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Geriatrie (978-3-437-22841-4)
Onkologie (978-3-437-21431-8)
Parkinson (978-3-437-21023-5)
Jutta Kossat
ELSEVIER ESSENTIALS
Sexualität
Das Wichtigste für Ärzte aller Fachrichtungen
ISBN 978-3-437-21461-5
eISBN 978-3-437-17313-4
Für die Vollständigkeit und Auswahl der aufgeführten Medikamente übernimmt der Verlag keine Gewähr.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden in der Regel besonders kenntlich gemacht (®). Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann
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18 19 20 21 22 5 4 3 2 1
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ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und
die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Um den Textfluss nicht zu stören, wurde bei Patienten und Berufsbezeichnungen die grammatikalisch maskuline Form gewählt. Selbstverständ-
lich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint.
Während meiner sexualmedizinischen Ausbildung wurde ich von anderem hingewiesen auf den hohen Leistungs- und Optimierungs-
Kollegen immer wieder gefragt: Was ist denn Sexualmedizin? Die- druck in der Sexualität, der heute viele verunsichert. Gegenüber der
ses Buch soll dem nichtsexualmedizinisch tätigen Arzt und Psycho- medial-üblichen Darstellung der Sexualität fällt die eigene „norma-
logen eine praktische Anleitung sein, den Facetten der Sexualität le“ Sexualität ab. Ein ärztliches Gespräch über erfüllende Sexualität,
offen und neugierig zu begegnen. die die psychosozialen Grundbedürfnisse wie Geborgenheit, Akzep-
Das Ziel des Buches ist es Antworten auf häufig gestellte Fragen tanz, Nähe befriedigt, bestätigt und unterstützt den Patienten in ei-
und erste Lösungsansätze für gängige Probleme zu geben. Der Fo- ner salutogenen Sichtweise auf die Sexualität.
kus liegt auf dem „Normalbürger“. Für komplexere, ungewöhnli- In den folgenden Kapiteln wird auf die Sexualität in verschiede-
chere Störungen wird auf weitere Beratungsstellen oder Therapie- nen Lebensphasen, sexuelle Funktionsstörungen und Sexualität in
möglichkeiten hingewiesen. besonderen Kontexten eingegangen.
Das Buch soll die Möglichkeit eines entspannten Umganges mit Bei Störungen der Sexualität setzt der Patient, das Patientenpaar
der Sexualität aufzeigen, mit der eigenen und der des Patienten. Au- zusammen mit dem Arzt die einzelnen „Puzzleteilchen“ zusam-
thentisch und durchaus mit empathischem Humor über sexuelle men. Gemeinsam wird beraten, was könnte zu den Problemen ge-
Themen zu sprechen entlastet die Patienten enorm. Viele Patienten führt haben und wie sie zu lösen wären. Die Paarkommunikation
wünschen sich direkt vom Arzt auf die Sexualität angesprochen zu wird im verbalen und sexuellen Bereich analysiert. Kommunikati-
werden. onstipps sind im Anhang enthalten.
Fallbeispiele aus der Praxis zeigen die verschiedenen sexuellen Bedanken möchte ich mich für die ausgezeichnete fachliche Un-
Weltanschauungen und wie spannend Sexualmedizin sein kann. terstützung durch Herrn Dr. Freitag, Magdeburg. Mein Dank gilt
Die sexuelle Weltanschauung ist den Menschen oft nicht bewusst, auch den Mitarbeitern des Elsevier Verlages, insbesondere Frau
„Sex gehört irgendwie dazu“. Geht es beim Sex um Fortpflanzung, Gärtner, Frau Dr. Schmidt und Herrn Gall. Ohne die Offenheit und
um Lust oder um Beziehung? Die drei Dimensionen der Sexualität. das Vertrauen meiner Patienten wäre das Buch nicht möglich gewe-
Gerade die Beziehungsdimension wird oft unterschätzt oder ver- sen. Herzlichen Dank.
kannt. Durch die Frage „Was bedeutet Ihnen die Sexualität mit dem
Partner?“, wird diese Dimension bewusst, „das bedeutet Nähe, Ver-
bundenheit“. Die Sichtweise „Liebe und Sex gehören zusammen“ Aschau i. Chiemgau, Herbst 2017
erleichtert die Beziehung. Dr. Jutta Kossat
In den ersten beiden Kapiteln werden die Grundlagen der Sexua- Hainbach 34
lität und der Sexualberatung, -therapie dargestellt. Es wird unter 83229 Aschau
Benutzerhinweise
Kernaussagen
Das Wichtigste zu jedem Kapitel in Stichworten Fallbeispiel
Patientenfälle aus der Praxis
EVIDENZ CAVE
Studien zum Thema Warnhinweise
PATIENTENINFO DEFINITION
Tipps für das Beratungsgespräch mit dem Patienten Begriffserläuterungen
Abkürzungen
BDSM Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism LHRH luteinisierendes Hormon Releasing-Hormon
& Masochism NAION nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuro
BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung pathie
cGMP zyklisches Guanosylmonophosphat PDE-5 Phosphodiesterase Typ 5
DGSMTW
Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie PLISSIT
Permission, Limited Information, Specific Suggestions,
und Sexualwissenschaft Intensive Therapy
DSD Disorders of Sex Development SKIT Schwellkörper-Injektionstestung
EP Ejaculatio praecox SNRI Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor
HSDD Hypactive sexual desire disorder SSRI selektive Serotoninwiederaufnahmeinhibitoren
ISSM International Society for Sexual Medicine
Abbildungsnachweis
Der Verweis auf die jeweilige Abbildungsquelle befindet sich bei allen Ab- P306 Dr. med. Jutta Kossat, Aschau
bildungen im Werk am Ende des Legendentextes in eckigen Klammern. P314 Dr. med. Torsten Freitag, Magdeburg
Alle nicht besonders gekennzeichneten Grafiken und Abbildungen R362 Beier, K. M./Bosinski, A. G./Loewit, K.: Sexualmedizin.
© Elsevier GmbH, München. Elsevier/Urban& Fischer, 2. Aufl., 2005
S007-02-23
Paulsen, F./Waschke, J.: Sobotta. Atlas der Anatomie des
E701 Schell Frazier, M.: Essentials of Human Diseases and Menschen. Band 2: Innere Organe. Elsevier/Urban &
Conditions, Diseases and conditions of the digestive Fischer, 23. Aufl., 2010
system. Elsevier Health Science Books, 2009 V130 Coloplast GmbH, Hamburg
G353–1
Song, D. H./Neligan, P. C.: Plastic Surgery 04: Trunk and V492 Abavo GmbH, Buchloe
Lower Extremity. Elsevier Saunders, 3. Aufl., 2012 W1017 Charité – Universitätsmedizin Berlin
G614 Ludwig, B.: Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit. CC01 Centrum für Human- und Gesundheitswissenschaften
Bernhard Ludwig Eigenverlag, 2014 Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin
J787 Colourbox W1018 Bundesverband Intersexuelle Menschen
L143 Heike Hübner, Berlin X362 Pfizer's Global Study of Sexual Attitudes and Behaviors,
L231 Stefan Dangl, München Pfizer Inc., 2002
KAPITEL
1.1 Einführung
Kernaussagen
• Die Sexualität kann in drei Funktionen unterteilt werden: Fortpflanzung,
Lust und Beziehung.
• Im optimalen Fall erfüllt die Sexualität auf körperlicher Ebene die psycho-
sozialen Grundbedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit, Akzeptanz und
Nähe.
• Erfüllende Sexualität dient der Gesundheit, wie neurobiologische Korrelate
zeigen.
• Eine sexuelle Störung besteht nur bei subjektivem Leidensdruck: „A prob-
lem is only a problem, if it is a problem.“
1.1.1 Bedeutung der Sexualität heute Die Fortpflanzungsdimension wurde Jahrhunderte lang als
einziger Sinn der Sexualität angesehen, obwohl der Mensch
Auf die Frage „Was bedeutet für Sie Sexualität?“ antworten auch vor und nach der reproduktiven Phase ein sexuelles
die meisten Patienten mit „mich als Mann/Frau fühlen“, Wesen ist. Heute kann durch Kontrazeptiva und Reproduk
„loslassen können“, „sein zu können, wie ich bin“, „Zeit ver- tionsmedizin diese Funktion von der Lust- und Beziehungs-
gessen“ oder „dem anderen nahe sein und doch bei mir sein.“ dimension entkoppelt werden.
Die wenigsten antworten mit „Sex gleich Stress“ oder „Sex Die Lustdimension als Motivator der Sexualität ist histo-
gleich Geilheit.“ risch gesehen gespalten zwischen Sünde einerseits und Ver-
Frauen und Männer sagen annähernd das Gleiche. Beiden herrlichung andererseits. Das Motto der 68er-Jahre „wer
geht es in der Sexualität um Nähe, Angenommen-sein, Res- zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establish-
pekt und Akzeptanz. Es geht um das „Ich-bin-okay-wie-ich-
bin.“ Sexualität kann das Gefühl „in-Ordnung-zu-sein“ in-
tensiver geben als nur Worte, denn Berührungen erreichen
eher.
Dieser Beziehungsaspekt der Sexualität wurde lange außer Fortpflanzung
Acht gelassen. Im Vordergrund standen die beiden anderen Lust
Dimensionen der Sexualität, die sexuelle Lust und die Fort- Körpererleben
pflanzung. Identität
ment“ und das parallele Aufkommen der Antibabypille führ- Prolaktin, die Monoamine Dopamin und Noradrenalin sowie
ten zu einer starken Betonung der Lustdimension. Ebenso die Steroidhormone. Vereinfacht zeigt › Abb. 1.2 die phy-
propagiert auch heute die Sexindustrie die Lustdimension siologischen Vorgänge. Insgesamt kommt es zu einer Stress-
bei gleichzeitig zunehmender Lustlosigkeit in der Bevölke- reduktion.
rung. Die Beziehungsdimension wird außer Acht gelassen. Oxytocin wirkt bei sexuellen Kontakten angstmindernd,
stressabschirmend und analgetisch. Das Neuropeptid wird
durch Berührung ausgeschüttet. Beim Orgasmus erreicht
1.1.3 Beziehung und psychosoziale Oxytocin die Höchstwerte. Menschen mit festen sozialen
Grundbedürfnisse Bindungen weisen einen höheren Oxytocinspiegel auf.
Wenn Sexualität für beide Partner erfüllend erlebt wird, kön- CAVE
nen auf körperlicher Ebene die allgemeinen psychosozialen Oxytocin
Grundbedürfnisse befriedigt werden. Psychosoziale Grund- Laut einer Studie der Universitätsklink Bonn (2013) stimuliert Oxy-
bedürfnisse sind die Bedürfnisse nach Akzeptanz, Sicherheit, tocin das Belohnungszentrum im Gehirn, erhöht die Attraktivi-
Geborgenheit, Nähe, Wahrgenommen-Werden und Vertrau- tät der Partnerin und stärkt die Monogamie.
en.
Schon in den ersten Lebenstagen wird dem Neugeborenen
über den Körperkontakt zwischen Mutter/Vater und Kind in
empathischer Beziehung Beruhigung und tiefe Zufriedenheit 1.1.5 Liebes- und Sexualleben als Gesund-
vermittelt. Diese ersten körperlichen Erfahrungen prägen heitsgewinn
den Menschen und werden später durch genitalsexuelle In-
teraktion erweitert. Wenn die Befriedigung der psychosozialen Grundbedürfnis-
Sexualität kann als körpersprachliche Kommunikation se nach Annahme und Akzeptanz auf Dauer gestört ist, er-
und Beziehung verstanden werden. Vielen Menschen ist die- höht sich die Wahrscheinlichkeit psychischer, psychovegeta-
se Sichtweise neu. Häufig besteht eine Trennung zwischen tiver und somatischer Erkrankungen. Auch zeigt sich ein ne-
dem Bedürfnis nach Zärtlichkeit und Liebe auf der einen Sei- gativer Einfluss auf bestehende Erkrankungen.
te und dem Bedürfnis nach Sexualität auf der anderen Seite. Unerfüllte Grundbedürfnisse führen zur Beeinträchtigung
Sexualtherapie kann dazu dienen, eine neue sexuelle Weltan- der Gesamtbefindlichkeit, zu intrapsychischen Problemen
schauung zu vermitteln mit dem Ziel eines Verbunds von wie Selbstzweifel, Ängsten oder dysphorischen Verstimmun-
Liebe und Sexualität. gen.
Neurophysiologisch entfaltet die erfüllend gelebte Sexuali- Nach der WHO-Definition ist sexuelle Gesundheit un-
tät eine salutogene und beziehungsstärkende Wirkung. trennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und
Lebensqualität verbunden. Sie ist ein Zustand des körperli-
chen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in
1.1.4 Neurophysiologie der Sexualität Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krank-
heit, Funktionsstörungen oder Gebrechen.
Anhand von bildgebenden Verfahren konnte gezeigt werden,
dass bestimmte Gehirnareale aktiviert bzw. deaktiviert wer-
den, um nahe Interaktionen zulassen zu können. Neuroche-
misch am wichtigsten sind die Neuropeptide Oxytocin und
Endorphine, Dopamin
Ablehnung, Misstrauen, Angst,
Aggression (Hemmung der
Amygdala)
Parasympathikus
und muss nichts.“ wäsche verwendet, 29 % der Paare einen Porno gemeinsam an-
gesehen, 27 % Sex an öffentlichen Orten gehabt, 10 % einen
Dildo und 7 % Fesselspiele eingesetzt.
Versöhnung 44
47
Pflicht erfüllen 13
14
sich begehrenswert fühlen 39
24
männlicher fühlen
12
23
weiblicher fühlen
15
Partnerschaft erhalten
20
meinem Partner emotional nahe fühlen 45
44
meinem Partner körperlich nahe fühlen 51
46
Ausdruck der Liebe zu meinem Partner 51
46
Befriedigung des Partners 43
50
eigene Befriedigung 26
24
0 10 20 30 40 50 60
Abb. 1.3 Wie wichtig beim Sex ist Ihnen …? Anteil (%)
[L143; X362]
4 1 Grundlagen der Sexualität
Die Redensart „Sex ist die schönste Nebensache der Welt“ EVIDENZ
Sexhäufigkeit
trifft es einerseits, anderseits sind Probleme in der Sexualität
einer der Hauptbelastungsfaktoren für die Partnerschaft. • Analyse Pairfam-Studie durch Schmiedeberg und Schröder,
Eine gewisse Häufigkeit (3- bis 5-mal/Monat) der sexuel- 2016: Der positiven Entwicklung der sexuellen Befriedigung im
ersten Jahr folgt ein stetiger Rückgang.
len Aktivität wird als beziehungsstabilisierend erlebt. Die be- • Muise, Schimmack, Impett, 2015: Wer in der Partnerschaft etwa
liebte These „Ehe und leidenschaftlicher Sex sind unverein- 1-mal pro Woche Sex hat, ist besonders zufrieden. Bei geringe-
bar“ ist so nicht zutreffend. rer Frequenz sinkt die Zufriedenheit, bei höherer steigt sie aber
Verpflichtende Partnerschaft folgt anderen Regeln als ro- nicht. Muises Fazit: „Intimität zum Partner ist der Schlüssel –
mantische Liebe, sexuelles Verlangen verträgt sich nicht mit ohne Druck, möglichst häufig miteinander schlafen zu müssen.“
Vertrautheit und Gewohnheit. Es gilt, die individuelle Balan-
ce zu finden zwischen den ambivalenten Grundbedürfnissen
Autonomie und Zugehörigkeit und den Fokus weniger auf 1.1.8 Probleme und Störungen der Sexualität
die sexuelle Leistungsfähigkeit als auf die emotionale Intimi-
tät und das sexuelle Vergnügen zu legen. Die meisten Men-
schen wissen sehr genau, was sie erregen kann und welche DEFINITION
Störung ist, wenn es stört
Rahmenbedingungen sie brauchen.
Insgesamt geht die koitale Aktivität in Langzeitpartner- Eine sexuelle Störung besteht nur dann, wenn der Betroffene auch
über einen subjektiven Leidensdruck berichtet. „A problem is only
schaften im Vergleich zum Beziehungsbeginn zurück, jedoch
a problem, if it is a problem.“
oft ohne Einschränkung der Beziehungsqualität. Die häufigs- Andererseits ist funktionierende Sexualität nicht gleichbedeutend
ten Störfaktoren sind ein Mangel an Energie und erotischem mit sexueller Zufriedenheit.
Engagement. Zusätzlich wird sowohl im ICD-10 als auch im DSM-5 erst dann
von einer sexuellen Funktionsstörung gesprochen, wenn diese län-
PATIENTENINFO ger als 6 Monate andauert. Hierdurch soll eine Unterscheidung
Buchempfehlungen zwischen vorübergehenden sexuellen Problemen und (dauerhafte-
ren) Störungen getroffen werden.
• Ulrich Clement: Guter Sex trotz Liebe. Ullstein, 2006
• Beatrice Boschenrieder: Sex für Faule und Gestresste. Edition
Winterwork, 2010 Zum Sexualtherapeuten kommt ein Patient häufig mit einem
„Problem“, das sich im weitesten Sinne auf alles, was mit Frau-
bzw. Mann-Sein, mit Geschlechtsrollen oder -identität zu tun
Die Zufriedenheit im Liebesleben korreliert mit allgemeiner Le- hat, bezieht, und im engeren Sinne auf die Sexualfunktion.
benszufriedenheit. Auch werden bei einem befriedigenden Lie- Das sexuelle Erleben wird durch biologische, psychologische
besleben eher romantische Gefühle mit dem Partner assoziiert. und soziale Komponenten in der individuellen Entwicklung be-
Wieviel Sex die Liebesbeziehung braucht, ist individuell stimmt. Der Patient ist in der Beratung als ganzer Mensch zu
und paarabhängig. Grundsätzlich ist jedoch nicht die Häufig- sehen. Körper, Gedanken, Gefühlen und menschliche Bezie-
keit von Geschlechtsverkehr, sondern das Gefühl der Intimi- hungen sind parallel vorhanden und beeinflussen sich gegen-
tät und Nähe entscheidend. Ein liebloser Koitus fördert nicht seitig. So kann ein Problem oder eine Störung auch nur aus
die Beziehungszufriedenheit. diesem biopsychosozialen Blickwinkel gesehen werden.
Der Mythos „Sex soll regelmäßig stattfinden“, korreliert Das Problem oder die Störung ist meist in einer Bezie-
nicht mit der Realität. Die sexuelle Aktivität in der Partner- hung aufgetreten, sodass nicht nur der „Symptomträger“,
schaft verläuft meist in Phasen. Phasen intensiverer Sexuali- sondern beide Partner betroffen sind und sich gegenseitig
tät wechseln mit Phasen geringer oder nicht stattfindender beeinflussen. Eine Beurteilung der Störung ist also nur mög-
Sexualität, z. B. bei Krankheit oder postpartal (› Tab. 1.1). lich, wenn das komplette Paar gesehen wird.
1.2 Lust, Begehren, Erregung 5
Kernaussagen
• Entstehung von Lust ist individuell und geschlechtertypisch.
• Es existieren hemmende und erregende Faktoren.
• Leistungsdruck und Versagensangst sind die größten Inhibitoren.
• Die sexuelle Vorlieben (Präferenzen) sind im Erwachsenenalter weitgehend
festgelegt und nur bedingt variabel.
• Statt gesellschaftlich vorgegebener Sexualmoral besteht heute eine Kon-
sensmoral in der Partnerschaft.
• Masturbation ist heute eine eigenständige Sexualform neben der Bezie-
hungssexualität.
• Sexualmythen lähmen das Sexualleben vieler Paare.
Die Entstehung von Lust und Begehren ist komplex und in- Testosteron
dividuell. Das übliche Modell der sexuellen Reizverarbeitung
beschreibt aufsteigende Prozesse, d. h., durch Wahrnehmung
eines sexuellen Reizes wird eine genitale und subjektive Erre-
gung ausgelöst. Jedoch wird das lineare Modell der Komple-
Attraktion Bindung
xität der Sexualität, v. a. der weiblichen, nicht gerecht (fokussierte Aufmerk- (Sicherheit,
(› Abb. 1.4). samkeit, Verliebtsein) emotionale Nähe)
Die Lust auf Sex kann ganz spontan und primär durch das Dopamin, ver- Oxytocin
Bedürfnis nach körperlicher sexueller Erregung und Befrie- mindertes Serotonin
digung entstehen. Sie entsteht aber auch durch das Bedürf-
nis nach Intimität und Nähe, also durch das Bedürfnis nach Abb. 1.5 Emotions-Motivations-Systeme nach Helen Fisher [L123]
Beziehung. Spontanes sexuelles Interesse, emotionale Nähe,
sexuelle Reize und Bedürfnis nach emotionaler und körperli-
cher Intimität beeinflussen sich gegenseitig. Manchmal ent- 1.2.2 Modelle der sexuellen Reaktion
steht die Lust erst während der sexuellen Handlung: „Appetit
kommt beim Essen.“ Nach Master und Johnson (1966) lässt sich die sexuelle Reak-
Helen Fisher postuliert drei primäre Emotions-Motiva- tion in vier Phasen einteilen (› Abb. 1.6):
tions-Systeme für Fortpflanzung: Lust, Anziehung und Bin- • Erregung
dung. Der jeweiligen Motivation liegen spezifische neuronale • Plateauphase
Korrelate zugrunde (› Abb. 1.5). • Orgasmus
Kompliziert wird es durch den typischen Geschlechterun- • Rückbildung der sexuellen Erregung (Refraktärphase)
terschied: In der Praxis zeigt sich, dass ein Großteil der Frau- Helen Singer Kaplan (1974) hat der Erregungsphase noch die
en emotionale Nähe braucht, um Sex haben zu können und Phase der sexuellen Appetenz vorangestellt. Diese Eintei-
viele Männer dagegen durch Sex Nähe herstellen wollen lung gilt im Prinzip für beide Geschlechter.
(› Kap. 1.5). Auch die genitale Erregung wird von den Ge- Rosemary Basson 2002 hat zusätzlich zu diesen Modellen
schlechtern unterschiedlich wahrgenommen (› Kap. 1.5.3). ein neues Modell vorgeschlagen, insbesondere für Frauen in
Langzeitbeziehungen. Sie postuliert, dass Frauen sich in ei-
nem Zustand der sexuellen Neutralität befinden und erst
durch nicht sexuelle Intimität mit dem Partner – sie spürt
Mann: seine Gefühle, sie fühlt sich nahe – empfänglich werden für
Reiz Erregung sexuelle Reize (› Abb. 1.7).
Frau: Das Modell entwickelte R. Basson für Frauen. In der Praxis
Reiz ? Erregung zeigt sich, dass es durchaus auch auf Männer zutreffen kann.
Tendenziell ist das zirkuläre Modell eher „weiblich“ und das
Abb. 1.4 Reiz-Erregungs-Modell von Sexualität [P314, L143] lineare Modell eher „männlich“.
6 1 Grundlagen der Sexualität
Orgasmus
Plateauphase En
tsp
an
nu
ng
Ent
sp
ha
spa
se
nnu
Erregungsphase
ngs
b
pha
se
Frau a b a
Orgasmus
Refraktärphase
Refraktärphase
Plateauphase
pha
se Variante a zeigt den Verlauf mit einem oder
Erregungsphase
pan
b
gungsphase, die sich bis zu einem Plateau stei-
nun
spa
nnu
n
gs-
Interesse an
Intimität
erotischer
Stimulus
Steigerung von
Erregung und psychische und
sexueller Lust + körperliche Faktoren,
–
limbische Bewertung
körperliche und
subjektive
Erregung Abb. 1.7 Sexueller Reaktionszyklus in Anleh-
nung an Rosemary Basson, 2002 [P314, L143]
1.2 Lust, Begehren, Erregung 7
1.2.3 Duale Steuerung der Lust tät zu erleben, sondern den gedachten oder reellen Partner-
anforderungen zu genügen. Aufgrund von Kommunikati-
Warum entwickelt sich manchmal Lust und manchmal nicht? onsbarrieren gibt es häufig Fehlvorstellungen von den Wün-
Das einfache Modell „auf sexuellen Reiz folgt sexuelle Erre- schen und Vorstellungen des Partners. Schuld- und Scham-
gung“ greift in der Realität nicht. Bancroft und Janssen (2000) gefühle können entstehen, das Gefühl, dem Partner nicht
entwickelten ein Modell der dualen Kontrolle der sexuellen gerecht zu werden, „es nicht zu bringen.“
Erregbarkeit: Die individuelle Erregung ist abhängig von erre- Ein einmaliges „Nichtfunktionieren“ kann durch Selbst-
genden und hemmenden Faktoren. Es sind zwei unabhängi- verstärkungsmechanismen zu Versagensängsten führen,
ge Systeme wie das Gas- und Bremspedal beim Auto. die wiederum den Leistungsdruck erhöhen. Durch negative
Menschen mit riskantem Sexualverhalten haben viele er- Rückkopplung verstärkt sich dieser Teufelskreis und die
regende und wenig hemmende Systeme. Umgekehrt zeigen Symptomatik bleibt erhalten. Im negativsten Fall erfolgt eine
sich bei Menschen, die eher zu Sexualfunktionsstörungen Chronifizierung (› Abb. 1.8).
neigen, viele hemmende und wenig erregende Faktoren. Se- Die Störung in der Sexualität führt zu einer Belastung in
xuelle Motivation kann „abgeschaltet“ werden, sodass keine der partnerschaftlichen Beziehung. In den meisten Fällen
Lust entsteht, selbst wenn erotische Stimuli vorhanden sind. kommt es zu einem problemverstärkenden Verhalten des
Hemmende Faktoren sind v. a. Stress, Erschöpfung und Partners:
Partnerschaftskonflikte. Frauen sind oft durch „kleine“ Stör- • Der Partner reagiert enttäuscht, aggressiv, wütend und
faktoren auslenkbar und wohl etwas vulnerabler als Männer. beleidigt oder beschämt den anderen. Dies verstärkt wie-
Beispielsweise kann das schlafende Kind im Nachbarzimmer derum die sexuelle Störung. Oft distanzieren sich die Paa-
zu einer Hemmung führen. re zunehmend voneinander.
Auf neurobiologischer Ebene wirken sexuell stimulierend • Beide Partner beziehen die Störung auf sich selbst, z. B.
Dopamin, Noradrenalin, Oxytocin und die Melanokortine. Erektionsstörung bei gleichzeitiger mangelnder Lubrika-
Hemmend wirken die endogenen Opioide, die während des tion der Frau.
Orgasmus freigesetzt werden. Auch das Serotonin bewirkt • Ein Partner macht den Anderen für seine Probleme ver-
eine Abschaltung des Systems, sexuelle Reize wirken nicht antwortlich, z. B. Erektionsstörung aufgrund der Ge-
mehr. Medikamente, hormonelle Veränderungen und Stress wichtszunahme der Partnerin.
können das Wechselspiel von hemmenden und erregenden Aber auch positive Interaktionsmuster sind möglich. Bei-
Faktoren stören. spielsweise kompensiert der Partner spontan die sexuelle
Störung durch kreativere Stimulation bei Erregungsproble-
EVIDENZ matik. Oder die Störung wird als Anlass genommen, mitei
Beeinflussung der weiblichen Erregbarkeit nander übereinander zu reden.
Susanne Vogel (2013) zeigte 232 Frauen verschiedene Bilder, u. a.
ekelerregende dermatologische Bilder, Bilder von Männern in so
zial positiven und negativen Interaktionen und Bilder von Luxusgü-
tern, danach ein sexuelles Bild. Anschließend markierten die Frau-
en ihre aktuelle Erregung auf einer Skala. Frauen mit einer sexuel-
len Funktionsstörung waren durch positive Bilder weniger erregbar
als gesunde Frauen. Frauen mit der Bereitschaft, unter Umständen Leistungsdruck ↑
sexuelle Handlungen gegen materielle Güter zu tauschen, waren
durch Luxusgüter stärker erregbar als die Vergleichsgruppe.
Versagen Selbstbeobachtung ↑
1.2.5 Sexuelle Präferenz und sexuelle dem Thrill, der mit der nonsexuellen Selbstpreisgabe und der
Orientierung narzisstischen Selbsterfindung einhergeht.
Als ganz besonders einschneidend beurteilt Sigusch die
Akzeptanz von Asexualität in der Gesellschaft. Männer und
DEFINITION Frauen können heute ihr sexuelles Desinteresse bekunden,
Sexuelle Präferenz und sexuelle Orientierung
ohne Kritik zu ernten. Durch die permanenten öffentlichen
Sexuelle Präferenz ist der Überbegriff dessen, was unser sexuelles sexuellen Inszenierungen verliert die Sexualität an Reiz und
Verlangen ausmacht. Vereinfacht gesagt, unsere Liebesrichtung
Spannung.
oder unsere sexuellen Vorlieben. Unter dem Begriff sexuelle Prä-
ferenz versteht man: Auf gesellschaftlicher Ebene tritt heute die Konsensmoral
• Sexuelle Orientierung auf das männliche oder/und weibliche an die Stelle der Sittenmoral. Erlaubt sein soll alles, womit
Geschlecht (hetero-, homo- oder bisexuell). Das beinhaltet auch die jeweiligen Partner einverstanden sind. Die Angemessen-
die Selbstidentifikation als heterosexuell, schwul, lesbisch oder heit des Miteinander-Tuns wird überprüft und besprochen,
bisexuell. es bleibt wenig Raum für Uninterpretiertes oder Überra-
• Sexuelle Ausrichtung auf den kindlichen, jugendlichen oder
schendes. Die Sexualität wird zunehmend rationalisiert. Si-
erwachsenen Körper
• Sexuelle Neigung zu einem bestimmten Sexualpartnertyp
gusch: „Mit nüchternem Verstand und heißem Kopf wird
(z. B. schlank oder übergewichtig) und einer bestimmten Art und heute geregelt, was immer sich regeln lässt, vom No-Sex oder
Weise sexueller Betätigung. Auch Wünsche und Phantasien ge- One-night-stand bis hin zur jahrzehntelangen Beziehung oh-
hören hierzu. ne Sexualität, aber mit Zuneigung.“
Auch wenn offenkundig die alten Sexualnormen nicht
mehr gelten, existieren sie unterschwellig noch fort.
Die sexuelle Präferenz wird im Jugendalter, evtl. schon im In der Sexualmedizin zeigten sich folgende Tendenzen:
Kindesalter festgelegt und ist in ihren Grundsätzen nicht • In den 70er- und 80er-Jahren stand die Orgasmusstörung
mehr veränderbar. Eine Erregung ist auch möglich, wenn die der Frau im Vordergrund,
sexuelle Präferenz nicht oder nur teilweise gelebt wird, aber • in den 90er-Jahren die Erektionsstörung des Mannes,
der größte Lustgewinn entsteht, wenn die individuellen se- • ab 2000 die Libidostörung in Bezug auf eine Person, im
xuellen Reizsignale erfüllt werden. Gegensatz zu der ungerichteten sexuellen Appetenz (Mas-
Die Phantasie kurz vor dem Orgasmus (präorgastische turbation, › Kap. 1.2.7).
Phantasie) gibt entscheidende Hinweise auf die individuel- Die im 20. Jahrhundert vorherrschende Ansicht „Männer
len Präferenzmuster. Diese können von dem Betroffenen in wollen immer und Frauen selten oder nie“, hat sich grundle-
trapsychisch abgelehnt werden und als nicht zum Ich pas- gend geändert. Früher undenkbar, heute in der Praxis im-
send, ich-dyston, erlebt werden. mer häufiger auftretend: Frauen wollen und ihre Männer
Erst wenn der Betroffene oder andere durch die sexuelle nicht.
Präferenz gestört sind, spricht man von sexuellen Präferenz-
störungen oder Paraphilien.
Prinzipiell sind Frauen in ihren sexuellen Vorlieben weni- 1.2.7 Masturbation
ger festgelegt und variabler als Männer. Wahrscheinlich „der
Beziehung zuliebe“ sind sie anpassungsfähiger. Auch die Sichtweise auf die Masturbation hat sich wesentlich
geändert. Von einer verpönten Ersatzsexualpraktik ist sie zu
einer eigenständigen Form der Sexualität geworden. In ei-
1.2.6 Sexualität im Wandel der Zeit ner festen Partnerschaft ist sie sowohl bei Männern als auch
bei Frauen ein Bestandteil der Sexualität und erfolgt meist
Volkmar Sigusch prägte den Begriff Neosexualitäten. Er „ohne schlechtes Gewissen.“
umschreibt die heutige Sexualität, wie sie sich seit den späten Nach wie vor gibt es jedoch ein unterschwelliges Mastur-
1970er-Jahren entwickelte. Sigusch spricht im Zusammen- bations-Tabu. Die Frage nach der Masturbation in der Sexu-
hang mit dem enormen kulturellen Wandel sogar von einer alanamnese ist, insbesondere bei Frauen, oft sehr schambe-
neosexuellen Revolution: „… die hohe symbolische Bedeu- setzt. Es fällt ihnen schwer, die Masturbation einzuräumen.
tung, die die Sexualität um die Jahrhundertwende, in den Die Masturbationshäufigkeit bei Frauen wird auch heute
zwanziger Jahren und am Ende der sechziger Jahre hatte, wird noch unterschätzt. Schon 1953 zeigte der Kinsey-Report,
wieder reduziert.“ dass 60 % der Frauen masturbieren. Nach neueren Studien
Die Neosexualität bestehe v. a. aus Selbstliebe, Thrills und masturbieren 93–98 % der gebundenen Männer und 66–83 %
Prothetisierung (z. B. mit PDE-5-Hemmern). Sie kreise um der Frauen. Dazu benützen Frauen häufig einen Vibrator.
selbstoptimierte Souveränität. Selbstwertgefühl und Befrie- In Beziehungen ist den Partnern häufig nicht bekannt,
digung werde nicht mehr aus der Verschmelzung beim Ge- dass der „lustlose“ Partner durchaus „Lust auf sich selbst
schlechtsverkehr gezogen, sondern ebenso oder stärker aus hat.“ Gelegentlich wird die Masturbation als Betrug am Part-
1.2 Lust, Begehren, Erregung 9
„Viel bewirkt viel. Viel Sextechnik bringt viel Erregung ter körperliche Veränderungen, z. B. in Hinblick auf die
und Lust.“ Es ist ein Mythos äußere Handlungen, wie z. B. Erektion des Mannes oder die Lubrikation der Frau (› Kap.
möglichst viele Koitusstellungen, ausgefeilte Massagetechni- 3.5.2). Trotzdem ist Sexualität auch im Alter unverzichtbar
ken oder Sexspielzeuge würden langfristig eine große sexuel- und ein Quell der Lebensfreude.
le Lust bewirken. In der Regel ist Sex ohne emotionale Nähe „Ohne Erektion und Ejakulation gibt es keinen Orgas-
ein Reiz ohne Bedeutung, der immer mehr Stimulans mus.“ Diese Vorstellung ist falsch. Nicht erektions- oder
braucht. Es kommt zu einer Reizadaptation. Um die gleiche ejakulationsfähige Männer berichten trotzdem von einem
sexuelle Lust zu verspüren, braucht es stärkere sexuelle Rei- Orgasmus. Auch ein nichterigierter Penis kann Lustgefühle
ze. Ist Sex hingegen mit emotionaler Intimität verbunden, hervorrufen.
wird die „Sextechnik“ zur Nebensache. Emotionale Intimität,
ein „Sich-auch-emotional-nackt-zeigen“, macht Angst und CAVE
setzt ein stabiles Selbstwertgefühl voraus. Ein Ausweichen Risiken durch Sexualmythen
auf „Sextechniken“ erfüllt nicht die psychosozialen Grundbe- Irrtümer und Mythen über Sexualität und Liebe sind alles andere
dürfnisse und wirkt auf Dauer wenig befriedigend. als harmlos. Es macht Sinn, die Sexualmythen im Gespräch mit
„Impotenz ist im Alter unvermeidlich und Sex ist nichts dem Patienten zu erkennen und zu hinterfragen, da sie sich meist
mehr für ältere Menschen.“ Die Sexualfunktion erlischt als lähmend für das sexuelle Erleben erweisen.
im Alter als eine der letzten Funktionen. Zwar gibt es im Al-
1.3 Typisch Frau
Kernaussagen
• Anatomie und Physiologie der weiblichen Sexualorgane geben wichtige
Aufschlüsse zur Erregbarkeit der Frau.
• Es gibt nicht den einzig richtigen oder normalen Orgasmus, sondern nur
ein individuelles Lustempfinden.
• Der G-Punkt wird kontrovers diskutiert.
1.3.1 Anatomie und Physiologie der Klitoris-Schenkel laufen innerhalb des Beckens entlang der
weiblichen Sexualorgane Schambeinäste und liegen den Ischiocavernosus-Muskeln
auf (› Abb. 1.11).
Die für die Erregung der Frau wichtigste Struktur, die Klito-
ris, wurde erst ab 1998 intensiver untersucht. Bahnbrechend
war die Erkenntnis der australischen Urologin Helen
O‘Connell, dass die Klitoris nicht nur aus einer kleinen Klito-
riseichel besteht, sondern wesentlich größer ist und tief in
den Körper hineinreicht. Die Klitoris wird korrekter als Kli-
toris-Komplex oder auch als Klitoris-Vagina-Vulva-Kom-
plex bezeichnet (› Abb. 1.10).
Die Klitoris-Spitze ist der einzige Teil der Klitoris, der zu
sehen ist. Er liegt zwischen Harnröhrenausgang und Scham-
bein. Die Klitoris-Spitze enthält sehr viele Nervenfasern,
doppelt so viele wie die Peniseichel des Mannes und kann
daher sehr empfindlich sein, sodass manche Frauen eine di-
rekte und intensive Stimulation nicht als angenehm empfin-
den.
Die Klitoris-Spitze geht in den tieferliegenden Klitoris-
körper über, der aus zwei Schwellkörpern besteht. Vom Kli-
toris-Körper gehen zwei Fortsätze, die Klitoris-Schenkel, die
bis zu 9 cm lang sind, seitlich in die Tiefe des Körpers. Die Abb. 1.10 Der Klitoris-Komplex [L231]
1.3 Typisch Frau 11
Tuberculum pubicum
Symphysis pubica Lig. suspensorium clitoridis
Corpus cavernosum
clitoridis
Preputium clitoridis
Glans clitoridis
Frenulum clitoridis
Crus clitoridis Ostium urethrae
Labium minus externum
pudendi Carunculae hymenales
Ostium vaginae M. ischiocavernosus
M. bulbospongiosus
Bulbus vestibuli
Membrana perinei
Glandula vestibularis
major, (Ostium)
Vestibulum Tuber ischiadicum
vaginae
M. sphincter ani externus, Pars subcutanea Frenulum labiorum
pudendi
Abb. 1.11 Anatomie von Vulva und Vagina Anus
[S007-02-23]
Zusätzlich gehören zum Klitoris-System zwei mächtige Anders als bei der männlichen sexuellen Entwicklung, bei
Schwellkörper, die sich von dem Klitoris-Körper (genauer an der normalerweise schon beim ersten Samenerguss ein Or-
der Aufteilungsstelle der Klitoris-Schenkel) bis zum vorde- gasmus erlebt wird, wird der Orgasmus bei der Frau erst mit
ren (unteren) Drittel der Scheide, der Vagina, ziehen. Diese der Zeit gelernt, zufällig entdeckt oder bei der Masturbation
Schwellkörper sind eingebettet in die Bulbo-cavernosus- eingeübt. Multiple Orgasmen sind möglich.
Muskulatur und ziehen sich über einen Großteil der äußeren
Harnröhre. CAVE
Geschlechterunterschied Orgasmus
CAVE Frauen können multiple Orgasmen haben.
Die Klitoris ist also nicht nur ein kleines „erbsengroßes Gewebe“, Im weiblichen Reaktionszyklus gibt es, im Gegensatz zu dem des
sondern wesentlich umfassender als ursprünglich gedacht und da- Mannes, keine Refraktärphase (› Abb. 1.6).
mit individuell sehr unterschiedlich stimulierbar.
1.4 Typisch Mann
Kernaussagen
• Erektion und Ejakulation sind komplexe Vorgänge.
• Erektion erfolgt unter parasympathischer Innervation, also in entspanntem
Zustand, Ejakulation unter Zusammenspiel von Sympathikus und N. pudens.
• Die männliche Sexualität steht unter neuen Herausforderungen.
DEFINITION
Männliche innere Sexualorgane Ureter
• › Abb. 1.12
• Hoden (Testes): produzieren Spermien und Sexualhormone.
• Nebenhoden (Epididymis): den Hoden jeweils aufliegend, dienen
der Lagerung der Samen.
• Samenleiter (Ductus deferens): setzen an den Nebenhoden an,
nehmen die Mündung der Samenbläschen auf, verlaufen durch
die Prostata und münden in die Harnröhre.
• Harnröhre (Urethra)
• Samenbläschen (Bläschendrüsen, Glandulae vesiculosae): liegen
im Becken hinter der Harnblase, produzieren zwei Drittel des
Ejakulats.
Ureter
• Prostata (Vorsteherdrüse): liegt unter der Harnblase, bildet ein
Drittel des Ejakulats. Ductus deferens
• Cowper-Drüsen: Die beiden erbsengroßen Drüsen liegen im un- Vesica
urinaria Glandula vesiculosa
teren Beckenboden und sondern bei sexueller Erregung oft vor
der Ejakulation ein Sekret ab, das Präejakulat oder den „Lust- Ductus ejaculatorius
tropfen“. Prostata
Glandula bulboure-
thralis
(Paradidymis)
Epididymis
Appendix testis
T10
T11
T12
L1
L2
L3
L4
L5
S1
S2
S3 Plexus hypogastricus superior
S4
S5 Plexus testicularis
Ganglia pelvica,
Radix parasympathica
[Nn. splanchnici pelvici]
Plexus hypogastricus
inferior
Nn. cavernosi
Plexus testicularis
Abb. 1.14 Innervation der männlichen Sexualor-
gane [S007-02-23, V492]
EVIDENZ
Befragung von Therapeuten: Worin sehen Sie aktuell die
größten Herausforderungen für Männer?
Rieck und Salm, 2015 (Mehrfachnennungen möglich):
• 67 % der Therapeuten nennen „Selbstwertgefühl und Identität
als Mann“,
• 54 % „Gefühle wahrnehmen und ausdrücken“,
• 35 % „Beziehungs- und Bindungsfähigkeit“,
• 31 % „Umgang mit sexuellen Wünschen und Erwartungen“.
1.5 Geschlechtertypische Unterschiede
Kernaussagen
• Es gibt nachgewiesene und empirische geschlechtertypische Unterschiede
bezüglich der Sexualität.
• Die Unterschiede zu kennen, beugt Missverständnissen vor oder kann sie
aus dem Weg zu räumen.
• Unterschiede in der sprachlichen Kommunikation zwischen Frau und
Mann wahrnehmen, hilft Konflikte zu vermeiden.
EVIDENZ das nicht nachvollziehbar und das erotische Erleben eine der
Studien zum Gelegenheitssex (Casual Sex) Grundvoraussetzungen für sexuelles Verlangen.
• Clark & Hatfield (1989) befragten Studenten und Studentinnen. Frauen brauchen emotionale Nähe, um sich auf Sex ein-
Nach einem kurzen Gespräch antworteten 75 % der männlichen lassen zu können. Männer brauchen Sex, um Nähe fühlen
Studenten auf die Frage „Würdest Du heute Nacht mit mir zu können oder Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen. Das
schlafen?“ mit einem „Ja“ und 0 % der Studentinnen.
• Oliver & Hayde (1993): Männer masturbierten häufiger und wa-
unterschiedliche Verständnis von Sex und das Verhältnis zu
ren deutlich häufiger dem Casual Sex zugewandt. Nähe führt oft zu Konflikten in der Partnerschaft. Die meisten
• Regan (1998): Frauen waren bei Casual Sex weniger bereit, von Frauen haben mehrere Kanäle, um Nähe herzustellen, z. B. in-
ihren üblichen Standards bezüglich sozialem Status abzuwei- time Gespräche mit Freundinnen, Austausch von Zärtlichkei-
chen als Männer. ten mit den Kindern. Ihr Bedürfnis nach Nähe wird damit
schon befriedigt. Männer führen mit Freunden eher sachliche
als emotionale Gespräche und auch der Umgang mit ihren
Kindern ist oft eher kumpelhaft als zärtlich. Vielen Frauen ge-
1.5.2 Differente Voraussetzungen für lingt nicht die „Dechiffrierung“ des männlichen Bedürfnisses
sexuelles Verlangen nach Sex. „Ich will Sex“ bedeutet eigentlich „Ich will Nähe.“ Sie
fühlen sich als „Lustobjekt.“ Männern können oft nicht sagen,
Die nachfolgend genannten Unterschiede sind nur charakte- um was es ihnen eigentlich geht und Gefühle zeigen.
ristisch und häufig, aber nicht immer zu finden. Frauen müssen vor dem Sex entspannt sein, Männer
Männer scheinen einen leichteren Zugang zu ihrer sexuel- brauchen Sex zur Entspannung. Auf die Frage „Was brau-
len Lust zu haben und brauchen nicht unbedingt erotische chen Sie, um Lust zu haben?“ antworten die meisten Frauen
Verführung. Die meisten sind sexuell spontan, ein visueller als erstes: „Ich brauche erst mal Zeit für mich.“ Das heißt Sex
Reiz führt zu gedanklichem Sex. Für die meisten Frauen ist nach einem anstrengenden, stressigen Tag ist für viele Männer
angenehm und für die meisten Frauen ein No-go (vgl. Abb.).
Voraussetzungen für sexuelles Verlangen
Frau Mann
1.5.3 Unterschiedliche Koppelung der • Ergebnis Männer: Subjektive Einschätzung stimmte mit ihrer ge-
subjektiven und genitalen Erregung nitalen Erregung überein.
• Ergebnis Frauen: Frauen reagierten physisch auf alle möglichen
Die genitale Erregung läuft bei den Männern parallel zur ko- Bilder und Filme (u. a. kopulierende Zwergschimpansen) teilwei-
se unabhängig von ihrer subjektiven Einschätzung.
gnitiven Erregung. Bei Frauen kann unabhängig von der Ko-
gnition eine genitale Erregung vorliegen. Lubrikation muss
nicht bedeuten, dass die Frau Lust hat.
1.5.4 Sexuelle Phantasien und Verhalten
EVIDENZ
Klare Trennung zwischen Gehirn und Vagina Bezüglich sexueller Phantasien ist bekannt, dass Männer
Meredith Chivers (2007): häufiger Gelegenheits- und Gruppensexphantasien haben
Während einer Vorführung von verschiedenen Bildern und porno- und Frauen häufiger Phantasien über sexuelle Kontakte zu
grafischen Filmen wurden die Genitalien der Probannten mit ei- einer Frau oder einem berühmten Mann (Castilla 1998).
nem Plethysmografen verbunden. Die Probanden mussten ihre Frauen scheinen auch häufig die lustfördernde Phantasie zu
subjektive Erregung per Tastdruck bewerten. haben, einem sexuellen Vorgang ausgeliefert zu sein. 54 %
16 1 Grundlagen der Sexualität
der Frauen berichten von sexuellen Phantasien mit maso- Auch der Pornografie-Konsum ist geringer. Laut der
chistischem Inhalt. Nur ca. 50 % der Paare kennen die sexuel- BZgA-Studie 2013 haben mehr als 80 % der befragten Jungen
len Wünsche ihres Partners. zwischen 16 und 19 Jahren und 10 % der Mädchen mehr als
Auch in der sexuellen Intimität sind die Abläufe diver- sporadische Pornografie-Erfahrung (› Kap. 5.1).
gent zwischen den Geschlechtern (vgl. Abb.). In der Praxis zeigt sich, dass fast alle Männer masturbie-
Viele Frauen sind flexibler im sexuellen Verhalten und ren, im Gegensatz zu Frauen. Frauen masturbieren weniger
lassen sich auf viel ein, der Beziehung zuliebe. Sexuelle Prä- häufig, beginnen später und berichten oft über keine Phanta-
ferenzen und Sexsucht kommen bei Frauen wesentlich selte- sie im Gegensatz zum männlichen Geschlecht (› Kap.
ner vor, wenn es sexuelle Präferenzen gibt, dann v. a. Maso- 1.2.7).
chismus-Sadismus.
Sexuelle Intimität
Frau Mann
1.5.5 Geschlechtertypische Kommunikation
Frau Mann
– Beziehungsthemen – Sachthemen
– Emotionales Verstehen – Lösungsvorschläge
2 Methodenwissen
Kernaussagen
• Sexualberatung ist indiziert bei leichteren oder vorübergehenden Proble-
men in der Sexualität.
• Sexualberatung beinhaltet Vermittlung von Information, das Entkatastro-
phieren von Beschwerden und Vorschläge zur konkreten Lösung.
• Der Arzt versteht sich in der Sexualberatung und -therapie als empathi-
scher Begleiter, nicht als der Experte wie in der klassischen Arztrolle.
• Hauptmerkmal in der Arzt-Patienten-Kommunikation: fragen statt sagen.
2.1.1 Was ist Sexualberatung? ist in der Praxis eine strikte Trennung zwischen Therapie
und Beratung allerdings oft nicht möglich.
DEFINITION
Sexualberatung nach Beier, Loewit (2011)
2.1.2 Schwerpunkte der Sexualberatung
„Beratung bedeutet, nicht Ratschläge zu erteilen oder zu bekom-
men, sondern mit dem Patienten/Paar gemeinsam ‚zu Rate gehen‘,
Sexualberatung dient der Aufklärung und Information, Be-
‚sich zu beraten‘, also Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, damit Patien-
ten/Paare ‚ihre‘ Lösung finden und Schritte zur Veränderung un- wusstmachung von Lerndefiziten und Sexualmythen sowie
ternehmen können.“ (› Abb. 2.1) der Anregung zu Verhaltensänderungen. Sie ist indiziert
• bei sexuellen Problemen,
• zur Vorbeugung von sexuellen Störungen oder bei leich-
Sexualberatung und -therapie bauen auf den gleichen Prinzi- ten sexuellen Störungen,
pien und Herangehensweisen auf. Die Beratung läuft über • zur Klärung sexueller und partnerschaftlicher Bezie-
einen oder wenige Beratungstermine. Im Gegensatz zur we- hungsbeeinträchtigung, gegenseitiger Wünsche sowie der
sentlich intensiveren und umfangreicheren Sexualtherapie „sexuellen Weltanschauung“,
Sexualfunktionsstörung:
• Gestörte sexuelle Reaktion mit Leidensdruck
• Eigentlicher Leidensdruck oft aufgrund der gestörten Beziehungs-
zufriedenheit
Nicht nur die Rolle des Arztes ist in der Sexualberatung eine
2.1.3 Sexualität in der ärztlichen Sprech- andere, auch die Kommunikation erfordert eine neue Heran-
stunde gehensweise.
Eine offene, unbefangene und klare Sprache, welche die
Nach Sydow (2015) wünschen sich 91 % der ambulanten Pa- Dinge beim Namen nennt, hat sich bewährt. Eine zu medizi-
tienten in der Schweiz, dass ihr Arzt Fragen zu ihrer Sexuali- nische Ausdrucksweise, z. B. „erektile Dysfunktion“, ist meist
tät stellt. Die überwiegende Zahl der Ärzte (75 %) aber spre- weniger hilfreich. Der Ausdruck „Erektionsprobleme“ kann
chen ihre Patienten selten oder nur sehr selten auf ihre Sexu- eine hilfreiche Alternative sein.
alität an. Statt knappe Fragen zu stellen, auf die nur ein „Ja“ oder
Die Hemmung gegenüber Sexualberatung ist immer noch „Nein“ möglich ist, gilt es hier offen zu fragen, sodass der Pa-
hoch. Nur 10–20 % der Menschen suchen selbst nach ärztli- tient ausführlicher antworten kann. „Was meinen Sie mit
cher Beratung, wenn sie sexuelle Störungen haben. Aus ‚Sie haben keine Lust‘? oder ‚Was steckt da dahinter‘?“
Scham und Angst scheuen sich viele Betroffene, ihre Proble- Offene „W-Fragen“ (Wie?, Was?, Wann?, Wo?, Wer?) er-
me anzusprechen. Auf der anderen Seite sind im Gesund- lauben es dem Patienten, nachzudenken und auf eine tiefere
heitswesen nur wenige geschult, kompetent Fragen zur Sexu- Bedeutungsebene zu gelangen.
alität zu stellen und Fragen zu beantworten.
Ärztliche Beratung wird selten prophylaktisch in An-
CAVE
spruch genommen, sondern meist erst bei massiven Proble- Ärztliche Kommunikation in der Sexualberatung
men.
• Fragen statt sagen!
• Zuhören. → Beier, Loewit (2011): „Die Watte aus den Ohren
CAVE nehmen – und in den Mund stecken!“
Ärzte sollten … • Auf die Sprache des Patienten/Paares eingehen.
• reden aus dem Wissen heraus, dass Sex gesund und bezie- • Keine Bewertung! Es geht nie um Schuld, sondern darum, he
hungsfördernd ist. rauszufinden, warum es so ist, wie es ist.
• die Patienten aktiv auf ihre sexuelle Gesundheit ansprechen. • Fragen und Anregungen geben, damit sich etwas klärt.
• den Einstieg ins Gespräch erleichtern. • Ressourcenorientierte Fragen: „Was hält sie zusammen?“ oder
• kompetenter ärztlicher Ansprechpartner sein. „Was ist gut?“
2.2 Kurze Sexualanamnese in Klinik und Praxis 19
Die Interventionstechnik nach dem PLISSIT-Modell, in • Intensive Therapy (intensive Therapie): Wenn die drei
den 70er-Jahren von Annon entwickelt, erlaubt in vielen Fäl- ersten Schritte nicht zum Ziel führen, kann der nächste
len schon durch die ersten drei Schritte, dem Patienten eine Schritt eine Sexualtherapie sein.
ausreichende Beratung zu geben. Konkrete Fragen der lösungsorientierten Beratung können
PLISSIT steht für: sein:
• Permission (Erlaubnis): Der Arzt oder Berater gibt dem • Welche Faktoren halten das Problem aufrecht?
Patienten die „Erlaubnis“ zu tun, was ihm gefällt oder zu • Was sind die individuellen, idealen Voraussetzungen für
empfinden, was er empfindet. Es geht darum, seine Be- sexuelle Aktivität?
schwerden zu normalisieren, alleine das wirkt schon ent- • Werden die unterschiedlichen Interessen der Partner,
lastend, z. B. Masturbation in der Partnerschaft. z. B. bezüglich der Quantität, ausreichend berücksichtigt?
• Limited Information (beschränkte Information): Wis- Cave: Druck erzeugt Unlust.
sen wird vermittelt, z. B. Anatomie der weiblichen Sexual- • Besteht ein Leistungsdruck mit negativen Rückkopp-
organe oder Aufklären über Sexualmythen. lungsprozessen? Besteht eine Fixierung auf Koitus und
• Specific Suggestions (spezifische Vorschläge): Konkrete Orgasmus?
Tipps oder Lösungen werden vorgeschlagen, z. B. Kom- • Reden die Partner miteinander klar oder nur in Andeu-
munikationstipps für Paare bezüglich ihrer Sexualität. tungen?
Kernaussagen
• Viele Patienten erwarten eine aktive Gesprächseröffnung durch den Arzt.
• Oft lassen sich durch gezielte Fragen Probleme, die den Patienten belasten,
schon mit wenigen Sätzen klären.
2.2.1 Gesprächseinstieg 2.2.2 Diagnostik
Um das Thema Sexualität anzusprechen, ist ein gewisses Ge- Wenn der Patient ein Problem nennt, können diagnoseklä-
fühl für die richtige Situation und den passenden Zeitpunkt rende Fragen hilfreich sein (› Tab. 2.1).
notwendig. Bei akuten Erkrankungen, die keinen anhalten-
den Effekt auf die Sexualität erwarten lassen, ist ein Anspre- Tab. 2.1 Diagnostische Hinweise
chen nur bei konkretem Verdacht auf Probleme sinnvoll. Bei Fragen Störung
chronischen Erkrankungen oder entsprechender Medikation Dauer Schon immer? → primäre
sollten immer Fragen zur Libido und Potenz gestellt werden. Noch nicht immer? Erworben? → sekundäre
Je nachdem, wie vertraut der Berater und der Patient mit- Kontext In allen Situationen? Z. B. in der → generalisierte
einander sind, kann das Thema direkt angeschnitten werden. Partnerschaft und bei der Masturba-
Mögliche Einstiege in das Gespräch können folgende tion?
Fragen sein: Nur in bestimmten Situationen? → situative
• Wie geht es Ihnen in der Partnerschaft?
• Wie geht es Ihnen mit der Sexualität in der Partnerschaft?
Welche Rolle spielt die Sexualität in Ihrer Partnerschaft?
Gibt es da Probleme? Wollen Sie darüber sprechen? 2.2.3 „5-Minuten-Aufklärung“ und
• Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Erkrankung/The- „Mikroanamnese“
rapie/Medikamente auf Ihre Sexualität auswirken. Haben
Sie Veränderungen bemerkt? Eine 5-Minuten-Aufklärung über biopsychosoziale Zusam-
Spürbare Hemmungen sollten am besten direkt angespro- menhänge, den Stellenwert der Sexualität für die Gesundheit
chen werden. „Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es sowie über psychosoziale Grundbedürfnisse kann für den Pa-
schwierig ist, intime und persönliche Dinge mit einem Drit- tienten schon hilfreich sein. Oder auch die Anregung, Sexua-
ten zu besprechen. Das geht vielen so.“ lität nicht nur als Lust zu sehen, sondern auch als partner-
schaftliche Kommunikation auf körperlicher Ebene.
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carrying the rifle with him—not an easy feat by any means even for a
sailor!
It seemed to me that the fierce dog only took a couple of
prodigious bounds, and then sprang deliberately at Ned, utterly
regardless of the deadly sword blade. Like a man-eating tiger, he
evidently relied upon his weight and the suddenness of his attack.
I saw my coxswain aim a blow at the huge brute as it rushed in
upon him; but the next instant I saw him borne backwards to the
ground as the animal closed with him. At the same instant I caught
sight of the gunner raising his rifle to his shoulder as if with the
intention of blowing out the bloodhound’s brains.
It was no longer a dream, but a living tragical reality; and there
was I, safely ensconced in a tree, while my daring shipmates were
fighting for their lives with what was practically a savage wild beast!
Of course I saw now that Ned had unselfishly wished to place us in
safety before confronting the bloodhound single-handed. Recalled to
myself, and anxious to lend any assistance that lay in my power, I
hastily commenced to descend the tree; but as ill-luck would have it,
I grasped a rotten branch, which came away in my hand, and I was
precipitated to the ground—fortunately from no great height. As I fell,
I fancied I heard loud snarling and a deep moan. The next instant I
was on my feet again, feeling rather confused, but having suffered
nothing but one or two bruises. I was immensely relieved by the sight
that met my gaze, which made an impressive tableau.
The bloodhound lay stretched out on the ground, stone-dead, with
a puncture in the region of the heart. Ned was kneeling on the
ground close to the body of his assailant, and holding a gory sword
in his right hand. Leaning upon his rifle, and gazing down at the
defunct beast, stood Mr. Triggs.
“’Tis a good job, Ned,” the latter was saying, “that I didn’t let fly at
the beast. The report of my rifle would have brought a nest of
hornets about our ears, I’m thinking.”
“That it would,” answered my coxswain, wiping his sword in a
tussock of long grass; “but how it is them swabs have got separated
from their dog beats me.”
“Well, it’s the fortune of war,” said the gunner grimly, “and we must
be thankful for it. At the same time, mind you, they may not be a
hundred miles away, and we had better make ourselves scarce, and
steer for the sea-shore with steam up in all boilers.”
Ned sprang to his feet, and after inquiring of me whether I was
hurt by my fall out of the tree, he proposed that we should secrete
the bloodhound’s body for fear it should be discovered by the
pirates.
This was good advice, and we proceeded to act upon it. The dog’s
body was cumbrous and heavy, but by our united exertions we
dragged it to the edge of a neighbouring ravine and cast it down. As
this particular chasm was fringed with bushes and underwood, it
would not have been an easy matter to detect anything lying among
the rocks at the bottom of it.
I told my shipmates that I felt sure that if the other bloodhound was
still at large, it would be certain, sooner or later, to scent out Ned’s
victim.
The latter, we knew, was the pirate chief’s bloodhound, as we had
instantly recognized it by its mutilated ear.
“Flaying alive would be too good for me now if ever I’m nobbled,”
said Ned, as we once more set out at a sharp run; “leastways if that
cut-throat head of the gang knew that I’d settled the hash of his
highly prized bow-wow.”
“How did you manage to kill the brute?” I asked. “It was an awful
sight to see it fly at you, and I thought I saw it knock you over.”
“Well, it just did bowl me over and no mistake, sir, but I fancied
that something better was in store for me than to be popped off by a
furriner’s dog, and so I kept as cool as a cowcumber, and let drive
with the sword just as the beast was on top of me, as it were. My
killing it was a bit of a fluke, there’s no denying that, for I didn’t know
the bearings of his heart in the least.”
“You’ve rid us of our worst foe, Ned,” I said, “and given us a much
better chance of escape.”
“That was in my mind, of course,” said the seaman. “Thinks I to
myself, ‘Here’s that blooming dog close astarn of us, and somehow
got separated from his mate and his owners. What a chance to put
him out of the way on the quiet! Jiggered if I don’t slit his weasand
for him.’ Well, I did something more effectual than that, Mr. Darcy;
and here we are, with a fair start again, and I hopes as how we’ll
stick to it.”
It certainly seemed like a turning-point in our fortunes; for though
we even now heard some occasional shouts, they seemed to be at a
considerable distance, and we could not detect any baying from the
other bloodhound. I do not know whether I mentioned the fact
before, but I had been rather sceptical as to this latter animal being
upon our trail at all—at any rate during the last half-hour.
We still suffered a great deal of discomfort from our wet clothes
and boots, but we ran gamely on, knowing that everything depended
on our speed.
At length, without further misadventure, we emerged from the
jungle, and found ourselves on a rather extensive expanse of
sandhills, beyond which lay the blue sea, still darkened by the dun
volcanic clouds which hung in mid-air.
“Is that a boat?” asked Ned, excitedly.
CHAPTER XXIII.
A RACE FOR LIFE.