Sie sind auf Seite 1von 5

Kai Wegners Berliner Beziehung: Liebespaare sollten nicht zusammen... https://www.nzz.ch/der-andere-blick/kai-wegners-berliner-beziehung-...

DER ANDERE BLICK

Liebespaare sollten nicht zusammen regieren – selbst in Berlin nicht

Der Regierende Bürgermeister der deutschen Hauptstadt, Kai Wegner, hat seine
Beziehung zur Bildungssenatorin öffentlich gemacht. In diesem Fall ist das Private
politisch. Es schadet den beiden verliebten Christlichdemokraten ebenso wie dem Ruf
der Metropole.
Alexander Kissler, Berlin
67 Kommentare
11.01.2024, 05.30 Uhr 3 min

1 von 10 11.01.24, 13:47


Kai Wegners Berliner Beziehung: Liebespaare sollten nicht zusammen... https://www.nzz.ch/der-andere-blick/kai-wegners-berliner-beziehung-...

Ende April 2023 ernannte Kai Wegner (links) Katharina Günther-Wünsch (Mitte) zur
Bildungssenatorin der deutschen Hauptstadt. Rechts im Bild: Finanzsenator Stefan Evers und
Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey.
Emmanuele Contini / Imago

Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen


Newsletter «Der andere Blick», heute von
Alexander Kissler, Redaktor im Berliner Büro
der NZZ. Abonnieren Sie den Newsletter
kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft?
Hier profitieren.

Alexander Kissler ist Redaktor der


NZZ Deutschland.
Angelina Vernetti

2 von 10 11.01.24, 13:47


Kai Wegners Berliner Beziehung: Liebespaare sollten nicht zusammen... https://www.nzz.ch/der-andere-blick/kai-wegners-berliner-beziehung-...

Vor gut acht Monaten wurde Kai Wegner im dritten Wahlgang und womöglich
auch mit Stimmen von Abgeordneten der AfD zum Regierenden Berliner
Bürgermeister gewählt. Der CDU-Politiker stolperte in ein Amt, das er seither
nicht mit Fortune auszuüben versteht.

Die notorisch dysfunktionale deutsche Hauptstadt ist weder erkennbar sicherer


noch sauberer geworden, die Randale an Silvester konnten nur mit einem
Höchstaufgebot an Polizisten einigermassen in Zaum gehalten werden,
gesellschaftspolitisch geben die vom Wähler abgestraften Sozialdemokraten den
woken Takt vor. Und neuerdings macht Kai Wegner fast nur noch mit
Schlagzeilen von sich selbst reden. Seine Liebesbeziehung zur Bildungssenatorin
und erst recht der politische Umgang damit werfen kein gutes Licht auf den
Regierenden Bürgermeister.

Ein bizarres Regelkorsett

Erst als gar zu laut in der Landespolitik getuschelt wurde, bequemte Wegner sich
zu einer Erklärung und machte Anfang Januar das neue Verhältnis öffentlich.
Zuvor hatte er einen Medienanwalt eingeschaltet, an den sich die Presse «bei
allen Angelegenheiten hinsichtlich seiner Privatsphäre» zu wenden habe – ein
unsouveränes Vorgehen, das eher der Einschüchterung denn der Aufklärung zu
dienen schien.

Darauf folgte nun ein bizarres Regelkorsett, mit dem Wegner sich und seine
Partnerin, Senatorin Katharina Günther-Wünsch, an die Kandare nehmen will.
Im Kabinett, dem insgesamt elf Politiker und mehr Frauen als Männer
angehören, soll bei Konflikten gewissermassen ein Mediator zwischen Wegner,
Günther-Wünsch und dem Rest der Ministerriege platziert werden. Mal soll der
Finanzsenator von der CDU vermitteln, mal die Wirtschaftssenatorin von der
SPD, Wegners Vorgängerin Franziska Giffey.

Der Aufwand ist gross, die Praktikabilität der bisher nur mündlich getroffenen

3 von 10 11.01.24, 13:47


Kai Wegners Berliner Beziehung: Liebespaare sollten nicht zusammen... https://www.nzz.ch/der-andere-blick/kai-wegners-berliner-beziehung-...

Vereinbarung fraglich und die Belastung für das Regierungshandeln


offenkundig. Günther-Wünsch und Wegner sind beide künftig in ihrer
Souveränität derart stark beschnitten, dass die oppositionellen Grünen von
einem «Teilzeitbürgermeister mit beschränkter Entscheidungsgewalt» sprechen.

Natürlich: Erwachsene können auf konsensuale Weise den Partner so oft


wechseln, wie sie mögen, und neue Bindungen mit wem auch immer eingehen.
Weder der Arbeitgeber noch der Staat haben das Recht, sich in solche
Lebensentscheidungen einzumischen. Auch Politikern steht ein geschütztes
Privatleben zu.

Der Unterschied ist fundamental

Niemand wünscht sich in Deutschland jenes Klima des Verdachts, wie es etwa in
den Vereinigten Staaten und Grossbritannien heute vorherrscht. Dort müssen
sich Beziehungen allzu leicht vor dem Richterstuhl der politischen Korrektheit
verantworten. Auch betrifft eine neue Partnerschaft die Beteiligten
gleichermassen und gleichberechtigt, hier also die Bildungssenatorin ebenso wie
den Bürgermeister.

Beide haben eingewilligt, beide wussten, was sie taten – wobei man den sechs
Kindern aus den vier bisherigen Beziehungen des Paars nur wünschen kann, dass
sie so wenig wie möglich von der Kontroverse über die eben nicht rein private
Patchwork-Situation ihrer Politik-Eltern mitbekommen.

Weil der Unterschied zwischen der privaten (auch der privatwirtschaftlichen)


und der politischen Sphäre fundamental ist, liegt auf der neuen Liebe kein
Segen. Der Anschein der Befangenheit wird Kai Wegner wie ein Schatten
begleiten. Jeder Euro mehr für das Bildungsressort könnte die Kabinettskollegen
misstrauisch machen, jede Kürzung an anderer Stelle als Kollateralschaden
amouröser Händel erscheinen. Der Küchen- droht zum vorgelagerten
Kabinettstisch zu werden.

4 von 10 11.01.24, 13:47


Kai Wegners Berliner Beziehung: Liebespaare sollten nicht zusammen... https://www.nzz.ch/der-andere-blick/kai-wegners-berliner-beziehung-...

Als oberster Dienstherr einer Landesverwaltung gibt Wegner ausserdem seinen


Beamten ein schlechtes Beispiel. Diese sind auf eine unparteiische
Amtsausübung verpflichtet, zumal im heiklen Verhältnis zwischen Über- und
Untergeordneten. Sollte sich herausstellen, dass Wegner und Günther-Wünsch
bereits vor deren Ernennung zur Senatorin insgeheim eine Beziehung geführt
haben, wäre das Malheur perfekt. Dann stünde der Verdacht im Raum, die
Parteifreundin sei, unbeschadet ihrer Qualifikationen, aus sachfremden
Erwägungen berufen worden.

Das schwarz-rote Berliner Bündnis versprach in seinem Koalitionsvertrag


vollmundig «Das Beste für Berlin». Man wolle einen «Aufbruch» organisieren.
Ein institutionalisierter Interessenkonflikt bringt die ohnehin gebeutelte
Hauptstadt diesem ambitionierten Ziel gewiss nicht näher.

67 Kommentare

Jupp Zupp vor etwa 7 Stunden

Eine Frage am Rande: wenn die beiden ein schwules, lesbisches oder transgender Paar gewesen, am
besten noch verschiedene Hautfarben und mit Unterschenkelamputation, wäre dann der Aufschrei
der gleiche gewesen oder hätte man gesagt: "Na, endlich stehen sie zu ihrer Liebe, toll!". Und
außerdem: ob dort eine Führung arbeitet oder turtelt, spielt in einem failed state keine Rolle.

39 Empfehlungen

Gerd Körner vor etwa 6 Stunden

"In diesem Fall ist das Private politisch. Es schadet den beiden verliebten Christlichdemokraten
ebenso wie dem Ruf der Metropole." Gibt es tatsächlich noch etwas, was dem Ruf der Berliner
Metropole schaden könnte?

26 Empfehlungen

Alle Kommentare anzeigen

5 von 10 11.01.24, 13:47

Das könnte Ihnen auch gefallen