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In unregelmäßigen Abständen schreibe

ich kleine Essays für mein Blog.


Wissenswertes und einige eigene
Gedankengänge zum Thema Literatur
werden somit in Wort und Bild
festgehalten.

Streng wissenschaftlich gehe ich in


meinen Argumentationen nicht vor.
Entschuldigung. Wie in allem, lasse ich
in diesen Texten mein Bauchgefühl
sprechen.
Wortklaubereien
Ich schreibe nun seit eineinhalb Jahrzehnten und darf auf eine
kleine Anzahl Veröffentlichungen zurückblicken.

Kürzlich wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich eine


Literaturgattung verwende, die ich bislang gar nicht kannte.
Meine Geschichten sind kurz. Kurzgeschichten darf ich meine
Werke dennoch nicht nennen. Mein Format ist meistens eine Din-
A4-Seite. Keine Ahnung, warum ich mich darauf festgebissen
habe. Vermutlich ist es Gewohnheit eine Idee auf wenige Zeilen zu
pressen. Aber es ist faszinierend, wie viel auf eine Seite passt. Ein
Tag, ein Jahr, manchmal ein ganzes Leben oder auch nur ein
Augenblick.

Diese Art zu schreiben soll ich also nicht Kurzgeschichte nennen.


Also wenden wir unseren Blick ganz zeitgemäß in Richtung des
Internets. Das große Onlinelexikon ”Wikipedia” bietet mir einige
Lösungsvorschläge. So zum Beispiel den Begriff
“Kürzestgeschichte”.

“Die Kürzestgeschichte ist eine Gattung der deutschen


Gegenwartsliteratur. Es handelt sich dabei um Prosatexte von
maximal zwei bis drei Seiten Länge, die bestimmte Merkmale
anderer Kurzprosagattungen auf sich vereinen. Sie (...) sind aber
von den Prosaminiaturen früherer Autoren, vor allem von Robert
Walser, Franz Kafka und Bertolt Brecht, beeinflusst.”

Nun, ich wusste nicht, dass ich von Walser, Kafka und Brecht
beeinflusst worden bin. Meinen Geschichten hätten diese Meister
der Literatur vermutlich nichts abgewinnen können. Trotzdem
fände ich es natürlich schön, wenn in hundert Jahren jemand nach
einer Kurzgeschichte aus meiner Feder greifen würde.
Ein zweiter Anlauf bei Wikipedia bietet mir folgende Erklärung
zum Begriff “Flash Fiction”:

“Das besondere Kennzeichen von ‘Flash Fiction’ ist deren Kürze.


Obwohl es kein generell festgelegtes Wortlimit gibt, werden Short
Stories in der Regel als Flash Fiction bezeichnet, wenn eine Länge
von 1.000 bis 2.000 Wörtern nicht überschritten wird. (...)
Trotz dieser relativen Kürze enthalten Flash Fiction - Stories die
Elemente der klassischen Kurzgeschichte: Protagonist, Konflikt,
Hindernis und Komplikation sowie die schlussendliche Lösung.
Allerdings sind Flash Fiction - Autoren durch die limitierte
Wortzahl gezwungen, einige dieser Elemente nur schlaglichtartig
zu behandeln und im Handlungsablauf nur anzudeuten.”

Schade, dass Blitz-Erdachtes als Übersetzung des Fachbegriffs


nicht viel taugt. Zumal das Erdachte nicht blitzschnell fertig ist,
sondern mitunter viel Arbeit macht. Außerdem mag ich es nicht,
wenn ich eine andere Sprache bemühen muss, um das zu
verdeutlichen, was ich zu Papier bringe. Insbesondere, wenn ich
nachträglich trotzdem viele Worte verwenden muss, um zu
erklären.

Auf die Frage, was ich denn für Geschichten schreibe, soll ich also
zwangsweise “Flash Fiction” antworten.
“Was ist denn das?” wird mir vermutlich dann mein Gegenüber
erwidern. Ratlosigkeit wird sich in seinem Gesicht spiegeln. Dann
wird ihm die Erkenntnis kommen. ”Du meinst sicher
Kurzgeschichten.”

Ja, klar. Genau.

(aus: www.zitatus.blog.de © 2010 Markus Walther)


Junkfood
für den
Kopf
Geben wir uns viele Wörter. Geben wir uns nicht zu wenig Sätze.
Das scheint wichtig zu sein. Denn Wikipedia schreibt: „Ab Mitte
der 1960er-Jahre hat die literarische Gattung ‚'Kurzgeschichte‘
einen Teil ihrer Bedeutung verloren.“ Eine gnadenlose
Untertreibung.

Die Kurzgeschichte wird in der deutschen Kulturwelt inzwischen


als literarisches Abfallprodukt behandelt. Diese Texte, die mal „
eben so“ zwischendurch geschrieben wurden, taugen allenfalls um
die Anthologien irgendwelcher Ausschreibungen zu füllen oder um
in Zeitschriften als Lückenbüßer ein zweifelhaftes Dasein zu
fristen.
Die Qualität dieser Art Texte schwebt zumeist tatsächlich auf dem
Niveau eines Kinderaufsatzes.

Es gibt sie natürlich, diese Schriften, die von Kritikern hoch gelobt
werden. Mit einem düsteren Schicksal geschwängert, möglichst
handlungsfrei und in alle Richtungen beliebig interpretierbar (böse
zungen behaupten, dass großbuchstaben in solchen machwerken ein
unding sind). Sie sind das in Buchstaben gepresste Gegenstück der
abstrakten Bilder im Museum um die Ecke.

Mehr scheinen deutsche Verlage nicht in Angriff nehmen zu


wollen. Schlussendlich bleiben nur die populäreren
Kurzgeschichten von Stephen King, Terry Pratchett, Edgar Allan
Poe, Ernest Hemingway und der anderen englischsprachigen
Autoren. Und die betagten Texte von Böll, Borchert und Co. von
vor 1960. Kommerzielle Massenware versus intellektuellen
Unterrichtslehrstoff. Im Buchgeschäft kann beides nur auf
Vorbestellung erworben werden.
Ich schreibe Kurzgeschichten. Mit Begeisterung. Und dem eisernen
Willen, dem verblassten Image der KG einen Hauch neue Farbe zu
geben. Denn ein kurzer Text kann so viel mehr sein, als
literarisches Junkfood oder Kritikers Liebhaberstück. Berühmt und
reich werde ich auf diese Weise bestimmt nicht. Sei‘s drum.

Mit wenigen Worten kann ein Autor seine Leser in fremde Welten
entführen oder ins Haus an der nächsten Straßenecke. Dabei kann
er ebenso Banales wie hoch Emotionales vermitteln. Im
Unterschied zum Roman darf in der Kurzprosa aber viel zwischen
die Zeilen geschrieben werden. Der Leser wird nicht Zeile für Zeile
oder Wort für Wort bei der Hand genommen. Lücken im Erzählten
müssen mit Erfahrungen oder Klischees gefüllt werden. Das ist
kein erzähltechnisches Manko, sondern ein wunderbares Stilmittel,
das es gekonnt einzusetzen gilt. Schlussendlich gibt es nur eine
wirklich wichtige Regel für alle geschriebenen Werke: Langweile
nicht den Leser!

Das macht für mich die Faszination am Schreiben aus. Speziell an


der Kurzgeschichte. Wenn eine Kurzgeschichte gelesen oder
vorgelesen wird und nach einigen wenigen Zeilen ein Bild mit
Worten gemalt wurde, das spontan bewegt; ein Lachen entlockt
oder ein Weinen, ein Innehalten und ein Nachdenken bewirkt -nur
für einen Augenblick- dann ...

... ja dann ist kein Wort zu viel. Dann ist kein Satz zu wenig.

(aus: www.zitatus.blog.de © 2010 Markus Walther)

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