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Demokratietheorie

Theorien der Demokratie werden seit der griechischen Antike in verschiedener Form und Absicht
entwickelt und dienen sowohl der Beschreibung als auch der Beurteilung demokratischer (und
nichtdemokratischer) politischer Ordnungen. Demokratietheorien werden vor allem in der Politischen
Theorie und Ideengeschichte innerhalb der Politikwissenschaft untersucht.

Theorien bestehen aus Begriffssystemen, Definitionen und überprüfbaren Aussagen, die der Beschreibung,
Erklärung und gegebenenfalls auch Vorhersage der Realität dienen. Empirisch-analytische
Demokratietheorien wollen das Entstehen und Bestehen von Demokratie erklären, während deskriptive
Theorien sich auf eine wertneutrale Beschreibung des Ist-Zustandes beschränken. Normative
Demokratietheorien haben darüber hinaus den Anspruch, bestehende Strukturen zu bewerten und einen Soll-
Zustand zu beschreiben.

Inhaltsverzeichnis
Begriffsklärung Demokratie
Geschichte
Der vormoderne Demokratiebegriff
Begriffsaufwertung im Gefolge der Aufklärung und der Französischen Revolution
Kategorisierung von Demokratietheorien: „empirisch“ vs. „normativ“
Empirische Demokratietheorien
Normative Demokratietheorien
Sozialwahltheorie
Demokratietheorie auf internationaler Ebene
Transkulturelle Demokratietheorie
Zur Legitimation
Wichtige Denker der Demokratietheorie
Siehe auch
Literatur
Aufsätze
Überblickswerke
Beiträge wichtiger Demokratietheoretiker
Weblinks
Einzelnachweise

Begriffsklärung Demokratie
Den wesentlichen Gehalt von Demokratie ergibt ein begriffsgeschichtlicher Rückblick. Das Wort wurde
bereits in der griechischen Antike geprägt und kommt von Demos (= Volk, Volksmasse, Vollbürgerschaft)
und kratein (= herrschen, Macht ausüben). Beides zusammen ergibt etwa Volksherrschaft oder Herrschaft
der Vielen, bedeutet also Machtausübung durch den demos. Mit Volk ist dabei das Staatsvolk gemeint, nicht
eine ethnische Zugehörigkeit.

Eine solche Herrschaft ist mit Lincolns berühmter Gettysburg-Formel von 1863 beschrieben: „government
of the people, by the people, for the people.“ Als legitim erachtete demokratische Herrschaft geht also vom
Staatsvolke aus (of), wird durch dieses (direkt oder indirekt) ausgeübt (by) und soll dem Anspruch nach im
Interesse und somit zum Nutzen dieses 'demos' sein (for).

Die meisten Definitionsversuche stellen jeweils einen der vielen Aspekte von Demokratie in den
Mittelpunkt: Volkssouveränität, Gleichheit, Partizipation, Mehrheitsherrschaft, Toleranz, Herrschafts‐
kontrolle, Grundrechte, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Wahlen, Pluralismus u. v. a.

Geschichte

Der vormoderne Demokratiebegriff

Die Begründung der Demokratie war eine Errungenschaft der griechischen Antike, die attische Demokratie
war die erste auf die Breite der Bevölkerung gestützte Staatsform. Eine systematische Theorie der
Volksherrschaft oder der Volkssouveränität brachte man in Athen jedoch trotzdem nicht hervor, wenngleich
die literarischen und künstlerischen Werke Platons, Aristoteles’, Thukydides’ oder auch Aischylos’ – wie
auch inschriftliche Zeugnisse – durchaus beweisen, dass man sich der Besonderheit und der
Funktionsprinzipien der eigenen Herrschaftsform bewusst war.

Bis zur Französischen Revolution war Demokratie allerdings


lediglich Beispiel einer möglichen Staatsform. Der Begründer Staatsformenschema
nach Aristoteles (Pol. III, 6-8)
der politischen Philosophie, Platon, beschreibt in seiner Politeia
die gemäßigte Aristokratie und die konstitutionelle Monarchie Anzahl der
Gemeinwohl Eigennutz
als beste Staatsform und setzt an zweiter Stelle die Nomokratie Herrscher
(Herrschaft der Gesetze). Die Demokratie seiner Zeit lehnt er ab, Einer Monarchie Tyrannis
da sie nicht dem menschlichen Wesen entspreche und voll von
Einige Aristokratie Oligarchie
Unordnung sei.
Alle Politie Demokratie
Auch sein Schüler Aristoteles rechnet in seiner „Politik“ die
Demokratie in seiner Sechser-Typologie zu den drei entarteten Staatsformen. Er unterscheidet in dieser, wie
viele Personen herrschen und ob gut (d. h. der Natur der Herrschaft gemäß) regiert wird. Die guten
Staatsverfassungen haben dabei das Wohl aller im Auge (Monarchie – Alleinherrschaft, Aristokratie –
Herrschaft der Besten, Politie – Herrschaft der vernünftigen Gesellschaftsmitglieder), die entarteten
dagegen nur ihren Eigennutz (Tyrannis, Oligarchie, Demokratie). Diese Einordnung diente über nahezu zwei
Jahrtausende als Grundlage für eine ablehnende Haltung in Bezug auf die Idee der Volksherrschaft, wobei
jedoch übersehen wurde, dass die von Aristoteles favorisierte Politie viele Elemente des heutigen, positiven
Verständnisses von Demokratie enthält und sein Denken im Allgemeinen nicht schlicht anti-demokratisch
geprägt war, wie das etwa seine „Summierungstheorie“ zeigt.

Darüber hinaus lieferte Aristoteles eine differenziertere Theorie der Demokratie und ihrer Formen im
Rahmen seiner so genannten zweiten Staatsformenlehre.

Den politischen Denkern der Vormoderne galt die Demokratie, ganz entgegen den Erfahrungen, die man
etwa in Athen gemacht hatte, schlicht als instabile Regierungsform (vgl. etwa bei Thomas Hobbes). Auch
wirkte sich die zentrale Stellung des christlichen Naturrechts im politischen Denken des Mittelalters
zuungunsten demokratischen Gedankenguts aus, da der geordnete weltliche Staat die streng hierarchische
Struktur der göttlichen Weltordnung nachzuahmen hatte (so etwa bei Thomas von Aquin).

Begriffsaufwertung im Gefolge der Aufklärung und der Französischen


Revolution

Vor, während und nach der Französischen Revolution stieg der Grad der Alphabetisierung bedeutend, so
dass die seit dem 17. Jahrhundert in Intellektuellenkreisen diskutierten liberalen und demokratischen Ideen
von breiten Bevölkerungskreisen rezipiert werden konnten. Neben dem Entstehen der ersten politischen
Ideologien der neuen politisch-sozialen Bewegungen führte dies auch zu einer positiveren Bewertung von
Demokratie. Demokratie war nun nicht mehr bloße Staatsform, sondern drückte auch das Verlangen nach
bürgerlich-liberaler Autonomie und Mitbestimmung, sowie zunehmend auch nach sozialer Gleichheit aus.
Die Forderung nach politischer Gleichheit konzentrierte sich insbesondere auf das Wahlrecht. Von der
Antike bis ins frühe 20. Jahrhundert zählte nur ein kleiner Teil der männlichen Bevölkerung zum
stimmberechtigten demos. Frauen, Sklaven, Menschen ohne eigenen Grundbesitz oder auch Fremde (z. B.
auch Aristoteles in der Athener Polis) durften, damals ganz „selbstverständlich“, nicht mit abstimmen. Eine
der wichtigsten Theorien über Herrschaft, Gewaltenteilung und Bürger-, Staats- und Völkerrecht legte der
Aufklärer Montesquieu vor. Seine Arbeiten gelten als eine der Grundlagen späterer Demokratietheorien.

Kategorisierung von Demokratietheorien: „empirisch“ vs.


„normativ“
Empirische Theorien wollen zeigen, was Demokratie ist, normative Theorien, was Demokratie sein soll. Mit
einer solchen Unterscheidung werden meist noch weitere Zuschreibungen verbunden.

Empirische Demokratietheorien haben danach meist einen schwachen Demokratiebegriff, treten für das
Prinzip der Repräsentation und eher geringe Beteiligung der Bürger ein. Sie haben zudem häufig eine
pluralistische Gesellschaftsauffassung.

Normative Theorien hingegen proklamieren einen anspruchsvollen, starken Demokratiebegriff („starke


Demokratie“, Benjamin Barber) und greifen eher auf Formen starker, direkter Bürgerbeteiligung zurück.
Gesellschaft wird zumindest in einigen dieser Theorien als „identitär“ im Sinne des Kommunitarismus, als
demokratische Wertegemeinschaft aufgefasst.

Diese Trennung gilt keineswegs absolut, normative Theorien entstehen selbstverständlich aus tatsächlicher
Erfahrung und enthalten empirische „Stützpfeiler“, empirische Theorien enthalten trotz meist
entgegengesetzter Rhetorik normative Grundannahmen. Zu analytischen Zwecken ist die Unterscheidung
aber dennoch sinnvoll.

Empirische Demokratietheorien

Beispiele für empirische Demokratietheorien umfassen mit den Federalist Papers und den Betrachtungen
Alexis de Tocquevilles zunächst Konzeptionen, die in Auseinandersetzung mit dem realen System der
jungen USA entstanden. Sie sind demnach auch eher praxisorientiert und haben im ersten Fall
journalistische, im zweiten Fall durchaus literarische Ausprägung.

Eine weitere Kategorie bilden minimalistische Theorien oder Elitentheorien, wie sie zunächst von Max
Weber und Joseph Schumpeter, später ökonomisch ausgearbeitet von Anthony Downs in seinem Werk „An
Economic Theory of Democracy“ oder neueren Datums von Adam Przeworski vorliegen. Die einzige
Möglichkeit demokratischer Teilhabe, der einzige "demokratische Vorgang" besteht hier in der Wahl der
Führung.

Weitere empirische Demokratietheorien firmieren unter dem breiten Label Pluralismus, so etwa die
Auffassungen von Ernst Fraenkel oder auch Robert Dahl (Polyarchie). Dort wird in erster Linie die
Konkurrenz zahlreicher ("pluraler") gesellschaftlicher Interessen um politischen Einfluss thematisiert.

Schließlich finden sich auch unter systemtheoretischer Perspektive demokratietheoretische Überlegungen.


Hier ist in erster Linie der Name Niklas Luhmanns zu nennen, der Demokratie zumindest dem Anspruch
nach von jeglicher Normativität entkleidet und so im Rahmen seiner universalen Theorie sozialer Systeme
eine "utopieferne", wirklich empirische Demokratietheorie zu schaffen sucht.

Normative Demokratietheorien

siehe: Legitimation

Ein wichtiger Grundgedanke der Demokratie findet sich im 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung:
Die Ordnung der politischen Gemeinschaft soll sich auf die Gleichberechtigung ihrer Mitglieder gründen.
Daher muss jeder Bürger mit seiner Stimme an den politischen und rechtlichen Entscheidungen dieser
Gemeinschaft teilhaben (one man one vote). Auf diesem Wege sollen alle in einem freien Wettbewerb der
Überzeugungen auch über die Fragen des Rechts und der Gerechtigkeit mitbestimmen. Diesem Leitbild der
Demokratie entspricht im Wesentlichen auch Rousseaus Konzeption der Volkssouveränität und der 'Volonté
Générale' (identitäre Demokratietheorie). Auf ihn gehen viele der nachfolgenden Demokratietheorien
zurück.

Der moderne Theoretiker, der sich wohl am direktesten auf den Vordenker der Aufklärung Rousseau beruft,
ist der Amerikaner Benjamin Barber mit seinem Konzept der „starken Demokratie“. Neben der
theoretischen Rechtfertigung direkter Demokratie und „demokratischer Wertegemeinschaft“ macht Barber
konkrete Vorschläge, wie seine Theorie in die Praxis umgesetzt werden könnte.

Eine andere starke Strömung bildet die deliberative Demokratie, die in Deutschland besonders von dem
Philosophen Jürgen Habermas angeschoben wurde. Ihr geht es darum, politische Entscheidungen an
öffentliche Meinungen anzubinden, die durch rationale Diskussion ("Deliberation") zustande gekommen
sind. Habermas hat zahlreiche Nachahmer und Weiterer gefunden, in Deutschland etwa Rainer Schmalz-
Bruns („Reflexive Demokratie“).

Außerdem existieren in diesem Sektor auch feministische Demokratietheorien, die von einer
vorherrschenden sozialen und wirtschaftlichen Benachteiligung von Frauen ausgehen und die
Demokratisierung immer weiterer gesellschaftlicher Sphären fordern, etwa der Arbeitswelt und nicht zuletzt
der Privatsphäre. Wichtige Vertreterinnen sind Anne Phillips oder Iris Marion Young.

Sozialwahltheorie
Für die theoretische Analyse demokratisch verfasster Gesellschaften haben modelltheoretische
Untersuchungen eine zunehmende Bedeutung gewonnen. Dabei wird ein theoretisches Modell des
politischen Prozesses entworfen, in dem verschiedene Annahmen gemacht werden:

zu den von der Verfassung vorgegebenen Institutionen und Normen (Regierung, Parlament,
Wahlrecht etc.),
zu den verschiedenen Arten von Akteuren (Wähler, Parteien, Berufspolitiker etc.),
zum Verhalten der Akteure (die Wähler wählen diejenige Partei, deren Programm ihren
wirtschaftlichen Interessen am besten entspricht, die Parteien wollen die Wahlen gewinnen,
die Politiker wollen Regierungsämter erlangen etc.).

Hinzu kommen weitere Annahmen z. B. über Informations- und Entscheidungskosten.

Aus diesen hypothetischen Annahmen lassen sich nun bestimmte Resultate ableiten. So hat Downs aus
seinem Modell abgeleitet, dass sich bei der Konkurrenz um eine regierungsfähige Mehrheit zwei große
Parteien oder politische Lager herausbilden, die sich in ihrer Programmatik in Richtung auf den „mittleren“
(medianen) Wähler annähern (siehe Medianwählertheorem).

Modelltheoretische Untersuchungen gibt es auch auf dem Gebiet der Koalitionsbildung. Hier spielt der
Condorcet-Sieger eine wichtige Rolle, die sich bei rationalem Verhalten aller Beteiligten immer durchsetzt.

Modelltheorien können – wie bei Downs – zur Erklärung von empirisch festgestellten Eigenschaften
demokratischer Systeme dienen. Sie können jedoch auch eine normative Verwendung finden. Wenn sich aus
dem Modell wünschenswerte Resultate ergeben – wie z. B. die Durchsetzung der Mehrheitsalternative – ist
das ein Argument, um in der politischen Realität diejenigen Bedingungen herzustellen, die im Modell
angenommen wurden.

Demokratietheorie auf internationaler Ebene


Vertreter, die sich mit Demokratie auf internationaler Ebene beschäftigen, lassen sich schwierig in dieses
Schema einordnen. Auch dort gibt es eher „empirische“ und eher „normative“ Ansätze. Zu ersteren gehört
unter anderen Fritz Scharpf, der im Spannungsfeld zwischen den Polen Utopie und Anpassung (so der Titel
seines demokratietheoretischen Grundlagenwerkes) einen Zwischenweg sucht. Während sich Scharpf stark
auf Demokratie innerhalb der Europäischen Union konzentriert, weitet David Held demokratisches Regieren
weltweit und interkulturell aus, und spricht von einer "kosmopolitischen Demokratie". Mit einem derart
universalistischen Anspruch gehört Held (zusammen mit dem teilweise utopisch argumentierenden Daniele
Archibugi) zu den „normativen“ Vertretern international ausgerichteter Demokratietheorie.

Jens Peter Paul untersuchte in seiner Dissertation (erschienen 2007) die deutsche Entstehungsgeschichte des
Euro und ihre demokratietheoretischen Qualität.[1]

Transkulturelle Demokratietheorie
Die vergleichende Demokratieforschung geht bisher zumeist von einem weltweit vergleichbaren Verständnis
des Demokratiebegriffs aus. So wird in großen Bevölkerungsumfragen, insbesondere im World Values
Survey ein Begriff von Demokratie zugrunde gelegt, der auf das liberale Demokratieverständnis von Robert
Alan Dahl zurückgeht. Innerhalb der transkulturellen politischen Theorie wird die Annahme eines
vergleichbaren Demokratieverständnisses infrage gestellt. Mit Bezug auf empirische Daten aus dem Global-
Barometer-Project, in der die Bedeutung des Demokratiebegriffs in einer offenen Fragestellung abgefragt
wird, argumentieren die Vertreter dieser Forschungsrichtung, dass sich Demokratieverständnisse abhängig
von kulturellen Kontextbedingungen, aber auch von sprachlichen Unterschieden weltweit voneinander
unterscheiden. Sophia Schubert[2] stützt sich beispielsweise mit ihrem Argument auf empirisch nicht
eindeutige Befunde, die sowohl auf eine gewisse Universalität, aber auch auf eine Pluralität und auf eine
Hybridität bei der Bedeutungszuschreibung des Demokratiebegriffs hinweisen. Studien zum
Demokratiebegriff in China[3] belegen ein vom westlichen völlig verschiedenes Verständnis von
Demokratie. Innerhalb von Bevölkerungsumfragen geben 70 % der Bevölkerung an, mit der Demokratie, in
der sie leben, zufrieden zu sein. Laut Freedom House handelt es sich bei China allerdings nicht um ein
demokratisches System. Demnach ist es fragwürdig, den Demokratiebegriff in der vergleichenden
Forschung als universal vorauszusetzen. Um die Universalismus-Problematik methodisch zu relativieren,
schlagen die Autoren[4][5] der transkulturellen Demokratieforschung vor, qualitative Methoden in das
Forschungsdesign der vergleichenden Forschung zu integrieren. Auf diese Weise werde der lokale Kontext
und die Bedeutungsunterschiede in den verschiedenen Sprachen mit berücksichtigt.

Zur Legitimation
Vittorio Hösle weist darauf hin, dass die Legitimation eines Verfassungsstaates außerhalb, gewissermaßen
vor seiner eigenen Reichweite liegt. „Jedes Staatsrecht setzt eine Verfassung voraus – die Frage was eine
Verfassung legitimiert kann es mit seinen Mitteln ebenso wenig beantworten, wie die Mathematik ihre
Axiome mathematisch rechtfertigen kann. […] Dass die Konstituante (= verfassungsgebende
Versammlung), die die Verfassung erarbeitet hat, aus allgemeinen Wahlen hervorgegangen ist, kann ihre
Arbeit vielleicht moralisch rechtfertigen; es kann zu einer sozialen Legitimität ihres Ergebnisses führen;
aber für eine juristische Verfassungsdoktrin ist dieser Sachverhalt irrelevant.“[6] Die Legitimation für die
Existenz eines Staates und seiner jeweiligen Verfassung, zum Beispiel einer demokratischen, kann daher nur
von Seiten der Philosophie kommen.

John David Garcia bringt eines der vielen, auch von der Medienberichterstattung gestärkten,
Missverständnisse über demokratische Herrschaft zum Ausdruck: „Es ist eine grausame Form von
Selbstbetrug zu glauben, dass Entscheidungen, die durch eine große Mehrheit erreicht wurden, automatisch
ethisch und richtig wären.“ Vielmehr gehen moderne Demokratietheorien von einer pluralistischen
Gesellschaft aus, in der die politischen (Mehrheits-)Entscheidungen sich als ein möglicher Kompromiss der
vielen verschiedenen (legitimen) Einzelinteressen ergeben.

Wichtige Denker der Demokratietheorie


Antike: Herodot – Platon – Aristoteles – Cicero
Mittelalter und frühe Neuzeit: Aurelius Augustinus – Thomas von Aquin – Marsilius von Padua
– Giovanni Pico della Mirandola – Niccolò Machiavelli – John Locke
Moderne: Charles de Montesquieu – Jean-Jacques Rousseau – Alexander Hamilton – James
Madison – John Jay – Alexis de Tocqueville – John Stuart Mill – Abraham Lincoln
Gegenwart: Max Weber – Hans Kelsen – Joseph Schumpeter – Karl Raimund Popper –
Giovanni Sartori – Harold Laski – Ernst Fraenkel, Hannah Arendt – Ralf Dahrendorf – Anthony
Downs – Mancur Olson – John Rawls – Niklas Luhmann – Jürgen Habermas – Ingeborg Maus
– Claus Offe – Fritz Scharpf – Benjamin Barber – Iris Marion Young – Johannes Heinrichs –
Robert Alan Dahl

Siehe auch
Basisdemokratie
Legitimation (Politikwissenschaft)
partizipatorische Demokratie
repräsentative Demokratie

Literatur
Oliver Flügel, Reinhard Heil, Andreas Hetzel (Hrsg.): Die Rückkehr des Politischen.
Demokratietheorien heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, Darmstadt 2004,
ISBN 3-534-17435-6.
Aufsätze
Hubertus Buchstein, Dirk Jörke: Das Unbehagen an der Demokratietheorie. In: Leviathan
4/2003, S. 470–495.
Franz Thedieck: Demokratietheorien und Grundgesetz. In: Juristische Arbeitsblätter 12/1991,
S. 345–351.

Überblickswerke
Peter Massing, Gotthard Breit (Hrsg.): Demokratietheorien. Von der Antike bis zur Gegenwart.
Texte und Interpretationen. 8. Auflage, Bonn 2011. (Sehr Übersichtlich. Knappe
Textausschnitte mit ebenso knappen, aber treffenden Kommentaren), ISBN 978-3-89974-640-
2.
Dieter Oberndörfer, Beate Rosenzweig (Hrsg.): Klassische Staatsphilosophie. Texte und
Einführungen. München 2000. (Das Kapitel zu Rousseau enthält die wichtigsten Textauszüge
mit knapper Einleitung.)
Giovanni Sartori: Demokratietheorie. 3. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Darmstadt 2006, ISBN 978-3-534-19609-8. (Standardwerk, Diskussion der zentralen
Probleme im Feld Demokratie und Demokratietheorie)
Richard Saage: Demokratietheorien. Historischer Prozess – Theoretische Entwicklung –
Soziotechnische Bedingungen. Eine Einführung. Mit einem einleitenden Essay von Walter
Euchner: Zur Notwendigkeit einer Ideengeschichte der Demokratie. Wiesbaden, 2005, ISBN 3-
531-14722-6.
Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung. 5. Auflage, Wiesbaden 2010, ISBN
978-3-531-17310-8. (Sowohl normativ als auch empirisch angelegtes Lehrbuch)
Francis Cheneval: Demokratietheorien zur Einführung. Hamburg, Junius Verlag, 2015. ISBN
978-3-88506-701-6.

Beiträge wichtiger Demokratietheoretiker


Angela Adams, Willy Paul Adams (Hrsg.): Hamilton, Madison, Jay. Die Federalist-Artikel.
Paderborn 1994. (Die Federalist-Artikel in einem Band mit nützlicher Einleitung)
Benjamin Barber: Starke Demokratie. Über die Teilhabe am Politischen. Hamburg 1994.
Robert Dahl: Democracy and its Critics. New Haven, London 1989. (Klarste
Zusammenfassung seiner demokratietheoretischen Überlegungen)
Anthony Downs: Ökonomische Theorie der Demokratie. Tübingen 1968. (Downs in deutscher
Übersetzung mit instruktiver Einleitung)
Ernst Fraenkel: Deutschland und die westlichen Demokratien. Frankfurt am Main 1991.
(Zahlreiche demokratietheoretisch wegweisende Aufsätze in diesem Sammelband. Um nur
einen zu nennen: „Demokratie und öffentliche Meinung“)
Jürgen Habermas: Faktizität und Geltung. Frankfurt am Main 1998.
Johannes Heinrichs: Revolution der Demokratie. Eine Realutopie. Berlin 2003, 2. Auflage
Sankt Augustin 2014.
David Held: Democracy and the Global Order. From the Modern State to Cosmopolitan
Governance. Cambridge 1995.
Barbara Holland-Cunz: Feministische Demokratietheorie. Opladen 1998. (Grundlegende
Einführung in Positionen der feministischen Demokratietheorie)
Hans Kelsen: Vom Wesen und Wert der Demokratie. 2. Auflage, Tübingen 1929.
Niklas Luhmann: Die Zukunft der Demokratie. In: Soziologische Aufklärung. 4. Opladen 1987.
Ingeborg Maus: Zur Aufklärung der Demokratietheorie. Rechts- und demokratietheoretische
Überlegungen im Anschluß an Kant. Suhrkamp, Frankfurt 1992.
Adam Przeworski: Minimalist Conception of Democracy. A Defense. In: Ian Shapiro, Casiano
Hacker-Cordon (Hrsg.): Democracy’s Value. Cambridge 1999, S. 23–55. (Da Przeworski
bisher kaum ins Deutsche übersetzt wurde und da er in dieser Verteidigung seine Position
sehr präzise zum Ausdruck bringt, ist dieser recht kurze Artikel zu Beginn empfehlenswert.)
Fritz Scharpf: Demokratie in der transnationalen Politik. In: Wolfgang Streeck (Hrsg.):
Internationale Wirtschaft, nationale Demokratie. Frankfurt am Main 1998, S. 151–174.
(Knappe, präzise Wiedergabe der demokratietheoretischen Position Scharpfs)
Rainer Schmalz-Bruns: Reflexive Demokratie. Baden-Baden 1995. (Versucht den Ansatz von
Habermas auf eine etwas praxistauglichere Ebene zu hieven)
Joseph Schumpeter: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. 2. Auflage, München 1950.
(Schumpeter im Original, zur Demokratietheorie insbesondere die Ausführungen auf den
Seiten 397–450)
Alexis de Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika. München 1976. (Neuere Ausgabe in
deutscher Übersetzung, gut zu lesen)
Max Weber: Gesammelte Politische Schriften. 1921. Neuauflage, Tübingen 1988. (Webers
demokratietheoretische Kommentare liegen nicht in konzentrierter Buchform vor.
Empfehlenswert die Aufsätze „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland“
sowie „Wahlrecht und Demokratie in Deutschland“ in diesem Band.)
Iris Marion Young: Das politische Gemeinwesen und die Gruppendifferenz. In: Herta Nagl-
Docekal, Herlinde Pauer-Studer (Hrsg.): Jenseits der Geschlechtermoral. Frankfurt am Main
1993. (Eine der Begründerinnen feministischer Demokratietheorie untersucht den
Zusammenhang zwischen Staatsbürgertum und Gendering.)

Weblinks
Fritz Scharpf: Demokratie in der transnationalen Politik (http://www.mpi-fg-koeln.mpg.de/pu/wo
rkpap/wp96-3/wp96-3.html) MPIfG Working Paper 96/3, November 1996
Henning Ottmann: Liberale, republikanische, deliberative Demokratie (https://link.springer.com/
chapter/10.1007/978-3-531-90763-5_10) in: Werner J. Patzelt, Martin Sebaldt, Uwe
Kranenpohl (Hrsg.): Res publica semper reformanda. Wissenschaft und politische Bildung im
Dienste des Gemeinwohls. VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007, S. 104–113
Marc Scheloske: Traditionen der Rede von der Politikverdrossenheit. Rechte und linke
Varianten der Parlamentarismuskritik im Anschluss an Jean-Jaques Rousseau (http://www.wis
senswerkstatt.net/2007/06/21/traditionen-der-rede-von-der-politikverdrossenheit-rechte-und-lin
ke-varianten-der-parlamentarismuskritik-im-anschluss-an-jean-jaques-rousseau/) 21. Juni
2007
Herbert Dachs: Verschiedene Modelle der Demokratie (http://www.politischebildung.com/pdfs/
28_demomod.pdf) Forum Politische Bildung (Hrsg.): Jugend – Demokratie – Politik.
Informationen zur Politischen Bildung Bd. 28, Innsbruck-Bozen-Wien 2008, S. 22–30

Einzelnachweise
1. Jens Peter Paul (Dissertation, 2007): Bilanz einer gescheiterten Kommunikation. Fallstudien
zur deutschen Entstehungsgeschichte des Euro und ihrer demokratietheoretischen Qualität
[goo.gl/QKVrq Volltext (PDF, 344 S.)]
2. Schubert, Sophia: Inwiefern universal? Zum Demokratiebegriff in der vergleichenden
Demokratieforschung. In: De La Rosa, Sybille / Schubert, Sophia / Zapf, Holger (Hrsg.):
Transkulturelle politische Theorie. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-
05010-8, S. 285–303.
3. Jie Lu, Tianjian Shi: The battle of ideas and discourses before democratic transition: Different
democratic conceptions in authoritarian China. In: International Political Science Review.
Band 36, Nr. 1, 3. Oktober 2014, S. 20–41, doi:10.1177/0192512114551304 (https://doi.org/10.
1177/0192512114551304) (sagepub.com (http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/01925
12114551304) [abgerufen am 18. Januar 2017]).
4. Frederic Charles Schaffer: Thin Descriptions: The Limits of Survey Research on the Meaning
of Democracy. In: Polity. Band 46, Nr. 3, 18. August 2014, ISSN 0032-3497 (https://zdb-katalo
g.de/list.xhtml?t=iss%3D%220032-3497%22&key=cql), S. 303–330, doi:10.1057/pol.2014.14
(https://doi.org/10.1057/pol.2014.14) (springer.com (http://link.springer.com/article/10.1057/pol.
2014.14) [abgerufen am 18. Januar 2017]).
5. Susanne Hoeber Rudolph: The Imperialism of Categories: Situating Knowledge in a
Globalizing World. In: Perspectives on Politics. Band 3, Nr. 1, 1. März 2005, ISSN 1541-0986
(https://zdb-katalog.de/list.xhtml?t=iss%3D%221541-0986%22&key=cql), S. 5–14,
doi:10.1017/S1537592705050024 (https://doi.org/10.1017/S1537592705050024)
(cambridge.org (https://www.cambridge.org/core/journals/perspectives-on-politics/article/the-im
perialism-of-categories-situating-knowledge-in-a-globalizing-world/01F221D8190B79A563D4E
132A1DC2E1F) [abgerufen am 18. Januar 2017]).
6. Vittorio Hösle: Moral und Politik, C.H. Beck, S. 639.

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Diese Seite wurde zuletzt am 25. Mai 2020 um 14:52 Uhr bearbeitet.

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