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S e l m a s t re i k

von Alex M. Gastel mit Illustrationen von Soufeina Hamed, Nadine Colin und Ro

„Du und ich, wir machen Urlaub in Tunesien!“, erzählt Selmas Mama
stolz. „Dein erstes Mal am Meer! Da kannst du Sandburgen bauen, so
groß wie ein Sofa.“ Selma sieht aber nicht aus, als wäre sie glücklich
über Sandburgen, und wären sie auch so groß wie ein Blauwal.

Sie fragt: „Da müssen wir mit dem Flugzeug hin, oder?“

„Ja, schon. Hast du etwa Angst vorm Fliegen?“

„Nee, niemals! Aber ich hab dir doch erzählt, dass die Kinder von der
großen Schule freitags immer streiken, damit die Erwachsenen sich mehr
um die Umwelt kümmern. Damit die endlich was gegen den Klimawandel
machen! Ich denk da viel drüber nach. Und Fliegen ist richtig schlecht
für das Klima und die Umwelt, das weiß ich. Können wir nicht
woanders Urlaub machen?“
„Sag mal, weißt du eigentlich, wie undankbar das ist?“, schimpft Selmas
Mutter. „Der Urlaub ist schon gebucht und ich habe lange für ihn
gespart, ganz allein! Außerdem weißt du genau, dass ich dir verboten
habe, bei diesen Freitagsstreiks mitzumachen. Die wollen doch einfach
nur nicht zur Schule gehen. Du bist noch nicht alt genug, um so
komplizierte Sachen wie den Klimawandel zu verstehen.“

„Nicht alt genug? Das ist alles, was dir dazu einfällt? Das sagen die
wütenden Erwachsenen im Fernsehen auch immer. Das ist doch kein
Grund!“ Knurrig verschwindet Selma in ihrem Zimmer.
Am nächsten Morgen findet Selmas Mutter ein großes Plakat in der
Küche. Es hängt an der Wand und darauf steht: „Streik! Ich bin alt
genug, um Angst vor Waldbränden zu haben.“ Neben den Worten ist ein
durchgestrichener Mund aufgemalt. Unter dem Plakat sitzt Selma und
schweigt. „Willst du jetzt etwa Schule schwänzen? Das kannst du
vergessen!“, sagt ihre Mutter und zwischen ihren Augenbrauen bildet sich
eine tiefe Furche. Selma antwortet nicht. „Redest du jetzt etwa nicht
mehr mit mir? Was soll das?“ Selma antwortet nicht. Sie zeigt nur auf
den durchgestrichenen Mund und schaut ihre Mutter entschlossen an.
„Das hältst du doch nicht durch“, schnaubt ihre Mutter und nimmt das
Plakat einfach von der Wand und wirft es in den Müll. Selma
antwortet nicht.

STREIK!!!

Doch am nächsten Morgen hängt bereits ein neues in der Küche: „Streik!
Ich bin alt genug, um Angst vor Dürre und Hunger zu haben.“ Langsam
macht Selmas Mutter sich doch Sorgen: „Dieser Schweigestreik tut dir
doch nicht gut! Was, wenn du ein Problem hast, und es mir nicht sagen
kannst?“ Selma antwortet nicht. Nach der Schule spielt Selma stumm
mit ihren Legos. Ihre Mutter setzt sich dagegen an den Laptop und liest,
nachdem sie von der Arbeit nach Hause kommt. Sie liest sehr lange, den
ganzen Abend über. Selma schweigt.
Am dritten Tag scheint der Streik weiterzugehen, diesmal mit der
Aufschrift: „Streik! Ich bin alt genug, um Angst zu haben, dass Tierarten
aussterben.“ Doch heute hat Selmas Mutter ihr eigenes Plakat dabei und
hängt es neben Selmas an die Wand. Darauf steht: „Sonntagmorgen:
Familienrat. Themen: 1. Urlaub gemeinsam besprechen und planen. 2.
Gemeinsame Klimamaßnahmen?“

„Danke, Mama!“

Selmas Mama lächelt. „Deine Stimme ist das Schönste, was ich seit
Langem gehört habe.“
Nachdenkfragen:

Was genau ist eigentlich ein Streik? Auf welche Arten können
Menschen streiken? Was wollen sie damit erreichen?

Kennst du die „Fridays for Future“-Streiks? Wofür streiken die Kinder?

Ist ein Schweigestreik sinnvoll, um ein Problem in der Familie zu lösen?

Wie reden Selma und ihre Mama vor dem Streik miteinander? Was
könnten sie besser machen?

Was besprechen die beiden wohl in ihrem Familienrat? Welche


Lösungen könnten sie finden?

Warum beendet Selma ihren Streik, obwohl noch nicht klar ist, ob
das Urlaubsziel geändert wird?

Gibt es ein Thema, das dir so wichtig ist, dass du dafür streiken
würdest? Wenn ja, welches? Wenn nein, warum nicht?

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