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GELESEN VON ACHIM HÖPPNER

J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 3

Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 4
J. R. R. Tolkien –
ein Leben für die Fantasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10
Achim Höppner –
die deutsche Stimme Gandalfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 14

ANHANG A
Annalen der Könige und Herrscher . . . . . . . . . . . . . . S. 18
I Die númenórischen Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 18
1. Númenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 18
2. Die Reiche im Exil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 26
3. Eriador, Arnor und Isildurs Erben . . . . . . . . . . S. 28
4. Gondor und Anárions Erben . . . . . . . . . . . . . . S. 37

ANHANG F
I Die Sprachen und Völker des Dritten Zeitalters . . . S. 63
Von den Elben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 64
Von den Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 65
Von den Hobbits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 69
Von den anderen Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 70
II Zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 75
Anmerkung zu drei Namen:
Hobbit, Gamdschie und Brandywein . . . . . . . . . . . . . . . S. 84

Zur neuen Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 86


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VORWORT

Diese Geschichte wuchs sich, während ich sie schrieb, zu einer Chronik des
Großen Ringkrieges aus, mitsamt vielerlei Ausblicken auf Ereignisse in noch
älteren Zeiten. Sie wurde begonnen, bald nachdem Der Hobbit geschrieben und
noch bevor er 1937 erschienen war; dann aber ließ ich diese Fortsetzung liegen,
denn ich wollte zunächst die Sammlung von Mythen und Sagen der Ältesten
Tage vervollständigen und zu Papier bringen, die damals schon seit Jahren Ge­
stalt angenommen hatte. Das sollte zum eigenen Vergnügen geschehen, denn
es bestand wenig Hoffnung, dass auch andere sich für ein solches Werk interes­
sieren würden, das ja vor allem linguistisch inspiriert war und anfangs nur den
Zweck hatte, den nötigen »historischen« Hintergrund für die Elbensprachen zu
schaffen.

Als diejenigen, deren Rat und Urteil ich einholte, mich berichtigten, dass
nicht wenig, sondern keine Hoffnung bestehe, nahm ich diese Fortsetzung wieder
auf, ermutigt durch Anfragen von Lesern nach weiteren Auskünften über die
Hobbits und ihre Abenteuer. Aber unwiderstehlich zog es die Erzählung zu
der älteren Welt hin, und so wurde sie gewissermaßen zu einem Bericht von
deren Ende und Vergehen, bevor noch der Anfang und die Zwischenzeit bekannt
waren. Diese Entwicklung hatte begonnen, als ich den Hobbit schrieb, wo die
älteren Stoffe auch schon einige Male erwähnt wurden: Elrond, Gondolin, die
Hoch­elben und die Orks, und wo ganz plötzlich Dinge ins Blickfeld kamen, mit
denen es eine höhere, tiefere oder dunklere Bewandtnis hatte, als auf den ersten
Blick zu erkennen war: Durin, Moria, Gandalf, der Nekromant, der Ring.
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Als ich he­rausfand, was dies alles zu bedeuten und was es mit den früheren
Gescheh­nissen zu tun hatte, ergab sich ein Bild des Dritten Zeitalters mit seinem
Gipfel im Ringkrieg.

Die Leser, die mehr über Hobbits hatten erfahren wollen, bekamen schließ­
lich, was sie wollten, mussten aber lange warten; denn die Arbeit am Herrn der
Ringe zog sich mit Unterbrechungen über die Jahre von 1936 bis 1949 hin, eine
Zeit, in der ich viele andere Verpflichtungen zu erfüllen hatte und als Lehren­
der und Lernender vielerlei Interessen nachging, die mich oft ganz in Anspruch
nahmen. Natürlich trug auch der Ausbruch des Krieges 1939 zur Verzögerung
bei, und am Ende dieses Jahres war noch nicht einmal das Buch I fertig. Trotz der
dunklen fünf Jahre, die nun folgten, mochte ich die Sache nicht ganz aufgeben
und schleppte mich voran, meistens nachts, bis ich an Balins Grab in Moria
stand. Dort gab es einen langen Aufenthalt. Erst nach fast einem Jahr ging es
weiter, und Ende 1941 kam ich bis nach Lothlórien und zum Großen Strom. Im
nächsten Jahr schrieb ich die ersten Fassungen der Teile, die jetzt das Buch III
ausmachen, und die Anfänge der Kapitel 1 und 3 von Buch V; und dort, während
in Anórien die Leuchtfeuer brannten und Théoden ins Hargtal geritten kam, blieb
ich stecken. Ich wusste nicht weiter, und zum Nachdenken war keine Zeit.

1944 dann rang ich mich dazu durch, den Krieg, den ich noch zu führen oder
wenigstens zu beschreiben hatte, mit all seinen Verwicklungen und losen Fäden
zunächst auf sich beruhen zu lassen und erst einmal Frodo auf seinem Weg nach
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Mordor voranzubringen. Diese Kapitel, aus denen schließlich Buch IV wurde,


schickte ich in Teillieferungen meinem Sohn Christopher, der damals bei der
Royal Air Force in Südafrika diente. Dennoch vergingen weitere fünf Jahre, bis
die Erzählung zu ihrem jetzigen Schluss gekommen war. In dieser Zeit zog ich
in ein anderes Haus um, wechselte den Lehrstuhl und das College; und die Tage
waren zwar nicht mehr so dunkel, aber nicht weniger arbeitsreich. Dann, als zu
guter Letzt das »Ende« erreicht war, musste die ganze Geschichte neu durchge­
sehen und zu großen Teilen sogar von hinten nach vorn umgeschrieben werden.
Und getippt werden musste sie auch noch, und zwar mehrfach: von mir selbst,
denn die Kosten für eine professionelle zehnfingrige Schreibkraft gingen über
meine Verhältnisse.

Seit Der Herr der Ringe nun gedruckt vorliegt, haben ihn viele gelesen; und ich
möchte etwas zu den mancherlei Meinungen oder Vermutungen über die Motive
und den Sinn der Geschichte sagen, die ich gehört oder gelesen habe. Das
­wichtigste Motiv war der Wunsch des Erzählers, sich an einer wirklich langen
Ge­­schichte zu versuchen, die die Aufmerksamkeit des Lesers wach halten, ihn
belustigen und erfreuen und ihn vielleicht auch manchmal erregen oder tiefer
berühren könnte. Leiten konnte mich nur das eigene Gefühl dafür, was reizvoll
oder bewegend ist, und nach Ansicht vieler Beurteiler hat es mich unvermeidlich
oft fehlgeleitet. Manche, die das Buch gelesen oder jedenfalls rezensiert haben,
fanden es langweilig, abstrus oder verachtenswert, und ich habe keinen Grund,
mich zu beklagen, denn ich denke ähnlich über ihre Werke oder über die Art
Bücher, die sie offenbar vorziehen. Aber auch aus der Sicht vieler Leser, denen
die Geschichte gefallen hat, gibt es etliches zu bemängeln. Es ist wohl in einer
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langen Geschichte nicht möglich, es jedermann an allen Stellen recht zu machen


oder jedermann an den gleichen Stellen zu missfallen; denn wie ich aus den
Zuschriften der Leser ersehe, werden dieselben Passagen oder Kapitel, die für
manche ein Ärgernis sind, von anderen besonders beifällig aufgenommen. Als
kritischster von allen Lesern finde ich selbst darin nun vielerlei Mängel, größere
und kleinere, doch weil ich zum Glück nicht verpflichtet bin, das Buch sei es zu
rezensieren, sei es neu zu schreiben, will ich sie mit Stillschweigen übergehen –
alle bis auf einen, den auch andere bemerkt haben: Das Buch ist zu kurz.

Was die tiefere Bedeutung oder »Botschaft« des Buches angeht, so hat es
nach Absicht des Autors keine. Es ist weder allegorisch, noch hat es irgendeinen
aktuellen Bezug. Als die Geschichte wuchs, schlug sie Wurzeln (in die Vergan­
gen­heit) und verzweigte sich in unerwartete Richtungen, aber ihr Hauptthema
stand von Anfang an fest, weil der Ring nun einmal das Bindeglied zum Hobbit
sein musste. Das zentrale Kapitel »Der Schatten der Vergangenheit« ist eines
der ältesten Stücke der Erzählung. Es wurde geschrieben, als aus den Vorzeichen
für 1939 noch längst nicht die Gefahr einer unabwendbaren Katastrophe zu
erkennen war; und von diesem Punkt aus hätte die Geschichte im Wesentlichen
den gleichen Fortgang genommen, auch wenn das Unglück abgewendet worden
wäre. Ihre Quellen sind Dinge, die mich seit langem beschäftigten und zum
Teil auch schon niedergeschrieben waren, und der Krieg, der 1939 begann, und
seine Folgen änderten an ihr wenig oder nichts.

Der wirkliche Krieg hat weder in seinem Verlauf noch in seinem Ausgang eine
Ähnlichkeit mit dem Krieg der Sage. Hätte er als Vorbild oder Leitfaden gedient,
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so hätte man sich des Rings sicherlich bemächtigt und ihn gegen Sauron verwendet;
und Sauron wäre nicht vernichtet worden, sondern unterworfen, und Barad-dûr
nicht zerstört, sondern besetzt. Saruman, wenn er schon nicht in den Besitz des
Ringes gelangen konnte, hätte in den Wirren und Verrätereien jener Zeit Gelegen­
heit gefunden, sich in Mordor die fehlenden Zwischenglieder seiner eigenen
Ringforschung zu verschaffen; und bald hätte er sich selbst einen großen Ring
geschmiedet, um den selbsternannten Beherrscher von Mittelerde damit heraus­
zufordern. Den Hobbits wäre in einem solchen Konflikt von beiden Seiten nur
Hass und Verachtung begegnet; und nicht mal als Sklaven hätten sie lange überlebt.
Denkbar wären auch Deutungen gemäß den Vorlieben oder Ansichten der­
jenigen, die auf allegorische oder aktuelle Bezüge Wert legen. Doch die Allegorie
in allen ihren Formen verabscheue ich von Herzen, und zwar schon immer, seit
ich alt und argwöhnisch genug bin, ihr Vorhandensein zu bemerken. Geschichte,
ob wahr oder erfunden, mit ihrer vielfältigen Anwendbarkeit im Denken und
Erleben des Lesers ist mir viel lieber. Ich glaube, dass »Anwendbarkeit« mit
»Allegorie« oft verwechselt wird; doch liegt die eine im freien Ermessen des
Lesers, während die andere von der Absicht des Autors beherrscht wird.

Der Autor kann natürlich von der eigenen Erfahrung nicht völlig unberührt
bleiben, aber der Vorgang, in dem der Keim einer Geschichte aus dem Boden
der Erfahrung seine Nahrung zieht, ist äußerst verwickelt, und Versuche, ihn
zu beschreiben, beruhen bestenfalls auf Mutmaßungen anhand unzureichender
und mehrdeutiger Befunde. Falsch, obgleich naturgemäß verlockend, ist auch
die Annahme, wenn das Leben eines Autors und das eines Kritikers sich über­
schneiden, müssten die Ereignisse und geistigen Bewegungen ihrer Zeit auf beide
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den stärksten Einfluss ausgeübt haben. Gewiss, wie bedrückend ein Krieg ist,
kann nur der ganz empfinden, auf den dieser Schatten einmal gefallen ist; doch
im Laufe der Jahre scheint man nun oft zu vergessen, dass es ebenso schrecklich
war, als junger Mensch 1914 da hineinzugeraten wie 1939 und in den folgen­
den Jahren. 1918 waren alle meine guten Freunde tot, bis auf einen. Oder, um
ein weniger trauriges Thema anzuschneiden: manche haben angenommen, das
Kapitel über die »Säuberung des Auenlandes« spiegle die Situ­a­tion in England
zu der Zeit wider, als ich die Erzählung beendete. Das stimmt nicht. Das Kapitel
war ein von Anfang an vorgesehener wesentlicher Teil des Handlungs­plans. Al­
lerdings veränderte es sich mit Rücksicht auf die Figur Sarumans, so wie sie sich
im Fortgang der Geschichte entwickelte, ohne dass – muss ich es eigens sagen? –
irgendeine allegorische Bedeutung oder ein aktueller politischer Bezug hinzukam.
Dennoch ist es in gewissen Erfahrungen begründet, wenn auch nur entfernt
ähnlichen (denn die wirtschaftliche Lage war eine ganz andere) und viel weiter
zurückliegenden. Die Gegend, in der ich meine Kindheit verbracht hatte, wurde
verwüstet, bevor ich zehn war, zu einer Zeit, als Automobile eine Seltenheit waren
(ich hatte nie eines gesehen) und als man noch Vorortbahnen baute. Vor kurzem
sah ich in einer Zeitung ein Bild, das die alte, einst florierende Mühle des Ortes
im letzten Stadium der Baufälligkeit zeigte, neben dem Mühl­teich, der mir vor
langer Zeit so viel bedeutet hatte. Den jungen Müller hatte ich nie gemocht,
aber sein Vater, der alte Müller, hatte einen schwarzen Bart, und er hieß nicht
Sandigmann.
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J.R.R. Tolkien – ein Leben für die Fantasie

John Ronald Reuel Tolkien wurde am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in Süd­


afrika geboren. Sein Vater Arthur starb, als er gerade vier Jahre jung war, und
so musste seine Mutter ihn und seinen jüngeren Bruder Hilary in bescheidenen
Verhältnissen in England aufziehen. Die Umgebung, in die die Familie Tolkien
zieht, prägte den jungen John und während der vier Jahre Aufenthalt im kleinen
Dorf Sarehole nahe Birmingham lernt er das ländliche England lieben. Tolkiens
Mutter, eine gläubige, konvertierte Katholikin, musste ihre beiden Jungs gegen
den Widerstand ihrer protestantischen Verwandten in der nur wenige Kilo­meter
entfernten Großstadt erziehen lassen. Auch sie starb früh und hinterließ John
und Hilary in der Obhut von Francis Xavier Morgan, einem Priester am Birming­
ham Oratory. Der frühe Tod seiner Mutter bestärkte Tolkien für den Rest seines
Lebens in seinem Glauben: Er sah seine Mutter als Märtyrerin, die aufgrund
der bitteren Umstände ihres Lebens ihre Gesundheit für das Wohl ihrer Kinder
opferte.
Früh schon zeigte sich die Begabung, die später zu Tolkiens Weltruhm führen
sollte: Seine Liebe zu Sprachen, seine Fähigkeit, sich mit Begeisterung mit einem
Thema lange Zeit, wenn nicht lebenslang, zu beschäftigen; der Wunsch, einen
neuen Mythos für England zu schaffen. Er erhält ein Stipendium für das Exeter
College in Oxford, wo er 1915 seinen Abschluss mit Bravour besteht. In dieser
Zeit lernte er die Frau seines Lebens kennen, Edith Bratt. Während der junge
Autor in Birmingham logierte, wohnte im selben Haus dieses bezaubernde junge
Mädchen, das auch bald seine Ehefrau werden sollte, seine „Luthien“, die er
am 22. März 1916 heiratet, bevor er in den Krieg zieht. Tolkiens akademische
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Laufbahn wird nur vom Ersten Weltkrieg unterbrochen. Er wird den Lancashire
Fusiliers, einer Fernmeldeeinheit, zugeordnet und verliert im Laufe der Schlacht
an der Somme binnen eines Tages alle seine Freunde, bis auf einen. Diese
Erfah­rung prägt ihn in jungen Jahren für den Rest seines Lebens und wird als
wiederkehrender Topos - der Auseinandersetzung mit dem Tod - Einfluss auf
sein Werk nehmen.
Tolkien durchläuft eine vorbildliche akademische Karriere. Nach Arbeiten
am Oxford English Dictionary wird er zwei Jahre später Professor für Englisch
an der Universität Leeds. Weitere vier Jahre später wird ihm der Ruf als Rawlinson
und Bosworth Professor für Angelsächsisch am Pembroke College erteilt. Seine
letzte Professur erhält er als Merton Professor für englische Sprache und Lite­­
ratur 1945 in seinem geliebten Oxford. Bekannt sind seine Übersetzung von
Sir Gawain und der grüne Ritter, sein Vortrag Beowulf: Monster und ihre Kritiker und seine
Vortragsreihe On Fairy-Stories, die sich mit Mythologie, Fantasie und der Kreation
sekundärer Welten beschäftigen.
John Ronald Reuel und Edith Tolkien hatten vier Kinder: 1917 wurde John
geboren, der später Geistlicher in der anglikanischen Kirche werden sollte;
1920 kam Michael zur Welt. Der Verwalter seines Erbes und Herausgeber der
kritischen Edition des Werks seines Vaters, Christopher, kommt 1924 zur Welt
und das Nesthäkchen Priscilla wird 1929 geboren. Tolkien geht 1959 in Ruh­e­
stand und ist überrascht, welchen Erfolg seine Neuschöpfung einer mythischen
Welt hat, die im Silmarillion, dem Herrn der Ringe und dem Hobbit Ausdruck finden
sollte. Gerade in den Vereinigten Staaten wird der Brite in den 60ern zum
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Kultautor einer Gesellschaft in Bewegung, die sich anscheinend in Zeiten des


sozialen Umbruchs fantastische Welten zu Fluchtburgen ihrer Fan­tasie aufbaut.
Dies hatte Tolkien nie bezweckt, aber seine Vorstellung von Fan­tasie und Mytho­
logie stand oft im Widerspruch zum allgemeinen Verständnis seines Werks.
Tolkien verbringt den Rest seines Lebens mit seiner geliebten Ehefrau Edith,
die 1971 stirbt. 1972 wird er von der Queen mit dem Orden „CBE“ für seine
herausragende literarische Bedeutung geadelt. Am Morgen des 2. September
1973 stirbt der Schöpfer von Mittelerde nach kurzer Krankheit in einem Kranken­
haus in Bournemouth, England.

Marcel Aubron-Bülles
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Achim Höppner – die deutsche Stimme Gandalfs

Nach seiner Schauspielausbildung und dem Studium der Germanistik, Kunst-


und Theatergeschichte arbeitete Achim Höppner als Schauspieler und Regisseur.
Seit Jahren ist er erfolgreich für Film, Kino und Fernsehen tätig, vor allem
in den Bereichen Synchronisation, Hörspiel, Lesung und Radiofeature. Seine
Stimme ist einem breiten Publikum bekannt. So synchronisierte er Gandalf
im Kinofilm Der Herr der Ringe sowie Clint Eastwood, Paul Newman, Donald
Sutherland u. v. a. und las für den Hörverlag bereits Das Silmarillion. Darüber
hinaus sucht Achim Höppner so oft wie möglich den direkten Kontakt zum
Publikum in szenischen und literarischen Lesungen.
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Anhänge

Anga­ben zu den Quel­len für die meis­ten der in die­sem und den fol­gen­den
Anhän­gen (beson­ders A bis D) zu behan­deln­den Stof­fe fin­den sich in der
An­mer­kung über die auen­län­di­schen Geschichts­bü­cher am Ende des Pro­logs.

Die in den Quel­len ent­hal­te­nen Sagen, Erzäh­lun­gen und Berich­te sind sehr
umfang­reich. Nur Aus­zü­ge aus ihnen, zumeist stark ver­kürzt, wer­den hier wie­der­
ge­ge­ben. Unser Zweck dabei ist vor allem, den Ring­krieg und sei­ne Ursprün­ge
zu ver­deut­li­chen und man­che Lücken in der Haupt­er­zäh­lung zu schlie­ßen. Die
alten Sagen aus dem Ers­ten Zeit­al­ter, denen Bil­bos beson­de­re Auf­merk­sam­keit
galt, wer­den nur sehr kurz behan­delt, da sie von den Vor­fah­ren Elronds und
der núme­nó­ri­schen Köni­ge und Stam­mes­fürs­ten berich­ten. Wört­li­che Aus­zü­ge
aus län­ge­ren Geschichts­wer­ken und Erzäh­lun­gen erschei­nen in Anfüh­rungs­­
zeichen, Hin­zu­­fügun­gen von spä­te­rer Hand in ecki­gen Klam­mern. Auch Zita­te
in den Fuß­no­ten, soweit in Anfüh­rungs­zei­chen, stam­men aus den Quel­len.
Ande­re Fuß­no­ten sind vom Heraus­ge­ber.
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Die ange­ge­be­nen Jah­res­zah­len bezie­hen sich auf das Drit­te Zeit­al­ter, soweit
sie nicht mit Z. Z. (Zwei­tes Zeit­al­ter) oder V. Z. (Vier­tes Zeit­al­ter) gekenn­
zeich­net sind. Das Drit­te Zeit­al­ter galt mit dem Schei­den der Drei Rin­ge im
Sep­tem­ber 3021 als been­det; doch für die amt­li­chen Auf­zeich­nun­gen in Gon­dor
begann das ers­te Jahr des Vier­ten Zeit­al­ters mit dem 25. März 3021. In den
­Listen der Köni­ge und Herr­scher bezeich­nen die Zah­len nach den Namen,
sofern nur eine ange­ge­ben wird, das Todes­jahr. Das Zei­chen † bedeu­tet vor­­
zeiti­ger Tod, in der Schlacht oder auf ande­re Wei­se, auch wenn kei­ne Jah­res­zahl
bekannt ist.

Aus platztechnischen Gründen haben wir die Anhänge gedrittelt und werden sie im zweiten
und dritten Teil fortsetzen.
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Anhang A

Anna­len der Köni­ge und Herr­scher

I Die núme­nó­ri­schen Köni­ge


1. Núme­nor
Fea­nor war unter den Eldar der größ­te Künstler und Gelehrte, aber zu­gleich
auch der Stol­zes­te und Eigen­mäch­tigs­te. Er schuf die drei Edel­stei­ne, die sil­ma­
ril­li, und gab ihnen das Licht der Zwei Bäu­me ein, Tel­pe­rions und Lau­re­lins1,
die das Land der Valar erhell­ten. Die Edel­stei­ne begehr­te Mor­goth, der Feind,
der sie, nach­dem er die Bäu­me ver­nich­tet hat­te, stahl und nach Mit­te­ler­de brach­te,
wo er sie in sei­ner gro­ßen Fes­tung Than­go­ ro­drim ver­wahr­te. Gegen den Wil­len
der Valar ver­ließ Fea­nor das ­Se­gens­reich und zog mit einem gro­ßen Teil sei­nes
Vol­kes nach Mit­te­ler­de ins Exil; denn in sei­nem Stolz glaub­te er, Mor­goth die
Sil­ma­ril mit Gewalt wie­der abrin­gen zu kön­nen. So kam es zu dem aus­sichts­lo­
sen Krieg der Eldar und der Edain gegen Than­go­ro­drim, in dem sie am Ende
ver­nich­tend besiegt wur­den. Die Edain (Ata­ni) waren die drei Men­schen­völ­ker,
die zuerst in den Wes­ten von Mit­te­ler­de und an die Küs­ten des Gro­ßen Mee­res
kamen und zu Ver­bün­de­ten der Eldar gegen den Feind wur­den.
Zwi­schen den Eldar und den Edain kam es in drei Fäl­len zu ehe­li­chen Ver­ei­
ni­gun­gen: zwi­schen Lúthi­en und Beren, Idril und Tuor, Arwen und Ara­gorn.

1 Von Lau­re­lin, dem gol­de­nen Baum, war in Mit­te­ler­de kein Abbild oder Nach­kom­me mehr geblie­ben.
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Durch die letz­te wur­den die lan­ge getrenn­ten Zwei­ge der Hal­b­el­ben wie­der ver­
ei­nigt und ihre Erbli­nie wie­der­her­ge­stellt.
Lúthi­en Tinú­viel war die Toch­ter König Thin­gol Grau­man­tels, der im Ers­ten
Zeit­al­ter das Elben­reich von Doriath beherrsch­te; ihre Mut­ter aber war Meli­an
vom Volk der Valar. Beren war der Sohn Bara­hirs vom Ers­ten Haus der Edain.
Gemein­sam erran­gen sie einen der Sil­ma­ril aus Mor­goths Eisen­kro­ne. Lúthi­en
wur­de sterb­lich und war für das Elben­ge­schlecht ver­lo­ren. Ihr Sohn war Dior,
und des­sen Toch­ter Elwing hat­te den Sil­ma­ril in Ver­wah­rung.
Idril Cele­brin­dal war die Toch­ter Tur­gons, des Königs der ver­bor­ge­nen
Stadt Gon­do­lin. Tuor war der Sohn Huors aus dem Haus Hador, dem Drit­ten
Volk der Edain, das in den Krie­gen mit Mor­goth den höchs­ten Ruhm erlang­te.
Earen­dil, der See­fah­rer, war Idrils und Tuors Sohn.
Earen­dil hei­ra­te­te Elwing, und mit der Macht des Sil­ma­rils durch­fuhr er das
Schat­ten­meer und erreich­te den äußers­ten Wes­ten. Als Bot­schaf­ter der Elben
und Men­schen erlang­te er dort Hil­fe, mit der Mor­goth nie­der­ge­wor­fen wur­de.
Ihm wur­de nicht erlaubt, in die Lande der Sterb­­lichen zurück­zu­keh­ren, und
sein Schiff mit dem Sil­ma­ril wur­de als Stern an den Him­mel ver­setzt, zum Zei­
chen der Hoff­nung für alle vom gro­ßen Feind oder sei­nen Die­nern bedrück­ten
Bewoh­ner von Mit­te­ler­de. Allein die Sil­ma­ril bewahr­ten noch das alte Licht der
Zwei Bäu­me von Vali­nor aus der Zeit, bevor Mor­goth sie ver­gif­te­te; die ande­ren
bei­den jedoch gin­gen am Ende des Ers­ten Zeit­al­ters ver­lo­ren. Von alle­dem und
vie­lem andern, das Elben und Men­schen betrifft, wird aus­führ­lich im Sil­ma­ri­l­lion
berich­tet.
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Earen­dils Söh­ne waren Elros und Elrond, die Per­ed­hil oder Hal­bel­ben. In
ihnen allein war die Erbli­nie der hel­den­haf­ten Edain-Stam­mes­fürs­ten aus
dem Ers­ten Zeit­al­ter erhal­ten; und nach Gil-ga­lads Tod war auch die Linie der
Hochel­ben­kö­ni­ge in Mit­te­ler­de nur noch durch die Nach­kom­men der Hal­bel­ben
ver­tre­ten.
Am Ende des Ers­ten Zeit­al­ters erwirk­ten die Valar von den Hal­bel­ben eine
un­wi­der­ruf­li­che Ent­schei­dung, wel­chem der bei­den Geschlech­ter sie ange­hö­ren
woll­ten. Elrond ent­schied sich für die Elben und wur­de ein Wei­ser. Ihm wur­de
daher die­sel­be Gunst gewährt wie den­je­ni­gen Hoch­elben, die noch immer in
Mit­te­ler­de ver­weil­ten: dass er, wenn er schließ­lich der Sterb­li­chen­lan­de müde
wür­de, bei den Grau­en Anfur­ten zu Schiff gehen und in den Äußers­ten Wes­ten
fah­ren kön­ne; und dies galt auch nach der Ver­wand­lung der Welt. Elronds Kin­
der wur­den eben­falls vor eine Wahl gestellt: ent­we­der mit ihm aus den Krei­sen
der Welt zu schei­den oder aber, wenn sie blie­ben, sterb­lich zu wer­den und in
Mit­te­ler­de den Tod zu erwar­ten. Für Elrond war daher jeder mög­li­che Aus­gang
des Ring­kriegs schmerz­lich.
Elros ent­schied sich für das Men­schen­ge­schlecht und blieb unter den Edain;
doch wur­de ihm ein lan­ges Leben gewährt, vie­le Male län­ger als das gewöhn-
­li­cher Men­schen.

Zum Lohn für ihre Lei­den im Kampf gegen Mor­goth wur­de den Edain von
den Wel­thü­tern, den Valar, ein Land gege­ben, wo sie sich fern von allen Gefah­ren
Mit­te­ler­des nie­der­las­sen konn­ten. Die meis­ten von ihnen schiff­ten sich daher
ein und fuh­ren, von Earen­dils Stern gelei­tet, übers Meer bis zu der gro­ßen Insel
Elen­na, dem west­lichs­ten aller Sterb­li­chen­lan­de. Dort grün­de­ten sie das Reich
von Núme­nor.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 19

In der Mit­te des Lan­des stand ein hoher Berg, der Men­elt­ar­ma, und wer gute
Augen hat­te, konn­te von sei­nem Gip­fel aus den wei­ßen Turm am Hafen der
Eldar in Eres­sea sehen. Von dort kamen die Eldar zu den Edain herü­ber­ge­fah­ren
und mach­ten sie um vie­le Kennt­nis­se und Geschen­ke rei­cher. Den Edain aber
war ein Ver­bot auf­er­legt wor­den, der »Bann der Valar«: Sie durf­ten nicht außer
Sicht­wei­te der eige­nen Küs­ten nach Wes­ten segeln oder ver­su­chen, den Fuß auf
die Lan­de der Unsterb­li­chen zu set­zen. Denn obwohl ihnen ein lan­ges Leben
gewährt war, anfangs drei­mal so lan­ge wie das Leben gewöhn­li­cher Men­schen,
muss­ten sie doch sterb­lich blei­ben, denn den Valar war nicht erlaubt, ihnen die
»Gabe der Men­schen« zu neh­men (oder das Men­schen­los, wie man es spä­ter
nann­te).
Elros wur­de der ers­te König von Núme­nor und trug spä­ter den hoch­­elbischen
Namen Tar-Mi­ny­a­tur. Sei­ne Nach­kom­men waren lang­le­big, aber sterb­lich.
Spä­ter, als sie viel Macht errang­en, reu­te sie die Ent­schei­dung ihres Ahn­herrn;
sie wünsch­ten sich die Unsterb­lich­keit in die­ser Welt, die das Schick­sal der
Eldar war, und murr­ten gegen den Bann. So kam es, dass sie sich empör­ten und
Sau­rons tücki­sche Leh­ren annah­men, was zum Unter­gang von Núme­nor und
zur Zer­trüm­me­rung der alten Welt führ­te, wie in der Akall­abêth berich­tet wird.

Dies sind die Namen der Köni­ge und Köni­gin­nen von Núme­nor:
Elros Tar-Mi­ny­a­tur, Var­da­mir, Tar-Aman­dil, Tar-Elen­dil, Tar-Me­nel­dur, ­
Tar-­Aldari­on, Tar-An­ca­li­me (die ers­te regie­ren­de Köni­gin), Tar-Aná­ri­on,
Tar-Súri­on, Tar-Tel­pe­ri­en (die zwei­te Köni­gin), Tar-Mi­nas­tir, Tar-Ci­ry­a­tan,
Tar-Ata­na­mir der Gro­ße, Tar-An­ca­li­mon, Tar-Te­lem­mai­te, Tar-Va­ni­mel­de
(die drit­te Köni­gin), Tar-Al­ca­rin, Tar-Cal­ma­cil.
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Nach Cal­ma­cil über­nah­men die Köni­ge das Zep­ter unter Namen aus der
núme­nó­ri­schen (oder adû­nai­schen) Spra­che: Ar-Adû­nak­hôr, Ar-­Zimra­thôn,
Ar-Sa­kalt­hôr, Ar-Gi­milz­ôr, Ar-In­zi­la­dûn. Inzi­la­dûn bedau­er­te das Geba­ren
sei­ner Vor­gän­ger und nahm wie­der einen hochel­bi­schen Namen an: Tar-Pa­lan­
tir, »der Weit­bli­cken­de«. Sei­ne Toch­ter hät­te die vier­te Köni­gin, Tar-Mí­riël,
­werden müs­sen, doch sein Nef­fe riss das Zep­ter an sich: Ar-Pha­ra­zôn der ­­
Gol­de­ne, der letz­te König von Núme­no­r.
In den Tagen Tar-Elen­dils fuh­ren zum ers­ten Mal wie­der Schif­fe der Núme­
nó­rer nach Mit­te­ler­de. Tar-Elen­dils ältes­tes Kind war eine Toch­ter, Sil­ma­ri­ën.
Ihr Sohn war Valan­dil, der ers­te der Fürs­ten von Andu­nië, die für ihre Freund­
schaft mit den Eldar bekannt waren. Von ihm stamm­ten Aman­dil ab, der letz­te
Fürst des Hau­ses, und des­sen Sohn Elen­dil der Lan­ge.
Der sechs­te König hin­ter­ließ nur ein Kind, eine Toch­ter. Sie wur­de die ers­te
Köni­gin, und damals wur­de es zum Gesetz für das Königs­haus, dass jeweils das
ältes­te Kind, ob Mann oder Frau, das Zep­ter über­neh­men sol­le.

Das Reich von Núme­nor bestand bis zum Ende des Zwei­ten Zeit­al­ters, bei
fort­wäh­ren­dem Zuwachs an Macht und Glanz; und wäh­rend der ers­ten Hälf­te
des Zeit­al­ters wur­den die Núme­nó­rer auch immer klü­ger und glück­li­cher. Das
ers­te Anzei­chen des Schat­tens, der spä­ter auf sie fal­len soll­te, trat in den Tagen
Tar-Mi­nas­tirs auf, des elf­ten Königs. Er war es, der Gil-ga­lad ein gro­ßes Heer
zu Hil­fe schick­te. Er schätz­te die Eldar, aber er benei­de­te sie. Die Núme­nó­rer
waren nun gro­ße See­fah­rer gewor­den; und nach­dem sie alle Mee­re im Osten
erkun­det hat­ten, dach­ten sie immer sehn­süch­ti­ger an die ver­bo­te­nen Gewäs­ser
im Wes­ten. Je glück­li­cher ihr Leben war, des­to mehr ver­lang­te es sie nach der
Unsterb­lich­keit der Eldar.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 21

Über­dies wur­den die Köni­ge nach Minas­tir hab- und macht­gie­rig. Zuerst
waren die Núme­nó­rer in Mit­te­ler­de nur als Leh­rer und Freun­de der gerin­ge­
ren Men­schen­völ­ker auf­ge­tre­ten, die unter Sau­ron zu lei­den hat­ten; doch nun
­wurden ihre Häfen zu Fes­tun­gen, von denen aus sie wei­te Küs­ten­ge­bie­te in
Knecht­schaft hiel­ten. Ata­na­mir und sei­ne Nach­fol­ger erho­ben schwe­re Tri­bu­te,
und ihre Schif­fe kehr­ten beu­te­be­la­den nach Núme­nor zurück.
Tar-Ata­na­mir war es, der sich zuerst offen gegen den Bann aus­sprach und
erklär­te, dass das Leben der Eldar von Rechts wegen auch ihm ge­bühre. So
­ver­dich­te­te sich der Schat­ten, und der Gedan­ke an den Tod ver­dun­kel­te die Her­
zen der Men­schen. Nun bil­de­ten sich Par­tei­en: einer­seits die Köni­ge und ihre
Gefolgs­leu­te, die den Eldar und den Valar fremd gewor­den waren; ande­rer­seits
die weni­gen, die sich selbst die Getreu­en nann­ten. Von die­sen wohn­ten die
meis­ten im Wes­ten des Lan­des.
Die Köni­ge und ihre Anhän­ger gin­gen nach und nach vom Gebrauch der
Elben­spra­chen ab, und schließ­lich nahm der zwan­zigs­te König einen Herr­scher­
na­men in der núme­nó­ri­schen Form an: Er nann­te sich Ar-Adûnak­hôr, »Herr
des Wes­tens«. Dies schien den Getreu­en nichts Gutes zu ver­hei­ßen, denn bis­her
hat­ten sie die­sen Titel nur einem Vala oder dem Ältes­ten König selbst bei­­ge­
legt. Und tat­säch­lich begann Ar-Adûnak­hôr die Getreu­en zu ver­fol­gen und alle,
die sich öffent­lich der Elben­spra­chen bedien­ten, zu bestra­fen; und die Eldar
besuch­ten Númen­or nicht län­ger.
Macht und Reich­tum der Núme­nó­rer wuch­sen indes­sen wei­ter; doch ihre
Lebens­zeit wur­de kür­zer, wäh­rend zugleich ihre Todes­furcht zu­nahm und ihr
Dasein freud­los wur­de. Tar-Pa­lan­tir ver­such­te, das Unheil abzu­wen­den, aber
es war zu spät, und in Núme­nor kam es zum Zwist und Auf­stand. Als er starb,
ergriff sein Nef­fe das Zep­ter, der Anfüh­rer des Auf­stands, und mach­te sich
22

zum König. Ar-Pha­ra­zôn der Gol­de­ne war der stol­zes­te und mäch­tigs­te aller
Köni­ge, und sein Bestre­ben ziel­te auf nichts Gerin­ge­res als die Welt­herr­schaft.
Er beschloss, Sau­ron dem Gro­ßen die Vor­herr­schaft in Mit­te­ler­de strei­tig zu
machen. Mit einer gewaltigen Flot­te stach er in See und lan­de­te in Umbar. So
stark und präch­tig war das Heer der Núme­nó­rer, dass Sau­ron, von den eige­nen
Die­nern im Stich gelas­sen, sich demü­tig­te und unter­warf und um Ver­zei­hung
bat. Da nahm ihn Ar-Pha­ra­zôn, vom Hoch­mut verblendet, als Gefan­ge­nen mit
nach Núme­nor. Es dau­er­te nicht lan­ge, und Sau­ron hat­te den König behext
und ver­stand alle sei­ne Ent­schlüs­se zu len­ken; und bald hat­te er bis auf einen
klei­nen Rest der Getreu­en alle Núme­nó­rer für die Sache des Dun­kels ein­­­-
ge­nom­men.
Sau­ron mach­te dem König weis, das ewi­ge Leben wer­de dem zuteil, der die
Lande der Unsterb­li­chen­besit­ze, und der Bann sei nur ver­hängt wor­den, damit
die Köni­ge der Men­schen nicht mäch­ti­ger wür­den als die Valar. »Doch gro­ße
Köni­ge«, sag­te er, »neh­men sich, was ihnen zukommt.«
Schließ­lich hör­te Ar-Pha­ra­zôn auf die­sen Rat, denn er spür­te, dass sei­ne Tage
gezählt waren, und die Todes­furcht trüb­te sei­nen Ver­stand. Er rüs­te­te die größ­te
Streit­macht, die die Welt je gese­hen hat­te, und als alles bereit war, ließ er die
Trom­pe­ten bla­sen und die Segel set­zen. Den Bann der Valar bre­chend, zog er
gegen die Her­ren des Wes­tens in den Krieg, um ihnen das ewi­ge Leben abzu­
rin­gen. Doch als er den Fuß ans Ufer des geseg­ne­ten Lan­des Aman setz­te, leg­ten
die Valar ihr Hüter­amt nie­der und rie­fen den Einen an, und der Bau der Welt
wur­de geän­dert. Núme­nor wur­de zer­trüm­mert und vom Meer ver­schlun­gen,
und die Lan­de der Unsterb­li­chen wur­den für immer aus den Krei­sen der Welt
ent­rückt. So ende­te Núme­nors Herr­lich­keit.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 23

Die letz­ten Füh­rer der Getreu­en, Elen­dil und sei­ne Söh­ne, ent­ka­men dem
Unter­gang mit neun Schif­fen, auf denen sie einen Säm­ling von Nim­loth und
die Sie­ben Sichts­tei­ne (ein Geschenk der Eldar für ihr Haus) mit­führ­ten, und
ein gewal­ti­ger Sturm trug sie davon und warf sie an die Küs­ten von Mit­te­ler­de.
Dort, im Nord­wes­ten, grün­de­ten sie die núme­nór­i­schen Exil­rei­che von Arn­or
und Gon­dor. Elen­dil wur­de ihr Hoher König und nahm sei­nen Sitz im Nor­den,
in Annú­mi­nas; die Herr­schaft im Süden über­trug er sei­nen Söh­nen Isil­dur
und Aná­ri­on. Dort grün­de­ten sie die Stadt Osgi­liath, zwi­schen Minas Ithil
und Minas Anor gele­gen, unweit der Gren­zen von Mor­dor. Denn sie glaub­
ten, wenigs­tens dies eine Gute habe das Unglück bewirkt, dass auch Sau­ron mit
umge­kom­men sei.
Doch so war es nicht. Zwar hat­te Sau­ron beim Unter­gang von Núme­nor Scha­den
genom­men, sodass die leib­li­che Gestalt, in der er lan­ge auf­ge­tre­ten war, zugrun­de
ging; aber er ret­te­te sich nach Mit­te­ler­de, ein Geist des Has­ses, getra­gen von
einem dunk­len Wind. Her­nach konn­te er nie wie­der eine für Men­schen er-träg­
li­che äuße­re Erschei­nung anneh­men; er wur­de schwarz und abscheu­lich
und herrsch­te nur noch durch Schre­cken. Er kehr­te zurück nach Mor­dor
und hielt sich dort eine Zeit lang in aller Stil­le ver­bor­gen. Doch es erbos­te ihn
gewal­tig zu erfah­ren, dass Elen­dil, den er am innigs­ten hass­te, davon­ge­kom­men
war und nun an sei­nen Gren­zen ein Reich errich­te­te.

Daher über­zog er die Exil­rei­che nach eini­ger Zeit mit Krieg, um sie nicht erst
Wur­zel fas­sen zu las­sen. Von neu­em brach der Oro­dru­in in Flam­men aus, und
in Gon­dor erhielt er einen neu­en Namen: Amon Amarth, der Schick­sals­berg. Aber
Sau­ron führ­te sei­nen Schlag zu früh, bevor er die eige­ne Macht wie­der gefes­tigt
24

hat­te, wäh­rend Gil-ga­lad in sei­ner Abwe­sen­heit mäch­ti­ger gewor­den war; und


als das Letz­te Bünd­nis gegen ihn geschlos­sen wur­de, konn­te es Sau­ron nie­der­
wer­fen und ihm den Einen Ring abneh­men. So ende­te das Zwei­te Zeit­al­ter.

2. Die Rei­che im Exil


Die nörd­li­che Linie: Isil­durs Erben
Arn­or: Elen­dil † Z. Z. 3441, Isil­dur † 2, Valan­dil2 249, Elda­car 339, Aran­t­ar
435, Tar­cil 515, Taron­dor 602, Valand­ur † 652, Elen­dur 777, Earen­dur 681.
Arthe­dain: Amlaith von For­nost3 (Earen­durs ältes­ter Sohn) 946, Beleg 1029,
Mal­lor 1110, Cele­pharn 1191, Cele­brin­dor 1272, Mal­ve­gil 13494, Arge­leb I.
† 1356, Arve­leg I. 1409, Ara­phor 1589, Arge­leb II. 1670, Arve­gil 1743, Arve­leg II.
1813, Ara­val 1891, Ara­phant 1964, Arve­dui der Letz­te † 1975. Ende des Nörd­­
lichen Königs­reichs.
Stam­me­so­ber­häup­ter: Ara­narth (Arve­du­is ältes­ter Sohn) 2106, Ara­ha­el 2177,
­Aranu­ir 2247, Ara­vir 2319, Ara­gorn I. † 2327, Ara­glas 2455, Ara­had I. 2523,
Ara­gost 2588, Ara­vorn 2654, Ara­had II. 2719, Ara­ssuil 2784, Ara­thorn I.
† 2848, Argo­nui 2912, Ara­dor † 2930, Ara­thorn II. † 2933, Ara­gorn II.
V. Z. 120.

2 Isil­durs vier­ter Sohn, gebo­ren in Imlad­ris. Sei­ne Brü­der fie­len auf den Schwer­tel­fel­dern.
3 Nach Earen­dur tru­gen die Köni­ge ihren Namen nicht mehr in der hoch­­­elbischen Form.
4 Nach Mal­ve­gil erho­ben die Köni­ge in For­nost wie­der Anspruch auf die Herr­schaft über ganz Arn­or und stell­ten
zum Zei­chen dafür ihrem Namen die Sil­be ar(a) voran.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 25

Die süd­li­che Linie: Aná­ri­ons Erben


Köni­ge von Gon­dor: (Elen­dil, Isil­dur und) Aná­ri­on † Z. Z. 3440, Meneld­il (Aná­­
rions Sohn) 158, Cemen­dur 238, Earen­dil 324, Anar­dil 411, Osto­her 492,
Rómen­da­cil I. (Taro­star) † 541, Turam­bar 667, Ata­na­tar I. 784, Sirio­nd ­ il 830.
Es folg­ten die vier »Schiffs­kö­ni­ge«:
Taran­non Falas­tur 913. Er war der ers­te kin­der­lo­se König, und der Sohn sei­nes
Bru­ders Tar­ci­ry­an wur­de sein Nach­fol­ger. Ear­nil I. † 936, Ciry­an­dil † 1015, Hyar­­
men­da­cil I. (Ciry­a­her) 1149. Gon­dor erreich­te nun den Gip­fel sei­ner Macht.
Ata­na­tar II. Alca­rin, »der Präch­ti­ge« 1226, Nar­ma­cil I. 1294. Er war der
zwei­te kin­der­lo­se König, und sein jün­ge­rer Bru­der wur­de sein Nach­fol­ger.
­Calma­cil 1304, Minal­car (Regent 1240–1304), gekrönt 1304 als Rómen­dacil II.,
starb 1366. Vala­car 1432, zu sei­ner Zeit begann Gon­dors ers­te Kri­se, der
­Sippen­streit.
Elda­car, Vala­cars Sohn (zuerst Vinit­ha­rya genannt), abge­setzt 1347. Cas­ta­mir,
der Thron­räu­ber † 1447. Elda­car, wie­der ein­ge­setzt, starb 1490.
Alda­mir (zwei­ter Sohn Elda­cars) † 1540, Hyar­men­da­cil II. (Viny­a­ri­on) 1621,
Minar­dil † 1634, Telem­nar † 1636. Telem­nar und alle sei­ne Kin­der erla­gen der
Pest; Nach­fol­ger wur­de sein Nef­fe (der Sohn Minas­tans, des zwei­ten Soh­nes von
Minar­dil) Taron­dor 1798, Telu­meh­tar Umbar­da­cil 1850, Nar­ma­cil II. † 1856,
Cali­meh­tar 1936, Ondo­her † 1944. Ondo­her und sei­ne zwei Söh­ne fie­len in
der Schlacht. Ein Jahr spä­ter, 1945, wur­de die Kro­ne dem sieg­rei­chen Gene­ral
Ear­nil ver­lie­hen, einem Nach­kom­men Telu­meh­tar Umbar­da­cils. Ear­nil II. 2043,
Ear­nur † 2050. Hier ende­te die Linie der Köni­ge, bis sie 3019 von Eles­sar
­Telcon­tar wie­der auf­ge­nom­men wur­de. In der Zwi­schen­zeit regier­ten die Statt­
hal­ter das Reich.
26

Statt­hal­ter von Gon­dor: Das Haus Húrin; Pelen­dur 1998. Er regier­te nach Ondo­
hers Tod ein Jahr lang und riet zur Ableh­nung von Arve­du­is Anspruch auf
die Kro­ne. Voron­dil der Jäger5 2029: Mar­dil Voron­we, »der Stand­haf­te«, der
ers­te Regie­ren­de Statt­hal­ter. Sei­ne Nach­fol­ger tru­gen kei­ne hochel­bi­schen Namen
mehr.
Regie­ren­de Statt­hal­ter: Mar­dil 2080, Era­dan 2116, Heri­on 2148, Bele­g­orn 2204,
Húrin I. 2244, Túrin I. 2278, Hador 2395, Bara­hir 2412, Dior 2435, Den­e­
thor I. 2477, Boro­mir 2489, Ciri­on 2567. Zu sei­ner Zeit kamen die Rohir­rim
nach Cale­nard­hon.
Hal­las 2605, Húrin II. 2628, Belec­thor I. 2655, Oro­dreth 2685, Ecthe­lion I.
2698, Egal­moth 2743, Beren 2763, Bere­gond 2811, Belec­thor II. 2872, Tho­
ron­dir 2882, Túrin II. 2914, Tur­gon 2953, Ecthe­lion II. 2984, Den­ethor II.
Er war der letz­te Regie­ren­de Statt­hal­ter, und sein Nach­fol­ger wur­de sein zwei­ter
Sohn Fara­mir, Fürst von Emyn Arnen, König Eles­sars Statt­hal­ter, V. Z. 82.

3. Eria­dor, Arn­or und Isil­durs Erben


»Eria­dor war von alters her der Name aller Lan­de zwi­schen dem Nebel­ge­bir­ge
und den Blau­en Ber­gen; im Süden waren sei­ne Gren­zen die Grau­flut und der
Glan­du­in, der ober­halb von Thar­bad in sie mün­det.
Zur Zeit sei­ner größ­ten Aus­deh­nung umfass­te Arn­or ganz Eria­dor, aus­ge­
nom­men die Gebie­te nord­west­lich des Lhûn und das Land öst­lich von Grauf­lut
und Laut­was­ser, wo Bruch­tal und Huls­ten lagen. Jen­seits des Lhûn war grü­nes,
5 Die wil­den Rin­der, die damals in der Gegend um das Meer von Rhûn zu fin­den waren, stam­men der Sage nach von
den Rin­dern Araws ab, des Jägers unter den Valar, der als Ein­zi­ger von ihnen in den Ältes­ten Tagen oft nach Mit­tel­­­
er­de kam. Die hochel­bi­sche Form sei­nes Namens ist Oro­me.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 27

stil­les Elben­land, das Men­schen nicht betra­ten; doch an den Ost­hän­gen der
Blau­en Ber­ge leb­ten und leben noch immer Zwer­ge, beson­ders in der Gegend
süd­lich der För­de von Lhûn, wo sie seit alter Zeit Berg­wer­ke betrei­ben. Daher
waren sie es gewohnt, auf ihren Wegen nach Osten die Gro­ße Stra­ße ent­lang­­
-zu­zie­hen, wie sie es schon seit vie­len Jah­ren getan hat­ten, ehe wir ins Auen­land
kamen. Bei den Grau­en Anfur­ten wohn­te Cír­dan der Schiff­bau­er, und man­che
sagen, er woh­ne noch immer dort, bis das letz­te Schiff nach Wes­ten abfährt. Zur
Zeit der Köni­ge wohn­ten die meis­ten der Hochel­ben, die noch in Mit­te­ler­de
ver­weil­ten, bei ­Círdan oder in den küs­ten­na­hen Gebie­ten von Lin­don. Viel­leicht
sind eini­ge heu­te noch dort, aber nur weni­ge.«

Das Nörd­li­che König­reich und die Dúne­dain


Auf Elen­dil und Isil­dur folg­ten acht Hohe Köni­ge von Arn­or. Nach Earen­durs
Tod zer­strit­ten sich sei­ne Söh­ne, und das Reich zer­fiel in drei Tei­le: Arthe­dain,
Rhu­daur und Car­dol­an. Arthe­dain, im Nord­wes­ten, umfass­te das Gebiet zwi­
schen Bran­dy­wein und Lhûn, außer­dem das Land nörd­lich der Gro­ßen Stra­ße
bis zu den Wet­ter­ber­gen. Rhu­daur lag im Nord­os­ten zwi­schen den Etten­öden,
den Wet­ter­ber­gen und dem Nebel­ge­bir­ge, doch auch der Win­kel zwi­schen Weiß­
quell und Laut­was­ser gehör­te dazu. Cardolan lag süd­lich der Gro­ßen Stra­ße
zwi­schen Bran­dy­wein und Grauf­lut.
In Arthe­dain setzte sich Isil­durs Erbli­nie fort, doch in Car­dol­an und Rhu­daur
war sie bald erlo­schen. Es gab oft Streit zwi­schen den König­rei­chen, was den
Nie­der­gang beschleu­nig­te. Meis­tens ging es dabei um den Besitz der Wet­ter­ber­ge
und des west­lich davon, nach Bree hin gele­ge­nen Land­strichs. Sowohl Rhu­daur
wie auch Car­dol­an waren bestrebt, den Amon Sûl (die Wet­ter­spit­ze) an sich zu
brin­gen, der an der Gren­ze ihres Rei­ches stand; denn in dem Turm auf
28

die­sem Berg befand sich der wich­tigs­te Palan­tír des Nor­dens, wäh­rend die
bei­den ande­ren in Arthe­dain ver­wahrt wur­den.

»In Arthe­dain hat­te eben Mal­ve­gil die Herr­schaft ange­tre­ten, als sich das Un­
glück für Arn­or anbahn­te. Denn zu die­ser Zeit erwuchs im Nor­den jen­seits der
Etten­öden das Reich von Ang­mar. Es erstreck­te sich bei­der­seits des Nebel­ge­bir­
ges, und dort sam­mel­ten sich aller­lei mensch­li­ches Gelich­ter, Orks und ande­re
Unwe­sen. [Den Herr­scher über die­ses Land nann­te man den Hexen­kö­nig, und
erst spä­ter wur­de bekannt, dass er nie­mand anders als der obers­te der Ring­
geis­ter und mit der Absicht in den Nor­den gekom­men war, die Dúne­dain zu
ver­nich­ten, wozu ihre Unei­nig­keit gute Aus­sich­ten bot, wäh­rend Gon­dor noch
stark war.]«
Zur Zeit von Mal­ve­gils Sohn Arge­leb erho­ben die Köni­ge von Arthe­dain von
neu­em Anspruch auf die Herr­schaft über ganz Arn­or, da in den ande­ren Rei­chen
kei­ne Nach­kom­men Isil­durs mehr leb­ten. Rhu­daur wies den Anspruch zurück.
Dort gab es nur noch weni­ge Dúne­dain, und ein böser Fürst der Berg­men­schen,
der ins­ge­heim mit Ang­mar im Bun­de stand, hat­te die Macht an sich geris­sen.
Arge­leb befes­tig­te daher die Wet­ter­­berge; doch er fiel im Krieg gegen Rhu­daur
und Ang­mar.
Arge­lebs Sohn Arve­leg konn­te mit Hil­fe aus Car­dol­an und Lin­don die Fein­de
von den Ber­gen ver­trei­ben; und dann ver­tei­dig­ten Arthe­dain und Car­dol­an
­viele Jah­re lang eine Gren­ze längs der Wet­ter­ber­ge, der Gro­ßen Stra­ße und des
unte­ren Weiß­quells. Es heißt, in die­ser Zeit sei Bruch­tal bela­gert wor­den.
1409 kam ein gro­ßes Heer aus Ang­mar, drang über den Fluss nach Car­dol­
an hinein und umzin­gel­te die Wet­ter­spit­ze. Die Dúne­dain wur­den besiegt, und
Arve­leg fiel. Der Turm auf dem Amon Sûl wur­de nie­der­­gebrannt und geschleift;
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 29

doch der Palan­tír wur­de beim Rück­zug geret­tet und nach For­nost gebracht.
Rhu­daur wur­de nun ganz von den üblen, Ang­mar erge­be­nen Men­schen besetzt,
und die dort noch ver­blie­be­nen Dúne­dain wur­den getö­tet, oder sie flo­hen nach
Wes­ten. Car­dol­an wur­de ver­wüs­tet. Arve­legs Sohn Ara­phor war noch nicht
erwach­sen, aber ein tap­fe­rer Fürst, und mit Cír­dans Hil­fe konn­te er die Fein­de
von For­nost und den Nord­hö­hen zurück­schla­gen. Ein Rest der Getreu­en unter
den Dúne­dain von Car­dol­an hielt sich außer­dem noch in den Tyrn Gort­had
(den Hügel­grä­ber­hö­hen) oder fand Zuflucht in dem Wald dahin­ter.
Es heißt, eine Zeit lang sei Ang­mar von dem Elben­volk aus Lin­don in Schach
gehal­ten wor­den; und auch Bruch­tal leis­te­te Hil­fe, denn Elrond hol­te über
die Ber­ge Elben aus Lóri­en heran. Zu die­ser Zeit war es, dass die Star­ren, die
im Win­kel zwi­schen Weiß­quell und Laut­was­ser gewohnt hat­ten, vor den Krie­gen
und den Schreck­nis­sen aus Ang­mar nach Wes­ten und Süden flo­hen, auch des­
halb, weil Land und Kli­ma in Eria­dor, beson­ders im Osten, immer schlech­ter
und unfreund­li­cher wur­den. Man­che kehr­ten nach Wil­der­land zurück, lie­ßen
sich am Schwer­tel­fluss nie­der und wur­den ein Fischer­volk.

Zur Zeit Arge­lebs II. drang von Süd­os­ten her die Pest nach Eria­dor ein, und die
meis­ten Men­schen in Car­dol­an, beson­ders in Min­hi­riath, kamen um. Auch die
Hob­bits und alle ande­ren Völ­ker hat­ten schwer zu lei­den, doch nach Nor­den zu
schwäch­te die Seu­che sich ab, und die nörd­li­chen Tei­le von Arthe­dain berühr­te
sie kaum. Zu die­ser Zeit fan­den die Dún­edain von Card­olan ihr Ende, und üble
Geis­ter aus Ang­mar und Rhu­daur dran­gen in die ver­las­se­nen Hügel­grä­ber ein
und haus­ten dort.
30

»Es heißt, die Hügel­grä­ber der Tyrn Gort­had, wie man die Hügel­grä­ber­hö­
hen einst nann­te, sei­en sehr alt; und vie­le hät­ten schon die Vor­vä­ter der Edain
in der alten Welt des Ers­ten Zeit­al­ters ange­legt, bevor sie über die Blau­en Ber­ge
nach Bele­ri­and gin­gen, von dem heu­te allein Lin­don noch übrig ist. Die­se Hügel
wur­den daher von den Dúne­dain nach ihrer Rück­kehr in Ehren gehal­ten, und
vie­le ihrer Fürs­ten und Köni­ge wur­den dort begra­ben. [Eini­ge sagen, der Hügel,
in dem der Ring­trä­ger gefan­gen wur­de, sei das Grab des letz­ten Fürs­ten von
Car­dol­an gewe­sen, der im Krieg von 1409 gefal­len war.]«

»1974 hat­te Ang­mars Macht wie­der zuge­nom­men, und der Hexen­kö­nig fiel
über Arthe­dain her, ehe noch der Win­ter vorü­ber war. Er erober­te Forn­ost und
ver­trieb den größ­ten Teil der über­le­ben­den Dúne­dain über den Lhûn, unter
ihnen die Söh­ne des Königs. König Arve­dui selbst aber hielt auf den Nord­hö­hen
bis zuletzt stand und floh dann mit eini­gen Leib­wäch­tern nach Nor­den. Dank
der Schnel­lig­keit ihrer Pfer­de ent­ka­men sie.
Eine Zeit lang hielt sich Arve­dui in den Stol­len der alten Zwer­gen­mi­nen am
Nor­den­de des Gebir­ges ver­bor­gen, doch schließ­lich trieb ihn der Hun­ger, die
Los­soth6 um Hil­fe zu bit­ten, die Schnee­men­schen von Foro­chel. Eini­ge von
ihnen traf er in einem Lager am Mee­res­ufer; aber sie hal­fen dem König nicht
gern, denn er hat­te ihnen nichts zu bie­ten außer ein paar Edel­stei­nen, denen sie
kei­nen Wert bei­ma­ßen. Außer­dem fürch­te­ten sie den Hexen­kö­nig, der
6 Dies ist ein merk­wür­di­ges, unfreund­li­ches Volk, ein Über­rest der Forod­waith, der Men­schen aus fer­ner Zeit, die
sich an die bit­te­re Käl­te in Mor­goths Reich gewöhnt hat­ten. Noch immer ist es in die­ser Gegend eis­kalt, obwohl
sie kaum mehr als hun­dert Weg­stun­den nörd­lich vom Auen­land liegt. Die Los­soth woh­nen im Schnee; es heißt, sie
könn­ten mit Kno­chen an den Füßen übers Eis lau­fen und hät­ten Wagen ohne Räder. Zumeist leben sie, für ihre
Fein­de uner­reich­bar, auf dem gro­ßen Kap Foro­chel, das die gewal­ti­ge Mee­res­bucht glei­chen Namens nach Nord­wes­
ten abschirmt; aber oft lagern sie auch an den Südu­fern der Bucht, am Fuß des Gebir­ges.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 31

(wie sie sag­ten) nach Belie­ben Frost oder Tau­wet­ter machen konn­te. Doch teils
aus Mit­leid mit dem halb v­ er­hun­ger­ten König und sei­nen Män­nern, teils aus
Furcht vor ihren Waf­fen gaben sie ihnen ein wenig zu essen und bau­ten ihnen
Schnee­hüt­ten. Dort konn­te Arve­dui nur war­ten und auf Hil­fe von Süden
hof­fen, denn sei­ne Pfer­de waren umge­kom­men.
Als Cír­dan von Arve­du­is Sohn Ara­narth erfuhr, dass der König nach Nor­den
geflo­hen war, schick­te er sogleich ein Schiff nach Foro­chel, um ihn zu suchen.
Wegen wid­ri­ger Win­de kam das Schiff erst nach vie­len Tagen dort an, und die
See­leu­te sahen schon von wei­tem das klei­ne Treib­holz­feu­er, das die Ver­las­se­nen
not­dürf­tig unter­hiel­ten. Aber der Win­ter woll­te in die­sem Jahr noch nicht
wei­chen, und obwohl es schon März war, brach das Eis erst lang­sam auf und
reich­te noch weit vor die Küs­te hinaus.
Die Schnee­men­schen erblick­ten das Schiff mit Furcht und Erstau­nen, denn
ein sol­ches hat­ten sie noch nie gese­hen, soweit ihre Erin­ne­run­gen zurück­reich­
ten; doch inzwi­schen waren sie hilfs­be­rei­ter, und sie zogen den König und sei­ne
über­le­ben­den Gefähr­ten auf ihren Gleit­kar­ren so weit aufs Eis hinaus, wie sie
es wag­ten. Dort konn­te ein Boot vom Schiff sie errei­chen.
Doch die Schnee­men­schen waren besorgt; denn, sag­ten sie, sie könn­ten Ge­
fahr aus dem Wind wit­tern. Und der Häupt­ling der Los­soth sag­te zu Arve­dui:
›Stei­ge nicht auf die­ses See­un­ge­heu­er! Lass die See­leu­te uns Nah­rung brin­gen
und ande­res Brauch­ba­re, das sie viel­leicht haben, und dann blei­be hier, bis der
Hexen­kö­nig heim­geht. Denn im Som­mer schwin­det sei­ne Macht; jetzt aber ist
sein Hauch töd­lich, und sein kal­ter Arm ist lang.‹
Doch Arve­dui nahm den Rat nicht an. Er dank­te ihm und gab ihm zum Ab­
schied sei­nen Ring mit den Wor­ten: ›Dies Ding ist von höhe­rem Wert, als du
ermes­sen kannst, schon sei­nes Alters wegen. Es besitzt kei­ne Kraft außer der
32

Hoch­ach­tung derer, die mei­nem Haus ver­bun­den sind. Es kann dir nicht hel­
fen, doch wenn du je in Not bist, wird mei­ne Sip­pe es aus­lö­sen und dir viel von
allem dafür geben, was du dir nur wün­schen kannst.‹7
Doch, ob aus Zufall oder Voraus­sicht, der Rat der Los­soth war gut gewe­sen;
denn bevor das Schiff aufs offe­ne Meer hinaus­ge­langt war, brach ein schwe­rer
Sturm los und trug von Nor­den blen­den­des Schnee­ge­stö­ber heran; er trieb das
Schiff ins Eis zurück und keil­te es ein. Selbst Cír­dans See­leu­te waren da hilf­los,
und in der Nacht zer­drück­te das Eis den Rumpf, und das Schiff sank. So ende­te
der Letzt­kö­nig
Arve­dui, und mit ihm wur­de die Palan­tí­ri im Meer begra­ben.8 Die Nach­richt von
dem Schiff­bruch erfuhr man erst viel spä­ter von den Schnee­men­schen.«

Die Hob­bits über­stan­den den Krieg, der über das Auen­land hin­weg­feg­te, ob­
wohl die meis­ten sich in Ver­ste­cke flüch­ten muss­ten. Dem König schick­ten sie
ein paar Bogen­schüt­zen zu Hil­fe, die nie wie­der­kehr­ten; und ande­re zogen auch
mit in die Schlacht, in der Ang­mar dann nie­der­ge­wor­fen wur­de (über die in
den Anna­len des Südens mehr gesagt wird). In der nun fol­gen­den Frie­dens­
zeit regier­te das Auen­land­volk sich selbst und gedieh gut dabei. Es wähl­te sich

7 Auf die­se Wei­se wur­de der Ring des Hau­ses Isil­dur geret­tet, denn die Dún­edain lös­ten ihn spä­ter aus. Es heißt, dies
sei der­sel­be Ring gewe­sen, den Felag­und von Nar­go­thrond einst Bara­hir gab und den Beren unter gro­ßer Gefahr
wie­der­ge­wann.
8 Dies waren die Stei­ne von Annú­mi­nas und vom Amon Sûl. Im Nor­den ver­blieb nur noch der Stein im Turm auf
den Emyn Beraid, der auf die För­de von Lhûn hinaus­blickt. Die­ser wur­de von den Elben bewacht, und obwohl
wir nie etwas davon erfuh­ren, befand er sich immer dort, bis Cír­dan ihn auf Elronds Schiff brach­te, bevor es nach
­Westen aus­lief. Doch sagt man uns, er sei von den ande­ren ganz ver­schie­den und nicht mit ihnen abge­stimmt gewe­
sen; er habe nur aufs Meer hinaus­ge­blickt. Elen­dil habe ihn dort auf­ge­stellt, um »gera­den Blicks« zurück­schau­en
und Eres­sea im ver­schwun­de­nen Wes­ten sehen zu kön­nen; Núme­nor aber blieb für immer von ­Meeren der krum­
men Welt bedeckt.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 33

einen Thain als Stell­ver­tre­ter des Königs und war zufrie­den; aller­dings hoff­ten
vie­le noch lan­ge auf die Wie­der­kehr des Königs. Doch schließ­lich war auch die­se
Hoff­nung ver­ges­sen, und nur noch eine Redens­art erin­ner­te an sie: Wenn der König
wie­der­kommt, sag­te man, um zu ver­trös­ten, wenn etwas Gutes nun ein­mal nicht
mög­lich oder etwas Schlim­mes nicht zu ändern war. Der ers­te Thain des Auen­
lan­des war ein gewis­ser Buc­ca aus dem Bruch, von dem die Alt­bocks abzu­stam­men
behaup­ten. Thain wur­de er im Jah­re 379 unse­rer Zeit­rech­nung (1979).

Mit Arve­dui nahm das Nörd­li­che König­reich ein Ende, denn die Dúne­dain
waren nur noch weni­ge, und alle Völ­ker von Eria­dor schrumpf­ten zusam­men.
Das Geschlecht der Köni­ge aber pflanz­te sich fort in den Stam­mes­fürs­ten der
Dúne­dain, von denen Arve­du­is Sohn Ara­narth der Ers­te war. Des­sen Sohn
Ara­ha­el wur­de in Bruch­tal auf­ge­zo­gen wie auch alle Söh­ne der Stam­mes­fürs­ten
nach ihm; und alle Erb­stü­cke ihres Hauses wurden dort verwahrt: die Bruchstü­
cke von Nar­sil, Elen­dils Stern und das Zep­ter von Annú­mi­nas.9
»Nach dem Ende ihres König­reichs tra­ten die Dúne­dain in den Schat­ten. Sie
wur­den ein ver­bor­gen leben­des, umher­wan­dern­des Volk, von des­sen Mühen und
Taten kaum gesun­gen oder berich­tet wur­de. Wenig ist nun über sie in Erin­ne­rung
9 Das Zep­ter, so sagt uns der König, war in Núme­nor das wich­tigs­te Wahr­zei­chen der Königs­wür­de, und eben­so
in Arn­or, des­sen Köni­ge kei­ne Kro­ne tru­gen, son­dern einen ein­zi­gen wei­ßen Edel­stein, den Elen­dil­mir, Elen­dils
Stern, auf der Stirn durch einen Sil­ber­reif fest­ge­hal­ten. Wo Bil­bo von einer Kro­ne sprach, dach­te er sicher­lich an
Gon­dor; er scheint über die Geschich­te von Ara­gorns Geschlecht gut im Bil­de gewe­sen zu sein. Das Zep­ter von
Núme­nor soll mit Ar-Pha­ra­zôn unter­ge­gan­gen sein. Das von Annú­mi­nas war der sil­ber­ne Stab der Fürs­ten von
Andú­nië und ist heu­te wohl das ältes­te in Mit­te­ler­de erhal­te­ne Werk von mensch­li­cher Hand. Es war schon über
fünf­tau­send Jah­re alt, als Elrond es Ara­gorn aus­hän­dig­te. Die Kro­ne von Gon­dor hat­te die Form eines núme­nó­ri­
schen Helms. Ursprüng­­lich soll sie tat­säch­lich ein gewöhn­li­cher Helm gewe­sen sein, und zwar der­­jenige, den Isil­dur
in der Schlacht auf der Dagor­lad trug (denn Aná­ri­ons Helm war durch den vom Barad-dûr herab­ge­wor­fe­nen Stein
zer­trüm­mert wor­den, der ihn töte­te). Doch zur Zeit Ata­na­tar Alca­rins wur­de die­ser durch den juwe­len­besetz­ten
Helm ersetzt, mit dem Ara­gorn dann gekrönt wur­de.
34

geblie­ben, seit Elrond fort ist. Obwohl schon vor dem Ende des Wach­sa­men
Frie­dens wie­der man­che Unwe­sen über Eria­dor her­zu­fal­len oder sich ein­zu­
schlei­chen began­nen, star­ben die meis­ten Stam­mes­fürs­ten nach lan­gem Leben
eines natür­li­chen Todes. Ara­gorn I., heißt es, fiel den Wöl­fen zum Opfer, die
seit­her bis auf den heu­ti­gen Tag in Eria­dor eine Gefahr geblie­ben sind. In den
Tagen Ara­hads I. mach­ten sich die Orks plötz­lich wie­der bemerk­bar, die, wie
spä­ter deut­lich wur­de, seit lan­gem gehei­me Stütz­punk­te in den Nebel­ber­gen
ange­legt hat­ten, von denen aus sie alle Päs­se sper­ren konn­ten. 2509 lau­er­ten sie
am Rot­horn­pass Elronds Gat­tin Cele­brí­an auf, die nach Lóri­en unter­wegs war.
Nach­dem ihre Eskor­te durch den über­ra­schen­den Angriff der Orks zer­sprengt
war, wur­de sie gefan­gen genom­men und weg­ge­schleppt. Ella­dan und Elro­hir
konn­ten sie befrei­en, aber erst, nach­dem man sie gefol­tert und ihr eine ver­gif­te­te
Wun­de bei­ge­bracht hat­te. Sie wur­de nach Imlad­ris zurück­ge­bracht, doch obwohl
Elrond sie kör­per­lich hei­len konn­te, war ihr Mit­te­ler­de ver­lei­det. Im Jahr dar­auf
ritt sie zu den Anfur­ten und fuhr übers Meer. Auch spä­ter, zur Zeit Ara­ssuils,
ver­mehr­ten die Orks sich wie­der im Nebel­ge­bir­ge und began­nen das Land zu
ver­hee­ren; und die Dúne­dain und Elronds Söh­ne bekämpf­ten sie. Zu die­ser
Zeit war es, dass eine gro­ße Hor­de weit nach Wes­ten bis ins Auen­land vor­drang,
wo sie von Ban­do­bras Tuk ver­trie­ben wur­de.«

Fünf­zehn Stam­mes­fürs­ten folg­ten einan­der, bevor der sech­zehn­te und letz­te


gebo­ren wur­de, Ara­gorn II., der wie­der König von Gon­dor und Ar­n­or wur­de.
»Unse­ren König nen­nen wir ihn; und wenn er nach Nor­den kommt, um für
eine Wei­le sein Haus im wie­der auf­ge­bau­ten Annú­mi­nas am Abend­rot­see zu
bewoh­nen, freut sich das gan­ze Auen­land. Aber unser Land betritt er nicht, denn
er hält sich an das Gesetz, das er selbst erlas­sen hat: dass kei­ner vom Gro­ßen
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Volk unse­re Gren­zen über­schrei­ten darf. Doch oft kommt er mit vie­len Edlen
an die Gro­ße Brü­cke und begrüßt dort sei­ne Freun­de und alle andern, die ihn
sehen wol­len; und man­che rei­ten dann mit ihm und woh­nen in sei­nem Haus,
solan­ge es ihnen beliebt. Thain Per­egrin ist oft dort gewe­sen, und eben­so
Meis­ter Sam­weis, der Bür­ger­meis­ter. Sei­ne Toch­ter, die schö­ne Ela­nor, ist
eine von Köni­gin Abend­sterns Ehren­jung­frau­en.«
Es war der Stolz und das Wun­der der nörd­li­chen Linie, dass sie trotz des
­Verlusts der Macht und dem Schwund ihres Vol­kes über vie­le Gene­ra­tio­nen hin
die Erb­fol­ge vom Vater zum Sohn lücken­los auf­recht­er­hal­ten konn­te. Außer­dem
ging die Lang­le­big­keit der Dúne­dain in Mit­te­ler­de zwar immer mehr zurück,
in Gon­dor aber beson­ders schnell, nach­dem das Geschlecht der Köni­ge dort
erlo­schen war; wäh­rend im Nor­den vie­le der Stam­mes­fürs­ten noch immer das
dop­pel­te Men­schen­al­ter erreich­ten und weit älter wur­den als selbst die Ältes­ten
unter uns. Ara­gorn leb­te immer­hin hun­dert­und­neun­zig Jah­re, län­ger als jeder
sei­ner Vor­fah­ren seit dem König Arve­gil; doch in Ara­gorn Eles­sar war die Wür­
de der Köni­ge von einst wie­der­her­ge­stellt.

4. Gon­dor und Aná­ri­ons Erben


Auf Aná­ri­on, der vor Barad-dûr gefal­len war, folg­ten in Gon­dor ein­und­drei­
ßig Köni­ge. Obwohl die Krie­ge an den Gren­zen nie auf­hör­ten, ver­mehr­ten die
Dúne­dain des Südens über tau­send Jah­re lang zu Was­ser und zu Lan­de ihre Macht
und ihren Reich­tum, bis zur Regie­rungs­zeit Ata­na­ tars II., der den Bei­na­men
Alca­rin, der Präch­ti­ge, erhielt. Doch die Vor­zei­chen ihres Nie­der­gangs waren
da schon zu erken­nen, denn die Edlen des Südens hei­ra­te­ten spät und hat­ten
36

weni­ge Kin­der. Der ers­te kin­der­lose König war Falas­tur, der zwei­te Nar­ma­cil I.,
Ata­na­tar Alca­rins Sohn.
Osto­her, der sie­ben­te König, ließ Minas Anor erneu­ern, dem die Köni­ge dann
als Som­mer­sitz den Vor­zug vor Osgi­liath gaben. Zu die­ser Zeit wur­de Gon­dor
zum ers­ten Mal von wil­den Men­schen­völ­kern aus dem Osten ange­grif­fen. Osto­hers
Sohn Taro­star besieg­te und ver­trieb sie; er leg­te sich den Namen Rómen­da­cil,
»Ost-Sie­ger«, bei. Spä­ter jedoch fiel er im Kampf mit neu heran­­drän­gen­den
Scha­ren von Ost­lin­gen. Sein Sohn Turam­bar räch­te ihn und gewann im Osten
gro­ße Gebie­te.
Mit Taran­non, dem zwölf­ten König, begann die Fol­ge der Schiffs­kö­ni­ge,
die Flot­ten bau­ten und Gon­dors Macht an den Küs­ten west­lich und süd­lich
der Andu­in-Mün­dun­gen aus­wei­te­ten. Um sei­ner Sie­ge als Feld­herr zu geden­ken,
nahm Taran­non bei sei­ner Krö­nung den Namen Falas­tur an, »Herr der Küs­
ten«.
Sein Nef­fe Ear­nil I., der ihm folg­te, ließ den alten Hafen Pel­ar­gir aus­bes­sern
und bau­te eine star­ke Flot­te auf. Dann bela­ger­te er Umbar von der See und vom
Land aus und nahm es ein. Es wur­de ein gro­ßer Hafen und eine Fes­tung im
Diens­te Gon­dors.10 Ear­nil aber konn­te sich sei­nes Sie­ges nicht lan­ge freu­en. Mit
vie­len Schif­fen und Men­schen ging er unter in einem gro­ßen Sturm vor Umbar.
Sein Sohn Ciry­an­dil setz­te den Flot­ten­bau fort; doch die Men­schen von Harad,
ange­führt von den aus Umbar ver­trie­be­nen Fürs­ten, rück­ten mit einem gro­ßen
Heer gegen die Fes­tung an, und Ciry­an­dil fiel in einer Schlacht in Harad­waith.
10 Das gro­ße Kap und die Gegend um die För­de von Umbar waren seit alten Zei­ten in núme­nó­ri­schem Besitz; doch
waren sie ein Stütz­punkt der Königs­par­tei, der­je­ni­gen Men­schen, die man spä­ter die schwar­zen Núme­nó­rer nann­
te: Sie waren von Sau­ron besto­chen und unver­söhn­li­che Fein­de von Elen­dils Anhän­gern. Nach Sau­rons Sturz
schrumpf­te ihr Volk rasch oder ver­misch­te sich mit den Men­schen von Mit­te­ler­de, doch ihre Feind­schaft mit Gon­
dor ver­erb­te sich unver­min­dert wei­ter. Umbar war daher nur unter hohen Ver­lus­ten zu erobern.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 37

Vie­le Jah­re lang blieb Umbar zu Lan­de ein­ge­schlos­sen, konn­te aber dank
Gon­dors See­macht nicht erobert wer­den. Ciry­an­dils Sohn Ciry­a­her war­te­te ab,
bis er genug Streit­kräf­te gesam­melt hat­te, und rück­te dann zugleich zur See
und zu Lan­de von Nor­den heran. Sein Heer über­schritt den Fluss Har­nen und
besieg­te die Men­schen von Harad voll­stän­dig, sodass ihre Köni­ge die Ober­­
hoheit Gon­dors aner­ken­nen muss­ten (1050). Ciry­a­her leg­te sich den Namen
Hyar­men­da­cil, »Süd­sie­ger«, bei.

Wäh­rend Hyar­men­da­cils lan­ger Regie­rungs­zeit wag­te dann kein Feind mehr,


sei­ne Macht anzu­fech­ten. Hun­dert­vie­rund­drei­ßig Jah­re war er König, län­ger
als alle ande­ren Nach­kom­men Aná­ri­ons, bis auf einen. Zu sei­ner Zeit erreich­te
Gon­dor den Gip­fel sei­ner Macht. Das Reich erstreck­te sich nun nach Nor­
den bis zum Cele­brant und zum Süd­rand des Düst­er­walds, nach Wes­ten bis zur
Grau­f­lut, nach Osten bis zum Bin­nen­meer von Rhûn, nach Süden bis zum
Har­nen und am Küs­ten­strei­fen wei­ter bis zur Halb­in­sel von Umbar und ihrem
Hafen. Die Men­schen in den Andu­in-Tä­lern erkann­ten sei­ne Hoheit an; die
Köni­ge von Harad leis­te­ten Gon­dor Gefolg­schaft, und ihre Söh­ne leb­ten als
Gei­seln am Hof des Königs. Mor­dor war ver­ödet, wur­de aber über­wacht von
den star­ken Fes­tun­gen an den Päs­sen.
Damit ende­te die Zeit der Schiffs­kö­ni­ge. Hyar­men­da­cils Sohn Ata­na­tar Alca­
rin ent­fal­te­te viel Prunk, und man sag­te, in Gon­dor lägen die Edel­stei­ne als
Spiel­zeug für die Kin­der herum. Doch Ata­na­tar mach­te es sich zu bequem und
tat nichts, um die ererb­te Macht zu wah­ren; und sei­ne bei­den Söh­ne hiel­ten es
eben­so. Gon­dors Nie­der­gang hat­te schon begon­nen, bevor er starb, was ohne
Zwei­fel auch den Fein­den nicht ent­gan­gen war. Die Über­wa­chung Mor­dors
wur­de ver­nach­läs­sigt. Den­noch brach das ers­te gro­ße Unheil nicht vor der Zeit
38

Vala­cars über Gon­dor herein: der Bür­ger­krieg im Sip­pen­streit, der schwe­re


Schä­den und Ver­lus­te brach­te, die nie ganz wie­der gut­ge­macht wur­den.

Minal­car, Cal­ma­cils Sohn, war ein Mann von gro­ßer Ener­gie, und 1240 setz­
te ihn Nar­ma­cil, um sich selbst aller Sor­gen zu ent­le­di­gen, als Regen­ten ein.
Schon von da an regier­te er Gon­dor im Namen der Köni­ge, bis er sei­nem Vater
Calmacil auf den Thron folg­te. Ihn beschäf­tig­te vor allem das Ver­hält­nis zu den
Nord­men­schen.
Die­se hat­ten sich wäh­rend des durch Gon­dors Macht erhal­te­nen Frie­den kräf­tig
ver­mehrt. Die Köni­ge erwie­sen ihnen viel Gunst, weil sie von den gerin­ge­ren
Men­schen­völ­kern den Dúne­dain am nächs­ten ver­wandt waren (denn sie stamm­ten
zumeist von den­sel­ben Völ­kern ab wie die Edain der alten Zei­ten), und über­lie­ßen
ihnen wei­te Gebie­te jen­seits des Andu­in und süd­lich des Gro­ßen Grün­walds,
als Boll­werk gegen die Men­schen des Ostens. Denn die Angrei­fer von dort waren
in der Ver­gan­gen­heit meis­tens über die Ebe­ne zwi­schen dem Bin­nen­meer und
dem Aschen­ge­bir­ge gekom­men.
Zur Zeit Nar­ma­cils I. fie­len die Ost­lin­ge von neu­em ein, wenn auch zuerst
nur mit schwa­chen Streit­kräf­ten. Der Regent erfuhr jedoch, dass die Nord­men­
schen nicht immer Gon­dor die Treue hiel­ten und dass man­che auch mit den
Ost­lin­gen gemein­sa­me Sache mach­ten, sei es aus Beute­gier oder infol­ge von
Strei­tig­kei­ten unter ihren Fürs­ten. Daher führ­te Minal­car 1248 ein gro­ßes Heer
ins Feld, und zwi­schen Rho­va­ni­on und dem Bin­nen­meer besieg­te er eine star­ke
Streit­macht der Ost­lin­ge und zer­stör­te alle ihre Sied­lun­gen und Lager öst­lich
des Mee­res. Dann nahm er den Bei­na­men Rómen­da­cil an.
Nach der Rück­kehr befes­tig­te er das Wes­tu­fer des Andu­in bis zur Mün­dung
des Lim­klar und ver­bot allen Frem­den, über die Emyn Muil hinaus fluss­ab­wärts
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zu fah­ren. Er war es, der an der Ein­fahrt in den Nen Hitho­el die Standbilder
der Argo­nath errich­ten ließ. Da er aber Men­schen brauch­te und das Band zwi­
schen Gon­dor und den Nord­völ­kern fes­ti­gen woll­te, nahm er vie­le Nord­män­ner
in sei­nen Dienst, und man­chen über­trug er hohe Rän­ge in sei­nen Hee­ren.
Beson­ders hoch in sei­ner Gunst stand Vidu­ga­via, der ihn im Krieg unter­
stützt hat­te. Vidu­ga­via nann­te sich König von Rho­va­ni­on und war tat­säch­lich
der mäch­tigs­te unter den Fürs­ten des Nor­dens, obwohl sein eige­nes Reich nur
den Land­strei­fen zwi­schen dem Grün­wald und dem Celd­uin (Eilend) umfass­te.
1250 schick­te Rómen­da­cil sei­nen Sohn Vala­car als Bots­chaf­ter zu Vidu­ga­via, um
ihn eine Wei­le dort blei­ben und mit Spra­che, Sit­ten und Stam­mes­po­li­tik der
Nord­men­schen ver­traut wer­den zu las­sen. Doch Vala­car tat weit mehr, als sein
Vater beab­sich­tigt hat­te. Er gewann Land und Leu­te lieb und hei­ra­te­te Vidu­ga­vias
Toch­ter Vidu­ma­vi. Erst eini­ge Jah­re dar­auf kehr­te er zurück. Wegen die­ser Ehe
kam es spä­ter zum Sip­pen­streit und zum Krieg.
»Denn die Edlen von Gon­dor waren schon vor­her auf die Nord­men­schen unter
ihnen nicht gut zu spre­chen, und dass nun der Erbe der Kro­ne oder über­haupt
ein Sohn des Königs eine Frau von min­de­rer und frem­der Ras­se hei­ra­ten soll­te,
war uner­hört. Schon als König Vala­car alt wur­de, kam es in den süd­li­chen Pro­
vin­zen zum Auf­ruhr. Zwar war sei­ne Köni­gin eine schö­ne und edle Frau gewe­sen,
aber sie war kurz­le­big, und die Dúne­dain befürch­te­ten für ihre Nach­kom­men
das glei­che Schick­sal und damit einen Ver­fall der könig­li­chen Maje­stät. Auch
sträub­te man sich dage­gen, ihren Sohn als König anzu­er­ken­nen, denn er nann­te
sich nun zwar Elda­car, war aber in einem frem­den Land gebo­ren und hat­te als
Kind Vinit­ha­rya gehei­ßen, wie ihn das Volk sei­ner Mut­ter genannt hat­te.
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Daher brach in Gon­dor Krieg aus, als Elda­car die Nach­fol­ge sei­nes Vaters
antrat. Doch Elda­car ließ sich sein Erbe nicht ein­fach neh­men. Denn zu der
Abkunft aus Gon­dor kam bei ihm das furcht­lo­se Herz der Nord­men­schen hin­zu.
Er war statt­lich und tap­fer, und kein Anzei­chen sprach dafür, dass er schnel­ler
altern wer­de als sein Vater. Als die Ver­bün­de­ten, ange­führt von den Nach­kom­
men der Köni­ge, sich gegen ihn erho­ben, wehr­te er sich, solan­ge sei­ne Kräf­te
reich­ten. Schließ­lich wur­de er in Osgi­liath bela­gert und hielt sich, bis der Hun­
ger und die Über­macht der Rebel­len ihn aus der bren­nen­den Stadt ver­trie­ben.
Bei die­ser Bela­ge­rung und dem Brand wur­de der Turm der Ster­nen­kup­pel von
Osgi­liath zer­stört, und der Palan­tír ver­schwand in den Flu­ten des Andu­in.
Elda­car aber ent­kam sei­nen Fein­den und gelang­te in den Nor­den, zu sei­nen
Ver­wand­ten in Rho­va­ni­on. Vie­le schar­ten sich dort um ihn, sowohl Nord­men­
schen im Diens­te Gon­dors als auch Dúne­dain aus den nörd­li­chen Gegen­den
des Rei­ches. Denn von den Letz­te­ren hat­ten vie­le ihn schät­zen gelernt, und vie­le
ande­re kamen hin­zu, weil sich der Thron­räu­ber bald unbe­liebt mach­te. Dies
war Cas­ta­mir, ein Enkel Cali­meh­tars, des jün­ge­ren Bru­ders von Rómen­da­cil II.
Er war nicht nur einer der nächs­ten Bluts­ver­wand­ten des Königs­hau­ses, son­dern
hat­te auch unter den Rebel­len die meis­ten Anhän­ger, denn er war Ober­be­
fehls­ha­ber der Flot­te, und ihn unter­stütz­te das Volk der Küs­ten­ge­bie­te und der
­großen Hafen­städ­te Pel­ar­gir und Umbar.
Cas­ta­mir saß noch nicht lan­ge auf dem Thron, als er sich auch schon als hoch­
fah­rend und unedel­mü­tig erwies. Sei­ne Grau­sam­keit zeig­te sich zuerst bei der
Ein­nah­me von Osgi­liath. Elda­cars Sohn Ornen­dil, der in Gefan­gen­schaft geriet,
ließ er umbrin­gen; und das Gemet­zel und die Zer­stö­run­gen, die auf sei­nen Be­
fehl in der Stadt ange­rich­tet wur­den, gin­gen weit über das hinaus, was der Krieg
erfor­der­te. In Minas Anor und Ithi­­lien wur­de dies nicht ver­ges­sen; und noch
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 41

weni­ger begeis­tert war man dort, als deut­lich wur­de, dass er nur an die Flot­ten
und wenig an das Land dach­te und dass er vor­hat­te, den Sitz des Königs nach
Pel­ar­gir zu ver­le­gen.
So war er erst seit zehn Jah­ren König, als Elda­car sei­ne Stun­de gekom­men
sah und mit einem gro­ßen Heer von Nor­den heran­zog; und aus Calen­ard­hon,
Anóri­en und Ithi­li­en lief ihm das Volk zu. In Leben­nin, an den Über­gän­gen
über den Erui, kam es zur Ent­schei­dungs­schlacht, in der viel von Gon­dors bes­
tem Blut ver­gos­sen wur­de. Elda­car selbst erschlug Cas­ta­mir im Zwei­kampf, und
Ornen­dil war gerächt; Cas­ta­mirs Söh­ne aber ent­ka­men, und mit ande­ren von
ihrer Sip­pe und vie­len Gefolgs­leu­ten von der Flot­te hiel­ten sie sich lan­ge in
Pel­ar­gir.
Als sie dort alle ver­füg­ba­ren Kräf­te um sich gesam­melt hat­ten (denn Elda­car
hat­te kei­ne Schif­fe, mit denen er ihnen die See­we­ge hät­te ab­schnei­den kön­nen),
fuh­ren sie davon und lie­ßen sich in Umbar nie­der. Dort schu­fen sie eine Zuflucht
für alle Fein­de des Königs und grün­de­ten ein von Gon­dor unab­hän­gi­ges Reich.
Über vie­le Men­schen­le­ben hin lag Umbar nun im Krieg mit Gon­dor, bedroh­te
Gon­dors Küs­ten­ge­bie­te und sei­ne See­we­ge. Bis zur Zeit Eles­sars wur­de es nie
wie­der völ­lig unter­wor­fen; und der Süden von Gon­dor, zwi­schen den Kor­sa­ren
und den Köni­gen, wur­de ein umstrit­te­nes Gebiet.«

»Der Ver­lust von Umbar war bit­ter für Gon­dor, nicht nur, weil das Reich im
Süden an Boden und an Macht über die Völ­ker von Harad ver­lor, son­dern auch,
weil an die­sem Ort Ar-Pha­ra­zôn der Gol­de­ne gelan­det war, Núme­nors letz­ter
König, der Sau­ron gede­mü­tigt hat­te. Trotz allen Un­heils, das spä­ter dar­aus
erwach­sen war, gedach­ten auch Elen­dils Anhän­ger voll Stolz der gro­ßen Flot­te,
mit der Ar-Pha­ra­zôn aus den Wei­ten des Mee­res gekom­men war; und auf der
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höchs­ten Erhe­bung des Vor­ge­bir­ges über dem Hafen hat­ten sie eine hohe wei­ße
Säu­le als Denk­mal auf­ge­stellt. Zuo­berst trug sie eine Kris­tall­ku­gel, die Son­
nen- und Mond­strah­len auf­fing und wie ein hel­ler Stern leuch­te­te, sodass sie
bei ­klarem Wet­ter bis an die Küs­ten von Gon­dor oder von weit drau­ßen auf dem
West­meer zu sehen war. Dort stand sie, bis Umbar nach Sau­rons zwei­ter Erhe­bung,
die nun näher rück­te, unter die Macht sei­ner Die­ner fiel und das Anden­ken sei­
ner Ernied­ri­gung umge­stürzt wur­de.«

Nach Elda­cars Rück­kehr ver­misch­te sich das Blut der Köni­ge und der ande­ren
Dúne­dain-Sip­pen mehr und mehr mit dem gerin­ge­rer Men­schen. Denn vie­le
der Gro­ßen waren wäh­rend des Sip­pen­streits umge­kom­men; und zugleich för­
der­te Elda­car die Zuwan­de­rung der Nord­men­schen, die ihm gehol­fen hat­ten,
die Kro­ne wie­der­zu­ge­win­nen, und das Volk von Gon­dor ver­mehr­te sich um die
vie­len, die aus Rho­va­ni­on kamen.
Die­se Ver­mi­schung beschleu­nig­te zunächst nicht, wie man befürch­tet hat­te,
den Nie­der­gang der Dúne­dain; und den­noch setz­te sich die Ver­kür­zung der
Lebens­dau­er, die schon zuvor begon­nen hat­te, nach und nach fort. Ohne Zwei­fel
lag dies vor allem dar­an, dass sie sich nun in Mit­te­ler­de auf­hiel­ten und dass
ihnen die Gaben der Núme­nó­rer nach dem Unter­gang der Stern­in­sel lang­sam
ent­zo­gen wur­den. Elda­car wur­de zwei­hun­dert­fünf­und­drei­ßig Jah­re alt und war
acht­und­fünf­zig Jah­re König, davon zehn im Exil.

Das zwei­te und größ­te Unglück befiel Gon­dor wäh­rend der Herr­schaft Telem­
nars, des sechs­und­zwan­zigs­ten Königs, des­sen Vater Minar­dil, El­da­­cars Sohn,
bei ­Pelar­gir im Kampf mit den Kor­sa­ren von Umbar fiel. (Ihre Füh­rer waren
Anga­­mai­te und San­ga­hyan­do, Cas­ta­mirs Uren­kel.) Bald dar­auf tru­gen dunk­le
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 43

Win­de von Osten eine töd­li­che Seu­che heran. Der König und alle sei­ne Kin­der
erla­gen ihr, und eben­so vie­le Men­schen in ganz Gon­dor, beson­ders in Osgi­
liath. Das erschöpf­te und ent­völ­ker­te Reich gab die Wachen an den Gren­zen
nach Mor­dor auf, und die Fes­tun­gen an den Päs­sen waren nicht mehr bemannt.
Spä­ter bemerk­te man, dass dies alles geschah, wäh­rend zugleich der Schat­ten
auf dem Grün­wald dich­ter wur­de und vie­ler­lei Unwe­sen wie­der auf­tra­ten, Zei­
chen für Sau­rons neu­es Erstar­ken. Zwar hat­ten auch Gon­dors Fein­de zu lei­den,
sonst hät­ten sie es in sei­ner Schwä­che gleich über­wäl­tigt; doch Sau­ron konn­te
war­ten, und viel­leicht ging es ihm vor­erst auch nur dar­um, die Wege nach Mor­
dor wie­der zu öff­nen.

Als König Telem­nar starb, ver­dorr­ten und star­ben auch die Wei­ßen Bäu­me
in Minas Anor. Aber sein Nef­fe Taron­dor, der sein Nach­fol­ger wur­de, pflanz­te
wie­der einen Säm­ling in der Zita­del­le ein. Er war es auch, der den Sitz des Königs
für immer nach Minas Anor ver­leg­te, denn Osgi­liath war nun teil­wei­se ver­las­sen
und begann in Trüm­mer zu fal­len. Nur weni­ge der Bewoh­ner, die vor der Pest
nach Ithi­li­en oder in die west­li­chen Täler geflo­hen waren, moch­ten in die Stadt
zurück­keh­ren.
Taron­dor, der noch jung war, als er den Thron bestieg, hat­te von allen Köni­­gen
Gon­dors die längs­te Regie­rungs­zeit; aber er konn­te wenig mehr errei­chen als
eine inne­re Neu­ord­nung und die lang­sa­me Erho­lung des Reiches. Sein Sohn
Telu­meh­tar jedoch, der den Tod Minar­dils nicht ver­ges­sen hat­te und den die
fre­chen Raub­zü­ge der Kor­sa­ren an sei­nen Küs­ten bis zum Anfa­las empör­ten,
sam­mel­te ein Heer und nahm Umbar 1810 im Sturm. In die­sem Krieg fie­len
Cas­ta­mirs letz­te Nach­kom­men, und Umbar blieb für eine Wei­le wie­der im Be­
sitz der Köni­ge. Telu­meh­tar füg­te sei­nem Namen den Titel Umbar­da­cil
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hin­zu. Doch bei den neu­en Sor­gen, die Gon­dor bald bekom­men soll­te, ging
Umbar wie­der ver­lo­ren und fiel den Men­schen von Harad in die Hän­de.

Das drit­te Unglück war das Vor­drin­gen der Wagen­fah­rer, die in fast hun­dert
Jah­re wäh­ren­den Krie­gen an Gon­dors schwin­den­den Kräf­ten zehr­ten. Sie waren
ein Volk oder ein Bund von Völ­kern aus dem Osten, doch stär­ker und bes­ser
bewaff­net als alle, die frü­her von dort gekom­men waren. Sie kamen in gro­ßen
Wagen­ko­lon­nen, und ihre Häupt­lin­ge kämpf­ten in Streit­wa­gen. Von Sau­rons
Send­bo­ten auf­ge­wie­gelt, wie man spä­ter erfuhr, fie­len sie plötz­lich über Gon­dor
her, und König Nar­ma­cil II., der ihnen jen­seits des Andu­in ent­ge­gen­trat, fiel
1856 in einer Schlacht. Das Volk im öst­li­chen und süd­li­chen Rho­va­ni­on wur­de
ver­sklavt, und Gon­dor muss­te sei­ne Gren­zen einst­wei­len bis zum Andu­in und
den Emyn Muil zurück­zie­hen. [Zu die­ser Zeit, so wird an­genom­men, kehr­ten
die Ring­geis­ter nach Mor­dor zurück.]
Cali­meh­tar, der Sohn Nar­ma­cils II., dem ein Auf­stand in Rho­va­ni­on zu Hil­fe
kam, räch­te sei­nen Vater 1899 auf der Dagor­lad mit einem gro­ßen Sieg über
die Ost­lin­ge, und für eine Wei­le war die Gefahr abge­wen­det. Dann, als im
Nor­den Ara­phant und im Süden Cali­meh­tars Sohn Ondo­her regier­te, hiel­ten
die bei­den König­rei­che nach lan­ger still­schwei­gen­der Ent­frem­dung end­lich
wie­der ge­mein­sam Rat. Sie erkann­ten nun, dass hin­ter den Angrif­fen von meh­
re­ren Sei­ten, deren sich die Nachkommen der Núme­nórer zu erweh­ren hat­ten,
ein ein­heit­­licher, len­ken­der Macht­wil­le stand. Zu die­ser Zeit hei­ra­te­te Arve­
dui, Ara­phants Sohn, König Ondo­hers Toch­ter Fíriel (1940). Doch kei­nes der
bei­den König­rei­che konn­te dem ande­ren zu Hil­fe kom­men; denn zur glei­chen
Zeit, als Ang­mar von neu­em Arthe­dain angriff, tra­ten die Wagen­fah­rer in gro­ßer
­Heeres­stär­ke auf den Plan.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 45

Vie­le der Wagen­fah­rer zogen jetzt süd­lich an Mor­dor vorü­ber und ver­bün­de­ten
sich mit Men­schen aus Khand und Nah-Ha­rad; und die­ser mäch­ti­ge Ansturm
im Nor­den und Süden zugleich brach­te Gon­dor an den Rand der Ver­nich­tung.
1944 fie­len König Ondo­her und sei­ne bei­den Söh­ne ­Artamir und Fara­mir in
einer Schlacht nörd­lich des Moran­non, und die Fein­de flu­te­ten nach Ithi­li­en
hinein. Doch Ear­nil, der Feld­herr des Süd­hee­res, errang einen gro­ßen Sieg in
Süd-It­hi­li­en und ver­nich­te­te das Heer aus Harad, das den Poros über­schrit­ten
hat­te. Dann eil­te er nach Nor­den, sam­mel­te die Res­te des zurück­wei­chen­den
Nord­hee­res um sich und griff die Wagen­fah­rer in ihrem Haupt­la­ger an, als sie
am Zechen und Fei­ern waren, denn sie glaub­ten Gon­dor schon besiegt und
mein­ten nur noch die Beu­te abho­len zu müs­sen. Beim Sturm auf das Lager ließ
Ear­nil die Wagen in Brand ste­cken und ver­jag­te die unge­ord­net Flüch­ten­den aus
Ithi­li­en. Vie­le von denen, die ent­ka­men, gin­gen in den Toten­sümp­fen zugrun­de.

»Nach dem Tod Ondo­hers und sei­ner Söh­ne erhob Arve­dui aus dem Nörd­li­
chen König­reich Anspruch auf die Kro­ne von Gon­dor: Er war ein Nach­komm­e
­Isildurs und der Gat­te Fíriels, die Ondo­hers ein­zi­ges noch leben­des Kind war.
Er wur­de abge­wie­sen. Dabei spiel­te Pelen­dur die Haupt­rol­le, König Ondo­hers
Statt­hal­ter.
So lau­te­te die Ant­wort des Rats von Gon­dor: ›Kro­ne und Königs­wür­de von
Gon­dor gehö­ren allein den Erben Meneld­ils. Ihm, als Aná­ri­ons Sohn, hat­te
Isil­dur die­ses Reich abge­tre­ten. In Gon­dor gel­ten zu die­sem Erbe nur die Söh­ne
als berech­tigt; und wir haben nicht gehört, dass das Recht in Arn­or ein ande­res
ist.‹
Dar­auf erwi­der­te Arve­dui: ›Elen­dil hat­te zwei Söh­ne, von denen Isil­dur der
älte­re und daher der Erbe sei­nes Vaters war. Wir haben gehört, dass Elen­dils
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Name bis heu­te auf der Ahnen­ta­fel der Köni­ge von Gon­dor zu­oberst steht,
denn er galt als Hoher König aller Lan­de der Dúne­dain. Zu sei­nen Leb­zei­ten
hat­te Elen­dil die Regie­rung im Süden sei­nen Söh­nen gemein­sam über­tra­gen;
doch als Elen­dil gefal­len war und Isil­dur fort­zog, um das Hohe König­tum sei­nes
Vaters anzu­tre­ten, über­trug er auf glei­che Wei­se die Regie­rung im Süden dem
Sohn sei­nes Bru­ders. Er hat die Königs­wür­de für Gon­dor nicht abge­tre­ten und
nicht gewollt, dass Elen­dils Reich für immer geteilt blei­ben soll­te.
Über­dies fiel in Núme­nor einst das Zep­ter an das ältes­te Kind des Königs,
ob es nun Mann oder Frau war. Zwar wur­de die­ses Gesetz in den stets kriegs­­
bedroh­ten Exil­rei­chen nicht befolgt, doch so war ein­mal in unse­rem Volk das
Gesetz, auf das wir uns nun, da Ondo­hers Söh­ne kin­der­los gestor­ben sind,
beru­fen.‹11
Dar­auf gab Gon­dor kei­ne Ant­wort. Auf die Kro­ne erhob Ear­nil Anspruch,
der sieg­rei­che Feld­herr; und mit Bil­li­gung aller Dúne­dain von Gon­dor wur­de
sie ihm zuge­spro­chen, denn auch er stamm­te aus dem könig­li­chen Hau­se. Sein
Vater war Siri­on­dil, sein Groß­va­ter Calim­ma­cil und sein Urgroß­va­ter Arci­ry­as,
ein Bru­der Nar­ma­cils II. Arve­dui beharr­te nicht auf sei­nem Anspruch, denn er
hat­te weder die Macht noch die Absicht, die Wahl der Dúne­dain von Gon­dor
anzu­fech­ten; doch der Anspruch blieb unter sei­nen Nach­kom­men unver­ges­sen,
auch dann noch, als sie die Königs­wür­de ver­lo­ren hat­ten. Denn das Ende des
Nord­kö­nig­reichs rück­te nun nahe.
Arve­dui war in der Tat, wie sein Name besagt, der letz­te König. Es heißt, die­ser

11 Die­ses Gesetz wur­de in Núme­nor erlas­sen (wie wir vom König erfuh­ren), als Tar-Al­da­ri­on, der sechs­te König, nur
ein Kind, eine Toch­ter, hin­ter­ließ. Sie wur­de die ers­te regie­ren­de Köni­gin, Tar-An­ca­li­me. Doch vor ihrer Zeit
war das Recht anders. Auf Tar-Elen­dil, den vier­ten König, folg­te sein Sohn Tar-Me­nel­dur, obwohl sei­ne Schwes­ter
­Silma­ri­en die älte­re war. Von Sil­ma­ri­en aber stamm­te Elen­dil ab.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 47

Name sei ihm bei der Geburt von dem Seher Mal­beth gege­ben wor­den, der zu
sei­nem Vater sag­te: ›Ar­ve­dui sollst du ihn nen­nen, denn der Letz­te in Arthe­dain
wird er sein. Doch wer­den die Dúne­dain eine Wahl tref­fen müs­sen, und wenn
sie sich für das schein­bar weni­ger Aus­sichts­reiche ent­schei­den, dann wird dein
Sohn sei­nen Namen ändern und Kö­nig über ein gro­ßes Reich wer­den. Wenn
nicht, dann steht viel Leid bevor, und vie­le Men­schen­le­ben wer­den hin­ge­hen,
ehe die Dúne­dain wie­der groß und ver­eint wer­den.‹
Auch in Gon­dor folgte auf Ear­nil nur noch ein König. Viel­leicht wäre das
König­tum gewahrt wor­den, hät­te man Kro­ne und Zep­ter damals ver­ei­nigt, und
viel Unheil hät­te sich abwen­den las­sen. Doch Ear­nil war ein klu­ger Mann und
nicht anma­ßend; nur hielt er wie zu sei­ner Zeit in G ­ ondor die meis­ten Men­schen
das Reich von Arthe­dain, unge­ach­tet der edlen Abkunft sei­ner Herr­scher, für
all­zu unbe­deu­tend.
Er sand­te Bot­schaf­ten an Arve­dui, die ihm mit­teil­ten, er habe gemäß den
Geset­zen und Erfor­der­nis­sen des Südreichs die Kro­ne emp­fan­gen; ›doch ich
ver­ges­se Arn­or sei­ne Treue nicht, noch leug­ne ich unse­re Ver­wandt­schaft oder
wün­sche, dass die Rei­che Elen­dils einan­der fremd wer­den. Ich wer­de dir Hil­fe
sen­den, wenn du ihrer bedarfst, soweit ich es ver­mag.‹
Es dau­er­te jedoch lan­ge, bis Ear­nil selbst sich hin­rei­chend sicher fühl­te, um
sein Ver­spre­chen ein­lö­sen zu kön­nen. König Ara­phant wehr­te noch immer mit
schwin­den­der Kraft Ang­mars Vor­stö­ße ab und eben­so Arve­dui, sein Nach­fol­ger;
doch im Herbst 1973 kamen schließ­lich Nach­rich­ten nach Gon­dor, dass Arthe­dain
in höchs­ter Not sei und dass der Hexen­kö­nig zum letz­ten ver­nich­tenden Schlag
rüs­te. Da schick­te Ear­nil sei­nen Sohn Ear­nur auf schnells­tem Wege mit einer
Flot­te nach Nor­den, mit so vie­len Krie­gern, wie er nur ent­beh­ren konn­te.
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Aber zu spät. Bevor Ear­nur die Anfur­ten von Lin­don erreich­te, hat­te der
Hexen­kö­nig Arth­edain erobert, und Arve­dui war umge­kom­men.
Doch als Ear­nur bei den Grau­en Anfur­ten ein­traf, staun­ten Elben und
Men­schen und freu­ten sich. So vie­le Schif­fe hat­te er und von sol­chem Tief­gang,
dass die Anker­plät­ze kaum aus­reich­ten, obgleich sowohl der Har­lond wie der
For­lond belegt wur­den; und ihnen ent­stieg ein star­kes Heer mit Vor­rä­ten und
Rüs­tungs­gü­tern für einen Krieg gro­ßer Köni­ge. So jeden­falls erschien es den
Völ­kern des Nor­dens; doch war dies nur ein klei­nes Expe­di­ti­ons­heer aus den
gesam­ten Streit­kräf­ten von Gon­dor. Am meis­ten Bewun­de­rung zoll­te man den
Pfer­den, von denen vie­le aus den Andu­in-Tä­lern kamen, unter gro­ßen, statt-
­li­chen Rei­tern und den stol­zen Fürs­ten von Rho­va­ni­on.
Nun rief Cír­dan alle, die kom­men woll­ten, aus Lin­don und Arn­or zusam­men,
und als alles bereit war, über­schritt das Heer den Lhûn und mar­schier­te nord­
wärts, um den Hexen­kö­nig zum Kampf zu stel­len. Er hat­te, so heißt es, sei­nen
Sitz in For­nost genom­men, wo er viel übles Volk ver­sam­melt und sich im Haus
und der Herr­schaft der Köni­ge ein­ge­rich­tet hat­te. Sein Stolz erlaubte ihm nicht,
die Fein­de in sei­ner Fes­tung zu erwar­ten, son­dern er zog ihnen ent­ge­gen, in der
Mei­nung, er kön­ne sie wie schon ande­re zuvor in den Lhûn jagen.
Aber das Heer des Wes­tens stieß von den Abend­rot­ber­gen auf ihn hinab, und
es kam zu einer gro­ßen Schlacht in der Ebe­ne zwi­schen dem Nen­uial und den
Nord­hö­hen. Ang­mars Strei­ter wichen schon und zogen sich in Rich­tung For­nost
zurück, als das Haupt­heer der Rei­ter, das die Ber­ge umrun­det hat­te, von Nor­den
kam und sie zer­spreng­te. Da floh der Hexen­kö­nig mit allen, die er aus dem
Gemet­zel noch um sich sam­meln konn­te, nach Nor­den, um sich in Ang­mar in
Sicher­heit zu brin­gen; doch bevor er Carn Dûm erreicht hat­te, hol­te ihn die
Rei­te­rei von Gon­dor ein, mit Ear­nur an der Spit­ze. Gleich­zei­tig kam ein Trupp
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 49

aus Bruch­tal unter dem Elben­fürs­ten Glor­fin­del heran. Nun wur­de Ang­mar so
ver­nich­tend geschla­gen, dass west­lich des Gebir­ges nicht ein Mensch oder Ork
aus die­sem Reich am Leben blieb.
Doch heißt es, dass der Hexen­kö­nig, als für ihn alles ver­lo­ren war, plötz­lich
selbst auf den Plan ritt, in schwar­zem Gewand und schwar­zer Mas­ke und auf
einem schwar­zen Pferd. Furcht ergriff alle, die ihn sahen; er aber hat­te es nur
auf den Feld­herrn von Gon­dor abge­se­hen, an dem er sei­ne gan­ze Wut aus­las­sen
woll­te; und mit einem ent­setz­li­chen Schrei ritt er gegen ihn an. Ear­nur hät­te
ihm stand­ge­hal­ten, aber sein Pferd war dem Schre­cken nicht gewach­sen; es ging
durch und trug ihn weit davon, ehe er es zügeln konn­te.
Da lach­te der Hexen­kö­nig laut auf, und nie­mand, der es hör­te, konn­te dies
grau­en­vol­le Lachen je wie­der ver­ges­sen. Nun aber ritt Glor­fin­del auf sei­nem
wei­ßen Pferd heran, und immer noch lachend wand­te der Hexen­kö­nig sich zur
Flucht und ver­schwand in der Däm­me­rung. Denn die Nacht senk­te sich auf das
Schlacht­feld, und er war fort, und nie­mand sah, wohin er ritt.
Nun kam Ear­nur zurück, doch Glor­fin­del blick­te in die zuneh­men­de Dun­kel­
heit hinaus und sag­te: ›Ver­fol­ge ihn nicht! In wei­ter Fer­ne liegt noch sein Ende,
und von kei­nes Man­nes Hand wird er fal­len.‹ Vie­len blie­ben die­se Wor­te in Erin­
ne­rung; Ear­nur aber war wütend und dach­te nur noch an Rache für sei­ne Schan­de.
So ende­te das üble Reich von Ang­mar; und so war Gon­dors Feld­herr Ear­nur
zum Erz­feind des Hexen­kö­nigs gewor­den; doch vie­le Jah­re soll­ten noch ver­ge­hen,
bis dies sich heraus­stell­te.«

So geschah es, dass zu Ear­nils Zeit, wie spä­ter bekannt wur­de, der Hexen­kö­nig
aus dem Nor­den floh und nach Mor­dor kam, wo er die ande­ren Ring­geis­ter um
sich sam­mel­te, deren obers­ter er war. Doch erst im Jahr 2000 wag­ten sie sich
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her­vor, über­schrit­ten den Pass von Cirith Ungol und bela­ger­ten Minas Ithil.
Sie erober­ten es 2002, und der Palan­tír des Tur­mes fiel ihnen in die Hän­de.
Wäh­rend des gan­zen Drit­ten Zeit­al­ters konn­ten sie von dort nicht wie­der
ver­trie­ben wer­den. Minas Ithil wur­de ein Schre­ckens­ort und in Minas Mor­gul
umbe­nannt. Ithi­li­en wur­de von einem gro­ßen Teil sei­ner Bewoh­ner ver­las­sen.

»Ear­nur kam sei­nem Vater an Tap­fer­keit gleich, aber nicht an Ver­stand. Er


war stark und hitz­köp­fig; eine Frau moch­te er nicht neh­men, denn sei­ne ein­zi­ge
Freu­de waren Kampf und Waf­fen­übung. Nie­mand in Gon­dor konn­te es in den
Wett­kämp­fen, die er bevor­zug­te, mit ihm auf­neh­men. Er wirk­te eher wie ein
Fecht­meis­ter als wie ein Feld­herr oder König; und sei­ne Kraft und Geschick­lich­
keit behielt er bis in ein unge­wöhn­lich hohes Alter.«
Als Ear­nur 2043 die Kro­ne emp­fing, for­der­te ihn der Mor­gul­fürst zum Zwei­
kampf heraus, unter höh­ni­schen Anspie­lun­gen auf jene Schlacht im Nor­den, wo
Ear­nur nicht gewagt habe, sich ihm zu stel­len. Einst­wei­len konn­te der
Statt­hal­ter Mar­dil den Zorn des Königs im Zaum hal­ten. Minas Anor, das seit
Telem­nars Tagen Haupt­stadt des Rei­ches und Sitz der Köni­ge war, wur­de damals
in Minas Tirith umbe­nannt: ein stän­di­ger Wacht­pos­ten gegen die Übel aus
Minas Mor­gul.
Ear­nur trug die Kro­ne erst seit sie­ben Jah­ren, als der Mor­gul­fürst sei­ne Heraus­
for­de­rung wie­der­hol­te, mit der Bemer­kung, zu der Hasen­her­zig­keit, die Ear­nur
in sei­ner Jugend bewie­sen habe, kom­me nun wohl noch die Alters­schwä­che hin­zu.
Da konn­te auch Mar­dil den König nicht län­ger zurück­hal­ten, und nur mit
einem klei­nen Gefol­ge von Rit­tern ritt er vors Tor von Minas Mor­gul. Nie wie­der
hör­te man etwas von ihm oder sei­nen Beglei­tern. In Gon­dor glaub­te man, der
König sei dem tücki­schen Feind in die Fal­le gegan­gen und unter Qua­len in
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 51

Minas Mor­gul gestor­ben; doch da es für sei­nen Tod kei­ne Zeu­gen gab, regier­te
der gute Statt­hal­ter Mar­dil das Reich vie­le Jah­re lang in sei­nem Namen.
Es gab nun nicht mehr vie­le Nach­kom­men des Königs­hau­ses. Ihre Zahl hat­te
sich im Sip­pen­streit stark ver­min­dert; und oben­drein waren die Köni­ge seit­her
eifer­süch­tig und miss­trau­isch gegen die nahen Ver­wand­ten. Oft waren die in
Ver­dacht Gera­te­nen nach Umbar geflo­hen und hat­ten sich dort den Rebel­len
ange­schlos­sen; wäh­rend ande­re auf die Rech­te ihrer Abkunft ver­zich­tet und Frau­en
von nicht­nú­me­nó­ri­schem Blut gehei­ra­tet hat­ten.
So kam es, dass sich kein rein­blü­ti­ger oder all­seits aner­kann­ter Bewer­ber fand,
der auf die Kro­ne Anspruch erhe­ben konn­te; und alle dach­ten mit Grau­en an
den Sip­pen­streit zurück und wuss­ten, dass Gon­dor eine Wie­der­ho­lung sol­cher
Zwis­tig­kei­ten nicht über­ste­hen wür­de. Daher regier­te nun Jahr um Jahr der
Statt­hal­ter das Land, und Elen­dils Kro­ne ruh­te in König Ear­nils Schoß in den
Toten­häu­sern, wo Ear­nur sie zurück­ge­las­sen hat­te.

Die Statt­hal­ter
Die Sip­pe der Statt­hal­ter nann­te man das Haus Húrin, denn sie waren Nach­
kom­men Húrins von den Emyn Arnen, eines Man­nes von hoher núme­nó­ri­scher
Abkunft, der unter König Minar­dil (1621–34) Statt­hal­ter gewe­sen war. Seit­her
hat­ten die Köni­ge ihren Statt­hal­ter immer unter sei­nen Nach­kom­men gewählt;
und nach Pelen­durs Zeit wur­de das Amt des Statt­hal­ters erblich wie die Königs­
wür­de und ging vom Vater auf den Sohn oder den nächs­ten Ver­wand­ten über.
Jeder neue Statt­hal­ter leg­te bei Antritt sei­nes Amtes den Eid ab, »Stab und
Regie­rung bis zur Wie­der­kehr des Königs zu füh­ren«. Doch die­se Wor­te wur­den
bald zur lee­ren For­mel, denn tat­säch­lich nah­men die Statt­hal­ter alle könig­li­
chen Macht­be­fug­nis­se wahr. Den­noch glaub­ten vie­le in Gon­dor noch immer,
52

irgend­wann wer­de wahr­haf­tig ein König wie­der­keh­ren; und man­che erin­ner­ten


sich auch der alten Linie im Nor­den, die den Gerüch­ten nach im Ver­bor­ge­nen
noch fort­be­ste­hen soll­te. Doch von sol­chen Ide­en woll­ten die Statt­hal­ter nichts
wis­sen.
Immer­hin lie­ßen sich die Statt­hal­ter nie­mals auf dem alten Thron nie­der,
sie tru­gen kei­ne Kro­ne und hiel­ten kein Zep­ter in der Hand. Nur einen w ­ eißen
Stab tru­gen sie als Zei­chen ihres Amtes; und ihr Ban­ner war weiß ohne
Wahr­zei­chen, wäh­rend das könig­li­che Ban­ner schwarz gewe­sen war, mit einem
blü­hen­den wei­ßen Baum unter sie­ben Ster­nen dar­auf.

Auf Mar­dil Voron­we, der als Ers­ter ihrer Linie galt, folg­ten noch vier­und­zwan­
zig regie­ren­de Statt­hal­ter von Gon­dor, bis zur Zeit Den­ethors II., des sechs­und­
zwan­zigs­ten und letz­ten. Zuerst hat­ten sie Ruhe, denn dies waren die Jah­re des
Wach­sa­men Frie­dens, in denen Sau­ron vor der Macht des Wei­ßen Rats zurück­
wich und die Ring­geis­ter sich im Mor­gul­tal zurückhiel­ten. Aber seit der Zeit
Den­ethors I. gab es kei­nen unge­stör­ten Frie­den mehr, und selbst wenn gera­de
kein offe­ner Krieg mit grö­ße­ren Gefech­ten statt­fand, wur­den Gon­dors Gren­zen
stän­dig bedroht.
In den letz­ten Jah­ren Den­ethors I. kam aus Mor­dor zum ers­ten Mal die Ras­se
der Uruks, schwar­zer, mus­kel­strot­zen­der Orks; und im Jahr 2475 über­rann­ten
sie Ithi­li­en und nah­men Osgi­liath ein. Den­ethors Sohn Boro­mir (nach dem
der Boro­mir unter den Neun Gefähr­ten benannt war) besieg­te sie und gewann
Ithi­li­en zurück; doch Osgi­liath lag nun ein für alle Mal in Trüm­mern, und sei­ne
gro­ße Stein­brü­cke war zer­bro­chen. Seit­dem wohn­te dort nie­mand mehr. Boro­
mir war ein gro­ßer Feld­haupt­mann, vor dem selbst der Hexen­kö­nig Respekt
hat­te, edel und mit schö­nen Gesichts­zü­gen, stark an Leib und See­le; doch in
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 53

jenem Krieg emp­fing er eine Mor­gul-Wun­de, die sei­ne Tage ver­kürz­te. Der
Schmerz zehr­te ihn auf, und er starb zwölf Jah­re nach sei­nem Vater.
Nach ihm begann die lan­ge Regie­rungs­zeit Ciri­ons. Er war umsich­tig und
wach­sam, aber Gon­dors Arm reich­te nicht sehr weit, und er konn­te nicht viel
mehr tun, als sei­ne Gren­zen zu schüt­zen, wäh­rend sei­ne Fein­de (oder die Macht,
die sie lenk­te) Schlä­ge gegen ihn vor­be­rei­te­ten, die er nicht abzu­fan­gen ver­
moch­te. An den Küs­ten plün­der­ten die Kor­sa­ren, doch die größ­te Gefahr ging
vom Nor­den aus. In den wei­ten Gebie­ten von Rho­va­ni­on, zwi­schen Düst­er­wald
und Eilend, leb­te nun ein wüs­tes Volk, das ganz unter dem Ein­fluss von Dol
Gul­dur stand. Oft unter­nahm es Über­fäl­le durch den Wald hin­durch, bis das
Andu­in­tal süd­lich des Schwer­tel­­flusses weit­ge­hend ent­völ­kert war. Dies waren
die Bal­choth, und sie er­hielten ste­tig Zustrom von ande­ren ihres­glei­chen aus
dem Osten, wäh­rend das Volk von Cale­nard­hon zusam­men­ge­schrumpft war.
Ciri­on hat­te gro­ße Mühe, die Andu­in-Gren­ze zu hal­ten.
Den Sturm voraus­se­hend, schick­te Ciri­on eine Bot­schaft mit Hil­fe­­rufen nach
Nor­den, doch all­zu spät; denn in die­sem Jahr (2510), nach­dem die Bal­choth auf
dem Ostu­fer des Andu­in vie­le gro­ße Boo­te und Flö­ße gebaut hat­ten, schwärm­ten
sie über den Strom und feg­ten die Ver­tei­di­ger hin­weg. Ein von Süden gegen sie
heran­mar­schie­ren­des Heer wur­de abge­schnit­ten und über den Lim­klar nach
Nor­den ge­drängt, wo plötz­lich eine Schar Orks aus dem Gebir­ge es angriff und
zum An­duin hin­dräng­te. Da kam unver­hofft die Hil­fe aus dem Nor­den, und
zum ers­ten Mal hör­te man in Gon­dor die Hör­ner der Rohir­rim. Eorl der Jun­ge
kam mit sei­nen Rei­tern, feg­te die Fein­de hin­weg und hetz­te sie auf den Fel­dern
von Cale­nard­hon zu Tode. Ciri­on gab Eorl die­ses Land zur Besied­lung frei,
und Eorl schwor Ciri­on einen Freund­schafts­eid und gelob­te den Her­ren von
Gon­dor Bei­stand in der Not oder auf Ver­lan­gen.
54

In noch grö­ße­re Gefahr kam Gon­dor zur Zeit Berens, des neun­zehn­ten Statt­
hal­ters. Drei star­ke Flot­ten, lan­ge zuvor gerüs­tet, segel­ten von Umbar heran
und über­fie­len Gon­dors Küs­ten. Sie lan­de­ten an vie­len Stel­len, sogar weit im
Nor­den an der Isen­mün­dung. Die Rohir­rim wur­den von Wes­ten und Osten zu­
gleich ange­grif­fen; ihr Land wur­de über­rannt, und sie muss­ten sich in die Täler
des Wei­ßen Gebir­ges flüch­ten. In die­sem Jahr (2758) begann der Lan­ge Win­
ter, der Schnee und eisi­ge ­Kälte von Nor­den und Osten brach­te und fast fünf
Mona­te lang anhielt. Helm von Rohan und sei­ne bei­den Söh­ne kamen um, und
in Eria­dor und Rohan wüte­ten Elend und Tod. Doch in Gon­dor, süd­lich des
Gebir­ges, stand es nicht so schlimm, und bevor es noch Früh­ling wur­de, hat­te
Berens Sohn Bere­gond die Ein­dring­lin­ge über­wun­den. Sofort schick­te er Hil­fe
nach Rohan. Er war Gon­dors größ­ter Feld­herr seit Boro­mir; und als er sei­nem
Vater auf dem Thron folg­te (2763), begann das Reich wie­der zu Kräf­ten zu
kom­men. Rohan aber erhol­te sich nicht so schnell. Dies war der Grund, warum
Beren zur Auf­nah­me Saru­mans bereit war und ihm die Schlüs­sel des Ort­hanc
über­gab; und seit­dem (2759) wohn­te Saru­man in Isen­gard.

Zur Zeit Bere­gonds wur­de im Nebel­ge­bir­ge der Krieg zwi­schen den Zwer­
gen und den Orks (2793–99) aus­ge­foch­ten, von dem nur Gerüch­te nach Süden
dran­gen, bis die aus dem Nand­uhi­ri­on flüch­ten­den Orks Rohan zu durch­que­ren
und sich im Wei­ßen Gebir­ge ein­zu­nis­ten ver­such­ten. Vie­le Jah­re wur­de in den
Gebirgs­tä­lern gekämpft, bis die Gefahr besei­tigt war.
Beim Tod Belec­thors II., des ein­und­zwan­zigs­ten Statt­hal­ters, starb in Minas
Tirith zugleich auch der Wei­ße Baum ab; aber er wur­de »bis zur Wie­der­kehr des
Königs« ste­hen gelas­sen, weil kein Säm­ling zu fin­den war.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 55

Zur Zeit Túrins II. began­nen Gon­dors Fein­de sich von neu­em zu regen, denn
Sau­ron war wie­der erstarkt, und der Tag, an dem er sich offen­ba­ren wür­de,
rück­te näher. Alle bis auf die Ver­we­gens­ten ver­lie­ßen Ithi­li­en und zogen über
den Andu­in nach Wes­ten, denn die Orks aus Mor­dor mach­ten das Land unsi­cher.
Túrin war es, der die gehei­men Stütz­punk­te für sei­ne Trup­pen in Ithi­li­en anle­gen
ließ, von denen Hen­neth Annûn am längs­ten bewacht und bemannt blieb. Zum
Schutz Anóri­ens ließ er auch die Insel Cair Andros12 wie­der befes­ti­gen. Aber
die Gefahr für ihn kam vor allem von Süden, wo die Harad­rim Süd-Gon­dor
besetzt hat­ten und wo am Poros hef­tig gekämpft wur­de. Als star­ke Streit­kräf­te
nach Ithi­li­en ein­dran­gen, erfüll­te König Folcwi­ne von Rohan Eorls Eid und
schick­te vie­le Rei­ter nach Gon­dor; zugleich ver­galt er damit die Hil­fe, die Bere­
gond einst Rohan gelei­stet hat­te. Unter­stützt von den Rohir­rim, errang Túrin
einen Sieg am Poros-Über­gang; doch Folcwi­nes Söh­ne fie­len in der Schlacht.
Die Rei­ter begru­ben sie nach der Sit­te ihres Vol­kes, und zwar bei­de in einem
­Grab­hü­gel, denn sie waren Zwil­lings­brü­der. Haudh in Gwan­ur nann­te man den
Hügel, und lan­ge stand er dort, hoch über dem Fluss­ufer, und Gon­dors Fein­de
gin­gen ungern an ihm vorü­ber.
Túrins Nach­fol­ger wur­de Tur­gon, und aus sei­ner Zeit ist vor allem eins zu
berich­ten: Zwei Jah­re vor sei­nem Tod trat Sau­ron wie­der her­vor und zeig­te sich
offen; und er hielt Ein­zug in Mor­dor, wo alles für ihn vor­be­rei­tet war. Dann
wur­de Barad-dûr wie­der auf­ge­baut, der Schick­sals­berg brach in Flam­men aus,
und die letz­ten Bewoh­ner Ithi­li­ens such­ten das Wei­te. Als Tur­gon starb, nahm
Saru­man sich Isen­gard zu eigen und befes­tig­te es.

12 Der Name bedeu­tet »lang schäu­men­des Schiff«, denn die Insel hat­te die Form eines gro­ßen Schiffs mit hohem,
nach Nor­den zei­gen­dem Bug, an des­sen schar­fen Fel­sen der Andu­in weiß schäu­mend vorü­ber­rausch­te.
56

»Ecthe­lion II., Tur­gons Sohn, war ein Mann von Ver­stand. Mit allem, was
ihm an Macht geblie­ben war, begann er, die Gren­zen sei­nes Reichs gegen
­Mordors Angrif­fe zu sichern. Er zog tüch­ti­ge Män­ner von nah und fern in sei­nen
Dienst und gab denen Rang und Lohn, die sich sei­nes Ver­trau­ens als wür­dig
erwie­sen. Bei vie­len sei­ner Maß­nah­men erhielt er Rat und Hilfe
­­ von einem
gro­ßen Feld­haupt­mann, den er vor allen ande­ren schätz­te. Tho­ron­gil nann­ten
ihn die Men­schen in Gon­dor, ›Ster­nad­ler‹, denn er war schnell und scharf­sich­
tig, und an sei­nem Mantel trug er einen sil­ber­nen Stern; wie er aber wirk­lich
hieß und in wel­chem Land er gebo­ren war, wuss­te nie­mand. Zu Ecthe­lion kam
er aus Rohan, wo er dem König Then­gel gedient hat­te, doch war er nicht vom
Volk der Rohir­rim. Er war ein gro­ßer Heer­füh­rer zu Was­ser wie zu Lan­de, aber
bevor Ecthe­lions Tage zu Ende gin­gen, trat er zurück in den Schat­ten, aus dem
er gekom­men war.
Tho­ron­gil gab Ecthe­lion oft zu beden­ken, dass die Macht der Rebel­len in
Umbar eine gro­ße Gefahr für Gon­dor und eine Bedro­hung sei­ner süd­li­chen
Lehen sei, die sich als töd­lich erwei­sen kön­ne, wenn Sau­ron zum offe­nen Krieg
über­gin­ge. Schließ­lich erwirk­te er die Erlaub­nis des Statt­hal­ters, eine klei­ne
Flot­te zu rüs­ten. Über­ra­schend lief er eines Nachts in Umbar ein und ver­brann­
te einen gro­ßen Teil der Kor­sa­ren­schif­fe. Er selbst besieg­te im Kampf auf den
Kai­en den Hafen­kom­man­dan­ten; dann zog er sich unter gerin­gen Ver­lus­ten
mit sei­ner Flot­te zurück. Doch als sie wie­der nach Pel­ar­gir kamen, woll­te er zum
Kum­mer und Erstau­nen der Men­schen nicht nach Minas Tirith zurück­keh­ren,
wo ihn hohe Ehren erwar­te­ten.
Er schick­te Ecthe­lion eine Abschieds­bot­schaft, die lau­te­te: ›An­de­re Auf­ga­ben
rufen mich nun, Gebie­ter, und ich wer­de viel Zeit und vie­le Gefah­ren hin­
ter mich brin­gen müs­sen, bis ich, wenn es mein Schick­sal so will, wie­der nach
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 57

Gon­dor kom­me.‹ Zwar konn­te sich nie­mand den­ken, was dies für Auf­ga­ben
sein moch­ten und wel­cher Ruf dazu an ihn gelangt war; doch wohin er ging,
wuss­te man. Denn er nahm sich ein Boot und setz­te über den Andu­in, und dort
nahm er Abschied von sei­nen Gefähr­ten und ging allein wei­ter; und als man ihn
zuletzt sah, hat­te er sich dem Schat­ten­­gebirge zuge­wandt.
In der Stadt war man sehr bestürzt wegen sei­nes Fort­gangs, der allen als ein
schwe­rer Ver­lust erschien, Ecthe­lions Sohn Den­ethor viel­leicht aus­ge­nom­men,
ein Mann, der nun schon reif war für das Amt des Statt­hal­ters, das er vier Jah­re
dar­auf nach dem Tod sei­nes Vaters antrat.
Den­ethor II. war stolz, groß und mutig, eine könig­li­che Erschei­nung, wie
man sie in Gon­dor seit vie­len Men­schen­al­tern nicht mehr gese­hen hat­te, oben­
drein klug, weitbli­ckend und bewan­dert in der Über­lie­fe­rung. Eigent­lich war
er Tho­ron­gil so ähn­lich, als wären sie nah ver­wandt; und doch nahm er in den
Her­zen der Men­schen und in der Ach­tung sei­nes Vaters hin­ter dem Frem­den
immer nur den zwei­ten Platz ein. Zu der Zeit glaub­ten vie­le, Tho­ron­gil habe
sei­nen Abschied genom­men, weil sonst sein Riva­le bald sein Gebie­ter gewor­den
wäre; doch hat­te Tho­ron­gil eigent­lich nie mit Den­ethor riva­li­siert oder einen
Anspruch erken­nen las­sen, mehr zu sein als ein Die­ner des Statt­hal­ters. Nur in
einem Punkt waren sie ver­schie­de­ner Mei­nung: Tho­ron­gil gab Ecthe­lion oft den
Rat, Saru­man dem Wei­ßen in Isen­gard nicht zu trau­en, son­dern lie­ber Gan­dalf
den Grau­en anzu­hö­ren. Den­ethor aber war kein Freund von Gan­dalf; und nach
Ecthe­lions Tagen war der graue Wan­de­rer in Minas Tirith nicht mehr so gern
gese­hen. Spä­ter, als alles sich auf­ge­klärt hat­te, glaub­ten daher vie­le, Den­ethor,
scharf­sin­nig, wie er war, wei­ter und tie­fer bli­ckend als ande­re Men­schen sei­ner
Zeit, habe heraus­ge­fun­den, wer die­ser Frem­de war, der sich Tho­ron­gil nann­te,
und Arg­wohn geschöpft, dass er und Mit­hran­dir vor­hät­ten, ihn zu ver­drän­gen.
58

Als Den­ethor Statt­hal­ter wur­de (2984), erwies er sich als ein stren­ger Gebie­ter,
der in allen Din­gen sei­nen Wil­len behaup­te­te. Er rede­te wenig, hör­te Rat­schlä­
ge an und tat dann, was er für rich­tig hielt. Erst spät hat­te er gehei­ra­tet (2976),
näm­lich Fin­dui­las, die Toch­ter Adra­hils von Dol Amroth. Sie war eine schö­ne,
sanft­mü­ti­ge Frau, doch als sie noch kei­ne zwölf Jah­re ver­hei­ra­tet waren, starb
sie. Den­ethor lieb­te sie auf sei­ne Wei­se mehr als jeden ande­ren Men­schen, aus­
ge­nom­men viel­leicht den älte­ren der bei­den Söh­ne, die sie ihm schenk­te. Doch
dem Volk schien es, als wel­ke sie in der bewach­ten Stadt wie eine Blu­me aus den
Tälern am Meer, die man auf einen kah­len Fel­sen ver­pflanz­te. Ihr grau­te vor
dem Schat­ten im Osten, und stets hielt sie die Augen süd­wärts gewandt, zum
Meer hin, nach dem sie sich sehn­te.
Nach ihrem Tod wur­de Den­ethor noch fins­te­rer und schweig­sa­mer als zuvor,
und oft saß er lan­ge allein in sei­nem Turm, tief in Gedan­ken, denn er sah
­voraus, dass der Angriff aus Mor­dor zu sei­nen Leb­zei­ten kom­men wer­de. Spä­ter
glaub­te man, dass er in Erman­ge­lung man­cher Kennt­nis­se, doch aus Stolz und
im Ver­trau­en auf die eige­ne Wil­lens­stär­ke, es gewagt hat­te, in den Palan­tír des
Wei­ßen Turms zu bli­cken. Kei­ner der Statt­hal­ter hat­te dies je gewagt, nicht ein­
mal die Köni­ge Ear­nil und Ear­nur, nach­dem Minas Ithil ver­lo­ren und Isil­durs
Palan­tír dem Feind in die Hän­de gefal­len war; denn der Stein von Minas Tirith
war Aná­ri­ons Palan­tír und aufs Eng­ste abge­stimmt mit dem, den nun Sau­ron
besaß.

Auf die­se Wei­se erlang­te Den­ethor vie­le von den Men­schen bestaun­te Kennt­nis­
se von Ereig­nis­sen in sei­nem Reich und auch weit außer­halb sei­ner Gren­zen;
aber sie waren teu­er erkauft, denn im Rin­gen mit Sau­rons Wil­len alter­te er vor
der Zeit. So wuchs sein Stolz zugleich mit sei­ner Ver­zweif­lung, bis er in allem
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 59

Gesche­hen die­ser Zeit nur noch den Zwei­kampf zwi­schen dem Herrn des Wei­ßen
Turms und dem Herrn von Barad-dûr sah und allen ande­ren miss­trau­te, die
Sau­ron wider­stan­den, wenn sie nicht aus­schließ­lich ihm selbst dien­ten.

So rück­te die Zeit des Ring­kriegs näher, und Den­ethors Söh­ne wur­den
er­wach­sen. Boro­mir, fünf Jah­re älter als sein Bru­der und der Lieb­ling sei­nes
Vaters, war ihm äußer­lich und in sei­nem Stolz ähn­lich, doch in wenig ande­rem.
Eher war er vom Schla­ge des alten Königs Ear­nur, einer der kei­ne Frau nahm
und an Waf­fen­übun­gen die größ­te Freu­de hat­te, furcht­los und stark, aber mit
wenig Inte­res­se für die Über­lie­fe­rung, soweit sie nicht die Waf­fen­ta­ten der alten
Hel­den betraf. Fara­mir, der jün­ge­re, sah ihm ähn­lich, war aber ande­ren Ge­
müts. Eben­so scharf­sin­nig wie sein Vater, wuss­te er in den Her­zen der
Men­schen zu lesen, doch was er dort las, erreg­te eher sein Mit­ge­fühl als sei­ne
Ver­ach­tung. Er war von freund­lichem Wesen, ein Lieb­ha­ber der Über­lie­fe­rung
und der Musik; und daher trau­ten vie­le ihm damals weni­ger Mut zu als sei­nem
Bru­der. Doch dar­an war nur so viel rich­tig, dass er sich nicht leichtfertig und
nur dem Ruhm zulie­be in Gefahr begab. Gan­dalf war ihm will­kom­men, wann
immer er in die Stadt kam, und er lern­te von ihm, so viel er irgend konn­te; und
damit, wie mit vie­lem ande­ren, erreg­te er das Miss­fal­len sei­nes Vaters.
Zwi­schen den Brü­dern aber herrsch­te unge­trüb­te Freund­schaft, schon seit ih­
rer Kind­heit, als Boro­mir den jün­ge­ren in allem lei­te­te und be­schütz­te. Seit­her
war kei­ne Eifer­sucht oder Riva­li­tät um die Gunst des Vaters oder das Lob ande­
rer Men­schen zwi­schen sie getre­ten. Fara­mir hielt es gar nicht für mög­lich, dass
irgend­wer in Gon­dor Boro­mir gleich­kom­men könn­te, Den­ethors Erben, dem
Feld­haupt­mann des Wei­ßen Turms; und so dach­te auch Boro­mir selbst. Doch
die Prü­fung ging anders aus. Von allem aber, was aus die­sen drei­en im Ring­krieg
60

wur­de, wird anders­wo aus­führ­lich berich­tet. Und nach dem Krieg gin­gen die
Tage der Regie­ren­den Statt­hal­ter zu Ende, denn Isil­durs und Aná­ri­ons Erbe
kehr­te wie­der, das König­tum wur­de erneu­ert, und auf Ecthe­lions Turm weh­te
das Ban­ner des Wei­ßen Baums.«
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 61

Anhang F

I Die Spra­chen und Völ­ker des Drit­ten Zeit­al­ters

Die in die­sem Buch durch Deutsch wie­der­ge­ge­be­ne Spra­che war das West­ron oder
die »Gemein­sa­me Spra­che« der West­lan­de von Mit­te­ler­de im Drit­ten Zeit­al­ter.
Im Lau­fe die­ses Zeit­al­ters war es zur Spra­che fast aller über­haupt einer Spra­
che fähi­gen Völ­ker gewor­den (mit Aus­nah­me der Elben), die in den Gren­zen
der ehe­ma­li­gen König­rei­che von Arn­or und Gon­dor leb­ten, das heißt an allen
Küs­ten von Umbar bis zur Bucht von Foro­chel im Nor­den und im Bin­nen­land
bis zum Nebel­ge­bir­ge und dem Ephel Dúath. Den Andu­in auf­wärts hat­te es sich
auch nach Nor­den aus­ge­brei­tet in das Land west­lich des Stroms und öst­lich des
Gebir­ges bis zu den Schwer­tel­fel­dern.
Zur Zeit des Ring­krie­ges am Ende des Zeit­al­ters waren dies noch immer die
Gren­zen sei­ner Ver­brei­tung; aller­dings waren wei­te Gebie­te von Eria­dor nun
ent­völ­kert, und am Andu­in zwi­schen Rau­ros und den Schwer­tel­fel­dern wohn­ten
nur noch weni­ge Men­schen.
Eini­ge Nach­kom­men der wil­den Men­schen von einst blie­ben noch im Drú­a­dan-
Wald in Anóri­en; und auch in den Hügeln von Dún­land leb­ten Res­te eines alten
Vol­kes, das frü­her ein Groß­teil von Gon­dor bewohnt hat­te. Die­se hiel­ten an
ihren Stam­mes­spra­chen fest; und auch in der E ­ bene von Rohan wohn­te nun ein
Volk aus dem Nor­den, die Rohir­rim, die vor etwa fünf­hun­dert Jah­ren in die­ses
Land gezo­gen waren. Aber als zwei­te Spra­che, für den Ver­kehr zwi­schen den
62

Völ­kern, wur­de West­ron auch von all denen gebraucht, die noch eine eige­ne
Spra­che bei­be­hiel­ten, sogar von den Elben, nicht nur in Arn­or und Gon­
dor, son­dern über­all in den Andu­in­tä­lern und wei­ter ost­wärts bis jen­seits des
Düst­er­walds. Selbst unter den wil­den Men­schen und den Dun­län­dern, die den
ande­ren Völ­kern aus dem Weg gin­gen, gab es man­che, die West­ron spra­chen,
wenn auch gebro­chen.

Von den Elben


Vor lan­ger Zeit, in den Ältes­ten Tagen, hat­ten sich die Elben in zwei Haupt­
grup­pen gespal­ten: die Wes­tel­ben (Eldar) und die Ostel­ben. Zu den Letz­te­ren
gehör­ten die meis­ten Elben im Düst­er­wald und in Lóri­en; doch ihre Spra­chen
kom­men nicht vor in die­ser Geschich­te, in der alle elbi­schen Namen und Wör­ter
in einer Elda­rin-Form erschei­nen.1
Von den Spra­chen der Eldar fin­den sich in die­sem Buch zwei ver­tre­ten: das
Hochel­bi­sche oder Que­nya und das Grau­el­bi­sche oder Sin­da­rin. Das Hoch-
el­bi­sche war eine ural­te Spra­che, die Spra­che von Elda­mar jen­seits des Mee­res
und die ers­te, die schrift­lich fest­ge­hal­ten wur­de. Es war kei­ne leben­de Spra­che
mehr, son­dern war gewis­ser­ma­ßen zu einem »Elben­­latein« gewor­den und
wur­de von den Hochel­ben, die am Ende des Ers­ten Zeit­al­ters ins Exil nach
Mit­te­ler­de zurück­ge­kehrt waren, bei Zere­mo­ni­en und in der Beschäf­ti­gung mit
den erha­be­nen Gegen­stän­den der Über­lie­fe­rung und der Dich­tung gebraucht.

1 In Lóri­en sprach man zu die­ser Zeit Sin­da­rin, aller­dings mit einem aus­ge­präg­ten Akzent, denn die meis­ten sei­ner
Bewoh­ner waren wald­el­bi­scher Her­kunft. Von die­sem »Akzent« und der eige­nen beschränk­ten Kennt­nis des Sin­da­rin
ließ Fro­do sich täu­schen (wie ein Kom­men­ta­tor aus Gon­dor im Buch des Thains ange­merkt hat). Alle elbi­schen Wör­ter
sind in der Tat Sin­da­rin, und eben­so auch die meis­ten Orts- und Per­so­nen­na­men. Doch Lóri­en, Caras Galad­­hon, Amroth
und Nim­ro­del sind ver­mut­lich wald­el­bi­schen Ursprungs und dem Sin­da­rin nach­träg­lich ange­passt.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 63

Das Grau­el­bi­sche war dem Que­nya vom Ursprung her ver­wandt. Es war die
Spra­che der­je­ni­gen Eldar, die an die Küs­ten von Mit­te­ler­de gelangt, doch nicht
übers Meer gefah­ren, son­dern im Lan­de Bele­ri­and geblie­ben waren. Thin­gol
Grau­man­tel von Doriath war dort ihr König, und so wie in den Sterb­li­chen­lan­den
alles sich ver­än­dert, so hat­te auch ihre Spra­che sich in der lan­gen Däm­mer­zeit
ver­än­dert und sich weit ent­fernt von der Spra­che der Eldar, die von jen­seits des
Mee­res kamen.
Die Hochel­ben, die unter den zahl­rei­che­ren Grau­el­ben leb­ten, hat­ten für
den täg­li­chen Gebrauch das Sin­da­rin ange­nom­men, und die­ses war daher die
Spra­che aller Elben und Elben­fürs­ten, die in die­ser Geschich­te auf­tre­ten. Denn
sie alle waren vom Geschlecht der Eldar, auch wo das Volk, das sie regier­
ten, von gerin­ge­rer Art war. Die Edels­te von allen war Frau Gala­driel aus dem
Königs­hau­se Finar­fin, die Schwes­ter Fin­rod Felag­unds, des Königs von Nar­go­
thrond. Die Her­zen der Aus­ge­wan­der­ten quäl­te die unstill­ba­re Sehn­sucht nach
dem Mee­re; in den Her­zen der Grau­el­ben schlum­mer­te sie, ließ sich aber, wenn
sie ein­mal geweckt war, nicht mehr lin­dern.

Von den Men­schen


West­ron war eine Men­schen­spra­che, obgleich unter elbi­schem Ein­fluss rei­cher
und geschmei­di­ger gewor­den. Ursprüng­lich war es die Spra­che derer, die von
den Eldar Ata­ni oder Edain genannt wur­den, »Väter der Men­schen«, ins­be­son­de­re
der Men­schen aus den Drei Häu­sern der Elben­freun­de, die im Ers­ten Zeit­al­ter
von Osten nach Bele­ri­and kamen und den Eldar im Gro­ßen Juwe­len­krieg gegen
die dunk­le Macht im Nor­den bei­stan­den.
Nach der Nie­der­wer­fung des Dunk­len Herr­schers, bei der Bele­ri­and zum
64

größ­ten Teil zer­trüm­mert oder über­flu­tet wur­de, erhiel­ten die Elben­freun­de zum
Lohn die Erlaub­nis, eben­so wie die Eldar übers Meer in den Wes­ten zu fah­ren.
Da ihnen aber das Reich der Unsterb­li­chen ver­wehrt war, wur­de ihnen eine gro­ße
Insel zuge­wie­sen, das west­lichs­te aller Sterb­li­chen­lan­de. Der Name der Insel war
Núme­nor (Wes­ter­nis). Die meis­ten Elben­freun­de fuh­ren also dort­hin, lie­ßen sich
auf der Insel nie­der und wur­den groß und mäch­tig, berühm­te See­fah­rer und
Her­ren über vie­le Schif­fe. Sie wur­den schö­ne Men­schen von hohem Wuchs und
leb­ten drei­mal so lan­ge wie die Men­schen von Mit­te­ler­de. Dies waren die Núme­­
nó­rer, die Köni­ge unter den Men­schen, die die Elben die Dúne­dain nann­ten.
Von allen Men­schen­völ­kern ver­stan­den und spra­chen allein die Dúne­dain
eine Elben­spra­che, denn ihre Vor­fah­ren hat­ten Sin­da­rin gelernt und es an ihre
Kin­der wei­ter­ge­ge­ben als einen Wis­sens­schatz, an dem der Lauf der Jah­re nur
wenig änder­te. Und ihre Gelehr­ten mach­ten sich auch mit der Hochel­ben­spra­che
Que­nya ver­traut und schätz­ten es höher als alle ande­ren Spra­chen; und dar­in
fan­den sie die Namen für vie­le ehr- und denk­wür­di­ge Orte und für Men­schen
von könig­li­cher Abkunft und hohem Ruhm.2
Doch die Mut­ter­spra­che der Núme­nó­rer blieb zumeist die Men­schen­spra­che
ihrer Vor­fah­ren, das Adû­nai­sche, und dar­auf kamen ihre Köni­ge und Fürs­ten
im Hoch­mut ihrer letz­ten Jah­re zurück. Abge­se­hen von den weni­gen, die an der
alten Freund­schaft mit den Eldar fest­hiel­ten, gebrauch­ten sie die Elben­spra­chen
nicht mehr. Auf dem Gip­fel ihrer Macht hat­ten die Núme­nó­rer an den West­
küs­ten von Mit­te­ler­de vie­le Fes­tun­gen und Häfen als Stütz­punk­te für ihre Schif­fe

2 Que­ny­a-Na­men sind zum Bei­spiel Núme­nor (voll­stän­dig Núme­nó­re), Elen­dil, Isil­dur, Aná­ri­on sowie alle Namen der Köni­
ge von Gon­dor, auch Eles­sar, »Elben­stein«. Die meis­ten ande­ren Dúne­dain-Na­men wie Ara­gorn, Den­ethor oder
Gil­ra­en haben eine Sin­da­rin-Form und sind oft­mals Namen von Elben oder Men­schen, deren in den Lie­dern und
Er­zäh­lun­gen aus dem Ers­ten Zeit­al­ter gedacht wur­de (z.  B. Beren, Húrin). Man­che, wie z. B. Boro­mir, sind Misch­for­men.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 65

unter­hal­ten; und einer der wich­tigs­ten war Pel­ar­gir an den Andu­in-Mün­dun­gen.


Dort sprach man ein Adû­na­isch, das vie­le Wör­ter aus den Dia­lek­ten der gerin­
ge­ren Men­schen­völ­ker auf­nahm und zu der Gemein­spra­che wur­de und sich an
den Küs­ten ent­lang unter allen aus­brei­te­te, die mit Wes­ter­nis ver­kehr­ten.
Nach dem Unter­gang von Núme­nor führ­te Elen­dil die über­le­ben­den Elben­
freun­de zurück zu den Nord­west­küs­ten von Mit­te­ler­de. Dort leb­ten schon vie­le,
die von rei­nem oder ver­misch­tem núme­nó­ri­schem Geblüt waren; doch nur
noch weni­ge von ihnen ver­stan­den die Elben­spra­chen. Ins­ge­samt waren die
Dúne­dain also von Anfang an weit in der Min­der­zahl gegen­über den gerin­ge­ren
Men­schen, unter denen sie nun leb­ten und deren Her­ren sie wur­den, weil sie
lang­le­big, mäch­tig und kennt­nis­reich waren. Im Umgang mit ande­ren und bei
der Regie­rung ihrer wei­ten Rei­che gebrauch­ten sie daher die Gemein­spra­che,
erwei­ter­ten und berei­cher­ten sie aber mit vie­len Wör­tern aus den Elben­spra­chen.
Zu Zei­ten der núme­nó­ri­schen Köni­ge in Mit­te­ler­de brei­te­te die­ses ver­edel­te
West­ron sich weit­hin aus, selbst unter den Fein­den der Dúne­dain; und mehr
und mehr gebrauch­ten es die Dúne­dain selbst, sodass zur Zeit des Ring­kriegs die
Elben­spra­che nur noch einem klei­nen Teil der Men­schen von Gon­dor bekannt
war und von noch weni­ge­ren im all­täg­li­chen Umgang gespro­chen wur­de. Die­se
wohn­ten zumeist in Minas Tirith und Umge­bung und im Land der tri­but­
pflich­ti­gen Fürs­ten von Dol Amroth. Fast alle Orts- und Per­so­nen­na­men aber
im Rei­che Gon­dor waren von elbi­scher Form und Bedeu­tung. Man­che, deren
Ursprung ver­ges­sen war, stamm­ten sicher­lich aus der Zeit, bevor die Schif­fe der
Núme­nó­rer nach Mit­te­ler­de kamen; zu die­sen gehö­ren Umbar, Arnach, Erech und
die Namen der Ber­ge Eile­nach und Rim­mon. Auch For­long war ein sol­cher Name.
Die meis­ten Men­schen in den nörd­li­chen Regio­nen der West­lan­de stamm­ten
von den Edain des Ers­ten Zeit­al­ters oder von deren nahen Ver­wand­ten ab. Auch
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ihre Spra­chen waren daher dem Adû­nai­schen ver­wandt, und man­che hat­ten
noch Ähn­lich­keit mit der Gemein­spra­che. Von die­ser Art waren die Völ­ker
in den Tälern am Ober­lauf des Andu­in: die Beor­nin­ger, die Wäld­ler aus dem
west­li­chen Düst­er­wald und, wei­ter nord­öst­lich, die Men­schen vom Lan­gen See
und von Thal. Aus dem Gebiet zwi­schen Schwer­tel und Car­rock kam das Volk,
das man in Gon­dor die Rohir­rim nann­te, die Pfer­de­her­ren. Sie behiel­ten die
Spra­che ihrer Vor­fah­ren bei und gaben in ihr allen Orten ihres neu­en Lan­des
neue Namen, und sich selbst nann­ten sie die Eor­lin­gas oder die Men­schen der
Rid­der­mark. Ihren Edlen aber war das West­ron geläu­fig, und sie spra­chen es auf
die wür­di­ge Art ihrer Ver­bün­de­ten in Gon­dor; denn in Gon­dor, wo es her­kam,
bewahr­te das West­ron etwas mehr an Wohl­laut und Alter­tüm­lich­keit.
Ganz und gar fremd­ar­tig war die Spra­che der Wil­den im Drú­a­dan-Wald.
Eben­falls fremd oder nur ent­fernt mit dem West­ron ver­wan­dt war das Dun­
län­di­sche. Dies waren Res­te der Völ­ker, die in frü­he­ren Zeit­al­tern die Täler
des Wei­ßen Gebir­ges bewohnt hat­ten. Zu ihnen gehör­ten auch die Toten von
Dun­harg. Ande­re jedoch waren in den Dunk­len Jah­ren in die süd­li­chen Täler
des Nebel­ge­bir­ges gezo­gen, und von dort waren man­che wei­ter­ge­wan­dert in die
unbe­wohn­ten Gebie­te im Nor­den, bis hinauf zu den Hügel­grä­ber­hö­hen. Von
ihnen stamm­ten die Men­schen von Bree ab, die aller­dings schon vor lan­ger Zeit
Unter­ta­nen des nörd­li­chen König­reichs von Arn­or gewor­den waren und das
West­ron ange­nom­men hat­ten. Nur in Dun­land hiel­ten Men­schen die­ser Ras­se
noch an ihrer alten Spra­che und ihren Bräu­chen fest: ein Volk im Ver­bor­-
ge­nen, miss­trau­isch gegen die Dúne­dain und vol­ler Hass auf die Rohir­rim.
Wör­ter aus ihrer Spra­che kom­men in die­sem Buch nicht vor, bis auf den
Namen For­goil, den sie den Rohir­rim gaben (was »Stroh­köp­fe« bedeu­tet haben
soll). Dun­land und Dun­län­der waren Namen, die sie von den Rohir­rim bekom­
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 67

men hat­ten, weil sie dun­kel­häu­tig und dun­kel­haa­rig waren; es besteht also kein
Zusam­men­hang zwi­schen dem Wort dunn in die­sem Namen und dem grau­-
el­bi­schen Wort dûn, Wes­ten.

Von den Hob­bits


Die Hob­bits im Auen­land und in Bree hat­ten zu die­ser Zeit seit etwa tau­send
Jah­ren die Gemein­spra­che ange­nom­men. Sie gebrauch­ten sie auf ihre lose,
unbe­küm­mer­te Art; doch den Gebil­de­te­ren stand, wenn es der Anlass erfor­der­te,
auch eine förm­li­che­re Spra­che zu Gebo­te.
Auf eine eige­ne Spra­che der Hob­bits gibt es kei­nen Hin­weis. In frü­he­rer Zeit
schei­nen sie immer die Spra­che der Men­schen gebraucht zu haben, mit denen
sie zusam­men oder in Nach­bar­schaft leb­ten. So nah­men sie rasch die Gemein­
spra­che an, als sie nach Eria­dor gezo­gen waren, und zur Zeit ihrer Nie­der­las­sung
in Bree geriet ihre frü­he­re Spra­che schon ein wenig in Ver­ges­sen­heit. Dies war
offen­bar eine Mund­art der Men­schen vom obe­ren Andu­in gewe­sen, ver­wandt
mit der Spra­che der Rohir­rim; nur die süd­li­chen Star­ren hat­ten anschei­nend
einen dun­län­di­schen Dia­lekt ange­nom­men, bevor sie nach Nor­den ins Auen­land
wan­der­ten.3
Aus die­ser Ver­gan­gen­heit waren zu Fro­dos Zeit noch man­che Spu­ren erhal­ten:
orts­üb­li­che Wör­ter und Namen, die viel­fach denen in Thal oder Rohan sehr
ähn­lich waren. Am auf­fäl­ligs­ten waren die Namen für die Tage, Mona­te und
Jah­res­zei­ten, und meh­re­re ande­re Wör­ter von der­sel­ben Art (wie z.  B. mathom
und smi­al) waren noch all­ge­mein gebräuch­lich, und eine grö­ße­re Anzahl war in

3 Die Star­ren aus dem Win­kel, die nach Wil­der­land zurück­kehr­ten, hat­ten die Gemein­spra­che schon über­nom­men;
aber Déa­gol und Smé­a­gol sind Namen aus der Spra­che der Men­schen in der Gegend um den Schwer­tel­fluss.
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den bree- und auen­län­di­schen Orts­na­men erhal­ten. Auch die Per­so­nen­na­men


der Hob­bits waren eigen­tüm­lich und in vie­len Fäl­len sehr alt.
Hob­bit war die Bezeich­nung, die die Auen­län­der gewöhn­lich auf alle ihres­­
gleichen anwand­ten. Von den Men­schen wur­den sie Halb­lin­ge, von den Elben
Perian­nath genannt. Woher das Wort Hob­bit kam, wuss­ten die meis­ten nicht mehr.
Es scheint jedoch ursprüng­lich ein Name gewe­sen zu sein, den die Fahl­häu­te
und die Star­ren den Har­fü­ßen bei­leg­ten, die ver­stüm­mel­te Form eines Wor­tes,
das sich in Rohan voll­stän­di­ger erhal­ten hat­te: hol­byt­la, Höh­len­bau­er.

Von den ande­ren Arten


Ents. Das ältes­te der im Drit­ten Zeit­al­ter noch leben­den Völ­ker waren die Onodrim
oder Enyd. Ents hie­ßen sie in der Spra­che von Rohan. Den Eldar waren sie schon
aus alten Zei­ten bekannt; und auf die Anre­gung durch die Eldar führ­ten die
Ents zwar nicht ihre eige­ne Spra­che zurück, wohl aber das Bedürf­nis, über­haupt
zu spre­chen. Die Spra­che, die sie selbst ent­wi­ckelt hat­ten, war von allen ande­ren
grund­ver­schie­den: lang­sam, klang­voll, wort­häu­fend und wort­wie­der­ho­lend, von
wahr­haft »lan­gem Atem«, be­stand sie aus einer Viel­falt von Vokal­ab­stu­fun­gen
und Nuan­cen der Beto­nung und Stimm­füh­rung, die selbst die Gelehr­ten unter
den Eldar nicht schrift­lich dar­zu­stel­len ver­sucht hat­ten. Die­se Spra­che gebrauch­ten
die Ents nur unter sich; aber sie geheim zu hal­ten, hat­ten sie nicht nötig, denn
nie­mand anders konn­te sie erler­nen.
Ihrer­seits waren die Ents jedoch gewandt im Gebrauch ande­rer Spra­chen,
die sie schnell erlern­ten und nie­mals ver­ga­ßen. Aber vor allem schätz­ten sie
4 Außer in den Fäl­len, wo die Hob­bits offen­bar ver­sucht haben, in Kür­ze wie­der­zu­ge­ben, wie sich das Gemur­mel
und die Aus­ru­fe der Ents anhör­ten; auch a-lal­la-lal­la-rum­ba-ka­man­da-lin­dor-bu­rú­me ist nicht elbisch: der ein­zi­ge
bekann­te (wahr­schein­lich sehr unge­naue) Ver­such, ein ech­tes enti­sches Sprach­frag­ment fest­zu­hal­ten.
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die Elben­spra­chen, beson­ders das alte Hochel­bisch. Die selt­sa­men Wör­ter und
Namen, die nach dem Bericht der Hob­bits von Baum­bart und an­deren Ents
gebraucht wur­den, sind also elbisch oder nach enti­scher Manier ver­knüpf­te
elbi­sche Aus­drü­cke.4 Man­che sind Que­nya, so Tau­re­li­ló­me­a-tum­ba­le­mor­na Tum­ba­le­tau­
rea Lóme­a­nor, was man wört­lich mit »wald­­vielschich­tig-tief­tal­schwar­zes tief­tal­be­
wal­de­­tes Düs­ter­land« wie­der­ge­ben könn­te, und womit Baum­bart wohl unge­fähr
sagen woll­te: »Ein schwar­zer Schat­ten liegt auf den tie­fen Tälern des Wal­des.«
Man­che sind Sin­da­rin, so Fan­gorn, »Bart-(des)-Baums«, und Fim­bret­hil, »Schlank­­
birke«.

Orks und die Schwar­ze Spra­che. Ork ist, in der Namens­form der Spra­che von Rohan,
die Bezeich­nung der ande­ren Völ­ker für einen Ange­hö­ri­gen die­ser üblen
­Gattung; im Sin­da­rin lau­te­te sie orch. Damit ver­wandt war sicher­lich das Wort
uruk aus der Schwar­zen Spra­che, obwohl es in der Regel nur für die gro­ßen
Kamp­forks gebraucht wur­de, die zu die­ser Zeit aus Isen­gard und Mor­dor her­
vor­ström­ten. Die nie­de­ren Arten wur­den ­snaga, Skla­ve, genannt, beson­ders von
den Uruk-hai.
Die Orks wur­den zuerst von der Dunk­len Macht des Nor­dens in den Ältes­ten
Tagen gezüch­tet. Es heißt, sie hät­ten kei­ne eige­ne Spra­che gehabt, son­dern
nur von ande­ren Spra­chen auf­ge­schnappt, was sie brau­chen konn­ten, und es
dann nach Lust und Lau­ne ver­ball­hornt; doch so brach­ten sie nur ein Rot­welsch
zustan­de, das außer beim Flu­chen und Schimp­fen selbst ihren eige­nen Ansprü­
chen nicht ganz genüg­te. Und weil die­se Krea­tu­ren so bös­ar­tig waren, dass sie
sogar ihre Art­ge­nos­sen hass­ten, spra­chen sie bald eben­so vie­le bar­ba­ri­sche Dia­lek­
te, wie es Grup­pen oder Sied­lun­gen ihrer Ras­se gab, sodass ihnen die Ork­spra­
che im Ver­kehr zwi­schen den ver­schie­de­nen Stäm­men nicht viel nütz­te.
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So kam es, dass sich im Drit­ten Zeit­al­ter auch die Orks für die Ver­stän­di­gung
von Gezücht zu Gezücht des West­rons bedien­ten; und vie­le ihrer älte­ren Stäm­me
wie die noch immer im Nor­den und im Nebel­ge­bir­ge hau­sen­den gebrauch­ten
es sogar seit lan­gem als eine Art Mut­ter­spra­che, aller­dings auf eine Wei­se, in der
es kaum weni­ger unfreund­lich klang als das Orki­sche. In die­sem Jar­gon bedeu­te­te
tark »Mensch aus Gon­dor«, eine ver­stüm­mel­te Form von tar­kil, einem Que­ny­a-
Wort, das im West­ron einen von núme­nó­ri­scher Abstam­mung bezeich­ne­te.
Es heißt, die Schwar­ze Spra­che sei von Sau­ron in den Dunk­len Jah­ren erfun­
den wor­den, als Spra­che für alle, die ihm dien­ten; aber die­ses Vor­­­haben sei ihm
fehl­ge­schla­gen. Aus der Schwar­zen Spra­che lei­te­ten sich jedoch vie­le Wör­ter her,
die im Drit­ten Zeit­al­ter unter den Orks weit­hin geläu­fig waren wie etwa ghâsh
(châsch), Feu­er; doch nach Sau­rons ers­ter gro­ßer Nie­der­la­ge war die Spra­che in
ihrer alten Form bei allen außer den Naz­gûl in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Als Sau­
ron wie­der erstark­te, wur­de sie von neu­em die Spra­che Barad-dûrs und sei­ner
­Würden­trä­ger. Die Inschrift auf dem Ring war in der alter­tüm­li­chen Schwar­zen
Spra­che gehal­ten, ­während die Flü­che des Mor­dor-Orks die kor­rup­te­re Form
haben, wie sie die von Grisch­nâch ange­führ­ten Sol­da­ten des Dunk­len Turms
gebrauch­ten. Schar­ku bedeu­te­te in die­sem Idi­om so viel wie »alter Mann«.

Trol­le. Troll dient hier zur Über­set­zung von Sin­da­rin Torog. Zu Anfang, in der
­fer­nen Däm­mer­zeit der Ältes­ten Tage, waren sie plum­pe, stumpf­sin­ni­ge Krea­
tu­ren und hat­ten eben­so wenig eine Spra­che wie die Tie­re. Doch Sau­ron hat­te
sie für sei­ne Zwe­cke abge­rich­tet, ihnen bei­ge­bracht, was in ihre Köp­fe hinein­
ging, und ihren Ver­stand mit Tücke ver­stärkt. Daher nah­men die Trol­le von
den Orks an Spra­che auf, was ihnen nicht zu kom­pli­ziert war; und in den West­
lan­den spra­chen die Stein­trol­le eine Art herun­ter­ge­kom­me­nes West­ron.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 71

Am Ende des Drit­ten Zeit­al­ters aber trat im süd­li­chen Düst­er­wald und in den
Grenz­ge­bir­gen von Mor­dor eine bis dahin unbe­kann­te Troll­ra­sse auf. Olog-hai
hie­ßen sie in der Schwar­zen Spra­che. Dass Sau­ron sie gezüch­tet hat­te, bezwei­fel­te
nie­mand, doch aus wel­chem Zuchts­tamm, wuss­te man nicht. Man­che mein­ten,
es sei­en gar kei­ne Trol­le, son­dern Rie­se­norks; aber sie hat­ten in Wuchs und
Geis­tes­art auch mit den größ­ten Orkra­ssen kei­ne Ähn­lich­keit, son­dern waren
ihnen an Grö­ße und Ver­stand weit über­le­gen. Trol­le waren sie, doch erfüllt
vom bösen Wil­len ihres Herrn, wüs­te Gesel­len, stark und gewandt, wild und
schlau, här­ter als Stein. Im Unter­schied zu der alten Däm­mer­lich­tra­sse konn­ten
sie die Son­ne ertra­gen, solan­ge Sau­rons Wil­le sie im Bann hielt. Sie rede­ten
wenig, und die ein­zi­ge Spra­che, die sie kann­ten, war die Schwar­ze Spra­che von
Barad-dûr.

Zwer­ge. Die Zwer­ge sind eine Ras­se für sich. Von ihrem selt­sa­men Ur­sprung und
warum sie den Elben und Men­schen ähn­lich und auch w ­ ieder nicht ähn­lich
sind, berich­tet das Sil­ma­ril­li­on; doch von die­ser Geschich­te hat­ten die min­de­ren
Elben von Mit­te­ler­de kei­ne Kennt­nis, wäh­rend die Sagen der spä­te­ren Men­schen
mit Über­lie­fe­run­gen ande­rer Ras­sen ver­mischt sind.
Sie sind ein zähes, oft etwas eigen­sin­ni­ges Volk, geheim­nis­krä­me­risch, flei­ßig,
mit einem guten Gedächt­nis für Krän­kun­gen (und Wohl­ta­ten), Lieb­ha­ber
des Steins und der Juwe­len, der Kunst­wer­ke, die unter der Hand des Meis­ters
Gestalt anneh­men, und nicht der Din­ge von eige­nem Leben. Aber von Natur
aus bös­ar­tig sind sie nicht, und nur weni­ge haben je frei­wil­lig dem Feind gedient,
was auch immer die Geschich­ten der Men­schen ihnen nach­sa­gen mögen. Denn
seit alters waren die Men­schen begehr­lich nach ihrem Reich­tum und den Wer­ken
ihrer Hän­de, und es gab Streit zwi­schen den Ras­sen.
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Im Drit­ten Zeit­al­ter aber herrsch­te an vie­len Orten zwi­schen Men­schen und


Zwer­gen noch Freund­schaft; und für die Zwer­ge, die nach der Zer­stö­rung
ihrer alten Wohn­stät­ten als Händ­ler und Hand­wer­ker durch die Lan­de zogen,
ver­stand es sich von selbst, dass sie die Spra­chen der Men­schen gebrauch­ten,
unter denen sie leb­ten. Ins­ge­heim aber (und dies war ein Geheim­nis, das sie,
anders als die Elben, selbst vor ihren Freun­den nicht gern lüf­te­ten) gebrauch­ten
sie ihre eige­ne, fremd­ar­ti­ge Spra­che, die sich im Lauf der Jah­re kaum ver­än­der­te.
Sie war kei­ne Wie­gen­spra­che mehr, son­dern war eine Spra­che der Über­lie­fe­
rung gewor­den, und die Zwer­ge pfleg­ten und hüte­ten sie wie einen Schatz ihrer
­Vergan­gen­heit. Weni­gen aus ande­ren Völ­kern ist es je gelun­gen, sie zu erler­nen.
In die­ser Geschich­te taucht sie nur in eini­gen Orts­na­men auf, die Gim­li sei­nen
Gefähr­ten ver­riet, und in sei­nem Schlacht­ruf bei der Bela­ge­rung der Horn­burg.
Der zumin­dest war kein Geheim­nis, denn auf vie­len Schlacht­fel­dern, seit die
Welt jung war, hat­te man ihn gehört: Baruk Kha­zâd! Kha­zâd aimê­nu! »Äxte der Zwer­
ge! Zwer­ge auf euch!«
Gim­lis Name jedoch und die Namen aller ande­ren aus sei­nem Volk sind
­nordi­scher (mensch­li­cher) Her­kunft. Ihre gehei­men, »inne­ren« oder wah­
ren Namen haben die Zwer­ge nie­mals einem von frem­der Ras­se ver­ra­ten. Sie
schrei­ben ihn nicht ein­mal auf ihre Grä­ber.
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 73

II Zur Über­set­zung

Um den Stoff des Roten Buchs in einer Geschich­te zu erzäh­len, die Men­schen
von heu­te lesen kön­nen, wur­de der gesam­te sprach­li­che Bestand so weit wie
mög­lich in die Aus­drucks­wei­se unse­rer Zei­ten über­setzt. Nur die dem West­
ron frem­den Spra­chen wur­den in ihrer ursprüng­li­chen Form belas­sen; aber sie
kom­men zumeist nur in den Orts- und Per­so­nen­na­men zur Gel­tung.
Unver­meid­lich muss­te die Gemein­spra­che, die Spra­che der Hob­bits und ihrer
Erzäh­lun­gen, in moder­nem Eng­lisch (und die­ses dann in Deutsch) wie­der­­
gegeben wer­den. Dabei wur­den die im Gebrauch des West­ron erkenn­ba­ren
Unter­schie­de abge­schwächt. Es wur­de zwar ver­sucht, die­se Unter­schie­de durch
Wech­sel der deut­schen Aus­drucks­wei­se anzu­deu­ten; doch der Abstand zwi­schen
der mund­art­li­chen Aus­spra­che im Auen­land und dem West­ron, so wie es von
Elben oder Wür­den­trä­gern in Gon­dor gespro­chen wur­de, war grö­ßer, als in
die­sem Buch gezeigt wur­de. Die Hob­bits spra­chen zumeist einen länd­li­chen
Dia­lekt, wäh­rend man in Gon­dor und Rohan eine alter­tüm­li­che­re, förm­li­che­re
und knap­pe­re Spra­che pfleg­te.
Auf einen die­ser Unter­schie­de ist hier hin­zu­wei­sen, weil er, obwohl oft
bedeut­sam, kaum wie­der­zu­ge­ben ist. Das West­ron kann­te für die Pro­no­men
der zwei­ten Per­son (und oft auch der drit­ten), unab­hän­gig vom Nume­rus, eine
»ver­trau­li­che« und eine »respekt­vol­le« Form. In der eigen­tüm­li­chen Sprach­
ent­wick­lung des Auen­lands waren jedoch die respekt­vol­len For­men unge­bräuch­
lich gewor­den. Sie hiel­ten sich noch unter den Bewoh­nern der Dör­fer beson­ders
im West­vier­tel, die sie jedoch eher wie Kose­na­men gebrauch­ten. Dies war eine
der Eigen­hei­ten, die den Men­schen von Gon­dor auf­fiel, wenn sie sich über die
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Rede­wei­se der Hob­bits wun­der­ten. Per­egrin Tuk zum Bei­spiel gebrauch­te an den
ers­ten Tagen in Minas Tirith die ver­trau­li­chen Anre­de­for­men gegen Leu­te jeden
Stan­des, auch gegen den Statt­hal­ter Den­ethor selbst. Den alten Herrn wird es
belus­tigt haben, aber sei­ne Die­ner fan­den es sicher befremd­lich. Gewiss half
die­ser unge­hemm­te Gebrauch der fami­liä­ren Anre­de­for­men das Gerücht erzeu­
gen, Per­egrin sei in sei­nem Hei­mat­land eine sehr hoch­ran­gi­ge Per­sön­lich­keit.5
Man wird bemer­ken, dass man­che Hob­bits wie Fro­do und ande­re Per­so­nen
wie Gan­dalf und Ara­gorn nicht immer im glei­chen Stil reden. Das ist beab­sich­tigt.
Die gebil­de­te­ren und geschei­te­ren Hob­bits hat­ten eine gewis­se Kennt­nis der
»Buch­spra­che«, wie man im Auen­land dazu sag­te; und sie erfass­ten rasch die
Rede­wei­se derer, mit denen sie zu tun hat­ten, und pass­ten sich ihr an. Für den
Weit­ge­reis­ten ist es ohne­hin selbst­ver­ständ­lich, mehr oder weni­ger so zu spre­
chen wie die Leu­te, unter denen man sich bewegt; und dies galt umso mehr für
einen Mann wie Ara­gorn, der meis­tens bemüht war, zu ver­ber­gen, wer er war
und was er vor­hat­te. Doch hiel­ten zu jener Zeit alle Fein­de des Fein­des das
Alter­tüm­li­che hoch in Ehren, in der Spra­che nicht min­der als in ande­ren Din­gen;
und sie hat­ten ihre Freu­de an dem, was sie davon kann­ten. Den Eldar, den
sprach­mäch­tigs­ten von allen, stan­den vie­ler­lei Rede­wei­sen zu Gebo­te, doch
am natür­lichs­ten war ihnen, was ihrer eige­nen Spra­che am nächs­ten kam, die
noch älter war als die von Gon­dor. Auch die Zwer­ge waren nicht auf den Mund
­gefallen und rede­ten geflis­sent­lich so wie die Leu­te in ihrer Umge­bung, wobei
5 Dies muss­te in der Über­set­zung gegen­über dem Eng­li­schen noch ein­mal umge­mo­delt wer­den, mit Rück­sicht auf
die im Deut­schen übli­chen Anre­de­for­men. Die Hob­bits haben zwar länd­li­che, aber nicht bäu­ri­sche oder fle­gel­haf­te
Manie­ren; des­halb reden sie Frem­de in der Regel mit Sie an. Die Anre­de in der zwei­ten Per­son Plu­ral (Ihr) wur­de
ver­mie­den: Die Hob­bits reden nicht wie Figu­ren in Mär­chen oder his­to­ri­schen Roma­nen. Eine Aus­nah­me wur­de
aber bei den Respekts­per­so­nen gemacht: Théo­den und Den­ethor kann man nicht ohne wei­te­res duzen, und auch
das bür­ger­li­che Sie wäre hier unge­hö­rig. (Anmer­kung des Über­set­zers)
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 75

aller­dings ihre Aus­spra­che man­chen etwas krat­zig und keh­lig vor­kam. Orks
und Trol­le dage­gen rede­ten drauf­los, ohne Rück­sicht auf Wör­ter oder Din­
ge; und ihre Spra­che war tat­säch­lich noch ver­kom­me­ner und unflä­ti­ger, als
ich ­wieder­ge­ben moch­te. Ich glau­be nicht, dass jemand hier auf eine genau­e­re
Über­set­zung Wert legt; denn nach Ver­gleich­ba­rem braucht man ja nicht lan­ge
zu suchen. Ähn­li­ches hört man aus Ork­mün­dern noch immer: ein trüb­sin­ni­ges
Einer­lei, gehäs­sig und ver­ach­tungs­voll, zu lan­ge vom Guten ent­fernt, als dass
dem Wort wenigs­tens die Kraft geblie­ben wäre, ins Ohr zu drin­gen – außer in
die Ohren derer, die nur dem Miss­ton offen sind.
Die­se Art zu über­set­zen, ist natür­lich nichts Neu­es; sie ist unver­meid­lich bei
jeder Erzäh­lung, die von Ver­gan­ge­nem han­delt. Sel­ten geht man wei­ter. Ich
aber konn­te es dabei nicht bewen­den las­sen. Ich habe auch alle West­ron-Na­men
sinn­ge­mäß über­setzt. Wo in die­sem Buch deut­sche Namen oder Titel auf­tre­ten,
ist dies ein Hin­weis dar­auf, dass Namen in der Gemein­spra­che zu jener Zeit
geläu­fig waren, neben oder statt denen in den frem­den (meist elbi­schen) Spra­chen.
Die West­ron-Na­men waren in der Regel Über­set­zun­gen älte­rer Namen, so
etwa Bruch­tal, Weiß­quell, Sil­ber­lauf, Langs­trand, der Feind und der Dunk­le
Turm. Bei man­chen war die Bedeu­tung eine ande­re: Schick­sals­berg für Oro­dru­in
(»bren­nen­der Berg«) oder Düst­er­wald für Taur e-Ndae­del­os (»Wald des gro­ßen
Schre­ckens«). Man­che waren ver­ball­horn­te elbi­sche Namen, wie Luhn und
Bran­dy­wein, ent­stan­den aus Lhûn und Bar­an­du­in.
Die­ses Vor­ge­hen bedarf viel­leicht einer Recht­fer­ti­gung. Alle Namen in der
Ori­gi­nal­form zu belas­sen, hät­te, wie mir schien, einen wesent­li­chen Zug jener
Zei­ten, so wie die Hob­bits sie erleb­ten, ver­dun­kelt (und die Sicht­wei­se der
Hob­bits woll­te ich doch vor allem bei­be­hal­ten): den Kon­trast zwi­schen einer
weit ver­brei­te­ten Spra­che, die ihnen so geläu­fig war wie uns das Deut­sche, und
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den leben­den Res­ten einer viel älte­ren und ehr­wür­di­ge­ren Spra­che. Alle Namen,
hät­te ich sie bloß tran­skri­biert, wären dem heu­ti­gen Leser glei­cher­ma­ßen fremd
vor­ge­kom­men: zum Bei­spiel, wenn der elbi­sche Name Imlad­ris und die West­ron-
Über­set­zung Kar­nin­gul bei­de in der Ori­gi­nal­form belas­sen wor­den wären. Aber
Bruch­tal als Imlad­ris zu bezeich­nen, war so, als wür­de man zu dem heu­ti­gen
Win­ches­ter Came­lot sagen, abge­se­hen davon, dass die Iden­ti­tät gewiss war, da in
Bruch­tal noch ein ruhm­rei­cher Fürst saß, weit älter, als es Artus wäre, wenn er
heu­te noch als König in Win­ches­ter herrsch­te.
Der Name des Auen­lan­des (Sûza) und aller dort befind­li­chen Ort­schaf­ten
wur­de also ein­ge­deutscht. Das war nicht wei­ter schwie­rig, weil sie sich meis­tens
aus ähn­li­chen Bestand­tei­len zusam­men­set­zen wie man­che unse­rer Orts­na­men,
teils aus noch geläu­fi­gen wie -berg, -stadt und -feld, teils aus etwas unge­bräuch-
­li­che­ren wie -wei­ler oder -bühl. Man­che aber, wie schon erwähnt, lei­ten sich von
alten, nicht mehr gebräuch­li­chen Hob­bit­wör­tern her, und die­se wur­den durch
ähn­lich alte deut­sche Ent­spre­chun­gen wie­der­ge­ge­ben.
Was aber die Per­so­nen angeht, so hat­ten die Hob­bits im Auen­land und in Bree
für jene Zeit unge­wöhn­li­che Namen, da es bei ihnen schon eini­ge Jahr­hun­der­te
vor die­ser Zeit Sit­te gewor­den war, einen Namen in der Fami­lie wei­ter­zu­ve­rer­ben.
Zumeist hat­ten die­se Zuna­men in der dama­li­gen Umgangs­spra­che eine nahe
lie­gen­de Bedeu­tung, abge­lei­tet von Spitz­na­men, Ort­schaf­ten oder (vor allem in
Bree) vom Baum- und Pflan­zen­na­men. Die­se waren unschwer zu über­set­zen;
Doch bei zwei älte­ren Namen, deren Bedeu­tung nicht mehr bekannt ist, haben
wir uns damit begnügt, die Schreib­wei­se etwas zu ver­deut­schen: Tuk für Tûk und
Bof­fin für Bophin.
Die Vor­na­men der Hob­bits habe ich, soweit mög­lich, eben­so behan­delt. Ihren
Töch­tern gaben die Hob­bits gern Blu­men- oder Edel­stein­na­men. Den Söh­nen
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 77

gaben sie meis­tens Namen ohne umgangs­sprach­li­che Bedeu­tung, und man­che


Mäd­chen­na­men waren ähn­lich. Von die­ser Art sind Bil­bo, Bun­go, Polo, Lotho,
Tan­ta, Nina und so wei­ter. Ähn­lich­kei­ten mit heu­te geläu­fi­gen Vor­na­men sind
unver­meid­lich häu­fig, aber zufäl­lig: zum Bei­spiel Otho, Odo, Dro­go, Dora, Cora
und der­glei­chen. Die­se Namen haben wir bei­be­hal­ten, aller­dings ihre Endun­
gen für uns plau­si­bler gemacht, denn in den Hob­bit­na­men war a eine mas­ku­li­ne
Endung, und o und e waren femi­nin.
In man­chen alten Fami­li­en, beson­ders sol­chen von fahl­häu­ti­scher Abkunft
wie den Tuks und den Bol­gers, war es jedoch Sit­te, den Kin­dern hoch­tö­nen­de
Vor­na­men zu geben. Da dies zumeist Namen von Sagen­­gestal­ten, von Men­schen
wie von Hob­bits, waren und vie­le, obgleich für die Hob­bits inzwi­schen bedeu­
tungs­los, den Namen der Men­schen im Andu­in­tal, in der Stadt Thal oder in der
Mark sehr ähn­lich waren, habe ich sie durch alte Namen meist frän­ki­scher oder
goti­scher Her­kunft ersetzt, die auch bei uns noch gele­gent­lich vor­kom­men oder
in den Geschichts­bü­chern zu fin­den sind. Jeden­falls konn­te ich so den
oft komi­schen Kon­trast zwi­schen Vor- und Nach­na­men wie­der­ge­ben, der auch
den Hob­bits deut­lich bewusst war. Namen klas­si­scher Her­kunft wur­den dage­gen
­selten ver­wen­det, denn die nächs­ten Ent­spre­chun­gen im Wis­sen der Hob­bits zu
Latein und Grie­chisch wären die Elben­spra­chen gewe­sen, und die gebrauch­ten
sie bei der Namens­ge­bung nur sel­ten. Zu allen Zei­ten kann­ten nur weni­ge von
ihnen die »Spra­chen der Köni­ge«, wie sie sie nann­ten.
Die Namen der Bock­län­der waren von denen der ande­ren im Auen­land
ver­schie­den. Wie schon erwähnt, waren die Leu­te im Bruch und ihre Kolo­nie
auf dem ande­ren Bran­dy­wein-Ufer in vie­ler Hin­sicht eigen­ar­tig. Vie­le ihrer
sehr aus­ge­fal­le­nen Namen stamm­ten sicher­lich aus einer frü­he­ren Spra­che der
süd­li­chen Star­ren. Die­se habe ich zumeist unver­än­dert belas­sen, denn wenn sie
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heu­te merk­wür­dig klin­gen, klan­gen sie so auch schon zu ihrer Zeit. Sie hat­ten
ein Geprä­ge, das uns von fern viel­leicht ans Kel­ti­sche erin­nert.
Da die erhal­te­nen Spu­ren einer älte­ren Spra­che der Star­ren mit dem Fort­­
bestand kel­ti­scher Ele­men­te in Eng­land ver­gleich­bar sind, habe ich die Letz­te­ren
manch­mal in mei­ner Über­set­zung imi­tiert. So wur­den Bree, Archet und Chet­
wald nach dem Mus­ter bri­ti­scher Namens­al­ter­tü­mer gebil­det, mit der Bedeu­tung
bree, Berg, und chet, Wald. Aber von den Per­so­nen­na­men wur­de nur einer auf
die­se Wei­se ver­än­dert. Meria­doc wur­de mit Rück­sicht auf den Umstand gewählt,
dass die Kurz­form sei­nes Namens, Kali, im West­ron »mun­ter, lus­tig« bedeu­te­te,
obwohl es eigent­lich ein Kür­zel für den inzwi­schen bedeu­tungs­lo­sen bock­-
län­di­schen Namen Kali­mac war.
Namen heb­rä­i­scher oder ähn­li­cher Her­kunft habe ich bei die­sen Um­wand­
lun­gen nicht ver­wen­det. Nichts in den Hob­bit­na­men ent­spricht die­sem Ele­ment
unse­rer Namen. Kurz­for­men wie Sam, Tom, Tim, Mat waren auch für ech­te
Hob­bit­na­men üblich, zum Bei­spiel Tom­ba, Tol­ma, Mat­ta und so wei­ter. Doch
Sam und sein Vater Ham wur­den eigent­lich mit Ban und Ran ange­re­det, Kür­
zeln für Bana­zîr und Ranu­gad, die ursprüng­lich Spitz­na­men mit der Bedeu­tung
­»Ein­falts­pin­sel« und »Klein­gärt­ner« ge­we­sen waren, dann aber die umgangs­
sprach­li­che Bedeu­tung ver­lo­ren hat­ten. Ich habe daher ver­sucht, die­se Eigen­
hei­ten durch Ver­wen­dung von Sam­weis und Ham­fast zu bewah­ren, Moder­ni­
sie­run­gen von alt­eng­lisch sam­wís und ham­foest, die den genann­ten Bedeu­tun­gen
ent­spre­chen.
Nach­dem ich in dem Bestre­ben, die Spra­che und die Namen der Hob­bits
modern und ver­traut klin­gen zu las­sen, ein­mal so weit gegan­gen war, sah ich mich
zu wei­te­ren Schrit­ten in die­sel­be Rich­tung genö­tigt. Die Men­schen­spra­chen, die
mit dem West­ron ver­wandt waren, muss­ten, so schien mir, in eine mit unse­ren
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 79

Spra­chen ver­wand­te Form gebracht wer­den. Daher habe ich die Spra­che von
Rohan dem Alt­eng­li­schen ange­nä­hert, denn sie war sowohl mit der Gemein­
spra­che (ent­fernt) als auch mit der frü­he­ren Spra­che der nörd­li­chen Hob­bits
(sehr nah) ver­wandt und im Ver­gleich zum West­ron archa­isch. Im Roten Buch
wird an meh­re­ren Stel­len bemerkt, dass die Hob­bits, wenn sie die Spra­che
von Rohan hör­ten, vie­le Wör­ter dar­in wie­der erkann­ten und die Spra­che als der
eige­nen ähn­lich emp­fan­den; dar­um wäre es absurd gewe­sen, die auf­ge­zeich­ne­ten
Namen und Wör­ter der Rohir­rim in völ­lig fremd­ar­ti­ger Form zu belas­sen.
In meh­re­ren Fäl­len habe ich die Form und Schrei­bung der Orts­na­men aus
Rohan moder­ni­siert, so bei Dun­harg oder Schnee­born; doch dar­in bin ich nicht
ein­heit­lich ver­fah­ren, denn ich rich­te­te mich nach den Hob­bits. Sie änder­ten
die Namen, die sie hör­ten, auf die­sel­be Wei­se ab, wenn sie aus ihnen bekann­ten
Ele­men­ten bestan­den oder auen­län­di­schen Orts­na­men ähnel­ten; aber vie­le lie­ßen
sie auch, wie sie waren, und eben­so habe ich es zum Bei­spiel bei Edo­ras, »die
Wohn­hö­fe«, gehal­ten. Aus den­sel­ben Grün­den wur­den auch eini­ge weni­ge
Per­so­nen­na­men wie Schat­ten­fell und Schlan­gen­zun­ge moder­ni­siert.6
Auf dem Wege einer sol­chen Anglei­chung lie­ßen sich zugleich die eigen­
tüm­li­chen Hob­bit­wör­ter sinn­voll wie­der­ge­ben, die eben­falls aus dem Nor­den
stamm­ten. Ihnen wur­den die For­men gege­ben, die ver­lo­ren gegan­ge­ne eng­li­sche
Wör­ter haben könn­ten, wenn sie bis in unse­re Zeit erhal­ten geblie­ben wären. So
soll mathom an das alt­eng­li­sche máthm erin­nern und damit die Ver­wandt­schaft des
eigent­li­chen Hob­bit­worts kast, rohir­risch kas­tu, wie­der­ge­ben. Ähn­lich ist
smi­al (oder smi­le), Erd­höh­le, eine wahr­schein­li­che Form für einen Abkömm­ling
6 Die­ses sprach­li­che Ver­fah­ren setzt nicht voraus, dass die Rohir­rim den alten Eng­län­dern auch in ande­rer Hin­sicht
ähn­lich gewe­sen sein müss­ten, in Kul­tur oder Kunst, Waf­fen oder Art der Krieg­füh­rung, abge­se­hen von einer all­­
gemei­nen Ähn­lich­keit der Lebens­um­stän­de: ein schlich­te­res, pri­mi­ti­ve­res Volk, das im Kon­takt mit einer höhe­ren
und ehr­wür­di­ge­ren Kul­tur lebt, auf einem Gebiet, das einst zu deren Macht­be­reich gehör­te.
80

von smy­gel und geeig­net, das Ver­hält­nis des Hob­bit­worts trân zu rohirr, tra­
han nach­­zubil­den. Auf die glei­che Wei­se wur­den Smé­a­gol und Déa­gol gebil­det, als
­Entspre­chun­gen zu den nord­sprach­li­chen Namen Tra­hald (»wüh­lend, unter-­
krie­chend«) und Nah­ald (»heim­lich«).
Die noch wei­ter nörd­li­che Spra­che von Thal erscheint in die­sem Buch nur
in den Namen der Zwer­ge, die aus jener Regi­on kamen und daher die Spra­che
der dor­ti­gen Men­schen gebrauch­ten, in der sie sich auch ihre »Außen­na­men«
gaben. Wer die eng­li­sche Aus­ga­be die­ses Buches liest, wird bemer­ken, dass
hier wie auch im Hob­bit die Plu­ral­form dwar­ves gebraucht wird, obwohl uns die
Wör­ter­bü­cher ver­si­chern, dass der Plu­ral von dwarf dwarfs lau­tet. Er wür­de aber
dwar­rows (oder dwer­rows) lau­ten, wenn Sin­gu­lar und Plu­ral auf getrenn­ten Wegen
durch die Zei­ten mar­schiert wären, wie im Fal­le von man und men oder goo­se
und gee­se. Aber wir spre­chen heu­te nicht mehr so oft von einem Zwerg wie von
einem Men­schen oder selbst von einer Gans; und die Erin­ne­run­gen sind unter
den Men­schen nicht frisch genug geblie­ben, um an einem unge­wöhn­li­chen
Plu­ral für eine Ras­se fest­zu­hal­ten, die nun ins Reich der Mär­chen ver­bannt ist,
wo wenigs­tens noch ein Schat­ten der Wahr­heit fort­be­steht, oder schließ­lich in
Non­sens-Ge­schich­ten, in denen sie zu blo­ßen Witz­fi­gu­ren ver­kom­men sind.
Aber im Drit­ten Zeit­al­ter ist noch etwas von ihrer alten Kraft und Wesens­art zu
erken­nen, wenn auch schon ein wenig getrübt. Dies sind die Nach­fah­ren der
Nau­grim aus den Ältes­ten Tagen, in deren Her­zen das alte Feu­er des Schmie­
des Aule noch glimmt und der alte Groll gegen die Elben schwelt; und in ihren
Hän­den lebt noch die unüber­trof­fe­ne Kunst der alten Stein­wer­ker.
Um dies zu unter­strei­chen, habe ich also in der Mehr­zahl von dwar­ves gespro­chen,
um sie so viel­leicht ein Stück weit von den ärgs­ten Albern­hei­ten die­ser neu­en
Zeit abzu­rü­cken. Dwar­rows wäre noch bes­ser gewe­sen, doch die­se Form habe ich
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 81

nur in dem Namen Dwar­row­delf (Zwer­gen­gru­be), als Über­set­zung für den Namen
Morias in der Gemein­spra­che: Phu­run­ar­gi­an. Dies, mit der Bedeu­tung »Zwerg-
gra­bend«, war schon damals ein Wort von alter­tüm­li­cher Form. Moria aber ist
ein elbi­scher Name, und so wur­de die Stadt nicht von ihren Freun­den benannt.
Denn die Eldar, auch wenn sie selbst in ihren erbit­ter­ten Krie­gen mit dem
Dunk­len Herr­scher und sei­nen Die­nern in der Not manch­mal unter­ir­di­sche
Fes­tun­gen anleg­ten, wohn­ten an sol­chen Stät­ten nicht frei­wil­lig. Sie lieb­ten
das grü­ne Land und die Him­mels­lich­ter; und Moria hieß in ihrer Spra­che »die
schwar­ze Kluft«. Die Zwer­ge selbst aber, und wenigs­tens die­sen Namen hiel­ten
sie nie geheim, nann­ten den Ort Kha­zad-dûm, das Heim der Kha­zad; denn dies
ist der Name für die eige­ne Ras­se und ist es immer geblie­ben, seit er ihnen bei
ihrer Erschaf­fung in den Tie­fen der Zeit von Aule ver­lie­hen wur­de.
Elben wur­de als Über­set­zung sowohl für Quen­di, »die Spre­chen­den«, gebraucht,
wie der hochel­bi­sche Name für alle von ihrer Art lau­tet, als auch für Eldar, wie
die Drei Geschlech­ter hei­ßen, die sich zum Reich der Unsterb­li­chen auf­mach­ten
und (mit Aus­nah­me der Sin­dar) zu Anbe­ginn der Zeit dort hin­ge­lang­ten. Die­
ses alte Wort7 war über­haupt das ein­zig brauch­ba­re und galt einst als tref­fen­de
Bezeich­nung für sol­che Wesen, soweit sie den Men­schen in Erin­ne­rung geblie­ben
waren, oder für Men­schen, deren Geis­tes­art von der elbi­schen nicht völ­lig ver­
schie­den war. Aber nun ist es zu »Elfen« herun­ter­ge­kom­men, teils nied­li­chen,
teils alber­nen Fan­ta­sie­we­sen, die mit den Quen­di von einst so wenig Ähn­lich­keit
haben wie der Schmet­ter­ling mit dem Fal­ken – was nicht hei­ßen soll, dass die
Quen­di jemals Flü­gel am Leib gehabt hät­ten; dies lag ihrer Natur eben­so fern
wie der mensch­li­chen. Sie waren ein edles und schö­nes Volk, die erst­ge­bo­re­nen

7 Eng­lisch elf, elves. Vgl. dazu „Zur neuen Übersetzung“ von Wolfgang Krege.
82

Kin­der der Welt, und wie Köni­ge unter ihnen waren die Eldar, die nun fort
sind: das Volk der Gro­ßen Wan­de­rung, das Volk der Ster­ne. Sie waren groß,
hell­häu­tig und grau­äu­gig, doch mit dun­kel­lo­cki­gem Haar, außer in Finar­fins
gold­blon­der Sip­pe; und ihre Stim­men klan­gen melo­di­scher als jede sterb­li­che
Stim­me, die wir heu­te ken­nen. Sie waren tap­fe­re Krie­ger, doch die Geschich­te
derer, die nach Mit­te­ler­de ins Exil zurück­ka­men, war trau­rig; und ihr Schick­sal,
obwohl es sich in fer­nen Tagen mit dem unse­rer Vor­vä­ter kreuz­te, ist nicht das
Schick­sal der Men­schen. Vor lan­ger Zeit ist ihr Reich ver­gan­gen, und nun
woh­nen sie jen­seits der Krei­se die­ser Welt und keh­ren nicht wie­der.

Anmer­kung zu drei Namen: Hob­bit, Gamd­schie und Bran­dy­wein


Hob­bit ist ein erfun­de­nes Wort. Im West­ron lau­te­te es, wenn die­ses Volk über­
haupt erwähnt wur­de, bana­kil, »Halb­ling«. Doch zu jener Zeit gebrauch­te man
im Auen­land und in Bree das Wort kuduk, das es anders­wo nicht gab. Meria­doc
berich­tet aller­dings, dass der König von Rohan den Aus­druck kûd-dû­kan, »Höh­len­
be­woh­ner«, gebrauch­te. Da, wie schon gesagt, die frü­he­re Spra­che der Hob­bits
mit der von Rohan nah ver­wandt war, scheint die Annah­me plau­si­bel, dass kuduk
eine ver­schlif­fe­ne Form von kûd-dû­kan war. Letz­te­res habe ich aus den genann­ten
Grün­den mit hol­byt­la über­setzt, und hob­bit wäre dann ein Wort, das eine ver­schlif­
fe­ne Form von hol­byt­la sein könn­te, wenn es die­sen Namen in unse­rer eige­nen
alten Spra­che je gege­ben hät­te.

Gamd­schie (Gam­gee). Nach der im Roten Buch erklär­ten Fami­li­en­über­lie­fe­rung


kam der Nach­na­me Gal­ba­si, ver­kürzt Galp­si, von dem Dorf Galab­as, des­sen Name
sich, wie gemein­hin ange­nom­men wur­de, aus galab- (engl. game, »Wild«) und
einem älte­ren Ele­ment bas- zusam­men­setzt, das unge­fähr dem engl. wick oder
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 83

wich (»Dorf, Fle­cken«) ent­spricht. Gam­wich (Aus­spra­che: Gäm­mitsch) erschien


daher als ange­mes­se­ne ­Wieder­­gabe. Dass dar­aus in der Ver­kür­zung, anstel­le von
Galp­si, Gam­gee wur­de [ein Dia­lekt­wort für Ver­bands­mull], soll­te kei­ne Anspie­
lung auf Sam­weis’ Ver­bin­dung mit der Fami­lie Kat­tun sein, obwohl ein sol­cher
Scherz den ­Hobbits durch­aus zuzu­trau­en wäre, hät­te es in ihrer Spra­che dafür
eine Grund­la­ge gege­ben.
Kat­tun (Cot­ton) steht für Hlo­thran, ein ziem­lich häu­fi­ger Dorf­na­me im Auen­land,
beste­hend aus hloth, »Zwei­zim­mer-Höh­le«, und ran(u), eine klei­ne Grup­pe sol­
cher Behau­sun­gen an einem Berg­hang. Als Nach­na­me könn­te es eine Abwand­
lung von hlo­thram(a), »cot­ta­ger« oder »Kät­ner«, sein. Hlo­thram, wie­der­ge­ge­ben
mit engl. Cot­man, dt. Kat­ner, war der ech­te Name von Bau­er Kat­tuns Groß­va­ter.

Bran­dy­wein. Die Hob­bit­na­men für die­sen Fluss waren Abwand­lun­gen von elbisch
Bar­an­du­in (mit dem Ton auf and), das sich aus bar­an, »gold­braun«, und duin,
»gro­ßer Fluss«, zusam­men­setzt. Für Bar­an­du­in wäre in unse­rer Zeit Bran­dy­wein
eine nahe lie­gen­de Ver­ball­hor­nung. Tat­säch­lich lau­te­te der älte­re Hob­bit­na­me
Brand­a-nîn, »Grenz­ge­wäs­ser«, was bes­ser mit »Mark­born« wie­der­ge­ge­ben wor­
den wäre; aber durch einen Witz, der zur ste­hen­den Redens­art gewor­den war,
wur­de dar­aus, wie­der­um in Anspie­lung auf die bräun­li­che Far­be, der zu die­ser
Zeit gebräuch­li­che Name Bral­da-hîm, »berau­schen­des Bier«.
Zu beach­ten ist jedoch, dass die Fami­lie Alt­bock (Zara­gam­ba), als sie ihren
Namen in Bran­dy­bock (Brand­agam­ba) abän­der­te, von der Bedeu­tung »Grenz­
land« für das ers­te Ele­ment aus­ging, und »Mark­bock« wäre der Bedeu­tung
näher gekom­men. Nur ein sehr fre­cher Hob­bit hät­te wohl gewagt, den Herrn
von Bock­land in sei­ner Anwe­sen­heit Bral­da­gam­ba zu nen­nen.
84

Zur neuen Übersetzung


Die erste deutsche Fassung des Lord of the Rings, vor dreißig Jahren erschienen, hat dem
Buch viele Leser und Immerwieder-Leser gewonnen. Einer davon bin ich. Ich ver­danke
ihr vieles, und als ich mich an die Neufassung machte, merkte ich, dass ich sie stellen­
weise auswendig kannte, immer ein Zeichen dafür, dass etwas nicht ganz schlecht sein
kann. Die Übersetzerin Margaret Carroux hat also an etlichen Stellen die auch aus
meiner Sicht richtigen Worte schon gefunden. Dies waren die schwierigsten Momente
in meiner Arbeit. Abschreiben müssen tut weh.
Dennoch wird der Leser auch ohne peniblen Textvergleich Unterschiede bemer­ken.
Die alte Fassung ist eine getreue Nacherzählung einer fremden Ge­schichte. Sie gibt
den englischen Text im Allgemeinen zuverlässig wieder; doch der Ton klingt neutral
und gedämpft, als käme er über Mikrofon aus der gläsernen Kabine eines Dolmetschers.
Die neue Fassung maßt sich einen Versuch an, die Geschichte so vorzutragen, wie
­Tolkien es tun würde, wenn er heute, 1999, schriebe und wenn er sie aus dem Westron
gleich ins Deutsche brächte, ohne den Umweg über das Englische.
Einen wichtigen Teil der Arbeit hatte mir die alte Übersetzung schon abgenommen:
die Verdeutschung der Namen. Darin verbergen sich einige Vor­entscheidungen über
den Stil. Und an den Namen gab es nicht viel zu ändern. Die meisten sind gut gewählt
und haften im Gedächtnis (obwohl nicht wenige Figuren zwei oder mehr Namen
haben); und auch an manche vielleicht anfechtbare hatte ich mich gewöhnt. Nur bei
Nebenfiguren und selten erwähnten Orten waren kleine Umbenennungen ohne Ge­
waltsamkeit möglich.
Namensübersetzungen sind anderswo in der Literatur heute nicht mehr üblich, und
manche Leute scheinen sie auch hier für eine Marotte deutschtümelnder Übersetzer
zu halten. Darum sei einmal daran erinnert, dass Margaret Carroux sie auf Tolkiens
Wunsch und nach seinen Anleitungen vorgenommen hat. Es gibt keinen vernünftigen
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 85

Grund, den Hobbits ihre englischen Namen zu belassen, die ja ihrerseits nur Über­
setzungen der echten Hobbitnamen sein sollen. Tolkien selbst hat sich an Namens­
findungen für das Deutsche beteiligt, und manchmal bot ihm unsere Sprache eine
Gelegenheit, die er im Englischen vermisste. Zu dem Wort Elben zum Beispiel – das
sich heute so natürlich anhört, als hätte man es schon immer gekannt – hat er der
Übersetzerin den etymologischen Hinweis gegeben. Im Englischen musste er mit den
peinlichen elves, »Elfen«, auskommen.
Auch den Namen für Sûza, das Land der Hobbits, Auenland, finde ich besser als
das dürre englische Shire; und trotzdem wurde er gelegentlich bemängelt. »Zu zahnlos«,
meinte ein Kritiker – aber wer will denn hier beißen oder die Zähne fletschen? Das
Auenland ist ein Idyll und hat einen ironischen Kose­namen verdient.
Eine Inkonsequenz in den Namensverdeutschungen sei eingestanden. Parallel zu den
neuenglischen Namen der Hobbits hätten eigentlich auch die altertümlichen Namen
der mit ihnen sprachverwandten Rohirrim eine deutsche Form erhalten müssen, und
zwar eine altdeutsche, ähnlich den Namen aus dem Nibelungen- oder dem Älteren
Hildebrandlied. Davor bin ich zurückgeschreckt. Beim unbefangenen Inhalieren dieser
weltentrückten Geschichte würde die Erinnerung an allzu Einheimisches nur stören.
Aus der alten Ausgabe habe ich viele Lieder und Gedichte in Frau von Freymanns
vortrefflicher deutscher Fassung übernommen, weil ich sie durch nichts Ebenbürtiges
ersetzen könnte. Der veränderte Prosa-Kontext erforderte einige geringfügige Abwand­
lungen; und andere Stücke wurden ganz neu übersetzt.
Mancher Leser wird in dieser Ausgabe die Anhänge vermissen, die der Erzählung
erst ihre ganze Hintergrundtiefe geben. Auch sie wurden neu übersetzt; doch hat der
Verlag beschlossen, sie in einem gesonderten Band herauszubringen.

Wolfgang Krege, September 1999


86

Herzlichen Dank der deutschen Tolkien Gesellschaft und besonders Marcel


Aubron-Bülles, der uns bei der Auswahl der Anhänge unterstützt hat und für
alle Fragen ein offenes Ohr hatte, und Gernot Katzer, der uns die richtige
Aussprache verraten hat.

Jahrbücher und mehr Informationen zu


J.R.R. Tolkien und Mittelerde
Deutsche Tolkien Gesellschaft e.V.
http://www.tolkiengesellschaft.de

Die Buchausgabe Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien ist bei Klett-Cotta
erschienen und im Handel erhältlich.

Der Hörverlag
Die Originalausgabe erschien 1954 und 1955 unter dem Titel The Lord of the Rings im Verlag Allen & Unwin Ltd., London
© 1966 by George Allen & Unwin Ltd., London. Published by arrangement with HarperCollins Publishers Ltd., London
© 1990 Frank Richard Williamson and Christopher Reuel Tolkien,
executors of the estate of the late John Ronald Reuel Tolkien.
Gedichte wurden von E.-M. von Freymann übertragen
Für die deutsche Ausgabe Klett-Cotta © 2000 J.G. Cotta‘sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
© + P Der Hörverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München 2006
Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.
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2 mp3-CD • MONO • Gesamtlaufzeit ca. 22 h 54 min • Der Hörverlag 2006
ISBN 978-3-89940-956-7 • Coverillustration nach einer Vorlage von John Howe
J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe – Die Gefährten 87

Außerdem von J.R.R. Tolkien im Hörverlag erschienen:

Die Abenteuer des


Tom Bombadil
Das Silmarillion 1 CD, ISBN 978-3-86717-524-1
1 CD, ISBN 978-3-8445-1733-0 ab 6 Jahren
Vollständige Lesung Vollständige Lesung

Die Briefe vom


Weihnachtsmann
Die Kinder Húrins 1 CD, ISBN 978-3-89940-006-9
7 CD, ISBN 978-3-86717-552-4 ab 6 Jahren
Vollständige Lesung Vollständige Lesung

Der Elbenstern Bauer Giles von Ham


1 CD, ISBN 978-3-89940-204-9 1 CD, ISBN 978-3-89940-656-6
ab 7 Jahren ab 7 Jahren
Vollständige Lesung Lesung

Roverandom
Der Herr der Ringe 3 CD, ISBN 978-3-89940-098-4
2 mp3-CD, ISBN 978-3-8445-2476-5 ab 6 Jahren
Hörspiel Vollständige Lesung

Der Hobbit
4 CD, ISBN 978-3-89584-918-3
ab 11 Jahren
Hörspiel

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