Gesamtkonzeptes im Vordergrund.
Wer sind die Hauptadressaten des vorliegenden Buches? Es richtet sich neben
den Verantwortlichen für das Qualitätsmanagement vornehmlich auch an die Mit-
glieder der Unternehmensleitung und der Bereichsleitungen. Denn alle Funktions-
und Geschäftsbereiche, die zur Wertschöpfung für den Kunden beitragen, können
durch dieses Denken in Kategorien des Kundennutzens und Kundenwertes auf der
einen Seite und des Unternehmensnutzens und Unternehmenswertes auf der ande-
ren Seite mit dem Gedankengut von Lean Six Sigma aus strategischer und opera-
tiver Sicht ihr Leistungsniveau steigern. Für Unternehmen, welche die Einführung
von Lean Six Sigma vorhaben oder bereits begonnen haben, liefern die wiederge-
gebenen Erfahrungsberichte aus der Unternehmenspraxis einen breiten Fundus,
um typische Einführungsfehler zu vermeiden. Für Unternehmen, die Six Sigma re-
spektive Lean Six Sigma bereits seit einiger Zeit praktizieren, bietet das Buch mit
den unterschiedlichen Branchenbeispielen eine gute Benchmarking-Basis, um se-
lektiv herauszufiltern, wo und wie noch Steigerungsmöglichkeiten bestehen.
Dies bezieht sich beispielsweise auch auf die zweckmäßige Kombination von
Lean Six Sigma mit Konzepten wie der ISO-Zertifizierung, der Balanced Score
Card (BSC), dem Management by Objectives (MbO) und dem Business Excel-
lence Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) oder
dem Malcolm Baldrige National Quality Award, also dem amerikanischen Quali-
tätsmodell bzw. -preis (MBNQA). Auf alle diese Konzepte wird nicht näher ein-
gegangen, sondern auf die spezielle Literatur verwiesen (vgl. z.B. Töpfer/ Günther
2007, S. 335 ff. und Töpfer 2008b, S. 932 ff.).
Lean Six Sigma hat in der Lehre und Forschung bisher keinen nennenswerten
Stellenwert erlangen können. Nicht nur bezogen auf statistische Methoden, Quali-
tätsmanagement-Instrumente und Projektmanagement-Werkzeuge besteht noch
14 Armin Töpfer, Swen Günther
Andere
Management-
Werkzeuge
ZV/
BSC Design for MbO
Six Sigma
Markt- Target
analyse Costing
Six Sigma
Projekt-
SPC
charter
Fokus- Lean DFMA
gruppen
Manage- Moni-
SIPOC ment toring
VSD Kaizen
6.
2. Projekt-
10.
auswahl/
Lean- -definition Ergebnisse/
Konzept Wirkungen
3. 5. 8. 9.
Anwen-
Six Sigma Einführung/ Stolpersteine/
dungsbereiche/
Projekt- Umsetzung/ Umsetzungs-
Wertschöp-
management U.-Kultur barrieren
fungskette
4. 11.
7.
Wirkungs-
Design for Qualifizierung/ verbund/
Six Sigma -skonzepte/ Vernetzung
Training
12. Branchenanwendungen
Abb. 9: Vernetzung der Anforderungs-, Wirkungs- und Gestaltungsfelder von Lean Six
Sigma
Die nachstehende Tabelle zeigt, aufgeschlüsselt nach den Kriterien der Abbil-
dung 9, worauf die Autoren in den einzelnen Beiträgen speziell eingehen. Dabei
wird danach unterschieden, ob auf einzelne Inhalte besonderes Gewicht gelegt o-
der ob sie nur angesprochen werden. Dem Leser ermöglicht diese Übersicht, ihn
interessierende Fragestellungen in den einzelnen Beiträgen gezielt aufzufinden
und nachzuvollziehen (siehe die Synopse der einzelnen Beiträge in Tab. 1).
16 Armin Töpfer, Swen Günther
Vollmer: Wertstromdesign
Kriterien für Inhalte,
Prozesse und Methoden/ Instrumente
Vollmer: Wertstromdesign
Kriterien für Inhalte,
Prozesse und Methoden/ Instrumente
Im Kapitel C „Umsetzung von und Erfolge mit Lean Management, Lean Six
Sigma und Design for Six Sigma“ werden 7 Praxisbeispiele wiedergegeben. Zie-
genhorn/ Ziemer-Popp beschreiben zunächst die Anwendung von Lean Manufac-
turing im AMD-Werk in Dresden. Dabei gehen sie u.a. darauf ein, wie der KVP-
Prozess mithilfe von strukturierten Workshops realisiert wurde. Des Weiteren zei-
gen sie die Einbindung von Mitarbeitern und Top-Management auf, um Lean Ma-
nagement zu einer hohen Akzeptanz und nachhaltigen Anwendung im gesamten
Unternehmen zu führen.
Einen wesentlichen Erfolgsfaktor von Lean Six Sigma stellt der Projektaus-
wahlprozess dar. Von Habermann/ Doch wird dieser am Beispiel eines Pharmaun-
ternehmens vorgestellt, welches in der Vergangenheit seine Geschäftsprozesse
durch die Verbindung von Lean Management, Six Sigma und Design for Six Sig-
ma nachhaltig verbessern konnte. Wie die Autoren eindeutig belegen, war dabei
ein strukturierter Projektauswahlprozess der Schlüssel zum Erfolg.
Weckheuer/ Hennes zeigen in ihrem Beitrag am Beispiel eines Unternehmens
aus der chemischen Industrie, wie die Weiterentwicklung eines bestehenden Six
Sigma-Programms durch die Integration von Lean Management-Aktivitäten erfol-
gen kann. In ihren Ausführungen gehen sie insbesondere darauf ein, welche Über-
legungen, Methoden und Maßnahmen in Bezug auf die Unternehmenskultur, die
Organisationsstruktur und den Projektauswahlprozess notwendig sind.
In dem Beitrag von Bremer wird verdeutlicht, wie man auf der Basis einer gu-
ten Mitarbeitermotivation mit kleinen und kostengünstigen Veränderungen das
Lean Management-Konzept erfolgreich in einem Unternehmen implementieren
kann. Dies wird am Beispiel von Honeywell im Bereich Aerospace am Standort
Raunheim erläutert. In seinen Ausführungen hebt der Autor u.a. die Bedeutung
von kleinen Losgrößen, modularer Bauweise und differenzierter Prioritätenset-
zung von Aufträgen in der Produktionsplanung und -steuerung hervor.
Eine ganzheitliche Betrachtung wird in dem anschließenden Beitrag von Jes-
senberger gewählt. Sie zeigt, wie die Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox
in der Vergangenheit wesentliche Beiträge zum Geschäftserfolg lieferte. Voraus-
setzung hierfür war eine grundlegende Veränderung der Unternehmenskultur.
Dies wurde zum einen durch umfangreiche Trainingsmaßnahmen und klare Orga-
nisationsstrukturen erreicht. Zum anderen spielte der strukturierte Verbesserungs-
ansatz auf der Basis des DMAIC-Zyklus eine Schlüsselrolle.
Schmidt beschreibt in seinem Beitrag die Integration von Design for Six Sigma
(DFSS) bei Siemens VDO1, einem führenden Automobilzulieferer. Er erläutert,
wie der Produktentstehungsprozess (PEP) durch DFSS ergänzt werden kann, um
so die Kundenanforderungen vollständig und wirtschaftlich zu erfüllen. Seine
Ausführungen beziehen sich auf ein Pilotprojekt bei Diesel Systems, in dem die
Kundenstimme Schritt für Schritt in Qualitätsmerkmale übersetzt worden ist.
Im abschließenden Beitrag zeigen Stache/ Töpfer die Auswirkungen der Ein-
führung von Lean Six Sigma auf die Organisationsstruktur sowie die Unterneh-
menskultur am Beispiel des Pharmaunternehmens Lilly Deutschland. Neben theo-
1 Das Unternehmen wurde Ende 2007 von der Continental AG gekauft und ist jetzt Be-
standteil dieses Konzerns.
20 Armin Töpfer, Swen Günther
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Lean Management und Six Sigma: Die
wirkungsvolle Kombination von zwei Konzepten
für schnelle Prozesse und fehlerfreie Qualität
Armin Töpfer
Inhalt
Die Managementkonzepte Lean Management, Six Sigma und Lean Six Sigma
werden im Folgenden anhand von 16 Kriterien bewertet, welche sich in die Kate-
gorien Strategie, Vorgehen, Methoden, Kultur und Wirkung einteilen lassen (siehe
Abb. 1).1 Für die drei Konzepte werden in den Abschnitten 2.3, 3.3 und 4.4 Stär-
ken-Schwächenprofile auf der Basis eines Radardiagramms erstellt.
Die übergeordnete Kategorie Strategie hat die Kunden-, Prozess- und Ergeb-
nisorientierung der Vorgehensmodelle zum Gegenstand. Der Grad der Kundenori-
entierung gibt dabei an, in welchem Umfang Kundenanforderungen in das Projekt
einfließen respektive die Richtschnur für das Lösungskonzept und die angestreb-
ten Lösungen sind. Die Prozessorientierung fokussiert die Ausrichtung des Vorge-
hens auf die Prozesse im Unternehmen. Dies beinhaltet neben der Konzentration
auf einzelne Prozesse auch die Betrachtung der gesamten Prozesslandschaft im
Unternehmen. Der Grad der Ergebnisorientierung beinhaltet die Festlegung der zu
erreichenden Ergebnisse vor Projektstart, die Ausrichtung aller Aktivitäten wäh-
rend der Projektdurchführung auf deren Erfüllung und die Messung der erreichten
Ergebnisse nach Abschluss des Projekts.
Die Kategorie Vorgehen ist auf den eigentlichen Aufbau des Vorgehensmodells
ausgerichtet. Unterscheiden lassen sich die Unterpunkte Projektorientierung, Vor-
gehensstruktur und Standardisierung. Durch den Grad der Projektorientierung
kommt zum Ausdruck, inwieweit die relevanten Probleme im Rahmen der Projek-
te mit dem dazugehörigen Projektmanagement gelöst werden. Die Vorgehens-
struktur bewertet, ob das Problem vorab eindeutig definiert wird, Rollen im Team
mit einer Handlungs- und Ergebnisverantwortung verteilt werden und ob alle we-
sentlichen Phasen des Vorgehensmodells durchlaufen sowie abschnittsweise Kon-
trollen durchgeführt werden. Dies ist eng verbunden mit der Standardisierung des
Projektablaufs, die angibt, inwieweit die einzelnen Projektschritte und deren In-
halte sowie die Aufgabenverteilung formal festgelegt sind.
Die Kategorie Methoden bezieht sich auf die Kriterien Komplexität, Portfolio-
umfang und Statistikeinsatz. Methoden werden als festgelegte und damit standar-
disierte Vorgehensweisen in Problemanalyse- und -lösungsprozessen zur Errei-
chung definierter Ziele verstanden. Dabei kann eine Methode durch den Einsatz
von Werkzeugen als Mittel unterstützt werden. Um es an einem Beispiel zu ver-
deutlichen: Eine Methode ist Lean Management, und das dabei einsetzbare Werk-
zeug ist Kanban. Bezogen auf Six Sigma als Konzept stellt – eine Ebene tiefer –
der DMAIC-Zyklus die Methode dar und die SIPOC-Analyse (Supplier – Input –
Kombination von Lean Management und Six Sigma 27
Process – Output – Customer) oder die Analyse und Herausarbeitung der CTQs
(Critical to Quality Characteristics) sind beispielsweise bewährte Werkzeuge. So-
wohl Methoden als auch Werkzeuge weisen dabei also einen unterschiedlichen
Grad an Komplexität und damit auch an Komplexitätsbewältigung auf. Der Port-
folioumfang definiert sich dann über die Vielzahl der zur Problemanalyse und
-lösung einsetzbaren Methoden und vor allem auch Werkzeuge. Gerade bei letzte-
ren ist zusätzlich ein mehr oder weniger großer Statistikeinsatz unterscheidbar.
Als weitere Kategorie wird die Kultur einbezogen, welche sich aus den Krite-
rien Hierarchie, Analytik und Akzeptanz herausbildet. Durch die Hierarchie wird
beschrieben, inwieweit festgelegte Rollen mit unterschiedlichen Verantwortungs-
bereichen existieren und wie groß die dezentrale Selbstständigkeit nachgeordneter
Organisationseinheiten bzw. die hierarchische Abhängigkeit von übergeordneten
Entscheidungsebenen ist. Das Kriterium Analytik beschreibt als Analysefähigkeit
und -bereitschaft der Mitarbeiter deren Einstellung gegenüber den vorstehend an-
gesprochenen Problemlösungsmethoden und standardisierten Vorgehensweisen.
Das Spektrum der Einstellung erstreckt sich dabei von einer methodengestützten
Verwendung der analysierten Daten als Grundlage aller Entscheidungen bis zu ei-
ner deutlich weniger systematischen und stärker intuitiven Herangehensweise an
die Analyse und Lösung von Problemen. Die Bereitschaft, in dieser strukturierten
und methodengestützten Weise vorzugehen, kennzeichnet die Akzeptanz der Mit-
arbeiter, aus der sich zugleich ihre Veränderungsbereitschaft in die dargestellte
Richtung ableiten lässt.
In der abschließenden Kategorie Wirkung sind die Kriterien Projektgröße,
Durchführungsaufwand, Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit zusammengefasst.
Die Projektgröße bezieht sich auf die Anzahl involvierter Personen und Ressour-
cen. Der Aufwand zur Durchführung bemisst sich an den damit verbundenen Kos-
ten. Die Geschwindigkeit, als Maßgröße für die zeitliche Dauer des Projekts,
hängt wiederum von der Projektgröße und der dabei notwendigen Zeit zur Analy-
se des Problems, zur Entwicklung von Lösungsalternativen und zur Implementie-
rung des ausgewählten Verbesserungskonzepts ab. Der Grad der Nachhaltigkeit
misst, inwieweit die Lösung über die Zeit stabil ist sowie dadurch dauerhaft prak-
tiziert wird und zur Performancesteigerung des Unternehmens beiträgt.
Eine ähnlich strukturierte Vorgehensweise sieht das „Process and Enterprise
Maturity Model“ (PEM-Modell) von Hammer vor (vgl. Hammer 2007), das wir
hier kurz ansprechen, aber im Hinblick auf den Messansatz mit unterschiedlichen
Ausprägungsniveaus bzw. Reifegraden nicht vertiefen. Das Modell konzentriert
sich – unter aktiver und verantwortungsvoller Einbeziehung der Mitarbeiter in den
Steuerungsprozess – ebenfalls auf die Prozesse mit dem Ziel, die Prozessdetermi-
nanten und die Unternehmenskompetenzen ständig weiter zu entwickeln respekti-
ve ausreifen zu lassen. Die 5 Prozessdeterminanten sind das Prozessdesign, die
Mitarbeiter, die Verantwortung, die Infrastruktur insbesondere bezogen auf Infor-
mations- und Managementsysteme sowie die für die Prozesssteuerung erforderli-
chen Kennzahlen. Die 4 Unternehmenskompetenzen umfassen die Führungsver-
antwortung (Leadership), die auf Kundenbelange, Kooperation, eigenständige
Verantwortung sowie Veränderungsbereitschaft ausgerichtete Unternehmenskul-
tur, die Erfahrung, also das erreichte Niveau an Fähigkeiten und Wissensbaustei-
28 Armin Töpfer
nen, sowie nicht zuletzt die Steuerung und damit das Spektrum an Systemen,
Strukturen, Methoden und Werkzeugen, mit denen komplexe Projekte unterstützt
und nachhaltige Veränderungen erreicht werden.
Überproduktion
Frühere, schnellere
und größere Menge an
Produkten, als vom
Kunden verlangt
Bewegung Wartezeit
Überflüssige Bewe- Zeit, in der keine
gungen von Arbeitern wertschöpfende
oder Material inner- Tätigkeit stattfindet
halb eines Prozesses
Bestand Prozessübererfüllung
Lagerung von Teilen/ Tätigkeiten, die weder
Material über die aus vom Kunden verlangt
Kundensicht erfor- werden, noch zur Wert-
derliche Menge hinaus schöpfung beitragen
Nacharbeit Transport
Wiederholung/ Korrektur Überflüssige
eines Prozesses Materialbewegung
Basis: Drew/ McCallum/ Roggenhofer 2004, S. 268
Durch eine Benchmarking-Studie des MIT Anfang der 1990er Jahre wurde die
Überlegenheit des Toyota-Produktionssystems gegenüber dem in der westlichen
Hemisphäre dominierenden Systems der Massenfertigung aufgezeigt (vgl. Wo-
mack/ Jones/ Roos 1991). Neben einer Reduktion der Durchlaufzeiten werden Be-
stände verringert, weniger Produktionsfläche benötigt, die Flexibilität erhöht und
gleichzeitig Kosten gesenkt sowie die Qualität der Produkte gesteigert. Seit Veröf-
fentlichung der Studie ist das Konzept des Lean Managements in den Fokus der
Industrie gelangt. Eine Studie des Economist aus dem Jahr 2004 zeigt, dass mitt-
lerweile ein Drittel der nordamerikanischen Industrieunternehmen Lean-Prinzipien
erfolgreich eingeführt haben. Auch in Deutschland bauen zunehmend mehr Unter-
nehmen auf diesen Ansatz.
Ausgehend von den Prinzipien des Toyota-Produktionssystems lassen sich auf
übergeordneter Ebene fünf Prinzipien herausstellen, deren konsequente Anwen-
dung zu einem Lean Thinking führt (vgl. Womack/ Jones 2004, S. 24 ff.):2
1. Das Prinzip der Spezifizierung des Wertes ist der entscheidende Ansatz des
Lean Management. Der Wert wird durch den Endverbraucher definiert und be-
zieht sich auf eine spezifische Leistung zur Befriedigung der Kundenbedürfnis-
se. Die Analyse und Gestaltung der Wertschöpfung bedarf somit einer umfas-
senden Kundenorientierung, welche die völlige Klarheit über Kundenziele,
-probleme und -absichten zu Beginn des Verbesserungsprozesses voraussetzt.
Über die exakte Definition der vom Kunden geforderten Leistungen werden –
im Idealfall – alle nicht-wertschöpfenden Güter, Dienstleistungen und Tätigkei-
ten vermieden. Dazu ist ausgehend vom Wert für den Kunden rückwärts in das
Unternehmen „hinein zu analysieren“ bis zu den Zuliefern (Outside-In-Analy-
se); die Gestaltung der Wertschöpfungskette ist dann vorwärts gerichtet, ausge-
hend von den Assets und der Organisation des Unternehmens (Inside-Out-
Gestaltung).
2. Das Prinzip der Identifikation des Wertschöpfungsstromes unterstreicht die
Notwendigkeit, alle Bearbeitungsschritte entlang der Wertschöpfungskette ei-
ner umfassenden Analyse zu unterziehen. Dabei ist die gesamte primäre Wert-
schöpfung bezogen auf den o.g. Kundenwert zu definieren und zu gestalten.
Neben der Untersuchung der eigenen Produktion erlaubt die Ausweitung der
Wertstromanalyse auf andere Wertschöpfungspartner eine unternehmensüber-
greifende Erfassung von Verschwendung. In der Analyse werden die Tätigkei-
ten in Nutz-, Stütz-, Blind- und Fehlleistung untergliedert. Das Ziel besteht in
der Maximierung der Nutz-/ Stützleistung auf der einen Seite sowie in der Mi-
nimierung bzw. Vermeidung der Blind-/ Fehlleistung und deren Ursachen auf
der anderen Seite. Unterstützende Wertschöpfungsprozesse (Stützleistungen)
sind insoweit zu definieren und zu gestalten, dass sie die primäre Wertschöp-
fung optimal „befähigen“.
2 Die Ausführungen zu den fünf Prinzipien des Lean Thinking sowie dem Toyota-Pro-
duktionssystem basieren im Wesentlichen auf der Diplomarbeit von Christian Weidinger
(2007) zum Thema „Lean Management“, die am Lehrstuhl für Marktorientierte Unter-
nehmensführung an der TU Dresden erstellt und betreut wurde.
Kombination von Lean Management und Six Sigma 31
3. Nach der Analyse des Wertes und der Eliminierung nicht-wertschöpfender Tä-
tigkeiten realisiert das Prinzip des Flow (Flusses) die kontinuierliche Flussori-
entierung der wertschöpfenden Prozessschritte, die das suboptimale Abtei-
lungsdenken ersetzt. Notwendige Voraussetzung des Prinzips ist der Single-
Piece-Flow, bei dem die Arbeitsschritte eines Produktes ausgetaktet werden.
Der schnelle Wechsel zu beliebigen Produktkonfigurationen erlaubt – neben
der Herstellung kleiner variabler Mengen – auch größere Losgrößen. Damit er-
folgt die Anpassung an Kundenbedürfnisse schneller, flexibler und wird
zugleich bei geringeren Kosten und einer niedrigeren Fehlerrate realisiert. Zur
Entwicklung, Unterstützung und Verbesserung aller Prozesse über die Zeit ist
ein wirkungsvolles Managementsystem aufzubauen, welches z.B. Management
by Objectives (MbO) und Balanced Score Card (BSC) beinhaltet.
4. Die Flussorientierung des Herstellungsprozesses bildet die Grundlage zur Rea-
lisierung des Pull-Prinzips (Zieh-Prinzips). Hinsichtlich eines real vorhandenen
Bedarfs werden nur direkt nachgefragte Leistungen produziert und zu einem
vereinbarten Zeitpunkt bereitgestellt. Dabei sind – wie in Abbildung 4 ausge-
führt – alle internen und externen Kunden im Prozess zu berücksichtigen.
Be
i sp
Forecast + Bestellungen iel
n
Zulieferer Forecast + Bestellunge
Bodenblech
Bodenblech Boden pressen
zuschneiden
15 Schichten
Zulieferer 18.700
ZZ = 9 s
rer
Mantelblech teue
BO-S ZR = 10 m
OEE = 52,6%
48.700
6.299
Boden Boden- Decke Decke
Kanten Kanten Mantel
Mantel FIFO FIFO Mantel vor- ecken vor- schwei-
anquet- anquet- versio- Prüfen
pressen biegen schwei- schwei- schwei- ßen
schen 1 schen 2 nieren
10.265 ßen ßen ßen oben
15 15
Schichten Schichten
FO
Go see-Prüfung
FI
ZZ = 3,5s Takt = 13s Daraus
ZR = 35 m OEE= Decken- Deckel Legende:
Deckel
∅ 62,0% blech zu- pressen BO – Backofen
OEE = versio- BKT – Betriebskalender-
schnei- 14.400 15 9.466
57,2% nieren tage
den Schichten
23.500 ZZ – Zykluszeit
ZR – Zyklusraum
Zulieferer ZZ = 1s s – Sekunden
2,6 BKT Deckenblech ZR = 10 m OEE – Overal Equipment
Efficiency
OEE = FIFO – First-In-First-Out
3,5s 26s 13s 52,6% 368s Δ – Lagerbestand
Auf der Grundlage des analysierten Ist-Wertstroms setzt dann mit dem Wert-
stromdesign die Gestaltung und Verbesserung der Wertströme in allen ihren Tei-
len mit dem Ziel an, optimierte Prozesse zu erreichen. Der Soll-Wertstrom strebt
dabei möglichst wenig Verschwendung sowie eine hohe Zeit- und Kosteneffizienz
an. Das genaue Vorgehen zur Erstellung von Ist- und Soll-Wertströmen wird im
Beitrag von Vollmer in Kapitel B beschrieben; sie beziehen sich auf die folgenden
sieben Schritte zur Aufnahme des Ist-/ Soll-Wertstroms:
1. Kundenanforderungen/ -informationen feststellen
2. Wesentliche Prozessschritte identifizieren (#)
3. Datenkästen und Bestandsdreiecke einzeichnen (Δ)
4. Zulieferung(en) einzeichnen ( )
5. Informationsfluss einzeichnen ( )
6. Materialvorschub einzeichnen (FIFO)
7. Durchlaufzeiten kalkulieren (ZZ)
Das Hauptziel des Wertstromdesigns besteht darin, die Ursachen von Ver-
schwendungen zu erkennen. Dabei können vor allem die gravierendsten Arten der
34 Armin Töpfer
Prozessbetrachtung Wertschöpfungsgebirge
Wert-
Zeit in 1. Stelle Zeit in 2. Stelle Zeit Beteiligte
schöpfungs-
Stellen
zuwachs
über die Zeit
Zeitverbrauch
= Liegezeit = Liegezeit
= Bearbeitungszeit = Wertschöpfung in der
Bearbeitungszeit
Die konsequente Anwendung der fünf Schritte bzw. Prinzipien des Lean Thinking
(siehe hierzu Abb. 4) verwirklicht das Leitbild einer schlanken Produktion, welche
die stetige Verbesserung der drei Zielgrößen Qualität, Zeit und Kosten forciert und
auch durch die hohe Motivation der Mitarbeiter zu einer Steigerung der Kunden-
zufriedenheit führt. Die Zusammenführung der Prinzipien des Lean Thinkings und
der Vermeidung der sieben Formen der Verschwendung (siehe hierzu Abb. 2) er-
folgt im oben bereits angesprochenen Toyota-Produktionssystem (TPS). Im Mit-
telpunkt des Produktionssystems, dessen Säulen in Abbildung 7 verdeutlicht sind,
stehen die Mitarbeiter des Unternehmens, die durch entsprechende Maßnahmen
kontinuierlicher Verbesserung die Stabilität des Produktionssystems erhöhen.
Um die übergeordneten Ziele des TPS – beste Qualität, niedrigste Kosten, kurz-
möglichste Durchlaufzeiten, größte Sicherheit und hohe Arbeitsmoral – zu errei-
chen, kommen eine Reihe von Methoden und Instrumenten zum Einsatz, die als
Säulen in Abbildung 7 gekennzeichnet sind. Dem Produktionsansatz „Just-In-
Time“ (linke Säule), also der zeitnahen bzw. -gerechten Anlieferung von Teilen/
Vorleistungen vor der Verwendung/ dem Einbau im Prozess, werden u.a. die fol-
genden Methoden und Instrumente zugeordnet:
• Taktzeit: Nach der Lean-Philosophie gilt (siehe hierzu Abb. 4): Der Kunde gibt
nicht nur die Produktionsqualitäten und -kosten, sondern auch die Produktions-
zeiten und damit den erforderlichen Produktionsrhythmus vor. Die Produktion
folgt diesem Rhythmus durch Einhaltung der Taktzeit, welche den Zeitraum be-
schreibt, in dem ein Produkt fertig gestellt werden sollte, um dem Kundenbe-
darf genau zu entsprechen. Die Steuerung des Wertschöpfungsprozesses auf
Basis der Taktzeit vermeidet zu langsames, aber auch zu schnelles Produzieren.
• Flow-Prinzip: Zur Sicherstellung eines kontinuierlichen Flusses in der Produk-
tion ist ein Einzelstückfluss (One-piece-flow) anzustreben. Zu diesem Zweck
sind die einzelnen Arbeitsstationen in Reihe hintereinander zu „schalten“ und
36 Armin Töpfer
Beste Qualität
Niedrigste Kosten Kurzmöglichste Durchlaufzeiten
Größte Sicherheit Hohe Arbeitsmoral
Verkürzung der Produktionszeit durch die Eliminierung nicht-werthaltiger Elemente
niert, die vom letzten Gutteil des alten Produktionsauftrages bis zum ersten
Gutteil des neuen Produktionsauftrages reicht. Diese Zeit ist Produktionsaus-
fallzeit und verschlechtert die Anlagenverfügbarkeit bzw. Gesamtanlageneffi-
zienz (OEE).
• Integrierte Logistik: Zur Realisierung des Just-In-Time-Prinzips ist ein profes-
sionelles Logistikmanagement erforderlich, welches die verschiedenen Berei-
che der Supply Chain integriert. Zu diesem Zweck werden im Toyota-
Produktionssystem eine Reihe von Methoden eingesetzt, z.B. Kanban3, FIFO,
Pull- und Supermarkt-Prinzip, die z.T. an anderer Stelle bereits erläutert wor-
den sind. Im Hinblick auf die vorstehend angesprochene Rüstzeitenminimie-
rung wird das TPM-Konzept (Total Productive Maintenance) verfolgt. Die lo-
gistische Herausforderung besteht hier in der Einführung einer vorbeugenden
Wartung von Anlagen und Maschinen, die langfristig zu einer autonomen In-
standhaltung durch die Werker führt.
• 5S-Methode: Die Methode beschreibt eine systematische Vorgehensweise, um
einen Arbeitsplatz zu strukturieren, aufzuräumen und sauber zu halten. Bei der
Bezeichnung handelt es sich um ein japanisches Akronym aus Seiri (Aussortie-
ren), Seiton (Aufräumen), Seiso (Anordnen), Seiketsu (Arbeitsplatz sauber hal-
ten) und Shitsuke (Anordnung zur Regel machen). Diese 5S sind die Grundlage
für die Einführung eines synchronen Produktionssystems. Sie tragen außerdem
zur Standardisierung und Visualisierung bei und wirken sich – bei nachhaltiger
Anwendung – positiv auf die Motivation der Mitarbeiter und die Qualität der
Produkte aus.
Unter den Produktionsansatz „Jidoka“ (rechte Säule in Abb. 7), auch Autono-
mation genannt, mit dem Ziel des automatisierten Betriebes einer Maschine mit
geringem bzw. keinem menschlichen Eingriff, werden u.a. die folgenden Metho-
den und Instrumente eingeordnet:
• Autonomation: Bei Abweichungen vom normalen Produktionsprozess (Defek-
te, Werkzeugbruch, fehlender Teilenachschub usw.) kommt es zum automati-
schen Produktionsstopp (Auto-“NO“-Mation), d.h. die Maschine hält selbst-
ständig an und gibt dem Werker ein Signal zum Eingriff.
• Andon-Tafel: Dabei handelt es sich um eine Anzeigetafel, die den aktuellen
Stand der Produktion (Soll/ Ist-Abweichungen, Störungen usw.) wiedergibt.
Die Andon-Tafel ist damit ein Instrument des „Visual Management“, das dar-
auf abzielt, alle von einem Problem betroffenen Mitarbeiter schnell, direkt und
offen zu informieren. Dies gilt gleichermaßen für positive Entwicklungen, wie
z.B. rückläufige Fehlerquoten in der Produktion.
• Selbstgesteuerte Fehlererkennung: Ein wichtiges Ziel des Toyota-Produk-
tionssystems ist die Qualitätssicherung im Prozess, d.h. es finden keine End-of-
the-Pipe-Kontrollen statt, um eine hohe Auslieferungsqualität an den Kunden
sicherzustellen. Vielmehr wird „Qualität“ in die Prozessgestaltung integriert,
3 Kanban: ist ein Produktionssteuerungssystem, welches angibt, was, wie viel und wann
etwas gebraucht wird. Seine Anwendung führt dazu, dass die Prioritäten in der Ferti-
gung so gesetzt werden, dass die Wüsche des Kunden optimal erfüllt werden.
38 Armin Töpfer
und zwar in der Weise, dass die Werker in die Lage versetzt werden, Fehler in
der Produktion selbst zu erkennen und zu beheben. Dadurch lässt sich Null-
Fehler-Qualität nicht nur am Produkt, sondern im gesamten Fertigungsprozess
erreichen. Voraussetzung hierfür ist die Übernahme von Prozessverant-
wortlichkeit/ -eignerschaft durch die Mitarbeiter, d.h. die Werker vor Ort haben
Verantwortung für das Teamergebnis und treffen Schlüsselentscheidungen be-
zogen auf Fehlererkennung und -behebung.
• Qualitätskontrolle an jeder Station: Um Fehler und Verschwendung (Muda) zu
vermeiden, sind – wie vorstehend angesprochen – die Mitarbeiter unmittelbar
für die Sicherstellung einer hohen Qualität an ihrer Arbeitsstation zuständig. Zu
diesem Zweck sind zum einen der Arbeitsplatz (z.B. nach der 5S-Methode) ef-
fizient und ergonomisch zu gestalten sowie die verwendeten Werkzeuge sauber
und sicher aufzubewahren. Zum anderen kommen unterstützende Methoden
zum Einsatz, wie z.B. Poka-Yoke, das wörtlich übersetzt „Irrtum ausgeschlos-
sen“ bedeutet. In diesem Zusammenhang wird ein sukzessives Kontrollsystem
für jeden Arbeitsgang im Prozess erarbeitet, das vor allem sicherstellt, dass zu-
fällige, unbeabsichtigte Fehler verhindert werden.
• 5W-Methode: Hierbei handelt es sich um eine einfache Vorgehensweise zur
vertieften Problemanalyse, die auf dem Ansatz basiert: Frage 5x hintereinander
zum gleichen Problem „Warum?“, um die Kernursachen eines Problems zu fin-
den. Die grafische Umsetzung der Methode erfolgt in Form des Ishikawa- bzw.
Fischgrätdiagramms, bei dem die definierte Wirkung, z.B. entstandene Fehler-
kosten als Folge oder die angestrebte Kundenzufriedenheit als Zielgröße, –
bildlich gesprochen – den Fischkopf sowie die vermuteten Einflussgrößen den
Fischrumpf bilden. Ziel ist es, über das Fischgrät-Diagramm sämtliche Haupt-
und Nebeneinflussgrößen im Team zu sammeln und zu strukturieren. Als
Strukturierungshilfe bietet sich die Unterteilung in „7 Ms“ an – Mensch, Ma-
schine, Material, Messung, Methode, Management und Mitwelt. Diese stehen
als Oberbegriffe für die relevanten Ursachen der aufgetreten Probleme/ Fehler
oder des erreichten Nutzens/ Benefits. Sie werden deshalb an den „Hauptgrä-
ten“ abgetragen.
Die Verbindung zwischen den zwei Säulen in Abbildung 7 wird durch die fol-
genden drei generellen QM-Methoden/ -Ansätze beschrieben, die bereits an ande-
rer Stelle in diesem Artikel ausführlich erläutert worden sind:
• Menschen und Teamwork für
• Kaizen/ KVP mithilfe von
• Value Stream Analyse/ Design.
Die Grundlage des TPS-Hauses in Abbildung 7 bilden (1.) die durchgängige
und nachhaltige Anwendung der 14 Toyota-Prinzipien (siehe hierzu Abb. 3), (2.)
die Etablierung eines Visual Managements in allen Bereichen, (3.) die Sicherstel-
lung stabiler und standardisierter Prozesse, z.B. mithilfe aussagekräftiger Doku-
mentationen und Verfahrensanweisungen, sowie (4.) das stetige Streben nach Pro-
Kombination von Lean Management und Six Sigma 39
Toyota leitet
leitet alle
alle nützlichen
nützlichen Erkenntnisse
Erkenntnisse
Quelle: an das
das gesamte
gesamte Zuliefernetzwerk
Zuliefernetzwerk weiter
weiter
Dyer/ Hatch 2004
4 Die ausbalancierte Produktion ist der Gegensatz zum tayloristischen Paradigma, das die
Produktion möglichst großer Lose fordert. Der Nachteil dieses Produktionsansatzes be-
steht insbesondere darin, dass bei Variantenreichtum hohe Bestände und lange Durch-
laufzeiten entstehen (siehe hierzu auch den Beitrag von Bremer in Kapitel C).
40 Armin Töpfer
Produktivität +36 % +1 %
* GM, Ford, Chrysler
• Intensiver Wissensaustausch
Wissensaustausch hat
hat
spürbare Auswirkungen
• O-Ton: Mit
Mit Toyota
Toyota als Kunde
Kunde laufen
die
die Gespräche
Gespräche ganz
ganz anders/
anders/
anspruchsvoller ab
Quelle: Dyer/ Hatch 2004
Abb. 10: Performance-Unterschiede der Lieferanten von Toyota und den Big Three
42 Armin Töpfer
Wie lassen sich die Stärken und Schwächen von Lean Management bewerten,
wenn es ausschließlich, also ohne Ergänzung durch Six Sigma, eingesetzt wird?
Strategie
Die Stärke von Lean Management liegt darin, dass sich das Konzept in allen Un-
ternehmensbereichen anwenden lässt und dadurch ein grundsätzliches Verbesse-
rungskonzept für das gesamte Unternehmen bildet. Mit einer ganzheitlichen Stra-
tegie soll unter Einbeziehung aller Wertschöpfungspartner die extern und intern
gerichtete Kundenorientierung durch die Analyse und Optimierung der Wertströ-
me im ganzen Unternehmen verbessert werden.
Vorgehen
Eine weitere Stärke liegt eindeutig darin, dass die Lean Management-Philosophie
gut kommunizierbar ist, sich dadurch allen Mitarbeitern vermitteln lässt und so zur
wesentlichen Leitlinie der täglichen Arbeit wird.
Methode
Durch die vielfältigen präzisen Regeln und Gestaltungsprinzipien ist Lean Mana-
gement leicht nachvollziehbar, methodisch relativ einfach umsetzbar – wenn auch
mit einem nicht zu unterschätzenden zeitlichen und kulturellen Anspruch – sowie
im Ergebnis eindeutig kontrollierbar. Die Umsetzung dieses Gedankengutes er-
folgt in kleinen Schritten, also als kontinuierlicher Verbesserungsprozess.
Kultur
Die konsequente Anwendung des Gedankengutes und aller Prinzipien von Lean
Management in der täglichen Arbeit durch alle Mitarbeiter in jedem Unterneh-
mensbereich macht einen breiten und tiefgehenden Veränderungsprozess der Un-
ternehmenskultur erforderlich. Dieser ist nur in einem mehrjährigen Prozess, un-
terstützt durch gezielte Schulung/ Trainingsmaßnahmen, die Bereitschaft des Ein-
zelnen zur Übernahme von Steuerungs- und Ergebnisverantwortung sowie eine
dezentrale Performancesteuerung durch jeden Mitarbeiter erreichbar. In vielen
Kombination von Lean Management und Six Sigma 43
Unternehmen ist genau dies eine erhebliche Schwäche, vor allem dann, wenn ohne
den erforderlichen zeitlichen Vorlauf und Vorbereitungsaufwand diese Methoden
und Werkzeuge bei den Mitarbeitern in einem „Hauruck-Verfahren“ eingeführt
und umgesetzt werden.
Wirkung
Die zentrale Stärke von Lean Management liegt darin, in jedem Prozess die Aus-
prägungen von Verschwendung erkennen zu können, um sie dann gezielt zu besei-
tigen und das Unternehmen so schlanker sowie reaktionsschneller zu machen.
Qualität wird im Zuge der Wertstromoptimierung und Prozesssteuerung in allen
wichtigen Phasen jeweils unmittelbar erzeugt und gesichert. Abweichungen von
den geforderten und formulierten Standards sollen hierdurch beseitigt respektive
vermieden werden.
Wenn aber gravierende Abweichungen auftreten, welche die Qualität nachhal-
tig beeinträchtigen, dann sieht dieses Führungs- und Steuerungskonzept schlanker
sowie wirkungsvoller Prozesse keinen gesonderten methodischen Ansatz vor, um
– projektbezogen – entstandene Fehlerkosten auf die Ursachen zurückverfolgen
und dann systematisch ausmerzen zu können. Hierin liegt eine weitere Schwäche
bzw. Hürde dieses Konzeptes; und genau diesen Ansatz leistet Six Sigma.
typisches „Cost Cutting-Verfahren“ anzusehen, genauso wie es falsch ist, Six Sig-
ma als einen rein statistischen Mess- und Verbesserungsansatz zu betrachten.
Für Six Sigma lassen sich die drei Umsetzungstreiber „Kunde – Prozess – Qua-
lität“ identifizieren (siehe Abb. 11). Six Sigma ist deshalb ein projektorientiertes
Hauptanforderungen des
Define Was ist das Problem? Kunden als CTQ definieren
Verbesserung/ optimale
Improve Wie lässt sich das Lösung erarbeiten und
Problem beseitigen? umsetzen
Prozessablauf
! Lieferant Unternehmen
CTQs CTQs
Kunde Kunde
Auf der Basis der gemessenen Ist-Daten und des ermittelten Sigma-Niveaus er-
folgt in der Analyse-Phase eine detaillierte Auswertung der aktuellen Performan-
ce. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, die Hauptursachen von Fehlern
zu bestimmen und darauf basierende Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten.
Konkret werden folgende drei Schritte durchlaufen:
1. Entwickeln einer detaillierten Prozessdarstellung und Analyse des Ist-Prozesses
unter Verwendung von Zeit-, Wertschöpfungs- und Flussanalysen
2. Durchführen einer Ursachen-Wirkungs-Analyse, um potenzielle Ursachen für
Fehler aufzudecken und ggf. weitere Messpunkte zu definieren
3. Aufdecken von Zusammenhängen zwischen den abhängigen Variablen und den
unabhängigen Einfluss- und Ursachenfaktoren durch eine Datenanalyse.
Im Detail geht es jetzt also darum, den Prozess aufzuschlüsseln. Dies geschieht
in der Weise, dass der Ablauf analysiert wird, wie die Outputmessgrößen durch
die Gestaltung und Steuerung der Prozess- und Inputmessgrößen zustande kom-
men. Die möglichen Fehler bei den Ergebnissen werden dadurch auf die beiden
Ursachenebenen Prozess und Input zurückverfolgt.
Die Analyse-Phase ist damit die „Kernphase“ des DMAIC-Zyklus, denn ohne
tiefgehende und aussagefähige Ursachenanalyse für Fehler sind im Allgemeinen
keine Verbesserungsmaßnahmen mit großer Hebelwirkung möglich. Als Fehler
wird, wie bereits angesprochen, definiert, wenn erwartete Ergebnisse eines Pro-
zesses nicht erreicht werden, und zwar in Bezug auf die zuvor festgelegten Defini-
tionen und Standards im Rahmen der Unternehmensstrategie und/ oder die ermit-
telten wesentlichen Kundenanforderungen, also die CTQs.
48 Armin Töpfer
Die Six Sigma-Initiative bei General Electric (GE) geht auf die „Managerlegende“
und ehemaligen Chief Executive Officer (CEO) des Unternehmens, Jack Welch,
zurück. Er verfolgte seit Anfang der 1990er Jahre die visionäre Strategie, GE bis
zum Jahr 2000 zum weltweit erfolgreichsten Unternehmen zu machen. Dies ist
ihm – nicht zuletzt auch wegen Six Sigma – nachweislich gelungen.
Das angesehene US-Magazin Fortune kürte den von Jack Welch seit 1983 ge-
führten Konzern sowohl 1998 als auch 1999 zur „in den USA am meisten bewun-
derten Company“. In einer globalen Umfrage unter Geschäftsleuten durch die
Londoner Financial Times erreichte GE 1998 Platz eins als das „weltweit am
meisten respektierte Unternehmen“. Diese Auszeichnungen sind dem mit einem
kumulativen Cash Flow von über 92 Mrd. US $ (Fiskaljahr 2007) und einer Um-
satzrendite von über 12% heute glänzend dastehenden Unternehmen nicht in den
Schoß gefallen. Sie waren und sind das Ergebnis der fordernden Führung des
Mannes an der Spitze von GE und der harten Arbeit seiner Mitarbeiter. Das Un-
ternehmen wird seit September 2001 von dem in der Ära Welch ausgebildeten und
lange Zeit aktiven Six Sigma Black Belt Jeffrey R. Immelt geführt. Seine erste
Botschaft an die Führungskräfte und Mitarbeiter von GE bezog sich unter ande-
rem darauf, dass er die von Jack Welch begonnene unternehmensweite Six Sigma-
Initiative nicht nur fortsetzen, sondern verstärken wolle.
Bei der Einführung von Six Sigma bei GE im Jahr 1995 formulierte Jack Welch
das Ziel, durch die Qualitätsoffensive bereits in kurzer Zeit „10.000-mal besser als
die Konkurrenz“ zu sein. In seinem Bemühen, den „Supertanker“ GE immer „un-
ter Volldampf“ zu halten, hatte der ehemalige CEO bereits früh erkannt, welches
gewaltige Kosteneinspar- und Produktivitätssteigerungspotenzial in einer Quali-
Kombination von Lean Management und Six Sigma 49
tätsoffensive wie Six Sigma steckt. Wie in Abbildung 14 skizziert, bestand das
Ziel darin, Six Sigma nach und nach in allen Bereichen und Wertschöpfungsstufen
des Unternehmens zu implementieren.
Nur wenn alle Produkte des Portfolios dem neuen „Reinheitsgebot“ folgend, in
perfekter Qualität die Werkshallen und Büros von GE verlassen würden, ließen
sich gewinnmindernde Nachbearbeitungen und teure Gewährleistungsansprüche
vermeiden. Eine Maschine, die nach der Anlieferung beim Kunden fehlerhaft ar-
beitet, reduziert den kalkulierten Erlös dieses Auftrags. Gewinn ist demnach eine
Funktion der Qualität. Die einfache Logik lautet also: Je weniger Fehler entstehen,
desto höher ist der Gewinn. Da die aktuelle Ertragslage des Unternehmens und die
Erwartungen der Aktionäre an die zukünftige Unternehmensentwicklung Deter-
minanten für den Aktienkurs sind, ist Six Sigma als „das größte und am Ende pro-
fitabelste Projekt, das GE in seiner Geschichte je angeschoben hat“ im Grunde
nichts anderes als eine Verpflichtung gegenüber den Aktionären. Neben „Speed“
zählte „Shareholder Value“ zu Welch’s Lieblingswörtern.
F & E/
Produktion Wert-
schöpfungs-
stufe
• Erste
Erste Six Sigma-Projekte
Sigma-Projekte meistens in
in der
der Produktion
Produktion
Qualität
Qualität einfacher
einfacher zu messen
messen und
und zu
zu steuern
steuern
• Mit
Mit der
der Zeit
Zeit alle
alle Unternehmensbereiche einbezogen
einbezogen
messen sind. Konkret bedeutete dies: Bis zur Jahrtausendwende war der durch-
schnittliche Qualitätsstandard konzernweit auf einen Fehlerquotienten von weni-
ger als 3,4 pro 1 Million Fehlermöglichkeiten zu reduzieren, was einem Perfekti-
onsgrad von 99,99966% bzw. 6σ entspricht. Dabei sollte das Qualitätsniveau in
Quantensprüngen neue Ebenen erreichen, d.h. Sprünge um jeweils 1σ wurden an-
gestrebt. Darüber hinaus ließ Jack Welch das Prinzip praktizierter Null-Fehler-
Qualität nicht nur für den Fertigungsbereich gelten, sondern maß daran jedes ein-
zelne Geschäft, das der globale Konzern mit irgendeinem Kunden irgendwo in der
Welt abschloss.
Führungskräften, die sich der Six Sigma-Offensive nicht mit dem notwendigen
Elan widmeten, kürzte Jack Welch die Jahresprämie. Wer im Unternehmen GE er-
folgreich Karriere machen wollte, musste sich mit der Durchführung von erfolg-
reichen Six Sigma-Projekten hervortun. Zügig wurden 70.000 der weltweit agie-
renden 300.000 Beschäftigten in Lehrgängen und Qualitätsseminaren geschult.
Auch dabei ging GE seinen eigenen Weg. Viele bereits bekannte und weit verbrei-
tete Konzepte wie etwa das „Total Quality Management“ (TQM) oder das „Kai-
zen-Produktionssystem“ scheiterten vor allem daran, dass man die Mitarbeiter le-
diglich zu Verbesserungsvorschlägen ermunterte, die im Erfolgsfall mit Prämien-
zahlungen belohnt wurden. Jack Welch setzte jedoch nicht auf solch ein Anreiz-
System durch Prämien. Vielmehr schickte er seine 8.000 Six Sigma-Spezialisten,
die er zu Black Belts ausbilden ließ, in die „GE-Welt“ hinaus. Sie übernahmen
folgende Aufgabe: Geeignete Six Sigma-Projekte in den einzelnen Bereichen aus-
wählen, die Qualitätsoffensive damit in Gang setzen und die ersten Projekte mög-
lichst schnell zum Abschluss bringen. Das war und ist für diese Mitarbeiter ein
Vollzeit-Job, bei dem vor allem Geschwindigkeit (Speed) bei der Umsetzung
zählt. Das Ziel besteht darin, Six Sigma-Projekte – mit einem nachweisbaren Net-
tonutzen (Net Benefit) von mehr als 100.000 US $ – innerhalb von 90 Tagen (= 3
Monate) abzuschließen.
Praktische Erfolge mit Six Sigma bei General Electric
a. Gesamter Konzern
Nachdem GE Mitte der 1990er Jahre mit Six Sigma-Aktivitäten begonnen hatte,
wurden die Zahlen der erreichten Net Benefit-Summen pro Jahr veröffentlicht.
Dies verdeutlichte der Unternehmenswelt zum ersten Mal in „harten Zahlen“,
welche Ergebniswirkungen mit Six Sigma-Projekten erreichbar waren. Nicht zu-
letzt hierdurch kam es in führenden Unternehmen von Branchen mit intensivem
Wettbewerb zu der an früherer Stelle beschriebenen „Six Sigma-Bewegung“. Ins-
gesamt waren unter Jack Welch über 100.000 Six Sigma-Projekte in allen unter-
schiedlichen Sparten des Unternehmens durchgeführt worden. 1996 war aufgrund
der umfangreichen Trainingsmaßnahmen der Aufwand größer als die erzielten
Einsparungen. Diese stiegen in den Folgejahren überproportional an, so dass für
das Jahr 1999 ein Net Benefit von ca. 2,0 Mrd. US $ und für das Jahr 2000 ein Net
Benefit von 2,9 Mrd. US $ erreicht wurde. Wie in Publikationen nachvollziehbar
ist, stieg ab 1997 das Verhältnis von Einsparungen zu Kosten kontinuierlich um
mindestens einen Faktor, also zunächst eine Verdoppelung (1997/ 1998), im Jahre
Kombination von Lean Management und Six Sigma 51
1999 ist die Relation bereits 5 zu 1, im Jahr 2000 lag sie gar bei 6 zu 1, was einer
durchschnittlichen Kapitalverzinsung von 600% für die Investition in Six Sigma-
Aktivitäten entspricht.
Wie in Abbildung 15 nachvollziehbar ist, beläuft sich der Net Benefit durch Six
Sigma-Projekte bei GE im Zeitraum von 1995 bis 2000 auf über 6 Mrd. US $. Ei-
ne solche Bilanz konnten – bezogen auf die Unternehmensgröße – bisher nur we-
nige andere Unternehmen vorweisen. Das Technologieunternehmen Motorola
sparte z.B. mit Six Sigma seit 1987 insgesamt ca. 16 Mrd. US $ ein, während das
ebenfalls technologieorientierte Unternehmen Allied Signal innerhalb von 5 Jah-
ren ca. 1,5 Mrd. US $ Net Benefit generieren konnte (vgl. Töpfer 2007b, S. 95).
Kosten Einsparungen
Unter dem aktuellen CEO Jeffrey R. Immelt arbeitet das Unternehmen GE in-
tensiv daran, das Six Sigma-Konzept in der gesamten mehrstufigen Wertschöp-
fungskette, also auch bei den Kunden- und Lieferanten-Unternehmen, zu etablie-
ren. Gemäß dem Motto „The more successful our customers are, the more suc-
cessful we will be!“ besteht das Ziel bei GE darin, die Produktivität und Wirt-
schaftlichkeit des gesamten Leistungserstellungsprozesses zu optimieren. Trotz
der vielfältigen Bedenken hinsichtlich eines möglichen Know-how-Abflusses in
den Kunden-Unternehmen haben im Jahr 2003 bereits 40% aller GE-Partner Inte-
resse an der Einführung eines Six Sigma-Projektmanagements bekundet. Neben
der Bereitstellung von Black Belts für Projekttätigkeiten bietet GE seinen Kunden
intensive Six Sigma-Trainingsmaßnahmen, umfangreiche Marktforschungsstudien
über gemeinsame Märkte sowie teilweisen Zugang zu wichtigen Forschungsakti-
vitäten und -ergebnissen an. Zudem geht das Unternehmen selbst heute immer
stärker den „Lean Six Sigma-Weg“, indem es das bestehende Six Sigma-Projekt-
management um den Lean-Ansatz, inklusive der Lean-Methoden, erweitert.
52 Armin Töpfer
b. GE-Capital-Solution
Die deutsche Niederlassung einer GE-Capital-Solution-Tochter (ehem. GE-Mobi-
lienleasing) musste seit längerem eine ungewöhnlich hohe Fluktuation der Mitar-
beiter verkraften. Die Kündigungsquote erreichte bis zu 43% im Jahr. Die Mitar-
beiter waren vor allem mit ihren Gehaltsabrechnungen unzufrieden. Für die Fir-
menzentrale war das ein untragbarer Zustand, der sich zudem negativ auf die Er-
tragslage auswirkte. Die GE Zentrale handelte und schickte einige ihrer erfahrenen
Black Belts in den Bereich, um die Ursachen zu erforschen und Lösungen zu fin-
den. In einer ersten Runde wurden nach der Projektdefinition (Define-Phase) die
Fehlerquellen eruiert und quantifiziert (Measure-Phase). Die Intensiv-Interviews
mit den Mitarbeitern brachten folgende Ergebnisse (vgl. Garthe 2002, S. 343 ff.):
1. Es herrschten unklare Verantwortungsbereiche zwischen den Mitarbeitern des
Leasingunternehmens und der externen Lohnbuchhaltung. Das führte immer
wieder zu Verzögerungen in der Verwaltung, die bei den Mitarbeitern Irritatio-
nen über entsprechende Zuständigkeiten hervorriefen. Zudem fanden die Ex-
perten heraus, dass die Beschäftigten oft verspätet, nicht richtig und gelegent-
lich sogar überhaupt nicht entlohnt wurden.
2. Für die interne Verwaltung der Beschäftigtendaten war die externe Lohnbuch-
haltung zuständig. Ihr war es jedoch nicht möglich, die erhaltenen Daten auf
Richtigkeit zu prüfen, so dass die Personalverwaltung eine ständige Fehlerquel-
le war.
3. Neue Mitarbeiter wurden über die einzelnen Posten ihrer Lohnabrechnungen
nicht informiert, was zu verspäteten Reklamationen führte.
4. Die Gehaltsabrechnungen selbst waren unklar, sie gaben keine Erläuterungen
oder Verständnishilfen.
Im Verlauf dieser Untersuchung wurden insgesamt 9 wesentliche Ursachen ge-
funden, die zu fehlerhaften Gehaltsabrechnungen führen können. In der anschlie-
ßenden Phase des DMAIC-Zyklus wurden die Fehlerquellen genauer analysiert
(Analyse-Phase) mit dem Ziel, verbesserte Prozesse und klarere Zuständigkeiten
zu schaffen (Improve-Phase). Schon wenige Schritte führten nach der Ursachen-
forschung dazu, die Motivation der Beschäftigten zu steigern und die Fluktuation
unter den Mitarbeitern deutlich zu verringern. Gehaltsabrechnungen wurden – so
weit es möglich war – vereinfacht und bei der Einstellung den neuen Mitarbeitern
erläutert. Die Lohnbuchhaltung wurde beauftragt, die Software für die Gehaltsab-
rechnungen zu überprüfen und ggf. mit Ergänzungen zu versehen.
Im Ergebnis zeigte sich zunächst einmal eine größere Zufriedenheit der Mitar-
beiter. Nachdem 1997 mehr als 40% der Beschäftigten gekündigt hatten, konnte
diese Fluktuationsrate nach dem Six Sigma-Prozess auf unter 10% gesenkt wer-
den. Dadurch entfielen Werbungs- und Trainingskosten für neue Mitarbeiter, die
das Unternehmen zuvor pro Jahr rund 125.000 EUR gekostet hatten. Auch die Zu-
friedenheit der Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Gehaltsabrechnungen stieg beträcht-
lich an. Waren zuvor 61 Beschwerden von Beschäftigten im Jahr registriert wor-
den, fiel diese „Klage-Rate“ im Zuge der Six Sigma-Aktivitäten auf 10 Beschwer-
den im Jahr. Das sparte zusätzlich Verwaltungskosten, so dass für das Unterneh-
Kombination von Lean Management und Six Sigma 53
men unter dem Strich nach Abschluss des Projektes ein „Produktivitätsgewinn“ in
Höhe von 140.000 EUR pro Jahr herauskam.
Für die zuständigen Black Belts waren diese Ergebnisse aber noch nicht hoch
genug. Sie betrachteten die Resultate lediglich als Zwischenergebnis ihrer Quali-
tätsoffensive. Denn das Ziel, 6σ-Qualität, war bei weitem noch nicht erreicht, wie
man beim Blick auf die „nackten“ Zahlen/ Fakten erkennt: Bei monatlichen Ge-
haltsabrechnungen gibt es 9 mögliche Fehlerquellen (O = Opportunities bzw. Feh-
lermöglichkeiten). Für 107 Beschäftigte werden 1.284 Gehaltsabrechnungen im
Jahr erstellt (N = Number bzw. Anzahl). 61 Klagen (D = Defects bzw. Fehler)
wurden in der Vergangenheit registriert. Wie Abbildung 16 zeigt, konnte das Qua-
litätsniveau von 4,1σ vor Beginn des Verbesserungsprozesses nach der ersten Ver-
besserungsrunde auf 4,65σ gesteigert werden.
Beispiel:
Vor dem Six Sigma Projekt:
• Es gibt 9 mögliche Fehlerquellen (O) bei monatlichen Gehaltsabrechnungen
• Für 107 Beschäftigte des Außendienstes werden jährlich 1.284 Gehalts-
abrechnungen (N) erstellt
! 61 Klagen (D) wurden registriert
61 61
1− = 1− = 99,4721% ≥ 4,1σ
1.284 x 9 11.556
Nach der ersten Verbesserungsrunde:
! Noch 10 Klagen wurden registriert Legende:
D = Defects/ Fehler
10
1− = 99,9135% ≥ 4,65 σ N = Number/ Anzahl
11.556 O = Opportunities/ Möglichkeiten
Basis: Garthe 2002, S. 349 f.
Die Reduktion der Klagen um 84%, d.h. von 61 auf 10, innerhalb weniger Mo-
nate würde in jedem „normalen Unternehmen“ als stolzes Ergebnis gefeiert. Doch
bei GE wollte man mehr: Um den Sigma-Wert weiter zu verbessern, wurden die
Intensiv-Interviews mit den Beschäftigten innerhalb von 5 Monaten wiederholt
(Control-Phase). Dabei sollte eine vergleichbare Gruppe von Personen für die Be-
fragung ausgewählt werden, an die exakt die gleichen Fragen gestellt wurden, um
bis Juni 1999 eine 100%-ige Zufriedenheit bei den Beschäftigten zu erreichen.
c. GE Money Bank
Die GE Money Bank als ein Teil der GE Consumer Finance, die mit weltweit 106
Mrd. US $ Bilanzsumme und 2,5 Mrd. US $ Gewinn im Jahr 2004 Bestandteil der
Nachfolgeorganisation von GE Capital ist, hat die Six Sigma-Philosophie konse-
54 Armin Töpfer
quent auf ihre Produkte umgesetzt. Das Kundenversprechen lautet, dass die Pro-
dukte fair, transparent und marktgerecht sind. Konkret bedeutet dies, dass die Pro-
dukte relativ einfach konzipiert sind und im Handling nur relativ niedrige Kosten
verursachen. Die Produktpalette ist dadurch schlank. Da die Produkte unterschied-
licher Banken weitgehend ähnlich sind, wird die Differenzierung vom Wettbewerb
im Service und in der Transparenz gesucht. Robert Law, der damalige Deutsch-
landchef der GE Money Bank, führt die Bank fast wie einen Industriebetrieb: „Ich
bin kein Banker, sondern Ingenieur.“ (vgl. Hönighaus 2005, S. 17).
Diese Strategie wird in der 30-Minuten-Kampagne der GE Money Bank erfolg-
reich umgesetzt. Das Ziel ist eine einfache und schnelle Abwicklung von Kredit-
anfragen der Händlerpartner des Autogeschäfts. Jede vollständige und korrekte
Finanzierungsanfrage soll innerhalb von 30 Minuten entschieden werden. Insbe-
sondere durch eine optimierte Online-Finanzierung soll ein verbesserter Kunden-
service geliefert werden. Im Ergebnis konnten 99% der Anfragen innerhalb von 30
Minuten entschieden werden. Jede 3. Anfrage dauerte nur 60 Sekunden. Die Re-
sonanz der Händler war rundum positiv. Die Kampagne wird deshalb fortgesetzt.
Nachstehend wird ebenfalls das Stärken- und Schwächen-Profil von Six Sigma er-
arbeitet. Zusätzlich wird jeweils bereits der Vergleich mit Lean Management
durchgeführt, soweit sich dies anbietet.
Strategie
Die Stärke von Six Sigma ist die ausgeprägte prozessbezogene Kundenorientie-
rung im Projektablauf, deren Basis die VOC-Analyse und die Ableitung der CTQs
in der Definitionsphase bildet. Auch Lean-Projekte richten sich am Kunden aus.
Durch die Betrachtung des Wertstroms, dessen Grundlage wertschöpfende Tätig-
keiten für den Kunden sind, wird dies gewährleistet. Allerdings ist die Erfassung
der Anforderungen der Kunden nicht so ausgeprägt wie in Six Sigma.
Während sich Six Sigma auf die Verbesserung einzelner definierter Prozesse
im Unternehmen konzentriert, betrachtet Lean Management neben diesen Prozes-
sen auch das Gesamtsystem und die Schnittstellen zwischen Teilprozessen. Zu
Beginn eines Six Sigma-Projekts werden die Verbesserungen, welche durch das
Projekt erreicht werden sollen, abgeschätzt und danach wird kontinuierlich auf de-
ren Erfüllung hingearbeitet. Nach Abschluss des Projekts werden die Verbesse-
rungen als finanzielle Größen quantifiziert, womit eine Aussage über den Erfolg
des Projekts möglich ist. In Lean-Projekten findet dies in solch strukturierter Form
nicht statt.
Vorgehen
Eine der Stärken von Six Sigma ist die ausgeprägte Projektorientierung und Vor-
gehensstruktur. Verbesserungen werden auf Basis von Projekten mit festgelegtem
Ablauf durchgeführt. Die Problemstellung wird anfangs definiert und in den ein-
zelnen Phasen bearbeitet. Dabei sind die Rollen im Team klar definiert. Lean-
Verbesserungen werden zwar auch auf Projektbasis vorgenommen, dennoch ist
Kombination von Lean Management und Six Sigma 55
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Vorgehen
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Abb. 17: Bewertung des isolierten Einsatzes von Lean Management und Six Sigma
Die 2. und 3. Alternative streben eine Strategie der Koordination und der Integ-
ration an. Bei der 2. Alternative folgt Six Sigma auf Lean Management, wobei
beide Konzepte weiterhin nebeneinander bestehen. Bei der 3. Alternative ist Lean
Management Bestandteil der Six Sigma-Umsetzung, wobei i.d.R. immer zuerst
Lean Management-Aktivitäten durchgeführt werden, um mit Six Sigma auf
schlanken Prozessen aufzusetzen. Six Sigma selbst soll dann ebenfalls als Lean-
Prozess durchgeführt werden. Beabsichtigt ist damit eine stufenweise Integration
der beiden Methoden.
Dieser Ansatz von Lean Six Sigma wird ausführlich im Beitrag von Günther/ Gar-
zinsky im Kapitel B beleuchtet. Hier geht es um die Frage, wie der Standard-
DMAIC-Zyklus schlank, d.h. lean, gemacht werden kann. In Abbildung 18 ist ein
schlanker DMAIC-Zyklus mit reduziertem Methodeneinsatz zu sehen, der inner-
halb von fünf Tagen durchgeführt werden kann.
1. Tag
Define
• Projekt Charter 2. Tag
5. Tag
• SIPOC-Analyse Measure
Control • VOC-CTQ-Analyse • Value Stream Mapping:
• Monitoring & Controlling:
- Material- und Informations-
- Verbesserungen verifizieren fluss darstellen (Ist-Zustand)
- Neuen Prozess dokumentieren - Bestände aufnehmen
- Lessons Learned dokumentieren - Durchlaufzeiten messen
- KVP-Prozess einleiten - Kapazitäten bestimmen
- Kosten kalkulieren
4. Tag 3. Tag
Improve Analyse
• Value Stream Design: • Wertschöpfungsanalyse:
- Lösungen für die Umsetzung generieren - Wertschöpfungsgebirge darstellen
- Arbeitsabläufe/ -strukturen entsprechend - Engpässe, Verschwendung etc. identifizieren
Soll-Konzept verändern - Material- und Informationsfluss optimieren
- IT-Steuerung entsprechend Soll-Konzept (Soll-Zustand)
verändern - Verbesserungen vor Implementierung simu-
- Mitarbeiter informieren u. ggf. qualifizieren lieren (wenn möglich)
© Prof. Dr. Armin Töpfer
Wie nachvollziehbar ist, konzentriert sich der Einsatz der Lean Management-
Methoden auf drei Phasen des DMAIC-Zyklus, nämlich auf die Schritte Measure,
Analyse und Improve. Dort steht jeweils der Wertschöpfungsprozess im Zentrum
der Optimierung.
Kombination von Lean Management und Six Sigma 59
Dieser Ansatz basiert auf der primären Umsetzung von Lean Management mit
Lean Thinking und Lean Production. Auf der Grundlage der Anwendung ein-
schlägiger Lean-Methoden, z.B. Wertstromdesign, werden die Prozesse im Unter-
nehmen ganzheitlich analysiert und optimiert. Für die Beseitigung von hartnäcki-
gen Fehlern in Prozessen/ Produkten, die einer tiefgründigeren Problemanalyse
bedürfen, werden einzelne, punktuelle Six Sigma-Projekte durchgeführt. Lean
Management und Six Sigma bleiben im Unternehmen mit den in Abbildung 19
aufgeführten Eigenschaften als eigenständige Konzepte erhalten.
Setzt an allen Prozessen im Unternehmen an: Setzt selektiv an ausgewählten Prozessen/ Prozess-
• Nicht-wertschöpfende Aktivitäten identifizieren teilen im Unternehmen an:
und reduzieren • Variation als Fehler und Wertverlust eliminieren
• Prozesse verschlanken und standardisieren • Kostentreiber ausmerzen
• Verzögerungen beseitigen und dadurch • Kundenanforderungen (CTQs) durch Einhaltung von
Durchlaufzeiten deutlich verkürzen Standards möglichst vollständig erfüllen
• Lagerhaltung stark reduzieren • Gleichzeitig eine hohe Wirtschaftlichkeit durch den
• Verschwendung als Wertverlust beseitigen realisierten Net Benefit erreichen
Abb. 19: Lean Management und Six Sigma als eigenständige Konzepte
4.3 Durch integriertes Lean Six Sigma besser und schneller werden
2. Six Sigma:
Gravierende Fehler in Prozessen/ Produkten
erkennen und ausmerzen
3. KVP:
Kontinuierliche Verbesserung aller Prozesse
und Produkte/ Kaizen
Feintuning
Als Konsequenz und Folge werden bei beiden Konzepten kontinuierliche Ver-
besserungsprozesse (KVP) zur Optimierung der Wertströme und der geschaffenen
Wertschöpfung in Form eines Feintuning eingeleitet, wie sie als Kaizen-Aktivi-
täten originär im Rahmen der Philosophie des Lean Management entwickelt wur-
den. In Abbildung 21 sind die Säulen dieses Lean Six Sigma-Ansatzes noch ein-
mal verdeutlicht.
Six Sigma
o Systematische Methodik
(DMAIC, DMADV) lean gemacht
o Projekt- und Prozessmanagement
o Toolbox
(Prozessanalyse, Problemlösung, Statistik)
o Philosophie, Kultur der Null-Fehler-Qualität
„The way we work“
Prozess-
innovation
Prozess-Management
Wertstrom-Management
Durchlaufzeiten Liefertreue
Qualität Kostenniveau
Null-Fehler-Management
Design for
Six Sigma Six Sigma Initiative
3. Die Implementierung von Lean Six Sigma erfordert immer die folgende Vor-
gehensweise: (1) Lean Management, dann (2) Six Sigma. Grundsätzlich ist die-
se Reihenfolge für Unternehmen empfehlenswert, die bislang über keines der
beiden Konzepte verfügen, wie z.B. Xerox vor der Einführung von Lean Six
Sigma. In der Unternehmenspraxis kann aber auch die umgekehrte Implemen-
tierungsreihenfolge vorgefunden werden, z.B. bei General Electric. Im Allge-
meinen ist dies eine Frage des ersten Einführungszeitpunktes eines Konzeptes.
Beide Konzept-Reihenfolgen können erfolgreich sein. Dies hängt maßgeblich
von der Koordination und dem Nachdruck bei der Umsetzung ab.
4. Lean Management ist immer auf die Reduzierung der Durchlaufzeit und Six
Sigma immer auf die Erhöhung des Qualitätsniveaus ausgerichtet. Dies ist vor-
dergründig richtig, beide Konzepte unterstützen jedoch gemeinsam das Ziel, ei-
ne praktikable Null-Fehler-Qualität im gesamten Unternehmen zu erreichen.
Lean Management setzt dabei primär an der Vermeidung von Ressourcenver-
schwendung und an der Reduzierung der Durchlaufzeiten an. Eine verbesserte
Qualität ist dann eine wesentliche Folgewirkung, aber zunächst kein originär
formuliertes Ziel des Konzeptes. Die Reduzierung der Ressourcenverschwen-
dung durch eine Verbesserung der ganzheitlichen Qualität bewirkt zusätzlich
auch eine Senkung der Fehlerkosten in den Prozessen.
Six Sigma strebt über die Beseitigung von Abweichungen und damit den Ab-
bau von Fehlerkosten primär die Erhöhung der Qualität in Richtung definierter
und praktikabler Null-Fehler-Qualität an. Dadurch werden zugleich aber auch
Ressourcen geschont, weil Verschwendung vermieden wird und Durchlaufzei-
ten verkürzt werden.
Genau hierdurch schließt sich der Kreis zwischen beiden Konzepten, die aus
unterschiedlichen Blickrichtungen und Ansätzen einen weitgehend gleichen
Managementverbesserungsprozess mit zum Teil verschiedenen Schwerpunkten
in Gang setzen. Das Ziel einer Kombination beider Konzepte sind also schlan-
ke, schnelle und verschwendungsfreie Prozesse, mit denen qualitativ hochwer-
tige – da stark auf den Kundennutzen ausgerichtete – und fehlerarme Produkte
oder Dienstleistungen als Wertschöpfungsergebnisse geschaffen werden.
5. Lean Management-Methoden sind durchweg einfach anwendbar und deshalb
schnell implementierbar. Im Vergleich zu Six Sigma ist diese Aussage richtig.
Jedoch ist zu beachten, dass sich die volle Wirkung der Methoden nur im Zu-
sammenhang mit einem durchgängigen Lean Thinking im gesamten Unterneh-
men entfaltet. Dies bedeutet, dass alle an der Wertschöpfung beteiligten Akteu-
re diese Philosophie verstanden haben und das hieraus abgeleitete Konzept um-
setzen wollen. Dadurch ist jeder Lean Management-Ansatz ein kontinuierlicher
Verbesserungsprozess unter Einbeziehung aller Mitarbeiter des entsprechenden
Prozesses respektive Bereiches des Unternehmens mit sich wiederholenden und
vertiefenden Verbesserungsschleifen. Fehlt diese „Durchsetzung“ mit dem
Lean-Gedankengut in der Organisation, dann hat der Verbesserungsprozess
keine Traktion und damit keine Wirkung.
6. Lean Six Sigma bezieht sich in erster Linie auf die Verbesserung von bestehen-
den Prozessen. Dies ist grundsätzlich richtig. Zusätzlich ist in jedem Unter-
nehmen aber auch die Umsetzung einer Lean Six Sigma-Philosophie im F&E-
64 Armin Töpfer
7 Quintessenz
Was lässt sich abschließend als grundlegende Erkenntnisse festhalten, welche we-
sentlichen Phasen zu durchlaufen und welche Inhalte zu erfüllen sind, um bei der
Einführung einer Initiative in Richtung Lean Management, also der Gestaltung ei-
ner schlanken Prozesslandschaft, oder in Richtung Six Sigma, also der Umsetzung
praktikabler Null-Fehler-Qualität, erfolgreich zu sein? In Abbildung 23 ist ein
vereinfachtes Prozessschema dargestellt, das gleichermaßen auch für die Kombi-
nation oder Integration der beiden Konzepte gilt.
Wie immer bei derartigen Vorhaben muss die Initiative und Verpflichtung von
der Unternehmensleitung ausgehen und alle Führungsebenen kaskadenförmig er-
reichen und inhaltlich einbeziehen (1). Der Grundsatz heißt: Vormachen und Vor-
Kombination von Lean Management und Six Sigma 65
leben schaffen Vertrauen und Handlungsdruck. Dies ist die Grundlage für das
Verständnis und eine positive Einstellung bei den Akteuren (2a), die nur einen
Teil der Mitarbeiter oder alle Beschäftigten umfassen können. Eng damit verbun-
den und in der Abfolge variabel ist die Auswahl der einbezogenen Bereiche sowie
der vorgesehenen Projekte im Unternehmen (2b).
2b 4a
Auswahl der Zeit- und Ressourcen-
einbezogenen bedarf für
Bereiche/ Projekte Projektdurchführung
3a
Organisation/
Teamstruktur
1 5
Commitment der Projektnutzen/
Unternehmensleitung Ergebnisberechnung/
und des Managements Net Benefit
3b
Qualifizierung
des Teams/
der Mitarbeiter
2a 4b
Verständnis/ Einstellung
der Akteure/ Messphasen
der Mitarbeiter
Abb. 23: Wesentliche Bausteine bei der Umsetzung von schlanken Prozessen und fehler-
freier Qualität im Unternehmen
Das Schaffen einer positiven Motivation sowie die Definition der betroffenen
Bereiche und der zu lösenden Problemstellungen bestimmen einerseits das Aus-
maß und den Grad der notwendigen Organisation und Teamstrukturen (3a). Ande-
rerseits wird hierdurch auch die erforderliche Qualifizierung sowie damit die Wis-
sensvermittlung und der angestrebte Erfahrungsaustausch der einzelnen Teams
oder aller Mitarbeiter (3b) determiniert.
Sowohl bei der Einführung schlanker Prozesse als auch bei der Umsetzung von
Null-Fehler-Qualität sind in regelmäßigen Abständen Messungen der zugrunde
gelegten Steuerungskriterien (4b) durchzuführen. Dies gilt bei beiden Konzepten
für definierte Projektaktivitäten (4a) mit einem bestimmten Zeit- und Ressourcen-
bedarf, aber generell auch danach, zur Absicherung des erreichten Steuerungsni-
veaus. Die Analysen der Ergebnisberechnung als Projektnutzen und Net Benefit
(5), also in Form von nicht-monetären Wirkungen, wie z.B. höhere Kunden- und
Mitarbeiterzufriedenheit, und von erreichten Zeit- und Kosteneinsparungen oder
auch realisierten Umsatz- und Ertragssteigerungen, sind auch an die Mitarbeiter
zurückzukoppeln; in fortschrittlichen Unternehmen werden sie am zusätzlich er-
wirtschafteten höheren Erfolg beteiligt. Alle diese Phasen für eine erfolgreiche
Einführung und Umsetzung schaffen und verstärken die Unternehmenskultur in
Richtung schlanker Prozesse und fehlerfreier Qualität.
66 Armin Töpfer
8 Literatur
Inhalt
1 Gründe und Ziele von Design for Six Sigma (DFSS) ................................69
1.1 Six Sigma oder Design for Six Sigma? ......................................................70
1.2 DMAIC-Zyklus oder DMADV-Zyklus?....................................................75
2 DMADV-Zyklus als strukturierte Vorgehensweise im
Produktentstehungsprozess (PEP)..............................................................77
2.1 Define-Phase ..............................................................................................78
2.2 Measure-Phase ...........................................................................................79
2.3 Analyse-Phase ............................................................................................81
2.4 Design-Phase..............................................................................................83
2.5 Verify-Phase...............................................................................................85
3 Erzielbare Wirkungen durch schlanke und wirtschaftliche Null-Fehler-
Qualität im Entwicklungsprozess...............................................................86
3.1 Förderung von Innovationen in der Produktentwicklung...........................86
3.2 Senkung von Qualitätskosten in der Produktion und dem Vertrieb ...........87
3.3 Erhöhung des Wertbeitrages (EVA) für das Unternehmen ........................89
4 Einführungsanforderungen von DFSS im Zusammenhang mit Lean Six
Sigma .........................................................................................................91
4.1 Strukturierter Projektauswahlprozess.........................................................91
4.2 Spezifische Qualifizierung der Akteure .....................................................93
5 Literatur......................................................................................................95
Das vordergründige Ziel von Design for Six Sigma besteht in einer schlanken
Produktentwicklung, im Rahmen derer eine wirtschaftliche Null-Fehler-Qualität in
Produktion und Vermarktung als Ergebnis erreicht wird. In diesem Kapitel geht es
zunächst um die Abgrenzung von Six Sigma und DFSS sowie um die Unterschie-
de/ Gemeinsamkeiten der relevanten Problemlösungszyklen. Die folgenden zwei
Fragen unterstreichen plakativ diese inhaltliche Ausrichtung:
1. Six Sigma oder Design for Six Sigma?
2. DMAIC-Zyklus oder DMADV-Zyklus?
70 Armin Töpfer, Swen Günther
In der Unternehmenspraxis hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Fehler und
Versäumnisse in der Produktentwicklung ein Unternehmen in den anschließenden
Wertschöpfungsphasen der Produktion und der Vermarktung einschließlich der
Aktivitäten im technischen Service und in der Garantie/Kulanz teuer zu stehen
kommen können. Die Beschaffung kann zusätzlich in der Weise tangiert sein, dass
ein geringerer Anteil an standardisierten Vorprodukten und an Gleichteilen die
Fehlerkosten und insgesamt die Herstellkosten erhöht.
In der Produktion können durch eine „intelligente“ Entwicklung des Produktes
Kosten dadurch gespart werden, dass Bauteile im Sinne von Design for Manufac-
turing and Assembly (DFMA) eingespart, vereinfacht und montagefreundlich ge-
macht werden. In der Servicephase können Defizite der Entwicklung sich dann in
erhöhten Servicekosten auswirken, wenn das Produkt wenig servicefreundlich
gestaltet ist, also die notwendigen Wartungs- bzw. Reparaturarbeiten aufgrund ei-
ner schlechten Konfiguration des Produktes einen zu hohen Demontage- und er-
neuten Montageaufwand erfordert. Dies entspricht der bekannten „Zehnerregel“
des Qualitätsmanagements, dass sich also Defizite und Versäumnisse einer vorge-
schalteten Wertschöpfungsphase mit dem Faktor 10 in Fehlerkosten auf jeder
nachfolgenden Wertschöpfungsphase auswirken (vgl. Pfeifer 1996, S. 11). In Ab-
bildung 1 sind diese Zusammenhänge vereinfacht dargestellt.
Spektrum der
Qualitätskosten
Die Erkenntnis dieser Sachverhalte besagt, dass – entsprechend den Kosten der
Übereinstimmung – in einer frühen Phase des Produktlebenszyklus alle Qualitäts-
kosten eine Investition sind mit dem Ziel, Fehlerprävention zu betreiben und damit
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 71
Anteil an Gesamtkosten
Effektive 5% Einfluss
Kosten 5% auf die
Verwaltung
der 30% Kosten
Phasen 20% im Lebens-
zyklus des
Personal Produktes
15%
Material 70%
50%
Design/ Entwicklung
5%
Bei
Bei Design/ Entwicklung:
Entwicklung:
Geringer
Geringer Kostenanteil
Kostenanteil versus
versus hohe
hohe Kostenauswirkung
Kostenauswirkung
Quelle: Harry/Schroeder 2000, S. 153
Aus diesem Grund kommt es also darauf an, sowohl aus Unternehmens- als
auch Kundensicht die jeweiligen Total Cost of Ownership zu analysieren (vgl.
Töpfer/ Heidig 2008, S. 593). Aus Unternehmenssicht ist dies vor allem ein gutes
Lieferantenmanagement mit Einsparungen bei Materialien und Lieferanten. Aus
Kundensicht sind es über die damit verbundenen Preiswirkungen hinaus potenziell
überhöhte Kosten der Nutzung und Wartung aufgrund von Versäumnissen in der
72 Armin Töpfer, Swen Günther
I II III
Anfangsausfall Weitgehend Abnutzung
(Kinderkrankheiten) störungsfreie Nutzung (Alterungsprozess)
(Arbeitsleben)
Fehlerrate
Lebenszyklus
Zeit
Quelle: Harry/Lawson 1992, S. 1-4
Die 5-Sigma-Wand
5
Sigma-Niveau
Mit traditionellen
Six-Sigma-Methoden
4
3
1 2 3 4 Jahre
Zeit
Quelle: Six Sigma Exchange Newsletter, 12/2000, S. 6
Ziel von Design for Six Sigma ist es, Neuprodukte so zu entwickeln bzw. zu
konstruieren, dass möglichst wenige Abweichungen in Form von Fehlern und
Fehlerkosten auftreten. Ursächlich hierfür sind zum einen schlanke und damit ro-
buste Prozesse in der Entwicklung und Produktion, die nur zu einer geringen Ver-
schwendung führen. Zum anderen gehen hiervon oftmals auch weniger und gerin-
gere Abweichungen, also Fehler, aus.
Wie oben angesprochen, zählt zu den Fehlerkosten sowohl das Auftreten und
Beseitigen von Fehlern im Unternehmen (intern) als auch das Beheben von Feh-
lern beim Kunden in der Nutzungsphase (extern). DFSS steht damit für ein proak-
tives Qualitätsmanagement, das die Qualitätssicherungsaktivitäten in Produktion
und Absatz auf ein Mindestmaß reduziert. Durch den Charakter eines längerfristi-
gen Hebels wird gleichzeitig die Notwendigkeit und Anzahl von Six Sigma-
Projekten in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen minimiert. Während in der
Entwicklung mit der DFSS-Philosophie Fehler mit relativ geringem Aufwand
vermieden bzw. beseitigt werden können, stellen Six Sigma-Projekte in den fol-
genden Wertschöpfungsphasen eine i.d.R. kostenintensivere Variante der Fehler-
beseitigung dar. In Form eines reaktiven Qualitätsmanagements unterstützen sie
die kurzfristige „Reparatur“ und Verbesserung von Prozessen und Abläufen im
Unternehmen. Die wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von DFSS
und Six Sigma (-Projekten) sind in Abbildung 5 wiedergegeben.
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 75
Abb. 5: Gegenüberstellung von Design for Six Sigma und (Lean) Six Sigma
Alle Unternehmen, die sich für die Einführung von Six Sigma entscheiden, begin-
nen mit dem Training und der Anwendung des DMAIC-Zyklus (Define, Measure,
Analyse, Improve, Control), um zunächst die bestehenden Prozesse zu verbessern
(vgl. Töpfer 2007c, S. 217). Verläuft die Implementierung von Six Sigma erfolg-
reich, wird i.d.R. spätestens nach 2 Jahren auf Design for Six Sigma (DFSS) über-
gegangen, um neue Produkte und Prozesse gleich von Anfang an mit Null-Fehler-
Qualität zu erzeugen. Zu diesem Zweck greifen die meisten Six Sigma-Anwender
auf den DMADV-Zyklus (Define, Measure, Analyse, Design, Verify) zurück.
Aus der Unternehmenspraxis ist bekannt, dass zahlenmäßig auf ein Projekt, das
nach dem DMADV-Zyklus durchgeführt wird, bis zu 20 Six Sigma-Projekte kom-
men, die auf dem DMAIC-Zyklus basieren.1 Nach Bergbauer (2003, S. 42) gibt es
im Wesentlichen zwei Anwendungsfälle, bei denen das methodische Vorgehen
nach dem DMAIC-Zyklus nicht zum gewünschten Ergebnis führt:
• Ein völlig neues Produkt und/ oder ein komplett neuer Prozess ist zu entwi-
ckeln und einzuführen. Mithilfe der Methoden und Vorgehensweisen des
DMAIC-Zyklus ist es im Allgemeinen nicht möglich, Neuprodukte und neue
Prozesse so zu designen, dass sie die Vorgaben der Kunden von vornherein mit
Null-Fehler-Qualität erfüllen. Aus Prozesssicht empfiehlt sich die Anwendung
des DMADV-Zyklus genau dann, wenn der Prozess (a) nicht existiert, (b) nicht
durchgängig bzw. unterbrochen ist, (c) nicht robust ist und/ oder (d) mehrere
Nicht-Standard-Versionen des Prozesses vorliegen. Infolgedessen werden je-
weils gleich mehrere CTQs nicht erfüllt.
• Ein bestehender Prozess ist ausgereizt, d.h. er ist im Hinblick auf die Leis-
tungsfähigkeit an seine obere Grenze gestoßen. Diese liegt meistens auf einem
Qualitätsniveau von 5σ. Für eine weitere Verbesserung und damit die Durch-
brechung der „5σ-Wand“ bedarf es einer Neu-Modellierung/ -Entwicklung des
Prozesses. Lösungen, die im Zuge der Anwendung des DMAIC-Zyklus eruiert
worden sind, stellen sich im Nachhinein als unwirtschaftlich heraus, da die
prognostizierten Implementierungskosten den anvisierten Net Benefit überstei-
gen und damit aufzehren. In diesem Fall muss das Design des Prozesses grund-
sätzlich infrage gestellt werden.
In Abbildung 6 ist ein vereinfachter Entscheidungsbaum dargestellt, der dar-
über Auskunft gibt, unter welchen Bedingungen DFSS vorzugsweise zum Einsatz
kommen sollte. Wie ersichtlich ist, befindet sich der erste Entscheidungspunkt
unmittelbar nach Abschluss der Define-Phase. In Abhängigkeit davon, ob ein Pro-
zess vorhanden, d.h. definiert und umgesetzt, ist oder nicht, wird im Weiteren der
DMAIC- oder DMADV-Zyklus verfolgt.
Fällt die Entscheidung zugunsten des DMAIC-Zyklus aus, dann ergibt sich ein
zweiter Entscheidungspunkt am Ende der Analyse-Phase. Im Rahmen der Quanti-
fizierung der Möglichkeiten ist hier zu prüfen, ob die absehbare(n) Verbesse-
rung(en) in ihrer Höhe ausreichend sind oder nicht. Wenn die Verbesserungen nur
inkrementellen Charakter besitzen und demzufolge nicht ausreichen, um die ein-
gangs gesetzten Ziele zu erreichen, dann ist ein Rücksprung in die Measure-Phase
des DMADV-Zyklus im Allgemeinen unausweichlich. Die Vorgehensweise nach
dem DMAIC-Zyklus hat sich in diesem Fall als nicht angemessen für die Erzie-
lung von exponentiellen Verbesserungen2 herausgestellt.
Folgende Erkenntnis lässt sich zusätzlich festhalten: Der DMADV-Zyklus ist
grundsätzlich immer lean, da robustes Design, Prozesse ohne Verschwendung und
eine geringzahlige Versuchsplanung nach DOE sowie erfinderisches Problemlö-
sen mit TRIZ die Ziele sind.
2 Diese Art von Verbesserung zeichnet sich durch einen signifikanten Anstieg der Prozess-
leistung bzw. Produktperformance in kurzer Zeit aus.
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 77
Define
DMAIC DMADV
ja Prozess nein
vorhanden?
Measure Measure
Analyse Analyse
ja Verify
Improve
Define
t Business Produkt- Marktanalyse
jek
Pro rter Case konzept
Projektumfang
a
Ch
Ziele und Marken- Ressourcen
Probleme treue
Projekt- Kommuni-
Verify Benchmarking kontrolle kation
Measure
Pilotierung + Implemen- Statistisches Forecasting Risikoma- Netzplan- Kunden Kunden-
tierung des Prozesses nagement technik • identifizieren bedürfnisse
Übergabe an Prozess- • segmentieren sammeln +
eigner • priorisieren analysieren
• Monitoring
CTQs bestimmen
• Reaktionsplan
Lasten-/ Pflichtenheft
• Dokumentation
Risiko abschätzen
Design Analyse
Detailliertes Design Detailliertes Design QFD + TRIZ Designkonzepte
entwickeln evaluieren bestimmen
• QFD • DOE • High Level Design • High Level Design
• Simultaneous • Komplexität entwickeln evaluieren
Engineering • Statistische Tolerierung • Komplexität redu- • FMEA
• Entscheidende CTQs • Zuverlässigkeit zieren • Target Costing
Implementierung vorbereiten • Outputsimulation • Kundenfeedback
• Konfigurationsmanagement durchführen
• Maschinenfähigkeitsanalyse (CTQs/ QFD)
© Prof. Dr. Armin Töpfer
2.1 Define-Phase
2.2 Measure-Phase
3 Die Festlegung der Cluster-Anzahl erfolgt in Abhängigkeit vom Anstieg der Distanzwer-
te. Nach dem Elbow-Kriterium wird die Clusterung an der Stelle abgebrochen, an der der
Anstieg am größten ist (vgl. Backhaus et al. 2006, S. 534f.).
80 Armin Töpfer, Swen Günther
Zur Überprüfung der Ergebnisse einer Clusteranalyse kann zusätzlich eine Dis-
kriminanzanalyse durchgeführt werden. Bei dieser wird ein Vorhersagemodell
entwickelt, auf Basis dessen sich die Gruppenzugehörigkeit anhand der beobachte-
ten Eigenschaften einzelner Fälle prognostizieren lässt. Voraussetzung hierfür ist
die Erzeugung einer oder mehrerer Diskriminanzfunktionen, und zwar aufgrund
der Linearkombinationen der Einflussvariablen, welche die beste Diskriminanz,
also Abgrenzung, zwischen den einzelnen Gruppen ergeben (vgl. Backhaus et al.
2006, S. 156ff. und S. 490ff.).
Nachdem die wichtigste(n) Kundengruppe(n) identifiziert worden ist (sind),
werden in einem zweiten Schritt die Kundenbedürfnisse dieser Zielgruppe(n) ge-
sammelt und analysiert. Da bei einer Neuproduktentwicklung häufig die Annahme
zutrifft, dass der Informationsbedarf des Unternehmens deutlich größer ist als bei
einer Produktverbesserung, kommt eine erweiterte VOC-CTQ-Analyse zum Ein-
satz. Für die Übersetzung der „Stimme des Kunden“ in die „Sprache des Ingeni-
eurs“ wird in DFSS-Projekten häufig auf die Methode des Quality Function
Deployment (QFD) zurückgegriffen.4 Dabei soll in möglichst kurzer Zeit eine in-
tegrierte Produktentwicklung für kundengerechte, qualitativ hochwertige Produkte
und Dienstleistungen durchgeführt werden (vgl. Hauser/ Clausing 1988, S. 73).
Voraussetzung hierfür ist, dass alle wichtigen Kundenanforderungen erkannt, ge-
wichtet und in technische Produktspezifikationen umgesetzt werden.
Neben der Ermittlung/ Ableitung erweist sich insbesondere die zutreffende Ge-
wichtung (Priorisierung) der Kundenanforderungen als wesentliche Vorausset-
zung für eine kundenorientierte Produktentwicklung. Anders als bei der oben be-
schriebenen VOC-CTQ-Analyse erfolgt die Gewichtung im Rahmen des
DMADV-Zyklus explizit und theoriebasiert. Konkret bedeutet dies, dass für die
Bewertung und Priorisierung von Kundenbedürfnissen/ -anforderungen bekannte
Klassifizierungsmodelle aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften herange-
zogen werden. Zu nennen sind hier vor allem die Kundenbedürfnisklassifizierung5
auf der Basis von Abraham H. Maslow (1954) sowie das Kundenzufriedenheits-
modell nach Noriaki Kano (1984), welches eine direkte Verbindung zwischen
Kundenanforderung und Kundenzufriedenheit herstellt.
Den instrumentellen Kern von QFD bildet das Aufstellen des so genannten
House of Quality (HoQ). Dabei handelt es sich um eine Beziehungsmatrix, in der
die aus Kundensicht wesentlichen Kundenanforderungen den aus Unternehmens-
sicht wesentlichen Produktmerkmalen gegenübergestellt werden (vgl. Saatweber
1997, S. 35). Durch die Ermittlung von (subjektiven) Korrelationswerten wird der
Zusammenhang zwischen der artikulierten Kundenanforderung und dem techni-
Abhängigkeits-
6 analyse
(Wie beeinflussen sich die
einzelnen Konstruktionsmerkmale?)
Technische Anforderungen/Konstruktionsmerkmale
1 2 4 (Wie setzen wir die Kundenanforderungen
technisch um?) 3
Kundenwahrnehmung/
Kundenan-
forderungen Gewichtung
(Wie wichtig
5 Ausprägung/Beziehungsmatrix
(In welchem Ausmaß können die Kunden-
Konkurrenzvergleich
(Benchmarking)
(Was verlangt (Wie gut sind wir im Vergleich
ist es?) anforderungen realisiert werden?)
der Kunde?) zu den Wettbewerbern?)
Maßeinheiten Technischer Vergleich
Maßstäbe
Objektive
tung
liche Bewertung
Beigemessene
Wichtigkeit
(Wie werden die Verbes-
serungsmöglichkeiten
8
bewertet?)
Gewich-
Wirtsch.
Geschätzte
tung
Maßnahmenpriorität
Kosten (Welche Verbesserungen
wollen wir zuerst 9
Zielvorgaben realisieren?)
Ziel/Wirkung:
Ziel/Wirkung: o Mehr
Mehr Klarheit
Klarheit
o Erkennen
Erkennen von
von Informationsdefiziten
Informationsdefiziten
o Bessere
Bessere Kommunikation,
Kommunikation, auch
auch mit
mit internen/externen
internen/externen Kunden
Kunden
o Zielgerichtetes
Zielgerichtetes Handeln
Handeln
Abb. 8: Umsetzung von Kundenanforderungen mit extern und intern gerichteten Kennzah-
len im House of Quality von QFD
2.3 Analyse-Phase
6 Auf der Basis der Analyse von über 2,5 Mio. Patenten, kam Altschuller zu der Erkennt-
nis, dass erfolgreiche Erfindungen auf sehr ähnlichen Denkstrategien beruhen. Dadurch
ist es möglich, jede Idee/ Erfindung durch universelle Grundregeln zu erklären und den
Prozess zur Generierung neuer (verbesserter) Produkte gezielt zu steuern.
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 83
2.4 Design-Phase
In der Design-Phase steht die Detaillierung des Produkt- und Prozessdesigns auf
der Basis des favorisierten High Level-Designs aus der Analyse-Phase im Vorder-
grund. Mithilfe von QFD wird die Übertragung der „Stimme des Kunden“ in die
technische Produkt- und Prozessgestaltung weiter fortgesetzt. Die Anwendung
von QFD bezieht sich insb. auf die Transformation der im 2. HoQ ermittelten
Komponentenmerkmale in Prozessmerkmale. Über einen iterativen Prozess wer-
den so die Kundenanforderungen auf die Konstruktion, die Prozess- und Produkti-
onsplanung übertragen (siehe Abb. 9). Ziel ist es, eine hinsichtlich manueller oder
(teil-) automatisierter Montage optimierte Produktgestalt einschließlich des Pro-
duktaufbaus zu entwerfen. Im Sinne eines Design for Manufacturing and As-
sembly (DFMA) soll nicht nur die generelle Herstellbarkeit, sondern auch die ein-
fache und fehlerfreie Montage des Produktes im Serienprozess gewährleistet wer-
den.
7 Zu diesem Zweck sind klare Schnittstellen zwischen Systemen und Subsystemen wie
Baugruppen und Bauteilen zu definieren (vgl. Schurr 2002, S. 247).
8 Nach den beiden Kriterien Anwendungszeitpunkt und Untersuchungsobjekt können drei
Arten von FMEA’s unterschieden werden. So begleitet die System-FMEA die Gesamt-
konzeptphase, die Konstruktions-FMEA die Produktentwurfsphase und die Prozess-
FMEA die Fertigungsplanungsphase (vgl. DGQ 2001a, S. 26). Die Durchführung einer
ganzheitlichen System-FMEA läuft standardmäßig in fünf Schritten ab und führt zu
nachhaltigen Kostensenkungen (vgl. Sponner et al. 2000, S. 1279).
84 Armin Töpfer, Swen Günther
Konstruktionsmerkmale
Kundenanforderungen
Betriebsabläufe
Teilemerkmale
Grundlegende
I. II. III. IV.
Abb. 9: Verknüpfung der „Houses of Quality“ in den verschiedenen Phasen des QFD-
Prozesses
Die Entwicklung eines robusten Designs, das als Ziel die Kundenanforderungen
bestmöglich erfüllt und sich gleichzeitig wirtschaftlich erstellen lässt, erfordert je-
doch neben dem „qualitativen Instrument“ QFD den Einsatz von DOE (Design of
Experiments). Dadurch können die funktionalen Abhängigkeiten und Wechselwir-
kungen zwischen Produkt- und Komponentenmerkmalen sowie zwischen Kompo-
nenten- und Prozessmerkmalen offen gelegt werden. Das Vorgehen entspricht im
Wesentlichen der Versuchsplanlogik, wie sie im DMAIC-Zyklus angewendet
wird. Allein die Screening-Versuche können entfallen, da die wesentlichen Ein-
flussgrößen bereits im Deployment-Prozess ermittelt worden sind.
Dem „quantitativen Instrument“ DOE kommt aber nicht nur bei der Entwick-
lung, sondern auch bei der Evaluierung des detaillierten Designs eine herausra-
gende Bedeutung zu. So wird z.B. die Reaktionsflächen-Methodik (RSM) dazu
genutzt, um den Einfluss verschiedener metrischer Faktoren (Komponentenmerk-
male) auf die Ergebnisvariable (Produktmerkmal) im Bereich der Zielspezifikation
zu überprüfen. Die Information über den funktionellen Zusammenhang in dieser
Region ist hilfreich, um einerseits die Komponentenmerkmale optimal auszulegen
und andererseits die Merkmalsausprägung statistisch zu tolerieren.
Die Toleranzfestlegung ist eine der Hauptaufgaben im Rahmen des DFSS-Pro-
zesses. Denn um ein robustes Design zu erreichen, müssen die Produktmerkmale/
Prozessergebnisse einen geringen Toleranzbereich aufweisen und relativ unemp-
findlich gegenüber Schwankungen der Einflussfaktoren sein, die sowohl er-
wünschter als auch unerwünschter Natur sein können. Unerwünschte Einflussgrö-
ßen werden von Taguchi als Rauschfaktoren (Noise) bezeichnet, erwünschte als
Signalfaktoren (Signal). Daher geht es darum, den S/N-Wert als Verhältnis von
Signal- zu Rauschleistung zu maximieren.
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 85
2.5 Verify-Phase
In der letzten Phase des DMADV-Zyklus wird mit der Pilotierung des neugestal-
teten Prozesses begonnen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit des neuentwickelten
Produkts bei Serienfertigung zu überprüfen. Fallen die Testergebnisse des Vorse-
rienbetriebs positiv aus, wird mit der Implementierung/ Umsetzung im Tagesge-
schäft begonnen. Andernfalls ist über eine Modifizierung des Produktkonzeptes
nachzudenken und u.U. ein Rücksprung in die Analyse-Phase notwendig.
Die Überführung der erarbeiteten Lösung in die Arbeitsvorbereitungs- und Pro-
duktionsphase erfordert eine Reihe von begleitenden Aktivitäten. Über eine Ma-
schinenfähigkeitsanalyse muss beispielsweise abgesichert werden, dass mit den
vorhandenen Maschinen das geforderte Qualitätsniveau tatsächlich erreicht wird.
Ist dies nicht gegeben, sind ggf. neue Maschinen/ Werkzeuge zu beschaffen oder
andere Herstellverfahren zu wählen. Weiterhin ist durch eine Messsystemanalyse
(Gage R&R) sicherzustellen, dass alle verwendeten Serienmessmittel und -
methoden eine hinreichende Genauigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Erst unter
dieser Voraussetzung können Kontroll-/ Prüfpläne für die Fertigung und Montage
sowie für Zulieferteile aufgestellt werden.
Für alle kritischen Qualitätsmerkmale (CTQs), die in den Design Scorecards
enthalten sind, werden geeignete Messgrößen definiert und anschließend mittels
Statistischer Prozessregelung (SPC) überwacht. Durch Regelkarten wird eine kon-
tinuierliche Überwachung der Prozessstreuung und -fähigkeit bezogen auf die Ein-
9 Wie die Zuverlässigkeit von Bauteilen, Komponenten und Systemen mithilfe der Six
Sigma-Methodik systematisch erhöht werden kann, zeigen u.a. Kumar et al. (2006). In
ihrem Buch „Reliability and Six Sigma“ gehen sie vor allem auf die statistischen Grund-
lagen zur Optimierung der charakteristischen Lebensdauer etc. ein.
10 Auf der Basis der von Waloddi Weibull (1951) entwickelten Verteilungsfunktion kann
das Ausfallverhalten von seriellen Systemen, z.B. Produkte in der Nutzungsphase oder
Maschinen im Produktionsprozess, prognostiziert werden. Der Verlauf der Funktion ent-
spricht der in Abb. 3 dargestellten „Badewannenkurve“.
86 Armin Töpfer, Swen Günther
birgt sie jedoch zugleich ein Risiko. Denn jede Innovation, die ein besseres Pro-
dukt hervorbringen will, birgt die Gefahr in sich, dass der neue oder veränderte
Wertschöpfungsprozess nicht bzw. noch nicht auf einem fehlerfreien Niveau be-
herrscht wird. Diese Ausgangssituation ist in Abbildung 10 unter der Ziffer (1)
dargestellt (vgl. Töpfer/ Günther 2007, S. 105ff.).
Im Magischen Dreieck von Qualität – Zeit – Kosten führt dann der nicht aus-
reichend beherrschte Prozess dazu, dass das innovative Produkt eine hohe Fehler-
und oftmals Ausschussrate aufweist (2). Durch die notwendigen Nachbesserungen
werden zusätzliche Zeit verbraucht und die Kosten nach oben getrieben (3). De-
sign for Six Sigma ist dann der Hebel, um die Innovation so zu planen und umzu-
setzen (4), dass die Prozessqualität von Anfang an hoch und im Weiteren auch die
Produktqualität gesichert ist (5). Beides hat eine positive Auswirkung auf den Ver-
brauch an Zeit und die Höhe von Kosten (6).
Qualität Qualität
Prozess Produkt Prozess Produkt
+
1 3 2 3
Innovation Innovation
Qualität + Gefahr:
Prozess Produkt
6
+
6 o Innovation = Veränderung
Abweichung
+ 4 +
Innovation o Abweichung Zeit- und
Kostentreiber
Zeit Kosten
o Vermeidung durch DFSS
Die auf die Qualitätskosten bezogenen Wirkungen durch den Einsatz von Design
for Six Sigma führen insbesondere dazu, dass die Kosten für die Fehlerbeseitigung
drastisch abnehmen, Prüfkosten ebenfalls sinken, ggf. aber Kosten der Fehlerver-
meidung zumindest in den ersten Perioden nach der Einführung von DFSS stei-
gen. Erfahrungsgemäß ist jedoch insgesamt das Niveau der Qualitätskosten um bis
zu einem Drittel geringer als ohne DFSS.
88 Armin Töpfer, Swen Günther
Qualitäts-
bezogene Eine
Eine Qualitätssteigerung
Qualitätssteigerung über
über 5-
5-
Kosten Sigma
Sigma bei
bei gleichzeitiger
gleichzeitiger Reduzie-
Reduzie-
(normiert) rung
rung der
der qualitätsbezogenen
qualitätsbezogenen
100 Kosten
Kosten ist
ist nur
nur mit
mit DFSS
DFSS möglich
möglich
90
80 5-Sigma-Wand
70
40
30
20
DFSS/ DMADV
10
Sigma-
1σ 2σ 3σ 4σ 5σ 6σ 7σ
Niveau
Basis: Kiemele, M.J. (2003): Using the DFSS Approach, Air Academy Associates NDIA Test and Evaluation Summit, B.C. 2003
Ob DFSS eingeführt wird, ist eine strategische Entscheidung, die auf der Ebene
der Unternehmensleitung gefällt werden muss. Hierzu ist zunächst einmal erfor-
derlich, dass das obere Management die Philosophie, die Inhalte und die Wirkun-
gen von DFSS kennt und im Detail nachvollziehen kann. Ist dies der Fall, dann ist
die Entscheidung insbesondere bei technologisch anspruchsvollen Produkten prä-
determiniert. Dies gilt vor allem dann, wenn sich das Unternehmen Marktanforde-
rungen gegenüber sieht, die qualitativ hochwertige Produkte, ein effizientes Kos-
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 89
Werttreiber Erfolgsfaktoren
- intern - - extern -
Gestaltungsmethoden
VOC/ CTQs/ Conjoint
Analyse/ QFD/ FMEA
Target Costing
TRIZ
Wertgeneratoren
- intern/extern -
Positiver Geschäftswertbeitrag
Economic Value Added (EVA)
Ein positiver Geschäftswertbeitrag durch (Lean) Six Sigma- respektive Design for
Six Sigma-Aktivitäten ist dann gegeben, wenn sich der Economic Value Added
(EVA) nachweislich positiv verändert. EVA ist ein bestandsgrößenorientiertes
Übergewinnkonzept, das – absolut gesehen – den Gewinn pro Periode nach Eigen-
und Fremdkapitalkosten ausweist (vgl. Töpfer 2006, S. 385 ff.). In Abbildung 13
sind die generellen funktionalen Zusammenhänge zur Beeinflussung des EVA
nachvollziehbar. Der Betrachtung liegt die Annahme zugrunde, dass im Unter-
nehmen Qualitätsdefizite aufgetreten sind, die zu internen und externen Fehlerkos-
ten geführt haben sowie zu Umsatzeinbußen am Markt.
90 Armin Töpfer, Swen Günther
Operatives - Kapital-
Ergebnis kosten
Basis für die Umlage und Abdeckung der Fixkosten, die i.d.R. Gemeinkosten sind,
sinkt dadurch. Skaleneffekte, die umsatz- und gewinnsteigernd wirken, lassen sich
so nicht realisieren.
Neben Kostensteigerungen und Umsatzrückgängen ist an dritter Stelle ein er-
höhter Gesamtkapitalkostensatz (Weighted Average Cost of Capital – WACC) zu
verzeichnen, weil Bankkredite, also Fremdkapital, für das Unternehmen aufgrund
des eingetretenen Krisenfalls und des damit zugrunde gelegten Risikos in der Zu-
kunft teurer werden und weil auch (neue) Anteilseigner vom Unternehmen eine
höhere Risikoprämie für ihre Einlagen als Eigenkapital erwarten bzw. einfordern.
Alle drei genannten negativen Effekte auf den EVA durch das Auftreten von Qua-
litätsmängeln können durch die Anwendung von DFSS nicht nur egalisiert, son-
dern von vornherein vermieden werden. Das Unternehmen ist somit in der Lage,
über Jahre einen kontinuierlich hohen „Übergewinn“ zu erwirtschaften.
DFSS bedeutet nicht nur Steigerung der Effizienz, also Senkung der Kosten/ Stei-
gerung der Wirtschaftlichkeit, sondern vor allem Steigerung der Effektivität, also
bessere Erfüllung der heutigen und zukünftigen Kundenanforderungen. Für einen
wirkungsvollen Einsatz von DFSS, insbesondere im Zusammenhang mit weiter-
führenden Lean Management- und (Lean) Six Sigma-Aktivitäten im Unterneh-
men, sind die folgenden zwei Anforderungen zu erfüllen:
1. Strukturierter Projektauswahlprozess
2. Spezifische Qualifizierung der Akteure
Der zielführende Einsatz von Lean Management, Six Sigma und Design for Six
Sigma – in Abhängigkeit vom realisierten Sigma-Niveau – ist in Abbildung 14
bildlich dargestellt. Hierauf basiert ein strukturierter Projektauswahlprozess, wie
er im Beitrag von Habermann in Kapitel C thematisiert wird.
Einfache Verbesserungen, die unter Anwendung von Logik und Intuition reali-
sierbar sind, benötigen das z.T. aufwändige Six Sigma-Instrumentarium nicht. Sie
„fallen einem zu“ und bekommen deshalb die bildhafte Bezeichnung „Fallobst“.
Six Sigma-Projekte beginnen i.d.R. auch noch nicht auf der nächsten Ebene, den
„tief hängenden Früchten“. Sie kennzeichnen vielmehr eine Lücke zwischen der-
zeitiger und angestrebter Prozess-Performance, die sich mit Hilfe einfacher Quali-
täts- und Lean Management-Methoden, z.B. Poka Yoke und Kanban, schließen
lässt; das erreichbare Sigma-Niveau beträgt hier 3 bis 4 σ.
Der größte Teil der Six Sigma-Projekte gehört zur nächsten Ebene, er ist also
der „Großteil der Früchte“, die durch eine klare Analyse und Verbesserungen von
92 Armin Töpfer, Swen Günther
Prozessen mit einem Niveau von 4 bis 5 σ erreichbar sind. Die „süßen Früchte“ in
der „Spitze des Baumes“ machen deutlich mehr Anstrengungen erforderlich, be-
wirken aber Qualitätssteigerungen auf dem Niveau von 5 bis 6 σ. Dies entspricht
einem Redesign als Neustrukturierung eines Prozesses, die über eine bloße Ver-
besserung hinausgeht – hier ist der Ansatzpunkt für DFSS.
Design for
Six Sigma Süße Früchte
Projekte Redesign des Prozesses
5-6 σ-Niveau
Fallobst
Logik und Intuition
Abb. 14: Projektauswahl für Lean Management, Six Sigma und Design for Six Sigma
Bei der Auswahl von Six Sigma-Projekten ist ein weiterer Aspekt von Bedeu-
tung, nämlich die Höhe möglicher negativer Auswirkungen, wenn bezogen auf ei-
nen Prozess oder ein Produkt kein 6 σ-Niveau erreicht wird. Mit anderen Worten
bedeutet dies: Je höher der Schaden bzw. die Fehler- und Fehlerfolgekosten durch
unzureichende Qualität sind, desto wichtiger ist es, Null-Fehler-Qualität auf 6 σ-
Niveau zu realisieren, um das Auftreten von Fehlern zu vermeiden.
Deshalb wird in Six Sigma-Projekten als statistisches Maß und Ergebnis nicht
überall das angestrebte Qualitätsniveau 6 σ betragen. Wesentlich ist vielmehr, 6 σ
mit Augenmaß, und dies bedeutet in erfolgs- und ergebnissensiblen Prozessen und
Produkten, wie beispielsweise der Flugzeug- und Satellitentechnik sowie der
Software für medizinische Diagnostik, anzustreben und zu erreichen. Denn dort
führen Fehler bei einem niedrigeren Qualitätsniveau zur Gefährdung von Men-
schenleben und hohen materiellen Schäden, so dass diese hohen Anstrengungen
gerechtfertigt oder sogar erforderlich sind.
Bei anderen Prozessen und Produkten lassen sich bei einem Ausgangsniveau
von 3 bis 4 σ – entsprechend der obigen Einteilung – auch schon erhebliche Quali-
tätssteigerungen und damit Kosteneinsparungen bzw. Ertragsverbesserungen er-
reichen, ohne das statistische 6 σ-Niveau im Visier zu haben. Die Erkenntnis ist
Null-Fehler-Qualität im Entwicklungsprozess durch Design for Six Sigma 93
also klar: Das Ziel der Null-Fehler-Qualität gilt generell. Die Nachhaltigkeit der
Umsetzung und Erreichung wird allerdings nach der Bedeutung des Prozesses und
Produktes priorisiert.
Die Erfahrungen in der Unternehmenspraxis zeigen, dass die Zeitdauer für die
vollständige Einführung eines effektiven Six Sigma-Projektmanagements ca. 24
Monate beträgt. Darin enthalten sind die Durchführung eines Pilotprojektes von 4-
6 Monaten, um die Eignung der Six Sigma-Methodik zu testen, eine ca. 5-mo-
natige Trainingsphase für Green und Black Belts als Projektmitarbeiter/ -leiter
sowie die damit verbundene strategische Analyse und Durchführung von Trai-
ningsprojekten (1. Welle). Die anschließende Ausfächerung von Six Sigma im ge-
samten Unternehmen nimmt dann erfahrungsgemäß weitere 12 bis 14 Monate in
Anspruch (2. und 3. Welle). Je nach organisatorischen Voraussetzungen werden
entsprechend der Unternehmenshierarchie mindestens 4 Gruppen von Six Sigma-
Akteuren unterschieden (vgl. Töpfer/ Günther/ Garzinsky 2007, S. 254):
1. Champions als Führungskräfte und Machtpromotoren mit operativer Ergebnis-
verantwortung für einen bestimmten Wertschöpfungsbereich
2. Master Black Belts als Systempromotoren und durch eine größere Anzahl von
durchgeführten Projekten sehr erfahrene Six Sigma-Experten
3. Black Belts als Projektleiter und Fachpromotoren für die Durchführung umfas-
sender Six Sigma- und Design for Six Sigma-Projekte
4. Green Belts als Projektmitglieder oder als Leiter kleinerer Six Sigma-Projekte,
die sich z.B. auf die Verbesserung von Teilprozessen beziehen.
Die Trainingsdauer reicht je nach Position und Qualifikationsgrad von 2 bis 20
Tagen. Das Training erfolgt bei Green und Black Belts jeweils an einem konkre-
ten Projekt. In vielen Unternehmen wird die Six Sigma-Qualifizierung als ein spe-
zifisches Führungskräftenachwuchstraining gesehen, d.h. durch die Ausbildung
zum Green und/ oder Black Belt sowie durch die „Bewährung“ in konkreten Pro-
jekteinsätzen werden die Voraussetzungen für eine Karriere auf eine attraktive
Führungsposition im Unternehmen geschaffen. Erfahrungswerte belegen, dass die
Anzahl von in Six Sigma-Methoden geschulten Mitarbeitern insgesamt ca. 10%
der Belegschaft eines Unternehmens betragen sollte (vgl. Q-DAS 2002, S. 1).
Die inhaltlichen Schulungsschwerpunkte der o.g. Six Sigma-Akteure sind in
Abbildung 15 aufgeführt: Der Champion bekommt einen Überblick über die wich-
tigsten Bestandteile der Lean Six Sigma-Tool-Box; zusätzlich werden ihm Details
zu Managemententscheidungen und zum Auswahlprozess bei Six Sigma-Projek-
ten anhand einer größeren Anzahl von durchgeführten Projektbeispielen vermittelt
respektive vorgestellt. Der Green Belt erhält eine fundierte Unterweisung in die
Tool-Box von Six Sigma sowie zusätzlich auch ein Training in Projekten, z.T. al-
lerdings nur in der „Laborsituation“ des Seminars. Die Grundlage für die Durch-
führung der Schulung sowie des Projektes ist der DMAIC-Zyklus. Ergänzt wird
94 Armin Töpfer, Swen Günther
dies durch die Vermittlung von Basiskenntnissen bei den Soft Skills sowie wichti-
gen Lean Management-Instrumenten.
Im Vergleich hierzu wird der Black Belt in allen drei Bereichen, also Lean Ma-
nagement, Six Sigma und Design for Six Sigma, intensiver sowie breiter geschult,
und er führt ein bis zwei Six Sigma-Projekte selbstständig durch. Die Grundlage
für die Durchführung der Schulung sowie des Projektes ist der DMADV-Zyklus.
Auf die praxisorientierte Schulung der F&E-Methoden QFD, DOE und TRIZ im
Rahmen des DMADV-Zyklus wird insbesondere im Beitrag von Streckfuss/ Gün-
ther/ Töpfer in Kapitel B eingegangen. Das Coaching und das Review in Form ei-
nes Projektberichts mit einer Bewertung werden vom Master Black Belt durchge-
führt. Er hat die größte Erfahrung sowie die intensivste und breiteste Schulung er-
halten.
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Kapitel B
Bert Leyendecker
Inhalt
1. Diagnose der
Ist-Situation
4. Verbesserungen 2. Zieldefinition
messen und Priorisierung
3. Aktivitäten und
Projekte umsetzen
Beim nächsten Schritt im Kreislauf der Verbesserung gilt es, die Definition der
Ziele für das Unternehmen sowohl mit einer langfristig-strategischen als auch mit
einer kurzfristig-operativen Perspektive vorzunehmen.
Die langfristig-strategischen Ziele, die im Management Team erarbeitet wer-
den, können ebenfalls in moderierten Workshops bzw. Kaizen-Events entwickelt
werden. Die Ausgangsbasis ist zunächst die langfristige Perspektive und die ange-
strebte Entwicklungsrichtung des Unternehmens, i.d.R. auf der Basis einer formu-
lierten Vision.
Ein entscheidender Schritt im Anschluss daran besteht darin, aussagefähige
Kennzahlen zu definieren, welche auf der Vision basieren, aber die einzelnen kri-
tischen Bereiche der Unternehmensentwicklung möglichst detailliert und präzise
erfassen können. Die Kennzahlen müssen also ausgewogen alle Unternehmensbe-
reiche und die wichtigen Unternehmensfaktoren berücksichtigen, wie dies im
Rahmen einer BSC der Fall ist. Zusätzlich ist es entscheidend, dass die Kennzah-
len im Unternehmensalltag mit vertretbarem Aufwand in der gewünschten Regel-
mäßigkeit ermittelt werden können. Viele Kennzahlen, die theoretisch eine gut ge-
eignete Maßzahl für die Unternehmensentwicklung sind, scheitern in der Praxis an
dieser Hürde.
Bereits in dieser Phase werden als wesentlich erkannte, mögliche Aktivitäten
und Projekte entwickelt, die das Unternehmen systematisch und schrittweise den
gesteckten Zielen näher bringen. Dies ist zugleich der Input für den Priorisie-
rungsprozess der Projekte, die in der nächsten Phase durchgeführt werden sollen.
Aus der Liste der Projektideen wird nun ein Projektportfolio erarbeitet, das von
der Organisation sinnvoll umgesetzt werden kann. Dazu ist es hilfreich, zunächst
einmal Affinitäten zu bilden und die Projektideen den Unternehmenskennzahlen
zuzuordnen, auf die sie einen Einfluss haben werden. Danach muss ggf. priorisiert
werden. Hierzu können unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz kommen, z.B.
die paarweise Gegenüberstellung von Projektattributen (z.B. Aufwand und Nut-
zen, Erfolgswahrscheinlichkeit und Nutzen). Auch der paarweise Vergleich der
Projekte selbst kann hilfreich sein, um anhand aller Projektattribute zu einer um-
fassenden Bewertung zu kommen. Hierzu lassen sich einfache Punkteverfahren im
Management Team anwenden (vgl. Leyendecker 2007).
Zur Umsetzung der Aktivitäten und Projekte stellt sich nun die Frage, in welcher
Form diese Projekte aufgesetzt werden. Als Six Sigma-Projekte? Als Lean-
Projekte? Als Kaizen-Workshop? Als eine Kombination aus mehreren? Und wel-
che Methoden und Werkzeuge lassen sich bei welcher Art von Projekt sinnvoll
einsetzen und wie kombinieren?
Das Zusammenspiel verschiedener Optimierungsmethoden 103
Hierzu soll zunächst kurz aufgezeigt werden, dass die Ansätze von Six Sigma
und Kaizen im Rahmen des Lean Managements bezüglich ihrer Systematik nicht
so weit voneinander entfernt sind, wie oftmals vermutet wird.
Abbildung 2 zeigt einen 8-Schritte-Ansatz zur Durchführung von Kaizen-
Workshops. Dabei wird i.d.R. Schritt 1 vor dem Workshop durchgeführt. Die
Schritte 2 und 3 können ebenfalls vor dem Workshop durchgeführt werden oder
auch dessen Bestandteil sein. Die Schritte 4 bis 6 sind auf jeden Fall Bestandteil
des eigentlichen Kaizen-Workshops. Schritt 7 kann auch noch im Workshop
durchgeführt werden, oder er wird erst zusammen mit Schritt 8 im Anschluss dar-
an umgesetzt.
In den 8 Schritten des Kaizen lässt sich die Grundstruktur der 5 Six Sigma Pha-
sen wiedererkennen: Define – Was ist das Problem? Measure – Wie groß ist das
Problem? Analyse – Was verursacht das Problem? Improve – Wie kann das Prob-
lem gelöst werden? Control – Wie kann Nachhaltigkeit sichergestellt werden? Wie
leicht nachvollziehbar ist, kann in einer systematischen Sichtweise eine deutliche
Verwandtschaft zwischen einem DMAIC-Projekt und einem Kaizen-Workshop
festgestellt werden.
Kaizen-Schritt DMAIC-Schritt
Schritt 1 Vorbereitung des Kaizen-Workshops Define
Schritt 2 Analyse der Ausgangssituation Measure
Schritt 3 Auswahl der der Werkzeuge zur Ursachenanalyse
Schritt 4 Anwendung der Werkzeuge im Team Analyse
Schritt 5 So viele Erkenntnise wie möglich sofort in Aktionen
umsetzen
Schritt 6 Aktionsplan für den Rest erstellen Improve
Schritt 7 Dokumentation und Training
Schritt 8 Follow-up Control
Die Frage, welche der beiden Vorgehensweisen die geeignetere ist, kann im
Einzelfall jeweils anhand der in Abbildung 3 zusammengefassten Kriterien be-
antwortet werden. Kaizen ist als Methode ein Werkzeug, um kleine, fokussierte
Aufgabenstellungen von hoher Dringlichkeit in kurzer Zeit mit hohem Ressour-
ceneinsatz in einem Workshop zu bearbeiten. Daher ist der Kaizen-Ansatz eher für
weniger komplexe Projekte geeignet. Dringliche Probleme, z.B. wenn die Produk-
tionsgeschwindigkeit aufgrund aktueller Qualitätsprobleme um 40% reduziert
werden muss, werden also mit einem Kaizen-Workshop gelöst.
Das DMAIC-Konzept kann im Rahmen von Six Sigma auch bei umfangreiche-
ren Aufgaben- und Problemstellungen zum Einsatz kommen; durch die Komplexi-
tät des Problems und den Umfang der einzelnen methodischen Prozessschritte sind
dies grundsätzlich – im Vergleich zu Kaizen-Workshops – längerfristig zu bear-
beitende Projekte mit einem Zeitbedarf von 3 bis zu 6 Monaten.
104 Bert Leyendecker
Abb. 3: Eignung des Kaizen- und des DMAIC-Ansatzes bei verschiedenen Rahmenbedin-
gungen
Die Flexibilität und die Stärke einer kombinierten Strategie der Verbesserung
mit Einzelwerkzeugen von Lean Management und Six Sigma beruht letztlich auf
der Tatsache, dass die Übergänge der Anwendungsgebiete von Kaizen und von
DMAIC fließend sind. Dabei stellt sich dennoch die konkrete Frage: Wann sollte
welches Werkzeug zum Einsatz kommen? Wie sollten die Werkzeuge kombiniert
werden und welche Bearbeitungsreihenfolge ist sinnvoll? Die folgenden Beispiele
aus der Praxis sollen zu dieser Fragestellung etwas mehr Klarheit bringen und die
Stärke der Kombination von Lean- und von Six Sigma-Werkzeugen in der Pro-
jektbearbeitung aufzeigen.
In den kleinen, weniger komplexen Projekten, die bevorzugt mit dem Kaizen-
duAnsatz bearbeitet werden, sind ausgewählte Six Sigma Werkzeuge oft willkom-
mene Hilfen. In Abbildung 4a und 4b ist zusammengefasst, wie die unterschiedli-
chen Werkzeuge eingesetzt werden können und die Methodenwirksamkeit durch
die Kombination von Lean und Six Sigma gesteigert werden kann.
G r u n d la g e n a r b e it
P r o je c t S e le c tio n
Id e a G e n e r a tio n
T o o l/ K o n z e p t
T o o lg r u p p e
M e a s u re
Im p r o v e
A n a ly s e
C o n tro l
D e fin e
KPI
Strategic Tools/ Strategic Plans x x x x
Konzepte Balanced Scorecard x x x x
Assessments x x x x
Benchmarking x x x x
Portfolio Management Tools x x
Lean Tools/ Lean Metrics x x x x x x x
Konzepte VSM x x x x x x x x
Takt Time x x x x x x
One Piece Flow x x x x x x x
Pull Prinzip x x x x x x
Zero Defects x x x x
5S x x x
Rapid Changeover x x
KANBAN x x
Standard Work x x
Visual Factory x x x x
KAIZEN x x x x x x x x x x x
Mistake Proofing x x
Layout Analysis & Improvement x x x
Line Balancing x x x
Die Six Sigma Werkzeuge „SIPOC“ und „VOC/CTQ“ können auch im Vorfeld
von Kaizen-Workshops helfen, ein Problem bezogen auf die maßgeblichen Pro-
zesse genauer zu definieren und im Hinblick auf die wesentlichen Kundenanforde-
rungen einzugrenzen (siehe Abb. 4b). Diese Werkzeuge sind besonders dann hilf-
reich, wenn nicht-technische Prozesse optimiert werden sollen. Denn gerade bei
administrativen Prozessen besteht oftmals kein klares Verständnis, was genau der
zu optimierende Prozess beinhaltet und was in diesem Prozess ein Fehler ist. Bei-
spiele sind Kaizen-Workshops zur Reduzierung der Fehlerhäufigkeit auf Rech-
nungen, zur Verbesserung der Personalplanung für F&E-Aktivitäten oder zur Ver-
besserung des Informationsflusses bei der Produktionsplanung.
K le in e P r o je k te (K a iz e n )
P o r tfo lio M a n a g e m e n t
G r u n d la g e n a r b e it
P r o je c t S e le c tio n
Id e a G e n e r a tio n
T o o l/ K o n z e p t
T o o lg r u p p e
M e a s u re
Im p r o v e
A n a ly s e
C o n tro l
D e fin e
KPI
Six Sigma Tools/ Brief x x
Konzepte SIPOC x x
VOC/ CTQ x x x
IPO Measures x x
Fishbone Diagram x x x x
Process Mapping x x x x x
Deployment Chart x x x x x
Spaghetti Diagram x x x x x
Priorization Matrix x x x x x
FMEA x x x x x x
Gage R&R x x
Data Display x x
Process Capability x x
Process Analysis x x
Multi Vari Analysis x
Hypothesis Testing x
Regression x
DOE x
Solution Priorisation x x x x
Cost Benefit Analysis x x x x
Piloting x x
Implementation plan x x
QC Process Chart x x
Qualification/ Val. x x
SOPs x x
Control Charts x x x
Process Capability x x x
Abb. 4b: Die Anwendungsfelder der Six Sigma-Werkzeuge in den verschiedenen Phasen
der kontinuierlichen Verbesserung
Das Zusammenspiel verschiedener Optimierungsmethoden 107
Bei diesen administrativen Projekten ist dann bei der Durchführung des Kai-
zen-Workshops oft die genauere Analyse der zu optimierenden Abläufe hilfreich.
Auch dazu können wieder Werkzeuge aus dem Six Sigma-Bereich sinnvoll zum
Einsatz kommen. Um im Kaizen-Team ein gemeinsames Verständnis zu bekom-
men, an welcher Stelle z.B. im Rechnungsstellungsprozess, in der Personalpla-
nung oder im Informationsfluss bei der Produktionsplanung genau das Problem
liegt, können die verschiedenen Varianten des Prozess Mappings helfen. Ob man
ein einfaches Flussdiagramm, ein Zuständigkeitsdiagramm oder vielleicht eine
Value Added Flow Analysis wählt, hängt von den Gegebenheiten ab. Die Value
Added Flow Analysis ist z.B. sinnvoll, wenn im Team das Gefühl vorherrscht,
dass im betrachteten Prozess viele Schritte einfach unnötig kompliziert gestaltet
sind.
Weitere Werkzeuge aus der Measure-Phase des DMAIC Zyklus, die in Kaizen-
Workshops oder zur Vorbereitung dieser Workshops sinnvoll eingesetzt werden
können, sind das Fishbone- bzw. Ishikawa-Diagramm und die Priorisierungs-
matrix sowie das Pareto-Diagramm. Diese Werkzeuge können helfen, mögliche
Problemursachen zu strukturieren und zu priorisieren. Gerade für die erfolgreiche
Durchführung eines Kaizen-Workshops ist ein klarer Fokus auf ein spezifisches
Teilproblem wichtig, um sich nicht in der Komplexität der Aufgabe zu verlieren.
Je nach Projekt können auch die statistischen Werkzeuge aus Six Sigma helfen,
in einem Kaizen-Workshop die erforderlichen Grundinformationen aufzuarbeiten
und für die Gruppenarbeit zur Verfügung zu stellen. Im Zuge der Vorbereitung ei-
nes Kaizen-Workshops zur Effizienzsteigerung in einem Produktionsunternehmen
wurden z.B. die Effizienzen zweier vergleichbarer Produktionsbereiche über einen
Zeitraum von 5 Wochen tageweise gemessen und in einer Regelkarte gegenüber-
gestellt. Den Teilnehmern des Kaizen-Workshops war die Notwendigkeit zur Op-
timierung aufgrund dieser Daten sofort klar, und man begann den Kaizen-
Workshop mit dem Erstellen eines Ursache-Wirkungs-Diagramms.
Nachdem im Kaizen-Workshop mögliche Lösungen erarbeitet wurden, kann es
sinnvoll sein, sich der Werkzeuge aus der Improve- und Control-Phase des
DMAIC Zyklus zu bedienen, um von einer Lösungsidee zu einer fertig umgesetz-
ten Lösung zu kommen. Eventuell müssen verschiedene Lösungsansätze priori-
siert werden; dabei hilft die „Solution Priorisation“. Dazu kann auch eine Kosten-
Nutzen-Analyse hilfreich sein. Pilotphase und Implementierungsplan können sich
anschließen. Schließlich bieten sich die Werkzeuge der Umsetzungsplanung und
der Dokumentation neuer Prozessabläufe an, um die Optimierung abzurunden (QC
Process Chart, Standard Operating Procedures (SOP)).
Damit ist aufgezeigt, wie die unterschiedlichen Six Sigma Werkzeuge bei der
Vorbereitung und Durchführung von Kaizen-Workshops helfen können. Umge-
kehrt kann aber auch ein Kaizen-Workshop sehr sinnvoll in einem komplexeren
Projekt nach DMAIC zur Anwendung kommen, und zwar eigentlich in allen Pha-
sen der Projekte. Dies ist aus Abbildung 4a nachvollziehbar.
In der Define-Phase von Six Sigma Projekten kommt es immer wieder vor, dass
die genaue Definition eines Projekts und die Erstellung des Projektauftrags sich
über mehrere Iterationen hinzieht, da es nicht gelingt, alle Stakeholder, Sponsoren
und Ansprechpartner zu einer Diskussion zusammen zu bekommen. Es hat sich
108 Bert Leyendecker
Abb. 5: Der Value Stream Mapping-Prozess und die Implementierung von Lean Manage-
ment-Strategien als DMAIC-Projekt
Die Improve-Phase ist geprägt durch das Erstellen der „Future State Value
Stream Map“ und das Umsetzen der erforderlichen Verbesserung. Dies sind kleine
und große Aktivitäten, also DMAIC- oder auch Kaizen-Projekte. Natürlich kön-
nen hier auch alle anderen Lean-Werkzeuge zum Einsatz kommen, und zwar je
nach Problemlage individuell (5S, Rapid Changeover, One Piece Flow).
In der Control-Phase nutzt man die definierten Messgrößen, um die Nachhal-
tigkeit der Optimierungen zu überprüfen. Auch hier können wieder Werkzeuge
aus dem Six Sigma-Werkzeugkasten helfen, wie z.B. die Regelkarte, die Prozess-
fähigkeitsanalyse und SOPs bzw. QC Process Charts.
110 Bert Leyendecker
Je größer der Einfluss der Aktionen und Projekte, die man im Rahmen des hier be-
schriebenen Verbesserungsprozesses umsetzt, auf die Unternehmensergebnisse ist,
desto nachhaltiger wirkt sich der gezielte und konsequente Instrumenteinsatz aus.
Dies wird an den Unternehmenskennzahlen der BSC sichtbar.
Die Mittel und Wege zur kontinuierlichen Verbesserung in der Wertschöp-
fungskette haben sich in mehreren Dimensionen weiterentwickelt. Zum einen
werden Projekte mehr und mehr im Gesamtzusammenhang der Wertschöpfungs-
kette gesehen, also über die gesamte Value Chain, und nicht mehr als einzelne
„Inseln der Verbesserung“. Zum anderen ist der Umfang der zur Anwendung
kommenden Werkzeuge deutlich erweitert worden. Man nutzt nicht mehr allein
Six Sigma- oder Lean Management-Werkzeuge, sondern sieht die Hilfsmittel von
Six Sigma, Lean Management, Projektmanagement und Change Management im
Einklang.
Außerdem ist ein intensiver Rückkopplungsprozess entstanden, der in vielen
Fällen die Projektbearbeitung gleich wieder mit dem Projekt-Portfoliomanage-
ment verbindet. So kann z.B. in der 3. Phase des hier beschriebenen Kreislaufs,
der Umsetzung von Aktivitäten und Projekten, die ursprünglich aus dem Lean Ma-
nagement stammende VSM in der Analyse-Phase eines Six Sigma-Projekts zur
Anwendung kommen, und es können sich daraus Projektideen für weitere Projekte
ergeben, die gleich wieder in die 2. Phase des Kreislaufs, die Zieldefinition und
Projektpriorisierung, einfließen. Das heißt aber auch, dass die 4 Schritte der konti-
nuierlichen Verbesserung, wie sie hier vorgestellt wurden, in der Praxis nicht rein
sequenziell ablaufen, sondern in starker Wechselwirkung stehen und sich ständig
gegenseitig beeinflussen.
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Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six
Sigma: Vom Standard-DMAIC zum Blitz-DMAIC
Inhalt
Nach den Ausführungen in Kapitel A dieses Buches ist das Lean-Konzept stärker
eine Handlungsphilosophie als ein projektbasiertes Verbesserungsverfahren. Lean-
Projekte folgen i.d.R. keinem allgemeinen, fest definierten Ablauf. Zwar gibt es
114 Swen Günther, Bernd Garzinsky
1 Die fünf Schritte sind in Kapitel A im Beitrag von Töpfer ausführlich behandelt.
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 115
Umsetzung zu erkennen. Das Vorgehen, die Einhaltung des Zeitplans und die Er-
gebnisse der Do-Phase werden dokumentiert.2
Check-Phase
Die Überprüfungsphase dient dazu, die in der Do-Phase erreichten Ergebnisse zu
bewerten und anschließend zu kontrollieren. Dabei erfolgt eine Rückkopplung in
die Planungsphase, in der die Ziele des Projektes definiert worden sind. Bei einer
Gegenüberstellung mit dem DMAIC-Zyklus wird deutlich, dass die Inhalte der
Do- und Check-Phase im weitesten Sinne denen der Improve-Phase entsprechen,
also Lösungen generieren, auswählen und implementieren.
Act-Phase
In dieser Phase werden die in der Planungsphase auf höherer Ebene aufgestellten
Veränderungsmaßnahmen eingeführt, d.h. in die täglichen Abläufe und Aktivitä-
ten implementiert. Dabei sind alle am Prozess beteiligten Parteien, insbesondere
Mitarbeiter und Führungskräfte, zu involvieren. Schließlich ist eine Feedback-
Schleife vorgesehen, um zu klären, wie – ausgehend von den Ergebnissen der
Check-Phase – der nächste Zyklus geplant werden kann. Danach beginnt der Zyk-
lus von vorn.
Die Inhalte der Act-Phase decken sich weitestgehend mit denen der Control-
Phase des DMAIC-Zyklus. Die vorliegenden Ergebnisse werden unmittelbar für
die Planung späterer PDCA-Projekte verwendet. Hierdurch wird eine kontinuierli-
che Prozessverbesserung in Gang gesetzt. Der Nachteil dieses Ansatzes liegt le-
diglich darin, dass KVP nur für Prozesse möglich ist, deren Abläufe sich nicht/
kaum ändern, weil eine Verbesserung immer nur auf denselben Ablauf anwendbar
ist.
In Abbildung 1 ist der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) auf der
Grundlage des PDCA-Zyklus bildlich veranschaulicht. Eine Umdrehung des
PDCA-Rades auf der schiefen Ebene nach oben symbolisiert den Durchlauf genau
eines Zyklus. Je weiter oben sich das Rad befindet, desto höher ist die jeweilige
Prozessqualität. Die Anwendung dieser Systematik bezieht sich nicht nur auf die
Unternehmens-/ Geschäftsprozessebene, sondern auch auf die Projekt-/ Arbeits-
ebene.
Im Zusammenhang mit der Darstellung des PDCA-Zyklus werden die wesent-
lichen Charakteristika von Qualitätsverbesserungssystemen (QVS) deutlich. Diese
arbeiten i.d.R. mit Rückkopplungen/ Schleifen, bei denen die folgende Systematik
zugrunde liegt: Nachdem der gegenwärtige Zustand des Systems/ des Prozesses
ermittelt worden ist, werden auf der Basis dieser Erkenntnisse Verbesserungen
vorgeschlagen und durchgeführt. Der Zyklus startet nach der Implementierung der
Verbesserungen von neuem, jedoch auf einer veränderten, nämlich höheren Basis.
2 Im Laufe der Zeit wurde der PDCA-Zyklus sukzessive weiterentwickelt und auf ver-
schiedene Weise modifiziert. So wird z.B. in einer überarbeiteten Version ein zusätzli-
cher (kleiner) PDCA-Zyklus innerhalb der Do-Phase durchlaufen.
116 Swen Günther, Bernd Garzinsky
Der PDCA-Zyklus wird unmittelbar dem vor allem in den 1990er Jahren popu-
lären TQM-Ansatz zugeschrieben und ist vom Grundsatz her mit dem DMAIC-
Zyklus des Six Sigma-Konzeptes vergleichbar. Jedoch zeichnet sich letzteres ge-
genüber TQM durch eine stringentere Methodenanwendung sowie ein strafferes
Projektmanagement aus. Nach Ansicht von Experten findet vor allem der Füh-
rung- und Managementaspekt bei Six Sigma eine stärkere Berücksichtigung. Hin-
zu kommt ein relativ unstrukturierter und wenig standardisierter Methodeneinsatz,
welcher den effizienten Ablauf des PDCA-Zyklus garantiert.
Act Plan
en
nahm Check Do
Act Plan M aß
Verbesserungen
Check Do
Zeit
Basis: Deming 1986
wird. Dabei werden durch die Fließfertigung die Prozesse entsprechend dem
Wertstrom direkt räumlich aneinander platziert und durch einen Mitarbeiter
komplett durchgeführt. Die Taktzeit passt das Tempo des Produktionsprozesses
dem der Kundennachfrage an. Beim Pull-System holt ein Prozess Vormaterial
von einem vorgelagerten Schritt, der wiederum die entnommene Menge nach-
produziert. Dies gewährleistet, dass die richtigen Teile produziert und zur rich-
tigen Zeit an den richtigen Ort geliefert werden.
Lean-Methoden
Produktions-
Taktzeit SMED VSM Andon stopp
Pull- Problem-
Kanban 5S 5W
System lösung
Operative Stabilität
Standardisierte
Produktionsglättung Kaizen
Arbeit
Anders als Lean Management besitzt das Six Sigma-Konzept einen festen Ablauf-
plan, auf welchem jedes Projekt basiert. Bei prozessbezogenen Verbesserungen
kommt der DMAIC-Zyklus zum Einsatz. Dieser gliedert sich in die fünf Phasen
Define, Measure, Analyse, Improve und Control (vgl. Töpfer/ Günther/ Garzinsky
2007, S. 262ff.):
1. Spezifizieren des Projekts und der Kundenanforderungen (Define)
2. Sammeln und Darstellen von relevanten Daten (Measure)
3. Identifizieren der (Haupt-)Ursachen des Problems (Analyse)
4. Erarbeiten und Umsetzen der optimalen Lösung (Improve)
5. Überwachen der dauerhaften Problembeseitigung (Control)
Die Problemlösung erfolgt systematisch und zeichnet sich über weite Strecken
durch eine wissenschaftliche Vorgehensweise aus. Dabei werden mit Realitäts-
und Abstraktionsebene zwei Ebenen der Problemlösung unterschieden. Durch die-
se Trennung ist es möglich, auch schwierige praktische Probleme zu lösen. Die
Lösungsfindung erfolgt in vier Schritten (siehe Abb. 3):
! Auf der Realitätsebene wird das reale Problem definiert und – in der Define-
Phase – zu einem 3- bis 6-monatigen Verbesserungsprojekt nominiert; dieses
ist von drei bis fünf Akteuren in dem vorgesehenen Zeitraum zu bearbeiten.
" Das reale Problem wird in ein abstraktes Problem transformiert, was aus wis-
senschaftlicher Sicht der Modellbildung entspricht. Aus dem realen Problem
wird – in der Measure-Phase – ein statistisches Problem, welches mithilfe von
Variablen und Messgrößen beschrieben werden kann.
# Auf der Abstraktionsebene wird unter Nutzung mathematisch-statistischer Mo-
delle eine abstrakte Lösung gesucht. Dazu werden zunächst – in der Analyse-
Phase – die Hauptursachen des Problems identifiziert; in der anschließenden
Improve-Phase – wird versucht, eine abstrakte Lösung zu erarbeiten und deren
Potenzial durch Outputsimulationen abzusichern.
4 Auf die hier genannten Lean-Methoden/ -Werkzeuge wird in den Praxisbeiträgen in Ka-
pitel C näher eingegangen.
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 119
$ Die abstrakte Lösung wird in eine reale Lösung zurücktransformiert. Nach der
Implementierung im Prozess wird die gefundene Lösung – in der Control-Phase
– kontinuierlich überwacht und ggf. weiter verbessert.
Measure/
Improve
Analyse
Statistisches Statistische
2 3
Problem Lösung
Abstraktions-
ebene
Realitäts-
ebene
Trial &
Reales Error Reale
1 4
Problem Lösung
Define Control
Die Denkweise von Six Sigma unterscheidet sich damit deutlich von Lean Ma-
nagement sowie traditionellen QM-Ansätzen, z.B. TQM. Dies liegt vor allem dar-
an, dass die Implementierung einer Lösung in der Realität erst dann vorgenommen
wird, wenn eine zufriedenstellende Lösung auf der Abstraktionsebene gefunden
worden ist. In diesem Fall haben die Mittelwert- und Streuungsmaße der wesentli-
chen Outputgrößen des Prozesses das anvisierte Zielniveau erreicht. Andernfalls
werden die Measure- und Analyse-Phase so lange durchlaufen, bis die Abhängig-
keiten in Form von Ursachen-Wirkungs-Beziehungen offengelegt und die geplan-
ten Verbesserungen über Outputsimulationen hinreichend abgesichert sind.
Neben der Denkweise und dem gewählten Problemlösungszyklus unterscheidet
sich Six Sigma von Lean vor allem hinsichtlich des strukturierten Methodenein-
satzes. So liegt die Stärke von Six Sigma unmittelbar darin, dass die aus dem QM-
Bereich einschlägig bekannten Methoden und Werkzeuge in den DMAIC-Zyklus
– inhaltlich und konzeptionell – integriert sind.
In Abbildung 4 ist der typische Ablauf des DMAIC-Zyklus, wie wir ihn in kon-
kreten Six Sigma-Projekten anwenden, wiedergegeben. Den Phasen sind jeweils
die wesentlichen Vorgehensschritte bzw. Methoden zugeordnet. Die folgenden
Ausführungen zum wirkungsvollen Einsatz der Methoden basieren auf eigenen
Projekterfahrungen. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung und Konzeption
eines „schlanken“ DMAIC-Zyklus im nachfolgenden Abschnitt.
120 Swen Günther, Bernd Garzinsky
Define
t
jek
Pro rter Business Projekt- SIPOC
a Case rahmen
Ch
Measure
Probleme Meilen-
Control und Ziele steine Outputmessgrößen
Daten-
Reaktionsplan
© Prof. Dr. Armin Töpfer
Improve Analyse
Lösungen Design des Prozess- und Ishikawa Datenanalyse
generieren Sollprozesses Zeitanalyse
Kosten-/ Nutzen- Entwicklung von Input- und
Define-Phase
Zu Beginn des Six Sigma-Projektes ist eine eindeutige Definition des Projektauf-
trags bzw. die Projekt Charter notwendig. Sie umfasst neben den üblichen Kenn-
zeichnungen und Daten eines Projektes insbesondere Details zu
• Business Case/ Problemhintergrund, welcher die aktuelle Geschäftssituation
beschreibt und anhand der Kriterien Qualität, Zeit und Kosten herausstellt, wa-
rum das Six Sigma-Projekt gerade „jetzt und hier“ notwendig ist
• Probleme und Ziele/ Nutzen, welche die Problematik detaillieren und die Ziel-
vorstellung des Champions – unter Angabe des zu erreichenden Sigma-Niveaus
bzw. des zu realisierenden Net Benefit – quantifizieren
• Projektumfang und Fokus/ Rahmen, welcher zum einen die Frage beantwortet,
was im Mittelpunkt der Verbesserungsaktivitäten stehen soll, und zum anderen,
welche Vorgänge zum Projektrahmen gehören und welche nicht
• Rollen/ Verantwortlichkeiten und Meilensteine, welche die Art und Anzahl
notwendiger (personeller und finanzieller) Ressourcen angeben, die Zusam-
menstellung des Projektteams festlegen sowie die Projektdauer unter Angabe
von Start-, Zwischen- und Endterminen determinieren.
Nach der Definition der Projekt Charter und dem „offiziellen Start“ des Six
Sigma-Projektes findet zunächst eine Ein-/ Abgrenzung des zu analysierenden
Prozesses auf „hoher Ebene“ statt. Dazu wird eine so genannte SIPOC-Analyse
durchgeführt, bei der die Input-Output-Beziehungen vom Lieferanten bis zum
Kunden präzisiert werden. Für die 5 bis 7 wichtigsten (Haupt-)Prozessschritte (P –
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 121
Processes) werden die Inputs (I) und Outputs (O) zusammen mit den wesentlichen
Lieferanten (S – Suppliers) und Kunden (C – Customers) aufgelistet.
Die SIPOC-Analyse bildet die Grundlage für die Ableitung der entscheidenden
Kundenanforderungen im Rahmen der VOC-CTQ-Analyse. Sie stellt die erste zah-
lenorientierte Systematik des DMAIC-Zyklus dar. Ausgehend von der „ungefilter-
ten“ Stimme des Kunden (VOC – Voice of the Customer) werden bezogen auf den
zu verbessernden Wertschöpfungsprozess die zentralen und messbaren Kriterien
(CTQ – Critical to Quality Characteristics) abgeleitet. Dies erfolgt i.A. über die
Ermittlung von Kernthemen, denen alle VOCs in einem ersten Analyseschritt zu-
geordnet werden. Im zweiten Schritt sind daraus die CTQs zu spezifizieren, die
zugleich den Ausgangspunkt für die Ermittlung der Referenzleistung des aktuellen
Prozesses in der Measure-Phase bilden.
Auf der Basis der Projekt Charter und der SIPOC-Analyse sollen im Weiteren
kurz die wesentlichen Schritte zum Einstieg in den Six Sigma-Mess- und Analy-
seprozess skizziert werden. Dabei kommen insbesondere die zahlenorientierte
Vorgehensweise und Steuerung, die eindeutige Messbarkeit an jeder Stelle des
Prozesses sowie die in sich geschlossene Systematik und logisch aufeinander ab-
gestimmten Schritte im Rahmen des DMAIC-Zyklus zum Ausdruck.
Measure-Phase
Das vorrangige Ziel von Six Sigma-Projekten besteht darin, die Ursachen-Wir-
kungs-Beziehungen zwischen Input – Process – Output aufzudecken und optimal
einzustellen. Deshalb ist es notwendig, auf der Grundlage der ermittelten CTQs
die elementaren Output-, Prozess- und Inputmessgrößen abzuleiten.
Mithilfe der zweiten zahlenorientierten Systematik von Six Sigma, der CTQ-
Outputmessgrößen-Analyse, werden zu Beginn der Measure-Phase die Output-
messgrößen des Prozesses bestimmt. An ihnen wird die Referenzleistung des ak-
tuellen Prozesses, also die Ausgangssituation für nachfolgende Verbesserungsak-
tivitäten, festgemacht. Die Bestimmung der Referenzleistung erfordert i.d.R. eine
intensive Datensammlung. Auf der Basis eines Datensammelplans werden sowohl
für die Outputmessgrößen als auch für die Prozess- und Inputmessgrößen an ver-
schiedenen Messpunkten des Prozesses Daten erfasst.
Wichtige Messgrößen zur Bestimmung der Prozesseffektivität/ -effizienz sind
u.a. die Fehlerrate als PPM (Parts per Million) und die Fehlerquote als DPMO
(Defects per Million Opportunities) für diskrete Merkmale. Im Unterschied zur
PPM-Formel werden bei der DPMO-Formel die Fehlermöglichkeiten (OFD – Op-
portunities for Defects) und damit die Komplexität des betrachteten Prozesses be-
rücksichtigt. Lässt sich die Qualität des Outputs anhand von stetigen Merkmalen
quantifizieren, dann wird zum einen der Cp-Wert als Maß für die Prozessstreuung
und zum anderen der Cpk-Wert als Maß für die Prozessfähigkeit berechnet. Beide
Indizes sind dimensionslos und beschreiben die potenzielle Eignung des Prozes-
ses, die Spezifikationen einzuhalten (vgl. Schipp/ Töpfer 2007, S. 199).
Um das Skalenniveau verschiedener Merkmalsausprägungen (diskret/ stetig)
und damit unterschiedlicher Messansätze zur Bestimmung von Fehlerhäufigkeiten
im Unternehmen vergleichen zu können, wird das erreichte Qualitäts-Niveau über
eine zentrale statistische Kennzahl, den Sigma-Wert, angegeben. Bezogen auf den
122 Swen Günther, Bernd Garzinsky
Cp-Wert bedeutet dies, dass die Prozessstreubreite höchstens die Hälfte der Tole-
ranzbreite beanspruchen soll (Cp ≥ 2). Bei einem Prozess, dessen Mittelwert ge-
nau in der Mitte des vorgegebenen Toleranzbereichs liegt, würde infolgedessen
auf beiden Seiten der Prozessstreubreite der Sicherheitsabstand zur oberen/ unte-
ren Toleranzgrenze mindestens 3σ, also insgesamt 6σ, betragen.
Durch die Festlegung einheitlicher Messkriterien und die Angabe des Sigma-
Wertes wird die Grundlage für ein unternehmensinternes/ -externes Benchmarking
gelegt. Um Fehler beim Messen zu vermeiden/ auszuschließen, wird für jede defi-
nierte Messgröße eine so genannte Gage R&R durchgeführt. Dabei handelt es sich
um eine standardisierte Methode zur Validierung des Messsystems. Anerkannte
Six Sigma-Praxis ist es, dass (deutlich) weniger als 30% der Gesamtvarianz der
Messwerte durch das eingesetzte Messsystem erklärt werden dürfen (vgl. Lunau et
al. 2006, S. 59f.). Hier wird zum einen die Wiederholbarkeit des gleichen Mess-
vorgangs durch die gleiche Person/ Maschine (R – Repeatability) analysiert und
zum anderen die Reproduzierbarkeit des gleichen Messvorgangs durch zwei oder
mehrere Personen/ Maschinen (R – Reproducibility). Es liegt auf der Hand, dass
mit fallendem PPM-/ DPMO-Wert bzw. steigendem Sigma-Wert die Bedeutung
der Zuverlässigkeit des Messsystems (signifikant) steigt.
Analyse-Phase
Die Analyse-Phase stellt die „Kernphase“ des DMAIC- bzw. DMADV-Zyklus
dar. Ohne eine tiefgehende und aussagefähige Ursachenanalyse für Fehler sind
i.A. keine Verbesserungsmaßnahmen mit großer Hebelwirkung möglich, so dass
der zu verbessernde Prozess so genau wie möglich zu quantifizieren und „zu ver-
stehen“ ist. Ein optimales Prozessverständnis ist genau dann erreicht, wenn sich
die Beziehung zwischen der jeweiligen Outputmessgröße (y) sowie den Prozess-
und Inputmessgrößen (xi) über einen funktionellen Zusammenhang der Form y =
f(x1, x2, ..., xn) beschreiben lässt. Dies erfordert zunächst eine detaillierte Prozess-
darstellung und -analyse, z.B. in Form von Zeit-, Wertstrom- und Flussanalysen.
Im Weiteren sind Ursachen-Wirkungs-Analysen durchzuführen, welche den
Zusammenhang zwischen der abhängigen Outputmessgröße (y) als Wirkungsgrö-
ße und einer oder mehreren unabhängigen Prozess-/ Inputmessgrößen (xs) als Ur-
sachengrößen offen legen. Zu diesem Zweck kommt i.d.R. das Ishikawa-
Diagramm in Verbindung mit der Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse
(FMEA) zum Einsatz. Die vermuteten Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge wer-
den in Hypothesen formuliert und mithilfe von statistischen Tests/ Verfahren ü-
berprüft (z.B. Kontingenz-, Varianz- und Regressionsanalyse).
Die Analyse-Phase verläuft in vielen Fällen zweigleisig:5
• Im Rahmen der o.g. Prozessanalyse wird zunächst versucht, auf graphischem
Weg die Zusammenhänge zwischen Ursachen- und Wirkungsgrößen zu bestim-
men. Im Ergebnis liegt eine qualitative Beschreibung des Prozessablaufs zur
Erstellung des definierten Outputs vor. Auf dieser Basis werden die wesentli-
5 Bergbauer (2003, S. 36f.) spricht in diesem Zusammenhang auch von „Prozesstür“ und
„Datentür“, durch die der Einstieg in die Analyse-Phase erfolgt.
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 123
chen Prozess- und Inputmessgrößen erkannt und in Bezug auf ihren Einfluss
auf die Outputmessgröße (subjektiv) gewichtet.
• Nach der Erhebung von Daten zu den einzelnen Messgrößen kommen im Rah-
men der Datenanalyse mathematisch-statistische Verfahren zum Einsatz, die
den vermuteten Zusammenhang zwischen der Outputmessgröße als abhängiger
Variable und den Prozess-/ Inputmessgrößen als unabhängigen Variablen bestä-
tigen. Im Ergebnis liegt ein quantifiziertes und statistisch abgesichertes Ursa-
chen-Wirkungs-Modell bzgl. des untersuchten Prozesses vor.
Improve-Phase
Wie aus den vorstehenden Ausführungen deutlich wird, ist es für den Erfolg eines
Six Sigma-Projektes entscheidend, in der Analyse-Phase alle wesentlichen Ursa-
chengrößen für den Prozessoutput zu erkennen und zu quantifizieren. Um die
Stärke des Einflusses von einzelnen Messgrößen zu bestimmen, reicht es i.d.R.
nicht aus, den aktuellen Prozess nur zu beobachten. Vielmehr ist die Bedeutung
von einzelnen Messgrößen über experimentelle Versuche abzuklären.
Durch die Statistische Versuchsplanung (DOE – Design of Experiments) wird
im Rahmen von Six Sigma-Projekten eine systematische Vorgehensweise be-
schrieben, die neben dem Aufdecken von Haupteinflussgrößen die Identifikation
von Wechselwirkungen zwischen zwei und mehreren Größen erlaubt. Weiterhin
ist es mit bestimmten Versuchsanordnungen möglich, z.B. CCD – Central Com-
posite Design, nicht-lineare Beziehungen zwischen den unabhängigen Einfluss-
größen des Prozesses und der abhängigen Outputgröße aufzudecken. Die Anzahl
der durchzuführenden Versuche hängt im Wesentlichen davon ab,
• Wie viel bereits im Vorfeld des Six Sigma-Projektes über den betreffenden Pro-
zess gewusst wird (Wissen) und
• Wie viele Faktoren den Output determinieren und im Rahmen der Modellbil-
dung zu berücksichtigen sind (Komplexität).
In der Analyse-Phase kommen i.d.R. teil- und/ oder vollfaktorielle Versuchs-
pläne zum Einsatz, um möglichst alle Haupt- und Nebeneffekte zu eruieren. In ei-
ner frühen Phase der Untersuchung werden darüber hinaus so genannten Scree-
ning Designs durchgeführt. Dabei handelt es sich um „Siebverfahren zur
Parameterreduzierung“, bei denen aus einer großen Zahl von Faktoren, die ver-
mutlich das Verhalten des Prozesses beeinflussen, eine kleine Anzahl von Fakto-
ren ermittelt wird, die tatsächlich einen Einfluss auf die Ergebnisvariable haben.
Eine Möglichkeit, um die Anzahl der benötigten Versuche bei einer (sehr) großen
Anzahl potenzieller Einflussfaktoren zu reduzieren, stellt die Verwendung von
Plackett-Burman-Designs dar. Sie können insbesondere in Screening-Situationen
benutzt werden, in denen mehr als 16 Versuche bei vollfaktoriellem Design not-
wendig sind, deren Durchführung aber aus Unternehmensgesichtspunkten zu kost-
spielig ist.
In der Improve-Phase kommt ebenfalls DOE zum Einsatz. Das Ziel besteht hier
darin, auf der Basis des gefundenen funktionellen Zusammenhangs zwischen Out-
putmessgröße (y) und Prozess-/ Inputmessgrößen (xi) in der Analyse-Phase das
optimale Prozessdesign und damit die optimale Faktorkombination zu bestimmen.
124 Swen Günther, Bernd Garzinsky
wenn der Prozess außer Kontrolle gerät, d.h. die Eingriffs- oder Warngrenzen ver-
letzt werden. Mit der Erfüllung dieser Anforderungen gilt das Six Sigma-Projekt
als beendet. Die erstellten Unterlagen zur Prozesssteuerung und -überwachung
werden vom Projektteam (Green und Black Belts) an den Prozesseigner (Champi-
on) übergegeben.
Neben einer präzisierten Projektlaufzeit von 90 bis maximal 180 Tagen konkre-
tisiert sich die stringente Umsetzung von Six Sigma-Projekten in einer klaren Ziel-
struktur, bei der die finanziellen Ergebnisse jeweils im Vordergrund stehen. Die
prognostizierten Nettoeinsparungen (Net Benefit) des Projektes sind die Grundla-
ge für die „Go-Entscheidung“ des Champions. In die Net Benefit-Berechnung flie-
ßen die liquiditätswirksamen Kosteneinsparungen und/ oder Umsatzsteigerungen
ein, die innerhalb von 12 Monaten nach Projektende generiert werden können.
Diesem monetären Projekterfolg werden die Kosten der Projektdurchführung ge-
genübergestellt. Opportunitätskosten und -erlöse, z.B. aufgrund verringerter Kun-
denabwanderung, finden generell keine Berücksichtigung.
Problem-
Wissen
W*
Wi
Mi
M* Methoden-
Legende: Know-how
W* – Erforderliches Wissen, um Problem optimal zu lösen
M* – Für Erreichen von W* notwendiges Methoden-Know-how
Wi – Wissenszuwachs durch Anwendung der Methode Mi
Mi – Know-how-Aufbau, um Methode i effektiv anzuwenden
Define
t
jek
Pro rter Business Projekt- SIPOC
a Case rahmen
Ch
Measure
Probleme Meilen-
Control und Ziele steine Outputmessgrößen
Daten-
Monitoring der Reaktionsplan VOC Kern- CTQ sammelplan
Prozessleistung x1 x1<b thema CTQ
x2 a<x2<b VA
3ak
few Komplexität Gage R&R
y Vital
Referenz- x
Prozessdokumentation leistung s
Improve Analyse
Lösungen Design des Prozess- und Ishikawa Datenanalyse
generieren Sollprozesses Zeitanalyse
Kosten-/ Nutzen- Entwicklung von Input- und
Das Ziel von Lean Six Sigma besteht darin, alle wichtigen Wertströme im Unter-
nehmen zu analysieren und zu optimieren. Wie in Kapitel A ausführlich dargelegt,
bietet der Fokus auf Wertströme – anstelle von einzelnen Prozessen – den Vorteil,
Probleme in einem bestimmten Wertschöpfungsprozess umfassend(er), d.h. im
Zusammenhang mit vor- und nachgelagerten Prozessen, zu betrachten. Durch die
fortlaufende Durchführung von Projekten werden die Wertströme im Unterneh-
men kontinuierlich verbessert. Dabei verstehen wir unter Lean Six Sigma-Pro-
jekten alle Verbesserungsaktivitäten im Unternehmen, die dem PDCA-Zyklus,
Blitz-DMAIC-Zyklus und/ oder Standard-DMAIC-Zyklus folgen und dazu beitra-
gen, Schwachstellen7 im betreffenden Wertstrom zu beseitigen.
Nachdem eine Schwachstelle in einem Wertstrom identifiziert worden ist, wird
das eigentliche Verbesserungsprojekt i.S.v. Lean Six Sigma gestartet (siehe Abb.
7). Die Entscheidung, nach welchem Vorgehen das Projekt durchgeführt wird, ba-
siert dabei auf dem Umfang der Problemstellung. Bei letztgenanntem handelt es
sich um eine aggregierte Größe8, die sich aus Einzelbewertungen der folgenden
drei Kriterien zusammensetzt (vgl. George 2003, S. 3):
• Bedeutung des Problems aus Kundensicht
6 Aus diesem Grund existiert in vielen Six Sigma-Unternehmen ein standardisierter Pro-
jektauswahlprozess. Über diesen wird sichergestellt, dass Probleme mit hoher strategi-
scher, organisatorischer und finanzieller Bedeutung zuerst angegangen werden. Zu die-
sem Themenkomplex gibt es eine Reihe von Aufsätzen, z.B. Leyendecker 2007.
7 Schwachstellen oder Probleme im Wertstrom äußern sich u.a. in Form von unzureichen-
der Qualität der Produkte/ Prozesse, langen Durchlaufzeiten, hohen Lagerbeständen,
nicht wettbewerbsfähigen Herstellkosten und/ oder Kundenunzufriedenheit.
8 Als Vorbild für die Quantifizierung des Problemumfangs als aggregierte Größe gilt die
Ermittlung von Risikoprioritätszahlen (RPZ) im Rahmen der FMEA.
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 129
Fokus anderer
Wertstrom B Wertstrom
Schwachstelle
Wertstrom A im Wertstrom
Nein
Ja Ja Ja
Nach der Spezifikation des Problemumfangs auf der Grundlage der drei Krite-
rien lassen sich die drei Problemlösungszyklen von Lean Six Sigma – PDCA-,
Blitz-DMAIC und Standard-DMAIC-Zyklus – relativ eindeutig zuordnen:
• Der PDCA-Zyklus wird angewendet, wenn es sich um geringfügige Wertschöp-
fungsprobleme handelt, die leicht zu identifizieren und zu beheben sind. Die
Implementierung der Lösung(en) ist mit geringem Risiko verbunden.
• Der Blitz-DMAIC-Zyklus wird angewendet, wenn der Problemumfang von mitt-
lerer Ausprägung ist, d.h. das Problem ist für den Kunden relevant und bedarf
einer genaueren Analyse, da die Ursachen nicht offensichtlich sind.
• Der Standard-DMAIC-Zyklus wird angewendet, wenn das Problem eine hohe
Kundenrelevanz besitzt, die Ursachen des Problems kaum oder gar nicht be-
kannt sind und die Implementierung der Lösung mit Risiken verbunden ist.
10 Das Thema „Design for Six Sigma“ wird im gleichnamigen Beitrag von Töpfer/ Günther
in Kapitel A ausführlich behandelt.
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 131
Problem“ mit geeigneten Methoden einzugrenzen, zu lösen und diese Lösung auf
die Realität zu übertragen. Die zentrale Phase des DMAIC-Zyklus ist deshalb die
Analyse der Problemursachen auf statistischer Ebene (Analyse-Phase). Die statis-
tische Lösung wird in der Improve-Phase ausgearbeitet, verfeinert und bewertet
sowie anschließend in der Control-Phase in die Realität überführt und, z.B. mithil-
fe von SPC und Prozessdokumentationen, qualitätsgesichert.
Woche 1 Woche 3
1 Einführung % Einführung in Design of Experiments (DOE)
1.1 Lean Six Sigma-Philosophie – Integration von Lean % Fallstudie: Katapult/ Papier-Rotor
Management und Six Sigm 4.4 Quantifizieren der Verbesserungsmöglichkeiten
1.2 Six Sigma-Projektorganisation und Qualifizierung % Potenzial-Analyse/ Net Benefit-Schätzung
von Akteuren für Lean Six Sigma 4.5 Fragenkatalog und Checkliste
1.3 Wesentliche Vorgehensmodelle – PDCA-Zyklus,
Standard- und Blitz-DMAIC-Zyklus 5 Improve-Phase
Abb. 8: Trainingsinhalte des 3-wöchigen M+M Green Belt-Trainings auf Basis des Stan-
dard-DMAIC-Zyklus
Auf der Basis des Blitz-DMAIC-Zyklus in Abbildung 6 haben wir ein Lean Six
Sigma-Schulungskonzept entwickelt. Es folgt dem integrierten Ansatz von Lean
Six Sigma, also der Kombination von Lean Management- und Six Sigma-Akti-
vitäten (siehe hierzu den Beitrag von Töpfer in Kapitel A). Die Schulungsinhalte
sind für das Green Belt-Training entlang des Blitz-DMAIC-Zyklus strukturiert.
Wie in Abschnitt 2.1 ausgeführt worden ist, liegt der Fokus hier vor allem auf der
134 Swen Günther, Bernd Garzinsky
Woche 1 Woche 3
1 Einführung % Einführung in Design of Experiments (DOE)
1.1 Lean Six Sigma-Philosophie – Integration von Lean % Fallstudie: Katapult/ Papier-Rotor
Management und Six Sigm 4.4 Quantifizieren der Verbesserungsmöglichkeiten
1.2 Six Sigma-Projektorganisation und Qualifizierung % Potenzial-Analyse/ Net Benefit-Schätzung
von Akteuren für Lean Six Sigma 4.5 Fragenkatalog und Checkliste
1.3 Wesentliche Vorgehensmodelle – PDCA-Zyklus,
Standard- und Blitz-DMAIC-Zyklus 5 Improve-Phase
Abb. 9: Trainingsinhalte des 3-wöchigen M+M Green Belt-Trainings auf Basis des Blitz-
DMAIC-Zyklus
Sowohl für das (reine) Six Sigma-Training als auch das hier erläuterte Lean Six
Sigma-Training kommen der direkten Erfolgsmessung der Schulungsmaßnahmen
zum Abschluss als Grundlage für eine Zertifizierung als Green, Black oder Master
Problemlösungszyklen im Rahmen von Lean Six Sigma 135
Black Belt eine wesentliche Bedeutung zu. Hiermit werden Wissen, Verständnis
und Transferfähigkeit auf eine Problemsituation abgeprüft. In der M+M Six Sigma
Akademie® verwenden wir deshalb einen Katalog mit „500 Fragen zu Six Sigma“.
Sie sind nach unterschiedlichen Sachbereichen und Prozessphasen gegliedert und
in ihrem Schwierigkeitsgrad jeweils einem Qualifizierungsniveau zugeordnet. Es
gibt also spezielle Fragen für Green Belts, Black Belts und Master Black Belts,
wobei ein jeweils höheres Qualifikationsniveau alle Testfragen der darunter lie-
genden Qualifizierungsstufen einschließt (vgl. Töpfer/ Günther/ Garzinsky. 2007,
S. 267ff.).
Da alle Fragen mit allen Kennzeichnungen und den (richtigen und falschen)
Antworten für Multiple Choice-Tests elektronisch gespeichert sind, lassen sich für
einzelne Trainings am Schluss der Qualifizierung Tests im Umfang von 50 Fragen
nach dem Zufallsprinzip auswählen, die nach den einzelnen Sachbereichen und
Prozessphasen kombiniert sind, also z.B. je 45% Statistik- und Projekt-Fragen so-
wie 10% Soft Skills-Fragen für ein Green Belt Zertifikat. Der Test gilt als bestan-
den, wenn mehr als 50% der Fragen richtig beantwortet worden sind.
4 Literatur
Breyfogle, W.F. (2003): Implementing Six Sigma – Smarter Solutions Using Statistical Me-
thods, 2. Aufl., Hoboken, NJ 2003.
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Quality to Improve Services and Transactions, New York et al. 2003.
Huth, Ch. (2007): Konzeption eines Lean Six Sigma-Vorgehensmodells – Optimierung von
Zeit, Kosten und Qualität, Diplomarbeit an der TU Dresden 2007 (unveröffentlicht).
Leyendecker, B. (2007): Ableitung von Six Sigma Projekten aus den Unternehmenszielen,
in: Töpfer, A. (Hrsg.): Six Sigma – Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte
Null-Fehler-Qualität, 4. Aufl., Berlin/ Heidelberg 2007, S. 490-502.
Liker, J. (2004): The Toyota Way – 14 Management Principles from the World's Greatest
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fer, A. (Hrsg.): Six Sigma – Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte Null-
Fehler-Qualität, 4. Aufl., Berlin/ Heidelberg 2007, S. 196-204.
Töpfer, A./ Günther, S./ Garzinsky, B. (2007): Konzeption und Umsetzung von Six Sigma
Trainings in einem mehrstufigen Einführungsprozess, in: Töpfer, A. (Hrsg.): Six Sig-
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Berlin/ Heidelberg 2007, S. 250-277.
Womack, J.P./ Jones, D.T. (2004): Lean Thinking – Ballast abwerfen, Unternehmensge-
winne steigern. Frankfurt am Main/ New York 2004.
Zollondz, H.-D. (2006): Grundlagen Qualitätsmanagement – Einführung in Geschichte,
Begriffe, Systeme und Konzepte, 2. Aufl., München/ Wien 2006.
Schnelle und wirkungsvolle Verbesserungen des
gesamten Wertschöpfungsprozesses mit
Wertstromdesign
Lars Vollmer
Inhalt
1 Einführung ...............................................................................................137
2 Lean Management....................................................................................138
2.1 Toyoda’s Erbe ..........................................................................................138
2.2 Lean-Prinzipien ........................................................................................139
2.3 Verschwendung........................................................................................140
2.4 Prozess- versus System-Kaizen................................................................141
3 Durchführung des Wertstromdesigns.......................................................142
3.1 Definition und Abgrenzung......................................................................142
3.2 Ablauf in drei Schritten ............................................................................144
3.3 Ermitteln des IST-Wertstroms .................................................................145
3.4 Leitlinien für SOLL-Wertströme .............................................................149
3.5 Umsetzungsprinzipien..............................................................................156
4 Fazit .........................................................................................................158
5 Literatur....................................................................................................158
1 Einführung
2 Lean Management
1 Das ‚d’ im Namen wurde erst 1937 mit der Gründung der Toyota Motor Co. durch das ‚t’
ersetzt.
Verbesserungen des gesamten Wertschöpfungsprozesses mit Wertstromdesign 139
Die Besonderheit dieses Systems spiegelt sich nicht nur in seiner Branchenu-
nabhängigkeit, sondern vor allem in seinem Ziel wider. Dieses äußert sich im un-
bedingten Willen, einen kontinuierlichen Fluss zu erzeugen und sämtliche Ver-
schwendungen zu vermeiden. Auf den ersten Blick wirkt der Inhalt dieser Aussage
nicht Aufsehen erregend. Ihr Stellenwert auf der obersten Zielebene aber ist weg-
weisend und prägend für den Lean-Gedanken. Denn neben reinen Ergebniskenn-
größen, wie Qualität, Kosten, Durchlaufzeit, sind auch Sicherheit oder Mitarbei-
termoral diesem Ziel untergeordnet.
Toyota folgt der Überzeugung, dass es durch die Anstrengungen zum Aufbau
eines kontinuierlichen Flusses der Wertschöpfungsprozesse und einer gleichzeiti-
gen konsequenten Eliminierung von Verschwendungen nicht nur automatisch ein
hochwirtschaftliches Unternehmen wird, sondern sich sogar zum Branchenführer
entwickeln kann (vgl. Drew/ McCallum/ Roggenhofer 2005).
2.2 Lean-Prinzipien
Was aber sind nun die Grundgedanken des Lean Production-Prinzips? Zum einen
sicherlich die Fokussierung auf die Wertschöpfung – definiert als diejenigen Tä-
tigkeiten, für die der Kunde bereit ist, Geld auszugeben. Alles andere ist in der
Folge Nicht-Wertschöpfung bzw. Verschwendung.
Es ist keine neue wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Mitarbeiter in Produk-
tionsunternehmen oft nur 10% ihrer Zeit wertschöpfend sein können. Der Grund
liegt nicht im Wollen der Mitarbeiter. Vielmehr sind die Verschwendungen im-
manent in den Prozessen – ob geplant oder ungeplant – verborgen. Es ist harte Ar-
beit, sie wieder herauszubekommen.
Das zweite Grundprinzip besteht darin, Wertströme zu erkennen, und so dem
Systemgedanken zu folgen (siehe auch Kapitel 3.2). Das Ziel: Nicht wertschöp-
fende Prozesse, namentlich Verschwendungen, eliminieren.
Der unbedingte Wunsch nach Erzeugung eines kontinuierlichen Flusses und
der Einführung des Zieh- bzw. Pull-Prinzips steht an Stelle drei der Grundgedan-
ken.
Ein alter Lean-Grundsatz lautet: „Producing people before producing parts“.
Die Veränderung des Rollenverständnisses aller Mitarbeiter ist bei jeder Lean-
Transformation von enormer Bedeutung, da letztlich der einzelne Mitarbeiter die
Lean Maßnahmen umsetzt und tagtäglich Verbesserungspotenzial aufdeckt. Ande-
rerseits ist es ein fataler Fehler zu glauben, Lean-Bestrebungen kämen allein aus
der Mitarbeiterschaft. Lean Management – genauso wie Six Sigma – muss vor al-
lem eine vom Management getriebene Initiative sein. Alle anderen Versuche
scheitern meist kläglich.
Schließlich gilt für alle Säulen gerade im Bezug auf die Nachhaltigkeit des
schlanken Produktionssystems das ständige Streben nach Perfektion bzw. Verbes-
serung. Der jetzige Produktionsstand ist somit immer der schlechtest mögliche,
den es zu verbessern gilt. Auch wenn bereits maßgebliche Verbesserungen durch-
geführt wurden, darf der Verbesserungsprozess nicht zum Stillstand kommen. Das
140 Lars Vollmer
Produktionssystem ist eben weit mehr als eine Methode – es ist eine Unterneh-
mensphilosophie (vgl. Womack/ Jones/ Roos 1990).
2.3 Verschwendung
Prozess 2.1
Zulieferer
System-
sicht
Prozess-
sicht
Ein Prozess ist in dieser Terminologie eine Arbeitseinheit, in der kein Umlauf-
bestand entsteht. In der Praxis handelt es sich demnach zumeist um Arbeitsplätze
oder -bereiche. Auch Ressourcen mit einem festen Umlaufbestand, wie beispiels-
weise automatisierte oder hybride Montagestraßen, können als ein Prozess be-
trachtet werden. Das Lean Management umfasst eine Vielzahl von Werkzeugen
und Methoden, welche die Verbesserung von Prozessen im Sinne von Prozess-
Kaizen erreichen (siehe Abb. 3).
Die Systemsicht umfasst die Betrachtung des Flusses einer Wertschöpfung. Bei
einer Produktion erfolgt das typischerweise von der Belieferung der Rohmateria-
lien bis zum Versand der Fertigware an den Kunden. Gleichzeitig ist aber auch der
Gesamtablauf einer Auftragsabwicklung, also vom Auftragseingang bis zur Auf-
tragsfreigabe in der Produktion, oder ein Entwicklungsvorhaben zu betrachten.
Die Systemsicht umfasst immer die Material- sowie die Informationsflüsse des
Systems, bildet somit also auch die Logik der Steuerung ab. Das Wertstromdesign
und seine Gestaltungsregeln sind die zentralen Methoden der Systemsicht im Sin-
ne von System-Kaizen.
142 Lars Vollmer
Verbesserung des
Wertstroms (Fluss)
Methoden:
¬ Einzelstückfluss
¬ Supermarkt-Pull (Kanban)
Verbesserung der ¬ FIFO-Bahnen
Arbeitsschritte/ Ressourcen System-
System- ¬ Rhythmische Produktion
Kaizen im Takt
¬ Nivellieren der Produktion
Methoden:
¬ Minimierung der externen
¬ 5S Prozess-
Prozess- Steuerungsimpulse
¬ SMED (Rüstzeitreduzierung) Kaizen
¬ ...
¬ Standardisierung
¬ Autonomation
¬ OEE
¬ Poka Yoke
¬ Prozessverbesserung
¬ ...
Ein Wertstrom beschreibt den Durchlauf eines Produkts durch seine Hauptflüsse.
Das sind zum einen der Fertigungsstrom – vom Rohmaterial des Lieferanten bis
zum fertigen Produkt in den Händen der Kunden. Zum anderen der Entwicklungs-
strom – vom Produktkonzept bis zum Produktionsstart. Denkbar sind jedoch auch
andere Wertströme, wie beispielsweise die Auftragsabwicklung, das Rechnungs-
wesen oder andere administrative Prozesse. Ein Wertstrom ist letztlich sehr um-
fangreich, erstreckt sich vom Zulieferer des Zulieferers bis zum Kunden des Kun-
den und bildet die komplette Produktentstehung ab. Bezogen auf einen PKW wür-
de die Prozesskette mit dem Eisenerz in Südafrika beginnen und mit dem fertigen
Fahrzeug vor der Haustür des Kunden enden. Somit wird deutlich, dass viele Fab-
riken, Unternehmen oder Organisationen an einem einzelnen Wertstrom beteiligt
sind. Es gilt jedoch, zunächst das eigene Unternehmen zu fokussieren und in die-
sem den Entwicklungs- und/ oder Produktionsfluss zu gestalten (vgl. Halmosi/
Löffler/ Vollmer 2005). Darüber hinaus wird das Wertstromdesign auch für die
Entwicklung unternehmensübergreifender Prozessketten verwendet (vgl. Jones/
Womack 2002); die Funktionsweise der Methode ist dabei nahezu identisch, wie
im Folgenden beschrieben wird.
Verbesserungen des gesamten Wertschöpfungsprozesses mit Wertstromdesign 143
Layouts sind für das Systemdesign nicht geeignet, denn wesentliche Informationen fehlen
Übersichtlichkeit fehlt
Informationsfluss fehlt
Leistungsdaten fehlen
Kundenforderung fehlt
Ein Wertstromdesign wird immer nur für eine Produktfamilie erstellt. Diese aus-
zuwählen, stellt nach Rother/ Shook (2000) den ersten Schritt des Wertstromde-
signs dar. Alle Produktfamilien in einem Wertstrom erfassen zu wollen, ist nicht
nur viel zu komplex, es ist auch nicht im Sinne des Kunden, der sich üblicherwei-
se für ein spezifisches Produkt interessiert.
Eine Produktfamilie zeichnet sich dabei durch ähnliche Arbeitsvorgänge, also
durch einen ähnlichen Arbeitsablauf, sowie durch ähnliche Arbeitsinhalte aus.
„Eine Produktfamilie ist eine Gruppe von Produkten, die ähnliche Verarbeitungs-
schritte und Maschinenausrüstungen im flussabwärtigen Ende des Wertstroms
durchlaufen […]. Schreiben Sie Ihre ausgewählte Produktfamilie auf, aus wie vie-
len verschiedenen Endprodukten die Familie besteht, wie viel der Kunde davon
benötigt, und wie oft und welche Nachfrageschwankungen zu erwarten sind. Hin-
weis: Falls Ihr Produktmix sehr komplex sein sollte, können Sie eine Matrix
erstellen, wobei auf der einen Achse die Fertigungsschritte und die benötigte Aus-
rüstung, auf der anderen Ihre Endprodukte […] erscheinen“ (Rother/ Shook 2000,
S. 6).
Nach Bildung der Produktfamilie wird ein IST-Zustand gezeichnet und an-
schließend auf Basis dessen ein SOLL-Zustand entwickelt (siehe Abb. 5). In die-
sem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es sich bei der Methode um
Wertstromdesign und nicht um eine Wertstromanalyse handelt. Wertstromdesign
ist nicht nur eine Analyseform, die Aussagen bezüglich des IST-Zustandes trifft,
Verbesserungen des gesamten Wertschöpfungsprozesses mit Wertstromdesign 145
sondern vor allem eine Gestaltungsmethode, die es ermöglicht, nach den Grund-
prämissen des Lean Managements ausgerichtete SOLL-Wertströme zu entwickeln.
Dabei handelt es sich lediglich um ein Paper-Kaizen, der SOLL-Zustand ist also
lediglich auf dem Papier zu erkennen – und muss dann konsequent umgesetzt wer-
den.
Wie wird ein Wertstrom nun praktisch erstellt, und wie gestalten sich die einzel-
nen Schritte des IST-Zustandes?
Ein praktisches Beispiel eines Wertstroms soll die Antwort an dieser Stelle ver-
anschaulichen. Das Modell-Unternehmen Connect Limited stellt Elektronikbautei-
le her, die in Computern verbaut werden. Der Kunde dieses Unternehmens ist die
Muttergesellschaft Connect Holding. Diese fragt 100.000 Stück dieser Produktfa-
milie pro Woche mit einer Schwankungsbandbreite von 70.000-150.000 Stück ab.
Die Ermittlung des IST-Wertstroms erfolgt in sieben Schritten (siehe Abb. 6):
1. Zu Beginn der Aufnahme des IST-Wertstroms sind die Kundeninformationen
festzustellen. Hierbei gilt es herauszufinden, welche „Last“ der Kunde auf das
146 Lars Vollmer
Unternehmen ausübt, also welche Mengen der Produktfamilie der Kunde be-
stellt und wie er diese abruft.
2. Der zweite Schritt wird durch einen schnellen Durchgang zur Identifizierung
der Reihenfolge aller hauptsächlichen Prozesse vollzogen. Dies erfolgt übli-
cherweise vom Kunden ausgehend rückwärts, also vom Versand bis zum Wa-
reneingang. Diese Vorgehensweise hat zwei Gründe: Zum einen bildet sie die
Sicht des Kunden durchgehend ab, die bei der gesamten Aufnahme des IST-
Zustandes beibehalten wird. Zum anderen zeigt sich besonders in der Praxis
durch die Umkehrung des normal üblichen Weges der positive Nebeneffekt ei-
ner genaueren und bewussteren Auseinandersetzung mit den Prozessen – gera-
de bei routinierten oder betriebsinternen Mitarbeitern.
Orientiert man sich am oben eingeführten Fallbeispiel, dann dient der erste
Durchgang dazu, die Prozesse zu identifizieren. Vom Kunden aus rückwärts
sind das namentlich der Versand, die Qualitätssicherung (QS), die Montage 2
sowie die Montage 1. Dabei wird die Montage 1 mit zwei Produktgruppen be-
liefert: zum einen Spritzgussteile, zum anderen gestanzte und galvanisierte Tei-
le. Es handelt sich also hier um einen zweistufigen Prozess.
3. Nun müssen die Prozesse spezifiziert und Bestandsdreiecke eingezeichnet wer-
den (siehe Abb. 6). Letztere sind Symbole in Form von Dreiecken, die sich
zwischen den Prozessen befinden.2 Die Dreiecke zeigen, wie viele Teile sich
zum Zeitpunkt der Aufnahme dort befunden haben. In der Praxis bedeutet dies
ein tatsächliches Zählen der Teile zwischen den einzelnen Prozessen. Auch die-
ses Vorgehen beinhaltet wieder zwei Nutzen. Erstens kann eine tatsächliche
Überprüfung der Zahlen erfolgen, und Zweitens ermöglicht das Beobachten auf
dem Shopfloor eine klarere Erfassung der wirklich ablaufenden Prozesse.
Der nächste und sicherlich auch umfangreichste Schritt des IST-Wertstroms be-
fasst sich mit der Detaillierung der Prozesse. Dabei spielen besonders logisti-
sche Kenngrößen, wie die Zykluszeit oder auch die Einzel- und Rüstzeit, Ver-
fügbarkeit, Ausbeute und Losgrößen eine entscheidende Rolle. Bei der Pro-
zessdetaillierung sollte immer mit Augenmaß vorgegangen werden, um die In-
formations- und Detailflut nicht unnötig in die Höhe zu treiben, sondern mehr
Wert auf Geschwindigkeit zu legen. Aufgrund dessen ist auch zu erklären, wa-
rum im Fallbeispiel die Details für QS und Versand nicht aufgenommen wor-
den sind. Sie haben für den Wertstrom letztlich keine Bedeutung, und auch im
SOLL-Zustand erfahren sie keinerlei Veränderung.
4. Beim vierten Schritt wird die Zulieferung näher betrachtet. Im Fallbeispiel er-
folgt diese durch den Blechlieferanten, wobei der Beispielwertstrom eine sehr
hohe Fertigungstiefe besitzt. Das bedeutet, dass nur wenige Rohmaterialien
dem Unternehmen von außen zugeführt werden. Auch an dieser Stelle sollten
Sie wieder mit Augenmaß vorgehen: Bestimmen Sie nur die wichtigsten Liefe-
ranten und haben Sie nicht den Anspruch, alle Lieferanten zu integrieren – Ge-
schwindigkeit vor Detailtreue! Im ersten Entwurf ist es sogar häufig sinnvoll,
2 In der ursprünglichen Entwicklung wurden von Toyota an dieser Stelle Grabsteine ver-
wendet. Mittlerweile hat sich aber die abgebildete Darstellung mit einem „I“ für Invento-
ry etabliert.
Verbesserungen des gesamten Wertschöpfungsprozesses mit Wertstromdesign 147
Spritzgießen
Lieferplan 2x
pro
Woche
Di
ZZ = ø4,4 s
(4-12s) 767.500
Montage 1 Montage 2 QS Versand
Tr = 120 m
V = 90%
=1 632.000 =1 2.100
14 Maschinen
Los=ø45.000 ZZ = ø2,45 s ZZ = ø2,6 s
Stanzen 3 Schichten Tr = ø38 m Tr = ø12 m
Legende:
V = 66% V = 70,2%
ZZ – Zykluszeit
= 1,5 Galvanik 464.000 OEE = 59% OEE = 63% Tr – Rüstzeit
Los=ø15.400 Los=ø2.060 s – Sekunden
ZZ=ø0,075 s 1.235.000 m – Minuten
= 2,5 3 Schichten 3 Schichten
Tr = ø 180 m V – Verfügbarkeit
11 Stationen 12 Stationen OEE – Overal Equipment Efficiency
V = 85% ZZ = 30-60 s
5 Maschinen pro Rolle
Los=ø122.000 Tr = 5-20 m
Durchlaufzeit
2 Schichten Los=ø20.000
116 Tage
61,8 Tage 23,2 Tage 31,6 Tage 0,1 Tage
Wertschöpf.-zeit
0,075 s 120 s 26,9 s 31,2 s ca. 2 s ~ 4 Minuten
5. Der Schritt fünf beschäftigt sich mit den Informationsflüssen. Letztlich geben
sie den Mitarbeitern vor, was sie produzieren sollen. Die Informationsflüsse
beginnen immer beim Kunden. Dieser gibt seinen Auftrag in irgendeiner Weise
an das (produzierende) Unternehmen weiter. Zur Abbildung dieses Vorgangs
wird ein neues Symbol der Funktionssteuerung PPS (Produktions-Planungs-
und -Steuerungs-System) eingeführt, welches nicht gleichzustellen ist mit einer
Abteilung, einem EDV-System oder einer Person. Vielmehr sind in diesem alle
Abläufe, Prozesse und Mitarbeiter gebündelt, die dafür sorgen, dass Auftragsin-
formationen verarbeitet und zu Fertigungsaufträgen umgewandelt werden.3
Der Abbildung zum Fallbeispiel ist zu entnehmen, dass es einen monatlichen
Forecast gibt, der jeweils für zwei Monate gilt. Zusätzlich werden kurzfristige
Kundenaufträge täglich quasi vom Kunden an die Produktionssteuerung gelei-
3 Natürlich kann ein Wertstrom auch präzisiert und um einen Wertstrom der Produktions-
steuerung ergänzt werden. Die Methodik ist dabei identisch, der Detaillierungsgrad kann
nach Belieben erhöht werden.
148 Lars Vollmer
Die Methode Wertstromdesign trägt ihren Namen nicht nur, weil sie sich mit der
Aufnahme eines Wertstroms beschäftigt und somit eine gewisse Art der Analyse
vorgibt. Wertstromdesign ist vor allem eine Gestaltungsmethode, die Leitlinien
zur Erstellung von SOLL-Wertströmen vorgibt. Diese setzen sich im Wesentli-
chen aus den folgenden sieben Punkten zusammen.
1. Produzieren nach Kundentakt
Die Grundlage einer fließenden Produktion stellt eine rhythmische Produktion dar.
Der Produktionsrhythmus, den es einzuhalten gilt, wird immer vom Kunden vor-
gegeben. Das heißt, die Produktion folgt diesem Rhythmus durch Einhaltung einer
Taktzeit. Im übertragenen Sinne gibt die Taktzeit den Zeitraum an, in dem ein
Produkt fertig gestellt werden sollte, um dem Kundenbedarf exakt zu entsprechen.
Aus diesem Grund wird dieser Zeitraum als Kundentakt bezeichnet. Berechnet
wird der Kundentakt anhand der verfügbaren Betriebszeit pro Zeiteinheit, dividiert
durch den Kundenbedarf pro Zeiteinheit. Sowohl zu langsames als auch zu schnel-
les Produzieren müssen unbedingt vermieden werden. Zu langsames Produzieren
bewirkt, dass der Kundenbedarf nicht gedeckt werden kann. Produktion unterhalb
des Kundentaktes hat zwangsläufig Überproduktion zur Folge.
In der Praxis ist die Einhaltung dieser Leitlinie unter Umständen ein sehr heh-
res Ziel. Die Taktzeit bleibt trotz alledem die wichtigste Kenngröße eines SOLL-
Wertstroms, dient daher immer als „Nordstern“ oder Richtschnur für den optima-
len Zustand. Erst eine Produktion, die exakt in der Taktzeit abläuft, entspricht ei-
nem idealen SOLL-Wertstrom und sicherlich in vielen Fällen auch einem tatsäch-
lich erreichbaren Wertstrom (siehe Abb. 7). Aber wie bei allen folgenden Leitli-
nien ist jeder kleine Schritt eine Verbesserung des Flusses – und damit immer ein
wichtiger Schritt auf dem Weg zum schlanken Unternehmen.
7,5 h = 27.000 s
Beispiel: = 60 Sekunden
450 Stück
Das heißt: • Der Kunde kauft dieses Produkt mit einer Rate von 1 Stück alle 60 s.
• Die Taktzeit sollte auch genau 60 s betragen.
Isolierte
Arbeitsplätze
Einzelstückfluss
Die Bildung von Produktions-Zellen mit Einzelstückfluss ist nur schwer realisierbar bei
¬ räumlich weit auseinander liegenden Prozessen
¬ schwankenden Zykluszeiten
Logik einer
FIFO-Bahn STOP voll?
max. 15 Stück
A B
Sie sieht ebenfalls einen Einzelstückfluss vor, also die Abkehr von einer los-
weisen Produktion, erlaubt aber die Pufferung von Teilen zwischen zwei Prozes-
sen. Dies wird üblicherweise angewandt, wenn Prozesse räumlich weit auseinan-
der liegen und die Zykluszeiten, insbesondere bei variantenreicher Produktion,
zwischen den Prozessen schwanken. Die Kopplung der Prozesse findet in diesem
Fall durch eine FIFO-Bahn4 statt, die eine vorher festgelegte Menge an Teilen auf-
nimmt. Neben der rein logistischen Funktion des Einzelstückflusses handelt es
sich dabei vor allem auch um eine Managementfunktion. Die Regel lautet: Sobald
die FIFO-Bahn voll ist, stoppt der Lieferprozess, bis der Verbraucher- oder der
Kundenprozess mindestens ein Teil entnommen hat, so dass die FIFO-Bahn wie-
der Restkapazität aufweist. Vorteil dieser Leitlinie ist die Beibehaltung des Ein-
zelstückflusses sowie der Teilereihenfolge und damit der Aufrechterhaltung eines
kontinuierlichen Flusses. In der Praxis ist Vorsicht geboten, da FIFO-Bahnen im-
mer Bestände beinhalten und sich bei ungenügendem Management eines solchen
Prinzips ein unkontrolliertes Lager etablieren kann. Und damit wäre man wieder
bei einem klassischen Push-Lager, was den Leitlinien der schlanken Produktion
widerspricht.
4. Wann immer nötig und erforderlich: Verwendung von Supermarkt-Pull-
systemen
Die Leitlinie 4 berücksichtigt die Notwendigkeit einer Losproduktion, wie sie in
vielen Industrien vorhanden ist. Diese ist immer dann gegeben, wenn Prozesse mit
sehr hohen Schwankungen zwischen den Zykluszeiten der Prozessschritte auftre-
ten, z.B. Stanzen im Vergleich zu Montagetätigkeiten, wenn sehr hohe Rüstzeiten
vorhanden, Prozesse räumlich sehr weit entfernt oder wenn Prozesse hinsichtlich
Qualität und Verfügbarkeit sehr unzuverlässig sind (siehe Abb. 10). Allerdings
liegt das Bestreben der Prinzipien der schlanken Produktion darin, diese Restrikti-
onen Schritt für Schritt zu reduzieren. Zykluszeiten können – wenn auch häufig
nur mittel- bis langfristig – durch andere Maschinenkonzepte angepasst, Rüstzei-
ten beispielsweise mit der SMED-Methode kontinuierlich gesenkt werden. Prob-
leme im Bereich Qualität und/ oder der Anlagenverfügbarkeit können mit der Me-
thode Six Sigma analysiert und Abstellmaßnahmen definiert werden. Weiterhin ist
ein nach Materialflussgesichtspunkten aufgebautes Layout einzurichten und die
Zuverlässigkeit von Prozessen schrittweise zu erhöhen.
Das klare Ziel bleibt, die Gründe für die Leitlinie zu eliminieren. Insofern stellt
die Leitlinie 4 nur die Lösung 1 c dar. Die Idee dieser Leitlinie geht auf Taiichi
Ohno zurück, der sich bei der Toyota Motor Company mit der Entwicklung und
dem Aufbau des Toyota-Produktionssystems beschäftigt hat: „Es müsste doch
möglich sein, den Materialfluss in der Produktion nach dem Supermarktprinzip zu
organisieren – dass heißt, ein Verbraucher entnimmt aus dem Regal eine Ware be-
stimmter Spezifikation und Menge; die Lücke wird bemerkt und wieder aufge-
füllt“ (Taiichi Ohno). Das Prinzip des Supermarktes ist in der Praxis auch unter
dem Namen Kanban bekannt.
TQM
Produktions-Kanban Entnahme-Kanban
Kundenprozess geht zum Supermarkt
1 und entnimmt, was er braucht, und
wann er es braucht.
Lieferprozess produziert, um das
Liefer- Kunden- 2 Entnommene wieder aufzufüllen.
prozess prozess
2 1
Ziel: Steuerung der Produktion
A Produkt Produkt B am Lieferprozess ohne
Supermarkt Produktionsplan
In Bezug auf die praktische Anwendung dieser Leitlinie ist es wichtig zu beto-
nen, dass dem Schrittmacher-Prozess flussabwärts keine Supermärkte nachgela-
gert sein können. Eine Ausnahme stellt ein Fertigwaren-Supermarkt dar. Aus die-
sem Grund liegt die Position des Schrittmacherprozesses möglichst weit vorne in
einem Wertstrom, der sich durch einen kontinuierlichen Fluss auszeichnet. Im
SOLL-Zustand wird der Schrittmacher-Prozess durch die eingehenden Kunden-
aufträge gelenkt.
Beis
piel
Anmerkung:
Vom Schrittmacher-Prozess
»PULL« flussaufwärts flussabwärts kann kein Super-
»FLOW« flussabwärts markt mehr installiert werden.
Ausnahme: Fertigwaren
mixes wird durch kleine Losgrößen erreicht, die es ermöglichen, schnell auf Kun-
denwünsche zu reagieren. Die Folge der Losgrößenreduktion ist ein Anstieg der
Rüstvorgänge. Das führt zu deutlicher Bestandsreduktion und kürzeren Durch-
laufzeiten. Als Maß für die mögliche Losgrößenreduktion kann die Kennzahl
EPEI (Every Part Every Intervall) herangezogen werden. Diese gibt das Zeitinter-
vall an, in dem es möglich ist, alle Produktvarianten bei gleichzeitiger Deckung
des Kundenbedarfs einmal zu produzieren. Daher folgt: je kleiner der EPEI ist,
desto besser kann der Ausgleich des Produktionsmixes erfolgen.
INTERVALL = Schlüsselkennzahl
auch: EPEI – Every Part Every Interval
Je kürzer das Intervall, desto ... aber: kurze Intervalle erfordern ...
¬ geringer die Bestände ¬ häufigeres Rüsten
¬ kürzer die Durchlaufzeiten ¬ daher kürzere Rüstzeiten
¬ höher die Flexibilität ¬ synchronisierten Einkauf
¬ weniger Verschwendung
¬ höher die Produktivität
cher-Prozess eingesteuert werden und auf diese Weise zum kontinuierlichen Fluss
beitragen.
Je kleiner der Pitch, desto schneller können Sie auf Schwankungen reagieren.
Toyota hat in diesem Zusammenhang den Begriff „Pitch“ geprägt. Pitch gibt
dabei das Intervall der Freigabe bzw. Entnahme an. Pitch orientiert sich i.d.R. an
einer Behältergröße (Stückzahl der Fertigwaren pro Behälter). Mit Hilfe der Mul-
tiplikation von Taktzeit und Behältergröße wird der Pitch berechnet, der dem
Schrittmacher-Prozess vorgibt, wann ein weiteres Los produziert bzw. ein fertiges
entnommen werden muss.5
3.5 Umsetzungsprinzipien
5 Der Pitch liefert somit die Grundlage für die Produktionsplanung einer Produktfamilie
(vgl. Rother/ Shook 2000).
Verbesserungen des gesamten Wertschöpfungsprozesses mit Wertstromdesign 157
Fabrikgebäude. Zum anderen ist dies das viel diskutierte Kaizen, das eine Verän-
derung in kleinen, kontinuierlich ablaufenden Schritten verfolgt.
Kaizen ist kein ausschließlich auf Mitarbeiterengagement basierendes System.
Zielgerichtete Kaizen-Aktivitäten erfordern ein aktives Management. Ein erfolg-
reiches Kaizen-Management zielt auf die Beseitigung der am häufigsten auftre-
tenden Management-Verschwendungen bei Kaizen-Aktivitäten:
• Verschwendung durch fehlende Fokussierung entsteht immer dann, wenn es
dem Management nicht gelingt, die richtigen Ressourcen auf die wesentlichen
Probleme und Ziele zu konzentrieren.
• Verschwendung durch fehlende Struktur bezieht sich auf den Organisations-
grad der täglichen Arbeit aller Mitarbeiter, auf das Feedback in Form von Leis-
tungsmessung und auf die tägliche, strukturierte Kommunikation mit den Vor-
gesetzten.
• Verschwendung durch fehlende Disziplin tritt dann auf, wenn Fokussierung
und Struktur zwar vorhanden sind, die Mechanismen zur Leistungsmessung,
zur Kontrolle und zur Anerkennung und Wertschätzung von Leistung nicht
angewandt werden.
• Verschwendung durch fehlenden Verantwortungsbereich tritt dann auf, wenn
Kaizen zwar praktiziert wird, den Mitarbeitern aber nicht zugestanden wird,
ihr Arbeitsumfeld „in Besitz zu nehmen“ (Ownership) und nachhaltig zu ver-
ändern.
Das Kaizen-System unterscheidet vier Kaizen-Level:
• Level 4: Individualkaizen. Kaizen am Arbeitsplatz des Mitarbeiters, z.B. Ver-
kürzung der Wege zur Beschaffung von Werkzeugen und Vorrichtungen, 5S.
• Level 3: Gruppenkaizen. Kaizen auf Ebene der Arbeitsgruppe, z. B. Reduktion
von Rüstzeit durch Rüsthelfer.
• Level 2: Kaizen-Event. Meist gruppenübergeifend, z.B. Neuorganisation der
Teilebereitstellung, Layoutgestaltung des Teambereichs, Einführung von One-
piece-flow-Zellen.
• Level 1: Wertstromkaizen. Tiefgreifende Veränderung der System- und Pro-
zessablaufstruktur durch eine Serie von Maßnahmen, die ggf. Projektcharakter
annehmen.
Die Durchführung der Kaizen-Events stellt das Herz des Verbesserungsprozes-
ses dar. Üblicherweise dauern diese Events 3-5 Tage, und es wird mit einem Team
von 4-6 Personen eine definierte und klar abgegrenzte Themenstellung bearbeitet.
Dabei ist die Umsetzung der Maßnahme immer Bestandteil des Events. In diesem
Punkt steht die Workshoparbeit im Gegensatz zu eher projektorientierten Ansät-
zen.
158 Lars Vollmer
4 Fazit
Das Wertstromdesign hat sich als Basiswerkzeug des erfolgreichen Lean Mana-
gement-Ansatzes in der Industrie etabliert. Dabei besticht es vor allem als schnel-
ler und zielgerichteter Navigator für systemisch ausgerichtete Verbesserungspro-
zesse. Die Vorgehensweise und die resultierenden Maßnahmen sind vollständig
auf den Kundennutzen ausgerichtet, ohne die praktische Umsetzung aus den Au-
gen zu verlieren.
Die Vorteile einer Kombination des Ansatzes mit den Grundideen von Six
Sigma sind bestechend. So liefert das Wertstromdesign die Systemsicht, während
Six Sigma die Tools und die praktische Methodik zur Eliminierung von Ver-
schwendungen auf der Prozessebene ergänzt. Dies wurde im Kapitel A dieses Bu-
ches bereits ausführlich dargestellt.
5 Literatur
Drew, J./ McCallum, B./ Roggenhofer, S. (2005): Unternehmen Lean – Schritte zu einer
neuen Organisation, Frankfurt/ New York 2005.
Halmosi, H./ Löffler, B./ Vollmer, L. (2005): Wertstromdesign in der variantenreichen Pro-
duktion, in: ZWF Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 100. Jg. (2005), Nr. 1-
2, S. 47-52.
Jones, D.T./ Womack, J P. (2002): Seeing the whole – Mapping the extended value stream,
Cambridge 2002.
Rother, M./ Shook, J. (2000): Sehen lernen – Mit Wertstromdesign die Wertschöpfung er-
höhen und Verschwendung beseitigen, Stuttgart 2000.
Suzaki, K. (1989): Modernes Management im Produktionsbetrieb – Strategien, Techniken,
Fallbeispiele, München/ Wien 1989.
Womack, J.P./ Jones, D.T. (2003): Lean thinking – Banish waste and create wealth in your
corporation, London et al. 2003.
Womack, J.P./ Jones, D.T./ Roos. D. (1990): The machine that changed the world, New
York 1990.
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden-
Kombination im Rahmen von Design for Six
Sigma
Inhalt
Die Methoden QFD, DOE und TRIZ werden von immer mehr Unternehmen im
Rahmen der Produktentwicklung eingesetzt. Die Gründe hierfür liegen vor allem
in dem hohen Zielerreichungsgrad und der hohen Wirtschaftlichkeit, die mit der
160 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
„richtigen“ Anwendung der Methoden erzielbar sind. Im Kern geht es um die Si-
cherstellung eines wirkungsvollen Produktentwicklungsprozesses mit vertretba-
rem Zeit- und Kostenaufwand sowie schlanker Infrastruktur. In diesem Zusam-
menhang spielt der DMADV-Zyklus, wie er im Beitrag von Töpfer/ Günther in
Kapitel A vorgestellt worden ist, eine herausragende Rolle.
Die Ausführungen in diesem Beitrag fokussieren zunächst auf den isolierten
Einsatz von QFD, DOE und TRIZ, wie er in der Praxis vielfach anzutreffen ist.
Die Darstellung der einzelnen Methoden ist prozessbezogen. Nach Auflistung der
wesentlichen Schritte folgen jeweils detaillierte Ausführungen mit konkreten An-
wendungsbeispielen. Ziel ist es, die Konzeption und Inhalte der Methoden für
Praktiker gut nachvollziehbar darzustellen und dabei eine Entscheidungsgrundlage
für den wirksamen Einsatz von QFD, DOE und TRIZ zu liefern. Abschließend
wird eine Fallstudie zur Vernetzung von QFD und TRIZ kurz referiert.
Ziel von Quality Function Deployment (QFD) ist die integrierte Produktent-
wicklung für kundengerechte, qualitativ hochwertige Produkte in möglichst kurzer
Entwicklungszeit. QFD bildet dabei das Rahmenkonzept für die wirkungsvolle
Umsetzung von Design for Six Sigma (DFSS). Wie Erfahrungswerte zeigen, sind
mit QFD bezogen auf Anlaufprobleme bei der Produktion von Neuprodukten (Job
No. 1) sowie bezogen auf Fehlerkosten nach der Einführung erhebliche Verbesse-
rungspotenziale realisierbar. Bei der Anwendung, z.B. im Zuge des DMADV-
Zyklus, werden standardmäßig die folgenden fünf Schritte durchlaufen:1
1. Ermitteln von Kundenanforderungen
2. Gewichten der Kundenanforderungen
3. Festlegen des technischen Konzepts
4. Festlegen von Funktionen, Bauteilen usw.
5. Ermitteln der bauteilbezogenen Zielkosten.
Aus marktorientierter Sicht beginnt die Gestaltung/ das Design der Unternehmens-
leistungen mit der Ermittlung der Anforderungen der Kunden. Diese können bei
Befragungen i.A. nicht direkt ermittelt werden, da aus der Sicht der Marketingfor-
schung die „Stimme des Kunden“ (VOC – Voice of the Customer) sowohl Forde-
rungen/ Anforderungen als auch Wünsche/ Bedürfnisse sowie Erwartungen um-
fasst. Eine genaue Abgrenzung in der Praxis gestaltet sich i.d.R. schwierig. Um
die Kundenstimme dennoch „richtig“ zu ermitteln und zu verstehen, existieren ei-
ne Vielzahl von Lösungsvorschlägen. Für QFD sind insbesondere die Kunden-
problemanalyse nach Shiba et al. sowie die 6W-Analyse relevant.
Ein verhaltensbasiertes Vorgehensmodell zur Spezifikation von Kundenanfor-
derungen schlagen Shiba et al. (1993) vor. Anstatt Kundenwünsche/ -bedürfnisse
zu analysieren, untersuchen sie Kundenprobleme. Als Grund für ihr Vorgehen ge-
ben sie an, dass explorative Befragungen von potenziellen Kunden nach ihren
1 Siehe hierzu auch Beitrag von Töpfer/ Günther in Kapitel A zu Design for Six Sigma.
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 161
Wünschen/ Bedürfnissen i.d.R. wenig zielführend sind, da die Antworten dem Un-
ternehmen meistens schon bekannt und zudem oberflächlich sind. Fragt man die
Kunden direkt nach ihren Kaufmotiven, dann wird nur die „Spitze des Eisberges“
an Einflussgrößen offengelegt. Die ausschlaggebenden Gründe für den Kauf sind
häufig latenter Natur und bleiben im Hintergrund verborgen.
Eine Lösung für dieses Problem stellt allein die detaillierte Analyse der konkre-
ten Anwendungssituation beim Kunden dar. Nur so können für das Unternehmen
gehaltvolle und auswertbare Informationen für die Neugestaltung von Sach- und
Dienstleistungen gewonnen werden. Als Handlungsleitfaden zur Spezifizierung
der Kundenanforderungen legen Shiba et al. 4 Fragen zugrunde (vgl. hierzu und
im Folgenden Töpfer/ Günther 2007, S. 113ff.):
1. Kundenerwartung: Woran denken Sie, wenn Sie sich die Lösung dieses Prob-
lems durch ein Produkt oder eine Dienstleistung vorstellen?
2. Kundenzufriedenheit: Welche Erfahrungen, insbesondere im Hinblick auf Prob-
leme oder Schwächen, haben Sie bisher bei der Lösung dieses Problems ge-
macht?
3. Kundennutzen: An welche Eigenschaften und Kriterien denken Sie vor allem,
wenn Sie sich die Lösung des Problems durch ein Produkt oder eine Dienstleis-
tung vorstellen?
4. Zukünftiger Kundenvorteil: Über welche neuen Eigenschaften und Funktionen
muss die Problemlösung bzw. das neue Produkt/ die neue Dienstleistung verfü-
gen, um Ihre zukünftigen Anforderungen/ Bedürfnisse zu erfüllen?
Wie leicht nachvollziehbar ist, werden die Kundenanforderungen in 4 Dimen-
sionen gemessen, nämlich Kundenerwartung, -zufriedenheit, -nutzen und -vorteil.
Dadurch soll ein möglichst umfassendes Bild über das bestehende und zu lösende
Kundenproblem erreicht werden. Die Beantwortung der 1. Frage (durch den Kun-
den) gibt Hinweise auf den Anwendungsbereich/ -zweck beim Kunden, die Asso-
ziationen, die der Kunde mit der Nutzung des Produktes/ der Dienstleistung ver-
bindet, und, daraus abgeleitet, die wesentlichen Kaufgründe. Die Antworten des
Kunden auf die 2. Frage spiegeln die Zufriedenheit des Kunden mit der aktuellen
Problemlösung wider und geben Hinweise auf mögliche, bisher noch nicht er-
kannte Defizite. Mit der 3. Frage verbinden sich direkt die kritischen Qualitäts-
merkmale (CTQs), die aus der Sicht des Kunden vollständig erfüllt sein sollen.
Die Antworten zur 4. und letzten Frage beschreiben die Wünsche und Erwartun-
gen des Kunden für eine innovative Problemlösung in der Zukunft. Definitions-
gemäß werden sie im Moment von keinem bestehenden Anbieter in der ge-
wünschten Weise erfüllt (vgl. Sauerwein et al. 1996, S. 313ff.). Ein Kundenvorteil
entsteht dann genau dadurch, dass das Angebot des Unternehmens aus Kunden-
sicht besser beurteilt wird als entsprechende Vergleichsangebote.
Im Rahmen von QFD wird typischerweise die 6W-Analyse angewendet, um ei-
ne differenzierte Analyse der Kundenstimme vorzunehmen. Bei ihr werden die
wissenschaftlichen Aussagen zur Bestimmung von Kundenanforderungen sowie
das Fragenschema von Shiba et al. implizit zugrunde gelegt. Ziel der Analyse ist
es, die generellen Wünsche, Erwartungen und Anforderungen der Zielkunden be-
162 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
zogen auf eine beschriebene Situation und die angebotene Problemlösung zu er-
fahren. Dabei geht es i.d.R. noch nicht um ein konkretes Produkt, sondern viel-
mehr um den spezifischen Nutzen eines neuen Konzeptes, aus dem sich dann in
einem Konkretisierungsprozess Kundenanforderungen ableiten lassen.
In Abbildung 1 ist eine Beispielübersicht mit der Ableitung von Kundenanfor-
derungen auf der Basis einer 6W-Analyse skizziert. Wie ersichtlich ist, wird die
„konkrete“ Kundenstimme durch die Beantwortung der 6 Fragen Wer?, Was?,
Wo?, Wann?, Warum? und Wie viel? differenziert analysiert und in entsprechende
Kundenanforderungen übersetzt. Im Beispiel ist dies – vereinfacht dargestellt –
eine einzelne Aussage zur Beschaffenheit/ Gestaltung der Tür eines Küchenher-
des, die mithilfe der 6 Fragen in 3 Kundenanforderungen aufgelöst wird.
Die 6W-Analyse ist ein einfaches, teilstrukturiertes Fragenschema, mit dem ei-
ne Fokussierung auf die Erwartung, die Zufriedenheit, den Nutzen und den zu-
künftigen Vorteil für den Kunden erreicht wird, ohne jedoch sein Gedankenspekt-
rum als Möglichkeitsraum zu stark einzuschränken. Dies stellt sicher, dass zum
einen das Problem und seine Lösung nicht zu früh durch die „Brille des Unter-
nehmens“ betrachtet wird und zum anderen auf dieser Basis kreative Lösungs-
sichtweisen erhalten bleiben (vgl. Töpfer/ Günther 2007, S. 113f.).
Für eine umfassende Ermittlung der Kundenanforderungen empfiehlt es sich,
die 6W-Analyse sowohl mit internen Kunden/ Mitarbeitern als auch externen
Kunden/ Lieferanten durchzuführen. Neben der direkten Befragung der Kunden
kommen u.a. folgende Dokumente und Unterlagen als (indirekte) Informations-
quellen infrage, um die Kundenstimme zu erfassen: Verträge und Lastenhefte,
Benchmarking-Ergebnisse, Zulieferer-Daten, Reklamations-Statistiken. Weitere
wichtige kundenbezogene Anforderungen an ein Produkt ergeben sich z.B. aus in
der Vergangenheit durchgeführten Lean- und Six Sigma-Projekten.
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 163
Bei der Anwendung der 6W-Analyse ist zu beachten, dass jeweils Kundenan-
forderungen bestimmt werden, und keine Lösungen. Kundenanforderungen sind
immer lösungsneutral. So soll nach Abbildung 1 die „Herdtür leicht von außen zu
öffnen“ sein, was grundsätzlich keine Lösungen beinhaltet. Dadurch wird die Ge-
fahr vermieden, dass andere, eventuell bessere Lösungen im Deployment-Prozess
nicht mehr betrachtet werden. Im Beispiel wäre ein Lösungsvorschlag – anstelle
einer Kundenanforderung – im Berichtsbogen dokumentiert, wenn aus ingenieur-
technischer Sicht feststeht, dass die „Herdtür horizontal schwenkbar zu öffnen“
ist, um dadurch den Bedienungsaufwand für den Kunden zu minimieren.
Neben der Ermittlung/ Ableitung erweist sich insbesondere die richtige Ge-
wichtung der Kundenanforderungen als wesentliche Voraussetzung für eine kun-
denorientierte Produktentwicklung. Diese Aufgabe wird in der Praxis häufig un-
terschätzt, obwohl gerade im Rahmen eines Deployment-Prozesses die Qualität
der Ausgangsgrößen maßgeblich von der Qualität der Eingangsgrößen abhängt.
Das heißt, fehlerhafte Eingangsgrößen können sich im Verlauf der Erstellung
mehrerer Beziehungsmatrizen zu „hochgradig“ fehlerhaften Ausgangsgrößen po-
tenzieren und damit u.U. zu schlechteren Ergebnissen führen als ohne die explizite
Bestimmung/ Ableitung der VOCs; in diesem Fall gilt: „Garbage in, garbage out“.
1. Basisanforderungen: Sie stellen eine Art „K.o.-Kriterium“ für das eigene Pro-
dukt/ die eigene Dienstleistung dar.3 Wenn sie nicht oder nur unzureichend er-
füllt sind, äußert sich dies in einer hohen Unzufriedenheit des Kunden. Eine
bessere Erfüllung der Basisanforderungen bedeutet zugleich, dass sich die Un-
zufriedenheit sukzessive reduziert. Das häufig erreichbare höchste Niveau be-
steht darin, dass der Kunde bezogen auf die Erfüllung der Basisanforderungen
„nicht unzufrieden“ ist, wenn nämlich die als selbstverständlich erachteten Ei-
genschaften des Produktes/ der Dienstleistung vollständig erfüllt sind. Durch
eine bessere Erfüllung der Basisanforderungen wird der Kunde also nicht zu-
friedener, sondern ist nur weniger unzufrieden (siehe hierzu Abb. 2).
Kunde zufrieden
Leistungsanforderungen
Begeisterungsanforderungen - artikuliert
- nicht artikuliert - spezifisch
- tailor-made - messbar
Versteckte Immer
- begeisternd - technisch
Chancen mehr
Anforderung Anforderung
nicht erfüllt erfüllt
Basisanforderungen
- implizit
- selbstverständlich K.o.-
- nicht artikuliert Kriterien
- offensichtlich
Kunde unzufrieden
3 Z.B. Herdtür schließt so dicht ab, dass keine Wärme nach außen tritt.
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 165
Klassifikation Beispiel
Wachstumsmotive
Begeisterung
Die beiden untersten Motive entsprechen hierbei zum einen der notwendigen
Vorrichtung zum Kochen und zum anderen dem Anspruch eines sicheren Kochab-
laufs. Das dritte Motiv kennzeichnet die Anforderungen an die Kommunikation
zwischen dem Benutzer und dem Backofen, die sich – produktbezogen – in einer
entsprechend guten Bedienungsqualität, also dem leicht verständlichen und den-
noch umfassenden Bedienungskomfort, als kritischem Qualitätsmerkmal (CTQ)
niederschlägt. Es entspricht damit nicht mehr nur den Basisanforderungen, son-
dern ist ein eindeutiges Leistungskriterium des Produktes. Wenn die folgenden
166 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Motivgruppen erfüllt werden, dann verlieren diese drei Stufen allerdings an Diffe-
renzierungsstärke und damit an kaufinduzierender Kraft. Sie sind deshalb so ge-
nannte Defizitmotive – ihre Nichterfüllung führt zu Unzufriedenheit, ihre Überer-
füllung aber nicht zu höherer Zufriedenheit.
Die zwei höherwertigen Motivklassen bergen die Chance in sich, als Begeiste-
rungsanforderungen gestaltet werden zu können. Die vierte Gruppe, die Ich-Be-
dürfnisse, werden unternehmensbezogen durch das Markenprestige des Produktes
aktiviert. Im Vergleich hierzu fassen die Bedürfnisse der Selbstverwirklichung die
letzten drei Motivklassen zusammen und fokussieren sie in diesem Wachstumsmo-
tiv. Dies ist dann auch in der Produktgestaltung und -positionierung entsprechend
zu berücksichtigen. Konkret gesprochen bedeutet dies, dass ein benutzerdefinierter
Kochablauf zur optimalen Zubereitung des Kochguts einerseits so einfach zu
handhaben ist, dass auch ein Laie gute Kochergebnisse erzielen kann. Andererseits
muss das Einstellungs- und Differenzierungsspektrum des Kochherdes so viel-
schichtig sein, dass genau diese optimale Zubereitung einer Mahlzeit sichergestellt
ist. Das dahinter liegende Motiv lässt sich durch das Gefühl einer hohen Professi-
onalität des Akteurs kennzeichnen.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse ist leicht nachvollziehbar, dass Rekla-
mationen und Beschwerden sich in verstärktem Maße auf die unteren drei Bedürf-
niskategorien beziehen. Begeisterung wird – wie ausgeführt – durch die oberen
Motivklassen ausgelöst. Die Klassifikation macht insgesamt deutlich, dass eine
Analyse der Kundenanforderungen (VOC) am besten im Rahmen eines Simulta-
neous Engineering, also in der Zusammenarbeit von Ingenieuren und Kaufleuten,
erfolgt. Hierdurch wird die Stimme des Kunden unverfälscht sowohl aus Sicht des
Marketings als auch aus Sicht der Entwicklung gehört und verstanden. Dies
kommt erfahrungsgemäß einer umfassenden Produktqualität unter gleichzeitiger
Verfolgung der Unternehmensziele zugute.
Entsprechend dem ursprünglichen Modell von Maslow gilt bei Kundenbedürf-
nissen, dass die unteren Kategorien erfüllt sein müssen, bevor höherwertige Moti-
ve durch ein Produkt erfüllt werden können. Diese Klassifizierung von Kunden-
bedürfnissen steht damit zugleich in direktem Bezug zu Kaufmotiven der Adressa-
ten. Diese haben entsprechend ihrem Niveau wiederum eine Beziehung zur Preis-
bereitschaft der Zielkunden. Dabei gilt: Je höher die Motivklasse, desto größer ist
generell die Preisbereitschaft.4 In diesem Zusammenhang wird bei QFD der
Customer Value, also der Wert für den Kunden, als weiterer „weicher“ Gewich-
tungsfaktor bestimmt. Insbesondere wird hier der Frage nachgegangen, ob die be-
sonders gute/ schlechte Erfüllung der Kundenanforderung einen direkten Einfluss
auf den materiellen Nutzen des Kunden hat (vgl. Töpfer 2008, S. 199ff.).
Nach Yoji Akao, dem „Ur-Vater“ des QFD, wird unter QFD die gezielte Planung
und Entwicklung der Qualitätsfunktionen eines Produktes/ einer Dienstleistung
entsprechend den vom Kunden geforderten Qualitätsmerkmalen verstanden (vgl.
Akao 1992, S. 15). Wie bereits aus den vorstehenden Ausführungen deutlich ge-
worden ist, besteht das 1. Unterziel von QFD darin, ein bereichsübergreifendes In-
strumentarium zur Ermittlung und Priorisierung von Kundenanforderungen bereit-
zustellen. Das 2. Unterziel der Anwendung von QFD ist, anschließend die Kun-
denanforderungen in innovative, zuverlässige, also robuste, und kostengünstige
Lösungen umzusetzen. Mit dieser Methode soll also sowohl die Qualität der ex-
ternen Marktleistung als Wertschöpfungsergebnis verbessert als auch die Qualität
und Ausrichtung der internen Wertschöpfungsphasen gesteuert werden. QFD wird
dadurch zu einem System, um Kundenanforderungen für jede Phase von der For-
schung über die Produktentwicklung und Fertigung bis hin zum Marketing und
Verkauf in entsprechende unternehmensspezifische Erfordernisse zu übersetzen
(vgl. ASI - American Supplier Institute 1989).
Mit einer derartigen Produkt- oder auch Dienstleistung, die nicht nur die tech-
nisch möglichen, sondern auch die vom Kunden gewünschten Qualitätsmerkmale
aufweist, können die folgenden zehn Ziele erreicht werden:
1. Kundenorientierte Produktentwicklung
2. Verkürzung der Entwicklungszeit
3. Steigerung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit/ Produktivität
4. Verlustreduzierung im F&E-Prozess
5. Prozessorientiertes Denken und Handeln
6. Verbesserung der internen Kommunikation
7. Intensivierung der Zusammenarbeit
8. Bündelung des Wissens und Könnens
9. Klare und messbare Zielvorgaben
10.Verständliche(re) Dokumentation.
Ein wichtiges Werkzeug im Rahmen von QFD, um diese Ziele zu erreichen, ist
das so genannte House of Quality (HoQ). Konzeption und Inhalte des HoQ sind in
Abbildung 4 schematisch dargestellt. Ausgehend von den ermittelten und gewich-
teten Kundenanforderungen wird die eigene Wettbewerbsposition mit der von
maßgeblichen Konkurrenten verglichen. Hieraus wird das technische Konzept ab-
geleitet, und zwar über die Frage, wie das Unternehmen die Forderungen der
Kunden zukünftig erfüllt bzw. wie es sie konkret ausgestaltet. Dies ist die Basis
für die Festlegung des Zielniveaus und die konkrete Umsetzung einzelner Forde-
rungen.
168 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Wie unschwer ersichtlich ist, wird mit Hilfe des HoQ die Sprache der Kunden
bzw. des Marktes als Horizontale in die Sprache der Techniker bzw. des Produktes
als Vertikale übersetzt. Man sagt auch: QFD ist ein Was-Wie-Spiel, also „Was for-
dert der Kunde?“ auf der einen Seite und „Wie sehen unsere Lösungen aus?“ auf
der anderen. Der Zusammenhang wird über eine Beziehungs- bzw. Korrelations-
matrix als „Kern des HoQ“ dargestellt. Dazu ist zum einen die Stärke der Bezie-
hung zwischen Qualitätsmerkmal und Kundenanforderung festzulegen. Im
deutschsprachigen Raum werden i.d.R. Zahlen verwendet, wobei 9 für starke, 3
für mittlere und 1 für schwache Beziehung steht. Zum anderen ist die Richtung der
Beziehung zwischen Qualitätsmerkmal und Kundenanforderung über die Korrela-
tionen der Wie´s zu bestimmen:
• Wenn die Optimierungsrichtung des Qualitätsmerkmals identisch mit der Rich-
tung der Kundenanforderung ist, dann ist der Beziehungswert positiv.
• Wenn die Optimierungsrichtung des Qualitätsmerkmals entgegengesetzt zur
Richtung der Kundenanforderung ist, dann ist der Beziehungswert negativ.
Korrelationen
der Wie‘s
Wie
erfüllen wir
die Forderungen?
Unterstützung/ Benchmarking
Produkt
Was Beitrag
Warum
Stimme der wollen die der Wie's zu wir verbessern
Kunden Kunden? den Was' wollen?
Kunde Vergleich mit
dem Wettbewerb
Wie viel
wollen wir bei
den Wie's erreichen?
Quelle: Saatweber 1997, S. 35
Abhängigkeits-
6 analyse
(Wie beeinflussen sich die
einzelnen Konstruktionsmerkmale?)
Technische Anforderungen/Konstruktionsmerkmale
1 2 4 (Wie setzen wir die Kundenanforderungen
technisch um?) 3
Kundenwahrnehmung/
Kundenan-
forderungen
Gewichtung
(Wie wichtig
5 Ausprägung/Beziehungsmatrix
(In welchem Ausmaß können die Kunden-
Konkurrenzvergleich
(Benchmarking)
(Was verlangt (Wie gut sind wir im Vergleich
ist es?) anforderungen realisiert werden?)
der Kunde?) zu den Wettbewerbern?)
Maßeinheiten Technischer Vergleich
Maßstäbe
Objektive
tung
liche Bewertung
Beigemessene
Wichtigkeit
(Wie werden die Verbes-
serungsmöglichkeiten
8
bewertet?)
Wirtsch.
Gewich-
Geschätzte
tung
Maßnahmenpriorität
Kosten (Welche Verbesserungen
wollen wir zuerst 9
Zielvorgaben realisieren?)
Quelle: Töpfer 2007, S. 120
5 Die Stärke der Wechselwirkung wird in drei Stufen differenziert: 2 = stark, 1 = mittel
und 0 = schwach. Wenn sich die Optimierung des einen Qualitätsmerkmals günstig auf
die des anderen auswirkt, dann ist die Wechselwirkung positiv (z.B. +2), et vica versa.
6 Das Vorgehen zum Erstellen des 1. HoQ wird am Beispiel in Abschnitt 2.2 erläutert.
170 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Wie bereits oben angesprochen, liegt der Haupteinsatz von QFD bei der Neu-
entwicklung oder Verbesserung von Produkten respektive Dienstleistungen. Die
Anwendung wird umso effektiver, je schwieriger handhabbar und in technische
Spezifikationen umsetzbar die Kundenanforderungen für das Unternehmen zu-
nächst sind. In jedem Fall sollte QFD so früh wie möglich im Produktentstehungs-
prozess (PEP) eingesetzt werden. Denn nur so können die oben angesprochenen
Ziele von QFD optimal erreicht werden. Potenzielle Missverständnisse, die sich
immer wieder im Zusammenhang mit dem Einsatz von QFD ergeben, sind gleich
zu Beginn des Deployment-Prozesses aus der Welt zu schaffen:
• QFD ist kein Modethema, sondern wird z.B. in Japan seit über 25 Jahren erfolg-
reich eingesetzt.
• QFD ist kein revolutionärer Ansatz, der gewaltige organisatorische Umgestal-
tungen oder Investitionen in Hardware und Software erfordert, sondern eine auf
Kundenorientierung und Teamarbeit basierende evolutionäre Verbesserung.
• QFD ist kein Ersatz für traditionelle Produktentwicklungsmethoden, sondern
ein Kommunikationsinstrument, das bewährte Verfahren integriert.
Konzepte
merkmale
Produkt-
2. QFD-
Matrix
Funktionen
-gruppen
Bauteile/
Kunden-
5. QFD-
1. QFD- 4. QFD-
Matrix
Matrix Matrix
Funktionen
merkmale
Produkt-
3. QFD-
Matrix
Deployments, die i.d.R. leicht umzusetzen und in der Praxis weitläufig aner-
kannt sind, betreffen zum einen die Auswahl von Konzepten, Szenarien, Lieferan-
ten usw. Zum anderen ist die Bestimmung von Funktionen, sofern diese im Unter-
nehmen „bekannt“ sind, im Rahmen eines 3-dimensionalen Deployments verbrei-
tet. Darüber hinaus ist das Festlegen von Bauteilen und Kostenstrukturen ein ge-
wünschter und zugleich anerkannter Outcome von QFD. Deployments, die auf-
grund von Kosten-Nutzen-Überlegungen in der Praxis eher schwierig umzusetzen
sind, betreffen u.a. die Optimierung von Fertigungsprozessen7, die Durchführung
von Wertanalysen8 und die Bestimmung von Risikopotenzialen9.
läuft auf die Anwendung des Conjoint Measurement zur Bestimmung von Nut-
zenbündeln mit präzisen Wert-/ Preisvorstellungen hinaus. Sie sind dann intern
mit den aus der Analyse sich ergebenden Ist-Kosten für dieses Produkt zu verglei-
chen. Üblicherweise sind die Kosten höher als die Preisbereitschaft der Adressa-
ten. Damit ist unmittelbar der Ansatz für Target Costing-Aktivitäten gegeben.
Häufig werden sie, um Fehler im Produktdesign und dadurch nicht erkannte Risi-
ken zu vermeiden, mit der Konstruktions-FMEA im Verbund eingesetzt.10
Ist der Deployment-Prozess bis auf die Komponenten-/ Bauteilebene vorange-
trieben worden, dann lassen sich auf Basis von QFD die bauteilbezogenen Ziel-
kosten bestimmen. Das QFD-Netz, also die einzelnen HoQ´s, spiegeln dabei die
gesamte Wertschöpfungskette wider. Über sie wird die Aufspaltung der Ziel-
Kosten festgelegt. Ein vereinfachtes Vorgehen zur Bestimmung der Ziel-Kosten
mit QFD ist in Abbildung 7 nachvollziehbar. Hier sind in einer Matrix die kriti-
schen Qualitätsmerkmale direkt den wesentlichen Komponenten des Kochherdes
gegenübergestellt.11 Wie zu sehen ist, hat der Anschaffungspreis eine relative
Wichtigkeit von 35%, der Reinigungsaufwand von 30%, die Nutzungszeit von
15%, die Leistungsfähigkeit ebenfalls von 15% und die Energieeffizienz von 5%.
Bauteile/ Komponenten
Vergleich zum Wettbewerb
Backröhre
Elektronik
Kochfeld
Gehäuse
Unternehmen
Herdtür
Wettbewerber A
G
ew
Wettbewerber B
ic
htu
1 2 3 4 5
n
g
10 Auf die Kombination dieser Instrumente mit der QFD wird in den folgenden Ab-
schnitten noch einmal eingegangen. Erkennbar wird hier jedoch bereits die zweck-
mäßige Vernetzung dieser Methoden im Rahmen von DFSS, um sowohl die Anfor-
derungen der Kunden als auch die Ziele des Unternehmens zu erreichen.
11 Beim 3-dimensionalen Deployment, wie es in der Unternehmenspraxis üblich ist, werden
Vergleicht man nicht nur aus Kundensicht das Profil der kritischen Qualitäts-
merkmale (CTQs) des eigenen Produktes mit denen der maßgeblichen Wettbe-
werber, sondern bewertet zusätzlich aus Unternehmenssicht die Bedeutung der
einzelnen Bauteile für das jeweilige Merkmal, dann lassen sich auf der Basis die-
ser Gewichtung hieraus in einer QFD-Analyse die gewichteten Nutzenanteile in %
für jedes Bauteil ermitteln. Ihnen sind die derzeit prognostizierte Kosten (Drifting
Costs als Ist-Kosten) und die aus heutiger Sicht zulässigen Kosten (Allowable
Costs als Ziel-Kosten) – basiert auf den jeweiligen Nutzenanteilen – für jedes
Bauteil gegenüber zu stellen. Hieraus ist dann unmittelbar der notwendige Hand-
lungsbedarf abzulesen. Im Beispiel ergeben sich die bauteilbezogenen Nutzenan-
teile als Skalarprodukt, z.B. beträgt der relative Nutzenanteil von „Gehäuse“ in
Summe 12% = (35% ⋅ 0,15) + (15% ⋅ 0,15) + (30% ⋅ 0,15).
Die in der Unternehmenspraxis entscheidende Frage ist nun, wie im Rahmen
eines DFSS-Projektes bei einem geplanten Umsatz und Zielgewinn die „Schere“
zwischen Allowable Costs und Drifting Costs geschlossen werden kann. Eine
Target Costing-Analyse wird typischerweise in folgenden 8 Schritten durchgeführt
(vgl. auch Buggert/ Wielpütz 1995, S. 41ff.):
1. Leistungsmerkmale des neuen Produktes (Abstimmung mit Strategie) festlegen
und gewichten (z.B. Conjoint Measurement)
2. Potenziellen Marktpreis und Produktzielkosten (Allowable Costs) ermitteln
(Rohentwurf des Produktes)
3. Leistungsmerkmale mit Produktkomponenten verknüpfen (Funktions-/Kom-
ponenten-Matrix) und Nutzenanteil der Produktkomponenten ermitteln
4. Allowable Costs nach Produktkomponenten und evtl. Leistungsmerkmalen zer-
legen (Kostenspaltung für Zielkostenbestimmung)
5. Mit Kosten bei momentan verfügbaren Leistungstechnologien (Drifting Costs)
für jede Produktkomponente vergleichen12
6. Zielkosten der Produktkomponente an Nutzenbeitrag anpassen (siehe hierzu
auch Zielkosten-Kontrolldiagramm in Abb. 8)
7. Kostensenkungsprogramme einleiten, z.B. Make or Buy-Programme, Prozess-
gestaltung, Wertgestaltung und Wertzuwachskurve
8. Standardkosten für Kalkulation festlegen.
Durch ein Zielkosten-Kontrolldiagramm, wie es in Abbildung 8 beispielhaft
dargestellt ist, lässt sich das Ergebnis des Target Costing gut nachvollziehen. Im
Diagramm werden die relativen Nutzen- und Kostenanteile der einzelnen Bauteile
gegenübergestellt. Über die Angabe eines Zielkosten-Korridors ist es möglich zu
entscheiden, ob die Kosten für ein Bauteil bereits dessen Nutzenbeitrag entspre-
chen und damit Zielkostenniveau erreicht haben. Der Optimierungsprozess ist da-
mit klar bestimmt. In unserem Beispiel „Kochherd“ ist das Gehäuse in der Relati-
on Kostenanteil zu Nutzenanteil „zu aufwändig“ (ZI < 1) und die Backröhre bei
12 Die Berechnung basiert auf folgendem Vorgehen: Nutzenanteil als Allowable Costs pro
Bauteil dividiert durch die Summe der Allowable Costs geteilt durch den Kostenanteil als
Drifting Costs pro Bauteil dividiert durch die Summe der Drifting Costs.
174 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
dieser Bewertungsgrundlage „zu einfach“ (ZI > 1). Das Kochfeld trifft genau das
Zielkostenniveau mit ZI = 1. Elektronik und Herdtür liegen im zulässigen Zielkos-
ten-Korridor; hier besteht ebenfalls kein Handlungsbedarf.
Zielkostenindex Kosten-
anteil %
Nutzenbeitragi
(ZI) =
Kostenanteil Kochfeld
40
ZI = 1 „Ideallinie“; d.h.
Kostenanteil = „zu aufwändig“
Nutzenanteil
30
ZI < 1 „zu aufwändig“; d.h.
Kostenanteil >
Nutzenanteil Gehäuse
Backröhre
ZI > 1 „zu einfach“; d.h. 20
Kostenanteil <
Nutzenanteil Y1 „zu einfach“
Fokussierung auf Komponenten 10 Elektronik
außerhalb des Zielkostenkorri-
dors (Parameter q):
Herdtür Y2
1/2 1/2
Y1 = (x2 – q2) ; Y2 = (x2 + q2)
0
0 10 20 30 40 Nutzen-
Quelle: Deisenhofer (1993), S.104 beitrag %
me bei der Produktion von Neuprodukten (Job No. 1) (vgl. Hauser/ Clausing
1988, S. 63ff.) und bezogen auf Fehlerkosten nach der Einführung von Produkten
(vgl. Töpfer 1997, S. 3f.) bzw. bei Rückrufaktionen (vgl. Töpfer 2006, S. 381f.)
vor Augen hält, dann kehren sich die Wertungen schnell um. Dennoch praktizie-
ren die meisten Unternehmen, die dieses Instrument anwenden, ein „Lean QFD“
in der Weise, dass lediglich das erste House of Quality durchgeführt wird.
+ -
• Bereichsübergreifende Kunden- • Hoher Zeitaufwand
orientierung vor allem geeignet für technisch
• Ganzheitliche Wettbewerbs- anspruchsvolle Produkte
orientierung • Ungeeignet für Innovationen, bei
• Verbesserung der Kommu- denen nicht genau bestimmbare
nikation Bedürfnisse von Zielkunden erfasst
werden sollen
• Reduzierung von Fehlerkosten
• Kopplung mit Target Costing
und FMEA
• Transparenz komplexer
Entwicklungsprozesse
13 Siehe hierzu auch Beitrag von Töpfer/ Günther in Kapitel A zu Design for Six Sigma.
176 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Störgröße(n) sind.14 Bei x > 1 gilt es zunächst die Steuergrößen zu finden, die sig-
nifikant sind und zu verbesserten Werten der Ergebnisvariable y führen. Die An-
zahl von Einflussfaktoren, deren optimale Werte zu bestimmen sind, ist i.d.R. sehr
groß. Zudem ist ihr Einfluss auf die Produkt-/ Prozessqualität häufig nicht linear,
was die Offenlegung der funktionellen Zusammenhänge erschwert. Darüber hin-
aus wirken die Parameter meist nicht unabhängig voneinander, d.h. sie befinden
sich in einem Zustand gegenseitiger Wechselwirkung.
(Factors)
Einstellgrößen x
Störgrößen, Prozess
Messfehler
unbekannte (Black Box)
+ bekannte ±σ
f(x1...n)
e e
Zielgrößen y
(Responses)
?
y = f(x) + e
• Ursachen-Wirkungs-Analyse (Ishikawa-Diagramm)
• Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse (FMEA)
• Output-/ Prozess-/ Input-Messgrößenanalyse (Tool 3)
• Ergebnisse von Varianz- und Regressionsanalysen.
Bei komplexen Produkten/ Prozessen kann darüber hinaus ein vereinfachtes
DOE zum Screening der Einflussgrößen/ Faktoren zum Einsatz kommen. Die
Konzeption und Inhalte des Screenings werden im Folgenden kurz beschrieben.
jeweils eine Spalte nach links gerückt wird. Die Auswertung von Plackett-
Burman-Plänen erfolgt analog zu den voll-/ teilfaktoriellen Versuchsplänen, auf
die an späterer Stelle in diesem Kapitel noch näher eingegangen wird.
Factors Response
Nr.
x1 x2 x3 x4 x5 x6 x7 x8 y
1 + - + - - - + + 0,28
2 + + - + - - - + 0,88
3 - + + - + - - - 0,42
4 + - + + - + - - 0,70
5 + + - + + - + - 0,93
6 + + + - + + - + 0,35
7 - + + + - + + - 0,02
8 - - + + + - + + 0,45
9 - - - + + + - + 0,17
10 + - - - + + + - 0,22
11 - + - - - + + + 0,13
12 - - - - - - - + 0,85
Aus analytischer Sicht hat, wie oben angesprochen, die Statistische Versuchspla-
nung gegenüber der Regressionsanalyse und anderen Verfahren den Vorteil, dass
sich mithilfe von faktoriellen Designs neben den Haupteffekten, die aus der Zu-/
Abschaltung von Faktoren resultieren, Nebeneffekte untersuchen lassen, die das
Ergebnis von Wechselwirkung mehrerer Faktoren sind. Folglich wird bei der Su-
che der Koeffizienten für Potenzfunktionen n-ter Ordnung nicht nur eine additive
Verknüpfung der einzelnen Faktoren/ Variablen unterstellt (= Haupteffekte), son-
dern auch eine multiplikative Verknüpfung (= Nebeneffekte).
Die Prognosefunktion für ein 2-faktorielles Versuchsdesign unter Berücksichti-
gung der Haupt- und Nebeneffekte hat z.B. die folgende Form:
r
y = f(x) = c 0 + c1 ⋅ x1 + c 2 ⋅ x 2 + c12 ⋅ x1 ⋅ x 2 (1)
wobei y die abhängige Variable (Response), c0 das Basisniveau bzw. den Schnitt-
punkt mit der y-Achse, c1 und c2 die Regressionskoeffizienten der unabhängigen
Variablen (Factors) und c12 den Regressionskoeffizient der Wechselwirkung von
x1 und x2 darstellt. Liegen keine Wechselwirkungen vor, dann ist c12 = 0 und der
Term c12 ⋅ x1 ⋅ x2 in Gleichung (1) entfällt. In diesem Fall handelt es sich um ein 2-
faktorielles lineares Regressionsmodell (s.o.).
182 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Die Anzahl der Terme in der Prognosefunktion beschreibt die minimale Anzahl
von notwendigen experimentellen Versuchen, um die Koeffizienten des Regressi-
onsmodells zu schätzen. Handelt es sich z.B. um eine Funktion mit vier Termen,
wie in Gleichung (1) gegeben, dann sind mindestens 4 experimentelle Versuche
mit unterschiedlichen Einstellungen für x1 und x2 notwendig. Um die Koeffizien-
ten zu ermitteln, werden in einem 2-stufigen DOE die Einstellungen für die Fakto-
ren x1 und x2 abwechselnd „hoch“ (+1) und „niedrig“ (-1) gewählt.
Übertragen auf unser Beispiel Kochherd führt dies zu folgenden Wirkungsbe-
ziehungen sowie mathematischen Zusammenhängen. Dabei wird bewusst ein ver-
einfachtes und exemplarisches Beispiel zugrunde gelegt, da das Erklären der Me-
thode und nicht das Lösen dieses „Alltagsproblems“ im Vordergrund steht.
Es sei das Ziel vorgegeben, das Erhitzen von Wasser mit einem Kochherd
quantitativ, d.h. mit Hilfe einer metrischen Skala, zu bewerten und in der Folge zu
optimieren. Im Beispiel wird vereinfacht davon ausgegangen, dass mit dem E-
Herd jeweils 1 Liter Wasser in einem Standardgefäß (∅ Kochtopf = ∅ große
Herdplatte) in kürzester Zeit zum Kochen gebracht werden soll (Response). Wei-
terhin wird vereinfacht angenommen, dass die Dauer zum Erhitzen (Kochzeit in
Minuten) nur von zwei Einflussgrößen abhängt: Zum einen, ob der Kochtopf mit
Wasser auf einer kleinen oder großen Heizplatte erhitzt wird, und zum anderen, ob
ein Topfdeckel aufgesetzt wird oder nicht. Es werden ceteris paribus zunächst kei-
ne weiteren Einflussfaktoren (Factors) in Betracht gezogen. Außerdem werden in
diesem Experiment die benannten Größen als dichotom behandelt, d.h. es wird
z.B. nur berücksichtigt, ob und nicht wie der Topfdeckel auf dem Kochtopf auf-
liegt.
Im folgenden Experiment werden die zwei Einflussfaktoren (A = Herdplatte
und B = Topfdeckel) und die beschriebene Wechselwirkung aus ihnen (AB =
Herdplatte x Topfdeckel) in allen möglichen Kombinationen jeweils auf + gesetzt,
was bedeutet, dass der Faktor auf hohem Niveau bzw. aktiv ist (z.B. Topfdeckel
liegt auf), oder auf –, der Faktor ist also auf niedrigem Niveau bzw. inaktiv (z.B.
Topfdeckel ist abgenommen). Da die k = 2 Faktoren dichotom sind, haben diese A
= 2 Ausprägungen. Daraus ergibt sich, dass Ak = 22 = 4 Versuchsanordnungen not-
wendig sind, um ein vollfaktorielles Experiment durchzuführen. Vollfaktoriell be-
deutet hierbei, dass alle Faktorkombinationen der angenommen Einflussgrößen
experimentell getestet werden. Für die verschiedenen Versuchsanordnungen ergibt
sich jeweils ein separates Outputergebnis, was in diesem Fall der Dauer bis zum
Kochen des Wassers entspricht. Für eine übersichtliche Darstellung wird der Ver-
suchsplan – wie in Abbildung 12 zu sehen – in Matrizenform als Designmatrix
abgebildet. In der Praxis werden dabei jeweils mehrere Messreihen mit Mittel-
wertbildung zugrunde gelegt, was einerseits das Ergebnis stabilisiert, andererseits
aber zusätzlich den Aufwand erhöht.
Im Experiment erhalten wir beispielsweise in der dritten Versuchsanordnung,
bei der sich der 1l-Wassertopf mit Deckel auf der kleinen Heizplatte befindet, eine
Kochzeit von 14 Minuten. Der inaktive Einfluss der Faktorwechselwirkung zwi-
schen Herdplatte und Topfdeckel ergibt sich aus der Multiplikation der beiden
Faktorausprägungen (– = – · +). Die mittlere Kochdauer der Versuchsreihe beträgt
nach Spalte 5 13,3 Minuten. Aus den in Abbildung 12 aufgeführten Messergebnis-
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 183
sen lässt sich im Weiteren der Effekt der einzelnen Einflussfaktoren sowie deren
Wechselwirkungen abschätzen. So ergibt sich z.B. der Wert für den Hauptein-
flussfaktor „A Herdplatte“ mit -2,5 = (13+11)/2 – (15+14)/2 und für den Einfluss-
faktor „B Topfdeckel“ mit -1,5 = (14+11)/2 – (15+13)/2. Dies bedeutet, dass sich
die Kochzeit im Durchschnitt um zusätzlich 1,5 bis 2,5 Minuten verringert, wenn
der Wasserkochtopf auf der großen Heizplatte erhitzt und mit einem Topfdeckel
verschlossen wird.
AB Ergebnis Geschätzte
Versuchs- A B Residuum
Herdplatte* (Kochzeit Kochzeit
anordnung Herdplatte Topfdeckel (Restwert)
Topfdeckel in min) (in min)
1 - - + 15,0 14,5 -0,5
2 + - - 13,0 12,0 -1,0
3 - + - 14,0 14,5 0,5
4 + + + 11,0 12,0 1,0
Effekt -2,5 -1,5 -0,5 13,3 13,3
Nach Abbildung 12 ergibt sich bezogen auf die Verringerung der Kochzeit ein
zusätzlicher positiver Effekt in Höhe von -0,5 infolge der Wechselwirkung zwi-
schen den Faktoren A und B. Wechselwirkung bedeutet hierbei, dass Änderungen
in der Wirkung des einen Faktors von der Aktivierung des anderen Faktors abhän-
gen. Das heißt, es besteht ein grundsätzlicher Unterschied, ob man den Kochtopf
auf die kleine Herdplatte stellt und mit dem Topfdeckel verschließt oder ob man
ihn mit Deckel auf der großen Heizplatte erhitzt. Dieser Sachverhalt ist in der fol-
genden Abbildung 13 noch einmal grafisch aufbereitet. Dabei ist im linken Dia-
gramm zu erkennen, dass sich durch das Auflegen des Topfdeckels die Kochzeit
bei Nutzung der kleinen Herdplatte um 1 Minute und bei Nutzung der großen
Herdplatte um 2 Minuten verringert. Nach dem rechten Diagramm verkürzt sich
die Wasserkochzeit bei Nutzung der kleinen Herdplatte von 15 auf 14 Minuten,
bei Nutzung der großen Herdplatte von 13 auf 11 Minuten.
Auf Basis der Wirkungsanalyse der Faktoren A und B sowie der Wechselwir-
kung AB lässt sich in einem weiteren Schritt ein (einfaches) Vorhersagemodell
ableiten. Im Beispiel wird ausgehend von dem Kochzeit-Mittelwert in Höhe von
13,3 Minuten sowie der durchschnittlichen Wirkung des Haupteinflussfaktors „A
Herdplatte“ die Kochzeit wie folgt geschätzt (vgl. Spalte 6, 1. Zeile in Abb. 12):
14,5 = 13,3 + (-1) · (-2,5)/2. Der angegebene Restwert (Residuum) ergibt sich als
Differenz aus der gemessenen und geschätzten Kochzeit und dient i.d.R. zur Kon-
trolle/ Bestätigung des Schätzmodells. Mit Hilfe des bekannten Normalvertei-
lungsdiagramms kann geprüft werden, ob das Modell die gemessenen Ergebnisse
gut abbildet und ob die gemessenen Ergebnisse aus einem vorhersagbaren/ be-
schreibbaren Prozess stammen (vgl. Magnusson et al. 2001, S. 146f.).
184 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
18,0 18,0
16,0
Kochzeit (in min)
16,0
Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, dass die Ergebniswirkungen von
C und AB vermischt sind. Man kann nicht mehr genau sagen, ob der Effekt auf
die Kochzeit durch das Leitungswasser allein oder in Verbindung mit der Wech-
selwirkung von Herdplatte und Topfdeckel hervorgerufen wird. Für den teilfakto-
riellen Versuch ist in Abbildung 15 die relative Stärke der Auswirkungen der drei
Einflussfaktoren Herdplatte, Topfdeckel und Leitungswasser in Form eines Ku-
chendiagramms dargestellt, das auf den Werten der Abbildung 14 basiert.
Die Anzahl an Versuchsanordnungen bei teilfaktoriellen Experimenten lässt
sich also allgemein wie folgt bestimmen: Ak-d mit A als Anzahl an Ausprägungen,
k als Anzahl an Einflussfaktoren, wobei alle Faktoren die gleiche Anzahl an Aus-
prägungen besitzen, und d als Anzahl an definierten Gleichungen.
C (AB)
Leitungs-
wasser
20%
A
Herdplatte
50%
B Topf-
deckel
30%
Analog zur „klassischen“ Regressionsanalyse wird bei DOE zum einen die Höhe
des Einflusses der einzelnen Faktoren sowie ihres Zusammenwirkens auf die Er-
gebnisvariable geschätzt. Zum anderen wird ermittelt, wie signifikant sich eine
Änderung der Einstellung von x1 und/ oder x2 auf y auswirkt. Dabei liegt die An-
nahme zugrunde, dass zwischen der Änderung der Einstellung der Faktoren von -1
auf +1 und der Änderung der Ergebnisvariable jeweils ein linearer Zusammen-
hang besteht. Für die Bestimmung von lokalen Extrema ist diese Eigenschaft un-
geeignet, so dass sich die Frage nach zweckmäßigeren Ansätzen stellt.
Um die Plausibilität/ Validität der Linearitätsannahme zu überprüfen, werden in
DOE-Versuchspläne mit k Faktoren und jeweils 2 Faktorstufen so genannte Zent-
ralpunkte (Center points) eingefügt, welche sich aus der mittleren Einstellung der
verschiedenen Einflussgrößen ergeben. Die Nichtlinearität ist bedeutsam, wenn
die Lage eines Maximums, z.B. Ausbeute, oder eines Minimums, z.B. Fehlerrate,
gesucht wird. In vielen Fällen verwendet man ein quadratisches Modell zur empi-
rischen Beschreibung der Abhängigkeit der Zielgröße y von den k Faktoren.
186 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
81 80
Ausbeute (in %)
Ausbeute (in %)
78 75
75 70
180 180
72 170 ur 65 170 r
160 at tu
50 er ) 50 160 ra
60 150 p
m °C 60 150 pe C)
70 T e (i n 70 em °
Zeit (in s) Zeit (in s) T (in
Abb. 16: 3D-Oberflächen-Plots für empirische und geschätzte y-Werte auf der Basis eines
Polynoms 2. Grades mit einem lokalen Maximum (Beispiel)
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 187
(0, +α)
(-1, +1) (+1, +1)
(0, -α)
Basis: Breyfogle 2003, S. 645
15 Der Abstandsfaktor zur Bestimmung der Stern-/ Axialpunkte beträgt i.d.R. α = 1,682.
Detaillierte Darstellungen der o.g. Versuchsanordnungen sowie weiteren finden sich u.a.
in Breyfogle 2003 und Box et al. 1978.
188 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
tor definiert werden können, deren Realisierung zur Ermittlung der Koeffizien-
ten c11 und c22 führt.
• Box-Behnken-Design (BBD) ist eine alternative Methode zu CCD, um die quad-
ratischen Terme im Rahmen eines Regressionsmodells zu bestimmen. Die Ver-
suchsanordnungen nach Box/ Behnken (1960) sind nicht zwingend rotierbar
und orthogonal. Auf Optimierungsversuche nach BBD wird i.d.R. zurückge-
griffen, wenn physikalische Beschränkungen vorliegen, die eine Realisierung
der Sternpunkte nicht erlauben. Aus diesem Grunde erfolgt eine Verlagerung
der Axialpunkte nach innen, d.h. pro Faktor werden drei Merkmalsausprägun-
gen definiert (-1, 0, 1). Jede zusätzliche Faktorausprägung besitzt eine äquidis-
tante Entfernung zur unteren und oberen Faktorstufe sowie zu dem definierten
Zentralpunkt (in der Mitte des Würfels). Aufgrund der Tatsache, dass pro Fak-
tor jeweils nur drei Stufen anstelle von fünf realisiert werden, erfordert das
BBD deutlich weniger Versuche als CCD. Diesem Vorteil steht der Nachteil
gegenüber, dass mit BBD die Koeffizienten des Regressionsmodells mit einer
höheren Ungenauigkeit geschätzt werden.
Abschließend soll auf der Basis dieser kurzen Erläuterungen wiederum eine
Bewertung von DOE vorgenommen werden (siehe Abb. 18). Die Haupteinschrän-
kung der Methode liegt darin, dass keine Aussagen mit 100%-Wahrschein-
lichkeit, also Sicherheit, getroffen werden können. Im Hinblick auf die erzielbare
Zeit- und Kosteneinsparung sowie die noch gute Übersichtlichkeit von Versuchs-
reihen ist hierin allerdings zugleich ein relativer Vorteil zu sehen. Unter diesem
Blickwinkel ist auch der Nachteil eines möglichen Informationsverlustes zu wer-
ten, da nicht alle Kombinationen geprüft werden. Offensichtlich sind jedoch der
Statistikaufwand und damit evtl. verbundene Probleme bei der Statistik-Anwen-
dung.
+ -
o Zeiteinsparung o Eventuell Informationsverlust,
o Kosteneinsparung da nicht alle Kombinationen ge-
prüft werden
o Bei vielen Faktoren ist der Ver-
such nur mit DOE möglich o Statistik-Aufwand und ggf.
Probleme bei der Statistik-
o Übersichtlichkeit
Anwendung
o Möglichkeit, den Test nach der
o Die Aussage ist nicht mit 100%
Durchführung eines Unter-
Wahrscheinlichkeit sicher
suchungsdesigns abzubrechen,
wenn ausreichende Ergebnisse
vorliegen, oder aber mit dem
zweiten Design fortzusetzen
Bei einer großen Anzahl von Faktoren und Ausprägungen sind Versuche je-
doch nur auf der Basis von DOE mit einem reduzierten Design möglich. Darüber
hinaus besteht immer die Möglichkeit, auf der Basis gewonnener Erkenntnisse ei-
ne Versuchsreihe vorzeitig abzubrechen und die zweite Versuchsanordnung be-
reits zu beginnen. Insgesamt ist also die Wertung: Screening-Versuche sowie Teil-
faktorielle Versuche besitzen den Vorteil, eine hohe Anzahl an Faktoren durch ei-
ne moderate Anzahl an Experimenten untersuchen zu können.
Das Akronym TRIZ16 stammt aus dem Russischen und steht im Deutschen für die
„Theorie des erfinderischen Problemlösens“. Im englischsprachigen Raum ist
hierfür auch die Bezeichnung TIPS für „Theory of Inventive Problem Solving“
geläufig. Die Theorie wurde maßgeblich in der früheren UdSSR von Genrich S.
Altschuller (1926-1998) und seinen Kollegen entwickelt. Auf der Basis der Analy-
se unzähliger Patente, kamen sie zu der Erkenntnis, dass erfolgreiche Erfindungen
auf sehr ähnlichen bzw. gleichen Denkstrategien beruhen. Er formulierte deshalb
die Hypothese, dass jeder Idee und jeder Erfindung ein systematischer Prozess vo-
rangeht, welcher durch universelle Grundregeln zu erklären ist. Durch die Kennt-
nis und Anwendung dieser Regeln ist es dann möglich, den Erfindungsprozess ge-
zielt zu steuern und damit „wirkliche“ Innovationen systematisch zu erzeugen.
Dabei sind die folgenden 5 Schritte zu durchlaufen, die in der einschlägigen Lite-
ratur unter dem Akronym ARIZ17 bekannt sind:
1. Wahl der Aufgabe (Zielsuche & Problemformulierung)
2. Präzisieren der Aufgabe (Zielvorgabe & Problemtransformation)
3. Analytisches Stadium (System-/ Modellanalyse)
4. Operatives Stadium (Lösungssuche/ -eingrenzung)
5. Synthetisches Stadium (Ideales Resultat & Lösungsrealisierung).
Wie leicht nachvollziehbar ist, ähnelt die Philosophie und Vorgehensweise von
TRIZ damit sehr stark der grundsätzlichen „Denkweise von Six Sigma“: In beiden
Konzepten werden mit der Realitäts- und der Abstraktionsebene 2 Ebenen der
Problemlösung unterschieden. Bei Six Sigma wird das reale Problem in ein statis-
tisches transformiert und gelöst; bei TRIZ führt eine konkrete Problemstellung zu
einer abstrakten Lösungssuche. Erst wenn eine zufriedenstellende Lösung auf der
Abstraktionsebene gefunden worden ist, erfolgt die Rück-Transformation in die
Realitätsebene, d.h. die Umsetzung der statistischen (abstrakten) Lösung in ein re-
ales Lösungskonzept (vgl. Töpfer/ Günther 2007, S. 157).
Im ersten Schritt ist zu klären, welches Ziel erreicht bzw. welches Problem gelöst
werden soll. Dazu ist das „ideale Endresultat“ zu definieren und – über einen Ver-
gleich mit der aktuellen Situation – der konkrete Verbesserungsbedarf abzuleiten.
Wird das Problem von vornherein als schwierig zu lösen eingestuft, ist über eine
Umkehrung der Aufgabenstellung nachzudenken, da diese u.U. leichter zu bear-
beiten ist als die Originalaufgabe, z.B. „Motor von Auto startet auf keinen Fall“
anstelle von „Motor startet bei jeder Witterungslage“. Gleichzeitig kann dadurch
der Kern des Problems besser erfasst werden.
Bereits an dieser Stelle sei hervorgehoben: TRIZ unterscheidet sich von den
klassischen Kreativitätstechniken, z.B. Synektik und Bionik, zum einen durch sei-
ne technisch-naturwissenschaftliche Basis, d.h. die Methode nimmt gezielt Anleh-
nung an der Thermodynamik, Mechanik, Elektrotechnik und Chemie, um durch
das Erkennen synergetischer Effekte innovative Produktlösungen zu generieren.
Zum anderen führt sie auf direktem Wege zur so genannten wahren, idealen Lö-
sung eines Problems, weil widersprüchliche Anforderungen des Ausgangsprob-
lems gezielt aufgelöst und „psychologische Denkbarrieren“ der Beteiligten über-
wunden werden. Dadurch sollen Kompromisse als Ergebnis, wie sie bei anderen
intuitiven und systematischen Methoden eher die Regel als die Ausnahme sind,
vermieden werden.
Aufgrund der Verbindung von Kreativität und Systematik mit Widerspruchs-
orientierung hilft TRIZ technisch-wissenschaftliche Aufgabenstellungen metho-
disch und systematisch zu entwickeln sowie ohne Kompromisse in „robuste“ Lö-
sungen zu überführen (vgl. Günther 2004, S. 1). Nach Jantschgi/ Shub (2003) be-
steht das Ziel der TRIZ-Methodik – per definitionem – darin,
• technische und/ oder physikalische Widersprüche aufzudecken,
• diese kreativ und ohne Kompromisse mit vorhandenen Ressourcen (Wissen)
• einer präzisen, strukturierten Problemanalyse zu unterziehen und danach
• zielorientiert in Richtung Erhöhung des Idealitätsgrades zu verbessern.
durch universelle Grundregeln zu erklären ist. Durch die Kenntnis und Anwen-
dung dieser Regeln ist es dann möglich, den Erfindungsprozess gezielt zu steuern
und damit „wirkliche“ Innovationen systematisch zu erzeugen.18
Als zentrale Kenn- bzw. Optimierungsgröße wird der Idealitätsgrad definiert,
der sich – bezogen auf ein System – als Quotient aus der Summe „nützlicher“ Ef-
fekte (Nutzen) geteilt durch die Summe „schädlicher“ Effekte (Kosten) ergibt. Das
Ziel besteht nun darin, den Idealitätsgrad entsprechend dem generellen Extre-
mumprinzip durch Minimierung der Kosten und Maximierung des Nutzens zu op-
timieren. Anhand der Änderung des Idealitätsgrades durch eine Neuerung im Sys-
tem lässt sich der Innovationsgrad einer bestimmten Entwicklung/ Erfindung ab-
leiten. Je größer die Änderung des Idealitätsgrades ist, desto höher ist also auch
der Innovationsgrad einer neuen Lösung.19
Mit dem dritten Schritt wird das analytische Stadium des Problemlösungsprozes-
ses erreicht. Ziel ist es, auf abstrakter Ebene eine ideale Lösung für das Problem
zu beschreiben. Dabei sind die Erkenntnisse aus bisherigen Optimierungsversu-
chen zu berücksichtigen, wobei u.a. zu klären ist, warum bisherige Lösungsansät-
ze versagten. Im Weiteren ist der Kernkonflikt herauszuarbeiten, welcher der
wahrscheinliche Schlüssel zur Lösungsfindung ist. Das Standardvorgehen besteht
darin, administrative in technische Widersprüche umzuwandeln und diese an-
schließend mithilfe der Widerspruchstabelle von Altschuller zu lösen.
Altschuller, der bereits im Jahr 1946 eine Stiftung für TRIZ gründete, erkannte,
dass sich alle möglichen technischen Anforderungen mit Hilfe von 39 (allgemein-
gültigen) Parametern beschreiben lassen. Des Weiteren fand er heraus, dass alle
denkbaren Widersprüche (max. 1.482) zwischen zwei technischen Anforderungen
mit Hilfe von „nur“ 40 (allgemeingültigen) Innovations-Prinzipien gelöst werden
können. Die 40 Prinzipien technischer Konfliktlösung zusammen mit den 39 Pa-
rametern technischer Systembeschreibung sind in Altschuller´s Widerspruchsta-
belle zusammengefasst dargestellt (siehe Auszug der Tabelle in Abb. 19). Dabei
wird der TRIZ-Anwender zielgerichtet von seinem speziellen technischen Prob-
lem über die allgemeinen Parameter auf die geeigneten innovativen Prinzipien ge-
leitet, die zu seiner Aufgabenstellung passen.20
Die Anwendung von TRIZ basiert auf einer Vielzahl von Methoden und In-
strumenten, von denen die Widerspruchstabelle/ -analyse die bekannteste darstellt.
18 Zwischen 1946 und 1996 wurden zur Erforschung dieser Zusammenhänge mehr als 2,5
Millionen Patente analysiert (allein 40.000 durch Genrich S. Altschuller).
19 Bei seinen Patentrecherchen stellte Altschuller u.a. fest, dass nur etwa 1% aller Erfin-
dungen einen hohen Innovationsgrad aufweisen und damit als wirkliche Innovationen
gelten. Hingegen handelt es sich bei ca. drei Viertel aller so genannten Innovationen um
„einfache“ Problemlösungen, die i.d.R. mit keinem besonderen Methoden- und Wissens-
hintergrund verbunden sind (vgl. Mazur 1995, S. 5f.).
20 Hierzu gibt es eine Reihe von Software-Lösungen, die von unterschiedlichen Unterneh-
men angeboten werden, wie z.B. Invention Machine, Ideation und Trisolver.
192 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
13
14
15
10
11
12
16
17
Technischer Parameter
Fläche e in es bewegte n
L än ge eines bewegte n
Veränderung
Geschwindigkeit
Tempera tu r
Festig keit
Objektes
Ob jektes
Objekte s
Objektes
Ob jektes
Objekte s
Objektes
Objektes
Objektes
Obje ktes
Zu verbessernder
Form
Kraft
Parameter
Gewicht eines bewegten 1 5, 8, 29 , 1 7, 29 , 2 , 2, 8, 8, 1 0, 10, 3 6, 10, 14, 1, 35,
6, 20, 28, 27, 5, 34,
1 Objektes 29, 34 38, 34 40, 28 15, 38 18 , 37 37, 40 35, 40 1 9, 39
4, 38 18, 40 31, 35
Gewicht eines stationären 10, 1, 35, 30, 5, 35, 8, 1 0, 13, 2 9, 13, 10, 26 , 3 9,
2 8, 19, 28, 2, 2, 2 7,
2 Objektes 29 , 35 13, 2 14, 2 19 , 35 10, 18 29, 14 1, 4032, 22 10, 27 19, 6
8, 15, 15 , 1 7, 7, 17 , 1 7, 10, 1, 8, 1, 8,
1 0, 15, 8, 35,
3 Länge eines bewegten Objektes
29, 34 4 4, 35
13, 4, 8
4
1, 8, 35
10, 29 1 5, 34 19 29, 34
19
Vor allem im deutschsprachigen Raum ist die Einteilung der Methoden und In-
strumente in die vier Gruppen „Systematik“, „Wissen“, „Analogie“ und „Vision“
geläufig (siehe Abb. 20).
TRIZ
Diese vier Gruppen werden auch als die 4 TRIZ-Säulen bezeichnet, da sie die
elementaren Eigenschaften kennzeichnen, die einen „guten“ Entwickler auszeich-
nen. Auf die Beschreibung der einzelnen Methoden wird an dieser Stelle nicht nä-
her eingegangen; sie werden in der einschlägigen Literatur ausführlich behandelt
(vgl. z.B. Orloff 2002; Herb et al. 2000).
Abstraktions-
Abstraktion
ebene
Realitäts-
ebene
Barriere
Konkrete Konkrete
1 4
Problemstellung Problemlösung
• Problem/ Konflikt • Lösungsansatz aus-
umgangssprachlich wählen und konkret
beschreiben umsetzen
Beim Kochen von Milch muss
ich ständig umrühren, damit sie Ein Keramikobjekt beim
nicht überkocht und verbrennt! Milchkochen in Kochtopf legen
21 Im Hinblick auf die Idealität der Lösung ist jeweils zu prüfen, ob es Umkehrmöglich-
keiten gibt, die dazu führen, dass z.B. etwas Schädliches in etwas Nützliches oder etwas
Gefährliches in etwas Harmloses verwandelt wird.
194 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Hier wird das konkrete Problem, dass Milch zum Erhitzen regelmäßig über-
kocht und verbrennt, wenn nicht ständig per Hand umgerührt wird, abstrahiert auf
die zwei technischen Parameter (13) und (38). Durch das Umrühren mit einem
Löffel wird die Stabilität des Objektbestands sichergestellt (d.h. die Milch „geht“
nicht hoch), was einer Verbesserung entspricht. Gleichzeitig kommt es hierdurch
aber zu einer Verschlechterung des Niveaus der Automatisierung (d.h. eine Person
muss ständig umrühren). Zur Lösungsfindung auf der Abstraktionsebene ist nun in
die Widerspruchsmatrix von Altschuller zu gehen. Hier stehen folgende innovati-
ve Grundprinzipien als Lösungsansätze zur Auswahl (vgl. Orloff 2002, S. 321f.):
(01) Segmentierung/ Zerlegung – Ein Objekt in unabhängige Teile zerlegen/ Ein
Objekt zerlegbar machen und den Grad der Zerkleinerung erhöhen
(18) Nutzung mechanischer Schwingungen – Ein Objekt in Schwingungen verset-
zen/ Wenn eine solche Bewegung bereits abläuft, ihre Frequenz erhöhen.
Die endgültige Lösung, die sich auf die konkrete Problemstellung bezieht, wird im
5. Schritt festgelegt. Durch die Rücküberführung der abstrakten Lösung in die rea-
le Welt wird das synthetische Stadium des TRIZ-Algorithmus erreicht. Liegen
mehrere Lösungsansätze vor, ist die „beste“ Lösung mit dem höchsten Zielerfül-
lungsgrad auszuwählen. Bei der Umsetzung/ Implementierung der Lösung ist zu
prüfen, ob sich weitere Veränderungen/ Optimierungen empfehlen und/ oder ob
das grundlegend veränderte System/ Objekt möglicherweise ganz neue Anwen-
dungsmöglichkeiten beinhaltet.
Am oben angeführten Beispiel „Milchkochen“ sieht die Spezifikation der abs-
trakten Problemlösung und die Überführung in ein konkretes Lösungskonzept wie
folgt aus: Zum Erhitzen von Milch wird in den Kochtopf eine (nicht plane und
nicht symmetrische) Keramikscheibe mit einem Durchmesser von ca. 10 cm und
einer Höhe von ca. 1 cm gelegt. Wird der Topf mit Milch warm, bildet sich unter
der Scheibe, die auf dem Boden liegt, ein Luftpolster. Entsprechend dem „Dampf-
kessel-Prinzip“ wird die Keramikscheibe von Zeit zu Zeit angehoben und die er-
hitzte Luft kann entweichen. Durch diesen Effekt kommt es zur Vibration des Ke-
ramikkörpers im Topf mit der Folge, dass die Milch in Bewegung bleibt und nicht
(sofort) am Topfboden anbrennt und „überkocht“.
Eine abschließende Bewertung von TRIZ ist in Abbildung 22 vorgenommen.
Generell bietet sich die Anwendung der Methodik in DFSS-Projekten an, wenn
genau umrissene, auf der Basis bisheriger Denkmuster schwierig zu lösende Prob-
leme bei der Konzepterstellung aufgedeckt worden sind.
Als widerspruchsorientiertes Erfindungskonzept ist sein Einsatz insbesondere
im Zusammenhang mit QFD gerechtfertigt, um Konflikte und Widersprüche auf-
zulösen, die in einer Dimension, z.B. zwischen unterschiedlichen Produktfunktio-
nen (im „Dach“ des HoQ), und/ oder in mehreren Dimensionen, z.B. zwischen
Kundenanforderungen und Produktfunktionen (in der „Matrix“ des HoQ) offenge-
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 195
legt worden sind (siehe hierzu Kap. 2). Im Zusammenhang mit DOE unterstützt
TRIZ bei der Aufgabenstellung, unerwünschte Wechselwirkungen zwischen ver-
schiedenen Einflussfaktoren auf das Zielkriterium zu beseitigen, beispielsweise:
„Die Wahl von Herdplatten-Größe und Kochtopf-Durchmesser dürfen keinen Ein-
fluss auf die Kochzeit-Dauer haben.“ Unabhängig davon, welcher Art das Ent-
wicklungsprojekt ist und welchen Umfang es besitzt, führt das Vorgehen nach
ARIZ mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu innovativen Lösungsansätzen.
+ -
• Auflösung von technischen/ • Zur Beherrschung sind umfang-
physikalischen Widersprüchen reiche Schulungen mit vielen prak-
aufgrund von Abstraktion und tischen Beispielen notwendig
Spezifikation • Ohne Softwareunterstützung und
• Generierung von innovativen Moderator als Experten kaum wir-
Problemlösungsansätzen mit kungsvoll realisierbar
Hilfe von ARIZ
• Einsparung von Zeit und Kosten • Hoher Recherche- und Aktualisie-
im Produktentstehungsprozess/ rungsaufwand von Daten und Wis-
in DFSS-Projekten durch hohe sen
Synergieeffekte mit Six Sigma • TRIZ benötigt kreative Mitarbeiter
Methoden mit einem hohen Abstraktionsver-
• Erhöhte Motivation der Akteure mögen
durch methodengestützte Fokus-
sierung des kreativen Denkens
sem Zweck wird im ersten Schritt das HoQ erstellt. Im zweiten Schritt wird ver-
sucht, die ersichtlichen Konflikte respektive Widersprüche mit TRIZ zu lösen.22
22 Die hier referierten Ergebnisse basieren auf einem Seminar zum Thema „QM-Methoden
in der Produktentwicklung“, welches von den Autoren an der TU Dresden im Winterse-
mester 2007/ 08 durchgeführt worden ist. Wir danken den Studierenden Martin Berndt,
Marcus Krause, Stefan Schütze und Stefan Schwesig für ihre Zuarbeit.
23 Der Produktname „Auto-Safe“ wird lediglich vereinfachend verwendet. Er steht stellver-
tretend für die diebstahlsichere Verwahrung von Gegenständen in einem Kfz und bedeu-
tet keine Einschränkung der möglichen Lösungen auf einen Safe-Schrank.
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 197
20,0
16,0
14,0
Harte Faktoren
12,0
10,0
8,0
6,0
4,0
Leicht zu öffnen
2,0
0,0
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Weiche Faktoren
Abb. 25: Portfolio zum Erkennen von harten und weichen Faktoren
198 Gerd Streckfuß, Swen Günther, Armin Töpfer
Wie im vorstehenden Kapitel ausgeführt, werden bei der Anwendung von TRIZ
(physikalische) Widersprüche von (technischen) Konflikten unterschieden:24
• Widersprüche befinden sich in der Beziehungsmatrix des HoQ. Dabei wird für
jedes Qualitätsmerkmal normalerweise nur eine Optimierungsrichtung darge-
stellt; die Beziehungswerte in der Matrix werden mit unterschiedlichen Vorzei-
chen versehen – Optimierung in Richtung Verstärkung (+), Optimierung in
Richtung Widerspruch (-). Dies hat den Vorteil, dass bei der Summenbildung
(als „Bedeutung“) alle positiven und alle negativen (konfliktbehafteten) Merk-
male getrennt ermittelt und beurteilt werden, einschließlich der Gewichtung der
Kundenbedürfnisse aus dem Q-Plan des HoQ.
• Konflikte in TRIZ sind die Merkmale, die (a) eine Abhängigkeit voneinander
haben und (b) eine gegenläufige Optimierungsrichtung: Wenn ein Merkmal
verbessert wird, verschlechtert sich das andere oder umgekehrt. Wie bereits an
anderer Stelle ausgeführt, werden die Korrelationen der (Qualitäts-) Merkmale
untereinander im „Dach des HoQ“ abgebildet. Nach dem Prinzip des paarwei-
sen Vergleichs lautet die Frage hier, wie sich das Merkmal X bei Optimierung
des Merkmals Y verändert (positiv oder negativ).
Mithilfe des Diagramms in Abbildung 27 – Bedeutung der Qualitätsmerkmale
– lassen sich Aussagen über die positiven bzw. negativen Auswirkungen der er-
mittelten Qualitätsmerkmale treffen. So besitzt z.B. das Merkmal „Material“ nur
positive Einflüsse auf die zu untersuchenden Kundenbedürfnisse. Die „Öffnungs-
bzw. Schließzeit“ hat aber sowohl einen positiven Einfluss auf das Bedürfnis
„Leichtes Öffnen“, als auch einen negativen Einfluss auf die Anforderung
„Schwer aufzubrechen“. Hier besteht somit ein Interessenkonflikt, welcher mithil-
fe des innovativen Problemlösens (TRIZ) gelöst werden kann. Hierauf wird im
folgenden Abschnitt kurz eingegangen.
Beim Entwickeln von Produkten gemäß der Markt- und Kundenanforderungen er-
geben sich nahezu immer Anforderungspaare, die sich gegenseitig ausschließen
und bei denen – nach verbreiteter Auffassung – ein technischer Kompromiss ge-
funden werden muss. TRIZ ist ein Verfahren zum Auflösen solcher Wider-
sprüche durch Finden einer neuen technischen Lösung oder Innovation, welche
die widersprüchlichen Anforderungen gleichzeitig erfüllen kann.
Im Beispiel ergab sich infolge der Analyse des HoQ, dass das Bestreben nach
einer kürzeren Öffnungs- und Schließzeit im Widerspruch zu einer Erhöhung der
Bruchkraft und -zeit steht (im HoQ durch die unterschiedlichen Vorzeichen er-
kennbar, siehe Abb. 23). Wenn also die Bedienzeit durch den Kunden verringert
werden soll, dann nimmt die Widerstandsfähigkeit des Produktes (Auto-Safe) ge-
gen den gewaltsamen Zugriff durch Fremde i.d.R. ab. Dieses Problem soll nun
durch eine mit TRIZ gefundenen Innovation aufgelöst werden. Dazu ist zunächst
das Ausfüllen der Innovations-Checkliste empfehlenswert:
1. Systembezeichnung
Zur Aufbewahrung von Wertgegenständen im PKW soll eine diebstahlsichere
Verwahrungsmöglichkeit, genannt Auto-Safe, entwickelt werden.
2. Problembeschreibung
Ausgehend von den ermittelten Kundenforderungen sollen eine hohe Bedien-
freundlichkeit durch schnelles/ leichtes Öffnen und Schließen bei gleichzeitig
hoher Einbruchsicherheit des Auto-Safe erzielt werden.
3. Funktionen, Aufgaben
Hauptaufgabe:
• Sicherung der Gegenstände vor Diebstahl
Nebenfunktionen:
• Bewahren der Gegenstände vor Beschädigungen
• Bedienfreundlichkeit
• Leichte Zugänglichkeit
• Unsichtbarkeit von Außen
• Einbaubarkeit in verschiedene Kfz-Typen
4. Umfeld des Systems
Keine Behinderung anderer Funktionen im Fahrzeug durch den Auto-Safe
5. Energiearten
• Elektrische Energie (Autobatterie)
• Thermische Energie (Motorabwärme)
• Kinetische Energie (Kfz-Fortbewegung)
QFD, DOE und TRIZ als wirkungsvolle Methoden im Rahmen von DFSS 201
5 Literatur
Inhalt
Advanced Micro Devices Inc. ist einer der führenden, global tätigen Hersteller
von innovativen Prozessoren für Computing, Grafik und Consumer Electronics.
AMD wurde 1969 gegründet und steht für innovative Computing-Produkte, die
Kunden weltweit in ihrer Position stärken. Mit Entwicklungs- und Fertigungs-
standorten in den USA, Deutschland und Asien ist das Unternehmen weltweit ver-
treten. In Deutschland ist AMD einer der größten internationalen Investoren des
vergangenen Jahrzehnts. AMD konzentriert seine Frontendaktivitäten der Mikro-
prozessorenfertigung in der sächsischen Landeshauptstadt. In den Standort Dres-
den mit seinen Halbleiterwerken Fab 30/ Fab 38 und Fab 36 (siehe Abb. 1) sowie
den Entwicklungszentren Dresden Design Center (DDC) und Operating System
Research Center (OSRC) wurden bis Ende 2006 mehr als 5 Mrd. US-$ investiert.
AMD produziert in den Halbleiterwerken Fab 30 und Fab 36 seine erfolgrei-
chen Prozessor-Familien für Desktop- und Mobile-Anwendungen, Server und
Workstations, z.B. AMD Opteron und AMD Athlon. Zurzeit arbeiten rund 3.000
hochqualifizierte Ingenieure, Techniker und Spezialisten in den beiden Halblei-
terwerken sowie im Dresden Design Center, dem europäischen Zentrum von
AMDs Produktentwicklung, und dem Operating System Research Center. Das
OSRC optimiert künftige Generationen von Mikroprozessoren auf die Anforde-
rungen modernster Betriebssysteme.
Die Halbleiterindustrie ist charakterisiert durch hoch volatile Nachfrage- und
Konjunkturzyklen, welche die Planung, Marktvorhersagen und Investitionsrisiken
beeinflussen.
208 Frank Ziegenhorn, Christian Ziemer-Popp
Fab 30
AMDs Fab 30 gilt weltweit als eines der führenden Halbleiterwerke zur Herstellung von Mikro-
prozessoren auf 200 mm-Wafern. Seit Produktionsstart im Jahr 1999 hat Fab 30 regelmäßig zu-
kunftsweisende Technologien in die Volumenfertigung überführt und den Ruf von AMD als ein an-
erkannter Technologieführer gestärkt
Fab 36
Die zweite Großinvestition von AMD in Dresden baut auf den Erfolg von Fab 30. Ende 2003 wurde
der Grundstein für Fab 36, AMDs erstem Werk für 300 mm-Wafer, gelegt. Ende 2005 nahm die
hochautomatisierte Fabrik ihre Produktion von Mikroprozessoren in 90 nm-Technologie auf. Erste
Lieferungen an den Markt erfolgten planmäßig im ersten Quartal 2006. Derzeit fertigt Fab 36 in 65
nm-Technologie
Fab 38
AMDs neuestes Halbleiterwerk wird den Namen Fab 38 tragen. Es entsteht derzeit durch eine
grundlegende Neugestaltung des bisherigen 200 mm-Werkes Fab 30. Die Ausrichtung der Pro-
duktion auf 300 mm-Wafer erlaubt, mehr als doppelt so viele Prozessoren auf einem Wafer zu fer-
tigen
Das wirtschaftliche Umfeld von AMD ist geprägt durch ein hohes Innovations-
tempo, einen schnellen Preisverfall für aktuelle Produkte und einen marktbeherr-
schenden Konkurrenten (Intel Corp.). Das erfordert die kontinuierliche Entwick-
lung neuer Produkte und Technologien innerhalb kurzer Zeitintervalle. Die einge-
setzten Fertigungsanlagen und -methoden sind zum Zeitpunkt der Installation
i.d.R. noch nicht vollkommen ausgereift und werden mit hohem Tempo an den
De-facto-Bedarf von AMD kontinuierlich angepasst und weiter verbessert.
Die Fertigung ist hochkomplex und hochautomatisiert. Die Wafer durchlaufen
mehrere hundert Bearbeitungsschritte; die Durchlaufzeiten bis zur Auslieferung an
die Kunden liegen dabei in der Größenordnung von nahezu einem Quartal. Die
Anlagenverfügbarkeiten befinden sich in der Größenordnung von 70-95%. Die
Fertigung läuft ohne Ruhezeiten im Vollschicht-System 24 Stunden pro Tag an 7
Tagen in der Woche.
Eine Branche, in der es bislang sehr wenige Bestrebungen gab, diese Ansätze
aufzugreifen, ist die Halbleiterindustrie. Hier gilt bzw. galt aufgrund erheblicher
Investitionskosten für Anlagen, hoch anspruchsvoller Technologien und komple-
xer Produktionsaufgaben bislang die oberste Priorität der möglichst hohen Anla-
genauslastung. Die Herstellung von Prozessoren erfordert ein ausgeprägtes „Fin-
gerspitzengefühl“. Es ist eine Gratwanderung zwischen Finanzierbarkeit und tech-
nologischer Spitzenleistung, zwischen Zuverlässigkeit in der Kundenlieferung und
Kontinuität in der radikalen Weiterentwicklung, z.B. in Form von regelmäßigen
Produktinnovationen.
Diese Herausforderungen führten in der Vergangenheit dazu, in den AMD-
Standorten den Fokus auf die Anlagenauslastung und -verfügbarkeit zu richten.
Gleichzeitig arbeitete das Unternehmen mit relativ hohen Beständen an Material-
und Personalressourcen. Die Gesamtdurchlaufzeit, die als eine der wichtigsten
Messgrößen im Rahmen von Lean Manufacturing zählt, ist in dieser Konstellation
nur eine von vielen Kenngrößen.
Das Bewusstsein, Durchlaufzeiten zu reduzieren, die neben wertschöpfenden
auch nicht-wertschöpfende Zeiten wie Wartezeiten, Transport oder Lagerung
beinhalten, stand in dieser Phase nicht im Vordergrund. Mit Hilfe der Denkweise
von Lean Manufacturing sollte hier angesetzt werden und die Organisation im
Hinblick auf kürzere Durchlaufzeiten und niedrigere Bestände optimiert werden.
In den folgenden Kapiteln gehen wir auf die Ausgangslage bei AMD Saxony in
2004/ 05 ein, stellen die Prinzipien und die Vorgehensweise der Einführung von
Lean Manufacturing in der Halbleiterindustrie vor und zeigen auf, welche Heraus-
forderungen sich im Laufe des Einführungsprozesses ergaben und wie wir ansetz-
ten, um diese zu meistern. In Beispielen wird beschrieben, welche Vorgehenswei-
se wir zur schrittweisen Organisationsveränderung gewählt haben und welche
Wirkungen, Erfahrungen und ersten Ergebnisse dabei erzielt wurden. Da unsere
„Lean Journey“ gerade erst begonnen hat, ist diese Darstellung ein Zwischenbe-
richt einer fortschreitenden Umgestaltung.
Vor zehn Jahren startete AMD eine Initiative, genannt „Journey to Excellence“.
Diese strategische Entwicklung beeinflusste u.a. wesentlich die Organisationsge-
staltung in dem 1999 in Betrieb genommenen Werk in Dresden. Als eine häufig
hervorgehobene Säule des Erfolgs bei AMD Saxony gilt das von Beginn an etab-
lierte Konzept der Teamarbeit in der Produktion. Diese Organisationsform ermög-
licht einen relativ hohen Grad an Selbstständigkeit der Mitarbeiter und damit ver-
bunden ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Flexibilität.
Bei der Einführung der Teamarbeit baute man auf standardisierte Arbeitsaufga-
ben auf. Die eigentliche Teamorganisation und die Arbeitsteilung in den Teams
hat sich unterschiedlich entwickelt, so dass in den vergleichbaren Teams verschie-
dener Schichten sich keine gleiche Arbeitsorganisation etabliert hat. Hier gab es
Freiräume, die individuell genutzt wurden.
210 Frank Ziegenhorn, Christian Ziemer-Popp
Production Metrics
Visuali-
Produktionsorientiertes
Kennzahlensystem sierung
Flexible Teamziele
Ziele der Fab
Zielvereinbarungs- und Umsetzungsprozess Erhöhung der
30, des Produktivität
Modules Umsetzen/Verbessern
Ideen-
Management
Die 5A Aktion
Self-
Self-discipline
Alle Punkte einhalten und
stä
stäby
Sustain ndig verbessern
making 5A second nature
Standardize
Anordnungen Sort
Aussortieren
Makezur Regel
routine and
standard for what
Remove unnecessary
items from the
oughtmachen
to be workplace
Angenehmer
Agreeable
Arbeiten
Working
Sweep
Arbeitsplatz Straighten
Aufrä
Aufräumen und Ordnung
Locate everything close
sauber
Clean halten
and eliminate
the sources of filth sichtbar machen
to the point of use
© Kaizen Institute
Die Vorteile der 5A-Methode sind: geringere Suchzeiten von Werkzeugen, Tei-
len und Verbrauchsmitteln, weniger Platzbedarf, da unnötige Teile aussortiert
werden, solidere Basis für Routineaufgaben, denn alle benötigten Werkzeuge und
Betriebsmittel liegen bereit. In diesem Sinne bildet die 5A-Methode eine gute Ba-
sis für weiterführende Verbesserungen, wie beispielsweise die Wartungsoptimie-
Abb. 7: Die fünf Leitgedanken von Lean als Basis für KVP@AMD
Lean Manufacturing bei AMD Saxony 215
Die bei AMD eingeführte Teamarbeit war für ein junges engagiertes und stetig
wachsendes Team gut angelegt. Der hohe Freiheitsgrad in der Arbeitsverteilung
und -ausgestaltung der Arbeitsteams in der Produktion führt häufig zu sehr unter-
schiedlichen Arbeitsweisen in den Schichten.
Im Rahmen der Produktivitätssteigerungsprojekte war es vorgesehen, gemein-
sam mit den Mitarbeitern durch Arbeitsplatzanalysen die Produktivität der Mitar-
beiter anschaulich zu machen und schichtübergreifend eine optimierte Arbeitsor-
Lean Manufacturing bei AMD Saxony 217
ganisation zu schaffen. Aus ersten Testrunden entwickelte sich schnell eine struk-
turierte Vorgehensweise, welche mittlerweile in über 20 Workshops zum Thema
„Arbeitsorganisation“ Anwendung findet. Die Optimierung wurde i.d.R. in zwei
Schritten vollzogen.
Ein erster Workshop fokussiert auf die Analyse der bestehenden Tätigkeiten
und beschäftigt sich intensiv mit der Umverteilung von Aufgaben. Ziel ist es, die
Aufgaben im Team neu zu verteilen, so dass sich die vorher auf mehrere Mitarbei-
ter verteilten Pufferzeiten auf eine oder zwei Personen konzentrieren und damit
weniger Personal gebunden ist. Hierfür wurden mit den Mitarbeitern die zum ge-
samten Arbeitspaket gehörenden Tätigkeiten erfasst und analysiert, und zwar nach
Häufigkeit, Dauer und Verteilung auf die verschiedenen Qualifikationen im Team,
die Belastung der einzelnen Mitarbeiter mit diesen Tätigkeiten auf anonymisierter
Basis und deren Gesamtauslastung pro Schicht.
Ein zweiter Workshop, meist ein paar Monate später, beschäftigt sich dann
hauptsächlich mit der Frage, wie einzelne Tätigkeiten und Arbeitspakete in sich e-
liminiert, vereinfacht, kombiniert oder umgruppiert werden können. Detailabläufe
von Arbeiten werden hinsichtlich ihres Wertschöpfungsanteils auf den Prüfstand
gestellt. Mit geeigneten Maßnahmen werden Verschwendungen aus diesen ent-
fernt. Als gutes Hilfsmittel für derartige detaillierte Analysen von Tätigkeiten er-
wies sich die mehrfache Dokumentation von Tätigkeiten in verschiedenen Schich-
ten durch Videoaufnahmen. Das Erkennen von unterschiedlichen Vorgehenswei-
sen, indem die Filme wieder und wieder betrachtet und im Team diskutiert wur-
den, führte in vielen Fällen zu Verbesserungsideen.
Die Entscheidung, dass Einsparungen personalneutral durchgeführt werden,
war eine wesentliche Voraussetzung für die aktive Mitwirkung der Mitarbeiter zur
Optimierung ihrer Arbeitsplätze. AMD war in 2005/ 06 in der günstigen Lage, al-
len Mitarbeitern im Falle der „Wegrationalisierung“ eine attraktive Alternative
anzubieten; das neu entstehende Werk Fab 36 suchte dringend qualifizierte Kräfte.
Diese Option half, die notwendigen Veränderungen zu realisieren.4
Die Workshops hatten eine Dauer von drei bis vier Tagen und erforderten eine
Vorbereitungszeit von ca. vier bis sechs Wochen. Es nahmen jeweils 10 bis 16
Mitarbeiter teil. Hauptakteure waren Vertreter aus den Schichten – die Mitarbeiter
der Produktion. Außerdem waren das Management und Moderatoren, Wartungs-
personal und zum Teil die Kollegen aus unterstützenden Abteilungen, wie Indus-
trial Engineering und Production Control sowie Prozessingenieure vertreten.
In Vorbereitungsmeetings wurde das Workshopteam mit dem Vorgehen ver-
traut gemacht. Außerdem vereinbarte man das Vorgehen und den Zeitraum zur
Zeiterfassung von Tätigkeiten (siehe Abb. 9).
4 Dieser Aspekt ist sehr wichtig, denn die Einführung des ganzheitlichen Konzeptes „Lean
Manufacturing“ mit dem darunter liegenden Gedanken der intensiven Einbeziehung der
Mitarbeiter und der Verankerung einer von den Mitarbeitern unterstützten kontinuier-
lichen Verbesserung wäre gescheitert, wenn die Mitwirkung der Mitarbeiter zu Nachtei-
len geführt hätte. Nicht umsonst haben Unternehmen wie Toyota eine Arbeitsplatz-
garantie für die Mitarbeiter, um sicherzustellen, dass eine maßgebliche Beteiligung er-
folgt (wobei das nicht gilt für temporäre Mitarbeiter wie Saisonkräfte, Aushilfen etc.).
218 Frank Ziegenhorn, Christian Ziemer-Popp
Hier kommt ein Arbeitsteilungs-Modell zum Tragen, bei dem direkt wertschöp-
fende Arbeiten an den Produktionsmaschinen getrennt wurden von indirekten Tä-
tigkeiten, wie Reparaturen, Qualifikationen, Transporten, Sonderaufgaben etc.
Daraus resultiert eine gemeinsam definierte Arbeitsverteilung und -organisation
5 Teilweise wurden die Zeiten heftig diskutiert. Hilfreich erwies sich an dieser Stelle das
Aufschlüsseln der Aufgaben in einzelne Tätigkeiten, die zeitlich schätzbar oder messbar
waren. Da diese Absprachen über die Qualität der gesamten Datenbasis des Workshops
entschied, war es wichtig, hier zu Zahlen zu kommen, die von allen Beteiligten akzeptiert
wurden.
220 Frank Ziegenhorn, Christian Ziemer-Popp
für die Teams aller Schichten. Diese wurde durch Regeln6, welche von den Mitar-
beitern selbst erarbeitet worden sind, verankert und unterstützt. Nach der Optimie-
rung gab es einheitliche Vorgaben und Standards für die Arbeitsorganisationen in
den verschiedenen Schichten.
Der Workshop schloss mit einer von den Mitarbeitern erarbeiteten Umset-
zungs- und Kommunikationsstrategie und mündet regelmäßig in eine definierte
Testphase, in der die neue Arbeitsorganisation ausprobiert wird. Während dieser
Phase wird intensiv beobachtet, ob und wie die im Workshop definierte Arbeitsor-
ganisation funktioniert. Auftretende Probleme werden erfasst und im vereinbarten
Review adressiert. In den meisten Fällen sind diverse Korrektur-Maßnahmen not-
wendig.7
Die Ziele der insgesamt 12 Workshops zu diesem Thema allein in 2005 wurden
erreicht bzw. sogar übertroffen. Zusätzlich konnte im gleichen Zeitraum das Pro-
duktionsvolumen in der „alten Fabrik“ gesteigert werden.
Dem Workshop „Arbeitsorganisation 1“ schloss sich die Workshopreihe „Ar-
beitsorganisation 2“ an, in der die einzelnen Arbeitsabläufe mithilfe von Video-
aufnahmen im Detail analysiert und auf Verschwendung untersucht wurden. Hier-
bei handelte es sich um von den Mitarbeitern selbst durchgeführte Analysen der
Arbeitsabläufe. Sie wurden im Hinblick auf „Wertschöpfung“ und „Nicht-Wert-
schöpfung“ mit Aufnahme der Zeitanteile der jeweiligen Arbeitsschritte unter-
sucht.
Für die aus den Analysen identifizierten Verbesserungspotenziale wurden Maß-
nahmen, Umsetzungspläne und ggf. organisatorische Anpassungen in den Ar-
beitsgruppen definiert sowie zum größten Teil nach den Workshops – unter Be-
gleitung von regelmäßigen Projekt-Reviews – etabliert. Dank dieser Vorgehens-
weise entwickelte sich ein aktives KVP-Verständnis.
Obwohl in den Workshops unmittelbar die Einsparpotenziale in Bezug auf den
Ressourceneinsatz quantifiziert wurden, fiel die konkrete Auswertung der Resulta-
te aus den Verbesserungen schwer, da über einen längeren Zeitraum die Ursachen-
Wirkungs-Zusammenhänge in einem von vielfältigen Veränderungen, wie Pro-
dukt- und Prozessänderungen, Personalveränderungen, geprägten Bereich „ver-
schwammen“ und keine weitere aufwändige Analyse durchgeführt wurde. Es lässt
sich aber annehmen, dass die weitere Steigerung des Produktionsvolumens durch
die entstandenen Produktivitätsgewinne maßgeblich ermöglicht wurde.
Es kamen auch Workshops zum Einsatz, die eine Kombination von Arbeitsor-
ganisation 1 und 2 darstellten. Dabei wurden die Detailabläufe zunächst optimiert,
die Ressourcen-Einsparungen abgeschätzt und dann in ein neues Auslastungsmo-
dell eingerechnet, um eine Anpassung an gesteigerte Produktionsvolumina sicher-
zustellen.
6 Regeln betreffen u.a. die Pausen- und Urlaubs- und Krankheitsvertretung, ggf. Rotations-
regeln und Koordinationsaufgaben/ Kommunikation bei Schichtübergabe sowie Eskalati-
onswegen.
7 In diesem Stadium ist es sehr wichtig, mit „Fingerspitzengefühl” die Überprüfung einer-
seits zielorientiert, aber anderseits möglichst ergebnisoffen zu diskutieren, um die Akzep-
tanz der Arbeitsorganisation im Team zu stützen.
Lean Manufacturing bei AMD Saxony 221
Als Basis wird die bereits erwähnte Methode „Best PM“ für die Optimierung
geplanter Anlagenstillstände angewendet (siehe Abb. 11). Kern dieses Vorgehens
ist die Klassifizierung aller anfallenden Wartungsarbeiten nach dem Kriterium in-
tern/ extern. Interne Wartungsarbeiten können bei laufender Anlage durchgeführt
werden, während bei externen die Anlage stehen muss, um diese Tätigkeit auszu-
führen.
Intern Intern
Intern
Extern Intern
Intern
Intern
Extern
Extern
Extern Extern
Extern
Abb. 11: Best-PM Methodik (nach Shigeo Shingo’s Single-Minute Exchange of Die)
Papierstreifen, auf denen die einzelnen Tätigkeiten notiert sind, und einer Magnet-
tafel als hilfreich.
Frequenz
Dauer
Abb. 12: Dokumentation von einzelnen Tätigkeiten der Wartung und deren Umgruppie-
rung (Beispiel aus dem Bereich Etch)
Der Workshop endet mit der Erarbeitung eines Maßnahmenplanes für die Op-
timierung sowie der Definition von Schlüsselparametern zur Überwachung des Er-
folges9. Abschließend wird, wie in jedem Workshop, ein Umsetzungs- und Kom-
munikationsplan erarbeitet sowie der im Workshop entstandene Maßnahmenplan
verabschiedet. Der Fortschritt der Maßnahmen wird in regelmäßigen Reviews mit
den Projektbeteiligten gemessen.
Erhöhungen der Anlagenverfügbarkeit im Rahmen von 5-7% pro Maschine
sind hier möglich. Das bedeutet z.B., dass bei 20 vorhandenen Anlagen dieser Art
entweder 5% mehr Produktionsvolumen möglich wären, oder bei einer Expansion
eine Maschine weniger beschafft werden müsste. Diese „Best PM“-Maßnahmen
waren sehr erfolgreich.
9 Es mag trivial klingen, aber wir haben gelernt, dass ein einfacher Maßnahmenplan –
möglichst immer im gleichen Format – zum Nachhalten der definierten Aktivitäten für
die Veränderung von großer Bedeutung ist. Teilweise wurde dies in Bereichen zu mehre-
ren, überschneidenden Themen durchgeführt. Besonders in dieser Situation zeigt sich der
Nutzen eines Standard-Maßnahmenplans.
Lean Manufacturing bei AMD Saxony 225
4.3 Test und Einführung von Flow und Takt für die Produktions-
steuerung
Operationen und Stillstandszeiten aufgrund von Fehlern. Dadurch wurde eine ef-
fektive Grundlage für die Optimierung in Richtung Flow und Takt geschaffen.
Im Workshop selbst wurden die Daten zunächst in Bezug auf die Durchlaufzei-
ten von Losen und deren Variabilität, die Verfügbarkeiten von Anlagen und deren
Charakteristika sowie des Zusammenhangs des Materialflusses im betrachteten
Produktionsbereich ausgewertet. Es wurde möglichst viel visualisiert, um die teils
komplexen Zusammenhänge verständlich erfassen zu können.
Im nächsten Schritt wurden die Taktzeiten der einzelnen Produktionsschritte
erarbeitet und ins Verhältnis zur Taktzeit der Fab gestellt, orientiert am geplanten
idealisierten Produktionsvolumen pro Zeiteinheit, insbesondere wöchentlich vor-
gesehener Produktionsausstoß (siehe Abb. 14). Modifikationen sind an den Zeiten
für die Prozesse nicht möglich im Vergleich zu einer vorwiegend manuellen Ferti-
gung. Aus diesem Grund wurden diese Zeiten – ohne Optimierungsanstrengungen
– als Arbeitsgrundlage genutzt.
250
200
2/4 Lose - 1
Tool
Time(Los) in min
150
2/4 Lose - 2
Tools (where
available) 100
Fab-Takt
Los/min [2/4er
batch] 50
0
Step 1 Step 2 Step 3 Step 4 Step 5 Step 6 Step 7 Step 8 Step 9 Step 10 Step 11
Abb. 14: Takt- und Prozesszeiten-Chart für Fab- vs. Tool-Takt (Beispiel aus dem Bereich
C4 Polyimide)
blättern dokumentiert, die vor Ort dem Anlagenbediener alle Informationen zum
„Produzieren nach Takt“ liefern.
Arbeitsschritt A Anlage X
Abb. 15: Formblatt zum Arbeitsstandard an Anlagen (Beispiel aus dem Bereich C4 Poly-
imide)
Das neue System wurde bereits während des Workshops eingeführt und für ei-
nen Tag getestet, um die Auswirkungen bewerten zu können. Als Taktgeber fun-
gierte dabei ein Alarmtimer mit Rückstellfunktion (siehe Abb. 16). Zur Sicherstel-
lung der Einhaltung von Taktzeiten wurden im Einführungsstadium Tabellen er-
stellt, in denen der Mitarbeiter die Ausführung der jeweiligen Operation zu quittie-
ren hatte. Obwohl eine derartige Auswertung auch über die Produktionssteu-
erungssoftware Workstream möglich gewesen wäre, sprach die erzieherische Wir-
kung für diese manuelle Eingabe.
228 Frank Ziegenhorn, Christian Ziemer-Popp
Abb. 17: Visualisierung der Taktzeiten in Form eines Gantt-Chart (Beispiel aus dem Be-
reich C4 Polyimide)
Tatsächlich stellte sich bereits am ersten Tag der Einführung eine Durchlaufzeit
nahe der prognostizierten und gleichzeitig angestrebten Zielzeit ein. Die Regeln
und Vorgehensweisen wurden am letzten Tag des Workshops noch angepasst so-
Lean Manufacturing bei AMD Saxony 229
wie eine Testphase mit zu beobachtenden Parametern für eine Auswertung defi-
niert.
Ähnlich wie in den zuvor beschriebenen Workshops wurde die erarbeitete Ver-
änderung durch einen Maßnahmenplan sowie einen ausführlichen Kommunikati-
ons- und Umsetzungsplan vervollständigt. Im Weiteren wurden in regelmäßigen
Kontrollmeetings die umgesetzten Maßnahmen sowie die Zielerfüllung in gemein-
samen Lagebesprechungen bewertet. Da jedes Anlagenproblem oder auch
Schwankungen im Materialfluss der Linie11 Auswirkungen auf den Takt hatten,
war hier viel Geduld und Ideenreichtum gefragt, um diese Arbeitsweise zum Er-
folg zu führen.
schaft für Lean Manufacturing, aber auch mit Detailwissen, Ausdauer und Konse-
quenz den Prozess anschiebt und vorantreibt. Hierbei ist es wichtig, dass dieser
Treiber der Initiative für alle Mitarbeiter sichtbar und erreichbar ist und maßgeb-
lich zur Überzeugungsarbeit beiträgt.
2. Ressourcen: „Der Prophet gilt wenig im eigenen Lande.“ (Bibelspruch)
Zeitlich und personell sind mit der Lean Manufacturing-Initiative deutlich mehr
Ressourcen als in der Vergangenheit für das Thema KVP bereitgestellt worden.
Neben externen Ressourcen – wir haben uns hier von Erfahrungen anderer Unter-
nehmen leiten lassen und auf Unterstützung japanischer Experten gesetzt – sind
auch hausinterne Ressourcen in Vollzeit für das Thema bestellt worden. So wur-
den z.B. mehrstündige bis mehrtägige Workshops als Pflichtveranstaltung für
Produktionsmitarbeiter aller Schichten, Ingenieure und Manager unterstützt und
organisiert.
3. Vorgehensweise: „Besser einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem
Dach.“ (Deutsches Sprichwort)
Mit Lean Manufacturing arbeiteten wir fokussierter in Workshops, teilweise mit
Beraterunterstützung und Interesse des Top-Managements in unternehmensweiten
(Abschluss-)Präsentationen – was die Zeit in verschiedener Hinsicht noch wert-
voller machte. Zugleich gelang es, durch die thematisch-methodische Steuerung
der KVP@AMD-Arbeitspakete sowie einer breiten Kommunikation der Ergebnis-
se eine stärkere Wirkung im Unternehmen zu erzielen. So werden Suboptimierun-
gen verringert und zugleich Synergien im Vorgehen zwischen den Bereichen ge-
neriert.
Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die „große Abschluss-
präsentation“. Hier stellen die Projektmitarbeiter ihre Ergebnisse dem versammel-
ten Managementkreis vor. Durch diese persönliche Präsentation verstärkte sich für
alle Beteiligten die Verbindlichkeit, die erarbeiteten Lösungen auch umzusetzen.
Dieses Vorgehen half zugleich, den KVP-Gedanken auch über die aktuell aktiven
Abteilungen hinaus zu tragen. Außerdem hatte das Top-Management auf diesem
Weg eine gute Gelegenheit, sich öffentlich für die Arbeit zu bedanken und somit
weitere Signale in die Organisation zu senden, dass dieser Weg den gesetzten Er-
wartungen entspricht.
Sowohl die Wirkung der Präsentation als auch die Kaizen-Faust-Formel „60%
sofort umgesetzt ist besser als 100% geplant“ verpflichten alle Beteiligten, klare
Ergebnisse vorzuweisen. In der Realität zeigte sich schnell, dass selbst bei einer
intensiveren Datenauswertung oder größeren Planungstiefe keine besseren Ergeb-
nisse erzielbar gewesen wären.
4. Orientierungsrahmen und Zielstellung: „Wer nicht weiß, in welchen Hafen er
segeln will, für den ist kein Wind ein günstiger.“ (Seneca)
Erstmals wurde nicht nur eine jährliche Zielvorgabe im Rahmen des konzernwei-
ten Planungsprozesses veröffentlicht, sondern ein Dreijahresziel, inklusive eines
strategischen Plans für das Werk Fab 30, definiert. Darüber hinaus ist es infolge
der Anwendung der Lean Manufacturing-Prinzipien gelungen, ein umfassenderes
232 Frank Ziegenhorn, Christian Ziemer-Popp
7 Literatur
Inhalt
BPE
„Bessere Prozesse Entstehen“
KVP KVP KVP
D
M
DMAIC
DMAIC
A
I
C
Tools
Projektmanagement
Lead & Learn
Bei allen genannten Ansätzen werden zusätzlich die Methoden und Vorge-
hensweisen des Projektmanagements angewendet. Im Anschluss an ein BPE-
Projekt wird jeweils ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) initialisiert.
„Werte schaffen durch Innovation“ ist die Vision von Boehringer Ingelheim und
zugleich der Motor der Unternehmenskultur. Dabei beschreibt der konzeptionelle
Baustein „Lead & Learn“ die grundlegenden Bedingungen für die Zusammenar-
beit bei Boehringer Ingelheim, um Werte durch Innovation zu schaffen. Lernen
(Learn) bedeutet, neue und vor allem bessere Wege zu finden, die Ideen umzuset-
zen. In diesem Sinne sind alle Mitarbeiter bei Boehringer Ingelheim aufgefordert,
ihre derzeitigen Vorgehensweisen zu hinterfragen und Verbesserungsmöglichkei-
ten zu finden. Damit ist die Grundlage, nämlich Stimmigkeit mit der Unterneh-
mensvision und -kultur, gelegt, um eine BPE-Initiative zu starten.
Zur weiteren Festlegung des Rahmens für BPE sind in der „Policy for Business
Process Excellence in Operations“ die Merkmale und wesentlichen Bestandteile
Projektauswahlprozess als Erfolgsfaktor für Business Process Excellence (BPE) 235
Finanz-
Perspektive
Kunden-
Perspektive
Streben nach
Lern-/ BPE
Kultur- - Einsparungen
Perspektive durch BPE
Abb. 2: Balanced Scorecard als Basis für die Steuerung von BPE (Beispiel)
Für den KPI „Verbesserung der Launchfähigkeit“ sind Risikoanalysen nach der
FMEA-Methode für alle Produkte, die in die klinische Phase III kommen, durch-
zuführen. Die dabei erkannten Produkt- und Prozessprobleme sind durch geeigne-
te Maßnahmen zu beheben, was sich in einer Reduzierung der Risikoprioritätszahl
(RPZ) ausdrückt. Die „Verbesserung der Geschäftsprozesse“ wird mit der Durch-
führung von BPE-Projekten umgesetzt. Das Ziel „Durchführung effizienter und
stabiler Prozesse“ wird einerseits durch Statistical Process Control (SPC) über-
prüft, und andererseits werden durch die Ermittlung eines PE (Process Excel-
lence)-Index Potenziale für Verbesserungen aufgezeigt (siehe auch Kapitel 5).
Das Zielsystem der BPE-Initiative birgt also ein Spannungsfeld, da sowohl stra-
tegisch wichtige Projekte – die nach der internen Richtlinie zur Ermittlung der
BPE-Einsparungen keinen finanziellen Effekt haben – als auch finanziell ertrag-
reiche Projekte durchgeführt werden müssen. Unter dieser Voraussetzung ist ein
Prozess zur Auswahl der „richtigen“ Projekte besonders wichtig.
Ressourcen-
Ressourcensituation
Budget für
BPE-Projekte prüfen
(bi s 3 T€/a)
(bis 9 d)
3 Jah re ge ring
verteilt
Projekt im
(>3 - 8 T €/a )
[Zeitaufwa nd
(> 9 - 24 d)
al le r MA (mi t
m itte l
45 €/h un d
Projektportfolio
(> 8 - 16 T€/a )
7,5 h/ d)
(>2 4 - 47 d)
+ schon
abzus ehen de hoch
positionieren
In ve stitione n] (> 16 T€/a)
(>47 d)
Legende:
E inspa rp oten tial pro Jahr [T€/a]
Type of Benefits
Material
Costs
1 (Consumption)
Cost
Cost Estimated
External
Reduction
Reduction Savings
Cost
2 Depreciation
Cost Cost Yes In No, but in mind Estimated Estimated
Increase Avoidance Budget Benefit Savings Personnel
Avoidance Cost
Yes
3
Reduction
Improved of non value Yes Freed Yes
Efficiency added process Resources
steps Personnel
Estimated Estimated Cost
No
Benefit Savings
No financial calculation
4
Capacity Freed
Capacity Yes Yes Estimated Estimated Estimated VTR
Increase / Increase
Capacity is Idle
Benefit Savings increased
Growth Capacity Laboratory
margin,
Cost
due
No additional Additional
business Margin
No, and additonal
business
€€ €€
Jedes Kriterium ist mit einem festen Gewichtungsfaktor zwischen 1 und 10 ver-
sehen, der sich aus dem Ergebnis einer vorausgegangenen Managementbefragung
ableitet. Die Bewertung der Kriterien für ein konkretes Projekt nimmt der Pro-
zesseigener in Abstimmung mit dem BPE Support Center vor. Dazu steht eine
Skala von 0 (= kein Beitrag des Projektes zur Erfüllung des jeweiligen Kriteriums)
bis 10 (= sehr hoher Beitrag) zur Verfügung.
Durch Aufsummieren der Produkte aus Bewertung und Gewichtung für alle
Nutzenfaktoren wird die Gesamtpunktzahl des jeweiligen Projektes errechnet (sie-
he Spalte „Ergebnis – nicht normiert“ in Abb. 5). Dividiert durch die maximal er-
reichbare Punktzahl von 650 ergibt sich ein Prozentwert, der auf einer Skala von
240 Thomas Habermann, Jörg Doch
0% bis 100% den strategischen Nutzen des Projektes angibt (siehe rechte Spalte
„Strategischer Nutzen – auf 100% normiert“).
Im Anschluss an die Nutzenabschätzung erfolgt die Ermittlung von Arbeitsauf-
wand und Projektkosten. Als Anhaltspunkt für eine erste, grobe Aufwandsabschät-
zung dienen Erfahrungswerte aus abgeschlossen Projekten. Für Six Sigma Green
Belt- und Black Belt-Projekte sowie für die Erstellung von FMEAs wurden über
einen längeren Zeitraum die durchschnittlichen Bearbeitungsaufwände ermittelt;
für weitere Projekttypen im Verantwortungsbereich des BPE Support Centers
(z.B. Lean-Projekte) werden diese Werte nach und nach ebenfalls ermittelt. Um zu
einer projektspezifischen Aufwandsabschätzung zu gelangen, werden die Durch-
schnittswerte anhand individueller Einflussfaktoren nach oben oder unten korri-
giert. Typische Einflussfaktoren sind beispielsweise der zu erwartende Aufwand
für die Datenerhebung, die Anzahl der Prozessschritte des untersuchten Ge-
schäftsprozesses und die Anzahl der beteiligten Organisationseinheiten. Eine Ab-
weichung dieser Parameter vom Durchschnitt des jeweiligen Projekttyps führt zu
einer entsprechenden Anpassung der Aufwandsabschätzung.
Zur Ermittlung der Projektkosten werden die geschätzten Zeitaufwände (in h)
mit den standardisierten Personal-Stundsätzen bewertet, die auch für die Berech-
nung des monetären Nutzens gelten. Für Kosten und Nutzen besteht somit eine
einheitliche Bewertungsgrundlage.
Investitionskosten, die bei Projektbeginn absehbar sind, fließen ebenfalls in die
Kostenkalkulation ein. Da in BPE-/ Six Sigma-Projekten gemäß DMAIC-Zyklus
die Identifikation und Bewertung von Lösungsalternativen als Bestandteil der Im-
prove-Phase erfolgt, können zum Zeitpunkt der Projektinitiative i.d.R. noch keine
Investitionskosten beziffert werden. Wenn im weiteren Projektverlauf Investitio-
nen als notwendiger Bestandteil von Improve-Maßnahmen erkennbar werden, ist
die Kostenkalkulation anzupassen. Die Kosten-/ Nutzen-Relation des Projektes
kann sich dadurch verschieben.
Um die zeitliche Verteilung des Anfalls von Nutzen und Kosten zu berücksich-
tigen, wird eine typische Nutzenperiode von drei Jahren für BPE-Projekte zugrun-
de gelegt.1 Die ermittelten Projektkosten werden deshalb linear auf drei Jahre ver-
teilt, so dass ein Kosten-Nutzen-Vergleich auf Jahresbasis durchgeführt werden
kann.
Vor der abschließenden Bewertung und Freigabe eines Projektes muss noch
geprüft werden, ob die Organisation im geplanten Zeitraum die zur Projektdurch-
führung notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen kann. Das zentrale Res-
sourcenmanagement nimmt das BPE Support Center in seiner Funktion als Pro-
jekt Management Office wahr. Ausgangspunkt des Ressourcenmanagement-
Prozesses sind die Ressourcenbudgets, die von den Organisationseinheiten auf
Jahresbasis für die Durchführung von BPE-Projekten bereitgestellt werden. Die
Budgets geben die prozentuale Verfügbarkeit der benannten Mitarbeiter oder Mit-
arbeitergruppe für den Einsatz in BPE-Projekten an. Durch eine Gegenüberstel-
1
Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten zeigen, dass optimierte Prozesse aufgrund
der dynamischen Rahmenbedingungen in ihrem Umfeld nach durchschnittlich drei Jah-
ren eine erneute Anpassung benötigen.
Projektauswahlprozess als Erfolgsfaktor für Business Process Excellence (BPE) 241
Nachdem für eine Projektidee alle oben beschriebenen Aspekte bewertet worden
sind, entscheidet das zuständige Managementgremium über die Projektdurchfüh-
rung. Im Hinblick auf die übergeordnete Zielsetzung, eine optimale Projektaus-
wahl zu erreichen, muss die Projektidee allen übrigen, laufenden und geplanten
Projekten gegenübergestellt werden. Hierzu dient ein Projektportfolio, das die
Eckdaten aller Projekte bzw. Projektideen zusammenfasst. Neben den oben be-
schriebenen Bewertungskriterien werden in diesem Projektportfolio auch Informa-
tionen zu Problem- und Zielsetzung, Projektorganisation (Zuordnung von Pro-
zesseigner, Sponsor, Projektleiter, Coach), inhaltlichen Abhängigkeiten, Risiken,
aktueller Projektphase sowie weitere Projekteigenschaften abgebildet.
Die Pflege des Projektportfolios ist Aufgabe des PMO im BPE Support Center.
Im Zuge der Projektinitiative stellt der Prozesseigner die für das Portfolio notwen-
digen Informationen zur Verfügung. Nach der Freigabe eines Projektes ist der je-
weilige Projektleiter dafür verantwortlich, das PMO über Änderungen der Portfo-
liodaten seines Projektes zu informieren. Dies gilt z.B. für Verschiebungen des
geplanten Abschlusstermins, Kostenüberschreitungen oder Anpassungen der Pro-
jektorganisation.
Als Instrument zur Visualisierung der im Projektportfolio enthaltenen Projekte
bzw. Projektideen unter Kosten-/ Nutzen-Aspekten dient ein Bubble Chart, in dem
folgende Dimensionen berücksichtigt werden:
• Projektkosten p.a. (y-Achse)
• Einsparpotential p.a. (x-Achse) und
• Strategischer Nutzen (Größe des Symbols).
Zusätzlich wird anhand der Farbgebung unterschieden zwischen laufenden Pro-
jekten, zu denen bereits ein unterschriebener Projektauftrag vorliegt, und Projekt-
ideen bzw. Projektanfragen, die zur Freigabe anstehen. Die Zusammenführung
beider Kategorien in einem gemeinsamen Chart ermöglicht es, die relative Positi-
onierung eines geplanten Projektes gegenüber laufenden Projekten zu erkennen.
Auf diese Weise eignet sich das Diagramm auch als Hilfsmittel für Priorisierungs-
entscheidungen zwischen laufenden und geplanten Projekten, die z.B. infolge ei-
nes Ressourcenkonflikts notwendig werden können. Der Aufbau des Bubble
Charts ist in Abbildung 6 exemplarisch veranschaulicht.
BPE-Projekte
Optimierung des Wartungs-
Leerkapazität/ Wachstumsreserve Stillstandes
rate
Die zur Verfügung stehende Gesamtzeit teilt sich in folgende Bereiche auf:
• Wertschöpfende Produktionszeit
• Produktwechselzeit, die sich im Wesentlichen aus der Anlagenreinigungszeit
und der Anlagenumrüstzeit für die Folgeproduktion zusammensetzt
• Nicht-wertschöpfende Ausfallzeiten
• Strategisch gewünschte Leerkapazität als Wachstumsreserve.
Um der Vision der „optimalen Nutzung vorhandener Produktionskapazitäten“
näher zu kommen, muss der Anteil der wertschöpfenden Produktionszeit erhöht
werden. Hierzu wurden geeignete BPE-/ Six Sigma-Projekte identifiziert und an-
hand des in Kapitel 3 beschriebenen Projektbewertungs- und Auswahlprozesses in
das Projektportfolio aufgenommen. Auf diese Weise ergaben sich mehrere
Schwerpunktthemen für BPE-Projekte:
• Um die notwendige Produktionszeit zur Herstellung eines Produktes zu verrin-
gern, wurden Verbesserungsprojekte zur Reduktion der Durchlaufzeit, zur Ent-
schärfung von Engpässen in der Produktionsanlage und zur Verbesserung der
Produktausbeute durchgeführt.
• Für die Minimierung der Produktwechselzeit sind Six Sigma-Projekte zur Ver-
ringerung der Reinigungs- und Rüstzeiten sowie zur Optimierung des Ablaufs
beim Produktwechsel initiiert worden.
Projektauswahlprozess als Erfolgsfaktor für Business Process Excellence (BPE) 245
3
Der Median wird verwendet, da dieser robust gegen Ausreißer ist.
246 Thomas Habermann, Jörg Doch
1
30 1
U C L=24,55
2
_
20 X=19,77
2
LC L=14,98
10
1203 1215 1234 1255 1269 1281 1293 1305 1318 1330 1342
C har ge
1203 1
1259 1288 1322
16 1
1
M ov ing Range
12 1
1
8
U C L=5,88
4
2 __
M R=1,80
0 2 LC L=0
1203 1215 1234 1255 1269 1281 1293 1305 1318 1330 1342
C har ge
ja
ja
Ebene 2: Prozessmessung
Parallel dazu haben die Prozesseigner die Verpflichtung, für alle Geschäftsprozes-
se in ihrem Verantwortungsbereich geeignete Kennzahlen zur Messung der Pro-
zessleistung (PPIs – Process Performance Indicators) zu definieren und deren
Werte kontinuierlich zu überwachen. Typische PPIs sind Taktzeiten der Produkti-
248 Thomas Habermann, Jörg Doch
Inhalt
Dieser Beitrag zeigt, mit welchen Überlegungen, Methoden und Maßnahmen die
Integration von Lean Management in ein Six Sigma-Programm in einem Unter-
nehmen der chemischen Industrie durchgeführt wurde. Die Basis bildet ein seit
mehreren Jahren etabliertes Six Sigma-Programm. Es werden sowohl spezifische
Anwendungen als auch organisatorische und personelle Maßnahmen der Weiter-
entwicklung des Six Sigma-Programms vorgestellt.
Das Beispielunternehmen1 ist eine größere US-amerikanische Aktiengesell-
schaft. In Deutschland bestehen mehrere Standorte, wobei am größten Standort ca.
900 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Die Six Sigma-Initiative wurde im Jahr 1999 gestartet. Die Einführung von Six
Sigma in diesem Unternehmen war bereits Bestandteil verschiedener Veröffentli-
chungen (vgl. u.a. Weckheuer 2007; Snee/ Hoerl 2003; McElhiney 2002). Die
Schwerpunkte und Erlebnisphasen des zeitlichen Ablaufs der Programmentwick-
lung sind in Abbildung 1 im Überblick dargestellt.
Das Programm war und ist seit seiner Einführung vor allem in den produkti-
onsnahen Bereichen etabliert und hier – aus Sicht der Autoren – sehr erfolgreich.
Die Anwendungsmöglichkeiten der Six Sigma-Methodik in der chemischen Pro-
duktion sind vielfältig, und es wurde ein signifikanter Beitrag zur Produktivitäts-
steigerung realisiert.
Trägt man die Phasen im zeitlichen Verlauf gegen einen subjektiven Faktor
„Programmintensität“ auf, der sich aus Methodenanwendung, Schulung, Präsenz
im Unternehmen etc. konstituiert, so ergibt sich ein „Programm-Lebenszyklus“
der Initiative. Dieser ist beispielhaft in Abbildung 2 visualisiert.
Nach dem Start der Six Sigma-Initiative und einer Programm-Konsolidierung
folgte zunächst eine ein- bis zweijährige Phase, die rückblickend als eine „Hoch-
phase“ des Six Sigma-Programms zu bezeichnen ist: Viele erfolgreiche Projekte,
viele Schulungen und intensive Nutzung der Werkzeuge sind nur einige der Kenn-
zeichen.
Entscheidend ist, dass in dieser Hochphase bereits, analog zum Produktlebens-
zyklus, neue Impulse für die Weiterentwicklung des Programms gegeben werden,
da sonst eine Sättigung oder ein Rückgang der Programmintensität eintritt. Dieser
Rückgang wird insbesondere durch den Übergang von einer Initiative zur betrieb-
lichen Routine hervorgerufen, welcher zum einen die Emotionen aus dem Pro-
gramm nimmt. Zum anderen kommt es zum Fehlen neuer Anreize, wenn alle Pro-
Erfolgreiche Weiterentwicklung des Six Sigma-Konzeptes zu Lean Six Sigma 251
Programm-
intensität
Hochphase
Routinephase
Konsolidierungsphase Erneute
Konsolidierung
Durchhaltephase Wendephase
Six Sigma Lean Six Sigma ? ?
1. Projektphase
Überraschungs-
& Schmunzel-
phase
0 1 2 3 4 5 6 7 Jahre
Der Übergang zur Routine ist zwar im Grunde genommen zu begrüßen, da Six
Sigma nun etabliert ist. Jedoch muss man sich darüber im Klaren sein, dass das
Programm gepflegt, entwickelt und durch neue Ansätze erweitert werden muss,
um langfristig zu bestehen. Im Beispielunternehmen wurde zu diesem Zeitpunkt
global mit der Einführung von Lean Management begonnen und damit eine Wen-
dephase eingeleitet. In diesem Zusammenhang ist das Programm grundlegend ü-
berarbeitet worden.
Die Einbindung von Lean Management in das Six Sigma-Programm wurde von
der amerikanischen Zentrale aus global gesteuert. Wesentliche Elemente dieses
Prozesses waren einerseits methodisch/ verfahrensorientiert und andererseits or-
ganisatorisch/ verhaltensorientiert (siehe Abb. 3).
252 Klaus Weckheuer, Michael Hennes
Abb. 3: Wesentliche Elemente zur Programmintegration von Six Sigma und Lean Manage-
ment
Stärken Schwächen
• Klassischer Top-Down-Ansatz • Sehr starker Fokus auf den Produktions-
bereich
• Nachvollziehbare Resultate (sowohl quali-
tativ als auch finanziell) • Fokussierung auf Einzelpersonen (die
Belts) und kleine Teams
• Eindeutiges und funktionierendes Rollen-
modell mit Vollzeit-Black Belts in den Pro- • Ggf. zu technokratische Abwicklung und
duktionsbereichen Überbetonung der Messbarkeit
• Einheitliche Terminologie und Vorgehens- • Ggf. Gefahr der Innenfokussierung auf
weise im Unternehmen Fehlerbeseitigung
• Klares Projektmanagement • Gefahr der Kurzfristigkeit, wenn zu sehr
das Einzelprojekt und nicht das Gesamt-
system betrachtet wird
Die wesentlichen Vorteile von Six Sigma werden in dem klaren Rollenmodell
und dem Projektmanagement, gepaart mit der strukturierten Vorgehensweise
(DMAIC-Zyklus) und der Verbindung zu finanziellen Kenngrößen, gesehen. Als
Erfolgreiche Weiterentwicklung des Six Sigma-Konzeptes zu Lean Six Sigma 253
Nachteile erscheinen das zu starke Fokussieren auf einzelne Projekte, die Hervor-
hebung einzelner Positionen (Belts) und eine ggf. zu technokratische Abwicklung.
Die Lean Management-Methoden waren zum Zeitpunkt der Einführung nur
wenigen Experten vertraut. Zwar gab es auch schon innerhalb des Six Sigma-Pro-
gramms erste Schritte im Hinblick auf die Nutzung von Lean-Methoden, z.B. bei
Workshops zur Rüstzeitreduzierung oder Materialflussoptimierung, aber es gab
nur wenige praktische Erfahrungen in größerem Umfang. Vor diesem Hintergrund
wurde das Stärken-Schwächen-Profil für den Einsatz von Lean Management-
Methoden erarbeitet (siehe Abb. 5).
Stärken Schwächen
• Erfassung und Analyse von Wertströmen • Wurzeln in asiatischer Kultur, die nicht
(„von Rampe zu Rampe“) ohne Weiteres in internationale Unter-
nehmen übertragen werden können
• Einsatz von „Kaizen“ als Ansatz zur Ein-
beziehung von mehr Mitarbeitern • Keine Vorgaben an Rollen und Orga-
nisation
• Aktive Förderung eines Prozesses der
kontinuierlichen Verbesserung (weniger • Gefahr des Missbrauchs und der
punktuelle Projekte) „Magersucht“ (negatives Image)
• Neue Methoden zur Optimierung des Fak- • Fehlende Erfahrung in der Anwendung
tors „Geschwindigkeit“ bei Prozessen der chemischen Industrie
• Methoden interdisziplinär und in größerem
Maße auch außerhalb der Produktion
einsetzbar, z.B. Verwaltung
ternehmen liegt der Schlüssel für die Akzeptanz von Lean Management und
anderen Verbesserungsaktivitäten durch die Mitarbeiter.
3. Die Anwendung der Lean-Methoden in der Teilefertigung ist seit Jahren fester
Bestandteil vieler Produktionssysteme und somit nicht neu. Anwendungen in
der Prozessindustrie, z.B. Chemie, Lebensmittel und Pharma, sind bisher noch
die Ausnahme (vgl. Grethlein 2006). Hier müssen z.T. geeignete „Übersetzun-
gen“ gefunden werden. Allerdings hat sich gezeigt, dass viele der Methoden
anwendbar sind oder sich in andere Konzepte, z.B. Komplexitätsmanagement
(vgl. Schuh 2005), leicht einbinden lassen.
Zusammenfassend ergeben sich aus den vorstehenden internen Stärken-
Schwächen-Profilen eine Reihe von Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Six
Sigma und Lean Management, die in Abbildung 6 aufgeführt sind.
Gemeinsamkeiten Unterschiede
Beide Konzepte ... • Six Sigma bietet den Vorteil eines star-
ken organisatorischen Ansatzes mit ein-
• legen einen starken Fokus auf die Anwen-
deutigem Rollenverständnis und klarer
dung von Problemlösungsmethoden
Projektstruktur
• haben ihren Anwendungsschwerpunkt in
• Lean Management fördert hingegen die
der Produktion; dies führt zu potenziellen
Einbeziehung möglichst vieler Mitarbei-
Akzeptanz-Schwierigkeiten außerhalb des
ter durch die „Kaizen-Ausrichtung“
technischen Bereichs
• Produktionsseitig bieten sich Six Sigma-
• besitzen ein eindeutig finanziell geprägtes
Werkzeuge in idealer Weise zur Optimie-
Entscheidungsinstrumentarium und wollen
rung chemischer Prozesse an
nicht „Qualität um der Qualität willen“
• Für die Anwendung von Lean Manage-
• helfen, vorhandenes Betriebskapital effi-
ment-Methoden müssen z.T. noch ge-
zienter zu nutzen. Sie sind daher insb. in
eignete Adaptionen gefunden werden,
reifen Märkten von großer Bedeutung, um
damit die aus der Teilefertigung bekann-
kostenintensive Investitionen zu vermeiden
ten Werkzeuge in der Prozessindustrie
respektive zu verringern
anwendbar sind
Es geht somit bei der Integration nicht um ein „besser oder schlechter“, auch
nicht um die Definition eines „Meta-Problemlösungs-Ansatzes für alle Prozesse“,
der das gesamte Methodenspektrum umfasst, sondern um den problembezogenen
Einsatz ausgewählter Methoden. Dies wird im Folgenden anhand von vier An-
wendungsbeispielen gezeigt.
3 Anwendungsbeispiele
Dieser Abschnitt beginnt mit einer Darstellung der Vorgehensweise zur Prozess-
kategorisierung, die als wichtiger Ausgangspunkt für Lean Six Sigma-Projekte
gilt. Darauf aufbauend werden verschiedene Methoden und Analysetechniken
Erfolgreiche Weiterentwicklung des Six Sigma-Konzeptes zu Lean Six Sigma 255
In diesem Unterkapitel wird eine einfache, aber sehr effektive Methode darge-
stellt, mit deren Hilfe Prozesse auf ihr Optimierungspotenzial durch Lean Six
Sigma-Methoden untersucht werden können. Grundlage hierfür sind die Wert-
stromanalyse und das so genannte „Glenday Sieb“.
Mit dem Begriff „Wertstrom“ bezeichnet man die gesamten Material- und In-
formationsflüsse im Unternehmen, die notwendig sind, um ein Produkt herzustel-
len und zu vertreiben.3 Da Unternehmen in aller Regel eine Vielzahl von Wert-
strömen zu realisieren und zu optimieren haben, muss ein methodischer Rahmen
bereitgestellt werden, mit dessen Hilfe eine Kategorisierung dieser Wertströme er-
folgen kann. Eine Möglichkeit hierzu bietet das Glenday Sieb, welches auf fol-
gendem Schema basiert (vgl. Glenday 2005):
Die Produkte einer organisatorischen Einheit werden kategorisiert, z.B. nach
ihrem Umsatz- und/ oder Mengenvolumen. Die Kategorisierung erfolgt in vier
Gruppen (siehe auch Abb. 7):
a) Grüne Produkte ergeben bis zu 50% des kumulierten Volumens
b) Gelbe Produkte ergeben bis zu 95% des kumulierten Volumens
c) Blaue Produkte ergeben bis zu 99% des kumulierten Volumens
d) Rote Produkte ergeben das letzte 1% des kumulierten Volumens.
Nach dem Konzept von Glenday werden die „grünen“ Produkte in einem fest
wiederkehrenden Produktionsplan/ -system nach dem Prinzip „Every Product, E-
very Cycle“ hergestellt. Voraussetzungen für das Funktionieren dieses festen Sys-
tems sind eine ausreichende Basisstabilität der Produktion (vgl. Smalley 2006),
eine exakte Nachfrageanalyse und -optimierung sowie ein „Schutz“ des festen
Plans vor Planänderungen. Das System wird als „green stream“ bezeichnet.
Unabhängig von diesem Produktionsplanungsansatz kann das Glenday Sieb
helfen, Schwerpunkte für die Anwendung von Lean Six Sigma-Verbesserungen zu
identifizieren. So bietet es sich an, die „grünen“ Produkte mit Hilfe der Wert-
stromanalyse zu erfassen. Diese Analyse ist interdisziplinär und beinhaltet die
Ziele, den Prozess zu beschreiben, mit Kennzahlen zu erfassen und Optimierungs-
potenziale herauszuarbeiten. Neben den klassischen Lean-Kenngrößen, z.B.
Durchlaufzeiten, Taktzeit, Lagerbestände und Push-Pull-Überlegungen, sind auch
die üblichen Six Sigma-Kennzahlen sinnvoll, wie z.B. Cp- und Cpk-Werte, oder ei-
3 Für eine ausführliche Darstellung der Wertstromanalyse und des Wertstromdesigns sei
auf den Beitrag von Vollmer in Kapitel B verwiesen.
256 Klaus Weckheuer, Michael Hennes
Als Ergebnis der Wertstromanalyse und der Erfassung der Kennzahlen ergeben
sich Optimierungspotenziale für die Hauptvolumenträger des Unternehmens, sei
es in Bezug auf den Faktor „Zeit“ (Rüstzeiten, Durchlaufzeiten, Lagerreichwei-
ten), den Faktor „Kosten“ und/ oder den Faktor „Qualität“ (Produkt-/ Prozessqua-
lität). Die erkannten Potenziale müssen anschließend im Rahmen der Projektbear-
beitung realisiert werden.
Der von Glenday geprägte Begriff des green streams eignet sich in diesem Zu-
sammenhang sehr gut, um zu beurteilen, wie gut die Hauptvolumenströme durch
das Unternehmen „fließen“, oder eben nicht. Auch wenn am Standort keine An-
passung der Produktionsplanung an das Glenday-Schema vorgenommen wurde, so
hat sich die Kategorisierung als geeigneter Ausgangspunkt für die Projektfindung
erwiesen. Wesentlich ist, dass es sich nicht um eine reine „Produktionsangelegen-
heit“ handelt, sondern um einen interdisziplinären Prozess mit Bereichen, die der
Produktion vor- und nachgelagert sind.
In weiteren Schritten können auch für die verbleibenden Produktkategorien
Lean Six Sigma-Anwendungen definiert werden. Bei den „blauen“ Produkten
können z.B. Methoden des Komplexitätsmanagements angewendet werden. In
dieser Kategorie wird nach Möglichkeiten der Standardisierung, z.B. in Bezug auf
Rohstoffe, Verpackungen und Produktionswege, und/ oder der Reduzierung der
Variantenzahl gesucht. Bei den „roten“ Produkten ist zu entscheiden, welchen
Wert sie für den Kunden und für das Unternehmen darstellen. Wenn sie einen
Wert für den Kunden bieten, ist über die Preisgestaltung nachzudenken, damit
zumindest die internen Komplexitätskosten aufgefangen werden. Ziel ist es, diese
Produkte nicht aus dem Portfolio zu eliminieren, sondern sie für das Unternehmen
zu Wertbringern weiterzuentwickeln.
In Abbildung 8 sind die Ergebnisse des Glenday Siebes für die interne Erfas-
sung von drei Standorten eines Teilbereichs des Unternehmens wiedergegeben:
Der prozentuale Anteil der „grünen“ Produkte, also der Hauptvolumenträger (50%
des Volumens) liegt bei allen drei Standorten zwischen 11% und 14%. Im Gegen-
satz dazu sind an allen Standorten ca. 40-50% des Produkt-Portfolios für nur 5%
der Gesamtmenge verantwortlich bzw. 18-25% der Produkte für nur 1% des Vo-
Erfolgreiche Weiterentwicklung des Six Sigma-Konzeptes zu Lean Six Sigma 257
lumens. Dieses Ergebnis ist nicht untypisch und deckt sich mit den Ergebnissen
aus anderen Branchen. Für die „grünen“ Produkte kann nun mit Hilfe der Wert-
stromanalyse eine Detailuntersuchung erfolgen, wie sie im nächsten Abschnitt
beispielhaft gezeigt wird.
Standort 1
Kumulierte Anzahl % Anteil Kumulierter %-Anteil Farb-
Produktionsmenge [%] Produkte des Portfolios des Portfolios code
50% 10 13,3 13,3 grün
95% 36 48,0 61,3 gelb
99% 14 18,7 80,0 blau
Last 1 % 15 20,0 100,0 rot
sum 75
Standort 2
Kumulierte Anzahl % Anteil Kumulierter %-Anteil Farb-
Produktionsmenge [%] Produkte des Portfolios des Portfolios code
50% 9 14,5 14,5 grün
95% 31 50,0 64,5 gelb
99% 11 17,7 82,3 blau
Last 1 % 11 17,7 100,0 rot
sum 62
Standort 3
Kumulierte Anzahl % Anteil Kumulierter %-Anteil Farb-
Produktionsmenge [%] Produkte des Portfolios des Portfolios code
50% 12 11,3 11,3 grün
95% 45 42,5 53,8 gelb
99% 23 21,7 75,5 blau
Last 1 % 26 24,5 100,0 rot
sum 106
4 Eine typische Frage in diesem Zusammenhang ist: Wie viele Produktfamilien ergeben
50% des Gesamtvolumens und welche Kunden erhalten diese?
258 Klaus Weckheuer, Michael Hennes
Mech. Mech.
Behandlung Behandlung Verladen
Silo 1 A Silo 2 B Silo ´3
Das Glenday Sieb wird im Wesentlichen als ein Werkzeug zur Projektfindung und
Prioritätensetzung genutzt. Auf dieser Basis ist im Folgenden ein Beispiel für eine
konkrete Optimierung im Produktionsbereich dargestellt. Bei diesem wird ein
Produktionsprozess mithilfe einer Zeitanalyse „zerlegt“ und anschließend sukzes-
sive optimiert.
Wie bereits erwähnt, liegt das wesentliche Ziel der Lean-Methodik in der Ver-
meidung von Verschwendung (Muda) in den Wertströmen. Der Begriff der Ver-
schwendung umfasst dabei nicht nur Fehler, sondern auch Wartezeiten, Trans-
portvorgänge, Überbearbeitung oder nicht notwendiges Inventar.5 Anhand der Ü-
berlegungen zur Verschwendung lassen sich nicht nur übergeordnete Wertströme
analysieren, sondern der Anwender kann mittels dieses Schemas relativ leicht
auch interne Abläufe erfassen, um z.B. Durchlaufzeiten zu reduzieren oder zusätz-
liche Kapazitätsmöglichkeiten zu schaffen.
Im Beispielunternehmen wurde ein einfaches Datenblatt (vgl. Remy 2005) ge-
nutzt, um Zeitprofile von Produktionschargen zu erstellen. Im Prinzip erfolgt da-
mit eine Einteilung der verschiedenen Tätigkeiten in die o.g. Verschwendungsar-
ten, inklusive einer Abschätzung der Zeiten oder Entfernungen. Die Erfassung
dient als Grundlage für die Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen. Das prinzi-
pielle Vorgehen soll an einem Beispiel in Abbildung 11 gezeigt werden.6
Anhand der Tabelle in Abbildung 11 werden die verschiedenen Prozessschritte,
die gemäß definierter Rezepturen und Herstellungsanweisungen ablaufen, deut-
lich. Wesentlich ist dabei zum einem die Zeiterfassung sowie zum anderen die
Transport 4 90 3 55 -1 -35
Prüfung 3 65 3 45 0 -20
Verzögerung 3 90 3 45 0 -45
Lagerung 0 0 0 0 0 0
Entfernung
Zeit 545 445 -100
Verzögerung
Entfernung
Menge (kg)
Lagerung
Transport
Zeit (min)
Vorgang
Prüfung
Prozess-Schritte Kommentare
(m)
Vorlage 15
Reaktion 300
Beprobung 5
1 4 3 3 0
Anzahl Schritte
300 90 65 90 0
Zeit (Minuten)
Als letztes Beispiel wird auf die 5S- bzw. 5A-Workshops Bezug genommen. Wie
eingangs ausgeführt, ist eine wesentliche Stärke des Lean-Ansatzes die direkte
Einbeziehung vieler Mitarbeiter in die Problemlösung – im Gegensatz zu den eher
kleinen Projektteams bei den Six Sigma-Anwendungen. Um dies zu erreichen,
werden verschiedene 5S-Workshops im Unternehmen durchgeführt, insbesondere
in der Produktion und im Labor. Die generelle Vorgehensweise ist in Abbildung
12 ersichtlich. Die Workshops werden vom Lean Master sowie den Black Belts
moderiert und haben zum Ziel, Abläufe zu verbessern, Gehwege zu verkürzen so-
wie das allgemeine Arbeitsumfeld weiter zu verbessern.
Die Struktur der 5S-Vorgehensweise wurde gewählt, um im Rahmen der Work-
shops auch andere Themengebiete zu bearbeiten. Als Beispiel dient hier ein
Workshop mit dem Ziel, ein Prozessleitsystem zu optimieren. Mithilfe von kom-
plexen Prozessleitsystemen wird in einem Chemiebetrieb der gesamte Prozess ge-
steuert: von der Reaktorbefüllung/ -entleerung über die Rezeptursteuerung bis hin
zur Prozess- und Anlagenüberwachung. Prozessleitsysteme sind sozusagen das
Herz der Anlagen. In den meisten Betrieben sind diese Leitsysteme zusammen mit
neuen Anlagenteilen historisch „mitgewachsen“, so dass im Laufe mehrerer Jahre
es immer wieder zu Programmunterschieden bei an sich gleichen Reaktortypen
kommt. Diese Unterschiede erhöhen die Komplexität der Aufgaben in der Leit-
warte. Sofern nicht ein völliges „Re-Engineering“ der Programme stattfindet,
muss man sich im Betrieb mit kleinen Schritten helfen, um die Arbeit in der Leit-
warte zu vereinfachen.
Damit eine Integration von Lean Management in ein Six Sigma-Programm erfolg-
reich ist, müssen verschiedene Management-Themenbereiche geklärt werden. Da-
zu gehören insbesondere die Bereiche „Organisation und Struktur“, „Methoden
und Programm-Management“ sowie „Verhalten und Kultur“. Die hierauf bezoge-
nen Änderungen werden für das Beispielunternehmen zusammengefasst.
Im Themenbereich Organisation und Struktur wurde das Six Sigma-Modell im
Wesentlichen beibehalten:
• Die Struktur des Six Sigma-Programms mit einer zentralen Steuerung in der
Holding und dezentral agierenden Black Belts in den Produktionsbereichen
blieb unverändert, genauso wie das Six Sigma-Steering-Committee.
• Eine neue, zentrale Stelle „Lean Master“ wurde geschaffen, um auf diese Weise
schneller Lean-Wissen/ -Erfahrung zu sammeln.
Im Themenbereich Methoden und Programm-Management ergaben sich fol-
gende Änderungen und Erweiterungen:
• Die Lean Six Sigma-Projekte und -Erfolgskennzahlen wurden in das operative
Planungs- und Kontrollsystem eingebunden. Damit ist eine laufende Umset-
zungs- und Erfolgskontrolle sichergestellt.
• Die Methode der Wertstrom-Analyse wird verstärkt genutzt, um – basierend
auf der Prozesskategorisierung – für wesentliche Prozesse Projekte zu finden.
Erfolgreiche Weiterentwicklung des Six Sigma-Konzeptes zu Lean Six Sigma 263
5 Literatur
Jürgen Bremer
Inhalt
Der Beitrag beschreibt, wie in einem Betrieb für Reparatur und Überholung1 von
Flugzeugtriebwerken Lean-Konzepte erfolgreich umgesetzt wurden. Diese Lean-
Konzepte sind Teil der Six Sigma-Philosophie des Unternehmens und folgen
grundsätzlich dem DMAIC-Verbesserungsansatz. Auf dieser Basis konnte die
Durchlaufzeit um über 60% gesenkt werden. Während sich die Six Sigma-Black
Belts mit den Ursachen für Streuung sowie deren Beseitigung beschäftigten, fo-
kussierten die Six Sigma-Lean Experts – ebenfalls dem DMAIC-Ansatz folgend –
auf Wartezeiten und nicht wertschöpfende Prozessschritte.
Die Firma Honeywell ist ein international agierendes Unternehmen mit amerikani-
schen Wurzeln. Es generiert mit ca. 122.000 Mitarbeitern weltweit ca. 34,6 Mrd.
US-$ Umsatz2. Honeywell gliedert sich in die vier Business Groups: Aerospace,
Automation and Control Solutions, Transportation Systems und Specialty Materi-
als und kann damit als Mischkonzern bezeichnet werden.
Das Projekt wurde am deutschen Standort Raunheim durchgeführt, der sich
ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens befindet. Der Standort gehört inner-
halb der Business Group Aerospace zum Bereich Aftermarket Services. Es ist
weltweit der größte Honeywell Standort für Repair and Overhaul (R&O) außer-
halb der USA.
Den größten Geschäftsbereich innerhalb des Standortes stellen die so genannten
Auxiliary Power Units (APU) dar, gefolgt von den Propulsion Engines. Der um-
satzmäßig kleinste, jedoch volumenmäßig größte Bereich ist System Components
and Accessories Service (SCAS). Eine APU ist eine Gasturbine, die im Flugzeug
im Heck unterhalb des Seitenruders eingebaut ist und häufig nur am Abgasrohr
erkannt wird (siehe Abb. 1). Die Turbine generiert Strom für die gesamte Board-
Elektrik und -elektronik sowie Druckluft für die Klimaanlage und das Starten der
Flugtriebwerke (Propulsion Engines). Da während des Fluges diese Funktionen
von den Flugtriebwerken übernommen werden, läuft eine APU meist nur, wäh-
rend sich das Flugzeug am Boden befindet sowie während Start und Landung.
Propulsion Engines sind die Flugtriebwerke, die für den Vorschub des Flug-
zeuges sorgen. Man unterscheidet zwischen Turbo Fan Engines (TFE, Düsen-
triebwerke) und Turbo Prop Engines (TPE, Propellertriebwerke). Honeywell pro-
duziert Propulsion Engines ausschließlich für kleinere Maschinen im Bereich Re-
gional & Business Aviation (siehe Abb. 2).
Das im Folgenden beschriebene Verbesserungsprojekt war zunächst begrenzt
auf den Bereich TFE. Die Konzepte wurden später in Anschlussprojekten auf die
Bereiche APU und SCAS in ähnlicher Form übertragen.
Turbo Fan Engines sind vorwiegend in kleinen Jets eingebaut, die – wenn über-
haupt – in einer sehr kleinen Flotte fliegen. Die Eigentümer verfügen meist nicht
über einen eigenen Service, der die Triebwerke zerlegen kann. Daher werden
Wartungs- und Reparaturarbeiten von so genannten Servicegesellschaften durch-
geführt, die an den Flughäfen ansässig sind. Die Servicegesellschaften bauen
Umsetzung von Lean-Konzepten in Reparatur und Überholung (R&O) 267
Abb. 2: Business Aviation Jet mit TFE-Triebwerk (oben links), Turbo Fan Engine 731-60
von Honeywell (oben rechts), Regional Jet mit TPE-Triebwerk (unten links) und Honey-
well TPE 331-1 (unten rechts)
die Triebwerke aus und schicken sie in Kisten verpackt per Lastwagen zu Repara-
turbetrieben wie etwa Honeywell Raunheim.
In Raunheim wird ein Triebwerk nach dem Auspacken und Aufhängen in ei-
nem so genannten Build Stand einer Eingangsinspektion unterzogen. Mechaniker
stellen dabei die Seriennummern aller wichtigen Bauteile fest und inspizieren den
Motor auf offensichtliche Schäden. Teils wird ein Eingangstest in der Testzelle
durchgeführt, teils mit dem Boroskop in das Innere der Maschine gesehen. Nach
Absprache der Befunde mit dem Overhaul Engineering und z.T. auch mit dem
Kunden wird die Maschine entsprechend des Workscopes zerlegt.
Der Workscope (Zerlegungsgrad) richtet sich nach der Laufleistung (kleine o-
der große Inspektion) und den festgestellten Schäden, z.B. Undichtigkeiten, man-
gelnde Leistung, Bird Strike. Alle abgebauten Teile werden sorgfältig auf bis zu
vier Teilewagen abgelegt, bevor die Teile in einer separaten Reinigungsabteilung
gründlich gereinigt werden. Anschließend werden alle Teile in der Parts Inspecti-
on visuell auf Schäden überprüft. Einige Teile werden darüber hinaus vermessen
und einem Non Destructive Test (NDT) mittels Penetrationsverfahren bzw. Eddy
Current-Verfahren unterzogen.
Die beschädigten Teile können nur z.T. in Raunheim repariert werden. Diejeni-
gen Teile, die nicht vor Ort repariert werden können, werden mit einem Paketser-
vice zum Lieferanten geschickt – meistens andere Honeywell-Werke in den USA,
wo sie innerhalb von max. 48 Stunden ankommen. Alle anderen, nicht beschädig-
268 Jürgen Bremer
ten Teile des Triebwerkes werden in Raunheim eingelagert, wo sie auf die Rück-
kehr der Reparaturteile aus Übersee bzw. dem hausinternen Rework-Shop warten.
Nach Rückkehr des letzten Reparaturteiles werden die bis zu vier Teilewagen
in die Montage verschoben, und die Engine wird dort wieder zusammengebaut.
Der Zusammenbau kann unter „normalen Umständen“ bis zu einer Woche dauern.
Im Anschluss wird die Maschine auf Leistung, Vibrationen und Dichtigkeit getes-
tet, wofür noch einmal fast ein Tag benötigt wird. Nach dem Testen werden die
Schraubverbindungen mit Drähten gesichert (Lock Wiring). Bevor das Triebwerk
verpackt und verschickt wird, werden alle zugehörigen Dokumente von einem
Prüfer des Luftfahrtbundesamtes (LBA) gründlich geprüft und abgenommen.
Der Zeitraum vom Erhalt des Triebwerks bis zum Versand der Reparaturteile
wird Gate 1 oder Front End genannt. Das Warten auf die Rückkehr des letzten
Reparaturteils wird als Gate 2 bezeichnet. Die Zeit der Montage bis zum Versand
des fertigen Motors zum Kunden heißt schließlich Gate 3 oder Back End.
Neben den möglichst geringen Kosten und einer 100%-igen Qualität sind für die
Kunden, d.h. sowohl für Service-Gesellschaften als auch für Flugzeugeigentümer,
kurze Lieferzeiten wichtig. Die so genannte Turn Around Time (TAT), die vom
Eingang in Raunheim bis zum Versand an den Kunden gemessen wird, ist ein
Faktor, der über die Vergabe von Reparatur-Aufträgen entscheidet. Kunden for-
dern für eine Reparatur von normalem bis großem Umfang eine TAT von maxi-
mal 30 Tagen. Vor Beginn des Lean-Projektes lag die TAT im Durchschnitt bei 54
Tagen.
Für eine kurze TAT ist es entscheidend, dass die Lieferanten die beschädigten
Teile möglichst schnell erhalten. Die zugehörige Messgröße ist die Front End
TAT, die bei durchschnittlich 5 Tagen liegen sollte. Vor Projektbeginn lag sie auf
einem Niveau von durchschnittlich 23 Tagen.
Mit einer langen Durchlaufzeit ging üblicherweise ein hoher Bestand von 20
bis 30 Maschinen einher. Zwar handelt es sich hier um Kundeneigentum, und de-
ren Werte zählen nicht zum Bestand der Raunheim GmbH, wohl aber die zurück-
gelaufenen Reparaturteile, die zum einen sehr teuer sind, zum anderen für mehrere
Monate vorfinanziert werden müssen. Die lange Durchlaufzeit verursacht eine
sehr schlechte Liefertreue, und daraus wiederum folgt eine niedrige Kundenzu-
friedenheit.
Die Umsetzung des Lean-Konzeptes gliedert sich entsprechend dem für Six Sigma
typischen Vorgehen in die Phasen Define (D), Measure (M), Analyse (A), Impro-
ve (I) und Control (C). Im DMAIC-Zyklus kommen die üblichen Techniken wie
Process Mapping oder Value Stream Mapping zur Anwendung. Dies gibt den
Umsetzung von Lean-Konzepten in Reparatur und Überholung (R&O) 269
Lean-Projekten bei Honeywell eine feste Struktur und ermöglicht ein systemati-
sches Vorgehen. Für den letztendlichen Erfolg und die hervorragenden Ergebnisse
des im Folgenden beschriebenen Projektes ist jedoch die Umsetzung einiger
grundsätzlicher Prinzipien ausschlaggebend gewesen. Sie sollen im Fokus der
weiteren Betrachtung stehen. Die angesprochenen Prinzipien sind dem Lean-Bau-
kasten entnommen und auf viele Prozesse sofort und direkt anwendbar.3
Bei der Betrachtung von Losgrößen und ihrem erheblichen Einfluss auf den Mate-
rialfluss und die Bestände muss man grundsätzlich zwischen Produktions- und
Transportlosgrößen unterscheiden. Eine Produktionslosgröße ist die Anzahl der
zwischen zwei Rüstvorgängen produzierten Stücke. Eine Transportlosgröße ist
die Anzahl der auf einmal transportierten Stücke. Beide Größen als abhängig zu
betrachten, ist oft ein Gedankenfehler, der einen Großteil der Produktionsproble-
me ausmacht.4 Gleichzeitig ist es eine typische „Out-of-the-box“-Lösung, beide
Losgrößenarten getrennt zu betrachten, wie auch im hier beschriebenen Fall.
Transportlosgrößen
Früher wurde eine Engine ausschließlich als komplettes Los von Ressource zu
Ressource transportiert, z.B. von der Disassembly zur Reinigung und weiter zur
Parts Inspection. Die Konsequenz ist, dass das erste Teil auf das letzte Teil warten
muss, bis es weiterverarbeitet wird. Genauso muss das letzte Teil warten, bis alle
anderen Teile auf den Teilewagen verarbeitet sind, bevor es an der Reihe ist. Der
Grund für dieses Vorgehen war, dass Teile entsprechend der Richtlinien der Luft-
fahrt rückverfolgbar sein müssen und auf gar keinen Fall verwechselt werden dür-
fen. Abbildung 3 zeigt die zeitliche Auswirkung, die diese traditionell gewachsene
Verhaltensweise, Transportlos gleich Produktionslos, mit sich brachte.
Trennt man Produktionslos (1 Engine) und Transportlos (1 Teilewagen) und
transportiert das Transportlos zur nächsten Ressource bzw. zum nächsten Prozess-
schritt, sobald es fertig ist, erhält man eine so genannte überlappende Produktion.
In Abbildung 4 ist ersichtlich, wie das Cleaning bereits nach einem Viertel der
Zeit beginnt (1. von 4 Teillieferungen) statt nach Komplettierung der Disas-
sembly. Gleiches geschieht mit Parts Analytical.
Mit anderen Worten: „Große (Transport-)Losgrößen sind die leistungsfähigste
Bremse der Produktion.“5 Eine Reduzierung der Losgröße bewirkt eine Steigerung
3 Für eine umfassende Darstellung der Lean-Prinzipien und -Techniken sei auf die Beiträ-
ge in Kapitel A verwiesen.
4 Da dies auch für administrative Prozesse gilt, sollte man richtigerweise von „Problemen
des Prozessmanagements“ sprechen.
5 Richtigerweise müsste man wieder „Produktion“ durch „Prozessmanagement“ ersetzen.
Aber um es als Slogan zu benutzen, sollte sich der Produktioner der Praxis sofort ohne
nachzudenken darin wieder erkennen. Mit „Prozessmanagement“ assoziiert er jedoch
nicht sofort seine Produktion.
270 Jürgen Bremer
des Materialflusses. Die gute Nachricht dabei ist, dass keine andere Veränderung
vorstellbar ist, die
1. einen größeren positiven Einfluss auf Bestände und Durchlaufzeiten hat,
2. schneller und leichter umsetzbar ist und
3. weniger kostet.
Umso erstaunlicher ist es, dass nicht jedes Unternehmen damit beginnt, die ei-
genen Losgrößen zu reduzieren.
Umsetzung von Lean-Konzepten in Reparatur und Überholung (R&O) 271
Produktionslosgrößen
Die Größe der Produktionslose wurde im Fallbeispiel nicht verändert. Es blieb bei
der Größe von einer Engine. Der Vollständigkeit halber soll aber die Konsequenz
von einer Veränderung der Produktionslosgröße beschrieben werden. Eine Ver-
ringerung bedeutet einen Zuwachs von Materialfluss-Geschwindigkeit. Man führe
sich den Rohbau in der Automobilproduktion vor Augen. Dort wurden früher für
einige Tage Motorhauben produziert, bevor für einige Tage Kofferraumdeckel
produziert wurden. Es folgten einige Tage Dächer und Türen, bevor der Zyklus
von Neuem begann. Je häufiger gerüstet wird, desto kleiner werden das Produkti-
onslos und damit die Bestände und die Durchlaufzeit. Es wäre folglich erstre-
benswert, häufiger zu rüsten. Schon ein- oder zweimal mehr Rüsten würde den
Materialfluss drastisch erhöhen und die Bestände deutlich senken. Allerdings ver-
bietet es die Kostenrechnung, denn rüsten kostet ja bekanntlich Geld.
Ist das wirklich so? Einmal angenommen, eine Werkzeugmaschine wird tat-
sächlich einmal oder zweimal pro Auftrag mehr gerüstet, gibt damit die Firma xy
einen einzigen Euro mehr aus? Kostenrechnerisch, kalkulatorisch ja, tatsächlich
aber nein! Sicherlich ist das im Einzelfall zu prüfen. Der Tausch eines Galvanik-
Bades verursacht zweifelsohne Rüstkosten. In den meisten Fällen spielt einem a-
ber die Kostenrechnung einen Streich und verhindert – unter dem Vorwand der
Effizienzsteigerung – eine Senkung der Umlaufbestände und der Durchlaufzeit-
verkürzung.
Ein zusätzlicher Rüstvorgang ist nämlich nur in einem Fall schädlich, wenn es
sich um eine Engpassmaschine6 handelt. Alle Nicht-Engpässe lassen sich prob-
lemlos häufiger rüsten. Sie dürfen nur nicht durch den zusätzlichen Rüstvorgang
zum neuen Engpass werden.
Durchlaufzeit versus Kapazität
Durch die Reduzierung der Losgrößen lassen sich erhebliche Durchlaufzeitredu-
zierungen erreichen. Eine sehr weit verbreitete Annahme ist, dass damit mehr pro-
duziert werden kann. Das ist falsch! Durchlaufzeit und Kapazität sind zwei unab-
hängige Dimensionen wie etwa Länge und Durchmesser eines Rohres. Ein Rohr
lässt nicht plötzlich mehr Wasser hindurch, nur weil es kürzer ist. Der Durchfluss
wird – bei konstantem Druck – allein durch den Durchmesser bestimmt. Werden
mehrere Rohre mit unterschiedlichem Durchmesser hintereinander verlegt, dann
determiniert das Rohr mit dem geringsten Durchmesser den Durchfluss.
Im Unternehmensumfeld gilt entsprechend: Die Kapazität einer Produktionsli-
nie wird durch ihre kapazitiv schwächste Ressource, den so genannten Engpass
oder Flaschenhals (Bottleneck), bestimmt. Sofern an dieser Kapazität nichts ver-
ändert wird, produziert die gesamte Linie nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die
Änderung, die eine Losgrößenreduzierung herbeiführt, ist eine Reduzierung der
Wartezeit vor einzelnen Prozessschritten. Das hat nichts mit Kapazität am Eng-
pass zu tun, auch dann nicht, wenn es die Wartezeit vor dem Engpass betrifft.
Abb. 5: Typischer Ablaufplan mit Kennzeichnung von Reihenfolge, Dauer und Bearbeiter
Um das langwierige Umräumen und Sortieren von den Teilewagen in die Rega-
le zu vermeiden, wurde für jedes einzelne Bauteil eines jeden Maschinentyps ein
fester Platz auf dem Teilewagen definiert und visualisiert. Zu jedem der meistens
vier Einlegeböden der Teilewagen gibt es ein laminiertes Blatt (siehe Abb. 7), die
alle gut erreichbar außerhalb des Wagens angehangen werden. Darauf wird mit ei-
nem trocken abwischbaren White Board Marker abgehakt, welche Teile auf dem
Wagen liegen, so dass Fehlteile unmittelbar erkennbar sind. Dies geschieht erst-
malig, wenn der Parts Inspector die Teile nach der visuellen Inspektion als unbe-
274 Jürgen Bremer
schädigt auf dem Teilewagen ablegt, und dann kontinuierlich bis zum Eintreffen
des letzten Bauteils während des gesamten Gate 2-Prozesses.
Abb. 7: Visualisierung der Anordnung der Teile auf dem Einlegeboden des Teilewagens
sowie deren Verfügbarkeit
Darüber hinaus wird der Status der Fertigstellung bzw. Teileverfügbarkeit jedes
einzelnen Moduls aller Aufträge zentral visualisiert (siehe Abb. 8). In den Zeilen
stehen die Aufträge, in den Spalten deren Module. Die dunklen Magnete (grün)
zeigen an, welche Module bereits fertig montiert sind. Die hellen (gelb) zeigen an,
welche zur Montage bereit oder in Arbeit sind. Rot deutet auf fehlende Teile hin.
Module, die aufgrund des Workscopes nicht zerlegt werden mussten, sind schwarz
markiert.
Ein weiterer Vorteil der modularen Bauweise ist, dass nach dem Eintreffen des
letzten Bauteils meist alle anderen Module bereits fertig gestellt sind. D.h., es ist
oft nur noch die Montage dieses einzelnen Moduls sowie die Endmontage not-
wendig, was natürlich viel schneller geht, als eine komplette Engine von Anfang
bis Ende durchzubauen.
Umsetzung von Lean-Konzepten in Reparatur und Überholung (R&O) 275
Abb. 8: Board zur Visualisierung des Fertigstellungsgrades der Module aller Aufträge
In der Praxis stehen die Leiter bzw. Mitarbeiter einer Abteilung, z.B. Dreherei,
Cleaning, Kundendienst, mehrmals täglich vor der Entscheidung, welchen Auftrag
sie als nächstes bearbeiten. Meistens werden Aufträge nach dem „First in First
out“-Prinzip (FIFO) oder dem Liefertermin (Fertigstellungstermin) priorisiert.
Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn alle Aufträge die gleiche oder zumindest
ähnlich lange Liefer- bzw. Durchlaufzeit haben, was in der Praxis selten ist. Mit
anderen Worten: Ein Auftrag A, der in 3 Tagen fertig werden soll, würde unter
normalen Umständen einem Auftrag B vorgezogen, der in 6 Tagen fertig werden
muss (siehe Abb. 9). Die Priorisierung ergibt sich nach der absoluten Restlaufzeit
(in Tagen): Liefertermin – heutiges Datum.
Gilt diese Priorität noch immer, wenn Auftrag A, der in 3 Tagen fertig werden
muss, und eine mit dem Kunden vereinbarte Durchlaufzeit von 4 Tagen, z.B. En-
gine Test Only, hat und Auftrag B mit dem Liefertermin in 6 Tagen, aber eine ver-
traglich vereinbarte Durchlaufzeit von 30 Tagen (üblich für Repair) hat?
Im Fall A beträgt die relative Restlaufzeit bis zum Liefertermin noch 75%
(3/4), im Fall B nur noch 20% (6/30). Folglich ist der zweite Auftrag (B) dringen-
der, trotzdem er später fertig werden muss (siehe Abb. 10). Dabei ist unbedingt zu
bemerken, dass dies (fast) unabhängig vom Fertigstellungsgrad ist, da die reine
276 Jürgen Bremer
Auftrag A 1. Priorität
Auftrag B 2. Priorität
heute 2 4 6 Tag
Abb. 10: Veränderte Priorisierung der Aufträge bei Berücksichtigung ihrer Durchlaufzeit
(relativ in %)
Je kleiner die Restlaufzeit, desto dringender ist der Auftrag. Bei negativer Pro-
zentzahl ist der Liefertermin bereits verstrichen.
Im Alltag ist es nicht praktikabel, erst die Prozentzahl zu bilden, bevor man
Prioritäten setzt, zumal dies für alle Aufträge zu tun ist und sich die Prioritäten je-
den Tag verschieben. Im hier beschriebenen Projekt wurden deswegen anfangs für
Umsetzung von Lean-Konzepten in Reparatur und Überholung (R&O) 277
jeden Auftrag mit Excel eine kleine Karte mit einer Tabelle angelegt und ausge-
druckt, die für jeden Tag die Prozentzahl ausweist (siehe Abb. 11). Zur Ermittlung
der Restlaufzeit wird das aktuelle Datum gesucht, z.B. 30.11., und die dazugehö-
rige Restlaufzeit abgelesen (hier 63%). Die rote Markierung visualisiert die benö-
tigte Zeit für beschleunigte Bearbeitung, die gelbe steht für Vorwarnung. 8
Aus Erfahrung ist zum einen bekannt, dass Liefertermine gelegentlich geändert
werden. In dem Moment, in dem der Termin im System eingegeben wird, ist auch
die Prozentzahl angepasst und die Priorität verschoben. Zum anderen werden Auf-
träge mit Verspätung eingelastet oder bleiben irgendwo im Prozess aus verschie-
denen Gründen liegen. Die Konsequenz ist, dass diese Aufträge eine geringere
prozentuale Restlaufzeit bekommen und automatisch im weiteren Prozessverlauf
anderen Aufträgen vorgezogen werden. Folglich steuert sich das System selbst,
sofern die Verantwortlichen nicht aus anderen Notwendigkeiten heraus eingreifen.
8 Die praktische Anwendung hat gezeigt, dass diese Lösung etwas umständlich und un-
übersichtlich ist, zumal dazu übergangen wurde, die Produktionsplanung per Computer
zu machen. In einem späteren Projekt wurde daher die automatische Generierung und
Ausweisung der Prozentzahl für die Restlaufzeit in das computergestützte Produktions-
planungssytem integriert und eine Sortierung der Aufträge nach Größe der prozentualen
Restlaufzeit ermöglicht. Dieses Feature ist inzwischen für den gesamten Standort ver-
fügbar.
278 Jürgen Bremer
Nachdem die Mitarbeiter angewiesen wurden, die Teilewagen nicht mehr ge-
schlossen in einem Auftrag dem nächsten Arbeitsschritt zu übergeben, sondern
einzeln und sobald sie komplett waren, sank einerseits unmittelbar die Durchlauf-
zeit im Gate 1. Andererseits reduzierte sich die Streuung der Durchlaufzeiten.
Während es anfangs durchschnittlich 23 Tage dauerte, bis eine Maschine zerlegt,
gereinigt, inspiziert und die defekten Teile verschickt waren (Front End oder Gate
1), waren es schon im darauf folgenden Monat Dezember signifikant weniger. Der
Durchschnitt über die folgenden 1,5 Jahre betrug 8,5 Tage, was einer Reduzierung
von über 63% gleichkommt (siehe Abb. 12 oberes Diagramm).
reichten Verbesserungen und die Konstanz der guten Ergebnisse sind ein Hinweis
auf die Richtigkeit der Prinzipien. Insgesamt fanden die Projektergebnisse eine
hohe Resonanz und konzernweite Anerkennung.
Die Six Sigma-Kultur bei Honeywell hat eine lange Tradition. Gute Ergebnisse
erfahren viel Aufmerksamkeit durch das Management und werden mit dem Quest
for Excellence, der bisher einmal im Jahr stattfand, oder dem nun vierteljährlich
verliehenen Team Performance Award gefeiert. Das jeweilige Gewinner-Team
wird zur Award-Verleihung zu den so genannten Satellite Broadcasts eingeladen,
in denen der CEO seine Belegschaft u.a. über Quartalsergebnisse, Highlights und
Ziele informiert, und eben auch Teams für ihre herausragenden Projektergebnisse
auszeichnet. Damit wird zum einen den Projektmitarbeitern Anerkennung und
Dank ausgesprochen. Zum anderen werden deren Kollegen angespornt, sich eben-
falls an Verbesserungsmaßnahmen zu beteiligen.
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox
Jutta Jessenberger
Inhalt
Xerox Lean Six Sigma wurde bei der Xerox Corporation im Jahr 2002 weltweit
initiiert und hat seit dem ersten Jahr positiv zum Geschäftserfolg beigetragen.
Der vorliegende Beitrag soll dem Leser das Programm selbst sowie den von
Xerox gewählten Weg zur Einführung nahe bringen. Er stellt die kritischen Er-
folgsfaktoren vor und erläutert, wie sie bei Xerox in der Vergangenheit sinnvoll
erfüllt wurden; sicherlich nicht immer in perfekter Ausführung, aber ohne grund-
legende Fehler, die zu einem Scheitern des Programms geführt hätten. Wir hoffen,
dass der Leser diese Informationen und Ratschläge auch bei ähnlichen Program-
men in seinem Unternehmen erfolgreich anwenden kann.
Im nachfolgenden Kapitel 2 soll zunächst die Zielsetzung zur Einführung von
Lean Six Sigma bei Xerox vorgestellt werden. Außerdem wird kurz erläutert,
weshalb Lean Six Sigma und nicht andere Konzepte/ Methoden als passender An-
satz zur Erreichung der Ziele gewählt wurde. Kapitel 3 erklärt das Xerox-
spezifische Lean Six Sigma-Programm und geht auf die Philosophie hinter der
Kombination von „Lean“ und „Six Sigma“ ein. Weiterhin wird erläutert, wie Xe-
rox Lean Six Sigma im Spannungsfeld zwischen Kunden, Ergebnissen, Strategie
und Prozessen im Tagesgeschäft aufgestellt ist. In Kapitel 4 werden die vier we-
sentlichen Erfolgsfaktoren zu einer erfolgreichen Einführung von Lean Six Sigma
benannt und beschrieben. Im Einzelnen sind dies
• Engagiertes Management
• Dedizierte Ressourcen
• Sinnvolle Projektauswahl und
• Disziplinierte Durchführung.
282 Jutta Jessenberger
Alle diese Faktoren müssen vorhanden sein, um eine schnelle und gewinnbrin-
gende Lean Six Sigma-Einführung sowie eine erfolgreiche zukünftige Organisati-
on zu gewährleisten. Die Einführung bei Xerox Deutschland wird in Kapitel 5 ge-
nauer beschrieben, und Kapitel 6 stellt abschließend die „Lessons Learned“ dar.
Die Xerox Corporation mit Stammsitz in Stamford/ Connecticut, USA, ist welt-
weit im Drucker-, Kopierer- und Dienstleistungsbereich tätig. Sie wurde 1906 in
Rochester, New York, gegründet und hielt als damalige „The Haloid Company“
das erste Patent zum Schutz der Xerographie, dem damals ersten und einzigen
Verfahren zur automatischen Herstellung von fast layout- und satzidentischen Ko-
pien gedruckter Originale. Die Xerox Corporation hält zum gegenwärtigen Zeit-
punkt 19.732 Patente weltweit; die Forschungszentren in Palo Alto, Kalifornien,
und Grenoble, Frankreich, genießen Weltruf.
Heute bietet Xerox das umfassendste Portfolio von Technologie und Dienstleis-
tungen in Dokumentenmanagement und -produktion. Dazu zählen der klassische
„Bürokopierer“ ebenso wie die digitalen Buchpressen für den Einsatz in professi-
onellen Produktionsumgebungen. Die angebotenen Dokumentendienstleistungen
reichen von kreativer Unterstützung bis zur Übernahme ausgelagerter Druckzent-
ren oder dem Management des gesamten Dokumentenflusses bei Kundenunter-
nehmen. Xerox ist global in 160 Ländern mit 57.400 Mitarbeitern vertreten und
weist einen Umsatz von 17,2 Mrd. US-$ bei einem Gewinn von 1,1 Mrd. US-$ auf
(Stand: Geschäftsjahr 2007).
Zur Einführung des Lean Six Sigma-Programms entschloss sich die Xerox
Corporation im Jahr 2002, nachdem weltweit die „Operation Turnaround“ mit ein-
schneidenden Maßnahmen zur Kostenreduktion und Konsolidierung der Unter-
nehmensergebnisse erfolgreich abgeschlossen worden war. Zu diesem Zeitpunkt
wurde gleichzeitig über die weitere Wachstumsstrategie „Good to Great“ ent-
schieden. In diesem Zusammenhang waren die strategischen Zielsetzungen des
Lean Six Sigma-Programms klar: Der Kundennutzen sollte optimiert, Wachs-
tumschancen ergriffen, Kosten reduziert und die Produktivität gesteigert werden.
Die eigentliche Herausforderung bestand allerdings darin, alle vier Ziele gleichzei-
tig und nachhaltig zu erfüllen.
Der Fokus lag zunächst auf den wirtschaftlichen Ergebnissen: Profitabilität,
Wachstum und Entwicklung neuer Geschäftsfelder, die ihrerseits durch einen ver-
änderten Führungsstil getrieben werden sollten, nämlich ein gemeinsames Ge-
schäftsverständnis und eine Mentalität des kontinuierlichen Lernens. Zu einer
nachhaltigen Erfüllung von Zielen reicht jedoch eine neue Führungsriege und/ o-
der ein neuer Führungsstil allein nicht aus. Vielmehr muss die zukünftige Ausrich-
tung vom gesamten Unternehmen und von allen Menschen in diesem Unterneh-
men getragen werden. Daher sollte der zukünftige Weg auch einen Kulturwandel
bewirken hin zu einer kundenfokussierten Sichtweise, zu einer fakten- und daten-
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 283
Lean Six Sigma ist – im Gegensatz zu Six Sigma – ein relativ neuer und noch
nicht allgemein gebräuchlicher Begriff. Viele verstehen darunter ein „verschlank-
tes Six Sigma” oder ein Konglomerat aus Lean- und Six Sigma-Methoden, die in
einen gemeinsamen Werkzeugkasten „geworfen“ werden, aus dem sich der Pro-
jektleiter bedienen kann. Beide Aspekte sind letztendlich für das richtige Ver-
ständnis von Lean Six Sigma von Bedeutung.
Während Six Sigma traditionell eher bekannt ist als Werkzeug zur Verbesse-
rung und Steuerung der Qualität, wird Lean Manufacturing primär dazu verwen-
det, Geschwindigkeit und Kosten zu optimieren. Eine Verbindung beider Ansätze
hat bereits aus reiner Methodensicht den Vorteil, dass sich beide Methoden gegen-
seitig ergänzen. Eine hohe Qualität, d.h. eine hohe Übereinstimmung der Produkte
oder Dienstleistungen mit den Vorgaben, ermöglicht eine Verringerung der Kos-
ten durch Vermeidung von Nacharbeiten oder durch Vermeidung von Verschrot-
tung und Neuproduktion. Eine hohe Prozessgeschwindigkeit mit niedrigen Kosten
ermöglicht schnellere und kostengünstigere Design- und Optimierungszyklen und
trägt damit ebenfalls zu einer Erhöhung der Qualität bei. Abbildung 2 stellt diesen
Synergieeffekt schematisch dar.
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 285
Dieser Vorteil ist an sich schon ein starkes Argument für die Verbindung beider
Ansätze. Im reinen Projektgeschäft – sowohl intern als auch extern – werden bei
Xerox Methoden aus beiden Werkzeugsammlungen verwendet, wobei die Six
Sigma-Projektphasen Define, Measure, Analyse, Improve, Control (DMAIC) bzw.
Define, Measure, Explore, Design, Implement (DMEDI) den Projektablauf vorge-
ben und innerhalb der Phasen die Instrumente entsprechend angewandt werden.
Infolgedessen fallen beliebige Methoden je nach Nutzen in der jeweiligen Phase
quasi „natürlich“ in den vorgegebenen Rahmen.
Über die reine Projektdurchführung hinaus fasst Xerox Lean Six Sigma als
Managementansatz zur Steuerung taktischer und strategischer Initiativen auf. Im
Tagesgeschäft verzahnt Lean Six Sigma den Kunden mit Strategie, Geschäftser-
gebnis und Prozess. Abbildung 3 zeigt die Verbindungen zwischen dem Kunden
und den Geschäftsergebnissen sowie die einzelnen Komponenten des Lean Six
Sigma-Programms.
Der Anstoß zur Initiierung des Lean Six Sigma-Prozesszyklus kommt direkt
aus dem Geschäftsumfeld, also z.B. aus den Resultaten zur Optimierung der Ge-
schäftsergebnisse aus unterschiedlichen Bereichen, aus dem operativen Geschäft
zum Design neuer Prozesse in neuen Geschäftsfeldern oder aus den unterstützen-
den Bereichen zur Verbesserung der Infrastruktur.
Im Projektauswahlprozess werden mögliche Projekte identifiziert. Dabei wer-
den anhand von den vier Schlüsseldimensionen Kunde, Strategie, Finanzen und
bestehende Prozesse Projektideen generiert, die positiv zum Unternehmenserfolg
beitragen können. Im Allgemeinen sind diese Projektideen noch sehr generell und
umfassend, so dass ein unstrukturiertes Bearbeiten dieser Ideen zum Scheitern
verurteilt wäre. Daher werden sie über einen Selektionsprozess im Hinblick auf
Projektumfang, Dauer und zu erreichende Ziele präzisiert und zu Projekten verfei-
nert. Diese Projekte können dann in etwa drei bis fünf Monaten durchgeführt wer-
286 Jutta Jessenberger
den. Sie werden mit Hilfe einer so genannten „Project Charter“ beschrieben, ei-
nem Auftragsblatt, das dem jeweiligen Projektleiter übergeben wird und in dem
Problembeschreibung, Zielvereinbarung, Zeit- bzw. Terminplan, Projektteam und
der erwartete finanzielle Erfolg festgehalten sind. Alle möglichen Projekte werden
hinsichtlich Durchführbarkeit, Kosten und Nutzen bewertet.
Kunde
Ergebnisse
Strategie Prozess
Business
Projektdurchführung Projektauswahl
Obwohl das Ziel darin besteht, den Beitrag der Projekte möglichst monetär
messbar zu machen, werden bei dieser Projektauswahl auch Projekte mit strategi-
scher Bedeutung berücksichtigt, bei denen der finanzielle Nutzen nicht ohne Wei-
teres bestimmbar ist bzw. bei dem der Erfolg des Projektes nicht unmittelbar an
einem Beitrag zum Unternehmensergebnis ablesbar ist.
Im Anschluss wird dann die Reihenfolge der Abarbeitung der ausgewählten
Projekte, auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit entsprechender Projektleiter und
der vorhandenen Ressourcen, bestimmt.
Zur Projektdurchführung werden die Aufträge an die Projektleiter vergeben,
welche die Projekte unter Anwendung von Six Sigma- und Lean-Methoden steu-
ern und umsetzen. Die Erfolgsmessung geschieht dabei anhand des Beitrags eines
Projekts zur Ergebnisverbesserung und anhand der Steigerung der Kundenzufrie-
denheit, die entweder direkt oder indirekt (am Unternehmenserfolg) abgelesen
werden kann.
Der wichtigste Punkt beim Xerox Lean Six Sigma-Ansatz ist die Einbindung in
den Managementprozess des Unternehmens bei der Projektauswahl. Projektideen
werden anhand der strategischen und taktischen Unternehmensziele in Verbindung
mit den Anforderungen, die durch die Kunden an Xerox herangetragen werden,
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 287
Ein solches positives Ergebnis kann allerdings nur mit einer schnellen und erfolg-
reichen Einführung erzielt werden, bei der sichergestellt ist, dass das Programm
weltweit mit denselben Kriterien sowie mit Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit in
den Managementstandard aufgenommen wird. Zu Beginn der Einführung wurden
dazu vier kritische Erfolgsfaktoren identifiziert, die im Folgenden kurz ausgeführt
werden. Bereits in der Startphase des Programms zeigte sich, dass nur ein Einhal-
ten aller dieser Faktoren gleichzeitig zum gewünschten Erfolg führt. War nur ein
Faktor ungenügend erfüllt, so führte dies zwar nicht zum Scheitern des Lean Six
Sigma-Ansatzes, aber eine stringente Projektarbeit und eine Durchdringung der
entsprechenden Organisation stellte sich umso schwieriger dar.
Von Beginn an war die Unterstützung des Managements zur Einführung des Xe-
rox Lean Six Sigma-Programms gegeben. Die oberste Geschäftsleitung, das Ope-
rations Committee, nahm Lean Six Sigma in die Agenda auf und thematisierte es
immer wieder in der weltweiten Firmenkommunikation – intern wie extern.
Dieses Bekenntnis zum Lean Six Sigma-Programm manifestierte sich dann
praktisch anhand von drei Kernpunkten. Zunächst wurde eine weltweite Manage-
mentschulung durchgeführt, in der alle oberen und mittleren Führungsebenen über
das Ziel und die Vorgehensweise im Lean Six Sigma-Programm informiert wur-
den. Gleichzeitig fand eine ausführliche, weltweite Kommunikation über die neue
Initiative statt, bei der Lean Six Sigma bei allen Mitarbeitern mithilfe von Vorträ-
gen, Bereichsmeetings, Videos und Newslettern bekannt gemacht wurde. Nicht
zuletzt garantierte die Geschäftsleitung, dass die notwendigen Ressourcen zur
Verfügung stehen würden, die zu einer erfolgreichen Einführung notwendig sind.
Ein weiterer wichtiger Faktor war die Nachhaltigkeit und Ernsthaftigkeit bei
dieser Einführung, um zu verhindern, dass das Programm als „flavour of the
month“, also nur als eine neue Managementmode aufgefasst würde. So legte das
Operations Committee großen Wert darauf, dieses Programm tagtäglich vorzule-
ben und immer wieder die Überzeugung zu betonen, dass dieses Programm ein
288 Jutta Jessenberger
wichtiger Baustein für den zukünftigen Geschäftserfolg ist. Das ging soweit, dass
in der Zwischenzeit auch Mitglieder der Geschäftsleitung eine weitergehende
Lean Six Sigma-Schulung absolviert haben und einige sogar als Lean Six Sigma-
Projektleiter zertifiziert sind.
Zentrale • Vision
Koordination Geschä
Geschäfts-
fts- • Commitment
& Training leitung
Projekt-
Projekt- Deployment
sponsoren Manager
• Vollzeit
• Teilzeit im Projekt • Projektauswahl
• Projekt ”Owner” • LSS Ressourcen
Alle Mitarbeiter
• Vision verstehen
Green Belts • Konzepte im Master
Tagesgeschäft anwenden Black Belts
• Teilzeit in Projekten • Vollzeit
• Arbeitet im eigenen Bereich • Coaching
Projektteam-
Projektteam-
mitglieder Black Belts
Aus den einzelnen Organisationen wurden dann Black Belts und Master Black
Belts benannt, die in Vollzeit Projekte leiten. Master Black Belts führen umfang-
reichere Projekte als Black Belts durch, koordinieren evtl. mehrere Black Belt-
Projekte und coachen zusätzlich die ihnen zugeordneten Black Belts. In den ein-
zelnen Regionen wurden im ersten Jahr zunächst 0,5% der Mitarbeiter für Lean
Six Sigma eingesetzt. Ziel ist jetzt, ein „Fließgleichgewicht“ von ca. 1% der Mit-
arbeiter als Black Belts zu erhalten. Die Anzahl der Master Black Belts richtet sich
dabei nach der Führungsspanne in den einzelnen Tochterunternehmen und der
damit verbundenen Reisetätigkeit.
Green Belts sind Projektleiter in Teilzeit und werden vorwiegend in ihren eige-
nen Bereichen zur Prozessverbesserung eingesetzt. Sie stellen etwa 20-30% ihrer
Zeit für die Projektarbeit zur Verfügung und werden von Black Belts betreut. Et-
wa 3,5% der Mitarbeiter sollen zu jedem Zeitpunkt als Green Belts trainiert und
als Projektleiter aktiv sein. Green Belts, Black Belts und Master Black Belts müs-
sen für die Zertifizierung sowohl das Training mit einem damit verbundenen Test
als auch eine gewisse Anzahl von Projekten mit definiertem (finanziellem) Erfolg
erfolgreich absolvieren.
Das Ziel war immer, Lean Six Sigma und die damit verbundenen Begriffe in-
nerhalb des gesamten Unternehmens bekannt zu machen. Für alle Mitarbeiter
wurde aus diesem Grund zusätzlich zu den bekannten Green und Black Belts der
Grad des Yellow Belt eingeführt. Im entsprechenden Training werden die wesent-
lichen Vorgehensweisen, Begriffe und einige Methoden des Programms vermit-
telt, so dass nach und nach eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Ver-
ständnis entstehen. Ziel ist es, möglichst alle Mitarbeiter an einem Yellow Belt-
Training teilnehmen zu lassen. Dazu wurden während der Einführung gestaffelte
Zielquoten pro Jahr vergeben.
Projektsponsoren und -mitglieder sind Mitarbeiter aus dem Unternehmen, die
für jeweils wichtige Projekte identifiziert werden und dann am jeweiligen Projekt
teilnehmen. Der Sponsor ist dabei der Auftraggeber des Projektes, in dessen Ver-
antwortungsbereich der zu optimierende Prozess liegt und der aus diesem Grund
der wichtigste Nutznießer des Projekterfolgs ist. Die Projektmitglieder sind i.d.R.
Experten aus dem Bereich des zu optimierenden Prozesses oder aus angrenzenden
Bereichen und werden ebenfalls in dieser Kombination nur zu einem bestimmten
Projekt herangezogen. Der Zeitbedarf im Projekt beträgt für sie in etwa 10-30%
der Arbeitszeit.
Projektsponsoren kommen üblicherweise aus dem Bereich des mittleren bzw.
höheren Managements und werden ebenfalls in den Grundzügen des Lean Six Sig-
ma-Programms sowie speziell in der Rolle des Projektsponsors trainiert.
In einem stringenten Auswahlprozess, der im Fall von Black Belt- bzw. Master
Black Belt-Positionen bis in die amerikanische Konzernzentrale reicht, werden
Kandidaten für die verschiedenen Funktionen bestimmt. Die erfolgreichen Kandi-
daten durchlaufen dann die entsprechenden Trainings, auf die besonderer Wert ge-
legt wird und deren weltweit einheitlicher Ablauf regelmäßig überarbeitet wird.
So gibt es neben den Trainings für Yellow, Green und Black Belts ebenso Trai-
nings für die Geschäftsleitungen der einzelnen Regionen und Ländergesellschaf-
290 Jutta Jessenberger
ten, für Sponsoren sowie für Repräsentanten des Finanzbereiches, die den finan-
ziellen Erfolg der einzelnen Projekte bestätigen müssen (siehe Abb. 5).
Für die Ausbildung der Black Belts und Green Belts wurden in den ersten zwei
Jahren externe Trainer eingesetzt. Inzwischen können alle Trainings intern mit
Xerox-eigenen Master Black Belts durchgeführt werden.
Bei Xerox gibt es im Lean Six Sigma-Programm zwei wesentliche Projekttypen
– auf der einen Seite handelt es sich um Projekte zur Prozessverbesserung, die mit
dem Projektzyklus DMAIC durchgeführt werden. Auf der anderen Seite existieren
Projekte zur Neugestaltung eines Prozesses, wenn z.B. der betrachtete Prozess
noch nicht existiert bzw. wenn der existierende so ineffizient ist, dass ein komplet-
tes Re-Design notwendig ist. Letzteres wird bei Xerox mit DMEDI durchgeführt.
Weiterhin sind. so genannte DfLSS-Projekte (Design for Lean Six Sigma) be-
kannt, bei denen es sich um Projekte zum Produktdesign handelt, mit deren Hilfe
zusätzlich zur Optimierung oder Neuentwicklung eines Produkts auch der Herstel-
lungsprozess berücksichtigt und möglichst nach der Lean Six Sigma-Philosophie
gestaltet wird.
Die Lean Six Sigma-Grundausbildung für alle Xerox-Mitarbeiter und die zu-
künftigen Projektleiter stützt sich hauptsächlich auf den DMAIC-Zyklus als Basis
zur Erklärung und Vermittlung der Lean Six Sigma-Prinzipien. DMEDI- und
DfLSS-Methoden werden nach erfolgreichem Abschluss der DMAIC-Ausbildung
zusätzlich geschult. Abbildung 5 gibt einen Überblick über die einzelnen Trai-
nings, ihre Dauer und die jeweilige Zertifizierung bei Xerox.
Neben der mit dem Training verbundenen Weiterbildung war und ist eine wei-
tere wichtige Motivation für die Projektleiter in spe das Aufzeigen der weiteren
Karrieremöglichkeiten nach der Tätigkeit als Green oder Black Belt. Eine Zertifi-
zierung wird in der Personalakte vermerkt und trägt – bei internen Besetzungen –
positiv zur Mitarbeiterauswahl bei. Außerdem wird darauf Wert gelegt, dass Mit-
arbeiter auf Managementpositionen zumindest die Green Belt-Schulung absolviert
haben und möglichst auch zertifiziert sind.
Black Belt-Positionen sind per Vorgabe befristet und werden nur mit so ge-
nannten „High Potentials“ besetzt. Ein Mitarbeiter wird als Black Belt ausgebildet
und ist dann ca. 2-3 Jahre als Projektleiter tätig. Danach geht er zurück in das ope-
rative Management. Auf diese Weise wird das eingangs angegebene Ziel des Um-
baus der Xerox-Kultur nachhaltig erreicht.
Neben der sorgfältigen Auswahl der passenden Ressourcen und der dazugehö-
rigen hochwertigen Ausbildung ist ferner die Einbindung der Funktionen in die
Organisation ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Lean Six Sigma-Programms.
Abbildung 6 stellt die derzeitige Lean Six Sigma-Organisation von Xerox dar. Sie
wird direkt vom Chief Financial Officer (CFO) des Konzerns gesteuert.
Die einzelnen Deployment Manager der Regionen berichten an den Vice Presi-
dent Corporate Lean Six Sigma Deployment, der seinerseits an den CFO berichtet.
Wie aus der Abbildung deutlich wird, gibt es Regionen, in denen zusätzliche
Deployment Manager aus den einzelnen Ländern oder Business Units an den je-
weiligen Deployment Manager der Region berichten. Dies ist typischerweise dann
der Fall, wenn die Region sehr groß ist und die Tätigkeit eines einzelnen Deploy-
ment Managers mit entsprechend viel Reisetätigkeit verbunden wäre bzw. wenn
aufgrund kultureller oder sprachlicher Unterschiede eine Steuerung direkt vor Ort
effektiver und effizienter ist. Die Region Europa ist ein solches Beispiel, bei der
292 Jutta Jessenberger
sich aufgrund der Vielzahl der Länder und Kulturen eine regionale Steuerung mit
ländereigenen Deployment Managern bewährt hat.
Anne Mulcahy
Chairman / CEO
Der beste Projektleiter ist zum Scheitern verurteilt, wenn der ihm übertragene Pro-
jektauftrag nicht klar definiert und strukturiert ist und wenn der zu erzielende Er-
folg nicht klar messbar und zudem schlecht abgegrenzt ist. Ein grundlegender und
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 293
immer wieder gemachter Fehler besteht darin, Projekte zu groß oder zu unbe-
stimmt zu wählen. Klassische Beispiele dafür sind Projekte mit dem Ziel einer all-
gemeinen Umsatzsteigerung oder Kostenreduzierung – sie werden auch gerne als
„Welthungerhilfeprojekte“ bezeichnet, da sie so groß sind, dass sie kaum abgear-
beitet werden können. Die Krux bei solchen Projekten besteht darin, dass weder
der Erfolg noch der Misserfolg wirklich direkt auf das entsprechende Projekt zu-
rückgeführt werden kann.
Gerade bei der heute bestehenden Komplexität in vielen Unternehmen und
Branchen wird es nur sehr schwer möglich sein, monokausal ein Projekt für eine
Umsatzsteigerung oder eine Kostenreduzierung im Gesamtunternehmen verant-
wortlich zu machen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, eine Methodik zur Ver-
fügung zu stellen, die aus den in jedem Unternehmen vorhandenen „Welthunger-
hilfeprojekten“ (Teil-)Projekte macht, die in einem angemessenen Zeitraum, mit
einem überschaubaren Projektrahmen und mit definierten Erfolgsmesskriterien
abzuarbeiten sind. Xerox verwendet dazu einen Prozess mit den fünf Schritten:
1. Ansatzpunkte bestimmen (Projektgenerierung)
2. Mögliche Projekte konkretisieren (Projektkonkretisierung)
3. Projekte bewerten (Projektbewertung)
4. Projekte definieren (Projektdefinition) und
5. Projekte priorisieren (Projektpriorisierung).
Während des ersten Schrittes Projektgenerierung werden Ansatzpunkte aus den
Bereichen Kunde, Strategie, finanzielle Ergebnisse und Prozess gewählt. Aus die-
sen Kategorien werden mögliche Projektideen formuliert, die zu diesem Zeitpunkt
u.U. noch den Charakter von „Welthungerhilfeprojekten“ haben.
Die oben angeführten Beispiele einer Umsatzsteigerung oder Kostenreduktion
fallen in den Bereich der finanziellen Ergebnisse. Aus der Kategorie Kunde könn-
te z.B. ein Problem in Bezug auf die (mangelnde) Kundenzufriedenheit oder die
(zu kleine) Wiederkäuferrate identifiziert worden sein, wohingegen aus dem Be-
reich Prozess Unzulänglichkeiten in der Supply Chain oder im Kundendienst auf-
fällig geworden sein könnten. Man wird versuchen, diese unterschiedlichen Berei-
che zu priorisieren. In einer Phase, in der die Resultate weit hinter allen Erwartun-
gen zurückbleiben, wird man sich auf den Bereich der finanziellen Ergebnisse
konzentrieren, dagegen in einer Phase relativer Stabilität und guter Gewinne das
Augenmerk eher auf strategische Fragestellungen richten, um entsprechend gute
Ergebnisse auch in Zukunft sicherstellen zu können.
Während des zweiten Schrittes Projektkonkretisierung geht es darum, mögliche
Projekte aus den einzelnen Bereichen zu skizzieren und die erhofften Ergebnisse
zu konkretisieren. Dazu gibt es verschiedene Methoden – bei einem allgemein er-
gebnisorientierten Ansatz würde man den value tree (Wertbaum) vom Ertrag über
Umsatz und Kosten und die jeweils nachgelagerten Ergebnis- bzw. Kostentreiber
bis auf Kontenebene (wenn notwendig) verfolgen und die Zweige mit den größten
Problemen fokussieren. Stellt sich z.B. heraus, dass der Umsatz eines bestimmten
Produktes oder einer bestimmten Produktgruppe weit hinter den Erwartungen zu-
rückbleibt, wäre dies die erste Konkretisierung. Im Weiteren könnte dann auffällig
sein, dass Marge und Kosten zwar stimmen, aber die verkaufte Menge in einer be-
294 Jutta Jessenberger
stimmten Region nicht ausreicht. Die Nachfrage beim Controller ergibt, dass bei-
spielsweise die Aufträge vorhanden sind, jedoch nicht der Nachfrage entsprechend
abgearbeitet werden können. An dieser Stelle ist wahrscheinlich – je nach Größe
der Region und der Vertriebsstruktur im Unternehmen – ein ausreichender Detail-
lierungsgrad für ein potenziell erfolgreiches Projekt erreicht.
Im zweiten Schritt, der Projektkonkretisierung, versucht man also in jedem Fall
den Teilbereich mit der anteilig größten negativen Wirkung herauszufiltern und
entsprechend das Projekt darauf zu fokussieren. Dies ist nicht in jedem Fall ein-
fach und erfordert häufig bereits vorgelagerte Arbeiten und evtl. vorbereitende
Analysen. Diese Phase ist also durchaus aufwändig und wird deshalb gerne um-
gangen, woraus sich u.a. erklärt, weshalb „Welthungerhilfeprojekte“ so beliebt
sind, die ohne diese Analysearbeit „definiert“ werden können. Output dieses
Schrittes ist eine Reihe von Projektideen, die nun im dritten Schritt des Prozesses
im Hinblick auf Aufwand und Nutzen bewertet werden können.
Im dritten Schritt Projektbewertung werden alle vorhandenen Projektideen
meist mithilfe einer so genannten Kosten-Nutzen-Matrix grob eingeordnet, und
zwar für Aufwand und Nutzen in den Ausprägungen gering, mittel und hoch. Mit-
hilfe der Kosten-Nutzen-Matrix ist es möglich, alle Projektideen schematisch dar-
zustellen und sich einen schnellen Überblick über alle anstehenden Projekte zu
verschaffen. Meist sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt, so dass
nicht alle Projekte gleichzeitig durchgeführt werden können. Ein sinnvoller Ansatz
zur Projektauswahl ist dann, möglichst alle Projekte mit geringem Aufwand und
hohem Nutzen als erste durchzuführen, um mit geringstem Einsatz das Bestmögli-
che zu erreichen. Im folgenden kommt man dann zu den nächst teureren Projek-
ten.
Bei strategisch wichtigen Projekten stößt dieser Ansatz allerdings an seine
Grenzen, da diese Projekte „fast naturgemäß“ einen großen Einsatz, bei allerdings
auch großem Erfolg, erfordern. Die Projektauswahl kann also nicht rein mechanis-
tisch anhand der erwarteten Beiträge und Kosten erfolgen, sondern muss genauso
strategische Aspekte der identifizierten Projektideen abwägen. Am Ende dieser
Phase steht dann eine Liste von Projektideen, die im Weiteren möglichst komplett
abgearbeitet werden.
Erst im vierten Schritt, der Projektdefinition, findet die eigentliche Ausgestal-
tung des Projektes und des Projektauftrages statt. Die ausgewählten Projektideen
werden an die jeweiligen Sponsoren übergeben und diese definieren dann den ge-
nauen Projektauftrag (Projektcharter) mit den Punkten:
• Geschäftserfolg (Business impact)
• Problem/ Chancen (Problem/ Opportunity statement)
• Ziel (Goal statement)
• Projektumfang (Scope)
• Team und
• Projektplan.
In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, gerade während der Einfüh-
rungszeit von Lean Six Sigma den Projektauftrag in Zusammenarbeit zwischen
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 295
che Befugnisse das Projektteam hat, etwa in Bezug auf Budget, auf eine Verände-
rung der bestehenden Prozesse, auf Kunden- oder Lieferantenverträge usw.
Auch die Zusammensetzung des Teams ist nahezu komplett aus den definierten
Anforderungen abzulesen. Dabei sollte man an dieser Stelle zunächst die Funktio-
nen der Teammitglieder spezifizieren. Die namentliche Nennung erfolgt erst im
fünften Schritt der Projektgenerierung, da erst dann mögliche zeitliche Einschrän-
kungen oder Verfügbarkeiten bekannt sind. Sinnvoll ist weiterhin eine Vorgabe
des voraussichtlichen Zeitbedarfs der Teammitglieder, um den Aufwand auch für
das operative Management transparent zu machen. Der Projektplan wird ebenfalls
an dieser Stelle in den Grundzügen mit der vorgesehenen Dauer der einzelnen Pro-
jektphasen festgelegt.
Insgesamt zeichnet sich ein guter Projektauftrag durch möglichst viele Details
und eine konkrete, messbare Aufgabenstellung aus. Dabei ist allerdings zu berück-
sichtigen, dass er auch ein „lebendes“ Dokument darstellt. Änderungen im Verlauf
des Projektes sind normal, z.B. durch Bekanntwerden neuer Informationen, Ände-
rungen im Projektteam oder eine notwendige Anpassung der vorhergesagten Re-
sultate.
Der fünfte und letzte Schritt in der Projektauswahl ist die Projektpriorisierung.
In diesem Schritt werden die konkreten Projektvorschläge in einem Projektplan
zur Abarbeitung zeitlich eingeplant, und zwar unter Berücksichtigung der Wich-
tigkeit der einzelnen Projekte und der verfügbaren Ressourcen. Hier kann eben-
falls noch einmal eine Bewertung der einzelnen Projekte nach bestimmten Krite-
rien erfolgen und der Kosten-/ Nutzen-Beitrag daraufhin neu bestimmt werden.
Am Ende des Projektauswahlprozesses steht eine „Projektpipeline“ mit fertig
ausformulierten Projektaufträgen und einem Plan zu deren Umsetzung. Natürlich
ist diese Projektpipeline nicht statisch, sondern ebenso wie die Projektcharter ein
„lebendes“ Objekt. Durch Veränderungen im Unternehmen, in der Branche, im
Umfeld oder durch neue Vorgaben werden immer wieder neue Projektideen und
Projekte entstehen, die in die Pipeline einzuordnen sind. Es werden evtl. bereits
bestehende und geplante Projekte wieder eingestellt, da sie nicht länger von der
ursprünglich bestimmten Wichtigkeit sind. Der Prozess der Projektauswahl ist al-
so ein zyklischer Vorgang, der sich jeweils an die sich möglicherweise ändernden
Erfordernisse und Gegebenheiten anpassen muss.
Der letzte Faktor für eine erfolgreiche Einführung von Lean Six Sigma besteht in
der stringenten und disziplinierten Umsetzung der definierten Projekte.
Insgesamt gibt es eine Reihe von Maßnahmen, welche die Disziplin und Aus-
führung von Lean Six Sigma-Projekten unterstützen. Die Strukturierung eines
Lean Six Sigma-Projekts in fünf Phasen DMAIC oder DMEDI gibt dabei schon
einen zweckmäßigen Rahmen zur Abarbeitung vor. Die Endpunkte dieser Phasen
werden jeweils mit erfolgreich bestandenen „Tollgate-Reviews“ abgenommen.
Zudem bieten ein Computersystem (Project Tracking System) sowie regelmäßige
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 297
DMAIC DMEDI
Ziel: Verbesserung eines Ziel: Neuentwicklung eines benötigten
bestehenden Prozesses Define Prozesses
Define Define
! Definition des Projektinhalts, ! wie DMAIC
-umfangs und -dauer Measure
Measure Measure ! Messung/Bestimmung der
! Messung der aktuellen Kundenbedürfnisse/-wünsche
Prozeßkapazität Explore
Analyze Analyze/ ! Entwicklung von Beurteilungskriterien
! Analyse von Ursachen der Explore („design concepts“) zur Lösungserstellung
Prozeßprobleme an Hand von Develop
Daten
! Generierung von möglichen Lösungen,
Improve Improve/ Entwicklung und Optimierung eines detail-
! Verbesserung des Prozesses Develop lierten, neuen Prozeßdesigns im Sinne der
u.a. durch Verschlankung zuvor bestimmten Beurteilungskriterien
Control Implement
! Kontrolle des verbesserten Control/ ! Konzeption und Durchführung eines Piloten
Prozesses Implement zur Überprüfung des neuen Prozesses,
Aufsetzen von Kontrollmechanismen und
Einführung im täglichen Ablauf.
reichen Absolvieren des Tollgates erforderlich sind, und das Projektteam muss
entsprechende Nacharbeiten durchführen.
Einen weiteren Beitrag für eine disziplinierte Projektabwicklung bei Xerox
wird durch das so genannte Project Tracking System geliefert. In dieses IT-
gestützte System werden alle Lean Six Sigma-Projekte eingetragen, die weltweit
im Unternehmen Xerox durchgeführt werden. Erfasst werden dort die Projektauf-
träge mit den sechs Unterpunkten, finanzielle Resultate und Projektdokumentatio-
nen mit einer Suchfunktion, so dass es auch als Nachschlagewerk für ähnliche
Projekte verwendet werden kann. Gleichzeitig werden in das Project Tracking
System auch die Projektpläne eingetragen, so dass überprüfbar ist, in welchem
Status sich ein Projekt befindet. Den Deployment Managern dient das System als
Steuerungsinstrument und ist Grundlage für Business Reviews. Die Hauptaufga-
ben sind also:
• Verwaltung der Projektpipeline
• Überblick über bestehende Projekte mit deren Status und ihrem erwarteten fi-
nanziellen Beitrag
• Workflow-Funktionalität mit Benachrichtigungsfunktion und
• Operatives Reporting.
Natürlich gilt auch für dieses System, dass es nur so gut sein kann, wie die
Qualität der in ihm enthaltenen Daten. Aus diesem Grund ist eine disziplinierte
Datenpflege und ein Fokus auf korrekte Dateneingabe unerlässlich. Letztendlich
sind auch die turnusgemäß stattfindenden Coachings durch Master Black Belts,
Black Belts und Deployment Manager für alle Projektleiter eine Hilfestellung für
eine disziplinierte Ausführung der Projekte.
Das Lean Six Sigma-Programm wurde 2003 weltweit eingeführt, beginnend mit
den USA. Von Anfang an bestand das Ziel darin, Lean Six Sigma nicht nur in ei-
nigen Bereichen, sondern im gesamten Unternehmen „auszurollen“. Abbildung 8
zeigt die Bereiche für das unternehmensweite Deployment. Den Hintergrund bil-
dete dabei der Wunsch, die Methoden nicht nur als Werkzeuge zur Effizienzstei-
gerung einzusetzen, sondern sie entlang der gesamten Wertschöpfungskette und
der unterstützenden Bereiche als unternehmensweite Strategie zur Schaffung von
Mehrwert anzuwenden.
Inzwischen konnte Xerox so viel Erfahrung im Einsatz dieser Techniken sam-
meln, dass diese Methodik auch beim Kunden für den Kunden i.S.v. „At the
customer for the customer“ entweder im Rahmen eines mit Xerox abgeschlosse-
nen Druck-/ Dienstleistungsvertrags oder eigenständig sehr erfolgreich als Bera-
tungsleistung angeboten wird.
300 Jutta Jessenberger
Finanzen
Infrastruktur
Customer
Administration Xerox Communications
Operations Information
Technologies
Engineering Produktion
Abb. 8: Bereiche für das unternehmensweite Deployment von Lean Six Sigma
Sponsor Training
Deployment
BB Training
GB Training
MBB Training
DFLSS
Lean
Lean Six
Six Sigma
Sigma – Steuerung
Steuerung
Während der Startphase Ende 2002 lag der Fokus zunächst auf einer unterneh-
mensweiten Kommunikation in den Führungsebenen. So fanden weltweit Leader-
ship Trainings statt mit dem Ziel, die Ideen und Konzepte und natürlich auch den
Einführung von Lean Six Sigma bei Xerox 301
Grund zur Einführung von Lean Six Sigma auf Geschäftsleitungsebene zu erklä-
ren. Kurze Zeit später, zur Vorbereitung auf die ersten Projekte, wurden die Lei-
tungsteams der Regionen, Länder und Geschäftsbereiche in einem Training für
Sponsoren über ihre Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereiche geschult. Dieses
Sponsoren-Training wurde dann auf die zweite Führungsebene innerhalb der Län-
der ausgedehnt.
Im Januar 2003 startete das erste (US-)amerikanische Black Belt-Training, kur-
ze Zeit später gefolgt vom ersten europäischen Black Belt-Training, an dem Mit-
arbeiter aus allen großen europäischen Xerox-Gesellschaften teilnahmen. Im Juni
2003 fanden dann die ersten Green Belt-Trainings in Amerika statt; die ersten
deutschen Teilnehmer nahmen im Juni 2004 an europäischen Schulungen teil. Die
Zeittafel in Abbildung 10 vermittelt einen Eindruck über Trainings, Trainingsorte
und Teilnehmerzahlen in Deutschland.
Bei Xerox Deutschland befinden sich Ende 2006 11 trainierte Black Belts, von
denen einige bereits wieder ins operative Geschäft zurückgegangen sind, 60 Green
Belts und 20 Manager der höheren und mittleren Führungsebene, die an einer Le-
ader/ Sponsor-Schulung teilgenommen haben. Über 80% aller Mitarbeiter haben
ein Yellow Belt-Training absolviert.
6 Lessons Learned
Die große Herausforderung bei Xerox bestand nicht darin, die in Kapitel 4 ge-
nannten Erfolgsfaktoren konstruktiv in die Einführung des Lean Six Sigma-Pro-
gramms mit einzubeziehen. Sie bestand vielmehr darin, sie von der Geschäftsfüh-
rung in den USA weltweit mit derselben Intensität in die einzelnen Regionen und
Länder zu bringen, und sie dann innerhalb der Länder durch die Hierarchiestufen
bis zum einzelnen Mitarbeiter weiterzugeben. Die Wichtigkeit einer stringenten
Kommunikationsstrategie kann hierbei nur unterstrichen werden. Erfolgreich war
302 Jutta Jessenberger
Während dieser Phase wurden übrigens einige Lean Six Sigma-Projekte durch-
geführt zur Verbesserung der Lean Six Sigma-Einführung, so dass das Programm
selbst die Instrumente für die eigene Optimierung zur Verfügung stellte.
Inzwischen befindet sich Xerox auf der „Langstrecke“, was die Einführung von
Lean Six Sigma betrifft. Die Herausforderung ist nun eher, die Konzepte und I-
deen weiter voran zu treiben, die Methodik immer weiter zu verbessern und neu
zu aktualisieren sowie die Anfangserfolge in nachhaltige Managementstrategien
zu wandeln. Dazu ist es wichtig, die Produktivität des Lean Six Sigma-Programms
zu erhalten, Mehrwert für den Kunden zu schaffen und damit auch das Wachstum
des Unternehmens zu beschleunigen. Dies geschieht durch
• Intensivierung der Kundenbeziehung durch gemeinsame Projekte,
• Fokus auf Innovation und
• Ausweitung der Lean Six Sigma-Prinzipien auf Lieferanten.
Seit seiner Einführung hat Lean Six Sigma bei Xerox seine Leistungsfähigkeit
und Wichtigkeit bewiesen. Bereits im ersten Jahr haben sich die Investitionen
durch die erzielten Resultate, welche erreicht wurden durch Lean Six Sigma, a-
mortisiert. In den folgenden Jahren hat das Programm wesentliche Beiträge zum
Geschäftserfolg geleistet. Natürlich gab es auch bei Xerox die eine oder andere
Schwierigkeit bei der Einführung. Insgesamt war aber die Einführung des Lean
Six Sigma-Programms sehr erfolgreich und ein wichtiger Beitrag für den Erfolg
des ganzen Unternehmens, wie auch das Zitat von Anne Mulcahy belegt:
„What I worry most about is how to return Xerox to greatness… Lean Six Sig-
ma is not the only answer, but it’s a significant part of the equation. Lean Six
Sigma is incredibly different ... “
Integration von Design for Six Sigma in den
Produktentstehungsprozess bei Siemens VDO
Achim Schmidt
Inhalt
1 Verständnis und Definition von Six Sigma bei Siemens VDO ................305
2 Six Sigma bei Diesel Systems..................................................................307
2.1 Das Piezo-Common-Rail-Einspritzsystem...............................................307
2.2 Implementierung von Six Sigma bei Diesel Systems...............................309
2.3 Systematische Umsetzung der Kundenanforderungen .............................310
3 Design for Six Sigma-Implementierung bei der Systementwicklung ......311
3.1 Entwicklungsprozess und Design for Six Sigma-Ansatz .........................312
3.2 Methodenbeschreibung für den operativen Einsatz..................................313
3.3 Anforderungsmanagement bei System-Projekten ....................................314
3.4 Die wichtigsten Werkzeuge im Pilotprojekt.............................................316
3.5 Ergebnisse des Pilotprojektes...................................................................319
4 Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Etablierung von
Design for Six Sigma ...............................................................................320
1 Dies gilt auch weiterhin, nachdem das Unternehmen Ende 2007 von der Continental AG
gekauft wurde und jetzt Bestandteil dieses Konzerns ist.
2 WIP = World Class Improvement Program.
306 Achim Schmidt
To-Cost auf. Six Sigma ist ein integraler Bestandteil der top+ Quality Initiative
mit dem Ziel einer stetigen und systematischen Verbesserung der Prozess- und
Produktqualität zum Vorteil der Kunden.
Zum Erreichen von einwandfreier Qualität bei hoch innovativen Produkten
wurde im Rahmen der top+Quality Initiative ein 6-Schritte Vorgehen eingeführt
(siehe Abb. 1). Hierbei handelt es sich um ein durchgängiges und systematisches
Konzept, anhand dessen Verbesserungen nachhaltig durchgeführt werden können.
Bei den Schritten 1-3 des sechsstufigen Vorgehens werden die Verbesserungs-
ziele im Hinblick auf die Senkung der Fehlleistungskosten und die Steigerung des
Kundennutzens festgelegt. Dabei werden die Hauptproblemfelder identifiziert, die
Verbesserungshebel im Leitungskreis bestimmt und Verbesserungsprojekte mit
Prozesszielen initiiert. Im Rahmen der Schritte 4-5 erfolgt die systematische Erar-
beitung und Umsetzung von Maßnahmen auf Prozessebene. Hierzu werden Six
Sigma Verbesserungsprojekte durchgeführt (siehe Abb. 2). Bei Schritt 6 erfolgt
eine regelmäßige Überprüfung der Zielerreichung im Leitungskreis, und es wer-
den bei Bedarf die entsprechenden Konsequenzen eingeleitet.
Eine wichtige Basis für die erfolgreiche Umsetzung des 6-Schritte-Vorgehens
ist die aktive Gestaltung der drei Erfolgsfaktoren Transparenz, Unterstützung
durch das Management sowie Qualifizierung und Training.
Integration von Design for Six Sigma in den Produktentstehungsprozess 307
Der Bereich Diesel Systems von Siemens VDO entwickelt hochwertige Produkte
und Systeme für Common-Rail-Motoren. Neben mehr Fahrspaß und Dynamik
steht hier auch der verantwortungsvolle Umgang mit der Umwelt im Vordergrund.
Mithilfe der innovativen Technik im Bereich der Motorsteuerelektronik, der Pie-
zo-Diesel-Einspritzung, Sensorik und Aktuatorik können die Motorleistung ver-
bessert und der Verbrauch sowie die Emissionen des Dieselmotors reduziert wer-
den. Das Piezo-Common-Rail-Einspritzsystem steht im Vordergrund der ersten
DFSS-Anwendungen bei Siemens VDO Diesel Systems.
Im Juni 2003 wurde Six Sigma bei Siemens VDO Diesel Systems implementiert.
Die Historie der Entwicklung von Six Sigma-Projekten bei Diesel Systems ist in
Abbildung 4 visualisiert. Zu Beginn der Six Sigma-Implementierung lag der Fo-
kus auf der Analyse und Verbesserung von Produktions- und Logistikprozessen.
Dabei standen Qualität, Kosten und Liefertreue im Vordergrund. Die Projekte
wurden mit der klassischen Six Sigma-DMAIC-Methodik abgearbeitet. Ein Jahr
nach der Einführung von Six Sigma bei Diesel Systems lag das Niveau der Ein-
sparungen bereits über dem Zehnfachen der Trainingskosten.
Abb. 4: Historie von Six Sigma-Projekten bei Siemens VDO Diesel Systems
Das erste Design for Six Sigma-Projekt bei Diesel Systems wurde im Sommer
2003 gestartet. Gegenstand des Projektes war die Entwicklung eines Messverfah-
rens für Piezo-Aktuatoren. Der Design for Six Sigma-Ansatz war bei diesem Pro-
jekt erforderlich, da es sich bei dem Messsystem um eine Neuentwicklung und
nicht um eine Verbesserung eines bestehenden Systems handelte. Seit Sommer
2004 wird die DFSS Methodik in der Entwicklung von Einzelkomponenten für
das Einspritzsystem eingesetzt. Der Schwerpunkt lag zunächst bei der Vermei-
dung von Produkt- oder Prozessproblemen und bei der Erstellung eines robusten
Designs, d.h. eines Designs, das besonders unanfällig gegenüber dem Auftreten
von Störgrößen ist.
310 Achim Schmidt
Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines neuen Produkts ist die Um-
setzung der geforderten Produkteigenschaften. Funktionale Merkmale und Merk-
male, die im Zusammenhang mit der Sicherheit und Zuverlässigkeit stehen, wer-
den dabei besonders berücksichtigt. Die Anforderungen, Erwartungen und
Wünsche an das geplante Produkt werden in einem Lastenheft dokumentiert, das
aus Anwendersicht beschreibt, was und wofür das Produkt zu entwickeln ist.
Bei der Entwicklung von Produkten, die aus mehreren Komponenten4 bestehen,
werden üblicherweise zunächst bei der Komponentenentwicklung die Anforde-
rungen umgesetzt. Die Integration der Komponenten zu einem Gesamtsystem er-
folgt erst in einem nachfolgenden Schritt. Dieses klassische Vorgehen birgt die
Gefahr, dass jede Komponente nur für sich optimiert wird und Wechselwirkungen
zwischen den Komponenten nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt werden.
Dies hat zur Folge, dass das Gesamtsystem nicht die geforderten Funktions- und
Leistungsanforderungen erfüllt, oder aufgrund von Suboptimierungen einzelner
Komponenten einen unerwünscht hohen Komplexitätsgrad aufweist. Die Optimie-
rung des Gesamtsystems in Hinblick auf die vom Kunden geforderten Funktions-
und Leistungsanforderungen sowie die behördlichen und gesetzlichen Anforde-
rungen erfordern einen ganzheitlichen Ansatz.
Bei einem solchen Ansatz werden, wie in Abbildung 5 skizziert, die Kundenan-
forderungen zunächst in funktionale Anforderungen auf Systemebene umgesetzt.
Die Anforderungen, die nötig sind, um die gewünschten Systemfunktionen zu ge-
währleisten, werden vom Gesamtsystem an die jeweiligen Komponenten weiter-
gegeben. Auf Komponentenebene werden die Anforderungen genauer spezifiziert
und beim Design berücksichtigt. Die Funktion sowie das Zusammenspiel der
Komponenten des Gesamtsystems werden anschließend getestet und optimiert.
Schließlich wird geprüft, ob die Systemfunktionalität den Kundenwünschen ent-
spricht.
3 Grenzwerte bei Stickoxiden und Feinstaubpartikeln sind gemäß der europäischen und
amerikanischen Emissionsvorschriften Euro 5 und US Tier 2 einzuhalten.
4 Hardware, Software und/ oder Teilsysteme.
Integration von Design for Six Sigma in den Produktentstehungsprozess 311
Capability Flow-Up
* CT-Merkmale: CTS ... Critical to Satisfaction/ CTQ ... Critical to Quality
Nach einer Abgrenzung von Produktentstehungsprozess und Design for Six Sigma
wird in diesem Abschnitt näher auf die Konzeption und Inhalte des IDOV-Zyklus
eingegangen. Dabei handelt es sich um einen in der Literatur diskutierten und in
der Praxis genutzten DFSS-Problemlösungszyklus. Anhand des Pilotprojektes im
Bereich Diesel Systems werden wichtige Methoden und Werkzeuge aufgezeigt.
312 Achim Schmidt
Wie bereits in Abschnitt 2.3 erläutert wurde, ist eine der wichtigsten Vorausset-
zungen für den Erfolg von Entwicklungsprojekten die konsequente Umsetzung der
Anforderungen, die an das zu entwickelnde Produkt gestellt werden. Der Informa-
tionsfluss bezüglich der Anforderungen in den DFSS-Phasen Identify, Design,
Optimize und Validate ist exemplarisch in Abbildung 8 dargestellt. Abbildung 9
enthält einen Überblick über die in den Phasen Identify und Design verwendeten
Werkzeuge.
Im Rahmen eines Pilotprojektes wurde der Einsatz von Design for Six Sigma auf
Systemebene getestet. Bei diesem Pilotprojekt handelt es sich um die Entwicklung
eines Piezo-Common-Rail-Diesel-Einspritzsystems, das die gestiegenen Euro-5-
Abgasanforderungen erfüllen soll.
Eingesetzte Werkzeuge in den Phasen Identify und Design
In den Phasen Identify und Design des Projektes wurden die Kundenanforderun-
gen und die gesetzlichen Anforderungen in Systemfunktionen übersetzt. An-
schließend wurden die Anforderungen des Systems an die Komponenten Injektor,
Pumpe, Hochdruckleitung (Common-Rail), Hochdrucksensor und elektronische
Motorsteuerung (ECU) weitergeleitet.
Außer den in Abschnitt 3.3 beschriebenen Werkzeugen (Kano-Modell, CTQ-
Treiberbaum, House of Quality) wurden in den Phasen Identify und Design weite-
re Standardwerkzeuge des Entwicklungsprozesses wie beispielsweise FMEA,
Test, Simulation, Design to Target Cost und Benchmarking verwendet (siehe Abb.
10).
Integration von Design for Six Sigma in den Produktentstehungsprozess 317
Abb. 10: Eingesetzte Werkzeuge in den Phasen Identify und Design im Pilotprojekt
Abb. 11: Eingesetzte Werkzeuge in den Phasen Optimize und Validate im Pilotprojekt
318 Achim Schmidt
Die Eingangssignale des Systems werden über die Steuergrößen in die ge-
wünschte Ausgangsgröße konvertiert. Die Steuergrößen sind typischerweise Pa-
rameter, die durch Design, Material oder Prozesse bestimmt werden. Fehlerhafte
Zustände sind unerwünschte Effekte und Zustände, die beim Betrieb des Produkts
auftreten können. Störgrößen sind Einflussfaktoren, die das Design beeinflussen,
aber nicht durch den Entwickler unter Kontrolle gebracht werden können. Hierzu
zählen beispielsweise folgende Faktoren: Teil-zu-Teil-Streuung, Änderung über
Zeit, Einsatz beim Kunden, externe Einflüsse (z.B. Umwelteinflüsse) und System-
einflüsse. Ein System ist dann robust, wenn die Störgrößen nur einen geringen
Einfluss auf die ideale Ausgangsfunktion haben.
Robustness-and-Reliability-Checklist (RRCL)
In der Validate-Phase erfolgt die Validierung der Produktqualität und der Prozess-
fähigkeit hinsichtlich der Erfüllung der Kundenanforderungen. Ein wichtiges
Werkzeug in der Validierungs-Phase ist die RRCL. Dieses Werkzeug zeigt die
Zusammenhänge zwischen der gewünschten Ausgangsfunktion und den Störgrö-
ßen sowie den fehlerhaften Zuständen auf. Das Werkzeug ist somit eine wertvolle
Grundlage zur Erarbeitung eines optimierten Versuchprogramms. Mithilfe der
RRCL werden die Zusammenhänge zwischen den Störgrößen, den fehlerhaften
Zuständen und den Verifikationsmethoden erarbeitet.
Dazu wird basierend auf den Ergebnissen des Parameter-Diagramms eine Mat-
rix erstellt. Diese Matrix enthält Informationen darüber, welche erwünschten
Funktionalitäten, Fehlfunktionen, Einflussgrößen sowie Wechselwirkungen in
welchen Tests untersucht werden können. Das Versuchsprogramm wird im Hin-
blick auf einen möglichst großen Informationsgehalt der Tests bei möglichst ge-
ringem Versuchsaufwand optimiert. Basierend auf den Ergebnissen der RRCL
wird ein Validierungsplan erstellt, der eine Beschreibung der Validierungstests in-
klusive Terminplan enthält.
Nach unseren Erfahrungen ist die Integration von Design for Six Sigma in den
Produktentwicklungsprozess der „richtige Weg“ zu einem robusten Design und
zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit.
Die Verkettung von DFSS-Methoden und -Werkzeugen ermöglicht einen lü-
ckenlosen Informationsfluss der Qualitäts- und Leistungsanforderungen vom Sys-
tem bis zu den einzelnen Komponenten. Mithilfe der Robust-Design-Methodik
wird das Design so optimiert, dass das Produkt weniger sensitiv gegenüber un-
vermeidbaren Streuungen von Eingangsgrößen ist und die Variabilität des Pro-
duktverhaltens verringert wird. Damit wird das Produktverhalten besser vorher-
sagbar. Anhand eines Validierungsprogramms wird jeweils abschließend
überprüft, ob das Produkt die Kundenwünsche erfüllt.
Bei der Einführung von Design for Six Sigma haben sich sechs Erfolgsfaktoren
herauskristallisiert, die im Folgenden kurz benannt werden:
1. Integration in den bestehenden Entwicklungsprozess
Die Komponenten- und Systementwicklung erfolgt anhand eines etablierten Ent-
wicklungsprozesses, der beschreibt, welche Maßnahmen in den jeweiligen Pro-
jektphasen durchgeführt und welche Ressourcen dafür benötigt werden. Design
for Six Sigma ist kein separater Prozess, sondern eine Ergänzung des Entwick-
lungsprozesses. Es liefert die für die Entwicklung notwendigen Werkzeuge und
verkettet diese in einer geeigneten Form miteinander. Die Bereitstellung von pra-
xiserprobten Werkzeugen erhöht die Akzeptanz bei den Anwendern.
2. Fokus auf den Nutzen des Kunden
Mit dem DFSS-Ansatz werden die Kundenanforderungen identifiziert und priori-
siert, bevor mit dem eigentlichen Design begonnen wird. Diese Anforderungen als
Critical-To-Satisfaction (CTS) und Critical-To-Quality (CTQ) werden mit den
Kostenfaktoren als Critical-To-Cost (CTC) kombiniert, damit eine kostenoptimale
Design-Lösung gefunden wird, die den Anforderungen entspricht.
3. Transparenz der Kundenanforderungen
Durch die Verknüpfung der Werkzeuge Kano-Modell, Treiberbaum, House of
Quality und Interaktionsmatrix ergibt sich ein durchgängiger und nachvollziehba-
rer Informationsfluss der Leistungs- und Qualitätsanforderungen, welcher vom
Gesamtsystem bis zu den einzelnen Komponenten reicht. Die Erhöhung der
Transparenz bei der Umsetzung der Kundenanforderungen und die engere Einbe-
Integration von Design for Six Sigma in den Produktentstehungsprozess 321
ziehung des Kunden in den Entwicklungsprozess wirken sich positiv auf die Kun-
denzufriedenheit aus.
4. Einheitliche und nachvollziehbare Dokumentation
Viele DFSS-Werkzeuge können direkt zur Dokumentation herangezogen werden.
Dadurch wird zusätzlicher Dokumentationsaufwand vermieden und die Dokumen-
tation wird vereinheitlicht. Letzteres erleichtert den Wissenstransfer, sowohl in-
nerhalb des Projektteams als auch von Projekt zu Projekt.
5. Effiziente Kommunikation, gemeinsame Sprache und Standards
Der Einsatz der DFSS-Werkzeuge erfordert nicht nur eine interdisziplinäre, son-
dern vor allem eine intensive Teamarbeit. Sie fördert die Kommunikation inner-
halb des Projektteams. Die durch den DFSS-Ansatz definierten Informationspfade
führen zu einer einheitlichen und effizienten Kommunikation.
6. Qualifizierung der Mitarbeiter durch Training-on-the-Job
Eine einmalige DFSS-Schulung kann Mitarbeitern des Projektteams zwar einen
groben Überblick verschaffen, aber für die Anwendung in der Praxis ist ein sol-
ches Training i.d.R. nicht ausreichend. Daher ist es notwendig, dass Six Sigma-
Spezialisten, wie z.B. Master Black Belts oder erfahrene Black Belts, Teilmodule
aus dem DFSS-Portfolio bedarfsgerecht schulen, die im konkreten Projekt ange-
wendet werden. Bei der Anwendung der Werkzeuge ist ein Coaching der Teams
durch (Master) Black Belts erforderlich. Durch kontinuierliches Lernen und stän-
dige Verbesserungen wird der durchschnittliche Wissensstand innerhalb der Orga-
nisation Schritt für Schritt angehoben.
Bedeutung und Messung der Unternehmens-
kultur für Lean Six Sigma bei Lilly Deutschland
Inhalt
Konzepte Lean Management und Six Sigma zurückzuführen. Auf der einen Seite
zielt der Lean Management Ansatz auf eine Identifikation nicht wertschöpfender
Aktivitäten ab, um diese zu beseitigen und eine Steigerung der Wertschöpfung,
d.h. eine höhere Qualität und einen höheren Wert für den Kunden, herbeizuführen
(vgl. Arnheiter/ Maleyeff 2005, S. 11f.). Auf der anderen Seite strebt Six Sigma
nach einer Senkung von Abweichungen im Produktionsprozess, um die Produkt-
qualität zu perfektionieren und damit den Kundenbedürfnissen zu entsprechen.
Durch die Synthese von Lean Management und Six Sigma können die Schwä-
chen des jeweils anderen Konzeptes ausbalanciert und der größte Wettbewerbs-
vorteil für ein Unternehmen erzielt werden (siehe Abb. 1).
Niedrige Kosten
Unternehmens-
perspektive
Six Sigma
Lean Management
Lean Six Sigma
Hohe Kosten
Die Integration der beiden Konzepte ist ausführlich in den ersten beiden Arti-
keln dieses Buches angesprochen worden.
Für eine erfolgreiche Einführung der Kombination von Lean Management und
Six Sigma steigen die Anforderungen an die Unternehmenskultur. Eine Grundvor-
aussetzung aus dem Lean Management stellen unternehmerisch denkende und
handelnde Mitarbeiter dar. Damit die ganzheitliche Optimierung eines Unterneh-
mens – nicht nur einzelner Bereiche oder Prozesse – gelingt (vgl. Drew et al.
2004, S. 37; Springer/ Schulz 2007, S. 69), wird der Intellekt jedes einzelnen Mit-
arbeiter genutzt, um auftretende Probleme zu erkennen, unmittelbar zu lösen, Ri-
siken zu antizipieren und Verbesserungen sowie Innovationen unter Berücksichti-
gung der kritischen Kundenanforderungen (CTQs) hervorzubringen (vgl. Hamel
2006, S. 22f.).
Diese wesentliche Anforderung an die Unternehmenskultur alleine reicht je-
doch nicht, denn in der Kombination mit Six Sigma entstehen weitere Anforde-
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 325
z.B. Einstellungen,
Normen und Werte
Überzeugungen, Strategie
Diese tiefer liegende Schicht der Grundannahmen – als durch Lernprozesse ent-
standene Beziehungen zur Umwelt und zum sozialen Umfeld – besteht bei einer
Lean Six Sigma-Organisation vor allem aus dem Primat der Fehlerfreiheit in der
Wertschöpfung, dem Glauben an die Veränderungsfähigkeit und -notwendigkeit
von Organisationen sowie dem Verständnis, dass alle realen Phänomene Struktu-
ren aufweisen und deshalb ein Muster erkennen lassen (vgl. Töpfer 2007, S. 296).
Am Beispiel von Lilly in Deutschland soll im Folgenden aufgezeigt werden,
wie sich die Kultur eines Unternehmens in der pharmazeutischen Industrie dar-
stellt und wie die Kulturebenen gemessen werden können, um den Reifegrad für
die Einführung von Lean Six Sigma zu bestimmen.
Die Entscheidung zur Einführung von Lean Six Sigma fiel im Lilly Konzern Ende
2004 und wurde durch den CEO Sidney Taurel und ein Benchmark mit ITT (In-
ternational Telephone and Telegraph Corporation), in dessen Aufsichtsrat Taurel
seit Ende der 90er Jahre wirkt, initiiert (vgl. Stein 2005, S. 67). Hauptmotive, die
in der Ausgabe des weltweiten „Focus magazine“ im dritten Quartal 2004 veröf-
fentlicht wurden, waren (vgl. Lilly 2004; Stein 2005, S. 68):
• Erhöhung der Qualität („elevating quality“)
• Abbau/ Beseitigung von Verschwendung („reducing waste“)
• Steigerung der Produktivität („increasing productivity“).
Diese drei Ziele wurden als Positionierung „Six Sigma is how we will con-
stantly improve our performance and more effectively serve the interest of the pa-
tient“ (Lilly 2005; vgl. Stein 2005, S. 70) formuliert. Insgesamt wurde Lean Six
Sigma damit als geeignetes Instrument für kontinuierliche Verbesserung der Wert-
schöpfung für den Kunden (hier: Patient) identifiziert, um die Lücke zu den ge-
planten langfristigen Gewinnzielen zu schließen. Die beiden kulturellen Dimensi-
onen Veränderungsbereitschaft und Kundenorientierung rückten in den
Vordergrund.
Da eine Unternehmenskultur bereits mit der Gründung eines Unternehmens
entsteht und die Ausdifferenzierung sich nach der Entwicklungsgeschichte richtet
(vgl. Sackmann 2004, S. 24), müssen neben der Ausgangssituation von Lilly bei
der Einführung von Lean Six Sigma auch historisch gewachsene Werte beleuchtet
werden. Denn die Kultur von Lilly als Gesamtkonzern hat sich aus vergangenen
Erfahrungen entwickelt und ist wie bei anderen Unternehmen auch geprägt durch
ihre Geschichte, Umwelt und einflussreiche Führungskräfte (vgl. Dierkes 1989, S.
19; zur Wirkungsmacht von Führungskräften vgl. auch Dorow 2007, S. 53).
Eli Lilly and Company wurde 1876 vom Colonel Eli Lilly in Indianapolis, Indi-
ana (USA), gegründet, dort wo sich noch heute die Firmenzentrale und die kultu-
relle Keimzelle befinden (vgl. Colville/ Murphy 2006, S. 664). Mit einer weltwei-
ten Belegschaft von rund 42.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 15,7 Mrd.
US Dollar (vgl. Lilly 2006, S. 1) ist Eli Lilly einer der weltweit größten Pharma-
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 327
konzerne mit führender Stellung in den Bereichen ZNS, Diabetes und Onkologie.
Zwei Säulen charakterisieren den Lilly-Konzern als „high performing, knowledge-
intensive global company“ (Colville/ Murphy 2006, S. 664):
• Innovationsfähigkeit: Entwicklung hochwertiger Arzneimittel, d.h. „develop-
ing a growing portfolio of best-in-class and first-in-class pharmaceutical prod-
ucts” (Lilly 2007a).
• Werte- und leistungsorientierte Unternehmenskultur: Insbesondere die
(Weiter-)Entwicklung der Mitarbeiter wird als kritischer Erfolgsfaktor für die
Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gesehen.
Zu den wichtigen Meilensteinen der Firmengeschichte gehören Pionierarbeiten,
wie die Herstellung des ersten Humaninsulins in den 20er Jahren, Entwicklung o-
raler Antibiotika in den 40er Jahren, und die Entwicklung zu einer weltweit füh-
renden Pharmafirma im Bereich ZNS durch die Einführungen von Prozac®, Zy-
prexa®, Strattera® und Cymbalta® (in Anlehnung an Lilly 2007b; Lilly 2007c).
Lilly wird regelmäßig als vorbildlicher Arbeitgeber eingestuft, war 2005 bei der
Listung der FT Global 500 auf Platz 78 (vgl. FT 2005) und bringt den Anspruch
an Innovation und Exzellenz auch in zahlreichen Kooperationen mit anderen
Pharmaunternehmen und Forschungseinrichtungen zum Ausdruck (vgl. Colville/
Murphy 2006, S. 664). Doch wie hat Lilly diese Position erreicht?
Die (Weiter-)Entwicklung der Unternehmenskultur als Weg zum Erfolg wird
bei Lilly wesentlich durch die Führung beeinflusst und detailliert von Colville und
Murphy als „Leadership as the Enabler of Strategizing and Organizing“ gedeutet
(vgl. Colville/ Murphy 2006, S. 663ff.).
Durch die Klage eines generischen Herstellers verliert Lilly im Jahr 2000 in
den USA überraschend das Patent des bis dato stärksten Umsatzträgers Prozac®
(Antidepressivum), mit der Folge eines dramatischen Aktienkurseinbruchs. Seit
der Benennung im Jahr 1999 fokussiert der CEO Sidney Taurel auf eine Verände-
rung der für ihn zu kooperativen, risikoscheuen und intern fokussierten Führung.
Sein Aufruf an die Mitarbeiter, in Zukunft offener, proaktiver und dynamischer zu
wirken, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten, bekommt
mit dem Patentverlust eine neue Brisanz und gleichzeitig oberste Priorität. Durch
die Umsatzsteigerung der weiterhin patentgeschützten Produkte, verstärkte For-
schungsaktivitäten zur Ausdifferenzierung der Pipeline, durch eine Limitierung
des Personalbestandes und durch weitreichende Investitionen in die Führungskräf-
teentwicklung gelingt es Lilly, in den Folgejahren acht neue Moleküle auf den
Markt zu bringen, die zu den ersten oder besten ihrer Klasse gehören. Das Rezept,
um in drastischen Veränderungsprozessen die Strategie mit der Organisation zu
verbinden, besteht bis heute in klar definierten Verhaltensweisen der Führung
(Colville/ Murphy 2006, S. 667). Die Verhaltensweisen dienen als Rahmenwerk
für die Führung bei Lilly und reflektieren die drei Grundwerte der Lilly-Kultur:
„respect for people, excellence and integrity“ (Colville/ Murphy 2006, S. 668).
Dass die kulturelle Entwicklung des Lilly Konzerns durch eine starke Fokussie-
rung auf die Führungsqualität vorangetrieben wurde, birgt für die Einführung von
Lean Six Sigma sowohl Chancen als auch Risiken. Auf globaler Ebene wurden
328 Miriam Stache, Armin Töpfer
Führungsspitze
Managementprozesse
& -strukturen Kultur
Ergebnisse
Demnach wurden Ergebnisse bei Lilly bislang eher auf der Basis intuitiver zwi-
schenmenschlicher Zusammenarbeit erreicht, als durch eine disziplinierte Einhal-
tung formaler Mechanismen.
Dieses Ungleichgewicht liefert zwar einen ersten Aufschluss über mögliche
Konflikte zwischen bestehenden Lilly-Werten und der Lean Six Sigma-
Philosophie. Doch wie lassen sich die Unterschiede bzw. Konflikte genauer mes-
sen und damit systematischer identifizieren, um sie später zu überwinden?
Hoch
Entwicklungs-
(Lean) Six Sigma
getriebene
Kultur
Ingenieur-Kultur
Veränderungs-
bereitschaft
Marketing- und
Bürokraten-Kultur
Vertriebs-Kultur
Niedrig
Gering Stark
Kundenfokus
(intern und extern)
FRAGEBOGEN
Frage 1:
Bitte beurteilen Sie, wodurch sich Ihrer Erfahrung nach das Konzept Lean Six Sigma auszeichnet.
Welche drei Aspekte des Konzeptes sehen Sie im Vordergrund?
1.) ______________________________________________________________________________
2.) ______________________________________________________________________________
3.) ______________________________________________________________________________
Frage 2:
Bitte nennen Sie drei für Sie wichtige Gründe, Lean Six Sigma bei der Lilly Deutschland GmbH
einzuführen.
1.) ______________________________________________________________________________
2.) ______________________________________________________________________________
3.) ______________________________________________________________________________
Frage 3:
Bitte nennen Sie die drei für Sie wichtigsten Stärken des Lean Six Sigma Konzeptes bei der Lilly
Deutschland GmbH.
1.) ______________________________________________________________________________
2.) ______________________________________________________________________________
3.) ______________________________________________________________________________
Frage 4:
Bitte nennen Sie drei für Sie relevante Hauptschwachpunkte des Lean Six Sigma Konzeptes bei
der Lilly Deutschland GmbH.
1.) ______________________________________________________________________________
2.) ______________________________________________________________________________
3.) ______________________________________________________________________________
Abb. 5a: Fragebogen zur Messung des Reifegrades der Lilly-Kultur für Lean Six Sigma (1)
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 331
Frage 5:
Welche Maßnahmen würden Sie zur Verbesserung des Lean Six Sigma Konzeptes bei der Lilly
Deutschland GmbH ergreifen?
1.) ______________________________________________________________________________
2.) ______________________________________________________________________________
3.) ______________________________________________________________________________
Frage 6:
Lean Six Sigma ist seit ungefähr zwei Jahren bei Lilly Deutschland implementiert. Bitte beurteilen Sie
inwieweit die folgenden Aussagen bezüglich der Umsetzung von Lean Six Sigma zutreffen. Bitte
verwenden Sie eine Skala von „1 = trifft gar nicht zu“ bis „5 = trifft voll und ganz zu“.
1 2 3 4 5 9
Die Ziele sind immer zu Beginn der Projekte
festgelegt worden
Die Anzahl (Scope) der Ziele waren immer
angemessen
Es wurde immer geprüft, ob die gesetzten Ziele
erreicht wurden
Bei der Auswahl der Teammitglieder wurde immer
auf die derzeitige Arbeitsauslastung geachtet
Die Arbeitsbelastung der Teammitglieder während
der Projekte wurde laufend geprüft und angepasst
Im Anschluss an jedes Projekt wurde immer ein
Aktionsplan verabschiedet
Die Einhaltung der Aktionspläne wurde regelmäßig
geprüft
Die Kommunikation der Aktionspläne geschah
äußerst zeitnah (max. 4 Wochen nach Abschluss)
Die Kommunikation der Aktionspläne war stets
verständlich, so dass unmittelbare Konsequenzen
für den Einzelnen immer ersichtlich waren
Es wurden Anreizsysteme für die Projektmitarbeit
geschaffen
Abb. 5b: Fragebogen zur Messung des Reifegrades der Lilly-Kultur für Lean Six Sigma (2)
332 Miriam Stache, Armin Töpfer
Weiterhin zu Frage 6:
1 2 3 4 5 9
Es wurden Anreizsysteme geschaffen, die
Ergebnisse der Projekte umzusetzen
Der Erfolg der Anreizsysteme wurde laufend
überprüft (d. h. wenn nicht vorhanden, wurden
relevante Anreize geschaffen)
Die Teams bestanden immer aus kompetenten
Mitgliedern
Verantwortlichkeiten waren in den Projekten
immer klar geregelt
Die Verantwortlichkeiten wurden immer
wahrgenommen
Aufwand und Nutzen der Projekte standen in
einem angemessenen Verhältnis zueinander
Frage 7:
Ganz unabhängig von Lean Six Sigma - bitte beurteilen Sie inwieweit die folgenden Aussagen die
derzeitige Unternehmenskultur von Lilly Deutschland beschreiben. Bitte verwenden Sie wiederum
eine Skala von „1 = trifft gar nicht zu“ bis „5 = trifft voll und ganz zu“.
1 2 3 4 5 9
Veränderungen werden immer positiv
aufgenommen
Es fällt leicht neue Strategien zu implementieren
Man strebt nach ständiger Verbesserung
Alle Prozesse werden kritisch hinterfragt
Man hat immer ein gemeinsames Ziel vor Augen
Der Kunde steht im Fokus der täglichen Arbeit
Man versteht sich als Dienstleister für den Kunden
Kundenbedürfnisse werden stets in kundengerechte
Lösungen umgesetzt
Der Kunde fühlt sich im Umgang mit Lilly gut
aufgehoben
Abb. 5c: Fragebogen zur Messung des Reifegrades der Lilly-Kultur für Lean Six Sigma (3)
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 333
Frage 8:
Bitte beurteilen Sie – ganz generell und unabhängig von Lean Six Sigma – die
Veränderungsbereitschaft der einzelnen Mitarbeiter bei der Lilly Deutschland GmbH heute im
Vergleich zu früher (vor 2 Jahren) und zukünftig (in 2 Jahren). Bitte verwenden Sie eine Skala von „1 =
sehr gering“ bis „5 = sehr hoch“.
Sehr Sehr
gering hoch
1 2 3 4 5
Veränderungsbereitschaft der Lilly
Mitarbeiter vor 2 Jahren
Veränderungsbereitschaft der Lilly
Mitarbeiter heute
Veränderungsbereitschaft der Lilly
Mitarbeiter in 2 Jahren
Frage 9:
Bitte beurteilen Sie die Veränderungsnotwendigkeit heute im Vergleich zu früher (vor 2 Jahren) und
zukünftig (in 2 Jahren). Bitte verwenden Sie auch hier eine Skala von „1 = sehr gering“ bis „5 = sehr
hoch“.
Sehr Sehr
gering hoch
1 2 3 4 5
Abb. 5d: Fragebogen zur Messung des Reifegrades der Lilly-Kultur für Lean Six Sigma (4)
334 Miriam Stache, Armin Töpfer
Frage 10:
Bitte stufen Sie Lilly Deutschland (gegenwärtig) anhand folgender Eigenschaftspaare ein. Je weiter
Sie nach rechts ankreuzen desto eher stimmen Sie der rechten Eigenschaft zu und je weiter Sie nach
links ankreuzen der linken Eigenschaft.
Fehlertoleranz Null-Fehler-Anspruch
Denken in (hierarchischen) Denken in Prozessen
Strukturen
Steigerung des
Steigerung der Kundenzufriedenheit
Unternehmenswertes
Interne Vorgaben bestimmen die Externe Kundenbedürfnisse
Ausrichtung auf den Kunden bestimmen interne Standards
Bewahren / Beharren Veränderungsbereitschaft
Anweisungsorientiert Überzeugungsorientiert
Linientätigkeit Projekttätigkeit
Vermutungsorientiert Faktenorientiert
Informationsmonopole Informationstransparenz
Toolgetrieben, d.h. L6S Instrument Ergebnisgetrieben
geht vor
Abb. 5e: Fragebogen zur Messung des Reifegrades der Lilly-Kultur für Lean Six Sigma (5)
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 335
Frage 11:
Bitte schätzen Sie nun ein, wie Lean Six Sigma Ihre Arbeit und Motivation beeinflusst. Bewerten Sie
hierzu folgende Aussagen auf der Skala von „1 = trifft gar nicht zu“ bis „5 = trifft voll und ganz zu“.
1 2 3 4 5 9
Ich bin frustriert über die zusätzliche
Arbeitsbelastung, die Lean Six Sigma verursacht.
Lean Six Sigma hat mein Engagement und meine
Begeisterung für Lilly verstärkt.
Ich spüre durch die Ergebnisse der Projekte einen
direkten Nutzen.
Die Teilnahme an Lean Six Sigma Projekten
versuche ich soweit es geht zu vermeiden.
Die crossfunktionale Zusammenarbeit im Projekt
hat mein Verständnis zu anderen Funktionen
vertieft.
Lean Six Sigma wird benutzt, um Entscheidungen
zu rechtfertigen.
Ich habe das Gefühl durch Lean Six Sigma jetzt
stärker priorisieren zu können.
Lean Six Sigma passt nicht zu meinem Bild von
Lilly.
Ich habe durch Lean Six Sigma gelernt und mich
persönlich weiterentwickelt.
Ich bin sehr zufrieden mit der Anwendung von
Lean Six Sigma bei Lilly.
STATISTIK
A. Geschlecht: D. Alter in Jahren:
männlich
weiblich E. (bisher höchste) Lean Six Sigma
B. Funktion Funktion:
Teil der Geschäftsführung Sponsor
Leadership Community (Master-) Black Belt, Green Belt
Angestellter Core Team Member
C. Berufserfahrung in Jahren (insgesamt): Extended Team Member
keine direkte Projekterfahrung
Abb. 5f: Fragebogen zur Messung des Reifegrades der Lilly-Kultur für Lean Six Sigma (6)
336 Miriam Stache, Armin Töpfer
1
geschätzt nach der Verteilung der Grundgesamtheit
³ geschätzt nach der Anzahl von 25 durchgeführten Projekte seit Einführung Ende 2005
Abb. 6: Strukturmerkmale der Grundgesamtheit und Stichprobe nach Lean Six Sigma
Funktion
Insbesondere die Mitarbeiter, die stark in die Lean Six Sigma Organisation ein-
gebunden waren, sind repräsentativ vertreten. Die Gruppe der Sponsoren sowie
Black Belts und Kernteam-Mitglieder sind in der Stichprobe fast komplett vertre-
ten, während nur wenige Mitarbeiter ohne direkte Projekterfahrung sich in der La-
ge fühlten, über Lean Six Sigma zu urteilen.
Die Qualität und damit die Bedeutung der Ergebnisse aus offenen Fragen ist höher
als die der geschlossenen, da die Befragten aus ihrer Erinnerung selbst auswählen,
welche Aspekte ihnen am wichtigsten erscheinen (in Anlehnung an Mayntz et al.
1978, S. 108). Dadurch, dass die ersten fünf Fragen als offene Fragen formuliert
wurden, konnte das Verständnis von Lean Six Sigma daher zunächst unbeeinflusst
abgefragt und ein reales Stimmungsbild der befragten Lilly-Mitarbeiter erfasst
werden.
Die offenen Antworten wurden systematisch geordnet und gruppiert, um
Schwerpunkte in der Wahrnehmung zu identifizieren.
Die erste Frage ermittelte das grundsätzliche Verständnis, das die Lilly-Mitar-
beiter von Lean Six Sigma haben, d.h. welche Aspekte sie im Vordergrund sehen
und ob sich ihr Verständnis von der Konzeption Lean Six Sigma unterscheidet.
Der wichtigste Aspekt mit knapp 15% aller Nennungen (25 von insgesamt 173
Nennungen bei n=64 Befragten) wird in der Prozessoptimierung, d.h. einer Stan-
dardisierung bereichsübergreifender Arbeitsabläufe gesehen (siehe Abb. 7). Dicht
gefolgt von der analytischen Komponente von Lean Six Sigma (knapp 14% er-
338 Miriam Stache, Armin Töpfer
wähnen den Ersatz des Bauchgefühls durch Daten und Analyse), werden eine Ef-
fizienz- und Produktivitätssteigerung (11%) sowie spezieller die Prozessanalyse
(8,7%) und die im allgemeinen strukturierte Vorgehensweise und Methodik ge-
nannt (6,9%). Die Ergebniswirkungen und Ziele von Lean Six Sigma rangieren in
den Top 10 erst auf den hinteren Plätzen, d.h. beispielsweise nur etwa 3 bis 5%
der Nennungen beziehen sich auf Kosteneinsparung, Kundenorientierung und
Nachhaltigkeit. Damit stehen die „Mittel zum Zweck“ im Vordergrund: Die Vor-
gehensweise und unmittelbare Folgen wie Prozessoptimierung sind bei den Be-
fragten sehr präsent, während strategische Ziele weniger genannt werden.
"Bitte beurteilen Sie, wodurch sich Ihrer Erfahrung nach das Konzept Lean Six Sigma
auszeichnet. Welche drei Aspekte des Konzeptes sehen Sie im Vordergrund?"
Kosteneinsparung 10 (5,8%)
Kundenorientierung 8 (4,6%)
Nachhaltigkeit 6 (3,5%)
Interessant ist nun die Gegenüberstellung zu Frage 2, bei der nach den Gründen
für die Einführung von Lean Six Sigma bei Lilly in Deutschland gefragt wurde.
Die Mehrheit der Nennungen (17%, d.h. 28 von insgesamt 168 Nennungen bei
64 Befragten) kann der Gruppe Prozessoptimierung/ Standardisierung zugeordnet
werden (siehe Abb. 8). In Verbindung mit den Gruppen „Prozesse aufstellen/ do-
kumentieren/ Transparenz“ und „Prozessanalyse/ Root Causes identifizieren“ sieht
die Mehrheit der Befragten den Grund für die Einführung von Lean Six Sigma bei
Lilly in Deutschland in der Prozessorientierung. Damit einhergehend werden die
Bereiche „Effizienz/ Produktivitätssteigerung“ und „Kosteneinsparung“ genannt –
als Ergebniswirkungen von Lean Six Sigma zusammen 26% der Nennungen (ins-
gesamt 44 von 168 Nennungen). Kundenorientierung ist mit 5% aller Nennungen
analog zu den Antworten in Frage 1 weniger stark vertreten.
Dass die Gründe für die Einführung von Lean Six Sigma bei Lilly in den Au-
gen der Befragten keineswegs den Stärken entspricht, zeigen die Antworten aus
Frage 3 (siehe Abb. 9).
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 339
"Bitte nennen Sie drei für Sie wichtige Gründe, Lean Six Sigma
bei der Lilly Deutschland GmbH einzuführen."
Effizienz / Produktivitätssteigerung 26
Kosteneinsparung 18
Kundenorientierung 8
Priorisierung / Effektivität 6
Ergebnis- / Lösungsorientierung 5
"Bitte nennen Sie die drei für Sie wichtigsten Stärken des
Lean Six Sigma Konzeptes bei der Lilly Deutschland GmbH."
Als wichtigste Stärke wird als ganz neuer Aspekt das Commitment der Führung
bei Lilly zu Lean Six Sigma gesehen (über 9%, d.h. 14 von insgesamt 151 Nen-
nungen). Neben einer Würdigung der strukturierten und analytischen Vorgehens-
weise (zusammen knapp 16% der Nennungen) wird auch die separate Lean Six
Sigma-Organisation als institutionalisierte Plattform und die crossfunktionale Zu-
sammenarbeit positiv bewertet (beide über 7% der Nennungen). Jeweils 4-5% der
Nennungen beziehen sich auf die Prozessorientierung und Ergebniswirkung.
340 Miriam Stache, Armin Töpfer
Als größte Schwächen bestätigten die Mehrzahl der offenen Nennungen auf
Frage 4 die Überlastung bzw. Überforderung der Teammitglieder in den Lean Six
Sigma-Projekten (13%, d.h. 22 von insgesamt 166 Nennungen, siehe Abb. 10).
Nachhaltigkeit 19 (11,4%)
Abb. 10: Schwächen von Lean Six Sigma (freie Antworten, F4)
Projektauswahl / syst.
18 (12%)
Projektportfolio
Nachhaltigkeit 10 (7%)
Abb. 11: Verbesserungsmaßnahmen für Lean Six Sigma (freie Antworten, F5)
Die Ergebnisse aus Frage 6 zeigen, dass die notwendigen Bausteine für eine er-
folgreiche Lean Six Sigma-Anwendung in den Augen der Befragten bei Lilly in
Deutschland unterschiedlich stark erfüllt werden (siehe Abb. 12).
1 2 3 4 5
Abb. 12: Erfüllungsgrad Lean Six Sigma Bausteine (geschlossene Antworten, F6)
342 Miriam Stache, Armin Töpfer
Zwar sind Zielsetzung und Aktionspläne vorhanden (Items 6.1 und 6.6), es gibt
jedoch keine Anreizsysteme für die Durchführung der Projekte oder das Leben der
Konsequenzen (Items 6.10 bis 6.12). Das Ressourcenmanagement weist niedrige
Werte auf, wonach die Arbeitsbelastung in den Projekten kaum beachtet und an-
gepasst wird (Items 6.4 und 6.5). In der Kategorie Fertigkeiten wird das Verhältnis
von Aufwand zu Nutzen gering eingeschätzt (Item 6.16).
Nach dieser Bewertung der Lean Six Sigma-Durchführung bei Lilly wurden
nach der Typologie von Deal/ Kennedy als Einstieg in die Unternehmenskultur bei
Lilly die beiden Dimensionen Veränderungsbereitschaft und Kundenorientierung
abgefragt (siehe hierzu Abb. 4). Für die Auswertung lassen sich die einzelnen Ant-
worten als Mittelwert eines Mehrfachantworten-Set zusammenfassen (siehe Abb.
13).
Es fällt auf, dass im Mittel beide Dimensionen mäßig ausgeprägt sind, d.h.
stark von einer optimalen Lean Six Sigma-Kultur abweichen. Überträgt man die
Daten auf die grafische Darstellung nach Deal/ Kennedy, befindet sich Lilly an
der Schwelle des Quadranten für eine Lean Six Sigma-Kultur (siehe Abb. 14).
In Ergänzung wurden die Lilly-Mitarbeiter zur Entwicklung der Veränderungs-
bereitschaft (F8) und Veränderungsnotwendigkeit (F9) im Zeitablauf befragt (sie-
he Abb. 15), und zwar nach den drei Zeitpunkten „gestern“ (vor 2 Jahren), „heute“
und „morgen“ (in 2 Jahren). Der 2-Jahreszeitraum wurde gewählt, weil die Lean
Six Sigma-Einführung bei Lilly in Deutschland etwa vor 2 Jahren stattgefunden
hat (Anfang 2005).
Im Ergebnis schätzen die Befragten (n=64) beide Dimensionen „gestern“ ge-
ringer als „heute“ ein, und „morgen“ höher als „heute“. Die Veränderungsnotwen-
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 343
Entwicklungs-
Veränderungsbereitschaft
Marketing- und
2 Bürokraten-Kultur
Vertriebs-Kultur
1
1 2 3 4 5
Kundenfokus
2,8 3,2
Gestern (vor 2 Jahren)
3,6 4,6
Morgen (in 2 Jahren)
Veränderungsbereitschaft
Veränderungsnotwendigkeit
Idealprofil Veränderungsbereitschaft
n = 64
0 1 2 3 4 5
Fehlertoleranz Null-Fehler-Anspruch
Denken in (hierarchischen) Strukturen Rang 2 Denken in Prozessen
Steigerung der Kundenzufriedenheit Steigerung des Unternehmenswertes
Interne Vorgaben Rang 1 Externe Kundenbedürfnisse
Bewahren / Beharren Veränderungsbereitschaft
Formalisierung Kreativität / Innovationen
Zusätzliche Tätigkeit Rang 3 Tagesgeschäft
Toolgetrieben Ergebnisgetrieben
Insellösungen Unternehmensweite Initiative
Anweisungsorientiert Überzeugungsorientiert
Ganzheitlicher Ansatz Idealprofil Inkrementaler Ansatz
Individuelle Anweisung Lilly Standardisierung
Zentrale Organisation Dezentrale Organisation
Linientätigkeit Projekttätigkeit
Vermutungsorientiert Faktenorientiert
Informationsmonopole Informationstransparenz
n = 64
Listenweise n = 60
1 2 3 4 5
N=59 3,1
11.1: Balance Projektarbeit / Tagesgeschäft *
N=63 3,0
11.2: Engagement / Begeisterung durch L6S
Abb. 17: Arbeitsverhalten und Motivation durch Lean Six Sigma (F11)
346 Miriam Stache, Armin Töpfer
Die niedrigsten Werte in Frage 11 weisen die Items 11.6 und 11.7 auf. Mitar-
beiter haben das Gefühl, Lean Six Sigma dient der Rechtfertigung von Entschei-
dungen (Item 11.6). Die stärkere Priorisierung, die in den offenen Fragen als
wichtiger Grund und Stärke von Lean Six Sigma angesehen wurde, ist nicht erfüllt
(Item 11.7).
Damit werden in den Ergebnissen der Umfrage Einstellungen und Verhaltens-
weisen der Mitarbeiter erkennbar, die als Stärken und Schwächen für Lean Six
Sigma gedeutet werden können. Fasst man die von den Befragten dargestellten
Schwächen und Stärken zusammen, so kann ein vereinfachtes, modelltheoretisch
hier aber nicht überprüftes Kausalmodell in Bezug auf das Mitarbeiterengagement
aufgestellt werden (siehe Abb. 18).
Schwächen
Ressourcen
1 überlastet / überfordert
Stärken
1 Commitment der Führung 2 Fehlende Nachhaltigkeit
Organisatorische
engagement Fehlende Kommunikation /
3 Rahmenbedingungen
4 Transparenz
Hohe Grundmotivation
4 (L6S passt zu Lilly / macht „Sinn“)
5 Niedrige Kundenorientierung
6 Niedrige Prozessorientierung
Abb. 18: Wirkung der Stärken und Schwächen auf das Mitarbeiterengagement
Die von den Befragten als mangelhaft eingeschätzte Projektauswahl durch Feh-
len eines übergeordneten Aktionsplanes kann darüber hinaus einen Fehlstart von
Lean Six Sigma verursachen.
Die Befragungsergebnisse decken wichtige Barrieren bei der Einführung von
Lean Six Sigma auf und liefern eine fundierte Datenbasis als Entscheidungsgrund-
lage für die Verbesserung der Lean Six Sigma-Implementierung bei Lilly in
Deutschland. Die Gefahr eines Kulturschocks und die These, dass Lean Six Sigma
auf größere Widerstände in der Belegschaft stößt, konnte empirisch überprüft und
in der Tendenz bestätigt werden. Wichtige Stärken und Schwächen konnten iden-
tifiziert und in einen ersten Zusammenhang mit dem Mitarbeiterengagement ge-
bracht werden. Hierfür wurden etablierte Instrumente (die Kulturtypologie nach
Deal/ Kennedy und das Polaritätenprofil von Töpfer) in eine individuell auf Lilly
zugeschnittene Analyse eingebettet.
√ +
Fertig-
keiten +
Aktions-
plan + Ressourcen +
Kommu-
nikation + Anreize = Verwirrung
Ziel + √ +
Aktions-
plan + Ressourcen +
Kommu-
nikation + Anreize = Angst
√
Fertig- Kommu-
Ziel + keiten + + Ressourcen + nikation + Anreize = Fehlstart
Fertig- Aktions-
Ziel + keiten + plan + Ressourcen + + Anreize = Ablehnung
Abb. 19: Erfüllung der Bausteine für eine erfolgreiche Lean Six Sigma Einführung bei Lilly
Der hohe Rücklauf und das große Interesse an der Befragung bestätigen, dass
vor allem die Anwendung einer unternehmensindividuellen Kulturanalyse eine
geeignete Methode ist, um Schwachstellen bei der Einführung von Lean Six Sig-
ma aufzudecken. Auch wenn sich die Befragung auf den ersten Blick auf eine
Einstellungs- und Verhaltensmessung, also die Ebene der Werte und Normen der
Lilly-Kultur beschränkt, können Teilsichten auf die Grundannahmen der Unter-
nehmenskultur, wie der Glaube an die Veränderungsfähigkeit und -notwendigkeit
(vgl. Töpfer 2007, S. 296f.), freigelegt werden.
348 Miriam Stache, Armin Töpfer
L6S
TM 1 TM 2 Sponsor TM 3
Projekt
TM = Teammitglied
Abb. 20: Unsicherheit eines Black Belts bei fehlender Integration in das Tagesgeschäft
Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 349
Der Erfolg der Lean Six Sigma-Implementierung bei Lilly hängt wesentlich von
den Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter und damit der bestehen-
den Unternehmenskultur ab. Deshalb ist von den Führungskräften ein erhöhtes
Bewusstsein einzufordern, dass Mitarbeitermotivation und -engagement die kriti-
schen Erfolgsfaktoren für Lean Six Sigma sind.
Eine regelmäßige Wiederholung der aufgezeigten Kulturmessung kann als
Stimmungsbarometer genutzt werden, um schrittweise Erfolge und Misserfolge in
der Kulturveränderung aufzudecken und geeignete Maßnahmen für einen „Turn-
around“ in den Überzeugungen der Mitarbeiter voranzutreiben. Durch die syste-
matische Auseinandersetzung mit den Problemen im Umgang mit Lean Six Sigma
wird das Ignorieren von Misserfolgen vermieden und eine offene Fehler- und
Lernkultur gefördert.
Eine klare Trennung und Priorisierung zwischen kurz-, mittel- und langfristigen
Verbesserungsmaßnahmen für Lean Six Sigma kann helfen, Synergieeffekte zwi-
schen Transparenz, Akzeptanz und Nachhaltigkeit zu erzielen. Strategische, wohl-
überlegte Maßnahmen sollten aktionistische Handlungen vermeiden. Ein erhöhtes
Verständnis der Mitarbeiter, warum sie wann in welche Projekte eingebunden
sind, verpufft bei nur kurzfristigen Kommunikationsmaßnahmen, wenn die erhöh-
te Arbeitsbelastung nicht durch bewusste strategische Entscheidungen der Füh-
rungsebene abgemildert wird. Es entsteht sonst leicht der Eindruck, dass den Wor-
ten keine Taten folgen, d.h. die Führungsebene verliert an Glaubwürdigkeit und
Lilly damit eine wichtige Stärke der bestehenden Unternehmenskultur.
350 Miriam Stache, Armin Töpfer
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Bedeutung und Messung der Unternehmenskultur für Lean Six Sigma 351
Mrd. Milliarde
MT Manntage
OEM Original Equipment Manufacturer
o.g. oben genannt
PCI Process Capability Index
PDCA Plan, Do, Check, Act
PE Process Excellence
PEP Produktentstehungsprozess
PERT Project Evaluation and Review Technique
PLC Process Life Cycle
PPI Process Performance Indicators
PPM Parts Per Million/ Fehler pro eine Million Teile
PR Public Relations
P-Regelkarte Prozess-Regelkarte
QC Qualitätscontrolling
OEE Overall Equipment Efficiency
QFD Quality Function Deployment
QL Quality Leader
QM Qualitätsmanagement
QS Quality System
OSRC Operating System Research Center
QVP Qualitätsverbesserungsprozess
R&O Repair and Overhaul (Reparatur und Überholung)
RPZ Risikoprioritätszahl
RRCL Reliability-and-Robustness-Checklist
RSM Response Surface Methodology
s Sekunde
s. siehe
SCAS System Components and Accessories Service
SMED Single Minute Exchange of Dies
s.o. siehe oben
SIPOC Supplier Input Process Output Customer
SPC Statistical Process Control / Statistische Prozesskontrolle
TAT Turn Around Time
TPM Total Productive Maintenance
TPS Toyota-Produktionssystem
TQM Total Quality Management
TRIZ Theorija Reshenija Izobretatjelskich Zadacz (russ. Akronym)
u.a. unter anderem
u.U. unter Umständen
usw. und so weiter
vgl. vergleiche
VOC Voice of the Customer
vs. versus
VSD Value Stream Design
WBT Web Based Training
356 Abkürzungsverzeichnis
Jürgen Bremer, Dr.-Ing., ist Leiter Six Sigma des Bereiches Honeywell Building
Solutions in Europe, Middle East and Africa. Er studierte Maschinenbau an der
TU Berlin, promovierte 1998 am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und
Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin und schloss 2007 einen Executive MBA an
der Kellogg School of Management in Chicago sowie der WHU in Vallendar ab.
Nach einigen Jahren in der Beratung und Industrie wechselte er im Juli 2003 zu
Honeywell.
Jörg Doch ist Leiter des Projektmanagement Office im Geschäftsführungsbereich
Chemikalien der Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG. Er studierte
Technisch Orientierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Stuttgart. Seit
1996 ist er bei Boehringer Ingelheim in den Bereichen Projektmanagement und
Business Process Excellence tätig. Er ist als Projektmanager IPMA sowie als Six
Sigma Black Belt zertifiziert.
Bernd Garzinsky, Dipl.-Ing., ist Seniorberater und Mitglied der Geschäftsleitung
der M+M Six Sigma Group und der M+M Management + Marketing Consulting
GmbH in Kassel. Er ist Qualitätsfachingenieur, Six Sigma Master Black Belt so-
wie Assessor der European Foundation for Quality Management (EFQM). Vor
seiner Beratungstätigkeit war er als Führungskraft in namhaften internationalen
Konzernen tätig. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören Six Sigma, Prozess-
optimierung/KVP, Qualitätsmanagement und Management von Veränderungen,
Business Excellence, Management von Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit,
Mess- und Steuerungsinstrumente/BSC. Er ist Lehrbeauftragter an der Universität
Kaiserslautern zum Thema Management von Kundenzufriedenheit sowie Dozent
an der Dresden International University (DIU). Als Six Sigma Master Black Belt
ist er Trainer und Coach bei der M+M Six Sigma Akademie® in offenen und un-
ternehmensinternen Schulungen.
Swen Günther, Dipl.-Wirtsch.-Ing., ist Berater und Six Sigma Black Belt bei der
M+M Six Sigma Group und der M+M Management + Marketing Consulting
GmbH in Kassel. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören sowohl Industrie-
unternehmen, insb. im Automotive-Bereich, als auch Dienstleistungsunternehmen,
z.B. Banken und Krankenhäuser. Als Six Sigma Black Belt ist er Trainer bei der
M+M Six Sigma Akademie®. Zusätzlich ist er Dozent an der Dresden Internatio-
nal University (DIU). In einer neuen Funktion ist er Prozessmanager zur Optimie-
rung der Fertigungsabläufe bei einer Procter & Gamble Tochter.
Thomas Habermann ist Master Black Belt und Leiter von Business Process Excel-
lence (BPE) Deutschland bei Boehringer Ingelheim. Nach dem Studium der Ver-
fahrenstechnik begann er seine berufliche Laufbahn 1990 bei der Bayer AG, Le-
verkusen, als Betriebsingenieur/ Projektleiter. 1994 wechselte er zu Boehringer
Ingelheim, und übernahm dort verschiedene Aufgaben. Seit 2002 ist er verant-
wortlich für den Aufbau der Six Sigma/ BPE-Organisation.
358 Autoren-Kurzbiographien
Michael Hennes ist Productivity (Lean Six Sigma) Leiter EMEA sowie Lean Mas-
ter Operation Global für einen Geschäftsbereich eines amerikanischen Chemieun-
ternehmens. Er schloss sein Studium an der Hochschule für Technik und Gestal-
tung in Mannheim als Dipl. Ing. (FH) Maschinenbau mit Fachrichtung
Fertigungstechnik ab. Bevor er seine Ausbildung und Zertifizierung als Lean Six
Sigma Black Belt absolvierte, arbeitete er im Einkauf eines Fahrzeugherstellers
sowie im Automobilzulieferbereich eines amerikanischen Mischkonzerns.
Jutta Jessenberger, Dr., studierte Statistik an der Universität Dortmund und der
University of Sheffield (UK). Nach Tätigkeit bei der Mars GmbH, Viersen, pro-
movierte sie an der Universität Dortmund und durchlief danach verschiedene Ma-
nagement Positionen bei AC Nielsen, Hamburg, und bei der OnVista AG, Köln,
wo sie zuletzt als Director Content Services tätig war. Sie ist jetzt Prokuristin bei
der Xerox GmbH, Black Belt und Deployment Manager für das Xerox Lean Six
Sigma Programm in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Bert Leyendecker, Prof. Dr., ist Professor für Produktionswirtschaft und Operati-
ons Research sowie Projektmanagement und Kennzahlensysteme am Fachbereich
Betriebswirtschaft der Fachhochschule Koblenz. In diesen Fachgebieten arbeitet
er mit großen und mittelständischen Unternehmen bei der Einführung von Lean
Management, Six Sigma, Projektmanagement und Kennzahlensystemen zusam-
men. Zuvor war er zehn Jahre bei Johnson & Johnson mit den Tätigkeiten als Pro-
zess- und Projektingenieur, Six Sigma Black Belt, Projektmanagement Trainer,
Leiter Prozessoptimierung, Process Excellence Master Black Belt und schließlich
Leiter Process Excellence für mehrere europäische Produktionsstandorte.
Achim Schmidt ist seit 2003 als Six Sigma Master Black Belt und Programm Ma-
nager für das Unternehmen Siemens VDO tätig, das Ende 2007 an die Continental
AG verkauft wurde. Er studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität
Braunschweig und an der Universität Erlangen. Nach seinem Studium war er meh-
rere Jahre in der Halbleiterindustrie in den Bereichen Technologietransfer, Pro-
dukttechnik und Prozessoptimierung tätig.
Miriam Stache ist European Demand Forecasting Manager der Lilly Deutschland
GmbH und externe Doktorandin am Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmens-
führung der TU Dresden mit dem Forschungsschwerpunkt Lean Six Sigma. Der-
zeit leitet sie die marktorientierte Unternehmensplanung in Europa.. Sie begann
ihre Laufbahn in der pharmazeutischen Industrie mit einer dualen Ausbildung zur
Dipl.-Betriebswirtin (BA). Zusätzlich studierte sie berufsbegleitend Betriebswirt-
schaft mit dem Schwerpunkt Controlling an der Hochschule Wismar mit dem Ab-
schluss Dipl.-Kauffrau (FH) sowie Health Care Management an der Dresden In-
ternational University/ TU Dresden mit dem Abschluss eines MBA. Seit 2004 ist
sie bei der Lilly Deutschland GmbH in unterschiedlichen Positionen tätig.
Gerd Streckfuß ist seit 1992 Partner am Institut für Qualitätsmanagement (IQM)
Dr. Weigang und Partner, Grossbottwar, und dabei verantwortlich für Methoden
im Bereich Entwicklungsmanagement. Zuvor war er Technischer Leiter bei der
Autoren-Kurzbiographien 359
5S- (5A-) Methode zur Schaffung von Key Performance Indicators (KPI´s)
Ordnung und Sauberkeit am 101, 235
Arbeitsplatz 37, 118, 211, 261 Kriterienkatalog zur Bewertung des
5W-Methode 38, 118 Strategischen Nutzens 239
5-Sigma-Wand 74, 76 PE-Index 245
Process Life Cycle (PLC)-
6W-Analyse zur systematischen Management 246
Ableitung von Kundenanforderungen Process Life Cycle als
162 Flussdiagramm 247
Projektportfolio 241
7 Formen der Verschwendung (Muda) Siemens top+ Quality-Unternehmens-
28, 140 programm 306
strukturierter Prozess zur
Allowable Costs 82, 173 Projektbewertung und -auswahl
Bestimmung mit QFD 172 236
Andon-Tafel zur Produktionsüber- systematische Identifikation von
wachung 37, 118 Projektpotenziale 243
Arbeitsorganisation BSC (Balanced Scorecard) 101
Umgruppierung von Tätigkeiten 223 Business Assessment 101
Umverteilung von Arbeitsaufgaben Business Case 78, 120
219
Vor-Ort Analyse 224 CCD (Central Composite Design)
Workshops zur 217 123, 187
Autonomation 37, 117 Champions 93
Clusteranalyse 79
Badewannenkurve 72 Conjoint-Analyse 82
BBD (Box-Behnken-Design) 188 Cpk-Wert als Maß für die
Bearbeitungs- und Liegezeiten 35 Prozessfähigkeit 121
Bearbeitungszeit, wertschöpfende 34 Cp-Wert als Maß für die
Black Belts 93, 289 Prozessstreuung 121
Blended Learning 94 CTC (Critical to Cost) 320
Blitz-DMAIC-Zyklus 129 CTQ-Outputmessgrößen-Analyse 121
Boundary Diagramm 318 CTQs (Critical to Quality Characteris-
BPE (Business Process Excellence) tics) 3, 5, 46, 85, 121, 161, 173, 320,
Balanced Scorecard als Basis für die 324
Steuerung von 235 CTS (Critical to Satisfaction) 320
BPE-Haus von Boehringer Ingelheim
234 Datenanalyse 123
BPE-Projekte, Ermittlung des Design for Six Sigma (DFSS)
monetären Nutzens 238 6 Erfolgsfaktoren 320
BPE-Projekte, Freigabeentscheidung Anforderungsmanagement bei
243 Systemprojekten 314
Bubble Chart zur aggregierten Ansatzpunkte 8, 71
Projektbewertung 242 bei Siemens VDO Diesel Systems
Journey to Excellence (AMD) 209 307
362 Stichwortverzeichnis