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© Uwe Fengler

Wie ich zu meiner ersten Zigarette kam


und warum ich heute nicht mehr rauche

Auch ich habe einmal geraucht, und gar nicht


mal so wenig.
Meine erste Zigarette rauchte ich mit 12
Jahren. Damit war ich ein Spätzünder, denn
viele der Jungs aus meiner Klasse haben
schon ein paar Jahre früher damit begonnen.
Mir hatte der rauchende Teil meiner
damaligen Familie immer gesagt, dass ich auf
keinen Fall mit dem rauchen anfangen solle,
denn dann würde mir fürchterlich schlecht
werden, ich bekäme Durchfall und müsse
mich übergeben.
Die hatten in diesem Moment wohl kaum
damit gerechnet, das so manches Kind auch
schon logisch denken kann.
Das kann irgendwie nicht stimmen, überlegte
ich still. Die erzählen Dir das mit einer
Zigarette in der Hand, an der sie immer
wieder ziehen, ohne dabei unaufhörlich zur
Toilette zu laufen.
Diese Tatsache machte mich nun neugierig
auf eine erste Zigarette. Mir war ganz klar,
dass ich angelogen wurde, und musste nun
selber entdecken, was da wirklich dran war an
der Zigarette. Die Furcht vor der Übelkeit war
nicht so groß, wie die Neugier, die in mir
geweckt wurde.

Irgendwann, die gesamte Familie meines


Onkels befand sich im Urlaub, war es meine
Aufgabe mich in deren Wohnung um die
Rollos zu kümmern. Schon am ersten Abend
entdeckte ich auf dem Wohnzimmertisch eine
angefangene Schachtel Zigaretten.
Wird schon keiner merken, wenn da eine
fehlt, dachte ich bei mir.
Meine Erste rauchte ich vorsichtshalber auf
einer Toilette.
Es geschah nichts: keine Übelkeit, kein
Durchfall, kein besonderer Geschmack. Aber
irgendwie interessant war das Rauchen doch.
Da war vor allem der Reiz des Verbotenen
und das Gefühl damit auch noch erwachsen
zu wirken.
Das wiederum führte dazu, dass ich an den
folgenden Abenden auch jeweils eine
Zigarette aus der Schachtel nahm – bis diese
irgendwann leer war. Es wird sich schon
niemand erinnern, wenn er nach vier Wochen
aus seinem Urlaub zurückkommt, dass er auf
dem Wohnzimmertisch eine Schachtel mit
Zigaretten vergessen hat, dachte ich mir, als
ich die Schachtel verschwinden ließ.
Und so war es dann auch wirklich. Zumindest
kann ich mich an irgendwelche Folgen nicht
erinnern.
Zigaretten waren in den 60iger Jahren nicht
teuer und auch für einen Schüler, der nur ein
geringes Taschengeld erhielt durchaus
erschwinglich. Also rauchte ich weiter.
Gelegentlich zunächst. An jeder Ecke gab es
ja Automaten, an dem jedes Kind heimlich so
viel davon kaufen konnte, wie es wollte.
Mit 14 Jahren durfte ich im Kreise der
Familie öffentlich rauchen. Kurz vorher war
ich von meiner Mutter „erwischt“ worden. In
Wirklichkeit hatte sie wohl schon länger von
meiner heimlichen Leidenschaft gewusst.
Das machte das Rauchen aber zu diesem
Zeitpunkt nicht mehr uninteressanter für
mich, ganz im Gegenteil …
Mit 14 Jahren oder auch 16 Jahren war mein
Taschengeld zwar unwesentlich höher als mit
12, aber meine Rauchlust konnte ich damit
auch nicht wirklich befriedigen. Irgendwann,
ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war,
begann ich mir eine Stange Zigaretten (die
enthielt damals 200 Zigaretten und kostete
20,-- DM) zum Geburtstag, zu Weihnachten
und allen nur möglichen anderen Anlässen zu
wünschen.
Heute weiß ich, dass ich damals schon
süchtig war, da ich bereit war auf andere
Geschenke zu verzichten, die mich auch
interessiert hätten (z.B. Bücher)
Tatsächlich erhielt ich an manchen
Weihnachtstagen und Geburtstagen
Rauchstoff der Wochen hielt.
Mit 18 rauchte ich bis zu 80 Zigaretten
täglich.
Mit 22 Jahren hörte ich zum ersten Mal von
einem Tag zum anderen auf.
Meine damalige Freundin erzählte mir fast
täglich, einen Mann zu küssen der raucht, sei
wie einen Aschenbecher aus zu lecken.
Tatsächlich habe ich es damals geschafft und
nach etwa 6 Wochen war auch das große
Verlangen nach der Zigarette nicht mehr da.
Das war 1978. So vergingen die Jahre. Ende
der 80iger war ich mit meiner damaligen
Frau, die 1978 noch meine Freundin war
Gelegenheitsraucher, zum Beispiel im Urlaub
abends auf dem Balkon, aber sonst nicht.
Ich zumindest nicht.
Nachdem wir uns getrennt hatten, aber für
kurze Zeit noch unsere gemeinsamen
Wohnungen hatten, kam sie mir einmal im
Treppenhaus entgegen und roch so was nach
kaltem Zigarettenrauch, das ich wütend
wurde. Erzählt mir was vom ausgelutschtem
Aschenbecher und riecht jetzt selbst
schlimmer als jedes Raucherabteil, das es zu
diesem Zeitpunkt noch in allen Zügen gab.
Ich erinnerte mich, warum ich aufgehört
hatte, zu rauchen, kaufte mir Zigaretten und
schwor mir mit der Ersten, die ich damals
ansteckte, nie wieder wegen einer Frau etwas
aufzugeben, sei es ein Studium oder das
Rauchen.
Und so rauchte ich weitere 17 Jahre vor mich
hin. Zwar nicht mehr so stark. An manchen
Tagen waren es vielleicht nur 1 – 3, an
anderen wiederum durchaus 20 – 30.
Und an den Tagen, an denen ich weniger oder
was durchaus selten vorkam, gar nicht
rauchte, fehlte mir auch nicht wirklich was.
Ich kann auch nicht wirklich sagen, das es mir
schmeckte diesen schrecklichen Rauch
einzuatmen, vor allem dann nicht, wenn es
sehr viele Zigaretten am Tag wurden.
Obwohl ich inzwischen wieder verheiratet
war und meine Frau – sie ist es auch heute
noch – noch nie in ihrem Leben geraucht
hatte und auf jeden Fall die Nase voll hatte
von meiner Raucherei, gab ich nicht nach.
Ich werde dann aufhören, wenn ich es selbst
für richtig halte, sagte ich immer nur.

Im Jahr 2007 war es dann soweit. Ich traf


einfach die Entscheidung nie mehr zu
rauchen. Niemand hatte mich zu diesem
Zeitpunkt dazu gedrängt. Ich entschloss mich
einfach selbst dazu, kurz nachdem ich mir
eine neue Schachtel gekauft hatte. Ich glaube
so um die 5 Euro kostete sie damals.
Als ich mich auf einer Bank gegenüber des
Ladens, in dem ich mir die Schachtel gekauft
hatte, niederließ, die Packung öffnete und ihr
eine Zigarette entnahm, dachte ich plötzlich
an meinen Freund Willi, der leider schon in
den 90iger Jahren mit etwa 40 Jahren
verstarb. Der hatte nie geraucht und immer
wieder mal gesagt, dass er nichts dagegen
hätte, wenn eine Schachtel Zigaretten 10
Mark kosten würde.
Ich nahm zwei oder drei Züge von meiner
gerade angesteckten Zigarette, ließ sie
kopfschüttelnd fallen und zertrat sie unter
meinem rechten Fuß.
Gleichzeitig zerdrückte ich die gerade
geöffnete Schachtel zwischen meinen
Händen, stand auf und beförderte sie in den
nächsten Papierkorb.
Ich habe seit dem nie wieder geraucht. Ich
hatte keine Entzugserscheinungen, wie sie
mir nach dem ersten Aufhören bekannt waren.
Ich werde nie wieder eine Zigarette anrühren.
Schade nur, dass Willi diesen Triumph (eine
Schachtel für 10 Mark) nicht mehr miterleben
konnte.

© Uwe Fengler

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