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Wieder einmal hatte ich die Vermessung einer jener Kolonien, die
an Größe manches deutsche fouveräne Fürstentum übertressen, zum
Abschluß gebracht und begab mich num direkt nach Rio de Janeiro,
woselbst wir gerade noch zeitig genug Anker warfen,
um der schwersten Wucht eines wütenden Pampeiro, der in diesen
Breiten häufig ganz plötzlich auftritt, zu entgehen. Derselbe
hatte uns noch dicht vor dem hafen gefaßt und warf das Schiff, das
nur noch am Vormast Segel führte, wie einen Ball zwischen den
rollenden Wogen hin und her.
Nach Maceió ging denn auch zunächst meine Reise und beeilte ich
mich, nachdem ich die allernotwendigsten Vorbereitungen dazu
getroffen, so schnell wie möglich an Bord des "Espirito Santo" zu
kommen, um meiner neuen, mehrere hundert Meilen nordwärts
liegenden Bestimmung entgegenzudampfen.
Wenn man eine längere Seereise antritt, hat man anfangs wenig
Zeit, sich seine Reisegesellschaft näher anzusehen, da jeder
zunächst von seinen eigenen Angelenheiten ausschließlich in
Anspruch genommen wird. Ist jedoch das Gepäck glücklich verstaut,
die Kabine belegt und vor allen Dingen das Schiff in See und somit
von allen teilnehmenden und abschiednehmenden Begleitern
gereinigt, dann erst gewinnt man Zeit, sich diejenigen genauer
anzusehen, die bestimmt sind, auf möglichst engen Raum einige Tage
nebeneinander zu hausen. Wenn schon bei jader Reise die
Reisegesellschaft von wesentlichemm Belang ist, so ist dies bei
einer Seereise geradezu eine Lebensfrage, wo sich bei den
beschränkten Schiffsverhältnissen mit seinen gemeinschaftlichen
Abfütterungen eine schlechte Gesellschaft doppelt fühlbar macht,
während anderseits eine gute Gesellschaft über mancherlei
Unannehmlichkeiten und Fatalitäten, wie sie eine Seefahrt fast
stets mit sich bringt, mit gutem humor hinweghilft.
Mit dem männlichen Geschlecht kommt man in Brasilien ganz gut fort
und finder dasselbe ganz umgämglich, wenn man seine Schwächen
schont - und deren sind sehr viele - und seiner Eitelkeit ein
wenig huldigt - und diese ist sehr groß. Was das "schöne"
Geschlecht anbetrifft, so wird selbst einem alten einsiedlerischen
Junggesellen, wie ich bin, der Umgang mit demselben leicht
gemacht, zumal wenn man, wie ich, seine sechs Fuß in seinen
Stiefeln mißt und demnach die eingebornen Männlein um mehr als
haupteslänge überragt. Da ist denn zunächst unter allen Umständen
dafür gesorgt, daß man gar nicht übersehen werden kann; anderseits
liegt es aber auch gar nicht in der Natur der Brasilianerin, einen
vorpommerschen hünen übersehen zu wollen - dazu ist sie viel zu
wißbegierig. Eigentliche Schönheiten unter ihnen sind freilich
felten, desto häusiger jedoch findet man eine "beauté du diable",
d. h. sie sind appetitlich, wie frische Semmeln, müssen aber auch
genau so genossen werden. Die brasilianischen Frauen teilen dies
Schicksal mit aleen südlichen Weidern: sie blühen früh und welken
schnell. Ihre Bildung ist, verglichen namentlich mit
nordeuropäischen Damen, gleich null, noch nuller, wenn ich mich so
ausdrücken darf, ist aber ihre Fähigkeit, einen hausstand zu
führen, wobei man noch nicht einmal den Waßstab "einer deutschen
hausfrau" anzulegen braucht. Wenn daher ein Deutscher einer
Brasilienerin heiratet, so muß er von vornherein auf die
Unnehmlichkeit eines gemütlichen und vor allen Dingen reinlichen
hauswesens Verzicht leisten. Der Verbrauch von Seife ist
bekanntlich für die kulturentwickelung eines Volkes unter allen
Umständen maßgebend; nun denn, in Brasilien wird wenig Seife
verbraucht und ich bin überzeugt, daß alle diese Annitas,
Theresitas, Dolores u. s. w., welche da unten im Salon in langen
Schleppkleidern einhertänzeln, eine gründliche Prüfung ihrer
Unterkleider nur sehr mangelhaft bestehen würden.
Wer das alles kennt, für den hat der damenreiche Schifffssalon
keinen Reiz. Die ganze herrlichkeit da unten hatte übrigens sehr
bald ein Ende, denn der alte "Espirito Santo" schlingerte und
schwankte so furchtbar hin und her, daß nicht nur fast sämtliche
Damen, sondern auch ein großser Teil der herren von der
Seekrankheit in irhe kabinen getrieben wurden, von woher man nun,
statt des früheren frohen Lachens, nur noch Stöhnen und Wehklangen
hörte.
Die beste Auskunst über den Stand der Seekrankheit an Bord gibt
die Frequenz der Tafel. Wer seekrank ist, thut alles andere lieder
als essen. Und so fanden sich denn am andern Morgen nur sehr wenig
Passagiere an dem gemeinschaftlichen Frühstückstisch ein, darunter
ein Plantagenbesitzer aus der Gegend von Maceió, dessen
Bekanntschaft ich gleich nach meiner Einschiffung gemacht hatte
und der, als er hörte, ich ginge auch nach Maceió, mich zu sich
einlud und dazu bemerkte, er wollte mich seinen Töchtern
vorstellen. Ich sinde es immer ganz nett, wenn ein Vater
liebenswürdige Töchter hat und ihnen Junggesellen meines reifen
Alters zuführt - und bei solcher Bereitwilligkeit soll man kein
Don Juan werden! Außer uns fand sich noch ein kleines rundes
Frauchen, so eine Art kurzer Vierundzwanzigpfünder alter
konstruktion, ein und die krästigen Angrisse, welche sie auf die
verschiedenen Speisen machte, ließ sogleich die Portugiesin
erkennen. Uebrigens sind die Speisen auf einem brasilianischen
Dampfer stets recht gut, werden aber leider meist kalt serviert,
dabei ist die Bedienung überflüssig zahlreich, aber
nichtsdestoweniger höchst mangelhaft; das allgemeine Leiden in
Brasilien.
Da Bahia nur eine Station für uns ist, wo einzelne Passagiere das
Schiff verlassen, andere die Lücken wieder füllen und Güter aus
und ein geladen werden, die Jahrt selbst aber am andern Morgen
weitergeht, so verlßt eigentlich niemand das Schiff auf längere
Zeit und höchstens um einige Einkufe zu machen. Wozu auch? Die
Gemütlichkeit in unserem Salon ist dem Schmutz und Stand der
fremden Stadt bei weitem vorzuziehen. Bald hat sich auch eine
Schöne des klaviers bemächtigt, präludiert und stimmt mit einer
Stimme so dünn wie ein Zwirnfaden ein allgemeines Lied an, das von
einer Schar junger Mädchen bereitwillig auf genommen wird. Zwar
waren die kehlen noch etwas angegriffen und die Stimmchen ähnelten
den Singemäuschen, aber das hat nichts zu sagen, sie sind zwar
schlechte Musikanten, aber gute Mädel und sie amüsieren sich doch
dabei. Ach, und morgen geht's wieder in die wogende See und dann
ist wieder Spiel und Tanz vorbei - denn die arge will ihr Opfer
haben!
Anderen Tags früh 5 Uhr rasselten denn auch die Anker wieder in
die höhe und eine Stunde darauf ist das Schiff wieder ein Lazarett
und wo noch kurz vorher Scherz und Lachen ertönte, da hört man
jetzt wieder nichts als und weh.
Bei dieser Bemühung machte ich die Bekanntschaft des Señhor Mendo,
eines Photographen von Rio, der bereits tags vorher mit dem oben
genannten "Santos" hierselbst angekommen war und welcher die
Absicht hatte, die berühmten Wasserfälle des Sao Francisco zu
besuchen, um deren Aufnahmen zu machen. Wir hatten demnächst ein
Reiseziel und da uns beiden eine Reisegesellschaft gleich
willkommen war, so beschlossen wir, die Reise gemeinschaftlich zu
machen. Señhor Mendo war ein weitgereister und gebilbeter Mann und
in seinem Fache ein künstler ersten Ranges, wie die Proben seiner
Thätigkeit, die ich dem geehrten Leser vorzulegen in der Lage bin,
hinreichend beweisen, und es sei hier gleich gesagt, daß dieser
herr sehr bald mein guter Freundwurd und bei allen dienstlichen
und außerdienstlichen Ausflügen, die ich später machte, mein
steter Begleiter war.
Zwar nun hier unter den Tropen (am 16. September 1880 hatten
wir + 30ºC. In Schatten) kann man sich dennoch keine trostlosere
Gegend vorstellen: keine Palme, keine Banane spendet uns Schatten
und só ertragen wir hier alle Leiden der Tropen, ohne deren
Annehmlichkeiten teilhaftig zu werden.
Nun wird der geneigte Leser mit Recht fragen dürfen: wovon
Leben die Leute hier eigentlich? Nun denn, Fleisch und Milch gibt
es hier reichlich, wenn auch kein Mensch vom Buttermachen eine
Abnung hat, und das Mehl zum Brot wird importiert resp. im
Trauschhandel gegen Felle erworben. Als eine recht passable
Industrie kann die Anfertigung von Lederkleidungsstücken und hat
man es hier darin zu einer sehr respektablen Fertigkeit gebracht.
So ein kompletter und vorzüglich gearbeiteter Lederanzug mit
Stiefeln kostel nach deutschen Geld, je nach Qualität, bis 50 Mk.,
notabene, wenn man einen solchen Anzug hier kauft und ihn sofort
an Ort und Stelle anzieht. Wollte es dagegen einem anzieht. Wollte
es dagegen einem nun einfallen, derartige Anzüge in Masse
anfertigen zu lassen, um sie dann irgendwohin zu exportieren, só
müßte sofort eine hohe Exportsteuer gezahlt werden, welche
mindestens 100% des Einkaufspreises beträgt, so daß ein Anzug
dann, da nun noch die Transporttosten und der Verdienst daruf
geschlagen werden müssen, auf 150 Mark steigen müßte. So wird denn
den armen Leuten sauer und fast unmöglich gemacht.
Der geneigte Leser mag daraus ersehen, daß man hier unter
allen Umständen sein Geld los wird daß selbst der höchste
Verdienst in keinem Verhältnis zu den Ausgaben steht. Wie
glücklich ist dagegen der biedere Deutsche, der an seinem
Stammtisch sein kühles Seidel trinkt und dafür 15 Pfennige erlegt!
Tradução
No nordeste do Brasil.
O leitor inclinado pode ver com isso que se livra de seu dinheiro
em todas as circunstâncias, que mesmo os ganhos mais altos são
desproporcionais às despesas. Por outro lado, quão feliz é o
alemão honesto que bebe seu Seidel fresco em sua mesa normal e
arremessa 15 pfennigs por ele!