Sie sind auf Seite 1von 64

Unternehmensbesteuerung

Einzelunternehmen

Wintersemester 2016/2017

KLAUS KARSTEN M.A.


RECHTSANWALT & FACHANWALT FÜR STEUERRECHT
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Gliederung der Veranstaltung

A. Übersicht zu den Rechtsformen

B. gewerbliches Einzelunternehmen

C. Personengesellschaft

D. Kapitalgesellschaft

2
A. Übersicht zu den Rechtsformen

Rechtsform: rechtliche Organisationsstruktur des Unternehmens


(Rechtskleid) grundsätzlich frei wählbar

Rechtsformen für Unternehmen

Einzelunternehmen Personengesellschaften Kapitalgesellschaften

Gesellschaft bürgerl. Rechts GmbH


Offene Handelsgesellschaft Aktiengesellschaft
Kommanditgesellschaft Genossenschaft
(Verein)

3
A. Übersicht zu den Rechtsformen

Die bisher dargestellten Rechtsformen sind für den Außenstehenden


erkennbar. Es gibt weiterhin auch noch Innengesellschaften, die nur gegen-
über dem Fiskus offenbart werden müssen: die stillen Gesellschaften

Kaufleute (unabhängig von der Rechtsform)

typisch stille Gesellschaft atypisch stille Gesellschaft

Grundlage: §§ 230 ff HGB Grundlage: Rechtsfortbildung des BFH


Bringt Vermögen in den Betrieb des Bringt Vermögen in den Betrieb des
Inhabers ein, Fremdkapital Inhabers ein, Eigenkapital
Gegenleistung: Gewinnanteil, Ver- Gewinn- und Verlustbeteiligung, Beteili-
lustausschluss möglich gung an den stillen Reserven
Mitwirkungsrechte nur bei grundle- Weitergehende Mitwirkungsrechte,
genden Rechtsgeschäften Mitunternehmerschaft

4
A. Übersicht zu den Rechtsformen

Gründung Einzeluntern. PersGesellschaft KapGesellschaft

Gewerbeanmeldung ja ja ja

Gesellschaftsvertrag nein ja ja

Notarielle Beurkundung nein nein ja

Handelsregistereintragung möglich nein/ja ja

Haftkapital nein nein/ja ja

zusätzlich für alle Unternehmen: Betriebsnummer, Steuernummer, BG-Anmeldung

5
Gliederung der Veranstaltung

A. Übersicht zu den Rechtsformen

B. Einzelunternehmen

C. Personengesellschaft

6
B. Gewerbliches Einzelunternehmen

1. rechtliche Grundlagen

2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

3. Laufende Besteuerung

4. außerordentliche Besteuerung

7
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.1. rechtliche Grundlagen

Ein Einzelunternehmen kann nur von einer natürlichen geschäftsfähigen


Person betrieben werden.

Der Unternehmer hat eine private und eine betriebliche Sphäre, die jedoch
nicht getrennt werden können. Es entsteht also keine zweite „Unternehmer-
person“. Der Unternehmer kann mit sich als Privatperson deshalb auch keine
Rechtsgeschäfte eingehen.

Der Unternehmer haftet mit seinem betrieblichen und privaten Vermögen für
betriebliche und für private Verbindlichkeiten. Die Haftung erfasst jedoch nicht
das Vermögen des Ehepartners.

8
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.1. rechtliche Grundlagen

Ein paar Verständnisfragen. Sind die folgenden Personen Unternehmer?

1. Der 6-jährige Justin B. erbt ein Einzelunternehmen.


2. Der 92-jährige Helmut S. dealt im Altersheim mit Kokain und Marihuana.
3. Der arbeitslose Automechaniker Sebastian V. repariert für einen Freund
dessen Auto. Der lädt ihn daraufhin zu einem opulenten Essen ein.
4. Die Kenntnisse des Sebastian V. sprechen sich rum, so dass er jeden
Monat ein Auto repariert. Er lässt sich jeweils nur die Materialkosten
ersetzen.
5. Student Max gründet einen Escort-Service und verteilt auf dem
Hochschulgelände Flyer. Er bekommt jedoch innerhalb von zwei Jahren
keinen einzigen Auftrag.

9
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.1. rechtliche Grundlagen

Ein Einzelunternehmen entsteht grundsätzlich durch die erste, auf die Unter-
nehmenstätigkeit zielende Vorbereitungshandlung, also unabhängig von
einem formellen Gründungsakt.

Formell erforderlich ist die Anmeldung des Unternehmens innerhalb eines


Monats nach Gründung beim Gewerbeamt der Gemeinde, in dem das
Unternehmen betrieben wird:

§ 138 AO Anzeigen über die Erwerbstätigkeit


(1) Wer einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, einen gewerblichen
Betrieb oder eine Betriebstätte eröffnet, hat dies nach amtlich
vorgeschriebenem Vordruck der Gemeinde mitzuteilen, in der der Betrieb oder
die Betriebstätte eröffnet wird; die Gemeinde unterrichtet unverzüglich das
nach § 22 Abs. 1 zuständige Finanzamt von dem Inhalt der Mitteilung…. Wer
eine freiberufliche Tätigkeit aufnimmt, hat dies dem nach § 19 zuständigen
Finanzamt mitzuteilen. Das Gleiche gilt für die Verlegung und die Aufgabe
eines Betriebs, einer Betriebstätte oder einer freiberuflichen Tätigkeit.

10
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.1. rechtliche Grundlagen

Unabhängig von der Information des Finanzamts durch die Gemeinde sollte
der Unternehmer beim Finanzamt den steuerlichen Erhebungsbogen abfor-
dern und ausfüllen. In diesem Formular werden dem Finanzamt die grundle-
genden Informationen über das Unternehmen gegeben.

Auf Grundlage dieser Auskünfte werden dem Unternehmer z.B. der Umsatz-
steuervoranmeldungszeitraum und etwaige Steuervorauszahlungen aufgege-
ben. Vor diesem Hintergrund ist der Erhebungsbogen überaus sorgfältig
auszufüllen.

11
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.1. rechtliche Grundlagen

Die steuerlichen Pflichten des Einzelunternehmers hängen davon ab, ob er


ein Kaufmann i.S.d. HGB ist.
Ist der Unternehmer kein Kaufmann genügt aus steuerlicher Sicht eine
geordnete Aufstellung seiner Einnahmen und Ausgaben. Diese müssen so
aufgezeichnet sein, dass er insbesondere seinen umsatzsteuerlichen
Pflichten nachkommen kann und sie von einem sachkundigen Dritten geprüft
werden können. Warenein- und -ausgänge sind gesondert aufzuzeichnen
und die Bargeschäfte sind täglich in einem Kassenbuch zu erfassen, §§ 143 -
146 AO.

12
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.1. rechtliche Grundlagen

Kaufleute sind im Handelsregister eingetragen und müssen diesen Umstand


auf den Geschäftspapieren angeben. Kaufleute sind nach § 328 HGB
bilanzierungspflichtig und müssen eine doppelte Buchhaltung einrichten. Wer
nach Handelsrecht bilanzierungspflichtig ist, muss auch eine Steuerbilanz
erstellen, § 140 AO.

Gewerbliche Einzelunternehmer und Personengesellschaften, die nicht nach


dem HGB bilanzierungspflichtig sind, aber
mehr als 50.000 € Gewinn erwirtschaften
oder einen Umsatz von mehr als 500.000 € erwirtschaften,
werden gemäß § 141 AO zu steuerlichen Zwecken dennoch bilanzierungs-
pflichtig.

13
B. Gewerbliches Einzelunternehmen

1. rechtliche Grundlagen

2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

3. Laufende Besteuerung

4. außerordentliche Besteuerung

14
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Grundlage der Besteuerung eines gewerblichen Einzelunternehmens ist das


Einkommensteuergesetz.

Der Einkommensteuer unterliegen nur die im Gesetz aufgelisteten


Einkünfte.
Von dem Gesamtbetrag aller erzielten Einkünfte sind u.a. die Sonderaus-
gaben sowie die außergewöhnlichen Belastungen abzuziehen.
Das sich daraus ergebende „zu versteuernde Einkommen“ ist die
Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer.

15
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Was unter einer gewerblichen Tätigkeit zu verstehen ist, ergibt sich aus §
15 Abs. 2 EStG. Danach müssen die folgenden Tatbestandsmerkmale
vorliegen:
Selbstständigkeit
Nachhaltigkeit
Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
Gewinnerzielungsabsicht
Keine LuF (§ 13 EStG) und keine selbstständige Tätigkeit (§ 18 EStG)
Keine private Vermögensverwaltung

16
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Selbständigkeit
Das Merkmal der Selbstständigkeit grenzt die gewerbliche Tätigkeit von der nicht-
selbstständigen Arbeit nach § 19 EStG ab. Selbstständig tätig ist, wer selbstbestimmt
und auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist, also das Erfolgsrisiko der eigenen
Betätigung selbst trägt und Unternehmerinitiative entfalten kann
Nichtselbstständig tätig ist, wer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet und damit
in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers
steht oder in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers eingegliedert und
dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

17
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Nachhaltigkeit
Das Merkmal "nachhaltig" grenzt einerseits den Bereich der steuerpflichtigen
Einkünfte von steuerlich nicht zu erfassenden Vermögensmehrungen ab. Anderer-
seits wird mit der Nachhaltigkeit aber auch der Bereich der Gewerblichkeit von den
privaten Veräußerungsgeschäften und Einkünften aus (gelegentlichen) Leistungen
des § 22 Nr. 2 und 3 EStG abgegrenzt.
Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist. Dies ist gege-
ben, wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen. Der erstmalige
Willensentschluss muss nicht bereits die zukünftigen Handlungen mit umfassen, es
genügt vielmehr, wenn bei der ersten Tätigkeit der allgemeine Wille besteht,
gleichartige oder ähnliche Handlungen bei sich bietender Gelegenheit zu
wiederholen. Sich wiederholende Tätigkeiten liegen aber auch vor, wenn der Stpfl.
einen einmaligen Entschluss gefasst hat, dessen Umsetzung bzw. Erledigung aber
mehrere (Einzel-)Tätigkeiten erfordert, wie z. B. die Ausführung eines einzelnen
Bauauftrags.

18
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr


Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt vor, wenn eine Tätigkeit
am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird.
Dieses Merkmal dient im Rahmen der allgemeinen Abgrenzung zwischen Gewerbe-
betrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre andererseits dazu, aus dem
Gewerbebetrieb solche Tätigkeiten auszusondern, die zwar von einer Gewinnerzie-
lungsabsicht getragen, jedoch nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch
gerichtet sind.
Entscheidend ist deshalb, ob die Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach dem Bild
einer unternehmerischen Marktteilnahme entspricht Auch für diese Abgrenzung ist
somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung abzu-
stellen. An das Vorliegen des Merkmals sind keine hohen Anforderungen zu stellen.

19
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Gewinnerzielungsabsicht
Gewinnerzielungsabsicht ist das Bestreben, das Betriebsvermögen zu mehren und
auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen.
Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse nicht unter
eine Einkunftsart, selbst wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 3 EStG einordnen
lassen. Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch ein solches unter keine Einkunftsart
fallendes, auch als "Liebhaberei" bezeichnetes Verhalten entstehen, wirken sich -
ebenso wie etwaige Gewinne oder Überschüsse daraus - steuerlich nicht aus.

20
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Abgrenzung zur Land- und Forstwirtschaft


Land- und Forstwirtschaft ist Urproduktion i. S. d. Erzeugung von Pflanzen und
Pflanzenteilen (einschl. der durch die erzeugten Pflanzen zu ernährenden Tiere)
mithilfe der Naturkräfte. Der Bereich der Land- und Forstwirtschaft wird erweitert um
die in § 13 Abs. 1 Nr. 2-4 EStG aufgezählten Tätigkeiten (Teichwirtschaft, Binnen-
fischerei, Imkerei etc.).
Die Übergänge zwischen Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb können
fließend sein, insbesondere durch gewerbliche Nebenbetriebe zur Land- und
Forstwirtschaft, Intensivwirtschaft oder Zukauf von Fremd-Erzeugnissen. Die Grenze
verläuft dort, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht mehr auf der Erzeugung von
Pflanzen oder Pflanzenteilen mithilfe der Naturkräfte bzw. im Bereich der in § 13
Abs. 1 Nr. 2-4 EStG aufgeführten besonderen Tätigkeiten beruht.

21
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit


Als freiberuflich (=selbständig) werden in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zunächst die
selbständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen sowie
unterrichtenden oder erziehenden Tätigkeiten aufgeführt. Danach wird eine Reihe
ausdrücklich benannter sog. Katalogberufe aufgeführt; schließlich zählen auch die
diesen Katalogberufen ähnlichen Berufe zum Bereich freiberuflicher Tätigkeit.
Fällt eine Tätigkeit in diesen Bereich und wird sie zudem aufgrund eigener Fachkennt-
nisse leitend und eigenverantwortlich ausgeübt, so ist sie nicht gewerblich.

22
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

Keine private Vermögensverwaltung


Zu den im Gesetz genannten positiven und negativen Merkmalen einer gewerblichen
Tätigkeit tritt als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal hinzu, dass die
Betätigung sich nicht als ein Akt der privaten Vermögensverwaltung darstellt, sondern
den Rahmen einer Vermögensverwaltung überschreitet.
Eine Vermögensverwaltung besteht i.d.R. darin, Vermögen zu nutzen, d.h. Kapital-
vermögen verzinslich anzulegen oder unbewegliches Vermögen zu vermieten oder zu
verpachten. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass bei zu erhaltender Substanz das
Vermögen als solches genutzt wird, indem die Früchte oder Nutzungen der Sache
gezogen werden. Die Tätigkeit der Vermögensverwaltung ist typischerweise darauf
gerichtet, Früchte zu ziehen oder die Sache zu nutzen, wobei Vermögensum-
schichtungen, d.h. Liquidierungen und Neuinvestitionen, nicht ausgeschlossen sind,
aber auch nicht im Vordergrund stehen.

23
B. Gewerbliches Einzelunternehmen

1. Zivilrechtliche Grundlegung

2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

3. Laufende Besteuerung

4. außerordentliche Besteuerung

24
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3. Laufende Besteuerung

Der Einkommensteuer unterliegen gemäß § 2 EStG


1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft,
2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit,
4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
5. Einkünfte aus Kapitalvermögen,
6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
7. sonstige Einkünfte im Sinne des § 22
Gewinneinkünfte sind Einkünfte aus
Land- und Forstwirtschaft,
Gewerbebetrieb und
selbständiger Arbeit
Überschusseinkünfte (Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten)
nicht selbständige Arbeit,
Kapitalvermögen,
Vermietung und Verpachtung und
sonstige Einkünfte

25
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3. Laufende Besteuerung

Die Höhe der gewerblichen Einkünfte wird durch den Gewinn bestimmt. Dieser kann
auf zwei unterschiedliche Arten berechnet werden.

Betriebsvermögensvergleich Einnahme-Überschuss-
(=Bilanz), § 5 (1) EStG rechnung, § 4 (3) EStG

1. bei Kaufleuten gemäß § 342 HGB Bei allen Nichtkaufleuten und Gewer-
(= alle im Handelsregister eingetrage- betreibenden, die die Grenzen des §
ne Unternehmen jeder Rechtsform) 141 AO nicht überschreiten
2. Bei Nichtkaufleuten, wenn die ge-
werblichen Umsätze im Kalenderjahr
mehr als 500.000 € betragen oder der
Gewinn über 50.000 € liegt (§ 141 AO)
3. bei freiwillig Bilanzierenden

26
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3. Laufende Besteuerung

Der Gewinnberechnung erfolgt auf Grundlage umfangreicher Detailbestimmungen:

Grundlage der Bilanz ist die Aufstellung der betrieblichen Vermögenswerte, z.B.
Grundstücke, Forderungen und Schulden, Vorratsvermögen sowie liquide Mittel.

Aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht sind Rückstellungen vorzunehmen, und


stichtagsübergreifende Sachverhalte abzugrenzen. Abnutzbares Anlagevermögen ist
grundsätzlich abzuschreiben. Entnahmen sind hinzuzurechnen und Einlagen abzu-
ziehen.

In der Steuerbilanz sind die in § 4 (5) EStG genannten Aufwendungen nicht oder nur
teilweise als Betriebsausgabe abzugsfähig.

Der Jahresabschluss (Bilanz und GuV) ist erstmals für das Jahr 2013 elektronisch
dem Finanzamt zu übermitteln, § 5b EStG. Die Überschussrechnung nach § 4 (3)
EStG kann weiterhin in gedruckter Form übermittelt werden, aber: Anlage EÜR.

27
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3. Laufende Besteuerung

Der errechnete Gewinn unterliegt der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer. Der
Einkommensteuersatz ergibt sich aus § 32a EStG zzgl. SoliZ und ggfalls KirchenSt.

Soweit Gewinne nicht entnommen werden, kann eine Tarifbegrenzung nach § 34a
EStG angewendet werden.

Die Gewerbesteuer wird bis zum 3,8 fachen des Gewerbesteuermessbetrags auf die
zu zahlende Einkommensteuer angerechnet.

Der Gewerbetreibende hat innerhalb der gesetzlichen Fristen des Folgejahres


neben dem Jahresabschluss die folgenden Steuererklärungen abzugeben:
- Einkommensteuererklärung mit Anlage G
mit Anlage EÜR (nur Überschussrechner)
- Gewerbesteuererklärung
- ggfalls Umsatzsteuererklärung
- ggfalls Feststellungserklärung

28
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.1. Laufende Besteuerung/Gewerbesteueranrechnung

GewSt-Anrechnung nach § 35 EStG

Ziele
weitgehende Kompensation der Belastung von gewerblichen Einkünften mit
Gewerbesteuer
Gleichbehandlung von gewerblichen Einkünften mit den anderen Einkunfts-
arten

Instrument
Steuerermäßigung in Höhe des 3,8fachen des Gewerbesteuer–
Messbetrags; Begrenzung auf die Höhe der tatsächlich zu zahlenden
Gewerbesteuer
Begrenzung auf die Einkommensteuer, die anteilig (Verhältnis gewerbliche
Einkünfte zur Summe der Einkünfte ist entscheidend) auf die im zu versteu-
ernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte entfällt

29
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.1. Laufende Besteuerung/Gewerbesteueranrechnung

Beispiel 1:

Gewerbl. Eink. Selbst. Eink.


An die Gemeinde zu zahlen

Gewinn vor Steuern 100.000,00 100.000,00


Gewerbesteuer (3,5%, Hebesatz 380%, Freibetrag) 10.041,500,00

- tarifliche Einkommensteuer (Grundtabelle 2016) An das Finanzamt zu zahlen


33.605,00
33.605,00
Steuerermäßigung nach § 35 EStG (2.642,50 x 3,8) -10.041,50 0,00
zu zahlende Einkommensteuer 23.563,5033.605,00
Steuerzahlung insgesamt 33.605,0033.605,00

Gewinn nach Steuern 66.395,0066.395,00

30
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.1. Laufende Besteuerung/Gewerbesteueranrechnung

Beispiel 2:

Gewerbl. Eink. Selbst. Eink.


An die Gemeinde zu zahlen

Gewinn vor Steuern 100.000,00 100.000,00


Gewerbesteuer (3,5%, Hebesatz 420%, Freibetrag) 11.098,50 0,00

- tarifliche Einkommensteuer (Grundtabelle 2016) An das Finanzamt zu zahlen


33.605,00
33.605,00
Steuerermäßigung nach § 35 EStG (2.640,50 x 3,8) - 10.041,50 0,00
zu zahlende Einkommensteuer 23.563,5033.605,00
Gewerbesteuer + 11.098,50 0,00
Steuerzahlung insgesamt 34.662,0033.605,00
Mehrbelastung Gewerbetreibender 1.057,00

Gewinn nach Steuern 64.281,0066.395,00

31
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.2. Laufende Besteuerung/Thesaurierungsbesteuerung

Thesaurierungsbelastung für nicht entnommene


Gewinne gemäß § 34a EStG

• 28,25 % ESt zzgl. SoliZ pauschal für nicht entnommene Gewinne


• nur auf Antrag (Anlage 34a zur ESt-Erklärung)
• nicht entnommene Gewinne (Abs. 2) =
Steuerbilanzgewinn (d.h. nach Hinzurechnung nicht abzf. BA
und GewSt) abzgl. positiver Saldo aus: Entnahmen ./. Einlagen
• nachversteuerungspflichtiger Betrag (Abs. 3) =
Begünstigungsbetrag abzgl. darauf entfallende ESt/SolZ

32
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.2. Laufende Besteuerung/Thesaurierungsbesteuerung

Nicht entnommene Gewinne werden bei späterer Entnahme nachversteuert

• Sondertarif pauschal: 25 %

• falls Entnahmen > Steuerbilanzgewinn + Einlagen

33
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.2. Laufende Besteuerung/Thesaurierungsbesteuerung

Berechnungsbeispiel 1
maximale Thesaurierung (keine Entnahmen für ESt/andere private Zwecke)

Steuerbilanzgewinn vor Steuern 100.000


./. GewSt (Hebesatz 380%) = Zwangsentnahme -10.041
Gewinn nach GewSt 89.959
./. ESt 28,25 % (auf 89.959, thesauriert) 25.413
./. ESt 2,12 % (auf 10.041, entnommen) 213

Anrechnung der GewSt auf die ESt (25.413 + 213 = 25.626) -10.041
verbleibende ESt (25.626 – 10.041) -15.585
./. SolZ (15.585 ESt x 5,5% pauschal) - 857
Nettoeinkünfte 73.517
Gesamtsteuerbelastung (10.041 + 15.585 + 857) 26.483

34
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.2. Laufende Besteuerung/Thesaurierungsbesteuerung

Berechnungsbeispiel 1
Nachbesteuerung des thesaurierten Gewinns von 89.959 €

Entnahmebetrag 89.959

./. ESt (89.959 – 26.811 =) 63.148 x 25% -15.787


26.811 ist die auf den Thesaurierungsbetrag im Thesaurierungs-
jahr gezahlte ESt zzgl. SoliZ (25.413 ESt + 5,5% SoliZ = 26.811)
./. SolZ (5,5% des Est pauschal) - 868

= Steuerbelastung der Nachversteuerung -16.655

zzgl. Steuerbelastung im Thesaurierungsjahr -26.483

= Gesamtsteuerbelastung 43.138

35
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.2. Laufende Besteuerung/Thesaurierungsbesteuerung

Berechnungsbeispiel 2
50% Thesaurierung (keine Entnahmen für ESt/andere private Zwecke)

Steuerbilanzgewinn vor Steuern 100.000


./. GewSt (Hebesatz 380%) = Zwangsentnahme -10.041
Gewinn nach GewSt 89.958
./. ESt 28,25 % Thesaurierung (auf 50.000) 14.125
./. ESt 25,27 % Entnahme (auf 50.000 incl. GewSt) 12.636

Anrechnung der GewSt auf die ESt (= 26.761 – 10.041)


verbleibende ESt -16.720
./. SoliZ (16.720 x 5,5%) -920
Gesamtsteuerbelastung (10.041 + 16.720 + 920) -27.681

36
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3. Laufende Besteuerung

Berechnungsbeispiel 2
Nachbesteuerung des thesaurierten Gewinns von 50.000 €

Entnahmebetrag 50.000

./. ESt (50.000 – 14.902) = 35.098 x 25% 8.775

./. SoliZ (5,5% pauschal von 8.775) 483

= Steuerbelastung der Nachversteuerung 9.258

zzgl. Steuerbelastung im Thesaurierungsjahr 27.681

= Gesamtsteuerbelastung 36.939

37
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.2. Laufende Besteuerung/Thesaurierungsbesteuerung

Gegenüberstellung (Steuerbasis 2016)


Berechnungsbeispiel 1 (max. Thesaurierung) Steuern 43.138

Berechnungsbeispiel 2 (50.000 € Thesaurierung) Steuern 36.939 €
Alternative: keine Thesaurierung Steuern 35.453

Zusammenfassung
Je mehr Gewinne thesauriert werden, desto geringer ist die Steuerbelastung
im Thesaurierungsjahr
Je höher die nachversteuerten Beträge, desto höher die Gesamtsteuerbe-
lastung

38
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Verlustausgleich gemäß § 10d EStG

negative Einkünfte aus einem Gewerbetrieb


=
Verlust

horizontaler Verlustausgleich vertikaler Verlustausgleich

39
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Voraussetzung des Verlustabzugs ist in jedem Fall, dass die gewerbliche


Tätigkeit nicht als steuerlich unerhebliche Liebhaberei eingestuft wird.

Liebhaberei im steuerrechtlichen Sinne ist eine Tätigkeit, die ohne die


Absicht der Erzielung von einkommensteuerbaren Einkünften durchgeführt
wird. Daraus erzielte Einkünfte sind nicht zu versteuern; insoweit entstan-
dene Verluste werden steuerlich aber auch nicht anerkannt.
Liebhaberei liegt nur vor, wenn bei längeren Verlustperioden aus weiteren
Beweisanzeichen die Feststellung möglich ist, dass der Steuerpflichtige die
verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden
persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt.

40
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

horizontaler Verlustausgleich
Ausgleich von positiven und negativen Einkünften innerhalb der
Einkunftsart „Einkünfte aus Gewerbebetrieb“
keine Beschränkungen

vertikaler Verlustausgleich
Ausgleich von negativen Einkünften aus Gewerbebetrieb mit positiven
Einkünften einer anderen Einkunftsart
keine Beschränkungen

41
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Verlustabzug nach § 10 d EStG eröffnet auch die Möglichkeit einen Verlust


mit einem Gewinn aus einem anderen Veranlagungsjahr zu verrechnen =
„interperiodischer Verlustausgleich“

Die Umsetzung des Verlustausgleichs erfolgt durch …

Verrechnung
eines nicht innerhalb eines Jahres ausgeglichenen Verlustes
(= negativer Gesamtbetrag der Einkünfte)
mit positivem Gesamtbetrag der Einkünfte eines anderen Jahres

42
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Verlustrücktrag

Gemäß § 10d (1) EStG wird grundsätzlich ein Verlust bis zu einem
maximalen Betrag von 1 Mio € auf den vorangegangenen Zeitraum zurück
getragen, sofern im Vorjahr ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte
bestanden hat. Auf Antrag kann ganz oder teilweise auf den Verlustrücktrag
verzichtet werden.

43
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Verlustvortrag

Gemäß § 10d (2) EStG werden nicht zurück getragene Verluste mit dem
Gesamtbetrag der Einkünfte in zukünftigen Veranlagungszeiträumen ver-
rechnet.
Der jährlich verrechenbare Verlust ist auf 1 Mio € beschränkt. Ein darüber
hinaus gehender Verlustvortrag kann bis zu 60% des Gesamtbetrags der
Einkünfte mit diesem verrechnet werden (=Mindestbesteuerung).

44
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Beispielrechnung
für die Verrechnung nach § 10d EStG

2011 2012 2013 2014

GdE 1.100.000-3.100.000 1.500.0001.500.000


- 1.000.000
1. Verlustrücktrag 100.000-2.100.000 1.500.0001.500.000
-1.000.000
2. Verlustvortrag 100.000-1.100.000 500.0001.500.000
- 300.000
3. Verlustvortrag 100.000- 800.000 200.0001.500.000
-800.000
4. Verlustvortrag 100.000 0 200.000 700.000

45
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.3. Laufende Besteuerung/Verlustausgleich

Übungsaufgabe
für die Verrechnung nach § 10d EStG

2011 2012 2013 2014

GdE 1.100.000-3.300.000 1.200.0001.300.000


- 1.000.000
1. Verlustrücktrag 100.000-2.300.000 1.200.0001.300.000
-1.000.000
2. Verlustvortrag 100.000-1.300.000 200.0001.300.000
- 120.000
3. Verlustvortrag 100.000-1.180.000 80.0001.300.000
-1.000.000
4. Verlustvortrag 100.000- 180.000 80.000 300.000
-180.000
5. Verlustvortrag 100.000 0 80.000 120.000

46
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.4. Laufende Besteuerung/Zinsschranke

Zinsschranke des § 4h EStG

Nach § 4h EStG sind Zinsaufwendungen unter bestimmten Voraussetzun-


gen nur beschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Hintergrund dieser Regelung ist zum einen die Verlagerung privaten
Finanzierungsaufwands in die betriebliche Sphäre und zum anderen bei
Konzernen die Verlagerung des gewinnmindernden Zinsaufwands nach
Deutschland.

verfassungswidrig?

47
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.4. Laufende Besteuerung/Zinsschranke

Grundsatz der Zinsschranke

Im Rahmen der Zinsschranke sind die Zinsaufwendungen eines Betriebs


grundsätzlich bis zur Höhe der Zinserträge desselben Betriebs und
desselben Wirtschaftsjahrs sofort abzugsfähig. Über die Zinserträge
hinausgehende Zinsaufwendungen sind nur bis zur Höhe von 30 % des um
die Zinsaufwendungen und um die nach § 6 (2) 1, § 6 (2a) 2 und § 7 EStG
abgesetzten Beträge erhöhten sowie um die Zinserträge verminderten
maßgeblichen Gewinns (= verrechenbares EBITDA) abziehbar.
Es wird eine Freigrenze von 3 Mio € für die Summe aus Zinsaufwand über
Zinsertrag eingeräumt. Nicht abziehbarer Zinsaufwand wird auf die
kommenden Veranlagungsjahre vorgetragen.

48
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.4. Laufende Besteuerung/Zinsschranke

Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ermittelt sich der


maßgebliche Gewinn somit wie folgt:

Steuerpflichtiger Gewinn/Verlust (insbesondere um steuerfreie Ein-


nahmen aus § 3 EStG gekürzt) ohne Berücksichtigung der Zins-
schranke
./. Zinsertrag
+ Zinsaufwand
+ Abschreibungen auf GWGs, § 6 (2) 1 EStG
+ Abschreibungen auf den Sammelposten, § 6 (2a) EStG
+ Abschreibungen für Abnutzung, § 7 EStG

= verrechenbares EBITDA i. S. d. § 4h (1) EStG

49
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.4. Laufende Besteuerung/Zinsschranke

Beispielrechnung zum § 4h EStG


Mio. €
  Umsatzerlöse 7,0
- Personalaufwendungen -2,0
- Abschreibungen -1,0
- Zinsaufwendungen -6,0
= Jahresüberschuss/ Jahresfehlbetrag -2,0
+ Abschreibungen 1,0
+ Zinsaufwendungen 6,0
= für die Berechnung der Zinsschranke maßgeblicher Gewinn (EBITDA) 5,0
     
  abziehbare Zinsaufwendungen (= 5,0 Mio € * 30 %) 1,5
  nicht abziehbare Zinsaufwendungen 4,5
  steuerpflichtiger Gewinn (-2,0 Fehlbetrag + 4,5 n.abz. Zinsen) 2,5

50
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.3.4. Laufende Besteuerung/Zinsschranke

Übungsaufgabe zum § 4h EStG (Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns)

Umsatzerlöse 20,4 Mio €


Personalaufwand -8,5 Mio €
Materialaufwand -5,9 Mio €
Abschreibungen -3,3 Mio €
Zinsaufwand -4,8 Mio €
Jahresfehlbetrag -2,1 Mio €

Jahresfehlbetrag -2,1 Mio €


Abschreibungen +3,3 Mio €
Zinsaufwand +4,8 Mio €
EBITDA = 6,0 Mio €

abziehbarer Zinsaufwand (= 6,0 Mio € x 30 %) 1,8 Mio €


nicht abziehbarer Zinsaufwand 3,0 Mio €
steuerpflichtiger Gewinn (=-2,1 Mio € + 3,0 Mio €) +0,9 Mio €

51
B. Gewerbliches Einzelunternehmen

1. Zivilrechtliche Grundlegung

2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

3. Laufende Besteuerung

4. außerordentliche Besteuerung

52
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Besteuerung des Aufgabe-, Veräußerungserlöses


gemäß § 16 EStG

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt


werden bei der Veräußerung oder Aufgabe des ganzen Gewerbebetriebs
oder eines Teilbetriebs. Als Teilbetrieb gilt auch die das gesamte Nenn-
kapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Von § 16 EStG
wird auch die Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschaf-ters
angesehen, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen
ist, z.B. Gesellschafter einer Personengesellschaft.
Gewinne, die bei der Veräußerung eines Teils eines der vorstehend
beschriebenen Einheiten erzielt werden, sind laufende Gewinne.

53
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Ermittlung des Veräußerungsgewinns


(§ 16 Abs. 2 und 3 Satz 1 EStG)

Veräußerungspreis (bzw. gemeiner Wert i.S.d. § 9 BewG)


./.Veräußerungskosten (z.B. Notargebühren, Grunderwerbsteuer)
./.Betriebsvermögen (= Eigenkapital zzgl. Kapitalkonto)
= Veräußerungsgewinn
(beachte Freigrenze nach § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG)
./.ggfalls. Freibetrag (beachte § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG)
= steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn

Die Gewinne gehören zu den Einkünften aus Ge-


werbebetrieb. Es fällt jedoch i.d.R. keine Gewerbe-
steuer an, da kein Gewinn aus dem täglichen
Geschäft vorliegt !!!

54
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Berechnungsbeispiel Veräußerungserlös

Einzelunternehmer Stefan D. (85 Jahre alt) verkauft sein Unternehmen an


seinen bisherigen Prokuristen Harry K. für 150.000 €. Das Eigenkapital
beträgt 20.000 € und das Kapitalkonto des Veräußerers – 36.000 €. Die
Veräußerungskosten betragen 5.000 €.

Veräußerungspreis 150.000 €
./. Veräußerungskosten 5.000 €
./. Eigenkapital 20.000 €
+ negatives Kapitalkonto 36.000 €
= Veräußerungsgewinn 161.000 €
./. Freibetrag 20.000 €
Freibetrag = 45.000 – (161.000 – 136.000)
= steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn 141.000 €

55
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Der Veräußerungserlös unterliegt gemäß § 34 EStG einer priviligierten


Besteuerung, der sog. Fünftel-Regelung:
„Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer
beträgt das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommen-
steuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen
(verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer
für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels
dieser Einkünfte.“

56
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Nach § 34 (3) EStG kann ein Mal im Leben des Steuerpflichtigen der
Veräußerungsgewinn abweichend von der Fünftelregelung mit 56% der auf
den Veräußerungsgewinn angewandten tariflichen Einkommensteuer belegt
werden. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige mindestens 55 Jahre
alt oder berufsunfähig ist.
Der Veräußerungserlös wird also im ersten Schritt als laufender Gewinn
behandelt. Im zweiten Schritt werden von der sich daraus ergebenden ESt
nur 56% angesetzt.
Darüber hinaus erzielte laufende Einkünfte werden zusätzlich regulär
versteuert.

57
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Berechnungsbeispiel der Fünftelregelung I (ohne GewSt und SoliZ)

Stanley (ledig) verkauft das Unternehmen am 31.12.2015. Er hatte in 2015


folgende Einkünfte:
Gewerbebetrieb: 60.000 €
Vermietung & Verpachtung 20.000 €
Veräußerungserlös 150.000 €

1. Einkünfte ohne Veräußerungserlös = 80.000 € 25.338 ESt


2. Einkünfte ohne Veräußerungserlös
+ 20% des Veräußerungserlöses (=30.000 €) = 110.000 € 37.938 ESt
3. ESt-Differenz 12.600 ESt
4. Differenz x 5 = Besteuerung des Veräußerungserlöses 63.000 ESt
5. Gesamtsteuerbelastung 2015 (25.338 + 63.000) 88.338 ESt

58
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Berechnungsbeispiel Alternative II (ohne GewSt und SoliZ)

Stanley (ledig) verkauft das Unternehmen am 01.01.2016. Er hat in 2016


folgende Einkünfte:
Gewerbebetrieb: 0€
Vermietung & Verpachtung 20.000 €
Veräußerungserlös 150.000 €

1. Einkünfte ohne Veräußerungserlös = 20.000 € 2.560 ESt


2. Einkünfte ohne Veräußerungserlös + 20% = 50.000 € 12.636 ESt
3. Differenz 10.076 ESt
4. Differenz x 5 = Besteuerung des Veräußerungserlöses 50.380 ESt
5. Gesamtsteuerbelastung 2016 (= 17%) 52.940 ESt

Verkauf 31.12.2015 Gesamtsteuern 2015/2016 90.898


ESt
Verkauf 01.01.2016 Gesamtsteuern 2015/2016 78.278 59
ESt
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Übungsaufgabe zur Betriebsveräußerung

Fürchtemich (58 J. alt) hat in 2014 die folgenden Einkünfte: aus Vermietung und
Verpachtung 10.000 € und aus seinem gewerblichen Einzelunternehmen 70.000 €.
Er verkauft sein Einzelunternehmen auf den 31.12.2014 für 200.000 €. Die
Veräußerungskosten betragen 4.500 €. Der Gewerbesteuer-Hebesatz beträgt 350%.
Der Freibetrag nach § 16 (4) EStG ist zu gewähren. § 34 (3) EStG findet keine
Anwendung.
Berechnen Sie die zu zahlende Gewerbe- und Einkommensteuer (ohne SoliZ) in
2014 nach Grundtabelle. Runden Sie Kommabeträge stets auf die volle Zahl auf.

Bilanz Einzelunternehmen 31.12.2014


Aktiva Passiva
Anlagevermögen 130.000 Gewinn 2014 70.000
Umlaufvermögen 170.000 negatives Kapitalkonto -30.000
Verbindlichkeiten 260.000

60
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Übungsaufgabe Veräußerungserlös, Lösung Teil I

Veräußerungspreis 200.000 €
./. Veräußerungskosten 4.500 €
./. Eigenkapital 70.000 €
+ negatives Kapitalkonto 30.000 €
= Veräußerungsgewinn 155.500 €
./. Freibetrag 25.500 €
Freibetrag = 45.000 – (155.500 – 136.000)
= steuerpflichtiger Veräußerungserlös 130.000 €

61
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Übungsaufgabe Veräußerungserlös, Lösung Teil II

1. laufende Einkünfte
Vermietung & Verpachtung 10.000 €
gewerbliche Einkünfte 70.000 €
Einkommensteuer 80.000 € 25.428 €
2. Gewerbesteueranrechnung
70.000 € - 24.500 € = 45.500 € x 3,5% = 1.593 € x 350% - 5.576 €
3. verbleibende Einkommensteuer 19.852 €

62
B. Gewerbliches Einzelunternehmen
B.4. außerordentliche Besteuerung

Übungsaufgabe Veräußerungserlös, Lösung Teil III

1. Einkünfte ohne Veräußerungserlös = 80.000 € 25.428 € ESt


2. Einkünfte ohne Veräußerungserlös
+ 20% des Veräußerungserlöses (=26.000 €) = 106.000 € 36.348 € ESt
3. ESt-Differenz 10.920 € ESt
4. Differenz x 5 = Besteuerung des Veräußerungserlöses 54.600 € ESt
5. Gesamtsteuerbelastung 2014 (5.576 + 19.852 + 54.600) 80.028 € ESt

63
B. Gewerbliches Einzelunternehmen

1. Zivilrechtliche Grundlegung

2. Voraussetzungen für die Gewerblichkeit

3. laufende Besteuerung

4. außerordentliche Besteuerung

64

Das könnte Ihnen auch gefallen