Sie sind auf Seite 1von 12

Cravidi Giulia

„Kanak Sprak“

1
Einleitung

In den letzten Jahren entwickelte sich in Deutschland „Kanak Sprak“, d.h. ein von
den jungen Türken der zweiten und dritten Generationen 1 verwendeter Sprachstil.
Kanak Sprak erschien in verschiedenen Mediengattungen (im Kabarett, im Kino, im
Fernsehen) und ist heute auch in der alltäglichen Kommunikation zwischen
Deutschen zu beobachten ( Androutsopoulos, 2000).
Ziel dieses Beitrags ist deswegen das Phänomen Kanak Sprak kurz zu beschreiben
und in seinem gesamten Verlauf zu verstehen. Zuerst wird Kanak Sprak als
Ethnolekt betrachtet und danach werden auch einige der wichtigsten linguistischen
Merkmale hervorgehoben.

1. „Kanak“
Das Wort „Kanak“ kommt aus Neukaledonien und bedeutet dort „Mensch“. Die
Franzosen, die im 19. Jahrhundert die Inselgruppe kolonisierten, benutzten das Wort
“Kanak”, um über die Einwohner der Inselgruppe im abwertenden Ton zu sprechen.
Ab circa 1960 wird „Kanak” auch in Deutschland verwendet, um die Migranten aus
dem Mittelmeerraum und der Türkei negativ zu bezeichnen. „Kanak“ wird deshalb
zum Schimpfwort zur Beschreibung der Gastarbeiter (Ravetto, in Mazza, 2013:325).
Nur ab den 90er Jahren nimmt „Kanak” dank der Werken des deutschen
Schriftstellers türkischer Herkunft Feridun Zaimoglu eine positive Konnotation 2 an.
In Buch „Kanak Sprak - 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft“(und auch im
Nachfolgeband „Koppstoff“) versuchte Zaimoglu das Leben Frauen und Männer
türkischer Abstammung am Rand der deutschen Gesellschaft darzustellen. „Wie lebt
es sich als Kanake in Deutschland?“ ist die Grundfrage der 24 verdichteten
Interviews oder „Mißtöne“.3 Mit der Veröffentlichung des Buchs „Kanak Sprak- 24
Mißtöne vom Rande der Gesellschaft“ wurde Kanak Sprak zwischen den
Intellektuellen populär und auch Deutschtürken der zweiten und dritten
Generationen fingen an, sich selbst stolz als Kanaken zu bezeichnen.

1
Die zweite bzw. dritte Generation bezeichnet die in Deutschland geborenen Kinder bzw.
nachgeholten Kinder und ihre Kindeskinder.
2
Zaimoglu ist der “Gründer” einer wichtigen politischen Initiative, d.h. „Kanak Attack“ und er
kämpfte um die Integration der Einwanderer in Deutschland. „Kanak Attack“ ist auch der Titel einer
von Zaimoglu durchgeführte Fahneninstallation, die 2005 in Wien stattfand. (feridun.zaimoglu.com)
3
http://parapluie.de/archiv/generation/kanaksprak/

2
2. Kanak: ein neuer Ethnolekt des Deutschen
Kanak Sprak lässt sich nur schwer erklären. Viele Sprachforscher und
Soziolinguisten versuchten, eine gute Definition dafür zu geben aber auch heute
existiert keine einheitliche Beschreibung. Vielleicht ist der von Auer (2003) und
Deppermann (2007) ausgearbeitete Vorschlag der befriedigendste. Laut der zwei
Sprachwissenschaftler ist Kanak Sprak ein von den Türken der zweiten und dritten
Generationen verwendeter Ethnolekt des Deutschen zu verstehen. Ein Ethnolekt
entspricht hier einer Sprechweise (Stil), die von den Sprechern selbst und/oder von
anderen mit einer oder mehreren nicht-deutschen ethnischen Gruppen assoziiert
wird (Auer in Buhofer 2003:256). Anders ausgedrückt ist Kanak Sprak eine
Varietät, die von Benutzern nicht-deutscher Herkunft gesprochen wird und als
typisch für sie eingestuft wird.
Dieser Ethnolekt tritt in verschiedenen Formen auf, d.h. als primärer Ethnolekt, als
sekundärer, medial transformierter Ethnolekt und als tertiärer Ethnolekt ( Auer in
Buhofer, 2003:256).

2.1. Der primäre Ethnolekt


Der primäre Ethnolekt entstand in den deutschen Großstädten, Ghettos und wird vor
allem von männlichen Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund benutzt.
Füglein (2000) und Tertilt (1992) untersuchten den primären Ethnolekt in
Nürnberg, München, Böblingen, Stuttgart und Hamburg. Außerdem beleuchteten
Füglein und Tertilt auch die Gespräche der kriminellen türkischen Jugendbande
„Türkisch Power Boys“ ( Auer in Buhofer, 2003: 259). Ihre Studien haben ergeben,
dass der primäre Ethnolekt mindestens 20 Jahre alt ist und unabhängig vom
sekundären Ethnolekt entstand. Im Mittelpunkt der Studien steht aber die Frage, ob
die typischen und vom Standarddeutschen abweichenden linguistischen
Hauptmerkmale des primären Ethnolekts4 Resultat eines unvollständigen
Deutscherwerbs sind. Zuerst ließen diese Hauptmerkmale sich als
Vereinfachungsstrategien und lernertypische Interferenzen erklären. Jedoch wurde
später bewiesen, dass der Großteil der Benutzer des primären Ethnolekts in
Wirklichkeit sehr wohl die Regeln des Standarddeutschen kannten (Auer in
Buhofer, 2003:259). In formellen Kontexten tendieren sie nämlich dazu, den
primären Ethnolekt zu vermeiden und ziehen dagegen davor, Deutsch zu sprechen.

4
Die linguistischen Merkmale werden im folgenden Kapitel betrachtet werden.
3
Auer (in Buhofer, 2003:260) ist darum der Meinung, dass die Benutzer des
primären Ethnolekts wissen, in welchen Kontexten Kanak Sprak oder Deutsch zu
verwenden.

2.2. Der sekundäre, mediale Ethnolekt


Um den sekundären Ethnolekt (und auch den tertiären Ethnolekt) zu beschreiben,
gibt es zahlreiche Begriffe, die sich auf die Türken oder generell Ausländer
beziehen. Die bekanntesten sind „Türkendeutsch“, „Kanaksprak“, „Mischsprache „,
Balkandeutsch“, „Ghettoslang“, „Türkenpidgin“, und „Türkenslang“. Der
sekundäre Ethnolekt ist in deutschen Medien (Filmen, Comics, Comedys) zu
finden. Im Gegensatz zum primären Ethnolekt wird der sekundäre nicht von
Türken, sondern von deutschen und nicht-türkischen Ausländern verwendet. Auer
(in Buhofer, 2003:254) meint, dass die Verwendung des Ethnolekts eine richtige
Usurpierung, eine Akt von Aggression des primären Ethnolektes durch nicht
Zugehörigen ist. Hauptvertreter dieses Ethnolekts sind die Comedy Duos
„Mundstuhl“ mit ihren Figuren Dragan und Alder und die Münchener Schauspieler
mit ihren Figuren „Erkan und Stefan“ (Androutsopoulos, 2000:6). Beide imitieren
türkische Migranten und deren Ethnolekt („ein gebrochenes Deutsch“) aus Spaß
(Androutsopoulos, 2000:6). Einige Soziolinguisten und Anthropologen wie Jane
Hill (2003) meinen, dass es das Hauptziel dieser Art von Comedy ist, vor allem die
Türken zu kritisieren und lächerlich zu machen, indem sie sie und ihren Ethnolekt
stereotypieren ( Androutsopoulos, 2000:13).

2.3 Der tertiäre Ethnolekt


In der letzten Zeit hat sich verbreitet der sekundäre Ethnolekt auch unter deutschen
(meistens männlichen) Jugendlichen, die ihn auch weiterentwickeln. Wenn diese
Tendenz nicht auf dem Kontakt zu türkischen oder nicht-deutschen Jugendlichen
beruht, sondern nur eine Transformation des medialen Input stattfindet, sprechen die
Sprachwissenschaftler vom tertiären Ethnolekt (Auer in Buhofer, 2003: 256). Diese
Bewegung vom primären zum tertiären Ethnolekt wird von Androutsopoulos
(2000:3) als der Weg „von der Straße auf den Bildschirm und dann wieder zurück“
beschrieben. Allerdings ist es wichtig zu unterstreichen, dass der tertiäre Ethnolekt
keine Identifizierung mit Türken darstellt. Kanak Sprak wird nämlich in direkten
Interaktionen zwischen deutschen Jugendlichen und Türken nicht verwendet und

4
meistens vermieden. Der Grund dafür liegt darin, dass die meisten deutschen
Jugendlichen Kanak Sprak für eine Ghettosprache der Kriminellen halten. Diese
These wurde in Interviews mit deutschen Gymnasiasten in Baden überprüft. Die
Interviews zeigten, dass der ‚Türkenslang‘ auch für Aggression und „street
smartness“ steht und eng „mit den türkischen Tschapos“ (Kleinkriminellen)
assoziiert wird (Auer in Buhofer, 2003:256).

2.4 De-Ethnisierung des Ethnolekts


Untersuchungen in gemischtethnischen Jungendgruppen in stark multiethnischen und
multilingualen Vierteln von Hamburg heben die Ausbreitung des primären
Ethnolekts auf nicht-türkische (auch deutsche) Jugendliche hervor. Dieses Phänomen
wird als eine echte De-Ethnisierung des Ethnolekts genannt. (Auer in Buhofer,
2003:263). Außerdem beleuchtete eine größere Studie unter jungen Leuten, dass ein
Teil von ihnen nicht nur eine gemischte Sprache, sondern auch typische Merkmale
des primären Ethnolekts gebrauchte (Auer in Buhofer, 2003:263). Da bei diesen
Sprecher-Gruppen der Ethnolekt zur eigenen „Stimme“ wird, kann eine
Sprachinnovation stattfinden (Auer in Buhofer, 2003:263). Es existieren also keine
Grenzen mehr zwischen Alterität (fremder Ethnolekt) und Identität (eigener Stil).
Daher spricht man nicht mehr von Kanak Sprak als Ethnolekt, sondern von einem
regelrechten Soziolekt des Deutschen (Auer in Buhofer, 2003:263).
Die Entwicklung Kanak Spraks wird schematisch im folgenden Bild dargestellt
(Auer in Buhofer, 2003: 256).

Die gestrichelten Linien zeigen, dass man die direkte Wirkung des primären auf
den tertiären Ethnolekt nicht braucht. Trotzdem findet sie manchmal statt. Die
Ruckwirkung des medialen Ethnolekts auf den primären ist nicht ausgeschlossen,
aber sie wurde noch nicht untersucht. Die gestrichelte Linie des de-ethnisierten
Ethnolekts zur medialen Verarbeitung erscheint nur in einigen
5
Zeitschriftenberichten, vor allem auf der Hip-Hop-Szene (Auer in Buhofer,
2003:256).

3. Linguistische Hauptmerkmale von Kanak Sprak


Nach dieser kurzen Beschreibung des Kanak Sprak unter einer soziolinguistischen
Perspektive, werden hier die wichtigsten linguistischen Merkmale betrachtet. Die
vorliegende Analyse stützt sich auf einem aus acht Texten verschiedener Gattungen
bestehenden Corpus5. Die Texte sind zwei Marchen, d.h. „Hänsel und Gretel“ und
„Schneewittschem“, zwei Berichte oder Mißtöne aus Zaimoglus „Kanak Sprak“d.h.
„Den Fremdländer kannst du nimmer aus der Fresse wischen“ und „Deutsches Land
is ne salzige Puffmutti“. Weitere Texte sind drei Gespräche „Isch geh Schule, wie
isch Bock hab“, „ Isch geh Puff, weil Bock hab“ und „die Bitch is tot“ und ein
schließender kurzer Bericht aus einer Fernseh-Show, „Isch schwor, krass cool im
Fernseher rein!“. Die meisten Texte wurden im Net gefunden. Nur
„Schneewittschem“ und „Isch schwor, krass cool im Fernseher rein!“ kommen aus
„La lingua tedesca- Storia e testi“ (Mazza:2013).

3.1 Phonetische-phonologische und prosodische Merkmale


Im phonetisch/phonologischen Bereich bemerkt man die Koronalisierung des
stimmlosen palatalen Frikativen ([ç] à [ ʃ ]). So wird der Personalpronomen ich zu
isch, die Reflexivpronomen mich, dich, sich werden zu misch, disch, sisch und die
Präposition durch wird zu dursch6. (Androutsopoulos, 2000:3; Deppermann in
Auer: 329). Zudem ist auch die Reduktion des /ts/ Komplexes zu /s/ sehr häufig. So
wird beispielsweise die Zahl zwei zu swei und Verben wie erzählen und riechen zu
ersählen und rieschen (Deppermann in Auer, 2003:329). Eine andere Tendenz ist
es, /st/ durch einfaches /s/ zu ersetzen. Ist wird daher zu is; weisst du? wird zu
weiss=u?, fickst du wird zu fickssu.7 (Deppermann in Auer, 2003:329;
Androutsopoulos, 2000:3). Oft werden auch Umlaute weggelassen, so wird z.B.
grünst zu grunst. Dieses Phänomen ist aber häufiger in der gesprochenen Sprache
(Auer in Buhofer, 2003: 329). Schließlich werden lange Vokale sehr oft verkürzt,
z.B. [zon] für Sohn (Androutsopoulos, 2000: 7). Androutsopoulos (2000:3) betont

6
Dieses Merkmal könnte aus dem hessischen Dialekt stammen ( Deppermann in Auer, 2003: 329).
7

6
auch die Nichtvokalisierung von auslautendem /r/ und viele Fehler bei
Glottalverschlussen.

3.2. Morphologische und syntaktische Aspekten


Im morphosyntaktischen Bereich kann man viele typische und interessante
Phänomene hervorheben.
Zuerst werden Genera vermutlich ad hoc verändert, wie in den folgenden Beispielen
aus dem Märchen „Hänsel und Gretel auf Kanakisch“: „Murat und Aische gehen
dursch Wald, auf Suche nach korrekte Feuerholz“. In den Augenblick Aische kickte
mit korrekten  Kick-Box Kick in die fette Arsch“; „Was geht,warum beisst ihr in
meine Haus?“ (Deppermann in Auer, 2003:258).
Die Kongruenz in komplexen Nominalphrasen ist teils anders geregelt. Wenn der
Substantiv beispielsweise mit -er endet, dann wird auch das Adjektiv wie das
Substantiv mit -er Endung dekliniert: einer Deutscher. Wenn das Substantiv die
Endung -en hat, wird auch das Adjektiv mit diesem Flexionssuffix dekliniert z.B.
schlechten Gewissen gehabt. Das bedeutet, dass die Flexionssuffixe „ikonisch
parallelisiert werden“ (Deppermann in Auer, 2003:258).
Außerdem werden definite und indefinite Artikel sehr oft weggelassen. Als Beispiele
werden hier „Normal, Alder, hab isch geile Tuss“ („Isch geh Puff, weil isch Bock
hab!“); „Murat und Aische gehen dursch Wald, auf Suche nach korrekte Feuerholz.
Aische fragt Murat: “Hast du Kettensäge, Murat?“ („Hänsel und Gretel auf
Kanakisch“). Füglein (2003) ist der Meinung, dass diese Tendenz besonders
verbreitet und fast obligatorisch in Routineausdrücken wie Gibt Problem?; Hast du
Problem ist. In den anderen Fällen kann man sowohl die artikellose als auch die
Form mit dem gewöhnlichen Artikelgebrauch benutzen (Deppermann in Auer,
2003:258).
Es werden sowohl Präpositionen und Verschmelzungen von Artikel und Präposition
in lokalen Präpositionalphrasen weggelassen (Deppermann in Auer, 2003:258).
Typische Beispiele aus dem Wortfeld „Schule“ sind: „Isch geh Schule“, „Über
Schule“ usw. (Deppermann in Auer, 2003:258).
Der Maskulin Dativ ist normalerweise der einzige Kasus, der verwendet wird und
alle Substantive werden deshalb im Dativ dekliniert: „da kam dem alte Tuss an Haus
vorbei und hat dem Balg einem krass genmanipulierte Apfeln gegeben“
(„Schneewittschem); und „ Da warn ma swei Typn vor Mc Donalds, dem Stefan Hase

7
und dem Murat Igel“ („Den Fremdländer kannst du nimmer aus der Fresse
wischen“), (Deppermann in Auer, 2003:258).
Die Stellungen des Verbs im Satz werden nicht respektiert. Man findet oft, weil und
Verb wie „Dem Benz is scheissn, weil hat krasse Spoiler“ oder präverbale
Adverbialphrasen deren das Subjekt folgt, wie: „jetzt sie ist“. Prädikate werden
manchmal getilgt, beispielsweise „Vorgestern in Disco alles voll die Fotzen“ („Isch
geh Puff, wie isch Bock hab“). Darüberhinaus enden Fragewörter auf tu oder
su„8 wozu es viele Beispiele in den Texten gibt: „Wenn isch Bock hab, weisstu?, ruf
isch an dem Andy, Alder!“ („Isch geh Schule, wie isch Bock hab“); „ Und fickssu
oder was?“ („Isch geh Puff, wie isch Bock hab“) (Deppermann in Auer, 2003:258).

3.3. Lexik und Diskursorganisation


Der Wortschatz besteht aus ungefähr 300 Wörtern. Ein großer Teil davon (fast ein
Drittel) entfällt auf Kraftausdrücke aus dem Fäkal- und Sexualbereich: Puff, Fotzen,
Spast, Scheissse (manchmal sogar mit vier s geschrieben), Schlampenhure, ficken9.
Hier ist ein kurzer Beispiel aus „Isch geh Puff, wie isch Bock hab“: „Alder, bin ich
schwul oder was? Isch hab schon mehr Tussen gefickt als du gewixt hast. Alder, isch
geh Puff“.
Ein anderer Teil des Wortschatzes besteht aus Automarken und ihre Modellen und
Varianten: 3ern (BMW 3er-Reihe); Schwuchtel-3ern (BMW 316i); Krassn 3ern
(BMW M3); 5ern (BMW 5er-Reihe); schwuler 7ern (BMW 7er Diesel). In dem
Buch „Kanak Sprak“ findet man außerdem Absätze wie der folgende: „Dem Stefan
hatte krasse Benz mit sekksunderten Maschine, dem anderen hatte 3ern mit
einsekksern Maschine“. Der letzte Teil des Wortschatzes fasst die restlichen Wörter
um. Darunter fallen auch die typischen Diskursmarken und die sogenannten
„Attention getters“ (Reinhardt in Mazza, 2013). Die häufigsten und ständig
wiederholten sind weisstu?; hey Alter, (oft auch Alder oder Alda geschrieben),
weisstu wie isch mein, hey Mann und isch schwor. Das lässt sich aus „isch gehe
Schule, weil isch Bock hab“ einfach deutlich festgestellt werden:
„Wenn isch Bock hab, weisstu, ruf isch an dem Handy, Alder! Bleib isch immer
Sitzem, aber muss isch net arbeiten, weisstu wie isch mein? Weisstu, Handy is
korreckt.“

8
http://www.derweg.org/aktuell/aktuell.artikel/103Jugendsprache.html
9
Das Verb ficken hat im Kanak Sprak zwei Bedeutungen: “Sex haben” und „kennen lernen“.
8
Sehr verbreitet sind auch die Verstärker und Evaluativa krass, korrekt (oft auch
korreckt geschrieben) und konkret, wie das Beispiel aus „Deutsches Land is ne
salzige Puffmutti“:„ “Weisstu, dem sieht so korreckt aus“. Charakteristisch für Kanak
Sprak sind auch Hyperbeln. Besonderes gebraucht sind voll und echt, so findet man
häufig Sätze wie„ ich brauch mich nicht nach miesem geschäft umlugen, denn so 'n
mieses geschäft ist auf lange sicht echt für'n arsch“; („Deutsches Land is ne salzige
Puffmutti“); „Plötzlich kamm voll den krasse Frau und fragt: "Was geht, warum
beisst ihr in meine Haus?"( aus „Hänsel und Gretel auf Kanakisch“).
Die Wortbildung mit den Präfixen scheiss-, arsch- und ober, die sowohl Substantive
als auch Adjektive bilden, ist auch bemerkenswert: „das passiert hier vor ort: da is ne
oberschlechte spukfee“; „hab echt die arschkarte gezogen“; Alder, dein Maschine is
scheissndreck!". Hier eine Liste der häufigsten Wörter und Ausdrücke auf Kanak
Sprak mit den entsprechenden deutschen Übersetzungen.
DEUTSCH KANAK SPRAK
Andersartiger Bastard
Arschloch Spast
Autoreifen Schlappen
BMW 3er-Reihe 3ern
BMW 3er Compact Tussn-3ern
BMW 316i Schwuchtel-3ern
BMW M3 Krassn 3ern
BMW 3er Diesel schwuler 3ern
BMW 5er-Reihe 5ern
BMW 5er Diesel schwuler 5ern
BMW 7er-Reihe 7ern
BMW 7er Diesel schwuler 7ern
Bruder Brudern
Busfahrer Wixer
das Ganze dem Gansn
Dumm schwul
dummes Arschloch schwuler Spast
es ist mir egal scheiss mir egal
Geschlechtsverkehr haben ficken
gestohlen gerippt
Gut korreckt
Idiot Arschnloch
junge Frau Tuss
junger Mann Typ
kennenlernen ficken
Kind Balg
Mercedes 190er 190ern
Mercedes E-Klasse Benz
Mercedes S-Klasse S-Benz
Mist Scheissndreck

9
Schwester Schwesthern
starkes Solarium krasse Turbo
Vater Vathern
Wasser Wasshern

Zusammenfassung
Obwohl es schwierig ist, eine gute Definition dafür zu sorgen, wird Kanak Sprak
generell als ein Ethnolekt bezeichnet. Linguisten unterscheiden zwischen drei
Formen des Ethnolekts: dem primären, dem sekundären und dem tertiären
Ethnolekt. Der primäre Ethnolekt wird von türkischen Jugendlichen der zweiten
und dritten Generationen gesprochen. Der sekundäre Ethnolekt ist eine Stilisierung
des primären Ethnolekts und wird in Medien verwendet. Der tertiäre Ethnolekt wird
von deutschen und drittethnischen Jugendlichen gebraucht. Wenn die Benutzer den
Ethnolekt verwenden, ohne zwischen fremden und eigenen Stil zu unterscheiden,
wird Kanak Sprak zum Soziolekt. Kanak Sprak ist eine Varietät die alle
Sprachebene betrifft, d.h. Phonetik und Phonologie (z.B. [x][ʃ]; /ts//s/),
Morphosyntax (z.B. Veränderung der Genera und der Dativ als der einzige Kasus)
und Lexik (z.B. viele Schimpfwörter, Diskursmarken, Hyperbeln).

10
Literatur

 Androutspoulos, J. 2000, Ultra korregd Alder!Zur medialen Stilisierung und


Popularisierung von "Türkendeutsch", Essen: Universität GH Essen.
 Auer, P. 2003‚ Türkenslang‘:Ein jugendsprachlicher Ethnolekt des Deutschen
und seine Transformationen in Buhofer, H. 2003, Spracherwerb und Lebensalter,
Tübingen: A.Francke Verlag Tübingen und Basel
 Deppermann, A. 2007, Playing with the voice of the other: Stylized
Kanaksprak in conversations among German adolescents in Auer, P. 2007, Style and
social identities- Alternative approaches to Linguistic Heterogeneity, Berlin: Mouton
de Gruyter.
 Füglein, R. 2000: Kanak Sprak. Eine ethnolinguistische Untersuchung eines
Sprachphänomens im Deutschen. Auer, P. 2003‚ Türkenslang‘:Ein jugendsprachlicher
Ethnolekt des Deutschen und seine Transformationen in Buhofer, H. 2003,
Spracherwerb und Lebensalter, Tübingen: A.Francke Verlag Tübingen und Basel
 Kallmeyer, W. und Keim,I. 2004 , Deutsch- türkische Kontaktvarietäten. Am
Beispiel der Sprache von deutsch-türkischen Jugendlichen, in Moraldo, M. und
Soffritti, M., 2004, Deutsch aktuell: Einführung in die Tendenzen der deutschen
Gegenwartssprache, Roma: Carocci Editore
 Ravetto, M. 2013, Il tedesco e le sue varietà, in Mazza, D. 2013, La lingua
tedesca- Storia e testi, Roma: Carocci editore.
 Reinhardt, M. 2013, Jugendsprachen-linguaggi giovanili, in Mazza, D. 2013,
La lingua tedesca- Storia e testi, Roma: Carocci editore.
 Tertilt, H. 1996, Turkish Power Boys. Ethnographie einer Jugendbande in
Auer, P. 2003‚ Türkenslang‘:Ein jugendsprachlicher Ethnolekt des Deutschen und
seine Transformationen in Buhofer, H. 2003, Spracherwerb und Lebensalter,
Tübingen: A.Francke Verlag Tübingen und Basel

Webseiten
Kanak Sprak
 http://www.daturkishstyle.wg.am/_kanakisch_.html
11
 http://www.derweg.org/aktuell/aktuell.artikel/103Jugendsprache.html
 http://www.feridun zaimoglu.com
 http://www.goethe.de/lhr/prj/mac/msp/en1398809.htm
Texte
 http://www.fluter.de/de/sprachen/heft/9536
 http://www.google.de/imgres?
biw=1366&bih=667&tbm=isch&tbnid=UFXXu17FMqTqjM%3A&imgrefurl=http
%3A%2F%2Farminheller.com%2F2012%2F09%2Fkanak-sprak
%2F&docid=1CgnjF--nV0wRM&imgurl=http%3A%2F%2Farminheller.com
%2Fwp-content%2Fuploads%2F2012%2F11%2FDie-B%2525C3%2525ADtch-
ist-
tot.jpg&w=645&h=634&ei=JGskU4HtCOi70QWJhoHAAg&zoom=1&iact=rc&d
ur=665&page=1&start=0&ndsp=23&ved=0CGoQrQMwBw
 http://parapluie.de/archiv/generation/kanaksprak/
 http://www.sueddeutsche.de/wissen/kanak-sprak-wallah-wir-sind-jetzt-neues-
thema-1.631659

12

Das könnte Ihnen auch gefallen