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Die bis heute erhaltenen Besagungslisten sprechen Bände. Hexenprozesse gegen einzelne Personen waren selten, denn
zumindest beim Hexensabbat muss sich der Angeklagte angeblich mit anderen Hexen getroffen haben. Die teilweise
und mancherorts übliche öffentliche Verlesung von Geständnissen und der Listen der Besagten tat ein übriges: Sie
wirkte wie eine Einladung zu neuen Verdächtigungen.
7. Viele Opferzahlen waren zu hoch gegriffen
Viele Zahlangaben sind entschieden zu hoch gegriffen. Vor allem
in der Frauenbewegung wurden bisweilen masslos übersteigerte
Zahlen genannt. Die feministische Zeitschrift "Woman Hating"
zum Beispiel schätzte 1974 die Zahl auf neun Millionen. Histori-
ker geben die Zahl der Hinrichtungen zwischen 1450 und 1750 in
ganz Europa und der Neuen Welt mit 60 000 bis 110 000 an.
Selbst wenn man hohe Aktenverluste annimmt, ist nach einer
Schätzung des renommierten Hexenforschers Franz Irsigler von
der Universität Trier die Zahl der Hinrichtungen "nicht wesentlich
höher als 80 000". Andere sind noch zurückhaltender, sprechen
von ca. 60 000 Toten. [Abbildung rechts: Zahlen der wegen Hexerei
Hingerichteten in Südwestdeutschland in der Frühen Neuzeit >>]
8. Evangelische und katholische Hexenjäger waren gleich fleissig
Die Konfessionen haben keinen grossen Einfluss auf die Zahl der Prozesse. Die spanische Halbinsel – allerdings ohne
die Pyrenäen – und Süditalien sind weitgehend frei von Hexenprozessen geblieben, wie der Historiker Gerhard Schor-
mann schreibt. In Irland, England, Skandinavien und in Polen, Böhmen und Ungarn hat es offensichtlich weniger Opfer
gegeben als in den Kernländern der Hexenprozesse: Frankreich, Norditalien, Alpenländer, Deutschland, Beneluxländer
und Schottland. Wichtiger als konfessionelle Zugehörigkeit waren soziale und wirtschaftliche Krisensituationen und die
Anwesenheit von besonders engagierten Hexenjägern. So konnte in zwei nebeneinander liegenden Territorien die Ent-
wicklung gegenläufig sein. Wichtig war auch, ob die Obrigkeit die Hexenjagd förderte oder zumindest billigte.
9. Die weltlichen Gerichte taten sich besonders negativ hervor
Hexenjagd – ein kirchliches Anliegen? Als die grossen Hexenverfolgungen in Wellen durch Europa liefen, im späten
16. und im 17. Jahrhundert, taten sich die weltlichen Richter ebenso wie die geistliche Führungsschicht der Länder mit
ihrem Hexenwahn hervor. Auf dem Höhepunkt des Hexenwahns spielte die kirchliche Gerichts-
barkeit im Vergleich zur weltlichen kaum noch eine Rolle. "Die Verantwortung verteilt sich brei-
ter, als nach der älteren, zum Teil noch vom Kulturkampf beeinflussten Forschungsdiskussion
anzunehmen war", urteilte der Trierer Forscher Franz Irsigler. Es war auch zuvor schon keines-
wegs so, als ob die Inhalte des „Hexenhammers“ widerspruchslos von der kirchlichen Hierarchie
übernommen worden wären. Ein Brixener Bischof erklärt dessen Autor Institoris sogar für ver-
rückt. [Der „Hexenhammer“ (lat. Malleus maleficarum) von Heinrich Institoris aus dem Jahre 1487 war
ein Handbuch für die Hexenverfolgung.]
10. Universitäten prüften und bestätigten viele Urteile
Für die Hexenprozesse galten hohe wissenschaftliche Standards, die Urteile galten als "wissenschaftlich abgesichert".
Todesurteile wurden in aller Regel von Universitäten gegengeprüft. Dies entspricht einer Empfehlung des Strafgesetz-
buches von 1532, der Carolina ("Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V."). Sie hatte die Einbeziehung von juris-
tischen Fakultäten angeregt, deren Entscheidung dann aber auch als rechtverbindlich galt. Neben juristischen erstellten
auch theologische Fakultäten Gutachten. Die meisten Hexenprozesse fanden vor der geistigen Öffentlichkeit ihrer Zeit
statt. Das war allerdings keine Garantie für eine liberalere Handhabung des Strafrechts. Im Gegenteil: Die Rintelner
Juristenfakultät (Westfalen) vertrat sehr harte Standpunkte gegen die beschuldigten Frauen. In der Juristenfakultät in
Halle gab es verschiedene Fraktionen.
11. Die Hexenprozesse – einträgliches Geschäft für die Richter
Und immer wieder das liebe Geld. Stärker noch als sadistische oder dogmatische Gründe spielten wirtschaftliche eine
Rolle: Die Prozesskosten waren erheblich. Verdient haben die Richter und Henker, nicht aber die Lehnsherren. Grund-
sätzlich galt: Die Angeklagten oder ihre Familien mussten die Kosten bezahlen. Waren die Beschuldigten zu arm, um
die Kosten selbst zu tragen, erklärten sich bisweilen die Gemeinden oder Einzelpersonen bereit, für die Kosten aufzu-
kommen. Das Gerichtspersonal liess es sich vielerorts auf Kosten der Angeklagten gut gehen: Sie speisten und tranken
viel und anspruchsvoll und amüsierten sich dabei ordentlich. Mit Rechtsverordnungen mussten die Spesensätze be-
grenzt werden (wie zum Beispiel in Trier 1591).
12. Die Hexenverfolgung: ein Betätigung ganzer Dörfer
Bei aller Verwunderung über den Hexenwahn der Menschen darf man nicht vergessen: Aberglaube war allgemein stark
verbreitet, auch im kirchlichen Bereich. Sie war keineswegs nur auf die unmittelbar Beteiligten der Hexenprozesse
begrenzt. Im Gegenteil: Ganze Dörfer machten Druck auf die Hexenjäger und Richter, um bestimmte Menschen loszu-
werden. Zum Teil nahm die Bevölkerung Verdächtige auch selbst gefangen und führte sie den Richtern zu. Spätestens
bei dieser Erkenntnis wird deutlich, dass die Verfolgung von Hexen ein Anliegen weiter Bevölkerungskreise war. Die
Hexenverfolgungen waren ganz eindeutig ein Massenwahn.
Quelle: https://www.luther2017.de/kr/wiki/hexen/hexenverfolgung-was-sind-mythen-was-historische-wahrheiten/ (Zugriff:
24.2.2015).