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GESCHÄFTSBERICHT

2019 – 2022
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Geschäftsbericht . . . . . . . . . . . . . . . 3 5. Arbeit der Fachbereiche. . . . . . . . . . . . . . 49

1. Mit vereinter Kraft. . . . . . . . . . . . . . . . . 4 6. Arbeit von Frauen- und


Corona-Pandemie, Klimakrise und Krieg – Gleichstellungspolitik, Gruppen
Neujustierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 und Arbeitskreisen. . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Auf das Mitglied kommt es an . . . . . . . . . . . . . 9 Arbeitskreis Behindertenpolitik . . . . . . . . . . . . . 53
Arbeitskreis Regenbogen . . . . . . . . . . . . . . . . 55

2. Arbeitsbedingungen gestalten. . . . . . . . . . 11
Tarifpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 7. ver.di weiter entwickeln. . . . . . . . . . . . . . 57
Mitbestimmung in Betrieben, Einrichtungen Tarifpolitische Grundsatzfragen
und Verwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 und Tarifkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Umgang mit der Corona-Pandemie . . . . . . . . . . . 18 Tarifsekretariat öffentlicher Dienst . . . . . . . . . . . 63
Transformation, Gute Arbeit und Digitalisierung . . . . 21 Vertrauensleute- und Betriebsarbeit . . . . . . . . . . 65
Klimaschutz, Energieversorgung Arbeitskampforganisation . . . . . . . . . . . . . . . 67
und Mobilitätswende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Gewerkschaftlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . 68
Dienstleistungspolitik und Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
Dienstleistungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . 27 und Bildungszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Rechtspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . 72
Frauen- und Gleichstellungspolitik . . . . . . . . . . . 31 Mitgliederentwicklung und Mitgliederleistungen . . . . 74
Europapolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Organisationsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . 76
Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 77
Personalentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3. Gesellschaft gestalten. . . . . . . . . . . . . . . 35 Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Sozialstaat und Sozialversicherungen . . . . . . . . . . 36 Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen . . . 39 Revisionskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Kontroll- und Beschwerdeausschuss . . . . . . . . . . 86
Demokratie und Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . 44 Satzung, Richtlinien und Fachbereichsstatuten . . . . . 88
Organisationswahlen 2022/2023 . . . . . . . . . . . . 90

4. Arbeit des Gewerkschaftsrates. . . . . . . . . . 46


Arbeit des Gewerkschaftsrates . . . . . . . . . . . . . 47 Bildnachweise Geschäftsbericht / Impressum . . . . . . 92

INHALTSVERZEICHNIS 2
Vorwort Geschäftsbericht
Liebe Kolleg*innen, Beim Kampf gegen die Folgen der insbesondere durch .
die Energiekrise ausgelösten Inflation hat ver .di soziale
die 5. ordentliche Amtszeit der ver.di-Gremien war durch Komponenten in die Entlastungspakete der Bundesregie-
Krisen und Konflikte geprägt, deren Bewältigung viel von rung eingebracht . Wir konnten die gewerkschaftliche
uns als Gewerkschaft und unserer Mitglieder abverlangt Forderung einer Energiepreisbremse durchsetzen .
hat. Ab dem Frühjahr 2020 war die Corona-Pandemie mit
Lockdowns, Kurzarbeit, Kontaktbeschränkungen und Dass wir für eine offene, demokratische Gesellschaft
Impfdebatten sowie vielen weiteren Aspekten prägend. eintreten, in der die Energiewende konsequent vorange-
Viele Mitglieder in den von ver.di organisierten Branchen trieben wird und dabei zwingend sozial ausbuchstabiert
waren in besonders starkem Maße gefordert und ihr werden muss, haben wir unter anderem mit den Kund-
Einsatz hat gezeigt, wie unverzichtbar diese Arbeit für gebungen für einen solidarischen Herbst zusammen mit
das Gemeinwesen ist. Oftmals wurden dabei zumutbare anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen gezeigt .
Belastungsgrenzen überschritten. Die eklatanten Hand- Wir haben in der Tarifarbeit neue Wege hin zu einer
lungs- und Investitionsdefizite in der Daseinsvorsorge sind breiteren Beteiligung und unmittelbareren Kommunikation
offen zu Tage getreten – nicht nur im Gesundheitswesen. eingeschlagen . Das hat zu einer breiten Beteiligung an
Klatschen allein reicht als Lohn für den Einsatz der Arbeitskämpfen und einer neuen Dynamik gewerkschaft-
Beschäftigen nicht aus, daher kämpft ver.di für eine gute lichen Handelns beigetragen . Es ist uns gelungen, auch
Bezahlung und notwendige Entlastungen. in neuen Bereichen wie FinTechs und Social Media-Kon-
zernen mit Betriebsratsgründungen Fuß zu fassen . Auch
Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine konnten wir beispielsweise im Bankenbereich tariflose
dauert seit Februar 2022 an. Er fordert Menschenleben Unternehmen erstmals in die Tarifbindung bringen .
und bringt unendliches Leid, Gewalt und Zerstörung mit Unsere Gewerkschaftsarbeit ist digitaler geworden . Wir
sich. Unsere Solidarität gehört den betroffenen Menschen nutzen dies in unserer Mitgliederkommunikation nicht
in der Ukraine und allen Menschen, die von Krieg, Gewalt zuletzt mit dem Auf- und Ausbau von „meine ver .di“ .
und Flucht betroffen sind.
Mit dem Projekt „Perspektive ver .di wächst!“ haben
Wir haben als ver.di in diesen herausfordernden Zeiten wir die Neuaufstellung von individueller und kollektiver Frank Werneke Martina Rößmann-Wolf
zusammengehalten, beharrlich gearbeitet und vieles Mitgliederarbeit in nunmehr allen zehn Landesbezirken Vorsitzender Vorsitzende des Gewerkschaftsrates
erreicht. Mit dem digitalen Format „ver.di wählt“, haben vollzogen und wir haben die Fachbereiche neu aufgestellt .
wir unsere Positionen aktiv in den Bundestagswahlkampf In beiden Prozessen ist uns dies trotz der Kontaktein-
eingebracht. Bei den im Zuge der Corona-Pandemie auf schränkungen während der Corona-Pandemie in den
den Weg gebrachten Maßnahmen haben wir auf den angestrebten Zeitplänen gelungen . Der Dank hierfür gilt
unterschiedlichen politischen Ebenen erfolgreich Einfluss den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kolleg*innen,
genommen, an Unterstützungsprogrammen mitgewirkt die sich auf diesen nicht immer ganz einfachen Weg
und tarifliche Regelungen zur Aufstockung von Kurz- gemacht und an den Entwicklungen mitgewirkt haben .
arbeitsgeld durchgesetzt.

VORWORT ZUM GESCHÄFTSBERICHT 3


1.
Mit
vereinter
Kraft. 4
1.1
Corona-Pandemie, Klimakrise und Krieg –
Neujustierungen
Perspektiven nach dem Corona-Pandemie freiheit und den ungleich verteilten sozialen Risiken der
Wirtschaftskrise ganz zu schweigen. Beschäftigte in
Bundeskongress 2019 Im Winter 2019/2020 verbreitete sich das neuartige befristeten Arbeitsverhältnissen wurden entlassen, die
SARS-CoV-2-Virus, kurz: Corona, zunächst innerhalb Ersparnisse nicht nur von abhängig Beschäftigten, sondern
Unmittelbar nach dem 5. ver.di-Bundeskongress hat Chinas. Durch globale Produktionsnetzwerke sowie auch Selbstständigen vielfach aufgezehrt.
ver.di in einer Halbzeitbilanz der großen Koalition mehrere internationale Waren- und Tourismusströme konnte es sich
Vorhaben angemahnt und deren Umsetzung in der weltweit verbreiten. Seit März 2020 kletterte die Zahl der Die Weltwirtschaft war im Krisenmodus. Die Produktion
Folgezeit aktiv begleitet. Dazu gehören die Nachunter- Infizierten und der an und mit dem Virus Gestorbenen ging zurück, da Vorprodukte nicht mehr geliefert wurden,
nehmerhaftung in der Paketzustellung, der Ausbildungs- rund um den Globus in rasender Geschwindigkeit. die Verkehrsinfrastruktur nur eingeschränkt funktionierte,
mindestlohn, die Stabilisierung des Rentenniveaus sowie Aufträge wegbrachen und die Belegschaften geschützt
Tarifregelungen in der Altenpflege. Auch ein Digitalisie- Staaten reagierten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit werden mussten. Hier zeigte sich, wie verletzbar globale
rungstarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Bundes auf die Bedrohung durch das Virus. Die nationalen Wertschöpfungsketten sind. Das globale Sozialprodukt
wurde angeschoben. Gesundheitssysteme waren auf einen Ansturm schwer schrumpfte im Jahr 2020 um drei Prozent.
kranker Patient*innen nicht vorbereitet. Immer mehr
Im Fokus stand weiter das Klimapaket der Bundesregie- Länder ergriffen Maßnahmen, die das Infektionsgeschehen Unterbrechungen in den globalen Lieferketten trafen auch
rung, mit dessen Maßnahmen die Klimaziele 2030 erreicht bremsen sollten, um Zeit für die Entwicklung eines Bereiche wie Medizin- und Hygieneprodukte. Die Beschäf-
werden sollten. ver.di hat dazu im November 2019 ein Impfstoffs zu gewinnen. tigten im Gesundheitswesen, wie auch in vielen anderen
Positionspapier vorgelegt hat, das im politischen Raum viel Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, sahen sich zu den
Beachtung fand. Am 13. März 2020 brachten die Bundesregierung und gesundheitlichen Risiken auch enormen Arbeitsbelastun-
die Ministerpräsident*innen der Länder weitreichende gen ausgesetzt.
Das wirtschaftspolitische Umfeld war günstig. Seit der Maßnahmen auf den Weg, die das öffentliche und
Eurokrise wuchs die deutsche Wirtschaft, wenngleich wirtschaftliche Leben zum weitgehenden Stillstand Die Politik auf Bundes- und Länderebene war im Anti-
mit moderatem Tempo. Die Arbeitsmarktlage hatte sich brachten. Teilweise mussten Schulen, Theater, Museen Krisenmodus. Allein zwischen Mitte März und Juni 2020
verbessert. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg und die sowie Restaurants, Kneipen und Hotels schließen. gab es 47 Gesetze, Rechtsverordnungen oder vergleich-
Arbeitslosigkeit schrumpfte. bare Maßnahmen, bei denen sich ver.di politisch einge-
Über die Beschäftigten im Gesundheitswesen hinaus bracht hat.
Die Inflation war auf niedrigem Niveau. In den Jahren waren viele weitere Beschäftigte wie Verkäufer*innen,
2019 und 2020 konnten die Gewerkschaften kräftige Zusteller*innen, Erzieher*innen oder Reinigungskräfte am Für die Betriebs- und Tarifpolitik war die pandemische
Reallohnzuwächse durchsetzen. Mit der Corona-Pandemie Arbeitsplatz und auf dem Weg dahin hohen Ansteckungs- Situation ausgesprochen schwierig. Betriebs- und Personal-
im Frühjahr 2020 jedoch änderten sich die gesellschaft- risiken ausgesetzt. Zugleich erlebten viele Beschäftigte versammlungen, kollektive Zusammenkünfte waren kaum
lichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen grund- Fluch und Segen der Arbeit im Homeoffice – mangelnde möglich. Unter diesen widrigen Umständen für tarifpoli-
legend. Netzgeschwindigkeit, Selbstausbeutung und Doppelbelas- tische Auseinandersetzungen zu mobilisieren, war eine
tungen durch Homeschooling sind hier die Stichworte. neue Herausforderung, der sich ver.di auch unter Einsatz
Von den ungleichen Folgen eingeschränkter Bewegungs- digitaler Elemente konstruktiv gestellt hat.

MIT VEREINTER KRAFT 5


Es konnten respektable und gute Regelungen zum Schutz die Energieversorgung und Entsorgung, die IT-Strukturen Hälfte Geldvermögen. Das reichste ein Prozent besitzt
der Beschäftigten vor Kündigung, zur Aufstockung von und den gesamten öffentlichen Sektor zusammenge- ein Drittel davon, das reichste Zehntel etwa zwei Drittel.
Kurzarbeitergeld und zur tarifpolitischen Teilhabe am brochen. Die Pandemie verschärfte die soziale Ungleichheit.
wirtschaftlichen Fortschritt erreicht werden. Mit einem
echten Kraftakt konnten in der Hochphase der Pandemie Viele Bereiche der Daseinsvorsorge leiden unter Personal- Die Corona-Pandemie belastete die öffentlichen Haushal-
im Herbst 2020 die Tarifrunden bei der Deutschen Post AG mangel und Investitionsstau und sind chronisch unter- te. In der Krise stiegen die Ausgaben und die Steuerein-
und im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen finanziert. Die Beschäftigten arbeiten vielfach unter nahmen sanken stärker als die Wirtschaftsleistung. Die
aktiv gestaltet und zu vorzeigbaren Abschlüssen geführt prekären Bedingungen und haben niedrige Einkommen. Schuldenquote – der Anteil der Staatsverschuldung am
werden. Mit 22.841 Eintritten war der Oktober 2020 bis Dass die Versorgung mit Grundgütern in der Corona- Sozialprodukt – kletterte von 58,9 (2019) auf 68,6 Prozent
dato der Monat in der ver.di-Geschichte mit der höchsten Pandemie trotzdem noch funktionierte, hing nicht zuletzt (2021).
Eintrittszahl überhaupt. damit zusammen, dass viele dieser Berufsgruppen ein
ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein haben.
Antikrisenpolitik
Bundestagswahl unter
Die Große Koalition reagierte mit einer entschlossenen Die Corona-Pandemie zeigte aber auch die Lücken der Pandemiebedingungen
Antikrisenpolitik. Kurzarbeit wurde erleichtert, wodurch sozialen Sicherungssysteme: Soloselbstständige, Minijob-
Massenentlassungen verhindert und Beschäftigte finanziell ber*innen, Teilzeitbeschäftigte, Auszubildende, Studieren- Die Lehren aus der Corona-Pandemie waren in weiten
abgesichert wurden – wenngleich vielen Geringverdienen- de, Hartz-IV-Empfänger*innen und Alleinerziehende, auch Teilen prägend für die Akzente, die ver.di im Bundestags-
den der Gang zum Sozialamt nicht erspart wurde. Obdachlose waren nicht ausreichend sozial abgesichert. wahlkampf 2021 gesetzt hat. Grundlegende Anforde-
rungen an die Gestaltung von Arbeit und Arbeitsbedin-
Ein 600 Milliarden schwerer Rettungsfonds für Unterneh- Verteilungsfragen gungen, an einen modernen Sozialstaat, an den sozial-
men wurde eingerichtet und der Garantierahmen der Bereits vor der Corona-Krise waren die Einkommen und ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, an
staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhöht. Vermögen sehr ungleich verteilt. Das Nettovermögen die Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik wurden durch
Diese Kredite, Staatsgarantien und Teilverstaatlichungen belief sich 2019 auf fast 14 Billionen Euro, davon ist die die Erfahrungen der Krise bekräftigt.
verhinderten eine große Pleitewelle.

Für Kleinunternehmer und Selbstständige wurde ein


50 Milliarden Euro umfassender Solidaritätsfonds bereit-
gestellt, aus dem Soforthilfen bis zu 15.000 Euro für
Soloselbständige und Kleingewerbetreibende gezahlt
wurden. Darüber hinaus schnürte die Bundesregierung
das Sozialschutz-Paket I.

Für diese und einige weitere Maßnahmen im Kampf gegen


die Corona-Pandemie mobilisierte die Bundesregierung
insgesamt über eine Billion Euro. Dies entsprach einem
Drittel der deutschen Wirtschaftsleistung. Schwarze Null
und Schuldenbremse waren erst einmal ausgesetzt.
Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz stellte
ein 130 Milliarden schweres Konjunkturpaket bereit.

Daseinsvorsorge und soziale Sicherung


Die Corona-Pandemie rückte neben dem Gesundheits-
wesen die gesamte Daseinsvorsorge – ob öffentlich oder
privat – in das Scheinwerferlicht und hat das gesellschaft-
liche Bewusstsein für die Systemrelevanz zahlreicher
von ver.di organisierten Branchen befördert. Das gesell-
schaftliche Leben wäre ohne den Handel, die Logistik,

MIT VEREINTER KRAFT 6


Es war allerdings auch eine Bundestagswahl unter Pande- Russlands Angriff auf
miebedingungen, in der weiterhin empfindliche Kontakt-
beschränkungen galten. Dies erforderte auch neue die Ukraine und die Folgen
Ansätze, sich in den Wahlkampf einzubringen. Mit dem
Format „ver.di wählt“ hat sich ver.di in fünf Themen- Der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar
wochen zwischen Mai und September in den Wahlkampf 2022 bedeutete das Ende der bisherigen europäischen
eingemischt – mit, soweit dies möglich war, Aktionen vor Sicherheits- und Friedensordnung. Er ist ein eklatanter
Ort, und mit zahlreichen Videoformaten und Livestreams Bruch des Völkerrechts, der territorialen Integrität und des
mit betrieblichen Akteur*innen, Politiker*innen der demo- Selbstbestimmungsrechts der Menschen in der Ukraine
kratischen Parteien erhielten Gelegenheit, sich zu den und wurde von ver.di als ein durch nichts zu rechtfertigen-
Anforderungen von ver.di zu verhalten, aber auch in den der Krieg verurteilt.
direkten Dialog mit ver.di-Mitgliedern zu gehen. Allein
über die 14 Livestreams konnten jeweils zwischen rund Nur wenige Tage nach dem Beginn des russischen
7.000 und 14.000 Personen erreicht werden. ver.di hat mit Angriffskrieges rief ver.di am 27. Februar 2022 mit einem
Blick auf die Wahlprogramme der demokratischen Parteien breiten gesellschaftlichen Bündnis in Berlin zur größten
Positionspapiere erstellt und Gespräche geführt. Friedensdemo in Deutschland seit dem Irak-Krieg 2003
auf. Nahezu zeitgleich verkündete Bundeskanzler Olaf
Das Bundestagswahlergebnis hatte aus Sicht von ver.di Scholz eine „Zeitenwende“. Er kündigte ein 100 Milliarden
Licht und Schatten. Die AfD verlor zwar leicht, konnte sich Euro umfassendes Sondervermögens für die Bundeswehr
aber in mehreren Wahlkreisen stabilisieren. Gesellschafts- an und die Absicht, das 2-Prozent-Ziel der NATO dauerhaft
politisch enthält der von SPD, Bündnis 90/Die Grünen zu erfüllen – was ver.di scharf kritisierte und sich gegen
und der FDP geschlossene Koalitionsvertrag progressive eine Verengung der Debatte auf militärische Lösungen des
Lichtblicke, beispielweise bei Kinderrechten, in der Krieges aussprach. Zudem warnte ver.di davor, dass dies
Bildungspolitik oder beim Einwanderungsrecht. Positiv zulasten notwendiger Investitionen in soziale Sicherheit
auch die Hinterfragung des kirchlichen Arbeitsrechts, die und öffentliche Daseinsvorsorge geht.
Stabilisierung des Mindestrentenniveaus bei 48 Prozent
und vor allem die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Der Krieg hat Tod, Zerstörung und unermessliches Leid
Euro zum 1. Oktober 2022 – politische Maßnahmen, über die Menschen gebracht und die intensiven Kämpfe
die sich auch dem Engagement von ver.di und den DGB- dauern an. Über acht Millionen Menschen sind seit Beginn
Gewerkschaften im Wahlkampf verdanken. Allerdings: des Krieges aus der Ukraine in andere europäische Länder
Mit einer im Kern weiterhin neoliberalen FDP gibt es in geflohen, davon waren bis Ende 2022 etwas über eine
der Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik keinen Fort- Million in Deutschland registriert. Dass die Europäische der Industrie zu verhindern. Das teure Öl und Gas
schritt in Sachen Verteilungsgerechtigkeit und Stärkung Union und ihre Mitgliedsstaaten die Grenzen für die reduzierte die Kaufkraft der Haushalte und erhöhte die
der staatlichen Einnahmeseite. Dies und das Festhalten Flüchtenden von Anbeginn offen gehalten haben, hat Energiekosten der Unternehmen. Die Einfuhr von Öl,
an der Schuldenbremse sind die Achillesferse sämtlicher ver.di begrüßt. Vor Ort, in den Betrieben und Dienststellen Gas und Kohle aus dem Ausland kostete die deutsche
notwendiger Zukunftsinvestitionen und Verbesserungen wurde und wird viel praktische Hilfe geleistet. Die Unter- Volkswirtschaft 2022 mehr als fünfmal so viel wie im
in der öffentlichen Daseinsvorsorge und Sozialpolitik. bringung und Versorgung der Geflüchteten stellte die Vorjahr.
Kommunen vor große Herausforderungen.
Unterdessen braute sich an den Grenzen der Ukraine mit Inflation
den immer massiveren russischen Truppenaufmärschen Der russische Angriff auf die Ukraine hatte auch eine Die Energiekrise verursachte eine starke Inflation. Allein
etwas zusammen, das eine Zäsur in der europäischen schwere Energiekrise zufolge. In Reaktion auf die wirt- Im Jahr 2022 stiegen die Preise im Durchschnitt um acht
Nachkriegsgeschichte einläuten sollte. schaftlichen Sanktionen und die militärische Unterstützung Prozent. Die Hälfte der Inflation ging auf höhere Öl-,
der Ukraine stoppte Moskau schrittweise die Gaslieferun- Gas- und Benzinpreise zurück, wobei allein der Gaspreis
gen in die EU. Das rückläufige Gas- und Ölangebot ließ ein Drittel des Preisschubs ausmachte. Die Bundesregie-
weltweit die Energiepreise explodieren. Bis in den Winter rung ersetzte schrittweise russisches Gas durch teures
2022/2023 hinein war unklar, ob die Bundesregierung Flüssiggas aus Katar und den USA. Auch die Lebensmittel-
hinreichend Gas beschaffen kann, um eine Rationierung preise zogen stark an.

MIT VEREINTER KRAFT 7


Die Inflation hat eine starke soziale Schieflage, sie trifft Planungssicherheit. ver.di hat in der Expert*innenkommis- Regierung steht dabei der klimagerechte Umbau der
die Mittel- und Unterschicht härter als die Oberschicht. sion der Bundesregierung an der Entwicklung der entspre- Industrie. Letzteres ist richtig, reicht aber nicht aus. Vier
Familien mit niedrigeren und mittleren Einkommen chenden Mechanismen mitgearbeitet, aber immer auch Fünftel der Wertschöpfung der Volkswirtschaft findet in
müssen anteilig an ihrem Einkommen deutlich mehr für deutlich gemacht, dass die pauschalen Bremsen sozial Dienstleistungsbranchen statt. Dort arbeiten drei von vier
Benzin, Heizen und Nahrungsmittel ausgeben. Menschen unausgewogen sind: Menschen mit hohem Einkommen Beschäftigten. Daseinsvorsorge und Sozialstaat sind für
mit hohem Einkommen spüren hingegen die steigenden und Vermögen werden genauso entlastet wie Menschen die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes
Preise kaum. mit niedrigem Einkommen. zentral. Industrie einerseits sowie Dienstleistungen,
Daseinsvorsorge und Sozialstaat andererseits dürfen nicht
Das beste Rezept gegen steigende Lebenshaltungskosten Die Bilanz der rot-grün-gelben Entlastungspolitik fällt gegeneinander ausgespielt werden.
sind kräftige Lohn- und Gehaltszuwächse. Im Jahr 2021 daher gemischt aus. Menschen mit niedrigen Einkommen
stiegen die Tariflöhne nur um 1,7 Prozent. Folglich und Transferempfänger*innen wurden zwar entlastet. Das Der sozial-ökologische Umbau kann das Leben der
mussten die Beschäftigten – bei 3,1 Prozent Inflation – neue Bürgergeld ist aber immer noch zu niedrig und nicht Menschen verbessern, wenn es gelingt, ihn sozial gerecht
einen Reallohnverlust von 1,4 Prozent hinnehmen. Das dem tatsächlichen Bedarf entsprechend. Umverteilung von zu gestalten. Dafür sind allerdings erheblich höhere
geringe Tariflohnplus war dem schwierigen wirtschaft- starken auf schwache Schultern hat nicht stattgefunden, öffentliche und private Investitionen erforderlich. Die
lichen Umfeld der Pandemie geschuldet. Millionenfache die Entlastungen wurden nach dem Gießkannenprinzip öffentliche Daseinsvorsorge und der Sozialstaat bilden
Kurzarbeit, wachsende Arbeitslosigkeit und unsichere ausgeschüttet und reichen gerade für Menschen mit dabei ganz wesentliche Bestandteile einer sozial gerechten
wirtschaftliche Zukunftsaussichten schwächten die wenig Geld nicht aus. Einkommensstarke Haushalte Transformation, gerade sie gilt es daher auszubauen und
gewerkschaftliche Verhandlungsmacht. werden entlastet, obwohl sie keine Entlastung benötigen, zu modernisieren. Um die notwendigen Zukunftsinvestitio-
um über die Runden zu kommen. Ein Abschöpfen der nen stemmen zu können, bedarf es einer Abkehr von der
In einigen Branchen konnten die Gewerkschaften die Krisengewinne beispielsweise der großen Ölkonzerne Schuldenbremse. Und um die öffentliche Daseinsvorsorge
sinkende Kaufkraft durch steuer- und abgabenfreie mittels einer Übergewinnsteuer gibt es nicht. dauerhaft auskömmlich auszustatten, bedarf es einer
Corona-Prämien ausgleichen. Einmalzahlungen erhöhen gerechteren Steuerpolitik, die sehr hohe Einkommen und
das Lohnniveau aber nur kurzfristig. Tariflohnzuwächse Vermögen und Erbschaften angemessen an der Finanzie-
schützen nur dann effektiv vor Inflation, wenn sie tabellen-
Ausblick – rung des Gemeinwesens beteiligt.
wirksam sind. Krisenbewältigung
Für eine solche Zukunft, nachhaltig, mit hoher Lebensqua-
In den Tarifrunden 2022 an den Flughäfen, bei der Post- mit Zukunftsgestaltung lität, gesellschaftlichem Zusammenhalt und gerechterer
bank, im privaten Verkehrsgewerbe und bei den Sozial- verbinden Verteilung setzt ver.di sich mit der Kraft der Mitglieder ein.
und Erziehungsberufen konnte ver.di Lohnzuwächse
zwischen fünf und acht Prozent erstreiten. Seit Beginn der Corona-Pandemie konzentrierten sich die
Aktivitäten der Regierungen vorrangig auf Krisenbewälti-
Um angesichts anhaltend hoher Preise vor allem für gung. Die Abfederung wirtschaftlicher Härten für die
Heizkosten und Lebensmittel vor allem Menschen mit Bevölkerung und die Stabilisierung der Konjunktur standen
niedrigen Einkommen zu entlasten, ist auch die Politik im Vordergrund. Dabei wurden teils auch Zukunftsinvesti-
gefordert. Die Ampel-Koalition hat in der Energiekrise drei tionen wie in Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und
Entlastungpakete geschnürt. Dabei wären zum Beispiel die Digitalisierung ausgeweitet, deren Ausmaß jedoch weit
Energiepreisbremsen ohne den Druck von ver.di und hinter den gesellschaftlichen Bedarfen zurückblieb. Auf die
Bündnisorganisationen nicht zustande gekommen und sinkenden, schließlich ausbleibenden Öl- und Gaslieferun-
auch die Summe der Entlastung wäre geringer gewesen. gen aus Russland hat die Ampel-Regierung mit Maßnah-
men zur Sicherung der Energieversorgung reagiert, die
So gab es Einmalzahlungen und Heizkostenzuschüsse. mit dem vermehrten Einsatz von Kohle anstelle von Gas
Familien und Arbeitnehmer*innenhaushalte wurden unter kurzfristig notgedrungen in Teilen den Klimazielen zu-
anderem durch Kinderbonus, Energiepauschale und widerlaufen.
reduzierte Mehrwertsteuer auf Gas entlastet. Die Decke-
lung des Gas- und Strompreises durch Gas- und Strom- Der sozial-ökologische Umbau von Wirtschaft und Gesell-
preisbremse begrenzt die Heiz- und Stromkosten der schaft ist notwendig, um dem menschengemachten
Haushalte und Unternehmen und sorgt für eine größere Klimawandel gegenzusteuern. Im Mittelpunkt der Ampel-

MIT VEREINTER KRAFT 8


1.2
Auf das Mitglied kommt es an
Unser Ziel als Gewerkschaft ist klar: Wir wollen gemein- In den Ergebnissen der Projektgruppe zeigt sich deutlich, Tarifbotschafter*in zu engagieren – unter anderem in den
sam bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für unsere dass ver.di umfassender aus der Perspektive des noch- unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes von
Mitglieder erstreiten. nicht-Mitglieds denken und handeln muss. Die alltägliche Bund, Ländern und Kommunen. Ein direkter Austausch
ver.di-Praxis muss so niedrigschwellig wie möglich auf das mit der Verhandlungsführung nach Verhandlungsrunden
Dafür muss ver.di jederzeit handlungsfähig sein. Erfolg- praktische Mitmachen ausgerichtet werden. Für jede*n und zu erfolgreichen Streik- und Mitgliedergewinnungs-
reich ist ver.di dann, wenn sich viele Menschen organisie- Kolleg*in gibt es dabei eine passende Aufgabe, die sie aktionen, niedrigschwellige Bildungsangebote zur
ren und beteiligen. Selbst aktiv werden, sich solidarisch oder er gut übernehmen kann. Dabei stehen auch neue Ansprache von noch nicht organisierten Kolleg*innen,
für die eigenen Interessen einzusetzen und zu spüren, Instrumente und Werkzeuge im Fokus. So sammelte ver.di Best-Practice-Austausch, alles in digitaler Form durch-
dass dieser Einsatz etwas bewegt, ist der Schlüssel gewerk- in den letzten Jahren verstärkt gute Erfahrungen mit geführt, machen ver.di in Tarifauseinandersetzungen
schaftlicher Erfolge in den vergangenen Jahren. dem Angebot, sich in einer Tarifrunde temporär aktiv als schlagkräftiger. Dies geschieht jeweils in Ergänzung und

Dabei spielen Mitgliedergewinnung und Mitgliederbin-


dung die zentrale Rolle. Von der Zahl der Mitglieder
hängen die Durchsetzungsfähigkeit und die Gestaltungs-
möglichkeiten der ver.di-Kolleg*innen in den Betrieben
und Dienststellen ab. Das ist zwar keine neue Erkenntnis.
ver.di hat die betriebsnahe und beteiligungsorientierte
Arbeit jedoch mehr und mehr zur Grundlage des Handelns
gemacht.

Auf vielen Experimentierfeldern probt ver.di neue Wege


und Methoden, um in der Ansprache neuer Mitglieder
erfolgreich zu sein. In den Jahren 2020 und 2021 wurden
in einer ehren- und hauptamtlich besetzten Projektgruppe
„Zukunft der Mitgliedergewinnung“ vielversprechende
Ansätze der Gewinnung und Bindung gesammelt und
ausgewertet. Alle können davon profitieren und neue
Wege gehen, um Menschen zu erreichen, die noch nicht
Mitglied sind. Darüber können Betriebe und Branchen
gewerkschaftlich erschlossen werden. Die Ergebnisse
der Projektgruppe wurden im September 2021 im
Gewerkschaftsrat diskutiert und im März 2022 zur
weiteren Umsetzung beschlossen. Dazu hat ver.di auf
Bundesebene ein Projektteam gebildet. In Landesbezirken
und Bundesfachbereichen wurden Tandems aus Ehren-
und Hauptamtlichen als Prozessverantwortliche benannt.

MIT VEREINTER KRAFT 9


Erweiterung der bestehenden Vertrauensleutearbeit sind im Jahr 2022 bereits 45.947 Kolleg*innen online ver.di hat weitere digitale Beteiligungsformate eingeführt:
beziehungsweise der Arbeit der betrieblichen Interessens- ver.di-Mitglied geworden – das sind 42 Prozent aller So erfreut sich das Umfragetool Lime Survey großer
vertretungen. Beitritte. Die Digitalisierung der Prozesse geht weiter, denn Beliebtheit für Tarifumfragen und Petitionen. Es kann eine
Beschäftigte von ver.di sollen möglichst viel Arbeit dem Blitzumfrage ebenso abbilden wie eine komplexe Unter-
Es kommt auf das Mitglied an. Dazu müssen auch die Mitglied widmen können – und möglichst viele Routine- schriftensammlung, die technisch auch bei Bündnisorgani-
ver.di-Strukturen passen. Der angestoßene Organisations- aufgaben der Technik überlassen. In einem ersten Schritt sationen eingebunden werden kann. Zum Beispiel wurden
entwicklungsprozess „Perspektive ver.di wächst!“ (Pvw!) wurde 2022 die digitale Streikunterstützung auf den Weg gemeinsam mit der NGG 2020 fast 100.000 Unterschrif-
geht 2023 zu Ende. Es konnten dabei sichtbare Erfolge gebracht, die die administrative Abwicklung rund um die ten gesammelt, die den ver.di-Druck auf verbesserte
erzielt werden. Die individuelle Mitgliederarbeit (IMA) Streikgelderfassung perspektivisch erheblich vereinfacht. Kurzarbeitsbedingungen verstärkt haben.
wurde professionalisiert. Die telefonische Erreichbarkeit
wurde stabilisiert und gesteigert und die Qualität und Im nächsten Entwicklungsschritt wird im Laufe des Jahres Um auch die Bildungsarbeit noch wirksamer auf die Unter-
Verbindlichkeit in der individuellen Rechtsberatung wurde 2023 die Anspracheplattform an den Start gehen, die stützung der kollektiven Betriebs- und Tarifarbeit auszu-
verbessert. Bei der Umsteuerung und Weiterentwicklung registrierten Nutzer*innen nach dem Login neben den richten, wurden Qualifizierungsprogramme wie Anspra-
der kollektiven Betriebs- und Tarifarbeit (KBTA) sind ver.di-Services auch passgenaue inhaltliche und Mitmach- chetrainings oder „Aktiv in ver.di“ konzipiert. Allein am
weitere Schritte zu gehen. Ein Konzept zur Weiterführung Angebote zur Verfügung stellt. Diese Angebote sollen letztgenannten Format nahmen im Berichtszeitraum mehr
der Organisationsentwicklung mit Schwerpunkt KBTA mehr und mehr auf die persönliche Situation der Kolleg*in als 3.000 ehrenamtlich Aktive in über 350 Seminaren
wurde 2022 vom Bundesvorstand beschlossen und liegt zugeschnitten sein und zum Beispiel Informationen teil. Sie wurden anlassbezogen durchgeführt und zeigten
im Mai 2023 dem Gewerkschaftsrat vor. zur betrieblichen Interessenvertretung, Qualifikationen insbesondere im betrieblichen Alltag sowie in Tarifausein-
und Tarifkampagnen ausspielen. Damit werden auch andersetzungen immer wieder positive Ergebnisse bei der
Nie zuvor war ein Berichtszeitraum so sehr von digitalen die Inhalte und Services des Mitgliedernetzes in „meine Mitgliedergewinnung.
Themen bestimmt wie die vier vergangenen Jahre – nicht ver.di“ überführt und ein zeitgemäßes personalisiertes
zuletzt durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie. Angebot für die Kolleg*innen in ihrem eigenen digitalen Durch Beschluss im Jahr 2020 und im Jahr 2021 hat der
Doch schon unmittelbar zuvor hat ver.di zur Jahreswende ver.di-Raum geschaffen. ver.di-Bundesvorstand zwei besonders mitgliedereffektive
2019/2020 eine konsequente Digitalisierungsstrategie Erschließungsprojekte im Krankenhausbereich bei Charité/
beschlossen. Deren Ziele unterstreichen, dass Digitalisie- Einen entscheidenden Beitrag zur Mitgliederbindung Vivantes in Berlin und an den Unikliniken in Nordrhein-
rung in ver.di kein Selbstzweck ist, sondern die gewerk- leistet auch die Begrüßung neuer Mitglieder. Neue Westfalen (TV-Entlastung) auf den Weg gebracht. Inno-
schaftspolitischen Kernaufgaben unterstützen und damit ver.di-Mitglieder erhalten seit 2019 fünf Begrüßungs- vativ und für ver.di bedeutsam waren diese Kampagnen
primär den Aktivitäten rund um das Mitglied dienen newsletter, einen direkt nach ihrem Eintritt, den letzten auch deshalb, weil hier Methoden und Vorgehensweisen
soll. Es gibt eine klare Arbeitsstruktur, in der Digitalisie- nach 15 Monaten. Die Öffnungsraten dieser Newsletter (100 Tage-Ultimatum, Stärketest/Mehrheitspetition,
rungsvorhaben priorisiert und koordiniert werden. Digitale sind überdurchschnittlich hoch mit einem Spitzenwert von Teamdelegierte) erfolgreich angewandt wurden, die nun
Lösungen sollen fortlaufend an den sich verändernden 85 Prozent beim ersten Newsletter: Das zeigt, dass das auch in anderen Tarifauseinandersetzungen umgesetzt
Anforderungen der Nutzer*innengruppen (Mitglieder, Interesse der Neumitglieder an Informationen über ihre werden können. Diese und andere Erschließungsprojekte
ehrenamtliche Aktive, hauptamtliche Beschäftigte) Gewerkschaft hoch ist. zeigen den hohen Stellenwert der beteiligungsorientierten
ausgerichtet werden. Ein Kriterienkatalog ermöglicht, Gewerkschaftsarbeit.
zwischen den vielen verschiedenen Anforderungen an Über integrierte Umfragen in den Begrüßungsnewslettern
Digitalisierung abzuwägen und etwaige Umsetzungen geben die Menschen an, dass sie an einer mitgliederstar- Nur durch die systematische Verbindung ehren- und
entsprechend zeitlich zu ordnen. ken Gewerkschaft interessiert sind, die bessere Arbeits- hauptamtlichen Engagements lassen sich langfristig die
bedingungen und gute Tarifabschlüsse ermöglicht und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Mitgliedergewin-
Dieses Vorgehen trägt Früchte: Mit „meine ver.di“ ging dass sie dazu beitragen möchten oder nach individueller nung und Mitgliederbindung herstellen. Die planvolle
2021 die Plattform online, die Mitgliedern Zugriff auf ihre Beratung und Unterstützung suchen. Das sind starke Einbeziehung bestehender Bildungs- und Unterstützungs-
Leistungen – von zu Hause, von unterwegs und unab- Indikatoren, an denen ver.di bei der Bindung von Kol- angebote und die Entwicklung weiterer, auch digitaler
hängig von ihrem Endgerät ermöglicht. Im ersten Umset- leg*innen ansetzen kann. Dieser digitale Begrüßungs- Angebote, sind entscheidende Weichenstellungen zur
zungsschritt standen die Anwendungsfälle „Mitglieder- prozess wird künftig stärker mit der analogen Begrüßung Stärkung der Organisationsmacht von ver.di.
daten ändern“ und „Bescheinigungen abrufen“ im Fokus. verzahnt, für die eine neue, ansprechende Begrüßungs-
Auch ein weiterer Trend geht an ver.di nicht vorbei: mappe mit zeitgemäßen Angeboten auch für den per-
Menschen treten Organisationen immer häufiger online sönlichen Kontakt entwickelt wurde.
bei. Nach dem Relaunch des Online-Beitritts Ende 2021

MIT VEREINTER KRAFT 10


2.
Arbeits-
bedingungen
gestalten. 11
2.1
Tarifpolitik
Lohnpolitische Bilanzen In den Vorjahren ist der verteilungsneutrale Spielraum, Tarifbindung 2000 – 2021
also die Summe aus Preis- und Produktivitätssteigerung, So viele Beschäftigte* arbeiten in Betrieben
In den vergangenen Jahren hatte sich die grundlegend durch Lohnsteigerungen sogar überausgeschöpft worden. mit Tarifvertrag (in%)
positive Lohnentwicklung in Deutschland zunächst Dies ist in den beiden letzten Jahren im Durchschnitt nicht
fortgesetzt. Die Lohnquote, die den prozentualen Anteil mehr gelungen. Damit ist die Lohnquote zuletzt wieder 80

der Arbeitnehmerentgelte am gesamten Volkseinkommen von über 71 Prozent auf rund 70 Prozent gefallen.
70
zeigt, konnte 2019 und 2020 noch einmal durch gute
Tarifabschlüsse gesteigert werden und erreichte wieder Dies zeigt, dass Warnungen vor einer Lohn-Preis-Spirale
das Niveau der Zeit vor der Agenda 2010. jegliche Substanz fehlen. Von der Lohnentwicklung ging
sogar eine preisdämpfende Wirkung aus. Insofern besteht
Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden mit Blick auf Tarifrunden, die nicht mehr durch pandemie-
Einschränkungen und die gestiegene Inflation ab dem bedingte Einschränkungen belastet sein werden, deutli- 54
ersten Quartal 2022 haben Tarifverhandlungen erschwert. cher Nachholbedarf.
50
n
Entwicklung der Lohnquote 40
2000 2021

Anteil Arbeitnehmerentgelt am Volkseinkommen (in%)


- Westdeutschland - Ostdeutschland

• Branchen- und Firmen-/Haustarifverträge Quelle: IAB-Betriebspanel


80

Dennoch ist es ver.di gelungen, in einzelnen Branchen


herausragende Tarifabschlüsse zu erzielen. Hierzu gehört
die Geld- und Wertbranche mit Entgeltsteigerungen je
70 nach Entgeltgruppe zwischen 10,8 und 16,4 Prozent bei
69,9 einer Laufzeit von 27 Monaten, die Seehäfen mit Entgelt-
steigerungen zwischen 12,3 und 13,8 Prozent bei einer
Laufzeit von 24 Monaten und die Leiharbeit mit Steigerun-
gen von bis zu 13 Prozent bei einer Laufzeit von 15
Monaten. Auch konnte ver.di in verschiedenen Tarifverträ-
60
gen gute Regelungen für Teilzeitbeschäftigte durchsetzen:
1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Überstundenzuschläge fallen hier nun bereits bei Über-
schreitung der vereinbarten (individuellen) wöchentlichen
Quelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Arbeitszeit an (Autobahngesellschaft,

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 12
Konzerntarifvertrag mit der Sana Kliniken AG, Versiche- Branchenspezifische Beim nächsten Erhöhungsschritt des gesetzlichen Mindest-
rungen). Auch verschiedene Regelungen zu einem Infla- lohns ab Januar 2024 soll der Mindestlohn-Grundsatz
tionsausgleich hat ver.di durchgesetzt (unter anderem Mindestlöhne wieder oberhalb des dann geltenden gesetzlichen
Commerzbank-Konzern AG, Eurowings, Seehafenbe- Mindestlohns in Kraft gesetzt werden.
triebe). ver.di konnte einige allgemeinverbindliche branchen-
spezifische Mindestlöhne, die über den gesetzlichen
Der kontinuierliche Rückgang der Anzahl der Beschäftig- Mindestlohn von zwölf Euro hinausgehen, durchsetzen.
Gestaltung
ten, für die ein Branchen- oder Firmentarifvertrag gilt, Gemeinsam mit dem DGB wurde in der Leiharbeit ein der Arbeitszeit
konnte gestoppt werden. 2021 ist die Tarifbindung in Branchenmindestlohn von 12,43 Euro durchgesetzt.
Deutschland erstmals seit langem wieder gestiegen. Darüber hinaus ist es ver.di gelungen, in der Pflegebranche Die Corona-Maßnahmen veränderte die Organisation des
In Westdeutschland um einen Prozentpunkt von 53 auf und in der Weiterbildung mittels des Arbeitnehmer- Arbeitsalltags von Beschäftigten und beeinflussten die
54 Prozent, in Ostdeutschland um zwei Prozentpunkte Entsendegesetzes (AEntG) kontinuierlich die bundesweit Arbeitszeit einschneidend – allerdings auf unterschiedliche
von 43 auf 45 Prozent, so dass sich die Lücke zwischen gültigen Branchenmindestlöhne zu steigern. In der Pflege- Weise und abhängig von Tätigkeit, Branche und Ge-
den Tarifgebieten etwas geschlossen hat. branche gilt für ungelernte Beschäftigte ein Mindestlohn schlecht. In bis dahin ungekanntem Umfang wurde in
von 13,70 Euro, für Pflegekräfte mit mindestens einjähri- etlichen Bereichen Kurzarbeit angeordnet, was für viele
ger Ausbildung von 14,60 Euro und für Pflegefachkräfte Beschäftigte eine existentielle Bedrohung bedeutete.
Allgemeiner 17,10 Euro. Für Mai und Dezember 2023 sind weitere Das Arbeitszeitgesetz wurde für bestimmte Berufsgruppen
gesetzlicher Mindestlohn Erhöhungsschritte auf 14,15 Euro beziehungsweise 15,25 zeitweise ausgesetzt, um die Versorgung aufrecht zu
und 18,25 Euro vorgesehen. In der beruflichen Weiterbil- erhalten. Zeitgleich konnten und sollten Beschäftigte im
Nicht zuletzt aufgrund des nachhaltigen Drucks von dung wurden 17,87 Euro für pädagogische Mitarbeiter*in- größeren Maße die Arbeit von zu Hause erledigen.
ver.di und den DGB-Gewerkschaften konnte mit dem nen und 18,41 Euro für ebensolche mit einem Bachelor-
Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und der FDP Abschluss erreicht. Bis zum Jahr 2026 bekommen die Um Nachteile für ver.di-Mitglieder abzufedern, reagierte
erreicht werden, dass der gesetzliche Mindestlohn zum Beschäftigten nach bis dahin vier jährlichen Erhöhungs- ver.di sehr schnell mit Tarifverträgen zur Kurzarbeit. In
1. Oktober 2022 um 15 Prozent von zuletzt 10,45 Euro schritten ein monatliches Gehaltsplus von insgesamt 519 diesen konnten in bestimmten Fällen betriebsbedingte
(ab 1. Juli 2022) auf zwölf Euro pro Stunde angehoben beziehungsweise 536 Euro. Auf regionaler Ebene gelten Kündigungen ausgeschlossen, die Aufstockung des
wurde. Dieser seit langem von ver.di geforderte gesetzliche Branchenmindestlöhne für die Geld- und Wertdienste je Kurzarbeitergeldes auf bis zu 100 Prozent erreicht oder
Eingriff war nötig geworden, weil in der eigentlich zustän- nach Bundesland zwischen 12,96 Euro und 15,83 Euro Fragen zu Arbeitszeit(konten) und vieles mehr geregelt
digen Mindestlohnkommission auch sieben Jahre nach pro Stunde für Geldbearbeitung, beziehungsweise je nach werden. Zur Unterstützung für Tarifverhandler*innen
Einführung des Mindestlohns durch die Blockadehaltung Bundesland zwischen 15,22 Euro und 18,60 Euro für den wurden entsprechende Daten und Informationen aufberei-
der Arbeitgeber*innen kein gesetzlich geforderter Geld- und Werttransport. tet zur Verfügung gestellt. Zudem wurde umfassend zur
„angemessener Mindestschutz“ für Arbeitnehmer*innen Gestaltung von konkreten Arbeitszeitfragen beraten.
erreicht werden konnte. Mit zwölf Euro liegt der gesetz- Hierbei bildeten die ver.di-Leitlinien für Gute Arbeitszeit-
liche Mindestlohn nun ungefähr bei 60 Prozent des
Tarifpolitische gestaltung, die gerade abschließend fachbereichsübergrei-
mittleren Lohns in Deutschland – eine Höhe, die interna- Grundsätze fend diskutiert und vom Bundesvorstand 2021 beschlos-
tional empfohlen wird. Fast zehn Millionen Menschen und sen worden waren, eine gute Grundlage. In der
damit jede*r fünfte Beschäftigte erhält hierdurch mehr Der „Tarifpolitische Grundsatz zur tariflichen Regelung von veröffentlichten Broschüre finden sich auch zahlreiche
Lohn. Die Mindestlohnkommission ist nun gefordert, Niedrigentgelten“ (Mindestlohngrundsatz) von ver.di sah tariflichen Regelungsbeispiele.
dieses Niveau durch ausreichende Anpassungsschritte ursprünglich eine regelmäßige Erhöhung mit dem Ziel vor,
dauerhaft sicherzustellen. dass die Untergrenze für ver.di-Tarifentgelte immer über Des Weiteren konnten einige tarifliche Regelungen zu
dem gesetzlichen Mindestlohn liegen sollte. Als Folge der Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbußen abgeschlossen
deutlichen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum werden, so zum Beispiel
Oktober 2022 auf 12 Euro wurde der Mindestlohn-Grund- ■ von 39 auf 38 Stunden bei den öffentlichen Banken;
satz erst einmal ausgesetzt, da der Erhöhungsschritt eine ■ von 39 auf 35 Wochenstunden bei der AWO
Steigerung um 22,2 Prozent gegenüber dem 1. Januar Augsburg;
2022 bedeutete. Damit soll den einzelnen Fachbereichen ■ ein zusätzlicher freier Tag pro Jahr bei einzelnen
Zeit gegeben werden, diesen deutlichen Anstieg zunächst Krankenkassen für beschäftigte ver.di-Mitglieder –
tariflich nachzuvollziehen und möglichst zu überschreiten. teils zweckgebunden für Bildung.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 13
Tarifiert werden konnten zudem Regenerations- und
Entlastungstage im Gesundheitsbereich, die eine wichtige
Stellschraube für bessere Arbeitsbedingungen sind.
In die wieder aufflammende Arbeitszeitdiskussion, in
die Arbeitsverdichtung, Entgrenzung von Arbeit, Arbeits-
kräftemangel und wachsende Souveränitätsansprüche
von Beschäftigten verwoben sind, kann sich ver.di mit
dem vorliegenden Konzept zu Verfügungszeiten gut
einbringen.

Vorteilsregelungen
für Mitglieder
Vorteilsregelungen für Gewerkschaftsmitglieder steigern
die Attraktivität von Gewerkschaften. Daher versucht
ver.di in möglichst vielen Tarifverträgen Vorteilsregelungen
exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder zu vereinbaren –
von Einmalzahlungen, zusätzlichen Urlaubstagen und
Mobilitätszulagen bis hin zu Zuschüssen zur betrieblichen
Altersversorgung. Im Berichtszeitraum ist dies erneut in
über 50 Tarifverträgen gelungen, obwohl sich Arbeitge-
ber*innen oftmals solchen Regelungen strikt verweigern
und in der Vergangenheit sogar – allerdings erfolglos –
dagegen geklagt hatten. Mitgliedervorteilsregelungen sind
Gute Arbeit tarifpolitisch gen zum Gesundheitsschutz wurden für die Beratung
von Mitgliedern und im Rahmen der betrieblichen Mitbe-
aber kein Selbstläufer. Vor dem Hintergrund sinkender gestalten stimmung genutzt. Ebenso wurde das Thema der gestie-
Mitgliedszahlen und sinkender Tarifbindung können genen psychischen Belastung intensiv weiterverfolgt
attraktive Mitgliedervorteilsregelungen eine zunehmende Gesundheitsschutz und mündete unter anderem in den weiterentwickelten
Bedeutung zur Stärkung von Gewerkschaften zur Folge Die Corona-Pandemie war prägendes Ereignis der letzten gemeinsamen Empfehlungen der Gemeinsamen Deut-
haben, dies gelingt aber nur mit einer offensiven Anspra- Jahre. Sie hat den Menschen vor Augen geführt, wie schen Arbeitsschutzstrategie (GDA) zur Psychischen
che in den Betrieben und Dienststellen. Eine Übersicht essentiell gute und gesunde Arbeitsbedingungen sind. In Belastung in der Arbeitswelt. Hier wird nun endlich die
über das breite Spektrum von Mitgliedervorteilsregelungen den Bereichen und Betrieben, in denen die Arbeitsschutz- Dienstleistungsarbeit – also die Arbeit mit Menschen –
in ver.di-Tarifverträgen wurde erarbeitet und der Organi- organisation inklusive der Gefährdungsbeurteilung als besser berücksichtigt und bietet den betrieblichen Mitbe-
sation zur Unterstützung der Tarifarbeit zur Verfügung zentrales Element gut und mitbestimmt verankert sind, stimmungsakteuren mehr Möglichkeiten im Prozess der
gestellt. kam es rasch zu praktikablen und schnellen Maßnahmen. Gefährdungsbeurteilung.
Dass solche Arbeitsschutzprozesse in Mantel-, Demo-
grafie- oder Gesundheitstarifverträgen verankert werden Personalbemessung
konnten, ist auch der jahrelangen gewerkschafts- sowie Die ver.di-Tarifbewegung für mehr Personal und Entlas-
tarifpolitisch verzahnten Entfaltung der Themen Gefähr- tung im Krankenhaus konnte für weitere (Universitäts-)
dungsbeurteilung, Gute Arbeit und Gesundheitsschutz Kliniken Tarifverträge zur Entlastung erkämpfen. Hier
zu verdanken. angewandte neue Methoden gaben auch Impulse für
andere Tarifbereiche. Durch die Pandemie wurde mehr als
In der Akutphase hat ver.di unter Hochdruck zusätzlich deutlich, wie wichtig und wertvoll die Arbeit der Beschäf-
spezifische Corona-Arbeitsschutzvorschriften und Regel- tigten in den systemrelevanten Berufen ist, und welche
werke beraten, abgestimmt und auf politischer Ebene dramatischen Folgen Personal- und Fachkräftemangel
verhandelt. Die bestehenden ver.di-Handlungsempfehlun- haben.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 14
Arbeit der Zukunft Betriebsrenten-
gestalten – Arbeit 4.0 stärkungsgesetz
Durch die Corona-Pandemie gab es einen weiteren Aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase ist die
Digitalisierungsschub. Es war und bleibt auch in Zukunft betriebliche Altersversorgung weiter unter Druck geraten.
wichtig, die Handlungsfelder der Digitalisierung tarif- Gerade jüngere Beschäftigte erhalten oftmals keine
politisch zu begleiten. Es wurden etliche Tarifverträge Zusagen von ihrem*ihrer Arbeitgeber*in mehr, da
abgeschlossen, die unter anderem folgende Regelungen Garantien in den traditionellen Zusagearten Kosten
zum Gegenstand haben: verursachen, die nicht mehr erwirtschaftet werden
■ Agiles Arbeiten können. Vor diesem Hintergrund hatte die gesetzgebende
■ Alter(n)sgerechte Arbeit Instanz bereits 2018 die Möglichkeit geschaffen, im
■ Arbeitszeitregelungen Rahmen sogenannter Sozialpartnermodelle (SPM) „reine
■ Arbeitsbewertung und Entgeltrahmen Beitragszusagen“ zu vereinbaren. Hier verpflichten sich
■ Arbeits- und Gesundheitsschutz Arbeitgeber*innen nur zur Zahlung eines Beitrags ohne
■ Beschäftigungssichernde Maßnahmen Garantien übernehmen zu müssen („pay and forget“).
■ Beteiligung der Beschäftigten an SPM auf tariflicher Grundlage und mit Beteiligung der
Digitalisierungsprozessen Sozialpartner bei deren Durchführung und Steuerung
■ Besitzstandsregelungen und Entgeltsicherung bieten eine Möglichkeit, später mit einer Betriebsrente das
■ Digitaler Zugang von Gewerkschaften Alterseinkommen aus der gesetzlichen Rente aufzubes-
■ Fachkräfteentwicklung und -sicherung sern, sofern keine klassische betriebliche Altersvorsorge
■ Gute Arbeitsgestaltung möglich ist.
■ Homeoffice sowie hybride und mobile Arbeit
■ Innovationsförderung
■ Mobilität
■ Nachwuchsförderung
■ Qualifizierung
■ Teilzeit mit Teillohnausgleich
■ Transfer und Erhalt von Know-how
■ Wandel von Arbeitsprofilen

Bestimmte Regelungsfelder wie zum Beispiel Homeoffice


gewannen stärker als zuvor an Bedeutung und wurden mit
Informations- und Beratungsangeboten begleitet. Intensiv
arbeitet die tarifpolitische Grundsatzabteilung in der
vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
durchgeführten „Politikwerkstatt Mobile Arbeit“ mit, in
deren Rahmen Grundlagen für ein Gesetz zur Mobilen
Arbeit gelegt werden sollen. Zudem wurden zur Unterstüt-
zung von Tarifkommissionen tarif- und betriebspolitische
Empfehlungen zu den Themen Agile Arbeit oder Gesunde
Arbeit veröffentlicht.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 15
2.2
Mitbestimmung in Betrieben, Einrichtungen
und Verwaltungen
Mitbestimmung ist ein zentrales Handlungsfeld der ■ Betriebsratsgründungen erleichtern und Personalvertretungsgesetze
Gewerkschaft und ein „Brennglas“ für den Wandel der Betriebsräte stärken.
Arbeitswelt. Entwicklungen in den Betrieben und Unter- ■ Umwelt- und Klimaschutz als betriebliches – Entwicklungen und
nehmen werden hier frühzeitig deutlich und bedürfen
konsequenter gewerkschaftlicher Gestaltung. Regel-
Thema etablieren.
■ Beschäftigung in der Transformation durch
Herausforderungen
mäßige Informationen, verschiedene auch virtuelle Ver- Mitbestimmung sichern. Die Beratung zu personalvertretungsrechtlichen Fragen
anstaltungsformate und der gemeinsame Austausch ■ Personalplanung in der Transformation ermöglichen. war geprägt durch Anforderungen der Fachbereiche,
der Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte sind dafür ■ Gleichstellung und Antidiskriminierung fördern. verschiedener Bezirke und von Personalräten sowie
unerlässlich. ■ Reichweite der Mitbestimmung bei Digitalisierung Hauptpersonalräten. Insbesondere durch die Corona-
und Globalisierung ausbauen. Pandemie und nach der Novellierung des Bundespersonal-
■ Persönlichkeitsrechte und Daten der vertretungsgesetzes (BPersVG) haben sich einige Rahmen-
Reform der Beschäftigten schützen. bedingungen und die Gesetzesstruktur geändert.
Betriebsverfassung ■ Abschaffung des Tendenzschutzes und Anwendung
des BetrVG für Religionsgemeinschaften. Um den Anforderungen der Kontaktbeschränkungen
Im Frühjahr 2021 wurden aufgrund der Herausforderun- im Rahmen der Corona-Pandemie gerecht zu werden,
gen der Pandemie zunächst befristete Sondervorschriften Themenschwerpunkte von ver.di dazu sind die digitalen wurden Amtszeiten von Personalräten verlängert. Sofern
erlassen. Dabei sollte die Arbeit der Betriebsratsgremien Zugangsrechte von Gewerkschaften in Betrieben und aufgrund der Corona-Pandemie im regulären Zeitraum
im Lockdown gesichert werden. Der Fokus lag auf den Dienststellen, die Organisation von Betriebsratsarbeit für 1. März bis 31. Mai 2020 nicht gewählt werden konnte,
Regelungen zu virtuellen Gremiensitzungen und Beschluss- neu gewählte Gremien, Mitbestimmung bei Energiespar- wurde im Geltungsbereich des BPersVG die Amtszeit der
fassungen. Die anhaltende Pandemie mit kollektiven und Umweltmaßnahmen und Arbeitsschutz sowie Personalräte durch § 26a BPersVG bis zum 31. März 2021
Beschränkungen und die daraus resultierenden Debatten, Mitbestimmung bei Mobiler Arbeit. verlängert.
führten unter anderem zur Verabschiedung des Betriebs-
rätemodernisierungsgesetzes, das im Juni 2021 in Kraft Hierzu hat ver.di zahlreiche Informationen veröffentlicht, Im April 2021 hat der Bundestag die erste grundlegende
trat. Anpassungen in der Wahlordnung schlossen sich im zum Beispiel in den Newslettern an Betriebs- und Neufassung des BPersVG seit 1974 beschlossen. ver.di hat
November 2021 an. An diesem Prozess hat sich ver.di Personalräte. das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleitet. Mit der
intensiv und erfolgreich beteiligt. Novelle wurde das Gesetz neu gegliedert. Die Mitbestim-
mung wurde entgegen der ver.di-Forderungen nicht
Darüber hinaus konnte mit dem Novellierungsvorschlag ausgeweitet beziehungsweise bei Digitalisierungsmaßnah-
des DGB für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz men sogar zum Teil eingeschränkt. Die sogenannten festen
die politische Debatte um die Zukunft der betrieblichen Freien Mitarbeiter*innen des öffentlich-rechtlichen Rund-
Mitbestimmung deutlich angestoßen werden. Wesentliche funks wurden besser in den Geltungsbereich des BPersVG
Inhalte sind dabei: mit einbezogen. Für die Personalratsarbeit werden neben
Videokonferenzen weitere digitale Arbeitsformen ermög-

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 16
licht. Ein digitaler Zugang der Gewerkschaften zur Dienst- Auseinandersetzung um die Unternehmens-
stelle wurde geregelt.
Gründung von Betriebsräten mitbestimmung
Die von ver.di geforderte grundsätzliche Orientierung am
Niveau des Betriebsverfassungsgesetzes erfolgte nicht. Die Zahl der Betriebe, in denen Arbeitgeber*innen gegen In den Jahren 2020/21 waren die Wahlen und die Arbeit
Sowohl die Zahl der Mandate in den Personalvertretungen Betriebsratswahlen vorgehen, ist unverändert hoch. der Aufsichtsräte von der besonderen Situation der
als auch die Freistellungen wurden nicht angehoben und Wahlinitiator*innen erfahren Repressalien, die mitunter Pandemie geprägt. Mit dem „Journal für Aufsichtsräte“
bleiben damit geringer als unter dem Geltungsbereich des strafrechtlich relevant sind. Durch die öffentliche Darstel- werden Mitglieder in Aufsichtsräten regelmäßig über
Betriebsverfassungsgesetzes. Insbesondere erfolgten keine lung vieler Praxisbeispiele ist die Relevanz in der politischen Entwicklungen zur Unternehmensmitbestimmung
qualitativen Verbesserungen der Mitbestimmungsrechte, Debatte angekommen. Anhand der Beispiele unterschied- informiert.
sondern die vorgenommenen Änderungen geben im licher Branchen wurde deutlich, dass mehr Schutzmecha-
Wesentlichen den Stand der Rechtsprechung wieder. nismen für die Initiator*innen von Betriebsratswahlen Mit dem im Juni 2021 verabschiedeten Lieferkettensorg-
erforderlich sind. ver.di konnte erreichen, dass ein besserer faltspflichtengesetz (LkSG) wurden erstmals für in
Schutz der Wahlinitiator*innen und eine umfangreichere Deutschland tätige Unternehmen verbindliche Sorgfalts-
Betriebsratswahlen 2022 Strafverfolgung mit dem Betriebsrätemodernisierungs- pflichten zur Wahrung von Menschenrechten entlang der
2022 fanden die regelmäßigen Betriebsratswahlen statt. gesetz 2021 gesetzlich verankert wurde. Der Ausbau des gesamten Lieferkette festgelegt. ver.di hatte sich aktiv für
Zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 zeichnete § 119 BetrVG zu einem Offizialdelikt mit Bildung von das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene LkSG einge-
sich ab, dass die Betriebsratswahlen große Herausforde- Schwerpunktstaatsanwaltschaften steht im aktuellen setzt. Danach sind alle Handlungen des Unternehmens im
rungen mit sich bringen würden. Die Zahl der mobil Koalitionsvertrag. eigenen Geschäftsbereich und von direkten und indirekten
arbeitenden Beschäftigten ist rasant angestiegen. Im April Zulieferern im Inland und Ausland zu berücksichtigen. Den
2020 wurde deshalb eine Handlungshilfe für Betriebsrats- gesetzlichen Interessenvertretungen (Aufsichts-, sowie
wahlen in der Pandemie für Gewerkschaftssekretär*innen
Europäische Betriebsräte Betriebs- und Personalräte) und Gewerkschaften kommt
erstellt und diese im Sommer 2021 auch für Wahlen Der im Frühjahr 2022 vorgestellte Initiativbericht der eine wichtige Rolle in der Überwachung und Durchsetzung
außerhalb des Turnus aktualisiert. EU-Kommission zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie wird der Sorgfaltspflichten der Unternehmen zu.
von ver.di gemeinsam mit dem Europäischen Gewerk-
Geprägt waren die Vorbereitungen der Wahlen durch schaftsbund und den europäischen Branchenverbänden, Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober 2022
das 2021 in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungs- unter anderem UNI Europa, im Rahmen der Kampagne in letzter Instanz das bereits im Jahr 2018 von ver.di und
gesetz und die in Folge geänderte Wahlordnung. Die „More Democracy at Work“ unterstützt. Ziel ist es, IG Metall angeschobene Verfahren gegen die SAP SE mit
entsprechend überarbeiteten Materialien wurden im Juli Schwachstellen der EBR-Richtlinie durch verbesserte einem großen Erfolg für die Mitbestimmung beendet.
2021 in mehreren Sprachen zur Verfügung gestellt. Einige Regelungen zu beseitigen und damit Europäische Betriebs- Der EuGH bestätigte die Auffassung des BAG, dass Unter-
Dateiformate konnten im Mitgliedernetz abgerufen räte in ihrer Stellung und Arbeit zu stärken. nehmen, die eine Gesellschaft nach deutschem Recht in
werden. eine sogenannte SE umwandeln, die gesicherten Sitze für
Gewerkschaftsvertreter*innen im Aufsichtsrat nicht
Die Wahldaten wurden in den Bezirken erfasst und zentral ausschließen dürfen.
ausgewertet. Neben der DGB-weiten Gesamtauswertung
gab es erstmalig eine ver.di-Sonderauswertung. Trotz der
pandemiebedingten Einschränkungen ist die allgemeine
Wahlbeteiligung mit 71 Prozent in den erfassten ver.di
Betrieben erfreulich hoch. Bei allen zu vergebenden Man-
daten in ver.di-Betrieben ist ein leichter Rückgang der
durch ver.di erlangten Mandate zu verzeichnen. Erfreulich
ist, dass nahezu die Hälfte aller zu vergebenden Mandate
von Frauen belegt ist.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 17
2.3
Umgang mit der Corona-Pandemie
Während der Corona-Pandemie standen für ver.di – neben bessere Arbeitsbedingungen und höheren Gesundheits- Auch auf Drängen von ver.di und dem DGB hat die
der Sicherstellung einer Erreichbarkeit für die Mitglieder schutz vorangetrieben. Auf gesetzlicher Ebene hat ver.di Bundesregierung Erleichterungen für den Bezug von KuG
mit ihren Anliegen und kurzfristigen Informationen – der mit den vielen Aktionen und Protesten Ende 2022 erreicht, und so auch die Ausweitung auf diese Branchen auf den
Schutz einer Überlastung des Gesundheitssystems, der dass der Bundestag mit der Erprobung und bundesweiten Weg gebracht. ver.di hat sich erfolgreich dafür eingesetzt,
Schutz der Mitglieder vor gesundheitlichen Risiken wie Einführung der Pflegepersonalregelung PPR 2.0 einen dass die Nettolohn-Ersatzrate von ursprünglich 60
auch vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zu einer bedarfs- beziehungsweise 67 Prozent (wenn Kinder im Haushalt
Infektionsschutzmaßnahmen im Zentrum der Arbeit. Die gerechten Personalbesetzung im Krankenhaus passiert hat. sind) erhöht wurde – auf gesetzlicher Basis immerhin
Betroffenheiten waren dabei sehr unterschiedlich und ab dem vierten Bezugsmonat auf 70 beziehungsweise
ver.di als Organisation entsprechend vielfältig gefordert. Auch Beschäftigte in Dienstleistungen des täglichen 77 Prozent und ab dem siebten Bezugsmonat auf 80
Bedarfs wie im Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien, beziehungsweise 87 Prozent. Darüber hinaus ist es ver.di
Apotheken, im ÖPNV, in Logistik und Großhandel, aber gelungen, in einer ganzen Reihe von Betrieben und
Systemrelevant – auch in der Ver- und Entsorgung sowie der öffentlichen Branchen kollektive Regelungen zur Aufstockung des KuG
und hohen Risiken und Verwaltung und im Sozial- und Erziehungsdienst sahen durch die Arbeitgeber*innen durchzusetzen, teilweise auf
sich hohen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Bei ihrer 95 oder sogar 100 Prozent des bisherigen Nettogehalts.
Belastungen ausgesetzt Arbeit ist der Kontakt mit anderen Menschen unvermeid-
lich. Zugleich wuchsen Belastungen durch zusätzliche
Die Corona-Pandemie legte die Defizite eines zunehmend Aufwände für Corona-Schutzmaßnahmen, erhöhtem
Solo-Selbstständige
profitorientierten Gesundheitswesens offener dar als je Planungs- und Improvisationsaufwand aufgrund von Auch viele Solo-Selbstständige konnten zwischenzeitlich
zuvor. Bereits bevor sie ausbrach fehlten Pflegekräfte. Lieferengpässen und nicht zuletzt gestiegener Risiken nicht arbeiten und waren mit dem Verlust ihres Einkom-
Um die große Anzahl schwerkranker Patient*innen zu durch Übergriffe von Kund*innen, die sich der Einhaltung mens konfrontiert. Sie fielen nahezu völlig durch das
versorgen, gab es kaum entsprechend zusätzliche Kapa- behördlicher Auflagen verweigerten. Raster wirtschaftlicher Hilfen der Bundesregierung und
zitäten. Zudem hatte der Personalmangel in den Kranken- wurden stattdessen auf die Grundsicherung verwiesen,
häusern dramatische Formen angenommen. Noch heute wenngleich in Rücksprache mit ver.di zu erleichterten
fehlen rund 100.000 Krankenpflegekräfte. Der damalige
Kurzarbeit im Bedingungen. Die Verlängerung dieser Regelungen mit
Gesundheitsminister Jens Spahn reagierte auf den Dienstleistungssektor Blick auf die fortdauernde Pandemiesituation und damit
Personalnotstand, indem er für die Zeit der Pandemie der entsprechenden Auflagen bedeutete ein zähes Ringen.
die Personaluntergrenzen für Krankenhäuser außer Kraft Kolleg*innen, deren Betriebe und Einrichtungen auf- Nicht allen Betroffenen konnte der zeitweilige Bezug
setzte. Dadurch verschärfte er aber nur die Arbeitsbelas- grund der Schutzmaßnahmen zwischenzeitlich schließen von Hartz IV erspart werden. Was aber auch von ver.di
tung der Pflegekräfte und schaffte keine Verbesserung mussten, konnten kaum oder gar nicht arbeiten. Das durchgesetzt werden konnte, war die Ausnahme des
in der Versorgung. betraf insbesondere die Bereiche Freizeit, Unterhaltung, Wohnraums – für viele Solo-Selbstständige zugleich auch
Kunst und Kultur, Theater und andere Kultureinrichtun- Arbeitsstätte – aus der Bedürftigkeitsprüfung und die
ver.di hat während der Pandemie auf die enorme Belas- gen, Studierendenwerke – praktisch den gesamten Erhöhung des Schonvermögens – für viele Selbstständige
tung der Beschäftigten und die negativen Folgen für Tourismussektor inklusive des Personenluftverkehrs, und ein großer Teil der Alterssicherung.
die Versorgung hingewiesen und die Entscheidung des nicht zuletzt weite Teile des stationären Einzelhandels
Ministers über die Aussetzung von Personalvorgaben jenseits der Lebensmittel, Drogerien und anderen aus-
scharf kritisiert. Auf tariflicher Ebene hat ver.di mit gewählten Segmenten. Bereiche, in denen es vor der
weiteren Entlastungstarifverträgen Maßnahmen für Pandemie nie Bedarf nach Kurzarbeitergeld (KuG) gab.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 18
Homeoffice
Die Maßnahmen gegen die Pandemie brachten auch einen
Schub für das Arbeiten im Homeoffice. Der Hans-Böckler-
Stiftung zufolge haben vor der Pandemie rund 17 Prozent
der Erwerbstätigen in Deutschland mehr oder weniger
häufig von zu Hause gearbeitet, im April 2020 waren es
schlagartig 44 Prozent. Zwar fanden dabei diejenigen im
Homeoffice ihre Arbeitssituation während der Pandemie
weniger belastend als Beschäftigte, die durchgehend im
Betrieb arbeiteten. Gleichwohl fand ein Großteil die Arbeit
daheim anstrengender als im Büro, viele arbeiteten länger
als zuvor und gerade in Haushalten mit Kindern entstan-
den multiple Belastungssituationen – vor allem in Zeiten,
in denen auch Kindergärten und Schulen geschlossen
waren. Frauen waren besonders betroffen, da der Großteil
der Sorgearbeit weiterhin von ihnen geleistet wurde.
ver.di hat sich dafür eingesetzt, dass Homeoffice freiwillig
sein muss, der Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehal-
ten und verbessert wird und dass Arbeitgeber*innen die
erforderliche technische Ausstattung zur Verfügung stellen
müssen. Zu guter Arbeitsgestaltung im Homeoffice hat
ver.di zudem verschiedene Infomaterialien und Handrei-
chungen für Beschäftigte und gesetzliche Interessenvertre-
tungen erstellt.

Arbeits- und
Gesundheitsschutz
Arbeits- und Gesundheitsschutz hatten in der Pandemie
naturgemäß eine sehr hohe Priorität. Dabei hat ver.di sich
sowohl in die entsprechenden Ausschüsse zur Ausarbei-
tung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel des BMAS und
der ihr zugrundeliegenden Corona-Arbeitsschutzverord-
nung (Corona-ArbSchV) als auch in die Ausarbeitung der
Leitlinien der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstra-
tegie (GDA) zur Beratung und Überwachung der Corona-
Den selbstständig erwerbstätigen Mitgliedern stand ver.di beruflichen Initiativen in Bündnissen zusammengearbeitet. Pandemie für den Arbeitsschutz eingebracht. An einer
zu ihren speziellen Corona-Fragen mit einigen tausend So ist es durch massive Intervention auch von ver.di – ver.di-Online-Konferenz zur SARS-CoV-2 Arbeitsschutz-
individuellen Beratungen ebenso zur Seite wie mit inklusive der Initiierung von und Mitwirkung an öffent- regel im November 2020, bei der es insbesondere um
Broschüren und Medienauftritten sowie mit einem lichen Demonstrationen – gelungen, 2021 die sogenannte praktische Handlungsempfehlungen für Interessenvertre-
tagesaktuellen, bundesweit führenden Informationsportal. Neustarthilfe auf den Weg zu bringen, die bis Juni 2022 ter*innen zur Umsetzung dieser Regeln ging, nahmen
gezahlt wurde. Es war – nach kurzzeitigen Lösungen für fast 500 Menschen teil.
ver.di war in ständigem Austausch mit der Politik und wenige spezielle Branchen – die erste Hilfe, bei der alle
insgesamt die bundesweit erfolgreichste Vertretung für die Solo-Selbstständigen auch ihre Lebenshaltungskosten
Interessen aller Solo-Selbstständigen und hat mit anderen geltend machen konnten.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 19
Impfstoffentwicklung Corona-Gesetzgebung Mitglieder im Fokus –
in Rekordzeit – und offene ver.di hat die Corona-Gesetzgebung intensiv begleitet – FAQs, Infoblätter und
Fragen von Reformen des Infektionsschutzgesetzes (zum Beispiel
Maskenpflicht, Ausgangsbeschränkungen, Testpflichten),
Corona-Hotline
Mit neuen Technologien und beschleunigten Zulassungs- über Reformen der Kurzarbeiterregelungen, Corona- Trotz geschlossener Geschäftsstellen war ver.di in dieser
verfahren ist es gelungen, in Rekordzeit wirksame Arbeitsschutzverordnungen bis hin zur umstrittenen Zeit für die Mitglieder da – auf der ver.di-Homepage
Impfstoffe gegen das Corona-Virus auf den Markt zu Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im wurden zahlreiche und laufend aktualisierte FAQs zu
bringen. Bei dem umstrittenen Thema der Impfung gegen Gesundheitswesen und deren Ausgestaltung mit ihren Fragen rund um Corona und die Arbeitswelt veröffentlicht,
das Corona-Virus hat ver.di von Beginn an die Impfung Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. eine neue Website „Leben und Arbeiten in Zeiten von
empfohlen, weil sie einen wichtigen Schritt zur Überwin- Corona – Gute Online-Tools“ kreiert, es wurden insgesamt
dung der Pandemie darstellt, eine Impfpflicht hingegen Erfolgreich war ver.di zusammen mit den DGB-Gewerk- neun ausführliche, ebenfalls laufend aktualisierte Info-
abgelehnt. Die seit dem Frühjahr 2022 geltende einrich- schaften unter anderem sowohl bezüglich der Vereinfa- blätter von Kurzarbeit über sozialrechtliche Fragen bis hin
tungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen und chung des Zugangs zu Kurzarbeitergeld und Leistungen zu Fragen rund um einrichtungsbezogene Immunitäts-
in der Behindertenhilfe hat ver.di als nicht zu rechtfertigen- der Arbeitslosenversicherung, als auch bei der Ermögli- nachweispflichten online zur Verfügung gestellt und nicht
de Sonderregelung kritisiert. chung des vereinfachten Zugangs zu SGB-II-Leistungen, zuletzt wurde innerhalb weniger Tage eine zentrale
dem Ausbau des Kinderkrankengeldes, bezüglich der Corona-Hotline eingerichtet.
Mit Blick auf die enorme Schieflage beim globalen Zugang Etablierung der sogenannten Verdienstausfallentschädi-
zu Impfstoffen sprach ver.di sich für die kostenlose Weiter- gung und der gesetzlichen Ermöglichung verschiedener Mehr als 140 Kolleg*innen der ver.di-Bundesverwaltung
gabe überschüssiger Impfstoffe aus Industrieländern an Coronaprämien im Krankenhaus- und Pflegebereich. und der ver.di-Bildungszentren beteiligten sich an dieser
die Covax-Initiative aus. Außerdem ist ver.di dem Bündnis Hotline und führten mehr als 5.500 Gespräche mit einer
„Make them sign!“ beigetreten und unterstützte die ver.di hat auch die Corona-Gesetzgebungsverfahren um Gesamtdauer von etwa 750 Stunden. Sehr oft ging es
Kampagne zur Aussetzung des Patentschutzes bei der die Einführung von Videotechnik in der Arbeits- und dabei um Kurzarbeit, organisatorische Fragen zur Einrich-
WTO, um so den globalen Süden zügig mit Impfstoff Sozialgerichtsbarkeit kritisch und erfolgreich begleitet. tung von Homeoffice und fehlender Kinderbetreuung,
versorgen zu können. Zudem unterstützte ver.di die Deren Ziel ist allerdings weiterhin – teilweise in verfas- Arbeits- und Gesundheitsschutz und die Frage, wie
Europäische Bürgerinitiative „no profit on pandemic“. sungsrechtlich höchst bedenklicher Weise – die ehrenamt- Risikogruppen und gefährdetes Personal geschützt werden
lichen Richter getrennt von der Berufsrichterbank ins können. Neben der unmittelbaren Unterstützung der
Homeoffice zu schicken und mündliche Verhandlungen in Kolleg*innen wurde dadurch auch ein intensiver Einblick
Präsenz durch bloße Videoschalten ersetzen. ver.di setzt in die Sorgen, Ängste und Fragen der Mitglieder in Zeiten
sich weiter gegen entsprechende Pläne aus dem Bundes- der Corona-Pandemie ermöglicht.
justizministerium zur Wehr.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 20
2.4
Transformation, Gute Arbeit und Digitalisierung
Die „Transformation“ verbreiten und umzusetzen, ist eine wesentliche Aufgabe, Zuletzt spielte vor allem die kritische Begleitung gemein-
die ver.di in verschiedenen politischen Foren weiterver- sam mit dem DGB der entstehenden KI-Verordnung auf
gestalten folgt, wie in der seit Juni 2022 beim Bundeskanzleramt europäischer Ebene eine zentrale Rolle. Seit Juni 2022
angesiedelten „Allianz für Transformation“. findet eine Online-Veranstaltungsreihe zum Thema statt.
Für ver.di bedeutet „Transformation“, die Möglichkeiten
der Digitalisierung für Beschäftigte und das Gemeinwohl Zu mobiler Arbeit und Homeoffice wurde gemeinsam mit
zu nutzen, den Umbau hin zu klimaneutraler und ressour-
Gute Arbeit in Dienst- GPB ein Online-Workshop entwickelt und durchgeführt,
censchonender Wirtschaft und Gesellschaft (Dekarboni- leistungsbranchen – der in den Regelbetrieb bei b+b überführt werden soll.
sierung) sozial zu gestalten und den gesellschaftlichen Auch um zu einer positiven Mitgliederentwicklung
Zusammenhalt in einer vielfältiger und älter werdenden gute digitale und interaktive beizutragen und gewerkschaftliche Arbeit zu erleichtern
Gesellschaft (demografischer Wandel) zu stärken. Wäh- Arbeit und zu modernisieren, wurden Schritte hin zu einer
rend in der öffentlichen und politischen Transformations- digitalen Gewerkschaftsarbeit gemacht. Im Rahmen des
debatte oft nur Technologie und Industrie im Fokus ver.di setzt sich für eine Modernisierung der Arbeitswelt öffentlich geförderten BMBF-Projekts DigiLab NPO 4.0
stehen, nimmt ver.di auch Dienstleistungen, öffentliche ein, die immer stärker von der Digitalisierung und Dienst- erarbeitet ver.di entsprechende Ansätze und mit der
Daseinsvorsorge und Infrastruktur und die Kommunen leistungsarbeit geprägt wird. Dies geschah unter anderem Fachgruppe Luftverkehr verschiedene Prototypen, die die
als zentrale Gestaltungsfelder und Akteur*innen in den durch eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe „Arbeiten Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt sowie das
Blick. mit Menschen“ durch den Bereich Innovation und Gute digital Organizing unterstützen.
Arbeit. Zudem gab es 2022 eine Online-Modulreihe zum
Eine besondere Gelegenheit, diese Vision auszuleuchten, Thema Aufwertung von Dienstleistungsarbeit. Darüber
boten die ver.di-Zukunftstage vom 28.–30. September hinaus wird in stetiger Gremienarbeit beim BMBF ange-
2022. Konkret wurde dabei den Fragen nachgegangen, strebt, dass es in Zukunft mehr Forschung im Bereich
was sich in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft durch Arbeit wie auch Dienstleistungen gibt. ver.di begleitet dort
die Digitalisierung, die Dekarbonisierung und den demo- das entsprechende Forschungsprogramm.
grafischen Wandel ändert – welche Herausforderungen es
gibt und wie die Veränderungen gestaltet werden können. Für gute digitale Arbeit wurde die Reihe „Praxis gestalten“
Zielgruppe der Zukunftstage waren die aktiven Mitglieder, aufgesetzt. Es fanden zwei Workshops zu den Themen
Betriebs- und Personalräte in den ver.di-Branchen. Die gesunde und digitale Arbeit statt. Gemeinsam wurden
Fachbereiche haben durch die Gestaltung von insgesamt dort wie auch mittels Recherche Empfehlungen für gute
13 verschiedenen Modulen Brancheneinblicke ermöglicht. Betriebs-/ Dienstvereinbarungen beziehungsweise von
Zudem gab es übergreifende und zusammenführende Tarifverträgen zur Regelung von Arbeit im Kontext der
Vorträge und Diskussionsrunden auch mit Vertreter*innen Digitalisierung entwickelt und veröffentlicht.
aus Wissenschaft und Politik sowie betriebliche Stimmen
aus der Praxis. Seit 2019 bearbeitet ver.di verstärkt das Thema Künstliche
Intelligenz“ (KI). 2020 sind von ver.di ethische Leitlinien
Die Gemeinwohlorientierte, Menschen- und Beschäftig- zu KI erarbeitet worden, um sich in die Debatte dazu ein-
tenzentrierte Vision der Transformation voranzutreiben, zubringen. Das geschah kontinuierlich mittels aktiver
praktische Gestaltungsansätze herauszuarbeiten, zu Teilnahme an der acatech-Plattform „Lernende Systeme“.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 21
>In den letzten fünf Jahren hat sich die künstliche
Intelligenz (KI) weiterentwickelt und wird in verschiede-
nen Branchen immer häufiger eingesetzt. Dies hat zu
einer zunehmenden Automatisierung geführt, die
sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf
die Gewerkschaften hatte.

Positiv ist, dass die KI viele Aufgaben effizienter und


kostengünstiger gemacht hat, was zu einer höheren
Produktivität und Rentabilität der Unternehmen geführt
hat. Dies hat neue Beschäftigungsmöglichkeiten
geschaffen, insbesondere in der Technologiebranche.

Allerdings hat die KI bei einigen Arbeitnehmern auch


zu Arbeitsplatzverlusten und Lohnstagnation geführt.
Die Gewerkschaften haben versucht, diese Herausfor-
derungen zu bewältigen, indem sie sich für Umschu-
lungsprogramme und eine faire Entschädigung der
von der Automatisierung betroffenen Arbeitnehmer
eingesetzt haben. Sie haben auch auf Regelungen
gedrängt, die sicherstellen, dass die Vorteile der KI
gerecht verteilt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwick-


lung der künstlichen Intelligenz erhebliche Auswirkun-
gen auf die Gewerkschaften und den Arbeitsmarkt
hat und dies wahrscheinlich auch in den kommenden
Jahren der Fall sein wird. Die Gewerkschaften werden Gute Arbeit ist eine Leitorientierung in ver.di, bei der es „Arbeitsschutz und Digitalisierung“ und ab 2021 wieder
sich an diese Veränderungen anpassen und weiterent- um eine beteiligungsorientierte Verbesserung der Arbeits- zusammen mit der IG Metall zu den Themen „Demokratie
wickeln müssen, um die Arbeitnehmer zu schützen und bedingungen geht. Das unterstützt ver.di auf vielfältige in der Arbeit“, „Arbeitspolitik nach Corona. Probleme,
sicherzustellen, dass die Vorteile der KI gerecht verteilt Weise, wobei bei der Initiative Gute Arbeit das Instrument Konflikte, Perspektiven“ und „Das neue Normal“ heraus-
werden.< des DGB-Index Gute Arbeit eine zentrale Rolle spielt. gebracht. Zudem gestaltet der Bereich Innovation und
Eingesetzt wird der Index zum einen, um jährliche bundes- Gute Arbeit mit der Zeitschrift Gute Arbeit jährlich
Der kursiv gesetzte Text wurde vollständig von der weite Befragungen durchzuführen, die ver.di für den mindestens ein Schwerpunktheft. Außerdem werden vom
KI-Anwendung ChatGPT (Version 30 Jan 23) innerhalb Dienstleistungsbereich auswertet. Zum anderen wird Bereich Sonderauswertungen zu bestimmten Themen
weniger Sekunden generiert, nachdem ihr folgende das Instrument direkt in Branchen und Betrieben sowie verfasst wie zu Leistungssteuerung und Arbeitsintensität“
Aufgabe gestellt wurde: „Beschreibe die Entwicklung Verwaltungen für Befragungen eingesetzt, um dort (2020) bis hin zum Handbuch „Homeoffice“ (2022).
Künstlicher Intelligenz in den letzten fünf Jahren und konkret Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gemeinsam mit der tarifpolitischen Grundsatzabteilung
ihre Auswirkungen auf Gewerkschaften“. Die Über- hat der Bereich Innovation und Gute Arbeit „Leitlinien für
setzung des ursprünglich englischen Texts erfolgte Der Bereich Innovation und Gute Arbeit bereitet die gute Arbeitszeitgestaltung“ (2021) erarbeitet, die gewerk-
durch die KI-Anwendung DeepL. Ergebnisse von Gute-Arbeit-Initiativen in Betrieben sowie schaftlichen Akteur*innen eine wichtige Orientierungshilfe
Verwaltungen und Branchen, von DGB-Indexbefragungen bieten. Die jährliche Werkstatt Gute Arbeit dient dazu, sich
sowie von Forschungsprojekten und Good-Practices auf. zu den Erfahrungen der verschiedenen Projekte auszutau-
schen, offene Fragen, Schwierigkeiten aufzunehmen und
Das geschieht in Fortführung der ver.di-Arbeitsberichter- dafür Lösungen zu finden.
stattung und wird ferner durch das Jahrbuch Gute Arbeit
gewährleistet. ver.di hat es im Jahr 2020 als Reader

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 22
Initiativen in Branchen, vertrag „Gute und gesunde Arbeit“ eine regelmäßige
DGB-Index Gute Arbeit-Befragung mit den Index- und
Betrieben, Verwaltungen bestimmten Zusatzfragen (vor allem zur Digitalisierung)
und Einrichtungen verankert werden. An der DGB-Index Gute Arbeit-Befra-
gung im Fachbereich Postdienste, Speditionen, Logistik
Kern der ver.di-Initiative Gute Arbeit ist die nachweisbare im Landesbezirk Bayern im Frühjahr 2022 haben sich gut
Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit Beteiligung 700 Beschäftigte beteiligt. Die Befragung wurde unter
der Beschäftigten. Um die Initiative wieder stärker in den anderem genutzt, um Zugang zu bislang unerschlossenen
Branchen, Betrieben und Verwaltungen zu verankern, und für die KBTA strategisch bedeutsamen Betrieben zu
hatte ver.di 2019 auf dem Bundeskongress eine Offensive bekommen.
für Gute Arbeit beschlossen.
Mit dem Kickoff für die Offensive Gute Arbeit sind auch
Der Bereich Innovation und Gute Arbeit hat im Herbst explizit die Landesbezirke von ver.di eingeladen und
2021 eine Kickoff-Veranstaltung durchgeführt, bei der angesprochen worden. Zusammen mit der Landesbezirks-
auf die bisherigen Ergebnisse der Initiative geblickt wurde leitung Bayern wurde in der Folge ein Online-Workshop
und neue Gute-Arbeit-Projekte in allen fünf ver.di-Fach- zum Thema Gute Arbeit mit den Bezirksgeschäftsfüh-
bereichen initiiert wurden. rer*innen im Jahr 2022 durchgeführt. Zudem haben
innerhalb der Initiative Gute Arbeit Wiederholungsbe-
An der DGB-Index Gute Arbeit Befragung in der Ver- fragungen stattgefunden wie im Landkreis Spree-Neiße,
und Entsorgungsbranche (Fachbereich Finanzdienste, bei der Telekom AG, bei einem Buchgroßhändler und
Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und bei den Bau- und Liegenschaften Rheinland-Pfalz.
Entsorgung im Frühjahr haben fast 15.000 Beschäftigte
teilgenommen. Die Ergebnisse werden unter anderem
für die Tarifrunde 2023 genutzt, außerdem sind Sonder-
Arbeits- und
auswertungen für die 82 gemeldeten Fokusbetriebe Gesundheitsschutz
geplant, die eine Beteiligung über 30 Prozent erreichen.
In einzelnen Fokusbetrieben werden die Befragungser- Der Bereich Innovation und Gute Arbeit hat die Online-
gebnisse auch für eine Gefährdungsbeurteilung genutzt. Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung kontinuierlich
Im Fachbereich Öffentliche und private Dienstleistungen, weiterentwickelt und hat sich mit dem Bereich Sozialpolitik
Sozialversicherung und Verkehr sind mit den Vertreter*in- bei der Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie
nen insbesondere der Deutschen Rentenversicherung, (GDA) engagiert.
der Feuerwehr und der Zoos Gespräche zu Gute-Arbeit-
Projekten geführt worden.

Mit den Vertreter*innen verschiedener Zoos wurde ein


Workshop durchgeführt, bei dem es um die Anwendung
von Wandzeitungen im Prozess zur Guten Arbeit ging.
Im Rettungsdienst (Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung
und Wissenschaft) haben sich 2022 knapp 7.000 Kol-
leg*innen an der ver.di-Befragung zu den Arbeitsbedin-
gungen beteiligt. Die Ergebnisse fließen in die laufende
Kampagne „Maß halten“ – zur Begrenzung der wöchent-
lichen Höchstarbeitszeit im kommunalen Rettungsdienst
und in die Tarifrunde 2023 ein. Aufsetzend auf den
zuvor mit hoher Beteiligung bei Galeria Karstadt Kaufhof
durchgeführten Befragungen zu guter und gesunder
Arbeit konnte bei SportScheck Stationär GmbH im Tarif-

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 23
2.5
Klimaschutz, Energieversorgung
und Mobilitätswende
Klimaschutzprogramm 2019 gelingen, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr Tarifverträge hat ver.di unter anderem mit den Unterneh-
ausstößt und ihr Wachstum von der Ressourcennutzung men RWE, Uniper, swb und Onyx abgeschlossen. Darüber
2019 hat die Bundesregierung das Klimaschutzprogramm abkoppelt. hinaus wurde eine Regelung eingeführt, mit der Kolleg*in-
beschlossen. Ziel war es, dass Deutschland bis zum Jahr nen nach dem Kohleausstiegsgesetz frühzeitig – bereits
2030 55 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase Zudem hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ab 58 – abschlagslos in die Altersrente gehen können.
wie CO2 ausstößt. Enthalten sind Maßnahmen zur Ein- mit Beschluss vom Frühjahr 2021 entschieden, dass die Insgesamt hat ver.di das Anpassungsgeld (Frühverrentung),
sparung von CO2 für alle Sektoren: Für die Energiewirt- Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember Qualifizierungsmaßnahmen sowie weitere Ausbildung
schaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirt- 2019 über die nationalen Klimaschutzziele und die bis und Übernahmen durchsetzen können.
schaft, Landnutzung und Abfallwirtschaft. zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen inso-
fern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende
ver.di hat mit einem Positionspapier die Klimamaßnahmen Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem
Erneuerbare Energien
der Bundesregierung insgesamt begrüßt, jedoch als nicht Jahr 2031 fehlen. Als Reaktion darauf erhöhte die Bundes- und Netzausbau
ausreichend bezeichnet und auf die fehlende soziale regierung die Klimaziele – Deutschland soll bis 2045
Ausgewogenheit der CO2-Bepreisung hingewiesen. klimaneutral werden. ver.di hat das Urteil positiv bewertet ver.di hat sich, auch mit den Forderungen zur Bundestags-
Außerdem kritisierte ver.di, dass die Bundesregierung beim und auf die notwendigen Maßnahmen beim Klimaschutz wahl 2021, weiter für den konsequenten Ausbau der
Klimaschutzprogramm zu wenig Wert auf den Ausbau und entsprechenden Investitionen hingewiesen. Erneuerbaren Energien und entsprechende Investitions-
von öffentlichen Verkehrsmitteln legt. Positiv bewertete offensiven eingesetzt. Der zunehmende Strombedarf durch
ver.di die Programme zum Austausch von Heizungs- Elektrifizierung, unter anderem durch Elektromobilität und
anlagen, zur Gebäudesanierung und zur Verbesserung
Kohlekonsens – Ausstieg Wärmepumpen sowie Digitalisierung sind große Heraus-
des Schienennetzes. Nachdem ver.di sich bereits 2016 mit einem Konzept zur forderungen. ver.di setzt sich deshalb für die Kraft-Wärme-
Finanzierung eines sozialverträglichen Kohleausstiegs in Kopplung (KWK), die Entwicklung und den Ausbau von
die Debatte eingebracht hat, wurde ver.di 2018 in die Speichertechnologien, effizientere Wärmenetze, Sektoren-
Green Deal und Beschluss Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäfti- kopplung, Digitalisierung, Netzausbau bei Strom sowie
Bundesverfassungsgericht – gung berufen, die ein Konzept für einen Kohleausstieg Nutzung der Gasnetze auch für den Transport von Wasser-
erarbeiten sollte. ver.di hat sich dann auch unmittelbar stoff ein – bei kommunalen Versorgungsunternehmen und
Erhöhung Klimaziele am Gesetzgebungsprozess bis zur Verabschiedung des in der privaten Energiewirtschaft.
Kohleausstiegsgesetzes am 8. August 2020 beteiligt.
Nach Verabschiedung und anfänglicher Umsetzung Mit diesem Gesetz wurde unter anderem das Verfahren Der Betrieb der Stromnetze ist hochreguliert. Um die Netz-
wurden die für Deutschland geltenden Klimaziele weiter des Ausstiegs-Auktionierungsverfahrens für Stilllegungs- entgelte niedrig zu halten, steigt der Druck zur Effizienz
angehoben. So hat die EU beschlossen, klimaneutral zu prämien festgelegt. Danach können nur solche Unterneh- oft zu Lasten der Arbeit, Ausbildung und des Spielraums
werden. Dieses ambitionierte Ziel liegt dem Ende 2019 men an diesem Verfahren teilnehmen, die einen entspre- bei Tarifverhandlungen. Damit sich die wichtigen Investitio-
vorgestellten Green Deal zu Grunde. Mit dem europäi- chenden Tarifvertrag vorweisen können. Damit war der nen in Netze im regulierten Geschäft der Netzbetreiber
schen Grünen Deal soll der Übergang zu einer modernen, Weg geebnet, um für die Beschäftigten den Ausstieg refinanzieren, wird die Eigenkapitalverzinsung von der
ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft tarifpolitisch und damit sozial ausgewogen zu gestalten. Bundesnetzagentur festgelegt. ver.di hat sich im

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 24
Jahr 2021 in einem Brief mit über 80 Betriebsratsvor-
sitzenden von privaten und kommunalen Energiever-
sorgern an den damaligen Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier und die Bundesnetzagentur gewendet und
gegen eine geplante Senkung der Eigenkapitalverzinsung
stark gemacht. Es wurde befürchtet, dass dies geringere
Investitionen, Personalabbau und Arbeitsverdichtung
für die Beschäftigten bedeuten würde.

Energiekrise und Preise


Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde eine nie
dagewesene Energiekrise entfacht. Die Bundesregierung
versuchte mit unterschiedlichen Maßnahmen und
Gesetzesinitiativen die Gasversorgung, auch bei einer
ausbleibenden Lieferung aus Russland, sicher zu stellen.
So wurde im Juni 2022 die Alarmstufe des Notfallplans
Gas ausgerufen. Ziel war es, vermehrt andere Energie-
träger zu nutzen, Gasbezug aus anderen Ländern zu
organisieren und Gas einzusparen.

Die steigenden Energiepreise und ihre Folgen wurden von


ver.di aufmerksam verfolgt. ver.di hatte sich bereits früh-
zeitig im Jahr 2022 für die Einführung eines Gaspreis-
deckels ausgesprochen, als die Bundesregierung noch
über eine zusätzliche Umlage der gestiegenen Gaspreise
diskutiert hat, die die Preise für die Verbraucher*innen
weiter erhöht hätte.

Im Rahmen des dritten Entlastungspaketes der Bundesre-


gierung wurde am 3. September 2022 eine Expert*innen-
kommission Gas und Wärme gegründet. Zusammen mit Gas und Fernwärme im Dezember vom Staat übernom-
Wissenschaftler*innen und anderen Stakeholder*innen men wurden. Die Gas- und Strompreisbremse ab März
Dürre und Belastung
war der ver.di-Vorsitzende in der Kommission vertreten. 2023 mindert für 80 Prozent des Verbrauchs die hohe für Beschäftigte
Am 10. Oktober 2022 hat die Kommission einen Zwischen- Belastung vieler Menschen.
bericht vorgelegt. Der ver.di-Vorsitzende hat dem Bericht Die Folgen des Klimawandels gefährden die Ressource
zugestimmt, jedoch ein Sondervotum abgegeben. Er Auch die Forderung von ver.di und Sozialverbänden nach Wasser. Das Ausbleiben von Regen über lange Zeit
kritisierte insbesondere die fehlende soziale Ausgewogen- einem Soforthilfefonds wurde aufgegriffen: Hier erhalten trocknet die Böden aus. Bislang unübliche Hitzeperioden
heit, wie zum Beispiel das Fehlen einer Obergrenze für die Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen Unter- kommen erschwerend hinzu und belasten Beschäftigte,
Menge an Energie, für die gesenkte Preise gelten. ver.di stützung, die die Belastungen nicht selbst stemmen die vornehmlich draußen ungeschützt und unter direkter
hat sich deshalb auch im Nachgang für ein Energiegrund- können. Ebenso wurde – auch aufgrund des Engagements Sonneneinstrahlung – wie beispielsweise Beschäftigte
kontingent, das jedem Haushalt zusteht, eingesetzt. Am von ver.di – für soziale Dienstleister, wie beispielsweise auf Flugfeldern – arbeiten. Die Hitze macht aus dem
31. Oktober 2022 legte die Kommission ihren Endbericht Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen, ein Hilfsfonds wasserreichen Deutschland in Teilen und zeitweise eine
vor. ver.di kritisiert weiterhin die unzureichende soziale beschlossen. Mangelregion.
Balance. Zugleich aber wurden auch entscheidende
Verbesserungen erreicht. So wurde die Dezember-Sofort-
hilfe beschlossen, bei der die Abschlagszahlungen für

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 25
Gleichzeitig nehmen Starkregenereignisse in Anzahl und durch elektrische ersetzt, Photovoltaikanlagen montiert kritisiert, dass das der zweite vor dem ersten Schritt war,
Umfang zu. Trifft Starkregen auf ausgetrocknete Böden und Windräder aufgebaut, neue Technologien in der denn für die Beschäftigten in den Verkehrsunternehmen
oder hochversiegelte Städte, sind extreme Sachschäden Batterie- und Akkumulatorentechnik eingesetzt, um war damit ein erheblicher Arbeitsaufwand verbunden.
und Todesopfer zu erwarten. Das war eindrücklich beim Flugzeuge während der Standzeiten direkt mit klimaneu- Nicht nur musste das Ticket schnellstmöglich eingeführt
Hochwasser 2021 im Ahrtal und an der Erft zu sehen. tralen Strom zu versorgen. Aber auch in der Luftfahrt werden, es führte auch zur starken Nutzung durch die
selber ist der Druck hoch, neue Flugmodelle mit verbesser- Bevölkerung und massiv steigenden Fahrgastzahlen. Aber
Dieser Situation soll die Nationale Wasserstrategie be- ter Aerodynamik, sparsameren Triebwerken und leichteren es zeigte auch, wozu der ÖPNV in der Lage ist. ver.di sieht
gegnen, die unter Beteiligung von ver.di und anderen Materialien zu entwickeln. Um einen klimaneutralen im ÖPNV deshalb das Rückgrat für die Mobilitätswende
Stakeholdern 2019 bis 2022 erarbeitet wurde. Die Flugbetrieb zu ermöglichen, wird die Massenproduktion im Personenverkehr und forderte zu mehreren Anlässen
knapper werdende Ressource soll vor Übernutzung, von synthetischen Kraftstoffen (SAF) vorangetrieben. die Sanierung und Erweiterung von Infrastruktur, mehr
Verschmutzung und Erwärmung geschützt werden, durch Beschäftigte und eine auskömmliche Finanzierung des
Aufklärung von Industrie und Bevölkerung, die Umsetzung Der globale Warenaustausch erfolgt quantitativ vor allem ÖPNVs.
der Wasserrahmenrichtlinie und die erweiterte Hersteller- über den Schiffsweg. Die internationale Schifffahrt ist für
verantwortung. Der Vorrang der öffentlichen Trinkwasser- mehr als drei Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.
versorgung und der Schutz der Abwasserbehandlung vor Auch hier konnte in den letzten Jahren erreicht werden,
Maßnahmen zur
vermeidbaren Spurenstoffen sind von großer Bedeutung. dass neue Brennstoffe Einzug halten. LNG als Übergangs- Energieeinsparung und
Für all diese Ziele braucht es eine leistungsfähige Wasser- treibstoff und Brennstoffzellen als Antrieb der Zukunft sind
wirtschaft – ausfinanziert, digitalisiert und mit ausreichend in den Schiffen schon zu finden. Landstrom in den Häfen Nachhaltigkeit in der
Fachkräften. ver.di konnte damit erreichen, dass einige sorgt dafür, dass die Schiffe nicht länger ihre schwerölbe- ver.di-Bundesverwaltung
seit Gründung von ver.di bestehende Forderungen in triebenen Motoren laufen lassen müssen. Die Häfen haben
Angriff genommen werden. vielerorts auf Elektromobilität der Hafenlogistik umgestellt. In den letzten Jahren hat ver.di verschiedene Maßnahmen
Um unnötige Wartezeiten und Staus zu vermeiden, ergriffen, um den Energieverbrauch in der Bundesverwal-
arbeiten die deutschen Seehäfen mit einem Zeit-Slot- tung zu reduzieren. Seit 2020 wurden Maßnahmen zur
Verkehr System, was dem Klimaschutz zugutekommt, aber die Reduzierung des Stromverbrauches durch die Beleuchtung
Für den Verkehr gilt es, Klimaschutz mit konkreten Ver- Fahrenden unter Druck setzt, ihre Zeiten einzuhalten. in den Fluren umgesetzt. Bei der Raumlufttechnik wurden
besserungen für Beschäftigte zu verbinden. Wenn in der die Zeitschaltprogramme und der Automatikbetrieb
Logistik Paketzusteller*innen weniger Stopps vornehmen Im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) optimiert, so dass auch hier Energieeinsparungen zu
müssen, bedeutet das weniger CO2-Emissionen und standen die Themenfelder Klimakrise und Mobilitätswende verzeichnen sind.
weniger Zeitstress für die Beschäftigten. Für solche im Zentrum der politischen Aktivitäten. Hier war ver.di
Lösungen setzt ver.di sich ein. nach einem langen Diskussionsprozess an der Gründung Der Gesamtverbrauch an Elektroenergie konnte von
eines breiten Bündnisses zivilgesellschaftlicher Akteure 2.159 MWh in 2020 deutlich auf 1.759 MWh in 2022
Das Ende des Verbrennungsmotors betrifft auch den für eine „sozialverträgliche Verkehrswende“ beteiligt. reduziert werden. Weitere Maßnahmen für Energieein-
Straßengütertransport und damit auch alle Berufskraftfah- Umwelt- und Sozialverbände, die Evangelische Kirche und sparungen sind zum Beispiel die Umrüstung in bestimmten
renden. Alternativen müssen gesucht werden und wurden Gewerkschaften treten mit umfassenden Konzepten an Bereichen auf LED-Leuchten.
zum Beispiel bei der Deutschen Post AG mit dem Einsatz die Politik heran. Zugleich wurde die erste gemeinsame
von tausenden elektrischen Fahrzeugen für den Nahver- Tarifrunde aller regionalen Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N)- Mit den durchgeführten Maßnahmen in den Bereichen
kehrsbereich auch schon gefunden, was von ver.di auch Verhandlungen von einer gemeinsamen Kampagne von Elektro- und Heizenergie sowie der Trinkwassernutzung
begleitet wurde. ver.di, ÖPNV-Beschäftigten und der Klimabewegung, gab es in dem Zeitraum 2019-2021 monetäre Einsparun-
insbesondere Fridays for Future für eine Stärkung der gen von zirka 154.000 Euro und 200 Tonnen CO2 pro Jahr.
Im Bereich des Luftverkehrs hat es in den letzten Jahren ÖPNV begleitet. Diese Zusammenarbeit setzte sich über Dies entspricht einem Rückgang der Kosten und CO2-
einen intensiven Diskussionsprozess um eine nachhaltige die Tarifrunde TVN 2020 hinaus fort. Emmissionen von über zehn Prozent. Weitere Maßnahmen
Luftfahrt mit ihren Teilbereichen Luftfahrt und Flughäfen für 2023 und die Folgejahre sind in Planung.
bis 2023 gegeben, den ver.di auf den unterschiedlichen Im Öffentlichen Personennahverkehr wurde als Teil des
unternehmerischen und politischen Entscheidungsebenen ersten Entlastungspakets das sogenannte 9-Euro-Ticket
intensiv begleitet hat. Die Branche hat sich eine Halbierung eingeführt. ver.di konnte infolgedessen die politische
der CO2-Emssionen bis 2030 vorgenommen. Als Folge und gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf den Ausbau
werden nach und nach die bisherigen Vorfeldfahrzeuge und die Modernisierung des ÖPNV legen. ver.di hat jedoch

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 26
2.6
Dienstleistungspolitik und
Dienstleistungsforschung
Stellenwert der „Service Breakfast“ des Deutschen Forum Dienstleistungs- darum, wie sowohl die Nachhaltigkeit von Dienstleistun-
forschung statt. Unter dem Titel „Systemrelevante gen selbst, als auch wie mit Dienstleistungen die Nachhal-
Dienstleistungen in Politik Dienstleistungen aufwerten: Welchen Beitrag kann die tigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft verbessert werden
und Forschung Dienstleistungsforschung leisten?“ ging es um Perspekti-
ven auf Dienstleistungsforschung und Innovation, um
können. Auf dem Podium der Veranstaltung diskutierte
unter anderem der ver.di-Bereichsleiter Politik und Planung
Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass Dienstleistun- diese Dienstleistungen und die Arbeit in ihnen qualitativ über die Bedeutung von Dienstleistungen mit guter Arbeit
gen und die in ihnen geleistete Arbeit aufgewertet werden hochwertig zu gestalten. als Voraussetzung erfolgreicher Nachhaltigkeitsstrategien.
muss, ist gewachsen. Dies zeigte sich insbesondere zu ver.di engagiert sich weiterhin in der Gesellschaft für
Beginn der Corona-Pandemie, als die als systemrelevant Im Dezember 2021 fand die ver.di-Tagung „Arbeits- und Arbeitswissenschaft (GfA). Auf dem Frühjahrskongress der
benannten Arbeiten in vielen Dienstleistungsbereichen Dienstleistungsforschung: Ergebnisse und Perspektiven“ GfA 2021 hat ver.di ein eigenes Panel zum Thema „Arbeit
mehr gesellschaftliche Anerkennung erhalten haben. Dies statt. Dort wurde diskutiert, welche Anforderungen ver.di in der Sozialwirtschaft und die digitale Transformation“
hat sich aber noch nicht in eine systematische, umfassen- an die zukünftige Arbeits- und Dienstleistungsforschung angeboten. Dort wurde in Beiträgen von ver.di-Vertre-
de Aufwertung dieser Arbeit übersetzt. Gewerkschaftliche stellt und wie Gewerkschaften und gesetzliche Interessen- ter*innen und verschiedenen Wissenschaftler*innen die
Erfolge konnten etwa über Tarifbewegungen für Entlas- vertretungen an Forschung systematisch beteiligt werden gesellschaftliche Bedeutung der Sozialwirtschaft betont
tung und mehr Personal in verschiedenen Krankenhäusern können. Die Arbeitsforschung sollte insbesondere die und Forschungsbedarfe aus gewerkschaftlicher Perspektive
erreicht werden. Herausforderungen der Digitalisierung für die Arbeitsorga- formuliert.
nisation und -gestaltung erforschen, die Dienstleistungs-
forschung einen Schwerpunkt auf Dienstleistungen legen, Die langjährige Zusammenarbeit zwischen ver.di und dem
Kooperationen mit Politik die gesellschaftliches Wohlergehen unterstützen, ökolo- Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
und Wissenschaft gisch nachhaltig sind und Gute Arbeit fördern. (FHG IAO) wurde fortgesetzt. Neben gemeinsamen
Forschungsprojekten wie dem Projekt „Digitallabor Non-
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) In Nürnberg fand im November 2021 der BMBF-Dienstleis- profit 4.0“ gab es einen regelmäßigen Austausch mit dem
hat 2020 ein neues Forschungsprogramm „Zukunft der tungskongress statt. An dem Kongress beteiligte sich FHG IAO im Rahmen von Spitzengesprächen, verbunden
Wertschöpfung“ aufgelegt, in dem Produktions-, Dienst- der Bereich Politik und Planung unter anderem mit der mit Innovationsforen auf Arbeitsebene.
leistungs- und Arbeitsforschung erfolgt. ver.di beteiligt sich Teilnahme an einer Podiumsdiskussion. Auf der Veranstal-
an den Beiräten des neuen BMBF-Programms. Ein Ziel ist, tung wurde auch das Deutsche Forum Dienstleistungs- Das Innovationsforum im März 2021 widmete sich anhand
möglichst Forschung zu unterstützen, die nicht technolo- forschung (DF²) offiziell gegründet, an dem ver.di sich verschiedener Forschungsprojekte, an denen ver.di und
gisch verengt ist, sondern die Frage des Beitrags von beteiligt. Dieses Forum soll eine zentrale Anlaufstelle für das FHG IAO beteiligt sind, dem Thema Dienstleistungen
Dienstleistungen zur Lösung gesellschaftlicher Herausfor- die Vernetzung einer disziplinübergreifenden Dienstleis- und Arbeit in der digitalen Transformation. Beim Innova-
derungen adressiert. tungscommunity werden. tionsforum im November 2022 in Stuttgart wurden fol-
gende Themen diskutiert: Anforderungen an die resiliente,
ver.di hat sich in die Diskussion über die Schwerpunkte Das DF² führte im September 2022 in Hamburg eine das heißt widerstands- wie anpassungsfähige Gestaltung
der Dienstleistungs- und Arbeitsforschung eingebracht. Im Tagung zum Thema „Dienstleistungswende zur Nachhal- beschäftigungsstarker und systemrelevanter Dienstleis-
September 2021 fand in Zusammenarbeit mit ver.di ein tigkeit“ durch. Auf der Tagung ging es unter anderen tungsbereiche; die Zukunft der Städte mit

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 27
Schwerpunkt auf die Themen und Perspektiven von Arbeit,
Wohnen, Energie und Verkehr sowie Digitalisierung in der
betrieblichen Weiterbildung.

Kooperation mit der


Hans-Böckler-Stiftung (HBS)
In den Gremien der HBS sowie im regelmäßigen Austausch
mit den Fachabteilungen der HBS hat sich ver.di dafür
eingesetzt, dass Forschung zu Fragen von Dienstleistun-
gen, Dienstleistungsarbeit und Daseinsvorsorge gefördert
wird. Wichtige Themen von Forschungsprojekten und
-verbünden der HBS sind die digitale Transformation von
Unternehmen, der sozial-ökologische Umbau und der
demografische Wandel. Von ver.di wurden in den letzten
Jahren mehrere HBS-Forschungsprojekte initiiert, zum
Beispiel die Projekte „Digitalisierung und Automatisierung
der Verwaltung“ oder „Entgeltunterschiede zwischen
Branchen“. Außerdem hat ver.di verschiedene HBS-
finanzierte Branchenanalysen auf den Weg gebracht,
in denen Trends und deren Auswirkung auf Arbeitsbedin-
gungen und Beschäftigungsverhältnisse in Branchen
der ver.di-Organisationsbereiche untersucht werden.

Im September 2022 fand in der ver.di-Bundesverwaltung


ein HBS-Tag statt. Vertreter*innen der HBS von Geschäfts-
führung, den Abteilungen und Instituten informierten
über die verschiedenen forschungsbezogenen Aktivitäten
der HBS sowie die Unterstützungsangebote für Gewerk-
schafter*innen, Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 28
2.7
Rechtspolitik
Ein wesentlicher Teil der Arbeit von ver.di liegt auch im Streik- und Tarifrecht barkeit von Arbeitsbedingungen Auszubildender). ver.di
Bereich der Rechtspolitik. Hier ist ver.di beispielsweise hat sich in diese politische Diskussion eingebracht, bei
involviert in die Begleitung und Bewertung von Gesetz- Das Streikrecht ist weiterhin Angriffen ausgesetzt, der Durchführung von Arbeitskämpfen eng mit dem
gebungsvorhaben, unter anderem durch Stellungnahmen einerseits durch politische Manöver (zum Beispiel CSU- ver.di-Landesrechtsschutz zusammengearbeitet.
im Rahmen von Anhörungen, als Sachverständige im Vorlage zur Begrenzung des Streikrechts in der Daseins-
Bundestag, aber auch in Gesprächen mit Ministerien, vorsorge; diverse Veröffentlichungen zum Arbeitskampf), Zudem war ver.di eng in die Diskussion und Gerichts-
Mitgliedern des deutschen Bundestags oder Richter*in- andererseits durch die verstärkte Inanspruchnahme von verfahren um ein Beamtenstreikrecht in Deutschland
nen. Der Bereich Rechtspolitik beeinflusst den rechts- Arbeitsgerichten zur Untersagung von Streiks (zum Beispiel eingebunden, nachdem das BVerfG 2018 diesem erneut
politischen Diskurs auch über Fachaufsätze, Vorträge, bei Tarifverhandlungen um ver.di-Entlastungstarifverträgen eine deutliche Absage erteilt hat. Hier wurde mit ver.di
Konferenzteilnahmen, eigene Fachveranstaltungen sowie in Krankenhäusern beziehungsweise zur Frage der Erstreik- abgestimmt eine sogenannte DGB-Drittintervention
Verlautbarungen in der Presse. Rechtspolitisch wirkt
ver.di auf den Feldern des Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs-,
Verfassungs- und Unionsrechts. Veröffentlichungen in
Fachzeitschriften und Kommentierungen flankieren die
rechtspolitische Arbeit. Die Vortragstätigkeit erstreckt sich
von gewerkschaftlichen Tagungen in Fachbereichen, bei
Betriebs- und Personalräten, auf DGB-Veranstaltungen
und vielem mehr sowie über Fachseminare für Anwält*in-
nen und Richter*innen bis hin zum politischen Raum.

Der Bereich Rechtspolitik stellt zudem vielfach Referent*in-


nen im Rahmen der ver.di-Bildungsarbeit (zum Beispiel
Tariftraining, Arbeits- und Sozialrecht, „Richtig gut
beraten“, und rechtspolitische Einordnung) und wirkt
so auch in der internen rechtswissenschaftlichen und
-politischen Arbeit. Vielfach ist das Arbeits- und Sozialrecht
neben Gesetzen in besonderer Weise durch Richter*innen-
recht geprägt. ver.di betreibt insoweit auch über die Arbeit
als ehrenamtliche Richter*innen an Arbeits- und Sozial-
gerichten, aber auch am Bundesarbeitsgericht beziehungs-
weise Bundessozialgericht Rechtspolitik.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 29
als Unterstützung der sich für ein Beamtenstreikrecht
Weiteres im Arbeits- EU-Arbeitsrecht
einsetzenden elf GEW-Beschwerden beim Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereicht. und Sozialrecht Auch im Bereich des EU-Arbeits- und Sozialrechts und
Die mündliche Verhandlung beim EGMR zu diesen wichtiger EuGH-Rechtsprechung war ver.di aktiv. Dazu
Beschwerden findet am 1. März 2023 statt. In verschiede- Intensiv hat ver.di im Arbeits- und Sozialrecht auch die gehört die Beteiligung im Rahmen der Gesetzgebungs-
nen Workshops mit der GEW, dem DGB und den anderen Umsetzung wichtiger Koalitionsvorhaben begleitet, so verfahren zur Umsetzung der EU-Geschäftsgeheimnisricht-
Mitgliedsgewerkschaften des DGB wurden im Berichts- zum Beispiel die immer wieder in der Diskussion befindli- linie, der EU-Richtlinie über transparente und vorherseh-
zeitraum gemeinsam mit ver.di Fragen der Umsetzung che, bislang aber immer noch nicht in Angriff genommene bare Arbeitsbedingungen, der Whistleblower-Richtlinie
eines möglichen Streikrechts der Beamt*innen in Deutsch- Reform des Befristungsrechts, die Umsetzung der erfolg- sowie der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie. Hier gelang es an
land diskutiert. ten Reform des Teilzeitrechts (unter anderem Brückenteil- vielen Stellen Arbeitnehmer*innenrechte zu schützen und
zeit), aber auch die Einführung der Nachunternehmer- zu stärken.
ver.di war intensiv mit Fragen des Tarifeinheitsgesetzes haftung in der Paketbranche.
und hier konkret mit der Umsetzung der Entscheidung Hervorzuheben ist die erfolgreiche Mitarbeit auf EU-Ebene
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG im Jahr 2017 zur Vorhaben der BDA und Bundesregierung zur Schaffung bezüglich der Schaffung der EU-Leitlinie zur Herausnahme
teilweisen Verfassungswidrigkeit des Tarifeinheitsgesetzes von mehr tarifdipositivem Recht wie zum Beispiel im von Tarifverträgen aus dem europäischen Kartellrecht und
und sich daraus ergebender Fragen der Neugestaltung Arbeitszeitrecht konnte ver.di abwehren, sind aber aktuell damit die Bestätigung der Möglichkeit des Abschlusses
des § 4a Tarifvertragsgesetz (TVG) befasst. Die Verfas- erneut auf der Agenda. Nicht verhindert werden konnte von Tarifverträgen für Solo-Selbständige, aber auch die
sungsbeschwerden verschiedener Berufsgruppengewerk- die aus ver.di-Sicht verfassungsrechtlich bedenkliche erfolgreiche Schaffung einer EU-Richtlinie zur Regulierung
schaften gegen die seit 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Deregulierung des Kündigungsschutzrechts im Bereich von Plattformarbeit.
Neuregelungen des § 4a TVG wurden im Mai 2020 nicht der Risikoträger im Banken- und Börsenbereich. Kritisch
zur Entscheidung angenommen, da es laut Bundesver- begleitet wurde auch die Umsetzung des Koalitionsvorha- Aktuell ist ver.di in die ordnungsgemäße Umsetzung der
fassungsgericht Aufgabe der Fachgerichte ist, § 4 TVG bens zur Gewährleistung von Tarifbindung im Pflegebe- aktuellen EU-Insolvenzrechtslinie einbezogen. Dieses
mit Leben zu füllen. Der EGMR hat im Juli 2022 entschie- reich – ein Gesetz aus dem Sommer 2021, das noch heute Thema hat immer stärkere Relevanz, da in der täglichen
den, dass § 4a TVG auch völkerrechtskonform ist. viele Auslegungs- und Rechtsfolgenfragen mit sich bringt. Beratungsarbeit zunehmend Arbeitsrecht in der Insolvenz
gefragt ist (zum Beispiel Insolvenz von Galeria Karstadt
ver.di hat gemeinsam mit dem DGB zudem das gewerk- ver.di hat die arbeits- und sozialrechtlichen Koalitionsvor- Kaufhof und verschiedene Insolvenzen im Pflegebereich).
schaftliche Positionspapier Stärkung der Tarifbindung haben der aktuellen Ampelkoalition aktiv und kritisch
überarbeitet; hier wurden Forderungen nach einer brei- begleitet; hier stehen derzeit unter anderem die Schaffung Von hoher Relevanz ist die Frage nach der gesetzlichen
teren Ermöglichung tariflicher Vorteilsregelungen für eines Bundestariftreuegesetzes, die Umsetzung des Pakets Etablierung verpflichtender Arbeitszeiterfassung, die der
Gewerkschaftsmitglieder konkretisiert, neue Forderungen Vermeidung von Tarifflucht, die Reform des kirchlichen EuGH bereits im Mai 2019 entschieden hatte. Hier ist es
zur Stärkung der Anreize für mehr Tarifbindung (Absetz- Arbeitsrechts aber auch die Reformbedarfe im Allgemei- an der Zeit, dass entsprechend der BAG-Entscheidung
barkeit Gewerkschaftsmitgliedsbeitrag, Weiterentwicklung nen Gleichbehandlungsgesetz auf der Agenda. vom September 2022 eine gesetzliche Regelung zur ver-
Verbandsklagerecht, Begrenzung von OT-Mitgliedschaften pflichtenden Zeiterfassung in das Arbeitsschutzgesetz
etc.) entwickelt und in Politik, Gesetzgebung und Recht- Bereits umgesetzt sind und kritisch begleitet wurden die aufgenommen wird; eine Öffnung des Arbeitszeitgesetzes
sprechung eingebracht. Einführung des Bürgergeldes, die Erhöhung des Mindest- ist dafür nicht nötig.
lohnes auf zwölf Euro, die Anhebung der Minijob- und
Im Tarifrecht unterstützte der Bereich Recht und Rechts- Midijobgrenzen sowie die Einführung der Grundrente. Ein
politik die Fachbereiche in Fragen des Tarifrechts und wichtiges Thema war zudem die Einführung der Inflations-
bei großen Tarifprojekten (durch Beratung in Tarifkommis- ausgleichsprämie, die im November 2022 in Kraft getreten
sionen, Überprüfung von Streik- und Tarifforderungen, ist. Gemeinsam mit dem DGB wurde ein Gesetzentwurf
Fragen zu AVEs, Gutachten wie zum Beispiel zu Fragen der für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz erarbeitet und in
Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZVG), Politik und öffentliche Debatten eingebracht.
aber auch Fragen von tarifwidrigen Betriebsvereinbarun-
gen (§ 77 III BetrVG) und Tarifunfähigkeitsverfahren.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 30
2.8
Frauen- und Gleichstellungspolitik
Entgeltgleichheit herstellen mentes geworben, zum Beispiel bei den alljährlich zu unterstützen, organisiert ver.di Schulungsangebote in
stattfindenden Tagen der betrieblichen Entgeltgleichheit. der Anwendung des Entgelttransparenzgesetzes.
Ungleichheit insbesondere beim Entgelt zwischen Frauen
und Männern ist trotz vielfältiger Aktivitäten noch immer ver.di setzt sich weiterhin intensiv für ein Entgeltgleich- ver.di verfolgt weiterhin mit hohem Einsatz die tarifliche
Tatsache. Auch wenn ver.di den Grundsatz gleicher Lohn heitsgesetz ein, das alle Akteur*innen sowohl auf Aufwertung von typischen Frauentätigkeiten als tarif-
für gleiche Arbeit bei den Tarifverdiensten weitgehend betrieblicher als auch auf tarifpolitischer Ebene veranlassen politischen Schwerpunkt und kämpft für entsprechende
umgesetzt hat, existiert bei den Effektiveinkommen immer soll, für Entgeltgleichheit zu sorgen. Das von der Bundes- politische Maßnahmen. Die Aufwertungskampagnen
noch ein erhebliches Einkommensgefälle von 18 Prozent. regierung eingeführte sogenannte Entgelttransparenz- werden durch Aktivitäten der ver.di-Frauen unterstützt.
Die Herstellung von Entgeltgleichheit in Deutschland gesetz war nur ein kleiner Schritt. Eine Evaluierung der ver.di hat beispielsweise die jährlichen Internationalen
erfolgt aus Sicht von ver.di immer noch erschreckend Wirkungen des Entgelttransparenzgesetzes im Auftrag der Frauentage und Equal Pay Days oder auch den neu ins
langsam. Bundesregierung, die ver.di aktiv begleitet hat, hat dies Leben gerufenen Equal Care Day zum Anlass genommen,
bestätigt. Um die betrieblichen Interessenvertreter*innen die Tarifbewegung im Sozial- und Erziehungsdienst zu
Der Einkommensabstand beruht auf verschiedenen
Faktoren. Zum Beispiel beeinflussen geschlechtsspezifische
Unterschiede in Aus- und Weiterbildung, Berufswahl,
Arbeitszeit, Tätigkeit, Branche, aber auch die Anerken-
nung von Berufs- und Tätigkeitsjahren, von Qualifikation,
Tätigkeitsanforderungen, Leistungsgrad oder besonderen
Belastungen die durchschnittlichen Entgelte von Männern
und Frauen. Hinzu kommt, dass durch die Struktur von
Eingruppierungsverfahren und deren Umsetzung im
Betrieb vielfach eine Unterbewertung beziehungsweise
Nichtbewertung von typischen Tätigkeiten von Frauen im
Vergleich zu typischen Männertätigkeiten stattfindet –
trotz zwingender entgegengesetzter rechtlicher Bestim-
mungen. ver.di sieht deshalb für die Tarifpolitik und für
deren Umsetzung im Betrieb einen klaren Handlungsauf-
trag zur Herstellung von Entgeltgleichheit – nicht nur
aus rechtlichen Gründen, sondern aus demokratischem
Grundverständnis heraus.

ver.di nutzt daher bereits seit langem das Instrument


eg-check auf der betrieblichen Ebene und bei Tarifver-
handlungen, um Entgeltdiskriminierungen konkret auf
die Spur zu kommen. ver.di hat Akteur*innen in der
Tarifpolitik in diesem Instrument geschult und auf der
betrieblichen Ebene und für die Nutzung dieses Instru-

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 31
unterstützen und auf die mangelnde Anerkennung von ben der Bundesregierung eine Kindergrundsicherung schlag für mehr Menschen ohne Bedürftigkeits- oder
bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit aufmerksam zu einzuführen. Hierzu entwickelten ver.di und DGB ein Einkommensprüfung erreichbar sein muss.
machen. Dabei ist es ver.di im Jahr 2022 zum ersten Mal Konzept und begleiten das Regierungsvorhaben.
gelungen, in enger Kooperation mit den Frauen*streik- ver.di hat sich dafür eingesetzt, dass die anstehende Phase
bündnissen zu Arbeitskampfmaßnahmen am 8. März zu Den Ausbau von haushaltsnahen Dienstleistungen rückt nach der Pandemie auch dafür genutzt wird, um die
mobilisieren. So konnte ver.di viel Aufmerksamkeit für ver.di in den Fokus der Politik und fordert eine zielgenaue strukturellen Ungleichheiten zwischen Männern und
das Thema erzeugen. Förderung durch öffentliche Bezuschussung von Haus- Frauen zu überwinden. Die feministische Perspektive
haltsdienstleistungen, denn dies schafft Anreize für die gehört in die Debatten um die Bewältigung der Krisenfol-
Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. gen und das Handeln der demokratischen Parteien muss
Erwerbs- und Sorgearbeit Die Förderung muss in erster Linie zur Entlastung von sich daran ausrichten. ver.di hat diese Forderungen an
fair teilen Familien mit niedrigeren Einkommen und insbesondere die Politik beim DGB Bundeskongress eingebracht, be-
Alleinerziehenden beitragen. Durch eine staatliche schlossen und im Nachgang an die politisch Verantwort-
Geschlechtergerechte Verteilung von Erwerbs- und Unterstützung bei der Gründung und Regulierung von lichen übermittelt.
Sorgearbeit und gute, gesellschaftliche Rahmenbedingun- Dienstleistungsagenturen muss die Legalität und die
gen sind die Basis für eine eigenständige Existenzsicherung Qualität der Angebote sichergestellt werden. Gemeinsam
von Frauen und Männern. Wie unter einem Brennglas mit dem Deutschen Frauenrat diskutiert ver.di das Thema
wurden die von ver.di seit Jahren bemängelten Rahmen- auf Veranstaltungen mit der Politik.
bedingungen zur Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben,
insbesondere während der Corona-Pandemie, mehr als
deutlich sichtbar.
Eigenständige
Existenzsicherung im
Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollen Wirklichkeit
werden, aber es fehlen ausreichend wohnortnahe und Lebensverlauf
bedarfsgerechte Kinderbetreuungseinrichtungen. So lassen
beispielsweise die Betreuungszeiten oftmals – insbesonde- Viele Frauen waren in der Pandemie von enormen
re im ländlichen Raum – keine existenzsichernde Erwerbs- Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit, unfreiwillige
tätigkeit von Müttern zu. Die Situation wird durch den Teilzeitbeschäftigung und Arbeitslosigkeit betroffen.
Fachkräftemangel noch verschärft. Arbeitsmarktpolitik der Zukunft muss gleichberechtigte
Teilhabe von Frauen sichern: Die Erwerbsbeteiligung von
ver.di fordert, dass das Elterngeld weiterentwickelt werden Frauen am Arbeitsmarkt ist in den letzten Jahren gestie-
muss, so dass die gleiche Teilhabe von Frauen und gen. Allerdings ist der Aufholbedarf an der Erwerbsarbeits-
Männern gewährleistet ist und Haus- und Sorgearbeit zeit immer noch groß.
auch in männlichen Lebensverläufen Eingang findet.
Hierzu sollten die Partnermonate während der Elternzeit ver.di hat sich Forderungen von Arbeitgeber*innenseite
ausgebaut werden und die Mindest- und die Höchstbe- nach einer Ausweitung von Arbeitszeiten entschieden
zugsgrenzen beim Elterngeld angehoben werden. entgegengestellt. Weder im Sinne von Arbeits- und
Gesundheitsschutz für die Beschäftigten noch für eine
Eine kurze Vollzeit für alle würde die partnerschaftliche erhöhte Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben geschweige
Verteilung von Sorgearbeit unterstützen, die stärkere denn gegen den Fachkräftemangel ist das sinnvoll.
Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben fördern und helfen,
dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. ver.di fordert eine geschlechtergerechte Rente, die die
vielseitigen Lebensleistungen erwerbstätiger Frauen
Damit auch alle Eltern, die Sozialleistungen beziehen, vom berücksichtigt. ver.di weist auf den jährlichen Frauen-
Elterngeld profitieren können, fordert ver.di keine Anrech- Alterssicherungskonferenzen darauf hin, dass Altersarmut
nung von SGB II-Leistungen, Sozialhilfe und Kinderzu- vor allem Frauen betrifft und sensibilisiert hierzu aktive
schlag auf das Elterngeld. Dies wäre auch ein Schritt, um Menschen in und Vertreter*innen aus der Politik. ver.di
Kinderarmut vorzubeugen. ver.di befürwortet das Vorha- hat entsprechend gefordert, dass der Grundrentenzu-

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 32
2.9
Europapolitik
Mit Blick auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen über Tarifverträge für beenden: Im Sommer 2022 hat die Kommission entspre-
die europäische Ebene zieht ver.di eine gemischte Bilanz: chende Leitlinien zur Auslegung des europäischen Wett-
Zum einen verstärken die Binnenmarktfreiheiten und die Solo-Selbstständige und bewerbsrechts verabschiedet. ver.di hat sich – gemeinsam
Liberalisierungspolitik weiterhin den Standortwettbewerb
und gefährden soziale Errungenschaften. Auf der anderen
EU-Wettbewerbsrecht mit dem DGB und UNI Europa – sehr intensiv in diesen
Prozess eingebracht und konnte unter anderem erreichen,
Seite hat die EU-Kommission mit der Mindestlohn- und Im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts konnten dass die Neuauslegung nicht auf Selbstständige be-
der Plattformrichtlinie wichtige Regulierungsvorhaben auf Tarifverträge von Solo-Selbstständigen als illegale Preisab- schränkt ist, die über Plattformen arbeiten. Einseitige
den Weg gebracht. ver.di hat sich sowohl bei den sektor- sprachen beziehungsweise Kartelle angesehen und Honorarempfehlungen bleiben weiterhin verboten, aber
spezifischen als auch bei den übergreifenden EU-Gesetz- verboten werden. Trotz massiver Gegenwehr der Arbeit- Auftraggeber können nicht mehr mit Verweis auf das
gebungsverfahren aktiv eingebracht. geber*innenseite ist es gelungen, diesen Zustand zu EU-Recht Verhandlungen ablehnen.

Mindestlohnrichtlinie
Die Mindestlohnrichtlinie war das zentrale soziale Vorha-
ben der EU-Kommission in dieser Legislatur – und das
umstrittenste, auch innerhalb der Gewerkschaften. ver.di
engagierte sich gemeinsam mit dem DGB und den
europäischen Dachverbänden für eine solche Richtlinie.
Letztlich einigten sich das EU-Parlament und der Rat
darauf, Kriterien für die Höhe angemessener gesetzlicher
Mindestlöhne festzulegen, aber ohne verbindliche
Schwellenwerte.

Zur Stärkung von Tariflöhnen sind die Mitgliedstaaten


aufgefordert, Aktionspläne vorzulegen, mit denen eine
Tarifbindung von 80 Prozent erreicht werden kann.
Bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge stellt die
Richtlinie klar, dass auch regionale und branchenspezifi-
sche Tarifverträge für Tariftreueklauseln herangezogen
werden dürfen. All dies gibt Rückenwind für die nationa-
len Diskussionen um die Stärkung der Tarifbindung.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 33
Plattformrichtlinie Europäischer Sozialfonds Handelspolitik
Im Dezember 2021 legte die EU-Kommission einen und Fonds für einen Die Corona-Pandemie und geopolitische Krisen haben
Vorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der
Plattformwirtschaft vor. Ziele sind Scheinselbstständigkeit
gerechten Übergang auch die EU-Handelspolitik geprägt und den Abschluss
weiterer Freihandelsabkommen unter anderem mit
zu bekämpfen, mehr Rechte bezüglich des algorithmi- Schon seit vielen Jahren erhält ver.di jährlich mehrere Mercosur, Chile, Mexiko und Neuseeland befeuert. Nach
schen Managements und bessere gewerkschaftliche Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für Jahren der Kritik stärkte die EU die Durchsetzung von
Vertretungsmöglichkeiten in diesem Bereich zu erreichen. Weiterbildungsprojekte sowie für die Umsetzung qualitati- Arbeitnehmer*innenrechten in Handelsabkommen. Unter
ver.di hat sich intensiv in den Gesetzgebungsprozess ver Tarifpolitik und Guter Arbeit. Bei der Neuverhandlung anderem durch den Druck von ver.di ist die EU-Kommis-
eingebracht. Warnhinweisen der Arbeitgeber*innenseite, des Fonds hat ver.di sich erfolgreich dafür eingesetzt, die sion im Sommer 2022 einer zentralen Gewerkschaftsfor-
dass dies das Ende der Selbstständigkeit bedeutet, wies Bedingungen zur Beantragung von Mitteln für Gewerk- derung nachgekommen: Alle künftigen EU-Handelsab-
ver.di wiederholt vehement zurück. ver.di legte dar, dass schaften so einfach und attraktiv wie möglich zu machen, kommen sollen über einen Sanktionsmechanismus bei
die Rechte von tatsächlich Selbstständigen, die über unter anderem durch angemessene Kofinanzierungssätze schweren Verletzungen von Gewerkschaftsrechten
Plattformen arbeiten, gestärkt werden. Wie das Gesetz- und einen überschaubaren organisatorischen Aufwand. verfügen, gleiches gilt auch für die Nichterfüllung der
gebungsverfahren ausgeht, ist noch offen. Überdies ging es darum, das Volumen des ESF zu erhalten Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen.
und zu verhindern, dass diese Mittel in andere Fonds Ein wichtiger Hebel für Gewerkschaften ist ihre vorgesehe-
abfließen. So konnte ver.di gemeinsam mit dem DGB ne Rolle bei der Überwachung der Einhaltung sozialer und
Mobile Beschäftigte verhindern, dass ESF-Mittel in den 2020 vorgeschlagenen umweltrechtlicher Bestimmungen von Handelsabkommen.
Im Bereich der mobilen Beschäftigung lag der europäische Fonds für einen gerechten Übergang abfließen, mit dem Diese wird in mehreren Aktionspunkten ebenfalls gestärkt
Fokus auf der Bekämpfung von Lohn- und Sozialversiche- Regionen gefördert werden, die sehr stark vom Struktur- und erfolgt über Nationale Beobachtungsgruppen für
rungsmissbrauch: Die Europäische Arbeitsbehörde hat ihre wandel betroffen sind. Nun stehen beide finanziell auf jedes EU-Land, die die Einhaltung der Nachhaltigkeitskapi-
Arbeit aufgenommen und sich mit einem Schwerpunkt eigenen Füßen. tel überwachen und in denen auch die Gewerkschaften
zum internationalen Straßenverkehr auch in einem der vertreten sind.
Organisationsbereiche von ver.di engagiert. Gemeinsam
mit dem DGB hat ver.di sich für eine schlagkräftige Aus-
Daten-Governance-Gesetz
gestaltung der Behörde eingesetzt. In Bezug auf den Mit ihrem Ende 2020 vorgelegten Gesetzesvorschlag zu
Sozialversicherungsmissbrauch gab es leider keine Fort- Europäischer Daten-Governance beabsichtigte die
schritte. Die deutsche Bundesregierung blockiert eine EU-Kommission, die Verarbeitung von Daten – auch
Verschärfung bei den notwendigen Kontrollbescheinigun- sensibler Daten – zu erleichtern und die Weitergabe von
gen, der Vorschlag der Kommission, einen europäischen Daten des öffentlichen Sektors an Unternehmen zu
Sozialversicherungspass einzuführen, hat unter den ermöglichen. Aus ver.di-Perspektive ging damit die Gefahr
Mitgliedstaaten noch nicht genügend Befürworter*innen von Datenmissbrauch und einer Schwächung des Vertrau-
gefunden. Gemeinsam mit dem DGB hat ver.di sich mit ens in die öffentliche Verwaltung einher. Daher hat sich
vielen Gesprächen und der Beauftragung einer Studie zu ver.di intensiv in den Gesetzgebungsprozess eingebracht
verschiedenen Optionen der Missbrauchsverhinderung in – mit Erfolg: In der finalen Fassung werden Beschäftigten-
diese Debatten eingebracht. daten vor dem Zugriff von Unternehmen geschützt und
der Vorrang der Datenschutzgrundverordnung in Bezug
auf den Schutz sensibler Daten wird ausdrücklich unter-
strichen.

ARBEITSBEDINGUNGEN GESTALTEN 34
3.

Gesellschaft
gestalten. 35
3.1
Sozialstaat und Sozialversicherungen
Sozialwahlen – lichen Renteneintrittsalters ausgeschlossen wurden. Arbeits- und
Die von ver.di intensiv betriebene Diskussion um Armut
Selbstverwaltung im Alter und um erforderliche Mindestsicherungselemente Gesundheitsschutz
in der gesetzlichen Rente führte zur Verabschiedung
Die Sozialwahl ist die drittgrößte Wahl in Deutschland. des Grundrentengesetzes, das zum 1. Januar 2021 in Eine COVID-19-Erkrankung am Arbeitsplatz kann einen
Bis zum 31. Mai 2023 konnten rund 52 Millionen wahlbe- Kraft trat. Von den im Referentenentwurf angedachten Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung
rechtigte Versicherte und Rentner*innen der Deutschen 3 Millionen Zuschlagsberechtigten konnten letztendlich darstellen. ver.di hat sich dafür eingesetzt, dass COVID-19
Rentenversicherung Bund und der Ersatzkassen ihre nach ersten Zahlen vom Januar 2023 nur 1,1 Millionen als Berufskrankheit anerkannt wird und zwar nicht nur bei
ehrenamtlichen Vertreter*innen in die jeweiligen Sozial- Versicherte einen Grundrentenzuschlag mit durchschnitt- medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten. Sofern die
parlamente wählen und damit bestimmen, wer dort die lich 86 Euro monatlich erhalten. Wesentlicher Grund Infektion auf einem situativen beruflichen Kontakt zu
wichtigen Entscheidungen treffen darf. ver.di trat mit für die deutlich geringere Anzahl war die von der Union einem infizierten Menschen beruht, kommt im konkreten
eigenen Listen an, um auch in Zukunft die Interessen durchgesetzte Einkommensprüfung, die die Zuschlagsbe- Einzelfall die Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung
der Versicherten vertreten zu können. rechtigung vom Partner*inneneinkommen abhängig als Arbeitsunfall infrage. Dies ist durch den zuständigen
macht. Unfallversicherungsträger zu prüfen. Deshalb sollten
ver.di hat sich gemeinsam im DGB für die Stärkung der Beschäftigte, die durch ihre Tätigkeit am Arbeitsplatz mit
sozialen Selbstverwaltung eingesetzt und in Gesprächen, Mit dem „Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungs- COVID-19 erkranken, unbedingt eine Meldung an den
Veranstaltungen und öffentlichen Anhörungen auf die renten (EM)-Bestandsverbesserungsgesetz“ wurden nicht zuständigen Unfallversicherungsträger geben. In Flyern hat
Bedeutung für die Steuerung der gesetzlichen Krankenver- nur die Renten zum 1. Juli 2022 deutlich angepasst. Nach ver.di die wichtigsten Informationen dazu in Arabisch,
sicherung (GKV) und deren Leistungsfähigkeit hingewie- langjährigen Diskussionen konnte ver.di sich erfolgreich Bosnisch, Bulgarisch, Deutsch, Englisch, Polnisch, Rumä-
sen. ver.di fordert, die Mitbestimmungsrechte der sozialen dafür einsetzen, dass Erwerbsminderungsrentner*innen im nisch und Türkisch zusammengestellt.
Selbstverwaltung zu stärken und Einschränkungen wieder Bestand ab Juli 2024 eine pauschale Erhöhung ihrer Rente
zurückzunehmen. So wurden die GKV-Prüf- und Steue- erhalten werden: 7,5 Prozent für diejenigen, die von 2001 Seit dem 18. Juni 2021 besteht der Unfallversicherungs-
rungsmöglichkeiten stark eingeschränkt und der Selbst- bis Mitte 2014 erwerbsgemindert wurden und 4,5 Prozent schutzwie bei der Arbeit im Betrieb auch für Beschäftigte,
verwaltung Mitbestimmungsrechte wie beispielsweise für diejenigen, die von Mitte 2014 bis Ende 2018 erwerbs- die im Homeoffice arbeiten und ihre Kinder zur Kinderta-
die Krankenhausabrechnungsprüfung beschnitten, die gemindert wurden. Auch Altersrentner*innen und gesstätte bringen und wieder abholen. Damit findet eine
Vertragsgestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf Heilmittel Hinterbliebenenrentner*innen, die zuvor eine EM-Rente seit langem bestehende Forderung der DGB-Gewerkschaf-
eingeschränkt und Ausschreibungen im Hilfsmittel- und bekamen, werden berücksichtigt. Mit dem 8. SGB IV- ten im SGB VII Berücksichtigung.
Impfstoffbereich gänzlich gestrichen. Änderungsgesetz wurden ab 1. Januar 2023 die Hinzu-
verdienstgrenzen bei vorzeitig in Anspruch genommenen Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im
Altersrenten abgeschafft und bei EM-Renten neu geregelt. September 2022 das Programm „Arbeit: Sicher + Gesund“
Alterssicherung Auch hiermit wurde eine ver.di-Forderung umgesetzt und gestartet. In der für Anfang 2023 geplanten Politikwerk-
Die Rentenkampagne und die Aktionen von ver.di und das Leben von Rentner*innen mit Erwerbsminderung statt Mobile Arbeit soll auch ver.di beteiligt werden. Es
DGB haben in den letzten Jahren unter anderem bewirkt, verbessert. sollen Fragestellungen zur Ausgestaltung sicherer und
dass im Koalitionsvertrag für 2021–2025 neben der gesunder Bildschirmarbeit von zu Hause betrachtet
Stärkung der Rente eine dauerhafte Sicherung des werden und zukunftsfähige, auf die Betriebe und die
Mindestrentenniveaus von 48 Prozent festgeschrieben Beschäftigten angepasste Konzepte entwickelt werden.
sowie Rentenkürzungen und eine Anhebung des gesetz-

GESELLSCHAFT GESTALTEN 36
Arbeitsmarkt- und Verpflichtende Alters- So wurde die Einführung der PPR 2.0 im Koalitionsvertrag
von 2021 vereinbart. Und mit dem Krankenhauspflege-
Beschäftigungspolitik vorsorge Selbstständiger Entlastungsgesetz wurde die Erprobung und verbindliche,
bundesweite Anwendung der bedarfsgerechten Pflegeper-
Die zurückliegenden Jahre standen arbeitsmarktpolitisch Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag 2021 ange- sonalbemessung ab 2023 gesetzlich verankert.
unter dem wesentlichen Einfluss der Corona-Pandemie. kündigt, die verpflichtende Altersvorsorge für Selbststän-
Nach sehr positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt dige nur für Neugründer*innen einführen. ver.di kritisierte, Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sowie die
unmittelbar vor der Pandemie lösten die Einschränkungen dass es durch die unterschiedliche finanzielle Belastung der soziale Pflegeversicherung (SPV) stehen vor immensen
zur Eindämmung der Pandemie sehr schnell einen nega- von der Pflicht ausgenommenen Bestands-Selbstständigen Herausforderungen. Besonders die Gesetze der letzten
tiven Trend aus. Nur mittels massiven Einsatzes von Kurz- und den „neuen Selbstständigen“ auf dem Markt zu Regierungskoalition haben zu Ausgabensteigerungen
arbeit konnte der Verlust hunderttausender Arbeitsplätze Wettbewerbsverzerrung kommen könnte. geführt, denen im Bereich der GKV vielfach keine Verbes-
verhindert werden. ver.di war an den Entwicklungen serungen bei der Versorgung der Versicherten gegenüber-
rund um die Kurzarbeit im Rahmen der Verbändebeteili- gestanden haben. Das belastet die Finanzsituation der
gungsverfahren beteiligt. Im Zusammenwirken auf Ebene
Gesundheits- und GKV dramatisch, die strukturellen Ausgaben übersteigen
des DGB konnte positiv Einfluss auf die veränderten Pflegepolitik die Einnahmen deutlich. Im Zuge der Anhörungen und
Regelungen beim Zugang zur Kurzarbeit genommen Stellungnahmen zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist
werden. Zudem ist es gelungen, Aufstockungsregelungen ver.di hat gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausge- ver.di für die langfristige Stabilisierung der gesetzlichen
in Abhängigkeit zur Dauer der Kurzarbeit durchzusetzen sellschaft (DKG) und dem Deutschen Pflegerat (DPR) die Krankenkassen eingetreten. Wenige Leistungsausgaben,
und damit existenzsichernde Leistungen für betroffene PPR 2.0, ein Instrument zur Personalbemessung in der die nicht der Versorgung der Versicherten dienen, konnten
Arbeitnehmer*innen in Branchen mit überwiegend Krankenpflege, entwickelt. ver.di hat sich erfolgreich dafür so beseitigt werden. Kurzfristig wirksame Zuschüsse aus
prekären Beschäftigungsbedingungen zu ermöglichen, eingesetzt, dass die PPR 2.0 gesetzlich verankert wird. Bundesmitteln an die gesetzlichen Krankenkassen zur
auch durch tarifvertragliche Aufstockung.

Auseinandersetzungen
und Aktivitäten zur
Künstlersozialkasse (KSK)
Von den Auswirkungen der Corona-Pandemie war die
Kulturszene in besonderer Weise betroffen. Die KSK
reagierte frühzeitig und sicherte den Fortbestand des
Versicherungsschutzes auch bei Unterschreiten des
jährlichen Mindesteinkommens von 3.900 Euro aus
künstlerischer Tätigkeit zu. Im Juli 2021 beschloss der
Bundestag, dass in Corona-Zeiten auch weiter versichert
bleibt, wer mehr als das bis dahin auf 450 Euro pro Monat
gedeckelte Einkommen aus nicht-künstlerischer Selbst-
ständigkeit erwirtschaftete. Der Betrag wurde auf 1.300
Euro erhöht. Mit dem 1. Januar 2023 traten Änderungen
im Künstlersozialversicherungsgesetz in Kraft. Seither
bleibt – wie bei einer nebenberuflichen Anstellung –
die Versicherung über die KSK auch bei zusätzlichen
Selbstständigkeiten erhalten, solange unter den gesamten
Erwerbseinkommen jene aus den publizistischen und
künstlerischen Berufen überwiegen. ver.di hat diese
Entscheidung begrüßt.

GESELLSCHAFT GESTALTEN 37
Überbrückung von Finanzdefiziten wurden gleichzeitig
auf den Weg gebracht. ver.di sieht jedoch weiterhin
umfassenden politischen Handlungsbedarf zur dauer-
haften finanziellen Stabilisierung der GKV und zum
Ausbau der solidarischen Finanzierung für eine zukunfts-
feste Absicherung.

Die Vorschläge der Regierungskommission zur Neuord-


nung der Krankenhausfinanzierung hat ver.di aktiv
begleitet. Politische Leitlinien sind für ver.di die vollständi-
ge Überwindung des Fallpauschalensystems und die
Sicherstellung einer bedarfsgerechten, hochwertigen
und wohnortnahen Gesundheitsversorgung für alle
Bürger*innen.

ver.di kritisiert die Pflegeversicherung als Teilleistung, da


sie das Versprechen auf eine Absicherung der pflegeri-
schen Versorgung nicht einlösen kann. Um die Pflege-
versicherung zu stabilisieren, hat ver.di eine Kampagne
#Gemeinsame Sache für die Solidarische Pflegegarantie
durchgeführt. ver.di setzt sich damit für eine Pflegebür-
ger*innenvollversicherung ein, die alle pflegebedingten
Kosten abdeckt und in die alle entsprechend ihres Ein-
kommens einzahlen. Die von ver.di geforderten Sofort-
maßnahmen zur Entlastung der Pflegeversicherung in
Form einer Steuerfinanzierung versicherungsfremder
Leistungen sowie die Übernahme der Kosten für Behand-
lungspflege durch die GKV haben Eingang in den Koali- Neben der zu geringen Entlohnung sind die hoch belas-
tionsvertrag gefunden, ebenso ein Prüfauftrag für eine tenden Arbeitsbedingungen Grund für den eklatanten
optionale Pflegevollversicherung. Fachkraftmangel in der Langzeitpflege. Für eine bedarfs-
gerechte Versorgung im stationären Bereich fehlen rund
Aufgrund der niedrigen Löhne und der geringen Tarifbin- 115.000 Vollzeitkräfte. Dies kann aus Sicht von ver.di nur
dung in der Altenpflege hat ver.di sich für einen bundes- durch eine bedarfsgerechte Personalausstattung behoben
weiten Tarifvertrag eingesetzt. Die Arbeitgeber*innen der werden. ver.di forderte insbesondere von der Bundespolitik
Caritas verhinderten dies mit Unterstützung des damaligen ein Umsteuern.
Gesundheitsministers Jens Spahn. Die Regierung führte
stattdessen eine sogenannte Tariflohnpflicht ein. Danach Schätzungsweise zwischen 300.000 und 600.000 pflege-
erhalten Pflegeeinrichtungen seit dem 1. September 2022 bedürftige Menschen werden hierzulande in Privathaus-
nur dann eine Zulassung, wenn sie tarifgebunden sind, die halten von sogenannten Live-in-Kräften versorgt. Die von
entgeltrelevanten Bestandteile eines Tarifvertrags in ihrer ver.di unterstützte Klage einer bulgarischen Beschäftigten
Region nachweislich zur Anwendung bringen oder aber resultierte in einem spektakulären Urteil des Landesarbeits-
nachweisen können, dass Beschäftigte im Durchschnitt gerichts Berlin (September 2022), wonach sämtliche
mindestens auf dem „regional üblichen Entgeltniveau“ be- Arbeitsstunden – inklusive Bereitschaftszeiten – mindes-
zahlt werden. ver.di kritisierte, dass diese Regelungen stark tens mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten sind.
missbrauchsanfällig sind, weil regionale Unterschiede in Damit ist klar, dass pflegebedürftige Menschen dringend
der Entlohnung zementiert werden und sich daraus keine Alternativen zu dieser illegalen Praxis brauchen. Die Politik
individuellen Rechtsansprüche ableiten lassen. muss hier entsprechend aktiv werden.

GESELLSCHAFT GESTALTEN 38
3.2
Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen
Öffentliche Dienste und Erziehungsdienst. Zeitweise waren in einer Woche bis zu Mit einem 10-Punkte-Sofortprogramm hat ver.di zudem
45.000 organisierte ver.di-Kolleg*innen auf der Straße. bereits im April 2020 einen umfassenden Plan mit An-
gesellschaftlicher ver.di hat außerdem darauf gedrängt, dass Bildungs-, forderungen an die Politik zur Sicherung von Beschäfti-
Zusammenhalt: Gemeinwohl und Sozialeinrichtungen in der Pandemie auskömmlich
finanziert werden und konnte unter anderem erreichen,
gung an Hochschulen sowie Studierenden vorgelegt. Teile
der Forderungen, wie die Absicherung der oft niedrig
als Leitorientierung dass die Bundesregierung auch für soziale Dienstleistun- eingruppierten Beschäftigten in den Studierendenwerken,
gen einen Schutzschirm aufspannte. Fachbereichsübergrei- konnten schnell erreicht werden.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, von welch zentraler fend sammelte ver.di zum Beispiel unter dem Motto
Bedeutung öffentliche Dienstleistungen und die in ihnen #Wirsindunverzichtbar fast 80.000 Unterschriften für die ver.di hat das Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität
geleistete Arbeit für eine funktionierende Gesellschaft volle Finanzierung aller Bereiche der Sozialen Arbeit, die und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung, das
sind. Eine zentrale Lehre aus der Pandemie muss eine im Juni 2020 an die politisch Verantwortlichen übergeben sogenannten „Gute-Kita-Gesetz“ intensiv begleitet.
Aufwertung der Daseinsvorsorge, der öffentlichen Güter wurden. Dabei hat ver.di eigene Positionen zur Ausgestaltung von
und der sozialen Infrastrukturen sein.

ver.di hat sich während der Pandemie in der Auseinander-


setzung um die Corona-Konjunkturpakete im Rahmen
des Bundestagswahlkampfs 2021 und während der
Koalitionsverhandlungen der Ampelparteien dafür einge-
setzt, dass Schutzschirme auch für öffentliche Einrichtun-
gen der Daseinsvorsorge gespannt werden und, dass in
den nächsten zehn Jahren jährlich öffentlichen Investitio-
nen mindestens im mittleren zweistelligen Milliardenbe-
reich erfolgen, um den kommunalen Investitionsstau
aufzulösen. Finanzschwache Kommunen sollten durch
einen Altschuldenfonds von ihren finanziellen Altlasten
befreit werden. Diese Forderung wurde im Koalitionsver-
trag grundsätzlich aufgegriffen.

Erziehung, Bildung
und Soziale Arbeit
Die Arbeit von ver.di im Bereich Erziehung, Bildung und
Soziale Arbeit war geprägt von der Pandemie und einem
massiven Fachkräftemangel. Einen Schwerpunkt der
Aktivitäten bildete die aufgrund der Pandemie in das
Frühjahr 2022 verschobene Tarifrunde für den Sozial- und

GESELLSCHAFT GESTALTEN 39
Qualität in der Frühen Bildung entwickelt und die Bundes-
regierung in Bezug auf Corona–Maßnahmen in Kinder-
tageseinrichtungen beraten.

Darüber hinaus war ver.di an der Reform des achten


Sozialgesetzbuches (SGB VIII) beteiligt. Das SGB VIII ist die
wesentliche Arbeitsgrundlage für die ver.di-Mitglieder, die
in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind. Das geänderte
Gesetz gilt seit Juni 2021. Die Realisierung von Inklusion
in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe ist bis 2028
vorgesehen.

ver.di hat ebenfalls die Gesetzgebung und die Einführung


des Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung, Erziehung
und Betreuung von Schulkindern ab 2026 begleitet.
ver.di hat sich bei der Erarbeitung des Gesetzes für gute
Arbeitsbedingungen und eine bessere Qualität des
Angebots eingesetzt.

Wohnen
Die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum ist ein
wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Seit Jahren allerdings tritt insbesondere in Groß- und
Universitätsstädten sowie deren Umland ein zunehmender
Mangel an bezahlbarem Wohnraum auf. Die Neuvertrags-
mieten stiegen ebenso stark an wie die Bauland- und
Wohnungspreise.

Um diese Misere in den Griff zu bekommen, braucht es


zweierlei: Mehr bezahlbaren Neubau – und eine effektive-
re Regulierung der Mietpreis-Entwicklung. Beides waren
Schwerpunkte der wohnungspolitischen Arbeit von ver.di
in den letzten Jahren. Eine Forderung – mehr Bundesmittel
für den Sozialen Wohnungsbau – haben sowohl die Vorkaufsrechte und Bauverpflichtungen, nach wie Handlungsfähige Städte
schwarz-rote als auch die Ampel-Bundesregierung vor nicht aus, um Marktentwicklungen zu korrigieren
aufgegriffen. Die Ampelkoalition will zudem die langjähri- und Investoren stärker auf bezahlbaren Neubau zu und Gemeinden
ge ver.di-Forderung nach einer neuen Wohngemeinnützig- orientieren.
keit umsetzen. Hier bleibt die konkrete Ausgestaltung In den Jahren 2021 und 2022 hat ver.di Aktionspläne
abzuwarten. Völlig unzureichend fällt nach wie vor die Mietpreis-Regu- entwickelt, die darauf abzielten, öffentliche Aufmerksam-
lierung aus. Mietspiegel, Kappungsgrenze und Mietpreis- keit für die bedrohte Handlungsfähigkeit der Kommunen
Als unzureichend kritisierte ver.di hingegen die Unterstüt- bremse sind zwar nicht wirkungslos, reichen aber vielerorts zu erzeugen. In den Pandemiejahren verloren die Kommu-
zung des Bundes für die kommunale Bodenpolitik, da der nicht aus, um die Mieten effektiv zu begrenzen. ver.di nen große Teile ihrer Einnahmen. Zugleich stiegen die
Mangel an Grundstücken einer der wichtigsten Preistreiber fordert deshalb Mietpreis-Obergrenzen in angespannten Ausgaben, weil zum einen mehr Menschen auf öffent-
im Neubau ist. Trotz einiger baurechtlicher Verbesserungen Wohnungsmärkten. lichen Hilfen angewiesen waren und zum anderen die
durch die Koalition aus CDU/CSU und SPD reicht das Umsetzung der Vorschriften aus dem Infektionsschutzge-
heute vorhandene Instrumentarium, etwa kommunale setz mit Kosten verbunden war.

GESELLSCHAFT GESTALTEN 40
ver.di forderte im Mai 2020 in einem Positionspapier Personalbedarf im Digitalisierung
einen Rettungsschirm für Kommunen, begleitet wurde
dies durch zahlreiche Aktionen vor Ort. Zudem wurde öffentlichen Dienst Im Juni 2021 wurde mit dem Bund erstmals im öffent-
gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindebund von lichen Dienst ein Tarifvertrag zur Gestaltung von Digitalisie-
ver.di ein Positionspapier veröffentlicht, das die Einrichtung Die Aufgaben und Herausforderungen für den öffentli- rungsprozessen abgeschlossen. Der Digitalisierungstarif-
eines kommunalen Rettungsschirms fordert. In dem chen Dienst sind in den vergangenen Jahren weiter vertrag kommt immer dann zur Anwendung, wenn es in
von der Bundesregierung im Jahr 2020 verabschiedeten gestiegen. Der technologische Wandel und der Auf- und Folge von Digitalisierung zu wesentlichen Änderungen der
Solidarpakt für Kommunen und anderen Teilen des Umbau zu einer digitalen Verwaltung erfordern zusätzlich Arbeitsplatzanforderungen oder Arbeitsplatzbedingungen
Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets waren viele qualifizierte Fachkräfte. ver.di forderte vom Bund mit kommt. Ziel ist es, die Arbeitsplätze beim Bund in der
der ver.di-Forderungen, darunter die Erstattung von Ländern und Gemeinden gemeinsame Strategien zur sich durch die Digitalisierung verändernden Arbeitswelt
Gewerbesteuerausfällen der Kommunen durch den Gewinnung, Bindung und Entwicklung von Fachkräften. zukunftssicher zu machen. Im Digitalisierungstarifvertrag
Bund, enthalten. 2022 wurde das ver.di-Positionspapier „Arbeit und wurden deshalb Mechanismen zur Arbeitsplatzsicherung
Ausbildung für einen öffentlichen Dienst der Zukunft“ und notwendigen Qualifizierung geregelt sowie eine
Da auch in 2021 die Belastung der Kommunen weiterhin veröffentlicht. Entgeltsicherung festgelegt. Der Tarifvertrag umfasst
erheblich war, setzte ver.di die Aktivitäten für eine Fort- darüber hinaus eine Einigung dazu, welche Eckpunkte
führung der Hilfsmaßnahmen für Kommunen fort. Unter Einen wichtigen Beitrag zur Personalgewinnung leisten vor Dienstvereinbarungen zu mobilem Arbeiten, Homeoffice
dem Motto „Mit uns. Für Euch. Vor Ort“ fanden im Mai allem Tarifverträge, die verlässliche Arbeits- und Einkom- etc. beinhalten müssen.
und Juni 2021 Aktionswochen in ver.di-Bezirken und mensbedingungen bieten. Bis heute sind jedoch mehrere
Dienststellen der Mitglieder statt. Insbesondere fanden Tochterunternehmen des Bundes nicht tarifiert. Das gilt Mit der Handreichung „Arbeiten im Zuhause (‚Home
rund um den Internationalen Tag des öffentlichen Diensts insbesondere für den Bereich der Bundeswehr. Mit dem Office‘) muss Gute Arbeit sein“ wurde im Herbst 2020
auf öffentlichen Plätzen Informations- und Diskussionsver- Tarifvertrag für die Beschäftigten der BundeswehrFuhr- eine Checkliste für Interessenvertretungen zur Verfügung
anstaltungen statt. Eine gemeinsame Veranstaltung wurde parkService GmbH (BwFPS) konnte 2022 erstmals ein gestellt, mit der sie überprüfen können, welche Regelun-
mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGb), Kooperationsunternehmen der Bundeswehr teilweise in gen zu mobiler Arbeit und Homeoffice sie in Dienstverein-
der 2021 den Vorsitz der Bundesvereinigung der kommu- Tarifbindung übernommen werden. Der Tarifvertrag gilt barungen treffen sollten. Diese Arbeitsformen hatten
nalen Spitzenverbände innehatte, durchgeführt und per für die Fahrer*innen des Deutschen Bundestages, die bei sich mit der Pandemie stark verbreitet, und es entstand
Livestream übertragen. der BwFPS beschäftigt sind. Mit dem Tarifabschluss konnte der Bedarf, sie im Sinne guter Arbeit zu regeln.
das Niveau des TVöD erreicht und eine betriebliche
ver.di hat die Absicherung kommunaler Finanzen als Altersversorgung vereinbart werden. Im nächsten Schritt Mit der Studie „Bürgernahe Verwaltung digital?“ erschien
zentrale Forderung im Vorfeld von Landtagswahlen und konnten Tarifgespräche mit der HIL Heeresinstandset- 2020 eine erste Untersuchung der Auswirkungen des
der Bundestagswahl 2021 auf die politische Agenda zungslogistik GmbH aufgenommen werden, die bis Mitte Online-Zugangsgesetzes auf die Arbeit im öffentlichen
gesetzt. 2023 abgeschlossen sein sollen. Neben einer Stärkung der Dienst. Die Ergebnisse zeigten zwar, dass es bis zu einer
Unternehmen in der Personalgewinnung wird darüber digitalen Transformation der öffentlichen Dienste noch
hinaus ein wichtiger Beitrag zur Tariftreue im Bundesbe- ein langer Weg ist, aber es wurde auch sichtbar, dass
Gemeinwohl stärken – reich geleistet. Beschäftigte und Personalräte bei der Einführung digitaler
Kooperation mit Organisatio- Prozesse nicht ausreichend einbezogen werden. Darüber
hinaus erschwert Personalmangel eine Digitalisierung von
nen aus dem Gemeinwesen Arbeitsabläufen.

Um die Gemeinwohlziele zu erreichen, hat ver.di mit


Organisationen des Gemeinwesens zusammengearbeitet.
Bei den Anstrengungen für die Sicherung kommunaler
Finanzen waren dies insbesondere gemeinsame Veranstal-
tungen und Positionspapiere mit dem DStGb. Darüber
hinaus fanden Kooperationen mit Fridays For Future statt.
In dem Bündnis Klima-Allianz, dem auch ver.di angehört,
wird vorgeschlagen, Klimaschutz als neue Gemeinschafts-
aufgabe zu etablieren.

GESELLSCHAFT GESTALTEN 41
3.3
Bildungspolitik
Berufliche Bildung ist ein wichtiges gewerkschaftspoliti- Rund 190.000 junge Menschen beginnen jährlich eine ver.di beteiligt sich an der Allianz für Aus- und Weiter-
sches Handlungsfeld zur Herstellung von Gerechtigkeit, berufsfach- oder fachschulische Ausbildung in den bildung und setzt sich für eine gesetzliche Ausbildungs-
denn Bildungsabschlüsse sind maßgeblich entscheidend Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen. Die Gruppe platzgarantie ein, die mit einem Fondsmodell zur Finan-
dafür, ob und wie Menschen in den Erwerbsprozess der sozial- und heilpädagogischen Berufe (zum Beispiel zierung fehlender Ausbildungsplätze ausgestattet ist.
einsteigen. ver.di fordert daher, dass Zugänge zu beruf- Erzieher*in, Heilerzieher*in) sind dabei mit über 80.000
licher Bildung für alle Menschen unabhängig von der eine große Gruppe. Diese Ausbildungsformate sind
Herkunft und finanziellen Ressourcen möglich sind und landesrechtlich geregelt und werden über die jeweiligen
Prüfungswesen in der
bildungsferne Beschäftigtengruppen die Möglichkeit Kultusbehörden gesteuert. ver.di setzt sich dafür ein, dualen Berufsausbildung
erhalten, berufliche Abschlüsse nachzuholen. Zudem spielt dass die Ausbildungen an Attraktivität gewinnen, in dem
berufliche Bildung eine zentrale Rolle bei der Entfaltung sie durch den Einfluss der Praxis (Sozialpartner*innen) Innerhalb der dualen Berufsausbildung hat das Prüfungs-
der Persönlichkeit und dient in wandelnden Arbeitsmärk- praxisnaher gestaltet werden und die jetzigen Berufsfach- wesen eine zentrale Bedeutung. In der Abschlussprüfung
ten langfristig dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. und Fachschüler*innen einen Ausbildungsvertrag, eine der Ausbildungsberufe nach BBiG/HwO wird festgestellt,
Sie unterstützt soziale, ökonomische und demokratische Ausbildungsvergütung und die gleichen Rechte erhalten ob die Auszubildenden, die für die Ausübung der Berufe
Teilhabe. wie Auszubildende in den dualen Berufen. Da diese notwendigen Handlungskompetenzen erworben haben.
Ausbildungen einer eigenen Logik folgen, ist es notwendig Wer besteht, erhält ein Zeugnis, an das weitreichende
für sie einen eigenen rechtlichen Rahmen zu schaffen, Berechtigungen geknüpft sind, wie etwa die Übernahme
Berufsausbildung der es ermöglicht, das bisherige Niveaus der Abschlüsse in eine Festanstellung, die tarifliche Eingruppierung oder
Kernstück der Berufsausbildung in Deutschland ist nach zu erhalten. Gemeinsam mit VKA und den kommunalen Ansprüche auf Weiterbildung. Zur Prüfungsqualität trägt
wie vor die duale Berufsausbildung nach Berufsbildungs- Spitzenverbänden ist es gelungen, im Koalitionsvertrag wesentlich die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse
gesetz (BBiG) und Handwerksordnung HwO). In den mehr einen Prozess zu verankern, der die Vereinheitlichung bei. Bundesweit sind mehr als 170.000 Prüfer*innen
als 320 anerkannten Ausbildungsberufen werden jährlich der Ausbildung zum Ziel hat. ehrenamtlich in paritätisch besetzten Prüfungsausschüssen
über 500.000 betriebliche Ausbildungsverträge neu ab- tätig. Für die Benennung der Arbeitnehmer*innen in den
geschlossen. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bleibt Aus der Novelle des Berufsbildungsgesetzes, das zum Prüfungsausschüssen haben die Gewerkschaften ein
allerdings weiterhin enttäuschend. Die Zahl der Neu- 1. Januar 2020 in neuer Fassung in Kraft trat, ergeben Vorschlagsrecht. Das Projekt pruef-mit.de, das von ver.di
abschlüsse bleibt 2022 weiterhin deutlich um 49.900 sich Anforderungen an die Novellierung von Ausbildungs- mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und
Neuabschlüsse beziehungsweise 9,5 Prozent unter dem vor allem aber auch Fortbildungen aufgrund der neuen Forschung durchgeführt wird, unterstützt bei der Benen-
Niveau von 2019, das heißt vor Ausbruch der Corona- Fortbildungsbezeichnungen. Gemeinsam mit dem DGB nung von Prüfer*innen und deren Qualifizierung. Das
Pandemie. Die Quote noch unversorgter Ausbildungsstel- hat ver.di sich in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Seminarangebot richtet sich an alle ehrenamtlichen
lenbewerber*innen an der Ausbildungsplatznachfrage ist Dabei konnte ver.di zum Beispiel für die Auszubildenden Prüfer*innen in Prüfungsausschüssen der beruflichen
zwar gefallen, mit 11,3 Prozent im Ausbildungsjahr 2022, erreichen, dass es eine Mindestausbildungsvergütung gibt, Aus- und Fortbildung.
aber immer noch deutlich zu hoch. Die seit mehreren mehr Teilzeitberufsausbildungen möglich sind, die Lern-
Jahren bestehenden Passungsprobleme bestehen somit mittelfreiheit auch für betrieblich notwendige Fachliteratur
weiterhin. ver.di setzt sich daher gemeinsam mit dem greift oder alle Auszubildenden vor der schriftlichen Aus-
DGB für eine Ausbildungsplatzgarantie ein. bildung einen Tag frei haben. Für Prüfer*innen konnte
einen Anspruch auf Freistellung erreicht werden. Darüber
hinaus sind die Veränderungen der Arbeitswelt der Motor
für die Weiterentwicklung der Berufe.

GESELLSCHAFT GESTALTEN 42
BAföG-Reform
Die Corona-Pandemie stürzte tausende Studierende in
eine finanzielle Notlage. Infolge des Lockdowns brach der
studentische Arbeitsmarkt im Frühjahr 2020 fast vollstän-
dig zusammen. Kaum hatte er sich wieder erholt, traf
die Inflation auch die Studierenden hart. Dem steht eine
staatliche Studienförderung gegenüber, die inzwischen
nur noch die wenigsten erreicht (BAföG-Gefördertenquote
2020: Elf Prozent). ver.di setzt sich deshalb seit langem für
eine grundlegende Reform des BAföG ein, damit es wieder
zu einem zentralen Motor für Bildungschancen wird
und hat dafür – in Zusammenarbeit mit dem DGB – ein
umfassendes Strukturkonzept entwickelt. Neben der
deutlichen Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge,
sowie einer Notfallregelung für Krisenfälle beinhaltet es
auch den Einstieg in eine elternunabhängige Grundförde-
rung, auf der bedarfsgerechte Elemente aufbauen. Diese
Weiterbildung und nisterium für Bildung und Forschung geförderte Projekt Ideen haben Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden
zur Qualifizierung von betrieblichen Weiterbildungsmen- und müssen nun umgesetzt werden.
lebenslanges Lernen tor*innen verdi-mendi.net durch, indem betriebliche
Interessenvertreter*innen geschult werden, sich mit der
Insbesondere vor dem Hintergrund des Wandels der konkreten betrieblichen Weiterbildungssituation auseinan-
Arbeitsbedingungen
Arbeitswelt mit den Herausforderungen Digitalisierung, derzusetzen und diese mit der Personalabteilung auf in der Bildung
ökologischer Umbau und Fachkräftemangel kommt Augenhöhe voranzubringen. Zum anderen beteiligt sich
beruflicher Weiterbildung die zentrale Rolle zu, diesen ver.di an der NWS, da die Beschäftigten in der Weiter- Die aktuellen Krisen zeigen eindringlich, dass stabile und
Wandel in den Dienstleistungsbranchen sozialverträglich bildung nicht aus dem Blick geraten dürfen. Dafür setzt verlässliche Bildungs- und Erziehungseinrichtungen von
zu gestalten. sich ver.di in der Arbeitsgruppe der NWS zu den „Arbeits- zentraler gesellschaftlicher Bedeutung sind. Dem stehen
und Beschäftigungsbedingungen des Weiterbildungs- oft unsichere Beschäftigung und niedrige Einkommen
Die positive Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung personals“ ein. gegenüber. ver.di macht in allen Bereichen Druck für
auf 50 Prozent aller erwachsenen Menschen in Deutsch- Aufwertung und Entprekarisierung von Bildungsberufen.
land wurde durch die die Corona-Pandemie deutlich ver.di hat die Novelle des Aufstiegsfortbildungsförderungs- Im Bereich Hochschule und Forschung hat ver.di sich zum
gebremst und hat sich davon immer noch nicht wieder gesetzes (AFBG), die im August 2020 in Kraft trat, gemein- Beispiel kritisch in die Bund-Länder-Verhandlungen zum
erholt. Zudem zeigt sich, dass von dem Anstieg der sam mit dem DGB begleitet. Das Fördervolumen wurde „Zukunftsvertrag Studium und Lehre sichern“ als auch
Weiterbildungsbeteiligung vor Corona nicht alle Beschäf- in der Novelle stark ausgeweitet. Die Ampel-Regierung bei der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
tigtengruppen gleichermaßen profitiert haben. Beschäftig- hat im Koalitionsvertrag von 2021 angekündigt, in dieser (WissZeitVG) eingebracht und macht sich für mehr
te mit niedrigen Schulabschluss, Beschäftigte ohne Legislaturperiode eine weitere Novelle auf den Weg zu Transparenz und Planbarkeit für die zu fast 90 Prozent
berufliche Abschluss oder Beschäftigte, die einfache bringen. ver.di setzt sich dafür ein, dass auch Teilneh- befristet beschäftigten Wissenschaftler*innen ohne
Tätigkeiten ausführen, nehmen nur in geringem Umfang mer*innen gefördert werden können, die in Teilzeit an Professur stark. Die Novelle, die 2023 ansteht, muss hier
an Weiterbildungen teil. Entsprechend beteiligt sich ver.di einer Aufstiegsfortbildung teilnehmen. Ebenfalls setzt eine Trendwende einläuten. Schließlich hat ver.di mit der
an Initiativen zur Förderung der Weiterbildungsbeteiligung ver.di sich dafür ein, dass die Bildungs(teil)zeit nach laufenden Kampagne „Nur mit uns geht Bildung weiter“
aller Beschäftigtengruppen: ver.di begleitete beispielsweise österreichischem Vorbild, wie im Koalitionsvertrag ange- die unter enormem Kostendruck stehende Weiterbildungs-
die nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) der Bundes- kündigt, auf legislativer Ebene umgesetzt wird, damit branche in den Fokus genommen. Hier stehen bessere
regierung um Rahmenbedingungen für die Weiterbildung Beschäftigte ihr Erwerbsleben unterbrechen können, um Arbeitsbedingungen durch Qualitätsorientierung in der
von Beschäftigten mitzugestalten, damit alle Beschäftig- sich gemäß ihren individuellen Entwicklungswünschen öffentlichen Vergabe, die Stärkung der Tarifbindung und
tengruppen gleichermaßen an Weiterbildung partizipieren gemäß weiterbilden zu können. der Ausbau gewerkschaftlicher Stärke in den Betrieben
können. Dafür führte ver.di zum einen das vom Bundesmi- im Mittelpunkt.

GESELLSCHAFT GESTALTEN 43
3.4
Demokratie und Zivilgesellschaft
Friedenspolitik und Kampf Hochkonjunktur, Angriffe auf demokratische Institutionen, Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit Zentrum.
wie der Versuch von „Reichsbürgern“ und Querdenkern Am besten wird diesem Verein der Boden entzogen, wenn
gegen rechts im August 2020 in den Bundestag einzudringen oder die Interessensvertretung und die ver.di-Aktiven im Betrieb
beim Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 nah an den Beschäftigten sind, zuhören, ihre Probleme
Der russische Angriff auf die Ukraine hat die bisherige nahmen zu; ebenso rechtsextreme und rassistische ernst nehmen und aufgreifen. Auch wenn Zentrum eine
Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa grundlegend Anschläge wie die von Halle und Hanau und solche auf kleine Minderheit ist, muss das Auftreten der Pseudo-
infrage gestellt. Der Krieg hat in Politik und Gesellschaft Geflüchtetenunterkünfte. Auch Medien wurden diskredi- gewerkschaft und auch einzelner rechtsstehender
wie auch in der Friedensbewegung – und den Gewerk- tiert, in sozialen Netzwerken wurde zu Angriffen auf Kandidat*innen insbesondere bei Wahlen zu Interessen-
schaften – Diskussionen darüber ausgelöst, wie er Journalist*innen aufgerufen. vertretungen im Blick behalten werden. Es gilt zu verhin-
schnellstmöglich beendet werden und wie eine zukünftige dern, dass in Betrieben und Dienststellen der Boden für
Friedensordnung aussehen kann. Der Gewerkschaftsrat ver.di hat sich dem konsequent entgegengestellt. Angriffe die neue Rechte bereitet wird.
hat in seiner Resolution im März 2022 den Angriffskrieg auf die Pressefreiheit wurden scharf kritisiert und ein
scharf verurteilt, ein Sondervermögen ausschließlich für besserer Schutz von Medienschaffenden gefordert. ver.di hat sich an diversen Bündnissen gegen rechts
die Bundeswehr abgelehnt sowie Unterstützung für die Journalist*innen wurde in Fällen von Einschränkungen beteiligt und zu Demonstrationen gegen Veranstaltungen
Geflüchteten, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe, der Pressefreiheit von ver.di Rechtsschutz gewährt und bei und andere Aktivitäten rechter Organisationen mobilisiert.
angemahnt – und sich weiterhin zu einer Politik der potentiell gefährlichen Einsätzen praktische Unterstützung Von demokratiefeindlichen Anwürfen unter dem Corona-
weltweiten Abrüstung bekannt. ver.di beteiligte sich an durch Ansprechpartner*innen vor Ort geleistet. Deckmantel blieb auch die ver.di-Bundesverwaltung nicht
zahlreichen Friedensaktivitäten und war unter anderem verschont. ver.di erlangte Kenntnis, dass die rechtsextreme
Mitorganisatorin der ersten großen Friedensdemonstration Gewerkschaften zählen dabei oftmals zu den wenigen „Demokratische Gewerkschaft“ am 17. Dezember 2021
in Berlin am 27. Februar 2022. Auch auf lokaler Ebene gesellschaftlichen Akteur*innen, die durch ihre Präsenz in vorhatte, eine Kundgebung vor der Bundesverwaltung
fanden friedenspolitische Aktivitäten statt. Und ver.di hat den Betrieben und Dienststellen Zugang zu den Menschen abzuhalten. Um sich diesen Rechtsgesinnten entgegenzu-
praktisch unterstützt – mit Spenden unter anderem an den haben um sich dort rechter Hetze entgegenzusetzen. stellen, haben sich unter dem Motto „Gegen Nazis – für
Verein „Gewerkschaften helfen“, der Unterbringung von Demokratie“ die Beschäftigten der Bundesverwaltung,
Geflüchteten in ver.di-Bildungszentren, der Unterstützung Aufmerksam zu beobachten gilt es den Verein Zentrum, des Landesbezirks Berlin/Brandenburg, ehrenamtliche
ukrainischer Gewerkschaften, der Initiierung einer Job- gegründet 2009 als Zentrum Automobil trat er erstmals Kolleg*innen aus Berlin sowie eine Delegation des DGB
plattform für geflüchtete Medienschaffende oder mit bei Daimler Benz in Untertürkheim bei den Betriebsrats- und des Vereins „Berlin gegen Nazis“ zu einer Kund-
praktischer Hilfe für Geflüchtete in den Kommunen. wahlen an. Im Juli 2022 wurde das Zentrum Gesundheit gebung vor dem Haus versammelt. Die rechtsextreme
und Soziales gegründet. Während der Pandemie sollten „Demokratische Gewerkschaft“ hat die geplante Kund-
Nicht nur im Zusammenhang mit dem Krieg, auch im damit wohl vor allem Beschäftigte aus dem Gesundheits- gebung zurückgezogen. Im von Rechten angedrohten
Kontext von Pandemie und Klimakrise versuchten Rechts- wesen angesprochen werden, im besonderen Fokus „heißen Herbst“ des Jahres 2022 hat ver.di sich klar
populist*innen, Rechtsextreme und Rassist*innen, die standen Impfgegner*innen. Doch die Mobilisierung zu abgegrenzt und gemeinsam mit Sozial- und Umwelt-
Sorgen der Menschen zu nutzen und Proteste gegen die einem Impfstreik stieß nur auf sehr geringe Resonanz. verbänden sowie im Rahmen des DGB zu Aktionen für
Corona-Politik oder die Kriegsfolgen zu instrumentalisie- Der Verein bezeichnet sich selbst als „die Alternative zu soziale Gerechtigkeit und Unterstützung in der Krise
ren. In Deutschland, in Europa und der Welt waren die den DGB-Gewerkschaften“, ist aber klar rechtsextrem. aufgerufen. In dem Bündnis Solidarischer Herbst wurden
vergangenen Jahre geprägt von rechter Stimmungsmache am 22. Oktober 2022 in fünf Städten Demonstrationen
und zunehmenden Angriffen auf die Demokratie. Rechte ver.di steht im engen Austausch mit dem DGB Bildungs- mit über 24 000 Teilnehmenden durchgeführt. Vor den
Verschwörungserzählungen und Fake News erlebten werk und der IG Metall und nutzt deren Kenntnisse und Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 2021

GESELLSCHAFT GESTALTEN 44
demonstrierte ver.di zusammen mit dem #unteilbar-
Bündnis gegen eine Zusammenarbeit demokratischer
Parteien mit der AfD. Und vor der Bundestagswahl klärte
ver.di in Broschüren und Flyern über die antidemokra-
tische und rassistische Programmatik der AfD auf. In der
Bildungsarbeit haben sich Seminare mit der Analyse
menschenfeindlicher Ideologien bis hin zur konkreten
Einübung von Argumenten gegen Stammtischparolen
befasst. Die „Aufstehen-gegen-Rassismus“-Initiative
wurde in die ver.di-Gremien und Betriebsgruppen sowie
bei den Vertrauensleuten multipliziert. Mit dem Projekt
„Fakten statt Populismus“ und Demokratie und Vielfalt
in Sachsen (DuViS) hat der ver.di Bildungsträger GPB
Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus in den Betrieben
organisiert. Nicht zuletzt hat ver.di sich für ein wirksames
Demokratiefördergesetz eingesetzt, das die langfristige
Finanzierung zivilgesellschaftlicher Initiativen absichert und
Demokratieförderung nicht bloß als Extremismuspräven-
tion begreift, sondern auch die Kinder- und Jugendarbeit Arbeitsplatz hat ver.di eine Handlungshilfe für Betriebs- bundene Personen in einer nichtehelichen verschieden-
und die Arbeitswelt einschließt und deren Ziel die Förde- und Personalräte veröffentlicht, die Mitarbeit in den oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ohne
rung der Teilhabe aller in einer vielfältigen Gesellschaft ist. Beratungsnetzwerken Faire Mobilität und Faire Integration gemeinsamen Wohnsitz gelten.
fortgesetzt und sich politisch wie betrieblich für eine
Der Zentrale Arbeitskreis Offensiv gegen Rassismus und Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Geflüchte-
Rechtsextremismus (ZAKO) setzte seine Vernetzungs-, ten und Migrant*innen eingesetzt, beispielsweise im
Menschenrechte
Bündnis- und Bildungsarbeit mit halbjährlichen Tagungen Rahmen eines Pilotprojekts des Bundesfachbereichs Ver- in Lieferketten
und einem monatlichen digitalen Jour Fixe fort. 2021 und Entsorgung zur Einbindung geflüchteter Kolleg*innen
organisierte er gemeinsam mit GPB, dem Bereich Migra- in kommunale Entsorgungsbetriebe Auch Initiativen auf Gewerkschaften kämpfen für gute Arbeitsbedingungen
tionspolitik und der Friedrich-Ebert-Stiftung eine promi- Länderebene zur interkulturellen Öffnung des öffentlichen und faire Löhne – weltweit. ver.di hat sich für die Durch-
nent besetzte Tagung zur Auseinandersetzung mit Rechts- Dienstes unterstützte ver.di. setzung von Menschenrechten entlang von Lieferketten
extremismus, an der auch der Vorsitzende teilnahm. Der eingesetzt. 2019 war ver.di Gründungsmitglied der
ZAKO führt zudem mit GPB seit 2020 eine Online-Veran- Zu einer vielfältigen Gesellschaft gehört die Überwindung Initiative Lieferkettengesetz. Nach langer Lobbyarbeit-
staltungsreihe zum Umgang mit Rechtsextremismus durch. von Diskriminierung queerer Menschen in der Politik, der unter anderem mit einer Petition an die damalige Bundes-
Arbeitswelt und der Gesellschaft. Im Rahmen des DGB kanzlerin mit über 220.000 Unterschriften – verabschiede-
hat ver.di sich an Stellungnahmen zur Reform des Sanktio- te der Bundestag 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichten-
Vielfältige Gesellschaft nenrechts beteiligt und in die Debatten zum Nationalen gesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft trat. Damit werden
ver.di setzte sich für einen Paradigmenwechsel in der Aktionsplan Queer Leben der Bundesregierung sowie zum in Deutschland tätige Unternehmen erstmals gesetzlich
Migrationspolitik ein. Im Vorfeld der Bundestagswahl fand geplanten Selbstbestimmungsgesetz eingebracht. In der zur Achtung von Menschenrechten entlang ihrer Liefer-
unter anderem eine Veranstaltung mit Politiker*innen mit ver.di-Publik wurde das Thema Diskriminierung nach ketten verpflichtet. Da es für eine effektive Umsetzung
Einwanderungsgeschichte statt; die Initiative „Wahlrecht Outing mit Berichten von ver.di-Mitgliedern prominent in den Unternehmen auf eine aktive Mitwirkung von
für alle!“ wurde fortgeführt. ver.di brachte sich in die aufgegriffen und in den sozialen Medien hat ver.di unter gesetzlichen Interessenvertretungen ankommt, hat ver.di
Ausgestaltung des Koalitionsvertrags ein – Erfolge sind anderem zu #outinchurch, zur 5. EU-Antidiskriminierungs- Unterstützungsangebote für Betriebs-, Personal- und
die geplanten Erleichterungen bei der Einbürgerung und richtlinie sowie zum Internationalen Tag gegen Homo-, Aufsichtsräte wie Schulungen, Präsentationen und
die doppelte Staatsbürgerschaft. ver.di hat sich gegen Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT) Stellung Handlungshilfen erarbeitet. Auf europäischer Ebene hat
die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung im Mittelmeer bezogen. Zum Transgender Day of Visibility gab der Vor- sich ver.di im Rahmen des DGB und der Initiative Liefer-
gewandt und der Vorsitzende war Schirmherr der Preisver- sitzende ein Videostatement ab. In der Tarifpolitik konnte kettengesetz für eine effektive EU-Lieferkettenrichtlinie
leihung des Antirassismus-Preises der Gelben Hand 2022. erstmals ein Tarifvertrag dahingehend ergänzt werden, eingesetzt.
Zur Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus am dass Freistellungsregelungen auch für nicht familiär ver-

GESELLSCHAFT GESTALTEN 45
4.
Arbeit
des Gewerk-
schaftsrates. 46
4.
Arbeit des Gewerkschaftsrates
Im Berichtszeitraum fanden 21 Sitzungen des aus 84 Themen informiert wurden und das Präsidium in Ent- winnung unter Druck. Die Mitgliederentwicklung war in
ehrenamtlichen Mitgliedern bestehenden Gewerkschafts- scheidungen des Bundesvorstandes eingebunden war. jeder Sitzung Thema. Die Aktionswochen wurden nach
rates (GR) statt. Die Pandemie prägte sowohl die Art und Weise der intensiven Diskussionen für nicht wirkungsvoll erachtet
Kommunikation als auch die Inhalte der Arbeit des und finden seit 2020 in der bekannten Form nicht mehr
Das Präsidium tagte 41 Mal und bereitete dabei die Gewerkschaftsrates. Das vom Präsidium neu aufgelegte statt. Der Gewerkschaftsrat stellte die Dialogwerbung
GR-Sitzungen, die es auch leitet, und die Beschlusstexte Format der digitalen Informationsveranstaltung des auf eine neue Basis im DGB und setzte in ver.di ein um-
vor, und arbeitete dazu intensiv mit dem Vorsitzenden, Gewerkschaftsrates (die fünfmal stattfand), zu dem alle fassendes Projekt „Zukunft der Mitgliedergewinnung“
dem Bundesvorstand und GR-Ausschüssen, Gremien und GR-Mitglieder samt Stellvertretungen für drei Stunden zu auf. Innerhalb eines Jahres wurde durch die eingesetzte
Arbeitsgruppen zusammen. Das Präsidium übergibt nun Themen wie Pflegegarantie, Aktivitäten zur und Ergebnis- Projektarbeitsgruppe, die aus ehrenamtlichen und
eine auf Vertrauen und guten Erfahrungen gewachsene analyse der Bundestagswahl, Zukunft der Mitgliederge- hauptamtlichen Kolleg*innen besteht, dem Gewerk-
belastbare Arbeitsstruktur an seine Nachfolge, damit es winnung, Berichte der Bundesarbeitskreise Regenbogen schaftsrat ein umfassender Plan zur Mitgliedergewinnung
auf abgeschlossene Projekte aufbauen (zum Beispiel und Behindertenpolitik, Energiepolitik und Versorgungs- und Bindung vorgelegt. Dieser umfasst Strategien aus drei
„Perspektive ver.di wächst!“) und andere Projekte (zum sicherheit vor dem Hintergrund des russischen Angriffs Haupthemen: Ehrenamtliche KBTA, Tarifarbeit und
Beispiel Zukunft der Mitgliedergewinnung) weiterführen auf die Ukraine, Tarifbewegung Deutsche Post AG, Kommunikation.
und zum Erfolg bringen kann. Auswertung Betriebsratswahlen 2022, sollte digitale
Arbeitsweisen zwischen den Präsenzsitzungen etablieren. Mit dem Projekt richtet die Organisation sich bei der Mit-
Seither wird in ver.di auf breiter Front digital gearbeitet, gliedergewinnung schwerpunktmäßig an den Betriebs-
Schwerpunkte der Sonderfall wurde fast zum Normalfall: Bei acht gruppen, Betrieben und Dienststellen aus. Auch die Tarif-
Der Bundeskongress 2019 stand im Zeichen des Themas GR-Sitzungen schaltete sich eine nennenswerte Anzahl runden orientieren sich stärker an den Mitgliedern und
Digitalisierung und stellte innerorganisatorisch Weichen von Kolleg*innen digital zu. Rückblickend ist zu sagen: dem Ziel der Mitgliedergewinnung. Die ver.di-Gremien
für den mehrjährigen Prozess der Fachbereichsfusionen. Der Gewerkschaftsrat hat das Beste aus den widrigen entwickeln ihre Rolle und ihr Selbstverständnis in diesem
Beide Themen begleiteten auch den neuen Gewerk- Umständen gemacht! Sinne neu. Dieses Projekt muss vom nächsten Gewerk-
schaftsrat. Selber setzte sich der Gewerkschaftsrat – auf- schaftsrat weiter intensiv gestaltet werden, denn es ist ein
setzend auf den ver.di-Positionen zur Energiewende aus Die weltumspannende Pandemie löste auch bei ver.di entscheidender Erfolgsfaktor für die Entwicklung unserer
der vorherigen Amtsperiode – das Thema Klimaschutz und einen Digitalisierungsschub aus. Der Gewerkschaftsrat Organisation. Nur durch mehr Mitglieder in gewerkschaft-
Nachhaltigkeit und lud dazu Fachleute in die GR-Sitzungen zog mit der Gesamtheit der Organisation Lehren aus der lich durchdrungenen Strukturen gewinnt die Organisation
ein, um die aktive Gewerkschaftsarbeit auf diese Themen Pandemie für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft. mehr Kampf- und Durchsetzungskraft.
zu orientieren und tragfähige Positionen für die Trans- Mit der temporären Absenkung der Beiträge der Mitglie-
formation der deutschen Wirtschaft und Arbeitswelt zu der, die durch die Corona-bedingte Wirtschaftskrise in Der Gewerkschaftsrat unterstützte auch das Azubi-Mit-
formulieren. Kurzarbeit geraten waren, praktizierte ver.di gewerk- gliederprojekt der ver.di-Jugend, informierte sich über
schaftliche Solidarität und konnte Mitglieder halten. Der Organizing-Projekte und Mitgliederkampagnen und gab
Durch die Corona-Pandemie mussten viele Pläne, Vorha- Gewerkschaftsrat fasste Beschlüsse zu dem tarifpolitischen Impulse in die Richtung, dass all diese Mitgliedergewin-
ben und Sitzungsformate angepasst werden. So musste Grundsatz zu Corona-Notlagen-Tarifverträgen und nungskanäle aufeinander abgestimmt werden. ver.di wird
zum ersten Mal seit ver.di-Gründung eine Sitzung des Patentschutz für Covid19-Impfstoffe. daraus lernen und alle diese Wege haben – wenn gut
Gewerkschaftsrates wegen der verordneten strengen gemacht – ihre Berechtigung. Präsidium und GR erreichten
Kontaktbeschränkungen abgesagt werden. Flexibel wurde Da Lock-Down und Kontaktbeschränkungen die Gewerk- mehr Verbindlichkeit und mehr konkrete Aktionen in der
gewährleistet, dass die GR-Mitglieder über wichtige schaftsarbeit stark einschränkten, geriet die Mitgliederge- Fläche bei der Erreichung der Ziele und Durch-

ARBEIT DES GEWERKSCHAFTSRATES 47


Weiterhin wurde der DGB-Kongress im Mai 2022 vorberei-
tet: Mit der Entsendung der Delegation, der Mitarbeit an
Anträgen und der Diskussion mit der Kandidatin Yasmin
Fahimi für den DGB-Vorsitz in einer GR-Sitzung.

Der Gewerkschaftsrat gedachte des 100. Todestages von


Paula Thiede, der Vorsitzenden einer Vorläuferorganisation
und 1. weiblicher Vorsitzender einer Gewerkschaft, und
des 60. Jahrestages des Mauerbaus, der zu einer politi-
schen Aktion genutzt wurde.

Der Personalausschuss (PAGR) tagte 23 Mal, der Haus-


halts- und Finanzausschuss (HAFAGR) 25 Mal, und
es wurden zusätzlich zwei gemeinsame Sitzungen ab-
gehalten. Die Ausschüsse bereiteten die GR-Beschlüsse
beziehungsweise Unterrichtungsvorlagen zu den
Haushaltsplanungen, Jahresabschlüssen, Flutopferhilfe,
Corona-Rücklage, Sollstellenplanungen, Interessenaus-
gleich zu Fachbereichsfusionen, Entgeltrunden der
Beschäftigten, Vergütung für Wahlangestellte, Trainee-
programm, Honorarregelungen für Teamende, Personal-
berichte, Führungskräftenachwuchsentwicklung (FKNE)
vor. Bei diesem Personalentwicklungsprogramm war
es dem Gewerkschaftsrat besonders wichtig, dass die
ehrenamtliche Mitsprache bei der Besetzung von Füh-
führung der politischen Kampagnen, wie zum Beispiel bei ne Teuerung in besonderer Weise tarif- und sozialpolitisch rungspositionen in ver.di angemessen berücksichtigt wird,
„ver.di wählt“ im Zusammenhang mit der Bundestagwahl reagiert werden muss. Der Gewerkschaftsrat hat hierzu ebenso das Ziel von mehr Diversität bei den hauptamt-
2021. Fachleute eingeladen, die internen Diskussionen befördert lichen Beschäftigten. Der Gewerkschaftsrat ließ sich
und im Austausch mit dem Bundesvorstand die Positionen regelmäßig, auch über den Weg des Haushalts- und
Seit Februar 2022 beschäftigt den Gewerkschaftsrat wie entwickelt, die einen breit getragenen innergewerkschaft- Finanzausschusses und des GeBiZ-Ausschusses (GeBiZ für
auch die gesamte Organisation der militärische Angriff lichen Konsens herstellten. Gewerkschaftliche Bildungszentren), über die Situation der
Russlands auf die Ukraine. Der Gewerkschaftrat beschloss gewerkschaftlichen Bildung berichten, die wirtschaftlich
eine Positionierung, die die Solidarität mit der Ukraine in Stets wurde über den Fortgang des Rollouts des Projekts und arbeitsorganisatorisch schwer von der Pandemie
den Mittelpunkt stellt und deren Recht auf Selbstverteidi- Perspektive ver.di wächst berichtet. Schon in dieser Amts- getroffen wurde, aber auch mehr Digitalisierung lernte.
gung unterstreicht. Praktische Solidarität übt ver.di über periode richtete der Gewerkschaftsrat aber auch seinen Ende 2022 bereiteten die Ausschüsse die Beschlüsse zur
ihre ukrainische Schwestergewerkschaft MTWTU (Marine Blick auf die zweite Seite der Organisationsentwicklung, Umsetzung eines BAG-Urteils zur betrieblichen Alters-
Transport Workers‘ Trade Union of Ukraine), zu der schon das ist die Verbesserung der kollektiven Betriebs- und vorsorge vor, das erfordert, streng zwischen Arbeitskampf-
lange gute Beziehungen bestehen. Eine Gewerkschaftsse- Tarifarbeit, die in den Fachbereichen und der Gesamtorga- vermögen und sonstigem Vermögen zu unterscheiden
kretärin der MTWTU schilderte die schwierige Situation in nisation verankert werden muss. und entsprechende Vorkehrungen in der gesamten
der Ukraine im Gewerkschaftsrat und konnte hilfreiche (Finanz-) Organisation zu treffen.
Kontakte knüpfen. Der Gewerkschaftsrat begrüßte es, Der Gewerkschaftsrat beschloss neu über Mitgliedschaften
dass die ver.di-Bildungszentren für die Ukraine-Flüchtlings- in anderen Organisationen, das waren Sozialmaut e.V.,
hilfe ihre Kapazitäten anboten. Für die gewerkschaftliche Bündnis Make Them Sign, Whistleblower-Netzwerk,
Friedenspolitik ist dieser Konflikt in unweiter Nachbar- BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorgani-
schaft eine schwierige Situation in vielerlei Hinsicht, aber sationen). Ausgetreten ist ver.di – wie die anderen DGB-
auch für die Energie- und Umweltpolitik, die Tarif- und Gewerkschaften – aus dem ACE, dem Europäischen
Sozialpolitik, weil auf die kriegs- und energiepreisgetriebe- Automobilclub.

ARBEIT DES GEWERKSCHAFTSRATES 48


5.
Arbeit
der Fach-
bereiche. 49
5.
Die Arbeit der Fachbereiche wird dargestellt durch die jeweils gefertigten Geschäftsberichte für die Bundesfachbereichskonferenzen.
Bitte dem jeweiligen Link folgen.

5.1  Fachbereich
Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung

5.2 Fachbereich
Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr

5.3 Fachbereich
Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft

5.4 Fachbereich
Handel

5.5 Fachbereich
Postdienste, Speditionen und Logistik

ARBEIT DER FACHBEREICHE 50


6.
Arbeit von Frauen-
und Gleichstellungs-
politik, Gruppen und
Arbeitskreisen. 51
6.
Die Arbeit von Frauen- und Gleichstellungspolitik und der Gruppen entsprechend § 60-67 der Satzung wird dargestellt durch die jeweils gefertigten Geschäftsberichte
für die Bundesfrauenkonferenz sowie die Bundesgruppenkonferenzen. Bitte dem jeweiligen Link folgen.

6.1 Frauen- und Gleichstellungspolitik

6.2 Jugend

6.3 Senior*innen

6.4 Arbeiter*innen

6.5 Beamt*innen

6.6 Meister*innen, Techniker*innen, Ingenieur*innen (mti)

6.7 Selbstständige

6.8 Erwerbslose

6.9 Migrant*innen

ARBEIT VON FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSPOLITIK, GRUPPEN UND ARBEITSKREISEN 52


6.10
Arbeitskreis Behindertenpolitik
Behindertenpolitik: Schwerpunkte der Arbeit nommen wurde. So gab es bei der Frühjahrstagung 2021
bei der Podiumsdiskussion mit den Behindertenbeauftrag-
Chance auf faire Teilhabe Schwerpunkte der Arbeit waren vor allem: Veränderungen ten der demokratischen Parteien mehr als 1.000 Ein-
durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG), Inklusion – insbe- wahlen.
Aktuell leben rund 7,8 Mio. Menschen mit einer Schwer- sondere von Menschen mit Behinderung aus Werkstätten
behinderung in Deutschland, also fast ein Zehntel in den ersten Arbeitsmarkt, geplante Verschlechterung Nach der Wahl der Schwerbehindertenvertretungen haben
(9,4 Prozent) der Gesamtbevölkerung. Menschen mit der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), die sich BAK und Vorstand im März 2019 neu konstituiert
Behinderung haben es auf dem Arbeitsmarkt schwer. Rolle der Schwerbehindertenvertretungen (SBV) und das und die Arbeitsschwerpunkte bis Frühjahr 2023 festgelegt.
Die Erwerbstätigkeit Behinderter bleibt deutlich hinter 100-jährige Bestehen von SBV, Datenschutz in der Arbeit Die nächste konstituierende Sitzung ist für Herbst 2023
der nicht behinderter Menschen zurück. der SBV, Barrierefreiheit in Arbeitsstätten auch bei Flucht geplant, da dann alle Benennungen für den BAK aus den
und Rettung, Denkmalschutz und Barrierefreiheit sowie Landesbezirken erfolgt sein werden. Der Bericht des BAK
Zu den Aufgaben von ver.di gehört es, eine inklusive Teilhabeförderung mit der Deutschen Rentenversicherung. an den GR fand in der digitalen GR-Info-Veranstaltung
Gesellschaft und Arbeitswelt für Kolleg*innen mit Be- statt.
hinderung in den Betrieben und Verwaltungen zu fördern. Weiterhin stand die Erweiterung der Angebote, die ver.di-
Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, Bildungsträger zur Qualifizierung für die SBV anbieten,
die seit 2009 einen Paradigmenwechsel in der Behinder- sowie Arbeitsschutz-Themen rund um Corona-Regelungen
tenpolitik herbeiführte, und bei der Weiterentwicklung in den Betrieben und Verwaltungen auf der Agenda. Ein
des Behindertenrechts bringt sich ver.di auf haupt- und weiterer Fokus liegt auf der Organisation und Begleitung
ehrenamtlicher Ebene aktiv in die Prozesse ein. der alle vier Jahre stattfindenden Wahlen zu den SBV,
zuletzt im Oktober 2018, Frühjahr 2019 und 2022/2023.
Die ver.di-Richtlinie zur Schwerbehindertenvertretung und
Teilhabepolitik sieht vor, dass sich der Bundesarbeitskreis
(BAK) Behindertenpolitik/Schwerbehindertenvertretungen
Gremienarbeit
genauso wie entsprechenden Landesarbeitskreise (LAK) Der BAK ist mit haupt- und ehrenamtlichen Kolleg*innen
gezielt um diese Anliegen kümmern. Die gemeinsam aus allen Landesbezirken und Bundesfachbereichen
im BAK und den LKA entwickelten Vorstellungen und besetzt und arbeitet praxisorientiert. Ein fünfköpfiger
Forderungen zu relevanten teilhabepolitischen Themen, Vorstand koordiniert die Arbeit. Sitzungen des BAK-
insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben beziehungs- Vorstandes finden viermal jährlich, Tagungen des BAK
weise einer inklusiven Arbeitswelt, werden in Gesprächen regelmäßig zweimal jährlich statt. Dort nehmen die
und Veranstaltungen mit Behindertenbeauftragten sowie Kolleg*innen aktuelle betriebliche Beispiele auf, bieten
Vertreter*innen der politischen Parteien in Gremien und Raum für Austausch und liefern Ideen für die Arbeit vor
Ausschüssen für Teilhabe eingebracht. Ort. Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-
Pandemie hat der BAK einen großen Teil seiner Arbeit
schon im Frühjahr 2020 auf einen digitalen Austausch
umgestellt. Sitzungen und Veranstaltungen fanden
ebenfalls digital statt, was nach anfänglichem „Geruckel“
und einer Gewöhnungsphase von allen sehr gut ange-

ARBEIT VON FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSPOLITIK, GRUPPEN UND ARBEITSKREISEN 53


Einige ausgewählte Aktivitäten: Die Kritik und Verbesserungsvorschläge wurden aufge-
nommen. Auf DGB-Ebene fanden und finden Treffen und
Geplante Veränderungen in der Versorgungsmedizin- Fachgespräche statt. Die Koordinierung erfolgt über den
Verordnung/BAK-Frühjahrstagung 2019 Arbeitskreis Behindertenpolitik beim DGB-Bundesvorstand,
Im Herbst 2018 hatte das Bundesministerium für Arbeit bei dem auch der ver.di-BAK vertreten ist.
und Soziales (BMAS) einen Entwurf zur 6. Änderungsver-
ordnung der Versorgungsmedizin-Verordnung vorgelegt SBV-Wahlen im Kontext von Arbeits- und
(6. ÄndVO). Der Entwurf enthielt neue „Gemeinsame Gesundheitsschutz
Grundsätze“, die für alle Begutachtungen gelten sollten. Bei den Wahlen zu den SBV setzte sich der erfreuliche
Der Entwurf der Änderungsverordnung war so formuliert, Trend von 2014 im Jahr 2019 fort. Bei guter Wahlbeteili-
dass die Anerkennung eines Grades der Behinderung gung wurden insbesondere jüngere Kolleg*innen gewählt.
(GdB) durch neue Möglichkeiten von regelhaften Befris- Die künftigen Mandatsträger*innen erhielten ein Be-
tungen, veränderten Berechnungsmethoden und wegen grüßungspaket mit Informationen zu rechtlichen und
des mangelhaften Bestandschutzes schwieriger hätte organisatorischen Fragen ihrer Arbeit als SBV. Darin wurde Andere Gewerkschaften haben die ver.di-Materialien
werden können. Diese eindeutigen Verschlechterungen unter anderem auf die bestehenden professionellen Netz- übernommen.
wurden unter dem Verschleierungsbegriff „Implementie- werke von Integrationsämtern über die Agenturen für
rung des modernen Behinderungsbegriffs in die Begutach- Arbeit bis hin zu weiteren Trägern im Bereich der sozialen BAK-Herbsttagung 2022
tungsgrundsätze zur Anerkennung eines Grades der Selbstverwaltung hingewiesen und die Arbeit von ver.di Die BAK-Herbsttagung fand nach der digitalen Corona-
Behinderung“ versteckt. vorgestellt. Zeit im Oktober 2022 mit vielen ehren- und hauptamt-
lichen Mitgliedern des BAK wieder in den Räumen der
Da der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften in den BAK-Herbsttagung/Veranstaltung 2020 Bundesverwaltung von ver.di statt.
Prozess nicht einbezogen waren, wurde eine Beteiligung Die Rolle der SBV im betrieblichen Arbeits- und Gesund-
am Verfahren beim BMAS angemahnt. Daraufhin hat das heitsschutz unter Corona-Bedingungen stand bei der Neben den Berichten aus den Bundesfachbereichen und
BMAS eine Veranstaltung anberaumt, sodass ver.di über online-Herbsttagung 2020 auf der Agenda, ebenso wie Landesarbeitskreisen sowie einer Unterrichtung zum
den DGB seine Kritikpunkte einbringen konnte. Die SBV Verbesserungen beim Betrieblichen Eingliederungsma- aktuellen Stand der SBV-Wahlen standen die Themen
starteten zusammen mit ihren Gewerkschaften und den nagement (BEM). Weitere Themen waren die bauliche „Digitale Hilfsmittel zur Umsetzung von Barrierefreiheit“
Sozialverbänden 2019 eine Unterschriftenkampagne und Barrierefreiheit und die Erwerbsminderungsrenten. und „Auswirkung von Arbeit 4.0 auf Beschäftigte mit
konnten diesen Versuch der Verschlechterung der unterschiedlicher Qualifikation: Chancen und Herausforde-
Anerkennungsbedingungen vorerst stoppen. Vorbereitung der SBV-Wahlen 2022 rungen der Digitalisierung für Menschen mit Behinde-
Für die SBV-Wahlen 2022 wurde Mitte des Jahres 2021 rung“ auf dem Programm.
Menschen mit Behinderungen sind bei der Teilhabe am eine Informationskampagne gestartet. Neben einer
Arbeitsleben auf Unterstützung angewiesen. Es konnte Internetseite, auf der alle inhaltlichen Materialien abrufbar
erreicht werden, dass die gesetzgebende Instanz vielfältige waren und die auch für Schwerbehinderten-, Betriebs-
Unterstützungsinstrumente einführt. Der Zugang zu diesen und Personalversammlungen genutzt werden konnten,
Nachteilsausgleichen ist bislang an die Feststellung eines wurde der Animationsfilm zur Vorbereitung und Durch-
GdB ab 50 beziehungsweise 30 (bei Gleichstellungen) führung der Wahl überarbeitet. Flyer, Postkarten und
gekoppelt. Wenn es zukünftig zu einer regelhaft geringe- weiteres Streumaterial wurden von einer Werbeagentur
ren Bemessung des GdB kommen sollte, würde dies die in einem frischen, pfiffigen Design samt eingängiger
Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeits- Slogans gestaltet und fanden große Zustimmung.
markt deutlich einschränken. Die Überarbeitung der
versorgungsmedizinischen Grundsätze sollte mit dem Ziel
der bestmöglichen Teilhabe erfolgen und keine Nachteile
mit sich bringen.

ARBEIT VON FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSPOLITIK, GRUPPEN UND ARBEITSKREISEN 54


6.11
Arbeitskreis Regenbogen
Der Bundesarbeitskreis Regenbogen tagte vor Corona Der BAK führte zudem 2020–2022 folgende Seminare im Begriff der Angehörigen, die traditionell als sich umein-
zweimal jährlich in Präsenz und seitdem einmal jährlich in Bildungszentrum Walsrode durch: „LSBTTIQ und Interna- ander Kümmernde angesehen werden und deshalb auch
Präsenz und 2–3 Mal jährlich digital. Die Bundesarbeits- tionale Gewerkschaftsarbeit – Wie können wir uns besser gesetzliche Privilegien für sich in Anspruch nehmen
gruppen (BAG Tarifliche Gleichstellung, BAG_InterTrans, vernetzen?“; „Corona und die Kernfamilie – wo bleibt können, ist der Begriff Zugehörige weiter gefasst und
BAG Lesben) sowie die Arbeitsgruppen Internationales die queere Community?“; „Gewalterfahrung der queeren wurde bisher nicht berücksichtigt. Zugehörige sind
und Öffentlichkeitsarbeit tagten nach Bedarf. In sechs der Community – eine steigende Gefahr“. Für 2023 in Vor- Menschen, die sich einander verbunden fühlen, fürein-
neun ver.di Landesbezirken gibt es regelmäßig im BAK bereitung: „Sichtbarkeit von lSBTTIQ+ Personen in der ander sorgen, ihr Leben miteinander teilen und Verant-
aktive Arbeitskreise (Nord, Hamburg, Berlin-Brandenburg, öffentlichen Darstellung!“. wortung füreinander übernehmen. Dafür hatte die BAG
Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg) sowie die Definition erarbeitet: „Zugehörige sind Menschen,
sporadisch Sachsen-Sachsen-Anhalt-Thüringen. In Bayern die nicht unbedingt miteinander verwandt sind, die sich
befindet sich ein Arbeitskreis im Aufbau.
Arbeitsgruppe selbstgewählt einander verbunden fühlen und füreinander
Tarifliche Gleichstellung Sorge tragen. Zugehörigkeit kann sowohl in einer Partner-
Zu den Aktivitäten des BAK zählen die Beratung und schaft als auch in einer Gruppe stattfinden.“ Der Bundes-
Bearbeitung von Anfragen von Mitgliedern, das Werben (BAG Tarifarbeit) kongress 2019 hatte dies als Arbeitsmaterial an den
für die Anliegen queerer Menschen und deren stärkere Gewerkschaftsrat beschlossen. Die BAG Tarifarbeit betei-
Sichtbarmachung am Arbeitsplatz wie innerhalb ver.di Der Teilnehmer*innenkreis setzte sich bundesweit aus ligte sich daraufhin an der Diskussion zur Umsetzung,
und darüber hinaus auch die Werbung neuer Mitglieder. Delegierten der ver.di Regenbogen-Arbeitskreise zusam- und Ende 2021 konnte dann erstmalig eine entsprechende
Hierzu gibt der BAK Regenbogen auch (Informations-) men. Ausgangspunkt der BAG war der 2013 vom Gewerk- Formulierung in einem Tarifvertrag im Bankenbereich um-
Materialien heraus wie Flyer, die Zeitschrift „queer in schaftsrat beschlossene „Tarifpolitische Grundsatz zur gesetzt werden. Damit wurde entsprechend dem tarif-
ver.di“ sowie Werbemittel. In der ver.di publik erschien Umsetzung diskriminierungsfreier Tarifverträge“. Für die politischen Grundsatz diskriminierungsfreier Tarifverträge
2022 ein großer Beitrag unter dem Titel „Out at Work“, mit der konventionellen Ehe gleichgestellten eingetrage- erstmals die Gruppe der Zugehörigen den Familienange-
in dem sechs BAK-Mitglieder von ihren Erfahrungen nen Lebenspartnerschaften sollten in den Tarifverträgen hörigen in Tarifverträgen gleichgestellt. Auch politisch
beim Coming-Out am Arbeitsplatz berichteten. Auch im (sofern noch nicht vorhanden) entsprechende Gleichstel- konnte die Diskussion um den Begriff vorangetrieben
Rahmen des DGB Arbeitskreises LSBTTIQQAAP+ setzte lungsregelungen, insbesondere Arbeitsbefreiungen, auf- werden: So verspricht die derzeitige Bundesregierung zur
sich der BAK für die Anliegen queerer Menschen ein und genommen werden. Diese Umsetzung hatte die BAG- weiteren Regelung dieser Verantwortungsgemeinschaften
beteiligte sich an Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvor- Tarifarbeit begleitet. Seit 1. Oktober 2017 gilt in Deutsch- einen Gesetzentwurf bis Ende 2023 vorzulegen, der noch
haben wie der Rehabilitierung und Entschädigung von land die „Ehe für alle“, dennoch dauerte es zehn Jahre, in dieser Legislatur umgesetzt werden soll.
Bundeswehrangehörigen, die aufgrund ihrer sexuellen die Regelungen in allen Tarifverträgen von ver.di umzuset-
Orientierung und/oder ihrer geschlechtlichen Identität zen. Ein weiteres aktuelles Thema der Arbeit der BAG ist die
diskriminiert wurden (SoldRehaHomG) oder der Novellie- Einbindung einer dritten personenstandsrechtlichen
rung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der BAG war die Geschlechtsoption, wie sie höchstrichterliche Rechtspre-
Auch an der Umsetzung des Aktionsplans Queer Leben tarifliche Berücksichtigung von „Zugehörigen“ und Ver- chung aktuell vorsieht. Im Rahmen der Umsetzung des
der Bundesregierung ist der BAK neben dem DGB, der antwortungsgemeinschaften als Begriff für alternative angekündigten Selbstbestimmungsgesetzes wird die BAG
GEW und der EVG beteiligt und wirkt in der dortigen Lebensgemeinschaftsformen und Mehrelternschaften, wie Tarifarbeit dieses Anliegen weiter aufgreifen. Auch die
Arbeitsgruppe „Arbeitsumfeld“ mit. sie bereits im Gewerkschaftsrats-Beschluss als Wunsch für erst in wenigen Ländern umgesetzte Öffnung der Beam-
in „eheähnlichen Lebensgemeinschaften lebende Beschäf- tenbesoldung für die GKV zur Gleichstellung von sozial
tigte“ zum Ausdruck gebracht wurde. Im Gegensatz zum benachteiligten Beamt*innen (chronisch krank,

ARBEIT VON FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSPOLITIK, GRUPPEN UND ARBEITSKREISEN 55


mehrere Kinder) in ihrem Anspruch auch auf gesetzliche
Krankenversicherung ist noch ein offener Themenschwer-
punkt dieser Arbeitsgruppe.

BAG Lesben
Nach wie vor problematisch ist der Gender-Pay-Gap, von
dem lesbische Paare doppelt betroffen sind. In Zusammen-
hang mit dem Lesben Frühlings Treffen (LFT) in Bremen
2021 stellte die BAG einmal mehr klar, dass sie trans-inklu-
siv ist. 2022 wurde der BAK auf der ILGA-Europe-Konfe-
renz in Sofia erstmals von einer Vertreterin der BAG
Lesben vertreten. Der ver.di publik Beitrag „Out at Work“
geht auf eine langjährige Initiative der BAG zu insbesonde-
re lesbischer Sichtbarkeit zurück.

BAG-InterTrans
Mit der im Dezember 2018 in Kraft getretenen Änderung
des Personenstandsgesetzes um die Ergänzung des dritten
positiven Geschlechtseintrags „divers“ konnten 2022
endlich auch innerhalb ver.di die Formulare um diese
Option ergänzt werden. Zudem wurde 2022 die Richtlinie
zur Bildung von Regenbogen-Arbeitskreisen (§5, Abs.5
ver.di Satzung) entsprechend angepasst, sodass neben
geschlechtlicher Identität und sexueller Orientierung
explizit auch Personen mit körperlichen Variationen
benannt sind. Die BAG ist Mitglied im europäischen
Dachverband Transgender Europe (TGEU) und regelmäßig
auf deren Konferenzen, zuletzt dem TGEU-Council in
Berlin 2022, vertreten.

AG Internationales
Die 2021 gebildete AG Internationales befasst sich mit
der Zusammenarbeit mit internationalen Partnergewerk-
schaften, Branchengewerkschafts- und Gewerkschafts-
dachverbänden sowie internationalen LGBTI-Organisatio-
nen auf europäischer und internationaler Ebene. Die AG
unterhält Verbindungen zu allen dort bestehenden
Strukturen für LGBTI und betreut darüber hinaus auch
die LGBTI-Themen anderer überstaatlicher Organisationen
wie ILO oder OECD.

ARBEIT VON FRAUEN- UND GLEICHSTELLUNGSPOLITIK, GRUPPEN UND ARBEITSKREISEN 56


7.

ver.di weiter
entwickeln. 57
7.1
Tarifpolitische Grundsatzfragen
und Tarifkoordination
Bundestarifausschuss einbarungen beschlossen. Derartige Corona-Notlagentarif-
verträge konnten bis zum 30. Juni 2021 eingereicht
Entwicklung
Der Bundestarifausschuss (BTA) ermöglicht als fachbe- werden, ihre Laufzeit war auf sechs Monate beschränkt Tarif(daten)pflege
reichsübergreifendes Gremium einen Austausch zwischen und sie endeten ohne Nachwirkung. Insgesamt wurden
MIBS-Tarifverschlüsselung
den Fachbereichen mit ihren unterschiedlichen Branchen, der Clearingstelle allerdings nur acht Fälle vorgelegt.
Erfahrungen und Tarifergebnissen. Satzungsmäßige Start 2014
Aufgabe des BTA ist unter anderem die Beratung und
Vorbereitung von tarifpolitischen Grundsätzen (siehe
Europäische Tarifpolitik (Pilotierung)

Kap. 2.1), die – so vom Gewerkschaftsrat beschlossen Ein Arbeitsschwerpunkt der Tarifpolitischen Grundsatzab- 11/2018

– für alle Tarifkommissionen verbindlich sind. Um dieser teilung im Rahmen der europäischen Tarifpolitik bezog sich
Aufgabe auch weiterhin gerecht werden zu können, auf die Initiative von EU-Kommissionspräsidentin Ursula 11/2020
hat ver.di die Zusammensetzung des BTA an die neue von der Leyen, eine Richtlinie für einen europäischen
Fachbereichsstruktur A–E unter Berücksichtigung der Mindestlohn zu installieren. Hierzu wurde in Arbeitsgrup- 10/2021
bestehenden Tarifbereiche angepasst. pen des DGB und in europäischen Bünden (EGÖD,
UNI-Europa, ETF) mitgearbeitet, Stellungnahmen und 12/2022
Briefings verfasst, Vorträge gehalten, um über die
Clearingstelle
■ ■
Situation in Deutschland zu berichten und die Perspektive 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000

Im Berichtszeitraum hat sich die Clearingstelle im Rahmen der ver.di zu vermitteln. Dieses Engagement war erfolg-
von Verstößen gegen tarifpolitische Grundsätze, die für reich, denn am 1. Oktober 2022 trat die neue EU-Mindest- gültig! gültige davon
nicht gültig Tarifverträge verschlüsselt
Tarifkommissionen verbindlich sind, mit 56 Anträgen lohn-Richtlinie in Kraft. Nach Jahren neoliberal deregulie-
befasst. Im Vergleich zur letzten Berichtsperiode war die render Angriffe auf die Tarifsysteme der Mitgliedsstaaten Quelle: ver.di Bundesverwaltung, Ressort 2, Tarifpolitische Grundsatzabteilung

Anzahl der Clearingfälle damit weiter rückläufig. Bei rund zeigt sich hier ein Umdenken: Löhne, die für ein anständi-
70 Prozent der vorgelegten Clearingfälle handelte es sich ges Leben reichen, sollen nun die Gesellschaften in der EU
um Not- und Härtefallregelungen sowie Regelungen zur stabilisieren und das Projekt der Europäischen Integration
Arbeitszeit. Hinsichtlich des ver.di-internen tariflichen stärken. Dies soll nun mit der Schaffung „angemessener aktualisieren. Darüber hinaus müssen bei der Vergabe
Mindestlohns (2020: 10 Euro; 2021: 10,20 Euro) lagen im Mindestlöhne“ und der Stärkung der Tarifsysteme und von öffentlicher Aufträge und Konzessionen auch Kriterien
Berichtszeitraum sieben Verfahren der Clearingstelle vor. Tarifverhandlungen geschehen. Mitgliedstaaten, in denen berücksichtigt werden, die die Gewährleistung grundle-
weniger als 80 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden gender Gewerkschaftsrechte wie die Zugangsrechte zum
Im November 2020 hatte der Gewerkschaftsrat mit Blick sind, werden verpflichtet, Maßnahmen zur Förderung von Betrieb, die Ahndung von Union-Busting-Praktiken und die
auf drohende dramatische Auswirkungen des im März und Tarifverhandlungen zu ergreifen und diese in konkreten Einhaltung von Tarifstandards sicherstellen. Die Vorschrif-
erneut im November 2020 veranlassten Einschränkungen Aktionsplänen mit klaren Zeitvorgaben niederzulegen. Die ten müssen innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht
zur Eindämmung der Corona-Pandemie von Teilen der Pläne sind in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften umgesetzt werden.
deutschen Wirtschaft eine zeitlich befristete Vereinfachung und Arbeitgeber*innenverbänden zu entwickeln, regel-
des Verfahrens zu tarifvertraglichen Not- und Härtefallver- mäßig zu überprüfen und mindestens alle fünf Jahre zu

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Tarifdokumentation Mindestlohn Monitor

Seit dem Start des Online-Tools „tarif.suche“ in den 90er


Ergebnisse im Überblick zum 1. Januar 2023 (in Prozent)
Jahren, mit der der Zugriff auf alle ver.di-Tarifverträge
möglich ist, hat sich vieles getan. ver.di hat das Tool Neue Auswertung: Unter... Euro
weiterentwickelt – nicht zuletzt durch technische Möglich-
keiten – optisch und funktional. Unter Euro 12 13 14 15 17 20

gesamt 7,4 14,8 24 33,2 49,2 69,2


Insbesondere durch „Perspektive ver.di-wächst!“ hat sich
die Tarifdatenqualität und -quantität in allen Landesbezir-
ver.di NBL 9,5 21,5 32,6 43,7 61,6 79,9
ken und auf Bundesebene seit dem Start der Pilotierung
2014 sehr erfreulich entwickelt. FB 01 7,5 13,4 21,3 32,1 49,1 66,6

Dies gelang durch die Zusammenarbeit mit den Landes- FB 02 8,1 17,5 27,4 36,1 50 65,6
bezirken, dem Referat Beitragswesen sowie der Tarifdoku-
mentation in der Bundesverwaltung. FB 03 6,7 14 22,9 31,9 48,3 70,3

Mit dem Teilprojekt „Konsolidierung der Arbeitsorgani- FB 04 1,2 1,4 4,3 12 24 43,8
sation und des Wissensmanagements für das 3-Stufen-
Modell“ wurde die Tarifdatenqualität im Zuge der FB 05 9,2 15 24,6 34,2 54,5 79,9
Rolloutvorbereitungen signifikant verbessert.
FB 06 4,6 8,8 15,9 31,4 56 73,7
Es ist das Ziel, möglichst viele Tarifverträge zu verschlüsseln FB 07 7,3 13,4 20,7 33,5 50,3 75,8
– also nach dem MIBS-Tarifschlüssel zuzuordnen. Das
erleichtert den Kolleg*innen in den ver.di-Zentren und FB 08 9,2 18,5 27,8 36,9 51,1 65,7
den Teams Beratung & Recht den Zugriff auf alle zutreffen-
den Tarifverträge eines Mitglieds ohne Rückkopplung FB 09 2,3 6,8 11,2 15,6 23,2 36,9
mit den Fachbereichen. Zum Jahresbeginn 2022 wurde
FB 10 10,6 24,2 37,8 50,8 67,1 85,5
die „tarif.suche“ zudem an die neue Fachbereichsstruktur
angepasst. FB 11 9,0 16,6 26,8 35,6 52,2 69,9
Um die Tarifdatenqualität auf hohem Niveau zu halten FB 12 10 18,9 32,6 43,6 62,2 84,8
müssen sich Standards und Routinen zwischen den
betroffenen Organisationseinheiten in den Landesbezirken FB 13 10 18,2 28,9 37,1 51,3 71,3
und der Bundesverwaltung beim Abschluss neuer Tarifver-
träge weiter etablieren. Dann steht allen Nutzer*innen
eine gut gepflegte Tarifdatenbank zur Verfügung, auf die
sie mit tarif.suche Zugriff haben und deren Handhabung
im Rahmen von Online-Veranstaltungen regelmäßig
vorgestellt wird.

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Mindestlohn-Monitoring Mindestlohn Monitor

Das Mindestlohn-Monitoring (zukünftig: Tarif-Monitoring)


Landesbezirke (in Prozent)
ist eine web-basierte Datenbank, die im Berichtszeitraum
mit der Tarifdatenbank TATEX, in der alle ver.di-Tarifver- Verteilung der Vergütungsgruppen nach Vergütungshöhe
träge erfasst werden, zusammengelegt und der neuen
Fachbereichsstruktur angepasst wurde. Bezogen auf bis 12 – 13 – 14 – 15 – 17 –
20 Euro
alle gültigen Tarifverträge von ver.di sind zum Stichtag Fachlich Alle 11,99 12,99 13,99 14,99 16,99 19,99
u. mehr
1. Januar 2023 noch 7,4 Prozent aller Einstiegsentgelt- Euro Euro Euro Euro Euro Euro
gruppen unter zwölf Euro, knapp 15 Prozent unter
Bundesweit 4.056 6,3 5,6 7,4 9,7 14,0 19,7 29,2
13 Euro und knapp die Hälfte unter 17 Euro, wobei es
große Unterschiede zwischen den Tarifbereichen gibt.
Nord 1.337 7,3 7,9 9,9 7,6 16,7 21,5 29,9
Die Auswertung im Zeitvergleich – sie fußt auf der
Datengrundlage von aktuell 11.000 gültigen Entgelttarif- Niedersachsen/Bremen 2.754 6,3 7,1 9,3 9,4 15,2 20,2 22,2
verträgen mit rund 21.300 Vergütungstabellen und rund
201.200 Einstiegsentgeltgruppen – zeigt vor allem unter Berlin-Brandenburg 2.261 9,4 9,4 11,7 9,6 16,5 19,9 24,6
zwölf und über 20 Euro eine sichtbare Dynamik, während
die Bereiche zwischen zwölf und 14 Euro eine nicht Nordrhein-Westfalen 997 10,7 10,0 10,9 10,1 15,5 17,6 25,1
eindeutige Entwicklung genommen haben. Diese Befunde
deuten auf eine gewisse Stauchung in der Mitte der Rheinland-Pfalz 507 10,9 7,7 10,7 9,5 16,2 16,9 20,4
Lohnskala hin.
Hessen 943 9,2 6,7 9,5 13,0 17,4 17,9 26,2
Das Mindestlohn-Monitoring bietet zudem sehr vielfältige
und spezifische Auswertungsmöglichkeiten für Fach- Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen 2.950 9,3 9,2 10,7 9,9 17,0 20,5 24,2
bereiche und Landesbezirke. Solche Spezialauswertungen
wurden im Berichtszeitraum häufig auf Anfrage zur Bayern 1.317 6,4 6,3 9,7 11,0 19,3 24,4 24,0
Verfügung gestellt.
Baden-Württemberg 1.274 5,2 7,0 9,2 9,6 17,5 21,4 22,1

Hamburg 1.270 2,5 5,0 5,4 6,5 16,2 23,2 41,1

Saarland 94 10,7 10,7 19,1 14,3 13,1 16,7 15,5

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Entwicklung Dienstleistungsarbeit – sierung um. Dies hat Einfluss auf Tätigkeitsprofile und
die Arbeit mit Menschen. Arbeitsbewertung muss an
Tarif(daten)pflege Arbeitsbewertung neu aktuelle Entwicklungen angepasst werden und dies
MIBS-Tarifverschlüsselung denken berücksichtigen.

Start 2014 Dienstleistungsarbeit steht besonderen Herausforderungen


(Pilotierung) Die besonderen Anforderungen und Belastungen vieler gegenüber, die sich bislang in den Entgeltsystemen nicht
notwendigen Tätigkeiten in den Dienstleistungsbranchen widerspiegeln, wie zum Beispiel Emotionsarbeit oder
11/2018 hat ver.di im Rahmen einer vierteiligen Online-Modulreihe das Interagieren mit Patient*innen und Kund*innen im
thematisiert: Die Arbeit mit Kund*innen, Patient*innen, direkten Kontakt. Aktive in Tarifkommissionen, Verhand-
11/2020 Klient*innen und/oder Bürger*innen. lungsführer*innen, Interessenvertretungen sind gefordert,
sich mit diesen Veränderungen der Tätigkeiten im Rahmen
10/2021 Anforderungen und Belastungen der Dienstleistungsarbeit der Arbeitsbewertung, zum Beispiel dem sogenannten
beziehungsweise Interaktionsarbeit in der Arbeitsbewer- eg-check auseinanderzusetzen, um den rechtlichen
12/2022
tung und somit in Tarif- und Entgeltstrukturen werden Anforderungen an Tarifverträge und der Identifizierung der
immer noch unzureichend berücksichtigt. spezifischen Anforderungen in Dienstleistungssektoren

■ ■
0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 gerecht zu werden. Erste Schritte in diese Richtung haben
Gleichzeitig strukturieren Arbeitgeber*innen die Arbeits- die Bankenbranche („It’s people’s business“) und der
gültig! gültige davon
nicht gültig Tarifverträge verschlüsselt
organisation durch Nutzung der fortschreitenden Digitali- Einzelhandel („Arbeiten mit Kund*innen“) beschritten.

Quelle: ver.di Bundesverwaltung, Ressort 2, Tarifpolitische Grundsatzabteilung

Privatrechtliche Normung
bedroht Tarifautonomie
In den letzten Jahren war zu beobachten, dass vordringen-
de privatrechtliche Normierungen (DIN, ISO), etwa zum
Personalmanagement, zunehmend in Konflikt mit Mit-
bestimmungsrechten und der Tarifautonomie gerieten.
Dies fand zunächst weitgehend unter dem Radar öffent-
licher wie gewerkschaftlicher Aufmerksamkeit statt, droht
aber Handlungsrechte und -möglichkeiten der Tarifpartei-
en einzugrenzen. Zusammen mit dem DGB wurde ver.di
hier aktiv. In Gesprächen mit der Politik wurden rote Linien
für private Normsetzung und auch klare Verfahrensrege-
lungen für eine starke Einbindung der Sozialpartner bei
der Abstimmung von Normungsvorhaben gefordert.
Inzwischen sind erste Erfolge zu verzeichnen. So hat ver.di
zusammen mit der BDA erreicht, rote Linien der Normung
in den Verfahrensregelungen des DIN zu verankern.
Auf dieser Grundlage werden weitere Schritte auch mit
Blick auf internationale Normungsvorhaben angegangen.
Ein Forschungsprojekt bei der Hans-Böckler-Stiftung soll
weitere Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.

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Diskriminierungsfreie Frauen verdienen 18 Prozent
Tarifverträge/Gender weniger als Männer
Mainstreaming/Equal Pay Unbereinigter Gender Pay Gap in Deutschland
(in%)

Trotz einiger Fortschritte sind Wirtschaft und Gesellschaft


von der Gleichstellung der Geschlechter immer noch weit
entfernt. Frauen verdienen in Deutschland rund 18 Prozent
weniger als Männer. Entsprechend beträgt der Brutto-
stundenlohn von Männern laut Statistischem Bundesamt
2022 24,36 Euro und der von Frauen lediglich 20,05 Euro.
Zudem arbeiten Frauen 1,5-mal häufiger als Männer
ausschließlich im Minijob, das heißt rund 60 Prozent der
geringfügigen Beschäftigung wird von Frauen ausgeübt,
was zur Folge hat, dass Frauen im Alter überproportional
von Altersarmut betroffen sind.

ver.di setzt sich seit ihrer Gründung für die Beseitigung

■ ■
von Entgeltdiskriminierung ein. Obwohl die gesellschaft- 2007 2014 2021

liche Debatte über Dienstleistungsarbeit breiter geworden Deutschland früheres Bundesgebiet Neue Länder
ist, werden Tätigkeiten immer noch unterbewertet, die (einschl.Berlin) (ohne Berlin)
typischerweise Frauen ausüben beziehungsweise als
Quelle: Statistisches Bundesamt
„typisch weiblich“ gelten. Zur Unterstützung der Tarif-
arbeit stehen verschiedene Handlungshilfen zur Verfü-
gung: Der eg-check.de zur Überprüfung diskriminierungs-
freier Tarifverträge (Entgeltstrukturen), der db-check.de
zur Überprüfung von betrieblichen oder tariflichen
Regelungen, Checklisten aus dem Praxis-Handbuch
„Gleichbehandlung als Handlungsleitfaden für Mitglieder
von Tarifkommissionen, Verhandlungsführungen, betrieb-
liche Interessenvertretungen und Personalverantwort-
liche“, die Broschüre „AGG und Tarifpolitik“.

Diskriminierungsfreie Entgelt- und Tarifpolitik ist auch


Thema im Rahmen der Qualifizierung für Tarifverhandeln-
de. Die Tarifpolitische Grundsatzabteilung ist Anlaufstelle
für Verhandlungsführer*innen bei der Umsetzung von
Entgeltfragen.

2 Es handelt sich um einen Handwerkskasten mit verschiedenen Instrumenten, mit


denen wichtige Entgeltbestandteile – wie Grundgehalt, Stufensteigerungen,
Leistungsvergütungen oder Erschwerniszuschläge – auf Basis der geltenden Rechtslage
einzeln auf etwaige Diskriminierungspotentiale geprüft werden können. So wird es
möglich, Benachteiligungen von Frauen (oder Männern) aufzudecken und ihre Ursachen
zu beseitigen.

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7.2
Tarifsekretariat öffentlicher Dienst
Der Bereich Tarifpolitik öffentlicher Dienst ist fachbereichs- Tarifverhandlungen mit ■ Angleichung der Stufenlaufzeiten an die Stufenlauf-
übergreifend für die Tarifbereiche des öffentlichen Dienstes zeiten im TVöD und die Stufensperrungen und
zuständig. Er ist in die Vorbereitung und Durchführung der VKA zur Aufwertung Verbesserung für verschiedene Berufsgruppen bei
von Tarifkampagnen eingebunden, organisiert online-
unterstützte Beschäftigtenbefragungen, wirbt Tarifbot-
des Sozial- und Erziehungs- der Eingruppierung.

schafter*innen ein und organisiert Videokonferenzen für dienstes Das Ende der Mindestlaufzeit dieser besonderen Regelun-
sie oder ist an digitalen Tarif- und Branchenkonferenzen gen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst
beteiligt. ver.di hatte sich mit der VKA im Jahr 2015 darauf verstän- wurde auf den 31. Dezember 2026 festgelegt.
digt, zum Tarifergebnis im kommunalen Sozial- und
Neben den Tarif- und Besoldungsrunden für die Beschäf- Erziehungsdienst im Sommer 2019 Gespräche über
tigten von Bund und Kommunen sowie der Länder werden Erfahrungen, Umsetzungsprobleme, Wirkungen und
Tarif- und Besoldungsrunde
regelmäßig weitere Tarifverträge abgeschlossen, unter Weiterentwicklung zu führen. Nach zwei Gesprächen 2020 mit Bund und VKA
anderem mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV), wurden am 5. März 2020 die Verhandlungen aufgenom-
der Bundesagentur für Arbeit, den Unfallversicherungsträ- men und aufgrund der Einschränkungen durch die Zur Vorbereitung der Tarifrunde 2020 hat ver.di auf
gern, den Stationierungsstreitkräften und der Gesellschaft Corona-Pandemie ausgesetzt. Beschluss der BTK ö.D. 2019 bis Anfang 2020 eine breit
für internationale Zusammenarbeit. Letzteres erfolgt angelegte Umfrage unter den Beschäftigten im Tarifbe-
künftig durch den zuständigen Landesbezirksfachbereich. Im August 2021 hat die Bundestarifkommission für den reich des öffentlichen Dienstes durchgeführt. Sie ergab,
Neu hinzugekommen sind Verhandlungen mit der öffentlichen Dienst (BTK ö.D.) die Kündigung der Tätig- dass 92 Prozent der Kolleg*innen selbst entscheiden
Autobahn GmbH. keitsmerkmale und der Regelungen zum Betrieblichen wollen, ob sie eine Entgelterhöhung in freie Zeit eintau-
Gesundheitsschutz/der Betrieblichen Gesundheitsförde- schen und mehr als die Hälfte der Beschäftigten diese
ver.di hat eine Reihe weiterer Tarifverträgen abgeschlossen: rung zum 31. Dezember 2021 beschlossen. Möglichkeit auch nutzen wollen. Die Corona-Pandemie
■ Den Tarifvertrag für Studierende in ausbildungsinteg- und der erste Lockdown ab Mitte Februar 2020 ließen
rierten dualen Studiengängen im öffentlichen Dienst“ Nach drei schwierigen Verhandlungsrunden konnte am jedoch das Thema Arbeitszeit in den Hintergrund rücken.
im Januar 2020, als Reaktion auf die Folgen der 18. Mai 2022 eine Einigung erzielt werden. Ohne umfang- Am 16. Juni 2020 fand ein Sondierungsgespräch mit der
Corona-Pandemie den „Tarifvertrag zur Kurzarbeit im reiche Streiks – allein in der Woche vor der dritten Ver- VKA statt, die jedoch zu keiner Verständigung über die
öffentlichen Dienst“ mit der VKA im April 2020, einen handlungsrunde haben sich 45.000 Kolleg*innen an den zeitliche Anlage der Tarifrunde bereit war, die ver.di
Notlagentarifvertrag für Beschäftigte an kommunalen Streiks beteiligt – wäre dies kaum gelungen. angesichts der Corona-Pandemie angeregt hatte. Zwei
Flughäfen mit der Vereinigung der kommunalen Die Tarifeinigung enthielt unter anderem folgende Punkte: Tage später hat die BTK ö.D. die Entgelttabellen gekündigt
Arbeitgeberverbände (VKA) im Dezember 2020 ■ Zwei Regenerationstage zur Entlastung für alle und am 25. August 2020 ihre Forderungen beschlossen.
ebenfalls infolge der Corona-Maßnahmen, den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst – zwei Hierzu gehörten unter anderem Entgelterhöhungen von
„Digitalisierungstarifvertrag“ mit dem Bund im Juni weitere Tage, die gegen Teile der neu vereinbarten 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro sowie die Einrich-
2021 und der DRV im Dezember 2021 und den SuE-Zulage eingetauscht werden können, tung eines gesonderten Verhandlungstisches für das
„Tarifvertrag für Studierende in einem dualen Hebam- ■ die neue monatliche SuE-Zulage für Erzieher*innen Gesundheitswesen. Die ersten beiden Verhandlungsrun-
menstudium im öffentlichen Dienst“ im Januar 2022. und Sozialarbeiter*innen in den Entgeltgruppen S 2 den am 1. September sowie am 19. und 20. September
bis S 11a in Höhe von 130 Euro und in den Entgelt- 2020 endeten ohne Angebot der Arbeitgeber*innen.
gruppen S 11b, S 12, S 14, S 15 Fallgruppe 6 in Höhe Daher starteten ab 22. September 2020 Streiks unter
von 180 Euro, Corona-Bedingungen.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 63


Am 25. Oktober 2020 gelang nach viertägigen intensiven Bereitschaft, zumindest die Preissteigerungen auszu-
Verhandlungen eine Einigung mit folgenden Punkten: gleichen. Nach einer Intensivierung der Warnstreiks konnte
■ Eine Erhöhung der Tabellenentgelte ab 1. April 2021 am 28. November eine Einigung erreicht werden:
um 1,4 Prozent, mindestens aber 50 Euro, ■ Eine Erhöhung der Tabellenentgelte ab 1. Dezember
■ eine weitere Erhöhung ab dem 1. April 2022 um 2022 um 2,8 Prozent,
1,8 Prozent, ■ eine steuerfreie Sonderzahlung im ersten Quartal 2022
■ für Auszubildende und Praktikant*innen jeweils bei in Höhe von 1.300 Euro,
beiden Erhöhungen mindestens 25 Euro, ■ 50 Euro mehr für Auszubildende, Studierende und
■ eine nach Entgeltgruppen sozial gestaffelte steuerfreie Praktikant*innen ab 1. Dezember 2022 beziehungs-
Corona-Sonderzahlung in Höhe von 300 bis 500 Euro, weise 70 Euro im Gesundheitsbereich sowie eine
■ die schrittweise Angleichung der Arbeitszeit im Sonderzahlung von 650 Euro,
Tarifgebiet Ost an das Niveau des Tarifgebiets West ■ deutliche Erhöhung der Zulagen im Gesundheits-
bis 1. Januar 2023, bereich, die auf weitere Beschäftigtengruppen
■ die Einführung sowie die Erhöhung von Zulagen im ausgedehnt wurden.
Gesundheitsbereich.
Nach intensiver Diskussion in der Organisation stimmte die
Weitere Vereinbarungen gab es für den Bereich der BTK ö.D. im Dezember der Annahme der Tarifeinigung zu.
Sparkassen, den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Wegen strittiger Punkte mit der TdL konnte die Redaktion
leistungsorientierte Bezahlung (§ 18 TVöD) und über einen erst im Mai 2022 beendet werden.
Tarifvertrag zur Umwandlung von Teilen des Entgelts zu
Zwecken des Leasings von Fahrrädern.
Tarif- und Besoldungsrunde
Tarif- und Besoldungsrunde 2023 mit Bund und VKA
2021 mit der Tarifgemein- Ab Ende 2021 liefen Vorbereitungen und die BTK ö.D.
befasste sich im April und Juni 2022 mit den Rahmen-
schaft deutscher Länder (TdL) bedingungen zur Tarif- und Besoldungsrunde 2023.
Am 11. Oktober 2022 beschloss sie die Kündigung der
Die Vorbereitung der Tarifkampagne startete im Februar Entgelttabellen sowie die zentrale Forderung nach einer
2021 mit Konferenzen für Ehren- und Hauptamtliche Entgelterhöhung von 10,5 Prozent, mindestens aber
Kolleg*innen. Die Konferenzen dienten zur Vorstellung der 500 Euro. Eine Beschäftigtenbefragung, an der 130.000
Planungen und der gemeinsamen Orientierung auf die Kolleg*innen teilnahmen, hatte gezeigt, dass angesichts
anstehende Tarif- und Besoldungsrunde. Darüber hinaus der hohen Preissteigerungen Entgelterhöhungen im Vor-
wurden Rückmeldungen der Kolleg*innen in die weitere dergrund stehen und erneut nicht das Thema Arbeitszeit.
Planung einbezogen.
Die Forderung unterstützen anschließend rund 340.000
Schon frühzeitig signalisierte die TdL, dass sie den Beschäftigte von Bund und kommunalen Arbeitgeber*in-
sogenannten Arbeitsvorgang zum Kernthema der nen mit ihrer Unterschrift in einem „Stärketest“. Auch
Tarifrunde machen wolle, was zu Verschlechterungen bei damit zeichnete sich schon zum Jahreswechsel 2022/2023
der Eigruppierung führen würde. Die BTK ö.D. kündigte deutlich ab, dass es in der Mitgliedschaft eine ausgespro-
am 26. August 2021 die Entgelttabellen. Sie beschloss chen hohe Bereitschaft gibt, die Forderung nach höherem
unter anderem, eine Entgelterhöhung um fünf Prozent, Entgelt aktiv umzusetzen. Die Verhandlungen selber
mindestens aber 150 Euro zu fordern. Für Beschäftigte wurden am 24. Januar 2023 aufgenommen.
im Gesundheitswesen wurden mindestens 300 Euro
gefordert. In den ersten beiden Verhandlungsrunden im
Oktober und November beharrte die TdL weiterhin auf
Zugeständnisse beim Arbeitsvorgang und zeigte keine

VER.DI WEITER ENTWICKELN 64


7.3
Vertrauensleute- und Betriebsarbeit
Vertrauensleutearbeit findet überwiegend vor Ort und im Erschließungsprojekte Erschließungskampagnen
Arbeitsumfeld statt. Ergänzend dazu gibt es fachbereichs-
übergreifende Aktivitäten in den Bezirken und Landesbe- und Recherchemaßnahmen In den letzten Jahren hat ver.di eine Vielzahl von gezielten
zirken. Damit wird der Erfahrungsaustausch der Aktiven Erschließungskampagnen konzipiert und umgesetzt.
über die Fachbereichsgrenzen hinweg ermöglicht, um zum Erschließungsarbeit basiert auf Wissen über die Entwick- Präsent in der öffentlichen Wahrnehmung waren dabei
Beispiel gute Praxisbeispiele bekannt zu machen. lung in der Branche. Dieses Wissen dient als Entschei- die innovativen Großprojekte für einen TV-Entlastung bei
dungsgrundlage für die Auswahl von Betrieben. Es wurde beiden Berliner Krankenhausgruppen Charité/Vivantes
Ein wesentliches Instrument für fachbereichsübergreifende ein Pool von externen Rechercheur*innen aufgebaut, und an sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen.
Aktivitäten sind Vertrauensleute-Ausschüsse und ähnliche um im Vorfeld Recherchen zu übernehmen. Eine Check- Mit externer Unterstützung wurden neue Ansprache-,
Arbeitsformen von Aktiven vor Ort. Auf Bundesebene liste dient als Grundlage bei der Auftragsvergabe. Die Aktivierungs- und Beteiligungsinstrumente erprobt und
ist es der Bundesvertrauensleuteausschuss. Das Gremium Recherche wird in enger Kooperation mit der jeweiligen mit großem Erfolg angewandt (Ultimatum, Stärketest,
wurde aufgrund der Pandemie erst im November 2021 ver.di-Gliederung und dem Bereich Ansprache, Aktivierung Mehrheitspetition, Teamdelegierte). Viele dieser Instru-
neu gebildet. 2022 fanden mehrere Online-Sitzungen und Bildungsarbeit (AABi) durchgeführt. mente werden inzwischen in kleineren Organisierungs-
und eine modulare Qualifizierung statt. Dabei wurde die kampagnen aber auch bei Flächentarifrunden genutzt.
Zielbilddiskussion aus dem Projekt „Zukunft der Mitglie- In den letzten Jahren wurden unter anderem Recherchen Diese neuen Instrumente erweisen sich als praxisgerecht
dergewinnung“ aufgegriffen. im Speditions- und Logistikbereich, Handel, Sozial-und anwendbar und erzielen eine hohe Wirksamkeit. Zusätz-
Erziehungsdienst, Gesundheitsbereich sowie Geld & Wert lich zu den Lerneffekten konnten so in beiden Groß-
Die persönliche Ansprache und Aktivierung von Mitglie- durchgeführt. projekten mehrere Tausend neue Mitglieder gewonnen
dern und bisher nicht organisierten Beschäftigten ist für werden – und nach jeweils mehrwöchigen Erzwingungs-
den Aufbau gewerkschaftlicher Macht elementar. Vor streiks innovative Tarifverträge ausgehandelt werden.
allem die Verzahnung einer auf Machtgewinn ausgerichte-
ten betrieblichen und tariflichen Strategie mit passenden
Unterstützungsangeboten, realisiert nachhaltige Mitglie-
derzuwächse.

Um diese Entwicklung zu unterstützen, wurde für die


kollektive Betriebs- und Tarifarbeit das Angebotsportfolio
der möglichen Maßnahmen, Instrumente und Methoden
ausgebaut, aktualisiert und zum Teil neu entwickelt.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 65


Telefoncampaigning – ein Projekt Zukunft Betriebliche Aktivierungsprozesse
Die Bundesfachbereiche haben Betriebe benannt, in denen
wirkungsvolles Instrument in der Mitgliedergewinnung Aktivierungsprozesse durchgeführt werden. Das Projekt-
Tarifrunden und Kampagnen In den vergangenen Jahren haben erfolgreiche Tarifrunden
team unterstützt Aktive und Gewerkschaftssekretär*innen
bei der Strategieentwicklung und Planung. Bildungsbau-
Nicht nur in Zeiten der Pandemie stand ver.di vor der und Erschließungsprojekte Innovationen in unseren steine, innovative Werkzeuge und Ansprache-Trainings
Herausforderung, einen direkten Kontakt mit Mitgliedern gewerkschaftlichen Alltag gebracht. Eine Stärkung des wurden organisiert. Die Erfahrungen werden evaluiert und
und Beschäftigten herzustellen. Sehr gute Erfahrungen hat Ehrenamtes in der KBTA und neue Werkzeuge zur Mit- der Organisation zur Verfügung gestellt.
ver.di in den letzten Jahren mit telefonischen Kontakten gliedergewinnung für Betrieb und Tarifrunden, sind in
gesammelt. Auf diesen Weg werden schnell und konzent- einer ehren- und hauptamtlich besetzen Projektgruppe Begleitung von Tarifauseinandersetzungen
riert viele Mitglieder erreicht. Die Reaktionen auf Anrufe „Zukunft der Mitgliedergewinnung“ gesammelt, bewertet Die Projektgruppe hat einen Beispielprozess für mitglieder-
sind durchweg positiv und das Instrument hat sich erfolg- und systematisiert worden. Im September 2021 hat der wirksame Tarifkampagnen entwickelt. Dieser führt
reich bewährt. Bisher wurden die Anrufe vorrangig durch Gewerkschaftsrat die Ergebnisse und im März 2022 das Strategien und Instrumente der jüngeren Vergangenheit
externe Dienstleister durchgeführt. Die Nutzung einer Umsetzungskonzept beschlossen. Folgende Schwerpunkte zusammen. In den Branchen beziehungsweise Tarifrunden
Telefonsoftware ist in der Erprobungsphase und wird werden verfolgt: Papier, Pappe, kunststoffverarbeitende Industrie; Deutsche
zukünftig auch intern genutzt werden können. Post AG und Handel wurde dieser bereits in unterschied-
Zielbilddiskussion lichem Umfang genutzt.
Ziel dieser Initiative ist es, eine lebendige und klärende
online-Reihe „Stärker Diskussion zu Kernaufgaben von Ehrenamtlichen in der Über diese Schwerpunkte hinaus wurden weitere Um-
werden – Praxisbeispiele KBTA zu starten. In Betrieben und Gremien sollen aus setzungspakete bearbeitet. Dazu gehören:
diesen Diskussionen konkrete und messbare Ziele ver- ■ Erarbeitung von besonders wirksamen Werkzeugen
der Kollektiven Betriebs- abredet werden. Dafür hat das Projektteam Materialien zur Mitgliedergewinnung und passenden Selbstlern-
und Tarifarbeit“ und Moderationsabläufe entwickelt. Auf Grundlage der angeboten,
Zielbild-Diskussion wurden Betriebe benannt, in denen ■ wirksamere Konzentration der Bildungsarbeit auf
In der neuen online-Reihe „Stärker werde – Praxisbeispiele eine gewerkschaftliche Ansprache durch Aktive oder die KBTA,
der Kollektiven Betriebs- und Tarifarbeit“ hat ver.di vielfälti- Hauptamtliche des Fachbereichs nicht zu gewährleisten ■ Nutzung des Zielbilds der ehrenamtlichen KBTA in
ge Erfahrungen bei der Anwendung von Instrumenten, war. In diesen Betrieben wurden die Mitglieder der Wahlen zu Betriebsräten, Personalräten, Mitarbei-
Methoden und Herangehensweisen in der kollektiven ver.di-Gremien dazu aufgerufen und befähigt, eine ter*innenvertretungen, Schwerbehindertenvertre-
Betriebs- und Tarifarbeit vorgestellt. Darin berichten Ansprache zu organisieren. tungen und Jugend- und Auszubildendenvertretungen,
Kolleg*innen aus ihrer Praxis und verbreiten Erfahrungs- ■ Mitgliedergewinnungskampagnen, Online-Kommu-
wissen und innovative Methoden, um wechselseitiges nikation, Leistungen und Relaunch der ver.di publik.
Lernen zu ermöglichen.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 66


7.4
Arbeitskampforganisation
Im Feld der Arbeitskampforganisation spiegelt sich die Beitragsmonaten vor Beginn der Kurzarbeit. Somit konnte umfangreichere Unterstützung durch verschiedene
Branchenvielfalt von ver.di wieder – sowohl bei den auch unmittelbar nach Ende von Kurzarbeit offensiv Bereiche der Bundesverwaltung erforderlich. Besonders
Arbeitskampfzielen, deren Polarität von „klassischen“ gestreikt werden. intensiv war die Begleitung der Tarifauseinandersetzungen
Entgelttarifverträgen über Digitalisierungs- bis hin zu in den Häfen, im Nahverkehr, im Luftverkehr, im Einzelhan-
Entlastungstarifverträgen reicht, als auch hinsichtlich der del sowie im Gesundheitswesen. Auch die Koordination
Dauer und Intensität der Tarifauseinandersetzungen.
Entwicklung der Arbeits- der Zentralen Arbeitskampfleitungen in den Tarifrunden
Nicht zuletzt ist festzustellen, dass jede Branche ihre kampfanträge (Erstanträge) des öffentlichen Dienstes hatte einen hohen Stellenwert.
eigene Streikkultur hat.
Im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum sank die Je nach Verlauf der Tarifauseinandersetzungen waren
Zahl der vom Bundesvorstand beschlossenen Arbeits- Folge- oder Ergänzungsbeschlüsse erforderlich, bei denen
Arbeitskampf und kampfmaßnahmen von 608 (in der Periode 2015 bis 2018) der bisherige Verhandlungsverlauf skizziert und geänderte
Corona-Pandemie auf 580. Das ist auf die reduzierte Zahl von Erstanträgen in Rahmenbedingungen berücksichtigt werden mussten,
den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie (2020 und damit die Mitglieder des Bundesvorstandes auf dieser Basis
Im Kontext der Corona-Pandemie entwickelten ver.di- 2021) zurückzuführen, besonders auf nur 108 beschlosse- ihre Entscheidungen treffen konnten.
Aktive in den Betrieben gemeinsam mit den hauptamt- ne Maßnahmen im Jahre 2020.
lichen Kolleg*innen bis dahin nicht bekannte und kreative Während bei einigen Arbeitgeber*innen die signalisierte
Streikformate, wie virtuelle Streikversammlungen, Kund- Streikbereitschaft der Beschäftigten genügte, um ein
Jahr neu beschlossene Arbeitskämpfe
gebungen in Fußballstadien, um Abstände einhalten zu Ergebnis zu erzielen, dauern andere Tarifauseinanderset-
können, oder moderierte Live-Streams. 2019 168 zungen bereits seit mehreren Jahren an. Doch auch solche
Auseinandersetzungen konnte ver.di erfolgreich beenden.
Da Arbeits- und Gesundheitsschutz ein gewerkschaftliches 2020 108 Beispielsweise wurde eine Tarifauseinandersetzung im
Kernthema ist, hat ver.di ein verbindliches Meldeverfahren Nahverkehr, die im April 2019 begonnen hatte, Ende 2022
2021 142
für Arbeitskampfmaßnahmen eingeführt und geplante abgeschlossen.
Streiks mit regionalen Corona-Fallzahlen abgeglichen. 2022 162
Konkrete Arbeitskampfmaßnahmen waren ver.di-intern
jeweils für die folgende Kalenderwoche vorab zu melden. Gesamt 580 Änderung der
Die auf diesem Weg gemeldeten Maßnahmen galten – Arbeitskampfrichtlinie
bis auf Widerruf – als genehmigt.
Im November 2022 änderte ver.di die Arbeitskampfricht-
Die Pandemie führte in einigen Betrieben zur verstärkten
Gesteigerte linie. Die seit 2009 unveränderten Streiknebenkosten
Nutzung von Kurzarbeit. Da Streikunterstützung auf Basis Arbeitskampfintensität wurden von vier auf fünf Euro (bei einer untervollschichti-
des Durchschnittsbeitrags der letzten drei Beitragsmonate gen Arbeitskampfmaßnahme, bei Urabstimmungen und
vor Beginn eines Arbeitskampfes berechnet wird, be- Jedoch kann aus der geringeren Quantität der Arbeits- bei einer Mitgliederbefragung pro Teilnehmer*in pro Tag)
schloss ver.di im Mai 2020, den Durchschnittsbeitrag – kampfanträge nicht auf eine verringerte Streikintensität beziehungsweise von acht auf zehn Euro (bei einem
im Fall von Kurzarbeit – nicht aus den letzten drei Beitrags- beziehungsweise Arbeitskampfintensität geschlossen vollschichtigen Streik pro Mitglied/Streiktag) angehoben.
monaten vor Beginn des Arbeitskampfes zu ermitteln, werden. Im Vergleich zum Zeitraum 2015 bis 2018 waren
sondern aus dem aktuellen Beitrag oder den letzten drei komplexere Vorbereitungen, eine enge Abstimmung und

VER.DI WEITER ENTWICKELN 67


7.5
Gewerkschaftlicher Rechtsschutz
Der gewerkschaftliche Rechtsschutz ist eine zentrale In engem Austausch mit den Landesrechtsschutzleitungen, Kooperation mit
Satzungsaufgabe. Der ver.di-Rechtsschutz ist zum einen den Landesbezirksleitungen und für die Teams zuständi-
für die Mitgliedergewinnung- und Mitgliederbindung gen Bezirksgeschäftsführern wurden und werden die dem DGB-Rechtsschutz
unentbehrlich, zum anderen kommt ihm erhebliche Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation vor Ort begleitet.
Bedeutung als rechtspolitisches Element zu, denn ver.di Als Teil des Übergangs von „Perspektive ver.di wächst!“ Die bewährte Zusammenarbeit mit der DGB-Rechtsschutz
gestaltet auch über gewerkschaftliche Gerichtsverfahren in den Regelbetrieb hat auch die Überleitung der Teams GmbH hat ver.di fortgeführt. Der DGB-Rechtsschutz
Arbeitnehmer*innenrechte und damit Rechtspolitik. Der Beratung und Recht (TBuRs) von OPE auf den Bereich bearbeitet für den ver.di-Rechtsschutz die Mehrheit aller
gewerkschaftliche Rechtsschutz ist in arbeits-, sozial-, Recht und Rechtspolitik begonnen. notwendig werdenden Gerichtsverfahren im Mitglieder-
verwaltungs- und unionsrechtlichen Fragestellungen in rechtsschutz. Der ver.di-Rechtsschutz und die Kooperation
allen gerichtlichen Instanzen, zudem auch vor dem Zu den weiteren Rechtsschutzaktivitäten gehören neben mit dem DGB-Rechtsschutz ermöglicht eine umfassende
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und vor europäischen der Rechtsschutzprüfung für die 3. Instanzen auch die und kompetente Rechtsvertretung für Mitglieder von
Gerichten tätig. Durch den ver.di-Rechtsschutz wurden Bearbeitung von Regressen, KuB-Beschwerden, Entschei- ver.di. Auch die Kompetenzzentren des DGB-Rechtsschut-
unzählige Rechtsschutzangelegenheiten für die Mitglieder dungen über Beschwerden im Rechtsschutz und die zes sind von unschätzbarem Wert; sie liefern zusätzliche
bearbeitet und geführt. Allein über 30.000 Gerichtsverfah- Beratung in Rechtsschutzfällen mit ausländerrechtlichen Expertise so wurde im Rahmen der Insolvenz von Galeria
ren über alle Instanzen hinweg zusammen mit dem Berührungspunkten. Karstadt Kaufhof für die ver.di-Mitglieder über den
DGB-Rechtsschutz vom ver.di-Rechtsschutz in 2021 im DGB-Rechtsschutz eine Hotline für die schnelle Klärung
Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsrecht geführt. Ähnliche Zudem nimmt die Beratung der Fachbereiche im Vorfeld von Rechtsfragen der Mitglieder geschaltet.
Werte sind es 2022. von Rechtsschutz-Fällen aber auch in Rechtsfragen
allgemein einen breiten Raum ein. Dies gilt auch für die
Beratung im Zuge von Tarifverhandlungen, KBTA allgemein
Kooperation mit
ver.di-Rechtsschutz und im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen. Bei Arbeits- Rechtsanwält*innen
und Rechtsberatung kämpfen unterstützt die Bundesrechtsabteilung die
Fachbereiche und den ver.di-Landesrechtsschutz bei der Die Beauftragung von externen Rechtsanwält*innen im
Der Bereich Recht und Rechtspolitik hat sich im Rahmen Abwehr von einstweiligen Verfügungen gegen Streikmaß- ver.di-Rechtsschutz hat zu einer gut ausgebauten Koope-
des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes intensiv in die nahmen, so zum Beispiel durch die Hinterlegung von ration mit dazu spezialisierten externen Fachjurist*innen
Fortsetzung der Einführung der Teams Beratung & Recht Schutzschriften bei den Arbeitsgerichten, die Zurverfü- geführt. Diese unterstützen Mitglieder und den ver.di-
im Zuge der Umsetzung von „Perspektive ver.di wächst!“ gungstellung von Schutzschriftenvorlagen aber auch durch Rechtsschutz kompetent und erstreiten gute Ergebnisse
eingebracht. Die Hospitationen in Kempten und Aachen die Wahrnehmung entsprechender Gerichtstermine. für sie. Die Verringerung von Honorarvereinbarungen auf
zur Optimierung des 3-Stufen-Modells und die Etablierung Stundenbasis hin zu Abrechnungen nach Rechtsanwalts-
der Standards der Büroorganisation und Rechtsberatung vergütungsgesetz beziehungsweise Pauschalvergütungen
wurden mitbegleitet und weiterentwickelt. Die Gewerk- führt zudem zu einer Minderung der Kosten.
schaftssekretär*innen in den Teams und im Landesrechts-
schutz wurden vom Bereich in Zusammenarbeit mit
Organisations- und Personalentwicklung (OPE) und den
Landesrechtsschutzleitungen (weiter) geschult; gleiches
gilt für die Mitarbeiter*innen im Sekretariat.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 68


Wichtige Gerichtsverfahren
im Rechtsschutz
Im ver.di-Rechtsschutz wurden eine Vielzahl wichtiger
Verfahren für die Mitglieder, aber auch eine Vielzahl von
Verfahren mit erheblicher rechtspolitischer Bedeutung
bearbeitet und geführt, wie zum Beispiel das mit Unter-
stützung des DGB-Projektes „Faire Mobilität“ geführte
Verfahren beim Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Anspruch
einer 24h-Pflegerin auf Mindestlohn.

Erfolgreich und bedeutsam waren auch über den ver.di-


und DGB-Rechtsschutz verfolgte BAG-Eingruppierungskla-
gen zu neuen Tätigkeitsmerkmalen der EG 7 TVöD-VKA
für Schulhausmeister*innen, aber auch die Höhergruppie-
rungsklagen für Justizangestellte.

Gestärkt wurden im Rahmen von ver.di- und DGB-


Rechtsschutzverfahren beim BAG/EuGH die Rechte von
ver.di-Mitgliedern im Bereich Leiharbeit zu Fragen von
equal pay und equal treatment und tariflicher Mehrarbeits-
vergütung während genommenen Urlaubs.

Gewonnen über den ver.di- und DGB-Rechtsschutz beim


BAG wurden Verfahren zu Fragen der Vergütung beim
Rettungsdienst tätiger geringfügiger Beschäftigter –
hier wurde erfolgreich gegen unzulässige Diskriminierung
von Teilzeitbeschäftigten vorgegangen.

Eingereicht vom Bereich Recht und Rechtspolitik und


noch beim BVerfG anhängig sind zudem drei Verfassungs-
beschwerden gegen drei Verfahren vor dem BAG vom
Oktober 2021 wegen Überstundenzuschlägen für
Weiterentwicklung des Wissensmanagements und Wissenstransfers geplant, teilzeitbeschäftigte Pflegekräfte gemäß §§ 7, 8 TVöD –
insbesondere im Arbeitskampfrecht bedarf es einer hier geht es um Fragen der Diskriminierung von Teilzeit-
des Rechtsschutzes Stärkung und Bündelung der dafür verfügbaren Kapazi- beschäftigten.
täten. Hierzu gehört unter anderem der Aufbau eines
Der Rechtsschutz in ver.di auf allen Ebenen soll durch Kompetenzteam Arbeitskampf. Geplant ist zudem eine
„Perspektive ver.di wächst!“ gestärkt und noch näher an Wissenscloud für den Rechtsschutz mit Informationen zu
das Mitglied geführt werden. Entsprechend ergeben sich wichtigen Gerichtsverfahren, Schutzschriften und vielem
Folgen hinsichtlich Struktur und Ausstattung. Aktiv mehr. Zudem ist die Weiterentwicklung des Seminar-
begleitend hat der Bereich Recht und Rechtspolitik hierzu und Schulungsprogramms für den Rechtsschutz inklusive
in diversen Arbeitsgruppen des Projektes „Perspektive regelmäßiger Qualifizierung auch der zuständigen
ver.di wächst“ sachverständig mitgewirkt. Im Rahmen Kolleg*innen aus den Fachbereichen und der KBTA im
der Übergabe der TBuRs von OPE an den Bereich Recht individuellen und kollektivem Arbeitsrecht geplant.
und Rechtspolitik ist zudem die weitere Optimierung

VER.DI WEITER ENTWICKELN 69


7.6
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
und Bildungszentren
Bildungskonzeption Tarifauseinandersetzungen durchgeführt wird und mit ■ Der bisherige Schwerpunkt der digitalen Transforma-
konkreten Aktivitäten zur Mitgliedergewinnung oder tion wurde um sozial-ökologische Aspekte erweitert.
Aufgabe gewerkschaftlicher Bildungsarbeit ist es, ver.di- Mobilisierung verbunden ist. Ansprachetrainings sind
Mitglieder in die Lage zu versetzen, wertebasiert zu besonders geeignet, um die Kommunikation mit Nicht-
argumentieren und zu handeln. Sie ist wichtiger Teil der mitgliedern zu stärken.
Bildungsstrukturen
Organisations- und Personalentwicklung von ehrenamtlich und -träger
Aktiven. Die Angebote sind auf die Unterstützung Qualifizierungen für Tarifbotschafter*innen
kollektiver Betriebs- und Tarifarbeit ausgerichtet und Erstmals in der Tarifrunde der Länder 2020 wurden Bildungsträger unterstützen gezielt die Betriebsarbeit.
wurden kontinuierlich weiterentwickelt. Tarifbotschafter*innen qualifiziert. Dabei hat ver.di digitale Die Pandemie stellte die gewerkschaftlichen Bildungsstruk-
2,5 stündige Qualifizierungen angeboten. Die Veranstal- turen vor erhebliche Herausforderungen. Gleichzeitig
tungen wurden mit guter Resonanz in den Tarifrunden haben gerade diese herausfordernden Rahmenbedingun-
Bildungsangebote und der Länder, im Sozial- und Erziehungsdienst und im gen für einen enormen Entwicklungssprung gesorgt und
Bildungsmaterialien Öffentlichen Dienst durchgeführt. vielfach sind Anforderungen aus der betrieblichen Arbeit
in Verbindung mit gezielten Bildungsangeboten für Aktive
Qualifizierungsprogramm „Aktiv in ver.di“ (Aiv) Position beziehen und betriebliche Interessenvertretungen unterstützt
2019 wurde das Qualifizierungsprogramm gezielt auf Im Seminarangebot „Demokratie stärken, Migration worden. Dieser Prozess der gezielten Verknüpfung von
die Unterstützung von Ehren- und Hauptamtlichen in der gestalten“ hat ver.di jährlich rund 30 Seminare durchge- Bildungsarbeit und Unterstützung der KBTA wird auch in
KBTA ausgerichtet. Mehr als 3.000 ehrenamtliche Aktive führt, Multiplikatoren*innen ausgebildet und regionale Zukunft ein Schwerpunkt bleiben.
haben bisher teilgenommen; über 320 Seminare wurden Projekte unterstützt.
durchgeführt. Dabei stehen in den modularen Aiv-Quali- ■ In Zusammenarbeit mit dem Bündnis „Aufstehen ver.di Bildung+Beratung (ver.di b+b) ist der Bildungsträger
fizierungen sowohl die Begleitung von Erschließungs- gegen Rassismus“ wurden regionale Akteur*innen für die gesetzlichen Interessenvertretungen im Organisa-
projekten, die Vorbereitung von Tarifrunden als auch für den Umgang mit Rassismus qualifiziert. tionsbereich von ver.di. Durchschnittlich werden jährlich in
der nachhaltige Strukturaufbau in Schwerpunktbetrieben ■ Das Projekt „Demokratie und Vielfalt in Sachsen“ über 2.800 Seminaren mehr als 32.000 Teilnehmer*innen
im Fokus. qualifiziert betriebliche Akteure und greift dabei erreicht. Das Angebot umfasste Basiswissen, vertiefende
Ängste, Unsicherheiten und Vorurteile auf. und spezielle Seminare zu wichtigen Handlungsfeldern der
Ansprachetrainings – insbesondere ■ „Empowern-Sensibilisieren-Aktivieren“ spricht als Interessenvertretung, Tagungen und Konferenzen sowie
im Vorfeld von Tarifrunden Projekt Aktive mit Migrationshintergrund sowie Bildungsbedarfsanalysen und passgenaue Angebote für
Zur Förderung von Ansprachetrainings und Recherche gesetzliche Interessenvertretungen an, um ein Gremien. Das Qualifizierungsangebot wurde durch digitale
hat der Bundesvorstand ein gesondertes Budget von stärkeres Engagement von Beschäftigten mit Migra- Formate insbesondere im Grundlagenbereich für betrieb-
200.000 Euro beschlossen, woraufhin ein Schwerpunkt tionshintergrund zu fördern. liche Interessenvertretungen ergänzt.
auf dieses Qualifizierungsangebot und dessen Auswertung ■ Direkt nach Beginn des Ukrainekrieges wurden
gelegt wurde. Ansprachetrainings haben sich für ver.di Informations- und Diskussionsveranstaltungen ver.di Gewerkschaftspolitische Bildung (ver.di GPB) ist der
als besonders effektiv erwiesen. Dabei ist es zentral, dass angeboten, um einen Austausch zwischen Mitgliedern gemeinnützige ver.di-Bildungsträger für die bundesweiten
ein Training im Vorfeld von betrieblichen Aktivitäten oder und Experten*innen zu ermöglichen. gewerkschaftspolitischen Bildungsangebote,

VER.DI WEITER ENTWICKELN 70


der über Zuwendungen von ver.di-Mitgliedern in den
Aufsichtsräten finanziert wird. Die ver.di-Landesbildungs-
werke ergänzen das Bildungsangebot vorwiegend mit
regionalen Bildungsangeboten zumeist mit öffentlicher
Förderung.

onlineBiz und Selbstlernangebote –


neue Seminarformate
Die ver.di-Bildungsarbeit erhielt durch die Corona-Pande-
mie einen Digitalisierungsschub: Zunächst wurde vielfach
über Videokonferenzen gearbeitet. Seit 2021 wurde
zusätzlich über eine Open Source Lernplattform bei ver.di
b+b und ver.di GPB ein „Online-Bildungszentrum“
(OnlineBiZ) aufgebaut. ver.di b+b setzte aufgrund der
Pandemie komplette Seminare digital um. GPB sammelte
erste Erfahrungen mit ausgewählten Bildungszentren
und begleitete das Projekt „Ronja“.

Im Rahmen der Etablierung und der darin geplanten


Abbildung aller zentralen Bildungsangebote werden diese
durch Selbstlernangebote ergänzt. Die Angebote reichen
von kurzen Sequenzen bis zu ganzen Lerneinheiten.
2022 wurden die Grundlagen für die Arbeit in einer
Tarifkommission als digitales Stationenlernen umgesetzt.

ver.di-Bildungszentren
Die neun ver.di-Bildungszentren sind Orte der Bildung,
Kommunikation und Vernetzung. Hier wird Solidarität,
Zusammenhalt und Gemeinschaft erlebbar. Auch aus
diesem Anspruch hat ver.di Geflüchteten aus der Ukraine
im Jahr 2022 unbürokratisch eine Unterkunft zur Ver-
fügung gestellt.

Darüber hinaus standen das Thema Digitalisierung im


Fokus der Häuser, sowie eine konsequent umgesetzte
Investitionsplanung in neue Haustechnik und moderne
Ausstattung. Dabei wurden Kriterien einbezogen, die für
eine mögliche 3-Sterne-Klassifizierung vorgegeben sind.
Zusätzlich wurde nachhaltiges Wirtschaften mit einer
Strategie verknüpft, die langfristig sicherstellt, dass in allen
Bereichen Nachhaltigkeit ökonomisch und ökologisch
umgesetzt wird. Die gastronomischen Angebote wurden
so umgestaltet, dass schnell auf veränderte Gästewünsche
reagiert werden kann. Eine Schließung des Bildungszent-
rums in Saalfeld konnte ver.di aufgrund erfolgreicher
Verhandlungen mit der Vermieter*in verhindern.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 71


7.7
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Tue Gutes und rede darüber: ver.di kommuniziert live und Außerdem bekommen alle Mitglieder, die mit einer Google-Ranking nach oben klettern. Das ist wichtig, da
digital auf allen Kanälen und in neuen Formaten privaten Mailadresse in der Mitgliederverwaltung hinter- rund die Hälfte der Besuche auf verdi.de über Suchmaschi-
legt sind, einen elektronischen Geburtstagsgruß. Das sind nen kommen. Aber auch mit optimierten Landingpages zu
Nicht nur bedingt durch die Einschränkungen durch die aktuell 916.480 Geburtstagskinder, der Glückwunsch Themen wie Tarifpolitik, Mindestlohn, Minijobs, Altersteil-
Corona-Pandemie, aber dadurch beschleunigt, hat der wird jährlich erneuert und wurde natürlich auch während zeit, Homeoffice, Betriebsrat, Betriebsratswahlen, Arbeits-
Bereich Kommunikation neue kommunikative Angebote der Corona-Pandemie inhaltlich angepasst. zeiterfassung, Kündigungsschutz und einigen mehr
entwickelt und die Reichweiten auf den diversen digitalen tauchte ver.di stabil unter den Top 10 in der Google-Suche
Kanälen massiv ausgeweitet. Auf verdi.de wurde ein Prozess der Suchmaschinenopti- auf. Nach wie vor haperte es allerdings an einer klaren
mierung (SEO) angestoßen, der messbare Erfolge zeigt: Seitenstruktur und Navigation auf verdi.de. Um die Seiten
Dem zugrunde liegt die Strategie für integrierte Kommuni- Über das Jahr 2022 stiegen die wöchentlichen Zugriffe auf übersichtlicher zu gestalten und die Auffindbarkeit von für
kation, die der Bundesvorstand im Februar 2021 verab- verdi.de von unter 100.000 auf regelmäßig über 200.000. Mitglieder wichtigen Informationen zu verbessern, ist ein
schiedet hat und die weiter umgesetzt wird. Die integrierte Anfang 2023 lagen sie teils bei 350.000 wöchentlichen Umbauprozess in Gange. Dabei sollen auch die Inhalte auf
Kommunikation geht davon aus, dass ver.di-Mitglieder Zugriffen. Ein Thema wie Tarife im öffentlichen Dienst, auf der Anspracheplattform von meine verdi.de besser mit
sich primär als ver.di-Mitglieder in ihrem jeweiligen Beruf das in den Suchmaschinen wöchentlich mehrere Hundert- dem öffentlich sichtbaren Auftritt verzahnt und feedback-
verstehen. Als Krankenpfleger*in, Müllwerker*in, Jour- tausend Suchanfragen entfallen, konnte über SEO im Angebote gemacht werden.
nalist*in, Verwaltungsangestellte und als ver.di-Mitglied
sollen die Kolleg*innen so aktuell wie möglich mit allen
Informationen rund um ihre Arbeit und Mitgliedschaft auf
dem Weg versorgt werden, den sie bevorzugen. So wurde
der Newsletter-Versand im Berichtszeitraum verdoppelt,
von 5,2 Millionen Newslettern, die noch 2019 versandt
wurden, auf rund elf Millionen im Jahr 2022, Tendenz
steigend. Es gibt die Möglichkeit, fachliche Newsletter
über „meine ver.di“ zu abonnieren und es gibt die
Möglichkeit eines zentralen Mailversands, der sich zum
Beispiel in laufenden Tarifrunden hoher Beliebtheit erfreut.
Ab Februar 2023 werden alle Neuigkeiten aus der
ver.di-Welt in einem Newsletter zusammengefasst, der
regelmäßig auch über das Erscheinen von ver.di publik
und ver.di-News informiert.

Die durchschnittlichen Öffnungsraten der Newsletter


bewegen sich bei 30–45 Prozent – das ist im Branchen-
vergleich ein sehr guter Wert. Mitgliedermailings, die zu
Tarifverhandlungen versendet werden (zum Beispiel
Deutsche Post AG oder öffentlicher Dienst Bund und
Kommunen) erzielen Öffnungsraten bis zu 50 Prozent.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 72


Sowohl auf verdi.de als auch sukzessive auf den neuen Twitter ist als Kanal der schnellen Nachrichtenverbreitung Als weiteres wichtiges Entwicklungsfeld wurde die
Fachbereichsauftritten und in der Fläche wird das neue und auch als Diskurskanal profiliert und wächst in Messengerkommunikation für die bundesweite Informa-
Corporate Design eingesetzt, das im Zuge der Fach- Reichweite und Interaktionswerten beständig. tion von Mitgliedern und Interessierten grundlegend
bereichsfusionen entsprechend den Grundsätzen der auf- und ausgebaut. Neben einem zentralen Kanal, den
integrierten Kommunikation entwickelt wurde. Auch auf Mit dem ver.di-Blog wurde neben verdi.de eine Plattform aktuell knapp 15.000 Menschen abonniert haben, wurden
den ver.di-weiten Vorlagen ist es umgesetzt. Es stellt die für Storytelling, Interviews und Meinungsbeiträge geschaf- Kanäle für Kampagnen und Tarifrunden mit jeweils
Marke ver.di in den Mittelpunkt und die Berufsfachlichkeit fen. mehreren tausend Mitgliedern aufgebaut. Um den
als Absender heraus, wobei eingeführte Bildmarken Nutzer*innen die größtmögliche Freiheit in der Nutzung
übernommen werden konnten. Für 2023 wurde die zusätzliche Nutzung von TikTok als – auch im Hinblick auf den Datenschutz – zu gewährlei-
deutlich jüngerer und auf Videocontent spezialisierter ten, können sie Nachrichten von ver.di via Telegram, Signal
Seit 2019 wurde die Social Media Kommunikation Kanal vorbereitet. oder Threema empfangen.
professionalisiert und ausgebaut. ver.di blickt aktuell über
alle Kanäle hinweg auf die reichweitenstärksten öffent- Die zunehmende Diversifizierung der ver.di-Kommunika- ver.di hat aber auch die Präsenz in den „klassischen
lichen Kanäle aller Gewerkschaften. tionskanäle hat dazu geführt, dass die Anforderungen an Medien“ weiter ausbauen können. Maßgeblich dazu
die jeweils hierfür zu produzierenden Inhalte stark beigetragen haben vielfältige bundespolitische Aktivitäten
Unmittelbar zum letzten Bundeskongress wurde ein gestiegen sind. und ambitionierte Tarifrunden ebenso wie die zunehmen-
bundesweiter Instagram-Kanal in die tägliche Kommunika- de Verzahnung von traditioneller Pressearbeit für Multi-
tionsarbeit eingebunden und strategisch neben den bereits Mehr Audio & Video, Grafiken und Bilder werden unter plikatoren mit den Social-Media-Aktivitäten. Dabei wurde
bestehenden Facebook- und Twitter-Kanälen entwickelt. anderem zur Vermittlung und Aufbereitung von Themen ver.di in den Medien – Presse, Online, TV, Hörfunk – als
Alle drei Kanäle bilden heute den Kern der bundesweiten pro Kanal erstellt. Ebenso spielen Live-Formate (Insta- und Gewerkschaft mit breiten gesellschaftspolitischen Ansatz
Social-Media Kommunikation. Alle Kanäle konnten in den FB-Live) eine zunehmend größere Rolle und wurden wahrgenommen. Die Mitarbeiter*innen der Pressestelle
vergangen vier Jahren erfolgreich in ihrer Reichweite und technisch und konzeptionell in das Social Media Portfolio und die Sprecher*innen reagieren auf alle Anfragen so
im Grad der Interaktion mit den jeweiligen Zielgruppen integriert. schnell und so ausführlich wie möglich – was sich ausge-
ausgebaut werden. zahlt hat: In einem Blindtest der Pressestellen von Gewerk-
Mit Blick auf die Gesamtorganisation und die formulierten schaften durchgeführt vom PRMagazin landete die
Der Facebook Kanal weist aktuell über 100.000 Abon- Ziele einer integrierten Kommunikation wurden Angebote ver.di-Bundespressestelle im Februar 2023 auf Platz 1.
nent*innen auf. Die durchschnittliche Sichtbarkeit liegt entwickelt, die bei der Orientierung, Abstimmung und
bei mehreren Million Nutzern pro Monat. koordinierten Zusammenarbeit unterstützen: Seit Ende 2021 wurde mit einer großen Leser*innen-Um-
■ Social-Media Guidelines und eine Social-Media frage der Relaunch der ver.di publik vorbereitet, der mit
Der Instagram-Kanal ist auf über 35.000 Abonnent*innen Strategie für die Gesamtorganisation wurden der Ausgabe 3/2023 abgeschlossen wird. Die ver.di publik
gewachsen und erzielt in Reichweite und Interaktion erarbeitet, erscheint seither mit 2x12 Seiten mehr Platz für die
zunehmend vergleichbare Ergebnisse zu Facebook. Der ■ Tools für eine Zusammenarbeit der Ebenen und gewerkschaftliche und gewerkschaftspolitische Bericht-
Kanal ist weiterhin dynamisch wachsend. Beide Kanäle Bereiche wurden eingeführt (zum Beispiel Canva), erstattung, einer Serviceseite sowie Schwerpunktseiten
werden nicht nur „organisch“ in der täglichen Redaktions- ■ mit dem Social Media Day wurde ein virtuelles zu gesellschaftspolitischen Themen, die vor allem auch
arbeit bespielt, sondern auch in Kampagnen als Werbe- Workshop-, Austausch- und Know-how-Format für ver.di-Branchen betreffen.
und Medienkanäle genutzt. Praktiker*innen in der Organisation pilotiert.

Über Livestreams, zum Beispiel aufgrund der Corona-


Pandemie, zum 20. ver.di-Geburtstag, aber auch zur
Bundestagswahl 2021 mit dem Format „ver.di wählt“
konnten mehrere Zehntausend ver.di-Mitglieder nicht nur
erreicht werden, sondern sich beteiligen und mitmachen.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 73


7.8
Mitgliederentwicklung und Mitgliederleistungen
Mitgliederwerbung, -bindung Alle Austritte von Mitgliedern ab einem monatlichen
Durchschnittsbeitrag von fünf Euro werden in den Prozess
und -rückgewinnung der Rückgewinnung aufgenommen. Diese Austritte
werden entsprechend nicht nur bestätigt, sondern diese
Begrüßungsprozess neuer Mitglieder Mitglieder werden noch einmal von ver.di kontaktiert.
Innerhalb der Projektes „Digitale Gewerkschaftsarbeit“ Unterstützt wird die Rückgewinnungsarbeit vielerorts
wurde der ver.di-Onlinebeitritt überarbeitet und neu durch externe Dienstleister. Die bestehende ehrenamtliche
aufgesetzt. Nun erhalten Neumitglieder unmittelbar nach Rückgewinnung – auch auf Betriebsebene – ist nach wie
dem Onlinebeitritt digitale „Mitmach-Angebote“ auf der vor möglich, wird aber nur noch in sehr geringem Umfang
im Ablauf folgenden Bestätigungsseite. Neumitgliedern durchgeführt. Die Arbeitsabläufe zwischen den ver.di-
der Zielgruppen „Frauen“, „Jugend“ und „Divers“ werden Zentren und den jeweiligen Rückgewinner*innen wurden
mit spezifischen Angeboten in ver.di zusätzlich verlinkt. im Berichtszeitraum überprüft und den neuen Gegeben-
Die Begrüßungsmappe, die Neumitglieder erhalten, ist heiten angepasst. Ende 2022 arbeitete noch ein Bezirk
neu konzipiert und inhaltlich optimiert. ausschließlich mit ehrenamtlichen Kolleg*innen in der
Rückgewinnung. Weitere zehn Bezirke arbeiten sowohl
Haupt- und Ehrenamtliche werden auf der Intranetseite mit ehren- und hauptamtlichen Kolleg*innen und
zum ver.di-Onlinebeitritt über Optimierungen und weitere externen Dienstleistern.
sachdienliche Inhalte regelmäßig informiert und sind
eingeladen, Fragen und Anregungen an das eigens dafür Die Pandemie, Inflation und die Energiepreiserhöhungen
eingerichtete Postfach zu schicken. Über das Postfach haben sich in der Rückgewinnung deutlich bemerkbar
werden zudem technische wie inhaltliche Herausforderun- gemacht. Die Rückgewinner*innen berichten von spür-
gen bearbeitet, die Personen zum Onlinebeitritt melden bar schwierigeren Gesprächen mit den ausgetretenen
und ggf. Unterstützung anfragen. Mitgliedern. Im Jahr 2019 wurden 6.534 Mitglieder mit
einem jährlichen Mitgliedsbeitragsvolumen von rund
Rückgewinnung lohnt 1,18 Millionen Euro zurückgewonnen, 2020 waren
Ziel der Aktivitäten in der Rückholarbeit von ver.di ist es, es 5.821 Mitglieder mit einem Beitrag von rund 1,09
Menschen, die sich zum Austritt entschlossen haben, zu Millionen Euro, 2021 5.824 Mitglieder mit einem Jahres-
halten. Systematische Rückgewinnungsarbeit ist zudem beitrag von 1,16 Millionen Euro und 2022 5.709 Mit-
wichtig, wenn es um einen eventuellen späteren Wieder- glieder mit einem Jahresbeitrag von 1,22 Millionen Euro.
eintritt geht. Menschen, die sich zum Austritt entschieden Insgesamt wurden in den letzten vier Jahren 23.888
haben, erhalten standardmäßig ein wertschätzendes Mitglieder mit einem jährlichen Beitragsvolumen von
Anschreiben von ver.di. Dabei handelt es sich nicht um rund 4,65 Millionen Euro zurückgewonnen.
eine einfache Austrittsbestätigung. Vielmehr werden die
Vorteile der Mitgliedschaft aufgezeigt. In den vergangenen
Jahren hat sich bestätigt, dass auch eine solche Ansprache
noch etwas bewirkt.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 74


Mitgliederbeziehungs- davon für eine Mitgliedschaft in ver.di entscheiden und
weitere 181 Personen konnten mit einem zusätzlichen
management und Werbegespräch für ver.di gewonnen werden.
Mitgliederleistung Lohnsteuerservice
Der ver.di-Lohnsteuerservice erfährt von den Gewerk-
Mitgliederservice schaftsmitgliedern eine kontinuierliche Wertschätzung.
ver.di hält eine große Palette zahlreicher Leistungen für Die Beratungen konnten auch während der Pandemie fort-
Mitglieder bereit. Diese Leistungen überzeugen viele geführt und ausgeweitet werden. So wurden beispielswei-
Mitglieder, in ver.di einzutreten oder Mitglied zu bleiben. se im Jahr 2022 rund 75.000 Beratungen durchgeführt
Um die Angebote bekannter zu machen, wurden regel- und mehr als 47 Millionen Euro von den Finanzämtern für
mäßig Präsenzveranstaltungen durchgeführt. Seit 2020 ver.di-Mitglieder zurückgeholt. 2.100 Euro Einsprüche
wurden bundesweit und regional über 95 online-Treffen wurden bearbeitet.
angeboten, in denen Mitglieder über die Leistungen von
ver.di informiert wurden. Mehr als 5.300 Mitglieder Erstberatung Mietrecht
nahmen an den Veranstaltungen teil. Weitere online- Das Angebot der telefonischen Mietrechtsberatung konnte
Treffen wurden zu Themen des Arbeits- und Sozialrechts- im Jahr 2022 von drei Tage auf fünf Tage pro Woche
schutzes, Steuerrechts, Berufsunfähigkeitsversicherung, ausgeweitet werden. Jährlich nutzen rund 3.300 Mitglie-
privater Absicherung bei Unfall, gesetzlicher Krankenver- der die Beratung des Deutschen Mieterbundes. Zusätzlich
sicherung, Mietrechtschutz und der GUV/FAKULTA wurden acht online-Treffen mit dem Mieterbund angebo-
durchgeführt. ten, an denen 700 Mitglieder teilnahmen.

ver.diDirekt Digitales Studio


Mit ver.diDirekt wird die Erreichbarkeit von ver.di sicher- In den Räumlichkeiten der ver.di-Bundesverwaltung ist
gestellt. Hierbei unterstützt die Firma facts – Die Infoline Ende 2022 ein neues digitales Studio entstanden. Digitale
GmbH (Gesellschafter ist die IG BAU) bereits seit Jahren. oder hybride Veranstaltungsformate prägen spätestens seit
ver.diDirekt bearbeitet Mitgliederkontakte per E-Mail der Corona-Pandemie den gewerkschaftlichen Arbeitsall-
(Info@verdi.de) und per Telefonat, im Zuge der Rand- tag. Videokonferenzen und Livestreams sind mittlerweile
zeitenbearbeitung und des Überlaufs der zentralen für viele Anlässe neuer Standard. Der ver.di-Bundesvor-
ver.di-Hotline (0800 83 73 433) und der ver.di-Zentren. stand hat die Einrichtung eines ver.di-eigenen Studios
beschlossen, statt die Technik und personellen Support
Im Jahr 2019 wurden 120.621 Anrufe bearbeitet, die extern einzukaufen. Das Studio ist mit entsprechender
im Jahr 2020 auf 125.493 Anrufe angestiegen sind. Licht- und Kameratechnik sowie einem Greenscreen
2021 waren es nur 95.009, die im Jahr 2022 wieder ausgestattet, der den flexiblen, digitalen Einsatz verschie-
auf 104.630 bearbeitete Anrufe angestiegen sind. dener Hintergründe ermöglicht. Darüber hinaus ist neben
der Studioanordnung für Diskussions- und Konferenzfor-
Bei der E-Mail-Bearbeitung waren es 2019 insgesamt mate auch eine Statement-Position, beispielsweise für
29.769 E-Mails, 2020 waren es 33.626. In 2021 ist die Interviewformate, vorgesehen.
Zahl auf 30.075 bearbeitete E-Mail zurückgegangen und
in 2022 weiter auf 25.526 E-Mails gesunken.

Interessierte, die durch die Online-Mitgliedergewinnungs-


kampagne, per E-Mail oder über einen telefonischen
Kontakt bei ver.diDirekt Infomaterialien angefordert
hatten, haben diese über den Postweg erhalten. Im
Berichtszeitraum wurde die Interessentenpost an insge-
samt 6.084 Personen verschickt; 1.643 Person haben sich

VER.DI WEITER ENTWICKELN 75


7.9
Organisationsbeziehungen
Ein einheitliches Auftreten des DGB und der in ihm So kam es zu einem formalen Vermittlungsverfahren Im Hinblick auf das Verfahren zur Frage der Tariffähigkeit
vereinten Einzelgewerkschaften ist nach wie vor ein zwischen der Gewerkschaft NGG und ver.di zur Organisa- der DHV hat das BAG im Jahr 2021 einen abschließenden
wesentliches Instrument zur Stärkung der Interessenswahr- tionszuständigkeit eines als eigenständige Tochter einer Beschluss dahingehend gefasst, dass die DHV nicht tarif-
nehmung für Beschäftigte. Daher sollte die abschließende städtischen Holding betriebenen Freizeitbades. Aufgrund fähig ist. Das rund acht Jahre dauernde Verfahren geht auf
Anerkennung der Zuständigkeit des DGB, aber auch die der Vorgeschichte in dem konkreten Betrieb wurde im einen gemeinsamen Antrag von ver.di zusammen mit den
bis heute geltenden Vereinbarungen für Organisationsab- Vermittlungsverfahren letztendlich für diesen Betrieb eine Gewerkschaften IG Metall, NGG und dem DGB sowie
grenzungsfragen ein wichtiger Punkt im Selbstverständnis Zuständigkeit der NGG anerkannt, gleichzeitig aber für die der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen beim Arbeits-
aller DGB-Gewerkschaften sein. Zukunft vereinbart, dass in derartigen Konstellationen die gericht Hamburg zurück.
Zuständigkeit von ver.di unstrittig ist.
Nachdem die Beziehungen zwischen den im DGB zusam- ver.di nahm organisatorische Absprachen zu den Organi-
mengeschlossenen Einzelgewerkschaften in den vergange- Regelmäßig mussten aufgrund unterschiedlicher Entwick- sationswahlen innerhalb des DGB sowie mit Blick auf den
nen Jahren eher als ruhig beschrieben werden konnten, lungen diverse Abstimmungen sowohl mit der IG BCE, der Ordentlichen Bundeskongress des DGB vor.
war insbesondere in den letzten Monaten des Jahre 2022 IG BAU, der NGG als auch der IG Metall zu Organisations-
eine zunehmende Klärungsnotwendigkeit auf Bundesebe- zuständigkeiten getroffen werden, die jedoch ohne weiter- Ebenfalls erfolgte ein regelmäßiger Austausch zu Pande-
ne feststellbar. Dabei scheint beispielsweise die bisherige gehende Einschaltung des DGB zu Vermittlungszwecken mie-Entwicklungen und den deswegen erforderlichen
Übereinkunft, Meinungsverschiedenheiten über Organisa- erledigt werden konnten. Auf der anderen Seite musste in organisationspolitischen Fragestellungen, wie Durch-
tions- und Tarifzuständigkeiten möglichst einvernehmlich Bezug auf die bereits bestehenden Vereinbarungen mit der führung von Online-Abstimmungen und weitergehende
zu regeln, nicht mehr überall Konsens zu sein. So ist IG Metall zur Automobil-Logistik mehrfach zur Einhaltung Bedarfe von Satzungsänderungen mit Blick auf digitale
der Grundsatz, dass eine bereits im Betrieb vertretene der Vereinbarungen interveniert werden. Konferenzen.
Gewerkschaft ihre Zuständigkeit solange behält, bis der
Organisationskonflikt DGB-intern geklärt ist und die Neben den klassischen Abgrenzungsfragen kommt es
konkurrierende Gewerkschaft im Gegenzug auf die insbesondere im Sozial- und Erziehungsdienst zu Konflik-
Gewinnung von Mitgliedern oder dem Abschluss von ten mit der GEW. In sich überschneidenden Organisations-
Tarifverträgen verzichtet, zunehmend aus dem Blick bereichen wirbt die GEW mit einem günstigeren Mitglieds-
geraten. Dies hat zur Folge, dass Konflikte vor Mitgliedern beitrag und vor Ort wird vehement um Mitglieder
der konkurrierenden Gewerkschaft, den Beschäftigten und gerungen. Eine abschließende Klärung konnte hier noch
dem*der Arbeitgeber*in ausgetragen werden müssen. nicht erreicht werden.

Neben arbeitsorganisatorischen Abstimmungen mit den Ein Augenmerk musste auch auf die Auseinandersetzung
Schwestergewerkschaften lag der Schwerpunkt in der mit nicht im DGB organisierten Organisationen gelegt
Bearbeitung von Anfragen zu Organisationszuständigkei- werden. Dies waren im Berichtszeitraum vor allem die
ten. Im Berichtszeitraum musste kein formales Schiedsge- Einzelgewerkschaften aus dem Spektrum der dbb-tarif-
richtsverfahren innerhalb des DGB eingeleitet werden. In union, aber auch Organisationen, wie der DHV und
streitigen Fällen fand bereits im Vermittlungsverfahren eine andere sich teilweise neugebildete berufsständische
Verständigung statt. Organisationen.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 76


7.10
Organisationsentwicklung
Nichts ist so beständig wie der Wandel: Die Organisation Strategie zur Weiter- Digitale Gewerkschaftsarbeit
ändert sich und wird verändert.
entwicklung der KBTA und Ein Kernstück der Digitalen Gewerkschaftsarbeit war
Projekt „Perspektive ihrer Rahmenbedingungen der Aufbau und die Weiterentwicklung der Mitglieder-
plattform „meine ver.di“. Zum 30. März 2021 konnten
ver.di wächst!“ (Pvw!) Insbesondere in der Professionalisierung der individuellen Mitglieder sich für „meine ver.di“ registrieren, auf ihre
Mitgliederarbeit konnten in den letzten Jahren sichtbare persönlichen Daten zugreifen und diese aktualisieren.
2020 sind Hessen, Baden-Württemberg und Berlin-Bran- Erfolge erzielt werden. Trotz des großen Engagements der 90 Prozent der Datenänderungen wurden vollautomatisch
denburg in einem gemeinsamen Corona-Online-Umstel- ehren- und hauptamtlichen Aktiven wurden in der KBTA in die datenführenden Systeme übertragen und ent-
lungs-Kraftakt durch den Rollout gegangen. 2022 wurden noch Umsetzungsdefizite erkannt und Handlungsschwer- lasteten somit die Kolleg*innen in den Bezirken und
die letzten Landesbezirke umgestellt: Nord und Hamburg punkte identifiziert. Dies betrifft folgende Themen: ver.di-Zentren. Mitglieder können Mitgliedsbescheinigun-
als Rolloutgemeinschaft, sowie die beiden Landesbezirke ■ Intensivierung der Steuerung und Führung, gen (zirka 75.000 in 2022) und Beitragsquittungen (zirka
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz- ■ Stärkung von Praxisbezug und Handlungsorientierung 190.000 in 2022) abrufen. Ende 2022 nutzten bereits
Saarland. der KBTA-Standards, 424.673 Mitglieder „meine ver.di“.
■ Verantwortliche Einbeziehung des Ehrenamts –
Die bislang im Rollout gesetzten Standards wird ver.di dieses Handlungsfeld wird im Projekt „Zukunft der
weiterentwickeln. Dies gilt für die Zusammenarbeit an Mitgliedergewinnung“ bearbeitet,
Organisationsschnittstellen, bei der Kollektivdatenpflege, ■ Systematisierung, Verzahnung und Stärkung der
der Arbeitsorganisation und der Steuerung der ver.di- Handlungsorientierung von Qualifizierungsangeboten,
Zentren. ■ die verstärkte Ausrichtung der Bundesverwaltung auf
die KBTA,
So wurde die bisherige Arbeit mit dem Mitgliederbezie- ■ die Digitalisierung der KBTA.
hungsmanagementsystem (MBM) wurde evaluiert. Die
Ergebnisse mündeten in eine Verbesserung der Arbeitsab- In den letzten Jahren wurde dabei der Grundstein für die
läufe mit MBM. Zur Verbesserung der Erreichbarkeit der Integration in den Regelbetrieb gelegt, die es ermöglichen
ver.di-Zentren für die Mitglieder wurde der landesbezirks- soll, vor allem die KBTA-Standards, die Qualifizierungen
übergreifende Telefonie-„Überlauf“ gestartet. sowie die ehren- und hauptamtliche Führungsarbeit im
laufenden Betrieb weiterzuentwickeln. KBTA-Teams
Die im Projekt Pvw! initiierten neuen Aufgaben wurden werden Lern- und Entwicklungsprozesse in der praktischen
im Zuge des Projektabschlusses als Regelaufgaben in Umsetzung begleiten, Wissen und Erfahrung sichern und
die Organisation überführt, um diese verbindlich und anderen Aktiven zugänglich machen.
qualitätssichernd weiter zu entwickeln.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 77


Seit Dezember 2022 ist in „meine ver.di“ der digitale mungsprozesse festzulegen. Die hierbei aufgeworfenen Weiterentwicklung IKT
Antrag auf Streikunterstützung verfügbar. Statt Papierfor- Fragestellungen hatten nicht nur Auswirkungen auf die
mulare am Streiktag auszufüllen und durch Streikleitungen zukünftigen Fachbereiche, sondern in Teilen auch auf und IT-Strategie
abzeichnen zu lassen, können Mitglieder nun komplett die Gesamtorganisation.
digital ihren Antrag in „meine ver.di“ stellen und Ehren- Eine erfolgreiche Digitalisierung sowie die Bereitstellung
und Hauptamtliche ihre Anwesenheit über „meine ver.di“ Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 fusionierten letztendlich anforderungskonformer und funktionierender IT sind
bestätigen. Die bestehenden Anwendungen werden die bisherigen 13 ver.di-Fachbereiche zu fünf Fachberei- Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Arbeit von ver.di.
stetig weiterentwickelt. chen. Die bisherigen Fachbereiche Finanzdienstleistungen, Gemeinsam mit den IT-Verantwortlichen der Bundes- und
Ver- und Entsorgung, Medien, Kunst und Industrie, Tele- Landesbezirksebenen passte IT.OS die IT-Strategie von
kommunikation und Informationstechnologie fusionierten ver.di an die aktuellen Herausforderungen an. Dabei
Zukunft der Fachbereiche zum Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation und wurden Veränderungen der ver.di-Organisationsprozesse,
Auf dem Bundeskongress 2019 wurde mit der Wahl von Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung, die bisherigen bezirks- und landesbezirksübergreifende Zusammenarbeit,
nur noch fünf Bundesfachbereichsleiter*innen für die Fachbereiche Sozialversicherung, Bund und Länder, stärkere Mobilität, Einsatz von sozialen Medien und
bisherigen 13 Fachbereiche ein wesentlicher Zwischen- Gemeinden, Verkehr, Besondere Dienstleistungen zum Messengern, die extreme Kurzlebigkeit der Soft- und
schritt für die bereits im Jahr 2017 angestoßenen Fach- Fachbereich Öffentliche und private Dienstleistungen, Hardware und auch die gesetzlichen Vorgaben zum
bereichsfusionen beschritten. Sozialversicherung und Verkehr und die Fachbereiche Datenschutz berücksichtigt.
Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen,
Hauptaugenmerk lag seitdem in der Zusammenführung Bildung, Wissenschaft und Forschung zum Fachbereich Der ausgewogene Einsatz von Cloud- und ver.di-intern
der Fachbereiche, was zum einen die formalen Strukturen Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft. betriebenen Lösungen und die Optimierung der IT-Prozes-
im Rahmen neuer Fachbereichstatuten als auch die In ihrer Struktur unverändert bleiben der Fachbereich se zahlten sich im vollem Umfang während der Pandemie
kulturelle und praktische Annäherung sowohl im haupt- Handel sowie der Fachbereich Postdienste, Speditionen aus. Innerhalb von wenigen Tagen konnten die meisten
amtlichen aber insbesondere auch im ehrenamtlichen und Logistik. Die politische Umsetzung der größten ver.di-Beschäftigten auf ihre Anwendungen und Daten
Bereich betraf. organisationspolitischen Veränderung in der Gewerk- von unterwegs und von Zuhause zugreifen. Eine Pande-
schaftslandschaft seit ver.di-Gründung erfolgte dann auf mie-Hotline für die Mitglieder wurde dank der mittlerweile
Im Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation und den unterschiedlichen Ebenen mit den Organisations- einheitlichen Telefonie-Lösung innerhalb von zwei Wochen
Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung, im Fachbereich wahlen 2022/2023, die erstmals in den fusionierten in Betrieb genommen.
Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversiche- Strukturen stattfanden.
rung und Verkehr und im Fachbereich Gesundheit, Soziale
Dienste, Bildung und Wissenschaft wurden die jeweiligen Der erfolgreiche Abschluss war nur möglich dank einer
Weiterentwicklung
Prozesse im Rahmen der Fusion eigenständig fortgeführt hohen Bereitschaft von ehrenamtlichen Kolleg*innen, Beitragswesen und MIBS
und erfolgten aufgrund der vorhandenen Rahmenbedin- zeitliche Ressourcen für den jeweiligen Prozess zur
gungen während der Pandemie weitestgehend digital, Verfügung zu stellen sowie der Bereitschaft, sich bei 2020 und ergänzend 2022 wurden Aktualisierungen der
im Rahmen von Video- und Webkonferenzen. unterschiedlichen inhaltlichen Auffassungen auf andere MIBS-Anbindung an die Hausbank vorgenommen, um die
Sichtweisen einzulassen und – dort wo notwendig – Beitragsdaten gemäß aktuellem SEPA-Standard austau-
Insbesondere die Entwicklung neuer Fachbereichsstatuten auch Mehrheitsentscheidungen zu respektieren. schen zu können.
– teilweise auch direkt verbunden mit weitergehenden
Übergangsregelungen – waren hierbei im Fokus der Weitergehende Details zu den einzelnen Prozessen Einen hohen Stellenwert hatte im Beitragswesen der
Vorstände beziehungsweise Übergangsvorstände. Parallel innerhalb der Fachbereiche sind den jeweiligen Geschäfts- Ausbau und die Pflege der ver.di-Tarifstrukturen in MIBS.
dazu wurden arbeitsorganisatorische und inhaltliche berichten der Fachbereiche zu entnehmen. Durch die neue Fachbereichsstruktur mussten die Tarif-
Fragestellungen in den jeweiligen Vorständen oder in strukturen seit 2022 auch unter diesem Aspekt überarbei-
weiteren Arbeitsgruppen bearbeitet. tet werden.
Bezirksfusionen
Im Rahmen der Diskussion ergab sich im Dezember 2020 Zum 1. Januar 2022 fusionierten die bisherigen Bezirke
die Notwendigkeit, unterschiedliche Einzelfragestellungen Lübeck-Ostholstein, Pinneberg-Steinburg und Südholstein
mit Blick auf die Gesamtorganisation einheitlich zu ent- zu den Bezirken Lübeck-Südostholstein und Schleswig-
scheiden, um konträre Debatten und Entwicklungen zu Holstein Südwest
einzelnen Punkten zu vermeiden und weitere Abstim-

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7.11
Personalentwicklung
Eine professionelle Personalentwicklung ist für ver.di von
strategischer Bedeutung: Erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit
Zentrale HA-Qualifizierung: Anzahl angebotene Seminare
ist Arbeit von und mit Menschen. Die Anforderungen w.b + Trainee/JuSiE + FK
an diese Arbeit haben sich in den letzten Jahren immer
schneller verändert und sind tendenziell gestiegen. Der 350
demografische Wandel, die fortschreitende Digitalisierung
und interne Veränderungsprozesse verstärken den Bedarf 300
an Angeboten zur systematischen Kompetenzentwicklung
und zum nachhaltigen Wissenstransfer. 250

200
Vor diesem Hintergrund wurde das Personalentwicklungs-
angebot von ver.di in den letzten Jahren inhaltlich 150
kontinuierlich ausgebaut und professionalisiert.
100
Auch in quantitativer Hinsicht ist das Qualifizierungsange-
bot für Hauptamtliche stark gewachsen. So hat sich alleine 50
bei den zentralen Regelangeboten der Hauptamtlichen-
Qualifizierung (weiter.bilden, Trainees, Führungskräfte) die 0
2018/Plan 2019/Plan 2020/Plan 2021/Plan 2022/Plan 2023/Plan
Anzahl der geplanten Teilnehmenden – beziehungsweise
Leistungstage – von 4.400 in 2018 auf 13.120 in 2023
nahezu verdreifacht. Die Zahl ergibt sich aus der Multi- - Anzahl Seminare Präsenz - Online
plikation der Anzahl der Teilnehmenden mit der Dauer
eines Seminars. In dieser Berechnung nicht enthalten sind
Seminare im Rahmen des Rollouts von „Perspektive ver.di
wächst!“, die Abrufseminare sowie die SuCoTe-Angebote
(Supervision, Coaching, Teamentwicklung).
sowohl die Führungskräfte als auch die künftigen Beschäf- Zudem stellte die Corona-Pandemie und der schnelle
tigten der Fachbereiche, die Teams Beratung & Recht, Wechsel auf virtuelle Qualifizierungen alle beteiligten
Qualifizierungen im Bezirke sowie ver.di-Zentren. Dabei kam der Qualifizierung Bereiche vor große Herausforderungen, die jedoch ge-
Rahmen von „Perspektive der Führungskräfte im Changemanagement eine zentrale meistert wurden. Schnell haben sich neue Formate und
Rolle zu, wie sich im Umsetzungsprozess gezeigt hat. Aber neue Tools etabliert. Diese Erfahrung wurde auch auf
ver.di wächst!“ natürlich auch den eher arbeitsorganisatorisch orientierten Qualifizierungen außerhalb von Pvw! übertragen. Heute
Qualifizierungen im Umgang mit der neuen Software ist ein rein auf Präsenz basierendes Bildungsangebot
Kern eines großformatigen Change- und Restrukturie- sowie den neuen Standards und Zuständigkeiten, die mit ohne virtuell angebotene Qualifizierungen nicht mehr
rungsprojektes wie „Perspektive ver.di wächst!“ ist die Pvw! etabliert wurden. Von 2018 bis 2022 wurden zirka vorstellbar.
Qualifizierungsoffensive für die Beschäftigten. Diese 550 Qualifizierungen durchgeführt, in denen zirka 6.400
immense organisatorisch-didaktisch Aufgabe umfasste Teilnehmende qualifiziert wurden.

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eLearning – digitale
Lernangebote während
und nach der Pandemie,
Ausbau und Neuausrichtung
von weiter.bilden
Während der Pandemie mussten immer wieder Seminare
aufgrund von Beschränkungen abgesagt oder online
durchgeführt werden. Auch in den Zeiträumen, in denen
Präsenzseminare durchgeführt wurden, gab es eine
außerordentlich hohe Zahl an kurzfristigen Abmeldungen.
Bei vielen Beschäftigten scheinen die Bereitschaft und die
zeitlichen Möglichkeiten gesunken zu sein, für Seminare
längere Reisewege in Kauf zu nehmen. Auch vor diesem
Hintergrund wurden seit 2021 – in begrenztem Rahmen
– erstmals Online-Seminare in das Regelangebot aufge-
nommen. Im Ergebnis ist das zentrale Qualifizierungsange-
bot seit 2019 stark gewachsen und wird auch 2023 noch
einmal umfangreicher als im Vorjahr sein, wobei der
Zuwachs wesentlich über Online-Seminare realisiert wird.

Traineeprogramm für neue


Gewerkschaftssekretär*innen
Seit dem Start des Traineeprogramms im Jahr 2019
wurden mehr als 100 Trainees ausgewählt, qualifiziert und
eingestellt. Das Traineeprogramm hat sich zu einer aner-
kannten, etablierten Struktur in ver.di entwickelt. 2022 ist frühzeitig vorbereitet werden, um den Knowhow-Transfer einer Projektarbeit vermittelt. Basis für diese Qualifizierung
es gelungen, eine aktualisierte Gesamtbetriebsvereinba- zu ermöglichen und die Handlungsfähigkeit der Organisa- bildet das neu entwickelte Kompetenzmodell für Füh-
rung abzuschließen, mit neuen Programmstrukturen und tion zu sichern. rungskräfte in ver.di. Künftige Führungskräfte, die das
Online-Seminaren als festen Programmbestandteilen. Programm absolviert haben, verfügen mit der Übernahme
Deswegen haben haupt- und ehrenamtliche Kolleg*innen der Führungsfunktion bereits über eine solide Basis-Quali-
ein neues Programm zur Führungskräfte-Nachwuchsent- fizierung und können sich damit bei Tätigkeitsübernahme
Führungskräfte- wicklung (FKNE) konzipiert, das erstmalig im November auf die praktische Einarbeitung fokussieren.
Nachwuchsentwicklung 2023 starten soll. Hieraus soll ein diverser Absolvent*in-
nenkreis von Kolleg*innen mit umfassenden Führungs-
ver.di verfügt bereits über ein breites führungsbezogenes kompetenzen entstehen, aus dem Führungsfunktionen
Angebot der Personalentwicklung. Ein Nachwuchspro- in ver.di künftig besetzt werden. Das Programm soll
gramm für Führungskräfte fehlt aber noch und wird künftig zweimal pro Jahr starten. Bei einer Laufzeit von
insbesondere mit Blick auf die demografische Entwicklung 18 Monaten werden durch aufeinander aufbauende
dringend benötigt. In den nächsten Jahren gehen viele Weiterbildungsmodule Führungsgrundlagen in Form von
hauptamtliche Führungskräfte in den Ruhestand. Die Seminaren, Coachings und Reflexionsangeboten, in
Nachbesetzung der entstehenden Vakanzen muss Selbstlern- und Gruppenphasen sowie durch die Erstellung

VER.DI WEITER ENTWICKELN 80


7.12
Personal
Grundsätzliches Seit 2019 sank die Fehlzeitenquote bei ver.di von Mitbestimmung und wichtige Vereinbarungen
8,8 Prozent in 2019 auf 8,3 Prozent im Jahr 2021. Die Wichtiges Thema sowohl in den jeweiligen betrieblichen
Sinn und Zweck der Personalarbeit in ver.di war und ist, Anzahl der BEM-Fälle ist kontinuierlich von 18 Prozent Mitbestimmungsverfahren im Rahmen der in ver.di bislang
den Beschäftigten möglichst bundesweit einheitliche Anfang 2019 auf 16,2 Prozent Anfang 2022 gesunken. gültigen Erweiteren Mitbestimmung als auch bei den
Arbeitsbedingungen im Rahmen von tarifersetzenden tarifersetzenden Vereinbarungen war die Begleitung von
Regelungen zu sichern. Diese sollen es ihnen ermöglichen, ver.di bietet gemeinsam mit dem DGB und seinen Veränderungen sowohl durch organisationsinterne
die Mitglieder bestmöglich zu beraten, zu unterstützen, zu Mitgliedgewerkschaften ein Gesundheits- und Präven- Entscheidungen als auch aufgrund von veränderten
begleiten und für sie einzustehen. Ergänzt wurden diese tionsprogramm an und stellt eine Beratungsservicehotline äußeren Rahmenbedingungen.
Regelungen durch die landesbezirkliche Personalarbeit, die des BAD (Betriebsärztlicher Dienst) für alle Beschäftigten
in enger Abstimmung mit allen Landesbezirken erfolgte, zur Verfügung. Begleitend und nachsorgend wird ein Anlässlich der Fachbereichsfusionen haben Bundesvor-
um die bestehenden bundesweit gültigen Regelungen zu konsequentes betriebliches Eingliederungsmanagement stand und GBR bereits im September 2021 zum Ausgleich
ergänzen oder mit den Betriebsräten der Landesbezirke mit Eingliederungshilfe und Prävention organisiert. 2022 der Interessen und gegebenenfalls entstehenden Nach-
und Bildungszentren auszugestalten. wurde hierzu eine aktualisierte GBV Inklusion und BEM teilen für Beschäftigte eine GBV Fachbereichsfusion ab
abgeschlossen. Dies ist angesichts von fast neun Prozent 1. Januar 2022 vereinbart. Darin wurden Beschäftigungs-
Schwerbehinderten oder ihnen Gleichgestellten ein Beitrag und Einkommenssicherung vereinbart sowie neuen
Personalentwicklung für eine gute Integration und Förderung. Funktionen aufgrund der Fusionen (stellvertretende*r
und -struktur Landesfachbereichsleiter*in, Gewerkschaftssekretär*in mit
Fachanleitung und Teamkoordination) geregelt.
Zum 31. Dezember 2022 waren 3.360 Menschen (2.161
Schwerpunktthemen
Frauen/1.199 Männer) bundesweit bei ver.di beschäftigt. Betriebliche Altersversorgung Ende 2020 wurde für die ver.di-Beschäftigten ein neues
Davon arbeiteten 29 Prozent in Teilzeit. Die Anzahl an ver.di hat durch die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Arbeitszeitmodell mit dem GBR vereinbart. Dieses sieht
Vollzeitarbeitsplätzen betrug bundesweit umgerechnet Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in ver.di ein Arbeitszeitkonto mit einem Volumen an Plus- oder
rund 2.387 – inklusive zwölf außertariflich Beschäftigte, im Jahr 2007 eine rückgedeckte Altersversorgung ein- Minusstunden von maximal der doppelten Wochenarbeits-
die in der untenstehenden Aufzählung nicht mitgezählt geführt (VO95). Mittlerweile fallen rund 1.900 Beschäftig- zeit vor. Zusätzlich wurde neben dieser GBV Arbeitszeit-
werden. Der Altersdurchschnitt lag bei rund 49,1 Jahren. te unter die rückgedeckte Altersversorgung, die teilweise konto auch eine Übergangslösung zur elektronischen
durch Besitzstände aus Regelungen der Gründungsorgani- Zeiterfassung vereinbart. Anfang 2022 wurde eine Evalu-
Vollzeitbeschäftigte nach Statusgruppen aufgeteilt: sationen ergänzt werden. Zusätzlich bietet ver.di weitere ation dieser Neuregelungen mittels Beschäftigtenbefra-
■ Gewerkschaftssekretär*innen: 1.594 Möglichkeiten (Entgeltumwandlung, Direktversicherung) gung durchgeführt. ver.di hat aufgrund der sechsmonati-
■ Mitarbeiter*innen im Sekretariatsdienst zum Aufbau einer Altersversorgung und bezuschusst gen Kündigungsfrist zum jeweiligen Jahresende die beiden
(einschließlich gewerbliche Beschäftigte): 756 diese. In 2022 wurde erstmals seit zehn Jahren für die Gesamtbetriebsvereinbarungen zum 31. Dezember 2022
■ Sekretär*innen in Einarbeitung, Trainees Jahre 2020, 2021 und 2022 eine Anpassung der Betriebs- gekündigt um, mit dem GBR Neuregelungen zu verein-
und Azubis: 70 renten vorgenommen. Auch wurde die aufgrund einer baren. Bislang konnten jedoch keine Neuregelung erzielt
Entscheidung des BAG zur betrieblichen Altersversorgung werden. Beide Vereinbarungen befinden sich derzeit in der
Diese Daten – Anzahl der Beschäftigten und Anteile der notwendige Anpassung der Vermögensstruktur durch den Nachwirkung.
Statusgruppen – haben sich in den letzten Jahren kaum Gewerkschaftsrat Ende 2022 nachvollzogen.
verändert.
BAG, 3 AZR 15/20

VER.DI WEITER ENTWICKELN 81


Die im Jahr 2018 abgeschlossenen GBV Mobile Arbeit
wurde durch den GBR bereits im Juli 2020 wieder
gekündigt. Nach sieben Monaten Verhandlungen wurde
eine Einigung auf eine neue Regelung erzielt. Die Verein-
barung umfasst, dass grundsätzlich alle Beschäftigten die
Möglichkeit erhalten, gelegentlich und nach gesonderter
Verabredung an einzelnen Arbeitstagen mobil zu arbeiten.
Hierbei ist in der Regel das Mobile Arbeiten auf zwei Tage
pro Woche beschränkt. Besondere Regelungen für die
Kolleg*innen in den ver.di-Zentren konnten hingegen
nicht mit dem GBR vereinbart werden, sondern mussten
in den Landesbezirken vereinbart werden.

Im Januar 2021 konnte eine GBV zur Einführung der


Online-Mitgliederplattform „meine verdi“ abgeschlossen
werden. Zentraler Regelungsgegenstand war der regel-
mäßig aktualisierte Funktionsumfang sowie der Ausschluss
von Personalabbau und Abgruppierungen.

Bereits im Juni 2020 hat ver.di den GBR zu Verhandlungen


über die Einführung eines eLearning-Systems aufgefordert
und konnte eine Einigung im März 2021 erzielen. Mit
der Vereinbarung wurden unterschiedliche Möglichkeiten
digital verfügbarer Schulungen geschaffen: Selbstlern-
kurse, die tageszeitlich frei und selbstorganisiert durch
die Beschäftigten absolviert werden, Online-Seminare,
die in festgelegten Lernzeiten durch Trainer*innen geleitet
werden oder digitale Unterstützung von Präsenzschulungen.

Trotz der im Jahr 2022 allgemein gestiegenen Mobilitäts-


kosten war es bislang nicht möglich, eine Neuregelung
zu der vom GBR bereits im Juni 2020 gekündigten GBV
Reisekosten zu erzielen. Die GBV befindet sich daher in
der Nachwirkung.

Überraschend hat der GBR im Zusammenhang mit


Meinungsverschiedenheiten zur Reichweite der Erweiter-
ten Mitbestimmung die GBV Erweiterte Mitbestimmung
zum 30. April 2023 gekündigt. Sollte keine Einigung
über eine Neuregelung gefunden werden, tritt die GBV
Erweiterte Mitbestimmung ohne Nachwirkung am
1. Mai 2023 außer Kraft. Für Anfang 2023 wurde sich
auf Verhandlungstermine verständigt.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 82


7.13
Finanzen
Die abgelaufene Kongressperiode stand finanzpolitisch im was einer Steigerung von 4,1 Prozent auf 490,4 Millionen Sachkosten
Zeichen der Umsetzung des Organisationsentwicklungs- Euro entspricht.
projekts „Perspektive – ver.di wächst!“, des Übergangs In der abgelaufenen Kongressperiode wurden die Sachkos-
von den 13 alten zu den fünf neuen Fachbereichen, einer Zum anderen ist es auf der Ebene der Sachkostenbudgets tenbudgets sehr verantwortlich und bewusst geplant und
Überarbeitung der Regelungen zum Arbeitskampfvermö- gelungen, durch konsequente Ausgabendisziplin, die nach eingesetzt. Allerdings konnten in den Jahren 2020 und
gen und natürlich der Corona-Pandemie. Budgetierungsrichtlinie erforderlichen Rücklagen zu bilden 2021 aufgrund der Pandemie eine Reihe von Maßnahmen
und positive Jahresergebnisse zu erwirtschaften. im gewerkschaftlichen Leben nicht durchgeführt werden,
Im Projekt „Perspektive ver.di wächst“ wurde in einer so dass es in den beiden Jahren zu ungewöhnlich positiven
Reihe von Landesbezirken in mehreren Durchgängen der Die Personalkostenseite konnte stabilisiert werden. Jahresergebnissen kam.
Rollout zur Trennung von individueller und kollektiver Vorsichtshalber wurde 2020 in allen Budgetierungsein-
Mitgliederarbeit durchgeführt, wobei für die ver.di-Zentren heiten eine sogenannte Corona-Rücklage zum Ausgleich Schon im Verlauf der Pandemie aufgrund von Lieferketten-
die notwendigen Investitionen aus den zuvor gebildeten von Personalkosten-Defiziten geschaffen, die von einigen problemen und seit März 2022 aufgrund des Ukraine-
Rücklagen getätigt wurden. Landesbezirken auch vollständig in Anspruch genommen Krieges ganz generell war eine zum Teil deutliche Kosten-
werden musste. Insgesamt sind die Personalkosten-Rück- steigerung zu bemerken. Diese schlug sich auch in den
Mit Jahresbeginn 2022 wurden die neuen Fachbereichs- lagen seit 2018 gestiegen. Aufwänden nieder. Auf Bundesebene konnten diese mit
und Fachgruppenstrukturen in Kraft gesetzt. Das erforder- nicht verbrauchten Sachmitteln für die Digitalisierung der
te umfangreiche Umstellungen in allen Datensystemen von Die der Haushaltsbewirtschaftung zugrundeliegenden Gewerkschaftsarbeit finanziert werden.
ver.di und in der MIBS – mit Auswirkungen auf das Haushaltsplanungen wurden ebenso wie die Jahreser-
Beitragswesen und das Finanzwesen. gebnisse mit dem Haushalts- und Finanzausschuss des
Gewerkschaftsrates (HAFAGR) eingehend beraten und im
Personalkosten
Zur besseren Darstellung des Arbeitskampf-Vermögens Gewerkschaftsrat beschlossen. In der Bundesverwaltung konnten im Berichtszeitraum
(„Streikkasse“) und den Mitteln, die nicht für Arbeits- unter anderem durch eine konsequente Stellenbewirt-
kämpfe benötigt oder eingesetzt werden, wurden die schaftung erreicht werden, dass in keinem Jahr ein
Satzung und Budgetierungsrichtlinie überarbeitet.
Beitragseinnahmen Personalkostendefizit eingetreten ist. Vielmehr konnte
Die Entwicklung der Beitragseinnahmen verlief nach wie jedes Jahr die Personalkosten-Rücklage gestärkt werden.
Die Corona-Pandemie machte einen schnellen, praktikab- vor positiv, wenn auch mit einem Dämpfer durch die Die auch in der Bundesverwaltung gebildete Corona-
len Umgang mit einer großen Anzahl von Kurzarbeit in der Verbeitragung des Kurzarbeitergelds während der Rücklage musste somit nicht für Personalkosten-Defizite
Mitgliedschaft erforderlich. Die pauschale Absenkung auf Corona-Pandemie. Die Steigerungsraten haben über die eingesetzt werden.
die Hälfte des Regelbeitrags für in Spitzenzeiten mehr als letzten vier Jahre im Durchschnitt zirka ein Prozent p.a.
46.000 Mitglieder konnte operativ gut bewältigt werden, betragen. Ursache für den gegenüber der Mitgliederent-
führte jedoch zu spürbaren Einbußen in den Beitragsein- wicklung positiven Verlauf der Beitragseinnahmen sind
nahmen. die Entwicklung der Tarifabschlüsse und die konsequent
betriebene Erfassung und Zuordnung der Tarifgruppen,
Trotz dieser Belastungen haben sich die Ergebnisse erholt mit der individuelle Beiträge auch jenseits der Tarifbewe-
und weiter verbessert. Dies liegt zum einen an der gungen aktuell gehalten werden können.
positiven Beitragseinnahmeentwicklung, die sich von 2018
zum Jahr 2022 um 19,4 Millionen Euro gesteigert hat,

VER.DI WEITER ENTWICKELN 83


Landesbezirke und Bezirke Die Haushaltsjahre Haushaltsjahr 2021
Das Haushaltsjahr 2021 wies einen Überschuss von
In den Landesbezirken und Bezirken fand im Vergleich zur im Betrachtungszeitraum 1,55 Millionen Euro aus. Dieses Ergebnis war ebenfalls
letzten Kongressperiode von 2019 bis 2021 ein unge-
wöhnlich starker Rücklagenaufbau auf insgesamt 119,6
im Einzelnen ganz wesentlich von den Einschränkungen der Pandemie
für das Arbeitsleben und damit auch die Gewerkschafts-
Millionen Euro statt. Das liegt vor allem an den beiden Haushaltsjahr 2019 arbeit verursacht. Erstmals wurden größere Mittel für
Pandemiejahren, in denen viele Sachkostenbudgets nicht Das Haushaltsjahr 2019 schließt mit einem Überschuss die Digitalisierung der Gewerkschaftsarbeit bereitgestellt.
ausgeschöpft wurden. Diese waren zusammen mit von 1,33 Millionen Euro ab. Das ist gegenüber dem Das Planergebnis konnten zwar um 0,6 Millionen Euro
der neu aus unverbrauchten Sachkosten gebildeten Vorjahr eine leichte Verschlechterung um nur mehr 0,2 übertroffen werden, jedoch war die Beitragseinnahme-
Corona-Rücklage für fast den gesamten Anstieg der Millionen Euro. Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter planung mit einem Minus von 3 Millionen Euro deutlich
dezentralen Rücklagen von 2020 auf 2021 verantwortlich. als neben den in 2019 letztmaligen zusätzlichen Belastun- unter dem Planwert des Vorjahres geblieben. Im Ist-Ver-
Die für den Rollout von „Perspektive – ver.di wächst!“ gen durch die Maßnahmen zur Streikfondsstärkung seit gleich zum Vorjahr konnte dennoch ein Zuwachs von
gebildete Rücklage wurde langsam eingesetzt, wird aber 2015 auch erhebliche Mittel zur finanziellen Absicherung 1,5 Millionen Euro erreicht werden.
erst zum Ende des Projekts aufgebraucht sein. der Rolloutkosten von „Perspektive ver.di wächst!“ einer
zweckgebundenen Rücklage zugeführt wurden. Zum Haushaltsjahr 2022
positiven Ergebnis haben auch die gegenüber Plan um Im Jahr 2022 wies der Haushalt einen Überschuss von
Neue Fachbereichsstruktur 7 Millionen Euro höheren Beitragseinnahmen beigetragen. 1,14 Millionen Euro aus. Im Laufe des ersten Quartals
Die neue Fachbereichsstruktur wurde zum 1. Januar 2022 Das entspricht 1,5 Prozent über dem Plan. Gegenüber konnte die Gewerkschaftsarbeit wieder umfänglich
in Kraft gesetzt. Für die Fachbereiche mussten komplett dem Vorjahr beträgt die Steigerung 7,6 Millionen Euro stattfinden, nachdem die Beschränkungen der Pandemie
neue Kostenstellenstrukturen geschaffen und in der (plus 1,6 Prozent). Ende 2021 weggefallen waren. Während der Pandemie
Buchhaltung und allen nachgelagerten mit Finanzen neu gefundene, digitale Arbeitsformate haben einige
zusammenhängenden Systemen implementiert werden. Haushaltsjahr 2020 Sachkosten einsparen können. Die Kostensteigerungen
Hierbei wurde erstmals die Kostenstellenstruktur der Ab dem Haushaltsjahr 2020 galt die neue Budgetver- durch die bei 7,9 Prozent liegende Inflation in 2022 macht
Fachbereiche weitgehend vereinheitlicht, was nun teilung nach Budgetierungsrichtlinie, so dass dem sich jedoch in vielen Positionen bemerkbar. Trotzdem
übergreifende Auswertungen deutlich erleichtert. Das Arbeitskampf-Vermögen nun 10,5 Prozent der Beitrags- konnten wie in den Jahren zuvor auch erhebliche Mittel
bedeutete auch eine komplette Umstellung aller Haus- einnahmen zugeführt wurden. Trotz der hieraus resul- für das Projekt „Perspektive ver.di wächst!“ bereitgestellt
haltsplanungen und -berichte, die in enger Zusammen- tierenden Änderungen in den Budgetzuweisungen konnte werden, wie auch für die Digitalisierung der Gewerk-
arbeit mit den Landesbezirken gut und erfolgreich ein Haushaltsüberschuss von 0,96 Millionen Euro erreicht schaftsarbeit.
abgeschlossen werden konnten. werden. Das lag im Wesentlichen an den Beschränkungen
durch die Corona-Pandemie, die zu vielen unverbrauchten Die Beitragseinnahmen konnten gegenüber dem Vorjahr
Mitteln führte. Die Beitragseinnahmen in dem Jahr um 7,8 Millionen Euro beziehungsweise um1,61 Prozent
stiegen zwar um 3,6 Millionen Euro beziehungsweise gesteigert werden. Die Beitragseinnahmeplanung wurde
um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, jedoch blieben um 1,1 Millionen Euro leicht übertroffen, was einem
sie um 3,9 Millionen Euro unter der Planung, was bei Plus von 0,12 Prozent entspricht. Sorge macht jedoch
der Beitragsentwicklung von Minus von 0,8 Prozent ergab. die deutliche Differenz zwischen Inflation und Beitragsein-
Grund hierfür war hauptsächlich die Kurzarbeit in der nahme-Steigerung.
Mitgliedschaft. Bei einem auf Null geplanten Haushalts-
plan war das zwar ein fiskalisch gutes Ergebnis, die
Gewerkschaftsarbeit war jedoch deutlich behindert.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 84


7.14
Revisionskommission
Aufgaben Entsprechend der Frauenmindestquote nach § 20 Abs. 3 Zu den Prüfungsfeststellungen wurden die betroffenen
der ver.di-Satzung war die Kommission insgesamt mit Ressorts um Stellungnahme gebeten. Nach Prüfung der
Die ehrenamtliche Revisionskommission auf Bundesebene sieben Frauen, mit sechs landesbezirklichen Mandaten und Stellungnahmen wurden seitens der Revisionskommission
kontrolliert die Haushaltsführung und das Rechnungswe- einem Mandat der Jugend zu besetzen. Die Landesbezirke Hinweise zur zukünftigen Beseitigung von festgestellten
sen der ver.di-Bundesebene. Sie überprüft die Umsetzung Nordrhein-Westfalen und Hamburg haben ihr Mandat, Mängeln gegeben und Vorschläge zur Kostensenkung
der Haushalte von Ebene und Fachbereichen in Hinblick abweichend vom prozentualen Ergebnis, mit Frauen unterbreitet, aber auch im Nachgang untersucht, inwie-
auf Beschlusskonformität, Einhaltung der Budgets, auf besetzt, so dass insgesamt neun Frauen und drei Männer weit Anregungen und Empfehlungen der Kommission
Sparsamkeit sowie auf Wirtschaftlichkeit. Weiterhin als Vertreter*innen in der Bundesrevisionskommission tätig tatsächlich umgesetzt wurden. Über die wesentlichen
werden die Jahresabschlüsse von ver.di geprüft. Zusätzlich waren. Prüfergebnisse wurde der Bundesvorstand unterrichtet.
ist der Kommission auf Anforderung, jedoch mindestens
einmal im Jahr, über den Stand des Vermögens seitens der Zur Vorsitzenden wurde eine Vertreterin des Landesbezirks Ein Protokoll wurde über jede Sitzung erstellt und dem
Vermögensverwaltungsgesellschaft (VVG) zu berichten. Berlin-Brandenburg und als Stellvertreter ein Kollege Gewerkschaftsrat sowie dem Bundesvorstand nach der
des Landesbezirks Bayern gewählt. Die Vorsitzende der Beschlussfassung durch das Gremium zur Verfügung
Revisionskommission nahm zugleich die Vertretung des gestellt.
Zusammensetzung Gremiums im Gewerkschaftsrat wahr.
Der 5. Ordentliche Bundeskongress wählte je Landesbezirk Die Ergebnisse der Jahresabschlussprüfung wurden seitens
eine Kolleg*in als Vertreter*in der zehn Landesbezirke in der Revisionskommission dem Haushalts- und Finanzaus-
die Revisionskommission auf Bundesebene. Die Nachwahl
Arbeitsweise schuss des Gewerkschaftsrates sowie dem Gewerkschafts-
der Jugendmandate erfolgte in der Sitzung des Gewerk- In der Wahlperiode wurden 16 Sitzungen auf der Grund- rat mündlich vorgetragen.
schaftsrates 2020. lage von Jahresarbeitsplänen durchgeführt. Den Heraus-
forderungen der Corona-Pandemie geschuldet, fanden die
Die Verteilung der zehn landesbezirklichen Mandate für Sitzungen teilweise virtuell statt. Für jede Sitzung wurden
die Bundesrevisionskommission erfolgt unter Berücksichti- Schwerpunkthemen bestimmt, die einer vertieften Prüfung
gung des jeweiligen Frauenanteils in den Landesbezirken. unterzogen wurden, wobei aktuelle Entwicklungen sowie
Von den zwei zu besetzenden Jugendmandaten ist erkennbare Risikofaktoren besonders berücksichtigt
mindestens eines weiblich zu besetzen. wurden. Sieben Schwerpunkthemen, die letztlich auf Basis
der laufenden Buchhaltung der ver.di bestimmt wurden,
wurden durch anlassbezogen gebildete Arbeitsgruppen
einer intensiven Prüfung unterzogen.

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7.15
Kontroll- und Beschwerdeausschuss
Der Kontroll- und Beschwerdeausschuss (KuB) ist ein Beschwerdeaufkommen Zusammensetzung des KuB
satzungsrechtlich verankertes Organ von ver.di. Er ist
ebenenübergreifend für Mitglieder, Organe und Gremien Im Berichtszeitraum sind insgesamt 60 Beschwerden in Die ver.di-Landesbezirke benennen jeweils ein Mitglied
als Ansprechpartner und Konfliktlöser tätig und übt eine der Geschäftsstelle des KuB eingegangen. Von diesen für den KuB. Der Bereich Jugend besitzt ein eigenständiges
wichtige vereinsrechtliche Kontrolle gegenüber den Beschwerden waren elf begründet und fünf teilweise Vorschlagsrecht für zwei Mandate. Der KuB wählt aus
anderen Organen und Gremien von ver.di aus. begründet. Unbegründet waren 26 Beschwerden. Neun seiner Mitte eine*einen Vorsitzende*n sowie eine Stell-
Beschwerden wurden im Rahmen der Bearbeitung durch vertretung. Für die Protokollierung der Sitzung wird
Die Mitglieder des KuB werden direkt durch den Bundes- die Beschwerdeführer*innen zurückgenommen. Zwei zusätzlich noch ein*e Schriftführer*in gewählt. Die ehren-
kongress gewählt. Der KuB kann nur durch Inanspruch- Beschwerden waren unzulässig und zwei weitere Be- amtlichen Mitglieder des KuB werden durch den*die
nahme des Beschwerderechts nach § 44 Abs. 4 der schwerden konnten wegen mangelnder Mitwirkung Geschäftsführer*in und eine*n Verwaltungsangestellte*n
Satzung von Mitgliedern, Organen und Gremien tätig der Beschwerdeführer*innen nicht bearbeitet werden. in ihrer Arbeit unterstützt.
werden. Eine eigenständige Kontrollfunktion oder Fünf Beschwerden werden derzeit noch durch den KuB
Prüfinitiative steht dem KuB nicht zu. bearbeitet.

Beschwerdeinhalte
Neben formal begründeten Beschwerden, zum Beispiel
wegen der Nichtberücksichtigung von Fristen oder
Abläufen bei Tarifverhandlungen, gibt es regelmäßig
Beschwerden von Mitgliedern wegen Ablehnung des
gewerkschaftlichen Rechtsschutzes nach § 19 der Satzung.
Die große Anzahl (ca. 420) von Anfragen beziehungsweise
Eingaben der Mitglieder an die Geschäftsstelle des KuB,
die keine klassischen Beschwerden im Sinne von § 44 der
Satzung sind, wurden unmittelbar beantwortet oder an
die zuständigen Fachbereiche beziehungsweise Organisa-
tionseinheiten von ver.di zur weiteren Erledigung abge-
geben.

Der KuB bearbeitet die Beschwerden in Abstimmung mit


anderen Bereichen der Bundesverwaltung (unter anderem
Organisationspolitik sowie der Bereich Recht und Rechts-
politik). Es hat sich bewährt, dass bei besonders sensiblen
Inhalten der Beschwerden das zuständige Bundesvor-
standsmitglied an der Sitzung des KuB teilnimmt und die
schriftliche Stellungnahme noch mündlich ergänzt.

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Bearbeitung der Setzt das im Rahmen einer Beschwerde betroffene Organ
oder Gremium nicht innerhalb einer angemessenen Frist
Beschwerden die Entscheidung des KuB um, kann der KuB Einspruch
beim Gewerkschaftsrat – gegen Maßnahmen des Gewerk-
Der Zweck des satzungsrechtlich geregelten Beschwerde- schaftsrates beim Bundeskongress – einlegen. Im Berichts-
verfahrens ist es, berechtigten Einwänden abzuhelfen, zeitraum musste von dieser Möglichkeit kein Gebrauch
unberechtigte Beschwerden schriftlich zurückzuweisen gemacht werden.
und bei festgestellten Satzungs- oder Richtlinienverstößen
diese aufzugreifen und beim ver.di-Bundesvorstand deren
Abhilfe einzufordern.
Weitere
Aufgabenbereiche
Notwendige Voraussetzung für die Aufnahme einer
Beschwerde durch die Geschäftsstelle des KuB ist die Der KuB ist dauerhaft durch zwei Mitglieder beratend im
Abgabe einer datenschutzrechtlichen Erklärung des*der Gewerkschaftsrat vertreten. Er bearbeitet darüber hinaus
Beschwerdeführer*in, durch die er*sie der Weiterleitung auch Prüfaufträge zu satzungsrechtlich relevanten Anfra-
der Beschwerde an die betroffenen Stellen innerhalb von gen von Mitgliedern, Organen und Gremien. Damit übt
ver.di zustimmt. Ohne die Abgabe der Einwilligung ist eine er eine präventive Tätigkeit, die zur satzungsgemäßen
Bearbeitung einer Beschwerde durch den KuB nicht Arbeitsweise der Gremien und Fachbereiche in ver.di bei-
möglich. trägt, als einen weiteren Bestandteil seiner Aufgaben aus.

Die aus dem Sachverhalt der Beschwerde erkennbar Der KuB trägt an verschiedenen Stellen innerhalb von
zuständigen verantwortlichen Bundesvorstandsmitglieder ver.di damit aktiv dazu bei, Konflikte unter Beachtung der
werden durch die Geschäftsstelle des KuB angeschrieben gewerkschaftlichen Grundsätze auf den unterschiedlichen
und darum gebeten, innerhalb einer Frist von vier Wochen Ebenen konstruktiv zu bearbeiten und zu beheben. Die
eine mit dem Bereich Organisationspolitik abgestimmte Beachtung der Satzung sowie der vielfältigen Richtlinien
schriftliche Stellungnahme für den KuB zu erstellen. und Geschäftsordnungen verlangt von den hauptamtlich
Die Stellungnahme des ver.di-Bundesvorstands bildet die Beschäftigten eine besondere Sensibilität und ausreichen-
Grundlage für die Entscheidung des KuB. Regelmäßig de vereinsrechtliche Kenntnisse, damit das Zusammenwir-
werden noch zusätzlich notwendige Informationen ken aller im Organisationsbereich von ver.di weitestgehend
(zum Beispiel Protokolle von Mitgliederversammlungen, konfliktfrei verläuft.
Einladungen zu Sitzungen sowie deren Dokumentation)
angefordert, um den Sachverhalt der jeweiligen Beschwer- Im Rahmen von § 12 ist der KuB auch beim Ausschluss
de genau zu erfassen. von Mitgliedern aus ver.di schriftlich zu beteiligen.
Betroffene Mitglieder können sich ebenfalls im Rahmen
Die Entscheidung des KuB wird nach Diskussion in der des Beschwerderechts an den KuB wenden. Im Berichts-
jeweiligen Sitzung dem*der Beschwerdeführer*in zeitraum war der KuB an einem Verfahren beteiligt.
schriftlich mitgeteilt. Den Maßstab der Prüfung bilden
Satzung, Richtlinien, Statuten und Geschäftsordnung Die wesentlichen Entscheidungen des KuB sind in einer
von ver.di sowie die Beschlüsse des Bundeskongresses. Entscheidungssammlung zusammengefasst, die im
Die Sitzungen des KuB finden vierteljährlich statt. Bei Intranet auf der Seite des KuB eingesehen werden kann.
eilbedürftigen Beschwerden können noch zusätzliche Die Entscheidungssammlung soll dazu beitragen, die nicht
Termine anberaumt werden. immer einfache Arbeit des KuB den Mitgliedern näherzu-
bringen.

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7.16
Satzung, Richtlinien und Fachbereichsstatuten
Satzungsänderungen Auch für Richtlinien der Gruppen nach § 22 Absatz 4
der Satzung erfolgten Überarbeitungen:
Die vom 5. Ordentlichen Bundeskongress beschlossenen ■ Richtlinie Senior*innenpolitik (November 2021)
Satzungsänderungen wurden in den bisherigen Satzungs- ■ Richtlinie zur Jugendpolitik (Juni 2021)
text aufgenommen. Es wurde eine neue Satzungsbro-
schüre mit Stand Oktober 2021 erstellt. Im Berichtszeit- Außerdem erfolgte die Überarbeitung der Rahmenwahl-
raum hat der Gewerkschaftsrat vier Satzungsänderungen und Verfahrensordnung (09/2021) wie auch der Kommen-
beschlossen. Weitere Satzungsänderungen, die der tierung dazu, was aufgrund der Corona-Pandemie und
Gewerkschaftsrat nach der Satzung beschließen kann, der damit verbundenen Veränderungen zur Durchführung
wurden für das Frühjahr 2023 vorbereitet. von Sitzungen und den Eröffnungen von digitalen
Möglichkeiten notwendig geworden war.
Der 6. Ordentliche Bundeskongress muss alle Satzungsän-
derungen, die der Gewerkschaftsrat im Laufe der Wahl- Die Gründe für die Überarbeitung der jeweiligen Richtlinie
periode beschlossen hat, bestätigen, andernfalls treten die waren verschieden. Teilweise wurde eine Beschlusslage aus
ursprünglichen Regelungen wieder in Kraft. dem Bundeskongress oder aus den eigenen Konferenzen
umgesetzt, teilweise erfolgte sie aufgrund von Anregun-
gen und Diskussionen in den jeweiligen Gremien.
Überarbeitung von Richtlinien
Auf Grund der bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidung Unabhängig vom eigentlichen Hintergrund der Richt-
zum Thema „Anpassung von Betriebsrenten“ aus dem linienänderung, wurden die einzelnen Prozesse durch den
Jahr 2021 mussten diverse Anpassungen in den betroffe- Bereich Organisationspolitik in unterschiedlicher Intensität
nen Richtlinien vorgenommen werden. begleitet. Es wurde dabei immer wieder die Gelegenheit
genutzt, die Richtlinien insgesamt präziser und verständ-
Folgende Richtlinien wurden insgesamt überarbeitet: licher zu formulieren und alle einem einheitlichen ver.di-
■ Arbeitskampfrichtlinie (November 2022) mit Orientie- Design zuzuführen.
rungsrichtlinie Streiknebenkosten (November 2022)
■ Beamt*innen (November 2021)
■ Budgetierungsrichtlinie November 2022)
■ Richtlinie zur Erwerbslosenpolitik (Juni 2021)
■ Gemaßregeltenunterstützung (November 2022)
■ Richtlinie zur Bildung von Regenbogen Arbeitskreisen
(März 2022)
■ Richtlinie für ehrenamtliche Revisionskommissionen
(März 2021)
■ Sozialversicherungswahlen (November 2021)
■ Richtlinie über die Gewährung eines Treuegeldes
(November 2022)

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Überarbeitung von Ausschlussverfahren
Fachbereichsstatuten Im Berichtszeitraum gab es insgesamt fünf förmliche
Anträge auf Ausschluss nach § 12 der ver.di-Satzung.
In Bezug auf die Fachbereichsfusionen erfolgte eine Diese bezogen sich insbesondere auf Kandidaturen auf
intensive Begleitung und Abstimmung, insbesondere mit fremden Personalrats-/Betriebsratslisten und in einem Fall
den Bereichen Finanzen, Controlling und IT bei der auf gewerkschaftsschädigendes Verhalten und Verstoß
Erarbeitung der jeweiligen neuen Fachbereichsstatuten. gegen die innergewerkschaftliche Solidarität. In drei Fällen
erfolgte kein Ausschluss, weil die Verfahren zurückge-
Die Statuten folgender Fachbereiche wurden vom zogen wurden. Bei den anderen beiden Fällen beschloss
Gewerkschaftsrat beschlossen: der Bundesvorstand einen Ausschluss beziehungsweise
■ Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation wurde der Beitritt abgelehnt.
und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung –
September 2021 – mit Begleitbeschluss Trotz dieser verhältnismäßig geringen Anzahl von formalen
■ Fachbereich Öffentliche und private Dienstleis- Verfahren und der Beschlussfassung im letzten Bundes-
tungen, Sozialversicherung und Verkehr – Juni 2021 – kongress gab es nach wie vor verstärkt Anfragen zum
mit Begleitbeschluss Ablauf und zu den Voraussetzungen eines Ausschlussver-
■ Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung fahrens, gerade auch in Bezug auf Äußerungen bezie-
und Wissenschaft – Juni 2021 – mit Begleitbeschluss hungsweise Handlungen von Mitgliedern, die gemeinhin
als fremdenfeindlich beziehungsweise rassistisch bewertet
Auch bei den Fachbereichsstatuten erfolgte seitens des werden können. Im Ergebnis kann – wie bereits auch in
Bereichs Organisationspolitik eine intensive Begleitung der Vergangenheit – bei Nachweis von entsprechenden
der Prozesse, um für die Zukunft einheitlichere Standards, konkreten individuellen Satzungsverstößen gegen das
insbesondere für die Durchführung der Organisations- betreffende Mitglied die Durchführung eines Ausschluss-
wahlen, sicherzustellen. verfahrens beantragt werden.

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7.17
Organisationswahlen 2022/2023
Die Durchführung von Organisationswahlen einschließlich ■ Landesbezirkskonferenzen ab Februar bis März 2023 Die RWVO beinhaltet die wichtigsten Vorschriften für
des Bundeskongresses stellen in ver.di eine wesentliche ■ Bundeskonferenzen der Fachbereiche (zum Teil auch eine ordnungsgemäße Durchführung von Versammlungen
Grundlage für die innergewerkschaftliche Demokratie und Fachgruppen) und der Frauen- und Gleichstellungs- und Konferenzen und ist für diese eine verbindliche
der ehrenamtlichen Steuerungsfunktion dar. Daran hat politik sowie Gruppen von März bis Mai 2023 Rechtsgrundlage. Die RWVO wurde mit Beschluss des
sich in den vergangenen vier Jahren nichts geändert, auch ■ der Bundeskongress im September 2023. Gewerkschaftsrates vom 13./14. September 2021 ange-
wenn die Anzahl der tatsächlich durchgeführten Konferen- passt beziehungsweise ergänzt, ebenso die Kommentie-
zen und Mitgliederversammlungen immer noch deutlich rung dazu.
unter den von der Matrixstruktur gegebenen Möglich-
Formale Grundlagen
keiten liegt. Auch konnten nicht alle zur Verfügung Die für die Organisationswahlen einschlägigen Regelungen Alle ver.di-Gliederungen hatten die Möglichkeit, im
stehenden Mandate und Funktionen besetzt werden. sind im Wesentlichen unverändert geblieben, die Fachbe- Intranet auf eine auf Basis der RWVO erstellte Muster-
Dies, obwohl aufgrund der Fachbereichsfusionen die Zahl reichsstatuten wurden jedoch aufgrund der Fachbereichs- wahl- und Geschäftsordnung sowie auf eine Kommen-
der möglichen Konferenzen zurückgegangen ist. fusionen angepasst. tierung der RWVO zurückzugreifen.

Da die Satzung, die Fachbereichsstatuten, die Gruppen- Für die Einladungen im Rahmen der Organisationswahlen
Zeitlicher Ablauf richtlinien und die Rahmenwahl- und Verfahrensordnung gab es die Möglichkeit, die ver.d publik zu einer Veröffent-
Der Gewerkschaftsrat hat in seiner Sitzung vom 1. März (RWVO) nicht für alle organisatorischen und strukturellen lichung der Mitgliederversammlung zu nutzen. Ausrei-
2021 den Zeitplan für die Organisationswahlen 2022/2023 Fragen Detailregelungen enthalten, muss der Gewerk- chend war hierfür die Benennung einer Internetadresse
beschlossen. Die Organisationswahlen erstrecken sich schaftsrat vor den Organisationswahlen zusätzlich satz- in der ver.d publik. Für Mitglieder, die über keinen
ab dem Stichtag 30. September 2021 bis zum Bundes- ungsergänzende Beschlüsse mit verbindlichen Vorgaben Internetzugang verfügten, erfolgte neben der „allge-
kongress im September 2023 über einen Zeitraum von fassen oder Empfehlungen aussprechen. Das waren im meinen Ankündigung“ ein Hinweis auf die Bezirke,
insgesamt zwei Jahren. Wesentlichen Beschlüsse zu über die sämtliche Termine abgefragt werden können.
■ Zeitplanung/Konferenzphasen der Organisations-
Besondere Schwerpunkte sind: wahlen
■ Betriebliche und örtliche Mitgliederversammlungen, ■ Termin, Ort und Dauer des Bundeskongresses
Bezirksfachbereichsversammlungen/-konferenzen ■ Stichtag zur Berechnung von Delegiertenmandaten
einschließlich der Fachbereichsfrauenkonferenzen ■ Antragsschluss/Delegiertenmeldung Bundeskongress
und Fachbereichsjugendkonferenzen, bezirkliche ■ Begrenzung von Konferenzgrößen
Fachgruppenkonferenzen sowie Konferenzen der ■ Schlüssel zur Vertretung der Fachbereiche im
Frauen- und Gleichstellungspolitik und der Gruppen Bezirks- und Landesbezirksvorstand
auf bezirklicher Ebene von Anfang Januar bis Ende ■ Eckpunkte zur Umsetzung der Mindestfrauenquote
Juli 2022 ■ Eckpunkte zum Verfahren bei der Wahl von
■ Bezirkskonferenzen ab August 2022 bis Ende Landesbezirksleitungen
November 2022 ■ Sicherstellung von Jugendmandaten für den
■ Konferenzen der Fachbereiche (zum Teil auch Fach- Bundeskongress
gruppen) und der Frauen- und Gleichstellungspolitik ■ Besondere Mandate der Senior*innen für die
sowie Gruppen auf landesbezirklicher Ebene von Ebenenkonferenzen
Oktober 2022 bis Januar 2023

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Beratung, Arbeitshilfen Antragsrechte und
und Seminare Antragsbearbeitung
Alle ver.di-Gliederungen hatten die Möglichkeit, ihre Mit OpenSlides 4.0 stand nunmehr eine Anwendung
spezifischen Fragen zu den Organisationswahlen zu zur Verfügung, die sowohl in den Organisationswahlen
stellen, um dadurch Rechtssicherheit bei der Durchführung 2022/2023 als auch darüber hinaus, zum Beispiel für
ihrer eigenen Versammlung und Konferenz zu erlangen. die Vorstandarbeit, in der Fläche genutzt werden konnte.
Im Intranet wurden umfangreiche aktualisierte Materialien Für die Organisationswahlen 2022/2023 wurden rund
zur Vorbereitung und Durchführung der Organisations- 7.150 Gremien angelegt, so dass die Organisationswahl-
wahlen zur Verfügung gestellt. Insbesondere wurden matrix bis auf die Bezirksebene – inklusive aller Fach-
Vorlagen für Berichte der Mandatsprüfungskommission, gruppen- und Personengruppenveranstaltungen – in der
Finanzberichte, Stimmzettel und anderes zur Verfügung Grundstruktur hinterlegt wurde.
gestellt. Überarbeitet wurde auch der „Leitfaden
für Konferenzleitungen“, dieser enthält detaillierte Das Erfassen, Bearbeiten, Verwalten, das sichere Weiter-
Hinweise zum Konferenzablauf und zu den Konferenz- leiten von Anträgen und das Erstellen der Antragsmate-
gremien auf Grundlage der Satzung und RWVO. rialien für die Antragskommissionen und die Konferenz-
delegierten erfolgte während der Organisationswahlen
Des Weiteren wurden Informationsveranstaltungen zu 2022/2023 ausschließlich mittels der webbasierten
den Organisationswahlen durchgeführt. Dabei wurde ein Software OpenSlides.
Überblick über die wesentlichen Regularien gegeben und
individuelle Fragen beantwortet. Zur Vorbereitung der Zur Unterstützung der Organisationswahlen fanden neben
Organisationswahlen 2022/2023 wurden auch Infoveran- einer sehr intensiven Betreuung bei Anfragen zur Bearbei-
staltungen ausschließlich für Mitarbeiter*innen im Sekre- tung von Anträgen in OpenSlides ca. 60 digitale Informa-
tariatsdienst konzipiert und durchgeführt. Auch die tionsveranstaltungen zum Thema „Überblick und Nutzung
Informationsveranstaltung zum Thema Konferenzleitung von OpenSlides“ statt.
fand im Jahr 2022 statt.
In diesem Kontext erfuhr auch der „Leitfaden zur Antrags-
beratung und zur Arbeit der Antragskommissionen in
ver.di“ eine Überarbeitung.

Dieser Leitfaden gibt praktische Hinweise für Ehren-


und Hauptamtliche, die im Rahmen von Konferenzen
oder des Bundeskongresses mit der Antragstellung und
Antragsberatung befasst sind.

VER.DI WEITER ENTWICKELN 91


Bildnachweise Geschäftsbericht

Florian Boillot (43), Stefan Boness/Ipon (40, 45, 64, 86),


Dennis Dacke (65), dpa – picture alliance (7, 11, 19, 74),
Kay Herschelmann (6, 33, 35, 46, 57, 71), Thomas Hoy
(69), Christian Jungeblodt (22, 28, 37, 39, 51, 61),
Dave Kittel (14, 77), Renate Koßmann (31), Stefanie
Loos (38), Daniel Nide (72), Christian v. Polentz (25, 82),
SZ Photo/Jannis Große (76), Hubert Thiermeyer (29),
ver.di (4, 9, 48, 49, 56, 80, 88), Andi Weiland/gesell-
schaftsbilder.de (53)

Impressum: ver.di-Bundesverwaltung, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin


Verantwortlich: Frank Werneke, Martina Rößmann-Wolf
Bearbeitung: Sigrun Rauch, Harm-Berend Wiegmann
Gestaltung: Hansen Kommunikation, Köln
Satz: VH7 Medienküche GmbH, Stuttgart, www.vh7.de

92
6. Bundeskongress
Estrel Berlin
17.–22. September 2023

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