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Der Tod König Albrechts I.

Einleitung
Am 01. Mai 1308 fiel König Albrecht I. im Alter von 52 Jahren einem
Mordanschlag seines Neffen Herzog Johann, der sich um sein Erbe geprellt
fühlte, zum Opfer.1 Der Mord wurde in den Chroniken und der späteren Literatur
meist auf das Rachemotiv Johanns reduziert und damit als reine Privatsache
eines Einzelnen dargestellt. Fraglich ist jedoch, ob weitere Interessen im Spiel
gewesen sein könnten. Albrecht hatte sich zahlreiche Feinde gemacht, zu
denen selbst die Kurfürsten, die ihn 1298 zum König gewählt hatten, gehörten,
so dass mit der Nachricht von Albrechts Tod nicht wenige zumindest
aufatmeten, wenn nicht sogar davon profitierten.2 Durch den Tod Albrechts
wurde jedenfalls die weitere Entfaltung der habsburger Hausmacht zu einem
starken Königtum jäh unterbrochen.3
Mit dieser Arbeit soll im Kontext der verschiedenen Interessen untersucht
werden, ob es sich bei dem Mord tatsächlich, wie in der Literatur dargestellt, um
eine reine Privatsache gehandelt hat, oder ob nicht doch die Möglichkeit eines
Tyrannenmordes in Betracht gezogen werden muss.
Hierbei werden vor allem die rund 98.000 Verszeilen umfassende
Österreichische Reimchronik Ottokars,4 die allein 75.000 Verszeilen Albrecht
und seinen Taten widmet, das Werk Johanns von Viktring5, ebenfalls aus dem
österreichischen Raum und die Chronik des Mathias von Neuenburg6 die
Quellengrundlage bilden. Darüber hinaus wird die um 1534-38 entstandene
Chronicon Helveticum – Grundlage für Friedrich Schillers Wilhelm Tell, in dem
Herzog Johann eine Nebenrolle spielt – verfasst von Tschudi,7 einem scharfen
Gegner des Hauses Habsburg, in die Betrachtung mit einfließen.

Personen
Albrecht I. wurde wahrscheinlich 1255 geboren und am 01. Mai 1308 bei
Windisch an der Reuß (heute Schweiz) getötet. Er war Sohn König Rudolfs I.
und der Tochter des Grafen Burkhard III. von Hohenberg, Gertrud.8 Während
Albrecht durch die Rheinfelder Hausordnung 1283 vertraglich zum Alleinerben
der wichtigsten Lehen eingesetzt wurde, erhielt sein Bruder Rudolf lediglich
Versprechen auf Lehen oder Entschädigung in Geld9, die nie eingelöst wurden.
Albrecht wurde 1298 von den Kurfürsten zum König gewählt, nachdem diese
den 1292 gewählten König Adolf, abgesetzt hatten, was insofern ein
einzigartiger Vorgang war, als dass dies allein durch die Kurfürsten des Reiches
und ohne Bannspruch des Papstes umgesetzt wurde. Nach der
diesbezüglichen päpstlichen Auffassung, die sich erstmals in der Absetzung
Friedrichs II. durch Innozenz IV. manifestierte, war nur der Papst zu Absetzung
eines Königs befugt.

Herzog Johann von Österreich und Steier, posthum auch Johann Parricida
(Verwandtenmörder) genannt, lebte von 1290 bis 1313, war Sohn des zu
Gunsten Albrechts benachteiligten Rudolf und Albrechts Neffe. Nach dem Tod
seines Vaters versuchte Johann die von jenem geerbten Ansprüche
einzufordern, indem er seinen Onkel zur Erfüllung der in der Rheinfelder
Hausordnung von 1283 festgeschriebenen Vereinbarung drängte – erfolglos.
Von Albrecht stets hingehalten und als landloser Herzog verspottet, ermordete
er seinen Onkel und floh mit seinen Komplizen.10 Erst 16 Monate später wurde
die Reichsacht11 über die Täter verhängt.12 Anfang des Jahres 1312 ersuchte
Johann möglicherweise bei König Heinrich in Pisa um Gnade.13

Die Mitverschworenen Johanns waren die Ritter und Edelleute Rudolf von
Wart, Rudolf von Balm, Walter von Eschenbach und – in den Chroniken nicht
erwähnt – evt. Konrad von Tegerfeld. Für eine Beteiligung des Letzteren
spricht, dass dieser im Urteil Heinrichs VII. als Täter genannt wird.14
Nun wird vor allem die Frage nach den Mordmotiven dieser Mitverschworenen
zu untersuchen sein, da diese von der Sache zwischen Johann und Albrecht
bestenfalls indirekt betroffen waren und dennoch mit der Beteiligung an der
Ermordung eines Königs ein äußerst großes Risiko eingingen.

Die Legitimität Albrechts als König


Als König Rudolf I. im Sommer 1291 in Speyer starb, war es ihm nicht mehr
gelungen, die Kurfürsten auf die Nachfolge seines Sohnes Albrecht
einzuschwören.15 Diesen war der Habsburger zu mächtig, denn für die
Durchsetzung der eigenen Interessen wäre ein zu starker König hinderlich
gewesen. So wählten sie am 05. Mai 1292 Adolf von Nassau zum neuen
König16, was für Albrecht ein harter Rückschlag war, mit dem er aber
diplomatisch umzugehen wusste.
Schon bald stellte sich aber heraus, dass Adolf gegen die Interessen der
Kurfürsten seine schmale Machtbasis durch mehrere brutale Kriege17 erheblich
ausbaute und die zahlreichen, vor seiner Wahl den Kurfürsten gegebenen
Versprechen nicht einhielt. Durch die konfliktreiche Expansionspolitik blieb es
nicht aus, dass Adolf sich auch mit Albrecht, der sich diesem gegenüber
zunächst neutral verhielt, verfeindete. Neuenburg führt den Ausgangspunkt
dieser Feindschaft darauf zurück, dass Albrecht der Vermählung seiner Tochter
mit Adolfs Sohn faktisch eine Absage erteilte.18 Die wachsende Unzufriedenheit
der Kurfürsten gipfelte in einer Versammlung im Mainzer Dom am 23. Juni
1298, in der wegen zahlreicher Vergehen die Absetzung des nicht anwesenden
Königs Adolf beschlossen und erklärt wurde.19 Gleichzeitig wurde Herzog
Albrecht zum neuen König gewählt. Da nach päpstlicher Auffassung nur der
Papst, nicht aber die Kurfürsten zur Absetzung eines Königs befugt war,
erkannte Papst Bonifaz VIII. Albrecht nicht als König an und bezeichnete das
Vorgehen der Kurfürsten gegen Adolf als Hochverrat und die Wahl Albrechts als
nichtig. Aus päpstlicher Sicht stand der gesalbte König unter dem besonderen
Schutze Gottes und der Kirche. Seine Feinde waren damit auch die Feinde der
Kirche.20 Papst Bonifaz VIII. war Neuenburg zufolge auch wegen der
gemeinsamen Feindschaft gegen den König von Frankreich ein großer
Befürworter Adolfs: "Deshalb und dem Franken zum Trotz, liebte der Papst den
König Adolf."21
Adolf war des Weiteren als gesalbter König auch in den Augen seiner
Untertanen mehr als nur ein hoher Funktionär. Die Salbung war alles
entscheidend, da man glaubte, dass die Weihe mit heiligem Öl im geistigen
Wesen der Könige eine tiefe Wandlung durchführte und ein König als Gesalbter
des Herrn unantastbar sei.22 Albrecht hätte mit seinem starken Heer gegen den
– bei seiner Königswahl noch schwachen – Adolf auch sofort kriegerisch
vorgehen können, tat dies aber nicht. Aus militärischer Sicht wäre das sicher
sinnvoll gewesen, aber Adolf hatte ihm eines voraus: er war gesalbt und
dadurch in den Augen des Volkes zu einer höheren, um nicht zu sagen heiligen
Persönlichkeit geworden.23
Die Absetzung Adolfs und die gleichzeitige Wahl Albrechts wurden damit als
äußerst zwielichtig angesehen und ihr haftete auch durch die fehlende
Anerkennung durch den Papst ein gravierender Mangel an Legitimität an. Damit
stand Albrechts Königtum zunächst auf schwachen Füßen.
Da Adolf sich dem Beschluss der Kurfürsten nicht fügte, suchten Albrecht und
Adolf die Entscheidung des Thronstreites auf dem Schlachtfeld. In der
Entscheidungsschlacht am 02. Juli 1298 bei dem Dorf Göllheim in der
Rheinpfalz wurde nach Ansicht nicht weniger Chronisten Adolf von Albrecht
selbst getötet.24 Dieser gewaltsame Tod eines gesalbten Königs durch einen
Thronrivalen, der anschließend das Königtum fortsetzte, verstärkte die ihm
bereits aus vorgenannten Gründen anhaftende Illegitimität noch erheblich. Und
selbst der eher habsburgfreundliche Chronist Neuenburg bezeichnet Adolf auch
nach seiner Absetzung durch die Kurfürsten und sogar noch nach dessen Tod
als König, Albrecht dagegen als Herzog. Die Schlacht bei Göllheim ist für ihn
eine Schlacht des Königs gegen den Herzog von Österreich, bei der der König
getötet wurde. 25 Damit erkennt auch Neuenburg die Absetzung durch die
Kurfürsten eindeutig nicht an.
Auch wenn ein Teil der Quellen die Tötung Adolfs nicht Albrecht persönlich
zuschreibt, bleibt in fast allen Quellen der Vorwurf, dass Albrecht ein als
existent betrachtetes Herr-Knecht-Verhältnis missachtet habe, dass im Zuge
dieses Vorgehens, der gesalbte König getötete wurde und dass Albrecht dafür
verantwortlich war.26 Der Gesalbte fand damit durch einen seiner Knechte den
Tod und dieser Knecht wollte dann selbst König sein. Aber gerade durch sein
Vorgehen in dieser Sache hatte er sich disqualifiziert. Heinrich von Rebdorf
geht mit der Umschreibung "rex fuit Adolfus pro regni sede necatus" noch
weiter, indem er das Unrecht zum Verbrechen steigert. Die Tötung Adolfs ist
demnach Mord, damit ist Albrecht ein gemeiner, schändlicher Verbrecher, der
als König undenkbar ist.27

Die Schlacht bei Göllheim hat für einen Teil der Gesellschaft einen
schwerwiegenden Makel an Albrecht hinterlassen. An diesem Makel änderte
auch die förmliche, diesmal einstimmige Neuwahl nach dem Tod Adolfs (27. Juli
1298) und die anschließende feierliche Krönung in Aachen im November 1298,
nur wenig. Im Gegenteil haftet dieser zweiten Wahl ja der Verdacht an, dass die
Kurfürsten und Albrecht offenbar die erste Wahl selbst nicht für voll genommen
haben, warum sonst sollte eine zweite Wahl überhaupt nötig sein?

Das offizielle Einvernehmen, das zu dieser Zeit noch zwischen Albrecht und
den Kurfürsten herrschte, kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass diese den
neuen König nach wie vor nicht als ihren Wunschkandidaten, sondern als das
vermutete kleinere Übel, also eine Notlösung, betrachteten. Die Vorbehalte
gegen die Macht des Habsburgers durften seit dem Sieg von Göllheim eher
noch zugenommen haben. Da Albrecht in der Folge die von den Kurfürsten
missbilligte Politik seines Vorgängers auch noch konsequent fortsetzte, war es
nur eine Frage der Zeit, bis die nächste große Auseinandersetzung zwischen
König und Kurfürsten fällig wurde.28

Widerstand der Kurfürsten


Nach seiner Wahl führte Albrecht Verhandlungen mit dem französischen König
Phillip IV., die bei den rheinischen Kurfürsten auf zunehmendes Misstrauen und
schließlich auf unverholene Ablehnung stießen.29 Grund hierfür war vermutlich
der sich aus einer Vertragsklausel eines Ehevertrages zwischen Albrechts Sohn
Rudolf und Philipps Schwester Blanca ergebende Verdacht, dass Albrecht die
Umwandlung des Reiches in eine Erbmonarchie plane30, was einer
Entmachtung der Kurfürsten gleichgekommen wäre. Der Vertrag kam aber,
gegen den Widerstand der rheinischen Kurfürsten, 1299 zustande. Weiterer
kurfürstlicher Widerstand wurde 1300 durch eine päpstliche
Personalentscheidung ausgelöst, nach welcher der Bruder des gefallenen
König Adolfs neuer Erzbischof von Trier und Kurfürst wurde31, der dem neuen
König gegenüber alles andere als wohlgesonnen war. Diese personalpolitische
Entscheidung war natürlich kein Zufall, sondern vielmehr als bewusster Affront
gedacht, welcher der grundsätzlich feindseligen Haltung Bonifaz VIII.
gegenüber der Thronerhebung Albrechts entsprach.32 Die oppositionelle
Haltung der rheinischen Kurfürsten wurde durch weitere politische
Entscheidungen des Königs bezüglich des strategisch und wirtschaftlich
wichtigen Mündungsgebietes des Rheins bestärkt. Der Kölner Erzbischof, der
auf keinen Fall ein Festsetzen des Habsburgers in diesem Gebiet dulden wollte,
versuchte, die durch den Druck der Kurie und den Personalwechsel in Trier für
Albrecht prekär gewordene Situation zu dessen Sturz zu nutzen.33 Zunächst
schloss er am 05. Dezember 1299 ein Bündnis mit Erzbischof Gerhard von
Mainz gegen Albrecht.34 Auf sein Betreiben schlossen dann die drei rheinischen
Erzbischöfe und der inzwischen von ihnen gewonnene Pfalzgraf am 14.
Oktober 1300 ein Bündnis gegen "Albrecht, Herzog von Österreich, der sich
jetzt deutscher König nennt".35 Man war nun entschlossen, dem Habsburger
das gleiche Schicksal, wie seinem Vorgänger zu bereiten und setzte ihn mit der
Begründung ab, Albrecht habe sich gegen seinen Herrn und König Adolf von
Nassau – den die selben Kurfürsten ja kurz zuvor entmachtet hatten – erhoben
und diesen sogar getötet.36 Doch Albrecht wehrte sich mit einem politisch wohl
vorbereiteten37, schonungslosen Militärschlag gegen seine Entmachtung.
Nacheinander mussten die Kurfürsten kapitulieren und einem
Friedensabkommen zustimmen, dass sie neben verschiedener harter
Zugeständnisse u.a. verpflichtete, den König bei militärischen Operationen
gegen die noch nicht unterworfenen Kurfürsten zu unterstützen.38 Ende 1302
war die Opposition zerschlagen. Auch der Makel der fehlenden päpstlichen
Anerkennung wurde im Frühjahr 1303 aufgehoben, allerdings nicht, weil
Bonifaz etwa einen Irrtum einsah, sondern aus strategischen Gründen, weil der
Papst auf Albrecht als Vermittler in einem heftigen Konflikt zwischen Kirche und
dem französischen König Phillip IV. angewiesen war.39 Dennoch gelang es
Bonifaz, für die nachträgliche Anerkennung der Wahl Albrechts, diesem im
Rahmen eines nahezu zweiten Canossas große Zugeständnisse
abzuverlangen.40

Zwischenergebnis
Diese bewusst knapp gehaltene Skizze macht deutlich, dass Albrecht, der
aufgrund einer formell keineswegs rechtmäßigen Wahl einen gesalbten König
erschlagen hatten und dadurch in den Augen zumindest eines nicht
unerheblichen Teils der Zeitgenossen aufs schwerste belastet war, zunächst
weder durch den Papst als legitimer König anerkannt wurde, noch die
Kurfürsten auf seiner Seite hatte. Der Versuch der Kurfürsten, Albrecht wieder
loszuwerden, endete in einer demütigenden Entmachtung und Unterwerfung,
die deren weitere Teilhabe am Reichsregiment ausschloss.41 Sie müssen daher
größten Argwohn gegen den König gehegt haben.

Albrechts letzte Jahre


Nach dem Sieg über die Kurfürsten und der Aussöhnung mit Papst Bonifaz hielt
Albrecht den Zeitpunkt für gekommen, einen Machtkampf mit den
Przemysliden, namentlich König Wenzel II. von Böhmen zu beginnen, der noch
kurz zuvor, im Kampf gegen die Kurfürsten, Albrechts Verbündeter gewesen
war. 1306 gelang Albrecht die Machtübernahme Böhmens und er setzte seinen
Sohn Rudolf als König ein. Im mitteldeutschen Territorienkomplex fehlte nun nur
noch die Landgrafschaft Thüringen, die Albrecht 1307 durch einen Feldzug
erobern wollte, jedoch aufgrund der Unterschätzung des Gegners eine
empfindliche Niederlage hinnehmen musste. Durch den Tod seines gerade erst
zum König von Böhmen gekrönten Sohns Rudolf am 03. Juli 1307 stand nun
auch die Herrschaft in Böhmen wieder auf dem Spiel.42
Während der letzten Jahre Albrechts vollzogen sich aber auch personelle
Änderungen bezüglich der geistlichen Kurfürsten, die Albrecht schadeten und
seinen Machtverlust im Bereich der höchsten Kirchenämter deutlich machen.
Dies galt sowohl für Heinrich von Vierneburg, der 1306 Erzbischof von Köln
wurde, als auch besonders für Peter von Aspelt, der zeitgleich Erzbischof von
Mainz wurde und ein erbitterter Gegner der habsburger Politik war und für
Balduin von Luxemburg, dem 1308 das Erzbistum Trier zufiel.43 Die Liste der
Gegner Albrechts war lang geworden und nachdem es ihm mit einem schnell
zusammengerafften Heer weder gelungen war Thüringen zu unterwerfen, noch
die Herrschaft über Böhmen zurückzuerlangen, kehrte er im Frühjahr 1308 in
die oberen habsburgischen Stammlande zurück um neue Truppen anzuwerben.
In dieser politisch und militärisch völlig offenen Situation wurde er ermordet. 44
Der Tatablauf
In den Tagen vor seinem Tod hielt König Albrecht sich in Baden an der Limmat
auf45, wo er Johann, der wiederholt seine Ansprüche geltend zu machen
versuchte, wiederum zurückwies.46 Johann konfrontierte Albrecht auch erneut
mit dem Vorwurf, ihn bei der böhmischen Thronfolge zu Gunsten seines
Sohnes Rudolf nicht berücksichtigt zu haben, als die Przemysliden 1306 mit
Wenzel III. ausstarben.47 Während dieser Gespräche traf die Nachricht ein,
Albrechts Frau Elisabeth nähere sich Basel und Albrecht versammelte einige
seiner Vertrauten48 um sich, um seiner Frau entgegenzureiten, unter anderem
gefolgt von Johann.49 Der Weg führte in Richtung Brugg, so dass bei Windisch
der Fluss Reuß überquert werden musste. Johann und seine Gefährten sorgten
dafür, dass Sie zeitgleich mit Albrecht das andere Ufer erreichten, aber früher,
als Albrechts übrige Begleiter. In dieser Situation griffen Sie Albrecht an und
verwundeten ihn mit Dolchen und Schwertern tödlich. Der exakte Ablauf
unterscheidet sich in den verschiedenen Quellen. Daraus lässt sich folgern,
dass die Chronisten voneinander unabhängig gearbeitet haben. Dies wiederum
steigert die Glaubwürdigkeit all jener Darstellungen, die in allen Quellen im
Wesentlichen übereinstimmen.
In der Österreichischen Reimchronik heißt es, Walther von Eschenbach sei
dem König in die Zügel gefallen,50 Rudolf von Wart habe ihm mit dem Schwert
quer über das Gesicht geschlagen51 und Herzog Johann habe ihn mit dem
Schwert durchstoßen.52 Übereinstimmend mit Neuenburg und Viktring berichtet
die Reimchronik, dass von Balm Kopf und Gesicht des Königs gespalten
habe.53 Wahrscheinlich starb Albrecht ohne geistlichen Beistand54
möglicherweise in den Armen eines Knechtes.55
Nauenburg weicht aber in einigen Punkten von den anderen Quellen ab:
zunächst betont er, dass es Albrechts Ehefrau war, die den König dahingehend
beeinflusste, Johanns Erbe zugunsten der eigenen Söhne zurückzuhalten.
Nachdem Johann über den Bischof von Straßburg wiederholt seine Ansprüche
geltend machen wollte und von Albrecht auf den Zeitpunkt nach der Rückkehr
aus Böhmen vertröstet wurde, habe auch von Eschenbach vom König die
Rückgabe des "ihm Entzogenen" verlangt. An der Reuß haben Johann und die
Seinigen als erste mit dem einzigen Schiff übergesetzt, dann folgte der König
über den Fluss "und ritt durch die Saatfelder nach seiner Gewohnheit, im
Gespräche mit Walther von Kastelen". Erst jetzt habe sich Johann und die
Seinigen genähert und von Wart habe gerufen "wie lange werden wir dieses
Aas noch reiten lassen?" Sodann habe dessen Diener namens Rulassingen die
Zügel des Königs ergriffen und Johann habe ihm ein Messer in den Hals
gestoßen. Von Wart habe ihn dann mit dem Schwert durchbohrt und von Balm
habe ihm das Haupt gespalten, wogegen von Eschenbach zwar gegenwärtig
gewesen sei, jedoch den König nicht verletzt habe.

Die Täter flohen sofort nach der Tat Neuenburg zufolge zunächst auf die Burg
Frohburg, wo sie aber vom Burgherrn verraten wurden und sich anschließend
zerstreuten. Johann wurde, nachdem er sich vielfach versteckt hatte, in Pisa
von Kaiser Heinrich VIII. gefangen genommen und starb als Gefangener56
(1312 oder 1313), von Wart und dessen Diener Rulassingen wurden gerädert,
von Balm starb im Haus der Konversen in Basel, wohin er geflüchtet war und
von Eschenbach entkam ins Württembergische, wurde Viehhirte und offenbarte
sich sterbend 35 Jahre später.57

Die Mordmotive
In der Darstellung der Tat als offener Mord vor Zeugen, stimmen die
verfügbaren Quellen überein. Bei einem derartigen Ablauf des Verbrechens
aber musste den beteiligten Tätern vor und während der Tat darüber bewusst
gewesen sein, dass sie als Schuldige in jedem Fall identifiziert werden würden.
Unterstellt man, dass die Quellen in diesem Punkt den Tatsachen entsprechen,
wird vor diesem Hintergrund die Suche nach plausiblen Motiven insbesondere
der Komplizen Johanns, die ja nicht von der durch Albrecht verweigerten
Erbschaft betroffen waren, besonders schwierig.

Zu der Frage der Mordmotive nehmen die Quellen uneinheitliche Positionen


ein. Hessel hat versucht, die hierfür relevanten Stellen auszuwerten.58 Demnach
lebte Johann, dessen Mutter Agnes die Schwester des Przemysliden König
Wenzels II. war, eine zeitlang bei letzterem in Böhmen, wo er unter dem
Einfluss des alten "Przemyslidenhasses gegen alles was österreichisch ist"
gestanden haben soll. Nach Ausbruch des böhmischen Krieges forderte
Albrecht die Zurücksendung Johanns, die auch bei Neuenburg, Ottokar und
Viktring belegt ist. Nun wurde er zusammen mit seinen österreichischen Vettern
erzogen, erlebte jedoch die ständige Bevorzugung dieser durch Albrecht. Vor
der Besetzung Böhmens 1306 habe sich Johann mit der Hoffnung getragen, als
nächster Verwandter des Przemyslidenhauses bei der Aufteilung ihres Reiches
1
Dienst, Johann "Parricida".
2
Hessel, S. 227.
3
Stelzer, S. 34.
4
Österreichische Reimchronik, insbesondere VV 94363-94383, S. 1225-1231.
5
Johann von Viktring, insbesondere III Kap. 10 und IV Kap. 2.
6
Die Chronik des Mathias von Neuenburg, insbesondere Kapitel 28-36.
7
Aegidius Tschudi: Chronicon Helveticum.
8
Dienst, S. 30.
9
Krieger, Rudolf von Habsburg, S. 160.
10
KRONES, Franz von: Johann Parricida. Herzog von Österreich; Herzog von Schwaben; 1290
oder 1291 bis 1312 oder 1313, in: ALLGEMEINE DEUTSCHE BIOGRAPHIE. hrsg. von der
Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und der
Bayerischen Staatsbibliothek, Berlin: Duncker & Humblot, 2005, Band 14, S. 415-417.
11
Den Verurteilten wurden rechtlos und für vogelfrei erklärt (den Freunden verboten, den
Feinden erlaubt), ihre Lehen entzogen, ihre Ehefrauen zu Witwen und die Kinder zu Waisen
ohne Rechte erklärt. Ferner wurde ihnen ausdrücklich weder Verkauf noch Verpfändung noch
sonst irgendeine Änderung ihres Gutes erlaubt, welches enteignet wurde und dem Reich zufiel.
Dieselbe Strafe drohte denjenigen, welche die Täter "in Kenntnis der Tat hausten und hoften".
12
Heinrich VII.: 1309 September 18 Speyer, 428, in: Urkundenregesten 1292 - 1313, S. 282-283.
13
Neuenburg, S. 58.
14
Heinrich VII.: 1309 September 18 Speyer, 428, in: Urkundenregesten 1292 - 1313, S. 282-283.
15
Krieger, S. 77.
16
Krieger, S. 80.
17
Krieger, S. 83.
18
Neuenburg, Kap. 29, S. 32.
19
Erzb. Gerhard von Mainz: 1298 Juni 23 Mainz, 144, in: Urkundenregesten 1292 - 1313, S.
105-108.
20
Danuser, S. 80.
21
Mathias von Neuenburg, Kap. 30, S 33.
22
Danuser, S. 10.
23
Danuser, S. 24.
24
Nach den meisten Berichten jedoch waren der Raugraf von Stolzenberg und der Wildgraf
Kuchimeister die Täter, vgl. hierzu Krieger S. 86.
25
Neuenburg, Kap. 33, S. 36f.
26
Danuser, S. 61.
27
Danuser, S. 62.
28
Krieger, S. 87.
29
Krieger, S. 89.
30
H. Thomas zitiert bei Krieger, S. 89.
31
Danuser, S. 81.
32
Krieger, S. 90.
33
Krieger, S. 91.
34
Ebf. Wikbold von Köln: 1299 Dezember 5 Toul, 223, in: Urkundenregesten 1292 - 1313, S.
161f.
35
Ebf. Dieter von Trier: 1300 Oktober 14 Niederheimbach, 272, in: Urkundenregesten 1292 -
1313, S. 190.
36
Andics, S. 37.
37
Er deklarierte von den Kurfürsten erlassene Zölle als illegitim und erklärte diese für nichtig,
sodann ging er gegen die "Erheber" dieser nun verbotenen Zölle militärisch vor. Siehe hierzu:
berücksichtigt zu werden. Stattdessen wurde Albrechts Sohn berücksichtigt. Die
Mehrzahl der Quellen betont, dass Johann spätestens ab diesem Zeitpunkt auf
die Rechte seines Vaters pochte. Da Albrecht der Erfüllung der Ansprüche nicht
nachkam, sei "der kaum Achtzehnjährige, welcher sich in der ihm
aufgezwungenen Umgebung fremd, dazu zurückgesetzt, ja entrechtet fühlte,
zur Wahnsinnstat geschritten".59 Zu den Motiven der Komplizen mutmaßt
Hessel, dass von Balm dem König grollte, da dieser einen Verwandten seiner
Lehen beraubt habe, von Wart an schwerer Geldnot litt und von Eschenbach
bei Albrecht stark verschuldet war. Alle drei hätten die habsburgische
Arrondierungspolitik als schwerste Bedrohung ihrer Existenz empfunden und
sich von Johann die Rückkehr zu Macht und Ansehen erhofft.60
Gerade Letzteres aber ist angesichts des beschriebenen Tatablauf schwer
nachzuvollziehen. Denn durch einen Mord vor gegnerischen Zeugen und
anschließender Flucht rückte doch jede "Rückkehr zu Macht und Ansehen" in
weite Ferne. Die Einschätzung, dass auch die Komplizen aus Rache gehandelt
hätten und die Tat Ausdruck ihrer Enttäuschung über Albrechts energische
Politik sei61, scheint vor dem Hintergrund der absehbaren Folgen zunächst

Kg. Albrecht: 1301 Mai 7 Speyer, 286 und 1301 Mai 9 Speyer, 287, in: Urkundenregesten 1292
- 1313, S. 198f.
38
Kg. Albrecht: 293, 294, 301, 308-314, in: Urkundenregesten 1292 - 1313, S. 202f, 208ff.
39
Vgl. Krieger, S. 93-97.
40
Vgl. Danuser, S. 88.
41
Hessel, S. 223.
42
Vgl. Heimann, S. 29.
43
Krieger, S. 109.
44
Vgl. Krieger, S.99-109.
45
Hessel, S. 222.
46
Österreichische Reimchronik VV.94115-219; Mathias von Neuenburg Kap. 36; Johann von
Viktring III, 2.
47
Meyer, S. 41.
48
Johann I. von Dürbheim, Bischof von Straßburg (Reimchronik), Herzog Ludwig IV. von
Bayern (Regesten der Erzbischöfe von Mainz, Nr. 1163, zitiert bei Meyer, S. 43); Vgl. auch
Hessel, S. 222.
49
Österreichische Reimchronik VV.94363ff; Mathias von Neuenburg Kap. 36.
50
Österreichische Reimchronik VV.94515-518.
51
Österreichische Reimchronik VV.94540-545.
52
Österreichische Reimchronik VV.94555-557.
53
Österreichische Reimchronik VV.94534-538; Mathias von Neuenburg Kap. 36; Johann von
Viktring III, Kap. 10, Bd. 36.1, S. 384.
54
Annales Matseenses, ed. WATTENBACH 1851 (ND 1993), S. 824, zitiert in Meyer, S. 42
55
Continuatio Zwetlensis Tertia, S. 663: "... in sinu vilis servuli unius de suis expiravit." zitiert in
Meyer, S. 42.
56
Mathias von Neuenburg, Kap. 36, S. 51.
57
Mathias von Neuenburg Kap. 36, S. 49; Österreichische Reimchronik VV.94839ff.; Johann
von Viktring IV, Kap. 9, Bd. 36.2, S. 22.
58
Motive Johanns: Hessel, S. 223-226; Motive der Komplizen: Hessel, S. 226-227.
59
Hessel, S. 227.
60
Hessel, S. 227.
unplausibel. Ihr Verhalten macht eigentlich nur Sinn, wenn man unterstellt, dass
sie entweder doch davon ausgingen, unerkannt fliehen zu können, oder dass
sie glaubten nicht für die Tat bestraft zu werden.
Da sich die erste Annahme nicht mit dem in den Quellen geschilderten
Tatverlauf in Einklang bringen lässt, muss die zweite Variante in Betracht
gezogen werden. Möglicherweise gingen die Täter aufgrund der breiten Allianz
gegen Albrecht, insbesondere in der Umgebung ihrer Wohnsitze, davon aus,
dass sie als Befreier und nicht als Mörder und ihre Tat damit als legitime Tötung
eines Tyrannen und nicht als Straftat angesehen würde. Gestützt wird diese
These durch Neuenburg, der das Verfahren gegen von Wart und dessen
Verteidigungsrede kurz erwähnt: "dann sagte er [von Wart]: an dem [Albrecht]
hätte man kein Verbrechen begangen, der sich durch Tötung seines Herrn, des
römischen Königs [Adolf von Nassau] des Hochverrats schuldig gemacht
hätte".62 Von Wart begründet hier mit der fehlenden Legitimität Albrechts, der ja
den gesalbten König getötet habe, die Legitimität des Mordes und folgert
daraus, dass es sich hierbei nicht um ein Verbrechen handele.
Zahlreiche Quellen verdeutlichen, dass die Absetzung eines Tyrannen als
rechtmäßig, ja sogar notwendig und unvermeidbar angesehen wurde und damit
zwangsläufig auch straffrei war. In seinem Werk zum mittelalterlichen
Widerstandsrecht interpretiert Fritz Kern die Argumentation von Warts als "reine
Tyrannuslehre", wonach nicht als Mörder bezeichnet werden könne, wer einen
Gewaltherrscher umgebracht hat, der sich ungesetzlicher Thronerlangung
schuldig gemacht hat.63

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Täter offenbar die Folgen ihrer Tat falsch
einschätzten, ist ein in allen Quellen einheitlich geschilderter Umstand: der
Mord wurde anlässlich eines recht spontanen Anlasses verübt, nämlich dem,
dass aufgrund einer Mitteilung über den derzeitigen Reiseweg der Königin
Albrecht den Entschluss fasste, dieser entgegenzureiten. Ein Ereignis, welches
sicher keine verlässliche Planungsgrundlage für einen Mord darstellte, bei dem
die Täter unerkannt bleiben wollten.

61
Bérenger, S. 69.
62
Neuenburg, Kap. 36, S. 50.
63
Zitiert bei Danuser, S. 105.
Dies spricht entweder gegen ein überlegtes Vorgehen der Täter oder aber
dafür, dass diese keinen Zweifel an der Legitimität ihres Vorhabens hegten.
Nämlich das Reich von einem illegitimen Tyrannen zu befreien. Danuser, der
sich ebenfalls intensiv mit den Motiven der Komplizen befasst hat, lässt hier nur
die erste dieser beiden Varianten zu, wenn er betont, dass die Annahme eines
politischen Kalküls in unserem Sinne eine Unterstellung sei, dass die Tat an
unseren heutigen Maßstäben gemessen mit ziemlicher Sicherheit eine
unüberlegte gewesen sei und dass ein solches impulsives Verhalten typisch für
diese Zeit gewesen sei.64
Für die zweite Variante spricht, dass – außer Johann – keiner der Täter sofort
flüchtete. Die Schilderungen der Chronisten sind hier offenbar unzutreffend,
denn den Urkunden der Komplizen zufolge gingen diese zunächst ihrem
üblichen Lebenswandel nach: Walther von Eschenbach urkundet bereits vier
Wochen nach der Tat und schließt innerhalb von zweieinhalb Jahren nach der
Tat mindestens sieben Verträge ab.65 Rudolf von Wart urkundet fünfeinhalb
Monate66 und Rudolf von Balm sieben Monate67 nach der Tat, alle im
Zusammenhang mit Verträgen (meist Kaufverträgen). Hierdurch wird eindeutig
belegt, dass die Täter auch nach der Tat noch als vollwertige Rechtspartner
anerkannt waren. In diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert ist der
Umstand, dass selbst König Heinrich, der als Nachfolger Albrechts die Täter am
18. September 1309 durch Verhängung der Reichsacht offiziell verurteilt hatte,68
etwa ein Jahr später69 ein Rechtsgeschäft des Walther von Eschenbach
urkundlich bestätigt hat und sich damit in Widerspruch zu seiner eigenen
Ächtungsurkunde setzte.70 Die Reichsacht wurde also nicht nur von den
Vertragspartnern der Täter ignoriert, sondern auch von dem neuen König
Heinrich. Dies wiederum ist nur damit erklärbar, dass die Tötung Albrechts
offenbar nicht als Verbrechen angesehen wurde.

64
Danuser, S. 99.
65
Am 27. Mai, 02. und 15. Oktober 1308, 27. Februar 1307, 29. April 1309, 12. Juli 1309 und
am 04.Oktober 1310.
66
Am 15. Oktober 1308.
67
Am 09. Januar 1309.
68
Heinrich VII.: 1309 September 18 Speyer, 428, in: Urkundenregesten 1292 - 1313, S. 282-283.
69
Am 04. Oktober 1310.
70
Danuser, S. 119.
Aegidius Tschudis Chronicon Helveticum
Allein die Nachricht vom Übergang der Herrschaft auf Albrecht genügte, dass
die drei Kantone Schwyz, Uri und Unterwalden sich zu einem "Schutz- und
Trutzbündnis" zusammenschlossen. Sie grenzten an die habsburgischen
Stammlande im Südwesten des Reiches und mussten ernsthaft damit rechnen,
dass Albrecht in seinem Macht- und Landhunger versuchen würde, sie zu
vereinnahmen.71 Um das Denken der Täter, die ja in diesem Gebiet ansässig
waren, verstehen zu können liefert die 1534 entstandene Chronicon Helveticum
geeignetes Material, da sie ganz und gar aus der subjektiven Sichtweise sowohl
des regionalen als auch des personellen Umfeldes der Täter geschrieben
wurde und im Gegensatz zu den bisher herangezogenen Quellen
antihabsburgisch geprägt ist. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass es
sich aufgrund der zwischen Tat und Entstehung der Chronik verstrichenen Zeit
von 226 Jahren nicht mehr um eine Quelle in eigentlichem Sinne handelt.

Albrecht tritt hier als brutaler, harter, geiziger und habgieriger in jeder
Beziehung übel wollender Tyrann auf und sein gewaltsamer Tod erscheint
schließlich nur als die gerechte Strafe für sein Verhalten gegenüber den
Eidgenossen.72 So erscheint der Bericht über Albrechts barsche Ablehnung der
Erbanforderung Johanns73 nur konsequent, denn Albrecht erweist sich nicht nur
den Landleuten von Uri, Schwyz und Unterwalden gegenüber als ungerechter
König. Er zeigt diese Eigenschaft sogar gegenüber seinem eigenen Neffen.
Tschudi will ihn mit dieser Darstellung besonders stark brandmarken und
konstruiert zwischen dem beginnenden Aufstand und der Hartherzigkeit
Albrechts eine Beziehung: die Bildung eines geheimen Bundes der drei
Waldstätte als Folge der Verhöhnung Johanns durch Albrecht, der ihm auf
seine Bitten um sein Erbe hin lediglich ein Kränzchen als Krone überreicht.74
Tschudi empfand Albrechts Ermordung als verdient und gerecht und deshalb
die nachfolgende habsburgische Blutrache an "all unschuldig redlich Lüt" als
Unrecht.75 Königin Agnes und ihre Brüder hätten tausend Menschen richten und
vertreiben lassen und das Land, Leute und Gut der Täter ungerechtfertigt in ihre
Gewalt gebracht.76 Tschudi bezeichnet den König häufig als Tyrannen und

71
Andics, S. 34.
dessen Regentschaft als Tyrannei. Im Zusammenhang mit dem Mord betont er
darüber hinaus, dass Albrecht schuldig und mit einem Makel behaftet sei, weil
er seinen König 1298 bei Göllheim erschlagen habe: "Es sprach mengklich,
Künig Albrecht hette solchen Tod an sinem frommen Herren und Vorfaren,
Künig Adolfen, verschuldet, der Er one redliche Ursachen wider sin Eid und Eer
vom Rich verstossen und erschlagen hat".77 Durch diesen Makel wird die
Ermordung Albrechts nicht nur gerecht, sondern geradezu zwangsläufig78 und
legitimierte den eidgenössischen Befreiungskrieg. In der Schweizergeschichte
war Albrecht zum personifizierten Bösen, zum Symbol der Freiheitsbedrohung
geworden. Sein Tod gab dieser Charakterisierung die göttliche Bestätigung.79
Der Gedankengang, der das Verbrechen von Königsfelden als gottgewollte
Strafe für das Verbrechen von Göllheim begreift, lässt sich aber bereits in
etlichen früheren Quellen auffinden.80 Mit Königsfelden schloss sich offenbar für
viele ein Kreis, denn das Schicksal eines Frevlers erfüllte sich und erst durch
den Tod Albrechts kamen für viele Zeitgenossen die Dinge wieder in Ordnung.81

Die Nutznießer
Hessel bring es auf den Punkt, wenn er schreibt: "Da ihn der Tod dahinraffte,
klagten nur die Ritter, denen seine fortgesetzten Kriegszüge gewinnreiche
Beschäftigung gebracht hatten. Die Großen des Reichs atmeten auf, wie vom
Alpdruck befreit".82 So wurden den Kurfürsten, die von Albrecht gedemütigt und
entmachtet worden waren, bereits kurze Zeit nach dessen Tod wieder alle
entzogenen Rechte und Einkünfte durch den neuen König zugebilligt,
insbesondere solche aus Zöllen, die Albrecht abgeschafft hatte.83
72
Danuser, S. 1.
73
Tschudi, S. 123f.
74
Tschudi, S. 130. Die Szene mit dem Kranz kommt auch bei Ottokar, Neuenburg und Viktring
vor, wobei nur letzterer überhaupt einen Zusammenhang mit Johanns Verlangen herstellt. Erst
in der ersten bayrischen Fortsetzung der sächsischen Weltchronik wird dieser Zusammenhang
dann zu einer Szene offener Verhöhnung gesteigert, wie auch Tschudi sie darstellt.
75
Danuser, S.1.
76
Tschudi, S. 140f.
77
Tschudi, S. 139.
78
Danuser, S. 3.
79
ibid.
80
Zitiert bei Danuser, S. 104: Osterhofer Chronik, Vitoduran, Neuenburg.
81
Danuser, S. 105
82
Hessel, S. 227.
83
Hessel, S. 223.
Aber nicht nur die Kurfürsten profitierten. Durch Albrechts Tod wurde der
geplante Böhmenfeldzug unmöglich und Böhmen blieb in der Hand Heinrichs
von Kärnten. Und für die Herzöge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein
bedeutete dies, der habsburgischen Fesseln ledig zu sein.84

Besonders für Pfalzgraf Rudolf I., der bei der nunmehr folgenden Königswahl
einer der Anwärter war85, ging mit dem Tod Albrechts eine alte Feindschaft zu
Ende. Bereits durch seine Heirat mit der Tochter König Adolfs 1294 trat Rudolf,
wie Weis es darstellt, "ganz in den Dienst der antihabsburgischen Partei" und
kämpfte später als "treuer Bundesgenosse" Seite an Seite mit Adolf von
Nassau gegen Albrecht bei Göllheim.86 Am 14.10.1300 schloss sich Rudolf dem
oben schon erwähnten, gegen Albrecht gerichteten Bund der drei geistlichen
Kurfürsten87 an. In diesem Zusammenhang ist ein ungesicherter Hinweis
Ottokars in der Reimchronik bemerkenswert, nach dem anlässlich dieses
Bündnisses Rudolf selbst als Kandidat der Königskrone aufgetreten sei.88 Das
Bündnis führte jedoch zu einem Militärschlag Albrechts, dem sich Rudolf am
20.07.1301 unterwerfen musste. Nach Albrechts Ermordung bemühte sich
Rudolf um den Besitz der Königskrone, indem er den böhmischen König und
die Erzbischöfe von Köln und Mainz zu gewinnen versuchte. Hinweise auf
Aktivitäten im Umfeld des Mordes an Albrecht sind den Quellen aber nicht zu
entnehmen.

Weitere Thronanwärter waren der Bruder Philipps IV., Karl von Valois und
der Sohn Albrechts, Herzog Friedrich I. (der Schöne), der aber, wegen der
zurückliegenden Erfahrungen der Kurfürsten mit Habsburg, völlig chancenlos

84
Holzfurtner, S. 67.
85
Ferreto, S. 355.
86
Weis, S. 548.
87
Ebf. Dieter von Trier: 1300 Oktober 14 Niederheimbach, 272, in: Urkundenregesten 1292 -
1313, S. 190.
88
Österreichische Reimchronik, VV 76867-76889, S. 1011f.
"si [die kurherren] wolden in [phalzgrav Ruodolf] ze kunic kiesen [...] mit maniger rede gelfen /
brahten sie daran / den, der sich niht baz versan / daz er sichz an nemen wolde / swenn ez sin
solde."
war.89 Philipp IV. versuchte schon früher seinen Bruder Karl von Valois und
Anjou als Anwärter auf die Kronen von Aragón und Byzanz bei der Kurie ins
Gespräch zu bringen und schon einmal, 1272 hatte der Plan bestanden, Philipp
III. die römisch-deutsche Krone zu verschaffen und so das Reich mit der
kapetingischen Dynastie zu verbinden.90 Jetzt, nach Albrechts Tod, versuchte
Philipp seinen Bruder der Kurie als Thronanwärter zu empfehlen, scheiterte
aber an der Furcht der Kurfürsten vor einem zu starken Nachfolger und an
deren Bedürfnis, sich dem wachsenden französischen Druck zu entziehen.91
Aufgrund von mehreren Bündnissen zwischen Albrecht und Philipp ist ein
aktives antihabsburgisches Verhalten aus dieser Richtung eher
unwahrscheinlich.

Auch Heinrich VII. war Nutznießer von Albrechts Tod, nämlich indem er
schließlich dessen Platz einnehmen konnte. Hier fällt besonders eine Urkunde
vom 12.05.1308 (also elf Tage nach Albrechts Tod) auf, in welcher Heinrich mit
benachbarten Fürsten ein Vereinbarung trifft, die für den Fall gelten soll, dass
"einer der Aussteller zum König von Deutschland gewählt" würde.92 Nach H.
Thomas und anderen soll die Urkunde ohne die Kenntnis von der Ermordung
zustande gekommen sein.93 Es muss zumindest als sehr merkwürdiger Zufall
angesehen werden, dass die einzige von Heinrich vor seiner Königswahl
verfasste Urkunde, bei der die Möglichkeit einer Königswahl eine Rolle spielt,
genau zu dem Zeitpunkt zustande kam, wo – vordergründig völlig
unvorhersehbar – eine Königswahl anstehen würde. Sofern er, entgegen
Thomas' Auffassung, von Albrechts Tod bereits wusste, deutet das darauf hin,
dass Heinrich, auch entgegen anders lautender Chroniken, wohl doch
ausgeprägte Ambitionen auf den Thron hatte. Der Chronist Albert Mussatus
erklärt dagegen, dass nach einem Streit unter den Kurfürsten bei einer
Vorentscheidung eine knappe vier-zu-drei Mehrheit für Heinrich nur deshalb
zustande kam, weil "zwei andere [Kurfürsten] für Heinrich aus Gehässigkeit
gegen die übrigen Wähler und nicht deshalb, weil sie Heinrichs Wahl
wünschten" für diesen gestimmt hätten.94 Auch in der Literatur wird die Wahl

89
Hoensch, S. 30.
90
Hoensch, S. 29.
91
ibid.
Heinrichs überwiegend als große Überraschung angesehen. Die erwähnte
Vereinbarung vom 12.05.1308 spricht jedoch gegen einen Zufall. Falls, wie
Thomas annimmt, Heinrich zu diesem Zeitpunkt von Albrechts Tod noch keine
Kenntnis gehabt haben konnte, wird der Verdacht umso schwerwiegender, da
man sich in diesem Fall fragen müsste, wie Heinrich denn sonst darauf
gekommen war, dass alsbald eine Königswahl anstehen könnte. Zu bemerken
ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Erzbischof Balduin von Trier,
einer der beiden aktiven Befürworter Heinrichs (der andere war der Erzbischof
von Mainz Peter von Aspelt), kein anderer war, als Heinrichs Bruder und dass
dieser seine Einsetzung als Kurfürst durch Papst Clement V. 1307 vor allem
Heinrichs Aktivitäten und Fürsprache zu verdanken hatte. So willkürlich, wie es
zunächst scheint, war die Wahl Heinrichs also möglicherweise doch nicht.
Neben diesen Fakten finden sich allerdings keine direkten Hinweise in den
Quellen darauf, dass Heinrich etwa aktiv Einfluss auf Herzog Johann und seine
Mitverschworenen genommen hätte. Es fällt lediglich die doch recht unübliche
lange Dauer von 16 Monaten zwischen dem Mord und Heinrichs
diesbezüglichem Urteil auf, durch die den Tätern der Rückzug mit Sicherheit
erleichtert wurde und durch die eine in der Sache skeptische, wenn nicht sogar
eine gegen Habsburg gerichtete Haltung Heinrichs zum Ausdruck kommt.
Auch das vergleichsweise recht milde Urteil, mit dem Heinrich "nur" die
Reichsacht, nicht aber, wie bei Anwendung des bekanntlich scharfen
Kaiserrechts zu erwarten gewesen wäre, die Todesstrafe, gegen die Täter
verhängte, ist in diesem Zusammenhang ungewöhnlich. Dies hinterlässt den
Eindruck, die Verurteilung sei eher widerwillig, vielleicht nur auf starken Druck
der Nachfahren Albrechts, zustande gekommen. Wie schon oben erwähnt hat
Heinrich selbst ein Jahr nach dieser Verurteilung ein Rechtsgeschäft des darin
als Täter bezeichneten Walter von Eschenbach urkundlich bestätigt und sich
damit in Widerspruch zu seinem eigenen Urteilsspruch gesetzt.95 Heinrich hat
mit dem Urteil offenbar eine leidige Pflicht erfüllt, wahrscheinlich, um sich, als
noch nicht sonderlich mächtiger König, die immer noch mächtigen Habsburger
nicht zu offenen Feinden zu machen. Trotzdem waren seine politischen
Entscheidungen wenigstens in der Sache antihabsburgisch, denn in der
92
Heinrich VII., Böhmer RI, S. 19-21.
93
Thomas, Sp. 2048; Hoensch, S. 29. Bei beiden mit falschem Datum zitiert.
94
Mussatus, S. 77.
95
Danuser, S. 119.
Erneuerung der Freiheitsbriefe für Uri, Schwyz und Unterwalten kann man eine
Begünstigung der Möglichkeit sehen, dass die dort ansässigen Königsmörder
faktisch gar nicht von der Reichsacht betroffen wären und dass sie sich in
diesen Gebieten sogar gegen die Habsburger hätten behaupten könnten.

Der Eindruck der Milde Heinrichs gegenüber den Tätern verstärkt sich auch
durch die Darstellung Viktrings, nach der sich Johann in Pisa König Heinrich zu
Füßen geworfen und um Vergebung gefleht habe, worauf Heinrich schließlich,
nach einer gewissen Unschlüssigkeit, angeordnet habe, Johann in einem Turm
in lebenslanger Haft zu halten.96 Nach Viktrings Schilderung ist sich Heinrich
wohl zunächst nicht im Klaren gewesen, was er überhaupt mit Johann anfangen
sollte. Nach Neuenburg hat er wohl zunächst sogar mit dem Gedanken gespielt,
Johann überhaupt in Freiheit zu belassen. Nur "aus Rücksicht auf die Herzöge
von Österreich" und weil er ja bereits ein Urteil in der Sache gefällt hatte, an das
er sich wohl gebunden sah, hat er dann anders entschieden.97 Damit wird
deutlich, dass sogar die Schuld Johanns, deren Schwere ja wegen des Mordes
an einem Familienmitglied noch mal erheblich höher eingestuft worden sein
dürfte, als die der Komplizen, umstritten war. Der Grund hierfür kann wiederum
nur in dem bereits dargelegten Umstand liegen, dass die Tötung, wegen
Albrechts Makel von Göllheim, nicht als Mord angesehen wurde, wie auch
Danuser zutreffend feststellt.98

Den Quellen lässt sich ferner eine teilweise deutliche Abneigung Heinrichs
gegen das Haus Habsburg entnehmen. So schildert Ferreto, dass Heinrich
zunächst nur die Überreste Adolfs überführen ließ und diesen, da er am Ort
seines Todes schmucklos bestattet worden sei, in einem silbernen Sarg im
kaiserlichen Tempel von St. Dionys einem Kaiser würdig bestattete. Erst dann
hätten die Söhne Albrechts "aus Eifersucht inständig gebeten, dass gleiche
Ehre den Resten ihres Vaters zuteil werde".99 Dies habe Heinrich mit der

96
Viktring II, S. 50.
97
Neuenburg, S. 58: "Aus Rücksicht für die Herzöge von Österreich übergab er ihn den
Pisanern. Er hatte nämlich schon früher die Mörder Albrechts verurteilt."
98
Danuser, S 107.
99
Ferreto, S. 356.
Begründung abgelehnt, dass Albrecht "in ungerechter Weise mit den Waffen
seinen Herrn überwunden habe".100 Auch Heinrich erkennt damit die Legitimität
Albrechts als König nicht an und zwar mit denselben Argumenten, mit denen
die Mörder versuchten, ihre Tat zu legitimieren. Erst nach unablässigem
Drängen der Söhne Albrechts habe er der Überführung Albrechts zugestimmt,
ließ diesem dann aber nicht die selbe Ehre wie Adolf zuteil werden und
gestattete nur einen Sarg aus Blei, den er auch nicht selbst, wie zuvor bei Adolf,
auf seiner Schulter trug.101

Auch wenn all dies keine direkten Belege für eine Beteiligung Heinrichs sind, so
scheint eine solche aber im Hinblick auf die genannten Sachverhalte –
Vorbereitung einer Königswahl, späte Verurteilung der Täter, milde Urteile,
fehlende Anerkennung Albrechts und Abneigung gegen diesen – zumindest
möglich zu sein.

Weniger bedeutende Personen, als Heinrich und die Kurfürsten, profitierten


ebenfalls von Albrechts Tod. So schildert Neuenburg einen Fall, der sich 1308
kurz vor Albrechts Ermordung abgespielt hatte, nach welchem Albrecht den
Bischof von Basel, Otto von Granson "nicht mit den Regalien belehnen wollte
und auch sonst ihm abgeneigt war". Daraufhin trug der Bischof seine Bitte,
investiert zu werden, bei offiziellem Anlass förmlich vor. Der Bischof war aber
"in der Absicht gekommen, den König zu ermorden, wenn er ihm die Investitur
verweigern würde".102 Nach einer abfälligen Bemerkung Albrechts, die der
Bischof aufgrund fehlender Deutschkenntnisse als Ablehnung interpretierte,
geriet dieser in Zorn, konnte aber vom Übersetzer beschwichtigt werden.
Albrecht, der die Gefahr durch eine Warnung des Übersetzers erkannt hatte,
reiste sofort ab, ohne den Bischof zu investieren.103 Dadurch wurde die
Spannung zwischen dem getäuschten Bischof und Albrecht noch größer.104 Die
Lage änderte sich jedoch mit Albrechts Tod schlagartig: es kam in der Stadt zu

100
ibid.
101
ibid.
102
Neuenberg, Kap. 36, S. 47.
103
ibid.
104
Bernhardi, S. 657-658.
blutigen Auseinandersetzungen und Straßenkämpfen zwischen den Anhängern
Ottos und Albrechts, die für den Bischof siegreich ausgingen. Die Anhänger
Albrechts zahlten Entschädigungen und wurden ausgewiesen. Der neue König
Heinrich erkannte den von Albrecht gedemütigten Bischof umgehend an und
bediente sich diesem als vertrauten Gesandten beim päpstlichen Hofe.105
Ob diese gute Verbindung zwischen Heinrich und Otto, der ja seinen Sitz in der
unmittelbaren Nähe des Aufenthaltes von Albrecht, Johann und dessen
Gefährten hatte, möglicherweise schon früher bestanden hat und über diesen
Weg ein Kontakt zu den Tätern existierte, ist den Quellen nicht zu entnehmen.
Aber der Umstand, dass es nach Albrechts Tod zu Straßenkämpfen zwischen
den Anhängern Ottos und denen des Königs kam, könnte darauf hindeuten,
dass die daran beteiligten Anhänger Albrechts einen kausalen Zusammenhang
zwischen dem Wirken Ottos und dem Tod Albrechts angenommen hatten.

Ergebnis
Nach Danuser war der Mord die Folge eines rein innerhabsburgischen Streites
und wäre es geblieben, wenn Albrecht nicht König gewesen wäre und wenn
Johann seinen Onkel allein getötet hätte. Der Fall sei erst später zum Politikum
geworden, weil durch Albrechts Tod die Entwicklung Habsburgs als
herrschendes Haus empfindlich unterbrochen worden sei und man daraufhin
glaubte, den Tätern auch weitreichende Motive unterstellen zu müssen.106
Auch den Komplizen könne man kein bewusstes politisches Kalkül in unserem
Sinne unterstellen, denn die Tat sei mit ziemlicher Sicherheit eine unüberlegte
gewesen107 und müsse als spontane, impulsive Reaktion auf Albrechts
abschlägiges Verhalten gesehen werden, auch wenn einige Chronisten, wie
Ottokar, von einer Planung der Tat über längere Zeit berichten.

Eindeutig widerlegen lässt sich diese Auffassung mangels handfester Beweise


nicht. Jedoch hat die vorangegangene Untersuchung einige Erkenntnisse
gebracht, aus denen andere Schlüsse gezogen werden können:

105
ibid.
106
Danuser, S. 97.
107
Danuser, S. 99.
 In den Augen vieler Zeitgenossen war Albrecht aus zwei Gründen kein
legitimer König: zum einen weil die Absetzung Adolfs durch die Kurfürsten
ohne Zustimmung des Papstes als inakzeptabel galt und zum anderen weil
Albrecht durch den Gewaltakt des Königsmordes seinen Thronanspruch
durchgesetzt hatte.
 Die von Albrecht unterworfenen und in ihren Rechten empfindlich
eingeschränkten Kurfürsten, waren nur aus einem Grund in diese
demütigende Situation gelangt: sie hatten versucht, Albrecht loszuwerden.
 Der Papst erkannte Albrecht zunächst nicht als König an und schwenkte erst
um, als es hilfreich für seine eigenen Interessen war.
 Auch wenn der gerade achtzehnjährige, möglicherweise naive Johann
ausschließlich aus Rache gehandelt hat, so hatten die übrigen Täter andere
Motive, die ihre eigene – von Albrecht bedrohte – Existenz betraf.
 Diese Mitverschworenen Johanns sind ganz offensichtlich von Straffreiheit
ausgegangen, da sie die Tat nicht als Verbrechen verstanden. Sie führten
ihr bisheriges Leben nach der Tat fort und wurden lange nicht als
Verbrecher behandelt.
 Sowohl die Täter als auch der spätere König Heinrich beriefen sich auf die
fehlende Legitimität Albrechts.
 Mit Ausnahme der Habsburger und ihrer Unterstützer haben alle übrigen
von Albrechts Tod profitiert.

Damit ist klar geworden, dass es wohl für Johann tatsächlich eine reine
Privatsache war, für die übrigen Beteiligten aber, unteren deren Einfluss Johann
stand, war es mit großer Wahrscheinlichkeit ein Tyrannenmord. Auch der neue
König Heinrich VII. und die meisten Chronisten haben diese Auffassung
offenbar geteilt, wenn auch meist nicht konkret ausformuliert. Die Rolle Johanns
bei dem Mord und damit auch dessen Mordmotiv, wurden dann von Chronisten
und der Literatur in den Vordergrund gestellt und die Motive der Beteiligten
bestenfalls am Rande erwähnt. Vielleicht weil die Tatsache, dass einer der
Täter ein Familienmitglied war, einen größeren Unterhaltungswert hatte und
alles andere dagegen eine untergeordnete Rolle spielte.
Dabei ist es eher unwahrscheinlich, dass der noch junge, unerfahrene Johann
die initiative Kraft bei dem Vorhaben war. Plausibler ist die Annahme, dass die
älteren, erfahrenen Freunde Johanns für diesen eine Vorbildfunktion hatten und
so Einfluss auf dessen Handeln ausüben konnten. Johanns Wut, Verzweiflung
und Rachegelüste wurden von den Verbündeten für die eigenen Motive
instrumentalisiert. Und diese eigenen Motive lauteten: die Ursache für die
existenzbedrohende Situation, in welche die Männer sich durch Albrecht
gedrängt sahen, zu beseitigen.
Quellen

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QUELLEN, DOKUMENTE, REZENSIONEN. Mit einem Essay "Zum
Verständnis des Werkes", hg. v. Herbert KRAFT, Reinbek bei Hamburg:
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[ALBERTINO MUSSATUS]: Des Albert Mussatus Kaisergeschichte, in: DAS


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Roland PAULER, Bd. 1, Neuried: Ars Una 1999 (Quellen zur mittelalterlichen
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DIE ZEIT ADOLFS VON NASSAU, ALBRECHTS I. VON HABSBURG,


HEINRICHS VON LUXEMBURG: 1292 - 1313. Urkundenregesten zur Tätigkeit
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DIESTELKAMP, Ute RÖDEL, Bd. 4, Köln: Böhlau 1992 (Quellen und
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Zitiert: Autor: Titel, Nr., in: Urkundenregesten 1292 - 1313, Seitenzahl.

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Albrecht, Heinrich VII: 1273 - 1313, Abt. 4: Heinrich VII.: 1288/1308 - 1313, hg.
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Nachweise

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