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Julia Engelmann – One Day (2013)

Eines Tages, Baby,


werden wir alt sein,
oh, Baby, werden wir alt sein
und an all die Geschichten denken, 1
Keinsten: Auf keinen Fall
die wir hätten erzählen können. 2
Patronus: hier Beschützer (Ironie)
5
Dopamin: Glückshormon
Ich, Mein Dopamin5 das spar' ich immer,
ich bin der Meister der Streiche, falls ich es mal brauche
wenn´s um Selbstbetrug geht, und eines Tages, Baby,
Ich bin ein Kleinkind vom Feinsten, da werde ich alt sein,
wenn ich vor Aufgaben steh, Ohh, Baby, werde ich alt sein
Bin ein entschleunigtes Teilchen, und an all die Geschichten denken,
kann auf Keinsten1 was reißen, die ich hätte erzählen können.
Lass mich begeistern für Leichtsinn – wenn ein andrer ihn lebt.
Und du?
Und ich denke zu viel nach, Du murmelst jedes Jahr neu an Silvester
Ich warte zu viel ab, die wieder gleichen Vorsätze treu in dein Sektglas und Ende Dezember
Ich nehm mir zu viel vor, stellst du fest, dass du
Und ich mach davon zu wenig. recht hast, wenn du sagst, dass du sie dieses Jahr schon wieder
Ich halt mich zu oft zurück, vercheckt hast.
Ich zweifel alles an, Dabei sollte für dich 2013 das erste Jahr
Ich wäre gerne klug - vom Rest deines Lebens werden,
Allein das ist ziemlich dämlich. du wolltest abnehmen,
früher aufstehen,
Ich würde gern so vieles sagen, öfter rausgehen,
Aber bleibe meistens still, mal deine Träume angehen,
Weil, wenn ich das alles sagen würde, Wär das viel zu viel. mal die Tagesschau sehn,
Ich würd gern so vieles tun, für mehr Smalltalk, Allgemeinwissen, aber,
Meine Liste ist so lang, so wie jedes Jahr, obwohl du nicht damit gerechnet hast, kam dir mal
Aber ich werd eh nie alles schaffen – Also fang ich gar nich' an. wieder dieser Alltag dazwischen.

Stattdessen häng' ich planlos vorm Smartphone, Wart' bloß auf den Unser Leben, ist ein Wartezimmer,
nächsten Freitag. 'N "Ach, das mach' ich später" niemand ruft uns auf,
Ist die Baseline meines Alltags. unser Dopamin das spar'n wir immer
Ich bin so furchtbar faul falls wir’s nochmal brauchen,
Wie ein Kieselstein am Meeresgrund. Ich bin so furchtbar faul, und wir sind jung und haben viel Zeit,
Mein Patronus2 ist ein Schweinehund. Mein Leben ist ein warum soll'n wir was riskier'n?
Wartezimmer, Wir woll'n doch keine Fehler machen,
Niemand ruft mich auf. woll'n doch nichts verlieren
und es bleibt so viel zu tun.
Unsere Listen bleiben lang,
und so geht Tag für Tag ganz still ins unbekannte Land.

Und eines Tages, Baby,


da werden wir alt sein,
Ohh, Baby werden wir alt sein,
Und an all die Geschichten denken,
die wir hätten erzählen können.

5. Phase: Identität versus Identitätsdiffusion Pädagogik


Q1, 1. Halbjahr
Frau Keuler

Und die Geschichten, die wir dann stattdessen erzählen, lass mal werden wer wir sein wolln.
werden traurige Konjunktive3sein wie: Wir haben schon viel zu lang' gewartet,
„Einmal bin ich fast einen Marathon gelaufen lass mal Dopamin vergolden.
und hätte fast die Buddenbrooks gelesen, Der Sinn des Lebens ist leben.
und einmal wär' ich fast bis die Wolken wieder lila war'n noch wach - Das hat schon Casper gesagt.
geblieben, Let’s make the most of the Night
und fast, fast hätten wir uns mal demaskiert - Das hat schon Ke$ha gesagt
und hätten gesehen, wir sind die gleichen,
und dann hätten wir uns fast gesagt, wie viel wir uns bedeuten“ – Lass uns möglichst viele Fehler machen
Werden wir sagen und möglichst viel aus ihnen lernen,
Und das wir bloß faul und feige waren, lass uns jetzt schon Gutes säen, damit wir
das werden wir verschweigen später Gutes ernten.
und uns heimlich wünschen Lass uns alles tun, weil wir können und nicht müssen, Weil
noch ein bisschen hier zu bleiben, jetzt sind wir jung und lebendig
wenn wir dann alt sind und unsere Tage knapp — und und das soll ruhig jeder wissen
das wird sowieso passieren — und unsre Zeit die geht vorbei.
dann erst werden wir kapieren, Das wird sowieso passieren,
wir hatten nie was zu verlieren, und bis dahin sind wir frei,
denn das Leben, das wir führen wollen, und es gibt nichts zu verlieren.
das könn' wir selber wählen,
also lass uns doch Geschichten schreiben, 3
Konjunktiv: Möglichkeitsform
die wir später gern erzählen, Lass uns uns mal demaskieren
lass uns nachts lange wachbleiben, und dann seh'n wir sind die Gleichen,
aufs höchste Hausdach der Stadt steigen, und dann könn' wir uns ruhig sagen,
lachend und vom Takt frei die allertollsten Lieder singen. Lass dass wir uns viel bedeuten,
uns Feste wie Konfetti schmeißen, denn das Leben, was wir führen wollen,
sehn wie sie zu Boden reisen und das können wir selber wählen.
die gefall'nen Feste feiern, bis die Wolken wieder lila sind.
Also: Los!
Und lass mal an uns selber glauben, Schreiben wir Geschichten, die wir später gern erzählen! Und
ist mir egal ob das verrückt ist, eines Tages, Baby,
und wer genau guckt sieht, da werden wir alt sein,
dass Mut auch bloß ein Anagramm4von Glück ist. Und Ohh, Baby, werden wir alt sein,
wer immer wir auch waren, Und an all die Geschichten denken,
die für immer unsre sind.
4
Anagramm: Buchstabenfolge bezeichnet, die aus einer anderen Buchstabenfolge allein durch Umstellung der Buchstaben gebildet ist, z. B.
ist Erbgut ein Anagramm zu Betrug.
5. Phase: Identität versus Identitätsdiffusion Pädagogik
Q1, 1. Halbjahr
Frau Keuler

Nr.2
Welche Probleme werden im Hinblick auf Identität angesprochen?

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