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Geschichte der deutschen Literatur

1871-1933
Prof. Dr. Christoph Jürgensen
Wintersemester 2020/21

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 1
Novellen des Realismus

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 2
Sozialgeschichtliche Kontexte

Rolle des Bürgertums Industrialisierung

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 3
Realismus?
„Ein aus dem Druck zeitgenössischer Erfahrung resultierendes Erzählen könnte
versuchsweise als ›Relevanter Realismus‹ bezeichnet werden. Ebenso weit entfernt von
Pseudoavantgarde wie von Zeitgeisterei, arrangiert der Relevante Realist seinen Stoff so
kunstvoll zur Fiktion, daß sie beim oberflächlichen Lesen mit einem Abbild der
Wirklichkeit verwechselt werden könnte: inszenierter Realismus. Darunter freilich wirkt
das, was wir als Standpunkt von jedem wesentlichen Buch for-dern, wirkt die ästhetisch-
moralische Verantwortung eines Schriftstellers, der alles Stoffliche arrangiert, um damit
ein ästhetisches Ziel zu erreichen.“ Matthias Politycki: Relevanter Realismus (2005)

„Die Literatur der Ichzeit ist natürlich nie auf die altmodische Art realistisch. Das darf sie
auch nicht sein. Sie ist mal Cut-up, mal ein Hin und Her zwischen Gedicht und Roman,
sie ist mal linear, mal irre Montage, und sie ist in dem Sinne post-postmodern, dass
keiner ihrer schreibfertigen Auto-ren so tut, als wäre er ein auktorialer Tyrann; aber
gleichzeitig, im Gegensatz zu Calvino und seinen ironischen Schülern, meint er jedes
Wort ernst, todernst, denn er und sein blutendes Ich sind der Star, sind der Text, und
vielleicht ist es auch genau andersrum.“ Maxim Biller: Ichzeit. Über die Epoche, in der
wir schreiben (2011)

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Begriff ‚Realismus‘

• Typologischer Realismus-Begriff (Stil- und


Darstellungsmerkmal)
vs.
• Literaturgeschichtlicher Realismusbegriff (Realismus als
Epoche)

= Der Epochenbegriff leitet sich aus dem Darstellungsprinzip ab,


dieses Prinzip wirkt aber über die Epoche hinaus (bis heute)

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Charakteristika realistischen Erzählens

• elaborierte Rahmung (die häufig das Erzählen als solches


thematisiert)
• eine strikte Kausalität (bzw. der Verzicht auf Wunderbares)
• der planvolle Einsatz von Symbolik, die den − vordergründig
wirklichkeitsnahen − Erzählung einen poetischen Mehrwert verleiht
(weil Symbolik immer artifiziell ist)
• Ein zeitlicher, räumlicher und sozialer Gegenwartsbezug
(zumindest in der Rahmung der Novelle)
• Eine abschließende Versöhnung oder Harmonierung der
Handlungsmotive

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Differenz zur Romantik

Die Differenz zwischen Romantik und Realismus kann wie folgt


veranschaulicht werden:

Während die Romantik den Eigenwert des Poetischen durch die


Verwendung nichtnatürlicher Motive betont, muss der Realismus
den Bedingungen der vertrauten Lebenswelt Poesie abgewinnen
(es handelt sich beim Realismus insofern um ›Romantik unter
erschwerten Bedingungen‹).

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 7
Begriffs- und Verfahrensreflexion (1)
„Die Malerei des Mittelalters [...] legte die ganze Erde in den
Himmel hinüber, die unsrige zeige den Himmel auf Erden. Die
Atmosphäre unseres Planeten ist für uns keine Geisterwohnung
mehr, der Horizont ist gereinigt, keine Feeen und Gnomen
schimmern mehr durch den Nebel, keine Götter und Marien
thronen auf abendrothen Wolken: es ist Nebel, es sind Wolken,
aber die Welt selbst rückt nun ins volle Licht, da vorher
zwischen ihr und der Sonne eine zweite Körperwelt ihr das Licht
entzogen, sie liegt aufgeschlagen vor uns, die Strahlen der Kunst
können ihr bei, es ist Luft, Licht, offen.“ (Friedrich Theodor
Vischer, 1841)

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Begriffs- und Verfahrensreflexion (2)

Gustave Flaubert an Louise Colet, 20. September 1851 „Ce n’est


pas une petite affaire que d’être simple.“ [Einfach sein ist keine
Kleinigkeit]

Moriz Carriere (1858) „Die idealistische Phantasie geht von


sich, von dem Allgemeinen, von dem Geistigen aus, sie
verkörpert die Idee in einer bestimmten Erscheinung, um sie
unmittelbar darzustellen; die realistische beginnt mit der
Erfahrung, mit den Thatsachen der gegebenen Welt, und ordnet,
läutert und gestaltet sie zum Ganzen, so daß aus diesem die Idee
hervorleuchtet.“

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Begriffs- und Verfahrensreflexion (3)
Otto Ludwig (1813-1865)

• „Es liegt wahrlich eine große Quantität Poesie auch in dem wirklichen
Leben unsrer Zeit.“
• „Poesie der Wirklichkeit, die nackten Stellen des Lebens überblumend,
die an sich poetischen nicht über die Wahrscheinlichkeit
hinausgehoben.“
• „Die Kunst soll nicht verarmte Wirklichkeit sein, vielmehr bereicherte;
nicht weniger Reize soll sie bewahren, sie soll neue hinzuerhalten
durch das Medium des phantasieentquollenen Gedankens, alle die,
welche aus dem gedankenhaft bezüglichen Neben- und Ineinander der
beiden Welten des Ernsten und des Komischen hervorgehen. – Sie soll
nicht eine halbe, sondern eine ganze Welt sein.“

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Poetischer vs. bürgerlicher Realismus

Zwei Begriffe für ein Korpus, die sich aus unterschiedlichen


Perspektiven resultieren:

• Poetisch: Verfahren, ästhetische Konzepte

• Bürgerlich: Trägerschicht von Produktion, Distribution und


Rezeption; Figurenarsenal

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Generisches Feld
Dominanz der Prosa
Roman (Vertreter: Gustav Freytag, Soll und Haben; Theodor Fontane,
Effi Briest)
Dorfgeschichte (Vertreter: Berthold Auerbach; Gottfried Keller, Romeo
und Julia auf dem Dorfe)

Lyrik:
Ballade (da narrative Form; Bsp. Fontane, John Maynard)
Dinggedicht (C.F. Meyer, Der römische Brunnen)

Drama: Marginale Stellung (anders als im Naturalismus)

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C.F. Meyer: Der römische Brunnen

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt


Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 13
Novelle: Geschichte und Begriff
Goethe: ‚Wissen Sie was‘, sagte Goethe [zu Eckermann], ‚wir
wollen es die ‹Novelle› nennen; denn was ist eine Novelle
anders als eine sich ereignete unerhörte Begebenheit. Dies ist der
eigentliche Begriff, und so vieles, was in Deutschland unter dem
Titel Novelle geht, ist gar keine Novelle, sondern bloß
Erzählung oder was Sie sonst wollen. In jenem ursprünglichen
Sinne einer unerhörten Begebenheit kommt auch die Novelle in
den ‹Wahlverwandtschaften› vor.‘“

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Novelle: Geschichte und Begriff (2)
Storm: „Die Novelle, wie sie sich in neuerer Zeit, besonders in den letzten
Jahrzehnten, ausgebildet hat und jetzt in einzelnen Dichtungen in mehr oder
minder vollendeter Durchführung vorliegt, eignet sich zur Aufnahme auch des
bedeutendsten Inhalts, und es wird nur auf den Dichter ankommen, auch in
dieser Form das Höchste der Poesie zu leisten. Sie ist nicht mehr, wie einst,
»die kurzgehaltene Darstellung einer durch ihre Ungewöhnlichkeit fesselnden
und einen überraschenden Wendepunkt darbietenden Begebenheit«; die
heutige Novelle ist die Schwester des Dramas und die strengste Form der
Prosadichtung. Gleich dem Drama behandelt sie die tiefsten Probleme des
Menschenlebens; gleich diesem verlangt sie zu ihrer Vollendung einen im
Mittelpunkte stehenden Konflikt, von welchem aus das Ganze sich organisiert,
und demzufolge die geschlossenste Form und die Ausscheidung alles
Unwesentlichen; sie duldet nicht nur, sie stellt auch die höchsten Forderungen
der Kunst.“

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Paul Heyse: Novellen-‘Theorie‘

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Arbeits-Definition Novelle

Die Novelle ist ein Erzähltext von mittlerer Länge mit betontem
Geschehnismoment.

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Storm: Die Stadt (1852)
Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlass; Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.

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Theodor Storm: Immensee (to go)

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Immensee: Zitate (1)
„An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter,
wohlgekleideter Mann langsam die Straße hinab. Er schien von
einem Spaziergang nach Hause zurückzukehren; denn seine
Schnallenschuhe, die einer vorübergegangenen Mode
angehörten, waren bestäubt. Den langen Rohrstock mit
goldenem Knopf trug er unter dem Arm; mit seinen dunkeln
Augen, in welche sich die ganze verlorene Jugend gerettet zu
haben schien und welche eigentümlich von den schneeweißen
Haaren abstanden, sah er ruhig umher oder in die Stadt hinab,
welche im Abendsonnendufte vor ihm lag.“

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Immensee: Zitate (2)

„Wie er so saß, wurde es allmählich dunkler; endlich fiel ein


Mond-strahl durch die Fensterscheiben auf die Gemälde an der
Wand, und wie der helle Streif langsam weiterrückte, folgten die
Augen des Mannes unwillkürlich. Nun trat er über ein kleines
Bild in schlichtem schwarzem Rahmen. ›Elisabeth!‹ sagte der
Alte leise; und wie er das Wort gesprochen, war die Zeit
verwandelt – er war in seiner Jugend.“

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Immensee: Zitate (3)
Bald trat die anmutige Gestalt eines kleinen Mädchens zu ihm. Sie hieß Elisabeth und
mochte fünf Jahre zählen; er selbst war doppelt so alt. Um den Hals trug sie ein
rotseidenes Tüchelchen; das ließ ihr hübsch zu den braunen Augen. ›Reinhard«, rief sie,
›wir haben frei, frei! Den ganzen Tag keine Schule, und morgen auch nicht.‹ Reinhard
stellte die Rechentafel, die er schon unterm Arm hatte, flink hinter die Haustür, und dann
liefen beide Kinder durchs Haus in den Garten und durch die Gartenpforte hinaus auf
dieWiese. Die unverhofften Ferien kamen ihnen herrlich zustatten. Reinhard hatte hier
mit Elisabeths Hülfe ein Haus aus Rasenstücken aufgeführt; darin wollten sie die
Sommerabende wohnen; aber es fehlte noch die Bank. Nun ging er gleich an die Arbeit;
Nägel, Hammer und die nötigen Bretter lagen schon bereit. Währenddessen ging
Elisabeth an dem Wall entlang und sammelte den ringförmigen Samen der wilden Malve
in ihre Schürze; davon wollte sie sich Ketten und Halsbänder machen; und als Reinhard
endlich trotz manches krummgeschlagenen Nagels seine Bank dennoch zustande
gebracht hatte und nun wieder in die Sonne hinaustrat, ging sie schon weit davon am
andern Ende der Wiese

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Immensee: Zitate (4)
Komm, Elisabeth‹, sagte Reinhard, ›ich weiß einen Erdbeerenschlag; du sollst kein
trockenes Brot essen.‹ [...] ›Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren?« fragte sie endlich,
indem sie stehenblieb und einen tiefen Atemzug tat. ›Hier haben sie gestanden‹, sagte er,
›aber die Kröten sind uns zuvorgekommen, oder die Marder, oder vielleicht die Elfen.‹
›Ja‹, sagte Elisabeth, ›die Blätter stehen noch da; aber sprich hier nicht von Elfen. Komm
nur, ich bin noch gar nicht müde; wir wollen weitersuchen.‹ Vor ihnen war ein kleiner
Bach, jenseits wieder der Wald. Reinhard hob Elisabeth auf seine Arme und trug sie
hinüber. Nach einer Weile traten sie aus dem schattigen Laube wieder in eine weite
Lichtung hinaus. ›Hier müssen Erdbeeren sein‹, sagte das Mädchen, ›es duftet so süß.‹
Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum; aber sie fanden keine. ›Nein‹, sagte
Reinhard, ›es ist nur der Duft des Heidekrautes.‹«
»›Wollen wir Erdbeeren suchen?‹ fragte er. ›Es ist keine Erdbeerenzeit‹, sagte sie. ›Sie
wird aber bald kommen.‹ Elisabeth schüttelte schweigend den Kopf, dann stand sie auf
und beide setzten ihre Wanderung fort«.

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Immensee: Zitate (5)
Ein Storch flog vom Schornstein auf und kreiste langsam über
dem Wasser. [...] Der Storch hatte sich mittlerweile
niedergelassen und spazierte gravitätisch zwischen den
Gemüsebeeten umher. ›Holla! ‹ rief Erich, in die Hände
klatschend, »stiehlt mir der hochbeinige Ägypter schon wieder
meine kurzen Erbsenstangen!« Der Vogel erhob sich langsam
und flog auf das Dach eines neuen Gebäudes, das am Ende des
Küchengartens lag und dessen Mauern mit aufgebundenen
Pfirsich- und Aprikosenbäumen überzweigt waren. ›Das ist die
Spritfabrik‹, sagte Erich«

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Immensee: Zitate (6)
„Reinhard hatte aber doch etwas gefunden; waren es keine
Erdbeeren, so war es doch auch im Walde gewachsen. Als er
nach Hause gekommen war, schrieb er in seinen alten
Pergamentband: Hier an der Bergeshalde/ Verstummet ganz der
Wind;/ Die Zweige hängen nieder,/ Darunter sitzt das Kind./ Sie
sitzt in Thymiane,/ Sie sitzt in lauter Duft;/ Die blauen Fliegen
summen/ Und blitzen durch die Luft./ Es steht der Wald so
schweigend,/ Sie schaut so klug darein;/ Um ihre braunen
Locken/ Hinfließt der Sonnenschein./ Der Kuckuck lacht von
ferne,/ Es geht mir durch den Sinn:/ Sie hat die goldnen Augen/
Der Waldeskönigin.“

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Storm: Der Schimmelreiter (1888)

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 26
Schimmelreiter (1)

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 27
Schimmelreiter (2)

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 28
Schimmelreiter (3)

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 29
Schimmelreiter (4)

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 30
Schimmelreiter (5)

Prof. Dr. Christoph Jürgensen | Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung S. 31
Schimmelreiter (6)
Als das ernsthafte Männlein das gesagt hatte, stand es auf und horchte nach draußen. »Es
ist dortetwas anders worden«, sagte er und zog die Wolldecke vom Fenster; es war heller
Mondschein.»Seht nur«, fuhr er fort, »dort kommen die Gevollmächtigten zurück; aber
sie zerstreuen sich, siegehen nach Hause; - drüben am andern Ufer muß ein Bruch
geschehen sein; das Wasser istgefallen.« Ich blickte neben ihm hinaus; die Fenster hier
oben lagen über dem Rand des Deiches; es war,wie er gesagt hatte. Ich nahm mein Glas
und trank den Rest. »Haben Sie Dank für diesen Abend!«sagte ich; »ich denk, wir
können ruhig schlafen!« »Das können wir«, entgegnete der kleine Herr; »ich wünsche
von Herzen eine wohlschlafendeNacht!« - - Beim Hinabgehen traf ich unten auf dem
Flur den Deichgrafen; er wollte noch eine Karte, dieer in der Schenkstube gelassen hatte,
mit nach Hause nehmen. »Alles vorüber!« sagte er. »Aberunser Schulmeister hat Ihnen
wohl schön was weisgemacht; er gehört zu den Aufklärern!« - »Er scheint ein
verständiger Mann!« »Ja, ja, gewiß; aber Sie können Ihren eigenen Augen doch nicht
mißtrauen; und drüben an derandern Seite, ich sagte es ja voraus, ist der Deich
gebrochen!« Ich zuckte die Achseln: »Das muß beschlafen werden! Gute Nacht, Herr
Deichgraf!« Er lachte: »Gute Nacht!« - - Am andern Morgen, beim goldensten
Sonnenlichte, das über einer weiten Verwüstungaufgegangen war, ritt ich über den
Hauke-Haien-Deich zur Stadt hinunter.
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