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Verfasser
Dominik Ender
Innsbruck, 2014
Eigene Darstellung
2
„Wir hatten Wind gesät, jetzt mußten wir Sturm ernten.“1
[Joachim Wieder, Offizier in Stalingrad]
1
Joachim Wieder/Heinrich Graf von Einsiedel, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, München 1993 2,
S. 141.
3
Inhaltsverzeichnis
Teil I
Einleitung …………………………………………………………………………………….. 7
5
Teil II
9. Die neue kompetenzorientierte Reifeprüfung im Fach Geschichte und Sozialkunde/
Politische Bildung ……………………………………………………………………… 122
9.1 Der Themenpool ……………………………………………………………….. 123
9.2 Kompetenzbereiche der neuen Matura ………………………………………… 124
9.3 Operatoren und Anforderungsbereiche ………………………………………... 125
6
Teil I
Einleitung
Auf den gleichen Schlachtfeldern, wo bereits 1812 ein Feldherr mit seiner Armee scheiterte,
sollte 130 Jahre später die Streitmacht Adolf Hilters, der als vermeintlich größter Feldherr
aller Zeiten2 tituliert wurde, ihr Verderben finden. „Napoleon ließ sich bei seinem Feldzug
gegen Russland von fehlerhaften strategischen Überlegungen leiten. Für Adolf Hitler dagegen
war die Eroberung von ‚Lebensraum im Osten‘ ein unverzichtbares, weltanschauliches und
daher auch ein politisches und militärisches Ziel.“3 Der deutsche Feldzug im Osten gegen die
Sowjetunion sollte dementsprechend in der nationalsozialistischen Ideologie ein „Kreuzzug
gegen den Bolschewismus“4 werden, wobei für die deutschen Soldaten die Stadt, die Stalins
Namen trug, „‚Stalingrad‘ […], ‚[…] zu einer Art Chiffre‘; aber der Kessel‚ […] ‚erst die
Ouvertüre zu einem entsetzlichen Massensterben‘“5 wurde.
Die deutschen Truppen waren nämlich von Anfang an in der prekären Situation, den
Ostfeldzug mit einer zeitlich befristeten Kraftanstrengung führen zu müssen, denn „[b]ei
jeder Abweichung vom Kriegsplan und seinen optimistischen Annahmen drohte ein Dilemma,
über das – entgegen bisheriger Generalstabstradition – niemand weiter nachdenken wollte.“6
Für das, was jedoch in Stalingrad geschah, gibt es „[i]n der Geschichte der Kriege und der
Kriegskunst […] kein einziges Beispiel […].“7
Die Arbeit besteht im Wesentlichen aus zwei Abschnitten. Im ersten Teil wird der Fokus
sowohl auf die militärhistorischen Aspekte als auch auf die Charakterisierung des deutschen
Feldzuges im Osten gelegt, die anfänglichen militärischen Erfolge der Wehrmacht
thematisiert und im Speziellen auf die Lage im Kessel von Stalingrad, sowie Befehle und
Weisungen Adolf Hitlers für die Befehlshaber der Truppen in der Stadt an der Wolga und der
Entsatzoperation näher eingegangen. Dabei ergibt sich die Fragestellung, ob ein Entsatz der
eingeschlossenen deutschen Truppen in Stalingrad unter Miteinbeziehung der Auswirkungen
und Folgen des deutschen Vormarsches 1941 bis 1942 überhaupt möglich gewesen wäre, oder
die militärische Operation schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt war.
2
Gordon Craig/Karl Heinz Silber, Deutsche Geschichte 1866-1945. Vom Norddeutschen Bund bis zum Ende
des Dritten Reiches, München 21980, S. 628.
3
Rafael Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, München 22004, S. 250.
4
Alexander Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, Folgen, Berlin 2007, S. 118.
5
Bernd Wegner, zit. in Edgar Hasse, Der letzte Brief aus Stalingrad, Die Welt Online, 26.01.2003,
[http://www.welt.de/print-wams/article118182/Der-letzte-Brief-aus-Stalingrad.html], eingesehen 20.02.2014.
6
Rolf-Dieter Müller, Der letzte deutsche Krieg 1939-1945, Stuttgart 2005, S. 90.
7
Anatolij G. Chor’kov, Die sowjetische Gegenoffensive bei Stalingrad, in: Stalingrad Ereignis - Wirkung -
Symbol, hrsg. v. Jürgen Förster, München 19932, S. 55-76, hier S. 60.
7
Der zweite Abschnitt thematisiert die Frage nach der fachdidaktischen Tauglichkeit von
Feldpostbriefen aus dem Kessel von Stalingrad für die neue standardisierte,
kompetenzorientierte Reifeprüfung im Fach Geschichte, Sozialkunde/Politische Bildung.
Mittels Auswertung von Originalquellen in Form vom Funksprüchen, Weisungen und
Befehlen aus dem deutschen Feldzug gegen die Sowjetunion, angefordert und erhalten aus
dem Deutschen Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg, sowie der Fachliteratur, erschließen sich
in dieser Arbeit Erkenntnisse, die die vermeintlichen militärischen Absichten der Militärs als
auch die ideologischen Weisungen und Befehle Adolf Hitlers und seiner Generalität
wiedergeben. Wenn im Folgenden allgemein von deutschen Soldaten die Rede ist, werden
sowohl die Soldaten der Wehrmacht und Schutzstaffel (SS) als auch die mit dem Deutschen
Reich verbündeten Länder und ihren gestellten Truppenkontingenten angesprochen.
8
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118.
9
Janusz Piekalkiewicz, Stalingrad: Anatomie einer Schlacht, München 1977, S. 457.
10
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118.
11
Jost Dülffer, Jalta, 4. Februar 1945. Der Zweite Weltkrieg und die Entstehung einer Bipolaren Welt (20 Tage
im 20. Jahrhundert), München 1998, S. 88.
8
Waffengang werde in einem ‚Blitzkrieg‘ noch vor Einbruch des Winters den ‚russischen
Bären‘ in die Knie zwingen.“12
Im Vergleich zur Wehrmacht hatte die Rote Armee beim Beginn von „Barbarossa“ 80% der
Truppen einsatzbereit13, und wies beim deutschen Angriff ein Kontingent von 5 Millionen
Soldaten, 20.000 Panzern, 11.000 Flugzeugen14 und 35.000 Geschützen15 auf. Das russische
Heer war in fünf „Fronten“ unterteilt, wobei eine Front kräftemäßig mit einer deutschen
Heeresgruppe gleichzusetzen war. Jedoch waren im sowjetischen Aufmarschplan keine
konkreten Offensivaktionen der eigenen Truppen festgesetzt16 und im Juni 1941 nur ein Teil
der russischen Kräfte an den Grenzen zu Deutschland stationiert.17
Die Wehrmacht hingegen war an der Ostfront in drei große Verbände gegliedert. Der Auftrag
der Heeresgruppe Nord war es, nach Nordosten in Richtung Leningrad anzugreifen. Die
Heeresgruppe Mitte sollte auf die russische Hauptstadt Moskau vorstoßen und die Ziele der
Heeresgruppe Süd waren die Ukraine und die Krim, um „[…] dabei die wichtigen Kohle- und
Erzlagerstätten im Donezkbecken, die Ölquellen im Kaukasus und den ‚Brotkorb der
Sowjetunion‘ […]“18 zu erobern.19
12
Torsten Diedrich, Paulus. Das Trauma von Stalingrad. Eine Biographie, Paderborn u.a. 2008, S. 180.
13
Raymond Cartier, Der Zweite Weltkrieg, Bd. 1, München 1967, S. 300.
14
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118.
15
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 255.
16
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 300.
17
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 118.
18
Ebd., S. 118.
19
Ebd., S. 118-119.
20
Wolfram Wette, Die Propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni
1941, in: Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion „Unternehmen Barbarossa“ 1941, hrsg. v. Gerd
Ueberschär/Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1991, S. 45-67, hier S. 51.
21
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 308.
22
Wette, Die Propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall, S. 51.
23
Proklamation des Führers an das Deutsche Volk und die Note des Auswärtigen Amtes an die Sowjetregierung
nebst Anlagen, o.D., o.O., S. 13, [https://archive.org/details/ProklamationDesFhrersAnDasDeutscheVolkUnd
NoteDesAuswrtigenAmtes], eingesehen 12.04.2014.
9
Die Sowjetunion und die Bevölkerung des Deutschen Reichs waren auf den deutschen
Vormarsch nicht vorbereitet. Die Rechtfertigung für den eigentlichen Angriffskrieg gegen
Russland wurde unter der Propagandaformel eines Präventivkrieges deklariert. Die
Ummünzung erfolgte mit der Verbreitung der Meldung, dass russische Kräfte entgegen den
Vereinbarungen des Hitler-Stalin Paktes, in großer Zahl an der deutsch-russischen Grenze
aufmarschiert waren und Deutschland mit einem gerechtfertigten Verteidigungskrieg einem
sowjetischen Angriff zuvor gekommen wäre.24
Erst drei Stunden nach dem Überfall erfolgte eine „offizielle“ Kriegserklärung durch den
Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop an die Sowjetunion. Die offizielle Note des
deutschen Auswärtigen Amtes an die sowjetische Führung lautete25:
„Entgegen allen von ihr übernommenen Verpflichtungen und im krassen Gegensatz zu
ihrer feierlichen Erklärungen hat die Sowjetregierung sich gegen Deutschland
gewandt [und ist] mit ihren gesamten Streitkräften an der deutschen Grenze
sprungbereit aufmarschiert. Damit hat die Sowjetregierung die Verträge und
Vereinbarungen mit Deutschland verraten und gebrochen.“26
Stalin ließ sein Volk zwölf Tage im Ungewissen. Erst am 3. Juli zeigte der russische Diktator
eine erste Reaktion auf den deutschen Angriff und rief um 6 Uhr 30 in einer Radioansprache
sein Volk zum Widerstand gegen die Angreifer auf.27 Die russische Propaganda münzte das
Geschichtsbild des gegen Napoleon 1812 geschlagenen s.g. „Vaterländischen Krieges“, jetzt
auf Deutschland, und den nun lautenden „Großen Vaterländischen Krieg“, um.28
Mit Fanfarenklängen untermalt, ertönten die ersten Sondermeldungen zur Lage und zum
Angriff auf die Sowjetunion aus dem deutschen Rundfunk: „Das Oberkommando der
Wehrmacht gibt bekannt: Zur Abwehr der drohenden Gefahr aus dem Osten ist die deutsche
Wehrmacht am 22. Juni, 3 Uhr früh, mitten in den gewaltigen Aufmarsch der feindliche Kräfte
hineingestoßen.“29
24
Wette, Die Propagandistische Begleitmusik zum deutschen Überfall, S. 50-51.
25
Ebd., S. 51.
26
Proklamation des Führers an das Deutsche Volk und die Note des Auswärtigen Amtes an die Sowjetregierung
nebst Anlagen, o.D., o.O., S. 30, [https://archive.org/details/ProklamationDesFhrersAnDasDeutscheVolkUnd
NoteDesAuswrtigenAmtes], eingesehen 12.04.2014.
27
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 308.
28
Karl-Volker Neugebauer, Größenwahn und Untergang. Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, in: Grundkurs
deutsche Militärgeschichte, Bd. 2, Das Zeitalter der Weltkriege. Völker in Waffen, hrsg. v. Karl-Volker
Neugebauer, München 2007, S. 296-438, hier S. 383.
29
Bernt Engelmann, Bis alles in Scherben fällt. Wie wir die Nazizeit erlebten 1939-1945, Köln 1983, S. 198.
10
s.g. „Operationsgebieten“ der Ostfront.30 Die deutsche Führung kam gemäß ihrer Ideologie zu
dem Schluss, „[a]uch wenn der Feldzug von kurzer Dauer sein würde, wäre es besser, […]
die Umsetzung der ideologischen Ziele nicht auf die Zeit nach Beendigung der
Kampfhandlungen zu verschieben.“31 Dem deutschen Heer wurde nun vorgegeben, wie der
Krieg gegen die Sowjetunion im Allgemeinen wie im Speziellen, im Hinterland zu führen
sei.32
Die deutschen Generäle wussten, dass die Versorgungsgüter bei einer Verlängerung der
geplanten Einsatzdauer des Ostfeldzuges nicht mehr für die Truppe bereitgestellt werden
konnten. Auf Grund dessen sollten die Rohstoffe und Ressourcen aus den eroberten Ländern,
ohne das Schicksal der dort ansässigen Bevölkerung in Betracht zu ziehen, für die eigene
Kriegswirtschaft dienen.33
Bereits vor Beginn des Ostfeldzuges, im Jänner 1941, plante die deutsche Führung,
Kriegsgefangene, die aus den von der Sowjetunion selbst unterdrückten und besetzten
Gebieten wie bspw. der Ukraine stammten, als Arbeitskräfte in der Kriegswirtschaft, auch
unter Zwang, einzusetzen und nach dem erwarteten „Blitzkriegsieg“ wieder zu entlassen.
Dadurch sollte die Unterstützung der Bevölkerung für die Besatzer und gleichzeitig eine
Entlastung der eigenen deutschen Kräfte erreicht werden. Der deutsche Vormarsch besaß
jedoch oberste Priorität, selbst wenn die für den Arbeitseinsatz benötigten Kriegsgefangenen
an Krankheiten und Erschöpfung starben.34
Mit der Begründung einen Weltanschauungskrieg zu führen, wurde der völkerrechtswidrige
Umgang mit Kriegsgefangenen vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) gerechtfertigt.35
Denn der „[d]er Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der
Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völkischen Idee […]“36 Neben der
militärstrategischen Komponente des Feldzuges lagen der Eroberung des europäischen Teils
der Sowjetunion, der den Deutschen später als s.g. „Lebensraum im Osten“ dienen sollte,
nationalsozialistische-rasseideologische Parameter zu Grunde.37„Anders als die militärischen
Operationen im Westen war der Ostfeldzug, vom Oberkommando ‚Barbarossa‘ genannt, von
Anfang an als ideologischer Weltanschauungs- und rassenbiologischer Vernichtungskrieg
30
Müller, Der letzte deutsche Krieg, S. 91.
31
Ebd., S. 91.
32
Ebd., S. 91.
33
Ebd., S. 90.
34
Ebd., S. 94.
35
Ebd., S. 94.
36
Tagesbefehl zum Verhalten der Truppe im Ostraum, 10.10.1941. BArch, RH 20-6/493, fol. 169.
37
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117.
11
konzipiert.“38 Mit dem Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtbarkeit im Bereich
„Barbarossa“ vom 13. Mai 194139 waren die deutschen Soldaten von allen Unterwerfungen
unter Völkerrechtsnormen und Kriegsordnungen befreit. Jegliche Willkürhandlungen und
Kriegsverbrechen gegen die sowjetische Bevölkerung waren den deutschen Soldaten damit
erlaubt und ein verschärftes Vorgehen gegen russische Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden
und Kriegsgefangene wurde von den deutschen Landsern sogar gefordert.40 „Das
entscheidende Ziel Hitlers und der Wehrmachtsführung war, die nationalsozialistische
Weltanschauung der Landser zu festigen und durch die Autorität des Führers eventuell
bestehende ethnische Hemmungen abzubauen.“41
Der zusätzlich zum Erlass der Gerichtsbarkeit verordnete „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni
1941, mit der per Weisung alle gefangen genommenen politischen Kommissare der
Sowjettruppen „[…] unmittelbar mit der Waffe zu erledigen“42 seien, animierte die deutschen
Soldaten zum bewussten Mord, und stiftete so auch die Wehrmacht zur Durchführung von
Kriegsverbrechen ohne Repressalien an.43
Die Heeresführung gewährte der SS Eigenständigkeit im Operationsgebiet und „[…]
vertraute darauf, durch eine Arbeitsteilung mit Himmler die ‚Schmutzarbeit‘ vor allem von
der SS durchführen zu lassen […].“44 Mit dem Beginn des Feldzuges gegen Russland weitete
sich der Terror gegen Juden und die sowjetische Führungsschicht durch die vom Reichsführer
SS, Oberbefehlshaber Heinrich Himmler, bereitgestellten „Einsatzgruppen“ im Osten aus. 45
Zu den Einsatzgruppen zählten neben der Sicherheitspolizei und dem Sicherheitsdienst (SD)
auch speziell formierte Gruppierungen von Waffen-SS und Ordnungspolizei, die den
Höheren SS- und Polizeiführern (HSSPF) unterstellt waren, die die Aufträge zum bewussten
Mord gaben und die Terrormaschinerie steuerten.46
Angehörige des deutschen Heeres „[…] beteiligten sich an den Mordtaten gegen die
Zivilbevölkerung, sicherten die Erschießungsstätten ab, brannten ganze Dörfer nieder,
raubten den Bauern Lebensmittel, vergewaltigten Frauen und fotografierten zuhauf die
38
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117.
39
Erlass über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet "Barbarossa", 13.5.1941. BArch, RW 4/v. 577,
Bl. 72.
40
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117.
41
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 252.
42
Richtlinien über die Behandlung politischer Kommissare, 6.6.1941. BArch, RW 4/578, Bl. 42.
43
Müller, Der letzte deutsche Krieg, S. 96.
44
Ebd., S. 96.
45
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 117.
46
Michael Wildt, Krieg und Besatzung in Ost- und Westeuropa, in: Informationen zur politischen Bildung
(3/2012), Heft 316, S. 16-32, hier S. 28.
12
Hinrichtungen angeblicher Partisanen.“47 Allein über 500.000 Menschen jüdischen Glaubens
fielen bis April 1942 in den von der Wehrmacht bis dato besetzten Gebieten den SS
Einsatzgruppen A, B, C und D zum Opfer.48 Vom Standpunkt der SS- als auch der
Wehrmachtsführung wurden dadurch überschüssige Verpflegungsteilnehmer und gleichzeitig
das „Sicherheitsproblem“ für die deutschen Truppen im Ostraum beseitigt.49
47
Wildt, Krieg und Besatzung in Ost- und Westeuropa, S. 29.
48
Müller, Der letzte deutsche Krieg, S. 97.
49
Wildt, Krieg und Besatzung in Ost- und Westeuropa, S. 29.
50
Peter Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, München 21974, S. 86.
51
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120.
52
Dülffer, Der Zweite Weltkrieg und die Entstehung einer Bipolaren Welt, S. 87.
53
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 302.
54
Richard Evans, Das Dritte Reich, Bd. 3: Krieg, München 2009, S. 230-231.
55
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120.
56
Evans, Das Dritte Reich, S. 230.
57
Rolf-Dieter Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945 (Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte
Bd. 21.), Stuttgart 102011, S. 115.
58
Evans, Das Dritte Reich, S. 231.
13
Truppen der Wehrmacht rückten täglich um 80 km vor. Ein taktischer Marschhalt wurde nur
zum Auftanken oder zur endgültigen Zerschlagung der Feindkräfte durchgeführt. 59 Zu diesem
Zeitpunkt waren „[d]ie Ausfälle durch schlechte Straßen und den Staub […] höher als
diejenigen durch Gefechte.“60 Mit einem Marschgepäck von 25 kg und Gewaltmärschen von
30 km pro Tag versuchten die Infanteriedivisionen der Wehrmacht mit den mechanisierten
Verbänden Schritt zu halten. Die russische Landschaft, die die Landser bei ihren Märschen
durchquerten, war durch die vorausgegangenen Gefechte durch tote russische Soldaten,
Tierkadaver und ausgebrannte Panzer gezeichnet.61
62
59
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120.
60
Ebd., S. 120.
61
Ebd., S. 120.
62
Frontverlauf Ostfront 22. Juni 1941- 9. Juli 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/
Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.
14
3000 russische Geschütze und 6000 Panzer waren bis Mitte Juli 1941 in deutsche Hände
gefallen oder im Kampf vernichtet worden. Von den 164 Divisionen der Roten Armee waren
zu diesem Zeitpunkt 89 Divisionen aufgerieben und 600.000 russische Soldaten in deutsche
Kriegsgefangenschaft geraten.63 „Diese deutschen Siege waren jedoch nicht allein das
Ergebnis der Tapferkeit der Soldaten und der Entschlossenheit der militärischen und
politischen Führung. Im Krieg ist man nur so gut, wie der Gegner schlecht ist“64, denn ein
Großteil der russischen Kommandeure reagierte auf den deutschen Angriff panikerfüllt,
überhaupt nicht, oder größtenteils falsch, wodurch die Schlag- und Widerstandskraft der
russischen Verbände in den Anfangswochen stark geschwächt wurde.65
63
Evans, Das Dritte Reich, S. 231.
64
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 255.
65
Ebd., S. 256.
66
Georg Walther Heyer, Die Fahne ist mehr als der Tod. Lieder der Nazizeit, München 1981, S. 123.
67
Jürgen Schebera, „Die Rote Front, schlagt sie zu Brei“: nationalsozialistische Kampflieder – ein kurzer
Überblick, in: Das „Dritte Reich“ und die Musik, hrsg. v. Stiftung Schloss Neuhardenberg, Berlin 2006,
S. 154-161, hier S. 158.
68
Heyer, Lieder der Nazizeit, S. 123.
15
Das Russlandlied sollte eines der letzten Lieder über einen Kriegsschauplatz der deutschen
Truppen werden, da die spätere militärische Lage nur wenige Anlass zu Neukompositionen
gab.69
69
Heyer, Lieder der Nazizeit, S. 123.
70
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 314.
71
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86.
72
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 314.
73
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120.
74
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86-87.
75
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 314.
76
Ebd., S. 315.
16
Auf Grund der schnellen Vorstöße der deutschen Panzertruppen befand sich ein Gros der
Infanteriedivisionen zwischen Minsk und dem Dnjepr. Guderian stand daher vor der
Entscheidung, entweder über den Fluss weiter vorzumarschieren oder aber auf die Infanterie
zu warten, was jedoch eine Verzögerung des Vorstoßes um zwei Wochen nach sich gezogen
hätte. Der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Günther von
Kluge, wollte Guderian an der als zu riskant bewerteten Überschreitung des Dnjepr hindern.
Einerseits drohte bei einem zu schnellen Vorgehen und der eigenen Überschätzung der Kräfte
eine Einkesselung durch russische Truppen, andererseits konnten sich bei einem Ausharren
der Deutschen in der Stellung am Dnjepr die Verbände der Roten Armee währenddessen neu
formieren.77
Guderian, der sich gegen eine Verzögerung aussprach, verweigerte indirekt von Kluges
Befehle, „[…] indem er behauptete, seine Eile entspreche den Absichten des Führers, der den
Krieg in Rußland vor Winteranbruch beendet wissen wolle.“78 Die deutschen Panzertruppen
überschritten daraufhin mit nur geringen Verlusten den Dnjepr, überrannten am 12. Juli
Orscha und schlossen das Dorf Mogilew ein. Eine Bresche von 100 km Breite war erfolgreich
geschlagen worden. 79
Der schnelle Vorstoß bewahrheitete die vom Oberkommando der Heeresgruppe befürchteten
Versuche einer Einkesselung von Guderians weit vorangeschrittenen Panzerspitzen. Der
kommandierende russische Befehlshaber am Dnjepr, General Timoschenko, befahl den neu
formierten 20 Divisionen der Roten Armee aus dem Raum um Gomel, eine Gegenoffensive
an der Flanke der deutschen Angreifer zu starten. Während die 4. Panzerdivision gemeinsam
mit der einzigen Kavalleriedivision in der gesamten Wehrmacht die russischen Kräfte an dem
bedrohten Abschnitt binden und so die befürchtete Einkesselung der Panzerspitzen abwehren
konnten, stießen Guderians Truppen weiter ostwärts vor. Die 3. Panzerdivision kesselte
Roslawl ein und am 16. Juli erreichte die 29. motorisierte Division Smolensk.80
General Hoth führte nördlich von Guderian seinen Angriff mit der selben Schlagkraft und
Schnelligkeit. Seine Truppen überquerten den Fluss Düna, nahmen Witebsk ein und stießen
von Norden hinter Smolensk herab. Bei Dorogobusch wurde der Kessel um Smolensk mit
dem Durchbruch der 17. Panzerdivision und SS-Division „Das Reich“81 endgültig am 24. Juli
geschlossen.82
77
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 315.
78
Ebd., S. 315.
79
Ebd., S. 315.
80
Ebd., S. 315-316.
81
Ebd., S. 316.
82
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120.
17
Im Kessel von Smolensk kapitulierten 300.000 russische Soldaten, an Material verlor die Rote
Armee 3.200 Panzer und 3.000 Geschütze.83 „Der Verlust dieser Stadt stellte für Moskau eine
ernste Bedrohung dar […].“84
Mit der Einnahme von Jelnja östlich von Smolensk durch die 10. Panzerdivision und die
weiter vorangestoßene SS-Division „Das Reich“ begann der erste Halt der Panzertruppen seit
Beginn des Feldzuges auf Befehl des „Führers“. Hitler verbot ab diesem Zeitpunkt zu große,
risikoreiche Vormärsche und Einkesselungen, die ohne Infanterieunterstützung durchgeführt
werden sollten und forderte ein gemeinsames Vorgehen der Panzertruppen mit der Infanterie.
Das gewonnene Gebiet im Raum um Smolensk sollte nun von den deutschen Truppen gegen
die Gegen- und Wiedereroberungsangriffe der Roten Armee gehalten und die restlichen
verstreuten und eingeschlossenen sowjetischen Kräfte aufgerieben werden.85 Auf Stalins
Befehl wurde östlich von Smolensk ein Kontingent von 42 Divisionen aufgestellt, um die 400
km entfernte russische Hauptstadt vor dem deutschen Vormarsch zu schützen.86
Der sowjetische Widerstand in den Kesseln von Mogilew, Roslawl und Smolensk erlosch
endgültig am 5. August 1941. 650.000 russische Soldaten gerieten in deutschen Gewahrsam.
Somit war der Weg für die deutschen Truppen, weiter nach Süden zur Verstärkung der
Heeresgruppe Süd, die auf ukrainischem Gebiet operierte um in Richtung Kiew vorstoßen,
frei.87 Das Ziel war nunmehr die wirtschaftlichen Interessensphären in den Gebieten, die im
Hitler-Stalin Pakt zuvor der Sowjetunion überlassen worden waren, zu erobern.88
83
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120-121.
84
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 316.
85
Ebd., S. 316.
86
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 120.
87
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 317.
88
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 121.
89
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 330.
18
nur mehr tertiäre Bedeutung bei. Das Hauptaugenmerk lag nun auf der Eroberung der Ukraine
und Leningrads.90
Am 30. Juli widerrief Hitler teilweise seinen ersten Befehl und revidierte somit seine
Entscheidung, größere Panzerverbände abzugeben mit der Weisung Nr. 34. Der Heeresgruppe
Mitte blieben ihre Panzer somit erhalten. Statt der Truppenabgabe wurde ein taktischer
Marschhalt angeordnet, bei dem die Verbindungswege wieder hergestellt und Fahrzeuge von
neuem kampf- und marschbereit gebracht werden sollten.91
Am 4. August traf Hitler an der Ostfront im Hauptquartier des Generalfeldmarschalls Fedor
von Bock in Nowy Borissow ein, um sich bei seinen Generälen Strauß, Kluge, Weichs,
Guderian und Hoth zu erkundigen, welches militärische Ziel diese primär angreifen würden.
Deren Absicht lautete einstimmig, ein Angriff auf Moskau. Hitler tendierte jedoch dazu, wie
er in der Weisung Nr. 33 verlautbaren ließ, zuerst Leningrad zu erobern, um den russische
Einfluss an der Ostsee zu unterbinden und die Erzlieferung aus Schweden abzusichern.
Zeitgleich wäre der Sowjetunion somit die „Waffenschmiede“ des Landes abhanden
gekommen.92 General Guderian schrieb zur Lagebesprechung:
„Ob sodann Moskau oder die Ukraine erstrebt werden sollte, wurde noch nicht
endgültig entschieden. Hitler schien der letzteren Lösung zuzuneigen, weil sich jetzt
auch bei der Heeresgruppe ‚Süd‘ ein Erfolg anzubahnen schien, weil er ferner
glaubte, die Rohstoffe und Lebensmittel der Ukraine für die weitere Kriegführung
nötig zu haben, und schließlich, weil er glaubte, die Halbinsel Krim als
‚Flugzeugträger der Sowjetunion gegen die Erdölfelder Rumäniens‘ ausschalten zu
müssen. Bis zum Einbruch des Winters hoffte er im Besitz von Moskau und Charkow
zu sein.“ 93
Ein verbindlicher Entschluss wurde an diesem Tag von Hitler und seiner Generalität nicht
gefasst.94
Die Weisung Nr. 34 wurde am 12. August 1941 in Teilbereichen abgewandelt. Die
Heeresgruppe Mitte sollte mit ihren nördlich operierenden Verbänden so weit vorstoßen, dass
der Angriff der Heeresgruppe Nord auf Leningrad an der Flanke gedeckt und somit
sichergestellt werden konnte. Am 23. August traf der Generalstabschef Halder, wie zuvor
Hitler, in Nowy Borissow ein und informierte die deutsche Führung an der Ostfront über
Hitlers finale Absicht. Hitlers Entschluss war nicht Leningrad, und auch nicht Moskau.95 Das
Angriffsziel lautete Ukraine. Hitlers Generäle an der Ostfront erkannten mit der getroffenen
90
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 330.
91
Ebd., S. 331.
92
Ebd., S. 331.
93
Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, Wels 31952, S. 179.
94
Ebd., S. 179.
95
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 332.
19
Entscheidung des „Führers“, dass für den Russlandfeldzug das „[…] Fallenlassen Moskaus
[…] einen Winterfeldzug [bedeutete].“96 Guderian bekam von Brauchitsch die Zustimmung,
Hitler darauf aufmerksam zu machen, dass dieser Entschluss ein Fehler sei. Nach dem
Lagevortrag von Guderian und Hitler selbst, ließ Hitler über das primäre Angriffsziel
abstimmen. Die kadavertreuen Generäle des OKW, wie bspw. Wilhelm Keitel und Alfred
Jodl, stimmten, wie Hitler es hören wollte97: „Zuerst die Ukraine.“98
96
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 332.
97
Ebd., S. 332.
98
Ebd., S. 333.
99
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122.
100
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86.
101
Ebd., S. 86.
102
Evans, Das Dritte Reich, S. 231.
103
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122.
104
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86.
105
Ebd., S. 86.
106
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122.
20
Gomel konnte von den Wehrmachtstruppen abgewiesen werden und der deutsche Angriff
brach bis nach Krementschug, ohne von den verfügbaren russischen Kräften weiter
aufgehalten werden zu können, durch. Eine Vereinigung der Truppen der beiden deutschen
Heeresgruppen erfolgte am 12. September östlich von Kiew bei Lochwiza. Durch die
entstandene Zangenbewegung wurden 500.000 Mann der sowjetischen 5. und 37. Armee
gefangen.107 Kiew fiel am 19. September in die Hände der Wehrmachtstruppen und am 26.
September 1941 war die Kesselschlacht um die ukrainische Hauptstadt mit der Kapitulation
von 665.000 russischen Soldaten endgültig entschieden. Zusätzlich erbeuteten die deutschen
Truppen 900 russische Panzer und 3.700 Geschütze. Mit dem militärischen Erfolg der
Truppen von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt brach der Widerstand der Roten
Armee an der Südostfront vorübergehend zusammen.108
109
107
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86.
108
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122.
109
Frontverlauf Ostfront 9. Juli 1941 - 9. September 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/
commons/d/dd/ Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.
21
Die Eroberung der „Kornkammer Europas“ war von militärischer, psychologischer und
ökonomischen Bedeutung für die deutschen Invasoren, denn die für die deutsche
Kriegswirtschaft so wichtigen Rohstoffe und Ressourcen110 der „[…] Ukraine befand[en]
sich nun fest in der Hand der Wehrmacht, und das OKW hoffte, noch vor Einbruch des
Winters den Kaukasus zu erreichen.“111
110
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 258.
111
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 122.
112
Ebd., S. 124.
113
Ebd., S. 124.
114
Evans, Das Dritte Reich, S. 231.
115
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 124.
116
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 86.
22
Divisionen in der Stadt durch Aushungern physisch zu vernichten, um Leningrad ohne
größere deutschen Verluste einnehmen zu können.117
117
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 124.
118
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89.
119
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126.
120
Ebd., S. 126.
121
Ebd., S. 126.
122
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89.
123
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126.
124
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89.
125
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126.
126
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 89.
127
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 126.
23
den Ladogasee flüchten, von denen wiederum 100.000 postwendendend an die Front beordert
wurden. Nach der 900 Tage andauernden Blockade Leningrads betrug die Einwohnerzahl
600.000 Menschen.128
128
Anna Reid, Blokada. Die Belagerung von Leningrad 1941-1944, Berlin 2011, S. 498.
129
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
130
Cartier, Der Zweite Weltkrieg, S. 317.
131
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90.
132
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
133
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90.
134
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
135
Völkischer Beobachter, 10.10.1941, S. 1.
24
2.3.5 Die Niederlage im Winter 1941
Der finale Angriff der Wehrmachtstruppen auf die Hauptstadt der Sowjetunion begann sich
jedoch durch den Wetterumschwung auf der gesamten Frontlinie zu verzögern, denn das
Einsetzen von starkem Regen verwandelte die russische Landschaft in Morast. Im Schlamm
versanken die schweren Panzer und Fahrzeuge der deutschen Truppen oder fuhren sich fest. 136
In Verbindung mit dem Widerstand der Sowjettruppen auf der Moshaisk-Linie von 72 bis
120 km vor Moskau137 war ein schneller Vorstoß nun nicht mehr im Bereich des Möglichen
und ein gezielter Weitermarsch bzw. Angriff blieb bis zum Einsetzen der Frostperiode Anfang
November aus.138
Während des ungewollten Marschhalts der deutschen Angreifer begannen die sowjetischen
Truppen unter der Führung von General Schukow mit Hilfe der Moskauer Zivilbevölkerung,
die ihnen verbleibende Zeit zu Nutzen und rund um die Stadt Verteidigungsstellungen zu
errichten.139 „[D]er Ablauf des napoleonischen Feldzugs hatte bereits 1812 bewiesen, dass
die Russen sich selbst durch die Besetzung ihrer Metropole nicht zur Kapitulation nötigen
ließen.“140 Zusätzlich verstärkten für den Winterkampf ausgebildete und mit Schlitten und
Skiern ausgerüstete Truppen aus Sibirien, sowie neue russische Panzer vom Typ T-34, gegen
den die deutschen Geschütze, „[…] Panzerabwehrwaffen und Panzerkanonen – bis auf die
8,8-cm-Flak - […] mit einem Mal nahezu nutzlos […]“141 wurden, die Verteidigungsringe um
die russische Hauptstadt.142
Der deutsche Plan sah auf Grund der Lage vor, den Wolgakanal nördlich von Moskau und die
Flussübergänge der Moskwa im Süden zu erobern um auf diese Weise Moskau
einzuschließen. Am 15. November 1941 setzten sich die deutschen Truppen in Marsch für den
Kampf um Moskau.143 Die ersten deutschen Panzerspitzen der Panzergruppe 3 und
vereinzelte Stoßtrupps konnten sich bis 8 km vor die Stadt herankämpfen 144, die
2. Panzerarmee kam jedoch 115 km südlich von Moskau wegen des ungenügenden
Kräftenachschubes bei Kaschira zum Stehen.145
136
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
137
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90.
138
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
139
Ebd., S. 130.
140
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 259.
141
Alexander Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg. Infanteriewaffen, ungepanzerte Fahrzeuge,
gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Spezialwaffen, Flugzeuge, Schiffe, Berlin 2007, S. 114.
142
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
143
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90.
144
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
145
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90.
25
Ein endgültiger Durchbruch der deutschen Angreifer in die russische Hauptstadt scheiterte
aber am erbitterten Widerstand des letzen sowjetischen Verteidigungsringes, und der
unerbittlichen Kälte, dem s.g. „General Winter“.146 Die deutschen Angreifer waren auf die
tiefen Temperaturen des russischen Winters und den Nächten von bis zu -45 Grad nicht
vorbereitet. Es wurden keine Winteruniformen und -ausrüstung für die deutschen Truppen
bereitgestellt147, da die Wehrmachtsführung wie auch Hitler bei Beginn von „Barbarossa“
davon ausgingen, keinen Winterfeldzug schlagen zu müssen.148
149
146
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
147
Ebd., S. 130.
148
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 183.
149
Frontverlauf Ostfront 9. September 1941 – 5. November 1941, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/
commons/d/dd/Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.
26
„Nun aber erlaubten es zu geringe Transportkapazitäten nicht, neben Munition und Treibstoff
auch die dringend benötigte Winterausrüstung in genügender Anzahl zu liefern“150 und die in
der Heimat im Sammelaufruf zusammengetragene Kleidung erreichte nur vereinzelt die Front.
Auf Grund dessen forderten kältebedingte Ausfälle in der Wehrmacht doppelt so viele
Verluste an Soldaten wie der eigentliche militärische Kampf um Moskau. In ihrer Not nahmen
die Wehrmachtssoldaten gegen die eisigen Temperaturen noch vor Hitlers Befehl vom
21. Dezember, „Gefangene und Einwohner rücksichtslos von Winterkleidung zu
entblößen“151, Uniformteile und Stiefel von gefallen Rotarmisten an sich.152 Sogar die
Motoren der Fahrzeuge und die Waffen der deutschen Landser froren wegen der enormen
Kälte ein. Der Durchstoß in die russische Hauptstadt war wegen der für die
Wehrmachtstruppen unvorhergesehenen Lageänderung nicht mehr möglich, wodurch der
deutsche Angriff verebbte.153
Stalin befahl General Schukow, unverzüglich die Situation der deutschen Truppen
auszunutzen und die Angreifer mit einem Gegenschlag zurückzudrängen.154 Nachdem vom
russischen Oberkommando, der Stavka, der Gegenangriff gegen die am weitesten
Vorgestoßenen deutschen Kräfte mit der 1. Stoß-Armee und der 2. sowjetischen Armee
geplant war, begann am 5. Dezember 1941 die Winteroffensive der Roten Armee an der
russischen Südwest-, West- und Kalininfront155 auf einer Line von 300 km mit kampfkräftigen
Elitedivisionen aus Sibirien.156 Das Ziel der Sowjetverbände war es, die deutschen Verbände
zurückzudrängen und deren Nachschubwege abzuschneiden.157
Hitler gab am 8. Dezember den Befehl, jegliche Offensivaktionen der deutschen Truppen zu
stoppen, das bereits gewonnene Gelände „[…] um jeden Preis“158 zu halten und sich bis zum
Frühjahr in den erkämpften Stellungen einzugraben.159 Jedoch schwand binnen weniger Tage
das Kriegsglück der Deutschen und somit der Nimbus der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht
das erste Mal in der Geschichte des Russlandfeldzugs, denn „[t]rotz Hitlers Weisung […] die
vorgezogenen Stellungen durch ‚fanatischen Widerstand‘ zu halten, musste die Wehrmacht
erstmals im Osten zurückweichen – an manchen Frontabschnitten gar über 200 km weit!“160
150
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 130.
151
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 262.
152
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131.
153
Ebd., S. 131.
154
Ebd., S. 131.
155
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 92.
156
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 259.
157
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 92.
158
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 259.
159
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131.
160
Ebd., S. 131.
27
Stalin gab nach dem Erfolg über die Wehrmacht die Planung eines Entsatzes von Leningrad,
die Rückeroberung des Donezkbecken die Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte in Auftrag
und am 7. Jänner 1942 begann die Großoffensive der Roten Armee. Die russischen Truppen
konnten die deutschen Soldaten bis Witebsk und Rschew zurückdrängen und selbst offensiv
auf Demjansk vorstoßen.161 Die bis dato siegreichen deutschen Soldaten wurden von der
Roten Armee vor Moskau somit endgültig in die Defensive gezwungen und immer weiter
nach Westen zurückgedrängt.162
163
161
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 92.
162
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131.
163
Gegenoffensive der Roten Armee im Winter 1941, nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Map_Soviet_1941
_Winter_counteroffensive.jpg, eingesehen 02.07.2014, eigene Darstellung.
28
Nach dem Rückzug vor Moskau und einem Verlust von 150.000 Fahrzeugen und 750.000
deutschen Soldaten an der gesamten Ostfront, die entweder verwundet, vermisst, tot, oder in
Gefangenschaft waren, sowie dem bereits teils schwer erkämpften gewonnenem Gelände,
wurde die deutsche Generalität zur Verantwortung gezogen.164
Hitlers Glaube an einen schnellen Sieg über Russland vor dem Beginn des Winters hatte sich
mit der Niederlage zerschlagen165 und er deklarierte sich selbst ab diesem Zeitpunkt zum
Feldherrn. Als alleiniger „[…] Oberbefehlshaber des Heeres [kontrollierte Hitler von nun an]
jede Bewegung der Wehrmacht […].“166 Mit zwei vom „Führer“ sofort getätigten Befehlen
bekamen die Kommandeure in der Wehrmacht den jetzt vorherrschenden Einfluss Hitlers bis
zur untersten Befehlsebene zu spüren. Erstens untersagte Hitler allen Kommandanten die
Verantwortung ihres Postens und die daraus resultierende Befehle nicht ablehnen zu dürfen –
die Strafe dafür wäre die der Fahnenflucht gleichgestellt gewesen. Zweitens verbat er
eigenmächtig getätigte Handlungen zum Rückzug, ohne zuvor die Genehmigung bei ihm
persönlich bzw. des OKW, eingeholt zu haben.167 „Die verhängnisvollen Folgen hiervon
zeigten sich in krassester Form bei den Operationen in der grossen Schlacht um
Stalingrad.“168
Demjansk und Cholm wurden zur ersten Zerreisprobe für die deutschen Soldaten. Die Rote
Armee wandte die Taktik der Wehrmacht gegen diese an und schloss die deutschen Landser in
164
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131.
165
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 262.
166
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 131.
167
Paulus, Das Verhalten der Generalität unter Hitler vom 27.7.1951, zit. in: Diedrich, Paulus. Eine Biographie,
S. 198.
168
Ebd., S. 198.
169
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132.
170
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 196.
171
Ebd., S. 196.
29
ihren Stellungen ein. Die deutsche Luftwaffe konnte die Versorgung der eingekesselten
Truppen jedoch aus der Luft aufrechterhalten.172 Von Jänner bis März mussten 100.000
deutsche Soldaten im Kessel versorgt werden. Hierzu waren 500 Flugzeuge im Einsatz, die
65.000 Tonnen Versorgungsgüter in den Kessel flogen und im Gegenzug noch verwundete
173
deutsche Soldaten mitnahmen , bis die beiden Kessel durchbrochen und die deutschen
Verbände entsetzt worden waren.174 Der Begriff Entsatz definiert die
„[…] Befreiung einer eingeschlossenen oder belagerten Festung. […] [M]eist bedarf
es dazu der Mithilfe eines von außen kommenden E[ntsatzheeres] (Entsatzkorps,
Entsatzarmee), dessen Operationen von der Besatzung im entscheidenden Augenblick
durch einen kräftigen Ausfall unterstützt werden.“175
Der Ausbruch aus den Kesseln erfolgte einerseits mit einem militärischen Schlag von außen
und dem gleichzeitigen Ausbruch der eingeschlossen Truppen vom Inneren des Kessels.176
Während der Aufrechterhaltung des Einschließungsringes waren von der russischen
Heeresgruppe Kuroschkin fünf sowjetische Armeen an den Kessel gebunden.177„In die
Militärgeschichte ging Demjansk als längste Kesselschlacht des Ostfeldzugs ein. Sie hatte
jedoch noch eine zusätzliche psychologische Bedeutung, die sich ein halbes Jahr später
auswirken sollte.“178
172
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132.
173
Guido Knopp, Der verdammte Krieg. Stalingrad 1942-43, München 1998, S. 212.
174
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132.
175
Autorenteam, Entsatz, in: Brockhaus‘ Konversations-Lexikon, Bd. 6, Leipzig u.a. 189414, S. 181.
176
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 212.
177
Jörg Friedrich, Das Gesetz des Krieges. Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945. Der Prozeß gegen das
Oberkommando der Wehrmacht, München u.a. 1993, S. 502.
178
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 212.
179
John Keegan, Der Zweite Weltkrieg, Berlin 2004, S. 320.
180
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 31.
181
Ebd., S. 31.
30
anfänglichen 500.000 Pferde182 sowie der 4.000 einsatzfähigen Flugzeuge war halbiert.183
Durch den Verlust von Pferden und Kraftfahrzeugen war zudem die operative Beweglichkeit
im Vergleich zum Beginn von „Barbarossa“ erheblich eingeschränkt. 184 Zunehmend wurden
für die Waffen-SS ausländische Freiwillige rekrutiert und ein stärkerer Einsatz der
Bundesgenossen Deutschlands im „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ gefordert.185
Die gegenwärtige Kriegsproduktion konnte die starken Ausfälle der Wehrmacht nur teilweise
ausgleichen.186 Der Wehrmachtsführungsstab ließ in einer schriftlichen Auflistung mit dem
Titel „Wehrkraft 1942“ die personellen Auswirkungen für den weiteren Russlandfeldzug
erkennen187: „‚[…] volle Auffüllung der Verluste des Winters ist nicht möglich. Wehrkraft
geringer als im Frühjahr 1941.‘“188 In der daraus resultierenden Schlussfolgerung zog der
Wehrmachtsstab die Bilanz, dass ein „Ausgleich zu erwarten [war] durch höhere Einbußen
des Gegners, überlegene deutsche Führung und soldatische Einzelleistung, [sowie die] Güte
der Waffen […].“189 Das Fazit war genau so, wie es Hitler von seinen Generälen hören wollte
– enorme Verluste des Gegners und die Herabspielung der eigenen. Für Hitler zählte einzig
und allein der Wille zum Sieg.190
Die Wehrmacht war jedoch bereits derart geschwächt, dass die anfängliche Stärke im Laufe
des Ostfeldzugs nicht mehr erreicht werden konnte und weite Räume von deutschen
Verbänden verteidigt werden mussten, die nur mehr eingeschränkt zur Verteidigung bzw. zum
Angriff geeignet waren.191 Zudem bestanden Waffen und Ausrüstungsgegenstände der
deutschen Truppen des Ostheeres partiell aus einem Konglomerat aus Beutebeständen der
vorhergegangenen Feldzüge.192
182
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 321.
183
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 31.
184
Ebd., S. 31.
185
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 214.
186
Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 154.
187
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 31.
188
Ebd., S. 31.
189
Ebd., S. 31.
190
Ebd., S. 31.
191
Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 154.
192
Ebd., S. 117.
193
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 132.
31
möglich war.194 In der nächsten Sommeroffensive sollte mit einem Großteil der deutschen
Verbände ein Angriff unter dem Decknamen „Fall Blau“ in Richtung des Kaukasus und der
dort vorhandenen Ölvorkommen bei Maikop und dem Kaspischen Meer stattfinden, sowie ein
Vorstoß an die Wolga, um bei Stalingrad die russischen Industrie und Rüstungsschmieden zu
zerstören und somit die russische Kriegswirtschaft und die Ölversorgung gravierend zu
schwächen.195 70% der russischen Rohölförderung wurde von den Ölfeldern von Maikop und
Grosny getragen.196
Am 5. März 1942 gab Hitlers Weisung Nr. 41 eine detaillierte Marschrichtung für die
deutschen Truppen vor.197 Das Hauptaugenmerk bei der deutschen Offensive lag darauf, „[…]
die den Sowjets noch verbliebene lebendige Wehrkraft endgültig zu vernichten und ihnen die
wichtigsten kriegswirtschaftlichen Kraftquellen so weit als möglich zu entziehen.“ 198 Hierzu
sollte als erstes auf der Krim die Halbinsel Kertsch von den deutschen Truppen der 11. Armee
unter von Mansteins Führung eingenommen, und im Folgeauftrag Sewastopol erobert werden.
Zweitens war veranschlagt, Woronesch am Don durch die Truppen der Heeresgruppe Süd
einzukesseln, bei Isjum den Kessel aufzureiben, und sich mit den nach der Eroberung von
Charkow herannahenden deutschen Truppen zu vereinigen, um dann in die Kaukasusgebiete
vorzustoßen.199
Der Generalstab wollte Hitler dazu bewegen nach der Eroberung von Woronesch zuerst nach
Norden auf Moskau vorzustoßen, da das Gros der russischen Kräfte zum Schutze der
Hauptstadt vor dieser zusammengezogen worden war.200 Da jedoch Hitler
„[…] in seinem Dilettantismus nicht einsehen wollte, daß nach der militärischen
Vernichtung der Hauptmasse der Roten Armee im Raume Moskau […] der Süden [den
Deutschen] von selbst als reife Frucht in den Schoß fallen würde, setzte Hitler gegen
den Chef des Generalstabes seine Offensivabsicht durch […].“201
203
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133.
204
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 325.
205
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 90.
206
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 325.
207
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133.
208
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 325.
209
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133.
210
Ebd., S. 133.
211
Walter Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“ Lebensweg des Generalfeldmarschalls Friedrich Paulus.
Mit Aufzeichnungen aus dem Nachlass, Briefen, Dokumenten, Frankfurt am Main 1960, S. 70.
212
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133.
33
2.4.2 „Mit der einen Faust nach Stalingrad, mit der anderen nach‘m
Kaukasus“213
Wegen des militärstrategischen Rückzugs der sowjetischen Verbände an vielen
Frontabschnitten hinter die Flüsse Don und Wolga sowie in den Raum des Kaukasus, war es
der Wehrmacht nicht möglich, die Truppen der Roten Armee wie im bisherigen Ostfeldzug
einzukesseln und aufzureiben. „Die deutschen Generäle erkannten durchaus, dass ihnen zwar
bedeutende Geländegewinne gelangen, aber nicht der Entscheidungsschlag gegen die
sowjetischen Truppen.“214 Da die deutschen Verbände jedoch ganz nach Hitlers Vorstellung,
unter Ausblendung aller Umstände, rasch in den russischen Raum vorstießen, „[…] verleitete
Hitler [dies] zu der – wie sich später zeigte – unberechtigten Annahme, die Rote Armee sei
bereits so gut wie geschlagen.“215
Hitler verwarf das ursprüngliche Vorgehen der Heeresgruppe A und B, und statt der zwei
nacheinander erfolgenden militärischen Offensiven, sollten beide Angriffe nun gleichzeitig in
einer großen Sommeroffensive am 23. Juli beginnen.216 „Für den Fall also, daß zwischen
Don und Wolga irgendein Rückschlag eintreten sollte, sah sich das O.K.H. jeder operativen
Reserve beraubt, die sie der 6. Armee hätte zuschieben können.217 Der damalige
Generalstabschef Franz Halder rekonstruierte die Lagebesprechung mit Hitler, bei der dieser
auf der Landkarte „[…] mit der einen Faust nach Stalingrad, mit der anderen nach‘m
Kaukasus“218 fuhr, und somit die Schicksal der Heeresgruppen besiegelte. Der Auftrag der
Heeresgruppe B war es demnach, direkt Stalingrad anzugreifen, während die Heeresgruppe A
in Richtung des Kaukasus zum Kaspischen Meer und zu den Ölfeldern von Baku und Grosny
vorstoßen sollte. 219 In der Lagebesprechung verkündete Hitler seinen Generälen: „Wenn ich
das Öl von Maikop und Grosny nicht bekomme, dann muß ich diesen Krieg liquidieren.“220
213
Franz Halder, Erinnerung über Lagebesprechung mit Hitler im Führerhauptquartier über die Aufspaltung der
deutschen Truppen, Tonbandaufnahme Originalton 1967, in: Eurovideo Stalingrad. Die Dokumentation. Der
Angriff – der Kessel – der Untergang, hrsg. v. Sebastian Dehnhart, DVD 2003, Min. 12:16-12:38.
214
Sven Felix Kellerhoff, Siegeszug trieb 6. Armee in Stalins Falle, Die Welt Online, 28.06.2012,
[http://www.welt.de/kultur/history/article107265243/Siegeszug-trieb-die-Sechste-Armee-in-Stalins-
Falle.html], eingesehen 15.03.2014.
215
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 134.
216
Ebd., S. 134.
217
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 84.
218
Halder, Erinnerung über Lagebesprechung mit Hitler, Min. 12:16-12:38.
219
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 133.
220
Adolf Hitler, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad: Anatomie einer Schlacht, S. 7.
34
2.4.3 Die Lage nach der deutschen Sommeroffensive
Der Status quo nach der Sommeroffensive 1942 war jedoch ein anderer. Im Süden Russlands,
dem Kaukasusgebiet, hielt ein großer fast nur aus Wehrmachtssoldaten bestehender Verband
die Front. Im Norden der Stadt Stalingrad stand ein zweites starkes deutsches
Truppenaufgebot im Kampf mit russischen Kräften. Im Mittelabschnitt, der s.g.
Kalmückensteppe im Raum um Elista, bis zum Bahnabschnitt der Bahnlinie Rostow – Salsk –
Kotelnikowo – Stalingrad, waren stellenweise deutsche Truppen, der Großteil bestand jedoch
aus rumänischen Soldaten, die im Vergleich zu den deutschen Landsern, noch schlechter
ausgerüstet waren. Im Nordwesten von Stalingrad hielten italienische und ungarische
Divisionen, stellenweise von Wehrmachtstruppen unterstützt, die Front.221 Im Hinterland der
Ostfront waren zudem kaum noch Reserven vorhanden.222 „Man versuchte wohl das alte (und
meist bewährte) Mittel, durch Einfügung deutscher Führungsstäbe und Infanteriedivisionen
das Mißverhältnis zu verbessern. Dadurch konnten aber gewisse Schwächen auch nicht
annähernd ausgeglichen oder gar beseitigt werden.“223
Durch den stetigen Vormarsch auf Stalingrad dehnte sich die Frontlinie im militärischen Sinn
jedoch gefährlich aus.224 „Die enorme Weite des Landes forderte einen ungeahnten Tribut an
Menschen, Pferden und Kriegsgerät von der darauf unvorbereiteten Wehrmacht.225 Bedingt
durch die langen Nachschubwege stellte sich an der gesamten Front ein Mangel an
Kriegsgerät aller Art, Treibstoff, Munition, und Zuführung neuer Truppen ein. 226 Zusätzlich
wurden wie schon im Winter 1941/42 die Vorbereitungen für einen Winterkampf der
deutschen Truppen trotz besseren Wissens wieder vernachlässigt.227
221
Horst Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff _
6_Pz_Div/entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014.
222
Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/
entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014.
223
H. H. Mantello, Versammlung und Vorstoß der 6. deutschen Panzerdivision zur Befreiung von Stalingrad vom
28. Nov. bis Dez. 1942, in: Allgemeine schweizerische Militärzeitschrift: ASMZ, 6-7/1950, S. 464-476, hier
S. 465.
224
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268.
225
Ebd., S. 257.
226
Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/
entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014.
227
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 224.
35
aus nach Stalingrad vorstoßen.228 Woronesch konnte von den deutschen Truppen nicht in
einem Schlag eingenommen werden, sodass die Soldaten der Roten Armee dort deutsche
Kräfte banden, die sich somit nicht mit der Infanterie von Generaloberst Paulus vereinigen
konnten. Hitler gab auf Grund dessen die sofortige Weisung, die Verbände der 4. Panzerarmee
bei Woronesch abzulösen. Zudem wechselte Hitler den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe
B, Generalfeldmarschall von Bock, aus und ersetzte ihn durch Feldmarschall Freiherr von
Weichs.229
Am 23. Juli 1942 wurde die Fortsetzung vom „Fall Blau“ mit der Weisung Nr. 45 unter dem
Tarnnamen „Braunschweig“ befohlen. Der Auftrag der Heeresgruppe A mit der
1. Panzerarmee und der 17. Armee war es, vom Don-Knie aus die russischen Kräfte
zurückzudrängen und hinter Rostow zu schlagen.230 Zeitgleich war die Heeresgruppe B
angewiesen, am Don Abwehrstellungen zu errichten231, um der 6. Armee die Eroberung
Stalingrads zu ermöglichen.232
Der Auftrag der Heeresgruppe B gestaltete sich jedoch zunehmend schwieriger, da die
kampfkräftige 4. Panzerarmee aus der Heeresgruppe B ausgegliedert worden war. 233 Obwohl
keine militärischen Reserven für die beiden Vorstöße mehr vorhanden waren, schwiegen
Hitlers Generäle, darunter auch Paulus, dessen „[…] Vertrauen in das militärische Talent und
die Weitsicht des ‚Führers‘ […] ungebrochen [blieb].“234 Generalstabschef Halder notierte
bezüglich der bevorstehenden deutschen Offensive in sein Kriegstagebuch, dass „[…] das
Schicksal des Kaukasus […] bei Stalingrad entschieden“235 werde.
228
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 326.
229
Ebd., S. 327.
230
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 194.
231
Ebd., S. 194.
232
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 328.
233
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 224.
234
Ebd., S. 227-228.
235
Halder, Franz, Kriegstagebuch. Der Rußlandfeldzug bis zum Marsch auf Stalingrad (22.6.1941 − 24.9.1942),
Bd. 3., Stuttgart 1964, S. 493.
236
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 332.
237
Ebd., S. 332.
238
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 267.
36
Maikop.239 Jedoch wurden die Rohstoffquellen bereits von der Roten Armee in den Kämpfen
mit der Wehrmacht gesprengt, noch bevor diese den Deutschen in die Hände fallen
konnten.240 Deutsche Gebirgsjäger hissten am 7. September die Reichskriegsflagge auf dem
Elbrus.241 Die Heeresgruppe A hielt zu diesem Zeitpunkt eine Verbindungslinie von 450 km.
Das weitere Ziel für die deutschen Truppen war, die Gebirgspässe des Kaukasus
einzunehmen, um die Ölfelder dahinter sowie den Nachschub-Schwarzmeerhafen Tuapse zu
erobern.242
243
239
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 328.
240
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 267.
241
Sven Felix Kellerhoff, Wie Hitlers Gebirgsjäger den Kaukasus stürmten, Die Welt Online, 21.08.2012,
[http://www.welt.de/kultur/history/article108696384/Wie-Hitlers-Gebirgsjaeger-den-Kaukasus-
stuermten.html], eingesehen 08.04.2014.
242
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 328-331.
243
Ostfront 7. Mai 1942 – 18. November 1942, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/
Eastern_Front_1942-05_to_1942-11.png, eingesehen 03.07.2014, eigene Darstellung.
37
3. Der Sturm auf Stalingrad
Gemäß dem Willen des „Führers“ gab der Befehlshaber der 6. Armee, General Friedrich
Paulus, seinen Truppen am 4. August 1942 die Anweisung zur Offensive in Richtung
Stalingrad.244 Nachdem die Verbände der Heeresgruppe B sich nur sukzessive durch den
Donez-Don-Korridor gekämpft hatten245, gerieten diese in ein erstes größeres Gefecht mit den
Truppen der Roten Armee vor Stalingrad bei Kalatsch am Don.246 „Die Schlacht von Kalatsch
war wieder – um in Schlieffenscher Terminologie zu reden – einer jener ‚ordinären Siege‘, an
denen der Feldzug im Osten reich war. Der außerordentlich zähe Widerstand des Gegners
brachte diesem immerhin Zeitgewinn.“247 In dem fünftägigen Gefecht gelang es den
deutschen Truppen 1.000 Panzer und 650 Flugzeuge der Roten Armee aufzureiben sowie
57.000 russische Soldaten gefangen zu nehmen. Aufgrund der Angriffsverzögerung bei
Kalatsch wurde der Entschluss durch die deutsche Führung getroffen, die 4. Panzerarmee, die
bereits in Richtung Süden vorgestoßen war, abzukommandieren und deren Weitermarsch auf
Stalingrad zur Verstärkung des deutschen Angriffes auf die Stadt an der Wolga anzuordnen.248
Das Zeitkalkül begann sich gegen die deutsche Offensive zu richten. „Sowohl die
Anfangserfolge der Heeresgruppe A als auch der optimistisch stimmende Vormarsch der
6. Armee schien aber Zweifler erneut ins Unrecht zu versetzen.“ 249 Bis zum 19. August
konnten alle Truppen von Paulus die Sturmausgangsstellung auf Stalingrad beziehen250 und
am 21. August kam der Befehl zum Angriff auf die Stadt.251
Das Stadtbild von Stalingrad war geprägt von Industrie mit zahlreichen Raffinerien,
Stahlwerken, Maschinenfabriken252 sowie Holzhäusern, die sich auf einer Länge von 30 km
an der Wolga verteilten.253 Vor allem das für die Fertigung von Artilleriemunition und
Panzerstahl eingesetzte Elektrostahlwerk „Roter Oktober“, die ehemalige Traktorenfabrik
„Dschersinski“, welche auf die Produktion von Panzern umfunktioniert worden war, und die
Geschützfabrik „Barrikady“ sollten im Verlauf der Schlacht als heiß umkämpfte Plätze
traurige Bekanntheit erlangen.254
244
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268.
245
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 331.
246
Andreas Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, in: Militärgeschichte.
Zeitschrift für historische Bildung (2002), Heft 4, S. 8-17, hier S. 10.
247
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 71.
248
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 229-230.
249
Ebd., S. 228.
250
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 331.
251
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 232.
252
Ebd., S. 232.
253
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 333.
254
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10.
38
255
Am 23. August bombte die deutsche Luftwaffe in Form des VIII. Fliegerkorps in 1.600
Einsätzen mit 1.000 Tonnen Bomben256, unterstützt durch deutsche Artillerie, in einem
Tagangriff die Stadt sturmreif und hinterließ eine Ruinenlandschaft für den Angriff der
Verbände der Heeresgruppe B.257 Tagelang brannten die Roh- und Brennstofflager von
Stalingrad258, während sich die Truppen der 6. Armee in den Trümmerhaufen
vorankämpften.259 Hitler befahl, dass „[d]ie Stadt […] bis zum 25. August genommen
werden“260 sollte, und verlangte die „‚völlige Inbesitznahme‘“261 Stalingrads durch die
deutschen Verbände. Die Stadt an der Wolga sollte dem Don-Verlauf folgend als Sperrriegel
zwischen Kursk und Stalingrad262 für die Kaukasusoffensive fungieren um die Flanke und das
weitere Vorgehen der Heeresgruppe zu decken sowie russischen Gegenschläge aus dem
inneren des Landes abzuwehren.263
Die deutschen Soldaten kamen wegen der unflexiblen russischen Verteidigung schnell
vorwärts und die Frontlinie weitete sich mit jedem erkämpften Kilometer in Richtung der
Wolga mehr und mehr aus.264 Den Wehrmachtstruppen gelang es, die russische 1. und
4. Panzerarmee sowie die 51 Armee auf einen Abschnitt von 48 mal 30 km in Richtung
Wolgaufer zu drängen.265 Im Norden Stalingrads wurde von den Landsern bereits am
23. August Rynok und somit ein Durchbruch zu einem Teilabschnitt der Wolga erreicht.266
Um 18 Uhr 35 besetzte das Panzer-Grenadier-Regiment 79 den erkämpften Abschnitt. 267 „Zu
diesem Zeitpunkt standen den deutschen Armeen noch verschiedene Möglichkeiten offen: sie
konnten die Stadt stromaufwärts abschneiden, einschließen oder belagern. Stattdessen gingen
sie jedoch zum direkten, frontalen Angriff über.“268
Es gelang den Truppen der Roten Armee den deutschen Angriff mit kleineren Gegenangriffen
zu verzögern, wodurch erst Anfang September die deutschen Panzerverbände in das
255
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 333.
256
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 233.
257
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
258
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10.
259
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 333.
260
Adolf Hitler, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 69.
261
Adolf Hitler, zit. in: Bernd Wegner, Vom Lebensraum zum Todesraum. Deutschlands Kriegsführung
zwischen Moskau und Stalingrad, in: Stalingrad. Ereignis - Wirkung - Symbol, hrsg. v. Jürgen Förster,
München 19932, S. 17-38, hier S. 33.
262
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 194.
263
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 326.
264
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268.
265
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196.
266
Gerd R. Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz: Gehorsam gegen Gewissen, in: Damals. Das
Magazin für Geschichte und Kultur (6/2001), S. 22-25, hier S. 23.
267
Heinz Schröter, Stalingrad „…bis zur letzten Patrone“, Klagenfurt 1962, S. 23.
268
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196.
39
Stadtgebiet einbrachen.269 Die Verbände des XXXXVIII. Panzerkorps erreichten am
3. September das Kasernengelände am südwestlichen Rande der Stadt. Zeitgleich befanden
sich die Vorausabteilungen des LI. Armeekorps 8 km vor dem Stadtkern Stalingrads. An
strategisch wichtigen Geländepunkten, wie bspw. dem Hauptbahnhof oder dem Mamaew-
Hügel, stießen die deutschen Truppen auf starken russischen Widerstand. 270
„Der Fall von
Stalingrad selbst wurde in absehbarer Zeit und eine hartnäckige Verteidigung der
sowjetischen Streitkräfte erst jenseits der Wolga erwartet.“271
Bis zum 13. September 1942 war die Frontlinie zur Wolga an einigen Abschnitten sechs und
an anderen noch über 15 km entfernt. Drei Divisionen der sowjetischen 62. Armee mit
60 Panzern hielten unter dem Kommando von Tschuikow die Stellung in Stalingrad. 272 Die
Rote Armee bot an Mensch und Material alles auf, was zur Verteidigung Stalingrads
beigetragen werden konnte. In den noch stehengebliebenen Fabriken wurden die letzen
russischen Panzer angefertigt und Arbeiter kamen zu Sammelpunkten, bei denen diese mit
Waffen ausgerüstet und direkt zur Verteidigung Stalingrads an die Front beordert wurden273,
um als Volkswehrabteilungen und Arbeitermilizen dem deutschen Angriff entgegen zu
treten.274
Das Bestreben des Oberkommandos der Wehrmacht, Stalingrad im Handstreich zu erobern,
erfüllte sich auf Grund der massiven sowjetischen Verteidigungsbestrebungen nicht.275 Die
Wehrmachtstruppen mussten in Stalingrad die Taktik aufgeben, in der diese die meiste Praxis
und Erfahrung hatten, nämlich den Bewegungskrieg.276 Die Infanterie wurde zum Hauptträger
des Kampfes um die Stadt und eine asymmetrische Kriegsführung begann.277 Ein Kampf um
jede Straße, Haus und teilweise jedes Zimmer entbrannte.278 Die deutschen Streitkräfte
erkannten schon bald, „[…] daß hier ein anderer Krieg geführt wurde. Sie gaben ihm den
Namen ‚Rattenkrieg‘.“ 279
269
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268-269.
270
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10.
271
Schröter, Stalingrad, S. 27.
272
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 334-335.
273
Schröter, Stalingrad, S. 24.
274
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10.
275
Schröter, Stalingrad, S. 27.
276
Gerhard Artl, Stalingrad 1942. Neue Quellen zum Entsatzversuch unter General Raus, in: Bericht über den
22. Österreichischen Historikertag in Klagenfurt. Veranstaltet von Verband Österreichischer Historiker und
Geschichtsvereine in der Zeit vom 4. bis 7. Mai 1999, hrsg. v. Verband Österreichischer Historiker und
Geschichtsvereine in Zusammenarbeit mit dem Kärntner Landesarchiv, Wien 2002, S. 136-145, hier S. 140.
277
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196.
278
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 268-269.
279
Dieter Peeters, Vermißt in Stalingrad. Als einfacher Soldat überlebte ich Kessel und Todeslager 1941-1949,
Berlin 32007, S. 25.
40
Tagelang waren die Soldaten dem Kampflärm, Feuer, Gestank verwesender Leichen sowie
beeinträchtigter Sicht durch aufsteigenden Rauch ausgeliefert. 280 Die Tatsache, wer schneller
schoss und besser traf, war Sieger, bewahrheitete sich zunehmend im Häuserkampf von
Stalingrad. Das Leben verlagerte sich für die Soldaten, auf deutscher als auch auf russischer
Seite, vermehrt unter die Erde.281 Stellungen wurden nicht nach Vorschrift, drei Schaufeln
gegen den Feind und eine in den Rücken, errichtet, sondern wie es das Gelände bestmöglich
zuließ. Der Kampfauftrag für die deutschen Streitkräfte in ihren improvisierten Gräben
lautete, die Stellung bis zum letzten Mann zu halten.282 Zumeist wurde um die Stellungen im
Kampf Mann gegen Mann, mit Kampfmesser oder Feldspaten, gerungen.283
Nachschub und Truppenverstärkungen kamen nur ungenügend nach Stalingrad. Die
Versorgungslinie der 6. Armee basierte auf der eingleisigen Bahnlinie bis zum Westufer des
Don bei Werchnij-Tschirskaja. Von dort aus wurden die Versorgungsgüter auf Lastkraftwagen
umgeladen und wegen der Zerstörung der einstigen Eisenbahnbrücke durch sowjetische
Kräfte über eine improvisierte 24 Tonnen schwere Brücke zwischen den beiden Ufern des
Don in die Stadt zu den deutschen Truppen geliefert.284
Zwei Mal gelang es deutschen Truppen direkt an das Wolgaufer vorzustoßen, um das Zentrum
der sowjetischen Widerstandsnester, das Traktorenwerk, die beiden Fabriken „Roter Oktober“
und „Barrikady“, sowie den Übersetzpunkt der russischen Soldaten am Ostufer der Wolga zu
umschließen und unter Artilleriefeuer zu nehmen.285 Die Soldaten der deutschen Wehrmacht
waren jedoch „[…] von den monatelangen Märschen erschöpft, Waffen und Material nahmen
Schäden, während die Sowjets immer neue Truppen und effektive Waffen […] ins Gefecht
führten.“286
Das Rüstungszentrum Stalingrads war zerstört und der Schiffsweg auf der Wolga in Richtung
des Iran blockiert287, nur die Eroberung des gesamten Fabrik- und Industriekomplexes konnte
von den deutschen Truppen bis dato nicht erreicht werden.288 Stalin hatte seinen Generälen
unmissverständlich dargelegt, dass er es nicht wolle, dass die Stadt mit seinem Namen in die
Hände der Deutschen komme.289 Für die russischen Verteidiger der Stadt an der Wolga galt
280
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 499.
281
Schröter, Stalingrad, S. 27-28.
282
Ebd., S. 95.
283
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 499.
284
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 87.
285
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 335.
286
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 257.
287
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500.
288
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 196.
289
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
41
somit der von Kommandeuren und Offizieren der Roten Armee ausgegebene eiserne
Grundsatz: „Kämpft, als gäbe es am anderen Ufer der Wolga kein Land mehr!“290
Die Truppen der deutschen Vorausabteilungen waren zudem schon derart ausgelaugt, dass
eine Kampfpause nötig wurde, um neue Kräfte für den weiteren Kampf zu massieren. 291 „Die
von den Einheiten gemeldeten Verluste waren bedrückend groß. Die Divisionen brannten aus.
Ersatz kam nur tropfenweise und stand in gar keinem Verhältnis zum tatsächlichen
Bedarf.“292 Militärisch gesehen begann die deutsche Angriffsbewegung zu stocken.293 Die
6. Armee funkte an das OKH, dass die deutschen Truppen auf Grund zahlreicher Ausfälle
kräftemäßig nicht in der Lage waren, die ganze Stadt, laut Befehl, zu erobern.294
Hitler verkündete bereits am 8. November 1942 im Löwenbräukeller in München, dass
Stalingrad bereits von deutschen Truppen eingenommen worden war und nur noch
vereinzelter russischer Widerstand in Stalingrad auf dem Weg zum endgültigen militärischen
Sieg vorhanden war.295 Die deutschen Soldaten konnten Hitlers Rede live über den
Truppenrundfunkempfänger über Kurzwelle empfangen.296 Bspw. druckte die Freiburger
Zeitung Hitlers Rede unter der Schlagzeile „Fanatisch wie einst – stärker und entschlossener
als je“297, am Folgetag ab:
„[…] ich wollte zur Wolga kommen, und zwar an einer bestimmten Stelle, an einer
bestimmten Stadt. Zufälligerweise trägt sie den Namen von Stalin selber, aber denken
Sie nur nicht, daß ich aus diesem Grunde dorthin marschiert bin – sie könnte auch
ganz anders heißen – sondern weil dort ein ganz wichtiger Punkt ist. Dort schneidet
man nämlich dreißig Millionen Tonnen Verkehr ab, darunter fast neun Millionen
Tonnen Oelverkehr [sic!]. Dort floß der ganze Weizen aus diesen gewaltigen Gebieten
der Ukraine, des Kubangebietes, zusammen, um nach dem Norden transportiert zu
werden. Dort ist das Manganerz befördert worden; dort war ein gigantischer
Umschlagplatz. Den wollte ich nehmen und – wissen Sie – wir sind bescheiden, wir
haben ihn nämlich! Es sind nur noch ein paar ganz kleine Plätzchen da. Nun sagen die
anderen: ‚Warum kämpfen sie dann nicht?‘ – Weil ich kein zweites Verdun machen
will, sondern es lieber mit ganz kleinen Stoßtrupps mache. Die Zeit spielt dabei gar
keine Rolle. Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hoch. Und das ist das
Entscheidende!“298
Die von Hitler zitierten „kleinen Plätzchen“ waren in Wirklichkeit jedoch 10% der gesamten
Stadt, in denen die Wehrmacht bis dato keinen nennenswerten Bodengewinn gegen die
290
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
291
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 335.
292
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 87.
293
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 74.
294
Schröter, Stalingrad, S. 28.
295
Freiburger Zeitung, 9.11.1942, S. 4, [http://de.metapedia.org/m/images/a/a8/Frz.1942-11-09.03.jpg],
eingesehen, 10.04.2014.
296
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 93.
297
Freiburger Zeitung, 9.11.1942, S. 4.
298
Ebd., S. 4.
42
russische Verteidiger erreichen konnten.299 Die Verluste auf beiden Seiten, der Verteidiger und
Angreifer standen im Kampf um Stalingrad in keinem Verhältnis mehr zum Raumgewinn in
der Stadt.300 „Mit verbissener Wut, einer Zähigkeit und jener Unbedingtheit, die der Feldzug
im Osten so mitleidlos entwickelt hatte, wurde buchstäblich um jeden Fußbreit Boden
gerungen.“301 Vor allem im nördlichen Teil Stalingrads, im Gebiet der Spartakowsiedlung und
des Schlachthofes, wurde durchgehend gekämpft. In wechselvollen Gefechten fiel der
umkämpfte Boden alternierend an beide Kriegsparteien.302
Erst die nächste große deutsche Offensivaktion vom 14. bis 29. Oktober mit dem Ziel
endgültig an die Wolga durchzubrechen, welche ein Kräfteaufgebot von fünf Divisionen mit
300 Kampfpanzern stellte, brachte partielle Gebietsgewinne für die Deutschen. 303 Bei dem
Großangriff wurde die Fabrik „Roter Oktober“ gänzlich von deutschen Soldaten erobert, die
Fabrik „Barrikady“ und das Traktorenwerk blieben jedoch weiterhin teilweise deutsch bzw.
russische besetzt.304 Massenhaft gerieten deutsche Soldaten in russisches Feuer bei dem
Versuch, das übriggebliebene Fabriksgelände zu gewinnen.305
35.000 verletzte sowjetische Soldaten wurden über die Wolga geschifft und Reserven von
65.000 Mann sowie 24.000 Tonnen Munition im Gegenzug vom anderen Ufer der Wolga mit
Booten zugeführt.306 Der russische General Tschuikow schrieb in einem Bericht über den
Kampftag: „‚Von nun an umklammerten sich beide Armeen in tödlicher Umarmung; die Front
bewegte sich praktisch nicht mehr‘“307. Ab diesem Zeitpunkt verlief die Hauptkampflinie
teilweise nur noch einen halben Kilometer vom Ufer der Wolga entfernt, jedoch hatten die
20 deutschen Divisionen in Stalingrad schon die Hälfte ihrer Kriegsstärke eingebüßt. 308
Entgegen der Ratschläge seiner Generäle entschied Hitler den Kampf um Stalingrad
weiterzuführen.309 „[…] Hitler, für den sich die Eroberung der Stadt, die Stalins Namen trug,
zu einer Art Wahn auswuchs, zu einem Symbol, [wollte] nach dem Festfahren der großen
Sommeroffensive wenigstens einen ideologischen Gewinn eingefahren […] haben.“310 Für
299
Friedemann Bedürftig u.a., Chronik des Zweiten Weltkrieges, München 2004, S. 227.
300
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 87.
301
Ebd., S. 87.
302
Ebd., S. 94.
303
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500.
304
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 336-337.
305
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500.
306
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 336-337.
307
Wassili Tschuikow, zit. in: Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 337.
308
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 337-338.
309
Bernd Wegner, Stalingrad: Schlacht und Mythos: Heldendrama von antiker Größe?, in: Damals. Das Magazin
für Geschichte und Kultur (6/2001), S. 14-21, hier S. 14.
310
Berthold Seewald, Wie aus Stalingrad eine gigantische Falle wurde, Die Welt Online, 22.10.2012,
[http://www.welt.de/kultur/history/article110092183/Wie-aus-Stalingrad-eine-gigantische-Falle-wurde.html],
eingesehen 14.04.2014.
43
einen Verbleib sprach zudem das Faktum der Unterbringungsmöglichkeit und des Schutzes in
den Trümmern und Ruinen der Stadt, für die schon im Vorhinein für den Winter schlecht
ausgerüsteten deutschen Truppen, die bei einem Rückzug in offenes Gelände und
unbesiedelbarer Steppe im Winter die Stellung vor Stalingrad hätten halten müssen.311
Das Wetter begann ab 11. November 1942 umzuschlagen und die Wolga drohte zu gefrieren.
Weitere Truppen der Roten Armee hätten dadurch auf schnellem Weg über das Eis nach
Stalingrad geschleust werden können. Aus diesem Grund entschied sich Paulus abermals eine
Großoffensive zu starten. Am nächsten Tag begann der Angriff und der 4. Panzerarmee gelang
es von Süden aus, an die Wolga vorzudringen. Stalingrad war somit von deutschen Truppen
eingekesselt. „Das war der letzte Erfolg, der den Deutschen an diesem östlichsten Punkt ihres
Vormarsches in Russland beschieden sein sollte.“312 Die sich vom Wolgaufer zwei Kilometer
in die Breite und 100 Meter in die Länge ziehenden letzten russischen
Verteidigungsstellungen konnten von den erschöpften deutschen Soldaten nicht erobert
werden.313 „In diesen Boden krallten sich die Rotarmisten fest, und Meter vor dem Ziel
zerschellte die deutsche Angriffskraft.“314
Am 17. November kam der Führerbefehl, dass die deutschen Truppen, trotz schwieriger Lage,
sich endgültig bis an die Wolga vorkämpfen sollten. „‚Die Schwierigkeiten des Kampfes um
Stalingrad u. die gesunkenen Gefechtsstärken sind mir bekannt. […] Ich erwarte deshalb, daß
[…] die Truppe nochmals mit dem oft gezeigten Schneid alles einsetzen [wird], um […] bis
zur Wolga durchzustoßen […]‘“315. Es gelang den deutschen Streitkräften zwar, die Stadt zu
90% einzunehmen und den Status quo soweit zu erhalten, doch trotz eindringlichem
Führerbefehl eines „Weiterführen des Angriffs […] mit dem Ziele, am 18.11. Ort u. Wolgaufer
in Besitz zu nehmen“316, erreichten die Landser ihr Vorhaben nicht, die Soldaten der Roten
Armee am Westufer der Wolga zu schlagen und Stalingrad gänzlich zu besetzen.317
Hitler begann mehr und mehr die strategischen Anregungen und Ratschläge seiner Generäle
für den Kampfeinsatz abzulehnen und diese zu beschimpfen.318 Hitler, geleitet von seiner
ausgeprägten Persönlichkeit in Korrelation mit
„[…] eine[m] stetig wachsenden Problemdruck hoffnungslos überfordert, bewertete
[…] wie im Winter des Vorjahres so auch jetzt einzelne Daten, Nachrichten oder
Erfahrungswerte nicht im Rahmen einer systematischen Gesamtanalyse, sondern
311
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 10
312
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 338.
313
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 500.
314
Ebd., S. 500.
315
Kriegstagebuch AOK 6, 17.11.1942. BArch, RH 20-6/221.
316
Ebd.
317
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
318
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 269.
44
benutzte sie willkürlich als Versatzstücke zur Begründung eines auf der Grundlage nur
weniger Orientierungsmarken gefassten Entschlusses.“319
Die Generalität erkannte zwar, dass der „Führer“ die Lage an der Ostfront und im Speziellen
bei Stalingrad nicht mehr objektiv beurteilte und sich ein gravierender Realitätsverlust beim
obersten Befehlshaber abzeichnete, dennoch wurden all seine Befehle trotz besseren Wissens
loyal befolgt und die Gefährdung der Armee hingenommen.320 Hitler hatte durch seine „[…]
groteske Selbstüberschätzung, er habe Stalingrad und die Wolga längst in der Tasche, die
deutschen Generäle vor Ort mit Realitätsfremdheit geschlagen.“321 Weder Hitler noch seine
engsten Berater erkannten, dass die zähe Verteidigungsbestrebung der sowjetischen Truppen
weniger der in Trümmern liegenden Stadt galt, sondern eher einer zeitlichen Verzögerung zur
Planung einer Gegenoffensive der Roten Armee322, für die ein Gros an Reservetruppen
zurückgehalten wurde.323
319
Bernd Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion 1942/43, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg.
Der Globale Krieg: die Ausweitung zum Krieg und der Wechsel der Initiative 1941-1943, hrsg. v.
Militärgeschichtliches Forschungsamt, Stuttgart 1990, S. 761-1102, hier S. 1034.
320
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 269.
321
Berthold Seewald, Stalingrad – Agonie und Irrsinn deutscher Führung, Die Welt Online, o.D.,
[http://www.welt.de/kultur/history/article111264463/Stalingrad-Agonie-und-Irrsinn-deutscher-
Fuehrung.html], eingesehen 14.05.2014.
322
Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 14.
323
Jürgen Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942 bis 2. Februar 1943, in: Schlachten der
Weltgeschichte: von Salamis bis Sinai, hrsg. v. Stig Förster u.a., München 2001, S. 325-338, hier S. 329.
324
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
325
Torsten Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, in: Stationen im 20. Jahrhundert, hrsg. v. Rolf
Steininger u.a., Innsbruck 2011, S. 32-55, hier S. 44.
326
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 338.
45
keine Reserven zur Verstärkung der Fronttruppen vorhanden und für Hitler kamen
Dislokationsveränderungen deutscher Truppe, die eine Reduzierung der Kampfkraft der
Heeresgruppe A zur Folge gehabt hätten, oder sogar das Heranführen von größeren
Truppenkontingenten aus der Westfront, nicht in Frage. Die deutsche Führung begnügte sich
mit der Überzeugung, dass die Rote Armee zu diesem Zeitpunkt zu keiner größeren
Offensivaktion in der Lage war.327
Die russische Führung kannte jedoch den Schwachpunkt der Flankensicherung der
6. Armee.328 Im Süden und Nordwesten von Stalingrad begann die Großoffensive der Roten
Armee am 19. November 1942 anzulaufen.329 Für den militärischen Schlag standen der Roten
Armee südwestlich und westlich von Stalingrad fünf Infanterie- und zwei Panzerarmeen unter
dem Kommando von General Watunin und General Rokossowski, sowie südlich eine Panzer-
und drei Infanteriearmeen unter der Führung von General Jeremenko, zur Verfügung. 330 Das
Gesamtkontingent an russischen Truppen belief sich demnach auf eine Million Soldaten,
894 Panzer, 13.000 Geschütze und 1.150 Flugzeuge.331
Nach einem schweren russischen Artillerieschlag auf die rumänischen Stellungen um
7 Uhr 30332 starteten die russischen Divisionen aus den Brückenköpfen bei Kletskaja und
Bolschoi ihre Offensive.333 Die Verbände der deutschen Bundesgenossen konnten gegen den
Angriff der russischen Truppen keinen effektiven Widerstand leisten, obwohl an machen
Abschnitten der Hauptkampflinie erbittert um die Stellungen gerungen wurde. 334Die
sowjetischen Divisionen überrannten die Stellungen der 3. rumänischen Armee und brachen
35 km weit durch die Flankensicherung der 6. Armee335 in Richtung Liskatal ein.336
Erst in den Mittagsstunden erkannte die Führung der 6. Armee, das s.g. Armeeoberkommando
6 (AOK6), dass die sowjetische Offensive gegen die Flanken und das Hinterland der Armee
abzielte. Um 21 Uhr 30 befahl die Führung der Heeresgruppe B, Generaloberst von Weichs337,
einerseits den Abbruch des Vorstoßes auf Stalingrad und andererseits die Formierung eines
kampfkräftigen Verbandes, der die Tiefe des Raumes an der linken Flanke sichern sollte, die
zum Überleben der Armee essentielle Bahnverbindung Lichovskoj – Bahnhof Tschir zu
327
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44.
328
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 338.
329
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
330
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 339.
331
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 501.
332
Ebd., S. 501.
333
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 12.
334
Manfred Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, in: Stalingrad. Ereignis - Wirkung - Symbol, hrsg. v.
Jürgen Förster, München 19932, S. 76-111, hier S. 80-81.
335
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44.
336
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 95.
337
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203.
46
halten, und wenn es die Lage erlauben sollte, selbst zum Gegenangriff überzugehen. Die
geplante Aktion bedurfte jedoch einer Anlaufzeit von drei Tagen.338
Die deutschen Truppen konnten zwar während des 20. November im Westen die Front
einigermaßen stabilisieren, jedoch brachen die starken russischen Kräfte im Süden an der
s.g. „Stalingrader Front“ beim rumänischen VI. Armeekorps in der Nähe der Seen-Enge und
der 20. rumänischen Infanteriedivision ein.339 General Jeremenkos Truppen schnitten durch
den Flankendurchbruch Teile von Generaloberst Hoths 4. Panzerarmee ab 340 und schon nach
kurzer Zeit stellte sich heraus, dass die für die Wiederherstellung der Lage veranschlagte
29. motorisierte Infanteriedivision nicht genügte, um die Situation für die deutschen Truppen
wieder zu verbessern.341 Die 4. rumänische Armee verlor zudem noch ihre Stellungen bei
Ivanovka und die Truppen der Roten Armee stießen immer weiter vor.342
343
338
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 80-81.
339
Ebd., S. 81.
340
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 501.
341
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 81.
342
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44.
343
Operation „Uranus“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ab/Map_Battle_of_Stalingrad-
lt.svg, eingesehen 10.07.2014, eigene Darstellung.
47
„Im Oberkommando der Wehrmacht herrschte […] zwar Beunruhigung, doch keineswegs
Katastrophenstimmung.“344 Die deutsche Führung in der Personen von Hitler und dem Chef
des Generalstabes des Heeres, General Zeitzler, reagierten sogleich und befahlen den Stab des
AOK 11 der Heeresgruppe Nord, dem auch Generalfeldmarschall von Manstein angehörte,
auszugliedern und an die Ostfront zu verlegen, um das Kommando der aus Verbänden der
Heeresgruppe B neu aufgestellten Heeresgruppe Don zu übernehmen345 mit dem Ziel, „[…]
die sowjetischen Angriffe zum Stehen zu bringen und die verlorenen Stellungen
wiederzugewinnen.“346
Am 21. November 1942 wurde die Lage rund um Stalingrad stetig prekärer für die deutschen
Verbände. Bei Kalasch am Don zeichnete sich ein Durchbruch der Roten Armee immer mehr
ab und die deutsche Führung setzte sich bereits mit einem zeitlich begrenzten Einschluss der
Armee auseinander.347 Hitler befahl zu diesem Zeitpunkt mit einem „Führerentscheid:
6. Armee hält trotz Gefahr vorübergehender Einschließung“348, den gewonnenen Boden in
Stalingrad. Das Zusammentreffen der sowjetischen Panzertruppen, die aus dem Südosten und
Nordwesten auf Kalatsch vorstießen, war von den deutschen Verbänden nicht mehr zu
unterbinden349 und die Don-Brücke bei Kalatsch ging in der Nacht auf den 22. November
gegen Kräfte der Vorausabteilung des sowjetischen 26. Panzerkorps verloren.350 Der Tag
erwies sich als Schicksalstag, denn die Flankensicherung der 6. Armee wurde nach
„[s]tärkste[n] Angriffe[n] auf allen Fronten“351 gänzlich durchbrochen.352 Die logistischen
Nachschubwege der 6. Armee mittels der Bahnstrecke Rostow – Stalingrad war somit
abgeschnitten353 und die operativen Möglichkeiten der deutschen Truppen verringert. 354
Hitler schrieb am selben Tag an Paulus: „Die 6. Armee ist vorübergehend von russischen
Kräften eingeschlossen. Ich kenne die 6. Armee und ihren Oberbefehlshaber und weiß, daß sie
sich in dieser schweren Lage tapfer halten wird.“355
Am 23. November vereinigten sich die Angriffsspitzen der Roten Armee bei Sovetskij.356 Die
gesamte 6. Armee, einige Verbände der 4. Panzerarmee sowie die restlichen Soldaten der
344
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203.
345
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 81.
346
Ebd., S. 81.
347
Ebd., S. 82.
348
Heeresgruppe B an AOK 6, 21.11.1942. BArch, RH 20-6 - 241, fol. 272
349
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 82.
350
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 12.
351
Paulus an Heeresgruppe B, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 149.
352
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
353
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 12.
354
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 83.
355
Hitler an Paulus, 22.11.1942. BArch, RH 20-6 - 238, fol. 181.
356
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44.
48
3. und 4. rumänischen Armee waren ab diesem Zeitpunkt in Stalingrad eingekesselt.
Insgesamt war ein Kontingent von 290.000 Soldaten unter deutschem Oberbefehl in
Stalingrad eingeschlossen.357 Darüber hinaus hatten die Verbände der Roten Armee auch
zahlreiche Nachschubdepots der deutschen Truppen erobert, und die schon im Vorfeld
problematische Versorgungssituation wurde somit noch verschlimmert.358
Nach der Einkesselung war der erste Funkspruch des Kommandos der 6. Armee an das
übergeordnete Kommando der Heeresgruppe B: „Armee eingeschlossen […] trotz
heldenmütigem Widerstandes […]“359. Stalingrad wurde von Hitler daraufhin sogleich zum
Sinnbild „[…] deutschen Sieges- und Kampfeswillens“360 deklariert. Die Stadt an der Wolga
erfuhr somit nicht nur einen taktischen und militärstrategischen Wert, sondern wurde zu einer
Auseinandersetzung um den eigenen Prestigeerfolg zweier Diktatoren hochstilisiert.361
Generaloberst Paulus befahl den deutschen Truppen, sich im Kessel einzuigeln und zeitgleich
die Planung für einen Ausbruch mitlaufen zu lassen.362 Paulus war bezüglich „[…] seine[s]
Handeln[s] in den Novembertagen 1942 kein Vorwurf zu machen […]. In jedem Falle mußte
er für die vom Gegner umzingelten Verbände den Befehl geben sich einzuigeln, ganz gleich,
wofür man sich dann entschied […]“363 um präventiv die Möglichkeit der russischen Kräfte
zu verhindern, dass die gesamte Armee aus deren Hinterland aufgerieben werden würde.364
Der Oberbefehlshaber der 6. Armee bat zudem das OKW „[…] auf Grund der Lage nochmals
um Handlungsfreiheit.“365, um mit Zustimmung der deutschen Führung aus dem 40 mal
50 km umfassenden Kessel in westlicher Richtung ausbrechen zu dürfen.366 Paulus hielt zu
diesem Zeitpunkt ein „[…] Durchschlagen nach Südwesten […] über den Don zur Zeit noch
für möglich, wenn auch unter Opferung von Material.“367 Auch die nächsthöhere
Befehlsgewalt, General von Weichs sprach sich wie Paulus für ein Rückzug der Truppen aus
Stalingrad zur Bildung einer neuen Frontline für den weiteren Feldzug aus368: „Trotz der
außergewöhnlichen Schwere des zu fassenden Entschlusses muß ich melden, daß ich [die]
Zurücknahme der 6. Armee, wie von General Paulus vorgeschlagen, für notwendig halte.“369
357
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
358
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203-204.
359
Funkspruch des AOK 6 an die Heeresgruppe B, 22.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 179.
360
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 135.
361
Ebd., S. 135.
362
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 44.
363
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 82.
364
Ebd., S. 82.
365
General Paulus bittet Oberkommando des Heeres um Handlungsfreiheit, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/176.
366
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136.
367
Paulus an Heeresgruppe B, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 149.
368
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 203.
369
Ebd., S. 203.
49
Ein Rückzug aus Stalingrad kam jedoch für Hitler nicht in Frage. Laut dem Oberbefehlshaber
der Wehrmacht war es nötig, die Stadt an der Wolga unbedingt zu halten, denn jeder Abzug
deutscher Truppen wäre Verrat gewesen.370
„Hier war nun nicht eine höhere politisch-moralische Urteilskraft der Generale
gefordert, sondern einfach ihr militärischer Sachverstand und ihr
Verantwortungsbewußtsein. Da sachlich Einmütigkeit über die Notwendigkeit eines
Ausbruchs herrschte, bedurfte es keiner Verschwörung, keiner Konspiration, keiner
geheimen Absprachen, um die richtige Entscheidung zu treffen.“371
Doch „[a]usgerechnet Manstein, der im Heer größte Autorität genoss, gab ein Beispiel im
Denken der militärischen Führung, dass Hitler nicht nur der Oberbefehlshaber, sondern auch
moralisch höchste Instanz für viele in der Wehrmachtgeneralität geworden war.“372 Paulus
sah nämlich dem Haltebefehl Hitlers und einem veranschlagten Entsatz skeptisch entgegen.
Hierzu rief Generalfeldmarschall von Manstein Paulus in Erinnerung, wem er Treue und
Gehorsam geschworen hatte373: „Der Befehl des Führers entlastet Sie von der Verantwortung
[…]. Was wird, wenn die Armee in Erfüllung des Befehls des Führers die letzte Patrone
verschossen haben sollte, dafür sind Sie nicht verantwortlich!“374 Überdies hinaus besaß
Paulus auch nicht die Willensstärke einen eigenmächtigen Ausbruchsbefehl zu erteilen. Seine
permanente Beurteilung der Lage ließ Paulus zudem immer neue Argumente gegen einen
sofortigen Ausbruch finden, bei deren Abwägung er auch noch von seinem hitlertreuen
Stabschef bekräftigt wurde.375
370
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136.
371
Heinrich Graf von Einsiedel, Stalingrad, in: Der Überfall. 152 erstmals veröffentlichte Farbaufnahmen vom
Beginn des Russlandfeldzugs bis Stalingrad, hrsg. v. Archiv für Kunst und Geschichte, Hamburg 1984, S. 28-
35, hier S. 28-29.
372
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45.
373
Ebd., S. 44-45.
374
Brief von Manstein an Paulus, 27.11.1942, zit. in: Manfred Kehrig, Stalingrad. Analyse und Dokumentation
einer Schlacht, Stuttgart 1979, S. 572.
375
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 260.
50
Ostfront in Stalingrad beordert.376 „Für […] General von Seydlitz-Kurzbach […] bedeutete
militärische Verantwortung allerdings mehr als Gehorsam – er sah zumindest die
Verantwortung des militärischen Führers für seine Soldaten.“377
Der Kommandeur im Nordkessel legte Paulus das Beispiel des Generals Karl von Litzmann,
der 128 Jahre zuvor, entgegen eines Haltebefehls, aus einer russischen Einschließung
ausgebrochen war, nahe, wie dieser auch „[…] den Weg des Löwen einzuschlagen“378 und
gegen Hitlers Befehl mit seinen Truppen aus dem Kessel von Stalingrad auszubrechen.379 Die
deutschen Korpskommandanten tendierten, wie von Seydlitz, zu einem Rückzug aus der
Stadt. Für diese stand fest, dass es besser ist „[…] mit fünf Divisionen [zu] entkommen als mit
20 [zu] sterben.“380
Von Seydlitz prognostizierte, dass die Führung der Roten Armee die Absicht hatte die
Offensive mit aller Kraft weiter voranzutreiben, um die deutschen Truppen im Kessel von
Stalingrad vernichtend zu zerschlagen, bevor Hilfe von außerhalb kommen konnte.381
„Umgekehrt folgerte von Seydlitz daraus, daß die eingeschlossenen Verbände verloren sein
würden, wenn nicht schnellstmöglich für Verstärkung gesorgt werden könne.“382
Bereits in der Nacht vom 23. auf den 24. November ließ von Seydlitz, trotz der Mahnung von
Paulus auf die Führerbefehle zu vertrauen, eigenmächtig seine Truppen etappenweise von der
nördlichen Frontlinie absetzen, um den Führungsstab der 6. Armee zu einer Reaktion auf die
immer schlechter werdende Lage im Kessel gezwungenermaßen zu bewegen oder im besten
Fall für einen Ausbruch zu gewinnen.383 Die Truppen der Roten Armee bemerkten jedoch den
Abzug der deutschen Truppen an der Frontline im Norden und stürmten gegen die sich in
absetzender Bewegung befindlichen Landser an. Von Seydlitz trug nun die alleinige Schuld
für die hohen Verluste der unter seinem Kommando stehenden 94. Infanteriedivision.384
In einer mit seinem Generalstabschef Oberst Hans Clausius zusammen entworfenen
Denkschrift schrieb von Seydlitz an Paulus385: „Die Armee steht vor dem eindeutigen
Entweder-Oder: Durchbruch nach Südwesten in allgemeiner Richtung Kotelnikowo oder
Untergang in wenigen Tagen.“386 Würde die Lage im Kessel unverändert bleiben, so wäre
376
Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz, S. 24.
377
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45.
378
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 163.
379
Ebd., S. 163.
380
Ebd., S. 164.
381
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 206.
382
Ebd., S. 206.
383
Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz, S. 24.
384
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45.
385
Ueberschär, Die Generäle Paulus und Seydlitz, S. 24.
386
General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 8.
51
„[d]ie Aussicht, in der versorgungsmässig [sic!] noch tragbaren Zeit den Entsatz wirksam
werden zu lassen, […] gleich null.“387
Paulus ließ sich von von Seydlitz jedoch nicht in seinen Entscheidungen beeinflussen und der
Generalstabschef des AOK 6, Generalmajor Arthur Schmidt, vermerkte auf zynische Weise
handschriftlich auf der Denkschrift: „Wir haben uns nicht den Kopf des Führers zu
zerbrechen und Gen[eral] v. Seydlitz nicht den des O[ber] B[efehlshabers]!“388 Die
Einstellung von Schmidt teilte auch ein Gros der deutschen Generalität. Ein Offizier hat im
Sinne des Auftrages zu gehorchen und Befehle des übergeordneten Kommandos nicht zu
hinterfragen, sowie keine politischen Urteile zu fällen.389 Im Kessel stand für General von
Seydlitz jedoch unmissverständlich fest: „Soll die Armee erhalten werden, so muss sie einen
anderen Befehl sofort herbeiführen oder sofort einen anderen selbst fassen.“390 Auf Grund
dessen appellierte der Kommandeur im Nordkessel vehement an Paulus‘ Vernunft und
forderte den Generaloberst zum Ergreifen der Initiative gegen den Willen des Führers auf:
„Hebt das O.K.H. den Befehl zum Ausharren […] nicht unverzüglich auf, so ergibt
sich vor dem eigenen Gewissen gegenüber der Armee und dem deutschen Volke die
gebieterische Pflicht, sich durch den bisherigen Befehl verhinderte Handlungsfreiheit
selbst zu nehmen und von der heute noch vorhandenen Möglichkeit, die Katastrophe
durch eigenen Angriff zu vermeiden, Gebrauch zu machen.“391
General Zeitzler, der Generalstabschef des Oberkommandos des Heeres, teilte in der
Diskussion um einen Ausbruch deutschen Truppen nicht Schmidts Geisteshaltung, sondern
der Beurteilung der Lage der Generäle an der Front.392 Zeitzler willigte ein, Hitler „[…]
vorzuschlagen, daß die 6. Armee sofort einen Durchbruchsversuch wagen müsse.“393 Die
Generalität nahm an, dass sich Hitler von Zeitzler zum Ausbruch überreden lassen würde.
Hierzu hatte Zeitzler bereits in Auftrag gegeben, alle Vorkehrungen für einen Rückzug aus
Stalingrad zu veranlassen.394
387
General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 11.
388
Handschriftlicher Zusatz von Generalmajor Schmidt zum Lagebericht aus dem Kessel, 25.11.1942. BArch,
RH 20-6/238, fol. 13.
389
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 208.
390
General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 11.
391
Ebd., fol. 13.
392
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 208.
393
Ebd., S. 208.
394
Ebd., S. 208.
52
könne und legte dem „Führer“ die Folgen eines Nichtausbruchs mit veranschaulichenden
Worten dar395: „Das bedeutet Tod oder Gefangennahme für eine Viertelmillion tapferer
Soldaten. Der Verlust dieser großen Armee würde der Ostfront das Rückgrat brechen.“396
Zwei von Hitlers engsten Beratern, Generalfeldmarschall Keitel und Generaloberst Jodl,
teilten Zeitzlers Auslegungen nicht. Keitel verkündete im Hauptquartier397: „Mein Führer,
geben Sie Stalingrad auf keinen Fall auf!“398, und Jodl der die militärische Sinnhaftigkeit
eines Ausbruchs mit dem Halten Stalingrads verglich, kam zum gleichen Entschluss,
Stalingrad zu halten. Hitler bekam somit den Standpunkt zu hören, den er selbst vertrat.
Zeitzler zitierte Hitler: „Sie sehen, daß ich mit meiner Ansicht nicht allein stehe. Ich werde
mich also weiterhin an die von mir bereits getroffene Entscheidung halten.“399 Ab diesem
Zeitpunkt bezeichnete Hitler die Stadt an der Wolga nur noch als „Festung Stalingrad“.400 Der
Festungsbegriff sollte an der Heimatfront den Anschein erwecken, dass sich die deutschen
Landser in Stalingrad hinter fest ausgebauten sicheren Stellungen eines Festungsgürtels
befanden. Dies entsprach jedoch nicht der Realität.401
Nach der Besprechung mit Zeitzler traf die von den Generälen erwartete Funkmeldung im
Kessel ein. Jedoch war die Meldung, entgegen den Erwartungen, ein Führerentscheid mit
402
oberster Priorität und ohne Widerspruchschance. Der Führerentscheid war eindeutig zu
verstehen: „Jetzige Wolgafront und jetzige Nordfront […] unter allen Umständen […]
halten.“403 Stalingrad war für die Planung der nächstjährigen deutschen Sommeroffensive als
Eckpfeiler essentiell und sollte demnach unter allen Umständen in den Händen der Landser
bleiben.404 Hitler argumentierte, dass das bereits unter teilweise schweren Verlusten eroberte
Gebiet, womit er v.a. Stalingrad ansprach, im Falle eines Rückzugs deutscher Truppen, im
Folgejahr wieder neu erobert werden müsse.405 Zudem kam der Umstand, dass die deutsche
Propaganda im Reich bereits wochenlang den endgültigen Fall von Stalingrad angekündigt
hatte und ein Gesamtrückzug der deutschen Truppen und eine Aufgabe Stalingrads Hitler
selbst mit dem „[…] Odium des Verlierers belaste[t]“406 hätte.407
395
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 212.
396
Ebd., S. 212.
397
Ebd., S. 212.
398
Ebd., S. 212.
399
Ebd., S. 212.
400
Ebd., S. 212.
401
Selle, Stalingrad: das Schicksal der 6. deutschen Armee, S. 96.
402
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 208.
403
Führerentscheid vom 24.11.1942, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 286.
404
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 84.
405
Erich von Manstein, Verlorene Siege, Bonn 1959, S. 350.
406
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 11.
407
Ebd., S. 11.
53
3.4 Nachschub für die „Festung Stalingrad“
Das geplante Ziel war, die eingeschlossenen deutschen Truppen über den Luftweg zu
versorgen. Wie die Lage im Jänner 1941 im Kessel von Demjansk von der deutschen
Luftwaffe gemeistert worden war, sollte demnach die Armee in Stalingrad bis zum
beabsichtigten Entsatz auf gleiche Weise erhalten408, der russische Verteidigungsring
aufgebrochen, und die Besatzung der Stadt an der Wolga durch deutsche Truppen
aufrechterhalten werden.409 Die Verantwortlichen für die Planungen der Luftversorgung im
Oberkommando des Heeres, bei der Heeresgruppe B und im Stab der 6. Armee stellten jedoch
eine Luftbrücke, in dem Ausmaß, wie es die Versorgung der deutschen Truppen in Stalingrad
verlangte, in Frage.410
Ausschlaggebend für die Entscheidung einer Luftversorgung von Stalingrad war für Hitler die
Zusicherung Hermann Görings. Laut dem Reichsmarschall würde die deutsche Luftwaffe zur
Erreichung der Versorgung für Stalingrad „[…] bei jeder Wetterlage […] [fliegen]. Demjansk
und andere Fälle hätten bewiesen, daß man so etwas könne.“411 Göring trug bei der
entscheidenden Lagebesprechung nicht selbst vor, sondern Generaloberst Jeschonnek, sein
Generalstabschef, vertrat die Standpunkte Görings. Jedoch war eine erfolgreiche Versorgung
aus der Luft noch an zahlreiche Parameter, wie bspw. geeignetes Flugwetter, Flugplätze in der
Nähe Stalingrads, geknüpft. Die Nebenbedingungen klammerte Hitler in der
Entscheidungsfindung aus, das grundsätzliche „Ja“ des Reichsfeldmarschalls genügte.412
Im Gegensatz zum Kessel von Demjansk befanden sich jedoch im Kessel von Stalingrad drei
Mal so viele Soldaten, die lebenserhaltende Güter für sich und den Kampfeinsatz benötigten.
Ungeachtet dessen, dass das VIII. deutsche Fliegerkorps alles Mögliche unternahm, die
verfügbaren Bomber und Transportmaschinen bei jeder Wetterlage nach Stalingrad zu
schicken, auf behelfsmäßigen Pisten zu landen, um dann einerseits die so wichtigen
Versorgungsgüter in den Kessel hinein und andererseits schwerverwundete Soldaten aus
Stalingrad herauszufliegen, konnte die deutsche Luftwaffe jedoch im Winter des Jahres
1942/43 das benötigte Ausmaß an den essentiellen Gütern von 500 Tonnen täglichen
Nachschubs auf Grund des Kapazitätenmangels von vornherein nicht erreichen.413
408
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136.
409
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 503.
410
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 210.
411
Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab), 1939-1945, Bd. 2/1, hrsg. v.
Percy Ernst Schramm, Frankfurt am Main 1963, S. 86.
412
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 211.
413
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136.
54
Hitler hatte es zudem nicht für nötig erachtet, für die Truppen des Ostheeres angemessene
Winterbekleidung, die die Soldaten gegen den harschen russischen Winter schützten sollte,
anzuordnen, in dem Glauben, dass „[f]ür eine Besatzungsarmee, die nicht mehr in
Kampfhandlungen verstrickt ist, […] in Rußland durchaus die vorhandene normale
Winterkleidung [genüge].“414 Die Winterausrüstung für die Landser sollte eigentlich aus
Übermänteln, Schlupfjacken, Kopfschützern, Fingerhandschuhen, Überstrümpfen sowie
Filzschuhen bestehen, doch für die kämpfende Truppe in Stalingrad blieb die
Winterbekleidung aus. Wegen Überlastung und fehlender Transportmöglichkeiten standen die
Züge mit Ausrüstung für die 6. Armee nutzlos in der Ukraine. 76 Waggons in Jassinowotaja,
41 in Kiew, 17 in Charkow und 19 in Lemberg, fernab der Front.415
Bis 16. November konnte die Versorgung der Truppen in Stalingrad für den einsetzenden
Winter nicht ausreichend erreicht werden. Beispielsweise meldete das Kommando der
6. Armee im Lagebericht am selbigen Tag, dass nur die Kämpfer, die direkt an der
Hauptkampflinie standen, Winterbekleidung bekommen hatten, für die restlichen Soldaten
waren keine Winteruniformen vorhanden. Außerdem war im Vorhinein die „[v]ollständige
Ausstattung mit zusätzlicher Winterbekleidung […] ausgeschlossen, weil immer noch
erhebliche Mengen fehl[t]en.“416 Seife war für die Verbände der 6. Armee nur noch bis
Oktober vorhanden gewesen und Öfen nur noch zu einem Drittel des Winterbedarfs
vorrätig.417 Auf Grund dessen konnte „[v]on einer Winterbevorratung […] noch auf keinem
Gebiet gesprochen werden. Die geringe Vorratshaltung an Verpflegung […] [war] wegen
schleppenden Nachschubs von Verpflegungszügen sogar zurückgegangen.“418
414
Schröter, Stalingrad, S. 34.
415
Ebd., S. 34.
416
Beitrag des AOK6 zum Bericht über die Wintervorbereitungen, 16.11.1942. BArch, RH 20-6/888 fol. 205.
417
Ebd., fol. 206.
418
Ebd.
419
Tagesbefehl des Oberbefehlshabers General Paulus an die unterstellten Einheiten, 27.11.1942. BArch, RH
20-6/238, fol. 144.
55
Die Versorgung der 6. Armee wurde jedoch von Tag zu Tag bedenklicher 420 und die
Kampfkraft der Soldaten begann mit zunehmendem Verweilen im Kessel zu schwinden.
Bereits vier Tage nach der Einkesselung der 6. Armee schrieb Generaloberst Paulus an die
Heeresgruppe B, dass die „[z]ugesagte Luftzufuhr bisher ausgeblieben und nach Wetterlage
wenig aussichtsreich [war]. […] Mun[ition]- und Betriebsstofflage machen daher in kürzester
Zeit [die] Truppe wehrlos.“421 Zusätzlich kam noch der Umstand dazu, dass die russische
Fliegerabwehr durch weitere zahlreiche Jäger und Flakbatterien so verstärkt worden waren,
dass die Versorgungsflüge der deutschen Luftwaffe tagsüber nur noch mit Kampfflugzeugen
des Typs HE 111, und die JU-52 ausschließlich bei Nacht fliegen konnten.422
Die deutsche Luftwaffe erreichte von 3. bis 12. Dezember eine durchschnittliche Güterzufuhr
von 40 Tonnen pro Tag. Dies entsprach in etwa sieben Prozent der notwendigen
kampfkrafterhaltenden Tageszufuhr in den Kessel423 und das Einfliegen von Munition und
Betriebsmitteln konnte in keinster Weise in der geforderten Mindestmenge erreicht werden. 424
Am 11. Dezember waren die deutschen Generälen im Kessel bei der Lagebesprechung schon
überzeugt, „[…] daß eine Luftversorgung in der der 6. Armee von anderer Seite angegebenen
Höhe auch bei der Zuführung neuer Kräfte aus Wettergründen und auf Grund der
herrschenden Feindlage […] nicht erreicht werden kann.“425 In Summe verlor die deutsche
Luftwaffe an die 500 Flugzeuge im Einsatzraum Stalingrad.426 Dies war „[…] ein Blutzoll,
von dem sich die Transporte der Luftwaffe nicht mehr erholen sollte.“427
Wichtige Rohstoffe für Unterkunft- und Stellungsbau, sowie Heizmaterial, Kohle und Holz
gelangten von Tag zu Tag unzureichender zu den eingeschlossenen Soldaten.428 Erst am
7. Dezember gelang es Görings Luftwaffe, den Nachschub knapp an der Grenze zu den
täglich versprochenen 300 Tonnen, mit 282 Tonnen Versorgungsgütern sicherzustellen. Das
gelang den deutschen Fliegern nur noch ein einziges Mal zu wiederholen.429 Auf Grund
dessen konnten für einen Ausbruch nach Südwesten wegen der gravierenden Unterversorgung
keine dringend benötigten Reserven angehäuft werden.430 „Die Situation war für das AOK 6
ein hervorragender Anschauungsunterricht dafür, was zu erwarten war, wenn der
420
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
421
Paulus an Heeresgruppe B, 23.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 149.
422
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 345.
423
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94.
424
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 26.
425
Major Stollberger berichtet über die Lagebesprechung mit General Paulus, 11.12.1942. BArch, RL 8/271.
426
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 136.
427
Ebd., S. 136.
428
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 11.
429
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 328.
430
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94.
56
Entsatzangriff nicht durchschlug und die 6. Armee trotzdem an den Raum von Stalingrad
gebunden war.“431
Der Einflug von platzsparendem Mehl statt fertig gebackenem Brot scheiterte an der Tatsache,
dass die Umstellung auf eigenes Backen drei bis vier Tage in Anspruch genommen hätte, und
die deutschen Soldaten den Zeitraum mit ihren noch vorhandenen eigenen Reserven nicht
überbrücken hätten können. Aus diesem Grund musste weiterhin wässriges Roggenbrot in den
Kessel eingeflogen werden, welches beim Transport gefror und vor dem Verzehr von den
Landsern erst aufgetaut werden musste. Obwohl in Rostow Unmengen an Mehl- und
Butterreserven der Wehrmacht gebunkert waren, konnten diese nicht an die Truppe verteilt
werden. Stattdessen trafen teilweise tiefgefrorenes Frischfleisch und tonnenweise Konserven
mit Gemüse im Kessel ein. Als Gewürze auszugehen drohten, wurden sogleich vier Tonnen
Pfeffer und Majoran mit zwei JU-52 eingeflogen, jedoch kam keine dringend benötigte
Kraftnahrung zu den Soldaten. Hinzu kam der Umstand, dass die deutschen Flieger, anstatt
Versorgungsgüter und Lebensmittel, unnötige Dinge, wie 200.000 Propagandazeitschriften,
Kragenbinden, Stacheldraht und Dachpappe, einflogen. An einem Tag kam es sogar vor, dass
nur 6 Tonnen Bonbons und sperrige Teile für Pioniervorhaben im Kessel ankamen.432
431
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
432
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
433
Schröter, Stalingrad, S. 96.
434
Guido Knopp, Hitlers Krieger, München 1998, S. 191.
435
Will Fowler, Schlacht um Stalingrad. Die Eroberung der Stadt – Oktober 1942, Wien 2006, S. 163.
436
Generalfeldmarschall von Manstein teilt Paulus die Befehlsübernahme der Heeresgruppe Don mit.
24.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 163.
437
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 91.
57
„Führer beabsichtigt, 6. Armee in dem Raum jetzige Wolgafront, jetzige Nordfront
[…] zusammenzufassen […], dass so wenig wie irgend möglich schwere Waffen und
Gerät zurückbleiben[,] [den Kessel] […] durch Angriff nach Südwesten […] zu
erweitern, […] [und gleichzeitig die] Bildung [einer] bewegliche[n] Kräftegruppe um
Kotelnikowo.“438
Teile der Heeresgruppe sollten unter von Mansteins Führung von Südwesten als
Hilfskommando zu den eingekesselten deutschen Truppen in Stalingrad vorrücken und den
alten Frontverlauf vor dem Angriff auf die Stadt an der Wolga wiederherstellen.439
„Vergeblich versuchte Manstein, den Oberbefehl über alle Truppen im Südabschnitt der
Ostfront und freie Hand für eigene Operationen zu bekommen.“440 Der deutsche
Generalfeldmarschall sah sich aus diesem Grund der schwierigsten Aufgabe seiner bisherigen
Armeekarriere gegenüber, seine militärischen Fähigkeiten auf einer höheren Ebene
auszuüben.441
Von Manstein gebot Paulus, dass „[e]s […] inzwischen darauf an[komme], daß [die] Armee
gemäß Führerbefehl baldmöglichst starke Kräfte bereitstellt, um sich notfalls wenigstens
vorübergehend eine Nachschubstraße nach Südwesten auszuschlagen.“442 Denn neben der
Aufgabe, den deutschen Truppen im Kessel Hilfe zukommen zu lassen, kam auch noch der
erschwerende Umstand hinzu, dass Hitler unter keinen Umständen gewillt war, einen
Rückzug der gesamten deutschen Truppen aus der für ihn ideologisch so wichtigen Stadt zu
genehmigen. Beim Lagevortrag im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze in Ostpreußen
bekundete Hitler vor den versammelten Generälen seinen unwiderruflichen Haltewillen bezgl.
der Stadt an der Wolga443:
„Ich habe mir, im großen [sic!] gesehen, eines überlegt […]. Wir dürfen unter keinen
Umständen das erst aufgeben. Es wiedergewinnen werden wir nicht mehr. Was das
bedeutet wissen wir. […] Wenn wir […] [Stalingrad] preisgeben, geben wir eigentlich
den ganzen Sinn des Feldzuges preis. […] Daher dürfen wir hier auch nicht
weggehen. Dazu ist zu viel Blut vergossen worden.“444
Auf Grund des bekannten Engpasses bei der Luftversorgung der eingekesselten Truppen war
von Manstein anfänglich Hitlers Meinung, dass das Risiko eines Ausbruches der 6. Armee
durch die zurzeit gegebenen Umstände im Kessel zu hoch sei, jedoch war für den
438
Führerentscheid vom 24.11.1942, zit. in: Kehrig, Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht,
S. 562.
439
Knopp, Hitlers Krieger, S. 192.
440
Ebd., S. 192.
441
Ebd., S. 192.
442
Generalfeldmarschall von Manstein teilt Paulus die Befehlsübernahme der Heeresgruppe Don mit.
24.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 163.
443
Lagebesprechungen im Führerhauptquartier. Protokollfragmente aus Hitlers militärischen Konferenzen 1942-
1945, hrsg. v. Helmut Heiber, Stuttgart 1962, S. 43-57.
444
Ebd., S. 53-54.
58
Generalfeldmarschall klar, dass ein Halten der Stellung und etwaige militärische Operationen
nur mit ausreichender Versorgung möglich waren. Paulus „[…] forderte [am 26. November
1942] von Manstein ‚für den alleräußersten Fall die Genehmigung zum Handeln nach Lage‘.
Unter Hinweis auf den ‚Führerbefehl‘ lehnte dieser ab“445. Von Manstein erkannte aber, dass
die 6. Armee ein Ausharren über den Winter hindurch in Stalingrad nicht überleben konnte
und befahl die Erstellung eines zweiten Plans „[…] für den Fall, daß Hitler endlich Vernunft
annahm.“446
Der deutsche Generalfeldmarschall stand somit vor drei großen militärischen Aufgaben:
Erstens, die Lage an der Ostfront wieder zu Gunsten des deutschen Heeres zu drehen;
zweitens, einen Durchbruch der russischen Verbände in Richtung Rostow zu unterbinden, um
die Truppen der Heeresgruppe A nicht zu verlieren und drittens, die 6. Armee aus dem Kessel
von Stalingrad zu befreien.447
445
Rolf Steininger, Missbrauchte Tapferkeit, in: Wiener Zeitung extra, 26/27. 11. 2013, S. 36.
446
Anthony Beevor, Stalingrad, München 2002, S. 338.
447
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 164.
448
Beevor, Stalingrad, S. 338.
449
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45.
450
Manstein, Verlorene Siege, S. 349.
451
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45.
452
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1035.
453
Ebd., S. 1035.
59
nämlich 60 km von den Stellungen der eingeschlossenen deutschen Truppen, verlief.454 Der
Hauptschlag der deutschen Verbände sollte dennoch, laut Führerbefehl, aus dem vom Kessel
weiter entfernten Raum Kotelnikowo erfolgen, mit dem Ziel, durch die Truppenmassierung
im Norden die sowjetische Führung zu dem Glauben an einen massierten deutschen Angriff
am Tschir zu verleiten und vom südlichen Aufmarsch abzulenken.455 Laut Generaloberst Hoth
war zudem die Geländebeschaffenheit für einen großräumigen Panzerangriff von
Kotelnikowo aus besser geeignet.456 Der Auftrag der Entsatzarmee dazu lautete somit, „[…]
ostwärts des Don auf kürzestem Wege die Verbindung zur 6. Armee her[zustellen]“457 sowie
die „[…] Feindversorgung ab[zu]schneiden und Don-Übergang für 6. [Armee zu] öffnen.“458
Teilkräfte des Entsatzheeres sollten demnach auf Kalatsch vormarschieren und von dort die
Bresche zur eingeschlossenen 6. Armee schlagen.459 Hierzu wurde die Heeresgruppe Don in
zwei große Verbände gespalten.460
Der erste Angriffskeil, die Armee-Abteilung Hollidt, sollte am Nordufer des Flusses Tschir461
mit der 62., 294., und 336. Infanteriedivision und Teilen des 48. Panzerkorps, in welchem die
11. und 22. Panzerdivision, die 3. Gebirgsdivision und die 7. und 8. Luftwaffen-Feld–Division
eingegliedert waren462, beim Brückenkopf Nischne-Tschirskaja die Hauptkampflinie des
Entsatzangriffs decken und verstärken.463 Östlich des Don sollte die „Armee-Abteilung
Hoth“464, die unter der Führung mit den Resten der durchmischten 4. Panzerarmee von
Generaloberst Hoth465, zusammen mit den Verbänden des LVII. Panzerkorps unter dem
Kommando von General Friedrich Kirchner, der 6. und 23. Panzerdivision, sowie der 15.
Luftwaffen-Feld-Division die Grundlage des Entsatzangriffs aus dem Raum Kotelnikowo
darstellen.466 Für die Flankensicherung des Entsatzunternehmens waren die 16. motorisierte
Division sowie das rumänische VII. Armeekorps vorgesehen.467 Zusätzlich sollten 179
454
Beevor, Stalingrad, S. 338.
455
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 92.
456
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 262.
457
Knopp, Der verdammte Krieg, S. 224.
458
Die Heeresgruppe Don informiert das AOK 6 über die geplante Operation „Wintergewitter“, 01.12.1942.
BArch, RH 19-VI/2, fol. 269.
459
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93.
460
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 198.
461
Ebd., S. 198.
462
Manstein, Verlorene Siege, S. 349.
463
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 332.
464
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 198.
465
Beevor, Stalingrad, S. 338.
466
Manstein, Verlorene Siege, S. 349.
467
Schröter, Stalingrad, S. 100.
60
Kampfmaschinen des IV. Fliegerkorps die Stärkung der militärischen Offensive aus der Luft
übernehmen.468
„Die in Aussicht gestellten Kräfte mochten – falls sie wirklich in dieser Stärke und zu
den angegebenen Zeitpunkten verfügbar sein würden – jedenfalls ausreichen, um
vorübergehend die Verbindung zur 6. Armee wiederherzustellen und dieser damit ihre
Bewegungsfreiheit wiedergeben.“469
Der Auftrag der Entsatztruppen um Kotelnikowo war es demnach, den Raum bis zum Aksaj
wieder einzunehmen, die vermuteten starken russischen Kräfte im Abschnitt Aksaj –
Myschkowa zu werfen und eine Vereinigung mit der 6. Armee südwestlich des Bahnhofes
Tundutowo zu vollziehen.470
Eine erfolgreiche Ausführung des Unternehmens sollte der Wehrmacht eine Neuordnung der
Kräfte und ein Wiedererringen der Handlungsfähigkeit an der Ostfront garantieren. Die
Priorität lag dabei auf der Aufrechterhaltung der Kampfkraft der deutschen Verbände im
Kessel.471 Bei der Planung wurde jedoch im Vorhinein klar, dass die Stärke und Kampfkraft
der beiden Armeegruppen „[i]n keinem Falle […] genügen [konnte], die feindlichen
Gesamtkräfte so zu schlagen, daß an eine Wiederherstellung der Lage im Sinne des von Hitler
im Stellungskriegsjargon gegebenen Auftrags zu denken war.“472
Im Gegensatz zum Führerbefehl vom 24. November 1942 teilte von Manstein nicht die
Aussicht einer Restauration des status quo ante.473 Laut dem Generalfeldmarschall ließ die
militärische Lage bei erfolgreichem Schlagen des Unternehmens maximal zu, die gesamte 6.
Armee aus Stalingrad herauszunehmen und den Rückzug anzutreten. Davon musste Hitler
überzeugt werden.474
Das primäre Interesse Hitlers für das Entsatzunternehmen und für die deutschen Truppen in
Stalingrad lag jedoch nicht darin, Stalingrad aufzugeben, sondern die abgekämpften
deutschen Truppen im Kessel herauszulösen und im direkten Gegenzug neue kampfkräftige
Divisionen in die Stadt einzuschleusen.475 „Wenn Verbindung geschaffen, müssen 3-4
Divisionen herausgezogen u. abgelöst werden, Truppe kann ohne die Wolgafront Stalingrad
nicht halten, zumal wenn der Russe nun auch über das Eis kommen kann.“476 Stalingrad sollte
468
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942 bis 2. Februar 1943, S. 332.
469
Manstein, Verlorene Siege, S, 349.
470
Schröter, Stalingrad, S. 101.
471
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 92.
472
Manstein, Verlorene Siege, S. 349-350.
473
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1036.
474
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 92.
475
Beevor, Stalingrad, S. 338.
476
Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56.
61
demnach als eine Art „Brückenkopf“ für die nächste deutsche Sommeroffensive im Jahr 1943
fungieren und unter allen Umständen von deutschen Truppen gehalten werden.477
Für den militärischen Schlag wurden für den „Fall Donnerschlag“ bei den Landstreitkräften
zudem zwei Pionier- und Straßenbaubataillone sowie ein Brückenbaubataillon zur Räumung
der Minenfelder und der unmittelbaren Vorbereitung des Durchschleuskorridors für die
6. Armee vorgesehen. Dafür lagen schon farbige Wimpel zur Wegmarkierung zu Hauf bereit.
Das VIII. Fliegerkorps hatten den Auftrag, im Tiefflug Treibstoff in 200 Liter-Fässern neben
dem geschlagenen Korridor für die ausbrechenden Truppen abzuwerfen. Die Flakbatterien der
9. Flakdivision sollten die geplanten neuen Flugplätze der Luftwaffe zwischen Stalingrad und
Kotelnikowo sichern.481 Zusätzlich wurde der Einsatz des 4. deutschen und des
I. rumänischen Fliegerkorps, zur Unterstützung des Unternehmens aus der Luft,
angefordert.482
Für die Planung eines erfolgreichen Ausbruchs stellte jedoch der Zustand der Soldaten im
Kessel ein schwerwiegendes Manko dar.483 Eine Mobilisierung aller abgekämpften deutschen
477
Beevor, Stalingrad, S. 338.
478
Die Heeresgruppe Don informiert das AOK 6 über die geplante Operation „Wintergewitter“, 01.12.1942.
BArch, RH 19-VI/2, fol. 269.
479
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 341.
480
Erich von Manstein, zit. in o.V., Stalingrad, Gewitter ohne Donner, Der SPIEGEL (1960), Heft 21,
[http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=43065698&aref=image035/0545/cqsp196021021-
P2P-023.pdf&thumb=false], eingesehen 24.02.2014.
481
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 341-342.
482
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93.
483
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342.
62
Truppen im Kessel für einen Gesamtausbruch hätte eine Anlaufzeit von 4-6 Tagen benötigt.484
Der „Donnerschlag“ musste trotz des schlechten Zustandes der eingeschlossenen deutschen
Truppen, nach den Plänen der Heeresgruppe Don, unmittelbar nach dem „Wintergewitter“
folgen, um einen erfolgreichen Entsatz und den Ausbruch der 6. Armee sicherzustellen, auch
wenn dadurch ein Höchstmaß an Risiko vom Entsatzhilfskommando als auch den
eingekesselten Verbänden in Stalingrad abverlangt wurde.485 Aus diesem Grund sollte die
Division zuerst von der Nordostfront des Kessels in den Südwesten marschieren und
anschließend durch den geschlagenen Korridor der Stoßdivisionen nachrücken. Der Auftrag
der noch 50 einsatzfähigen Panzer der 6. Armee war es, während des Ausbruchs der Infanterie
aus dem Kessel die Flankensicherung zu übernehmen.486
487
484
Alexander F. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad – Ausbruch oder Verteidigung? in: Allgemeine
schweizerische Militärzeitschrift: ASMZ, 1/1994, S. 25-28, hier S. 25.
485
Manstein, Verlorene Siege, S, 359.
486
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342.
487
Operationsplanung „Wintergewitter“ und „Donnerschlag“ im Vergleich, nach: http://upload.wikimedia.
org/wikipedia/commons/c/c9/ Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung.
488
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 464.
63
schwersten Waffen sowie unzählige Panzer und Geschütze zugeteilt waren, handeln
müßte. Auch die damals in Stalingrad Eingeschlossenen gaben sich dieser Hoffnung
hin.“489
Entgegen der Vorstellung, dass die gesamte Heeresgruppe Don zur Offensive antreten würde,
wurde nur eine Panzerarmee für den Kampfeinsatz mobilisiert. Die Imagination über die
Entsatztruppe entsprach jedoch der Auffassung, dass 600 bis 1.000 schlagkräftige Panzer zum
Angriff auf Stalingrad bereit stünden, um die 6. Armee in Stalingrad zu befreien, eine
Einschätzung, die in keinster Weise mit der Realität übereinstimmte.490
489
Mantello, Befreiung von Stalingrad., S. 464.
490
Ebd., S. 464.
491
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93.
492
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25.
493
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468.
494
Manstein, Verlorene Siege, S. 355.
495
Horst Scheibert, Nach Stalingrad…48 km. Der Entsatzversuch 1942. Dokumentation einer dramatischen
Panzerschlacht, Heidelberg 1956, S. 22.
496
Manstein, Verlorene Siege, S. 355.
497
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468.
498
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
499
Ebd., S. 351-352.
64
3. rumänischen Armee antreten musste. Ein Abziehen der deutschen Truppen an den
rumänischen Stellungen hätte zum sofortigen Zusammenbruch der Frontlinie geführt. Die
eingeplante 3. Gebirgsdivision kam überhaupt nicht. Die Heeresgruppe A und Heeresgruppe
Mitte teilten sich die Division auf Befehl des OKH zur Unterstützung für lokale Krisen in
deren Frontgebiet auf. 500 Somit wies die 23. Panzerdivision unter der Führung von General
Hans Wilhelm Freiherr von Boineburg-Lengsfeld ein Panzerkontingent von 30 Panzern,
bestehend aus 4 Panzern vom Typ II, 17 Panzer III und 9 Panzer IV, auf.501
Die bei der sowjetischen Offensive als Stütze der 3. rumänischen Armee in den Kampfeinsatz
beorderte 22. Panzerdivision „[…] stellte sich als Trümmerhaufen heraus“502 , wodurch mit
einer ausreichenden Schlagkraft, im Sinne des Entsatzauftrags, nicht mehr zu rechnen war.
Die 15. Luftwaffen-Felddivision konnte die fehlende Kampfkraft der 22. Panzerdivision nicht
503
ausgleichen, da diese nur für die Flankensicherung in der Abwehr brauchbar war. Im
Ostfeldzug galt unter den deutschen Befehlshabern die Devise, „[l]ieber eine schwache
bewährte Division als einen starken unzuverlässigen Nachbarn“504 im Kampfverband zu
haben.505 General Kirchners Panzerverband, das LVII. Panzerkorps, besaß nach starken
Gefechten mit der Roten Armee zunächst auch nur eine geringe Kampfkraft. Die in den
Planungen für „Operation Wintergewitter“ vorgesehene 17. Panzer- und
306. Infanteriedivision506 wurden auf Befehl des „Führers“ zunächst als Reserve hinter der 8.
italienischen Armee zurückgehalten507, da sich ein russischer Angriff auf den von den
Italienern verteidigten Teil der Front abzeichnete.508 Das Panzerkorps LVII. bestand somit
noch aus zwei rumänischen Kavalleriedivisionen und Teilen der 23. Panzerdivision509 und
wies in Summe einen einsatzfähigen Bestand von 101 Panzer III und 32 Panzer IV auf.510
Die Streitmacht für die Flankensicherung, das VII. rumänische Armeekorps, bestand nach
vorhergegangenen Kämpfen nur mehr aus zwei Kavalleriedivisionen. Außerdem bot das VI.
rumänische Armeekorps nur noch die Kampfstärke einer Infanteriedivision auf.511 Die
versprochene Luftunterstützung des deutschen IV. Fliegerkorps konnte lediglich zu zwei
500
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
501
David M. Glantz/ Jonathan M. House, Endgame at Stalingrad. Book Two: December 1942 – February 1943
(The Stalingrad Trilogy, Vol. 3.), Kansas 2014, S. 106.
502
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
503
Ebd., S. 352.
504
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 22.
505
Ebd., S. 22.
506
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
507
Beevor, Stalingrad, S. 338-339.
508
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 49.
509
Beevor, Stalingrad, S. 338.
510
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332.
511
Schröter, Stalingrad, S. 101.
65
Drittel erreicht werden, da von den 179 Maschinen zwei Geschwader, das Stukageschwader
77 und Kampfgeschwader 27, vor Beginn des Angriffes an die Nordflanke am Don verlegt
worden waren.512
Die große Hoffnung des Entsatzheeres lag auf der aus Frankreich entsandten neu
ausgerüsteten 6. Panzerdivision513 unter dem Kommando von General Erhard Raus, die mit
19 Panzern Typ II, 63 Panzern III – lang, 29 Panzern III 75s, 23 Panzern IV und 7
Kommandopanzern514 die volle Kampfstärke besaß und zu den besten Verbänden in der
ganzen Wehrmacht zählte.515 „Sie bestand größtenteils aus osterfahrenen, in drei Feldzügen
erprobten Offizieren und Mannschaften [die] […] [f]ür den vorgesehenen neuen Einsatz in
Rußland ausgezeichnet vorbereitet und von hohem Kampfgeist beseelt, [an der Ostfront
eintrafen] […].“516 Zudem befand sich ein neues schweres Panzermodell mit einem
88-Millimeter Geschütz517 nach dem Vorbild der 8,8 cm FLAK518 auf dem Weg zu den
Entsatztruppen. „Damit war der nun Tiger genannte neue Panzer fähig, die Panzerung jeden
Gegners zu durchschlagen.“519 Auf Grund dessen wurden die neuen Panzer an die Ostfront
beordert und sollten sofort in General Kirchners LVII. Korps angegliedert werden. Hitler
drängte auf den Beginn der Offensive, da er die Schlagkraft der neuen deutschen
„Tigerpanzer“ bestätigt sehen wollte.520 Der neue Kampfpanzer war aber im Felde noch nicht
erprobt worden und, zum Leidwesen der Besatzungen, mit technischen „Kinderkrankheiten“
und Mängeln behaftet.521 Das für den Entsatzvorstoß vorgesehene 503. schwere Panzer
Bataillon mit den neuen Tigern kam jedoch erst am 21. Dezember an der Donfront an.522
Für den Kampfeinsatz bestand die „Armeeabteilung Hoth“ somit in Summe aus den Resten
der 4. Panzerarmee und den aus dem Kampf übriggeblieben Verbänden des LVII. Panzerkorps
sowie aus der 6. und 23. Panzerdivision.523 Alle genannten Resttruppen und Divisionen waren
auf Grund von von Mansteins Befehl ein Teil des LVII. Panzerkorps. 524 Die „Armeegruppe
Hollidt“ formierte sich im Endeffekt aus Teilen des 48. Panzerkorps, der 11. Panzerdivision
512
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1040.
513
Beevor, Stalingrad, S. 338-339.
514
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 106.
515
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 334.
516
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468.
517
Beevor, Stalingrad, S. 339-340.
518
Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 74.
519
Ebd., S. 74.
520
Beevor, Stalingrad S. 339-340.
521
Manstein, Verlorene Siege, S. 376.
522
Peter McCarthy/Mike Syron, Panzerkrieg: The Rise and Fall of Hitler’s Tank Divisions, New York u.a.
2002, S. 145-146.
523
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
524
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 21.
66
sowie der 336. Infanteriedivision.525 Schlussendlich begannen insgesamt sieben deutsche
Divisionen den Marsch zum Kessel von Stalingrad.526 Die Flankensicherung der Entsatzarmee
stellte in Richtung Osten zur Wolga das VII., und in westlicher Richtung zum Don das
VI. rumänische Armeekorps sicher.527
Die Panzer und Panzerkampfwagen der Entsatzarmee wurden mit s.g. Ostketten, dabei
handelte es sich um verbreiterte Raupenketten für den Erhalt der Einsatzbereitschaft trotz
tiefen Schnees, für den Kampfeinsatz vorbereitet.528 Dies minderte jedoch nicht den Umstand,
dass die materiellen und personellen Ausfälle sowie das Nichterscheinen ganzer geplanter
Divisionen „[…] kräftemäßig [nicht mehr] voll ausgeglichen [werden konnte,] […] als es im
Interesse des Entsatzoperation nötig gewesen wäre.“529 Auf sowjetischer Seite standen dem
Entsatzheer laut russischen Angaben bei Angriffsbeginn 34.000 Mann, 116 Panzer, etliche
Flammenwerferpanzer sowie 419 Panzerabwehrkanonen und Mörser gegenüber. Zahlenmäßig
waren somit die deutschen Panzer anfänglich dem russischen Gegenpart überlegen. Der
Faktor Zeit erlangte höchste Priorität für die deutschen Verbände.530
Die deutschen Wetterstellen meldeten erst nach dem 8. Dezember das Einsetzen einer
Frostperiode. Ab dem genannten Zeitpunkt setzte tatsächlich die Kälte ein und der Boden
begann zu frieren.531 Der geplante Einsatzbeginn des Vorstoßes hatte sich somit vom 3. auf
den 8. und letztendlich auf den 12. Dezember 1942 verschoben.532 Die Lage im Kessel ließ es
zudem nicht mehr zu, „Wintergewitter“ noch weiter zu verzögern.533 Am 11. Dezember
erfolgte durch Generaloberst Hoth die Befehlsausgabe an die 6. und 23. Panzerdivision mit
den Worten:
„Die Stunde des Angriffs ist gekommen. Westlich von Stalingrad halten seit Wochen
deutsche und rumänische Kräfte ihre Stellungen, eingeschlossen von den Roten. Sie
warten auf uns. Wir werden sie nicht im Stich lassen. Wieder wird die Wucht deutscher
Panzer den Weg für Grenadiere und Infanterie in den Rücken des Feindes freilegen.
Was sich uns entgegenstellt, wird angegriffen und geschlagen. Es kann kein Zaudern
geben, wenn es um das Schicksal unserer Kameraden geht. Sie vertrauen eurer
Tapferkeit und werden mit euch die Einschließungslinie durchbrechen. Vorwärts zum
Sieg!"534
525
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
526
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 93.
527
Manstein, Verlorene Siege, S. 361.
528
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 334.
529
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
530
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 107.
531
Schröter, Stalingrad, S. 101.
532
Manstein, Verlorene Siege, S. 355.
533
Schröter, Stalingrad, S. 102.
534
Berthold Seewald, In Stalingrad hörte man schon die Retter, Die Welt Online, 20.12.2012,
[http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article112139523/In-Stalingrad-hoerte-man-schon-die-
Retter.html], eingesehen 14.05.2014.
67
Der Kommandeur der 6. Panzerdivision, Generalmajor Raus, schrieb am Vorabend der
Entsatzoffensive in seinen Aufzeichnungen:
„‚Die Kunde vom Beginn des Befreiungsstoßes wurde mit Begeisterung und größter
Zuversicht aufgenommen, echte, vorbildliche und todesverachtende Kameradschaft
leuchteten den Soldaten aus den Augen. Jeder einzelne wußte, daß die Stunde der
größten Bewährung geschlagen hatte.‘“535
4.4 Funkverkehr
Die Armee-Nachrichtenführung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits alles Mögliche
unternommen, das beabsichtigte Unternehmen via Funk zu führen. Der Nachrichtenaustausch
der einzelnen Kommandoposten, von Paulus‘ Gefechtsstand in Gumrak bis zum Stab von von
Manstein in Nowotscherkask, wurde in der Nacht über einen Fernschreiber, der mit einem
Dezimetergerät und einer Relaisstation im Raum Nischne-Tschirskaja verbunden war.
vollzogen. Dadurch war es möglich, Befehle und Lagemeldungen zu verschlüsseln und
abhörsicher weiterzuleiten.536
Zum Schutz vor Feindaufklärung wurden die Antennen für die Funkübermittlung nach dem
Senden der Botschaften unverzüglich wieder abgebaut und erst abends für die weiteren
Meldungen wieder aufgestellt.537Tagsüber waren 10 Funker in Gumrak stationiert, um
sämtliche Nachrichten der Entsatztruppen auf allen Frequenzen mitzuverfolgen und bei jedem
Vorstoß oder Rückschlag des Hilfskommandos informiert zu sein. Erschwerend für die
deutschen Funker kam jedoch der Umstand hinzu, dass sowjetische Störsender die
Frequenzen zu blockieren versuchten sowie falsche Meldungen durchgaben.538 Die Truppen
der Roten Armee konnten jedoch nicht unterbinden, dass laufend Lagemeldungen des
Entsatzheeres nach Stalingrad gelangten.539
535
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 475.
536
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342.
537
Ebd., S. 342.
538
William E. Craig, Die Schlacht um Stalingrad. Der Untergang der 6. Armee. Kriegswende an der Wolga,
München 1974, S. 209.
539
Schröter, Stalingrad, S. 104.
540
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332.
68
vom Fluss Tschir aus in Richtung Kalatsch541, unrealisierbar.542 Das XXXXVIII. Panzerkorps
konnte „[…] nur unter großen Anstrengungen und mit Hilfe der ursprünglich für den Vorstoß
auf Stalingrad zugeführten Truppen seine Stellungen halten.“543
Das Kriegsglück stand somit bereits vor Beginn der geplanten Offensive gegen die
Entsatztruppen. „Man konnte allenfalls hoffen, an einer Stelle stark genug zu sein.“544 Aus
diesem Grund fungierte die schnell aus mehreren Rest-Verbänden zusammengewürfelte und
unter dem Namen „Panzergruppe Hoth“ deklarierte Panzerarmee nun als alleinige Speerspitze
des Hilfskommandos, um die eingeschlossenen Divisionen der 6. Armee aus dem Kessel zu
entsetzen.545 Der Ausgangspunkt des Vorstoßes lag somit 100 km südwestlich des Stalingrader
Kessels und verlief durch verschneite Steppe.546 „Angesichts des chronischen Mangels an
Panzerverbänden w[u]rden die Erfolgsaussichten für die Operation ‚Wintergewitter‘ selbst im
Führerhauptquartier skeptisch bewertet.“547
Sowjetische Angreifer versuchten, die Bereitstellung und den Aufmarsch des
LVII. Panzerkorps im Raum Kotelnikowo zu vereiteln.548 Durch Verhöre von russischen
Kriegsgefangenen und Meldungen der deutschen Aufklärer wusste die deutsche Führung
jedoch Bescheid, weshalb die deutschen Verbände im Raum um Kotelnikowo ihre
Abwehrstellungen gegen einen sowjetischen Angriff vorbereiteten.549 Ein russischer
Panzerverband mit Kavalleriekorps griff tatsächlich in Richtung des deutschen
Bereitstellungsraumes an.550 Auf deutscher Seite wurden „[d]ie letzen Kompanien […]
buchstäblich von der Entladerampe aus in den […] anbrandenden Kampf geworfen.“551
Bspw. gerieten Teile der aus Frankreich beorderten 6. Panzerdivision während des Abladens
der Panzer in den Bereitstellungsraum direkt ins Gefecht. 552 Den deutschen Divisionen gelang
es jedoch, „[…] die Gefahr abzuwenden. Im vernichtenden Kreuzfeuer zahlloser schwerer
und schwerster Waffen wurden die Russen zum Stehen gebracht und blieben schließlich
liegen.“553
541
Manstein, Verlorene Siege, S. 352.
542
Beevor, Stalingrad, S. 338.
543
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 49.
544
Manstein, Verlorene Siege, S. 353.
545
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340.
546
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332.
547
Henning Stühring, Von Stalingrad bis Kursk. Erlebnisse aus dem Russlandfeldzug. Als der Osten brannte, Teil
II 1942/43, Berlin 2014, S. 150.
548
Manstein, Verlorene Siege, S. 361.
549
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 469-470.
550
Schröter, Stalingrad, S. 98.
551
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 22.
552
Schröter, Stalingrad, S. 98.
553
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 470.
69
Nach erfolgreicher Abwehr der russischen Truppen startete am 12. Dezember 1942 der
Entsatzangriff vom Bereitstellungsraum Kotelnikowo aus in Richtung Stalingrad.554 Die
ersten Verbände der Panzergruppe Hoth begannen mit dem Vorstoß um 4 Uhr. 555 Beim
Entsatzheer wussten „[…] Offiziere und Mannschaften, daß es Hunderttausende von
Kameraden zu befreien und damit die Hoffnung von Millionen Deutscher zu erfüllen galt.“556
Generaloberst Hoth funkte beim Anrollen des Angriffes die Parole „Haltet aus, wir
kommen!“557 in den Kessel.558
559
554
Beevor, Stalingrad, S. 340.
555
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
556
Mantello, Befreiung von Stalingrad, S. 468.
557
Schröter, Stalingrad, S. 114.
558
Ebd., S. 114.
559
Ausgangsstellung Operation „Wintergewitter“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/
Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung.
70
5.1 Die Lage im Kessel bei „Wintergewitter“
Wie den Entsatztruppen standen den deutschen Soldaten im Kessel bis Weihnachten äußerst
harte Kämpfe bevor560, denn das Ziel der sowjetischen Truppen war es, die Deutschen in der
Stadt an der Wolga noch vor dem Beginn eines deutschen Entsatzunternehmens vernichtend
zu schlagen.561 Aus diesem Grund begannen die russischen Verbände an der Stalingrader
Front die Landser im Kessel massiv anzugreifen.562 „Von Anfang an brachen Paniken aus,
sobald der Feind bei schlechter Sicht durch die Stützpunkte sickerte. Die Nerven der Männer
wurden dadurch nicht besser, die der Führer laufend ‚durch den Wolf gedreht‘.“563Im
militärstrategischen Sinn gingen den Wehrmachtstruppen bereits „[g]egen Ende der vierten
Woche […] wertvolle Stellungen verloren“564 und im allgegenwärtigen Abwehrkampf gegen
die russischen Truppen im Kessel „[…] standen sich vereinzelt innere Haltung und völlige
Auflösung krass gegenüber.“565 Den sowjetischen Kräften gelang es so, an mehreren Linien
der Westfront der 476. und 44. Infanteriedivision tief einzudringen.566 Ein vollkommener
Zusammenbruch der eingekesselten Truppen konnte nur noch mit dem Einsatz der letzen
verfügbaren Reserven verhindert werden.567
40.000 deutsche Soldaten hielten Mitte Dezember noch die Fronten des Kessels. 568 Die
Anzahl der deutschen Verluste durch Kämpfe und Hunger in Stalingrad „[…] betrugen
wöchentlich etwa 10% der Gesamtstärke, beliefen sich jedoch an Brennpunkten bis auf 50%
und mehr“569, denn „[a]uf einen ernsthaften Kampf [um Stalingrad] hatte sich vor dem […]
[1. Oktober 1942] kaum ein Mann […] eingestellt.“570
Die Truppenstärke der zu verpflegenden deutschen Soldaten und ihrer Verbündeten im Kessel
belief sich, laut Meldung des Kommandos der 6. Armee, zu diesem Zeitpunkt auf insgesamt
249.000 Wehrmachtsangehörige, 13.000 Rumänen, 19.300 Hilfswilligen und
ca. 6.000 Verwundeten.571 Davon konnten 200.000 Mann ihre eigentliche militärische
Funktion auf Grund der Lage nicht mehr ausführen. Darunter waren Kraftfahrer, die ohne
Benzin nicht agieren konnten, Kanoniere ohne Munition für die Geschütze,
560
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25
561
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94.
562
Ebd., S. 94.
563
Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271.
564
Ebd.
565
Ebd.
566
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 328.
567
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25
568
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 356
569
Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271.
570
Ebd.
571
Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 22.12.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 4.
71
Kavallerieeinheiten ohne Pferde und Versorgungs- und Nachrichtensoldaten ohne Lager und
Stationen, die nun in Schützengräben die Stellung halten mussten.572
Die für den Ausbruch der 6. Armee vorgesehenen Panzerreserven mussten durchgehend an die
Brennpunkte des Kessels abkommandiert werden. Munition und Betriebsstoffe, die noch in
Stalingrad vorhanden waren, wurden so zusätzlich im anhaltenden Kampfeinsatz um
Stalingrad stark dezimiert. Somit gingen wichtige Reserven immer mehr zur Neige, oder
wurden zu einem unabkömmlichen Teil der deutschen Front.573
Zusätzlich zu den Abwehrkämpfen wurde am 8. Dezember 1942 der Verpflegungssatz für die
Landser im Stalingrader Kessel abermals rationiert574, um ein Überdauern der deutschen
Truppen in Stalingrad mit den noch vorhandenen Lebensmitteln wenigstens bis zum
18. Dezember zu garantieren. An diesem Tag hatte Paulus den Entsatz erwartet. 575 Im
Nordkessel schrieb General von Seydlitz an Paulus, falls „[…] der Entsatz erst später
wirksam [wird], so tritt unweigerlich der Zustand der Wehrlosigkeit, d.h. der Vernichtung der
Armee ein.“576
Die mit den Landsern eingekesselte rumänische Kavalleriedivision schlachtete die 4000
vorhandenen Pferde ihrer Einheit, bevor die Tiere auf Grund von Futtermangel starben, „um
wenigstens das Schlimmste abzuwenden.“577 Gleichzeitig wurde damit jedoch die
Bewegungsfähigkeit der Truppe für einen möglichen Ausbruch weiter eingeschränkt. 578
Somit betrug die Ration eines Soldaten der deutschen Truppen in Stalingrad „[z]wei Schnitten
Brot am Tage, eine dünne Pferdefleischsuppe und einige Tassen heißer Kräutertee oder
Malzkaffee – damit sollte der Soldat leben und kämpfen, Frost, Schnee und Sturm widerstehen
können.“579 Die notwendigsten Verpflegungsrationen eines Landsers zum Überleben wie
bspw. Brot, Aufstrich, Mittagskost, Abendkost, Getränke und Rauchwaren, waren bereits
drastisch rationiert worden und drohten jeden Tag gänzlich zur Neige zu gehen.580
Der Kälteschutz für die deutschen Soldaten im Kessel war gleich problematisch wie die
Versorgung. Jegliche Kleidung und Schuhe, die die Landser besaßen, trugen sie als Schutz
gegen die Temperaturen und das Wetter an ihren Körpern.581 Zusätzlich kam noch der
572
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 357.
573
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94.
574
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 332.
575
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94.
576
General Seydlitz-Kurzbach an Paulus, 25.11.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 8.
577
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
578
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1047.
579
Wilhelm Adam u.a., Der schwere Entschluß, Berlin 1965 3, S. 221.
580
Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 22.12.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 4.
581
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
72
Umstand hinzu, dass im Nordkessel auf Grund des erwarteten Entsatzes den deutschen
Soldaten der Befehl erteilt wurde, unnütze Ausrüstung zu vernichten.582
Zu Hauf lagen einfache Soldaten und Offiziere in ihren Stellungen, Gräben und Bunkern oder
am Hauptverbandsplatz, die sich wegen der eingetretenen Erschöpfungszustände nicht mehr
mit eigener Kraft bewegen konnten.583 Darüber hinaus war der russische Winter mit
Temperaturen von minus 40 Grad todbringend für tausende unzureichend ausgerüstete
deutsche Soldaten in Stalingrad.584 Bis zu diesem Zeitpunkt verzeichneten die deutschen
Truppen seit dem Einschluss einen Ausfall von 28.000 Soldaten.585
„Vier Wochen nicht aus den Stiefeln, mangelnder Schlaf, fehlende Ablösung, Angst vor dem
Unbekannten und Ungewissen wirkte steigernd zermürbend […]“586 und die Lagemeldung
der 6. Armee über den Zustand der deutschen Soldaten stellte zudem klar, dass die „Truppe
[…] vor Auffütterung nicht in der Lage [war], größere Märsche und Angriffshandlungen ohne
zahlreiche Ausfälle durchzuführen.“587 Generalleutnant Fiebig notierte in seinem Tagebuch:
„Letztere Verpfleg. Reserven werden am 16.12. an Truppe ausgegeben, reichen bis 18.12. Bis
dahin muß Verbindung hergestellt sein! Wenn das nicht erfolgt, kann man nicht sagen[,] wie
es weitergeht.“588
Entkräftete Soldaten übertrafen bereits die Anzahl der Verwundeten in Stalingrad. 589 Die
Unterernährung begann die ersten Opfer außerhalb des Kampfes zu fordern. 590 Am 17.
Dezember machte die Sanitätsführung in Stalingrad erstmals Todesfälle auf Grund von
Erschöpfung öffentlich.591
Von den 18 Divisionen der 6. Armee im Kessel waren trotz der schlechten Zustände am
21. Dezember 14 Divisionen eingeschränkt, zwei Divisionen mit voller Kampfkraft zur
Abwehr, und zwei Divisionen gänzlich zum Angriff bereit. Zusätzlich standen noch 121
Panzer vom Typ III/IV und 33 Sturmgeschütze im Kessel auf Abruf, konnten aber auf Grund
der ungenügenden Versorgungslage nicht die volle Kampf- und Schlagkraft aufbieten.592
582
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 164.
583
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
584
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
585
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 167.
586
Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271.
587
Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 22.12.1942. BArch, RH 20-6/238, fol. 5.
588
Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56.
589
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
590
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 94.
591
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 345.
592
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 100.
73
5.2 Die ersten militärischen Erfolge
Die deutschen Angreifer wurden nur kurz durch einen Artillerieschlag aufgehalten,
anschließend begann am Morgen des 12. Dezember 1942 der Vorstoß in Richtung Norden.593
Teile der 6. Panzerdivision griffen westlich, entlang der Bahnlinie, in Richtung Gremjačij
an.594 Die Division hatte sich bei Kampfbeginn in vier Kampfgruppen gegliedert, die nun aus
drei schwächeren Panzergrenadiergruppen und einer starken Panzergruppe, der s.g. Gruppe
Hünersdorff, bestanden. Die deutschen Truppen traten auf der linken Flanke des
Entsatzvorstoßes an, um das vermutlich von russischen Soldaten verteidigte Dorf Verchne-
Jabločnyj für die weitere Offensive zu sichern und auf der Bahnlinie in Richtung Stalingrad
Raum zu gewinnen.595
Unter der Führung von General Hünersdorff kämpfen sich die Truppen des
11. Panzerregiments – welches die Hauptschlagkraft der 6. Panzerdivision darstellte –
bestehend aus 1. Bataillon, 2. Bataillon, Panzerjägern und dem 114. Schützenpanzerregiment,
in Keilformation auf der Eisenbahnlinie voran.596 Bis zum Ende des ersten Kampftages fiel
das veranschlagte Ziel, Verchne-Jabločnyj, nach Gefechten gegen russische Kavallerie-
Infanterie- und Panzertruppen, an die deutschen Truppen. Eine Kampfgruppe der Division
597
marschierte östlich der Bahnlinie und konnte bis 12 Uhr mittags den russischen
Gefechtsstand Čilekov überrennen sowie die russischen Truppen der 51. Armee bis zum
äußeren Verteidigungsring Stalingrads zurückzuwerfen.598 Bei Einbruch des Abends waren
die Spitzen der 6. Panzerdivision bis südlich vor Čilekov599 und 4 km weiter in nördlicher
Richtung bis zu den Höhen Čilekovs vorgestoßen.600
Um 9 Uhr 50 startete die 23. Panzerdivision, die Truppe unter dem Kommando von General
Boineburg-Lengfeld, bestehend aus dem 3. Bataillon des 201. Panzerregiments, der s.g.
Kampfgruppe Illig, und dem 1. Bataillon des 128. Panzergrenadierregiments 601, aus Pimen-
Černi zum Entsatzangriff602 auf der rechten Flanke und traten sogleich gegen ein russisches
Infanterieregiment ins Gefecht.603 Bereits vier Stunden später erreichten die Truppen
593
Beevor, Stalingrad, S. 340.
594
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
595
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 59-60.
596
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 107.
597
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
598
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335.
599
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
600
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335.
601
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 110.
602
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
603
Artl, Neue Quellen zum Entsatzversuch, S. 141.
74
Nebykov.604 250 russische Soldaten waren im Kampf gefallen, 250 gefangen genommen
worden und 3.000 Mann flohen nach Nordosten. Zudem fielen 17 Feldgeschütze, 30 Mörser
und 7 Panzerabwehrkanonen an die deutschen Truppen.605 Die Panzerdivision hatte mehr
Feinddruck erwartet und bei der Enge um die Station Nebykowskij, die als Bahnlinie nach
Stalingrad benutzt wurde und sich taktisch als Sperrriegel zur Abwehr der deutschen
Angreifer geeignet hätte, mit erbittertem Feindwiderstand gerechnet.606 Auf Grund des
schnellen Vorstoßes konnte sich der Panzerverband weiter nach Norden und Nordosten bis
nach Čilekov vorkämpfen. Dort wurde eine Verbindungsachse mit den Truppen der
6. Panzerdivision hergestellt. Ein Gros der Räderteile der 23. Panzerdivision blieb jedoch in
Pimen-Černi zurück, da diese die Furten des Aksaj-Kurmojarskij Tales nicht überwinden
konnten.607
Mit Einbruch der Dunkelheit kam der Vormarsch zum Stillstand. Das gesetzte Ziel, die
Erzwingung der Übergänge des Flusses Aksaj war jedoch nicht erreicht worden. 608 Am Abend
des ersten Kampftages meldete die 6. Panzerdivision die Absicht, in der Nacht auf den
13. Dezember das Nordufer des Aksaj-Abschnittes in einem Handstreich zu erobern,609 da der
Widerstand der russischen 126. und 302. Schützendivision im Angriffsraum der deutschen
Entsatzdivisionen am ersten Kampftag nur schwach ausgefallen war.610 „Obwohl rund
180 Divisionen und Brigaden der Roten Armee zwischen Stalingrad und der deutschen Front
lagen, kamen die beiden Panzer-Divisionen zügig voran. Noch immer zeigte sich die
Wehrmacht in der Taktik des Panzerkrieges der Roten Armee überlegen.“611
Die Offensive der Panzerverbände kam entgegen der Erwartungen der deutschen Truppen
zunächst schnell voran, doch „[a]lle waren nicht recht zufrieden mit dem Ablauf des Tages.
Wo war der Russe?“612 Generalleutnant Fiebig schrieb nach dem Kampftag des 12. Dezember
in sein Tagebuch:
„Der Angriff der […] Armee Hoth mit 6. u. 23. Pz. [Division] aus Raum Kotelnikowo
zur Verbindung mit 6. Armee, macht gute Fortschritte. Russen kommen ins Laufen wie
604
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
605
Ernst Rebenitsch, The combat history of the 23rd Panzer Division in World War II, Mechanicsburg 2012,
S. 207.
606
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 58.
607
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
608
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 60.
609
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355.
610
Ebd., S. 354.
611
Seewald, In Stalingrad hörte man schon die Retter, Die Welt Online, 20.12.2012,
[http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article112139523/In-Stalingrad-hoerte-man-schon-die-
Retter.html], eingesehen 14.05.2014.
612
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 64.
75
in alten Zeiten. […] 1/3 des Weges zur 6. Armee wäre damit geschafft.
Feindwiderstand bisher nur gering.“613
Die deutsche Aufklärung meldete russische Truppenverschiebungen über den Fluss Aksaj
nach Süden und die deutsche Führung der Entsatztruppen rechnete für den folgenden Tag mit
einem Gefecht gegen das 4. sowjetischen motorisierten Korps.614
Auf Grund der Lage überlegte Generaloberst Hoth, ob am zweiten Kampftag ein alleininger
Stoß mit der 6. Panzerdivision auf den Aksaj-Abschnitt erfolgen sollte und die
23. Panzerdivision als Sicherungsdivision der Flanken nordöstlich von Nebykov einzusetzen
war, oder ob er unter der Inkaufnahme keines Flankenschutzes die volle Stärke der deutschen
Panzerdivisionen aufbieten sollte.615 Noch „[…] handelte es sich um eine zwar nur zeitliche,
dennoch wesentliche Überraschung für die [sowjetische Führung] […]. Und die hieß es [zum
Vorteil der deutschen Panzergruppe] auszunutzen.“616 Wegen der bis dato ungeklärten
Feindlage hätte die Aufgabe des Flankenschutzes jedoch ein riskantes Wagnis dargestellt. Das
rumänische AOK 4 bekam sogleich den Auftrag, die 4. und 8 Kavalleriedivision in
Bereitschaft zu stellen, um beim weiteren Vormarsch der deutschen Entsatztruppen am
folgenden Tag zusammen mit Teilen des LVII. Panzerkorps nach Nebykov nachzurücken.617
613
Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56.
614
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354.
615
Ebd., S. 354-355.
616
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 59.
617
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 354-355.
618
Beevor, Stalingrad, S. 340.
619
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355.
620
Manstein, Verlorene Siege, S. 361.
621
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355.
76
Kommandeur Jeremenko war wegen einer möglichen Zerschlagung der 57. sowjetischen
Armee besorgt, die den südwestlichen Teil des Ringes um Stalingrad hielt. Die sowjetischen
Befehlshaber befürchteten nämlich zeitgleich mit dem deutschen Vorstoß auch noch einen
Ausbruchsversuch der eingeschlossenen deutschen Truppen in Stalingrad, da diesen der
Umstand nicht bekannt war, dass Hitler einen Ausbruch der 6. Armee strikt verweigerte und
Generaloberst Paulus nur noch 70 fahrbereite Panzer zur Verfügung standen, die sich im
besten Fall höchstens bis 20 km vor die Stadt Stalingrad vorkämpfen konnten. Da sich die
russischen Befehlshaber und Stalin zunächst nicht auf eine Truppenverschiebung der
2. Gardearmee zur Unterstützung der Stalingrader Truppen einigen konnten, befahl
Jeremenko präventiv dem IV. mechanisierten Korps und dem XIII. Panzerkorps den
deutschen Vorstoß zu bekämpfen.622 Zusätzlich veranlasste der sowjetische General
Vasilevskij am ersten Tag der deutschen Offensive, dass die Aufstellung einer
Verteidigungslinie am Myschkowa-Abschnitt forciert werden sollte.623 Erst nach langen
Gesprächen im Kreml und Telefonaten mit General Vasilevskij genehmigte Stalin die
Truppenverstärkung mit der 2. Gardearmee624 und der Sowjetdiktator gab zusätzlich die
Parole aus: „Haltet aus, ich schicke Reserven.“625
622
Beevor, Stalingrad, S. 340-341.
623
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 370.
624
Beevor, Stalingrad, S. 340-341.
625
Joseph Stalin, zit. in: Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335.
626
Beevor, Stalingrad, S. 341.
627
Ebd., S. 341.
628
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1039.
77
8. italienischen Armee der deutschen Heeresgruppe Don unmittelbar in den Rücken fallen und
wie zuvor bei Stalingrad einen Ring um die deutschen Truppen schließen. Die Anlaufzeit für
den Gegenschlag der Roten Armee sollte dabei drei Tage betragen.629
629
Beevor, Stalingrad, S. 341.
630
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 112.
631
Ebd., S. 115.
632
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 60.
633
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335.
634
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 67.
635
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 355.
636
Ebd., S. 358.
637
Beevor, Stalingrad, S. 341.
638
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 68-70.
78
vorstoßen.639 „Über die Gefährlichkeit des deutschen Vorstoßes konnte der Russe [ja] nicht
mehr im Zweifel sein.“640
Die Kampfgruppe Hünersdorff bekam, nach der Lokalisation stärkerer Panzerverbände auf
der s.g. Anhöhe 147, vier Kilometer südlich von Werchne-Kumskij von General Raus den
Befehl zum direkten Angriff auf die russischen Truppen. Die sowjetischen Verbände kamen
den deutschen Angriffsbestrebungen jedoch mit 70 Panzern zuvor, doch die deutschen
Truppen schafften es mit ihren 60 Panzern im Gegenschlag den Angriff abzuschlagen. Wegen
eines weiteren Aufmarsches russischer Truppen mussten die deutschen Panzerverbände,
anstatt weiter anzugreifen, wieder ihre vorherigen Ausgangsstellungen um Werchne-Kumskij
beziehen.641
Der 14. Dezember 1942 sollte die erste echte Bewährungsprobe für die deutschen
Entsatztruppen darstellen. Das Wetter schlug in eine kurze Tauwetterphase mit starkem Regen
um und der Boden verwandelte sich in Schlamm.642Der östlich angreifenden
23. Panzerdivision gelang es bei Krugljakov643, eine Straßen- und Eisenbahnbrücke über den
Aksaj-Esaulovkij zu gewinnen644, 210 Gefangene zu machen, zwölf russische Panzer zu
vernichten sowie acht Geschütze und drei PAK’s zu erobern.645 Unter starkem Feinddruck im
Nordosten bei Samochin kam die Division jedoch erstmals zum Stehen.646 Zudem konnte der
Brückenübergang bei Saliwskij nicht zeitgerecht wiederhergestellt werden, sodass sich die
weitere Offensive verzögerte und das Zeitkalkül für einen erfolgreichen Entsatz weiter
einschränkte.647
Mit dem Vorstoß an die Linie Werchne-Kumskij begann nun eine mehrtägige Schlacht um das
Dorf gegen starke russische Kräfte im Morast.648 Der Kampf wurde im Verlauf „[…] eine der
wohl größten und härtesten Panzerschlachten des Zweiten Weltkrieges […].649 200 deutschen
Panzern standen 300 bis 400 russische Panzer gegenüber.650 Die deutschen Panzerverbände
bestanden jedoch zum Großteil aus Panzern vom Typ III SD. KFZ 141651 und waren dem
639
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 335.
640
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 68.
641
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 118.
642
Beevor, Stalingrad, S. 341.
643
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1041.
644
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 358.
645
Rebenitsch, The combat history of the 23rd Panzer Division, S. 208.
646
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 358.
647
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 73.
648
Beevor, Stalingrad, S. 341.
649
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 74.
650
Ebd., S. 74.
651
Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 70.
79
russischen T-34652 an Panzerung und Feuerkraft unterlegen653, da der deutsche Panzer nur auf
einer Weite von 800 m und das russische Pendant bereits in 1.500 m Entfernung das Feuer
eröffnen konnte.654
Zeitgleich begannen die verbliebenen russischen Truppen im am Tag zuvor verloren
gegangenen Raum um Saliwskij, mit einem Gegenschlag gegen Kampftruppen der
6. Panzerdivision.655 Auf Grund der ständig wechselnden Lage der Gefechte und Stellungen
war ein deutscher Artillerieschlag nur bedingt möglich und wurde wegen der großen Gefahr,
die eigenen Truppen zu zerschlagen, bei der Schlacht um Werchne-Kumskij nicht
eingesetzt.656 Zudem griffen die russischen Kräfte von allen Seiten her an und die Situation
für die deutschen Soldaten begann sich zu ihrem Nachteil zu verschärfen. Drei schwere
deutsche Feldhaubitzen wurden ausgeschaltet, die Munition wurde immer knapper, sodass
russische Panzer in das Dorf einbrechen konnten und den deutschen Truppen dort drohte,
überrannt zu werden. Deutsche Kräfte, die während des sowjetischen Einbruchs eine
Höhenstellung für sich erobern konnten, schafften es jedoch noch rechtzeitig eine günstige
Stellung zu beziehen, und die deutschen Truppen in Werchne-Kumskij vor der Zerschlagung
zu bewahren.657 Die folgende Panzerschlacht zog sich bis in die Abendstunden658, „[…] eine
Entscheidung [wurde] in diesen wechselvollen Kämpfen […] noch nicht erreicht.“659 Den
deutschen Truppen gelang am ersten Tag des Gefechts jedoch ein Teilerfolg, indem 33
russische Panzer abgeschossen und im direkten Gegenschlag weitere 3 km in nordöstlicher
Richtung bis nach Sagotskot erobert werden konnten.660
Die deutschen Truppen hielten zwar über Nacht den gewonnen Raum und ihre Stellungen in
Werchne-Kumskij.661 Am darauffolgenden Tag war die 6. Panzerdivision jedoch wegen des
überlegenen Feinddrucks gezwungen, das Dorf zu räumen und es den russischen Truppen zu
überlassen sowie sich bis zum Brückenkopf von Saliwskij zurückzukämpfen, der schon
stundenlang von russischem Feuer eingedeckt worden war.662 Die russische 51. Armee „[…]
kämpfte zäh und wendig, sie setzte ihre Schützendivisionen frontal verteidigend ein, während
die beiden mechanisierten Korps (4. und 13.) dem Gegner immer wieder in die Flanken
652
Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 114.
653
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 97.
654
Artl, Neue Quellen zum Entsatzversuch, S. 144.
655
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 74.
656
Ebd., S. 87.
657
Hans Wijers, Winter Storm. The Battle for Stalingrad and the Operation to Rescue the 6th Army (Stackpole
Military History Series), Mechanicsburg 2012, S. 207.
658
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342.
659
Manstein, Verlorene Siege, S. 361.
660
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 358.
661
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 82.
662
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 361.
80
fuhren.“663 Zwei Mal gelang es den Soldaten der 6. Panzerdivision, einen Angriff in den
frühen Morgenstunden auf deren Flanken unter starken eigenen Verlusten abzuschlagen.
Zudem versuchte eine sowjetische Kampfgruppe mit zehn Panzern durch einen verdeckten
Aufmarsch über eine provisorische Brücke hinter natürlicher Tarnung von Bäumen und
Sträuchern, den Brückenkopf von Saliwskij am Morgen, zu Mittag, und am Abend im
Handstreich zu nehmen. Die deutschen Panzergrenadiere schafften es jedoch, jeden russischen
Versuch, Saliwskij zu erobern, zu vereiteln.664 Allein die 6. Panzerdivision verlor am
15. Dezember 19 Kampfpanzer – ein Panzer II, 13 Panzer III-lang, und fünf Panzer IV-
lang.665 Den bei Krugljakov operierenden Kampfgruppen der 23. Panzerdivision glückte es,
die russischen Kräfte in Richtung Norden zurückzudrängen und einen weiteren Brückenkopf
über den Aksaj zu behaupten. Die operative Bewegung ermöglichte nun Teilen der
23. Panzerdivision und Teilen der 6. Panzerdivision auf einer Kampflinie gemeinsam weiter
anzugreifen.666
Generaloberst Hoth entschied am 16. Dezember, mittels Gegenangriff in Richtung Norden
wieder Raum zu gewinnen, um die Ausgangslage für einen entscheidenden Schlag gegen die
russischen Verbände in Werchne-Kumskij zu schaffen.667 Hoth forderte von seinen Truppen
die „Fortsetzung des Angriffs ‚ohne jede Rücksichtnahme‘“668 im Angesicht des immer
stärkeren sowjetischen Widerstandes.
Den bei Werchne-Kumskij kämpfenden Panzerdivisionen wurde Hilfe durch die als Reserve
zurückgehaltene 17. Panzerdivision zugesagt, der es aber erst nach einem langen Anmarsch
und nach Mitwirkung am Kampfgeschehen an der Don-Brücke bei Potemkinskaja östlich des
Don669, und nachdem die Linie Don – Saliwskij unter deutsche Kontrolle gekommen worden
war, möglich wurde, zu den Entsatztruppen aufzuschließen.670 Der Folgeauftrag für die
Panzerdivision war, über Pachlebin-Topolev vorzustoßen, unter das Kommando des LVII.
Panzerkorps zu treten und für den weiteren Angriff auf Nižne-Jabločnyj in Ausgangsstellung
zu gehen. Für den Großangriff des Entsatzheeres war ein gemeinsamer Stoß der
17. Panzerdivision und 6. Panzerdivision vorgesehen, wobei die 23. Panzerdivision die
Flankensicherung übernehmen sollte. Hoth versprach sich einen durchschlagenden Erfolg
663
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 371.
664
Wijers, Winter Storm, S. 222.
665
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 130.
666
Ebd., S. 131.
667
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 361.
668
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
669
Manstein, Verlorene Siege, S. 361.
670
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 82.
81
durch das Eintreten der 17. Panzerdivision an die Hauptkampflinie des Entsatzvorstoßes.671
Zudem konnten 22 von 30 ausgefallenen deutschen Panzern bei Werchne-Kumskij dem
weiteren Angriff wieder zugeführt werden.672
Unterdessen verlangte von Manstein von General Zeitzler, dass Hitler selbst an die Ostfront in
das Heeresgruppen-Hauptquartier kommen sollte, um sich ein aktuelles Bild von der
Entsatzoperation zu verschaffen und auf Grund der Lagebeurteilung vor Ort seine Entschlüsse
zu fassen. Hitler dachte jedoch in keinster Weise nach Osten zu fliegen, sondern lehnte einen
Gesamtrückzug der deutschen Truppen aus Stalingrad am 15. Dezember wiederum
unmissverständlich ab.673
Obwohl es der 6. und 23. Panzerdivision möglich war, am Aksaij eine zusammenhängende
Angriffslinie zu bilden, konnte am 16. Dezember wieder kein entscheidender Sieg auf
deutscher Seite errungen werden, um das Dorf Werchne-Kumskij zu erobern.674 Der weitere
Vormarsch des Entsatzheeres scheiterte immer noch an den Verteidigungs- und
Angriffsstrategien675 der Truppen der 51. sowjetischen Armee, die neben der Abwehr
ununterbrochen in die Flanken der Entsatztruppen einzubrechen versuchten.676 Jedoch
erreichte die 17. Panzerdivision, wie erhofft, um 11 Uhr Pachlebin, rieb in Nižne-Jabločnyj
alle russischen Truppen auf und bekam die Anweisung, auf Generalovskij vorzustoßen, um
dort einen Brückenkopf zu errichten und somit den Weg zum Sturm auf und zur
Unterstützung der deutschen Divisionen bei Werchne-Kumskij anzutreten. Generaloberst
Hoths weitere taktische Planungen sahen vor, am darauffolgenden Tag die russischen
Verbände rund um den Brückenkopf von Saliwskij endgültig mit den Truppen der
6. Panzerdivision zu werfen, sowie mit den Panzern der 23. Panzerdivision in Rücken und
Flanke der russischen Truppen zu stoßen, um im Folgeauftrag die Übergänge des Flusses
Myschkowa bei Vasil’evka und Gromoslavka zu erobern.677
Für den 17. Dezember bekam General Raus von General Hoth die Vollmacht der „freien
Hand“ zur Führung der 6. Panzerdivision, um die russischen Kräfte bei Werchne-Kumskij
endgültig zu vernichten.678 Durch den Einsatz von Sturzkampfbombern und teilweise
Artillerie und Mörsern, dem massiven Aufgebot von Panzergrenadieren des 2. Bataillons des
114. Panzergrenadierregiments, die mit Maschinengewehren, Scharfschützen und
671
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 362.
672
Wijers, Winter Storm, S. 225.
673
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
674
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 363.
675
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 82.
676
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 363.
677
Ebd., S. 363-364.
678
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 137.
82
Flammenwerfern die Rotarmisten aus ihren Stellungen und Erdbunkern vertreiben konnten679,
schafften es die deutschen Divisionen, den s.g. Hügel 140.0 zu erobern und eine Bresche von
drei Kilometern durch das Zentrum von Werchne-Kumskij zu schlagen. 680 Zudem konnte ein
russischer PAK-Riegel an der Linie Werchne-Kumskij – Sagotskot von den Truppen der
6. Panzerdivision zwar ausgeschaltet werden, doch für den weiteren Vorstoß reichte der
681
Angriffsschwung nicht mehr aus. Die deutsche Aufklärung ergab, dass sich massive
sowjetische Kräfte für einen Gegenschlag um das Dorf sammelten.682 Die deutschen
Kommandeure entschieden, die gewonnenen Stellungen bei Tage zu halten, um die Verluste
so gering wie möglich zu halten, und bei Einbruch der Nacht in einem gezielten Schlag
Werchne-Kumskij zu nehmen.683
Zeitgleich verteidigte die 23. Panzerdivision bei Krugljakov den Brückenkopf gegen die neu
eingetroffene 87. russische Schützendivision und schaffte es, im Gegenangriff in Richtung
Norden vorzustoßen.684 Der größte moralische Erfolg an diesem Kampftag war das Eintreffen
der 17. Panzerdivision unter der Führung von Generalleutnant Fridolin von Senger und
Etterlin am Westabschnitt des Flusses Aksaij685, bei dem es Teilen der Division gelang, einen
Brückenkopf in der Nähe von Generalovskij zu bilden.686 Beide Seiten hielten verbissen auf
allen Angriffs- und Verteidigungsfronten unter dem Verlust von Mensch und Material die
Stellungen.687
Der Kommandeur des LVII. Panzerkorps, General Kirchner, plante mit allen drei
Panzerdivisionen, der 17. Panzerdivision an der linken Flanke, der 6. Panzerdivision im
Mittelabschnitt und der 23. Panzerdivision auf der rechten Seite, die endgültige Entscheidung
zum Vorstoß auf Stalingrad herbeizuführen.688 Den Panzergrenadieren gelang es, in einer
Nachtaktion weitere russische Truppen aufzureiben689, jedoch zeichnete sich am Morgen des
18. Dezember der Kräfteverschleiß des LVII. Panzerkorps seit dem 16. Dezember ab, indem
abermals eine Entscheidung in den Kämpfen um Werchne-Kumskij, „[…] auch nicht
annähernd erreicht […]“690 werden konnte. Die 23. Panzerdivision war in Kämpfen gegen
eine russische Schützen- und Panzerdivision sowie gegen zwei motorisierte Brigaden
679
Wijers, Winter Storm, S. 228-229.
680
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 137.
681
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 364.
682
Wijers, Winter Storm, S. 229.
683
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 137.
684
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 364.
685
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 142.
686
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 364.
687
Ebd., S. 364.
688
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 143.
689
Wijers, Winter Storm, S. 230-231.
690
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 365.
83
gebunden, deren Ziel es war, den Brückenkopf bei Krugljakov einzudrücken. Die
6. Panzerdivision kam gegen drei Panzer- und vier motorisierte Brigaden sowie zwei
Kavalleriedivisionen nur schleppend voran. Jeder Bodengewinn führte auf diese Art und
Weise zu einer hohen Anzahl an deutschen Verlusten.691 Nur die 17. Panzerdivision schaffte es
weiter vorzustoßen und 22 russische Panzer zu vernichten.692 Doch kam auch diese bis zum
Einbruch der Nacht sieben km vor Werchne-Kumskij zum Stillstand.693 In „[…] dieser
Situation konnte auch das ersehnte Eingreifen der 17. Panzerdivision […] trotz einiger
örtlicher Erfolge das Blatt nicht mehr wenden.“694
Wie die deutschen Truppen hatten auch die russischen Verbände, das sowjetische III.
motorisierte Garde- und das XIII. Panzerkorps, starke Verluste in den ersten Tagen der noch
immer andauernden Entsatzschlacht zu verzeichnen.695 Auf Grund dessen bestand „[n]och
[…] die Aussicht, daß das [LVII.] Panzerkorps, wenn erst das Eingreifen der 17. Panzer-
Division zur vollen Auswirkung gekommen […] [war], Raum in Richtung Kessel gewinnen
k[onnte].“696 Generaloberst Hoth erwog jedoch bereits, die Entsatztruppen beim Scheitern
eines Durchbruchs am folgenden Tag hinter den Aksaj zurückzuziehen697 und mittels eines
konzentrierten Stoßes über das Dorf Aksaj einen neuen Angriff zu starten. Die neue
Offensivabsicht war jedoch schwierig auszuführen, da die deutschen Divisionen es
verabsäumt hatten, die sowjetischen Truppen, die im Süden die Stellung hielten, zu
zerschlagen, wodurch gegen diese erst ein Gefecht geführt und ohne weitere Verzögerung
gewonnen hätte werden müssen.698 Sollten die deutschen Truppen einen Sieg bei Werchne-
Kumskij erringen, waren die Landser jedoch schon derart abgekämpft, dass nur noch ein
Angriff bis zum Fluss Myschkowa zu erwarten war.699 Hoth entschied sich schlussendlich für
die Myschkowa-Lösung und von Manstein hob die Bedeutung eines schnellen Vorstoßes auf
die Myschkowa in einem Anruf an den Kommandeur des LVII. Panzerkorps hervor.700
Durch das Zusammenspiel aller verfügbaren Bodentruppen sowie massiver Luftunterstützung
konnten die deutschen Divisionen701 nach einer anfänglichen Pattsituation702 am 19.
Dezember einen militärischen Erfolg gegen die russischen Kräfte in Werchne-Kumskij
691
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 365.
692
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 145.
693
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 365.
694
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1041.
695
Schröter, Stalingrad, S. 102.
696
Manstein, Verlorene Siege, S. 363.
697
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
698
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366.
699
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
700
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366.
701
Beevor, Stalingrad, S. 342.
702
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 74.
84
verbuchen.703 Die 23. Panzerdivision hielt die Stellung des Brückenkopfes von Krugljakov,
während die 6. und 17. Panzerdivision im gemeinsamen Verbund mit dem deutschen IV. und
VIII. Fliegerkorps den finalen Angriff begannen.704 Obwohl die deutschen Divisionen durch
Katjusha („Stalinorgel“705)-Raketenbeschuss beim Angriff zehn Panzer auf einen Schlag
verloren hatten und die sowjetischen Panzerabwehrkanonen heftigen Widerstand leisteten706,
schafften die deutschen Truppen sowohl die Höhenstellung von Werchne-Kumskij als auch
das Dorf selbst bis 9 Uhr 15 zu überrennen und gänzlich zu erobern. 707 „Die Masse des
fliehenden Gegners wurde auf freiem Feld gefangen genommen.“708
Der Durchbruch bestand jedoch größtenteils aus dem Umstand, dass die sowjetische
2. Gardearmee, die wegen eines abermaligen Wetterumschwunges nur sehr schleppend
vorankam, nicht in der Lage war, vor dem 19. Dezember zu einem Gegenangriff gegen die
Entsatztruppen anzutreten.709 Das LVII. Panzerkorps stand somit vor der Aufgabe, noch vor
dem Eintreffen des starken russischen Verbandes über die Myschkowa vorzustoßen, bevor die
sowjetische 2. Gardearmee die Truppen des Entsatzheeres abfangen und vor dem letzen
Flussübergang nach Stalingrad stoppen konnte.710
Auf dem bisherigen Erfolg aufbauend, griffen die deutschen Truppen, die 6. Panzerdivision in
Richtung Vasil’evka und die 17. Panzerdivision mit dem Ziel Gromoslavka, weiter an. Die
Truppen der Panzerdivision hatten am Nachmittag Nižne-Kumskij eingenommen, errichteten
mit den Panzerteilen einen Brückenkopf und stürmten im Dunkeln bereits auf Gromoslavka.
Die Kampfgruppen der 6. Panzerdivision brachten bis 22 Uhr 50 Vasil’evka in deutsche
Hände.711
Für das Hilfskommando stellte sich von nun an die Frage, ob die russischen Kommandeure
„[…] Truppen vom nahegelegenen Ring um Stalingrad abziehen [würden] […] [.] Dann war
für den erhofften Ausbruch des Feldmarschalls Paulus auch schon etwas erreicht. Alles wurde
zur Zeitfrage.“712 Das Zeitkalkül mit dem Blick auf die Lage der 6. Armee verlangte vom
Entsatzheer nämlich den Angriff in Richtung Stalingrad vehement voranzutreiben und unverzüglich in
der Dunkelheit weiter anzugreifen.713 Im Kriegstagebuch des Panzerregiments 11 der 6.
703
Beevor, Stalingrad, S. 342.
704
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366.
705
Lüdeke, Waffentechnik im Zweiten Weltkrieg, S. 184-185.
706
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 152-153.
707
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366.
708
Artl, Neue Quellen zum Entsatzversuch, S. 141.
709
Beevor, Stalingrad, S. 342.
710
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 148.
711
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 366-367.
712
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 126.
713
Ebd., S. 119.
85
Panzerdivision wurde vermerkt: „Bei Mondschein wird ohne Rücksicht auf
Flankenbedrohung der Weitermarsch nach Osten angetreten.“714
Die Entsatztruppen hatten in den Panzerdivisionen zu diesem Zeitpunkt, laut General
Kirchners Bericht über die gegenwärtige Stärke des Entsatzheeres an die Heeresgruppe Don,
einen Totalausfall von 33 Kampfpanzern, 25 Verluste bei der 6. und acht Totalausfälle bei der
23. Panzerdivision zu verzeichnen; 20 Panzer waren reparaturbedürftig und 83 Panzer
befanden sich bereits in Reparatur, für welche eine Dauer von drei Wochen veranschlagt
wurde.715 In Summe standen 83 Panzer in Reparatur und 92 einsatzfähige der gesamten
Panzergruppe für den weiteren Vorstoß auf Stalingrad zur Verfügung. Die Frage war, wie viele
Panzer im Endeffekt noch mobilisiert werden konnten, um im finalen Entsatzangriff
anzutreten.716 Von den 15.666 angetreten Soldaten waren bis dato 1.613 Mann im Kampf
gefallen, verwundet oder vermisst.717 Den deutschen Truppen standen auf dem gesamten
Schlachtfeld drei Mal so viele russische Panzer wie eigene und über 100.000 sowjetische
Soldaten gegenüber.718
Nach dem Nachtmarsch und Vorstoß durch von russischen Truppen verteidigte Stellungen,
Schnee und Eis sowie schwieriges Gelände719, schafften es die dezimierten Panzer und
Panzergrenadiereinheiten der 6. Panzerdivision dennoch, das veranschlagte Ziel, das Südufer
der Myschkowa 720 im Raum um Vasil’evka721, zu erobern, dem „[…] letzte[n] Hindernis vor
Stalingrad.“722 In einer parallel laufenden Nachtaktion fiel das für den weiteren Angriff so
wichtige Nordufer der Myschkowa an die Truppen der 6. Panzerdivision.723 Das Nordufer
sollte als Plattform für den letzten entscheidenden Vorstoß und der Vereinigung mit der
6. Armee dienen.724 Der 17. Panzerdivision gelang es bei Nižne-Kumskij, einen Brückenkopf
an der Myschkowa zu bilden.725 Ab diesem Zeitpunkt war die Frontlinie des äußeren
Kesselrings noch 60 km726 und der Stadtkern von Stalingrad 80 km vom Entsatzheer
entfernt.727 „Nun kam alles darauf an, die Stellungen […] so stark wie möglich zu machen
714
Kriegstagebuch Panzerregiment 11, zit. in: Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 121.
715
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367.
716
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 155.
717
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367.
718
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 297.
719
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 123.
720
Schröter, Stalingrad, S. 102.
721
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 125.
722
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 345.
723
Schröter, Stalingrad, S. 102-103.
724
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 300.
725
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1042.
726
Manstein, Verlorene Siege, S. 366.
727
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S.25
86
und die Flanken abzudecken, sowohl im Hinblick auf die zu erwartenden sowjetischen
Gegenangriffe, als auch um baldmöglichst [selbst] […] weiter nach Norden anzugreifen.“728
5.6 Hoffnung im Kessel - „Haltet aus, von Manstein haut uns raus!“729
In Windeseile verbreitete sich die Meldung über die vorrückenden deutschen Truppen und den
Entsatzangriff bei den Soldaten im Kessel mit der Losung „Der Manstein kommt!“730. Doch
je mehr Tage ab dem Angriffsbeginn des Entsatzunternehmens verstrichen, desto
niedergeschlagener wurden die Soldaten im Kessel.731 Die ganze Hoffnung der eingekesselten
Soldaten basierte auf der Flüsterpropaganda: „Haltet aus, von Manstein haut uns raus!“732
Zudem vergrößerte der Gefechtslärm zwischen den Verbänden des vorstoßenden
Entsatzheeres und den russischen Truppen den Hoffungsschimmer der eingeschlossenen
deutschen Soldaten in Stalingrad. Jener war durch die Beschaffenheit der russischen Steppe
derart weit zu hören, dass der Glaube an die Möglichkeit eines Ausbruchs aus dem Kessel
immer größer wurde733 und wieder Optimismus bei den Landsern aufkam.734 Mit
zunehmender Dauer des Vorstoßes konnten die Soldaten in Stalingrad in der Ferne sogar die
Mündungsfeuer der Panzerkanonen erkennen735 und die Funksprüche der Entsatztruppen
mithören736, welche für Hitlers treu ergebene Offiziere und Soldaten im Kessel die
Bestätigung dafür war, dass der Führer „[…] stets sein Wort hielt.“737
Die Aussicht auf Entsatz ließ die Landser zudem die Unterversorgung an Nahrungsmitteln
vergessen. Der militärische Erfolg der Operation wurde primär voran gestellt. Generalleutnant
Fiebig schrieb zur Lage im Kessel: „Am Tag heute nur 80 tons Zufuhr zur Festung, in der
Nacht Fortsetzung. Aber der takt[ische] Erfolg der […] [Panzertruppe Hoth] zusammen mit
den He’s ist mehr wert als einige tons mehr in der Festung.“738 Der Ausbruch schien für die
Soldaten im Kessel unmittelbar bevor zu stehen. Die deutschen Soldaten im Kessel waren
trotz ihrer Lage „[…] überzeugt, die wenigen Tage noch durchzuhalten, bis die Entsatzarmee
erscheint.“739
728
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367.
729
Gerhard Dengler, Zwei Leben in einem, Berlin 1989, S. 78.
730
Wieder, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, S. 68.
731
Adam u.a., Der schwere Entschluß, S. 224.
732
Dengler, Zwei Leben in einem, S. 78.
733
Beevor, Stalingrad, S. 340.
734
Adam u.a., Der schwere Entschluß, S. 224.
735
Friedrich, Das deutsche Heer in Rußland 1941 bis 1945, S. 504.
736
Wijers, Winter Storm, S. 240.
737
Beevor, Stalingrad, S. 340.
738
Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56.
739
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 332.
87
Am 15. Dezember wurde von den Landsern im Kessel die s.g. „von Manstein-Spende“ für
den bevorstehenden Entsatz gesammelt. 100.000 Reichsmark waren zusammengekommen
und sollten als Dank dem Feldmarschall zum Weihnachtsfest zur freien Verfügung
zukommen.740
Der Landser Wilhelm Hoffman schrieb am 18. Dezember im Kessel bezgl. des Entsatzes in
sein Tagebuch: „Heute sagten die Offiziere den Soldaten, sie sollten einsatzbereit sein.
General Manstein nähert sich Stalingrad mit starken Streitkräften von Süden. Das bringt
Hoffnung in das Soldatenherz. Gott, lass es wahr werden!“741
740
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342.
741
Wilhelm Hoffman, zit. in Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 167.
742
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 96.
743
Ebd., S. 96.
744
Ebd., S. 96.
745
Ebd., S. 96.
88
abgekämpften Truppen bis hinter die Myschkowa. Beim Fall 3 hielt die 6. Armee weiterhin
die Front in der Stadt an der Wolga und ein Entsatz sollte bis auf Weiteres nicht mehr
stattfinden.746
Zu den Vorschlägen des Majors kamen für die Entscheidungsfindung im Kessel zudem noch
die Umstände, dass Hitler einerseits strikt gegen die Aufgabe Stalingrads war und andererseits
bereits der 5. Waffen-SS Division Wiking befohlen hatte, nach Elista vorzustoßen, um dort die
16. motorisierte Division herauszulösen. Diese sollte dann umgehend zur Unterstützung von
Hoths Panzertruppen antreten und die bereits abgekämpften Truppen unterstützen.747
746
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 96.
747
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 157.
748
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 367-368.
749
Ebd., S. 368.
89
Dunkelheit verzeichnen. Die russischen Kräfte hielten, zum Unglück der deutschen Verbände,
verbissen einen 15 km weiten und 6 km breiten Brückenkopf südlich von Gromoslavka mit
dem Effekt, dass sich die Vorausabteilungen der 6. und 17. Panzerdivision zu keinem
gemeinsam geführten Schlag gegen die sowjetischen Verteidiger vereinigen konnten.750
Die Führung des Entsatzunternehmens ließ in der Lagemeldung an die Heeresgruppe Don
bereits erkennen, dass trotz der deutschen Stoßstrategie ein heftiger Feindwiderstand in
nördlicher Richtung der Myschkowa auf den Höhen zu erwarten war und die deutschen
Strategen mit einem erfolgreichen Durchbruch darüber hinaus bis hin zum Kesselring und
somit zur 6. Armee kaum noch rechnen konnten.751 Im Kriegstagebuch wurde die Lage des
Entsatzheeres nicht mehr beschönigt: „‚Die Panzerarmee glaubt, unter diesen Umständen die
Gegend von Jeriskoj Krepinskij noch erreichen zu können; sie hegt aber jetzt schon Zweifel,
ob es gelingen würde, darüber hinaus noch weiter nach Norden der 6. Armee
entgegenzukommen.‘“752
Der 21. Dezember brachte Teilerfolge für die deutschen Panzerdivisionen, deren Aufgaben es
nunmehr waren, eine Truppenhälfte zur Abwehr des bereits eroberten Gebietes einzusetzen
und mit der anderen den Angriff weiter voranzutreiben.753 Die 17. Panzerdivision blieb an der
Gegenwehr der russischen Kräfte vor Gromoslavka im Südwesten hängen, jedoch konnte die
23. Panzerdivision Raum bis nach Gniloaksajskaja gewinnen. Die 6. Panzerdivision schaffte
es, den Brückenkopf von Vasil’evka zu halten und die russischen Kräfte im Hinterland der
deutschen Vormarschstraße zu werfen.754
Die Angriffsspitzen des Entsatzheeres kämpften sich in Summe trotz des heftigen russischen
Widerstandes bis auf 48 km an die südliche Frontline Stalingrads heran. 755 „Schon konnten
die vordersten Truppen […] am fernen Horizont den Widerschein des Feuers an der Front um
Stalingrad erkennen!“756 Ein vorläufiges Zusammentreffen der Panzergruppe Hoth und der
6. Armee für die Zufuhr der benötigten Betriebsmittel, Verpflegung und Munition aus dem
Hinterland des Entsatzheeres, für den Folgeauftrag, den „Fall Donnerschlag“, schien gegeben
zu sein. Für den Ausbruch waren bereits 3000 Tonnen von Versorgungsgütern mittels
Kraftwagen-Kolonnen hinter der 4. Panzer Armee nachgezogen worden, sowie Zugmaschinen
zum Bewegen eines Teiles der sich im Kessel befinden Artillerie. 757 „Trat − während die 4.
750
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 301-302.
751
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368.
752
Kriegstagebuch der Panzerarmee, zit. in: Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368.
753
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 304.
754
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368.
755
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 147.
756
Manstein, Verlorene Siege, S. 375.
757
Ebd., S. 366.
90
Panzer-Armee ihren Angriff nach Norden fortsetzte oder […] weitere Kräfte der feindlichen
Einschließungsfront auf sich zog − die 6. Armee zum Ausbruch an, dann würde der Gegner
zwischen den beiden Armeen zwischen zwei Feuer geraten.“758
Auch an der Tschir-Front schien die Lage einen Ausbruch der 6. Armee zu erlauben.
Zunächst konnte ein „[e]rneuter Angriff vor italienischer Front […] abgewiesen“759 werden,
wodurch die Lage den Eindruck erweckte, die sowjetischen Durchbruchsangriffe so lange
verzögern zu können, bis die deutschen Truppen im Kessel eine Verbindung zum Entsatzheer
geschlagen hatten.760 Der „Fall Donnerschlag“ musste unbedingt auf das „Unternehmen
Wintergewitter“ folgen, da die Lage ein weiteres Warten nicht zuließ. 761 „Die 6. Armee des
Feldmarschalls Paulus hatte aber mit dem Ausbruch noch gar nicht begonnen.“762 Der
militärische Schlag aus dem Kessel sollte, laut der deutschen Führung im Kessel, erst dann
erfolgen, wenn Hoths Verbände sich bis auf 18 km genähert hätten.763
758
Manstein, Verlorene Siege, S. 366.
759
Tagebucheintrag des Generalleutnant Fiebig, o.D.. BArch, RL 8/56.
760
Manstein, Verlorene Siege, S. 366.
761
Ebd., S. 369.
762
Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/
entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014.
763
Schröter, Stalingrad, S. 104.
764
Kehrig, Analyse und Dokumentation einer Schlacht, S. 368-369.
765
Manstein, Verlorene Siege, S. 362.
766
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 95.
767
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 342.
768
Ebd., S. 346.
769
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 332.
91
zu stören.770 Das XLVIII. Panzerkorps war auf dem Weg, die Verbände des Entsatzheeres zu
verstärken, doch russische Truppen erreichten den benötigten Brückenkopf zur Übersetzung
der deutschen Truppen am Don vor der deutschen Panzerreserve und machten den Übergang
zur Unterstützung des Hauptangriffes unmöglich. Die Panzer mussten somit zur
Unterstützung von Hollidts Truppen zur gefährdeten Tschirfront abdrehen.771
Die militärischen Ausfälle waren groß und der deutsche Vorstoß kam ins Stocken. Allein die
deutsche 6. Panzerdivision hatte an diesem Tag 1.100 Mann an Verlusten zu verzeichnen772
und die Panzergruppe wurde hinsichtlich der Panzer, Munition und des Betriebsstoffes immer
schwächer.773 Die Lage am Fluss Myschkowa begann zudem für das gesamte LVII.
Panzerkorps unhaltbar zu werden. Nach den anfänglichen Erfolgen der deutschen Truppen
und der Errichtung eines Brückenkopfes am Nordufer des Flusses, warf die Rote Armee
immer mehr neue Kräfte aus dem Hinterland gegen die Entsatztruppen, um den Vormarsch zu
stoppen.774 „Trotzdem hat das Ob.Kdo.d.H.Gr. die 4. Panzer-Armee in ihrer exponierten Lage
ostwärts des Don solange belassen als noch zu hoffen war, daß die 6. Armee ihre letzte
Chance nutzen könne und werde.“775
Teile der 17. Panzerdivision schafften es zwar im Raum Gromoslavka die russischen Truppen
zu schlagen und so das Hinterland des Brückenkopfes an der Myschkowa für den Entsatz
abzusichern. Doch das Gros der Division war noch in Kämpfen im Winkel zwischen Don und
Myschkowa verstrickt, sodass den vorgestoßenen Panzerspitzen der 6. Panzerdivision keine
zusätzlichen Kräfte zugeführt werden konnten.776
Nach dem Verlust der Brückenköpfe an der Front am Don bei Nischne-Tschirskaja777 ging am
22. Dezember auch die Relaisstation der Deutschen und somit die Möglichkeit der
verschlüsselten Funkverbindung verloren. Ab sofort hielten nur noch ein 1.000 Watt Sender
und kleinere Funkstationen die Verbindung zwischen Kessel und der Heeresgruppe Don
aufrecht.778 Am selben Tag meldete die Aufklärung der deutschen Truppen die Heranführung
der erwarteten neuen russischen Kräfte, weshalb Hoth sich entschied, die deutschen Verbände
umzugliedern und den Angriff auf den Kesselring erst am 24. Dezember weiter
voranzutreiben.779
770
Schröter, Stalingrad, S. 103.
771
Reginald T. Paget, Manstein. Seine Feldzüge und sein Prozess, London 1952, S. 65.
772
Beevor, Stalingrad, S. 344.
773
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 125.
774
Manstein, Verlorene Siege, S. 375.
775
Ebd., S. 373.
776
Schröter, Stalingrad, S. 103.
777
Ebd., S. 103.
778
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 357.
779
Schröter, Stalingrad, S. 105.
92
780
780
Operation „Wintergewitter“, nach: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c9/
Operation_Winter_Storm.png, eingesehen 14.05.2014, eigene Darstellung.
781
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 97.
93
Aufgebot ihrer Kräfte die Front und band die russischen Kräfte. 782 Die deutsche Führung im
Kessel war jedoch weder von der Heeresgruppe B noch vom OKH wahrheitsgetreu über die
tatsächliche kritische Lageentwicklung informiert worden783, sodass „[…] damit der
Armeeführung die Chance genommen [wurde], sich auf die Unausweichlichkeit eines
Ausbruchs vorzubereiten. Das erklärt, warum Paulus das unbestreitbare Risiko noch immer
scheute, anstatt entschlossen zu handeln.“784
Wegen der Herausnahme der 6. Panzerdivision wäre der Weg der 6. Armee zur Panzergruppe
Hoth in die Freiheit − 48 km Luftlinie durch Feindgebiet − mit wenig Munition und Treibstoff
und nur den eigenen abgekämpften und ausgehungerten Truppen bevor gestanden.785 „Gerade
auf Grund dieser Verhältnisse glaubte Paulus, selbst ohne Kenntnis von der Gesamtlage in
den Heeresgruppenabschnitten Don, B und A, nur nach den Weisungen Mansteins handeln zu
dürfen.“786
Mittels Fernschreibeleitung teilte Paulus von Manstein mit, dass die vorgeschlagene Lösung
für den Fall 1 nur mit Panzerverbänden durchführbar wäre, weil es an Infanterietruppen
mangelte. Die zweite Option, eine Vereinigung der deutschen Truppen könnte „[…] nur im
äußersten Fall“787 bewerkstelligt werden, und nur wenn zuvor entsprechende Mengen an
Betriebsstoff und Versorgungsgütern im Kessel ankamen, um die Kampfkraft der Landser
wiederherzustellen. Fall 3 war nur akzeptabel, wenn es wirklich gelänge, die Luftversorgung
für Stalingrad angemessen in Bezug auf Material und Versorgungsgütern für die Truppen
sicherzustellen.788
782
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 357.
783
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 270.
784
Ebd., S. 270.
785
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358.
786
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 85.
787
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 97.
788
Ebd., S. 97.
789
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 270.
790
Ebd., S. 269-270.
94
unbedingt zu halten, zu widerrufen, denn sein Durchhaltewille beschränkte den
Oberbefehlshaber der 6. Armee Generaloberst Paulus in seiner Handlungsfähigkeit.791
Den Soldaten im Kessel war die Tatsache nicht bewusst, dass Hitler Stalingrad nicht aufgeben
wollte. Für den Oberbefehlshaber der Wehrmacht kam nach wie vor nur das Erkämpfen und
Halten eines geschlagenen Korridors zur Versorgung von Stalingrad bis zur nächsten
Sommeroffensive in Frage. Die Wehrmacht hätte bei erfolgreichem Entsatz einen 100 km
langen Korridor bis zur Stadt an der Wolga gegen russische Flankenangriffe schützen
müssen.792
Das Oberkommando der Heeresgruppe Don versuchte zu diesem Zeitpunkt wiederholt bei der
obersten Führung, den Ausbruch der 6. Armee und den Vorstoß sowie die Vereinigung mit
dem Entsatzheer genehmigt zu bekommen.793 Das Oberkommando der Heeresgruppe Don
hatte hierzu bereits „[…] für ‚Donnerschlag‘ die Räumung des Festungsgebietes ausdrücklich
befohlen.“794
In einer von Manstein an das OKW übermittelten Lagebeurteilung unterstrich der
Generalfeldmarschall, dass „[d]as Durchbrechen der 6. Armee nach Südwesten […] die letzte
Möglichkeit [sei], um wenigstens die Masse der Soldaten und der noch beweglichen Waffen
der Armee zu erhalten.“795 Doch selbst nach dem eindringlichen Zureden und der Schilderung
der Lage von von Manstein, ließ sich Hitler nicht zum Ausbruch der 6. Armee überreden.796
Der Generalfeldmarschall „[…] wiederholte seine Anträge in den nächsten Tagen mit solcher
Vehemenz, daß kein Zweifel daran erlaubt sein darf, daß die 6. Armee seine größte Sorge und
ihre Rettung sein größtes Ziel war, unter Inkaufnahme großer operativer Risiken für die
Heeresgruppe.“797 General Zeitzler und Generalmajor Heusinger versuchten ebenso, Hitler
zum Ausbruch der 6. Armee zu bewegen, doch Hitler, der von Göring erneut beeinflusst
wurde, indem Generalfeldmarschall Göring beim Lagevortrag verkündete, dass die Lage im
Kessel doch nicht so schlecht sei wie von Zeitzler geschildert, lehnte daraufhin wieder alle
Bestrebungen, Stalingrad aufzugeben, strikt ab. Von Manstein war somit die Chance, den Fall
2 als verpflichtenden Befehl zu geben, ohne selbst gegen den Willen Hitlers zu verstoßen,
genommen.798 Der Generalfeldmarschall, der streng von preußischen Offizierstugenden
791
Manstein, Verlorene Siege, S. 367-368.
792
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358.
793
Manstein, Verlorene Siege, S. 367.
794
Ebd., S. 369.
795
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 346
796
Ebd., S. 346.
797
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 96.
798
Ebd., S. 97.
95
geprägt war, „[…] hielt es nicht für richtig […] wider die Weisungen des OKW und OKH
irgendwelche eigenmächtigen Entscheidungen zu treffen.“799
Von Manstein erließ am 19. Dezember um 18 Uhr dennoch den Befehl zur Vorbereitung von
zwei möglichen Operationen. Das erste Unternehmen sollte ein teilweiser Ausbruch mit der
Vereinigung der Truppen des LVII. Panzerkorps als Ziel und dem Halten der Front im Kessel
sein. Die zweite Operation sah den bereits vorbereiteten „Fall Donnerschlag“ und einen
Gesamtausbruch der 6. Armee vor.800 Beide militärischen Aktionen konnten jedoch „[…] erst
auf ‚ausdrücklichen Befehl‘ ausgelöst werden.“801
„Paulus hatte damit den Befehl auch den Ausbruch vorzubereiten. Mehr konnten
Manstein nicht befehlen. Denn wenn er mehr befohlen hätte, wäre innerhalb von sechs
Stunden das rückgängig gemacht worden […] Hitler sagte einfach nein […] und damit
hatte sichs – das hatte keinen Sinn.“802
In der deutschen Wehrmacht gebot es zudem nicht der soldatischen Tugend, die vermeintliche
Meinung und Absicht des nächsthöheren Befehlshabers zu interpretieren, sondern nur direkt
getätigte Befehle auszuführen.803 Dies galt auch vor allem für Paulus, denn er „[…] war nicht
der Mann, der opponierte. Er verstand Gehorsam als seine oberste Pflicht und vertraute
durchaus auf das militärische Können des ‚Führers‘.“804
Erstens wusste Paulus dass die Rote Armee rund um das Gebiet von Stalingrad alles dagegen
unternehmen würde, um die deutschen Truppen an einem Ein- bzw. Ausbruch zu hindern.
Eine militärische Katastrophe schien für Paulus bei einem Ausbruchsversuch somit schon
vorprogrammiert. Zweitens war der Heeresgruppe Don und der deutschen Führung im Kessel
klar, dass ein Ausbruch sowie ein gleichzeitiges Halten von Stalingrad nicht möglich waren.
Drittens, rechneten die Generäle an den Fronten nicht mehr mit den von Berlin getätigten
Versorgungsversprechungen der Luftwaffe.805 Auf Grund dessen hätte zu diesem Zeitpunkt
nur ein direkter und eigenmächtig erteilter Ausbruchsbefehl von Generalfeldmarschall von
Manstein „[…] an Paulus helfen können. Manstein gab ihn nicht.“806 Von Mansteins
Prämisse für das Auslösen eines Ausbruchsversuchs der Truppen aus Stalingrad war deren
799
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 85.
800
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 98.
801
Ebd., S. 98.
802
Johann Graf Kielmansegg, Mansteins Befehle, in: Hitlers Krieger, Erich von Manstein – Der Stratege, hrsg. v.
Guido Knopp, DVD 2005, Min. 25:43-26:02.
803
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 98-99.
804
Torsten Diedrich, Friedrich Paulus. Ein Soldatenschicksal vor Stalingrad, in: Militärgeschichte. Zeitschrift für
historische Bildung (2002), Heft 4, S. 4-7, hier S. 5.
805
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 293.
806
Knopp, Hitlers Krieger, S. 194.
96
Hoffnung, „[d]ie Freiheit wiederzugewinnen, dem Tode oder der Gefangenschaft zu
entgehen, [um] das unmöglich Scheinende möglich zu machen.“807
Hitler forderte am 21. Dezember den genauen Bestand an Betriebsstoff in Stalingrad und die
6. Armee übermittelte Wahrheitsgetreu die noch vorhandenen Reserven. Nun wusste auch
Hitler, dass die Truppen in Stalingrad nur noch Treibstoff für höchstens 30 km hatten.808 Ab
diesem Zeitpunkt festigte sich die Haltung des „Führers“ gegen einen Ausbruch indem er im
Gespräch mit Zeitler anmerkte: „Da haben wir es ja, Zeitler, ich kann doch nicht die
Verantwortung dafür übernehmen, die Panzer ohne Brennstoff in der Steppe
sitzenzulassen.“809Hitler sprach in der Lagebesprechung wiederum ausdrücklich ein
Ausbruchsverbot für die 6. Armee aus810 und argumentierte nun, dass die 6. Armee auf Grund
der geringen Treibstoffreserven gar nicht zu einem Ausbruch aus dem Kessel im Stande
wäre.811
Die Führung der 6. Armee setzte sich trotz schwieriger Lage und Führerbefehl mit der
Ausführung der zwei von von Manstein gegebenen Befehle auseinander. Die Problematik
war, dass „Wintergewitter“ allein ein verweilen deutscher Truppen in Stalingrad einbezog und
zur Aufrechterhaltung der Front immer wieder die schon begrenzten Panzerkräfte hätten
herangezogen werden müssen. Beim „Fall Donnerschlag“ wären die Einbrüche in der Front in
Kauf genommen worden und die noch vorhandenen Panzer zu einem schlagkräftigen Verband
im Bereitstellungsraum für einen Ausbruchsangriff vereint worden. In jedem Fall musste aber
gegeben sein, dass das LVII. Panzerkorps an der Myschkowa dem Druck der russischen
Verbände stand hielt.812
807
Knopp, Hitlers Krieger, S. 228.
808
Schröter, Stalingrad, S. 105.
809
Ebd., S. 105.
810
Ebd., S. 105.
811
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 100.
812
Ebd., S. 99.
813
Young, Der große Atlas zum II. Weltkrieg, S. 200.
814
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25.
815
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343.
97
des Don an.816 Die Lage verschlechterte sich bei den italienischen Truppen ab 17. Dezember
so drastisch817, dass „[…] nach einigen Akten heftigen Widerstands [...]“818 die
Verteidigungsstellungen der verbündeten Soldaten von den russischen Truppen aufgerieben
wurden.819
Die italienischen Verbände nördlich neben Hollidts Armeegruppe verließen daraufhin auch
ihre Verteidigungsgräben und Bunker und zogen sich unter Auflösungserscheinungen vom
Schlachtfeld bis Milerowo zurück.820 Die rumänischen Verbündeten im Süden taten es den
Italienern gleich und rissen somit, wie bereits im Norden, ein Loch in die Front.821 Die
Nordflanke war ab sofort auf einer Länge von 145 km ohne deutsche Verteidigung822, „[…]
wodurch der Panzervorstoß [des Entsatzheeres] direkt bedroht wurde.“823
Die eigentliche Reserve an der von der italienischen Armee gehaltenen Front sollte die 17.
Panzerdivision darstellen. Der Panzerverband war im Laufe von „Wintergewitter“ jedoch von
der Frontlinie abgezogen und östlich des Don in die Panzergruppe Hoth eingegliedert worden.
Ein Gegenangriff der italienischen Verbände gegen die sowjetischen Truppen war somit
unmöglich. Zudem ließen die Wetterverhältnisse einen Schlag der deutschen Luftwaffe gegen
die sowjetischen Truppen zur Unterstützung der deutschen Verbände nicht zu.824 Überdies
kam noch der Umstand hinzu, dass schwere Waffen an manchen Abschnitten an der
Nordflanke nur ungenügend bei den deutschen Truppen und deren Verbündeten vorhanden
waren.825
Der Wetterumschwung, der nun Frost brachte, konnte die russischen Panzerbrigaden mit den
T-34 Panzern nicht stoppen und die gesamte deutsche Heeresgruppe Don826 als auch die im
Kaukasus kämpfenden Truppenverbände der Heeresgruppe A unter Generaloberst Ewald von
Kleist827, liefen darauf hin Gefahr, durch die Offensive der russischen Truppen in
Stoßrichtung Rostow abgeschnitten und wie die 6. Armee eingekesselt zu werden.828 „Die
Armee-Abteilung Hollidt mußte, so gut es ging, zunächst einmal versuchen, eine neue Front
etwa in der Höhe der 3. Rumänischen Armee aufzubauen, um deren Flanke, zugleich aber
816
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25.
817
Schröter, Stalingrad, S. 109.
818
Beevor, Stalingrad, S. 342.
819
Ebd., S. 342.
820
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343.
821
Paget, Manstein, S. 65.
822
Schröter, Stalingrad, S. 109.
823
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340.
824
Paget, Manstein, S. 65.
825
Schröter, Stalingrad, S. 109.
826
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340.
827
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 344.
828
Beevor, Stalingrad, S. 343.
98
auch die für die Versorgung der 6. Armee unentbehrlichen Flugbasen […] zu decken.“829 Die
für den Erhalt der Truppen in Stalingrad so wichtigen Flugplätze von Tatzinskaja und
Morosowskaja lagen in der Stoßrichtung des sowjetischen Gegenstoßes und drohten ohne
vorherige Verstärkung der deutschen Abwehrstellungen verloren zu gehen.830
Am selben Kampftag wurde von Generalfeldmarschall von Manstein die Panzergruppe Hoth
zurückgezogen und zur Unterstützung der deutschen Truppen nach Norden zum unteren
Tschir verlegt, um die Gegenoffensive der Sowjettruppen, gemeinsam mit dem rumänischen
3. AOK und Teilen des 48. Panzerkorps, zu stoppen.831 Die russischen Verbände waren zu
diesem Zeitpunkt bereits 25 km weit832 bis zur Linie Kasary – Ternovskaya – Man’kovo –
Kalitvenskaja – Kantemirovka833, mit dem Kurs auf Rostow, vorgestoßen.834 Die russischen
Kräfte zwangen die Heeresgruppe B zur Sicherung der rechten Flanke und zur Anordnung
von Verschiebungen deutscher Truppen.835 Hierzu wurde die 6. Panzerdivision zur
Bereinigung der Lage vom Entsatzangriff abbeordert.836
Generaloberst Hoth versuchte in der Nacht von 23. auf 24. Dezember die Abkommandierung
der Panzerdivision mit der Begründung, wenigstens noch bis auf 25 km vor Stalingrad
anzugreifen um der 6. Armee den Ausbruch zu gewährleisten, zu verzögern.837 „Man war in
der Panzerarmee bereit, noch eine letzte Karte auszuspielen und am Heiligen Abend mit allen
Panzerkräften zum letzten Schlag anzutreten. Alles war für den Entscheidungsangriff
vorbereitet […].“838 Hierzu sollten unter der Führung der 6. Panzerdivision 120
Kampfpanzer, 40 Sturmgeschütze, 24 gepanzerte Fahrzeuge, ein gepanzertes
Grenadierbataillon, eine gepanzertes motorisiertes Infanteriekompanie und ein gepanzertes
Artilleriebataillon den entscheidenden Vorstoß in Richtung Stalingrad antreten. Die Aufgabe
der nichtgepanzerten Teile sowie der beiden schwächeren Panzerdivisionen war es, die
gegenwärtigen Stellungen zu halten.839 Zusätzlich war zu diesem Zeitpunkt die Eisenbahnlinie
von deutschen Pioniertruppen für einen schnellen Abtransport der 6. Armee bereits bis zum
Aksaj verlegt worden.840
829
Manstein, Verlorene Siege, S. 374.
830
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 141.
831
Manstein, Verlorene Siege, S. 376.
832
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343.
833
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1052.
834
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 343.
835
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1052.
836
Schröter, Stalingrad, S. 106.
837
Ebd., S. 106.
838
Ebd., S. 106.
839
Wijers, Winter Storm, S. 253.
840
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358.
99
Hoth befahl der 6. Panzerdivision trotz der schwierigen Lage, das Unmögliche zu versuchen
und 33 km weit auf Stalingrad vorzustoßen, um den Truppen der 6. Armee – sollte Hitler zu
diesem Zeitpunkt vom Ausbruch überzeugt sein – den Rückzug zu geleiten und zu decken.841
Dieser Befehl gab den Entsatztruppen neuen Elan und stärkte ihren Glauben, Weihnachten mit
ihren Kameraden aus dem Kessel verbringen zu können.842 Am 24. Dezember wurde der
Angriffsplan zur 6. Armee jedoch widerrufen.843 Auf Grund des Feinddrucks an der
Tschirfront wurde die 6. Panzerdivision von Hoth abkommandiert und in Richtung
Potemkinskaja am Don beordert, um die linke Front der Heeresgruppe Don zu sichern.844 Der
Befehl an die 23. und 17. Panzerdivision war somit, ihre eigenen Stellungen sowie das
besetzte Gebiet der 6. Panzerdivision aufrecht zu erhalten.845
Die Rote Armee begann jedoch einen groß angelegten Gegenschlag mit einem
Gesamtkontingent von 149.000 Mann, 635 Panzern, 1.728 Feldgeschützen und Mörsern
sowie 294 Jagdflugzeugen gegen die noch verbliebenen deutschen Divisionen. Die 17. und
23. Panzerdivision waren gezwungen, alle Stellungen an der Myschkowa, um Vasil’evka und
Werchne-Kumskij, bis zur Hälfte der Strecke zum Aksaij zurückzuziehen.846 „[S]eit
Weihnachten [vergrößerte] sich der Abstand von der eingeschlossenen 6. Armee immer mehr,
und damit schwand auch die letzte Hoffnung für die eingeschlossenen Divisionen.“847 Ein
Erkämpfen des Korridor bis nach Stalingrad für den Entsatz der deutschen Truppen im Kessel
war auf Grund der Gegenoffensiven der Roten Armee nicht mehr im Bereich des Möglichen
und das „Unternehmen Wintergewitter“ kam kurz vor der Stadt „[…] im Schnee der Steppe
zwischen Don und Wolga […]“848 gezwungenermaßen zum erliegen.849 Dies bedeutete de
facto das Ende des militärischen Entsatzes der 6. Armee. Die Frage war nun, wie lange der
Zustand der Einkesselung noch anhalten würde, da für die eingekesselten Soldaten in
Stalingrad ab diesem Zeitpunkt von außen „[…] keine Hilfe mehr möglich war.“850 Hitler
hatte bereits in der Nacht von 23. auf 24. Dezember akzeptiert, dass „Unternehmen
Wintergewitter“ gescheitert war, indem er befahl, Teile der Panzergruppe Hoth vom
841
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358.
842
Wijers, Winter Storm, S. 253.
843
Scheibert, Wir sollten Stalingrad befreien, o.D., [http://www.stalingrad-feldpost.de/Entsatzangriff_6_Pz_Div/
entsatzangriff_6_pz_div.html], eingesehen 14.04.2014.
844
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 358.
845
Wijers, Winter Storm, S. 253.
846
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 321.
847
Schröter, Stalingrad, S. 110.
848
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 341.
849
Beevor, Stalingrad, S. 345.
850
Ebd., S. 345.
100
Entsatzunternehmen abzukommandieren.851 „Mehrere Tage [hatten] […] die Entsatzkräfte
auf die 6. Armee [gewartet], die sich aus Stalingrad befreien sollte. Hitler gab nicht den
Befehl zum Ausbruch. Auch die Generäle zauderten. Bis es zu spät war.“852
Am 25. Dezember wurden die Entsatzdivisionen gänzlich hinter den Aksaij zurückgeworfen
und mussten sich weiter in Richtung Kotelnikowo zurückziehen.853 Die 17. Panzerdivision
besaß beim Rückzug noch einen Kampfwert von 8 Kampfpanzern und einer
Panzerabwehrkanone.854 Der Auftrag der deutschen Truppen war ab diesem Zeitpunkt nicht
mehr, ihre Rückzugsstellungen um jeden Preis zu halten, sondern möglichst ohne Verluste zu
überleben und den russischen Verbänden zu entkommen. Bis zum 29. Dezember fiel
Kotelnikowo in russische Hände. Das Entsatzheer hatte binnen sechs Tage jegliches zuvor
gewonnenes Gebiet wieder verloren.855
Obwohl es die Truppen des Entsatzheeres schafften, innerhalb weniger Tage ein russisches
Kavalleriekorps, zwei Panzerbrigaden, ein Infanteriekorps und eine infanteristische
Stoßarmee aufzureiben, konnte der Auftrag, die eingeschlossenen Soldaten in Stalingrad zu
befreien, nicht erfüllt werden.856 Anstatt der einen frischen und voll ausgerüsteten
Panzerdivision hätten drei schlagkräftige Panzerdivisionen antreten und rechtzeitig mobilisiert
werden müssen, um im Verbund mit starken Infanterietruppen die Chance eines Entsatzes der
Truppen aus Stalingrad zu wahren.857 Die siebzehntägigen Kampfhandlungen von
„Wintergewitter“ hatten von den Entsatzdivisionen zudem noch einen hohen Preis gefordert.
8.000 Soldaten waren tot oder verwundet, 160 Kampfpanzer und Sturmgeschützen sowie 177
Feldgeschütze und Mörser gingen verloren.858 Die Soldaten der Entsatzarmee gingen mit
einem „[…] schwer lastenden Gefühl, der 6. Armee nicht die Hilfe gebracht zu haben, die
diese mit Sicherheit erwartete, […] in die vierte Kriegsweihnacht.“859
851
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 100.
852
Berthold Seewald, Warum man in Stalingrad den Ausbruch verweigerte, Die Welt Online, 21.12.2012,
[http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article112161423/Warum-man-in-Stalingrad-den-
Ausbruch-verweigerte.html], eingesehen 15.07.2014.
853
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 323..
854
Samuel W. Mitchan, The Panzer Legions. A Guide to the German Army Tank Divisions of WWII and Their
Commanders (Stackpole Military Series), Mechanicsburg 2007, S. 138.
855
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 323-327.
856
Wijers, Winter Storm, S. 256.
857
Stühring, Von Stalingrad bis Kursk, S. 153.
858
Glantz u.a., Endgame at Stalingrad, S. 327.
859
Schröter, Stalingrad, S. 107.
101
Stalingrad, der weitere Vorstoß gegen einen Gegner mit intakten Panzerverbänden und fest
ausgebauten Stellungen erfolgen hätte müssen, und die noch vorhandenen
Betriebsstoffvorräte der 6. Armee im Ausbruchsangiff nur bis ca. 20 km vor den Kessel
gereicht hätten.860 Das Kommando der 6. Armee berief sich darauf, dass der Fall
„Donnerschlag“ „[…] nicht mehr durchführbar [sei], wenn nicht vorher [ein] Korridor
geschlagen und Armee mit Menschen und Versorgungsgütern aufgefüllt w[e]rd[e].“861
Während die Panzergruppe Hoth gezwungenermaßen nach Norden abdrehen musste, weigerte
sich Hitler abermals, mit der Begründung auf die schlechte Treibstoffsituation, der 6. Armee
den Ausbruch zu gestatten.862 Der Generaloberst im Kessel von Stalingrad stand somit vor der
Problematik, welchen Befehl er ausführen und wem er die Treue halten sollte. Den
Haltebefehlen des obersten Befehlshabers des Heeres, dem „Führer“, oder dem Räumungs-,
aber nicht Ausbruchsbefehl des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe Don.863
Ein selbstständiges Handeln kam jedoch für den Oberbefehlshaber der 6. Armee nicht in
Frage.864 „Paulus fürchtete zudem, dass seine Truppen in der Steppe von der überlegenen
Roten Armee zerschlagen würden.“865 Außerdem war der selbstständig befohlene Rückzug
von General von Seydlitz im Norden des Kessels eine Lehre für Paulus, denn er hatte
gesehen, was mit den deutschen Truppen geschehen war, nachdem diese ihre ausgebauten und
befestigten Stellungen aufgegeben hatten.866 „Wenn Generaloberst Paulus jetzt nicht das
Risiko eines Ausbruches auf sich nahm, konnte nur noch ein Wunder ihn [und die 6. Armee]
retten.“867
Ein Ausbruchsversuch der 6. Armee galt für „[…] Paulus [als] unmißverständlich, wenn es
die Lage im Großen erfordere, was er‚ von hier aus nicht übersehen könne‘: ‚dann lieber jetzt
als später.‘“868 Paulus bat von Manstein um eine Vollmacht, um „Donnerschlag“ anlaufen
lassen zu dürfen „[…] die Manstein jedoch nicht glaubte erteilen zu können.“869 Ab diesem
Zeitpunkt war gewiss, dass die 6. Armee zum Ausbruch gewillt war, wenn dazu ein direkter
Befehl der Heeresgruppe Don gegeben werden würde und das Halten der Stellung auf Grund
der Versorgungslage in keinster Weise mehr garantiert werden könne.870
860
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 25.
861
Lagemeldung des AOK 6, 26.12.1942. BArch, RH 19-VI/7, fol. 91.
862
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333.
863
Manstein, Verlorene Siege, S. 369.
864
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333.
865
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 45.
866
Ebd., S. 46.
867
Scheibert, Nach Stalingrad…48 km, S. 142.
868
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 101.
869
Ebd., S. 101.
870
Ebd., S. 101.
102
5.14 Das letzte Treffen
Paulus und die Korpskommandanten im Kessel trafen sich am 27. Dezember zur letzten
Beratung über die Auslösung von „Donnerschlag“.871 Eine Operationsplanung des
IV. Armeekorps für einen Ausbruch war am Tag zuvor an das Kommando der 6. Armee
ergangen. Darin wurde vorgeschlagen, am Tag „x+1 […] aus dem Raum Zybenko […] -
Elchi, die […] als alte deutsche Stellung ausgebaut ist[,] [anzugreifen] und […] Plantator [zu
gewinnen]. Hier Anschluß an Kräfte der Gruppe Hoth.“872
Da Hitler jedoch am Tag darauf die Heeresgruppe A aus dem Kaukasus und die Heeresgruppe
Don bis hinter den Don zurückbefahl, war eine Vereinigung mit den deutschen Entsatztruppen
nicht mehr im Bereich des Möglichen.873 Die durchgebrochenen russischen Kräfte des
I. Gardeschützen-, des XI. motorisierten Garde- und VII. Panzerkorps, sowie dem
nachrückenden XIII. Panzerkorps konnten von den deutschen Truppen nicht gestoppt werden,
sodass die frühere Frontlinie vor der Operation „Blau“ nicht behauptet werden konnte. 874 Die
Ostfront wurde auf die Linie Konstantinowsk – Salsk – Armawir rückverlegt, wodurch die
Truppen in Stalingrad ab diesem Zeitpunkt 300 km von den restlichen Verbänden der
Wehrmacht entfernt waren.875
Am selben Tag noch erhielten die Korpskommandanten der 6. Armee die Meldung, dass ein
Eintreten von „Donnerschlag“ bis auf weiteres nicht mehr zu erwarten sei. 876 Am 30.
Dezember wurden alle Befehle für Aktionsvorbereitungen für einen Ausbruch aufgehoben
und die Weisung erteilt, dass „[…] die ‚Festung‘ auch ohne Entsatz noch mehrere Wochen
gehalten werden müsse.“877
871
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 102.
872
Das IV. Armeekorps gibt die Operationsabsicht „Fall Donnerschlag“ bekannt, 26.12.1942. BArch, RH 20-6/
965, fol. 60.
873
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 101.
874
Schröter, Stalingrad, S. 108.
875
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 167-168.
876
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1055.
877
Ebd., S. 1055.
878
Schröter, Stalingrad, S. 153.
103
Sprache durch den deutschen Emigranten Erich Weinert durchgegeben.879 Das sowjetische
Ultimatum wurde sofort an das Führerhauptquartier weitergeleitet und Paulus fragte erneut
um die Gewährung von Handlungsfreiheit an. Hitler verbat jedoch eine Gesamt- sowie eine
Teilkapitulation deutscher Truppen im Kessel und rechtfertigte seinen Entschluss mit der
Argumentation, dass zahlreiche russische Divisionen mit jedem Tag, den die 6. Armee
weiterhin durchhielt, an der Front von Stalingrad gebunden blieben.880
Am 8. Jänner um 9 Uhr traten die russischen Unterhändler, Major A. M. Smyslow, der als
Dolmetscher fungierende Hauptmann N. D. Djatlenko und ein Trompeter, auf der Südseite
des Kessels mit einer weißen Fahne den Weg an881, um im Auftrag des russischen
Generalleutnants Rokossowski882 ein schriftliches Ultimatum in einem versiegelten Brief an
die Führung der 6. Armee mit der Option, durch „ehrenvolle“ Kapitulationsbedingungen den
Kampf zu beenden, zu überbringen.883 Die Hauptbedingungen dazu hießen884:
„1) Alle eingekesselten deutschen Soldaten, mit Ihnen und Ihrem Stab an der Spitze,
stellen den Widerstand ein.
3) Wir garantieren allen Offizieren und Soldaten, die den Widerstand einstellen, Leben
und Sicherheit und nach Beendigung des Krieges Rückkehr nach Deutschland oder
in ein beliebiges Land, wohin die Kriegsgefangenen zu fahren wünschen.“885
Mit zunehmender Annäherung an die deutschen Truppen wurde den russischen Parlamentären
daraufhin mit Schüssen klar gemacht, dass das Kapitulationsangebot der Roten Armee von der
deutschen Führung im Kessel abgelehnt wurde886 und die Unterhändler zogen sich wieder zu
den eigenen Linien zurück. Zeitgleich befahl Paulus, dass jegliche weitere russische
Parlamentäre mit Feuer zum Rückzug genötigt werden sollten.887
879
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 382.
880
Schröter, Stalingrad, S. 154-155.
881
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 382.
882
Schröter, Stalingrad, S. 153.
883
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342.
884
Kapitulationsbedingungen, zit. in: Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 172.
885
Schröter, Stalingrad, S. 154.
886
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 47.
887
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 382.
104
Rostow zu schwächen.888 Somit konnte von den deutschen Truppen im Kessel „[…] kein
Anzeichen eines Gegenschlags, der zu einer Vereinigung der deutschen Kräfte hätte führen
können“889 mehr kommen. Symbolisch für Hitlers Haltebefehl stand nun die Verkündung der
Führung des 6. AOK, „[d]ass die Armee alles tun wird, um [sich] bis zur letzten Möglichkeit
zu halten […].“890
Die 6. Armee war jedoch operativ und bewegungsmäßig derart eingeschränkt, dass ab
5. Jänner 1943 abschnittweise die komplette Versorgung zusammenbrach und zudem das
deutsche Kontingent durch Verlausung oder Todesfälle auf Grund von physischer
Erschöpfung und Kälte immer weiter geschwächt wurde. 891 Bereits am 20 Dezember hatte ein
Offizier im Lagebericht den Zustand der Truppe betreffend vermerkt, dass „[g]anze
Kompanien […] ohne jeden Kampfwert [waren], dagegen eine Gefahr für jede Art von
Ersatz. An den Stellen, wo solche Haufen noch hingestellt werden m[usste]n, um eine
Verteidigung vorzutäuschen, k[onnte] nur der Zufall helfen.“892
Unter dem Decknamen „Operation Koltso“ begann die Rote Armee am 10. Jänner 1943 mit
der endgültigen Zerschlagung der deutschen Truppen in Stalingrad. Zum Zeitpunkt des
russischen Gegenschlags herrschten Temperaturen von bis zu -35 Grad.893 Nachdem in der
Nacht Bombenangriffe der russischen 16. Luftarmee geflogen worden waren894 begannen die
sowjetischen Truppen die deutschen Stellungen in Stalingrad mit 281.000 Soldaten, 257
Panzern und 10.000 Geschützen, einer „[…] der größten Artilleriekonzentration der
Geschichte um die Widerstandslinie der 6. Armee zu zerschlagen“895, anzugreifen und die
Landser immer weiter von Westen nach Osten zu drängen. Der sowjetischen 65. Armee
gelang es am ersten Tag 10 km weit in die Stadt einzubrechen. Im Süden und Norden war der
Widerstand der deutschen Truppen jedoch so groß, dass keine nennenswerten Gebietsgewinne
errungen werden konnten.896
Die deutschen Verluste summierten sich mit zunehmender Dauer der Kampfhandlungen und
beliefen sich nach der ersten Angriffswelle der Roten Armee bereits auf 40.000 Tote und
29.000 Verwunde. Da die Landser selbst nicht angemessen versorgt werden konnten, sandte
Paulus die russischen Kriegsgefangenen zu den Linien der Roten Armee zurück. Viele
888
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333.
889
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 340.
890
Lagemeldung des AOK 6, 26.12.1942. BArch, RH 19-VI/7, fol. 91.
891
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1054.
892
Oberst Stahel berichtet über den Zustand seiner Einheit im Kessel, 20.12.1942. BArch, RL 8/271.
893
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342.
894
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1056.
895
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342.
896
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 169.
105
Rotarmisten fürchteten jedoch Vergeltungsmaßnahmen des NKWD und blieben weiter auf
dem noch deutsch besetzten Gebiet.897
Zu Beginn der russischen Gegenoffensive äußerte sich Oberst Herbert Selle bei der
Lagebesprechung mit Paulus, auf die Frage, was er von der jetzigen Lage in Stalingrad halte,
folgendermaßen:
„Herr General hätten sich den Befehlen widersetzen sollen, doch die Gelegenheit
wurde verpasst. Bereits im November hätte er funken sollen: ‚Ich kämpfe diese
Schlacht mit der und für die 6. Armee. Bis sie vorüber ist, gehört mein Kopf mir.
Danach, mein Führer, gehört er euch.‘“898
Paulus erwiderte darauf nur: „Mir ist bewusst, dass die Militärhistorie ihr Urteil über mich
bereits gefällt hat.“899
Die Verbände der Roten Armee schlossen den Ring um die deutschen Truppen immer enger.
Die deutschen Stellungen vor Marinowka brachen am 11. Jänner 1943 zusammen und die
russischen Verbände drängten die deutschen Truppen nordwestlich an die Rossoschka, bei der
die verbliebenen kämpfenden Truppenteile der 29. motorisierten Division und 376.
Infanteriedivision im erbitterten Kampf aufgerieben wurden.900
Der Kampftag des 12. Jänner forderte 26.000 deutschen Soldaten das Leben, da die
sowjetischen Streitkräfte die westliche Front des Kessels, die s.g. „Don-Front“ durchstießen901
und die gesamte s.g. „Nase von Marinowka“ zurückerobern konnten.902 Am darauffolgenden
Tag nahmen die russischen Soldaten Karpowka, das Flugfeld im Süden Stalingrads, ein und
erreichten die Rossoschka.903
Am 14. Jänner ging Basargino verloren und zwei Tage später fiel der große Flugplatz
Pitomnik in russische Hände. Der Wegfall Pitomniks bedeutete logistisch und psychologisch
ein Desaster. Sturzkampfbomber, Jäger und Aufklärer der deutschen Luftwaffe, die zuvor aus
dem Kessel abgezogen worden waren, hatten nun keine Chance mehr, vom Kesselinneren aus
die verbliebenen deutschen Bodentruppen gegen sowjetische Flieger und Luftangriffe zu
verteidigen.904 Nur noch die improvisierte Landepiste von Gumrak blieb für die Versorgung
und den Abtransport von Verwundeten bestehen. 905
897
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 169-170.
898
Ebd., S. 170.
899
Ebd., S. 170.
900
Ebd., S. 172.
901
Ebd., S. 172.
902
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 279.
903
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 171-174.
904
Wegner, Der Krieg gegen die Sowjetunion, S. 1056-1057.
905
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174.
106
Nach dem Scheitern des Entsatzes im Dezember 1942 gab Hitler die Weisung und weitere
geplante Marschrichtung aus, dass „[d]ie Heeresgruppe Don […] nach wie vor die Pflicht
[habe], alles zu tun, um die Voraussetzungen für die Befreiung der 6. Armee zu erhalten.“906
In Hitlers Vorstellung sollte die deutsche Sommeroffensive 1943 den endgültigen Entsatz der
6. Armee sicherstellen. „Um die Befreiung der 6. Armee durchführen zu können, wird eine
starke Kräftegruppe von Panzerverbänden Mitte Februar im Gebiet südostwärts [von]
Charkow versammelt werden […] [und] je nach Wetterlage zur Befreiung der 6. Armee
an[…]treten.“907
Auf Grund der sich permanent verschlechternden Lage und des aussichts- und sinnlos
werdenden Kampfes, entschloss sich Paulus, einen jungen Ritterkreuzträger, Hauptmann
Winrich Behr, in das Führerhauptquartier nach Rastenburg in Ostpreußen ausfliegen zu
lassen, um dem „Führer“ aus erster Hand die Lage in Stalingrad zu schildern, in der
Hoffnung908, dass „[…] dessen schwarze Panzeruniform mit dem Ritterkreuz auf Hitler schon
die richtige Wirkung ausüben werde.“909
Am Abend des 13. Jänner erreichte Paulus‘ Gesandter den Lagebesprechungsraum und
begann Hitler und 25 anwesenden Generälen die Lage Stalingrads vorzutragen. Hitler
versuchte den jungen Hauptmann durch das Versprechen, dass, wie veranschlagt, durch ein
SS-Panzerkorps ein späterer Entsatz erfolgen wird, den Verlauf des Gespräches zu steuern,
um so das eigentliche Begehren des eingeflogenen Offiziers gar nicht erst aufkommen zu
lassen. Behr aber, der im Vorhinein von Hitlers Strategie unterrichtet worden war, musste zur
Erfüllung seines Auftrages unbedingt zu Wort kommen.910 Hierzu sprach er Hitler direkt an:
„‚Mein Führer, mein Oberbefehlshaber gab mir den Befehl, Sie über die Lage zu unterrichten.
Bitte gestatten Sie mir nun, meinen Bericht zu geben.‘ Dies konnte Hitler ihm vor so vielen
Zeugen nicht verweigern.“911 Der Offizier führte unter Miteinbeziehung aller Fakten die
aktuelle Lage wahrheitsgetreu über Stalingrad aus, ohne dass Hitler dessen Ausführungen
unterbrach. Nach dem Lagevortrag widmete sich Hitler der großen Lagekarte, die mit
Fähnchen und Wimpeln – die einzelne Divisionen darstellten, welche jedoch in der Realität
größtenteils nur noch aus wenigen Soldaten bestanden – bestückt war, und kam zum gleichen
Ergebnis wie am Beginn des Vortrages.912 „Er hat […] die Generäle kritisiert, war aber nicht
bereit, Paulus Handlungsfreiheit einzuräumen, obwohl ich das mehrfach ansprach.
906
Hitler weist das weitere Vorgehen der Heeresgruppe A und Don an, 28.12.1942. BArch, RH 19-VI/8, fol. 343.
907
Generalstab des Heeres an die Heeresgruppe Don, 31.12.1942. BArch, N 63/43, fol. 50.
908
Beevor, Stalingrad, S. 392.
909
Ebd., S. 392.
910
Ebd., S. 393-394.
911
Ebd., S. 394.
912
Ebd., S. 394.
107
‚Stalingrad muss durchhalten‘ – das waren seine Worte. Er verwies immer wieder auf die SS-
Divisionen.“913 Das beorderte SS-Korps würde die Lage bereinigen und Stalingrad bald
entsetzen können. Behr hatte jedoch im Vorhinein von Generalfeldmarschall von Manstein
erfahren, dass sich der Einsatz der SS-Truppen auf Grund der Gesamtlage an der Ostfront
noch um mehrere Wochen verzögern würde.914 Laut von Manstein war Hitlers Plan, mit
einem SS-Panzerkorps, bestehend aus den Panzergrenadier-Divisionen „Leibstandarte“,
„Reich“ und „Totenkopf“, in der nächsten Frühjahrsoffensive über 560 km von Charkow aus
in Richtung Stalingrad vorzustoßen und die 6. Armee zu entsetzen, reine Utopie.915
Mit den für die 6. Armee schlechten Nachrichten sollte Behr wieder in den Kessel
zurückfliegen. Im Gespräch mit Hitlers Adjutanten, General Rudolf Schmundt, gab der
Hauptmann jedoch offenkundig seine Meinung über den Lagevortrag bei Hitler wieder. „‚Wie
fanden Sie denn das Gespräch mit Hitler?‘ Da habe ich ganz offen gesagt: ‚Katastrophal.
Das glaubt doch keiner, dass ich so töricht bin, die Sache mit den SS-Divisionen zu
glauben.‘“916 Mit dieser Aussage war der Offizier nicht mehr der richtige Gesandte, um die
deutsche Führung im Kessel zum Durchhalten zu veranlassen.917 Die Mission zur Erlangung
der ersehnten Handlungsfreiheit war an Hitlers Willen gescheitert.
913
Winrich Behr, zit. in: Klaus Wiegrefe, Den Mann kannst du abschreiben, SPIEGEL online, 16.12.2002,
[http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25940328.html], eingesehen 29.05.2014.
914
Beevor, Stalingrad, S. 394-395.
915
Manstein, Verlorene Siege, S. 380.
916
Wiegrefe, Den Mann kannst du abschreiben, SPIEGEL online, 16.12.2002, [http://www.spiegel.de/spiegel/
print/d-25940328.html], eingesehen 29.05.2014.
917
Wiegrefe, Den Mann kannst du abschreiben, SPIEGEL online, 16.12.2002, [http://www.spiegel.de/spiegel/
print/d-25940328.html], eingesehen 29.05.2014
918
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 26.
919
Piekalkiewicz, Stalingrad, S. 359
920
Schröter, Stalingrad, S. 221.
108
auf die Eingeschlossenen warteten.921 Ein „[...] Kampf bis zur letzten Patrone und bis zum
letzten Mann […]“922 wurde nunmehr von den Landsern gefordert.923
In der Realität dauerte eine Truppenverschiebung einer deutschen Kompanie über vier km
Marschweg auf Grund des Zustandes der Soldaten etwa von 6 Uhr früh bis in die
Abendstunden.924 Wie der Ordonanzoffizier der Abteilung für Feindaufklärung, Joachim
Wieder, in seinen Erinnerungen über die deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad
wiedergab,
„[…] versteckten [manche] ihre innere Angst und Leere hinter einer verkrampften
soldatischen Haltung oder gar hinter einer betonten Landsknechtgesinnung. Wenn sie
schon einmal verurteilt seien ‚draufzugehen‘, dann wollten sie wenigstens bis zuletzt
ihre Haut teuer verkaufen und möglichst viele Russen ‚mitnehmen‘.“925
Am 28. Jänner 1943 kam im Kessel ein Funkspruch des Reichsmarschalls Göring mit den
Worten an926: „Vom Kampf der 6. Armee wird es einmal stolz heißen, an Todesmut ein
Langenmarck, an Zähigkeit ein Alkazar, an Tapferkeit ein Narvik, an Opfer ein Stalingrad.“927
Die Gewissheit des Opferganges kam für die Landser im Kessel mit der Rede Görings am
30. Jänner 1943, die auch in Stalingrad über den Rundfunk lief. Der Reichsmarschall verglich
die deutschen Soldaten an der Wolga mit der Geschichte bei den Thermophylen und den
griechischen Kämpfern des Königs Leonidas, die dem Ansturm der Perser so lange stand
hielten, bis die Griechen die Verteidigung errichtet hatten.928 Die griechischen Helden waren
wie die „Helden aus Stalingrad“ gefallen, weil es die Pflichterfüllung von ihnen verlangte.929
Görings demagogische Rede, die Herodots Grabepigramm nachempfunden war, legte das
Heroentum der Antike auf die Stalingradkämpfer um.930
Während deutsche Soldaten noch in den Gräbern und Häusern kämpfend die letzen
Stellungen hielten, vernahmen diese ihre eigene „Leichenrede“931 über die wenigen
funktionierenden Wehrmachtsfunkgeräte im Kessel:
„[…] noch in tausend Jahren, wird jeder Deutsche mit heiligem Schauer von diesem
Kampf in Ehrfurcht sprechen und sich erinnern, daß dort trotz allem Deutschlands
Sieg entschieden worden ist! […] Kommst du nach Deutschland, so berichte, du hast
921
A. Paulus, Die Schlacht um Stalingrad, S. 26.
922
Schröter, Stalingrad, S. 221.
923
Ebd., S. 221.
924
Kunz, Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad, S. 16.
925
Wieder, Stalingrad und die Verantwortung des Soldaten, S. 107.
926
Schröter, Stalingrad, S. 223.
927
Ebd., S. 223.
928
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 46-47.
929
Rüdiger Overmans, In sowjetischer Gefangenschaft: Schlimmer als der Tod?, in: Damals. Das Magazin
für Geschichte und Kultur (6/2001), S. 30-35, hier S. 31.
930
Rolf-Dieter Müller, Militärgeschichte, Köln u.a. 2009, S. 34.
931
Schröter, Stalingrad, S. 224.
109
uns in Stalingrad liegen sehen, wie das Gesetz, das heißt, das Gesetz der Sicherheit
unseres Volkes, es befohlen hat.“ 932
Ab diesem Zeitpunkt war allen deutschen Soldaten klar, dass ihr Schicksal besiegelt und die
Errettung der Armee endgültig aufgegeben worden war. 933 Die deutschen Truppen in
Stalingrad „[…] hatten Wind gesät, jetzt mußten [sie] Sturm ernten.“934
Die russische Propagandaabteilung versuchte mit Flugblättern die noch verblieben Landser
zum überlaufen zu bewegen.935 Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch Kämpfer, Verwundete
und Fahnenflüchtige in Stalingrad.936 Insgesamt verließ jedoch nur eine Minorität der
deutschen Soldaten die eigene Truppe und gliederte sich bei den russischen Kräften ein.937
Die Angst vor einer drohenden russischen Gefangenschaft war bei den deutschen Soldaten
bereits bis ins Mark indoktriniert worden.938 Manche Wehrmachtsangehörige behielten das
sowjetische Flugblatt jedoch als „Passierschein“, um für jede noch mögliche Lage gewappnet
zu sein.939
Das Hauptaugenmerk der deutschen Führung lag nach dem Zusammenbruch der Front im
Norden nicht mehr auf der 6. Armee940, sondern auf der Abwehr und somit der Rettung der
1,5 Millionen Soldaten der Heeresgruppe Don und der Heeresgruppe A, die alle bedroht durch
den sowjetischen Durchbruch Gefahr liefen, aufgerieben und vernichtet zu werden.941
241.000 Soldaten, 539 Geschütze und 131 Panzerfahrzeuge standen dafür noch in Stalingrad
bereit.942 „Der Entsatz der 6. Armee war zu einer Aufgabe zweiter Priorität geworden.“943
Somit sollte der letzte Glaube daran, dass „[d]ie Festung […] eine Zeit lang halten [wird],
wenn die Männer baldigst wieder volle Portionen bekommen, genügend Betriebsstoff
vorhanden ist, um Versorgungsfahrten und Truppenverschiebungen durchzuführen und die
nötigste Munition herankommt“944 ein baldiges Ende finden.
932
Hermann Goering, Appell des Reichsmarschalls an die Wehrmacht, in: Deutschland im Kampf (Januar-
Lieferung Nr. 81/82), hrsg. v. A. J. Berndt/Oberst von Wedel, Berlin 1943, S. 11-20, hier S. 16-17.
933
Overmans, Schlimmer als der Tod?, S. 31.
934
Wieder, Stalingrad, S. 141.
935
Schröter, Stalingrad, S. 210.
936
Ebd., S. 222.
937
Ebd., S. 210.
938
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 272.
939
Schröter, Stalingrad, S. 210.
940
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942, S. 333.
941
Knopp, Hitlers Krieger, S. 196.
942
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 102.
943
Ebd., S. 102.
944
Das AOK 6 meldet die aktuelle Lage im Kessel von Stalingrad, 25.12.1942. BArch, RH 20-6/240, fol. 194.
110
6.1 Der Untergang der 6. Armee
Bis zum 17. Jänner 1943 war der Kessel bis auf ein Drittel des zuvor deutsch besetzten
Gebietes von der Roten Armee zurückerobert worden.945 Abermals entsandte die Rote Armee
ein Kapitulationsangebot an die deutsche Führung im Kessel, welches wiederum abgewiesen
wurde.946 Das OKH gebot Paulus, trotz der sich abzeichnenden Niederlage, nicht ohne
Zustimmung der obersten deutschen Führung zu kapitulieren. Hierzu diktierte Hitler dem
Oberbefehlshaber im Kessel: „Kapitulation ausgeschlossen. Truppe verteidigt sich bis zuletzt.
[…] 6. Armee hat damit einen historischen Beitrag in dem gewaltigsten Ringen der deutschen
Geschichte geleistet.“947
Der sowjetische General Rokossowski schlug vor, zur Regeneration der russischen Truppen
eine dreitägige Kampfpause einzulegen, doch Stalin befahl die Offensive weiter
voranzutreiben, „[…] da die erschöpften und hungernden deutschen Soldaten von Tag zu Tag
weniger Widerstand leisteten.“948 Am 18. Jänner 1943 hatten die Landser bereits all ihre
Verteidigungsstellungen aufgeben und den Rückzug in die Innenstadt Stalingrads antreten
müssen. 949
Die 3,2 km entfernte 21. sowjetische Armee nahm das einzig noch verbliebene deutsch
besetzte Flugfeld unter Feuer und der letzte deutsche Nachschubweg zu Lande ging am
23. Jänner verloren.950 Eine Heinkel HE 111, mit 19 Verwundeten und 8 Feldpostsäcken an
Bord, war das letzte Flugzeug, das von Stalingrad abhob.951Ab diesem Zeitpunkt konnten
Versorgungsgüter für die Truppen in den beiden Kesseln nur mehr direkt aus der Luft
abgeworfen werden.952 Der Nachschub landete jedoch zum Großteil in tiefem Schnee und
konnte von den Landsern, die erschöpft und entkräftet waren, nicht mehr geborgen werden.
Der geringe Bestand an Munition sowie die Rationen der deutschen Truppen drohten nun
vollständig auszugehen.953
Paulus bat indirekt am 22. Jänner in einem Funkspruch an die Heeresgruppe Don kapitulieren
zu dürfen und den Wunsch an Hitler weiterzuleiten: „Welche Befehle soll ich den Truppen
geben, die keine Munition mehr haben und weiter mit starker Art[illerie], Panzern und
945
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 46.
946
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 175.
947
Hitler an Paulus, 22.01.1943. BArch, RH 19-VI/12, fol. 324.
948
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174.
949
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
950
Ebd., S. 137.
951
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 175.
952
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
953
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174-175.
111
Inf[anteriemassen] angegriffen werden[?]“954 Die Antwort Hitlers war eine kategorische
Ablehnung einer Kapitulation955 mit der Begründung, dass der „Russe“ die
Kapitulationsversprechen sowieso nicht einhalten würde.956
Die noch übrigen deutschen Verbände wurden durch eine Vereinigung der 21. und
62 sowjetischen Armee957 im Norden und Süden der Stadt in zwei Teilkessel gespalten.958
Die russischen Verteidiger der Fabriken „Roter Oktober“ und „Barrikady“ konnten sich
erstmals seit Beginn der Schlacht um Stalingrad wieder in die Roten Armee eingliedern.959
Im Südabschnitt des Kessels verlagerte Paulus sein Hauptquartier in das Erdgeschoss des
Univermag-Kaufhauses. Versorgungsgüter waren nur noch so spärlich vorhanden, dass die
Führung im Kessel beschloss, an Verwundete keine Verpflegungsrationen mehr zu
verteilen.960 Zu diesem Zeitpunkt lagen 20.000 verwundete Landser bei Temperaturen von -30
Grad in improvisierten und großteils ungeheizten Feldlazaretten.961
Auf Grund der Lage bemühte sich am 24. Jänner nun auch von Manstein mit Paulus‘
Unterstützung, Hitler zur Erlaubnis einer Kapitulation zu bewegen. Nach Hitlers Vorstellung
sollte die Armee jedoch bis zur letzten Patrone kämpfen weshalb die Bitte der beiden
Generäle abgewiesen wurde.962 „Hitler wollte für seine Propaganda jetzt ein Heldenepos,
Menschenleben waren ihm dabei gleichgültig.“963 Überdies wurde Generaloberst Paulus von
Hitler demonstrativ am 30. Jänner zum Generalfeldmarschall befördert. Da in der Geschichte
„[…] noch nie ein deutscher Feldmarschall kapituliert hatte, sollte Paulus diesem Beispiel
folgend mit der 6. Armee bis zum ‚Heldentod‘ weiterkämpfen.“ 964 Bereits am 12. Dezember
1942 war ein Befehl der Armeeführung mit der Weisung erlassen worden, dass ein deutscher
Offizier nicht befugt war, den Weg in die Gefangenschaft anzutreten, sondern nachdem seine
ihm unterstellte Truppe aufgerieben worden war, den Freitod zu wählen und sich zu
erschießen hatte.965 Einerseits wusste Paulus zwar, dass Hitlers Beförderung ein Appell zum
Selbstmord war. Dies widersprach jedoch seiner christlichen Weltanschauung. Andererseits
war Paulus nicht gewillt, als erster Feldmarschall wegen Kapitulation in deutscher
geschichtlicher Erinnerung zu bleiben. Deshalb proklamierte Paulus sich selbst zur
954
Paulus an Heeresgruppe Don, 22.01.1943. BArch, RH 19-VI/12, fol. 326.
955
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 174-175.
956
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 285.
957
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 175.
958
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
959
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342.
960
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 176.
961
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 342.
962
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 176.
963
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 284.
964
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
965
Schröter, Stalingrad, S. 115.
112
„Privatperson“ und übergab die Befehlsgewalt den wenigen verbleibenden
s.g. Kesselkommandanten in den noch deutsch besetzten Teilabschnitten.966 Hauptmann
Gerhard Dengler gab in seinen Erinnerungen über Stalingrad wieder, wie Paulus die
Befehlsgewalt auf die unteren militärischen Befehlsebenen übertrug.967 „Paulus sagte mir:
‚Herr Hauptmann, Sie haben es leicht, Sie sehen nur das weiße im Auge des Feindes, wir aber
im Stab der Armee müssen dem Führerhauptquartier folgen […][.] [J]etzt ist die schwere
Stunde gekommen, wo die Initiative auf die unteren Truppenführer übergeht.‘“968 Somit stand
es Generälen, Divisions- und Regimentskommandeuren frei, über weitere Verteidigung oder
Teilkapitulation ihrer Einheiten zu entscheiden.969
Am 31. Jänner 1943 um 6 Uhr 15 meldete ein Funker, „[…] dass Russen vor der Tür
standen.“970 Eine Stunde später wurde dem OKH im letzten Funkspruch aus Stalingrad die
Vernichtung der eigenen Ausrüstung gemeldet. Paulus und die deutschen Verbände im
Südkessel ergaben sich um 7 Uhr 45.971 Eine förmliche Kapitulationserklärung wurde
allerdings nie unterzeichnet.972Als Hitler von Paulus‘ „Verrat“ wegen der Kapitulation ohne
seine Zustimmung hörte, geriet er in Rage und verkündete: „Das Heldentum von so vielen
Zehntausenden von Menschen, Offizieren und Generalen wird ausgelöscht von einem einzigen
charakterlosen Schwächling. In diesem Krieg wird niemand mehr Feldmarschall.“973
Der Kampf um Stalingrad fand nach 162 Tagen ein Ende.974 Am 2. Februar 1943 um
10 Uhr 45 endete die Schlacht um Stalingrad mit der Aufgabe der Kampfhandlungen der
deutschen Truppen im Nordkessels und die Kapitulation besiegelte somit den endgültigen
Untergang der 6. Armee in der Stadt mit Stalins Namen.975 „Wenn Friedrich der Große
einmal gesagt hatte der Soldat müsse ‚fortune‘ haben, mit anderen Worten: ohne Glück sei
kein Soldat zu denken, so ist ‚fortune‘ Soldatenglück, letzten Endes dem Generalfeldmarschall
von Stalingrad versagt geblieben […]“976 Die schätzungsweise Bilanz der Kampfhandlungen
um Stalingrad ergab, dass 195.000 Mann unter deutschem Kommando eingeschlossen worden
waren, und 60.000 dem Hunger, der Kälte oder den Kämpfen auf dem Schlachtfeld zum
Opfer gefallen waren. 110.000 deutsche Soldaten kamen in russische Kriegsgefangenschaft,
966
Diedrich, Paulus und das Trauma von Stalingrad, S. 47.
967
Jürgen Engert, Soldaten für Hitler, Berlin 1998, S. 196.
968
Ebd., S. 196.
969
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 289.
970
Fowler, Schlacht um Stalingrad, S. 178.
971
Ebd., S. 178.
972
Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16.
973
Guido Knopp, Entscheidung Stalingrad, in: FOCUS (9/1999), S. 60-61, hier S. 61.
974
Bedürftig u.a., Chronik des Zweiten Weltkrieges, S. 257.
975
Kehrig, Die 6. Armee im Kessel von Stalingrad, S. 109.
976
Görlitz, Paulus. „Ich stehe hier auf Befehl!“, S. 70.
113
von denen 17.000 auf dem Weg in die Kriegsgefangenenlager und zehntausende in den
Folgemonaten in der Gefangenschaft starben.977 6.000 Mann sollten bis zum Jahr 1955 die
Heimat wiedersehen. Nur ein geringer Teil der Armee, konnte verletzungsbedingt aus dem
Kessel ausgeflogen werden.978 20.000 verwundete Landser979 und 21 deutsche Generäle
inklusive eines Feldmarschalls fielen in russische Hände. Auf sowjetischer Seite waren 1,5
Millionen Soldaten entweder tot oder verwundet.980
6.2 Heroisierung
Der Fokus des Interesses der Bevölkerung im Dritten Reich lag ab Spätsommer 1942 auf der
Schlacht um Stalingrad.981 In den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes der SS
wurde die Kriegsstimmung der Bevölkerung festgehalten. Die Stimmung im Reich begann
„[a]ufgrund der Heftigkeit der Kämpfe um Stalingrad […]“982 umzuschlagen und „[…] in
banger Sorge der hohen Blutopfer, die die Eroberung […] noch kosten werde“983 wurde dem
Ende der Kampfhandlungen entgegengesehen. In der Bevölkerung herrschte zudem die
Meinung vor, dass Stalingrad zu einem „Wendepunkt“ des Ostfeldzuges werden würde, denn
im vergangenen Sommer waren die prophezeiten Erfolge der deutschen Truppen noch nicht
erreicht worden.984 Bis dato wurde dem Volk von der deutschen Propaganda weis gemacht,
dass der Krieg bereits für Deutschland entschieden und nur noch nicht ganz beendet war.985
Die Einschätzung der Bevölkerung den Ausgang der Schlacht betreffend bewegte sich, je
länger sich die Entscheidung verzögerte, zwischen „[…] zuversichtlichem Hoffen und bangen
Befürchtungen“986, denn das „[…] Ausbleiben der erwarteten Sondermeldung über den Fall
Stalingrads [hatte] bei vielen Volksgenossen sorgenvolle Erörterungen über die Lage an der
Ostfront ausgelöst.“987 Die Gerüchte über den Einschluss von deutschen Verbänden wurden
durch Feldpost aus Stalingrad bestätigt und zur Realität.988 Die Nachricht von der endgültigen
977
Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 224.
978
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
979
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 343.
980
Seligmann, Hitler. Die Deutschen und ihr Führer, S. 271.
981
Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17.
982
Meldungen aus dem Reich 1938-1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Bd.11,
hrsg. v. Boberach, Heinz, Herrsching 1984, S. 4165.
983
Ebd., S. 4165.
984
Ebd., S. 4175.
985
Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17.
986
Meldungen aus dem Reich 1938-1945, Bd.11, S. 4231.
987
Ebd., S. 4231.
988
Meldungen aus dem Reich 1938-1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Bd.12,
hrsg. v. Boberach, Heinz, Herrsching 1984, S. 4587.
114
Niederlage in der Stadt an der Wolga löste unter der Bevölkerung „[…] lähmendes Entsetzen
aus.“989
Wie schon der Rückzug der deutschen Truppen vor den Toren Moskaus im Dezember 1941
von der deutschen Propaganda umgedeutet worden war, wurde bereits während der letzten
Kampftage die unvermeidliche Niederlage bei Stalingrad wie noch niemals zuvor
instrumentalisiert.990 „Für die Wehrmacht waren Moskau, Stalingrad […] Menetekel für die
eigenen Leistungsgrenzen […]“991, doch da die deutsche Propagandamaschinerie, die zuvor
monatelang die Bevölkerung des Reiches über die aussichtslose Lage der Truppen in
Stalingrad hinweg getäuscht hatte, musste nun die militärische Niederlage dem deutschen
Volk möglichst glaubhaft dargestellt werden.992
Propagandaminister Goebbels äußerte sich zur geplanten mythologisierenden Umdeutung in
seinem Tagebuch mit den Worten993: „Ein Bild von wahrhaft antiker Größe. Die Worte fehlen,
dieses Heldendrama zu schildern. In Stalingrad selbst hilft man sich mit dem Vergleich, daß
das Nibelungenlied in den Schatten gestellt sei. Es ist in der Tat so.“994 Die Heroisierung
konnte jedoch die Soldaten, die die Schlacht von Stalingrad überlebt hatten, nicht mehr
überzeugen und zudem auch nicht abwenden, dass Hitler die Niederlage persönlich
vorgehalten wurde.995
Am Tag nach der Niederlage von Stalingrad wurde im Deutschen Reich der Presse
aufgetragen, „[…] das ergreifende Ereignis, das die größten Waffentaten der Weltgeschichte
überstrahlt, zu würdigen und dieses erhabene Beispiel höchster heldischer Haltung, letzten
Opferwillens für den Sieg dem deutschen Volk als heiliges Fanal vor Augen zu führen.“ 996
Verstärkend herrschte zudem im Reich eine dreitägige Staatstrauer. Der Rundfunk spielte
Bruckners 7. Sinfonie997, drei Strophen von „Ich hatt‘ einen Kameraden“ und eine drei
minütige Funkstille wurde gehalten.998 Zudem blieben auf Anordnung Kinos und Theater
geschlossen.999
989
Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17.
990
Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16.
991
Müller, Der Zweite Weltkrieg 1939-1945, S. 293.
992
Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16.
993
Wolfram Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“. Stalingrad in der NS-Propaganda, in: Stalingrad.
Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, hrsg. v. Gerd Ueberschär/Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1992,
S. 43-60, hier S. 43.
994
Goebbels Tagebucheintrag vom 23.1.1943, zit. in: Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 50-51.
995
Förster, Zähe Legenden. Stalingrad, 23. August 1942 bis 2. Februar 1943, S. 335.
996
Bedürftig u.a., Chronik des Zweiten Weltkrieges, S. 257.
997
Keegan, Der Zweite Weltkrieg, S. 343.
998
Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 55.
999
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
115
Am 3. Februar 1943 erschien der Sonderbericht über den Fall von Stalingrad1000:
„Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende. Ihrem Fahneneid bis zum letzten Atemzuge
treu, ist die 6. Armee unter der vorbildlichen Führung des Generalfeldmarschalls
Paulus der Uebermacht des Feindes und der Ungunst der Verhältnisse erlegen. […]
Unter der Hakenkreuzfahne, die auf der höchsten Ruine von Stalingrad weithin
sichtbar gehisst wurde, vollzog sich der letzte Kampf. Generale, Offiziere,
Unteroffiziere und Mannschaften fochten Schulter an Schulter bis zur letzten
Patrone.1001
1000
Sonderbericht über den Fall von Stalingrad, 3.2.1943. BArch, RW 4/140, fol. 1.
1001
Ebd., fol. 1-2.
1002
Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16.
1003
Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 9.
1004
Lüdeke, Der Zweite Weltkrieg. Ursachen, Ausbruch, Verlauf, S. 137.
1005
Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 43.
1006
Wegner, Heldendrama von antiker Größe, S. 16.
1007
Ebd., S. 16.
1008
Ebd., S. 16.
1009
Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 58.
1010
Ebd., S. 58.
1011
Völkischer Beobachter, 04.02.1943.
1012
Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 59.
116
erweckte die deutsche Propaganda tatsächlich die Vorstellung, dass ein Gros bzw. alle
deutschen Soldaten in Stalingrad gefallen waren und sich nur wenige Landser in sowjetischer
Kriegsgefangenschaft befanden.1013 Feldpostbriefe von Stalingradkämpfern, die aus der
Kriegsgefangenschaft schrieben, wurden abgefangen, ebenso die versandten Briefe der
Angehörigen aus dem Reich. Mundpropaganda und russische Rundfunkmeldungen, die
Namen von deutschen Kriegsgefangenen durchgaben, erfuhren trotz Verklärung als
Feindpropaganda, mehr und mehr an Bedeutung.1014
Stalingrad war eine Zäsur in der Einstellung des deutschen Volkes zum Krieg. 1015 Der schon
bei der Niederlage vor Moskau 1941 in Frage gestellte Nimbus der Unbesiegbarkeit der
Wehrmacht war ab Stalingrad gänzlich erloschen.1016 „Vielmehr war unmittelbar nach Ende
der Kämpfe in Stalingrad in deutschen Großstädten die Jahreszahl ‚1918‘ zu lesen – unter
Lebensgefahr auf die Hauswände gepinselt, als Mahnung an die deutsche Niederlage im
Ersten Weltkrieg.“1017 Ein Teil der Bevölkerung fühlte sich durch das Schicksal der deutschen
Wehrmacht bei Stalingrad zum Aufgebot aller Kräfte berufen, die anderen zogen die Lehre
daraus1018, dass ab diesem Zeitpunkt eine endgültige Niederlage spürbarer war als der
„Endsieg“.1019
1013
Heinz Boberach, Stimmungsumschwung in der deutschen Bevölkerung, in: Stalingrad. Mythos und
Wirklichkeit einer Schlacht, hrsg. v. Gerd Ueberschär/Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1992, S. 61-66,
hier S. 63.
1014
Wette, Das Massensterben als „Heldenepos“, S. 59.
1015
Michael Wildt, Krieg im eigenen Land, in: Informationen zur politischen Bildung (3/2012), Heft 316, S. 51-
67, hier S. 60.
1016
Diedrich, Paulus. Eine Biographie, S. 298.
1017
Deutsches Historisches Museum, Die Schlacht um Stalingrad (23. August 1942 bis 2. Februar 1943),
[http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/stalingrad/], eingesehen 20.03.2014.
1018
Kunz, Vor sechzig Jahren: Der Untergang der 6. Armee, S. 17.
1019
Wildt, Krieg im eigenen Land, S. 60.
1020
Georg Tessin, Verbände der deutschen Wehrmacht und Waffen SS im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Bd. 3:
Die Landstreitkräfte 6-14, Osnabrück 19742, S. 5.
117
August 1944 wurden die deutschen Truppen der 6. Armee eingekesselt1021 und, zusammen mit
Verbänden der Heeresgruppe Südukraine, bei Kämpfen um Kischinew fast vollständig
aufgerieben.1022 Da „[…] die Hauptkräfte der d[eutschen] 6. Armee ostwärts des Pruth
vernichtet w[u]rden, [konnten] […] nur Teile in die Wälder südlich von Husi entkommen
[…].“1023 Die Bilanz der Schlacht am Pruth war auf deutscher Seite verheerend. Von 360.000
Mann waren 150.000 tot, 106.000 verwundet und 80.000 wurden vermisst.1024 Die
verbliebenen deutschen Soldaten wurden im September in die 2. ungarische Armee
eingegliedert und kämpften ab sofort unter dem Namen „Armeegruppe Fretter-Pico“. Von
Jänner bis März 1945 wurde der Verband in „Armeegruppe Balck“ umbenannt. Der einstige
Name und ein Verweis auf die Bezeichnung „6. Armee“ waren somit endgültig für den
restlichen Verlauf des Zweiten Weltkrieges erloschen.1025
1021
o.V., Staub im August, Der SPIEGEL (1965), Heft 9, [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46169570.html],
eingesehen 22.04.2014.
1022
Tessin, Verbände der deutschen Wehrmacht, S. 5.
1023
Hans Kissel, Die Katastrophe in Rumänien 1944 (Beiträge zur Wehrforschung Bd. V/VI), Darmstadt 1964,
S. 128.
1024
o.V., Staub im August, Der SPIEGEL (1965), Heft 9, [http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46169570.html],
eingesehen 22.04.2014.
1025
Tessin, Verbände der deutschen Wehrmacht, S. 5.
118
8. Resümee
Der Ostfeldzug kalkulierte keinen Winterkrieg und keine Bildung von größeren Reserven
sowie Eventualitäten zum eigentlichen Plan von „Barbarossa“ mit ein, da Hitler und seine
Generäle davon ausgingen, die Sowjetunion ähnlich wie Frankreich, innerhalb kürzester Zeit
in einem „Blitzkrieg“ zu schlagen. Der s.g. Nimbus der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht
wurde begleitet und unterstützt von schnellen Siegen, bei denen in den ersten Monaten des
Ostfeldzuges große Gebietsteile in deutsche Hände fielen und drei Millionen sowjetische
Soldaten den Weg in die deutsche Kriegsgefangenschaft antraten.
Erst vor Moskau, im Winter 1941, musste das siegesverwöhnte deutsche Heer eine herbe
Niederlage einstecken und konnte nur unter Inkaufnahme von starken Verlusten an Menschen
und Material die Front stabilisieren. Die folgende Sommeroffensive war gekennzeichnet
durch eine schon im Vorhinein schwierige Versorgungslage sowie durch unzureichendem
Truppenausgleich bzw. Auffrischung der soldatischen und mechanischen Kräfte. Zudem
wurden, durch die Überdehnung der Hauptkampflinie, große Frontabschnitte nur mit schlecht
ausgerüsteten Verbänden der mit dem Reich verbündeten Staaten gehalten.
Anstatt wie in der veranschlagten Sommeroffensive 1942, der „Operation Blau“,
nacheinander die militärischen Ziele – Stalingrad und dann die Ölfelder des Kaukasus – zu
erobern, wurde die Heeresgruppe Süd in zwei Teile gespalten und beide Verbände traten
gleichzeitig, ohne Reserven im Hinterland bereit zu haben, zum Angriff an. Einerseits
brannten die Ölfelder von Baku bereits, als die Wehrmacht im Kaukasusgebiet eintraf, und
andererseits besiegelte Hitlers Wille, die Stadt, die Stalins Namen trug, um jeden Preis zu
erobern, das Schicksal einer ganzen Armee. Das Scheitern der Eroberung der Stadt, der
Gegenschlag der Roten Armee, die Einkesselung von 290.000 Soldaten unter deutschem
Oberbefehl sowie eine Fehleinschätzung der deutschen Führung, mit der Versorgung von
Stalingrad gleich zu verfahren wie beim Kessel von Demjansk, zogen eine unzureichende
Luftversorgung mit Betriebsmitteln, Munition und vor allem Verpflegung für die Landser im
Kessel mit sich.
Die Frage, ob ein Entsatz der eingeschlossenen deutschen Truppen in Stalingrad unter
Miteinbeziehung der Auswirkungen und Folgen des deutschen Vormarsches 1941 bis 1942
überhaupt möglich gewesen wäre, muss verneint werden. Im Speziellen war bereits der
Beginn der Entsatzoperation ein riskantes militärisches Wagnis. Das Kontingent der von
Hitler veranschlagten und versprochenen Truppen zur Aufstellung eines schlagkräftigen
Entsatzheeres konnte von Anfang an nicht sichergestellt werden. Einerseits konnte der zu
diesem Zeitpunkt technisch überlegene Tigerpanzer nicht rechtzeitig an die Ostfront verlegt
119
werden und andererseits hätte das Entsatzheer anstatt einer starken Einheit und zwei
schwachen Panzerdivisionen, mindestens drei schlagkräftige Verbände mit ausreichender
Infanterieunterstützung, die zudem noch frühzeitig im Verfügungsraum eintreffen hätten
müssen, für einen erfolgreichen Angriff benötigt. Zudem mussten die deutschen Divisionen,
die im Endeffekt aus ungenügenden Kräften bestanden, den Entsatzangriff, anstatt wie
geplant, mit zwei Angriffsspitzen, nur mit einer Angriffsfront, die noch die dreifache
Entfernung nach Stalingrad aufwies, sowie mangelnder Flankensicherung antreten.
Unternehmen „Wintergewitter“ war in den Anfangstagen auf taktischer Ebene erfolgreich,
missglückte aber an der Distanz zu den eingeschlossenen Soldaten im Kessel und den
russischen Verteidigungbestrebungen bzw. Gegenangriffen sowie den nicht verfügbaren
operativen Reserven. Die militärische Operation war aufgrund der genannten Bedingungen
bereits im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Infolgedessen konnten die Entsatztruppen im
Sinne der Auftragserfüllung gegen die vorhandenen und während des Angriffes
herangeführten russischen Kräfte nur bis auf 48 km vor den äußeren Einschließungsring von
Stalingrad vorstoßen. Erschwerend kam noch der Umstand hinzu, dass bei den deutschen
Bundesgenossen im Norden die Flanke unter starkem russischen Druck zusammenbrach und
die deutschen Truppen im Raum des Kaukasus, die Heeresgruppe Don, sowie das Entsatzheer
drohten, eingeschlossen zu werden.
Zeitgleich mit dem Entsatzvorstoß konnten über die Luftversorgung nur unzureichende
Ressourcen für einen Gesamtausbruch der 6. Armee zugeführt werden. Des Weiteren kamen
noch Hitlers Haltewille und Paulus‘ „Kadavertreue“ sowie die Weigerung von Mansteins,
selbst den direkten Befehl zum Ausbruch an Paulus zu erteilen, und somit etwaige
Konsequenzen auf sich zu nehmen hinzu. Der Untergang der 6. Armee und die Niederlage bei
Stalingrad führten sich trotz aller Heroisierungsversuche der deutschen
Propagandamaschinerie unter der Bevölkerung im Dritten Reich zu einer Zäsur in der
Einstellung und Glauben an den „Führer“.
120
BArch, Bild 183-J18468
Feldpostbriefmarke, [http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Einsatzgruppe_B.jpg], eingesehen 06.08.2014.
Eigene Darstellung
121
Teil II
1030
Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 8.
1031
Alois Ecker, Geschichtsdidaktische Prinzipien, in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte
und Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg.
v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011, S. 19-23, hier S. 19.
1032
Wolfgang Taubinger/Elfriede Windischbauer, Das Thema Aufgabenstellung in einem kompetenzorientierten
Unterricht im Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung, in: Kompetenzorientierter Unterricht in
Geschichte und Politische Bildung: Diagnoseaufgaben mit Bildern, hrsg. v. Heinrich Ammerer u.a., Wien
2011, S. 4-11, hier, S. 4.
1033
Ecker, Geschichtsdidaktische Prinzipien, S. 19-20.
1034
Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 9.
1035
Ecker, Geschichtsdidaktische Prinzipien, S. 20-22.
1036
Taubinger u.a., Das Thema Aufgabenstellung, S. 5.
123
und Sozialkunde/Politische Bildung 18 Themenbereiche ergeben. Das Höchstmaß der
Bereiche ist mit 24 gedeckelt. Pro Themenbereich müssen zudem zwei Aufgabenstellungen
erstellt werden. Bei oben genanntem Beispiel müssten deshalb 36 „[…] deutlich
unterscheidbare [...] 1037 Prüfungsfragen mit gleichen Schwierigkeitsniveau von der
Lehrperson erstellt werden, welche mit handlungsinitiierenden Verben (s.g. Operatoren)
formuliert werden.1038
SuS sollten demnach selbstständig dazu in der Lage sein, historische Problemstellungen
aufzuschlüsseln bzw. konkrete Lösungen zu ermitteln.1041
Für die neue kompetenzorientierte Reifeprüfung im Unterrichtsfach Geschichte und
Sozialkunde/Politische Bildung stehen zwei Kompetenzbereiche, die historische und die
politischen Kompetenzen umfassen, im Fokus.1042 Die Zusammensetzung der historischen
Kompetenzen ergibt sich aus den Frage-, Methoden-, Orientierungs-, und Sachkompetenzen.
Die Fragekompetenz gibt Fragen aus der Gegenwart an die Geschichte als Beispiel vor und
zielt auf die Entwicklung einer neuen Perspektivensicht der SuS ab. Die Methodenkompetenz
(Re-Konstruktionskompetenz und De-Konstruktionskompetenz) bezieht sich auf die
Fertigkeit der SuS, die Vergangenheit und Quellen der Geschichte selbst zu re-konstruieren
und Verbindungen herzustellen, vorhandene Narrationen zu de-konstruieren und dabei den
Konstruktionscharakter von Geschichte kritisch zu betrachten bzw. zu hinterfragen. Die
Orientierungskompetenz basiert auf dem Transfer von historischem Wissen auf Gegenwart
1037
Sörös, Vorbemerkungen der Schulaufsicht, S. 9.
1038
Ebd., S. 9.
1039
Seit dem Schuljahr 2014/15 Bundesministerium für Bildung und Frauen (BMBF).
1040
Verordnung der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur über Bildungsstandards im Schulwesen
StF: BGBl. II Nr. 1/2009, in: Gesamte Rechtsvorschrift für Bildungsstandards im Schulwesen,
[https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung /Bundesnormen/20006166/Bildungsstandards%20im%20
Schulwesen,%20Fassung%20vom%2029.07.2014.rtf], eingesehen 04.08.2014.
1041
Barbara Dmytrasz, Fachspezifische Kompetenzmodelle für Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung,
in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien
und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg. v. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und
Kultur, Wien 2011, S. 11-13, hier S. 11.
1042
Ebd., S. 11.
124
und Zukunft. Die Sachkompetenz beschreibt die Fertigkeit der SuS, geschichtliche Konzepte,
Kategorien und Begrifflichkeiten in bereits vorhandene Wissenskanäle zu transferieren. Das
Ziel dabei ist die Anwendung von Inhalten in kategorisierender, vergleichender und
angewandter Weise.1043
Die Zusammensetzung der politischen Kompetenzen ergibt sich aus Urteils-, Handlungs-,
Methoden-, und Sachkompetenzen. Die politische Urteilskompetenz beschreibt die Fähigkeit,
eigene oder fertig vorliegende Urteile wert- und sachorientiert bzgl. politischer
Entscheidungen, Kontroversen oder Probleme einzustufen. Handlungskompetenz fordert
einen Beitrag zur Lösungsfindung sowie die Fähigkeit, eigene und fremde Positionen zu
artikulieren, aufzugreifen bzw. verstehen können. Die Methodenkompetenz fordert die
praktische Anwendung von Verfahren und Methoden, um fertige politische Manifestationen,
wie bspw. politische Reden, zu entschlüsseln, diese zu hinterfragen bzw. eigene
Manifestationen zu kreieren. Die politische Sachkompetenz spiegelt die Qualifikationen
wider, politische Begriffe, Kategorien und Konzepte zu verstehen, über sie zu verfügen und
diese unter kritischer Betrachtung weiterentwickeln zu können.1044
„Gerade bei umfangreichen Prüfungen ist es wichtig, mehrere (Teil-)Kompetenzen
[…] zu thematisieren und unterschiedliche Anforderungsbereiche an die SchülerInnen
heranzutragen. Unterschiedliche Anforderungsbereiche resultieren aus
unterschiedlichen kognitiven Operationen bei SchülerInnen: Sie müssen etwas
‚beschreiben‘, ‚benennen‘, ‚einordnen‘, ‚erklären‘, ‚erörtern‘ usw.“1045
1043
Dmytrasz, Fachspezifische Kompetenzmodelle für Geschichte, S. 11-12.
1044
Ebd., S. 12.
1045
Taubinger u.a., Das Thema Aufgabenstellung, S. 8.
1046
Christoph Kühberger, Operatoren als strukturierende Elemente von Aufgabenstellungen für Geschichte und
Sozialkunde/Politische Bildung, in: Die kompetenzorientierte Reifeprüfung aus Geschichte und
Sozialkunde/Politische Bildung. Richtlinien und Beispiele für Themenpool und Prüfungsaufgaben, hrsg. v.
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, Wien 2011, S. 14-18, hier S. 14.
125
dass eine Steigerung von leichten (Anforderungsbereich I) bis zu den komplexeren,
schwierigeren Fragestellungen (Aufgabenbereich II und III) erkennbar ist.1047
Anforderungsbereich I beinhaltet die Reproduktion, d.h. Anwendung von im Unterricht
angeeignetem fachspezifischem Wissen, historischen Sachverhalten oder Arbeitstechniken.
Der Anforderungsbereich II zielt bereits vertiefend auf die selbstständige Reorganisation von
Inhalten und den Transfer durch angewandte methodische Praktiken auf unbekannte Aspekte,
ab. Der Anforderungsbereich III erfordert die Reflexionsfähigkeit, um Wege zu
selbstständigen Problemlösung mittels historischer Re- und De-Konstruktion zu
beschreiten.1048
Die Operatoren für die neue Matura lassen sich zum Großteil eindeutig einem
Anforderungsbereich zuteilen. Verdeutlicht werden die Operatoren der Anforderungsbereiche
I bis III nach Christoph Kühberger in folgenden drei beispielhaften Darstellungen1049:
1047
Kühberger, Operatoren als strukturierende Elemente, S. 14.
1048
Ebd., S. 15.
1049
Ebd., S. 15-16.
126
127
Bei Aufgabenstellungen mit Operatoren muss zwischen den SuS und der Lehrperson der
Erwartungshorizont für beide Seiten klar sein, denn während im Anforderungsbereich I zum
Großteil nur reproduktive Leistungen verlangt werden, werden in den Anforderungsbereichen
II-III
„[…] im Rahmen des historischen Lernens […] eigentlich selbstständig begründete
Darstellungen/Interpretationen oder Erzählungen über die Vergangenheit (Re-
Konstruktion)[,] die entlang von historischen Quellen oder Fachliteratur abwägend
vorgenommen werden, als anspruchsvolle Leistungen […]“1050
verstanden. Den SuS müssen hierzu im Vorhinein Materialien, wie bspw. historische Quellen
und Darstellungen, zugänglich gemacht werden, um sie auf den richtigen Weg der
Problemlösung zu geleiten. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, die Operatoren präzise
zu formulieren und ggf., um Unklarheiten zu vermeiden, durch Zusatzerklärungen zu
ergänzen.
1050
Kühberger, Operatoren als strukturierende Elemente, S. 17.
1051
Bundesministerium für Bildung und Frauen, Lehrpläne der AHS-Oberstufe. Geschichte,
Sozialkunde/Politische Bildung, [http://www.bmukk.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_ahs_oberstufe.xml],
eingesehen 29.05.2014.
128
Stalingrad ist ein Beispiel des Zweiten Weltkriegs, in welchem Feldpost von Soldaten in
existenzieller Notlage geschrieben wurde.1052 Vom 22. November 1942 bis zum 2. Februar
1943 war Feldpost für den Soldaten in der Stadt an der Wolga die einzige Möglichkeit, mit
der Außenwelt und der Heimat in Kontakt zu treten.1053 Für die Generationen der
Jungendlichen sind die Briefe der deutschen Soldaten ein Nachweis dafür, wie sich die
belastende Situation „[a]uf unbestimmte Zeit getrennt von den Angehörigen […], unter
großen körperlichen und psychischen Entbehrungen und Strapazen […] im Bewusstsein der
Möglichkeit des eigenen gewaltsamen Tötens und Sterbens […]“1054 auswirkte.1055
Historische Feldpost gibt somit Erkenntnisse darüber, wie Kriegserfahrungen auf Menschen
wirkten und was sie festhalten bzw. dem Empfänger schriftlich „[…] über sich und ihre
Umgebung“1056 berichten wollten.1057
1052
Astrid Irrgang, Feldpost eines Frontsoldaten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 14-15/2007, S. 41-46, hier
S. 41.
1053
Martin Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, in: Stalingrad. Mythos und
Wirklichkeit einer Schlacht, hrsg. v. Gerd Ueberschär / Wolfram Wette, Frankfurt am Main 1992, S. 68-79,
hier S. 68.
1054
Irrgang, Feldpost eines Frontsoldaten, S. 41.
1055
Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 68.
1056
Irrgang, Feldpost eines Frontsoldaten, S. 41.
1057
Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 69-70.
1058
Ebd., S. 70.
1059
Ebd., S. 70.
1060
Ebd., S. 70.
1061
Ebd., S. 71.
129
Die Überwachung und Ausübung der Zensur der Nachrichten erfolgte über s.g.
Feldpostprüfstellen und wurde sichtbar durchgeführt. Alle Feldpostsendungen wurden
geöffnet und wieder verklebt und erhielten einen Stempelaufdruck mit „Geöffnet –
Feldpostprüfstelle.“1062
Mit den zunehmenden Distanzen, die die deutschen Truppen während des Angriffes auf die
Sowjetunion zurückzulegen hatten, gestaltete sich die Lieferung von Feldpost an die Soldaten
der Ostfront immer schwieriger. Zusätzlich zu Lastkraftwagen und Eisenbahn wurden auch
Luftfeldpostsendungen vermehrt eingesetzt um die größeren Strecken überwinden zu
können.1063 Auf Grund des Einschlusses der 6. Armee war ein Lieferengpass mit
Versorgungsgütern akut, sodass die Auslieferung von Feldpost zurückgestuft werden musste.
Sämtliche Feldpostpaketlieferungen waren seit 22. November gestoppt1064, sodass erst ab 6.
Dezember die Übermittlung von Feldpostbriefen wieder vollzogen werden konnte.1065 Die
Summe der nicht zugestellten Feldpostpakte für Stalingrad betrug circa zwei Millionen
Sendungen.1066„Von einer regelmäßigen Verbindung in die Heimat konnte keine Rede mehr
sein.“1067
1062
Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 71.
1063
Ebd., S. 73.
1064
Ebd., S. 73.
1065
Manfred Kehrig, Stalingrad. Analyse und Dokumentation einer Schlacht, Stuttgart 1979, S. 302.
1066
Humburg, Die Bedeutung der Feldpost für die Soldaten in Stalingrad, S. 73.
1067
Ebd., S. 73.
130
10.2 Beispiel I – Der Angriff - Sturm auf Stalingrad
Situationsbeschreibung: „Im Verlauf der deutschen Sommeroffensive von 1942 erreichte die
6. Armee unter General Friedrich Paulus Ende August Stalingrad (heute: Wolgograd). Bis
Mitte November eroberte sie rund 90 Prozent der Stadt.“1068
1. Fassen Sie die Entschlüsse und Absichten der deutschen Führung im Bezug auf einen
Angriff auf Stalingrad zusammen.
2. Begründen Sie die Aussage eines deutschen Offiziers in Stalingrad: „Wir standen in
Europa – und blickten nach Asien.“1069
3. Rekonstruieren Sie anhand der Feldpostquelle die Stimmung der deutschen Soldaten und
stellen sie die Lage im gegenwärtigen Nahostkonflikt auf Basis des „Briefes eines Soldaten
im Gazastreifen“ dar.
Die Stadt, vor der wir liegen, wird nun bald in unserer Hand sein. Gestern Abend haben wir
sie schon brennen sehen aus 20 km Entfernung. Ob wir allerdings noch in der Wolga werden
baden können, scheint mir fraglich zu sein, denn seit drei Tagen ist es hier Herbst, ganz
unverkennbar. Der bisher ausgesprochen warme Wind weht kühl, die Nächte sind kalt und
wenn es regnet, ist es ganz ungemütlich. Glücklicherweise haben wir unseren geschlossenen
Ford! Bis jetzt haben wir erst einen Regentag gehabt, u. ich hoffe sehr, daß es bis zur
Regenperiode noch einige Zeit dauert. Heute scheint die liebe Sonne. Sie ist mit einem Mal
wieder zur "lieben Sonne" geworden, denn sie sticht u. brennt nicht mehr, sondern wärmt
angenehm. Aber immerhin muß man sich schon warm anziehen. Im übrigen geht es mir
gesundheitlich tadellos. Wir sind sehr oft im Einsatz, aber bitte keine Sorge, Unkraut vergeht
ja nicht! Herzliche Grüße und Küsse! Euer Ekki.“1070
1068
Deutsches Historisches Museum, Die Schlacht um Stalingrad (23. August 1942 bis 2. Februar 1943),
[http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/kriegsverlauf/stalingrad/], eingesehen 20.03.2014.
1069
Bernd Freytag-Loringhoven, zit in: Henning Stühring, Von Stalingrad bis Kursk. Erlebnisse aus dem
Russlandfeldzug. Als der Osten brannte, Teil II 1942/43, Berlin 2014, S. 105.
1070
Ekkehard Lauritzen, Briefe aus Stalingrad kurz vor dem Fall, [http://www.lauritzen-hamburg.de/
ekkehard_johler_stalingrad2.html], eingesehen 04.08.2014.
131
Brief eines Soldaten im Gazastreifen
Wir sind eure Botschafter im Kampf. Wir kämpfen, damit ihr mit euren Kindern
in Frieden leben könnt. Damit ihr am Leben bleiben könnt.
Wir sind euer Schutz. Werdet ihr unserer sein?
Betet, dass wir die Terroristen eliminieren werden, die uns vernichten wollen
und dass wir keine unschuldigen Frauen und Kinder verletzen.
Bitte, wir flehen euch an, wenn ihr dies lest, macht nicht einfach mit der
nächsten Sache weiter, die ihr tut.
Sprecht einen Psalm. Weckt König David auf, dass er den Allmächtigen
um volle Erlösung und Frieden für die ganze Welt bittet.
Nehmt es auf euch eine weitere gute Tat zu tun. Und bitte gebt dies weiter.
Ich bin sicher, dass eure Gebete etwas bewirken werden.
Vergesst nicht, wir stecken alle zusammen hier drin. Wir sind an der Front,
tragen die Waffen und ihr kämpft mit uns zusammen in euren Gebeten.
Jedes Wort eurer Gebete gibt uns Kraft, Schutz und Erfolg.“1071
[Verfasser unbekannt]
1071
o.V., Brief eines Soldaten im Gazastreifen, haOlam.de - das Nachrichten- und Onlinemagazin für Politik,
Kultur, Wirtschaft, Lifestyle und jüdisches Leben, , 03.08.2014, [http://haolam.de/artikel_18513.html],
eingesehen 04.08.2014.
132
10.3 Beispiel II – Im Kessel - Stalingrad vor Weihnachten
Situationsbeschreibung: Die deutschen Soldaten im Kessel waren trotz ihrer Lage „[…]
überzeugt, die wenigen Tage noch durchzuhalten, bis die Entsatzarmee erscheint.“1072
1. Beschreiben Sie die Haltungen von Generaloberst Friedrich Paulus und Adolf Hitler nach
der „Einkesselung“ der deutschen Truppen in Stalingrad.
2. Analysieren Sie die psychologische Wirkung der folgenden Feldpostquelle aus Stalingrad
für den Schreiber und die Empfängerin.
3. Rekonstruieren Sie anhand der Quelle die Lage im Kessel von Stalingrad zu Weihnachten
1942 und beurteilen Sie die gegenwärtige Situation von amerikanischen Soldaten auf dem
Kriegsschauplatz Irak auf Basis des Liedtextes „Hero of war” der Band Rise Against.
1073
Feldpostbriefe aus Stalingrad. November 1942 bis Januar 1943, hrsg. v. Jens Ebert, Göttingen 2003, S. 166-
167.
134
Mit einen [sic!] Sack über seinem Kopf,
Weggezerrt von seiner Familie und all seinen Freunden
Sie haben ihn ausgezogen
Sie haben in seine Hände gepisst
Ich befahl ihnen aufzuhören,
Aber dann habe ich mitgemacht
Wir haben ihn mit den Gewehren geschlagen
Und mit Schlagstöcken, nicht nur einmal,
Sondern immer und immer wieder ...
Ein Kriegsheld
Das werde ich sein
Und wenn ich wieder nach Hause komme,
Werden sie verdammt stolz auf mich sein
Ich werde diese Flagge tragen
Bis ins Grab, wenn ich muss
Denn es ist die Flagge, die ich liebe
Und die Flagge, der ich vertraue
Sie ging durch Kugeln und Rauchschwaden
Ich habe sie gebeten, anzuhalten
Ich flehte sie an, stehen zu bleiben
Aber sie ist weiter gegangen,
Also habe ich mein Gewehr gehoben
Und losgefeuert
Die Hülsen flogen durch den Rauch
Und in den Sand,
Der das Blut schon aufgesaugt hatte
Sie brach zusammen, mit einer Flagge in ihrer Hand
Einer Flagge, so weiß wie Schnee
Ein Kriegsheld
Ist es wirklich das, was sie in mir sehen?
Nur Medaillen und Narben
So verdammt stolz auf mich
Und ich habe ihre Flagge zurück nach Hause getragen
Jetzt setzt sie Staub an
Aber es ist die Flagge, die ich liebe
Die einzige Flagge, der ich vertraut habe
Er sagte:" Mein Sohn, hast du die Welt gesehen?
Oder was würdest du davon halten, wenn ich dir sage, dass du es könntest?"1074
1074
Rise Against, Songtext: Hero of War, [http://www.songtexte.com/uebersetzung/rise-against/hero-of-war-
deutsch-2bd6b08e.html], eingesehen 20.03.2014.
135
10.4 Beispiel III – Im Kessel - „Stille Nacht in Stalingrad“1075
Situationsbeschreibung: „Man suchte trotz des Elends ringsum die Gemeinschaft und
gegenseitigen Halt. Während des trostlosen Weihnachtsfestes fern der Heimat ging ein Bild
von Hand zu Hand – die Madonna von Stalingrad.“1076
1. Beschreiben Sie den Verlauf der Schlacht um Stalingrad mit den Schlagwörtern „Der
Angriff“ – „ Der Kessel“ – „ Der Untergang“.
2. Erläutern Sie mittels der Darstellung der „Madonna von Stalingrad“ und der Zeitzeugen-
aussagen des Stalingradüberlebenden Günter Schröder die Stimmungslage der deutschen
Soldaten zu Weihnachten in Stalingrad.
1077
„Das Einzige, was uns nachher geholfen hat, das war die Madonna von Stalingrad. Die hat
ein Arzt, ein Stabsarzt, auf der Rückseite einer russischen Karte gemalt. […] Und das ging
wie ein Lauffeuer durch den ganzen Kessel. Und die Madonna von Stalingrad hatte die Worte
1075
Sebastian Dehnhart, ZDF:zeit Dokumentation. Stille Nacht in Stalingrad, Deutschland 2012.
1076
Torsten Diedrich, Paulus. Das Trauma von Stalingrad. Eine Biographie, Paderborn u.a. 2008, S. 272.
1077
Kurt Reuber, Stalingradmadonna, 25.12.1942, [http://de.wikipedia.org/wiki/Stalingradmadonna#
mediaviewer/Datei:Berlin._Kaiser_Wilhelm_Ged%C3%A4chtnis_Kirche_005.JPG], eingesehen
30.06.2014.
136
Licht, Leben, Lieben. Und das waren ja Dinge, die dem Einzelnen also wie Öl über die Seele
gelaufen sind. Natürlich, dass es kein Entrinnen gab, das war klar, aber sie haben wenigstens
innerlich mit sich abgeschlossen und haben gesagt: ‚So, mit dem Trost der Madonna kann ich
jetzt wenigstens dem Ende entgegen sehen.‘“1078
3. Bewerten Sie die Feldpostquellen aus den Jahren 1942 und 2006 und diskutieren Sie die
Intention(en) der Verfasser.
1078
Interview mit Günter Schröder, in: Dehnhart, Sebastian, ZDF:zeit Dokumentation. Stille Nacht in Stalingrad,
Min. 29:14 - 30:19Deutschland 2012, [http://www.youtube.com/watch?v=DQyv44T1HBM], eingesehen
13.06.2014.
137
Feldpostbriefe deutscher Soldaten aus Afghanistan
„Ich öffne meine Geschenke und falle erst mal in ein Loch. Man merkt wieder mal wirklich,
dass man bewaffnet in einer Art Bunker sitzt und alle, die einem etwas bedeuten, 5000
Kilometer entfernt sind. Später versammeln wir uns in unserem Kaffeeraum, um ein wenig zu
feiern. Es gibt das Übliche und einen Haufen Alkohol. Wir öffnen ein paar Flaschen und
sinnieren über Weihnachten. Gegen 22 Uhr gehen wir zur Christmette. […] Weihnachtslieder,
ein paar weihnachtliche Worte und etwas Ruhe. […]“1079
1079
Feldpost Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan, hrsg. v. Marc Baumann u.a., Hamburg 2011, S. 180.
138
10.5 Beispiel IV – Der Untergang - Das Ende einer Armee
Situationsbeschreibung: Am 31. Jänner und 2. Februar 1943 gaben die deutschen Truppen
den Widerstand in Stalingrad auf. Bis zur informellen Kapitulation fielen tausende Soldaten
dem Hunger, der Kälte und dem Kampf zum Opfer.
1. Skizzieren Sie die Schlacht von Stalingrad als „Wendepunkt“ im Zweiten Weltkrieg.
2. Charakterisieren Sie die Niederlage von Stalingrad mit Hilfe der Feldpostquelle.
„… So, nun weißt du es, dass ich nicht wiederkomme. Bringe es unseren Eltern schonend bei.
Ich bin schwer erschüttert und zweifle sehr an allem. Einst war ich gläubig und stark –jetzt
bin ich klein und ungläubig. Vieles, was hier vor sich geht, werde ich nicht erfahren, aber das
Wenige, das ich mitmache, ist schon so viel, dass ich es nicht schlucken kann. Mir kann man
nicht einreden, dass die Kameraden mit dem Worte ‚Deutschland‘ oder ‚Heil Hitler‘ auf den
Lippen sterben. Gestorben wird – das läßt sich nicht leugnen; aber das letzte Wort gilt der
Mutter, oder dem Menschen den man am Liebsten hat oder nur dem Ruf nach Hilfe. […]“1080
3. Bewerten Sie den folgenden Auszug aus dem Zeitungsbericht „Die Schlacht um die
Erinnerung“ in Bezug auf die gegenwärtige Erinnerungskultur der Schlacht um Stalingrad.
„Russlands Präsident Wladimir Putin hat zum Jahrestag der Schlacht von Stalingrad an
deren weltgeschichtliche Bedeutung erinnert. ‚An den Ufern der Wolga wurde der Verlauf des
Zweiten Weltkrieges gewendet‘, sagte er bei einem Treffen mit Veteranen im Kreml. ‚Und
gewendet wurde er von unserem Volk, dem sowjetischen Soldaten, der Europa die Freiheit
brachte und die Welt von Vernichtung und Sklaverei rettete‘. Nun gelte es, diese Erinnerung
zu verteidigen gegen ‚Versuche, die Ereignisse des Krieges zu verzerren‘ und ‚schamlos die
Heldentat jener auszulöschen, die die Welt befreit haben‘, sagte der Präsident.[…] “1081
1080
Letzte Briefe aus Stalingrad (Das kleine Buch, Nr. 60), hrsg. v. Wolfgang Strass, Gütersloh 1959, S. 22-23.
1081
Christian Esch, Die Schlacht um die Erinnerung, Frankfurter Rundschau online, 04.02.2013, [http://www.fr-
online.de/politik/stalingrad-die-schlacht-um-die-erinnerung,1472596,21628698.html], eingesehen
04.08.2014.
139
11. Resümee
Die Prämisse, dass Feldpostquellen im Unterreicht behandelt worden sind, muss für einen
Einsatz der Quellen in der neuen Matura gegeben sein. Da Feldpostquellen den vorgegebenen
konzept- und themenorientierten sowie methoden- und gattungsorientierten Parametern der
neuen Reifeprüfung entsprechen, lassen sich mehrere Kompetenzen in positiver Korrelation
vereinen und somit von der Lehrperson abprüfen bzw. bewerten.
Auf das Thema „Stalingrad“ bezogen, eignen sich Feldpostquellen, unabhängig aus welcher
Phase – ob vom Angriff, vom Kessel, von der Kriegsweihnacht 1942 oder vom Untergang –
diese stammen, immer für eine Verwendung als Prüfungsinhalt und lassen sich mit Operatoren
aller drei Anforderungsbereiche beliebig kombinieren. Eine Schwierigkeit ergibt sich
allerdings bei der Erstellung der Prüfungsfragen mit der geforderten Formulierung eines
Transferaspektes von der Geschichte zur Gegenwart, da sich die welt- und
sicherheitspolitische Lage täglich verändert. Das gewählte Thema der Quelle muss dennoch
mit gegenwärtigen ähnlichen Ereignissen, die auch im direkten Gegensatz zur historischen
Begebenheit stehen können, in Verbindung gebracht werden um alle Anforderungsbereiche zu
erfüllen.
Von Vorteil ist die eminente Diversität an Quellen, welche die geforderte Objektivität der
Prüfung erhöht, da eine sehr große Wahrscheinlichkeit besteht, dass die SuS die von der
Lehrperson gewählten Quellen noch nie zuvor gesehen, gelesen bzw. bearbeitet haben. Die
fachdidaktische Tauglichkeit von Feldpostquellen aus Stalingrad für den Einsatz in der neuen
standardisierten kompetenzorientierten Reifeprüfung im Unterrichtsfach Geschichte und
Sozialkunde/Politische Bildung ist somit, im Hinblick auf die zu erfüllenden Vorgaben und
Parameter, gegeben.
140
12. Quellen- und Literaturverzeichnis
Teil I
Quellen - Archivalien
Bundesarchiv, RH 19-VI/2, fol. 269
Bundesarchiv, RL 8/56
Bundesarchiv, RL 8/271
Bundesarchiv, RH 20-6/175
Bundesarchiv, RH 20-6/176
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Freiburger Zeitung
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148
Historische Karten
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149
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151
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152
Anhang Teil I
153
BArch RW 4/v. 577, Bl. 73.
154
BArch RW 4/v. 577, Bl. 75.
155
BArch RW 4/578, Bl. 42.
156
BArch, RH 20-6/493, fol. 169
157
BArch, RH 20-6/888, fol. 205
158
BArch, RH 20-6/888, fol. 206
159
BArch, RH 20-6/221
160
BArch, RH 20-6/221
161
BArch, RH 20-6 - 241, fol. 272
162
BArch, RH 20-6/238, fol. 179
163
BArch, RH 20-6 - 238, fol. 181
164
BArch, RH 20-6 - 238, fol. 181
165
BArch, RH 20-6/238, fol. 149
166
BArch, RH 20-6/175
167
BArch, RH 20-6/176
168
BArch, RH 20-6/238, fol. 163
169
BArch, RH 20-6/238, fol. 163
170
BArch, RH 20-6/238, fol. 8
171
BArch, RH 20-6/238, fol. 9
172
BArch, RH 20-6/238, fol. 10
173
BArch, RH 20-6/238, fol. 11
174
BArch, RH 20-6/238, fol. 12
175
BArch, RH 20-6/238, fol. 13
176
BArch, RH 20-6/238, fol. 144
177
BArch, RH 19-VI/2, fol. 269
178
BArch, RL 8/56
179
BArch, RL 8/56
180
BArch, RL 8/271
181
BArch, RL 8/271
182
BArch, RL 8/271
183
BArch, RL 8/271
184
BArch, RH 20-6/238, fol. 4
185
BArch, RH 20-6/238, fol. 5
186
BArch, RH 20-6/240, fol. 194
187
BArch, RH 20-6/965, fol. 60
188
BArch, RH 20-6/965 fol. 61
189
BArch, RH 19-VI/7, fol. 90
190
BArch, RH 19-VI/7, fol. 91
191
BArch, RH 19-VI/8, fol. 343
192
BArch, N 63/43, fol. 50
193
BArch, RW 4/140, fol. 1
194
BArch, RW 4/140, fol. 2
195
BArch, RH 19-VI/12, fol. 324
196
BArch, RH 19-VI/12, fol. 326
197
Widmung
Meine Diplomarbeit ist meinem „Kärnten-Opa“, dem „Schmied-Opa“ und dem „Opa-Ludä“
gewidmet, die im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht als junge Soldaten kämpfen mussten.
Dankesworte
Mein spezieller Dank ergeht an Herrn ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Albrich für die
Betreuung meiner Diplomarbeit, der mich professionell und in vollstem Vertrauen an meine
Kompetenzen während des Schreibens meiner Diplomarbeit betreute.
Ein großes Dankeschön gilt, meiner EF-Kameraden Mama, Frau Mag. Helga Ebner für das
Korrekturlesen meiner Diplomarbeit.
Bedanken möchte ich mich des Weiteren herzlichst bei meinem geschätzten Studienkollegen,
Herrn Mag. Thomas Lintner, der mir jederzeit mit Ratschlägen sowie der Korrektur der Arbeit
zur Seite gestanden ist.
Einen ganz herzlichen Dank möchte ich an dieser Stelle meinem Bruder, Mag. Andreas Ender
aussprechen, der mich immer wieder motiviert hat.
Abschließend möchte ich meinen Eltern, meiner Mama Sigrid und vor allem meinem Papa
Albert danken, die mich während meiner Studienzeit immer tatkräftig unterstützt haben.
198
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit an Eides Statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die
vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und
Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen
Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.
Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/
Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.
______________________ ___________________________
Datum Unterschrift
199