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Im folgenden Kapitel wollen wir nun einige Beispiele von Kindern aus unserer
Praxis vorstellen, an welchen Sie ihr in diesem Buch erworbenes Wissen zusätz-
lich erweitern können. Sie können anhand von verschiedenen Fällen überlegen,
zu welchen diagnostischen - und vielleicht auch therapeutischen - Entscheidun-
gen Sie kommen würden. Im Anschluss an jeden Befund finden sich dann un-
ter der Überschrift „Ergebnis“ jeweils die „Auflösung“, bzw. unsere diagnosti-
schen Befunde und eventuell auch Hinweise auf erste therapeutische Schritte82.
Anamnese:
Jonas schrie als Säugling übermäßig viel, schlief sehr wenig und war als Klein-
kind bis zur 2. Klasse motorisch sehr unruhig und zappelig, was sich in den letz-
ten Jahren aber stark verbessert hätte. Jonas bewies beim Bilderbuch Betrachten
wenig Ausdauer und schien oft nicht zuzuhören. Märchen-Hörspiele wollte er nie
hören, auch wollte er nicht, dass man ihm vorlas. Die Sprachentwicklung wurde
von der Mutter als unauffällig beschrieben.
Beim Lernen zuhause und im Unterricht zeigte sich Jonas aber dennoch häufig
ablenkbar, zappelig und schlampig, wobei er häufig schnell müde wurde. Die
Mutter schätzte ihren Sohn als sehr sensibel ein. Nachdem sein Vater gestorben
war als Jonas 5 Jahre alt war, hatte er immer Angst um die Mutter und wollte
auch mit 10 Jahren nicht alleine daheim bleiben. Er verfügte laut mütterlicher
Auskunft über wenig Selbstwert und spielte gerne den Klassenkasper.
Befunde:
Jonas erreichte im Adaptiven Intelligenzdiagnostikum (AID) einen in der mittle-
ren Norm liegenden IQ von 100.
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Die Therapiemethoden werden detailliert im 2. Band der Buchreihe dargestellt.
Wie würden Sie entscheiden?
Im BAKO für Grundschüler der 1.-4. Klasse, einem Test zur Überprüfung der Pho-
nologischen Bewusstheit, ergaben sich in 3 Subskalen nur sehr knapp durch-
schnittliche Werte (PR 24), im Untertest Lautunterscheidung ein weit unter-
durchschnittlicher Wert (PR 5).
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Wie würden Sie entscheiden?
Ergebnis:
Aufgrund der sprachlichen Gedächtnisschwäche vor allem für Silben, der man-
gelnden Lautunterscheidung, der zahlreichen Rechtschreibfehler in den Aufsät-
zen und der unterdurchschnittlichen Leseleistung ist bei Jonas trotz der gerade
noch durchschnittlichen Werte im Rechtschreibtest von einer Lese-
Rechtschreibstörung zu sprechen.
Diese Diagnose wird zusätzlich auch noch erhärtet durch die - trotz intensiven
Rechtschreibtrainings mit der Mutter - relativ schwach ausgeprägte phonologi-
sche Bewusstheit und durch seine schwachen grammatikalischen Kompetenzen,
deren Ursache wahrscheinlich in der mangelhaften Lautwahrnehmung und -
verarbeitung zu suchen ist.
Therapieverlauf:
Nach einer eineinhalbjährigen therapeutischen Betreuung konnten wir Jonas
entlassen, da er sich in allen Bereichen stark verbessert hatte. Im BAKO konnte
Jonas nahezu alle Aufgaben richtig beantworten, das Nachsprechen von Silben
hatte sich fast bis in den Normbereich verbessert (statt 12 nun 22 richtige Silben
von 30). Das Sätze Verstehen und Nachsprechen, sowie die Mehrzahlbildung im
Heidelberger Sprachentwicklungstest lagen nun mit den Prozenträngen 79 und
95 im gut durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Bereich. Das Nachspre-
chen von langen und schwierigen Sätzen mit Nebensatzkonstruktionen in einem
inoffiziellen Screening bereiteten Jonas hingegen immer noch einige Schwierig-
keiten.
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