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D eutsch -T ürkisches

Sprache und kommunikativer Stil von Migranten


von Werner Kallmeyer / Inken Keim / Deniz Tandogan-Weidenhammer

»Hey Lan, isch geb dir konkret Handy« - solche und ähn­ ihrem Kommunikationsstil beschäftigt sich ein Projekt der
liche Ausdrucksweisen einer Jugend- und Subkultur­ Abteilung Pragmatik des IDS. Das Thema des Projekts
sprache von Migranten, der sog. »Kanak-Sprak«, erregen lautet »Sprachvariation und die Herausbildung kommuni­
in der deutschen Öffentlichkeit in der letzten Zeit große kativer Stile in dominant türkischen Migranten­
Aufmerksamkeit.1 Diese Sprache kennzeichnet u.a. eine gruppen«.2
rudhnentäre Graimnatik, der Gebrauch von türkischen In­
terjektionen und Anreden wie lan (»Mann«) und die häu­
fige Verwendung von Verstärkungsausdrücken wie konkret Soziale Welten der Migration
(im Zitat teilt der Sprecher mit, dass er seinem Adressaten
bestiimnt das / ein Handy geben wird). Feridun Zahnoglu, Ein Ziel des Projekts ist die Beschreibung von sozialen
der literarische Vertreter dieser Migrantenkultur, veröffent­ Welten der Migration. Dabei soll das Spektrum der unter­
lichte 1995 unter dem Titel »Kanak Sprak« eine viel be­ schiedlichen Gruppierungen von deutsch-türkischen
achtete »Nachdichtung eines authentischen Sprach-
Migranten erfasst werden. Aus forschungspraktischen
bildes« anhand von Gesprächen mit Jugendlichen türki­
Gründen werden allerdings religiöse und politisch­
scher Herkunft. Er genießt inzwischen in der Medienwelt
fundamentalistische Gruppen, die auf Abschottung von
Prominentenstatus.
der deutschen Gesellschaft hin orientiert sind, nicht be­
rücksichtigt.3
Lange Zeit konzentrierte sich die soziolinguistische und
gesellschaftspolitische Beschäftigung auf die Migranten
der ersten Generation, die Gastarbeiter, und ihr vielfach Die untersuchten Gruppen zeigen unterschiedliche Orien­
rudimentäres Deutsch, das »Gastarbeiter-Deutsch«. Diese tierungen in Reaktion auf die Migrantensituation. Kem-
Kontaktsprache ist das Ergebnis eines ungesteuerten
Spracherwerbs in einer Arbeits- und Lebenswelt mit rela­
tiv wenig Zugang zur deutschen Mehrheitsgesellschaft.
Gastarbeiter-Deutsch wurde aus deutscher Sicht zum Sym­
bol für die Marginalität einer schwer integrierbaren Min­
derheit. Die Welt der Gastarbeiter ist noch nicht völlig
verschwunden, aber das Bild hat sich mit der zweiten
Migrantengeneration grundlegend gewandelt. Neben der
auffälligen Präsenz von »Kanaken« und islamisch­
fundamentalistischen Gruppen gibt es Hinweise auf ganz
andere Gruppen: Politiker türkischer Herkunft sind in der
Öffentlichkeit ebenso präsent wie Künstler, junge Mäd­
chen mit türkischen Namen gewinnen schulische Vorlese­
wettbewerbe auf Landes- und Bundesebene, Migranten
der zweiten Generation promovieren an den Universitäten
und organisieren sich in Hochschul- und Akademiker­
gruppen, und mittelständische Unternehmer türkischer
Herkunft beschäftigen deutsche Arbeiter und Angestellte.

Die Entwicklung einer partiell mehrsprachigen und mehr­


kulturellen Gesellschaft in Deutschland verdient die ver­
stärkte Aufmerksamkeit der Soziolinguistik. Zu beobach­
ten sind Entwicklungsprozesse, bei denen es um die Be­
wältigung der Folgeprobleme von Migration, die sprach­
lich-kulturelle Eingliederung und partielle Eigenständig­
keit der Migranten und die mögliche Beeinflussung des
sprachlich-kulturellen Spektrums der Gesamtgesellschaft
geht.

Mit der gegenwärtigen Migrantenpopulation türkischer


Herkunft, ihren sprachlich-sozialen Orientierungen und

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stück ist das Verhältnis zum »Ghetto« - so bezeichnen Gemeinschaften entwickeln kommunikative soziale Stile
bestimmte Migrantengruppen selbst die Lebenswelt der in Auseinandersetzung mit den jeweiligen Lebensbedin­
Migranten in den typischen »Ausländervierteln« der Städ­ gungen und ihren zentralen Problemen. Für die untersuch­
te. Im »Ghetto« wird das Leben von engen Verbindungen ten Populationen steht die Verarbeitung von Diskri­
innerhalb der eigenen Population und relativ wenigen minierungserfahrungen im Zentrum, unabhängig davon,
Kontakten zur umgebenden deutschen Gesellschaft be­ ob die Einzelnen im »Ghetto« oder außerhalb in Um­
stimmt. In den meisten Fällen ist dieses »Ghetto« die so­ gebungen mit wenigen, verstreut lebenden »Ausländern«
ziale Welt der Eltern der untersuchten Migranten, d.h. der aufgewachsen sind.
Gastarbeitergeneration. Sich auf ein Leben in der
Ghettogemeinschaft oder auf ein Leben außerhalb in der Die Allgegenwart von Diskriminierungserfahrungen wird
deutschen Mehrheitsgesellschaft hin zu orientieren, ist in Interviews mit Migranten der zweiten Generation immer
eine zentrale Entscheidung für alle Migranten. Der Weg aus wieder deutlich. Eine Mannheimer Studentin türkischer
dem »Ghetto« führt im Wesentlichen über weiterführende Abstammung schildert diesen Prozess sehr klarsichtig. Ihre
Schulen und mittlere bis höhere Bildungsabschlüsse. Für Eltern leben seit über dreißig Jahren in Deutschland, sie ist
Populationsmitglieder, die den Weg aus dem »Ghetto« in einem kleinen Ort in Norddeutschland aufgewachsen
anstreben, sind im Wesentlichen drei Leitbilder charakte­ (»ich komm aus ner wirklich ländlichen Gegend, sieben­
ristisch: tausend Einwohner, und ich war glaub ich so das Dunkels­
• »Deutsch« sein, d.h. durch eine völlige Eingliede­ te was überhaupt rumgelaufen is«) und hat dort das Gym­
rung in die deutsche Gesellschaft unauffällig werden; nasium absolviert. Sie erfährt vom Kindergarten ab die
Ausgrenzung (andere Kinder wollten sie nicht bei der Hand
• »gebildeter Türke / gebildete Türkin« sein, d.h. an
fassen), hat aber lange keine klaren Begriffe für die Beson­
einem positiven Bild als »Europa-Türke« arbeiten;
derheit ihrer Situation (»man gewöhnt sich an das Un­
• »Migrant / Migrantin« sein mit einem Selbstverständ­ glück um es so zu sagen«) und lernt erst mit der Zeit die
nis, das auf einer Position jenseits ethnischer Zuord­ Diskriminierungsmechanismen zu durchschauen, z.B. die
nungen fußt. »positive Diskriminierung«: »Das letzte Jahr in der Schule
Die verschiedenen Migrantengruppen erwerben unter­ des war ziemlich unerträglich. Ich hatte so ne linkslibera­
schiedlich umfangreiche mehrsprachige Repertoires und le Schule //....// die war einfach erdrückend in ihrer Art. //
entwickeln charakteristische Verfahren für die Trennung ...// Manche [Lehrer] ähm meinten auch immer so die Fra­
oder Verknüpfung der beteiligten Sprachen in der Kommu­ ge stellen zu müssen, was machen Sie denn nach ihrm Abi,
nikation. Die Verknüpfung reicht von gelegentlichen werden Sie jetzt zwangsverheiratet //...// werden Sie zu­
Wechseln zwischen Deutsch und Türkisch (Code­ rückgehen in ihre Heimat. Also ohne irgendwie ähm je
switching) über die fortlaufende Sprachmischung bis zur gefragt zu haben, wo denn meine Heimat is. //...// Also es
Sprachverschmelzung, bei der Elemente beider Sprachen war nich unbedingt negative Diskriminierung sondern es
in einer Konstruktion verbunden werden. Ebenso wie die war einfach positive Diskriminierung. //...//Also ich mein
Kanak-Sprak gehört auch karikierende Gastarbeiter­ das waren nette Versuche, aber es war irgendwie ne beson­
sprache zum Repertoire vieler Jugendlicher. Äußerungs­ dere Hervorhebung ... Ja liebe Schüler und ausländische
weisen, z.B. »ich nix kommen« oder »du bahnhof gehen« Mitschüler. Also draußen hieß es äh Bürger und ausländi­
werden heute teilweise von Migrantenjugendlichen spie­ sche Mitbürger«.
lerisch oder provokativ-abgrenzend gegenüber Deutschen
verwendet, denen sie eine typische vorurteilsgeprägte Es ist schwierig, die Diskriminierungsmechanismen zu
Haltung gegenüber »Ausländern« unterstellen. »Isch nix kontern angesichts der unterschiedlichen Sensibilität für
deutsch, isch putzen« - mit einer solchen Äußerung kön­ Diskriminierung bei Etablierten und Außenseitern: »Und
nen Deutsche beim Erstkontakt als Gesprächspartner ab­ wenn ich etwas rassistisch fand, ja dann äh gabs immer
gewiesen oder auch hinsichtlich ihrer Einstellungen ge­ [vorwurfsvoller Ton] Ach du bist so emotional, ja, du bist
genüber Migranten getestet werden. emotional und du bist so sensibel, du bist übersensibel«.

Die Strategien und Muster der Sprachentrennung bzw. Was die Studentin hier beschreibt, entspricht der typischen
Sprachverknüpfung und ihre funktionale Bestimmung Perspektivendivergenz zwischen Mehrheits- und Minder­
gehören zum kommunikativen sozialen Stil der Sprecher, heitsangehörigen. Aufgrund einer Asymmetrie der Sensi­
zusammen mit anderen Aspekten des sprachlichen Han­ bilität für Diskriminierungssachverhalte wird vieles, was
delns wie den pragmatischen Regeln für Höflichkeit, Mehrheitsangehörigen normal, gar nicht auf soziale Ka­
Konfliktbehandlung oder die Regulierung von sozialer tegorisierungen wie »Ausländer« bezogen, »nur Spaß«
Nähe und Ferne, den sprachlichen Verfahren der sozialen und »nicht böse gemeint« erscheint, von Minderheitsan­
Kategorisierung, dem nonverbalen Ausdrucksverhalten gehörigen mit einer langen Ausgrenzungserfahrung als
und geschmacklichen Präferenzen (z.B. für bestimmte diskriminierend wahrgenommen im Sinne eines »alltägli­
Arten von Musik). Kommunikative soziale Stile sind be­ chen Rassismus« der Mehrheitsgesellschaft (eine For­
schreibbar als eine Verbindung von Ausdruckselementen mulierung von emanzipatorisch-politischen Migranten­
auf unterschiedlichen Ebenen zu einer figurhaften gruppen).
Kommunikationsweise, die sozialsymbolische Qualität
hat und als Mittel der Positionierung im umgebenden so­ Die oben genannten unterschiedlichen Orientierungen in
zialen Kontext dienen kann.4 Reaktion auf die Migrantensituation sind immer auch

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Reaktionen auf Diskriminierungserfahrungen; übrigens der Stadtteilsprache gehören die Pidginisierung der deut­
nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei, wo schen Sprachformen (Ausfall von Artikel, Präposition,
die türkischen Migranten aus Deutschland wegen ihres Verbflexion u.ä.) und besondere phonologische und pro-
kommunikativen Stils und ihres im Kontakt mit dem Deut­ sodische Merkmale (gestoßenes, »nuscheliges« Sprechen).
schen veränderten Türkisch ebenfalls als Fremde behan­ Weiter gehören zur Stadtteilsprache auch Übernahmen aus
delt werden. Sie werden dort als Almanci, »Deutsch­ anderen Sprachen, vor allem aus dem Türkischen, z.B.
länder«, ausgegrenzt. Beschimpfungen, die auch von Kindern nicht-türkischer
Herkunft verwendet werden.
Die unterschiedlichen Orientierungen von Migranten in
Reaktion auf das »Ghetto« sind jeweils mit charakteristi­
Die »Powergirls« sind die stärkste Mädchengruppe in den
schen Mustern des kommunikativen sozialen Stils verbun­
Mannheimer »Ausländerstadtteilen«; ihre Brüder gehören
den. Einige der untersuchten Migrantengruppen sollen in
vielfach zu den »Kanaken«. Die Mädchen sind meist tür­
dieser Hinsicht kurz charakterisiert werden.
kischer Herkunft, zwischen 15 und 22 Jahren, fast alle sind
auf weiterführenden Schulen oder streben eine solche
Schule an. Die Mädchen treffen sich fast täglich in einer
Gruppen im »Ghetto« betreuten, kommunalen Einrichtung, machen Hausaufga­
ben und verbringen gemeinsam ihre Freizeit. Die Mäd­
Die »Kanaken« sind nicht ethnisch definiert, zu ihnen chen leben in der Spannung zwischen dem mehr oder
gehören Türken und Kurden, aber auch Italiener, Albaner, weniger traditionellen Elternhaus und der deutschen
Bosnier. Im »Ghetto« sind die Gruppen tendenziell nach Umwelt (»zu Hause ist Türkei, draußen ist Deutschland«).
Geschlechtern getrennt, aber ethnisch gemischt. Die Die Erfahrungen mit der deutschen Umwelt sind ambiva­
Selbstbezeichnung »Kanake« ist eine Übernahme der ne­ lent: Zum einen fühlen sich die Mädchen oft abgelehnt
gativen Fremdbezeichnung, die jetzt positiv gefüllt und und ausgegrenzt, zum anderen wollen sie in Deutschland
mit Stolz verwendet wird. Charakteristisch für die »Kana- leben und die »Freiheit« hier zu einer eigenständigen Ent­
ken« ist, dass sie keine oder nur einfache Schulabschlüsse wicklung nutzen. Die Älteren distanzieren sich vom Bild
und geringe Ausbildungschancen haben, ihr Leben in Lo­ der Gastarbeiter und ihrer Sprache, pflegen aber die Bezie­
kalen des Stadtteils (Spielhallen, türkische Männerlokale) hung zu Eltern und türkischem
Umfeld. Das Leitbild der Gruppe
sind Frauen, die »cool«, »fit«,
»schulisch erfolgreich« und
»schön« sind und sich aggressiv
zur Wehr setzen können.

Die Familiensprache ist Türkisch,


das teilweise auch in der Gruppen­
interaktion mit den Freundinnen
verwendet wird. In den ersten
Schuljahren ist die Stadtteil­
sprache vorrangiges Kommunika­
tionsmittel, erst mit zunehmender
Schulerfahrung treten deutsche
Standardformen in den Vorder­
grund. Bei den Gymnasiastinnen
unter den Powergirls ist Standard­
deutsch vorherrschend, Stadtteil­
sprache wird zur Selbstdefinition
als Powergirl, zur sozial charakteri­
sierenden Redewiedergabe und zu
und im Verband einer »Street-comer- society«5 organisie­ besonderen Interaktionszwecken wie der Abgrenzung ge­
ren. Ihr Ehrgeiz richtet sich darauf, ein »guter Rapper«, ein genüber Deutschen verwendet. Das Türkisch der Stadtteil­
»guter Breakdancer«, ein »guter Zuhälter« zu sein oder kinder ist nach Auskunft türkischer Lehrer dialektal ge­
auch einer, der »gute Geschäfte« (einen »guten Deal«) prägt, z.T. eine Mischsprache aus mehreren türkischen
macht. Wichtigste Eigenschaften sind »Härte«, »Cool- Dialekten, oft auch grammatisch nicht korrekt.
ness« und »Macho-Sein«. Aus der Außenperspektive wer­
den sie als »Proll-Türken« bezeichnet. Zu den hervorstechenden sprachlichen Eigenschaften der
Gruppenkommunikation gehört eine intensive Sprach­
Ihre Sprache ist die Kanak-Sprak oder »Stadtteilsprache«, mischung. Charakteristisch dafür sind ständige schnelle
wie die deutschen Sozialpädagogen sie nennen. Die Wechsel zwischen Deutsch und Türkisch, zwischen und
Stadtteilsprache fungiert als Verkehrssprache zwischen innerhalb von Äußerungen, in den meisten Fällen proso-
Kindern unterschiedlicher Herkunft. Zu den Kennzeichen disch integriert bzw. unauffällig. Die unterschiedlichen

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Formen des äußerungsintemen Sprachwechsels kann man HA: »<nei”n> * >üg buguk dedi<«
nach zunehmender grammatischer Integration ordnen, von halb vier hat er gesagt
peripheren, leicht abtrennbaren und grammatisch (relativ) GL:»o zaman ona sor«
selbstständigen Elementen bis zur morphologisch-gram­ dann frag ihn/sie noch mal
matischen Integration. In diesem Sinne periphere Elemen­
In Fällen von zugespitztem Streit findet kein sprachlicher
te sind Interjektionen, z.B. das türkische lan (»Mann«),
Anschluss an die Vorgängeräußerung mehr statt, vielmehr
das auch unter Mädchen verwendet wird: »Isch will mit dir
maximieren die Sprecher den sprachlichen Kontrast. Das
spielen lan«. Aufgrund der häufigen Verwendung von lan
Muster ist dann »dt - türk - dt - türk«. Bei offenem,
wird die Stadtteilsprache von deutschen Jugendlichen
ritualisiertem Streit erscheint auch das Muster »dt - dt«
auch »Lan-Sprache« genannt.
oder »türk - türk«. Diese Art der engen Bezugnahme im
aggressiven Streit entspricht auch anderen Beobachtun­
Charakteristisch für die Verzahnung beider Sprachen zu
gen zum Streitverhalten und seiner Ordnung.
einer Sprachmischung ist die Kombination unterschiedli­
cher Variationsmuster zu komplexen Sprachwechsel-
In der Kommunikation der Powergirls erscheinen alle
folgen, wie im folgenden Beispiel (Die Transkriptions­
Abstufungen der Sprachenverbindung: die phasenweise
notation verwendet die so genannte literarische Umschrift
Sprachentrennung, die Sprachenmischung in Verbindung
mit Kleinschreibung und einigen Sonderzeichen: * für
mit vielen und schnellen Wechseln, auch innerhalb von
eine kurze Pause, “ für auffällige Betonung, : für Dehnung,
prosodischen Einheiten, und einem Schwanken der
<..> bzw. >..<für lauteres bzw. leiseres Sprechen, T bzw. i
Matrixsprache, und Formen der Sprachenverschmelzung,
für finale Stimmhebung bzw. -senkung.):
z.B. bei der morphologischen Integration.
»hele- T * Riff’i simdi bi vergessen etfü r ne zeitlang«
nun Riff PREP jetzt mal vergessen mach Weitere Stilmerkmale, die zusammen mit den geschilder­
Vom Äußerungsbeginn her gesehen ist die so genannte ten Formen der deutsch-türkischen Sprachvariation den
Matrixsprache, d.h. die dominierende Sprache, Türkisch, kommunikativen Stil der Powergirls ausmachen, sind:
wofür unter anderem die grammatische Integration des
deutschen Verbs vergessen spricht. Dabei wird eine im • Übernahme von männlichen Anredemustern, z.B. lan,
Deutsch-Türkischen geläufige Konstruktionsweise ver­ Langer, Mann, aber auch die ironische Verwendung
wendet. Die türkische grammatische Konstruktion [VERB von weiblichen Mustern wie mein Schatz.
etmek/agmak/yapmak (= machen) + SUBST./ ADJ.] wird im • Grobe Prosodie-Muster: laut, manchmal fast schrei­
Türkisch der Migranten modifiziert zu [Dt. VERB (Infini­ end, hervorgestoßen, starke Dehnung der letzten (be­
tiv; hier: vergessen) + VERB etmek/agmak/yapmak (flek­ tonten) Silbe.
tiert; hier: et)]. Der erneute Wechsel ins Deutsche mit der
• Häufige Demonstration von Aggressionsbereitschaft,
temporalen Adverbialphrase fü r ne zeitlang betrifft wieder
insbesondere durch nonverbale (Drohgesten, empör­
eher periphere Elemente, was erneut für Türkisch als
te Blicke usw.) und durch prosodische Mittel (laute
Matrixsprache spricht. Auf der anderen Seite überwiegt in
und rauhe Stimme, schnelles Tempo mit Dehnung der
der zweiten Äußerungshälfte Deutsch. Man kann retro­
letzten Silbe einer Äußerung) sowie sprachlich durch
spektiv die Verwendung des deutschen Verbs auch als Be­
grobe Ausdrücke, Flüche und Drohformeln. Auch hier
ginn des Übergangs ins Deutsche interpretieren. Unklar­
ist eine Übernahme von männlichen Mustern zu be­
heit der Matrixsprache oder der wiederholte rasche Wech­
obachten, die aber bei den männlichen Stadtteil­
sel der Matrixsprache ist charakteristisch für integrierte
jugendlichen noch härter ausgeprägt sind.
Sprachmischungen.
• Provokationen, Hinters-Licht-Führen bzw. »Vorfüh­
Sprachwechsel zwischen Äußerungen bzw. Teiläuße­ ren« (Verarschen).
rungen können vielfältige Funktionen haben. Eine mar­ • Geringe Ausprägung von Regeln des Respekts im
kante Verwendungsweise ist der Einsatz von Übereinstim­ Umgang miteinander. Das leitende Konzept von
mung und Kontrast der Sprachwahl zum Ausdruck von interpersonaler Distanz und Höflichkeit gestattet grö­
Konsens und Dissens. Im folgenden Beispiel streiten zwei ßere Übergriffe, die einerseits zur Beschneidung der
Schwestern darum, wann eine von ihnen nach Hause muss, Autonomie des Anderen führen, andererseits aber
um auf eine kleine Schwester aufzupassen. Das Muster des auch größere Intimität zulassen.
Code-switchings ist »dt / türk - türk / dt«, d.h. die Sprecher
schließen jeweils sprachlich an die Vorgängeräußerung an Insgesamt charakterisieren diese Eigenschaften einen
und wechseln dann innerhalb der Äußerung bei der Formu­ provokations- und verteidigungsbereiten Jugendstil. Ver­
lierung von Dissens. Dieses Muster taucht wiederholt in bunden ist damit eine Orientierung auf »Wach-Sein«,
der Funktion des Dissensmanagements auf: schnelles Reagieren, »Bescheid-Wissen«, »Durchbli­
cken«. Ein Schlüsselelement für die Stilentwicklung ist
HA: »<üg buguk dedi hasan amca>« zweifellos die Verteidigung gegen »Anmache« in jeder
Onkel Hasan hat halb vier gesagt Form (insbesondere gegen »Anmache als Ausländer«; aber
GL: »bimiyom die hat um drei” gesa:gt « auch die Auseinandersetzung mit der familiären Autorität
ich weiß nicht spielt eine Rolle).6

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Außerhalb des »Ghettos«, in Situationen der Arbeitswelt sammenhang damit in einen emanzipatorischen kommu­
oder der akademischen Ausbildung, machen die Mädchen nikativen Stil.
keinen Gebrauch vom Ghetto-Stil. Aber sie können dieses
Register ihres Repertoires auch nach dem Übergang in Ein Kernelement des neuen emanzipatorischen Stils von
eine höhere Altersstufe reaktivieren. Wie Beobachtungen Migranten ist die Perspektivenumkehrung. Dieser Begriff
von PH-Studentinnen unter den Powergirls bei Schul­ bezeichnet das Verfahren, das Dominanzverhältnis zwi­
praktika zeigen, können sie die Stadtteilsprache beim schen eigener und fremder Perspektive zu vertauschen und
Unterrichten von Jugendlichen aus dem »Ghetto« einset­ die Fremdperspektive auf sich selbst als Eigenperspektive
zen, z.B. bei Ordnungsrufen und Zurechtweisungen. Sie auf den anderen zu übernehmen.7 Die spielerisch-provo­
haben aufgrund dieses Registers einen besseren pädago­ kative Perspektivenumkehr wird von den »Unmündigen«
gischen Zugang zu den Jungen, die Kandidaten für die im Rahmen einer interkulturellen Woche, organisiert vom
»Street-corner-society« der Kanaken sind. Ausländerbeauftragten »in Zusammenarbeit mit ausländi­
schen Vereinen«, zu einer umfangreichen Inszenierung
ausgebaut. Die »Unmündigen« veranstalten einen »Tag
Gruppen außerhalb des »Ghettos« des deutschen Mitbürgers«. Inhaltliche Elemente der po­
litischen Ansprachen sind alle Stereotype des deutschen
Die »Unmündigen« sind eine im Wesentlichen studenti­ Ausländerdiskurses; sie werden auf die Sicht einer türki­
schen Mehrheit gegenüber einer deutschen Minderheit
sche Gruppe. Die Gruppe ist ethnisch gemischt, mit einem
übertragen. So wird politischer Handlungsbedarf postu­
hohen Anteil an Türken und Kurden. Als »Unmündige« be­
liert, weil 75% der gesamten Sozialleistungen an Deutsche
zeichnet sich die Gruppe wegen der eingeschränkten bür­
gerlichen Rechte der Migranten. Zum emanzipatorisch- gezahlt werden müssen; Besorgnisse und politische For­
derungen betreffen unter anderem die Existenz rein deut­
politischen Programm gehört dementsprechend der Kampf
um Teilhabe an kommunalen und bundespolitischen Ent­ scher Ghettos (wie die »feinen« Mannheimer Stadtviertel)
oder die Notwendigkeit von muttersprachlichem Unter­
scheidungen. Der Lebensmittelpunkt der Gruppenmit­
richt für Deutsche angesichts solch gravierender Defizite
glieder ist Deutschland, eine Übersiedlung in die Türkei
in Grammatik und Wortschatz, wie sie in Äußerungen »du
(die für sie einer Auswanderung gleichkäme) schließen sie
herkommen« oder »du arbeit fertig, du fahren bahnhof«
aus. Gegenüber der Gesellschaft der Türkei halten sie deut­
deutlich werden (d.h. den deutschen »foreigner talk«). Für
liche Distanz. Sie wollen jedoch keine »Deutschen« wer­
den. Vielmehr bestehen sie gegenüber der deutschen Ge­ Toleranz gegenüber den deutschen Mitbürgern wird mit
sellschaft auf der Anerkennung ihrer ausländischen Her­ dem Hinweis auf ihre Nützlichkeit geworben - »wer wür­
kunft und der Spezifik ihrer Sozialisationserfahrung in de unsere Kraftfahrzeuge reparieren; ohne die deutsche
Esskultur wäre unsere Küche ärmer« (als ironischen Be­
Deutschland als »Migranten«. Ihr Freundes- und Bekann­
weis dieser kulturellen Befruchtung bieten die Veranstal­
tenkreis ist nicht ethnisch, sondern eher durch vergleich­
ter Sauerkraut mit Würstchen im Fladenbrot an).
bare politisch-emanzipatorische Vorstellungen bestimmt.

Die Mitglieder der »Unmündigen« kommen aus Gast­ EATA (European Association of Turkish Academics) ist
arbeiterfamilien, teilweise aus dem »Ghetto« und teilweise eine europaweit organisierte Gruppe junger türkisch­
aus anderen Sozialisationsumgebungen (wie die Mann­ stämmiger Akademiker. Sie wurde 1990 durch die Initia­
heimer Studentin, deren Darstellung von Diskriminie­ tive einiger in Deutschland lebender Akademiker türki­
rungserfahrungen oben zitiert wurde). Ihre sprachlichen scher Herkunft ins Leben gerufen und setzt sich zusammen
Voraussetzungen entsprechen denen der Powergirls, also aus angehenden oder schon berufstätigen Akademikern,
z.B. mit Türkisch als Familiensprache oder auch einer die entweder in der Türkei sozialisiert sind und aus einer
asymmetrischen Mehrsprachigkeit, bei der die Kinder mit höheren sozialen Schicht kommen oder als Kinder von
den Eltern in Deutsch oder auch Stadtteilsprache reden Gastarbeitern in Deutschland aufgewachsen sind. EATA
und die Eltern Türkisch. Dominante Sprache ist Deutsch, ist in insgesamt acht europäischen Ländern organisiert.
und das Deutschrepertoire schließt tendenziell alle Regis­ Die Vereinigung zählt insgesamt etwa 800 Mitglieder.
ter der Politik- und Verwaltungssprache ein. Die sprachli­
che Orientierung zielt auf Sprachentrennung. Die Grup­ Ziel von EATA ist es, dem Klischeebild des ungebildeten,
pensprache ist Deutsch. Sprachwechsel (Code-switching) sprachlich beschränkten und unbeholfenen türkischen
erscheint eher in informellen und privaten Situationen und Gastarbeiters entgegenzuwirken. Die leitende Vorstellung
beschränkt sich auf den Einschub von klar begrenzten Ein­ ist, dass die Veränderung der Situation der Migranten ei­
heiten wie sprachlichen Formeln und kurzen Sequenzen. nen langfristigen Prozess erfordert und dass vor allem die
Türken selbst durch Bildung und ein entsprechendes
Zentrales Anliegen der »Unmündigen« ist der Kampf ge­ Auftreten in der deutschen Gesellschaft die deutsche
gen den »institutionellen und alltäglichen Rassismus« in Wahrnehmung der türkischen Migranten ändern müssen.
Deutschland. Kernpunkte sind das Aufdecken von Angehörige dieser Gruppe sind interessiert an der Heran­
Diskriminierungsmechanismen und die Entwicklung ei­ bildung einer gebildeten, kultivierten Schicht türkisch­
nes positiven Selbstbildes als »Migranten«. Die Verarbei­ stämmiger Europäer; sie bezeichnen sich selbst als
tung von Diskriminierungserfahrungen mündet in die »Europatürken«. Sie fühlen sich gegenüber der Mehrheits­
Entwicklung eines neuen Selbstbewusstseins und im Zu­ gesellschaft durchaus privilegiert durch die Kenntnis

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zweier Sprachen und Kulturen. Ihr Motto lautet: »Wir sit­ »bu yaptig imiz abi abla modeli proje ama ne ...«
zen nicht zwischen, sondern auf zwei Stühlen«. das Bruder-Schwester-Projekt was wir machen is aber
dings ...
Viele der in Deutschland aufgewachsenen jugendlichen »yani tropfen auf dem heißen stein yani *«
Mitglieder teilen die »Ghetto«-Erfahrungen anderer also also
Gastarbeiterkinder. Zum Programm der Gruppe gehört,
»hig bir sey aslinda«
dass sich die Mitglieder nach dem erfolgreichen Weg aus
ist eigentlich nichts
dem »Ghetto« gegenüber der im »Ghetto« heranwachsen­
den Generation sozial engagieren. Realisiert wird dieses
Programm unter anderem durch das von EATA initiierte Die Kommunikationsweise der Europa-Türken kontras­
»Abi-abla-Projekt«. Die Anredeformen abi (Kurzform zu tiert in allem mit der der »Ghetto«-Jugendlichen. Die Spra­
agabey) mit der Bedeutung »älterer / großer Bruder« und che ist weitgehend frei von geschlechtsspezifischen Anre­
abla (»ältere Schwester«) werden im Türkischen auch für de- und Schimpfwörtern wie lan oder moruk (»Alter«),
nichtverwandte Personen verwendet; sie sind Ausdruck kizlar (»Mädchen«) oder karilar (»Weiber«), Obszönitä­
des Respekts. Im Bruder-Schwester-Projekt verpflichten ten und Flüche sind verpönt. Die Höflichkeitsregeln des
sich 2 bis 3 Mitglieder als »älterer Bruder« und »ältere Respekts spielen eine große Rolle. Explizite verbale An­
Schwester«, eine Gruppe von 4-5 Grundschülern türki­ griffe oder nonverbale Drohgesten werden vermieden,
scher Herkunft zu betreuen, ihnen sowohl bei ihren schu­ Zurechtweisungen und Kritik erfolgen weitgehend impli­
lischen als auch privaten Problemen (mit den Eltern, mit zit bzw. in Andeutungen oder mit sanfter Ironie. Auf An­
den Lehrern) zu helfen. griffe und Herausforderungen reagieren EATA-Mitglieder
tendenziell mit einer sachlich orientierten, nicht emotio­
nalen, kühl-intellektuellen Demonstration von Kompe­
Ihr Sprachrepertoire umfasst Hochtürkisch (zum Teil bei
tenz.
einigen Mitgliedern mit dialektalen Elementen aus der
Sprache ihrer Herkunftsregion) sowie Standarddeutsch.
Die offizielle Verkehrssprache bei den Gruppentreffen ist
Türkisch. Die deutsch-türkischen Mitglieder, die aufgrund Zur weiteren Entwicklung
ihrer Sozialisation keine entsprechenden sprachlichen
Voraussetzungen mitbringen, versuchen sich die erforder­ Das Projekt zur deutsch-türkischen Sprachvariation und zu
liche Türkisch-Kompetenz unter anderem im Rahmen der kommunikativen Stilen in Migrantengruppen steht noch
internen Sprachförderungsprogramme anzueignen. Die relativ am Anfang. Als allgemeines Ergebnis der bisherigen
Verwendung dialektaler Varianten beider Sprachen wird Untersuchungen und als Präzisierung der Leithypothesen
vermieden. In der Türkei ist das Prestige dialektaler Vari­ kann man aber Folgendes festhalten: Die untersuchten
etäten im Vergleich zur Standardsprache relativ niedrig. Gruppen und ihre Kommunikationsweisen zeigen unter­
Diese Hierarchieordnung wird auch auf das Deutsche über­ schiedliche soziostilistische Antworten auf die Auseinan­
tragen, so dass die Verwendung des Standarddeutschen für dersetzung mit der Migrantensituation, die Erfahrung von
die Positionierung der Gruppe eine wesentliche Rolle Marginalität und Diskriminierung, die Anforderung, sich
spielt. relativ zur deutschen Mehrheitsgesellschaft und zur
Herkunftsgesellschaft der Türkei zu positionieren. Die
Innerhalb der Gruppe herrscht eine strenge Trennung unterschiedlichen kommunikativen sozialen Stile und die
zwischen dem Türkischen als Verkehrssprache und der damit verbundenen Leitbilder des sozialen Handelns sind
deutschen Mehrheitssprache. Diese Trennung ist aller­ Lösungsversuche, die einerseits nach innen gerichtet sind
dings häufig beschränkt auf bestimmte Situationen und und die eigene Identität bestimmen, andererseits aber auch
Gesprächskonstellationen. Dies ist der Fall insbesondere, an die deutsche Gesellschaft adressiert sind im Bemühen,
wenn Dritte anwesend sind, bei offiziellen Anlässen und einen Platz zu finden und zu behaupten: durch Einkapse­
wenn es darum geht, das Selbstbild der Gruppe nach außen lung im »Ghetto«, durch den Weg aus dem »Ghetto« über
zu repräsentieren. Die Orientierung auf das Türkische als die Ausbildung, die Ansiedelung als Migrant »jenseits der
Verkehrssprache gilt auch für die deutsch-türkischen Mit­ ethnischen Zuordnung« oder durch die Orientierung auf
glieder, die noch unsicher im Türkischen sind. Gruppen­ eine Position »auf zwei Stühlen«.
intern kommen in zwanglosen Situationen türkisch-deut­
sche Sprachwechsel durchaus vor. Insbesondere die Das Bild ist zu vervollständigen durch die Untersuchung
deutsch-türkischen Mitglieder mischen relativ häufig die der deutschen Perspektive auf die sich verändernden so­
beiden Sprachen. In der Türkei sozialisierte Mitglieder zialen Welten der Migranten. Zu beobachten sind z.B.
sprechen dagegen auch privat ein reines Hochtürkisch Situationen, in denen Deutsche für die jungen Migranten
ohne Interferenzen oder Elemente aus der deutschen Spra­ als sog. »Türhüter« auftreten, von denen der Zugang zu
che. Sie übernehmen - wenn überhaupt - grammatikalisch Ausbildungswegen und Arbeitsverhältnissen abhängen.
unabhängige Elemente wie Routineformeln, z.B. Grußfor­ Als Folie für die Diskriminierungserfahrungen der
meln, Wendungen wie sagen wir mal oder Sprichwörter: Migranten ist der Ausländerdiskurs in deutschen Gruppen

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bedeutsam, sowohl der aufgeklärte, liberale Diskurs wie finanzierung des Landes Baden-W ürttemberg unterstützt, seit
der vorurteilsgeprägte »Schimpfklatsch«8, z.B. von Anrai­ dem 1. M ärz 2000 wird es im Rahm en der Forschergruppe
nern des »Ghettos«. Vorgesehen ist auch eine Analyse des »Sprachvariation als kommunikative Praxis« von der DFG ge­
fördert. (http://www.ids-mannheim.de/prag/sprachvaiiation/)
öffentlichen politischen Diskurses in den Medien, z.B.
über die Einbürgerungs- und Zuwanderungsfrage und die 3Vgl. Heitmeyer, W ilhelm u.a.( 1997): Verlockender Fundamenta­
mit den Schlüsselbegriffen wie »Einwanderung« vs. »Zu­ lismus. Frankfurt.
wanderungsbegrenzung« verbundenen politischen Posi­ 4Zu der hier zugrunde gelegten sozio linguistischen Stilkonzeption
tionierungen. vgl. u.a. Kallmeyer, W erner (Hrsg.) (1994): Kommunikation in
der Stadt. Teil 1: Exemplarische Analysen des Sprachverhaltens
Im Hinblick auf die mögliche Beeinflussung des sprach­ in Mannheim. Berlin / New York, sowie Keim, Inken (1995):
lichen und kommunikativ-stilistischen Spektrums der Kommunikation in der Stadt. Teil 3: Kommunikative Stilistik
Gesamtgesellschaft ist die Rezeption und Verbreitung von einer sozialen W elt »kleiner Leute« in der M annheimer Innen­
stadt. M it zwei Beiträgen von W erner Kallmeyer. Berlin / New
Stilzügen aus den unterschiedlichen Migrantenwelten in
York.
der deutschen Gesellschaft von großem Interesse. Die
Jugendkultur der Migranten, insbesondere HipHop bzw. 5Vgl. W hyte, W illiam F. (1955): Street com er society. Chicago.
Rap, haben für viele deutsche Jugendliche Vorbildfunkti­ 6Vgl. auch Keim, Inken (i.D.): Die Powergirls. Aspekte des kom ­
on. Auch deutsche Jugendliche verwenden teilweise zur munikativen Stils einer Migrantinnengruppe aus Mannheim. In:
Selbstdarstellung als »cool« und »aggressiv« typische Jakobs, Eva/ Rothkegel, Annely (H rsg.): Perspektiven auf Stil.
Verhaltensweisen der »Kanaken«. Aber denkbar ist auch, Akten des Kolloquiums zum 60. Geburtstag von Barbara San­
dass andere Stilprägungen wie der emanzipatorische Stil dig. S. 387-411.
mit seinen Verfahren der spielerisch-aggressiven Perspek­ 7Vgl. auch Kallmeyer, Werner (i.D.): Perspektivenumkehrung als
tivenumkehr bei Deutschen Verbreitung finden. Elem ent des emanzipatorischen Stils in Migrantengruppen. In:
Jakobs, Eva/ Rothkegel, Annely (H rsg.): Perspektiven auf Stil.
Anmerkungen Akten des Kolloquiums zum 60. Geburtstag von Barbara San­
dig. S. 413-433.
1Vgl. Keim, Inken / Androutsopoulos, Jannis (2000): Hey Lan, 8Vgl. Elias, N orbert/ Scotson, John L. (1955): The Established and
isch geb dir konkret Handy. Deutsch-türkische M ischsprache the Outsiders. London. Deutsch (1965): Etablierte und Außen­
und Deutsch m it ausländischem Akzent: W ie Sprechweisen der seiter. Frankfurt a. M.
Straße durch die M edien populär werden. In: FAZ, 26. Januar
2000. Die Autoren: Prof. W. Kallmeyer ist Leiter der Abteilung »Pragma­
2 Das Projekt ist Bestandteil des übergreifenden Projekts »Kom­ tik« des IDS; Di'. Inken Keim und Deniz Tandogan-Weidenhammer
munikative soziale Stilistik« der Abteilung Pragmatik des IDS; sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Instituts für Deutsche
die Vorbereitung w urde 1998/99 durch eine A nschub­ Sprache in Mannheim.

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