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---Der... Sociale beers ARNOLD ROLLER Verfasser der Broschiire ,,Direkte Aktion“ tp Zweite Auflage Herausgegeben von der FREIHEIT PUBLISHING ASSOCIATION 1719 P. O. Box NEW YORK wan fee Fen orye Yerc) WD LOY ‘NIF 27 Der Sociale Generalstreik. Von Arnold Roller. Der GeneralstreiK als Hampfmittel. I. Was ist der Generalstreik? Mann der Arbeit aufgewacht Und erkenne deine Macht ! Alle Reeder stehen still, Wenn dein starker Arm es will! Georg Herwegh. Hine neue Idee, eine neue Waffe des kampfenden Proletariats, schob sich in den letzten Jahren mit Macht in den Vordergrund und steht jetzt auf der Tagesordnung aller Diskussionen in der Arbeiterbewegung aller Linder. Diese Idee, die sich dem internationa- len Proletariat iiberall von selbst mit Gewalt aufdrangt, ist der Generalstreik. Noch bis vor Kurzem war unter den sozialistischen Arbeitern der allgemeine Glaube an den Erfolg des Parlamenta- rismas unerschiittert. Doch die Ereignisse und die Zuspitz- ung der politischen und sozialenVerhilt- isse in den letzten Jahren liessen das internationale Proletariat bald erkennen, dase auf diesem Wege nichts zu er- reichen ist, und dringten es dazu, sich nach neuen Kampfmitteln umzusehen. Auch dort, wo der parlamentarische So- zislismus sich uniibertroffen am Stirk- sten entwickelt hat und dabei seine Mechtlosigkeit mit jedem neuen Wahil- sieg und jeder nenen quantitativen Zu- name nur um eo klarer offenbart — in Deutschland — regen sich sogar im ge- missigten Lager Stimmen, die nach einer neuen Taktik rufen. Die Idee des Generalstreiks, die man noch bis vor Kurzem bloss mit héhni- schen und verachtlichenWorten abfinden zu kénnen glaubte, fiir deren Propogan- disten man nur Verleumdung und Be- schimpfung hatte, muss jetzt schon auf allen internationalen und nationalen Kongressen aller Arbeiterparteien ernst- lich diskutirt werden, und ein Mitglied der deutschen sozialdemokratischen Par- tei — Dr. Friedeberg — propagirt diese Idee schon offen im Schoose der Partei. Im Allgemeinen ist aber die Stellung der Sozialdemokratie dieser Idee gegen- iiber — wo sie ihr nicht mehr direct feindlich ist — doch immer sehr zwei- deutig, und es sprechen sich auch alle Resolutionen, die auf den Parteikon- gressen dariiber gefasst werden, dort, wo sie nicht unzweideutig dagegen waren, nach langen Erérterungen ber die Definition der Worte Generalstrike uur fiir den politischen Massenstreik aus, zur Brzielung gewisser einzelner Forde- rungen — verwarfen aber immer den Generalstreik als Mittel und Weg zur endgiltigen sozialen Umwalzung. Der Name Generalstrike lisst allerdings Miseverstiindnisse zu, weil unter dem- selben Namen ganz verschiedene Dinge zusammengefasst werden. So bezeichnet man oft als Generalstreik den Streik aller Angehérigen eines Behufs zur Er- ringung héherer Lohne, z. B. den Ge neralstreik der Bergarbeiter ; man spricht vom Generalstreik in einer Stadt,z.B.dem ‘Generalstreik in Florenz’, endlich vom Generalstreik in einem ganzen Lande oder einer Provinz zur Erzielung poli tischer Rechte, z. B. des Wahlrechts in Belgien oder in Schweden. Doch die Auffassung des General- streiks, welche die tiefgehendste ist, die eine ganze Weltanschauung der sozialen Umwiilzung und sozialer Neuorganisation enthilt, ist die Auffassung der Prole- tarier der romanischen Lander, die unter Generalstreik nichts anderes als die Kin- leitung der sozialen Umwéalzung selbst verstehen. Deshalb nennen wir diesen General- streik »,Generalstreiks”’ far Lobnforderung oder fiir politische Ziele (,,die politischen Massenstreiks’’) — den sozialen General- streik. Diese Auffassung des Generalstreiks soll hier hauptsdchlich behandelt werden Die Generalstreiks-Idee wird bisher in derselben bornirten Weise, mit dlnlichen ‘blddsinnigen Redensarten von den deut- schen Arbeitern bekimpft, wie der dick- wanstige Bourgeois seit jeher den Sozia- limus bekdmpfte, indem er ihm immer und immer wieder das Marchen vom Theilen vorhalt und damit den Unsinn des Sozialismus dargelegt zu haben glaubt, aber nur seine eigene Ignoranz bewiesen hat. ,Generalstrike ist Generalblédsinn”’ ist die stereotype Redensart, mit welcher die Sozialdemokraten den Generalstrike abzufertigen glaubten. Woman sich schon auf Auseinander- setzungen tiber denGeneralstreik einliess, wiederholte man immer folgende Argu- mentation: ,,Generalstreik ist Utopic Es ist niemals moglich, das Proletariat ; derart zu organisiren, dass simmtliche Arbeiter die Arbeit niederlegen, und zur Unterscheidung von den | wenn das Proletariat einmal schon so michtig organisirt und klassenbewusst wire, um einen Generalstreik erkliren zu kénuen, dann braucht es auch keinen Generalstreik mehr, denn dann hat es schon sowieso die Majoritaét im Lande, sowie die Macht, Alles zu thun, was es will.” Wir wollen darauf aufmerksam machen, dacs doch auch mit der besten Organisa- tion des Proletariats und der schonsten Majoritaét im Lande und in den Parla- menten Nichts gegen den Willen des Herrenhauses oder Bundesrathes, Nichts gegen das Veto des Kaisers erreicht werden kann, der zur Unterstiitzung seines Willens das ganze Heer hat, wahrend das Parlament sich héchstens mit seinen Papierwischen gegen die Ba- jonette der Soldaten vertheidigen kénnte. Die Durchfiihrung und der Erfolg des Generalstreiks sind nun nicht davon abhingig, dass alle Arbeiter die Arbeit niederlegen. Gewiss ware es erst erstrebenswerth, die ganze Arbeiterklasse soweit aufzukliren, dass am Tage, an dem der Generalstreik ausbrechen soll, wie auf einen Ruf das ganze Prole- tariat aller Lander gleichzeitig seine Werkstatten, Fabriken und Bergwerke verlisst und so schon durch den blossen Ausdruck seines Willens seine Fesseln abwirft. Doch so sehr dieses Ideal der Propaganda wilrdig ist, so schén und erstrebenswerth dieser Traum ist, so kann er doch nur ein Traum bleiben. Immer emporten sich nur energische, begeisterte Minoritiiten gegen die Tyran- nei und Unterdriickung und gaben so die Initiative der grossen, dumpfen Masse, die zwar unzufrieden war und fiber ihr Schicksal klagte, aber zur Empérung noch lange nicht den Muth besass. Von klagender Unzufriedenheit bis zur Re- volte ist noch ein weiter Weg, In jeder Revolution weckten erst durch ihre Er folge die energischen Minorititen den ‘Muth der noch furchtsamen Massen. Dasselbe gilt auch bei jedem Streik. Owohl die Gewerkschaften in der Regel nur eine Minoritdt der Arbeiter ihres Faches darstellen,veranlassen, organisiren und leiten sie fast immer die Streiks der zum gréssten Theil unorganisirten Massen. So tritt in den Streik oft nur eine kleine Minderheit, der erst im Laufe des Streiks die Uebrigen folgen. Oft schliessen sich erst wihrend des Streiks viele verwandte Industrien und Zweige an und dehnen den Btreik auf immer weitere Gebiete, immer grossere Massen aus. Auch das Beispiet des Streiks wirkt suggestiv, ansteckend auf die Massen. Far die Anhanger und Propagandisten des Generalstreiks, wie ihn z. B die franzésischen und spanischen Proletarier verstehen, handelt es sich also weniger darum, zu erreichen, dass alle Arbeiter gleichzeitig die Arbeit niederlegen, als vielmehr darum, 2u erreichen, dass alle Arbeiter im ganzen Lande jede Pro- duktion, Kommunikation und denKon- sum fOr die herrschenden Klassen zu unterbrechen, und zwar fiirdie Zeit, die nothwendig ist, um die totale Desorganisation der kapitalistischen Ge- sellschaftsordnung lerbeizufiihren, da- mit nach deren Zusammenbruch das Pro- letariat_ durch seine Gewerkschaften selbst Besitz ergreift von simmtichen Produktionsmitteln, den Bergwerken, den Hadusern, der Erde, kurz der ge- sammten dkonomischen Macht, eee 2. Der Verlauf des Generalstreiks, Nach Berichten und nach Beobach- tungen von bis jetzt ausgebrochenen Ge- neralstreiks kGunen wir uns annahernd ein Bild des wabrecheinlichen Verlaufes eines sozialen Generalstreiks vorstellen. Nach der nothwendigen Zeit der Pro- paganda, nachdem die Massen und Or ganisationen entsprechend vorbereitet und mit der Idee vertraut sein werden, sobald auch die Begleitumstinde giin- stig sind und der Generalstreik ausbre- chen soll, erkldren vor allem simmtliche Gewerkschaften — die doch zur Propa- girung dieser Idee am Meisten berufen sind — den Generalstreik in ihrem Fache. Die Nichtorganisirten werden bald mit- gerissen — wir sahen es letzthin in Ita- lien (und in Russland, Red. der ‘‘Freih.””) —, die Bewegung verbreitet sich, dehnt sich rasch auf das ganze Land aus, ge- neralisirt sich — sie wird zum Generab streik des Proletariats. Wir sahen es im April 1902 in Belgien, wie da, auf die Aufforderung der Ge- werkschaften, binnen wenigen Tagen 350,000 Mann die Arbeit niederlegten. Die moderne Industrie mit ihrer aufs Aeuserste getriebenen Arbeitstheilung und Komplizirtheit eignet sich ausser- ordentlich dazu, einen Generalstreik von einer Minoritdt hervorzurnfen, und den Stillstand der fiir das Leben der moder- nen Gesellschaft hauptsichlich noth- wendigen Betriebe und Produktions- zweige zu veranlassen. Nun werden aber die uothwendigsten Produkte oft in der Weise hergestellt, dass sie nicht nur in derselben Fabrik durch 20 bis 30 Hinde hindurchgehen, sondern oft von einer Fabrik in die an- dere zur weiteren Verarbeitung wandern. Die Rohstoffe zur Erzeugung dieser Ob- jekte kommen oft von fernen Gegenden, und so bildet der Transport durch die Eisenbahn und die beziiglich des Trans- ports der Waaren und der Rohstoffe er- forderliche Verstindigung mittelst Post und Telegraph ebenfalls nothwendige und unvermeidliche Glieder der Pro- duktion, Stockt nun eines dieser Glie- der, ein Zahn von dem ungeheuren Ri- derwerk des Mechanismus der modernen Gesellschaft, so ist schon ein ganzer Zweig der Industrie unterbrochen. So berichteten z. B. die Zeitungen An- fangs Februar 1904 aus England folgende Notiz: “Infolge Zerbrechens eines Ma- schinentheiles in den Rope Works in Belfast (Irland) musten 4000 Arbeiter eine Woche lang die Arbeit aussetzen.”” Wenn nun simmtliche Koblenberg- werksarbeiter die Arbeit einstellten, so sind in einigen Tagen die Kohlenlager erechépft und der Eisenbahn- und Post- verkehr schon von selbst unterbrochen. Simmtliche Hoch6fen und Giessereien, simmtliche Dampfmaschinen und die durch sie betriebenen Fabriken und Elec- tricitatswerke sind zum Stillstand ver- urtheilt. Sidmmtliche Gewerke, denen die Kohle zur Erzeugung des Gases man- gelt, miissen ihren Betrieb unterbrechen und mit ihnen die Hunderte von Gas- motoren und die von diesen betriebenen ‘Werkzeugmaschinen. Nach Untergang der Sonne ist die ganze Stadt in Dunkel- heit gehiillt, keine elektrische Gliih- oder Bogenlampe, keine Gasflamme spendet ihr Licht. Diesen furchtberen Erfolg kénute schon nach einigen Tagen, oder héch- steins einigen Wochen, allein der Streik der Bergarbeiter herbeifiihren, die so- wieso stets an der Bresche stehen, die an grosse Massenstreiks schon gewohnt sind und auf die in dem grossen Kampfe der Zukunft gewiss in erster Linie gerechnet werden kann. Aber auch die Eisenbah- nerin vielen Landern (Amerika leider noch ausgenommen, Red. d. ‘ Freih.””) sind, wie bekannt, nicht die letzten in der Arbeiterbewegung. Sie wiirden ge- wise nicht mit dem Streik warten, bis die Koble ausgegangen ist, sondern gleich auf das erste Signal mitkimpfen, wenn es sich darun handeln wird, Alles zu ge- winnen. In allen anderen Betrieben ist die Arbeit schon durch den Streik einer Minoritat unterbrochen, die theils als Konsequenz der Arbeitstheilung die Ue- brigen zum Feiern zwingt, theils ledig- lich durch ihr entschlossenes Auftreten das auf die Zahmen und Feigen als ge- sunde Kinschiichterung wirken kann, diese bewegt, ebenfalls die Arbeit zu ver- lassen. Sobald nun auch die Backer und an- dere Angestellte der Lebensmittelge- werbe die Arbeit niederlegen, macht sich der Generalstreik noch gewaltiger fiihl- bar und lasst endlich — vielleicht zum ersten Mal—auch die herrschenden Klas- sen das entsetzliche Gespenst des Hun- gers verstehen und fiiblen. Dies ist der Beginn, die Einleitung. — Jedoch nach der Ansicht der romani- schen Genossen, sowie nach den Erfah- rungen in allen bisherigen Generalstriks zu urtheilen, wirde der Generalstrik lei- der nicht so friedlich verlaufen kénnen, wie er anfing. Wir sahen es in Spanien und Belgien, dass die Bewegung spitestens dann in das Stadium der Konflikte trat, sobald das Proletariat selbst vor die Frage ge- stellt war, wie es seinen Hunger stillen k6nne und es jdurchaus keine andere Lésung sah als die ihm dann natiirlich diinkende, d. h. die Lebensmittel zwangs- weise den gefiillten Magazinen zu ent- nehmen. Die Proletarier kénnen zwar die ganze Produktion zum Stillstand bringen, k6n- nen aber nicht auch in Konsumiren auf- héren. So wiirden sie walrend der Kampf- und Uebergangsperiode nur das- selbe thun missen, was die herrschenden Klassen ununterbrochen seit Jahrtausen- den thun: konsomiren, ohne zu produ- ziren. Dieses Vorgehen von Seiten der herrechenden Klassen nennt das Prole- tariat Ausbentung’’; wenn es die Pro- Ietarier than, nennen es die besitzenden Klasse “‘Planderung’’ — und der Sozia- lismus nennt es “Expropriation”. Der Hunger treibt den sonst noch so Zahmen, das Brot von dort zu nehmen, ‘wo es ist. Und wie es auch bei allen Re~ volutioneu und Volksbewegungen zu se- hen war, sind da gerade die Frauen, die vorher in der Politik oft die reaktionar- sten waren, nun, wo es sich darum han- delte, den Hunger ihrer Kleinen zu stil- len, die Revolutionarsten und Kiihnsten bei der Stiirmung und Pliinderung der Backereien und der Fleischerliden. Noch weit intensiver wiirde der Kampf werden, sobald es sich bei dem Prole- tariat darom handeln wirde, nun auch von Produktionsmitteln Besitz zu er- ifen, So ist der Generalstreik nicht nur die Binleitung der Revolution, zu der er nothwendig fiihrt, sondern die soziale Revolution selbst. Er ist nur der Name der sozialen Revolution der Zukunft. Jedoch ist dies nicht mehr die Revo- lution in der traditionellen Form, wie sie vom Kleinbiirgerthum 1789 und 1648, geschlagen wurde. Die epischen Zeiten der Barikadenkaimpfe sind vorbei. An Stelle der schmalen, krammen Gisschen, in denen eine Barrikade so schnell zu er- richten und soleichtzu vertheidigen war, sind nun in allen grossen Stidten be- reits lange Strassen entstanden, in denen die Heeresmacht sich vollstandig ent- falten kann und mit der gréssten Leich- tigkeit sofort alle Barrikaden nehmen kéante Schliesslich kann heute in den Grosestidten kaum mehr an eine Bari- kade gedacht werden, da das wichtigste Material dazu die Pflastersteine fehlen. An Stelle der Pflastersteine sind jetzt in allen Hauptstrassen und Centren der grossen Stidte nur Holzstéckel oder Asphaltpflaster. Und mit Holzstickel- und losgerissenen oder abgebrickelten Asphaltscheiben kann man keine Barri- kaden mehr errichten. Deshalb ist es nicht mehr denkbar, dass sich das Volk gegenwartig unter diesen Umstinden zur Revolution in dieser alten verlebten Form entschlies- sen kénnte, Ganz anders verhiilt sich aber die Sache beim Generalstreik. Der ungeheure Vortheil des General- streiks ist der, dass er ganz gesetzlich und fir das Proletariat volistindig ge- fahrlos anfaingt und dadurch von Anfang au, auf Tausende rechnen kann, die niemals den Muth gehabt hitten, auf die Anfforderang zur Revolution auf die Strasse zu gehen, sondern ruhig am Ofen zu Hause geblieben wren und die Revolution dadurch geschwicht, ja un- méglich gemacht bitten. Dieselben, die nun jetzt wieder aus Angst zu Hause bleiben, theils aus Furcht vor den Ein- schiichterungen der Streikenden, theils aus Furcht, in die Unruhen auf der Strasse irgendwie verwickelt zu werden, unterstiitzen schon durch ihr blosses Zu- hausebleiben in der besten Weise den Generalstreik. Andere grosse Massen von Proletariern, die sich nie um die Sache gekiimmert haben, die der Stimmzettel niemals be- geistern konnte und auch dem Rufe der Revolution niemals gefolgt waren, da ihr ganzes Leben nichts anderes war, als das ewige, gleichmiissige Dahin- vegetiren zwischen dumpfem Schlaf und geisttédtender, erschilaffender Arbeit, sind nun, wegen der Arbeitslosigkeit plotzlich auf die Strasse geworfen, vor die Frage gestellt, fiir oder gegen, und fiihlen sich instinktiv zur Theilnahme getrieben. Eine unbestrittene Thatsache ist es ja, dass eine kiihne That, seies eines Indi- vidiums oder einer energischen, be- geisterten Minoritit, Tausende aus dem Schlafe riittelt und in ihnen mit einem Schlage begeisterte Kampfer fir die Sache gewinnt, wahrend Jahrzehnte thatenloser Agitation sie nicht aus der Gleichgiiltigkeit herausreissen konnten. Bei den Generalstreiks in Barcelona im April 1903, sowie schon im Jahre 1893, ferner in Bilbao im Oktober 1903, die eigentlich nur die Kraftproben, die ersten Scharmiitzel waren von dem walir- haftigen grossen Generalstreik der Zu- kunft — wie ja auch ca. 300 Banernrevol- ten der grossen franzisischen Revolution vorangingen — kam es zu verschiedenen Zusammenstéssen zwischen dem Volk und der bewaffneten Macht. Doch ganz verschieden war das Bild dieser Kampfe von allen vorher bekann- ten Revolten der Proletarier in den Stadten. Trotz des ausserordentlichen Ernstes der Situation waren die Zusammenstisse unbedentend, denn die Arbeiter ver- legten sich nicht mehr darauf, in der zwecklosen und gefahrlichen Weise wie bisher die Soldaten selbst oder die weni- gen gut vertheidigten Gebinde anzu- greifen, sondern verwendeten ihre ganze Energie darauf, gewaltsam jede Pro- duktion und Kommunikation zu ver- hindern. Die herrschenden Klassen waren nim- lich entschlossen, trotz des Generalstreiks mit allen und jeglichen Mitteln den Be- trieb aufrecht zu erhalten. Sie scheuten keine Massregel. Mitallen mOglichen Mitteln der Einschiichterung und Drohung suchte man Streikbrecher zu werben. Doch als dies Alles nichts nutzte, steckte man Soldaten in die Werkstiitten, Bergwerke, Bickereien usw Das Proletariat sah sich nun auch seinerseits gezwungen, seine abwartende Stellung aufzugeben und seinen festen Willen, jede Produktion und Kommuni- kation 2u verhindern, energischer durch- zufiihren, So war im Jahre 1803 der erste Gedanke der belgischen Arbeiter, alle Kommuni kations- und Transportmittel abzuschne den, um die Verstindigung der Militir- und Polizeibehdrden unmédglich 20 machen, sowie das rasche Hin- und Her- senden, Zusammenziehen und das Ver- proviantiren von Truppen zu verhindern. So geschah es oft, dass in der Nacht von unbekannter Hand die Telegr@Bhen- drahte nach allen Richtungen durch- schnitten wurden, Hs geschah Gfters, dass auf den Eisen- bahnstrecken an einsamen Stellen die Schienen aufgerissen, die Weichenstel- lungsapparate zerst6rt oder die Weichen derart gestellt wurden, dass Eisenbahn- zusammenstésse unvermeidlich gewesen waren. Durch Steinwiirfe wurden éfters die Signalscheiben, nach denen sich die Zugfiihrer richten, zerschlagen. Die Zirkulation wurde so éfters auf mehrere Tage fiir ganze Strecken unmédglich gemacht. Wibrend des Strassenbahner-Streiks in Nurnberg 1902 triehen die Streikenden Eisenstiicke in die Nuthen der Strassen- bahnschienen und verhinderten so die Zirkulation der Wagen. In Barcelona und Belgien kam es auch vor, dass in einer Fabrik oder in einem Maschinenhaus die wenigen Anhiinger des Generalstreiks alle iibrigen Arbeiter zum Aufgeben der Arbeit dadurch ver- anlassten, dass sie die Maschinen be- schidigten. Unbemerkt streuten sie Schmirgel in die Oel- und Fettbiichsen der Maschinen, andere wussten gar durch das blosse Nachlassen oder festere An- ziehen einer Schraube die gréssten Maschinen zum Zerbrechen oder gar zur Explosion zu bringen. In Maschinenfabriken werden oft Hisenstiicke zwischen die Zahnradwerke geworfen, wodurch die Zahue der Rader- werke in Sticke gingen. Walrend der Generalstreiks der Bergarbeiter in Nord- Amerika und auch im October 1903 in Spanien — zerstérten die Arbeiter die Versteifungen und Gerliste in den Gru- ben, wodurch fiir alle Arbeiter fiir lange Zeit der Zutritt zu den Gruben diberbaupt unmdglich wurde. Die spanischen und amerikanischen Bergarbeiter bedienten sich zu diesem Zwecke der Axt, des Feuers und auch der Dynamitpatronen, die ihnen doch sehr leicht zuginglich waren, da sie dieselben taglich zur Arbeit benutzten. Wahrend des Generalstreiks in Holland geschah es oft, dass von den Strikern ein Schiff oder ein Schleppboot quer iiber den Fluss an einem Briicken- pfeiler versenkt wurde, und so der ganze Schiffsverkehr und die Kommunikation auf den Flissen und Kaniilen unter- brochen wurde. Der Streik der Hafenarbeiter, die sich weigerten die Schiffsladungen zu léschen, verhinderte auch die Herbeischaffung von Konsumgegenstinden auf dem See- weeg oder aus anderen iiberseeischen Landern. In frischer Erinnerung sind auch noch die Berichte aus Barcelona, wie da die Bourgeoisie selbst aus Furcht vor den Streikenden ihre Laden schloss und so die Zahl der nicht Arbeitenden noch durch ihre Angestellten vergrésserte, wie die Proletarier, durch Hunger getrieben, Lebensmittelladen stiirmten und Solda- ten sie vertheidigen mussten. Allgemein bekannt ist ja auch folgendes humo- ristisches Detail aus Barcelona : »Da die Soldaten viele Lebensmittel- laden beschitzten, konnten die reichen Bourgeois noch immer ihre Dienst- midchen zu den Backern und Fleischern zum Einkaufen schicken. In allen Nebenstrassen und am Hingang der Hauser wurden aber die Kéchinnen schon von den Arbeitern erwartet, die ihnen die Nabrungsmittel einfach wegnahmen und fiir sich verwendeten.” Die Idee, sich wihrend des General- streiks der Arbeiter-Produktiv- und Kon- sum-Genossenschaften zur Verprovian- tirung der Streikenden zu bedienen, wurde bald aufgegeben und man nach kurzer Ueberlegung 2u der Ueberzeug- ung gelangen musste, dass sich in einem solchen Kampfe die herrschenden Klas- sen durch sentimentale Riicksichten auf die Gesetzmassigkeit durchaus keinen Zwang anlegen, sondern die Vorrithe des Proletariats fiir sich und die Truppen einfach beschlagnehmen wiir- den, 3, Der Generalstreik und die Armee. Aus all dem Vorhergehenden ist 2u ersehen, dass es die bewaffnete Macht nicht mebr so leicht hat, die ,,Ordnung” wiederherzustellen, wie es bei allen bis- herigen gewéhnlichen Strassenrevolten, oder wie 1848, wo das Militar nur in den Zentren der Hauptstidte zusammenge- zogen zu werden brauchte, um dort in die wie auf dem Prisentirteller vor ihren Flinten zusammengehauften Proletarier- massen hineinzufeuern, Nein, der Ge- neralstreik in der Form, wie er hier ge- schildert, verindert gewaltig das Bild, Auch jetzt hitte das Militar die Auf- gaben, in den grossen Stadten die Re- gierungsgebiude und Paliste vor dem Hass des Volkes 2u schiitzen, Denn alle die verhassten Zwingburgen und Zentral- stellen der Macht der herrschenden Klasse, wie Polizeiprisidien, Justitz- Paliste und Gefiingnisse, Reichsbanken, und Finanzministerien, kénnen von der aufgeregten Masse bedroht werden. Auch einzelne vom Volke besonders gehasste Personlichkeiten kénnten in der allge- meinen Verwirrung ebenfalls ausser- ordentlicher Gefahr fiir ihr Leben aus- gesetzt sein. Vor Allem wiirde das Militir diese beschtitzen miissen. Es wiirde aber auch versuchen miissen, die Zirkulation der Kisenbabn anfrecht zu erhalten. Dazu wird man aber nicht nur die Bisenbabn- stationen mit Soldaten bevdlkern miis- sen, nicht nur aus Soldaten Kondukteure, Zugfiihrer und Lokomotivfthrer machen, sondern auch jeden Kisenbahnzug mit einer entspréchenden Anzahl Soldaten bewachen lassen miissen, um den Zug vor eventuellen Angriffen zu verthei- digen. Doch kénnte auch dies vielleicht nicht genfigend erscheinen, die Zirku- lation aufrecht zu erhalten, weil be- fiirchtet werden kénnte, dass die er- bitterten Streikenden an allen Orten die Schienen, Weichenstellungen und Signale zerstéren, weshalb — um die Zerstérun- gen und Entgleisungen zu verhindern — wieder Soldaten dazu verwendet werden miissen, um die zahllosen Kilometer der Schienenwege zu bewachen, Soldaten wiirden kommandirt werden milssen, die Telegraphen- und Telephon- linien zu bewachen, den Postverkehr aufrecht zu erhalten und zu beschiitzen. Soldaten wiirden in die verschiedenen Fabriken und Werkstitten, Gaswerke und Backereien hineingesteckt, um die allernothwendigste Produktion und Ver- proviantirung 2u versichern, Wieder andere Soldaten wirden die “Arbeitewilligen” vor den Ausbriichen des Zornes desVolkes beschiitzen miissen. Vor jeder Werkstiitte, vor jeder Fabrik, vor jedem Magazin, die vom Volke bedroht zu werden schienen, miisste zum Schutze eine Abtheilung Soldaten aufgestellt werden. Nun ginge es aber so nicht nur in den Hauptstadten zu, In den Industriezen- tren der Provinz, Koblenbergwerken, Eisenhiitten, Textilindustrie - Gebieten wiren dieselben Ereignisse zu befiirch- ten. Die sozialistische Agitation brachte es mit sich, dass selbst in den kleinsten Stidten die Theorie von der “Expro- priation der Expropriateure’’ verbreitet ist, und es konnen die Arbeiter dadurch verleitet werden, selbst und ohne anf die Dekrete der ‘Diktatur’? des Prole- tariats zu warten, mit der Enteignung der Bourgeoisie und der Besitzergreifung der Magazine und Produktionsmittel zu beginnen. Auch auf dem Lande wire der Erfolg des Generalstreikskeine Utopie. Wegen der Ausdehnung des Grossgrundbesitzes ist es jetzt schon méglich, wie es viele Fale in Ungarn, Galizien, Russland, Italien und Spanien bewiesen haben — ungeheure Landarbeiterstreiks hervor- rufen, Nichts ist so ansteckend, so suggestiv, wie die Rebellion. So wire es durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Land- arbeiter und drmeren Bauern, den stéd- tischen Arbeitern nachahmend, wie zur Zeit der franzdsischen Revolution Hand an die riesigen Giter der Grossgrund- besitzer legten. In den letzteu Jahren kam es besonders in Russland hiufig vor, dase streikende Asbeiter auf’s Land, rings um die Stadt in die Dorfer der Nachberschaft gingen, dort die Bauern aufklarten und sie leicht fir ihre Sache gewannen, wenn sie ihnen predigten: yIhr braucht dem Staat keine Steuern, dem grossen Grundherrn keine Pacht mebr zu zablen, dem Wucherer, dem Hypothekengliubiger seid Ihr nichts mehr schuldig — wir haben soeben alle diese Papiere verbrannt. Ihr braacht Eure Séhne nicht mebr zu den Soldaten zu schicken, sie kénnen bei Ruch zu Hause bleiben und auf den Feldern hel- fen; jenen Feldern, welche Eurer Arbeit gehoren | Fiirchtet die Soldaten nicht; sie sind ja echon in den Stidten und an den Risenbahnen zu sebr beschiiftigt, um auch noch dem Grundherm helfen zu kénnen, sie sind machtlos, sie kénnen Euch nichts thun.’’ So kénnte nach Meinung der herrschenden Klassen auch die “‘Ordnung” und ‘Sicherheit des Ki- genthums”’ auf dem Lande bedroht wer- den. Die Militirmacht hatte nun die unge- heure Aufgabe, all dies zu verhindera, und nicht mehr nur die politische, son- dern was viel schwieriger ist, auch die Gkonomishe Macht der herrschenden Klassen zu beschiitzen. Man wird also nicht mebr die Soldaten vom ganzen Lande in die Hauptstidte zusammenziehen kénnen, man wird nicht mehr 100,000 gut bewaffnete Soldaten gegen ein paar Tausend Rebellen mar- schiren lassen kénnen, denn die Solda- ten haben jetzt zersprengt im ganzen Lande in allen Industrienzentren, auf allen Hisenbaholinien, ja in den klein- sten Ortschaften die “Ordnung aufrecht zu erhalten.” Vielleicht konnte da den Machthabern der rettende Gedanke kommen, zur Bin- berufung der Reserven zu schreiten? Doch bald miissten die Machthaber ein- sehen, dass sie hier vor einem furchtba- ren Dilemma stinden. Ruft man die Reserven ein, so heisst das nichts Ande- res, als die streikenden Arbeiter von ihren Genoseen wegrufen — um ihnen gute Gewehre in die Hand zu geben. Die Regierungen miissen zum Mindesten befirchten, dass die eingezogenen Re- servisten die Unzufriedenheit und Diszi- plinlosigkeit in die Reihen der Linien- soldaten bringen. Riefe sie aber die Reservisten nicht ein, so erkennte sie ihre Machtlosigkeit selbst an, und die Zahl der vorhandenen Soldaten erwiese sich bald als ungeniigend. Aber auch die grésste bewaffnete und bestdisziplinirte Armee kann nicht Alles beschiitzen. Ueberall kann es nur kleine Gruppen von Soldaten geben, isolirt ge- gen die grossen Massen des Volkes, ge- gen die iibermissige Zahl der Proletarier. Die Armee wird zerstreut und zereprengt, immobilisirt an allen Ecken und Enden, und erweist sich bald als unfahig, die in dieser Form durchgefiihrte Empérang des Proletariats zu unterdricken. Nicht zuletzt sind hier auch psycholo- gische Momente zu beriicksichtigen. Die elementarsten Erfahrungen der Massenpsychologie lehren es, dass sich der Einzelne in grossen Massen viel eher zu Thaten hinreissen lasst, sich von We- nigen, besonders Solchen, die eine Auto- ritat ber ihn ausiiben, eine Prestige tiber ihn haben, leicht solche Handlungen suggeriren lisst, die ihm sonst widerstre- ben wiirden. Darauf wird auch am Mei- sten beim Militarismus gerechnet. Der Soldat verliert inmitten grosser Truppen- kérper, aufgeregt von der Militarmusik, in Furcht gehalten von den Offizieren, die er fiir ein hGheres Wesen hilt, seine karen Sinne, sein Selbstbestimmungs- recht und gehorcht wie hypnotisirt oft den unmenschlichsten und barbarischsten Befeblen. Er ist im Stande, auf Vater und Mutter zu schiessen. Jeder direkte Kontakt mit dem Volke ist den Soldaten unméglich, so lange sie sich in der Disziplin, unter der stindigen Farcht vor dem Kriegsgericht und dem { und Manchen bewegt endlich diese Ex Revolver der Offiziere befinden, und be- sonders wenn sé in grossen Truppen- massen gegen das Volk zu marschiren | kleinen Grupy kommandirt werden. Aber so, einsam, vor alle Fabriken zer- streut, in kleinen Gruppen kommt der kenntniss, zum Volke zuriickzukehren, Die anderen zerstrenten und zersprengten von Soldaten wirden in dem Falle leicht zu entwaffnen sein, so dass sie auf die Volksmassen nicht schiessen kénnten. Viele Soldsten, de- Soldat mit den Arbeitern leicht in Be- , nen der Muth fehlte, selbst zum Volke rihrung, die ihm zureden, Manifeste iiberzugehen, wiirden sich mit innerer zustecken k6nnen, ihm berichten, dass Freude und mit nur scheinbarem Wider- in seinem Heimathsort, vielleicht zur selben Stunde, den Soldaten anderer Re- stande entwaffen lassen. Was besonders in den romanischen gimenter befohlen wird, auf seine Elten Liandern die Stellung des Proletariats und seine Geschwister zu schiessen. i wahrend eines Generalstreiks der Armee Inkleinen Gruppen hat derSoldat Zeit, gegeniiber ganz besonders erleichtern zu iiberlegen, er ist entrissen dem bru-| wird, ist die energische antimilitirische talen Mordsbegeisterungsrausch grosser, bis an die Zahne bewaffneter Truppen- massen; er ist nicht mehr in der an- steckenden Beriihrung des Milieus der Schule des Mordes; er hért nicht mehr Dreinhau-Musik und Sclilachten- und Todtschlaglieder der in der Kaserne bru- tal gemachten Soldaten, sondern rings um sich die Lieder der Empérung gegen die Unterdriicker und Ausbeuter, die ihn erinnern werden, dass er auf die Seite des Volkes gehdrt, dem er ja nur ge- waltsam entrissen wurde, und nicht auf sie Seite seiner Tyrannen. Da der Generalstreik der klarste und unverschleierteste Ausdruck der Empé- rung des Preletariats gegen seine Aus- beuter ist, erkennt der Proletarier im Waffenrock jetzt rasch, dass er nicht mehr for “Gott, Kaiser und Vaterland,”” diese hehren Ideale’” sondern einfach fiir die Fortsetzung der Ausbeutung sei- ner Briider, seiner eigenen Ausbeutung, sobald er den Waffenrock wieder gegen die Arbeitsblouse vertauscht haben wird, kampfen soll. So zum Schutze einer Fabrik Wache stehend, erkennt er bald, dass er als sein eigener Wachterhund verwendet wird, Propaganda, die die dortigen Gewerk- schaften unter den Rekruten, Einberufe- nen und Reservisten betreiben, wie such die revolutioniire Propaganda im Heere selbst. Zn diesem Resultat wird aber aller- dings eine vorhergehende unermiithliche antimilitarische Propaganda beitragen miissen, wie sie von den franzdsischen Gewerkschaften betrieben wird. Die Art ihrer antimilitarischen Propaganda ha- ben diese in ihrem Rapport ‘‘Antimilita- rismus und Generulstreik” an die Ge- werkschafts- Konferenz in Dublin in grossen Umrissen dargelegt. Dieser Be- richt ist auch in deutscher Sprache (z. B. in der “‘Freiheit"’) erschienen. Ganz be- sonders muss darauf hingewiesen werden, denn zurUmwalzung der bestelhenden Ge- sellschaftsordnung ist der Antimilitaris- mus und dessen Propaganda die unerliss- liche Ergiinzung des Generalstreiks. Das ist die ungeheure Ueberlegenheit der sozialen Revolution, die als fried- licher Generalstreik anfing, dass sie die Revolution auf das ganze Land aus- dehnt. Wie die Zerstreuung der Revo- lution die Bedingung ihres Sieges ist, so ist dieselbe Zerstreuung der Militarmacht . » die Ursache ihres Unterganges. In kur- plinlos gemacht ent- waffnet und yollstiindig gebrochen. Mit dieser fallt auch das ganze bestehende, auf Bajonetten beruhende System. Ist vielleicht ein Hingreifen ‘fremder Machte” zu befiirchten? Unndthige Sorge. Es ist durchaus keine Utopie, da- rauf zu rechnen, dass der Generalstreik international, zugleich in allen Landern stattfinden wird. Die Geschichte zeigt es ja, dass 1848 beinahe alle Linder Eu- ropas vou der revolutioniiren Bewegung erschiittert wurden. Dabei waren alle diese Revolutionen durchaus national, oft feindlich gesinnt gegen die Revolu- tionire anderer Lander und in fast gar keinen gegenseitigen Beziehungen. Wa- ren nicht auch im Mittelalter zur Zeit der Bauernkriege fast gleichzeitig die Erhebungen der Bauern in Deutschland, die Jacquerien in Frankreich, in Kroa- tien, die Erhebung der ‘‘Comuneros de Castilla” in Spanien? Und doch hatten die Bauern des einen Landes keine Abnung davon, dass in anderen so weit entfernten Lindern deren Schicksalsge- nossen ui verwandte Ideale kampfen. Jetzt dagegen ist das Proletariat aller Lander schon angst international gesinut ‘und organisirt, es reicht sich die Bruder- hand iiber die Grenzen der Staaten hin- weg, unterstiitzt sich gegenseitig in sei- nem Kampfe gegen den Kapitalismus, berathschlagt regélmissig seine Kampf- methoden auf hdufigen regelmissigen Gewerkschafts- und Parteikongressen. Ist da unter solchen Umstinden nicht um so eler darauf zu rechnen, dass die Revolution des Proletariats, die soziale Revolution, d. b. der Generalstreik inter- national sein wird, oder dass zum Minde- sten in den bedeutendsten Lindern zu gleicher Zeit revolutionare Erschiitte- rungen stattfinden werden. ? a Die gefiirchteten ‘‘fremden Miichte”’ werden also geniigend bei sich selbst zu Hause zu thun haben und werden wohl kaum daran denken kénnen, anderen Machten zu Hiilfe zu kommen. 4. Welchen Gefahren iauft das Proletariat ? Die professionellen Abwiegler und Ein- schliferer, die ander Spitze der Arbei- terbewegung stehen, verstanden es vor- trefflich — wenigstens in Deutschland und Oesterreich —, durch das fortwiih- rende Schreckgespenst des Blutbades, das unter dem Proletariat angerichtet wirde, seinen revolutioniren Geist zu ersticken. Durch dasselbe Gespenst ver- sucht man es auch jetzt wieder, vor der Idee des Generalstreiks abzuschrecken. Obwohl nun die Gefahr, die das Prole- tariat wihrend des Generalstreiks liuft, im Vergleich zu den friiheren Revolutio- nen nur einen verschwindenden Bruch- theil darstellt, gebietet es dennoch die Aufrichtigkeit, sich nicht dariiber zu tiu- schen, dass immerhin in den verschiede- nen kleinen, aber dennoch leider unver- meidlichen von der Militargewalt her- beigefibrten Zusammenstéssen auch auf Seiten des Proletariats Opfer unvermeid- lich sind, Hat das Proletariat deshalb schon ein fiir allemul die Flinte ins Korn zu werfen und nur noch von der ‘ Ent- wickelung der Skonomischen Verhalt- nisse” zu erwarten, bis im Jabre 4000 nach Millerand’s oder Marxi Geburt die kapitalistische Gesellschaftsordnung“‘von selbst”? zusammenstiirzt und dem Sozia- lismus Platz macht? Nein! Das Proletariat wird alle diese feigen Spekulationen zu Schanden ma- chen und wieder seine Grisse beweisen, indem es zeigen wird, dasa es seinen Muth noch nicht verloren hat, fiir die Freibeit Alles zu wagen. Der Tod oder 1 die Verstiimmelung im Kampfe, in der Revolution womit der Proletarier immer geschreckt wird, bedrohen sie ihn nicht taglich, stiindlich vielmehr in der kapi- talistischen Gesellschaftsorduung? Sta- tistiken weisen fiir Frankreich allein die furchtbare Zahl von durchschnittlich jahrlich 174,000 Getédteten durch Be- rufsunfalle oder Gestorbenen an Berufs- krankheiten. Nun bedenke man aber noch die ungeheure Zahl der tiglichen Verletzungen und Verstimmelungen in den Werkstitten und Fabriken, die von Niemandem gezihit werden. So mordet der Kapitalismus, nur um keine kostspieligen Arbeiteschutzmassre- geln oder zeitranbenden Vorsichtsregein anzuwenden, d. h. nur um Nichts an sei- ner Profitrate einzubiissen, jahrlich mehr Proletarier, als wohl je in allen Revolu- tionen gefallen sind. Der Tod bedroht den Proletatier jeden Tag, jeder Stunde wihrend der Arbeit, wo er jeden Augenblick Gefahr lauft, vom Geriist zu stirzen, in der Grube verechiittet, in der chemischen Fabrik vergiftet, vom electrischen Strom g tet, von einer Kesselexplosion in Stiicke gerissen zu werden. Ist er ohne Arbeit, bedroht ihn oft der Tod in seiner schanerlichen Form — der Hungertod — oder der Selbstmord zu dem ihn die Verzweifiung treibt.! Andererteits miissen aber auch die meisten Proletarier stiimdlich darauf ge- fasst sein, auf den blossen Ruf der Macht- haber sofort als Musssoldat in den Krieg zu ziehen, um Unschuldige zu tédten,um fiir die Interessen ihrer Feinde, i Unterdriicker und Ausbeuter zu kiimp- fen — und tansendmal eher dem siche- ren Tode entgegenzugehen, als in irgend einer Revolution. In einer gréeseren Schlacht sind oft vielmehr Menschen gefallen, als in allen Revolutionen zusammen. In der Schlacht bei Leipzig blieben auf dem Schlachtfelde 143,000 Mann, bei Waterloo fielen 46,000 Mann, bei Kénig- gratz 40,000 Mann. Durch die Napoleo- nischen Kriege verloren 3 Millionen Menschen ihr Leben. Man denke auch an die unerhorten, grauenhaften Men- schenopfer des russisch - japanesischen Krieges! — Der geringste Fortschritt, die geringste wissenschaftliche Errungenschaft kostet Tausende von Menschenleben. Wie viele Chemiker starben, vergiftet von den Gasen der von ihnen erfundenen neuen chemischen Verbindungen oder zer- schmettert durch deren Explosion! Wie viele Aerzte starben an den Bazillen, die sie zum Heile der Menschheit bekimpf- ten! — Wie viele Martyrer kostete jede neue Wahrheit! Wie viele der gréesten Manner der Menschheit, Apostel der Wahrheit, fanden ihren Tod auf dem Scheiterhaufen, am Galgen, auf dem Rade, unter der Guillotine, in unter- irdischen Kerkern, oder in den Eisfeldern Sibiriens? 1 — Welch’ ein Meer von Blut! Welch’ winziger Blutstropfen ist im Vergleich damit alles Blut, das in den Revolutionen geflossen ist ? 1 Merkwiirdig ! —Von dem Muth, in den Krieg zu ziehen, wird das Volk nicht abgewiegelt, wohl aber von dem Muthe, far seine eigene Freiheit und Zukunft zu kampfen. In der Revolution fiir nationale Un- abhiingigkeit oder fiir politische Rechte wusste das Volk mit Begeisterung sein Leben einzusetzen und scheute nicht den Tod. Ist die soziale Revolution, die endlich das ganze Menschengeschlecht yon allen Fesseln und jeder Noth fir immer be- freien soll, nicht ein unendlich héheres Ideal, nicht unendlich eher wirdig, dass "= man fiir sie seine ganze Persénlichkeit cinsetzt und sei es auch sein Leben? Dabei bietet die Revolution, als Gene- ralstreik durchgefiihrt, unvergleichlich weniger Gefahr fiir das Proletariat, ver- hindert das rasche Zusammenziehen grosser Truppenmassen, macht alle Zu- sammenstésse mit den Truppenkérpern unndthig, ja unmdglich, und bietet so auch die meisten Aussichten auf Erfolg, auf einen mit den geringsten Opfern er- kauften bestimmten und endgiltigen Sieg. 5. Oekonomishe Momente, Lohn- kampfe und Generalstreik. Jede historische poche hat ihre be- sonderen Kampfsmittel, ihre besonderen Skonomischen Bedingungen und tech- nischen Formen der Revolution. Das Ritterthum kampfte gepanzert mit Schwert und Spies: die Birger der mit- telalterlichen Communen kampften or- ganisirt in ihren Verschwérungen; die Bauern in den Bauernkriegen, deren Ban- ner der Bundschuh war, hatten ihre be- sondere Kampfestaktik; eine andere Form der Revolution war die , Jacquerie” der revolutionren Bauern zur Zeit der grossen franzésischen Revolution, und die Kampfesform der Kpoche des revolu- tiondren Kleinbiirgerthums war die Bari- kadenschilacht. Das Proletariat kann nicht mehr die Kampfmittel vergangener Epochen an- wenden, sondern es schafft sich selbst als nothwendiges Resultat der Skonomischen Entwickelung und des Ausbaues seiner ékonomischen Organisation die besonde- ren Bedingungen und neuen Formen seines Kampfes, Gegenwirtig weissen alle Momente auf den Generalstreik hin, und so sieht sich das Proletariat in allen Landern, trotz der heftigsten Bekimpfung seitens seiner Fiihrer, nothwendig dazu gedringt, iiberall diese Waffe zu ergreifen, sobald es sich nur um einen wichtigeren Kampf, um eine ernstere Entscheidung handelt. Bei dem fortwabrend wachsenden So- lidaritatsgefiihl des Proletariats, bei den immer zahlreicheren und michtigeren Organisationen der Arbeiter, und ganz besonders als logisches Resultat der im- mer zablreicheren und massenhafteren Streiks musste die Idee des Generalstreiks geradezu unvermeidlich von selbst ent- stehen. Die Streiks hatten, um siegreich zu sein, die fortwihrende Tendenz, immer grésser zu werden, d. h, immer gréssere Massen desselben Faches in den Streik zu ziehen. Immer hiufiger wird von den Gewerkschaften der Generalstreik einer ganzen Branche in Erwigung ge- zogen. Immer haufiger begegnen wir aber auch der Erscheinung, dass wahrend grosserer Streiks Arbeiter anderer Indu- strien die Arbeit niederlegen, nur um die Forderungen der streikenden Genossen zu unterstiitzen. Rs sind dies die ,,Soli- daritatsstreiks.’” Zum Theil weissen ja auch die Unter- nehmer selbst das Proletariat auf diesen Weg durch die von den heutigen Kapi- talisten immer hdufiger durchgefiihrten Generalaussperrungen. Um die Arbeiter einer Branche oder einer Fabrik miirbe zu machen, scheuen die Unternehmer aus Solidaritat fiir ihre bedrohten Klassengenossen nicht davor zurlick, Tausende von unbetheiligten Arbeitern aufs Pflaster zu werfen, nur damit diese die streikenden Arbeiter zwingen, die Arbeit wiederaufzunehmen, oder um deren Organisationen zu zer- stéren. Immer mehr begeguet man der Ey- scheinung, dass die in ihren Unterneb- merverbiinden organisirteu Kapitalisten sich gegenseitig unterstiitzen, um den Forderungen der Arbeiter zu widerstehen. Versuchen nun als Antwort die Ge- werkschaften durch gegenseitige Ver- stindigung und Untersttitzung den Streikenden zu helfen, eo haben wir in diesem Falle nicht mehr den Kampf einer bestimmten Arbeiterkategorie ge- gen eine bestimmte,Anzahl von Kapita- listen, sondern den Kampf des gesamm- ten Proletariats gegen die gesammte Kapitalistenklasse. Und so nihert man sich, getrieben durch das wachsende So- lidaritatsgefiihl des Proletariats, dem grossten und stirksten Ausdrucke des Streiks, nimlich jenem Streik, in wel- chem die ganze Arbeiterklasse endlich der ganzen Kapitalistenklasse die Arbeit verweigert, das ist: dem sozialen Gene- ralstreik, So entstand innerhalb der Gewerk- schaften aus den tiglichen Kampfen, aus den Erfabrungen des Streiks selbst die ganze Theorie vom Generalstreik, dieser neuen modernen Kampfesmethode, die am besten geeignet ist, die kapitali- stiscle Gesellschaftsordnung zu _beseiti- gen. Durch zwei grundlegende Momente unterscheidet sich aber der als soziale Reform aufgefasste Generalstreik — sagen wir kurz: der soziale Generalstreik — ausserordentlich zu seinen Gunsten von jedem anderen Streik, sei es auch dem Generalstreik einer Branche, der doch nichts weiter ist als ein Lohnkampf. 1. Wahrend in jedem Lohustreik die Streikenden nothwendig Geld brauchen, um im Streik ausharren zu kénnen, ist im sozialen Generalstreik jedes Geld un- néthig und iiberflassig, da doch Nichts produzirt wird und alle Liden gesperrt sind. 2. Wibrend jeder Lohnkampf-Streik, sei es auch der Generalstreik einer ganze Branche, nur wibrend seiner ,,giinstigeu Geschiftskonjunktur” auf Erfolg rech- nen kann, hat der soziale Generalstreik die giinstigsten Aussichten zur Zeit einer »Schlechten Konjunktur,” d. hb. einer Skonomischen Krise, die ja bekanntlich immer nur das Resultat der relativen Ueberproduktion ist, d. h. der die Kauf- kraft der Volksmassen iibersteigenden Aufstapelung von Produkten. Nun lebrte schon Marx, dass jede Revolution immer nur nach einer Gkonomischen Krise folgte, die das Elend der Massen steigerte und deren revolutiondre Stimmung ver- ursachte. Wahrend des sozialen Generalstreiks werden die Proletarier die nationaléko- nomische Erklérung wohl verstehen und wissen, was sie zu thun haben, wenn man ihnen sagen wird: ,,Wisst Ihr, weshalb Ihr noch mehr hungert als sonst? Weil die Getreidemagazine von Roggen und Weizen mehr strotzen als sonst. Wisst Ihr, weshaJb Thr in Lumpen gebt und Ihr und Eure Frauen und Kinder frierend und obdachlos herumirren miissen? Weil in den Waarenhdusern zu viele Kleider herumliegen, weil die Bauspekulanten zu viele Hauser bauten.”” So ist die Krise der Ueberproduktion die beste Garantie des Gelingens des so- zialen Generalstreiks, weil die vorhande- nen Produkte es gestatten, alle Bediirf- nisse zu befriedigen, trotzdem wahrend des Ringens und des Uebergangsstadiums vor der vollstiindigen Neuorganisation Nichts produzirt wird, nimlich durch allgemeines Zulangen seitens der Ar- beiter. Ist es nicht die allernatiirlichste und die allergriindlichste Form der Revolte der Sklaven, wenn sie am Tage, wo sie ihr Joch endgiiltig abwerfen wollen, ihren Herren laut und vernehmlich er- kliren: ,,Wir wollen Euch nicht mehr gehorchen, wir wollen far Euch nicht mehr die Waffen tragen, wir wollen nicht mehr fiir Ruch arbeiten. Aber wir achten auch nicht mehr Bure Besitzrechte und ergreifen endlich selbst Besitz von Allem, was ibr uns geraubt habt, von allen die- sen Reichthiimern und Schiitzen, die wir doch geschaffen haben, aber niemals geniessen durften.”” Dieser passive Gehorsam, die Resigna- tion des Proletariats sind es, worauf die ganze Macht der herrschenden Klassen beruht. Ebenso wie. die politische Ge- walt der herrschenden Klassen nur auf den Waffen berultt, die wir selber schmie- den, die wir selber tragen, um unsere Ausbeuter gegen unsselbst zu beschiitzen, so beruht ja auch ilire ganze Pracht und ihr Reichthum auf unserer Arbeit. Ist | unser Gehorsam zu Ende, ist deren Macht gebrochen. Héren wir auf, fiir sie zu arbeiten, so kénnen sie trotz all’ ihrem Gelde verhungern, und sie miissen unterliegen. Was anders kann Percy Bysse Shelley in seinem herrlichen Gedicht ,,An Eng- lands Manner” gedacht haben, als er schrieb : Manner Englands! was bestellt Kuren Zwingherrn Ihr das Feld? ‘Warum webet Eure Hand Der Tyrannen Prachtgewand ? ‘Warum gebt der Drohnenbrut, ‘Die von Eurem Schweiss und Blut Frech sich nahrt, Ihr immer noch Speis’ und Trank und frohnt im Joch? Bienen Englands! warum schafft Ihr zur eig'nen Schmach und Haft Waffen, Ketten 1mmerdar Fir die terge Drohnenschaar? Sat Korn — doch fiir den Zwingherrn nicht! Schirtt Gold — doch nicht dem faulen Wicht ! Webt Kleider — nicht dem Schelm za Nutz! Schweisst Waffen — selber Euch zum Schutz! 6, Uebersicht. Die charakteristischen Hauptmomente der Idee des Generalstreiks lassen sich in wenigen Punktcn zusammenfassen: 1. Der Generalstreik ist die unter den gegenwirtigen Umstinden einzig mog- liche, von den Gkonomisch-technischen Verhaltnissen des Kapitalismus selbst | Seschaffen lund bedingte Form der Re- volution. 2. Der Generalstreik kann die Gesell- schaft am empfindlichsten erschiittern, weil er sie beil der Vorbedingung des Lebens, ihrer Hauptstiitze angreift: der Produktion und dem Konsum. 3, Der Generalstreik ist der klarste, , direkteste und unverschleierte Ausdruck. der Empdrung des Proletariats und nur das Resultat der Entwickelung seines taglichen Kampfmittels, des Streiks. 4. Dank der Arbeitstheilung geniigt es, dass nur einige Rader an dem kom- plizirten Mechanismus der modernen Produktion stillstehen, um ganze Serien und Reihen von abhingigen Maschinen, Fabriken, ja ganze Industrien ausser MOglichkeit zu bringen, den Betrieb fort- zusetzen. 5. Der Generalstreik braucht keine Geldunterstiitzungen und kann wahrend ungiinstiger Konjunktur noch besser ge- lingen, als bei giinstiger. 6. Der Generalstreik kann auf die gréssten Massen und den gréssten Erfolg rechnen, weil er gauz gesetzlich anfingt, keinen Heroismus erfordert, Niemanden der Gefahir aussetzt und selbst durch die Aengstlichkeit Derjenigen, die zn Hause bleiben, geférdert wird. 7. Durch die Unterbrechung aller Transport- und Kommunii ist es nicht mehr méglich, Produkte und Nahrungsmittel von den ,.ruhig’’ geblie- benen Gegenden herbeizuschaffen. Die politischen und militirischen Behérden verlieren die Méglichkeit rascher Ver- stindigung und Trappenentsendung. 8 Durch die absolute Nothwendigkeit, die grossen Stédte und Industriezentren zu bewachen, das Privateigenthum der Ausbeuter zu beschiitzen, die zahllosen Schienenlinien zu hiiten, nicht nur die .,Ordnung aufrecht zu erhalten,” sondern auch fiir die Verpflegung der eigenen Armee zu sorgen, und durch den Ver- such, die allernothwendigste Produktion von Soldaten fortsetzen zu lassen, wird bald die Zerstreuung und Desorganisation der bewaffneten Macht iiber das ganze Land bewirkt, und die Folge davon ist deren .vollstiindige Machtlosigkeit und der Sieg des Proletariats. I. Nach dem Slege des General- streiks. Grundziige der gesell- schaftlichen Neuorganisation. 1. Die Industrie. Bis hierher wurde die Idee{des General- streiks nur als Kampfsmethode erwogen, wurde sie nur von ihrem negativen Ge- sichtspunkt, ihrer die kapitalistische Geselischaftsordnung aufiésenden, zer- stdrenden Seite untersucht. Doch wenn die Idee des Generalstreiks darin schon vollstindig abgeschlossen wire, wenn sie weiter nichts wire, alsein blosses Kampfmittel, wiirde sie gewiss nicht den Namen einer Weltanschauung verdienen, wiirden gewiss nicht Zeln- tausende von Proletariern in Frankreich und Spanien sich von nun an kurzweg wgrave-géneéralistes” in Frankreich und jshuelga generalistas’” in Spanien, das heisst ,,Generalstreikler’” nennen. Wieder stehen wir vor einem Beweis fir die Thatsache, dass nicht die Theorie die Praxis, sondern umgekehrt die Praxis die Theorie gebietet, oder,um priziser zu sein und sich hier besonders auf den be- handelnden Gegenstand zu beziehen, dass nicht das Ideal der Zukunft, die er- strebte Gesellschaftsform den Kampf ver- anlasst, sondern dass die Bestrebungen der Zukunft aus dem Kampf geboren werden, dass das Ideal der Neuorganisa- tion der Gesellschaft sich wahrend des Kampfes aus dem Kampf selbst heraus- krystallisirt. Wir sehen dies klar an der Theorie des Anarchismus, die aus dem Kampf gegen die zentralistische Diktatur des General- rathes der ,,Internationale” entstand. »Die Allianz der sozialistischen Demo- kratie"” — so nannte sich damals die bakunistische Opposition — stellte inner- halb der ,,Internationale”’ der zentralisti- schen Diktatur der Marxisten die auto- nomen Féderationen und freien Organi- sationen der Féderalisten und Kommu- nisten entgegen. So entwickelten sich aus der Taktik und der inneren Ofgani- sation beider Richtungen auch deren Theorien und deren Vorstellungen iiber die Organisation der Gesellschaft in der Zukunft. Die Zentralisten der ,,Inter- nationale” sind heute die Sozialdemo- kraten, die Féderalisten wurden die Anarchisten, Wie aus der Praxis des Streiks die Theorie und auch die Praxis des General- streiks resultirte, so bildet sich auch aus der Praxis, der Propaganda und Vorbe- reitung der Idee des Generalstreiks als Kampfmittel, wieder eine ganze Weltan- schauung der Neuorganisation ud des Neuaufbaues fiir die Tage nach dem sieg- reichen Generalstreik. Da die Streiks hauptsichlich von ge- werkschaftlich organisirten Arbeitern ausgingen, ist es auch ganz natirlich, dass in den Gewerkschaften am meisten 8 die Idee des Generalstreiks propagirt wurde. So ist es nun weiter eine logische Folge, dass nach dem siegreichen Gene- ralstreik die Gewerkschaften — diese schon vorhandenen Organisationen — es sein sollen, welche die Produktion sowie den ganzén Neubau der Gesellschaft zu iibernehmen haben. Der Grundgedanke war schon von An- fang an der, dass sich das Volk sofort nach dem Siege in seine Gewerkschafts- hiuser, Arbeitsbérsen, in seine Skonomi- echen Organisationen zu begeben habe, um durch diese Besitz von den Produk- tionsmitten zu ergreifen. Jede Gewerkschaft dberninimt die Produktionsmittel ihres Faches und ihres Wirkungsgebietes, und so kommt all- miilich die Produktion wieder in Gang. Verschiedene Gebiete der Produktion wiirden natiirlich ganz aufgegeben wer- den, wie 2. B. die Waffenproduktion, die Miinze, Erzeugung von Kirchengeriithen, Messgewindern, Skapuliren usw., andere wenigstens auf lingere Zeit, wie z. B. von Luxusartikeln, Spielsachen u. dergl. Die vorhandenen Waffenvorriithe wiir- den umgeschmolzen oder zu niitzlichen Maschinen oder Werkzeugen umgewan- delt werden, Sollten aber die Proletarier der Nachbarlander sich noch nicht befreit haben, so kénuten diese Waffenvorrithe noch viel besser verwendet werden, wenn, sie dem kimpfenden Proletariat der noch beherrschten Volker zur Verfigung ge stellt wirden. Alle die freigewordenen Arbeiter der aufgebobenen Industrien, die Millionen ehemals Arbeitsloser, die Tausende von chemaligen Angestellten der Bankbauser, der Waarenveriheuerungs-Unteraelmun- gen und Schwindelbureaus, alle Borseu- jobber, Handlungsreisenden, die nun be- schiftigungslos gewordenen Pfaffen, Henker, Richter, Polizisten, Offiziere, Lakaien und Minister, die Miliionen trei- gelassener Soldaten werden jahrelang alle Hinde voll zu thun haben, um die elen- den Baracken, die wahren Pest- und Fieberhdhien, in denen das Volk ge zwungen war, zu wolimen, niederzureis- sen und an deren Stelle fiir Alle schéne, bequeme, gesunde Hauser errichten und sie mit allem Komfort der Neuzeit auszu- statten. Jalirelang wird man zu arbeiten haben, damit das Volk endlich seine elen- den Lumpen, in die es gehilllt ist, vom Leibe reissen und sich nun in schéne, bequeme, den Jahreszeiten entsprechende Gewiinder kleiden kann. Jahrelang wird man auch noch zu thun liaben, alle die finsteren Erinnerungen an die Tyrannei zu beseitigen, die Zucht- héuser, Festungen und noch bestehenden Bastillen zu zerstéren, alle die rémischen Galgen — denn nichts anderes ist ja das Kreuz — von den vielen Palasten und Kirchen herunterzureissen und die Kir- chen, je nach ihrem kiinstlerischen Werth in Pferdestille, Magazine, Versammlungs- orte oder Museen zu verwandeln. Alle die Sdulen, die an die Siege in grossen Massenmorde erinnern, alle Monumente zur Verherrlichung der mittelalterlichen Raubmérder, welche die Geschichte héf- lich nur ,,Raubritter” nennt, alle die Monumente, die den ,,rei bombas”” und Kartitschenprinzen” dutzendweise vom s,dankbaren Volk” (das gar nicht befragt wurde) errichtet wurden, werden in Sticke zerschlagen werden miissen, um an deren Stelle Monumente und Denk- miler der wirklichen Heroen der Mensch- heit errichten zu kénnen, den Kampfern und den leider so entsetzlich zahlreichen Martyrern der Freiheit, den Dichtern und Denkern, welche die Menschheit aus dem Dunkel und der Unterdriickung zum Licht und zur Freiheit emporgefiihrt. Nach dieser Uebergangszeit kann und 7 wird wieder das Kunsthandwerk aufge- nommen werden, das Dank der kapitali- stischen Industrie verschwunden ist, die an dessen Stelle die viel tiefer stehende, wenn auch dusserlich glinzende ,,Luxus- industrie”’ setzte. An den architektonischen Schépfungen des Mittelalters, der Zeit der freien Hand- werksverbinde, bewundern wir den Reichthum und die Mannigfaltigkeit der Skulptur, wie sie noch in den alten Miin- stern, Héfen der Paliste, den alten Universititen usw. erhalten sind. Jede Sdule hat einen anders ausgefiihrten Kopf, jeder bildhauerisch ausgeschmiickte Theil eine andere Zeichnung. Man sieht, dass hier der Arbeiter frei nach seiner Lust und Kunst schaffen konnte, nicht gehetzt von Antreibern und der kapita- listischen Ausbeutung, nicht zum Bruch- theil eines Automaten reduzirt durch die Arbeitstheiluug. Nach dieser Uebergangszeit wird die Arbeit wieder zur Kunst werden, weil sie frei oline Zwang nnd Autreiberei ausge- iibt werden wird, und als Kunst wird sie, wie jede Kunst, dem Schaffenden nur Freude und Genuss bereiten, und so wird die blosse Freude ain Schaffen aller Arbeiter-Kiinstler deren machtigster An- trieb sein und die sicherste Garantie einer fr alle Bediirfnisse iippig ausreichenden Produktion. Da auch die Triehe der menschlichen Rethatigung, die Fahigkeiten und Nei- gungen der Menschen so verschieden sind, so werden auch die manigfaltigsten Bediirfnisse der Menschheit reichlich be- friedigt werden kénnen, Doch vor der Erreichung dieses Ideals des vollig freien, keinerlei_ Regelung be- diirftigen Communismus wird wohl eine Zeit des Ueberganges nothwendig sein, deren voraussichtliche Form und Organi- sation sich schon jetzt aus der Form der gewerkschaftlich organisirten Arbeiter ganz von selbst ergibt. Am klarsten sieht man dies in Frank- reich, und am besten bewies es das Or- gan der fronzdsischen Syndicate (Ge- werkschaften) ‘La Voix du Peuple,"* das sich hauptsichlich die Propaganda des Generalstreiks zur Aufgabe stellt. Die Organisation ist in Frankreich — in grossen Ziigen dargestellt — folgende: Alle Mitglieder eines Berufes in einer Ortschaft, einer Stadt vereinigen sich zur Orts-Berufs-Gewerkschaft; nelimen wir als Beispiel den Ortsverein der M6. beltischler in der Stadt X. Alle anderen Berufe in derselben Stadt haben eben- falls ihre Gewerkschaften. Alle diese Ortsgewerkschalten vereinigen sich in der “Bourse du Travail,” der ‘“Arbeits- bérse’’ derselben Stadt. Hier in der Ar- beitsbérse halten sie ihre Versammlungen ab, ihre Unterrichtskurse, ihre Vergnii- gungen, berathen sie ihre gemeinsamen Angelegenheiten. Die gemeinsame Or- ganisation aller Gewerkschaften in jeder Stadt ist also die “Bourse du Travail.”” Sdmmtliche Arbeitsbérsen aller Stidte des ganzen Landes sind aber nun wieder unter einander zur ‘Fédération des Bour- ses du Travail,” dem Verband der Ar- beitsbérsen”’ vereinigt. Nun ist aber noch ansserdem jede Orts- gewerkschaft Mitglied des Nationalver- bandes simmtlicher Gewerkschaften des- selben Faches, also als Beispiel: Der Verband simmtlicher Mabeltischler-Ge- werkschaften Frankreichs. Sadmmtliche Berufsverbiinde sind nun wieder in den Industrieverbiinden lokal und national organisirt, so also die Mdhel-Tischler- Gewerkschaft im Ortsverband der Holz- industrie; der Ortsverhand der Holzin- dustrie im Nationalverband der Holzin- dustrie fiir ganz Frankreich. Sdmumtliche nationalen Industrie- und ™ Berufsverbinde Frankreichs aller Berufe sind nun wieder unter einander zu einer grossen gemeinsamen Organisation : der “Confédération générale du Travail” und der ‘Fédération des Bourses du Tra- vail” verbunden, deren Glieder, schon vorher unter einander vereinigt, sich netzartig kreuzen, vereinigen und in die Hinde arbeiten. Selbstverstindlich sind alle Gewerk- schaften und Verbande autonom, beige- ordnet und nicht untergeordnet ; es gibt keine ‘Executivkommittees,” keinen “Generalrath,” sondern nur ein Kom- mittee zur Verstindigung und Korres- pondenz. In den Monaten Juni und October 1902 veranlasste nun “La Voix du Peuple” in ihren Spalten eine dffentliche Diskussion und Umfrage (Enquette) iiber die Rolle dieser vorhandenen Organisation in der Zukunft — am Tage nach dem General- streik — und iiber die Organisations- und Funktionsform, die sie der neu aufzu- bauenden Gesellschaft zu geben beab- sichtigen. Hine ungeheure Anzahl Ant- worten, welche die Gewerkschaften und Organisationen einsandten, wurden ver- Gffentlicht und ergaben ein in ihrer Uebereinstimmung héchst interessantes Resultat. Ausser den allgemeinen Punk- ten behandelte jede Gewerkschaft in ih- rer Antwort hauptsichlich die Stellung, die sie selbst in der Zukunft — wibrend und nach dem siegreichen Generalstreik — einzunehmen beabsichtigt. So antwortete z. B. unter Anderen im Namen seincr Gewerkschaft der Sekretir des Verbandes der Luxusindustrien, dass deren Mitglieder, von der Nothwendig- keit tberzeugt, dass sie ihr Handwerk nach dem Generalstreik wohl fir lange Zeit aufzugeben haben, fest entschlossen sind, sich sofortin solchen Berufen zu vertheilen, yo eaan Arbeitern mangeln wind’ dadurch also als Gewerkschaft zu existiren aufhéren und als solche keiner- lei Antheil an der Neuorganisation neb- men kénnen. Einstimmig schrieben aber alle ande- ren Gewerkschaften, dass sie, ihrer Mis- sion sich wohl bewusst, sofort nach dem Siege von den Produktionsmitteln ihres Berufes Besitz ergreifen und die Produk- . tion fortsetzen werden. In allen iibrigen Fragen genfigt es, nur das Resultat, die vorherrschende Mei- nung der Antworten aller Gewerkschaf- ten mitzutheilen. Die Industrieverbaénde werden dazu bestimmt sein, das Rohmaterial unter die verschiedenen Produktionsgewerkschaf- ten der einzelnen Berufe, die diesem Industrieverband angehoren, zu verthei- len. Die Arheitsbérsen hitten sich mit dem intellektuellen und moralischen Gebiete des Lebens zu befassen, der Erziehung dem Unterricht, dem Vergniigen und besonders auch mit der Statistik der Be- darfnisse ilrer Region, ihrer Ortschaft. Die Summe der Statistiken der Be- diirfnisse, aufgestellt von den Arbeits- bérsen der einzelnen Regionen, ermég- licht es, dem “‘Allgemeinen Verband der Arbeit’? und dem ,, Verband der Arbeiter- bérsen’ des ganzen Landes leicht diese Produkte und Rohmaterialien, die in einer Region im Ueberfluss vorhanden sind, in die Region zu senden, in denen sie bendthigt werden. Aus den 6ffent- lichen Magazinen, in denen die Produkte und Vorrathe aufgestapelt werden, kénnen dann Alle nach Lust und Be- diirfniss entnelmen, da sich ja die Pro- duktion nach den Bediirfnissen richtet. So ergibt sich die Organisation der Zu- kunft schon von selbst aus den vorhan- denen Organisationen der Gegenwart. Die iiberschiissige Kraft der Genossen, die, nicht mehr wie ehemals, durch allzu- lange Arbeitszeit ausgebeutet, sich sofor- nach der Arbeit todmiide aufs Lager warfen, sondern nun frisch und munter andere Gebiete der Bethitigung suchen, bethitigt sich nach der Zeit der produk- tiven, schaffenden, manuellen Arbeit in zahllosen Vereinigungen, die ihren Nei- gungen und Trieben am besten ent- sprechen. So verbringen die einen ihre freie Zeit in wissenschaftlichen oder Kunst- Vereinigungen, andere in sanitiren Organisationen, diese in Vereinigungen zum Unterricht und zur Aufkldrung, jene wieder in irgend einer anderen Gruppe, und so arbeitet sich das ganze ungeheure, verwickelte Netz von Gruppen und Asso- ciationen gegenseitig in die Hinde, oline einer Central- oder Exekutivstelle zu bediirfen. 2, Die Landwirthschaft. Sobald in Folge des Sieges der Prole- tarier in den Stdten, des Siegs des Ge- neralstreiks, keine Macht mehr vorhan- den ist, um das ,,Eigenthum’’ der Grund- herren und Dorfwucherer, das sie dem Bauern geraubt und gestoblen haben, zu beschiitzen, so werden schon die reaktio- ndren Bauern, die immer nur fiir die Pfaffen stimmten und niemals fiir die Staatsdekrete der Sozialdemokratie zu begeistern waren, sofort dabei sein, die grossen Herren 2u expropriiren. Die noch nicht ganz getédtete Tradition des urspriinglichen Dorfgemeinde - Commu- nismus wird es schon mit sich bringen, dass man die Walder, Felder und Weiden, die das Volk von den Grossgrundbe- sitzern zuriicknimmt, zu Gemeindewei- den, Gemeindewaldern und Gemeinde- feldern machen wird, die dann schon den grdssten Theil des Bodens in der Dorfgemeinde bilden werden. allgemein iiblichen primitiven Systems des Ackerbaues wird bald durch die gros- sen Maschinen erhébt, welche die Pro- duktionsgewerkschaften aufs Land schi- cken, und die von erfahrenen Arbeitem bedient und montirt werden. Die grossen Dampfpfliige und Ackerbaumaschinen, der stindige Kontast der Arbeiter mit den Bauern lassen nun auch bald die Grenzsteine des noch dbrigen Bodens all der vielen kleinen Bauerngiiter ver- schwinden. So kommt dann auch das Land noth- wendig und organisch zum Dorfge- meinde-Communismus, 2u dieser Orga- nisation, die wenigstens bis zum volligen Verschwinden des Unterschiedes von Stadt und Land, Bauer und Arbeiter — am besten entspricht den produzirenden Gewerkschaften der Arbeiter in den Stddten und den Industriebezirken. Schon Kingangs dieses Abschnittes wurde ausfiilrlich geschildert, wie durch den Zusammenbruch des kapitalistischen Gesellschaft Millionen von Arbeits- kriften frei wiirden, die sich von nun an niitzlichen und schaffenden Bethatigun- gen zuwenden kénnten. Wabrend sich ein Theil, wie schon oben erwihnt wurde, dem Herrichten von bequemen Wob- nungen fiir das ganze Volk widmen wiirde, wiirde sich der weitaus grosste Theil der Landwirthschaft und Ver- pflegung zuwenden, Man wird daran gehen, an die syste- matische und griindliche Ausniitzung der Ozeane und Meere 2u denken, an die Ausbeutung der unermesslichen Schiitze der zabllosen Lebewesen in deren Inne- rem und auf deren Grunde, an eine systematische Kultur der Meeresthier- welt. Bis jetzt sind alle Fortschritte der modernen Wissenschaft und Technike fast ausschlieselich nur der Industrie zu Gute gekommen, wibrend in den meisten Ldndern die Landwirthschaft jetzt noch meist nicht hoher steht, wie sie vor 4,000 Jahren war. Nun wiirden sich Tausende von Intelli- genzen diesem Gebiete zuwenden, die Industrie mit der Landwirthschaft kom- binizen und die neuesten Errungen- schaften der Wissenschaft und Chemie hier zur Anwendung bringen. Da kein anderes Interesse mehr bestehen wird, extensive, d. h. also oberflichliche Ranbwirthschaft zum Vortheil Weniger zu betreiben, wird man sich derinten- siven, d. h. eindringlichen Bewirthschaf- tung der Felder zawendeu. Keine Landereien werden mebr brach- liegen, um als Jagdgriinde fiir grosse Herren zu dienen. Keine Landerstriche wird man unfruchtbar lassen; man wird darangeben, durch Pulverisiren von Fel- sen kiinstliche Erde zu erzengen. Durch grossartige Bewasserungsanlagen, durch mit Maschinen geschaffene Bodenmelio- rationen und Drainage, durch sorgfaltige Gartenkultur und Gemiisewirthschaft, allgemeine und ausgedehute Verwendung von Warmehiinsern, Glasdichern, Kunst- diinger usw. kann die Ertragsfihigkeit des Bodens verzehnfacht, ja sogar ver- hundertfacht werden, wodurch die Er- nibrungsfrage, an der grosse Revolutio- nen gescheitertsind,aus derWelt geschafft und einWohlstand fiir alle gesichert wird. Die Feldarbeit, einige Stunden am Tage wihrend einiger Wochen im Jahre betrieben, erleichtert durch die Maschi- en, wird, weit entfernt, eine Plage zu sein, eine von allen Stsdtbewohnem ge- suchte frendige Erholung werden. In Kropotkin’s Werken ,,Landwirth- schaft, Industrie und Handwerk” und », Wohlstand fiir Alle”, auf die hier be- sonders verwiesen werden soll, wird diese Frage ausfiibrlich behandelt und durch bestimmte Angaben und Berichte bewiesen, dass selbst in solchen Landern, die gegenwartig einen grossen Theil ihres Bedarfs an landwirthschaftlichen Produkten vom Ausland beziehen miis- sen, Raum genug vorhanden ist, um bei intensiver Kultur die Bediirfnisse des ganzen Volkes reichlich zu befriedigen. Hiermit fallt auch die Befiirchtung, dass eventuell jenes Land, in dem das Prole- tariat siegte, durch den Abschuitt der Lebenszufubr vom Ausland ausgehungert werden kGnnte. Wir sahen nun, wie die Idee und Orga- nisation des Generalstreiks nicht nur zerstérende, negirende Kraft besitzt, sondern in sich selbst schon die Elemente der Neuorganisation der Gesellschaft tragt und deshalb schon den Namen einer Weltanschauung verdient. I. 1. Die Vorlaufer. Wie fiir jede grosse Idee, finden wir auch fiir die Idee des Generalstreiks Analogien in der Geschichte, unbewusste Vorausahnungen bei den gréssten Den- kern und Dichtern. So sehen wir schon im alten Rom, 494 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung, die ,,Secessio in montem sacrum,” den ,,Auszug auf den heiligen Berg’ der Plebejer, als sie die Gleichstellung mit den Patriziern verlangten. Dieser erste Generalstreik in der Geschichte, der Streik der Plebejer, war in seinen Folgen mit vollem Siege gekrént. Doch zuriick zur Gegenwart. Als einen der ersten, 2weifellos unbewussten Verkiinder des Generalstreiks kann man auch Mirabeau betrachten, als er 1789 in der National- versammlung den Privilegierten entge- gendonnerte: ,,Nehmt Euch in Acht! Bringt nicht in Zorn dieses Volk, das a . Alles erzeugt und das, ut Ruch Entsetzen j einzufldssen, nur die Arme zu kreuzen brauchte.”” Fiinfzig Jahre spiiter schrieb Max Stimer in seinem Buche ,,Der Kinzige und sein Rigenthum” die Worte: ,,Die Arbeiter haben die ungeheuerste Macht in den Handen, und wenn sie ihrer ein- mal recht inne wiirden und sie gebrauch- ten, so widerstinde ihnen nichts; sie dirften nur die Arbeit einstellen und das Gearbeitete als das Ihrige ansehen und geniessen. Dies ist der Sinn der hier und da auftauchenden Arbeiterunruhen.”” Jene allgemein bekannte Strophe von Georg Herwegh : Mann der Arbeit, aufgewacht Und erkenne Deine Macht! Alle Rader stehen still, ‘Wenn Dein starker Arm es will! kGénnte sie nicht als Schlagwort dienen fir die Idee des Generalstreiks? Der grosse englische Dichter William Morris erzdhlt in seinem herrlichen Zu- kunftstraum einer gliicklichen und freien Gesellschaft, seinem ‘“ News from No- where” (,,Kunde von Nirgendheim’’), wie die alte Gesellschaft durch die Er- schitterungen, in die einige nach einan- der folgende revolutionare Generalstreiks sie versetzen, zusammenstirzte und der neu entstelenden, freien Gesellschaft Platz machen musste, 2. Die Geschichte der Idee. Schon auf dem Congress der Inter- nationale in Genf im Jahre 1866 wurde der Gedanke ausgesprochen, dass Theil- streiks niemals dauernde Erfolge herbei- fOhren kénnen, wesshalb es nothwendig wiire, grosse internationale Streiks zu or- ganisiren, welche die Internationale leiten wiirde, Hauptsichlich wurde jedoch diese Idee als Mittel erwogen, den Krieg au verhindern — um im Falle des Aus- bruches eines Krieges den Dienst zu vet weigern —, also als Militirstreik und Einstellung der Produktion der far die Kriegfiihrung nothwendigen Erzeugnisse. Diese Idee wurde von dem Franzosen Charles Longuet und dem Belgier Caesar de Paepe vorgelegt und thatsdchlich auf dem darauf folgenden Kongresse det Internationale im Jahre 1868 angenom. men. Spiiter vertheidigte diese Auffas- sung des Generalstreiks, eigentlich die Kompletirang des allgemeinen Streiks durch den Militarstreik, der holldndische Delegirte Domela Nieuwenhuis, Auf allen ,,internationalen Arbeiter- Kongressen”, die seit dem Kongress vou Paris 1889 abgehalten wurden, also in Briissel 1801, Ziirich 1893, London 1896, Paris 1900 und Amsterdam 1904, wurde die Idee des Generalstreiks als Waffe zur Emanzipation des Proletariats von ver- schiedenen revolutiondren Parteien, friher von den Holldndern durch Domela Nieuwenhuis und jedesmal von Fren- zosen, und zwar von den Allemanisten durch Allemane und Aristide Briend. einem Jaurésisten, vorgeschlagen, aber immer von den deutschen Sozialdemo- kraten und deren Nachliufern — also den Lindern, in denen die Arbeiter- bewegung noch ganz unbedeutend ist: verworten, Eine gréssere Debatte war schon auf dem Kongress von Britssel im Jahre 1891. Es handelte sich um eine Resolutiou gegen den Krieg. Nieuwenhuis legte dem Kongress, unterstiitzt von den Hol- landern, Englindern und Franzosen, eine Resolution vor, die zum Schlusse die Erklarung enthielt, dass ,,die Sozialisten aller Linder eine etwaige Kriegserkli- rung beantworten werden mit einem Aufruf an das Volk zu allgemeiner At- beitseinstellung.”” Leidenschaftlich aufgeregt wandte sich 22 Liebknecht dagegen. worauf auch seine tein theoretische Deklamation gegen die . Barbarei des Krieges"’ — gegen die Stimmen der Englander, Franzosen und Hollander angenommen wurde In allen spdteren Kongressen begniigte mau sich damit, die langen Reden der franzdsischen Anhinger des General- streiks mit einigen , geistreichen” Re- densarten 4 la Auer vom ,,Generalblod- sin.” abzufertigen. Erst auf dem Kon. gress in Amsterdam 1904 konnten die deutschen Sozialdemokraten einer Gene- ralstreiks-Debatte nicht mehr entgehen, als schon in den eigenen Reihen (Dr. Friedeberg) Stimmen fir die Idee laut wurden. Die Resolution, die schliess- lich angenommen wurde. ein beredtes Zeugniss fiir die klagliche Zweidentig. keit der sozialdemokratischen Fiihrer, die jede direkte Aktion des Volkes ge- radezu firchten, erklarte sich gegen die Idee des sozialen Generalstreiks zur voll- standigen Emanzipation des Proletariats und nur im dussersten Falle fiir even- tuelle politische Massenstreiks zur Er- zielung politischer Rechte. In Frankreich wurde das erste Mal diese Idee auf dem Kongress der nationalen Féderation der Gewerkschaften und kor- porativen Gruppen in Bordeaux 1883 vorgelegt. Angenommen wurde sie von der ungeheuren Majoritat der Gewerk- schaftskongresse Frankreichs auf den Kongressen in Marseille 1892, Paris 1893, Nantes 1894 Limoges 1895, Tours 1896 Toulouse 1897, Rennes 1898, Paris 1900. Lyon 1901, Montpellier 1902 und Bourges 1904, Auf politischen sozialistischen Kon- gressen wurde in Frankreich die Idee behandelt in Bordeaux 1888, Tours 1491, Saint Quintin 1892, Dijon 1894, Paris 1896, Paris 1897 und angenommen in Paris auf dem Kongress im Gymnasium Japy 1899. Die Allemanisten (P. 0. S. R.) haben 23 immer den Generalstreik propagirt, die Guesdisten (P. O. F.) waren immer da- gegen, ein Theil der Jaurésisten mit Brand an der Spitze) ist dafiir, ebenso die Blanquisten (P.S.R.). Auf dem Kon- gress von Lille 1904 der Blanquisten und Guesdisten wurde die Idee des General- streiks als das Ziel der Gewerkschaften und Mittel zur Befreiung des Proletariats verbreitet. In Deutschland erschienen die ersten Artikel, welche sich mit der Idee des Generalstreiks befassten, in der anarchi- stischen Presse der 1890-r Jalire (,,So- zialist’’ und “Neues Leben"), Hine regelrechte Generalstreiks - Propaganda begann jedoch erst in den Jahren 1902 und 1903 und zwar ebenfalls durch Publika- tionen in den anarchistischen Blattern, wie auch durch eine von London aus verbreitete Broschire. Die sozialdemo- kratische Parteisuchte diese Propaganda, theils durch Verdachtigungen, theils durch die bekannte Todtschweige-Taktik zu ersticken. Doch als seit 1903 Dr. Friedeberg die Idee in die eigencn Reihen trug, und zahlreich ‘besuchte Gewerkschafts - Versammlungen seinen Ausfabrongen beistimmten, musste doch ernstlich dariiber diskutirt werden, und man versuchte es nun endlich, in ,,wissen- schaftlicher” Weise diese Idee in Ar- tikein und Abhandlungen in der ‘Neuen Zeit” und den_,,Sozialistischen Monats- heften’’ zu widerlegen, indem man dort die grossten Lichter sozialdemokratischcr Wissenschaft sich dagegen aussprechen lies. Trotzdem ist seit Ende 1903 und Anfang 1904 der Generalstreik auf der Tagesordung aller Diskussionen und in allen Zeitungen zu finden, Broschiiren und Zeitungen in allen Sprachen schiessen nur so aus dem Boden, die den einzigen Zweck haben, die Idee des Generalstreiks zu verbreiten, zu erlautern und seine Unbesiegbarkeit darzulegen. Hunderte von Liedern in den verschie- denen romanischen Sprachen, die den Generalstreik als die kommende Befrei- ung feiern, gehen von Mund zu Mund, nene Begeisterung und Siegeszuversicht cinfléssend. 3- Die Generalstreiks der letzten Jahre. Wie jede grosse Idee hat auch der Generalstreik seine Bluttaufe, ja mehrere Bluttaufen iiberstanden, hat auch schon seine ersten Kampfe und Scharmitzel gebabt, deren er sich gar nicht zu echii- men braucht. Der erste in der Neuzeit durchgefiihrte Generalstreik erfolgte in Alcoy (Provinz Alicante, Spanien) am 8. Juli 1873 unter Leitung des spanischen Ausschusses der » Internationale.” Sein Ziel war nicht irgend eine LohnerhGhung, sondern die ,,soziale Liquidation” (Abrechnung), die Herstellung der freien Gesellschaft, vor- ldufig in dieser unabhiingigen Commune. Der Minoritat der der ,,Internationale” angehérenden Arbeiter (3000 Mann) ge- lang es mit Leichtigkeit, alle. Arbeiter, iiber 10,000, zum Streik zu bringen und so die allgemeine Arbeitsruhe hervorzu- rufen. Bei dem darauf folgenden Kampfe mit der Gendarmerie und der bewaffneten Burgeoisie siegten die Arbeiter, bemiich- tigten sich der Stadt und brannten das Archiv und Civilregister mit den Kigen- thumstiteln nieder. Die Durchfahrung der ,,Liquidation” wurde jedoch durch die Truppen, die von der Regierung in die Stadt geschickt wurden und sie wie- der eroberten, verhindert. Als sich die amerikanischen Arbeiter im Jahre 1886 dazu vorbereiteten, den Acht-Stundentag zu erobern, da dachten sie nicht an den Umweg des Parlamenta- rismus, sondern beschlossen, ihn direkt durch den Generalstreik, der in den gan. zen Vereinigten Staaten am 1. Mai aus- brechen sollte, den Kapitalisten zu ent- reissen. ~ 260,000 Mann in den ganzen Vereinig- ten Staaten, davon 40,000 Mann in Chicago selbst, legten auch am 1, Mai die Arbeit nieder. Als aber nach dem brutalen meuchel- mérderischen Ueberfall der Chicagoer Polizisten gegen einen ruhigen Arbeiter- zug am 4, Mai und nachher gegen eine Versammlung die Arbeiter in der Noth- wehr auf die Revolverschiisse mit einem Bombenwurf antworteten, war dies das Signal zur Verhaftung aller Redner und Propagandisten des Generalstreiks, die nach einer erbarmlichen Justizkomédie von den amerikanischen Justizmérdern dem Galgen fiberliefert wurden. So biissten die Chicagoer Mirtyrer Parsons, Spiess und Genossen die Propagirung der Jdee des Generalstreiks mit dem Tode am Galgen. Die Burgeoisie ahnte sofort die furchtbare Bedeutung des General- streiks und schreckte vor keinen Repres- salien zuriick. ° Und was ist denn nun die internatio- nale Demonstration des 1. Mai? Sie ist die Tochter des grossen Generalstreiks in Amerika, der am 1. Mai 1886 ausbrach, um den Acht-Stundentag zu erringen. Mit Hinweis und in Anlehnung darauf wurde auf dem internationalen Soziali sten-Kongress in Paris 1889 mit Begei- sterung der Antrag angenommen, am 1. Maiin allen Landern die Arbeit ‘ruhen zu lassen, um fiir den Acht-Stundentag zn demionstriren. War dieser Beschluss nicht eine Symbolisirung des General- streiks? War es nicht unter dem Rufe und nur mit Hiilfe des Generalstreiks, dass sich die belgischen Arbeiter im Jahre 1893, wenn auch nur ein beschrinktes, allge- meines Wahlrecht eroberten? Als es sich 1897 in Oesterreich darum handelte, das Wahlrecht zu erobern, schrieen und sangen da nicht die Arbeiter in allen Versammlungen und auf allen Strassen, dass sie es machen wollten ,,wie in Belgien"? Im Februar 1902 erhob sich das Prole- tariat von Barcelona unter dem Rufe des nd konnte eine Woche ir und der Gendarmerie standhalten, Pablo Iglesias, der Fuhrer der spanischen Sozialdemokratie, forderte aber iiberall seine allerdings nicht zabl- reichen Anhinger zum Streikbruch und zur Denunziation der Anhiinger des Ge- neralstreiks auf. In manchen Bezirken gingen die Sozialdemokraten gar soweit, wibrend des Generalstreiks Deputationen drden zu entsenden, um ihnen jt kundzugeben und ihnen zu versichern, dass sie als Anhiinger der Gesetzlichkeit an den ,,Unruhen” durch- aus nicht theilnehmen warden. ‘Auf die heftigen Angriffe, die in der ganzen sozialistischen Presse des Auslan- des gegen Iglesias wegen dieses Beneh- mens gerichtet wurden, antwortete er prablend in einem Rundschreiben, dass der Generalstreik gewiss gesiegt hitte, wenn auch die Sozialdemokraten daran theilgenommen hitten ; doch hielt er sie davon zuriick, ,,weil das Volk vorliufig noch nicht reif sei fiir Emanzipation.” Die Barcelonaer Genossen unterlagen schliesslich, aber gaben trotzdem den Beweis der Unbesiegbarkeit des General- streiks. Da Barcelona nur allein streikte, konnten von ganz Spanien die Truppen nach Barcelona geschickt werden, weil es in den anderen Theilen des Landes ruhig war. Trotzdem warde schon die Kinbernfung der Reserven berathen, und alle Blitter Barcelona allein. schrieben schon von der Demission des Ministeriums. Und dieses alles wegen Hatte der General- streik besiegt werden kénnen, wenn er gleichzeitig in ganz Spanien stattgefun- den hatte? Im April desselben Jahres legten wieder in Belgien 350,000 Proletarier die Arbeit nieder, um unter dem Rufe des General- streiks far ein vollstindiges, allgemeines Wahilrecht zu kimpfen. Der Kampf, der so vielverbeissend begann, ging vetloren, aber nur Dank dem Verrathe der sozial- demokratischen Fiihrer. Das Organ der Parteileitung ,,Le Peuple” verabfolgte an seine Abonnenten Sechs-Francs-Re- volver als Primie, und zwar, wie es aus- driicklich in den Annoncen des Blattes hiess: ,,Fiir den Generalstreik.” AIS aber die Sache gefihrlich zu werden drohte, als es Verwundete und Todte gab, da bljessen die Fiihrer Vandervelde, Anseele usw. sofort zum Abzug, weil sie eben fiirchteten, verantwortlich gemacht zu werden, wenn etwas Ernstliches vor- fiele, weil sie die Freundschaft der Libe- ralen, die die Beendigung des General- streiks verlangten und von deren Ab- stimmung ziemlich viele sozialdemokra- tische Mandate abhingen, nicht verlieren wollten. Dieselben Leute, welche die »Priimien-Revolver” vertheilten, welche erklarten, sie wollten bis ans Ende gehen und, wenn alle gesetzlichen Mittel er- schépft seien, weiter gehen, komme, was da wolle, — dieselben Leute nannten dann Jene, welche ihre Worte ernst nah- men und sich der Revolver bedienten, »,Lumpengesindel und Agents provoca- teus’? und gaben sogar Arbeitern den Rath, sie zu arretiren — ja Vandervelde erklarte sogar in einer Volksversamm- lung: ,,Wir Sozialisten miissen das Gebot : ,Du sollet nicht tédten |’ beherzi- gen.” Zum mindesten kann es sonderbar erscheinen, dase diese Herren Denen zu- riefen: ,,Du sollst nicht tédten,” auf die geschossen wurde, und #0 Denen in den Riicken fielen, die sich vertheidigten. In demselben Jahre (1902) fand der Generalstreik in Genf statt, der als Soli- daritatsstreik fir die streikenden Tram- wayangestellten erklart wurde. Die Anarchisten hatten die Leitung des Streiks in der Hand. Es kam auch hier zu Zusammenstéssen mit der Miliz, die vom sozialistischen Minister Thiebaut, der gerade damals in Abwesenheit des Kriegsministers sein Portefeuille inne- hielt gegen die Streikenden aufgeboten wurde. Nach der Beendigung des Streiks wurden einige Genossen, die den Streik leiteten, zu Gefingnissstrafen verurtheilt, darunter Bertoni zu einem Jahre. Im Monat Mai 1902 siegten die Arbeiter in Schweden, als sie mit dem General- streik ihre Forderung des allgemeinen Wahlrechtes unterstiitzten. Auch Holland stand in der ersten Hilfte des Jahres giinzlich im Zeichen des Gene- ralstreiks. Als im Januar dieses Jahres die Hafenarbeiter von Amsterdam in den Streik traten, stellten bald darauf simmt- liche Eisenbalner zur Unterstiitzung der Forderungen ihrer Briider die Arbeit ein. Ein glinzender Sieg, die Bewilligung simmtlicher Forderungen der Arbeiter, war das Resultat dieses solitarischen Vorgehens. Durch diesen Erfolg er- schreckt, brachte die Regierung im Par- lament ein schurkisches Ausnahmegesetz gegen die Eisenbalner ein, wonach das blosse Streiken mit sechs Monaten, das “Aufhetzen” mit vier Jahren Gefiingniss bestraft werden sollte. Dass sich die Arbeiter so etwas nicht ganz ruhig ge- fallen lassen wollten, versteht sich von selbst, und nach kurzer Berathung be- schlossen simmtliche Gewerkschaften des Landes, den Generalstreik zu pro- klamiren. Die Sozialdemokraten hielten Anfangs mit (um wenigstens) den Schein der Arbeiterfreundlichkeit zu wabren; ihr Fithrer Troelstrit sagte spiiter auf dem sozialdemokratischen Partei - Kongress wortlich: Unser Bestand als Arbeiter- partei stand auf dem Spiele”,) — als aber der Streik herannahte, da warnte ,,Het Volk” vor dem ,,anarchistischen Aben- teuer."" — Am Tage endlich, an dem der Kampf auf der ganzen Linie entbrennen sollte, sculug das Verhalten der Sozial- demokraten in offenen Verrath um; es wurden Proklamationen angeschlagen, dass der Generalstreik aufgehoben sei, xefiilschte Berichte mit ungiinstigen Nachrichten aus dem Innern des Landes verbreitet und so grosse Verwirrung unter den Arbeitern hervorgerufen. Es wurde dadurch thatsichlich bewirkt, dass der Streik nicht allgemein wurde und somit unterliegen musste. Die Absicht, welche die Sozialdemokraten bei ihrem schmih- lichen Verhalten leitete, war ganz klar, nimlich durch das Misslingen dieses Generalstreiks den Arbeitern zu ,,be- weisen,” dieses Mittel sei nichts werth, und das Heil liege im Parlamentarismus, im Wahlen von Abgeordneten. Sie gaben das auch ganz offen und cynisch in einem Artikel in der ,,Neuen Zeit” zu, indem sie zunichst die Schuld am Scheitern des Streiks den Anarchisten in die Schuhe schoben und weiter erklirten, die Nieder- lage, habe auch ihre gute Seite gehabt, sie habe den Glauben an den General- streik erschittert (1) und das Auselen der ,,anarchistischen Krakebler”” unter- graben. Der alte Nieuwenhuis, der Vater der Arbeiterbewegung in Holland ein »Krakebler I"? Es ist dies Alles jibrigens nicht 2u ver- wundern, weil ja Diejenigen, denen die Arbeiterbewegung nichts anderes ist, als ein Mittel, durch die Politik Reichthum, 6 Ruhm und Macht zu erwerben, — auf die am besten der Ausdruck ,,Soziale Para- siten passt — immer gegen Jede revolu- tionare Regung waren, durch welche ibre Stellung in der biirgerlichen Gesellschaft bedrohtt oder vielleicht sogar sie persén- lich gefahrdet werden kénnten. Im October 1903 erregte wieder der szvolutioniire Generalstreik von Bilbao ungeheures Aufsehen. 25,000 Bergleute streikten, um die Abschaffung des Truck- systems und sanitire Verbesserungen in den Bergwerken herbeizufiihren. Als der Streik nach zwei Wochen immer noch aussichtslos blieb und die Bergleute nun aus den Wohnhausern, die auch den Bergwerkbesitzern gehdrten, vertrieben werden sollten schlossen sich aus Solida- ritat dem Streik noch 65,000 Arbeiter anderer Bernfe an, und nun wurde der Generalstreik wirklich revolutionar. Die Arbeiter nahmen die Lebensmittel aus den Magazinen und zerstérten die Eisen- bahnlinien mit Dynamit und Schiess- baumwolle. Auch die Gruben selbst wurden angegriffen und schwer be- schidigt, Alssich am dritten Tage noch mehrere andere Stidte dem Streik an- achlossen und nun die Bergleute anfingen, ernstlich die Gruben zu zerstéren, gaben die Uniernehmer erschrocken nach und bewilligten alle Forderungen. Der Streik hatte einen doppelten Werth, weil Bilbao die einzige Stadt Spaniens war, in der die Sozialdemokraten einen starken Ein- fluss hatten und wo sie bis dahin ver- sicherten, dass das Trucksystem nur durch Parlamentbeschluss abgeschafft werden kénne, und deshalb recht viele sozisl- demokratische Abgeordnete erwihlt wer- den miissten, die dann schon Alles be- sorgen wiirden. Im April 1904: Generalstreik der Bisen- babner in Ungarn, der durch die Plétz- lichkeit seines Ausbruches geradezu die 7 ganze Welt verbliffte. Ohne jede Organi- sation gelang es 50,000 Hisenbabner gleichzeitig zur Hinstellung der Arbeit zu bewegen. Piinktlich 12 Ubr Nachts Dlieben alle Ziige auf freier Strecke stehen; alle Stationschefs, von denen eine grosse Zah! Reserveoffiziere waren, nahmen an dem Streik einmiithig theil. Die Regierung half sich nur dadurch, dass sie die Reservisten unter den Strei- kenden, 11,000 an der Zabl, einberief und sie nun als Soldaten zwang, den Dienst zu versehen. Dadurch offenbart sich auf’s Neue, dass die Propaganda des General- streiks durch antimilitarische Propaganda vervolistindigt werden muss. Im September 1904: Generalstreik in Italien. Binnen zwei Tagen brach dain etwa 100 Stidten des ganzen Landes gleichzeitig der Generalstreik aus, um gegen das Eingreifen der Armee in Lohn- kampfen und Erschiessungen streikender, Arbeiter zu protestiren. Wieder ohne Organisation, gegen den Willen der sozial- demokratischen Fibrer, begann zuerst von den Anarchisten propagirt und ge- leitet, der Generalstreik in Mailand, dem sich dann alle grosseren Stidte und Indu- strieorte auf die blosse Nachricht mit einmiithiger Begeisterung anschlossen. Alles, was man erreichen wollte, wurde erreicht, denn Ministerprasident Giolitti liess schon nach dem dritten oder vierten Tage durch alle Telegraphenbureaus und alle Zeitungen, sowie im Parlament feier. lich verkfinden, dass von nun an den Truppen das Benutzen der Feuerwaffe gegen streikende Arbeiter, wie in Lobn- kampfen und Strassenunruhen iiberhaupt flr immer verboten sei, Alle die Generalstreiks waren eigentlich nur Scharmitzel, aber. auch eine Vor- schule fiir den endgiiltigen groseen Generalstreik der Zukunft, wie ja 300 kleinere Bauernrevolten ( Jacquerieen) der endlich siegreichen ,,grossen"’ franz6- sischen Revolution vorangingen. So sehen wir, wie das Proletariat iiber- all, instioktiv, von unten auf, oft gegen den Willen der ,,Fiihrer’’ diese einzige wirksame Waffe ergreift, wenn auch vor- ldufig hiufig nur noch zur Erkdmpfung politischer Rechte. Doch bald wird das Proletariat erkennen, welch unndthiger Umweg dies ist, da cs doch ohne Ver- mittelung seiner politischen Fiihrer Alles erreichen kann. Iv. Schlussbet rachtungen. Bis jetzt wurde die Idee des General- streiks behandelt 1. als Kampfmittel, 2. als echépfende Macht sur Neuorgani- sation, 3. in ihrer Geschichte. Nun noch einige Worte iiber die Phi- losophie des Generalstreiks. Jawobl Philosophie: Der Generalstreik hat ebenso gut seine Philosophie wie der Marximus und die Sozialdemokratie. Doch ist die Philosophie des General- streiks, d.h. das logische System, auf das diese Idee sich aufbaut, vie) einfacher, viel weniger komplizirt und verwickelt als jene und jedem gesunden Menschen- verstand zuginglich. Die marxistische Lehre beruht auf der deduktiven Logik und besonders auf der dialektischen Methode. Die deduktive Logik, die von einzelnen Grundprinzipien auf alles Uebrige schliesst, die, von einem Prinzip ausgehend, dieses auf alle Ge- biete auszudehnen sucht, ist zwar die Methode der Dichter und der schépfe- rischen Phantasie, aber sie war und blieb auch immer die Logik der Autokratie und der Theologie. Die moderne Wissen- schaft ist induktiv; von der Summe der einzelnen Erscheinungen schliesst sie auf das Prinzip; aus den Erfahrungen und Ergebnissen der Praxis erbaut sie die Theorei. Die marxistische Dialektik ist eine Art deduktiver Logik, aber durch ihre , geist- reichen” Hin- und Herspriinge und Drehereien ist sie der Wirklichkeit ent- riickt. So ist fiir das dislektische System charakteristisch die Lehre von der ,Ver- elendungstheorie,” die erst aus der voll- stindigen Verelendung (nach dem da- durch nothwendig ‘‘von selbst’’ kommen- den ,,Kladeradatsch”) den allgemeinen Wohlstand hervorgehen lisst. Um den bestehendn Staat zu zerstGren, ist es nach den maxinistischen Theoretikern noth- wendig, zuerst die Staatsmacht zu er- obern. Man bekimpft den bestehenden Stast, schwarmt aber fiir Staatamonopole in denen die Arbeiter noch mehr ausge- beutet und unterdriickt werden, als in Privatbetrieben. So entspricht sogar der Kampf der Marxinisten, die Form ihrer Politik, ganz dem deduktiv-dialektischen System ihrer Theorie. Die ‘‘Vergesell. schuftlichung der Produktionsmittel’’ soll nicht vom Volke ausgehen und vom Volke durchgetiihrt werden — nein, die Staatsmacht soll zuerst erobert, in deren Hianden soll sie konzentrirt und nachher von oben herab auf das ganze Volk der Woblstand wie himmlisches Manna aus- gestreut werden. Schliesslich war auch die Grundidee aller politischen Revolutio- nen deductiv,— die Macht sollte von einzelnen Individuen ergriffen werden, damit diese erst von oben herab dem Volke die ersehnte Freiheit geben. Die Idee des Generalstreike in ihrem negativen wie auch positiven Theil ist dagegen durchweg induktiv, baut sich durchweg nur auf der Logik der moder- nen Wissenschaft auf und entspricht so auch als Resultat den Resultaten der modernen Wissenschaft. Der General- streik macht keine dialektischen Um- wege, keine Hin- und Herspriinge, er fObrt organisch direkt und ohue Umwege und Vermittler zum Ziel. Deshalb heiset auch diese Kampfart, im Gegensatz zur politischen, die iiber den Umweg der » Broberung der politischen Macht” ane Ziel gelangen will, die direkte Aktion des Proletariats. Was wir gesehen haben, ist der Generalstreik die nothwendige Folge der vielen kleinen Streiks. Er wird des Resultat sein des immer stirker er- wachsenden Soli itegeftihls des Pro- letariats und folglich dessen stirkster Ausdruck. Die Organisation der Gewerk- schaften und die Vorbereitung des Ge- neralstreiks tragt in sich selber schon die ioneren Elemente der zukinftigen Neu- organisation ohue die Umwege der Er- oberung der politischen Macht, So enthalt der Generalstreik in sich auch die Forderung der direkten Besitz— ergreifung der Produktionsmittel durch die Gewerkschaften, eine volksthiimliche Lehre, die vom Volke geschaffen, vom Volke ausging, wihrend die Lehre voa der “Hroberung der Macht’ eben von denen ausging, die selbst die Macht er- obern wollten, die persénlich nach der Diktatur strebten, die sie ja allerdings in der alten Internationale schrankenlos aus- dibten. Wir sehen, wie sich von unten auf, aus dem taglichen Kampf der Ge- werkschaften, aus den schon vorhandenen Organisationen, also ebenfalls auf induk— tivem Wege auch des ganze System der Neuorganisstion der Gesellschaft ent- wickelte. So spricht fiir die Theorie des Generalstreiks die modernste und einzig wissenschaftliche Methode der Forschung und Untersuchung : die induktive Logik. Jeder neue politische Zustand entsprach einer neucn Gkonomischen Phase. So entspricht die absolute Monarchie dem Skonomischen Feudalismus und der Leib- eigencchaft, und der Parlamentarismus dem Kapitalismus und der Lohnaklaverei. Riner freien Gesellschaft ohne Klassen— herrschaft und Ausbeutung, einer Gesell- schaft der freien Vereinigung und freier Korporation entspricht die Herrachafts- losigkeit — die Anarchie. Bekannt ist die Stelle aus dem Buche Friedrich Engel's: ,,Ursprung der Fami- lie, des Privateigenthums und des States”, in der er sagt : ,,Sie (die Klas- sen) werden fallen, ebenso unvermeidlich der Staat. Die Gesellschaft, die die Pro- duktion auf Grundlage freier und gleicher Assoziation der Produzenten organisirt, versetat die ganze Staatsmaschine dabin, wohin sie dann gehdren wird: in's Mu- seum der Alterthiimer, feben das Spinn- rad und die bronzene Axt”. — Dieser Zustand, der Sozialismus ohne Staat, ist der communistische Anarchismus Ebenso ergiebt sich auch die Form einer jeden Revolution aus den bestehenden Gkonomischen Bedingungen. Ee bestehen nicht mehr diese dkono- mischen Verhilltnisse, die die jakobini- ache Form der Revolution bedingten ; auch ist durchaus nicht zuerkennen, dass, als Resultat der Skonomischen Gegen- siitze, der Parlamenterismuses sein kann, das dem Kapitalismus den Todesstoss versetzen wird. Dagegen ist diese Form der Revolution, diz ganz den dkonomi- schen Verhiltnissen der Gegenwart ent- apricht, diedas logische Resultat der dko- nomischen Gegensiitze und sozialen Ent- wickelung ist, nichts Anderes als der Generaletreik. Die Idee des Generalstreiks ist der beste Reflex der Zuspitzung der Skonomischen Gegensdtze und nur der modernste, klarste, endlich unverschleierte Ausdruck der Empérang des Proletariats. DerGeneralstreik wird die Spitze, des Resultat werden der fortwihrend hiufige- ren und umpfangreicheren Streiks, und eo ist er nur das Produkt der groseen In- dustrie selbst ; er ist die Waffe, die der Kapitalismus gegen sich selbst geschmie- det hat und die ihmeinen sicheren Tod bringen wird. Selbst nach dem schénsten Siege im Lohustreik bleibt der Arbeiter immer ein Lobnsklave. Der moderne Arbeiter ist war nicht mehr der Sklave eines Kapi- talisten, aber er bleibt sein Leben lang der Sklave der gauzen Kapitalistenklasse, aus deren Handen er sich in der gegen- wirtigen Gesellschaft niemals befreien kann. Bin viel weiteres Ziel stellen eich nun die Gewerkschaften, wenn sie sich nicht mebr damit beg@iigen, den Druck des Kapitalismus zu mildern, sondern ihre Organisation u. Kampfesmittel zur Besei- tigung jeden Druckes verwenden wollen, wenn sie auf ihre Fahne die vollstiindige Emanzipation des Proletariats aus der Lohusklaverei schreiben. Die Gewerk- schaften haben aber auch die Aufgabe, in der Zukunft die Produktion zu iiberneh- men. und so sind sie dazu bestimmt, nicht our das Erzichungs- und Kampf- element der sozialen Zukunft zu werden, sondern auch das Embryo der Produktion und Neuorganisation nach Beseitigung des Kepitalismus. Dieses stolze, kiihne Ziel miste rwei- fellos Tausende neuer und begeisterter Kampfer den Gewerkschaften zufilhren. Die Idee des Generalstreiks, von den Proletariermassen aufgenommen, ist — wie Jaures selbst zugeben musete — allein schon an und fiir sich eine Macht, weil sie eine bestiindige furchtbare Drohung ist. Schon das blosse Gespenst des dro- henden Genalstreiks kénnte die zur Zeit herrechenden Klassen vor dem allzu straf- fen Spaunen der Ziigel zuriickschrecken lassen. Jetzt aber existirt diese Drohung nicht, bis jetzt hat das deutsche Prole- tariat ausser dem Stimmzettel keinerlei Waffen, und deshalb kénnen die herr- schenden Klassen thun, wie sie wollen, ohne irgend einen Widerstand zu be- firchten. Der Mangel eines Ziels, eine bestimmte Erklirang auf die ewig dunkle Frage : wie? — wie kann in absehbarer Zeit die Herrschaft der Junker, Barone unk Kapi- talmagnaten gestiirzt werden? Diese ewig unbeantwortete Frage ist es, die in dem Glauben und der Ueberzengung der Ge- nossen zehrt wie tédtliche Schwindsucht. Durch die Idee des Generalstreiks setzt man aber endlich an Stelle der schwair- menden Sehnsiichtelei nach der “ Mutter der Freiheit, Revolution,” an Stelle furchtloser Deklamationen fiber eine Um- walzung in ferner Zukunft, an die man selbst kaum zu glauben wagt, die uns schon wie ein verschwommenes Ideal er- scheint und erst dereinst nach langer Zeit “iiber die Berge wiederkebren soll” in wirksames und sicheres Mittel, die kapitalistische Gesellschaft zu beseitigen und Wohletand und Freiheit fiir Alle ein- zufibren. Ausserdem macht aber der General- streik auch all die echurkischen Plaine der Verrither und der nach der Diktatur strebenden Politiker unméglich, zerstért ein fiir alle Mal jede Macht, statt sie wie- der neuen Tyrannen glaubensselig anzu- vertrauen, fiihrt von unten auf die Ex- propriation und Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel durch und macht 80 jede Reaction, Gegenrevolution oder Staatestreich ein fiir alle Mal unméglich. Der soziale Generalstreik ist somit die endgiiltige Emanzipation des Proletariats. = Abonnirt auf die »Freiheit™ Anarchistisches Wochenblatt; propagirt kommunistischen Anarchismus, Atheismus, Generalstreik und direkte Aktion, 3 ot tb ot Jahres-Abonnement, $2.00 Strikte Vorausbezahlung a P.O. Box 1719, | NEW YORK CITY

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