Sie sind auf Seite 1von 84

Rassismus Report 2008

Einzelfall-Bericht über rassistische


Übergriffe und Strukturen in Österreich

Zur kostenlosen Weitergabe. Darf nicht verkauft werden.


Sind gratis,
bleiben gratis!
01_K&Co_IWC 17.11

w ww.kin e
www.kindder-
r-cc
oo. .
aatt

Kinder & Co
Die Seiten rund um die
ersten zehn Lebensjahre
Nr. 04/2008 P. b. b. Erscheinungsor
t: Wien
.
– Verlagspostamt 1110
Wien, 06Z036635, DVR: 0000191

Welt
enteuer
Höhlenabeise
Entdeckungsr durch Wiens
Palmen- und Tropenhäuser
chule?
Was ist die neue Mittels

& Stadt
Zusammen leben in Wien.
o.a ie , D t:
s
r-c sp s os
t le! VD
de tt CD erl

Bosanski/Hrvatski/Srpski English Türkçe


.k e B olis t v
w ig p .a
in re ,
w ust ino en
i
d rM w
un fü ub

Nr. 04/2008 P. b. b. Erscheinungsort: Wien – Verlagspostamt 1110 Wien, 06Z036634, DVR 0000191
n l
rte r C

w
l
Ka De

01_C& _ _

www.cityand
l
ife
.at

City & Life


Dein Jugendmagazin für
mehr Spaß und mehr Zukun
– Verlagspostamt 1110
ft.
Wien, 06Z036705M, DVR
0000191
: Wien
Nr. 04/2008 P. b. b. Erscheinungsort

03.11
01_L&F_4_2008_IWC

w.leben-fr
ww eu

Wien sagt „Ja“


de
.at

Leben Sagen Sie auch „Ja“ zu Wien!


& Freude
Für Wienerinnen & Wiene
r in ihren besten Jahre
n.
1110 Wien, 06Z036636,
DVR: 0000191
„StartWien“ hilft ZuwanderInnen dabei,
in der Stadt rasch Fuß zu fassen.
: Wien – Verlagspostamt
Nr. 04/2008 P. b. b. Erscheinungsort
ten der
:
e
ite au ffa gli
n Do ch mit
hr
b
lu

29
r a au en 5 ür C

Se n if

d
un
n .
de er 2 S

Einfach abtauchen
f

28
rlo en

uf f d x
ion
kt

Auf Kurzurlaub in den


A
ve
lle
ir

Wiener Hallenbädern
To
W

eh
M

Näher dran an Wien. 4 x im Jahr – mit den gratis Themenmagazinen


von wien.at! Bestellen Sie jetzt Ihr kostenloses Abo beim wien.at-
LeserInnentelefon 01/277 55 oder im Internet auf www.clubwien.at/abo!
Was ist Ihnen
Anti-Rassismus wert?
0,21 € pro Tag? 6,25 € pro Monat? 75,00 € pro Jahr?

Jetzt förderndes ZARA-Mitglied werden!


· Damit Opfer & ZeugInnen von Rassismus mit dem
Unrecht und der Demütigung nicht alleine gelassen werden.
· Damit rassistische Benachteiligungen & Strukturen
nicht unwidersprochene Normalität bleiben.
· Damit Rassismus nicht das Problem der Opfer ist, sondern die
Aufmerksamkeit der gesamten Gesellschaft bekommt.
· Damit in einem Land, in dem sich der Staat
nicht für die Bekämpfung von Rassismus zuständig fühlt,
die Zivilgesellschaft aktiv werden kann.
· Damit Opfer & ZeugInnen von Rassismus weiterhin eine
Beratungs- und Betreuungsstelle haben.
· Damit es auch im nächsten Jahr einen
Rassismus Report gibt.

Oder spenden Sie!


Damit sich auch das nächste Opfer
von Rassismus an ZARA wenden kann.

Info: (01) 929 13 99-15


www.zara.or.at
BA-CA, Kto. 05211362800

Mitgliedschaft08_INS_Neu.indd 1 24.02.2009 14:48:46 Uhr


Kopfzeile

ARBEITSCHÜTZEN
ZUKUNFT
SICHERN!
HERBERT TUMPEL Sozialdemokratische
AK-PRÄSIDENT GewerkschafterInnen

2
Die Stadt gehört Dir.
www.wienerlinien.at
Artikel 19.1.:

Jeder User hat


das Recht auf
freie Meinungs-
äußerung.
5
Kopfzeile

EZA – NATÜRLICH FAIR N AT Ü R L I C H FA I R

Seit 1975 setzt die EZA – Österreichs größte Fair Trade Importorganisation –
den Fairen Handel in die Praxis um. Aus anonymen ProduzentInnen werden
Menschen mit Gesicht und Stimme. In ihrem Angebot spiegeln sich Können
und Kreativität von über 100 Partnerorganisationen in Afrika, Asien und
Lateinamerika. Genuss und Ästhetik verbinden sich mit Verantwortung
gegenüber Mensch und Natur zu einem sinnvollen Ganzen.

6
EZA Fairer Handel GmbH · Wenger Straße 5 · 5203 Köstendorf, Austria · T 0 6216 / 202 00-0 · office@eza.cc · www.eza.cc
Alle Menschen sind
Kopfzeile

frei und gleich


an Würde und
Rechten geboren

Ins Beratungszentrum_2009:180x130 Rassism 28.01.09 09:01 Seite 1

Alles rund um Beruf


und Weiterbildung.
Wir beraten Sie. Kostenlos.
Das waff Beratungszentrum für Beruf
und Weiterbildung begleitet Sie, wenn Sie
sich beruflich weiterentwickeln wollen.
Infos, Coaching, Bildungsberatung und
Fördermöglichkeiten. Alles aus einer Hand
und kostenfrei.

Speziell für neu Zugewanderte:


Anerkennungs- und Weiterbildungsberatung
und muttersprachliche Berufs-Erstinformation.

Einfach anrufen und Beratungstermin


vereinbaren: 217 48 – 555

www.waff.at
Inhaltsverzeichnis

10 Vorwort

13 Statistik 2008

15 Öffentlicher Raum
16 Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

25 Internet

28 Politik und Medien

32 Rassistische Beschmierungen

35 Polizei

43 Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

45 Arbeit

50 Güter und Dienstleistungen


51 Wohnen

55 Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

60 Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit

62 Jugend und Diversity


62 Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

67 Das Kopftuch ist...

69 peer education: BerufsschülerInnen beweisen Mut zur Vielfalt

71 „Gebe Menschen mehr Chancen“

73 clean politics – meine stimme gegen rassismus


73 kampagne für eine politik ohne diskriminierung & ausgrenzung

73 Zwei Stimmen gegen Rassismus!

75 Glossar
Danksagungen
Danke an Nadine Bösch für das kostenlose Lektorat.

Danke an die vielen ehrenamtlichen MitarbeiterIn-


nen von ZARA! Stellvertretend seien jene genannt,
die zum Rassismus Report beigetragen haben: Marta
Hodasz, Monika Juranek, Johanna Katzinger, Monika
Muhr, Romina Rabl, René Rusch, Alexander Steffek.

Danke an das Team der ZARA-Beratungsstelle für


Opfer und ZeugInnen von Rassismus für seine konse-
quente und fundierte Anti-Rassismus-Arbeit.

Danke an Patrick Zesar, der auch dieses Jahr dabei ge-


holfen hat, die Fälle aus der Dokumentation der Bera-
tungsstelle für die LeserInnen aufzubereiten.

Impressum
Medieninhaber und Herausgeber: ZARA – Zivilcourage und Blattlinie: Der Rassismus Report erscheint jährlich und wird
Anti-Rassismus-Arbeit, kostenlos abgegeben. Im Report abgedruckt ist eine Aus-
Luftbadgasse 14–16, 1060 Wien, wahl an rassistischen Übergriffen, die im Kalenderjahr 2008
ZVR: 236017119 an ZARA gemeldet wurden. Der Rassismus Report legt damit
http://www.zara.or.at die Arbeit der ZARA-Beratungstelle für Opfer und ZeugInnen
ZARA ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien. nachvollziehbar und offen dar. Der Rassismus Report infor-
miert über rassistische Strukturen in Österreich. Ergänzt wird
Chefredaktion: Sonja Fercher der Rassismus Report durch relevante Hintergrundinforma-
Operative Projektleitung: Barbara Liegl tionen und Interviews.
Redaktion: Stefanie Ambros, Susanne Bali, Karin Bischof, Sonja
Fercher, Markus Grammel, Barbara Liegl, Stefan Radinger, René Das Team der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugIn-
Rusch, Dieter Schindlauer, Patrick Zesar, Wolfgang Zimmer nen von Rassismus ist für Terminvereinbarungen erreichbar:
Anzeigenleitung: Sophie Niepraschk Mo-Mi 10-18 Uhr, Do 11-19 Uhr
Graphik und Layout: schultz+schultz / Sabell-Christina Fabian T: (01) 929 13 99, F: (01) 929 13 99-99
Coverphoto: © Sabell-Christina Fabian, 2009 office@zara.or.at
Druck: Manz Crossmedia, 1050 Wien http://www.zara.or.at

Mit freundlicher Unterstützung von:

10
Vorwort

Vorwort

Das Jahr 2008 war in Österreich mit der Fußball-Euro- gerInnen gewählten Ansätze lassen unbeachtet, dass
pameisterschaft und der Nationalratswahl durch zwei Integration eine Querschnittsmaterie ist und nur auf-
große Ereignisse geprägt. Die tagtägliche Arbeit der bauend auf verwirklichter Chancengleichheit funktio-
ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von nieren kann. Die im Bereich Integration zu treffenden
Rassismus hingegen wurde von einem viel alltägliche- Maßnahmen müssen adäquat aufeinander abge-
ren Thema bestimmt, nämlich Rassismus im Bereich stimmt werden, langfristig bzw. strategisch angelegt
Wohnen. Die besonders schwierige Herausforderung sein und den Themenbereich Anti-Diskriminierung
lag darin, dass es sich dabei nicht in erster Linie um einschließen. Sie sollten nicht problemzentriert, son-
Diskriminierungen etwa bei der Wohnungsvergabe dern lösungsorientiert konzipiert sein und alle in Ös-
handelte, wo ZARA ganz konkrete Handlungsspiel- terreich lebenden Menschen miteinbeziehen. Solche
räume hat. Vielmehr beschäftigten die MitarbeiterIn- Maßnahmen würden der immer wiederkehrenden
nen der Beratungsstelle unzählige Fälle von Nachbar- Wir-und-die-Anderen-Konstruktion entgegen wirken.
schaftskonflikten.
Rechtliche Instrumente erweisen sich in Fällen wie Jugend und Diversity
diesen nicht als die besten Mittel, um Konflikte zu lö-
sen. In etlichen Fällen haben die Betroffenen bereits Das Jahr 2008 stand für ZARA außerdem ganz im Zei-
die Gebietsbetreuung konsultiert, bevor sie sich mit chen von Sensibilisierungs-Workshops an Schulen.
ihren Diskriminierungserfahrungen an ZARA gewen- ZARA hält bereits seit vielen Jahren Workshops für un-
det haben. Die Gebietsbetreuung, eine Einrichtung terschiedlichste Schultypen ab, im vergangenen Jahr
der Stadt Wien, bietet Beratung zu Fragen des Zusam- förderte das Bundesministerium für Unterricht, Kunst
menlebens in der Wohnumgebung ebenso wie Mög- und Kultur zum ersten Mal Trainings an 30 Schulen in
lichkeiten zur Konfliktbewältigung im nachbarschaft- ganz Österreich sowie einen Lehrgang für Pädago-
lichen Umfeld an. gInnen zur Erweiterung ihrer Kompetenz im Umgang
mit Diversität und Diskriminierung im Schulkontext.
Ohne Mediation keine Konfliktlösung Darüber hinaus setzte ZARA in Kooperation mit der
GPA Jugend und der Stadt Wien ein Projekt mit dem
Den KlientInnen, die die ZARA-Beratungsstelle aufsu- Titel „Mut zur Vielfalt! – Anti-Diskriminierung in der
chen, konnte häufig von der Gebietsbetreuung nicht Berufsschule“ um, bei dem BerufsschülerInnen zu
geholfen werden, da die andere Konfliktpartei einer TrainerInnen – so genannten „peers“ – ausgebildet
Mediation nicht zustimmen wollte. Ohne Mediation wurden, die anschließend selbst Workshops für Schul-
ist in vielen Fällen keine Lösung möglich. In manchen kollegInnen durchführten. Aus diesem Anlass werden
Fällen wurde ein „Ende des Konflikts“ herbeigeführt, im vorliegenden Rassismus Report die Erfahrungen
indem den ZARA-KlientInnen mit der Beendigung aus diesen Workshops aufgearbeitet, womit ZARA
ihres Mietverhältnisses gedroht wurde. Gerade in die- auch einen Beitrag zur Integrationsdebatte leisten
sem sehr privaten und sensiblen Bereich des Wohnens möchte. Schließlich sind es gerade junge Menschen,
wird deutlich, dass Gesetze alleine nicht ausreichen, die einen positiven Umgang mit kultureller Vielfalt am
um Menschen vor Diskriminierung zu schützen. einfachsten lernen können.
Es bedarf umfassenderer Maßnahmen und der In- Diese von staatlichen Stellen finanzierten Maß-
volvierung unterschiedlichster staatlicher, sozialpart- nahmen sind wichtig, um einzelnen, sehr engagier-
nerschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure ten Lehrpersonen Unterstützung in ihrer alltägli-
und Akteurinnen, um das Phänomen Rassismus nicht chen Arbeit mit heterogenen Klassen zu geben und
nur im Bereich Wohnen, sondern in allen gesellschaft- SchülerInnen in ihrem Bestreben zu unterstützen,
lichen Bereichen erfolgreich bekämpfen zu können. zivilcouragiert gegen alle möglichen Formen von Dis-
Die bisher von der österreichischen Bundesregierung kriminierung aufzutreten. Dennoch sollten sie nicht
gesetzten Einzelaktionen zum Thema Integration rei- darüber hinwegtäuschen, dass noch ein weiter Weg
chen nicht aus, um Bewusstsein für Diskriminierung vor uns liegt, um das Ziel der strukturellen Veranke-
aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und der Reli- rung von Chancengleichheit, Vielfalt und Nicht-Diskri-
gion zu schaffen und diesen nachhaltig entgegen zu minierung im Schulsystem und in der Ausbildung von
treten. Die bisher von politischen Entscheidungsträ- LehrerInnen zu erreichen.

11
Vorwort

Gesellschaftliche Herausforderungen Österreich beitragen, und dass auch der diesjährige


Rassismus Report als Auftrag verstanden wird, Ursa-
1
Zum Thema Monitoring Im Rahmen der von ZARA durchgeführten Workshops chen für und Strukturen von rassistischer Diskriminie-
siehe Leitartikel von ZARA-
Geschäftsführerin Barbara werden die gesellschaftlichen Herausforderungen, rung zu bekämpfen.
Liegl im Rassismus Report die Vielfalt und Heterogenität mit sich bringen, deut-
2007 mit dem Titel
„Wie viel Rassismus darf es lich. Ein erster Schritt ist das aktive Hinschauen auf Sonja Fercher & Barbara Liegl
denn sein?“.
Unterschiede und unterschiedlichste Gruppenzuge-
hörigkeiten. In einem nächsten Schritt sollte erkannt Sonja Fercher ist Chefredakteurin des Rassismus Re-
werden, dass Unterschiede zu unterschiedlichen Be- port 2008, Leiterin der ZARA-Öffentlichkeitsarbeit und
dürfnissen führen, wozu es allerdings kein Denken in freie Journalistin mit den Schwerpunkten (Anti-)Rassis-
Kategorien wie beispielsweise „Muslimin“ oder „Türke“ mus, Migration/Integration, Frankreich und Zypern.
braucht. ZARA hat seit vielen Jahren Expertisen im
Bereich Jugend und Diversity aufgebaut, die mit den Barbara Liegl, ZARA-Geschäftsführerin, Direktorin des
Beiträgen im Rassismus Report einer breiteren Öffent- am Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM)
lichkeit sowie politischen EntscheidungsträgerInnen angesiedelten RAXEN Focal Point für Österreich (http://
zugänglich gemacht werden sollen. www.univie.ac.at/bim/focalpoint/), Teamleiterin für
Neben den Erfahrungen aus den Workshops nimmt Anti-Diskriminierung und Asyl am BIM, stellvertretende
sich der Rassismus Report auch des Themas an, das Vorstandsvorsitzende des Netzwerks Soziale Verant-
nach der Nationalratswahl unter dem Stichwort „Ju- wortung (http://www.sozialeverantwortung.at/) und
gend am rechten Rand“ diskutiert wurde. Die ZARA- Politikwissenschafterin mit den Schwerpunkten (Anti-)
Trainings zeigen deutlich, wie falsch es ist, hier ein un- Rassismus/Diskriminierung, Monitoring und Migration.
differenziertes Bild zu zeichnen und die Jugendlichen
allein verantwortlich zu machen. Politische Entschei-
dungsträgerInnen haben die Rechnung dafür präsen-
tiert bekommen, was passiert, wenn das Wahlalter auf
16 Jahre herabgesetzt wird, ohne effektive Begleit-
maßnahmen zur Förderung der politischen Bildung
der Jugendlichen zu setzen.

clean politics
Zur politischen Bildung sollten Menschenrechte zäh-
len, wodurch Bewusstsein geschaffen würde, dass
Stimmenfang auf Kosten von marginalisierten Grup-
pen keine demokratisch legitime Wahlkampfstrategie
darstellt. Der von Jugendlichen im Rahmen der Kam-
pagne „clean politics. meine stimme gegen rassismus“
geführte Weblog ist ein positives Beispiel dafür, dass
Jugendliche ein sehr aufmerksames Auge auf Wahl-
kampagnen richten und sehr sensibel sind, was den
Missbrauch von Ressentiments betrifft.

Struktur des Rassismus Report 2008


Noch ein paar Worte zur Struktur des Rassismus Re-
port 08: Berichte über weitere Entwicklungen von
Fällen aus den vergangenen Jahren, die bislang im
Kapitel „Was wurde aus…?“ zusammengefasst waren,
sind unter demselben Titel in den jeweiligen Kapiteln
zu finden. Im Glossar finden Sie Erläuterungen zu ein-
schlägigen Begriffen oder erwähnten Institutionen,
im Text macht Sie ein Pfeil ➞ jeweils darauf aufmerk-
sam. Eine Neuerung betrifft die Statistik: Fälle, die im
Rahmen von unregelmäßigen Monitorings1 von Mit-
arbeiterInnen dokumentiert wurden, werden dieses
Jahr gesondert ausgewiesen, bislang wurden sie un-
ter ZeugInnen subsumiert.
Bleibt uns nur, Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
zu wünschen – in der Hoffnung, dass unsere Berichte
zu einer vermehrten Wahrnehmung von Rassismus in
12
Statistik 2008

Statistik 2008
2008 dokumentierte das ZARA-Team insgesamt 704 Information zu den einzelnen Bereichen
rassistische Vorfälle. und ihren Bezeichnungen
• Mit Öffentlicher Raum sind alle Vorfälle bezeichnet,
die sich an Orten, die einem nicht näher bestimmten
Gegen Anti-Rassismus-Arbeit 11%
Öffentlicher Raum 56%
Personenkreis offen stehen, wie beispielsweise Stra-
Arbeit 6%
ßen, öffentliche Verkehrsmittel, Geschäfte, Lokale, in
Medien und in der Politik etc. zugetragen haben. Ras-
Güter und
Dienstleistungen 14%
sistische Beschmierungen werden ebenfalls diesem
Bereich zugeordnet.

• Polizei umfasst alle Meldungen, die in irgendeiner


Sonstige Behörden 5%
Form mit der Sicherheitsverwaltung und Organen der
öffentlichen Sicherheit zu tun haben.
Polizei 8%
• Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen
bezeichnet alle Vorfälle, die zwischen privaten Ein-
zelpersonen und öffentlichen Institutionen und Be-
* Von den verzeichneten 394 Fällen in diesem Bereich hörden (mit Ausnahme der Polizei) bzw. deren Ver-
waren 64 rassistische Beschmierungen. treterInnen stattgefunden haben, wie etwa Ämtern,
Justizanstalten, Schulen etc.
Der Anteil der ZeugInnen unter den meldenden Per- • Güter und Dienstleistungen bezeichnet erstens
sonen lag 2008 bei 58 %. 32 % der ZARA-KlientInnen Vorfälle im Wohnbereich – von der Wohnungssuche
waren direkt betroffen, 10 % der Fälle wurden im bis zu Nachbarschaftskonflikten. Zweitens finden sich
Rahmen von unregelmäßigen Monitorings von ZARA- in diesem Bereich alle Vorkommnisse in und beim Zu-
MitarbeiterInnen dokumentiert. gang zu Lokalen, Geschäften und Dienstleistungsun-
ternehmen (die nicht in den Bereich Arbeit fallen).

Monitoring 10%
• Arbeit beinhaltet Vorkommnisse, die im weitesten
ZeugInnen 58%
Sinne mit „Arbeit“ zu tun haben, also Arbeitsmarkt,
-suche, -kollegInnen, -bedingungen, Stellenausschrei-
Betroffene 32%
bungen usw.

• Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit


bezeichnet jene Briefe, E-Mails, Anrufe und Drohun-
gen, die sich gegen ZARA und andere Institutionen
richten, die gegen Rassismus auftreten.

Anmerkungen
48% der ZARA-KlientInnen waren Frauen, 46 % Män-
ner, 1 % der Fälle wurden anonym gemeldet, 5 % wa- Es gehört zu den Aufgaben der ZARA-BeraterInnen,
ren Meldungen von Organisationen. einerseits den Wahrheitsgehalt einer Sachverhalts-
beschreibung zu überprüfen und sich andererseits
um die Sicht der „Gegenpartei“ oder einer dritten
Seite zu kümmern. Dennoch können BeraterInnen
nicht garantieren, dass alle Informationen, die ihnen
Anonym 1%
Organisationen 5% – von verschiedenen Seiten – zugetragen werden, der
Frauen 48%
„Wahrheit“ entsprechen. Die Interessen jener Person,
die sich an die Beratungsstelle wendet, stehen an
Männer 46%
erster Stelle: Ihren Darstellungen wird Vertrauen und
Verständnis entgegengebracht und ihre Aussagen
werden ernst genommen. Allerdings dürfen sie des-
halb nicht unkritisch übernommen werden.
Weiters ist sich ZARA bewusst, dass durch die Dar-
stellung von rassistischen Übergriffen, Rassismen, ras-

13
Statistik 2008

2
Vgl. Gutachten des Senats sistische Schimpfwörter sowie Vorurteile oder ein ei- Um Rassismen nicht zu reproduzieren, wird das N-
III der Gleichbehandlungs-
kommission: http://www. gentlich unnötiges Hervorheben von ethnischer oder Wort nur angedeutet, Eingriffe in Zitate durch ZARA
frauen.bka.gv.at/DocView. religiöser Herkunft sowie anderen Merkmalen, die zur in diesem Sinne sind mit [*] gekennzeichnet. ZARA
axd?CobId=21410
Diskriminierung einer Person geführt haben, wieder- möchte außerdem darauf hinweisen, dass der Begriff
gegeben werden. ZARA bemüht sich um Sprachsen- „Zigeuner“ zwar im Sinne der Sichtbarmachung von
sibilität, wiedergegebene Rassismen stehen in einem Rassismus ausgeschrieben wird, er jedoch als Diskri-
klaren Kontext, mit dem Ziel, Rassismus in Österreich minierung zu werten ist2.
sichtbar zu machen. Würde ZARA dies nicht tun, um Mehr zu anti-rassistischem Sprachgebrauch siehe:
die Reproduktion von Rassismen zu verhindern, wä- http://www.zara.or.at/materialien/rassismus-report/
ren dem Leugnen von Rassismus weiterhin Tür und rassismus-report-2006.pdf
Tor geöffnet.
Foto: Katharina Gossow

i s t u n t e i l b ar.
s c h e n w ü rd e s!
Die Men e l t o h n e R a s s i s m u
Für ei n e W
www.gruene.at
Öffentlicher Raum

Öffentlicher Raum

Wenn Sie dieses Kapitel lesen, werden sie feststellen: Sündenböcken und versuchen, auf ihre Kosten Stim-
Die Stimmung ist nicht gut. Sie ist nicht gut auf der men zu gewinnen.
Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Internet, Vor diesem Hintergrund entspricht es leider einer
in den Medien und an Hauswänden. Überall entladen gewissen Logik, wenn MigrantInnen und deren Kin-
sich dumpfe Bosheiten, die insbesondere Menschen, der als Fremdkörper oder gar als Bedrohung wahr-
die nicht in diesem Land geboren sind, massiv be- genommen werden. Nicht selten bekommen sie den
einträchtigen. Sie werden verbal und körperlich atta- Spruch „Geht doch wieder nach Hause, wenn es Euch
ckiert, verleumdet, gedemütigt und ausgeschlossen. hier nicht passt!“ zu hören. Für die meisten von ihnen
Überall wird ihnen signalisiert: „Ihr seid nicht willkom- aber ist Österreich längst zur Heimat geworden oder
men.“ immer schon ihre Heimat gewesen.
Das gesellschaftliche Klima gegenüber MigrantIn- So ist es kaum verwunderlich, dass MigrantInnen
nen oder schlichtweg als „anders“ wahrgenommenen beginnen sich zur Wehr zu setzen und ebenfalls zu
Menschen hat sich auch unter der neuen Großen unschönen Mitteln greifen, um ihren Platz in der Ge-
Koalition weiter verschärft. Die Fälle zeigen, welch sellschaft und im öffentlichen Raum zu verteidigen –
schwerwiegende Folgen es für MigrantInnen und so wenig dies als Rechtfertigung für dieses Verhalten
Menschen mit Migrationshintergrund hat, dass nach dienen kann.
wie vor kein politischer Konsens darüber besteht, dass In den vergangenen Jahrzehnten wurden Feindbil-
Österreich ein Einwanderungsland ist. Während man der aufgebaut, die nun ihre Funktion der Ausgrenzung
sich in den verschiedenen Parteigremien noch damit und Herabwürdigung erfüllen. Es braucht Zivilcoura-
herumschlägt, ob und wie man nun diese Tatsache ge, um diese Trends umzukehren und ein gleichbe-
anerkennen solle, werden andernorts immer wieder rechtigtes Miteinander aller herbeizuführen.
geschürte dumpfe Rassismen offen ausgelebt. Dazu
kommt, dass die beiden Regierungsparteien selbst Es gibt aber auch Positives zu berichten: Vergangenes
populistische Positionen übernehmen und gleichzei- Jahr musste zum ersten Mal ein Internet-User in Ös-
tig zur Akzeptanz von fremdenfeindlichen Diskursen terreich wegen rassistischer Kommentare ins Gefäng-
beitragen, indem sie nur zurückhaltend oder gar nicht nis: Im September wurde ein 53-jähriger Mann wegen
Stellung gegen rassistische Parolen beziehen. Verhetzung zu neun Monaten Freiheitsentzug – davon
Die während des Grazer Gemeinderatswahl- zwei Monate unbedingt, da er bereits vorbestraft war
kampfes und des Nationalratswahlkampfes gezielt – verurteilt. Er hatte Emails mit wüsten Beschimpfun-
getätigten rassistischen, ausgrenzenden und her- gen an ZARA geschickt. Es ist für den österreichischen
abwürdigenden Parolen haben ihren Teil zu dieser Rechtsstaat ganz wichtig, dass ein Zeichen gesetzt
ablehnenden Haltung und Stimmung beigetragen. wurde, dass Auffassungen wie diese nicht geduldet
PolitikerInnen grenzen in Österreich lebende, aber werden und dass sehr deutlich gezeigt wurde, dass
als fremd empfundene Menschen aus, machen sie zu sie auch rechtliche Konsequenzen haben.

Zeig Zivilcourage!
Unter dem Titel „3x45 Sekunden Zivilcourage“ hat der erfolgreiche Filmemacher
Jochen Graf drei kurze Werbespots für ZARA gedreht. Mehrfach dafür ausgezeichnet, ermutigen die Wer-
befilme dazu, in unangenehmen Situationen aktiv gegen Alltagsrassismus einzuschreiten – ganz ohne
Zeigefingermoral! Anzusehen unter: http://filmproduktion.org/zaraspots
15
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

1 Herr E. weist ZARA im Jänner darauf hin, dass


zum Jahreswechsel auf dem Baugrund des neu-
en muslimischen Kulturzentrums in Linz aufgespießte
Ein Mitarbeiter der Beratungsstelle teilt Herrn G.
mit, dass ZARA diesen Vorfall dokumentiert. Der Bera-
ter weist Herrn G. außerdem auf die Möglichkeit einer
Schweinsköpfe installiert wurden. Mit Genugtuung Anzeige hin, betont aber, dass eine solche aufgrund
berichtet die „Initiative gegen die Linzer Moschee“ der unbekannten Identität des Täters wenig Aussicht
auf ihrer Website unter Verweis auf das rechte Medi- auf Aufklärung hätte. Herr G. ist mit der Auskunft und
ennetzwerk Altermedia über die „mutigen Bürger“, die der Aufnahme seiner Meldung zufrieden.
sich „dazu entschlossen haben, ihren Unmut über das
Moscheeprojekt mit einem außergewöhnlichen Neu-
jahrsgruß kundzutun“. Die Fotos vom Tatort werden 5 Herr Ö. meldet ZARA im März folgenden Vorfall:
Als er am Parkplatz eines Wiener Baumarkts ein-
parkt, wird er von einem „Ausländer“ als „Scheiß Ös-
auf der Internetseite der Nationalen Volkspartei (NVP)
präsentiert. ZARA dokumentiert den Vorfall. terreicher“ beschimpft. Herr Ö. meint, dass ihm dies
deswegen passiert sei, weil er dem anderen Autofah-

2 Herr M. ist türkischer Herkunft. Im Jänner geht er rer den Parkplatz „weggeschnappt“ habe. ZARA klärt
mit seiner Familie zum Einkaufen in das Wiener Herrn Ö. über die rechtlichen Möglichkeiten auf, die-
Donauzentrum. Auf der Rolltreppe stößt ein Mann ser meldet sich jedoch nicht wieder.
Frau M. brutal in den Rücken. Herr M. schreitet sofort Einen ähnlichen Vorfall meldet Herr P.: Er wird im
ein und schubst den Mann weg. Daraufhin beschimpft September von zwei Personen, die – wie er vermutet
dieser die Familie als „Scheiß-Tschuschen!“ Eine weite- – türkischer Herkunft sind, als „Scheiß-Österreicher“
re Eskalation erfolgt nicht. Herr M. will den Vorfall bei beschimpft. Als Ursache nennt er den Umstand, dass
er bei der Parkplatzsuche den Beiden den Parkplatz
ZARA dokumentiert wissen.
weggeschnappt habe. Herr P. ersucht ZARA um Doku-

3
mentation dieser rassistischen Beleidigung.
Im Rahmen eines unregelmäßigen Medienmo-
nitorings dokumentiert ZARA folgenden Fall:
Der ORF Steiermark berichtet am 6. 2. über die Schän-
dung von 45 Grabstätten am Grazer Zentralfriedhof.
6 Frau R. meldet im März folgende, in einer Linzer
Straßenbahn gemachte Beobachtung: Ein Mann
österreichischer Herkunft beschimpft einen anderen
Parallel dazu tauchen runengeschmückte Drohbriefe
Mann als „Türken-Prolosau“ und wirft ihm vor, seine
einer „Aktions-Gruppe für ein moslemfreies Graz“ auf,
Frau zu schlagen und seine Kinder sexuell zu miss-
in denen zu lesen ist: „Eure Moschee wird brennen, auf
brauchen. Frau R. möchte den Vorfall als Zeugin mel-
Eurem islamischen Friedhof werden wir Schweinein-
den und dokumentiert wissen.
nereien vergraben, und Soleiman Ali wird sich bald im
Paradies wiederfinden.“ Der hier angesprochene Sol-
eiman Ali ist Vorsitzender der ägyptischen Gemeinde
in Graz und bekommt nicht nur dieses Schreiben: Kur-
7 Herr A. ist gambischer Staatsbürger, er lebt und
arbeitet in Wien. Eines Abends im April befindet
er sich auf dem Heimweg und besteigt in Grinzing ei-
ze Zeit vorher wurden am Auto seines Nachbarn die nen Wagen der Straßenbahnlinie 38. In der Nähe der
Radmuttern gelockert. Ali geht davon aus, dass dieser Türe sitzen drei ältere Herren und zwei Damen im glei-
Anschlag eigentlich ihm gegolten hat. chen Alter. Als einer der beiden auf Herrn A. aufmerk-
Die Grazer Polizei will zunächst keinen Zusammen- sam wird, sagt er zu seinem Sitznachbarn: „Schau, da
hang zwischen dem Brief und der Gräberschändung kommt ein Schwarzer!“. Der Sitznachbar erwidert:
sehen, da auf dem Friedhof keine rassistischen oder „Schieß den einfach ab und schmeiß’n raus aus der
neonazistischen Beschmierungen gefunden wurden. Bahn.“ Die Gruppe lacht aus vollem Herzen, bis einer
Schließlich wird der Fall doch an das ➞ Landesamt für der Herren bemerkt, dass Herr A. ihn entsetzt ansieht.
Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zur Der Mann ermahnt daraufhin seinen Bekannten: „Pass
weiteren Ermittlung übergeben. auf, ich glaub, der kann uns verstehen.“ Herr A. möch-
te den Vorfall dokumentiert wissen.

4 Herr G. beschwert sich im März telefonisch bei

8
ZARA. Er ist erbost, dass er von einem jungen Frau L. wird Zeugin folgenden Vorfalls, als sie im
Moslem als „Schweindelfresser“ und „Dreckschwartl- April 2008 in einem Wiener Supermarkt an der
fresser“ beschimpft wurde, als er diesen in der Stra- Kasse wartet: Eine ältere Kundin beginnt, eine Frau, die
ßenbahn aufforderte, für einen älteren Herrn seinen nicht-österreichischer Herkunft zu sein scheint und
Sitzplatz frei zu geben. Herr G. will von ZARA wissen, vor ihr in der Warteschlange steht, zu beschimpfen:
ob diese Beschimpfung von der Beratungsstelle do- "Haben Sie den Platz gekauft? Sie haben kein Recht
kumentiert wird, oder ob ZARA „nur für die Ausländer“ vor mir zu stehen! Das ist MEIN Land, ich bin in meiner
da sei. Heimat! Nein, halten Sie den Mund! Sie haben kein
16
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

Recht zu sprechen! Gehen Sie raus!" Die attackierte kommt’s hierher und könnt’s nur Kinder machen!“ Die
Frau ist geschockt und antwortet nicht. Frau L. protes- junge Mutter geht weiter ohne sich umzudrehen.
tiert gegen die rassistische Hasstirade und empfiehlt
der Angreiferin, selbst „den Mund zu halten“. Frau L.
möchte den Vorfall bei ZARA dokumentiert wissen. 12 Frau I. berichtet ZARA im Oktober von folgen-
dem Vorfall. Zwei Männer, beide etwa 50 Jahre
alt, gehen zügig auf die U-Bahn-Station Reumannplatz

9 Frau E. hat einen 16 Jahre alten Pflegesohn, der


aus Gambia kommt, und berichtet ZARA von ei-
nem Vorfall im März: Als ihr Sohn A. mit dem Fahrrad
zu und skandieren dabei laut: "Ju-den-schwei-ne! Ju-
den-schwei-ne!“ ZARA dokumentiert den Vorfall und
leitet ihn an das ➞ Dokumentationsarchiv des öster-
durch den 6. Wiener Gemeindebezirk fährt, beleidigt reichischen Widerstandes weiter.
ihn ein entgegenkommender Autofahrer wüst mit
rassistischen Schimpfworten. Der Jugendliche folgt
dem Autofahrer und stellt ihn kurze Zeit später zur 13 Herr S. fährt im Dezember zu Mittag mit der
Straßenbahnlinie 5 vom Franz-Josefs-Bahnhof
Richtung Westbahnhof. Ein Mann in Begleitung steigt
Rede. Der Mann steigt aus dem Wagen, er behauptet,
er sei Polizist und schimpft weiter. Dabei stößt er den ein und brüllt: „Scheiß Tschuschen! Scheiß Kanaken!“
Jungen von sich weg, wodurch dieser gegen das Auto und „Kanaken Dreschen ist leiwand!“ Nach drei Statio-
stolpert und dort einen Kratzer hinterlässt. Dies verär- nen steigt Herr S. aus. Er möchte den Vorfall von ZARA
gert den Mann zusätzlich, er ruft die Polizei, die kurze dokumentiert wissen.
Zeit später eintrifft.
A. wartet auf die Beamten, da er sich keiner Schuld
bewusst ist. Die Polizisten nehmen den Vorfall korrekt 14 Frau A. ist Frankokanadierin und macht im
Dezember Urlaub in Wien. Im 3. Wiener Ge-
meindebezirk geht sie in einem Supermarkt einkau-
auf. Aufgrund der Angaben des Autofahrers, der dem
fen. Als sie an der Kasse steht, will sich eine andere
Jungen eine absichtliche Sachbeschädigung unter-
Kundin vordrängen. Frau A. weist sie darauf hin, dass
stellt, wird Frau E. bei der nochmaligen Einvernahme
sie nicht an der Reihe sei und sich hinten in die Warte-
ihres Sohnes mitgeteilt, dass der Fall an die Staats-
schlange einordnen solle. Die Kundin beschwert sich
anwaltschaft weitergeleitet wird. ZARA berät Frau E.
über die Zurechtweisung und antwortet, dass Frau
rechtlich und bietet an, ihren Pflegesohn bei weiteren
A. aufgrund ihres französischen Akzentes wohl keine
Behörden- oder Gerichtsterminen zu begleiten, was
Österreicherin sei und gefälligst lernen solle, „wie das
jedoch bis dato nicht erforderlich war.
hier in Österreich ist“. Frau A. möchte den Vorfall bei
ZARA dokumentiert wissen.

10 Frau Y. berichtet ZARA im Juni von einem Vor-


fall, der ihrem Mann, der nigerianischer Her-
kunft ist, in Wien widerfahren ist: Herr Y. versäumt die
letzte U-Bahn und muss den kurz darauf fahrenden
15 Frau R. lebt und studiert in Graz, ihr Vater ist
Inder, ihre Mutter Steirerin. In einer Nacht
im Dezember besucht die Studentin gemeinsam mit
Nachtbus nehmen. Im Wagen wird er von einer etwa
ihrem Freund und einem Bekannten ein Lokal in Bad
40 Jahre alten Frau angepöbelt und als „Bimbo“ und
Gastein in Salzburg. Bei Sperrstunde um 2 Uhr mor-
„N…“[*] beschimpft. Es fallen auch Aussagen wie „das,
gens verlassen sie das Lokal und gehen an einer Grup-
was der Hitler gemacht hat, war schon gut so“. Eine pe von etwa sieben jungen Männern vorbei, deren
zweite Frau stimmt in die rassistischen Hasstiraden Alter Frau R. auf 20 bis 25 Jahre schätzt. Einer der jun-
ein. Allerdings mischen sich auch andere Fahrgäste gen Burschen erkundigt sich bei Frau R., wo sie und ihr
zugunsten von Herrn Y. ein. Ein Mann verständigt die Begleiter nun hinfahren würden. Als Frau R. ihm ant-
Polizei, die kurze Zeit später eintrifft, den Vorfall aber wortet, dass sie nach Bad Hofgastein fahren würden,
nicht aufnimmt. fragt er sie, ob er mit ihnen mitfahren könne.
ZARA klärt Frau Y. über die strafrechtlichen Bestim- Frau R. geht mit ihren Begleitern weiter Richtung
mungen auf und bietet an, den Sachverhalt an die Auto, als sie schwulenfeindliches Gejohle aus der
Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, Frau Y. nimmt die- Gruppe wahrnimmt. Sie dreht sich um und kritisiert
ses Angebot jedoch nicht in Anspruch. das Verhalten der jungen Männer, woraufhin diese
Schneebälle nach ihr werfen und ihr nachrufen, dass

11 ZARA dokumentiert folgende Beobachtung


einer Zeugin: Eine junge Frau mit Kopftuch
schiebt im Oktober einen Kinderwagen mit Zwillin-
Frau R. als Ausländerin den Mund halten und sich
dorthin „verziehen“ solle, wo sie herkomme. Der „An-
führer“ der Gruppe macht Frau R. auf seine rote Haube
gen durch die Wiener U-Bahn-Station Volkstheater. aufmerksam, die ein österreichisches Wappen ziert,
Neben ihr gehen noch zwei weitere Kleinkinder. Eine und gibt ihr zu verstehen, dass sie hier in Österreich
ältere Frau kommt ihnen am Bahnsteig entgegen und nichts zu suchen habe.
meint: „Wie viele Kinder wollen sie noch kriegen?“ Die Nachdem Frau R.s Freund die Burschen auffordert,
junge Muslima erwidert, dass sie das wohl kaum et- derartige rassistische Aussagen zu unterlassen, wird
was anginge. Daraufhin konstatiert die alte Frau, be- er plötzlich von einem aus der Gruppe attackiert und
gleitet von anzüglichen Handbewegungen: „Ihr zu Boden geworfen. Frau R. und ihr Bekannter versu-
17
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

chen, den Angreifer zu stoppen, bis auch Frau R. rück- Frau R. hat bei ihrem Sturz Verletzungen am rechten
wärts zu Boden gestoßen wird. Ihr Bekannter kann Knie und am Gesäß davongetragen. Die Verletzungen
die Attacke danach vorerst stoppen. Die anderen werden am nächsten Tag von einem Arzt dokumen-
Burschen sind von dem Angriff offenbar belustigt und tiert.
kommentieren das Handgemenge mit sexistischen Frau R., die erstmalig Opfer eines solch brutalen,
Bemerkungen über Frau R.s Versuche, ihrem Freund menschenverachtenden Angriffes wurde, ersucht
zu helfen. ZARA und das ➞ Dokumentationsarchiv des österrei-
Der weitere Konflikt trägt sich nun hauptsächlich chischen Widerstandes um Dokumentation. ZARA rät
zwischen dem jungen Mann mit der roten Mütze und Frau R., rasch beim ➞ Weißen Ring um Unterstützung
Frau R. zu. Sie macht dem Burschen deutlich, dass anzusuchen. ZARA wird den Fortgang des Falls doku-
er sich seine rassistischen Aussagen überlegen und mentieren.
besser damit aufhören solle. Es folgen jedoch weitere
diskriminierende Beschimpfungen übelster Sorte, die
sich alle gegen Frau R.s Hautfarbe richten und ihren
Höhepunkt in einem lautstarken „Sieg Heil!“, begleitet
16 Frau U. wird im Juli Zeugin, als ein Mann in
einem Bekleidungsgeschäft im 16. Wiener
Gemeindebezirk von einer Verkäuferin vermutlich
von einer zum Hitlergruß erhobenen Hand finden. lateinamerikanischer Herkunft beim Ladendiebstahl
1939 hätte Frau R. nach Befinden des jungen Mannes erwischt wird. Seine Anhaltung kommentiert er ihr
keine Lebensberechtigung gehabt. „Mulatten und an- gegenüber mit den Worten: „Aber ihrane Tschuschen-
dere Mischlinge“ hätten nicht das Recht, mit ihm auch freindinnen losst’s sicher fladern...!“ Frau U. ersucht
nur zu sprechen und Frau R. solle sich gefälligst vor ZARA um Dokumentation des Vorfalls.
ihm niederknien. Darüber hinaus fragt er den Freund
von Frau R., ob er sich denn nicht schäme, dass er mit
ihr „Blutschande“ betreiben würde.
Während Frau R. vor Angst und Entsetzen bereits
17 Herr Ü. ist Österreicher, sein Vater ist türki-
scher Herkunft. Er berichtet ZARA im Juni von
mehrfachen Attacken auf ihn und andere Personen in
weint, aber noch die Kraft findet, den Angreifer darauf seinem Heimatort im Bezirk Baden in Niederösterreich
hinzuweisen, dass er sich mit derartigem nationalsozi- und in der Badner Lokalbahn. Er und seine Freunde
alistischen Jargon strafbar macht und gegen das Ver- österreichischer Herkunft werden von Personen türki-
botsgesetz verstößt, wird ihr Freund ein weiteres Mal scher Herkunft als „Scheißösterreicher“, „Hurensöhne“
zu Boden gestoßen. Wieder geht Frau R.s Bekannter, und „Schweinefresser“ beschimpft. In körperlichen
der mittlerweile die Polizei alarmiert hat, dazwischen. Auseinandersetzungen wurden Bekannte von Herrn
Auch Frau R. findet Gelegenheit, die Polizei anzurufen Ü. auch schon verletzt, sodass sie im Spital behandelt
und den Beamten die nationalsozialistische Wieder- werden mussten. Er beschwert sich darüber, dass die
betätigung und die körperliche Attacke zu melden. Polizei nichts gegen diese rassistisch motivierten Ta-
Inzwischen steigt ein Großteil der Burschen in ein ten unternimmt. Er möchte von ZARA wissen, was er
gegenüber dem Bahnhof parkendes Großraum-Taxi unternehmen kann, außer den Aggressoren aus dem
ein. Nachdem alle eingestiegen sind, wollen sie los- Weg zu gehen.
fahren. Frau R. gelingt es jedoch, den Taxifahrer davon ZARA klärt Herrn Ü. über die Rechtslage auf und
zu überzeugen, das Eintreffen der Polizei abzuwarten. ersucht ihn, genauere Angaben über die Untätigkeit
Weiters fordert Frau R. den Hauptverantwortlichen der Polizei zu machen, z.B. ob die Aufnahme von An-
dazu auf, seine rechtsradikale Meinung vor der Poli- zeigen verweigert wurde, um ihn hinsichtlich weiterer
zei zu wiederholen, was von dem Burschen belächelt möglicher Schritte beraten zu können. Herr Ü. meldet
wird. Frau R. wird mitgeteilt, dass sie seine Aussagen sich jedoch nicht mehr bei ZARA.
ohnehin nicht beweisen könne und die restlichen Ag-
gressoren alles bestreiten würden.
Gegen 2.30 Uhr treffen zwei Polizisten ein, erkun-
digen sich nach dem Geschehen und nehmen die
18 Frau L. ist Afro-Österreicherin. Im Jänner fährt
sie mit ihrer einjährigen Tochter mit der Wie-
ner Straßenbahnlinie 43. Ein älterer, sichtlich ange-
Personalien aller Beteiligten auf. Wie bereits am Tele- trunkener Mann steigt ein. Frau L.s Tochter lächelt ihn
fon schildert Frau R. die anfängliche Provokation, die an und winkt. Der Mann beginnt sofort, auf „die Aus-
Diskriminierungen, Beleidigungen und Bedrohungen, länder“ zu schimpfen. Das Mädchen lächelt ihn noch
das Skandieren nationalsozialistischen Gedankenguts einmal an. Daraufhin sagt der Mann zu ihr: „Du kleines
sowie den zweimaligen tätlichen Angriff. Die Männer N…lein.[*]“ Frau L. steht auf und wendet sich verär-
bestreiten, die Naziparolen von sich gegeben zu ha- gert an den Mann: „Sind’s jetzt einfach still!“ Er mur-
ben. Der „Anführer“ der Gruppe informiert den Beam- melt weiter. Frau L. wiederholt: „Sie haben mich schon
ten, dass er stolz auf sein Vaterland sei. verstanden, halten’s jetzt einfach ihre Klappe!“
Nach der Aufnahme des Vorfalles fuhr Frau R. mit Der Mann entfernt sich von ihr, schimpft jedoch
ihrem Freund nach Hause. Dort konnte er mehrfache weiter: „Die Ausländer, kan Wiener gibt’s mehr in der
Verletzungen, wie Schürfwunden auf Rücken und Kni- Stadt!“ Niemand außer Frau L. spricht den Mann auf
en, sowie Würgemale am Hals feststellen, die er sich seine rassistischen Aussagen an. Frau L. ersucht ZARA
bei der Attacke der Burschen zugezogen hatte. Auch um Dokumentation dieses Vorfalls. Sie fügt hinzu,
18
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

dass ihr schon „viel zu oft“ derartige Vorfälle passiert Am nächsten Tag sitzt Herr B. mit einem Freund vor
sind, sie sich aber bis jetzt noch nicht gemeldet habe, seinem Wohnhaus in einem Auto. Die beiden unter-
da so etwas schon zu ihrem Alltag gehöre. halten sich. Plötzlich sieht Herr B. wieder einen der An-
greifer, der mit einigen Mädchen vorbeigeht. Herr B.

19 Herr B. ist nigerianischer Staatsbürger und


wohnt mit seiner Ehefrau im 10. Wiener Ge-
meindebezirk. An einem Märzabend gegen 20 Uhr
steigt aus dem Auto und geht auf die Gruppe zu. Eines
der Mädchen dreht sich um, sieht ihn und weist den
jungen Mann auf Herrn B. hin, woraufhin der Mann
geht er aus seiner Wohnung auf die Straße, um bei wegläuft. Auch die anderen Mädchen wollen sich
einem nahe gelegenen Automaten Zigaretten zu kau- davonmachen, Herrn B. gelingt es jedoch, diese bis
fen. Als er zum Eingang seines Wohnhauses zurück- zum Eintreffen der von ihm alarmierten Polizei fest-
kehrt, bemerkt er zwei junge Männer im Alter von zuhalten. Die Mädchen beschimpfen ihn rassistisch:
etwa 25 Jahren vor dem Gebäude. Als er an ihnen vor- „N…[*], geh nach Afrika!“. Zwei der Mädchen geben
beigeht, ruft man ihm zu: „Servus N…![*]“ Herr B. ig- zu Protokoll, dass sie die beiden Männer kennen, die
noriert die rassistische Beleidigung und geht an dem Herrn B. attackiert haben und geben deren Namen
Mann vorbei. Plötzlich sagt der zweite junge Mann: bekannt.
„Scheißn…[*], was machst Du in Österreich? Wir sind Herr B. ersucht ZARA um Dokumentation der Ereig-
Skinheads und töten N…![*]“ nisse. Er befürchtet, dass ihm wieder etwas zustoßen
Als sich Herr B. umdreht, versetzt ihm einer der könnte, wenn die Polizei die Täter nicht rasch fasst.
Männer mit einer Weinflasche einen Schlag mitten ins ZARA organisiert für Herrn B. eine Prozessbegleitung
Gesicht, wodurch ihm eine offene Wunde an der Lippe durch den ➞ Weißen Ring.
zugefügt wird und drei Zähne anbrechen. Herr B. ver- Herr B. ist mit den weiteren Ermittlungen der Poli-
liert kurz das Bewusstsein und fällt zu Boden, die Män- zei nicht zufrieden. Es dauert lange, bis die Beamten
tatsächlich mit den Verdächtigen Kontakt aufnehmen.
ner treten auf ihn ein. PassantInnen, die den Vorfall
Einer der beiden, dessen Telefonnummer aktenkun-
sehen und seine Hilfeschreie hören, kommen Herrn B.
dig ist, kann von der Polizei telefonisch nicht erreicht
nicht zu Hilfe. Plötzlich zückt einer der Angreifer ein
werden. Alternative Methoden der Kontaktaufnahme
Springmesser. Mit letzter Kraft springt Herr B. auf und
werden offenbar nicht in Erwägung gezogen. Herr B.
läuft davon. Im Laufen versucht er, mit seinem Handy
leidet sehr unter dem Umstand, dass die Täter unbe-
die Polizei zu rufen. Die beiden Männer verfolgen ihn,
helligt in seiner Nähe wohnen und ihm jederzeit wie-
einer ruft: „Nimm ihm das Handy weg!“ Herr B. kann
der etwas passieren könnte.
ein herannahendes Auto anhalten und den Fahrer um
Im Juli ruft Herr B. aufgebracht bei ZARA an. In ei-
Hilfe ersuchen. Die Angreifer sehen dies und verste-
nem Brief wurde ihm mitgeteilt, dass das Verfahren
cken sich in einer Wohnhausanlage. Herr B. schafft es,
gegen beide Verdächtige unter Setzung einer Pro-
die Polizei und seine Ehefrau zu verständigen.
bezeit von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde.
Kurze Zeit später trifft ein Einsatzwagen ein. Die
Trotz Vertretung durch den Weißen Ring kann Herr
Beamten nehmen Herrn B. mit, um die beiden Täter
B. nichts gegen die Einstellung des Verfahrens unter-
in der Umgebung zu suchen. Die Suche verläuft je-
nehmen. Sowohl die Körperverletzung, bei der das
doch ergebnislos und die Beamten rufen Herrn B. rassistische Motiv als Erschwerungsgrund zu berück-
einen Rettungswagen, der ihn und seine Ehefrau ins sichtigen wäre, als auch der von den Behörden nicht
Krankenhaus bringt. Dort werden seine Verletzungen abgeklärte Tatbestand des Raubs werden den beiden
behandelt, Herr B. muss über Nacht zur Beobachtung Tätern von der Staatsanwaltschaft nachgesehen. Herr
im Spital bleiben. Im Spital bemerkt Herr B., dass seine B. ist in seinem Glauben an den Rechtsstaat erschüt-
Bankomatkarte, sein Haustorschlüssel und über 300 tert und weiß nicht, wer nun seine persönliche Sicher-
Euro aus seiner Hosentasche fehlen. Die Hausbesor- heit sowie die seiner Familie garantieren soll. Er er-
gerin findet die Sachen mit Ausnahme des Geldes am sucht ZARA um Dokumentation und Veröffentlichung
nächsten Morgen und übergibt sie an Frau B. des Falles im Rassismus Report und in den Medien.
Ein paar Tage später geht Herr B. in den Hof, um

20
den Hausmüll zu entleeren. Er bemerkt zwei Mäd- Frau P. und ihre Schwester fahren im Oktober
chen und zwei junge Männer auf einer Sitzbank vor mit der Wiener Schnellbahn. Während der
der Stiege. Als er genauer hinsieht, erkennt er, dass es Fahrt unterhalten sie sich teilweise in Deutsch und in
sich bei den beiden Männern um die beiden Angreifer ihrer Muttersprache Arabisch. Dies stört zwei ande-
handelt. Auch sie erkennen Herrn B. wieder und lau- re Fahrgäste, sie beginnen, die beiden als „arabische
fen davon. Herr B. versucht, ihnen zu folgen und sieht, Schlampen“ zu beschimpfen. Außerdem drohen sie
dass sie in ein nahes Cafe flüchten. Er stellt sich vor den beiden, dass sie „vergast und verbrannt gehören“
den Eingang und ruft die Polizei. Zwei Beamte tref- und zünden zur Bekräftigung ihrer Aussage mehrmals
fen kurze Zeit später ein und durchsuchen das Cafe, ihre Feuerzeuge an. Die Belästigungen und Beschimp-
finden die jungen Männer aber nicht. Eine darauf fungen dauern etwa fünf Minuten. Während des gan-
folgende Suche nach den beiden Mädchen verläuft zen Vorfalls verhalten sich Frau P. und ihre Schwester
ebenfalls ergebnislos. ruhig, damit die Situation nicht eskaliert. Leider wer-
19
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

den sie von den übrigen Fahrgästen nicht unterstützt.


Frau P. will den Vorfall lediglich dokumentiert wissen. 24 Herr K. meldet ZARA im September mehrere
Vorfälle, bei denen er aufgrund seiner öster-
reichischen Herkunft beschimpft wurde, darunter die

21 Herr A. nimmt im Juli an einem Grillfest in ei-


nem Wiener Obdachlosenwohnheim teil. Im
Zuge der Feierlichkeiten tritt eine Gruppe von kapver-
beiden folgenden:
Als Herr K. in der Vösendorfer Shopping City Süd
unter Hinweis auf seinen Ausweis einen Behinder-
dischen Tänzerinnen, Sängerinnen und Trommlerin- tenparkplatz einfordert, wird er von einem Mann, der
nen auf. Die Aufführung findet an einem Nachmittag den Parkplatz unrechtmäßig blockiert, auf Serbisch
in einem Innenhof unter freiem Himmel statt. Eine An- beschimpft und als „Scheiß-Österreicher“ tituliert.
rainerin fühlt sich durch die künstlerische Darbietung An einem anderen Tag fährt Herr K. in der U-Bahn
massiv in ihrer Ruhe gestört. Als die Künstlerinnen und ersucht Jugendliche, die vermutlich türkischer
mit der Musik beginnen, erscheint die Anrainerin auf Herkunft sind, um einen Sitzplatz. Er wird als „Scheiß-
einem Balkon des Nebenhauses und schreit: „Scheiss Nazi“ beschimpft, der erbetene Sitzplatz wird ihm ver-
N...musik[*]! Sag mal, seid’s Ihr ang’schütt? Schleicht’s wehrt.
Euch ham!“ etc.
Als sie auf Unverständnis seitens der Besuche-
rInnen des Festes stößt, verschwindet sie mit einem 25 Herr E. ist Österreicher. Ende Mai macht er sich
gemeinsam mit seiner Freundin von einem
Ausflug auf der Wiener Donauinsel auf den Heimweg.
„Na warts nur...“ in ihrer Wohnung und erscheint eini-
ge Minuten später mit einem Kübel voll Wasser, den Sie betreten die U-Bahn-Station „Neue Donau“ und
sie von ihrem Balkon in den Innenhof schüttet. Dies treffen dort zufällig einige Bekannte, mit denen sie
wiederholt sie dreimal. Glücklicherweise wird keiner gemeinsam in die U-Bahn einsteigen. Nach einigen
der Gäste nass, die ZuhörerInnen reagieren auf die Stationen hören sie laute rassistische Bemerkungen
von Männern, die etwa zwischen 25 bis 30 Jahre alt
Provokation mit ironischem Beifall. Die Musikgruppe
sind. Ihre Verbalattacken richten sich gegen einen
kontert den rassistischen Angriff mit einem Lied, das
Mann mit schwarzer Hautfarbe, dem unter anderem
übersetzt den Titel „Wasser“ trägt. Herr A. möchte den
gesagt wird: „Du Scheiß-N...[*], ihr fickt unsere Frau-
Vorfall bei ZARA dokumentiert wissen.
en!“ Der Betroffene versucht, die Angreifer zu beruhi-
gen, er macht beschwichtigende Handbewegungen
22 Frau A. berichtet ZARA von einem Vorfall, der
sich auf einem Flug einer deutschen Fluglinie
zugetragen hat und der einem der ZARA-Zivilcoura-
und erhebt sich von seinem Sitzplatz, um sich von den
drei Männern zu entfernen. Diese beschimpfen ihn je-
doch weiter und beginnen auf ihn einzuschlagen. Der
ge-Spots (http://www.filmproduktion.org/zaraspots/)
Attackierte flüchtet daraufhin in den vorderen Teil des
sehr ähnlich ist.
Zuges.
Frau A. und ihr Mann, der Togoer ist, fliegen von
Herr E. macht sich Sorgen um den Mann, da die
Düsseldorf nach Wien. Ein älterer Passagier, der mit
drei Angreifer äußerst aggressiv wirken. Er läuft dem
seiner Frau hinter den beiden sitzt, beleidigt Herrn
Flüchtenden nach und stellt sich unmittelbar nach
A. rassistisch und bezeichnet ihn als „N…lein“ [*]. Da
dem Opfer zwischen zwei Haltestangen und umfasst
Herr und Frau A. diese rassistische Verbalattacke nicht diese fest, sodass der Weg für die drei Männer ver-
auf sich beruhen lassen wollen, kommt es zu einem sperrt ist. Das Gesicht des dunkelhäutigen Mannes
Streit, in den sich auch die FlugbegleiterInnen einmi- ist blutig und Herr E. kann erkennen, dass seine Lip-
schen. Nach erfolglosen Schlichtungsversuchen wird pe aufgeplatzt ist. Er wirkt auf Herrn E. geschockt und
Herrn und Frau A. ein Platz in der Business Class an- panisch. Die drei Angreifer schreien zunächst Herrn E.
geboten. Die Bordcrew entschuldigt sich ausdrücklich an: „Lass uns zum N…[*]! Du Scheiß-Linker, lass uns zu
bei Herrn A. für den Zwischenfall und bezieht eindeu- ihm!“ Sie versuchen, Herrn E. wegzudrängen. Herr E.
tig Stellung, dass solch rassistisches Verhalten nicht behält seine Position und versucht, die Angreifer zu
geduldet wird. Frau A. möchte den Vorfall und dessen beschwichtigen. Die drei Männer beginnen, auf Herrn
erfreuliches Ende von ZARA dokumentiert wissen. E. einzuschlagen. Seine Freundin und zwei seiner Be-
kannten laufen zu ihm und versuchen die Angreifer

23 Kurz nach dem Tod Jörg Haiders wird Herr G.


im Oktober in einer Wiener Postfiliale Zeuge
folgenden Dialogs. Zunächst vernimmt Herr G. nur
von ihm fernzuhalten. Dabei werden sie ebenfalls von
diesen geschlagen. Eine weitere Passagierin hält den
Zug mittels der Notbremse in einer Station an.
das Gemurmel des einen Gesprächspartners. Schließ- Herr E. und ein weiterer Fahrgast, der ebenfalls ver-
lich meint dieser: „Da brauch ma wieder einen starken sucht hatte, ins Geschehen einzugreifen, werden von
Mann!“ Darauf antwortet der zweite Redner: „Na, der den Angreifern bespuckt. Nach kurzer Zeit beschlie-
ist ja jetzt beerdigt worden!“ Der erste Mann erwidert: ßen die drei Angreifer, den Zug zu verlassen. Einer der
„Na, no an Stärkeren, der dann wieder so richtig um- Männer zerrt Herrn E. an dessen Haaren mit hinaus.
rührt, damit das ganze Drecksgesindel wieder wegge- Herr E. lässt sich auf den Boden fallen und wird einige
bracht wird und verschwind’t!“ Herr G. ersucht ZARA Meter über den Bahnsteig mitgezogen, die Angreifer
um Dokumentation dieser Aussagen. prügeln weiter auf ihn ein. Schließlich besprüht ein
20
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

bis dahin unbeteiligter junger Mann einen der An- neben sich vernimmt, die ihr zuflüstert: „In unserem
greifer mit Pfefferspray, woraufhin dieser von Herrn E. schönen Land trauen sie sich, SO herumzulaufen, die
ablässt. Die drei Angreifer verlassen die Station. schiachen Weiber.“ Als Frau P. darauf ihren Kopf hebt,
Da mehrere ZeugInnen mittlerweile die Polizei um zu sehen, wer das gesagt hat, sieht sie eine Frau
gerufen haben, gelingt es den eintreffenden Beam- mit deren etwa 17-jährigen Tochter.
tInnen, die Angreifer vor Ort festzunehmen. Der Fahr- Frau P. reagiert zunächst nicht, sondern fährt in
gast, der von den Angreifern bespuckt worden ist, das den 1. Stock des Geschäfts, um sich dort umzusehen.
eigentliche Opfer des Angriffs und der Passagier, der Dort trifft sie nach kurzer Zeit wieder auf die beiden
den Angriff mithilfe seines Pfeffersprays beendet hat, und hört die Mutter zu ihrer Tochter sagen: „Na, die
sind nicht mehr vor Ort, als die Polizei mit der Einver- Hosen sind ja alle in der Türkei hergestellt. Den Scheiß
nahme der ZeugInnen beginnt. Die drei werden von können sie sich behalten!“ Gleich darauf entdeckt sie
den Angreifern wegen Körperverletzung angezeigt. wieder Frau P. und sagt im Vorübergehen: „Da is’ die
Bei der weiteren Amtshandlung im nahen Wachzim- Schiache scho’ wieder." Frau P. erwidert, dass sie es feig
mer erfährt Herr E., dass die drei Angreifer aufgrund finde, hinter dem Rücken anderer Menschen so über
von Suchtmitteldelikten polizeibekannt sind. Im diese zu sprechen. Die Mutter reagiert nicht, nur die
Anschluss an seine Einvernahme begibt sich Herr E. Tochter meint: „Die kommt sich aber sehr gut vor.“
ins Wiener Allgemeine Krankenhaus, wo eine Schä- Am nächsten Vormittag geht Frau P. mit ihrer 3-jäh-
delprellung und einige Beulen an Kopf und Schulter rigen Tochter in ein anderes Bekleidungsgeschäft im
diagnostiziert werden. Seit dem Vorfall hat Herr E. Einkaufszentrum eines kleineren steirischen Ortes. Sie
Schmerzen am Kiefer und kann seinen Mund nicht steht gerade bei der Kasse, als wieder die Frau mit ih-
mehr vollständig öffnen. rer Tochter hereinkommt und Frau P. sofort erblickt. Sie
Herr E. ersucht ZARA um Dokumentation des Vor- flüstert: „Da ist ja die schon wieder.“ Frau P. erkundigt
falls. ZARA leitet den Sachverhalt an den ➞ Weißen sich bei ihr, ob sie nicht wieder ein paar Höflichkeiten
Ring weiter, durch den Herr E. rechtliche Unterstüt- für sie habe. Daraufhin bleibt die Frau stehen und sagt
zung im folgenden Strafverfahren gegen die Angrei- angewidert zu ihr: „Belästigen Sie mich nicht mit ih-
fer erhält. Das Verfahren hat zu Redaktionsschluss rem ausländischen Atem!“ Frau P. erwidert: „ICH beläs-
noch nicht stattgefunden. tige hier niemanden, SIE haben mich beschimpft!“
Daraufhin entwickelt sich folgender Dialog zwi-

26 Im Juni veröffentlicht das internationale An-


tirassismusnetzwerk „FARE – Football Against
Racism in Europe“ einen Bericht über rassistische Vor-
schen den beiden erwachsenen Frauen: „Gehen’s
doch heim, zu Ihrem Allah, wenn Sie sich so gerne von
jedem Mufti durchficken lassen!“ – „Ich bin Österrei-
fälle während der EURO 2008 (siehe http://fairplay. cherin, ich bin hier daheim, und kann leider sonst nir-
vidc.org/startseite/aktuelle-news/news/article/132/87). gends hingehen.“ – „Das ist ja noch schlimmer, dann
Von den BeobachterInnen von FARE werden unter an- schäme ich mich für dieses Land!“ – „Nein, ICH schäme
derem folgende Vorkommnisse dokumentiert: mich für mein Land, wenn es hier Leute wie Sie gibt.
Während des Spiels Österreich – Polen skandiert Und es ist nicht mein Problem, wenn Sie Rassistin sind.“
eine kleine Gruppe ÖsterreicherInnen in der UEFA – „Ich bin keine Rassistin, ich bin nur für Österreich.“ –
Fanzone in Wien „Scheiß Polaken“ und „Zick-Zack-Zi- „Ja, das bin ich auch.“ – „Eine Schande ist das, wenn die
geunerpack“. Weiber hier SO herumrennen“, vermerkt die Mutter
Nach dem Viertelfinale Spanien – Italien werden mit Hinweis auf das Kopftuch von Frau P. Schließlich
Mitglieder der Real Madrid Fangruppe „Ultras Sur“ ersucht Frau P. die andere Frau noch darum, dass sie
beim Zeigen des Hitlergrußes beobachtet. vor Frau P.s kleiner Tochter ihren Ton doch überden-
Im Anschluss an das Spiel Deutschland – Polen ken möge, worauf diese nur noch meint, dass Frau P.
marschieren deutsche Fans durch die Straßen von und „Ihresgleichen“ ohnehin alles „Nestbeschmutzer
Klagenfurt und provozieren PolInnen mit Slogans wie im eigenen Land“ wären. Die Tochter der Angreiferin
„Alle Polen müssen einen gelben Stern tragen“ und bezeichnet Frau P. als „Proletenweib“. Dieses „Kompli-
„Deutsche wehrt euch! Kauft nicht bei Polen!“ FARE- ment“ gibt Frau P. zurück. Zum Schluss meint die Frau
BeobachterInnen registrieren auch PolInnen, die zu Frau P., sie solle endlich aufhören, sie zu belästigen,
Schals mit keltischen Kreuzen und Slogans wie „Polen und geht weiter. Frau P. ist umgeben von zwei Ge-
den Polen, Europa den Weißen“ tragen. schäftsangestellten sowie drei andere KundInnen, die
den Vorfall nicht weiter kommentieren.

27 Die Grazer MigrantInnenorganisation lässt


ZARA im September folgenden Erfahrungs-
bericht einer zum Islam konvertierten Österreicherin
Als Frau P. am Nachmittag desselben Tages noch-
mals in das Geschäft fährt, um sich bei der ihr persön-
lich bekannten Geschäftsführerin für den Aufruhr zu
zukommen: Frau P. trägt ein Kopftuch. Sie begibt sich entschuldigen, erfährt sie von einer Verkäuferin, dass
Anfang September in ein Grazer Shopping-Center, um die Frau beim Verlassen des Geschäfts verkündet hat,
einzukaufen. In einem Bekleidungsgeschäft sucht sie dass sie dort nicht mehr einkaufen werde, wenn sol-
nach etwas Passendem, als sie plötzlich eine Stimme ches „Ausländerg’sindel“ ebenfalls willkommen sei.

21
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

28 Frau H. ist mit einem Afrikaner (genauere


Herkunft nicht genannt) verheiratet, sie ha-
ben eine gemeinsame Tochter. Im November fährt sie
initiieren. Er richtete mehrere Briefe an Nationalrats-
abgeordnete, Landeshauptleute und die katholische
Bischofskonferenz. Im Schreiben an letztere wetterte
mit ihrer Tochter gegen 19.30 Uhr mit der Wiener U- er gegen die „satanische Lüge vom Massenmord“. Den
Bahn. Vier Jugendliche, zwei Burschen und zwei Mäd- Holocaust bezeichnete er als „vorgetäuschte, surreale
chen, steigen ein und nehmen gegenüber von Frau H. Gräuel“. „Die Juden“ hätten die angebliche Existenz
Platz. Einer der Jugendlichen möchte wissen, ob das von Gaskammern in die Welt gesetzt, um dafür nach
Mädchen ihre Tochter ist. Frau H. bejaht. Die Jugend- Kriegsende „ungerechtfertigte Zahlungen kassieren
lichen beginnen Witze über die dunkle Hautfarbe zu können“.
ihrer Tochter zu machen. Frau H. hört Ausdrücke wie Einige SympathisantInnen des Verurteilten kom-
„Brickerl“, „war zu lang im Solarium“ und „sieht aus wie mentieren während des Prozesses die Zusammen-
Dünnschiss“. Frau H. fühlt sich verletzt, bleibt aber ru- setzung der Geschworenen mit Sätzen wie: „Die ham
hig. Sie entgegnet, dass ihr die Jugendlichen nur leid ja die Fragen ned verstanden!“ oder „Das sind ja alles
tun könnten, wenn sie so rassistisch seien. Schließlich Ausländer!“ Der Ausspruch des Gerichts über das
steigen die vier jungen Leute gemeinsam aus und po- Strafausmaß wird von Kommentaren begleitet, die im
chen von Außen gegen die Scheibe des Zuges. Frau Zeitungsartikel als „teils nicht zitierwürdig“ bezeich-
H. kann nicht fassen, dass gerade so junge Menschen net werden.
einem kleinen Kind gegenüber so widerwärtig sein

32
können. Sie ist froh, dass ihre Tochter noch zu jung ist, Ende Jänner erhält Herr U. eine SMS mit ras-
um die rassistischen Beleidigungen zu verstehen, und sistischem Inhalt. Er lässt ZARA deren Wort-
ersucht ZARA um Dokumentation. laut zur Dokumentation zukommen:
„In Wien wurde eine Türkin auf offener Straße mit

29 Frau G. ist mit einem Nigerianer verheiratet.


Im April geht sie mit ihren Kindern in Wien
spazieren. Plötzlich hält neben ihr ein Auto an und
Benzin übergossen und verbrannt! Wir sammeln nun
für ihre Angehörigen. Wir haben schon 90 Liter!!!
Schreibe deinen namen dazu und sorge dafür das ös-
ein Fahrer beschimpft sie als „N…hure“ [*] und meint
terreich ‚türkenfrei‘ wird!“
zu ihr, dass er dies für eine „Rassenschande“ halte. Da
Im Anschluss an diesen Text finden sich 90 Namen
Frau G. aufgrund dieser unerwarteten Attacke sehr er-
von UnterzeichnerInnen. Herr U. schickt dem Sender
schrocken ist, denkt sie nicht daran, sich das Kennzei-
der SMS eine Antwort, in welcher er klarstellt, dass er
chen des Wagens zu notieren.
über solch eine menschenverachtende Geschmack-
ZARA klärt Frau G. für zukünftige Vorfälle über die
losigkeit nicht lachen könne, zumal seine Vorfahren
Möglichkeit einer Anzeige wegen Beleidigung und
selbst aus Tschechien nach Österreich gekommen sei-
wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz auf.
en. Der Absender schreibt Herrn U. zurück, dass er ihm
diese SMS irrtümlich gesendet habe, kommentiert de-
30 Frau C. ist Afro-Österreicherin und lebt in
Wien. Im Jänner ist sie gegen 21 Uhr in der
U-Bahn unterwegs. Zwei Männer steigen ein und
ren Inhalt aber nicht weiter.
ZARA bietet Herrn U. an, die SMS aufgrund ihres
sprechen sie an: „Du N…[*], steh auf!“ Frau C. reagiert verhetzenden Inhalts an die Behörden weiterzuleiten.
nicht. Als sie kurz darauf aussteigen will, wird sie von Herr U. meldet sich jedoch nicht mehr.
einem der Männer an den Haaren gezogen und sogar
geohrfeigt. Sie ruft um Hilfe, PassantInnen werden
auf den Vorfall aufmerksam und die beiden Männer 33 Frau E. ist kurz vor Weihnachten mit ihrem
peruanischen Freund auf dem Nachhause-
weg. Da es schon recht spät geworden ist, müssen
flüchten.
Frau C. ersucht ZARA um Dokumentation und die beiden mit dem Nachtbus fahren. Während Frau
möchte wissen, wie sie sich in Zukunft in solchen Si- E. bei der Haltestelle den Fahrplan studiert, setzt sich
tuationen verhalten soll. ZARA rät Frau C., in solchen ihr Freund in das Wartehäuschen. Dort wird er von ei-
Fällen sofort die Polizei zu rufen und die Nähe von nem jungen, glatzköpfigen Mann, der eine Bomber-
PassantInnen zu suchen. jacke trägt, angesprochen. Da ihr Freund noch dabei
ist, Deutsch zu lernen, ersucht er Frau E. um Hilfe. Frau

31 Im Rahmen eines unregelmäßigen Medien- E. erkundigt sich danach, was der Mann gesagt hat.
monitorings dokumentiert ZARA einen Vor- Dieser erwidert, dass sie hier in Österreich seien und
fall, der in einem Artikel des Online-Standard (http:// man hier gefälligst Deutsch zu sprechen habe. Außer-
derstandard.at/?url=/?id=3181996) beschrieben wird: dem werde er gleich noch 20 weitere Freunde holen,
Mitte Jänner wird ein ehemaliger Bezirksrat der FPÖ um Frau E.s Freund zusammenzuschlagen. Frau E. er-
wegen Wiederbetätigung zu einer Haftstrafe von 4 schrickt und überredet ihren Freund, der sich eigent-
Jahren verurteilt. Dies ist bereits seine dritte Verurtei- lich gegen die Provokation zur Wehr setzen will, sich
lung nach dem Verbotsgesetz. rasch vom Aggressor zu entfernen und den Nachtbus
Im Jahr 2007 versuchte der Ex-Politiker, ein Volks- zu besteigen, der inzwischen eingetroffen ist. ZARA
begehren zur Abschaffung des Verbotsgesetzes zu dokumentiert den Vorfall wunschgemäß.
22
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

34 Herr T. fährt in Wien im September gegen 22


Uhr mit der Straßenbahn. Ihm gegenüber
sitzt ein Mann mit schwarzer Hautfarbe. Er wird Zeu-
verfolgt wird. Die Privatanklage muss binnen sechs
Wochen beim zuständigen Bezirksgericht einge-
bracht werden. Der Nachteil einer solchen Privatan-
ge, wie der Mann plötzlich von zwei fremden Männern klage ist, dass der/die PrivatanklägerIn für den Fall,
grundlos als „N…[*]“ und „Drogendealer“ angepöbelt dass der/die TäterIn freigesprochen wird, die Kosten
wird. Der Mann bleibt ruhig sitzen und ignoriert die des Strafverfahrens übernehmen muss.
Beleidigungen. Die beiden Aggressoren fahren mit Hat eine Beleidigung jedoch rassistische Motive,
den Beschimpfungen fort und drohen dem Mann, ihn nimmt sie etwa Bezug auf die ethnische Zugehörig-
zu verprügeln, wenn er mit ihnen aussteigt. keit oder die Religion der beleidigten Person, dann
Bei der nächsten Haltestelle werden alle drei Män- wird das Privatanklagedelikt zu einem Ermächti-
ner vom Straßenbahnfahrer aufgefordert, die Straßen- gungsdelikt (§ 117 Abs 3 StGB). Dies bedeutet, dass
bahn zu verlassen. Auch die beiden Angreifer fordern die Staatsanwaltschaft die rassistische Beleidigung
den von ihnen attackierten Mann auf, mit ihnen die von Amts wegen zu verfolgen und ein Strafverfah-
Straßenbahn zu verlassen. Erst nach lautstarkem Pro- ren gegen den/die BeleidigerIn einzuleiten hat,
test von Herrn T. und einem weiteren Fahrgast, lässt wenn der/die Beleidigte damit einverstanden ist
ihn der Straßenbahnfahrer weiter mitfahren. und die Staatsanwaltschaft dazu „ermächtigt“. In
Herr T. beschwert sich bei den Wiener Linien, dass einem solchen Verfahren trägt das Opfer kein Pro-
der Fahrer auch den bedrohten Fahrgast aus dem zesskostenrisiko.
Waggon weisen wollte. Im Fall von Frau R. hätte die Polizei den Vorfall ei-
Die Wiener Linien entschuldigen sich für den Vor- gentlich aufnehmen und an die Staatsanwaltschaft
fall. Der Fahrer der Straßenbahn sei wahrscheinlich weiterleiten müssen, die dann auch die Ermächti-
davon ausgegangen, dass der Angegriffene Mitschuld gung zur Verfolgung der rassistischen Beleidiger
am von ihm wahrgenommenen Tumult habe. Da er von Frau R. hätte einholen müssen. Die Androhung
alle Kontrahenten der Straßenbahn verweisen wollte, des Mannes, Frau R. „eine aufzulegen“, könnte auch
könne ihm kein rassistisches Verhalten vorgeworfen als „gefährliche Drohung“ gemäß § 107 StGB gese-
werden. Herr T. konnte den Fahrer ja außerdem vom hen werden, welche die Verhängung einer Freiheits-
tatsächlichen Hergang überzeugen. strafe von bis zu einem Jahr nach sich ziehen kann.
ZARA dankt Herrn T. für sein couragiertes Einschrei- Dafür hätte Frau R. ernsthaft in Furcht und Unruhe
ten und dokumentiert den Vorfall. um ihre körperliche Unversehrtheit versetzt wer-
den müssen. Da die Beleidiger bei dieser Aussage
Die eigenen Rechte kennen gelacht haben, hat es sich hierbei vermutlich eher
um eine so genannte „milieubedingte Unmutsäuße-
rung“ gehandelt, die von der Beleidigung gemäß §
Frau R., eine österreichische Staatsbürgerin tür- 115 StGB mit umfasst ist.
kischer Herkunft, wird auf offener Straße von
zwei Männern als „Türken-Sau“ beschimpft, sie Was kann Frau R. tun?
solle sich „ham schleichen“, ansonsten würden Frau R. kann, wenn sich die Polizei weigert, die An-
die Männer „ihr eine auflegen“, wie sie ihr unter zeige entgegenzunehmen, eine Sachverhaltsdar-
lautem Gelächter nachrufen. Mehrere andere stellung an die Staatsanwaltschaft schicken. Wenn
PassantInnen bemerken diese Verbalattacke, sich Frau R. an ZARA wendet, übernimmt ZARA die-
reagieren jedoch nicht. Frau R. ist schockiert und sen Schritt und begleitet sie durch das Strafverfah-
geht zur nächsten Polizeiinspektion, um den Vor- ren. Problematisch bei solchen Übergriffen im öf-
fall anzuzeigen. Dort teilt ihr ein Beamter mit, fentlichen Raum ist jedoch meistens der Umstand,
dass die Polizei für Beleidigungen unter Privat- dass die TäterInnen anonym bleiben. Bei Vorfällen,
personen nicht zuständig sei und sie sich an das in denen es um Beleidigung geht, wird die Polizei
nächste Bezirksgericht wenden solle. zumeist nicht verständigt (oder die BeamtInnen er-
klären sich wie im obigen Fall für unzuständig) und
Für Beleidigungen im öffentlichen Raum sieht § 115 die Daten der beteiligten Personen werden nicht
Strafgesetzbuch (StGB) vor, dass jemand, der öffent- aufgenommen. Eine Anzeige gegen anonyme Täte-
lich (d.h. vor mindestens drei Personen, Opfer und rInnen an die Staatsanwaltschaft dient somit ledig-
TäterInnen nicht mitgerechnet) einen anderen „be- lich statistischen Zwecken. Dennoch tragen solche
schimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder Anzeigen dazu bei, dass mehr Fälle in den Statisti-
mit einer körperlichen Misshandlung bedroht“, mit ken aufscheinen und ein wenig zur Reduktion der
einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder Dunkelziffern beitragen.
mit einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen be-
straft werden kann. Einige Tage später begegnet Frau R. zufällig er-
Grundsätzlich gilt eine Beleidigung im Sinne des neut den beiden Männern, die sie beschimpft
§ 115 StGB als „Privatanklagedelikt“. Das bedeutet, haben. Es ist mitten in der Nacht, die Männer
dass der/die TäterIn nur auf Verlangen des Opfers sind offensichtlich betrunken. Einer der Männer
23
Öffentlicher Raum · Straße, öffentliche Verkehrsmittel u.v.m

erkennt Frau R. wieder und meint: „Hamma Dir darauf, ob und zu welcher Strafe die beiden Männer
nicht gesagt, Du sollst verschwinden?“ Die bei- verurteilt werden. Sie kann sich dem Strafverfahren
den gehen auf Frau R. los und fügen ihr durch aber als Privatbeteiligte (siehe „Glossar“) anschlie-
Schläge und Tritte mehrere Prellungen am Ober- ßen. Als Opfer einer Gewalttat hat Frau R. auch die
körper und im Gesicht zu. Ein Passant verstän- Möglichkeit, sich an den Weißen Ring (siehe „Glos-
digt die Polizei und die Rettung. Die Beamten sar“) zu wenden. Der Weiße Ring kann Frau R. einen
treffen kurze Zeit später ein und können die bei- Rechtsanwalt zur Seite stellen, der sie bei der Gel-
den Täter festnehmen. Frau R. muss sich im Spital tendmachung ihrer Ansprüche als Privatbeteiligte
behandeln lassen. vertritt.
§ 33 Z 5 StGB sieht für den Fall einer Verurteilung
Die Prellungen, die Frau R. von den beiden Männern der TäterInnen vor, dass das Gericht bei der Bemes-
zugefügt wurden, erfüllen den Straftatbestand der sung der Strafe (im gesetzlich vorgesehenen Rah-
Körperverletzung gemäß § 83 StGB. Dabei handelt men – bei Körperverletzung ist dies eine Freiheits-
es sich um ein so genanntes „Offizialdelikt“, d.h. die strafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe
Polizei muss den Sachverhalt an die Staatsanwalt- von bis zu 360 Tagessätzen) eine höhere Strafe ver-
schaft weiterleiten, die ihrerseits ein Strafverfahren hängen kann, da die beiden Täter aus „rassistischen
einleiten muss oder die Täter durch diversionelle und fremdenfeindlichen“ Motiven gehandelt haben
Maßnahmen (Diversion, siehe „Glossar“) zur Wie- und dies einen so genannten Erschwerungsgrund
dergutmachung der Tat bewegen kann. Für den Fall darstellt.
eines Strafverfahrens hat Frau R. keinerlei Einfluss

WUK
WUK_rassismus report 05.02.2009 12:47 Uhr Seite 1

WUK
www.wuk.at WUK Werkstätten- und Kulturhaus
Theater/Tanz/Performance
Musik
KinderKultur
Kunst & Medien
Währinger Straße 59
1090 Wien
tickets auf shop.wuk.at
Telefon 01 - 401 21-0

Solidarität ist das Um und Auf für unsere gemeinsame Lebensqualität.


Lebensfreude darf nicht auf Kosten anderer gewonnen werden. Sie kann nur im
Miteinander entstehen oder sie wird einen unguten Beigeschmack besitzen.

Leben wir Solidarität. Als Mitglieder der Gewerkschaft und in unserem täglichen Tun und Handeln.

www.vida.at
Öffentlicher Raum · Internet

Internet

35 In einem im Juli veröffentlichten Artikel über


Rassismus auf derStandard.at findet sich
folgendes Posting, das einerseits Diskriminierungen
nächste Mal das Luftdruckgewehr gegen ein Sturm-
gewehr zu tauschen.
Herr N. erstattet gleichzeitig mit seiner Meldung
aufgrund der Hautfarbe verurteilt, Diskriminierungen an ZARA Strafanzeige gegen die Poster und die On-
aufgrund der (muslimischen) Religion hingegen be- lineplattform. Den Behörden gelingt es, fünf Poster
fürwortet: ausfindig zu machen. Anfang 2009 müssen sie sich
„Also mir ist ein absolutes Rätsel, wie man auf vor dem Landesgericht Feldkirch wegen Verhetzung
Hautpigmentierung abstellen kann. Meine beste verantworten. Aufgrund des Umstandes, dass alle
Mitarbeiterin ist gebürtige Inderin, und ich hätte fünf nicht vorbestraft sind, sieht der Richter von einer
natürlich auch minus Probleme mit jemanden sog Verurteilung ab und bietet den geständigen Ange-
"dunkelhäutiger/n". Im Gegenteil, würde mich echt klagten an, die Angelegenheit mittels ➞ Diversion zu
reizen Leuten die Krallen zu zeigen, wenn wer wagen erledigen. Bei Bezahlung von Geldbeträgen zwischen
würde diesen MenschInnen irgendwie blöd zu kom- 200 und 400 Euro gelten sie weiterhin als nicht vor-
men. Allerdings könnte mich kein Gesetz der Welt bestraft.
dazubringen eine Kopftuchfrau zu beschäftigen - und Zu Redaktionsschluss ist nicht bekannt, ob die fünf
wenn ich dann als Diskriminiererin gelte, dann bin ich Poster dieses Angebot angenommen haben und ob
noch stolz drauf.“ auch die Staatsanwaltschaft mit dem Vorschlag des
ZARA dokumentiert das Posting im Zuge eines un- Richters einverstanden ist. Hinsichtlich der Anzei-
regelmäßigen Monitorings. ge gegen die Betreiber der Internetplattform ist die
Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass eine Beitrags-

36 Ende November erscheint im Online-


Standard unter http://derstandard.
at/?url=/?id=2958037 ein Artikel über rechtliche Be-
täterschaft mangels vorsätzlichen Mitwirkens an der
Verbreitung der rassistischen Postings nicht vorliegt,
und stellt das Verfahren ein.
stimmungen, die sich gegen rassistische Einlasspolitik
in Lokalen richten. Im Rahmen eines unregelmäßigen
Monitorings dokumentiert ZARA einen Kommentar,
der mittlerweile gelöscht wurde und in dem sich ein
38 Zu einem Online-Artikel der Presse, der über
die Aussage eines österreichischen Schieds-
richters berichtet, der meint, er möge keine „N…
Leser dazu äußert: musik“[*] (siehe Fall 49, Kapitel Politik und Medien)
„Nicht genug, dass in den Lokalen noch geraucht posten UserInnen unter anderem folgende, von ZARA
werden darf! Nein, man muß auch noch Jumbo und dokumentierten Kommentare:
Dumbo hereinlassen. Aber nichts da, in meinem Lo- „diese unüberlegte äußerung ....haut mich um. da
kal bestimme immer noch ich, wer hereinspaziert und werden sich einige drogendealer zurecht diskrimi-
wer nicht. Nat. nicht rass. motiviert, nein, ich parke niert fühlen und aus protest auf frankfurter- , wiener
ja auch nicht vor den Augen der Parksheriffs falsch. und BERLINER MIT SCHUSS!! verzichten!“
Wenn ich wen nicht reinlasse, dann ist das, weil ich „die negroide Rasse ist namensgebend für die Be-
so ein untrügliches Gefühl habe, dass ihn die ande- zeichnung N…[*]. Auch die politisch Korrekten schaf-
ren Gäste nicht mögen werden und wer zahlt, schafft fen es nicht eine Spezifikation der Wissenschaft zu
schliesslich an, oder?“ leugnen.“
„waere Affenmusik nicht zutreffender gewesen?

37 Ende Juni informiert Herr N., ein engagierter


Sozialwissenschafter, ZARA über mehrere
rassistische Postings auf einer Vorarlberger Internet-
Da ein N…[*] mit einem Affen nichts gemeinsam ha-
ben kann, gaebe es zumindest keinerlei Verdacht auf
Diskrimination. Die Bewegungen auf diesen Clips,
plattform. Ein dort befindlicher Online-Artikel behan- ganz egal wer da spielt - weiss oder schwarz - erinnern
delt die Feierlichkeiten türkischer Fußball-Fans an- einen an die Affen. Der Umstand, dass Schwarze und
lässlich eines Sieges ihrer Mannschaft über Kroatien Affen von demselben Kontinent kommen, ist natuer-
bei der EURO 2008. Laut Bericht wurde ein Fan dabei lich reiner Zufall. Wuerden sich die Inder beleidigt fu-
durch einen Schuss aus einem Luftdruckgewehr ver- ehlen, wenn man ihre Musik Schlangenmusik nennt?
letzt. Die Kommentare zum Artikel befürworten die Bestimmt nicht. In unseren Demokratie gilt als Mei-
„Ausrottung“ der „Türken“ oder „Moslems“, die nach nungsfreiheit, wenn man das Maul den anderen bei
„Mauthausen“ gehörten. Es wird angekündigt, die- der geringsten Gelegenheit zumachen darf.“
se hätten noch vor sich, „was die Juden schon hinter „Jedem Weißen seinen Maulkorb! Es heißt nicht
sich haben“. Weiters schlägt ein User vor: „Vollgas und ‚Drogenn…‘[*], sondern schwarzafrikanischer Wan-
ohne Rücksicht auf Verluste ab durch den Haufen Un- derapotheker. Aber: ACHTUNG: ‚Afro‘ gefälligst wie
geziefer!“ Andere bedauern, dass der Schütze kein ‚avro‘ aussprechen, sonst klingt es zwei-effig und das
„richtiges Gewehr“ benutzt habe, und raten ihm, das gibt Knast!“

25
Öffentlicher Raum · Internet

39 Bereits im März 2007 wird ZARA von Herrn


X. auf homophobe und rassistische Kom-
mentare in seinem Weblog hingewiesen. Ein Poster
verachtende Schimpfwort „N…bastard“[*] sei gar
nicht beleidigend zu verstehen, da es sich lediglich
um eine neutrale „Bezeichnung“ handle.
namens „Landsknecht“ bezeichnet Herrn X. als „Volks- Die Richterin verurteilt den EDV-Techniker wegen
schädling“ und „genetischen Sondermüll“, dem „10 seiner verhetzenden Aussagen und in Anbetracht
Jahre Straflager“ gebührten. Er und seinesgleichen seiner einschlägigen Vorstrafe zu neun Monaten Frei-
seien „Ausgeburten eines total entarteten Systems“, heitsstrafe. Zwei Monate davon werden sogar unbe-
die „als Krebsgeschwür den noch gesunden Volkskör- dingt ausgesprochen und sind daher vom Verurteilten
per vergiften“, wenn sie nicht rechtzeitig „radikal und tatsächlich im Gefängnis zu verbringen. Nach kurzer
gnadenlos herausgeschnitten“ würden. Der „Lands- Bedenkzeit nimmt der verurteilte „Landsknecht“ das
knecht“ spricht vom „nationalen Widerstand“ sei- Urteil an. Aufgrund einiger Aussagen in der Verhand-
ner „Bewegung“ und davon, dass Herr X. wertlos für lung, die nationalsozialistischer Propaganda nahe
„unser Deutsches Volk“ sei. Auch das „Tausendjährige kommen, kündigt der Staatsanwalt weitere Untersu-
Reich“ besteht immer noch für den Poster. chungen wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz
Nachdem Herr X. in seinem Weblog anmerkt, an.
dass er die Postings an ZARA weiterleitet, wird ZARA Ein während der Verhandlung anwesender Redak-
als Ansammlung von „Kinderschändern“ diffamiert. teur der Tageszeitung Kurier berichtet ausführlich
Gleichzeitig erhält ZARA eine E-Mail vom „Lands- über das für Österreich einzigartige Urteil.
knecht“, in dem er von der Wichtigkeit der „restlosen“
Abschiebung „rassisch minderwertigen Abschaums“
spricht. Er bezeichnet MuslimInnen als Bedrohung für
„Volk und Vaterland“. Das „moslemische Gesindel“ sei
40 Am Tag der Pressekonferenz des Rassismus
Reports stellt ein ehrenamtlicher Mitarbeiter
von ZARA einen Bericht der Zeit im Bild über die Prä-
ein „Feind“, der „aufs neue auf heimatlichem Boden zu sentation des Reports auf YouTube (http://www.youtu-
schlagen“ sei. Er schließt die E-Mail mit den Worten: be.com/watch?v=hzPvBmiJA44). Kurz darauf verewigt
„Auf baldige Konfrontation Ihr zionistischen Volksver- sich der YouTube-User „CoolYorkxxx“ mit folgendem
räter!“ Kommentar unter dem Video:
Aufgrund der rassistischen Postings und der ver- „ich möchte 100.000 ausländische übergriffe auf
hetzenden E-Mail erstattet ZARA im Mai 2007 Strafan- österreicher melden aber das juckt niemanden da
zeige wegen Verhetzung und wegen Verstoßes gegen sind die 800 übergriffe auf drogenn…[*] wichtiger
das Verbotsgesetz. ich hoffe das jemand ins zarahaus geht und dort alle
erschießt“
ZARA leitet den Kommentar an das ➞ Bundesamt
für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
weiter, die Meldung an die Staatsanwaltschaft erstat-
ten. Zu Redaktionsschluss sind keine Ermittlungser-
gebnisse bekannt und der Kommentar ist inklusive
eines weiteren zustimmenden Postings immer noch
online.

Was wurde aus…?


Fall 33 Rassismus Report 2007
© Kurier, 2008

Mehrere ZeugInnen berichten ZARA im Jahr 2008 wie-


der von einer Ketten-E-Mail, die bereits im Vorjahr kur-
Dem Wiener ➞ Landesamt für Verfassungsschutz sierte. Darin wird behauptet, dass den SchülerInnen
und Terrorismusbekämpfung gelingt es, den Täter an Linzer Schulen gelehrt würde, dass die traditionel-
auszuforschen. Am 19. 9. 2008 muss sich der 53-jäh- le Grußform „Grüß Gott“ diskriminierend gegenüber
rige EDV-Techniker am Wiener Straflandesgericht we- muslimischen MitbürgerInnen wäre. Um diese nicht
gen Verhetzung verantworten. Im Zuge des Verfah- zu beleidigen, solle man diesen Gruß unterlassen. In
rens wird bekannt, dass der Angeklagte bereits einmal der Mail wird dazu aufgefordert, keine „falsche Tole-
wegen Verhetzung im Internet zu einer bedingten ranz“ walten zu lassen.
Haftstrafe verurteilt worden ist. In der Verhandlung ZARA richtete bereits 2007 eine Anfrage an den
zeigt sich der Angeklagte uneinsichtig. Er bekennt zuständigen Landesschulrat, ob denn eine derartige
sich nicht schuldig und versucht, die Richterin von Order tatsächlich bestehe. ZARA erhält die Antwort,
der Harmlosigkeit seiner Aussagen und der Redlich- dass eine derartige Order nicht gibt, und es sich bei
keit seiner „nationalen Gesinnung“ zu überzeugen. So besagter E-Mail um eine Fälschung handeln muss.
meint er unter anderem, das rassistische, menschen- Die Versuche, den Landesschulrat dazu zu bewegen,
der immer noch in Umlauf befindlichen E-Mail mittels
26
Öffentlicher Raum · Internet

einer Aussendung oder einer Gegendarstellung auf sieht, wo es nicht um Meinung, sondern Verhetzung
der Website des Landesschulrats entgegenzuwirken, (§ 283 des Strafgesetzbuches – StGB) oder um Ver-
scheitern leider. ZARA wird versuchen, auf der im De- stöße gegen das Verbotsgesetz geht.
zember 2008 überarbeiteten Website www.zara.or.at Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mehrmals
unter „Fakten statt Hetze“ solchen Ketten-E-Mails zu- entschieden, dass sowohl Ausrufe wie „Heil Hitler“
künftig mit Aufklärung zu begegnen. Wenn Sie solche oder „Sieg Heil“ als auch das Zeichen für den so ge-
E-Mails/SMS erhalten, melden Sie sich bitte bei ZARA, nannten Hitlergruß charakteristische Symbole des
wir werden diese dokumentieren und ihrem Inhalt im Nationalsozialismus sind. Somit ist der demonst-
Rahmen unserer Möglichkeiten nachgehen. rative Gebrauch dieser Parolen und Gesten in der
Öffentlichkeit mit dem Vorsatz auf nationalsozia-
Die eigenen Rechte kennen listische Betätigung verbunden und fällt unter das
Verbotsgesetz. Es handelt sich also durchaus um
eine strafbare Handlung. (Siehe die Entscheidun-
Herr P. beteiligt sich regelmäßig an Diskussio-
gen vom 13.9.2000 des OGH unter http://www.ris2.
nen zu unterschiedlichen Themen auf einer ös-
bka.gv.at, mit den Geschäftszahlen 13 Os 45/00 oder
terreichischen, öffentlich zugänglichen Website.
13 Os 47/00.)
In einem Forumsbereich geben registrierte User
Die BetreiberInnen sind nach Hinweis auf einen
ihre Meinung über das österreichische Fremden-
strafrechtlich relevanten Forumsbeitrag zu dessen
recht ab, darunter auch ein gewisser „Adolf 88“,
der seine Postings mit den Worten „Heil Hitler“ Löschung verpflichtet. Bleiben die verhetzenden
abschließt und der Meinung ist, dass „türki- und den Tatbestand der Wiederbetätigung erfüllen-
scher und balkanesischer Abschaum aus unse- den Texte mit ihrem Wissen im Forum weiterhin ab-
rem schönen Österreich verjagt gehört“. Herr P. rufbar, können auch die BetreiberInnen des Forums
wendet sich sofort an die Forumsbetreiber und strafrechtlich belangt werden.
ersucht um Löschung der Postings und Sperrung Zum Verbotsgesetz und zum Tatbestand der Ver-
des Users „Adolf 88“. Er erhält die Antwort, dass hetzung gemäß § 283 StGB siehe ausführlicher im
im Sinne der Meinungsfreiheit weder Löschun- Abschnitt „Die eigenen Rechte kennen“ im Kapitel
gen noch Sperrungen durchgeführt werden. „Öffentlicher Raum/ Rassistische Beschmierungen“.

Da es sich um eine Website auf einem österreichi- Was kann Herr P. tun?
schen Server handelt und der User „Adolf 88“ die Herr P. kann sich an die Meldestelle für NS-Wieder-
Einträge von einem in Österreich befindlichen Com- betätigung des Bundesministeriums für Inneres
puter tätigt, richtet sich die rechtliche Bewertung wenden. Diese ist beim Bundesamt für Verfassungs-
des Sachverhaltes nach österreichischem Recht. Bei schutz und Terrorismusbekämpfung (siehe auch
Websites auf ausländischen Servern und UserInnen, „Glossar“) angesiedelt und nimmt unter ns-wieder-
die ihre Einträge nicht von in Österreich befindli- betaetigung@mail.bmi.gv.at Meldungen über Web-
chen Computern erstellen, ist die Sachlage kompli- sites und Forenbeiträge mit neonazistischen, ras-
zierter und eine Strafbarkeit nach österreichischem sistischen und antisemitischen Inhalten entgegen.
Recht grundsätzlich nicht möglich. ZARA kann für Herrn P. die Meldung übernehmen
Entgegen der Ansicht der BetreiberInnen der und leitet den Sachverhalt auch an das ➞ Forum
Website unterliegen die Äußerungen des Users gegen Antisemitismus und das ➞ Dokumentations-
„Adolf 88“ dem österreichischen Strafrecht, das archiv des österreichischen Widerstands weiter.
Ausnahmen vom Grundsatz der Meinungsfreiheit vor-

27
Öffentlicher Raum · Politik und Medien

Politik und Medien

41 In einem Kommentar der Tageszeitung „Ös-


terreich“ appelliert deren Herausgeber Wolf-
gang Fellner an die Regierung, endlich „die echten
Landeshauptmann Haider fordert in der Folge
eine Länderkompetenz, um einer Straftat verdächti-
ge AsylwerberInnen in ihr Heimatland abschieben zu
Asyl-Fälle von den falschen“ zu trennen. Dies solle ins- können, ohne ein rechtskräftiges Urteil abwarten zu
besondere bei tschetschenischen AsylwerberInnen müssen. Sollten sie vor Gericht freigesprochen wer-
passieren, denn „nur ein Bruchteil“ dieser Flüchtlinge den, dürften sie wieder nach Kärnten zurückkehren,
werde auch tatsächlich in ihrem Heimatland verfolgt. so Haider.
Laut Fellner würden „in Wahrheit“ ganze Clans von Am 18.1.2008 informiert Haider per Presseaussen-
TschetschenInnen in Österreich zusammenziehen und dung darüber, dass er die Villacher Bevölkerung per
„eine von uns nicht gewünschte Kultur der Gewalt, Postwurfsendung schriftlich dazu aufgefordert hat,
der Frauenfeindlichkeit, der Mafia“ ins Land bringen. ihm umgehend „gewalttätige Asylwerber“ zu mel-
„Da fliegen Babys aus dem Fenster, werden Frauen den, damit er „deren sofortige Abschiebung veranlas-
verprügelt, wird gedealt“, konstatiert Fellner und be- sen“ könne. Haider teilt den BewohnerInnen Villachs
zieht sich dabei vermutlich auf Einzelfallberichte aus weiters mit: „Im Gegensatz zu manchen Medien und
der eigenen Zeitung. Eine Leserin der Zeitung ersucht Gutmenschen, welche die tschetschenischen Täter
ZARA um Dokumentation. schützen und auf die Villacher Opfer vergessen, mei-
ne ich: Es darf keine Gnade für gewalttätige Ausländer

42 Aufgrund einer ZeugInnenmeldung doku-


mentiert ZARA eine Meldung der Austria-
Presse-Agentur vom 18.4.2008, die sich auf ein kurz
geben.“
In einem Artikel der Tageszeitung Österreich vom
12.1.2008 kündigt Haider an, „Tschetschenen“ das
zuvor erschienenes Interview in der Tageszeitung Recht auf Asyl generell zu entziehen. Weiters ortet
„Die Presse“ bezieht. Darin kündigt Wissenschaftsmi- Haider bei ihnen „ein erhöhtes Gewaltpotenzial“.
nister Johannes Hahn an, sich für ein Kopftuchverbot Fast zeitgleich wird bekannt, dass zwei der für die
im öffentlichen Dienst einzusetzen. Das Tragen eines Schlägerei angeblich hauptverantwortlichen jugend-
Kopftuches bringe eine Abwertung der Frau zum Aus- lichen Tschetschenen nichts mit der Tat zu tun haben
druck, erklärt der Minister. Darüber hinaus fordert er (http://derstandard.at/?url=/?id=3193684). In einem
ein Burka-Verbot im öffentlichen Raum. Damit solle Gespräch mit dem ORF Kärnten vom 24.1.2008 (http://
die Funktionstüchtigkeit der Videoüberwachung ge- kaernten.orf.at/stories/251806) schließt Haider jedoch
währleistet werden. Außerdem sehe er „kulturelle Pro- aus, dass die tschetschenischen Familien nach Kärn-
bleme“, da das Mienenspiel „in unserer Kultur“ Teil der ten zurückkehren werden. Die AsylwerberInnen sei-
Kommunikation sei. en schon gegen 18 andere Flüchtlinge ausgetauscht
Ein Kopftchverbot widerspricht dem Beamten- und worden. Der Villacher Polizei unterstellt Haider, von
Vertragsbedienstetenrecht des Bundes, das Diskrimi- Gewalt betroffenen BewohnerInnen Villachs davon
nierungen in der Arbeitswelt – und somit auch im öf- abzuraten, Anzeige gegen gewalttätige Tschetsche-
fentlichen Dienst – aufgrund der ethnischen Zugehö- nInnen zu erstatten, da sie ansonsten „Schwierigkei-
rigkeit und Religion verbietet. Die SPÖ, die Grünen und ten“ mit den AsylwerberInnen bekommen könnten.
die Islamische Glaubensgemeinschaft fordern darauf- Die Villacher Polizei weist diese Vorwürfe vehement
hin den Minister auf, seine Ankündigung zu überden- zurück.
ken, da gerade Berufsverbote Integration verhindern Am 29.4.2008 wird der dritte von Haider ausgewie-
und muslimische Frauen aus dem öffentlichen Leben sene tschetschenische Jugendliche am Landesgericht
ausschließen würden. ZARA dokumentiert die Mel- Klagenfurt rechtskräftig vom Vorwurf der Körperver-
dung im Rahmen eines unregelmäßigen Monitorings. letzung freigesprochen. Untersuchungen gegen Hai-
der wegen Amtsmissbrauchs werden angekündigt,

43 Diversen Medienberichten lässt sich Anfang


des Jahres Folgendes entnehmen: Im Jänner
werden auf Anweisung des Kärntner Landeshaupt-
zu einem tatsächlichen Verfahren gegen ihn kommt
es allerdings nicht. ZARA dokumentiert die Vorgänge
sowie die in diesem Zusammenhang gefallenen Äu-
manns Jörg Haider (BZÖ) 18 AsylwerberInnen aus ßerungen aufgrund von ZeugInnenmeldungen sowie
Tschetschenien, darunter Kinder und ein fünf Monate im Rahmen eines unregelmäßigen Monitorings.
altes Baby, zwangsweise und ohne rechtliche Grund-
lage von Villach in die Bundesbetreuungsstelle Trais-
kirchen überführt. Drei minderjährigen Jugendlichen
wird unterstellt, in der Silvesternacht in eine Schläge-
44 In der Diskussion um die 18 aus Kärnten aus-
gewiesenen AsylwerberInnen meldet sich
auch der oberösterreichische Landeshauptmann Jo-
rei verwickelt gewesen zu sein. Sie werden gemein- sef Pühringer (ÖVP) zu Wort. Laut einem Bericht der
sam mit ihren Familien abtransportiert, da Haider die- Tageszeitung Österreich vom 12.1.2008 (http://www.
se „nicht auseinanderreißen könne“. oe24.at/zeitung/oesterreich/politik/article205997.ece)

28
Öffentlicher Raum · Politik und Medien

fordert auch er die Möglichkeit, einer Straftat drin- steirischen Landeshauptstadt und eine „schleichende
gend verdächtige anerkannten Flüchtlingen ohne Islamisierung“. Heftige Attacken richten sich gegen
vorheriges Gerichtsverfahren sofort ihren Flüchtlings- den islamischen Propheten Mohammed. Dieser hät-
status abzuerkennen und sie abschieben zu können. te laut Winter ein sechsjähriges Mädchen geheiratet
Die Vorgehensweise von Landeshauptmann Haider, und wäre „im heutigen System“ ein „Kinderschänder“.
die AsylwerberInnen nach Traiskirchen zu transferie- Weiters bezeichnet sie Mohammed als „Feldherren“,
ren, hält er für nicht ausreichend. der den Koran in „epileptischen Anfällen“ geschrieben
hätte. Der Islam sei ein „totalitäres Herrschaftssystem“

45 Am 13.1.2008 veröffentlicht der Parla-


mentsklub des BZÖ eine APA-OTS-Meldung
(OTS0038 5 II 0758 BZC0003 So). Darin wird die Gruß-
und gehöre „dorthin zurückgeworfen, wo er herge-
kommen ist, hinter das Mittelmeer“. Im Anschluss an
die Berichterstattung über die Aussagen wird Winter
botschaft Haiders beim Neujahrstreffen des BZÖ in in E-Mails, die an diverse Medien verschickt werden,
Graz zitiert, in welcher der Landeshauptmann meint: mit dem Tod bedroht.
„In dieser Bundesregierung geht im Grunde nichts SPÖ, ÖVP und Grüne wie auch das BZÖ kritisieren
weiter. Rot und Schwarz streiten wie die Zigeuner je- die Islam-Attacken Winters. Die Aussagen werden als
den Tag über ein anderes Thema.“ Die rassistische Aus- „Gefahr für den Religionsfrieden“ und „beispiellose
sage bleibt weitgehend unkommentiert. Religionshetze“ qualifiziert. Für das ➞ Dokumenta-
tionsarchiv Islamophobie (DAI) handelt es sich um

46 Im März veröffentlicht die FPÖ Steiermark


auf ihrer Homepage unter dem Titel „ORF
– objektive Berichterstattung?“ einen Artikel (nicht
„puren rassistischen Populismus“. Die Islamische Glau-
bengemeinschaft in Österreich und die evangelisch-
lutherische Diözese erstatten Strafanzeige wegen Ver-
mehr abrufbar), in dem Susanne Winter, „Stadtpar- hetzung und der Herabwürdigung religiöser Lehren.
teiobmann“ und Spitzenkandidatin der FPÖ für die Aufgrund dieser Anzeigen und der medialen Be-
Grazer Gemeinderatswahl, sich über die im ORF aus- richterstattung leitet die Staatsanwaltschaft Graz
gestrahlten Tragikkomödie „Der schwarze Löwe“ von strafrechtliche Untersuchungen gegen Winter ein.
Wolfgang Murnberger echauffiert. Der Film beruht auf Diese beziehen sich zusätzlich auf verhetzende Aus-
wahren Begebenheiten und schildert die Geschichte sagen der FPÖ-Politikerin bei einer Diskussion mit
von drei Asylwerbern, die im Fußballverein eines ös- SchülerInnen, bei der sie den Vorschlag ihres Sohnes
terreichischen Dorfes spielen und diesem Verein zu wiederholte, Tierbordelle für muslimische Grazer ein-
einem Höhenflug verhelfen. Doch dann droht ihnen zurichten, um Vergewaltigungen zu verhindern (siehe
die Abschiebung und der ganze Ort kämpft für „seine“ „Was wurde aus“ Fall 37, Rassismus Report 2007).
Fußballer. Da Winter aufgrund des guten Ergebnisses der FPÖ
In der FPÖ-Meldung wird Winter unter anderem bei der Nationalratswahl im Herbst 2008 als Abgeord-
mit den folgenden Worten zitiert: „Es ist wirkliche (sic!) nete in den Nationalrat einzieht, sieht es kurzfristig
eine Frechheit des ORF, dass übelste Überfremdungs- danach aus, dass ihre dadurch bedingte Immunität
Propaganda, wie der Film ‚Der schwarze Löwe‘, in dem einen tatsächlichen Prozessbeginn vereiteln würde.
drei N…-Asylanten[*] zu Helden eines kleinen Dorfes Die Immunität wird allerdings vom zuständigen Aus-
hochstilisiert werden, als offizieller Film-Beitrag zur EM schuss des Nationalrates aufgehoben. Winter begrüßt
2008 im Fernsehen ausgestrahlt wird. Finanziert wird die Aufhebung, da sie die Angelegenheit einer ge-
dieser Film natürlich auch durch die ORF-Gebühren, richtlichen Klärung unterzogen wissen will. Sie sieht
die der Bürger zahlen muss.“ sich als Opfer einer „Polit-Hatz durch verwirrte, selbst
Weiters sagt Winter: „Wenn sich Asylanten Stra- ernannte Gesinnungswächter“.
ßenschlachten und Messerstechereien liefern oder Winter muss sich am 22. 1. 2009 am Landesgericht
wieder einmal beim Drogen-Handel erwischt werden, für Strafsachen Graz wegen Verhetzung sowie wegen
berichtet der ORF, in den Fessel (sic!) der politischen Herabwürdigung religiöser Lehren verantworten. Sie
Korrektheit gefangen, natürlich nichts darüber.“ wird zu einer Geldstrafe von 24.000 Euro und einer
ZARA dokumentiert diesen Fall auf Wunsch eines bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Zeugen. Das Urteil ist zu Redaktionsschluss nicht rechtskräftig,
Winters Anwalt legt dagegen Berufung ein.

47 Am 13. 1. 2008 findet in Unterpremstätten


bei Graz das traditionelle Neujahrstreffen der
FPÖ statt. Anlässlich der kurz bevorstehenden Grazer 48 In der Nacht vom 4. auf den 5. 11. überträgt
der ORF die US-Wahl und bittet in einer live
Gemeinderatswahl spricht auch die Spitzenkandida- übertragenen Studiodiskussion verschiedene Kom-
tin der FPÖ, Susanne Winter. In ihrer Rede ortet sie mentatoren um eine Analyse des Ergebnisses. Unter
einen „muslimischen Einwanderungs-Tsunami“ in der den Experten befindet sich der ehemalige US-Kor-

29
Öffentlicher Raum · Politik und Medien

respondent des ORF, Klaus Emmerich. Die Wahl des eben diese laute Techno-Musik („Tschi-Bumm“) ge-
ersten Afro-Amerikaners ins Präsidentenamt kom- meint habe. Außerdem sei er Gegner jeglicher Diskri-
mentiert Emmerich unter anderem mit folgenden minierung und habe sogar einmal einen rassistischen
Aussagen: „Ich halte die Amerikaner nach wie vor für Spieler ermahnt. Eine ausdrückliche Distanzierung
Rassisten und es muss ihnen schon sehr schlecht ge- vom rassistischen Schimpfwort „N…“[*] erfolgt nicht.
hen, dass sie so eindrucksvoll [...] einen Schwarzen [...] Siehe auch http://www.ballesterer.at/?art_id=1016.
ins Weiße Haus schicken. […] Das wäre ungefähr so,

50
wie wenn der nächste Bundeskanzler ein Türke wäre Mehrere ZeugInnen melden ZARA im März
in Österreich.“ Emmerich wolle sich „nicht von einem 2008 ein Kreuzworträtsel, das in verschiede-
Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen.
nen niederösterreichischen Lokalzeitungen erscheint
[...] Wenn Sie jetzt sagen, das ist auch eine rassistische
und folgende Frage enthält: „Scherzhaft für N…[*]“.
Bemerkung – richtig.“
Die richtige Antwort darauf lautet „Bimbo“.
Die Aussagen bleiben von den anderen beiden
ZARA ersucht die für die Regionalzeitungen in Nie-
Experten der Diskussionsrunde, dem Politologen Fritz
derösterreich zuständige Redaktion um Stellungnah-
Plasser und dem Journalisten der Wochenzeitschrift
me. Diese teilt ZARA mit, dass die im Rätsel verwen-
„profil“, Georg Hoffmann-Ostenhof, völlig unkommen-
tiert. Nachdem die Sendung massive Beschwerden deten „diskriminierenden Ausdrücke“ keinen Platz in
durch ZuschauerInnen hervor ruft, meldet sich der ihrem Medium hätten. Der Verlag habe der Hersteller-
Sprecher des ORF, Pius Strobl, noch am selben Tag in firma der Kreuzworträtsel bereits unmissverständlich
einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ zu mitgeteilt, dass dies absolut unerwünscht sei. Man
Wort und meint, dass die Aussagen Emmerichs „miss- entschuldige sich bei allen LeserInnen, die sich von
verständlich“ gewesen seien, dass aber trotzdem von der rassistischen Wortwahl verletzt gefühlt haben und
weiteren Einladungen Emmerichs in Sendungen des ersuche um Verständnis, dass die Redaktionsleitung
ORF abgesehen wird. In späteren Wortmeldungen dem Inhalt des Kreuzworträtsels nicht die notwendi-
weist der ORF darauf hin, dass man sich von Emme- ge Aufmerksamkeit gewidmet habe.
richs Aussagen distanziere.
In einem offenen Brief an ORF-Generaldirektor
Alexander Wrabetz weist der US-Botschafter in Öster- Was wurde aus…?
reich, David F. Girard-diCarlo, auf die weitreichende
negative Wirkung hin, die die Aussagen Emmerichs
Fall 37 Rassismus Report 2007
in den USA und international hinterlassen haben. Es
sei ebenfalls skandalös, dass sich kein österreichischer Im Magazin des Rings Freiheitlicher Jugendlicher (RFJ)
Politiker (von den Grünen abgesehen) über die ras- namens „Tangente“ unterstellt der steirische RFJ-Ob-
sistische Analyse Emmerichs öffentlich entrüstet hat. mann Michael Winter Anfang 2007 Türken und Mus-
Der US-Botschafter verurteilt die rassistischen Aussa- limen eine Tendenz zur Sodomie und schlägt als „So-
gen aufs Heftigste und erwartet sich Ähnliches auch
fortmaßnahme“ gegen Vergewaltigungen vor, eine
von den Verantwortlichen des ORF. ORF-Sprecher Pius
Schafherde im Grazer Stadtpark grasen zu lassen.
Strobl weist daraufhin nochmals auf die rasch erfolgte
Distanzierung hin.
Was 2008 geschah...
Nachdem Emmerich selbst in ersten Interviews
weiterhin zu seinen Aussagen steht, lässt er am Am 6. 10. 2008 muss sich Michael Winter vor einem
26.11.2008 einen Leserbrief in der Tageszeitung „Die Strafgericht wegen seines Artikels verantworten. Die
Presse“ veröffentlichen, in dem er sich ausdrücklich darin enthaltenen Aussagen seien verhetzend, wirft
für die rassistischen Aussagen entschuldigt.
ihm die Staatsanwaltschaft vor. Winter bekennt sich
Siehe: http://diepresse.com/home/kultur/medi-
schuldig. Durch den Artikel habe er die Verantwor-
en/428354/index.do und verlinkte Artikel. Die transkri-
tungsträger der Stadt Graz „wachrütteln“ wollen. Der
bierten Aussagen Klaus Emmerichs im Wortlaut sind
Richter bezeichnet Winters Aussagen als „Aufruf zu
unter http://www.oe24.at/media/Konsequenzen_fuer_
Hass und Verachtung“. Er verurteilt den jungen RFJ-
peinliche_Emmerich-Sager_gefordert_389182.ece zu
finden. Obmann zu drei Monaten Haft auf Bewährung. Das
Urteil ist rechtskräftig.

49 Im Juli führt das ORF-Landesstudio Tirol ein Im Jänner 2009 wird bekannt, dass Michael Winter
Interview mit einem Schiedsrichter der FIFA. sein Amt als steirischer RFJ-Obmann niedergelegt hat.
Dabei gibt dieser unter anderem an, dass er keine „N… Grund für seinen Rücktritt ist der Umstand, dass der
musik“ [*] möge. Nach öffentlichen Protesten durch RFJ Steiermark aufgrund der strafrechtlichen Verur-
die antirassistische Initiative FairPlay kommentiert der teilung seines Noch-Obmanns keine staatliche Förde-
Schiedsrichter sein Zitat dahingehend, dass er damit rung mehr erhalten hätte.

30
Öffentlicher Raum · Politik und Medien

Die eigenen Rechte kennen wo das österreichische Strafrecht eine Grenze zieht,
die bei der Erstellung von Wahlprogrammen, Bier-
Frau L. ist Abonnentin einer großen österreichi- zeltreden und Wahlkampfslogans einzuhalten ist.
schen Tageszeitung. Sie schätzt zwar die Infor- Die beiden hierbei relevanten Bestimmungen sind
einerseits der Tatbestand der Verhetzung gemäß §
mationen in kompakter Form, ist aber oftmals
283 StGB und andrerseits – bei islamfeindlicher Het-
darüber aufgebracht, dass im Zusammenhang
ze – der Tatbestand der Herabwürdigung religiöser
mit Drogendelikten fast ausschließlich von
Lehren gemäß § 188 StGB.
„schwarzafrikanischen Verbrecherbanden“ und
Aufgrund der restriktiven Auslegung des Verhet-
„nigerianischen Scheinasylanten“ die Rede ist.
zungstatbestandes durch die österreichischen Straf-
Eines Tages liest sie mit Entsetzen im schmalen
gerichte (siehe dazu ausführlich den Abschnitt „Die
Politikteil der Zeitung über eine gegen ein musli-
eigenen Rechte kennen“ im Kapitel „Öffentlicher
misches Gebetshaus gerichtete Kampagne einer
Raum/ Rassistische Beschmierungen“) ist eine Ver-
dem rechten Lager zuzuordnenden Partei mit
urteilung eines/r Politikers/in aufgrund einer rassis-
dem Titel „Mit Schweinskarree gegen die Mo-
tischen Wahlkampfrede oder eines islamfeindlichen
schee“.
Slogans unwahrscheinlich. Der oben zitierte Slogan
richtet sich zwar gegen eine Einrichtung einer ge-
Einseitiger, rassistischer Berichterstattung in Medi-
schützten „Religionsgesellschaft“, jedoch nicht in
en ist rechtlich kaum Einhalt zu gebieten. Zeitungen
einer Art und Weise, dass hier eindeutig von einem
dürfen selbst entscheiden, welche Meldungen und
„Aufruf zu einer feindseligen Handlung“ gegen den
(erlaubten) Meinungen sie publizieren. Solange
Islam oder einem „Hetzen“ im Sinne dieses Straftat-
durch diese Berichterstattung nicht in die Rechte
bestandes gesprochen werden kann.
von Einzelpersonen eingegriffen (etwa durch üble
§ 188 StGB besagt, dass derjenige, der „öffentlich
Nachrede oder die Verletzung der Unschuldsvermu- eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der
tung) oder durch die Wiedergabe von Meinungen Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder
gegen das Verbotsgesetz oder den Verhetzungspa- Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre,
ragraphen des Strafgesetzbuches (§ 283 StGB) ver- einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetz-
stoßen wird, bleibt für Privatpersonen lediglich die lich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder
Möglichkeit, beim Medieninhaber gegen die ras- Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt
sistische Berichterstattung zu protestieren und das oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet
Medium zu boykottieren. Es wäre wünschenswert, ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen […] mit Freiheits-
wenn sich österreichische Medien wieder in einer strafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu
Institution wie dem 2001 aufgelösten Österreichi- 360 Tagessätzen zu bestrafen [ist].“ Die Formulierung
schen Presserat organisieren würden, um mittels des Kampagnenslogans gegen das muslimische Ge-
eines „Presse-Ehrenkodex“ zumindest für ein Min- betshaus, dem man das als unrein geltende Schwei-
destmaß an Selbstkontrolle und die Abmahnung nefleisch entgegensetzen will, ist zwar eindeutig
von Medien, die sich rassistischer Berichterstattung islamfeindlich, fällt jedoch nicht unter den Wortlaut
bedienen, zu sorgen. dieses Straftatbestandes.
Rassistische Parolen im Wahlkampf, die die Gren-
zen des „guten Geschmacks“ überschreiten, sind in Was kann Frau L. tun?
Österreich mittlerweile an der Tagesordnung, von Da die Berichterstattung der Tageszeitung im Rah-
der Grazer Gemeinderatswahl bis hin zur National- men des rechtlich Erlaubten bleibt, kann ZARA für
ratswahl. Viele Menschen wenden sich bestürzt an Frau L. lediglich einen Beschwerdebrief an die Zei-
ZARA und ersuchen um Maßnahmen gegen diese tung selbst verfassen. Auch im Fall des islamfeind-
„Hetzkampagnen“, möglichst mittels Anzeige an lichen, wohl aber nicht strafbaren Parteislogans
die Staatsanwaltschaft. Die für die Parteien tätigen bleibt Frau L. nur der Protest.
WahlkampfstrategInnen wissen jedoch sehr genau,

31
Öffentlicher Raum · Rassistische Beschmierungen

Rassistische Beschmierungen
ZARA dokumentiert seit Jahren rassistische Beschmie- Statistik
rungen im öffentlichen Raum und bemüht sich um de-
ren Entfernung. Sowohl die Initiative des Baumeisters 2008 wurden insgesamt 64 rassistischen Beschmie-
Ing. Alexander Baumann (http://www.beschmierungs- rungen an ZARA gemeldet. 17 rassistische Beschmie-
ambulanz.at) als auch die ZARA-Kooperation mit der rungen wurden in öffentlichen Verkehrsmitteln ge-
von SOS-Mitmensch initiierten Kampagne „Rassismus sichtet. Nur 7 Beschmierungen wurden von außerhalb
streichen“ (http://www.rassismusstreichen.at) haben Wiens gemeldet.
2006 zu einer erhöhten Wachsamkeit gegenüber ras-
sistischen Beschmierungen geführt.
Doch schon im Jahr 2007 verzeichnete die ZARA- ISL 5%

Beratungsstelle einen Rückgang an Meldungen, der AFR 25%


TÜR 9%
sich auch im Jahr 2008 fortsetzte: Wurden 2006 noch
793 rassistische Beschmierungen gemeldet, waren es
2007 nur noch 251, im Jahr 2008 ging die Zahl gar auf RAS 9%

64 zurück. ZARA sieht in diesem Rückgang der Zah-


len aber keinen Hinweis darauf, dass es auch weniger
rassistische Beschmierungen gibt. Vielmehr belegen
die eingangs genannten Initiativen die Wirkung von
medial unterstützten und breit angelegten Sensibili-
sierungskampagnen – und dass diese schnell an Wir-
kung verlieren, wenn sie in Vergessenheit geraten. HAS 52%

Aus diesem Grund plant ZARA für das Jahr 2009


ein Monitoring-Projekt, um wieder bessere Informati-
onen über das Ausmaß von Rassismus an den Wän-
den zu erhalten. Zugleich wollen wir erneut darauf
aufmerksam zu machen, dass Beschmierungen nicht AFR „Anti-Afrikanisches“
mit den unterschiedlichen Ausdrucksformen von HAS „Hakenkreuze und Antisemitisches“
Graffiti-SprayerInnen gleichzusetzen sind, sondern RAS „Rassistisches“
von rassistischen Parolen an Wänden oder in öffentli- TÜR „Anti-Türkisches“
chen Verkehrsmitteln eine tatsächliche Bedrohung für ISL „Anti-Muslimisches“
Menschen und das sichere Zusammenleben ausgeht.
Die negative Symbolkraft rassistischer Schmierereien
lässt niemanden unberührt. Vorurteile werden bestä-
tigt und Feindbilder geschaffen – die Nicht-Entfer- Die eigenen Rechte kennen
nung legitimiert Rassismus.
Es braucht weiterhin viele kritische Menschen,
Frau Z. ärgert sich über die rassistischen Be-
die rassistische Beschmierungen bei ZARA mel-
schmierungen in Wiens Straßen. Sie geht täg-
den oder im Fall, dass ihre Hauswand rassistisch
lich an dutzenden „N… raus“[*], „Kill n…s“[*],
beschmiert ist, sofort auf die Notmaßnahme der
„Scheiß-Türken!“ und ähnlichen Graffiti vorbei.
Beschmierungsambulanz zurückgreifen. Näheres
unter: http://www.beschmierungsambulanz.at
Wie ist eine solche Beschmierung rechtlich
Wenn Sie am Monitoring-Projekt teilnehmen
wollen, melden Sie sich telefonisch oder per E-Mail
zu bewerten?
Laut § 125 Strafgesetzbuch (StGB) begeht eine
bei ZARA.
Sachbeschädigung (SB), wer eine fremde Sache zer-
stört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar
macht. Bei Beschmierungen wird es sich zumeist
um eine Verunstaltung, d.h. eine nicht unerhebliche
Veränderung im äußeren Erscheinungsbild einer
Sache handeln, wobei diese so intensiv sein muss,
dass sie nur mit einem gewissen Aufwand entfernt
werden kann. Wenn die „Geringfügigkeitsgrenze“
nicht überschritten wird, wie z.B. bei kleinflächigem
Bemalen einer Glaswand mit einem wasserlöslichen
Stift, liegt keine Sachbeschädigung vor.
Bei einfacher Sachbeschädigung liegt der Straf-
32
Öffentlicher Raum · Rassistische Beschmierungen

rahmen bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Mona- einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat
ten bzw. einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessät- bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit
zen. Wenn der Schaden den Betrag von 3.000 Euro Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
überschreitet oder durch die Beschmierung z.B. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen
eine Kirche, ein Grab oder ein denkmalgeschütztes eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder
Objekt verunstaltet wird, beträgt der Strafrahmen sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise
der Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahre. Eine Geldstrafe beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.
von bis zu 360 Tagessätzen kann alternativ verhängt
werden. Übersteigt der Schaden 50.000 Euro, droht Dem Wortlaut dieser Bestimmung nach sollte es
eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 5 Jahren. eigentlich einen breiten Anwendungsbereich die-
Eine rassistische Beschmierung kann aber zu- ses Gesetzes gegen rassistische Beschmierungen
sätzlich zur Sachbeschädigung auch gegen das geben. Eine Beschmierung wie „Kill n...s“[*] oder
Verbotsgesetz (VerbotsG), Art III Abs 1 Z 4 EGVG „N... raus“[*] sollte unzweifelhaft unter den Abs 1
(„Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfah- fallen, da durch diesen Slogan eindeutig zu einer
rensgesetzen“) oder als so genannte „Verhetzung“ „feindseligen Handlung“ gegen eine der in diesem
gegen § 283 StGB verstoßen. Abs aufgezählten Gruppen aufgerufen wird. Die
Tötungsaufforderungen wie „Kill n...s“[*] können erforderliche „Öffentlichkeit“ ist bei einer weithin
auch unter § 282 StGB („Aufforderung zu mit Strafe sichtbaren Beschmierung grundsätzlich gegeben.
bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe Jedoch werden durch Abs 1 nicht die betroffenen
bedrohter Handlungen“) fallen. Gruppen geschützt, sondern primär die öffentliche
Ordnung, die durch solche Gewaltaufrufe gefährdet
• VerbotsG werden muss. Für eine einzelne Beschmierung ist
dies nicht immer nachweisbar. Auch fallen allgemei-
§ 3g. Wer sich (...) im nationalsozialistischen Sinn
ne Hetzparolen wie „Ausländer raus“ nicht unter §
betätigt, wird, sofern die Tat nicht nach einer ande-
283, da der verallgemeinernde Begriff „Ausländer“
ren Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheits-
strafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer keine der geschützten Gruppen darstellt.
Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu Die Gerichte legen die Bestimmung sehr eng aus,
20 Jahren bestraft. daher sind Verurteilungen aufgrund des Abs 1 sehr
selten. Der Anwendungsbereich des Abs 2 sollte zur
§ 3h. Nach § 3g wird auch bestraft, wer in einem Ahndung schriftlicher rassistischer Beschimpfun-
Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Me- gen wie „Scheiß-Türken“ oder „Fuck n…s“[*] ausrei-
dium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, dass chen. Jedoch sind davon auch nur jene Beschmie-
es vielen Menschen zugänglich wird, den national- rungen betroffen, durch die den durch § 283 StGB
sozialistischen Völkermord oder andere national- geschützten Gruppen „ein Lebensrecht schlechthin“
sozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgesprochen wird oder diese als „minderwertige
leugnet, gröblich verharmlost, gutheißt oder zu Wesen“ dargestellt werden. Auch hier ist die Judika-
rechtfertigen sucht. tur in ihrer Beurteilung sehr restriktiv.

• Art III Abs 1 Z 4 EGVG


• Anstiftung (§ 282 StGB)
Das Anbringen von Hakenkreuzen, SS-Runen, na-
Wer eine breite Öffentlichkeit zu einer mit Strafe
tionalsozialistischen Parolen oder Ähnlichem kann
bedrohten Handlung auffordert oder eine solche
unter diese Strafbestimmung fallen, sollte der/die
Handlung gutheißt, macht sich nach § 282 StGB
BeschmiererIn auch den Vorsatz haben, sich damit
strafbar. Alle Tötungsaufrufe gegen eine bestimmte
im nationalsozialistischen Sinne zu betätigen oder
Gruppe oder einzelne Personen fallen unter diese
etwa NS-Verbrechen gutzuheißen. Sollte dieser er-
Strafbestimmung. Allerdings muss man im Einzel-
weiterte Vorsatz fehlen, kann der/die TäterIn immer
nen untersuchen, ob diese „breite Öffentlichkeit“
noch nach Art III Abs 1 Z 4 EGVG bestraft werden,
durch die Beschmierung wirklich erreicht wird.
der eine Verwaltungsstrafe bis zu 2.180 Euro für die
Person vorsieht, die „nationalsozialistisches Gedan- Was kann Frau Z. gegen die Beschmierun-
kengut im Sinne des Verbotsgesetzes (...) verbreitet.“ gen unternehmen?
Bei Beschmierungen (egal ob diese zusätzlich ge-
• Verhetzung (§ 283 StGB)
gen das VerbotsG oder § 282, § 283 StGB verstoßen)
§ 283. (1) Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet handelt es sich um Offizialdelikte, d.h., PolizistInnen
ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer müssen sie, wenn sie diese selbst wahrnehmen, zur
feindseligen Handlung gegen eine im Inland beste- Anzeige bringen. Da dies selten geschieht, kann
hende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen man diese Beschmierungen auch mittels Sachver-
eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kir- haltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermit-
che oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu teln. Da die TäterInnen jedoch meistens unbekannt
33
Öffentlicher Raum · Rassistische Beschmierungen

sind, dient eine solche Anzeige oft lediglich statisti- schmierung aus Kreide durch nicht wasserlöslichen
schen Zwecken. Frau Z. kann eine Beschmierung bei Lack erschwert wird, begeht auch der/die Überma-
ZARA melden. Sie muss Inhalt und Ort möglichst ge- lerIn der rassistischen Beschmierung eine Sachbe-
nau angeben (Adresse, Straßenbahnwagennummer schädigung. Bei der Übermalung z.B. einer den Tat-
und Linie etc.). Bei ZARA bemühen sich die beiden bestand der Verhetzung erfüllenden Beschmierung
ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Johanna Katzin- kann dahingehend argumentiert werden, dass der/
ger und Monika Muhr um die Entfernung der Be- die ÜbermalerIn den rechtmäßigen Zustand durch
schmierung. Sie dokumentieren Inhalt, Ort und Art das Unkenntlichmachen der verbotenen Parole/
der Beschmierung und setzen weitere Schritte zu des verbotenen Zeichens wiederhergestellt hat und
deren Entfernung. Je nachdem, wo die Beschmie- diesfalls ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Ob sich
rung angebracht wurde, treten sie in Kontakt mit das Gericht dieser Ansicht anschließt, ist jedoch un-
den Hausverwaltungen, der Wiener Gebietsbetreu- gewiss.
ung oder z.B. den Wiener Linien mit der Bitte, eine Der/die EigentümerIn des Objektes kann in die
Entfernung zu veranlassen. Verunstaltung, soweit es sich um eine bloße Sach-
Eines Tages beschließt Frau Z., eine Beschmie- beschädigung handelt – allerdings nicht bei den be-
rung auf einem fremden Haus zu übermalen. Sie reits erwähnten Strafbeständen wie Verhetzung etc.,
streicht mit Kreide die Worte „Kill N...s“[*] durch. sondern bei Übermalung einer rassistischen Parole
Dabei wird sie von einem Polizisten beobachtet. –, einwilligen und somit den/die SachbeschädigerIn
Dieser spricht sie an, nimmt ihre Daten auf und vor einem Verfahren bewahren. Jede/r kann die Be-
meint, dass sie eine Anzeige wegen Sachbeschä- schädigung einer in seinem Eigentum befindlichen
digung erhalten werde. Sache durch andere von vornherein gestatten oder
auch nachträglich genehmigen, was wiederum ei-
Wenn eine bestehende Beschmierung übermalt nen Rechtfertigungsgrund darstellt und die Bestra-
wird und dadurch ein zusätzlicher Schaden entsteht, fung des/der Täters/Täterin ausschließt.
wenn z.B. die Entfernbarkeit der ursprünglichen Be-

Sozialistische Jugend Wien


www.sj-wien.at
Polizei

Polizei

PolizistInnen verstehen sich selbst gerne als Opfer von ten Umkehrschluss Abstand zu halten. Wir wissen,
Hetzkampagnen. Insbesondere die Meldungen von dass die absolut überwältigende Mehrzahl der Amts-
NGOs zum Thema Polizeiübergriffe oder der ZARA- handlungen korrekt und nicht diskriminierend erfolgt.
Rassismus Report werden oft als unqualifizierte und Bloß: Die österreichische Polizei könnte darauf noch
beinahe verleumderische Wortmeldungen betrach- viel stolzer sein, wenn sie endlich Wege fände, richtig
tet. „Gutmenschen“ hätten eben keinen Durchblick mit jenen Fällen umzugehen, in denen tatsächlich
und würden die „harte Realität da draußen“ einfach polizeiliches Fehlverhalten vorliegt – zumindest bei
nicht kennen oder nicht verstehen, heißt es dann. der Wiener Polizei bestehen durchaus Ansätze dazu.
Vermeintlich Wohlmeinendere verweisen dann ZARA wird indessen weiter dafür arbeiten, dass Men-
gerne darauf, dass sich die naiven MitarbeiterInnen schen, die sich beschweren, nicht im Regen stehen
von NGOs, gefangen in ihrem „Helferkomplex“, halt gelassen werden.
von kriminellen oder zumindest suspekten „Elemen-
ten“ ausnützen ließen, um die Polizei pauschal zu dis-
kreditieren und damit der Kriminalität zu ungehemm-
ter Entfaltungsfreiheit zu verhelfen.
51 Frau I. ist polnischer Herkunft und meldet
ZARA einen Vorfall, der sich im August in
Wien zugetragen hat. Frau I. will eine U-Bahn-Station
Tatsächlich ist es sehr schwer, sinnvoll und fair über verlassen, als sie vor dem Ausgang in eine Fahrschein-
polizeiliches Fehlverhalten zu berichten. Der Haupt- kontrolle gerät. Da Frau I. keinen Fahrschein gelöst hat,
grund dafür ist, dass sich die Fronten im Beschwerde- akzeptiert sie die zu zahlende Strafe und will diese per
fall geradezu automatisch verhärten. Sobald jemand Erlagschein einzahlen. Da sie sich jedoch nicht auswei-
behauptet, nicht rechtmäßig behandelt zu werden, sen kann, ziehen die Kontrolleure zwei uniformierte
läuft eine rechtlich verordnete Maschinerie an, die Beamte bei. Einer der beiden spricht Frau I. sofort in ei-
leider sehr wenig zur tatsächlichen Aufklärung des nem sehr unfreundlichen Ton an. Die Polizisten schla-
Sachverhaltes beizutragen vermag. Insbesondere die gen vor, Frau I. zu ihrer nahe gelegenen Wohnung zu
Stellung der am Vorfall beteiligten BeamtInnen ist begleiten, da sie dort ihren Ausweis vorzeigen kann.
eigentlich systemwidrig: Sie werden in den wichtigs- Als Frau I. mit den zwei Beamten die U-Bahn-Station
ten vorgesehenen Verfahrensarten – nämlich bei der verlässt, wird einer der Beamten ausfallend und be-
➞ Maßnahmen- oder ➞ Richtlinienbeschwerde – als schimpft Frau I. grundlos als „blödes Weibsstück“ und
„ZeugInnen“ vernommen, obwohl sie sich mit ihrer „Scheiß Ausländerin“. Frau I. bekommt aufgrund des
Aussage selbst belasten könnten. aggressiven Verhaltens des Beamten Angst und will
Fast alles, was an polizeilichem Verhalten nicht daher mit ihrem Telefon den Polizeinotruf wählen,
rechtskonform ist, ist aber automatisch auch straf- wobei sie der betreffende Beamte am Arm packt und
rechtlich und/oder disziplinarrechtlich relevant. Es anherrscht, nicht zu telefonieren. Der andere Beamte
gibt logischerweise keinen großen Anreiz, sich oder hält sich währenddessen zurück und lässt seinen Kol-
KollegInnen in solchen Verfahren zu belasten. Schon legen gewähren.
dadurch ist es beinahe unmöglich, dass BeamtInnen Als Frau I. das Telefon in ihre Handtasche steckt,
von sich aus Fehlverhalten eingestehen. Das bewirkt lässt der Beamte ihren Arm wieder los. Immer, wenn
wiederum eine geradezu unheimliche Situation, näm- der beschimpfende Beamte bemerkt, dass sie in die
lich dass versucht wird, so zu tun, als würden etwa Nähe von potentiellen ZeugInnen kommen, lässt
30.000 PolizistInnen in Österreich bei mehreren Milli- er von weiteren Beschimpfungen ab und fängt erst
onen Amtshandlungen im Jahr so gut wie nie einen wieder damit an, wenn er glaubt, sich wieder außer
Fehler machen. Bei der enormen Schwierigkeit und Hörweite anderer Personen zu befinden. Bei der Woh-
Vielfältigkeit ihres Aufgabenprofils ist das einfach nung angekommen, notiert er die Daten von Frau I.
nicht glaubwürdig. und begegnet der Ankündigung einer Beschwerde
Diese unglaubwürdige Haltung ist aber ein reales von Frau I. gelassen. Sie könne dies gerne tun, da ihm
Problem in der Kommunikation: Wenn jemand behaup- sowieso nichts passieren werde. Er händigt ihr seine
tet, nie einen Fehler zu machen, so ist man geneigt, dar- Dienstnummer aus und die zwei Beamten entfernen
in eine komplette Verweigerung der Reflexion des eige- sich von der Wohnung.
nen Verhaltens zu sehen und dann ist es nicht mehr weit Frau I. bringt eine Beschwerde gegen den Beam-
zum Verdacht: Wahrscheinlich gibt es so unglaublich ten beim ➞ Büro für besondere Ermittlungen ein und
viele Fehler, dass niemand es wagt, dort hin zu schauen. ZARA verfasst für sie eine ➞ Richtlinienbeschwerde
ZARA bemüht sich seit jeher, von diesem übereil- gegen den Beamten wegen der Beschimpfungen.
35
Polizei

Der Beamte lehnt das Klaglosstellungsgespräch (sie- uniformierten Kollegen, die kurze Zeit später eintref-
he „Die eigenen Rechte kennen“) ab, da er sich keiner fen, um Herrn G. Handschellen anzulegen und ihn in
Schuld bewusst ist. Da Frau I. für den Vorfall keine Zeu- einen Verhörraum zu bringen.
gInnen hat, rät ihr ZARA aufgrund des Kostenrisikos Herr G. wird des Drogenschmuggels verdächtigt.
von einem Verfahren vor dem ➞ Unabhängigen Ver- Sein Koffer wird gründlich untersucht und dabei völlig
waltungssenat (UVS) ab. zerstört. Da in seinem Gepäck nichts gefunden werden
kann, wird Herr G. in Handschellen in das Wiener Kran-

52 Herr M. ist nigerianischer Herkunft und lebt


in Salzburg. An einem Novemberwochenen-
de fährt er mit dem Auto nach Wien, um dort Freunde
kenhaus SMZ Ost gebracht. Ohne sein Einverständnis
dazu einzuholen, wird ein Magen-Darm-Röntgen
durchgeführt, das den Verdacht des Drogenschmug-
zu treffen. Als er einen von ihnen nachts gegen ein gels entkräftet. Herrn G. werden die Handschellen
Uhr nach Hause bringt, passiert er auf einer großen abgenommen, er darf gehen. Die Beamten kündigen
Einkaufsstraße zwei Ampeln, die gerade noch Grün jedoch an, dass er eine Anzeige wegen Widerstands
blinken, bevor sie auf Rot schalten. Herr M. bemerkt, gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung erhal-
dass ihm ein Polizeiauto folgt. Er wird zum Anhalten ten werde, da er die Beamten während seiner gewalt-
gezwungen. Eine unfreundliche Polizistin fordert ihn samen Festnahme geschlagen und gekratzt habe.
auf, die Wagenpapiere vorzuweisen. Er übergibt diese, Die Polizisten kündigen an, dass Herr G. aufgrund der
sie sind in Ordnung. Als nächstes fordert sie Herrn M. unausweichlichen Verurteilung seinen Job verlieren
zum Test der Atemluft nach Alkohol auf. Herr M. teilt werde.
ihr mit, dass er nicht getrunken habe, leistet der An- Herr G. wendet sich an ZARA und bekommt Un-
ordnung aber Folge. Ein Polizeiauto mit Testgerät trifft terstützung beim Antrag auf Verfahrenshilfe. Herrn G.
ein paar Minuten später ein. Der Test ist negativ, Herr wird ein erfahrener Strafverteidiger vermittelt. ZARA
T. ist nüchtern. dokumentiert das Strafverfahren, das am Landesge-
Die Polizistin scheint die Kontrolle noch nicht ab- richt Korneuburg durchgeführt wird.
schließen zu wollen und möchte nun das Erste-Hilfe- Die Richterin befragt Herrn G. korrekt zum Vorfall,
Paket und das Warndreieck sehen. Auch hier ist nichts zeigt aber wenig Verständnis für dessen Reaktion auf
zu beanstanden. Schließlich konfrontiert sie Herrn die Kontrolle der Beamten. Die Polizisten sagen aus,
M. mit der Behauptung, dass er zwei Ampeln bei Rot dass es sich um eine Schwerpunktkontrolle wegen
passiert habe. Herr M. streitet dies ab. Die Beamtin be- Drogenschmuggels gehandelt habe. Die von Herrn
steht aber auf der Zahlung einer Strafe und übergibt G. gewählte Flugroute sei neben jener aus Amster-
Herrn M. zwei Organstrafverfügungen und zwei Er- dam eine klassische Schmugglerroute. Die Beamten
lagscheine zu je 105 Euro. Herr M. sieht seine Hautfar- schildern, dass sie versuchen würden, verdächtige
be als Ursache für die peinlich genaue Kontrolle und Personen anhand bestimmter Merkmale oder Verhal-
unterstellt der Beamtin, aus Mangel an tatsächlichen tensmuster zu erkennen. Verdächtig seien insbeson-
Vergehen seinerseits, den Verstoß gegen die Straßen- dere Personen, die allein reisen, kurzfristig buchen,
verkehrsordnung böswillig erdacht zu haben. nur kleines Handgepäck mit sich führen, aber auch
Herr M. bittet ZARA um Auskunft über seine recht- „Schwarzafrikaner“. Dies könne zwar als ➞ rassisti-
lichen Möglichkeiten. Da er die Strafe schon bezahlt sches Profiling aufgefasst werden und werde den
hat, besteht allerdings trotz des Vorhandenseins eines Beamten auch des Öfteren vorgeworfen, jedoch zei-
Zeugen keine Möglichkeit, die Strafe auf dem Rechts- ge ihre Erfahrung, dass es immer wieder Bodypacker
weg zu bekämpfen. (Drogenschmuggler, welche die transportierte Ware
z.B. in unverdaulichen Behältnissen schlucken) mit

53 Herr G. wurde in Nigeria geboren und lebt


in Österreich. Im Mai landet er aus Barcelo-
na kommend am Flughafen Wien-Schwechat. Nach-
schwarzer Hautfarbe gäbe.
Das Verhalten von Herrn G., der sich der Kontrol-
le und der Verhaftung mit Gewalt widersetzen woll-
dem er seinen Koffer vom Rollband genommen hat, te, und der Umstand, dass er seinen Flug angeblich
geht er Richtung Ankunftshalle. Plötzlich spricht ihn kurzfristig gebucht hatte, würden das Vorgehen der
ein Mann an: „Hey N…[*], was hast du da in deinem Polizisten rechtfertigen. Der von Herrn G. erwähnte
Koffer?“ Herr G. ist sehr aufgebracht über den rassisti- rassistische Ausspruch sei von keinem der Beamten
schen Spruch und will von dem Mann wissen, warum getätigt noch wahrgenommen worden.
er ihn auf diese Weise anspricht. Dieser gibt sich als Der Strafverteidiger von Herrn G. versucht vergeb-
Polizist zu erkennen, Herr G. sieht sich als Opfer einer lich, Überwachungsaufnahmen vom Vorfallsort zu be-
rassistischen Kontrolle. Die Auseinandersetzung wird kommen. Zunächst wird von der Flughafenpolizei ab-
lauter, als plötzlich ein anderer Mann, ebenfalls ein gestritten, dass dort überhaupt Aufnahmen gemacht
Polizeibeamter in Zivil, seitlich auf Herrn G. zukommt werden, später jedoch zugegeben, dass die Aufnah-
und ihn zu Boden bringt. Gemeinsam mit einem drit- men binnen kurzer Zeit gelöscht werden und somit
ten Beamten werden Herrn G. die Arme am Rücken dem Gericht nicht mehr vorgelegt werden können. Da
fixiert. Die Polizisten ersuchen eine Mitarbeiterin des Herr G. aufgrund der weitgehend deckungsgleichen
nahen Informationsschalters um Verständigung ihrer Aussagen der Polizisten nicht beweisen kann, dass er
36
Polizei

sich der Festnahme nicht mit gezielter Gewalt entzie- zu reden. Nach einer halben Stunde wird Herr Q. letzt-
hen wollte, wird er von der Richterin zu 6 Monaten endlich zu dem Vorfall befragt. Herr Q. vermutet, dass
Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Sein Anwalt die sehr unfreundliche Behandlung durch den ersten
rät ihm, das Urteil zu akzeptieren, Herr G. tut dies. Beamten mit seiner Herkunft zu tun hat.
ZARA verfasst für Herrn Q. wegen des unfreundli-

54 Der Afro-Österreicher Herr P. ist im Juni in


Wien mit dem Fahrrad unterwegs. Er sieht
dabei, wie eine Ampel vor ihm zu blinken beginnt
chen Verhaltens des ersten Beamten einen Beschwer-
debrief an den zuständigen Beschwerdebeamten.
Dieser nimmt kurz darauf Kontakt mit Herrn Q. auf
und er ist sich sicher, dass er die Kreuzung noch bei und die Beschwerde wird zur Zufriedenheit von Herrn
Grün durchfahren kann. Bei der nächsten Ampel muss Q. erledigt.
er warten, da diese Rot zeigt. Eine Funkstreife der Po-
lizei hält hinter ihm. Einer der Beamten geht sofort
auf Herrn P. zu und sagt zu ihm: „Ausweis, du Gschis-
sener!“
56 Familie O. kommt aus einem mehrheitlich
ungarischsprachigen Gebiet der Slowakei.
Sie gehören der Roma-Minderheit an und haben ei-
Herr P. ist schockiert ob des Tonfalles und sagt dem nen Sohn. Im Oktober ist Familie O. wie schon des Öf-
Beamten, dass er kein Verbrecher sei und daher auch teren in Wien, um sich durch den Straßenverkauf der
nicht so angesprochen werden wolle. Der Beamte er- Zeitung „Augustin“ ein kleines Einkommen zu erwirt-
widert: „Solche wie Du sitzen eh genug im Gefängnis!“ schaften.
Aufgrund dieser Aussage des Beamten ist sich Herr P. Nachdem sich Herr und Frau O. in der Zentrale des
nun sicher, dass er aufgrund seiner dunklen Hautfarbe „Augustin“ Zeitungen besorgt haben, fahren sie mit
auf diese Art und Weise behandelt wird. Ein weiterer ihrem Sohn zum Karlsplatz, wo sie die Zeitungen er-
Beamter kommt dazu und verlangt ebenfalls einen folgreich verkaufen. Die drei haben ihre Koffer dabei
Ausweis von Herrn P. Außerdem wird ihm mitgeteilt, und wollen noch am selben Tag wieder in die Slowa-
dass er gerade bei Rotlicht über die Kreuzung gefah- kei fahren. Bevor sie sich auf den Heimweg machen,
ren sei. Herr P. streitet dies sofort ab, aber der Beamte geht Herr O. auf die Toilette eines Internetcafés. Als
reagiert nicht darauf und insistiert, dass sich Herr P. er zurückkehrt, sieht er, dass zwei Beamte die Papiere
ausweisen solle. Herr P. führt nur seine E-Card mit. Der seiner Frau und seines Sohnes kontrollieren. Einer der
Beamte nimmt diese entgegen, und veranlasst per Polizisten wendet sich an ihn und sagt in unfreundli-
Funk die Prüfung der Daten. chem Ton: „Du auch!“ Herr O. muss alles, was er in sei-
Herr P. bekommt seine E-Card schließlich mit den nen Taschen bei sich trägt, auf eine Bank legen. Sein
Worten: „Do host Gschissener!“ wieder zurück. Ein Sohn wird vom Polizisten, der ihn dabei mit beiden
Beamter kündigt Herrn P. eine „saftige Anzeige“ an, Händen gegen die Brust stößt, ebenfalls aufgefordert,
danach verlassen die Polizisten den Ort des Gesche- seine Habseligkeiten vor ihm auszubreiten.
hens. Danach gibt der Beamte dem Sohn den Ausweis
Herr P. erhält erst im November eine Strafverfü- zurück und sagt: „Geh nach Hause, verschwinde!“ Er
gung über 1.000 Euro. In dieser wird er nicht nur des wiederholt diese Aufforderung nochmals. Als der
Überfahrens einer Kreuzung bei Rotlicht bezichtigt, Sohn wieder nicht reagiert, schreit der Polizist ihn an:
sondern ebenfalls diverser anderer Delikte. „Aufstehen und Verschwinden!“ Da der Sohn immer
ZARA teilt Herrn P. mit, dass er sich gegen das Ver- noch nicht reagiert, nimmt der Polizist seinen Gum-
halten der Beamten leider nicht mehr wehren kann, miknüppel und stößt ihn dem Sohn in die rechte Sei-
da dafür die Frist schon lange abgelaufen ist, verfasst te. Herr O. teilt dem anderen Polizisten mit, dass sein
aber für ihn einen Einspruch gegen die Strafverfü- Sohn nicht gut Deutsch verstehe. Daraufhin erwidert
gung, sodass diese teilweise wieder aufgehoben und der erste Beamte, dass ihn das nicht interessiere und
vor allem der Strafbetrag herabgesetzt werden soll. ergänzt: „Wenn man nach Österreich kommt, muss
Ein Ergebnis des Einspruchs war zu Redaktionsschluss man Deutsch verstehen.“ An Herrn O. gewandt, sagt
noch nicht vorhanden. er: „Ich werde Dir garantieren, dass Du das letzte Mal
in Österreich bist.“ Er dreht sich um und sagt nochmals

55 Herr Q. ist arabischer Herkunft und arbeitet in


einer Wiener Notschlafstelle. Im Juni wird er
Zeuge einer dort zwischen zwei Männern stattfinden-
zum Sohn, er solle verschwinden und das ganze Ge-
päck mitnehmen. Frau O. fragt den Polizisten, wie ihr
Sohn alles alleine tragen solle. Der Beamte erwidert,
den Messerstecherei. Er ruft sofort die Polizei. Als diese es interessiere ihn nicht und der Sohn solle verschwin-
eintrifft, will Herr Q. einem Beamten sofort mitteilen, den. Herr und Frau O. nehmen einen Rucksack und
dass er derjenige sei, der die Polizei verständigt hat eine Tasche an sich, das andere Gepäck nimmt der
und dass er von einem der Männer, beim Versuch sie Sohn mit und geht weg. Der Sohn fragt noch, wo sie
zu trennen, geschlagen wurde. Doch der Polizist weist sich wieder treffen sollen. Herr O. meint, am Südbahn-
ihn sofort barsch zurück und schreit ihn an, dass er für hof. Der unfreundliche Beamte herrscht Herrn O. an:
ihn jetzt keine Zeit habe. Daraufhin geht der zweite „Sei ruhig, Depperter.“
Beamte zu Herrn Q., um mit ihm zu sprechen, wird je- Herr und Frau O. gehen mit den beiden Polizisten
doch vom ersten Beamten angewiesen, nicht mit ihm ins Wachzimmer am Karlsplatz. Sie unterhalten sich
37
Polizei

auf Ungarisch. Daraufhin befiehlt der erste Polizist: zur Reparatur bringen. Der Besitzer der Autowerk-
„Deutsch sprechen!“ Herr O. muss beide Beamten in statt beschimpft Herrn A. rassistisch und jagt ihn vom
einen kleinen Raum begleiten. Dort ordnet der erste Grundstück. Die Polizisten, die Herr A. zu Hilfe holt,
Polizist an, dass sich Herr O. auf den Boden knien muss, beschimpfen ihn ebenfalls, sprechen ihn mit dem Du-
was dieser auch tut. Der Beamte beschimpft Herrn O.: Wort an und schreiben eine falsche Dienstnummer
„Du bist ein schmutziger Zigeuner!“ Er deutet mehr- in den Staub auf einer Motorhaube. Als Herr A. sich
mals Schläge an, trifft Herrn O. aber nicht. Er fragt an ZARA wendet, hat er bereits eine Strafverfügung
Herrn O.: „Hast Du Angst, Du dreckiger Zigeuner?“ Der in der Höhe von 60 Euro wegen „aggressiven Verhal-
erste Polizist ersucht seinen Kollegen, Herrn O. festzu- tens gegenüber Organen der öffentlichen Sicherheit“
halten. Der zweite Beamte tut, wie ihm geheißen wird. erhalten. Gegen diese erhebt eine ZARA-Mitarbeiterin
Der erste Polizist hebt Herrn O.s Kinn an und drückt Einspruch. Gleichzeitig wird eine ➞ Richtlinienbe-
ihm die Faust auf die Nase. Er teilt Herrn O. mit, dass er schwerde an den ➞ Unabhängigen Verwaltungssenat
mit einem slowakischen Kollegen gesprochen habe, (UVS) wegen des Verhaltens der Polizisten gerichtet.
der ihm bestätigt habe, dass sie ebenfalls Schläge aus- Ein Antrag bei der ➞ Gleichbehandlungskommission
teilten. Herr O. muss dem Beamten in die Augen se- wegen des diskriminierenden Verhaltens des Mecha-
hen. Dieser wiederholt, dass Herr O. ein „schmutziger nikers wird eingebracht.
Zigeuner“ sei. Er lacht Herrn O. aus: „Schau, so musst Die Einzelfallprüfung verläuft jedoch negativ. Das Ver-
Du betteln.“ Herr O. muss aufstehen und sich nackt waltungsstrafverfahren gegen Herrn K. wegen „aggres-
ausziehen. Als Herr O. nackt vor dem Beamten steht, siven Verhaltens“ wird eingestellt. In Punkt 3 der Richt-
sagt dieser: „Pfui, Du stinkst, du dreckiger Zigeuner!“ linienbeschwerde wegen Bekanntgabe eines falschen
Herr O. soll darauf immer mit „Ja!“ antworten. Auch die Dienstortes und falscher Dienstnummern wird bereits
Aussage, dass er nicht mehr nach Österreich kommen vor der Verhandlung ein Fehlverhalten der Beamtem
darf, muss Herr O. bejahen. Herr O. muss sich wieder durch die übergeordnete Dienststelle eingestanden.
hinknien. Der Beamte fragt Herrn O., warum er so ei-
nen großen Bauch habe und stößt ihm mehrmals mit Was 2008 geschah...
der Faust in diesen. Trotz der Demütigungen und der
Provokationen bleibt Herr O. ruhig. Schließlich darf er Das Verfahren in den übrigen Punkten (Verwendung
sich wieder anziehen. des „Du-Wortes“ und Gebrauch diskriminierender
Frau O. muss sich in einem Nebenzimmer vor einer Äußerungen) ist zu Jahresanfang noch offen. Am 17.
Beamtin ebenfalls ausziehen und durchsuchen las- 7. 2008 und somit drei Jahre nach dem Vorfall findet
sen. Nachdem der Familie noch unterstellt wird, dass die Verhandlung der Beschwerde vor dem UVS Wie-
sie das mit sich geführte Geld unrechtmäßig erbet- ner Neustadt statt. Nachdem die zuständige Polizei-
telt habe, erhält Herr O. mehrere Strafmandate über dienststelle des Landes Niederösterreich bereits einen
insgesamt 168 Euro. Ihm und seiner Familie werden Teil der Vorwürfe bestätigt hat, wird von einem Polizei-
diverse Verwaltungsübertretungen wie ein Verstoß vertreter in der Verhandlung eingestanden, dass auch
gegen das Rauchverbot, Lärmbelästigung, Anstands- die übrige Amtshandlung nicht korrekt abgelaufen ist
verletzung etc. vorgeworfen, die alle um 12.55 Uhr und dass Herrn A. und seinem Zeugen wohl zu glau-
begangen worden sein sollen. Herr O. begleicht die ben ist. Der UVS-Richter entscheidet die restlichen
Strafe und darf nun gemeinsam mit seiner Frau das beiden Beschwerdepunkte somit ebenfalls zugunsten
Wachzimmer verlassen. von Herrn A., der somit auch eine Entschädigung in
Er wendet sich zunächst an die Redaktion des Form eines pauschalierten Verhandlungsaufwandes
Augustin, wo ein ausführliches Gedächtnisprotokoll in Höhe von ca. 1.500 Euro erhalten soll, der von der
aufgenommen wird, das unter http://www.augustin. Polizei zu bezahlen ist. Zu Redaktionsschluss wartet
or.at/?art_id=1123 nachzulesen ist und das auch an die Herr A. auf die schriftliche Ausfertigung der UVS-Ent-
Pressestelle der Wiener Polizei weitergeleitet wird. Die scheidung.
Redaktion vermittelt Familie O. an ZARA, wo der Vor-
fall dokumentiert und an den Menschenrechtskoor- Die eigenen Rechte kennen
dinator der Wiener Polizei weitergeleitet wird. Das ➞
Büro für besondere Ermittlungen (BBE) übernimmt Der nigerianische Staatsbürger Herr G. wird auf
die Untersuchung des Vorfalls. Zu Redaktionsschluss der Straße, kurz nachdem er sein Wohnhaus ver-
ist das Ergebnis dieser Untersuchung noch offen. lassen hat, von zwei PolizistInnen aufgehalten.
„Ausweiskontrolle!“ Herr G. erklärt den Beamten,
Was wurde aus…? dass er seinen Ausweis leider nicht dabei habe,
ihn aber gleich von zu Hause holen könne. Einer
der BeamtInnen erwidert: „Das interessiert mich
Fall 31 Rassismus Report 2005 nicht! Du musst aufs Revier mitkommen!“ Herr G.
fragt den Beamten, was er denn verbrochen habe
Herr A. will im April 2005 den Dienstbus seines Ar- und ersucht ihn, ihn nicht mit dem „Du-Wort“
beitgebers, dem Evangelischen Flüchtlingsdienst,
38
Polizei

anzusprechen. Der Beamte erwidert: „Aha, frech Aus § 35 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) ergibt
auch noch, jetzt nehmen wir dich mit!“ sich, dass Personen, die „auf frischer Tat“ bei ei-
ner Verwaltungsübertretung ertappt werden, sich
Herr G. wird zunächst an Ort und Stelle durchsucht, ebenfalls einer Identitätsfeststellung unterziehen
dann muss er den BeamtInnen zur nächsten Poli- müssen. Sollte dies vor Ort nicht möglich sein, kann
zeiinspektion folgen. Dort wird Herr G. zunächst auch hier eine Festnahme ausgesprochen werden.
fotografiert. Einer der BeamtInnen überprüft seine Die Anhaltung in Polizeigewahrsam darf nicht län-
Daten im Computer. Da nach kurzer Zeit feststeht, ger als 24 Stunden dauern (§ 36 Abs 1 VStG). In
dass Herr G. unbescholten ist, wird er wieder frei- jedem Fall muss dem/der Festgenommenen mit-
gelassen, ohne dass sich jemand für diese für Herrn geteilt werden, welcher Vorwurf gegen ihn/sie er-
G. unbegründete Festnahme entschuldigt. Er fragt hoben wird. Die Festnahme muss ausdrücklich aus-
nach der Dienstnummer der BeamtInnen, worauf- gesprochen werden.
hin diese ihm mitteilen, dass ihn die Dienstnum-
mern „nichts angehen“ würden. § 29 SPG normiert den so genannten Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatz. Demnach sind unter anderem
Zur allgemeinen Zulässigkeit von Identi-
von mehreren zielführenden Befugnissen jene an-
tätsfeststellungen und Festnahmen
zuwenden, die voraussichtlich den/die Betroffene/n
§ 35 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und § 118 der am wenigsten beeinträchtigen, und es ist auf die
mit 1.1.2008 neu in Kraft getretenen Strafprozess- Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interes-
ordnung (StPO) setzen die Grenzen für die Zulässig- sen des/der Betroffenen Bedacht zu nehmen. Der
keit von Identitätsfeststellungen. Wenn aufgrund angestrebte Erfolg muss in einem vertretbaren Ver-
bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine hältnis zu den zu erwartenden Schäden und Gefähr-
Person im Zusammenhang mit einer Straftat steht dungen stehen.
oder über eine solche Auskunft erteilen kann, ist sie
verpflichtet an einer Identitätsfeststellung mitzu- Rechte und Pflichten von beamtshandel-
wirken. Somit können sowohl mutmaßliche TäterIn- ten Personen und Festgenommenen
nen als auch ZeugInnen einer strafbaren Handlung
zur Mitwirkung an der Feststellung ihrer Identität Jede beamtshandelte Person ist auf Verlangen vom
gezwungen werden, gemäß § 118 Abs 4 StPO auch Zweck des Einschreitens zu informieren und kann
mittels Personendurchsuchung. Die Polizeibeam- der Amtshandlung eine Person ihres Vertrauens hin-
tInnen müssen Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, zuziehen (§ 30 SPG). Dies gilt jedoch nicht, wenn
Geburtsort, Beruf und Wohnanschrift ermitteln. dadurch die Erfüllung der Aufgabe durch die ein-
schreitenden BeamtInnen gefährdet wäre.
Einer Straftat Verdächtige können gemäß § 170
StPO festgenommen werden, wenn sie z.B. auf „fri- Gemäß § 31 SPG wurden vom Bundesminister für
scher Tat ertappt“ werden. Der/die Verdächtige Inneres Richtlinien für das Einschreiten der Organe
muss gemäß § 172 StPO binnen 48 Stunden ab Fest- des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Richtlinienver-
nahme in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts ordnung – RLV) erlassen. § 5 der RLV besagt unter
gebracht werden. Gemäß § 174 StPO hat das Gericht anderem, dass PolizeibeamtInnen alles zu unter-
wiederum binnen 48 Stunden ab Einlieferung zu lassen haben, das geeignet ist, den Eindruck von
entscheiden, ob die verdächtige Person in Untersu- Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskri-
chungshaft genommen oder wieder entlassen wird. minierung aufgrund des Geschlechtes, der nationa-
len oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der
Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) sieht vor, sexuellen Orientierung empfunden werden kann.
dass nicht-österreichische StaatsbürgerInnen ein
Reisedokument zum Nachweis ihres rechtmäßigen Weiters haben BeamtInnen alle Menschen, bei
Aufenthaltes bei sich führen oder an einem Ort denen dies üblich ist oder die dies verlangen, mit
verwahren müssen, von dem sie es ohne unverhält- „Sie“ anzusprechen.
nismäßige Verzögerung (innerhalb einer Stunde)
holen können (§ 32 FPG). „Fremde“ im Sinne des Gemäß § 6 der RLV sind dem/der von der Amts-
FPG müssen sich auch Identitätsfeststellungen un- handlung Betroffenen seine/ihre Rechte mitzuteilen
terziehen, wenn etwa der Verdacht besteht, dass sie und der Zweck des Einschreitens bekannt zu geben,
sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten (§ 34 es sei denn, dieser wäre offensichtlich oder dies
FPG). Sollte ein/e „Fremde/r“ der Verpflichtung zum würde die Aufgabenerfüllung gefährden. § 7 der
Mit-sich-Führen eines Reisedokumentes nicht nach- RLV sieht vor, dass Personen, die das Recht auf In-
kommen, kann auch eine Festnahme ausgespro- formation oder Beiziehung einer Vertrauensperson
chen werden. Die Haft darf grundsätzlich maximal oder eines Rechtsbeistandes haben, über ihre dies-
24 Stunden dauern (§ 39 FPG). bezüglichen Rechte informiert werden müssen.
39
Polizei

Festgenommene sowie Personen, die einer Straf- de wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften des
tat verdächtig sind und bei denen anzunehmen ist, Sicherheitspolizeigesetzes, sondern auch wegen
dass sie einen Gegenstand bei sich tragen, von dem eines Verstoßes gegen verfassungsgesetzlich ge-
Gefahr ausgeht, können gemäß § 40 SPG durchsucht währleistete Rechte (z.B. das Verbot der Folter und
werden. Das Anfertigen von Fotos gehört zur erken- der unmenschlichen oder erniedrigenden Behand-
nungsdienstlichen Behandlung (§ 64 ff SPG). Der/ lung gemäß Art 3 der Europäischen Menschen-
die Betroffene, der/die unter dem Verdacht steht, rechtskonvention [EMRK], das Recht auf Achtung
eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK,
haben, muss darüber informiert werden, warum er/ im Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der
sie erkennungsdienstlich behandelt wird, und hat persönlichen Freiheit oder anderen in einfachen
unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch Gesetzen gewährte Rechte, die PolizeibeamtInnen
auf Löschung dieser Daten. bei Amtshandlungen wahren müssen) eingebracht
werden.
Jede/r Festgenommene hat das Recht, eine Ver- Das Verfahren ist einem Gerichtsverfahren ähn-
trauensperson oder einen Rechtsbeistand zu verstän- lich. Unabhängige UVS-RichterInnen entscheiden,
digen. Bei der Einvernahme wegen einer gerichtlich ob das Einschreiten der PolizistInnen rechtswidrig
zu ahndenden Straftat kann jedoch weder die Ver- war. Ein Zuspruch von Schadenersatz für das Opfer
trauensperson noch der Rechtsbeistand anwesend von rechtswidrigem Polizeihandeln ist nicht vorge-
sein. Nur bei Einvernahmen im Rahmen von Ver- sehen. GegnerInnen in diesen Verfahren sind die
waltungsstrafverfahren ist die Anwesenheit einer den BeamtInnen übergeordneten Dienststellen wie
Vertrauensperson und/oder des Rechtsbeistandes z.B. die Bundespolizeidirektion Wien. Die einzelnen
möglich. BeamtInnen sind Auskunftspersonen, die vom Er-
kenntnis des UVS jedoch nicht unmittelbar betrof-
Immer wieder Anlass zur Eskalation: Die Frage nach fen sind. In Einzelfällen sind anschließend an ein
der Dienstnummer UVS-Verfahren disziplinarrechtliche Konsequenzen
für die BeamtInnen möglich. Der/die Betroffene hat
Nach § 9 der RLV haben BeamtInnen von einer auf ein solches polizeiinternes Disziplinarverfahren
Amtshandlung betroffenen Personen auf deren Ver- jedoch keinen Einfluss. Wenn der UVS feststellt, dass
langen ihre Dienstnummer bekannt zu geben. Die- das Einschreiten der BeamtInnen nicht rechtswidrig
se sollte, wenn möglich, auf einem Kärtchen über- war, muss der/die BeschwerdeführerIn die Kosten
geben werden. für das Verfahren übernehmen (im Regelfall 500 bis
700 Euro).
Was kann Herr G. tun? Wegen der Verstöße gegen Richtlinienverordnung
Da Herr G. kein österreichischer Staatsbürger ist, ha- kann Herr G. sich ebenfalls mit Hilfe von ZARA ge-
ben PolizeibeamtInnen grundsätzlich die Befugnis mäß § 89 SPG binnen sechs Wochen an den UVS
zu überprüfen, ob er zum Aufenthalt in Österreich wenden. Der UVS hat diese so genannte Richtlinien-
berechtigt ist. Herr G. hat seine Unterlagen zwar beschwerde zunächst derjenigen Behörde zuzustel-
nicht bei sich, jedoch hätten ihm die Beamten ge- len, die die Aufsicht über die jeweilig eingeschritte-
statten müssen, seine Dokumente aus der unmittel- nen BeamtInnen hat. Dies wäre im vorliegenden Fall
bar am Ort der Amtshandlung gelegenen Wohnung die Bundespolizeidirektion Wien (BPD). Nachdem
zu holen. Die Aufforderung, mit aufs Revier zu kom- die BPD ihrerseits den Sachverhalt durch Befragung
men, muss als Festnahme angesehen werden, für oder laut Meldung der betroffenen BeamtInnen
die jedoch die notwendigen Rechtsgrundlagen feh- ermittelt hat, hat sie nun dem/der Beschwerdefüh-
len. Auch die Personendurchsuchung und die Anfer- rerIn schriftlich mitzuteilen, ob eine Verletzung der
tigung der Fotos sind somit rechtswidrig. Durch das RLV vorliegt.
Ansprechen mit dem „Du-Wort“ und die Weigerung, Die BPD hat aber auch die Möglichkeit, eine
die Dienstnummer bekannt zu geben, haben die Be- Aussprache zwischen den betroffenen BeamtInnen
amten gegen die Richtlinienverordnung verstoßen. und dem/der BeschwerdeführerIn zu ermöglichen.
Wenn sich Herr G. an ZARA wendet, kann ZARA Ist die betroffene Person mit dem Verlauf und dem
für ihn aufgrund der rechtswidrigen Festnahme, Ergebnis dieses so genannten „Klaglosstellungs-
der Personendurchsuchung und der Anfertigung gespräches“ zufrieden, dann ist das Richtlinienbe-
der Fotos binnen sechs Wochen eine Maßnahmen- schwerdeverfahren mit der schriftlichen Erklärung
beschwerde beim ➞ Unabhängigen Verwaltungs- des/der Beschwerdeführers/in, „nun klaglos gestellt
senat (UVS) einbringen, da er durch die „Ausübung worden zu sein“, beendet und die BPD braucht sich
unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und nicht mehr zum Vorfall zu äußern.
Zwangsgewalt“ in seinen subjektiven Rechten ver- Ist die betroffene Person mit dem Gesprächaus-
letzt worden ist. ZARA kann in diesem Fall auch die gang nicht zufrieden, z.B. weil die BeamtInnen ihr
Vertretung vor dem UVS übernehmen. Mittels einer Fehlverhalten nicht einsehen, dann muss die BPD
Maßnahmenbeschwerde kann nicht nur Beschwer- obige schriftliche Erklärung zum Vorliegen einer
40
Polizei

Richtlinienverletzung verfassen und zustellen. Wenn nicht möglich sei. Herr G. wird schließlich auf
in dieser Mitteilung das Vorliegen einer Richtlini- das zuständige Polizeikommissariat gebracht.
enverletzung verneint wird oder diese Mitteilung Dort wird er von einem Polizeijuristen einver-
binnen drei Monaten nach Einbringung der Be- nommen. Er muss seine Aussage unterschreiben
schwerde nicht erstattet wird, dann kann der/die und wird schließlich mit der Ankündigung, dass
BeschwerdeführerIn binnen 14 Tagen die Entschei- er eine Anzeige bekommen werde, entlassen.
dung des UVS verlangen. Der UVS hat dann in einem Einige Tage später erhält Herr G. eine Strafverfü-
Verfahren wie bei einer Maßnahmenbeschwerde gung wegen „aggressiven Verhaltens gegenüber
festzustellen, ob die Richtlinie verletzt wurde. Hin- einem Organ der öffentlichen Aufsicht“ gemäß
sichtlich der Konsequenzen für die BeamtInnen § 82 Sicherheitspolizeigesetz über 72 Euro. Eine
gelten die oben gemachten Ausführungen zur Maß- Woche später teilt ihm die Staatsanwaltschaft
nahmenbeschwerde. Wien mit, dass gegen ihn ein Verfahren wegen
Im Fall von Herrn G. wird aufgrund des Um- Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß §
standes, dass eine Richtlinienbeschwerde für das 269 Strafgesetzbuch eingeleitet wurde.
Ansprechen mit dem „Du-Wort“, die rassistische
Diskriminierung und das „Nicht-bekannt- Geben“ Was kann Herr G. unternehmen?
der Dienstnummer eingebracht und gleichzeitig Auch in diesem Fall verletzen die BeamtInnen durch
ein Maßnahmenbeschwerdeverfahren eingeleitet die unbegründet brutale Festnahme, die Beschimp-
wurde, ein Klaglosstellungsversuch wohl nicht un- fungen und das Anlegen der Handfesseln Herrn G. in
ternommen werden. Sollte die BPD den Richtlinien- seinen subjektiven Rechten. Die BeamtInnen sind
verstoß nicht feststellen, werden beide Beschwer- sichtlich voreingenommen, diskriminieren Herrn G.
den gemeinsam vor dem UVS behandelt werden. aufgrund seiner Herkunft, wie sich an ihren Aussa-
Hinsichtlich der von den Beamten angefertigten gen erkennen lässt, und sprechen ihn wieder mit
Fotos kann Herr G. die Löschung dieser erkennungs- dem „Du-Wort“ an. Hierbei handelt es sich um kla-
dienstlichen Daten gemäß § 74 SPG beantragen, re Verstöße gegen die Richtlinienverordnung. Herr G.
sollten diese nicht wie in § 73 SPG vorgesehen man- kann mit Hilfe von ZARA wieder UVS-Beschwerden
gels gesetzlicher Voraussetzung von Amts wegen einbringen. ZARA wird Herrn G. in diesem Fall aber
gelöscht worden sein. nicht nur vor dem UVS vertreten.
Hinsichtlich der Verwaltungsstrafe wegen „ag-
An einem der nächsten Tage gerät Herr G. wie- gressiven Verhaltens gegenüber einem Organ der
der in eine Ausweiskontrolle. Herr G. hat diesmal öffentlichen Aufsicht“ ist eine Berufung an den UVS
seinen Ausweis dabei. Da dies aber schon der möglich, der auch über die Rechtmäßigkeit von Ver-
zweite Vorfall dieser Art binnen kurzer Zeit ist, waltungsstrafen und die Angemessenheit der Straf-
beschwert er sich bei den BeamtInnen: „Es ist im- höhe entscheidet. Da Herr G. sich nicht aggressiv
mer das gleiche, Sie kontrollieren mich doch nur, verhalten und so die Amtshandlung in keiner Weise
weil ich Afrikaner bin!“ Die BeamtInnen sehen behindert hat, was darüber hinaus von zwei ZeugIn-
seine Reaktion als Angriff und drohen ihm an, nen bestätigt werden kann, sind die Chancen auf
ihn festzunehmen, wenn er sich nicht beruhige. eine Aufhebung der Strafe und eine Einstellung des
Herr G. erwidert: „Ich habe nichts getan, warum Verfahrens gut. Überdies sieht § 85 SPG vor, dass
wollen Sie mich festnehmen?“ Personen, die sich wegen derselben Tat auch vor
Gericht verantworten müssen, nicht nach § 83 SPG
Einer der Beamten meint: „Ihr Schwarzen führt bestraft werden können. Bezüglich der Strafanzeige
doch immer was im Schilde, wir werden schon wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ gemäß
was finden!“ Er kommt auf Herrn G. zu, verdreht § 269 StGB wird sich Herr G. vor einem (Landes-)Ge-
ihm den Arm hinter den Rücken. Er wird zu Boden richt verantworten müssen, das eine Freiheitsstrafe
geworfen und es werden ihm Handfesseln hinter von bis zu drei Jahren verhängen kann. Der Vorwurf
seinem Rücken angelegt. Eine Beamtin schlägt lautet, dass sich Herr G. „aktiv“, das bedeutet z.B. mit
ihm auf den Kopf und schreit „Jetzt siehst du, gezielten Schlägen oder Tritten, gegen die Amts-
was du davon hast, du depperter N...!“[*] Herr G. handlung oder seine Verhaftung gewehrt hat. Ein
wehrt sich in keiner Weise gegen die Festnahme. bloßes „passives“ Erschweren der Amtshandlung,
Einer der BeamtInnen informiert KollegInnen, wie z.B. durch ein „Versteifen“, welches das Anlegen
die kurze Zeit später mit einem Einsatzwagen der Handfesseln erschwert, oder durch den Versuch,
eintreffen. sich dem Griff der BeamtInnen zu entwinden, reicht
für eine Verurteilung nach § 269 StGB nicht aus.
Zwei ZeugInnen beobachten den Vorfall und kön- Wenn sich Herr G. keinen Rechtsanwalt leisten
nen Herrn G. in einem ruhigeren Moment eine Vi- kann, hilft ZARA ihm bei der Beantragung eines/r
sitenkarte zustecken. Auf die Frage, ob eine/r der Verfahrenshilfeverteidigers/in, der/die ihn kosten-
ZeugInnen Herrn G. als Vertrauensperson beglei- los vertritt, der/die ihm aber ohne Auswahlmög-
ten kann, meint eine der BeamtInnen, dass dies lichkeit von der Rechtsanwaltskammer zugewiesen
41
Polizei

wird. Sollte Herr G. sich einen Rechtsanwalt leisten nicht antreten muss, wenn er sich in einer Probe-
können, ist er besser beraten, sich von einem kos- zeit von zumeist drei Jahren keine gleich gelagerte
tenpflichtigen Anwalt seines Vertrauens vertreten Straftat zuschulden kommen lässt.
zu lassen. Einen Teil der Rechtsanwaltskosten kann Herr G. hat überdies die Möglichkeit, gegen die
Herr G. im Falle seines Freispruches erstattet be- Verurteilung zu berufen. In diesem Fall entscheidet
kommen. das Oberlandesgericht (OLG) als zweite Instanz end-
Im Verfahren selbst werden Herr G., seine beiden gültig darüber, ob Herr G. die Tat tatsächlich began-
ZeugInnen und die eingeschrittenen BeamtInnen gen hat oder ob er schon von der ersten Instanz frei-
vom Gericht befragt. Oft ist es so, dass den Anga- zusprechen gewesen wäre. Das OLG kann die Strafe
ben des Beschuldigten – wegen der erdrückenden auch nur verringern. Wenn die Staatsanwaltschaft
Vielzahl von aufeinander abgestimmten Aussagen von ihrem Berufungsrecht Gebrauch macht und zu
seitens der Polizei – nicht geglaubt wird. Unter Ver- ihren Gunsten entschieden wird, kann die Strafe
weis auf den Amtseid wird den Aussagen von Beam- auch erhöht werden.
tInnen in solchen Verfahren ein höherer Grad an Zu- Sollte sich im Verfahren herausstellen, dass
verlässigkeit und Glaubwürdigkeit beigemessen als die Angaben der BeamtInnen, die zu einer Straf-
jenen des Übergriffsopfers. Selbst Ungereimtheiten verfolgung von Herrn G. geführt haben, nicht der
in den Aussagen werden allzu oft mit diesem Argu- Wahrheit entsprechen, wird Herr G. nicht nur frei-
ment einfach weggewischt. gesprochen, sondern die Staatsanwaltschaft wird
Da Herr G. aber zwei unabhängige ZeugInnen möglicherweise ein Strafverfahren gegen die Beam-
vorweisen kann, sind auch hinsichtlich des Strafver- tInnen einleiten, da sie durch ihre Falschangaben
fahrens die Chancen auf einen Freispruch gut. Bei jedenfalls das Delikt der „falschen Beweisaussage
einer Verurteilung wird Herr G. aufgrund seiner Un- vor Gericht“ gemäß § 288 StGB, das Delikt der „Ver-
bescholtenheit (d.h., dass er keine Vorstrafen aufzu- leumdung“ gemäß § 297 StGB und möglicherweise
weisen hat) wohl zu einer bedingten Freiheitsstrafe das Delikt des „Missbrauchs der Amtsgewalt“ gemäß
im Ausmaß von drei bis sechs Monaten verurteilt § 302 StGB begangen haben.
werden. „Bedingt“ bedeutet, dass Herr G. die Strafe
Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

Sonstige Behörden und


öffentliche Institutionen

Eine wesentliche Verantwortung der Verwaltung in


einem demokratischen Rechtsstaat sind die Wahrung
der Unparteilichkeit und die Garantie von Fairness
58 Frau P. ruft im August in einem Wiener Stan-
desamt an. Sie möchte sich erkundigen, ob
es möglich ist, den Heiratstermin eines mit ihr be-
und Rechtssicherheit. Diskriminierungen dürfen hier freundeten Paares vorzuverlegen. Der Standesbeam-
keinen Platz haben, die Verwaltung ist gefordert, je- te fragt Frau P. nach dem Grund für die Vorverlegung
den Anschein von Voreingenommenheit zu vermei- und möchte wissen, ob es sich bei den beiden um „In-
den. ZARA will nicht in den Kanon der generellen Bü- oder Ausländer“ handelt. Frau P. erwidert, dass sie nun
rokratiekritik einstimmen, sondern darauf hinweisen, gerne wüsste, was diese Frage mit der Möglichkeit ei-
dass gerade die Ausübung der staatlichen Verwaltung ner Vorverlegung zu tun habe. Ohne darauf einzuge-
mit einer hohen Verantwortung einhergeht. Jede ras- hen, besteht der Beamte auf der Beantwortung seiner
sistische Diskriminierung in diesem Bereich ist nicht Frage. Tatsächlich haben die beiden den Status eines
nur eine Kränkung für die Betroffenen, sondern sie er- Asylwerbers bzw. einer Asylwerberin. Nun möchte
schüttert das Vertrauen in den Rechtsstaat. der Beamte ergänzend wissen, ob die Vorverlegung
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass die einem bzw. einer der beiden bei einem etwaigen Asyl-
Erfahrung von ZARA zeigt, dass viele öffentliche Ins- verfahren helfen würde
titutionen durchaus auf Vorwürfe wegen diskriminie- Frau M. ist entsetzt über den Generalverdacht des
rendem Verhalten reagieren und zumindest versu- Beamten, dass die beiden AsylwerberInnen nicht aus
chen, für die Zukunft ähnliche Vorfälle zu vermeiden. Liebe, sondern aus bloßer Berechnung heiraten wol-
Dennoch beschäftigten die Beratungsstelle auch im len. Sie möchte den Vorfall von ZARA dokumentiert
Jahr 2008 einige Fälle, die belegen, dass es auch in wissen. ZARA bietet Frau P. an, eine Beschwerde an
diesem Bereich Rassismus gibt. den Beamten zu richten. Frau P. meldet sich jedoch
nicht mehr.

57 Frau T. arbeitet in einer öffentlichen sozialen


Beratungseinrichtung in Wien und informiert
ZARA im September telefonisch über folgende Vor- 59 Frau I. arbeitet als Rechtspraktikantin an ei-
nem österreichischen Gericht und berichtet
fälle: Eine ihrer Kolleginnen fällt seit einiger Zeit mit ZARA über folgenden Vorfall, der sich an einem Amts-
ausländerfeindlichen Aussagen auf. So meint sie in tag im Mai ereignet hat:
einer E-Mail, in der sie um Urlaub ersucht, dass sie an Eine ihrer Kolleginnen, die ebenfalls Rechtsprak-
diesen Tagen „eh keine Tschuschen-Familien zuge- tikantin ist, spricht mit einem Mann, der ein Rechts-
teilt“ bekommen habe. Beim Mittagstisch äußert sich mittel gegen ein Urteil des Gerichts eingebracht hat.
die Kollegin über ihre KlientInnen: „Die werden's bald Offenbar sind die Kollegin und der Mann unterschied-
merken, die Tschuschen, dass ich sie nicht will.“ licher Meinung ob der nun gebotenen Vorgangs-
ZARA klärt Frau T. auf, dass aufgrund einer anony- weise. Die Rechtspraktikantin und der Mann geraten
men Beschwerde nichts unternommen werden kann, in eine hitzige Diskussion. Schließlich meint Frau I.s
da die Beschuldigte die Vorwürfe schlichtweg abstrei- Kollegin, dass ihre Ansicht die gültige Rechtslage sei
ten kann. Um wirkungsvoll etwas unternehmen zu und wenn dies dem Mann nicht passe, möge er doch
können, müssten sich von solchen Aussagen unmit- in seine Heimat zurückkehren. Der Mann erwidert,
telbar betroffene KlientInnen als ZeugInnen zur Ver- dass er Österreicher ist und seine Tochter hier sogar
fügung stellen. als Professorin arbeitet. Die Kollegin meint darauf-
Frau T. kündigt an, weiterhin ausländerfeindliche hin, dass sie doch schon an der Sprache des Mannes
Aussagen ihrer Kollegin zu protokollieren und das Ge- merke, dass er nicht von „hier“ sei, und wiederholt
spräch mit ihrem Vorgesetzten zu suchen, um auszulo- ihre Aufforderung, dass er doch jederzeit wieder in
ten, ob die Möglichkeit besteht, die MitarbeiterInnen sein „Ursprungsland“ zurückkehren könne, wenn es
in Trainings zu sensibilisieren und besagter Kollegin ihm „hier“ nicht passe. Der Mann ist entsetzt über die
die Tragweite ihrer rassistischen Aussagen bewusst zu diskriminierenden Aussagen der Rechtspraktikantin
machen. Frau T. verspricht, ZARA auf dem Laufenden und geht. Frau I. teilt ihrer Kollegin mit, dass sie solch
zu halten, meldet sich bis Redaktionsschluss des Ras- xenophobe Aussagen von ihr nicht mehr hören will,
sismus Report jedoch nicht mehr. insbesondere da sie als Rechtspraktikantin auch eine

43
Sonstige Behörden und öffentliche Institutionen

Repräsentantin des Staates ist. Am nächsten Tag trifft Durch seine Aussagen macht der Beamte Herrn
Frau I. den Mann nochmals im Gerichtsgebäude. Sie B. eindeutig klar, dass er ihn aufgrund seines Namens
kommen ins Gespräch und er Teilt Frau I. mit, dass er und seiner ethnischen Zugehörigkeit schlechter be-
immer noch über den Vorfall entsetzt sei.ZARA infor- handelt als eine Vergleichsperson österreichischer
miert Frau I. über die rechtlichen Möglichkeiten und Herkunft, der er solch einen „Sozialbetrug“ nicht un-
ersucht sie, den betroffenen Mann an die Beratungs- terstellen würde. Dies ist eindeutig eine ➞ unmittel-
stelle zu verweisen, falls er sich rechtlich zur Wehr set- bare Diskriminierung aufgrund Herrn B.s ethnischer
zen möchte. Frau I. meldet sich bis Redaktionsschluss Zugehörigkeit im Sinne des GlBG. Die beleidigenden,
nicht mehr. rassistischen Aussagen des Beamten sind außerdem
als Belästigungen aufgrund der ethnischen Zugehö-
Die eigenen Rechte kennen rigkeit zu werten, da sie Herrn B. in seiner Würde
verletzen und ein einschüchterndes, beleidigendes
und demütigendes Umfeld schaffen.
Herr B. wurde in Österreich geboren, sein Vater
kommt aus Samoa. Er ist österreichischer Staats-
Was kann Herr B. tun?
bürger und Vater zweier Kinder im Volksschul-
Herr B. hat Anspruch auf Ersatz des tatsächlich erlit-
alter. Eines Tages erhält er einen Brief seines
tenen Vermögensschadens, falls ihm z.B. durch die
Finanzamtes. Er soll für den Weiterbezug der Fa-
Überprüfung die Auszahlung der Familienbeihilfe
milienbeihilfe den Nachweis erbringen, dass sei-
unrechtmäßig verweigert wurde, und zusätzlich
ne beiden Kinder in Österreich leben. Da ihm die-
auf Entschädigung für die erlittene persönliche Be-
se Vorgangsweise seltsam erscheint, ruft er am
darauf folgenden Tag beim Finanzamt an. Der einträchtigung durch die Schlechterbehandlung.
zuständige Beamte teilt Herrn B. mit, dass er den Für die belästigenden Aussagen des Beamten steht
Nachweis deshalb einfordere, weil „sich ja Aus- Herrn B. ein Mindestschadenersatz in der Höhe von
länder ständig irgendwelche Sozialleistungen für 400 Euro zu. Herr B. kann den Schadenersatz entwe-
ihre gesamte Sippe erschleichen“. Er führe jetzt der gleich beim zuständigen Zivilgericht einklagen,
stichprobenartig Überprüfungen bei Personen was mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden
durch, deren Namen ihm „seltsam vorkommen“. ist, oder sich vorab an die ➞ Gleichbehandlungs-
Als Herr B. den Beamten darauf hinweist, dass er kommission wenden, die in einem kostenlosen Ver-
seit seiner Geburt die österreichische Staatsbür- fahren das Vorliegen einer Diskriminierung in einer
gerschaft besitzt, meint der Beamte: „Das ist mir Einzelfallentscheidung bejahen und rechtlich un-
wurscht, Du bleibst ein Drecksausländer!“ verbindliche Maßnahmen zur Wiedergutmachung
und Verhinderung zukünftiger Diskriminierungen
Teil 3 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) sieht vorschlagen kann. Bei der Einbringung eines An-
vor, dass Personen, die beim Sozialschutz (dazu ge- trages bei der Gleichbehandlungskommission kann
hören z.B. Leistungen aus der Sozialversicherung, sich Herr B. von NGOs wie ZARA oder der ➞ Gleich-
der Arbeitslosenversicherung oder Leistungen behandlungsanwaltschaft beraten und vertreten
gemäß dem Familienlastenausgleichsgesetz) auf- lassen.
grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert Da die diskriminierende Person ein Beamter ei-
werden, sich zur Feststellung dieser Diskriminierung nes Finanzamtes war, kann Herr B. eine Beschwerde
an die ➞ Gleichbehandlungskommission wenden bei der übergeordneten Dienststelle einbringen und
oder Schadenersatzansprüche vor den Zivilgerich- ein Disziplinarverfahren gegen den Diskriminierer
ten geltend machen können. Auch ➞ Belästigungen anregen. Einen Rechtsanspruch auf Einleitung solch
stellen eine Form der Diskriminierung im Sinne des eines Verfahrens hat Herr B. nicht.
GlBG dar.

44
Arbeit

Arbeit

Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz sieht ➞ Gleichbehandlungskommission ein. Zu Redakti-


vor, dass Arbeit als ganzer Lebensbereich frei sein onsschluss ist das Verfahren noch offen.
soll von rassistischer Diskriminierung – also von der
Ausschreibung einer Stelle über die Einstellung, die
berufliche Weiterbildung, den Aufstieg bis hin zur Be-
endigung eines Arbeitsverhältnisses.
61 Frau O. ist Lehrerin an einem Gymnasium. Im
Rahmen eines einwöchigen Schulausfluges
besucht sie mit 40 SchülerInnen und drei KollegInnen
Die Realität sieht freilich oft genug ganz anders das Konzentrationslager Auschwitz in Polen. Sie er-
aus. Ganz selbstverständlich, so scheint es, gehen Ar- sucht ZARA, die während dieses Ausfluges von ihren
beitgeberInnen und KollegInnen davon aus, dass sie KollegInnen getätigten Aussagen zu dokumentieren:
die ethnische Zugehörigkeit oder Religion weiterhin „Die Scheiß Zigeuner, das Gesindel“, „Es gibt eben
ungehindert zum Anknüpfungspunkt für Ausgren- völkische und rassische Unterschiede“, „Diese Leu-
zung, Abwertung und Belästigung machen können. te [Anm.: gemeint sind EinwohnerInnen arabischer
Sofern das Gleichbehandlungsgesetz überhaupt Staaten/Diktaturen] kann man nicht anders regieren“,
bekannt ist, scheint es vielerorts lediglich als unver- „Die Türken halten sich nicht an die österreichischen
bindliche Empfehlung angesehen zu werden. Gelebte Gesetze“, „Die Ungarn und die Tschechen halten sich
Gleichbehandlung gilt noch immer als besonders tu- nicht an die österreichische Straßenverkehrsordnung“,
gendhaft und geradezu extravagant, während rassis- „Ich habe nicht viel zur Erhaltung der Menschheit bei-
tische Diskriminierung als normal angesehen wird: So getragen. Ich habe nur zwei Kinder in die Welt gesetzt.
sei nun einmal der Arbeitsmarkt. Zwei Kinder erhalten die Art, drei die Rasse“.
Es wird weiterhin Aufgabe von ZARA sein, konse- ZARA lässt Frau O. Informationen zu Sensibilisie-
quent aufzuzeigen, dass Nicht-Diskriminierung keine rungsworkshops zukommen und bietet an, eine of-
lobenswerte Einstellung ist, die man eben haben oder fizielle Beschwerde einzureichen, wenn Frau O. dies
nicht haben kann, sondern ein gesetzlich geforderter wünscht. Die Klientin meldet sich jedoch nicht mehr.
Mindeststandard; und dass jede rassistische Diskri-
minierung in der Arbeitswelt verboten ist und nicht
toleriert wird. 62 Frau A. berichtet ZARA im Dezember, dass sie
bis vor kurzem in einem Krankenhaus in Wien
gearbeitet hat und dort von einer Kollegin gemobbt

60 Herr B. wurde in Äthiopien geboren, er ist


seit 10 Jahren österreichischer Staatsbürger
und als Angestellter in der Sicherheitsbranche tätig.
wurde.
Die Kollegin verhält sich Frau A. gegenüber ten-
denziell unfreundlich und verbietet ihr grundlos, mit
Als er sich im Frühling bei einer neuen Sicherheitsfir- PatientInnen Türkisch zu sprechen, obwohl dies oft
ma bewerben will, wird er beim Vorstellungsgespräch für eine gute Erledigung der Arbeit notwendig wäre.
gefragt, ob er denn überhaupt eine „EU-Staatsbür- Offenbar erwirkt die Kollegin hinter dem Rücken von
gerschaft“ besitze. Als er seinen Personalausweis Frau A. bei ihrem gemeinsamen Vorgesetzten, dass
vorzeigen will, wird dieser von der Dame, welche das Frau A. in eine andere Abteilung versetzt wird, in der
Bewerbungsgespräch führt, nicht einmal zur Kenntnis sie bestimmte Berichte schreiben muss, ohne dafür
genommen. Sie füllt lediglich ein Formular des AMS eingeschult zu werden. Diese Berichte sind daher
aus, um zu bestätigen, dass Herr B. nicht eingestellt mangelhaft und der Vorgesetzte legt Frau A. nahe,
wird. Zum Abschluss sagt sie zu Herrn B., dass er jetzt das Dienstverhältnis einvernehmlich zu lösen. Frau
gehen solle, da er bloß ihre Zeit verschwenden würde. A. nimmt diese „Empfehlung“ schließlich auch an, da
Herr B. vermutet, dass er die Anstellung aufgrund sei- sie nicht gekündigt werden will. Frau A. ist sich sicher,
ner schwarzen Hautfarbe nicht bekommen hat. dass die Probleme mit der Arbeitskollegin aus ihrer
Als eine Mitarbeiterin einer anderen Beratungsstel- türkischen Herkunft resultierten, denn mit ihrer Nach-
le, an die sich Herr B. zunächst wendet, die Sicherheits- folgerin, die aus Kärnten kommt, hat die Kollegin kei-
firma anruft und sich erkundigt, welche Voraussetzun- nerlei Probleme mehr.
gen für die ausgeschriebene Tätigkeit bestehen, erhält ZARA dokumentiert den Vorfall, unternimmt in der
sie die Auskunft, dass man „Inländer“ sein müsse. Für Angelegenheit jedoch nichts weiter, da Frau A. vorher
Herrn B. bestätigt sich daher der Verdacht, dass seine schon bei der ➞ Gleichbehandlungsanwaltschaft vor-
Hautfarbe bzw. seine äthiopische Herkunft der Auslö- stellig war und diese für Frau A. auch eine Intervention
ser für die Nichtvergabe der Stelle an ihn sind. setzen wird. Zu Redaktionsschluss hatten sich noch
ZARA bringt für Herrn B. einen Antrag bei der keine weiteren Entwicklungen ergeben.
45
Arbeit

63 Herr O. weist ZARA im Juni auf ein Stellenin-


serat auf einer österreichischen Internetplatt-
form hin. Der Inserent sucht „Event-Serviceaushilfen“,
leistet habe und ihm daher weniger zustehe. Nach
kurzer Diskussion bekommt Herr T. schließlich doch
seinen vollen Lohn, wird aber vom Lokaleigentümer
deren Muttersprache Deutsch sein soll. ZARA kontak- als „Arschloch“ tituliert. Außerdem erklärt ihm der Lo-
tiert die Internetplattform und klärt darüber auf, dass kaleigentümer, dass er nie wieder kommen soll, und
das Abstellen auf dieses Kriterium eine Diskriminie- verhängt ein lebenslanges Lokalverbot. Obwohl Herr
rung aufgrund der ethnischen Herkunft darstellt und T. nach Erhalt des Geldes das Lokal freiwillig verlassen
nach dem Gleichbehandlungsgesetz verboten ist. Die will, wird er von zwei Servicemitarbeitern unsanft aus
Betreiber der Internetplattform danken für den Hin- dem Lokal befördert, dabei geschlagen und an der
weis auf das nicht gesetzeskonforme Inserat und kün- Lippe verletzt.
digen an, in Zukunft verstärkt auf verbotene Inhalte Herr T. erstattet bei der Polizei Anzeige wegen Kör-
zu achten und InserentInnen darauf hinzuweisen. perverletzung. ZARA begleitet ihn zur Einvernahme
bei der Polizei. Bei Redaktionsschluss sind die Ermitt-

64 Im August meldet sich Frau J. bei ZARA. Ihr ist


ein Stelleninserat auf einer Online-Jobbörse
lungen noch nicht abgeschlossen.

aufgefallen, in dem Verkaufspersonal für einen Stand


auf dem Wiener Donauinselfest gesucht wird. Dieses
soll mindestens 18 Jahre alt, „Wieblich“ (sic!) und „In-
66 Frau P. will sich in einem Wiener Krankenhaus
als Büffetkraft bewerben. Beim Vorstellungs-
gespräch wird sie von Frau O., die das Einstellungs-
länder“ sein. ZARA informiert die Jobbörse und wen- gespräch führt, gefragt, woher denn ihr Vorname
det sich auch direkt an den Inserenten. Dieser reagiert komme, denn dieser höre sich so auf keinen Fall öster-
auf das Beschwerdeschreiben uneinsichtig. Einerseits reichisch an. Frau P. erklärt ihr, dass der Name persisch
gibt er an, dass es ihm lediglich um die Voraussetzung ist, ihre Eltern aber aus der Türkei kommen. Frau O.
einer gültigen „Arbeitsgenehmigung“ gegangen sei, meint darauf: „Aha. Und was sagen Ihre Eltern dazu,
führt dann aber im nächsten Absatz aus, dass er „ös- dass Sie sich hier bewerben? Also, ich habe ja nichts
terreichisches Brauchtumsgebäck“ verkaufe und da- gegen Ausländer, aber bei Türken habe ich so meine
her sehr wohl „Österreicher“ beschäftigen wolle. Der Bedenken. Die stelle ich nicht ein. Die bringen nie et-
Inserent ist überdies der Meinung, dass er die Stelle was zu Ende!“ Frau P. klärt Frau O. noch über ihre Qua-
ausschließlich an weibliche Bewerberinnen vergeben lifikationen auf. Frau O. gibt sich beeindruckt. Frau
dürfe, da ja ansonsten auch „die Kirche diskriminieren P. kommt jedoch zur Überzeugung, dass Frau O. ihr
würde, da eine Frau kein Pfarrer werden kann“. nicht glaubt. Frau P. bekommt den Arbeitsplatz in der
ZARA klärt den Inserenten nochmals über die Be- Folge nicht. Sie ist aufgrund des Ablaufs des Vorstel-
stimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf und lungsgesprächs davon überzeugt, dass ihre türkische
weist ihn darauf hin, dass sein Stelleninserat dagegen Herkunft ausschlaggebend für ihre Ablehnung ist. Sie
verstößt. Daraufhin ändert der Inserent die Stellenbe- teilt ZARA mit, dass es das erste Mal gewesen sei, dass
schreibung ab: „Wir suchen nettes Verkaufspersonal ihr so etwas passiert sei. Sie möchte den Vorfall ledig-
mindestalter (sic!) 18 Jahre weiblich Österreichische lich dokumentiert wissen.
Arbeitsgenehmigung“. ZARA schließt den Fall damit
ab.
67 Frau Ö. meldet ZARA, dass in verschiedenen
Wiener Filialen einer Kette von Friseurge-

65 Herr T. ist nigerianischer Herkunft. Er berich-


tet ZARA, dass er bis vor kurzem als Küchen-
hilfe in einem Restaurant im 10. Wiener Gemeinde-
schäften Angestellte, deren Namen „nicht österrei-
chisch“ klingen, gezwungen werden, eingedeutschte
Namen zu verwenden. So kennt sie einen „Yussuf“,
bezirk gearbeitet hat. Schon als er seine Stelle antritt, der sich den KundInnen immer als „Josef“ vorstellen
bemerkt er, dass die meisten seiner KollegInnen nicht müsse. Aufgrund des Umstandes, dass sich kein/e
viel mit ihm zu tun haben wollen und die Kommuni- Betroffene/r bei ZARA meldet, sind keinerlei recht-
kation mit ihm auf das Nötigste beschränken. Herr T. liche Schritte gegen das Unternehmen möglich. Zu
vermutet, dass dieses Verhalten mit seiner schwar- Redaktionsschluss wird überlegt, eine Beschwerde an
zen Hautfarbe zu tun hat. Er teilt seinem Arbeitgeber die Zentrale des Unternehmens zu richten.
mit, dass er ihn darüber informieren soll, falls er hier
nicht erwünscht sei. In diesem Fall würde Herr T. das
Arbeitsverhältnis von sich aus beenden. Der Lokalei-
gentümer teilt Herrn T. mit, dass er kein Problem mit
68 Frau Dr. A. ist Ärztin für Allgemeinmedizin.
Sie ist österreichische Staatsbürgerin musli-
mischen Glaubens und trägt ein Kopftuch. Ende April
ihm habe und er bleiben solle. bewirbt sie sich für eine in der österreichischen Ärz-
Da sich die Situation für Herrn T. jedoch nicht bes- tezeitung ausgeschriebene Stelle als Kurärztin. Sie er-
sert, teilt er seinem Chef am Ende der Probezeit mit, kundigt sich zunächst telefonisch, ob die Stelle noch
dass er diese Stelle nicht behalten möchte und das zu besetzen sei, und erhält daraufhin einen Termin für
Arbeitsverhältnis hiermit auflöse. Als Herr T. den ihm ein persönliches Bewerbungsgespräch.
zustehenden Lohn einfordert, ist sein Arbeitgeber Im Rahmen dieses Bewerbungsgespräches über-
der Meinung, dass er nicht die volle Arbeitszeit ge- gibt die Ärztin ihre Bewerbungsunterlagen an den lei-
46
Arbeit

tenden Kurarzt und weist ihn darauf hin, dass sie kein Das Recht, am Arbeitsplatz nicht benachteiligt zu
Kurarztdiplom hat. Der leitende Kurarzt teilt ihr mit, werden, umfasst nicht nur das Recht auf gleiche
dass das Kurarztdiplom nicht erforderlich sei. Im wei- Bezahlung, gleiche Aufstiegschancen etc., sondern
teren Verlauf dieses Termins werden die Arbeitszeiten, auch das Recht, alle (auch freiwilligen) betrieblichen
der genaue Tätigkeitsbereich sowie Verrechnungs- Sozialleistungen in gleichem Maße in Anspruch neh-
möglichkeiten mit der Krankenkasse besprochen. men zu können. Wenn in der Kantine der Speditions-
Eine Gehaltsvereinbarung solle Dr. A. dann mit dem firma kein Menü ohne Schweinefleisch erhältlich
Vorstand treffen, welchem auch die endgültige Ent- ist, ist Herr P. als gläubiger Muslim, der aufgrund
scheidung über die Aufnahme der vom leitenden Kur- seiner Religionszugehörigkeit kein Schweinefleisch
arzt empfohlenen Person obliegt. Der leitende Kurarzt essen darf, von der Inanspruchnahme dieser Sozi-
teilt Frau Dr. A. allerdings auch mit, dass der Vorstand alleistung ausgeschlossen und damit ➞ mittelbar
sicher ein Problem damit haben werde, wenn sie ihr bzw. indirekt diskriminiert. Bei den Beleidigungen
Kopftuch bei der Arbeit tragen möchte. Es wird ver- der Arbeitskollegen handelt es sich um Belästigun-
einbart, dass sich Dr. A. telefonisch über den Stand der gen, die Diskriminierungen im Sinne des Gleichbe-
Bewerbung erkundigen wird. handlungsgesetzes darstellen, weil sie sich sowohl
Schließlich vereinbart Dr. A. mit dem Vorstand auf die ethnische Herkunft als auch auf die religiöse
einen Gesprächstermin, zu dem sie eine Vertrauens- Zugehörigkeit von Herrn P. beziehen und in ihrer In-
person begleitet. Ihr wird signalisiert, gut qualifiziert tensität die Würde seiner Person beeinträchtigen.
zu sein. Die Stelle bekomme sie allerdings nur dann,
wenn sie sich dazu entschließe, das Kopftuch bei der • § 21 (2) GlBG
Arbeit abzulegen. Für die Entscheidung, ob sie unter Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Ver-
diesen Bedingungen arbeiten möchte, stellt ihr der haltensweise, die mit einem der [verbotenen Dis-
Vorstand ein Ultimatum von 8 Tagen. kriminierungs] Gründe im Zusammenhang steht,
Die Ärztin wendet sich daraufhin an die Gleichbe- gesetzt wird,
handlungsanwaltschaft (siehe „Glossar“). Die zustän- 1. die die Würde der betroffenen Person verletzt,
dige Gleichbehandlungsanwältin verfasst ein Inter- 2. die für die betroffene Person unerwünscht, unan-
ventionsschreiben an den Vorstand, in dem deutlich gebracht oder anstößig ist und
darauf hingewiesen wird, dass die Frau Dr. A. gestellte 3. die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdi-
Bedingung eine Diskriminierung aufgrund der Religi- gendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld
on darstellt. Der Vorstand wird weiters aufgefordert, für die betroffene Person schafft.
von seiner Position Abstand zu nehmen und der Ärz-
tin ungeachtet ihres religiösen Bekenntnisses eine Ein/e Dienstvorgesetzte/r muss handeln, sobald er/
faire Chance zu geben. Im Antwortschreiben stellt sie über die Belästigung eines/einer MitarbeiterIn
der Vorstand klar, dass er von seiner Position nicht ab- Kenntnis erlangt. In einem solchen Fall muss er/
rückt. Frau Dr. A. wird daher nicht eingestellt und die sie dafür sorgen, dass die Diskriminierungen ab-
Kurarztstelle erneut ausgeschrieben. gestellt werden. Wenn dies nicht geschieht, ist er/
Frau Dr. A. lässt sich auf Vorschlag von ZARA durch sie zusätzlich für die durch seine MitarbeiterInnen
den ➞ Klagsverband vertreten und reicht eine Scha- getätigten Belästigungen schadenersatzrechtlich
denersatzklage bei Gericht ein. Parallel dazu stellt Dr. haftbar. Die Kündigung Herrn P.s als Reaktion auf
A. einen Antrag bei der ➞ Gleichbehandlungskom- seine Beschwerde stellt schließlich eine so genann-
mission. Beide Entscheidungen stehen zu Redaktions- te Viktimisierung dar, die eine ganz klare Verletzung
schluss noch aus. der gesetzlichen Vorgaben bedeutet.

Die eigenen Rechte kennen • § 27 GlBG Benachteiligungsverbot

Als Reaktion auf eine Beschwerde darf ein/e Ar-


Herr P., ein gläubiger Muslim, arbeitet in einer beitnehmer/in innerhalb des betreffenden Unter-
Speditionsfirma. Es gibt eine Kantine, in der sehr nehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines
günstige Mittagsmenüs angeboten werden. Auf Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehand-
das Ersuchen von Herrn P., doch auch immer ein lungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder an-
Menü ohne Schweinefleisch anzubieten, sagt ders benachteiligt werden. Auch ein/e andere/r
ihm sein Vorgesetzter: „Wo kommen wir denn da Arbeitnehmer/in, der/die als Zeuge/in oder Aus-
hin, wenn wir euch alles Recht machen würden?“ kunftsperson in einem Verfahren auftritt oder eine
Wenn Herr P. in den Arbeitspausen seinen Ge- Beschwerde eines/einer anderen Arbeitnehmers/Ar-
betsteppich auflegt und betet, muss er sich von beitnehmerin unterstützt, darf als Reaktion auf eine
den Kollegen Witze und Beleidigungen wie „Ka- solche Beschwerde oder auf die Einleitung eines
meltreiber“ anhören. Schließlich wird Herr P. mit solchen Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbe-
der Begründung gekündigt, dass er als Ausländer handlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder
und Muslim einfach zu viele Probleme mache. anders benachteiligt werden.

47
Arbeit

Was kann Herr P. tun? Diskriminierungsgrund der „Staatsbürgerschaft“


Herr P. ist jedenfalls gut beraten, wenn er seinen Fall vom Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgeset-
an ZARA oder an die ➞ Gleichbehandlungsanwalt- zes ausgenommen ist. Verboten ist eine solches In-
schaft heranträgt und den Fall vor die ➞ Gleichbe- serat aber dennoch, da zum einen ArbeitnehmerIn-
handlungskommission bringt. Bei Diskriminierun- nen aus anderen EU-Mitgliedstaaten diskriminiert
gen, die die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen und in ihrer EU-rechtlich garantierten Arbeitneh-
betreffen, besteht Anspruch auf Gewährung dersel- merInnenfreizügigkeit einschränkt werden.
ben oder auf Ersatz des Vermögensschadens und Zum anderen werden durch das Inserat auch ➞
auf etwaigen immateriellen Schadenersatz. Auf Drittstaatsangehörige in rechtswidriger Weise von
Basis einer entsprechenden Einzelfallentscheidung der Bewerbung ausgeschlossen. Denn das alleinige
der Gleichbehandlungskommission könnte Herr P. Abstellen auf die Staatsbürgerschaft einer Person,
versuchen, die Einführung eines schweinefleischlo- ohne deren ausländerbeschäftigungsrechtlichen
sen Menüs zu erwirken. Status zu berücksichtigen, stellt eine verbotene Dis-
Bei einer Belästigung im Kontext eines Arbeits- kriminierung dar. Die Staatsbürgerschaftsausnahme
verhältnisses hat die betroffene Person Anspruch auf gestattet es lediglich dem Gesetzgeber, den Zugang
Schadenersatz. Es kann immaterieller Schadenersatz zum österreichischen Arbeitsmarkt für Drittstaats-
gewährt werden, der dem Ausgleich der erlittenen angehörige zu beschränken. Ist dieser Zugang ei-
persönlichen Beeinträchtigung dient. Ist in einem ner/einem Drittstaatsangehörigen jedoch einmal
solchen Fall ein materieller Schaden entstanden, gewährt (z.B. bei Ausstellung eines Befreiungs-
kann außerdem Ersatz für diesen Vermögensscha- scheins), dann ist ArbeitgeberInnen ein Ausschluss
den gewährt werden. Die Höhe des Schadenersat- dieser ArbeitnehmerInnen aufgrund ihrer Staats-
zes muss angemessen sein, beträgt aber mindestens bürgerschaft verboten. Aufgrund der Formulierung
400 Euro. Der Anspruch besteht gegenüber dem/der des Inserates und der Aussage der Personalchefin
Belästiger/in - sei es der/die Arbeitgeber/in, ein/e ist klar, dass man die Bewerbung von Personen
Dritte/r in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhält- nicht-österreichischer Herkunft verhindern wollte.
nis (z.B. ArbeitskollegInnen) oder ein/e Dritte/r au- Solche Diskriminierungen aufgrund der ethnischen
ßerhalb eines konkreten Arbeitsverhältnisses (z.B. Zugehörigkeit, die sich hinter dem Deckmantel der
KundInnen, LieferantInnen, etc.). Zusätzlich besteht Staatsbürgerschaft verstecken – wie sie durch die im
ein Anspruch auch gegenüber dem/der Arbeitge- Rassismus Report dokumentierten „Nur-Inländer“-
ber/in, falls diese/r nicht in ausreichendem Maße Inserate offensichtlich werden – sind daher vom
Abhilfe gegen etwaige Belästigungen schafft. Eben- Gleichbehandlungsgesetz sehr wohl umfasst und
falls schadenersatzpflichtig macht eine Anweisung rechtlich bekämpfbar.
zur Belästigung einer Person. Frau R. hat zwar die geforderte Staatsbürger-
Angefochten werden können schlussendlich schaft, dennoch ist sie für die Personalchefin „nicht
auch ungerechtfertigte und durch Diskriminierun- Österreicherin genug“. Sie wird aufgrund ihrer Her-
gen motivierte Kündigungen oder Entlassungen, kunft nicht eingestellt und daher gemäß § 19 Abs 1
und zwar durch Klagseinbringung beim zuständi- GlBG ➞ unmittelbar bzw. direkt diskriminiert.
gen Arbeits- und Sozialgericht. Dies gilt auch im Falle Die Stellenanzeige an sich verletzt das Gebot
einer Viktimisierung, einer Benachteiligung oder der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung.
Kündigung einer Person als Reaktion auf eine Be- Ausgenommen wären nur Tätigkeiten, für deren
schwerde oder Klage zur Durchsetzung des Gleich- Ausübung ein bestimmtes Merkmal unabdingbar
behandlungsgebotes. ist bzw. eine wesentliche Voraussetzung darstellt.
Hier ist nicht die Beschränkung auf österreichische
Beispiel für ein diskriminierendes Stellen- StaatsbürgerInnen relevant, sondern die Erforder-
inserat nis „hervorragender Deutschkenntnisse“. Es handelt
sich um eine so genannte ➞ mittelbare bzw. indi-
Folgendes Inserat wird von einem Büro geschal- rekte Diskriminierung, wenn wie hier eine scheinbar
tet: „Reinigungskraft, österr. StaatsbürgerIn mit neutrale Anforderung einen bestimmten Bevölke-
hervorragenden Deutschkenntnissen, gesucht.“ rungskreis aufgrund seiner Herkunft benachteiligt
Frau R., eine österreichische Staatsbürgerin tür- und dies nicht durch besondere berufliche Anforde-
kischer Herkunft, stellt sich bei dem Büro vor. Die rungen gerechtfertigt, angemessen und erforder-
Personalchefin sagt zu ihr: „Haben Sie unsere lich ist.
Anzeige denn nicht gelesen? Wir stellen keine Hervorragende Deutschkenntnisse als Anforde-
Ausländerin ein!“ rung für eine Reinigungskraft sind weder sachlich
gerechtfertigt noch zur Erreichung des Zieles ange-
Es handelt sich hier um eine ➞ unmittelbare bzw. messen und erforderlich. Auch mit dieser Anforde-
direkte Diskriminierung, die aber auf den ersten Blick rung im Stelleninserat wollte das Büro die Bewer-
vom Diskriminierungsverbot des Gleichbehand- bung von Personen nicht-österreichischer Herkunft
lungsgesetzes nicht erfasst zu sein scheint, da der verhindern.
48
Arbeit

terieller Schadenersatz). Der Schadenersatz beträgt


Was kann Frau R. tun? dabei mindestens ein Monatsgehalt, wenn der/die
Frau R. kann sich mit ihrem Fall an eine Beratungs- StellenbewerberIn die Stelle bei diskriminierungs-
einrichtung wie ZARA wenden oder direkt an die ➞ freier Auswahl bekommen hätte und ist limitiert mit
Gleichbehandlungsanwaltschaft, die den Fall an die 500 Euro, wenn der/die ArbeitgeberIn nachweisen
➞ Gleichbehandlungskommission herantragen kann. kann, dass „nur“ die Berücksichtigung der Bewer-
Der zuständige Senat II der Gleichbehandlungs- bung verweigert wurde (d.h. Frau R. aufgrund ihrer
kommission fällt nach Einholung einer Stellungnah- ethnischen Zugehörigkeit von vornherein vom wei-
me von der beklagten Partei sowie nach Anhörung teren Bewerbungsprozess ausgeschlossen wurde,
beider Parteien eine Einzelfallentscheidung, in der sie den Job aber aufgrund mangelnder Qualifikati-
festgestellt wird, ob eine Diskriminierung gemäß on ohnehin nicht bekommen hätte). Der Job an sich
den Bestimmungen des Gleichbehandlungsgeset- kann nicht eingeklagt werden.
zes vorliegt oder nicht. Im Rahmen des Verfahrens Bezüglich der diskriminierenden Stellenanzeige
gilt eine ➞ Beweislasterleichterung zugunsten der kann Frau R. gemäß § 24 Abs 2 GlBG auch einen Be-
Antragstellerin. Die Gleichbehandlungskommissi- strafungsantrag an die zuständige ➞ Bezirksverwal-
on kann die Antragsgegnerin weiters auffordern, tungsbehörde richten. Die Bezirksverwaltungsbe-
ihr diskriminierendes Verhalten einzustellen und hörde kann den/die ArbeitgeberIn verwarnen und
geeignete Maßnahmen zu setzen, um eine Wieder- im Wiederholungsfall eine Geldstrafe in der Höhe von
holung der von der Kommission festgestellten Dis- bis zu 360 Euro verhängen. Hauptproblem bei An-
kriminierung zu vermeiden. Im Verfahren vor der zeigen an die Bezirksverwaltungsbehörde ist, dass
Kommission kann kein Schadenersatz zugesprochen Frau R. keine Parteistellung hat, was bedeutet, dass
werden. Das Prüfungsergebnis ist aber eine gute sie kein Recht hat zu erfahren, ob ihr/e potenzielle/r
Basis für ein anschließendes Gerichtsverfahren vor Arbeitgeber/in bestraft wurde oder nicht, und im
einem Zivilgericht, da der/die RichterIn eine Begrün- Falle einer Nichtbestrafung gegen den Bescheid der
dung liefern muss, wenn seine/ihre Entscheidung Behörde auch nicht berufen kann. Wenn sich Frau
davon abweicht. R. jedoch an die ➞ Gleichbehandlungsanwaltschaft
Kommt ein Arbeitsverhältnis somit aufgrund wendet, kann diese nicht nur für Frau R. einen Be-
einer Diskriminierung im Sinne des Gleichbehand- strafungsantrag stellen, der Gleichbehandlungsan-
lungsgesetzes nicht zustande (Nichtbegründung ei- wältin kommt im Verwaltungsstrafverfahren auch
nes Arbeitsverhältnisses), hat die betroffene Person Parteistellung inklusive Berufungsrecht zu. Die
Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens sowie Gleichbehandlungsanwältin kann darüber hinaus
auf monetäre Entschädigung für die erlittene per- ein Verfahren auch ohne eine vom Inserat konkret
sönliche Beeinträchtigung (materieller und imma- betroffene Person in Gang bringen.

Jetzt neu!
Die ZARA Lehrlingsbroschüre: bestellen
oder downloaden unter www.zara.or.at/kyr

49
Güter und Dienstleistungen

Güter und Dienstleistungen

„Shoppen“ gehen, noch was trinken gehen, tanzen eben um so alltägliche, kleine Dinge handelt, die für
gehen, mit den „Öffis“ fahren: Das sind ganz alltägli- andere Menschen gar keine Hürden bereithalten.
che und selbstverständliche Betätigungen, die meis- Die ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen
tens Spaß machen und einfach zum Leben „dazu ge- von Rassismus hatte im vergangenen Jahr vermehrt
hören“. Wie Sie in diesem Kapitel lesen können, trifft mit Berichten über rassistische Angriffe von Nachbarn
das jedoch nicht für alle Menschen in diesem Land zu, zu tun, die einfach zermürbend sind. Die besonders
für viele Menschen sind auch diese Lebensbereiche schwierige Herausforderung dabei lag darin, dass es
nicht unbeschwert zugänglich. sich nicht in erster Linie um Diskriminierungen etwa
Aufgrund diskriminierender Zuschreibungen ver- bei der Wohnungsvergabe handelte, wo ZARA ganz
weigern DienstleisterInnen ihren Service, hindern konkrete Handlungsspielräume hat. Vielmehr be-
Personen am Eintritt oder beschimpfen und beläs- schäftigten die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle
tigen ihre potenziellen KundInnen gar. Dass solches unzählige Fälle von Nachbarschaftskonflikten (siehe
Verhalten hochgradig unvernünftig ist, liegt auf der Vorwort).
Hand – dass es auch verboten ist, scheint sich nur sehr ZARA kann auch heuer nur wieder darauf verwei-
langsam herumzusprechen. Für die Personen aber, sen, wie massiv diese Situation sehr viele Menschen
die diskriminiert werden, bedeutet es tiefgehenden alltäglich betrifft und ihre Lebensqualität in diesem
Schmerz, eine Herabwürdigung, die sehr schwer zu Land mindert.
verkraften ist – und das vor allem deshalb, weil es sich

in09_00_023_Zara:Layout 1 05.02.09 11:29 Seite 1

ServiceTel: (kostenlos)
0800 / 20 11 30
mail@oebv.com
www.oebv.com

Soziales Gewissen als


Verantwortung!

Die Österreichische Beamtenversicherung wurde vor über 110 Jahren als Selbst-
hilfeorganisation von Beamten gegründet. Solidarität und soziale Verantwortung sind
uns bis heute die wichtigsten Werte. „Alles aus einer Hand“ – wir sind die Versiche-
rung für öffentlich Bedienstete aber auch für alle Privaten – von Mensch zu Mensch! Mit der ÖBV durchs Leben
Güter und Dienstleistungen · Wohnen

Wohnen

69 Die Mitglieder von Familie P. sind sudanesi-


scher Herkunft und leben seit 2004 in Wien.
Seit ihrem Einzug gibt es Probleme mit der Familie der
ZARA rät Herrn K. und seiner Frau, sich einen An-
walt zu nehmen, sowie wenn nötig, weitere feindse-
lige Handlungen auf dem Rechtsweg zu bekämpfen,
Hausbesorgerin. Immer, wenn Familie P. einen vorher solange sich der Nachbar nicht gesprächsbereit und
ausgemachten Termin zur Benutzung der Waschkü- einsichtig zeigt.
che wahrnehmen will, heißt es von Seiten der Haus-
besorgerin, dass der Termin nun doch an jemand
anderen vergeben wurde. Daher verzichtet Familie P. 71 Frau P. ist türkischer Herkunft und berichtet
ZARA im Jänner von Problemen mit ihrer
Nachbarin Frau Ü. Oft ruft Frau Ü. die Polizei, weil sie
schon seit Ende 2004 auf die Benutzung der Wasch-
küche. Außerdem wird die Familie mehrmals durch Frau P. ohne Anlass wegen Lärmbelästigung anzeigen
Angehörige der Hausbesorgerin beschimpft, was im will. Jedes Mal, wenn die Polizei vor der Haustüre von
Jänner in der Titulierung als „Scheiß N...“ [*] gipfelte. Frau P. erscheint, müssen die BeamtInnen feststellen,
Frau P. wendet sich daraufhin an ZARA und schildert, dass keinerlei Lärmbelästigung vorliegt und gehen
dass der Grund für die Beschimpfung offenbar das wieder. Oftmals, wenn Frau Ü. bemerkt, dass sich Frau
kurze Offenstehen der Haustüre war, während sie den P. im Stiegenhaus befindet, öffnet sie ihre Wohnungs-
Kinderwagen in ihre Wohnung brachte. türe und schreit: „Ausländer raus!“. Der Versuch, eine
ZARA verfasst für Familie P. einen Beschwerdebrief Konfliktmediation durch die Wiener Gebietsbetreu-
an die Hausbesorgerin und fordert diese zur Stellung- ung durchzuführen, bleibt ohne Erfolg, da Frau Ü. die
nahme zu den genannten Vorwürfen auf. Die Haus- Teilnahme an einem Gespräch verweigert.
ZARA rät Frau P., ein Gedächtnisprotokoll über et-
besorgerin kommt der Aufforderung nach und teilt
waige Vorfälle anzufertigen und gegebenenfalls eine
ZARA mit, dass alle Probleme von Familie P. ausgehen
Anzeige wegen Beleidigung einzubringen.
würden und dass sie keinerlei Schuld träfe. Auch sei
sie gerne bereit, Termine für die Waschküche zu ver-
geben, allerdings wolle Familie P. das Angebot ihrer
Einschätzung nach gar nicht nutzen.
72 Herr T., der in Kuba geboren wurde, hat seit
geraumer Zeit Probleme mit zwei Nachbarn.
Einer wohnt im Stockwerk unter ihm und beschimpft
Herr P. versichert ZARA, dass diese Schilderungen
Herrn T. öfters, wenn sie sich am Gang treffen. Weiters
mit Sicherheit nicht der Wahrheit entsprechen. ZARA
stößt er mehrmals täglich mit einem Besen gegen die
rät Familie P., bei weiteren Vorfällen ein Gedächtnis-
Decke, wodurch sich Herr T. gestört fühlt.
protokoll anzufertigen und gegebenenfalls eine An-
Nachdem es im Februar zu einem neuerlichen Dis-
zeige wegen rassistischer Beleidigung zu erstatten.
put mit dem Nachbarn gekommen ist, geht Herr T. in
seine Wohnung. Kurze Zeit darauf klingelt die Polizei

70 Herr K., ein Afro-Österreicher, wohnt seit


mehreren Jahren mit seiner Frau und sei-
nem Sohn in einer Wiener Eigentumswohnung. 2003
bei ihm und fragt, warum er die Haustüre seines Nach-
barn beschädigt und Himbeersirup darüber gegossen
habe. Herr T. bestreitet die Vorwürfe, wird aber den-
erhielten sie von einem Nachbarn einen Beschwer-
noch wegen Sachbeschädigung angezeigt.
debrief: Die Familie solle keine Schuhe mehr vor der Herr T. wendet sich an ZARA und wird von einem
Wohnungstüre stehen lassen, da er sonst eine Besitz- Berater und einem Anwalt zum Prozess begleitet. Die
störungsklage gegen sie einbringen werde. Auf einer Richterin entscheidet, dass die Vorwürfe gegen Herrn
EigentümerInnenversammlung tritt der Nachbar an T. völlig haltlos sind und spricht Herrn T. frei. ZARA
Frau K. heran und erklärt ihr, dass diese Praxis nicht empfiehlt Herrn T., Gedächtnisprotokolle über etwai-
tolerierbar ist, da er regelmäßig Geschäftspartner mit ge weitere Konfrontationen mit dem Nachbarn anzu-
zu sich nach Hause nehme. Darüber hinaus wird Herr fertigen und sich mit seinem Anwalt wegen zivilrecht-
K. von seinem Nachbarn gelegentlich unvermittelt licher Schritte zu beraten.
angeschrieen, wenn er diesem am Gang des Wohn-

73
hauses begegnet. Herr K. vermutet, dass der Nachbar Frau J. berichtet, dass in ihrer Wohnhausan-
dies aufgrund seines Aussehens tut. Als Herr K. von lage in Salzburg oberhalb ihrer Wohnung die
zwei Freunden aus Nigeria besucht wird, streckt der türkische Familie D. lebt. Oft werden sie und ihr Mann
Nachbar seinen Kopf aus der Türe und kommentiert ZeugInnen, wie Familie D. von einer anderen Nach-
die Gäste mit den Worten: „Scho wieda so ana!“ barsfamilie rassistisch beschimpft wird. Frau J. erfährt,
Im Jänner dieses Jahres gipfeln die Feindseligkei- dass Familie D. Anfang des Jahres 2008 mehrmals
ten zwischen Familie K. und dem Nachbarn darin, dass wegen Lärmbelästigung angezeigt wurde. Frau J. war
der Nachbar bei Gericht eine Besitzstörungsklage ein- schon öfter bei der Polizei, um auszusagen, dass sie
bringt, weil Herr K. die Rodel seines Sohnes am Gang derartige Lärmbelästigungen durch Familie D. nicht
stehen lässt, um diese zu trocknen. wahrnimmt.
51
Güter und Dienstleistungen · Wohnen

ZARA informiert Frau J. über die rechtlichen Mög- nung schon einmal fast an einen Nigerianer verge-
lichkeiten und Beratungsstellen vor Ort, die Familie D. ben, sich aber schließlich gegen „Schwarzafrikaner“
konsultieren kann. Frau J. bedankt sich für die Infor- als Mieter entschieden. Frau B. ist über die Offenheit
mationen und verspricht, diese an Familie D. weiter- dieser rassistischen Diskriminierung und das fehlende
zugeben. Unrechtsbewusstsein bei Vermieterin und Maklerin
bestürzt.

74 Herr S. kommt aus dem Iran und berichtet


ZARA von folgendem Vorfall: Im Juni 2008
transportiert er mit seinem Bruder mit dem Lift Bü-
ZARA klärt Frau B. über die rechtlichen Möglichkei-
ten, insbesondere über das kostenlose Verfahren bei
der Gleichbehandlungskommission (siehe „Glossar“)
cher in seine Wohnung. Plötzlich werden die beiden auf. Frau B. und der Freund ihres Mannes belassen es
beim Ausladen der Bücher von einem Nachbarn als aber bei der Dokumentation des Vorfalls.
„Scheiß Tschusch“ beschimpft. Als der Bruder von
Herrn S. den Nachbarn fragt, was dies solle, meint
dieser, dass er doch „seine Mutter ficken“ solle, und
verschwindet wieder in seiner Wohnung. Ein paar
76 Herr T. wohnt in einer Salzburger Wohnge-
meinschaft. Als die Waschküche im Dezem-
ber massiv verunreinigt wird, wird die dafür verant-
Tage später begegnet Herr S. dem Nachbarn wieder wortliche Person im Haus gesucht. Allerdings ist Herr
vor dem Wohnhaus. Dieses Mal hat der Nachbar auch T. der einzige Mieter des Hauses, der einen Beschwer-
noch einen Freund dabei. Sofort beginnen die beiden, debrief der zuständigen Hausverwaltung wegen des
Herrn S. zu beschimpfen und drohen damit, sein Auto Zustandes der Waschküche erhält. Er sieht sich als
zu beschädigen. Als sie beginnen, ihn körperlich zu Sündenbock aufgrund seiner Herkunft, da er der ein-
attackieren, ruft Herr S. die Polizei. Die beiden laufen zige Mieter mit Migrationshintergrund im Haus ist.
weg. Herr S. bemüht sich noch, die Täter zu verfolgen, Kurz nachdem er den Brief anderen NachbarInnen im
muss jedoch nach kurzer Zeit wegen seines Herzlei- Hause gezeigt hat, wird die Waschküche über Nacht
dens stehenbleiben. Als die Polizei eintrifft, muss sie gesäubert. Die Hausverwaltung entschuldigt sich da-
für Herrn S. die Rettung verständigen. raufhin bei ihm, und erklärt, man habe den Brief auch
Herr S. wird gegen den Nachbarn zumindest eine an andere MieterInnen geschickt, was gemäß Herrn
Anzeige wegen Beleidigung einbringen und ZARA T.s Recherche aber nicht den Tatsachen entspricht.
über den Ausgang des Verfahrens berichten. Außerdem wird Herrn T. eine persönliche Aussprache
in Aussicht gestellt.

75 Frau B. ist mit einem Mann verheiratet, der


in Gambia geboren wurde. Ein Freund ihres
Mannes, der ebenfalls gambischer Herkunft ist, ist im
Herr T. ersucht ZARA um Dokumentation des Vor-
falls und rechtliche Auskünfte, da er weitere Probleme
im Haus befürchtet und sich für diesen Fall vorbereitet
Juli auf der Suche nach einer Mietwohnung in Wien. sehen möchte.
Da Frau B. einen Computer besitzt, hilft sie ihm bei der
Wohnungssuche und ruft in einem Maklerbüro an,
um einen Besichtigungstermin zu arrangieren. Frau
B. teilt der Maklerin mit, dass die Wohnung für einen
77 Herr H. meldet ZARA eine Wohnungsanzeige
auf einer österreichischen Immobilienplatt-
form im Internet. In dieser Annonce wird für eine
Freund ihres Mannes sein soll. Als die Maklerin hört, Wohnung im 10. Wiener Gemeindebezirk ein/e Mie-
dass Frau B. mit ihrem Mann Englisch spricht, um ihn terIn unter folgenden Bedingungen gesucht: „Keine
nach einer passenden Uhrzeit für dessen Bekannten WG, Wohnung wird nur an christliche EU-Bürger ver-
zu fragen, erkundigt sie sich, woher der zukünftige mietet.“ ZARA weist die Betreiber der Homepage auf
Mieter stammt, da sie dies der Wohnungsbesitzern den Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz hin,
mitteilen müsse. Frau B. antwortete wahrheitsgemäß, das Diskriminierungen aufgrund der Herkunft und
dass er aus Gambia sei und eine Niederlassungsbe- des Geschlechts beim Zugang zu Wohnraum verbie-
willigung für Österreich habe. Die Maklerin notiert tet. Die Betreiber der Plattform antworten rasch und
sich die Information, bestätigt Frau B. den Termin und ändern das Inserat unter Hinweis auf die Allgemei-
verabschiedet sich. Am nächsten Tag ruft die Maklerin nen Geschäftsbedingungen, die die Einhaltung des
wieder an und teilt Frau B. mit, dass die Vermieterin Gleichbehandlungsgesetzes bei der Nutzung ihrer
ihre Wohnung nicht an „Schwarzafrikaner“ vermieten Dienste einfordern.
wolle. Als Frau B. entrüstet fragt, warum das Maklerbü-
ro eine rassistisch agierende Kundin vertrete, antwor-
tet die Maklerin, dass sie mit der Besitzerin verwandt
sei und sie daher vertreten müsse. Die Wohnungsei-
78 Frau E. ist gebürtige Österreicherin und mit
einem Nigerianer verheiratet. Gemeinsam
haben sie zwei Kinder. Frau E. berichtet ZARA im No-
gentümerin sei auch gar keine Rassistin, sie habe aber vember, dass sie ständig Probleme mit einem Nach-
von einer anderen Wohnung im selben Haus gehört, barn in Wien hat. Dieser zeigt sie häufig wegen Ru-
die an einen „Schwarzafrikaner“ vermietet worden hestörung an, weshalb die Polizei öfter zu ihr kommt,
sei und in der dann vier statt einer Person gewohnt aber jedes Mal auf eine Anzeige verzichtet, da bei Frau
hätten. Somit habe sie jetzt Angst, dass ihr dasselbe E. kein ungebührlicher Lärm festgestellt werden kann.
passieren könnte. Die Eigentümerin hätte die Woh- Sie selbst betont, dass sie sehr darauf achtet, dass ihre
52
Güter und Dienstleistungen · Wohnen

Kinder leise sind. Als im Oktober ein Freund der Fami-


lie zu Besuch kommen will, irrt er sich im Stockwerk
und läutet an der Tür dieses Nachbarn. Er entschuldigt
81 Frau I. möchte im Februar ihre Zweitwoh-
nung zu einem Atelier umgestalten und
bittet ihren Mann, einen gebürtigen Nigerianer, die
sich sofort dafür. Am nächsten Tag kommt der Nach- notwendigen Umbauarbeiten vorzunehmen und das
bar zu Frau E. und beschimpft ihre Familie als „Scheiß Atelier zu möblieren. Als Herr I. von Nachbarn bei den
N...“[*]. Arbeiten beobachtet wird, ruft kurz darauf die Haus-
ZARA dokumentiert den Vorfall und klärt Frau E. verwalterin bei Frau I. an und meint zu ihr, dass sie
über die Möglichkeit einer Anzeige wegen rassisti- die Wohnung nicht an „N...“[*] untervermieten dürfe.
scher Beleidigung auf. Frau E. meint, dass sie eine Außerdem droht sie Frau I. mit einer Anzeige und ei-
solche beim nächsten Vorfall auch einbringen werde, ner Kündigung. Schließlich wird Frau I. aufgetragen,
meldet sich jedoch bis Redaktionsschluss nicht er- dass ihr Mann persönlich bei der Hauseigentümerin
neut. vorsprechen und die Heiratsurkunde vorweisen müs-
se, obwohl Frau I. die Hauseigentümerin bereits über

79 Frau L. berichtet ZARA im November, dass ei- ihren Umbau der Wohnung aufgeklärt und ihr versi-
ner ihrer Bekannten ein afrikanisches Lebens- chert hat, dass ihr Mann ausschließlich in der gemein-
mittelgeschäft in Wien betreibt. Schon von Beginn an samen Wohnung lebt und nicht im Atelier.
gab es Probleme mit der Hausbesorgerin, die offen- Frau I. wird in einem neuerlichen Telefonat von der
bar ein Problem damit hat, dass sehr viele Schwarze Hausverwalterin mitgeteilt, dass auch einige Nach-
dort einkaufen. Am Abend der Geschäftseinweihung barInnen nicht wollen, dass die Wohnung an „N...“[*]
erstattet die Hausbesorgerin gegen 21 Uhr eine Lärm- weitervermietet wird und dass die NachbarInnen dort
belästigungsanzeige bei der Polizei, obwohl im Ge- „kein„Asylantenheim wünschen“ und die Wohnung
schäft nur leise Musik gespielt wird, sich die Anwesen- ab sofort unter Beobachtung der Hausverwalterin
stehe.
den in Zimmerlautstärke unterhalten und das Ende
ZARA klärt Frau I. auf, dass ein solches Verhalten
der Einweihung mit 22 Uhr vorherbestimmt ist und
seitens der Hauseigentümerin und der Hausverwalte-
auch vorher im Haus angekündigt wurde. Auch eine
rin gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Auf
andere Bewohnerin hat sich laut der Hausbesorgerin
Wunsch von Frau I. wurde mit der ➞ Gleichbehand-
schon beschwert, da ihre Wohnung durch die „N...[*]
lungsanwaltschaft Kontakt aufgenommen, um auf
im Haus“ jetzt weniger wert sei.
eine Konfliktlösung mittels Mediation hinarbeiten zu
ZARA sichert Frau L. zu, einen Beschwerdebrief an
können. Zu Redaktionsschluss gibt es diesbezüglich
die Hausverwaltung zu richten, damit diese auf die
noch kein Ergebnis.
Hausbesorgerin einwirkt, um einen ungestörten Ge-
schäftsbetrieb zu ermöglichen. Zu Redaktionsschluss
gibt es in dieser Angelegenheit noch kein Ergebnis.
82 Frau L. ist Österreicherin. Sie ist mit einem
Mann russischer Herkunft verheiratet und
hat dessen Namen angenommen. Die Beiden wollen

80 Herr K. ist türkischer Herkunft und wohnt mit


seiner Familie in einer Wohnung in Wien. Seit
einigen Jahren haben Herr K. und seine Familie Prob-
im Juli in Linz eine Wohnung mieten. Beide sind be-
rufstätig und verfügen über ein gutes Einkommen.
Nach kurzer Suche werden sie fündig und besichtigen
leme mit der unter ihnen lebenden Nachbarin. Unter eine Wohnung. Sie kommen mit der Vormieterin ins
anderem werden sie von dieser ständig wegen Lärm- Gespräch, die vom Eigentümer der Wohnung mit der
belästigung angezeigt. Herr K. und seine Familie hal- Nachmietersuche beauftragt wurde. Frau L. und ihr
ten sich jedoch an die Hausordnung und versuchen, Mann sind von der Wohnung begeistert und sagen
jeden unnötigen Lärm zu vermeiden. Herr K. ist sich si- der Vormieterin nach kurzer Überlegung telefonisch
cher, dass die Nachbarin ein Problem mit seiner türki- zu, dass sie die Wohnung mieten wollen. Diese teilt ih-
schen Herkunft hat, da er und seine Familie von dieser nen mit, dass sie noch mit dem Eigentümer sprechen
auch des Öfteren ohne ersichtlichen Grund beleidigt müsse und für denselben Abend noch einen Termin
werden. Als Herr K. und seine Familie im Mai erneut vereinbaren werde. Kurz darauf erhält Frau L. von
wegen Lärmerregung angezeigt werden und deshalb der Vormieterin einen Anruf. Sie teilt ihnen mit, dass
ein Mahnschreiben der Hausverwaltung erhalten, ihr die Sache sehr peinlich sei, aber der Eigentümer
in dem sie aufgefordert werden, alle Handlungen zu meint, dass er die Wohnung an niemanden mit einem
unterlassen, die der Nachbarin das Wohnen verleiden, ausländisch klingenden Namen vermieten wolle.
wendet sich Herr K. an ZARA. ZARA teilt Frau L. mit, wie sie sich gegen den Woh-
ZARA verfasst für Herrn K. eine Sachverhaltsdar- nungseigentümer rechtlich wehren können. Frau L.
stellung an die Hausverwaltung und empfiehlt ihm und ihr Mann wollen den Vorfall aber nur dokumen-
und seiner Familie, ein Gedächtnisprotokoll über die tiert wissen und sich nicht weiter damit befassen.
grundlosen Anfeindungen der Nachbarin anzulegen,
um dieses ebenfalls an die Hausverwaltung weiter-
leiten zu können. Herr K. meldet sich bis Redaktions-
schluss nicht mehr bei ZARA.
83 Herr W. ist tschechischer Herkunft. Er und
andere BewohnerInnen eines Wiener Wohn-
hauses haben Probleme mit ihrem Mitbewohner,
53
Güter und Dienstleistungen · Wohnen

Herrn V. Herr W. wird von Herrn V. des Öfteren grund- geschlossen und es werden gegenseitige Entschul-
los als „Slowakenschwein“ beschimpft. Er ist stets be- digungen abgegeben. Auf Anraten von ZARA nimmt
müht, die Beschimpfungen zu ignorieren. Eines Tages Herr W. dieses Angebot an, damit diese Angelegen-
steht Herrn V.s Wagen ungünstig auf dem Parkplatz heit für ihn erledigt ist.
des Hauses, weshalb Herr W. mit seinem Wagen nicht
ausparken kann. Als er sich zur Wohnung des Nach- Die eigenen Rechte kennen
barn begibt, um ihn aufzufordern, sein Auto freizu-
geben, beginnt Herr V., Herrn W. zu beschimpfen. Die
Lebensgefährtin von Herrn V. mischt sich in den Streit Herr Y. ist Brasilianer. Er ist auf Wohnungssuche
ein. Sie zieht einen Pfefferspray aus ihrer Jackentasche und liest folgendes Zeitungsinserat: „50 qm Woh-
und sprüht diesen ohne Vorwarnung in das Gesicht nung, 600 € Hauptmiete, Vermietung nur an ver-
von Herrn W. Dieser hält seine Hände schützend vors trauenswürdige Inländer, Besichtigungstermin
Gesicht und begibt sich so schnell wie möglich zurück am 19.2., 18 Uhr an folgender Adresse: (...)“ Herr
in seine Wohnung. Geschützt durch seine Brille sind Y. beschließt, sich die Wohnung anzusehen. Als
seine Augen gar nicht und seine Wangen nur leicht er zum besagten Termin in der Wohnung eintrifft
gerötet. Er erstattet bei einer Polizeiinspektion Anzei- und den Makler ansprechen möchte, meint die-
ge wegen Körperverletzung, hört jedoch in der Folge ser sofort: „Ja haben Sie das Inserat denn nicht
nichts mehr über allfällige Ermittlungen gegen die Le- gelesen? Die Wohnung wird nicht an Ausländer
bensgefährtin von Herrn V. vermietet, Sie Scheißn...!“[*] Herr Y. verlässt die
Etliche Wochen später erhält Herr W. vom Verein Wohnung im Schockzustand.
Neustart ein Schreiben mit der Aufforderung, sich zu
einem ➞ außergerichtlichen Tatausgleich in deren Was kann Herr Y. tun?
Büro einzufinden. Die Lebensgefährtin von Herrn V. Sowohl das diskriminierende Inserat, das sich nur
hat gegen Herrn W. Anzeige wegen Körperverletzung an „Inländer“ wendet, als auch das diskriminieren-
erstattet, da er sie im Zuge des Streits verletzt haben de Verhalten des Maklers ermöglichen Herrn Y. eine
soll. Anzeige nach Art III Abs 1 Z 3 EGVG (siehe „Die eige-
ZARA begeleitet Herrn W. zum Termin beim Verein nen Rechte kennen“ im Kapitel „Lokale, Geschäfte
Neustart. Dort wird in einem Gespräch mit einem Mit- und Unternehmen“) an die zuständige ➞ Bezirks-
arbeiter von Neustart, der Lebensgefährtin von Herrn verwaltungsbehörde. Zusätzlich hat Herr Y. Ansprü-
V. und Herrn W. ein wechselseitiger Tatausgleich ab- che nach dem Gleichbehandlungsgesetz, dessen
dritter Teil Diskriminierungen beim Zugang zu und
bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistun-
gen, einschließlich Wohnraum, regelt. Wenn sich
Herr Y. an ZARA oder die ➞ Gleichbehandlungsan-
waltschaft wendet, werden diese ihn unterstützen,
einen Antrag an die ➞ Gleichbehandlungskommis-
sion zu stellen, damit diese in einer Einzelfallent-
scheidung darüber urteilt, ob es sich um eine ➞
unmittelbare Diskriminierung und eine ➞ Belästi-
gung („Scheißn...“[*]) aufgrund der ethnischen Zu-
gehörigkeit handelt. Grundsätzlich steht Herrn Y.
auch der Weg zu den Zivilgerichten offen, über die er
Schadenersatz (Ersatz des Vermögensschadens und
eine Entschädigung für die erlittene persönliche Be-
einträchtigung) einklagen kann.

54
Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

84 Frau L. meldet ZARA im Jänner folgenden


Vorfall: Ihr afro-österreichischer Freund will
mit einigen ebenfalls afro-österreichischen Freunden
gen. Der Filialleiter teilt Herrn Z. mit, dass er schon mit
der Kassiererin gesprochen habe und diese derartige
Aussagen von KundInnen nicht mehr kommentieren
eine Wiener Filiale einer Wettcafekette aufsuchen, sie wird.
werden dort aber abgewiesen. Als Begründung wird ZARA bietet Herrn Z. an, ein Beschwerdeschreiben
ihm von einem der Kellner mitgeteilt, dass ihm die an die Zentrale der Handelskette zu richten. Herr Z.
Sprache der Gruppe zu „fremd“ sei und alle „Schwar- meldet sich jedoch nicht mehr, der Fall wird doku-
zen“ sofort das Lokal verlassen müssten. mentiert.
ZARA teilt Frau L. mit, dass ein solches Verhalten
rechtswidrig ist und erklärt, wie sich ihr Freund dage-
gen wehren kann. Frau L. bedankt sich bei ZARA und
verspricht sich wieder zu melden. ZARA wird in der
87 Herr L. ist Afro-Österreicher und wohnt in Nie-
derösterreich. Im Juli fährt er mit dem Auto
seiner Freundin zu einer Tankstelle, um es zu reinigen.
Folge weder vom Betroffenen noch seiner Freundin Er wirft eine Münze in einen Staubsaugerautomaten,
wieder kontaktiert. dieser funktioniert jedoch nicht. Einem weiteren Kun-
den nebenan passiert dasselbe. Er wendet sich an ei-

85 Frau H. berichtet ZARA, dass sie im Februar


mit einer Gruppe von zehn Personen aus un-
terschiedlichen Ländern ein Lokal am Wiener Gürtel
nen Mann, der sich als „Tankstellen-Besitzer“ zu erken-
nen gibt, und schildert ihm das Problem. Dieser glaubt
Herrn L. jedoch nicht und weist ihn mit den Worten
besuchen will. Zwei junge Brasilianer wollen schon „Schleich Dich, Du Arschloch!“ von der Tankstelle. Herr
einmal vorgehen. Als Frau H. mit der restlichen Grup- L. ist entsetzt und verlässt die Tankstelle. Aufgrund des
pe beim Lokal eintrifft, ist sie sehr überrascht, die bei- beleidigenden Verhaltens des „Tankstellen-Besitzers“,
den Männer noch vor dem Lokal anzutreffen. Auf die das Herr L. auch in seinem Aussehen begründet sieht,
Frage, warum sie noch nicht in das Lokal gegangen wendet er sich in einer Beschwerde-E-Mail an die Zen-
sind, antworten die beiden, dass eine „geschlossene trale der Tankstellenfirma. Diese entschuldigt sich bei
Gesellschaft“ feiern würde und man sie daher nicht Herrn L. ausdrücklich für den Vorfall und teilt ihm mit,
eingelassen habe. Frau H. möchte versuchen, mit ih- dass bereits ein anderer Tankstellenpächter für diesen
rem Teil der Gruppe Einlass zu erlangen. Nach einer Standort gesucht wird. Herr L. ersucht ZARA um Do-
kurzen Wartezeit gelingt dies, die beiden Brasilianer kumentation des Vorfalls.
werden jedoch wieder abgewiesen, ihnen fehle die
notwendige „Einladung“. Dass die übrigen Leute der
Gruppe auch keine „Einladung“ vorweisen können,
interessiert den Türsteher nicht. Aufgrund dieser of-
88 Frau R. besucht im Dezember einen Super-
markt im 16. Wiener Gemeindebezirk, um
dort einzukaufen. An der Kasse sieht sie, dass eine
fensichtlichen rassistischen Einlassdiskriminierung andere, dunkelhäutige Kundin mit ihrem Kind durch-
verlässt die ganze Gruppe das Lokal. Auf eine erneute gehen möchte, da sie anscheinend nichts eingekauft
Nachfrage nach der Begründung für die Einlassver- hat. Der Kassier fordert die Kundin auf, ihre Taschen
weigerung sagt der Türsteher, dass er „auf Anweisung vorzuzeigen. Diese fragt nach, welche Taschen er se-
von oben“ handle. hen wolle, was den Kassier zu verärgern scheint. Er
ZARA klärt Frau H. über die rechtlichen Möglichkei- möchte alle Taschen sehen. Die Kundin stellt den Trol-
ten auf, sie möchte den Fall jedoch nur dokumentiert ley ihres Kindes auf die Ablage und fordert den Kas-
wissen. sier auf, wie gewünscht hineinzusehen. Der Umstand,
dass die Kundin diesen nicht für ihn öffnet, verärgert

86 Herr Z., ein Familienvater iranischer Herkunft,


will seinen Sohn im Jänner in den Kindergar-
ten bringen. Zuvor gehen beide in einen Supermarkt,
den Kassier zusätzlich. Die Kundin schüttelt den Kopf
und sagt etwas, das Frau R. nicht deutlich verstehen
kann. Der Kassier beginnt daraufhin zu schreien: „Lern
um Kaugummis zu kaufen. Herr Z. stellt sich an der halt mal g´scheit Deutsch, Du schwarze Kuh!“ Die Kun-
Kasse an, um die Ware zu bezahlen, als plötzlich eine din verlässt entsetzt das Geschäft. Der Kassier brüllt
ältere Frau hinter ihm in einem abfälligem Ton meint: ihr noch einmal nach: „Schwarze Kuh, a weiße hab ich
„Na, die werden ja immer mehr und vermehren sich eh noch nie g'sehn!“
ja soviel.“ Die Kassiererin kommentiert den Ausspruch Frau R. möchte den Vorfall dokumentiert wissen
der Kundin: „Na das können Sie aber laut sagen!“. Herr und ersucht ZARA um einen Beschwerdebrief an die
Z. stellt die beiden Frauen zur Rede und verlangt, den Filialleitung. Zu Redaktionsschluss gibt es noch keine
Filialleiter zu sprechen, der sich jedoch in diesem Mo- Stellungnahme der Filialleitung.
ment nicht in der Filiale befindet. Als Herr Z. kurze Zeit
später nochmals in den Supermarkt geht, trifft er den
Filialleiter an und beschwert sich, über die Äußerun- 89 Im Jänner will Herr L., der bei einer österrei-
chischen Gewerkschaft tätig ist, mit drei Kol-

55
Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

legen ein Lokal in Salzburg besuchen. Von einem Kol- in die Diskothek eingelassen, ohne dass der Türste-
legen, der im Nahen Osten geboren wurde, verlangt her seinen Ausweis kontrolliert. Gemeinsam mit dem
der Türsteher ausdrücklich zwei unterschiedliche Aus- Freund, der sich gleich wieder mit ihm vor dem Club
weise. Der Kollege kann sogar zwei Ausweise vorle- trifft, geht Herr A. zu den Türstehern und teilt ihnen
gen, wird jedoch trotzdem nicht eingelassen, was der mit, dass sein Freund kein „Stammkunde“ sei, da er die
Türsteher damit begründet, dass er ihn nicht kennen Diskothek heute erst zum zweiten Mal besucht, aber
würde. Auf die Frage von Herrn L., warum sein Kollege problemlos eingelassen wurde. Die Türsteher lassen
trotz der erfolgten Ausweisleistung nicht eingelassen jedoch nicht mit sich reden und verweigern Herrn A.
wird, antwortet der Türsteher, dass er diesbezüglich weiterhin den Einlass.
nur auf Anweisung seines Chefs handeln würde, Herr An einem anderen Abend im Dezember 2008 ver-
L. und die anderen beiden Kollegen aber gerne das sucht Herr A., wieder in den Club zu gelangen, da er
Lokal betreten könnten. nicht glauben will, dass tatsächlich seine Herkunft der
ZARA klärt Herrn L. und seinen Kollegen über die Grund für die Einlassverweigerung ist. Herr A. wird
rechtlichen Möglichkeiten auf. Der diskriminierte Kol- abermals um Vorlage seines Personalausweises gebe-
lege bringt eine Verwaltungsstrafanzeige nach dem ten. Einer der Türsteher prüft diesen und meint bei der
EGVG ein. Wenig später entschuldigt sich der Lokal- Rückgabe: „Heute nicht!“ Herr A. versucht vergeblich,
betreiber bei Herrn L. Die beiden wollen in Zukunft einen Grund für die Einlassverweigerung genannt zu
überprüfen, ob MigrantInnen in das Lokal gelassen bekommen. Ein österreichisch aussehender Freund
werden, und ZARA darüber auf dem Laufenden hal- kommt nach Herrn A. wieder problemlos in den Club.
ten. Mit Unterstützung seiner Familie wendet sich Herr
A. an ZARA. Da das Lokal nicht zum ersten Mal durch

90 Frau O. betritt an einem Mittag im Dezember


eine Filiale eines großen Infrastrukturunter-
nehmens in Wien. Sie wird Zeugin, als eine Angestellte
rassistische Türpolitik auffällt, entscheidet sich Herr
A. nach Klärung aller rechtlichen Möglichkeiten, den
➞ Klagsverband mit der Geltendmachung seiner
mit einem Kunden schwarzer Hautfarbe in einen Streit Schadenersatzansprüche aufgrund der ethnischen
gerät. Aufgrund der lautstarken Auseinandersetzung Diskriminierung zu beauftragen. ZARA wird Herrn A.
kommt der Filialleiter hinzu, der feststellt, dass der bei einem etwaigen Prozess unterstützen und diesen
Kunde „im Urwald“ so herumschreien könne. Frau O. dokumentieren.
protestiert wütend. Der Filialleiter entgegnet, dass
die Aussage keineswegs rassistisch, sondern sogar ju-
ristisch einwandfrei sei. Daraufhin regeln die beiden
Männer die Angelegenheit in reduzierter Lautstärke.
92 Frau E. ist im Oktober mit einer Schülergrup-
pe aus Stuttgart zu Besuch in Wien. An einem
Abend gehen die SchülerInnen in eine neu eröffnete
Mit Frau O. will sich der Filialleiter nicht mehr über sei- Diskothek in Wien. Ein Schüler, der in Eritrea geboren
ne Aussage unterhalten. Frau O. meldet den Vorfall an wurde, wird als Einziger der Gruppe gefragt, ob er ein
ZARA und ersucht, die Unternehmensleitung darüber „VIP“ sei. Als er dies verneint, wird ihm der Eintritt ver-
zu informieren und zur Stellungnahme aufzufordern. wehrt. Frau E. weist darauf hin, dass manche SchülerIn-
Zu Redaktionsschluss liegt diese noch nicht vor. nen aufgrund ihrer zu sportlichen Kleidung ebenfalls
nicht in die Diskothek eintreten durften, keiner von

91 Herr A., dessen Eltern ägyptischer Herkunft


sind, wird beim Eintritt in einen Club in St.
Pölten diskriminiert. Der erste Vorfall dieser Art ereig-
ihnen jedoch mit derselben Begründung abgelehnt
wurde wie der Schüler mit schwarzer Hautfarbe. ZARA
wird um Dokumentation des Vorfalles ersucht.
nete sich bereits im Jahr 2007: Herr A., zum damaligen
Zeitpunkt 17 Jahre alt, will die Diskothek betreten. Der
Türsteher verlangt seinen Personalausweis. Herr A. hat
diesen zwar dabei, möchte ihn aber nicht vorweisen,
93 Herr U. ist bosnischer Staatsbürger und lebt
seit seinem 10. Lebensjahr in Österreich. In
seiner Freizeit spielt er in der Nähe von St. Pölten re-
da er noch nicht volljährig ist und daher befürchtet, gelmäßig Fußball. An einem Wochenende im Oktober
dann erst recht nicht ins Lokal gelassen zu werden. will er gegen 22 Uhr nach einem Spiel mit seinen Kol-
Allerdings interessiert den Türsteher auf einmal sein legen in St. Pölten ausgehen. Es wird ein Treffpunkt in
Alter nicht mehr, er verwehrt Herrn A. den Einlass und einem Lokal vereinbart. Als Herr U. das Lokal betreten
teilt ihm mit: „Du passt hier sowieso nicht hinein!“ will, wird von ihm ein Ausweis verlangt. Als der Türste-
Nach seinem 18. Geburtstag besucht Herr A. die her seinen Namen liest, wird ihm der Einlass mit der
Diskothek erneut und wird einige Male eingelassen. Begründung verwehrt, dass heute nur VIP-Gäste Zu-
Nach ein paar Wochen wird Herr A. am Eingang von ei- tritt hätten. Herr U. bleibt noch eine Weile in der Nähe
nem der Türsteher aufgehalten und aufgefordert, ihm des Lokals stehen und kann beobachten, wie etliche
seinen Ausweis zu zeigen. Herr A. gibt dem Türsteher andere Gäste ohne Ausweiskontrolle eingelassen
seinen Führerschein. Der Türsteher sieht sich diesen an werden. Herr U. vermutet, dass ihm der Eintritt auf-
und verweigert Herrn A. mit der Begründung „Heute grund seiner Herkunft verweigert wird. Er ruft seine
nur Stammkunden!“ den Einlass. Ein österreichischer Fußballkollegen an, die das Lokal zuvor ungehindert
Freund von Herrn A. wird allerdings kurze Zeit später betreten durften, um sich mit Ihnen vor dem Eingang
56
Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

zu treffen. Gemeinsam mit ihnen geht Herr U. in ein sich bei dem Mann um einen Bekannten handelte,
anderes Lokal. der alkoholkrank sei und sich zu Besuch im Geschäft
ZARA dokumentiert den Vorfall. Herr U. hat sich aufhielt. Das Ganze sei ihr furchtbar peinlich.
bereits an die ➞ Gleichbehandlungsanwaltschaft Frau G. und ihr Lebensgefährte sind mit der Ent-
gewandt. Zu Redaktionsschluss ist das Ergebnis der schuldigung zufrieden und wollen keine weiteren
Intervention durch die Gleichbehandlungsanwältin Schritte setzen.
noch offen.

94 Frau G. will im Mai mit Herrn. D, ihrem im Se-


negal geborenen Lebensgefährten, in einem
95 Herr Q. will mit sechs US-amerikanischen
Studienkollegen, einer davon ist Afro-Ameri-
kaner, ein Lokal auf der Wiener Donauinsel betreten.
Wiener Bekleidungsgeschäft einkaufen. Als sich der Beim Einlass wird dem afro-amerikanischen Studen-
Lebensgefährte mit einer Verkäuferin über ein Klei- ten unter Berufung auf seine schwarze Hautfarbe von
dungsstück unterhält, stürmt plötzlich ein Mann aus drei Türstehern der Zutritt verweigert. Den anderen
dem Büro des Geschäfts und schreit ihn grundlos an, Männern wird mitgeteilt, dass sie das Lokal gerne
er solle das Geschäft sofort verlassen. Frau G. und ihr betreten können. Da die drei Sicherheitsangestellten
Lebensgefährte verlassen das Geschäft. Sie wenden einen sehr aggressiven Eindruck auf Herrn Q. machen,
sich an ZARA, da sie vermuten, dass die Wegweisung entschließt er sich, mit seinen Kollegen in ein anderes
aus dem Geschäft mit der dunklen Hautfarbe des Le- Lokal zu gehen. Dort werden sie ohne Probleme ein-
bensgefährten zu tun hat. gelassen.
ZARA klärt Frau G. über die rechtlichen Möglichkei- Herr Q. meint gegenüber ZARA, dass dieser Vorfall
ten auf, gegen die Dienstleistungsverweigerung vor- für ihn als Österreicher gegenüber seinen Kollegen
zugehen. Kurze Zeit später meldet sich Frau G. wieder sehr beschämend war. ZARA klärt Herrn Q. über die
bei ZARA und teilt mit, dass sie einige Tage später wie- rechtlichen Möglichkeiten auf, wie man sich gegen
der in besagtem Geschäft war und mit der Geschäfts- eine solch diskriminierende Einlasspolitik wehren
führerin, die auch damals im Geschäft war, gespro- kann. Herr Q. will aber nichts weiter unternehmen,
chen hat. Diese habe sich vielmals bei ihr und ihrem da er die Mühen einer Anzeige nicht auf sich nehmen
Lebensgefährten entschuldigt und gemeint, dass es will.

Republikanischer Club – Neues Österreich


Rockhgasse 1
1010 Wien
www.repclub.at
Der Republikanische Club – Neues Österreich existiert Der Republikanische Club – Neues Österreich organi­
seit über 20 Jahren. Das drängende Bewusstsein, mit siert regelmäßig Diskussionsveranstaltungen in den
der Vergangenheit aufrichtig und gewissenhaft umzu­ eigenen Räumlichkeiten in der Rockhgasse 1, 1010,
gehen, machte die Gründung des RC notwendig. Im Eingang Cafe Hebenstreit. Das Programm steht auf
Zuge der Auseinandersetzung um Waldheims Vergan­ der Homepage: www.repclub.at . Falls Sie/Du regel­
genheit entstanden, beschäftigt sich der RC seither mit mäßige Programmzusendungen erhalten wollen, bitte
den gesellschaftlichen Phänomenen: Antisemitismus, ein Email an repclub@surfeu.at senden.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aber auch mit
der kritischen Auseinandersetzung mit sozialen Ver­
hältnissen.
Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

Was wurde aus…? tet und konvertierte vor einigen Jahren aus Überzeu-
gung zum Islam. Sie trägt seither ein Kopftuch. Als sie
Fall 82 Rassismus Report 2007 ihre zweijährige Tochter bei einer Tagesmutter im Jahr
2007 zur Betreuung anmeldet, scheint es zunächst
Im Jänner 2007 möchte Frau P. gemeinsam mit ihrem kein Problem zu geben und sie erhält eine Zusage.
in Afrika geborenen Freund eine Geburtstagsfeier Kurz vor dem vereinbarten Beginn der Betreuung im
einer Freundin in einem Pub in Wien besuchen. Als September besichtigt sie zusammen mit ihrer Tochter
ihrem Freund der Zutritt verweigert wird, meint der die Kindertagesstätte. Am nächsten Tag bekommt sie
Geschäftsführer, dass sie das nächste Mal doch bitte einen Anruf von der Tagesmutter, dass die Betreuung
Bescheid geben solle, falls sie einen Schwarzen mit- doch nicht möglich sei, da Frau B. bei der Besichtigung
nehmen wolle. Daraufhin wechselt die Geburtstags- von anderen Eltern gesehen wurde und diese ihr Kind
gesellschaft in ein Restaurant, das sich in der Nähe nicht gemeinsam mit einem muslimischen Kind be-
befindet, doch auch hier meint der Geschäftsführer, treuen lassen wollen. Die Tagesmutter sagt zu Frau B.,
dass er keine Schwarzen im Lokal haben wolle. dass sie dies verstehen müsse, denn sonst würden die
Gegen beide Lokalbesitzer wird von ZARA eine anderen Mütter ihre Kinder aus der Gruppe nehmen.
Anzeige nach dem EGVG (siehe „Die eigenen Rechte Außerdem könne sie ihre Tochter in einer anderen
kennen“) eingebracht und es laufen Verfahren vor der Betreuungsgruppe in Eisenstadt anmelden, es gäbe
➞ Gleichbehandlungskommission. dort sogar eine ganze Gruppe mit ausschließlich mus-
limischen Kindern. Als sich Frau B. beim Trägerverein
Was 2008 geschah... beschweren will, bekommt sie zu hören, dass es kein
Im März 2008 wird der Freund von Frau P., Herr L., von Problem gegeben hätte, wenn sie sich bei der Besich-
der ➞ Gleichbehandlungskommission zu den dama- tigung „normal“, also ohne Kopftuch gekleidet hätte.
ligen Vorfällen befragt. Im November 2008, mehr als ZARA hat auf Wunsch von Frau B. bei der ➞ Gleichbe-
21 Monate nach der Antragstellung, ergehen die Ent- handlungskommission einen Antrag zur Feststellung
scheidungen der Gleichbehandlungskommission zu einer Diskriminierung beim Zugang zu einer Dienst-
beiden Eintrittverweigerungen. Sowohl hinsichtlich leistung durch die Tagesmutter und den Trägerverein
des Irish Pub als auch hinsichtlich des Restaurants eingebracht.
wird festgestellt, dass die Zutrittsverweigerung bzw.
die Nichtbedienung eine ➞ unmittelbare Diskriminie- Was 2008 geschah...
rung von Herrn L. aufgrund seiner ethnischen Zuge- Frau B. wird im April 2008 von der ➞ Gleichbehand-
hörigkeit im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes lungskommission einvernommen. Im November 2008
darstellen. wird das Prüfungsergebnis ZARA und Frau B. zuge-
Im Prüfungsergebnis bezüglich des Irish Pub rich- stellt. Darin stellt der Senat III der Gleichbehandlungs-
tet der Senat III konkrete Empfehlungen an die Ge- kommission fest, dass sowohl bei Frau B., als auch bei
schäftsführung und den Türsteher. Unter anderem ihrer Tochter eine Diskriminierung aufgrund der ethni-
sollen sich beide mit der geltenden Rechtslage, ins- schen Zugehörigkeit durch die Tagesmutter vorliegt.
besondere dem Gleichbehandlungsgesetz vertraut Außerdem wird festgestellt, dass auch eine Diskrimi-
machen. Weiters sollen von der Geschäftsführung nierung der Tochter durch den Trägerverein vorliegt.
innerbetriebliche Strukturen geschaffen werden, um Warum nicht auch Frau B. durch den Trägerverein dis-
derartige Diskriminierungen in Zukunft zu vermeiden. kriminiert wurde, wird von der Gleichbehandlungs-
Auf der Website des Pub soll ein gut erkennbarer Hin- kommission nicht begründet. Im Prüfungsergebnis
weis auf die Bestimmungen des Gleichbehandlungs- wird dezidiert festgestellt, dass das wirtschaftliche
gesetzes eingefügt und explizit darauf hingewiesen Eigeninteresse eines Dienstleistungsanbieters keine
werden, dass niemand aufgrund seiner ethnischen Rechtfertigung für eine Diskriminierung sein kann.
Zugehörigkeit diskriminiert wird. In dem Prüfungsergebnis richtet der Senat III kon-
Im Prüfungsergebnis bezüglich des Restaurants krete Empfehlungen an die Geschäftsführung des
stellt der Senat III lediglich die Diskriminierung fest, Trägervereins und die Tagesmutter. Beide sollen sich
da es in der Zwischenzeit einen Eigentümerwechsel unter anderem mit der geltenden Rechtslage, ins-
gegeben hat. besondere dem Gleichbehandlungsgesetz vertraut
Beide Entscheidungen finden sich im Internet unter machen. Weiters sollen vom Trägerverein innerbe-
http://www.frauen.bka.gv.at/site/6613/default.aspx. triebliche Strukturen geschaffen werden, um der-
ZARA versucht nun gemeinsam mit dem ➞ Klags- artige Diskriminierungen in Zukunft zu vermeiden.
verband, für Herrn L. den ihm nach dem Gleichbe- Ferner soll auf der Website des Trägervereins ein gut
handlungsgesetz zustehenden Schadenersatz gegen- erkennbarer Hinweis auf die Existenz des Gleichbe-
über beiden Lokalen geltend zu machen. handlungsgesetzes gemacht werden und an dersel-
ben Stelle explizit darauf hingewiesen werden, dass
Fall 96 Rassismus Report 2007 niemand aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit
Frau B. aus Eisenstadt ist mit einem Ägypter verheira- abgewiesen wird und dass sich Personen zur Bera-

58
Güter und Dienstleistungen · Lokale, Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen

tung an die ➞ Gleichbehandlungsanwaltschaft wen- fahren ist für den/die AnzeigerIn kostenlos, hat aber
den können. den Nachteil, dass diese/r keine Parteistellung hat
Zu finden ist die Entscheidung im Internet unter und somit das Verfahren nicht beeinflussen kann
http://www.frauen.bka.gv.at/site/6613/default.aspx. und auch kein Auskunftsrecht über dessen Ausgang
Frau B. will nun mit Hilfe ihres Anwalts eine öffent- hat. Ebenso ist dabei keinerlei Entschädigung für
liche Entschuldigung sowohl durch den Trägerverein, den/die Diskriminierte/n vorgesehen. Wer mehrfach
als auch durch die Tagesmutter erwirken. gegen Art III Abs 1 Z 3 EGVG verstößt, dem kann die
Gewerbebehörde die Gewerbeberechtigung entzie-
hen. Fälle, die zeigen, dass dies schon einmal pas-
Die eigenen Rechte kennen
siert ist, sind ZARA nicht bekannt.
Teil 3 des Gleichbehandlungsgesetzes sieht vor,
Herr D. aus Nigeria ist Asylwerber. Er möchte ei- dass sich Personen, die aufgrund ihrer ethnischen
nes Abends gemeinsam mit seiner Freundin eine Zugehörigkeit beim Zugang zu Gütern und Dienst-
Diskothek besuchen. Der Türsteher weist ihn je- leistungen diskriminiert werden, zur Feststellung
doch mit folgender Bemerkung ab: „Du darfst dieser Diskriminierung an die ➞ Gleichbehand-
heute nicht hinein, aber Deine Freundin lassen lungskommission wenden oder Schadenersatzan-
wir rein.“ Nach dem Grund gefragt, erwidert sprüche vor den Zivilgerichten geltend machen
der Türsteher: „Heute dürfen nur Stammgäste können. In beiden Fällen hat Herr D. Anspruch auf
mit Clubausweis herein.“ Herr D. sieht, dass bei Ersatz des tatsächlich erlittenen Vermögensschadens
anderen Gästen, die aussehen als wären sie ös- und zusätzlich auf Entschädigung für die erlittene
terreichischer Herkunft, solch ein Ausweis nicht persönliche Beeinträchtigung durch die Einlassver-
verlangt wird, kann aber beobachten, dass ein weigerung bzw. die Weigerung, ihm einen Anzug zu
weiterer Mann dunklerer Hautfarbe ebenfalls verkaufen.
aufgrund eines fehlenden Clubausweises nicht Im Fall der Diskothek wurde Herrn D. zwar nicht
eingelassen wird, und tauscht mit ihm die Tele- ausdrücklich gesagt, dass er aufgrund seiner Her-
fonnummern aus. Daraufhin ruft Herr D. die Poli- kunft nicht eingelassen wird, doch sieht das Gesetz
zei. Kurze Zeit später kommen zwei BeamtInnen vor, dass Herr D. das Vorliegen dieses diskriminie-
hinzu, die jedoch meinen, dass sie für eine solche renden Einlassverweigerungsgrundes nur glaub-
Einlassverweigerung nicht zuständig seien. Am haft machen muss, was ihm durch die Aussage des
darauf folgenden Tag möchte Herr D. in einem ebenfalls nicht eingelassenen Afrikaners, mit dem er
Geschäft einen Anzug kaufen. Der Eigentümer Telefonnummern ausgetauscht hat, gelingen wird.
des Ladens meint, er verkaufe an „Scheiß-Dro- Der Diskothekenbetreiber muss nun seinerseits be-
genn...“[*] nichts und verweist ihn des Geschäfts. weisen, dass andere Gründe für die Einlassverweige-
Als Herr D. meint, das könne doch nicht sein Ernst rung vorgelegen sind. Im Fall des aggressiven Lade-
sein, stößt ihn der Eigentümer aus dem Laden neigentümers liegt zusätzlich zur Diskriminierung
und versetzt ihm einen Tritt, der in einer sichtba- beim Zugang eine so genannte Belästigung vor.
ren Prellung am Oberschenkel resultiert, die Herr Durch die Beschimpfung als„Scheiß-Drogenn...“[*]
D. im Krankenhaus auch diagnostizieren lässt. und die körperlichen Attacken wird Herr D. zusätzlich
in seiner Würde verletzt und ein einschüchterndes,
Was kann Herr D. tun? beleidigendes und demütigendes Umfeld für Herrn
In beiden Fällen kann er gemäß Artikel III Abs 1 Z 3 D. geschaffen. Aufgrund der zugefügten Verlet-
EGVG und nach dem 3. Teil des Gleichbehandlungs- zungen kann Herr D. zudem Schmerzengeld für die
gesetzes gegen den Türsteher, den Diskothekbetrei- durch die Belästigung erlittene persönliche Beein-
ber und den Eigentümer des Geschäftes vorgehen. trächtigung einklagen. Der Mindestschadenersatz
Artikel III Abs 1 Z 3 EGVG ist eine Verwaltungsstrafbe- beträgt 400 Euro.
stimmung im so genannten „Einführungsgesetz zu
den Verwaltungsverfahrensgesetzen“, die besagt, Wie ist das Verhalten der Polizei zu werten?
dass jemand, der Personen aufgrund z.B. ihrer Haut- Es handelt sich bei Art III EGVG um ein so genann-
farbe, ihrer ethnischen Herkunft oder ihres religiösen tes Offizialdelikt, d.h. dass PolizeibeamtInnen einen
Bekenntnisses ungerechtfertigt benachteiligt oder am Vorfall, den sie selbst wahrnehmen und der unter
Betreten von Orten oder bei der Inanspruchnahme diese Verwaltungsstrafbestimmung fallen könnte,
von Dienstleistungen hindert, eine Verwaltungsüber- von sich aus protokollarisch aufnehmen und an die
tretung begeht und eine Strafe von bis zu 1.090 Euro zuständige Behörde (➞ Bezirksverwaltungsbehör-
erhalten kann. de bzw. in Wien an das zuständige Magistratische
Für diese Anzeigen sind die ➞ Bezirksverwal- Bezirksamt) weiterleiten müssen oder, wenn ihnen
tungsbehörden (in Wien: die Magistratischen Be- ein entsprechender Vorfall berichtet wird, eine An-
zirksämter) zuständig. ZARA kann für Herrn D. eine zeige aufnehmen und ebenso weiterleiten müssen.
schriftliche Anzeige an die Behörde richten. Das Ver-

59
Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit

Rassismus als Reaktion


auf Anti-Rassismus-Arbeit

Nicht nur Einzelpersonen werden zum Ziel rassisti-


scher Beschimpfungen, sondern auch Vereine oder
Medien, die sich der Anti-Rassismus-Arbeit widmen.
97 Die Anti-Rassismus-Plattform no-racism.net
ist 2008 Adressatin mehrerer Droh-E-Mails
und rassistischer Nachrichten, die von ZARA doku-
Irgendwann gewöhnt man sich daran, könnte man mentiert und hier unverändert wiedergegeben wer-
meinen. Insbesondere die MitarbeiterInnen der den:
ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen von „Dialog zum Tage: no-racism, weinerlich: ‚Abschie-
Rassismus haben sich mittlerweile ein mehr oder we- bung ist Mord!‘ Rassist, begeistert: ‚Na, hoffentlich!‘“
niger „dickes Fell“ zugelegt: Beschimpfungen werden „DURCH DEN FLEISCHWOLF MIT EUCH KRIMINELLEN
dokumentiert, strafrechtlich relevante Fälle (insb. Dro- KOMMUNISTEN!!!"
hungen) werden angezeigt. „IHR KRIMINELLEN LINKSEXTREMISTEN GEHÖRT ALLE
Nichts desto trotz geht es allen MitarbeiterInnen DURCH DEN KAMIN!!"
nahe, wenn sie nicht nur von Rechten beschimpft „IHR E L E N D E N R A T T E N GEHÖRT SOFORT VER-
oder gar bedroht werden (siehe Fall 109 im Rassis- GAST UND EINGEÄSCHERT!!"
mus Report 07), sondern wenn auch „ganz normale „Kommunismus ist keine Gesinnung sondern ein Ver-
Menschen“ unsere Arbeit verunglimpfen und uns be- brechen - KOMMUNISTEN
schimpfen. Große Nervosität herrschte im ZARA-Büro, UND LINKSEXTREMISTEN GEHÖREN deshalb wie 1941-
als im Kurier prominent über das Urteil gegen einen 1945 VERGAST UND V E R B R A N N T ! !“
Mann berichtet wurde, der auch ZARA zum Ziel seiner „EURE ELTERN HAT MAN L E I D E R VERGESSEN ZU VER-
Attacken gemacht hatte (siehe Fall 39): Größere Vor- GASEN, ELENDE KOMMUNISTISCHE HURENSÖHNE!!“
sicht walten lassen, abends nicht alleine im Büro blei-
ben und schon gar nicht am Wochenende. Zum Glück
ist nichts passiert - was aber nicht heißt, dass ZARA
nicht auch im vergangenen Jahr wieder Zielschreibe
98 Im September erhält ZARA folgende Meldung
über das Kontaktformular auf der Website:
„Ihre Aktivitäten richten sich gegen die österreichi-
von Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit sche Stammbevölkerung. Wenn Abschiebung, dann
geworden ist. zuerst ihre Vereinsmitglieder. Ich bin stolz, ein Rassist
Eine Auswahl aus dem diesbezüglichen „Material“ zu sein.“
für den Rassismus Report zu treffen, ist Jahr für Jahr
ein heikles Unterfangen. Zum einen wollen wir den
dummen VerhetzerInnen eigentlich keine Öffentlich-
keit bieten. Es ist quälend, diese vor Hass, Neid und
99 Als Reaktion auf die zur Nationalratswahl in-
itiierte „clean politics“-Kampagne von ZARA,
die gegen diskriminierende Politik und rassistische
Ignoranz triefenden Ergüsse zu reproduzieren und Wahlwerbung aufgetreten ist, erhält ZARA folgende
zu vervielfältigen. Andererseits ist es nicht Aufgabe E-Mail von Frau D.:
von ZARA, gerade dieses Stück der Realität zu verste- „Meinen Sie mit Ihrer Aufforderung, dass wir ‚Ur-
cken oder zu verschleiern. Die LeserInnen des Rassis- sprungsösterreicher‘ nur noch am Boden kriechend
mus Reports sollen die Gelegenheit bekommen, sich neben dem Ausländerpack leben sollen?
selbst ein Bild davon zu machen, wozu tief sitzender Wissen Sie überhaupt nichts von der Realität? Nicht
Rassismus manche Menschen bringt. Diese Ausflüsse wir grenzen aus, sondern wir werden von denen im
eines verhetzten Teils der Bevölkerung machen deut- eigenen Land ausgegrenzt!
lich, dass Rassismus nicht nur die Menschwürde der Vorschulkinder türkischer, tschetschenischer oder
Menschen zu untergraben versucht, gegen die er sich afrikanischer Herkunft rufen kleinen Österreicher-
richtet, sondern sich vor allem die TäterInnen damit Mädchen hinterher: ‚Du Österreich-Drecksau‘ und
selbst eines gewaltigen Stückes ihrer Würde, ja ihrer Schlimmeres.
Menschlichkeit berauben. Diese Leute beziehen Wohnungen, ruinieren diese
in kürzester Zeit, ziehen wieder aus und es beginnt in

96 Am 16.1.2008 erhält ZARA eine E-Mail, die


unter anderem folgenden Absatz enthält:
„Als Österreicher empfinde ich die Dummheit die
einer anderen Wohnung von vorne. Bezahlen dürfen
die anderen, nämlich die Österreicher, die bereits oft
jahrzehntelang in diesen Häusern leben.
IHR in der Ausländerfrage an den Tag legt, als bedenk- Wir müssen zu Privatärzten und in Privatkliniken
lich. Je mehr Organisationen wie EURE, den Rassen- gehen, um im Krankheitsfall in Ruhe behandelt zu
hass schüren, desto größer ist der Schrei nach einen werden.
starken Mann.“
60
Rassismus als Reaktion auf Anti-Rassismus-Arbeit

Ich hoffe, dass unsere Menschen sich bei dieser Wahl


besinnen und ausschließlich Dr. Haider oder HC Stra-
che wählen. Das sind die Personen, die sich um uns
101 Herr O. leitet ZARA zwei E-Mails zur Do-
kumentation weiter, welche die Betreiber
der Anti-Rassismus-Kampagne „blackaustria“ (siehe
kümmern und nicht in abartige Kniefälle vor den Zu- www.blackaustria.at) im April erhalten:
gereisten versinken. „und die ganzen n…er [*],die den stoff verticken
Schämen Sie sich nicht über Ihre Aktion, die völlig an die kids in wien vermutlich germanistikstuden-
‚Österreicherfeindlich‘ ist?“ ten.... ihr habt nichts begriffen..armes österreich“
„Diese Seite ist eine bodenlose Frechheit, ich kann

100 Unter dem Pseudonym „Adolf Schreck-


lichkeit“ wird ZARA im Oktober nach der
Nationalratswahl folgende Nachricht geschickt:
viele Ehen von Afrikanern mit Österreichern und alle
sind darauf ausgerichtet die Staatsbürgerschaft zu er-
langen und dann Drogen zu verkaufen, ihr solltet auf
„Herrlich, euer Gewinsel über das Wahlergebnis. eure Seite endlich einmal die Wahrheit schreiben was
Haider ist zwar von uns gegangen, aber der Kampf bildet ihr euch bloß ein, kommt zu uns und glaubt ihr
geht - jetzt verstärkt - weiter. könnt bei uns das Kommando übernehmen und auch
Der Kampf gegen noch ins Parlament einziehen, ihr habt in unserem
- Vern…erung[*] und Moslemisierung Land nichts verloren ihr dreckigen Schweine, ihr seit
- Unterwanderung und Überfremdung die letzten Tiere die es auf dieser Welt gibt, lieber gebe
- Umvolkung und Durchrassung.“ ich einem Gorilla etwas zu essen als einem dreckigen
N…[*], ihr habt bei uns nichts verloren, ihr werdet
schon noch sehen was kommen wird, wir werden uns
diese Frechheit bestimmt nicht gefallen lassen!“

Eine Initiative der Sozialistischen Jugend


gegen braunen Mief und rechte Rülpser:

DEN RECHTEN DIE

ZÄHNE
ZEIGEN
www.sjoe.at
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

Jugend und Diversity


Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

3
Ausführliche Informatio- „Jugend am rechten Rand“: Diese Überschrift zier- rechtsbildung als auch Politische Bildung und Inter-
nen über das Trainings-
Angebot von ZARA te nach der Nationalratswahl 2008 die Titelseite des kulturelles Lernen als Unterrichtsprinzipien verankert,
siehe http://www.zara.or.at/ Nachrichtenmagazins profil. Denn FPÖ und BZÖ ge- vielen LehrerInnen ist diese Tatsache jedoch nicht
trainings.
meinsam erreichten bei 16- bis 19-jährigen WählerIn- einmal bekannt, wie Bildungspsychologin Dagmar
4
Für den Artikel führte René
nen die Mehrheit. Aber nicht nur das, es war vor allem Strohmeier in einer Studie feststellte5. Die Einführung
Rusch Interviews mit den das so genannte „Ausländerthema“, das den Aus- von Politischer Bildung als Unterrichtsfach an AHS im
ZARA-TrainerInnen Susanne
Bali, Karin Bischof, Volker schlag für die Wahlentscheidung für das dritte Lager Jahr 2003 hat teilweise sogar dazu geführt, dass die
Frey und Katrin Wladasch.
Informationen über die
gegeben hat. „Wie konnte das passieren?", fragte sich Zuständigkeit für „solche Themen“ ganz generell an
TrainerInnen finden Sie nicht nur das profil. Und: Sind Jugendliche in Öster- die für die Vermittlung dieses Faches zuständigen Ge-
unter http://www.zara.or.at/
index.php/trainings/traine- reich wirklich „so rechts“? schichtslehrerInnen abgegeben wurde.
rinnenpool
Antworten auf diese Fragen zu finden ohne zu Dass die Bereitschaft bei den Schulen sehr wohl
pauschalisieren ist schwer, denn „die Jugend“ gibt es vorhanden ist, zu Themen im Zusammenhang mit
Strohmeier, Dagmar/
5

Fricker, Anita (2007).


nicht, sondern viele verschiedene Lebenswelten von gesellschaftlicher Vielfalt zu arbeiten, zeigen nicht
„Interkulturelles Lernen: Un- Jugendlichen. ZARA kommt mit diesen immer wieder nur die unzähligen Workshop-Anfragen, die Schu-
bekanntes Unterrichtsprin-
zip oder gelebte schulische in Kontakt, denn unsere TrainerInnen halten seit vie- len Jahr für Jahr an ZARA richten, sondern auch zwei
Praxis?“ In: Erziehung und
Unterricht, 157 (1-2), S. 115- len Jahren zahlreiche Workshops in Schulen ab3 – in Projekte, die ZARA im Jahr 2008 mit Finanzierung des
128. Siehe auch Artikel über Städten, auf dem Land sowie in den unterschiedli- Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur
den ZARA:TALK unter http://
www.zara.or.at/index.php/ chen Schultypen. Was die TrainerInnen dort erleben, (BMUKK) durchgeführt hat: Unter dem Titel „Vielfalt
archiv/1498 sowie http://
derstandard.at/?id=3357013. gibt zum Teil Aufschluss über die eingangs gestellten und Zivilcourage“ hielt ZARA 30 Workshops in Schu-
Fragen. Für ZARA ist jedoch nicht nur der Erfolg der len in ganz Österreich ab, für PädagogInnen wurde
Parteien des rechten Lagers – bei Jugendlichen wie ein Lehrgang „Kompetenzvermehrung im Umgang
insgesamt – Grund zur Sorge. Wie Sie den bisherigen mit Diversität und Diskriminierung“ angeboten. ZARA
Kapiteln entnehmen können, hat der gesellschaftli- wurde vom großen Andrang völlig überrumpelt: Für
che Diskurs insgesamt zu einer Verhärtung der Fron- die Workshops bewarben sich mehr als 300 Schul-
ten zwischen „Einheimischen“ und „AusländerInnen“ klassen, leider konnte nur ein Zehntel der Anfragen
geführt mit negative Folgen für als „fremd“ wahrge- positiv bearbeitet werden. Ähnlich war die Lage beim
nommene Menschen. Dies hat auch bei Jugendlichen PädagogInnen-Lehrgang: Für die 25 Plätze meldeten
seine Spuren hinterlassen, wie die Erfahrungen der sich rund 100 LehrerInnen an. Die unzähligen Work-
TrainerInnen zeigen. Darüber hinaus weisen diese Er- shop-Anfragen von Schulen, die bei ZARA abseits
fahrungen auf Defizite im Schulsystem hin sowie auf des Projekts laufend hereinkommen, bestätigen die
Chancen, die die Arbeit mit SchülerInnen zu den The- Bereitschaft, zu Vorurteilen und Diskriminierungen zu
men Vorurteile, Diskriminierungen und Zivilcourage arbeiten. Zudem berichten die TrainerInnen, dass an-
bieten würde – und die leider vergeben werden4. lässlich der Workshops immer wieder PädagogInnen
wegen Material anfragen, um im Unterricht an die
Schwächen und Defizite in den Schulen Trainings anknüpfen zu können.
Dass es von Vorteil ist, zu diesen Themen externe
Bei den Trainings zeigt sich vor allem ein großes Man- ExpertInnen heranzuziehen, liegt auf der Hand: Da ein
ko: In den Schulen wird viel zu wenig mit den Themen hohes Maß an Selbstreflexion notwendiger Bestand-
Vorurteile und Diskriminierungen gearbeitet. Positive teil der Auseinandersetzung mit Vorurteilen und Dis-
Ausnahmen sind engagierte LehrerInnen, allerdings kriminierungen ist, haben es TrainerInnen von außen
fehlt eine langfristige Auseinandersetzung mit Vorur- meist leichter als die PädagogInnen, die mit den Schü-
teilen – ein Defizit, das auch von Jugendlichen selbst lerInnen jeden Tag zusammenarbeiten. Das Problem
festgestellt wird (siehe Interview mit Berufsschülerin- allerdings ist, dass den Schulen schlichtweg die Gel-
nen Angela S. und Romina R.) siehe Seite 71. der fehlen, um externe ExpertInnen für die Themen
Gründe für Defizite gibt es viele und sie sind nicht Vorurteile, Diskriminierungen und Zivilcourage zu
nur im oftmals mangelnden Interesse von Lehre- engagieren. Die meisten Schulen können sich nur ein
rInnen zu suchen. Einer davon ist zweifellos, dass vierstündiges Training leisten, auch die vom BMUKK
Politische Bildung im Allgemeinen und Menschen- finanzierten Workshops waren nur halbtägig. Zwar ist
rechts-Bildung im Besonderen im österreichischen dies für ZARA immerhin schon etwas, allerdings wären
Bildungssystem nach wie vor einen viel zu geringen noch deutlich größere Anstrengungen nötig, denn in
Stellenwert einnehmen. Zwar sind sowohl Menschen- einem halbtägigen Workshop können die TrainerIn-
62
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

nen eben nur einen Anfang machen. Dennoch setz- Die TrainerInnen sehen darin auch einen Grund,
ten manche PädagogInnen allzu hohe Erwartungen warum die LehrerInnen im Umgang mit den Schüle-
in die Workshops und hoffen, dass rassistische Vorur- rInnen dann auf die Moral setzen: „Wenn zum Beispiel
teile nach einem vierstündigen Workshop Schnee von Sprüche kommen wie „Türken gehören verprügelt“
gestern sind. Andere wiederum geben die Verantwor- oder „Türken stinken“, reagieren die LehrerInnen ent-
tung überhaupt an die TrainerInnen ab. setzt und sagen „Das darf man nicht, das ist rassis-
Die ZARA-TrainerInnen stoßen in den Schulen auf tisch“, erzählt Bali. In der Arbeit mit Jugendlichen be-
viele strukturelle Probleme, mit denen auch die Leh- wirkt dies jedoch meist wenig, da es die SchülerInnen
rerInnen zu kämpfen haben. So erschwert etwa die weder überzeugt noch sie zum Nachdenken bringt.
Infrastruktur in vielen Fällen das Arbeiten mit einer Auch hier zeigt sich ein Vorteil von externen Work-
Klasse: „Manchmal gibt es in einer Schule ein tolles shops, denn meistens fehlt im Schulalltag die Zeit,
LehrerInnenteam, aber das Schulgebäude ist ein Alp- um auf Sprüche oder Konflikte einzugehen. „Wenn
traum. Es gibt keinen Pausenhof, die SchülerInnen jemand sagt „Kill N...[*], dann kann ich mich im Work-
dürfen in der Pause nicht auf den Gang, sie können shop eine halbe Stunde hinsetzen und darüber reden,
sich nach zwei Stunden nicht mehr konzentrieren, was eine Tötungsaufforderung bedeutet“, meint die
weil sie keine Bewegungsfreiheit haben, sondern sich ZARA-Trainerin. „Die Jugendlichen probieren gerade
buchstäblich ständig auf die Füße steigen. Oder du bei uns aus, wie weit sie gehen können. Wir versuchen
kommst in Klassen, die einfach zu klein für 28 Schüle- dann, das zu hinterfragen und mit ihnen zu diskutie-
rInnen sind“, schildert ZARA-Trainerin Karin Bischof. ren. Es ist auch spannend, sie selbst darüber diskutie-
So ist es kein Wunder, dass die ZARA-TrainerInnen ren zu lassen, dann hast du vier oder fünf Meinungen,
in den Schulen immer wieder in die Situation kom- die alle ihre Berechtigung haben. Das ist viel wertvol-
men, Löcher zu stopfen, und zwar nicht nur, was das ler als ein 15-minütiger Vortrag.“
Thema des positiven Umgangs mit gesellschaftlicher
Vielfalt betrifft. In vielen Fällen kommen SchülerInnen Folgen des gesellschaftlichen Diskurses
bei den Workshops zum ersten Mal in den Genuss ei-
ner demokratisch geführten Diskussion – und in man- Nicht zuletzt das gute Abschneiden des dritten Lagers
chen Workshops ist dies das Einzige, was die Traine- bei der Nationalratswahl 2008 lässt es geradezu fahr-
rInnen vermitteln können. „Mehr geht oft nicht, weil lässig erscheinen, dass sich Jugendliche in der Schule
sie nur Frontalunterricht gewohnt sind und unsere nicht stärker mit gesellschaftlicher Vielfalt beschäfti-
Art zu arbeiten – sehr offen, sehr interaktiv, wo es sehr gen. Für die TrainerInnen war dieses Ergebnis wenig
stark um Meinungsaustausch und um einen Perspek- überraschend, ihrer Ansicht nach hat sich der Diskurs
tivenwechsel geht – für sie ungewohnt ist“, berichtet über MigrantInnen und Menschen mit Migrations-
Bischof. hintergrund in den vergangenen Jahren verschärft.
Dass Frontalunterricht nach wie vor als Methode „Selbst Jugendliche, die man gemeinhin als »alter-
vorherrscht, hat seine Ursachen auch in Defiziten in nativ« beschreiben würde (z. B. weil sie Dreadlocks
der PädagogInnenausbildung, was interaktive Metho- tragen), nehmen fremdenfeindliche oder rassistische
den und Menschenrechtsausbildung betrifft. Dies ist Standpunkte ein. Da ist sozusagen der erste Satz
vor allem bei AHS-LehrerInnen ein Problem, aber auch »Cannabis muss freigegeben werden!« und der zweite
in der Ausbildung der PflichtschullehrerInnen sind die Satz lautet bereits: »Es sind schon zu viele Ausländer in
Angebote viel zu punktuell. Vielen PädagogInnen Wien«”, beschreibt Frey Unterschiede, die er feststellt.
brennen die Themen nämlich unter den Fingern, al- Die TrainerInnen stellen bei Jugendlichen ähnli-
lerdings fehlen ihnen schlichtweg die Methoden, um che Tabubrüche fest, wie sie ZARA in der Gesellschaft
adäquat mit den Jugendlichen über das Thema „ge- insgesamt kritisiert. Es hat sich eine sehr eindimensi-
sellschaftliche Vielfalt“ arbeiten zu können. Insofern onale Diskussion breitgemacht, in der viele einfache
ist es wenig überraschend, wenn manche gegenüber Antworten angeboten werden – und auf Resonanz
den ZARA-TrainerInnen bemängeln, dass sie sich nicht stoßen: „Die »Ausländer raus«-Diskussionen und die
kompetent genug fühlen, um Probleme in diesem Zu- Angstmache funktioniert bei Jugendlichen sehr gut“,
sammenhang anzusprechen.

Unternehmen schenken Zivilcourage!


Einzelpersonen und Unternehmen können Patenschaften übernehmen, die es Kindern oder Jugendlichen ermöglichen, ein ZARA-
Training zu erhalten. Mit 700 Euro können Sie einer Kindergruppe/Schulklasse einen halbtätigen ZARA-Workshop ermöglichen.
63
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

stellt Bischof fest. Dass Jugendliche anfälliger für Pa- erklären“, berichtet Bischof.
rolen von rechts sind, das bezweifeln die TrainerInnen Viele der vermeintlichen „AusländerInnen“ erzäh-
allerdings, denn manche SchülerInnen sind mit sehr len in den Trainings von Erfahrungen mit Alltagsras-
realen Ängsten konfrontiert: „Gerade im Polytechni- sismen. Dazu kommen Ängste und eine große Verun-
kum oder in Berufsschulen haben die SchülerInnen sicherung, die nicht selten in Rassismus umschlagen,
schon ein Stück weit Angst, die VerliererInnen der etwa wenn die „einen“ über „die Ausländer“ und die
Gesellschaft zu sein, daher stellt sich für sie die Fra- „anderen“ über die „Schwabos“ (Schimpfwort für „Ös-
ge: »Gibt es für mich einen Platz in der Gesellschaft terreicher“ oder „Deutsche“) schimpfen.
oder habe ich diesen eh schon verloren?«“, schildert
Bischof ihre Wahrnehmung. Dazu kommt, dass sich in Das Kopftuch: Ein neues Thema
erster Linie der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der
Die Vorurteile und Stereotype, die während der Trai-
Jugendlichen angenommen hat. „Ich denke, dass die-
nings artikuliert werden, haben sich im Lauf der Zeit
ser Rechtsruck vor allem ein Auftrag ist, sich um diese
verändert. Noch vor wenigen Jahren war das Vorurteil
Gruppe zu kümmern. Das heißt in erster Linie mit den
verbreitet, alle Schwarzen seien Drogendealer. Die-
Jugendlichen zu reden“, meint die ZARA-Trainerin.
se Diskussion ist in den Hintergrund gerückt, an ihre
Von Bedeutung ist nicht nur, dass von rechten Par-
Stelle sind Vorurteile über Frauen mit Kopftuch getre-
teien einfachere Konzepte angeboten werden, son-
ten, zusammengefasst sehen sie in etwa so aus: „Sie
dern dass sie überhaupt Antworten geben, seien sie
sind allesamt Sonderschulabgängerinnen, können
noch so eindimensional. „Es fehlen role-models und
nicht oder nur schlecht Deutsch, haben mindestens
opinion-leader, die angstfreier auf das Thema Vielfalt fünf Kinder, erleben Gewalt in der Familie und sind
zugehen, die kommunizieren, was uns Vielfalt bringt unterdrückt.“ „Wir arbeiten stark mit den Bildern, die
und so weiter. Dafür wären Jugendliche genauso »an- wir alle im Kopf haben, und versuchen gemeinsam
fällig«. Ich glaube Jugendliche sind anfällig für Ant- mit den TeilnehmerInnen zu ergründen, woher sie
worten, weil sie sehr viele Fragen haben – und es gibt kommen und was wir mit ihnen machen. Vor ein paar
so wenig Antworten“, kritisiert Bischof. Jahren wären bei einer Frau mit Kopftuch lange nicht
Einfache Antworten liefert auch die Gesellschaft, so viele Bilder gekommen“, stellt Bischof fest (siehe
etwa in der Verkürzung der Debatten über Integration auch Interview mit Politikwissenschafterin Leila Hadj-
auf einen Konflikt zwischen In- und AusländerInnen. Abdou, Seite 67).
Diese Polarisierung ist auch bei den Jugendlichen in- Darüber hinaus sprechen Jugendliche in den Trai-
zwischen eine Realität. Sie führt unter anderem dazu, nings sehr konkrete Konflikte an. „Es geht sehr oft um
dass selbst Jugendliche, die in Österreich geboren den öffentlichen Raum, also Parks, Fußballplätze und
sind und die österreichische Staatsbürgerschaft ha- so weiter, und wer ihn verwenden kann. Da finden
ben, als „AusländerInnen“ wahrgenommen werden – teilweise »Vertreibungskämpfe« statt und das ist eine
und sich selbst auch als „anders“ definieren. „Kürzlich ganz große Spielwiese für Vorurteile“, erzählt Bali. Ein
ist es mir in einer Klasse tatsächlich passiert, dass mir anderes Thema ist die Sprache, wie ihre Kollegin Ka-
die Jugendlichen, als ich sie nach der Geschichte ihres trin Wladasch illustriert: „Immer wieder sagen »öster-
Namens gefragt habe (welche Bedeutung hat er, wer reichische Kids«, dass es sie stört, wenn sich andere in
hat ihn ausgesucht, gibt es einen Spitznamen etc.), ihrer Muttersprache unterhalten und sie es nicht ver-
nicht nur den Namen genannt haben, sondern mir stehen, weil sie sich dann ausgegrenzt fühlen.“ Auch
anschließend – ungefragt – ihre nationale Herkunft diese Themen müssen angesprochen werden, um zu
unterbreitet haben – und das mit 12 Jahren! Warum verhindern, dass Konflikte prolongiert werden statt
das so wichtig ist, konnte mir die Gruppe jedoch nicht sie zu lösen.
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

Sensibilisierung und Zivilcourage Bildungspsychologin


6
um sie glauben, dass »die« so sind“, erklärt Wladasch. Strohmeier stellte in einer
Auch hier sind die TrainerInnen gegenüber den Leh- Studie fest, dass vielen Klas-
ZARA arbeitet mit Jugendlichen in erster Linie mit rerInnen im Vorteil, da sie im Rahmen des Workshops
sen gar nicht bewusst ist,
wie vielfältig sie eigentlich
zwei Formen von Workshops, nämlich Sensibilisie- einen besonderen Rahmen schaffen können, der das sind: Strohmeier, Dagmar
(2007). „Soziale Beziehun-
rung oder Zivilcourage. Im Rahmen der Sensibilisie- Aussprechen auch ermöglicht, ohne dass die Jugend- gen in multikulturellen
Schulklassen: Wo liegen die
rungsworkshops setzen sich die SchülerInnen inten- lichen vor Konsequenzen Angst haben müssen. Chancen, wo die Risken?“ In:
siv mit Themen wie Vorurteilen, Fremd-/Anderssein Ein wichtiges Ziel der TrainerInnen ist es, die Polari-
Erziehung und Unterricht,
157 (9-10), S. 796-809.
und Diskriminierung auseinander. Dabei geht es um sierung von „wir“ und „die anderen“ zu durchbrechen.
Fragen wie: Welche Vorurteile habe ich selbst und wie Dazu stellen sie beispielsweise in Frage, was eigentlich
gehe ich damit um? Was macht meine Identität aus? „typisch österreichisch“ ist. „In der Diskussion darüber
Wie wirkt sich Diskriminierung auf Einzelne aus? Im stellt sich in der Regel bald heraus, dass es hier keine
Workshop geht es darum, Vielfalt auszumachen und Einigung gibt“, schildert Volker Frey und ergänzt: „Es
anzuerkennen sowie sich mit dem Entstehen von Vor- geht darum, das Selbstverständliche wie »das Norma-
urteilen zu beschäftigen und Auswirkungen von Dis- le« oder »das Fremde« in Frage zu stellen.
kriminierung und institutionellem Rassismus sichtbar Um Trennlinien zu durchbrechen, legen die Traine-
zu machen. Dabei werden Vorurteile reflektiert und rInnen den Fokus auf andere Gemeinsamkeiten und
Strategien im Umgang mit Vielfalt erarbeitet. konfrontieren die „einen“ damit, welche Gemeinsam-
Im Rahmen der Zivilcourage-Workshops wiede- keiten sie mit „denen auf der anderen Seite“ haben.
rum haben die SchülerInnen die Möglichkeit, Hand- „Plötzlich bricht ihr Bild auseinander und sie erken-
lungskompetenzen in diskriminierenden Situationen nen, dass es in den anderen Gruppen, mit denen sie
zu üben. Es geht um den Mut des/der Einzelnen, in sich nicht so beschäftigen, Leute gibt, die ziemlich
der Öffentlichkeit in „unangenehmen“ Situationen ähnliche Interessen haben wie sie: Zum Beispiel, dass
einzugreifen. Auf der Basis der inhaltlichen Auseinan- dort auch jemand auf Fußball steht, HipHop auch su-
dersetzung mit dem Thema Zivilcourage erlernen die per findet und auch noch drei Sprachen kann, was
TeilnehmerInnen, wie man mit Angriffen, Ohnmacht, irgendwie nicht übel ist. Manchen fällt wirklich das
Aggression und Angst umgehen kann. Es wird erar- »Ladl« runter, welche Kompetenzen die »Komischen«
beitet, was man wann tun kann und wo die eigenen haben“, erzählt Bischof 6.
Grenzen liegen, um die Stärkung des Selbstwerts und Ein anderes Anliegen ist es, dass die TeilnehmerIn-
um Selbstbehauptung. „Wichtig ist da, den Horizont nen ihre Perspektiven erweitern, sprich dass sich die
zu erweitern und die Message weiterzugeben, dass SchülerInnen in die Lage einer anderen Person ver-
es immer irgendeine Möglichkeit gibt, etwas zu tun“, setzen und sich überlegen müssen, was sich für sie
erklärt Trainerin Susanne Bali. dadurch ändern würde. „Erst durch das genaue Hin-
schauen wird ihnen klar, was alles anders oder schwie-
Vorurteile aussprechen riger wäre. So können sie dann neue Dinge erfahren
Viele Jugendliche finden sehr schnell einen Zugang und das ist gut“, erklärt Bali.
zu Themen wie Vorurteile, denn die meisten kennen Nicht immer können die TrainerInnen sofort ein-
Ausgrenzungsmechanismen: „Fast alle haben schon schätzen, ob sie mit ihren Bemühungen Erfolg ha-
einmal eine Situation erlebt, die sie als unfair oder ben, trotz der vielen Probleme, die sie wahrnehmen,
beleidigend empfanden und die vielleicht sogar mit machen ihre Schilderungen aus den Workshops Mut.
Beschimpfungen oder Gewalt zu tun hatte“, berichtet Außerdem zeigen sie, welch vergebene Chance es ist,
Bischof. Gerade das Aussehen sei ein Thema, anhand dass sich Jugendliche nicht stärker mit gesellschaftli-
dessen man Jugendlichen Ausgrenzungsmechanis- cher Vielfalt auseinandersetzen.
men sehr gut erklären und so ihr Unrechtsbewusst- Vor dem Hintergrund der Trainings ist es ZARA
sein schärfen könne: „Den Jugendlichen wird dann ein großes Anliegen, dass es den Schulen ermöglicht
sehr klar, dass sie es nicht gut finden, wenn sie aus- wird, ganztägige Workshops zu buchen. Um nachhal-
gespottet oder beschimpft werden – sei es nun weil tigere Veränderungen erzielen zu können, wäre es zu-
sie dick sind oder Serbe/Serbin“, weiß Bischof. „Wir dem wichtig, dass die TrainerInnen über einen länge-
überlegen dann gemeinsam, wie man zivilcouragiert ren Zeitraum mit den SchülerInnen arbeiten können.
einschreiten könnte, wenn einem/r FreundIn oder Be- Sehr aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist
kannten so etwas am Schulhof passiert.“ das peer education-Pilotprojekt „Mut zur Vielfalt“, bei
Das ZARA-Trainingskonzept geht davon aus, dass dem ZARA nun schon seit einem längeren Zeitraum
eine wichtige Voraussetzung für die Beschäftigung Kontakt mit den SchülerInnen hat und sich zeigt, wel-
mit Vorurteilen ist, die Jugendlichen Vorurteile einmal che Vorteile die längerfristigere Arbeit mit sich bringt
bewusst aussprechen zu lassen, da sie nur dann hin- (siehe Kapitel „peer education: BerufsschülerInnen
terfragt werden können: „Statt ihnen zu erklären »Das zeigen Mut zur Vielfalt“).
darf man nicht sagen!« ist es sinnvoll sie dazu aufzu- Darüber hinaus sieht sich ZARA in seiner Positio-
fordern, ihre ganzen Vorurteile einmal rauszulassen. nierung gestärkt, dass eine Wende in den Debatten
Dann kann man mit ihnen darüber diskutieren, war- über Integration dringend nötig ist. Eine wesentliche
Voraussetzung für fruchtbare Diskussionen über In-
65
Jugend und Diversity · Erfahrungen aus den ZARA:Trainings an Schulen

7
Zum ZARA-Zugang zum
Thema Integration siehe
tegration ist das Abgehen von der Polarisierung zwi- dies im Rahmen einer umfassenden Beschäftigung
ZARA-Diskussionspapier schen In- und AusländerInnen. ZARA tritt für einen mit den Themen Rassismus/Diskriminierung und Zi-
zum „Integrationsbericht“
von Ex-Innenminister proaktiven Zugang ein: Nicht nur in der Bildungspoli- vilcourage. Im Rahmen von pädagogischen Schwer-
Günther Platter von ZARA-
Obmann Dieter Schindlauer tik, sondern insgesamt ist es dringend nötig, nicht an punktsetzungen oder Unterrichtsprojekten bieten wir
im Rassismus Report 07 Problemen, die Menschen mit Migrationshintergrund zur Unterstützung Workshops an. Informationen zum
sowie unter http://www.
zara.or.at/_doc/2008/Integ- oder MigrantInnen zugeschrieben werden, sondern ZARA-Trainingsangebot finden Sie unter: http://www.
rationsplattform.pdf
an der Frage, wie Chancengleichheit für alle gewähr- zara.or.at/trainings.
leistet werden kann, anzusetzen 7. ZARA bietet ein E-Learning-Tool „Anti-Diskriminie-
Viele Probleme haben weniger mit Migrationshin- rung“ an, bei dem Sie in unsere Trainingsinhalte hin-
tergründen zu tun als mit sozialen Aspekten. Durch einschnuppern können: http://www.zara.or.at/materi-
die Reduzierung auf den nationalen oder kulturellen alien/gleiche-chancen/elearning/
Aspekt werden Konflikte in einer Gesellschaft prolon- Die ZARA-Werbespots „3x45 Sekunden Zivilcoura-
giert statt gelöst. Schlimmer noch, es werden Voraus- ge“ finden Sie unter http://www.filmproduktion.org/
setzungen dafür geschaffen, dass Menschengruppen zaraspots/, in besserer Qualität sind die Spots um 10
gegeneinander ausgespielt werden – und letztlich Euro (7 Euro für fördernde Mitglieder) auch in unse-
wird dadurch Rassismus gefördert. rem Webshop unter http://www.zara.or.at/index.php/
unterstuetzen/shop erhältlich.
Weiterführende Materialien zu den The- Unter http://www.zara.or.at/_doc/2008/Literaturlis-
men Rassismus, Diskriminierung und Zi- te_RR07.pdf finden Sie eine Literatur- und Materiali-
vilcourage: enliste zur methodischen und inhaltlichen Unterstüt-
zung.
Im Rassismus Report 07 finden Sie auf den Seiten 73
und 74 Vorschläge zum Einsatz des Rassismus Re- Sonja Fercher
port als Bildungsmaterial (Sie können diesen bei
ZARA bestellen oder unter http://www.zara.or.at/ras-
sismusreport als pdf downloaden). Im Idealfall erfolgt

ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit


bietet Workshops und Trainings für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Trainings für Gruppen werden
nach Absprache speziell für die Bedürfnisse der TeilnehmerInnen konzipiert. Für Einzelpersonen empfiehlt
sich der jährlich stattfindende Lehrgang „Kompetenzvermehrung Anti-Rassismus und Zivilcourage.”
Alle Informtionen unter www.zara.or.at/trainings

66
Jugend und Diversity · Das Kopftuch ist...

Das Kopftuch ist...

Politikwissenschafterin Leila Hadj-Abdou über ein vieldiskutiertes Thema bei ZARA:Trainings an Schulen

Das Kopftuch ist... die vielmehr als solche stilisiert wird. Bei Musliminnen
...„Erkennungszeichen des politischen Islam und der Un- hingegen geht es um die „Anderen“, die als „Fremde“
terdrückung der Frauen“ konstruiert werden. Dass dem Kopftuch so oft eine
...„Flagge der islamistischen Kreuzzügler“ (Schwarzer) politische, kulturell „fremdartige“ Aussage unterstellt
...„ein Unterdrückungsmechanismus“ (Dohnal)? wird, hängt auch damit zusammen. Dadurch entsteht
dieses Bild, dass der Nonnenhabit eine rein religiöse
Was ist Ihre Position zu solchen Aussagen, die dem Kopf- Praxis, das andere aber politisch, kulturell konnotiert
tuch eine politische Funktion unterstellen? ist. Aber das kann man so nicht trennen: Jede religiöse
Man kann nicht sagen, was generell „die“ Funktion des Praxis ist auch kulturelle Praxis.
Kopftuchs ist. Es hat viele unterschiedliche Bedeutun-
gen, die oft sogar im Gegensatz zueinander stehen: Es Jene, die behaupten, dass Frauen, die das Kopftuch tra-
kann für Unterdrückung stehen, muss es aber nicht. gen, großteils dazu gezwungen werden: Woher nehmen
Das Kopftuch kann ein Zeichen für Emanzipation sein sie dieses „Wissen“? Gibt es empirische Erkenntnisse über
oder eine Strategie, um Räume der Freiheit zu erlan- die Motivationen, ein Kopftuch zu tragen?
gen. Man muss sich immer anschauen, wer so etwas Für Österreich im Speziellen gibt es keine repräsen-
sagt und mit welchen Motiven diese Person spricht. tativen Erhebungen dazu, aber es gibt aussagekräfti-
Da muss man jede Aussage in ihrem Kontext analysie- ge Studien aus anderen Ländern, die zeigen, dass es
ren. Die Frage ist, warum wird eine Bedeutung hervor- viele verschiedene Gründe dafür gibt, warum Frauen
gehoben und eine andere nicht: Das sagt dann meist das Kopftuch tragen. In der Diskussion wird oft aus-
schon sehr viel aus. geblendet, was muslimische Frauen selbst sagen.
Was das Geschlechterargument anbelangt, das Auf diese Weise kann man dieses „Wissen“ über eine
in diesem Zusammenhang oft gebracht wird: Damit vermeintliche, allgemeine Unterdrückung quasi auf-
werden sehr stark binäre Oppositionen geschaffen – rechterhalten.
quasi zwischen der emanzipierten österreichischen
oder europäischen Frau auf der einen Seite und der Ist es nicht die gleiche Form von Unterdrückung/Diskri-
nicht-emanzipierten Migrantin auf der anderen. Da minierung: eine Frau gegen ihren Willen zu zwingen, ein
kommt es ganz stark zu einer Hierarchisierung von Kopftuch zu tragen – oder eine Frau gegen ihren Willen
Gleichheitsansprüchen: Geschlechtergleichheit wird zu zwingen, das Kopftuch abzunehmen?
als wichtiger dargestellt als der Gleichheitsanspruch Beides sehe ich als problematisch, weil beides einen
zugewanderter Menschen bzw. das Recht auf kultu- zwanghaften Charakter hat. In Einwanderungsge-
relle Differenz. Das halte ich für sehr problematisch, sellschaften, wo der Islam eine Minderheits-Religion
denn meines Erachtens ist beides wichtig. ist und dieses Thema eine Minderheit betrifft, das
Kopftuch zu verbieten, ist natürlich speziell problem­
In der Debatte gewinnt man oft den Eindruck, als ginge behaftet.
es um Frauenrechte vs. religiöse Rechte. Geht nicht so- Prinzipiell sind derartige Verbote aus meiner Sicht
wohl als auch? nie zu befürworten, wenngleich sich die Frage natür-
Ich glaube nicht, dass dieses Thema gänzlich konflikt- lich in muslimischen Mehrheitsgesellschaften anders
frei vonstatten gehen kann. Liberale Demokratien, die darstellt. Doch überall dort wo Menschen generell
ja verschiedene Freiheitsrechte festschreiben, bergen Normen, sei es nun gesetzlich oder gesellschaftlich,
schon von ihrer Verfasstheit her Widersprüche in sich. aufgezwungen werden, ist das zu hinterfragen.
Umso wichtiger ist es, sich zu überlegen, wie man
Konflikte in einer partizipatorisch-emanzipatorischen Was wären Konsequenzen eines staatlichen Kopftuch-
Weise lösen kann. verbotes? Würde das nicht weitere und vertiefende Un-
gleichheiten für Frauen der Minderheitsgruppe bedeu-
Um den Vergleich mit dem Kopftuch der Nonne zu brin- ten?
gen: Einer Ordensschwester nimmt man gemeinhin ab, Ja, auf jeden Fall. Es wäre eine weitere Verfestigung
dass sie den Nonnenhabit aus religiösen Gründen trägt; von Ungleichheitsstrukturen und es hätte wohl auch
dass es ein Zeichen von Frömmigkeit darstellt. Warum Auswirkungen auf andere Bereiche. In Deutschland
nehmen manche es den Muslimas dagegen so ungern zum Beispiel stellen Anti-Diskriminierungs-Stellen
ab, das Kopftuch einfach nur als Ausdruck ihres Glau- fest, dass das teilweise bestehende Kopftuch-Verbot
bens zu tragen? im öffentlichen Dienst starke Auswirkungen auf den
Weil es bei Nonnen um die „eigene“ Religion geht bzw. privaten Arbeitsmarkt hat: Wenn es im öffentlichen
67
Jugend und Diversity · Das Kopftuch ist...

8
Nähere Informationen Bereich legitim ist, das Kopftuch zu verbieten, denkt unterschiedlichen Kategorien und es wird ausgeblen-
über das Projekt sowie
einen Folder finden Sie sich der/die private Arbeitgeber/in eher, dass es rech- det, dass die Mehrheitsgesellschaft genau so divers,
unter http://www.zara.or.at/ tens ist keine Frauen mit Kopftuch einzustellen. arm, reich, sozial ausgrenzt, vernetzt etc. ist wie die so
peereducation
Ein Kopftuch-Verbot würde gerade jene behindern, genannte Minderheitsgesellschaft.
die in ihrem Streben nach Berufstätigkeit einen eman- Wenn man sich die Maßstäbe ansieht, die in der
zipatorischen Weg zu beschreiten versuchen. Und das Forschung, aber auch in Alltagsdiskursen angewen-
ist in Wahrheit das Verräterische an der ganzen Debat- det werden, wird verständlich warum sich so manche
te: Gerade wenn es um Migrantinnen geht, die einen Bilder verfestigen können: Von der zweiten Generati-
sozialen Aufstieg für sich in Anspruch nehmen wollen, on etwa wird oft behauptet, die integrieren sich nicht,
werden die Forderungen nach Verboten laut. haben keinen Kontakt zu Österreichern etc. Wenn man
bei so genannten ÖsterreicherInnen diese Maßstäbe
Wie sieht die reale Lebenssituation für Frauen mit Kopf- anwenden würde, wie dies mittlerweile schon einige
tuch in Österreich aus? Zum Beispiel am Arbeitsmarkt, gute Studien gemacht haben, zeigt sich zum Beispiel,
bei der Lehrstellensuche etc.? dass auch „ÖsterreicherInnen“ vermehrt Umgang mit
Eine Antwort darauf zu geben ist schwierig, denn es „ÖsterreicherInnen“ haben. Nach diesen Maßstäben
gibt keine konkreten Daten dazu. Was man von Einzel- wären „die“ ÖsterreicherInnen überhaupt nicht integ-
studien jedoch weiß – das AMS hat zum Beispiel eine riert, weil sie unter sich bleiben. Hingegen wird aber
Studie über Jugendliche am Arbeitsmarkt in Auftrag nur bei MigrantInnen von Integration gesprochen.
gegeben8 – ist, dass das Kopftuch als problematisch Der/die „Andere“ wird in alltagskulturellen Formen
wahrgenommen wird, und zwar in dem Sinne, dass es wie Filmen, Medien aber auch im wissenschaftlichen
eine Barriere für die Arbeitssuche darstellt. Diskurs reproduziert. Und dadurch wird das, was ei-
Dass es Frauen mit Kopftuch am Arbeitsmarkt sehr gentlich nicht das Andere wäre zum Anderen stilisiert.
schwer haben, kann man daran erkennen, dass man Und damit werden letztlich viele Ängste produziert.
in der „sichtbaren“ Arbeitswelt nach wie vor kaum
auf Frauen trifft, die ein Kopftuch tragen. Nun gibt es Interview: René Rusch
die erste Straßenbahnfahrerin mit Kopftuch bei den
Wiener Linien – das ist erfreulich, aber dass dies eine Leila Hadj-Abdou hat Politikwissenschaft/Geschich-
Meldung wert ist, zeigt ja, dass es nach wie vor die te und Tourismusmanagement in Wien und Budapest
Ausnahme ist. An dieser fehlenden Sichtbarkeit kann studiert. Sie arbeitet an ihrem Doktorat zu Politischer
man ganz gut „sehen“, dass die Situation für Frauen Mobilisierung von muslimischen Frauen. Seit 2003 ist sie
mit Kopftuch am Arbeitsmarkt schwer ist. wissenschaftliche Mitarbeiterin und seit 2004 Lektorin
am Institut für Politikwissenschaft.
Das Kopftuch löst bei vielen ÖsterreicherInnen offenbar Unter anderem ist sie Mitarbeiterin des EU-Projekts
Unmut/Aggression/Angst aus (siehe Internet-Foren, Pos- VEIL ("Values, Equality and Differences in Liberal Demo-
tings etc.). Können Sie nachvollziehen, warum das Kopf- cracies. Debates about Muslim Headscarves in Euro-
tuch so starke Ressentiments hervorruft? pe"), bei dem ForscherInnen aus Österreich, Dänemark,
Der mediale Diskurs transportiert ja genau diese Frankreich, Deutschland, Griechenland, den Niederlan-
Ängste. Was meines Erachtens oft unterschätzt wird, den, der Türkei und Großbritannien Unterschiede in der
ist auch die Rolle von Populärkultur (Filme etc.). Da Gesetzgebung in Bezug auf das Kopftuch und die ver-
werden ja auch diese Bilder mitgeliefert. Auch Wissen- schiedenen Bedeutungen in den politischen Debatten
schaft kann solche Denkweisen verfestigen. untersuchen.
Es ist schon ein Problem, dass die Debatte über
Integration von Differenzen ausgeht: Also Migranten- René Rusch ist Politikwissenschaftler und arbeitet als
gruppe A hat sich in die Mehrheitsgesellschaft B zu Grafiker und Regisseur beim Landesstudio Wien des ORF.
integrieren. Allein das verfestigt schon das Denken in Außerdem ist er Ehrenamtlicher von ZARA.

68
Jugend und Diversity · peer education

peer education: BerufsschülerInnen beweisen Mut zur Vielfalt


Während in den Medien die Frage nach der „Rechtsori- zu bleiben, die uns zuvor durch ihren Einsatz, ihr In-
entiertheit“ von Jugendlichen analysiert wurde und teresse und/oder durch ihre Präsentationssicherheit
die steigende Aggressivität und Ausländerfeindlich- aufgefallen waren. Auch SchülerInnen, die uns noch
keit unter Jugendlichen Schlagzeilen machte, stellte nicht aufgefallen waren und die auch mitmachen
sich eine ausgewählte Gruppe von elf SchülerInnen wollten, hatten die Möglichkeit, dazu zu kommen. Das
der Berufsschule für Verwaltungsberufe der Castelli- wichtigste Auswahlkriterium war das Interesse der Ju-
gasse in Wien der intensiven Diskussion rund um das gendlichen selbst, an der Ausbildung teilzunehmen.
Zusammenleben unter den Rahmenbedingungen Aus jeder Klasse wurden zwischen vier und sechs
gesellschaftlicher Vielfalt. Unter dem Motto „Mut zur SchülerInnen für die peer education ausgesucht.
Vielfalt“ startete im Frühjahr 2008 erstmals eine so Insgesamt war das Setting ein eher schwieriges,
genannte „peer education“, bei der Jugendliche selbst weil die KlassenschülerInnenzahlen sehr hoch waren
zu TrainerInnen ausgebildet wurden, um mit anderen und immer viel Unruhe herrschte. Dies war zugleich
BerufsschülerInnen an ihrer Schule über Vorurteile, sehr spannend, denn die peer education zeigte, dass
Diskriminierung, Rassismus und Zivilcourage zu dis- es möglich ist, auch unter schwierigen Rahmenbedin-
kutieren. gungen ein Umdenken zu erreichen.
Initiiert wurde das Projekt von ZARA und der GPA
Jugend, die sich bereits im Jahr zuvor zum Ziel gesetzt Die peer education-Ausbildung
hatten, gemeinsam mit Jugendlichen in Berufsschu-
len an den Themen Anti-Diskriminierung, Gleichbe- Die Ausbildung der peers selbst dauerte drei ganze
handlung und Vielfalt zu arbeiten. BerufsschülerInnen Tage, der erste Tag fand vor den Sommerferien in den
stehen bereits im Berufsleben und sind daher sehr Räumen der GPA statt.
früh im Arbeitskontext mit Ausschlussmechanismen Am ersten Tag war es eine recht große Heraus-
konfrontiert. Der positive Umgang mit Vielfalt stärkt forderung, die Gruppe zusammen zu bringen. Der
die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen und ist zweite und der dritte Ausbildungstag im September
somit eine Bereicherung für das gesellschaftliche Mit- verliefen sehr gut. Die peers waren sehr motiviert und
einander, das sich gerade in der Arbeitswelt motivie- konzentriert. Es war hochinteressant zu sehen, wie
rend und produktiv niederschlägt. sich die selben Jugendlichen, die im Seminarsetting
Im Rahmen des Projekts sollte ihnen die Möglich- mit 30 Mitschülerinnen in der Berufsschule eher zu-
keit geboten werden, ein Bewusstsein dafür zu entwi- rückhaltend oder sehr unaufmerksam waren, intensiv
ckeln, was Diskriminierung ist, wie diskriminierende einbrachten und sehr viel Eigeninitiative zeigten. Ge-
Mechanismen funktionieren und was sie selbst dage- meinsam mit der Gruppe gingen wir die verschiede-
gen tun bzw. wie sie zu einem positiven Umgang mit nen Übungen durch, die die zukünftigen peer-Traine-
Vielfalt beitragen können. rInnen in ihren eigenen Trainings anwenden würden
können. Die einzelnen TrainerInnen-Teams gruppier-
Auswahlseminare ten sich und entwickelten eine Agenda für das erste
Training. Ein großer Teil des Trainings bestand darin,
Wer zum/zur peer-TrainerIn werden wollte, musste die Teilnehmenden ausprobieren zu lassen, wie es ist,
an einem von ZARA moderiertem Auswahlseminar Übungen in einer Gruppe anzuleiten. Zum Abschluss
teilnehmen und in weiterer Folge eine dreitägige Aus- bekamen die angehenden peer-TrainerInnen noch ein
bildung und daraufhin einen selbst gestalteten und umfangreiches Skriptum mit Übungsbeschreibungen
geleiteten Workshop absolvieren. Die Auswahlsemi- und Texten zum Trainieren und Moderieren.
nare fanden in drei ersten Klassen der Berufsschule
für Verwaltungsberufe in der Castelligasse statt. Wir Die ersten Workshops der peer-TrainerIn-
legten von Anfang an offen, dass es eines der Ziele nen
des Workshops war, zukünftige peer-TrainerInnen zu
finden. Als erfahrene ZARA-Trainerinnen waren wir nicht min-
Die Workshops dauerten vier Stunden und beinhal- der nervös, als es dann so weit war, und die ersten
teten unterschiedliche Sensibilisierungsübungen, die peer-TrainerInnen selbständig einen Workshop zu den
zum Teil extra für Jugendliche adaptiert waren. Uns Themen Vorurteile, Diskriminierung und Zivilcourage
war es wichtig, viele interaktive Übungen zu machen, geleitet haben. Es hatten sich fünf TrainerInnen-Teams
damit wir möglichst viel vom Engagement und den gebildet, jede Gruppe hatte eine „Workshop-Agenda“
Ausdrucksmöglichkeiten der Jugendlichen mitbeka- erstellt und „marschierte“ gut ausgerüstet mit Mode-
men, um beurteilen zu können, welche Jugendlichen rationskärtchen, Stiften, Flipcharts sowie Film- und
für die weitere Ausbildung geeignet waren. Übungsmaterialien in eine Klasse.
Am Schluss des Workshops besprachen wir uns „Wie werden die KollegInnen wohl reagieren,
kurz und baten dann einige SchülerInnen noch da werden sie mittun oder gar ähnlich unaufmerksam,

69
Jugend und Diversity · peer education

provokant oder destruktiv sein, wie sie es selbst teils zeptiert. Als ZARA-Trainerinnen, die selbst unzählige
in den Auswahlseminaren waren? Habe ich mir alles Workshops in Schulklassen abgehalten haben, sehen
gemerkt, werde ich auf Fragen passend reagieren wir die Vorteile einer peer education vor allem dar-
können oder wegen eines Black-outs vor der Klasse in, dass von Jugendlichen für Jugendliche geleitete
verstummen?“ So lassen sich die Sorgen der Schüle- Workshops die Vertrauenswürdigkeit, die Glaubwür-
rInnen vor ihrem ersten Trainingseinsatz wohl am bes- digkeit und die inhaltliche Akzeptanz der Workshop-
ten zusammenfassen. Themen steigern.
Wieder ist es nicht klar, wer vom Ergebnis über-
raschter war: Wir als ihre Ausbildnerinnen oder die Karin Bischof ist ZARA-Trainerin für Awareness-Raising,
Jugendlichen selbst. Das Feedback war durchwegs Anti-Diskriminierung und Zivilcourage sowie ausgebil-
äußerst positiv – die Jugendlichen hören zu, machen dete Argumentationstrainerin (ÖGpB). Sie war Chefre-
mit, diskutieren und vor allem, das Thema wird ernst dakteurin für den Rassismus Report 2007, von 2005 bis
genommen und für enorm wichtig gehalten. In den 2007 war sie Leiterin der ZARA-Öffentlichkeitsarbeit und
Feedbackbögen zu den peer-Workshops stehen Aus- des Moduls Training. Diplomandin der Kultur- und Sozi-
sagen, die in etwa so lauten: „Es sollte öfters über so alanthroplogie.
aktuelle Themen diskutiert werden“, „Weiter so!“ oder
„Cool von Jugendlichen zu lernen…“ Susanne Bali ist Psychologin und Trainerin im Selbstbe-
Neben den Nachdenkprozessen, die durch die Trai- hauptungsbereich. Bei ZARA im Projekt „Gleiche Chan-
nings bei den Jugendlichen ausgelöst wurden, be- cen im Betrieb“ mitverantwortlich für Evaluierung und
stätigte sich, welche Vorteile die peer education mit Monitoring. Beschäftigt sich seit langem sowohl theore-
sich bringt. Die jungen TrainerInnen werden von ihren tisch als auch praktisch mit dem Themenkreis Diskrimi-
AlterskollegInnen nicht demontiert, ganz im Gegen- nierung und Empowerment.
teil: Sie wurden in ihrer Rolle als TrainerInnen voll ak-
© City&Life, 2008
Jugend und Diversity · „Gebe Menschen mehr Chancen“

„Gebe Menschen mehr Chancen“


Die beiden Berufsschülerinnen Romina R. (16) und cool, denn sie hätten es uns wirklich extrem schwer
Angela S. (18) wurden im Rahmen des Projekts „Mut machen können, zum Beispiel wenn sie nicht mitgear-
zur Vielfalt“ zu peer-Trainerinnen ausgebildet. Im In- beitet hätten. Dann wird alles chaotisch und man wird
terview erzählen sie von ihren Erfahrungen bei ihrem noch aufgeregter.
ersten selbst gehaltenen Workshop und was die peer
education-Ausbildung bei ihnen selbst ausgelöst hat. Romina R.: Spaß gemacht hat es auf jeden Fall. Ich
hätte auch gerne noch eine Stunde länger gemacht,
Wie finden Sie es denn eigentlich, dass es die peer edu- aber uns ist das Programm ausgegangen. Aber ich
cation gibt? denke, dass das eben auf die Klasse ankommt, wenn
Angela S.: Ich finde es gut, weil man sich mit der The- das Chaoten sind, weiß ich nicht, ob das noch so viel
matik viel zu wenig auseinandersetzt und zu wenig Spaß macht.
darüber geredet wird. Bei so einem Workshop wird
man darauf aufmerksam gemacht, wie wir eigentlich Haben Sie Ihren „SchülerInnen“ gut vermitteln können,
reagieren, was wir anders machen könnten und wo was Sie sagen wollten?
unsere Vorurteile liegen. Das ist einem selbst ja nicht Romina R.: Die Karin [ZARA-Trainerin] hat uns offen
so bewusst, wenn man nicht damit konfrontiert wird. gelassen, ob wir mehrere Themen bearbeiten wollen
oder eben nur eines. Die Angi und mich haben Vor-
Warum haben Sie mitgemacht? urteile am meisten interessiert, weshalb wir uns nur
Angela S.: Weil ich das Thema interessant finde und darauf spezialisiert haben. Das ist gut gegangen.
mich damit auseinandersetzen wollte. Außerdem
habe ich mir gedacht, dass es sicher auch gut ist für Gab es eine Übung, die besonders schwierig war?
Präsentationstechniken, wenn ich vor einer Klasse ste- Angela S.: Die schwierigste Übung war die am An-
he. Außerdem stärkt es unheimlich das Selbstvertrau- fang, als wir Regeln aufgestellt haben für den Um-
en und man wird selbstsicherer. gang miteinander.

Zu den Trainings: Wie ist es Ihnen denn bei Ihrer Premiere Warum meinen Sie, dass das so ist?
als peer-Trainerin ergangen? Angela S.: Ich denke mir, sie [die Trainingsteilneh-
Angela S.: Am Anfang war ich schon urnervös, aber merInnen, Anm.] wissen dann nicht, was sie da alles
mit der Zeit wurde alles viel leichter und ich konnte sagen können. Zum Beispiel die eigene Meinung
mehr ich selbst sein. sagen oder den anderen zuhören – das ist zwar klar
und das weiß jeder, aber so richtig sagen tut es auch
Haben die KollegInnen Sie als Trainerin anerkannt? keiner.
Romina R.: Ich glaube, sie nehmen es lockerer auf,
wenn wir das machen, als wenn das eine erwachsene Waren Sie selbst schon mit Vorurteilen konfrontiert?
Person machen würde. Sie sehen das eher kumpelhaft Romina R.: Ja, ich wohne am Rennbahnweg im 22.
und nehmen mehr Rücksicht. Bezirk und da heißt es oft „beim Gsindel“ oder „Ja, die
vom Rennbahnweg sind alle so“ oder „Die wohnt am
Vor gleichaltrigen SchülerInnen in einer Klasse zu stehen, Rennbahnweg und mit denen wollen wir nichts zu
ist sicher nicht einfach. Hatten Sie Angst davor, wie es tun haben.“
werden würde?
Romina R.: Ja, weil ich mir gedacht habe, wenn das Haben Sie Vorurteile bei sich selbst wahrgenommen?
so eine chaotische Klasse ist wie meine eigene… Als Angela S.: Ich habe schon gewusst, dass ich viele Vor-
die Susi und die Karin [ZARA-Trainerinnen] da waren, urteile habe.
hat keiner aufgepasst, besonders von den Jungs. Da
habe ich mir gedacht, wenn das so eine Klasse wird: Hat sich durch das Training etwas an Ihrer Wahrneh-
Davor habe ich schon Angst gehabt. Aber es waren mung von eigenen Vorurteilen geändert?
ganz liebe Leute. Angela S.: Ja, ich denke, ich bin viel nachdenklicher
geworden. Heute sag ich nicht mehr gleich: „Oh, der
Hat es Ihnen denn Spaß gemacht, mit anderen Schüle- schaut so aus und mit dem will ich am besten nichts
rInnen zu arbeiten? zu tun haben, weil der hochnäsig ausschaut oder so“.
Angela S.: Ja, weil wir mit den Schülern ein freund- Jetzt gebe ich ihnen eine Chance und dann kann ich ja
schaftliches Verhältnis hatten, aber sie dennoch auf immer noch sagen „Das wird keine Freundschaft oder
uns gehört und mitgemacht haben. Das finde ich halt man ist nicht auf der gleichen Wellenlänge.“ Aber so

71
Jugend und Diversity · „Gebe Menschen mehr Chancen“

gibt es immerhin eine Chance, dass man sich einmal Wenn mich früher wer angeredet hat, habe ich mir
kennen lernt und das war früher teilweise nicht so. gedacht „Nein, der schaut irgendwie komisch aus“
und ihn gleich einmal ignoriert oder wäre weggegan-
Romina R.: Ich hätte mir zum Beispiel früher in der U- gen. Aber jetzt denk ich mir: „Gib ihm eine Chance.“
Bahn gleich überlegt „Nein, da setz ich mich nicht hin, Man kann jemanden ja mal kennen lernen und schau-
weil der schaut so und so aus.“ Jetzt denk ich mehr en, ob es passt – und dann immer noch „Nein“ sagen.
drüber nach, warum ich Personen eigentlich einstufe Weil es kann ja sein, dass jemand der urliebe Mensch
und ob ich jetzt Angst vor dem- oder derjenigen hab ist, selbst wenn er obdachlos ist.
oder ob es irgendeinen anderen Grund gibt, warum Wenn ich am Abend durch die Station am Karls-
ich mich wo nicht hinsetzen möchte. Ich denke mehr platz durchgehe und mich drei oder vier Leute anre-
drüber nach, ob es wirklich gescheit ist, dass ich die den, geh ich aber auch jetzt weiter. Aber das ist was
Leute so einstufe. anderes, weil wenn ich am Abend alleine unterwegs
bin, hab ich meistens ein bisschen Angst.
Finden Sie diese Veränderung gut?
Romina R.: Das finde ich schon besser. Man hat ir- War das Projekt auch in Ihrer Arbeit Thema?
gendwie einen anderen Umgang mit anderen Leuten. Angela S.: Mein Chef findet es voll cool, dass das
Ich bin jetzt offener für andere Menschen und gebe angeboten wird und er unterstützt das auch voll. Er
ihnen mehr Chancen, statt sie in Schubladen einzu- meint: „Aus Dir wird mal was“.
ordnen ohne sie zu kennen.
Interview: Sonja Fercher
clean politics · kampagne für eine politik ohne diskriminierung & ausgrenzung

clean politics – meine stimme gegen rassismus


kampagne für eine politik ohne diskriminierung & ausgrenzung

Als mitten im Sommer Neuwahlen zum Nationalrat war es, die wache Zivilgesellschaft gegen Rassismus
ausgerufen wurden, war klar, dass ZARA aktiv wer- und Ausgrenzung zu mobilisieren und ihr eine Stim-
den müsste, um gegen den Missbrauch von Ressenti- me zu verleihen. Insgesamt gelang es, mehr als 20 un-
ments im Wahlkampf aufzutreten. Dafür wurde an die abhängige Vereine als UnterstützerInnen zu werben.
clean politics-Kampagne angeknüpft, die im Zuge der Außerdem konnte eine Gruppe von jungen Wahl-
Nationalratswahl im Jahr 2006 zum ersten Mal durch- beobachterInnen gewonnen werden, die im clean
geführt wurde. In Rekordzeit stellten ZARA, der Verein politics-Weblog Beobachtungen zum Thema Rassis-
Wiener Jugendzentren und wienXtra eine neue Kam- mus und Ausgrenzung im Wahlkampf sowie positive
pagne auf die Beine. Beispiele von anti-rassistischer Politik im Wahlkampf
clean politics sollte deutlich machen, dass Rassis- beschrieben. Zwei von ihnen, Stefanie Ambros und
mus und Ausgrenzung im Kampf um WählerInnen- Markus Grammel, schildern ihre Eindrücke.
stimmen nicht unwidersprochen
RZ-button_politics:Layout 1 21.08.2 bleiben dürfen. Ziel

clean
politics
meine stimme
gegen rassismus

Zwei Stimmen gegen Rassismus!


www.zara.or.at

Wir erinnern uns noch gut daran, als wir Ende August unentschlossenen (Jung-) WählerInnen die Augen
über den Verein wienXtra vom Projekt clean politics öffnen und ihnen heikle Punkte in den Wahlprogram-
erfahren haben. Wir entschlossen uns kurzerhand men der Parteien bewusst und verständlich machen.
dazu, uns für das clean politics-Wahlkampf-Beob- „Ernst“ wurde es für uns am 1. 9. mit einer Pressekon-
achtungsteam zu melden und uns als kritische Poli- ferenz mit den Geschäftsführerinnen von wienXtra,
tikjournalistInnen zu versuchen. Dafür besuchten wir dem Verein Wiener Jugendzentren und ZARA im Afro-
einen kurzen Einführungsworkshop, wo wir auch die Asiatischen Institut. Erfreut über das rege Interesse
anderen TeilnehmerInnen dieser Kampagne getroffen der JournalistInnen, gingen wir nach diesem guten
haben. Ob wir unseren Auftrag zufriedenstellend er- Start motiviert an die Arbeit. Den ganzen September
füllen würden, konnten wir zwar zu diesem Zeitpunkt lang gestalteten wir gemeinsam mit anderen Jugend-
noch nicht abschätzen. Aber wir waren fest davon lichen einen Weblog, in welchem wir unsere persön-
überzeugt, dass es nur besser sein konnte, als dem lichen Erlebnisse, Erfahrungen und Entdeckungen
Treiben der PolitikerInnen tatenlos zuzusehen! dokumentierten.
Zu Unrecht werden nach wie vor auch in Österreich Im Blog wurde viel über die FPÖ und das BZÖ ge-
Menschen(gruppen) aufgrund ihrer Herkunft, Religi- schrieben, da von diesen Parteien am meiste rassis-
on etc. angeschwärzt, beschuldigt, benachteiligt und tische Wählerwerbung ausgegangen war. Von BZÖ-
für Fehler verantwortlich gemacht, die sie nie began- Anzeigen in Zeitungen bis hin zu großen Plakaten von
gen haben. In Wahlkampfzeiten passiert dies leider in H.C. Strache wurde alles thematisiert und auch die
noch verstärkter Form, lassen sich mit Schwarz-Weiß- Webseiten der Parteien nahmen wir unter die Lupe.
Malerei doch die komplexesten Themen ganz einfach Natürlich kamen in unseren Texten auch positive Bei-
darstellen. spiele zur Sprache wie zum Beispiel die mehrsprachi-
Mit unserer Teilnahme an „clean politics“ wollten ge Wahlwerbung der Grünen oder Integrationsvor-
wir einen Beitrag leisten, um genau gegen dieses Un- schläge von der SPÖ in. Weiters analysierten wir die
recht anzukämpfen. Es war uns ein Anliegen, rassis- TV-Konfrontationen der Spitzenkandidaten und Ra-
tische Äußerungen im Wahlkampf aufzuzeigen – sei dio- bzw. Fernseh-Interviews, wir zitierten die Politiker
es im Fernsehen, im Radio, in Zeitungen, auf Plakaten im Blog und taten auch unsere persönliche Meinung
etc. – und an die PolitikerInnen zu appellieren, einen zu den Themen kund.
rassismusfreien Wahlkampf zu führen. Wir wollten Ernüchternd waren Aussagen von JungwählerIn-

73
clean politics · Zwei Stimmen gegen Rassismus!

nen, die glaubten, dass „Ausländer raus“ die Lösung rInnen und leisteten einen konstruktiven Beitrag für
für alle Probleme wäre. Besonders gelungen wieder- das friedliche Neben- und Miteinander. Der Einzug
um fanden wir die Aktion des von MigrantInnen ge- von Alev Korun ins Parlament beweist, dass derartige
gründeten und herausgegebenen Magazins biber. In Aktionen mehr als nur Symbolcharakter haben.
Österreich leben bereits 1,3 Millionen Menschen mit Alles in Allem ein spannender Monat mit vielen er-
Migrationshintergrund. Eine Vertretung durch ihres- nüchternden, aber auch zahlreichen erfreulichen Ein-
gleichen suchten sie im Nationalrat bislang vergeb- drücken. Die Arbeit für clean politics hat uns einmal
lich. Um auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, mehr verdeutlicht, dass man vor Rassismus nie die
gründete die biber-Redaktion für einen Tag lang ihre Augen verschließen darf!
eigene (fiktive) Partei, das Zuwanderer Bündnis Öster-
reich, kurz ZBÖ. In „Wahlkampf“-Gesprächen tausch- Stefanie Ambros und Markus Grammel sind Mitglie-
ten sich ZBÖ-AnhängerInnen mit PassantInnen aus. der der Jugendredaktion inFORMout und waren Auto-
Sie schärften auf diese kreative Weise das gegensei- rInnen des clean politics-Weblogs http://cleanpolitics.
tige Verständnis zwischen „echten“ und „Neo“-Wiene- wienxtra.at/wordpress/index.php.

www.spoe.at

Respekt – Toleranz –
Menschenrechte
Wir alle sind gefordert.

Faymann.
Die neue Politik.
Glossar

Glossar
In alphabetischer Reihenfolge

Belästigung terroristischer Phänomene obliegt. Das Bundesamt


Belästigung stellt immer dann eine Form der Diskri- und die ihm unterstehenden Landesämter beobach-
minierung dar, wenn eine Person aufgrund eines ten daher auch die rechtsextreme Szene in Österreich
oder mehrerer spezieller Merkmale, die diese Person und ermitteln bei Verstößen gegen das Verbotsgesetz
aufweist (etwa ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihres durch Wiederbetätigung im nationalsozialistischen
Geschlechts oder aufgrund ihrer sexuellen Orientie- Sinn.
rung…), belästigt wird und die Belästigung als solche
diese Person in ihrer Würde verletzt. Büro für besondere Ermittlungen Wien
Das direkt dem Wiener Polizeipräsidenten unterstellte
Beweislasterleichterung/Beweislastumkehr Büro für besondere Ermittlungen (BBE) ist für Miss-
Wie in jedem Verfahren ist es letztlich eine Frage der handlungsvorwürfe gegenüber PolizistInnen zustän-
Beweise und der Glaubwürdigkeit, wem ein Gericht dig. Es muss Verdachtsfälle innerhalb von 24 Stunden
oder eine Behörde zuspricht, im Recht zu sein. Gerade untersuchen und an die Staatsanwaltschaft weiterlei-
im Bereich der Arbeitsverhältnisse – und umso mehr ten.
bei Diskriminierungsfällen – herrscht oft ein unglei-
ches Kräfteverhältnis. Der/die ArbeitnehmerIn ist oft Diversion und Außergerichtlicher Tatausgleich
in einer schwächeren Position, sowohl im Hinblick auf Unter Diversion versteht man die Möglichkeit, auf
die wirtschaftliche Kraft als auch die „Nähe zum Be- die Durchführung eines förmlichen gerichtlichen
weis“. Diesem Umstand wird im Bereich des Arbeits- Strafverfahrens zu verzichten. Nach Erledigung di-
rechts ebenso Rechnung getragen wie im Rahmen versioneller Maßnahmen, die nur mit Zustimmung
der Gleichbehandlungsgesetzgebung. Europäischen der einer bestimmten Straftat verdächtigten Person
Vorgaben entsprechend sollte hier eine deutliche durchgeführt werden können, wird das Strafverfah-
Verschiebung der Beweislast hin zum/zur Beklagten ren endgültig eingestellt und der/die Betroffene gilt
stattfinden, der/die sich bei glaubhaft vorgebrachten weiterhin als unbescholten. Zur Diversion gehören
Vorwürfen freibeweisen müsste. In Österreich ist diese der Außergerichtliche Tatausgleich (ATA), das Gewäh-
Vorgabe nicht in letzter Konsequenz umgesetzt, was ren einer Probezeit, die Verrichtung gemeinnütziger
eine etwas komplizierte und nicht sehr praktikable Leistungen oder die Bezahlung eines Geldbetrages
Konstruktion mit sich bringt. So ist ein Verfahren ein- durch die verdächtige Person. Der Außergerichtliche
zuleiten, wenn der/die BeschwerdeführerIn/ KlägerIn Tatausgleich wird vom Verein Neustart durchgeführt,
glaubhaft einen Fall von Diskriminierung vorbringt; es wo SozialarbeiterInnen im Falle eines ATA einen Aus-
ist dann zu beenden, wenn der/die Beklagte beweist, gleich zwischen Opfer und TäterIn mittels Mediation
„dass es bei Abwägung aller Umstände wahrschein- ermöglichen sollen. Dies kann auch eine Schadens-
lich ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten wiedergutmachung und eine schriftliche Regelung
glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche für den zukünftigen Umgang (zwischen TäterIn und
Behandlung ausschlaggebend war“. Opfer) beinhalten. Der/die Geschädigte muss dem
ATA aber ebenfalls ausdrücklich zustimmen.
Bezirksverwaltungsbehörde
Die Bezirksverwaltungsbehörden (BVB) sind grund- Dokumentationsarchiv Islamophobie – DAI
sätzlich die Bezirkshauptmannschaften oder das Ma- Das Dokumentationsarchiv Islamophobie (DAI – http://
gistrat (in Städten mit eigenem Statut – in Wien über- www.dai.or.at) ist eine auf ehrenamtlicher Arbeit ba-
nehmen die einzelnen Magistratischen Bezirksämter sierende studentische Initiative, die im Frühjahr 2006
diese Aufgabe), manche BVB-Agenden werden auch gegründet wurde. Ziele des DAI sind die Beobachtung
von den Bundespolizeidirektionen übernommen, so- und Thematisierung von, die Aufklärung über und die
weit der Sachverhalt in deren örtlichen Wirkungsbe- Sensibilisierung der Gesellschaft für Islamophobie. Zu
reich fällt. Die Bezirksverwaltungsbehörden sind ge- diesem Zweck werden sowohl die individuellen Dis-
nerell zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen in kriminierungserfahrungen von MuslimInnen, als auch
erster Instanz zuständig. gesellschaftspolitische Entwicklungen dokumentiert.
In Zusammenarbeit mit ZARA erhalten Opfer und
Bundesamt für Verfassungsschutz und Terroris- ZeugInnen von Diskriminierung aufgrund der Religi-
musbekämpfung onszugehörigkeit eine entsprechende Betreuung. Aus
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terroris- diesen Beobachtungen und einer wissenschaftlichen
musbekämpfung (BVT) ist eine im Bundesministeri- Auseinandersetzung mit Themen rund um den Islam
um für Inneres angesiedelte Sicherheitsbehörde, der können Schlüsse gezogen werden, die die Erfüllung
unter anderem die Bekämpfung extremistischer und der Ziele des DAI unterstützen.

75
Glossar

Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi- Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft oder von


derstandes Interessenvertretungen Gutachten über etwaige Ver-
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi- letzungen des Gleichbehandlungsgebotes zu erstel-
derstandes (DÖW – http://www,doew.at) ist eine Stif- len. In diesen für die betroffene Person kostenfreien
tung, die von der Republik Österreich, der Stadt Wien Verfahren haben die GleichbehandlungsanwältInnen
und dem Verein Dokumentationsarchiv getragen ebenso Parteistellung wie die Opfer selbst, die sich
wird. Es ist eine wissenschaftliche Institution, die sich dabei aber auch von Personen ihres Vertrauens, wie
unter anderem mit den Themen Widerstand während z.B. VertreterInnen von Nichtregierungsorganisati-
der NS-Zeit, NS-Verbrechen, Holocaust, Restitution onen wie ZARA, vertreten lassen können. Ergebnis
und Rechtsextremismus nach 1945 auseinandersetzt. eines solchen Verfahrens vor der Kommission ist ein
Die MitarbeiterInnen des DÖW sammeln aktuelle Fäl- Gutachten, das im Gegensatz zu einem gerichtlichen
le rechtsextremer Übergriffe, werten diese aus und Urteil jedoch keine rechtliche Bindungswirkung hat.
informieren in verschiedenen Medien und eigenen
Publikationen über die Entwicklung der rechtsextre- Klagsverband
men Szene in Österreich. Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von
Diskriminierungsopfern (KlaV – http://www.klags-
Drittstaatsangehörige verband.at) wurde 2004 als Dachverband von NGOs
Drittstaatsangehörige sind Angehörige von Staaten, gegründet, die bereits in der Bekämpfung von Diskri-
die nicht Vertragspartei des Abkommens über den minierungen und der Beratung von Diskriminierungs-
Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind. Zum EWR opfern tätig waren. Heute gehören dem KlaV eine
zählen alle EU-Mitgliedstaaten, Island, Liechtenstein Reihe von NGOs an, die sich mit Diskriminierungen
und Norwegen. aus den unterschiedlichen Bereichen befassen. Der
Klagsverband ist hauptsächlich als beratendes Organ
Forum gegen Antisemitismus gegenüber den Mitglieds-NGOs und deren Mandan-
Das Forum gegen Antisemitismus (http://www.fga- tInnen sowie in Verfahren vor der Gleichbehandlungs-
wien.at) ist ein Verein mit Sitz in Wien. Es dokumentiert kommission tätig (in der Funktion als Fachperson mit
antisemitische Übergriffe, bietet Opfern einschlägiger beratender Stimme). Durch die ihm in § 62 Gleichbe-
Vorfälle Beratung und informiert über Antisemitismus handlungsgesetz (GlBG) eingeräumte Möglichkeit,
in Österreich. für Personen in einem gerichtlichen Verfahren als Ne-
benintervenient einzuschreiten, begleitet der KlaV die
Gleichbehandlungsanwaltschaft Opfer einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskrimi-
Seit Jänner 2005 gibt es neben der Anwaltschaft für nierung auch durch den Prozess.
die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in
der Arbeitswelt auch jeweils eigene Gleichbehand- Landesämter für Verfassungsschutz und Terroris-
lungsanwaltschaften für die Gleichbehandlung un- musbekämpfung
abhängig von ethnischer Herkunft, Religion oder Siehe „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terroris-
Weltanschauung, vom Alter oder von der sexuellen musbekämpfung“
Orientierung in der Arbeitswelt sowie für den Bereich
rassistischer Diskriminierungen in sonstigen Berei- Maßnahmenbeschwerde
chen. Die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) ist Die Maßnahmenbeschwerde ist ein Rechtsmittel ge-
unter anderem zuständig für die Beratung von Perso- gen rechtswidriges Polizeihandeln. Es kann binnen 6
nen, die Opfer von Diskriminierung wurden und kann Wochen ab Vorfallsdatum beim Unabhängigen Ver-
Studien zur Diskriminierungssituation in Österreich waltungssenat eingebracht werden. Dieser entschei-
sowohl in Auftrag geben als auch selbst erstellen. An det in einem öffentlichen Verfahren, ob die behaupte-
die GAW herangetragene Fälle können von dieser der te Rechtswidrigkeit vorliegt. Siehe auch „Die eigenen
Gleichbehandlungskommission zur Begutachtung Rechte kennen“ im Kapitel „Polizei“.
vorgelegt werden.
Mittelbare bzw. indirekte Diskriminierung
Gleichbehandlungskommission Eine mittelbare oder indirekte Diskriminierung liegt
Die Gleichbehandlungskommission (GBK) setzt sich laut § 19 (2) GlBG dann vor, wenn dem Anschein nach
aus drei Senaten zusammen, die aus ehrenamtlich neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Perso-
tätigen RepräsentantInnen von Ministerien und So- nen, die bestimmte Merkmale aufweisen (z.B. Hautfar-
zialpartnerorganisationen bestehen, und die im Bun- be, Behinderung, ethnische oder nationale Herkunft,
deskanzleramt angesiedelt sind. Die Senate der GBK Weltanschauung etc.) gegenüber anderen Personen
haben sich in ihrem Zuständigkeitsbereich mit allen in besonderer Weise benachteiligen können – es sei
die Diskriminierung betreffenden Fragen zu befassen. denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder
Sie sind insbesondere zuständig dafür, Gutachten Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich
über allgemeine Fragestellungen zum Diskriminie- gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses
rungskontext zu verfassen sowie in Einzelfällen auf Ziels angemessen und erforderlich.
76
Glossar

Privatbeteiligung im Strafverfahren etc.) in einer vergleichbaren Situation eine weniger


Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen günstige Behandlung erfährt, als sie eine andere Per-
erfolgt grundsätzlich auf dem Zivilrechtsweg mit son erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Kostenrisiko für diejenige Person, die die Klage ein-
bringt. Eine durch eine Straftat geschädigte Person Viktimisierung
kann den Ersatz eines Schadens (z.B. Schmerzengeld Unter Viktimisierung wird eine Benachteiligung von
bei Körperverletzung) von dem/der TäterIn bereits im Personen verstanden, die in einen Fall von Diskrimi-
Strafverfahren begehren, ohne hierfür das Kostenri- nierung entweder als Betroffene oder als ZeugInnen
siko tragen zu müssen. Der/die RichterIn kann (aber insofern involviert waren, als sie den Fall aufgedeckt
muss nicht) Privatbeteiligten bei Verurteilung des/der oder angezeigt haben oder für den/die Betroffene/n
Täters/Täterin den zuvor vom Opfer zu beziffernden Stellung bezogen haben.
Schadenersatz ganz oder teilweise zusprechen. Das
Opfer erspart sich somit im Idealfall einen kosten- Weißer Ring
und zeitintensiven Zivilprozess und erhält rasch eine Der Weiße Ring (http://www.weisser-ring.at) ist eine
finanzielle Entschädigung. private, politisch unabhängige und gemeinnützige
Organisation, die Verbrechensopfern unentgeltliche
Rassistisches Profiling Unterstützung anbietet. Diese besteht vor allem in
Unter rassistischem Profiling versteht man die beson- der rechtlichen Unterstützung in Gerichtsverfahren
dere Bedachtnahme auf Hautfarbe, Sprache, vermute- (insb. der Privatbeteiligtenvertretung im Strafverfah-
te oder tatsächliche ethnische Zugehörigkeit, Religi- ren gegen den/die TäterIn) und der psychosozialen
on oder Staatsbürgerschaft durch PolizeibeamtInnen Betreuung von Verbrechensopfern.
bei der Entscheidung, ob oder in welcher Weise eine
Amtshandlung durchzuführen ist. Darunter fällt z.B.
die gezielte Kontrolle von Personen dunkler Hautfar- www.gpa-djp.at
be, ohne dass eine konkrete Verdachtslage vorliegt.

Richtlinienbeschwerde
Die Richtlinienbeschwerde stellt eine Möglichkeit dar,
das Verhalten von PolizistInnen durch den Unabhängi-
gen Verwaltungssenat überprüfen zu lassen. Maßstab
für die Überprüfung sind die Vorschriften der Richtli-
nienverordnung, in denen PolizeibeamtInnen unter
anderem zu diskriminierungsfreien Amtshandlungen,
der Übergabe der Dienstnummer und der Verwen-
dung der höflichen Anrede „Sie“ verpflichtet werden.
Details zu dieser Beschwerde und der Richtlinienver-
ordnung finden Sie in „Die eigenen Rechte kennen“
im Kapitel „Polizei“.
Rechtsschutz
Unabhängiger Verwaltungssenat
Beratung: Arbeitszeit,
Die unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) der Län-
richtiger Kollektivvertrag,
der sind unter anderem für Berufungen gegen Straf- Einstufung, Überstunden
erkenntnisse bei Verwaltungsübertretungen und für
Tipps und Infos zum
Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer Thema Karenz, Kind & Beruf
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsge-
walt (UVS-Beschwerden gegen PolizeibeamtInnen)
zuständig. Die UVS sind weisungsfreie Behörden an
denen unabhängige UVS-RichterInnen entscheiden.
Sie erlassen letztinstanzliche Entscheidungen, die auf
dem ordentlichen Rechtsweg nicht mehr bekämpft
werden können. Eine Anrufung der Höchstgerichte
(Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof ) ist aber Mitglied sein bringt‘s!
möglich.

Unmittelbare bzw. direkte Diskriminierung


Eine unmittelbare oder direkte Diskriminierung liegt
laut § 19 (1) GlBG dann vor, wenn eine Person auf- Service-Hotline:
grund eines bestimmten Merkmals (z.B. Hautfarbe 05 0301-301
oder ethnischen Herkunft, Behinderung, Geschlecht
77
immer sind.
Von Lutz Maurer und Markus
Raich.Der attraktive Bildband im
Wert von  29,95 für Sie im Abo
gratis als Geschenk.

DIE FURCHE für Sie: Lesegenuss pur.


Die österreichische Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Kultur und Spiritualität.

GRATIS
Wählen Sie jetzt: FÜR SIE
GESTRANDET ODER GELANDET
4 Probe-Abo: DIE FURCHE 6 Wochen gratis! Der FURCHE-Redakteur Wolfgang
Das Testabo endet nach sechs Wochen automatisch. Machreich beschreibt in seinem
Buch Schicksale vom Stranden
bis hin zum Landen: Vor dreißig,
4 Jahres-Abo: DIE FURCHE zum Sonderpreis zwanzig, zehn Jahren sind sie als
€ 85,– (statt € 95,–) und zusätzlich das Fremde nach Österreich gekom-
Buch „Gestrandet oder Gelandet“ im Wert von € 19,95 gratis. men – als Flüchtlinge, Asylwerber,
Studierende oder noch als Kinder
Gönnen Sie sich ein Jahr Entschleunigung! an der Hand ihrer Eltern. Öster-
reich ist ihr Lebensmittelpunkt

+
geworden: Ein Brückenschlag
zwischen der alten und der neuen
Heimat, zwischen den Kulturen,
den Religionen und den Menschen.
Von Wolfgang Machreich um 19,95 €.

Ihr FURCHE-Abo unter: furche@furche.at oder 01 512 52 61-0

FU_machreich_Buch_180x130.indd 1 09.02.2009 10:54:24 Uhr

Wenn‘s eng wird für


dich: wir geben dir
Rückendeckung.
Deine

www.oeh.ac.at
Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft
NAZIS IN DEN
ABGUSS

www.oegj.at
© Moritz Schell
[ Von der Muse geküsst! ]

Große Leuchte.
Mario Schleinzer, freischaffender Künstler: „Unabhängig von Herkunft,
Religion oder Hautfarbe finden die Menschen an den Wiener Volkshochschulen
über ihre gemeinsamen Interessen zueinander. Das ist gelebte Integration und
befruchtet in der gemeinschaftlichen Arbeit und Entwicklung. Das gilt auch für
mich als Unterrichtenden.“
Neu
r.
r St
bau
lfe
riahi
gass Ma
e

Schadekgasse

Jo
r.
r St

an
orfe se
“Haus des Meeres” gas
Am

ell
en d a d
Esterhazypark mp tb

iga
Luf
e

Gu
rlin

sse
Eg
gS

ge

asse
tr.

rth
e
g. zeil
ien

nitzg
W
ke
Lin

Kau
U3>Neubaugasse, U4>Kettenbrückengasse sowie 57A und 13A.

ZARA – Beratungsstelle für Opfer und


ZeugInnen von Rassismus
Das Team der ZARA-Beratungsstelle für Opfer und ZeugInnen
von Rassismus ist für Terminvereinbarungen erreichbar:
Mo - Mi 10-18 Uhr und Do 11-19 Uhr
Luftbadgasse 14–16 T: (01) 929 13 99 office@zara.or.at
A–1060 Wien F: (01) 929 13 99–99 www.zara.or.at

Das könnte Ihnen auch gefallen