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Bruno Snell

Bruno Snell (* 18. Juni 1896 in Hildesheim; † 31. Oktober 1986 in Hamburg) war ein klassischer
Philologe, Hochschullehrer, Universitätsdekan und -rektor. Er betätigte sich in erster Linie als Gräzist.

Inhaltsverzeichnis
Leben
Schriften (Auswahl)
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise

Leben
Bruno Snell wurde als Sohn des Psychiaters Otto Snell (1859–1939) geboren. Der Absolvent des
Johanneums Lüneburg studierte zunächst Rechtswissenschaften und Nationalökonomie in Edinburgh und
Oxford. Snell befand sich in England, als der Erste Weltkrieg ausbrach, und verblieb dort während des
Krieges als englischer Zivilgefangener.[1] Anschließend wandte er sich dem Studium der Klassischen
Philologie in Leiden, Berlin, München und Göttingen zu. Nach seiner Promotion 1922 in Göttingen
habilitierte er sich 1925 an der Universität Hamburg über Die geistesgeschichtliche Stellung der
aischyleischen Tragödie. Anschließend ging er als deutscher Lektor nach Pisa. Von 1931 bis 1959 hatte er
in Hamburg den Lehrstuhl für Klassische Philologie inne. 1944 begründete er dort die heute noch
arbeitende Forschungsstelle „Thesaurus Linguae Graecae“.

Snell war ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Er nutzte im Jahre 1935 eine Miszelle in der
Zeitschrift Hermes,[2] um kaum versteckt gegen die Politik Hitlers und gegen die Mitläuferei seiner
Landsleute Stellung zu nehmen. Dort wies er darauf hin, dass in der altgriechischen Sprache – anders als im
Lateinischen und im Deutschen – die Lautäußerung des Esels mit „O-o“ artikuliert wurde. Dies wurde mit
einem besonders langen Omega wiedergegeben, das – so Snell – für jeden Griechen klar als „uh, uh“ (οὐ,
οὐ) erkennbar war, ein Wort, das im Griechischen „nein“ bedeutet. Der Unterschied von O-o zu οὐ-οὐ sei
eine „nur geringe Abweichung, die dem Griechen noch weniger auffiel als uns“, da der Anfangsbuchstabe
des Verbs, mit dem das Rufen des Esels benannt wird, nämlich ὀγκᾶσται, auch οὖ genannt wurde. Somit
konnte der Esel als Neinsager erscheinen. Snell schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung: „Es stellt
sich also heraus, daß das einzige wirkliche Wort, das ein griechischer Esel sprechen konnte, das Wort für
‚nein‘ war, während kurioserweise die deutschen Esel gerade umgekehrt immer nur ‚ja‘ sagen.“ Damit
nahm er auf die Plakate Bezug, mit denen die NS-Regierung an Litfaßsäulen und öffentlichen Gebäuden im
ganzen Lande für das „Ja“ zur Wahl Hitlers zum Reichspräsidenten 1934 geworben hatte. Die Deutschen
hatten mit 89,9 % dem Gesetz zur Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers
zugestimmt. Im Wiederabdruck des Textes im Rahmen von Snells 1966 erschienenen ‚Gesammelten
Schriften‘ erläuterte er den Hintergrund und die ‚eigentliche‘ Bedeutung des Aufsatzes.[3]

Von 1945 bis 1946 leitete Snell als erster Dekan nach dem Zweiten Weltkrieg die Philosophische Fakultät
der Hamburger Universität, von 1951 bis 1953 stand er ihr als Rektor vor. Darüber hinaus hatte er großen
Anteil an der Einrichtung der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften 1947 sowie an der
Gründung der Mommsen-Gesellschaft 1950. Des Weiteren wurde auf Snells Initiative hin 1953 das
Europa-Kolleg Hamburg gegründet. Snell war zudem eine Führungsfigur im Hamburger Büro des
Kongresses für kulturelle Freiheit. Seit 1955 gehörte Snell dem Wissenschaftlichen Beirat der
Sachbuchreihe Rowohlts deutsche Enzyklopädie an.

Snells Werk zeichnet sich durch akribische metrische Analysen und eingehende Berücksichtigung von
Papyrusfunden aus. So erstellte er Ausgaben des Bakchylides und des Pindar sowie zwei Bände der
Tragicorum Graecorum Fragmenta. Außerdem begründete er das Lexikon des frühgriechischen Epos.
Snell war Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, München, Wien, Kopenhagen,
London, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie des P.E.N. Er war Mitherausgeber der
Zeitschriften Philologus, Antike und Abendland und Glotta.

Er erhielt 1975 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft


und Kunst. 1977 wurde er Mitglied des Ordens Pour le mérite für
Wissenschaften und Künste. Im Gedenken an Bruno Snell verleiht
die Mommsen-Gesellschaft seit 1989 jährlich den Bruno-Snell-Preis
für herausragende Arbeiten junger Forscher im Bereich des
griechisch-römischen Altertums.

Über die Bedeutung des antiken Griechentums konstatierte Snell:


„Unser europäisches Denken hebt an bei den Griechen. (…) Dies
Anonymer Urnenhain beim
Verhältnis der Sprache zur wissenschaftlichen Begriffsbildung lässt
Riedemann-Mausoleum auf dem
sich, streng genommen, nur am Griechischen beobachten, da nur Friedhof Ohlsdorf
hier die Begriffe organisch der Sprache entwachsen sind: nur in
Griechenland ist das theoretische Bewusstsein selbstständig
entstanden, (…) alle anderen Sprachen zehren hiervon, haben entlehnt, übersetzt, das Empfangene
weitergebildet.“[4]

Bruno Snell wurde auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf, Planquadrat AD 10 (Anonymer Urnenhain vor
dem Riedemann-Mausoleum gegenüber Kapelle 8), beigesetzt.[5]

Schriften (Auswahl)
Leben und Meinungen der Sieben Weisen. Griechische und lateinische Quellen aus 2000
Jahren. Mit der deutschen Übertragung. Heimeran, München 1938.
Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den
Griechen. Claassen & Goverts, Hamburg 1946.
Der Aufbau der Sprache. Claassen, Hamburg 1952.
Griechische Metrik (= Studienhefte zur Altertumswissenschaft. H. 1, ZDB-ID 503258-1).
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1955.

Literatur
Zum Gedenken an Bruno Snell (1896–1986). Ansprachen auf der Akademischen
Gedenkfeier am 30. Januar 1987 (= Hamburger Universitätsreden. Band 46). Pressestelle
der Universität Hamburg, Hamburg 1988.
Ernst Vogt: Bruno Snell: 18.6.1896 – 31.10.1986. In: Jahrbuch der Bayerischen Akademie
der Wissenschaften. Jahrgang 1989, München 1990, S. 198–202.
Ernst Vogt: Snell, Bruno. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker &
Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 518 f. (Digitalisat).
Tobias Joho: Snell, Bruno. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der
Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band
6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 1170–1172.
Gerhard Lohse: Bruno Snell und Hermann Fränkel. Zu einem Berufungsverfahren an der
Universität Hamburg 1930/31. In: Antike und Abendland. Band 60, 2014, S. 1–20.
Gerhard Lohse: Bruno Snell (1896–1986). Geisteswissenschaft und politische Erfahrung im
20. Jahrhundert (= Wissenschaftler in Hamburg, Band 6), Göttingen 2023, ISBN 978-3-8353-
5408-1.

Weblinks
Literatur von und über Bruno Snell (https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&q
uery=118797786) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von und über Bruno Snell (https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/11
8797786) in der Deutschen Digitalen Bibliothek
Personalbogen von Bruno Snell in der Personalkartei der Gutachterstelle des BIL (https://arc
hivdatenbank.bbf.dipf.de/actaproweb/archive.xhtml?id=Vz++++++0cf6d6c9-664e-4ed1-86e9
-e5bb3220a1be) in der Archivdatenbank der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche
Forschung (BBF)
Seiten über Bruno Snell beim Johanneum Lüneburg (https://web.archive.org/web/20010224
021725/http://www.fh-lueneburg.de/u1/gym03/homepage/chronik/snell/snell.htm) (Memento
vom 24. Februar 2001 im Internet Archive)
Der Nachlass befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek (https://opacplus.bsb-muenc
hen.de/search?oclcno=879674180&db=100)

Einzelnachweise
1. Personaldaten von Lehrern und Lehrerinnen Preußens (https://web.archive.org/web/201701
03140925/http://bbf.dipf.de/kataloge/archivdatenbank/digiakt.pl?id=p183939&dok=PEB-011
7&f=PEB-0117-0333-01&l=PEB-0117-0333-04&c=PEB-0117-0333-04) (Memento vom 3.
Januar 2017 im Internet Archive)
2. Bruno Snell: Das I-Ah des Goldenen Esels. In: Hermes 70, 1935, S. 355 f.
3. Siehe dazu Dirk Werle: Changieren. Ernesto Grassis Konzeption von ‚Humanismus‘ (1935–
1942). In: Andrea Albrecht u. a. (Hrsg.): Die akademische „Achse Berlin-Rom“?
Berlin/Boston 2017, hier: S. 198, Anm. 49; Hans Peter Obermayer: Deutsche
Altertumswissenschaftler im amerikanischen Exil. Eine Rekonstruktion. Berlin/Boston 2014,
S. 305.
4. Bruno Snell: Die Entdeckung des Geistes, Göttingen 1986, S. 7, 205.
5. Prominenten-Gräber (https://www.friedhof-hamburg.de/besucher/prominente/)

Normdaten (Person): GND: 118797786 | LCCN: n81116818 | NDL: 00457047 | VIAF: 108234736 |

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