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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 16.1.2003 19. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

No War on Iraq!
NEIN zum Krieg
gegen den Irak!
Aufruf der Friedensbwegung zum
15. Februar 2003:
Europaweiter Aktionstag gegen
den Krieg am 15. Februar

Die US-Regierung hält an ihren Plä-


nen für einen groß angelegten An-
griffskrieg gegen den Irak fest. Die
Bundesregierung hat versprochen, sich
nicht an diesem Krieg zu beteiligen.
Die aktuellen Erklärungen und Hand-
lungen lassen hingegen Zweifel daran
aufkommen.
Wir sagen NEIN zu diesem Krieg!
Ein neuer Golfkrieg bringt der iraki-
schen Bevölkerung, die unter dem Em-
bargo bittere Not und Hunger leidet
und durch das diktatorische Regime
Saddam Husseins unterdrückt wird, Magdeburg: Naziaufmarsch am 18.1. verhindern!
noch mehr Elend, weitere Tausende
Tote und die Zerstörung von Städten
und Infrastruktur. Wir erklären uns so- Nein zum Krieg heißt auch
lidarisch mit den Menschen im Irak in
ihrem Widerstand gegen Krieg und
Diktatur.
Nein zum Faschismus!
Der Krieg bedeutet einen weiteren Seit 5 Jahren finden jährlich ten Aufmärschen (z.B. Wunsiedel, Halbe,
Schritt zur Globalisierung der militäri- zum Gedenktag der Bombar- etc.), auf welchen sie den deutschen Sol-
schen Gewalt und verschärft den per- dierung Magdeburgs Neonazi- daten des 1. und 2. Weltkrieges geden-
manenten Kriegszustand auf unserem veranstaltungen statt. Auch dieses ken, sie zu Helden stilisieren und Parolen
Planeten. Er stellt einen weiteren An- Jahr planen die Neonazis unter dem wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS!“
griff der US-Regierung auf das Völ- Deckmantel einer sog. „Initiative ge- propagieren.
kerrecht dar und besiegelt die neue ag- gen das Vergessen“ einen Aufmarsch Überall auf der Welt formieren sich
gressive US-Strategie des „Präventiv- am 18.1.2003 durch Magdeburg. zur Zeit Bündnisse gegen den Krieg, die
krieges“. zeigen wollen, dass die Mehrheit der
Ganz offensichtlich geht es den Re- Der Aufmarsch steht unter dem Motto Weltbevölkerung gegen die Kriegseinsät-
gierungen der USA und Großbritan- „Alliierter Bombenterror gegen deutsche ze ist. Auch wir wollen an diesem Tag
niens dabei nicht um Menschenrechte Städte“, wobei die Neonazis wieder ein- zeigen, dass es auch in Magdeburg und
und Demokratie, nicht primär um den mal versuchen von der Kriegsschuld anderswo viele Menschen gibt, die gegen
Kampf gegen den internationalen Ter- Deutschlands abzulenken. Bei diesen diesen Angriffskrieg Widerstand leisten.
rorismus oder um angebliche irakische Aufmärschen versuchen sie Anknüp- Wir finden es wichtig, dass es an diesem
Massenvernichtungswaffen, sondern fungspunkte zu der sich gerade neu for- Tag zwei klare Signale von uns gibt.
um politische und wirtschaftliche mierenden Friedensbewegung zu finden. ● Erstens: ein klares Nein zum Mili-
Interessen in einer der ölreichsten Re- So wurde zum Beispiel bei einem Auf- täreinsatz im Irak und
gionen der Erde. marsch in Magdeburg im Jahr 2002 mit ● Zweitens: ein klares Nein zu den
Fortsetzung auf Seite 3 Transparenten auf die US-amerikanische Bestrebungen der Neonazis, in der Frie-
Kriegspolitik hingewiesen und so wird densbewegung Fuß zu fassen.
auch die Befreiung vom Nationalsozia- Aus dem Aufruf von:
lismus in Deutschland als aggressiver Antifaschistisches Aktionsbündnis, Autonomer
Aus dem Inhalt: Akt der US-Amerikaner dargestellt. Bei Zusammenschlusz Magdeburg ( http://www.az-
md.org), Offene Jugend Antifa Venceremos
Nie wieder! Landeskonferenz ihren letzten Aufmärschen wurde explizit ( http://www.venceremos-md.org)
antifasch. Organisationen . . . . . 5 dazu aufgerufen, Fahnen von Ländern,
Firmenarchive öffnen! . . . . . . . . . 7 die von US-Interventionen betroffen wa- Gegendemo: Treffpunkt um 10.00 Uhr
Die Benes-Dekrete – ein ren bzw. noch sind, mitzuführen. auf dem Olvenstedter Platz, MD-Stadt-
geeignetes Streitobjekt Dass es die Neonazis mit dem Frieden feld, Gegenkundgebung: 10.00 - 13.00
der Geschichte? . . . . . . . . . . . . . . 8 jedoch nicht so genau nehmen, zeigt sich Uhr am Busbahnhof (Damaschkeplatz),
an zahlreichen bundesweit durchgeführ- Magdeburg ■
: meldungen, aktionen
durchgeführt hatte. Der Umfrage zu Fol-
ge hat der Antisemitismus im Westen
Deutschlands in den letzten vier Jahren
Rechte Propaganda auf Baring hat in seinen Beiträgen auch sehr stark zugenommen. So hatten z.B.
dem Neujahrsempfang immer wieder die deutsche Ostgrenze in 31% der westdeutschen Bevölkerung
Frage stellt. So weist die Wochenzeitung u.a. der Aussage zugestimmt „Auch heu-
Braunschweig. Zum diesjährigen Neu- „Freitag“, am 6. Dezember auf einen Ar- te noch ist der Einfluss der Juden zu
jahrsempfang am 8.1.03 hatte der Braun- tikel von Baring hin, den er 1990 für die groß“. 1998 waren es 14%. Der Aussage
schweiger Oberbürgermeister Hoffmann Welt geschrieben habe. Dort benennt er „Die Juden haben einfach etwas Beson-
einen ganz besonderen Gesinnungs- „Ostdeutschland“ kurzerhand in „Mittel- deres und Eigentümliches an sich und
freund in die Burg Dankwarderode gela- deutschland“ um, da die „ostdeutschen passen nicht so recht zu uns“ stimmten
den. Den rechts-konservativen Histori- Gebiete“ im heutigen Polen lägen und 22% der Westdeutschen zu (1998: 9%).
ker und Publizisten Arnulf Baring. fährt fort: „Auf längere Sicht werden die Diese alarmierenden Zahlen machen
Dieser hat zuletzt mit einem Dossier Deutschen sich dieser Gebiete wieder er- deutlich – so Dr. Dähne von der PDS-
am 19. November in der FAZ auf sich innern. Es wird selbstverständlich nicht Fraktion – , dass dem zunehmenden
aufmerksam gemacht. Unter der Über- mehr die polnischen Namen zu benutzen, Antisemitismus auf allen staatlichen
schrift: „Bürger auf die Barrikaden! – was eine Form von Sklavensprache ist, Ebenen entschieden entgegen getreten
Deutschland auf dem Weg zu einer west- eine gehemmte, unfreie Untertanen- werden muss. Mit der 13 Punkte umfas-
lichen DDR“, ruft er das Bürgertum zur Mentalität zeigt.“ Auch beim „Tag der senden Anfrage werden Informationen
Revolte gegen „hilflose Politiker, die das Heimat“ des „Bundes der Vertriebenen“ angefordert, die Gegenmaßnahmen
Land verrotten lassen“ auf. Er vergleicht stieß er in das gleiche Horn, indem er im unterstützen sollen.
dort das heutige Deutschland mit dem Beisein Gerhard Schröders erklärte: „Es www.pds-im-roemer.de ■
der 20er Jahre und bedauert das Fehlen ist übrigens sehr die Frage, ob wir gut
des damaligen Artikels 48 im heutigen daran getan haben, seither [seit der Anton Malloth gestorben
Grundgesetz. Dieser Artikel 48, der der Wiedervereinigung] den Ausdruck „Ost-
Reichsregierung ohne Zustimmung des deutschland“ ausschließlich für die Ge- München. Der wegen Mordes zu le-
Reichstages das Inkraftsetzen von Geset- biete zu verwenden, die vorher DDR wa- benslanger Haft verurteilte NS-Verbre-
zen per Notverordnung durch den ren.“ cher Anton Malloth ist tot. Der ehemali-
Reichspräsidenten ermöglichte, hat we- Weiter führt er aus: „Die Welt weiß al- ge KZ-Aufseher erlag bereits am 31.
sentlich zur Auflösung der Weimarer Re- les, was die Deutschen getan haben, die Oktober im Alter von 90 Jahren einem
publik und zum Aufstieg des Nationalso- Welt weiß nichts von dem, was den Krebsleiden, wie das Bayerische Justiz-
zialismus beigetragen. Deutschen angetan wurde.“ Und „Es ist ministerium am 13. Dezember mit eini-
Mit solchen Notverordnungen will und bleibt ein Jammer, dass wir Schle- ger Verzögerung bekannt gab. Zehn Tage
Baring seine „schmerzlichen Reformen“ sien, Pommern und Ostpreußen [...] für vorher war er wegen Haftunfähigkeit
umsetzen. Diese benennt er auch. Zu ih- immer verloren haben. Viele glauben, es entlassen worden.
nen gehören massiver Sozialabbau, Ren- sei zwischen uns und den Polen immer Malloth war im Mai 2001 vom Land-
tenkürzungen und eine Gestaltung der so mörderisch zugegangen wie in den gericht München des Mordes aus „ab-
Gesellschaft nach dem Prinzip „Alle ge- ideologisch aufgehetzten Zeiten eines fa- grundtiefem Judenhass“ für schuldig be-
gen Alle“. Er schreibt: „Wir brauchen natischen Nationalismus. [...] Dabei war funden worden. Er war von 1940 bis
dringend mehr Wettbewerb, überall und sie [die Ostgrenze] doch über Jahrhun- 1945 Aufseher im Gestapo-Gefängnis
allenthalben, an und zwischen Schulen, derte hinweg eine der stabilsten im alten „Kleine Festung“ von Theresienstadt
Universitäten, Ländern, Kommunen.“ Europa.“ Das sagt ein Historiker, der und wegen seiner Grausamkeit bei den
Der Beitrag gipfelt letzendlich im positi- wohl von polnischen Teilungen und der Häftlingen gefürchtet. Bereits 1948 war
ven Bezug auf eine „demokratische Dik- Auflösung des gesamten polnischen Malloth in Abwesenheit in der damali-
tatur“ und einer kompletten Infragestel- Staates noch nie etwas gehört hat. Auf gen Tschechoslowakei zu lebenslanger
lung unseres Grundgestzes. diese Weise wird – obwohl immer wie- Freiheitsstrafe verurteilt worden. Erst als
der der Anschein einer Ausgewogenheit er 1988 von Italien nach Deutschland ab-
suggeriert wird – der Verlust der Deut- geschoben wurde, wurden die Ermittlun-
schen in den Vordergrund gestellt, der
Die Rechte Nationalsozialismus und der von ihm
gen gegen ihn aufgenommen und ihm
schließlich der Prozess gemacht.
in Europa entfesselte Völkermord aber sekundär. Quelle: FR 14.12.02 - u.b. ■
Das „Braunschweiger Bündnis gegen
Rechts“ hat dazu aufgerufen, gegen diese Ochensberger wieder in
Instrumentalisierung des Neujahrsemp-
fanges öffentlich zu protestieren. Freiheit
Quelle: indymedia, Österreich. Der Vorarlberger Neonazi
http://www.antifacafe.de.vu ■ Walter Ochensberger wurde am 4. De-
Die Journalisten Bernhard zember nach Verbüßung einer achtmona-
Schmid und Gerhard Feldbauer
Zunehmender Antisemitis- tigen Haftstrafe aufgrund von neuer-
berichten aus Frankreich,
lichen Verstößen gegen das NS-Verbots-
Italien, sowie über die mus gesetz aus der Justizanstalt Feldkirch
Situation in Europa insgesamt
Frankfurt. Die PDS-Fraktion im entlassen. Schon in seinen Briefen „aus
Frankfurter Römer möchte in einer An- der politischen Gesinnungshaft“ hetzte
frage an den Magistrat Genaueres über er in gewohnter Manier gegen die ange-
rechtsextremistische, ausländerfeindli- blichen jüdischen oder zionistischen
che und antisemitische Vorkommnisse in Weltherrschaftsambitionen. In einem
18. Januar 2003, 14.00 Uhr Frankfurt im Jahr 2002 wissen. Anlass ist Schreiben nach seiner Haftentlassung
Köln, Bürgerzentrum Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3 eine Umfrage, die das Meinungsfor- spricht Ochensberger nun auch vom „be-
Kleines Forum
Veranstalter: Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten schungsinstitut USUMA im Auftrag der dingungslosen Widerstand“ gegen die
Infos: Tel. 0221-21 16 58
Leipziger Universität im April 2002 „Globalisierer“. Seine Zeitschrift Phoe-

2 : antifaschistische nachrichten 2-2003


Fortsetzung von Seite 1 Unterstützung eines solchen Angriffs-
Nur wenn jetzt der politische Druck kriegs (z.B. durch AWACS) verstößt ge-
auf die US-Regierung und ihre Verbün- gen deutsches und internationales Recht.
deten steigt, kann der Krieg gestoppt Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger
werden! unseres Landes auf:
Deshalb hat das Europäische Sozialfo-
rum in Florenz für den 15. Februar 2003 ● Beteiligen Sie sich an den vielfälti-
zu einem Aktionstag gegen den Krieg gen Aktionen überall im Land ge-
aufgerufen, bei dem europaweit Millio- gen den Krieg!
nen von Menschen demonstrieren wer-
den. Wir fordern von der Bundesregie- ● Unterstützen Sie die Proteste gegen
rung alle politischen Mittel zu nutzen, die Münchner „Sicherheitskonfe-
um sich dem Krieg entgegen zu stellen. renz“ der Militärpolitiker und Rüs-
Wir fordern sie auf, ihrer Ablehnung des tungsindustrie am 7./8. Februar
Krieges nun auch Taten folgen zu lassen 2003!
und die Fuchs-Spürpanzer aus Kuwait
sowie die Marineeinheiten aus der Golf- ● Kommen Sie am 15. Februar zur
region abzuziehen und den beteiligten bundesweiten Demonstration nach
Armeen Überflugrechte und Infrastruk- Berlin!
tur für den Krieg zu verweigern. Jegliche Aufruf der Friedensbewegung ■

nix werde auch in Zukunft eine


„geistige Waffe“ darstellen,
„die uns für jeden Tag, den wir
noch erdulden müssen, stärkt
für den größten und umfas-
sendsten Befreiungskampf in
der Menschheitsgeschichte“.
Neues von Rechts -
www.doew.at ■

Neonaziaufmarsch
mit „Thor“-Umfeld
am 13.2.03
Dresden. Am 10. Dezember
02 wurde den Betreibern des

www.arbeiterfotografie.com
Neonazi-Haus „Thor“ außeror-
dentlich gekündigt. Der Besit-
zer der Immobilie setzte eine
Auszugs-Frist zum 31. De-
zember 02. Lange war es ruhig
um die Dresdner Neonazis, die

Info:
Neonazi-Anwälte legten
Widerspruch ein und ein fröh-
liches Weihnachten und Syl-
vester zog vorbei. Wahrschein-
lich dauert der Rechtsstreit um Wuppertal dichtgemacht?!
die außerordentliche Kündi- Durch die Blockade von zwei Bahnsteigen am Oberbarmer Bahnhof in Wuppertal durch ca.
gung länger, als das „Thor“ 400 Leute verzögerte sich die für den 11.1.2003 angekündigte Demonstration der Neonazis, an
überhaupt gemietet ist. Bis der ca. 150 teilnahmen, um 1 1/2 Stunden. Sie konnten dann nur eine kurze Route durch Ge-
Ende April 03 läuft der Ver- werbegebiet gehen. Ca. 1200 Polizisten waren zum Schutz der Faschisten aufgeboten worden.
trag, der bis Ende Januar 03 or- Als Polizei und BGS versuchten, den Bahnhof zu räumen, kam es zu heftigen Auseinanderset-
dentlich gekündigt werden zungen. Demonstranten wurden verletzt und viele festgenommen, ca. 60 eingekesselt. ■
sollte. So heißt es erstmal: Sie
sind noch drin im „Thor“, ein
paar kleine Monate lang. die Auflage, nicht mehr als 50 Leute ins die Opfer des alliierten Bomben-Terrors“
Der Betrieb im „Thor“ ging also wei- „Thor“ zu lassen, einzuhalten. Aber so überschrieben ist. Der Formulierung „al-
ter wie zuvor, wie üblich mit mäßig vie- viele waren es ja gar nicht, die ins liierter Bombenholocaust“ wurde dies-
len aber überregionalen BesucherInnen. „Thor“ wollten. mal vermieden. Der geschichtsrevisio-
Am 21. Dezember 02 fand eine überre- Wie jedes Jahr steht nun der 13. Fe- nistische und Nazi-verherrlichende
gionale Neonazi-„Wintersonnenwend- bruar 03 an, die übliche Neonazi-Mobili- Charakter, die Opfer-Stilisierung ist
feier“ statt. Das „Thor“ diente mal wie- sierung läuft. Um 18.30 Uhr ist Treff der trotzdem offensichtlich. Das „Thor“, na-
der als Treff und das „Thor“-Umfeld be- Neonazis in der Innenstadt. Sven Hagen- mentlich Ronny Thomas, stellt eine Kon-
teiligte sich auch organisatorisch. dorf, Anti-Antifa-Kader und „Thor“- takt-Handy-Nr. zur Verfügung. Die An-
Am 31. Dezember 02 gab es eine Art Mieter zeichnet verantwortlich meldung besorgt die neonazistische Jun-
Sylvesterparty im „Thor“ mit nur etwa (V.i.S.d.P.) für den Aufruf, der ver- ge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO),
30 Neonazis: Zelte waren aufgestellt, um gleichsweise harmlos mit „Gedenken an ein Rechts-Außen-Ableger der „Vertrie-

: antifaschistische nachrichten 2-2003 3


benen-Verbände“, die, so un-
glaublich das klingt, Teile Po- Rechtspopulismus in Europa – eine gebändigte Gefahr?
lens wieder deutsch wollen. 6. Antifaschistische Sozialkonferenz, 1. Februar 2003, 9.30 - 15.30 Uhr
JLO und „Thor“ sind perso- Haus der Gewerkschaft ver.di, (Hannover - Hildesheimer Str. 17)
nell und organisatorisch ver- Themen: Ökonomische und politische Wurzeln der europäischen Rechtsentwicklung, Ursachen der Wahl-
flochten. erfolge von Rechtspopulisten in Italien, Österreich und Frankreich, Konzepte und Ideen zum Widerstand
Der Neonaziaufmarsch am gegen die europäische Rechtsentwicklung
13. Februar 03 mit evtl. bis zu Referenten: Joachim Bischoff, Zeitschrift „Sozialismus“, Prof. Dr. Heinz Bierbaum, Universität Saarbrücken,
1.000 TeilnehmerInnen und Heribert Schiedel, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Dr. Jochen Steinhilber, Uni-
sonstige geschichtsrevisionis- versität Berlin
tische Umtriebe in der abend- Veranstalter: Arbeit und Leben Hannover, Bildungswerk ver.di Hannover, Ev.-luth. Industriepfarramt Han-
lichen Innenstadt Dresdens nover, Geschichtswerkstatt Hannover e.V., Gewerkschaftsjugend im DGB Hannover, IG Metall Hannover,
werden antifaschistische Pro- VVN - Bund der AntifaschistInnen Hannover, 6 Euro/ ermäßigt 3,- (incl. Mittagsimbiss)
teste hervorrufen. Anmeldung über: Arbeit und Leben, Arndtstr. 20, 30167 Hannover, Tel. 0511-12105 11, Fax 0511-12105 30,
Dresdner Kampagne gegen email: barbara.andreadou@arbeitundleben-nds.de
organisierte Neonazis,
phon: 0162 - 16 37 013 Prozess sind insgesamt 4 Termine ange- Quälereien gehörten zur Tagesordnung.
mail: info@thormussweg.de setzt. Die Arbeitskraft der Jugendlichen wurde
http://www.thormussweg.de ■ Anlaufstelle für Betroffene von rechts- bis zur völligen Erschöpfung ausgenutzt.
extremen und rassistischen Angriffen In Moringen waren etwa 1400 Jugendli-
Naziaufmarsch am 8.2.03 und Diskriminierungen (ABAD), Büro che inhaftiert, mindestens 10 Prozent
Erfurt, www.abad-th.de ■ von ihnen starben.
in Chemnitz Der Reporter Wolfram Hanke hat sich
Am 8. Februar wollen Nazis um C. „Wir hatten noch gar nicht mit Günter Discher und Würzburger
Worch in Chemnitz eine Demonstration Gymnasiasten unterhalten. Er hat Diet-
gegen die am Vortag eröffnete „Wehr- angefangen zu leben ...“ mar Sedlaczek, den Leiter der Gedenk-
machtsausstellung“ durchführen. Dage- Würzburg. Günter Discher ist heute 77 stätte Moringen getroffen und Guido
gen sind verschiedene Aktivitäten ge- Jahre alt und schon seit frühester Jugend Fackler, einen Würzburger Historiker,
plant. Es wird eine Demonstration ab ein Swing-Fan. Er legt noch heute in ei- der sich speziell mit dem Schicksal der
10.00 Uhr vom AJZ Chemnitz, Chem- nem Tanzlokal im Hamburger Eimsbüt- Swing-Jugend beschäftigt hat, befragt.
nitztalstr. 54 in die Innenstadt stattfin- tel die Platten auf, die ihn in seiner Ju- Das einstündige Feature wird am 26. Januar auf
den. gend fast den Kragen gekostet hätten. Radio Bayern2 zwischen 12 und 13 Uhr gesendet.
Für Rückfragen, Infos sowie Flyer, Damals entzog er sich nach der Machter- (UKW 93,1 für Schweinfurt, Rhön-Grabfeld,
Plakate und Aufrufe wendet euch an greifung 1933 erfolgreich dem Dienst in Hassberge)
ajz@ajz-chemnitz.de bzw. Tel. 0371/ der Hitlerjugend und umging auch den Kommunale Berichte Schweinfurt 1/03 ■
4498742. Am 8. Februar abends wird es durch Naziverbote erschwerten Kauf von
im AJZ Chemnitz ein Konzert im Rah- Jazzplatten. Er wurde zum Experten für Geldsammlung für
men der GOOD NIGHT WHITE PRIDE den illegalen Plattenhandel. Durch Feld- ehemalige Zwangsarbeiter
- Kampagne geben. Zu hören sind Love postkarten von befreundeten Soldaten,
& Hated (us), Nail, Six PoundGod (ex- die in den besetzten Ländern stationiert Augsburg. Mit einer Veranstaltungsrei-
SFOC), ShortAge. waren und dort Platten kaufen konnten, he wollen die beiden Initiativen zur Ent-
Antifaschistische Aktion Chemnitz ■ versorgte er sich mit den begehrten schädigung von Zwangsarbeit aus Gerst-
Scheiben. Er verkaufte sie an Freunde hofen und Augsburg das Thema Zwangs-
Rassistischer Angriff – und an Tanzlokale in St. Pauli. Gestapo- arbeit wieder ins Bewusstsein der Öf-
Beamte verhafteten den damals 17jähri- fentlichkeit bringen und 50.000 Euro
Täter jetzt vor Gericht gen und steckten ihn in das Jugend-Kon- sammeln für die 500 noch lebenden ehe-
Rudolstadt. Am Dienstag, 7. Januar zentrationslager Moringen. maligen ZwangsarbeiterInnen aus der
2003 hat vor dem Amtsgericht in Rudol- Im Würzburger Friedrich-König- Ukraine. Mitveranstalter sind das Paul-
stadt der Prozess gegen insgesamt 4 Gymnasium zeigt eine Ausstellung das Klee-Gymnasium und die Magazine
Männer im Heranwachsendenalter be- Schicksal von Günter Discher und ande- „friedberger“ und „gersthofer“. Am Frei-
gonnen. Zwei der Männer sind neben an- ren Mitgliedern der Swing-Jugend. Gün- tag, den 28. Februar wird der Kabarettist
deren Straftaten der gefährlichen Kör- ter Discher besuchte die Gymnasiasten, Dieter Hildebrandt um 19 Uhr mit sei-
perverletzung angeklagt. sprach über seine persönliche Vergan- nem Programm „Vater Unser – kurz nach
Hintergrund sind die Ereignisse am genheit und legte für die Jugendlichen der Werbung“ im Barbarasaal auftreten.
Abend des 15. April 2002 in Saalfeld. seine Lieblingsplatten auf. Die Ausstel- Dr. Bernhard Lehmann, Lehrer der Klas-
Vor dem dortigen Bahnhof existierte bis lung dokumentiert das Leben von Inhaf- se am Paul-Klee-Gymnasium, die durch
in den Sommer des vergangenen Jahres tierten in Moringen (für Jungen) und ihre Erforschung von Zwangsarbeiter-
ein Treffpunkt von rechtsorientierten Ju- Uckermark (für Mädchen). Reinhard Schicksalen in der Region schon viel
gendlichen. Der 32-jährige Kameruner Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei, Diskussionen in der Bevölkerung und
Bernhard S. befand sich auf dem Weg zu hatte diese speziellen Lager für „ver- Unterstützung von ZwangsarbeiterInnen
seinem Zug, als er von den zum Tatzeit- wahrloste Jugendliche“ initiiert. organisieren konnte, kündigte an, dass
punkt stark angetrunkenen Christian S. Ab August 1940 wurden die ersten Ju- nach der Hilde-brandt-Veranstaltung
und Max O. (beide 18 Jahre alt) angepö- gendlichen ins KZ Moringen eingewie- weitere mit vorwiegend Augsburger
belt, dann geschlagen und erheblich ver- sen. In verschiedene Blocks: z.B. Block Künstlern folgen werden. Karten gibt es
letzt wurde. S. musste anschließend im der „Untauglichen“, der „Dauerversa- ab sofort an den bekannten Vorverkaufs-
Krankenhaus behandelt werden. Die Tä- ger“ oder der „Stapo-Block, in dem poli- stellen. Der Erlös geht ausnahmslos an
ter ließen selbst dann noch nicht von tisch-oppositionelle Jugendliche wie die ehemalige Zwangsarbeiterinnen und
ihm ab, als S. in einen nahe gelegenen Swing-Jugend gefangen waren. Die Ju- Zwangsarbeiter aus der Region Augs-
Kiosk flüchten konnte und eine Streife gendlichen waren brachialer Gewalt aus- burg. Quelle: Augsburger Allgemeine,
des BGS am Tatort erschien. Für den gesetzt. Beschimpfungen, Strafen und 28.12.2002 - baf ■
: antifaschistische nachrichten 2-2003
4
Vor 70 Jahren: 30. Januar 1933
– Niederlage mit tödlichem
Ausgang Nie wieder!
„Aber wir dürfen nicht im Ende des
1933 – 2003
Krieges die Ursache für Flucht,Vertrei- Konferenz antifaschistischer Initiativen, Organisationen und Bündnisse aus
bung und Unfreiheit sehen. Sie liegt viel- Nordrhein-Westfalen aus Anlass des 70. Jahrestages der Machtübertragung
mehr in seinem Anfang und im Beginn an Hitler am 1. Februar 2003, ab 11 Uhr, in Dortmund, Dietrich-Keuning-Haus,
jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg Nähe Hauptbahnhof Nordausgang.
führte.Wir dürfen den 8. Mai 1945
nicht vom 30. Januar 1933 trennen“ Illusionen über die Dauer der Nazi- Die niedrigen Wahlergebnisse von NPD,
Bundespräsident Richard v.Weizsäcker Herrschaft und über die Ausmaße des DVU, REPs u.a. dürfen uns nicht in Si-
Rede im Bundestag 1985 Terrors herrschten bei den Nazi-Gegnern cherheit wiegen. Das Potential für eine
vor. Die Nazis schafften es, ihre Gegner neofaschistische Partei ist da, es wendet
Am 30. Januar 1933 wurde den Nazis in zu isolieren. Die Verfolgung und Einker- sich bisher anderen Parteien zu oder
Deutschland die Macht übertragen. De- kerung der Kommunisten erfolgte unter bleibt den Urnen fern. Die Nazi-Schläger
ren Stimmanteil war seit 1928 von 2,7 % Billigung, ja Zustimmung einer Mehr- auf der Straße aber reihen Demonstration
auf 33 % im Jahr 1932 explosionsartig heit der nicht direkt Betroffenen. Die Eli- an Demonstration und erfreuen sich des
gewachsen. Erst nachdem die NSDAP minierung der einen Gruppe geriet so zur Schutzes höchster deutscher Gerichte.
Stimmen verlor, drängte vor allem die Voraussetzung der Zerschlagung der Nie wieder dürfen wir uns so ent-
Industrie auf einen „Reichskanzler Hit- nächsten. Erst als alle Organisationen der zweien lassen, dass Faschismus eine
ler“. Schwerindustrie, Bankiers und die Arbeiterbewegung, alle gegen den Krieg Chance hat!
Wehrmacht waren die treibenden Kräfte. auftretenden Kräfte zerschlagen und ihre Wir, die gegen die Nazis sind, wir wa-
Hitler an die Macht zu bringen, dazu Mitglieder inhaftiert oder eingeschüch- ren und wir sind die Mehrheit. Aber sel-
bedurfte es keines Putsches. Die Eliten tert waren, konnte der letztlich in Au- ten erkennen wir, dass das Einigende
schwitz endende Antisemitismus der Na- wichtiger ist als das Trennende. Zu oft
zis in die Tat umgesetzt werden. verwechseln wir die nötige kritische Dis-
kussion untereinander mit
Ausschließungsritualen.
„So haben Bündnis und Zusammenarbeit von National- Nie wieder dürfen wir es
sozialismus und konservativem Nationalismus offen- akzeptieren, dass Kapital,
bart, wie untüchtig und im Kern ausgebrannt dieser Militär und Eliten des
war. Keine gesellschaftliche Gruppe hat angesichts der Staates die Demokratie be-
von der Zeit geforderten Bewährungsprobe in ähnli- schneiden, den Rassismus
chem Umfang versagt.“ fördern, den Krieg vorbe-
Joachim C. Fest, ehemaliger Mitherausgeber der FAZ reiten, ja führen.
Faschismus an der
Hitler war kein „Betriebsunfall“. Er Macht, das war der offene Terror. Fa-
war gewollt, seine Einsetzung geschah schismus als Bewegung ist die Bünde-
nach den Regeln der Weimarer Demo- lung von rassistischen, militaristischen
kratie und er bediente seine Steigbügel- Ideen und ihrer Träger. Wir kritisieren
halter und deren Interessen. Diesen Zu- und bekämpfen deshalb die Ideologien,
der Weimarer Republik versprachen sich sammenhang zu verwischen ist die Auf- die der Faschismus sich zu eigen machte
von ihm nicht zuletzt den zweiten Anlauf gabe der sogenannten Totalitarismusthe- und die in den Eliten und der Gesell-
zur Weltherrschaft. Und der war nur über orie, wonach die Weimarer Republik schaft weit über den Nazismus hinaus
den Krieg zu bekommen. Schon vier durch „Extremisten von rechts und verbreitet waren und sind.
Tage nach der Machtübertragung sprach links“ zerstört worden sei. Wir sind heute in der Lage, ohne Hun-
Hitler mit den obersten Militärs und ver- ger und ausgestattet mit ei-
sprach ihnen „die Ausrottung des Mar- Carl von Ossietzky sagte am 16. 2. 1933: „Ich gehöre ner großen Anzahl von
xismus“ und die „Eroberung neuen Le- keiner Partei an. Ich habe nach allen Seiten gekämpft, Grundrechten unsere Hal-
bensraumes im Osten“ sowie die „Stär- mehr nach rechts, aber auch nach links. Heute jedoch tungen, unsere Ideen zu
kung des Wehrwillens mit allen Mitteln“, sollten wir wissen, daß links von uns nur noch Verbün- propagieren. Kein Ver-
Ausbau der Wehrmacht und Wehrpflicht. dete stehen.“ gleich zur Unterdrückung
Zunächst aber hieß die Herrschaft der nach 1933.
Nazis: Ausschaltung der politischen Nutzen wir diese Rechte
Gegner durch Terror. Zuerst die Kommu- 70 Jahre danach: offensiv. Seien wir aktive, kritische und
nisten, dann die Gewerkschaften, dann Der 30 Januar 2003 gibt uns Gelegen- auf Veränderung drängende Mitglieder
die SPD und die anderen politischen Par- heit, innezuhalten, nachzudenken und dieser Gesellschaft. Kämpfen wir um je-
teien und Organisationen, soweit sie sich gemeinsam zu diskutieren über die Leh- den Zentimeter Freiheit, um gleichbe-
nicht freiwillig in die Arme der NSDAP ren aus der Geschichte. Es steht kein Hit- rechtigte Teilnahme aller hier lebenden
begeben hatten. Die Betroffenen hatten ler vor der Tür. Trotzdem gilt es, für alle Menschen an dieser Gesellschaft.
kaum oder zu spät die Kraft, gemeinsam Zukunft auszuschließen, dass sich Ähnli- Mischen wir uns ein!
gegen die Eliminierung der Demokratie ches wiederholt. Und dafür müssen wir
zu kämpfen. Martin Niemöller sagte die Weichen stellen. Dafür lohnt es sich, Unser Bundesland NRW ist zu einem
dazu später: Er habe geschwiegen, als die Geschichte des 30. Januars 1933 zu Zentrum neonazistischer Gewalt gewor-
die Kommunisten, Sozialdemokraten, erforschen und daraus zu lernen: Nie den, aber auch zum Zentrum des subtilen
Gewerkschafter und Juden abgeholt wur- wieder darf die Gefahr des Faschismus Antisemitismus à la Möllemann und
den, als man ihn holte, habe es nieman- unterschätzt werden! Rassismus nach dem Motto „Kinder statt
den mehr gegeben, der hätte aufschreien Auch die NSDAP entwickelte sich ra- Inder“. Die Anschläge auf die Synago-
können. send schnell zu einer tödlichen Gefahr. gen von Düsseldorf und Essen und den

: antifaschistische nachrichten 2-2003 5


nicht aufgeklärten Anschlag von Düssel- Zum Ablauf der Konferenz: mit Wolfgang Dominik, Bochum, und
dorf-Derendorf auf eine Gruppe jüdi- Stefan Stracke, Historiker aus Wuppertal
scher Flüchtlinge dürfen wir nicht ver- 11 Uhr PLENUM Excursion: Die Wehrmachtsausstellung
gessen. Immer wieder marschieren hier Eröffnung durch Herrn Oberbürgermeis- in Dortmund und die Auseinanderset-
Nazi-Kameradschaften mit polizeilicher ter (angefragt) zung mit den Verbrechern
und justizieller Genehmigung auf. In Bo- Referat von Ulla Jelpke, Berlin aus der Wehrmacht
chum, Dortmund, Voerde und vielen an- Publizistin, Rechtsextremismus-Exper-
deren Städten und Gemeinden machen tin 2. Thema
sich Nazischläger breit. „70 Jahre danach – Erinnern für die Zu- „Neofaschismus –
Lasst uns beraten, was dagegen zu tun kunft“ Chancen und
ist. Schwierigkeiten der
1933 mahnt. Nie wieder Krieg, nie PODIUMSDISKUSSION Gegenkräfte“
wieder Faschismus. ● Mit Heinz Junge, Zeitzeuge der anti- mit Ulla Jelpke und
faschistischen Kämpfe um 1932/33 in Hajo Koch, Dortmund.
Wir rufen auf zur Landeskonferenz der Dortmund und antifaschistischer Wider- Es wirken mit: Vertreter des Bündnisses
antifaschistischen Initiativen, Organisa- standskämpfer, der Polizeikessel-Opfer.
tionen und Bündnisse am 1. Februar ● mit Maria Wachter, Teilnehmerin am
2003, ab 11 Uhr, in Dortmund, Dietrich- Protest der Jugend gegen das Treffen 3. Thema
Keuning-Haus, Nähe Hauptbahnhof Hitlers mit der Wirtschaft im Industrie- „Was tun gegen den Antisemitismus hier
Nordausgang club Düsseldorf 1932, antifaschistische und heute?“
Koordinierungsgruppe für die Antifa- Widerstandskämpferin, mit Vertretern des DISS, Duisburg
schistischen Landeskonferenzen, gez. ● und mit dem Dortmunder Zeitzeugen
Kurt Heiler Valentin Frank (erlebte die Judenverfol- Über die AGs wird anschließend im
Landesausschuß der Vereinigung der gung mit). Plenum berichtet.
Verfolgten des Naziregimes/Bund der Pastor Hanno May aus Dortmund hält
Antifaschisten, gez. Josef Angenfort, Ul- 13 Uhr MITTAGSPAUSE – Danach Ar- das Schlusswort (ca. 18 Uhr).
rich Sander, Jochen Vogler beitsgruppen
Bündnis „Dortmund gegen Rechts“ 1. Thema Kontakt über:
Attac Dortmund ■ „Was wurde aus ,Nie wieder Krieg‘? – VVN-BdA NRW, Gathe 55, 42107
(Weitere Unterzeichnerinnen und Unter- Deutscher Militarismus von 1933 bis zur Wuppertal, Tel./Fax 0202-450629
zeichner/ und Org. erwünscht.) Enttabuierung des Militärischen heute“ email: vvn-bdanrw@freenet.de

Friedensaktivisten um Konstantin Internationale Konferenz Alternativen zu Krieg


Wecker zu Irak-Besuch gestartet und Gewalt, Sonntag, 19. Januar 2003
Eine elfköpfige Friedensdelegation um den Lieder- im Gewerkschaftshaus Frankfurt am Main
macher Konstantin Wecker ist zu einer zehntägigen 10.30 Uhr Eröffnung und Begrüßung durch Stefan Körzell, Vorsitzender DGB
Reise in den Irak aufgebrochen. „Wir möchten den Hessen,10.45 - 13.00 Uhr Vorträge im Plenum
Menschen in Deutschland berichten, was wir dort ■ Hans von Sponeck, ehem. UN-Koordinator im Irak: Wirtschaftliche und ge-
gesehen haben, und für den Frieden werben“, sagte sellschaftliche Folgen von Krieg und Embargo im Irak
Wecker vor seinem Abflug am Frankfurter Flugha- ■ Prof. Dr. Frank Deppe, Marburg: Krieg als neue politische Normalität
fen. Außerdem solle der irakischen Bevölkerung ge- ■ Titi di Salvo, Intern. Sekretariat der Gewerkschaft CGIL, Rom: Gerechtigkeit
zeigt werden, dass es „auch westliche Menschen schafft dauerhaften Frieden
■ Prof. Dr. Gerd Stuby, Bremen: Juristische Probleme des Krieges und der
gibt, die keine Waffeninspekteure sind und mis- Kriegsbeteiligung
strauisch die Iraker beäugen“. Moderation: Harald Fiedler, DGB-Regionsvorsitzender Frankfurt-Rhein-Main
Die Reise sei „kein Solidaritätsbesuch für Sad-
dam Hussein“, betonte Heike Hänsel von der Tübin- 13.30 -16.30 Uhr Folgerungen für die Gewerk-
schaften
ger Gesellschaft „Kultur des Friedens“, die die Rei- ■ Eckart Spoo, Redaktion Ossietzki, Berlin:
se organisiert hat. Sie hätten schon die Möglichkeit, Die Medien und der Krieg
klare Aussagen gegen das Regime zu machen. In die ■ Jochen Nagel, Vorsitzender GEW-Hessen:
Innenpolitik des Landes wolle man sich aber nicht Bildung in Zeiten von Terror und Krieg,
einmischen. ■ Horst Schmitthenner, Vorstand IG Metall: Das
So stünden auf dem Besuchsprogramm keine Schweigen der Gewerkschaften soll aufhören
Treffen mit Politikern – abgesehen von einem Ge- ■ Dr. Peter Strutynski, Bundesausschuss Frie-
spräch mit dem irakischen Gesundheitsminister densratschlag: Perspektiven der Friedens-
bewegung
über die Auswirkungen des Wirtschaftsembargos. ■ Sabine Leidig, Geschäftsführerin attac:
Treffen mit Oppositionsgruppen seien nicht vorge- Soziale Gerechtigkeit statt neoliberaler
sehen. Geplant seien Treffen mit irakischen Musi- Globalisierung
kern und Besuche in Kliniken und Kultureinrichtun- Moderation: Anne Rieger, IG Metall Waiblin-
gen. gen, Gewerkschaftliches Netzwerk gegen den
Im Gepäck hat die aus Ärzten, Journalisten und Krieg, Hans Kroha, stellvertr. Vorsitzender Ver.di-
Künstlern bestehende Gruppe unter anderem Gitar- Hessen
ren und einen Koffer Spielzeug, das Wecker seinen 16.30 -17.00 Uhr Chancen für Frieden und Abrüstung
„Söhnen abgeknöpft“ hat. Nach einem eineinhalbtä- Schlusswort – Aufruf zum Frieden: Sybille Stamm, Vorsitzende Ver.di - Baden
gigen Aufenthalt in Amman (Jordanien) fliegt die Württemberg, Gewerkschaftliches Netzwerk gegen den Krieg, Vertreter/in der
Delegation am Dienstag weiter nach Bagdad. Ihre US-amerikanischen Friedensbewegung „Not in our name“
Rückkehr nach Deutschland ist für den 15. Januar Veranstalter: DGB Landesbezirk Hessen-Thüringen, DGB Region Frankfurt-Rhein-
geplant. Main, Ver.di Hessen, IG Metall Frankfurt, Gewerkschaft NGG Hessen und Rheinland
Pfalz, GEW-Hessen, Gewerkschaftliches Netzwerk gegen den Krieg, Initiative für ei-
PM, Kultur des Friedens, Frederico Elwing, nen Politikwechsel Alle Foren finden im Plenum statt.
www.culture-of-peace.de ■

6 : antifaschistische nachrichten 2-2003


Eigentlich begann dieses Pro-
jekt 1999 mit dem Fund eines
Schuhkartons gefüllt mit Fir-
Firmenarchive öffnen!
men-ausweisen. Damals waren Mitar-
beiter des Bundesverbandes Informa- Oft wurde die genaue Bezeichnung der gestalten, werden in den nächsten Mona-
tion & Beratung für NS-Verfolgte mit Firma vor den Zwangsarbeiterinnen und ten noch etliche Firmenarchive gehoben,
dem ukrainischen Zwangsarbeiter Si- Zwangsarbeitern geheimgehalten. Wenn für die z.Zt. noch keine Nachfragen be-
meon Pivovarov unterwegs im Sauer- die Firma eindeutig identifiziert werden stehen. Mitarbeiter des Internationalen
land zu den Stätten seiner Zwangsar- kann, suchen die Kollegen nach dem Suchdienstes verfilmen die Unterlagen
beit. Im Anschluss an einen Vortrag Rechtsnachfolger. Wer ist heute zustän- auf Mikrofilm und nehmen sie in ihre
kam ein junges Mädchen zu Lothar dig, haben sie noch alte Unterlagen, sind Bestände auf.
Evers vom Bundeverband und erzähl- sie bereit, mit uns zu kooperieren? Die Dr. Rebentisch arbeitet zusätzlich
te ihm von dem Pappkarton mit den Mitarbeiter verschicken standardisierte noch in diesem Jahr ehrenamtliche Mit-
Ausweisen ehemaliger Zwangsarbei- Schreiben mit leicht zu beantwortenden arbeiter in diese Arbeit ein, denn die Zeit
ter. Rückantwortbögen. drängt für die NS-Zwangsarbeiter und
Im November hatten sie bereits 350 die Anfragen nehmen zu.
Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass un- Firmen angeschrieben. Davon hatten 150 Das Firmenrechercheprojekt ist zu er-
zählige Nachweisdokumente ehemaliger keinerlei alte Dokumente und 100 haben reichen: Dr. Jost Rebentisch 0221-17 92
NS-Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- positiv reagiert. Bis heute konnten für 45 94-23 (rebentisch@nsberatung.de)
beiter als verborgene oder ungehobene Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbei- Sabrina Mühlbauer
Schätze in Kellern oder Abstellräumen ter die dringend benötigten Nachweis- (muehlbauer@nsberatung.de) ■
liegen. Diese Erkenntnis wurde be- Unterlagen beschafft werden.
sonders wichtig, nachdem sich im Zuge „Die Kooperationsbereitschaft der G 54973
Nr. 4
Dezember 2002

der Antragstellung an die Stiftung „Erin- kleinen und mittelständischen Firmen ist
nerung, Verantwortung und Zukunft“ sehr viel höher, als ich persönlich ange-
herausstellte, dass der Internationale nommen habe“, berichtet Dr. Jost Reben- Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
ich freue mich, Ihnen zum Jahres-

Suchdienst in Bad Arolsen nur für ca. ein tisch, der Leiter des Projekts. Als Bei- wechsel die vierte Ausgabe von
„überleben...“ vorlegen zu können.
Auch dieses Heft stellt Ihnen

Drittel der Antragsteller Nachweisdoku- spiel dafür erzählte er die Geschichte ei- Menschen vor, die uns tief beein-
druckt haben. Der Auschwitz-Überle-
bende, der uns auf seiner Kaddisch-

mente besitzt. Umso bedeutender war die ner Bäckerei im Ruhrgebiet. Sie existiert reise in Köln besuchte. Der ehemali-
ge Justizminister in Nordrhein-West-
falen und Kuratoriumsmitglied der

Verankerung des Auskunftsrechts den bis heute als Familienbetrieb, hat jedoch Stiftung „Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft“, Diether Posser, der mit
achtzig Jahren seinen ‚Unruhestand‘

ehemaligen Arbeitgebern gegenüber. über die Zwangsarbeit keine Nachweis- dazu nutzt, die Geschichten von in
der NS-Zeit verfolgten Künstlern zu
Salomon
Foto: Manfred Linke

erzählen. Und auch unsere neuen


Ein Stein für den
Doch allein dadurch, dass dieses Recht dokumente mehr. Um dem anfragenden Vorstandsmitglieder stellen sich in
dieser Ausgabe kurz vor.
Mit etwas Stolz präsentieren wir
Schick auf
Kaddisch-
reise toten kleinen Bruder
im Stiftungsgesetz versichert wurde, wa- Zwangsarbeiter dennoch weiterhelfen zu
Ihnen unser „jüngstes Kind‘, das Pro-
jekt, das die Firmenarchive öffnet.
Eine weitere Maßnahme, Nachweis- Mitten im August rief Salomon Schick Kaddisch sprechen und einen Stein

ren die Firmenunterlagen noch nicht ge- können, schickten sie jedoch ein Foto,
dokumente für die ehemaligen NS- aus Florida im Bundesverband Informa- niederlegen. Die Mitarbeiterinnen und
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- tion und Beratung für NS-Verfolgte in Mitarbeiter des Bundesverbandes be-
beiter aufzuspüren. Und ihnen damit Köln an. Die Telefonnummer hatte er schlossen die Kaddischreise von Herrn

sichtet und den NS-Zwangsarbeitern zu- auf dem ihre Vorfahren gemeinsam mit
den Weg zu der lange erhofften Ent- von seinem Sachbearbeiter beim Amt für Schick zu unterstützen. Es folgten einige
schädigung zu bahnen. Wiedergutmachung in Saarburg erhal- Telefonate, hauptsächlich mit der Ge-
Doch nach wie vor dauert das ten. Seit 1981 zahlt ihm diese Stelle eine denkstätte Dachau. Gemeinsam fand

gänglich. Viele kleine und mittelständi- dem Zwangsarbeiter abgebildet sind. So


lange Warten der ehemaligen Rente nach dem Bundesentschädigungs- man Wege, Herrn Schick bei seiner Reise
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- gesetz für seine Gesundheitsschäden. zu begleiten.
beiter an. Diese Verzögerung macht Herr Schick suchte Unterstützung. Salomon Schick war von dieser posi-

sche Firmen hatten selbst bei gutem etwas reicht in der Regel als Nachweis.
uns vielleicht zur Zeit am meisten Schon seit vielen Jahren hatte er den tiven Nachricht sehr ergriffen und be-
Sorgen. Wir erleben täglich, wie Wunsch, erstmalig seit seiner Auswande- schloss spontan, auch dem Bundesver-
resigniert und enttäuscht viele Über- rung in die USA 1946, nach Europa zu- band in Köln einen Besuch abzustatten.

Willen nicht ausreichend Personal, um in Auch eine alte Dame aus dem
lebende der NS- rückzukehren. Es hatte ihm jedoch im- Am 11. September 2002 traf er in Am-
Zwangsarbeit sind. mer am Reisegeld gefehlt. Nun hatte er sterdam ein. Herr Schick war von der
Manche von ihnen von einem Freund den Flug von Florida langen Flugreise gesundheitlich sehr mit-

ihren Kellern nach den benötigten Unter- Bergischen Land war sehr hilfreich. Mit
haben den Glauben nach Amsterdam geschenkt bekommen, genommen.
an die Entschädi- und die Reise wurde zur Realität. 1924 als Sohn eines tschechischen
gung gänzlich verlo- Telefonisch erzählte er dem Berater Juden und einer nicht jüdischen Österrei-

lagen zu suchen. Nachdem der Plan, sie ihren 88 Jahren konnte sich die ehemali-
ren. des Bundesverbandes, Michael Teupen, cherin geboren, wurde er 1942 im Alter
Besonders für in kurzen Zügen sein Verfolgungsschick- von 18 Jahren
die Antragstellerin- sal. Von 114 Familienangehörigen haben aus der elter-
BUNDESVERBAND
– mit ihm – nur drei überlebt. Immer lichen Woh-

dabei ehrenamtlich zu unterstützen, ge Inhaberin einer Kugelfabrik noch gut


nen und Antragstel-
ler der IOM (Inter- schon wollte er an den Leidensstationen nung abgeholt INFORMATION &
Sonja Schlegel Fortsetzung Seite 2 seiner Familie nach jüdischer Tradition l Seite 2 B E R AT U N G F Ü R
NS-VERFOLGTE
scheiterte, begannen am 1. Mai 2002 drei erinnern, dass ihr Betrieb in der Zeit des
ABM-Kräfte mit der Arbeit. Die Suche Nationalsozialismus etliche Zwangsar-
war vorläufig auf Nordrhein-Westfalen beiterinnen aus der Ukraine beschäftigte. „Überleben...“ Nr. 4 erschien im Dezem-
beschränkt. Titel der Maßnahme: „Er- Sie bestätigte alle Angaben der anfragen- ber 2002 mit Beiträgen aus der Arbeit
schließung von Archivalien bei kleinen den ukrainischen Zwangsarbeiterin und der „Infomation & Beratung für NS-Ver-
und mittelständischen Unternehmen“. konnte so den Nachweis liefern. folgte“, Holweider Str. 13-15 , 51065
Seit dem 1.10.2002 hat die Stiftung „Er- Um die Suche nach Nachweisdoku-
innerung, Verantwortung und Zukunft“ menten noch effektiver und schneller zu Köln, email: info@nsberatung.de
Mittel für eine personelle
Ausweitung bewilligt und
das Projekt recherchiert nun
bundesweit.
Zu Beginn des Projekts
haben sich die Mitarbeiter
alle negativen Fälle aus dem
Archivverbund im Verteil-
zentrum in Köln herausge-
sucht, soweit sie Angaben zu
Firmen oder Arbeit enthiel-
ten. Seit Mitte Juni bekom-
men sie die Anfragen direkt
‚online‘ zugewiesen. Die
Historikerinnen und Archi-
vare recherchieren aus oft
kryptischen Angaben der
Antragsteller erst den Fir-
mennamen. Viele Betroffene
können nur noch die Arbeit
und das Umfeld beschreiben.

: antifaschistische nachrichten 2-2003 7


Vor wenigen Monaten kam es Am 16.11.2002 fand ein deutsch-tschechiches Seminar auf Einladung der Regionalorganisation
des Klubs der tschechischen Grenzgebiete und des Landesverbands Bayern der Vereinigung der
im Prager Parlament trotz Wahl-
Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten in Domaplice statt. In einem Sonderdruck
kampf zu einer überraschend
der Deutsch-Tschechischen Nachrichten wurden die Beiträge veröffentlicht. Wir dokumentieren
einmütigen Entschließung, getragen von daraus den schriftlichen Beitrag von Dr. Ulrich Scheider, Historiker, Bundessprecher der VVN-
allen Fraktionen im Parlament, den Kon- BdA, der sich mit dem geschichtlichen Hintergrund der sog. Beneš -Dekrete auseinandersetzt.
servativen bis zu den Kommunisten. Ein- Der Sonderdruck ist über die DTN-Redaktion, Renate Hennecke, Schwanthalerstr. 139, Rgb.,
stimmig bestätigte man, dass die so ge- 80339 München zu beziehen.
nannten „Beneš-Dekrete“ als Bestandteil
der unveränderlichen Rechtsordnung der
Tschechischen Republik anzusehen
Die „Beneš-Dekrete“ –
seien.
In der aktuellen Diskussion der Sude- ein geeignetes Streitobjekt
tendeutschen Landsmannschaft werden
immer wieder diese „Beneš-Dekrete“ als
Haupthindernis für die Aufnahme der
der Geschichte?
Tschechischen Republik in die Europäi- Doch in der Diskussion und vor allem Wiederaufnahme des Präsidentenamtes
sche Union ins Feld geführt. Erst wenn in der aufgeregten Debatte in den Leser- für einen juristischen Fortbestand der
sie aufgehoben seien, dürfe eine Aufnah- briefspalten der Tagespresse wurde deut- CSSR ein. 1940 floh er nach der Beset-
me in die Gemeinschaft rechtsstaatlicher lich, dass über die Dekrete selber sowie zung Frankreichs ins Londoner Exil, wo
Länder erfolgen, propagieren Posselt, ihre Geschichte weitgehend Unkenntnis er versuchte, an der Spitze einer Exilre-
Steinbach und andere Vertriebenenfunk- herrscht. Daher ist es für eine historische gierung politisch die Interessen des okku-
tionäre. Betrachtungsweise von großer Bedeu- pierten Staates zu verteidigen.
tung, die Entstehungsbedingungen und Interessant war die Haltung der eben-
die historischen Voraussetzungen genauer falls nach London emigrierten sudeten-
Erinnern zu betrachten.
Es führt kein Weg daran vorbei, die
deutschen Sozialdemokraten (Wenzel
Jaksch). Sie waren nicht bereit, sich mit

Verdrängen Voraussetzungen für diese Entwicklungen


in den 30-er Jahren zu suchen. Als Stich-
worte sind dabei u.a. zu nennen: die Zu-
der Exilregierung auf eine gemeinsame
Neuordnung zu verständigen. Jaksch for-
derte auch im englischen Exil weiterhin
Vergessen spitzung der Irridenta-Bewegung, d.h. die
Loslösungsbestrebungen der Sudeten-
Sonderrechte für Sudetendeutsche in ei-
nem künftigen Tschechoslowakischen
deutschen von der CSSR, sowie Henlein Staatenbund, bis hin zur Freistellung vom
Neuerscheinung

Anhand der aktuellen Ausein- und seine Sudetendeutsche Partei als Kol- Militärdienst. All das führte nicht dazu,
andersetzungen arbeiten die
Autoren die unterschiedlichen
laborateure mit Hitler-Deutschland. Und dass die tschechische Seite sich gegen-
Optionen der Geschichtspolitik während in Prag und anderen Städten der über diesen deutschen Vorschlägen be-
heraus und zeigen mögliche Tschechoslowakei deutsche Antifaschis- sonders offen zeigte.
Wege in die Zukunft auf. Die ten im Exil lebten und hofften, dem fa- Die Haltung Großbritanniens gegen-
jüngeren Debatten über die
deutsche Vergangenheit wer-
schistischen Terror entkommen zu sein, über der Exilregierung war anfangs we-
den dabei ebenso analysiert, arbeiteten die Sudetendeutschen Frei- nig kooperativ. Zwar wurden am 21. Juli
wie verschiedene theoretische korps an einer politischen Destabilisie- 1940 Beneš und sein Kabinett als „provi-
Aspekte aus dem politischen, rung, die letztlich die Voraussetzung für sorische tschechoslowakische Staatsein-
soziologischen, psychologisch-
en und historischen Bereich zur
die Konferenz der faschistischen Staaten richtung“ anerkannt, doch war man noch
Sprache kommen. Deutschland und Italien mit England und nicht so weit, von den Grundannahmen
Frankreich im September 1938 war, auf des Münchener Diktates, das heißt der
Michael Klundt/Samuel Salzborn/ der das „Münchener Diktat“, ein Vertrag Abtrennung von Territorien aus dem
Marc Schwietring/Gerd Wiegel: zu Lasten Dritter ohne Beteiligung des tschechoslowakischen Staatenbund, abzu-
Erinnern, verdrängen, vergessen.
Geschichtspolitische Wege ins 21. Jahrhundert Betroffenen, verabschiedet wurde. rücken.
180 S., ISBN 3-00-010741-X, 10 € Die militärische Umsetzung dieses Erst im Verlauf des Krieges, als deut-
Netzwerk für politische Freibriefes ab Anfang Oktober 1938, die lich wurde, dass ein Agreement mit dem
Bildung, Kultur und mail@nbkk.de damit verbundene Germanisierung, d.h. faschistischen Deutschland nicht zustan-
Kommunikation http://www.nbkk.de die Vertreibung tschechischer Staatsbür- de kommen würde, mehr noch, dieses
ger, der Raub jüdischen Eigentums im Deutschland auch Großbritannien militä-
Anfang Februar erscheint von Michael Sudetengebiet und die Verfolgung deut- risch bedrohte, veränderte sich die Hal-
Klundt, Samuel Salzborn, Marc scher Antifaschisten machten vor aller tung der britischen Regierung gegenüber
Schwietring und Gerd Wiegel das Welt deutlich, dass dieses Diktat kein Beneš und der Exilregierung.
Buch „Erinnern, verdrängen, vergessen. Beitrag zur Friedenslösung war, sondern Im Juli 1941 wurde die Exilregierung
Geschichtspolitische Wege ins 21. Jahr- ein Schritt zur Durchsetzung der weiteren durch die UdSSR und die USA offiziell
hundert.“ In dem Band werden sämtli- Expansionspolitik, was sich im März anerkannt. Mit dieser Anerkennung wur-
che geschichtspolitischen Kontroversen 1939 bereits in der militärischen Zer- de sie auch veranlasst, einen eigenen Bei-
jüngeren Datums analysiert und einge- schlagung der „Rest-Tschechei“, wie es trag zum Kampf der Anti-Hitler-Koali-
ordnet – unter anderem der neue deut- im Nazi-Jargon hieß, dokumentierte. tion zu leisten. Die Exil-Regierung for-
sche Opferdiskurs, der Streit um die Der gewählte Staatspräsident Edvard derte die tschechischen Staatsbürger, die
antisemitischen Invektiven Walsers und Beneš war am 5.10.1938 zurückgetreten ebenfalls im Exil waren, auf, sich den Ar-
Möllemanns und die Entwicklungen in und hatte die CSSR in Richtung Paris meen der Anti-Hitler-Koalition anzu-
der deutschen Gedenk(stät-ten)kultur. verlassen. Nachdem mit der Zerschla- schließen. So bildeten sich unter tsche-
gung des Staatsgebietes im März 1939 chischer Leitung verschiedene Armee-
Netzwerk für politische Bildung, und der Kapitulation der Regierung in Einheiten, die bei den sowjetischen
Kultur und Kommunikation: Gies- Prag de facto keine legitimierte Vertre- Streitkräften und den amerikanischen und
sen 2003, 180 Seiten, 10 Euro tung der unabhängigen CSSR mehr exis- britischen Truppen aktiv in Kämpfe ein-
tierte, setzte Beneš sich durch die griffen. Die Exilregierung unterstützte

8 : antifaschistische nachrichten 2-2003


auch den antifaschistischen Widerstand Nachkriegsordnung befassten. So ent- besonders nach dem beispiellosen barba-
im Land selber, wobei sicherlich die standen insgesamt 143 Dekrete und Ver- rischen Vorgehen der Deutschen gegen
spektakulärste Aktion das erfolgreiche fassungsgesetze, wobei nur 45 Dekrete das tschechische Volk während dieses
Attentat auf den stellvertretenden Reichs- im Exil beschlossen wurden, die rest- Krieges ist es undenkbar, dass die Situa-
protektor des „Protektorats Böhmen und lichen 98 Verordnungen wurden bereits tion so, wie sie für die deutsche Minder-
Mähren“, Reinhard Heydrich, war. Die auf den am 2. April 1945 befreiten tsche- heit in der Tschechoslowakei vor Mün-
blutige Vergeltung der faschistischen Ok- choslowakischen Gebieten beschlossen. chen war, fortbestehen sollte.
kupanten durch die Massaker von Lidice In den ersten Dekreten wurden vor al- 2. In der tschechoslowakischen Repu-
und Leþaky verstärkten die Verbunden- lem die Rechtsstellung der Exilregierung blik kann es zu einer eindeutigen Klärung
heit der tschechischen Bevölkerung mit und der tschechoslowakischen Staatsbür- der deutschen (und in ähnlicher Weise,
der Exilregierung. ger in der Zeit der Okkupation geklärt, der Magyaren-) Frage nur kommen,
Da auf Grund der Kriegssituation nur dazu gehörte beispielsweise die Frage wenn die Zahl der Deutschen in der
einzelne Vertreter der ehemaligen tsche- des Militärdienstes in den Reihen der tschechoslowakischen Republik radikal
choslowakischen Regierung und vor al- Anti-Hitler-Koalition. Mit der Übernah- auf ein Maß reduziert wird, das keinerlei
lem des Parlamentes in London anwe- me der Regierungsverantwortung auf bedrohliche Auswirkungen auf den tsche-
send waren, konnte die Exil-Regierung dem befreiten Territorium wurde es auch choslowakischen Staat und das Volk hat
Verordnungen, Gesetze oder andere Er- notwendig, Fragen der Ordnung der und schließlich zu einer Verschmelzung
lasse nur vorläufig und qua Amt erlassen. Nachkriegsverhältnisse, von Rechtsstel- mit dem letztgenannten führt. (...)
Sie musste beispielsweise Fragen ent- lungen bis zu monetären Angelegenhei- 4. Um diese Ziele zu erreichen, wird
scheiden, die nach der Verfassung allein ten, im Wege der Dekrete vorläufig zu re- eine Umsiedlung von Deutschen (natür-
geln. Alles dies ist in den lich einschließlich aller illoyalen Elemen-
„Beneš-Dekreten“ geregelt te) vorgeschlagen, so dass nicht mehr als
worden, nicht jedoch die 800.000 in der Tschechoslowakei verblei-
Frage der Aus- und Umsied- ben. (Was die Magyaren betrifft, so kann
lung oder Vertreibung der das Problem weitgehend durch einen
deutschen Bevölkerung. Austausch der Bevölkerung gelöst wer-
Diese Frage konnte gar den.)
nicht durch die Exil-Regie- 5. Die Umsiedlung muss unter Berück-
rung entschieden werden, da sichtigung bestimmter Richtlinien von
Bevölkerungsverschiebun- statten gehen und in der kürzestmög-
gen und territoriale Neuord- lichen Zeit, d.h. innerhalb von etwa zwei
nungen unmittelbar mit der Jahren. Der kurze Zeitraum und eine rei-
Kriegsziel-Definition der al- bungslose Organisation wird die Not der
liierten Großmächte verbun- Umzusiedelnden auf ein Minimum redu-
den waren. zieren ...“ (Wochenschau, Nachbar
Natürlich hat sich die Tschechien, S. 214/215)
Exilregierung unter Edvard Im Potsdamer Abkommen vom 2. Au-
Beneš in diese Entschei- gust 1945 wurde im Abschnitt XIII aus-
dungsfindung eingemischt. gehend von solchen Überlegungen wört-
Bekannt sind mehrere Ver- lich anerkannt, „dass die Überführung
Münchner Konferenz (v.l.n.r.): Chamberlain, Hitler, Mussolini, handlungsrunden, in denen der deutschen Bevölkerung oder Be-
v. Ribbentrop die tschechische Seite vor al- standteile derselben, die in Polen, Tsche-
lem gegen-über der briti- choslowakei und Ungarn zurückgeblie-
dem Parlament vorbehalten waren. Um schen Regierung ihre Vorstellungen für ben sind, nach Deutschland durchgeführt
sich in dieser Situation der Abwesenheit ein zukünftiges Zusam-menleben unter- werden muss“. (Das Potsdamer Abkom-
einer „normalen“ parlamentarischen Tä- schiedlicher Nationalitäten in der wieder- men, Amtlicher Text)
tigkeit nicht selbst zu blockieren, ent- herzustellenden Tschechoslowakei entwi- Dabei hatten sich die politischen Be-
schied die Exilregierung, alle Verordnun- ckelte. Dass es dabei im Verlauf des dingungen in der CSSR zwischen No-
gen und Gesetze als Dekrete des Präsi- Krieges Veränderungen in der britischen vember 1944 und August 1945 bereits
denten herauszugeben. Festgelegt wurde Haltung gab, bevor die Alliierten gemein- grundlegend gewandelt. Ende 1944 be-
in dem Zusammenhang, wie es im Dekret sam die Rechtsungültigkeit des Münche- gann die erste antifaschistisch legitimier-
Nr. 2 „über die vorläufige Gesetzgebung“ ner Diktates anerkannten, ist bekannt. te Vertretung auf dem befreiten Boden
hieß, dass diese Erlasse nach dem Ende Aber schon am 6. Juli 1942 hatte das bri- der ehemaligen CSSR im Raum Košice
der Okkupation des tschechoslowaki- tische Kabinett in einem Grundsatzbe- (heute Slowakische Republik) zu arbei-
schen Territoriums durch ein wieder schluss sich für einen „Transfer deutscher ten. Hauptaufgabe dieser Kräfte war es
rechtmäßig zusammengetretenes Parla- Minderheiten aus Ostmitteleuropa“ aus- jedoch, auf dem befreiten Gebiet neue
ment nachträglich zu billigen seien, was gesprochen. antifaschistisch-demokratische Verwal-
auch geschah. Um es nicht allein bei Grundsatzerklä- tungsstrukturen zu schaffen. Zu dieser
Die Zeit der Dekrete kann daher für rungen zu belassen, legte die tschechos- Gruppe stieß Edvard Beneš Anfang April
den Zeitraum vom 21. Juli 1940, der lowakische Exilregierung ihre Vorstellun- 1945 aus dem englischen Exil. Dabei
Gründung der Exilregierung, bis zum 27. gen in verschiedenen Memoranden nie- stieß der Aufbau der neuen Strukturen
Oktober 1945 bestimmt werden. Am 28. der. Die präzisesten Vorstellungen wur- auf zwei grundlegende Schwierigkeiten.
Oktober 1945 tagte zum ersten Mal wie- den im Memorandum vom 23. November Zum einen waren auf Grund der Front-
der das Parlament. Mit Beschluss vom 1944 formuliert, die letztlich auch die entwicklungen Böhmen und Mähren
28. März 1946 billigte es die vorange- Grundlage für die alliierten Beschlüsse Auffanggebiete für zahllose deutsche
gangenen Erlasse. auf der Potsdamer Konferenz bildeten. In Flüchtlinge aus Schlesien und Sachsen,
Auf dieser Basis begann die Exilregie- diesem Memorandum heißt es in einer die jedoch keine Zukunft in der neu zu
rung 1941 mit ihrer recht umfangreichen Zusammenfassung: bildenden CSSR haben würden. Sie soll-
Regelung von Tagesfragen und Aufga- „1. Nach den Erfahrungen der Zeit ten möglichst schnell wieder aus dem
ben, die sich auch mit der zukünftigen zwischen den beiden Kriegen und ganz Land hinausgedrängt werden, um über-

: antifaschistische nachrichten 2-2003 9


haupt eine neue Staatlichkeit aufbauen zu 3. die Enteignung Dekretes wurde entschädi-
können. Zweitens entwickelte sich im und Nationalisierung gungslos das Eigentum der
März/April 1945 die Region zum Rück- von Eigentum ohne juristischen und natürlichen
zugsraum für die faschistischen Truppen- Entschädigung. Personen deutscher Staatsan-
verbände von Wehrmacht und SS. Ver- Auch wenn es heute gehörigkeit eingezogen. Na-
bunden mit der Illusion, mit den Westalli- gerne anders behauptet türlich differenziert eine sol-
ierten einen Separatfrieden schließen zu wird, waren unter che pauschale Konfiskation
können, der in einen gemeinsamen Punkt eins nicht pau- nicht nach individueller Ver-
Kampf gegen den Bolschewismus mün- schal alle Deutschen antwortung. Gleichzeitig
den sollte, wurde zum einen dem Vor- angeklagt, sondern kann jedoch auch nicht über-
marsch der sowjetischen Truppen ent- diese Dekrete basier- sehen werden, dass die sude-
schiedener Widerstand entgegengesetzt, ten auf dem Prinzip tendeutsche Bevölkerung in
zum anderen in den rückwärtigen Räu- der individuellen Ver- ihrer überwiegenden Mehr-
men komplette Truppenverbände zu- antwortlichkeit. Sie heit die nazistische Politik
sammengehalten, die hätten weiterkämp- entsprachen damit und die Okkupation mit ihren
fen können. weitgehend den alliierten Grundsätzen Folgen für die CSSR unterstützt haben.
Es bedurfte daher großer Anstrengun- zur Befreiung von Nazismus und Milita- Als außerordentliche Rechtsnormen
gen der sowjetischen und westalliierten rismus, wie sie in Deutschland angewen- waren die „Beneš-Dekrete“ Ausdruck der
Truppen sowie des Handelns der tsche- det wurden. Dass es in der Umsetzung damaligen historischen Entwicklung.
chischen Antifaschisten selber, die am 5. pauschale Urteile gab, ist unstrittig, aber Emil Hruška schreibt dazu: „Im großen
Mai den Aufstand von Prag organisierten vom Grundsatz her ging es um die Bestra- Ausmaß wirkten bei der Entstehung der
und dazu beitrugen, die Okkupanten vom fung von Naziverbrechern und ihrer Hel- Dekrete ein angespannter Patriotismus,
Territorium der CSSR zu vertreiben. So fer. Dass sich hierunter zahlreiche Sude- aber auch ein aggressiver tschechischer
endeten die Kampfhandlungen in der tendeutsche befanden ist entsprechend ih- Nationalismus mit. Von Bedeutung waren
CSSR auch erst am 9. Mai 1945, und erst res politischen Handelns in der Zeit vor auch die Vorstellungen über die neue Ge-
am 11. Mai 1945 war es möglich, die und nach München nicht überraschend. staltung der Tschechoslowakei und Euro-
neue gemeinsame Tschechoslowakische Eine prinzipielle Regelung der Staats- pas und auch die Befürchtung, dass sich
Regierung der „Nationalen Front der bürgerschaft war wegen der Folgen des die tragischen Ereignisse der Jahre 1938-
Tschechen und Slowaken“ gemeinsam Münchener Diktates notwendig gewor- 1945 wiederholen könnten..“ (Deutsch-
mit Beneš und Vertretern des politischen den. Vor München waren Sudetendeut- Tschechische Nachrichten, Nr. 33, S. 7)
Widerstandes zu etablieren. sche tschechische Staatbürger, nach Mün- Und so war die juristische Bestätigung
Das Fehlen von staatlichen Ordnungs- chen wurden sie zu deutschen Staatsbür- der Dekrete in ihrer Gesamtheit durch den
kräften in den befreiten Gebieten führte gern. Mit der Aufhebung des Diktates wa- Parlamentsbeschluss vom 28. März 1946
dazu, dass sich die Wut der tschechischen ren sie faktisch deutsche Staatsbürger, ju- auch eine Bestätigung der Ergebnisse des
Bevölkerung über das in den Jahren der ristisch jedoch wieder Tschechen. Dies Prozesses im antifaschistisch-demokrati-
Okkupation erlittene Unrecht in den er- konnte und wollte niemand akzeptieren. schen Neubeginn in der CSSR zur
sten Wochen nach dem Ende der Kampf- So wurde nach dem Beschluss des Pots- Wiederherstellung der nationalen Souve-
handlungen in spontanen Massenvertrei- damer Abkommens mit Verfassungsde- ränität und Eigenstaatlichkeit. Damit sind
bungen besonders im grenznahen Raum kret 33/1945 vom 2. August 1945 das die „Beneš-Dekrete“, selbst wenn viele
entlud. Der dafür gebräuchliche tschechi- Staatsbürgerrecht dahingehend geregelt, von ihnen in ihrem konkreten rechtlichen
sche Begriff heißt „Odsun“ – Ausschub, dass den nach München deutschen Staats- Gehalt überholt sein mögen, dennoch als
und nichts kennzeichnet diese Phase der angehörigen die tschechische Staatsbür- Fundament der gültigen Rechtsordnung
unkoordinierten, spontanen, aber für die gerschaft entzogen wurde. Behalten konn- der Tschechischen Republik bis heute an-
Betroffenen mit vielen Leiden und auch ten sie nur die Personen, die nachweisen zusehen. Wer sie in Frage stellen will,
teilweise Unrecht verbundenen Aktionen konnten, dass sie der CSSR treu geblie- stellt damit – bewusst oder unbewusst –
besser. ben waren, dass sie beispielsweise als die Legitimität der Staatlichkeit in Frage.
Erst am 5. Juni 1945 waren die tsche- Antifaschisten gegen die Okkupation ge- Wer in Kenntnis dieser historischen
chischen Truppen in der Lage, ordnend in wirkt oder selber unter dem Naziterror zu Sachlage heute nach der Aufhebung der
diese Aktionen der tschechischen Bevöl- leiden hatten. „Beneš-Dekrete“ ruft, hat daher nicht
kerung einzugreifen. Damit wurden die Diese Ausnahme galt auch bezogen auf „Menschlichkeit“ und „Versöhnung“ im
spontanen und unkoordinierten Abschie- die Eigentumsdekrete, die vom Juni bis Kopf, sondern sucht neben der politischen
bungen gestoppt, und man begann, die Oktober 1945 die Enteignung und Natio- Neugewichtung der Rolle „der Deut-
Umsiedlung zu organisieren. Das bedeu- nalisierung des Eigentums der deutschen schen“ im deutsch-tschechischen Verhält-
tet jedoch nicht, dass damit alle Formen Bevölkerung regelten. Es begann mit ei- nis (Deutsche als Opfer statt als Täter)
von Übergriffen und pogromartige Aktio- nem Dekret „über die Konfiskation und darüber hinaus Schlupflöcher für die Öff-
nen, wie in Ústi nad Labem (Aussig/ beschleunigte Aufteilung des landwirt- nung von Eigentumsfragen – für Restitu-
Elbe) am 31. Juli 1945, verhindert werden schaftlichen Vermögens der Deutschen, tionsansprüche nach der Aufnahme der
konnten. Madjaren, wie auch der Verräter und Tschechischen Republik in die Europäi-
Nun erst beschäftigte sich die neue Re- Feinde des tschechischen und des slowa- sche Union. Eine historisch verantwortli-
gierung auch mit Rechtsfragen, die die kischen Volkes“, also mit einer Bodenre- che Position im Umgang mit diesem The-
deutsche Minderheit in der CSSR betra- form zugunsten der tschechoslowakischen ma muss sich solcher politischen lmplika-
fen. In insgesamt 13 Dekreten wurden Bevölkerung. Dies war vor dem Hinter- tionen bewusst sein und allen Versuchen
diese behandelt. grund des gesellschaftlichen Neubeginns der revanchistischen und geschichtsrevi-
Dabei wurden vor allem folgende eine fundamentale Entscheidung. sionistischen Spielraumerweiterung ent-
Punkte geregelt: Als Form von Reparationszahlung für gegentreten.
1. Die Bestrafung von Naziverbrechern die Schädigungen seit München ist das (Wichtige Hinweise entnahm ich dem Beitrag von
und anderen Schuldigen in der Zeit der Dekret 108/1945 vom 25. Oktober 1945 Emil Hruška, Die sogenannten Beneš-Dekrete –
Okkupation, „über die Konfiskation des feindlichen Mythen und Realität, gehalten auf einer internatio-
nalen Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung,
2. die Frage der Staatsbürgerschaft der Vermögens und die Fonds der nationalen zuerst publiziert in den Deutsch-Tschechischen
Deutschen und der Ungarn, Erneuerung“ anzusehen. Auf Grund dieses Nachrichten Nr. 33 vom 1. 10.2001, S. 5 – 8) ■

10 : antifaschistische nachrichten 2-2003


: ausländer- und asylpolitik

CDU macht Druck auf Handy nicht auszu-


Kriegsflüchtlinge schalten • den Pilo-
ten aufzufordern, den
Stuttgart. „Bei der Beratung zum 21. Betroffenen nicht zu
Stuttgarter Flüchtlingsbericht wurde befördern • anzudro-
über die Rückkehrhilfe berichtet. Trotz hen, künftig nicht
Gesprächen mit ca. 2.000 Personen über mehr mit der KLM
die Rückkehrhilfe sind nur 35 Personen zu fliegen • und
zurückgegangen. Bei der Beratung im eventuelle Gewaltan-
Gesundheitsausschuss wurde der wendungen von Sei-
Wunsch geäußert, eine Stelle aus der ten des Sicherheits-
Rückkehrhilfe in die psychosoziale Be- personals zu doku-
ratung zu geben. Nach unserer Ansicht mentieren. Zudem
ist dies der falsche Weg. In der derzeiti- wurde am Tag zuvor
gen angespannten Haushaltslage muss es die Fluggesellschaft
Ziel sein, den Personenkreis der Hilfe- davon in Kenntnis
empfänger zu reduzieren. gesetzt, dass die Ab-
Wir fragen an: schiebung von Herrn Agoroh für den Zahl der Asylbewerber aus Afghanistan
1. Wie arbeitet die Rückkehrhilfe? Wir KLM-Flug 1790 um 6:30 Uhr vom Flug- hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr
bitten um einen Bericht. hafen München angesetzt wurde. Damit als halbiert. Für Bundesinnenminister
2. Wie kann die Effizienz der Rück- verbunden wurde dem Sicherheitsperso- Otto Schily eine „erfreuliche Entwick-
kehrhilfe erhöht werden?“ nal mitgeteilt, dass Herr Agoroh sich ge- lung“, die „in erster Linie auf die steu-
Diese Anfrage im Stil der REP stellten gen seine Abschiebung zur Wehr setzen ernde und begrenzende Vorauswirkung
am 2.12.2002 die CDU-Stadträte Iris wolle und somit ein Sicherheitsrisiko für des Zuwanderungsgesetzes zurückzufüh-
Ripsam, Ilse Unold, Helga Vetter und den geregelten Flugbetrieb darstelle. All ren“ sei. Die Bundesregierung habe mit
Roland Schmid an die Stuttgarter Stadt- diese Bemühungen wurden nun mit Er- dieser Gesetzesvorlage deutlich ge-
verwaltung. folg gekrönt. Die Abschiebung fand macht, dass missbräuchliche Asylaufent-
Bei nur 35 Rückkehrern nach 2.000 nicht statt. Koumai Agorah befindet sich halte in Deutschland künftig leichter und
Gesprächen könnte man auch folgern: momentan weiterhin in Abschiebehaft rascher beendet werden können. Das In-
jetzt sind alle rausgedrückt worden, die und wir werden uns dafür einsetzen, dass krafttreten des Zuwanderungsgesetzes
das Amt auf Grund der Rechtslage und er möglichst bald freigelassen wird. werde die Asylbewerberzahlen weiterhin
der Lage in ihrer Heimat rausdrücken Die Ordnungskräfte haben gegen die deutlich senken und die Sozialkassen
konnte. Die Kriegsflüchtlinge aus dem Beteiligten ein Strafverfahren eingelei- spürbar entlasten.
Balkan, die jetzt noch hier sind, fürchten tet. Vorwurf ist, dass in den Anregungen Für den Zeitraum des gesamten Jahres
bei der Rückkehr um Leib und Leben an die Fluggäste eine Aufforderung zu 2002 veröffentlichte das BMI folgende
oder haben schwerwiegende Gründe, Straftaten zu sehen sei. Dieser Kriminali- Zahlen: In der Zeit von Januar bis De-
hier zu bleiben. Wäre es nicht sinnvoller sierungsversuch ist leicht durchschaubar. zember 2002 haben insgesamt 71.127
und menschlicher, mit dem Geld, das für Nachdem vor knapp einem Monat be- Personen in Deutschland Asyl beantragt.
diese Rückkehrgespräche ausgegeben reits eine Abschiebung auf ähnliche Gegen-über dem Vergleichszeitraum im
wird, die Lage der Flüchtlinge hier zu Weise verhindert werden konnte, möchte Vorjahr (88.287 Personen) bedeutet dies
verbessern und dafür nicht nur eine, son- man jetzt die UnterstützerInnen im einen Rückgang um 17.160 Personen (-
dern alle Personalstellen der psychosozi- Kampf gegen Abschiebungen einschüch- 19,4 Prozent). Damit kamen mit Ausnah-
alen Beratung zuzuschlagen? ulk ■ tern. Das überzogene Verhalten der Si- me des Januars in jedem Monat des Jah-
cherheitskräfte offenbart ihre Angst vor res 2002 weniger Asylbewerber als im
Ungehorsame Passagiere – Öffentlichkeit bei Abschiebungen. Vergleichsmonat des Vorjahres.
Wir von der Karawane und vom Baye- Die Hauptherkunftsländer 2002 waren
Fluggäste verhindern Ab- rischen Flüchtlingsrat protestieren gegen Irak mit 17.167 (2001: 10.242 = -40,3
schiebung eines Togolesen dieses Vorgehen aufs Schärfste. Für uns %), Türkei mit 10.869 (2001: 9.575 = -
München. AktivistInnen der Karawane hat diese Aktion gezeigt: aktiver Wider- 11,9%), Brep. Jugoslawien 7.758 (2001:
für die Rechte der Flüchtlinge und Mi- stand gegen Abschiebung ist nicht nur 6.679 = -13,9), Russ. Föderation 4.523
grantInnen und des Bayerischen Flücht- nötig, sondern auch möglich! (2001: 4.058 = -10,3%), Afghanistan
lingsrates verhinderten am 19.12.2002 Matthias Weinzierl, 5.837 (2001: 2.772 = -52,5%), Iran 3.455
die Abschiebung des togolesischen Bayer. Flüchtlingsrat ■ (2001: 2.642 = -23.5), Vietnam 3.721
Flüchtlings Koumai Agoroh. (2001: 2.340 = -37,1%), Indien 2.651
Damit ist es zum wiederholten Male Schily: niedrigste Asyl- (2001: 2.246 = -15,3 %), Syrien 2.232
gelungen, eine kurzfristig angesetzte Ab- (2001: 1.829 = -18,1%), Algerien 1.986
schiebung eines Togolesen vom Münch- bewerberzahlen seit 1987 (2001: 1.743 = -12,2%).
ner Flughafen zu verhindern! Mit Hand- Berlin. Nach Mitteilungen des Bundes- Im Jahr 2002 ging die Zahl der Asyl-
zetteln wurden die Fluggäste der KLM ministeriums stellten im Jahr 2002 bewerbern aus allen zehn Haupther-
Maschine 1790 Richtung Amsterdam 71.127 Personen in Deutschland erstma- kunftsländern gegenüber dem Vorjahr
aufgefordert, Zivilcourage zu zeigen und lig einen Asylantrag. Damit sank die deutlich zurück, und zwar zwischen 10,3
den Start der Maschine solange zu verzö- Zahl der Asylanträge gegenüber dem und 52,5 Prozent. Am stärksten war der
gern, bis die Flugbesatzung von der Ab- Vorjahr um 17.160 oder um 19,4 Pro- Rückgang von Asylbewerbern aus Af-
schiebung Herrn Koumai Agorohs abse- zent. Dieser Rückgang ist für alle zehn ghanistan, dem fünfstärksten Herkunfts-
hen würde. Angeregt wurde • sich im Hauptherkunftsstaaten zu verzeichnen. land für Asylantragsteller. Hier halbierte
Flugzeug nicht zu setzen, • gegenüber Allein aus dem Irak kamen 6.925 Asyl- sich im Jahr 2002 der Asylzugang um
dem Flugpersonal anzukündigen, das suchende weniger als im Jahr 2001. Die -52,5 Prozent.

: antifaschistische nachrichten 2-2003 11


Im gesamten Zeitraum von Januar bis Manche Kinder waren bei den Folterun- rechtsgruppen, Wohlfahrtsverbänden,
Dezember 2002 hat das Bundesamt für gen, den Verhaftungen der Eltern zuge- Kirchen und eindeutiger Bundestagsent-
die Anerkennung ausländischer Flücht- gen, manche haben auch miterleben müs- scheidungen. Innenminister Otto Schily
linge (BAFL) 130.128 Entscheidungen sen, wie ihre Eltern umgebracht wurden. hat sich bisher geweigert, die entspre-
getroffen. 2.379 Personen (1,8 Prozent) Manche der Kinder werden bewusst fort- chende Unterschrift zu leisten.
wurden als Asylberechtigte anerkannt. geschickt, um ihnen eine bessere Zukunft Mit Kindern wird immer noch in ver-
4.130 Personen (3,2 Prozent) erhielten zu ermöglichen. Es sind keine „Rabenel- fassungswidriger Weise umgegangen,
Abschiebeschutz nach § 51 Abs. 1 des tern“, die ihre Kinder wegschicken! Kinderschicksale sind asylrechtlich nicht
Ausländergesetzes. 80.443 Asylanträge Gerade in Deutschland müsste sehr relevant. Dies führt dazu, dass gerade
(61,8 Prozent) wurden abgelehnt. 43.176 sensibel mit diesem Thema umgehen viele der durch Erfahrungen von Flucht,
Anträge (33,2 Prozent) wurden ander- werden, denn während der Zeit der Nazi- Menschenrechtsverletzungen etc. see-
weitig erledigt. Bei 1.598 Personen hat Herrschaft wurden viele Kinder nur da- lisch äußerst schwer belasteten und trau-
das Bundesamt in der Zeit von Januar bis durch gerettet, dass sie von ihren Eltern matisierten Kinder keine ausreichenden
Dezember 2002 Abschiebungshinder- ins Ausland geschickt wurden. Hilfen in Deutschland erhalten. Integra-
nisse im Sinne von § 53 des Ausländer- Und: vielen Kindern würde das gleiche tionshilfen werden verweigert, denn die
gesetzes festgestellt. Schicksal wie den Eltern oder / und ande- Minderjährigen sollen sich ja nicht inte-
Neben 71.127 Erstanträgen wurden rer Verwandten drohen, wenn sie nicht grieren. Sie sind letzten Endes uner-
auch 20.344 Asylfolgeanträge gestellt. fliehen würden. wünscht.
Hauptantragsteller waren Menschen aus Doch die jungen Flüchtlinge sind den Die Minderjährigen durchlaufen in der
der Bundesrepublik Jugoslawien mit körperlichen und seelischen Belastungen Regel ein aussichtsloses Verfahren, da sie
7.138 Anträgen und der Türkei mit 4.438 am wenigsten gewachsen: Sie stoßen in häufig nur unzureichende „Asylrechtlich
Anträgen. Flüchtlingslagern auf katastrophale Le- relevante Gründe“ vorbringen können,
Der Anteil der Folgeanträge an allen bensbedingungen. Dabei haben Kinder denn schon aufgrund ihres niedrigen Le-
Anträgen betrug damit im Jahr 2002 22,3 besondere Bedürfnisse, die erfüllt werden bensalters können Kinder und Jugendli-
Prozent gegenüber noch 25,4 Prozent im müssen, benötigen einen besonderen che dem „Prototyp“ des politisch enga-
Jahr 2001 und 33,2 Prozent in 2000. Schutz. Die überwiegende Zahl der al- gierten, in der Öffentlichkeit agierenden
Fazit: Die Zahl der Asylbewerber ist leinstehenden Kinder und Jugendlichen Menschen, der in seinem Herkunftsland
2002 auf den niedrigsten Stand seit 15 ist schwer traumatisiert und kommt im verfolgt wird, nicht entsprechen. Aus
Jahren gesunken. Dauerhaftes Asyl in Zustand des Schocks, der Verzweiflung Angst um ihre Angehörigen im Her-
Deutschland erhielten gerade mal 2379 und des Stresses hierher. kunftsland verschweigen Kinder oft noch
Menschen. Aus diesem Grund hat der UNHCR Wesentliches, was wiederum zu einer
Quelle: BMI Mitteilungen Jan. 2003 ■ 1989 die „Kinderrechtskonvention“ – Ablehnung führen kann, denn dann sind
„Übereinkommen über die Rechte der die „Angaben ungenügend, vage und un-
Kinder als Flüchtlinge Kinder“ verabschiedet, die den besonde- zureichend“. Sind die Kinder dann 16
ren Schutz für Flüchtlings-Kinder fest- Jahre alt, werden sie für asylmündig er-
Mannheim. Die Mannheimer AI – Grup- schreibt. Doch wie sieht die Wirklichkeit klärt. Das bedeutet, dass sie wie Erwach-
pe hatte anlässlich des Tags der Men- aus? Nur einem Bruchteil der Kinder ge- sene behandelt werden und sich im Asyl-
schenrechte am 12.12.2002 Herrn Heiko lingt die Flucht nach Deutschland. Ge- verfahren selbst vertreten müssen, was
Kaufmann, Sprecher von „PRO ASYL“, naue Zahlen gibt es nicht, sie werden sta- sie völlig überfordert.
eingeladen. Herr Kaufmann referierte tistisch nicht erfasst. Man schätzt, dass Während Kinder und Jugendliche bis
über die Situation von Flüchtlingskin- die Zahl ca. 6000 beträgt. 16 Jahren – falls keine andere Möglich-
dern. Hier eine kurze Zusammenfassung: Obwohl die Kinderrechtskonvention keit besteht – in einer Einrichtung der Ju-
Krieg, Vertreibung und Armut ver- die Notwendigkeit verbesserten Schutzes gendhilfe leben, werden sie danach in
schonen auch Kinder und Jugendliche und stärkerer Rechte für Kinder weltweit Obdachlosenunterkünfte oder im Lager
nicht. Im Gegenteil: immer mehr Minder- in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte untergebracht: wahrhaft ungeeignete Be-
jährige leiden unter den kurz- und lang- und von über hundert Staaten unterzeich- dingungen für Jugendliche, die Familie,
fristigen Folgen von Gewalt und Terror. net wurde, ist die politische Praxis von ei- Heimat und Orientierungsrahmen verlo-
Vorsichtige Schätzungen gehen davon gennützigen nationalen Interessen ge- ren haben. Nach einer erfolgten rechts-
aus, dass sechs bis zehn Millionen Kinder kennzeichnet. So hat die BRD die Kin- kräftigen Ablehnung erhalten sie dann
weltweit auf der Flucht sind – mit und derrechtskonvention 1992 nur unter Vor- bestenfalls eine Duldung, wenn entspre-
ohne ihre Familien. behalt unterschrieben. Es gilt nicht das chende Abschiebehindernisse vorliegen.
• über 40 000 Kinder sterben täglich an Wohl des Kindes, sondern das Ausländer- Dies ist nach Einschätzung der Behör-
Hunger und vermeidbaren Krankheiten, recht. Die BRD entzieht sich dadurch der den nicht immer der Fall. Und so kommt
• über 200 000 Kinder unter 15 Jahren Verpflichtung, Kinderflüchtlingen beson- es auch vor, dass auch Minderjährige in
tragen Waffen, werden zu Militärdienst deren Schutz zu gewähren. Die Verwei- Abschiebehaft genommen werden.
gezwungen gerung von Schutz und Hilfen für Flücht- Aus all dem ist zu fordern:
• Tausende Kinder in vielen Staaten der lingskinder ist jedoch ein Verstoß gegen • Rücknahme des Vorbehalts unter der
Welt sind Opfer von Folter, von staat- das Kindeswohl – auch gemessen an Kinderrechtskonvention
lichen Übergriffen und Menschenrechts- internationalen Standards. Im 1. Staaten- • Verbot der Abschiebehaft und der Ab-
verletzungen. bericht der Genfer Flüchtlingskonvention schiebung
• Zehntausende werden willkürlich ver- (1995) wird Deutschland deswegen hef- • rechtliche Gleichstellung von minder-
haftet, verschwinden, werden in Gefäng- tig kritisiert. jährigen Flüchtlingen in kinder- und ju-
nisse gesperrt, verschleppt, ermordet, Auch die SPD und die GRÜNEN ha- gendhilferechtlicher Hinsicht
hingerichtet. ben bisher den Vorbehalt, für dessen Ab- • keine Anwendung der Drittstaatenre-
• Millionen von Kindern werden zur Pro- schaffung sie noch in Oppositionszeiten, gelung auf Kinder und Jugendliche
stitution und in die Sklaverei gezwungen- nämlich bereits 1992 eingetreten sind, • Aufenthalts- und Bleiberecht für unbe-
Kinder, deren Eltern fliehen mussten, noch nicht zurückgenommen – trotz ent- gleitete Kinder und Jugendliche auch
inhaftiert wurden oder untertauchen mus- sprechender Vereinbarungen im Koali- außerhalb des Asylverfahrens,
sten, erleben ihre Situation, die sie oft un- tionsvertrag von 1998, trotz verschiede- • Abschaffung des Flughafenverfahrens
vorbereitet trifft, als lebensbedrohend. nen Interventionen durch Menschen- • keine Unterbringung im Lager. ■

12 : antifaschistische nachrichten 2-2003


: neuerscheinungen, ankündigungen

ge nach, wie das deutsche Bil- Ausländerpolitik und Außen- PKK. Während die PKK von
dungswesen mit Schülern kur- politik wirken sich auf den bil- vielen Kurden in der Türkei,
discher Herkunft aus der Tür- dungspolitischen Umgang mit die eine politische Lobby hat-
kei verfährt. Kurden aus. Von der auslän- ten, als Hoffnungsträger gese-
Die Studie präsentiert u.a. derpolitischen Konzeption des hen werde, gilt sie türkischen
eine Untersuchung über den jeweiligen Bundeslandes Staatspropaganda schlicht
Ist-Zustand des muttersprach- hängt es ab, ob muttersprach- Synonym für Terrorismus. Im
lichen Unterrichts Kurdisch in licher Unterricht überhaupt als Dienste der deutsch-türkischen
Bremen, Hamburg, Nieder- staatliche Aufgabe angesehen Beziehungen schlug die deut-
sachsen und Nordrhein-West- wird, ob als „Muttersprachen“ sche Politik mit dem PKK-
falen. Dabei werden die insti- nur die offiziellen Staatsspra- Verbot eine ähnliche Linie ein.
tutionellen Rahmenbedingun- chen der Herkunftsstaaten Dadurch seien auch in
gen, methodisch-didaktische oder die tatsächlich gesproche- Deutschland integrierte Kur-
Aspekte, Resonanz bei kurdi- nen Familiensprachen der Mi- den in einen kaum lösbaren
schen Eltern und Schülern so- granten anerkannt werden. Die Loyalitätskonflikt zwischen
wie die Auswirkungen auf den Arbeit setzt sich kritisch mit der „kurdischen Partei“ PKK
Schulalltag analysiert. Das den Begriffen „Minderheit“ einerseits und dem Aufnahme-
Thema muttersprachlicher und „Mehrheit“ auseinander. land Deutschland andererseits
Kurdische Unterricht wird eingebettet in Es wird hinterfragt, wie ethni- gedrängt worden.
Migration und eine Auseinandersetzung mit sche Selbst- und Fremdzu- Die Autorin gewann ihre
deutsche (Bildungs-) Aspekten der Sprachpolitik im schreibungen entstanden und Erkenntnisse über kurdische
Allgemeinen und der kurdi- wer warum ein Interesse an Migrantinnen und Migranten
Politik schen Sprache als einer Nicht- deren Aufrechterhaltung bzw. durch langjährige praktische
Die Arbeit von Sabine Staatssprache im Besonderen. Abschaffung hat. Ist die For- Arbeit. Als Lehrerin arbeitet
Skubsch beschäftigt sich mit Durch historische und interna- derung nach „Erhalt der kurdi- sie in der beruflichen Bildung
der spezifischen Situation von tionale Vergleiche wird die schen Identität“ das legitime mit Migrantenjugendlichen.
kurdischen Migrantinnen und verordnete kulturelle Homoge- Bedürfnis eines „unterdrück- Als Aktivistin der Kurdistan-
Migranten aus der Türkei und nität von Nationalstaaten euro- ten Volkes“, oder hat jeder Be- solidarität beteiligte sie sich an
ihrer Position im Kontext päischer Prägung, die von der zug auf eine nationale kollek- Menschenrechts- und Gewerk-
deutscher (Bildungs-) Politik: Türkei in so rigider Weise tive Identität eine gefährliche schaftsdelegationen nach Kur-
Dabei werden einerseits übernommen wurde, in Frage Verwandtschaft zu völkischem distan und fördert Projekte für
Hintergrundinformationen gestellt und Perspektiven für Denken? Die Autorin hinter- kurdische Schüler und Lehrer
über die Situation von Kurdin- einen anderen Umgang mit fragt nicht nur – wie in sozial- in der Türkei. Sie studierte
nen und Kurden in der Türkei Mehrsprachigkeit aufgezeigt. wissenschaftlicher Literatur Ausländerpädagogik und pro-
und im Einwanderungsland Über den schulischen Kontext über Kurden üblich – den An- movierte im Bereich Erzie-
Deutschland präsentiert. Ande- hinaus zeigt die Autorin ein spruch auf einen „Erhalt der hungswissenschaften über
rerseits findet eine Ausein- ganzes Netz unterschiedlicher kurdischen Identität“, sondern „Kurdische Migration und
andersetzung mit der Situation Mechanismen von Ausgren- auch den vom türkischen und deutsche (Bildungs-) Politik“
kurdischer Kinder und Jugend- zung auf, mit denen kurdische vom deutschen Staat erhobe- an der Universität GHS Essen.
licher im deutschen Schulsys- Migranten in Deutschland nen Assimilierungsdruck –
tem statt, insbesondere unter konfrontiert sind: Aus poli- ganz gleich ob er deutsch- Sabine Skubsch: Kurdische
dem Stichwort „muttersprach- tisch-ideologischen Gründen oder türkischnationalistisch Migration und deutsche (Bil-
licher Unterricht“. verweigert die deutsche Politik begründet wird. Die Identifi- dungs-)Politik. Münster:
Kurden waren lange Zeit ei- die Anerkennung der Tatsache, zierung kurdischer Kinder mit UNRAST-Verlag, Beiträge
nem breiteren Publikum nur dass die Bundesrepublik ein der Kulturideologie des Her- zur Kurdologie, Univ. GHS
durch Karl May bekannt, bis Einwanderungsland ist, und kunftsstaates Türkei sei ein Essen, Diss., ISBN 89771-
sich in den 1990er Jahren die zollt der offiziellen Kulturide- signifikantes Beispiel dafür, 013-7. Preis: 15 Euro
in Deutschland lebenden Kur- ologie des Herkunftslandes wie wenig universalistisch und Bestelladresse: Berliner För-
den mit Demonstrationen und Türkei mehr Anerkennung als interkulturell das deutsche Bil- derung der Kurdologie,
militanten Proteste ins öffent- dem ethnischen Selbstver- dungswesen ist. Minderheiten 12051 Berlin.
liche Bewusstsein schoben. ständnis der Zugewanderten. seien in der deutschen Ge-
Was veranlasste Kurden, die Aus außenpolitischen Interes- schichte in der Regel immer Vergessener Völker-
jahrzehntelang unauffällig in sen nimmt die Bundesrepublik dann zur Kenntnis genommen
Deutschland lebten, zu so ve- Rücksicht auf die Forderungen worden, wenn befürchtet wur- mord
hementem Auftreten? Warum der offiziellen türkischen Poli- de, dass sie zu einem Problem Wenn heute um den EU-Bei-
fühlen sich Schüler und Schü- tik, die in allem, was mit dem werden könnten. In dieser Tra- tritt der Türkei verhandelt
lerinnen kurdischer Herkunft, Attribut „kurdisch“ in Verbin- dition stehe auch die Wahrneh- wird, erinnert sich kaum noch
die immer weniger mit der dung steht, einen Angriff auf mung kurdischer Migranten. jemand an den Völkermord
Heimat ihrer Eltern verbindet, ihre „nationale Einheit“ sieht. Entgegen der von den Medien der türkischen Armee vor 65
in Deutschland als Kurden Durch die deutsche Medienbe- verbreiteten Ansicht, die Kur- Jahren an den Kurden von
ausgegrenzt? richterstattung über Kurden denproblematik sei von der Dersim.
Die Erziehungswissen- und durch den Einfluss, den Türkei aus in die Bundesrepu- Bis zu 100.000 Menschen –
schaftlerin Sabine Skubsch türkische Institutionen wie die blik importiert worden, sei der Männer und Frauen, Alte und
gibt allgemeine Hintergrund- Konsulate beispielsweise auf Konfliktstoff „hausgemacht“ Kinder – wurden damals von
informationen über die Situa- den muttersprachlichen Unter- bzw. werde in Deutschland der Armee nieder geschlachtet,
tion von Kurdinnen und Kur- richt Türkisch haben, fühlen verschärft. Einen Grund sieht vergast, verbrannt. Ihre einzi-
den im Einwanderungsland sich Kurden auch in Deutsch- die Autorin in der stark diver- ge Schuld war es, als Kurden
Deutschland und geht der Fra- land ungerecht behandelt. gierenden Wahrnehmung der geboren zu sein.

: antifaschistische nachrichten 2-2003 13


Mit dem jetzt auf Deutsch Wort „Kurde“ und „Kurdi- ranz gegenüber
in der Edition Ararat erschie- stan“ verboten. Auch der kur- Fremden werden in
nen historischen Roman „Die dische Name Dersim wurde farbigen Worten ge-
Vernichtung von Dersim“ er- bis heute durch den türki- schildert. Isik zeigt
innert der nach dem Militär- schen Namen „Tunceli“, das aber auch, wie die
putsch 1980 aus der Türkei bedeutet „Eisenfaust“, ersetzt. Feindschaft der
zwangsausgebürgerte und Gegen die einsetzende Re- Clans untereinander
heute in München lebende pression bildeten sich inner- und die Kollabora-
kurdische Schriftsteller Hay- halb weniger Wochen starke tion einzelner Ban-
dar Isik an den Schicksals- kurdische Guerillaverbände, denführer und Aghas Lagereingang Auschwitz
winter seines Volkes. Isik ist die in den Bergen erbitterten mit dem Staat es der
selber ein Überlebender der Widerstand leisteten. Geführt Armee leicht machten, den che Dokumentation über das
Massaker. Geboren im Jahr wurde der Aufstand für die Widerstand der Kurden zu Innenleben der Todesfabrik.
1937 rettete seine Mutter ih- Autonomie der Dersim-Kur- brechen. „Das ist eine Krankheit
ren einzigen Sohn in die Wäl- den von dem Geistlichen Se- Im weiteren Verlauf kon- ohne Namen“, sagt Shlomo
der, wo sie ihn permanent yid Riza, bis dieser durch Ver- zentriert sich die Handlung Venezia. In seinen Träumen
säugte, damit die Soldaten rat verhaftet und im Novem- auf das Schicksal des Mäd- sieht er seit fast 60 Jahren die
nicht durch das Schreien des ber 1937 in Elazig hingerich- chens Gule, das die Massaker verzweifelten Gesichter der
Babys alarmiert wurden. tet wurde. überlebte und von einer türki- Opfer auf dem Weg in den
„Vergesst niemals dieses Da die mit über 50.000 Sol- schen Offiziersfamilie adop- Tod, die entstellten Gesichter
Massaker! Vergesst niemals daten in der Region Dersim tiert wurde. Gule, die einen und gewundenen Körper der
diesen Vernichtungsfeldzug! aktive Armee den Widerstand neuen türkischen Namen er- Ermordeten in der Gaskam-
Erzählt euren Kindern von der Bauernguerilla nicht be- hält und kemalistisch erzogen mer und hört die erschüttern-
diesem Grauen!“ Diese in den zwingen konnte, ging sie im wird, ist ein Symbol für die den Todesschreie der Sterben-
Mund seines Romanhelden, Winter 1937/38 zur völligen Assimilierungspolitik des tür- den. Venezia gehört zu den
des Dorfältesten Alibinat ge- ethnischen Säuberung gegen kischen Staates gegenüber vermutlich 25 letzten der ehe-
legte Mahnung an die Überle- die Zivilbevölkerung über. den Kurden. Als junge Frau mals 110 Überlebenden von
benden des Genocids ist für Ganze Dörfer wurden von der wird sie Nacht für Nacht von etwa 2500 Häftlingen aller jü-
den Schriftsteller Verpflich- Armee umzingelt, die Männer den Albträumen des in ihrem dischen Sonderkommandos
tung. Schon sein erster Ro- auf dem Dorfplatz erschossen, Unterbewusstsein gespeicher- im Vernichtungslager Au-
man „Der Agha aus Dersim“, Frauen und Kinder in ihren ten Genozids geplagt, bis sie schwitz-Birkenau. In den Gas-
der ihn trotz sofortigen Ver- Häusern verbrannt. Wo es der von ihrer wahren Herkunft er- kammern von Auschwitz er-
bots in der Türkei bekannt Bevölkerung gelang, in Berg- fährt und in ihrem Adoptivva- mordete die SS zwischen
machte, widmete sich dem höhlen zu fliehen, mauerten ter den Mörder ihrer Familie 1941 und 1945 hunderttausen-
Schicksal der Dersim-Kurden. die Soldaten die Höhlenein- erkennt. Und so, wie Gule zu de Menschen. In Gang halten
Dersim galt Mitte der 30er gänge zu oder warfen Gas- ihrer kurdischen Identität zu- mussten die „Todesfabrik“ je-
Jahre als die „letzte freie bomben hinein. Tausende rückfindet und als Lehrerin doch hilflose Arbeitssklaven:
Burg“ der Kurden in der Tür- Frauen stürzten sich von den nach Dersim geht, konnte die die jüdischen Häftlinge des
kei. In den unzugänglichen hohen Felsen in den Fluss türkische Vernichtungspolitik Sonderkommandos. Sie waren
Berghöhen waren die kleinen Munzur, um nicht von den bis heute nicht den Geist des neben den Tätern und Ermor-
Bauerndörfer der Kontrolle Soldaten vergewaltigt zu wer- kurdischen Widerstandes in deten gezwungenermaßen die
des türkischen Staates weitge- den. Nach dem Ende des Ver- Dersim auslöschen. „Gule ist einzigen Augenzeugen der
hend entzogen. Von den ande- nichtungskrieges gegen Der- mein Dersim“ kommentiert Vorgänge in den Vernich-
ren Kurden waren die Dersi- sim 1938 ließ die Regierung Isik seinen Roman. tungsanlagen.
mer durch ihren alewitischen Hunderttausende Überlebende Nick Brauns ■ In seiner Lesung aus der
Glauben, einen liberale Strö- in andere Landesteile depor- neu erschienenen Monogra-
mung des Islam isoliert. So tieren, weitere Zehntausende Haydar Isik: Die Vernich- phie wird Andreas Kilian am
schwiegen die Dersim-Kur- wurden dabei ermordet. Erst tung von Dersim, Edition Dienstag, den 21. Januar 2003
den auch, als die Armee ge- mehr als 40 Jahre später sollte arArat im Unrast Verlag, um 19 Uhr in der Ton- und
gen die anderen Kurden als es mit dem Guerillakrieg der Gebunden, 344 S., 16 Euro, Bildstelle e.V., Rechneigraben
„islamische Reaktionäre“ vor- PKK zu einem neuen großen ISBN 3-89771-852-9 10, Frankfurt a.M. (Nähe
ging oder sie kämpften wie Aufstand in Türkisch-Kurdi- Konstablerwache, gegenüber
die Romanfigur des Unteroffi- stan kommen. Die Nieder- Zeugen aus der vom Arbeitsamt), Einblicke in
ziers Riza Tschausch sogar schlagung des Dersim-Auf- die Überlebenssituation der
auf Seiten des Staates. standes veranlasste übrigens Todeszone. Das jüdi- isolierten Häftlingsgruppe des
„Dersim ist für die Türki- Adolf Hitler dazu, den türki- sche Sonderkom- sogenannten Sonderkomman-
sche Republik eine Eiterbeu- schen Staatsführer Mustafa mando in Auschwitz dos bieten sowie auf die
le. Es ist absolut erforderlich, Kemal Atatürk zu seinen Vor- Widerstandsaktivitäten im
diese Eiterbeule zu operieren, bildern zu erklären. Das im Klampen-Verlag neu Zentrum der „Todesfabrik“
bedauerlichen Vorfällen zu- Im Zentrum von Haydar erschienene Buch „Zeugen Auschwitz-Birkenau einge-
vorzukommen, die Gesund- Isiks Roman steht das Schick- aus der Todeszone“ von Eric hen. Es besteht ferner die
heit der Heimat zu erhalten“ – sal der Bewohner des Dorfes Friedler, Barbara Siebert und Möglichkeit, eine 16-minütige
mit diesen Worten erklärte die Mergasur in Ost-Dersim. Der Andreas Kilian ist die erste Kurzfassung des Dokumentar-
Regierung von Ankara im De- Schriftsteller versetzt den Le- Gesamtdarstellung der Ge- films „Sklaven der Gaskam-
zember 1935 Dersim den ser zurück in jenen eisigen schichte der jüdischen mer“ von Eric Friedler (ARD,
Krieg. Ab 1936 wurde Dersim und blutigen Winter 1937/38. Sonderkommandos im größ- 2001) zu sehen.
von der türkischen Armee at- Die religiösen und sozialen ten nationalsozialistischen Lagergemeinschaft Au-
tackiert. Dorfbewohner wur- Bräuche der Alewiten, ihre Vernichtungslager Auschwitz- schwitz/ Freundeskreis
den angegriffen, kurdische Liebe zu den „heiligen Ber- Birkenau und eine eindringli- der Auschwitzer e.V . ■
Schulen geschlossen, das gen“, ihr Stolz und ihre Tole-

14 : antifaschistische nachrichten 2-2003


: ostritt
Deutschland-Magazin wird geentert
Nach einer Pause von einem Vierteljahr ge der Deutschen Konservativen e.V. ge- er Deutsche Ostdienst, DOD, be-
erschien im Dezember 2002 wieder eine
Ausgabe des Deutschland-Magazins.
Das eigentlich monatlich erscheinende
geben.“
Ob sich hier eine freundliche oder
feindliche Übernahme anbahnt, darüber
D fasst sich in den letzten zwei Aus-
gaben ausführlich mit dem von der
EU in Auftrag gegebenen Frowein-Gut-
Organ der dem äußersten rechten Flügel kann bisher nur spekuliert werden. Der achten, dass zu der Meinung kommt, dass
der Union nahestehenden Deutschland- wegen Volksverhetzung vorbestrafte Sie- die Benes-Dekrete nicht gegen das EU-
Stiftung präsentiert sich in stark redu- gerist positionierte sich in der Vergan- Recht verstoßen. Nachdem Tschechien
ziertem Umfang (24 statt 56 Seiten). genheit im Gegensatz zur Deutschland- auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen am
Chefredakteurin Nadira Hurnaus Stiftung abwechselnd außerhalb und 11./12. Dezember in die EU aufgenom-
schreibt in ihrem Editorial: „(...) Rot- innerhalb der Union und profilierte sich men wurde, bleibt abzuwarten, ob die
Grün führt uns an den Abgrund. Vor die- durch diverse Schmutzkampagnen gegen Vertriebenenverbänden weiterhin hetzen
sem Abgrund steht auch die Deutsch- sozialdemokratische und grüne Politiker. werden. Vermutlich werden sie nicht
land-Stiftung und mit ihr das letzte Er gilt vor allem auch wegen seiner pe- klein bei geben. In der letzten Ausgabe
genuin konservative Monatsmagazin netranten Spendensammelaktionen per wurde keine Stellungnahme zu den EU
Deutschlands. Spenden und Anzeigen Direct-Mail und über aufwändige Anzei- Beschlüsse abgegeben, in Internet eben-
sind drastisch zurückgegangen. Auch un- genschaltungen als wenig seriös. Nach- falls nicht. Im DOD 21/2002 wurde ge-
sere Kassen sind leer, weshalb seit Sep- dem sein Versuch scheiterte, in Lettland gen das Gutachten noch kräftig gehetzt:
tember kein Magazin mehr erscheinen eine politische Partei aufzuziehen und „Wenn Prof. Frowein die Loyalität eines
konnte.“ die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, Bürgers zu seinem Staat als Kriterium für
Frau Hurnaus deutet an, dass der verlagerte er ab Ende der 90er Jahre den Enteignung und Wiedergutmachung von
Bankrott möglicherweise abgewendet Schwerpunkt seiner Aktivitäten nach Unrecht zulässt, hebelt er die Universa-
werden könnte: „Mitte Dezember wer- Deutschland. In den letzten Jahren fiel lität der Menschenrechte aus … Das Gut-
den die Mitglieder der Deutschland-Stif- vor allem eine enge Zusammenarbeit mit achten ist gefährlich für Europa, weil es
tung darber beraten, ob, und wenn ja, wie der „Jungen Freiheit“ ins Auge. im Ergebnis Kollektiventrechtungen für
und unter wessen Ägide die Stiftung Die Notausgabe des Deutschland-Ma- zulässig erklärt. Der Aussöhnung zwi-
überleben kann.“ gazins feiert den Journalisten Gerhard schen Tschechen und Deutschen ist es
Mit ganzseitigen Farbanzeigen spon- Löwenthal (ZDF-Magazin) anlässlich nicht dienlich. Es führt kein Weg dran
sern das schmale Heft Freunde in der seines 80. Geburtstages mit einer aus- vorbei, dass die Tschechische Republik
Not: die Firma Underberg und der „Grü- führlichen Würdigung. Der Autor Fritz selbst unter Beweis stellen muss, dass sie
ne Punkt“, mit kleinformatigen Anzeigen Schenk verschweigt darin allerdings des- in Europa angekommen ist.“
sind der SINUS-Verlag, Krefeld und die sen Aktivitäten gemeinsam mit Siegerist Und dann wird angedeutet, dass die
Zeitschrift Criticon vertreten. Wesentlich Anfang der 80er Jahre in der „Konserva- BdV an dem Thema weiter arbeiten will:
wichtiger ist aber eine Doppelseite eines tiven Aktion“. 1985 kam es zu einer hef- „Nachdem die EU-Kommission in den
„Arbeitskreis Rettet das Deutschland- tigen Kontroverse, als Siegerist eine fortbestehenden Benes-Dekreten nun
Magazin“. In einem als Anzeige aufge- Kampagne der „Konservativen Aktion“ ebenfalls kein Hindernis für den Beitritt
machten Schreiben fordern Heinrich zur Freilassung von Rudolf Hess startete. der Tschechischen Republik sieht, erklärte
Lummer, Dr. Günther Ossmann, Elisa- Löwenthal lief dagegen Sturm, Siegerist die BDV-Präsidentin Erika Steinbach,
beth Hager, Joachim Siegerist, Peter konterte mit antisemitisch gefärbten An- dass die Kommission mit dieser Feststel-
Merck und Casimir Prinz Wittgenstein schuldigungen, bis es schließlich zum lung eine wichtige Chance vertan habe,
dazu auf, Geld auf ein Konto von Joa- Eklat kam und Siegerist seine eigene Or- den Beitrittskandidaten Tschechien zu ei-
chim Siegerists dubiosem Verein „Die ganisation gründete: „Die Deutschen nem menschenrechtskonformen Verhalten
Deutschen Konservativen“ zu überwei- Konservativen“. Löwenthal wird sich zu bewegen. Schwerwiegende Argumente
sen. Mehr als dubios ist die Formulie- gegen den späten Triumph seines Wider- namhafter Europa- und Völkerrechtler …
rung bezüglich der Verwendung der sachers nicht mehr zur Wehr setzen kön- seien beiseite gewischt worden.“
Spenden: nen. Er verstarb am 6. Dezember. Die rechtsextreme Junge Freiheit hat
„Von ihrer Spende werden dem Maga- stj, aus: Archiv-Notizen jetzt in einer Meldung erwähnt, dass bis
zin die lebensrettenden Anzeigenaufträ- Dezember 2002, DISS Duisburg ■ 1990 die Fahnen der „ostdeutschen Pro-
vinzen“ im Eingangsbereich des Deut-
schen Bundestages in Bonn gehangen ha-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über: ben. Die damalige Bundestagspräsidentin
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. Rita Süßmuth hat die Fahnen entfernen
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach
lassen. Mit einer „hausfraulichen List“,
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, wie sie in ihren Memoiren schreibt, wur-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, den die Fahnen „zur Reinigung“ abge-
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, hängt, um die Verhandlungen während
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen mit
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro.
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind
der polnischen Delegation nicht zu ge-
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. fährden. Die Fahnen seien dann nie wie-
der aufgehängt worden. Der Mannheimer
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung CDU-Bundestagsabgeordneter Jüttner
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. hat im Bundestag dazu eine Anfrage ge-
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie stellt, die Bundestagspräsident Thierse
Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein- nicht richtig beantwortet habe: „Ausge-
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Friedenszen-
trum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke (PDS); Jochen Koeni- hend von dem Beschluss zur Verlegung
ger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder des Deutschen Bundestages in die Haupt-
des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nach- stadt Berlin vom 20. Juni 1991“ seien die
richten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Lan-
desleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried Wolf); Volk- Fahnen abgehängt worden.
mar Wölk. DOD, 21-22/2002, Junge Freiheit 3/03 – jöd ■

: antifaschistische nachrichten 2-2003 15


: aus der faschistischen presse
genberg und Uschi Winkelsett, Senden.
Bundesschatzmeister wurde Ralf Goertz
aus Erkelenz. Unter den 15 Beisitzern
Gegen den Krieg gegen werden. Das eigentliche Problem dürfte sind gleich drei Kölner: Dr. Jürgen Hey-
den Irak – in der programmatischen Ausrichtung drich (für die REP im Rat), Daniel Mike
Grund: Antiamerikanismus der Parteien liegen ... So konnten rechte Schöppe und Dieter Baitz, aus Berlin
Parteien in der Vergangenheit .. in der kommen Tibor Haraszti und Dr. Konrad
Junge Freiheit Nr. 3/02 vom 10. Januar Zuwanderungsfrage punkten ... Den eta- Voigt. Bayern ist mit Norbert Mitteldorf,
2003 blierten Parteien ist es unterdessen er- München, und Günter Siegmund, Nürn-
Der drohende Krieg gegen den Irak stößt folgreich gelungen, dieses Thema in der berg, vertreten
bei der Rechten auf Ablehnung. Die Be- öffentlichen Wahrnehmung zu entschär-
gründung für die Ablehnung fasst Günter fen. Damit ist den Rechtsparteien mehr REP im Landtagswahlkampf
Zehm zusammen: „Früher als von vielen und mehr die Existenzgrundlage entzo-
erwartet kommt für Europa die Stunde gen worden.“ Als Ausweg aus dem Di- Republikaner 1-2/2003
der Wahrheit. Entweder wird es zum lemma schlägt das Blatt vor: „Bei keiner Die Ausgabe erscheint als Wahlkampf-
Wurmfortsatz der USA ... oder es findet der klassischen Rechtsparteien ist bisher zeitung für Niedersachsen und Hessen
zu eigener Identität, Einigkeit und Ent- deutlich geworden, mit welchen konkre- und geht dort an alle Haushalte mit Ta-
schlossenheit ... Es kann keine ... Einheit ten – und vor allem realisierbaren – gespost. Unter dem Slogan „Zeit für Pro-
des Westens geben, weil es keinen Wes- Maßnahmen diese dem Niedergang test“, der schon zur Bundestagswahl
ten gibt. Was es gibt, sind zwei miteinan- Deutschlands begegnen wollen. Und so- nicht gezogen hat, wird versucht, die
der verwandte, aber dennoch nach Inter- lange dies so bleibt, wird sich an der Mitgliedschaft zur Kraftanstrengung in
essen und Traditionen unterschiedliche Schattenexistenz dieser Parteien auch den beiden Bundesländern zu mobilisie-
Kulturkreise, die USA auf der einen Sei- nichts ändern.“ ren, damit die Wählerschaft endlich wie-
te und Europa auf der anderen.“ Interes- der den Nutzen dieser Partei einsieht.
sant ist, dass Zehm in dem Augenblick, Karsli will „deutsche“ Viel Chancen haben die Listen wohl
in dem es gegen die USA geht, plötzlich kaum, allerdings gibt es immer noch den
ein einheitliches Europa anführt – eine Partei gründen einen oder anderen REP-Abgeordneten
Vorstellung, die sonst in der Rechten im- Junge Freiheit Nr. 3/02 vom 10. Januar auf kommunaler Ebene. Spitzenkandidat
mer auf Ablehnung stößt. 2003 für Hessen ist Haymo Hoch, der derzeiti-
Zum drohenden Tarifkonflikt im öf- Jamal Karsli stehe kurz davor, eine neue ge Landesvorsitzende, für Niedersachsen
fentlichen Dienst kommentiert Bernd- Partei zu gründen, berichtet das Blatt. In tritt Peter Lauer, Oberstudienrat und Di-
Thomas Ramb in gewerkschaftsfeind- diesen Wochen sollen 3.000 - 4.000 plom-Mathematiker aus Hannover an,
licher Manier: „Wer das Diktat des Flä- Interessenten für ein Gründungstreffen ebenfalls Landesvorsitzender, der sich
chentarifs beibehalten und eine Regiona- angeschrieben werden. Karsli will mit dem Wähler mit den Worten empfiehlt,
lisierung der Tarife verhindert, kann und dieser Partei zur Landtagswahl 2005 in er habe „als Soldat, Offizier und Lehrer
darf der öffentliche Arbeitgeber die Ta- NRW antreten. Er kündigte an, die Partei immer (seine) Pflicht erfüllt“. Na dann...
rifrunde nur scheitern lassen.“ Dass es solle „sozialliberal, interkulturell, frei- In der Kolumne „Der Parteivorsitzen-
überhaupt soweit kommen konnte, liegt denkend und vor allem deutsch“ sein. de hat das Wort“ erläutert Schlierer den
nach Rambs Ansicht an der 68er-Genera- „zentralen Unterschied zwischen Rot-
tion, die jetzt auf dem langen Marsch Personalia Grün-Gelb-Schwarz“ und den REP:
durch die Institutionen sei und unbedingt „Wir wollen überhaupt keine weitere Zu-
streiken wolle. Republikaner 11-12-2002 wanderung mehr, weder geregelt noch
Zur aussichtslosen Lage der Rechten Auf dem Bundesparteitag in Deggendorf ungeregelt. Wir wollen eine rasche und
bei den kommenden Landtagswahlen in Ende letzten Jahres wurde Rolf Schlierer geregelte Rückführung von Ausländern
Niedersachsen und Hessen erläutert Ale- erneut zum Bundesvorsitzenden der „Re- in ihre Heimatländer. Und zwar von je-
xander Griesbach: „Die chronische Er- publikaner“ gewählt (mit 187 von mög- nen Ausländern, die keine Arbeit finden,
folglosigkeit der politischen Rechten lichen 262 Stimmen). Stellvertreter sind nur von Sozialleistungen leben, krimi-
kann freilich nicht nur mit dem öffent- Björn Clemens, Düsseldorf, Johann nell werden, illegal eingereist sind oder
lichen Stigmatisierungsdruck erklärt Gärtner, Kissing, Haymo Hoch, Zwin- sich nicht integrieren wollen ... Wir wol-
len keine Minarette und Muezzins an je-
der Straßenecke. Und wir wollen, dass in
unserem Land Deutsch gesprochen wird,
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
aber nicht Kanaksprak oder Türkisch.“
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: Geplant ist also mal wieder ein rassis-
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro
14-täglich tisch geprägter Wahlkampf, der sämtli-
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
che ausländerfeindlichen Vorurteile be-
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
dient. Bleibt zu hoffen, dass dem Aufruf
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
„Wir müssen für unsere Nation auf die
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 60,- DM). Straße gehen“ nicht allzu
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten viele REP-Wahlhelfer
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) folgen. Diese hetze-
rische Tagespost
Name: Adresse: im Briefkasten
reicht schon.
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts Vielleicht greift
ja der eine oder
Unterschrift
andere Postbote
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
zu dem angemes-
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507 seneren Behältnis.
uld, u.b. ■

16 : antifaschistische nachrichten 2-2003

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