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Kinder & Co
Die Seiten rund um die
ersten zehn Lebensjahre
Nr. 04/2008 P. b. b. Erscheinungsor
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– Verlagspostamt 1110
Wien, 06Z036635, DVR: 0000191
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Höhlenabeise
Entdeckungsr durch Wiens
Palmen- und Tropenhäuser
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Was ist die neue Mittels
& Stadt
Zusammen leben in Wien.
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Nr. 04/2008 P. b. b. Erscheinungsort: Wien – Verlagspostamt 1110 Wien, 06Z036634, DVR 0000191
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HERBERT TUMPEL Sozialdemokratische
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2
Die Stadt gehört Dir.
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Artikel 19.1.:
Seit 1975 setzt die EZA – Österreichs größte Fair Trade Importorganisation –
den Fairen Handel in die Praxis um. Aus anonymen ProduzentInnen werden
Menschen mit Gesicht und Stimme. In ihrem Angebot spiegeln sich Können
und Kreativität von über 100 Partnerorganisationen in Afrika, Asien und
Lateinamerika. Genuss und Ästhetik verbinden sich mit Verantwortung
gegenüber Mensch und Natur zu einem sinnvollen Ganzen.
6
EZA Fairer Handel GmbH · Wenger Straße 5 · 5203 Köstendorf, Austria · T 0 6216 / 202 00-0 · office@eza.cc · www.eza.cc
Alle Menschen sind
Kopfzeile
www.waff.at
Inhaltsverzeichnis
10 Vorwort
13 Statistik 2008
15 Öffentlicher Raum
16 Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
25 Internet
32 Rassistische Beschmierungen
35 Polizei
45 Arbeit
75 Glossar
Danksagungen
Danke an Nadine Bösch für das kostenlose Lektorat.
Impressum
Medieninhaber und Herausgeber: ZARA – Zivilcourage und Blattlinie: Der Rassismus Report erscheint jährlich und wird
Anti-Rassismus-Arbeit, kostenlos abgegeben. Im Report abgedruckt ist eine Aus-
Luftbadgasse 14–16, 1060 Wien, wahl an rassistischen Übergriffen, die im Kalenderjahr 2008
ZVR: 236017119 an ZARA gemeldet wurden. Der Rassismus Report legt damit
http://www.zara.or.at die Arbeit der ZARA-Beratungstelle für Opfer und ZeugInnen
ZARA ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien. nachvollziehbar und offen dar. Der Rassismus Report infor-
miert über rassistische Strukturen in Österreich. Ergänzt wird
Chefredaktion: Sonja Fercher der Rassismus Report durch relevante Hintergrundinforma-
Operative Projektleitung: Barbara Liegl tionen und Interviews.
Redaktion: Stefanie Ambros, Susanne Bali, Karin Bischof, Sonja
Fercher, Markus Grammel, Barbara Liegl, Stefan Radinger, René Das Team der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugIn-
Rusch, Dieter Schindlauer, Patrick Zesar, Wolfgang Zimmer nen von Rassismus ist für Terminvereinbarungen erreichbar:
Anzeigenleitung: Sophie Niepraschk Mo-Mi 10-18 Uhr, Do 11-19 Uhr
Graphik und Layout: schultz+schultz / Sabell-Christina Fabian T: (01) 929 13 99, F: (01) 929 13 99-99
Coverphoto: © Sabell-Christina Fabian, 2009 office@zara.or.at
Druck: Manz Crossmedia, 1050 Wien http://www.zara.or.at
10
Vorwort
Vorwort
Das Jahr 2008 war in Österreich mit der Fußball-Euro- gerInnen gewählten Ansätze lassen unbeachtet, dass
pameisterschaft und der Nationalratswahl durch zwei Integration eine Querschnittsmaterie ist und nur auf-
große Ereignisse geprägt. Die tagtägliche Arbeit der bauend auf verwirklichter Chancengleichheit funktio-
ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von nieren kann. Die im Bereich Integration zu treffenden
Rassismus hingegen wurde von einem viel alltägliche- Maßnahmen müssen adäquat aufeinander abge-
ren Thema bestimmt, nämlich Rassismus im Bereich stimmt werden, langfristig bzw. strategisch angelegt
Wohnen. Die besonders schwierige Herausforderung sein und den Themenbereich Anti-Diskriminierung
lag darin, dass es sich dabei nicht in erster Linie um einschließen. Sie sollten nicht problemzentriert, son-
Diskriminierungen etwa bei der Wohnungsvergabe dern lösungsorientiert konzipiert sein und alle in Ös-
handelte, wo ZARA ganz konkrete Handlungsspiel- terreich lebenden Menschen miteinbeziehen. Solche
räume hat. Vielmehr beschäftigten die MitarbeiterIn- Maßnahmen würden der immer wiederkehrenden
nen der Beratungsstelle unzählige Fälle von Nachbar- Wir-und-die-Anderen-Konstruktion entgegen wirken.
schaftskonflikten.
Rechtliche Instrumente erweisen sich in Fällen wie Jugend und Diversity
diesen nicht als die besten Mittel, um Konflikte zu lö-
sen. In etlichen Fällen haben die Betroffenen bereits Das Jahr 2008 stand für ZARA außerdem ganz im Zei-
die Gebietsbetreuung konsultiert, bevor sie sich mit chen von Sensibilisierungs-Workshops an Schulen.
ihren Diskriminierungserfahrungen an ZARA gewen- ZARA hält bereits seit vielen Jahren Workshops für un-
det haben. Die Gebietsbetreuung, eine Einrichtung terschiedlichste Schultypen ab, im vergangenen Jahr
der Stadt Wien, bietet Beratung zu Fragen des Zusam- förderte das Bundesministerium für Unterricht, Kunst
menlebens in der Wohnumgebung ebenso wie Mög- und Kultur zum ersten Mal Trainings an 30 Schulen in
lichkeiten zur Konfliktbewältigung im nachbarschaft- ganz Österreich sowie einen Lehrgang für Pädago-
lichen Umfeld an. gInnen zur Erweiterung ihrer Kompetenz im Umgang
mit Diversität und Diskriminierung im Schulkontext.
Ohne Mediation keine Konfliktlösung Darüber hinaus setzte ZARA in Kooperation mit der
GPA Jugend und der Stadt Wien ein Projekt mit dem
Den KlientInnen, die die ZARA-Beratungsstelle aufsu- Titel „Mut zur Vielfalt! – Anti-Diskriminierung in der
chen, konnte häufig von der Gebietsbetreuung nicht Berufsschule“ um, bei dem BerufsschülerInnen zu
geholfen werden, da die andere Konfliktpartei einer TrainerInnen – so genannten „peers“ – ausgebildet
Mediation nicht zustimmen wollte. Ohne Mediation wurden, die anschließend selbst Workshops für Schul-
ist in vielen Fällen keine Lösung möglich. In manchen kollegInnen durchführten. Aus diesem Anlass werden
Fällen wurde ein „Ende des Konflikts“ herbeigeführt, im vorliegenden Rassismus Report die Erfahrungen
indem den ZARA-KlientInnen mit der Beendigung aus diesen Workshops aufgearbeitet, womit ZARA
ihres Mietverhältnisses gedroht wurde. Gerade in die- auch einen Beitrag zur Integrationsdebatte leisten
sem sehr privaten und sensiblen Bereich des Wohnens möchte. Schließlich sind es gerade junge Menschen,
wird deutlich, dass Gesetze alleine nicht ausreichen, die einen positiven Umgang mit kultureller Vielfalt am
um Menschen vor Diskriminierung zu schützen. einfachsten lernen können.
Es bedarf umfassenderer Maßnahmen und der In- Diese von staatlichen Stellen finanzierten Maß-
volvierung unterschiedlichster staatlicher, sozialpart- nahmen sind wichtig, um einzelnen, sehr engagier-
nerschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure ten Lehrpersonen Unterstützung in ihrer alltägli-
und Akteurinnen, um das Phänomen Rassismus nicht chen Arbeit mit heterogenen Klassen zu geben und
nur im Bereich Wohnen, sondern in allen gesellschaft- SchülerInnen in ihrem Bestreben zu unterstützen,
lichen Bereichen erfolgreich bekämpfen zu können. zivilcouragiert gegen alle möglichen Formen von Dis-
Die bisher von der österreichischen Bundesregierung kriminierung aufzutreten. Dennoch sollten sie nicht
gesetzten Einzelaktionen zum Thema Integration rei- darüber hinwegtäuschen, dass noch ein weiter Weg
chen nicht aus, um Bewusstsein für Diskriminierung vor uns liegt, um das Ziel der strukturellen Veranke-
aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und der Reli- rung von Chancengleichheit, Vielfalt und Nicht-Diskri-
gion zu schaffen und diesen nachhaltig entgegen zu minierung im Schulsystem und in der Ausbildung von
treten. Die bisher von politischen Entscheidungsträ- LehrerInnen zu erreichen.
11
Vorwort
clean politics
Zur politischen Bildung sollten Menschenrechte zäh-
len, wodurch Bewusstsein geschaffen würde, dass
Stimmenfang auf Kosten von marginalisierten Grup-
pen keine demokratisch legitime Wahlkampfstrategie
darstellt. Der von Jugendlichen im Rahmen der Kam-
pagne „clean politics. meine stimme gegen rassismus“
geführte Weblog ist ein positives Beispiel dafür, dass
Jugendliche ein sehr aufmerksames Auge auf Wahl-
kampagnen richten und sehr sensibel sind, was den
Missbrauch von Ressentiments betrifft.
Statistik 2008
2008 dokumentierte das ZARA-Team insgesamt 704 Information zu den einzelnen Bereichen
rassistische Vorfälle. und ihren Bezeichnungen
• Mit Öffentlicher Raum sind alle Vorfälle bezeichnet,
die sich an Orten, die einem nicht näher bestimmten
Gegen Anti-Rassismus-Arbeit 11%
Öffentlicher Raum 56%
Personenkreis offen stehen, wie beispielsweise Stra-
Arbeit 6%
ßen, öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte, Lokale, in
Medien und in der Politik etc. zugetragen haben. Ras-
Güter und
Dienstleistungen 14%
sistische Beschmierungen werden ebenfalls diesem
Bereich zugeordnet.
Monitoring 10%
• Arbeit beinhaltet Vorkommnisse, die im weitesten
ZeugInnen 58%
Sinne mit „Arbeit“ zu tun haben, also Arbeitsmarkt,
-suche, -kollegInnen, -bedingungen, Stellenausschrei-
Betroffene 32%
bungen usw.
Anmerkungen
48% der ZARA-KlientInnen waren Frauen, 46 % Män-
ner, 1 % der Fälle wurden anonym gemeldet, 5 % wa- Es gehört zu den Aufgaben der ZARA-BeraterInnen,
ren Meldungen von Organisationen. einerseits den Wahrheitsgehalt einer Sachverhalts-
beschreibung zu überprüfen und sich andererseits
um die Sicht der „Gegenpartei“ oder einer dritten
Seite zu kümmern. Dennoch können BeraterInnen
nicht garantieren, dass alle Informationen, die ihnen
Anonym 1%
Organisationen 5% – von verschiedenen Seiten – zugetragen werden, der
Frauen 48%
„Wahrheit“ entsprechen. Die Interessen jener Person,
die sich an die Beratungsstelle wendet, stehen an
Männer 46%
erster Stelle: Ihren Darstellungen wird Vertrauen und
Verständnis entgegengebracht und ihre Aussagen
werden ernst genommen. Allerdings dürfen sie des-
halb nicht unkritisch übernommen werden.
Weiters ist sich ZARA bewusst, dass durch die Dar-
stellung von rassistischen Übergriffen, Rassismen, ras-
13
Statistik 2008
2
Vgl. Gutachten des Senats sistische Schimpfwörter sowie Vorurteile oder ein ei- Um Rassismen nicht zu reproduzieren, wird das N-
III der Gleichbehandlungs-
kommission: http://www. gentlich unnötiges Hervorheben von ethnischer oder Wort nur angedeutet, Eingriffe in Zitate durch ZARA
frauen.bka.gv.at/DocView. religiöser Herkunft sowie anderen Merkmalen, die zur in diesem Sinne sind mit [*] gekennzeichnet. ZARA
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Diskriminierung einer Person geführt haben, wieder- möchte außerdem darauf hinweisen, dass der Begriff
gegeben werden. ZARA bemüht sich um Sprachsen- „Zigeuner“ zwar im Sinne der Sichtbarmachung von
sibilität, wiedergegebene Rassismen stehen in einem Rassismus ausgeschrieben wird, er jedoch als Diskri-
klaren Kontext, mit dem Ziel, Rassismus in Österreich minierung zu werten ist2.
sichtbar zu machen. Würde ZARA dies nicht tun, um Mehr zu anti-rassistischem Sprachgebrauch siehe:
die Reproduktion von Rassismen zu verhindern, wä- http://www.zara.or.at/materialien/rassismus-report/
ren dem Leugnen von Rassismus weiterhin Tür und rassismus-report-2006.pdf
Tor geöffnet.
Foto: Katharina Gossow
i s t u n t e i l b ar.
s c h e n w ü rd e s!
Die Men e l t o h n e R a s s i s m u
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www.gruene.at
Öffentlicher Raum
Öffentlicher Raum
Wenn Sie dieses Kapitel lesen, werden sie feststellen: Sündenböcken und versuchen, auf ihre Kosten Stim-
Die Stimmung ist nicht gut. Sie ist nicht gut auf der men zu gewinnen.
Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Internet, Vor diesem Hintergrund entspricht es leider einer
in den Medien und an Hauswänden. Überall entladen gewissen Logik, wenn MigrantInnen und deren Kin-
sich dumpfe Bosheiten, die insbesondere Menschen, der als Fremdkörper oder gar als Bedrohung wahr-
die nicht in diesem Land geboren sind, massiv be- genommen werden. Nicht selten bekommen sie den
einträchtigen. Sie werden verbal und körperlich atta- Spruch „Geht doch wieder nach Hause, wenn es Euch
ckiert, verleumdet, gedemütigt und ausgeschlossen. hier nicht passt!“ zu hören. Für die meisten von ihnen
Überall wird ihnen signalisiert: „Ihr seid nicht willkom- aber ist Österreich längst zur Heimat geworden oder
men.“ immer schon ihre Heimat gewesen.
Das gesellschaftliche Klima gegenüber MigrantIn- So ist es kaum verwunderlich, dass MigrantInnen
nen oder schlichtweg als „anders“ wahrgenommenen beginnen sich zur Wehr zu setzen und ebenfalls zu
Menschen hat sich auch unter der neuen Großen unschönen Mitteln greifen, um ihren Platz in der Ge-
Koalition weiter verschärft. Die Fälle zeigen, welch sellschaft und im öffentlichen Raum zu verteidigen –
schwerwiegende Folgen es für MigrantInnen und so wenig dies als Rechtfertigung für dieses Verhalten
Menschen mit Migrationshintergrund hat, dass nach dienen kann.
wie vor kein politischer Konsens darüber besteht, dass In den vergangenen Jahrzehnten wurden Feindbil-
Österreich ein Einwanderungsland ist. Während man der aufgebaut, die nun ihre Funktion der Ausgrenzung
sich in den verschiedenen Parteigremien noch damit und Herabwürdigung erfüllen. Es braucht Zivilcoura-
herumschlägt, ob und wie man nun diese Tatsache ge, um diese Trends umzukehren und ein gleichbe-
anerkennen solle, werden andernorts immer wieder rechtigtes Miteinander aller herbeizuführen.
geschürte dumpfe Rassismen offen ausgelebt. Dazu
kommt, dass die beiden Regierungsparteien selbst Es gibt aber auch Positives zu berichten: Vergangenes
populistische Positionen übernehmen und gleichzei- Jahr musste zum ersten Mal ein Internet-User in Ös-
tig zur Akzeptanz von fremdenfeindlichen Diskursen terreich wegen rassistischer Kommentare ins Gefäng-
beitragen, indem sie nur zurückhaltend oder gar nicht nis: Im September wurde ein 53-jähriger Mann wegen
Stellung gegen rassistische Parolen beziehen. Verhetzung zu neun Monaten Freiheitsentzug – davon
Die während des Grazer Gemeinderatswahl- zwei Monate unbedingt, da er bereits vorbestraft war
kampfes und des Nationalratswahlkampfes gezielt – verurteilt. Er hatte Emails mit wüsten Beschimpfun-
getätigten rassistischen, ausgrenzenden und her- gen an ZARA geschickt. Es ist für den österreichischen
abwürdigenden Parolen haben ihren Teil zu dieser Rechtsstaat ganz wichtig, dass ein Zeichen gesetzt
ablehnenden Haltung und Stimmung beigetragen. wurde, dass Auffassungen wie diese nicht geduldet
PolitikerInnen grenzen in Österreich lebende, aber werden und dass sehr deutlich gezeigt wurde, dass
als fremd empfundene Menschen aus, machen sie zu sie auch rechtliche Konsequenzen haben.
Zeig Zivilcourage!
Unter dem Titel „3x45 Sekunden Zivilcourage“ hat der erfolgreiche Filmemacher
Jochen Graf drei kurze Werbespots für ZARA gedreht. Mehrfach dafür ausgezeichnet, ermutigen die Wer-
befilme dazu, in unangenehmen Situationen aktiv gegen Alltagsrassismus einzuschreiten – ganz ohne
Zeigefingermoral! Anzusehen unter: http://filmproduktion.org/zaraspots
15
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
2 Herr M. ist türkischer Herkunft. Im Jänner geht er rer den Parkplatz „weggeschnappt“ habe. ZARA klärt
mit seiner Familie zum Einkaufen in das Wiener Herrn Ö. über die rechtlichen Möglichkeiten auf, die-
Donauzentrum. Auf der Rolltreppe stößt ein Mann ser meldet sich jedoch nicht wieder.
Frau M. brutal in den Rücken. Herr M. schreitet sofort Einen ähnlichen Vorfall meldet Herr P.: Er wird im
ein und schubst den Mann weg. Daraufhin beschimpft September von zwei Personen, die – wie er vermutet
dieser die Familie als „Scheiß-Tschuschen!“ Eine weite- – türkischer Herkunft sind, als „Scheiß-Österreicher“
re Eskalation erfolgt nicht. Herr M. will den Vorfall bei beschimpft. Als Ursache nennt er den Umstand, dass
er bei der Parkplatzsuche den Beiden den Parkplatz
ZARA dokumentiert wissen.
weggeschnappt habe. Herr P. ersucht ZARA um Doku-
3
mentation dieser rassistischen Beleidigung.
Im Rahmen eines unregelmäßigen Medienmo-
nitorings dokumentiert ZARA folgenden Fall:
Der ORF Steiermark berichtet am 6. 2. über die Schän-
dung von 45 Grabstätten am Grazer Zentralfriedhof.
6 Frau R. meldet im März folgende, in einer Linzer
Straßenbahn gemachte Beobachtung: Ein Mann
österreichischer Herkunft beschimpft einen anderen
Parallel dazu tauchen runengeschmückte Drohbriefe
Mann als „Türken-Prolosau“ und wirft ihm vor, seine
einer „Aktions-Gruppe für ein moslemfreies Graz“ auf,
Frau zu schlagen und seine Kinder sexuell zu miss-
in denen zu lesen ist: „Eure Moschee wird brennen, auf
brauchen. Frau R. möchte den Vorfall als Zeugin mel-
Eurem islamischen Friedhof werden wir Schweinein-
den und dokumentiert wissen.
nereien vergraben, und Soleiman Ali wird sich bald im
Paradies wiederfinden.“ Der hier angesprochene Sol-
eiman Ali ist Vorsitzender der ägyptischen Gemeinde
in Graz und bekommt nicht nur dieses Schreiben: Kur-
7 Herr A. ist gambischer Staatsbürger, er lebt und
arbeitet in Wien. Eines Abends im April befindet
er sich auf dem Heimweg und besteigt in Grinzing ei-
ze Zeit vorher wurden am Auto seines Nachbarn die nen Wagen der Straßenbahnlinie 38. In der Nähe der
Radmuttern gelockert. Ali geht davon aus, dass dieser Türe sitzen drei ältere Herren und zwei Damen im glei-
Anschlag eigentlich ihm gegolten hat. chen Alter. Als einer der beiden auf Herrn A. aufmerk-
Die Grazer Polizei will zunächst keinen Zusammen- sam wird, sagt er zu seinem Sitznachbarn: „Schau, da
hang zwischen dem Brief und der Gräberschändung kommt ein Schwarzer!“. Der Sitznachbar erwidert:
sehen, da auf dem Friedhof keine rassistischen oder „Schieß den einfach ab und schmeiß’n raus aus der
neonazistischen Beschmierungen gefunden wurden. Bahn.“ Die Gruppe lacht aus vollem Herzen, bis einer
Schließlich wird der Fall doch an das ➞ Landesamt für der Herren bemerkt, dass Herr A. ihn entsetzt ansieht.
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zur Der Mann ermahnt daraufhin seinen Bekannten: „Pass
weiteren Ermittlung übergeben. auf, ich glaub, der kann uns verstehen.“ Herr A. möch-
te den Vorfall dokumentiert wissen.
8
ZARA. Er ist erbost, dass er von einem jungen Frau L. wird Zeugin folgenden Vorfalls, als sie im
Moslem als „Schweindelfresser“ und „Dreckschwartl- April 2008 in einem Wiener Supermarkt an der
fresser“ beschimpft wurde, als er diesen in der Stra- Kasse wartet: Eine ältere Kundin beginnt, eine Frau, die
ßenbahn aufforderte, für einen älteren Herrn seinen nicht-österreichischer Herkunft zu sein scheint und
Sitzplatz frei zu geben. Herr G. will von ZARA wissen, vor ihr in der Warteschlange steht, zu beschimpfen:
ob diese Beschimpfung von der Beratungsstelle do- "Haben Sie den Platz gekauft? Sie haben kein Recht
kumentiert wird, oder ob ZARA „nur für die Ausländer“ vor mir zu stehen! Das ist MEIN Land, ich bin in meiner
da sei. Heimat! Nein, halten Sie den Mund! Sie haben kein
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Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
Recht zu sprechen! Gehen Sie raus!" Die attackierte kommt’s hierher und könnt’s nur Kinder machen!“ Die
Frau ist geschockt und antwortet nicht. Frau L. protes- junge Mutter geht weiter ohne sich umzudrehen.
tiert gegen die rassistische Hasstirade und empfiehlt
der Angreiferin, selbst „den Mund zu halten“. Frau L.
möchte den Vorfall bei ZARA dokumentiert wissen. 12 Frau I. berichtet ZARA im Oktober von folgen-
dem Vorfall. Zwei Männer, beide etwa 50 Jahre
alt, gehen zügig auf die U-Bahn-Station Reumannplatz
chen, den Angreifer zu stoppen, bis auch Frau R. rück- Frau R. hat bei ihrem Sturz Verletzungen am rechten
wärts zu Boden gestoßen wird. Ihr Bekannter kann Knie und am Gesäß davongetragen. Die Verletzungen
die Attacke danach vorerst stoppen. Die anderen werden am nächsten Tag von einem Arzt dokumen-
Burschen sind von dem Angriff offenbar belustigt und tiert.
kommentieren das Handgemenge mit sexistischen Frau R., die erstmalig Opfer eines solch brutalen,
Bemerkungen über Frau R.s Versuche, ihrem Freund menschenverachtenden Angriffes wurde, ersucht
zu helfen. ZARA und das ➞ Dokumentationsarchiv des österrei-
Der weitere Konflikt trägt sich nun hauptsächlich chischen Widerstandes um Dokumentation. ZARA rät
zwischen dem jungen Mann mit der roten Mütze und Frau R., rasch beim ➞ Weißen Ring um Unterstützung
Frau R. zu. Sie macht dem Burschen deutlich, dass anzusuchen. ZARA wird den Fortgang des Falls doku-
er sich seine rassistischen Aussagen überlegen und mentieren.
besser damit aufhören solle. Es folgen jedoch weitere
diskriminierende Beschimpfungen übelster Sorte, die
sich alle gegen Frau R.s Hautfarbe richten und ihren
Höhepunkt in einem lautstarken „Sieg Heil!“, begleitet
16 Frau U. wird im Juli Zeugin, als ein Mann in
einem Bekleidungsgeschäft im 16. Wiener
Gemeindebezirk von einer Verkäuferin vermutlich
von einer zum Hitlergruß erhobenen Hand finden. lateinamerikanischer Herkunft beim Ladendiebstahl
1939 hätte Frau R. nach Befinden des jungen Mannes erwischt wird. Seine Anhaltung kommentiert er ihr
keine Lebensberechtigung gehabt. „Mulatten und an- gegenüber mit den Worten: „Aber ihrane Tschuschen-
dere Mischlinge“ hätten nicht das Recht, mit ihm auch freindinnen losst’s sicher fladern...!“ Frau U. ersucht
nur zu sprechen und Frau R. solle sich gefälligst vor ZARA um Dokumentation des Vorfalls.
ihm niederknien. Darüber hinaus fragt er den Freund
von Frau R., ob er sich denn nicht schäme, dass er mit
ihr „Blutschande“ betreiben würde.
Während Frau R. vor Angst und Entsetzen bereits
17 Herr Ü. ist Österreicher, sein Vater ist türki-
scher Herkunft. Er berichtet ZARA im Juni von
mehrfachen Attacken auf ihn und andere Personen in
weint, aber noch die Kraft findet, den Angreifer darauf seinem Heimatort im Bezirk Baden in Niederösterreich
hinzuweisen, dass er sich mit derartigem nationalsozi- und in der Badner Lokalbahn. Er und seine Freunde
alistischen Jargon strafbar macht und gegen das Ver- österreichischer Herkunft werden von Personen türki-
botsgesetz verstößt, wird ihr Freund ein weiteres Mal scher Herkunft als „Scheißösterreicher“, „Hurensöhne“
zu Boden gestoßen. Wieder geht Frau R.s Bekannter, und „Schweinefresser“ beschimpft. In körperlichen
der mittlerweile die Polizei alarmiert hat, dazwischen. Auseinandersetzungen wurden Bekannte von Herrn
Auch Frau R. findet Gelegenheit, die Polizei anzurufen Ü. auch schon verletzt, sodass sie im Spital behandelt
und den Beamten die nationalsozialistische Wieder- werden mussten. Er beschwert sich darüber, dass die
betätigung und die körperliche Attacke zu melden. Polizei nichts gegen diese rassistisch motivierten Ta-
Inzwischen steigt ein Großteil der Burschen in ein ten unternimmt. Er möchte von ZARA wissen, was er
gegenüber dem Bahnhof parkendes Großraum-Taxi unternehmen kann, außer den Aggressoren aus dem
ein. Nachdem alle eingestiegen sind, wollen sie los- Weg zu gehen.
fahren. Frau R. gelingt es jedoch, den Taxifahrer davon ZARA klärt Herrn Ü. über die Rechtslage auf und
zu überzeugen, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. ersucht ihn, genauere Angaben über die Untätigkeit
Weiters fordert Frau R. den Hauptverantwortlichen der Polizei zu machen, z.B. ob die Aufnahme von An-
dazu auf, seine rechtsradikale Meinung vor der Poli- zeigen verweigert wurde, um ihn hinsichtlich weiterer
zei zu wiederholen, was von dem Burschen belächelt möglicher Schritte beraten zu können. Herr Ü. meldet
wird. Frau R. wird mitgeteilt, dass sie seine Aussagen sich jedoch nicht mehr bei ZARA.
ohnehin nicht beweisen könne und die restlichen Ag-
gressoren alles bestreiten würden.
Gegen 2.30 Uhr treffen zwei Polizisten ein, erkun-
digen sich nach dem Geschehen und nehmen die
18 Frau L. ist Afro-Österreicherin. Im Jänner fährt
sie mit ihrer einjährigen Tochter mit der Wie-
ner Straßenbahnlinie 43. Ein älterer, sichtlich ange-
Personalien aller Beteiligten auf. Wie bereits am Tele- trunkener Mann steigt ein. Frau L.s Tochter lächelt ihn
fon schildert Frau R. die anfängliche Provokation, die an und winkt. Der Mann beginnt sofort, auf „die Aus-
Diskriminierungen, Beleidigungen und Bedrohungen, länder“ zu schimpfen. Das Mädchen lächelt ihn noch
das Skandieren nationalsozialistischen Gedankenguts einmal an. Daraufhin sagt der Mann zu ihr: „Du kleines
sowie den zweimaligen tätlichen Angriff. Die Männer N…lein.[*]“ Frau L. steht auf und wendet sich verär-
bestreiten, die Naziparolen von sich gegeben zu ha- gert an den Mann: „Sind’s jetzt einfach still!“ Er mur-
ben. Der „Anführer“ der Gruppe informiert den Beam- melt weiter. Frau L. wiederholt: „Sie haben mich schon
ten, dass er stolz auf sein Vaterland sei. verstanden, halten’s jetzt einfach ihre Klappe!“
Nach der Aufnahme des Vorfalles fuhr Frau R. mit Der Mann entfernt sich von ihr, schimpft jedoch
ihrem Freund nach Hause. Dort konnte er mehrfache weiter: „Die Ausländer, kan Wiener gibt’s mehr in der
Verletzungen, wie Schürfwunden auf Rücken und Kni- Stadt!“ Niemand außer Frau L. spricht den Mann auf
en, sowie Würgemale am Hals feststellen, die er sich seine rassistischen Aussagen an. Frau L. ersucht ZARA
bei der Attacke der Burschen zugezogen hatte. Auch um Dokumentation dieses Vorfalls. Sie fügt hinzu,
18
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
dass ihr schon „viel zu oft“ derartige Vorfälle passiert Am nächsten Tag sitzt Herr B. mit einem Freund vor
sind, sie sich aber bis jetzt noch nicht gemeldet habe, seinem Wohnhaus in einem Auto. Die beiden unter-
da so etwas schon zu ihrem Alltag gehöre. halten sich. Plötzlich sieht Herr B. wieder einen der An-
greifer, der mit einigen Mädchen vorbeigeht. Herr B.
20
den Hausmüll zu entleeren. Er bemerkt zwei Mäd- Frau P. und ihre Schwester fahren im Oktober
chen und zwei junge Männer auf einer Sitzbank vor mit der Wiener Schnellbahn. Während der
der Stiege. Als er genauer hinsieht, erkennt er, dass es Fahrt unterhalten sie sich teilweise in Deutsch und in
sich bei den beiden Männern um die beiden Angreifer ihrer Muttersprache Arabisch. Dies stört zwei ande-
handelt. Auch sie erkennen Herrn B. wieder und lau- re Fahrgäste, sie beginnen, die beiden als „arabische
fen davon. Herr B. versucht, ihnen zu folgen und sieht, Schlampen“ zu beschimpfen. Außerdem drohen sie
dass sie in ein nahes Cafe flüchten. Er stellt sich vor den beiden, dass sie „vergast und verbrannt gehören“
den Eingang und ruft die Polizei. Zwei Beamte tref- und zünden zur Bekräftigung ihrer Aussage mehrmals
fen kurze Zeit später ein und durchsuchen das Cafe, ihre Feuerzeuge an. Die Belästigungen und Beschimp-
finden die jungen Männer aber nicht. Eine darauf fungen dauern etwa fünf Minuten. Während des gan-
folgende Suche nach den beiden Mädchen verläuft zen Vorfalls verhalten sich Frau P. und ihre Schwester
ebenfalls ergebnislos. ruhig, damit die Situation nicht eskaliert. Leider wer-
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Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
bis dahin unbeteiligter junger Mann einen der An- neben sich vernimmt, die ihr zuflüstert: „In unserem
greifer mit Pfefferspray, woraufhin dieser von Herrn E. schönen Land trauen sie sich, SO herumzulaufen, die
ablässt. Die drei Angreifer verlassen die Station. schiachen Weiber.“ Als Frau P. darauf ihren Kopf hebt,
Da mehrere ZeugInnen mittlerweile die Polizei um zu sehen, wer das gesagt hat, sieht sie eine Frau
gerufen haben, gelingt es den eintreffenden Beam- mit deren etwa 17-jährigen Tochter.
tInnen, die Angreifer vor Ort festzunehmen. Der Fahr- Frau P. reagiert zunächst nicht, sondern fährt in
gast, der von den Angreifern bespuckt worden ist, das den 1. Stock des Geschäfts, um sich dort umzusehen.
eigentliche Opfer des Angriffs und der Passagier, der Dort trifft sie nach kurzer Zeit wieder auf die beiden
den Angriff mithilfe seines Pfeffersprays beendet hat, und hört die Mutter zu ihrer Tochter sagen: „Na, die
sind nicht mehr vor Ort, als die Polizei mit der Einver- Hosen sind ja alle in der Türkei hergestellt. Den Scheiß
nahme der ZeugInnen beginnt. Die drei werden von können sie sich behalten!“ Gleich darauf entdeckt sie
den Angreifern wegen Körperverletzung angezeigt. wieder Frau P. und sagt im Vorübergehen: „Da is’ die
Bei der weiteren Amtshandlung im nahen Wachzim- Schiache scho’ wieder." Frau P. erwidert, dass sie es feig
mer erfährt Herr E., dass die drei Angreifer aufgrund finde, hinter dem Rücken anderer Menschen so über
von Suchtmitteldelikten polizeibekannt sind. Im diese zu sprechen. Die Mutter reagiert nicht, nur die
Anschluss an seine Einvernahme begibt sich Herr E. Tochter meint: „Die kommt sich aber sehr gut vor.“
ins Wiener Allgemeine Krankenhaus, wo eine Schä- Am nächsten Vormittag geht Frau P. mit ihrer 3-jäh-
delprellung und einige Beulen an Kopf und Schulter rigen Tochter in ein anderes Bekleidungsgeschäft im
diagnostiziert werden. Seit dem Vorfall hat Herr E. Einkaufszentrum eines kleineren steirischen Ortes. Sie
Schmerzen am Kiefer und kann seinen Mund nicht steht gerade bei der Kasse, als wieder die Frau mit ih-
mehr vollständig öffnen. rer Tochter hereinkommt und Frau P. sofort erblickt. Sie
Herr E. ersucht ZARA um Dokumentation des Vor- flüstert: „Da ist ja die schon wieder.“ Frau P. erkundigt
falls. ZARA leitet den Sachverhalt an den ➞ Weißen sich bei ihr, ob sie nicht wieder ein paar Höflichkeiten
Ring weiter, durch den Herr E. rechtliche Unterstüt- für sie habe. Daraufhin bleibt die Frau stehen und sagt
zung im folgenden Strafverfahren gegen die Angrei- angewidert zu ihr: „Belästigen Sie mich nicht mit ih-
fer erhält. Das Verfahren hat zu Redaktionsschluss rem ausländischen Atem!“ Frau P. erwidert: „ICH beläs-
noch nicht stattgefunden. tige hier niemanden, SIE haben mich beschimpft!“
Daraufhin entwickelt sich folgender Dialog zwi-
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Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
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können. Sie ist froh, dass ihre Tochter noch zu jung ist, Ende Jänner erhält Herr U. eine SMS mit ras-
um die rassistischen Beleidigungen zu verstehen, und sistischem Inhalt. Er lässt ZARA deren Wort-
ersucht ZARA um Dokumentation. laut zur Dokumentation zukommen:
„In Wien wurde eine Türkin auf offener Straße mit
31 Im Rahmen eines unregelmäßigen Medien- E. erkundigt sich danach, was der Mann gesagt hat.
monitorings dokumentiert ZARA einen Vor- Dieser erwidert, dass sie hier in Österreich seien und
fall, der in einem Artikel des Online-Standard (http:// man hier gefälligst Deutsch zu sprechen habe. Außer-
derstandard.at/?url=/?id=3181996) beschrieben wird: dem werde er gleich noch 20 weitere Freunde holen,
Mitte Jänner wird ein ehemaliger Bezirksrat der FPÖ um Frau E.s Freund zusammenzuschlagen. Frau E. er-
wegen Wiederbetätigung zu einer Haftstrafe von 4 schrickt und überredet ihren Freund, der sich eigent-
Jahren verurteilt. Dies ist bereits seine dritte Verurtei- lich gegen die Provokation zur Wehr setzen will, sich
lung nach dem Verbotsgesetz. rasch vom Aggressor zu entfernen und den Nachtbus
Im Jahr 2007 versuchte der Ex-Politiker, ein Volks- zu besteigen, der inzwischen eingetroffen ist. ZARA
begehren zur Abschaffung des Verbotsgesetzes zu dokumentiert den Vorfall wunschgemäß.
22
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m
erkennt Frau R. wieder und meint: „Hamma Dir darauf, ob und zu welcher Strafe die beiden Männer
nicht gesagt, Du sollst verschwinden?“ Die bei- verurteilt werden. Sie kann sich dem Strafverfahren
den gehen auf Frau R. los und fügen ihr durch aber als Privatbeteiligte (siehe „Glossar“) anschlie-
Schläge und Tritte mehrere Prellungen am Ober- ßen. Als Opfer einer Gewalttat hat Frau R. auch die
körper und im Gesicht zu. Ein Passant verstän- Möglichkeit, sich an den Weißen Ring (siehe „Glos-
digt die Polizei und die Rettung. Die Beamten sar“) zu wenden. Der Weiße Ring kann Frau R. einen
treffen kurze Zeit später ein und können die bei- Rechtsanwalt zur Seite stellen, der sie bei der Gel-
den Täter festnehmen. Frau R. muss sich im Spital tendmachung ihrer Ansprüche als Privatbeteiligte
behandeln lassen. vertritt.
§ 33 Z 5 StGB sieht für den Fall einer Verurteilung
Die Prellungen, die Frau R. von den beiden Männern der TäterInnen vor, dass das Gericht bei der Bemes-
zugefügt wurden, erfüllen den Straftatbestand der sung der Strafe (im gesetzlich vorgesehenen Rah-
Körperverletzung gemäß § 83 StGB. Dabei handelt men – bei Körperverletzung ist dies eine Freiheits-
es sich um ein so genanntes „Offizialdelikt“, d.h. die strafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe
Polizei muss den Sachverhalt an die Staatsanwalt- von bis zu 360 Tagessätzen) eine höhere Strafe ver-
schaft weiterleiten, die ihrerseits ein Strafverfahren hängen kann, da die beiden Täter aus „rassistischen
einleiten muss oder die Täter durch diversionelle und fremdenfeindlichen“ Motiven gehandelt haben
Maßnahmen (Diversion, siehe „Glossar“) zur Wie- und dies einen so genannten Erschwerungsgrund
dergutmachung der Tat bewegen kann. Für den Fall darstellt.
eines Strafverfahrens hat Frau R. keinerlei Einfluss
WUK
WUK_rassismus report 05.02.2009 12:47 Uhr Seite 1
WUK
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Öffentlicher Raum · Internet
Internet
25
Öffentlicher Raum · Internet
einer Aussendung oder einer Gegendarstellung auf sieht, wo es nicht um Meinung, sondern Verhetzung
der Website des Landesschulrats entgegenzuwirken, (§ 283 des Strafgesetzbuches – StGB) oder um Ver-
scheitern leider. ZARA wird versuchen, auf der im De- stöße gegen das Verbotsgesetz geht.
zember 2008 überarbeiteten Website www.zara.or.at Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mehrmals
unter „Fakten statt Hetze“ solchen Ketten-E-Mails zu- entschieden, dass sowohl Ausrufe wie „Heil Hitler“
künftig mit Aufklärung zu begegnen. Wenn Sie solche oder „Sieg Heil“ als auch das Zeichen für den so ge-
E-Mails/SMS erhalten, melden Sie sich bitte bei ZARA, nannten Hitlergruß charakteristische Symbole des
wir werden diese dokumentieren und ihrem Inhalt im Nationalsozialismus sind. Somit ist der demonst-
Rahmen unserer Möglichkeiten nachgehen. rative Gebrauch dieser Parolen und Gesten in der
Öffentlichkeit mit dem Vorsatz auf nationalsozia-
Die eigenen Rechte kennen listische Betätigung verbunden und fällt unter das
Verbotsgesetz. Es handelt sich also durchaus um
eine strafbare Handlung. (Siehe die Entscheidun-
Herr P. beteiligt sich regelmäßig an Diskussio-
gen vom 13.9.2000 des OGH unter http://www.ris2.
nen zu unterschiedlichen Themen auf einer ös-
bka.gv.at, mit den Geschäftszahlen 13 Os 45/00 oder
terreichischen, öffentlich zugänglichen Website.
13 Os 47/00.)
In einem Forumsbereich geben registrierte User
Die BetreiberInnen sind nach Hinweis auf einen
ihre Meinung über das österreichische Fremden-
strafrechtlich relevanten Forumsbeitrag zu dessen
recht ab, darunter auch ein gewisser „Adolf 88“,
der seine Postings mit den Worten „Heil Hitler“ Löschung verpflichtet. Bleiben die verhetzenden
abschließt und der Meinung ist, dass „türki- und den Tatbestand der Wiederbetätigung erfüllen-
scher und balkanesischer Abschaum aus unse- den Texte mit ihrem Wissen im Forum weiterhin ab-
rem schönen Österreich verjagt gehört“. Herr P. rufbar, können auch die BetreiberInnen des Forums
wendet sich sofort an die Forumsbetreiber und strafrechtlich belangt werden.
ersucht um Löschung der Postings und Sperrung Zum Verbotsgesetz und zum Tatbestand der Ver-
des Users „Adolf 88“. Er erhält die Antwort, dass hetzung gemäß § 283 StGB siehe ausführlicher im
im Sinne der Meinungsfreiheit weder Löschun- Abschnitt „Die eigenen Rechte kennen“ im Kapitel
gen noch Sperrungen durchgeführt werden. „Öffentlicher Raum/ Rassistische Beschmierungen“.
Da es sich um eine Website auf einem österreichi- Was kann Herr P. tun?
schen Server handelt und der User „Adolf 88“ die Herr P. kann sich an die Meldestelle für NS-Wieder-
Einträge von einem in Österreich befindlichen Com- betätigung des Bundesministeriums für Inneres
puter tätigt, richtet sich die rechtliche Bewertung wenden. Diese ist beim Bundesamt für Verfassungs-
des Sachverhaltes nach österreichischem Recht. Bei schutz und Terrorismusbekämpfung (siehe auch
Websites auf ausländischen Servern und UserInnen, „Glossar“) angesiedelt und nimmt unter ns-wieder-
die ihre Einträge nicht von in Österreich befindli- betaetigung@mail.bmi.gv.at Meldungen über Web-
chen Computern erstellen, ist die Sachlage kompli- sites und Forenbeiträge mit neonazistischen, ras-
zierter und eine Strafbarkeit nach österreichischem sistischen und antisemitischen Inhalten entgegen.
Recht grundsätzlich nicht möglich. ZARA kann für Herrn P. die Meldung übernehmen
Entgegen der Ansicht der BetreiberInnen der und leitet den Sachverhalt auch an das ➞ Forum
Website unterliegen die Äußerungen des Users gegen Antisemitismus und das ➞ Dokumentations-
„Adolf 88“ dem österreichischen Strafrecht, das archiv des österreichischen Widerstands weiter.
Ausnahmen vom Grundsatz der Meinungsfreiheit vor-
27
Öffentlicher Raum · Politik und Medien
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Öffentlicher Raum · Politik und Medien
fordert auch er die Möglichkeit, einer Straftat drin- steirischen Landeshauptstadt und eine „schleichende
gend verdächtige anerkannten Flüchtlingen ohne Islamisierung“. Heftige Attacken richten sich gegen
vorheriges Gerichtsverfahren sofort ihren Flüchtlings- den islamischen Propheten Mohammed. Dieser hät-
status abzuerkennen und sie abschieben zu können. te laut Winter ein sechsjähriges Mädchen geheiratet
Die Vorgehensweise von Landeshauptmann Haider, und wäre „im heutigen System“ ein „Kinderschänder“.
die AsylwerberInnen nach Traiskirchen zu transferie- Weiters bezeichnet sie Mohammed als „Feldherren“,
ren, hält er für nicht ausreichend. der den Koran in „epileptischen Anfällen“ geschrieben
hätte. Der Islam sei ein „totalitäres Herrschaftssystem“
29
Öffentlicher Raum · Politik und Medien
respondent des ORF, Klaus Emmerich. Die Wahl des eben diese laute Techno-Musik („Tschi-Bumm“) ge-
ersten Afro-Amerikaners ins Präsidentenamt kom- meint habe. Außerdem sei er Gegner jeglicher Diskri-
mentiert Emmerich unter anderem mit folgenden minierung und habe sogar einmal einen rassistischen
Aussagen: „Ich halte die Amerikaner nach wie vor für Spieler ermahnt. Eine ausdrückliche Distanzierung
Rassisten und es muss ihnen schon sehr schlecht ge- vom rassistischen Schimpfwort „N…“[*] erfolgt nicht.
hen, dass sie so eindrucksvoll [...] einen Schwarzen [...] Siehe auch http://www.ballesterer.at/?art_id=1016.
ins Weiße Haus schicken. […] Das wäre ungefähr so,
50
wie wenn der nächste Bundeskanzler ein Türke wäre Mehrere ZeugInnen melden ZARA im März
in Österreich.“ Emmerich wolle sich „nicht von einem 2008 ein Kreuzworträtsel, das in verschiede-
Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen.
nen niederösterreichischen Lokalzeitungen erscheint
[...] Wenn Sie jetzt sagen, das ist auch eine rassistische
und folgende Frage enthält: „Scherzhaft für N…[*]“.
Bemerkung – richtig.“
Die richtige Antwort darauf lautet „Bimbo“.
Die Aussagen bleiben von den anderen beiden
ZARA ersucht die für die Regionalzeitungen in Nie-
Experten der Diskussionsrunde, dem Politologen Fritz
derösterreich zuständige Redaktion um Stellungnah-
Plasser und dem Journalisten der Wochenzeitschrift
me. Diese teilt ZARA mit, dass die im Rätsel verwen-
„profil“, Georg Hoffmann-Ostenhof, völlig unkommen-
tiert. Nachdem die Sendung massive Beschwerden deten „diskriminierenden Ausdrücke“ keinen Platz in
durch ZuschauerInnen hervor ruft, meldet sich der ihrem Medium hätten. Der Verlag habe der Hersteller-
Sprecher des ORF, Pius Strobl, noch am selben Tag in firma der Kreuzworträtsel bereits unmissverständlich
einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ zu mitgeteilt, dass dies absolut unerwünscht sei. Man
Wort und meint, dass die Aussagen Emmerichs „miss- entschuldige sich bei allen LeserInnen, die sich von
verständlich“ gewesen seien, dass aber trotzdem von der rassistischen Wortwahl verletzt gefühlt haben und
weiteren Einladungen Emmerichs in Sendungen des ersuche um Verständnis, dass die Redaktionsleitung
ORF abgesehen wird. In späteren Wortmeldungen dem Inhalt des Kreuzworträtsels nicht die notwendi-
weist der ORF darauf hin, dass man sich von Emme- ge Aufmerksamkeit gewidmet habe.
richs Aussagen distanziere.
In einem offenen Brief an ORF-Generaldirektor
Alexander Wrabetz weist der US-Botschafter in Öster- Was wurde aus…?
reich, David F. Girard-diCarlo, auf die weitreichende
negative Wirkung hin, die die Aussagen Emmerichs
Fall 37 Rassismus Report 2007
in den USA und international hinterlassen haben. Es
sei ebenfalls skandalös, dass sich kein österreichischer Im Magazin des Rings Freiheitlicher Jugendlicher (RFJ)
Politiker (von den Grünen abgesehen) über die ras- namens „Tangente“ unterstellt der steirische RFJ-Ob-
sistische Analyse Emmerichs öffentlich entrüstet hat. mann Michael Winter Anfang 2007 Türken und Mus-
Der US-Botschafter verurteilt die rassistischen Aussa- limen eine Tendenz zur Sodomie und schlägt als „So-
gen aufs Heftigste und erwartet sich Ähnliches auch
fortmaßnahme“ gegen Vergewaltigungen vor, eine
von den Verantwortlichen des ORF. ORF-Sprecher Pius
Schafherde im Grazer Stadtpark grasen zu lassen.
Strobl weist daraufhin nochmals auf die rasch erfolgte
Distanzierung hin.
Was 2008 geschah...
Nachdem Emmerich selbst in ersten Interviews
weiterhin zu seinen Aussagen steht, lässt er am Am 6. 10. 2008 muss sich Michael Winter vor einem
26.11.2008 einen Leserbrief in der Tageszeitung „Die Strafgericht wegen seines Artikels verantworten. Die
Presse“ veröffentlichen, in dem er sich ausdrücklich darin enthaltenen Aussagen seien verhetzend, wirft
für die rassistischen Aussagen entschuldigt.
ihm die Staatsanwaltschaft vor. Winter bekennt sich
Siehe: http://diepresse.com/home/kultur/medi-
schuldig. Durch den Artikel habe er die Verantwor-
en/428354/index.do und verlinkte Artikel. Die transkri-
tungsträger der Stadt Graz „wachrütteln“ wollen. Der
bierten Aussagen Klaus Emmerichs im Wortlaut sind
Richter bezeichnet Winters Aussagen als „Aufruf zu
unter http://www.oe24.at/media/Konsequenzen_fuer_
Hass und Verachtung“. Er verurteilt den jungen RFJ-
peinliche_Emmerich-Sager_gefordert_389182.ece zu
finden. Obmann zu drei Monaten Haft auf Bewährung. Das
Urteil ist rechtskräftig.
49 Im Juli führt das ORF-Landesstudio Tirol ein Im Jänner 2009 wird bekannt, dass Michael Winter
Interview mit einem Schiedsrichter der FIFA. sein Amt als steirischer RFJ-Obmann niedergelegt hat.
Dabei gibt dieser unter anderem an, dass er keine „N… Grund für seinen Rücktritt ist der Umstand, dass der
musik“ [*] möge. Nach öffentlichen Protesten durch RFJ Steiermark aufgrund der strafrechtlichen Verur-
die antirassistische Initiative FairPlay kommentiert der teilung seines Noch-Obmanns keine staatliche Förde-
Schiedsrichter sein Zitat dahingehend, dass er damit rung mehr erhalten hätte.
30
Öffentlicher Raum · Politik und Medien
Die eigenen Rechte kennen wo das österreichische Strafrecht eine Grenze zieht,
die bei der Erstellung von Wahlprogrammen, Bier-
Frau L. ist Abonnentin einer großen österreichi- zeltreden und Wahlkampfslogans einzuhalten ist.
schen Tageszeitung. Sie schätzt zwar die Infor- Die beiden hierbei relevanten Bestimmungen sind
einerseits der Tatbestand der Verhetzung gemäß §
mationen in kompakter Form, ist aber oftmals
283 StGB und andrerseits – bei islamfeindlicher Het-
darüber aufgebracht, dass im Zusammenhang
ze – der Tatbestand der Herabwürdigung religiöser
mit Drogendelikten fast ausschließlich von
Lehren gemäß § 188 StGB.
„schwarzafrikanischen Verbrecherbanden“ und
Aufgrund der restriktiven Auslegung des Verhet-
„nigerianischen Scheinasylanten“ die Rede ist.
zungstatbestandes durch die österreichischen Straf-
Eines Tages liest sie mit Entsetzen im schmalen
gerichte (siehe dazu ausführlich den Abschnitt „Die
Politikteil der Zeitung über eine gegen ein musli-
eigenen Rechte kennen“ im Kapitel „Öffentlicher
misches Gebetshaus gerichtete Kampagne einer
Raum/ Rassistische Beschmierungen“) ist eine Ver-
dem rechten Lager zuzuordnenden Partei mit
urteilung eines/r Politikers/in aufgrund einer rassis-
dem Titel „Mit Schweinskarree gegen die Mo-
tischen Wahlkampfrede oder eines islamfeindlichen
schee“.
Slogans unwahrscheinlich. Der oben zitierte Slogan
richtet sich zwar gegen eine Einrichtung einer ge-
Einseitiger, rassistischer Berichterstattung in Medi-
schützten „Religionsgesellschaft“, jedoch nicht in
en ist rechtlich kaum Einhalt zu gebieten. Zeitungen
einer Art und Weise, dass hier eindeutig von einem
dürfen selbst entscheiden, welche Meldungen und
„Aufruf zu einer feindseligen Handlung“ gegen den
(erlaubten) Meinungen sie publizieren. Solange
Islam oder einem „Hetzen“ im Sinne dieses Straftat-
durch diese Berichterstattung nicht in die Rechte
bestandes gesprochen werden kann.
von Einzelpersonen eingegriffen (etwa durch üble
§ 188 StGB besagt, dass derjenige, der „öffentlich
Nachrede oder die Verletzung der Unschuldsvermu- eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der
tung) oder durch die Wiedergabe von Meinungen Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder
gegen das Verbotsgesetz oder den Verhetzungspa- Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre,
ragraphen des Strafgesetzbuches (§ 283 StGB) ver- einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetz-
stoßen wird, bleibt für Privatpersonen lediglich die lich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder
Möglichkeit, beim Medieninhaber gegen die ras- Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt
sistische Berichterstattung zu protestieren und das oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet
Medium zu boykottieren. Es wäre wünschenswert, ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen […] mit Freiheits-
wenn sich österreichische Medien wieder in einer strafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu
Institution wie dem 2001 aufgelösten Österreichi- 360 Tagessätzen zu bestrafen [ist].“ Die Formulierung
schen Presserat organisieren würden, um mittels des Kampagnenslogans gegen das muslimische Ge-
eines „Presse-Ehrenkodex“ zumindest für ein Min- betshaus, dem man das als unrein geltende Schwei-
destmaß an Selbstkontrolle und die Abmahnung nefleisch entgegensetzen will, ist zwar eindeutig
von Medien, die sich rassistischer Berichterstattung islamfeindlich, fällt jedoch nicht unter den Wortlaut
bedienen, zu sorgen. dieses Straftatbestandes.
Rassistische Parolen im Wahlkampf, die die Gren-
zen des „guten Geschmacks“ überschreiten, sind in Was kann Frau L. tun?
Österreich mittlerweile an der Tagesordnung, von Da die Berichterstattung der Tageszeitung im Rah-
der Grazer Gemeinderatswahl bis hin zur National- men des rechtlich Erlaubten bleibt, kann ZARA für
ratswahl. Viele Menschen wenden sich bestürzt an Frau L. lediglich einen Beschwerdebrief an die Zei-
ZARA und ersuchen um Maßnahmen gegen diese tung selbst verfassen. Auch im Fall des islamfeind-
„Hetzkampagnen“, möglichst mittels Anzeige an lichen, wohl aber nicht strafbaren Parteislogans
die Staatsanwaltschaft. Die für die Parteien tätigen bleibt Frau L. nur der Protest.
WahlkampfstrategInnen wissen jedoch sehr genau,
31
Öffentlicher Raum · Rassistische Beschmierungen
Rassistische Beschmierungen
ZARA dokumentiert seit Jahren rassistische Beschmie- Statistik
rungen im öffentlichen Raum und bemüht sich um de-
ren Entfernung. Sowohl die Initiative des Baumeisters 2008 wurden insgesamt 64 rassistischen Beschmie-
Ing. Alexander Baumann (http://www.beschmierungs- rungen an ZARA gemeldet. 17 rassistische Beschmie-
ambulanz.at) als auch die ZARA-Kooperation mit der rungen wurden in öffentlichen Verkehrsmitteln ge-
von SOS-Mitmensch initiierten Kampagne „Rassismus sichtet. Nur 7 Beschmierungen wurden von außerhalb
streichen“ (http://www.rassismusstreichen.at) haben Wiens gemeldet.
2006 zu einer erhöhten Wachsamkeit gegenüber ras-
sistischen Beschmierungen geführt.
Doch schon im Jahr 2007 verzeichnete die ZARA- ISL 5%
rahmen bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Mona- einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat
ten bzw. einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessät- bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit
zen. Wenn der Schaden den Betrag von 3.000 Euro Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
überschreitet oder durch die Beschmierung z.B. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen
eine Kirche, ein Grab oder ein denkmalgeschütztes eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder
Objekt verunstaltet wird, beträgt der Strafrahmen sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise
der Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahre. Eine Geldstrafe beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.
von bis zu 360 Tagessätzen kann alternativ verhängt
werden. Übersteigt der Schaden 50.000 Euro, droht Dem Wortlaut dieser Bestimmung nach sollte es
eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren. eigentlich einen breiten Anwendungsbereich die-
Eine rassistische Beschmierung kann aber zu- ses Gesetzes gegen rassistische Beschmierungen
sätzlich zur Sachbeschädigung auch gegen das geben. Eine Beschmierung wie „Kill n...s“[*] oder
Verbotsgesetz (VerbotsG), Art III Abs 1 Z 4 EGVG „N... raus“[*] sollte unzweifelhaft unter den Abs 1
(„Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfah- fallen, da durch diesen Slogan eindeutig zu einer
rensgesetzen“) oder als so genannte „Verhetzung“ „feindseligen Handlung“ gegen eine der in diesem
gegen § 283 StGB verstoßen. Abs aufgezählten Gruppen aufgerufen wird. Die
Tötungsaufforderungen wie „Kill n...s“[*] können erforderliche „Öffentlichkeit“ ist bei einer weithin
auch unter § 282 StGB („Aufforderung zu mit Strafe sichtbaren Beschmierung grundsätzlich gegeben.
bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe Jedoch werden durch Abs 1 nicht die betroffenen
bedrohter Handlungen“) fallen. Gruppen geschützt, sondern primär die öffentliche
Ordnung, die durch solche Gewaltaufrufe gefährdet
• VerbotsG werden muss. Für eine einzelne Beschmierung ist
dies nicht immer nachweisbar. Auch fallen allgemei-
§ 3g. Wer sich (...) im nationalsozialistischen Sinn
ne Hetzparolen wie „Ausländer raus“ nicht unter §
betätigt, wird, sofern die Tat nicht nach einer ande-
283, da der verallgemeinernde Begriff „Ausländer“
ren Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheits-
strafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer keine der geschützten Gruppen darstellt.
Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu Die Gerichte legen die Bestimmung sehr eng aus,
20 Jahren bestraft. daher sind Verurteilungen aufgrund des Abs 1 sehr
selten. Der Anwendungsbereich des Abs 2 sollte zur
§ 3h. Nach § 3g wird auch bestraft, wer in einem Ahndung schriftlicher rassistischer Beschimpfun-
Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Me- gen wie „Scheiß-Türken“ oder „Fuck n…s“[*] ausrei-
dium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, dass chen. Jedoch sind davon auch nur jene Beschmie-
es vielen Menschen zugänglich wird, den national- rungen betroffen, durch die den durch § 283 StGB
sozialistischen Völkermord oder andere national- geschützten Gruppen „ein Lebensrecht schlechthin“
sozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgesprochen wird oder diese als „minderwertige
leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu Wesen“ dargestellt werden. Auch hier ist die Judika-
rechtfertigen sucht. tur in ihrer Beurteilung sehr restriktiv.
sind, dient eine solche Anzeige oft lediglich statisti- schmierung aus Kreide durch nicht wasserlöslichen
schen Zwecken. Frau Z. kann eine Beschmierung bei Lack erschwert wird, begeht auch der/die Überma-
ZARA melden. Sie muss Inhalt und Ort möglichst ge- lerIn der rassistischen Beschmierung eine Sachbe-
nau angeben (Adresse, Straßenbahnwagennummer schädigung. Bei der Übermalung z.B. einer den Tat-
und Linie etc.). Bei ZARA bemühen sich die beiden bestand der Verhetzung erfüllenden Beschmierung
ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Johanna Katzin- kann dahingehend argumentiert werden, dass der/
ger und Monika Muhr um die Entfernung der Be- die ÜbermalerIn den rechtmäßigen Zustand durch
schmierung. Sie dokumentieren Inhalt, Ort und Art das Unkenntlichmachen der verbotenen Parole/
der Beschmierung und setzen weitere Schritte zu des verbotenen Zeichens wiederhergestellt hat und
deren Entfernung. Je nachdem, wo die Beschmie- diesfalls ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Ob sich
rung angebracht wurde, treten sie in Kontakt mit das Gericht dieser Ansicht anschließt, ist jedoch un-
den Hausverwaltungen, der Wiener Gebietsbetreu- gewiss.
ung oder z.B. den Wiener Linien mit der Bitte, eine Der/die EigentümerIn des Objektes kann in die
Entfernung zu veranlassen. Verunstaltung, soweit es sich um eine bloße Sach-
Eines Tages beschließt Frau Z., eine Beschmie- beschädigung handelt – allerdings nicht bei den be-
rung auf einem fremden Haus zu übermalen. Sie reits erwähnten Strafbeständen wie Verhetzung etc.,
streicht mit Kreide die Worte „Kill N...s“[*] durch. sondern bei Übermalung einer rassistischen Parole
Dabei wird sie von einem Polizisten beobachtet. –, einwilligen und somit den/die SachbeschädigerIn
Dieser spricht sie an, nimmt ihre Daten auf und vor einem Verfahren bewahren. Jede/r kann die Be-
meint, dass sie eine Anzeige wegen Sachbeschä- schädigung einer in seinem Eigentum befindlichen
digung erhalten werde. Sache durch andere von vornherein gestatten oder
auch nachträglich genehmigen, was wiederum ei-
Wenn eine bestehende Beschmierung übermalt nen Rechtfertigungsgrund darstellt und die Bestra-
wird und dadurch ein zusätzlicher Schaden entsteht, fung des/der Täters/Täterin ausschließt.
wenn z.B. die Entfernbarkeit der ursprünglichen Be-
Polizei
PolizistInnen verstehen sich selbst gerne als Opfer von ten Umkehrschluss Abstand zu halten. Wir wissen,
Hetzkampagnen. Insbesondere die Meldungen von dass die absolut überwältigende Mehrzahl der Amts-
NGOs zum Thema Polizeiübergriffe oder der ZARA- handlungen korrekt und nicht diskriminierend erfolgt.
Rassismus Report werden oft als unqualifizierte und Bloß: Die österreichische Polizei könnte darauf noch
beinahe verleumderische Wortmeldungen betrach- viel stolzer sein, wenn sie endlich Wege fände, richtig
tet. „Gutmenschen“ hätten eben keinen Durchblick mit jenen Fällen umzugehen, in denen tatsächlich
und würden die „harte Realität da draußen“ einfach polizeiliches Fehlverhalten vorliegt – zumindest bei
nicht kennen oder nicht verstehen, heißt es dann. der Wiener Polizei bestehen durchaus Ansätze dazu.
Vermeintlich Wohlmeinendere verweisen dann ZARA wird indessen weiter dafür arbeiten, dass Men-
gerne darauf, dass sich die naiven MitarbeiterInnen schen, die sich beschweren, nicht im Regen stehen
von NGOs, gefangen in ihrem „Helferkomplex“, halt gelassen werden.
von kriminellen oder zumindest suspekten „Elemen-
ten“ ausnützen ließen, um die Polizei pauschal zu dis-
kreditieren und damit der Kriminalität zu ungehemm-
ter Entfaltungsfreiheit zu verhelfen.
51 Frau I. ist polnischer Herkunft und meldet
ZARA einen Vorfall, der sich im August in
Wien zugetragen hat. Frau I. will eine U-Bahn-Station
Tatsächlich ist es sehr schwer, sinnvoll und fair über verlassen, als sie vor dem Ausgang in eine Fahrschein-
polizeiliches Fehlverhalten zu berichten. Der Haupt- kontrolle gerät. Da Frau I. keinen Fahrschein gelöst hat,
grund dafür ist, dass sich die Fronten im Beschwerde- akzeptiert sie die zu zahlende Strafe und will diese per
fall geradezu automatisch verhärten. Sobald jemand Erlagschein einzahlen. Da sie sich jedoch nicht auswei-
behauptet, nicht rechtmäßig behandelt zu werden, sen kann, ziehen die Kontrolleure zwei uniformierte
läuft eine rechtlich verordnete Maschinerie an, die Beamte bei. Einer der beiden spricht Frau I. sofort in ei-
leider sehr wenig zur tatsächlichen Aufklärung des nem sehr unfreundlichen Ton an. Die Polizisten schla-
Sachverhaltes beizutragen vermag. Insbesondere die gen vor, Frau I. zu ihrer nahe gelegenen Wohnung zu
Stellung der am Vorfall beteiligten BeamtInnen ist begleiten, da sie dort ihren Ausweis vorzeigen kann.
eigentlich systemwidrig: Sie werden in den wichtigs- Als Frau I. mit den zwei Beamten die U-Bahn-Station
ten vorgesehenen Verfahrensarten – nämlich bei der verlässt, wird einer der Beamten ausfallend und be-
➞ Maßnahmen- oder ➞ Richtlinienbeschwerde – als schimpft Frau I. grundlos als „blödes Weibsstück“ und
„ZeugInnen“ vernommen, obwohl sie sich mit ihrer „Scheiß Ausländerin“. Frau I. bekommt aufgrund des
Aussage selbst belasten könnten. aggressiven Verhaltens des Beamten Angst und will
Fast alles, was an polizeilichem Verhalten nicht daher mit ihrem Telefon den Polizeinotruf wählen,
rechtskonform ist, ist aber automatisch auch straf- wobei sie der betreffende Beamte am Arm packt und
rechtlich und/oder disziplinarrechtlich relevant. Es anherrscht, nicht zu telefonieren. Der andere Beamte
gibt logischerweise keinen großen Anreiz, sich oder hält sich währenddessen zurück und lässt seinen Kol-
KollegInnen in solchen Verfahren zu belasten. Schon legen gewähren.
dadurch ist es beinahe unmöglich, dass BeamtInnen Als Frau I. das Telefon in ihre Handtasche steckt,
von sich aus Fehlverhalten eingestehen. Das bewirkt lässt der Beamte ihren Arm wieder los. Immer, wenn
wiederum eine geradezu unheimliche Situation, näm- der beschimpfende Beamte bemerkt, dass sie in die
lich dass versucht wird, so zu tun, als würden etwa Nähe von potentiellen ZeugInnen kommen, lässt
30.000 PolizistInnen in Österreich bei mehreren Milli- er von weiteren Beschimpfungen ab und fängt erst
onen Amtshandlungen im Jahr so gut wie nie einen wieder damit an, wenn er glaubt, sich wieder außer
Fehler machen. Bei der enormen Schwierigkeit und Hörweite anderer Personen zu befinden. Bei der Woh-
Vielfältigkeit ihres Aufgabenprofils ist das einfach nung angekommen, notiert er die Daten von Frau I.
nicht glaubwürdig. und begegnet der Ankündigung einer Beschwerde
Diese unglaubwürdige Haltung ist aber ein reales von Frau I. gelassen. Sie könne dies gerne tun, da ihm
Problem in der Kommunikation: Wenn jemand behaup- sowieso nichts passieren werde. Er händigt ihr seine
tet, nie einen Fehler zu machen, so ist man geneigt, dar- Dienstnummer aus und die zwei Beamten entfernen
in eine komplette Verweigerung der Reflexion des eige- sich von der Wohnung.
nen Verhaltens zu sehen und dann ist es nicht mehr weit Frau I. bringt eine Beschwerde gegen den Beam-
zum Verdacht: Wahrscheinlich gibt es so unglaublich ten beim ➞ Büro für besondere Ermittlungen ein und
viele Fehler, dass niemand es wagt, dort hin zu schauen. ZARA verfasst für sie eine ➞ Richtlinienbeschwerde
ZARA bemüht sich seit jeher, von diesem übereil- gegen den Beamten wegen der Beschimpfungen.
35
Polizei
Der Beamte lehnt das Klaglosstellungsgespräch (sie- uniformierten Kollegen, die kurze Zeit später eintref-
he „Die eigenen Rechte kennen“) ab, da er sich keiner fen, um Herrn G. Handschellen anzulegen und ihn in
Schuld bewusst ist. Da Frau I. für den Vorfall keine Zeu- einen Verhörraum zu bringen.
gInnen hat, rät ihr ZARA aufgrund des Kostenrisikos Herr G. wird des Drogenschmuggels verdächtigt.
von einem Verfahren vor dem ➞ Unabhängigen Ver- Sein Koffer wird gründlich untersucht und dabei völlig
waltungssenat (UVS) ab. zerstört. Da in seinem Gepäck nichts gefunden werden
kann, wird Herr G. in Handschellen in das Wiener Kran-
sich der Festnahme nicht mit gezielter Gewalt entzie- zu reden. Nach einer halben Stunde wird Herr Q. letzt-
hen wollte, wird er von der Richterin zu 6 Monaten endlich zu dem Vorfall befragt. Herr Q. vermutet, dass
Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Sein Anwalt die sehr unfreundliche Behandlung durch den ersten
rät ihm, das Urteil zu akzeptieren, Herr G. tut dies. Beamten mit seiner Herkunft zu tun hat.
ZARA verfasst für Herrn Q. wegen des unfreundli-
auf Ungarisch. Daraufhin befiehlt der erste Polizist: zur Reparatur bringen. Der Besitzer der Autowerk-
„Deutsch sprechen!“ Herr O. muss beide Beamten in statt beschimpft Herrn A. rassistisch und jagt ihn vom
einen kleinen Raum begleiten. Dort ordnet der erste Grundstück. Die Polizisten, die Herr A. zu Hilfe holt,
Polizist an, dass sich Herr O. auf den Boden knien muss, beschimpfen ihn ebenfalls, sprechen ihn mit dem Du-
was dieser auch tut. Der Beamte beschimpft Herrn O.: Wort an und schreiben eine falsche Dienstnummer
„Du bist ein schmutziger Zigeuner!“ Er deutet mehr- in den Staub auf einer Motorhaube. Als Herr A. sich
mals Schläge an, trifft Herrn O. aber nicht. Er fragt an ZARA wendet, hat er bereits eine Strafverfügung
Herrn O.: „Hast Du Angst, Du dreckiger Zigeuner?“ Der in der Höhe von 60 Euro wegen „aggressiven Verhal-
erste Polizist ersucht seinen Kollegen, Herrn O. festzu- tens gegenüber Organen der öffentlichen Sicherheit“
halten. Der zweite Beamte tut, wie ihm geheißen wird. erhalten. Gegen diese erhebt eine ZARA-Mitarbeiterin
Der erste Polizist hebt Herrn O.s Kinn an und drückt Einspruch. Gleichzeitig wird eine ➞ Richtlinienbe-
ihm die Faust auf die Nase. Er teilt Herrn O. mit, dass er schwerde an den ➞ Unabhängigen Verwaltungssenat
mit einem slowakischen Kollegen gesprochen habe, (UVS) wegen des Verhaltens der Polizisten gerichtet.
der ihm bestätigt habe, dass sie ebenfalls Schläge aus- Ein Antrag bei der ➞ Gleichbehandlungskommission
teilten. Herr O. muss dem Beamten in die Augen se- wegen des diskriminierenden Verhaltens des Mecha-
hen. Dieser wiederholt, dass Herr O. ein „schmutziger nikers wird eingebracht.
Zigeuner“ sei. Er lacht Herrn O. aus: „Schau, so musst Die Einzelfallprüfung verläuft jedoch negativ. Das Ver-
Du betteln.“ Herr O. muss aufstehen und sich nackt waltungsstrafverfahren gegen Herrn K. wegen „aggres-
ausziehen. Als Herr O. nackt vor dem Beamten steht, siven Verhaltens“ wird eingestellt. In Punkt 3 der Richt-
sagt dieser: „Pfui, Du stinkst, du dreckiger Zigeuner!“ linienbeschwerde wegen Bekanntgabe eines falschen
Herr O. soll darauf immer mit „Ja!“ antworten. Auch die Dienstortes und falscher Dienstnummern wird bereits
Aussage, dass er nicht mehr nach Österreich kommen vor der Verhandlung ein Fehlverhalten der Beamtem
darf, muss Herr O. bejahen. Herr O. muss sich wieder durch die übergeordnete Dienststelle eingestanden.
hinknien. Der Beamte fragt Herrn O., warum er so ei-
nen großen Bauch habe und stößt ihm mehrmals mit Was 2008 geschah...
der Faust in diesen. Trotz der Demütigungen und der
Provokationen bleibt Herr O. ruhig. Schließlich darf er Das Verfahren in den übrigen Punkten (Verwendung
sich wieder anziehen. des „Du-Wortes“ und Gebrauch diskriminierender
Frau O. muss sich in einem Nebenzimmer vor einer Äußerungen) ist zu Jahresanfang noch offen. Am 17.
Beamtin ebenfalls ausziehen und durchsuchen las- 7. 2008 und somit drei Jahre nach dem Vorfall findet
sen. Nachdem der Familie noch unterstellt wird, dass die Verhandlung der Beschwerde vor dem UVS Wie-
sie das mit sich geführte Geld unrechtmäßig erbet- ner Neustadt statt. Nachdem die zuständige Polizei-
telt habe, erhält Herr O. mehrere Strafmandate über dienststelle des Landes Niederösterreich bereits einen
insgesamt 168 Euro. Ihm und seiner Familie werden Teil der Vorwürfe bestätigt hat, wird von einem Polizei-
diverse Verwaltungsübertretungen wie ein Verstoß vertreter in der Verhandlung eingestanden, dass auch
gegen das Rauchverbot, Lärmbelästigung, Anstands- die übrige Amtshandlung nicht korrekt abgelaufen ist
verletzung etc. vorgeworfen, die alle um 12.55 Uhr und dass Herrn A. und seinem Zeugen wohl zu glau-
begangen worden sein sollen. Herr O. begleicht die ben ist. Der UVS-Richter entscheidet die restlichen
Strafe und darf nun gemeinsam mit seiner Frau das beiden Beschwerdepunkte somit ebenfalls zugunsten
Wachzimmer verlassen. von Herrn A., der somit auch eine Entschädigung in
Er wendet sich zunächst an die Redaktion des Form eines pauschalierten Verhandlungsaufwandes
Augustin, wo ein ausführliches Gedächtnisprotokoll in Höhe von ca. 1.500 Euro erhalten soll, der von der
aufgenommen wird, das unter http://www.augustin. Polizei zu bezahlen ist. Zu Redaktionsschluss wartet
or.at/?art_id=1123 nachzulesen ist und das auch an die Herr A. auf die schriftliche Ausfertigung der UVS-Ent-
Pressestelle der Wiener Polizei weitergeleitet wird. Die scheidung.
Redaktion vermittelt Familie O. an ZARA, wo der Vor-
fall dokumentiert und an den Menschenrechtskoor- Die eigenen Rechte kennen
dinator der Wiener Polizei weitergeleitet wird. Das ➞
Büro für besondere Ermittlungen (BBE) übernimmt Der nigerianische Staatsbürger Herr G. wird auf
die Untersuchung des Vorfalls. Zu Redaktionsschluss der Straße, kurz nachdem er sein Wohnhaus ver-
ist das Ergebnis dieser Untersuchung noch offen. lassen hat, von zwei PolizistInnen aufgehalten.
„Ausweiskontrolle!“ Herr G. erklärt den Beamten,
Was wurde aus…? dass er seinen Ausweis leider nicht dabei habe,
ihn aber gleich von zu Hause holen könne. Einer
der BeamtInnen erwidert: „Das interessiert mich
Fall 31 Rassismus Report 2005 nicht! Du musst aufs Revier mitkommen!“ Herr G.
fragt den Beamten, was er denn verbrochen habe
Herr A. will im April 2005 den Dienstbus seines Ar- und ersucht ihn, ihn nicht mit dem „Du-Wort“
beitgebers, dem Evangelischen Flüchtlingsdienst,
38
Polizei
anzusprechen. Der Beamte erwidert: „Aha, frech Aus § 35 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ergibt
auch noch, jetzt nehmen wir dich mit!“ sich, dass Personen, die „auf frischer Tat“ bei ei-
ner Verwaltungsübertretung ertappt werden, sich
Herr G. wird zunächst an Ort und Stelle durchsucht, ebenfalls einer Identitätsfeststellung unterziehen
dann muss er den BeamtInnen zur nächsten Poli- müssen. Sollte dies vor Ort nicht möglich sein, kann
zeiinspektion folgen. Dort wird Herr G. zunächst auch hier eine Festnahme ausgesprochen werden.
fotografiert. Einer der BeamtInnen überprüft seine Die Anhaltung in Polizeigewahrsam darf nicht län-
Daten im Computer. Da nach kurzer Zeit feststeht, ger als 24 Stunden dauern (§ 36 Abs 1 VStG). In
dass Herr G. unbescholten ist, wird er wieder frei- jedem Fall muss dem/der Festgenommenen mit-
gelassen, ohne dass sich jemand für diese für Herrn geteilt werden, welcher Vorwurf gegen ihn/sie er-
G. unbegründete Festnahme entschuldigt. Er fragt hoben wird. Die Festnahme muss ausdrücklich aus-
nach der Dienstnummer der BeamtInnen, worauf- gesprochen werden.
hin diese ihm mitteilen, dass ihn die Dienstnum-
mern „nichts angehen“ würden. § 29 SPG normiert den so genannten Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatz. Demnach sind unter anderem
Zur allgemeinen Zulässigkeit von Identi-
von mehreren zielführenden Befugnissen jene an-
tätsfeststellungen und Festnahmen
zuwenden, die voraussichtlich den/die Betroffene/n
§ 35 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und § 118 der am wenigsten beeinträchtigen, und es ist auf die
mit 1.1.2008 neu in Kraft getretenen Strafprozess- Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interes-
ordnung (StPO) setzen die Grenzen für die Zulässig- sen des/der Betroffenen Bedacht zu nehmen. Der
keit von Identitätsfeststellungen. Wenn aufgrund angestrebte Erfolg muss in einem vertretbaren Ver-
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine hältnis zu den zu erwartenden Schäden und Gefähr-
Person im Zusammenhang mit einer Straftat steht dungen stehen.
oder über eine solche Auskunft erteilen kann, ist sie
verpflichtet an einer Identitätsfeststellung mitzu- Rechte und Pflichten von beamtshandel-
wirken. Somit können sowohl mutmaßliche TäterIn- ten Personen und Festgenommenen
nen als auch ZeugInnen einer strafbaren Handlung
zur Mitwirkung an der Feststellung ihrer Identität Jede beamtshandelte Person ist auf Verlangen vom
gezwungen werden, gemäß § 118 Abs 4 StPO auch Zweck des Einschreitens zu informieren und kann
mittels Personendurchsuchung. Die Polizeibeam- der Amtshandlung eine Person ihres Vertrauens hin-
tInnen müssen Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, zuziehen (§ 30 SPG). Dies gilt jedoch nicht, wenn
Geburtsort, Beruf und Wohnanschrift ermitteln. dadurch die Erfüllung der Aufgabe durch die ein-
schreitenden BeamtInnen gefährdet wäre.
Einer Straftat Verdächtige können gemäß § 170
StPO festgenommen werden, wenn sie z.B. auf „fri- Gemäß § 31 SPG wurden vom Bundesminister für
scher Tat ertappt“ werden. Der/die Verdächtige Inneres Richtlinien für das Einschreiten der Organe
muss gemäß § 172 StPO binnen 48 Stunden ab Fest- des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Richtlinienver-
nahme in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts ordnung – RLV) erlassen. § 5 der RLV besagt unter
gebracht werden. Gemäß § 174 StPO hat das Gericht anderem, dass PolizeibeamtInnen alles zu unter-
wiederum binnen 48 Stunden ab Einlieferung zu lassen haben, das geeignet ist, den Eindruck von
entscheiden, ob die verdächtige Person in Untersu- Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskri-
chungshaft genommen oder wieder entlassen wird. minierung aufgrund des Geschlechtes, der nationa-
len oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der
Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) sieht vor, sexuellen Orientierung empfunden werden kann.
dass nicht-österreichische StaatsbürgerInnen ein
Reisedokument zum Nachweis ihres rechtmäßigen Weiters haben BeamtInnen alle Menschen, bei
Aufenthaltes bei sich führen oder an einem Ort denen dies üblich ist oder die dies verlangen, mit
verwahren müssen, von dem sie es ohne unverhält- „Sie“ anzusprechen.
nismäßige Verzögerung (innerhalb einer Stunde)
holen können (§ 32 FPG). „Fremde“ im Sinne des Gemäß § 6 der RLV sind dem/der von der Amts-
FPG müssen sich auch Identitätsfeststellungen un- handlung Betroffenen seine/ihre Rechte mitzuteilen
terziehen, wenn etwa der Verdacht besteht, dass sie und der Zweck des Einschreitens bekannt zu geben,
sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten (§ 34 es sei denn, dieser wäre offensichtlich oder dies
FPG). Sollte ein/e „Fremde/r“ der Verpflichtung zum würde die Aufgabenerfüllung gefährden. § 7 der
Mit-sich-Führen eines Reisedokumentes nicht nach- RLV sieht vor, dass Personen, die das Recht auf In-
kommen, kann auch eine Festnahme ausgespro- formation oder Beiziehung einer Vertrauensperson
chen werden. Die Haft darf grundsätzlich maximal oder eines Rechtsbeistandes haben, über ihre dies-
24 Stunden dauern (§ 39 FPG). bezüglichen Rechte informiert werden müssen.
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Polizei
Festgenommene sowie Personen, die einer Straf- de wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des
tat verdächtig sind und bei denen anzunehmen ist, Sicherheitspolizeigesetzes, sondern auch wegen
dass sie einen Gegenstand bei sich tragen, von dem eines Verstoßes gegen verfassungsgesetzlich ge-
Gefahr ausgeht, können gemäß § 40 SPG durchsucht währleistete Rechte (z.B. das Verbot der Folter und
werden. Das Anfertigen von Fotos gehört zur erken- der unmenschlichen oder erniedrigenden Behand-
nungsdienstlichen Behandlung (§ 64 ff SPG). Der/ lung gemäß Art 3 der Europäischen Menschen-
die Betroffene, der/die unter dem Verdacht steht, rechtskonvention [EMRK], das Recht auf Achtung
eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK,
haben, muss darüber informiert werden, warum er/ im Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der
sie erkennungsdienstlich behandelt wird, und hat persönlichen Freiheit oder anderen in einfachen
unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch Gesetzen gewährte Rechte, die PolizeibeamtInnen
auf Löschung dieser Daten. bei Amtshandlungen wahren müssen) eingebracht
werden.
Jede/r Festgenommene hat das Recht, eine Ver- Das Verfahren ist einem Gerichtsverfahren ähn-
trauensperson oder einen Rechtsbeistand zu verstän- lich. Unabhängige UVS-RichterInnen entscheiden,
digen. Bei der Einvernahme wegen einer gerichtlich ob das Einschreiten der PolizistInnen rechtswidrig
zu ahndenden Straftat kann jedoch weder die Ver- war. Ein Zuspruch von Schadenersatz für das Opfer
trauensperson noch der Rechtsbeistand anwesend von rechtswidrigem Polizeihandeln ist nicht vorge-
sein. Nur bei Einvernahmen im Rahmen von Ver- sehen. GegnerInnen in diesen Verfahren sind die
waltungsstrafverfahren ist die Anwesenheit einer den BeamtInnen übergeordneten Dienststellen wie
Vertrauensperson und/oder des Rechtsbeistandes z.B. die Bundespolizeidirektion Wien. Die einzelnen
möglich. BeamtInnen sind Auskunftspersonen, die vom Er-
kenntnis des UVS jedoch nicht unmittelbar betrof-
Immer wieder Anlass zur Eskalation: Die Frage nach fen sind. In Einzelfällen sind anschließend an ein
der Dienstnummer UVS-Verfahren disziplinarrechtliche Konsequenzen
für die BeamtInnen möglich. Der/die Betroffene hat
Nach § 9 der RLV haben BeamtInnen von einer auf ein solches polizeiinternes Disziplinarverfahren
Amtshandlung betroffenen Personen auf deren Ver- jedoch keinen Einfluss. Wenn der UVS feststellt, dass
langen ihre Dienstnummer bekannt zu geben. Die- das Einschreiten der BeamtInnen nicht rechtswidrig
se sollte, wenn möglich, auf einem Kärtchen über- war, muss der/die BeschwerdeführerIn die Kosten
geben werden. für das Verfahren übernehmen (im Regelfall 500 bis
700 Euro).
Was kann Herr G. tun? Wegen der Verstöße gegen Richtlinienverordnung
Da Herr G. kein österreichischer Staatsbürger ist, ha- kann Herr G. sich ebenfalls mit Hilfe von ZARA ge-
ben PolizeibeamtInnen grundsätzlich die Befugnis mäß § 89 SPG binnen sechs Wochen an den UVS
zu überprüfen, ob er zum Aufenthalt in Österreich wenden. Der UVS hat diese so genannte Richtlinien-
berechtigt ist. Herr G. hat seine Unterlagen zwar beschwerde zunächst derjenigen Behörde zuzustel-
nicht bei sich, jedoch hätten ihm die Beamten ge- len, die die Aufsicht über die jeweilig eingeschritte-
statten müssen, seine Dokumente aus der unmittel- nen BeamtInnen hat. Dies wäre im vorliegenden Fall
bar am Ort der Amtshandlung gelegenen Wohnung die Bundespolizeidirektion Wien (BPD). Nachdem
zu holen. Die Aufforderung, mit aufs Revier zu kom- die BPD ihrerseits den Sachverhalt durch Befragung
men, muss als Festnahme angesehen werden, für oder laut Meldung der betroffenen BeamtInnen
die jedoch die notwendigen Rechtsgrundlagen feh- ermittelt hat, hat sie nun dem/der Beschwerdefüh-
len. Auch die Personendurchsuchung und die Anfer- rerIn schriftlich mitzuteilen, ob eine Verletzung der
tigung der Fotos sind somit rechtswidrig. Durch das RLV vorliegt.
Ansprechen mit dem „Du-Wort“ und die Weigerung, Die BPD hat aber auch die Möglichkeit, eine
die Dienstnummer bekannt zu geben, haben die Be- Aussprache zwischen den betroffenen BeamtInnen
amten gegen die Richtlinienverordnung verstoßen. und dem/der BeschwerdeführerIn zu ermöglichen.
Wenn sich Herr G. an ZARA wendet, kann ZARA Ist die betroffene Person mit dem Verlauf und dem
für ihn aufgrund der rechtswidrigen Festnahme, Ergebnis dieses so genannten „Klaglosstellungs-
der Personendurchsuchung und der Anfertigung gespräches“ zufrieden, dann ist das Richtlinienbe-
der Fotos binnen sechs Wochen eine Maßnahmen- schwerdeverfahren mit der schriftlichen Erklärung
beschwerde beim ➞ Unabhängigen Verwaltungs- des/der Beschwerdeführers/in, „nun klaglos gestellt
senat (UVS) einbringen, da er durch die „Ausübung worden zu sein“, beendet und die BPD braucht sich
unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und nicht mehr zum Vorfall zu äußern.
Zwangsgewalt“ in seinen subjektiven Rechten ver- Ist die betroffene Person mit dem Gesprächaus-
letzt worden ist. ZARA kann in diesem Fall auch die gang nicht zufrieden, z.B. weil die BeamtInnen ihr
Vertretung vor dem UVS übernehmen. Mittels einer Fehlverhalten nicht einsehen, dann muss die BPD
Maßnahmenbeschwerde kann nicht nur Beschwer- obige schriftliche Erklärung zum Vorliegen einer
40
Polizei
Richtlinienverletzung verfassen und zustellen. Wenn nicht möglich sei. Herr G. wird schließlich auf
in dieser Mitteilung das Vorliegen einer Richtlini- das zuständige Polizeikommissariat gebracht.
enverletzung verneint wird oder diese Mitteilung Dort wird er von einem Polizeijuristen einver-
binnen drei Monaten nach Einbringung der Be- nommen. Er muss seine Aussage unterschreiben
schwerde nicht erstattet wird, dann kann der/die und wird schließlich mit der Ankündigung, dass
BeschwerdeführerIn binnen 14 Tagen die Entschei- er eine Anzeige bekommen werde, entlassen.
dung des UVS verlangen. Der UVS hat dann in einem Einige Tage später erhält Herr G. eine Strafverfü-
Verfahren wie bei einer Maßnahmenbeschwerde gung wegen „aggressiven Verhaltens gegenüber
festzustellen, ob die Richtlinie verletzt wurde. Hin- einem Organ der öffentlichen Aufsicht“ gemäß
sichtlich der Konsequenzen für die BeamtInnen § 82 Sicherheitspolizeigesetz über 72 Euro. Eine
gelten die oben gemachten Ausführungen zur Maß- Woche später teilt ihm die Staatsanwaltschaft
nahmenbeschwerde. Wien mit, dass gegen ihn ein Verfahren wegen
Im Fall von Herrn G. wird aufgrund des Um- Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß §
standes, dass eine Richtlinienbeschwerde für das 269 Strafgesetzbuch eingeleitet wurde.
Ansprechen mit dem „Du-Wort“, die rassistische
Diskriminierung und das „Nicht-bekannt- Geben“ Was kann Herr G. unternehmen?
der Dienstnummer eingebracht und gleichzeitig Auch in diesem Fall verletzen die BeamtInnen durch
ein Maßnahmenbeschwerdeverfahren eingeleitet die unbegründet brutale Festnahme, die Beschimp-
wurde, ein Klaglosstellungsversuch wohl nicht un- fungen und das Anlegen der Handfesseln Herrn G. in
ternommen werden. Sollte die BPD den Richtlinien- seinen subjektiven Rechten. Die BeamtInnen sind
verstoß nicht feststellen, werden beide Beschwer- sichtlich voreingenommen, diskriminieren Herrn G.
den gemeinsam vor dem UVS behandelt werden. aufgrund seiner Herkunft, wie sich an ihren Aussa-
Hinsichtlich der von den Beamten angefertigten gen erkennen lässt, und sprechen ihn wieder mit
Fotos kann Herr G. die Löschung dieser erkennungs- dem „Du-Wort“ an. Hierbei handelt es sich um kla-
dienstlichen Daten gemäß § 74 SPG beantragen, re Verstöße gegen die Richtlinienverordnung. Herr G.
sollten diese nicht wie in § 73 SPG vorgesehen man- kann mit Hilfe von ZARA wieder UVS-Beschwerden
gels gesetzlicher Voraussetzung von Amts wegen einbringen. ZARA wird Herrn G. in diesem Fall aber
gelöscht worden sein. nicht nur vor dem UVS vertreten.
Hinsichtlich der Verwaltungsstrafe wegen „ag-
An einem der nächsten Tage gerät Herr G. wie- gressiven Verhaltens gegenüber einem Organ der
der in eine Ausweiskontrolle. Herr G. hat diesmal öffentlichen Aufsicht“ ist eine Berufung an den UVS
seinen Ausweis dabei. Da dies aber schon der möglich, der auch über die Rechtmäßigkeit von Ver-
zweite Vorfall dieser Art binnen kurzer Zeit ist, waltungsstrafen und die Angemessenheit der Straf-
beschwert er sich bei den BeamtInnen: „Es ist im- höhe entscheidet. Da Herr G. sich nicht aggressiv
mer das gleiche, Sie kontrollieren mich doch nur, verhalten und so die Amtshandlung in keiner Weise
weil ich Afrikaner bin!“ Die BeamtInnen sehen behindert hat, was darüber hinaus von zwei ZeugIn-
seine Reaktion als Angriff und drohen ihm an, nen bestätigt werden kann, sind die Chancen auf
ihn festzunehmen, wenn er sich nicht beruhige. eine Aufhebung der Strafe und eine Einstellung des
Herr G. erwidert: „Ich habe nichts getan, warum Verfahrens gut. Überdies sieht § 85 SPG vor, dass
wollen Sie mich festnehmen?“ Personen, die sich wegen derselben Tat auch vor
Gericht verantworten müssen, nicht nach § 83 SPG
Einer der Beamten meint: „Ihr Schwarzen führt bestraft werden können. Bezüglich der Strafanzeige
doch immer was im Schilde, wir werden schon wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ gemäß
was finden!“ Er kommt auf Herrn G. zu, verdreht § 269 StGB wird sich Herr G. vor einem (Landes-)Ge-
ihm den Arm hinter den Rücken. Er wird zu Boden richt verantworten müssen, das eine Freiheitsstrafe
geworfen und es werden ihm Handfesseln hinter von bis zu drei Jahren verhängen kann. Der Vorwurf
seinem Rücken angelegt. Eine Beamtin schlägt lautet, dass sich Herr G. „aktiv“, das bedeutet z.B. mit
ihm auf den Kopf und schreit „Jetzt siehst du, gezielten Schlägen oder Tritten, gegen die Amts-
was du davon hast, du depperter N...!“[*] Herr G. handlung oder seine Verhaftung gewehrt hat. Ein
wehrt sich in keiner Weise gegen die Festnahme. bloßes „passives“ Erschweren der Amtshandlung,
Einer der BeamtInnen informiert KollegInnen, wie z.B. durch ein „Versteifen“, welches das Anlegen
die kurze Zeit später mit einem Einsatzwagen der Handfesseln erschwert, oder durch den Versuch,
eintreffen. sich dem Griff der BeamtInnen zu entwinden, reicht
für eine Verurteilung nach § 269 StGB nicht aus.
Zwei ZeugInnen beobachten den Vorfall und kön- Wenn sich Herr G. keinen Rechtsanwalt leisten
nen Herrn G. in einem ruhigeren Moment eine Vi- kann, hilft ZARA ihm bei der Beantragung eines/r
sitenkarte zustecken. Auf die Frage, ob eine/r der Verfahrenshilfeverteidigers/in, der/die ihn kosten-
ZeugInnen Herrn G. als Vertrauensperson beglei- los vertritt, der/die ihm aber ohne Auswahlmög-
ten kann, meint eine der BeamtInnen, dass dies lichkeit von der Rechtsanwaltskammer zugewiesen
41
Polizei
wird. Sollte Herr G. sich einen Rechtsanwalt leisten nicht antreten muss, wenn er sich in einer Probe-
können, ist er besser beraten, sich von einem kos- zeit von zumeist drei Jahren keine gleich gelagerte
tenpflichtigen Anwalt seines Vertrauens vertreten Straftat zuschulden kommen lässt.
zu lassen. Einen Teil der Rechtsanwaltskosten kann Herr G. hat überdies die Möglichkeit, gegen die
Herr G. im Falle seines Freispruches erstattet be- Verurteilung zu berufen. In diesem Fall entscheidet
kommen. das Oberlandesgericht (OLG) als zweite Instanz end-
Im Verfahren selbst werden Herr G., seine beiden gültig darüber, ob Herr G. die Tat tatsächlich began-
ZeugInnen und die eingeschrittenen BeamtInnen gen hat oder ob er schon von der ersten Instanz frei-
vom Gericht befragt. Oft ist es so, dass den Anga- zusprechen gewesen wäre. Das OLG kann die Strafe
ben des Beschuldigten – wegen der erdrückenden auch nur verringern. Wenn die Staatsanwaltschaft
Vielzahl von aufeinander abgestimmten Aussagen von ihrem Berufungsrecht Gebrauch macht und zu
seitens der Polizei – nicht geglaubt wird. Unter Ver- ihren Gunsten entschieden wird, kann die Strafe
weis auf den Amtseid wird den Aussagen von Beam- auch erhöht werden.
tInnen in solchen Verfahren ein höherer Grad an Zu- Sollte sich im Verfahren herausstellen, dass
verlässigkeit und Glaubwürdigkeit beigemessen als die Angaben der BeamtInnen, die zu einer Straf-
jenen des Übergriffsopfers. Selbst Ungereimtheiten verfolgung von Herrn G. geführt haben, nicht der
in den Aussagen werden allzu oft mit diesem Argu- Wahrheit entsprechen, wird Herr G. nicht nur frei-
ment einfach weggewischt. gesprochen, sondern die Staatsanwaltschaft wird
Da Herr G. aber zwei unabhängige ZeugInnen möglicherweise ein Strafverfahren gegen die Beam-
vorweisen kann, sind auch hinsichtlich des Strafver- tInnen einleiten, da sie durch ihre Falschangaben
fahrens die Chancen auf einen Freispruch gut. Bei jedenfalls das Delikt der „falschen Beweisaussage
einer Verurteilung wird Herr G. aufgrund seiner Un- vor Gericht“ gemäß § 288 StGB, das Delikt der „Ver-
bescholtenheit (d.h., dass er keine Vorstrafen aufzu- leumdung“ gemäß § 297 StGB und möglicherweise
weisen hat) wohl zu einer bedingten Freiheitsstrafe das Delikt des „Missbrauchs der Amtsgewalt“ gemäß
im Ausmaß von drei bis sechs Monaten verurteilt § 302 StGB begangen haben.
werden. „Bedingt“ bedeutet, dass Herr G. die Strafe
Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen
43
Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen
Repräsentantin des Staates ist. Am nächsten Tag trifft Durch seine Aussagen macht der Beamte Herrn
Frau I. den Mann nochmals im Gerichtsgebäude. Sie B. eindeutig klar, dass er ihn aufgrund seines Namens
kommen ins Gespräch und er Teilt Frau I. mit, dass er und seiner ethnischen Zugehörigkeit schlechter be-
immer noch über den Vorfall entsetzt sei.ZARA infor- handelt als eine Vergleichsperson österreichischer
miert Frau I. über die rechtlichen Möglichkeiten und Herkunft, der er solch einen „Sozialbetrug“ nicht un-
ersucht sie, den betroffenen Mann an die Beratungs- terstellen würde. Dies ist eindeutig eine ➞ unmittel-
stelle zu verweisen, falls er sich rechtlich zur Wehr set- bare Diskriminierung aufgrund Herrn B.s ethnischer
zen möchte. Frau I. meldet sich bis Redaktionsschluss Zugehörigkeit im Sinne des GlBG. Die beleidigenden,
nicht mehr. rassistischen Aussagen des Beamten sind außerdem
als Belästigungen aufgrund der ethnischen Zugehö-
Die eigenen Rechte kennen rigkeit zu werten, da sie Herrn B. in seiner Würde
verletzen und ein einschüchterndes, beleidigendes
und demütigendes Umfeld schaffen.
Herr B. wurde in Österreich geboren, sein Vater
kommt aus Samoa. Er ist österreichischer Staats-
Was kann Herr B. tun?
bürger und Vater zweier Kinder im Volksschul-
Herr B. hat Anspruch auf Ersatz des tatsächlich erlit-
alter. Eines Tages erhält er einen Brief seines
tenen Vermögensschadens, falls ihm z.B. durch die
Finanzamtes. Er soll für den Weiterbezug der Fa-
Überprüfung die Auszahlung der Familienbeihilfe
milienbeihilfe den Nachweis erbringen, dass sei-
unrechtmäßig verweigert wurde, und zusätzlich
ne beiden Kinder in Österreich leben. Da ihm die-
auf Entschädigung für die erlittene persönliche Be-
se Vorgangsweise seltsam erscheint, ruft er am
darauf folgenden Tag beim Finanzamt an. Der einträchtigung durch die Schlechterbehandlung.
zuständige Beamte teilt Herrn B. mit, dass er den Für die belästigenden Aussagen des Beamten steht
Nachweis deshalb einfordere, weil „sich ja Aus- Herrn B. ein Mindestschadenersatz in der Höhe von
länder ständig irgendwelche Sozialleistungen für 400 Euro zu. Herr B. kann den Schadenersatz entwe-
ihre gesamte Sippe erschleichen“. Er führe jetzt der gleich beim zuständigen Zivilgericht einklagen,
stichprobenartig Überprüfungen bei Personen was mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden
durch, deren Namen ihm „seltsam vorkommen“. ist, oder sich vorab an die ➞ Gleichbehandlungs-
Als Herr B. den Beamten darauf hinweist, dass er kommission wenden, die in einem kostenlosen Ver-
seit seiner Geburt die österreichische Staatsbür- fahren das Vorliegen einer Diskriminierung in einer
gerschaft besitzt, meint der Beamte: „Das ist mir Einzelfallentscheidung bejahen und rechtlich un-
wurscht, Du bleibst ein Drecksausländer!“ verbindliche Maßnahmen zur Wiedergutmachung
und Verhinderung zukünftiger Diskriminierungen
Teil 3 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) sieht vorschlagen kann. Bei der Einbringung eines An-
vor, dass Personen, die beim Sozialschutz (dazu ge- trages bei der Gleichbehandlungskommission kann
hören z.B. Leistungen aus der Sozialversicherung, sich Herr B. von NGOs wie ZARA oder der ➞ Gleich-
der Arbeitslosenversicherung oder Leistungen behandlungsanwaltschaft beraten und vertreten
gemäß dem Familienlastenausgleichsgesetz) auf- lassen.
grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert Da die diskriminierende Person ein Beamter ei-
werden, sich zur Feststellung dieser Diskriminierung nes Finanzamtes war, kann Herr B. eine Beschwerde
an die ➞ Gleichbehandlungskommission wenden bei der übergeordneten Dienststelle einbringen und
oder Schadenersatzansprüche vor den Zivilgerich- ein Disziplinarverfahren gegen den Diskriminierer
ten geltend machen können. Auch ➞ Belästigungen anregen. Einen Rechtsanspruch auf Einleitung solch
stellen eine Form der Diskriminierung im Sinne des eines Verfahrens hat Herr B. nicht.
GlBG dar.
44
Arbeit
Arbeit
tenden Kurarzt und weist ihn darauf hin, dass sie kein Das Recht, am Arbeitsplatz nicht benachteiligt zu
Kurarztdiplom hat. Der leitende Kurarzt teilt ihr mit, werden, umfasst nicht nur das Recht auf gleiche
dass das Kurarztdiplom nicht erforderlich sei. Im wei- Bezahlung, gleiche Aufstiegschancen etc., sondern
teren Verlauf dieses Termins werden die Arbeitszeiten, auch das Recht, alle (auch freiwilligen) betrieblichen
der genaue Tätigkeitsbereich sowie Verrechnungs- Sozialleistungen in gleichem Maße in Anspruch neh-
möglichkeiten mit der Krankenkasse besprochen. men zu können. Wenn in der Kantine der Speditions-
Eine Gehaltsvereinbarung solle Dr. A. dann mit dem firma kein Menü ohne Schweinefleisch erhältlich
Vorstand treffen, welchem auch die endgültige Ent- ist, ist Herr P. als gläubiger Muslim, der aufgrund
scheidung über die Aufnahme der vom leitenden Kur- seiner Religionszugehörigkeit kein Schweinefleisch
arzt empfohlenen Person obliegt. Der leitende Kurarzt essen darf, von der Inanspruchnahme dieser Sozi-
teilt Frau Dr. A. allerdings auch mit, dass der Vorstand alleistung ausgeschlossen und damit ➞ mittelbar
sicher ein Problem damit haben werde, wenn sie ihr bzw. indirekt diskriminiert. Bei den Beleidigungen
Kopftuch bei der Arbeit tragen möchte. Es wird ver- der Arbeitskollegen handelt es sich um Belästigun-
einbart, dass sich Dr. A. telefonisch über den Stand der gen, die Diskriminierungen im Sinne des Gleichbe-
Bewerbung erkundigen wird. handlungsgesetzes darstellen, weil sie sich sowohl
Schließlich vereinbart Dr. A. mit dem Vorstand auf die ethnische Herkunft als auch auf die religiöse
einen Gesprächstermin, zu dem sie eine Vertrauens- Zugehörigkeit von Herrn P. beziehen und in ihrer In-
person begleitet. Ihr wird signalisiert, gut qualifiziert tensität die Würde seiner Person beeinträchtigen.
zu sein. Die Stelle bekomme sie allerdings nur dann,
wenn sie sich dazu entschließe, das Kopftuch bei der • § 21 (2) GlBG
Arbeit abzulegen. Für die Entscheidung, ob sie unter Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Ver-
diesen Bedingungen arbeiten möchte, stellt ihr der haltensweise, die mit einem der [verbotenen Dis-
Vorstand ein Ultimatum von 8 Tagen. kriminierungs] Gründe im Zusammenhang steht,
Die Ärztin wendet sich daraufhin an die Gleichbe- gesetzt wird,
handlungsanwaltschaft (siehe „Glossar“). Die zustän- 1. die die Würde der betroffenen Person verletzt,
dige Gleichbehandlungsanwältin verfasst ein Inter- 2. die für die betroffene Person unerwünscht, unan-
ventionsschreiben an den Vorstand, in dem deutlich gebracht oder anstößig ist und
darauf hingewiesen wird, dass die Frau Dr. A. gestellte 3. die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdi-
Bedingung eine Diskriminierung aufgrund der Religi- gendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld
on darstellt. Der Vorstand wird weiters aufgefordert, für die betroffene Person schafft.
von seiner Position Abstand zu nehmen und der Ärz-
tin ungeachtet ihres religiösen Bekenntnisses eine Ein/e Dienstvorgesetzte/r muss handeln, sobald er/
faire Chance zu geben. Im Antwortschreiben stellt sie über die Belästigung eines/einer MitarbeiterIn
der Vorstand klar, dass er von seiner Position nicht ab- Kenntnis erlangt. In einem solchen Fall muss er/
rückt. Frau Dr. A. wird daher nicht eingestellt und die sie dafür sorgen, dass die Diskriminierungen ab-
Kurarztstelle erneut ausgeschrieben. gestellt werden. Wenn dies nicht geschieht, ist er/
Frau Dr. A. lässt sich auf Vorschlag von ZARA durch sie zusätzlich für die durch seine MitarbeiterInnen
den ➞ Klagsverband vertreten und reicht eine Scha- getätigten Belästigungen schadenersatzrechtlich
denersatzklage bei Gericht ein. Parallel dazu stellt Dr. haftbar. Die Kündigung Herrn P.s als Reaktion auf
A. einen Antrag bei der ➞ Gleichbehandlungskom- seine Beschwerde stellt schließlich eine so genann-
mission. Beide Entscheidungen stehen zu Redaktions- te Viktimisierung dar, die eine ganz klare Verletzung
schluss noch aus. der gesetzlichen Vorgaben bedeutet.
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Arbeit
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Güter und Dienstleistungen
„Shoppen“ gehen, noch was trinken gehen, tanzen eben um so alltägliche, kleine Dinge handelt, die für
gehen, mit den „Öffis“ fahren: Das sind ganz alltägli- andere Menschen gar keine Hürden bereithalten.
che und selbstverständliche Betätigungen, die meis- Die ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen
tens Spaß machen und einfach zum Leben „dazu ge- von Rassismus hatte im vergangenen Jahr vermehrt
hören“. Wie Sie in diesem Kapitel lesen können, trifft mit Berichten über rassistische Angriffe von Nachbarn
das jedoch nicht für alle Menschen in diesem Land zu, zu tun, die einfach zermürbend sind. Die besonders
für viele Menschen sind auch diese Lebensbereiche schwierige Herausforderung dabei lag darin, dass es
nicht unbeschwert zugänglich. sich nicht in erster Linie um Diskriminierungen etwa
Aufgrund diskriminierender Zuschreibungen ver- bei der Wohnungsvergabe handelte, wo ZARA ganz
weigern DienstleisterInnen ihren Service, hindern konkrete Handlungsspielräume hat. Vielmehr be-
Personen am Eintritt oder beschimpfen und beläs- schäftigten die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle
tigen ihre potenziellen KundInnen gar. Dass solches unzählige Fälle von Nachbarschaftskonflikten (siehe
Verhalten hochgradig unvernünftig ist, liegt auf der Vorwort).
Hand – dass es auch verboten ist, scheint sich nur sehr ZARA kann auch heuer nur wieder darauf verwei-
langsam herumzusprechen. Für die Personen aber, sen, wie massiv diese Situation sehr viele Menschen
die diskriminiert werden, bedeutet es tiefgehenden alltäglich betrifft und ihre Lebensqualität in diesem
Schmerz, eine Herabwürdigung, die sehr schwer zu Land mindert.
verkraften ist – und das vor allem deshalb, weil es sich
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rung für öffentlich Bedienstete aber auch für alle Privaten – von Mensch zu Mensch! Mit der ÖBV durchs Leben
Güter und Dienstleistungen · Wohnen
Wohnen
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hauses begegnet. Herr K. vermutet, dass der Nachbar Frau J. berichtet, dass in ihrer Wohnhausan-
dies aufgrund seines Aussehens tut. Als Herr K. von lage in Salzburg oberhalb ihrer Wohnung die
zwei Freunden aus Nigeria besucht wird, streckt der türkische Familie D. lebt. Oft werden sie und ihr Mann
Nachbar seinen Kopf aus der Türe und kommentiert ZeugInnen, wie Familie D. von einer anderen Nach-
die Gäste mit den Worten: „Scho wieda so ana!“ barsfamilie rassistisch beschimpft wird. Frau J. erfährt,
Im Jänner dieses Jahres gipfeln die Feindseligkei- dass Familie D. Anfang des Jahres 2008 mehrmals
ten zwischen Familie K. und dem Nachbarn darin, dass wegen Lärmbelästigung angezeigt wurde. Frau J. war
der Nachbar bei Gericht eine Besitzstörungsklage ein- schon öfter bei der Polizei, um auszusagen, dass sie
bringt, weil Herr K. die Rodel seines Sohnes am Gang derartige Lärmbelästigungen durch Familie D. nicht
stehen lässt, um diese zu trocknen. wahrnimmt.
51
Güter und Dienstleistungen · Wohnen
ZARA informiert Frau J. über die rechtlichen Mög- nung schon einmal fast an einen Nigerianer verge-
lichkeiten und Beratungsstellen vor Ort, die Familie D. ben, sich aber schließlich gegen „Schwarzafrikaner“
konsultieren kann. Frau J. bedankt sich für die Infor- als Mieter entschieden. Frau B. ist über die Offenheit
mationen und verspricht, diese an Familie D. weiter- dieser rassistischen Diskriminierung und das fehlende
zugeben. Unrechtsbewusstsein bei Vermieterin und Maklerin
bestürzt.
79 Frau L. berichtet ZARA im November, dass ei- ihren Umbau der Wohnung aufgeklärt und ihr versi-
ner ihrer Bekannten ein afrikanisches Lebens- chert hat, dass ihr Mann ausschließlich in der gemein-
mittelgeschäft in Wien betreibt. Schon von Beginn an samen Wohnung lebt und nicht im Atelier.
gab es Probleme mit der Hausbesorgerin, die offen- Frau I. wird in einem neuerlichen Telefonat von der
bar ein Problem damit hat, dass sehr viele Schwarze Hausverwalterin mitgeteilt, dass auch einige Nach-
dort einkaufen. Am Abend der Geschäftseinweihung barInnen nicht wollen, dass die Wohnung an „N...“[*]
erstattet die Hausbesorgerin gegen 21 Uhr eine Lärm- weitervermietet wird und dass die NachbarInnen dort
belästigungsanzeige bei der Polizei, obwohl im Ge- „kein„Asylantenheim wünschen“ und die Wohnung
schäft nur leise Musik gespielt wird, sich die Anwesen- ab sofort unter Beobachtung der Hausverwalterin
stehe.
den in Zimmerlautstärke unterhalten und das Ende
ZARA klärt Frau I. auf, dass ein solches Verhalten
der Einweihung mit 22 Uhr vorherbestimmt ist und
seitens der Hauseigentümerin und der Hausverwalte-
auch vorher im Haus angekündigt wurde. Auch eine
rin gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Auf
andere Bewohnerin hat sich laut der Hausbesorgerin
Wunsch von Frau I. wurde mit der ➞ Gleichbehand-
schon beschwert, da ihre Wohnung durch die „N...[*]
lungsanwaltschaft Kontakt aufgenommen, um auf
im Haus“ jetzt weniger wert sei.
eine Konfliktlösung mittels Mediation hinarbeiten zu
ZARA sichert Frau L. zu, einen Beschwerdebrief an
können. Zu Redaktionsschluss gibt es diesbezüglich
die Hausverwaltung zu richten, damit diese auf die
noch kein Ergebnis.
Hausbesorgerin einwirkt, um einen ungestörten Ge-
schäftsbetrieb zu ermöglichen. Zu Redaktionsschluss
gibt es in dieser Angelegenheit noch kein Ergebnis.
82 Frau L. ist Österreicherin. Sie ist mit einem
Mann russischer Herkunft verheiratet und
hat dessen Namen angenommen. Die Beiden wollen
Herrn V. Herr W. wird von Herrn V. des Öfteren grund- geschlossen und es werden gegenseitige Entschul-
los als „Slowakenschwein“ beschimpft. Er ist stets be- digungen abgegeben. Auf Anraten von ZARA nimmt
müht, die Beschimpfungen zu ignorieren. Eines Tages Herr W. dieses Angebot an, damit diese Angelegen-
steht Herrn V.s Wagen ungünstig auf dem Parkplatz heit für ihn erledigt ist.
des Hauses, weshalb Herr W. mit seinem Wagen nicht
ausparken kann. Als er sich zur Wohnung des Nach- Die eigenen Rechte kennen
barn begibt, um ihn aufzufordern, sein Auto freizu-
geben, beginnt Herr V., Herrn W. zu beschimpfen. Die
Lebensgefährtin von Herrn V. mischt sich in den Streit Herr Y. ist Brasilianer. Er ist auf Wohnungssuche
ein. Sie zieht einen Pfefferspray aus ihrer Jackentasche und liest folgendes Zeitungsinserat: „50 qm Woh-
und sprüht diesen ohne Vorwarnung in das Gesicht nung, 600 € Hauptmiete, Vermietung nur an ver-
von Herrn W. Dieser hält seine Hände schützend vors trauenswürdige Inländer, Besichtigungstermin
Gesicht und begibt sich so schnell wie möglich zurück am 19.2., 18 Uhr an folgender Adresse: (...)“ Herr
in seine Wohnung. Geschützt durch seine Brille sind Y. beschließt, sich die Wohnung anzusehen. Als
seine Augen gar nicht und seine Wangen nur leicht er zum besagten Termin in der Wohnung eintrifft
gerötet. Er erstattet bei einer Polizeiinspektion Anzei- und den Makler ansprechen möchte, meint die-
ge wegen Körperverletzung, hört jedoch in der Folge ser sofort: „Ja haben Sie das Inserat denn nicht
nichts mehr über allfällige Ermittlungen gegen die Le- gelesen? Die Wohnung wird nicht an Ausländer
bensgefährtin von Herrn V. vermietet, Sie Scheißn...!“[*] Herr Y. verlässt die
Etliche Wochen später erhält Herr W. vom Verein Wohnung im Schockzustand.
Neustart ein Schreiben mit der Aufforderung, sich zu
einem ➞ außergerichtlichen Tatausgleich in deren Was kann Herr Y. tun?
Büro einzufinden. Die Lebensgefährtin von Herrn V. Sowohl das diskriminierende Inserat, das sich nur
hat gegen Herrn W. Anzeige wegen Körperverletzung an „Inländer“ wendet, als auch das diskriminieren-
erstattet, da er sie im Zuge des Streits verletzt haben de Verhalten des Maklers ermöglichen Herrn Y. eine
soll. Anzeige nach Art III Abs 1 Z 3 EGVG (siehe „Die eige-
ZARA begeleitet Herrn W. zum Termin beim Verein nen Rechte kennen“ im Kapitel „Lokale, Geschäfte
Neustart. Dort wird in einem Gespräch mit einem Mit- und Unternehmen“) an die zuständige ➞ Bezirks-
arbeiter von Neustart, der Lebensgefährtin von Herrn verwaltungsbehörde. Zusätzlich hat Herr Y. Ansprü-
V. und Herrn W. ein wechselseitiger Tatausgleich ab- che nach dem Gleichbehandlungsgesetz, dessen
dritter Teil Diskriminierungen beim Zugang zu und
bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistun-
gen, einschließlich Wohnraum, regelt. Wenn sich
Herr Y. an ZARA oder die ➞ Gleichbehandlungsan-
waltschaft wendet, werden diese ihn unterstützen,
einen Antrag an die ➞ Gleichbehandlungskommis-
sion zu stellen, damit diese in einer Einzelfallent-
scheidung darüber urteilt, ob es sich um eine ➞
unmittelbare Diskriminierung und eine ➞ Belästi-
gung („Scheißn...“[*]) aufgrund der ethnischen Zu-
gehörigkeit handelt. Grundsätzlich steht Herrn Y.
auch der Weg zu den Zivilgerichten offen, über die er
Schadenersatz (Ersatz des Vermögensschadens und
eine Entschädigung für die erlittene persönliche Be-
einträchtigung) einklagen kann.
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Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen
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Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen
legen ein Lokal in Salzburg besuchen. Von einem Kol- in die Diskothek eingelassen, ohne dass der Türste-
legen, der im Nahen Osten geboren wurde, verlangt her seinen Ausweis kontrolliert. Gemeinsam mit dem
der Türsteher ausdrücklich zwei unterschiedliche Aus- Freund, der sich gleich wieder mit ihm vor dem Club
weise. Der Kollege kann sogar zwei Ausweise vorle- trifft, geht Herr A. zu den Türstehern und teilt ihnen
gen, wird jedoch trotzdem nicht eingelassen, was der mit, dass sein Freund kein „Stammkunde“ sei, da er die
Türsteher damit begründet, dass er ihn nicht kennen Diskothek heute erst zum zweiten Mal besucht, aber
würde. Auf die Frage von Herrn L., warum sein Kollege problemlos eingelassen wurde. Die Türsteher lassen
trotz der erfolgten Ausweisleistung nicht eingelassen jedoch nicht mit sich reden und verweigern Herrn A.
wird, antwortet der Türsteher, dass er diesbezüglich weiterhin den Einlass.
nur auf Anweisung seines Chefs handeln würde, Herr An einem anderen Abend im Dezember 2008 ver-
L. und die anderen beiden Kollegen aber gerne das sucht Herr A., wieder in den Club zu gelangen, da er
Lokal betreten könnten. nicht glauben will, dass tatsächlich seine Herkunft der
ZARA klärt Herrn L. und seinen Kollegen über die Grund für die Einlassverweigerung ist. Herr A. wird
rechtlichen Möglichkeiten auf. Der diskriminierte Kol- abermals um Vorlage seines Personalausweises gebe-
lege bringt eine Verwaltungsstrafanzeige nach dem ten. Einer der Türsteher prüft diesen und meint bei der
EGVG ein. Wenig später entschuldigt sich der Lokal- Rückgabe: „Heute nicht!“ Herr A. versucht vergeblich,
betreiber bei Herrn L. Die beiden wollen in Zukunft einen Grund für die Einlassverweigerung genannt zu
überprüfen, ob MigrantInnen in das Lokal gelassen bekommen. Ein österreichisch aussehender Freund
werden, und ZARA darüber auf dem Laufenden hal- kommt nach Herrn A. wieder problemlos in den Club.
ten. Mit Unterstützung seiner Familie wendet sich Herr
A. an ZARA. Da das Lokal nicht zum ersten Mal durch
zu treffen. Gemeinsam mit ihnen geht Herr U. in ein sich bei dem Mann um einen Bekannten handelte,
anderes Lokal. der alkoholkrank sei und sich zu Besuch im Geschäft
ZARA dokumentiert den Vorfall. Herr U. hat sich aufhielt. Das Ganze sei ihr furchtbar peinlich.
bereits an die ➞ Gleichbehandlungsanwaltschaft Frau G. und ihr Lebensgefährte sind mit der Ent-
gewandt. Zu Redaktionsschluss ist das Ergebnis der schuldigung zufrieden und wollen keine weiteren
Intervention durch die Gleichbehandlungsanwältin Schritte setzen.
noch offen.
Was wurde aus…? tet und konvertierte vor einigen Jahren aus Überzeu-
gung zum Islam. Sie trägt seither ein Kopftuch. Als sie
Fall 82 Rassismus Report 2007 ihre zweijährige Tochter bei einer Tagesmutter im Jahr
2007 zur Betreuung anmeldet, scheint es zunächst
Im Jänner 2007 möchte Frau P. gemeinsam mit ihrem kein Problem zu geben und sie erhält eine Zusage.
in Afrika geborenen Freund eine Geburtstagsfeier Kurz vor dem vereinbarten Beginn der Betreuung im
einer Freundin in einem Pub in Wien besuchen. Als September besichtigt sie zusammen mit ihrer Tochter
ihrem Freund der Zutritt verweigert wird, meint der die Kindertagesstätte. Am nächsten Tag bekommt sie
Geschäftsführer, dass sie das nächste Mal doch bitte einen Anruf von der Tagesmutter, dass die Betreuung
Bescheid geben solle, falls sie einen Schwarzen mit- doch nicht möglich sei, da Frau B. bei der Besichtigung
nehmen wolle. Daraufhin wechselt die Geburtstags- von anderen Eltern gesehen wurde und diese ihr Kind
gesellschaft in ein Restaurant, das sich in der Nähe nicht gemeinsam mit einem muslimischen Kind be-
befindet, doch auch hier meint der Geschäftsführer, treuen lassen wollen. Die Tagesmutter sagt zu Frau B.,
dass er keine Schwarzen im Lokal haben wolle. dass sie dies verstehen müsse, denn sonst würden die
Gegen beide Lokalbesitzer wird von ZARA eine anderen Mütter ihre Kinder aus der Gruppe nehmen.
Anzeige nach dem EGVG (siehe „Die eigenen Rechte Außerdem könne sie ihre Tochter in einer anderen
kennen“) eingebracht und es laufen Verfahren vor der Betreuungsgruppe in Eisenstadt anmelden, es gäbe
➞ Gleichbehandlungskommission. dort sogar eine ganze Gruppe mit ausschließlich mus-
limischen Kindern. Als sich Frau B. beim Trägerverein
Was 2008 geschah... beschweren will, bekommt sie zu hören, dass es kein
Im März 2008 wird der Freund von Frau P., Herr L., von Problem gegeben hätte, wenn sie sich bei der Besich-
der ➞ Gleichbehandlungskommission zu den dama- tigung „normal“, also ohne Kopftuch gekleidet hätte.
ligen Vorfällen befragt. Im November 2008, mehr als ZARA hat auf Wunsch von Frau B. bei der ➞ Gleichbe-
21 Monate nach der Antragstellung, ergehen die Ent- handlungskommission einen Antrag zur Feststellung
scheidungen der Gleichbehandlungskommission zu einer Diskriminierung beim Zugang zu einer Dienst-
beiden Eintrittverweigerungen. Sowohl hinsichtlich leistung durch die Tagesmutter und den Trägerverein
des Irish Pub als auch hinsichtlich des Restaurants eingebracht.
wird festgestellt, dass die Zutrittsverweigerung bzw.
die Nichtbedienung eine ➞ unmittelbare Diskriminie- Was 2008 geschah...
rung von Herrn L. aufgrund seiner ethnischen Zuge- Frau B. wird im April 2008 von der ➞ Gleichbehand-
hörigkeit im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes lungskommission einvernommen. Im November 2008
darstellen. wird das Prüfungsergebnis ZARA und Frau B. zuge-
Im Prüfungsergebnis bezüglich des Irish Pub rich- stellt. Darin stellt der Senat III der Gleichbehandlungs-
tet der Senat III konkrete Empfehlungen an die Ge- kommission fest, dass sowohl bei Frau B., als auch bei
schäftsführung und den Türsteher. Unter anderem ihrer Tochter eine Diskriminierung aufgrund der ethni-
sollen sich beide mit der geltenden Rechtslage, ins- schen Zugehörigkeit durch die Tagesmutter vorliegt.
besondere dem Gleichbehandlungsgesetz vertraut Außerdem wird festgestellt, dass auch eine Diskrimi-
machen. Weiters sollen von der Geschäftsführung nierung der Tochter durch den Trägerverein vorliegt.
innerbetriebliche Strukturen geschaffen werden, um Warum nicht auch Frau B. durch den Trägerverein dis-
derartige Diskriminierungen in Zukunft zu vermeiden. kriminiert wurde, wird von der Gleichbehandlungs-
Auf der Website des Pub soll ein gut erkennbarer Hin- kommission nicht begründet. Im Prüfungsergebnis
weis auf die Bestimmungen des Gleichbehandlungs- wird dezidiert festgestellt, dass das wirtschaftliche
gesetzes eingefügt und explizit darauf hingewiesen Eigeninteresse eines Dienstleistungsanbieters keine
werden, dass niemand aufgrund seiner ethnischen Rechtfertigung für eine Diskriminierung sein kann.
Zugehörigkeit diskriminiert wird. In dem Prüfungsergebnis richtet der Senat III kon-
Im Prüfungsergebnis bezüglich des Restaurants krete Empfehlungen an die Geschäftsführung des
stellt der Senat III lediglich die Diskriminierung fest, Trägervereins und die Tagesmutter. Beide sollen sich
da es in der Zwischenzeit einen Eigentümerwechsel unter anderem mit der geltenden Rechtslage, ins-
gegeben hat. besondere dem Gleichbehandlungsgesetz vertraut
Beide Entscheidungen finden sich im Internet unter machen. Weiters sollen vom Trägerverein innerbe-
http://www.frauen.bka.gv.at/site/6613/default.aspx. triebliche Strukturen geschaffen werden, um der-
ZARA versucht nun gemeinsam mit dem ➞ Klags- artige Diskriminierungen in Zukunft zu vermeiden.
verband, für Herrn L. den ihm nach dem Gleichbe- Ferner soll auf der Website des Trägervereins ein gut
handlungsgesetz zustehenden Schadenersatz gegen- erkennbarer Hinweis auf die Existenz des Gleichbe-
über beiden Lokalen geltend zu machen. handlungsgesetzes gemacht werden und an dersel-
ben Stelle explizit darauf hingewiesen werden, dass
Fall 96 Rassismus Report 2007 niemand aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit
Frau B. aus Eisenstadt ist mit einem Ägypter verheira- abgewiesen wird und dass sich Personen zur Bera-
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Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen
tung an die ➞ Gleichbehandlungsanwaltschaft wen- fahren ist für den/die AnzeigerIn kostenlos, hat aber
den können. den Nachteil, dass diese/r keine Parteistellung hat
Zu finden ist die Entscheidung im Internet unter und somit das Verfahren nicht beeinflussen kann
http://www.frauen.bka.gv.at/site/6613/default.aspx. und auch kein Auskunftsrecht über dessen Ausgang
Frau B. will nun mit Hilfe ihres Anwalts eine öffent- hat. Ebenso ist dabei keinerlei Entschädigung für
liche Entschuldigung sowohl durch den Trägerverein, den/die Diskriminierte/n vorgesehen. Wer mehrfach
als auch durch die Tagesmutter erwirken. gegen Art III Abs 1 Z 3 EGVG verstößt, dem kann die
Gewerbebehörde die Gewerbeberechtigung entzie-
hen. Fälle, die zeigen, dass dies schon einmal pas-
Die eigenen Rechte kennen
siert ist, sind ZARA nicht bekannt.
Teil 3 des Gleichbehandlungsgesetzes sieht vor,
Herr D. aus Nigeria ist Asylwerber. Er möchte ei- dass sich Personen, die aufgrund ihrer ethnischen
nes Abends gemeinsam mit seiner Freundin eine Zugehörigkeit beim Zugang zu Gütern und Dienst-
Diskothek besuchen. Der Türsteher weist ihn je- leistungen diskriminiert werden, zur Feststellung
doch mit folgender Bemerkung ab: „Du darfst dieser Diskriminierung an die ➞ Gleichbehand-
heute nicht hinein, aber Deine Freundin lassen lungskommission wenden oder Schadenersatzan-
wir rein.“ Nach dem Grund gefragt, erwidert sprüche vor den Zivilgerichten geltend machen
der Türsteher: „Heute dürfen nur Stammgäste können. In beiden Fällen hat Herr D. Anspruch auf
mit Clubausweis herein.“ Herr D. sieht, dass bei Ersatz des tatsächlich erlittenen Vermögensschadens
anderen Gästen, die aussehen als wären sie ös- und zusätzlich auf Entschädigung für die erlittene
terreichischer Herkunft, solch ein Ausweis nicht persönliche Beeinträchtigung durch die Einlassver-
verlangt wird, kann aber beobachten, dass ein weigerung bzw. die Weigerung, ihm einen Anzug zu
weiterer Mann dunklerer Hautfarbe ebenfalls verkaufen.
aufgrund eines fehlenden Clubausweises nicht Im Fall der Diskothek wurde Herrn D. zwar nicht
eingelassen wird, und tauscht mit ihm die Tele- ausdrücklich gesagt, dass er aufgrund seiner Her-
fonnummern aus. Daraufhin ruft Herr D. die Poli- kunft nicht eingelassen wird, doch sieht das Gesetz
zei. Kurze Zeit später kommen zwei BeamtInnen vor, dass Herr D. das Vorliegen dieses diskriminie-
hinzu, die jedoch meinen, dass sie für eine solche renden Einlassverweigerungsgrundes nur glaub-
Einlassverweigerung nicht zuständig seien. Am haft machen muss, was ihm durch die Aussage des
darauf folgenden Tag möchte Herr D. in einem ebenfalls nicht eingelassenen Afrikaners, mit dem er
Geschäft einen Anzug kaufen. Der Eigentümer Telefonnummern ausgetauscht hat, gelingen wird.
des Ladens meint, er verkaufe an „Scheiß-Dro- Der Diskothekenbetreiber muss nun seinerseits be-
genn...“[*] nichts und verweist ihn des Geschäfts. weisen, dass andere Gründe für die Einlassverweige-
Als Herr D. meint, das könne doch nicht sein Ernst rung vorgelegen sind. Im Fall des aggressiven Lade-
sein, stößt ihn der Eigentümer aus dem Laden neigentümers liegt zusätzlich zur Diskriminierung
und versetzt ihm einen Tritt, der in einer sichtba- beim Zugang eine so genannte Belästigung vor.
ren Prellung am Oberschenkel resultiert, die Herr Durch die Beschimpfung als„Scheiß-Drogenn...“[*]
D. im Krankenhaus auch diagnostizieren lässt. und die körperlichen Attacken wird Herr D. zusätzlich
in seiner Würde verletzt und ein einschüchterndes,
Was kann Herr D. tun? beleidigendes und demütigendes Umfeld für Herrn
In beiden Fällen kann er gemäß Artikel III Abs 1 Z 3 D. geschaffen. Aufgrund der zugefügten Verlet-
EGVG und nach dem 3. Teil des Gleichbehandlungs- zungen kann Herr D. zudem Schmerzengeld für die
gesetzes gegen den Türsteher, den Diskothekbetrei- durch die Belästigung erlittene persönliche Beein-
ber und den Eigentümer des Geschäftes vorgehen. trächtigung einklagen. Der Mindestschadenersatz
Artikel III Abs 1 Z 3 EGVG ist eine Verwaltungsstrafbe- beträgt 400 Euro.
stimmung im so genannten „Einführungsgesetz zu
den Verwaltungsverfahrensgesetzen“, die besagt, Wie ist das Verhalten der Polizei zu werten?
dass jemand, der Personen aufgrund z.B. ihrer Haut- Es handelt sich bei Art III EGVG um ein so genann-
farbe, ihrer ethnischen Herkunft oder ihres religiösen tes Offizialdelikt, d.h. dass PolizeibeamtInnen einen
Bekenntnisses ungerechtfertigt benachteiligt oder am Vorfall, den sie selbst wahrnehmen und der unter
Betreten von Orten oder bei der Inanspruchnahme diese Verwaltungsstrafbestimmung fallen könnte,
von Dienstleistungen hindert, eine Verwaltungsüber- von sich aus protokollarisch aufnehmen und an die
tretung begeht und eine Strafe von bis zu 1.090 Euro zuständige Behörde (➞ Bezirksverwaltungsbehör-
erhalten kann. de bzw. in Wien an das zuständige Magistratische
Für diese Anzeigen sind die ➞ Bezirksverwal- Bezirksamt) weiterleiten müssen oder, wenn ihnen
tungsbehörden (in Wien: die Magistratischen Be- ein entsprechender Vorfall berichtet wird, eine An-
zirksämter) zuständig. ZARA kann für Herrn D. eine zeige aufnehmen und ebenso weiterleiten müssen.
schriftliche Anzeige an die Behörde richten. Das Ver-
59
Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit
ZÄHNE
ZEIGEN
www.sjoe.at
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen
3
Ausführliche Informatio- „Jugend am rechten Rand“: Diese Überschrift zier- rechtsbildung als auch Politische Bildung und Inter-
nen über das Trainings-
Angebot von ZARA te nach der Nationalratswahl 2008 die Titelseite des kulturelles Lernen als Unterrichtsprinzipien verankert,
siehe http://www.zara.or.at/ Nachrichtenmagazins profil. Denn FPÖ und BZÖ ge- vielen LehrerInnen ist diese Tatsache jedoch nicht
trainings.
meinsam erreichten bei 16- bis 19-jährigen WählerIn- einmal bekannt, wie Bildungspsychologin Dagmar
4
Für den Artikel führte René
nen die Mehrheit. Aber nicht nur das, es war vor allem Strohmeier in einer Studie feststellte5. Die Einführung
Rusch Interviews mit den das so genannte „Ausländerthema“, das den Aus- von Politischer Bildung als Unterrichtsfach an AHS im
ZARA-TrainerInnen Susanne
Bali, Karin Bischof, Volker schlag für die Wahlentscheidung für das dritte Lager Jahr 2003 hat teilweise sogar dazu geführt, dass die
Frey und Katrin Wladasch.
Informationen über die
gegeben hat. „Wie konnte das passieren?", fragte sich Zuständigkeit für „solche Themen“ ganz generell an
TrainerInnen finden Sie nicht nur das profil. Und: Sind Jugendliche in Öster- die für die Vermittlung dieses Faches zuständigen Ge-
unter http://www.zara.or.at/
index.php/trainings/traine- reich wirklich „so rechts“? schichtslehrerInnen abgegeben wurde.
rinnenpool
Antworten auf diese Fragen zu finden ohne zu Dass die Bereitschaft bei den Schulen sehr wohl
pauschalisieren ist schwer, denn „die Jugend“ gibt es vorhanden ist, zu Themen im Zusammenhang mit
Strohmeier, Dagmar/
5
nen eben nur einen Anfang machen. Dennoch setz- Die TrainerInnen sehen darin auch einen Grund,
ten manche PädagogInnen allzu hohe Erwartungen warum die LehrerInnen im Umgang mit den Schüle-
in die Workshops und hoffen, dass rassistische Vorur- rInnen dann auf die Moral setzen: „Wenn zum Beispiel
teile nach einem vierstündigen Workshop Schnee von Sprüche kommen wie „Türken gehören verprügelt“
gestern sind. Andere wiederum geben die Verantwor- oder „Türken stinken“, reagieren die LehrerInnen ent-
tung überhaupt an die TrainerInnen ab. setzt und sagen „Das darf man nicht, das ist rassis-
Die ZARA-TrainerInnen stoßen in den Schulen auf tisch“, erzählt Bali. In der Arbeit mit Jugendlichen be-
viele strukturelle Probleme, mit denen auch die Leh- wirkt dies jedoch meist wenig, da es die SchülerInnen
rerInnen zu kämpfen haben. So erschwert etwa die weder überzeugt noch sie zum Nachdenken bringt.
Infrastruktur in vielen Fällen das Arbeiten mit einer Auch hier zeigt sich ein Vorteil von externen Work-
Klasse: „Manchmal gibt es in einer Schule ein tolles shops, denn meistens fehlt im Schulalltag die Zeit,
LehrerInnenteam, aber das Schulgebäude ist ein Alp- um auf Sprüche oder Konflikte einzugehen. „Wenn
traum. Es gibt keinen Pausenhof, die SchülerInnen jemand sagt „Kill N...[*], dann kann ich mich im Work-
dürfen in der Pause nicht auf den Gang, sie können shop eine halbe Stunde hinsetzen und darüber reden,
sich nach zwei Stunden nicht mehr konzentrieren, was eine Tötungsaufforderung bedeutet“, meint die
weil sie keine Bewegungsfreiheit haben, sondern sich ZARA-Trainerin. „Die Jugendlichen probieren gerade
buchstäblich ständig auf die Füße steigen. Oder du bei uns aus, wie weit sie gehen können. Wir versuchen
kommst in Klassen, die einfach zu klein für 28 Schüle- dann, das zu hinterfragen und mit ihnen zu diskutie-
rInnen sind“, schildert ZARA-Trainerin Karin Bischof. ren. Es ist auch spannend, sie selbst darüber diskutie-
So ist es kein Wunder, dass die ZARA-TrainerInnen ren zu lassen, dann hast du vier oder fünf Meinungen,
in den Schulen immer wieder in die Situation kom- die alle ihre Berechtigung haben. Das ist viel wertvol-
men, Löcher zu stopfen, und zwar nicht nur, was das ler als ein 15-minütiger Vortrag.“
Thema des positiven Umgangs mit gesellschaftlicher
Vielfalt betrifft. In vielen Fällen kommen SchülerInnen Folgen des gesellschaftlichen Diskurses
bei den Workshops zum ersten Mal in den Genuss ei-
ner demokratisch geführten Diskussion – und in man- Nicht zuletzt das gute Abschneiden des dritten Lagers
chen Workshops ist dies das Einzige, was die Traine- bei der Nationalratswahl 2008 lässt es geradezu fahr-
rInnen vermitteln können. „Mehr geht oft nicht, weil lässig erscheinen, dass sich Jugendliche in der Schule
sie nur Frontalunterricht gewohnt sind und unsere nicht stärker mit gesellschaftlicher Vielfalt beschäfti-
Art zu arbeiten – sehr offen, sehr interaktiv, wo es sehr gen. Für die TrainerInnen war dieses Ergebnis wenig
stark um Meinungsaustausch und um einen Perspek- überraschend, ihrer Ansicht nach hat sich der Diskurs
tivenwechsel geht – für sie ungewohnt ist“, berichtet über MigrantInnen und Menschen mit Migrations-
Bischof. hintergrund in den vergangenen Jahren verschärft.
Dass Frontalunterricht nach wie vor als Methode „Selbst Jugendliche, die man gemeinhin als »alter-
vorherrscht, hat seine Ursachen auch in Defiziten in nativ« beschreiben würde (z. B. weil sie Dreadlocks
der PädagogInnenausbildung, was interaktive Metho- tragen), nehmen fremdenfeindliche oder rassistische
den und Menschenrechtsausbildung betrifft. Dies ist Standpunkte ein. Da ist sozusagen der erste Satz
vor allem bei AHS-LehrerInnen ein Problem, aber auch »Cannabis muss freigegeben werden!« und der zweite
in der Ausbildung der PflichtschullehrerInnen sind die Satz lautet bereits: »Es sind schon zu viele Ausländer in
Angebote viel zu punktuell. Vielen PädagogInnen Wien«”, beschreibt Frey Unterschiede, die er feststellt.
brennen die Themen nämlich unter den Fingern, al- Die TrainerInnen stellen bei Jugendlichen ähnli-
lerdings fehlen ihnen schlichtweg die Methoden, um che Tabubrüche fest, wie sie ZARA in der Gesellschaft
adäquat mit den Jugendlichen über das Thema „ge- insgesamt kritisiert. Es hat sich eine sehr eindimensi-
sellschaftliche Vielfalt“ arbeiten zu können. Insofern onale Diskussion breitgemacht, in der viele einfache
ist es wenig überraschend, wenn manche gegenüber Antworten angeboten werden – und auf Resonanz
den ZARA-TrainerInnen bemängeln, dass sie sich nicht stoßen: „Die »Ausländer raus«-Diskussionen und die
kompetent genug fühlen, um Probleme in diesem Zu- Angstmache funktioniert bei Jugendlichen sehr gut“,
sammenhang anzusprechen.
stellt Bischof fest. Dass Jugendliche anfälliger für Pa- erklären“, berichtet Bischof.
rolen von rechts sind, das bezweifeln die TrainerInnen Viele der vermeintlichen „AusländerInnen“ erzäh-
allerdings, denn manche SchülerInnen sind mit sehr len in den Trainings von Erfahrungen mit Alltagsras-
realen Ängsten konfrontiert: „Gerade im Polytechni- sismen. Dazu kommen Ängste und eine große Verun-
kum oder in Berufsschulen haben die SchülerInnen sicherung, die nicht selten in Rassismus umschlagen,
schon ein Stück weit Angst, die VerliererInnen der etwa wenn die „einen“ über „die Ausländer“ und die
Gesellschaft zu sein, daher stellt sich für sie die Fra- „anderen“ über die „Schwabos“ (Schimpfwort für „Ös-
ge: »Gibt es für mich einen Platz in der Gesellschaft terreicher“ oder „Deutsche“) schimpfen.
oder habe ich diesen eh schon verloren?«“, schildert
Bischof ihre Wahrnehmung. Dazu kommt, dass sich in Das Kopftuch: Ein neues Thema
erster Linie der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der
Die Vorurteile und Stereotype, die während der Trai-
Jugendlichen angenommen hat. „Ich denke, dass die-
nings artikuliert werden, haben sich im Lauf der Zeit
ser Rechtsruck vor allem ein Auftrag ist, sich um diese
verändert. Noch vor wenigen Jahren war das Vorurteil
Gruppe zu kümmern. Das heißt in erster Linie mit den
verbreitet, alle Schwarzen seien Drogendealer. Die-
Jugendlichen zu reden“, meint die ZARA-Trainerin.
se Diskussion ist in den Hintergrund gerückt, an ihre
Von Bedeutung ist nicht nur, dass von rechten Par-
Stelle sind Vorurteile über Frauen mit Kopftuch getre-
teien einfachere Konzepte angeboten werden, son-
ten, zusammengefasst sehen sie in etwa so aus: „Sie
dern dass sie überhaupt Antworten geben, seien sie
sind allesamt Sonderschulabgängerinnen, können
noch so eindimensional. „Es fehlen role-models und
nicht oder nur schlecht Deutsch, haben mindestens
opinion-leader, die angstfreier auf das Thema Vielfalt fünf Kinder, erleben Gewalt in der Familie und sind
zugehen, die kommunizieren, was uns Vielfalt bringt unterdrückt.“ „Wir arbeiten stark mit den Bildern, die
und so weiter. Dafür wären Jugendliche genauso »an- wir alle im Kopf haben, und versuchen gemeinsam
fällig«. Ich glaube Jugendliche sind anfällig für Ant- mit den TeilnehmerInnen zu ergründen, woher sie
worten, weil sie sehr viele Fragen haben – und es gibt kommen und was wir mit ihnen machen. Vor ein paar
so wenig Antworten“, kritisiert Bischof. Jahren wären bei einer Frau mit Kopftuch lange nicht
Einfache Antworten liefert auch die Gesellschaft, so viele Bilder gekommen“, stellt Bischof fest (siehe
etwa in der Verkürzung der Debatten über Integration auch Interview mit Politikwissenschafterin Leila Hadj-
auf einen Konflikt zwischen In- und AusländerInnen. Abdou, Seite 67).
Diese Polarisierung ist auch bei den Jugendlichen in- Darüber hinaus sprechen Jugendliche in den Trai-
zwischen eine Realität. Sie führt unter anderem dazu, nings sehr konkrete Konflikte an. „Es geht sehr oft um
dass selbst Jugendliche, die in Österreich geboren den öffentlichen Raum, also Parks, Fußballplätze und
sind und die österreichische Staatsbürgerschaft ha- so weiter, und wer ihn verwenden kann. Da finden
ben, als „AusländerInnen“ wahrgenommen werden – teilweise »Vertreibungskämpfe« statt und das ist eine
und sich selbst auch als „anders“ definieren. „Kürzlich ganz große Spielwiese für Vorurteile“, erzählt Bali. Ein
ist es mir in einer Klasse tatsächlich passiert, dass mir anderes Thema ist die Sprache, wie ihre Kollegin Ka-
die Jugendlichen, als ich sie nach der Geschichte ihres trin Wladasch illustriert: „Immer wieder sagen »öster-
Namens gefragt habe (welche Bedeutung hat er, wer reichische Kids«, dass es sie stört, wenn sich andere in
hat ihn ausgesucht, gibt es einen Spitznamen etc.), ihrer Muttersprache unterhalten und sie es nicht ver-
nicht nur den Namen genannt haben, sondern mir stehen, weil sie sich dann ausgegrenzt fühlen.“ Auch
anschließend – ungefragt – ihre nationale Herkunft diese Themen müssen angesprochen werden, um zu
unterbreitet haben – und das mit 12 Jahren! Warum verhindern, dass Konflikte prolongiert werden statt
das so wichtig ist, konnte mir die Gruppe jedoch nicht sie zu lösen.
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen
7
Zum ZARA-Zugang zum
Thema Integration siehe
tegration ist das Abgehen von der Polarisierung zwi- dies im Rahmen einer umfassenden Beschäftigung
ZARA-Diskussionspapier schen In- und AusländerInnen. ZARA tritt für einen mit den Themen Rassismus/Diskriminierung und Zi-
zum „Integrationsbericht“
von Ex-Innenminister proaktiven Zugang ein: Nicht nur in der Bildungspoli- vilcourage. Im Rahmen von pädagogischen Schwer-
Günther Platter von ZARA-
Obmann Dieter Schindlauer tik, sondern insgesamt ist es dringend nötig, nicht an punktsetzungen oder Unterrichtsprojekten bieten wir
im Rassismus Report 07 Problemen, die Menschen mit Migrationshintergrund zur Unterstützung Workshops an. Informationen zum
sowie unter http://www.
zara.or.at/_doc/2008/Integ- oder MigrantInnen zugeschrieben werden, sondern ZARA-Trainingsangebot finden Sie unter: http://www.
rationsplattform.pdf
an der Frage, wie Chancengleichheit für alle gewähr- zara.or.at/trainings.
leistet werden kann, anzusetzen 7. ZARA bietet ein E-Learning-Tool „Anti-Diskriminie-
Viele Probleme haben weniger mit Migrationshin- rung“ an, bei dem Sie in unsere Trainingsinhalte hin-
tergründen zu tun als mit sozialen Aspekten. Durch einschnuppern können: http://www.zara.or.at/materi-
die Reduzierung auf den nationalen oder kulturellen alien/gleiche-chancen/elearning/
Aspekt werden Konflikte in einer Gesellschaft prolon- Die ZARA-Werbespots „3x45 Sekunden Zivilcoura-
giert statt gelöst. Schlimmer noch, es werden Voraus- ge“ finden Sie unter http://www.filmproduktion.org/
setzungen dafür geschaffen, dass Menschengruppen zaraspots/, in besserer Qualität sind die Spots um 10
gegeneinander ausgespielt werden – und letztlich Euro (7 Euro für fördernde Mitglieder) auch in unse-
wird dadurch Rassismus gefördert. rem Webshop unter http://www.zara.or.at/index.php/
unterstuetzen/shop erhältlich.
Weiterführende Materialien zu den The- Unter http://www.zara.or.at/_doc/2008/Literaturlis-
men Rassismus, Diskriminierung und Zi- te_RR07.pdf finden Sie eine Literatur- und Materiali-
vilcourage: enliste zur methodischen und inhaltlichen Unterstüt-
zung.
Im Rassismus Report 07 finden Sie auf den Seiten 73
und 74 Vorschläge zum Einsatz des Rassismus Re- Sonja Fercher
port als Bildungsmaterial (Sie können diesen bei
ZARA bestellen oder unter http://www.zara.or.at/ras-
sismusreport als pdf downloaden). Im Idealfall erfolgt
66
Jugend und Diversity · Das Kopftuch ist...
Politikwissenschafterin Leila Hadj-Abdou über ein vieldiskutiertes Thema bei ZARA:Trainings an Schulen
Das Kopftuch ist... die vielmehr als solche stilisiert wird. Bei Musliminnen
...„Erkennungszeichen des politischen Islam und der Un- hingegen geht es um die „Anderen“, die als „Fremde“
terdrückung der Frauen“ konstruiert werden. Dass dem Kopftuch so oft eine
...„Flagge der islamistischen Kreuzzügler“ (Schwarzer) politische, kulturell „fremdartige“ Aussage unterstellt
...„ein Unterdrückungsmechanismus“ (Dohnal)? wird, hängt auch damit zusammen. Dadurch entsteht
dieses Bild, dass der Nonnenhabit eine rein religiöse
Was ist Ihre Position zu solchen Aussagen, die dem Kopf- Praxis, das andere aber politisch, kulturell konnotiert
tuch eine politische Funktion unterstellen? ist. Aber das kann man so nicht trennen: Jede religiöse
Man kann nicht sagen, was generell „die“ Funktion des Praxis ist auch kulturelle Praxis.
Kopftuchs ist. Es hat viele unterschiedliche Bedeutun-
gen, die oft sogar im Gegensatz zueinander stehen: Es Jene, die behaupten, dass Frauen, die das Kopftuch tra-
kann für Unterdrückung stehen, muss es aber nicht. gen, großteils dazu gezwungen werden: Woher nehmen
Das Kopftuch kann ein Zeichen für Emanzipation sein sie dieses „Wissen“? Gibt es empirische Erkenntnisse über
oder eine Strategie, um Räume der Freiheit zu erlan- die Motivationen, ein Kopftuch zu tragen?
gen. Man muss sich immer anschauen, wer so etwas Für Österreich im Speziellen gibt es keine repräsen-
sagt und mit welchen Motiven diese Person spricht. tativen Erhebungen dazu, aber es gibt aussagekräfti-
Da muss man jede Aussage in ihrem Kontext analysie- ge Studien aus anderen Ländern, die zeigen, dass es
ren. Die Frage ist, warum wird eine Bedeutung hervor- viele verschiedene Gründe dafür gibt, warum Frauen
gehoben und eine andere nicht: Das sagt dann meist das Kopftuch tragen. In der Diskussion wird oft aus-
schon sehr viel aus. geblendet, was muslimische Frauen selbst sagen.
Was das Geschlechterargument anbelangt, das Auf diese Weise kann man dieses „Wissen“ über eine
in diesem Zusammenhang oft gebracht wird: Damit vermeintliche, allgemeine Unterdrückung quasi auf-
werden sehr stark binäre Oppositionen geschaffen – rechterhalten.
quasi zwischen der emanzipierten österreichischen
oder europäischen Frau auf der einen Seite und der Ist es nicht die gleiche Form von Unterdrückung/Diskri-
nicht-emanzipierten Migrantin auf der anderen. Da minierung: eine Frau gegen ihren Willen zu zwingen, ein
kommt es ganz stark zu einer Hierarchisierung von Kopftuch zu tragen – oder eine Frau gegen ihren Willen
Gleichheitsansprüchen: Geschlechtergleichheit wird zu zwingen, das Kopftuch abzunehmen?
als wichtiger dargestellt als der Gleichheitsanspruch Beides sehe ich als problematisch, weil beides einen
zugewanderter Menschen bzw. das Recht auf kultu- zwanghaften Charakter hat. In Einwanderungsge-
relle Differenz. Das halte ich für sehr problematisch, sellschaften, wo der Islam eine Minderheits-Religion
denn meines Erachtens ist beides wichtig. ist und dieses Thema eine Minderheit betrifft, das
Kopftuch zu verbieten, ist natürlich speziell problem
In der Debatte gewinnt man oft den Eindruck, als ginge behaftet.
es um Frauenrechte vs. religiöse Rechte. Geht nicht so- Prinzipiell sind derartige Verbote aus meiner Sicht
wohl als auch? nie zu befürworten, wenngleich sich die Frage natür-
Ich glaube nicht, dass dieses Thema gänzlich konflikt- lich in muslimischen Mehrheitsgesellschaften anders
frei vonstatten gehen kann. Liberale Demokratien, die darstellt. Doch überall dort wo Menschen generell
ja verschiedene Freiheitsrechte festschreiben, bergen Normen, sei es nun gesetzlich oder gesellschaftlich,
schon von ihrer Verfasstheit her Widersprüche in sich. aufgezwungen werden, ist das zu hinterfragen.
Umso wichtiger ist es, sich zu überlegen, wie man
Konflikte in einer partizipatorisch-emanzipatorischen Was wären Konsequenzen eines staatlichen Kopftuch-
Weise lösen kann. verbotes? Würde das nicht weitere und vertiefende Un-
gleichheiten für Frauen der Minderheitsgruppe bedeu-
Um den Vergleich mit dem Kopftuch der Nonne zu brin- ten?
gen: Einer Ordensschwester nimmt man gemeinhin ab, Ja, auf jeden Fall. Es wäre eine weitere Verfestigung
dass sie den Nonnenhabit aus religiösen Gründen trägt; von Ungleichheitsstrukturen und es hätte wohl auch
dass es ein Zeichen von Frömmigkeit darstellt. Warum Auswirkungen auf andere Bereiche. In Deutschland
nehmen manche es den Muslimas dagegen so ungern zum Beispiel stellen Anti-Diskriminierungs-Stellen
ab, das Kopftuch einfach nur als Ausdruck ihres Glau- fest, dass das teilweise bestehende Kopftuch-Verbot
bens zu tragen? im öffentlichen Dienst starke Auswirkungen auf den
Weil es bei Nonnen um die „eigene“ Religion geht bzw. privaten Arbeitsmarkt hat: Wenn es im öffentlichen
67
Jugend und Diversity · Das Kopftuch ist...
8
Nähere Informationen Bereich legitim ist, das Kopftuch zu verbieten, denkt unterschiedlichen Kategorien und es wird ausgeblen-
über das Projekt sowie
einen Folder finden Sie sich der/die private Arbeitgeber/in eher, dass es rech- det, dass die Mehrheitsgesellschaft genau so divers,
unter http://www.zara.or.at/ tens ist keine Frauen mit Kopftuch einzustellen. arm, reich, sozial ausgrenzt, vernetzt etc. ist wie die so
peereducation
Ein Kopftuch-Verbot würde gerade jene behindern, genannte Minderheitsgesellschaft.
die in ihrem Streben nach Berufstätigkeit einen eman- Wenn man sich die Maßstäbe ansieht, die in der
zipatorischen Weg zu beschreiten versuchen. Und das Forschung, aber auch in Alltagsdiskursen angewen-
ist in Wahrheit das Verräterische an der ganzen Debat- det werden, wird verständlich warum sich so manche
te: Gerade wenn es um Migrantinnen geht, die einen Bilder verfestigen können: Von der zweiten Generati-
sozialen Aufstieg für sich in Anspruch nehmen wollen, on etwa wird oft behauptet, die integrieren sich nicht,
werden die Forderungen nach Verboten laut. haben keinen Kontakt zu Österreichern etc. Wenn man
bei so genannten ÖsterreicherInnen diese Maßstäbe
Wie sieht die reale Lebenssituation für Frauen mit Kopf- anwenden würde, wie dies mittlerweile schon einige
tuch in Österreich aus? Zum Beispiel am Arbeitsmarkt, gute Studien gemacht haben, zeigt sich zum Beispiel,
bei der Lehrstellensuche etc.? dass auch „ÖsterreicherInnen“ vermehrt Umgang mit
Eine Antwort darauf zu geben ist schwierig, denn es „ÖsterreicherInnen“ haben. Nach diesen Maßstäben
gibt keine konkreten Daten dazu. Was man von Einzel- wären „die“ ÖsterreicherInnen überhaupt nicht integ-
studien jedoch weiß – das AMS hat zum Beispiel eine riert, weil sie unter sich bleiben. Hingegen wird aber
Studie über Jugendliche am Arbeitsmarkt in Auftrag nur bei MigrantInnen von Integration gesprochen.
gegeben8 – ist, dass das Kopftuch als problematisch Der/die „Andere“ wird in alltagskulturellen Formen
wahrgenommen wird, und zwar in dem Sinne, dass es wie Filmen, Medien aber auch im wissenschaftlichen
eine Barriere für die Arbeitssuche darstellt. Diskurs reproduziert. Und dadurch wird das, was ei-
Dass es Frauen mit Kopftuch am Arbeitsmarkt sehr gentlich nicht das Andere wäre zum Anderen stilisiert.
schwer haben, kann man daran erkennen, dass man Und damit werden letztlich viele Ängste produziert.
in der „sichtbaren“ Arbeitswelt nach wie vor kaum
auf Frauen trifft, die ein Kopftuch tragen. Nun gibt es Interview: René Rusch
die erste Straßenbahnfahrerin mit Kopftuch bei den
Wiener Linien – das ist erfreulich, aber dass dies eine Leila Hadj-Abdou hat Politikwissenschaft/Geschich-
Meldung wert ist, zeigt ja, dass es nach wie vor die te und Tourismusmanagement in Wien und Budapest
Ausnahme ist. An dieser fehlenden Sichtbarkeit kann studiert. Sie arbeitet an ihrem Doktorat zu Politischer
man ganz gut „sehen“, dass die Situation für Frauen Mobilisierung von muslimischen Frauen. Seit 2003 ist sie
mit Kopftuch am Arbeitsmarkt schwer ist. wissenschaftliche Mitarbeiterin und seit 2004 Lektorin
am Institut für Politikwissenschaft.
Das Kopftuch löst bei vielen ÖsterreicherInnen offenbar Unter anderem ist sie Mitarbeiterin des EU-Projekts
Unmut/Aggression/Angst aus (siehe Internet-Foren, Pos- VEIL ("Values, Equality and Differences in Liberal Demo-
tings etc.). Können Sie nachvollziehen, warum das Kopf- cracies. Debates about Muslim Headscarves in Euro-
tuch so starke Ressentiments hervorruft? pe"), bei dem ForscherInnen aus Österreich, Dänemark,
Der mediale Diskurs transportiert ja genau diese Frankreich, Deutschland, Griechenland, den Niederlan-
Ängste. Was meines Erachtens oft unterschätzt wird, den, der Türkei und Großbritannien Unterschiede in der
ist auch die Rolle von Populärkultur (Filme etc.). Da Gesetzgebung in Bezug auf das Kopftuch und die ver-
werden ja auch diese Bilder mitgeliefert. Auch Wissen- schiedenen Bedeutungen in den politischen Debatten
schaft kann solche Denkweisen verfestigen. untersuchen.
Es ist schon ein Problem, dass die Debatte über
Integration von Differenzen ausgeht: Also Migranten- René Rusch ist Politikwissenschaftler und arbeitet als
gruppe A hat sich in die Mehrheitsgesellschaft B zu Grafiker und Regisseur beim Landesstudio Wien des ORF.
integrieren. Allein das verfestigt schon das Denken in Außerdem ist er Ehrenamtlicher von ZARA.
68
Jugend und Diversity · peer education
69
Jugend und Diversity · peer education
provokant oder destruktiv sein, wie sie es selbst teils zeptiert. Als ZARA-Trainerinnen, die selbst unzählige
in den Auswahlseminaren waren? Habe ich mir alles Workshops in Schulklassen abgehalten haben, sehen
gemerkt, werde ich auf Fragen passend reagieren wir die Vorteile einer peer education vor allem dar-
können oder wegen eines Black-outs vor der Klasse in, dass von Jugendlichen für Jugendliche geleitete
verstummen?“ So lassen sich die Sorgen der Schüle- Workshops die Vertrauenswürdigkeit, die Glaubwür-
rInnen vor ihrem ersten Trainingseinsatz wohl am bes- digkeit und die inhaltliche Akzeptanz der Workshop-
ten zusammenfassen. Themen steigern.
Wieder ist es nicht klar, wer vom Ergebnis über-
raschter war: Wir als ihre Ausbildnerinnen oder die Karin Bischof ist ZARA-Trainerin für Awareness-Raising,
Jugendlichen selbst. Das Feedback war durchwegs Anti-Diskriminierung und Zivilcourage sowie ausgebil-
äußerst positiv – die Jugendlichen hören zu, machen dete Argumentationstrainerin (ÖGpB). Sie war Chefre-
mit, diskutieren und vor allem, das Thema wird ernst dakteurin für den Rassismus Report 2007, von 2005 bis
genommen und für enorm wichtig gehalten. In den 2007 war sie Leiterin der ZARA-Öffentlichkeitsarbeit und
Feedbackbögen zu den peer-Workshops stehen Aus- des Moduls Training. Diplomandin der Kultur- und Sozi-
sagen, die in etwa so lauten: „Es sollte öfters über so alanthroplogie.
aktuelle Themen diskutiert werden“, „Weiter so!“ oder
„Cool von Jugendlichen zu lernen…“ Susanne Bali ist Psychologin und Trainerin im Selbstbe-
Neben den Nachdenkprozessen, die durch die Trai- hauptungsbereich. Bei ZARA im Projekt „Gleiche Chan-
nings bei den Jugendlichen ausgelöst wurden, be- cen im Betrieb“ mitverantwortlich für Evaluierung und
stätigte sich, welche Vorteile die peer education mit Monitoring. Beschäftigt sich seit langem sowohl theore-
sich bringt. Die jungen TrainerInnen werden von ihren tisch als auch praktisch mit dem Themenkreis Diskrimi-
AlterskollegInnen nicht demontiert, ganz im Gegen- nierung und Empowerment.
teil: Sie wurden in ihrer Rolle als TrainerInnen voll ak-
© City&Life, 2008
Jugend und Diversity · „Gebe Menschen mehr Chancen“
Zu den Trainings: Wie ist es Ihnen denn bei Ihrer Premiere Warum meinen Sie, dass das so ist?
als peer-Trainerin ergangen? Angela S.: Ich denke mir, sie [die Trainingsteilneh-
Angela S.: Am Anfang war ich schon urnervös, aber merInnen, Anm.] wissen dann nicht, was sie da alles
mit der Zeit wurde alles viel leichter und ich konnte sagen können. Zum Beispiel die eigene Meinung
mehr ich selbst sein. sagen oder den anderen zuhören – das ist zwar klar
und das weiß jeder, aber so richtig sagen tut es auch
Haben die KollegInnen Sie als Trainerin anerkannt? keiner.
Romina R.: Ich glaube, sie nehmen es lockerer auf,
wenn wir das machen, als wenn das eine erwachsene Waren Sie selbst schon mit Vorurteilen konfrontiert?
Person machen würde. Sie sehen das eher kumpelhaft Romina R.: Ja, ich wohne am Rennbahnweg im 22.
und nehmen mehr Rücksicht. Bezirk und da heißt es oft „beim Gsindel“ oder „Ja, die
vom Rennbahnweg sind alle so“ oder „Die wohnt am
Vor gleichaltrigen SchülerInnen in einer Klasse zu stehen, Rennbahnweg und mit denen wollen wir nichts zu
ist sicher nicht einfach. Hatten Sie Angst davor, wie es tun haben.“
werden würde?
Romina R.: Ja, weil ich mir gedacht habe, wenn das Haben Sie Vorurteile bei sich selbst wahrgenommen?
so eine chaotische Klasse ist wie meine eigene… Als Angela S.: Ich habe schon gewusst, dass ich viele Vor-
die Susi und die Karin [ZARA-Trainerinnen] da waren, urteile habe.
hat keiner aufgepasst, besonders von den Jungs. Da
habe ich mir gedacht, wenn das so eine Klasse wird: Hat sich durch das Training etwas an Ihrer Wahrneh-
Davor habe ich schon Angst gehabt. Aber es waren mung von eigenen Vorurteilen geändert?
ganz liebe Leute. Angela S.: Ja, ich denke, ich bin viel nachdenklicher
geworden. Heute sag ich nicht mehr gleich: „Oh, der
Hat es Ihnen denn Spaß gemacht, mit anderen Schüle- schaut so aus und mit dem will ich am besten nichts
rInnen zu arbeiten? zu tun haben, weil der hochnäsig ausschaut oder so“.
Angela S.: Ja, weil wir mit den Schülern ein freund- Jetzt gebe ich ihnen eine Chance und dann kann ich ja
schaftliches Verhältnis hatten, aber sie dennoch auf immer noch sagen „Das wird keine Freundschaft oder
uns gehört und mitgemacht haben. Das finde ich halt man ist nicht auf der gleichen Wellenlänge.“ Aber so
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Jugend und Diversity · „Gebe Menschen mehr Chancen“
gibt es immerhin eine Chance, dass man sich einmal Wenn mich früher wer angeredet hat, habe ich mir
kennen lernt und das war früher teilweise nicht so. gedacht „Nein, der schaut irgendwie komisch aus“
und ihn gleich einmal ignoriert oder wäre weggegan-
Romina R.: Ich hätte mir zum Beispiel früher in der U- gen. Aber jetzt denk ich mir: „Gib ihm eine Chance.“
Bahn gleich überlegt „Nein, da setz ich mich nicht hin, Man kann jemanden ja mal kennen lernen und schau-
weil der schaut so und so aus.“ Jetzt denk ich mehr en, ob es passt – und dann immer noch „Nein“ sagen.
drüber nach, warum ich Personen eigentlich einstufe Weil es kann ja sein, dass jemand der urliebe Mensch
und ob ich jetzt Angst vor dem- oder derjenigen hab ist, selbst wenn er obdachlos ist.
oder ob es irgendeinen anderen Grund gibt, warum Wenn ich am Abend durch die Station am Karls-
ich mich wo nicht hinsetzen möchte. Ich denke mehr platz durchgehe und mich drei oder vier Leute anre-
drüber nach, ob es wirklich gescheit ist, dass ich die den, geh ich aber auch jetzt weiter. Aber das ist was
Leute so einstufe. anderes, weil wenn ich am Abend alleine unterwegs
bin, hab ich meistens ein bisschen Angst.
Finden Sie diese Veränderung gut?
Romina R.: Das finde ich schon besser. Man hat ir- War das Projekt auch in Ihrer Arbeit Thema?
gendwie einen anderen Umgang mit anderen Leuten. Angela S.: Mein Chef findet es voll cool, dass das
Ich bin jetzt offener für andere Menschen und gebe angeboten wird und er unterstützt das auch voll. Er
ihnen mehr Chancen, statt sie in Schubladen einzu- meint: „Aus Dir wird mal was“.
ordnen ohne sie zu kennen.
Interview: Sonja Fercher
clean politics · kampagne für eine politik ohne diskriminierung & ausgrenzung
Als mitten im Sommer Neuwahlen zum Nationalrat war es, die wache Zivilgesellschaft gegen Rassismus
ausgerufen wurden, war klar, dass ZARA aktiv wer- und Ausgrenzung zu mobilisieren und ihr eine Stim-
den müsste, um gegen den Missbrauch von Ressenti- me zu verleihen. Insgesamt gelang es, mehr als 20 un-
ments im Wahlkampf aufzutreten. Dafür wurde an die abhängige Vereine als UnterstützerInnen zu werben.
clean politics-Kampagne angeknüpft, die im Zuge der Außerdem konnte eine Gruppe von jungen Wahl-
Nationalratswahl im Jahr 2006 zum ersten Mal durch- beobachterInnen gewonnen werden, die im clean
geführt wurde. In Rekordzeit stellten ZARA, der Verein politics-Weblog Beobachtungen zum Thema Rassis-
Wiener Jugendzentren und wienXtra eine neue Kam- mus und Ausgrenzung im Wahlkampf sowie positive
pagne auf die Beine. Beispiele von anti-rassistischer Politik im Wahlkampf
clean politics sollte deutlich machen, dass Rassis- beschrieben. Zwei von ihnen, Stefanie Ambros und
mus und Ausgrenzung im Kampf um WählerInnen- Markus Grammel, schildern ihre Eindrücke.
stimmen nicht unwidersprochen
RZ-button_politics:Layout 1 21.08.2 bleiben dürfen. Ziel
clean
politics
meine stimme
gegen rassismus
Wir erinnern uns noch gut daran, als wir Ende August unentschlossenen (Jung-) WählerInnen die Augen
über den Verein wienXtra vom Projekt clean politics öffnen und ihnen heikle Punkte in den Wahlprogram-
erfahren haben. Wir entschlossen uns kurzerhand men der Parteien bewusst und verständlich machen.
dazu, uns für das clean politics-Wahlkampf-Beob- „Ernst“ wurde es für uns am 1. 9. mit einer Pressekon-
achtungsteam zu melden und uns als kritische Poli- ferenz mit den Geschäftsführerinnen von wienXtra,
tikjournalistInnen zu versuchen. Dafür besuchten wir dem Verein Wiener Jugendzentren und ZARA im Afro-
einen kurzen Einführungsworkshop, wo wir auch die Asiatischen Institut. Erfreut über das rege Interesse
anderen TeilnehmerInnen dieser Kampagne getroffen der JournalistInnen, gingen wir nach diesem guten
haben. Ob wir unseren Auftrag zufriedenstellend er- Start motiviert an die Arbeit. Den ganzen September
füllen würden, konnten wir zwar zu diesem Zeitpunkt lang gestalteten wir gemeinsam mit anderen Jugend-
noch nicht abschätzen. Aber wir waren fest davon lichen einen Weblog, in welchem wir unsere persön-
überzeugt, dass es nur besser sein konnte, als dem lichen Erlebnisse, Erfahrungen und Entdeckungen
Treiben der PolitikerInnen tatenlos zuzusehen! dokumentierten.
Zu Unrecht werden nach wie vor auch in Österreich Im Blog wurde viel über die FPÖ und das BZÖ ge-
Menschen(gruppen) aufgrund ihrer Herkunft, Religi- schrieben, da von diesen Parteien am meiste rassis-
on etc. angeschwärzt, beschuldigt, benachteiligt und tische Wählerwerbung ausgegangen war. Von BZÖ-
für Fehler verantwortlich gemacht, die sie nie began- Anzeigen in Zeitungen bis hin zu großen Plakaten von
gen haben. In Wahlkampfzeiten passiert dies leider in H.C. Strache wurde alles thematisiert und auch die
noch verstärkter Form, lassen sich mit Schwarz-Weiß- Webseiten der Parteien nahmen wir unter die Lupe.
Malerei doch die komplexesten Themen ganz einfach Natürlich kamen in unseren Texten auch positive Bei-
darstellen. spiele zur Sprache wie zum Beispiel die mehrsprachi-
Mit unserer Teilnahme an „clean politics“ wollten ge Wahlwerbung der Grünen oder Integrationsvor-
wir einen Beitrag leisten, um genau gegen dieses Un- schläge von der SPÖ in. Weiters analysierten wir die
recht anzukämpfen. Es war uns ein Anliegen, rassis- TV-Konfrontationen der Spitzenkandidaten und Ra-
tische Äußerungen im Wahlkampf aufzuzeigen – sei dio- bzw. Fernseh-Interviews, wir zitierten die Politiker
es im Fernsehen, im Radio, in Zeitungen, auf Plakaten im Blog und taten auch unsere persönliche Meinung
etc. – und an die PolitikerInnen zu appellieren, einen zu den Themen kund.
rassismusfreien Wahlkampf zu führen. Wir wollten Ernüchternd waren Aussagen von JungwählerIn-
73
clean politics · Zwei Stimmen gegen Rassismus!
nen, die glaubten, dass „Ausländer raus“ die Lösung rInnen und leisteten einen konstruktiven Beitrag für
für alle Probleme wäre. Besonders gelungen wieder- das friedliche Neben- und Miteinander. Der Einzug
um fanden wir die Aktion des von MigrantInnen ge- von Alev Korun ins Parlament beweist, dass derartige
gründeten und herausgegebenen Magazins biber. In Aktionen mehr als nur Symbolcharakter haben.
Österreich leben bereits 1,3 Millionen Menschen mit Alles in Allem ein spannender Monat mit vielen er-
Migrationshintergrund. Eine Vertretung durch ihres- nüchternden, aber auch zahlreichen erfreulichen Ein-
gleichen suchten sie im Nationalrat bislang vergeb- drücken. Die Arbeit für clean politics hat uns einmal
lich. Um auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, mehr verdeutlicht, dass man vor Rassismus nie die
gründete die biber-Redaktion für einen Tag lang ihre Augen verschließen darf!
eigene (fiktive) Partei, das Zuwanderer Bündnis Öster-
reich, kurz ZBÖ. In „Wahlkampf“-Gesprächen tausch- Stefanie Ambros und Markus Grammel sind Mitglie-
ten sich ZBÖ-AnhängerInnen mit PassantInnen aus. der der Jugendredaktion inFORMout und waren Auto-
Sie schärften auf diese kreative Weise das gegensei- rInnen des clean politics-Weblogs http://cleanpolitics.
tige Verständnis zwischen „echten“ und „Neo“-Wiene- wienxtra.at/wordpress/index.php.
www.spoe.at
Respekt – Toleranz –
Menschenrechte
Wir alle sind gefordert.
Faymann.
Die neue Politik.
Glossar
Glossar
In alphabetischer Reihenfolge
75
Glossar
Richtlinienbeschwerde
Die Richtlinienbeschwerde stellt eine Möglichkeit dar,
das Verhalten von PolizistInnen durch den Unabhängi-
gen Verwaltungssenat überprüfen zu lassen. Maßstab
für die Überprüfung sind die Vorschriften der Richtli-
nienverordnung, in denen PolizeibeamtInnen unter
anderem zu diskriminierungsfreien Amtshandlungen,
der Übergabe der Dienstnummer und der Verwen-
dung der höflichen Anrede „Sie“ verpflichtet werden.
Details zu dieser Beschwerde und der Richtlinienver-
ordnung finden Sie in „Die eigenen Rechte kennen“
im Kapitel „Polizei“.
Rechtsschutz
Unabhängiger Verwaltungssenat
Beratung: Arbeitszeit,
Die unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) der Län-
richtiger Kollektivvertrag,
der sind unter anderem für Berufungen gegen Straf- Einstufung, Überstunden
erkenntnisse bei Verwaltungsübertretungen und für
Tipps und Infos zum
Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer Thema Karenz, Kind & Beruf
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsge-
walt (UVS-Beschwerden gegen PolizeibeamtInnen)
zuständig. Die UVS sind weisungsfreie Behörden an
denen unabhängige UVS-RichterInnen entscheiden.
Sie erlassen letztinstanzliche Entscheidungen, die auf
dem ordentlichen Rechtsweg nicht mehr bekämpft
werden können. Eine Anrufung der Höchstgerichte
(Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof ) ist aber Mitglied sein bringt‘s!
möglich.
GRATIS
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GESTRANDET ODER GELANDET
4 Probe-Abo: DIE FURCHE 6 Wochen gratis! Der FURCHE-Redakteur Wolfgang
Das Testabo endet nach sechs Wochen automatisch. Machreich beschreibt in seinem
Buch Schicksale vom Stranden
bis hin zum Landen: Vor dreißig,
4 Jahres-Abo: DIE FURCHE zum Sonderpreis zwanzig, zehn Jahren sind sie als
€ 85,– (statt € 95,–) und zusätzlich das Fremde nach Österreich gekom-
Buch „Gestrandet oder Gelandet“ im Wert von € 19,95 gratis. men – als Flüchtlinge, Asylwerber,
Studierende oder noch als Kinder
Gönnen Sie sich ein Jahr Entschleunigung! an der Hand ihrer Eltern. Öster-
reich ist ihr Lebensmittelpunkt
+
geworden: Ein Brückenschlag
zwischen der alten und der neuen
Heimat, zwischen den Kulturen,
den Religionen und den Menschen.
Von Wolfgang Machreich um 19,95 €.
www.oeh.ac.at
Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft
NAZIS IN DEN
ABGUSS
www.oegj.at
© Moritz Schell
[ Von der Muse geküsst! ]
Große Leuchte.
Mario Schleinzer, freischaffender Künstler: „Unabhängig von Herkunft,
Religion oder Hautfarbe finden die Menschen an den Wiener Volkshochschulen
über ihre gemeinsamen Interessen zueinander. Das ist gelebte Integration und
befruchtet in der gemeinschaftlichen Arbeit und Entwicklung. Das gilt auch für
mich als Unterrichtenden.“
Neu
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r St
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riahi
gass Ma
e
Schadekgasse
Jo
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orfe se
“Haus des Meeres” gas
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tr.
rth
e
g. zeil
ien
nitzg
W
ke
Lin
Kau
U3>Neubaugasse, U4>Kettenbrückengasse sowie 57A und 13A.