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HELMUT PREIDEL -
ZWISCHEN DEUTSCHER UND TSCHECHISCHER ARCHÄOLOGIE
Sudetendeutsche Historiker im Jahre 1950 über die „historische Mission der Deutschen
in den Sudetenländern". Zitiert aus d er E inführung. In: Preidel, Helmut (Hg.): Die Deut-
schen in Böhmen und Mähren . Ein historischer Rückblick. Gräfelfing bei München 1950,
7 f. - Vgl. die Arbeitsstelle „Historische Stereotypenforschung" in Oldenburg http://
www.bohemistik.de /quellentexte.html (zuletzt eingesehen am 9.9.2004}. Das Zitat ist
Preidel nicht sicher zuzuschreiben, da diese Einführung nicht namentlich gekennzeichnet
ist. Sie kann daher auch von einem Autorenkollektiv verfasst worden sein.
2 Dazu neuerdings S klendf, Kare! / S klendfovd, Z uzana: Biograficky slovnik ceskych, morav-
skych a slezskych archeologu a jejich spolupracovniku z pribuznf,ch oboru (Biographi-
sches Lexikon der böhmischen, mährischen und schlesischen Archäologen und ihrer Mit-
arbeiter aus verwandten Gebieten] . Praha 2005, 459 f.
202 Stefan Albrecht
1966, also von seinem ersten Studienjahr bis zur Abfassung seiner letzten Mo -
nographie, mit einem Schwerpunkt auf den 1930er und 1940er Jahren des ver-
gangenen Jahrhunderts.
Die Erforschung der eigenen Vergangenheit geht auch bei den Prähistorikern
mit großen Schritten und einigen Tagungen voran, im Zentrum steht dabei die
Rolle jener „hervorragend deutschen Wissenschaft" in der Zeit der national-
sozialistischen Herrschaft in Deutschland. 3 Der Prähistoriker Preidel kam hier
bislang nicht vor. E ine Forscherbiographie Preidels darf sich zunächst auf Vor- C
arbeiten des Brüxer Archäologen Jan Blazek stützen, der sich in den letzten \
Jahren häufiger zu Preidels Tätigkeit in der Zwischenkriegszeit geäußert hat. e
Ferner erschienen 1980/81 zwei Nekrologe, der eine in den „Südost-Forschun-
F
gen", der andere in den „Archeologicke rozhledy" (Archäologische Rundschau). s
Aus dem Jahr 1961 gibt es ein Biogramm Preidels in Jan Filips „Enzyklopädi-
schem Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas". Von Preidels Schrift-
verkehr ist einiges in tschechischen Archiven in Leitmeritz (Litomehce), Brüx
(Most), Laun (Louny) sowie im Archiv der Tschechischen Akademie der Wis-
senschaften zu Prag erhalten, aus denen Blazek schöpfte. Ferner ist sein Brief- 2
wechsel mit Wilhelm Wostry aus den Jahren 1938 bis 1939 sowie mit Jaroslav d
Böhm von 1940 bis 1942 (beides in Prag) und mit dem Schweizer Archäologen z
Karl Keller-Tarnuzzer (in Basel) erhalten. a
In Hinblick auf die unmittelbare Vorgeschichte bis zur Gründung der Histo-
rischen Kommission ist seine Korrespondenz mit Fritz Valjavec aus den Jahren d
von 1938 bis 1947 mit einer Lücke von Ende 1940 bis April 1942 von großer 1c
Bedeutung. Eine wertvolle Quellengruppe, die von Preidels Akzeptanz in der S(
zeitgenössischen Wissenschaft Zeugnis gibt, ist die Resonanz vor allem auf sei- t2
ne synthetischen Arbeiten.
Preidel wurde am 17. Mai 1900 in Bodenbach an der Elbe (Podmokly) als e1
Lehrersohn geboren. Seit 1912/ 13 im Gymnasium, maturierte er 1920 am n,
Staats-Oberrealgymnasiums in Tetschen (Decin) und inskribierte sich daraufhin V<
an der Universität Berlin in den Fächern Geschichte und Geographie, wo er te
unter anderem bei Gustaf Kossinna studierte. Promoviert wurde er 1924 in b<
Halle. Der Grund für die Promotion in Halle bei Hans Hahne dürfte gewesen se
sein, dass in Berlin prähistorische Archäologie bis Ende 1924 weder als Haupt- B,
fach noch als Nebenfach für die Promotion zugelassen war, da Kossinna als lo
Extraordinarius kein Prüfungsrecht hatte. 4 te
1925 trat er eine Stelle als Lehramtskandidat und Hilfslehrer am staatlichen \V:
Oberrealgymnasium in Brüx an. Nach einigen Ortswechseln kam er 1932 ans
3 Steuer, Heiko, unter Mitarb. von Hake!berg, Dietrich (Hg.): Eine hervorragend nationale
Wissenschaft. Deutsche Prähistoriker zwischen 1900 und 1995. Berlin 2001 (Reallexikon
der Germanischen Altertumskunde, Erg.-Bd. 29).
4 Griinert, Hans: Gustaf Kossinna (1858- 1931 ). Vom Germanisten zum Prähistoriker. Ein
Wissenschaftler im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Rahden 2002, 280. - 7
Diese Regelung wurde nach dem Ersten Weltkrieg verschärft angewandt, Kossinna w ar 8
bei seinen Kollegen nicht sonderlich beliebt. 9
Helmut Preidel - zwischen deutscher und tschechischer Archäologie 203
***
Zunächst möchte ich mich der Frage zuwenden, wie das Bild Preidels als „su-
detendeutscher Historiker" entstanden sein mag. Ich konzentriere mich dabei
zum einen auf Preidels archäologische Ideen sowie ihre Rezeption und zum
anderen auf seine wissenschaftlich-persönlichen Beziehungen.
Preidel publizierte neben vier großen Synthesen eine Reihe von Aufsätzen in
den verschiedensten Organen. Gleich zu Beginn seines Auftretens als Archäo-
loge stand zudem seine Herausgeberschaft der Zeitschrift der „Deutschen Ge-
sellschaft für Vor- und Frühgeschichte in der Tschechoslowakei",7 der „Sude-
ta", in der er selbst häufig publizierte und rezensierte.
Die Zeitschrift selbst wurde in der deutschen Wissenschaft wohlwollend als
ein Organ aufgenommen, das - wie es beim Münchner Archäologen Paul Rei-
necke hieß - ,,uns einen Einblick in wesentliche Darlegungen der tschechischen
vor- und frühgeschichtlichen Literatur vermittelt, wie vor mehreren Jahrzehn-
ten das einmal kurze Zeit hindurch die Wiener Anthropologische Gesellschaft
besorgt hat." 8 Über Preidels Fähigkeiten als Prähistoriker urteilte jedoch der-
selbe Reinecke wegen dessen Aufsatzes „Germanen in Böhmen im Spiegel der
Bodenfunde" sehr zurückhaltend und nannte Preidel einen „historisch-archäo-
logisch-kunstgeschichtlich minder Geschulten". 9 Preidels kleinere Notizen lob-
te er hingegen. Ähnlich war auch die Reaktion des Wiener Prähistorikers Os-
wald Menghin auf eine der ersten Arbeiten Preidels, ,,Die Vor- und Frühge-
5 Blazek , Jan: Helmut Preidel. In: Archeologicke rozhledy 52 (2000) 373-375. - Preidels
Schwiegervater und sein Schwager Ernst wurden nach Theresienstadt (Terezin) gebracht
und 1942 ermordet.
6 Filip, Jan: Enz yklopädische s Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas. Bd. II .
Stuttgart-Berlin-Köln 1969, 1089 f.
7 Mitglieder waren hier u. a. Wilhelm Wostry, Ernst Schwarz und Leonhard Franz .
8 R einecke, Paul: Sudeta. In: Germania 11 (1927) 181-183.
9 E benda 182.
204 Stefan Albrecht
16 Preidel an Wostry vom 2.3.1938. AA VCR Prag, fand Wilhelm Wostry, karton 2, i.c. 173,
Preidel Helmut. passim.
17 Für sachliche Mängel und gegen politische oder persönliche spricht die Tatsache, dass
Hans Zatschek es ablehnte, die Arbeit „Germanen in Böhmens Frühzeit" (Karlsbad-Dra-
howitz 1938) mit einem Druckkostenzuschuss zu fördern, da sie nicht dem Stand der
Forschung entspreche. Pfitzner hingegen nahm Preidel in Schutz und sprach sich für die
Gewährung eines Zuschusses der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Küns-
te für die Tschechoslowakische Republik in Prag aus, ,,weil es sich beim Kraft-Verlage
nicht um ein rein privatwirtschaftliches kapitalistisches Unternehmen, sondern um einen
Gemeinschaftsverlag handelt, aus dem auch die Volksgemeinschaft Nutzen zieht." Gut-
achten Pfitzner vom 19.11 .1937, Gutachten Zatschek vom 18.11.1937. AAVCR Prag, Be-
stand der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaft und Künste für die Tschechoslowa-
kische Republik./Deutsche Akademie der Wissenschaften in Prag, Korespondence, Prei-
del Helmut, Karton 39. - Der ansonst Preidel gegenüber recht kritische Leonhard Franz
war mit der Förderung Preidels einverstanden; ebenda. (Franz äußerte sich gelegentlich
unzufrieden über Preidels Grabungen auf dem Rubinberg bei Podersam (Podb ofany), die
die Gesellschaft über längere Zeit hindurch mitfinanzierte. L. Franz an die Deutsche Ge-
sellschaft der Wissenschaften vom 4.6.1935; ebenda. - In seiner Korrespondenz mit Karl
Keller-Tarnuzzer spricht Preidel davon, dass seine Habilitation in Prag „seinerzeit hinter-
trieben" wurde. Preidel an Keller-Tarnuzzer vom 15.2.1947. Archiv der Schweizerischen
Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte Basel (ASGUF), ohne Signatur. Kopien vermit-
telt durch Hansjörg Brem, Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, dem ich an dieser
Stelle sehr herzlich danke. - Die erwähnte „Abschrift eines Gutachten des letzten i'sl.
Rektors der Deutschen Universität in Prag" [Ernst Otto] (Preidel an Keller-Tarnuzzer
vom 21.4.1947. ASGUF Basel) ist bedauerlicherweise in der Korrespondenz nicht enthal-
ten. - Einerseits ist es durchaus denkbar, dass Preidel ins Abseits gedrängt werden soll-
te, andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass der durchaus selbstbewusste Prei-
del sich von der Entscheidung beleidigt fühlte.
18 Preidel hatte seine Gedanken offenbar schon 1934/35 formu liert und auch gegenüber
Böhm geäußert. Preidel an Böhm vom 24.10 .1942. AAVCR Prag, fand Jaroslav Böhm,
118, 1942-1944, s.d. Preidel, Helmut.
19 Preidel selbst war „überzeugt, dass ich von den Vertretern meiner Schule in Grund und
Boden gestampft werde, schon als Folge der geistigen Armut und Trägheit dieser Leute".
Preidel an Böhm vom 17.2.1944. AAVCR Prag, fand Jaroslav Böhm, 118, 1942-1944, s.d .
Preidel, Helmut.
2D Preide!, Helmut: Die vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsräume in Böhmen und Mäh-
206 Stefan Albrecht
Grundlage der in dieser Arbeit vorgetragenen Auffassung [die] deutsche Ostforschung [sei],
die für die vor- und frühgeschichtliche Zeit nur insofern einer Korrektur bedarf, als sie in den
Bodenfunden und in den spärlichen historischen Nachrichten nicht in erster Linie homogene
ethnische Gebilde, als vielmehr vielfältig gestaffelte politische Einheiten sehen sollte, deren
soziale Struktur auch Gruppen verschiedener ethnischer Herkunft umfassen. 27
Die Rezensenten äußerten sich auch dieses Mal eher ablehnend gegenüber sei-
nen Interpretationen. Die Auslegung der Einwanderung der Westslawen als
einen sozialen Umsturz sei durch Quellen keineswegs gedeckt. Auch die laut
Berthold Rubin „extreme These", dass die produktiven Kräfte vorwiegend sla-
wisch gesprochen, die Germanen aber parasitär gelebt hätten, stieß auf Wider-
stand. Dankbar war Rubin lediglich für die Kritik Preidels an der siedlungs-
archäologischen Methode westslawischer Forscher, dafür, dass man einen Ein-
blick in die Diskussionen westslawischer Forscher erhalte und für den Anreiz
zum Widerspruch. Er legte das Buch aber mit „schwerem Vorbehalten aus der
Hand." 28
Auch Reinhard Wenskus meldete einige Vorbehalte an, lobte aber, dass Prei-
del den Schematismus der Arbeitsweise Kossinnas aufgegeben habe. Wenskus
nannte diese Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion der slawischen
Landnahme und wünschte sich weitere solche Beiträge von Preidel. 29 Auch über
den 1957 erschienenen zweiten Band äußerte sich Wenskus ambivalent. Zwar
gebe es eine Reihe nützlicher Beobachtungen, andererseits polemisiere Preidel
gegen Meinungen, die ohnehin schon aufgegeben seien. Schwerwiegend ist
schließlich der Vorwurf, Preidel habe die historische Fachliteratur nur lücken-
haft zur Kenntnis genommen.30
Von 1961 bis 1966 entstand Preidels letzte Synthese in drei Bänden: ,,Slawi-
sche Altertumskunde des östlichen Mitteleuropas im 9. und 10. Jahrhundert".
Auch hier war das Echo in der Fachwelt gespalten. Sein Rezensent in den „Süd-
ost-Forschungen", Balduin Saria aus Graz, sprach ihm zwar Sachkenntnis und
Sorgfalt nicht ab. Er sah ihn aber schon in der Nähe des historischen Materia-
lismus - den Preidel in seinen Möglichkeiten ausdrücklich schätzt, ihn aber we-
gen der Konstruktion eines bestehenden Antagonismus zwischen den sozialen
Schichten zumindest für die Vorgeschichte und seiner methodischen Erstar-
rung zurückweist. 31 Lobend erwähnte Saria jedoch, dass Preidel gegen die
de nach Preidels eigenen Worten von Fritz Valjavec und dem Münchner Süd- -l-0
Beziehungen zwischen Preidel und Valjavec war für Preidel zunächst lebens-
wichtig, dann aber auch von entscheidendem Einfluss auf seine spätere Karrie-
1 re in der deutschen Ur- und Frühgeschichte.
Anfang August 1938, also noch vor dem Münchener Abkommen, wandte
e sich Valjavec an Preidel, ob er nicht an den Südost-Forschungen mitarbeiten
wolle. 35 Wie Valjavec später ausdrücklich betonte, war Preidel „der Mann, der
für mich in den vor- und frühgeschichtlichen Fragen des gesamten Sudetenrau-
1 mes am maßgeblichsten ist." 36 Valjavec wünschte vor allem, dass er im Bespre-
chungsteil mitwirke.37
1 Preidel zögerte mit seiner Zusage, da seine Frau Jüdin war. Er fürchtete of-
t fensichtlich Komplikationen, obwohl er doch - wie er klagt - ,,seit je im Sinne
Kossinnas hierzulande tätig [gewesen sei] und [.. .] gerade deswegen viele Haare
[habe] lassen müssen." 38 Daher wandte er sich an Hans Reinerth, den Bundes-
führer des Reichsbundes für deutsche Vorgeschichte im Amt Rosenberg, der zu-
gleich Herausgeber der Zeitschrift „Mannus" war, in der Preidel häufiger publi-
ziert hatte. Erst als Reinerth Preidel im März 1939 zusagte, er werde auch wei-
terhin seine Arbeiten im Mannus veröffentlichen lassen, gab er Valjavec den er-
wünschten Bescheid.39 Reinerth schätzte im Übrigen Preidel offenbar schon
länger als einen guten Prähistoriker, er hatte ihn ursprünglich als Leiter des
Amts für Vorgeschichte in Teplitz (Teplice) vorgesehen. 40 Beide blieben auch
weiterhin in Verbindung, im Juni 1939 kam es sogar zu einem persönlichen
Treffen. 41 Es war dann auch Reinerth, dem es Preidel zu verdanken hatte, dass
er nach seiner Zwangspensionierung 1939 am Komotauer Museum mit Ord-
nungsarbeiten und dem Aufbau einer Ausstellung beschäftigt wurde, wofür er
zusätzlich zu seiner bescheidenen Pension noch ein weiteres Gehalt bezog. 42
35 Valjavec an Preidel vom 4.8 .1 938. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHS tA),
Fond Südost-Institut, 30. - Man muss davon ausgehen, dass Valjavec bekannt war, dass
Preidel Kossinna-Schüler war, unbekannt dürften ihm hingegen gewesen sein, dass Prei-
del keineswegs mit der nationalsozialistischen Ideologie konform ging, was - wenn dies
notorisch gewesen wäre - einer ersten Kontaktaufnahme eventuell im Wege hätte stehen
können .
Valjavec an Preidel vom 5.11.1938. BayHStA München, Südost-Institut, 30.
Valjavec an Preidel vo m 6.6.1939. BayHStA München, Südost-Institut, 33.
Preidel an Valjavec vo m 31.10.1938. BayHS tA München, Südost-Institu t,'30.
Preidel an Valjavec vom 3.5.1939. BayHStA München, Südost-Institut, 33.
- Blazek: Helmut Preidel 374. - Die Ernennung blieb aus, da der zur persönlichen und
sachlichen Eignung befragte überzeugte Natio nalsozialist Josef Kern erklärte, dass der
zwar an sich als Kossinna-Schüler geeignete Preidel mit einer Jüdin verheiratet sei, und so
nicht in Frage käme.
C nrer der Herausgeber chaft Reinerths ,·eröffent!ichte er 1940 einen längeren Aufsatz.
Preid,I. Helmut: Die_ [ar;.omannen und ßayern. In: Rei11,r:;. Hans Hg. : \'orgeschichte
der deu-:che::1 -~"l:Ile Bd __ Le m 19 • 561-665.
210 Stefan Albrecht
Jage übermittle ich Ihnen das in Aussicht gestellte ,Gutachten', von dem ich hoffe, dass
es den Erwartungen entspricht."
49 Preidel an Valjavec vom 23 .12.1946. BayHStA München, Südos t-Institut, 57. ,,O berdorf-
fer habe ich geschrieben und ihn gebeten, mich als Zeugen zu nominieren, jedenfalls ist
der gesuchte Kontakt da." Mit Oberdorffer stand Preidel wenigstens in den 1920er J ah-
ren in gutem Kontakt. Gemeinsam hatten sie einen „Führer durch die vorgeschichtliche
Abteilung des Stadtmuseums in Brüx" (Brüx 1927) herausgegeben.
SO Valjavec an Preidel vom 14.11.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58.
51 Preidel an Valjavec vom 16.11.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58.
52 In einem Gespräch mit Joachim Werner mutmaßte dieser, dass sich Zotz nur „auf tsche-
chische Empfehlung" in Erlangen habe halten können, denn Zotz habe sich vor 1945
schließlich alles andere als antifaschistisch geäußert. Preidel an Valjavec vom 21.5.1947.
BayHStA München, Südost-Institut, 57. - Zu Zotz' Beziehungen mit seinen tschechi-
schen Kollegen sind sich dessen Nachfahren uneins. Während Kare! Sklenar offenbar der
Ansicht ist, Zotz habe mit den tschechischen Archäologen freundschaftlich auf kollegiale
Art verkehrt, ihm hätten ungenannte tschechische Archäologen auf seine Bitte hin be-
zeugt, dass er im Krieg niemandem geschadet habe, sondern sogar genutzt, ist Slavomil
Vencl sich nicht ganz sicher, ob jenes Gutachten (1946) überhaupt authentisch ist.Jeden-
falls kämen außer Dankbarkeit noch andere Motive infrage. Vene!, Slavomil: Lothar Zotz:
o nem i o nas [Lothar Zotz: über ihn und über uns]. In: Archeologicke rozhledy 54 (2002)
837-850. Nach Vencl zitiert Skfencif, Kare!: Z dejin nemecke univerzity. Vztah vedy a
ideologie v pribehu Lothara Zotze [Aus der Geschichte der Deutschen Universität. Die
Beziehung von Wissenschaft und Ideologie im Fall von Lothar Zotz]. In: Vesmir 72/8
(1993) 453~455. - Die Annahme der Echtheit des Gutachtens wird durch den unten zi-
tierten Briefwechsel mit Keller-Tarnuzzer gestützt. Dass Preidel nach dem \Veltkrieg
ziemlich gute Beziehungen zu Zotz gehabt haben muss, geht auch daraus hervor, dass er
sich bei ihm habilitieren wollte (Preidel an Valjavec vom 26 .8.1947. BayHStA München,
Südost-Institut, 58), obwohl sich Zotz doch noch 1941 über Preidels bloße Anwesenheit
im Statni archeologickf üstav (Staatliches Archäologisches Institut, StAU) beschwerte
(dazu auch weiter unten). Zotz hat aber in der zweiten Kriegshälfte eine wesentlich posi-
tivere Haltung gegenüber den tschechischen Institutsmitgliedern an den Tag gelegt, Ca-
milla Streit warf ihm sogar vor, er arbeite mit Tschechen gegen Deutsche . B!azek, Jan:
Z dejin Archeologickeho üstavu za okupace [Aus der Geschichte des Archäologischen
Instituts während der Okkupation]. In: Archeologicke rozhledy 55 (2003) 581-601, hier
586 und 589. - Preidel übergab dem akademischen Referenten Rheinfelder außerdem
Unterlagen, ,,damit er sie bei der Hand hat, wenn der schwer angegriffene Herr aus Prag,
der im Augenblick von der Militärregierung überprüft wird, abgehen sollte." Preidel an
Valjavec vom 29.5.1947 . BayHStA München, Südost-Institut, 58. Ob es sich bei jenem
Herrn aus Prag um Zotz gehandelt hat, geht aus dem Brief Preidels nicht klar hervor. Der
Eindruck liegt aber aus dem vorher Gesagten nahe.
53 Preidel an Keller-Tarnuzzer vom 15.2.1947. ASGUF Basel.
54 Preidel an Valjavec vom 21.5.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58. Preidel gibt
einen Wutausbruch Joachim Werners gegen Hans Reinerth und seinen Kreis wieder, ,,je-
212 Stefan Albrecht
nesfalls der Eindruck entstehen, dass Preidel, der nach 1945 ein sehr gefragter
Gutachter war, ausschließlich positive Urteile über seine Zeitgenossen verfass-
te. Negativ äußerte er sich etwa über die aus Reichenberg (Liberec) stammende
Archäologin Camilla Streit. Seine Gutachtertätigkeit führte offenbar dazu, dass
er recht gut über den Verbleib und den Grad der nationalsozialistischen Belas-
tung unterrichtet war.55
Preidel erhielt nach seiner Übersiedlung sogleich eine Stelle als Oberstudien-
rat, doch versuchte er nun endgültig, in der Wissenschaft Fuß zu fassen. In ste-
tem Kontakt mit Valjavec bemühte sich Preidel zunächst um eine Professur in
Würzburg.56 Dazu besorgte er sich zwei positive Gutachten, in denen ihn die
mit ihm befreundete Archäologen Karl Keller-Tarnuzzer und Herbert Kühn zu
den führenden Köpfen und besten Kennern der vorgeschichtlichen Kulturen in
,,Süd- und Ostdeutschland" zählten und als einen erfolgreichen Autor viel be-
achteter Werke, einen erfolgreichen und gewissenhaften Forscher bezeichneten,
dem längst schon ein Lehrstuhl zustünde.57
Gleichzeitig sondierte Preidel bei Joachim Werner, der den zuvor von Hans
Zeiß geführten vor- und frühgeschichtlichen Lehrstuhl in München vertrat, ob
in München eine Möglichkeit für ihn bestünde. Dies verneinte Werner, der ihm
auch für Würzburg keine Hoffnungen machte. Er wies ihn aber darauf hin, dass
Professor Martin Jahn in Halle an der Saale „politisch unbelastete Kräfte für
die russische Zone suche", was Preidel dankend ablehnte.5 8
Einen weiteren Versuch machte Preidel beim Referenten für Hochschulfra-
gen Max Anton Rheinfelder, der ihm offensichtlich sehr geneigt war. 59 Rhein-
felder scheint die Anwesenheit von Joachim Werner in München gestört zu ha-
ben, er wollte wohl eher Preidel auf dem Zeiß-Lehrstuhl sehen. 60 Auch Preidels
Versuch, dem politisch belasteten Professor Friedrich Wagner als Leiter der
Münchener Vor- und Frühgeschichtlichen Staatssammlung zu folgen, hatte kei-
nen Erfolg. 61 Alle seine Bemühungen, in München Fuß zu fassen, scheiterten. 62
Um seine Chancen zu erhöhen, wollte sich Preidel schließlich bei Zotz in
Erlangen habilitieren, der sich für jenen nach eigener Aussage und trotz (oder
denfalls hinterlässt er einen recht peinlichen Eindruck, einen jetzt im Unglück befindli-
chen Menschen noch mit Füssen zu treten."
55 Preidel an Keller-Tarnuzzer vom 15.2.1947 und 21.4.1947. ASGUF Basel.
56 Preidel hatte sich bereits um die Vakanzvertretung des Zeiß-Lehrstuhls bemüht, hatte da-
bei aber offenbar die Bewerbungsfrist nicht einhalten können. Ebenda.
57 Preidel an Valjavec vom 20.5.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58.
58 Preidel an Valjavec vom 21.5.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58.
59 Preidel an Valjavec vom 26.8.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58. ,,Noch etwas.
Prof. Rheinfelder steht ganz auf meiner Seite und machte mir vertrauliche Mitteilungen."
60 Preidel an Valjavec, o.D . [29.5 .1947]. BayHStA München, Südost-Institut, 58. - Werner
blieb allerdings. Vgl. F ehr, Hubert: Hans Zeiß, Joachim Werner und die archäologischen
Forschungen zur Merowingerzeit. In: Steuer / Hakelb erg (Hg.) : Eine hervorragend natio-
nale Wissenschaft 311-415.
6! Preidel an Valjavec vom 26.8.1947. BayHStA München, Südost-Institut, 58.
62 Ebenda.
Heftnut Preidei - z11Jischen deutscher und tschechischer Archäologie 213
gerade wegen?) der Prager Vergangenheit persönlich bemühte, 63 aber auch da-
raus scheint trotz Einschreiten Rheinfelders nichts geworden zu sein. 64 Resig-
nierend erkannte Preidel bereits im August 1947, dass er kaum jemals eine Pro-
fessur erhalten würde, denn bei allen wissenschaftlichen Bemühungen musste
er feststellen: ,,Ich habe Menschen kennengelernt und eine eigene Welt, in die
ich nicht recht hineinpasse. "65
Eine letzte Alternative zum Schuldienst tat sich Preidel Anfang Oktober
1947 auf, als ihm ein Referent des Unterrichtsministeriums mitteilte, ,,dass man
daran denkt, ein Kulturinstitut zur Bewahrung sudetendeutschen und schlesi-
schen Traditionsgutes und seine Ueberführung in die neue Heimat zu schaf-
fen." Er selb st sollte dabei „irgendwie in dieser Institution eine leitende Stelle
übernehmen".66
Eine zwar nicht bedeutende, aber doch leitende Stelle nahm Preidel dann
auch zwei Jahre später als Herausgeber des Stifter-Jahrbuchs ein, in dem er
selbst häufig publizierte. Ihm übertrug man auch die Herausgabe jenes seit
Anfang Januar von einem „Kreis sudetendeutscher Forscher" geplanten Sam-
melbandes, dessen Vorwort schließlich auf der eingangs erwähnten Homepage
der Arbeitsstelle „Historische Stereotypenforschung" unter seinem Namen er-
schien.
Obgleich Preidel also im Zweiten Weltkrieg sein ohnehin schon weites Be-
ziehungsnetz vor allem durch Vermittlung von Valjavec weiter ausbauen konn-
te und obwohl er in der Fachwelt bereits seit den 1920er Jahren durchaus aner-
kannt, wenn auch nicht unumstritten war, gelang ihm nach dem Krieg die Inte-
gration in den deutschen professionellen Wissenschaftsbetrieb nicht. Hinder-
lich dürfte ihm neben seinen umstrittenen Thesen gewesen sein, dass Preidel
von Außen her in einen Archäologenkreis eintreten wollte, der seine Reihen
trotz oder wegen der gemeinsamen Verstrickung mit der nationalsozialistischen
Herrschaft geschlossen hatte. Daher vielleicht auch der Versuch, sich in die
Tradition der Deutschen Ostforschung zu stellen, zu der er aber nie gehörte,
obgleich auch er Volksgeschichte betrieb. Ein negatives Bild von Preidel, dem
sudetendeutschen Forscher, kann man also einerseits durch seine notorische
Kossinna-Schülerschaft und seine guten Beziehungen mit nationalsozialistisch
belasteten Historikern bzw. Archäologen stützen, andererseits kann es dadurch
begründet werden, dass er - als Opfer des Faschismus - für eine führende Rol-
le in einem Kulturinstitut der Sudetendeutschen geeignet schien.
In der Tschechoslowakei reagierte die Wissenschaft auf das erste Auftreten
Preidels als Archäologe und Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für Vor-
und Frühgeschichte in der Tschechoslovakei" gereizt. Der später mit ihm be-
freundete J aroslav Böhm verfasste 1924 für die „Pamatky archeologicke" (Ar-
Preidel, Helmut. ,,Liebster Freund!-Vielen Dank für Ihren schönen Brief, der mir grosse
Freude bereitet hat, [... ]. Dass Sie krank waren, hätte ich mir nicht träumen lassen. Sie
waren doch erst im Herbst bettlägerig."
7o Preidel, Helmut: Ernst Wahle. Vorgeschichte des deutschen Volkes, ein Grundriß. Leipzig
1928 (Grundriß der Slawischen Philologie und Kulturgeschichte). In: Sudeta 5 (1929) 180.
Hier stellt Preidel seine weitgehende Übereinstimmung mit Schranil gegen Reinecke,
Brenner und Menghin fest.
72 Preidel, Helmut: Bertold Bretholz, Geschichte Böhmens und Mährens. I.-IV. Bd. Rei-
chenberg 1921-1925. In: Sudeta 3 (1927) 110 f.: ,,Soweit sich heute das Problem beurtei-
len läßt, so kann man wohl sagen, daß der Verfasser den Bogen weit überspannt hat". -
Zu Bretholz vergleiche den Beitrag von Zdenka Stokfdskovd in diesem Band.
73 Turek, Rudolf: H. Preidel: Germanen in Böhmens Frühzeit. Karlsbad-Drahowitz-Leipzig
Helmut Preidel - zwischen deutscher und tschechischer Archiiologie 215
zeit bei tschechischen, aber auch bei polnischen Prähistorikern fort, wie eine
stichprobenartige Auswertung der Zeitschrift „Slavia Antiqua" zeigt. Gerne
werden dafür Preidels kleinere Arbeiten als Beleg zitiert.7 4 Seine späten Synthe-
sen gelten als wertvolle Diskussionsbeiträge, wenn man die Ergebnisse auch
nicht im Detail übernehmen will. 75
Zunehmende Spannungen in der Deutschen Gesellschaft für Vor- und
Frühgeschichte in der Tschechoslowakei, zwischen Preidel und den übrigen
Führungsmitgliedern wegen der Konzeption von Gesellschaft und Zeitschrift,
sowie ein zunehmender Antisemitismus näherten Preidel, den ehemaligen Frei-
maurer und das Mitglied der „jüdischen Schlaraffia", 76 den tschechischen Kolle-
[1938]. In: Pamatky archeologicke - Skupina praveka (NF 1) 37 (1931 ) 159 f. - Vgl. Tu-
reks Rezension von Preidels Aufsatz: Der Silberschatz von Saaz . In: Mannus 41 (1940
[sie!]) 538-589. In: Casopis Narodniho muzea - oddil duch. (1940) 82-84.
74 Preidels Aufsatz: Der Silberschatz von Saaz . In: Mannus 31 (1939) 538-589 wird von Ko-
strze111ski, J6zef: 0 pochodzeniu ozd6b srebrnych z polskich skarb6w wczesnosrednio-
wiecznych [Über die Herkunft des Silberschmucks aus den polnischen frühmittelalterli-
chen Schatzfunden]. In: Slavia Antiqua 9 (1962) 139-208, und von Turek, Rudolf: Z um
polnisch-mährischen Handelsweg am Anfang des XI. Jahrhunderts. In: Slavia Antiqua 9
(1962) 213-218, als Materialquelle benutzt. - Hilczer611ma, Zofia: Wczesnosredniowiecz-
ne grzebienie zdobione motywami zwierz~cymi z ziem polskich [Mit Tiermotiven ge-
schmückte mittelalterliche Kämme aus Polen]. In: Slavia Antiqua 9 (1 962) 301-327, zitiert
zustimmend Preidel, Helmut: Handel und Verkehr in den Sudetenländern während der
zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends n. Chr. In: Südost-Forschungen - Internationale
Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Landeskunde Südosteuropas 5 (1940) 482. - Auch
Preidels „Die germanischen Kulturen in Böhmen und ihre Träger. Bd. I. Kassel 1930"
wird noch als grundlegend zitiert bei Olczak, Jerzy: Stan badan nad szklarstwem wczesno-
sredniowiecznej slowianszczyzny [Der Forschungsstand zur frühmittelalterlichen slawi-
schen Glasmacherei]. In: Slavia Antiqua 11 (1964) 301-346 .
75 Lo11Jmianski, Henryk: Poczq,tki polski. Z dziej6w Slowian w I. tysiq,cleciu n.e. [Die Anfän-
ge Polens. Aus der Geschichte der Slawen im 1. Jahrtau send u.Z.]. Bd. II. Warszawa
1963, 211, lehnt Preidels Ideen von den großen Latifundien bei den Germanen ab. -
Vgl. Filip, Jan: H. Preidel: Slawische Altertumskunde des östlichen Mitteleuropas im 9.
und 10. Jahrhundert. Teil II. Gräfelfing bei München 1964. In: Archeologicke rozhledy
16 (1964) 7 62 f.
76 „Dr. Preidel ist mit einer Jüdin verheiratet, ich bitte um Angabe, ob er Freimaurer war,
oder hat er Beziehungen zu T schechen gehabt?" NSDAP Gauleitung Sudetenland, Gau-
personalamt, Pol. Beurteilung vom 8.7 .1942. Anfragende Dienststelle: Sudetendeutsche
Anstalt für Landes- und Volksforschung (Gauselbstverwaltung), Weiterbeteiligung an
Forschungsarbeiten. Narodni archiv v Praze (Nationalarchiv Prag), fond NSDAP - Spo-
jova ci üsti'edna pi'i üfadu füskeho protektora, Praha, Karton 475, sign. 123-475 - 2 / 95,
Blatt 95 : - ,,Der genannte war zuerst Mitglied der Kette, mithin Freimaurer, und kam als
solcher über den I. Grad nicht hinaus. Später wurde er wegen schlechten Besuches aus-
geschlossen. Später war Preidl [sie!] dann Mitglied der jüdischen Schlaraffia. " Schreiben
de s NS-Lehrerbund Reichenberg, Der Kreiswalter vom 30 .7.1942. Ebenda. - Bedauerli-
cherweise geht aus diesem Gutachten nicht hervor, wann Preidel Mitglied der Freimaurer
war. Da es eine deutsche Loge in Saaz gab, spricht einiges dafür, dass er dort Anfang der
1930er Jahre beigetreten ist, in einer Zeit, in der das Verhältnis der deutschen und der
tschechischen Freimaurer nach anfänglichen Spannungen bis etwa 1929 vorbildlich gewe-
216 Stefan Albrecht
gen an. Eine Entwicklung, die in der Veröffentlichung zweier Artikel in tsche-
chischer Sprache in dem deutlich national geprägten Organ des tschechischen
Minderheitsmuseums in Saaz „Krajem Lucanu" (Durch das Gebiet der Lucanen)
gipfelte.7 7 Nach seiner Zwangspensionierung versuchte Preidel sogar, ins Pro-
tektoratsgebiet versetzt zu werden, was aber abgelehnt wurde.7 8 Eine andere
Variante, dem Sudetenland zu entkommen, suchte Preidel zusammen mit Böhm,
der ihn 1941 anstelle eines von der stellvertretenden Direktorin des Prager „Stat-
ni archeologicky ustav" (S taatliches Archäologisches Institut) Camilla Streit ge-
wünschten Deutschen zur Anstellung vorschlug. Auch dies unterblieb. Preidel
besuchte aber regelmäßig das Institut, wo er sich angeblich ebenso regelmäßig
politisch gefährlich äußerte.7 9 Inwiefern seine politischen Äußerungen innerhalb
des Staatlichen Archäologischen Instituts Prag nach außen gedrungen sind, ist
unbekannt. Daher bleibt auch ungeklärt, was der Grund dafür war, dass der
Wiener Archäologe und SS-Offizier Kurt Willvonseder Preidel im Herbst 1942
beim Direktor der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe Walther Wüst in Mün-
chen denunzierte . Noch im Oktober wandte sich Wüst an Valjavec, um ihn auf-
zufordern, die Zusammenarbeit mit Preidel einzustellen,80 und im November
1942 teilte das Amt für Vorgeschichte in Teplitz-Schönau Preidel mit, dass ihm
vom SS-Hauptamt das Betreten des Archäologischen Instituts in Prag untersagt
worden sei.8 1
1945 bescheinigte Böhm gegenüber tschechoslowakischen Stellen diese Hal-
tung Preidels, was ihm aber letztlich nichts nützte. Auch später hielt Preidel
noch den Kontakt mit Böhm und anderen tschechischen Archäologen auf-
recht.82
sen sein soll. Cechuro vd, Jana: Cesti svobodni zednari ve XX. stoleti [Tschechische Frei-
maurer im 20. Jahrhundert]. Praha 2002, hier bes. 276-281. - Auc h di e 1859 in Prag von
den Künstlern des Prager Theaters gegründete Schlaraffia kann man zu den liberalen und
auf Ausgleich bedachten Gruppen zählen . Vgl. Maaß, Michael: Der Männerbund „Schla-
raffia" in den Jahren 1914-1937. Eine Studie zum weltanschaulich ungebundenen Ver-
einswesen in der Weimarer Republik und Nationalsozialismus . Nürnberg 1993.
77 Preidel, Helmut: Vikingsky hrob v Zatci [Ein Wikingergrab in Saaz]. In: Krajem Lucanu
11 (1937) 34-38. - Ders.: H alsta tske opevneni na Rovnem [Eine hallstattzeitliche Befes-
tigung in Rovno]. In: Krajem Lucanu 12 (1938) 18-23.
78 B!azek: Helmut Preidel 374.
79 B!azek: Z dejin Archeologickeho u stavu za okupace 582.
80 Vgl. Anmerkung 42.
8l Preidel an Keller-Taruzzer vom 21.4.1947. ASGUF Basel. -Diese Information hatte
Preidel am 20. April 194 7 erhalten. In seinem Gutachten über Camilla Streit hatte er of-
fenbar angenommen, dass sie es war, die ihn aus dem Institut verweisen ließ, wie sich
darauf stützend auch B!azek: Helmut Preidel 375, annimmt.
82 Morykovd, Karla: Die Ur- und Frühgeschichtsforschung in Böhmen 1918-1945. In: L eube,
Achim (H g.) : Prähistorie und Nationalsozialismus . Die mittel- und osteuropäische Ur-
und Frühgeschichtsforschung in den J ahren 1933-1945. München 2002, 4 71-480, hier
478. - Motykova stand selb st mit Preidel in Kontakt. Von Böhm wuss te sie, dass Preidel
mit ihm aus politischer Rücksichtsnahme in lateinischer Sprache korrespondierte. Er war
aber dennoch kein „ursprünglicher Gymnasialprofessor für Latein".
Helmut Preide! - zwischen deutscher und tschechischer Archiio!ogie 217